Skip to main content

Full text of "Münchener medizinische Wochenschrift"

See other formats


*  -W* 


■ 

i, 

•  v  JSR  * 

■ 


**  k  <r  V«» 

W.  *  • 


* 

--  •  *  <-\  ,  ,  '  t  r  i'i-t 

.  .  ••••.:♦  W  ;  •  * .  **  **,. 

-  •  * '  r- 

**  '  v  , 

^  *  w?  a  1  *  •  ..  #  i-  4 

■ 


* 

1  m  . 


.»T*  *#> 

%  *  +  *y  ^ 


,  ** 


■Ulf  *  .1 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


HERAUSGEGEBEN 


0. v. Angerer,  Ch.Bäumler,  O.v.Bollinger,  H.Curschmann,  H. Helferich,  W.v.Leube,  6. Merkel,  J. v. Michel,  F.Penzoldt,  H. v.Ranke,  B.Spatz,  F.v.Winckel, 

München.  Freiburgi.B.  München.  Leipzig.  Kiel.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


REDIGIERT 


HOFRAT  Dß-  BERNHARD  SPATZ 

PRAKT.  ARZT. 


LIV.  JAHRGANG. 

II.  Hälfte  (Juli — Dezember). 


MÜNCHEN 

VERLAG  VON  J.  E.  LEHMANN 

1907 


*0.  ng^  £  ö^o-tauT[ 


>«e  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  j.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
6  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/»— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE.  /, 

Herausgegeben  von 

O.dngerer,  CUäumlcr,  O.v.Bollinger,  H. Curschmann,  H. Helferieli,  W.v.Leube,  G. Merkel,  J. v. Michel,  F. Penzoldt,  H.v  Ranke,  B. Spatz,  Fj.Winckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  27.  2.  Juli  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Ueber  Koliinfektionen.*) 

Von  H.  Fehling. 

M.  H.!  Die  Koliinfektion  äussert  sich  im  Fortpflanzungs- 
stadium  in  sehr  verschiedenen  Formen.  Das  bekannteste  Krank¬ 
heitsbild  ist  das  der  Pyelonephritis  gravidarum,  welches  früher 
durch  Opitz  und  in  jüngster  Zeit  durch  Lenhartz  (Münch, 
med.  Wochenschr.  1907  Nr.  16)  eingehende  Bearbeitung  erfahren 
hat.  Ich  will  daher  heute  auf  letzteres  nicht  im  einzelnen  ein- 
gehen,  sondern  nur  wenige  Punkte  hervorheben.  Bekanntlich 
dreht  sich  der  Streit  darum,  ob  die  Pyelonephritis  eine  auf¬ 
steigende  sei  oder,  wie  französische  Autoren  besonders  vertreten, 
eine  absteigende,  durch  Infektion  vom  Blut  aus  vermittelt.  Für 
die  erste  Anschauung  sprechen  für  mich  einige  klinische  Beob¬ 
achtungen,  so  die,  dass  bei  einer  Erstschwangeren  nach  Durch- 
nässung  durch  unwillkürlichen  Urinabgang  infolge  der  Un¬ 
möglichkeit,  sich  in  den  nächsten  Stunden  trocken  zu  machen, 
eine  Zystitis  und  daran  anschliessend  eine  Pyelonephritis  folgte. 
Wahrscheinlich  war  das  durchnässte  Hemd  der  Nährboden 
für  vom  Anus  stammende  Kolibazillen,  welche  dann  noch  in  der 
Urethralschleimhaut  der  Schwangeren  an  der  äusseren  Ure¬ 
thralmündung  einen  guten  Nährboden  fanden.  Eine  andere 
Erstschwangere  besorgte  die  Reinigung  im  Bade  so  gründlich, 
aber  wohl  in  falscher  Richtung,  so  dass  sich  Blasenkatarrh  und 
eine  Pyelonephritis  anschloss.  In  diesen  Fällen  ist  stets  zuerst 
Blasenkatarrh  vorhanden  und  im  Urin  der  Blase  Reinkultur 
von  Kolibazillen,  der  Urin  kann  im  akuten  Stadium  ganz  weiss 
wie  Milch  aussehen.  Anders  bei  postoperativen  Blasen¬ 
katarrhen,  wo  Katheterismus  nötig  war.  Da  treten  stets  zuerst 
Staphylokokken  oder  Streptokokken  im  Urin  auf  und  erst  viel 
später  Kolibazillen. 

Wie  es  scheint,  bleibt  der  Krankheitsprozess  meist  ein 
lokaler,  die  Kolibazillen  treten  selten  in  die  Blutbahn  über; 
Lenhartz  konnte  in  all  seinen  Fällen  nur  einmal  2  Kolo¬ 
nien  Kolibazillen  im  Blut  nachweisen.  In  einem  auf  unserer 
Klinik  beobachteten  Fall  schwerer  Pyelonephritis  in  der 
Schwangerschaft,  wobei  mindestens  14  Tage  lang  ante  partum 
ein  fieberhafter  Prozess  vorhanden  war,  erwies  sich  bei  der 
Geburt  das  Blut  der  Mutter  lind  des  Fötus  steril.  Am  4.  Tag 
des  Wochenbetts  trat  Entfieberung  auf,  die  Bakteriurie  dauerte 
aber  noch  länger  an.  Nach  14  Tagen  ergab  das  Mutterblut¬ 
serum  Agglutination  auf  Urin  Kolibazillen  bis  auf  1  :  250  positiv. 
Man  könnte  daraus  den  Schluss  ziehen,  dass  in  diesem  Fall 
Kolibazillen  im  Blut  der  Mutter  waren,  muss  aber  doch  daran 
denken,  ob  die  agglutinierenden  Substanzen  nicht  aus  dem 
Fötusblut  durch  •  die  Plazentarscheidewand  in  das  mütter¬ 
liche  Serum  übergetreten  sind.  Weitere  vergleichende  Unter¬ 
suchungen  des  mütterlichen  und  fötalen  Blutes  in  bezug  auf 
seine  Agglutination  werdenKlarheit  darüber  geben,  ob  hierbei  die 
Kolibazillen  ins  Blut  der  Mutter  übertreten. 

Die  Pyelonephritis  in  der  Schwangerschaft  kann  unter  Um¬ 
ständen  sehr  bedenklich  werden.  Dauert  der  fieberhafte  Pro¬ 
zess  sehr  lange,  besonders  wenn  zu  der  Erkrankung  der  rechten 


*)  Der  für  die  Versammlung  der  Deutsch.  Gesellsch.  f.  Gynäkol. 
in  Dresden  angemeldete  Vortrag  wurde  wegen  Zeitmangel  nicht  ge¬ 
halten. 

No.  27. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Niere  auch  die  der  linken  hinzutritt,  dann  kann  spontane  Früh¬ 
geburt  eintreten.  In  anderen  Fällen  ist  man  genötigt,  ohne 
Rücksicht  auf  das  Kind  und  im  Interesse  der  Mutter, 
die  Frühgeburt  einzuleiten.  Vor  einiger  Zeit  sah  ich 
einen  Fall  in  Konsultation,  wo  ein  zugezogener  be¬ 
kannter  Chirurg  die  Niere  herausnehmen  wollte;  ich 
protestierte  dagegen  und  nach  eingeleiteter  künstlicher 
Frühgeburt  erlosch  der  Prozess  von  selbst.  Nach  Jahresfrist 
gebar  Patientin  nach  glatt  verlaufender  Schwangerschaft 
normal. 

Während  allem  Anschein  nach  die  Infektion  der  Urethral¬ 
schleimhaut  in  der  Schwangerschaft  sehr  leicht  möglich  ist,  ist 
für  gewöhnlich  der  obere  Teil  der  Vagina  und  der  Zervix 
gegen  Kolibazillen  geschützt.  Schumacher  wies  seinerzeit 
durch  Versuche  an  der  hiesigen  Klinik  nach,  dass  auch  im  Bad 
für  gewöhnlich  keine  Keime  in  die  Höhe  dringen. 

Darum  haben  wir  auch  nur  zwei  einwandfreie  Fälle  von 
Kolieinwanderung  in  die  Uterushöhle  bei  Schwangeren  gesehen. 

Im  1.  Fall  handelt  es  sich  um  eine  intern  nicht  untersuchte 
Erstschwangere,  welche  mit  Blasenkatarrh  und  rechtsseitiger  Pyelo¬ 
nephritis  in  die  Beobachtung  kam.  10  Tage  lang  bestand  im  7.  Monat 
hohes  Fieber,  worauf  spontane  Frühgeburt  eintrat.  Das  Blut  der 
Mutter  war  steril,  das  Nabelvenenblut  des  Kindes  enthielt  Kolibazillen, 
ebenso  das  Uterussekret.  Mit  der  Geburt  Entfieberung  und  rasche 
Abheilung.  Im  Herzblut  des  nach  24  Stunden  gestorbenen  Kiltes 
ebenfalls  Kolibazillen. 

In  einem  2.  Fall  kam  eine  junge  Erstgebärende  fiebernd  im 
7.  Monat  in  die  Klinik  —  objektiv  nur  krampfartige  Schmerzen  im 
Abdomen  — ,  bei  deren  Untersuchung  sämtliche  Organe  sich  als  nor¬ 
mal  erwiesen.  Daher  die  Diagnose  auf  Infektion  der  Uterushöhle  ge¬ 
stellt.  Einleitung  der  Geburt  durch  Blasenstich,  Fruchtwasser,  unter 
allen  Kautelen  aufgefangen,  enthielt  Bact.  coli,  daneben  Strepto-  und 
Staphylokokken.  Blut  der  Mutter  und  Nabelvene  steril.  Kind  starb 
nach  24  Stunden.  Im  Herzblut  Kolibazillen  neben  Kokken.  Sofort 
mit  Entleerung  der  Uterushöhle  traten  Entfieberung  und  Heilung  ein. 

Ich  möchte  diese  beiden  Fälle  so  deuten,  dass  ausnahms¬ 
weise  Kolibazillen  in  der  Schwangerschaft  in  die  Uterushöhle 
gelangten,  dass  dieselben  die  Eihäute  durchwanderten  und 
vom  Fötus  mit  dem  Fruchtwasser  verschluckt  wurden.  Daher 
in  beiden  Fällen  die  Infektion  der  Uterushöhle,  die  schwere 
Infektion  des  Fötus,  während  die  Mutter  sich  rasch  erholte. 

Diese  Fälle  zeigen  also  dieselbe  Infektionsmöglichkeit  beim 
Menschen,  wie  Hellen  dahl  dieselben  durch  Versuche  fürs 
Tier  erwies.  Bei  genauer  Untersuchung  solcher  scheinbar 
grundlos  in  der  Schwangerschaft  fiebernder  Fälle  wird  sich 
wohl  meist  ein  ätiologisches  Moment  in  einer  Mikrokokken¬ 
infektion  der  Uterushöhle  finden  lassen,  so  dass  man  nicht  nötig 
hat,  wie  in  dem  jüngst  von  Blumreich  veröffentlichten  Fall, 
auf  eine  essentielle  Fieberursache  in  der  Entwicklung  der  Fötus 
zurückzugreifen. 

Endlich  kann  es,  wenn  auch  zum  Glück  selten,  im  Wochen¬ 
bett  zu  einer  Koliinfektion  kommen.  Eine  solche  habe  ich  nach 
Hebosteotomie  beobachtet,  der  einzige  Fall,  den  ich  unter  den  19 
in  der  Klinik  durch  Pubiotomie  entbunden  verlor.  Nach  der  Pu- 
biotomie  musste  des  Kindes  wegen  die  Zange  und  später  auch  die 
Plazentarlösung  gemacht  werden.  Ein  geplatztes  Hämatom 
bedingte  Kommunikation  der  Scheide  mit  der  Knochenwunde. 
Trotzdem  dass,  wie  bei  allen  Operationen,  After-Dammschutz 
gemacht  worden  war,  trat  am  3.  Tage  Fieber  ein,  mit  nach¬ 
folgenden  Schüttelfrösten  und  frühzeitigen  Zeichen  schwerer 
Lungeninfektion.  Vom  40.  Tage  ab  konnte  nach  den  Schiittel- 

1 


V 


110294 


1314 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


frosten  im  Blutserum  der  Mutter,  in  den  Sputis,  im  Urin  und 
Schweiss  Bacterium  coli  in  Reinkultur  nachgewiesen  werden. 
Im  fieberlosen  Stadium  war  das  Blut  steril.  Intravenöse  Kollar- 
golinjektionen  hatten  nur  vorübergehenden  Erfolg.  Die  Frau 
erlag  am  68.  Tage.  Die  Sektion  ergab  eine  reine  Kolisepsis, 
ausgehend  von  der  Knochenwunde,  mit  Parametritis  sin.  und 
Thrombophlebitis  ven.  param.  sin.  Dass  von  Knochenfrak¬ 
turen  Koliinfektion  ausgeht,  wurde  von  Roncali  für  chirur¬ 
gische  Verletzungen  nachgewiesen.  Es  ist  dies  der  8.  Fall  von 
reiner  Kolisepsis,  welcher  in  der  Literatur  beschrieben  ist.  Es 
ergibt  sich  für  mich  aus  diesem  unglücklichen  Verlauf  der 
Schluss,  dass  die  subkutane  Knochendurchsägung  vorzuziehen 
ist,  weil  die  Kommunikation  der  Knochenwunde  nach  aussen 
eher  vermieden  wird.  Ferner  erscheint  die  Anwendung  des 
Dauerkatheters  für  die  ersten  Tage  rationell  und  möglichst 
Druckverband. 

Im  allgemeinen  müssen  die  zahlreichen  Möglichkeiten  der 
Koliinfektion  bei  Schwangeren  uns  veranlassen,  Schwangere 
und  Hebammen  zu  belehren,  dass  die  Reinigung  der  Vulva  von 
grosser  Bedeutung  ist  und  dass  Reinigung  in  falscher  Rich¬ 
tung  direkt  zur  Infektion  führen  kann. 


Ueber  ein  Asthma-Inhalationsmittel. 

Von  Prof.  Dr.  Alfred  Einhorn. 

Vor  etwa  4  Jahren  ersuchte  mich  ein  befreundeter  Arzt, 
das  T  u  c  k  e  r  sehe  Geheimmittel  gegen  Asthma,  welches  wegen 
seiner  in  vielen  Fällen  sehr  prompten  Wirkung  von  den  Pa¬ 
tienten  gerne  angewendet  wird  und  sehr  verbreitet  ist,  einer 
chemischen  Prüfung  zu  unterziehen,  um  die  Substanzen  kennen 
zu  lernen,  auf  welchen  sein  therapeutischer  Effekt  beruht  und 
um  diese  den  Patienten  in  reiner  Form  an  Stelle  des  unkon¬ 
trollierbaren  Geheimmittels  verordnen  zu  können. 

Seitdem  sind  von  verschiedenen  Autoren  Publikationen 
über  die  Zusammensetzung  des  T  u  c  k  e  r  sehen  Mittels  erfolgt, 
die  jedoch  keineswegs  zu  übereinstimmenden  Resultaten  ge¬ 
führt  haben;  so  hat,  um  nur  einige  Beispiele  anzuführen,  Auf¬ 
recht1)  angegeben,  dass  das  Mittel 

salzsaures  Kokain .  1  Proz. 

•  Kalisalpeter .  5  „ 

Glyzerin . 35  „ 

Bittermandelwasser . 30  „ 

Wasser . 25  „ 

Pflanzenextraktivstoffe .  4  „ 

enthält.  Bertram2)  fand  in  demselben 

Atropin  ...  • .  0,856  Proz. 

Salpetrige  Säure .  2,683  „ 

Natrium . 1,314  „ 

Trockenrückstand  . 5,52  „ 

Glührückstand . 4  „ 

ausserdem  Glyzerin,  Wasser  und  Schwefelsäure,  und  Ansel- 
m  ino8)  gibt  an,  dass  die  Zusammensetzung  des  Geheimmittels 
zu  wechseln  scheint,  da  eine  von  ihm  untersuchte  Probe  Blau¬ 
säure  (Bittermandelwasser)  und  wahrscheinlich  auch  Kokain 
enthält,  eine  andere  hingegen  keine  Blausäure,  dagegen  aber 
Nitrit  und  sicher  auch  Atropin  neben  Kokain. 

Ich  habe  die  Anwesenheit  von  Blausäure  in  dem  T  u  c  k  e  r  - 
sehen  Mittel,  trotzdem  ich  verschiedene  Proben  darauf  geprüft 
habe,  niemals  nachweisen  können.  Nach  meinen  Unter¬ 


suchungen  enthält  dasselbe 

Kokain . ca.  1  Proz. 

Salpetrige  Säure  ....  2,6  „ 

Glyzerin . ca.  30  „ 


ferner  Wasser,  anorganische  Salze,  darunter  Kochsalz  und 
ausserdem  undefinierbare  Extraktivstoffe,  die  wahrscheinlich 
pflanzlicher  Natur  sind.  In  einem  Fläschchen  fand  ich  einmal 
ein  Pflanzenpartikelchen,  welches  sich  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  als  gewöhnliches  Gras  zu  erkennen  gab. 

Atropin  habe  ich  in  Substanz  nicht  aus  dem  Mittel  zu  iso¬ 
lieren  vermocht,  der  physiologische  Versuch  erwies  jedoch  zur 
Evidenz,  dass  es  in  demselben  enthalten  ist. 

Gemäss  den  Resultaten  dieser  analytischen  Prüfung  habe 
ich  verschiedene  Inhalationsmittel  zusammengestellt,  welche 


*)  Pharmazeut.  Ztg.  1903,  No.  48,  S.  585. 

2)  Zentralbl.  f.  innere  Med.  1905,  No.  5.  S.  140. 
:1)  Pharmazeut.  Zentr. -Halle  1906. 


1  Proz.  Kokain,  wechselnde  Mengen  Atropin  und  salpetrigsaures 
Natron  und  die  entsprechenden  Quantitäten  Glyzerin  und 
Wasser  enthielten  und  dieselben  mittelst  des  Sprayapparates 
bei  Asthmatikern  prüfen  lassen.  Die  Resultate,  welche  mit  allen 
diesen  Mischungen  erhalten  wurden,  waren  jedoch  recht  wenig 
befriedigend,  da  es  nur  in  einigen  vereinzelten  Fällen  gelang, 
mit  denselben  Asthmaanfälle  wirklich  zu  coupieren. 

Ich  bin  dann  dazu  übergegangen  die  salpetrigsauren  Salze 
des  Kokains  und  Atropins,  welche  in  dem  T  u  c  k  e  r  sehen  Ge¬ 
heimmittel  in  Lösung  vorhanden  sind,  in  reinem  Zustand  darzu¬ 
stellen  um  die  Wirkung  der  reinen  bisher  unbekannten  Salze 
kennen  zu  lernen. 

Unter  Beobachtung  der  üblichen  Vorsichtsmassregeln  ge¬ 
lingt  es  durch  Einwirkung  von  salpetriger  Säure  auf  die  Al¬ 
kaloide  etc.  das  Kokainnitrit  in  grossen  glänzenden  Prismen 
vom  Schmelzpunkt  65 — 66°  und  das  Atropinnitrit  in  prismati¬ 
schen  Nadeln  vom  Schmelzpunkt  120 — 122  0  zu  erhalten,  welche 
beim  Erhitzen  die  salpetrige  Säure  leicht  abgeben  und  in  Wasser 
mit  neutraler  Reaktion  spielend  leicht  löslich  sind.  Die  thera¬ 
peutischen  Versuche,  welche  in  wässriger  Glyzerinlösung  mit 
jedem  dieser  Salze  in  den  verschiedensten  Konzentrationen  an¬ 
gestellt  wurden,  führten  ebenfalls  sämtlich  zu  einem  unbe¬ 
friedigenden  Abschluss,  erst  als  dazu  übergegangen  wurde,  die 
Mischungen  der  beiden  Alkaloidnitrite  zu  versprayen,  besserten 
sich  die  Resultate  wesentlich  und  schliesslich  wurden  mit  einer 
Inhalationsflüssigkeit  von  folgender  Zusammensetzung: 

Kokainnitrit .  1,028  Proz. 

Atropinnitrit . 0,581  „ 

Glyzerin . 32,16  „ 

Wasser .  66,23  „ 

bei  normalem  Bronchialasthma  stets  befriedigende  Resultate  er¬ 
zielt,  wie  aus  den  Berichten  hervorgehen  wird,  die  hierüber  von 
berufener  Seite  demnächst  veröffentlicht  werden  sollen. 

Zur  Versprayung  der  Inhalationsflüssigkeit  ist  ein  guter  Oel- 
zerstäuber  erforderlich,  welcher  nach  den  Messungen  Ber- 
t  r  a  m  s 4)  in  3  Minuten  0,0122  g  Flüssigkeit,  mithin  nur  0,000125g 
Kokainnitrit  und  0,000070  Atropinnitrit  verspritzt.  Ich  fand  nun 
allerdings  im  Handel  Apparate  vor,  welche  in  3  Minuten  ca. 
5  mal  soviel,  nämlich  0,060  g  Inhalationsflüssigkeit  versprayen. 
Nichtdestoweniger  kann  man  erforderlichen  Falles  die  Inhala¬ 
tionen  an  einem  Tage  doch  häufiger  vornehmen  lassen  ohne 
auch  nur  im  geringsten  eine  Intoxikation  durch  die  stark  wir¬ 
kenden  Alkaloidsalze  befürchten  zu  müssen.  In  der  Tat  sind 
denn  auch  während  der  mehrjährigen  Probezeit  Vergiftungs¬ 
fälle  niemals  zur  Beobachtung  gelangt. 

Die  Inhalationsflüssigkeit  ist  von  Dr.  Albert  Bernard 
Nachfolger,  Einhornapotheke,  Berlin  C,  Kurstrasse  34/35  zu  be¬ 
ziehen  und  liefert  diese  Firma  auch  einen  geeigneten  Spray¬ 
apparat.  _  .  i 


Aus  dem  allgemeinen  Krankenhaus  St.  Georg  in  Hamburg. 

Ueber  die  Gefässversorgung  des  Mastdarmes  in  Hin¬ 
sicht  auf  die  operative  Gangrän.*) 

Von  Dr.  P.  Sudeck,  Oberarzt. 

Zwei  eigene  Fälle  von  operativer  Gangrän  des  karzinoma- 
tosen  Mastdarms,  die  beide  Male  zum  Tode  führte*  sowie  die 
Diskussion  des  vorjährigen  Chirurgenkongresses  veranlassten 
mich,  mich  über  die  Ernährungsverhältnisse  des  Mastdarms 
genauer  zu  orientieren. 

Die  Gangrän  des  Mastdarms  mit  nachfolgender  Sepsis  gilt 
als  eine  der  Hauptgefahren  der  hohen  Mastdarmexstirpation 
und  ihre  Vermeidung  ist  ein  bislang  noch  nicht  gelöstes  Pro¬ 
blem,  wie  dies  in  den  letzten  Jahren  wiederholt  offen  aus¬ 
gesprochen  wurde  (R  e  h  n,  K  ii  m  mell,  Körte,  Heul  e, 
Gussenbaue  r). 

Die  anatomischen  Lehrbücher  zeigen  uns  die  Ernährungs¬ 
verhältnisse  des  Mastdarms  so,  wie  wir  sie  an  dem  Injektions¬ 
präparat  Fig.  1  erkennen.  Die  Art.  meseraica  inferior  (2)  teilt 
sich  in  die  A.  colica  sin.  (3)  und  die  A.  haemorrhoidalis  Supe¬ 
rior  (4).  Die  A.  colica  sin.  versorgt  das  Colon  descendens 


4)  Bertram:  Zentralbl.  f.  innere  Med.  1905,  S.  140. 

*)  Nach  einem  Vortrag  in  der  biologischen  Abteilung  des  Aerztl. 
Vereins  in  Hamburg  am  7.  Mai  1907. 


2.  Juli  1907.  _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  _  1315 


und  anastomosiert  mit  der  A.  meseraica  superior  (l).  Sie 
sendet  ausserdem  einen  Ast  zur  Flexura  sigmoidea  (5). 

Die  A.  haemorrhoidalis  superior  verläuft  in  situ  in  ziem¬ 
lieh  gerader  Fortsetzung  des  Stammes  de,r  A.  meseraica  inf. 
im  Mesorektum  an  der  hinteren  Seite  des  Mastdarms,  wo  sie 
sich  in  2  grössere  Aeste  teilt  (8).  In  ihrem  Verlaufe  gibt  sie 
einen  oder  mehrere  Aeste  zur  Flexura  sigmoidea  ab  (6).  Die 


2.  A.  meseraica  inferior 


3.  A.  colica  sin. 

4.  A.  haemorrhoidalis  superior 

5.  Ast  zur  Flexura  sigmoidea 

6.  Ast  zur  Flexura  sigmoidea 

7.  Einmündung  der  letzten 

Vollanastomose. 

8.  Teilung  der  A.  haemorrh. 
superior. 


Fig.  1.  Normales  Injektionspräparat.  Injektion  in  die  Art.  meseraica 

inferior. 


Zahl  und  Anordnung  der  Abzweigungen,  die  von  beiden  Seiten 
zur  Flexura  sigmoidea  gelangen,  ist  wechselnd.  Man  ver¬ 
gleiche  z.  B.  Fig.  4,  wo  der  in  Fig.  1  mit  5  bezeichnete  Flexur- 
ast  nicht  von  der  Art.  colica  sin.,  sondern  von  der  Art.  haemor¬ 
rhoidalis  superior  abgeht.  In  Fig.  2  geht  ein  grösserer  Flexur- 
ast  nur  von  der  Art.  haern.  sup.  ab. 


A.  meseraica  inf. 
A.  colica  sin. 
A.  haem.  sup, 
Flexurast 


Kritischer  Punkt  (letzte  Voll¬ 
anastomose) 

Unterbindungsstelle 


Umschlagstelle  des  Peritoneums 


Fig.  2.  Unterbindung  des  Stammes  der  Art.  haem.  sup.  unterhalb 
des  kritischen  Punktes  X.  Trotzdem  sind  die  Mastdanngefässe  gefüllt, 
weil  die  kleinen  Anastomosen  sorgfältig  geschont  sind. 


Alle  diese  Arterien  sind  durch  Anastomosen  miteinander 
verbunden,  teilweise  durch  mehrere  Gefässbogen  übereinander, 
meistens  nur  durch  einen  Gefässbogen.  Die  Anastomosen 
liegen  in  der  Flexurgegend  im  ganzen  etwas  mehr  als  am 


Kolon  vom  Darm  entfernt  (gegen  das  Zentrum  des  Kreisbogens 
hin,  den  der  Darm  bildet),  so  dass  man  sie  nicht  eigentlich 
„Randgefässe“  nennen  kann,  wie  dies  bei  den  Kolonanasto- 
mosen  oft  geschieht. 

Während  nun  sonst  im  allgemeinen  die  Anastomosen  zwi¬ 
schen  den  Arterien  des  Körpers  von  geringem  Kaliber  sind,  so 
dass  bei  Ausschaltung  eines  grösseren  Astes  die  Anastomosen 
zur  völligen  Ausbildung  und  Uebernahme  der  vollen  Funktion 
einer  gewissen  Zeit  bedürfen,  haben  bekanntlich  die  Anasto¬ 
mosen  der  Darmarterien  die  Eigentümlichkeit,  dass  sie  nicht 
nur  sehr  reichlich  vorhanden,  sondern  auch  von  so  starkem 
Kaliber  sind,  dass  sie  in  jedem  Augenblick  die  Funk¬ 
tion  eines  ausgeschalteten  Astes  übernehmen  können.  Ohne 
diese  Einrichtung  würde  es  infolge  verschiedenen  Füllungs¬ 
zustandes  der  Därme  und  besonders  durch  vorübergehende 
ungünstige  Lagerungen  und  Abknickungen  an  den  beweglichen 
Darmteilen  leicht  zur  Gangrän  kommen. 

Diese  Einrichtung  der  Vollanastomosen  besteht  nur  an  den 
beweglichen  Darmteilen,  nicht  an  dem  unbeweglichen  Rektum. 
Die  letzte  grosse  Anastomose  befindet  sich  in  Fig.  1  am  Punkte 
X  und  an  jedem  der  übrigen  Präparate  kann  man  mit  aller 
Deutlichkeit  die  Einmündung  der  untersten  Vollanastomose 
feststellen.  Ausserdem  bestehen  dann  noch  zahllose  feine 
Anastomosen,  wie  an  den  Arterien  des  übrigen  Körpers. 

Für  die  Operation  der  Mastdarmexstirpation  oder  -re- 
sektion  stehen  folgende  wichtige  Tatsachen  fest:  Der  Mast¬ 
darm  wird  zur  Hauptsache  durch  die  A.  haemorrhoidalis 
superior  ernährt.  Die  A.  haem.  media  und  inferior  können  ohne 
Gangrängefahr  unterbunden  werden.  Jedoch  lässt  sich  ohne 
Unterbindung  und  Durchschneidung  der  A.  haemorrhoidalis 
sup.  der  Mastdarm  nur  eine  kleine  Strecke  vorziehen  und  für 
eine  hohe  Amputation  ist  die  Durchschneidung  der  A.  haem. 
sup.  unerlässlich,  weil  diese  Arterie  in  fast  gerader  Linie  von 
der  Aorta  bis  zum  Mastdarm  verläuft  und  das  Herabziehen 
des  Darmes  verhindert.  Nach  ihrer  Durchschneidung  ist  das 
Rektum  in  der  ausgiebigsten  Weise  mobilisiert  und  kann  leicht 
so  tief  herabgezogen  werden,  wie  man  wünscht.  Eine  wie 
grosse  Bewegungsfreiheit  man  dabei  gewinnt,  lehren  ohne 
weiteres  die  Figuren  4  und  5,  die  beide  dasselbe  Präparat 
darstellen,  das  erste  Mal  in  natürlichem  Zustande,  das  zweite 
Mal  nach  Durchschneidung  des  Stammes  der  A.  haem.  sup. 

Also  bei  einer  hohen  Rektumamputation  muss  die  A.  haem. 
sup.  durchschnitten  werden  und  die  einfachste  Ueberlegung 
sagt  uns,  dass  diese  Durchschneidung  oberhalb  des  kritischen 
Punktes  X  geschehen  muss,  d.  h.  oberhalb  der  Einmündung 
dei  letzten  Vollanastomose.  Ob  sie  oberhalb  oder  unter¬ 
halb  des  Abganges  des  Flexurastes  geschieht,  muss  gleich¬ 
gültig  sein. 

Um  dieser  Ueberzeugung,  soweit  es  im  Leichenexperiment 
möglich  ist,  einen  festen  Grund  zu  geben,  machte  ich  Injektions¬ 
präparate.  Am  geeignetsten  erschien  mir  eine  Aufschwem¬ 
mung  von  Mennige  (Bleioxyd)  in  Oel,  die  ohne  Erwärmung 
oder  sonstige  Vorbereitung  ohne  weiteres  injiziert  werden 
kann.  Diese  dickliche  Aufschwemmung  hatte  für  meinen 
Zweck  den  Vorzug,  dass  sie  nicht  so  gar  leicht  in  die  kleinsten 
Gefässe  eindringt  und  nicht,  wie  z.  B.  die  erwärmte  graue 
Salbe  durch  die  Kapillaren  hindurch  die  Venen  füllt.  Das  so 
injizierte  Präparat  wurde  dann  röntgenographiert  und  ich  ge¬ 
wann  so  auf  sehr  einfache  Weise  recht  anschauliche  Bilder. 

Das  Resultat  war  folgendes:  Bei  Unterbindung  der 
A.  haem.  sup.  unterhalb  des  kritischen  Punktes  füllten  sich 
die  Gefässe  des  Rektums  in  einzelnen  Fällen  mit  der  Injektions¬ 
flüssigkeit,  wenn  die  feineren  Anastomosen  sorgfältig  geschont 
waren  (Fig.  2),  was  bei  vorangegangener  Rektumexstirpation 
kaum  möglich  ist;  in  den  meisten  Fällen  jedoch  blieb  das 
Rektum  fast  ganz  leer,  wovon  Fig.  3  ein  Beispiel  ist.  Wenn 
aber  die  Unterbindung  an  irgend  einem  Punkte  oberhalb  des 
kritischen  Punktes  geschah,  sei  es  unterhalb  des  Abganges 
der  Sigmoidea  (Fig.  4  u.  5)  oder  zwischen  Sigmoidea  und  Ab¬ 
gang  der  A.  colica  sin.,  so  füllte  sich  das  ganze  Gefässgebiet 
des  Mastdarmes  genau  so  leicht,  als  ob  gar  keine  Unterbindung 
gemacht  worden  wäre.  Ja  sogar  bei  Unterbindung  aller  Aeste 
der  A.  meseraica  inferior  füllte  sich  ohne  die  geringste  An¬ 
strengung  das  ganze  Stromgebiet  der  unterbundenen  Arterie 
bei  Injektion  von  der  A.  meseraica  superior  aus  (Fig.  6). 

1* 


1316 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


Man  darf  wohl  daraus  schliessen,  dass  wahrscheinlich 
die  Unterbindung  und  Durchschneidung  des  Stammes  der 
A.  haem.  sup.  an  irgend  einer  Stelle  oberhalb  der  letzten  Voll- 
anastomose  oder,  wie  ich  kurz  sagen  will,  die  hohe  Unter¬ 
bindung  der  A.  haemorrh.  inf.  am  Lebenden  keine  erhebliche 
Ernährungsstörung  des  Mastdarmes  zur  Folge  haben  wird, 


kranken  Gewebes  und  somit  für  eine  günstigere  Statistik  der 
Dauerheilungen  böte. 

Leider  hat  sich  die  kombinierte  Operationsmethode  bisher 
als  zu  gefährlich  erwiesen,  da  relativ  viele  Operierte  am 
Kollaps  sterben,  besonders  für  Männer  ist  die  Methode  gefähr¬ 
lich.  Eine  Besserung  erwartet  Kraske  von  der  zunehmenden 


V  > 


Y-vl!  \ 

ZlL.  ' 


Fig.  3. 

$ 

Unterbindung  des 
Stammes  der  Art. 
haem.  sup.  unter¬ 
halb  des  kritischen 
Punkt.  X.  DieMast- 
darmgefässe  sind 
leer  geblieben. 


V 


-äM 


wobei  vorausgesetzt  ist,  dass  die  Unterbindung  nicht  die  ganze 
Mesoflexur  mitfasst  und  dadurch  auch  gleichzeitig  die  Anasto- 
mosen  unwegsam  macht,  während  bei  der  tiefen  Unterbindung 
die  Ernährung  des  Mastdarmes  gefährdet  ist  und  zwar  um  so 
mehr,  je  mehr  die  kleineren  Anastomosen  verletzt  wurden. 


Kritischer  Punkt  X 


A.  colica  sin. 
A.  meseraica  inf. 
A.  haem.  sup. 


Fig.  5.  Dasselbe  Präparat  wie  Fig.  4.  Die  Arterie  ist  an  der  Unter¬ 
bindungsstelle  durchschnitten,  um  die  dadurch  erreichte  Mobilisierung 

des  Mastdarmes  zu  zeigen. 


A.  colica  sin.  - 
A.  meseraica  inf. 

A.  haemorrhoidalis  superior 
Unterbindungsstelle 


Kritischer  Punkt  X 


Fig.  4.  Unterbindung  des  Stammes  der  Art.  haem.  sup.  oberhalb  des 
kritisches  Punktes  X.  Die  Mastdarmgefässe  sind  vollkommen  gefüllt. 


Für  die  Operation  der  Mastdarmkarzinome,  wie  überhaupt 
für  die  Exstirpation  des  Rektums,  würde  sich  daraus  der  Grund¬ 
satz  ergeben,  in  allen  Fällen,  in  denen  der  Stamm  der  A.  haem. 
inf.  zur  Mobilisierung  durchschnitten  werden  muss,  diese 
Durchschneidung  von  vorneherein  nach  hoher  Unterbindung 
auszuführen.  Dies  kann  allerdings  mit  Sicherheit  nur  durch 
eine  Laparotomie  geschehen,  und  man  würde  auf  diesem 
Wege  zur  prinzipiellen  abdomino-perinealen  Methode  ge¬ 
langen,  die  von  Kraske  als  die  erstrebenswerte  Operation 
und  die  Operation  der  Zukunft  hingestellt  wurde,  weil  sie  am 
meisten  Gewähr  für  möglichst  gründliche  Entfernung  alles 


Ufcbung  und  Erfahrung  und  Rehn  hoffte,  der  Gefahr  des  Kol¬ 
lapses  dadurch  zu  begegnen,  dass  er  die  Operation  zweizeitig 
ausführte.  Dieser  Gedanke  muss,  wie  mir  scheint,  so  zu  ver¬ 
wirklichen  sein,  dass  man  zunächst  die  hohe  Unterbindung  und 
Durchschneidung  der  A.  haem.  sup.  ausführt,  von  der  Unter¬ 
bindungsstelle  aus  einen  Schnitt  durch  das  Peritoneum  der 


Anastom.  mit  der  A.  colica  sin. 
A.  meseraica  sup.  (unterbunden) 

A.  haem.  sup.  (unterb.) 


.  Kritischer  Punkt  X 


Fig.  6. 

Alle  Aeste  der  Art. 
meseraica  inferior  sind 
unterbunden.  Injektion 
von  der  Art.  meseraica 
sup.  Das  ganze  Strom¬ 
gebiet  der  Art.  meser. 
inf.  ist  gefüllt. 


Mesoflexur  an  ihrem  Ansatz  um  das  Rektum  herum  und  an  der 
anderen  Seite  wieder  zur  Unterbindungsstelle  zurückführt, 
eventuell  noch  den  Mastdarm  von  oben  stumpf  löst  und  dann 
die  Bauchhöhle  schliesst.  Die  Exstirpation  des  Mastdarmes 
würde  man  dann  von  unten  in  einer  zweiten  Sitzung  machen 
können. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1317 


Doch  will  ich  mich  hierbei  nicht  länger  aufhalten,  denn 
dieses  sind  zunächst  nur  Pläne,  nach  denen  ich  mir  für  die 
Zukunft  zu  handeln  vorgenommen  habe.  Resultate  kann  ich 
einstweilen  noch  nicht  aufweisen. 


Aus  dein  St.  Josephshause  Heidelberg  (Direktor:  Geheimrat 

F  1  e  i  n  e  r). 

Beitrag  zur  Klinik  des  Magengeschwüres  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  Pylorospasmus  und  der  Hyper¬ 
sekretion. 

Von  Dr.  F.  Best. 

Das  klinische  Bild  des  Magengeschwürs  ist  ein  überaus 
wechselndes.  Je  häufiger  man  Gelegenheit  hat,  an  Magen¬ 
geschwür  Leidende  zu  beobachten,  je  mehr  kommt  man  zur 
Ueberzeugung,  dass  es  weder  bezüglich  der  Diagnose,  noch 
der  Behandlung  ein  Schema  gibt,  nach  dem  man  sich  richten 
kann,  sondern  dass  jeder  Fall  individuell  aufgefasst  sein  will. 
Wenn  nicht  eine  profuse  Blutung  durch  Erbrechen  oder  durch 
den  Darm  als  unzweideutiges  Geschwürssymptom  sich  ein¬ 
gestellt  hat,  wird  man  aus  den  angegebenen  Beschwerden  von 
Seiten  der  Patienten  ohne  chemische  Untersuchung  des  Magen¬ 
saftes  zu  keiner  sicheren  Diagnose  kommen.  Oft  finden  wir 
nach  der  Magenprobe  nur  einen  einfachen  Katarrh  mit  Salz¬ 
säuremangel,  wo  wir  nach  den  für  Ulcus  als  typisch  geltenden 
Klagen  des  Patienten  ein  peptisches  Geschwür  erwartet  hätten, 
und  häufiger  noch  müssen  wir  ein  Geschwür  diagnostizieren, 
wo  der  Arzt  nervöse  Hyperazidität  festgestellt  hatte,  ohne 
durch  Titrierung  den  Unterschied  zwischen  freier  Salzsäure 
und  den  Gärungssäuren  bestimmt  zu  haben. 

Trotzdem  wird  auch  ohne  vorausgegangene  Blutung  der 
Verdacht  auf  Ulcus  berechtigt  sein,  wenn  wir  den  Patienten 
über  heftige  Schmerzen  klagen  hören,  die  von  einer  genau 
bezeichneten  Stelle  ausgehend,  bis  in  den  Rücken  ausstrahlen, 
gleich  nach  der  Nahrungsaufnahme  beginnen,  oder  bei  leerem 
Magen  in  den  frühen  Morgenstunden,  oder  nach  Genuss  von 
konzentriertem  Alkohol  besonders  heftig  werden.  Dazu  kom¬ 
men  dann  noch  die  Klagen  über  Sodbrennen,  Herzwasser, 
saures  Aufstossen  und  harnäckige  Stuhlverstopfung.  Der 
Appetit  ist  dabei  gewöhnlich  gut,  doch  lässt  die  Angst  vor 
Schmerzen  die  Patienten  häufig  immer  wieder  was  anderes 
vom  Speisezettel  streichen,  bis  sie  oft  schliesslich  von  selbst 
bei  reiner  Milchdiät  angelangt  sind. 

Sicherer  wird  natürlich  die  Diagnose  nach  voraus-  | 
gegangenem  Blutbrechen  oder  wenn  Blut  im  Stuhle  nach¬ 
gewiesen  werden  konnte.  Doch  auch  die  Blutung  ist  nicht 
ganz  eindeutig,  denn  es  gibt  ausser  den  Magen-  und  Duodenal¬ 
geschwüren  auch  noch  andere  zu  Blutungen  führende  Krank¬ 
heitszustände.  Blutungen  können  ebensogut  durch  maligne 
Neubildungen  verursacht  sein;  ich  erinnere  ferner  an  die  oft 
beträchtlichen,  in  demselben  Falle  wiederholt  auftretenden  Blu¬ 
tungen  bei  Leberzirrhose  aus  geplatzten  Oesophagusvarizen 
oder  überfüllten  Kapillaren  des  Magens  und  des  Duodenums 
oder,  was  seltener  und  bei  älteren  Leuten,  Blutung  aus  den 
oberen  Darmabschnitten  bei  Thrombose  kleinerer  oder  grösse¬ 
rer  Aeste  der  Mesaraica  superior  (Apoplexia  intestinalis  in¬ 
folge  Atheromatose).  Aehnliche  Prozesse  können  sich  im  Ge¬ 
biete  der  Mesaraica  inferior  abspielen;  aber  das  Blut  hat  dann 
nicht  die  teerartige  Beschaffenheit  wie  bei  Blutung  aus  oberen 
Darmabschnitten. 

In  den  meisten  Fällen  wird  ja  allerdings  die  Quelle  der 
Blutung  festzustellen  sein  und  da  hat  die  Blutung  als  Ge¬ 
schwürssymptom  den  grössten  Wert. 

Auch  die  Schmerzen  haben  beim  Magengeschwür  durch¬ 
aus  nicht  immer  einen  ganz  bestimmten  Charakter,  sondern 
werden  subjektiv  ganz  verschieden  angegeben.  Sie  treten  in 
wechselndem  Intensitätsgrade  auf,  von  der  schmerzhaften  Rei¬ 
zung  bis  zum  krampfartigen  Schmerzparoxysmus.  Ueber  den 
Druckschmerz,  dem  so  häufig  in  der  Diagnostik  grosse  Be¬ 
deutung  beigelegt  wird,  möchte  ich  bemerken,  dass  er  in  sehr 
vielen  Fällen  gar  nicht  dem  Sitze  des  Ulcus  entspricht,  denn 
die  meisten  Prädilektionsstellen  der  Geschwüre  sind  bei  nor¬ 
maler  Form  und  Lage  des  Magens  dem  Finger  gar  nicht  zu¬ 
gänglich,  wie  z.  B.  die  kleine  Kurvatur. 


Die  übrigen  Symptome,  unter  denen  sich  uns  der  klinische 
Verlauf  des  Magengeschwüres  darstellt,  sind  ausserordentlich 
verschieden. 

Es  gibt  Geschwüre,  die  heilen,  ohne  je  Beschwerden  ver¬ 
ursacht  zu  haben,  solche,  die  zeitweise  latent  bleiben  oder  nur 
geringe  Störungen  verursachen.  Je  nachdem  am  Grunde  oder 
Rande  des  Geschwüres  vorwiegend  sensible,  motorische  oder 
sekretorische  Nervenfasern  usuriert  werden,  werden  Schmer¬ 
zen,  Krampfanfälle  und  Sekretionsanomalien  ausgelöst.  Es 
können  profuse  Blutungen  auftreten,  nur  einmal  oder  häufig 
wiederkehrend,  wenn  das  Geschwür  bis  in  die  gefässreiche 
Serosa  eingreift,  kleinere  Blutungen,  wenn  es  nur  bis  zur  Mus¬ 
kularis  und  Subserosa  reicht  oder  an  Stellen  liegt,  wo  die 
Magenwand  gefässarm  ist. 

Von  grösster  Bedeutung  im  Verlaufe  eines  Magen¬ 
geschwüres  ist  das  besonders  von  Fl  ein  er  betonte  Ver¬ 
halten  der  Motilität  des  Magens,  sei  es  in  günstigem  oder  un¬ 
günstigem  Sinne.  Die  schwersten  Erscheinungen  macht  das 
Geschwür  bei  motorischen  Störungen  des  Magens  oder  im 
atonisch  schlaffen  Magen  und,  was  noch  lange  nicht  genug 
berücksichtigt  wird,  bei  abnormer  Form  und  Lagerung  des 
Magens.  Auf  diesem  Gebiete  ist  wohl  die  letzte  Arbeit  von 
H  i  s  i)  (dem  älteren)  von  Interesse.  Man  sieht  hier  so  ganz 
andere  Bilder  des  Magens,  hinsichtlich  der  Grösse,  Form  und 
Lageverhältnisse,  als  man  vom  anatomischen  Lehrbuche  her 
gewohnt  ist.  Solche  Bilder,  wie  sie  H  i  s  gibt,  machen  es 
uns  erklärlich,  warum  man  so  oft  in  chirurgischen  Operations¬ 
berichten  Sanduhrmagen  angeführt  findet,  die  sich  auf  patho¬ 
logischer  Grundlage  nicht  erklären  lassen,  weil  pathologisch¬ 
anatomische  Prozesse  sich  gar  nicht  abgespielt  haben.  Grösse, 
Form  und  Lage  des  Magens  sind  eben,  wie  Gegenbaur 
vom  anatomischen  und  F  1  e  i  n  e  r  vom  klinischen  Standpunkte 
betont  hat,  lediglich  Produkte  der  Anpassung  an  gegebene 
Raumverhältnisse  im  Abdomen.  Krankhaft  wird  die  abnorme 
Grösse,  Form  und  Lage  erst,  wenn  die  Funktion,  zumal  die 
motorische,  von  einem  dieser  Faktoren  nachteilig  beeinflusst 
wird. 

In  einer  Arbeit  über  einige,  die  Heilung  des  Magen¬ 
geschwüres  hemmende  Einflüsse  hat  Tecklenburg2)  die 
Zustände  beschrieben,  welche  der  Geschwürsheilung  ent¬ 
gegenstehen.  Er  nennt  besonders  die  Atonie  und  das  Luft¬ 
schlucken.  Zu  seiner  Ergänzung  möchte  ich  aber  betonen, 
dass  auch  namentlich  Pylorusgeschwüre  zu  denjenigen  ge¬ 
hören,  welche  der  internen  Therapie  am  meisten  Trotz  bieten. 
Geschwüre  am  Pylorus  oder  in  dessen  Nähe,  oder  wenn  sie 
durch  Nervenverbindung  mit  ihm  in  Beziehung  treten,  haben 
nur  geringe  Tendenz  zur  Heilung.  Beim  Oeffnen  des  Pylorus 
während  der  Passage  des  Speisebreies  wird  das  den  Substanz¬ 
verlust  ausfüllenda  Granulationsgewebe  in  seiner  Kontinuität 
getrennt  oder  auseinandergezerrt.  Es  herrschen  ähnliche  Ver¬ 
hältnisse,  wie  bei  Rhagaden  am  Munde  oder  einer  Fissur  am 
Anus. 

Kommt  es  aber  trotzdem  zur  teilweisen  oder  vollständigen 
Narbenbildung  und  epithelialen  Ueberhäutung  —  denn  Schleim¬ 
hautersatz  wird  wohl  kaum  stattfinden  —  dann  sind  in  dieser 
Art  Heilung  die  Bedingungen  zu  einer  Reihe  von  neuen  Stö¬ 
rungen  gegeben.  Jede  Reizung  der  vom  Epithel  noch  nicht 
überzogenen  Stelle  löst  einen  Pylorospasmus  aus,  auf  dessen 
schädliche  Wirkung  besonders  F  1  e  i  n  e  r  3)  hingewiesen  hat. 
In  günstigen  Fällen,  bei  dünnen  Bauchdecken,  kann  man  den 
krampfig  kontrahierten  Pylorus  fühlen;  auch  die  Patienten 
geben  oft  die  Empfindung  einer  krampfartigen  Zusammen¬ 
ziehung  an.  Auffällig  ist  aber,  dass  ein  oft  lange  anhaltender 
Spasmus  des  Pylorus  nicht  die  grossen  Schmerzen  verursacht, 
die  man  erwartet.  Ich  erinnere  dabei  an  das  gar  nicht  seltene 
Vorkommen  von  Kardiospasmus,  der  sogar  zur  Ansammlung 
von  Speisen  führen  kann,  ohne  dass  starke  Schmerzen  auf- 
tretenf  Der  Schmerz  tritt  erst  dann  ein,  wenn  es  nicht  nur  zu 

U  Studien  an  gehärteten  Leichen  über  Form  und  Lagerung  des 
menschlichen  Magens. 

2)  Tecklenburg:  Ueber  einige  die  Heilung  des  Magenge¬ 
schwüres  hemmende  Einflüsse.  Archiv  für  Verdauungskrankheiten, 
Bd.  XII,  H.  6. 

3)  Ueber  Neurosen  gastrischen  Ursprungs  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  der  Tetanie  und  ähnlicher  Krampfanfälle.  Archiv  für 
Verdauungskrankheiten,  1896. 


1318 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Stauung,  sondern  zu  beträchtlicher  Ektasie  oder  spastischer 
Zusammenziehung  ober-  oder  unterhalb  der  angestauten 
Massen  kam 

Die  Untersuchungen  von  Lenn ander  (Zentralbl.  f.  Chir. 
1902)  dienen  in  dieser  Hinsicht  zur  Aufklärung.  Sie  zeigten, 
dass  die  Baucheingeweide  nicht  empfindlich  sind,  sondern  nur 
Muskeln,  Nerven  und  das  Peritoneum  parietale.  Bei  einem 
solchen  Krampfe  nun  wird  der  durch  die  Narbe  schon  verengte 
Pylorus  vollständig  geschlossen,  der  Magen  kann  sich  nicht 
mehr  entleeren  und  der  Qeschwürsgrund  wird  durch  die  stag¬ 
nierenden  Massen  immer  wieder  zur  Sekretion  gereizt. 
Schliesslich  tritt  kontinuierliche  Saftsekretion  ein.  Stag¬ 
nierende  Nahrung  und  in  grossen  Mengen  abgeschiedener 
Magensaft,  zusammen  mit  dem,  reflektorisch  vom  Magen  aus, 
in  vermehrtem  Masse  abgeschiedenen  Speichel,  dehnen  den 
Magen  immer  mehr  aus.  An  dieser  Dehnung  nimmt  auch  der 
Geschwürsgrund  teil,  Schmerzen  und  Blutungen  können  die 
Folge  sein. 

Diesem  Zustande  entspricht  nun  ein  Krankheitsbild,  das 
wir  überraschend  häufig  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten 
und  wo  sich  ohne  weiteres  die  Diagnose  auf  Pylorusgeschwür 
stellen  Hess.  Auffallend  ist,  dass  die  Erscheinungen  nach  hef¬ 
tigem  Erbrechen  oder  nach  wenigen  oder  öfter  wiederholten 
Magenspülungen,  oft  auf  längere  Zeit  wegbleiben,  um  nach 
grösseren  oder  kleineren  Intervallen  wieder  aufzutreten,  so 
dass  sich  eine  gewisse  Periodizität  in  idem  vielleicht  auf  Jahre 
sich  erstreckenden  Krankheitsbilde  erkennen  lässt.  Man  ist 
dann  versucht,  in  solchen,  Wochen,  Monate,  selbst  Jahre 
dauernden  beschwerdefreien  Zwischenzeiten  ein  Geschwür  für 
geheilt  zu  halten.  Plötzlich  sind  aber  die  alten  Beschwerden 
wieder  da,  und  gar  nicht  selten  glauben  dann  Patienten  und 
ihr  Arzt,  dass  ein  neues  Geschwür  entstanden  sein  müsse, 
namentlich  wenn  es  zur  Blutung  kam.  In  solchen  Anfällen 
kommt  zuerst  das  Gefühl  vermehrter  Säurebildung,  oder  der 
Ueberfüllung  mit  sauren  Massen,  Sodbrennen,  dann  Würgen 
und  Brechreiz,  endlich  das  Erbrechen  profuser  Massen. 
Manchmal  sind  es  Speisen,  die  erbrochen  werden;  hat  man 
aber  häufig  Gelegenheit,  das  Erbrochene  zu  sehen,  wird  man 
zunächst  durch  die  Tatsache  überrascht,  dass  es  hauptsäch¬ 
lich  Flüssigkeit  ist,  aus  welcher  allerdings  feste  Bestandteile 
sedimentieren.  Letztere  bestehen  selten  aus  grösseren  Fleisch¬ 
resten,  sondern  meistens  aus  Kohlehydraten  (Brot,  Mehl¬ 
speisen  und  namentlich  vegetabilischen  Bestandteilen).  Die 
Flüssigkeit  ist  manchmal  farblos  oder  weisslich  getrübt,  oft 
grünlich,  lauggrün;  letzteres  besonders,  wenn  keine  Speise¬ 
reste  mehr  im  Magen  sind  und  beim  Würgen  Duodenalinhalt 
in  den  Magen  kam;  oft  ist  sie  bräunlich,  Schokoladefarben, 
rötlich  oder  kaffeesatzähnlich,  wie  mit  Russflocken  vermischt; 
selten  finden  sich  reichliche  Blutbeimengurfgen.  Der  Geruch 
nach  Hefe  ist  manchmal  nicht  zu  verkennen.  Die  Flüssigkeit 
besteht  nach  vielen  von  uns  vorgenommenen  Untersuchungen 
aus  salzsäurehaltigem  Magensaft.  Der  Salzsäuregehalt  kann 
durch  verschluckten,  durch  Reflex  vom  Magen  aus  in  grossen 
Mengen  abgesonderten  Schleim  vermindert  sein.  In  unserem 
letzten  derartigen  Falle  betrug  er  aber  18  Prom.,  und  da  rund 
4  Liter  in  der  betreffenden  Nacht  durch  Erbrechen  und  durch 
den  Magenschlauch  entleert  wurden,  die  Gesamtmenge  7,2  g 
reine  Chlorwasserstoffsäure,  eine  gewiss  erhebliche  Menge. 
Die  grüne  Farbe  rührt  von  Galle  her,  die  durch  Salzsäure  ver¬ 
ändert  ist  und  nach  Entleerung  der  Nahrungsreste  beim  Wür¬ 
gen  aus  dem  Darm  in  den  Magen  befördert  wurde.  Die  Farbe 
vom  Blut  hängt  von  der  Menge  ab  und  ob  es  längere  oder  kür¬ 
zere  Zeit  im  Magen  verweilt  hat. 

Solche  übermässige  Saftabscheidung  braucht  übrigens 
nicht  allein  durch  ein  peptisches  Geschwür  hervorgerufen  zu 
sein.  Aehnliche  Erscheinungen  kann  man  auch  bei  malignen 
Tumoren  finden,  Sarkomen  und  den  weitaus  häufigeren  ulze- 
rierenden  Karzinomen.  Dass  diese  Zustände  zu  Tetanie  führen 
können,  ist  durch  F  1  e  i  n  e  r  und  andere  Autoren  in  letzter 
Zeit  ausführlich  dargetan  worden. 

Ein  kontrahierter  Pylorus  kann  tumorähnlich  anzufühlen 
sein  und  zu  diagnostischen  Irrtümern  führen;  auf  der  anderen 
Seite  können  Tumoren  maligner  Art  bei  salzsäurearmem 
Magensafte  für  einfach  spastisch  kontrahierten  Pylorus  ge¬ 
halten  werden.  Immerhin  ist  die  Diagnose  bei  genauer  Unter¬ 
suchung  meistens  nicht  schwer  zu  stellen,  besonders  wenn  sich 


die  Krankheit  durch  einen  viele  Jahre  sich  hinziehenden  Ver¬ 
lauf  auszeichnet. 

Manchmal  treten  ganz  plötzlich  schwere  Erscheinungen 
ein,  nachdem  sich  lange  Zeit  hindurch  geringe,  kaum  beachtete 
Beschwerden  bemerkbar  machten. 

Es  hat  seinen  Grund  darin,  dass  bei  den  freien  Intervallen 
zweifellos  Heilungsvorgänge  auftreten  und  organisch  den 
Pylorus  verengen.  Eine  einigermassen  beträchtliche  Stenose 
wird  dann  durch  Spasmus  eher  zum  totalen  Verschluss  führen, 
als  beim  noch  nicht  verengten  Pylorus. 

Aus  einer  langen  Reihe  von  Krankengeschichten  möchte 
ich,  um  nicht  zu  ermüden,  nur  einige  herausgreifen,  welche  die 
genannten  Verhältnisse  schildern. 

1.  Frau  H.,  39  Jahre  alt,  hatte  schon  seit  frühester  Jugend  einen 
schwachen  Magen  und  konnte  schwer  verdauliche  Speisen  nie  er¬ 
tragen.  Seit  einigen  Jahren  bekommt  sie  auf  geringfügige  Diätfehler 
heftiges  Erbrechen  saurer  Massen;  nach  einigen  Tagen  Diät  war  sie 
'dann  wieder  frei  von  Beschwerden.  In  letzter  Zeit  kommt  das  Er¬ 
brechen  fast  täglich;  es  sollen  immer  grössere  Massen  grünlicher, 
stark  sauer  schmeckender  Flüssigkeit  gewesen  sein  mit  nur  wenig 
Speiseresten,  Blut  nie,  auch  früher  nicht.  Dem  Erbrechen  geht  Sod¬ 
brennen,  saures  Aufstossen  und  Singultus  voraus.  Stuhl  verstopft. 
Appetit  schlecht.  Patientin  ist  in  letzter  Zeit  stark  abgemagert. 

Aufnahme  am  7.  X.  05.  iGrosse  schlanke  Frau,  dünne  Taille, 
breites  Becken.  Schlechter  Ernährungszustand.  Gesichtsfarbe  blass. 
Schleimhäute  blutleer.  Lungen  und  Herz  normal.  Bauchdecken  sehr 
schlaff.  Lautes  Plätschergeräusch  in  grosser  Ausdehnung.  Grosse 
Kurvatur  reicht  bis  zur  Symphyse.  Rechts  von  der  Mittellinie,  direkt 
oberhalb  des  Nabels  eine  etwa  walnussgrosse  Resistenz  zu  fühlen, 
die  beim  Palpieren  nicht  schmerzhaft  ist.  Leber  und  Milz  nicht  ver- 
grössert.  Reflexe  normal.  Urinmenge  in  24  Stunden  400,  kein  Al- 
bumen,  kein  Zucker,  reichlich  Sediment. 

8.  X.  Magenspülung  morgens  früh  nüchtern:  Es  entleeren  sich 
ungefähr  2  Liter  lauggrüner,  sauer  reagierender  Flüssigkeit,  aus  der 
nach  längerem  Stehen  Speisereste  (Kohlehydrate,  kein  Fleisch)  sedi¬ 
mentieren.  Freie  HCl  +  0,730  Prom.;  Gesamtazidität  140  Proz. 
Spez.  Gewicht  1020.  Enthält  reichlich  Sarzine  in  Warenballen. 
Patientin  ist  hochgradig  anämisch,  dass  sie  nicht  ohne  Nahrung 
bleiben  kann. 

Ordination:  Bettruhe;  täglich  Spülen.  3  mal  täglich  7  Tropfen 
Atropin  (0,02:20,0).  Nach  Reinigungsklysma  Einlauf  von  250  g 
Fleischbrühe  mit  Wein.  2  stündlich  25g  Schleimsuppe,  abwechselnd 
mit  30  g  Fleischgelee  (da  Milch  schlecht  vertragen). 

9.  X.  Bei  der  Spülung  entleerte  sich  etwa  ein  Liter  lauggriiner 
Flüssigkeit  ohne  Speisereste,  stark  sauer  reagierend.  —  Urin  1100. 

12.  X.  Schmerzen  in  der  Magengegend.  Es  werden  500  ccm 
gelbgrüne  Flüssigkeit  erbrochen,  ohne  Speisereste.  Freie  HCl 
“F  0,365  Prom.;  Gesamtazidität  130  Proz. 

13.  X.  Erbrechen  von  300  ccm  dunkelbrauner  Flüssigkeit,  in  der 
Blut  nachgewiesen  wird.  Urin  S00. 

14.  X.  Bei  der  Spülung  morgens  nüchtern  entleert  sich  etwa 

1  Liter  dunkelbraunroter  Flüssigkeit,  mit  schwarzen  Flocken  vermischt 
(Blut).  Enthält  reichlich  Sarzine.  Urin  400.  Diät  2  stiindl.  250  g 
Milch  mit  Vichy  (halb  und  halb).  2  Nährklystiere  (250  g  Fleischbrühe 
mit  Wein). 

15.  X.  Magen  vollständig  leer;  Spülung  klar,  schwach  sauer. 
Resistenz  nicht  zu  fühlen.  Urin  1650.  Pat.  ist  ohne  Beschwerden, 
klagt  über  Hunger.  Das  Wohlbefinden  hält  14  Tage  lang  an.  Spü¬ 
lung  immer  ganz  klar.  Nach  der  Spülung  Eingiessung  von  Wismut. 
Diät:  Morgens  300  g  Hafergrütze.  10  Uhr  Milch  mit  Vichy.  Mittags 
kleine  Portion  gewiegtes  weisses  Fleisch  mit  Kartoffelpüree.  5  Uhr 
Milch  mit  Vichy.  Abends  Schleimsuppe  mit  gewiegtem  Fleisch. 

30.  X.  Spülung  leicht  getrübt.  Enthält  Kohlehydrate  und  Sarzine. 
Pat.  klagt  über  Magendrücken  und  Sodbrennen.  Im  Laufe  des  Tages 
erbricht  sie  zweimal  etwa  1  Liter  lauggrüner  Flüssigkeit.  Spez.  Ge¬ 
wicht  1010;  freie  HCl  +  1,8  Prom.;  Gesamtazidität  120  Proz.;  geb. 
HCl  30.  —  Pat.  muss  wieder  2  mal  täglich  gespült  werden.  Diät: 

2  stündl.  Milch  mit  Vichy.  2  Nährklystiere.  Resistenz  oberhalb  des 
Nabels  wieder  zu  fühlen.  Nach  2  Tagen  ist  die  Spülung  wieder  klar, 
nicht  sauer.  Keine  Beschwerden.  300  g  Grütze.  Milch  mit  Vichy. 
Gewiegtes  Fleisch  mit  Kartoffelpüree.  Suppe  mit  gewiegtem  Fleisch. 
1  Nährklystier. 

11.  XI.  Spülung  wieder  trübe  und  sauer;  enthält  Speisereste, 
hauptsächlich  Kohlehydrate.  —  Urinmenge  2300. 

13.  XI.  Leichte  Schmerzen.  Sodbrennen  und  Brechreiz.  Spü¬ 
lung  ergibt  1  Liter  trübe,  missfarbene  Flüssigkeit.  Freie  HCl 
+  1,095  Prom.;  Gesamtazidität  130  Proz.  Spez.  Gewicht  1000.  Reich¬ 
lich  Sarzine.  Bei  der  2.  Spülung  abends  nochmals  1000  ccm  der 
gleichen  Flüssigkeit.  Dann  einige  Tage  wieder  ohne  Beschwerden. 

Operationsvorschlag  wurde  wiederholt  abgelehnt.  Pat.  wird, 
da  sie  die  Spülung  selbst  vornehmen  kann,  entlassen.  Später  lässt 
sie  sich  operieren.  Gastroenterostomie;  vollständige  Heilung. 

2.  Herr  A.,  51  Jahre  alt,  stammt  aus  gesunder  Familie,  war  selbst 
früher  nie  krank,  hat  den  Feldzug  1870  mitgemacht.  Seit  10  Jahren 
magenleidend.  Anfangs  bekam  er  nur  auf  saure  Speisen  und  nach  Ge¬ 
nuss  von  Wein  Sodbrennen.  Seit  8  Jahren1  tritt  nach  geringen  Diät- 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1319 


fehlem,  oder  auch  ohne  ersichtliche  Ursache,  anfallsweise  saures  Auf¬ 
stossen,  Sodbrennen  auf,  meistens  mit  brennenden  Schmerzen  in  der 
Magengegend.  Dabei  bestanden  Stuhlverstopfung  und  lästige  Bläh¬ 
ungen.  Eine  4  wöchentliche  Geschwürskur  besserte  den  Zustand  nur 
vorübergehend.  Seit  3  Jahren  bedeutende  Verschlechterung;  alle 
paar  Tage  nachts  starker  Würgereiz  und  schliesslich  Erbrechen 
grosser  Mengen  schmutziggelber,  saurer  Flüssigkeit.  Blut  soll  nie 
dabei  gewesen  sein.  Patient  hat  sich  selbst  den  Magen  zu  spülen 
gelernt  und  spürt  seitdem  bedeutende  Besserung.  Appetit  schlecht, 
Stuhl  verstopft.  In  den  letzten  Jahren  15  kg  Gewichtsabnahme. 

Status  bei  der  Aufnahme  26.  X.  05: 

Mittelgrosser  Mann  in  mässigem  Ernährungszustände.  Gesichts¬ 
farbe  graugelb.  Schleimhäute  blassrot.  Zunge  feucht,  nicht  belegt. 
Zähne  gut.  Keine  Struma,  keine  Drüsen. 

Lungen  und  Herz  nichts  besonderes.  Abdomen  stark  aufge¬ 
trieben.  Lautes  Plätschern  in  grosser  Ausdehnung.  Grosse  Kurvatur 
2  Querfinger  unter  dem  Nabel.  Kein  Tumor  zu  fühlen.  Beim  Pal¬ 
pieren  nirgends  schmerzhaft.  Keine  Oedeme;  Reflexe  normal;  im 
Urin  nichts  besonderes. 

27.  X.  Spülung  morgens  nüchtern.  Es  entleert  sich  etwa 
y,  Liter  grünlicher  Flüssigkeit,  aus  der  beim  Stehenlassen  Nahrungs¬ 
reste  sedimentieren  (wenig  Fleisch,  viel  Kohlehydrate),  stark  sauer 
reagiert  und  Sarzine  enthält. 

Freie  HCl  +  1,460  Prom.;  Gesamtazidität  140  Proz.;  spez.  Ge¬ 
wicht  1020. 

Pat.  fühlt  sich  nach  der  Spülung  sehr  erleichtert.  Viel  Aufstossen 
(kann  jederzeit  willkürlich  aufstossen,  indem  er  Luft  schluckt).  Urin¬ 
menge  in  24  Stunden  1800. 

Diät:  8  Uhr  400g  Grütze,  lOVs  Uhr  250  g  Milch,  12%  Uhr  gewiegtes 
Fleisch  mit  Kartoffelpüree,  5  Uhr  250  g  Milch,  7Vz  Uhr  Schleimsuppe 
mit  gewiegtem  Fleisch.  Vor  den  Mahlzeiten  einige  Schlucke  Vichy¬ 
wasser. 

29.  X.  Spülung  'nur  noch  leicht  getrübt,  schwach  sauer.  Pat. 
ist  ohne  alle  Beschwerden.  Urin  2300. 

2.  XI.  Spülung  klar,  ohne  Speisereste,  nicht  sauer.  Diät  wie 
oben.  Appetit  gut.  Stuhl  von  selbst.  Kein  Sodbrennen,  keine  Schmer¬ 
zen.  Urin  2500. 

Bei  täglicher  Spülung,  die  immer  ganz  klar,  und  oben  angeführter 
Diät  bleibt  Pat.  beschwerdefrei,  und  er  wird  am  11.  XI.  entlassen  mit 
der  Angabe  strenger  Diät  und  bei  eintretenden  Beschwerden  eine 
Spülung  vorzunehmen. 

3.  Herr  B.,  41  Jahre,  Bahnbeamter. 

Eltern  leben,  Mutter  soll  auch  viel  Magenbeschwerden  haben; 
5  gesunde  Geschwister.  Pat.  selbst  war  als  Kind  nie  krank.  Im 
15.,  20.  und  30.  Lebensjahre  hatte  er  monatelang  Magenbeschwerden, 
die  auf  strenge  Diät  immer  wieder  verschwanden.  Vor  10  Jahren 
bekam,  er  heftiges  Sodbrennen,  saures  Aufstossen,  Herzwasser  und 
Schmerzen  in  der  Magengegend.  Im  Stuhl  soll  Blut  gewesen  sein. 
Eine  3  wöchentliche  Geschwürskur  brachte  vorübergehend  Besserung, 
doch  kommen  die  Beschwerden  anfallsweise  immer  wieder.  Er¬ 
brechen  hat  er  nie.  Stuhl  verstopft.  Appetit  schlecht. 

Status  bei  der  Aufnahme  am  15.  XII.:  Grosser  Mann  in  schlech¬ 
tem  Ernährungszustände.  Gesichtsfarbe  blassgelb,  Zunge  feucht, 
nicht  belegt,  Zähne  gut,  keine  Drüsen.  Lungen  und  Herz  normal.  Ab¬ 
domen  aufgetrieben;  lautes  Plätschern  in  grosser  Ausdehnung. 
Grosse  Kurvatur  3  Querfinger  unter  dem  Nabel.  Keine  Druckempfind¬ 
lichkeit.  Kein  Tumor  zu  fühlen.  Leber  und  Milz  nicht  vergrössert. 
Reflexe  normal.  Blutdruck  70.  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  4100000, 

der  weissen  5000.  „  , 

Patient  hat  in  der  Nacht  Schmerzen  und  entleert  sich  selbst  mit 
der  Sonde  den  Magen.  500  ccm  grünliche,  schmutziggelbe  Flüssigkeit. 
Kongo  stark  blau. 

Freie  HCl  +  1,095  Prom.;  Gesamtazidität  80  Proz.;  spez.  Ge¬ 
wicht  1010.  Keine  Milchsäure. 

Patient  wird  regelmässig  morgens  nüchtern  gespült,  und  wenn 
der  Magen  leer,  wird  mit  dem  letzten  Trichter  Wismut  eingegossen. 

Diät:  2  stündlich  150  g  Milch  mit  50  g  Vichywasser.  Wenn  kein 
Stuhi,  Oeleinlauf. 

Da  die  Spülung  morgens  immer  klar  und  Pat.  ohne  Beschwerden, 
bekommt  er  nach  einigen  Tagen  morgens  Hafergrütze,  mittags  ge¬ 
wiegtes  Fleisch,  abends  Schleimsuppe  mit  gewiegtem  Fleisch. 

15.  I.  wird  die  Wismutbehandlung  ausgesetzt.  Pat.  fühlt  sich  bei 
oben  beschriebener  Diät  vollständig  wohl  und  hat  3  kg  an  Gewicht  zu¬ 
genommen. 

Am  19.  I.  entlassen  mit  der  Weisung,  sich  noch  einige  Zeit  mor¬ 
gens  selbst  zu  spülen. 

Die  Besserung  hielt  nur  kurze  Zeit  an.  Eine  vorgeschlagene 
Operation,  Gastroenterostomie,  lässt  er  nicht  vornehmen  und  hilft 
sich  mit  dem  Magenschlauch  weiter. 

4.  Miss  B.  von  New  York,  28  Jahre,  war  als  Mädchen  bleich- 
süchtig  und  leidet  schon  seit  13  Jahren  an  Magenschmerzen,  die  brs 
in  den  Rücken  ausstrahlen  und  hauptsächlich  bei  nüchternem  Magen 
heftig  werden.  Dabei  besteht  viel  saures  Aufstossen  und  Sodbrennen, 
ln  letzter  Zeit  waren  die  Schmerzen  krampfähnlich;  nach  dem  Essen 
häufig  Erbrechen.  Starke  Gewichtsabnahme. 

Status  bei  der  Aufnahme  am  21.  III.  06:  Sehr  elend  aussehendes 
Mädchen  in  äusserst  schlechtem  Ernährungszustände.  Gesichtsfarbe 
bleich.  Schleimhäute  blutarm.  Keine  Drüsen.  Lunge  und  Herz  nor¬ 
mal.  Leib  aufgetrieben;  kein  Tumor  zu  fühlen.  Pylorusgegeud  auf 


Druck  schmerzhaft.  Lautes  Plätschern  in  grosser  Ausdehnung. 
Grosse  Kurvatur  4  Querfinger  unter  dem  Nabel. 

29.  III.  Probemahlzeit  (300  g  Schleimsuppe,  250  g  Fleisch,  250  g 
Kartoffelpüree).  Ausheberung  nach  3  Stunden.  25  ccm  dünnflüssig 
Ausgehebertes.  Fleisch  gut  verdaut. 

Freie  HCl  +  1,460  Prom;  Gesamtazidität  160  Proz.;  geb.  HCl:  40. 

Spülung  morgens  nüchtern  getrübt,  sauer. 

Ordin.:  Strenge  Geschwürskur.  2  stiindl.  Milch  mit  Vichy  (halb 
und  halb).  Morgens  Spülung  und  Wismuteingiessung.  Nach  einigen 
Spülungen  ist  das  Spülwasser  ganz  klar.  Keine  Schmerzen.  Pat. 
bleibt  bis  zum  30.  IV.  beschwerdefrei.  Wismut  ausgesetzt.  Diät: 
Grütze,  weisses  gehacktes  Fleisch. 

6.  V.  Schmerzen,  Sodbrennen.  Spülwasser  mit  Speiseresten, 
stark  sauer.  Diät:  Milch  mit  Vichy,  3  Nährklystiere. 

7.  V.  Bei  der  Spülung  entleert  sich  etwa  %  Liter  lauggrüne 
Flüssigkeit.  Freie  HCl  Hr  1,095  Prom.,  Gesamtazidität  150  Proz,  spez. 
Gewicht  1015.  Enthält  Sarzine.  —  Starke  Schmerzen.  3  mal  täglich 
7  Tropfen  Atropin  (0,01:10,0). 

10.  V.  Spülwasser  klar,  keine  Beschwerden.  Beim  Versuch,  mehr 
Nahrung  zu  geben,  immer  wieder  Schmerzen.  . 

Gastroenterostomie.  5  Wochen  nach  der  Operation  kann  1  at. 
geheilt  ab  reisen. 

Diese,  einer  grossen  Zahl  entnommenen  Krankengeschich¬ 
ten  zeigen  alle  das  gleiche  typische,  wohl  charakterisierte 
Krankheitsbild.  Wir  haben  einerseits  Pylorospasmus  und 
Magensaftfluss  (von  den  Franzosen  oft  als  Krisen  bezeichnet), 
anderseits  motorische  Insuffizienz  und  Magenerweiterung, 
oder,  wie  sie  Einhorn  nennt,  Ischochymie.  Dem  einen  im¬ 
poniert  mehr  die  Pylorusstenose,  dem  anderen  die  Magen¬ 
erweiterung  und  der  Saftfluss.  Die  Grundursache  für  diesen 
Circulus  vitiosus  ist  aber  das  Geschwür  am  Pylorus,  das  diesen 
teilweise  verengt  und  bei  Spasmus  vollständig  verschliesst. 

Den  Abstufungen  und  Intensitätsgraden  aller  dieser  Dinge 
entspricht  die  Behandlung. 

Schon  im  Jahre  1869,  wo  man  die  Entwicklung  der  Bauch¬ 
chirurgie  zur  heutigen  Höhe  noch  gar  nicht  ahnen  konnte,  hat 
Kussmaul  an  chirurgische  Hilfe  gedacht  durch  Erweite¬ 
rung  der  Striktur  mit  dem  Messer  oder  der  Sonde,  oder  durch 
Gastrotomie  und  Anlegen  einer  Magenfistel,  als  er  seine 
Methode  der  Magenspülung  bemessen  hat  und  ihr  bei  narbiger 
Stenose  des  Pylorus  keine  Heilung,  höchstens  Erleichterung 
zusprach. 

Vom  Gesichtspunkte  der  heutigen  Geschwürstherapie  be¬ 
trachtet,  gehören  Geschwüre  am  Pylorus  zu  der  Kategorie,  die 
durch  innere  Mittel  wohl  gebessert,  aber  nicht  geheilt  werden 
können.  Die  Behandlung  richtet  sich  nach  dem  bekannten 
Prinzip  der  Geschwürskur,  die  aber  oft  im  Stiche  lässt.  Wenn 
wir  auch  einzelne  Fälle  hatten,  die  sich  so  leidlich  durch¬ 
schlugen,  so  stehen  wir  doch  schon  lange  auf  dem  Stand¬ 
punkte,  dem  auch  Krön  lein  Ausdruck  gegeben  hat,  indem 
er  jede  sicher  nachweisbare  Stenose  des  Pylorus  als  Indikation 
zur  Operation  aufstellte. 

Allerdings  können  sich  Patienten  oft  lange  Zeit  behelfen, 
sie  sind  aber  immer  auf  die  Hilfe  der  Magensonde  und  zeit¬ 
lebens  zur  grössten  Vorsicht  und  Enthaltsamkeit  verurteilt, 
und  müssen  immer  gewärtig  sein,  dass  durch  eine  beliebige, 
geringfügige  Ursache  wieder  ein  Anfall  ausgelöst  wird.  Die 
soziale  Stellung  der  Patienten  kommt  dabei  auch  in  Frage. 
Ein  Arbeiter,  der  seine  Diät  und  ganze  Lebensweise  nicht  den 
Forderungen  seines  Magens  entsprechend  einrichten  kann, 
wird  als  Magenkrüppel  nicht  imstande  sein,  sich  und  seine 
Familie  zur  ernähren.  Derartige  Patienten,  die  uns  zur  Begut¬ 
achtung  von  Versicherungen  zugeschickt  wurden,  mussten  wir 
für  völlig  erwerbsunfähig  erklären,  während  man  nach  ge¬ 
lungener  Operation  vollständige  Gesundheit  und  Erwerbs¬ 
fähigkeit  in  Aussicht  stellen  kann. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  einen  Umstand  erwähnen, 
der  das  beschriebene  Krankheitsbild  überaus  häufig  ungünstig 
beeinflusst,  die  von  T  e  c  k  1  e  n  b  u  r  g  genau  beschriebene  Ge¬ 
wohnheit  des  Luftschluckens,  die  Aerophagie.  Ich  glaube,  dass 
er  den  Prozentsatz  mit  5—6  Proz.  zu  nieder  gegriffen  hat,  denn 
ich  fand  das  Luftschlucken  in  mehr  als  der  Hälfte  meiner  Magen¬ 
leidenden  und  vielen  anderen,  die  es  zu  sein  meinten. 

Kommt  zu  allen  genannten  für  die  Heilung  ungünstigen 
Bedingungen  noch  die  Dehnung  des  Magens  durch  geschluckte 
Luft  hinzu,  wohl  hauptsächlich  durch  die  starke  Salivation 
bedingt,  und. das  Bestreben,  einen  lästigen  Druck  in  der  Speise¬ 
röhre  und  im  Magen  durch  Schlucken  zu  beseitigen,  dann  kann 


1320 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


von  einem  Erfolge  mit  innerer  Therapie  von  vornherein  nicht 
viel  erwartet  werden,  da  wirksame  Mittel  gegen  das  Luft- 
Schlucken  nicht  bekannt  sind. 


Aus  der  Deutschen  Heilstätte  für  Lungenkranke  in  Davos. 

Die  Frühdiagnose  der  Lungentuberkulose  mittels  der 
Koch  sehen  Tuberkulinprobe  in  der  ärztlichen  Praxis. 

Von  O.  Ziegler,  jetzt  II.  Arzt  am  Sanatorium  Schömberg 
bei  Wildbad  im  Schwarzwald. 

Je  mehr  sich  in  der  ärztlichen  Welt  die  Ueberzeugung  Bahn 
bricht,  dass  die  beginnende  Lungentuberkulose  eine  heilbare 
Krankheit  ist,  desto  mehr  —  sollte  man  meinen  —  müssten  sich 
sämtliche  Aerzte  bemühen,  die  Tuberkulose  in  ihren  ersten  An¬ 
fängen  zu  entdecken,  um  ihre  Patienten  der  geeigneten  Be¬ 
handlung  übergeben  zu  können. 

Trotzdem  erlebt  man  es  häufig,  dass  tuberkulös  Erkrankte, 
vielleicht  auf  einen  negativen  Bazillenbefund  im  Sputum  hin, 
unter  dem  Namen  einer  Bronchitis,  eines  Spitzenkatarrhs,  einer 
verschleppten  Influenza  lange  Zeit  behandelt  werden,  ohne  dass 
das  Wesen  der  Erkrankung  erkannt  wird.  Jeder  Heilstätten¬ 
arzt  hat  in  seiner  Tätigkeit  mehrere  Beispiele  für  derartige 
Fälle  und  muss  sich  wundern,  wie  oft  verschleppte  tuberkulöse 
Lungenerkrankungen  unter  dem  Namen  einer  Anfangserkran¬ 
kung  in  seine  Behandlung  gelangen. 

Seitdem  Koch  sein  Alttuberkulin  dargestellt  hat  und  seine 
absolut  spezifische  Wirkung  auf  tuberkulöse  Veränderungen 
im  menschlichen  Körper  herausgefunden  hat,  sind  nun  bereits 
16  Jahre  vergangen,  und  noch  immer  nicht  ist  die  spezifische 
Diagnose  der  Tuberkulose  Gemeingut  aller  Aerzte  geworden. 
Es  ist  ja  keine  Frage,  dass  in  letzter  Zeit  sich  die  Zahl  derer 
mehrt,  die  es  für  eine  Notwendigkeit  halten,  in  zweifelhaften 
Fällen  die  Tuberkulinprobe  zu  Rate  zu  ziehen,  aber  es  ist  nur 
ein  kleiner  Bruchteil. 

Diejenigen,  die  in  der  ersten  Zeit  ihre  Stimme  warnend 
gegen  die  Tuberkulinprobe  erhoben  und  auf  Gefahren  hin¬ 
wiesen,  die  nach  einer  Probeinjektion  auftreten  könnten,  sind 
mit  der  Zeit  mehr  und  mehr  verstummt,  und  man  sollte  wün¬ 
schen,  dass  der  junge  Mediziner  von  seiner  Ausbildung  auf  der 
Universität  und  im  praktischen  Jahre  auch  die  richtige  Technik 
und  Beurteilung  der  spezifischen  Diagnose  der  Lungentuberku¬ 
lose  mit  in  die  Praxis  brächte.  Die  Folge  davon  wäre  eine  Ver¬ 
mehrung  der  Frühdiagnosen  der  Lungentuberkulose  und  damit 
auch  eine  bessere  Prognose  bezüglich  der  Dauerheilungen;  denn 
je  früher  die  Tuberkulose  erkannt  wird  und  zur  Behandlung 
kommt,  desto  sicherer  ist  die  Aussicht  auf  Heilung. 

Gerade  für  den  praktischen  Arzt  ist  die  Tuberkulinprobe 
eines  der  dankbarsten  Mittel,  die  ihm  die  Wissenschaft  für 
seine  Praxis  an  die  Hand  gibt  Wie  oft  tritt  an  ihn  die  Frage 
heran,  zu  entscheiden,  ob  einer  seiner  Patienten  an  Tuber¬ 
kulose  leidet  oder  nicht.  Sehr  oft  werden  ihn  alle  Unter¬ 
suchungsmethoden  im  Stich  lassen,  und  wenn  auch  noch  der 
Auswurfbefund  das  Fehlen  von  Tuberkelbazillen  ergibt,  so  wird 
er  leicht  geneigt  sein,  das  Vorhandensein  einer  beginnenden 
Tuberkulose  zu  verneinen.  In  allen  solchen  Fällen  ist  das 
Koch  sehe  Alttuberkulin  das  königliche  Mittel,  um  mit  ab¬ 
soluter  Sicherheit  die  richtige  Diagnose  zu  stellen. 

Bevor  ich  dazu  übergehe,  genauer  auf  die  Technik  der 
Tuberkulinprobe  und  auf  das,  was  sie  leistet,  einzugehen, 
möchte  ich  kurz  berühren,  wie  man  sich  die  Reaktion  nach  einer 
Tuberkulineinspritzung  zu  erklären  hat. 

Nach  einer  Tuberkulineinspritzung  erfolgt  bei  einem  an 
Tuberkulose  Leidenden  eine  Reaktion,  die  man  in  eine  All¬ 
gemeinreaktion  und  eine  spezifische  Reaktion  trennen  kann. 
Die  Allgemeinreaktion,  die  man  nach  Einverleibung  eines  jeden 
Bakteriengiftes  bei  einem  Menschen  hervorrufen  kann,  ist  er¬ 
kenntlich  an  dem  gestörten  Allgemeinbefinden  und  der  Tem¬ 
peraturerhöhung.  Die  spezifische  Reaktion  dagegen  spielt  sich 
an  dem  tuberkulösen  Herde  selbst  ab  und  kann  ebenfalls  Fieber 
auslösen. 

Histologisch  lässt  sich  der  Vorgang  der  Lokalreaktion  mit 
dem  einer  schnell  verlaufenden  Entzündung  vergleichen.  Es 
tritt  sehr  bald  nach  der  Injektion  eine  starke  Hyperämie  der 
erkrankten  Stelle  und  in  deren  Umgebung  auf.  Eine  Begleit¬ 
erscheinung  dieser  Hyperämie  ist  eine  auffallend  starke  Durch¬ 


tränkung  des  Gewebes  mit  einer  ödemartigen  Flüssigkeit. 
Ausserdem  findet  sich  eine  reiche  Ansammlung  fixer  Blutele- 
mente,  unter  denen  besonders  die  gelappt-  und  mehrkernigen 
Leukozyten  vorherrschen. 

Verschiedene  Hypothesen,  auf  die  ich  hier  nicht  näher  ein- 
gehen  will,  haben  versucht,  eine  Erklärung  für  die  Auswahl 
der  tuberkulös  erkrankten  Stellen  durch  das  eingespritzte 
Tuberkulin  zu  geben,  ohne  zu  einem  befriedigenden  Resultat 
gelangen  zu  können.  Erst  Wassermann  und  Bruck1) 
ist  es  gelungen,  die  spezifische  Reaktion  experimentell  aufzu¬ 
lösen  und  damit  völlig  zu  erklären. 

Gestützt  auf  Untersuchungen  von  N  e  i  s  s  e  r  und  Sachs 
u.  a.  über  den  Nachweis  feinster  Eiweissmengen  durch  Komple¬ 
mentablenkung  gelang  es  ihnen,  in  den  Extrakten  noch  re¬ 
aktionsfähigen  Gewebes  tuberkulöser  Lungen  das  Vorhanden¬ 
sein  von  Tuberkulin  und  Antituberkulin  zu  beweisen.  Beides 
entspricht  der  natürlichen  Ueberlegung,  dass  nämlich  erstens  in 
einem  tuberkulösen  Herde,  wo  Tuberkelbazillen  leben  oder  ab¬ 
gestorben  sind,  Giftstoffe  derselben  lagern  und  dass  zweitens 
da,  wo  Giftstoffe  auf  noch  reaktionsfähiges  Gewebe  treffen, 
eine  Produktion  von  Gegengift  stattfindet.  Nach  Ehrlich  hat 
man  sich  die  Lagerung  von  Tuberkulin  so  zu  denken,  dass 
direkt  um  den  kranken  Herd  die  ersten  Zellschichten  voll¬ 
kommen  von  den  Giften  der  Tuberkelbazillen  durchsetzt  sind, 
dass  die  weiteren  Schichten  nur  gewissermassen  lädiert  sind 
und  die  äussersten  Schichten  intakt  —  also  gesund  sind.  Die 
mittlere  Zone  ist  der  Sitz  der  spezifischen  Reaktion;  denn  in 
ihr  findet  aus  dem  reaktionsfähigen  Gewebe  heraus  eine  Pro¬ 
duktion  von  Antituberkulin  statt,  welches  wiederum  die  Vor¬ 
bedingung  für  das  Zustandekommen  der  spezifischen  Re¬ 
aktion  ist. 

Wird  nun  einem  tuberkulösen  Individuum  Tuberkulin  ein¬ 
gespritzt,  so  muss  letzteres  kraft  seiner  gegenseitigen  Avidität 
an  seinen  in  der  Umgebung  des  kranken  Herdes  aufgespeicher¬ 
ten  Antistoff  also  an  das  Antituberkulin  herangehen  und  wird 
von  dessen  haptophorer  Gruppe  gefesselt.  Bei  dieser  Verbin¬ 
dung  von  Tuberkulin  und  Antituberkulin  kommt  es  zu  einer 
Komplementbindung  und  damit  zu  einer  Anhäufung  derjenigen 
Elemente  des  Blutes,  die  als  eiweissverdauende  aufzufassen 
sind,  der  Leukozyten  und  der  aus  ihnen  stammenden  Fermente. 
Letztere  wiederum  bewirken  eine  Einschmelzung  des  tuber¬ 
kulösen  Gewebes  und  kennzeichnen  damit  die  Lokalreaktion. 

Man  versteht  also  nach  Wassermann  und  Bruck 
unter  der  spezifischen  Tuberkulinreaktion  die  Einschmelzung 
des  tuberkulösen  Gewebes  hervorgerufen  durch  die  bei  der 
Verbindung  von  Tuberkulin  und  Antituberkulin  angereicherten 
verdauenden  Körpersäfte. 

Bei  diesem  Vorgang  tritt  für  gewöhnlich  Fieber  auf,  das 
eine  Folge  des  zur  Resorption  gelangenden  eingeschmolzenen 
tuberkulösen  Gewebes  ist. 

Wassermann  und  Bruck  haben  ihren  Versuch  noch 
weiter  ausgedehnt  und  im  Serum  von  Tuberkulösen,  die  eine 
Tuberkulinbehandlung  durchgemacht  hatten,  freies  Antituber¬ 
kulin  gefunden;  diese  Tatsache  erklärt  zur  Genüge,  weshalb 
solche  Kranke,  obwohl  sie  noch  nicht  gesund  sind,  auf  eine 
Tuberkulineinspritzung  nicht  mehr  zu  reagieren  brauchen.  Es 
wird  nämlich  durch  das  im  Serum  aufgespeicherte  Antituber¬ 
kulin  die  eingespritzte  Toxinmenge  abgefangen  und  kann  nicht 
—  oder  nur  in  kleinen  Mengen  —  zu  dem  erkrankten  Herd  ge¬ 
langen.  Es  bleibt  also  die  spezifische  Reaktion  aus  oder  ist 
wenigstens  kaum  nachweisbar. 

Bei  solchen  Tuberkulösen,  die  noch  keine  Tuberkulin- 
behandlung  durchgemacht  haben,  wurde  meistens  auch  kein 
freies  Antituberkulin  gefunden,  so  dass  es  hier  bei  einer  Tuber¬ 
kulineinspritzung  zu  einer  spezifischen  Reaktion  kommen  kann. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass 

1.  frische  Krankheitsherde  (sei  es  bei  beginnender  oder 
vorgeschrittener  Tuberkulose)  mit  genügend  reaktionsfähigem 
Gewebe  in  der  Umgebung  der  kranken  Stelle  auf  eine  Probe¬ 
injektion  lebhaft  reagieren  werden  —  es  kommt  zu  einer  aus¬ 
giebigen  Paralysierung  des  Tuberkulins  und  dadurch  zu  einer 
Einschmelzung. 


U  Deutsche  med.  Wochenschr.,  1906,  No.  12  und  Münch,  nied. 
Wochenschr.,  1906,  No.  49. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1321 


2.  Kranke  mit  grossen  Zerstörungen  und  Mangel  an  re¬ 
aktionsfähigem  Gewebe  wenig  oder  gar  nicht  reagieren  können; 
denn  es  kann  zu  keiner  Bindung  des  Tuberkulins  kommen.  Da¬ 
gegen  kann  das  eingespritzte  Tuberkulin  eine  empfindliche  Gift¬ 
wirkung  ausiiben. 

3.  Individuen,  die  kurze  Zeit  vorher  eine  Tuberkulinkur 
beendigt  haben,  auf  eine  Tuberkulineinspritzung  gar  nicht  oder 
nur  sehr  wenig  oder  erst  bei  einer  sehr  hohen  Dosis  reagieren 
werden,  weil  ihr  Serum  noch  freies  Antitoxin  enthält,  welches 
das  eingespritzte  Tuberkulin  sofort  zu  paralysieren  im¬ 
stande  ist. 

Für  diejenigen,  denen  die  Gesetze  der  Ehrlich  sehen 
Seitenkettentheorie  bekannt  sind,  möchte  ich  kurz  bemerken, 
wie  die  Wassermann-Bruck  sehen  Experimente  mit  ihr 
in  Einklang  zu  bringen  sind. 

Durch  die  Tatsache  der  Komplementbindung  bei  der  Ver¬ 
einigung  von  Tuberkulin  und  Antituberkulin  geht  hervor,  dass 
man  unter  dem  Tuberkulin  kein  Toxin  im  Sinne  Behrings 
(Diphtherietoxin,  Tetanustoxin)  zu  verstehen  hat,  sondern  eine 
Substanz,  in  der  wirkliche  Bakterienteile  enthalten  sind,  so  dass 
der  Vorgang,  der  die  Veranlassung  für  die  Lokalreaktion  ist, 
als  ein  bakteriolytischer  aufzufassen  ist,  bei  dem  das  Antitoxin 
die  Rolle  eines  Rezeptors  III.  Ordnung  mit  einer  zytophilen 
oder  haptophoren  und  einer  komplementophilen  Gruppe  ver¬ 
sieht.  Mit  der  zytophilen  Gruppe  wird  das  Tuberkulin,  mit  der 
komplementophilen  das  Komplement  gebunden.  Befindet  sich 
freies  Antitoxin  im  Blut,  so  ist  es  als  freier  Rezeptor  auf¬ 
zufassen  =  Ambozeptor,  der  unter  Zuhilfenahme  des  Komple¬ 
ments  das  eingespritzte  Tuberkulin  paralysiert. 


Technik  und  Beurteilung  der  probatorischen 
Tuberkulininjektion. 

Die  in  der  hiesigen  Heilstätte  angewandte  Tuberkulinprobe  lehnt 
sich  an  die  von  Koch  angegebene  an  mit  dem  Unterschied,  dass 
als  1.  Dosis  stets  0,1  mg  und  statt  0,5  und  5  mg  0,4  und  4  mg  ge¬ 
geben  werden.  Die  Steigerungen  erfolgen  von  0,1mg  auf  0,4  mg, 
1  mg,  4  mg,  10  mg.  Wer  nach  einer  zweimaligen  Einspritzung  von 
10  mg  nicht  reagiert,  ist,  wenn  auch  sonst  keine  Zeichen  von  Tuber¬ 
kulose  vorhanden  sind,  als  gesund  anzusehen. 

Die  Verdünnung  des  K  o  c  h  sehen  Alttuberkulins  geschieht  am 
besten  mit  einer  0,5  proz.  Karbollösung  und  muss  unter  aseptischen 
Kautelen  vorgenommen  werden. 

Diejenige  Verdünnung,  die  für  alle  Probeinjektionen  genügt,  hat 
in  100  ccm  0,5  proz.  Karbollösung  1  ccm  Alttuberkulin  zu  enthalten,  so 
dass  in  1  ccm  10  mg  Alttuberkulin  enthalten  sind,  also  in  einem  Teil¬ 
strich  einer  1  ccm  fassenden  Pravazspritze  1  mg. 

Für  die  Anfangsdosen  unter  1  mg  hat  man  die  Verdünnungen  in 
der  Spritze  zu  machen. 

Das  Instrumentarium  besteht  also  aus: 

1.  Einer  Tuberkulinlösung:  Tuberculin.  Kochii  1,0,  0,5  proz.  Kar¬ 
bolwasser  ad  100,0; 

2.  0,5  proz.  Karbolwasser; 

3.  einer  leem  fassenden  Pravazspritze  die  in  10  Teilstriche  ein¬ 
geteilt  ist; 

4.  zur  Spritze  Platiniridiumkanülen,  die  in  der  Flamme  ausge¬ 
glüht  werden  können. 

Die  Herstellung  der  5  verschiedenen  Dosen  geschieht  folgender¬ 


massen : 

1.  0,1  mg.  Es  wird  ein  Teilstrich  Tuberkulinlösung  aufgezogen, 
dazu  9  Teilstriche  Karbolwasser.  Nach  Aufsetzen  der  Kanüle  schütteln 
und  davon  1  Teilstrich  einspritzen. 

2.  0,4  mg.  Ebenso  wie  bei  0,1  und  davon  4  Teilstriche  ein¬ 
spritzen.  . 

3.  1  mg.  Man  zieht  1—2  Teilstriche  Karbolwasser  auf  und  1 
Teilstrich  Tuberkulinlösung.  Alles  einspritzen. 

4.  4  mg.  Man  zieht  4  Teilstriche  Tuberkulinlösung  auf.  Ein- 


5.  10  mg.  Man  zieht  eine  ganze  Spritze  Tuberkulinlösung  auf. 
Einspritzen. 

Es  ist  von  vielen  Seiten  angeraten  worden,  den  Patienten 
während  der  Probeinjektionen  in  ein  Krankenhaus  zu  legen. 
Obwohl  vieles  dafür  spricht,  möchte  ich  doch  der  Ansicht  sein, 
dass  der  praktische  Arzt  die  Vornahme  der  Einspritzungen 
selbst  übernimmt.  Er  muss  nur  darauf  achten,  dass  alle  nötigen 
Massregeln  absolut  befolgt  werden  und  darauf  dringen,  dass 
der  Patient  eine  der  Wichtigkeit  der  Untersuchung  ent¬ 
sprechende  Einsicht  entgegenbringt. 

Ungeeignet  für  die  prabatorische  Tuberkulininjektion  sind 
Patienten  mit  Fieber  und  ausgedehnten  Erkrankungen.  Ist  eine 
Hämoptoe  vorangegangen,  empfiehlt  es  sich,  mit  der  Ein¬ 
spritzung  4  Wochen  zu  warten.  Während  der  Dauer  der  Ein¬ 
spritzungen  hat  der  Patient  im  Bett  zu  liegen. 

No.  27. 


Die  Temperatur  ist  in  zweistündigen  Messungen  an  drei 
auf  einander  folgenden  Tagen  vorher  festzulegen.  Erforderlich 
ist  Darmmessung,  weil  Achsel-  und  Mundmessung  nicht  so  ein¬ 
wandsfreie  Zahlen  ergeben. 

Man  beginnt  die  Messung  um  6  Uhr  morgens  und  misst  — 
wenn  möglich  —  bis  12  Uhr  nachts.  Eventuell  ist  die  Fest¬ 
stellung  einer  Nachttemperatur  um  3  Uhr  erforderlich. 

Ist  Auswurf  vorhanden,  so  ist  seine  24  stündige  Menge 
vor  der  Einspritzung  zu  messen. 

Es  ist  vor  der  Einspritzung  eine  genaue  Untersuchung 
vorzunehmen 

1.  der  Lunge  und  zwar,  wenn  möglich,  morgens  vor  dem 
Abhusten, 

2.  des  Kehlkopfes, 

3.  des  Leibes  auf  Druckempfindlichkeit  in  der  Nieren-  und 
Ileozoekalgegend, 

4.  des  Urins. 

Nach  Erfüllung  dieser  Vorbedingungen  wird  vormittags 
um  ca.  9  Uhr  die  erste  Dosis,  0,1  mg,  subkutan  in  den  Rücken 
innen  oder  unten  von  der  Skapula  eingespritzt.  Die  Haut  wird 
vorher  mit  Aether  gut  gereinigt  und  nach  der  Injektion  mit 
einem  in  absoluten  Alkohol  eingetauchten  Wattebausch  leicht 
massiert,  um  die  Resorption  zu  erleichtern.  Die  Einstichstelle 
kann  mit  etwas  Kollodium  verschlossen  werden. 

Es  folgt  regelmässige  Temperaturmessung.  Am  nächsten 
Tage  hat  eine  Untersuchung  der  Lunge,  des  Leibes  und  des 
Urins  stattzufinden,  auch  wenn  keine  Temperaturerhöhung  ein¬ 
getreten  ist.. 

Ist  eine  Temperaturerhöhung  von  0,5°  eingetreten,  so  ist 
die  Reaktion  als  positiv  zu  bezeichnen,  und  man  kann  nach  Ab¬ 
klingen  derselben  die  Dosis  noch  einmal  wiederholen;  oft  pflegt 
dann  die  Temperaturerhöhung  eine  deutlichere  zu  sein. 

Ist  nun  eine  ganz  geringe  oder  gar  keine  Temperatur¬ 
erhöhung  aufgetreten,  so  erfolgt  am  übernächsten  Tage  die  In¬ 
jektion  von  0,4  mg. 

Wieder  folgt  genaue  Messung,  Untersuchung  usw.  wie 
oben. 

Die  Frage,  ob  eine  spzezifische  Reaktion  nach  einer  der 
genannten  Dosen  aufgetreten  ist,  ist  zu  bejahen,  wenn  die  Tem¬ 
peratur  an  demselben  oder  am  nächsten  Tage  sich  zu  irgend 
einer  Zeit  um  0,5°  gegen  die  Tage  vorher  erhoben  hat. 

Man  vergleicht  nie  die  Tagesmaxima  mit  einander,  sondern  die 
sich  entsprechenden  Zeiten. 

Eine  wertvolle  Unterstützung  erfährt  die  Beurteilung  der 
positiven  Reaktion  durch  das  Auftreten  folgender  Symptome: 

1.  durch  das  Auftreten  von  Geräuschen  über  der  Lunge, 
die  vorher  noch  nicht  vorhanden  waren,  oder  durch  eine  Ver¬ 
mehrung  von  solchen,  die  schon  kontrolliert  waren.  Beides 
ist  meistens  mit  einer  Vermehrung  der  Aufwurfmenge  und  des 
Hustens  verbunden  (Lokalreaktion). 

Der  Nachweis  der  Lokalreaktion  genügt  bei  Individuen, 
die  schon  eine  Tuberkulinkur  durchgemacht  haben,  da  infolge 
der  gesteigerten  Tuberkulinunempfindlichkeit  das  Fieber  nicht 
aufzutreten  braucht. 

2.  durch  das  Auftreten  von  Schmerzen  im  Kehlkopf  oder 
von  Heiserkeit.  Der  Verdacht  auf  eine  bestehende  Kehlkopf¬ 
tuberkulose  ist  berechtigt  und  eine  genaue  Untersuchung  an¬ 
gezeigt. 

3.  Wenn  im  Urin  plötzlich  Eiweiss  oder  Blut  auftritt,  event. 
verbunden  mit  Schmerzhaftigkeit  einer  oder  beider  Nieren, 
ist  an  eine  bestehende  Nierentuberkulose  zu  denken. 

4.  Wenn  starke  Schmerzen  im  Leibe,  besonders  der  rechten 
Unterbauchgegend  auftreten,  so  können  sie  durch  vorhandene 
Darmgeschwüre  oder  geschwollene  tuberkulöse  Mesenterial¬ 
drüsen  hervorgerufen  werden;  doch  ist  es  ratsam,  mit'  der 
Diagnose  der  Darmtuberkulose  vorsichtig  zu  sein,  da  man  ver¬ 
hältnismässig  oft  nach  Tuberkulin  Leibschmerzen  auftreten 
sieht,  die  ihre  Ursache  nicht  in  tuberkulösen  Veränderungen 
haben.  In  einigen  Fällen  ist  nach  einer  Tuberkulineinspritzung 
Blut  im  Stuhlgang  aufgetreten,  was  ebenfalls  auf  bestehende 
Darmgeschwüre  schliessen  lässt. 

Ausserdem  finden  sich  im  Gefolge  der  Tuberkulinreaktion 
noch  eine  ganze  Reihe  von  Symptomen,  die  zum  Teil  einen 
spezifischen  Charakter  haben  können. 

In  erster  Linie  erwähne  ich  die  hin  und  wieder  auftretende 
Spinalgie  (P  e  t  r  u  s  c  h  k  y).  Bei  Druck  auf  die  Proc.  spinosi 


1322 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


wird  ein  von  den  Wirbeln  naeh  links  oder  rechts  in  die  Schulter 
hinein  ausstrahlender  Schmerz  ausgelöst. 

Oft  ist  dieses  Symptom  kompliziert  mit  Schmerzempfind¬ 
lichkeit  des  Brustbeins  besonders  des  oberen  Teils  und  einem 
gespannten  Gefühl  in  der  Brust.  Meines  Erachtens  ist 
dieser  Symptomenkomplex  ein  Zeichen  dafür,  dass  die  im 
Thorax  vorkommenden,  sehr  zahlreichen  Lymphdrüsen,  die  bei 
einer  bestehenden  Lungentuberkulose  fast  immer  in  irgend 
einem  Stadium  einer  tuberkulösen  Erkrankung  stehen,  durch  die 
spezifische  Reaktion  und  die  dadurch  bedingte  Schwellung  eine 
Erhöhung  des  intrathorakalen  Drucks  verursachen. 

Es  ist  dieses  Symptom  ein  so  häufig  wiederkehrendes,  dass 
man  ihm  einen  diagnostischen  Wert  zusprechen  kann. 

Eine  Teilerscheinung  dieses  erwähnten  Symptomenkom- 
plcxcs  ist  zeitweise  das  Auftreten  von  Herzklopfen  nach  einer 
Tuberkulininjektion.  Auch  dieses  kann  auf  eine  spezifische 
Reaktion  hindeuten.  Im  Verlaufe  des  Vagus  finden  sich  häufig 
bei  Tuberkulösen  erhebliche  Lymphdriisenschwellungen  resp. 
-tuberkulösen.  Ich  selbst  habe  einmal  in  einer  erbsengrossen 
Lymphdrüse,  die  unmittelbar  in  der  Nähe  des  Vagus  lag  und 
makroskopisch  keine  Veränderung  erkennen  liess,  ganz  frische 
Miliartuberkel  mit  Riesenzellen  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  gefunden  und  auch  in  anderen  Fällen  makro¬ 
skopisch  Tuberkulose  einer  oder  mehrerer  dieser  Drüsen  bei 
der  Sektion  feststellen  können,  so  dass  bei  der  spezifischen 
Reaktion  durch  eine  Tuberkulininjektion  eine  erhebliche 
Schwellung  dieser  Drüsen  und  damit  eine  direkte  Insultierung 
des  Vagus  verständlich  ist. 

Dieser  interessante  Symptomenkomplex  wird  durch  Herrn 
Chefarzt  Dr.  B  r  e  c  k  e  in  einer  demnächst  erscheinenden  aus¬ 
führlichen  Arbeit  genauere  Besprechung  und  Erklärung  er¬ 
fahren. 

Zu  unangenehmen  Zufällen,  die  ich  noch  erwähnen  möchte, 
gehören  sehr  hohe  Reaktionen.  Sie  pflegen  schnell  wieder 
abzuklingen,  und  es  ist  meistens  nichts  anderes  nötig,  als  eine 
Eisblase  auf  Kopf  und  Herz  zu  legen  und  für  eine  genügende 
Flüssigkeitszufuhr  zu  sorgen.  Antipyretica  sind  zu  vermeiden. 

Bei  sogen,  protrahierten  Reaktionen,  d.  i.  Reaktionen,  bei 
denen  das  Eieber  einige  Tage  lang  bestehen  bleibt,  empfiehlt  es 
sich,  am  4. — 5.  Tage  Antipyretica  zu  geben,  doch  kommen 
solche  Fälle  selten  vor. 

Was  die  Zeit  des  Eintretens  und  die  Dauer  der  Reaktion 
betrifft,  so  ist  zu  bemerken,  dass  in  den  meisten  Fällen  die  Re¬ 
aktion,  wenn  die  Einspritzung  des  Morgens  um  9  Uhr  erfolgt 
ist,  ihren  Höhepunkt  noch  am  Abend  erreicht.  In  anderen 
Fällen  erfolgt  sie  erst  am  nächsten  Tage.  Meistens  ist  die 
Temperatur  12—24  Stunden  nach  Beginn  der  Reaktion  wieder 
normal. 

Ueber  die  Dauer  der  Lokalreaktion  auf  der  Lunge  etwas 
bestimmtes  zu  sagen,  möchte  ich  mich  enthalten.  Nach  meiner 
Erfahrung  kann  man  sie  durch  die  Auskultation  etwas  länger 
nachweisen,  als  Vermehrung  des  Hustens  und  Auswurfs  be¬ 
steht.  Jedenfalls  wird  man  richtig  gehen,  wenn  man  für  ge¬ 
wöhnlich  annimmt,  dass  die  Lokalreaktion  auf  der  Lunge  un¬ 
gefähr  4  Tage  dauert,  mit  der  Einschränkung,  dass  Lokal¬ 
reaktionen  von  einer  Woche  ebenfalls  zur  Beobachtung 
kommen. 


Kurve  1. 


Kurve  3. 


Von  den  beigefügten  Temperaturkurven  gibt  die  I.  eine 
typische  Reaktion  bei  4  mg  wieder;  die  II.  eine  sehr  hohe  Re¬ 
aktion.  die  erst  am  2.  Tage  aufgetreten  ist;  die  III.  zeigt  eine 
protrahierte  Reaktion,  die  5  Tage  dauerte  und  am  Vormittag 
des  6.  Tages  einen  plötzlichen  Abfall  erlebte. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  die  Reaktion  auf  eine 
probatorische  Tuberkulininjektion  für  den  betreffenden  Patien¬ 
ten  durchaus  kein  gleichgültiger  Vorgang  ist.  Die  plötzlich  an¬ 
steigende  Temperatur  und  die  deutliche  Lokalreaktion  an 
jedem  tuberkulösen  Herd  deuten  auf  einen  energisch  ver¬ 
laufenden  Prozess  und  können  den  Patienten  für  die  Dauer  der 
Reaktion  erheblich  krank  machen.  Dem  gegenüber  aber  ist 
zu  bedenken,  dass  dieser  Zustand  und  die  Erscheinungen 
stets  vorübergehend  und  bei  genauer  Be¬ 
rücksichtigung  aller  der  zur  Untersuchung 
wichtigen  Vornah  m  e  n,  wie  ich  sie  angegeben  habe, 
ungefährlich  sind. 


Die  diagnostische  Bedeutung  der  Assoziationsversuche.*) 

Von  Dr.  Max  Isserlin  in  München. 

M.  H.!  Untersuchungen  über  die  Verknüpfung  von  Be¬ 
wusstseinsinhalten  gehören  zu  den  frühesten  wissenschaft¬ 
lichen  Bemühungen  einer  empirischen  Psychologie,  und  auch 
die  junge  experimenteller  Hilfsmittel  sich  bedienende  Wissen¬ 
schaft  hat  dem  Problem  der  Assoziation  seelischer  Erlebnisse 
die  gebührende  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Gemäss  der 
überwiegenden  Rolle,  welche  bis  in  die  Neuzeit  hinein  die  in¬ 
tellektuelle  Sphäre,  das  Gebiet  des  Vorstellens  und  Denkens, 
in  der  Psychologie  gespielt  hat,  war  es  das  Problem  der  Asso¬ 
ziation  von  Vorstellungen,  welches  die  Forscher  in  An¬ 
spruch  nahm;  sie  in  einem  solchen  Masse  in  Anspruch  nahm, 
dass  man  heute  noch  eine  wichtige  Richtung  empirischer 
Psychologie  nach  der  Bedeutung,  welche  gerade  die  Frage 
der  Vorstellungsassoziation  für  sie  gewann,  als  „Assoziations- 
Psychologie“  bezeichnet.  Das  Ziel,  welches  diese  vorwiegend 
fesselte,  war,  allgemeine  Gesetze  der  Verknüpfung  von  Vor¬ 
stellungen  festzustellen,  und  auch  die  modernen  experimen¬ 
tellen  Untersuchungen  leitete  zunächst  das  Interesse  an  der 
Erfassung  gemeingültiger  Gesetzmässigkeiten,  welche  die  Ver¬ 
bindung  von  Bewusstseinsinhalten  beherrschen. 

Es  zeigte  sich  aber  sehr  bald,  dass  das  Assoziations¬ 
experiment  —  wenigstens  in  der  Form,  in  welcher  es  zunächst 
angestellt  wurde  —  über  jene  theoretischen  Fragen  wenig 
Klarheit  brachte.  Wenn  es  sich  trotzdem  auch  in  jener  ersten 
Form  im  Wesentlichen  unverändert  eingebürgert  hat,  so  ver¬ 
dankte  es  das  dem  Umstand,  dass  es  sich  für  praktisch¬ 
psychologische  Zwecke  sehr  brauchbar  erwies,  für  die 
Fixierung  individueller  psychischer  Unterschiede  und  die 
psychopathologische  Diagnostik. 

Wenn  wir  nun  in  unseren  heutigen  Ausführungen  speziell 
diesen  praktisch-diagnostischen  Assoziationsversuchen  eine 
eingehendere  Erörterung  widmen,  so  soll  in  der  Wahl  dieses 
Themas  nicht  der  Ausdruck  einer  besonderen  Bevorzugung  des 
Verfahrens  der  Assoziationsversuche  gegenüber  anderen  in¬ 
dividualpsychologischen  Untersuchungsmethoden  gefunden 
werden;  es  handelt  sich  durchaus  nicht  etwa  um  ein  Hilfsmittel 
der  psychologischen  Diagnostik,  welches  die  bereits  zahlreich 
ausgebildeten  anderen  Verfahren  an  Exaktheit  und  Sicherheit 
überträfe,  wohl  aber  verdienen  die  ergebnisreichen  Unter¬ 
suchungen,  welche  mit  Hilfe  des  Assoziationsexperiments  über 
zahlreiche  psychologische  und  psychopathologische  Fragen  an¬ 
gestellt  sind,  und  wie  sie  besonders  in  den  letzten  Jahren  För- 


*)  Nach  einem  im  Naturhistorisch-medizinischen  Verein  zu 
Heidelberg  gehaltenen  Vortrag. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1323 


derung  erfahren  haben,  eine  gesonderte  Darstellung.  Wollen 
wir  aber  speziell  den  psychiatrisch -  diagnosti¬ 
schen  Wert  dieser  Methode  erfassen,  so  wird  es  zweck¬ 
mässig  sein,  einer  kurzen  Uebersicht  über  die  Entwicklung 

dieses  Arbeitsgebiets  zu  folgen.  . 

Der  erste,  welcher  Versuche,  die  man  als  Assoziations- 
experimente  bezeichnen  kann,  angestellt  hat,  ist  wohl  Hal¬ 
ten  gewesen  (1878).  Er  machte  Versuche  in  der  Weise,  dass 
er  plötzlich  die  Aufmerksamkeit  auf  irgend  einen  Eindruck 
richtete  und  dann  registrierte,  welche  Vorstellung  unmittelbar 
darauf  in  sein  Bewusstsein  trat,  was  ihm  unwillkürlich  „einfiel“. 
Er  versuchte  es  auch  schon,  die  Zeit,  die  von  dem  Eindruck  bis 
zum  „Einfallen“  verfloss,  zu  messen.  Von  W  u  n  d  t  und  seiner 
Schule  sind  dann  bald  im  Anschluss  an  jene  ersten  Experimente 
umfassendere  und  exaktere  Untersuchungen  ausgeführt  und 
ein  einwandfreieres  Versuchsverfahren  ausgebildet  worden. 
Auch  diese  Methodik,  wie  sie  sich  bald  allgemeiner  ein- 
bürgerte,  suchte  festzustellen,  welche  Einfälle  im  Anschluss  an 
einen  Eindruck  unwillkürlich  ins  Bewusstsein  traten,  „repro¬ 
duziert“  wurden,  und  die  Zeit  bis  zur  Reproduktion,  die  „Asso¬ 
ziationszeit“  zu  messen.  Erreicht  wurde  dieses  Ziel  gewöhn¬ 
lich  in  der  Weise,  dass  einzelne  „Reiz“worte  der  Versuchs¬ 
person  (optisch)  gezeigt  oder  (akustisch)  zugerufen  wurden  und 
die  Versuchsperson  das  zunächst  einfallende  Wort  auszu- 
sprechen  hatte  („Antwortmethode“).  Die  „Assoziationszeit“  V 
wurde  dabei  entweder  bis  auf  Tausendstel  Sekunden  genau  mit 
dem  „H  i  p  p  sehen  Chronoskop“  gemessen  (durch  Vorrich¬ 
tungen,  welche  ermöglichten,  das  Chronoskop  mit  Hilfe  eines 
elektrischen  Stroms  durch  das  Zeigen  bezw.  Zurufen  des  Wor¬ 
tes  in  Gang  zu  setzen,  durch  die  Reaktion  der  Versuchsperson 
wieder  zum  Stillstand  zu  bringen)  oder  auch  in  einfacher  Weise 
mit  einer  durch  den  Versuchsleiter  in  Bewegung  zu  setzenden 
und  zu  'arretierenden  „Fünftel-Sekunden-Uhr“.  So  gelang  es 
bald,  verschiedene  Arten  zu  reagieren  festzustellen,  „Assozia¬ 
tionsformen“,  welche  man  mit  einer  gewissen  Konstanz  in  be¬ 
stimmter  Weise  jeweils  bei  bestimmten  Individualitäten  auf- 
treten  sah,  und  welche  man  deshalb  für  ein  psychisches  Signale¬ 
ment,  für  die  Kennzeichnung  individueller  Unterschiede  zu  ver¬ 
werten  begann. 

Es  ist  insbesondere  W  u  n  d  t  gewesen,  welcher  dieser 
praktischen  Verwertung  des  eben  beschriebenen  Ver¬ 
fahrens  der  Assoziationsexperimente  das  Wort  geredet  hat, 
und  sein  Schüler  T  r  a  u  t  s  c  h  h  o  1  d*  2)  hat  ein  Schema  für  die 
Einteilung  der  gewonnenen  Assoziationen  entworfen,  welches 
auch  noch  heute  in  etwas  modifizierter  Weise  sehr  häufig  ver¬ 
wendet  wird.  Das  Wesentliche  dieser  Einteilung  war  die 
Trennung  in  „innere“  und  „äussere“  Assoziationen,  „innere“ 
solche,  bei  denen  das  Reaktion s wort  mit  dem  Reizwort  in  be¬ 
grifflichem  Zusammenhang  steht  (z.  B.  Pferd  —  Haustier,  Sonne 
—  leuchtet),  „äussere“,  wenn  Reiz-  und  Reaktionswort  nur 
durch  räumliche  oder  zeitliche  Berührung  (Pferd  —  Sattel, 
Donner  —  Blitz)  oder  durch  sprachliche  Gewohnheit  und 
Klangähnlichkeit  (Kind  —  Kegel,  fest  —  gemauert,  wunder  — 
bar,  Baum  —  Schaum)  verknüpft  erscheinen.  So  gelingt  es 
auch  schon  nach  diesen  einfachen  Gesichtspunkten  mehr 
„innerlich“  oder  „äusserlich“  reagierende  Typen  zu  unter¬ 
scheiden,  eine  Möglichkeit,  welche  sich  sowohl  für  die  normale 
Individualpsychologie,  als  auch  besonders  aber  für  die  psycho- 
pathologische  Diagnostik  als  bedeutungsvoll  erwies.  Es  wurde 
das  Ziel  des  praktisch  verwendeten  Assoziationsversuchs 
solche  Verschiedenheiten  der  Qualität  der  Assoziationen  und 
der  Assoziationszeit  bei  verschiedenen  Individualitäten  und  bei 
derselben  Individualität  in  verschiedenen  Seelenzuständen  zu 
kennzeichnen. 

In  dieser  Absicht  hat  K  r  a  e  p  e  1  i  n  3)  den  Assoziations¬ 
versuch  in  grundlegender  Weise  in  die  Psychiatrie  eingeführt. 
Ausser  orientierenden  Normalversuchen  hat  er  Experimente 
über  die  Beeinflussung  des  Assoziierens  durch  Einwirkung 
von  Giften  angestellt.  Er  fand  bei  der  Einwirkung  von 


x)  Dieser  ungenaue  Ausdruck  ist  bei  praktischen  Versuchen  er¬ 
laubt.  Eigentlich  muss  von  der  gewonnenen  Zeit  die  einfache  Re- 
aktions-  und  die  Apperzeptionszeit  abgezogen  werden,  damit  man  die 
wirkliche  „Assoziationszeit“  erhält. 

2)  Philos.  Stud.,  herausg.  v.  W  u  n  d  t,  Bd.  I. 

3)  „Ueber  die  Beeinflussung  psychischer  Vorgänge  durch  einige 

Arzneimittel“  und  „Psychologische  Arbeiten“  I. 


Alkohol  eine  Verlängerung  der  Reaktionszeit  und  eine  Ver- 
äusserlichung  des  Assoziationstypus,  bei  der  Aufnahme  von 
Thee  eine  Abnahme  der  äusseren  Assoziationen  bei  kurzer 
Reaktionszeit.  Sehr  umfassende  Untersuchungen  hat  dann  in 
Kraepelins  Laboratorium  Aschaffen 'bürg4)  ange¬ 
stellt.  Seine  Arbeiten  behandeln  in  ausgedehnter  Weise  die 
Assoziationen  der  Normalen,  die  Veränderungen  des  Asso¬ 
ziierens  bei  der  Erschöpfung  und  Alkoholeinwirkung  sowie  vor 
allem  die  für  die  manischen  Zustände  und  die  Ideenflucht 
charakteristischen  Assoziationsreaktionen.  A  schaffen - 
b  u  r  g  fand  bei  den  von  ihm  untersuchten  gebildeten  Normalen 
ein  leichtes  Ueberwiegen  der  äusseren  Assoziationen  über  die 
inneren,  die  Reaktionszeit  der  äusseren  Assoziationen  wai 
durchgehends  etwas  kürzer  als  die  der  inneren.  Bei  der  E  r  - 
Schöpfung  trat  eine  allgemeine  Verflachung  des  Assozia¬ 
tionstypus  zutage;  äusserliche,  eingelernte  Verbindungen, 
Klangreaktionen  und  Reime  ersetzen  die  begrifflichen  Bezieh¬ 
ungen  ;  die  Reaktionszeit  ist  dabei  verlängert.  Aehnliche  Re¬ 
sultate  ergaben  die  Alkoholversuche.  Die  höchsten  Grade  abei 
einer  solchen  Veräusserlichung  und  Verflachung  der  Assozia¬ 
tionen  konnte  Aschaffenburg  in  seinen  fundamentalen 
Untersuchungen  über  die  manische  Id  een  flucht  nach- 
weisen.  Mit  steigender  Erregung  treten  die  äusseren  Zu¬ 
sammenhänge  immer  mehr  an  die  Stelle  der  inneren.  Von  der 
Aneinanderreihung  der  Vorstellungen  nach  blosser  räumlicher 
oder  zeitlicher  Koexistenz  schreitet  die  Verflachung  der  Asso¬ 
ziationen  fort  zu  eingelernten  Verbindungen,  Redensarten, 
Sprichwörtern,  Witzen  und  endigt  mit  der  Häufung  von  sinn¬ 
losen  Klangreaktionen  und  Reimen  (die  letzteren  konnte 
Aschaffenburg  in  30—70,  ja  100  Proz.  in  der  Ideenflucht 
nachweisen,  während  Klangreaktionen  bei  Normalen  nur  in 
einer  Stärke  von  2—4  Proz.  aufzutreten  pflegen).  Wichtig  ist 
das  Verhalten  der  Reaktionszeit.  Aschaffenburg  hat 
diese  in  der  Manie  und  Ideenflucht  niemals  beschleunigt,  oft 
nicht  unerheblich  verlangsamt  gefunden.  Er  tritt  deshalb  — 
ebenso  wie  Kraepelin  —  der  sonst  fast  allgemein  ange¬ 
nommenen  Lehre  von  der  Beschleunigung  des  Vorstellungs¬ 
ablaufes  in  der  manischen  Erregung  entgegen.  Auf  diese  An¬ 
sicht  werden  wir  indessen  noch  im  Laufe  unserer  Erörterungen 
zurückzukommen  haben. 

Wichtige  Ergänzungen  sowohl  hinsichtlich  der  Methodik 
des  Asso’ziationsexperimentes  als  der  speziellen  Erforschung 
der  einzelnen  Psychosen  brachten  die  Arbeiten  S  o  m  m  e  r  s 5) 
und  seiner  Schüler.  Sommer  vertritt  —  gemäss  seinen  auch 
sonst  angewendeten  methodischen  Grundsätzen  —  die  Forde¬ 
rung  der  Anwendung  eines  einheitlichen,  nach  bestimmten  Ge¬ 
sichtspunkten  zusammengestellten  Reizwörterschemas,  welches 
die  verschiedene  Reaktionsweise  verschiedener  Individuen  auf 
einen  einheitlichen  Reiz  bezw.  desselben  Individuums  in  den 
verschiedenen  Stadien  einer  Psychose  verdeutlichen  soll.  — 
Sicher  ist,  dass  bei  Einhaltung  gewisser  Vorsichtsmassregeln 
(besonders  gegen  die  Fixierung  von  Assoziationen  durch 
Wiederholung)  ein  einheitliches  Formular  von  Reizworten  sich 
gut  bewährt.  Ausser  auf  diese  Einheitlichkeit  des  Versuchs¬ 
verfahrens  legt  Sommer  auch  Wert  auf  eine  möglichst  freie, 
natürliche  Reaktionsweise.  Er  verlangt  nicht  Aeusserung  des 
Assoziierten  nur  in  einem  Wort,  sondern  überlässt  es  der  Ver¬ 
suchsperson,  sich  zu  äussern,  wie  es  ihr  gerade  liegt,  und 
notiert  die  Aeusserungen  möglichst  genau.  Man  erschwert 
freilich  auf  diese  Weise  eine  exakte  Zeitmessung,  erhält  aber 
dafür  oft  sehr  charakteristische  Verschiedenheiten  in  der 
Form  der  Reaktionen.  Von  den  speziellen  Ergebnissen, 
welche  wir  den  Untersuchungen  Sommers  verdanken,  seien 
besonders  die  über  Dementia  praecox  (Katatonie)  und  Epilepsie 
angeführt.  Bei  der  Katatonie  hat  Sommer  in  den  Assozia¬ 
tionen  als  kennzeichnend  die  Stereotypien,  Wiederholungen, 
das  Perseverieren,  verbunden  mit  der  Verkehrtheit  der  Aeusse¬ 
rungen,  die  oft  sprunghaft  in  manirierter  Weise  vorgebracht 
werden,  hervorgehoben.  Bei  der  Epilepsie  zeigte  eine  ge¬ 
nauere  Analyse  die  egozentrische  Richtung  des  Reaktionen, 
die  häufig  depressive  und  eigentümlich  demütige  Stimmung, 


4)  Kraepelins  Psychol.  Arbeiten  I,  II,  IV,  ebenda  III  u.  IV 
die  Untersuchungen  von  R  ü  d  i  n  und  Kürz  und  Kraepelin  über 
Alkoholwirkung,  von  W  e  y  g  a  n  d  t  über  die  Wirkung  des  Hungerns. 

5)  Lehrbuch  der  psychopathologischen  Untersuchungsmethoden. 

2* 


1324 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


die  in  ihnen  sich  offenbart,  das  Haften  und  Perseverieren  von 
Assoziationen  einerseits  neben  dem  plötzlichen  Auftreten  völlig 
zusammenhangloser  „sprungartiger“  Reaktionen  andrerseits, 
welche  Sommer  nur  aus  der  Individualität  des  Untersuchten 
als  „subjektiv  präformiert“  erklären  zu  dürfen  glaubt,  als  be¬ 
sonders  wichtige  Merkmale  an.  Diese  Ergebnisse  sind  dann 
durch  weitere  Untersuchungen  in  dem  Laboratorium  Som¬ 
mers,  von  Fuhrmann  °),  welcher  besonders  auf  die  Ein¬ 
schränkung  des  Vorstellungsschatzes  bei  Epileptikern  sein 
Augenmerk  richtete  und  mir  in  einem  Falle,  in  dem  bei  durch 
7  Jahre  getrennten  Untersuchungen  konstante  Resultate  nach¬ 
gewiesen  werden  konnten  '),  bestätigt  und  erweitert  worden. 

Auch  eine  vor  kurzem  erschienene  Arbeit  Jungs8)  über 
die  Assoziationen  eines  Epileptikers  hat  im  wesentlichen  mit 
den  früheren  übereinstimmende  Resultate  erbracht  neben 
einigen  Ergänzungen.  Wichtig  ist  ein  eigentümliches  Verhalten 
der  Reaktionszeit,  welche  Jung  bei  dem  Kranken  fand.  Sie 
zeigte  starke  Schwankungen,  die  stärksten  Verlängerungen 
immer  'unmittelbar  nach  für  die  Person  des  Kranken  beson¬ 
ders  bedeutungsvollen,  gefühlsbetonten  Assoziationen.  Jung 
glaubt  die  Verlängerungen  der  Reaktionszeit  in  den  jenen  ge¬ 
fühlsbetonten  folgenden  Reaktionen  auf  eine  Perseveration  des 
Gefühlstons  zurückführen  zu  dürfen  und  schliesst  deshalb,  dass 
der  Gefühlston  bei  seinem  Epileptiker  wahrscheinlich  später 
einsetzt  und  länger  anhält  als  beim  Normalen. 

Gleichfalls  aus  dem  Laboratorium  Sommers  stammt  die 
sehr  eingehende  Arbeit  Wreschners9)  über  die  Asso¬ 
ziationen  einer  Idiotin.  Er  fand  einen  eingeschränkten  Vor¬ 
stellungsschatz  mit  geringem  Wechsel  der  Vorstellungen,  eine 
lange  Reaktionszeit  und  eine  Verschlechterung  der  Asso¬ 
ziationen  bei  höherer  Qualität  des  Reizwortes,  überhaupt  im 
wesentlichen  nur  geringwertige  Assoziationen  aus  den  nächst- 
liegenden  Gebieten. 

Zu  erwähnen  sind  ferner  die  Untersuchungen  von 
Rausch  bürg  und  B  a  1  i  n  t 10),  welche  bei  Greisen  ein  Vor¬ 
wiegen  der  inneren  Assoziationen  und  eine  lange  Reaktions¬ 
zeit  fanden. 

Wichtige  Untersuchungen  über  die  „Ideenassozia¬ 
tion  des  Kindes“  hat  Ziehen* 11)  veröffentlicht.  Er  hat 
seine  Untersuchungen  über  Jahre  hinaus  ausgedehnt  und  die 
Entwicklung  der  Kinder  mit  ihnen  verfolgt.  Er  hat  bei  den 
jungen  Versuchspersonen  gewöhnlich  sehr  sinngemässe  Asso¬ 
ziationen  und  eine  Abnahme  der  Reaktionszeit  mit  dem  Alter 
gefunden.  Das  wichtigste  Ergebnis  seiner  Untersuchungen  ist 
das  Vorherrschen  der  Individualvorstellungen  bei  Kindern 
(also  etwa  als  Assoziation  auf  „Hund“  irgend  ein  bestimmter, 
dem  Kinde  bekannter  Hund  etc.);  es  entspricht  dieses  Resultat 
der  lebhaften  „gegenständlichen“  Phantasie  des  Kindes,  welche 
sich  auch  sonst  offenbart. 

Eine  sehr  wesentliche  Bereicherung  hat  das  Verfahren  des 
Assoziationsexperimentes  sowohl  hinsichtlich  des  Ausbaues  der 
Methodik  als  der  Gewinnung  neuer  Ergebnisse  durch  die 
Untersuchungen  erfahren,  welche  unter  der  Leitung  Jungs12) 
in  der  Psychiatrischen  Klinik  zu  Zürich  angestellt  worden  sind. 
Zunächst  hat  Jung  in  Gemeinschaft  mit  R  i  k  1  i  n,  um  die 
Grundlage  für  psychopathologische  Studien  sicherer  aus¬ 
zubauen,  von  neuem  eine  grosse  Anzahl  von  Assoziations¬ 
studien  an  Gesunden  angestellt  und  unsere  Kenntnis  über 
die  Variationen  der  Vorstellungsverknüpfung  in  der  Breite  des 
Normalen  sehr  gefördert.  Jung  und  Ri  k  1  i  n  unterscheiden 
in  den  Ergebnissen  ihrer  Arbeit  ihre  Versuchspersonen  der 
Individualität  und  dem  Bildungsgrade  nach  und 
haben  für  diese  Unterschiede  sowie  für  spezielle  Abänderungen 
der  Versuchsbedingungen  (Ablenkungsexperimente)  kennzeich¬ 
nende  Versuchsresultate  gefunden.  Sie  teilen  die  Indi¬ 
vidualitäten  in  „subjektiv“  und  „objektiv“  re¬ 
agierende  Typen.  Während  die  letzteren  unter  Ein¬ 
stellung  auf  den  Wortsinn  sachlich  reagieren  (z.  B.  Pferd — 


°)  Beitr.  z.  psych.  Klinik,  herausg.  v.  Sommer,  Bd.  I. 

7)  Monatsschr.  f.  Psych.  u.  Neurol.  XVIII,  1906,  Erg.-H.,  vgl. 
ebenda  Heilbronne  r. 

8)  Journ.  f.  Psychol.  u.  Neurol.  1905. 
fl)  Allg.  Zeitschr.  f.  Psychiatrie  57. 

10)  Allg.  Zeitschr.  f.  Psychiatrie  57. 

11)  Die  Ideenassoziation  des  Kindes.  Berlin. 

12)  Journ.  f.  Psychol  u.  Neurol.  1904  ff. 


Säugetier  etc.),  oft  direkt  Definitionen  liefern,  sind  die  sub¬ 
jektiven  Typen  dadurch  charakterisiert,  dass  in  ihren 
Assoziationen  das  persönliche  Moment  eine  merkliche  Rolle 
spielt,  die  Einstellung  ist  eine  „egozentrische“,  es  treten  sub¬ 
jektive,  häufig  gefühlsbetonte  Erfahrungen  im  Versuch  zutage. 
Besondere  Aufmerksamkeit  verdient  von  den  subjektiven 
Typen  der  von  Jung  und  Riklin  als  „Komplexkon¬ 
stellationstypus“  bezeichnete  Assoziationsmodus.  Er 
ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  in  den  Assoziationen  bestimmte, 
das  Individuum  beschäftigende  Erlebnisse  geäussert  werden, 
ein  gefühlsbetonter  „Erinnerungskomplex“  angeregt  wird.  Von 
den  mannigfachen  hübschen  Beispielen,  welche  Jung  und 
Riklin  für  diesen  Typ  angeführt  haben,  will  ich  nur  einige 
Assoziationen  eines  in  eine  unglückliche  Liebesaffäre  ver¬ 
wickelten  jungen  Mannes  hier  anführen:  „Hochzeit^ —  Un¬ 
glück“,  „komm  —  komm  mit  mir“,  „leiden  —  ach  Gott  ja“, 
„Kummer  —  wer  nie  die  kummervollen  Nächte“,  „Küssen  — 
nie“,  „Spiel  —  süsse  Spiele  spiel  ich  mit  Dir“,  „Es  —  es, 
es,  es  und  es,  es  ist  ein  harter  Schluss“,  „Scheiden  —  tut  weh“, 
„lieben  —  gestern“  etc.  Hier  tritt  also  deutlich  ein  ganz  be¬ 
stimmtes  gefühlsbetontes  Erlebnis  im  Versuch  zutage.  Eine 
derartig  subjektiv-egozentrische  Reaktionsweise  gewinnt  in  ge¬ 
steigerter  Ausbildung  bei  bestimmten  pathologischen  Verände¬ 
rungen  Bedeutung. 

Die  Differenzen  der  Reaktionsweisen  nach  dem  Bildungs¬ 
grad  waren  gleichfalls  im  ganzen  konstant  und  deutlich.  Sie 
äusserten  sich  darin,  dass  Gebildete  im  allgemeinen  viel  ober¬ 
flächlicher  reagieren,  die  Ungebildeten  sich  viel  mehr  auf  den 
Sinn  der  Reizworte  einstellen  als  die  Gebildeten.  Jung  und 
Riklin  suchen  diesen  Unterschied  damit  zu  erklären,  dass 
bei  den  Gebildeten  viel  mehr  Eingelerntes,  aufgespeichertes 
Material  hervortritt;  die  Ungebildeten  dagegen  haben  eine 
andere  Auffassung  vom  Experiment,  sie  nehmen  das  Reizwort 
ganz  unwillkürlich  mehr  als  Aufgabe,  welcher  sie  durch  De¬ 
finition  und  Erklärung  zu  genügen  suchen.  Nicht  übergehen 
wollen  wir  schliesslich  die  Tatsache,  dass  J.  und  R.  bei  Stö¬ 
rung  der  Aufmerksamkeit  durch  Ablenkung  eine  Ver¬ 
flachung  der  Assoziationen  feststellen  konnten. 

Die  Wichtigkeit  der  eben  skizzierten  Feststellungen  über 
die  Verschiedenheiten  der  Qualität  der  Assoziationen  Nor¬ 
maler  wird  erhöht  durch  die  Aufklärungen  über  das  Verhalten 
der  Reaktionszeit,  welche  wir  Jung  verdanken.  Das 
Wichtigste  seiner  Untersuchungsergebnisse  ist  der  Nachweis 
des  die  Reaktionszeit  verlängernden  Ein¬ 
flusses  von  Gefühlen.  Schon  vor  Jung  haben 
Mayer  und  0  r  t  h  auf  diese  Bedeutung  von  Gefühlsprozessen 
für  die  Reaktionszeit  hingewiesen,  aber  es  ist  zweifellos  das 
Verdienst  Jungs  die  Kenntnis  dieser  Tatsache  in  den  Dienst 
diagnostischer  Bestrebungen  gestellt  zu  haben.  Nach  seinen 
Darlegungen  äussern  sich  gefühlsbetonte  Komplexe,  deren  habi¬ 
tuelles  Auftreten,  wie  wir  gesehen  haben,  direkt  charakte¬ 
ristisch  für  bestimmte  Assoziationstypen  werden  kann,  auch 
abgesehen  von  so  augenfälligen  Beziehungen,  wie  sie  hervor¬ 
treten  können,  und  von  welchen  wir  ein  Beispiel  gaben,  für 
gewöhnlich  in  deutlicher  und  diagnostizierbarer  Weise.  Das 
erste  und  konstanteste  Zeichen  ist  nach  Jung  die  Verlänge¬ 
rung  der  Reaktionszeit  bei  den  Assoziationen,  bei  welchen  ge¬ 
fühlsbetonte  Vorstellungskreise  getroffen  werden.  Diese  von 
der  gefühlsbetonten  Vorstellung  ausgehende  hemmende  Wir¬ 
kung  kann  so  stark  werden,  dass  überhaupt  keine  Vorstellung 
geäussert  wird,  dass  also  sog.  „Fehler“  eintreten.  Geht  die 
hemmende  Kraft  des  Komplexes  nicht  so  weit,  so  findet  man 
doch  häufig  in  den  Assoziationen,  in  welchen  er  gewirkt  hat, 
eine  Verflachung,  welche  Jung  auf  die  Inanspruchnahme  der 
Aufmerksamkeit  durch  den  Komplex,  eine  „innere  Ablenkung“ 
schiebt.  So  sind  also  nach  Jung  als  Zeichen  des  gefühls¬ 
betonten  Komplexes  neben  der  Verlängerung  der  Reaktionszeit 
das  Auftreten  von  „Fehlern“  und  die  Verflachung  der  Qualität 
der  Assoziation  anzusehen.  Jung  hat  diese  Erscheinungen 
an  einleuchtenden  Beispielen  dargelegt;  so  fand  er  bei  einer 
schwangeren  jungen  Frau  in  Assoziationen,  welche  mit  den 
Hoffnungen  und  Befürchtungen,  die  mit  ihrem  Zustand  zu¬ 
sammenhingen,  verknüpft  waren,  jedesmal  Reaktionszeitver¬ 
längerung  und  andere  deutliche  Komplexzeichen  usf. 

Nach  Jung  gewinnt  nun  die  Lehre  von  den  Komplex¬ 
zeichen  eine  besondere  Bedeutung  für  das  Verständnis  der 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1325 


Hysterie.  Wie  Jung  und  neben  ihm  Riklin  gezeigt 
haben,  handelt  es  sich  bei  Hysterischen  um  exquisit  subjektiv 
und  egozentrisch  reagierende  Typen,  bei  welchen  die  Zeichen 
der  Inanspruchnahme  der  Gefühlssphäre  in  enormem  Masse 
hervortreten.  Jung  und  Riklin  bleiben  aber  bei  dieser 
Feststellung  nicht  stehen,  sie  behaupten,  dass  die  Komplex- 
zeichen  in  den  Assoziationen  Hysterischer  jedesmal  auf  e  i  n 
einheitliches  gefühlsbetontes  Erlebnis  zurückführten  und  ver¬ 
sichern,  dass  dieses  Erlebnis  sich  für  gewöhnlich  als  ein  sexu¬ 
elles13)  Trauma  herausstellte,  welches  sie  mit  Freud  als  für  die 
Hysterie  ätiologisch  ansehen.  Diese  letzteren  Behauptungen 
wird  man  aber  bisher  als  nicht  bewiesen  betrachten  müssen. 
Die  Darlegungen  der  Autoren  sind,  soweit  sie  sich  hierauf  be¬ 
ziehen,  nur  Deutungen  der  Tatsachen  ihrer  Versuche,  zum 
Teil  solche  sehr  unwahrscheinlicher  Art.  Mir  selbst  haben 
eigene  Versuche14)  gezeigt,  dass  sich  bei  Hysterischen  sehr 
wohl  die  von  Jung  angegebenen  Zeichen  von  Gefühlspro¬ 
zessen  nachweisen  lassen,  dass  diese  aber  keineswegs  in  einem, 
einheitlichen  ätiologischen  Erlebnis  zusammenlaufen,  sondern 
an  „Komplexe“  mannigfacher  Art  anknüpfen.  Die  Komplex¬ 
zeichen  sind  als  solche  zunächst  nichts  weiter  als  Ausflüsse  der 
bekannten  Emotivität  der  Hysterischen.  Die  von  Jung  be¬ 
hauptete  Tatsache,  dass  Komplexassoziationen  schnell  ver¬ 
gessen  werden,  ein  Phänomen,  welches  er  gleichfalls  im  Sinne 
der  Freud  sehen  Lehre  von'der  „Verdrängung“  deutete,  habe 
ich  auch  nicht  bestätigen  können. 

Im  Zusammenhang  mit  den  Untersuchungen  Jungs  ist 
ferner  eine  unter  seiner  Leitung  ausgeführte  hübsche  Arbeit 
von  W  e  h  r  1  i  n  15)  zu  erwähnen :  Ueber  die  Assozia¬ 
tionen  vom  Imbezillen  und  Idioten.  Die  Unter¬ 
suchung  beschränkt  sich  auf  Schwachsinnige  von  torpidem 
Typus.  Sie  fand  überall  eine  deutliche  Einstellung  auf  den 
Sinn  des  Reizworts,  welche  aber  infolge  der  intellektuellen 
Schwäche  zu  charakteristisch  unzulänglichen  Resultaten  führte. 
Die  Imbezillen  reagieren  sehr  sachlich,  unter  grosser  Auf¬ 
merksamkeitsanstrengung;  sie  fassen  das  Reizwort  gewisser- 
massen  als  Frage  auf,  scheitern  aber  in  mehr  oder  weniger 
starkem  Grade,  in  der  Bemühung,  der  Aufgabe  gerecht  zu 
werden.  Es  kommt  das  zustande,  was  W  e  h  r  1  i  n  „primi- 
tive  Definitionstendenz“  nennt.  Sie  äussert  sich 
hauptsächlich  in  tautologischen  Verdeutlichungen,  in  unzuläng¬ 
lichen  förmlichen  Definitionen,  Angaben  von  Zeit,  Ort,  Mittel, 
Zweck,  auffallenden  Eigenschaften,  zu  weiten  Ueberordnungen 
etc.  Ein  hübsches  Beispiel  dieser  unvollkommenen  Definitions¬ 
weise  gibt  die  Reaktion:  „Singen  —  besteht  aus  Noten  und  Ge¬ 
sangbüchern.“ 

Ich  möchte  im  Anschluss  an  die  gegebene  Uebersicht  über 
die  bisher  vorhandenen  einschlägigen  Arbeiten  einige  eben  ab¬ 
geschlossene,  von  mir  ausgeführte  Untersuchungsreihen  er¬ 
wähnen,  welche  eine  genauere  Erkenntnis  der  Assoziationen 
im  manisch-depressiven  Irresein  erstreben16).  Seit 
den  erörterten  Untersuchungen  Aschaffenburgs  ist  auf 
diesem  Gebiete  nicht  weiter  geforscht  worden;  und  doch  sind 
gerade  unsere  Anschauungen  über  das  m  anisch-depres- 
s  i  v  e  Irresein  in  den  letzten  Jahren  durch  eine  genauere 
Kenntnis  der  Mischzustände  manischer  und  depressiver 
Formen  gefördert  worden.  Für  die  weitere  Erkenntnis  dieser 
Zustände  schien  aber  der  Assoziationsversuch  sehr  geeignet, 
insofern  er  über  Dauer  und  Qualität  der  Assozia¬ 
tion  zu  gleicher  Zeit  informiert,  also  bei  einem  verschiedenen 
Ergriffensein  verschiedener  seelischer  Sphären  im  Sinne  der 
Manie  bezw.  Depression,  zu  gleicher  Zeit  über  die  Wirksamkeit 
der  entgegengesetzten  Momente  Auskunft  zu  geben  versprach. 
Diese  Erwartung  hat  sich  auch  bewährt.  Es  gelingt,  wie  die 
Versuche  gezeigt  haben,  oft  überraschend  gut,  im  Assoziations¬ 
experiment  eine  Sonderauffassung  der  Teilstörungen  zu  ge¬ 
winnen,  welche  dem  Mischzustand  seine  jeweilige  Gestaltung 
geben.  Durch  Feststellung  der  Momente  der  Hemmung  (ver¬ 
längerte  Reaktionszeit,  eingeschränkter  Vorstellungswechsel) 


13)  In  letzter  Zeit  betonen  die  Autoren  mehr  das  traumatische 
als  das  sexuelle  Moment. 

14)  Publikation  wird  im  Zentralbl.  f.  Nervenheilkunde  erfolgen. 
16 )  Journ.  f.  Psychol.  u.  Neurol.  1905. 

10)  Veröffentlichung  demnächst  in  der  Monatsschr.  f.  Psychiatr.  u. 
Neurol. 


und  Depression  (charakteristischer  Gefühlslage,  oft  mit  hervor¬ 
tretender  egozentrischer  Betonung)  einerseits  und  der  Cha¬ 
rakteristika  der  Erregung  andererseits  (promptes  Reagieren, 
spontanes  Weiterassoziieren,  Verflachung  und  Klangasso¬ 
ziationen)  ist  man  oft  imstande,  die  verschiedenartigen  Kom¬ 
binationen  von  Teilstörungen  genauer  zu  analysieren.  Auch 
für  das  Verständnis  der  Ideenflucht  scheinen  die  Versuche 
einige  weitere  Anhaltspunkte  gebracht  zu  haben.  Speziell  die 
Frage  der  Dauer  der  Vorstellungsverknüpfung  in  der  manischen 
Ideenflucht,  welche  von  Aschaffenburg  niemals  verkürzt, 
oft  nicht  unwesentlich  verlängert  gefunden  war,  scheint  etwas 
mehr  geklärt  zu  werden.  Im  Anschluss  an  die  Ausführungen 
Liepmanns17)  konnten  die  Versuche  zeigen,  dass  ein  Unter¬ 
schied  besteht  zwischen  dem  üblichen  Assoziationsversuch  und 
freier  (im  Phonographen  aufgenommener)  ideenflüchtiger  Rede. 
Bei  der  letzteren  werden  allerdings  in  einer  Zeiteinheit  mehr 
Vorstellungen  geäussert,  als  es  der  Normale  dauernd  vermag; 
dabei  ist  auch  der  Charakter  der  Vorstellungsverbindung  ein 
von  der  normalen  sehr  verschiedener.  Für  alles  Eingehendere 
muss  ich  aber  auf  die  ausführliche  Publikation  verweisen. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  unserer  Uebersicht  zusammen, 
so  gewinnen  wir  ein  recht  ungleichmässiges  Bild,  wie  es  dem 
heutigen  Stand  der  Leistungen  diagnostischer  Assoziations¬ 
studien  entspricht.  Auf  manchen  Gebieten  sind  die  Unter¬ 
suchungen  in  befriedigender  Zahl  und  mit  gutem  Erfolge  fort¬ 
geschritten,  während  andere  Aufgaben  noch  völlig  der  Be¬ 
arbeitung  harren.  Wertvoll  ist  es  vor  allem,  dass  die  Kenntnis 
der  Assoziationen  Gesunder  in  umfassendem  Masse  ge¬ 
wonnen  ist.  Nach  den  Untersuchungen  von  Aschaffen- 
b  ü  r  g  und  Jung  und  Riklin  sind  wir  nunmehr  über  die 
wichtigsten  Differenzen  und  Typen  orientiert.  Inwiefern  die 
Art  der  Vorstellungsverknüpfung  sich  mit  dem  Lebensalter 
ändert,  haben  für  die  Jugend  Ziehen,  für  das  Alter  Rausch- 
b  u  r  g  und  B  a  1  i  n  t  zu  erfassen  gestrebt;  sind  auch  besonders 
des  ersteren  Untersuchungen  wertvoll  und  umfassend,  so 
bleibt  doch  noch  ganz  zweifellos  Platz  genug  für  weitere  Ar¬ 
beiten. 

Von  Psychosen  ist  bisher  kaum  ein  einziges  Gebiet  bis  zu 
befriedigender  Klärung  bearbeitet.  Am  wenigsten  ist  die  De¬ 
mentia  praecox  mit  Untersuchungen  bedacht18).  Seit  den 
Studien  Sommers  ist  auf  diesem  Gebiet  fast  gar  nichts  ge¬ 
schehen,  und  doch  wäre  hier  von  sorgfältigen  Arbeiten  viel  zu 
erwarten.  Besser  orientiert  sind  wir  über  die  Assoziation 
im  manisch-depressiven  Irresein,  während  die 
Verhältnisse  in  der  Hysterie  und  auch  der  Epilepsie, 
trotz  der  mannigfachen  vorhandenen  Bearbeitungen  noch 
zweifellos  weiterer  Aufklärung  bedürfen.  Ueber  Imbezillität 
und  Idiotie  besitzen  wir  die  wertvollen  Untersuchungen  von 
Wreschner  und  W  e  h  r  1  i  n,  zweifellos  viel  zu  wenig  für 
einen  so  komplizierten  Gegenstand.  Ueber  die  übrigen  Geistes¬ 
störungen  gibt  es  überhaupt  noch  keine  umfassenderen  Unter¬ 
suchungen  mit  Hilfe  des  Assoziationsversuchs.  Im  ganzen 
können  wir  also  nur  von  guten  Anfängen  der  Arbeit  mit  diesem 
diagnostischen  Hilfsmittel  sprechen.  Die  Methode  hat  sich  be¬ 
währt,  für  weitere  Einzeluntersuchung  ist  noch  übermässig  viel 
Raum.  Und  jene  Einschränkung  des  Werts  des  Assoziations¬ 
versuchs,  die  wir  schon  zu  Beginn  unserer  Ausführungen 
machten,  vielmehr  nur  seine  genauere  Kennzeichnung  als 
psychologische  Hilfsmittel,  müssen  wir  hier,  um  nicht  un¬ 
richtige  Urteile  hervorzurufen,  wiederholen.  Wie  jedes 
psychologische  Untersuchungsverfahren  klärt  auch  der  Asso¬ 
ziationsversuch  nur  über  eine  Seite  des  augenblicklichen 
seelischen  Erlebens  auf,  eben  über  die  Verknüpfung  von  Vor¬ 
stellungen.  Es  bedarf  also  durchaus  der  Ergänzung  durch 
andere  methodische  Hilfsmittel,  soll  das  Bild  einer  psycho¬ 
logischen  „Inventaraufnahme“  ein  zuverlässiges  werden. 

Ich  will  diese  Ausführungen  nicht  abschliessen,  ohne  eine 
Erweiterung  der  Anwendungsweise  des  Assoziationsversuches 
zu  erwähnen,  welche  zwar  nicht  mehr  in  das  Gebiet  psycho- 
pathologische  Diagnostik  fällt,  aber  interessant  genug  ist,  uni 
hier  Erörterung  zu  verdienen.  Man  hat  nämlich  vorgeschlagen, 
das  Assoziationsexperiment  in  der  forensischen  Praxis  für  die 
Entlarvung  von  Verbrechern  zu  verwenden.  Man 
ging  von  den  Wirkungen  des  gefühlsbetonten  Komplexes,  dem 


17)  Ueber  Ideenflucht.  1904. 


1326 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


„Selbstverrat  durch  Assoziation“,  aus,  mit  der  Absicht,  die 
Komplexzeichen  als  Verräter  eines  begangenen  Verbrechens 
zu  benutzen.  Trügen  die  Komplexzeichen  nicht,  so  müsste  der 
Vorstellungskomplex  eines  Verbrechens,  welches  doch  wohl  in 
den  meisten  Fällen  Interesse  und  Gefühle  des  Verbrechers  in 
Anspruch  nimmt,  in  den  Assoziationen  des  Verbrechers  kennt¬ 
lich  werden.  In  der  Praxis  sollte  das  so  ausgeführt  werden, 
dass  unter  gleichgültige  Reizworte  auch  solche  gemischt 
werden  sollten,  welche  mit  dem  Verbrechen  in  einer  Beziehung 
standen;  waren  die  Voraussetzungen  richtig,  so  mussten  bei 
den  „differenten“  Reizworten  Komplexmerkmale  eintreten. 
Unter  diesem  Gesichtspunkte  wurden  Versuche,  zunächst  noch 
im  Rahmen  des  Laboratoriumsexperimentes,  von  Wert¬ 
heimer19)  ausgeführt.  In  diesen  Experimenten  hatten  die 
Versuchspersonen  die  Aufgabe,  bestimmte  Komplexe  zu  ver¬ 
heimlichen.  Trotzdem  wiesen  die  Assoziationen  auf  differente 
Reizworte  eindeutige  Komplexzeichen  auf.  Ganz  neuerdings 
haben  Stern  und  Kramer20)  in  etwas  veränderter  Versuchs¬ 
anordnung  durchaus  gleichwertige  Resultate  erhalten;  und 
Jung21)  ist  sogar  einmal  mit  Hilfe  der  skizzierten  Versuchs¬ 
weise  die  Ueberführung  eines  Verbrechers  im  Leben  gelungen. 
Die  theoretische  Möglichkeit  des  Verfahrens  zu  dem  erstrebten 
Zweck  scheint  also  dargetan.  In  der  Praxis  freilich  häufen  sich 
die  Umstände,  welche  die  Sicherheit  desselben  beeinträchtigen, 
so  dass  man  die  Hoffnung  auf  seine  Verwendung  im  Forum 
vorerst  nicht  zu  hoch  wird  spannen  dürfen.  In  jedem  Falle 
ist  der  Versuch  ein  weiterer  Hinweis  auf  die  mannigfachen 
Beziehungen  experimentell-psychologischer  Forschung  zu  den 
Fragen  des  täglichen  Lebens. 

Diese  eminent  praktische  Bedeutung  der  empirisch- 
psychologischen  Methodik  speziell  für  die  psychopathologische 
Diagnostik  an  dem  Beispiel  eines  begrenzten  Arbeitsgebietes 
darzutun,  ist  der  Zweck  meiner  heutigen  Ausführungen  ge¬ 
wesen.  Ist  es  ihnen  gelungen,  auch  in  etwas  weiteren  Kreisen 
der  Fachgenossen  das  Interesse  für  die  experimentell  be¬ 
gründete  Psychopathologie  zu  mehren,  so  haben  sie  ihren 
Zweck  erfüllt. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  in  München  und  dem 
Münchener  Säuglingsheim. 

Ernährungsversuche  an  Säuglingen  mit  erwärmter 

Frauenmilch. 

Von  Dr.  Karl  Potpeschnig,  Assistent  der  Klinik. 

Nach  Ausführungen,  die  jüngst  Pfaundler  in  dieser 
Wochenschrift  (Jahrgang  1907,  No.  1  und  2)  publiziert  hat,  ist 
der  Vorzug  der  natürlichen  Nahrung  wesentlich  in  dem  Gehalte 
der  Milch  an  besonderen  Nutzstoffen  begründet,  welche  die 
zelluläre  Verdauung  des  Säuglings  fördern,  aber  in  wirksamer 
Form  nur  innerhalb  der  Spezies  übertragbar  sind.  Wir  er¬ 
achten  es  für  eine  der  derzeit  wichtigsten  Aufgaben  auf  dem 
Gebiete  der  Säuglingsernährungslehre,  dem  Wesen  dieser  Nutz¬ 
stoffe  nachzuforschen.  Wie  bekannt,  spricht  Vieles  dafür,  dass 
die  in  Rede  stehenden  Nutzstoffe  der  Einwirkung  höherer  Tem¬ 
peraturen  erliegen.  Züchter  mussten  seit  geraumer  Zeit  die 
Erfahrung  machen,  dass  sich  durch  Verfütterung  gekochter 
Kuhmilch  an  Kälber  zwar  die  Gefahr  der  Perlsuchterkrankung 
herabmindern  lässt,  dafür  aber  eine  erschreckende  Mortalität, 
insbesondere  an  Ernährungsstörungen  unter  den  Kälbern  zu 
tage  tritt. 

Auch  den  Menschen  betreffend  liegen  solche  Angaben  vor.  In 
2  Beobachtungen  Moros  (Jahrbuch  für  Kinderheilkunde,  Bd. 
56)  verflachte  die  Gewichtskurve  ceteris  paribus  nach  Er¬ 
hitzung  der  Muttermilch  auf  100°,  und  Finkeisteins  Nach¬ 
prüfung  dieser  Experimente  in  6  Fällen  ergab  deutlichen  Aus¬ 
schlag  in  gleichem  Sinne;  „bei  Kranken  wurde  die  heilende  Wir¬ 
kung  der  natürlichen  Nahrung  ganz  unzweifelhaft  schwer  be¬ 
einträchtigt“.  (Lehrbuch,  Berlin  1905.) 

Wir  dürfen  aber  die  bei  der  Verfütterung  gekochter 
artgleicher  Milch  gemachten  Beobachtungen  durchaus  nicht  als 


18)  Das  Buch  Jungs  („Ueber  die  Psychologie  der  Dementia 
praecox“)  war  zur  Zeit  der  Abfassung  dieses  Berichts  noch  nicht  er¬ 
schienen. 

19)  Arch.  f.  d.  ges.  Psychol.  VI. 

20)  Beiträge  zur  Psychologie  der  Aussage.  II. 

21)  Die  psychologische  Diagnose  des  Tatbestandes.  Halle  1906. 


sicheren  Beweis  für  die  Bedeutung  hitzeunbeständiger  Nutz¬ 
stoffe  für  die  Ernährung  in  obigem  Sinne  ansehen,  da  beim 
Kochen  der  Milch  eine  tiefgreifende  Veränderung  vieler 
Bestandteile  statt  hat:  Koagulation  von  Albuminen  und 
Globulinen,  Austreibung  von  Kohlensäure  und  anderen  Gasen, 
Absinken  der  Azidität,  Spaltung  und  Ausfällung  von  Phos¬ 
phaten,  Abspaltung  von  Schwefelverbindungen,  Dissoziation 
des  Käsestoffes,  Karamelisierung  des  Zuckers,  Zersetzung  der 
Lezithalbumine  etc.  (Artfremder  Milch  scheinen  diese  Verände¬ 
rungen  allerdings  keinen  Eintrag  zu  tun.) 

Es  schien  deshalb  von  Interesse,  festzustellen,  ob  eine  Er¬ 
wärmung  der  Milch  auf  minder  hohe  Temperaturgrade,  die  mit 
eingreifenden  chemischen  Veränderungen  des  Substrates  nicht 
einhergehen,  gleichfalls  den  spezifischen  Nutzwert  der  art¬ 
eigenen  Nahrung  beeinträchtigt.  Es  handelte  sich  mit  anderen 
Worten  darum,  zu  prüfen,  ob  jene  Nutzstoffe,  die  allem  Anschein 
nach  „koktolabil“  sind,  das  heisst  beim  Erhitzen  auf  100°  zer¬ 
stört  werden,  auch  „thermolabil“  im  Sinne  der  Terminologie 
von  E  h  r  1  i  c  h  s  Schule  sind,  das  heisst,  bei  Erwärmung  auf  55 
bis  60  0  unwirksam  werden.  Die  Eigenschaft  einer  solchen 
Thermolabilität  ist  einer  enger  umschriebenen  Klasse  biologisch 
wirksamer  Substanzen  eigen  und  verspricht  in  diesem  Sinne 
die  Nachforschung  schon  einen  näheren  Aufschluss  über  die 
Natur  jener  Nutzstoffe. 

Während  unsere  diesbezüglichen  Versuche  in  Gang  waren, 
erhielten  wir  Kenntnis  von  einer  einschlägigen  Publikation 
v.  Behrings1).  Dieser  Autor  konnte  feststellen,  dass  die 
Temperaturgrenze,  bei  welcher  eine  gesundheitsschädigende 
Milchveränderung  in  Kälberernährungsversuchen  noch  nicht 
bemerkbar  ist,  bei  75°  C  gelegen  ist.  Wird  die  Milch  länger 
als  30  Minuten  oder  wiederholt  auf  75°  erhitzt,  ist  die  Milch 
nicht  frisch  gemolken  oder  bakteriell  verunreinigt,  so  treten 
schon  bei  der  genannten  Temperatur  Schädigungen  auf,  ähn¬ 
lich,  wie  wenn  die  Milch  viel  höheren  Erhitzungsgraden  unter¬ 
worfen  worden  wäre. 

Bei  unseren  Versuchen  wurde  die  Temperatur  von  60°  C 
gewählt,  da  es  uns  zweckmässig  erschien,  mit  niederen  Erwär¬ 
mungsgraden  zu  beginnen  und  allenfalls  allmählich  ansteigend 
experimentell  die  Schädigungsgrenzen  zu  ermitteln. 

Die  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  in  München  entbehrt 
leider  einer  Säuglingsstation  mit  Ammenbetrieb.  Wir  führten 
daher  die  Versuche  am  Säuglingsheim  in  der  Metzstrasse  durch, 
was  uns  durch  das  besonders  freundliche  Entgegenkommen 
der  leitenden  Aerzte,  der  Herren  DDr.  R  o  m  m  e  1  und  Meier, 
ermöglicht  wurde,  denen  ich  auch  hier  den  besten  Dank  abstatte. 

Die  Versuchsanordnung  war  folgende:  Es  wurden  zwei, 
je  1  Monat  alte,  gesunde,  frühgeborene  Kinder  (beides  Mäd¬ 
chen)  mit  2200  bezw.  2600  g  Gewicht  ausgewählt  und  je  einer 
bestimmten  Amme  zur  Ernährung  an  der  Brust  zugeteilt.  Früh¬ 
geborene  Kinder  wurden  vorgezogen,  weil  bei  denselben  einmal 
eine  deutlichere  Reaktion,  ein  empfindlicherer  Ausschlag  zu  er¬ 
warten  war  und  sich  die  geringeren,  nötigen  Milchmengen 
leichter  beschaffen  liessen,  als  der  Bedarf  eines  normalen  Kin¬ 
des.  Nachdem  das  Gedeihen  der  Kinder  an  der  Brust  der 
ihnen  zugewiesenen  Ammen  sichergestellt  war,  spritzten  diese 
die  nötige  Tagesmenge  Milch  in  je  ein  steriles  Glasgefäss  ab, 
das  in  einem  verschlossenen  Eisschrank  verwahrt  wurde. 
Diese  im  Laufe  des  Tages  gewonnene  Mischmilch  jeder  Amme 
wurde  in  6  sterile  Flaschen  abgefüllt  und  an  die  Kinder  ver¬ 
füttert.  Beim  Einsetzen  dieser  Ernährungsart  mit  abgedrückter 
Milch  traten  leichte  Gewichtsverluste  ein,  die  wohl  im  Ersätze 
des  natürlichen  Saugaktes  an  der  Brust  durch  den  an  der 
Flasche  begründet  sein  mochten.  Allein  diese  Störung  war 
eine  nur  ganz  vorübergehende;  nach  wenigen  Tagen  zeigte 
die  Kurve  wieder  dieselbe  steigende  Tendenz  wie  zur  Zeit  der 
Ernährung  an  der  Brust  selbst. 

Vom  7.  Tage  an  wurde  nun  die  abgedrückte,  ganz  gleich 
wie  bisher  behandelte  Milch  durch  30  Minuten  im  Wasserbade 
auf  60°  C  erwärmt  gehalten,  hierauf  wieder  in  den  Eisschrank 
gebracht  und  zu  den  gleichen  Stunden  (trinkwarm)  verfüttert. 
Die  Kurve  (siehe  diese)  zeigte  auch  weiterhin  denselben  An- 


D  Behring:  Experimentelle  Ergebnisse  betreffend  die  Ver¬ 
änderung  der  Nährstoffe  und  Zymasen  in  der  Kuhmilch  unter  dem 
Einfluss  hoher  Temperaturgrade.  Molkereizeitung,  Berlin,  1906,  No. 
12  und  13. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1327 


stieg  wie  früher;  die  Stühle,  die  regelmässig  (auch  mikro¬ 
skopisch)  kontrolliert  wurden  (schon  um  eine  geheime  Zufütte¬ 
rung  von  Kuhmilch  auszuschliessen),  blieben  gleich  schön  ho¬ 
mogen,  das  Befinden  und  der  Turgor  der  Kinder  zeigten  sich 
andauernd  gleich  gut,  kurz,  es  blieb  jede  Schädigung  oder  rich¬ 
tiger  gesagt  jeder  erkennbare  Ausfall  von  Nutzen  während  der 
durch  17  Tage  fortgesetzten  Ernährung  mit  auf  60°  C  erhitzter 
Frauenmilch  aus. 


Kurve  1. 


Kurve  2. 

Ist  nun  durch  diese  Versuche  die  Annahme  widerlegt,  dass 
bei  natürlicher  Ernährung  thermolabile  Nutzstoffe  im  Spiele 
sind?  Sicherlich  nicht,  insbesonders  nicht  nach  dem  Ergebnis 
der  weiter  fortgesetzten  Beobachtung  der  beiden  Versuchs¬ 
kinder.  Infolge  eintretenden  Ammenmangels  (der  auch  den 
Versuch  früher  abzubrechen  zwang,  als  in  Aussicht  genommen 
war)  mussten  beide  Kinder  unmittelbar  nach  dem  Versuche 
plötzlich  abgestillt  und  weiterhin  künstlich  ernährt  werden. 
Auch  dieser  Nahrungswechsel  hatte  aber  kei¬ 
nen  Absturz  der  Gewichtskurve  und  keine  ir¬ 
gend  bemerkenswerte  Beeinträchtigung  des 
Allgemeinbefindens  zur  Folge.  Die  beiden  Ver¬ 
suchskinder  gehörten  somit  in  jene  Klasse  von  Säuglingen, 
welche  die  Muttermilch  samt  ihren  Nutzstoffen  —  wenigstens 
in  einer  gewissen  Periode  —  ohne  (sichtbaren)  Schaden  ent¬ 
behren  können.  Die  dieser  Klasse  angehörigen  Individuen  sind 


natürlich  als  Reagentien,  wie  sie  unser  Versuch  fordert,  nicht 
verwendbar.  Wenn  ein  Kind  abgekochte  Kuhmilch  schadlos 
erträgt,  dann  wird  es  wohl  auch  bei  einer  auf  60"  erwärmten 
Frauenmilch  gedeihen,  denn  dann  ist  es  eben  befähigt,  aus 
eigenen  Mitteln  jene  Nutzstoffe  zu  beschaffen,  deren  Bezug  be¬ 
treffend  andere  Säuglinge  auf  die  mütterliche  Brust  angewiesen 
sind.  Es  wird  somit  die  eingangs  gestellte  Frage  erst  durch 
analoge  Ernährungsversuche  an  Säuglingen  entschieden  wer¬ 
den  können,  welche  mit  künstlicher  Nahrung  nicht  zu  gedeihen 
vermögen,  welche  zur  Heterodystrophie  neigen. 

Solche  Versuche  gedenke  ich  auszuführen,  sobald  gün¬ 
stigere  äussere  Verhältnisse  mir  das  Material  dazu  liefern 
werden. 

Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Nürnberg.  Chirurgische 
Abteilung  (Hofrat  Dr.  Goesche  1). 

Absprengung  von  Wirbeldornfortsätzen  durch  Muskelzug. 

Von  Dr.  Franz  Sauer, 

Oberarzt  im  Kgl.  Bayer.  6.  Chevaulegersregiment. 

Von  Leuten,  deren  berufliche  Tätigkeit  mit  anstrengender 
körperlicher  Arbeit  verbunden  ist,  wie  Rekruten,  Eidar¬ 
beitern  u.  a.  wird  nicht  selten  die  Hilfe  des  Arztes  in  Anspruch 
genommen  wegen  Beschädigungen,  die  von  den  Betroffenen  in 
einen  direkten  ursächlichen  Zusammenhang  mit  einer  forcierten 
Muskelaktion  gebracht  werden.  Der  Kanonier  verspürt 
beim  Heben  des  Lafettenschwanzes,  der  Arbeiter  beim  Schwin¬ 
gen  der  beladenen  Schaufel  einen  plötzlichen,  stechenden 
Schmerz  im  Rücken,  der  bei  Armbewegungen  sich  immer  wie¬ 
der  einstellt  und  die  Fortsetzung  der  Aibeit  in  den  meisten 
Fällen  unmöglich  macht.  Da  nun  aber  die  subjektiven 
Beschwerden  häufig  in  einem  auffallenden  Gegensatz  zu  dem 
geringen  objektiven  Befund  stehen,  ist  dei  untersuchende 
Arzt  nur  zu  leicht  geneigt,  den  Angaben  des  Vei  letzten  geiinges 
Gewicht  beizulegen.  Er  begnügt  sich  vielleicht  mit  einer  Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose,  wie  Muskelzerrung  oder  Muskel¬ 
rheumatismus,  wenn  er  nicht  gar  unlautere  Motive  h inte i  dei 
Krankmeldung  vermutet.  In  den  meisten  Fällen  wird  ja  eine 
der  genannten  Affektionen  vorhanden,  in  einzelnen  de i  Vei- 
dacht  wenigstens  der  Uebertreibung  begründet  sein,  manchmal 
aber  geschieht  dem  Verletzten  durch  oberflächliche  Unter¬ 
suchung  und  ungenügende  Beachtung  seiner  Klagen  sicherlich 

Unrecht.  ......  ,  , 

Unter  den  heutigen  Verhältnissen  erwachst  jedoch  dem 

Arzte  mehr  wie  je  die  Pflicht,  im  Interesse  des  Kranken  sowohl 
wie  seines  eigenen  Ansehens  mit  allen  Mitteln,  die  ihm  seine 
Kunst  an  die  Hand  gibt,  bestrebt  zu  sein,  den  Zusammenhang 
zwischen  Unfall  und  Erkrankung  richtig  zu  deuten,  damit  nicht 
infolge  ärztlichen  Irrtums  dem  Betroffenen  die  ihm  zustehende 
sachgemässe  Behandlung  und  materielle  Unterstützung  zu  Un¬ 
recht  vorenthalten  werde. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  ausgehend,  erlaube  ich  mit 
über  3  Fälle  zu  berichten,  die  ich  während  meines  Kommandos 
zur  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  ui 
Nürnberg  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte.  Ich  nehme  an,  dass 
sie  dem  Praktiker  einiges  Interesse  abzugewinnen  vermögen, 
weil  sie  Krankheitsbilder  darstellen,  die  in  der  Fachliteratur 
rn.  E.  nur  deswegen  als  äusserst  selten  bezeichnet  werden,  v  eil 
sie  sich  leicht  der  objektiven  Feststellung  entziehen. 

Ich  lasse  die  Krankengeschichten  im  Auszug  folgen: 

1.  Fall.  K.  H.,  Taglöhner,  30  Jahre  alt,  verspürte  am  8.  Marz 
1905  beim  Anheben  eines  schweren  Steines  plötzlich  einen  stechen¬ 
den  Schmerz  zwischen  den  Schulterblättern.  Er  war  nicht  rnehi 
imstande  weiterzuarbeiten  und  begab  sich  am  nächsten  1  ag  in  uas 
Krankenhaus.  Bei  der  ersten  Untersuchung  wurde  Druckempfindlich- 
keit  der  Muskulatur  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  in  der  Hohe  des 
7.  Hals-  bis  2.  Brustwirbels  festgestellt,  ausgiebige  Armbewegungen 
verursachten  in  ebendieser  Gegend  lebhaften  Schmerz.  Eine  ge¬ 
nauere  Untersuchung  in  den  nächsten  Tagen  ergab:  ln  der  Nacken¬ 
gegend  ist  keine  Schwellung,  keine  Verfärbung  der  Haut  sichtbar. 
Bei  der  Abtastung  der  Wirbelsäule  ruft  Druck  auf  den  Doinfoi  tsatz 
des  7.  Halswirbels  lebhaften  Schmerz  hervor.  Manchmal  gelingt  cs, 
die  Spitze  dieses  Dornfortsatzes  etwas  hin-  und  herzuschieben  und 
damit  ein  feines  Krepitieren  zu  erzeugen.  Bewegungen  der  Arme 
nach  vor-  und  aufwärts  lösen  einen  stechenden  Schmerz  zwischen 
den  Schulterblättern  aus.  Nach  einigen  Tagen  Bettruhe  waren  die 
Schmerzen  bei  Armbewegungen  nuf  noch  minimal.  Nach  9  tägigem 
Krankenhausaufenthalt  wurde  der,  Patient  entlassen.  Die  Spitze 


1328 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


des  Dornfortsatzes  liess  sich  noch  verschieben,  Druck  war  jedoch 
nicht  mehr  schmerzhaft.  Nach  Ablauf  einer  Woche  erschien  der 
Verletzte  wieder  mit  der  Angabe,  dass  er  zu  schwerer  Arbeit  noch 
nicht  fähig  sei,  weil  dabei  wieder  stechende  Schmerzen  zwischen 
den  Schulterblättern  aufgetreten  seien.  Erst  nach  weiteren  vierzehn 
Tagen  wurde  Patient  vollkommen  beschwerdefrei.  Eine  knöcherne 
Vereinigung  kam  nicht  zustande. 

2.  Fall.  O.  B.,  Sattler,  20  Jahre,  war  am  4.  Dezember  1905 
damit  beschäftigt,  schwere  eiserne  Schienen  im  Gewicht  von  3  bis 
4  Zentnern  zusammen  mit  einem  anderen  Arbeiter  aufzuschichten. 
Das  Aufheben  der  Schienen  erfolgte  stets  langsam  und  gleichmässig. 
Die  Arbeit  erstreckte  sich  über  6  Stunden  und  hatte  starke  Ermüdung 
zur  Folge. 

Eine  besondere  Schmerzempfindung  war  dem  Patienten  weder 
während,  noch  nach  der  Arbeit  zu  Bewusstsein  gekommen.  Erst 
am  nächsten  Morgen  beim  Aufstehen,  als  der  Verletzte  seine  Kleider 
anziehen  wollte,  empfand  er  plötzlich  einen  so  intensiven  Schmerz 
zwischen  den  Schulterblättern,  dass  er  sich  niederknien  musste. 
Bei  der  Untersuchung  ist  starke  Druckempfindlichkeit,  abnorme  Be¬ 
weglichkeit  und  feines  Krepitieren  am  Dornfortsatz  des  1.  Brust¬ 
wirbels  nachzuweisen.  Armbewegungen  nach  vorwärts  und  auf¬ 
wärts  sind  sehr  schmerzhaft.  Das  Krepitieren  am  Dornfortsatz 
kann  von  dem  Patienten  willkürlich  durch  entsprechende  Bewegungen 
mit  den  Armen  hervorgerufen  werden.  Eine  Röntgenaufnahme  be¬ 
stätigte  die  Diagnose.  Nach  18  Tagen  wurde  Patient  entlassen. 
Armbewegungen  waren  nicht  mehr  schmerzhaft,  Krepitation  war  ver¬ 
schwunden,  die  Verschieblichkeit  der  Spitze  des  Dornfortsatzes  blieb 
bestehen. 

3.  F  a  1 1.  S.  Sch.,  Handlanger,  36  Jahre,  war  am  27.  Januar  1906 
damit  beschäftigt,  Steine  mittelst  einer  Schaufel  auf  einen  Rollwagen 
zu  laden,  der  zirka  2  m  höher  stand.  Bei  einem  mit  voller  Kraft 
geführten  Wurf  fühlte  er  plötzlich  einen  stechenden  Schmerz  und  ein 
knackendes  Geräusch  zwischen  den  Schulterblättern.  Er  musste  so¬ 
fort  seine  Arbeit  unterbrechen.  Am  nächsten  Morgen  war  er  wegen 
der  heftigen  Schmerzen  im  Rücken  nicht  im  stände,  seine  Schuhe 
anzuziehen. 

Befund:  Der  Dornfortsatz  des  3.  Brustwirbels  ist  auf  Druck 
sehr  empfindlich,  bei  rüttelnden  Bewegungen  mittels  der  untersuchen¬ 
den  Finger  namentlich  in  Rückenlage  des  Patienten  fühlt  man  deut¬ 
liches  Krepitieren  am  Dornfortsatz,  ebenso  wenn  der  Untersuchte 
den  Kopf  nach  vorwärts  beugt.  Vorwärtsstrecken  der  Arme  und 
Zurückziehen  der  Schultern  ruft  heftigen  Schmerz  in  der  Gegend 
des  Dornfortsatzes  hervor. 

Nach  6  Tagen  wurde  der  Verletzte  auf  seinen  Wunsch  hin  ent¬ 
lassen.  Krepitieren  war  verschwunden,  die  Spitze  des  Dornfort¬ 
satzes  noch  beweglich.  Geringe  Schmerzhaftigkeit  bestand  noch 
beim  Vorwärtsbeugen  des  Kopfes  und  beim  Hochziehen  der  Schultern. 

Nach  den  vorgeführten  Befunden  kann  es  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  es  in  allen  Fällen  sich  um  eine  Absprengung 
eines  Wirbeldornfortsatzes  gehandelt  hat,  die  sich  objektiv 
durch  ausgesprochene  Druckempfindlichkeit,  abnorme  Beweg¬ 
lichkeit,  Krepitation  —  in  einem  Fall  auch  durch  das  Rönt¬ 
genogramm  —  mit  Sicherheit  nachweisen  liess.  Da  die  Ein¬ 
wirkung  einer  direkten  Gewalt  ausgeschlossen  ist,  eine 
extreme  Ueberbiegung  der  Wirbelsäule  nach  hinten  nicht  statt¬ 
gefunden  hat,  dagegen  die  Verletzung  im  Anschluss  an  eine 
heftige  Muskelaktion  auftrat,  scheint  mir  die  Annahme,  dass 
die  Dornfortsätze  durch  Muskelzug  abgerissen  wurden,  be¬ 
rechtigt  zu  sein. 

Isolierte  Frakturen  der  Dornfortsätze  durch  direkte  Ge¬ 
walt  sind  keine  Seltenheit,  dagegen  wurden  nach  der  Angabe 
von  Henle,  Stolper,  Kocher,  Kirmisson,  Hoffa 
u.  a.  Brüche  der  Proc.  spinös,  durch  Muskelzug  nur  in 
einem  einzigen  Falle  beobachtet.  Leider  ist  es  mir  nicht 
möglich  gewesen,  eine  ausführlichere  Beschreibung  dieses  von 
Terrier  veröffentlichten  Falles  zu  erhalten  und  ihn  auf  seine 
Uebereinstimmung  mit  den  eigenen  Beobachtungen  zu  prüfen. 

Ueber  einen  zweiten  Fall,  in  dem  die  Absprengung  eines 
Dornfortsatzes  durch  Muskelzug  herbeigeführt  worden  sein  soll, 
wurde  in  neuerer  Zeit  von  Schulte  berichtet.  Ein  Kanonier  hatte 
sich  beim  Turnen  (Langsprung  über  den  Bock)  beim  Landen 
auf  dem  Boden  stark  nach  hinten  überbogen  und  sofort  einen  hef¬ 
tigen  Schmerz  in  der  Lendengegend  empfunden.  Eine  direkte 
Gewalteinwirkung  hatte  nicht  stattgefunden.  Die  Folge  dieses 
Sprunges  war  eine  Fraktur  des  Dornfortsatzes  des  3.  Lendenwirbels. 

Der  Ansicht  von  Schulte,  dass  die  Absprengung  dieses 
Dornfortsatzes  durch  Muskelzug  herbeigeführt  worden  sei, 
kann  ich  nicht  beistimmen;  ich  bin  vielmehr  der  Meinung,  dass 
in  diesem  Falle  durch  die  starke  Ueberbiegung  der  Wirbelsäule 
nach  hinten  die  sich  dachziegelförmig  deckenden  Dornfortsätze 
der  Lendenwirbelsäule  mit  grosser  Gewalt  aufeinander  ge¬ 
presst  wurden  und  dadurch  die  Fraktur  zu  stände  kam. 


Dieser  Entstehungsmodus  ist  von  v.  Kryger  an  Leichen 
experimentell  festgestellt  worden.  Ueberbiegen  der  Wir¬ 
belsäule  nach  hinten  hatte  regelmässig  Brüche  der  Dornfort¬ 
sätze  der  Lendenwirbel  zur  Folge.  Wurde  Kopf  und  Brust  nach 
hinten  überbogen,  so  entstand  die  Absprengung  an  den  oberen 
Lendenwirbeln,  wurde  die  Bewegung  mit  der  unteren  Rumpf- 
liälfte  ausgeführt,  so  waren  die  Frakturen  am  unteren  Ende 
der  Lendenwirbelsäule  zu  finden.  Die  Uebereinstimmung  des 
von  Schulte  beschriebenen  Falles  mit  den  angeführten  Lei- 
chenversuchen  ist  eine  so  vollkommene,  dass  man  von  einer 
Uebertragung  des  Experimentes  auf  den  Lebenden  sprechen 
kann.  Es  war  also  in  dem  von  Schulte  beschriebenen  Fall 
wohl  die  Last  des  Oberkörpers,  der  nach  hintenüber 
zu  stürzen  drohte,  welche  die  Fraktur  bewirkte,  eine  Kon¬ 
traktion  der  an  den  Lendendornfortsätzen  entspringenden  Mus¬ 
kulatur  hat  kaum  in  nennenswertem  Grade  stattgefunden,  sie 
wäre  in  dieser  Situation  auch  höchst  unzweckmässig  gewesen, 
denn  nur  die  Kraft  ihrer  Antagonisten  (Bauch-  und  innere 
Beckenmuskeln)  konnte  den  Sturz  nach  rückwärts  verhindern. 

Ausser  den  angeführten  Fällen  habe  ich  in  der  mir  zugänglichen 
Literatur  noch  Referate  über  2  Fälle  von  Absprengungen  der  Dorn¬ 
fortsätze  gefunden,  bei  denen  es  zweifelhaft  sein  kann,  ob  die  Fraktur 
durch  direkte  Gewalt  oder  durch  Muskelzug  entstanden  war. 
Von  Cooper  wird  ein  Fall  berichtet,  in  dem  ein  Knabe  einen  Bruch 
des  3.  und  4.  Proc.  spin.  der  Halswirbelsäule  sich  dadurch  zuzog,  dass 
er  ein  schweres  Rad  zu  heben  suchte,  indem  er  den  Kopf  zwischen 
die  Speichen  steckte. 

Ferner  beschreibt  Buglioni  einen  Fall  eines  14jährigen  Jun¬ 
gen,  dem  ein  Spielgenosse  in  rasendem  Lauf  auf  den  Rücken  fiel 
und  sich  mit  der  rechten  Hand  auf  dessen  Hals  (Nacken?)  stützte. 
Die  Folge  war  ein  Bruch  des  Dornfortsatzes  des  7.  Halswirbels. 
In  beiden  Fällen  ist  die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  der  Gegen¬ 
zug  der  Nackenmuskulatur  (M.  spien.)  gegen  die  gewaltsame  Beugung 
des  Kopfes  die  Absprengung  verursacht  hat,  andererseits  ist  auch 
nicht  auszuschliessen,  dass  die  direkte  Gewalteinwirkung  die 
auslösende  Ursache  war. 

Wie  kam  nun  in  den  von  mir  beobachteten  Fällen  die  Ab¬ 
sprengung  des  Dornfortsatzes  durch  Muskelzug  zu  stände? 

In  2  Fällen  wurde  das  Heben  einer  schweren  Last  vom 
Boden  in  gebückter  Stellung  als  Ursache  der  Verletzung  an¬ 
gegeben.  Es  ist  keine  Frage,  dass  bei  dieser  Arbeit  eine  starke 
Zugwirkung  auf  die  Proc.  spin.  der  unteren  Hals-  und  oberen 
Brustwirbelsäule  ausgeübt  werden  muss.  Das  Gewicht  der 
Last  sucht  den  Arm  und  das  Schulterblatt  nach  vorne  zu  ziehen 
und  da  das  Schulterblatt  nur  durch  Muskulatur  am  Thorax  fest- 
gehalten  wird,  müssen  alle  Muskelgruppen,  welche  das  Schul¬ 
terblatt  nach  hinten  gegen  die  Wirbelsäule  ziehen,  in  kräftige 
Kontraktion  gebracht  werden,  um  dem  nach  vorne  gehenden 
Zug  das  Gleichgewicht  zu  halten.  Als  solche  Muskeln  kommen 
in  Betracht  der  M.  cucull.,  M.  rhomboid.  maj.  und  min.,  von 
denen  der  erste  bekanntlich  vom  Ligam.  nuchae  und  vom 
7.  Halswirbel  bis  12.  Brustwirbel  entspringt,  während  die  an¬ 
deren  vom  6.  Halswirbel  bis  4.  Brustwirbel  ausgehen.  Der 
stärkste  Zug  muss  natürlich  an  den  Dornfortsätzen  wirksam 
werden,  an  denen  beide  Muskelgruppen  gemeinsa m  ent¬ 
springen,  das  ist  der  7.  Halswirbel  bis  6.  Brustwirbel  und 
von  diesen  werden  wieder  am  meisten  diejenigen  Dornfortsätze 
belastet  werden,  welche  in  der  Verlängerung  der  Linie  liegen, 
in  welcher  das  Schulterblatt  sich  nach  aussen  zu  bewegen 
sucht.  Bei  gleich  mässiger  Anspannung  beider  Arme 
wird  nun  durch  die  symmetrischen  Muskelgruppen  ein  gleich 
starker  Zug  nach  beiden  Seiten  ausgeübt  werden,  so  dass 
die  an  den  Dornfortsätzen  wirksam  werdenden  Kräfte  sich  an¬ 
nähernd  das  Gleichgewicht  halten  oder  es  wird,  da  der  Winkel 
unter  dem  die  Kräfte  zu  der  Längsachse  der  Dornfortsätze  an¬ 
greifen,  wenig  unter  einem  rechten  bleiben,  als  Resultante  dieser 
Komponenten  nur  ein  geringer  Druck  in  dorso-ventralcr  Rich¬ 
tung  auf  den  einzelnen  Proc.  spin.  stattfinden,  der  wohl  kaum 
eine  Kompression  hervorzurufen  vermag.  Um  eine  Abspren¬ 
gung  des  Dornfortsatzes  in  seitlicher  Richtung  zu  erzeugen, 
muss  notwendigerweise  der  Zug  nach  einer  Richtung  den  nach 
der  anderen  erheblich  über  wiegen.  Eine  solche  ungleich- 
mässige  Zugwirkung  wird  ausgeübt  werden  bei  asymmetri¬ 
scher  Verwendung  der  beiden  Arme  oder  durch  plötzliche 
Gleichgewichtsänderung  der  zu  hebenden  Last,  weil  sie  eine 
momentane  stärkere  Anspannung  der  rechten  oder  linken 
Schultergürtelmuskulatur  beansprucht.  Vielleicht  wird  auch 


2,  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1329 


bei  gleichmässiger  Inanspruchnahme  der  Arme  schon  wegen 
der  mächtigeren  Muskelentwicklung  einer  Seite  —  am  häu¬ 
figsten  rechts  —  die  Kraftentfaltung  in  dieser  Richtung  eine 
stärkere  sein. 

Dass  besonders  das  Ueberwiegen  der  Zugwirkung  nach 
einer  Seite  die  Entstehung  einer  Absprengung  des  Dornfort¬ 
satzes  begünstigt,  machen  nicht  nur  die  vorstehenden  theoreti¬ 
schen  Ueberlegungen  wahrscheinlich,  es  wird  auch,  wie  mir 
scheint,  durch  die  Anamnese  des  3.  von  mir  beobachteten  Falles 
bewiesen. 

Hier  wurde  als  die  Ursache  der  Verletzung  eine  Schleu¬ 
derbewegung  mit  einer  beladenen  Schaufel  nach  vor-  und  auf¬ 
wärts  angegeben.  Bei  dieser  Bewegung  führt  der  eine  Arm, 
dessen  Hand  mit  Untergriff  den  Schaufelstiel  ungefähr  in  der 
Mitte  hält,  eine  ruckartige  Bewegung  nach  vorne  und  oben  aus, 
während  der  andere  Arm,  dessen  Hand  mit  Übergriff  das  Ende 
des  Schaufelstiels  umfasst,  dasselbe  nach  unten  drückt.  Die 
Schleuderbewegung  des  vorderen  Armes  wird  nun  durch  eine 
plötzliche  Kontraktion  der  Rückwärtszieher  des  Armes  und 
des  Schulterblattes  sistiert  und  dadurch  der  auf  der  Schaufel 
befindlichen  Masse  die  gewollte  Richtung  gegeben.  Bei  dieser 
Bewegung  muss  der  Zug  an  den  Dornfortsätzen  ein  besonders 
heftiger  und  ganz  einseitiger  sein,  weil  wegen  der  anders  ge¬ 
arteten  Arbeitsleistung  des  zweiten  Armes  eine  Paralysierung 
dieses  Zuges  durch  die  symmetrischen  Muskelgruppen  der  an¬ 
deren  Seite  gar  nicht  zu  Stande  kommt. 

Besondere  Beachtung  verdient  auch  die  Entstehung  des 
2.  Falles.  Während  die  beiden  anderen  Patienten  bei  ihrer 
Arbeit  in  einem  ganz  bestimmten  Momente  einen 
plötzlichen,  stechenden  Schmerz  zwischen  den  Schulterblättern 
verspürten,  der  sie  zwang,  ihre  Beschäftigung  einzustellen,  be¬ 
merkte  dieser  Patient  zunächst  keine  besonderen  Beschwerden 
und  setzte  seine  Arbeit  fort.  Erst  am  nächsten  Tag  wurden 
durch  Armbewegungen  beim  Anziehen  der  Kleider  Schmerzen 
im  Rücken  ausgelöst,  deren  Heftigkeit  den  Verletzten  auf  die 
Knie  zwang.  Die  Erklärung  dieser  auffälligen  Erscheinung 
bietet  erhebliche  Schwierigkeiten.  Eine  hochgradige  Indolenz, 
die  das  plötzliche  Eintreten  der  Fraktur  hätte  übersehen  lassen, 
bei  diesem  Manne  anzunehmen,  ist  nicht  gerechtfertigt,  weil 
er  sich  bei  späteren  Untersuchungen  als  sehr  sensibel  erwies. 

Man  könnte  höchstens  glauben,  dass  zunächst  aus  irgend 
welchen  unbekannten  Gründen  eine  Dislokation  des  Fragments 
nicht  stattfand,  sondern  erst  am  nächsten  Morgen  beim  An¬ 
kleiden  eine  Verschiebung  erfolgte,  die  wegen  der  inzwischen 
eingetretenen  Infiltration  der  Umgebung  besonders  schmerzhaft 
war.  Vielleicht  aber  liegt  hier  ein  ähnliches  Verhältnis  vor, 
wie  bei  den  in  der  Armee  häufig  zu  beobachtenden  Brüchen 
der  Mittelfussknochen,  die  durch  anhaltendes  Marschieren  bei 
schwerer  Belastung  entstehen.  Diese  Frakturen  erzeugen  einen 
Symptomkomplex,  der  vor  der  Einführung  des  Röntgenver¬ 
fahrens  häufig  als  Marschgeschwulst  (Periostitis,  Syndesmitis 
metatarsea)  bezeichnet  wurde.  Auch  hier  tritt  der  Bruch  nicht 
selten  unmerklich  für  den  marschierenden  Soldaten  ein,  der 
trotz  der  Verletzung  noch  imstande  ist,  viele  Kilometer  ohne 
besondere  Beschwerden  zurückzulegen.  Erst  die  am  nächsten 
Tag  eintretende  Schwellung  und  Schmerzempfindung  führen  ihn 
zum  Arzt.  Auch  für  diese  befremdende  Tatsache  ist  bis  heute 
eine  überzeugende  Erklärung  noch  nicht  gegeben  worden. 

Der  Sitz  der  durch  Muskelzug  entstehenden  Frakturen 
der  Dornfortsätze  an  der  Grenze  der  Hals-  und  Brustwirbel¬ 
säule  ist  schon  durch  die  anatomischen  Verhältnisse  gegeben. 
Der  7.  Halswirbel  (Vertebra  prominens)  besitzt  einen  sehr 
langen  und  schmalen  Dornfortsatz  und  auch  die  oberen  Brust¬ 
wirbel  zeigen  eine  ähnliche  Konfiguration.  Alle  genannten 
Dornfortsätze  entspringen  vom  Wirbelbogen  mit  breiter  Basis 
und  verjüngen  sich  zu  einer  schlanken  Säule,  die  mit  einem 
etwas  breiter  ausladenden  Köpfchen  endet.  Die  dünnste  und 
schwächste  Stelle  findet  sich  demnach  an  der  Grenze  des 
mittleren  und  oberen  Drittels  des  Dornfortsatzes  und  an  dieser 
Stelle  werden  auch  in  der  Regel  die  durch  Muskelzug  entstehen¬ 
den  Brüche  auftreten.  Es  mögen  zwar  auch  durch  Einwirkung 
direkter  Gewalt  zuweilen  Brüche  der  Dornfortsätze  in  dieser 
Höhe  stattfinden,  nicht  selten  aber  wird  bei  dieser  Entstehungs¬ 
art  der  Proc.  spin.  durch  die  in  der  Längsrichtung  des  Fort¬ 
satzes  wirkende  Gewalt  in  den  Wirbelkanal  getrieben  und 

No.  27. 


führt  auf  die  Weise  durch  Kompression  des  Rückenmarkes  zu 
den  schwersten  Lähmungserscheinungen.  Solche  Fälle  sind  in 
der  Literatur  mehrfach  beschrieben;  bei  den  Brüchen  der  Dorn¬ 
fortsätze  durch  Muskelzug  dürfte  eine  so  ernste  Beschädigung 
wohl  nie  zu  erwarten  sein. 

Die  Feststellung  der  beschriebenenFraktur  derDornfort- 
sätze  ist,  wenn  man  erst  einmal  sein  Augenmerk  auf  diese  Ver¬ 
letzung  richtet,  nicht  allzu  schwierig.  Schon  die  anamnestische 
Angabe  des  Patienten,  dass  er  bei  einer  starken  Muskelan¬ 
spannung  der  Arme  einen  stechenden  Schmerz  zwischen  den 
Schulterblättern  verspürt  habe,  muss  Veranlassung  geben, 
diese  Fraktur  in  differentialdiagnostische  Erwägung  zu  ziehen. 
In  einzelnen  Fällen  wird  ein  von  dem  Patienten  empfundenes 
knackendes  Geräusch  den  Verdacht  vermehren. 

Der  spontane  Schmerz  wird  oft  nicht  genau  lokalisiert, 
ebenso  wird  der  Druckschmerz  beim  Betasten  oft  mehr  in  die 
Muskulatur  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  als  in  die  Dorn¬ 
fortsätze  verlegt.  Die  Erscheinung,  dass  der  Druck  auf  den 
gebrochenen  Dornfortsatz  mitunter  auffällig  gering  ist,  mag 
darauf  zurückzuführen  sein,  dass  der  Patient  aus  Furcht  vor 
der  schmerzhaften  Untersuchung  die  Rückenmuskulatur  straff 
und  gleichmässig  spannt.  Dadurch  wird  das  kleine  Fragment 
fest  an  die  Bruchstelle  angepresst,  so  dass  eine  Verschiebung, 
die  den  bekannten  Bruchschmerz  auslösen  könnte,  nicht  mehr 
möglich  ist.  Aus  ebendemselben  Grunde  ist  öfter  auch  eine 
abnorme  B  e  w  e  g  1  i  c  h  k  e  i  t  des  Fragmentes  und  Krepi¬ 
tation  in  dieser  Stellung  nicht  nachzuweisen.  Es  gibt  nun 
aber  nach  meiner  Erfahrung  ein  einfaches  Mittel,  diese  krampf¬ 
hafte  Muskelspannung  aufzuheben.  Zu  diesem  Zwecke  lässt 
man  den  Patienten  im  Bett  oder  auf  einem  Untersuchungstisch 
die  horizontale  Rückenlage  einnehmen,  bringt  die  untersuchende 
Hand  mit  der  Palma  nach  oben  unter  den  Nacken  und  gibt  zu¬ 
gleich  dem  Patienten  den  Auftrag,  sich  ganz  bequem  und 
zwanglos  auf  die  Hand  zu  legen.  Bringt  man  nun,  sobald 
die  vollkommene  Entspannung  der  Muskulatur  eingetreten  ist, 
einen  Finger  an  den  verletzten  Dornfortsatz,  so  kann  man  das 
Fragment  leicht  hin-  und  herschieben  und  unter  fühlbarem 
Klappen  wie  eine  Klaviertaste  gegen  den  stehengebliebenen 
Rest  des  Dornfortsatzes  anschlagen.  Dieses  Phänomen  liess 
sich  in  allen  unseren  Fällen  mehrere  Tage  lang  leicht  demon¬ 
strieren. 

Manchmal  kann  auch,  wie  im  Fall  1,  der  Patient  willkürlich 
durch  Muskelzug,  d.  i.  durch  Bewegungen  des  Kopfes  und  der 
Arme  die  Krepitation  an  der  Bruchstelle  selbst  hervorbringen. 
In  den  ersten  Tagen  ist  diese  willkürliche  Verschiebung  äus- 
serst  schmerzhaft  und  wird  von  dem  Verletzten  peinlichst 
vermieden,  später,  wenn  die  Bruchflächen  ihre  Rauhigkeit  und 
damit  Empfindlichkeit  verloren  haben,  wird  sie  oft  als  Spielerei 
ausgeführt. 

Eine  besondere  Therapie  ist  bei  diesen  kleinen  Ab¬ 
sprengungen  ziemlich  aussichtslos  und  auch  unnötig.  Wii 
haben  nur  in  den  ersten  I  agen  Bettruhe  in  Rückenlage,  späten 
leichte  Massage  in  Anwendung  gebracht.  Eine  wirklich  knö¬ 
cherne  Vereinigung  der  Fragmente  wird  in  seltenen  Fällen  ein- 
treten,  eine  bindegewebige  Fixierung  oder  die  Bildung  einer 
Pseud'arthrose  wird  die  Regel  sein,  ohne  dass  dem  Verletzten 
dadurch  ein  bleibender  Nachteil  erwächst. 

Immerhin  wird  durch  diese  Verletzung  die  Arbeit  s  - 
f  ä  h  i  g  k  e  i  t  lange  Zeit  vollkommen  aufgehoben.  Mit 
Ausnahme  des  letzten  unserer  Fälle,  der  das  Krankenhaus  aus 
äusseren  Gründen  vorzeitig  verliess,  betrug  die  Behandlungs¬ 
dauer  18 — 30  Tage  und  auch  nach  der  Entlassung  darf  noch  das 
Vorhandensein  einer  Arbeits  beschränku  n  g  für  einige  Zeit 
angenommen  werden.  Es  haben  also  diese  Verletzungen  doc 
wesentlich  ernstere  Folgen  als  die  Beschädigungen,  welche 
gewöhnlich  unter  dem  Namen  Muskel-  odei  Sehnenzeirung 
laufen  und  erfordern  deshalb  auch  im  Interesse  des  Vei letzten 
eine  vorsichtige  prognostische  Beurteilung. 

Wenn  meine  Darstellung  imstande  ist,  die  Aufmerksamkeit 
des  untersuchenden  Arztes  auf  diese  Frakturen  zu  lenken,  so 
bin  ich  nicht  im  Zweifel,  dass  auch  die  Sage  von  der  Selten¬ 
heit  der  Brüche  der  Dornfortsätze  durch  Muskelzug  sich 
zerstreuen  wird,  denn  ich  kann  mir  nicht  denken,  warum  ge¬ 
rade  mir  der  Zufall  im  Verlauf  eines  Jahres  3  einwandsfreie 
Fälle  dieser  Art  in  die  Hände  gespielt  haben  sollte. 

3 


1330 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Literatur. 

Cooper:  Disloc.  and  fract.  1842,  zit.  nach  Q  u  r  1 1,  Lehr.  v. 
d.  Knochenbr.  1862.  —  B  u  g  1  i  o  n  i:  Raccigl.  med.  1892,  zit.  Zentralbl. 
f.  Chir.  1892.  —  Henle:  Handbuch  der  prakt.  Chir.,  Bd.  II.,  1903. 

—  H  o  f  f  a:  Frakturen  und  Luxationen  1904.  —  Kirmisson:  Traite 
de  Chir.  de  Duplay  et  Rectus  1891.  —  Kocher:  Zentralbl.  f. 
Grenzgeb.,  Bd.  1.  —  Schulte:  Deutsch,  militärärztl.  Zeitschr.  1902. 

—  Wagner  und  Stolper:  Deutsch.  Chirurg.  (Verletz,  d.  Wirbels.) 
1898. 


Aus  der  Kgl.  med.  Klinik  zu  Königsberg  i /  Pr.  (Direktor: 

Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  L  i  c  h  t  h  e  i  m). 

Pyozyaneusinfektion  der  Harnwege  mit  hoher  Agglutinin¬ 
bildung  für  Pyozyaneusbazillen  und  Mitagglutination  von 

Typhusbakterien. 

Von  Privatdozent  Dr.  Carl  Klieneberger,  1.  Assistent 

der  Klinik. 

Der  Bacillus  pyocyaneus  gehört  zu  den  am  meisten  ver¬ 
breiteten  Bakterienarten.  So  häufig  auch  das  saprophytische 
Vorkommen  dieser  Bazillen  beobachtet  werden  kann,  sichere, 
während  des  Lebens  nachgewiesene  Infektionen  gehören  zu 
den  grössten  Seltenheiten.  Die  in  der  Literatur  publizierten 
Fälle  von  Allgemeininfektion  halten  zumeist  einer  kritischen 
Prüfung  nicht  stand.  Auf  dem  Wege  der  Blutkultur  ist  d,ie  Fest¬ 
stellung  solcher  Allgemeininfektionen  intra  vitam  einzelnen 
Autoren  gelungen  H 2) 3) 4).  Ein  biologischer  Nachweis  aber  der 
Pyozyaneusinfektion  durch  Feststellung  spezifischer  Aggluti- 
nine  u.  dergl.  war  bisher  nicht  möglich,  weil  sichere  höhere 
Agglutination  von  Pyozyaneusbazillen  durch  das  Blutserum 
pyozyaneusinfizierter  Personen  nicht  einwandsfrei  beobachtet 
worden  war 5)- 

Die  folgende  Beobachtung  eines  Falles  von  Pyozaneus- 
infektion  'der  Harnwege  mit  Beteiligung  des  Gesamtorganismus 
ist  geeignet,  diese  Lücke  in  unseren  Kenntnissen  auszufüllen 
und  gleichzeitig  einige  Beiträge  zur  Biologie  und  Morphologie 
der  Pyozyaneusbazillen  zu  liefern.  Den  weiteren  Unter¬ 
suchungsergebnissen  stelle  ich  einen  gekürzten  Auszug  der 
Krankengeschichte  voran. 

Fritz  M.,  37  jähriger,  verheirateter  Lehrer,  vom  29.  I.  bis  16.  II.  07 
in  klinischer  Beobachtung. 

Vorgeschichte:  Patient  akquirierte  1903  eine  Gonorrhöe, 
die  nach  6  Wochen  ausheilte,  war  sonst  gesund.  Er  ist  verheiratet,  die 
Ehefrau  hat  einmal  geboren,  nie  abortiert.  Im  Oktober  1906,  angeblich 
infolge  zu  kalten  Trunkes,  stellten  sich  Harndrang,  Brennen  bei  der 
Miktion,  später  Schmerzen  in  der  Blasengegend  und  Entleerung  von 
trübem,  bluthaltigem  Harn  ein.  Er  wurde  innerlich  wegen  Blasen¬ 
katarrhs  ohne  Erfolg  behandelt;  am  17.,  18.  und  19.  XII.  06  fand  aus 
diagnostischen  Gründen  Katheterismus  mit  weichem  Katheter  statt. 
Am  21.  XII.  06  sowie  am  17.  I.  07  wurde  zystoskopiert  und  der 
Ureterenkatheterismus  vorgenommen,  auf  Grund  dessen  der  leitende 
Arzt  des  Krankenhauses  zu  M.  eine  Erkrankung  der  rechten  Niere  für 
vorliegend  hielt. 

Befund  bei  der  Aufnahme:  Kräftiger  Mann  in  gutem  Er¬ 
nährungszustände.  Brustorgane  ohne  Abweichungen  von  der  Norm. 
Lumbalgegenden  etwas  druckempfindlich. 

Urin  trübe,  braunrot,  1800  ccm  in  24  Stunden,  Reaktion  stark 
sauer,  Albumengehalt  1  Protn.  Im  dichten  Sediment  zahlreiche  Leuko¬ 
zyten  und  Erythrozyten,  ziemlich  zahlreiche  Bakterien. 

In  der  Klinik  in  2Vs  Wochen  Gewichtszunahme  um  3  Pfund. 
Verhalten  des  Urins  durch  die  Hetralinmedikation  nicht  beeinflusst. 
Zystoskopischer  Befund:  Cystitis  colli,  aus  der  rechten  Ureter- 
miindung  sieht  man  einmal  Eiterflocken,  ein  andermal  Blut  austreten. 

Bakteriologische  Untersuchung  des  am  30.  I., 
31.  I.,  9.  II.  und  15.  II.  mit  allen  Kautelen  entnommenen  Katheter¬ 
harnes  ergibt  lim  Original  nebst  Eiter  und  Blut  ziemlich  zahlreiche 
Gram-negative  Bazillen  und  zwar  feine  und  lange  neben  sehr  feinen 
kurzen  Stäbchen;  keine  Tuberkelbazillen.  In  den  Kulturen  wuchsen 
B.  pyocyaneus,  sowie  ein  der  Gruppe  des  B.  lactis  aerogenes  nahe¬ 
stehendes  Kurzstäbchen. 


PLenhartz:  Die  septischen  Erkrankungen.  Nothnagels 
Spezielle  Pathologie  und  Therapie. 

2)  de  la  Camp:  Zur  Kenntnis  der  Pyocyaneussepsis.  Charite- 
Annalen  1904. 

PRolly:  Pyozyaneussepsis  bei  Erwachsenen.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1906,  No.  29. 

4)  Hüben  er:  Ein  Fall  von  Pyozyaneussepsis.  D.  med. 
Wochenschr.  1907,  No.  20. 

8)  K  o  1 1  e  und  Wassermann:  Handbuch  der  pathogenen 
Mikroorganismen.  —  A.  Wassermann:  B.  pyocyaneus,  Immunität 
bei  B.  pyocyaneus.  Vgl.  den  Nachtrag  bei  der  Korrektur. 


(Dieses  letzterwähnte  Gram-negative  Bakterium  ist  unbeweglich, 
säuert,  bringt  in  24  Stunden  Milch  zur  Gerinnung,  vergärt  Trauben- 
und  Milchzucker,  peptonisiert  die  Gelatine  in  der  3.  Woche  ober¬ 
flächlich.  Auf  Agar  wächst  es  ausserordentlich  fein,  schleierartig.) 

Das  Blutserum  des  Kranken  wurde  auf  sein  bakterizides 
Vermögen  gegenüber  den  eigenen  Pyozyaneusbazillen  und  auf 
seinen  Agglutiningehalt  geprüft.  In  drei  wiederholten  Ver¬ 
suchsreihen  ü)  konnte  ein  wesentliches  bakterizides  Vermögen 
nicht  erwiesen  werden.  Dagegen  agglutinierte  das  Kranken¬ 
serum  beide  aus  dem  Harn  des  Kranken  gezüchteten  Bak¬ 
terienstämme,  es  agglutinierte  des  weiteren  Typhusbazillen, 
sowie  eine  Reihe  von  anderen,  mir  gütigst  überlassenen  Pyo- 
zyaneusstämmen. 

Auf  diese  Tatsachen  möchte  ich  im  einzelnen  etwas  näher 
eingehen. 

Zunächst  — -  und  das  ist  ja  für  unsere  Arbeit  das  wichtigste 
—  agglutinierte  das  Krankenserum  den  eigenen  Pyozyaneus- 
stamm  ungewöhnlich  hoch,  bis  mindestens  1 :  40  960.  Bei 
diesem  Ausfall  des  Agglutinationsphänomens  erschien  es 
gerechtfertigt  und  erwünscht,  fremde  Pyozyaneusstämme  ver¬ 
gleichsweise  zu  untersuchen  und  dabei  nicht  nur  ihre  eventuelle 
Beeinflussbarkeit  durch  das  Patientenserum,  sondern  auch  ihr 
morphologisch-kulturelles  Verhalten  neben  dem  aus  dem  Kran¬ 
ken  gezüchteten  Stamm  zu  prüfen  (Tabelle  I  und  II). 

Die  Tabelle  I  zeigt,  dass  diese  12  Pyozyaneusstämme 
gewisse  geringe  Verschiedenheiten  in  ihrem  Verhalten  gegen¬ 
über  Traubenzucker  (No.  4),  gegenüber  Lackmusmolke,  sowie 
in  der  Art  und  Menge  der  Farbstoffbildung  auf  Agar  und  Gela¬ 
tine,  in  Bouillon,  Peptonwasser,  auf  der  Kartoffel  zeigen. 
Grössere  Differenzen  konnten  festgestellt  werden,  als  ich 
nebeneinander  diese  Kulturen  auf  ihre  Agglutininbindung  gegen¬ 
über  dem  Patientenserum  M.  hin  prüfte.  Dabei  ergab  sich, 
dass  einzelne  Stämme  in  demselben  oder  fast  im  gleichen 
Masse  durch  das  Krankenserum  agglutinativ  beeinflusst  wur¬ 
den,  wie  der  aus  dem  Patienten  gezüchtete  Stamm  (E,  a, 
Jo  Kräl,  ß  Kräl,  Emmerich:  Poliklinik  und  Sepsis),  dass 
andere  Stämme  dagegen  überhaupt  nicht  agglutiniert  wurden. 
Solche  Unterschiede  waren  aber  nicht  etwa  an  morphologisch¬ 
kulturelle  Verschiedenheiten  geknüpft.  Das  erhellt  unmittel¬ 
bar  aus  dem  flüchtigen  Vergleiche  der  Tabellen  I  und  II. 

Das  Bestehen  einer  Doppelinfektion  bei  dem  Patienten  M. 
veranlasste  mich,  das  Blutserum  des  Kranken  ausser 
seinem  Gehalt  an  Pyozyaneusagglutinin  auch  auf  seinen  Ge¬ 
halt  an  anderen  Agglutininen  zu  untersuchen  (Tabelle  III).  Da¬ 
bei  ergab  sich,  dass  der  zur  Gruppe  des  B.  lactis  aerogenes 
gerechnete  Stamm  vom  eigenen  Serum  bis  320,  von  Normal¬ 
serumkontrollen  bis  160  agglutiniert  wurde.  Nach  meinen 
Untersuchungen  über  Koliagglutinine6 7  8)  ist  einem  derartigen 
Befunde  eine  wesentliche  Bedeutung  nicht  beizumessen.  Da¬ 
gegen  ergab  sich  ein  bemerkenswerter  Befund  insofern,  als 
Typhusbazillen  durch  das  Krankenserum  bis  320  stark  agglu¬ 
tiniert  wurden.  In  Ansehung  der  durchaus  differenten  Höhe 
der  Typhus-  und  Pyozyaneusagglutination  war  es  schon 
a  priori  ziemlich  sicher,  dass  es  sich  dabei  um  Mitagglutination 
der  Typhusbakterien  handle9)-  Der  Beweis  dieser  Wahr¬ 
scheinlichkeitsannahme  wurde  durch  Anwendung  der  dafür 
üblichen  Methoden:  durch  Tierversuch  und  durch  Ausfällungs¬ 
versuche  nach  C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  erbracht.  Bei  der  einmaligen 
Immunisierung  eines  Kaninchens  mit  toter  Kultur  wurde  neben 
einem  relativ  hohen  Hauptagglutinin  für  den  zur  Immunisierung 
verwendeten  Stamm  ein  Mitagglutinin  für  Typhusbazillen  von 
niedriger  Wertigkeit  (1:20,  stark  +,  vorher  1:20  =  0)  erzielt 
(Tabelle  IV).  Die  Ausfällungsversuche  der  Tabelle  III  zeigen, 
dass  die  Pyozyaneusbazillen  beide  Agglutininkomponenten 
angreifen  und  allmählich  vollständig  absorbieren,  während  die 
Absorption  durch  Typhusbazillen  die  Mitagglutininkomponente 
entfernt  und  die  Pyozyaneusbazillenagglutinine  in  ihrem  Titre 
entsprechend  herabsetzt.  Damit  ist  aber  sicher  der  Nachweis 

6)  Methode  nach  Stern  und  Körte:  Ueber  den  Nachweis  der 
bakteriziden  Reaktion  im  Blutserum  des  Typhuskranken.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1904,  No.  9. 

7)  Anstellung  der  Agglutination  nach  dem  Neisser-Proe- 
s  eher  sehen  Verfahren;  cf.  F.  Pro  es  eher:  Zur  Anstellung  der 
W  i  d  a  1  sehen  Reaktion.  Zentralbl.  f.  Bakt.  I,  1902. 

8)  Carl  Klieneberger.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  90. 

9)  R.  P  a  1 1  a  u  f :  Die  Agglutination  in  Kolle-Wassermann; 
Handbuch  der  pathogenen  Mikroorganismen. 


2.  Juli  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Tabelle  I. 


Morphologie 

Pepton¬ 

wasser 

Kar¬ 

toffel 

Trauben- 

Dri- 

galski 

Lackmus¬ 

molke 

Farbstoff¬ 

bildung 

Stämme 

Form  ! 

1 

Bewegl. 

Färb¬ 

barkeit 

Gelatine 

Agarstrich 

Bouillon 

zucker 

hohe 

Schicht 

Endo 

Milch 

Indol 

1. 

M:  Eigener 
Stamm. 

Schlan¬ 

kes 

Stäb¬ 

chen 

Lebhaft 

beweg¬ 

lich 

Färbbar 
mit  den 
gewöhn¬ 
lichen 
Anilin¬ 
farben, 
Gram¬ 
negativ 

Strichwachs¬ 
tum.  verflüs¬ 
sigend  von  der 
Oberfläche 
aus,  starke 
Farbstoifbil- 
dung 

Dick,  weiss¬ 
grau,  flies¬ 
send,  starke 
grüne  Farb¬ 
stoffbildung 

Stark  trüb., 
Kahmhaut, 
Farbstoff¬ 
bildung 

Trübe, 

Kahmhaut, 

grünliche 

Färbung 

dick¬ 

brauner 

Belag 

0 

Farblos, 
nach  5  Tag. 

purpur 

(Farbstoff¬ 

bildung) 

Blau 

Kahmhaut, 
Entfärbung, 
trübbräun¬ 
lich,  später 
alkalig 

In  24  St. 
gerinnend, 
später  pep- 
tonisierend 

0 

In  24  St.  stal‘k 
grüne  Farbstoff¬ 
bildung  bei  22° 
und  37°. 

2. 

E :  Hygien. 

Institut 

Königsberg. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

a 

Dto. 

0 

Farblos 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

0 

Dto. 

3. 

a:  Hygien. 

Institut 

Königsberg. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  von  oben 
her  verflüs¬ 
sigend,  kein 
Farbstoff 

Grauweissl., 
etwas  flies¬ 
send,  iri¬ 
sierend,  mi¬ 
nime  gelbl. 

Färbung 

Trübend, 

leichte 

Kahmhaut¬ 

bildung 

Trübend 

Dto. 

0 

Farblos, 
später  liell- 
rosa 

Dto. 

Kahmhaut, 

Entfärbung, 

trübrötlich 

Dto. 

0 

Minime  gelbl. 
Farbstoffpro- 
duktion,  bei 
Zimmertem¬ 
peratur  am 
deutlichsten. 

4. 

ß:  Hygien. 

Institut 

Königsberg. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  von  oben 
her  verflüs¬ 
sigend,  massig 
starke  Farb¬ 
stoffbildung 

üeppig, 

fliessend, 

grauweiss, 

Farbstoff 

bildend 

Stark  trübe, 
Kahmhaut, 
gelbgrüne 
Färbung 

Trübe 

Dto. 

Ver¬ 

gärend 

Dto. 

Dto, 

Tiefblau, 

Kahmhaut 

ln  24  Std. 
gerinnend, 
rasch  und 
stark  pepto- 
nisierend 

? 

Leichte 
Rosa¬ 
färb.  im 
Pepton¬ 
wasser 

Massig  inten¬ 
sive  Bildung  von 
gelbgrünem 
Farbstoff,  be¬ 
sonders  bei  22°. 

5. 

Pyocya- 
neus  Frank¬ 
furt  a.  M. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  rasch  u. 
stark  verflüs¬ 
sigend,  nach 
48  St.  starke 
Farbstoffpro¬ 
duktion 

üeppig, 
fliessend, 
grauweiss, 
in  24  St. 
stark  grün. 
Farbstoff' 

Stark  trüb., 
Kahmhaut, 
nach  48  St. 
Farbstoff 

In  24  St. 
intensiv 
blattgrün, 
trübe,  leich¬ 
te  Kahm¬ 
haut 

Schmie- 

VI  o* 

dick¬ 

braun 

0 

Farblos, 
nach  5  Tag. 

purpur, 
grüne  Farb¬ 
stoffbildung 

Dto. 

Tiefblau, 
Kahmhant, 
nach  3  Tag. 
entfärbend 
rötlichviol- 
let,  später 
alkalig 

In  24  St. 
gerinnend, 
rasch  pepto- 
nisierend 

0 

Intensive  Farb¬ 
stoffbildung  bei 
22  0  und  37  o. 

6. 

Jo 

Kral. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  rasch 
verflüssigend, 
nach  3  Tagen 
kein  Farbstoff, 
Gelatine  von 
gelbl.  Schim¬ 
mer 

Fliessend, 
grauweissl. 
irisierend, 
minime 
gelbl.  Farb¬ 
stoffbildung 

Diffus  trübe, 
Kahmhaut 

Trübe, leich¬ 
te  Kahmh., 
nach  3  Tag. 
hellgrün 

Dick¬ 

brauner 

Belag 

0 

Farblos, 
später  dun- 
kelrosa 

Dto. 

Tiefblau, 
Kahmhaut, 
nach  3  Tag. 
entfärbend 

Dto. 

0 

• 

Geringe  Farb¬ 
stoffbildung  bei 
37°,  bei  22° 
fraglich. 

7. 

Freu 

Kral. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  stark 
verflüssigend, 
gelbgrüner 
Farbstoff 

üeppig, 
grauweiss, 
starke  Farb¬ 
stoffbildung 
(grün) 

Trübe  stark. 
Kahmhaut, 
in  24  St. 
gelbgrüne 
Färbung 

Trübe, 

Kahmhaut, 

grünlicher 

Farbstoff 

minim 

Dto. 

0 

Farblos, 
später  hell- 
rosa 

Dto. 

Anfangs 
tiefblau, 
Kahmhaut, 
nach  48  St. 
Entfärbung 

In  24  Std. 
gerinnend, 
rasch  pep- 
tonisierend 
'nach  48  St. 
fast  völlig 
flüssig  und 
verändert) 

0 

Intensive  Farb¬ 
stoffbildung. 

8. 

a :  Kral. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  verflüs¬ 
sigend,  Gela¬ 
tine  von  gelb¬ 
lichem  Schim¬ 
mer 

Dto. 

Oberflächen- 
haut  trübe, 
leichteFaib- 
stoffbildung 

Trübe,  nach 
nach  3  Tag. 
grün 

Dto. 

0 

Dto. 

Dto. 

Blaue  Ober¬ 
flächenhaut, 
rasch  ent¬ 
färbt,  am 
4.  Tag  hell¬ 
rot 

In  24  St. 
Gerinnung, 
rasche  Pep¬ 
tonisierung 

? 

Leichte 
rötliche 
Fär¬ 
bung  in 
Bouillon 

Minime  Farb¬ 
stoffbild.,  bei22° 
annähernd  0. 

9. 

ß :  Kräl. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  stark 
verflüssigend, 
gelb  grüne 
Farbstoffoild. 

üeppig, 
fliessend, 
graulich- 
weiss,  iri¬ 
sierend,  in 
48  St.  Farb¬ 
stoff  nicht 
deutlich, 
spät,  deutl. 

Oberflächen¬ 
haut  trübe, 
erhebl.  golb- 
griine  Farb¬ 
stoffbildung 

Trübe,  feine 
Kahmhaut, 
in  24  St. 

leichte 
Griingelb- 
.  färbung, 
später 
olivengrün 

Dto. 

1 

0 

Dto. 

Dto. 

Tiefblau, 
starke 
Kahmhaut, 
nachl2Tag. 
blau  mit 
rötlichem 
Schimmer 

In  24  St. 
Gerinnung, 
rasch  fol¬ 
gende  Ver¬ 
flüssigung 

0 

Ziemlich  starke 
Farbstoffbildg. 
bei  22°  und 
bei  37°. 

10. 

Emmerich 

Abort- 

jauclie. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Strichwachs¬ 
tum,  verflüsi- 
gend,  gelb¬ 
grüne  Farb¬ 
stoffbildung 

üeppig, 

fliessend, 

irisierend, 

gelbgrüner 

Farbstoff 

Kalnnhaut, 

gelbgrüne 

Färbung 

Trübe,  feine 
Kahmhaut, 
grünliche 
Färbung 

Dicker 

Belag, 

grüne 

Färbg. 

0 

Dto. 

Grün¬ 

blau 

Intensiv 
blau,  Kahm¬ 
haut 

In  24  St. 
Gerinnung 

0 

Starke  Farb¬ 
stoffbildung  bei 
37°  und  22°  in 
24  Stunden. 

11. 

Emmerich 

Poliklinik. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

üeppig, 

fliessend, 

geringe 

Gelbgrün¬ 

färbung 

Dto. 

Kahmhaut, 
stark  grün. 
Färbung 

Dto. 

0 

Dto. 

Dto. 

Kahmhaut, 
in  24  St. 
entfärbend 

Dto. 

0 

Dto. 

12. 

Emmerich 

Sepsis. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

üeppig, 
fliessend, 
starke  Gelb- 
grünfärbg. 

Dto. 

Dto. 

Gelb¬ 

brauner 

Belag, 

daneben 

grüne 

Färbg. 

0 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

Dto. 

0 

Dto. 

3* 


1332 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Tabelle  II. 


Im  Blutserum  M.  enthaltene  Pyozyaneus-Agglutinine. 


Tag  der 
Blutent¬ 
nahme 

Pyozyaneus 

M.*) 

E. 

Hygien.  In¬ 
stitut  Königs¬ 
berg 

(C 

ß 

Pyozya-  1 

neus  j 

Frankfurt- 

Jo 

Kral 

Freu 

JCräl 

a 

Kral 

ß 

Kral 

Emmerich 

(Abort¬ 

jauche) 

Emmerich 

(Poliklinik) 

Emmerich 

(Sepsis) 

I.  II.  07 

20  -320  + 
640  <4-4- 
1 280-1 0240+ 
20480  schwach -j- 

20  4-4- 
40—80  < 

4-4-4- 
160  4-  + 
320  <  4-  + 
640—20480 

>  + 
40960  + 

20—80  slark  + 

160-320  stark -}- 
640—5120 
stark  + 
10240— 
20480  + 
40960  schwach  -j- 

1:20 
u.  ff=0 

• 

18.  II.  07 

20—10240 

<  4~  4~ 

20480  stark  + 
40960  + 
81920  schwach  + 

t 

0 

20 — 40  stark  + 
80—160  +  + 
320—1280 
stark  + 
2560  ange¬ 
deutet  4- 

*  0 

0 

(Nach 

12  Stunden 
bis  160 -}-) 

20  +  +  + 

40-80  4-  + 
160-25604-4- 
5120  stark  + 
10240-20480 
stark  + 
40960  0 

0 

20?  40  + 
80-640  stark  + 
1280-2560  >  + 
5120— 10240 
zieml.  stark  + 
20480  schwach-j- 

20=0  40  + 

80  —  160  stark  + 

320  <  +  + 
640-10240 
>  +  20480  + 
(Höher  nicht 
angestellt). 

Tabelle  III. 

Prüfung  des  Blutserums  M.  auf  andere  Agglutinine  (Blutserum  v.  1  -/II.)- 


*)  Kontrollen  mit  2  Normalseris  PI  und  L,  einem  3.  Serum  B  (Kapselbazilleninfektion  der  Harnwege),  sowie  einem  4.  Serum  St. 
(fiebernde  Tuberkulose)  ergaben  für  diesen  aus  dem  Patienten  gezüchteten  Stamm  ein  negatives  Agglutinationsresultat  (Verdünnungen  von 
20  bis  2560). 

scharf  zentrifugiert.  Mit  der  über  dem  Zentrifugat  stehenden  Lösung 
werden  auf  Grund  von  Vorversuchen  nochmals  2  Typhuskulturen  ab¬ 
geschwemmt.  die  erste  Versuchsanordnung  wiederholt. 

Titre  des  Serums  vor  der  Absorption  nach  Casteljlani: 

Für  Typhus.  Für  Pyozyaneus  M. 

1 :  320  stark  4-  1 :  40960  stark  + 

nach  der  Absorption  1 :  20  u.  ff.  =  0  1 2560  stark  + 

1 :  5120—1  :  10240  + 

2.  Parallelversuch:  Es  werden  0,4  Serum  in  4,0  ccm  physio¬ 
logische  Kochsalzlösung  eingebracht,  mit  dieserVerdünnung  desSerums 
3  frische  Pyozyaneuskulturen  M.  abgeschwemmt,  2  Stunden  im 
Thermostaten  bei  37  0  gehalten,  danach  scharf  zentrifugiert.  Mit  der 
über  dem  Zentrifugat  stehenden  Flüssigkeit  werden  Agglutinations¬ 
versuche  an  Formoltyphus  und  Formolpyozyaneus  M.  angestellt. 
Titre  des  Serums  vor  der  Absorption  nach  Castellani: 


Proteus 

vulgaris 

Hauser 

Typhus 

Paratyphus  A 

Paratyphus  B 

Bakt.  M. 

(Ebenfalls  aus 
dem  Blaseninlialt 
gezüchtet)*) 

1 :  20  u.  ff.  =  0 

20—80  >  + 
160-320  stark  + 

• 

1  :  20  u.  ff.  =  0 

1  :20u.ff.  =  0 

1:20  +  +  + 
40  +  +  + 
80  +  +  + 

1 60  -j — | — (- 

320  +  +  + 
höher  =  0 

*)  Agglutination  von  Bakt.  M.  durch  Normalsera. 


Normalserum. 

PI. 

20  +  + 

40  stark  -f- 
80  stark  + 
160  schwach 


Normalserum. 

L. 

20  +  T 
40  +  + 

80  stark  -j- 
160  stark  -j- 


Ausfäl  lungsversuche  am  Blutserum  M.  vom 
18.  II.:  1.  Es  werden  0,4  Serum  mit  4,0  ccm  physiologischer  Kochsalz¬ 
lösung  verdünnt;  mit  dieser  Lösung  werden  3  frische  Typhuskulturen 
abgeschwemmt,  2  Stunden  im  Thermostaten  bei  37°  gehalten,  danach 


Für  Pyozyaneus. 

1  :  4Ö960  >  + 

1 ;  2560  ziemlich  stark  + 
1  :  512Q  schwach  + 


Fiir  Typhus. 

1  :  320  >  + 
nacli  der  Absorption 

1  :  80  ziemlich  stark  + 

nach  der  wiederholten  Absorption 
0 

(Diese  Versuche  besagen  also,  dass  der  Titre  für  Typhu'sbazillen 
durch  Typhusbazillen  zum  Verschwinden  gebracht  wird  und  für  Pyo¬ 
zyaneus  korrespondierend  erniedrigt  wird,  dass  durch  Pyozyaneus- 
bazillen  der  Titre  für  Typhus  und  Pyozyaneus  parallellaufend  bis  zum 
völligen  Nullpunkt  allmählich  herabgedrückt  wird.) 


0 


Tabelle  IV. 

Einem  Kaninchen  wird  am  21.  II.  intravenös  1  ccm  Formolkultur  Pyozyaneus  M.  injiziert.  Agglutinationstitre  vor  der  Immunisierung  für 
Typhus  1  : 20  u.  ff.  =  0.  für  Pyozyaneus  M.  1:20  ziemlich  stark  +,  höher  =  0.  28.  II.  Serumentnphme. 

Agglutinationstabelle  mit  Immunserum  Pyozyaneus  M. 


Typhus 

Pyozyaneus 

M. 

E. 

Hygien. 
Institut  K. 

a 

Hygien. 

Institut 

ß 

Hygien. 

Institut 

Pyozya¬ 

neus 

Frankfurt 

Jo 

Kral 

Freu 

Kräl 

a 

Kral 

ß 

Kräl 

Emmerich 

(Abort¬ 

jauche) 

Emmerich 

(Poliklinik) 

Emmerich 

(Sepsis) 

20  stark  + 

20—320+  + 
640  >  + 
1280  + 

20 +  + 
40  + 
80? 

20-40  schwach  + 
80-640  slark  + 
1280  stark  + 

1:20  u. 
ff.  =  0 

1  : 20  + 
ff.  =  0 

1 : 20  u. 
ff.  =  0 

1  : 20  u. 
ff.  =  0 

1 : 20  u. 
ff.  =  0 

20  + 

40  schwach  + 
höher  =  0 

1 : 20  u. 
ff.  =  0 

20  stark  + 
40  + 

80  ange¬ 
deutet  + 

20  stark  + 

Anmerkung.  Die  Frage,  ob  die  aus  Kranken  gezüchteten  pathogenen  Stämme  sich  biologisch  ähnlich  oder  gleich  verhalten, 
wie  Pyozyaneus  M,  habe  ich  aus  Mangel  an  entsprechendem  Material  nicht  entscheiden  können. 


eines  Agglutinins  für  Pyozyaneus,  das  bindende  Gruppen 
bezw.  Partialagglutinine  auch  für  Typhus  besitzt,  erbracht. 

Das  durch  Immunisierung  mit  Pyozyaneus  gewonnene 
Tierserum  zeigt  entsprechend  seinem  nicht  sehr  hohen  Agglu¬ 
tiningehalt  geringere  Affinität  zu  den  anderen,  mir  zur  Ver¬ 
fügung  stehenden  Stämmen  als  das  Patientenserum,  bietet 
sonst  aber  keine  bemerkenswerten  Differenzen  gegenüber  Ta¬ 
belle  II  (Tabelle  IV). 


Bei  der  Beurteilung  des  Falles  selbst  ist  in  Anbetracht  des 
hohen  Titers  des  Krankenserums  für  Pyozyaneusbazillen  die 
Annahme  ziemlich  sicher,  dass  eine  Allgemeininfektion  statt¬ 
gefunden  hat.  Ob  diese  kurz  vorübergehend  gewesen  ist  oder 
einige  Zeit  angedauert  hat,  ist  aus  der  Anamnese  nicht  klar  er¬ 
sichtlich.  Ebensowenig  wird  es  sich  jetzt  noch  entscheiden 
lassen,  ob  eine  primäre  Infektion  mit  Pyozyaneus  oder 
dem  anderen  aus  dem  Blaseninhalt  gezüchteten  Stamm 
oder  gar  mit  beiden  Mikrobenarten  erfolgte.  Diese 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1333 


Frage  ist  zudem  für  die  Beurteilung  des  Falles  gleichgültig. 
Sollte  wirklich  die  Infektion  mit  Pyozyaneus  sekundär  durch 
unsaubere  Instrumente  —  was  wir  zum  Besten  der  früher  be¬ 
handelnden  Aerzte  nicht  gerne  annehmen  möchten  —  bedingt 
worden  sein,  so  steht  nur  das  eine  fest,  dass  diese  Infektion 
aussergewöhnlich  hartnäckig  ist  und  durch  unsere  gewöhn¬ 
lichen  Methoden  nicht  beseitigt  werden  kann. 

Die  Tatsache,  dass  durch  eine  Pyozyaneusinfektion  eine 
hohe  Immunagglutininbildung  angeregt  werden  kann  und  dass 
dabei  interessante  Befunde  von  Mitagglutininbildung  Vor¬ 
kommen  können,  ist  nach  der  mitgeteilten  Beobachtung  sicher. 
Ebenso  dürfte  der  Nachweis  erbracht  sein,  dass  morphologisch 
und  kulturell  identische  oder  ähnliche  Pyozyaneusstänime  sich 
biologisch  ganz  verschieden  verhalten.  Es  entspricht  das  der 
modernen  Erfahrung,  dass  mit  der  Verfeinerung  der  Methodik 
die  Differenzierung  früher  für  gleichartig  angesehener  Bak¬ 
terien  in  ungeahntem  Masse  wächst.  Für  eine  etwaige  Sero¬ 
diagnostik  des  Pyozyaneus  empfiehlt  es  sich,  zunächst  den 
aus  dem  Kranken  isolierten  Stamm,  sodann  aber  eine  Reihe 
verschiedener  Stämme  gegenüber  dem  Krankenserum  zu  prü¬ 
fen,  ehe  man  zu  Schlussfolgerungen  über  das  Vorhandensein 
von  Pyozyaneusagglutininen  berechtigt  erscheint.  Normal- 
serumkontrollen  erscheinen  unnötig,  da  nach  unseren  Fest¬ 
stellungen  Normalsera  in  der  Verdünnung  1 : 20  die  Pyo- 
zyaneusbazillen  in  der  Regel  nicht  beeinflussen,  wofern  man 
nach  der  Proescher  sehen  Methode  arbeitet.*) 


Aus  dem  Knappschaftslazarett  in  Laurahütte. 

Ein  therapeutischer  Versuch  bei  epidemischer  Genick¬ 
starre. 

Von  Dr.  Ra  dman  n,  leitendem  Arzt. 

Die  Genickstarre  ist  eine  Allgemeinerkrankung,  meist  mit 
Lokalisationen  in  den  weichen  Hirnhäuten. *)  Ihre  Heilung 
kommt  nicht  durch  Lokalreaktionen  zu  stände,  sondern  durch 
Reaktionen  im  Gesamtorganismus.  Es  liegt  deshalb  nahe,  bei  ' 
der  Behandlung  der  Genickstarre  vor  allem  danach  zu  streben, 
die  Reaktionen  des  Gesamtorganismus  gegen  die  Meningo¬ 
kokkeninfektion  zu  unterstützen. 

Am  meisten  war  a  priori  zu  erwarten  von  künstlich  er¬ 
zeugten  Antikörpern.  Ueber  die  Sera  sind  indessen  bisher 
keine  günstigen  Erfahrungen  bekannt  geworden.  Die  auch  von 
uns  mit  dem  K  o  1 1  e  sehen  Serum  an  mehreren  Kranken  vor¬ 
genommene  Behandlung  hatte  k^ine  erkennbare  Wirkung. 

Ich  habe  deshalb  versucht,  auf  anderem  Wege  die  Re¬ 
aktion  gegen  die  Meningokokken  zu  erhöhen.  Ich  ging  dabei 
aus  von  der  Tatsache,  dass  bisher  durch  Impfungen,  bezw. 


")  Anmerkung:  Auch  Voss,  dessen  Arbeit  (Otto  Voss: 
Der  Bacillus  pyocyaneus  im  Ohr.  Veröffentlichungen  aus  dem  Gebiete 
des  Militärsanitätswesens,  H.  33,  1906)  leider  erst  nach  der  Druck¬ 
legung  dieser  Arbeit  zu  meiner  Kenntnis  gelangte,  dürfte  in  seiner 
Abhandlung  nicht  ganz  den  von  Wassermann  aufgestellten  kriti¬ 
schen  Anforderungen,  welche  von  der  Serodiagnostik  der 
Pyozyaneusinfektion  eil  intra  vitam  zu  verlangen  sind,  ge¬ 
recht  werden.  Die  von  ihm  beobachteten  Agglutinationswerte  sind 
ebenso  wie  die  von  Wassermann  beanstandeten  recht  niedrig, 
ganz  abgesehen  davon,  dass  sie  in  einzelnen  Fällen  bei  mehrfacher 
Prüfung  sich  als  schwankend  und  rasch  verschwindend  erwiesen 
haben.  Werte  von  1  :  150,  die  von  Voss  als  ausserordentlich  hohe 
Verdünnungsgrenze  bezeichnet  werden,  sind  meines  Erachtens  gering, 
umsomehr,  wenn  die  Methode  der  Agglutination  die  im  hängenden 
Tropfen  (ein  für  vergleichende  Untersuchungen  nicht  unbedenkliches 
Verfahren)  ist  und  wenn,  wie  Voss  selbst  auf  Grund  von  Normal¬ 
serumkontrollen  betont,  erst  jenseits  1  :  150  die  Pyozyaneusaggluti- 
nation  als  spezifisch  angesehen  werden  kann.  Dazu  kommt  noch,  dass 
diese  meiner  Meinung  nach  niedrige  Agglutination  in  der  Regel 
nur  für  den  aus  dem  betreffenden  Kranken  isolierten  Pyozyaneus- 
stamm  Gültigkeit  hatte. 

Berücksichtigt  man  gegenüber  Zahlen  von  1  :  150,  wie  leicht 
man  mit  Pyozyaneuskulturen  im  Tierexperiment 
hohen  aggluti  nativen  Titre  erhält  und  wie  sich  daran 
mein  Fall  M  als  erstes  Analogon  in  der  Literatur  überzeugend 
schliesst,  so  muss  man  meines  Erachtens  einer  Serodiagnostik,  die 
aus  so  niedrigen  Agglutinationswerten,  wie  wir  sie  bei  Voss  und  in 
der  älteren  Literatur  (cf.  Wassermann)  finden,  Folgerungen  für 
die  Serodiagnostik  zu  ziehen  bemüht  ist,  skeptisch  gegenüberstehen. 

1)  Vergl.  meine  Veröffentlichungen  in  der  deutschen  medizinischen 
Wochenschrift,  1905,  No.  18  und  26. 


durch  Injektion  von  Kulturen  unter  die  Haut  bei  Tieren,  auch 
bei  Affen,  keine  Genickstarre  erzeugt  worden  ist,  sondern  nur 
durch  Injektion  in  den  Duralsack  (v.  Lingelsheim).  Es  muss 
demnach  angenommen  werden,  dass  das  subkutane  Gewebe 
für  die  Ansiedelung  von  Meningokokken  ungeeignet  ist.  Man 
konnte  also  vermuten,  dass,  wenn  diese  wenig  empfänglichen 
Teile  gezwungen  würden,  Meningokokken  zu  verarbeiten, 
nicht  nur  eine  Lokalreaktion  der  Gewebe  die  eingeführten  Me¬ 
ningokokken  unschädlich  machen  würde,  sondern  auch  der 
Ueberschuss  der  Lokalreaktion  dem  Gesamtorganismus  zu  gute 
kommen  würde. 

Da  die  Reinkulturen  der  Meningokokken  sehr  hinfällig  und 
hinsichtlich  ihrer  Virulenz  verschieden  sind,  so  habe  ich  als 
Injektionsmaterial  die  eigene  Zerebrospinalflüssigkeit  der  Kran¬ 
ken  benützt. 

Johann  L.,  Fördermann,  19  Jahre  alt. 

29.  VIII.  1906.  3  Tage  krank.  Starke  Rötung  und  Schwellung 
der  Rachenschleimhaut  ohne  Belag.  Heiserkeit,  belegte  Zunge.  Tem¬ 
peratur  37,9  °.  Geringe  Nackenstarre.  Lumbalpunktion  erfolglos. 
Nachts  Delirium;  langsam  ansteigendes  Fieber. 

30.  VIII.  Sensor'ium  frei.  In  den  nächsten  Tagen  kontinuierliches 
hohes  Fieber.  Ausgesprochene  Nackenstarre. 

5.  IX.  Hohes  Fieber.  Nackenstarre  unverändert.  Ablassen  von 
25  ccm  opaleszierender  Spinalflüssigkeit,  in  welcher  mikroskopisch 
Meningokokken  nachgewiesen  werden.  (Ebenso  später  kulturell  im 
Beuthener  hygienischen  Institut.)  Davon  werden,  nachdem  der  Pa¬ 
tient  sein  Einverständnis  erklärt  hat,  8  ccm  unter  die  Haut  eines 
Oberarmes  injiziert.  Abendtemperatur  39  °. 

7.  IX.  Inijektioinsstelle  am  Arm  .dauernd  vollkommen  reak¬ 
tionslos. 

8.  IX.  Morgens  Remission  auf  37,5  °. 

15.  IX.  Remittierendes  Fieber.  Opisthotonus  fast  verschwunden. 
Vom  22.  IX.  an  Temperaturabfall  und  dauerndes  Wohlbefinden,  abge¬ 
sehen  von  zeitweise  höherer  Pulsfrequenz. 

8.  XI.  Auf  seinen  Wunsch  entlassen. 

In  einem  anderen  gleich  behandelten  Falle,  der  ebenfalls 
ausheilte,  trat  auch  keinerlei  Lokalreaktion  auf.  Indessen 
konnte  hier  der  Meningokokkus  nicht  nachgewiesen  werden, 
sondern  nur  sein  häufiger  Begleiter,  der  Diplococcus  crassus. 

Demnach  ist  es  unschädlich,  Genickstarrekranken  ihre 
eigene  Zerebrospinalflüssigkeit  subkutan  zu  injizieren. 

Da  die  Genickstarreepidemie  in  Oberschlesien  fast  er¬ 
loschen  ist,  so  habe  ich  keine  Gelegenheit  mehr  zu  weiteren 
Versuchen.  Vielleicht  werden  durch  meine  Mitteilungen 
Aerzte,  denen  Material  und  ein  Krankenhaus  zur  Verfügung 
steht,  dazu  veranlasst,  Untersuchungen  über  den  etwaigen 
therapeutischen  Wert  der  Methode  anzustellen. 

Ich  halte  es  für  unbedenklich,  gleich  mit  grossen  Dosen 
zu  beginnen,  d.  h.  gleich  die  ganze  bei  der  Punktion  ge¬ 
wonnene  Flüssigkeitsmenge  möglichst  körperwarm  subkutan 
zu  injizieren,  soweit  man  sie  nicht  zu  Untersuchungszwecken 
braucht. 

Natürlich  muss  die  Diagnose  sicher  sein. 

•  Die  Spinalflüssigkeit  bei  gewöhnlichen  eitrigen  Meningi¬ 
tiden,  vielleicht  auch  bei  Mischinfektionen,  würde  Entzündungs¬ 
erscheinungen  an  der  Injektionsstelle  oder  schwerere  Stö¬ 
rungen  hervorrufen.  Vollkommen  aseptisches  Arbeiten  ist 
selbstverständlich. 


Therapeutische  Mitteilungen.*) 

Von  Friedrich  Merkel  in  Nürnberg. 

I.  Secacornin-Roche,  ein  neues  Sekalepräparat. 

Die  Firma  Hoffman  n-La  Roche  hat  in  den  letzten  Jahren 
eine  Reihe  neuer  Arzneipräparate  auf  den  Markt  gebracht  —  und, 
was  wohl  das  Wichtigste  dabei  ist,  es  sind.  Präparate,  die  sich  Dank 
ihrer  vorzüglichen  Wirkung  eine  dauernde  Stelle  im  Arzneischatz 
erobert  haben.  Ich  nenne  nur  das  Thigenol  und  das  Digalen.  Diesen 
reiht  sich  nun  würdig  an  das  Secacornin  —  Ergotin  Keller.  Schon 
Robert  äussert  sich  prognostisch  günstig  über  dasselbe  in  seinem 
Lehrbuch  der  Pharmakologie.  Er  sagt:  „Das  in  der  Schweiz  viel 
benutzte  „Ergotin  Keller“  ist  das  weitaus  rationellste  aller  Mutter¬ 
kornextrakte,  da  bei  der  Herstellung  desselben  zielbewusst  die 
Alkaloide  möglichst  vollständig  und  unzersetzt  erhalten,  alle  übrigen 
Stoffe  aber  nach  Möglichkeit  abgeschieden  werden.  Seine  starke 
Wirksamkeit  kann  daher  nicht  wundernehmen.“ 

Das  Mutterkorn  ist  eines  von  den  vielen  Arzneimitteln,  welches 
dem  praktischen  Arzte  mit  der  Zeit  unentbehrlich  geworden  ist.  Die 


*)  Nach  einem  Vortrage,  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  zu 
Nürnberg  am  4.  April  1907. 


1334 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


rohe  Droge,  Secale  cornutum,  ist  von  jeher  eine  der  veränderlichsten 
aller  Drogen  und  in  ihrer  chemischen  Zusammensetzung  ausser¬ 
ordentlich  mannigfaltig.  Es  war  daher  von  jeher  das  Bestreben  der 
Pharmakologen,  ein  dauernd  wirksames,  haltbares  und  bekömmliches 
Präparat  herzustellen.  Es  würde  zu  weit  führen,  auf  die  chemischen 
und  pharmakologischen  Bestandteile  und  deren  Eigenschaften  näher 
einzugehen;  ich  erwähne  nur  die  Arbeiten  von  Robert,  Jacob  j 
und  Keller. 

Drei  Bestandteile  sind  es,  welche  aus  dem  Sekale  dargestellt 
wurden:  die  Ergotinsäure,  die  Spharelinsäure  und  der  eigentlich 
wirksame  Bestandteil,  das  Kornutin.  Nach  Keller,  der  sich  speziell 
mit  den  Bestandteilen  des  Mutterkorns,  besonders  dem  Kornutin, 
beschäftigt  hat  und  eine  bestimmte  Farbenreaktion  (mit  Eisenchlorid), 
sowie  eine  analytische,  äusserst  wichtige  quantitative  Bestimmungs¬ 
methode  ausarbeitete,  ist  das  Alkaloid  frei  oder  als  lockere  Verbindung 
in  der  Droge  enthalten.  Schliesslich  sei  noch  das  von  J  a  c  o  b  j  dar¬ 
gestellte  Spasmotin  erwähnt. 

Keller  hat  jetzt  die  Firma  F.  Hoffmann-La  Roche  mit 
der  sehr  umständlichen  Darstellung  betraut.  Das  bisherige  Ergotin 
Keller  hat  nun  den  Namen  Secacornin-Roche  erhalten.  Es  kommt 
in  den  Handel  als  eine  sterile  Lösung  der  Alkaloide  des  Mutterkorns, 
welche  sich  sowohl  zur  subkutanen  und  intramuskulären  Injektion, 
wie  zur  internen  auch  rektalen  Verabreichung  verwenden  lässt  und 
zwar  in  Originalfläschchen  zu  20  g,  zur  subkutanen  Injektion  in 
sterilen,  zugeschmolzenen  Glasphiolen  zu  1  ccm.  1  ccm  entspricht 
=  4  g  Secale  cornutum.  Es  handelt  sich  um  ein  sehr  handliches, 
leicht  dosierbares  Präparat,  das  nach  meiner  nun  einjährigen  Er¬ 
fahrung  grosse  Haltbarkeit  besitzt.  Insbesondere  für  die  geburtshilf¬ 
liche  Praxis  ist  es  meines  Erachtens  das  bequemste,  zuverlässigste 
Präparat.  Ich  habe  das  Secacornin,  welches  mir  die  Firma  Hoff- 
mann  gütigst  zur  Verfügung  stellte,  im  verflossenen  Jahre  in 
ca.  60  Fällen  erprobt  und  zwar  in  erster  Linie  in  geburtshilflichen 
Fällen.  Ich  verwandte  es  meist  intramuskulär  oder  subkutan.  Nie 
traten  Schmerzen  auf  oder  Knoten,  die  Wirkung  war  stets  eine  absolut 
zuverlässige.  Ich  verwandte  es,  gerade  wie  Prof.  Walther- 
Giessen,  1.  prophylaktisch  bei  Leitung  der  Nachgeburtsperiode,  um 
Atonien  nach  raschen  Geburten,  bei  starker  Ausdehnung  der  Gebär¬ 
mutter  (grosses  Kind,  Hydramnios,  Zwillinge),  Wehenschwäche,  bei 
Placenta  praevia  und  Narkose,  auch  Lumbalanästhesien  hintanzu¬ 
halten.  2.  zur  Bekämpfung  bereits  eingetretener  Atonie  in  der  Nach¬ 
geburtszeit  wie  post  partum.  3.  prophylaktisch:  zur  Beförderung 
der  Involution  im  Wochenbett,  sowie  zur  Bekämpfung  von  lang 
dauerndem  blutigem  Wochenfluss.  4.  nach  jeder  Fehlgeburt  zur  Be¬ 
förderung  der  Involution. 

In  der  Gynäkologie  habe  ich  nur  in  einzelnen  Fällen  das  Seca¬ 
cornin  verwendet:  einmal  mit  vorzüglichem  Erfolg,  um  ein  apfel¬ 
grosses  Myom,  welches  intramural  sass,  nach  der  Serosa  abzu¬ 
drängen,  einige  Male  bei  schlaffen  Uteris  mit  starken  menstruellen 
Blutungen  bei  anämischen,  obstipierten  Frauen.  —  Das  wichtigste 
Gebiet  der  Sekaleanwendung  bleibt  die  Nachgeburtszeit.  Gleich 
Walther  habe  ich  nie  das  Mittel  in  der  Austreibungszeit,  nie  als 
wehenanregendes  Mittel  gegeben.  Die  Zeit,  die  zwischen  Injektion 
und  Wirkung  verläuft,  beträgt  5 — 10  Minuten.  Man  muss  daher  stets 
sicher  sein,  dass  in  dieser  Zeit  die  Plazenta  den  Hohlmuskel  verlassen 
kann  oder  hat. 

Nachdem  ich  in  18  jähriger  Praxis  bei  fast  2000  Entbindungen 
alle  Sekalepräparate  durchprobiert  habe,  ist  mir  ausser  dem  Ergotin 
Bombeion,  bei  dem  ich  manchmal  Knoten  sah,  kein  gleich  gutes,  aber 
besser  haltbares  und  gleichmässiger  dosierbares  Präparat  in  die 
Hand  gekommen  wie  das  Secacornin-Roche. 

II.  Ueber  Novaspirin  in  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Im  84.  Band  des  Deutschen  Archivs  für  klinische  Medizin  habe 
ich  meine  Erfahrungen  über  Aspirin  als  schmerzstillendes  Mittel  in 
der  Gynäkologie  und  Geburtshilfe  mitgeteilt.  Bald  darauf  wurde  von 
der  Fabrik  Bayer  ein  verbessertes  Aspirinpräparat,  das  Novaspirin, 
in  den  Handel  gebracht.  Dieses  ist  eine  dem  Aspirin  analog  zu¬ 
sammengesetzte  Verbindung  der  Salizylsäure  mit  dar  Methylen¬ 
zitronensäure  und  kann  chemisch  als  Methylenzitronensäureester  der 
Salizylsäure  bezeichnet  werden.  Die  Substanz,  ein  weisses,  kristal¬ 
linisches  Pulver,  das  an  sich  geruchlos  ist  und  nur  einen  schwach 
säuerlichen  Geschmack  besitzt,  enthält  ca.  62  Proz.  Salizylsäure. 
Novaspirin  ist  in  Wasser  nahezu  unlöslich  und  übt  infolgedessen 
keinen  Aetzeffekt  auf  die  Schleimhaut  des  Magens  aus.  Die  von 
Witthauer,  Ruhemann,  Liebmann  veröffentlichten  Arbeiten 
aus  dem  Gebiete  der  inneren  Medizin  über  das  Novaspirin  loben  das¬ 
selbe  durchweg  als  ein  den  Magen  nicht  angreifendes  Mittel.  Es 
wirkt  zwar  schwächer  als  das  Aspirin  und  ist  daher  längere  Zeit 
und  vielleicht  in  grösseren  Dosen  zu  geben.  Die  antipyretische  Wir¬ 
kung  ist  gut,  die  schweisstreibende  und  schmerzstillende  geringer. 
Alle  empfehlen  das  Novaspirin  als  ein  hervorragendes  Mittel  gegen 
Influenza.  Es  verursacht  weder  Magendrücken  noch  Ohrensausen, 
noch  kolliquative  Schweisse  oder  sonst  üble  Nachwirkungen.  Ausser 
bei  Influenza  wird  es  auch  bei  Rheumatismus,  Gicht,  sowie  bei 
Phthisis,  Pneumonie  etc.  empfohlen.  Nachdem  ich,  wie  schon  eiti- 
»  gangs  erwähnt,  das  Aspirin  als  vorzüglich  schmerzstillendes  Mittel 
in  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  kennen  gelernt  hatte,  stellte  ich 
vergleichsweise  seit  lYn  Jahren  in  gleich  gelagerten  Fällen  Versuche 


mit  Novaspirin  an.  In  der  Gynäkologie  ist  es  in  erster  Linie  das 
inoperable  oder  rezidivierende  Uteruskarzinom,  welches,  schmerz¬ 
stillende  Mittel  gebieterisch  verlangt.  In  5  Fällen  gab  ich  Novaspirin, 
0,5 — 2,5  pro  die.  Viermal  war  der  Erfolg  vorzüglich,  einmal  er¬ 
streckte  sich  sogar  die  schmerzstillende  Wirkung  nach  1,0  auf  2  Tage. 
Auch  direkt  als  Schlafmittel  wirkt  es.  Nur  in  einem  allerdings  ganz 
trostlosen  Falle  musste  ich  mit  dem  alten  Aspirin  und  kleinen  Opium¬ 
dosen  (0,06)  abwechseln.  Aber  auch  hier  muss  es  als  wertvoll  be¬ 
zeichnet  werden,  da  in  einem  halben  Jahre  keine  Steigerung  der 
Opiumdosis  nötig  wurde.  —  Bei  peritonitischen  Schmerzen  infolge 
gonorrhoischer  Erkrankung  der  Sexualorgane  wirkte  das  Novaspirin 
in  Dosen  von  2  X  0,5  pro  dosi  (6  Fälle).  Glänzend  bewährte  sich  das 
Novaspirin  bei  den  berüchtigten  Menstrualkoliken  junger  Mädchen; 
beim  geringsten  Ziehen  im  Kreuz  oder  anderen  Prodromalsymptomen 
der  beginnenden  Menstruation,  auch  sogar  bei  dem  bekannten  Brech¬ 
reiz  in  Dosen  von  1,0  verabreicht,  hemmte  Novaspirin  jede  weitere 
schwere  Kolik;  höchstens  musste  nach  4  Stunden  noch  0,5  nach¬ 
gegeben  werden  (13  Fälle).  —  Jedem  beschäftigten  Gynäkologen  wird 
es  wohl  in  seiner  Praxis  schon  passiert  sein,  dass  nach  intrauteriner 
Aetzung  bei  Endometritis  sehr  heftige  Koliken  mit  Ohnmachts¬ 
anwandlungen  und  dergl.  auftraten.  1,0  Novaspirin  in  einem  halben 
Glas  Madeira  gelöst  half  mir  dreimal  die  Frauen  binnen  10  Minuten 
prompt  schmerzfrei  zu  machen. 

In  der  Geburtshilfe  gebe  ich  das  Novaspirin  jetzt  regelmässig 
bei  stillenden  Frauen.  Denn  diese  haben  bekanntlich  besonders  unter 
schmerzhaften  Nachwehen  zu  leiden.  2 — 3  mal  täglich  0,5  drei  Tage 
lang  gegeben,  erzielte  stets  eine  vollständig  schmerzloses  Wochenbett 
(12  Fälle).  Die  Rückbildung  des  Uterus  wurde  in  keiner  Weise  be¬ 
einflusst.  Die  Kinder  reagierten  niemals  beim  Stillgeschäft. 

Fasse  ich  meine  reichlich  gemachten  Erfahrungen  über  Nov¬ 
aspirin  zusammen,  dann  komme  ich  zu  folgendem  Ergebnis: 

Novaspirin  ist  ein  vorzügliches,  schmerzstillendes  Mittel.  Es 
wird  ausgezeichnet  vertragen,  ist  in  Bekömmlichkeit  dem  alten 
Aspirin  entschieden  überlegen,  von  Nebenwirkungen  frei,  manchmal 
jedoch  schwächer,  dafür  aber  nachhaltiger  als  das  alte  Aspirin 
wirkend. 


Zur  Kasuistik  der  Ptomainvergiftungen. 

Von  Bezirksarzt  Dr.  W  e  i  k  a  r  d  in  Neu-Ulm. 

Im  November  vergangenen  Jahres  hatte  ich  Gelegenheit,  eine 
Familienvergiftung  zu  beobachten,  welche  in  weiteren  Kreisen  be¬ 
kannt  zu  werden  verdient.  Von  einer  einschliesslich  der  Diener¬ 
schaft  7  köpfigen  Familie  erkrankten  6  Personen  gleichzeitig  an 
schweren  Vergiftungserscheinungen,  welche  in  Brechdurchfall,  Leib¬ 
schmerzen,  in  eingenommenem  Kopf,  Schwindelgefühl  (in  einem  Fall 
bis  zur  Ohnmacht  gesteigert),  erhöhter  Körpertemperatur,  kleinem 
frequenten  Puls  und  grosser,  zur  Bettruhe  zwingender  Mattigkeit 
bestanden.  Die  Therapie  bestand  hauptsächlich  in  Darreichung  von 
Reizmitteln  (schwarzer  Kaffee,  Thee  mit  Arak,  Sekt  etc.).  Nach 
achttägiger  Krankheit  erholten  sich  die  Patienten  wieder.  Die  von 
mir  angestellten  Nachforschungen  ergaben,  dass  alle  Personen  der 
Familie  (auch  der  Diener,  der  es  mir  nachträglich  im  Vertrauen  einge¬ 
stand)  tags  vorher  von  einem  Pudding  genossen  hatten,  mit  Aus¬ 
nahme  des  Familienvorstandes,  welcher  auch  gesund  blieb.  Der  noch 
vorhandene  beträchtliche  Puddingrest  zeigte  bei  der  Besichtigung 
keine  besonderen  Merkmale  und  doch  enthielt  er  ein  sehr  gefähr¬ 
liches  Eiweissgift  (Ptomain).  Die  Köchin  hatte  nämlich  zu  seiner 
Bereitung  seit  einigen  Tagen  übrig  gebliebenes  Eiweiss  verwendet, 
das  sie  in  einem  schlecht  gelüfteten  Eiskasten,  der  aber  kein  Eis 
enthielt,  aufbewahrte.  Sie  selbst  hatte  nach  ihrer  Versicherung  vom 
Pudding  gar  nichts  genossen,  wohl  aber  das  Eiweiss,  bevor  sie  es 
verwandte,  auf  seinen  Geschmack  geprüft  und  gerade  sie  erkrankte 
sehr  heftig.  Vom  chemischen  Untersuchungsamt  der  Stadt  Ulm, 
welchem  ich  den  Pudding  zur  Untersuchung  übergab,  wurde  mein 
Verdacht,  dass  er  an  der  Vergiftung  die  Schuld  trage,  bestätigt. 
Herr  Hofrat  Dr.  Wacker,  Vorstand  des  genannten  Amtes,  welcher 
dem  Vergiftungsfalle  ein  sehr  grosses  Interesse  entgegenbrachte, 
versuchte,  wie  er  mir  mitteilte,  die  direkte  Darstellung  des  Ptomain 
nach  dem  Verfahren  von  Vey  - Fresenius  analyt.  Chemie,  Bd. 
38,  155.  Da  er  jedoch  trotz  wiederholter  Versuche  kein  reines  kry- 
stallinisches  Präparat  erzielen  konnte  und  befürchten  musste,  mit 
dem  vielen  Umkrystallisieren  zuletzt  keinen  Rückstand  mehr  zu  er¬ 
halten,  stellte  er  mit  einem  Teile  des  gefärbten  Rückstandes,  dessen 
Gesamtgewicht  0,09  g  betrug,  einige  Reaktionen  an  und  erhielt  mit 
Jodjodkaliumlösung  und  Gerbsäure  deutliche  Niederschläge,  während 
mit  Goldchlorid  kein  solcher  eintrat.  Nach  dem  Urteile  Dr.  Wackers 
lassen  diese  3  Reaktionen  einen  Schluss  auf  das  Vorhandensein  von 
einem  oder  dem  anderen  der  grossen  Zahl  der  Ptomaine  zu.  Der 
Rest  des  Präparates  wurde  zu  Tierversuchen  verwendet.  Einem 
1  Jahr  alten  Meerschweinchen  wurden  etwa  0,04  g  mit  etwas  zer¬ 
riebenen  Spinatblättern  vermischt  per  os  eingegeben  und  schon  nach 
Vt  Stunde  zeigten  sich  Lähmungserscheinungen  in  den  hinteren  Ex¬ 
tremitäten  des  Tieres,  welche  rasch  Zunahmen  und  nach  1  Stunde  den 
Tod  desselben  herbeiführten  unter  ganz  ähnlichen  Erscheinungen, 
welche  bei  Tieren  beobachtet  werden,  welchen  Strychnin  beige¬ 
bracht  wurde.  Weder  eine  Erweiterung  der  Pupille  noch  eine  An¬ 
ätzung  der  Magenwandungen  konnte  wahrgenommen  werden.  Ein 


GALERIE  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER. 


^pHEODOR  V. 


JURGENSEN, 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  213,  iqoj, 
Verlag  von  J.  F.  LEIIMANN  in  München. 


i 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1335 


weiterer  Versuch  mit  etwa  der  Hälfte  der  zuerst  angewandten  Menge 
brachte  nach  3  Stunden  unter  ganz  ähnlichen  Lähmungserscheinungen 
einem  jüngeren  Meerschweinchen  den  Iod.  Hofrat  Dr.  Wacker 
schliesst  seine  Mitteilung  an  mich  mit  der  Bemerkung,  dass  durch 
diese  Tierversuche  der  sichere  Beweis  erbracht  worden  sei,  dass 
man  es  mit  einer  sehr  giftigen  Art  von  Ptomain  zu  tun  hatte.  Es 
dürfte  nach  meinem  Dafürhalten  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
die  Aufbewahrung  des  Eiereiweisses  in  einem  nicht  mit  Eis  be¬ 
schickten,  mangelhaft  gelüfteten  Eiskasten  die  Giftentwicklung  ver¬ 
ursachte  oder  wenigstens  sehr  begünstigte.  Gerade  in  diesen,  den 
ganzen  Sommer  über  mit  Eis  gefüllten  und  zum  Aufbewahren  von 
Speisen  benützten  Eiskästen  werden  bei  der  nach  Weglassen  des  Eises 
eintretenden  höheren  Temperatur  Massen  von  Bakterien  lebendig. 

Der  Zweck  meiner  Veröffentlichung  ist  der,  auf  die  Ge¬ 
fährlichkeit  der  Aufbewahrung  von  Speisen  in  nicht  mit  Eis  be¬ 
schickten,  schlecht  gelüfteten  Eisschränken  hinzuweisen,  um 
weitere  derartige  Vergiftungen,  die  leicht  tödlich  werden  kön¬ 
nen,  zu  verhüten.  Die  Eiskästen  sollten  überhaupt  mehrmals 
im  jahre  mit  heisser  Sodalösung  gereinigt  und  desinfiziert  wer¬ 
den,  wozu  sich  das  Autan  vorzüglich  eignen  dürfte.  Ganz  be¬ 
sonders  notwendig  ist  aber  eine  solche  Desinfektion  und  auch 
Sorge  für  eine  gute  Lüftung  des  Eiskastens,  wenn  man  ihn  nicht 
mehr  mit  Eis  beschicken,  aber  dennoch  Speisen  in  ihm  auf- 
heben  will. 

- -0©0- - 

Theodor  von  Jürgensen 

Am  8.  Mai  ist  Dr.  Theodor  von  Jürgen¬ 
sen,  der  Vorstand  der  medizinischen  Poliklinik  und  des 
pharmakologischen  Institutes  in  J  übingen,  nach  qual¬ 
vollem  Leiden  gestorben.  Er  war  der  Nestor  der 
Fakultät.  Jürgensen  ist  am  11.  April  1840  als  Sohn 
eines  Arztes  in  Elensburg  geboren.  Seine  Studienzeit  ver¬ 
brachte  er  in  Kiel,  Breslau  und  Tübingen.  Von  seinen  Lehrern 
verehrte  er  besonders  Rudolf  Heidenhain  und  L  o  t  h  a  i 
Mayer,  „von  denen  er  naturwissenschaftlich  denken  lernte" 
und  C  a  r  i  ß  a  r  t  h  e  1  s,  „der  ihn  ans  Krankenbett  führte“.  In 
Kiel  bestand  er  1863  das  medizinische  Staatsexamen  und  pro¬ 
movierte  in  demselben  Jahr.  Als  Assistenzarzt  an  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  bei  C.  B  a  r  t  h  e  1  s  erhielt  er  schon  im  folgen¬ 
den  Jahr  die  Venia  legendi.  Seine  ersten  Vorlesungen  waren 
über  physikalische  Diagnostik.  Nach  5  Jahren  wurde  er  zum 
ausserordentlichen  Professor  und  Leiter  der  Universitätspoli¬ 
klinik  ernannt.  In  diese  Kiolsr  Zeit  fallen  seine  epochemachen¬ 
den  Arbeiten  über  die  medizinische  Wärmelehre,  in  welcher 
er  die  Gesetzmässigkeit  der  Temperatur  des  gesunden  Men¬ 
schen  feststellte;  im  Anschluss  daran  folgte  gleichzeitig  mit 
Liebermeister  und  Brand  die  Behandlung  der  fieber¬ 
haften  Krankheiten  mit  Bädern.  Jürgensen  betont,  dass  es 
durch  die  Anwendung  des  kalten  Wassers  bei  Fiebernden  nicht 
nur  gelingt,  die  Körperwärme  herabzusetzen,  sondern  auch  eine 
Menge  sonstiger  schädigender  Faktoren  in  Wegfall  zu  bringen. 
Seine  Behandlung  des  Abdominaltyphus  hat  in  kurzer  Zeit  all¬ 
gemeine  Gültigkeit  erlangt  und  gilt,  wie  erst  kürzlich  eine  Reihe 
von  Klinikern  in  der  „Berliner  Klinik“  bestätigten,  im  grossen 
und  ganzen  auch  jetzt  noch.  Durch  die  Einführung  dieser  Be¬ 
handlungsmethode,  durch  welche  es  gelang,  die  Moitalität  des 
Typhus  auf  2—4  Proz.  herabzusetzen,  hat  sich  Jürgensen 
allein  schon  den  Namen  eines  Wohltäters  der  Menschheit  er¬ 
worben. 

Im  Jahre  1873  folgte  Jürgensen  einem  Rufe  als  ordent¬ 
licher  Professor  an  die  Universität  Tübingen.  Er  vertrat  dort 
das  Fach  der  Arzneimittellehre  und  das  der  Poliklinik.  Wenn 
letztere  schon  bestanden  hatte,  so  wurde  sie  von  ihm  doch 
völlig  umgestaltet,  und  wir  dürfen  sie  wohl  als  seine  eigenste 
und  eigenartigste  Schöpfung  bezeichnen,  die  in  dieser  Art  noch 
nirgends  bestanden,  später  jedoch  vielfach  Nachahmung  ge¬ 
funden  hat.  Sein  Leitsatz  in  der  Führung  der  Poliklinik  war: 
Die  Poliklinik  soll  dem  Studierenden  das  zeigen,  was  das 
Leben  bietet.  Sie  muss  daher  alle  Pflichten  des  piaktischen 
Arztes,  am  besten  des  Hausarztes  übernehmen;  sie  kann  sich 
daher  nicht  ausschliesslich  auf  die  innere  Medizin  beschränken, 
sondern  muss  sich  auch  der  leichteren  Fälle  anderer  Disziplinen 
annehmen.  Auf  diese  Weise  ist  es  .1  ii  r  g  e  n  s  e  n  gelungen, 
sich  eine  feste  Klientel  mit  der  zehnfachen  Frequenz  gegen 
früher  zu  schaffen. 


Seine  Hörer  führte  er  persönlich  an  das  Krankenbett, 
liess  sie  dort  unter  seiner  Aufsicht  Untersuchungen  vor¬ 
nehmen  und  besprach  kurz  den  Fall.  Unermüdlich  erfüllte 
er  seine  Pflicht  34  Jahre  lang:  Kein  Weg  war  ihm  zu  weit,  kein 
Wetter  zu  rauh,  keine  Wohnung  zu  armselig,  keine  Treppe 
zu  steil.  Obwohl  er  viele  Jahre  lang  an  chronischer  Knie¬ 
gelenksentzündung  litt  und  ihm  die  Besuche  oft  recht  beschwer¬ 
lich  wurden,  war  er  stets  bereit,  dem  Ruf  ans  Krankenbett  zu 
folgen.  Durch  seine  liebenswürdige  Art  mit  Kranken  zu  ver¬ 
kehren,  erwarb  er  sich  deren  Vertrauen  in  ungewöhnlichem 
Grade,  und  nicht  nur  solche,  „die  es  nötig  hatten“,  sondern  auch 
die  Bessergestellten  begaben  sich  in  poliklinische  Behandlung. 
Wie  er  selbst  mit  den  Kranken  umging,  so  verlangte  er  es  auch 
von  seinen  Schülern;  sie  sollten  in  den  Kranken  nicht  Lern¬ 
objekte  sondern  leidende  Menschen  sehen:  nichts  konnte  ihn 
mehr  in  Harnisch  bringen,  als  wenn  es  ein  Praktikant  an  der 
nötigen  Rücksicht  fehlen  liess.  Gründliche,  aber  gleichzeitig 
zarte  und  schonende  Untersuchung  war  seine  Parole.  Was  das 
Leben  bietet,  wollte  er  seinen  Hörern  bieten;  daher  legte  er 
grossen  Wert  darauf,  dass  selbst  bei  hohem  Krankenstand  stets 
neben  den  schweren  auch  leichte  und  leichteste  Erkrankungen 
vorgeführt  wurden:  neben  der  Diphtherie  hatte  die  Angina, 
neben  der  Pneumonie  die  Bronchitis  ihr  Recht;  ebenso  wie  die 
akuten  Exantheme  musste  der  junge  Mediziner  die  Insekten- 
bisse  kennen  lernen.  Den  Praktikanten  wurden  die  einzelnen 
Kranken  zur  eingehenden  Beobachtung  zugeteilt,  in  besonderen 
Nachmittagstunden  fand  die  klinische  Besprechung  statt.  In 
dieser  wurden  den  einzelnen  Fällen  die  ihnen  eigenartigen  Züge 
zu  gründe  gelegt  und  dann  auf  die  gesamte  Pathologie  und 
Therapie  der  betreffenden  Krankheit  übergegriffen.  Wenn  wir 
Jürgensen  am  Krankenbett  als  gründlichen  Untersucher 
und  scharfsinnigen  Diagnostiker  bewundern  durften,  so  zeigte 
er  sich  in  den  Stunden  der  klinischen  Besprechung  als  der 
naturwissenschaftliche  Denker,  der  die  grundlegenden  Fächer 
der  Medizin  wie  kaum  Einer  beherrschte.  Mit  dem  Schemati¬ 
sieren  von  Krankheiten  und  dem  Aufzählen  von  pathognomoni- 
schen  Zeichen  war  es  ihm  nicht  getan,  sondern  dem  Charakter 
der  induktiven  Naturforschung  im  heutigen  Sinne  des  Wortes 
getreu,  führte  er  die  beobachteten  J  atsachen  auf  allgemein 
gültige  Naturgesetze  zurück  und  suchte  so  den  Zusammen¬ 
hang  mit  dem  Grossen  und  Ganzen  zu  gewinnen.  Wie  er  mit 
dieser  Art  des  Unterrichtes  das  Richtige  getroffen,  das  beweist 
die  Anerkennung,  die  ihm  von  einer  überaus  grossen  Anzahl 
von  Aerzten  aus  Nah  und  Fern  im  Laufe  der  Zeit  zu  teil  wurde, 
sowie  die  von  Jahr  zu  Jahr  wachsende  Schülerzahl,  welche 
hinter  der  der  stationären  Klinik  nicht  zurückstand. 

Neben  seiner  recht  ausgedehnten  Tätigkeit  als  Lehrer  und 
als  gesuchter  Konsiliarius  entfaltete  Jürgensen  eine  aussei - 
ordentliche  literarische  Tätigkeit.  Seiner  Arbeiten  über  die 
medizinische  Wärmelehre  ist  schon  Erwähnung  getan.  Ls 
folgten  in  Ziemssens  Handbuch  der  speziellen  Pathologie 
und  Therapie  die  Krankheiten  des  Respirations¬ 
apparates,  die  der  kruppösen  Pneumonie,  der  Katarrhal¬ 
pneumonie,  der  hypostatischen  Vorgänge  in  der  Lunge,  dei  eni- 
bolischen  und  interstitiellen  Pneumonie.  Von  diesen  ist  be¬ 
sonders  die  kruppöse  Pneumonie  hervorzuheben,  die  heute 
noch  von  einem  unserer  ersten  Kliniker  über  alle  Arbeiten  auf 
diesem  Gebiet  gestellt  wird.  Schon  lange  vor  der  bakterio¬ 
logischen  Zeit  hat  Jürgensen  auf  Grund  seiner  schart¬ 
sinnigen  Beobachtungen  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die 
kruppöse  Pneumonie  keine  örtlich  bedingte,  sondern  eine  allge¬ 
meine  Krankheit  ist  und  die  Krankheitsphänomene  sich  nicht  aus 
dem  örtlichen  Leiden  erklären;  ferner  dass  die  Annahme  eines 
spezifischen  Krankheitserregers  notwendig  ist,  dass  die  krup¬ 
pöse  Pneumonie  also  der  Gruppe  der  Infektionskrankheiten  zu¬ 
zuzählen  sei.  Die  Zeit  gab  ihm  Recht  und  J  ü  r  g  e  n  s  e  n  durfte 
schon  nach  einigen  Jahren  den  Triumph  für  die  Richtigkeit 
seiner  Aufstellungen  erfahren.  Für  die  Pneumonie  und  die 
Bronchopneumonie  hat  er  die  heute  noch  anerkannten  Giund- 
prinzipien  einer  richtigen  Behandlung  scharf,  klar  und  piazis 
aufgestellt. 

Von  der  grossen  Anzahl  seiner  weiteren  Arbeiten  seien 
hervorgehoben  die  über  Blutentziehung  und  über  Transfusion, 
ferner  sein  Lehrbuch  über  spezielle  Pathologie  und  J  herapie, 
dessen  erste  Auflage  1886  erschien.  Auf  kaum  800  beiten 


1336 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


ist  das  enorme  Gebiet  der  gesamten  Pathologie  und  Therapie 
ausführlich  behandelt.  Nur  einer  wie  Jürgensen  konnte 
es  wagen,  den  umfangreichen  Stoff  in  solcher  Kürze  zu- 
sammenzudrängen.  Wie  in  allen  seinen  Arbeiten  ist  auch 
in  seinem  Lehrbuch  der  Stil  knapp,  präzis,  kein  Wort  ist  zu 
viel  gesagt,  keines  zu  wenig,  jedes  ist  genau  abgewogen  und 
an  die  richtige  Stelle  gesetzt.  Das  Lehrbuch  ist  in  vier  Auf¬ 
lagen  erschienen,  die  letzte,  1902  herausgegebene,  ist  dem 
Altmeister  Kussmaul  gewidmet. 

Im  Jahre  1895  erschienen  inPenzoldt  und  Stintzings 
Handbuch  der  speziellen  Therapie  seine  Behandlung  der  At¬ 
mungsorgane.  —  Die  Möglichkeit,  als  Polikliniker  die  verschie¬ 
denen  Epidemien  in  ihrem  Werden  und  Verlaufe  zu  verfolgen, 
führten  zu  den  klassischen  Arbeiten  über  die  akuten  Exan¬ 
theme  in  Nothnagels  Handbuch  der  speziellen  Pathologie 
und  Therapie.  In  demselben  Werke  hat  er  von  den  Erkran¬ 
kungen  der  Kreislaufsorgane  die  Insuffizienz  des  Herzens  (1899), 
die  Endokarditis  (1900)  und  die  Klappenfehler  (1903)  bearbeitet. 
Auch  hier  erkennen  wir,  von  welchem  Nutzen  es  ist,  die 
Kranken  lange  Zeit  hindurch  unter  Augen  zu  haben  und  die 
Krankheit  an  ein  und  demselben  Menschen  Monate  und  Jahre 
lang  zu  beobachten.  Durch  diese  ihm  möglich  gewordene  lang¬ 
dauernde  Beobachtung  der  Kranken  bekommen  Jürgensens 
Arbeiten  ein  eigenartiges  Gepräge  und  sind  besonders  auch  für 
den  Praktiker  von  grossem  Werte.  Jürgensen  ist  der 
erste,  der  die  Insuffizienz  des  Herzens  zum  Ausganspunkt  für 
die  Darstellung  der  Herzkrankheiten  gewählt  hat.  Die  Endo¬ 
karditis,  bei  der  stets  eine  allgemeine  Infektion  vorhanden, 
ist  nicht  als  ein  vollberechtigtes  Eigenwesen  anzusprechen, 
von  dem  das  ganze  Herz  ergriffen  ist;  Pankarditis  lautet 
daher  die  Diagnose  der  Zukunft,  wobei  aus  diesem  Ge¬ 
samtbild  die  Endo-,  Myo-  und  Perikarditis  herauszuheben  sind. 
Welche  Würdigung  den  Ausführungen  Jürgensens  über  die 
Erkrankungen  der  Kreislaufsorgane  zuteil  geworden,  geht  aus 
den  eingehenden  Referaten  Grassmanns  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  hervor. 

Besonderes  Interesse  brachte  Jürgensen  den  sep¬ 
tischen  Erkrankungen  entgegen,  angeregt  durch 
eine  in  den  80  er  Jahren  aufgetretene  Häufung  der  Fälle 
in  Tübingen.  Sein  Verdienst  ist  es,  die  Frage  in  neuen  Fluss 
gebracht  und  dabei  neben  dem  Chirurgen  und  Geburtshelfer  dem 
inneren  Mediziner  sein  Recht  eingeräumt  zu  haben. 

In  allen  seinen  Arbeiten  fällt  der  knappe  Stil,  die  Klarheit 
seiner  Ausführungen  und  das  genaue  Quellenstudium  auf.  Ich 
kann  die  Worte  über  Jürgensens  schriftstellerische  Tätig¬ 
keit  nicht  besser  schliessen  als  mit  dem  Ausspruch,  den  Carl 
Gerhardt  über  ihn  getan:  ,,Er  hat  in  dem  Fache  der  inneren 
Medizin  auf  die  gesamte  schriftstellerische  Arbeit  fördernd  und 
anregend  gewirkt.  Für  ein  besonderes  Verdienst  halte  ich  es, 
dass  er  seine  Gedanken  nicht  wie  Blattgold  breitgeschlagen, 
aufs  letzte  ausgesponnen  und  wiederholt  vorgebracht  hat.  Die 
Verarbeitung  seiner  Gedanken  ins  Kleine  überliass  er  meist 
anderen.  Er  hat  einen  Reichtum  von  Ideen  und  eine  Lebhaftig¬ 
keit  des  Vortrages,  der  auf  die  Jugend  anregend  wirken  muss.“ 
Jürgensens  Werke,  in  denen  er  Tatsachen,  nicht  sich  selbst 
sprechen  lässt,  behalten  einen  unvergänglichen  Wert  und  wer¬ 
den  weiter  wirken  zum  Heil  und  Segen  der  kranken  Menschheit. 

Sein  sehnlicher  Wunsch,  in  einer  stationären  Klinik  tätig 
zu  sein,  ist  trotz  glänzendster  Anerkennung  von  seiten  unserer 
ersten  Kliniker  leider  nicht  in  Erfüllung  gegangen. 

In  seiner  Familie  war  Jürgensen  der  treubesorgte  Fa¬ 
milienvater.  Ihm,  dem  früh  Verwaisten,  der  eine  lichtlose  Ju¬ 
gend  erlebt  hat,  lag  die  Harmonie  in  der  eigenen  Häuslichkeit 
vor  allem  am  Herzen.  Wie  er  es  im  Verein  mit  seiner  Gattin 
verstanden  hat,  seinen  Kreis  zu  einem  äusserst  gemütlichen 
zu  gestalten,  das  haben  die  kennen  gelernt,  die  das  Glück  hatten, 
ihm  näher  zu  treten.  Und  die  Zahl  dieser  war  wahrlich  keine 
geringe;  die  J  ii  r  g  e  n  s  e  n  sehe  Gastfreundschaft  war  weit  und 
breit  bekannt.  Stets  suchte  er  mit  seinen  Assistenten  und 
Schülern  persönliche  Berührung;  verging  doch  kaum  eine 
Woche,  in  welcher  wir  nicht  in  seinem  trauten  Familienkreis 
einige  schöne  Stunden  verbrachten!  Nicht  nur  Wissenschaft¬ 
liches  und  Berufliches  wurde  da  besprochen,  Jürgensen 
war  eine  mitteilsame,  vertrauende  Natur  und  hat  uns  Freud 
und  Leid  der  Seinigen  nicht  vorenthalten,  wie  auch  er 


stets  an  unserem  eigenen  Ergehen  warmen  Anteil  nahm, 
ln  allen  Lebenslagen  konnten  wir  uns  an  ihn  wenden,  immer 
fanden  wir  verständnisvolles  Entgegenkommen  und  treue 
Hilfe.  Er  war  ein  vornehmer  Charakter,  der  niemals  nach¬ 
trug,  eine  grosszügig  angelegte  Seele,  der  kleinliches  zu¬ 
wider  war. 

Schwere  Schicksalsschläge  haben  ihn  und  seine  Familie 
in  den  letzten  Jahren  getroffen  und  den  Verlauf  eines  schon 
länger  bestehenden  Leidens  —  Arteriosklerose  mit  Insuffizienz 
des  Herzens  —  beschleunigt.  Einer  Influenza,  die  ihn  mitten 
im  Schaffen  im  Februar  befallen,  hielt  das  Herz  nicht  mehr 
Stand  und  nach  1 1  wöchentlichem  Krankenlager,  welches  ihm 
die  aufopferndste  Pflege  der  Seinigen  möglichst  zu  erleichtern 
suchte,  erlag  er.  Möge  ihm  die  Erde  leicht  sein! 

D  e  n  n  i  g  -  Stuttgart. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

G.  Winter:  Lehrbuch  der  gynäkologischen  Diagnostik. 

3.  gänzlich  umgearbeitete  Auflage.  Leipzig  1907.  Verlag  von 
S.  H  i  r  z  e  1. 

W.s  Lehrbuch,  dem  wir  bei  seinem  Erscheinen  eine  aus¬ 
führliche  Besprechung  in  diesem  Blatte  zu  teil  werden  Hessen 
(1896,  No.  32,  S.  754),  hat  vor  10  Jahren  seine  letzte  (2.)  Auf¬ 
lage  erlebt.  In  diesem  Zeitraum  hat  die  gynäkologische  Dia¬ 
gnose  sowohl  in  ihrem  klinischen  wie  anatomischen  Teil  er¬ 
hebliche  Veränderungen  erfahren.  Diese,  sowie  die  Wand¬ 
lungen,  die  Verf.s  eigene  Anschauungen  und  ihre  Formulierung 
inzwischen  durchgemacht  haben,  machten  eine  gründliche  Um¬ 
arbeitung  des  ganzen  Lehrbuches  notwendig,  so  dass  die  vor¬ 
liegende  3.  Auflage  z.  T.  als  ganz  neues  Werk  angesehen  wer¬ 
den  muss.  Am  meisten  geändert  sind  die  Abschnittte  über 
allgemeine  Diagnostik,  Extrauterinschwangerschaft,  Retroflexio 
uteri,  Myome,  Karzinom  des  Uterus,  sowie  die  Erkrankungen 
der  Vulva,  Vagina  und  des  Harnapparates.  Die  von  C.  Rüge 
bearbeiteten  Abschnitte  über  die  mikroskopische  Diagnose  sind 
von  diesem  ebenfalls  durchgearbeitet  und  vielfach  neugeschrie¬ 
ben  worden.  Auch  die  Abbildungen  sind  vielfach  verändert 
und  ergänzt,  im  ganzen  fast  auf  das  Doppelte  vermehrt.  Neu 
hinzugekommen  sind  im  klinischen  Teil  eine  Reihe  farbiger 
Abbildungen,  ebenso  eigenhändige  Zeichnungen  R  u  g  e  s  an 
Stelle  der  Gebhard  sehen  Photogramme.  Das  ganze  Werk 
ist  durch  diese  Veränderungen  um  fast  200  Seiten  umfang¬ 
reicher  geworden  als  die  erste  Auflage. 

W.s  Lehrbuch  befindet  sich  wohl  längst  im  Besitz  jedes 
Gynäkologen  und  gewiss  auch  vieler  praktischer  Aerzte.  Wir 
wünschen  der  neuen  Auflage  besonders  auch  in  den  Kreisen 
der  letzteren  eine  ausgedehnte  Verbreitung,  weil  wir  kaum 
ein  Buch  kennen,  das  eine  so  glückliche  Vereinigung  von  Wis¬ 
senschaft  und  Praxis  bietet  und  für  jeden  Arzt  eine  Quelle 
der  Anregung  und  Belehrung  ist  und  bleibt. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Dr.  J.  P.  Kar  plus:  Zur  Kenntnis  der  Variabilität  und 
Vererbung  am  Zentralnervensystem  des  Menschen  und  einiger 
Säugetiere.  Mit  57  Abbildungen  im  Text  und  6  Tafeln  in  Licht¬ 
druck.  Leipzig  und  Wien  1907.  Den  ticke.  162  Seiten. 
Preis  10  Mk. 

Die  interessante  Arbeit  bestätigt  an  neuem  Material  des 
Verf.  früheren  Nachweis  der  Vererbbarkeit  von  Windungs¬ 
varietäten  des  Gehirns  und  deren  Gleichseitigkeit.  Sie  fügt 
dann  aber  weitere  bedeutsame  Untersuchungen  an  Tieren  und 
am  Hirnstamm  und  Rückenmark  hinzu,  die  allerdings  noch  der 
Nachprüfung  bedürfen.  Beim  Makakus  zeigte  sich  eine  ge¬ 
ringe  Tendenz  zur  Vererbbarkeit  der  Varietäten,  dagegen  eine 
sehr  weitgehende  Symmetrie  beider  Hemisphären.  Bei  Katzen 
und  Hunden  fand  Verf.  wieder  familiäre  Typen  aber  gleich¬ 
zeitig  mit  Tendenz  zur  Symmetrie.  Im  Rückenmark  scheinen 
die  phylogenetisch  jüngeren  Teile  (Pyramidenbahn)  weniger 
Familienähnlichkeit  aufzuweisen  als  die  älteren  (Hypoglossus- 
kern).  B  1  e  u  1  e  r  -  Burghölzli. 

Mitteilungen  aus  Finsens  medizinischem  Lichtinstitut 
in  Kopenhagen.  10.  Heft.  Mit  einer  Tafel,  12  Kurven  und  6 
Abbildungen  im  Text.  Verlag  von  Gustav  Fischer.  Jena 
1906.  Preis  Mk.  5. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1337 


2.  Juli  1907. 

- - 

Wie  eine  Notiz  am  Schlüsse  des  10.  Heftes  mitteilt,  werden 
die  Mitteilungen  fernerhin  nicht  mehr  als  selbständige  Publi¬ 
kation  erscheinen,  sondern  die  vom  Lichtinstitut  ausgehenden 
Arbeiten  künftig  in  den  Fachzeitschriften  des  In-  und  Auslandes 
zugänglich  gemacht  werden.  Das  10.  Heft  bringt  noch  8  Ar¬ 
beiten. 

1  Ueber  farbige  Lichtfilter.  Einige  photometrische  Unter¬ 
suchungen.  Von  Gunni  Busck,  durch  zahlreiche  Kurven 

illustriert.  ,  IT  ,  i 

2.  Von  demselben  Autor  ein  Beitrag  zu  den  Untersuchungen 

über  die  photochemische  Hautreaktion. 

3.  Lupus  cavi  nasi.  Eine  klinische  Untersuchung  von  H. 
M  y  g  i  n  d.  Der  Verfasser  hat  an  200  Lupuskranken  die  Nasen- 
höhle  untersucht  und  fand  lupöse  Erkrankung  derselben  bei 
Frauen  doppelt  so  häufig  als  bei  Männern.  In  der  Beschrei¬ 
bung  der  klinischen  Erscheinungen,  welche  bei  der.  Erkrankung 
der  einzelnen  Teile'  der  Nasenhöhle  auftreten,  weist  er  darauf 
hin,  dass  der  Lupus  sich  selten  direkt  aus  der  Nasenhöhle  auf 
die' Schleimhaut  des  Nasenrachenraumes  fortsetzt. 

4.  Von  R.  K  o  1  s  t  e  r  ist  eine  Studie  über  die  Einwirkung 
gewisser  Lichtstrahlen  auf  sensibilisiertes  Gewebe  enthalten, 
welche  sich  auf  Versuche  an  weissen  Mäusen  bezieht. 

Die  5.  Arbeit,  von  K.  Lundsgaard,  beschäftigt  sich 
mit  der  Behandlung  des  Lupus  conjunctivae.  Unter  1250  Lu- 
puskrar.ken  des  Lichtinstitutes  boten  11  die  bezeichnete  Af¬ 
fektion  dar,  über  deren  verschiedene  Behandlungsmethoden 
der  Verf.  -sich  verbreitet. 

Die  6.  und  7.  Arbeit,  von  S.  Schmidt-Nielsen  be¬ 
schäftigen  sich  einerseits  mit  der  Wirkung  der  Radiumstrahlen 
auf  Chymosinlösungen,  andererseits  mit  Erfahrungen  über  die 
Verwendbarkeit  des  Lichtes  als  Reagens. 

Die  letzte  Arbeit,  von  A.  R  e  y  n,  betrifft  Apparate  und 
Methoden  zur  Lichtbehandlung.  Es  geht  aus  derselben  hervor, 
dass  seit  1901  im  Lichtinstitut  die  Behandlung  mit  Sonnenlicht 
vollständig  von  der  Behandlung  mit  elektrischem  Licht  abge¬ 
löst  ist.  Grassmann  -  München. 

Victor  Bonney:  On  Chorion-Epitheliomata  of  Congeni¬ 
tal  Origin.  (Transact.  of  the  Patholog.  Soc.  of  London,  Vol.  58, 
Part  I,  1907. 

Im  Laufe  der  letzten  Jahre  sind  mehrfach  ganz  unabhängig 
von  Schwangerschaft,  und  in  einer  Reihe  von  Fällen  auch  bei 
Männern  chorionepitheliomartige  Geschwülste  be¬ 
schrieben  worden.  S  c  h  1  a  g  e  n  h  a  u  f  e  r  war  der  erste,  der 
diese  Tumoren  als  wirkliche  Chorionepitheliome  ansprach,  als 
einseitige  Wucherungen,  ausgehend  von  Choriongewebe  in 
Teratomen. 

Verf.  berichtet  nun  über  3  weitere  hierhergehörige  Fälle,  von 
denen  Fall  2  und  3  Hodengeschwülste  sind.  Besonders  bemerkens¬ 
wert  ist  aber  Fall  1,  der  vom  Ref.  im  deutschen  Hospital  in  London 
klinisch  beobachtet  und  obduziert  worden  ist:  Ein  69  jähriger  Mann 
erkrankte  an  harten  Tumoren  im  Leib  und  ging  kachekticch  zu  gründe; 
die  Sektion  ergab  einen  grossen  blauroten  knolligen  Tumor  des 
grossen  Netzes  mit  zahlreichen  Metastasen  in  der  Leber.  Makro¬ 
skopisch  sowohl  als  mikroskopisch  war  die  Uebereinstimmung  mit 
echtem  Chorionepitheliom,  wie  die  zahlreichen  Abbildungen  gut  illu¬ 
strieren,  überzeugend.  Teratomatöse  Strukturen  wurden  nicht  ge¬ 
funden. 

Abgesehen  von  der  Uebereinstimmung  im  histologischen  Bau 
fordert  Verf.  für  die  Sicherstellung  der  noch  von  mancher  Seite  be¬ 
strittenen  Identität  derartiger  Geschwülste  mit  echten  Chorionepi¬ 
theliomen  den  Nachweis,  dass  sie  von  Zellen  ihren  Ursprung  nehmen, 
die  ontogenetisch  identisch  sind  mit  den  Zellen  des  Chorions.  Auf 
grund  seiner  interessanten  Ausführungen  zu  dieser  Frage,  die  aufs 
engste  verknüpft  ist  mit  der  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Teratome, 
glaubt  Verf.  mit  Recht  von  einem  kongenitalen  Ursprung  wirklicher 
Chorionepitheliome  reden  zu  dürfen. 

Die  in  Frage  kommenden  Tumoren  werden  eingeteilt  in:  1.  solche, 
die  primär  im  Hoden,  2.  solche,  die  primär  im  Ovarium,  und  3.  solche, 
die  primär  in  anderen  Organen  entstehen,  die  kleinste,  aber  für  das 
theoretische  Verständnis  wichtigste  Gruppe,  der  sich  Fall  3  des  Verf. 
anschliesst. 

Das  Literaturverzeichnis  am  Ende  der  Arbeit  ist  „up  to  date“. 

Dr.  Edward  S  c  h  e  n  c  k  -  Frankfurt  a.  M. 

L.  Becker:  Lehrbuch  der  ärztlichen  Sachverständigen¬ 
tätigkeit.  Fünfte  neubearbeitete  und  vermehrte  Auflage.  Ber¬ 
lin  1907.  Verlagsbuchhandlung  von  Richard  S  c  h  o  e  t  z.  Preis 
Mark  14. 


Das  Buch,  das  schon  in  der  ersten  Auflage  ein  geschätzter 
Berater  jedes  Arztes  war,  der  mit  der  Unfall-  und  Invaliditäts¬ 
versicherung  als  Gutachter  zu  tun  hatte,  ist  trotz  mancher 
Konkurrenten,  die  ihm  im  Lauf  der  Jahre  entstanden  sind,  auch 
heute  wohl  dasjenige,  welches  rasch  und  doch  sehr  gründlich 
orientiert  über  die  wichtigsten  gesetzlichen  Bestimmungen  der 
Unfallversicherung,  über  die  hauptsächlichen  Punkte  der¬ 
selben,  welche  der  Arzt  richtig  zu  erfassen  hat,  wie  z.  B.  die 
Auslegung  der  Begriffe  „Betriebsunfall“,  „Unfallfolgc“,  „Er¬ 
werbsunfähigkeit“  usw. 

Der  spezielle  Teil  enthält  die  Darstellung  der  Krankheiten, 
welche  als  Unfallfolge  in  Betracht  kommen  können,  vom  Stand¬ 
punkt  des  Gutachters  aus  und  unter  Anführung  von  prak¬ 
tischen  Beispielen  aus  der  Rechtsprechung. 

Die  letzten  40  Seiten  behandeln  die  Invalidenversicherung, 
ihre  gesetzlichen  Bestimmungen  und  die  besonders  häufig  bei 
der  Invaliditätsbegutachtung  vorkommenden  Krankheitszu¬ 
stände. 

Das  Studium  des  gründlich  unbearbeiteten  Buches  ist  für 
den  Praktiker  geradezu  notwendig,  wenn  er  mit  vollem  Ver¬ 
ständnis  und  sicherem  Urteil  an  der  Durchführung  der  sozial¬ 
politischen  Gesetzgebung  mitarbeiten  will.  Und  dazu  ist  heute 
jeder  Arzt  verpflichtet  und  genötigt,  meist  leider  ohne  auf  der 
Universität  für  diese  verantwortungsvolle  Tätigkeit  genügend 
Anleitung  gefunden  zu  haben.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Geh. -Rat  Dr.  A.  B  a  e  r  -  Berlin  und  Dr.  Laquer- 
Wiesbaden:  Die  Trunksucht  und  ihre  Abwehr.  Urban  und 
Schwarzenberg  -  Berlin-Wien  1907.  2.  umgearbeitete 

Auflage.  242  S.  Mk.  6. 

Das  alte  klassische  Werk  (1890)  Baers  hat  hier  eine 
Umarbeitung  und  den  ausgedehnten  neueren  Forschungen 
Rechnung  tragende  Ergänzung  erfahren.  Die  bisherige  sach¬ 
liche,  durch  der  Parteien  Zwist  unbeeinflusste  Darstellungsweise 
ist  geblieben.  So  wird  z.  B.  die  Frage:  ist  Alkohol  ein  Gift? 
dahin  beantwortet,  dass  er  nicht  als  unbedingtes  Gift  ange¬ 
sehen  werden  kann,  was  sich  bei  unzähligen  Menschen  als 
sein  wirkliches  Verhalten  zeige.  Andererseits  sei  aber  auch 
seine  giftige  Wirkung  auch  in  kleinen  Dosen,  wenn  diese  häufig 
und  gewohnheitsmässig  in  den  Körper  eingeführt  werden, 
nicht  zu  leugnen.  Der  Alkohol  —  heisst  es  weiter  —  ist 
weder  ein  Nahrungsmittel  noch  ein  Gift.  Seine  wirkliche 
Stellung  im  Haushalt  der  Natur  und  der  Menschen  ist:  Genuss¬ 
oder  Erfrischungsmittel  zu  sein.  Diese  Auffassung  ist  ebenso 
wie  die  Definition  „Nahrungsmittel“  zu  vage.  Ein  „nicht  unbe¬ 
denkliches  Genuss-  und  Erfrischungsmittel“  schiene  mir  ange¬ 
messener.  Nach  eingehender  Schilderung  der  physiologischen 
und  .pathologischen  Wirkungen  des  Alkohols  im  ersten  folgt 
die  der  Trunksucht  und  ihrer  Folgen  im  zweiten  Teil,  die  der 
Abwehr  der  Trunksucht  im  dritten  Teil.  Das  Buch  ist  un¬ 
entbehrlich  für  jeden,  der  der  Alkoholfrage  wissenschaftlich 
näher  treten  will.  Neu  stätt  e  r. 

Dr.  Deneke:  Die  Neubauten  des  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  St.  Georg,  Hamburg.  Im  Verein  mit  Dr.  W  i  e  s  i  n  g  e  r, 
Dr.  S  im  mond  s,  Dr.  Albers-Schoenberg,  Dr.  Adam, 
Dr.  Schlag  intweit  und  Bauinspektor  R  u  p  p  e  1.  Mit  Ti¬ 
telbild  und  148  Abbildungen  im  Text.  159  Seiten.  Verlag  von 
Gustav  Fischer.  Jena  1906.  Preis  8  Mark. 

Das  zweite  grosse  Krankenhaus  der  Stadt  Hamburg,  das 
im  Jahre  1821 — 23  erbaut  wurde,  genügte  weder  den  räumlichen 
noch  den  hygienischen  Ansprüchen  mehr.  In  dem  vorliegenden 
Buche  wird  nun  dargelegt,  wie  die  Aufgabe  der  Erweiterung 
und  der  Verbesserung  dieser  Anstalt  gelöst  wurde.  Es  darf 
hier  gleich  vorweg  genommen  werden,  dass  dies  in  m  u  s  t  e  r  - 
gültiger  Weise  (geschehen  ist.  Die  Stadt  Hamburg  ver¬ 
stand  es,  allerbeste  Kräfte  an  die  richtige  Stelle  zu  setzen,  die 
dann  im  Verein  aus  der  veralteten  Anstalt  ein  Krankenhaus  ge¬ 
schaffen  haben,  das  einmal  allen  billigen  Anforderungen  der 
heutigen  Zeit  entspricht  und  dessen  Herstellungskosten  anderer¬ 
seits  als  verhältnismässig  gering  bezeichnet  werden  müssen. 

Die  Neubauten  sind  nach  dem  Pavillonsystem  aufgerichtet, 
sie  stehen  miteinander  nur  durch  unterirdische  Gänge  in  Ver¬ 
bindung.  Jeder  der  zweigeschossigen  Einzelbauten  nimmt  80 
bis  90  Betten  auf.  Der  bisher  den  Pavillons  anhaftende  Nach¬ 
teil  der  allzugrossen  Säle  wurde  dadurch  vermieden,  dass  in 


1338 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


der  Mitte  des  Längsbaues  Platz  zum  Korridor  ausgespart 
wurde,  um  den  sich  Untersuchungszimmer,  Bad  und  Wirt¬ 
schaftsräume  gruppieren;  dann  erst  schliessen  sich  an  beiden 
Seiten  die  Krankensäle  an,  von  denen  jeder  nur  16  Betten  be¬ 
herbergt.  Durch  diese  Einteilung  sind  die  Vorzüge  der  Pa¬ 
villonbauten:  doppelte  Belichtung,  Möglichkeit  zur  ergiebigen 
Durchzugsventilation,  mit  denen  der  Korridorbauten:  kleinere 
behagliche  Krankenräume,  genügend  Nebenräume,  Isolier¬ 
zimmer  verbunden.  Die  Einzelheiten  der  Bauausführung  wie 
die  Art  der  Fussböden,  die  Wandverkleidung,  die  Rohrfüh¬ 
rungen,  dann  die  Einrichtung  der  Spül-,  Wasch-  und  Bade¬ 
einrichtung  werden  genau  besprochen  und  es  drängt  sich  dem 
Leser  die  Ueberzeugung  auf,  dass  all  diese  Einzelheiten  wohl 
und  sorgfältig  überlegt  sind  und  dass  sie  sich  im  Gebrauch  gut 
bewähren  müssen.  Ausdrücklich  wird  von  dem  bauleitenden 
Architekten  F.  Ru  p  p  e  1  darauf  hingewiesen,  dass  bei  allen  Ein¬ 
richtungen  das  Augenmerk  hauptsächlich  auf  eine  möglichst 
einfache,  leicht  verständliche  und  möglichst  mühelose  Hand¬ 
habung  gerichtet  wurde  und  dass  man  auf  diejenigen  Konstruk¬ 
tionen  verzichtete,  die  vielleicht  theoretisch  vorteilhafter 
wären,  aber  besondere  Mühewaltung  oder  ein  besonderes  Ver¬ 
ständnis  des  Personals  erfordert  hätten. 

Die  Schilderung  des  Operationshauses  stammt  von 
den  Herren  DDr.  W  i  e  s  i  n  g  e  r  und  Schlagintweit.  Da 
in  den  chirurgischen  Pavillons  kleine  Operationsräume  einge¬ 
richtet  sind,  in  welchen  septische  Fälle  behandelt  werden 
können,  ist  das  Operationshaus  von  infektiösem  Material  fast 
ganz  entlastet.  Trotzdem  sind  in  diesem  zwei  Operations¬ 
säle  eingerichtet,  die  getrennte  Nebenräume  und,  soweit  an¬ 
gängig,  auch  getrenntes  Personal  haben.  Auf  die  Einzelheiten 
des  aseptischen  Operationsraumes  kann  hier  nicht  näher  einge¬ 
gangen  werden.  Nur  das  sei  erwähnt,  dass  doppelte  Glas¬ 
wände  und  Glasdächer  bestehen,  deren  Zwischenraum  breit 
genug  ist,  um  einem  Mann  die  Reinigung  der  Fensterscheiben 
zu  ermöglichen,  ohne  den  Operationssaal  zu  betreten.  In  diesem 
Zwischenraum  steigt  auch  die  warme  Luft  der  Fussboden- 
heizung  in  die  Höhe  und  verhindert  selbst  bei  hartem  Froste 
ein  Niederschlagen  von  Wasserdampf  an  den  inneren  Glas¬ 
flächen.  Die  Ventilation  des  aseptischen  Operationssaales  wird 
durch  eine  eigenartige  und  in  ihrem  wesentlichen  Teile  durch¬ 
aus  neue  Methode  bewirkt.  Es  handelt  sich  um  ein  Pulsions¬ 
system,  das  mit  keimfreier  Luft  arbeitet.  Die  aus  einer 
entlegenen  Stelle  des  Gartens  angesaugte  Luft  wird  im  Winter 
über  Heizkörper  streichend,  vorgewärmt,  im  Sommer  über  Eis 
streichend,  also  abgekühlt,  durch  Koks-  und  Sandfilter  ge¬ 
trieben  und  dadurch  staub-  und  keimfrei  gemacht.  Die  so  ge¬ 
reinigte  Luft  presst  ein  elektrischer  Motor  mit  Flügelräder  in 
solchen  Mengen  in  den  Operationssaal,  dass  ein  Ueberdruck 
in  dem  Raum  entsteht  und  beim  Oeffnen  einer  Tür  stets  ein 
Abströmen  der  Luft  nach  aussen  stattfindet.  Der  Referent 
wagt  nicht  zu  entscheiden,  ob  eine  Herabsetzung  der  Zahl  der 
in  der  Luft  befindlichen  Keime  —  denn  ganz  keimfrei  kann  die 
Luft  des  Operationssaales  ja  kaum  gemacht  werdeh —  die  Aus¬ 
sichten  auf  einen  guten  Wundverlauf  wesentlich  bessert.  Dass 
das  Reinigen  der  Luft  von  Staub  und  Russ  in  Hamburg,  das  wie 
kaum  eine  andere  Stadt  Deutschlands  unter  der  Russplage  zu 
leiden  hat,  für  einen  Operationsraum  von  Vorteil  ist,  kann  nicht 
bezweifelt  werden. 

Die  Einrichtung  des  Röntgeninstitutes  ist  von  dem 
leitenden  Arzte  dieser  Anstalt,  Herrn  Albers-Schoen- 
b  e  r  g  beschrieben.  Der  Name  dieses  Mannes  bürgt  dafür,  dass 
seine  Absicht  „das  Institut  solle  nicht  allein  den  praktischen 
Bedürfnissen  des  Krankenhauses  gerecht  werden,  sondern  es 
solle  auch  ein  Muster-Versuchs-  und  Lehrinstitut  der  Röntgeno¬ 
logie  sein“,  ausgeführt  worden  ist. 

Geradezu  opulent  ist  die  Ausstattung  des  pathologi¬ 
schen  Institutes.  Der  Sektionsraum  gleicht  einem  asep¬ 
tischen  Operationssaal.  Auch  die  Nebenräume,  wie  das  che¬ 
mische  und  das  bakteriologische  Laboratorium,  die  Spülräume 
und  die  Sammlung,  weisen  eine  mustergültige  Sauberkeit  auf. 
Sehr  zweckmässig  ist  die  Einrichtung  des  Mikroskopiersaales. 
In  diesem  hat  jeder  der  vielen,  in  der  Anstalt  beschäftigten 
Assistenten  einen  Arbeitsplatz,  der  mit  Ausgussbecken,  Gas¬ 
brenner  und  Wasserhahn  versehen  ist.  Hier  können  die  Aerzte 
unter  der  trefflichen  Leitung  des  Prosektors  Dr.  Simmonds 
das  ihren  Abteilungen  entstammende  pathologisch-anatomische, 


bakteriologische  oder  mikroskopische  Material  selbst  verar¬ 
beiten.  Damit  wird  ein  erfolgreicher  Versuch  gemacht,  einen 
der  Nachteile,  welche  die  weitgehende  Teilung  der  Arbeit  in 
einem  so  grossen  Krankenhaus  bietet,  die  Einseitigkeit  in  der 
Ausbildung  der  jungen  Aerzte,  etwas  auszugleichen.  Ein  wei¬ 
terer  Nachteil  bleibt  aber  bestehen,  und  das  ist  der  der  Ver¬ 
wöhnung.  Aerzte,  welche  längere  Zeit  in  so  prächtig  einge¬ 
richteten  und  reich  ausgestatten  Räumen  gearbeitet  haben,  wie 
sie  die  neuen  Pavillonbauten,  die  Operationssäle,  das  Bade¬ 
haus  usw.  bieten  und  die  sich  an  einen  derartigen  Luxus  ge¬ 
wöhnt  haben  —  z.  B.  nur  einmaliges  Benützen  eines  Hand¬ 
tuches  —  können  sich  wohl  nur  schwer  in  den  einfachen  Ver¬ 
hältnissen  der  Kassenpraxis  oder  gar  der  Landpraxis  zurecht¬ 
finden.  Der  letzterwähnte  Punkt,  die  Verwöhnung,  spielt  auch 
bei  den  Patienten  eine  Rolle.  Freilich  ist  das  Beste  gerade  gut 
genug  für  die  Kranken.  Doch  muss  der  eigentliche  Luxus  ver¬ 
mieden  werden,  schon  auch  deswegen,  damit  die  Lebensführung 
in  und  ausserhalb  des  Krankenhauses  nicht  in  gar  zu  leb¬ 
haften  Kontrakt  tritt.  In  dieser  Hinsicht  ist  zweifellos  in  den 
letzten  Jahren  bei  Krankenhausneubauten  gesündigt  worden. 
Die  Verfasser  des  vorliegenden  Buches  betonen  wiederholt, 
dass  sie  von  allen  vermeidlichen  Ausgaben  abgesehen  hätten. 
Und  tatsächlich  sind  die  Bau-  und  Inventarkosten  —  auf  ein 
Krankenbett  berechnet  4400  Mark  —  im  Verhältnis  zu  anderen 
Krankenhausneubauten  (Dresden-Johannstadt  7000  Mark,  Vir- 
chowkrankenhaus  Berlin  10  000  Mark,  Heilstätte  Belitz  15  000 
Mark)  gering.  Allerdings  stellt  sich  der  Betrieb  des  Kranken¬ 
hauses  ziemlich  hoch,  so  dass  der  Staat  Hamburg  jährlich  recht 
bedeutende  Summen  zuschiessen  muss. 

Zu  bedauern  ist  es,  dass  die  Umbauten  des  alten  Korridor¬ 
krankenhauses  nicht  näher  geschildert  wurden.  Und  gerade 
diese  sind,  wie  sich  der  Referent  an  Ort  und  Stelle  überzeugen 
konnte,  besonders  gut  gelungen.  Da  gewiss  manche  älteren 
Krankenhäuser  der  zeitgemässen  Erneuerung  bedürfen,  wäre 
es  recht  lehrreich  gewesen,  zu  erfahren,  wie  aus  einem  alten 
Gebäude  mit  finsteren  Sälen  freundliche  helle  Räume  mit  allen 
erforderlichen  hygienischen  Einrichtungen  geschaffen  worden 
sind.  Freilich  muss  darauf  hingewiesen  werden,  dass  sich  die 
Kosten  dieses  Umbaues  recht  hoch  beliefen. 

Aber  auch  so,  wie  das  Buch  jetzt  vorliegt,  bedeutet  es  für 
alle  diejenigen,  die  sich  mit  Krankenhausneubautqn  oder  Um¬ 
bauten  zu  beschäftigen  haben,  eine  Quelle  der  Belehrung  und 
der  Anregung.  Die  Stadt  Hamburg  kann  dazu  beglückwünscht 
werden,  dass  ihr  nun  neben  Hamburg-Eppendorf  ein  weiteres 
Musterkrankenhaus  zur  Verfügung  steht. 

L.  R.  Müller-  Augsburg. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  1907.  No.  24. 

Pr.  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Bonn:  Einige  Erfahrungen  über  Ischias. 

Unter  104  Fällen  reiner  „rheumatischer“  Ischias,  93  Männer, 
11  Frauen,  mittleren  Lebensalters;  Erkrankung  häufiger  linksseitig. 
Vorausgegangen  meist  Muskelüberanstrengung,  Erkältung,  Traumen 
oder  Lumbago.  Selten  bestand  Obstipation,  nie  Gicht,  zufällig  auch 
nicht  Diabetes  mellitus.  Der  häufig  fehlende  Achillessehnenreflex,  die 
Hypästhesien,  sowie  die  Dauerschmerzen  (keine  Schmerzanfälle) 
sprechen  für  entzündlichen,  perineuritischen  Prozess.  Akute  Fälle 
wurden  mit  Bettruhe,  Aspirin,  chronische  mit  heissen  Sandbädern 
und  schottischer  Dusche  behandelt.  Nie  Massage! 

K.  L  i  e  p  e  1 1  -  Berlin. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Herausgeg.  von 
Prof.  L.  Brauer.  Band  VII.  Heft  3. 

Engel:  Ueber  die  Heilbarkeit  der  Tuberkulose  und  über  die 
therapeutische  Verwendbarkeit  des  Tuberkulins  im  Kindesalter. 

Auf  Grund  der  Erfahrungen  der  Vorarbeiter  (N  ä  g  e  I  i, 
Ganghofner,  Binswanger,  Geipel  u.  a.)  und  eigener,  in 
grösster  Breite  geschilderter  Fälle  und  deren  anatomische  Befunde 
kommt  E.  zu  etwa  folgenden  Resultaten;  Die  Tuberkulose  der  beiden 
ersten  Lebensjahre  verläuft  fast  immer  letal,  erst  Ende  des  zweiten 
Jahres  finden  sich  bisweilen  Spuren  bindegewebiger  Umwandlung 
tuberkulösen  Gewebes,  also  Tendenz  zur  Heilung.  In  den  Bronchial¬ 
drüsen  sitzt  der  Ausgangspunkt  der  Kindertuberkulose;  von  ihnen 
erfolgt  per  contiguitatem,  auf  dem  Bronchial-  oder  Blutwge  die  Aus¬ 
breitung.  Den  Lymphdrüsen  kommt  —  vermittelst  der  reaktiv  sich 
ausbildenden  Kapselverdickung  —  eine  wirkliche  Schutzkraft  gegen 
die  Weiterverbreitung  des  Prozesses  zu.  Nur  wenn  das  Lymphsystem 
allein  ergriffen  ist,  kann  es  darum  zur  Heilung  kommen.  Der  dia¬ 
gnostische  Wert  des  Tuberkulins  für  die  infantile  Tuberkulose  steht 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1339 


fest,  den  therapeutischen  kennen  zu  lernen,  bedarf  es  noch  weiterer 
Erfahrungen. 

W.  Weinberg:  Die  familiäre  Belastung  der  Tuberkulösen  und 
ihre  Beziehungen  zu  Infektion  und  Vererbung. 

Der  durch  seine  statistischen  Arbeiten  verdiente  Verf.  kommt 
auf  Grund  sehr  exakter  Untersuchungen  an  seinem  Stuttgarter  Ma¬ 
terial  (die  in  der  Tat  die  statistische  Unzulänglichkeit  mancher  an¬ 
deren  einschlägigen  Arbeiten  erweisen)  zu  folgenden  Schlüssen;  Der 
Einfluss  der  Tuberkulose  der  Mutter  auf  Säuglingsmorbidität  und 
-Sterblichkeit  ist  der  grösste;  ob  es  sich  dabei  um  eine  Addition 
von  direkter  Vererbung  mit  vermehrter  Infizierungsgelegenheit 
oder  um  letztere  allein  handelt,  ist  ungewiss.  Säuglinge,  die 
durch  die  Eltern  infiziert  wurden,  erlangen  sehr  selten  das  er¬ 
wachsene  Alter;  ergo  ist  wohl  auch  die  Säuglingsmilch  nicht  die 
wesentliche  Ursache  der  Tuberkulose  Erwachsener.  Numerisch  hat 
die  „Belastung“  ungefähr  denselben  Einfluss  wie  das  Zusammen¬ 
leben  mit  tuberkulösen  Ehegatten.  Eine  Untersuchung  grossen  Stils 
über  das  Schicksal  nachgeborener  Kinder  tuberkulöser  Väter  —  mit 
und  ohne  Infektionsgelegenheit  durch  die  Mutter  (am  besten  un¬ 
eheliche  in  Waisen-  oder  Findlingshäusern  früh  in  Pflege  gegebene 
Kinder.  Ref.)  —  könnte  die  Frage  der  Vererbung  (Belastung  oder 
Infektion?  oder  eines  von  beiden?)  der  Lösung  näher  bringen. 

De  Waele,  Sugg  und  Vandevelde:  Ein  Verfahren  zur 
Gewinnung  einer  von  lebenden  Tuberkelbazillen  und  anderen  lebens¬ 
fähigen  Keimen  freien,  in  ihren  genuinen  Eigenschaften  im  wesent¬ 
lichen  unveränderten  Kuhmilch. 

Prioritätsstreit  gegen  Römer  und  Much  wegen  der  Perhy- 
drasemilch. 

Much  und  Römer:  Entgegnung  auf  vorstehende  Bemer¬ 
kungen  der  Herren  De  Waele,  Sugg  und  Vandevelde. 

Eindeutige  Widerlegung  der  vorstehenden  Angriffe. 

Hans  Curschmann  -  Mainz. 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie.  17.  Band,  5.  Heft.  Jena  1907,  Gustav  Fischer. 

16)  W.  Braun  und  H.  Seidel-  Berlin  (Friedrichshain) : 

Klinisch-experimentelle  Untersuchungen  zur  Frage  der  akuten  Magen¬ 
erweiterung. 

Verfasser  definieren  das  klinisch  oft,  namentlich  bei  leichteren 
Graden  übersehene  Leiden  als  ein  akutes  Versagen  der  Magienfunk¬ 
tion  mit  Ueberfüllung  bezw.  Auftreibung  und  dadurch  bedingter  Er¬ 
weiterung  des  Magens,  welche  in  bedrohlichster  Weise  das  All¬ 
gemeinbefinden  schädigt.  Leichen-  und  Tierversuche  sprechen  da¬ 
für,  dass  dabei  mechanische  Momente  weit  zurückstehen  hinter 
funktionellen  Ursachen,  Störungen  der  Mageninnervation 
(zentrale,  periphere  und  reflektorische);  in  zweiter  Linie  kommt  eine 
direkte  mechanische,  entzündliche  oder  toxische  Läsion  der  Muskel¬ 
fasern  selbst  in  Betracht.  Primär  besteht  akute  motorische  Insuffi¬ 
zienz,  die  Dilatation  ist  sekundär.  Durch  Innervationsstörung  lassen 
sich  fast  alle  chirurgischen  Formen  der  akuten  Dilatation  erklären 
(nach  Narkosen,  Laparotomien,  Traumen,  Rückenmarksläsionen,  bei 
Peritonitis,  retroperitonealen  Eingriffen  und  Erkrankungen,  nach  In¬ 
fektions-,  konstitutionellen  und  anderweitigen  Erkrankungen).  Die 
Innervationsstörungen  werden  durch  Hundeversuche  gut  veranschau¬ 
licht.  Verhindert  man  das  Erbrechen  durch  Narkose,  Vagus-  oder 
Rückenmarksdurchschneidung,  so  kann  man  durch  Luftaufblähung 
eine  starke  akute  Dilatation  des  Magens  herbeiführen.  Nach  Vagus¬ 
durchschneidung  lösen  Reizung  des  Schlundes  oder  des  Peritoneums 
noch  Brechreiz  aus,  Tartarus  stibiatus  nicht,  wohl  aber  Apomorphin, 
das  erst  bei  Rückenmarksdurchschneidung  oberhalb  des  6.  Brust¬ 
wirbels  unwirksam  wird.  Durchschneidung  der  Splanchnici  kann  das 
Erbrechen  ebenfalls  hemmen,  Durchschneidung  der  Sympathici  ver¬ 
hindert  es  nicht,  ebensowenig  Durchtrennung  der  Bauchdecken.  Der 
klinische  Verlauf  des  Leidens  belehrt  über  die  Wichtigkeit  der  Pro¬ 
phylaxe. 

17)  P.  Morawitz  und  C.  Adrian:  Zur  Kenntnis  der  sog. 
Eiweisssteine  der  Niere  und  über  die  Ausscheidung  membranöser 
Massen  aus  dem  uropoetischen  System.  (Aus  der  Strassburger  med. 
Klinik.) 

Beschreibung  eines  Falles.  Unter  Nierenkoliken  wurden  Mem¬ 
branen  aus  einer  eiweissartigen  Substanz  ausgeschieden,  welche  von 
der  Oberfläche  der  später  mit  Nephrektomie  gewonnenen  Fibrin¬ 
steine  stammen  mussten.  Einzelne  Konkremente  hatten  einen  Kern 
aus  reinem  Kalziumphosphat.  Die  in  den  Membranen  verzweigten 
Bakterien  wurden  als  akzidentell  angesehen. 

18)  Port  und  Reizen  stein  -  Nürnberg :  Ueber  Fistula 
gastrocolica. 

Der  geschilderte  Kranke,  welcher  7  Jahre  früher  wegen  Pylorus¬ 
stenose  nach  Magengeschwür  gastroenterostomiert  worden  war,  kam 
wegen  Magenkolonfistel  auf  dem  Boden  eines  peptischen  Geschwürs 
zur  zweiten  Operation.  Die  Fistel  wurde  durch  Aufblähung  des 
Magens  vom  Darm  aus,  Methylenblau-  und  Wismutproben,  Röntgen¬ 
untersuchung,  Uebereinstimmung  von  Kot  und  Mageninhalt  dia¬ 
gnostiziert;  Koterbrechen  und  Lienterie  fehlten. 

19)  K-  V  o  g  e  1  -  Dortmund:  Weitere  Erfahrungen  über  die  Wir¬ 
kung  der  subkutanen  Injektion  von  Physostigmin  zur  Anregung  der 
Peristaltik. 


V.  empfiehlt  neuerdings  die  Physostigmininjektionen.  Durch  An¬ 
regung  der  Peristaltik  wird  der  Bildung  von  Adhäsionen  des  opeia- 
tiv  verwundeten  Peritoneums  vorgebeugt,  wie  er  sich  bei  Relaparo- 
tomien  überzeugen  konnte.  Verordnung:  1  mg  Physostigmin,  salicyl., 
nach  einer  Stunde  Glyzerinklysma  20  ccm,  bei  ungenügender  Wir¬ 
kung  wird  beides  nach  4 — 6  Stunden  wiederholt.  Die  Methode 
bewährt  sich  auch  bei  hartnäckigem  Meteorismus  nach  Bauchkon¬ 
tusionen.  Vor  Operationen,  namentlich  Laparotomien  empfiehlt  V., 
um  der  postoperativen  Darmatonie  vorzubeugen,  alte  Stuhlmassen  zu 
entfernen,  von  einer  eigentlichen  Abfiihrkur  jedoch  wegen  der  gerne 
nachfolgenden  Erschlaffung  abzusehen. 

20)  Friedr.  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Bonn:  Zur  Diagnostik  der  Operabilität 
der  Hirn-  und  Rückenmarkstumoren  und  über  Operationserfolge  bei 
denselben. 

Von  97  Hirntumoren  liess  Verfasser  19  operieren,  hatte  jedoch 
weniger  günstige  Resultate  als  Horsley;  nur  3  mal  war  eine  länger 
dauernde  Besserung  zu  sehen.  Günstiger  verliefen  die  Fälle  von 
Rückenmarkstumoren;  von  13  operierten  wurden  6  völlig  geheilt, 
einer  sehr  stark  gebessert.  Die  N  e  i  s  s  e  r  sehe  Hirnpunktion  leistete 
diagnostisch  und  therapeutisch  gute  Dienste. 

21)  Fritz  Kermauner  -  Heidelberg:  Phlegmone  des  Magens 
in  der  Schwangerschaft. 

In  dem  beschriebenen,  schleichend  beginnenden,  tödlich  endi¬ 
genden  Fall  von  primärer  phlegmonöser  Gastritis  wurde,  namentlich 
wegen  positiven  Lungenbefundes,  die  Diagnose  fälschlich  auf  Peri¬ 
tonealtuberkulose  gestellt. 

22)  M.  Strauss:  Die  hysterische  Skoliose.  Ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  nervösen  Deviationen  der  Wirbelsäule,  unter  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  „Unfallhysterie“  und  der  ärztlichen  Sach¬ 
verständigentätigkeit.  (Aus  der  Chirurg.  Klinik  Greifswald.) 

Ausgehend  von  einem  selbstbeobachteten  Fall  bespricht  Ver¬ 
fasser  das  praktisch  wichtige  Krankheitsbild  unter  Heranziehung  der 
Literatur.  Er  unterscheidet  4  Gruppen:  1.  Pseudoischias  scoliotica 
(B  i  n  s  w  a  n  g  e  r) ;  2.  die  hysterische  Hiifthaltung  Salomonsons; 
3.  Fälle  mit  isolierter  Verkrümmung  in  der  Sagittalebene,  fast  durch¬ 
weg  weibliche  Patienten;  4.  kombinierte  Verkrümmungen  in  der 
Sagittal-  und  Frontalebene.  Gruppe  1  und  2  nennt  Verfasser  sta¬ 
tische  hysterische  Skoliosen,  d.  h.,  sie  treten  völlig  unbeeinflusst  und 
isoliert,  nicht  als  Folge  fehlerhafter  Becken-  oder  Beinstellung  auf; 
Gruppe  3  und  4  bilden  die  essentiellen  hysterischen  Skoliosen.  Der 
mitgeteilte  Fall  gehörte  zur  3.  Gruppe. 

23)  Kurt  Schultze:  Experimentelle  Untersuchungen  über  das 
Fieber  nach  Kropfoperationen.  (Aus  der  chir.  Klinik  Bonn.) 

Verfasser  injizierte  sterilen  Kropfsaft  sich  selbst,  den  Operierten 
und  gesunden  anderen  Personen  intravenös  bezw.  subkutan.  Nach 
diesen  Versuchen  spielt  die  Resorption  von  Kropfsaft  beim  Zustande¬ 
kommen  des  postoperativen  Fiebers  keine  Rolle,  ferner  können  die 
postoperativen  akuten  Verschlimmerungen  des  Morbus  Basedow 
nicht  als  Folge  von  Kropfsaftresorption  aufgefasst  werden. 

24)  Hans  Seidel:  Ueber  die  physiologischen  Grundlagen  und 
die  praktische  Brauchbarkeit  des  Ueberdruckverfahrens  zur  Aus¬ 
schaltung  der  Pneumothoraxfolgen.  (Aus  dem  Krankenhaus  im  Fried¬ 
richshain,  Berlin.) 

Bei  seinen  Versuchen  an  Kaninchen  und  Hunden  konnte  Verfasser 
nur  unwesentliche  Veränderungen  der  Atmungs-  und  Kreislaufverhält¬ 
nisse  beim  Ueberdruckverfahren  wahrnehmen,  so  dass  er  es  dem 
Unterdruckverfahren  physiologisch  und  praktisch  annähernd  gleich¬ 
stellen  möchte.  Die  Ueberdruckatmung  bei  eröffnetem  und  bei  ge¬ 
schlossenem  Thorax  ist  nicht  wesentlich  verschieden,  weshalb  nur 
die  Atmung  komprimierter  Luft  an  und  für  sich,  nicht  die  Etablierung 
des  Pneumothorax  ins  Gewicht  fällt.  Man  darf  keine  höheren  Ueber- 
druckwerte  bei  den  Untersuchungen  heranziehen  als  praktisch  in  Be¬ 
tracht  kommen,  man  darf  auch  nicht  von  Luft  e  i  n  b  1  a  s  u  n  ge  n 
sprechen,  denn  solche  finden  nur  während  der  ersten  Atemzüge  statt; 
es  tritt  rasch  eine  physiologische  Anpassung  an  die  veränderten  Ver¬ 
hältnisse  ein,  ebenso  wie  beim  Unterdruckverfahren.  Von  einer  Er¬ 
schwerung  der  Atmungs-  und  Kreislaufverhältnisse  kann  nicht  die 
Rede  sein,  anfangs  werden  die  Lungenkapillaren  vorübergehend  ver¬ 
engert,  während  sie  beim  Unterdrück  vorübergehend  erweitert  wer¬ 
den.  Der  Begriff  des  negativen  Interpleuraldrucks  ist  nicht  an  den 
absoluten  Wert  des  zwischen  den  Pleurablättern  herrschenden 
Druckes  geknüpft,  er  ist  auch  vom  Körperoberflächendruck  abhängig. 

25)  C.  Schulz-  Brest-Litowsk:  Atropin  bei  Ileus. 

35  Krankengeschichten,  darunter  eine  eingehende  Beobachtung 
am  eigenen  Körper  veranlassen  Verfasser,  in  frischen  Fällen  von 
akuter  Darmimpermeabilität  die  subkutane  Atropingabe  angelegent¬ 
lich  zu  empfehlen.  Verfasser  gibt  Erwachsenen  statt  des  üblichen 
Opiums  sofort  2  mg  Atropin,  zum  Schutz  des  Gehirns  vorher  0,0012 
Morphium.  Die  Atropingabe  wird  eventuell  wiederholt.  Erfolgt  inner¬ 
halb  24—36  Stunden  keine  Defäkation,  so  wird  zur  Operation  vor¬ 
bereitet,  zunehmende  Frequenz  des  Pulses  und  abnehmende  Fülle  des¬ 
selben  drängen  zum  Eingriff.  Auch  vor  der  Operation  in  vernach¬ 
lässigten  Fällen  injiziert  Verfasser  Atropin,  um  die  Zirkulation  und 
die  Peristaltik  anzuregen  und  das  Erbrechen  zum  Stillstand  zu  brin¬ 
gen.  Die  Vergiftungserscheinungen  (Delirien,  Mydriasis,  Trockenheit 
im  Hals,  Muskelzuckungen)  hält  Verfasser  für  unbedenklich,  und 
begegnet  ihnen  mit  Morphium.  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


1340 


Archiv  für  Gynäkologie.  Bd.  81,  Heft  2.  Berlin  1907. 

1)  J.  W  a  1 1  a  r  t  -  St.  Ludwig  i.  E.:  Untersuchungen  über  die 
interstitielle  Eierstocksdrüse  beim  Menschen.  (Aus  der  pathologisch- 
anatomischen  Anstalt  zu  Basel  IVorsteher:  Prof.  E.  Kaufmann] 
und  aus  dem  Frauenspital  Basel  [Direktor:  Prof.  O.  v.  Herffj.) 

Untersucht  wurden  67  Paare  von  Ovarien  aus  den  verschieden¬ 
sten  Altersstufen,  vom  Neugeborenen  bis  zur  91  jährigen  Greisin. 
Der  menschliche  Eierstock  besitzt  eine  interstitielle  Drüse.  Das 
„interstitielle  Driisengewcbe“  ist  am  stärksten  entwickelt  in  den 
ersten  Lebensjahren,  bis  zur  Pubertät,  und  erreicht  die  höchste  Ent¬ 
wicklung  während  der  Schwangerschaft.  Den  Zellen  der  intersti¬ 
tiellen  Eierstocksdrüse  dürfte  ihrem  ganzen  Wesen  nach  eine  be¬ 
stimmte  sekretorische  Funktion  zukommen. 

2.  E.  M.  Kurdin  owski:  Ueber  die  reflektorische  Wechsel¬ 
beziehung  zwischen  den  Brustdrüsen  und  dein  Uterus  und  über  die 
wichtige  Rolle  der  reflektorischen  Einflüsse  im  allgemeinen,  sowohl 
in  der  Physiologie,  als  auch  in  der  Pathologie  des  graviden  und  nicht 
graviden  Uterus. 

Der  Uterus  ist  den  entferntesten  reflektorischen  Einflüssen 
gegenüber  empfindlich,  nicht  nur  den  von  der  Brustdrüse  ausgehenden 
gegenüber.  Eine  solche  Empfindlichkeit  existiert  anscheinend  auch 
im  umgekehrten  Sinne  und  spielt  eine  wichtige  Rolle  in  der  Physio¬ 
logie  wie  in  der  Pathologie  des  graviden  und  nicht  graviden  Uterus. 

3)  Erich  Zur  he  Ile:  Ein  sicherer  Fall  von  Impfkarzinom.  (Aus 
der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Bonn  [Direktor:  Prof. 
Dr.  li.  E  r  i  t  s  c  h].) 

Blumenkohlkrebs  der  Portio;  abdominale  Totalexstirpation  nach 
Wert  h  e  i  m.  3  Monate  später  fand  sich  im  oberen  Ende  der  Bauch¬ 
narbe  eine  kleinapfelgrvsse  Geschwulst  in  den  Bauchdecken.  Diese 
Geschwulst  wurde  entfernt,  sie  erwies  sich  als  Karzinom.  Die  Bauch¬ 
höhle  und  die  Kleinbeckenorgane  waren  rezidivfrei.  Solche  Be¬ 
obachtungen  mahnen,  während  der  Karzinomoperation  jede  Implan¬ 
tation  in  das  gesunde  Gewebe  zu  vermeiden. 

4)  Walter  H.  Schultze:  Ueber  das  Verhalten  der  uterinen  De¬ 
zidua  bei  ektopischer  Gravidität.  Ein  Beitrag  zur  Frage  nach  der 
Entstehung  des  unteren  Uterinsegmentes.  (Aus  dem  pathologisch¬ 
anatomischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br.  [Direktor:  Prof. 
L.  Asch  off].) 

Untersucht  wurde  der  Uterus  bei  ca.  6  Wochen  alter  Tubar- 
gravidität.  Die  Dezidua  reichte  bis  etwa  zur  Mitte  des  'Zervikal¬ 
kanals  nach  abwärts.  Das  „untere  Uterinsegment“  entsteht  aus  dem 
oberen  Abschnitt  der  Zervix,  die  schon  in  früher  Schwangerschafts¬ 
zeit  mit  Dezidua  bekleidet  ist. 

5)  D.  Grünbaum:  Adenomyoma  corporis  uteri  mit  Tuber¬ 
kulose.  (Aus  der  Frauenklinik  von  L.  und  M.  L  a  n  d  a  u  -  Berlin.) 

Bei  einer  45  jährigen  Frau  wurde  der  Uterus  total  exstirpiert 
wegen  eines  diffusen  Adenomyom  des  Korpus.  Das  Endometrium 
und  das  Adenomyom  zeigten  verkäsende  Tuberkulose,  die  Tuben 
waren  frei  von  Tuberkulose.  Die  Infektion  kam  wahrscheinlich  auf 
hämatogenem  Wege  zu  stände  von  einem  alten  Herd  in  der  Lunge. 

6)  Axell  R.  Limnell:  Anatomische  Befunde  in  einem  Falle  von 
Nebenhorr:schwangerschaft.  (Aus  der  gynäkologischen  Universitäts¬ 
klinik  zu  Helsingfors  [Vorstand:  Prof.  G.  H  e  i  n  r  i  c  i  u  s].) 

Das  Präparat  wurde  durch  Laparotomie  von  einer  32  jährigen 
Frau  gewonnen,  die  siebenmal  geboren  hatte.  Die  Nebenhorn¬ 
schwangerschaft  war  etwa  4  Monate  alt  und  war  durch  äussere 
Ueberwanderung  des  Eies  aus  dem  rechten  Ovarium  in  die  linke 
Tube  und  von  da  in  die  rudimentäre  Höhle  zu  stände  gekommen. 

7)  C.  H  e  n  n  i  g  -  Leipzig:  Grundlinien  zur  Einführung  allgemein 
gültiger  Benennungen  der  geburtshilflichen  Vorkommnisse. 

Polyglotte  Darlegung  der  frauenärztlichen,  besonders  der  in  der 
Geburtshilfe  gebräuchlichen  Namen  der  wissenschaftlich  anerkannten 
Gegenstände. 

8)  A.  Blau:  Ueber  „eiähnliche“  Bildungen  in  Ovarialtumoren. 

(Aus  der  Klinik  Chrobak.) 

Solider,  orangengrosser  Ovarialtumor  von  einer  33  jährigen 
Nullipara.  Die  Diagnose  lautet  auf:  „Karzinom  mit  hyaliner  Um¬ 
wandlung  des  Stroma,  wodurch  Bilder  zu  stände  kommen,  die  den 
Zylindromen  sehr  nahe  stehen  und  die  bei  der  Beschreibung  ähn¬ 
licher  Geschwülste  mit  Unrecht. als  Primordialeier  gedeutet  wurden“. 

9)  Martin  Steinbrecher:  Die  Schätzung  der  Transversa 
des  Beckeneingangs  nach  L  o  e  h  1  e  i  n,  nachgeprüft  an  74  Baender- 
becken.  (Aus  der  Giessener  Universitäts-Frauenklinik.) 

Durch  das  von  Loehlein  angegebene  Verfahren  —  Messung 
der  Distanz  vom  Lig.  arcuatum  bis  zum  vorderen  oberen  Winkel 
des  Foramen  ischiadicum  majus  —  ist  es  sehr  wohl  möglich,  unter 
Berücksichtigung  der  Beckenform  die  Conjugata  transversa  des 
Beckeneingangs  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  zu  berechnen. 

Id)  W.  Steffen:  Zur  Skopolamin-Morphium-Wirkung  bei  Ge¬ 
burten.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  zu  Dresden  [Direktor:  Prof.  Dr. 
L  e  o  p  o  1  dl.) 

Skopolamin-Morphium  wurde  in  300  Geburten  und  dann  noch¬ 
mals  in  20  Fällen  angewandt  unter  1425  Geburten.  Die  grösste  Ge- 
samtdosis  betrug  0,0015  Skopolamin  +  0,02  Morphium.  Das  Urteil, 
zu  welchem  St.  über  die  Methode  gelangt,  ist  ein  ungünstiges:  Das 
Skopolamin-Morphium  zeigt  in  vielen  Fällen  nicht  die  wünschens¬ 
werte  Wirkung  der  Ausschaltung  der  Wehen-  und  Geburtsschmerzen 
und  Erleichterung  der  Geburtsarbeit  durch  Hervorrufen  eines  Schlaf¬ 


zustandes.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  treten  ungünstige  Nebenwir¬ 
kungen  auf:  nämlich  Herabsetzung  der  Wehentätigkeit  bis  zum  Still¬ 
stand  der  Geburt,  Schwanken  der  kindlichen  Herztöne,  Oligo-Apnoe 
des  Kindes  einerseits  und  Steigerung  der  Schmerzempfindlichkeit, 
motorische  Unruhe,  Verwirrtheit  gesteigert  bis  zum  halluzinatorischen 
Delirium  andererseits.  Sie  alle  lassen  die  Airwendung  der  Ver¬ 
einigung  von  Skopolamin  und  Morphium  (besonders  in  der  Privat¬ 
praxis)  als  sehr  unvorteilhaft  erscheinen. 

Anton  Hengge  -  München. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  25. 

W  e  d  e  r  h  a  k  e  -  Düsseldorf :  Ein  Ersatz  der  Gummihandschuhe. 

Zur  Herstellung  eines  aseptischen  Handüberzugs  empfiehlt  W. 
eine  Jodkautschuklösung,  die  von  der  Firma  Dr.  Degen 
K  u  t  h  in  Küren  in  den  Handel  gebracht  wird.  Da  die  chemische 
Zusammensetzung  der  Lösung  erst  durch  weitere  Untersuchungen 
festgestellt  werden  soll,  wird  man  sich  vorläufig  eines  Urteils  ent¬ 
halten  müssen. 

C.  D.  Josephson:  Zur  Behandlung  der  Inversio  uteri  in- 
veterata. 

Im  Gegensatz  zu  v.  H  e  rf  f  (cf.  dieses  Blatt  No.  18,  S.  893),  der 
die  Uterusexstirpation  bei  veralteter  Inversion  nur  auf  Neubildungen 
als  Ursache  der  Inversion  beschränken  will,  glaubt  J.,  dass  es  ganz 
veraltete  Inversionen  gibt,  wo  auch  die  modifizierte  K  ü  s  tn  e  r  sehe 
Methode  im  Stiche  lässt  und  nur  die  Exstirpation  übrig  bleibt. 

E.  Z  u  r  h  e  1 1  e  -  Bonn:  Habituelles  Absterben  der  Frucht  in  den 
letzten  Schwangerschaftsmonaten  als  Indikation  zur  künstlichen  Früh¬ 
geburt. 

Kurzer  Bericht  aus  der  Bonner  Frauenklinik  über  2  Fälle  habi¬ 
tuellen  Fruchttodes,  denen  Syphilis  nachweisbar  nicht  zugrunde  lag. 
Durch  die  im  letzten  Schwangerschaftsmonat  eingeleitete  künstliche 
Frühgeburt  gelang  es  beidemal,  lebende  Kinder  zu  erhalten,  die  auch 
am  Leben  blieben. 

H.  P  a  p  e  -  Düsseldorf :  In  der  Geburt  eingeklemmtes  Zervikal¬ 
myom,  vaginale  Enukleation,  vaginaler  Kaiserschnitt. 

Der  Ueberschrift  wäre  noch  hinzuzufügen,  dass  es  sich  um  eine 
34  jährige  I.  Para  handelte,  dass  das  Kind  durch  Spaltung  der  hinteren 
Uteruswaud  entwickelt  wurde,  asphyktisch  zur  Welt  kam  und  nicht 
wiederbelebt  werden  konnte,  sowie  dass  die  Mutter  geheilt  wurde. 

L.  v.  B  y  1  i  c  k  i  -  Lemberg:  Bemerkungen  zu  P.  Zweifels 
„neuem  Instrument“  zur  Messung  der  Conjugata  vera,  zweites  Modell. 

v.  B.  wahrt  Zweifel  gegenüber  (cf.  dieses  Blatt  No.  21, 
S.  1047)  seine  Priorität  als  Erfinder  eines  Instrumentes,  das  gestattet, 
die  Conj.  vera  direkt  durch  die  Scheide  messen  zu  können. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und  all¬ 
gemeinen  Pathologie.  Jahrgang  1907.  41.  Band.  2.  Heft. 

6)  R.  Rössle:  Ueber  Phagozytose  von  Blutkörperchen  durch 
Parenchymzellen  und  ihre  Beziehung  zum  hämorrhagischen  Oedem 
und  zur  Hämochromatose.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Kiel.) 

Während  Phagozytose  gegenüber  roten  Blutkörperchen  bisher 
nur  bei  den  Kapillarendothelien  des  Knochenmarks,  der  Milz,  Lymph- 
driisen  und  Leber  beobachtet  worden  war,  hat  Verfasser  diesen  Vor¬ 
gang  auch  für  OrganzelLen  nachgewiesen,  und  zwar  bei  einem 
nur  wenige  Stunden  ante  mortem  klinisch  beobachteten  Fall,  der 
unter  Ikterus,  Aszites  und  Schleimhautblutungen  komatös  zugrunde 
ging.  Besonders  in  der  Leber,  dann  aber  auch  in  den  Nieren  und  im 
Pankreas  fand  sich  infolge  von  primärer,  bakteriell  (Diplokokken?) 
bedingter  Nekrose  der  Kapillarendothelien  Aufnahme  z.  T.  massen¬ 
hafter  roter  Blutkörperchen  in  die  Parenchymzellen  der  genannten 
Organe  unter  intrazellulärer  Umarbeitung  derselben  in  Hämosiderin. 
Verf.  bezeichnet  diesen  Vorgang  als  Hämochromatose  und 
will  ihn  streng  geschieden  wissen  von  der  sog.  Hämo  s  i  d  e  r  o  s  i  s  *), 
bei  der  die  Pigmentierung  durch  eisenhaltigen  Blutfarbstoff  eine  Folge 
von  intravaskulärem  Untergang  von  roten  Blutkörperchen 
(wie  bei  der  perniziösen  Anämie  etc.)  ist. 

R.  fasst  seinen  Fall  als  eine  Frühform  des  sog.  Bronzedia¬ 
betes  auf  und  sucht  dies  unter  kritischer  Besprechung  des  kli¬ 
nischen  und  anatomischen  Bildes,  dieser  seltenen  Erkrankung  zu  be¬ 
weisen. 

7)  Herrn.  Schridde:  Myeloblasten,  Lymphoblasten  und 
lymphoblastische  Plasmazellen.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Mar¬ 
burg.) 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  wurden  an  Schnittpräparaten 
vorgenommen,  denen  Verfasser  hinsichtlich  des  Studiums  der  Genese 
der  Biutzellen  eine  viel  grössere  Beweiskraft  beimisst,  als  wie  den 
Ausstrichpräparaten.  Im  Knochenmark  hat  S.  neben  den  Myelo¬ 
blasten,  deren  typisches  Verhalten  bei  den  verschiedenen  Färbe¬ 
methoden  eingehend  geschildert  wird,  nur  selten  kleine  Lympho¬ 
zyten,  nie  aber  Lymphoblasten  konstatieren  können;  anschliessend 


*)  R.  gebraucht  in  seiner  Arbeit  wieder  fälschlicherweise  fast 
durchgehends  den  Ausdruck  S  i  d  e  r  o  s  i  s,  der  doch  von  Zenker 
als  ein  ganz  anderer  Krankheitsbegriff  (Ablagerung  von  metallischem 
Eisen)  aufgestellt  wurde,  anstatt  der  Bezeichnung  Hämoside- 
r  o  s  i  s!  Ref. 


2 .  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1341 


werden  die  bei  Untersuchungen  an  lymphatischen  Apparaten  ge¬ 
wonnenen  Beobachtungen  über  die  Eigenschaften  der  L  y  m  p  h  o  - 
bl  asten  (Hauptbestandteile  der  Keimzentren)  abgehandelt  und 
endlich  die  aus  den  letzteren  hervorgehenden  lymphoblasti- 
sehen  Plasmazellen  beschrieben,  denen  S.  als  streng  zu  trennend 
die  lymphozytären  Plasmazellen  gegenüberstellt,  um  da¬ 
durch  wieder  die  strikte  Trennung  von  Lymphozyten  und  Leukozyten 
zu  betonen. 

8)  W.  Rosenberger:  Ueber  den  Verlauf  der  akuten  eitrigen 
Entzündung  mit  und  ohne  Stauungshyperämie.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  zu  Qöttingen.) 

Aus  den  vergleichenden  Versuchen  des  Verf.  ergibt  sich,  dass 
bei  der  experimentell  (durch  Einbringen  von  mit  Terpentin  impräg¬ 
nierten  Fremdkörpern)  erzeugten  Eiterung  durch  die  Stauungs¬ 
hyperämie  sowohl  die  exsudative  Entzündung  wie  die  Qefäss-  und 
Bindegewebsneubildung  ganz  erheblich  gesteigert  wird. 

9)  Oberndorfer:  Beitrag  zur  Frage  der  Ganglioneurone. 
(Aus  der  Prosektur  des  Krankenhauses  München  r.  d.  I.) 

Der  beschriebene  Tumor  von  Hühnereigrösse  fand  sich  zufällig 
bei  der  Autopsie  eines  12  jährigen  Mädchens  und  hatte  sich  dem 
mikroskopischen  Verhalten  nach  in  der  Marksubstanz  der  Nebenniere 
entwickelt;  auffallend  war  der  Befund  einer  ungeheueren  Menge 
völlig  scheidenloser,  nackter  Achsenzylinder. 

10)  Jansen:  Ueber  Gewebssterilisation  und  Gewebsreaktion 
bei  F  i  n  s  e  n  s  Lichtbehandlung.  (Aus  dem  Laboratorium  von  F  i  n- 
sens  medizinischen  Lichtinstitut  in  Kopenhagen.) 

In  der  vorliegenden  umfangreichen  Arbeit  hat  es  Verf.  unter¬ 
nommen,  die  durch  F  i  n  s  e  n  sehe  Lichtbehandlung  experimentell 
hervorgerufenen  pathologischen  Veränderungen  zu  studieren  und 
zwar  hinsichtlich  der  beiden  Fragen,  wie  intensiv  sich  einerseits 
die  zelltötende  und  andererseits  die  Gewebswucherung 
auslösende  Wirkung  der  Finsenbestrahlung  ge¬ 
staltet.  Die  Applikation  des  Lichtes  war  dabei  ganz  die  gleiche  wie 
sie  bei  der  Behandlung  des  Lupus  vulgaris  im  Finseninstitut  geübt 
wird.  Aus  den  interessanten  Ergebnissen  kann  hier  nur  einiges 
herausgegriffen  werden:  So  zeigten  Belichtungsversuche  (unter 
Druck)  an  exzidierten  tuberkulösen  Lymphdriisenstiickchen,  dass  die 
t  u  b  e  r  k  e  1  b  a  z  i  1 1  e  n  abtötende  Wirkung  selten  nur  bis  zu  0,5  mm 
in  die  Tiefe  dringt,  dagegen  scheint  eine  Abtötung  der  Körper¬ 
zellen  bis  zu  dieser  Tiefe  stattfinden  zu  können.  Die  Destruktion 
ist  jedesmal  von  einer  sekundären  ausserordentlich  lebhaften  Proli¬ 
feration  gefolgt.  Bei  Belichtung  mit  Druckglas  ist  die  Gevvebs- 
abtötung  wie  die  Proliferation  stets  eine  bedeutend  stärkere  und 
tiefer  gehende;  neben  der  räumlichen  Kompression  misst  Verf.  hiebei 
der  Anämisierung  durch  den  Druck  eine  Rolle  bei.  Was  die  experi¬ 
mentell  erzeugte  Korneatuberkulose  des  Kaninchens  betrifft, 
so  heilten  tatsächlich  bei  Finsenbestrahlung  nur  oberflächlichere  und 
kleinere  Herde  aus.  J.  fasst  die  Wirkungsweise  der  Finsenbehand¬ 
lung  auf  wie  die  „einer  Aetzung,  die  sich  von  den  meisten  anderen 
Aetzungen  dadurch  unterscheidet,  dass  sie  elektiver  auf  die  patho¬ 
logischen  Zellen  und  schonend  auf  die  Stützsubstanz  wirkt  und  dass 
sie  einen  ausserordentlich  lebhaften  Heilungsprozess  hervorruft“. 

11)  G.  Herxheimer:  Ueber  heterologe  Kankroide.  (Aus  der 
Prosektur  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Wiesbaden.) 

1.  Kankroid  der  Gallenblase,  2.  Adenokankroid  des  Magens,  3. 
Carcinoma  cylindrocellulare  cancroidale  des  Coecums,  4.  Adeno¬ 
kankroid  des  Pankreas,  5.  Cancroid  des  Corpus  uteri,  6.  Mischtumor 
der  Parotis  mit  Plattenepithelinseln. 

Den  beschriebenen,  sonst  ziemlich  verschiedenartigen  Tumoren 
ist  eigentümlich  der  Befund  von  Plattenepithel,  das  zum  Teil  in  ganz 
typischer  Anordnung  von  Hornperlen  auftrat  und  in  dem  sich  meist 
auch  deutliche  Epithelfaserung  und  Interzellularbrücken  nachweisen 
Hessen.  H.  glaubt,  dass  es  sich  bei  diesen  „heterologen“(heterotopen? 
Ref.)  Tumoren  um  Liegenbleiben  indifferenter  Epithelanlagen  frühester 
embryonaler  Zeiten  handelte;  da  diesem  indifferenzierten  Epithel  noch 
die  Fähigkeit  der  Weiterentwicklung  sowohl  nach  dem  Zylinder-  bezw. 
Drüsenepithel  einerseits  wie  nach  dem  (eventuell  verhornenden) 
Plattenepithel  andererseits  innewohnt,  so  können  daraus  Tumoren 
entstehen,  welche  die  verschiedensten  Epithelarten  enthalten. 

Herrn.  Merkel  -  Erlangen. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  25. 

1)  Max  J  o  s  e  p  h  -  Berlin:  Die  allgemeine  Therapie  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten. 

Schluss  folgt. 

2)  F.  Croner  und  E.  Selig  mann  -  Berlin :  Ueber  das  Ver¬ 
halten  des  Atoxyls  im  Organismus. 

Versuche  an  Menschen  und  Hunden.  Nach  erstmaliger  Injektion 
wird  die  Arsenkomponente  des  Atoxyls  innerhalb  24  Stunden  ausge¬ 
schieden  und  zwar  nur  im  Urin.  Nach  wiederholten  Injektionen  wird 
das  Arsen  langsamer  ausgeschieden  und  tritt  auch  im  Kot  auf. 

3)  P.  S  i  c  k  -  Leipzig:  Grenzgebiete  für  B  i  e  r  sehe  Stauung. 

Verf.  fordert  dazu  auf,  diejenigen  Fälle  genauer  abzugrenzen,  bei 

denen  die  konservative  Stauungsbehandlung  nicht  erst  versucht  wer¬ 
den  soll,  weil  dadurch  kostbare  Zeit  verloren  würde.  Er  führt  aus 
seiner  eigenen  Erfahrung  entsprechende  Fälle  an  (Oberlippenkar¬ 
bunkel,  d.  h.  Miliarphlegmone  durch  Staphylokokken;  stürmisch  ver¬ 
laufende  Osteomyelitis  humeri),  bei  welchen  nur  die  alte  Waffe,  näm¬ 


lich  breite  Spaltung  bis  ins  Gesunde  bezw.  Exzision,  in  Frage  kom¬ 
men  konnte. 

4)  A.  P  r  o  s  k  a  u  e  r  -  Berlin:  Ueber  spezifische  pathologisch¬ 
anatomische  Veränderungen  des  Magens  und  der  anschliessenden 
Darmabschnitte  bei  Typhus  abdominalis. 

Bei  der  Sektion  eines  an  eitriger  Peritonitis  gestorbenen  9  jäh¬ 
rigen  Knaben  fanden  sich  im  Magen,  Duodenum  und  ganzen  übrigen 
Darm  verteilt  charakteristische  Typhusgeschwüre;  Typhusbazillen 
konnten  nicht  mehr  nachgewiesen  werden;  eine  Perforation  war  nicht 
zu  finden. '  Das  Kind  war  durch  frühere  Infektionskrankheiten  in  seiner 
Widerstandskraft  stark  beeinträchtigt. 

5)  G  o  s  s  n  e  r  -  Brandenburg  a.  H.:  Eine  einfache  und  bequeme 
Agglutinationsprüfung  durch  den  praktischen  Arzt  mit  gefärbten  Prä¬ 
paraten. 

Genaue  Anleitung  zur  Ausführung  der  Gruber-Widal  sehen 
Reaktionsprüfung  mit  Hilfe  von  Formalinkochsalzlösung  und  Eormalin- 
kulturbouillon. 

6)  t  e  K  a  m  p  -  Bad  Salzschlirf:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der 
Myotonia  congenita,  sogen.  T  h  o  m  s  e  n  sehen  Krankheit. 

Aus  dem  mitgeteilten  Stammbaum  geht  hervor:  Söhne  wie 
Töchter  vererben  die  Krankheit,  letztere  jedoch  nachhaltiger.  Die 
in  einem  Glied  erloschene  Krankheit  bleibt  dauernd  erloschen. 

7)  Rob.  Goldschmidt  -  Berlin :  Ein  vereinfachter  Titrier¬ 
apparat. 

Bürette  mit  Fiillgefäss  verschmolzen.  Dreiweghahn  für  Luft¬ 
zutritt.  Vorteile:  Bequeme  Füllvorrichtung,  guter  Luftabschluss, 
automatische  Nullpunkteinstellung  ohne  Flüssigkeitsverlust,  Wegfall 
von  Schlauchverbindungen. 

8)  Karl  L  e  u  w  e  r  -  Bonn :  Ein  neuer  Ohrsauger. 

Ohrtrichter  und  Eiterbauch  aus  einem  Stück  (Glas);  am  Eiter¬ 
bauch  kleiner  Saugball. 

9)  B  o  e  s  s  e  r  -  Chemnitz:  Behandlung  des  Heuasthmas  mit 
Atropin-Chinin-Injektionen. 

Verf.  machte  mit  den  von  Kreidmann  angegebenen  Injek¬ 
tionen  gute  Erfahrungen. 

10)  S  c  h  ä  f  f  e  r  -  Leun :  Neue  Prinzipien  bei  der  Konstruktion 
von  Röntgenröhren. 

Verf.  schildert  die  Vorzüge  der  D  e  s  s  a  u  e  r  sehen  Idealröhre. 

11)  Rietschel  -  Charlottenburg:  Heizung  und  Lüftung  in  Kran¬ 
kenhäusern. 

Schluss  folgt. 

12)  W.  F  e  i  1  c  h  e  n  f  e  1  d  -  Charlottenburg:  Obligatorische  Seh¬ 
prüfung  von  Chauffeuren.  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Verhandlungen  der  deutschen  Gesellschaft  für 

Gynäkologie. 

Zwölfte  Versammlung,  abgehalten  zu  Dresden 

vom  21. — 25.  Mai  1907. 

Berichterstatter:  Privatdoz.  Dr.  Schickei  e-Strassburg  i.  Eis. 

V. 

Vorträge  verschiedenen  Inhalts. 

Herr  Olshausen:  Zur  Exstirpation  des  karzinomatösen 
Uterus.  |  r  -xi  ti 

Kurze  Uebersicht  über  die  Erfolge  der  vaginalen  Exstirpation 
des  Uteruskarzinoms.  Was  O.  von  der  Anwendung  der  abdominalen 
Methode  abhielt,  waren  die  grosse  Zahl  der  Nebenverletzungen, 
die  schweren  Zystitiden,  Bauchdeckeneiterungen,  Beckenbinde- 
gewebsphlegmonen.  Unter  528  vaginalen  Operationen  kamen  in 
4,7  Proz.  Nebenverletzungen  vor  (Blase  und  Ureter).  Es  genügt 
nicht,  die  Blase  anfangs  zurückzuschieben,  dies  muss  nochmals  spä¬ 
ter  geschehen  bei  Versorgung  der  unteren  Partien  der  Ligamenta 
lata.  Mitteilung  der  Dauerresultate.  Alles  in  allem  sind  die  Dauer¬ 
erfolge  für  die  Korpuskarzinome  doppelt  so  günstig  als  für  die  des 
Kollum.  Aber  befriedigend  sind  die  Erfolge  der  vaginalen  Opera¬ 
tionen  nicht.  Voraussichtlich  wird  diese  Methode  nichts  Besseres 
leisten  können,  als  was  O.  erreicht  hat  und  deshalb  ist  es  zu  wün¬ 
schen,  dass  dies  der  abdominalen  Methode  gelingen  möge. 

Herr  Wert  heim:  Ueber  die  erweiterte  abdominale  Uterus¬ 
krebsexstirpation. 

W.  verfügt  jetzt  über  120  Fälle,  die  vor  mehr  als  5  Jahren 
operiert  sind.  Von  87,  über  die  berichtet  werden  kann,  sind  53  re- 
zidiviert.  61  Proz.  aller  Operierten  sind  nach  5  Jahren  rezidivfrei 
geblieben.  Die  absolute  Heilungsziffe'r  (nach  W  i  n!t  e  r)  beträgt 
25,6.  Darunter  sind  sehr  schwere  Fälle.  24  Wären  noch  für  die 
vaginale  Methode  zugänglich  gewesen;  andere  waren  von  Opera¬ 
teuren  schon  zurückgewiesen  worden.  Ferner  sind  60  Fälle  mit 
4  jährigem  Heilungserfolg.  Im  4.  Jahr  der  anderen,  länger  beobachte¬ 
ten  Fälle  ist  überhaupt  kein  Rezidiv  mehr  aufgetreten.  Von  diesen 
60  sind  66  Proz.  rezidivfrei  bis  jetzt.  Wenn  man  diese  zu  den 
andern  rechnet  erhält  man  eine  absolute  Heilung  von  32  Proz.  Diese 
Besserung  der  Leistungsfähigkeit  der  abdominalen  Methode  liegt 
in  der  Möglichkeit  besser  operieren  zu  können  und  Nebenverletzungen 


1342 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


zu  vermeiden.  Die  Drüsenentfernung  ist  nicht  gleichgültig.  Die 
4  in  K  i  e  1  mitgeteilten  Fälle,  in  denen  ausgedehnte  Drüsenmetastasen 
Vorlagen,  sind  auch  jetzt  noch  rezidivfrei.  Die  primäre  Mortalität  ist 
dank  der  Abkürzung  der  Narkosendauer  unter  140  Fällen  jetzt  auf 
8,7  Proz.  gesunken.  Dabei  gebraucht  W.  nie  Handschuhe,  ausser 
in  septischen  Fällen,  nie  den  sog.  verschärften  Wundschutz.  Be¬ 
schreibung  seiner  Technik  mit  Demonstration  von  photographischen 
Bildern.  Die  Dauer  der  Operation  beträgt  durchschnittlich  1  Stunde. 
Die  Besserung  der  Erfolge  rührt  von  der  späten  Eröffnung  der 
Scheide  her,  von  dem  Anlegen  der  eigens  konstruierten  Klemmen 
und  der  verkürzten  Narkose. 

Herr  Mackenrodt:  Dauerresultate  der  abdominalen  Radikal¬ 
operation  bei  Gebärmutterscheidenkrebs. 

M.  bekommt  Fälle,  die  zum  grössten  Teil  vaginal  nicht  mehr  ope¬ 
rabel  sind.  Es  wurden  sehr  vorgeschrittene  Fälle  operiert,  in  denen 
auch  das  Rektum  exstirpiert  werden  musste.  Er  kann  auf  eine  Ope¬ 
rationsdauer  von  6/2  Jahren  zurückblicken.  Bei  einer  Operabilität 
von  92  Proz.  hat  er  eine  primäre  Mortalität  von  19 — 21  Proz. 
Waren  die  Parametrien  wenig  erkrankt,  dann  beträgt  die  Mortalität 
5 — 10  Proz.  Die  Todesursachen  sind  meist  nicht  Sepsis.  Der  Tod 
tritt  bald  nach  der  Operation  ein  durch  Versagen  des  Herzens  und 
wenn  schon  längerdauernde  Nephritiden  bestehen.  Ausserdem  gibt 
es  eine  sekundäre  Mortalität,  Spättodesfälle  infolge  von  chronischer 
Nephritis.  Unter  144  sind  11  solcher  Fälle  nach  % — IV2  Jahren  ge¬ 
storben.  Diese  Fälle  werden  abnehmen  durch  Besserung  der  Blasen- 
und  Nierenerkrankung.  Bis  1  Jahr  nach  der  Operation  hat  keine 
Verschiebung  des  Auftretens  von  Rezidiven  mehr  stattgefunden. 
144  Fälle  liegen  zwischen  IV2  und  6  Jahren.  In  51  Proz.  aller  Fälle 
ist  Heilung  eingetreten.  Kein  Fall  ist  verloren  oder  verschollen. 

Herr  v.  R  o  s  t  h  o  r  n  -  Heidelberg:  Zur  Morphologie  des  Uterus¬ 
karzinoms. 

Das  Ergebnis  ausgedehnter  morphologischer  Studien  unter  Be¬ 
nützung  einer  bestimmten  Methode  (mikroskopische  Durchsicht  von 
Schnitten  durch  das  ganze  Organ),  welche  der  Vortragende  gemein¬ 
sam  mit  Schottländer  an  80  Fällen  unternommen  hat,  wäre  in 
übersichtlicher  Form  folgendermassen  zu  verzeichnen: 

1.  Die  Bestimmung  des  Ausgangspunktes  beim 
Carcinoma  colli  ist  für  die  grösste  Mehrzahl  der  Fälle  un¬ 
durchführbar.  Selbst  für  die  Anfangsstadien  bereitet  dieselbe  grös¬ 
sere  Schwierigkeiten,  als  man  glauben  sollte.  Es  erscheint  daher 
zweckmässig,  die  alte  Trennung  von  Portio-  und  Zervixkarzinome 
fallen  zu  lassen. 

2.  Wir  können  im  Sinne  Winters  (besonders  an  der  Portio) 
evertierende  und  invertierende  Formen  unterscheiden. 
Als  ersterer  Typus  könnte  die  polypoide  Krebswucherung  oder  das 
Blumenkohlgewächs  hingestellt  werden,  welches  übrigens  nach  den 
hier  gemachten  Erfahrungen  viel  seltener  vorkommt,  als  dies  all¬ 
gemein  dargestellt  wird.  Als  letzterer  Typus  könnten  jene  Formen 
gelten,  welche  von  der  Oberfläche  in  die  Tiefe  wuchernd,  auf  ge¬ 
wissen  Schnitten,  auf  denen  der  Zusammenhang  mit  der  Oberfläche 
nicht  hergestellt  ist,  den  früher  beschriebenen  zentralen  Knoten  gleich¬ 
kommen.  Ein  solcher  Knoten  kann  sowohl  von  der  Oberfläche  der 
Portio  als  jener  der  Zervix  seinen  Ursprung  nehmen  und  darnach 
einen  mehr  aszendier  enden  oder  deszendierenden 
Wachstumscharakter  annehmen. 

3.  Es  gibt  zweifellos  primäre  Portiokarzinome.  Dieselben  treten 
aber  an  Häufigkeit  gegenüber  jenen  vom  Uebergangsepithel  oder 
von  der  Zervixoberfläche  ausgehenden  Krebsformen  zurück. 

4.  Sowohl  die  aszendierende  als  deszendierende  Ausbreitung 
geschieht  entweder  im  Parenchym  oder  entlang  der 
Schleimhautoberfläche,  letzteres  häufiger  als  man  bisher 
vermutet  hat. 

5.  Das  Kollumkarzinom  zeigt  eine  ganz  besondere  Tendenz,  im 
Parenchym  die  Gegend  des  inneren  Muttermundes  zu  überschreiten 
(unter  67  Fällen  28  mal). 

6.  Es  besteht  also  eine  besondere  Vorliebe  der  hinteren  Wand 
der  Zervix  zur  Erkrankung.  Sind  aber  beide  Wände  affiziert,  dann 
ist  die  vordere  die  weitaus  intensiver  erkrankte. 

7.  Auch  die  Scheide  ist  auffallend  häufig  auch  bei  höher  ge¬ 
legenem  Sitz  mitbeteiligt  (unter  39  Fällen  10  mal). 

8.  Die  Art  der  Propagation  im  Parenchym  zeigt 
für  die  einzelnen  Formen  nichts  Gesetzmässiges.  Es  gibt  eine  scharfe 
und  unscharfe  Begrenzung.  Es  gibt  ein  Vordringen  en  masse  oder 
in  Fortsätzen.  Nach  den  dimensionalen  Verhältnissen  dieser  finger¬ 
förmig  gestalteten  Zapfen  kann  eine  klein-  oder  gross-alveolare  Pro¬ 
pagation  unterschieden  werden.  Ausserdem  eine  plexiforme,  lympha¬ 
tische  Ausbreitung.  Die  Art  der  Ausbreitung  ist  abhängig  vom  Zell¬ 
charakter  der  Neubildung,  von  der  Intensität  der  Zellwucherung  und 
von  der  Beschaffenheit  der  angrenzenden  Gewebe  (Saftreichtum, 
Zahl  der  Blutgefässe,  Zahl  und  Weite  der  Gewebsspalten  und  Lymph- 
bahnen  des  Lymphstromes). 

9.  Weder  der  Charakter  der  betreffenden  Art  des  Krebses  noch 
der  Modus  der  Verbreitung  lässt  Schlüsse  zu  auf  die  Intensität  der 
Beteiligung  der  Parametrien  und  Drüsen.  Der 
Uebergang  auf  die  ersteren  geschieht  in  kontinuierlicher  oder  diskon¬ 
tinuierlicher  Weise.  Bei  Annahme  der  letzteren,  des  sprungweisen 
Weitergreifens  ist  Vorsicht  geboten. 

10.  Das  histologische  Bild  lässt  in  der  grossen 
Mehrzahl  der  Fälle  keinen  Rückschluss  zu  auf  die 


Histogenese.  Das  Deckepithel  spielt  zweifellos  eine  viel 
grössere  Rolle  als  man  bisher  allgemein  angenommen  hat.  Ein 
sicher  vom  Deckepithel  ausgehender  Plattenepithelkrebs  zeigt  manch¬ 
mal  drüsenähnliche  Spalträume  und  führt  ebenso  zu  Täuschungen, 
wie  das  vom  Drüsenepithel  stammende  Karzinom,  das  in  soliden  Zap¬ 
fen  sich  darstellen  kann.  Verhornung  beweist  nichts  für  ursprüng¬ 
lichen  Plattenepithelkrebs. 

11.  Man  begegnet  nicht  so  selten  Krebsherden  an  den 
verschiedensten  Stellen  (Portio  und  Zervix)  von  ver¬ 
schiedenem  Charakter  gleichzeitig,  so  dass  an  ein  plurizentrisches 
Wachstum  gedacht  werden  kann. 

12.  Auch  kombinieren  sich  auf  einem  Präparat  mehrere 
verschiedene  Krebsformein  nicht  so  selten.  So  z.  B. 
in  einem  Fall  Adenoma  malignum  invertens  der  hinteren  Mutter¬ 
mundslippe,  Frühstadium  eines  Hornkrebses  mit  invertierendem 
Charakter  an  der  vorderen  Muttermundslippe. 

13.  Das  Endotheliom  der  Zervix  ist  selten  (unter  67 
Fällen  nur  1  mal).  Es  breitet  sich  plexiform  aus,  besitzt  nicht  immer 
eine  Kapsel,  wie  das  behauptet  wurde,  und  kann  äusserst  bösartig 
werden.  Parametrien,  Drüsen  und  Tuben  sind  miterkrankt.  Das 
Oberflächenepithel  ist  überall  vollkommen  intakt. 

14.  Der  Versuch,  aus  der  Betrachtung  des  histo¬ 
logischen  Bildes  nach  Probeexzision  oder  Probekürettement 
weitergehende  klinisch  verwertbare  Rückschlüsse  auf  Charakter, 
Ausgangspunkt,  Verbreitungsart  und  damit  auf  die 
grössere  oder  geringere  Malignität  der  Neubil¬ 
dung  zu  ziehen,  muss  als  gescheitert  angesehen  werden.  Der 
Satz,  das  Zervixkarzinom  sei  als  die  schlimmste  Form  anzusehen, 
kann  daher  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden.  Man  begegnet 
umschriebenen  Portiokrebsen  mit  rascher  Ausbreitung  auf  Para¬ 
metrien  und  Drüsen  und  ausgedehnten  Zervixkarzinomen  ohne  irgend 
welche  Beteiligung  des  Beckenbindegewebes  und  der  pelvinen 
Drüsen.  (Gekürztes  Autoreferat.) 

Herr  J.  S  c  h  o  1 1 1  a  e  n  d  e  r  -  Heidelberg:  Zur  Histologie  und 
Histogenese  des  Uteruskarzinoms  mit  besonderer  Berücksichtigung 
metaplastischer  Vorgänge. 

Vortr.  ist  bei  der  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  v.  Rosthorn 
vorgenommenen  Untersuchung  von  80  Uteruskarzinomen  (darunter 
2  Vaginalkarzinomen)  zu  folgenden  Ergebnissen  gekommen. 

In  vieler  Beziehung  wichtiger  und  im  Gebiet  des  Kollums  häufiger 
als  die  Drüsenkrebse  scheinen  ihm  diejenigen  zu  sein,  welche  von 
dem  präexistenten  oder  bei  der  Erosionsheilung  wieder  neu  ent¬ 
standenen  Plattenepithel  der  Portio  und  dem  metaplastisch  verän¬ 
derten  Deckepithel  der  Gebärmutterinnenfläche  ausgehen. 

An  der  Portio  entstehen  vermutlich  (vergl.  Amann)  die  meisten 
Krebse  gelegentlich  der  Erosionsheilung.  Da  sich  nun  im  Zervikal¬ 
kanal  mutatis  mutandis  genau  derselbe  und  zwar  vermutlich  meist 
erst  im  späteren  Alter  entzündlich  bewirkte  Grenzkampf  zwischen 
Zylinder-  und  Plattenepithel  abspielt  wie  an  der  Portio,  wobei  das 
Plattenepithel  als  das  stärkere  gewöhnlich  den  Sieg  davonträgt,  so 
gelangt  Vortr.  zu  dem  Wahrscheinlichkeitsschlusse,  dass  auch  hier 
sehr  häufig  eine  gewisse  Prädisposition  zur  Entstehung  eines  Deck¬ 
epithelkrebses  geschaffen  wird,  die  nicht  folgen  braucht,  aber  fast 
zweifellos  folgen  kann.  Unter  Zugrundelegung  dieser  Erfahrungen 
namentlich  auch  eines  in  seinem  Besitze  befindlichen  Bildes  von 
höchst  wahrscheinlich  atypischem  Tiefenwachstum  des  meta¬ 
plastischen  Zervixepithels  bei  Adnextuberkulose  (gleichzeitig  Ver¬ 
dacht  auf  Zervixtuberkulose!)  glaubt  Vortr.  berechtigt  zu  sein,  bei 
einigen  der  untersuchten  Fälle  beginnende  Zervixdeckepithelkarzi- 
nome  anzunehmen. 

Im  Corpus  uteri  scheinen  die  vom  zuvor  metaplasierten  Deck¬ 
epithel  ausgehenden  Krebse  weitaus  seltener  zu  sein. 

Sowohl  bei  Portio-  wie  bei  Zervix-  bezw.  Kollumkarzinomen  ist 
ein  flächenhaftes,  nach  dem  nächst  höheren  Abschnitt  gerichtetes 
Wachstum  unbedingt  zuzugeben.  Es  gibt  ferner  flächenhaft  abwärts 
wachsende  Korpuskarzinome,  die  sich  histologisch  nicht  immer  scharf 
von  den  aufwärts  wachsenden  Kollumkarzinomen  unterscheiden 
lassen. 

Vortr.  ist  der  Ansicht,  dass  es  schwerlich  immer  nur  bei  der 
passiven  Abhebung  des  anstossenden  unveränderten  Epithels  bleibt. 
Eine  Reihe  seiner  Bilder  sprechen  ihm  vielmehr  für  die  Möglichkeit, 
dass  iim  Gegensatz  zu  der  jetzt  fast  allgemein  anerkannten  Lehre 
die  zur  Krebsentstehung  führende  Noxe  teils  kontinuierlich,  teils 
diskontinuierlich  wirkend  auch  das  benachbarte  oder  etwas  entfernter 
liegende  Oberflächenepithel  zu  selbständiger  Teilnahme  an  der  Krebs¬ 
bildung  veranlasst,  so  dass  es  sich  nicht  immer  um  ein  eigentlich 
plurizentrisches  Auftreten  der  Geschwulst  handeln  würde. 

Gleich  wie  in  der  genannten  Weise  nach  oben,  so  scheinen  sich 
nun  Zervixkrebse  auch  z.  T.  flächenhaft  nach  unten,  Portiokrebse  nach 
aussen  und  ferner  ihrerseits  nach  oben  auf  die  Zervixschleimhaut  ver¬ 
breiten  zu  können.  Vortr.  legt  Bilder  vor,  die  ihm  diesen  Modus  des 
Wachstums  wahrscheinlich  machen. 

Das  eben  erwähnte  flächenhafte  Wachstum  der  Kollumkarzinome 
mit  gleichzeitiger  Erkrankung  der  mehr  oder  weniger  benachbarten 
Epithelpartien  ist  für  Vortr.  der  erste  Grund,  welcher  gegen  eine 
durchaus  scharfe  Sonderung  der  in  vielen  Fällen  natürlich  auch  durch¬ 
aus  typisch  wachsenden  Portio-  und  Zervixkarzinome  spricht. 

Der  zweite  in  demselben  Sinne  zu  verwertende  Grund  ist,  dass 
sich  Portio-  und  Zervixoberfläche  bei  beginnender  Karzinombildung. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1343 


histologisch  völlig  gleichartig  darstellen,  so  dass  eine  Aussage,  ob 
Portio-  oder  Zervixkarzinom  meist  unmöglich  sein  wird.  Es  scheint 
jedenfalls  nicht  angängig,  die  sogen.  Uebergangsepithelkrebse  wie  es 
bisher  geschehen  ist,  ohne  Weiteres  den  Portiokarzinomen  anzu¬ 
reihen. 

Endlich  ist  drittens  entgegen  der  in  der  Gynäkologie  vielfach 
noch  herrschenden  Lehre  nicht  recht  einzusehen,  warum  ein  bei  der 
Erosionsheilung  entstehendes  Portiokarzinom  infolge  fortgesetzten 
Tiefenwachstums,  welches  gegenüber  dem  Flächenwachstum  stets 
viel  wichtiger  erscheint  und  ausgedehnter  bleibt,  nicht  auch  bis  in  das 
Korpusparenchym  gelangen  könnte. 

Vortr.  zeigt  dann  noch  einige  Bilder,  welche  die  Unvollkommen¬ 
heit  der  bisherigen  Klassifikation  der  Karzinome  illustrieren  sollen, 
ferner  Bilder,  die  für  einen  degenerativen  Zerfall  und  Ausfall  der 
Krebszellen  (Selbstheilung!)  in  Lymphdriisenkarzinomen  sprechen, 
endlich  ein  Bild  von  Kombination  eines  Kollumkarzinoms  mit  Zervix- 
tuberkulose.  (3  sichere  Fälle  beobachtet!) 

Herr  K  r  o  e  m  e  r  -  Giessen  demonstriert  eine  Reihe  mikro¬ 
skopischer  Präparate  (mit  Skioptikon),  welche  die  von  Pfannen- 
stiel  und  dem  Vortragenden  angestrebte  Verwertung  des  histo¬ 
logischen  Bildes  für  die  klinisch  operative  Indikationsstellung  erläu¬ 
tern  sollen.  Besondere  Aufmerksamkeit  schenkt  Kr.  den  Tumoren, 
welche  der  eine  als  Endotheliom,  der  andere  als  Karzinom  bezeichnet 
—  die  also  als  noch  zweifelhafter  Abkunft  gelten  müssen.  Klinisch 
deckt  sich  der  Befund  mit  dem  von  Pfannenstiel  geprägten  Wort 
des  weichen  Tumors.  Bei  ihnen  sind  Drüsen  mit  Sicherheit  als  infiziert 
zu  erwarten.  Die  vom  Vortragenden  gewählten  Belegfälle  zeigen  in 
den  einzelnen  Teilen  verschiedene  Strukturbilder,  die  bald  dem 
alveolären  Karzinom,  bald  dem  sog.  Peritheliom,  bald  dem  Fibrosar- 
kom  gleichen. 

Herr  K.  Hörmann  -  München:  Zur  Histologie  des  Binde¬ 
gewebes  im  Ovarium.  (Mit  Demonstrationen.) 

Es  wurden  fötale,  kindliche,  geschlechtsreife  und  senile  Ovarien 
mit  einer  von  Bielschowsky  angegebenen  Silberimprägnations¬ 
methode,  welche  sich  vorzüglich  zur  Darstellung  des  zarten  fibrillären 
Stützgewebes  eignet,  untersucht.  Die  Menge  und  Verteilung  der 
Fasern  wird  an  Ovarien  aus  verschiedenen  Entwicklungsphasen  de¬ 
monstriert.  Besonders  hervorzuheben  ist,  dass  sich  mit  der  B  i  ei¬ 
se  h  o  w  s  k  y  sehen  Methode  in  der  Tunica  interna  wachsender 
Follikel  ein  ausserordentlich  feines  Fasergerüst  nachweisen  lässt, 
das  die  einzelnen  Zellen  dieser  Schicht  mit  seinen  Maschen  umspinnt. 
An  der  Grenze  gegen  die  Granulosa  geht  dieses  zarte  Fasergerüst 
in  eine  flächenhafte,  dünne,  kontinuierliche  Faserausbreitung 
(Grenzfaserschicht)  über,  welche  nach  den  Untersuchungen 
des  Vortragenden  identisch  ist  mit  der  „strukturlosen“  Grenzmem¬ 
bran  (M.  propria,  basilaris.  Grenzhaut  etc.)  der  Autoren.  Diese 
Grenzmembran  ist  also  nicht  homogen,  sondern  besteht  aus  einem 
dicht  verflochtenen  Filz  feinster  Fasern.  Mit  der  Bielschowsky- 
schen  Methode  konnte  auch  nachgewiesen  werden,  dass  die  an  atre- 
sierenden  Follikeln  auftretende  „G  1  a  s  h  a  u  t“  sich  allmählich  aus 
der  an  normalen  Follikeln  vorhandenen  zarten  Grenzfaserschicht 
durch  Quellung  und  (wahrscheinlich)  hyaline  Degeneration  der  Fasern 
umbildet. 

Die  Basalmembran  normaler  Follikel  und  die 
Glashaut  atretischer  Follikel  sind  also  entgegen 
der  bisher  herrschenden  Ansicht  der  Autoren 
nur  verschiedene  Erscheinungsformen  derselben 
Bildung  in  verschiedenen  Entwicklungsstadien. 

Besonders  instruktive  Bilder  liefert  ferner  die  Biel¬ 
schowsky  sehe  Methode  von  dem  zarten,  ausserordentlich  reich 
verzweigten  Fasergerüst  in  der  Luteinzellenschicht  des  gelben  Kör¬ 
pers.  Jede  einzelne  Lutein  zelle  wird  von  feinen 
Fasern  eng  umsponnen.  Betreff  aller  Einzelheiten  sei  auf 
die  ausführliche  Schilderung  der  Methode  und  der  damit  erzielten  Re¬ 
sultate  im  Archiv  f.  Gynäkol.,  Bd.  82,  1907  verwiesen.  (Autoref.) 

Herr  Ludwig  S  e  i  t  z  -  München:  Intrakranielle  Blutungen  Neu¬ 
geborener. 

Vortragender  erläutert  an  der  Hand  horizontaler  und  frontaler 
Gefrierschnitte  durch  den  Schädel  von  6  Neugeborenen  die  Verteilung 
und  den  Sitz  grösserer  intrakranieller  Blutungen  bei  Neugeborenen. 
Die  Blutungen  entstehen  bei  etwa  einem  Fünftel  aller  Fälle  nach  leich¬ 
ten  und  spontanen  Geburten  Erst-  und  Mehrgebärender,  bei  den 
übrigen  handelt  es  sich  um  schwierige  oder  künstlich  beendigte  Ge¬ 
burten.  Die  Blutergüsse  sitzen  mit  seltenen  Ausnahmen  subdural, 
die  Kinder  können  tagelang  am  Leben  bleiben  und  weisen  dann  ver¬ 
schiedene  Hirndrucksymptome  auf,  durch  die  man  in  der  Regel  in  der 
Lage  ist,  den  Sitz  der  Blutung  bereits  intra  vitam  zu  diagnostizieren. 

Bei  den  Blutungen  über  dem  Kleinhirn  (infratentoriale 
Blutungen)  sind  die  Kinder  in  der  Regel  anfänglich  ruhig,  nehmen 
Nahrung  zu  sich,  dann  treten  Störungen  der  Atmung  (Zyanose,  un¬ 
regelmässige  Atmung,  Atemkrämpfe)  und  schliesslich  durch  Aus¬ 
bildung  eines  kollateralen  Oedems  der  Grosshirnhemisphären  all¬ 
gemeine  Konvulsionen  auf;  die  Kinder  erliegen  meist  am  2.  bis 
3.  Tage. 

Bei  den  Blutungen  über  dem  Grosshirn  (supratentoriale 
Blutungen),  die  meist  unilateral  sind,  bestehen  ausser  den  all¬ 
gemeinen  Hirndrucksymptomen  (Unruhe,  Schreien,  Nahrungsver¬ 
weigerung  im  Initialstadium,  Koma,  unregelmässige  Atmung,  Unregel¬ 
mässigkeit  des  Herzschlags,  manchmal  Bradykardie,  vasomotorische 


Störungen  im  Reizstadium)  ausgesprochen  einseitige  Herd¬ 
symptome  (Fazialisparese,  Spasmen  der  kontralateralen  Ex¬ 
tremitäten,  Steigerung  der  Reflexe  auf  der  kontralateralen  Seite  etc.), 
die  den  Sitz  der  Blutung  feststellen  lassen. 

Bei  Mischblutungen  (supra-  und  infratentorialen  Blu¬ 
tungen)  sieht  man  eine  Kombination  der  Symptome  der  beiden  erste- 
ren  Arten. 

Bei  Grosshirnblutungen  mit  zunehmenden  Hirndruck¬ 
erscheinungen  könnten  durch  Trepanation  wohl  manche  Kinder,  die 
sonst  sicher  erliegen,  gerettet  werden.  Ein  von  dem  Vortragenden 
operiertes  Kind  erlag  10  Stunden  nach  dem  Eingriff  der  die  Gross¬ 
hirnblutung  komplizierenden  Blutung  über  dem  Kleinhirn.  Das  supra¬ 
tentoriale  Hämatom  konnte  durch  den  Eingriff  fast  vollständig  ent¬ 
fernt  werden.  (Erscheint  ausführlich  im  Archiv  f.  Gynäkol,  Bd.  82.) 

Herr  Jung-  Greifswald  spricht  über  ein  junges  menschliches 
Ei  von  2,5  : 2,2  :1mm,  nach  denen  von  Leopold,  Peters  und  Graf 
S  p  e  e  das  jüngste.  Es  wurde  völlig  unverletzt  von  Jung  durch 
Curettage  gewonnen,  lebenswarm  in  80  proz.  Alkohol  fixiert  und  in 
Serien  geschnitten  von  Dr.  M  ü  1 1  e  r  -  Wiesbaden.  Die  Konser¬ 
vierung  ist  eine  vorzügliche,  was  an  der  tadellosen  Erhaltung  der 
Fötalanlage  und  den  sehr  zahlreichen  Mitosen  erkennbar  ist.  An 
der  Hand  einer  Reihe  von  Skioptikonbildern  schildert  Jung  die  Art 
der  Einbettung  des  Eies  und  das  Verhalten  der  fötalen  zu  den 
maternen  Elementen.  Die  das  Ei  umgebenden  Zotten  sind  von  Grund- 
und  Deckenschicht  überkleidet;  erstere  bildet  an  den  Zottenspitzen 
grosse  Zellsäulen,  welche  bis  tief  ins  mütterliche  Gewebe  eindringen. 
Auch  die  Deckschicht  bildet  grosse  Komplexe  und  Züge  bis  tief  in 
die  Umlagerungszone  hinein.  Das  Zottenstroma  ist  noch  völlig  ge- 
fässlos.  Rings  um  das  Ei  herum  finden  sich  überall  im  maternen  Ge¬ 
webe  Partien  in  fibrinöser  Degeneration,  stellenweise  sind  grössere 
Gewebsteile  in  Auflösung  begriffen,  so  dass  eine  phagozytäre  Wir¬ 
kung  der  fötalen  auf  die  maternen  Zellen  evident  erscheint.  An  zahl¬ 
reichen  Stellen  sind  materne  Gefässe  von  den  fötalen  Elementen  er¬ 
öffnet,  so  dass  dass  mütterliche  Blut  in  den  .intervillösen  Raum  ein¬ 
getreten  ist,  den  es  erfüllt.  Ein  Uebergang  des  Endothels  der  ma¬ 
ternen  Gefässe  in  das  Synzytium  ist  nirgends  nachweisbar.  Für  die 
Annahme  der  Herkunft  des  Synzytiums  von  der  Grundschicht  des 
Zottenepithels  liefert  das  Objekt  insoferne  eine  weitere  Stütze, 
als  eine  Anzahl  Mitosen  der  Grundschicht  ihre  Tochterzellen  in  das 
Synzytium  hineinschiebt,  also  anzunehmen  ist,  dass  auf  diese  Weise 
eine  Vermehrung  des  Synzytiums  von  der  Grundschicht  aus  statthat. 
Die  Umlagerungszone  bietet  die  bekannten  Bilder  der  ödematösen 
und  hämorrhagischen  Durchtränkung  mit  Quellung  der  Zellen.  Sie 
umzieht  das  ganze  Ei,  auch  an  der  Oberfläche,  ein  Gewebspilz  im 
Sinne  von  Peters  ist  nicht  mehr  vorhanden.  Auf  der  obersten 
freien  Kuppe  der  Umlagerungszone  fehlt  das  Oberflächenepithel,  sonst 
ist  es  wohlerhalten.  Die  Stromazellen  der  Dezidua  sind  noch  nicht 
völlig  ausgebildet,  die  Drüsen  zeigen  das  für  die  Schwangerschaft 
bekannte  Bild. 

Herr  Franz- Jena  spricht  zur  Entwicklung  des  Beckens.  Er 
hat  männliche  und  weibliche  Lämmer  von  14  Tagen  kastriert  und 
weiblichen  Lämmern  den  Uterus  weggenommen.  2  Jahre  später 
wurden  die  Tiere  geschlachtet,  deren  Becken  demonstriert  werden. 
Die  Becken  der  männlichen  und  weiblichen  Kastraten  sind  einander 
ähnlich  und  sie  sind,  die  einen  wie  die  anderen  verschieden  vom 
normalen  männlichen  und  weiblichen  Typus.  Die  ausgesprochenen 
Geschlechtsunterschiede  fehlen  ihnen.  Aus  den  Beckenformen  ist 
mit  Wahrscheinlichkeit  zu  schliessen,  dass  die  Keimdrüsen  die  end¬ 
gültige  Form  des  Beckens  bedingen.  Die  Entfernung  des  Uterus 
scheint  auf  die  Beckenform  keinen  Einfluss  zu  haben. 

Herr  A.  Theilhaber:  Die  Variationen  im  Bau  des  normalen 
Endometrium  und  die  chronische  Endometritis. 

Ausgehend  von  früheren  Untersuchungen  hat  Th.  die  Verände¬ 
rungen  der  Mucosa  Uteri  untersucht  und  schliesst  folgendes: 

Aus  der  Menge  der  Drüsen,  aus  ihrer  Form,  aus  ihren  Ver¬ 
ästelungen  usw.  kann  entgegen  den  bisherigen  Anschauungen  ein 
Schluss  auf  den  entzündlichen  Zustand  der  Schleimhaut  nicht  gezogen 
werden. 

Die  Atrophie  der  Drüsen  und  Verbreiterung  des  Zwischenge¬ 
webes  (Endometritis  mterstitialds  und  Endometritis  atrophicans) 
findet  sich  in  Wirklichkeit  sehr  häufig  bei  ganz  gesunden  Frauen  als 
physiologischer  Altersprozess. 

Dagegen  findet  man  bei  gonorrhoischen  Endometritiden  häufig 
Anhäufung  von  Rundzellen.  Es  ist  also  ein  Zusammenhang  zwischen 
Rundzellenanhäufung  und  Endometritis  gonorrhoica  nicht  zu  be¬ 
zweifeln.  Gleiche  Rundzellenanhäufung  findet  sich  auch  häufig  bei 
Ausschabungen,  die  einige  Zeit  nach  Ablauf  eines  Abortes  vorge¬ 
nommen  worden  waren. 

Es  gibt  also  2  Formen  von  Ausfluss: 

1.  der  durch  Gonorrhöe  bedingte,  bei  dem  sich  eine  interstitielle 
Endometritis  häufig  nachwei'sen  lässt;  bei  dem  sich  häufig  reichliche 
Anhäufung  von  Rundzellen  im  Bindegewebe  findet; 

2.  der  nicht  durch  Gonorrhöe  bedingte  Ausfluss  lässt  an  der  aus¬ 
geschabten  Schleimhaut  häufig  keine  pathologischen  Verände¬ 
rungen  erkennen.  Er  ist  meist  Folge  von  Störungen  in  der  Zirkulation 
(Folge  von  chronischer  Metritis,  Insufficientia  uteri,  Exzessen  in 
venere,  psychischen  Erregungen,  mangelhafter  Zirkulation  infolge  von 
Bleichsucht,  Anämie  z.  s.  f.) 


1344 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Abnorme  Blutungen  kommen  wohl  manchmal  zustande  durch 
partielle  polipöse  Hyperplasien  der  Schleimhaut,  Adenome  usw.,  aber 
nicht  durch  diffuse  Entzündungen  der  Mukosa.  Sie  sind  hervorge¬ 
rufen  durch  chronische  Metritis,  Insuffizienz  des  Uterus,  Störungen 
der  Zirkulation  im  Uterus  usw.  Dass  die  sogenannte  Sklerose  der 
Uterusarterien  meist  ein  physiologischer  Prozess  ist,  hat  Th.  in  seinen 
Arbeiten  über  präklimakterische  Blutungen  längst  nachgewiesen. 

Herr  Henkel:  Zwei  Präparate  von  interstitieller  Gravidität. 

Im  ersten  handelte  es  sich  um  eine  Schwangerschaft  im  5.  Monat 
mit  akuter  Berstung  und  Verblutungsgefahr.  Das  ganze  Eibett  musste 
exzidiert  werden,  da  es  sich  im  Präparat  um  partielle  Blasenmole 
handelte.  Glatte  Heilung. 

Im  Fall  2  war  die  Gravidität  in  der  6.  Woche  abgestorben,  das 
Eibett  infiziert  und  partiell  vereitert.  Bei  der  Operation  mussten 
ausgedehnte  Verwachsungen  mit  verschiedenen  Darmschlingen  ge¬ 
löst  werden,  das  Netz  wurde  zum  Teil  reseziert  und  der  Wurmfort¬ 
satz,  der  fest  mit  dem  Präparat  verwachsen  war,  mit  entfernt  —  seine 
Schleimhaut  erwies  sich  als  völlig  intakt.  Die  Infektion  hatte  ihren 
Weg  durch  die  Uerushöhle  genommen.  Vor  der  Einlieferung  in  die 
Klinik  war  die  Frau  anderweitig  wegen  Blutung  kiirettiert,  danach 
übelriechender  Ausfluss.  Glatte  Heilung. 

Herr  P  o  1  a  n  o  -  Würzburg  demonstriert  Zeichnungen  von: 

1.  Uterusvorfall  bei  einem  Neugeborenen  mit  Spina  bifida. 

2.  Eine  Vakzineinfektion  der  äusseren  Genitalien  durch  Ueber- 
tragung  von  Impfpusteln  am  Oberarm  bei  einem  11jährigen  Mädchen. 

3.  Eine  modifizierte  W  e  r  t  h  e  i  m  sehe  Klemme  für  die  abdo¬ 
minale  Totalexstirpation.  Dieselbe  umschliesst  die  ganze  Scheide 
und  wird  mit  ihren  langen,  vorne  konkav  gekrümmten  Branchen  nach 
Art  einer  Zange  einzeln  angelegt.  Der  feste  Verschluss  wird  durch 
die  langen  Hebelarme  garantiert. 

Herr  Füth-Köln:  Zur  Entstehung  des  schiefen  Beckens  nach 
Oberschenkelamputation.  (Demonstration  von  Röntgenbildern.) 

Es  handelt  sich  um  eine  18  jährige  Patientin,  der  im  18.  Lebens¬ 
jahre  der  durch  Ueberfahrenwerden  zerquetschte  rechte  Ober¬ 
schenkel  amputiert  wurde.  An  der  Photographie  in  Rückenansicht 
sieht  man  die  leichte  Skoliose  der  Lendenwirbelsäule,  das  Herunter¬ 
hängen  der  rechten  Beckenhälfte,  das  Tiefstehen  der  rechten  Darm¬ 
beinschaufel  und  der  rechten  Spina  post  sup.  Von  den  Becken¬ 
massen  sei  erwähnt,  dass  der  rechte  äussere  schräge  Durchmesser 
(19  cm)  um  2  cm  kürzer  ist  als  der  linke  (21cm).  Die  Röntgen¬ 
aufnahme  zeigt  die  Schrägheit  und  Asymmetrie  des  Beckeneingangs, 
die  Verschiebung  des  Kreuzbeins,  die  Ungleichheit  der  Foramina  ob- 
turatoria,  die  Atrophie  der  rechtsseitigen  Beckenknochen  und  die 
eigentümliche  Form  der  rechten  Symphysenhälfte.  Eine  2.  Aufnahme 
zeigt  die  Skoliose  der  Lendenwirbelsäule  und  eine  Verdrehung  der¬ 
selben  in  dem  Sinne,  dass  die  Proc.  transversi  links  mehr  nach 
vorne  gedreht  sind. 

Herr  Zangemeister  zeigt  einen  neuen  Gefrierschnitt  aus 
der  Austreibungszeit  (Uterusruptur  bei  verschleppter  Ouerlage,  Fron¬ 
talschnitt). 

Die  29  jährige  I.  Para  starb  unentbunden,  nachdem  mehrere 
Wendungsversuche  etc.  gemacht  worden  waren. 

An  der  Hand  von  Abbildungen  wird  gezeigt,  wie  die  Natur  aus 
dem  quergelegenen  iKnd  ein  gebärfähiges  Objekt  formiert  hat.  Der 
vorangehende  Kindesteil  ist  zugespitzt,  die  Eruchtachse  verkleinert. 

Im  Geburtskanal  zeigt  sich  eine  starke  Ueberdrehung  der  Zervix; 
der  C.  R.  springt  stark  nach  innen  vor,  namentlich  rechts  über 
der  Ruptur.  Die  Retraktion  des  Uterus  ist  eine  sehr  starke;  nur 
%  des  Kindesvolumens  liegt  noch  im  Hohlmuskel,  %  in  tieferen 
Teilen. 

Zwei  seitliche  Längsrisse  durchsetzen  die  Zervix,  der  weit 
grössere  rechts  geht  bis  an  die  Beckenwand  und  hat  oben  auch 
das  Peritoneum  ergriffen.  Die  Längsrisse  werden  auf  die  ärztlichen 
Entbindungsversuche  zurückgeführt,  während  der  Peritonealriss  erst 
später  infolge  zunehmender  Retraktion  des  Uterus  entstanden  sein 
muss,  kurz  ante  mortem. 

Herr  Orthmann  demonstriert: 

1.  Einen  Fall  von  instrumenteller  Uterusperforation  bei  Abort¬ 
ausräumung.  34  jährige  III.  Para;  Abort  im  4.  Monat;  Versuch  einer 
Ausräumung  mit  stumpfer  Schleifenkürette  und  Fingerperforation  der 
vorderen  Uteruswand  in  der  Höhe  des  inneren  Muttermundes;  Her¬ 
vorziehen  des  Netzes  mit  der  Kürette;  Abreissen  einess  81cm  langen 
Stückes  Dickdarm  mit  den  Fingern. 

Coeliohernia  mediana:  Resektion  des  Darmes  und  Naht;  Ent¬ 
fernung  von  Fötus  und  Plazenta  aus  dem  rechten  Ligament;  Total¬ 
exstirpation  des  Uterus  mit  den  rechten  Adnexen.  Am  4.  Tage  Exitus 
an  Peritonitis. 

Es  ist  dies  der  dritte  derartige  Fall,  den  O.  operiert  hat;  die 
beiden  ersten  Fälle  sind  genesen. 

2.  Einen  Fall  von  Plattenepithelkarzinom  der  Tube. 

51jährige  II.  Para;  Menses  unregelmässig  und  stark;  seit  6 

Wochen  starke  Schmerzen.  Diagnose:  Multiple  Uterusmyome. 

Versuch  einer  vaginalen  Totalexstirpation  scheitert  an  den  aus¬ 
gedehnten  Verwachsungen;  daher  abdominale  Uterusexstirpation  mit 
den  Adnexen;  Heilung. 

Am  Uterus  multiple  subseröse  Myome;  links  Sactosalpinx  serosa. 
Rechte  Tube  stark  verdickt,  in  ganzer  Länge  in  einen  soliden  Tumor 
umgewandelt;  Lumen  klein,  spaltförmig;  Tube  mit  dem  Fundus  uteri 
fest  verwachsen. 


Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  neben  ausgedehnten  ent¬ 
zündlichen  Veränderungen  eine  direkte  Umwandlung  des  Zylinder- 
epithels  in  typisches  Plattenepithel  sowohl  an  der  Oberfläche,  als  auch 
in  der  Tiefe  der  Schleimhautfalten;  daneben  grössere  derbe  Knoten 
aus  grosen  Plattenepithelzellen  mit  charakteristischen,  konzentrisch 
geschichteten  Epithelperlen. 

Herr  v.  F  r  a  n  q  u  e  -  Prag:  Zur  Nekrose  und  Vereiterung  der 
Myome. 

Demonstration  von  2  nekrotischen  Myomen,  welche  ohne  Ver¬ 
eiterung  oder  Verjauchung  allein  durch  die  ausgelösten  Uteruskon¬ 
traktionen  in  das  Peritoneum  und  in  das  Parametrium  durchgebrochen 
sind.  Die  subfebrilen  Temperaturen  bei  nekrotischen  Myomen  hält 
Vortragender  bedingt  durch  Resorption  pyogener  Substanzen  aus  den 
Myomen.  Demonstration  eines  Myoms,  das  ein  Jahr  nach  der  Meno¬ 
pause  vereiterte,  wohl  durch  Infektion  auf  dem  Blutwege.  Genesung 
nach  abdominaler  Totalexstirpation  trotz  beginnender  Peritonitis. 
Vortragender  macht  darauf  aufmerksam,  dass  man  zum  mindesten 
bei  allen  weichen  Myomen  das  Einsetzen  von  Fassinstrumenten  bei 
der  Operation  vermeiden  soll,  weil  es  nicht  nur  bei  Vereiterung,  son¬ 
dern  auch  bei  eventueller  Nekrose,  sarkomatöser  Degeneration  oder 
ungewöhnlicher  Entwicklung  der  Blut-  und  Lymphgefässe  zu  einer 
nicht  gleichgültigen  Verunreinigung  der  Bauchhöhle  kommen  kann. 
(Erscheint  in  der  Prager  med.  Wochenschr.  1907.) 

Herr  V  e  i  t  -  Halle  a.  S. :  demonstriert: 

1.  drei  von  ihm  exstirpierte  Genitalschläuche,  von  dem  Hyme- 
nalring  ab  bis  zum  Fimbrienende.  Es  handelte  sich  um  primäres 
Scheidenkarzinom  und  um  Beteiligung  der  Scheide  bei  Zervixkarzi¬ 
nom.  Beginn  der  Operation  vulvar  bis  zum  Orificium  internum  ure- 
thrae,  dann  Zubinden  des  unteren  Stückes  der  Scheide  und  Vollen¬ 
dung  der  Operation  in  der  sonst  bei  Uteruskrebs  üblichen  Weise. 
Herausziehen  des  Präparates  durch  die  Bauchwunde.  Schluss  des 
Peritoneum  über  der  Beckenbindegewebswunde.  Heilung  der  3  Fälle 
von  dem  Eingriff. 

2.  einen  von  ihm  wegen  Zervixkarzinom  exstirpierten  Uterus;  es 

handelte  sich  um  eine  geringfügige  Veränderung  der  Portio,  die  kreis¬ 
rund  die  ganze  Portio  umgab  und  den  Verdacht  auf  Tuberkulose  er¬ 
weckte.  Dabei  waren  trotz  des  benignen  Aussehens  dieses  Ulcus 
rodens  schon  die  iliakalen  Drüsen  stark  verändert.  Pat.  genas. 

Dabei  weist  Vortr.  im  Anschluss  an  die  so  wertvolle  Mitteilung 
v.  Rosthorns  darauf  hin,  dass  Rüge  und  er  seinerzeit  nur  an 
vaginal  exstirpierten  Uteris  arbeiteten,  daher  an  beginnenden  Fällen, 
während  wir  dank  der  Fortschritte  der  Technik  jetzt  viel  weiter  vor¬ 
geschrittene  Fälle  kennen  gelernt  haben. 

Herr  Queisner  -  Bromberg:  Demonstration  eines  patho¬ 
logischen  Beckens. 

Das  Becken,  für  das  ein  Analogon  in  der  zur  Verfügung  stehenden 
Literatur  nicht  aufzufinden  war,  entstammt  einer  36  jährigen  Frau, 
die  4  mal  spontan  geboren  hatte,  letzte  Entbindung  am  6.  VII.  04. 
Im  August  1905  erkrankte  sie  an  einem  Bruch  des  Oberschenkels,  hat 
seit  3  Monaten  das  Bett  nicht  verlassen.  Sie  wurde  nach  3  tägiger 
Geburtsdauer  in  die  Klinik  gebracht.  Frucht  war  abgestorben.  Die 
Frucht  wurde  bei  einer  Conj.  vera  von  6  cm  mittelst  Klammern  und 
Kugelzangen  entwickelt.  Exitus  der  Frau  24  Stunden  post  part. 

Die  Sektion  ergab,  dass  das  Becken,  besonders  der  Becken¬ 
eingang  durch  Metastasen,  die  von  einem  Osteosarkom  des  rechten 
Oberkiefers  ausgingen,  verlegt  war. 

Es  ist  unmöglich,  mit  der  geballten  Faust  in  das  Becken  vorzu¬ 
dringen. 

Beide  Darmbeine,  insbesondere  das  linke  sind  mit  knolligen  rund¬ 
lichen  Tumoren  durchsetzt. 

An  den  Crist.  oss.  il.  im  Bereich  der  Spin.  ant.  sup.  sind  die 
Tumormassen  am  grössten.  Hier  befindet  sich  ein  Konglomerat  von 
mehreren  einzelnen  Tumoren  von  Haselnuss-  bis  fast  Hühnereigrösse. 

Die  Symph.  sacro-iliac.  sind  namentlich  an  der  linken  Seite  von 
grösseren  Tumormassen  durchsetzt  und  beträchtlich  aufgetrieben,  so 
dass  die  genannten  Symphysen  aufgetrieben  sind  und  deutlich 
schlottern. 

Eine  auffallend  starke  Durchsetzung  mit  den  gleichen  Tumor¬ 
massen  findet  sich  an  beiden  Schambeinen,  und  zwar  ist  am  meisten 
der  Ram.  horizontal,  und  der  Angulus  ergriffen,  so  dass  auch  die 
Symphys.  oss.  pub.  gesprengt  ist  und  ein  —  deutliches  Schlottern 
zeigt.  Der  Ram.  horizontal  ist  3  cm  dick. 

Auch  die  Man.  lateral,  des  Os  sacrum  sind  stark  verdickt  und 
so  brüchig,  dass  die  Spitze  des  Fingernagels  leicht  eindringen  kann. 

Durch  alle  diese  Tumormassen  ist  eine  starke  Verengerung  des 
Befckeneingangs  zustande  gekommen,  und  zwar  betrifft  diese  Verenge¬ 
rung  lediglich  die  Gegend  der  Lin.  innominata,  während  im  kleinen 
Becken  eine  wesentliche  Raumbeschränkung  nicht  ins  Auge  springt. 
Masse:  Spin.  29,  Crist.  28,5,  Conj.  diag.  7,5,  Conj.  vera  5,8  cm. 

Herr  Hof  bau  er:  Vortr.  bespricht  eine  kasuistische  Beobach¬ 
tung  von  Uterusperforation  infolge  hochgradiger  vakuoUker  und  fet¬ 
tiger  Degeneration  der  Muskulatur. 

Herr  G  a  u  s  s  -  Freiburg  i.  B.  demonstriert  zystoskopische  Bilder 
von  verschiedenartigen,  durch  das  Geburtstrauma  entstandenen  Ver¬ 
änderungen  und  Verletzungen  der  Blasenschleimhaut:  Oedem,  Gefäss- 
injektion,  Suggillationen  kleinerer  und  grösserer  Art,  Geschwür-  und 
Fistelbildungen  im  Entstehen,  im  Abheilen  und  nach  der  Heilung, 
charakteristische  Gestaltsveränderungen  nach  Hebosteotomie  und 
Symphysiotomie  (auch  im  Röntgenbilde)  finden  Berücksichtigung. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1345 


Herr  Mor  aller  demonstriert: 

1.  ein  Cystadenofibroma  vaginae  bei  bestehendem  Uterusfibrom. 

44  jährige  Frau  mit  Blutungen  und  Schmerzen  seit  über  5  Jahren. 
Im  oberen  Drittel  der  hinteren  Scheidenwand  eine  teils  aus  dicht  ge¬ 
lagerten  Läppchen,  teils  aus  plumpen,  papillenartigen,  bläulich-roten 
Exkreszenzen  bestehende  Neubildung,  welche  bereits  auf  die  Vorder¬ 
wand  des  Rektums  und  die  Basis  der  Lig.  lata  übergegriffen  hat. 
Histologisch:  verdicktes  Vaginalepithel  mit  drüsenartigen  Einsen¬ 
kungen,  mit  Zylinderepithel  ausgekleidete  Drüsen  und  Zysten  im 
subepithelialen  Gewebe.  Totalexstirpation  nach  Wertheim  mit 
Zurücklassung  von  Tumorresten  am  Rektum  im  Interesse  der  Ver¬ 
meidung  einer  Verletzung  des  letzteren.  Glatte  Heilung  unter  Ver¬ 
schwinden  jeder  Verdickung  an  der  Mastdarm-  und  Scheidenwand. 
Die  beschriebenen  drüsigen  Gebilde  finden  sich  in  der  hinteren  Zer- 
vixwand. 

2. einen  totalen  Scheiden-Gebärmutter-Vorfall  mit  ausgedehnter 
Karzinomentwicklung  auf  den  vorgefallenen  Scheidenwandungen. 

46  jährige  Frau,  ein  glatter  Partus  1884.  Auftreten  des  Vorfalles  vor 
3  Jahren,  2  Jahre  später  Geschwürsbildung  an  demselben.  Kinds¬ 
kopfgrosser  Tumor  mit  völliger  karzinomatöser  Zerstörung  der  pro- 
labierten  Scheidenwandungen  bis  auf  schmale  Streifen  intakter  Vagi¬ 
nalhaut  in  der  Zirkumferenz  des  Introitus.  Sagittalschnitt  durch  die 
Organe  des  kleinen  Beckens.  Blase  leicht  nach  abwärts  disloziert, 
vorderer  Douglas  sehr  tief,  hinterer  fehlt  ebenso  wie  der  Peritoneal¬ 
überzug  auf  dem  Fundus  und  der  Rückfläche  des  Corpus  uteri.  Uterus 
in  Retroversionsstellung.  Tuben,  Lig.  ovarii  propr.  und  Lig.  rotunda 
ausgezogen.  Leicht  geschwellte  Drüsen  entlang  der  Aorta,  von 
welchen  eine  Karzinomentwicklung  im  Innern  zeigt.  Dilatation  bei¬ 
der  Ureteren  und  beider  Nierenbecken,  Vergrösserung  der  rechten 
Niere.  Histologisch:  Plattenepithelkarzinom,  das  sich  auch  in  den 
äusseren  und  mittleren  Schichten  des  Uterus  und  im  Septum  urethro- 
vaginale  findet. 

Herr  O.  S  c  h  a  e  f  f  e  r  -  Heidelberg:  Mikroskopische  Demonstra¬ 
tionen  über  Anfangsstadien  der  Appendizitis  mit  Sekundärerschei¬ 
nungen  an  den  weiblichen  Genitalien. 

Trotz  2  bezw.  6 jähriger  Appendizitis  mit  zum  Teil  stürmischen 
Erscheinungen  ergab  die  Laparotomie  bei  2  Virg.  intactae  keine 
Adhäsionen  etc.,  wohl  .aber  Verdickung  der  Parietalserosa  und 
Hyperämie  und  Oedem  der  ganzen  r.  Bauchwandungen,  r.  Fossae  il., 
der  Proc.  verm.  bis  inkl.  r.  Adnexa  der  Genitalien.  Histologisch  war 
unerwarteterweise  das  Innenepithel  der  2  Proc.  verm.  völlig 
intakt,  hingegen  T  Le  f  e  n  Veränderungen:  Follikulitis  und  Lympli- 
driisenerweiterung  der  muskulären  Schicht  mit  stellenweisem  Vor¬ 
rücken  der  Rundzelleninfiltration  zwischen  die  glandulären  Elemente 
bis  zum  Oberflächenepithel. 

Diese  Funktionsstörungen  (bakterielle  Tiefenwirkung 
ohne  Exulzeration  des  Deckepithels  trotz  jahrelanger  Krankheit,  und 
Fernwirkung  bis  zu  den  Genitaladnexen)  sprechen  für  die  Eugen 
A  1  b  r  e  c  h  t  sehe  Ansicht  als  geschwächte,  aber  noch  nicht  ganz 
unterliegende  A  1  e  x  i  n  Wirkung  gegen  eindringende  Bakterien  im 
Lymphdriisenapparate  des  Wurmfortsatzes  und  seiner  Umgebung. 

Herr  Liepmann  demonstriert  ein  gynäkologisches  Phantom. 

Das  Aeussere  desselben  ist  aus  Papiermache,  die  Genitalorgane 
aus  Gummi,  der  durch  Aufblasen  mit  Luft  die  verschiedenen  Grössen¬ 
zunahmen  bei  Schwangerschaft,  Tumorbildung  und  Entzündung  der 
Adnexe  anzunehmen  vermag.  Durch  Anziehen,  bezw.  Erschlaffen  der 
Lig.  rot.  und  retrouterina  kann  man  die  verschiedenen  Lageverände¬ 
rungen  zur  Anschauung  bringen.  Die  Blase  ist  für  zystoskopische 
Untersuchungen  .eingerichtet. 

Das  Phantom  soll  einen  fühlbaren  Mangel  des  klinischen  Unter¬ 
richts  beseitigen,  indem  es  idem  Lehrer  die  Möglichkeit  gibt,  die 
klinisch  vorgestellten  Fälle  auch  den  nichttouchierenden  Hörern  pla¬ 
stisch  darzustellen.  Ebenso  kann  es  für  Studenten  und  Hebammen  zur 
Einübung  der  bimanuellen  Untersuchung  verwandt  werden.  Das  Mo¬ 
dell  ist  vom  medizinischen  Warenhaus  in  Berlin  hergestellt  worden. 
Eine  genaue  Beschreibung  erfolgt  im  Archiv  für  Gynäkologie. 

(Autoreferat.) 

Herr  Liepmann  demonstriert  eine  Reihe  von  lebenden  und 
toten  Karzinommäusen,  sowie  eine  Mäusefamilie,  deren  Eltern  immun 
waren.  Trotzdem  erkrankten  alle  an  Karzinom.  Aus  seinen  Unter¬ 
suchungen  leitet  L.  ebenso  wie  Michaelis  im  Gegensatz  zu 
Ehrlich  den  Schluss  ab,  dass  eine  wirksame  Immunisierung  der 
Mäuse  zur  Zeit  noch  nicht  möglich  ist.  Für  die  menschliche  Patho¬ 
logie,  glaubt  Vortr.,  sind  aus  diesen  Tierversuchen  nur  wenig  Schlüsse 
zu  ziehen.  Interessant  sind  die  pathologisch-anatomisch-mikroskopi¬ 
schen  Präparate,  die  zeigen  wie  ein  in  5.  Passage  noch  typisches  Kar¬ 
zinom  in  der  VIII.  Passage  den  Charakter  eines  Carcinoma  sar- 
comatodes  angenommen  hat.  (Autoreferat.) 

Herr  S  e  1 1  h  e  i  m  -  Düsseldorf :  Die  Einübung  der  Nachgeburts- 
operationen. 

Der  Lehrer  der  Geburtshilfe  soll  suchen,  den  Arzt  an  das  Gefühl 
der  Verantwortlichkeit  allmäh  lig  zu  gewöhnen.  Man  kann  das 
Lehrgeld  an  Menschenleben  verringern,  wenn  man  dem  Zweck  an¬ 
gepasste  Uebungen  am  Tier  machen  lässt. 

Um  die  Technik  der  vaginalen  Operationen  zu 
üben,  empfiehlt  S.  die  Kastration  der  Kuh,  die  auch  einen 
grossen  wirtschaftlichen  Nutzen  durch  die  Neigung  der  Kastraten 
zum  Fettansatz  verspricht.  Auch  der  natürliche  Vorgang 


der  Geburt  lässt  sich  für  Lehrzwecke  ausnutzen.  Wir  können  bei 
dem  „Kalben“  vieles  für  die  Ausübung  der  Geburtshilfe  beim  Men¬ 
schen  lernen.  Touchieren,  Herausleiten  von  kleinen 
Teilen,  Dammschutz  können  im  Prinzip  an  der  Kuh  geiibt 
werden.  Es  gibt  Gelegenheit  zur  Dammnaht.  Die  Inversion 
des  puerperalen  Uterus  bekommt  man  im  Stall  viel  häufiger 
zu  sehen  als  im  Kreissaal.  Die  tierische  Geburtshilfe 
könnte  ein  wichtiges  Bindeglied  zwischen  demHan- 
tieren  an  Kindsleichen  im  Lederphantom  und  den 
Manipulationen  im  Uterus  der  Frau  bilden. 

Am  deutlichsten  wird  man  den  Nutzen  der  tierischen  Geburts¬ 
hilfe  bei  den  Nachgeburtsoperationen  gewahr.  Die  ma¬ 
nuelle  Plazentarlösung  ist  grobmechanisch  bei 
Kuh  und  Mensch  nicht  sehr  verschieden.  Jedenfalls 
ist,  und  darauf  kommt  es  hier  allein  an,  der  Eindruck  für  das  Gefühl 
gleich.  Man  zieht  oder  drückt  eine  Gewebsmasse  von  einer  an¬ 
deren  ab. 

Der  Vorgang  gestaltet  sich  bei  der  Kuh  nur  viel  mannig¬ 
faltiger  und  schwieriger  als  beim  Menschen.  Man  muss  sich 
zunächst  in  einem  Gewirr  von  Eihäuten  mühsam  orientieren.  Statt 
einer  Plazenta  sind  bis  zu  hundert  zu  lösen.  Man  hat  die 
verschiedensten  Stadien  der  Lösung  nebeneinan¬ 
der:  festsitzende,  teilweise  und  vollständig  gelöste  Kuchen. 

Ich  halte  das  Zurechtfinden  im  Uterus  der  Kuh, 
das  Lösen  der  vielen  Plazenten  und  das  Anschlüs¬ 
sen  von  Resten  der  Plazenta  und  der  Eihäute  für 
sehr  lehrreich.  Eine  einmalige  Betätigung  im 
puerperalen  Uterus  der  Kuh  führt  alle  möglichen 
Eventualitäten  vor  Augen.  Wer  mit  Verstand  eine 
Viertelstunde  in  einem  Kuhuteirus  herumgearbei¬ 
tet  hat,  dürfte  mit  der  Materie  soweit  vertraut  sei  n, 
dass  er  sich  unter  allen  Umständen  in  der  Gebär¬ 
mutter  der  Frau  zurechtfindet.  Die  diagnosti¬ 
schen  und  technischen  Schwierigkeiten  sind  bei 
dem  Uebungsstück  sicher  grösser  als  im  Ernstfall. 

Die  Ausführung  von  Nachgeburtsoperationen  mit  Gummi¬ 
handschuhen  kann  nirgends  besser  eingeübt  werden. 

Das  neue  Lehrmittel  bedarf  wohl  kaum  eines  Wortes  der  Recht¬ 
fertigung.  .  .  Die  Kuh  hat  darunter  nicht  zu  leiden.  Die  in¬ 
takte  Epitheldecke  des  puerperalen  Uterus  schützt 
vor  der  Infektion.  Wer  sich  nach  den  üblichen  Vorschriften 
der  Plazentarlösung  beim  Menschen  richtet,  wird  sicher  keinen  Scha¬ 
den  tun. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  Juni  1907. 

Vorsitzender :  Herr  D  e  n  e  k  e. 

Demonstrationen: 

Herr  Michelsohn  demonstriert  einen  Fall  von  Hysterie  oder 
traumatischer  Neurose,  der  dadurch  bemerkenswert  ist,  dass  der 
25  jährige  Kranke  seit  einem  vor  Jahren  erlittenen  Trauma  nicht 
im  Stande  ist,  seinen  Kopf  aufrecht  zu  tragen,  wenn  er  ihn  nicht  mit 
der  Hand  festhält,  bezw.  den  Kopf  an  irgend  einem  Gegenstand  stützt. 
Stützapparate  Hess  der  Kranke,  der  durch  sein  Leiden  völlig  arbeits¬ 
unfähig  geworden  ist,  nicht  zu. 

Herr  H  o  m  e  y  e  r  stellt  einen  geheilten  Fall  von  isolierter  sub¬ 
kutaner  Zerreissung  des  Pankreas  vor.  Eine  Frau  war  von  einer 
Deichsel  in  den  Bauch  getroffen  und  wurde  mit  den  Zeichen  einer 
intraabdominalen  Blutung  ins  Altonaer  Krankenhaus  gebracht.  Dort 
wurde  lVa  Stunde  nach  dem  Unfall  die  Laparotomie  gemacht  und  eine 
vollkommene  Durchtrennung  des  Pankreas  konstatiert.  Heilung  mit 
Bestehenbleiben  einer  reichlich  sezernierenden  Pankreasfistel. 
Nach  langer  Behandlung  gelang  nach  den  von  Wohlgemuth  ge¬ 
gebenen  Vorschriften  die  Heilung  dieser  Fistel.  Die  Zahl  der  ge¬ 
heilten  Fälle  wird  damit  auf  5  vermehrt.  Vortr.  berichtet  über  die 
Sekretionsverhältnisse  des  abgerissenen  und  des  normalen  Pankreas¬ 
abschnittes. 

Herr  Kellner  demonstriert  aus  den  Alsterdorfer  Anstalten 
2  ausgeprägte  Fälle  von  (in  Norddeutschland  nicht  häufigem)  Kre¬ 
tinismus.  Beide  Kinder  zeigen  die  charakteristischen  Symptome. 
Im  Gegensatz  dazu  wird  ein  Fall  von  rhachitischein  Zwergwuchs 
gezeigt. 

Herr  K  ü  m  m  e  1 1  stellt  eine  Anzahl  von  Schädeloperationen  vor. 
1.  2  Fälle  von  Resektion  des  Ganglion  G  a  s  s  e  r  i.  2.  Fall  von  Ton- 
sillarkarzinom:  Unterbindung  der  Karotis,  Freilegung  der  Tonsille 
durch  einen  Wangenschnitt:  zirkuläre  Exstirpation  der  Tonsille  in 
toto.  2.  Von  den  Siebbeinzellen  ausgehender  grosser  knöcherner  Tu¬ 
mor  der  Nase.  Freilegung  der  Schädelbasis  durch  Durchsägung  bei¬ 
der  Alevolarprozessus. 

Herr  Paschen:  Demonstration  von  Ausstrichen  von  Variola 
und  verdünnter  Kinderlymphe. 

Bei  Färbung  mit  der  alten  Löf  fl  ersehen  Beize  und  Anilin¬ 
fuchsin  finden  sich  in  den  Ausstrichen  sehr  grosse  Mengen  gleich- 
mässig  gefärbter,  sehr  kleiner  Körperchen;  sie  ähneln  den  vom  Vor¬ 
tragenden  in  München  auf  der  Versammlung  der  Vorstände  der 


1346 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


deutschen  Impfanstalten  demonstrierten  Körperchen  (vgl.  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  49,  1906).  B  o  r  r  e  1  stellte  bei  Ausstrichen  von 
Taubenpocken,  die  in  derselben  Weise  gefärbt  waren,  ganz  analoge 
Körperchen  dar.  Vortragender  erinnert  an  die  Trachomarbeit  von 
Prowaczek  und  die  Arbeit  von  Babes  über  die  N  e  g  r  i  sehen 
Körperchen.  In  Menge  und  Grösse  entsprechen  obige  Körperchen 
denjenigen,  die  man  bei  Dunkelfeldbeleuchtung  von  Kinderlymphe 
sieht.  Wegen  der  Kleinheit  derselben,  weit  unter  der  Grösse  von 
Kokken,  ist  eine  Differenzierung  zurzeit  unmöglich;  immerhin  findet 
man  Teilungsstadien.  Kontrollversuche  von  Vehikeln  anderer  Pro¬ 
venienz  blieben  negativ. 

Vortrag  des  Herrn  J  o  II a  s  s  e:  Ueber  den  derzeitigen 
Stand  der  Röntgendiagnostik  bei  Magen-  und  Darinkrankheiten. 

(Erscheint  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Albers-Schönberg:  Für  die  rönt¬ 
genologische  Diagnostik  der  Magenkrankheiten  sind  sowohl  die 
Durchleuchtung  auf  dem  Schirm,  wie  das  Plattenverfahren,  heran¬ 
zuziehen.  Der  Schirmuntersuchung  kommt  besondere  Bedeutung  zu, 
da  verschiedene  Fragen,  wie  z.  B.  die  der  Peristaltik,  nur  durch  sie 
gelöst  werden  können.  Sehr  oft  ist  es  erwünscht,  die  auf  dem  Leucht¬ 
schirm  gesehenen  Bilder  sofort  zu  fixieren.  Dieses  ist  beim  Ueber- 
gang  des  Patienten  aus  der  vertikalen  Stellung  in  die  horizontale 
Lage,  da  sich  der  Befund  ändert,  oft  unmöglich,  infolgedessen  ist  die 
an  die  Durchleuchtung  unmittelbar  anzuschliessende  Aufnahme  in 
vertikaler  Stellung  zu  empfehlen.  Hierzu  dient  ein  von  ihm  zu¬ 
sammengestellter  Apparat,  mit  welchem  die  Durchleuchtung  und  Auf¬ 
nahme,  sowie  die  orthodiagraphischen  Ortsbestimmungen  schnell 
und  leicht  ausgeführt  werden  können.  Die  Höhenverstellung  der 
Lichtquelle  wird  durch  Bewegung  der  Röhre  erreicht,  alle  anderen 
Einstellungen  erfolgen  durch  Bewegungen  des  Patienten  mittels  eines 
auf  Schienen  laufenden,  in  verschiedenen  Richtungen  beweglichen 
und  drehbaren  Untersuchungsstuhles.  Die  Anordnung  der  Apparate 
gewährt  dem  Untersucher  Schutz  gegen  Bestrahlungen  und  gestattet 
eine  minutiöse  Abblendung.  Der  für  Untersuchungen  des  Abdomens 
wie  des  Thorax  eingerichtete  Stuhl  ist  in  den  Verhandlungen  der 
deutschen  Röntgengesellschaft  Bd.  3  publiziert.  (Demonstration.) 

Fortsetzung  der  Diskussion  wird  vertagt.  Werner. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  9.  April  1 907. 

Herr  Jo  blasse  demonstriert  einen  Fall  von  Tumor  der  Hypo¬ 
physis  cerebri. 

Der  junge  Mann  erblindete  im  Mai  1906  auf  dem  rechten  Auge. 
Atrophie  des  Nerv,  optic.  (Dr.  Franke).  Im  Oktober  1906  viel 
Kopfschmerz,  Schwindel.  Seit  Weihnachten  Verschlimmerung  der 
Symptome  und  zunehmende  Sehstörung  auch  auf  dem  linken  Auge. 
Bei  der  Aufnahme  (März  1907)  vollkommene  Erblindung,  Somnolenz, 
Kopfschmerz,  Atrophie  beider  Nervi  optic.  Lumbaldruck  350.  Die 
Diagnose  wurde  auf  einen  Tumor  an  der  Hirnbasis  gestellt  und 
Dr.  S  a  e  n  g  e  r  wies  auf  die  Möglichkeit  hin,  dass  es  sich  trotz  des 
Fehlens  von  Akromegalie  um  einen  Tumor  der  Hypophysis  handeln 
könne.  Einer  Röntgenuntersuchung  entzog  sich  Pat.,  indem  er  in  den 
letzten  Tagen  seines  nur  12  tägigen  Krankenhausaufenthaltes  in  De¬ 
lirien  verfiel. 

Die  Sektion  ergab  einen  kleinhühnereigrossen  Tumor  der  Hypo¬ 
physis,  der  durch  Zerfallen  des  Gewebes  im  Innern  eine  zystische  Be¬ 
schaffenheit  zeigte.  Mikroskopisch:  Hyperplasio  des  Hypophysis¬ 
gewebes. 

Die  Sella  turcic.  war  in  ausgedehnter  Weise  usuriert. 

Diskussion:  Herr  Franke  hat  den  Patienten  des  Herrn 
.1  o  1 1  a  s  s  e  früher  wegen  seines  Augenleidens  in  Beobachtung  ge¬ 
habt.  Der  Pat.  kam  im  Mai  1906  mit  einer  doppelseitigen  Optikus¬ 
atrophie,  rechts  Divergenz  und  weitere  lichtstarre  Pupille.  Rechts 
Sehen  bis  auf  Erkennen  von  Handbewegungen  erloschen,  links  Seh¬ 
schärfe  etwa  14,  Gesichtsfeld  ungleichmässig  konzentrisch  eingeengt, 
nasal  um  10 — 15°,  temporal  um  etwa  30 — 40°.  Pat.  gab  an,  dass  das 
„Schielen“  schon  bestanden  habe,  ehe  das  Sehen  schlechter  geworden 
sei.  Es  habe  sich  also  wohl  damals  schon  um  Parese  einzelner 
Okulomotoriusäste  gehandelt,  wie  das  bei  Hypophysistumoren  häufig 
beobachtet  sei.  Auch  einfache  Atrophie  des  Optikus  sei  in  50  Proz. 
der  Fälle  vorhanden.  Etwas  auffallend  sei  das  Verhalten  des  Ge¬ 
sichtsfeldes  zunächst  gewesen.  Klinisch  beobachte  man  in  der  über¬ 
wiegenden  Zahl  der  Fälle  temporale  Hemianopsie,  doch  sei  in  nicht 
ganz  14  der  zur  Sektion  gekommenen  Fälle  eine  konzentrische  Ge- 
sichtsfeldeinengung  vorhanden  gewesen.  Als  Ursache  derselben 
habe  sich  bei  der  Sektion  ergeben,  dass  der  Optikus  von  der  Ge¬ 
schwulst  gegen  den  Circulus  arteriosus  gedrängt  und  von  diesem 
umschnürt  sei. 

Fr.  fragt,  ob  bei  der  Sektion  des  Falles  vielleicht  auf  diese  Fälle 
geachtet  sei. 

Späterhin  habe  übrigens  die  Gesichtsfeldeinengung  temporal  sehr 
erheblich  zugenommen,  so  dass  das  Gesichtsfeld  dem  Typus  des 
hemianopischen  sich  genähert  habe. 

Pat.  blieb  dann  längere  Zeit  weg  und  Fr.  'sah  ihn  erst  im  Januar1 
1907.  Das  rechte  Auge  war  Völlig  erblindet,  auf  dem  linken  wurden 


nur  noch  Finger  in  nächster  Nähe  gezählt.  Als  Pat.  sich  wieder  vor¬ 
stellte,  fiel  Fr.  auf,  dass  derselbe  sehr  viel  dicker  geworden  sei  und 
erheblich  Fett  angesetzt  hatte. 

Auch  das  sei  bekanntlich  des  Oeftern  bei  Hypophysistumoren 
beobachtet  und  auf  den  Druck  der  vergrösserten  Hypophysis  auf  Hirn¬ 
teile  bezogen,  welche  den  Fettgewebsstoffwechsel  beeinflussen. 

Fr.  fragt  Herrn  J.,  ob  ihm  bei  dem  Pat.  auch  der  starke  Pannicul. 
adipös,  aufgefallen  sei. 

Bezüglich  des  Zusammenvorkommens  von  Hypophysis- 
geschwiilsten  mit  Verkümmerung  der  äusseren  Genitalien  und  Habitus 
feminin,  bemerkt  Fr.,  dass  nach  neueren  Forschungen  es  sich  hier 
wahrscheinlich  um  kongenitale  koordinierte  Störungen  handle. 

Herr  Saenger  bemerkt,  dass  er  den  demonstrierten  Fall  in 
seinem  Aerztekursus  als  Tumor  der  Hypophysis  vorgestellt 
habe,  und  zwar  vornehmlich  wegen  der  Art  der  Erblindung.  Herr 
Saenger  geht  auf  das  Wesen  der  von  Herrn  Franke  beobachte¬ 
ten  konzentrischen  Gesichtsfeldeinschränkung  näher  ein.  Als  ersterer 
den  Fall  untersuchte,  sprachen  die  Veränderung  an  den  Papillen,  das 
Fehlen  der  Pupillenreaktion  mit  Sicherheit  gegen  eine  in  Betracht 
zu  ziehende  kortikale  Erblindung.  Der  feminine  Typus  des  Patienten 
war  Herrn  Saenger  besonders  aufgefallen.  Zeichen  von  Akro¬ 
megalie  waren  nicht  vorhanden. 

Herr  Nonne  berichtet  über  einen  Fall  eines  46  jährigen  Herrn, 
der  unter  Kopfschmerzen  und  allmählicher  Abnahme  des  Seh¬ 
vermögens  erkrankte.  Die  Untersuchung  ergab  Hemianopsia  bi- 
temporalis.  Allmählich  wuchs  sich  die  Hemianopsie  zu  völliger  Blind¬ 
heit  aus.  Patient  wurde  im  Laufe  von  3  Jahren,  nachdem  er 
ca.  2  Jahre  lang  sehr  intensiv  unter  quälenden  optischen  Halluzina¬ 
tionen  gelitten  hatte,  apathisch  und  stumpfsinnig.  Schliesslich:  völlige 
Abulie  und  Fehlen  jeglicher  Innervation,  allmähliche  Ausbildung 
schwerster  Kontrakturzustände  in  allen  4  Extremitäten.  Die  Röntgen¬ 
untersuchung  ergab  eine  Zerstörung  der  Sella  turcica.  Auch  in 
diesem  Falle  entwickelte  sich  unter  den  Augen  von  N.  ein 
exquisiter  Habitus  feminin  us:  Patient,  der  früher  ein 
schneidiger  Einjähriger  bei  den  Wandsbecker  Husaren  und  dann 
als  Pferdehändler  en  gros  ein  gewandter  Reiter  und  muskulöser  Mann 
mit  exquisit  viridem  Habitus  gewesen  war,  bekam  schwammig  adi¬ 
pöse  Haut,  weichliche  Mammae,  ein  weiches  feminines  Abdomen.  Die 
Hoden  wurden  klein  und  die  Behaarung  am  Mons  und  in  den  Achseln 
ging  wesentlich  zurück.  Eine  Veränderung  der  Stimme  trat 
nicht  ein. 

Herr  Simmonds:  In  Hinblick  auf  den  femininen  Typus  des 
Patienten  des  Herrn  J  o  1  a  s  s  e  nahm  ich  eine  Untersuchung  der 
Hoden  vor.  Dieselben  erwiesen  sich  als  völlig  normal.  Spermato- 
genese  nachweisbar. 

Herr  F  r  ä  n  k  e  1  erklärt,  dass  ein  femininer  Typus  sich  durchaus 
nicht  immer  bei  Tumoren  der  Hypophyse  finde.  Er  fragt,  ob  es  sich 
nur  um  pastöses  Aussehen  oder  um  eine  echte  Adipositas  gehandelt 
habe  und.  ob  man  in  der  Schilddrüse  etwas  gefunden  habe. 

Herr  Jo  lasse:  Der  Kranke  hatte  eine  echte  Adipositas.  Die 
Schilddrüse  war  ohne  Besonderheiten. 

Herr  Simmonds:  Ueber  Cysticercus  racemosus  der  Hirn¬ 
häute. 

Bei  der  Sektion  eines  46  jährigen  Mannes,  der  Erscheinungen 
einer  Erkrankung  an  der  Hirnbasis  geboten  hatte,  fand  sich  in  den 
weichen  Hirnhäuten  in  der  Gegend  des  Pons  und  Kleinhirns,  nach 
vorn  bis  an  das  Chiasma  reichend,  ein  System  von  erbsen-  bis  bohnen¬ 
grossen,  zum  Teil  miteinander  kommunizierenden,  teils  flach  auf- 
sitzenden,  teils  gestielten  Zysten  mit  wasserklarem  Inhalt.  Wenn  es 
auch  nicht  gelang,  einen  Skolex  nachzuweisen,  so  konnte  man  doch 
auf  Grund  des  eigenartigen  Bildes  und  des  mikroskopischen  Ver¬ 
haltens  der  Bläschen  die  Diagnose  auf  die  seltene  Abart  des  Zysti- 
zerkus,  den  C.  racemosus  stellen.  Dazu  kam  noch,  dass  unter  der 
Arachnoidea  der  Grosshirnrinde  noch  ein  verkalkter  Zystizerkus  zu 
finden  war.  Sonst  fanden  sich  nirgends  im  Körper,  speziell  nicht  in 
der  Muskulatur  irgendwelche  Bläschen.  In  der  Umgebung  der  Bla¬ 
sen  hatten  sich  Verdickungen  der  Hirnhäute  gebildet  und  innerhalb 
der  Ventrikel  war  eine  starke  Flüssigkeitsansammlung  vorhanden. 
Der  Hydrozephalus  und  die  chronische  Leptomeningitis  waren  die 
Ursache  der  klinisch  wahrnehmbaren  Störungen  gewesen. 

Zystizerken  sind  bei  uns  entsprechend  dem  äusserst  seltenen 
Vorkommen  der  Taenia  solium  sehr  selten.  Ich  habe  abgesehen  von 
diesem  Falle  nur  noch  3  mal  unter  16  000  Sektionen  Hirnzystizerken 
gesehen,  also  1  mal  auf  4000  Autopsien.  In  den  3  anderen  Fällen 
handelte  es  sich  um  Männer,  von  denen  2  an  Epilepsie  gelitten  hatten, 
ein  dritter  andauernd  über  heftige  Kopfschmerzen  klagte.  In  keinem 
der  Fälle  war  im  Darm  eine  Tänia  nachweisbar  gewesen.  Die  Zysti¬ 
zerken  des  Hirns  scheinen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  erst  indirekt, 
durch  Herbeiführung  einer  chronischen  Leptomeningitis  klinische  Er¬ 
scheinungen  auszulösen.  Direkt  schädlich  werden  sie  dann,  wenn 
sie  frei  in  den  Ventrikeln  schwimmen  und  die  Gefahr  eines  plötz¬ 
lichen  Verschlusses  des  Foramen  Magendie  herbeiführen  können. 

Herr  Schomerus  demonstriert  aus  dem  Eppendorfer  Kranken¬ 
haus  (Oberarzt  Dr.  Reiche)  Präparate  mit  zahlreichen  Melanoin- 
metastasen,  die  von  einer  Patientin  stammen,  deren  linkes  Auge  im 
Jahre  1896  wegen  Phthisis  bulbi  enukleiert  war. 

Bis  Weihnachten  1906  leidliches  Wohlbefinden,  dann  schneller 
Verfall.  Exitus  'Anfang  April. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1347 


Bei  der  Sektion  fanden  sicli  Mclanosarkome,  z.  T.  dunkelbraun- 
sclnvarz,  z.  T.  weiss  gefärbt,  in  der  Herzmuskulatur,  in  der  Pleura, 
Leber,  Milz,  Nebennieren,  Nieren,  Oesophagus-  und  Magenschleim¬ 
haut  und  im  Uterus,  im  Knochenmark  der  Rippen  und  der  Wirbel¬ 
körper. 

Die  Tumoren  werden  als  Spätmetastasen  eines  Melanosarkoms 
der  Aderhaut  des  enukleierten  Auges  aufgefasst. 

Diskussion:  Herr  Franke  fragt,  ob  der  enukleierte  Aug¬ 
apfel  mikroskopisch  untersucht  worden  sei.  Das  Bestehen  einer 
Phthisis  bulbi  spreche  nicht  dagegen,  dass  nicht  trotzdem  das  Auge 
ein  melanotisches  Sarkom  beherbergt  habe,  als  dessen  Metastasen 
die  demonstrierten  Geschwülste  anzusehen  seien.  Das  Zusammen¬ 
vorkommen  von  Sarkom  und  Phthisis  bulbi  sei  wiederholt  be¬ 
obachtet  worden. 

Herr  U  m  b  e  r  fragt,  ob  sich  im  Urin  Melanin  fand. 

Herr  Schomerus  beantwortet  diese  Frage  verneinend. 

Diskussion  über  den  Vortrag  von  Herrn  S  c  li  m  i  - 

linsky:  Vorteile  und  Nachteile  der  Korinthenprobe.  (Cf. 
Sitzung  am  12.  März  1907,  No.  26.) 

Herr  J-o  Hasse  hat  gleich  Herrn  Schm,  in  2  Fällen  Nachteile 
der  sog.  Korinthenprobe  beobachtet:  in  einem  Falle  von  Atonie  des 
Magens  auf  neurasthenischer  Basis  traten  nachts  heftige  Schmerzen 
auf,  die  sonst  fehlten,  nachdem  am  Abend  vorher  1  Esslöffel  Korinthen 
genommen,  letztere  hatten  also  offenbar  wie  ein  schwerer  Diätfehler 
gewirkt.  In  einem  zweiten  Fall  von  Karzinom  des  Pylorus  ver¬ 
stopften  die  Korinthen  wiederholt  den  Schlauch,  so  dass  dieser  3  mal 
beim  Ausspiilen  herausgezogen  werden  musste. 

.1.  empfiehlt  die  Methode  der  Motilitätspriifung  mit  Röntgen¬ 
strahlen,  die  er  nachgeprüft  hat.  Auf  Grund  einer  Untersuchungs- 
rqihe  von  20  Fällen  hat  er  gefunden,  dass  von  einer  Insuffizienz 
I.  Grades  erst  gesprochen  werden  kann,  wenn  von  einverleibten  30  g 
Bismuth  nach  3  Stunden  kein  Schatten  mehr  nachzuweisen  ist;  dabei 
kann  dieses  mit  Milchzucker  und  Wasser  vermischt  verabfolgt  wer¬ 
den,  ohne  Griesbrei,  da  auf  diesem  Wege  dieselben  Resultate  er¬ 
zielt  werden. 

Ausführliches  über  diese  Untersuchungen  siehe  Fortschritte  auf 
dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen,  Bd.  XI,  H.  1. 

Herr  S  u  d  e  c  k  fragt,  ob  Herr  J  o  1  a  s  s  e  eine  Abhängigkeit  der 
Entleerungsgeschwindigkeit  des  Magens  von  der  Körperlage  be¬ 
obachtet  habe. 

Herr  Jollasse  antwortet,  dass  der  Magen  sich  bisweilen 
schneller  entleerte,  wenn  die  Kranken  auf  der  rechten  Seite  lagen. 

Herr  Alexander-Katz  pflegt  die  Korinthen  in  Schleim¬ 
suppe  zu  geben. 

Herr  Schmilinsky  (Schlusswort)  hält  es  für  sehr  wichtig, 
dass  die  motorische  Arbeit  des  Magens  von  denjenigen  Herren,  die 
dazu  Gelegenheit  haben,  auf  dem  Röntgenschirm  verfolgt  wird.  Kli¬ 
nisches  Bürgerrecht  wird  sich  aber  ein  derartiges,  dem  Praktiker 
schwer  oder  gar  nicht  zugängliches  Verfahren  kaum  je  erwerben.  Da 
können  wir  nur  einfache  Methoden  brauchen.  Und  das  ist  die  Korin¬ 
thenprobe.  Um  so  bedauerlicher  ist  es,  wenn  wir  in  ihrer  Anwendung 
beschränkt  werden.  Die  beiden  von  Herrn  J  o  1  a  s  s  e  erwähnten 
Fälle  würden  Schm,  allerdings  noch  nicht  veranlasst  haben,  diese 
feine  Probe  aufzugeben.  Der  Vorschlag  von  Herrn  Katz,  die 
Korinthen  in  eine  schleimige  Suppe  einzuhüllen,  dürfte  schwerlich  die 
Gefahren  völlig  bannen:  der  elektiv  wirkende  Pylorus  wird  die  Suppe 
zuerst  passieren  lassen  und  die  Schädlinge  zurückbehalten. 

Herr  S  a  e  n  g  e  r  demonstriert  die  Anatomie  des  Kleinhirns  und 
dessen  Leitungsbahnen  in  Lichtbildern  (als  Fortsetzung  seines  Vor¬ 
trags  über  die  Funktionen  des  Kleinhirns,  cf.  Sitzung  vom  12.  März 
1907). 

Diskussion:  Herr  N  o  n  n  e  demonstriert  an  Projektions¬ 
bildern  2  Fälle,  in  denen  grosse  Sarkome  des  Kleinhirnwurms  nur  All¬ 
gemeinerscheinungen  (Kopfschmerz,  Erbrechen,  Stauungspapille)  ohne 
irgendwelche  zerebellare  Symptome  gemacht  hatten;  einen  3.  Fall, 
in  dem  die  gesamte  linke  Kleinhirnhemisphäre  durch  eine  grosse 
Zyste  zerstört  war,  in  dem  ebenfalls  nur  die  Erscheinungen  einer 
Raumbeengung  in  der  hinteren  Schädelgrube  bestanden  haben,  einen 
4.  Fall,  in  dem  eine  totale  Agenesie  der  rechten  Kleinhirnhemisphäre 
einen  zufälligen  Obduktionsbefund  bei  einem  bis  dahin  ganz  gesun¬ 
den  Arbeiter,  der  an  akuter  Pneumonie  gestorben  war,  darstellte. 
Des  weiteren  macht  N.  aufmerksam  auf  die  in  der  Literatur  mehrfach 
beschriebenen  Fälle  von  Kleinhirnatrophie  und  Kleinhirnsklerose  (ein¬ 
seitig  und  doppelseitig),  die  meistens  einen  relativ  unkomplizierten 
Kleinhirnsymptomenkomplex  geboten  hatten,  auf  die  Fälle  von  fami¬ 
liärer  angeborener  Kleinheit  des  gesamten  Zentralnervensystems 
resp.  des  Zerebellums  allein,  wie  sie  vom  Vortragenden  seinerzeit 
beschrieben  worden  sind  und  später  auch  von  anderen  Autoren 
(Spille  r,  Knopfeimacher,  Classen,  Miura,  Bosso¬ 
lim  o,  Romanow  u.  a.)  beschrieben  sind.  Ferner  weist  er  auf  die 
Fälle  hin,  in  denen  derselbe  zerebellare  Symptomenkomplex  akut  ent¬ 
steht  nach  Infektionskrankheiten  (in  der  Literatur  bekannt  unter 
dem  Namen  akuter  Ataxie  und  zuerst  von  C.  Westphal  und 
Leyden  beschrieben),  nach  Intoxikationen,  nach  Traumen  (D  i  n  k - 
1  e  r),  nach  Ueberhitzung  (N  o  n  n  e).  N.  ist  auf  Grund  seiner  eigenen 
Beobachtungen  und  der  in  der  Literatur  erwähnten  Fälle  zu  der  An¬ 
sicht  gekommen,  dass  der  zerebellare  Symptomenkomplex  kongenital 


und  akquiriert  zur  Ausbildung  kommen  kann,  und  zwar  entweder  in 
der  gesamten  zerebello-spinalen  Bahn  oder  in  einem  mehr  oder  weni¬ 
ger  grossen  Teile  derselben.  Im  Anschluss  hieran  bespricht  er  die 
Ansicht  einiger  Autoren  (S  e  i  f  f  e  r  u.  a.),  dass  die  hereditäre  zere¬ 
bellare  Ataxie  von  Marie  und  die  Friedreich  sehe  Krankheit 
anzusprechen  sei  als  die  zerebellare  und  die  spinale  Form  der  Ataxie. 
Dieser  Ansicht  kann  sich  N.  auf  Grund  eigener  Erfahrungen  (publiziert 
in  Westphals  Archiv,  Bd.  39,  H.  3,  1906)  nicht  anschliessen. 

Herr  B  u  c  h  h  o  1  z  demonstriert  mit  dem  Projektionsapparat 
Schnittserien  vom  obersten  Teil  des  Rückenmarks 
durch  die  Medulla  oblongata  bis  hinauf  ins  Mittelgehirn.  Die  Schnitte 
illustrieren  den  Verlauf  der  zerebello-spinalen  Bahnen  und  die  ana¬ 
tomischen  Beziehungen  des  Kleinhirns  zur  Medulla  oblongata,  zur 
Pons,  zu  den  Vierhügeln  und  dem  grossen  Ganglion. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  16.  April  1 907. 

Die  Tuberkulose  in  den  Wohnungen  von  Paris  im  Jahre  1906, 

Roux  erstattet  im  Namen  von  J  u  i  1 1  e  r  a  t,  Sanitätschefs 
der  Seinepräfektur,  einen  diesbezüglichen  wichtigen  Bericht.  Im 
Jahre  1906  wurden  9573  Todesfälle  an  Lungentuberkulose  gegen  9578 
im  Jahre  1905  gemeldet;  die  5263  im  Jahre  vorher  als  „tuberkulös“ 
gemeldeten  Häuser  haben  29  Proz.  der  Todesfälle  gegenüber  28  Proz. 
im  Jahre  1906  gebracht  und  36,6  Proz.  derselben  betrafen  schon  früher 
affizierte  Häuser  (36  Proz.  im  Jahre  1905).  Die  Proportion  ist  also  die¬ 
selbe  geblieben.  Die  mittlere  Mortalität  für  die  suspekten  Häuser 
ist  ebenfalls  geblieben,  wie  im  Jahre  1905  =  6,5  pro  1000  Einwohner. 
Man  kann  also  sagen,  dass  die  Tuberkulose  in  gleicher  Weise  wie  in 
den  vorhergehenden  11  Jahren  (1.  Januar  1894  bis  31.  Dezember  1904) 
weiter  ihre  Opfer  fordert.  R.  hofft,  dass  zwei  Arten  von  Massnahmen 
diese  anhaltende  Mortalität  vermindern  werden:  1.  die  Anwendung  des 
Sanitätsgesetzes  vom  Jahre  1902  auf  die  unsauberen  Häuser  und 
Wohnungen  und  2.  sollten  nach  einem  Antrag  des  Senators 
P.  St  rau  ss  den  zahlreichen  „Dispensaires“  (Meldestellen  für  die 
Tuberkulösen)  die  mit  Tuberkulose  infizierten  Häuser  in  Zukunft 
besser  bekannt  gemacht  werden. 

Die  Aktinomykosis. 

Poncet  hat  die  Toxizität  der  Aktinomykosekulturen  studiert 
und  gefunden,  dass  dieselben  keine  löslichen  Toxine  enthalten;  Ka¬ 
ninchen  injiziert,  bewirkten  sie  keinerlei  Fieberreaktion.  Die  Er¬ 
klärung  der  bei  Aktinomvkose  ziemlich  häufigen  septischen  Zufälle 
versucht  nun  P.  damit  zu  geben,  dass  vielleicht  die  Reaktion  auf  das 
lebende  Gewebe  das  in  den  Reinkulturen  scheinbar  fehlende  Gift 
hervorbringt;  der  Aktinomykosispilz  selbst  scheint  also  nicht  die  Ur¬ 
sache  der  genannten  septischen  Zufälle  zu  sein. 

Societe  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  19.  April  1907. 

Die  Ernährung  beim  Diabetes;  Klassifikationen  des  Diabetes  mellitus. 

Marcel  und  Henri  Labbe  unterscheiden  auf  Grund  der  Er¬ 
nährungsbilanz  —  Nahrungsaufnahme  und  Ausscheidung  durch  Harn 
und  Fäzes  —  3  Arten  von  Diabetes:  1.  Ohne  Unterernähr  u  n  g. 
was  dem  „Fett-“  oder  arthritischen  Diabetes  entspricht;  das  N-Gleich- 
gewicht  ist  erhalten,  die  Glykosurie  ist  mässig,  von  Kohlehydraten  der 
Nahrung  herrührend.  Der  Patient  hat  für  eine  gewisse  Menge  von 
Kohlehydraten  eine  Toleranz,  die  Glykosurie  entsteht  nur,  wenn  bei 
der  Nahrungsaufnahme  diese  Toleranz  überschritten  wird.  Durch  die 
Nahrung  kann  man  die  Glykosurie  variieren  lassen.  2.  Diabetes 
mit  Unterernähr  u  n  g,  welcher  dem  klassischen  „Pankreas- 
Diabetes  entspricht.  Das  N-Gledchgewicht  ist  gestört,  der  Kranke 
zehrt  von  dem  Eiweiss  seiner  Gewebe  und  hat  vermehrte  N-Aus- 
scheidung.  Die  stets  hochgradige  Glykosurie  hat  alimentären  und 
organischen  Ursprung,  sie  stammt  von  der  Umbildung  der  Kohle¬ 
hydrate,  Eiweiss-  und  Fettkörper.  Der  Kranke  hat  keinerlei 
Toleranz  für  die  Kohlehydrate,  die  Zuckerausscheidung  ist 
eine  konstante  und  hört  durch  das  Regime  nicht  auf. 
3.  Diabetes  mit  mässiger  Unterernährung.  Das 
sind  eine  Art  Zwischenfälle,  wo  die  Glykosurie  trotz  man¬ 
gelnder  Kohlehydrate  in  der  Nahrung  nicht  aufhört,  aber 
mässig  bleibt.  Das  N-Gleic'hgewficht  ist  gestört,  die  Glykosurie 
stammt  von  den  Kohlehydraten  der  Nahrung  und  vom  organischen 
Eiweiss. 

Diese  Einteilung  entspricht  allen  Fällen  von  Diabetes  und  hat 
auch  Bezug  auf  Prognose,  Entwicklung  und  Behandlung.  Bei  der 
ersten  relativ  gutartigen  Form  kommt  die  Gefahr  von  der  Hypergly¬ 
kämie,  besteht  die  Behandlung  darin,  die  Einnahme  von  Kohlehydraten 
unter  der  Toleranz  zu  ermässigen.  Beim  Diabetes  mit  Unterernäh¬ 
rung,  der  immer  schwer  ist,  liegt  die  Gefahr  besonders  in  der  Azidämie 
und  kommt  die  Hyperglykämie  erst  an  zweiter  Stelle:  das  Regime 
muss  noch  eine  gewisse  Menge  Kohlehydrate  enthalten. 


1348 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  23.  April  1907. 

Die  Syphilis  in  der  Armee.  Betrachtungen  über  die  Prophylaxis. 

Delorme  kommt  bei  seiner  Auseinandersetzung  zu  folgenden 
Schlüssen.  In  Frankreich  ist  bei  idem  stehenden  Heere  die  primäre 
Syphilis  3  mal  weniger  häufig  wie  in  der  Zivilbevölkerung  desselben 
Alters,  ebenso  ist  es  mit  den  anderen  venerischen  Krankheiten.  Die 
Erkrankung  an  Syphilis,  ebenso  an  den  anderen  Geschlechtskrank¬ 
heiten,  ist  in  der  Armee  in  ständiger  Abnahme  begriffen.  Mit  dem 
deutschen  Heere  stellt  das  französische  durch  'das  Minimum  an  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  an  der  Spitze  der  europäischen  Armeen.  Wäh¬ 
rend  des  Militärdienstes  ziehen  sich  die  jungen  Leute  Frankreichs  nicht 
nur  am  wenigsten  Syphilis  zu,  sondern  sie  lernen  dabei  auch,  für 
die  Zukunft  sich  davor  zu  hüten.  Diese  bemerkenswerten  Resultate 
wurden  zum  Teile  durch  die  grossen  Anstrengungen,  welche  diie 
Heeresleitung  machte,  um  die  moralische  Erziehung  der  Soldaten  zu 
sichern,  sie  die  hygienische  Prophylaxe  zu  lehren  und  den  äusseren 
Gefahren  zu  entziehen,  erzielt.  Die  mildere  Handhabung  der  Ver- 
waltungs-  und  PoMzeimassregeln,  der  allmähliche  Ersatz  der  über¬ 
wachten  Prostitution  der  Eingeschriebenen  durch  die  heimliche  Pro¬ 
stitution  lassen  jedoch  befürchten,  dass  der  gegenwärtige  gute  Ge¬ 
sundheitszustand  nicht  anhält.  Die  Prostitution  der  Toleranzhäuser 
bietet  vom  Standpunkt  der  Prophylaxe  die  meiste  Sicherheit  und 
dürfte  es  leicht  sein,  dieselbe  noch  durch  strengere  Aufsicht  und 
häufigere  ärztliche  Besuche  zu  erhöhen.  Die  heimliche  Prostitution 
nimmt  in  erschreckendem  Masse  zu,  sie  vereitelt  die  'administrative 
und  ärztliche  Ueberwachung.  Am  gefährlichsten  ist  die  heimliche, 
in  den  Bars  und  Gasthäusern  getriebene  Prostitution.  Je  jünger  eine 
Prostituierte  ist,  um  so  schädlicher  ist  sie  bezüglich  der  Weiterver¬ 
breitung  der  Syphilis.  Die  Prostituierten,  welche  älter  als  20  Jahre 
sind  und  in  ganz  jungen  Jahren  ihr  Gewerbe  begonnen  haben,  sind  im 
Allgemeinen  immunisiert.  Die  Verbreitung  der  Geschlechtskrank¬ 
heiten  und  speziell  der  Syphilis  ist  in  den  Garnisonen  Frankreichs 
proportional  der  Entwicklung  der  heimlichen  Prostitution  und  steht  in 
Verbindung  mit  fehlender  oder  ungenügender  ärztlicher  und  admini¬ 
strativer  Ueberwachung.  In  den  meisten  Garnisonsstädten  bringen 
die  von  der  Muniizipalverwaltung  eingeführten  Reglementierungs- 
Vorschriften  oft  entschiedene  Besserung  in  einen  mangelhaften  Sani¬ 
tätszustand..  Bezüglich  der  Anzahl  der  Geschlechtskranken  stehen  die 
Distrikte  von  Rouen,  Marseille,  Ajaccio,  Bordeaux  schon  seit  vielen 
Jahren  an  erster  Stelle.  Schliesslich  macht  Delorme  der  Akademie 
den  Vorschlag,  „ihr  schönes  Werk  vom  Jahre  1888“  nach  dem  jetzigen 
Standpunkt  der  Wissenschaft  und  der  Sitten  zu  reformieren. 

Fournier  beglückwünscht  den  Vorredner  zu  seiner  so  sachge- 
mässen  Mitteilung  und  Vorschlägen  und  billigt  besonders  das,  was  u.~ 
über  die  Erziehung  des  Soldaten  bezüglich  der  Syphilis  vorgebracht 
hat.  F.  unterstützt  mit  allen  Kräften  den  Vorschlag,  eine  Kommission 
zum  Studium  der  Prophylaxe  der  venerischen  Krankheiten  zu  er¬ 
nennen  und  hält  es  für  sehr  wichtig,  dass  auch  die  Akademie  ihre 
Stimme  vernehmen  lasse,  nachdem  eine  ausserparlamenfarische  Kom¬ 
mission  die  Aufhebung  der  Spezialkonsultationen  und  jeder  Ueber¬ 
wachung  der  Prostitution  wünscht. 

Der  Kampf  gegen  die  Tuberkulose  und  dessen  ökonomische  Or¬ 
ganisation. 

R  o  b  i  n  sieht  eine  erfolgreiche  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in 
folgenden  4  Bedingungen:  1.  Schutz  der  einzelnen  Individuen,  2.  Er¬ 
ziehung  des  Publikums,  3.  Behandlung  der  Kranken  und  4.  Hilfe  fin¬ 
den  Kranken  und  seine  Umgebung  (Familie).  Von  allen  diesen  Ge¬ 
sichtspunkten  aus  wurde  zu  Beaujon  die  Tuberkulosebekämpfung  auf¬ 
genommen  und  eine  einzige  Organisation  zur  Ausführung  der  ge¬ 
nannten  Punkte  geschaffen;  deren  Hauptrichtschnur  war,  nichts 
Neues  zu  schaffen,  alles  Bestehende  zu  benützen  und  mit  äusserster 
Sparsamkeit  vorzugehen.  Es  wurde  eine  Art  Patronage,  natürlich 
ohne  konfessionelle,  politische  oder  soziale  Rücksichten  geschaffen 
und  dann  eine  öffentliche  Sprechstunde,  welche  von  24  Aerzten  ab¬ 
wechselnd  abgehalten  wird,  eingerichtet.  Dieselben  werden  von 
Damen,  welche  die  Wohnungen  der  konsultierenden  Patienten  regel¬ 
mässig  besuchen,  unterstützt.  Die  hauptsächliche  Verteilung  der  Pa¬ 
tienten  geschieht  folgendermassen :  1.  Rücksendung  der  verarmten 
ausländischen  Tuberkulösen  in  ihre  frühere  Heimat,  2.  Ueberweisung 
der  dazu  Geeigneten  in  das  Santorium  (von  Angicourt)  und  Sorge  für 
die  daraus  Entlassenen  (Arbeitsvermittlung  usw.),  3.  Verschickung 
der  chirurgischen  Fälle  an  die  See(-Sanatorien),  4.  Ueberweisung 
schwerer  oder  komplizierter  Fälle  von  Tuberkulose  in  das  Kranken¬ 
haus,  5.  häusliche  Behandlung  der  Tuberkulösen,  wobei  ihnen  die 
Medikamente  geliefert,  für  genügende  Ernährung  gesorgt,  die  Woh¬ 
nung  regelmässig  desinfiziert  wird,  6.  Unterstützung  in  Bezug  auf 
Wohnung  und  7.  Arbeitsvermittlung.  Robin  glaubt,  dass  diese,  so 
umfassende  Organisation  mit  Vorteil  auch  in  anderen  grossen  Kran¬ 
kenhäusern  eingeführt  werden  könnte. 

Sitzung  vom  30.  April  1907. 

Die  Gonorrhoe  des  Mastdarms  und  ihre  Komplikationen. 

Der  Bericht,  welchen  Brunswig-le-Bihan  (Tunis)  über 
dieses  Thema  bringt,  ist  auf  eine  relativ  beträchtliche  Anzahl  von 


Beobachtungen  begründet.  Am  Beginn  findet  man  keine  Entzündung 
der  umgebenden  Haut  und  keinen,  der  Blennorrhoe  analogen  Ausfluss; 
der  Eiter  ist  in  geringer  Menge  vorhanden,  von  bräunlichem  Aus¬ 
sehen  und  enthält  eine  abundante  Bakterienflora.  Es  sind  dann  3 
Arten  von  Komplikationen  zu  unterscheiden:  1.  'akute  Perirektitis, 
welche  zu  ischio-rektaler  Phlegmone  führen  kann,  2.  chromische  Peri¬ 
rektitis,  analog  der  Periurethritis,  3.  Stenose  des  Mastdarmes,  welche 
meist  für  syphilitische  Stenose  gehalten  wird. 

Sitzung  vom  7.  Mai  1907. 

Typhus  und  andere  Infektionen  infolge  von  Austerngenuss. 

Netter  bespricht  nochmals  (siehe  diese  Wochenschrift  1907, 
No.  13,  S.  644)  diese  Gefahren,  welche  durch  den  Genuss  von  Austern, 
die  von  .verunreinigten  Gewässern  stammen,  uns  bedrohen.  Die  Bak¬ 
teriologie  hat  festgestellt,  dass  in  den  Austern  Typhusbazillen,  Bac. 
coli  communis  und  Bazillen,  die  zwischen  diesen  beiden  stehen,  exi¬ 
stieren  können.  Austern,  in  welche  man  Typhusbazillen  eingeführt 
oder  welche  in  ein  dieselben  enthaltendes  Wasser  gebracht  worden 
sind,  bewahren  die  Bazillen  noch  9,  14,  18  und  sogar  28  Tage.  Eine 
verseuchte  Auster,  dem  Wasser  entnommen  und  ausserhalb  desselben 
aufbewahrt,  enthält  die  Bazillen  noch  nach  7 — 11  Tagen;  in  reines, 
häufig  erneuertes  Meerwasser  gebracht,  bewahrt  die  Auster  die  Ba¬ 
zillen  noch  2,  4,  6  und  sogar  9  Tage  lang.  Man  darf  also  nicht  zu  sehr 
der  für  den  Typhusbazillus  ungünstigen  Wirkung  des  Meerwassers, 
ebensowenig  wie  der  phagozytären  Kraft  der  Austern  trauen.  In  ge¬ 
frorenen  oder  toten  Austern  vermehrt  sich  der  Typhusbazillus  und 
wurde  (von  Cyrus  Field)  nach  4 — 5  Wochen  noch  gefunden.  Die 
Gefahr  der  Uebertragung  von  Typhus  und  anderen  Infektionen  durch 
Austern,  die  in  durch  menschliche  Dejektionen  verunreinigtes  Wasser 
getaucht  waren,  ist  also  durch  die  klinische  Beobachtung  und  bakterio¬ 
logische  Experimente  festgestellt.  Die  Verunreinigung  der  Austern 
in  den  Austernparks  ist  also  möglich,  wenn  die  Abwässer  der  Kanäle 
u.  a.  m.  mit  diesen  in  Verbindung  steht.  Da  die  Austernzucht  in  Parks, 
wo  süsses  und  Meerwasser  sich  mischen,  stattfindet  und  diese  not¬ 
wendigerweise  nahe  den  Kommunikationswegen  angelegt  sind,  so  ist 
diese  Gefahr  vielerorts  zu  befürchten.  Eine  genaue  topographische 
und  womöglich  bakteriologische  und  chemische  Untersuchung  sollte 
daher  vor  jeder  Anlage  eines  Austernparks  deren  Oertlichkeit  fest¬ 
stellen.  Die  Seebehörde  sollte  diesen  Inspektionsdienst  und  die  Be¬ 
aufsichtigung  der  natürlichen  Austernbänke  organisieren,  anderer¬ 
seits  die  kompetenten  Behörden  die  notwendigen  Massnahmen  treffen, 
um  die  Verunreinigung  der  Austern,  nachdem  sie  aus  den  Parks  ge¬ 
bracht  sind,  in  den  Häfen,  bei  den  Händlern  und  auch  bei  den  Gast¬ 
wirten  zu  verhüten. 

Bezüglich  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  stimmt  Armain- 
g  a  u  d  -  Bordeaux  mit  den  Ausführungen  R  o  b  i  n  s  (s.  oben,  Sitzung 
vom  23.  April)  völlig  überein  und  erwähnt,  dass  in  Bordeaux 
schon  seit  mehreren  Jahren  und  bevor  diese  Einrichtungen  in  Paris 
geschaffen  waren,  in  systematischer  Weise  der  Kampf  gegen  die 
Tuberkulose  geführt  werde  und  zwar  durch  eine  Liga,  welche  die 
Lehren  dieser  rationellen  Bekämpfungsart  verbreitet,  durch  spezielle 
Ambulatorien  (Dispensaires),  durch  das  am  Meere  gelegene  Sana¬ 
torium  Arcachon  für  Kinder,  durch  billige  Wohnungen,  Brausebäder 
um  10  Cts.,  Gärten  für  die  Arbeiter,  Ferienkolonien,  durch  das  Sa¬ 
natorium  Pessac  für  die  erwachsenen  Tuberkulösen  usf.  Armain- 
gaud  drückt  den  Wunsch  aus,  dass  die  Akademie  über  diese 
Punkte  eine  zusammenfassende  Resolution  ausarbeiten  und  allen  grös¬ 
seren  Städten  und  Gemeinden  diese  mitgeteilt  werden  möchte. 


Aus  italienischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Akademie  für  Medizin  in  Turin. 

Aus  der 

Sitzung  vom  14.  Dezember  1906  und  18.  Januar  1907 
erwähnen  wir: 

Donati:  Beitrag  zur  Behandlung  maligner  Tumoren  mittels 
Trypsininjektion. 

In  einem  Falle  von  Sarkom  eines  Testikel  mit  Metastasen  in  die 
Fossa  iliaca,  einen  52  jährigen  Mann  betreffend,  erwies  sich  die  Radi¬ 
kaloperation  als  unmöglich.  Die  Radiotherapie  hatte  einen  günstigen 
Einfluss  auf  die  Schmerzen,  dagegen  keinen  auf  das  Wachstum  neuer 
1  umormassen.  D.  machte  einen  Versuch  mit  Trypsininjektionen  (zu¬ 
nächst  2  ccm  zur  subkutanen  Injektion  von  Dr.  Z  a  n  o  n  i  präpariert). 

Einem  grossen  Teile  der  Teilnehmer  an  der  Versammlung  wird 
von  dieser  Sondervereinigung  nichts  bekannt  geworden  sein.  Die 
Bildung  derselben  ist  in  aller  Stille  erfolgt  und  würde  zweifellos  auch 
anfangs  in  die  Umgebung  des  Tumors,  da  die  Härte  desselben  die 
Injektion  in  den  Tumor  selbst  verhinderte,  später  auch  unter  Erhöhung 
der  Dosis  auf  4—6  ccm  in  den  Tumor  selbst.  Es  erfolgte  jedesmal 
eine  örtliche  und  allgemeine  Reaktion.  Nach  2  Monaten  schloss  sich 
die  vorher  fistelnde  Operationswunde;  der  Tumor  erweichte  unter 
langsamer  Abnahme.  Nach  6  Monaten  fühlte  man  nichts  mehr  vom 
I  umor  und  alle  auf  denselben  zu  beziehenden  Symptome  waren  ver¬ 
schwunden.  Im  ganzen  waren  130  ccm  Trypsin  injiziert.  Ob  die 
Heilung  eine  definitive  sein  wird,  steht  noch  dahin;  immerhin  ist 
der  Erfolg  ermutigend. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1349 


Trypsin  kann  man  in  grösserer  Reinheit  aus  dem  Pflanzenreiche 
(Feigen  und  Melonen)  als  aus  dem  Tierreiche  darstellen  und  viel¬ 
leicht  empfehlen  sich  solche  Präparate  mehr  zur  Injektion. 

Ueber  Erfolge  bei  Karzinom  möchte  D.  noch  kein  sicheres  Urteil 
aussprechen;  vielleicht  reagieren  dieselben  etwas  anders  auf  diese 
Behandlung. 

Medizinisch-chirurgische  Gesellschaft  zu  Bologna. 

Sitzung  vom  14.  Dezember  1906. 

Ruggi:  Ueber  halbseitige  vertikale  Prostatektomie,  ausgefiilirt 
auf  dein  Perinealwege,  und  den  physischen  und  moralischen  Wert 
dieser  Operationsmethode. 

Dieselbe  besteht  in  der  Zerstückelung  des  hypertrophischen 
Driisenlappens;  führt  nicht  zu  Impotenz.  R.  berichtet  über  9  so  ope¬ 
rierte  Fälle  mit  ermutigendem  Resultate. 

Societä  Lancisiana  der  Hospitäler  Roms. 

Aus  der 

Sitzung  vom  5.  Januar  1 907 
erwähnen  wir  eine  Mitteilung  von 

Pen  de:  Ueber  einseitige  Nierenläsion  und  Hypertrophie  des 
linken  Ventrikels. 

ln  einem  Falle  von  Blutzirkulationsstörungen,  welche  auf  Arterio¬ 
sklerose  bezogen  waren,  erfolgte  plötzlicher  Tod  durch  Suizidium. 
Die  Sektion  ergab  keine  Spur  von  arteriosklerotischen  Veränderungen; 
weder  zentral  noch  peripher,  dagegen  eine  beträchtliche  Hyper¬ 
trophie  des  linken  Ventrikels  mit  Dilatation.  Das  linke  Nierenbecken 
war  mit  einem  grossen  Stein  ausgefüllt,  welcher  den  linken  Ureter 
vollständig  verlegte.  Die  rechte  Niere  war  nicht  hypertrophiert  und 
makroskopisch  von  normaler  Struktur.  Ein  anderer  Grund  für  die 
Hypertrophie  des  linken  Ventrikels  als  die  Affektion  der  linken  Niere 
ergab  sich  nicht. 

P.  macht  auf  die  experimentellen  Resultate  von  G  r  a  w  i  t  z  und 
Israel  aufmerksam,  welche  fanden,  dass  die  Wegnahme  einer 
Niere  beim  erwachsenen  Tiere  immer  zu  Hypertrophie  des  Herzens 
führt,  während  beim  jungen  Tiere  immer  nur  eine  kompensatorische 
Hypertrophie  der  anderen  Niere  entsteht.  Ebenso  konnte  Strauss 
durch  Unterbindung  eines  Ureters  Herzhypertrophie  hervorrufen. 

P.  erwähnt  ferner  die  von  Castaigne  und  R  a  i  t  e  r  y  auf¬ 
gestellte  Lehre,  dass  jede  einseitige  Nierenläsion  auch  die  andere 
Niere  schädigen  kann  durch  Bildung  von  Autonephrolysinen.  In 
dieser  Weise  könnte  auch  die  Läsion  einer  Niere  aufs  Herz  eine 
Wirkung  entfalten,  wie  sie  sonst  bei  der  Läsion  beider  sich  äussert. 

Derselbe  Autor  berichtet  über  einen  Fall  von  Monoarthritrs 
pneumococcica  primitiva,  eine  70  jährige  Frau  betreffend.  Plötzlicher 
heftiger  Schmerz  im  linken  Kniegelenk,  Schüttelfrost,  Erbrechen, 
hohes  Fieber,  akute  Gelenkschwellung.  Die  Explorativpunktion  er¬ 
gibt  nur  Pneumokokkus  als  Infektionsträger.  Bemerkenswert  er¬ 
schien  das  Auftreten  des  Pneumokokkus  in  kleinen  Ketten,  so  dass 
er  auf  den  ersten  Blick  mit  Streptokokkus  und  mit  dem  Enterokokkus 
Thiercelin  hätte  verwechselt  werden  können;  ferner  das  Fehlen  jeder 
anderen  Lokalisation  und  die  schnelle  Heilung  nach  Arthrotomie,  nach¬ 
dem  sich  Bier  sehe  Stauung  als  unwirksam  erwiesen. 

Hager-  Magdeburg. 

Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  25.  März  1907. 

Die  operative  Behandlung  des  hepatogenen  Aszites. 

L.  Jones:  Die  Frage,  ob  bei  der  Entstehung  von  Aszites  auf 
Grund  einer  Leberzirrhose  als  Hauptfaktor  die  Stauung  im  Pfortader¬ 
gebiet  oder  Toxämie' zu  gelten  habe,  kann  noch  nicht  als  entschieden 
angesehen  werden,  und  es  dürfte  wohl  das  richtigste  sein,  beiden 
Momenten  einen  gewissen  Anteil  zuzuschreiben.  Die  neuerlichen  Un¬ 
tersuchungen  von  H  e  r  r  i  c  k  deuten  darauf  hin,  dass  die  Stockung 
im  Pfortadergebiet  nicht  etwa  durch  den  von  neugebildetem  Gewebe 
erzeugten  Druck  auf  das  Wurzelgebiet  der  Pfortader  verursacht 
werde  als  vielmehr  durch  die  bei  dier  Zirrhose  entstehenden  ver¬ 
mehrten  Verbindungen  zwischen  der  Pfortader  und  der  Vena  hepatica. 
Auf  diese  Weise  findet  nebenbei  der  zuweilen  ganz  früh  im  Verlaufe 
der  Zirrhose  entstehende  Aszites  auch  eine  Erklärung.  Der  Umstand, 
dass  die  Unterbindung  der  Pfortader  bei  Tieren  in  der  Regel  keinen 
Aszites  hervorruft,  kann  ebensogut  als  Beweis  gegen  die  toxämische 
Theorie  wie  gegen  die  Obstruktionstheorie  bezüglich  des  Ursprungs 
des  Aszites  angeführt  werden,  denn  die  bei  der  Unterbindung  ent¬ 
stehenden  Symptome  sind  von  direkt  toxämischer  Art.  Andererseits 
hat  auch  Thrombose  der  Pfortader  häufig  Aszites  zur  Folge.  Pro¬ 
gnostisch  für  die  Operation  der  ideale  Patient  sei  derjenige,  welcher 
noch  in  relativ  jugendlichem  Alter  stehend  und  frei  von  Kompli¬ 
kationen,  bei  hypertrophischem  Zustande  der  Leber  mehr  die  Er¬ 
scheinungen  der  Obstruktion  als  der  Toxämie  darbietet.  Der  Zweck 
aller  Operationen  ist  es,  neue  Verbindungswege  zwischen  dem  Ge¬ 


biete  der  V.  cava  und  der  Pfortader  herzustellen,  was  in  der  Regel 
durch  Vernähung  des  Omentums  mit  der  Abdominalwand  angestrebt 
wird.  Es  kommt  dabei  sowohl  die  intraperitoneale,  ursprüngliche 
Operation  als  auch  die  von  S  c  h  i  a  s  s  i,  Bunge  u.  a.  angegebene 
extraperitoneale  zur  Anwendung.  Für  manche  Fälle  kann  man  ge¬ 
legentlich  auch  noch  die  Hepatopexie,  die  Splenopexie  und  die  Er¬ 
zeugung  intestinaler  Adhäsionen  mit  Erfolg  in  Anwendung  bringen, 
wenn  die  einfache  Vernähung  des  Omentums  nicht  genügt  oder 
unausführbar  ist.  Auf  die  Leber  selbst  scheint  die  Operation  irgend 
eine  bessernde  Wirkung  nicht  auszuüben,  aber  bei  vielen  Fällen  wird 
damit  offensichtlich  die  Wiederentstehung  von  Aszites  zurückgehalten 
und  das  Leben  dem  Patienten  bei  relativem  Wohlbefinden  mehrere 
Jahre  erhalten.  Dieses  günstige  Resultat  ist  bisher  bei  etwa  Vs  der 
operierten  Fälle  eingetreten,  während  die  letal  verlaufenen  Fälle  und 
die  ungebesserten  sich  in  dem  gleichen  Verhältnis  verteilen.  Bei 
richtiger  Auswahl  der  als  operabel  zu  bezeichnenden  Patienten 
dürfte  die  Mortalität  nicht  über  10  Proz.  sich  erheben. 

W.  G.  Spencer  berücksichtigt  die  Entstehung  von  Flüssig¬ 
keit  in  der  Abdominalhöhle  auch  ohne  Leberleiden,  wie  bei  chroni¬ 
scher  Peritonitis,  und  macht  einige  Bemerkungen  betreffs  der  Ope¬ 
ration.  Er  erwähnt  einen  derartigen  durch  Ovarienerkrankung  als 
Grundleiden  bedingten  Fall  und  schildert  ferner  die  Krankenge¬ 
schichte  einer  Patientin,  welche  trotz  fortgesetzten  Potatoriums  nach 
der  Operation  frei  von  Aszites  blieb.  Die  deutsche  Operations- 
methode  mit  dem  6  Zoll  langen  Einschnitt  findet  er  unnötig  kom¬ 
pliziert.  Die  Mortalität  nach  dem  vereinfachten  Verfahren  sei  bei 
seinem  Material  sehr  klein  gewesen. 

F.  de  H  a  v  i  1 1  a  n  d  Hall  betont  die  Notwendigkeit  einer  vor¬ 
herigen  Untersuchung,  namentlich  auch  auf  etwa  bestehende  Syphilis. 
Das  Einspritzen  von  Adrenalin  (10 — 15  ccm)  in  die  Bauchhöhle  nach 
Entleerung  der  Aszitesflüssigkeit  sei  entschieden  zu  empfehlen. 

F.  P.  Weber  weist  auf  den  Wert  einer  genauen  Beobachtung 
der  Temperaturen,  bevor  man  sich  zur  Operation  entschliesst,  hin. 
Manche  fieberhaften  Fälle  syphilitischen  Ursprungs  bessern  sich 
prompt  auf  Hg  im  Verein  mit  Jodkalium. 

A.  E.  J.  B  a  r  k  e  r  bemerkt,  dass  alles  auf  die  Erzeugung  von 
festen  und  dauerhaften  Adhäsionen  ankommt.  Die  modernen  asepti¬ 
schen  Operationsmethoden  erschweren  geradezu  die  Entstehung  sol¬ 
cher  Verwachsungen  ganz  erheblich;  man  hat  sogar  wiederholt  bei 
nochmaligen  Operationen  an  demselben  Patienten  gefunden,  dass  die 
erzielten  Verklebungen  mit  der  Zeit  sich  wieder  auflösen.  Aus  diesem 
Grunde  bevorzugt  er  die  extraperitoneale  Operation. 

H.  J.  W  a  r  i  n  g  empfiehlt  so  früh  wie  möglich  zu  operieren.  Als 
das  sicherste  Verfahren  ist  die  Einfügung  eines  Stückes  vom  Omen¬ 
tum  maius  in  die  Scheide  des  M.  rectus  abdominis  zu  bezeichnen. 

J.  F.  H.  Broadbent  hält  es  für  ratsamer,  solange  zu  warten, 
bis  die  Bauchhöhle  sich  zum  zweiten  Male  füllt.  Bei  einigen  von 
ihm  beobachteten  Fällen  von  Zirrhose  schien  der  Alkohol  als  ätio¬ 
logischer  Faktor  nicht  mit  im  Spiele  gewesen  zu  sein.  Weit  vor¬ 
geschrittene  Fälle,  bei  denen  die  Lebersubstanz  in  ausgedehntem 
Masse  zerstört  ist,  eignen  sich  jedenfalls  nicht  zur  Operation. 

Jones  glaubt,  dass  nur  die  durch  Behinderung  des  Pfortader¬ 
kreislaufes  bedingten  Fälle  durch  die  Operation  eine  Besserung  er¬ 
fahren.  P  h  i  1  i  p  p  i  -  Bad-Salzschlirf. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

XXXV.  Deutscher  Aerztetag 

zu  Münster  in  Westfalen  am  21.  und  22.  Juni  1907. 

(Eigener  Bericht.) 

Am  21.  Juni  vormittags  9  Uhr  wurde  der  Aerztetag  in  dem 
erinnerungs-  und  stimmungsvollen  alten  Rathaussaale  Münsters  von 
dem  Vorsitzenden,  Prof.  L  o  e  b  k  e  r  -  Bochum,  durch  eine  Rede  er¬ 
öffnet,  die,  wie  alle  Jahre,  den  Kern  des  Aerztetages  bildete.  Nach 
einem  überaus  herzlichen  Nachruf  auf  K  r  a  b  1  e  r  -  Greifswald,  Send- 
1  e  r  -  Magdeburg  und  Ernst  v.  Bergmann  fuhr  der  Redner  fort: 

Meine  Herren!  Lassen  Sie  uns,  bevor  wir  in  die  Beratungen 
des  diesjährigen  Aerztetages  eintreten,  einen  kurzen  orientierenden 
Blick  auf  die  gegenwärtige  Situation  und  die  Erlebnisse  seit  der 
letzten  Tagung  werfen,  und  beginnen  wir  sofort  mit  der  Kranken¬ 
kassenfrage;  wird  sie  ja  doch  im  Vordergründe  aller  Erörterungen 
stehen  bleiben,  bis  auch  der  letzte  Punkt  unseres  unumstösslichen 
Königsberger  Programms  erfüllt  sein  wird.  Zwar  hat  das  abge¬ 
laufene  Jahr  keine  grossen  Konflikte  mit  Kassen  gezeitigt;  ein  Blick 
in  die  Warnungstafel  des  Leipziger  Verbandes  genügt  aber,  um  zu 
erkennen,  dass  der  Widerstand  der  Kassen  in  mittleren  und  kleineren 
Orten  gegen  unsere  berechtigten  Forderungen  keineswegs  überall 
gebrochen  ist.  Zwar  ist  die  organisierte  Aerzteschaft  mit  verschwin¬ 
denden  Ausnahmefällen  Siegerin  im  Kampf  geblieben,  doch  bedurfte 
es  zuweilen  zähester  Energie,  um  einen  Gegner  niederzuringen,  der 
gewitzigt  durch  die  Erfahrungen  in  den  grossen  Kämpfen  der  Vor¬ 
jahre  nicht  in  offener  Front  und  mit  offenem  Visier,  sondern  mit  den 
Künsten  diplomatischer  List  den  Kampf  ausfechten  wollte.  Zur  Ver¬ 
trauensseligkeit  auf  unserer  Seite  ist  daher  in  absehbarer  Zeit  kein 
Raum  vorhanden;  versteckten  Angriffen  gegenüber  heisst  es  vielmehr 
ganz  besonders  auf  der  Hut  sein.  Wir  sind  keine  Freunde  von  un¬ 
nötigen  und  aussichtslosen  Streitigkeiten  —  das  wiederholen  wir 


1350 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


immer  wieder  —  aber  ist  der  Kampf  einmal  unvermeidlich,  so  soll 
und  wird  er  mit  scharfen  Waffen  durchgeführt  werden,  bis  ein  ehren¬ 
voller  Friede  erreicht  ist.  Dazu  ist  aber  unbedingt  das  Vorhandensein 
einer  straffen  Organisation  der  Aerzte  erforderlich;  nur  dort,  wo 
diese  gefehlt  hat  oder  wo  sie  unzureichend  gewesen  list,  sind  wir 
dem  Gegner  unterlegen.  Mit  Befriedigung  hat  der  Geschäftsausschuss 
aus  einem  Berichte  der  wirtschaftlichen  Abteilung  unseres  Bundes 
und  der  Krankenkassenkommission  von  den  Fortschritten  in  der  Or¬ 
ganisation  der  Aerzte  Kenntnis  genommen,  zugleich  aber  auch  fest-  j 
gestellt,  dass  man  in  einzelnen  Gegenden  und  Orten  in  dieser  Frage 
noch  recht  weit  zurückgeblieben  ist.  Ich  rufe  daher  gleich  zu  Beginn 
unserer  Tagung  die  Kollegen  im  Reiche  auf,  das  bisher  Versäumte 
baldigst  nachzuholen,  um  bereit  zu  sein,  wenn  der  Feind  über  Nacht 
vor  den  Toren  erscheinen  sollte.  Unter  voller  Anerkennung  der 
Selbständigkeit  der  lokalen  Organisationen  muss  aber  auch  die 
innige  Anlehnung  dieser  an  die  wirtschaftliche  Abteilung  unseres 
Bundes  gefordert  werden,  und  kein  Mitglied  eines  Bundesvereins 
sollte  dem  Leipziger  Verbände  fehlen.  Ganz  miissig  ist  es,  sich  in 
der  heutigen  Zeit  über  die  Frage,  ob  freiwillige  oder  staat¬ 
liche  Organisation  zu  ereifern.  Wir  haben  sie  beide  und  wollen 
keine  von  ihnen  entbehren.  Was  wir  auf  dem  einen  Wege  durch 
Verhandeln  nicht  erreichen  können,  muss  auf  dem  anderen  erfochten 
werden.  Die  beiden  Einrichtungen  schliessen  sich  nicht  aus,  sondern 
müssen  sich  gegenseitig  ergänzen. 

Aber  viel  grössere  Freude  empfinden  wir  über  die  Fortschritte, 
die  auf  dem  Wege  friedlicher  Verhandlungen  gemacht  sind.  Dies  gilt 
namentlich  bezüglich  der  Einführung  der  freien  Arztwahl  bei  den 
Eisenbahnen.  In  einer  Anzahl  von  kleinen  Orten  ist  sie  durch  Va¬ 
kanz  der  Bahnarztstellen  zu  stände  gekommen,  in  Frankfurt  a.  M.  und 
Mannheim  durch  Vermittlung  der  organisierten  Aerzteschaft  —  an 
beiden  Orten  allerdings  nach  Ueberwindung  nicht  geringer  Schwierig¬ 
keiten,  welche  an  ersterem  Orte  von  seiten  der  Eisenbahnbehörde, 
an  letzterem  im  bahnärztlichen  Verein  erwuchsen.  Ein  besonderes 
Verdienst  um  die  Förderung  dieser  Angelegenheit  hat  sich  der  Aerzte- 
kammerausschuss  in  Preussen  erworben,  dem  es  zwar  nicht  gelungen 
ist,  den  Eisenbahnminister  und  die  Vertreter  der  Bahnärzte  von  der 
Notwendigkeit  und  Nützlichkeit  der  Einführung  der  freien  Arztwahl 
bei  den  Eisenbahnbetriebskrankenkassen  zu  überzeugen,  es  aber  doch 
durchgesetzt  hat,  dass  der  Minister  anordnete,  in  Frankfurt  a.  M. 
einen  Versuch  mit  der  freien  Arztwahl  zu  machen.  So  ist  diese 
am  1.  April  d.  J.  dort  für  alle  Mitglieder  der  Eisenbahnbetriebs¬ 
krankenkasse  einschliesslich  der  Familien  der  Hilfsbeamten  vertrag¬ 
lich  bis  Ende  1908  in  Kraft  getreten.  Und  die  Vorgänge  in  Mann¬ 
heim  zeigen  so  recht,  was  bei  guter  Organisation  und  zielbewusster 
Führung  erreicht  wird.  Seit  Jahren  war  hier  die  freie  Arztwahl  bei 
den  Krankenkassen  durchgeführt,  ihre  segensreiche  Wirkung  von 
allen  Parteien  im  Lande  rückhaltlos  anerkannt  worden.  Und  dieser 
Erkenntnis  ist  cs  wohl  hauptsächlich  zu  verdanken,  dass  auch  der 
Vorstand  der  Eisenbahnbetriebskrankenkassen  im  Dezember  v.  J. 
die  freie  Arztwahl  durch  einen  Vertrag  mit  der  organisierten  Aerzte¬ 
schaft  in  Mannheim  einführte,  der  für  fünf  Jahre  unkündbar  ist.  Von 
ganz  besonderer  Wichtigkeit  ist  es  dabei,  dass  man  hier  auf  die  An¬ 
stellung  von  Vertrauensärzten  verzichtet  hat,  die  Tätigkeit  solcher 
vielmehr  der  ärztlichen  Krankenkassenkommission  übertragen 
hat:  wahrlich  der  beste  Beweis,  welch  grosses  Vertrauen  die  Aerzte- 
organisation  in  Mannheim  allseits  geniesst,  zugleich  aber  auch  eine 
vortreffliche  Illustration  dafür,  dass  nur  bei  Einigkeit  und  fertiger  Or¬ 
ganisation  der  Aerzte  das  Misstrauen  und  der  Widerstand  der  Be¬ 
hörden  überwunden  wird.  Und  wir  wollen  uns  nicht  verhehlen,  dass 
eine  grosse  Zahl  von  Vertretern  dieser  Behörden  sowohl  wie  der 
Bahnärzte  im  Reich  unseren  Wünschen,  namentlich  der  Einführung 
der  freien  Arztwahl  gegenüber,  sich  nach  wie  vor  ablehnend  ver¬ 
hält  und  hie  und  da  der  „Versuch“  in  Frankfurt  a.  M.  mit  der  stillen 
Hoffnung  verfolgt  wird,  dass  er  scheitern  und  die  Undurchführbarkeit 
der  freien  Arztwahl  beweisen  werde.  Nun,  m.  H.,  ich  zweifle  nicht 
daran,  dass  die  Frankfurter  Aerzteschaft  solche  Hoffnungen  durch 
treue  Pflichterfüllung  und  enges  Zusammenhalten  zu  Schanden  ma¬ 
chen  wird.  Beweisen  wir  durch  die  Tat,  dass  die  Forderung  der 
freien  Arztwahl  von  den  Aerzten  nicht  nur  im  eigenen  Interesse 
erhoben,  sondern  nicht  minder  zu  Nutz  und  Frommen  der  Kassen,  der 
Versicherten  und  im  öffentlichen  Interesse  verfochten  wird. 

Es  wäre  aber  kurzsichtig,  m.  H.,  wenn  ich  aus  Freude  über 
derartige  Erfolge  von  grundsätzlicher  Bedeutung  die  Sorgen  ver¬ 
schweigen  wollte,  die  uns  im  letzten  Jahre  durch  gewisse  Vor¬ 
gänge  im  eigenen  Lager  nicht  erspart  geblieben  sind.  So  manchesmal 
haben  sich  unsere  Blicke  mahnend  auf  die  Reichshauptstadt  gerichtet, 
vergeblich  schien  unser  Mahnruf  nach  Einigung  zu  verhallen.  Ich 
würde  Unrecht  tun,  wenn  ich  heute  nicht  ebenso  öffentlich  aner¬ 
kennen  wollte,  dass  der  Einigungsgedanke  dort  schliesslich  doch  auf 
fruchtbaren  Boden  gefallen  ist.  Und  wenn  es  auch  noch  gute  Weile 
haben  mag,  bis  ein  einziges  festes  Band  die  ganze  Berliner  Aerzte¬ 
schaft  umfasst,  so  ist  durch  die  Tätigkeit  des  Fünfzehnerausschusses 
doch  die  Grundlage  geschaffen  worden  für  gemeinsame  Vorberatung 
und  gemeinsame  Arbeit.  Möge  sie  sich  auch  ferner  als  segensreich 
erweisen,  und  die  Gegensätze  in  der  Berliner  Aerzteschaft  in  den 
wirtschaftlichen  Fragen  allmählich  zum  Ausgleich  bringen. 

Mit  banger  Sorge  aber  verfolgten  wir  die  Spaltung  unserer 
Reihen  in  der  schönen  Isarstadt.  Wie  oft  haben  die  Vertreter  aus 
Norddeutschland  in  früheren  Jahren  die  feste  Organisation  der  baye¬ 


rischen  Kollegen  bewundert,  da  wir  noch  selbst  in  den  Anfängen 
des  Zusammenschlusses  steckten!  Woher  nahmen  denn  Männer  wie 
Aub,  Näher,  Dörfler,  Brauser  und  so  viele  andere  die  Kraft 
ihrer  Stellung?!  Doch  nur  aus  dem  Bewusstsein,  dass  sie  durch 
das  Vertrauen  der  gesamten  Aerzteschaft  getragen  und  entsendet 
wurden.  Und  das  alles  sollte  nun  trotz  aller  Erlebnisse  im  letzten 
Jahrzehnt  in  einer  Zeit  des  beständigen  Kampfes  nach  aussen  ganz 
vergessen  sein?  Mit  solchen  und  ähnlichen  Gedanken  und  Fragen  er¬ 
füllt,  hat  eine  Kommission  Ihres  Geschäftsausschusses  die  scheinbar 
unerfüllbare  Aufgabe  übernommen,  den  streitenden  Parteien  den 
Weg  zum  Frieden  und  zur  Einigung  frei  zu  machen.  Und  doch  ist 
dies  am  2.  Mai  d.*J.  in  Frankfurt  a.  M.  insofern  gelungen,  als  die  Ver¬ 
treter  sämtlicher  Standesvereinigungen  in  München  sich  bereit  er¬ 
klärt  haben,  alle  wichtigen,  namentlich  auch  die  wirtschaftlichen 
Standesfragen  in  einem  allseits  beschickten  Ausschuss  vorzuberaten 
und  etwaige  Streitfragen  in  diesem  zu  schlichten.  Gemeinsame  Arbeit 
wird  auch  hier  —  so  hoffen  wir  zuversichtlich  —  die  Kollegen  in 
nicht  ferner  Zeit  zu  alter  Geschlossenheit  und  Kraft  wieder  vereinigen. 

M.  H.l  Seit  der  denkwürdigen  Tagung  in  Königsberg  und  der 
imposanten  Kundgebung  des  Aerztetages  in  Berlin  haben  wir  all¬ 
jährlich  einmütig  vor  der  Oeffentlichkeit  festgestellt,  dass  die  von 
uns  aufgestellten  Forderungen  für  die  Regelung  unserer  Stellung  zu 
den  Krankenkassen  sowohl  im  ganzen  wie  in  ihren  einzelnen  Teilen 
unabänderlich  sind.  Die  Ausführung  unseres  Programms  auf  dem 
Wege  der  freiwilligen  Organisation  haben  wir  vertrauensvoll  den 
Vereinen  und  Lokalkommissionen  überlassen,  und  der  Geschäfts¬ 
ausschuss  hat  Ihnen  nur  nach  bester  Kenntnis  und  Prüfung  der  ein¬ 
schlägigen  Verhältnisse  im  ganzen  Reich  in  seinen  Direktiven  diejeni¬ 
gen  Ratschläge  erteilt,  die  es  ermöglichen  sollten,  überall  im  Sinne 
der  Königsberger  Beschlüsse  unser  Programm  entsprechend  den  ört¬ 
lichen  Verhältnissen  zu  verwirklichen.  Wir  wollten  ein  planmässiges 
besonnenes  Vorgehen,  kein  Vorwärtsdrängen  gegen  den  Willen  und 
über  die  Leiber  der  beteiligten  Aerzte  hinweg,  wir  wollten  weder  den 
wirtschaftlichen  Ruin  der  Kassen,  noch  der  bisherigen  Kassenärzte. 
Das  ist  in  jeder  Tagung  aus  unseren  Verhandlungen  unzweideutig 
hervorgegangen,  und  bei  der  Besprechung  der  Knappschaftskassen¬ 
frage  in  Halle  sowohl  von  uns  wie  in  der  Generalversammlung  des 
Leipziger  Verbandes  mit  genügender  Klarheit  festgelegt  worden. 
Unsere  Direktiven  haben  auch  heute  noch  volle  Gültigkeit  und  wir 
denken  nicht  daran,  die  freie  Arztwahl  den  lokalen  Aerztevereini- 
gungen  gegen  ihren  Willen  aufzuzwingen.  Es  gibt  aber  auch  gewisse 
—  Realpolitiker,  die  in  ihrem  jetzigen  Besitzstände  für  die  Aufrecht¬ 
erhaltung  des  „numerus  clausus“,  und  in  denjenigen  Kassen,  an  denen 
sie  noch  nicht  beteiligt  sind,  für  die  Einführung  der  freien  Arztwahl 
eintreten.  Auf  die  Zustimmung  dieser  sonderbaren  Schwärmer 
müssen  wir  bei  unseren  Massnahmen  allerdings  verzichten.  Unter 
keinen  Umständen  sind  die  Direktiven  hinausgegeben  worden,  um 
das  Königsberger  Programm  zu  verdunkeln  oder  einzuschränken. 
Auch  diese  stehen,  sanktioniert  durch  die  Beschlüsse  aller  späteren 
Aerztetage,  unverrückbar  fest.  Integrierender  Bestandteil  unseres 
Programms  ist  die  Forderung  der  freien  Arztwahl,  und  unser  Bund 
hat  in  Köln  die  sämtlichen  ihm  zugehörigen  Vereine  verpflichtet, 
sich  jeglicher  feindseligen  Tätigkeit  gegen  die  freie  Arztwahl  zu  ent¬ 
halten.  Andererseits  ist  gewissen  Aerztegruppen,  die  auf  Grund  der 
lokalen  Verhältnisse  sich  zur  Durchführung  der  freien  Arztwahl  noch 
nicht  entschliessen  können,  unsererseits  zugesichert  worden,  sie  in 
diesem  Punkte  nicht  zu  bedrängen,  in  allen  übrigen  Wünschen  sie 
sogar  wirksamst  zu  unterstützen,  wenn  sie  selbst  den  Kölner  Be¬ 
schluss  innehalten.  So  lautet  das  ehrlich  gemeinte  Kompromiss.  Wie 
verträgt  sich  aber  mit  diesem  Pakt  das  Vorgehen  einzelner  Aerzte, 
die  ohne  Mandat  von  irgend  einer  ärztlichen  Standesvereinigung  Poli¬ 
tik  auf  eigene  Faust  betreiben  und  versuchen,  in  den  Kreisen  der 
Kassenärzte,  mit  denen  das  erwähnte  Kompromiss  abgeschlossen 
worden  ist,  durch  geheime  Umfragen  Propaganda  gegen  die  freie 
Arztwahl  zu  machen?  Aus  jedem  Loche  des  fadenscheinigen  Mäntel¬ 
chens  angeblicher  Objektivität  ist  der  eigentliche  Zweck  dieser 
Minierarbeit,  vom  Königsberger  Bauwerk  den  Block  der  freien  Arzt¬ 
wahl  abbröckeln  zu  lassen,  deutlich  erkennbar.  Dass  es  unter  uns 
Aerztegruppen  —  Knappschafts-,  Hütten-  und  Eisenbahnärzte  —  gibt, 
die  für  sich  und  ihre  Kassen  aus  besonderen  Gründen  das  System 
des  fixierten  Kassenarztes  beizubehalten  wünschen,  ist  uns  und  der 
Aussenwelt  hinreichend  bekannt.  Wenn  dies  nicht  der  Fall  wäre,  so 
hätten  wir  ja  niemals  Veranlassung  zum  Abschluss  jenes  Kompro¬ 
misses  gehabt!  Wozu  also  die  Umfrage,  die  in  Wirklichkeit  nur 
unseren  Gegnern  Waffen  im  Kampfe  gegen  uns  alle  liefert.  Ich  muss 
ein  derartiges  Vorgehen  auf  das  Tiefste  beklagen,  aber  auch  aut  das 
Entschiedenste  verurteilen.  Ich  weiss,  dass  ich  die  Meinung  des 
Aerztetages  treffe,  wenn  ich  demgegenüber  immer  wieder  feststelle, 
dass  die  Beschlüsse  der  Königsberger,  Kölner  und  Rostocker  Tagung 
von  den  deutschen  Aerzten  unverbrüchlich  festgehalten  werden,  und 
wenn  ich  die  lokalen  Vereinigungen  auffordere,  zielbewusst  und  mit 
Besonnenheit  unter  Aufrechterhaltung  der  Einigkeit  der  Aerzte  ener¬ 
gisch  an  der  Durchführung  dieser  Beschlüsse  weiter  zu  arbeiten.  Ich 
will  aber  auch  die  Hoffnung  nicht  aufgeben,  dass  diejenigen,  welche 
jetzt  noch  glauben,  lediglich  durch  Vertretung  von  Sonderinteressen 
Vorteile  erringen  oder  Schaden  von  sich  abwehren  zu  können,  wenn 
auch  verspätet  zu  der  Einsicht  gelangen,  dass  nur  im  solidarischen  Zu¬ 
sammenarbeiten  der  gesamten  Berufsgenossen  die  Zukunft  unseres 
Standes  und  des  Einzelnen  gesichert  wird.  Zu  dieser  Aufklärung 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCEIE  WOCHENSCHRIFT. 


1351 


möge  gerade  die  heutige  Beratung  der  Pfalzschen  Anträge 
beitragen. 

Unsere  ständige  Krankenkassenkommission  sowie  der  Geschäfts- 
ausschuss  haben  die  Anregung  des  Kollegen  Pfalz  auf  dem  Strass¬ 
burger  Aerztetage,  man  möge  alle  auf  dem  Wege  der  gegenseitigen 
Garantie  von  Kasseneinkommen  gemachten  Erfahrungen  sammeln  und 
sic  zum  Aufstellen  von  Musterbeispielen  für  verschiedenartige  ärzt¬ 
lich-wirtschaftliche  Verhältnisse  verwerten,  für  so  wichtig  gehalten, 
dass  dieser  Gegenstand  als  Hauptthema  in  der  Kostenfrage  auf  die 
heutige  Tagesordnung  gesetzt  worden  ist.  Inzwischen  hat  uns  aber 
die  Reichstagsverhandlung  vom  11.  April  d.  J.  gezeigt,  dass  in  der 
kommenden  Tagung  Gesetzesvorlagen  und  Anträge  eingebracht  und 
möglicherweise  zur  Erledigung  kommen  werden,  die  unsere  ganze 
Wachsamkeit  erfordern.  In  kluger  Selbstbeherrschung  hat  der  vor¬ 
jährige  Aerztetag,  der  sich  zum  ersten  Male  in  breiterem  Rahmen 
an  der  Sozialreform  beteiligte,  die  in  den  verschiedenen  Anträgen 
enthaltenen  Einzelfragen  nicht  durch  Abstimmung  erledigt,  sondern 
zuvor  eine  weitere  Klärung  der  widerstreitenden  Anschauungen  ab¬ 
gewartet.  Wir  konnten  damals  um  so  eher  eine  abwartende  Stel¬ 
lung  einnehmen,  als  die  Reichsregienung  sich  in  Schwei¬ 
gen  hüllte,  und  die  „Arztfrage“  für  u  n  s  längst  spruchreif  geworden 
war.  An  dem  genannten  Tage  aber  hat  der  Staatssekretär  des 
Innern  den  Schleier,  der  bisher  über  den  Plänen  der  Reichsregierung 
lag,  soweit  gelüftet,  dass  man  in  etwa  ersehen  kann,  in  welcher  Rich¬ 
tung  die  Reform  geführt  werden  soll.  „Jede  Refor  m“,  so  sprach' 
Graf  Posadowsky,  „muss  bei  der  Reform  des  Kran¬ 
kenversicherungsgesetzes  an  fangen  und  in  diese  m 
Krankenversicherungsgesetz  muss  besonders 
auch  die  Streitfrage  der  Stellung  der  Aerzte  und 
der  Apotheker  zu  den  Krankenkassen  erledigt 
werde  n.“  Und  weiter :  „Auf  dem  Papier  kann  man  wohl 
die  drei  grossen  Versicherungszweige  Zusammen¬ 
legen,  in  der  Wirklichkeit  würden  aber  einer  sol¬ 
chen  automatischen  Behandlung  der  Frage  die 
allergrössten  Schwierigkeiten  entgegenstehe n.“ 

M.  H.l  Wenn  dieser  letzte  Satz  auch  von  manchen  Sozialpoli¬ 
tikern  innerhalb  und  ausserhalb  der  Aerztekreise  auf  das  heftigste  be¬ 
kämpft  wird,  so  entsprechen  doch  die  Ausführungen  des  Herrn  Staats¬ 
sekretärs  im  wesentlichen  durchaus  dem  Standpunkte,  den  unsere 
Kommission  in  den  vom  Kollegen  Pfeiffer  im  vorigen  Jahre  ver¬ 
tretenen  Thesen  zum  Ausdruck  gebracht  hatte.  Wir  quittieren  auch 
dankbar  über  die  Zusage  des  Staatssekretärs,  dass  in  der  Novelle 
das  Verhältnis  der  Aerzte  zu  den  Krankenkassen  geregelt  werden 
soll.  Leider  hat  uns  derselbe  aber  nicht  verraten,  in  welcher  Weise 
diese  Regelung  erfolgen  soll,  und  auch  die  Führer  der  grossen  Par¬ 
teien  im  Parlament  haben  sich  über  diesen  Punkt  völlig  ausgeschwie¬ 
gen.  Bei  der  augenblicklichen  Situation  will  ich  jede  Kritik  unter¬ 
lassen,  die  fruchtbar  erst  einsetzen  kann,  wenn  uns  die  Vorschläge 
der  Reichsregierung  oder  Anträge  der  Parteien  bekannt  geworden 
sind.  Aber  eins  steht  unsererseits  unabänderlich  fest:  eine  wirk¬ 
liche  Regelung  dieser  wichtigen  öffentlichen 
Frage  kann  nur  stattfinden  auf  Grund  unserer 
Königsberg  er  Forderungen  einschliesslich  der 
grundsätzlichen  Festlegung  der  in  diesen  Be¬ 
schlüssen  enthaltenen  freien  Arztwahl!  Ich  wieder¬ 
hole  :  Der  Deutsche  Aerztevereinsbund  wird  nicht 
ruhen,  bevor  sein  Königsberger  Programm  in 
allen  wesentlichen  Punkten  erfüllt  ist.  Endlich 
verlangen  wir,  an  den  Vorbereitungen  der  Reform 
als  sachverständige  Mitarbeiter  beteiligt  zu 
werden.  Zu  dieser  Stellungnahme  fühlen  wir  uns  verpflichtet 
zwecks  Verteidigung  unserer  vitalen  Interessen,  nicht  minder  aber 
im  Interesse  der  Kassen  mit  ihren  Schutzbefohlenen  und  zur  Förde¬ 
rung  des  grossen  sozialen  Reformwerks.  Fast  hat  es  den  Anschein, 
als  ob  die  Gefahren  für  unseren  Stand  augenblicklich  weniger  bei 
der  Regierung,  als  bei  den  Parteien  im  Lande  zu  suchen  sind.  Er¬ 
kennbar  sind  sie  allerdings  erst  in  einer  Richtung,  die  auf  Erweite¬ 
rung  der  Zwangsversicherung  für  weitere  Kreise  hinzielt.  Von  einer 
*  Parteigruppe  ist  vor  kurzem  in  einem  Initiativantrag  ein  Gesetz  ge¬ 
fordert  worden,  durch  welches  zwecks  Erhöhung  der  Leistungsfähig¬ 
keit  die  gegenwärtige  Zersplitterung  des  Krankenkassenwesens  be¬ 
seitigt  wird,  die  Versicherungspflicht  auf  land-  und  forstwirtschaft¬ 
liche  Arbeiter,  auf  Dienstboten  und  die  Familienangehörigen  der  Ver¬ 
sicherten  ausgedehnt  wird,  der  Beitritt  zur  Krankenversicherung  für 
Kleingewerbetreibende,  Handwerksmeister,  Landwirte  sowie  für 
alle  Personen  mit  einem  jährlichen  Gesamtein¬ 
kommen  unter  3000  M.  erleichtert  wird,  endlich  Einigungs¬ 
kommissionen  (Schiedsgerichte)  zur  Entscheidung  von  Streitigkeiten 
zwischen  Kassenärzten  und  Krankenkassen  eingerichtet  werden. 

M.  H.l  Ueber  die  Schäden,  die  durch  die  Zersplitterung  des  Kran¬ 
kenkassenwesens  zurzeit  entstehen,  haben  wir  uns  in  Halle  eingehend 
unterhalten,  auch  gegen  die  Ausdehnung  der  Versicherungspflicht  auf 
die  land-  und  forstwirtschaftlichen  Arbeiter,  wie  die  Dienstboten 
haben  wir  Aerzte  keine  wesentlichen  Einwendungen  zu  erheben, 
vorausgesetzt,  dass  das  Verhältnis  dieser  neuen  Kassen  zu  uns  in 
korrekter  Weise  geregelt  wird.  Warum  sollen  diese  Arbeiter  länger 
die  Wohltaten  entbehren,  die  der  industriellen  Arbeiterbevölkerung 
schon  so  lange  durch  die  Krankenversicherung  zu  teil  geworden  sind? 
Und  durch  die  Einsetzung  von  Schiedsgerichten  bezw.  Einigungs¬ 


kommissionen,  die  sich  an  vielen  Plätzen  bereits  als  ausserordentlich 
segensreich  erwiesen  haben,  würde  man  bei  einwandsfreier  Zu¬ 
sammensetzung  derselben  nur  eine  alte  Forderung  der  Aerzte  er¬ 
füllen.  Wie  steht  es  nun  aber  mit  dem  Beitritt  zur  Krankenversiche¬ 
rung  für  Kleingewerbetreibende,  Handwerksmeister,  Landwirte  sowie 
für  alle  Personen  mit  einem  Jahreseinkommen  unter  3000  M.?  M.  H.l 
Ueber  diesen  Gegenstand  hat  uns  Kollege  D  i  p  p  e  im  vergangenen 
Jahre  zur  Einleitung  der  Beratung  der  Krankenkassen  für  nichtver- 
sicherungspflichtige  Personen,  der  sog.  Mittelstandskrank’enkassen, 
einen  lichtvollen  Vortrag  gehalten.  Nach  eingehender  Beratung  hat 
damals  der  Aerztetag  mit  grosser  Mehrheit  die  Berechtigung  zum 
Zusammenschluss  nichtversicherungspflichtiger  Personen  anerkannt, 
aber  auch  einmütig  verworfen,  dass  Aerzte  oder  Aerztevereine  mit 
solchen  Vereinigungen  Verträge  bezüglich  der  ärztlichen  Handlung 
der  Mitglieder  abschliessen.  Ausnahmen  hiervon  wurden  nur  zu¬ 
gelassen  für  bereits  bestehende  örtliche  Verhältnisse;  doch  soll  es 
nur  Aerztevereinen  gestattet  sein,  eine  solche  Ausnahme  zu  ge¬ 
währen.  Endlich  haben  wir  den  deutschen  Aerzten  damals  dringend 
empfohlen,  an  allen  Orten,  wo  dies  nicht  bereits  geschehen  ist,  mög¬ 
lichst  bald  Schutz-  und  Trutzbündnisse  zu  diesem  Zweck  zu 
schliessen.  M.  H.l  Wer  sich  nur  an  den  Wortlaut  des  jetzigen  An¬ 
trages  an  den  Reichstag  hält,  könnte  versucht  sein,  zu  glauben,  die 
Angelegenheit  sei  mit  unserer  Stellungnahme  im  Vorjahre  erledigt, 
da  die  Antragsteller  ja  nur  ein  Gesetz  fordern,  durch  welches  den 
bisher  Nichtversicherungspflichtigen  in  dem  erwähnten  Umfange  der 
Beitritt  zur  Krankenversicherung  erleichtert  wird.  Ich  bitte  aber 
doch  zu  bedenken,  dass  unsere  ganze  staatliche  Krankenversicherung 
auf  dem  Grundsätze  des  Versicherungs  z  w  a  n  g  e  s  beruht.  Es  wäre 
mithin  nur  folgerichtig,  wenn  die  Reichsregierung,  falls  sie  den  Initia¬ 
tivantrag  aus  dem  Schosse  des  Reichstages  annimmt,  ihn  der  be¬ 
stehenden  Gesetzgebung  anpasst.  Aber  selbst  wenn  nur  eine  Er¬ 
weiterung  des  freiwilligen  Beitritts  zur  Krankenversicherung  zustande 
kommen  sollte,  so  wird  dies  für  die  Aerzteschaft  von  der  grössten 
Bedeutung  und  von  einschneidendster  Wirkung  sein.  Hat  man  erst 
den  Grundsatz  angenommen,  dass  der  Beitritt  auch  selbständi¬ 
ger  Arbeiter  durch  staatliche  Massnahmen  erleichtert  werden  soll, 
so  muss  der  Staat  und  seine  Organe  auch  den  möglichst  zahlreichen 
Beitritt  solcher  Personen  wünschen  und  mit  allen  erlaubten  Mitteln 
fördern.  Nun  haben  wir  ja  auch  diesen  Punkt  im  Königsberger  Pro¬ 
gramm  geregelt,  indem  wir  verlangt  haben,  dass  die  bisherige  Grenze 
der  Versicherungspflicht,  die  beim  Jahreseinkommen  von  2000  M. 
gezogen  ist,  nicht  überschritten  werden  soll.  Allein  es  ist  doch  drin¬ 
gend  notwendig,  immer  wieder  zu  betonen,  dass  wir  auch  in  diesem 
Punkt  unsere  Anschauungen  absolut  nicht  geändert  haben.  Ich  weiss 
aber  wohl,  dass  bisher  auch  unter  uns  in  einzelnen  Kreisen  eine  ge¬ 
wisse  Geneigtheit  bestand,  in  diesem  Punkte  aus  sozialpolitischen 
Gründen  nachgiebig  zu  sein.  Die  Diskussion  des  Gegenstandes  in 
den  letzten  Wochen  dürfte  aber  auch  den  Anhängern  dieses  Gedan¬ 
kens  klar  zum  Bewusstsein  gebracht  haben,  dass  ein  Nachgeben  zur 
Vernichtung  eines  freien  Aerztestandes  führen  muss,  ebenso  zur 
Untergrabung  des  Vertrauensverhältnisses  zwischen  Kranken  und 
Aerzten. 

M.  H.l  Welche  Bedeutung  in  dieser  Beziehung  schon  jetzt  die 
Zwangsversicherung  hat,  ist  der  Oeffentlichkeit  und  uns  selbst  erst 
einigermassen  zum  Bewusstsein  gebracht,  als  der  Nachweis  geliefert 
wurde,  dass  die  Statistik  des  Reiches  bezüglich  dieses  Punktes  ganz 
unzuverlässig  ist,  da  sie  die  versicherten  Familienmitglieder  ganz 
ausser  Zählung  gelassen  hat.  Nicht  Vs  oder  Ve,  sondern  fast  Va  der 
Bevölkerung  ist  schon  jetzt  im  Krankenversicherungsgesetz  ver¬ 
sorgt,  also  der  freien  ärztlichen  Praxis  entzogen.  Wohin  es  aber 
führen  muss,  wenn  der  Antrag  aus  dem  Reichstag  Gesetz  werden 
sollte,  das  ist  vor  Kurzem  in  unserem  Vereinsblatt  vorgerechnet 
worden  an  der  Hand  eines  Beispiels,  welches  sich  auf  das  Ergebnis 
der  Einkommensteuerstatistik  im  Königreich  Sachsen  bezieht.  Der 
Autor  kommt  zq  dem  Endergebnis,  dass  bei  Annahme  des  Vorschlags 
auf  Erhöhung  der  Einkommengrenze  der  zur  Krankenversicherung 
Beitrittspflichtigen  auf  3000  M.  in  Sachsen  nur  4,7  Proz.  aller  Per¬ 
sonen,  nur  8  Proz.  der  städtischen  und  4  Proz.  der  Haushaltungsvor¬ 
stände  auf  dem  Lande  für  die  freie  ärztliche  Praxis  übrig  bleiben 
würden.  Selbst  wenn  man  zugibt,  dass  jede  Statistik,  namentlich 
aber  eine  Voraussage  gefährlich  und  angreifbar  ist,  so  zeigt  doch 
dieses  Beispiel  mit  erschreckender  Deutlichkeit,  welchen  Zielen  man 
auf  Kosten  der  Selbständigkeit  des  ärztlichen  Standes,  aber  auch  auf 
Kosten  der  Qualität  ärztlicher  Behandlung  —  das  letztere  selbst  bei 
gewissenhaftester  Pflichterfüllung  von  seien  der  Aerzte  —  entgegen- 
steuert.  Von  der  Verstaatlichung  der  gesamten  ärztlichen  Tätigkeit 
sind  wir  dann  nicht  mehr  weit  entfernt;  dann  fehlt  nur  noch  die 
Wiedereinführung  des  Behandlungszwanges  —  und  die  Hoffnung  ge¬ 
wisser  Kreise  ist  erfüllt. 

M.  H.l  Diesen  Ausblick  musste  ich  Ihnen  bei  Beginn  unserer 
diesmaligen  Tagung  eröffnen,  damit  bis  in  die  entlegensten  Ecken 
unseres  Reiches  den  Berufsgenossen  der  Ernst  der  Lage  zum  Be¬ 
wusstsein  gebracht  wird,  damit  aber  auch  die  gesamte  deutsche 
Aerzteschaft  sich  wie  e  i  n  Mann  gegen  derartige  Pläne  erhebt,  um 
das  von  den  Vätern  ererbte  Kleinod  freier  Betätigung  in  unserem 
idealen  Berufe  rein  und  lauter  unseren  Nachfolgern  zu  überliefern. 

M.  H.  Kollegen!  Schliessen  wir  unsere  Reihen  fest  und  fester 
in  dem  Bewusstsein,  dass  an  dem  Widerstande  der  geeinigten 
deutschen  Aerzteschaft  solche  Pläne  zu  Schanden  werden  müssen, 


1352 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


in  dem  Bewusstsein,  dass  die  soziale  Reform  ohne  unsere  werktätige 
Mithilfe  nicht  durchgefiihrt  werden  kann,  in  dem  Bewusstsein,  dass 
wir  mit  dieser  Stellungnahme  dem  öffentlichen  Wohle  dienen. 

Möge  Segen  aus  unserer  Arbeit  erwachsen  für  uns  und  die  Ge¬ 
samtheit  des  Volkes! 

Nachdem  der  gewaltige  Beifall,  der  diesen  Worten  folgte,  sich 
gelegt,  begriissten  Geheimrat  Aschenborn  namens  des  preussi- 
schen  Kultusministers,  Minister  Freiherr  von  der  Recke  als  Ober¬ 
präsident  der  Provinz,  Prof.  Dr.  Pieper  als  Rektor  der  Universität 
Münster  und  namens  der  Stadt  ihr  Oberbürgermeister  Junge¬ 
bio  d  t  den  Aerztetag  mit  herzlichem  Willkommen.  In  seiner  Er¬ 
widerung  konnte  der  Vorsitzende  mit  anerkennender  Genugtuung 
hervorheben,  dass  gerade  in  der  Provinz  Westfalen  und  Stadt 
Minister  die  Beziehungen  der  Aerztevertretung  zu  den  Behörden  vor¬ 
bildlich  seien  und  ein  gutes  Einvernehmen  und  volle  gegenseitige  Un¬ 
terstützung  herrsche. 

Sodann  dankt  er  den  erschienenen  Kollegen,  welche  Mitglieder 
des  Reichstages  sind  und  den  anwesenden  Vertretern  der  Presse. 
Die  noch  bestehenden  Differenzen  mit  der  Presse  sind  nicht  unüber¬ 
brückbar  und  werden  hoffentlich  beigelegt  werden. 

Hierzu  liegt  eine  von  zahlreichen  Delegierten  eingereichte  Inter¬ 
pellation  vor  wegen  der  Vorgänge,  welche  neuerlich  die  Presse  ver¬ 
anlassen,  keine  Berichte  über  den  Aerztetag  zu  bringen.  Der  Ge¬ 
schäftsausschuss  beantrage,  von  einer  Beratung  der  Angelegenheit 
als  zur  Zeit  ganz  inopportun  abzusehen  und  dem  neuen  Geschäftsaus¬ 
schuss  weitere  Schnitte  zu  überlassen. 

Dagegen  erhebt  sich  kein  Widerspruch. 

Weiter  gibt  der  Vorsitzende  bekannt,  dass  vor  der  Frankfurter 
Besprechung  von  dem  geschäftführenden  Ausschuss  der  bayerischen 
Aerztekammern  ein  Entwurf  für  die  Grundsätze  der  Behandlung  von 
Kassenstreitigkeiten  ergangen  sei,  welcher  nach  der  Anschauung  des 
Geschäftsausschusses  sich  nicht  ganz  im  Rahmen  der  Beschlüsse  der 
Aerztetage  halte.  Im  Einverständnis  mit  dem  Vorsitzenden  des  Aus¬ 
schusses  könne  er  erklären,  dass  der  Entwurf  entsprechende  Ab¬ 
änderungen  erfahren  werde,  damit  keine  weiteren  Differenzen  ent¬ 
stehen  können. 

II.  Zu  dem  Geschäftsbericht  des  Generalsekretärs  stellt 

S  t  r  e  f  f  e  r  -  Leipzig  den  Antrag,  es  möge  künftighin  der  Bericht 
des  Generalsekretärs  über  die  Tätigkeit  des  Aerztevereinsbundes  vor 
dem  Aerztetag  in  Druck  gelegt  und  in  einer  entsprechenden  Zahl  von 
Exemplaren  den  Vereinen  zugesandt  werden. 

Wird  angenommen. 

III.  Vereinsblatt,  Kassenbericht,  Kostenvoranschlag.  Mitglieder¬ 
beiträge. 

Dem  Generalsekretär  wird  Entlastung  erteilt  und  die  Vor¬ 
anschläge  genehmigt. 

IV.  Bericht  der  Krankenkassenkommission  über  die  durch  den 
Antrag  Pfalz  auf  dem  33.  Aerztetag  in  Strassburg  veranlasste  Um¬ 
frage  über 

a)  den  jetzigen  Stand  der  kassenärztlichen  Verhältnisse  in 
Deutschland, 

b)  die  zur  Abwehr  etwaiger  Schädigung  von  Aerzten  bei  Ein¬ 
führung  der  freien  Arztwahl  bewährten  Massnahmen. 

Hierzu:  Anträge  des  Geschäftsausschusses: 

Der  35.  Deutsche  Aerztetag  wolle  beschliessen: 

I.  Der  35.  Deutsche  Aerztetag  hält  unverbrüchlich  an  den  Be¬ 
schlüssen  des  30.  (Königsberger)  Aerztetages,  welche  die  Bestellung 
der  Kassenärzte,  die  Art  ihrer  Honorierung  und  die  Versicherungs¬ 
grenze  betreffen,  fest,  und  erklärt: 

Eine  befriedigende  Lösung  der  Kassenarztfrage  kann  nur  dann 
erfolgen,  wenn  durch  das  Gesetz  bestimmt  wird,  dass 

1.  die  Rechte  und  Pflichten  der  Kassenärzte  einer  Krankenkasse 
durch  Vereinbarungen  zwischen  der  Kassenverwaltung  und  einer 
dazu  befugten  ärztlichen  Vertretung  (Aerztekammer,  Vertragskom¬ 
mission,  Aerzteausschuss)  festgestellt  werden,  und  jeder  in  Deutsch¬ 
land  approbierte  Arzt  zur  Kassenpraxis  bei  jeder  Krankenkasse,  in 
deren  Geschäftsgebiete  er  wohnt,  zugelassen  werden  muss,  sofern 
er  sich  vorher  zur  Beobachtung  dieser  Vereinbarungen  ver¬ 
pflichtet  hat; 

2.  jedem  Kassenmitgliede,  das  ärztliche  Hilfe  notwendig  hat, 
die  Wahl  unter  diesen  Aerzten  freisteht; 

3.  paritätische  Einigungskommissionen  zur  Entscheidung  von 
Streitigkeiten  zwischen  Krankenkassen  und  Kassenärzten  geschaffen 
werden. 

II.  Der  Geschäftsausschuss  wird  ersucht,  obigen  Beschluss  ein¬ 
schliesslich  des  einschlägigen  Materials  dem  Herrn  Reichskanzler 
persönlich  zu  überreichen  und  dabei  die  Bitte  auszusprechen,  dass 
Vertreter  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes  zur  Mitarbeit  an  den 
Vorbereitungen  der  Vorlage  betr.  die  Abänderung  des  Krankenver¬ 
sicherungsgesetzes  zugezogen  werden. 

III.  1.  Sowohl  zur  Vorbereitung  der  Einführung,  wie  zur  Ab¬ 
wehr  wirtschaftlicher  Nachteile  für  die  beteiligten  Aerzte  bei  der 
Einführung  der  freien  Arztwahl  empfiehlt  sich  die  Vereinbarung  von 
Entschädigungsgarantien  überall,  wo  ärztliche  Organisationen  irgend¬ 
welcher  Art  als  ihre  Träger  bestehen  oder  gebildet  werden  können. 

2.  Die  Garantie  hat  sich  nur  auf  das  Einkommen  aus  der  Be¬ 
handlung  von  Krankenkassenmitgliedern  in  dem  der  Einführung  freier 
Arztwahl  vorhergehenden  Jahre  zu  beziehen  ohne  Rücksicht  auf  zu¬ 
künftige  mögliche  Erhöhungen. 


3.  Träger  der  Garantie  sind  sämtliche  an  der  freien  Arztwahl 
beteiligten  Aerzte  eines  Kassenbezirkes  (bisherige  und  neu  zu¬ 
ziehende). 

Referent  P  f  a  1  z  -  Düsseldorf :  Der  Ausspruch  des  Grafen  Po- 
sadowsky  im  Jahre  1903,  die  Aerztefrage  sei  brennend,  aber  nicht 
spruchreif,  war  eine  befreiende  Tat,  da  er  zeigte,  dass  unsere  Hoff¬ 
nung  auf  die  gesetzlichen  Faktoren  vergeblich  sei  und  da  er  zu  den 
einstimmigen  Kundgebungen  der  späteren  Aerztetage  geführt  hat. 
Die  deutschen  Aerzte  haben  fiir  ihre  Opferfreudigkeit  keinen  Lohn 
geerntet,  das  wirtschaftliche  Niveau  ist  gesunken,  die  Zahl  der  hilfs¬ 
bedürftigen  Invaliden,  Witwen  und  Waisen  ist  im  steten  Anwachsen. 
Und  so  kam  der  Kampf,  dem  im  Interesse  der  Humanität  möglichst 
bald  ein  Ende  gemacht  werden  soll,  dazu  bedarf  es  aber  noch  immer 
der  Kampfbereitschaft.  Die  von  dem  Leipziger  Verband  veran¬ 
stalteten  Erhebungen  haben  reiches  Material  ergeben,  vor  allem  be¬ 
weisen  sie  die  gewaltigen  Fortschritte  der  freien  Arztwahl,  die  in 
vielen  Orten  zur  Einführung  gekommen  ist.  Was  dort  möglich  war, 
ist  auch  anderswo  möglich;  es  gibt  keine,  auch  keine  staatliche  Kasse, 
bei  der  die  freie  Arztwahl  nicht  zur  vollen  Zufriedenheit  aller  Be¬ 
teiligten  möglich  wäre.  Aber  es  scheint  für  die  Blume  der  freien 
Arztwahl  nicht  überall  der  Boden  und  das  Klima  gut  zu  sein  und  es 
gibt  auch  Schädlinge.  Es  gibt  noch  manchen  Widerspruch.  Bei  den 
Bahnärzten  muss  das  Gespenst  der  Betriebsunsicherheit  herhalten, 
im  oberschlesischen  und  Bochumer  Gebiet  widerstreben  die  Knapp¬ 
schaftsärzte.  Die  in  diesen  Gebieten  veranstalteten  Umfragen  haben 
aber  eigentlich  nur  erfreuliche  Resultate  für  die  freie  Arztwahl  er¬ 
geben. 

Die  Vorwürfe,  welche  der  freien  Arztwahl  gemacht  werden,  die 
teuere  Verordnungsweise  und  zu  nachsichtige  Beurteilung  der  Ar¬ 
beitsfähigkeit  sind  die  Folge  mangelhaften  Pflichtgefühls  und  unge¬ 
nügender  Erziehung,  sie  sind  aber  ebenso  und  am  schlimmsten  beim 
Monopolsystem  der  fixierten  Aerzte,  wie  sich  an  Beispielen  zeigen 
lässt.  Jedenfalls  lassen  sich  alle  Missstände  leicht  abstellen.  Was 
nun  die  Bestrebungen  zur  Einführung  der  freien  Arztwahl  betrifft, 
so  ist  das  Prinzip,  schonend  vorzugehen,  wohl  anzuerkennen,  aber 
mit  Halbheiten  kommen  wir  in  eine  Sackgasse.  Die  Methode  des 
Abwartens  ist  falsch,  grundfalsch.  Die  Direktiven  führen  zur  Ver¬ 
sumpfung  und  daher  ist  der  Standpunkt  der  bayerischen  Aerzte¬ 
kammern  befremdlich.  Manche  Gefahr  droht  der  Einigkeit  der  Aerzte. 
Es  ist  nicht  zu  verdenken,  wenn  der  vermehrte  Zuzug  junger  Aerzte 
bei  freier  Arztwahl  Unwillen  erzeugt  bei  denen,  die  sie  erkämpft 
haben  und  sehen,  wie  die  fixierten  Kassenärzte  nur  um  so  sicherer  in 
ihren  Pfründen  sitzen.  Dazu  kommt  die  vermehrte  Konkurrenz 
durch  die  erneut  ohne  Befragen  der  Aerzte  erleichterte  Zulassung 
zum  ärztlichen  Studium;  der  Wettlauf  der  Parteien  um  die  Gunst  der 
Massen  will  uns  dafür  neue  Lasten  aufpacken.  Daher  müssen  alle 
zusammenstehen,  der  Schlange  der  Zwietracht  muss  der  Kopf  zer¬ 
treten  werden,  nur  auf  dem  Boden  der  freien  Arztwahl  kann  unser 
Stand  gesunden. 

Die  freie  Arztwahl  verlangt  aber  Opfer.  Wer  soll  sie  tragen? 
Die  Nachteile  und  Einbussen  dürfen  nicht  unbilligerweise  nur  die 
fixierten  Aerzte  treffen,  sie  müssen  sich  in  erträglichen  normalen 
Grenzen  halten,  sonst  wird  die  Opposition  nur  verschärft.  Sicher 
sind  jedenfalls  die  fixierten  Einkommen  nicht  und  mehr  Sicherheit 
bietet  die  freie  Arztwahl,  bei  der  die  Tüchtigen  auch  nicht  verlieren. 
Eine  gewisse  Opposition  ist  verständlich,  aber  die  Mittel  die  zum 
Teil  gebraucht  wurden,  sind  nur  zu  verurteilen.  Diese  Erkenntnis 
muss  kommen,  sonst  ist  eine  reinliche  ehrliche  Scheidung 

das  Bessere.  Das  Beste  ist  die  Schaffung  von  Garantien 
für  Erhaltung  des  Einkommens  in  bestimmten  Grenzen;  wobei 
natürlich,  ebenso  wie  bei  einem  fixierten  Arzt,  nicht  dau¬ 
ernd  dasselbe  Einkommen  bleiben  kann,  sondern  eine  Ab¬ 

stufung  eintreten  muss  und  wobei  auch  nur  das  kassen¬ 
ärztliche  Einkommen  zu  sichern  ist.  Bestimmte  Normen  lassen  sich 
nicht  geben  und  es  werden  oft  lokal  die  weitesten  Rücksichten  ge¬ 
übt  werden,  unter  Umständen  sogar  lebenslängliche  Garantien  not¬ 
wendig  sein.  An  vielen  Orten  hat  sich  die  Einrichtung  bereits 
durchaus  bewährt.  Wenn  der  Ausgleich  unter  den  Kollegen  ohne 
solche  Einkommensgarantie  möglich  ist,  um  so  besser;  die  Garantie 
soll  aber  kein  Almosen  bedeuten,  das  anzunehmen  selbstbewussten 
Männern  unwürdig  wäre,  es  soll  ein  Abkommen  sein,  dessen  sich 
niemand  zu  schämen  braucht.  Dabei  kann  der  ganze  Stand  nur  ge¬ 
winnen,  die  Einmütigkeit  der  Kollegen,  die  fruchtbringende  Zusam¬ 
menarbeit  mit  den  Kassen  nur  gefördert  werden.  Glückauf! 

Der  Vorsitzende  schlägt  vor  die  bereits  früher  wiederholt  ange¬ 
nommenen  Sätze  I  und  II  nicht  mehr  im  einzelnen  zu  diskutieren. 

Da  sich  Widerspruch  geltend  macht,  muss  diese  Einzelberatung 
stattfinden. 

M  e  r  mla  n  n  -  Mannheim:  Die  Durchführung  der  freien  Arzt¬ 
wahl  in  Mannheim  hat  allgemein  den  grössten  Segen  gebracht,  obwohl 
auch  dort  die  Aerzte  nicht  besondere  Engel  sind.  Die  bestehenden 
Direktiven  werden  missverständlich  aufgefasst,  nie  haben  sich  die 
Anhänger  der  freien  Arztwahl,  sondern  nur  die  Gegner  darauf  be¬ 
zogen;  sie  bedürfen  der  autoritativen  Auslegung,  damit  nicht  die  Zu¬ 
stimmung  jedes  einzelnen  Arztes  verlangt  werden  muss,  sondern  dfe 
Mehrheit  der  an  der  freien  Arztwahl  interessierten  Kollegen  genügt. 
Jedenfalls  ist  die  Sicherheit  des  Besitzes  für  die  fixierten  Stellen  nicht 
gross. 

K  ö  n  i  g  s  h  ö  f  e  r  -  Stuttgart:  Die  Befürchtungen  der  Kassen¬ 
matadoren  haben  sich  bei  uns  nicht  erfüllt,  die  verdienen  eher  mehr. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1353 


bei  weniger  Arbeit.  Nun  liegt  ein  Antrag  der  Postbetriebskasse  auf 
Einführung  der  Familienversicherung  vor,  das  spricht  gewiss  für  die 
Bewährung  der  freien  Arztwahl.  Ferner  ist  ein  Revisionsarzt  auf- 
gestellt  worden,  den  die  Aerzte  wählen  und  die  Kasse  zahlt. 

M  a  y  e  r  -  Fiirth:  Der  besprochene  Entwurf  der  bayerischen 
Aerztekammern  hätte  das  Aufsehen  nicht  verdient  und  der  Referent 
hätte  ihn  besser  nicht  erwähnt.  Es  ist  eine  rein  lokale  Angelegenheit, 
die  Ausführung  lang  gefasster  Beschlüsse.  Es  ist  nur  ein  Vorschlag 
zur  weiteren  Beratung  und  da  habe  ich  eine  Direktive  des  Aerztetages 
nach  dem  Gedächtnis  hereingenommen,  es  handelt  sich  um  das  Ein¬ 
verständnis  „aller“  Beteiligten.  Um  Missverständnisse  zu  vermeiden, 
sind  wir  gerne  bereit  den  Entwurf  nochmals  zu  revidieren.  Aber  man 
hat  vor  allem  gesucht  uns  damit  am  Zeug  zu  flicken  und  einen  Strick 
zu  drehen.  Die  bayerischen  Aerztekammern  stehen  voll  und  ganz 
auf  dem  Boden  der  Aerztetagsbeschliisse,  sie  werden  auch  vor  den 
Bahnärzten  nicht  zurückschrecken.  Aber  wir  müssen  vermitteln, 
können  nicht  mit  dem  Kopf  durch  die  Wand  gehen.  Die  schwere 
Frage  ist  das  Recht  der  Minorität  und  schwer  zu  entscheiden,  welche 
Minoritäten  sich  fügen  müssen.  Ich  und  meine  Freunde  gehören  zu 
den  verlässigsten  Stützen  des  Leipziger  Verbandes,  alles  andere  ist 
Legendenbildung  und  Mache. 

Fernbacher  -  Zauckerode  wendet  sich  gegen  die  zwangs¬ 
weise  Einführung  der  freien  Arztwahl  und  den  Ton  der  ärzt¬ 
lichen  Mitteilungen;  viele  Kollegen  sind  mit  Vorbehalt  im  L.  V., 
jedenfalls  nicht  eingeschworen  auf  die  freie  Arztwahl.  Vielfach,  wie 
in  der  Heimat  des  Redners,  herrschen  besondere  Verhältnisse  und 
werden  die  Kollegen  durch  die  freie  Arztwahl  geradezu  zum  An¬ 
schluss  an  die  Umsturzpartei  gezwungen;  einer  der  dortigen  Kol¬ 
legen  zahlt  einen  beträchtlichen  Beitrag  zur  sozialdemokratischen 
Parteikasse. 

G  o  e  t  z  -  Leipzig:  Solche  sozialdemokratische  Kollegen  schaden 
nicht  viel,  das  Publikum  sieht  bald,  dass  ein  solcher  trauriger  Mensch 
auch  ein  trauriger  Arzt  ist.  Die  grösste  Gefahr  liegt  in  dem  Streben 
aller  Parteien  nach  der  Gunst.  Wenn  der  Antrag,  die  Einkommen¬ 
grenze  von  2000  auf  3000  Mk.  hinaufzusetzen  durchdringt,  geht  die 
Freiheit  der  Aerzte  zu  Grunde.  Dagegen  kann  uns  dann  nur  der 
Generalstreik  schützen.  Man  wird  sich  aber  hüten,  die  Probe  auf 
das  Exempel  zu  machen. 

R  e  i  c  h  e  1  -  Chropaczow:  Wir  sind  im  Prinzip  nicht  gegen  die 
freie  Arztwahl,  aber  das  was  schriftlich  und  mündlich  versprochen 
wurde,  soll  gehalten  und  nicht  durch  Unlogik  in  das  Gegenteil  ver¬ 
wandelt  werden.  Man  soll  auch  uns  die  bona  fides  Zutrauen.  Artikel 
wie  der  grosse  Artikel  gegen  das  Bochumer  Komitee  in  den  „Mit¬ 
teilungen“  sind  keine  Ehre  für  den  ärztlichen  Stand.  Man  muss 
auch  verschiedene  Ansichten  dulden.  Die  freie  Arztwahl  bringt  auch 
nicht  alle  erwarteten  Vorteile,  weder  die  soziale  Hebung  unseres 
Standes,  auch  die  Kranken  wählen  doch  nicht  den  Arzt  ihres  Ver¬ 
trauens.  Es  ist  beleidigend  für  die  festangestellten  Aerzte,  wenn 
man  sagt,  die  freie  Arztwahl  schaffe  eine  bessere  Versorgung  der 
Kranken.  Das  Pointsystem  ist  ein  ganz  schandbares  und  schafft  un¬ 
anständige  Kollegen.  In  Oberschlesien  gibt  es,  trotz  aller  Einwände, 
eine  ernste  Polenfrage,  die  einen  schweren  Kampf  der  deutschen 
Aerzte  mit  sich  bringt.  Bei  freier  Arztwahl  können  wir  alle  in  Pen¬ 
sion  gehen,  dann  nehmen  die  Polen  nur  polnische  Aerzte,  und  diese 
sind  wie  die  Geistlichen  und  Rechtsanwälte  die  Offiziere  der  Polen¬ 
bewegung.  Bei  der  Umfrage  unter  den  Aerzten  in  Oberschlesien 
haben  von  500  300  abgestimmt,  die  übrigen  waren  Knappschaftsärzte. 

R  o  t  h  m  a  1  e  r  -  Gerbstädt:  Die  Knappschaftsärzte  können  nicht 
alle  in  einen  Topf  geworfen  werden.  Ich  bin  der  Ansicht,  dass  bei 
den  Knappschaften  keine  anderen  Verhältnisse  sind  als  bei  anderen 
Kassen. 

L  öwe  n  st  e  in -Elberfeld:  Alle  Einwände  gegen  die  freie  Arzt¬ 
wahl:  Betriebssicherheit,  nationale  Gefahr,  sozialdemokratischer  Ein¬ 
fluss  usf.  sind  widerlegt.  Aber  es  besteht  ein  Widerspruch  zwischen 
den  Resolutionen  der  Aerztetage  und  dem  Verhalten  zu  Hause.  Der 
Geschäftsausschuss  hätte  in  seinen  Direktiven  die  Einführung  der 
freien  Arztwahl  bis  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkt  fordern  müssen. 
Sonst  kommen  wir  nicht  weiter.  In  Elberfeld  ist  alles  gut  geordnet 
worden,  auch  bei  der  Eisenbahn  eine,  wenn  auch  beschränkte  freie 
Arztwahl.  Zu  den  Orten  mit  freier  Arztwahl  kommen  zu  wenig  neue 
hinzu,  da  wäre  das  Beste  eine  reinliche  Scheidung  und  der  offene 
Kampf  mit  den  Knappschaften. 

B  a  u  e  r  -  München  begriisst  die  Aussprache,  bisher  seien  die 
Gegner  der  freien  Arztwahl  auf  den  Aerztetagen  zu  wenig  zum  Wort 
gekommen.  Ihre  Gegengründe  sind  'aber  lauter  alte  Ladenhüter. 
Wenn  Mayer  bestreite,  dass  sein  Entwurf  gegen  den  L.  V.  ge¬ 
richtet  sei,  so  bedeute  er  doch  tatsächlich  eine  schwere  Schädigung 
desselben.  In  München  sei  trotz  der  bestehenden  Organisation  ein 
unerquicklicher  Kampf  entstanden,  da  man  das  Einverständnis  aller 
Beteiligten  und  die  Berücksichtigung  der  Minorität  verlangte.  Ucber- 
all  ist  die  Majorität  das  entscheidende  und  muss  die  Minorität  parieren, 
sonst  entsteht  ein  gefährlicher  Zustand.  Unter  Umständen  ist  eine 
reinliche  Scheidung  notwendig,  denn  in  Lebensfragen  sind  nicht 
zwei  Meinungen  möglich.  Wenn  einige  hundert  Mitglieder  aus  dem 
L.  V.  austreten,  wird  er  eine  kompakte  Masse,  man  braucht  die 
Spaltung  nicht  zu  fürchten,  eine  Krisis  wird  den  Verband  stärken. 

M  u  n  t  e  r  -  Berlin:  Jeder  Fortschritt  hat  auch  Schattenseiten, 
aber  die  Missstände  lassen  sich  in  der  freien  Arztwahl  leicht  be¬ 


seitigen  und  sie  hat  sich  in  Berlin  tatsächlich  bei  allen  Arten  von 
Kassen  bewährt.  Das  Gedeihen  der  Kassen  hängt  nicht  vom  Arzt¬ 
system  ab.  Die  Bewegung  für  die  freie  Arztwahl  beruht  auf  ethischen 
Gründen  und  jedenfalls  ist  bei  ihr  die  Schamlosigkeit  der  Stellen¬ 
bewerbungen  unvergleichlich  eingeschränkt  worden.  Unser  Ver¬ 
hältnis  ,zu  den  politischen  Parteien  ist  nicht  ungünstig,  wir  hängen 
keiner  Partei  an  den  Rockschössen,  keine  ist  entschieden  für,  keine 
gegen  die  freie  Arztwahl.  Deren  gesetzliche  Festlegung  liege,  ent¬ 
gegen  seiner  früheren  Auffassung,  im  Interesse  der  Allgemeinheit  wie 
der  Aerzte. 

H  a  k  e  r  -  Berlin:  Man  kann  verschiedener  Ansicht  sein  über  die 
gesetzliche  Einführung  der  freien  Arztwahl,  aber  es  ist  nur  eine  Frage 
der  Zeit,  ob  unsere  Organisation  so  stark  ist,  um  das  Gesetz  diktieren 
zu  können.  Zur  Zeit  ist  eine  Stockung  in  der  Bewegung  für  die  freie 
Arztwahl,  da  der  Ausbau  des  Verbandes  zu  zaghaft  ist.  In  wirt¬ 
schaftlichen  Fragen  muss  die  Abstimmung  Gesetz  sein,  dem  sich  jeder 
zu  fügen  hat.  Der  Aerztevereinsbund  ist  ein  wirtschaftlicher  Ver¬ 
band,  er  soll  aussprechen,  die  freie  Arztwahl  ist  bei  allen  Kassen  mit 
allen  Mitteln  durchzuführen.  Die  Herren,  die  dagegen  sind,  haben 
stillschweigend  zu  gehorchen  oder  die  Konsequenzen  zu  ziehen.  Die 
Direktiven  sind  schärfer  zu  fassen  und  der  Verband  muss  das  Recht 
haben,  den  Gehorsam  für  die  Majoritätsbeschlüsse  zu  erzwingen.  Das 
sei  die  letzte  Warnung  an  die  Herren,  die  die  Einigkeit  immer  er¬ 
schüttern. 

Ein  Antrag  auf  Schluss  der  Debatte  wird  abgelehnt. 

Ei  e  r  m  a  n  n  -  Frankfurt  a.  M.  protestiert  dagegen,  wenn  man 
einen  depravierenden  Einfluss  der  freien  Arztwahl  auf  die  Kollegen 
behauptet.  Wenn  überhaupt  ein  System  demoralisiert,  ist  es  das  der 
fixierten  Stellen.  Wenn  das  Pointsystem  zu  Polypragmasie  verführt, 
ist  die  Verlockung  bei  den  Mindestsätzen  noch  grösser.  Reichel 
habe  zum  Anfang  und  zum  Schluss'  der  freien  Arztwahl  im  Prinzip 
zugestimmt,  dazwischen  aber  auf  die  ärgste  Weise  mit  Scheingründen 
gegen  dieselbe  gesprochen. 

B  e  c  k  h  a  u  s  -  Wattenscheid:  Es  besteht  keine  Aussicht,  jemand 
für  oder  gegen  die  freie  Arztwahl  zu  überzeugen.  Man  muss  aber 
an  die  verschiedenen  ausdrücklichen  Versicherungen  erinnern  (Redner 
verliest  einige  Belegstellen),  mit  denen  der  Aerztevereinsbund  und 
Leipziger  Verband  die  Knappschaftsärzte  zu  beruhigen  suchte  und  die 
Gründung  eines  Knappschaftsärzteverei'ns  als  unnötig  erklärte,  da 
keine  Rede  davon  sei,  dass  den  Knappschaftsärzten  die  freie  Arzt¬ 
wahl  drohe.  Glauben  Sie,  dass  wir  heute  noch  glauben,  die  freie 
Arztwahl  droht  uns  nicht?  Die  grosse  Zahl  der  Anwesenden  hat  wohl 
den  Wunsch,  die  Direktiven  abzuschaffen,  zu  modifizieren  und  als 
veraltet  zu  erklären.  Auch  die  Forderung  der  gesetzlichen  Fest¬ 
legung  der  freien  Arztwahl  spricht  dafür.  Man  sagt,  die  Knapp¬ 
schaftsärzte  sind  so  wenige,  man  hat  nicht  nötig  Rücksicht  auf  sie 
zu  nehmen,  die  nur  aus  Eigensucht  und  Angst  vor  Nachteilen  an  ihrer 
Stelle  festhalten.  Es  wäre  ein  Trugschluss,  anzunehmen,  dass  die 
Knappschaftsärzte,  weil  sie  allein  sich  äussern,  die  einzigen  Gegner 
der  freien  Arztwahl  wären. 

Inwieweit  die  Bahnärzte  reden  wollen  bei  der  heutigen  Stimmung, 
weiss  ich  nicht;  auch  auf  dem  Lande  und  in  kleinen  Städten  be¬ 
stehen  Bedenken  gegen  die  freie  Arztwahl.  Wie  sollen  alle  diese 
Leute  ihre  Auffassung  zur  Geltung  bringen,  sie  sind  zum  Teil  auch 
ängstlich  wegen  der  Verpflichtungsscheine  und  Drohungen.  Der 
Aerztetag  gibt  jedenfalls  kein  richtiges  Bild,  zumal  hinter  manchen 
Delegierten  in  Wirklichkeit  nur  ein  Drittel  oder  Viertel  ihrer  Stimmen 
steht.  Objektiv  Hesse  sich  die  wahre  Stimmung  nur  durch  eine  Um¬ 
frage  bei  allen  Aerzten  feststellen,  ob  sie  für  eine  gesetzliche  Ein¬ 
führung  der  freien  Arztwahl  wären.  Der  bisherige  Standpunkt,  dass 
jede  Majorisierung  einigermassen  in  Betracht  kommender  Minoritäten 
zu  vermeiden  ist,  hat  viele  vom  offenen  Auftreten  bisher  abgehalten. 
Dass  die  Polenfrage  nicht  ganz  zu  übergehen  ist,  geht  auch  aus  einem 
Schreiben  Hartmanns  hervor.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass  im 
Bochumer  Bezirk  bei  der  grössten  Knappschaftskasse  nur  die  Männer 
versichert  sind,  für  die  Familien  aber  eine  der  freien  Arztwahl  fast 
ganz  gleichwertige  Einrichtung  besteht/  Es  wäre  sehr  zu  bedauern, 
wenn  es  heute  statt  zu  einer  Verständigung,  zu  einer  Scheidung 
käme  und  alle  Bemühungen  zusammenzuarbeiten,  vergeblich  wären. 
Ich  habe  gesprochen  nach  dem  Wort  Gerad  aus,  das  ist  West¬ 
falen  Brauch. 

Ein  Schlussantrag  wird  abgelehnt. 

Müll  er -Hagen  i.  W. :  Wenn  die  Direktiven  von  1903  schonend 
waren,  ist  es  begreiflich,  inzwischen  hat  sich  aber  vieles  geändert 
und  in  manchen  Bezirken  ist  die  freie  Arztwahl  eingeführt.  Diese  haben 
ein  Recht,  das  gleiche  auch  anderswo  zu  fordern,  damit  die  jungen 
Aerzte  überall  Unterkommen  können.  Was  geht  es  uns  an,  ob 
polnische  Aerzte  da  oder  dort  auftreten,  wir  müssen  das  hinnehmen 
und  in  polnische  Bezirke  gehören  auch  polnische  Aerzte.  Ich  bin 
nicht  nur  für  reinliche  Scheidung,  sondern  für  ein  aggressives  Vor¬ 
gehen  gegen  die  Widerstrebenden;  der  Erfolg  wird  kommen  und  die 
Fluten  werden  über  sie  wegschlagen. 

Bloch -Leuthen:  Die  Auffassung  Reichels  besteht  noch 
bei  vielen.  Es  ist  immer  die  Rede  von  Versprechungen,  nicht  aber 
davon,  dass  die  Direktiven  nur  bis  zur  gesetzlichen  Einführung  der 
freien  Arztwahl  gelten,  sie  sind  nur  eine  Aushilfe.  Die  polnischen 
Aerzte  .haben  genau  die  gleichen  Rechte  wie  die  Deutschen,  die  Ab¬ 
sperrung  hat  die  Bewegung  nur  verschärft.  Die  westfälischen  Indu- 


1354 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


striemagnaten  ziehen  ja  die  Polen  selbst  aus  Oberschlesien  in  die 
deutschen  Landesteile.  Die  Hinaufsetzung  der  Versicherungsgrenze 
auf  3000  M.  kann  gegen  andere  Kompensationen  wohl  zugestanden 
werden. 

Wentscher-Thorn:  Die  Polenfrage  existiert  und  bezüglich  ihrer 
nationalen  Seite  stehe  ich  auf  dem  Bismarckschen  Programm.  Aber 
in  kollegialem  umd  wissenschaftlichem  Sinne  hat  sie  keine  Bedeutung. 
Mit  der  freien  Arztwahl  hat  sie  nichts  zu  tun.  Es  wäre  schlecht, 
wenn  die  polnischen  Aerzte,  die  bei  uns  im  besten  Verhältnis  mit 
ans  stehen,  in  die  Opposition  getrieben  würden.  Nicht  jeder  .polnische 
Arzt  ist  ein  Agitator.  An  der  Schwelle  unserer  Organisation  haben 
nationale  und  politische  Gegensätze  aufzuhören.  Nur  am  guten 
Willen  ist  alles  gelegen. 

Es  liegt  ein  Antrag  Reichel  vor,  dahingehend,  dass  die  richtige 
Lösung  der  sogen.  Kassenarztfrage  die  freie  Arztwahl  bedeutet,  es 
soll  aber  in  Anbetracht  der  verschiedenen  lokalen  Verhältnisse  den 
einzelnen  Aerzteverbänden  die  Entscheidung  überlassen  bleiben.  Ein 
Schlussantrag  wird  angenommen. 

Pf  alz -Düsseldorf  wendet  sich  im  Schlusswort  gegen  die 
Geneigtheit,  in  der  Versicherungsgrenze  Zugeständnisse  zu  machen 
und  zur  fortwährenden  Ausdehnung  der  Versicherung  die  Hand  zu 
bieten. 

Bei  der  Abstimmung  erhält  der  Antrag  Reichel  8  Stimmen. 

Die  These  I  wird  mit  allen  gegen  5,  die  These  II  mit  allen 
gegen  3  Stimmen  angenommen. 

Diskussion  über  These  III  (Entschädigungsgarantie). 

S  c  h  ö  n  h  e  i  m  e  r  -  Berlin:  Eine  Uebereinstimmung  der  An¬ 
schauungen  besteht  noch  nicht.  Eine  Garantie  ist  nur  dort  möglich, 
wo  eine  grosse  Honorarerhöhung  gelungen  ist  und  man  darf  die  Mög¬ 
lichkeit  nicht  überschätzen,  durch  solche  Garantien  die  Gegner  zu 
gewinnen.  Ich  bin  ein  Gegner  der  grundsätzlichen  Festlegung;  wo 
es  durchzuführen  ist,  da  bin  ich  einverstanden. 

Sternberg  -  Berlin  vermisst  nähere  Bestimmungen  wie  es 
gehalten  werden  soll,  je  nach  dem  die  freie  Arztwahl  auf  Beschluss 
der  Kasse  oder  auf  gesetzlichem  Weg  oder  durch  freiwilligen  Ver¬ 
zicht  der  bisherigen  Aerzte  eingeführt  wird.  Eine  Entschädigung  ist 
nur  im  letzteren  Falle  angezeigt.  St.  beantragt  in  Ziffer  1  einzu¬ 
schalten:  „bei  der  durch  freiwilligen  Verzicht  ermöglichten  Ein¬ 
führung  der  freien  Arztwahl“;  ferner  in  Ziffer  2:  „Voraussetzung  für 
die  Entschädigung  ist  die  weitere  gleichartige  kassenärztliche  Tätig¬ 
keit  des  zu  Entschädigenden“;  und  in  Ziffer  3:  „nur  bis  zur  Höhe 
ihres  kassenärztlichen  Einkommens“. 

E  i  e  r  m  a  n  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Die  Entschädigung  soll  nur  da 
erfolgen,  wo  sie  verlangt  wird.  Vieles  kommt  auf  die  lokalen  Ver¬ 
hältnisse  an ;  daher  kann  die  Vereinbarung  nur  empfohlen  werden. 
Die  Garantie  kann  nur  die  Belohnung  des  freiwilligen  Ver¬ 
zichtes  sein.  Nur  solche  Kollegen  haben  Anspruch,  die  in  der  Kassen¬ 
praxis  Weiterarbeiten. 

P f  a  1  z -Düsseldorf  im  Schlusswort:  Voraussetzung  Ist  die  frei¬ 
willige  Organisation.  Bei  gesetzlicher  Einführung  der  freien  Arzt¬ 
wahl  fällt  die  Garantie  weg,  daher  sollen  die  Aerzte  in  fixierten 
Stellen  die  Gelegenheit  bei  Zeiten  ergreifen.  Es  soll  kein  Kollege 
Schaden  leiden,  sondern  es  soll  eine  Art  Versicherung  geschaffen 
werden;  hier  ist  ein  weites  Feld  für  die  Organisationsarbeit. 

Die  Thesen  werden  angenommen  mit  den  Zusätzen  Stern- 
b  e  r  g  s. 

Antrag  J  a  k  s  -  Thüngen:  In  besonderer  Berücksichtigung  der 
ländlichen  Verhältnisse  anerkennt  der  35.  Deutsche  Aerztetag  die  Not¬ 
wendigkeit  der  obligatorischen  staatlichen  Krankenversicherung  der 
landwirtschaftlichen  Arbeiter  und  Dienstboten.  Er  lehnt  dagegen  die 
Einbeziehung  der  selbständigen  Landwirte  in  die  obligatorische  staat¬ 
liche  Krankenversicherung  ab. 

Nach  kurzer  Begründung  durch  den  Antragsteller  und  kurzen 
Diskussionsbemerkungen  (Munter,  D  ü  r  e  n  f  <u  r  t  h  und  Eisfeld) 
wird  beschlossen,  den  Antrag  an  die  Krankenkassenkommission  zu 
überweisen. 

V.  Wahl  des  Geschäftsausschusses. 

Gewählt  wurden:  Loebker  mit  20  801  Stimmen,  Dippe  mit 
18  975,  Pfeiffer  mit  18  935,  H  a  r  t  m  a  n  n  -  Leipzig  mit  18  670, 
Wentscher  mit  17  514,.  Herzau  mit  17  374,  Mugdan  mit 
17  075,  Lent  miit  17  032,  W  i  n  k  e  1  m  a  n  n  mit  16  572,  K  a  s  1 1  mit 
14  291,  Königshöfer  mit  12  595,  May  er- Fürth  mit  10  260 
Stimmen. 

22.  Juni.  Beginn  der  Sitzung  9  Uhr. 

VI.  Bericht  der  Lebensversicherungskommission  über  die  Revision 
der  zwischen  dem  Deutschen  Aerztevereinsbunde  und  dem  Verbände 
deutscher  Lebensversicherungsgesellschaften  bestehenden  Verein¬ 
barungen. 

L  e  n  t  -  Köln  als  Referent:  Im  Gegensatz  zu  dem  gestrigen  Be¬ 
ratungsgegenstand  ist  dieser  minder  wichtig;  der  Ausschuss  will  nur 
Fragen  vorlegen,  welche  Wege  weiterhin  einzuschlagen  sind.  Die 
seit  langem  bestehenden  Vereinbarungen  sind  von  einzelnen  Gruppen 
von  Aerzten  verletzt  worden  und  es  wurde  schon  seit  längerem  an 
einer  Revision  der  Honorarsätze  sowie  der  Formulare  gearbeitet.  Die 
diesbezüglichen  Vorschläge  der  Kommission  fanden  zwar  die  Zustim¬ 
mung  de<>  Geschäftsausschusse's,  anderseits  aber  lebhaften  ‘Wider¬ 
spruch,  so  dass  eine  neue  Beratung  stattfinden  musste.  Das  haus¬ 
ärztliche  Zeugnis  ist  nun  sehr  vereinfacht,  auch  das  Formular  für  das 


vertrauensärztliche  Zeugnis  ist  verbessert  worden.  Doch  genügt  das 
vielen  Aerzten  nicht,  die  auf  das  Risiko  des  Hausarztes,  auf  die  ge¬ 
änderten  Lebensverhältnisse,  die  bereits  verschiedentlich  bezahlten 
höheren  Honorarsätze  verweisen.  Die  Gesellschaften  erklären  da¬ 
gegen  Honorare,  die  eine  Erhöhung  auf  das  Doppelte  bedeuten,  nicht 
zahlen  zu  können.  Nun  wurde  auch  von  einer  allmählichen  Honorar- 
erhöhung  gesprochen;  jedenfalls  wäre  es  zu  bedauern,  wenn  Wege 
eingeschlagen  würden,  um  die  bisherige  hohe  Gesamtsumme 
für  Zeugnisse  künftig  nur  einzelnen  zuzuwenden.  Eine  nochmalige 
Kommissionsberatung  komme  jedenfalls  in  Betracht;  eine  andere 
Frage  ist  die  der  Vertragsfähigkeit  and  die,  ob  alle  Vereine,  die  sich 
nicht  fügen  wollen  oder  bis  jetzt  schon  nicht  fügten,  aus  dem  Vereins¬ 
bund  auszuscheiden  hätten.  Ein  Abkommen,  das  nicht  gehalten  wird, 
hat  keinen  Sinn. 

Hierzu  liegen  vor: 

a)  Antrag  der  Berliner  Vereine:  Das  Honorar  für  hausärztliche’ 
Atteste  auf  10  M.  zu  erhöhen  und  falls  die  Lebensversicherungsgesell¬ 
schaften  das  ablehnen,  den  Vertrag  mit  den  Gesellschaften  zum  näch¬ 
sten  zulässigen  Termin  zu  kündigen. 

b)  Antrag  Löwenstein:  Für  die  Aufnahmeatteste  der  Ver¬ 
trauenärzte  sind  mindestens  15  M.,  für  hausärztliche  Atteste  10  M.  zu 
verlangen. 

Event.:  Bei  Ablehnung  des  Antrages  sollen  nach  Kündi¬ 
gung  des  Vertrages  dem  Leipziger  Verband  die  weiteren  Verhand¬ 
lungen  und  der  Abschluss  eines  neuen  Vertrages  übertragen  werden. 

c)  Antrag  Bergeat  und  Gen.:  Der  Aerztetag  beschliesst,  die 
Angelegenheit  an  die  zu  erweiternde  Kommission  zu  überweisen  mit 
dem  Aufträge,  weiter  zu  verhandeln  unter  der  Grundbedingung  einer 
Erhöhung  der  bestehenden  Honorare. 

Alexander  -  Berlin  betont  nach  einem  kurzen  Rückblick  über 
die  Entwicklung  der  Sache,  dass  10  M.  der  einzig  zulässige  Satz  für 
hausärztliche  Atteste  sei.  Diese  hätten  zweifellos  den  Charakter  be¬ 
gründeter  Gutachten.  Die  Gesellschaften  wollen  eine  Begründung  von 
Erklärungen,  die  nur  auf  Grund  von  Beobachtungen  von  Berufswegen 
abgegeben  werden  können  .  Aus  den  8  Fragen  des  Formulars  werden 
bei  näherer  Prüfung  deren  22.  Damit  ist  die  Honorarfrage  gelöst, 
denn  die  Gebührenordnung  verlangt  für  solche  Gutachten  9 — 30  M. 
Der  Satz  von  10  M.  bedeutet  daher  ein  gewaltiges  Entgegenkommen. 
Man  darf  nicht  die  Mühewaltung  und  den  Zeitaufwand  zum  Mass¬ 
stab  nehmen.  Die  Verantwortung  ist  so  gross,  dass  auch  mit  10  M. 
bei  weitem  nicht  der  Schaden  ausgeglichen  wird,  den  wir  unter  Um¬ 
ständen  als  Folge  zu  tragen  haben.  Es  fragt  sich,  ob  cs  überhaupt  gut 
ist,  solche  Atteste  auszustellen.  In  Betracht  kommt  die  veränderte 
Lebensführung;  wir  können  bei  weniger  Bemittelten  nicht  die  Hono¬ 
rare  erhöhen,  wenn  wir  nicht  dasselbe  bei  den  durchaus  zahlungs¬ 
fähigen  Versicherungsgesellschaften  tun.  Auf  diese  haben  wir  keine 
Rücksicht  zu  nehmen.  Ihre  Prosperität  ist  bekannt,  wenn  nötig,  sollen 
sie  die  Prämien  erhöhen.  Wollen  sie  versuchen,  die  hausärztlichen 
Atteste  abzuschaffen,  so  müssen  sie  doch  bald  wieder  zu  ihnen  zu¬ 
rückkehren.  Jedenfalls  haben  sie  mit  ihrer  Ablehnung  noch  nicht  das 
letzte  Wort  gesprochen. 

Löwenstein  -  Elberfeld  betont  besonders  die  Notwendigkeit, 
die  vertrauensärztlichen  Honorare  zu  erhöhen  aus  den  bereits  geltend 
gemachten  Gründen.  Im  übrigen  glaube  er,  man  solle  die  Festsetzung 
der  Taxen  den  einzelnen  Organisationen  überlassen.  Wenn  der  Ab¬ 
bruch  der  Verhandlungen  erfolgt,  möge  dem  Leipziger  Verband  die 
Angelegenheit  übertragen  werden. 

Bergeat  -  München:  Der  Aerztliche  Bezirksverein  Bezirksamt 
München  und  Neue  Standesverein  Münchener  Aerzte  haben  5  M.  für 
ein  genügendes  Honorar  für  die  hausärztlichen  Atteste  erachtet,  so¬ 
fern  das  vorgelegte  Formular  eingehalten  wird;  wird  die  Beantwortung 
weiterer  Fragen  verlangt,  so  soll  eine  Erhöhung  auf  10  M.  erfolgen. 
Das  vertrauensärztliche  Zeugnis  soll  mit  15 — 20  M.  bezahlt  werden. 
Nun  stehen  sich  drei  Meinungen  gegenüber,  die  extreme  Berliner  For¬ 
derung,  unser  Mittelweg  und  die  Ablehnung  der  Versicherungsgesell¬ 
schaften.  Ein  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Honorarsätze  lässt  sich 
nicht  führen,  aber  wünschenswert  wäre  es,  wenn  ein  Vertrag  auf 
mittlerem  Boden  zustande  käme,  daher  empfiehlt  sich  der  vor¬ 
liegende  Antrag  als  Kompromiss  zur  Erzielung  eines  Einverständ¬ 
nisses. 

K  r  a  f  t -  Strassburg:  Die  Berliner  legen  das  Hauptgewicht  auf 
das  hausärztliche,  die  Süddeutschen  auf  das  vertrauensärztliche 
Zeugnis.  Wir  Elsässer  wollen  beides.  Die  Gesellschaften  sind  leicht 
in  der  Lage,  die  Mehrkosten,  die  im  Verhältnis  zu  den  Gesamtakqui¬ 
sitionskosten  sehr  gering  sind,  zu  tragen.  Wäre  das  nicht  der  Fall, 
so  könnte  man  überhaupt  kein  Vertrauen  mehr  zu  ihnen  haben.  Die 
Gesellschaft  Viktoria  soll  allein  an  Tantiemen  533  000  M.  bezahlen. 
Schliesslich  wird  es  auch  den  Münchenern  nicht  weh  tun,  wenn  sie 
10  M.  für  das  hausärztliche  Zeugnis  bekommen. 

B  a  u  e  r  -  München  stellt  fest,  dass  der  Bezirksverein  München 
auf  dem  Boden  des  Berliner  Antrages  steht. 

Ein  Schlussantrag  wird  abgelehnt. 

Bu  derath -Bottrop  bespricht  die  vielen  Umstände,  die  man 
mit  den  Untersuchungen  hat,  die  Gefahr  des  Verlustes  der  Hausarzt- 
steilen,  wünscht  die  Abschaffung  der  „Vertrauensärzte“  überhaupt. 
Die  ausländischen  Gesellschaften  zahlen  überhaupt  höhere  Sätze.  Man 
solle  den  lokalen  Vereinigungen  die  Taxe  überlassen  und  nur  die 
Minimaltaxen  festlegen. 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1355 


D  i  p  p  e  -  Leipzig  erkennt  als  Grund  zur  Honorarerhöhung  nur 
die  Steigerung  aller  Preise  an.  Unrichtig  ist,  dass  die  Gesellschaften 
begründete  Gutachten  wünschen.  Das  Gegenteil  ist  der  Fall. 
Gutachten  sind  die  hausärztlichen  Atteste  ja,  aber  sie  sind  meist 
mit  5  M.  reichlich  bezahlt,  z.  B.  wenn  ein  Kollege  aus  der  Sommer¬ 
frische  antwortet,  er  könne  das  Attest  natürlich  nicht  ausstellen,  die 
5  M.  behalte  er  für  Störung  seiner  Sommerfrische.  Da  wären  10  M. 
aber  doch  wohl  etwas  zu  viel.  Ein  grosser  Teil  der  Atteste  enthält 
nichts  und  ist  ganz  wertlos.  Kompliziertere  Auskünfte  wurden  schon 
immer  höher  bezahlt.  Gegen  die  Gefahr,  die  Hausarztstelle  zu  ver¬ 
lieren,  bieten  auch  10  M.  keinen  Schutz.  Wenn  die  Berliner  jetzt 
schon  10  M.  bekommen,  rechtfertigt  das  noch  nicht  den  Zwang,  dass 
alle  deutschen  Aerzte  so  viel  verlangen  müssen.  Auf  diesem  Wege 
bekommen  wir  keinen  Vertrag;  die  Welt  geht  dann  nicht  unter,  ob  es 
aber  wünschenswert  ist  und  ob  dann  die  Gesamteinnahmen  der  Aerzte 
wachsen,  ist  doch  fraglich.  Dann  wird  die  Einigkeit  gestört  und  da 
und  dort  werden  doch  Beziehungen  zu  geringeren  Sätzen  angeknüpft. 
Man  soll  den  Gesellschaften  Zeit  lassen  und  event.  sich  mit  einer  all¬ 
mählichen  Steigerung  begnügen. 

P  f  e  i  f  f  e  r  -  Weimar ;  Es  muss  auffallen,  dass  niemand  von  der 
Vertragsfähigkeit  spricht.  Es  steht  mehr  auf  dem  Spiel  als  die  paar 
Mark,  die  Zukunft  unserer  Organisation.  Mit  5  M.  ist  die  geringe 
Arbeit  genügend  bezahlt.  Die  Art,  wie  der  Berliner  Antrag  zustande 
kam,  ist  bedenklich,  es  ist  nicht  loyal  gewesen,  vor  dem  Aerztetag  mit 
demselben  an  die  Vereine  zu  gehen,  von  denen  natürlich  viele  mit¬ 
getan  haben.  Die  Kraftprobe  des  Fünfzehnerausschuss,  der  dem 
Aerztetag  seinen  Willen  diktieren  will,  ist  bedenklich;  es  kann  ein 
verhängnisvoller  Zwiespalt  entstehen.  Mit  Mühe  und  Not  ordnen  wir 
in  unseren  Reihen  unsere  Differenzen,  nun  stören  Sie  hier  die  Möglich¬ 
keit  zu  Kompromissen  und  Tarifverträgen  für  die  ganze  Zukunft. 
Wegen  solcher  Lappalien  dürfen  Sie  nicht  solche  Konsequenzen  her¬ 
beiführen  und  eine  Machtfrage  mit  den  Lebensversicherungen  und  dem 
Geschäftsausschuss  forcieren. 

F  r  a  n  z  -  Schleiz:  Die  Angelegenheit  ist  nicht  zu  wichtig;  auf 
die  hausärztlichen  Zeugnisse  könnten  wir  am  besten  ganz  verzichten, 
aber  wir  schaden  doch  auch  manchem  Patienten,  wenn  wir  ihm  das 
Zeugnis  verweigern.  Wir  sollen  heute  keine  Tarife  festlegen,  sondern 
nur  eine  Erhöhung  verlangen,  entsprechend  dem  Anträge  B  e  r  g  e  a  t. 
Gut  wird  es  sein,  dem  Leipziger  Verband  die  Angelegenheit  zu  über¬ 
tragen. 

S  t  r  e  f  f  e  r  -  Leipzig:  Es  besteht,  wenn  kein  Vertrag  zustande 
kommt,  die  Gefahr  der  Anarchie  und  die  Gefahr  der  Versicherungs¬ 
ärzte  im  Hauptamt,  was  der  Leipziger  Verband  perhorreszieren  muss. 

Goetz  -  Leipzig :  Es  ist  das  nur  die  Privatansicht  Streffers, 
nicht  die  Meinung  der  Leitung  des  Leipziger  Verbandes. 

Davidsohn  - Berlin :  Die  jetzigen  Vorschläge  der  Kommission 
bedeuten  sogar  eine  Verschlechterung  der  bisherigen  Verhältnisse, 
wo  5  M.  als  Minimum  gefordert  war.  Die  Lebensversicherungen  sind 
so  günstig  gestellt,  dass  sie  unsere  Forderungen  leicht  erfüllen  können. 
Es  ist  nur  zu  wundern,  dass  zwei  Herren  vom  Vorstand  des  Leip¬ 
ziger  Verbandes,  welche  Revisionsärzte  sind,  nicht  energischer  für 
unsere  Forderungen  eintreten.  Wir  müssen  der  Kommission  eine  ge¬ 
bundene  Marschroute  geben. 

Ein  Schlussantrag  wird  angenommen. 

Der  Vorsitzende  stellt  nun  zur  Abstimmung  die  Frage;  Soll  eine 
Erhöhung  der  Honorare  eintreten? 

Wird  einstimmig  angenommen. 

Dann  wird  der  Antrag  Löwenstein  gegen 
32  Stimmen  angenommen. 

Damit  entfallen  der  Berliner  Antrag  und  der  Antrag  B  e  r  g  e  a  t. 

Die  Zurückweisung  an  die  erweiterte  Kommission  wird  be¬ 
schlossen  und  die  Kommission  bei  Ablehnung  der  ärztlichen  Forde¬ 
rungen  mit  der  Kündigung  der  Vereinbarungen  beauftragt. 

In  die  Kommission,  welcher  die  weitere  Kooption  überlassen 
bleibt,  werden  die  Herren  Alexander,  Kraft  und  Pfalz  ge¬ 
wählt. 

Der  Vorsitzende  schlägt  vor,  den  zu  gleicher  Zeit  in  Düssel¬ 
dorf  tagenden  Vertretern  der  Versicherungsgesellschaften  von  dem 
soeben  gefassten  Beschluss  telegraphisch  Kenntnis  zu  geben. 

Wird  genehmigt. 

VII.  Bericht  der  Kurpfuschereikommission. 

VIII.  Antrag  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  Leipzig-Land: 

„Der  Aerztetag  erklärt  erneut  das  gesetzliche  Verbot  der  Kur¬ 
pfuscherei  im  Deutschen  Reich  für  dringend  nötig.“ 

D  e  a  h  n  a  -  Stuttgart  teilt  als  Referent  der  Kommission  mit,  dass 
von  R  e  i  s  s  i  g  -  Hamburg  eine  Anweisung  zur  Bekämpfung  der  Kur¬ 
pfuscherei  verfasst  und  an  die  Vereine  hinausgegeben  worden  ist.  Die 
Kommission  hat  beschlossen,  eine  Denkschrift  über  die  in  den  Apo¬ 
theken  bestehenden  Missstände  kurpfuschenscher  Art  auszuarbeiten. 
Ferner  macht  sie  den  Vorschlag,  es  solle  darauf  hingewirkt  werden, 
dass  in  die  aus  Sachverständigen  und  Verwaltungsbeamten  be¬ 
stehende  Kommission  zur  Beratung  .reichsgesetzlicher  Massnahmen 
gegen  die  Kurpfuscherei  ein  vom  Aerztevereinsbund  vorzuschlageuder 
Arzt  zugezogen  werde. 

Der  Eintritt  in  die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der 
Kurpfuscherei  ist  allen  Vereinen  zu  empfehlen. 

G  o  e  t  z  -  Leipzig:  Der  Antrag  auf  Erlass  eines  Kurpfuscherei¬ 
verbotes  ist  1887  und  1897  bereits  gestellt  worden  und  verdient  neuer¬ 


lich  gestellt  zu  werden.  Es  kann  zugegeben  werden,  dass  die  Kur¬ 
pfuscherei  uns  Aerzte  schädigt,  viel  mehr  aber  stellt  sie  eine  Schädi¬ 
gung  der  Allgemeinheit  dar.  So  wenig  der  Diebstahl  durch  Strafen 
beseitigt  wird,  so  wenig  wird  die  Kurpfuscherei  es  werden  und  doch 
ist  das  Verbot  nötig;  wir  wollen  auch  nicht,  dass  die  Kurpfuscherei 
reglementiert  und  damit  anerkannt  wird,  sie  ist  kein  Gewerbe,  son¬ 
dern  ein  schädliches  Strauchrittertum,  das  nur  besteht,  weil  es  nicht 
bestraft  wird.  Das  kolossale  Anwachsen  derselben  ist  bekannt.  Das 
Publikum  muss  vor  seiner  eigenen  Dummheit  geschützt  werden  und 
vielleicht  sind  heute  die  gesetzgeberischen  Aussichten  besser  afk 
früher. 

H  e  s  s  e  1  b  a  r  t  h  -  Berlin  beantragt,  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  eine  jährlichen  Beitrag  von  300  M. 
zuzuwenden. 

Landsberger  -  Charlottenburg  beantragt,  500  M.  zu  diesem 
Zweck  zu  bewilligen. 

Kormann- Leipzig  betont  die  Notwendigkeit,  möglichst  reich¬ 
liches  Material  zu  sammeln  und  gibt  selbst  aus  einem  in  einem 
Vierteljahr  in  Leipzig  gesammelten  Material  eine  kurze  Uebersicht, 
wobei  er  rühmend  das  Freihalten  der  sozialdemokratischen  Presse 
von  Pfuscherannoncen  hervorhebt. 

Er  stellt  den  Antrag:  Es  solle  Material  für  ganz  Deutschland 
aus  den  Zeitungen  gesammelt  und  den  gesetzgebenden  Faktoren  unter¬ 
breitet  werden. 

S  i  e  f  a  r  t  -  Charlottenburg  illustriert  an  statistischen  Angaben  die 
Ausdehnung  und  Organisation  der  Naturheilbewegung,  welche  viel 
gefährlicher  als  der  Geheimmittelschwindel  ist,  erwähnt  ferner .  den 
Weltbund  gegen  Vivisektion  und  das  grosse  Anwachsen  der  Pfuscher 
überhaupt,  das  sich  erst  verfolgen  lässt,  seit  wir  eine  bessere  Statistik 
haben.  Deshalb  ist  die  Meldepflicht  der  Pfuscher  nicht  so  durchaus 
zu  verwerfen.  Materialsammlungen  sind  nun  schon  sehr  reichliche 
vorhanden  und  es  wird  ln  diesem  Jahre  eine  solche  auf  dem  inter¬ 
nationalen  Kongress  für  Hygiene  in  Berlin  ausgestellt  werden.  Die 
Verhandlungen  mit  den  Zeitungsverlegern  schweben  noch,  es  scheint 
auch  hier  eine  grössere  Zugänglichkeit  platzzugreifen. 

Franz-  Schleiz  unterstützt  den  Leipziger  Antrag  und  wenn 
auch  im  Reichstag  vielleicht  noch  keine  Aussicht  zu  seiner  Annahme 
ist,  dürfen  wir  bei  den  Einzelregierungen  vielleicht  auf  Unterstützung 
rechnen.  Mit  behaglichem  Humor  schildert  Redner  dann  die  gute 
Wirkung  der  von  ihm  eingeführten  genauen  polizeilichen  Ueber- 
wachung  der  Pfuscher  und  der  ihnen  zur  Pflicht  gemachten  genauen 
Buchführung  über  ihren  ganzen  Praxisbetrieb,  wobei  auch  die  Pa¬ 
tienten  der  Pfuscher  in  eine  nicht  angenehme  Kontrolle  geraten.  Auf 
diese  Weise  ist  sein  ganzer  Bezirk  von  Pfuschern  gründlich  gesäubert 
worden. 

Der  Antrag  Leipzig  Land  wird  darauf  gegen  2  Stimmen  an¬ 
genommen.  Desgleichen  der  Antrag  Kormann  und  der  Antrag 
Landsberger. 

IX.  Unterweisung  und  Erziehung  der  Schuljugend  zur  Gesund¬ 
heitspflege. 

Hierzu  hatte  die  Kommission  5  Leitsätze  aufgestellt 

Auf  Antrag  Eisfeld-  Groningen  wird  dieser  Punkt  vertagt, 
wie  der  Vorsitzende  nachdrücklich  hervorhebt  wegen  der  Wichtig¬ 
keit  des  Gegenstandes,  dessen  gründliche  Beratung  durch  die  im 
Vordergrund  stehende  Krankenkassenfrage  vereitelt  worden  ist. 

X.  Bericht  der  Kommission  für  das  ärztliche  Unterstützungs¬ 
und  Versicherungswesen. 

Davidsohn-  Berlin  berichtet  über  die  weiteren  Verhand¬ 
lungen  zur  Erlangung  von  Vergünstigungen  bei  Heilanstaltsbesitzern, 
Badeorten,  Versicherungsanstalten.  Solche  Vergünstigungen,  von 
denen  ja  auch  Offiziere  und  Beamte  Gebrauch  machen,  setzen  den 
Stand  nicht  herab,  es  wäre  ein  falscher  Stolz  für  den  weniger  Be¬ 
mittelten,  sich  ihrer  nicht  bedienen.  Ein  Hauptwunsch  bleibt  immer 
noch  der  nach  einer  Invaliditäts-,  Witwen-  und  Waisenversicherung. 
Zu  begrüssen  ist,  dass  die  am  12.  VI.  stattgehabte  Berufszählung 
das  statistische  Material,  welches  die  Grundlage  einer  solchen  Ver¬ 
sicherung  bilden  muss,  zu  geben  verspricht.  Dabei  wird  zum  ersten 
Mal  die  Zahl  der  Aerztewitwen  und  Waisen  sich  feststellen  lassen. 
Um  die  Erlaubnis  zu  dieser  speziellen  Bearbeitung  der  Statistik  zu 
erhalten,  bedarf  es  einer  Eingabe,  deren  Entwurf  D.  vorlegt.  Seinem 
Antrag,  den  Geschäftsausschuss  zu  den  notwendigen  Schritten  zu 
ermächtigen,  wird  zugestimmt. 

XI.  Bericht  über  die  Versicherungskasse  für  die  Aerzte 
Deutschlands. 

M  u  n  t  e  r  -  Berlin  gibt  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  weitere 
günstige  Entwicklung  der  Versicherungskasse. 

Es  liegt  ein  Antrag  Sternfelds  vor,  die  Kommission  für 
Schulgesundheitspflege  zu  beauftragen,  die  Erfahrungen  über  die 
beiden  Systeme  der  Schulärzte  (Schulärzte  im  Nebenamt  und  kn 
Hauptamt)  zu  sammeln  und  dem  nächsten  Aerztetag  die  Frage  zur 
Beratung  vorzulegen,  welches  der  beiden  Systeme  mehr  zu  emp¬ 
fehlen  sei. 

M.  Cohn -Berlin:  Die  Frage  dürfte  in  mehreren  Jahren  noch 
nicht  spruchreif  sein  und  gehört  überhaupt  weniger  vor  den  Aerztetag 
als  die  Kongresse  für  Schulgesundheitspflege. 

M  a  g  e  n  -  Leipzig:  Da  in  der  Frage  auch  bedeutende  wirtschaft¬ 
liche  Interessen  mitspielen,  gehört  sie  allerdings  vor  den  Aerztetag. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 


1356 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Der  Vorsitzende  stellt  in  seinem  Schlusswort  zunächst  fest,  dass 
auf  dein  Aerztetag  306  Vereine  mit  20  872  Stimmen  durch  26-4  Dele¬ 
gierte  vertreten  waren.  Die  Beratungen  haben  neuerdings  die  ausser¬ 
ordentliche  Wichtigkeit  der  Kassenarztfrage  gezeigt.  Wir  müssen 
denen  danken,  die  ihre  Meinung,  wenn  sie  auch  von  derjenigen  der 
Mehrheit  abweicht,  zum  Ausdruck  gebracht  und  gezeigt  haben,  dass 
die  Aerztefrage  auf  dem  Aerztetage,  aber  nicht  in  kleinen  Konventikeln, 
welche  kein  Mandat  besitzen,  ausgetragen  werden  muss.  Sie  dürfen 
nicht  glauben,  dass  sie  kein  Gehör  finden,  es  muss  Aaisführungs- 
bcstimmungen  geben,  wieweit  wir  gehen  dürfen  ohne  Unrecht  zu  tun. 
Die  Minorität  muss  das  Vertrauen  haben,  dass  sie  zu  uns  gehört  und 
auch  künftig  zu  uns  gehören  soll. 

Wie  die  Frage  der  Versicherungsgesellschaften  sich  gestalten 
wird,  lässt  sich  nicht  entscheiden;  der  Aerztetag  hat  ausgesprochen, 
dass  eine  Erhöhung  >der  Honorare  stattfinden  muss,  aber  es  besteht 
nicht  die  Meinung,  dass  nicht  mehr  zu  verhandeln  sei,  sondern  wir 
wollen  ehrlich  weitere  Verhandlungen  und  hoffen  auf  ein  Entgegen¬ 
kommen  von  der  anderen  Seite. 

Zum  Schlüsse  dankt  der  Vorsitzende  allen  Behörden,  allen 
Kollegen  Münsters  und  Westfalens,  allen  Kommissionen  und  Bericht¬ 
erstattern,  welche  den  guten  Verlauf  des  Aerztetages  gefördert  haben; 
ebenso  auch  den  Vertretern  hervorragender  Zeitungen;  wir  scheuen 
nicht  die  Oeffentlichkeit  und  erkennen  die  Notwendigkeit  und  die 
Macht  der  Presse  an,  es  liegt  uns  alles  ferne,  was  ihrem  Ansehen 
abträglich  sein  könnte. 

M  a  r  cn  s  e -Berlin  spricht  dem  Vorsitzenden  in  einem  drei¬ 
fachen  Hoch,  in  das  alle  Anwesenden  herzlich  einstimmen,  den  Dank 
für  die  ausgezeichnete  Leitung  der  Tagung  aus.  Bergeat. 

- - .-<>.<£-  - 

Aerztliche  Besichtigungsreise  nach  den  Kg!.  Bädern 
Kissingen  und  Brückenau. 

vom  22. — 24.  Juni  1907. 

Merkwürdigerweise,  möchte  man  in  diesem  Sommer  sagen,  ist 
nicht  von  einer  englischen,  sondern  von  einer  deutschen,  sogar 
bayerischen  Studienkommission  im  Nachstehenden  zu  berichten.  Eine 
solche  fuhr  am  schönen  Morgen  des  22.  Juni  aus  der  bayerischen 
Hauptstadt  der  nördlichen  Grenze  des  Königreiches  zu,  eine  Studien-, 
kommission,  bestehend  aus  zahlreichen  Mitglieder  der  medizinischen 
Fakultät  der  Universität  München  (29  Professoren  und  Dozenten, 
darunter  die  Vorstände  der  medizinischen  Kliniken,  der  Frauen-  und 
der  Universitätsaugenklinik,  des  hygienischen  und  pharmakologischen 
Institutes),  einer  Anzahl  von  Militärärzten  mit  Exzellenz  General¬ 
stabsarzt  v.  Bestelmeyer  an  der  Spitze  und  31  in  der  Praxis 
tätigen  Acrzten  Münchens,  darunter  auch  die  Oberärzte  des  Kranken¬ 
hauses  rechts  der  Isar. 

Noch  sind  die  Eindrücke  dieser  Reise  frisch  und  man  möchte 
gleich  anfangen  zu  erzählen  von  dem  bequemen  D-Zug,  der  von 
unserer  Eisenbahnverwaltung  für  diese  Studienfahrt  gestellt  worden 
war,  von  der  sanft  wiegenden  Fahrt  durch  die  grünen  Sommerfluren 
zum  Ufer  der  Donau  und  durch  die  waldigen  Bergzüge  des  Jura, 
wo  fein  säuberlich  zwischen  Solenhofer  Kalkplatten  gepresst,  viel¬ 
leicht  noch  manches  Exemplar  der  Archäopterix  ihres  glücklichen 
Finders  harrt,  vom  Eindruck  des  fast  amerikanisch  aufschiessenden 
Nürnberg,  von  den  lieblichen  Ausblicken  im  Tal  des  sanft  und  be¬ 
schaulich  gleitenden  Mains,  vom  Tischlein  deck  dich  in  diesem  flotten 
D-Zug,  von  der  freudigen  Begriissung  im  Kissinger  Bahnhof,  aber  so 
schnell  geht  das  nicht.  Woher  eine  Studienkom.mission  und  noch 
dazu  nur  nach  Kissingen  und  Brückenau?  Wer  den  ersten  Gedanken 
dazu  gefasst  hat,  ich  weiss  es  nicht.  Es  ist  aber  zu  vermuten,  dass 
im  Kgl.  Finanzministerium,  das  die  Kgl.  bayerischen  Bäder  verwaltet, 
wohl  schon  länger  das  Gefühl  bestand,  es  wäre  ganz  gut  und  nützlich, 
wenn  man  einmal  die  Kgl.  bayerischen  Bäder,  für  deren  Verbesserung 
und  Hebung  der  bayerische  Landtag  in  den  letzten  Jahren  Millionen 
genehmigt  hat,  auch  speziell  südbayerischen  Aerzten  theoretischer 
und  praktischer  Richtung  vor  die  Augen  rücken  würde,  näher,  als  dies 
gemeinhin  durch  Beschreibungen  im  Bäderalmanach  oder  durch  nicht 
gelesene  Badeschriften  geschieht.  „Anschauung“  heisst  ja  das  Lo¬ 
sungswort  für  den  ganzen  Ausbildungweg  des  Mediziners  und  Arztes, 
ein  Lehrmittel,  das  bekanntlich  auch  unsere  Kolonialpolitiker  neue- 
stens  nach  Afrika  und  unternehmende  Reichsboten  an  die  Wasser¬ 
kante  führt  —  besonders  wenn  neue  Schiffe  bewilligt  werden  sollen. 
Anschauen  sollten  also  zunächst  eine  grössere  Zahl  von  Aerzten, 
was  dort  an  der  fränkischen  Saale  und  im  lieblichen  waldumrauschten 
Sinntale  in  den  letzten  Jahren  entstanden  ist.  Referent  erinnert  sich 
gut  einer  kleinen  Szene  aus  einem  früheren  bayerischen  Landtag, 
wo  über  Stehen  verhandelt  wurde.  Als  ein  Volksvertreter  meinte, 
das  Bad  müsse  einmal  erst  seine  Lebensfähigkeit  beweisen,  es  müssten 
erst  mehr  Leute  hinkommen,  dann  könne  man  auch  mehr  Geld 
hineinstecken,  da  führte  der  damalige  Finanzminister  v.  Riedel 
aus:  das  sei  der  verkehrte  Weg.  Erst  müsse  man  die  Einrich¬ 
tungen  möglichst  vervollkommnen,  dann  kämen  die  Leute  schon. 
Wie  weit  der  Vorgänger  des  Herrn  v.  Pf  aff  dieses  Rezept  noch 
in  die  Tat  umgesetzt  hat,  weiss  ich  nicht,  jedenfalls  hat  sein  Nach¬ 
folger,  als  er  diesem  Rezepte  gemäss  vorging,  sehr  erfreuliche  Fort¬ 
schritte  erzielen  können.  Das,  was  er  mit  seinem  Stabe  und  den  ge¬ 
nehmigten  Mitteln  in  Kissingen  und  Brückenau  geschaffen  hat,  das 
begehrte  er  nun  einmal  dem  berufenen  Auge  gerade  bayrischer 


Aerzte  sehen  zu  lassen.  Denn  man  sagt,  und  die  Zahlen  beweisen 
es,  der  Zugang  zu  Kissingen  und  Brückenau  werde  von  Norden  her 
bisher  immer  noch  leichter  gefunden  als  vom  Süden  her.  Natürlich! 
wie  der  Prophet  wenig  gilt  in  seinem  Vaterlande,  so  wirken  auch 
die  besten  Bäder  nicht  so  ausgezeichnet,  wenn  ihr  Besuch  nicht 
mit  einem  Verlassen  der  heimischen  Grenzpfähle  verbunden  ist. 
Diese  Suggestion,  welche  nach  der  Anschauung  boshafter  Nörgler  ge¬ 
radezu  zwangsmässig  zur  Verordnung  von  Marienbad,  Franzensbad, 
Karlsbad,  Nauheim  und  so  fort  geführt  zu  haben  scheint,  ist  es 
wohl  wert,  dass  ihr  ein  bayrischer  Finanzminister  auf  den  Leib 
rückt.  Und  so  wurde  im  Schosse  des  Ministeriums  beschlossen,  den 
schönen  Salonzug,  von  dem  wir  sprachen,  auszurüsten  und  der  Kost¬ 
barkeit  der  ärztlichen  Zeit  dadurch  Rechnung  zu  tragen,  dass  er 
mit  musterhafter  Exaktheit  und  Schnelligkeit  die  Besucher  zu  den 
bayrischen  Heilquellen  entführen  sollte. 

Wenn  jemand  meint,  die  Fahrzeit  zwischen  7  Uhr  52  Minuten  und 
1  Uhr  8  Minuten  sei  ausschliesslich  durch  kollegialen  Meinungsaus¬ 
tausch  und  friedliche  Betrachtung  der  durchflogenen  Landschaft  aus¬ 
gefüllt  gewesen,  so  ist  das  ein  Irrtum.  Vielmehr  zeigte  sich  bald,  dass 
schon  auf  dieser  Fahrt  von  dem  Teilnehmer  die  Bildung  eines  sach¬ 
verständigen  Urteils  über  wichtige  Produkte  der  zu  besuchenden 
Bäder  gefordert  wurde.  Es  gab  da  allerlei  Kostproben  zu  prüfen  — 
ich  will  davon  schweigen,  dass  auch  alkoholhaltige  und  zwar  delikate 
aus  dem  Kgl.  Hofkeller  in  Wiirzburg  darunter  waren,  in  der  ehr¬ 
würdigen  Gestalt  der  Bocksbeutel  —  sondern  hebe  gleich  hervor, 
dass  zu  dem  im  Zuge  servierten  solennen  Frühstück  3  Sorten  von 
Mineralwässern  der  Beurteilung  unterstellt  wurden:  einmal  der  Kis¬ 
singer  Maxbrunnen,  ein  eisenfreier  chlornatriumhaltiger  Säuerling, 
von  angenehm  prickelnden  Geschmack,  wenn  er  in  kühler  Temperatur 
und  nicht  grosser  Menge  getrunken  wird,  dann  Proben  von  Wer- 
narzer  und  Sinnberger  Wasser  aus  Brückenau,  ersteres  ein  erdig¬ 
alkalischer  Säuerling  mit  grossem  CCT-Gehalt,  letzteres  ein  Säuer¬ 
ling  mit  etwas  CINa,  beide  Wässer  von  wohlschmeckendem  Cha¬ 
rakter.  Auf  der  Fahrt  erhielt  jeder  Teilnehmer  zur  weiteren  Vor¬ 
bereitung  in  einer  Mappe  mehrere  hübsch  ausgestattete  und  zum  Teil 
illustrierte  Schriften  über  die  Bäder.  Als  unser  Zug  um  VA  Uhr  in 
das  breite,  im  Sonnenschein  liegende  Tal  der  Saale  hinabglitt  und 
auf  den  Villen  und  prächtigen  Sanatorien  dortiger  Kollegen  die  blau- 
weissen  Fahnen  sichtbar  wurden,  machte  sich  fast  ein  Gefühl  des  Be¬ 
dauerns  geltend,  dass  die  schöne  Fahrt  schon  zu  Ende  sein  sollte, 
für  deren  treffliches  Arrangement  dem  Kgl.  Regierungsrat  Baron 
v.  Stengel,  welcher  als  Referent  über  die  Bäder  die  Rolle  des 
Reisemarschalls  übernommen  hatte,  die  lebhaftesten  Lobsprüche  aus¬ 
gedrückt  wurden.  Der  Empfang  am  Bahnhof,  auf  dem  auch  der  Kgl. 
Badekommissär  Frhr.  v.  Moreau,  ferner  Kreismedizinalrat  Egger 
aus  Würzburg,  Hofrat  S  c  h  e  r  p  f  mit  vielen  Kissinger  Kol¬ 
legen,  Hofrat  Hessing  u.  a.  anwesend  waren,  gestaltete 
sich  sehr  herzlich  und  da  die  Sonne  so  lieb  war,  .unserem 
Einzug  ihre  Gnade  zu  schenken,  so  kam  man  in  frohester 
Stimmung  in  Kissingen  an.  Kissingen,  das  ca.  5500  Einwohner 
zählt,  ist  ein  stark  besuchtes  Bad  geworden.  Seine  Frequenz 
hat  sich  von  Jahr  zu  Jahr  gesteigert.  Während  sie  1881  zum  Beispiel 
noch  nicht  ganz  12  000  Personen  betrug,  verzeichnete  die  Kurliste  des 
Jahres  1906  schon  27  101  Kurgäste  (dazu  kommen  noch  über  10  000 
Passanten)  und  heuer  ist  das  Leben  auf  den  der  Kur  dienenden 
Plätzen  schon  ein  so  starkes,  dass  diese  Zahl  wieder  überschritten 
werden  wird.  Ausserordentlich  gross  ist  die  Zahl  der  Besucher  aus 
Russland.  Voriges  Jahr  kamen  deren  über  4000,  aus  England  über  900, 
im  ganzen  564  aus  aussereuropäischen  Ländern.  Durch  das  Entgegen¬ 
kommen  des  Badekommissariats  kann  ich  mitteilen,  dass  1906  die  Zahl 
der  Kurgäste  aus  Bayern  2080  betrug,  also  wenig  mehr  als  die  Hälfte 
der  russischen  Besucher,  darunter  waren  aus  München  335.  Bayern 
stellt  von  den  deutschen  Besuchern  überhaupt  nur  ganz  wenig  mehr 
als  den  10.  Teil.  Kissingen  ist  also  ein  in  Bayern  gelegenes,  aber 
grösstenteils  aus  Norddeutschland  besuchtes  Bad.  Angesichts  dieser 
Zahlen  ist  der  Wunsch  des  Kgl.  bayerischen  Finanzministers,  gerade 
auch  die  einheimischen,  speziell  südbayrischen  Aerzte  mit  den  bayri¬ 
schen  Bädern  näher  vertraut  zu  machen,  sehr  wohl  begründet.  Aus 
diesen  Zahlen  erhellt  aber  auch,  dass  Kissingen  ein  Ort  ist,  welcher 
die  aufgewendeten  Mittel  verzinst,  und  auf  dem  besten  Wege  ist,  für 
die  böhmischen  Bäder  und  für  Nauheim  ein  fühlbarer  Konkurrent  zu 
werden,  worüber  wir  uns  im  selbstverständlichen  Interesse  unseres 
engeren  Vaterlandes  freuen  müssen.  Sie  zeigen  auch,  dass  die 
bayrischen  Aerzte  augenscheinlich  in  einem  noch  zu  hohen  Prozent¬ 
satz  ihre  Kranken  in  die  fremden  Bäder  schicken,  auch  wenn  Kis¬ 
singen  die  spezielle  Indikation  erfüllen  würde.  Der  Fortschritt  ' 
Kissingens  hinsichtlich  seiner  Einrichtungen  ist  unter  den  baye¬ 
rischen  Kollegen  wohl  kaum  in  verdientem  Masse  bekannt.  Dass  der¬ 
selbe  gerade  in  den  letzten  Jahren,  seit  der  äusserst  rührige  und  unter¬ 
nehmende  Pächter  des  Bades,  Hofrat  Hessing,  die  Sache  in  die 
Hand  nahm,  ein  besonders  grosser  war,  mussten  vor  allem  jene  Kol¬ 
legen  anerkennen,  welche  Kissingen  von  früher  her  kannten.  Die 
Studienkommission  hatte  sich  in  die  Quartiere  zerstreut,  welche  durch 
die  Liberalität  des  Finanzministeriums  besorgt  worden  waren,  aber 
bald  fand  man  sich  zum  ersten  Rundgang  zusammen,  welcher  der 
Besichtigung  des  Prinzregent-Luitpold-Bades  galt,  zu  dessen  gross¬ 
artiger  Erweiterung  und  eleganter  Ausstattung  der  bayerische  Land¬ 
tag  auf  Antrag  des  Finanzministers  die  Summe  von  2Vs  Millionen 


1  Juli  1907. 


MlJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1357 


Mark  genehmigt  hat.  Das  mächtige  Gebäude  umfasst  236  Bade¬ 
kabinen,  darunter  36  Kabinen  für  Mineral-Moor-Bäder,  die  mit  grosser 
Eleganz  eingerichtet  und  erst  heuer  in  Gebrauch  genommen  worden 
sind.  Die  eleganten  Räume  mit  den  geschmackvollen  farbigen  Fen¬ 
stern,  die  verschiedenen  Arten  der  Badewannen  für  die  Solbäder, 
von  der  einfachen  Holzwanne  bis  zur  Fayencewanne,  sowie  der  be- 
|  ständige  Kampf,  den  die  Badeverwaltung  jahraus  jahrein  gegen  den 
die  schönsten  Wannen  zerfressenden  Feind,  die  Kohlensäurebläschen 
zu  führen  hat,  die  Liegesäle  mit  den  praktischen  Liegestühlen,  welche 
Hessing  angegeben  hat,  alles  fand  grosses  Interesse.  Von  den 
Moorbädern  wird,  nachdem  die  technischen  Einrichtungen  für  die  Vor¬ 
bereitung  des  Moors  zu  grosser  Vollkommenheit  gebracht  und  die 
Badezellen  praktisch  und  zugleich  elegant  eingerichtet  sind,  nunmehr 
'  ein  reichlicher  Gebrauch  gemacht.  Der  Moor  stammt  aus  der  Rhön. 
Alle  Stadien  der  Aufbereitung  des  Moors  von  seinem  Urzustände  bis 
zur  Herstellung  des  Solemoorbreies,  wie  er  zum  Baden  dient,  wur¬ 
den  den  Gästen  demonstriert  und  eingehend  besichtigt.  Die  Er¬ 
wärmung  der  für  die  Solebäder  in  Verwendung .  kommenden  Sole 
geschieht  mittels  eines  von  Hessing  vorgeschlagenen  Ver¬ 
fahrens,  indem  die  Sole  in  einem  geschlossenen  Zylinder  durch 
eine  kupferne  Schlange,  durch  welche  Dampf  zirkuliert,  angewärmt 
wird  und  auf  diese  Weise  nur  wenig  COs  verliert.  Von  den  physio¬ 
logischen  Wirkungen  des  COa-Bades,  namentlich  in  der  Form  der 
beliebten  Wellenbäder,  überzeugte  sich  ein  grosser  Teil  der  Gäste 
nunmehr  selbst  und  manch  einer  hatte  wohl  zum  ersten  Male  Ge¬ 
legenheit,  sich  das  prickelnde  feine  Pelzchen  über  die  Haut  wachsen 
zu  lassen,  wieder  abzustreifen  und  es  sich  erneuern  zu  lassen,  die 
Glieder  in  der  leise  knisternden  Flut  zu  recken  und  zu  denken:  das 
muss  in  der  Tat  für  unsere  Rheumatiker,  Nervösen  und  Anämischen 
eine  wahre  Wohltat  sein. 

Dann  wurde  einzeln  und  in  Gruppen  der  Kurpark  besichtigt,  wo 
die  Abendtrinkkur  die  Kurgäste  (derzeit  über  4000)  zusammenführt 
oder  Spaziergänge  in  die  neu  angelegten  Teile  des  grossen  Parkes, 
zur  städtischen  Schwimmanstalt  oder  weiter  hinaus  angetreten.  Mit 
einer  Aufwendung  von  ca.  50  000  M.  hat  der  Staat  auch  grosse  Spiel¬ 
plätze  mit  einem  Spielhaus  herstellen  lassen,  die  vorläufig  freilich  der 
Sonne  recht  stark  exponiert  erscheinen,  eine  Anlage,  mit  welcher 
er  gewiss  dem  Bedürfnisse  der  ausländischen  Badebesucher  sehr 
entgegenkommt.  Der  schöne  Abend,  der  sich  inzwischen  herabsenkte, 
brachte  noch  allerlei  Genüsse.  Um  Vz7  Uhr  vereinigte  ein  vom 
Kgl.  Badekommissariat  gegebenes  Diner  im  Arkaden-Restaurant  die 
Teilnehmer,  Kissinger  Kollegen  und  die  Vertreter  der  Stadt,  an  der 
Spitze  Bürgermeister  Hofrat  Fuchs  zu  einer  im  vornehmsten  Stile 
sich  abspielenden  Zusammenkunft  an  der  mit  herrlichen  Blumen  ge¬ 
schmückten  Tafel.  Der  Blumenkonsum  im  Kissinger  Kurgarten  allein 
beweist,  dass  es  im  Begriffe  steht,  ein  internationales  Bad  zu  werden, 
v.  Moreau  begriisste  in  schwungvollen  Worten  die  Anwesenden, 
worauf  Obermedizinalrat  v.  B  0  1 1  i  n  g  e  r  dem  Kgl.  Badekommissariat 
und  speziell  auch  dem  verdienstvollen  Arrangeur  Frhrn.  v.  Stengel 
den  Dank  der  Gäste  zum  Ausdruck  brachte.  I11  angeregter  Gesellig¬ 
keit,  befeuert  von  den  Klängen  einer  Militärkapelle,  aber  auch  von 
den  edlen  Tropfen  fränkischer  Reben  verlief  das  Festmahl.  In¬ 
zwischen  war  der  grose  Kurgarten  in  das  bunte  Nachtkleid  einer 
feenhaften  Beleuchtung  gesteckt  worden,  hunderte  von  Lampions 
leuchteten  aus  dem  Grün  der  Bäume,  die  reizenden  Teppichgärtne¬ 
reien  präsentierten  sich  im  flimmernden  Lichte  zahlloser  Lämpchen, 
auf  der  Saale  erklangen  die  Lieder  eines  auf  lichtergeschmücktem 
Kahne  dahinziehenden  Sängerchores  und  prächtige  Beleuchtungs¬ 
effekte  entstanden  in  den  Wipfeln  der  alten  hohen  Bäume,  die  auf 
das  Menschengewühl  an  ihren  Wurzeln  herabsahen.  Hatte  man  sich 
satt  gesehen,  so  war  noch  für  weitere  Genüsse  im  Arkaden-Restaurant 
gesorgt,  wo  ein  gemütlicher  Bierabend  mit  künstlerischen  Dar¬ 
bietungen  humoristischer  Art  die  Gäste  noch  lange  zusammenhielt. 
Als  man  heim  ging  konnte  man  sich  überzeugen,  dass  Kissingen  auch 
den  grossen  Vorzug  besitzt,  auch  an  schwülen  Tagen  in  der  Nacht 
aus  den  Tannenwäldern  der  Röhn  mit  Kühlung  gespeist  zu  werden. 

Für  den  23.  Juni  begann  das  offizielle  Programm  erst  gegen 
11  Uhr.  Die  Stunden  vorher  wurden  von  einem  grossen  Teil  der 
Gäste  zu  Bädern  oder  auch  zu  Originaltrinkkuren  mit  Pandur  und 
Rakoczy  verwendet,  den  bekannten  eisenhaltigen  CINa-Quellen  des 
Bades.  Das  Kurpublikum  ist  noch  nicht  so  stark  international  ge¬ 
färbt  —  im  guten  wie  im  schlimmen  —  als  in  den  böhmischen  Welt¬ 
bädern,  doch  treten  auch  hier  schon  fremdländische  Typen,  welche 
dem  bunten  Bilde  den  Anstrich  des  internationalen  Publikums  geben, 
hervor.  Die  ersten  Vormittagsstunden  waren  auch  zum  Besuche  ver¬ 
schiedener  Sanatorien  bestimmt,  zum  Beispiel  des  Zanderinstitutes 
von  Dr.  Sonder,  der  Inhalationsanstalt  von  Dr.  D  i  e  t  z,  der  Kin¬ 
derheilanstalt  für  Skrofulöse,  hinsichtlich  welcher  mir  mitgeteilt 
wurde,  dass  die  Verpflegsdauer  der  aufgenommenen  Kinder  eine  viel 
zu  kurze  sei,  der  israelitischen  Kinderheilstätte,  des  Theresien- 
hospitals,  der  städtischen  Wasserversorgungsanlage  etc.,  ein  grosser 
Teil  der  Aerzte  aber  benützte  die  Zeit  zu  praktischen  Bäderstudien 
oder  zu  genussreichen  Spaziergängen  in  den  schönen  Balling-Hain 
oder  hinauf  zur  alten  Henneberger-Burg,  der  „Botenlauben“  oder  zum 
erinnerungsreichen  Friedhof  (Gefecht  vom  10.  Juli  1866). 

Die  Besichtigung  des  Salinenbades,  wohin  ein  geschmückter 
Dampfer  die  Teilnehmer  gebracht  hatte  und  ein  Gang  entlang  dem 
Gradierbau,  der  fast  300  m  lang  sich  hinzieht  und  2  Inhalationshallen 
und  gedeckte  Wandelbahnen  trägt,  war  die  eigentliche  Aufgabe  des 


Vormittags.  Es  folgte  die  Demonstration  der  Pumpwerke,  mittels 
welcher  die  Sole  auf  den  Wasserturm  über  dem  Gradierbau  befördert 
wird  und  die  Badeanstalten  in  der  Stadt  mit  Sole  versorgt  werden 
—  nach  einem  neuen  Solesprudel  werden  zurzeit  Bohrungen  an¬ 
gestellt  — ,  dann  ein  Gang  zur  historischen  oberen  Saline,  in  deren 
Räumen  während  des  vielmaligen  Aufenthalts  des  Fürsten  Bis¬ 
marck  (letzter  1893)  so  oft  die  Fäden  der  damaligen  europäischen 
Politik  zusammenliefen.  In  den  Mittagsstunden  hatte  die  Stadt  die 
Teilnehmer  im  Restaurant  des  Salinenbades  zu  einem  Frühstück  er¬ 
lesener  Art  geladen,  das  sich  in  der  schönen  Anlage  abspielte, 
welche  Hofrat  Hessing  in  den  letzten  Jahren  hier  geschaffen  hat. 
Begünstigt  vom  Sonnenschein  und  vortrefflicher  Stimmung,  gewürzt 
durch  manche  dankende  und  Erinnerung  weckende  Rede  verflossen 
diese  Stunden  in  angenehmster  Weise,  bis  Omnibus  und  Automobile 
einen  grösseren  Teil  der  Besucher  zum  Besuche  des  Stahlbades 
Bo  eklet  entführten. 

Dieses  Bad,  IV2  Stunden  von  Kissingen,  mit  einer  anerkannt  vor¬ 
trefflichen,  zurzeit  meist  in  Kissingen  getrunkenen  Stahlquelle  aus¬ 
gestattet  und  im  Besitze  eines  alten  prächtigen  Parks,  durch  Hes¬ 
sing  mit  modernem  Komfort  versehen,  liegt  wie  verträumt  zwischen 
Wiesen  und  Wäldern  idyllisch  da.  Es  ist  auch  heute  noch  nicht  zu 
pulsierendem  Leben  erweckt,  denn  die  Frequenz  betrug  1906  nur 
129  Kurgäste  und  das  Problem,  die  ausgezeichnete  Stahlquelle  an 
Ort  und  Stelle  weiteren  Kreisen  von  Kurgästen  wirklich  zugänglich 
zu  machen,  harrt  immer  noch  der  Lösung.  Ein  anderer  Teil  der  Be¬ 
sucher  aber  wanderte  auf  prächtig  gehaltenen  Waldwegen  über  die 
Höhen  längs  des  Saaletales,  durch  die  herrlichen  ausgedehnten  Wäl¬ 
der,  wo  im  Winde  rauschende  Buchen  und  sonnendurchschienene 
Eichen  stehen  und  in  friedsamer  Einsamkeit  die  Brust  sich  weitet 
und  der  Wanderer  mit  einem  gewaltigen  Ausatmen  alle  Schlacken 
von  sich  werfen  möchte,  welche  der  Staub  des  täglichen  Berufes 
ihm  auf  die  Seele  gelegt  hat.  Da  fühlt  man  erst  an  sich:  diese  Wäl¬ 
der  und  Höhen  gehören  notwendig  zu  den  Brunnen,  sie  gehören  zu 
den  Heilschätzen  für  unsere  Kranken,  welche  wir  nach  Kissingen  oder 
Brückenau  schicken  und  diese  beneidenswerten  Orte  haben  gerade 
auch  diese  Schätze  in  Hülle  und  Fülle. 

Der  Abschied  von  Kissingen  brachte  den  Gästen  vor  allem 
noch  eine  vortreffliche  Aufführung  der  Operette  „Wiener  Blut“  in 
dem  reizenden,  hochmodern  ausgestatteten  und  mit  überraschend 
guten  Kräften  besetzten  Kurtheater,  das  mit  einem  Kostenaufwand 
von  über  Vz  Million  Mark  durch  den  Staat  erbaut,  erst  im  Frühjahr 
1905  eröffnet  wurde  und  seitdem  mit  Recht  einen  Anziehungspunkt 
des  Bades  bildet.  Dann  vereinigte  man  sich  noch  mit  den  Kissinger 
Kollegen,  denen  für  das  opulente  Arrangement  dieses  Abends  leb¬ 
hafter  Dank  gebührt,  zu  einem  Bierabend  mit  vortrefflich  besetzten 
Büffets  im  Saale  des  Arkaden-Restaurants,  wo  die  kurzen  Stunden 
bei  Rede  und  Gegenrede  nur  allzu  rasch  verrannen.  Als  man  am 
Morgen  des  24.  Juni  von  Kissingen  schied,  hörte  man  nur  Worte  leb¬ 
hafter  Befriedigung  über  den  durch  keinen  Misston  gestörten  Auf¬ 
enthalt  und  über  alles  was  man  dort  gesehen  und  studiert  hatte 
und  den  Ausdruck  der  Zuversicht,  dass  Kissingen,  wenn  es  auch 
fernerhin  des  Zusammenarbeitens  des  Ministeriums,  der  Badeverwal¬ 
tung  und  der  Bürgerschaft  sich  zu  erfreuen  hat,  eines  weiteren  Auf¬ 
schwunges  schon  in  den  nächsten  Jahren  sicher  sein  darf.  Möge 
auch  der  Wunsch  der  strebsamen  Kissinger  Bürgerschaft  nach  einer 
besseren  Bahnverbindung  mit  den  Hauptverkehrsadern  möglichst  bald 
in  Erfüllung  gehen. 

War  man  von  Kissingen  in  dem  Glauben  geschieden,  dass  die 
dort  gewonnenen  günstigen  Eindrücke  durch  den  Besuch  von 
Brückenau  kaum  mehr  eine  weitere  Steigerung  erfahren  dürften, 
so  traf  dies  nicht  zu.  Denn  Brückenau,  dieser  Lieblingsaufenthalt 
einer  Reihe  gekrönter  Häupter,  besonders  auch  Ludwig  I.,  dieses 
mächtigen  Förderers  des  Bades,  besitzt,  wie  uns  sein  nun  folgender 
Besuch  lehrte,  gegenüber  Kissingen  wieder  eine  Reihe  ganz  spezieller 
Vorzüge.  Trotzdem  die  grösste  Mehrzahl  der  Besucher  —  nur  ein 
kleiner  Teil  derselben  war  mittels  Autos  in  genussvoller  Fahrt  durch 
abwechslungsreiche  Hügellandschaft  schon  einige  Stunden  früher  von 
Kissingen  herübergekommen  —  sich  in  Brückenau  nur  ca.  6  Stunden 
aufhalten  konnte,  mussten  sich  alle  von  den  besonderen  Reizen  des 
so  idyllisch  zwischen  seinen  Bergen  und  Wäldern  im  Tale  der  Sinn 
daliegenden  Badeortes  überzeugen.  Brückenau,  300  m  über  dem 
Meere  gelegen,  ist  landschaftlich  eine  Perle.  Durch  die  Fuldaer 
Fürstbischöfe  eigentlich  entdeckt  und  in  seiner  heutigen  Anlage  ge¬ 
schaffen,  macht  es  schon  bei  der  ersten  Bekanntschaft  einen  ungemein 
anheimelnden  Eindruck  und  bietet  in  der  künstlerischen  Zusammen¬ 
stimmung  des  Gärtnerischen  mit  dem  Architektonischen,  in  der  har¬ 
monischen  Verschmelzung  dessen,  was  es  aus  seiner  Vergangenheit 
noch  erhalten  und  dessen,  was  die  Gegenwart  Neues  dazu  ge¬ 
schaffen  hat,  ein  Gesamtbild  von  ganz  eigenem  einheitlichem  Reize. 
Das,  wonach  Kissingen  sich  heute  so  sehnt,  den  Glanz  fürstlicher 
Hofhaltungen,  das  besass  Brückenau  lange  Jahre  in  besonderem 
Grade.  Bayerische  und  ausländische  Könige  und  Fürstlichkeiten 
hatten  immer  mit  besonderer  Vorliebe  das  stille  und  liebliche  Bad 
aufgesucht  und  namentlich  Ludwig  I  hat  dort  die  Zeugen  seiner 
Liebe  hinterlassen.  Das  von  ihm  erbaute,  1833  vollendete  Kursaal¬ 
gebäude,  dessen  grossartige,  um  den  ganzen  Bau  herumführende 
Pfeilerhalle  seinen  eigensten  künstlerischen  Gedanken  entsprungen 
ist,  ist  auch  in  der  neuen  Ausgestaltung  des  Bades  der  Hauptschmuck 
desselben  geblieben.  I11  dein  wahrhaft  vornehmen  Saale  dieses  Ge- 


1358 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  11. 


bäudes  wurde  den  ankommenden  Gästen  zunächst  ein  Frühstück  dar¬ 
geboten.  Erst  vor  wenigen  Jahren  wurde  durch  den  Staat  mit  einem 
Kostenaufwand  von  ca.  600  000  M.  das  Kurhotel  erbaut,  das,  abge¬ 
sehen  von  den  reizenden  kleineren  Kur-  und  Wohnhäusern,  die  im 
Biedermeier-  und  Jagdschlosssti’l  den  Kurgarten  zieren,  eine  wich¬ 
tige  Bereicherung  des  Bades  repräsentiert.  Die  herrlichen  Bäume  im 
alten  Schlossgarten,  die  Blutbuchen  und  die  sehenswürdige  Königs¬ 
eiche  wird  nicht  leicht  ein  Besucher  von  Brückenau  vergessen.  Ein 
Spaziergang  durch  die  dem  Bade  so  nahen  Wälder  mit  den  schlank¬ 
säuligen  Buchen  und  den  stämmigen  Eichen  zeigte  uns,  dass  Kranke 
und  Rekonvaleszenten  in  Brückenau  herrliche  Erholungsplätze  in 
Hülle  und  Fülle  zur  Verfügung  haben.  Auf  dem  Rundgange,  auf  dem 
auch  Herr  Kollege  v.  Schlagin  tweit  seine  Anstalt  demon¬ 
strierte  und  einige  einschlägige  Operationen  und  ihre  Resultate  be¬ 
sprach,  wurden  auch  die  Brückenauer  Wässer  einer  Kostprobe  an 
Ort  und  Stelle  gewissenhaft  unterzogen,  sowohl  die  unter  einem 
hübschen  Brunnentempd  entspringende  Stahlquelle  mit  C02-Gehalt, 
als  die  Wernarzer  und  Sinnberger  Quelle,  erstere  bekanntlich  ein 
erdig-alkalischer  Säuerling  mit  hohem  COs-Gehalt,  letztere  ein 
Säuerling  mit  etwas  CINa.  Alle  diese  Wässer,  über  deren  Indika¬ 
tionen  ich  mich  hier  ja  nicht  zu  verbreiten  nötig  habe  —  bekannt  ist 
ja  vor  allem  ihre  starke  diuretische  Wirkung  —  schmecken,  wie 
schon  früher  bemerkt,  in  ihrer  ursprünglichen  Temperatur  von  9,5  bis 
10,25  0  getrunken,  angenehm.  Das  Badehaus  ist  1901  erbaut  worden, 
elegant  ausgestattet  und  besitzt  zur  Erwärmung  der  kohlensauren 
Stahlbäder  wieder  eine  andere  Vorrichtung,  als  die  für  Kissingen  ge¬ 
schilderte,  nämlich  eine  Schlange  aus  Kupfer,  welche  am  Boden  der 
Wanne  angeschraubt  und  mit  strömendem  Dampf  beschickt  wird. 
Die  Erwärmung  des  Wassers  erfolgt  in  dieser  Weise  rasch,  doch 
geht  ein  gewisser  Teil  der  CO2  verloren.  Das  Badehaus  enthält  auch 
die  Einrichtungen  für  die  Moorbäder.  Was  die  Frequenz  des  Bades 
betrifft,  so  wird  mir  von  der  Badeverwaltung  mitgeteilt,  dass  sie 
im  Jahre  1906  3536  Personen  betrug,  darunter  an  bayerischen  Kur¬ 
gästen  1372,  aus  München  111.  Im  allgemeinen  wird  also  Brückenau 
von  Bayern  aus  besser  frequentiert  als,  relativ  genommen,  Kissingen, 
doch  liefert  die  Hauptstadt  bisher  auch  hierher  wenige  Kurgäste. 

In  den  ersten  Nachmittagsstunden  war  auch  Exzellenz  v.  P  f  a  f  f 
mit  Herrn  Geh.  Rat  v.  Grashey  aus  München  in  Brückenau 
eingetroffen  und  begab  sich  nach  der  Begrüssung  seiner  Gäste 
sofort  zu  dem  Festmahl,  das  der  derzeitige  Badepächter,  Kom¬ 
merzienrat  Roth,  zu  Ehren  der  Besucher  in  dem  schönen 
Saiale  des  Kurhotels  veranstaltete.  Hier  wurde  durch  v.  B  o  1  - 
linger  dem  Kgl.  Finanzminister  für  die  Einladung  zur  Bäder¬ 
reise  der  wärmste  Dank  zum  Ausdruck  gebracht,  worauf  Se.  Exzel¬ 
lenz,  in  liebenswürdigster  Weise  erwidernd,  betonte,  dass  er  nicht 
nur  nehme,  sondern  auch  gebe  und  dass  er  die  Bäder  möglichst  för¬ 
dern  wolle,  da  sie  einen  wichtigen  Teil  des  Volkswohlstandes  dar¬ 
stellen.  Er  äusserte  zugleich  seine  Absicht,  den  Weg  solcher  Be¬ 
sichtigungsreisen  auch  weiterhin  zu  beschreiten  und  im  nächsten 
Jahre  einmal  die  nordbayerischen  Kollegen  nach  Reichenhall  einladen 
zu  wollen. 

Da  inzwischen  die  Zeit  weit  vorgerückt  war,  ging  der  Marsch 
in  beschleunigtem  Tempo  zum  Bahnhof,  wo  sich  die  Teilnehmer  der 
in  allen  ihren  Teilen  überaus  gelungenen  Fahrt  von  Sr.  Exzellenz  und 
dem  so  viel  verdienten  Frhrn.  v.  Stengel  mit  wärmstem  Danke 
verabschiedeten  und  den  bereitstehenden  Zug  bestiegen.  In  Ge- 
miinden  wurde  in  den  Extrazug  umgestiegen,  der  in  weiteren  5  Stun¬ 
den  die  Teilnehmer  nach  München  zurückbrachte,  nicht  ohne  dass 
Frhr.  v.  Stengel,  der  in  Brückenau  zurückblieb,  dafür  gesorgt 
hätte,  dass  sie  nicht  von  Hunger  erschöpft  dort  eintrafen. 

Die  Reise,  welche  neben  allem  Anderen  auch  in  seltener  Weise 
Gelegenheit  zu  kollegialer  Geselligkeit  und  freundschaftlichem  Aus¬ 
tausch  geboten  hat,  ist  in  jeder  Beziehung  gelungen  verlaufen.  Die 
Absicht,  einer  grösseren  Zahl  von  Aerzten  die  neue  Entwicklung  der 
bayerischen  Bäder  im  Norden  des  Landes  zu  zeigen  und  ihnen  vor 
Augen  zu  bringen,  dass  die  in  Bayern  vorhandenen  Heilschätze  zum 
Wohle  der  Kranken  und  auch  zur  Hebung  des  Wohlstandes  unseres 
Landes  den  sie  aufsuchenden  Leidenden  in  zweckmässiger  und  wür¬ 
diger  Form  dargeboten  werden,  diese  Absicht  ist  vollauf  erreicht 
worden.  Jeder  Teilnehmer  wird  die  Ueberzeugung  gewonnen  haben, 
dass  die  besuchten  Bäder  die  Voraussetzungen  zu  weiterer  Entwick¬ 
lung  und  Blüte  in  sich  tragen  und  dass  sie  durch  das  Zusammen¬ 
wirken  aller  um  ihr  Gedeihen  interessierten  Faktoren,  und  dazu 
gehören  vor  allem  auch  die  Aerzte  Bayerns,  in  ihrer  aufwärts  stei¬ 
genden  Kurve  weiterschreiten  werden. 

Grassmann  -  München. 


Verschiedenes. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  213.  Blatt  der  Galerie  bei:  Theodor 
v.  J  ii  r  g  e  11  s  e  n.  Vergleiche  den  Nekrolog  auf  S.  1335  dieser  Nummer. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ü  n  c  h  e  n,  1.  Juli  1907. 

—  Während  der  Deutsche  Aerztetag  in  Münster  ahnungslos  die 
guten  Wünsche  des  preussischen  Kultusministers  Studt  aus  dem 
Munde  des  Geheimrat  Aschenborn  entgegennahm  und  sich  in 
langen  Debatten  mit  den  Plänen  des  Grafen  Posadowsky  für 
die  Reform  des  Krankenversicherungsgesetzes  befasste,  war  der 
politischen  Laufbahn  dieser  beiden  Staatsmänner  bereits  ein  Ziel  ge¬ 
setzt  worden.  Dr.  v.  Studt  wurde  durch  Unterstaatssekretär  Holle, 
Graf  Posadowsky  durch  Minister  v.  Bethmann-Hollweg 
ersetzt.  Im  gegenwärtigen  Augenblicke  ist  es  vor  allem  der  über¬ 
raschende  Rücktritt  des  Grafen  Posadowsky,  der  bei  den  Aerzten 
lebhaftes  Bedauern  hervorrufen  wird.  Die  Reform  des  Kranken¬ 
versicherungsgesetzes  sollte  die  nächste  grosse  Aufgabe  des  Grafen 
Posadowsky  sein  und  er  hatte  dabei  auch  die  Frage  der  Stel¬ 
lung  der  Aerzte  zu  den  Krankenkassen  zu  erledigen  versprochen. 
Wenn  seine  Lösung  dieser  Frage  vielleicht  auch  nicht  in  allen  Punk¬ 
ten  den  Wünschen  der  Aerzte  entsprochen  haben  würde,  so  durfte 
man  von  seinem  weiten  Blick  und  seinem  Gerechtigkeitssinn  doch 
erwarten,  dass  er  sie  nicht  einseitig  auf  Kosten  der  Aerzte  gelöst 
haben  würde.  Die  Verhandlungen  des  Aerztetages  über  die  gesetz¬ 
liche  Festlegung  der  freien  Arztwahl  knüpften  wesentlich  an  die  Zu¬ 
sagen  des  Grafen  Posadowsky  an.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dass  mit  dessen  Rücktritt  die  ganze  Reform  des  Krankenversiche¬ 
rungsgesetzes  wieder  in  weitere  Ferne  gerückt  ist.  Der  Nachfolger 
P  0  s  a  d  0  w  s  k  y  s,  Staatssekretär  v.  Bethmann-Hollweg,  ist 
den  Aerzten  bekannt  durch  seine  Beziehungen  zur  Aerztekammer 
für  die  Provinz  Brandenburg  und  den  Stadtkreis  Berlin  als  Ober¬ 
präsident  der  Provinz  Brandenburg.  Man  rühmte  damals  sein  Inter¬ 
esse  für  die  Fragen  des  ärztlichen  Standes  und  sein  Entgegenkommen 
gegenüber  den  Wünschen  der  Aerzte.  Während  der  8  jährigen  Amts¬ 
tätigkeit  Dr.  v.  S  t  u  d  t  s  hat  sich  das  preussische  Medizinalwesen 
erfreulich  entwickelt;  wir  nennen  von  wichtigeren  Erlässen  die  Prü¬ 
fungsordnung  und  Dienstanweisung  für  Kreisärzte,  die  Leichenschau¬ 
verordnung,  das  Seuchengesetz  u.  a.  Lieber  seinen  Nachfolger  Holle 
ist  in  Bezug  auf  seine  Stellungnahme  zu  den  Fragen  des  Medizinal¬ 
wesens  nichts  bekannt. 

—  In  ihrer  vorjährigen  Generalversammlung  hat  die  Freie 
Vereinigung  der  Deutschen  medizinischen  Fach¬ 
presse  beschlossen,  eine  Liste  solcher  Autoren  anzu¬ 
legen,  welche  nachweislich  sich  erbieten,  emp¬ 
fehlende  Artikel  über  neue  Arzneimittel  und  son¬ 
stige  Präparate  der  chemischen  Industrie  gegen 
Entgelt  an  zu  fertigen;  die  Arbeiten  derselben  sollen  in  Zu¬ 
kunft  in  den  der  Vereinigung  angehörigen  Organen  weder  veröffent¬ 
licht  noch  referiert  werden.  Nach  eingehender  Prüfung  des  Akten¬ 
materials  —  welche  vornehmlich  durch  das  dankenswerte  Entgegen¬ 
kommen  der  grossen  chemischen  Fabriken  selbst  ermöglicht  wurde  — 
ist  eine  erste  derartige  Liste  nunmehr  fertig  gestellt  und  den  Mit¬ 
gliedern  der  Vereinigung  zugesandt  worden.  Die  Vereinigung  hofft, 
durch  ihr  gemeinsames  Vorgehen  einem  Krebsschaden  abzuhelfen, 
unter  dem  die  deutsche  medizinische  Publizistik  in  den  letzten  Jahren 
empfindlich  gelitten  hat;  sie  plant  insbesondere,  den  vielerlei  Täu¬ 
schungen  und  Enttäuschungen  vorzubeugen,  von  welchen  Aerzte  und 
Publikum  durch  das  Erscheinen  ungenügend  begründeter  Emp¬ 
fehlungen  neuer  Präparate  betroffen  wurden. 

—  Die  feierliche  Konstituierung  der  „Royal  Society 
of  M  e  d  i  c  i  n  e“  hat  am  1*4.  Juni  in  London  stattgefunden.  Die 
neue  Gesellschaft  entsteht  durch  Verschmelzung  folgender  Gesell¬ 
schaften:  Royal  Medical  and  Chirurgical  Society,  Pathological 
Society,  Epidemiological  Society,  Odontological  Society,  Obstetrical 
Society,  Clinical  Society,  Dermatological  Society  of  London,  Bri¬ 
tish  Gynaecological  ,Society,  Neurological.  Society,  British  Laryngo- 
logical,  Rhinological  and  Otological  Society,  Dermatological  Society 
of  Great  Britain,  Otological  Society  of  Great  Britain,  British  Electro- 
therapeutic  Society,  Therapeutical  Society.  Die  genannten  Gesell¬ 
schaften  lösen  sich  auf  und  überweisen  ihr  Vermögen  und  ihre 
Bibliotheken  der  neuen.  Den  Vorsitz  dieser  neuen  Königlichen  Ge¬ 
sellschaft  übernimmt  Sir  William  D.  C  h  u  r  c  h,  der  ehemalige  Präsi¬ 
dent  des  Royal  College  of  Physicians.  12  Ausschüsse  werden  die 
wissenschaftlichen  Arbeiten  und  Untersuchungen  der  früheren  Gesell¬ 
schaften  weiterführen.  Die  vereinigte  Bücherei  des  neuen  Verbands, 
der  etwa  4000  Fellows  und  Mitglieder  zählt,  besteht  aus  80  000 
Bänden,  und  das  Jahreseinkommen  beziffert  sich  auf  8000  Lstr.  • 

—  Die  Würde  eines  Dr.  med.  vet.  wird  künftig  auch  von  der 
Leipziger  med.  Fakultät  im  Verein  mit  der  Tierärztl.  Hochschule  in 
Dresden  verliehen.  Zur  Prüfung  werden  im  allgemeinen  im  Deutschen 
Reiche  approbierte  Tierärzte  zugelassen.  Die  Prüfung  zerfällt  in 
einen  mündlichen  und  einen  schriftlichen  Teil,  von  denen  der  erstere 
in  Leipzig  abgelegt  wird. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Hamburg:  Die  beiden  Assistenz¬ 
ärzte  des  Eppendorfer  Krankenhauses,  Dr.  H.  T  i  e  1  e  m  a  n  n  und  Dr. 
C.  v.  Horn  werden  seit  dem  24.  d.  M.  vermisst.  Die  beiden  Herren 
hatten  am  22.  eine  Segelpartie  elbabwärts  unternommen,  waren  am 
24.  morgens  um  9  Uhr  von  Brunsbüttelkoog  bei  gutem  Wetter  abge¬ 
fahren  und  gegen  11  Uhr  noch  bei  Margareten  gesehen  worden. 
Um  12  Uhr  zog  ein  schweres  Unwetter  bei  Glückstadt  über  die 


2.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1359 


Elbe,  und  seitdem  fehlt  jede  Spur  von  den  Vermissten.  Es  besteht 
die  traurige  Befürchtung,  dass  die  beiden  jungen  Kollegen,  von  denen 
der  eine  den  Burenkrieg  glücklich  mitgemacht  hatte,  ein  Opfer  des 
Unwetters  geworden  sind. 

—  Professor  Dr.  Dennig,  bis  vor  einigen  Jahren  an  der 
Universität  Tübingen,  ist  zum  Direktor  der  inneren  Abteilung  des 
städtischen  Krankenhauses  in  Pforzheim  ernannt  worden. 

—  Zum  leitenden  Arzt  des  Gisela-Kinderspitals  in 
München  wurde  Dr.  J.  Ibrahim,  Privatdqzent  für  Kinderheil¬ 
kunde  in  Heidelberg,  gewählt. 

—  Zum  chirurgischen  Chefarzt  im  Wilhelmshospital  in  Stuttgart 
wurde  der  Oberarzt  Dr.  med.  B  r  i  g  e  1  daselbst  berufen.  Dr.  B  r  i  g  e  1, 
früher  Assistent  bei  Bruns  in  Tübingen,  war  von  1897 — 1906  am 
,  Katharinenhospital  in  Stuttgart  tätig,  (hc.) 

—  Die  Leitung  der  inneren  Abteilung  des  Ludwigsspitals 
in  Stuttgart  wurde  an  Stelle  des  verstorbenen  Sanitätsrat 
Dr.  Wildermuth  dem  Medizinalrat  Dr.  K  o  h  1  h  a  a  s  übertragen. 

—  Eine  Studienreise  belgischer  .Aerzte  nach 
Deutschland  ist  für  August  geplant. 

—  In  M  ü  ns  t  e  r  i.  W.  wird  demnächst  die  Grundsteinlegung 
zu  einem  neuen  evangelischen  Krankenhaus  stattfinden. 

■  —  Der  II.  internationale  Kongress  für  Schul¬ 

hygiene  findet,  wie  wiederholt  schon  mitgeteilt,  in  Londo  n 
vom  5.  bis  10.  August  statt.  Zahlreiche  Beteiligung  seitens  deutscher, 
für  Fragen  der  Schulhygiene  sich  interessierender  Aerzte  ist 
wünschenswert. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  8.  bis  16.  Juni  wurden  36  neue 
Erkrankungen  (unid  29  Todesfälle)  an  der  Pest  gemeldet.  —  Persien. 
Vom  5.  bis  11.  Mai  sind  in  Buschär  3  weitere  Pestkranke  aus  Bahrein 
angekommen  und  auf  die  Quarantäneinsel  verbracht  worden.  — 
Britisch-Ostindien.  In  Aden  sind  am  18.  Mai  von  dem  aus  dem  per¬ 
sischen  Golf  angekommenen  Dampfer  „Moshtari“  5  Pestkranke  ge¬ 
landet  worden.  —  In  Kalkutta  starben  vom  12.  bis  18. 
Mai  203  Personen  an  der  Pest,  in  Moulmein  42.  —  Mau¬ 
ritius.  Vom  5.  April  bis  2.  Mai  wurden  4  Erkrankungen  und  1 
Todesfall  an  der  Pest  angezeigt.  —  Neu-Süd-Wales.  In  Sidney  ist  am 
11.  Mai  .ein  neuer  Pestfall  mit  tödlichem  Verlaufe  festgestellt  worden. 
—  Queensland.  In  Port  Douglas  wurden  vom  7.  bis  13.  April  2  Pest¬ 
erkrankungen  gemeldet. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  9.  bis 
15.  Juni  sind  73  Erkrankungen  (und  35  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  24.  Jahreswoche,  vom  9.  bis  15.  Juni  1907,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
:  Halberstadt  mit  33,6,  die  geringste  Koblenz  mit  6,5  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Hof,  an  Masern  und  Röteln  in  Brandenburg, 
Buer,  Darmstadt,  Mannheim,  an  Keuchhusten  in  Harburg.  V.  d.  K.  G.-A. 
(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Für  das  Fach  der  inneren  Medizin  habilitieren  sich 
an  der  Berliner  Universität  die  Assistenzärzte  an  der  II.  medizinischen 
Klinik,  Dr.  med.  Anton  Steyrer  und  Stabsarzt  Dr.  med.  Georg 
Jürgens.  Exzellenz  v.  Leyden  tritt  mit  Ende  dieses  Semesters 
von  der  Leitung  der  I.  Medizinischen  Klinik  zurück.  Als  seinen  Nach¬ 
folger  hat  die  Fakultät  vorgeschlagen:  Friedrich  Müller  (Mün¬ 
chen),  L.  Krehl  (Heidelberg),  F.  Moritz  (Strassburg).  Nachdem 
i  Prof.  Müller  abgelehn  hat,  ist  Geheimrat  v.  Krehl  berufen  worden, 
doch  hat  auch  dieser  den  Ruf  abgelehnt. 

Bonn.  Geheimer  Medizinalrat  Dr.  med.  Oskar  Witze-1, 
ordentlicher  Honorarprofessor  für  Chirurgie,  ist  aus  dem  Lehrkörper 
der  Bonner  Universität,  dem  er  seit  1882  angehörte,  ausgeschieden. 
Geheimrat  W  i  t  z  e  1  hat  bekanntlich  die  Leitung  der  Düsseldorfer 
städtischen  Krankenanstalten,  der  chirurgischen  Abteilung  daselbst  und 
der  Akademie  für  praktische  Medizin  übernommen.  —  Die  Gesamt¬ 
frequenz  der  Universität  Bonn  beträgt  im  laufenden  Sommersemester 
3603.  Davon  sind  3348  immatrikulierte  Studierende  und  255  Hörer, 
und  zwar  in  der  medizinischen  Fakultät  273.  (hc.) 

Greifswald.  Habilitiert:  Dr.  Guido  Fischer  mit  einer 
I  robevorlesung  „Ueber  die  Entwicklung  der  Zahnheilkunde  zur  selbst¬ 
ständigen  Wissenschaft“. 

Halle  a.  S.  An  der  Universität  Halle  a.  S.  sind  'im  laufenden 
Semester  2192  Studierende  immatrikuliert,  gegen  2136  im  Sommer  1906. 
Davon  sind  210  (175)  Mediziner,  (hc.) 

Heidelberg.  Prof.  v.  Krehl  hat  den  an  ihn  ergangenen 
Ruf  nach  Berlin  als  Nachfolger  v.  Leydens  abgelehnt.  Es  wurde 
ihm  seitens  der  Klinikerschaft  eine  Ovation  dargebracht. 

Königs  bie  r  g  i.  Pr.  Die  Gesamtzahl  der  im  laufenden  Semester 
an  der  Universität  Königsberg  i.  Pr.  immatrikulierten  Studierenden 
beträgt  1048,  davon  in  der  medizinischen  Fakultät  216.  (hc.) 

Leipzig.  Der  Privatdozent  Dr.  Theodor  Dependorf  an 
der  Universität  Jena  ist  vom  1.  Oktober  ab  zum  etatsmässigen 
ausserordentlichen  Professor  in  der  medizinischen  Fakultät  und  zum 
Direktor  des  zahnärztlichen  Institutes  der  Universität  Leipzig  er¬ 
nannt  worden. 

München.  Prof.  Friedrich  Müller  hat  den  ehrenvollen  Ruf 
an  die  I.  med.  Klinik  in  Berlin  abgelehnt.  Unsere  medizinische  Fakul¬ 
tät  bleibt  dadurch  vor  einem  schweren  Verluste  bewahrt.  In  den 
weitesten  Kreisen  der  Stadt  herrscht  Befriedigung  über  diesen  Ent¬ 
schluss  des  ausgezeichneten  Klinikers.  Nächst  der  med.  Fakultät  sind 
es  besonders  die  Aerzte,  die  Herrn  Prof.  Müller  für  seine  Ent¬ 


scheidung  zu  Gunsten  Münchens  Dank  wissen.  Von  höchster 
Stelle  ist  ihm  der  Dank  durch  Verleihung  des  Verdienstordens  der 
bayerischen  Krone,  mit  dem  der  persönliche  Adel  verbunden  ist,  aus¬ 
gedrückt  worden.  Auf  der  2.  Vorschlagsliste  der  med.  Fakultät  für 
die  Neubesetzung  der  Professur  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
standen:  1.  Hofmeier,  2.  Döderlein,  3.  v.  Herff.  Döder- 
lein  ist  berufen  und  hat  den  Ruf  angenommen. 

Strassburg  i.  Eis.  Die  Gesamtzahl  der  im  laufenden  Se¬ 
mester  an  der  Kaiser-Wilhelms-Universität  Strassburg  immatriku¬ 
lierten  Studierenden  beträgt  1622  gegen  1418  im  Sommer  1906,  davon 
in  der  medizinischen  Fakultät  233  (217).  (hc.) 

Tübingen.  Prof.  Dr.  Albert  D  ö  d  e  r  1  e  i  n,  Vorstand  der 
hiesigen  Universitäts-Frauenklinik,  hat  einen  Ruf  nach  München  als 
Nachfolger  von  Geh.  Rat  v.  W  i  n  c  k  e  1  erhalten  und  angenommen. 
—  Dr.  med.  Paul  Gross,  bisher  Assistenzarzt  an  der  psychiatrischen 
Klinik,  früher  Assistenzarzt  bei  Oppenheim-  Berlin  und  Wilder- 
m  u  t  h -  Stuttgart,  hat  als  leitender  Arzt  das  bisher  von  San. -Rat 
Wildermuth  geleitete  Sanatorium  Ottilienhaus  in  Stuttgart  über¬ 
nommen.  —  Privatdozent  Dr.  Konrad  Sick,  II.  Assistenzarzt  an  der 
medizinischen  Universitätsklinik  wurde  zum  Vorstand  der  inneren 
Abteilung  des  Katharinenhospitals  (städtischen  Krankenhauses)  in 
Stuttgart  gewählt. 

Charkow.  Dr.  C.  Jakuschewitsch  habilitierte  sich  als 
Privatdozent  für  innere  Medizin. 

Wien.  Für  das  Fach  der  Chirurgie  habilitierten  sich  an  der 
Wiener  Universität  Dr.  med.  Paul  C  1  a  i  r  m  o  n  t,  Assistent  bei  Prof, 
v.  Ei.selsberg  an  der  I.  chirurgischen  Klinik  und  Dr.  med.  Paul 
A  1  b  r  e  c  h  t,  Assistent  bei  Prof.  Hochenegg,  an  der  II.  chirur¬ 
gischen  Klinik,  (hc.) 

(Todesfälle.) 

In  Manchester  istarb  am  13.  Juni  Dr.  Julius  Dreschfeld, 
Professor  der  Medizin  an  der  Universität  Manchester.  Dresch¬ 
feld  war  1845  in  Niederwerrn  in  Bayern  geboren  und  kam  mit  16 
Jahren  nach  Manchester,  wo  er  an  Owens  College  studierte;  1864 
besuchte  er  die  Universität  Wiirzburg  und  vollendete  da  seine  medi¬ 
zinischen  Studien.  1866  machte  er  den  Feldzug  als  Assistenzarzt  der 
bayerischen  Armee  mit,  kehrte  aber  1869  nach  England  zurück  und 
begann  in  Manchester  die  ärztliche  Praxis.  Dank  seiner  glänzenden 
Begabung  errang  er  sich  dort  bald  eine  hochangesehene  Stellung. 
1876  wurde  er  Lehrer  der  Pathologie  an  Owens  College,  1891  Pro¬ 
fessor  der  Medizin.  Er  galt  als  ausgezeichneter  Lehrer  und  Arzt, 
seine  umfangreiche  wissenschaftliche  Tätigkeit  stellt  ihn  in  die  erste 
Reihe  unter  den  englischen  Klinikern. 

Prof.  Dr.  med.  Maximilian  Schüller,  seit  1883  Privatdozent  für 
Chirurgie  an  der  Berliner  Universität,  ist  am  19.  ds.  im  Alter  von 
64  Jahren  gestorben,  (hc.) 

Berichtigung.  In  der  Korrespondenz  „Therapeutische 
Sondervereinigungen“  in  Nr.  26  sind  auf  S.  1312  die  drei  ersten  Zeilen 
v.  o.  ausgefallen.  Es  ist  zu  ergänzen:  Einem  grossen  Teil  der  Teil¬ 
nehmer  an  der  Versammlung  wird  von  dieser  Sondervereinigung 
nichts  bekannt  geworden  sein.  Die  Bildung  derselben  ist  in  aller 
Stille  erfolgt  und  würde  zweifellos  auch  auf  Opposition  etc. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Erledigt:  Die  Bezirksarztstehe  1.  Klasse  in  Eggenfelden. 
Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Ge¬ 
suche  bei  der  ihnen  Vorgesetzten  Kgl.  Regierung,  Kammer  des  Innern, 
bis  zum  10.  Juli  1.  J.  einzureichen. 

Gestorben.  Dr.  Josef  K  u  1  z  e  r,  prakt.  und  Bahnarzt  in 
Flirschau  bei  Amberg,  44  Jahre  alt. 


Korrespondenz. 

In  dem  Aufsatze  „Zur  Frage  der  angeborenen  Funktionsdefekte 
im  Gebiete  der  motorischen  Hirnnerven“  No.  25  der  Münch,  med. 
Wochenschr.,  S.  1225  schreibt  der  Verfasser  Dr.  Neurath: 

„Ganz  unklar  und  zur  eigenen  Auffassung  des  Autors  im  Wider¬ 
spruch  stehend  erscheint  es*  wenn  Heubner  an  einer  Stelle  schreibt: 
.dass  die  Vermutung  von  Möbius  eine  glänzende  Bestätigung  ge¬ 
funden  hat;  wenigstens  insofern,  als  den  kombinierten  Hirnnerven¬ 
lähmungen  während  des  Lebens  eine  kombinierte  schwere  Schädigung 
von  Nervenkernen  in  genau  entsprechendem  Umfange  gegenüber¬ 
steht.4  Heubner  betont  doch  selbst,  dass  keine  Zellschädigung, 
sondern  ein  Zellmangel  in  seinem  Falle  Vorgelegen  habe.  Es  wäre 
daher  an  Stelle  des  Namens  Möbius  der  K  u  n  n  s  zu  stellen.“ 

Diesen  Vorwurf  muss  ich  als  unberechtigt  zurückweisen.  Der 
Herr  Verfasser  übersieht,  dass  ich  nicht  von  Schädigung  von  Zellen, 
sondern  von  Schädigung  von  Kernen  gesprochen  habe.  Dass  aber 
ein  Nerven  kern  durch  den  irgendwie  bedingten  Ausfall  des  grössten 
Teils  seiner  Zellen  geschädigt  ist,  das  dürfte  wohl  auch  Herrn  Neu¬ 
rath  „klar“  sein.  Also  gehört  an  jene  Stelle  meiner  Abhandlung  der 
Name  von  Möbius  und  nicht  der  von  Kunn. 

Uebrigens  hätte  es  sich  wohl  gehört,  dass  Herr  Neurath  in 
seinem  Literaturverzeichnis  auch  meine  Abhandlung,  die  er  auf  jeder 
Seite  der  seinigen  zitiert,  mit  Quellenangabe  aufgeführt  hätte. 

Berlin,  21.  Juni  1907.  O.  Heubner. 


1360 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  21. 


Grundzüge  der  wirtschaftlichen  Organisation  der  bayer. 
Bezirksvereine  und  Aerztekammern. 


An  die  ständigen  Ausschüsse  der  bayer.  Aerztekammern! 

Im  Jahre  1903  haben  sämtliche  bayerischen  Aerztekammern  sich 
bereit  erklärt,  die  wirtschaftliche  Organisation  in  Bayern  in  me 
Hand  zu  nehmen,  und  der  darauf  erfolgte  Ministenalbescheid  hat 
diesen  Beschluss  gutgeheissen.  Einige  Kammern  haben  daraufhin 
diese  Organisation  durchgeführt,  andere  nicht  und  manche  wieder 
haben  Lücken  gelassen,  die  später  nicht  ausgefuUt  wurden.  Der  bis 
da  bestehende  wirtschaftliche  Frieden  entschuldigte  diese  Unter 
lassumr  Es  erscheint  aber  allmählich  doch  recht  notig,  dass  die 
Kammern  nm  Konflikte  aller  Art  zu  vermeiden,  den  Wirkungskreis 
scharf  umgrenzen,  den  sie  sich  und  den  Bezirksvereinen  gezogen 
haben  wollen,  und  dass  sie  bei  dieser  Gelegenheit  auf  die  lruher  ge¬ 
fassten  Beschlüsse  zurückkommen  und  dieselben  revidieren 

Wenn  wir  das  Arbeitsgebiet  unserer  Kammerorganisation  tts  - 
legen,  kommen  wir  in  keinen  Konflikt  mit  der  wirtschaftlichei 
Organisation  des  deutschen  Aerztevereinsbundes  Jm  Geg-ente  . 
Der  L  V  dessen  Bedeutung  und  Unentbehrlichkeit  für  den  Aeizte- 
stand  wir  voll  erkennen,  soll,  über  die  lokalen  Differenzen  der  Aerzte 
unter  sich  herausgehoben,  unparteiischer  Ratgeber  und  Helfer  für 

a !  1  e^senu  üheren  Beschlüsse  wie  z.  B.  der  drei  fränkischen  Kreise 
haben  die  Gründung  von  Vertrngskommnssionen  und  von  lokalen 
Verbänden,  das  Unterschreiben  der  für  ganz  Deutschland  gültigen 
Reverse  sowie  den  Beitritt  zum  Leipziger  Verband  für  notig  erklärt, 
ferner  Ratschläge  gegeben  über  den  Abschluss  und  die  Kündigung 
von  Verträgen  sowie  einzelne  Direktiven  bei  wirklichen  Kämpfen  mit 
Krankenkassen.  In  manchen  Bezirksvereinen  ist  darnach  der  Be 

tritt  zum  L.  V.  bereits  obligatorisch. 

ln  fast  allen  Kammern  ist  auch  schon  eine  Instanz  vor¬ 
gesehen,  falls  zwischen  Vertragskommission  resp.  Bezirksverein  und 
einzelnen  Aerzten  Differenzen  entstehen.  Mittelfranken  hat  diese 
Funktion  der  Kommission  für  Beschwerde  im  Sinne  des  §  1-  der 
Allerh  Verordnung  vom  9.  Juli  1895  übertragen;  es  kann  ebenso  eine 
besondere  Kommission  gewählt  werden.  Oberbayern  hat  über  das 
formelle  Recht  der  Kammern,  solche  neue  Kommissionen  zu  be- 
sUhen  debattiert;  nach  der  Zustimmung  der  Staatsregierung  zur 
Hauptsache  dürfte  dieses  Recht  unzweifelhaft  sein  und  höchstens  ein 
Zusatz  zur  bestehenden  Geschäftsordnung  notig  werden. 

Die  Aufstellung  präziser  Vorschriften,  wie  bei  Aufnahme  von 
Kämpfen  mit  Kassen  aller  Art  der  Geschäftsgang  sein  muss,  wenn  ein 
Beschluss  Geltung  für  alle  Aerzte  haben  soll,  erscheint  notwendig. 

Durch  eine  Instanz  wird  das  Recht  des  Einzelnen  bessei  ge¬ 
schützt,  unberechtigte  Majorisierungen  hintangehalten  u.  a.  m. 

In  dieser  neuen  Kammerkommission  müssen  ebenso  wie  bei  der 
Kommission  für  Beschwerden  im  Sinne  des  §  1-  Mitgliedei  der  be¬ 
teiligten  Vereine  ausscheiden.  .  ,  ,  . 

Bestimmungen  sind  zu  treffen,  wie  es  zu  halten  ist  bei  Differenzen 
mit  Kassen,  die  in  das  Arbeitsgebiet  mehrerer  Aerzteorgansationen 

^  Alle  wirtschaftlichen  Kommissionen  brauchen  die  Festsetzung 
von  Grundregeln,  die  sich  im  Allgemeinen  an  die  vom  deutschen 
Aerztevereinsbund  erlassenen  Direktiven  anlehnen.  .  , 

Wir  erlauben  uns  einen  diese  Momente  berücksichtigenden 
Organisationsentwurf  vorzulegen.  Wenn  derselbe  Billigung  fin  e  , 
so  wäre  in  den  einzelnen  Kammern  zu  prüfen,  ob  die  schon  1903  be¬ 
schlossenen  Einrichtungen  den  Forderungen  entsprechen.  Dies  scheint 
uns  der  Fall  in  Niederbayern,  Oberfranken,  Mittelfranken,  Unter¬ 
franken  und  Schwaben.  Oberpfalz  gibt  die  Kammer  v  e  r  t  r  a  g  s - 
kommission  als  Instanz  an,  dies  könnte  später  leicht  geändert  werden, 
Pfalz  die  Kreiskommission  des  Vereins  Pfälzer  Aerzte,  also  nicht  der 
Kammer.  Diese  Kommission  ist  aber  Appell  instanz  in  unserem 
Sinne.  Oberbayern  hat  die  Instanz  überhaupt  noch  nicht. 

Es  wäre  zu  erwägen,  ob  nicht  eine  Adaption  an  die  Organisation 
der  andern  Kammern  zu  erstreben  sei;  wir  bitten  um  baldige  Nach¬ 
richt  ob  unsere  Vorschläge  die  prinzipielle  Billigung  der  Kammer¬ 
ausschüsse  fänden.  Die  Kammern  würden,  mindestens  soweit  sie 
eine  entsprechende  Organisation  haben,  damit  zum  Ausdruck  bringen, 
dass  der  nicht  auf  dem  vorgeschriebenen  Weg  entstandene  Beschluss 
in  wirtschaftlichen  Kämpfen  etc.  die  Zustimmung  und  die  Anteil¬ 
nahme  der  durch  die  Kammern  vertretenen  Aerzte  nicht  finden  wird. 

Unsere  Aufgabe  in  der  Herbstsitzung  1907  wird  es  dann  sein, 
die  heute  skizzierten  Direktiven  zu  erörtern  und  zu  ergänzen  sowie 
der  Geschäftsordnung  einen  den  Beschlüssen  von  1903  ent¬ 
sprechenden  Zusatz  zu  geben. 

F  ii  r  t  h,  im  Mai  1907. 


der  deutschen  Arbeiterversicherung  zur  Prüfung  und  Genehmigung 

%(>rZ Verträge  oder  Abmachungen  über  Stellen  in  Gemeinden,  an 
Krankenhäusern,  staatlichen  Kassen,  Stiftungen  etc  sind  der  Korn- 
mission  ebenfalls  mitzuteilen  zur  Kenntnisnahme  und  Abgabe  allen 

fallsiger  die  Ausbreitung  der  ärztlichen  Organisation, 

den  Beitritt  zum  L.  V.,  die  Ausstellung  der  Reverse,  die  Gründung 
von  Lokalvereinen  zu  betreiben.  Bei  Differenzen  mit  Krankenkassen 
etc.,  die  den  bestehenden  Vertrag  nicht  wesentlich  alterieren,  bei -wirt¬ 
schaftlichen  Uneinigkeiten  zwischen  Aerzten  selbst,  kann  sie  selbst¬ 
ständig  Beschluss  fassen  nach  Massgabe  der  ihr  vom  Verein  erteilten 
Geschäftsaufträge;  bei  drohenden  schwereren  Streitigkeiten  be¬ 
reitet  sie  die  Anträge  an  den  Bezirksverein  vor  Gegen  ihre  Be¬ 
schlüsse  kann  an  das  Bezirksvereinsplenum  appelliert  werden. 

b)  Plenarversammlung  des  Bezirksver  ein  s  ent¬ 
scheidet  über  Anträge  aus  seiner  Mitte,  über  Anträge  der  Vertrags¬ 
kommission  und  über  Proteste  gegen  solche. 

Gegen  Beschlüsse  des  Bezirksvereins  ist  Appell  an  die  Be¬ 
schwerdekommission  der  Kammer  innerhalb  3  mal  24  Stunden  möglich. 


Der  geschäftsführende  Ausschuss: 

Dr.  W.  Mayer.  Dr.  W.  Beck  h.  Dr.  L.  S  c  h  u  h. 


Grundzüge: 

I.  Bezirksvereine, 
a)  Vertrags  kommission. 

Jeder  Bezirksverein  setzt  eine  Vertragskommission  von  min¬ 
destens  3  Mitgliedern  ein. 

Der  Vertragskommission  sind  alle  neuen  oder  zu  erneuernden 
Verträge  oder  Abmachungen  aller  Art  der  Aerzte  mit  den  Organen 


II.  Aerztekammer. 


c)  Beschwerde  kommission  wird  gebildet  von  den  Mit¬ 
gliedern  der  Kommission  für  Beschwerden  im  Sinne  des  §  12  der 
Allerh.  Verordnung  d.  d.  9.  VII.  1905  und  mit  derselben  Geschäfts- 

d  nun  gesteht  ^  SchlussentSch-eidung  in  allen  wirtschaftlichen  Fragen 
zu  auf  Anrufen  von  irgend  einer  beteiligten  Seite. 

d)  Wirtschaftliche  Kommission  besteht  aus  3  Mit¬ 
gliedern,  denen  obliegt,  die  Organisation  im  Kreise  zu  fördern  und  mit 
den  Kommissionen  der  anderen  Kreise  Fühlung  zu  halten. 


Direktiven. 


1  Für  Vertragsabschlüsse  mit  Krankenkassen. 

S  c  h  r  i  f  1 1  i  c  h  e  r  V  e  r  t  r  a  g.  gleiche  Kündigung  für  beide  Teile. 
Keine  langfristigen  Verträge,  wenn  die  ärztlichen  Forderungen  nicht 
erfüllt  sind.  Keine  Karenzzeit.  Ausschluss  von  Laienbehandlung. 
Keinen  Vertrag  mit  Mittelstandskassen.  Verträge  mit  N‘chtY,^;  siche¬ 
rungspflichtigen  nur  bis  zu  einem  Gesamteinkommen  über  2000  M., 
oder  Zusatzhonorar  für  besser  Situierte.  - 

Honorar.  Zahlung  der  Einzelleistung  zu  vereinbarten  Sätzen. 
Bei  Pauschale  Minimum  4  M.  im  Jahr  pro  Mitglied,  12  M.  pro  Fa¬ 
milie,  exklusive  der  Extraleistungen  und  Zeitverluste. 

In  allen  Fällen,  in  denen  der  Krankenkasse  für  ihre  Ausgaben 
ein  Regress  zusteht,  ist  Minimaltaxe  ohne  Abzug  zu  verlangen. 
Eigenes  Meldeformular  für  solche  Fälle  erwünscht  (Ueberweisungen,  j 
Unfälle,  Zahlung  durch  Private,  Haftpflichtfälle.) 

Einigungskommissionen  bei  Verträgen  mit  grosseren 
Kassen  behufs  gemeinschaftlicher  Beratung  und  Beilegung  von  Diffe¬ 
renzen.  Gleichmässige  Beschickung,  wechselnder  _  Wohnsitz.  Bei 
Uneinigkeit  kann  -unter  Zustimmung  beider«Teile  ein  Schiedsgericht 
eingesetzt  werden,  gleichmässig  beschickt,  mit  unparteiischem  Vor¬ 
sitzenden.  ,  .  .  .  „„  +  „4. 

Kontrollkommissionen,  von  den  Aerzten  eingesetzt 

zur  eigenen  Ueberwac-hung  betr.  billiger  Arzneiverordnung,  Zahl  der 
Besuche,  rechtzeitiger  Wiederaufnahme  der  Arbeit  etc.  Die  Kom¬ 
mission  kann  Strafen  verhängen  (Verweis,  Geldstrafe,  Suspendierung 
von  der  Kassenpraxis),  Appell  an  den  Bezirksverein. 

Eigene  Kontrollärzte  können  den  Kassen  nicht  ver¬ 
weigert  werden,  sind  aber  nur  unter  Zustimmung  der  Aerzte  aus- 

zuwähl  wjrkFichem  Streit  mit  Krankenkassen  isi 
erforderlich: 

Einigkeit  der  beteiligten  Aerzte  (95  Proz.?  bei  kleineren  Plätzei 
Einmütigkeit).  Bestehen  im  Arbeitsgebiet  der  Kasse  mehrere  Ver¬ 
einsorganisationen,  so  müssen  diese  unter  sich  einig  sein.  (Gemein¬ 
schaftliche  Kommission?)  Zustimmung  von  Aerzten,  die  Opfer  bringet 
sollen  ist  in  erster  Linie  nötig.  Wie  weit  Minoritäten  zu  berück¬ 
sichtigen  sind,  entscheiden  die  Instanzen.  Die  Beschwerdekom 
mission  der  Kammer  hat  speziell  zu  prüfen,  wie  weit  bei  einem  Streit 
fall  das  ganze  Land  -interessiert  ist  und  darnach  auch  andere  Kreist 
resp.  Kammern  zustimmen  müssen.  Bei  Honorarforderungen  ist  de- 
friedliche  Weg  erst  zu  verlassen,  wenn  auch  die  Aufsichtsbehord« 
vorher  angegangen  wurde.  Freie  Arztwahl  kann  nur  erzwungei 
werden  bei  voller  Zustimmung  aller  beteiligten  Aerzte.  . 

Die  Entschädigung  von  Aerzten,  die  bei  Einführung  der  freie! 
Arztwahl  Einbusse  erleiden  müssen,  ist  noch  nicht  in,.feste  Norme 
gebracht.  Bei  den  seitherigen  Versuchen  ist  das  persönliche  Ehrgetul 
und  die  Pflicht  des  Einzelnen  seiner  Familie  gegenüber  nicht  minie 

genügend  berücksichtigt.  ,  0  ,  . 

Allmähliche  Einführung  der  freien  Arztwahl  durch  Sperre  frei 
werdender  Stellen  ist  nur  da  durchführbar,  wo  kleinere  Kassen  in  de 

Händen  einzelner  Aerzte  sind.  .  ,,  ,  ,  , 

Drohen  ernstliche  Kämpfe,  so  ist  der  Leipziger  Verband  sofoi 
zu  benachrichtigen  und  stets  auf  dem  Laufenden  zu  halten.  Wird  sei 
Eingreifen  gewünscht,  so  muss  er  dies  vor  dem  Abbruch  der  Vei 
handlungen  erfahren,  damit  er  seinerseits  prüfen  kann,  ob  die  Bi 
dmgungen  seiner  Hilfeleistung  erfüllt  sind.  .  .  , 

Bei  Verweigerung  der  Krankenhilfe  sind  Nothilfen  me  al 
zulehnen  und  der  Begriff  solcher  nicht  zu  eng  zu  halten. 


OJe  Mfinchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich  _  _  T  /NyT_,-  TT_  __  Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf- 

im  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen  |\/l  I  I  |\l  I  ’  M  L  |\|  L  I)  strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/, — 1  Uhr.  •  für 

Nummer  80  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich  I V I  II  |  >1  1  ,  M  T.lM  p.  r\  Ahonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 

Ui  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag.  w  '  iJA  v  *  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplate  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


herausgegeben  von 

0. t. Angerer,  Ch. Bäumler,  O.v.BolIinger,  H. Curschmann,  U. Uelferich,  W. r. Leube,  G. Merkel,  Jj.lflichel,  F. Penzoldl,  l\  Ganke,  B. Spatz,  F.v.Winckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  Mü»„  hen.  München.  München. 


No.  28.  9.  Juli  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Zur  Diagnostik  und  operativen  Behandlung  der  Rücken- 

markshauttumoren. 

Von  Prof.  Friedrich  Schultze  in  Bonn. 

Wenn  ich  noch  einmal  in  der  Angelegenheit  der  Diagnose 
und  Operation  von  Rückenmarkshauttumoren  das  Wort  er¬ 
greife,  und  zwar  in  dieser  Wochenschrift  vor  einem  weiten 
Leserkreise,  so  geschieht  das  vor  allem  in  dem  Drange,  Men¬ 
schenleben  zu  retten,  und  sodann,  um  eine  neue  Mitteilung  zu 
machen,  die  wiederum  zeigt,  dass  ein  neuralgisches 
A  n  f  a  n  g  s  s  t  a  d  i  u  m  oder  überhaupt  irgend¬ 
welche  Schmerzen  bei  diesen  Tumoren  nicht  oder  nur 
in  angedeuteter  Weise  vorhanden  zu  sein  brauchen. 

Ich  lasse  zuerst  die  Mitteilung  selbst  in  kurzen  Zügen 
folgen: 

Am  18.  XI.  06  wurde  mir  von  Herrn  Kollegen  Michels,  Ner¬ 
venarzt  in  Düsseldorf,  eine  21  jährige  junge  Lehrerin  zur  Unter¬ 
suchung  in  meine  Sprechstunde  zugesandt. 

Sie  hatte  vor  etwa  %  Jahr  etwas  Schwäche  -  und  Taub- 
heitsgefühl  in  beiden  Beinen  bekommen.  Beides  hatte  in  den 
letzten  6  Wochen  stark  zugenommen.  Niemals  irgend¬ 
welche  Schmerzen;  nur  hatte  sich  kurze  Zeit  nach  dem  Eintritt 
der  Beinparästhesien,  die  besonders  die  Kniegegenden  betrafen,  auch 
ein  taubes  Gefühl  rings  um  den  Leib  oberhalb  des  Nabels,  etwa  in 
der  Gegend  der  unteren  Rippenbögen  eingestellt. 

Seit  Mitte  Oktober  wurde  der  Gang  unsicher,  die  Beine  steifer; 
die  Fussspitzen  wurden  geschleift.  Die  Schwäche  betraf  vorzugs¬ 
weise  das  linke  Bein.  Auch  die  Harnentleerung  war  nicht  mehr 
ganz  normal;  sie  erfolgte  rascher  und  viel  häufiger  als  sonst. 

Von  irgend  welchen  hysterischen  Erscheinungen  liess  sich  ana¬ 
mnestisch  nichts  eruieren;  Vorkrankheiten  irgend  welcher  Art  waren 
nicht  vorausgegangen.  Die  Eltern  und  Geschwister  der  jungen  Dame 
sind  gesund. 

Die  Untersuchung  ergab,  dass  es  sich  bei  der  Kranken 
um  ein  kräftiges,  blühend  aussehendes  junges  Mädchen  handelte. 

Es  bestand  kein  Nystagmus,  kein  Intentionszittern,  keine  Ataxie 
der  Hände.  Die  B  a  u  c  h  d  e  c  k  e  n  r  e  f  1  e  x  e  fehlten;  die  Patellar- 
reflexe  waren  lebhaft,  aber  nicht  abnorm;  dagegen  beiderseits  mässig 
starker  Fussklonus,  aber  kein  Babinski,  Die  Plantar- 
reflexe  fehlten.  Die  grobe  Kraft  der  Muskeln  der  Beine  nicht 
wesentlich  herabgesetzt;  Sichaufrichten  aus  horizontaler  Lage  ge¬ 
schieht  gut,  aber  nur  mit  Hilfe  der  aufgestützten  Hände.  Weiterhin 
fand  sich  Hypästhesie  und  Hypalgesie  etwa  bis  zum 
8.  Dorsalsegment  nach  oben.  Die  Arme  waren  frei,  auch  ohne 
Empfindungsstörungen.  Der  Augenhintergrund  war  bereits  unter¬ 
sucht  und  normal  befunden  worden.  Die  Gehirnnerven  frei.  Die 
Wirbelsäule  normal  geformt,  gut  beweglich  und  ohne  jede  Druck¬ 
schmerzhaftigkeit. 

Meine  Diagnose  schwankte  hauptsächlich  zwischen  multipler 
Sklerose  und  Meningealtumor.  Ein  intramedullarer  Tumor  war  un¬ 
wahrscheinlich,  weil  Gliome,  die  ja  wesentlich  in  Betracht  kommen, 
im  dorsalen  Teile  des  Rückenmarks  selten  sind  und  weil  gleich- 
mässige  Sensibilitätsstörungen  für  alle  Empfindungsarten  bestanden. 

Ich  riet  zu  Schonung,  Salzbädern  und  dem  Gebrauche  von  Jod¬ 
natrium,  obgleich  nicht  der  geringste  Anhaltspunkt  für  Lues  ge¬ 
geben  war. 

Herr  Kollege  Michels  berichtete  mir  am  9.  I.  07,  dass  die 
Schwäche  und  Steifheit  der  Beine  sich  verschlimmert  hätte  und  dass 
die  Hypästhesie  jetzt  bis  an  das  7.  bis  6.  Dorsalsegment  reiche.  Sie 
selbst  gab  uns  später  an,  dass  sie  besonders  in  den  Knien  und  in 
der  Kreuzgegend  abwechselnd  ein  h  e  i  s  s  e  s  und  kaltes  Gefühl 
gehabt  habe. 

Aber  noch  am  3.  I.  konnte  die  Kranke  ohne  Begleitung  und  Stütze 
in  seine  Sprechstunde  kommen.  Als  sie  an  diesem  Tage  behufs  Unter- 

No.  28. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

suchung  der  Sensibilität  an  der  Streckseite  der  Beine  kürzere  Zeit 
auf  dem  Bauche  gelegen  hatte,  konnte  sie  „plötzlich  weder 
gehen  noch  stehen,  so  dass  sie  aus  dem  Zimmer  ge¬ 
tragen  werden  musst  e“.  Diese  Verschlimmerung  betraf 
aber  nur  die  motorische  Kraft,  nicht  die  Sensibilität,  deren  Höhen¬ 
grenze  überdies  die  gleiche  blieb.  Auch  die  leichte  Blasenstörung 
hatte  nur  wenig  zugenommen.  Schmerzen  fehlten  an¬ 
dauernd.  Die  durch  die  Bauchlage  hervorgerufene  motorische 
Lähmung  ging  zwar  im  Laufe  der  nächsten  Tage  etwas  zurück,  blieb 
aber  so  stark,  dass  das  Gehen  nur  für  wenige  Schritte  und  auch  dann 
nur  mit  doppelseitiger  Unterstützung  möglich  war. 

Für  Herrn  Kollegen  Michels  erwuchs  aus  dem  ganzen  fort¬ 
schreitenden  Verlaufe  der  Erkrankung  der  immer  stärkere  Verdacht, 
dass  es  sich  um  einen  „Tumor  med.  spinalis“  handeln  möchte. 

Die  Kranke  wurde  dann  am  17.  I.  zur  genaueren  Beobachtung 
und  zur  Entscheidung  der  Operationsfrage  in  die  medizinische  Klinik 
in  Bonn  aufgenommen. 

Sie  erwies  sich  als  ungewöhnlich  intelligent  und  zugleich  als  un¬ 
gewöhnlich  objektiv  in  bezug  auf  ihre  Krankheitszustände.  Sie  gab 
an,  dass  sie  in  letzter  Zeit  in  bezug  auf  die  Harnentleerung  oft  lange 
warten  oder  stark  pressen  müsse.  „Rückenschmerzen“  habe 
sie  nur  in  letzter  Zeit  nur  „nach  besonderer  Anstrengung“  gespürt;  sie 
konnten  aber  nicht  genauer  lokalisiert  werden;  von  ausstrahlen¬ 
den  Schmerzen  war  keine  Rede. 

Die  Untersuchung  ergab,  dass  die  Kranke  nur  mühsam  in 
gebückter  Haltung  unter  doppelseitiger  Unterstützung 
einige  Schritte  machen  konnte.  Es  bestand  auf  motorischem 
Gebiete  kurz  zusammengefasst  eine  starke  spastische  Para¬ 
parese  mit  Ataxie.  Ein  deutlich  pathologischer  Nystagmus 
fehlte  wie  früher;  die  Arme  und  Hände  waren  völlig  gesund.  Sich¬ 
aufrichten  aus  liegender  Stellung  ohne  Unterstützung  unmöglich. 

Die  Gehirnnerven  sämtlich  normal;  der  Augenhintergrund  ohne 
Veränderung. 

Die  Sehnenreflexe  wie  früher:  an  den  Armen  normal,  bei¬ 
derseits  Fussklonus.  Aber  jetzt  links  manchmal  Babinski,  rechts 
kein  Fussohlenreflex. 

Die  Untersuchung  der  Sensibilität  lässt  eine  Hypästhesie 
für  alle  Empfindungsarten  vorn  beiderseits  bis  zum  Proc.  xyphoides 
erkennen,  oder  genauer  bis  zum  Ansätze  der  7.  Rippe  an  das  Sternum. 
Oberhalb  dieser  Grenze  befindet  sich  links  eine  etwa  2  cm  hohe 
hyperästhetisch  eZone.  Auf  der  Haut  des  Rückens  lässt  sich 
keine  sichere  Grenze  für  den  Beginn  der  Herabsetzung  des  Emp¬ 
findungsvermögens  feststellen. 

Am  rechten  Unterschenkel  ist  die  Hypästhesie  etwas 
stärker  ausgeprägt  als  am  linken;  an  diesem  ist  sie  an  der  Innen¬ 
seite  wieder  stärker  als  an  der  Aussenseite. 

Das  Lagegefühl  ist  beiderseits  erheblich  gestört. 

Häufig  spontane  Muskelzuckungen  in  den  Beinen,  links 
etwas  mehr  als  rechts. 

Die  Wirbelsäule  normal;  bei  genauester  Untersuchung  nir¬ 
gends  eine  umschriebene  Druckempfindlichkeit. 

Auch  in  den  nächsten  Wochen  lässt  sich  keine  derartige  Druck¬ 
empfindlichkeit  feststellen  (Prüfung  mit  dem  Druck  der  Fingerknöchel 
zu  beiden  Seiten  eines  jeden  Wirbelfortsatzes).  Die  Sensibilitäts¬ 
grenze  bleibt  sich  gleich;  aber  das  Lagegefühl  schwindet  allmählich 
völlig.  Die  motorische  Lähmung  nimmt  zu;  das  Gehen 
wird  unmöglich;  beide  Beine  können  in  der  Rückenlage  nicht  mehr 
von  der  Unterlage  gehoben  werden.  Nach  längerem  Sitzen  soll  sich 
an  einer  bestimmten  Stelle  ein  Druckgefühl  bemerkbar  machen. 

Da  sich  in  der  Kreuzbeingegend  eine  stärkere  Rötung  einstellt, 
und  ausserdem  die  Kranke  sehnsüchtig  Hilfe  erwartet  und  eine 
Operation  selbst  herbeiwünscht,  wird  am  16.  II.  die  Ausführung  der 
Operation  beschlossen. 

Die  Annahme  einer  multiplen  Sklerose  musste  bei  dem 
stetigen  Fortschreiten  aller  vorhandenen  Krankheitssymptome 
innerhalb  der  einmal  gesetzten  Ausdehnungsgrenzen  fallen  ge¬ 
lassen  werden.  Gegen  die  Annahme  einer  chronischen  dorsalen 
Myelitis  sonstiger  Art  sprach  der  Mangel  jeder  für  ihre  Ent- 

1 


1362 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


stehung  bisher  bekannten  Ursache  und  die  gleichmässige  Pro¬ 
gression;  gegen  eine  chronische  Meningomyelitis  die  dauernde 
Abwesenheit  deutlicher  Schmerzen  selbst  in  der  Zeit  der  stär¬ 
keren  Zunahme  der  Krankheitserscheinungen. 

Ferner  sprach  auch  gegen  die  Annahme  aller  dieser  er¬ 
wähnten  Zustände  einigermassen  der  Umstand,  dass  bei 
der  Bauchlage  der  Kranken  eine  rasche  Ver¬ 
se  h  1  i  m  m  e  r  u  n  g  der  Lähmungserscheinungen 
ein  trat,  ein  Symptom,  das  allerdings  bis  jetzt  noch  nicht 
näher  erforscht  worden  ist.  Immerhin  lässt  es  sich  doch  eini¬ 
germassen  mit  den  Extensionsversuchen  in  Parallele  stellen,  die 
sowohl  bei  Kompression  durch  Wirbelkaries  als  durch  Tumoren 
(Oppenheim)  nicht  selten  auch  sonst  eine  Verschlimmerung 
bestehender  Ausfallserscheinungen  hervorgerufen  haben. 
Jedenfalls  ist  schwer  zu  verstehen,  wie  bei  irgend  einer  Form 
von  chronischer  Myelitis  eine  Verschlimmerung  durch  die 
Bauchlage  herbeigeführt  werden  soll,  während  bei  Kompres¬ 
sionen  durch  Wirbelveränderungen  und  besonders  durch 
meningeale  Tumoren  ein  stärkerer  Druck  in  der  horizontalen 
Bauchlage  sehr  wohl  herbeigeführt  werden  kann. 

Da  ferner  durch  Kompressionen  bekanntlich  vorzugsweise 
eine  motorische  Lähmung  erzeugt  wird,  so  lässt  sich  bei  An¬ 
nahme  einer  Drucksteigerung  auch  gut  verstehen,  dass  durch 
die  Bauchlage  nur  eine  Verschlimmerung  der  Motilitäts- 
schwäche,  nicht  aber  der  Sensibilitätsstörungen  herbeigeführt 
wurde. 

Freilich  konnten  wir  selbst  bei  einem  weiteren  Versuche, 
den  Einfluss  der  horizontalen  oder  nahezu  horizontalen  Bauch¬ 
lage  auf  die  Lähmung  festzustellen,  keine  Verstärkung  der 
allerdings  schon  sehr  erheblichen  Paresen  festzustellen. 

Jedenfalls  verdient  aber  dieses  Symptom  weitere  Prüfung, 
auch  gegenüber  der  Differentialdiagnose  gegenüber  intramedul¬ 
lären  Geschwülsten. 

Musste  man  so  eine  Kompression  annehmen,  so 
sprach  nichts  für  die  Annahme  einer  Karies  der  Wirbelsäule 
oder  eines  metastatischen  Tumors  in  derselben  oder  in  den 
Häuten.  Denn  in  keinem  Körperorgane  der  Kranken  liess  sich 
bei  sorgfältiger  Untersuchung  irgend  etwas  von  Tuberkulose 
oder  irgend  einer  Neubildung  nachweisen.  Lues  war  mit  an 
Sicherheit  grenzender  Wahrscheinlichkeit  schon  durch  die 
Anamnese  ausgeschlossen,  erst  recht  durch  den  Befund  am 
sonstigen  Körper,  durch  den  Krankheitsverlauf  selbst  und  durch 
das  völlige  Versagen  der  Jodkur.  Von  Steifigkeit  oder  Druck¬ 
empfindlichkeit  der  Wirbel  war  keine  Rede. 

Gegen  die  Annahme  eines  intra  medullären 
I  umors  sprach  endlich  die  schon  erwähnte  relative  Selten-  I 
heit  derselben  im  Dorsalmark,  sowie  ferner  der  dauernde  gänz¬ 
liche  Mangel  von  Dissoziationslähmung. 

War  er  aber  auch  vorhanden,  so  erschien  uns  angesichts 
der  sonst  trostlosen  Prognose,  der  immer  stärker  fortschreiten¬ 
den  und  bereits  mit  Dekubitus  drohenden  Lähmung  die  Opera- 
tion  geboten,  die  nur  nützen  und  sogar  im  schlimmsten  Falle 
des  tödlichen  Ausganges  ein  jämmerliches  Siechtum  abkürzen 
konnte. 

Nur  der  Umstand  konnte  vor  der  Operation  zurück¬ 
schrecken  lassen,  dass  nicht  das  typische  Bild  eines 
Meningealtumors  vorhanden  war,  dass  nämlich  sowohl 
die  örtlichen  Druckschmerzen  und  im  wesentlichen  Schmerzen 
überhaupt,  als  auch  die  ausstrahlenden  neuralgischen  Schmer¬ 
zen  fehlten,  an  deren  Stelle  nur  im  Anfänge  gürtelförmige  um¬ 
schriebene  Parästhesien  bestanden. 

Es  wurde  aber  ein  solches  völliges  Fehlen  von  neural¬ 
gischen  Schmerzen  und  von  Druckempfindlichkeit  der  Wirbel¬ 
säule  bereits  zweimal  von  mir  und  einmal  von  Oppen- 
h  e  i  m  beobachtet,  abgesehen  von  einem  weiteren  Falle  mit 
nur  geringfügigen  sensiblen  Reizerscheinungen  (No.  9  in  meiner 
Arbeit  über  Diagnostik  der  Rückenmarkshautgeschwülste  in 
den  Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.  etc.,  Bd.  XII,  S.  190).  In  dem  einen 
meiner  Fälle  war  der  I  umor  von  hinten  seitlich  aufgewachsen 
und  von  Haselnussgrösse;  ich  hatte  aber  wegen  dieser  fehlen¬ 
den  Schmerzen  die  Diagnose  nicht  hinreichend  früh  Operations¬ 
teil  zu  stellen  gewagt,  so  dass  der  Kranke  zu  meinem  grossen 
Schmerze  elend  seinem  Leiden  erlag.  Der  zweite  ist  kürzlich 
aus  meiner  Klinik  von  Stursberg  veröffentlicht  (Deutsche 
Zcitschr.  f.  Nervenheilk.,  Bd.  XXXII,  S.  113).  Auch  bei  ihm 


No.  28. 

fand  sich  eine  nicht  grosse  Geschwulst  von  1,5  cm  Länge,  die 
sich  auf  der  rechten  Seite  entwickelt  hatte,  aber  von  Herrn 
Kollegen  Bier  glücklich  entfernt  werden  konnte. 

Es  konnte  somit  die  dauernde  Abwesenheit  von  Schmerzen 
nicht  gegen  die  Vornahme  einer  Laminektomie  sprechen. 

Die  Diagnose  der  oberen  Grenze  der  Geschwulst  war 
leicht.  Entsprechend  unserem  gewöhnlichen  für  den  Dorsal¬ 
teil  des  Rückenmarks  geltenden  Schema  baten  wir  Herrn  Kol¬ 
legen  Bier,  gegenüber  dem  4.  und  5.  Dorsalwirbelfortsatz 
einzugehen.  Denn  ihnen  gegenüber  liegen  der  5.  und  6.  Dorsal¬ 
wirbelkörper  und  diesen  gegenüber  das  7.  Segment,  in  dem 
noch  Hypästhesie  bestand,  und  das  6.,  innerhalb  dessen  auf  der 
linken  Seite  Hyperästhesie  angegeben  wurde. 

Der  Tumor  musste  mehr  links  liegen  1.  wegen  der  oben 
erwähnten  linksseitigen  Gürtelhyperästhesie  und  2.  wegen  der 
angedeuteten  leichten  Seitenläsion,  da  ja  zuerst  besonders  das 
linke  Bein  motorisch  schwächer  gewesen  war  und  die  Hyp¬ 
ästhesie  zuletzt  rechts  stärker  ausgeprägt  erschien. 

Es  fand  sich  nun  in  der  Tat  genau  an  der  angegebenen 
Stelle  exti  adural  hinten  links  ein  Tumor  von  etwa 
Walnussgrösse1)  der  leicht  stumpf  entfernt  werden 
konnte  und  sich  als  ein  Fibrom  erwies. 

Die  Operation  wurde  am  16.  II.  07  gemacht;  Fieber  stellte 
sich  nachher  niemals  ein;  die  Nähte  wurden  am  28.  II.  ent¬ 
fernt. 

Schon  am  ersten  läge  nach  der  Operation  konn¬ 
ten  dieFiisse  etwas  bewegt,  am  zweiten  Tage  nach 
derselben  die  Beine  angezogen  und  heruntergedrückt  werden. 
Auch  die  Sensibilität  war  am  zweiten  läge  nach  der  Operation 
viel  besser  als  vorher;  das  Wasserlassen  normal. 

Rasch  schritt  die  Besserung  vorwärts;  am  8.  III.  wurde  be¬ 
reits  der  erste  Gehversuch  unternommen,  bei  dem  eine 
Unterstützung  kaum  nötig  war.  Nur  war  der  Gang  noch  etwas 
ataktisch  und  diese  Störung  hielt  auch  später  noch  am  läng¬ 
sten  an. 

Die  weitere  Besserung  schritt  sehr  rasch  voran.  Die 
Kranke  kann  jetzt  —  Anfang  Mai  —  ein  paar  Stunden  allein 
gehen  und  klagt  nur  noch  über  leichtes  Gefühl  von  Kniesteifig¬ 
keit  und  findet  ihre  Reflexe  etwas  stärker. 

Jedenfalls  ist  aber  völlige  Heilung  erzielt  worden. 

Der  Fall  lehrt  also  von  neuem,  dass  man  sich,  wenn  die 
sonstigen  Symptome  eines  nicht  lang  ausgestreckten  und  nicht 
metastatischen  Tumors  der  Rückenmarkshäute  vorhanden  sind, 
nicht  durch  die  Abwesenheit  von  Schmerzen  in  seiner  Diagnose 
beirren  lassen  soll. 

Woher  freilich  diese  merkwürdige  Schmerzlosigkeit  in 
einem  Teile  der  Fälle  kommt,  steht  noch  dahin.  Auf  eine  von 
mir  aufgestellte  Hypothese  zur  Erklärung  des  auffallenden  Ver¬ 
haltens  will  ich  hier  nicht  zurückkommen,  sondern  nur  be¬ 
merken,  dass  in  meinen  sämtlichen  Fällen  dieser  Art  keine  Spur 
von  Hysterie,  also  auch  keine  Spur  von  hysterischer  Analgesie 
vorhanden  war. 


Etwa  zu  gleicher  Zeit  mit  dem  eben  beschriebenen  Falle 
beschäftigte  mich  ein  weiterer,  bei  dem  ich  zu  der  Diagnose 
einer  Kompression  mit  der  Möglichkeit  eines  extramedul¬ 
lären  J  umors  gelangte  und  bei  dem  ebenfalls  eine  Laminek¬ 
tomie  vorgenommen  wurde. 

Fr  betraf  einen  56  jährigen  Schreinermeister  A.  aus  N.,  der  mir 
am  17.  VII.  06  ausser  über  Gefühle  von  Unruhe  in  den  Beinen  und 
über  grössere  Erregtheit  hauptsächlich  über  Schmerzgefühle 
im  Umkreise  um  die  rechte  Schulter  herum  klagte.  Eine 
Wirbelveränderung  war  nicht  auffindbar,  ebensowenig  liess  sich  an  den 
Lungen,  an  den  Pleuren,  an  den  Rippen  und  am  Nervensystem  irgend 
eine  Veränderung  nachweisen.  Bald  nach  dieser  Untersuchung  stellte 
sich  leichte  Ermüdbarkeit  der  Beine  ein,  die  sich  während  des  Monats 
August  erheblich  verschlimmerte,  so  dass  der  Kranke  kaum  mehr 
gehen  konnte.  Anfangs  September  stellte  sich  ein  „Bandgefühl“ 
beiderseits  am  Rumpfe  ein,  das  von  den  Weichen  bis  zur  Herzgrube 
sich  erstreckte.  Der  7.  Brustwirbel  war  druckempfindlich;  von  ihm 
sollte  angeblich  der  Schulterschmerz  ausstrahlen.  Ausserdem  fand 
sich  beiderseits  Schwäche  der  Brustmuskeln  und  der  Beinmuskeln, 
besonders  des  lleopsoas,  ferner  Fussklonus  links  und  Babinski.  Die 
Patellarreflexe  nicht  abnorm  gesteigert;  Pupillen,  Gehirnnerven  nor- 


')  Die  Masse  der  gehärteten  Geschwulst  betrugen  in  der  I  äuge  3 
in  der  Breitenrichtung  2Vz  cm,  in  der  Dicke  lVs  cm. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


mal.  Arme  frei.  Sensibilität  überall  intakt.  Blasen-  und  Darm- 
störungen  fehlten. 

Im  Laufe  der  folgenden  Wochen  nahm  die  motorische 
Schwäche  der  Beine  zu,  und  der  Kranke  Hess  sich  am  30.  XI.  06 
in  das  hiesige  Johanneshospital  aufnehmen. 

Hier  war  im  wesentlichen  eine  spastische  Paraplegie 
der  Beine  festzustellen,  während  die  Sensibilität  normal  war.  Stets 
wurde  jetzt  der  fünfte  Brustwirbel  als  druckempfindlich  angegeben. 
Das  Gehen  war  unmöglich;  schmerzhafte  Zusammenziehungen  der 
Beinmuskeln  quälen  den  Kranken  sehr  erheblich. 

An  den  Wirbeln,  an  der  Lunge  auch  jetzt  nichts  Abnormes  zu 
finden.  Der  Harn  normal.  Dauernd  wird  über  ein  schmerz¬ 
haftes  Gürtelgefühl  etwa  im  7.  Dorsalsegment,  etwas  ober¬ 
halb  des  Rippenbogens  geklagt. 

Aus  den  gleichen  Gründen  wie  im  vorigen  Falle  war  die  An¬ 
nahme  einer  Kompression  der  Med.  spinal,  das  Wahrschein¬ 
lichste,  wenn  auch  das  völlige  Fehlen  von  Hypästhesien  neben  der 
starken  motorischen  Lähmung  auffallend  war.  Die  dauernde,  bei 
vielen  Untersuchungen  gleichmässig  angegebene  Druckschmerzhaftig¬ 
keit  in  der  Höhe  des  5.  Brustwirbelfortsatzes  in  Verbindung  mit  einer 
Hyperästhesie  an  der  Stelle  des  Gürtelschmerzes  im  Bereiche 
des  7.  Dorsalsegmentes  sprach  für  den  Sitz  des  Druckes  gegenüber 
dem  genannten  Fortsatze. 

Die  Ursache  der  Kompression  blieb  freilich  unklar.  Gegen  einen 
intramedullaren  Tumor,  der  von  innen  drückte,  sprachen  die  leb¬ 
haften  örtlichen  und  ausstrahlenden  Schmerzen,  gegen  einen  extra¬ 
medullären  das  monatelange  Ausbleiben  der  Hypästhesie. 

Ich  sprach  mich  deswegen  für  ein  abwartendes  Verhalten  aus, 
da  ich  glaubte,  die  fehlende  Hypästhesie  würde  schon  noch  folgen. 
Da  aber  der  durch  seine  schmerzhafte  Muskelkrämpfe  stark  ge¬ 
marterte  Kranke  auf  Hilfe  drängte,  da  ausserdem  auch  bei  anderer 
Ursache  für  die  Kompression  als  durch  einen  Tumor  genützt  werden 
konnte,  stimmte  ich  der  Vornahme  einer  Laminektomie  zu,  die  von 
Herrn  Kollegen  Bier  am  13.  XII.  vorgenommen  wurde.  Es  wurden 
der  4.,  5.  und  6.  Dofsalwirbelfortsatz  freigelegt,  die  Muskulatur  mit 
breiten  Meissein  abgehebelt,  die  Dornfortsätze  und  Bögen  abge¬ 
kniffen,  aber  kein  Tumor  gefunden,  auch  intradural  nicht.  Das  frei¬ 
gelegte  Rückenmark  war  dünner  als  normal,  Liquor  cerebro¬ 
spinalis  floss  nicht  ab. 

Die  Operationswunde  heilte  gut;  natürlich  war  aber  die  Läh¬ 
mung  die  gleiche  geblieben,  wenn  auch  die  Spasmen  nachgelassen 
hatten.  Eine  Herabsetzung  der  Sensibilität  trat  auch  bis  zum  Tode 
nicht  auf.  Ende  Dezember  stellte  sich  Zystitis  ein,  sodann  aber 
Husten  mit  mühsamer  Entleerung  zähen  Schleimes  und  allmählig  zu¬ 
nehmenden  Rasselgeräuschen  über  dem  ganzen  Thorax.  Fieber  ge¬ 
sellte  sich  hinzu,  ebenso  Dekubitus.  Ende  Februar  entwickelte  sich 
auffallenderweise  in  der  Operationsnarbe  ein  Abszess,  der  von  selbst 
aufbrach. 

Am  21.  III.  07  starb  der  Kranke.  Die  Sektion,  die  nur  teilweise 
vorgenommen  werden  konnte,  ergab  einen  sehr  merkwürdigen  Be¬ 
fund,  nämlich  eine  Nekrose  des  4.  und  5.  Brustwirbels  und  der  vor¬ 
liegenden  Rippienköpfchen,  ferner  einen  grossen  jauchigen  Abszess 
im  hinteren  Mediastinum,  in  der  linken  Lungenspitze  ebenfalls  einen 
umschriebenen  Gangränherd. 

Von  Tuberkulose  nichts  zu  finden;  ebensowenig  von  einem  Kar¬ 
zinom  des  Oesophagus.  Es  muss  somit  im  Zusammenhalt  mit  der 
Entwicklung  des  Leidens  angenommen  werden,  dass  zu¬ 
erst  sich  eine  Wirbelveränderung  entwickelt  hatte,  die 
dann  später  mit  Lungenveränderung  sich  verband.  Auf 
genauere  Erörterungen  will  ich  hier  nicht  eingehen.  *)  Die 
Dura  mater  war  in  der  Höhe  der  Wirbelaffektion  unregelmässig 
stark  v  e  r  d  i  ck  t,  seitlich  beinahe  tumorartig,  das  Rückenmark 
selbst  zeigte  makroskopisch  Degenerationen  in  den  Seiten-  und 
Hintersträngen,  wie  sie  Kompressionen  entsprechen  und  absteigende 
Degeneration  in  den  Pyramidenbahnen.  Das  Fehlen  von  Liquor¬ 
abfluss  bei  der  Operation  fand  seine  Erklärung  in  Verwachsungen 
zwischen  Dura  und  Pia. 

Die  Diagnose  der  Kompression  war  also  richtig  gewesen;  ebenso 
die  Bedenken  gegen  eine  grössere  Wahrscheinlichkeit  der  Annahme 
eines  extramedullären  Tumors,  weil  diese  gewöhnlich  eine  Hyp¬ 
ästhesie  erzeugen,  wenn  wochenlang  nahezu  völlige  motorische  Läh¬ 
mung  besteht.  Immerhin  war  der  Versuch,  durch  Operation  zu  helfen, 
gerechtfertigt.  Die  Operation  hatte  auch  nichts  geschadet,  nur  den 
unglücklichen  Ausgang  des  Leidens  nicht  zu  hemmen  vermocht. 


Im  Anschlüsse  an  diese  Mitteilungen  möchte  ich  mir  ge¬ 
statten,  über  alle  meine  Diagnosen  und  über  alle  Operationen 
in  bezug  auf  Rückenmarkshauttumoren  tabellarisch  zu  be¬ 
richten,  wobei  ich  solche  ausschliesse,  bei  denen  sicher  von 
vornherein  maligne  Metastasen  angenommen  werden  mussten, 
und  deswegen  auch  nicht  operiert  wurde. 


*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  An  der  Kompressions¬ 
stelle  im  Rückenmark  fand  Herr  Dr.  Finkelnburg  einen  kleinen 
tuberkulösen  Herd.  Es  lag  also  doch  eine  tuberkulöse  Er¬ 
krankung  vor. 


1363 


Man  kann  aus  dieser  Tabelle  entnehmen,  wie  ich  denke, 
dass  1.  die  richtige  Diagnose  doch  recht  oft  ge¬ 
lingt  und  nicht  selten  gar  nicht  schwer  ist;  denn  manche  Fälle 
von  dorsalen  Rückenmarkshautgeschwülsten  verlaufen  gerade¬ 
zu  typisch,  und  dass  2.  die  Operation  an  sich  meistens 


Uebersichtstabelle  über  bisher  diagnostizierte  Fälle  von  Riicken- 

markshauttumoren. 


Zeitangaben 

O 

Namen 

der 

Operateure 

Operiert 

oder 

nicht 

Angabe, 
ob  ein  Tumor 
gefunden  wurde 
oder  nicht 

Ausgang 

Publikationsort  der 
Berichte  über  die 
einzelnen  Fälle. 

1889 

1 

Trendelen¬ 

burg 

Operiert 

Kein  Tumor 
vorhanden,  auch 
nicht  bei  der 
Autopsie 

Verschlimme¬ 
rung,  Tod 

2  Monate  nach 
der  Operation 

1898 

2 

Schede 

Dto. 

Tumor 

gefunden 

Geheilt 

1899 

3 

Schede 

Dto. 

Gefunden 

Geheilt 

1899 

4 

— 

Nicht 

operiert 

gegenüber  dem 
Atlas  sitzend 

t 

1900 

5 

Schede 

Operiert 

Gefunden 

Geheilt 

In  den  Mitteilung. 

1901 

6 

Schede 

Dto. 

(grosser 

Cauda 

Dto. 

Tumor  der 
e  q  u  i  n  a) 

t  11  Tage  nach 
der  Operation 

aus  den  Grenz- 
i  gebieten  der  Medi¬ 
zin  und  Chirurgie, 

1901 

7 

Graff 

Operiert 

Gefunden 

Dauernde,  bis 
jetzt  anhaltende 
Besserung 

Bd.  XII  1903, 

S.  153  ff. 

1901 

8 

Schede 

Dto. 

Pachymeningi- 
tischer  Tumor, 
nur  teilweise 
entfernbar 

t  2  Monate 
nach  der  Ope¬ 
ration 

1902 

9 

Schede 

Dto. 

Gefunden,  da¬ 
neben  ein  Tumor 
im  Plex.  brach. 

t  etwa  15  St. 
nach  der  Ope¬ 
ration 

1902 

10 

Nicht 

operiert 

f  Operabler  Tu¬ 
mor  gegenüber 
d.  Dorsalmark 

> 

1903 

11 

ßarden- 

heuer 

Operiert 

Nicht  gefunden, 
der  Tumor  sass 
gegenüber  dem 
Epistropheus 
(II.  Halssegm.) 

t  8  Stunden 
nach  der  Ope¬ 
ration 

Minkowski, 
Münch.  Med.  W. 
1904  Nr.  23  und 
Mundelius,  Dis¬ 
sertation,  „Beiträge 
zur  topischen 
Rückmarksdiag- 
nostik“,  Greifs¬ 
wald  1906. 

1904 

12 

Nicht 

operiert 

Ausgedehnter 
Tumor  des 
Cauda  equina 

t 

Schult ze,  „Neu¬ 
bildungen  der 
Rückenmarks¬ 
häute“,  „Deutsche 
Klinik“  1905, 

S.  970  ff. 

1904 

13 

Bier 

Operiert 

Gefunden, 
Metastase 
eines  Schild¬ 
drüsentumors 

f  l3/4  Monat 
nach  der  Ope¬ 
ration 

Nicht  anderswo  aus¬ 
führlich  publiziert. 

1905 

Mai 

14 

Bier 

Dto. 

Gefunden,  Ma¬ 
lignes  primäres 
Chromat  o- 
phororn 

.  Ui  üll  ,  ■".< 

f  1  Monat  nach 
der  Operation 

Esser,  „Uebereine 
seltene  Rücken¬ 
marksgeschwulst 
etc.“,  Deutsche 
Zeitschrift  für 
Nervenheilkunde, 
Bd.  XXXII.,  S.  118. 

1905 

Dez. 

15 

Bier 

Dto. 

Gefunden 

Geheilt 

Esser,  am 
gleichen  Orte. 

1906 

16 

Bier 

v/‘> 

Dto. 

■ 

Dto. 

Geheilt 

Stursberg, „Ope¬ 
rativ  geheilter  Fall 
v.  extramedullärem 
Tumor  mit 
schmerzfreiem  Ver¬ 
lauf“,  Deutsche  Zeit¬ 
schrift  für  Nerven 
heilkunde, 

Bd.  XXXII,  S.  113. 

1907 

Jan. 

17 

Bier 

Dto. 

Wirbelaffektion 
und  Pachy- 
meningitis  mit 
Kompression 

1 3  Monate  nach 
der  Operation 

In  dieser  Mitteilg. 

1907 

Febr. 

18 

Bier 

,  r  .  .  ; ,  >  ■ 

Dto. 

: ' ,  i  j » ■  i ) : 

Gefunden 

Geheilt 

Ebenso. 

r 


1364 


MUENCHENER  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


ungdah  rlich  ist,  wenn  es  sich  um  den  Dorsalteil  des 
Rückenmarkes  handelt,  und  besonders  dann,  wenn  die  Dura 
nicht  eröffnet  zu  werden  braucht. 

Endlich  sind  die  Heilerfolge  in  bezug  auf  die  Lähmungen 
recht  erfreulich. 

.  Ehe  ersten  10  Fälle  der  Tabelle  finden  sich  bereits  in 
meiner  oben  erwähnten  Mitteilung  in  den  „Grenzgebieten“  zu¬ 
sammengestellt. 

In  fast  allen  18  Fällen  wurde  ein  extramedullärer  Tumor 
mit  grosser  oder  sehr  grosser  Wahrscheinlichkeit  angenommen; 
im  Falle  10  wegen  der  fehlenden  Schmerzen  nicht  früh  genug, 
in  dem  oben  erwähnten  Falle  17  nur  mit  grossem  Vorbehalt. 

(Tabelle  siehe  vorige  Seite.) 

J?as  Ergebnis  dieser  Statistik  ist,  dass  in  den  erwähnten 
18  Fällen  3  mal  nicht  operiert  wurde,  in  2  Fällen  überhaupt 
kein  1  umor  gefunden  wurde,  im  ersten  und  im  vorletzten,  auch 
bei  der  Sektion  nicht.  Der  Fall  8  mit  tumorähnlicher  Ver¬ 
dickung  der  Dura  mater  kann  wohl  als  Tumor  gelten.  In  einem 
weiteren  Falle  wurde  der  Tumor  nur  bei  der  Operation  nicht 
gefunden,  da  er  sehr  hoch  sass  (in  No.  11). 

Von  den  übrig  bleibenden  13  operierten  Fällen  mit  posi¬ 
tiv  vorhandenem  meningealen  Tumor  wurden  6  völlig  ge¬ 
heilt  und  1  dauernd  gebessert,  also  über  50  Proz. 

Das  deckt  sich  mit  der  jüngsten  Statistik  von  Oppen¬ 
heim-),  der  unter  9  richtig  diagnostizierten  Tumoren  in  4  Fällen, 
also  in  44—45  Proz.  im  wesentlichen  eine  Heilung  durch  Opera- 
tion  erzielte.  Allerdings  hatte  Oppenheim  in  5  weiteren 
Fällen  unter  der  Annahme  eines  extramedullären  Tumors  ope¬ 
rieren  lassen,  ohne  dass  die  vermutete  Neubildung  sich  fand. 
Das  gleiche  kann  mir  selbstverständlich  künftighin  auch  pas¬ 
sieren,  da  das  ja  von  der  Natur  des  zufällig  vorkommenden 
Materials  abhängt.  Es  bleiben  aber  doch  genug  erfreuliche  Er¬ 
folge  übrig,  sowohl  bei  Oppenheim  als  bei  mir  selbst,  Er- 
iolge,  die  sich  noch  eindrucksvoller  gestalten,  wenn  ich  in  meiner 
Statistik  die  von  Natur  malignen  Tumoren  ausschalte,  wie  sich 
das  gehört,  und  mich  nur  an  die  häufigsten  und  für  die  Opera¬ 
tion  am  günstigen  liegenden  Geschwülste  gegenüber  dem 
Dorsalmark  halte. 

Danach  waren  von8Krankenmitnichtmalignen 
um  schnebene  n  G  eschwülsten  gegenüber  dem 
'Oi  salmarkövölliggeheilt  und  1  dauernd  gebessert, 
rtlso  nahezu  alle!  In  dem  8.  war  kein  völlig  exstirpier- 
barer  eigentlicher  Tumor  vorhanden  gewesen,  sondern  eine 
tumorahn hche  Pachymeningitis,  deren  Inhaber  auch  an  sich  bei 
der  fortschreitenden  Natur  des  Leidens  dem  Tode  verfallen  war 
Eine  umschriebene  zystische  Meningitis,  wie  sie  F.  Krause 
mehrmals  bei  seinen  Operationen  fand,  haben  wir  bisher  nie¬ 
mals  angetroffen.  Nicht  der  geringste  Dank  für  so  gute  Er¬ 
folge  gebührt  natürlich  den  geschickten  Operateuren. 


Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Vor  einigen  Tagen 
operierte  Herr  Kollege  Gar  re  einen  19.  Fall,  bei  dem  ich  einen 
1  umor  in  der  Höhe  des  dritten  Dorsalsegmentes  diagnostiziert  hatte. 

leser  1  umor  fand  sich  in  Gestalt  eines  gefässreichen  Psammoms 
zwischen  Dura  und  Pia  mater  an  der  angenommenen  Stelle  vor  und 
wurde  entfernt.  Auch  in  diesem  Falle  fehlten  Schmerzen 
jeder  Art  völlig;  es  waren  nur  „unangenehme  Empfindungen“ 
nn  Rucken  geklagt  worden,  und  eine  massige  Druckempfindlichkeit 
gegenüber  dem  Tumor  mit  Mühe  auffindbar.  Gleich  nach  der  Opera- 
,n  Besserung  der  vorhanden  gewesenen  vollständigen  motori¬ 
schen  Lähmung;  das  Allgemeinbefinden  bis  jetzt  gut  trotz  geringen 
1  tebers,  die  quälenden  Spasmen  verschwunden. 


Die  Spirochaeta  pertenuis  und  das  klinische  Bild  der 

Framboesia  tropica. 

Von  Dr.  W.  Schüffner,  Chefarzt  der  Senembah-Maat- 
schappij  in  Deli  (Sumatra). 

(Mit  6  Abbildungen  auf  einer  Tafel.) 

•_  Die  Entdeckung  Schaudinns,  dass  Syphilis  eine  Spiro- 
chatose  ist,  hat  auch  über  die  tropische  Frambösie  Licht  ge¬ 
bracht.  Las  t  eil  an  i  konnte  in  dem  Reizserum  der  Fram- 
bosiepapillome  ,in  14  Fällen  7  mal,  eine  Spirochäte  färben,  die 


ihrem  Aeussern  nach  von  der  Pallida  nicht  zu  unterscheiden 
war.  Da  er  Syphilis  und  Frambösie  für  verschiedene  Krank¬ 
heiten  ansieht,  so  legte  er  jener  Spirochäte  zum  Unterschied 
die  Bezeichnung  pertenuis  seu  pallidula  bei.  Seitdem  ist  der 
Befund  mehrfach  bestätigt  worden,  so  vor  allem  hier  in  Indien 
durch  van  den  Borne,  der  die  Pertenuis  in  15  von  17 
Fällen  fand  und  sie  genau  beschrieb,  und  durch  Corne- 
1  i  s  s  e  n. 

In  dem  letzten  Halbjahr  hatte  ich  Gelegenheit,  weitere 
129  Fälle  von  Frambösie  auf  das  Vorhandensein  von  Spiro¬ 
chäten  zu  untersuchen.  Die  Kranken  rekrutierten  sich  aus  den 
verschiedenen  Volksstämmen,  die  das  Land  Deli,  an  der  Ost¬ 
küste  von  Sumatra,  bevölkern,  Malayen,  Battaker,  Javanen, 
Chinesen  etc.  Bei  Europäern  sah  ich  die  Krankheit  noch 
nie. x) 

In  81  Pioz.  der  Fälle  (104  mal)  habe  ich  die  Pertenuis  nach¬ 
gewiesen.  Das  positive  Resultat  stieg  bis  auf  98  Proz.  bei  der 
Gruppe  von  Leuten  (71  an  Zahl),  die  einer  wiederholten  Unter¬ 
suchung  zugänglich  waren.  Die  grosse  Differenz  erklärt  sich 
dadurch,  dass  nicht  jedes  Präparat  brauchbar  ausfällt,  aber 
auch  dadurch,  dass  die  Zahl  der  Spirochäten  sehr  in  den  Aus¬ 
strichen  schwankt.  Manche  Fälle  lieferten  merkwürdig  leere, 
andere  reich  mit  Spirochäten  besetzte  Präparate.  Nur  in  diesen 
letzteren  war  ich  auch  mit  der  nativen  Untersuchung  glücklich. 
Erleichtert  wird  das  Auffinden  dadurch,  dass  sich  die  Parasiten 
häufig  lange  an  einem  Fleck  aufhalten,  etwa  an  einem  roten 
Blutkörperchen,  um  das  sie  in  der  Richtung  von  Kugelradien 
herumzittern.  Ich  kann  aber  H  o  f  f  m  a  n  n  nicht  Recht  geben 
der  neuerdings  das  frische  Präparat  selbst  für  die  Diagnose 
empfiehlt.  Fiii  diesen  Zweck  leistet  die  Methode  ebensowenig 
als  bei  den  Malariaparasiten. 

Die  Ausstrichpräparate  habe  ich  zuletzt  nur  noch  nach  R  o  - 
m  a  n  o  w  s  k  i  gefärbt.  Von  den  vielen  anderweitig  emp¬ 
fohlenen  Methoden  leistete  mir  keine  soviel  als  jene  Färbung 
in  der  M  a  u  r  e  r  sehen  oder  G  i  e  m  s  a  sehen  Modifikation.  Man 
muss  nur  beachten,  dass  sich  die  Pertenuis  erst  lebhaft  rot  tin- 
gmrt,  wenn  man  den  von  Maurer  bestimmten  5.  Gradder 
Färbung  erreicht,  bei  welchem  die  Flecken  des  Tropika- 
parasiten  erscheinen.  Andere  Spirochäten,  die  ich  als  zu¬ 
fälligen  Befund  in  4  verschiedenen  Spezies  fand,  nehmen  die 
Farbe  viel  leichter  an;  es  genügt  für  sie  der  3.  oder  4.  Grad. 
Dabei  wird  die  Pertenuis,  ebenso  wie  die  Pallida,  höchstens 
eben  sichtbar. 

Durch  Aenderung  der  Fixierung  lässt  sich  die  Intensität  der 
Färbung  noch  steigern,  so  durch  Osmium-  oder  Formalindämpfe 
nach  Weiden  reich,  oder  auch  durch  Vorbehandeln  der 
Präparate,  wie  ich  es  früher  für  Malariapräparate  angegeben 
habe.  Die  Pertenuis  wird  dann  förmlich  schwarzrot. 

Beide  Arten  von  Spirochäten,  die  Pallida  und  die  Perte¬ 
nuis,  konnten  bisher  nicht  von  einander  unterschieden  werden 
Wellenlänge  und  Tiefe,  Zahl  der  Wellen,  die  fein  auslaufenden 
Enden  erscheinen  bei  beiden,  wenigstens  bei  blosser  Betrach¬ 
tung  durch  das  Mikroskop,  gleich.  Natürlich  muss  man  sich, 
um  das  zu  beurteilen,  absolut  einheitlich  vorbehandelter  Prä¬ 
parate  bedienen,  denn  Härtung  und  Färbung  beeinflusst  die 
Form  der  Spirochäten  nicht  unwesentlich.  Aber  ich  möchte 
es  doch  dahingestellt  sein  lassen,  ob  nicht  exakte  Vergleiche 
und  Messungen  an  einer  grösseren  Anzahl  von  Mikrophoto¬ 
grammen  noch  feinere  Differenzen  aufdecken  werden. 

Wie  bei  Lues,  glückte  es  mir  auch  bei  Frambösie,  die 
Spirochäte  i  m  G  e  w  e  b  e  mittels  der  S  i  1  b  e  r  in  e  t  h  o  d  e  dar¬ 
zustellen.  Die  besten  Resultate  gab  die  Vorschrift  von  Ber¬ 
ta  r  e  1 1  i  und  V  o  1  p  i  n  o.  Hierbei  treten  die  Parasiten  als 
schwarze  oder  bei  weniger  gelungener  Imprägnation  als  braune 
Spiralen  aus  dem  hellgelben  Grunde  hervor.  (Vergl.  Fig  2 
und  3.) 

Indem  ich  bezüglich  der  Anatomie  der  Frambösiepapel  auf 
die  Arbeit  von  Henggeier  verweise,  sei  hier  nur  das  die 
Spirochäte  betreffende  angeführt. 

Die  Silberspirochäte  wurde  allein  im  Bereich  der  er¬ 
krankten  Hautpartie,  und  zwar  da  auch  nur  innerhalb  der  Epi¬ 
dermis  gefunden.  Ihr  Lieblingssitz  scheint  das  Rete  Malpighi 


r  OPPenheim:  „Beiträge  zur  Diagnostik  und  Therapie  der 
lsSCKarger)m  Bereiche  des  zentralen  Nervensystems“,  Berlin  1907 


1/rnc mra  wi»piS  nat  mer  im  Lande  allein  Dr.  Graham 
rambosie  bei  Europäern,  zwei  Kindern,  beobachtet.  Mitteilung  da- 

cesterll1905r  VersammIung  der  Brit'sh  medical  Association  in  Lei- 


/ 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1365 


zu  sein.  Diese  Schicht,  die  durch  die  Stachelzellen  gebildet 
wird,  und  die  durch  die  Wucherung  des  Papillarkörpers  enorm 
ausgezogen  sein  kann,  birgt  an  manchen  Stellen  grosse  Massen 
Spirochäten.  Es  sind  die  Stellen,  die  sich  durch  reichliches 
Austreten  von  Eiterzellen,  Zerfall  und  Einschmelzung  der 
Stachelzellen  —  Bildung  miliarer  Abszesse  —  und  Erweite¬ 
rung  der  Saftkanäle  kennzeichnen.  Wo  dieses  zellige  Exsudat 
fehlt,  kommen  höchstens  vereinzelte  Spirochäten  vor.  Jenseits 
der  Epidermis  ist  es  mir  nicht  gelungen,  sie  nachzuweisen,  im 
Gegensatz  zu  luetischen  Sklerosen,  wo  sie  längs  den  Gefässen 
in  der  Perithelwucherung  lagen. 

Ich  würde  es  aber  für  verfrüht  halten,  wollte  man  darauf 
einen  prinzipiellen  histologischen  Unterschied  gründen.  Noch 
viel  weniger  liess  sich  etwas  bestimmtes  über  die  Beziehung 
der  Spirochäten  zu  den  Zellen  aussagen.  Ich  gewann  wohl  den 
Eindruck,  dass  die  Spiralen  allein  in  den  Saftkanälen  lagen,  ja 
die  Wand  der  Kanäle  war  bisweilen  förmlich  von  ihnen  ausge¬ 
kleidet,  aber  ein  derartiger  Befund  lässt  sich  ja  nach  allen  Rich¬ 
tungen  hin  deuten. 

Die  Massenhaftigkeit  der  Spirochäten  ist  nicht  in  allen  Fällen 
die  gleiche.  Von  drei  exzidierten  Papillomen  —  drei  Patienten 
—  zeichnete  sich  nur  eines  dadurch  aus,  dass  das  Rete  beinahe 
in  voller  Ausdehnung  durchsetzt  war.  In  den  beiden  anderen 
Fällen  traten  die  Parasiten  nur  nesterweise  auf. 

Die  Schnitte  waren  transparent  und  dick  genug,  um  die 
Spirochäte  in  ihrer  ganzen  Länge  zu  verfolgen.  Ich  zählte 
zwischen  8 — 16  Windungen.  Nirgends  sah  ich  lange  Fäden; 
es  waren  stets  nur  recht  gleichmässige  Spiralenab¬ 
schnitte,  wirr  durcheinander  liegend.  Dies  sei  besonders 
hervorgehoben  gegenüber  den  Einwänden  von  Saling,  wel¬ 
cher  in  der  Silberspirochäte  durchschnittene  Nervenfaserge¬ 
flechte  erkennt.  Nervenfasern  erscheinen  auch  in  meinen  Prä¬ 
paraten;  im  Bereich  der  normalen  Haut  treten  sie  ganz  ver¬ 
einzelt  als  schwarze  Fäden  in  die  Stachelzellenzone  über.  Sie 
waren  nie  spiralig  gedreht,  wohl  aber  verzweigt.  Eine  Ver¬ 
wechslung  der  Spirochäte  damit  halte  ich  für  den  nicht  Vor¬ 
eingenommenen  für  ganz  ausgeschlossen. 

Dass  es  sich  in  den  Schnitten  wirklich  um  die  Pertenuis 
und  nicht  um  andere  Spirochäten  gehandelt  hat,  konnte  ich 
zuvor  durch  meine  reichlichen  Deckglaskontrollen  sichern. 

Darf  man  nun  die  Pertenuis  als  den  Erreger  der  Fram- 
bösie  betrachten,  oder  ist  sie  nur  ein  zufälliger  Begleiter? 

Die  bisherigen  Spirochätenfunde  sind  nicht  annähernd  aus¬ 
reichend,  einen  Schluss  daraus  zu  ziehen.  Erst  kommende 
Drüsen-  und  Organuntersuchungen  werden  darüber  Klarheit 
bringen  können.  Wer  sich  aber  heute,  trotz  des  fehlenden 
Kettenschlusses  für  die  Pallida  als  Erreger  der  Lues  erklärt, 
der  wird  nichts  Gezwungenes  darin  finden,  wenn  man  die  Fram- 
bösie,  die  nach  unserer  Ansicht  (s.  u.)  als  Schwesterkrankheit 
der  Lues  aufzufassen  ist,  schon  auf  das  bisherige  Material  hin 
auch  für  eine  Spirochätose  proklamiert. 

Die  Voraussetzung,  die  ich  hierbei  mache,  ist  ein  gewisser 
Parallelismus,  der  die  beiden  Krankheiten  miteinander  ver¬ 
bindet.  Damit  betreten  wir  ein  Gebiet,  auf  dem  heute  nur  Un¬ 
sicherheiten  resp.  fast  soviele  Ansichten  herrschen,  als  es 
Autoren  bearbeitet  haben.  Eine  Aehnlichkeit  zwischen  Syphilis 
und  Framboesia  tropica  im  allgemeinen  wird  wohl  von 
allen  Beobachtern  angenommen.  Aber  wie  weit  man 
die  Grenzen  zu  ziehen  hat,  darüber  laufen  die  Mei¬ 
nungen  erheblich  auseinander.  Zwar  darf  man  die  Theorie  von 
Hutchinson  und  Scheu  be  heute  getrost  fallen  lassen. 
Nach  den  von  P  a  u  1  e  t  und  C  h  a  r  1  o  u  i  s  am  Menschen,  vor 
allem  aber  nach  den  von  B  ä  r  m  a  n  n  und  H  a  1  b  e  r  s  t  ä  d  t  e  r 
an  Affen  gemachten  Impfversuchen,  kann  die  Identität  der  bei¬ 
den  Krankheiten  nicht  mehr  zu  Recht  bestehen.  Aber  es  bleiben 
auch  ohne  sie  noch  genug  Abstufungen  der  Ansichten  übrig, 
von  der,  welche  in  der  Frambösie  eine  getreue  Copie  der 
Lues  sieht,  bis  zu  jener,  nach  welcher  sie,  von  kleinen  Aeusser- 
lichkeiten  abgesehen,  nichts  miteinander  zu  tun  haben. 
Für  diesen  ist  Frambösie  eine  Infektionskrankheit,  die  sich 
etwa  dem  Impetigo  gleich  nur  auf  der  äusseren  Haut  abspielt, 
für  jenen  verläuft  sie  mit  ausgedehnter  Beteiligung  innerer  Or¬ 
gane,  die  man  mit  gummösen  Prozessen  in  eine  Reihe  zu  setzen 
hätte. 


Wie  erklären  wir  uns  so  weitgehende  Differenzen?  Ver¬ 
läuft  die  Krankheit  lokal  so  verschieden,  oder  liegen  hier  dia¬ 
gnostische  Irrtlimer  zu  Grunde?  Vielleicht  beides;  wenn  ich 
jedoch  nach  hiesigen  Verhältnissen  und  nach  mir  selbst  urteilen 
darf,  so  würde  ich  allein  dafür  Fehldiagnosen  verantwortlich 
machen.  Hätte  ich  vor  5  Jahren  über  Frambösie  geschrieben, 
ehe  mir  durch  5  jährige  Tropenpraxis  die  Krankheit  vertraut 
war,  so  würde  ich  über  eine  Reihe  von  Punkten  mich  anders 
geäussert  haben  als  heute.  D  i  e  Erfahrung  haben  wohl  alle 
hiesigen  Kollegen  gemacht. 

Es  war  daher  meiner  Ansicht  nach  das  Richtige,  bei  der 
Bearbeitung  eines  grossen  Materials,  wie  es  mir  vorlag,  noch 
einmal  ganz  von  vorn  zu  beginnen,  auszugehen  von  dem  all¬ 
gemein  Anerkannten  und  an  der  Hand  nur  sicherer  Fälle 
das  klinische  Bild  auszubauen.  Die  Resultate,  die  ich  dabei  bis¬ 
her  gewann,  gebe  ich  hier  vorläufig  bekannt,  eine  ausführlichere 
Arbeit  haben  Dr.  Bär  mann  und  ich  in  Vorbereitung. 

Framboesia  tropica  ist  eine  Infektionskrankheit.  Sie  dringt 
durch  die  äussere  Haut  in  den  Körper  ein.  Die  Stelle  der  In¬ 
fektion  —  irgend  eine  Wunde,  bei  der  Gelegenheit  zur  Kontakt¬ 
infektion  bestand  —  bildet  sich  zu  einem  Primäraffekt  aus.  Die 
Form,  unter  der  er  sich  etabliert,  ist  bald  die  der  späteren  typi¬ 
schen  Eruption,  bald  die  eines  schmierigen,  schlecht  heilenden 
Geschwürs.  4  bis  12  Wochen  nach  Entstehung  des  Affektes 
bricht  der  eigentliche  Ausschlag  am  ganzen  Körper  aus  (vergl. 
Fig.  1). 

Ihrem  anatomischen  Bau  nach  sind  die  Effloreszenzen 
Papillome,  die  durch  einen  feinen,  entzündlich  geröteten  Saum 
vom  normalen  Gewebe  abgegrenzt  und  gekrönt  sind  mit 
bienenwachsgelben  Borken.  Löst  man  die  Borken  ab,  so  er¬ 
scheint  darunter  die  warzige,  feuchte  Oberfläche  des  gewucher¬ 
ten  Papillarkörpers,  und  es  tritt  ein  Bild  zutage,  das  wegen 
seiner  Aehnlichkeit  mit  einer  Himbeere  der  Krankheit  ihren 
Namen  gab.  Besonders  charakteristisch  sind  die  Fälle,  in  denen 
die  Papillome  mit  der  gelben  Borke  in  unregelmässiger  zackiger 
Form  aus  der  dunklen  Haut  buchstäblich  hervorbrechen.  Nach 
2 — 4 — 6  Monaten  oder  noch  längeren  Zeiträumen  heilen  die 
Effloreszenzen  spontan  ab.  Die  Krankheit  kann  so  in  jedem 
Stadium  abschliessen,  gewöhnlich  jedoch  rezidiviert  sie  mehr¬ 
mals.  Sie  kann  sich  über  Jahrzehnte  hinziehen. 

In  dieser  Gestalt  wird  die  Krankheit  als  solche  wohl  all¬ 
gemein  auf  den  ersten  Blick  erkannt.  Auch  über  das  Vor¬ 
kommen  von  ring-,  nieren-,  girlanden-  und  kokardenartigen 
Effloreszenzen  darf  man  ohne  Diskussion  zur  Tagesordnung 
übergehen.  Sie  sind  nur  für  den  neu  in  die  Tropen  kommen¬ 
den  Arzt  Ueberraschungen,  da  sie  Syphiliden  gleichen,  wie  ein 
Ei  dem  anderen.  Impetiginöse  Formen  und  solche,  die  aus 
Bläschen  hervorgehen,  liegen  auch  noch  in  der  Breite  des  ziem¬ 
lich  von  allen  Seiten  Zugestandenen. 

Dagegen  ist  eine  Verständigung  nötig  über  das  Vorkommen 
einer  Roseola.  Nach  P  1  e  h  n  entscheidet  in  zweifelhaften 
Fällen  eine  gleichzeitige  Roseola  für  Syphilis.  Meinen  Er¬ 
fahrungen  nach  indessen  gehört  sie  auch  zum  klinischen  Bilde 
der  Frambösie.  Ich  sah  sie  bei  zweifellosen  Frambötikern 
5  mal,  also  in  ca.  4  Proz.  der  Fälle.  Ich  halte  es  nicht  für  un¬ 
wahrscheinlich,  dass  dieser  Prozentsatz  höher  steigt,  wenn 
man  Gelegenheit  hat,  die  Fälle  von  Beginn  an  weiter  zu  ver¬ 
folgen.  Meinen  Aufzeichnungen  entnehme  ich  folgenden  be¬ 
sonders  charakteristischen  Fall: 

Familie  Kariodikromo,  Javanern  Sämtliche  4  Familienmitglieder 
erkrankten  im  Laufe  eines  Jahres  an  Puru  (der  malayische  Name 
der  Krankheit).  Zuerst  wird  das  älteste  Kind,  ein  6  jähriger  Junge, 
befallen,  Primäraffekt  am  Bein;  sodann  die  Mutter,  primär  am  rechten 
Handgelenk;  darauf  das  kleinste  Kind,  6A  Jahr,  primär  an  den  Nates, 
und  endlich  der  Vater,  auch  am  Vorderarm.  Schleimhautaffektionen 
fehlen  bei  allen,  der  Verdacht  auf  Lues  wird  durch  nichts  rege 
gemacht.  Die  Krankheit  steht  bei  allen  noch  in  Blüte  und  ist  auf 
den  ersten  Blick  zu  erkennen. 

Bei  der  Kleinsten,  Saimah,  die  seit  3  Monaten  leidet,  bemerkt 
man  ausser  den  typischen  Frambösieknoten  bei  genauerem  Zusehen 
eine  mässig  dicht  gesäte,  blasse  Roseola,  ziemlich 
gleichmässig  linsengross,  leicht  über  das  normale  Niveau  der  Haut 
erhaben.  Am  deutlichsten  ist  sie  auf  dem  Rücken  ausgeprägt.  Sie 
hält  sich  ziemlich  unverändert  14  Tage  unter  Beobachtung,  dann 
bringt  Hydr.  salic.  intramuskulär  sie  binnen  wenigen  Tagen,  ohne 
dass  dabei  eine  Schuppung  eintrat,  zum  Verblassen.  Die  Flecken 
hellen  sich  immer  mehr  auf,  um  nach  ca.  14  lagen  als  ein  Leuko¬ 
derma  zu  imponieren. 


1366 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Es  müsste  hier  ein  besonderer  Zufall  obgewaltet  haben, 
wenn  sich  dieses  Rind  als  einziges  von  der  Familie  mit  Syphilis 
infiziert  hätte.  Immerhin  blieb  der  Befund  seltsam.  Nachdem 
er  sich  aber  noch  4  mal  mit  gleicher  Deutlichkeit  wiederholte 
—  Henggeier  erwähnt  sie  in  einem  zweifellosen  Fall  auch 
einmal  —  darf  man  die  Roseola  mit  Fug  und  Recht 
in  die  Zahl  der  Frambösieausschläge  e  i  n  - 
reihen. 

Weit  häufiger  begegnete  ich  bei  typischer  Frambösie  einem 
Exanthem,  das  von  deutschen  Autoren  nur  flüchtig,  etwas  aus¬ 
führlicher  von  M  a  n  s  o  n  und  Jeanselme  erwähnt  wird. 
Die  auffallendste  Form  ist  die  folgende:  es  erscheinen  auf  der 
Haut  rundliche,  1 — 3  cm  im  Durchmesser  grosse,  hellere 
Flecken,  die  sich  schon  auf  weithin  aus  dem  braunen  oder  gel¬ 
ben  Teint  abheben.  Die  Randzone  wird  gebildet  durch  einen 
Kranz  stecknadelkopfgrosser  oder  noch  kleinerer  Papeln,  die 
von  einer  Schuppe  bedeckt  sein  können.  Sie  gehen  aus  Haar¬ 
follikeln  hervor,  wie  aus  ihrer  Verteilung  ersichtlich  ist.  Nach 
der  Mitte  zu  flachen  sie  ab,  das  Zentrum  wird  zu  einer  gleich- 
mässig  hellen  Fläche.  Den  Eindruck  der  Aufhellung,  den  sie 
machen,  verdanken  sie  nur  zum  Teil  der  Schuppung,  in  Fällen, 
wo  diese  ganz  fehlt,  kann  man  sehen,  dass  eine  wirkliche  De¬ 
pigmentierung  stattgefunden  hat.  Wie  bei  anderen  Hautaffek¬ 
tionen  geht  auch  hier  der  Pigmentverlust  von  den  Haarfollikeln 
aus.  Bei  sehr  floridem  Ausschlage  können  die  Papeln  selbst 
einen  leicht  vesikulösen  Charakter  tragen. 

Eine  Umwandlung  des  Ausschlages  in  Papillome  haben  wir 
nie  wahrgenommen.  Er  stellt  eine  Exanthemform  für  sich  dar. 
Dafür  halten  ihn  hier  auch  die  Eingeborenen,  die  ihn  als  Bunga 
pnru  (Blumen  der  Frambösie)  streng  von  dem  eigentlichen  Puru 
scheiden.  Als  ein  Initialexanthem,  wie  Jeanselme,  möchte 
ich  ihn  nicht  auffassen.  Er  kann  meiner  bisherigen  Beobach¬ 
tung  zufolge  nach  stattgefundener  Generalisierung  zu  jeder  Zeit 
auftreten  und  sich  lange  Zeit  hindurch  halten.  Bald  begleitet 
er  die  Papillome,  bald  ist  er  selbst  das  einzige  Zeichen  der 
Krankheit.  Auf  Rücken,  Brust  und  Streckseiten  der  Extremi¬ 
täten  trifft  man  ihn  am  schönsten  und  häufigsten  an.  Irgend¬ 
welche  Beschwerden  gehen  von  ihm  nicht  aus,  die  Kranken 
kommen  daher  seinetwegen  nicht  zum  Arzte. 

Die  Diagnose  ist  bei  der  typischen  Ringform  nicht  schwer; 
man  muss  sich  nur  hüten  vor  Verwechslungen  mit  Pityriasis 
und  mit  1  richophytien  der  Haut.  Er  ist  indessen,  wie  wir  uns 
jetzt  überzeugen,  sehr  variabel  in  seiner  Form,  so  dass  der  Dia¬ 
gnose  doch  rechte  Schwierigkeiten  erwachsen.  Unsere  Be¬ 
obachtungen  sind  jedoch  noch  nicht  weit  genug  gediehen,  um 
jetzt  schon  eine  erschöpfende  Darstellung  zu  geben. 

Die  Malayen  halten  die  Bunga  puru  sogar  für  pathogno- 
monisch  gegenüber  der  Lues.  Das  ist  nach  meinen  und 
Dr.  K  u  e  n  e  n  s,  meines  langjährigen  Mitarbeiters,  Erfahrungen 
auch  durchaus  berechtigt.  Während  wir  dieses  Exanthem  b  e  i 
mehr  als  einem  Viertel  aller  Frambötiker 
notierten,  fahnden  wir  schon  seit  Jahren  bei  unserem 
reichen  Lu  es  material  (ca.  300  Kranke  per  Jahr  in  kli¬ 
nischer  Behandlung)  vergeblich  nach  ihm.  Ob  über¬ 
haupt  ein  derartiger  Ausschlag  bei  Syphilis  vorkommt,  ist  uns 
fraglich.  Es  beschreibt  allerdings  F  o  u  r  n  i  e  r  (den  Hinweis 
verdanke  ich  Dr.  van  Praag)  ein  Syphilide  papuleuse  ponc- 
tuee  als  neu  und  selten,  das  mit  unserem  Aehnlichkeit  haben 
könnte.  Bei  anderen  Syphilidologen  finden  wir  davon  nichts 
erwähnt.  Wir  befinden  uns  daher  einigermassen  im  Zweifel. 
Wenn  das  von  Fournier  beschriebene  Exanthem  tatsächlich 
mit  dem  unseren  übereinstimmt,  so  würde  damit  ein  weiteres 
Moment  für  die  Gleichheit  mit  Lues  gewonnen  sein.  Die  Mög¬ 
lichkeit  ist  aber  nicht  absolut  von  der  Hand  zu  weisen,  dass 
es  Fournier  vielleicht  in  den  wenigen  Fällen,  die  er  sah, 
mit  Frambösie  zu  tun  hatte.  Bei  der  engen  Verbindung  Frank¬ 
reichs  mit  seinen  Kolonien  ist  natürlich  ein  derartiger  Zufall 
nicht  ausgeschlossen.  Solange  das  noch  nicht  aufgeklärt,  blei¬ 
ben  wir  dabei,  dass  wir  hier  eine  spezifische 
Acusserung  desframbötischen  Prozesses  vor 
uns  haben,  die  als  ausschlaggebend  für  die  Dia¬ 
gnose  angesehen  werden  darf. 

Die  Frambösie  macht  keine  reinen  Schleim¬ 
hautaffektionen!  Es  kommt  wohl  vor,  dass  Papillome 
an  den  Lippen  bis  auf  die  Schleimhaut  übergreifen,  ja,  ich  sah 


selbst  einmal  ein  bohnengrosses  Papillom  jenseits  des  Lippen¬ 
rotes  ;  aber  tiefer  im  Munde,  unabhängig  von  der 
äusseren  Haut,  vermisste  ich  stets,  selbst  bei 
schwerster  Infektion,  Schlei  m  hauteffloreszenzen, 
welcher  Art  auch.  Es  scheint  daher  das  richtige  zu  sein,  vor¬ 
läufig  wenigstens  Frambösie  auszuschliessen,  wo  man  i  m 
Munde  p  1  a  q  u  e  s  muqueuses  w  a  h  r  n  i  m  m  t. 

Mit  enormer  Heftigkeit  können  namentlich  in  den  ersten 
6  Monaten  Gelenk-  und  Knochenschmerzen  auf¬ 
treten.  Erwachsene  haben  darunter  viel  mehr  zu  leiden,  als 
Kinder.  Etwa  in  20  Proz.  der  Fälle  spielt  dies  Symptom  eine 
Rolle.  Gewöhnlich  klagen  sie  nur  über  einzelne  Gelenke,  so 
vor  allem  über  die  Hand-,  Knie-  und  Fussgelenke.  Der 
Schmerz  lokalisiert  sich  mit  Vorliebe  an  der  Insertion  der  Ge¬ 
lenkkapsel  oder  einzelner  Gelenkbänder,  ohne  dass  dort  eine 
entzündliche  Schwellung  oder  eine  Synovitis  zu  finden  wäre. 
Auch  auf  der  Röntgenplatte  waren  Knochen  und  Gelenke  nor¬ 
mal  gezeichnet.  Die  Schmerzen  steigern  sich  abends  und  in 
der  Nacht;  in  schweren  Fällen  halten  sie  Wochen  und  Monate 
lang  den  Schlaf  fern.  Solche  Kranke,  die  dann  fast  unfähig 
sind,  sich  zu  bewegen,  können  dabei  recht  herunterkommen. 

In  ihrem  zeitlichen  Auftreten  fand  ich  keine  Regelmässig¬ 
keit  ausgesprochen.  Bald  war  die  erste  Erkrankung,  bald  ein 
Rezidiv  davon  begleitet.  In  späteren  Perioden  der  Krankheit 
hört  man  allerdings  seltener  von  ihnen.  Nur  nebenbei  möchte 
ich  hier  erwähnen,  dass  bei  diesem  Symptom  die  merkurielle 
Behandlung  ihre  grössten  Triumphe  feiert.  Die  Beschwerden 
verschwinden  darnach  geradezu  zauberhaft.  Binnen  wenigen 
Tagen  kommt  der  vorher  den  Eindruck  eines  Krüppels 
machende  wieder  in  den  vollen  Besitz  seiner  Glieder. 

Bei  der  Lues  haben  diese  Schmerzen  ihr  Analogon  in  den 
rheumatischen  Arthropathien,  welche  den  Patien¬ 
ten  bei  Ausbruch  der  Exantheme  belästigen  können.  Eine 
Unterscheidung  ist  schlechterdings  unmög¬ 
lich,  wenn  man  sie  nicht  auf  ihr  häufigeres  Vorkommen  bei 
Frambösie  und  ihre  grössere  Heftigkeit  gründen  will.  Viel 
seltener  tragen  sie  den  Charakter  der  Dolores  osteocopi,  die 
sich  mehr  auf  die  Diaphysen  konzentrieren. 

Auf  eine  weitere  Erkrankung  der  Knochen,  die  mit  der 
vorangehenden  nichts  zu  tun  hat,  bin  ich  erst  in  den  letzten 
Monaten  aufmerksam  geworden.  Es  handelt  sich  dabei  um 
eine  Verdickung  von  Extremitätenknochen,  die 
ohne  spontanen  Schmerz  verläuft,  und  für  die  sich 
selbst  ein  besonderer  Typus  feststellen  lässt.  Unter  meinen 
129  Frambösiekranken,  die  ich  auf  Spirochäten  untersuchte, 
sind  es  17,  die  hierher  gehören.  Davon  fallen  4  auf  63  Er¬ 
wachsene,  und  13  auf  66  Kinder  unter  14  Jahren.  Nur  über 
diese  jugendliche  Form  will  ich  hier  berichten. 

1.  Sodjit,  2Vz  Jahr,  Malayenjunge.  Seit  6  Monaten  erkrankt  an 
Frambösie  (vermutlich  infiziert  von  der  7  jährigen  Schwester,  die 
unverkennbare  Narben  um  den  Mund  und  noch  einzelne  frische 
Papillome  an  den  Armen  trägt).  Der  Primäraffekt,  jetzt  geheilt,  sass 
am  Unterschenkel.  4  Wochen  später,  unter  steter  Weinerlichkeit, 
Schlaflosigkeit,  Ausbruch  des  Exanthems.  Nach  ca.  3  Monaten  heilen 
die  meisten  Eruptionen  ab,  nur  am  Munde  bleibt  eine  grosse  nässende 
Fläche  bestehen.  Wenige  Wochen  darnach  bemerkt  die  Mutter, 
dass  die  Fiisse  und  einzelne  Finger  ihre  Form  verändern.  Nach  ihrer 
Ansicht  ist  der  Ausschlag  nicht  gut  herausgekommen  und  hat  sich 
auf  die  Knochen  geschlagen:  Puru  ngilu  (derselbe  Glaube  also,  wie 
auch  bei  uns  im  Volke  bei  allen  möglichen  Ausschlägen). 

Status  praesens:  Kräftiges  Kind  mit  roten  Schleimhäuten. 
An  der  Unterlippe  ein  talergrosses,  unregelmässig  gestaltetes,  zum 
Feil  borkig  belegtes,  zum  Teil  nässendes  Papillom.  Es  dehnt  sich 
bis  eben  auf  die  Schleimhaut  aus.  Mundhöhle  frei.  Kein  Schnupfen, 
keine  Zeichen  von  Tuberkulose.  Einzelne  kleinere  Papillome  an 
den  verschiedensten  Stellen  des  Körpers.  Alle  Lymphdriisen  ge¬ 
schwollen,  doch  ist  dies  Symptom,  einer  begleitenden  Skabies  wegen, 
für  den  Augenblick  nicht  zu  verwerten. 

Der  Zeigefinger  hat  die  Form  eines  spitzen  Kegels  angenommen. 
Die  erste  Phalanx  ist  gleichmässig  dick  aufgeschwollen,  die  Haut 
darüber  gespannt,  aber  gut  verschieblich.  Der  Knochen  fühlt  sich  hart 
an,  kein  Knittern;  stärkerer  Druck  wird  unangenehm  empfunden. 

An  beiden  Füssen  hat  die  Kleinzehenseite  eine  abnorme  Model¬ 
lierung,  sie  ist  nach  aussen  stark  ausgebaucht.  Der  Grund  hierfür 
liegt  in  einer  bedeutenden  Auftreibung  des  5.  Metatarsus.  Auch 
hier  zeigt  nur  der  Druckschmerz,  dass  es  sich  um  einen  entzünd¬ 
lichen  Vorgang  handeln  muss. 

Die  Gelenke  scheinen  nicht  beteiligt  zu  sein;  keine  Herab¬ 
setzung  der  passiven'  Beweglichkeit,  die  leichte 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1367 


Herabsetzung  der  aktiven  durch  Schonung  erklärlich.  Ordination: 
Hydr.  salic.  0,01  intramuskulär. 

22.  Oktober  1906:  Ausschlag  am  Eintrocknen,  ausser  am  Munde; 
gleiche  Ordination. 

I.  November  1906:  Knochenanschwellungen  viel  geringer; 
die  Mutter  findet  die  Medizin  gut,  aber  hält  es  für  nötig,  damit 

aufzuhören.  ,  , 

28.  Dezember  1906:  Die  Besserung  hatte,  wie  zu  erwarten,  nur 
kurze  Zeit  angehalten,  dann  wurde  das  Kind  wieder  viel  schlechter. 
Ausser  dem  Daumen  und  kleinen  Finger  sind  nun  alle  Finger  ge¬ 
schwollen;  die  rechte  Ulna  ist  verdickt,  und  die  Füsse  starker  als 
zuvor  verunstaltet.  Das  Kind  lässt  sich  lieber  tragen,  die  Fusse 
tun  ihm,  scheint  es,  beim  Laufen  weh.  Im  übrigen  ist  es  aber  ganz 
munter  Unter  erneuter  Quecksilberkur  schwanden  die  Erschei- 
liungen'bis  heute,  27.  Januar  1907,  zum  grössten  Teil 

o  Monah,  5  Jahre,  Malayenmädchen.  Famihenepidemie!  Elendes 
blasses  Kind.  Seit  2%  Jahren  krank  an  rezidivierender  Frambösie. 
Enorme  Verunstaltungen  der  Hände  und  Füsse!  Rechte  Hand:  1. 
Phalanx  des  2.  und  3.  Fingers,  5.  Metakarpus;  links:  1.,  2.  und  5.  Meta- 
karpus.  2.  Phalanx  des  3.  Fingers;  die  proximalen  Enden  der  Ulnen; 

beide  Füsse:  1.  und  5.  Metatarsus.  A  . 

3  Halimah,  lVz  Jahr,  Malayenmädchen,  Schwester  der  Vongen. 
Seit  %  Jahren  leidend.  Beide  Mittelfinger  sind  mit  ihrer  Basal¬ 
phalanx  beteiligt. 

4.  Panut,  4  Jahre,  Javanenjunge.  Im  4.  Monat  der  Erkrankung. 
Der  linke  5.  Metatarsus  aufgetrieben,  typische  Deformierung. 

5.  Radjimah,  2Va  Jahre,  Malayenmädchen.  Seit  1 A  Jahren  krank. 
Mittelfinger  der  linken  Hand  konisch  zulaufend,  1.  Phalanx  aufge¬ 
trieben.  Linke  Fibula  in  ihrem  unteren  Abschnitt  beteiligt.  _ 

6.  Kasmah,  2Ya  Jahr,  Sundanesenmädchen.  Famihenepidemie! 
Seit  11  Monaten  krank;  Ausschlag  unter  Hinterlassung  der  charak¬ 
teristischen,  oberflächlichen  Narben  fast  ganz  abgeheilt.  Verdickt  die 
1  Phalanx  des  rechten  Mittelfingers  und  die  Mitte  der  rechten  Fibula. 

7  Mohamat  Mardjukie,  20  Monate,  Malayenjunge.  Famihen¬ 
epidemie!  6  Monate  krank,  ausgebreiteter  Ausschlag.  Der  5.  linke 

Metatarsus  geschwollen.  „  . .  ,  ,  , 

8.  Melatti,  2!4  Jahr,  Javanenmädchen.  Seit  4  Monaten  erkrankt. 

Zeigefinger  der  rechten  Hand  kegelförmig,  Ulna  stark  verdickt.  Fa¬ 
milieninfektion!  ,  ,  .  T  . 

9.  Sahat,  7  Jahre,  Schwester  der  Vorigen.  Mehr  als  ein  Jahr 

krank.  Der  5.  rechte  Metatarsus  ergriffen.  _  . 

10.  Djeminem,  2  Jahr,  Javanenmädchen.  Familienepidemie!  Vor 
6  Monaten  erkrankt.  Jetzt  noch  floride  Frambösie.  Kegelform  des 
linken  Mittelfingers  und  rechten  Zeigefingers  durch  Schwellung  der 

1.  Phalangen.  ...  .  r  c  ,  ,  , 

II.  Lias,  5  Jahre,  Javanenjunge.  Familienmfektion!  Erkrankt 

vor  IV2  Jahren.  Deformierung  der  Aussenkante  des  rechten  Fusses, 
durch  Auftreibung  des  5.  Metatarsus.  , 

12.  Semat,  12  Jahre,  Javanenjunge.  Seit  ungefähr  3  Jahren  krank 
an  Frambösie.  Verdickung  der  1.  Phalangen  des  rechten  Mittel¬ 
und  linken  Zeigefingers,  sowie  beider  5.  Metatarsi.  _ 

13.  Abakia,  5  Jahr,  Malayenmädchen.  Familienepidemie!  Seit 
einem  Jahre  krank;  von  den  Knochen  sind  ergriffen  die  ersten  Pha¬ 
langen  des  linken  Mittel-  und  Zeigefingers,  die  linke  Ulna  und  beide 
5.  Metatarsen. 


In  dieser  Zusammenstellung  kehren  einzelne  Knochen  mit 
grosser  Regelmässigkeit  wieder.  10  mal  werden  die  ersten 
Phalangen  der  F  i  n  g  e  r  genannt,  die  entweder  allein  oder 
mit  einer  2.  Phalanx  oder  einem  Metakarpus  erkrankt  sind 
(vgl.  Fig.  4).  Die  isolierte  Schwellung  einer  2.  Phalanx 
wurde  einmal,  eine  der  3.  überhaupt  nicht  beobachtet.  Mit 
fast  gleicher  Regelmässigkeit,  wie  die  1.  Phalanx,  erscheint 
der  5.  Metatarsus  auf  der  Tabelle  (vgl.  Fig.  5).  Beide 
scheinen  demnach  Prädilektionsstellen  zu  sein.  In  zweiter 
Linie  stehen  Ulna  (vgl.  Fig.  6)  und  Fibula.  Ob  damit 
die  Reihe  der  disponierten  Knochen  erschöpft  ist,  vermag 
ich  noch  nicht  zu  sagen.  Auffallende  Veränderungen, 
so  wie  die  hier  beschriebenen,  an  anderen  Teilen  des 
Skeletts,  würden  mir  nicht  entgangen  sein.  Aber  ob  nicht 
Durchleuchtungen  da  und  dort  noch  etwas  ansrichten  würden, 
will  ich  nicht  in  Abrede  stellen.  Bisher  hatte  ich  dazu  keine 
Gelegenheit,  ich  musste  mich  damit  zufrieden  geben,  dass  man 
mir  bei  den  kleinen  Patienten  die  kurzen  Expositionen  der  Ex¬ 
tremitäten  gestattete. 

Auf  dem  Röntgenschirm  erscheinen  die  kranken  Knochen 
dunkler  als  die  gesunden,  es  hat  ein  vermehrter  Ansatz 
von  Knochen  Substanz  stattgefunden.  Auf  manchen 
Bildern  hebt  sich  die  junge  Auflagerung  noch  scharf  von  der 
Kompakta  ab,  auf  anderen  ist  der  Uebergang  nicht  zu  verfolgen. 
Die  Phalangen  behalten  im  allgemeinen  ihre  Form,  nur  ver¬ 
lieren  sie  die  konkave  Schweifung  ihrer  Seitenlinien;  selten 
und  nur  in  sehr  hochgradigen  Fällen,  dass  sie  sich  selbst  kon¬ 
vex  bauchen.  Anders  an  den  5.t  Metatarsen.  Hier  äussert  sich 


die  Volumenszunahme,  die  sehr  bedeutende  Grade  annehmen 
kann,  unter  einer  gröberen  Gestaltveränderung.  An  Ulna  und 
Fibula  waren  es  langgestreckte,  bisweilen  spindelförmige  Ver¬ 
dickungen,  die  mir  bisher  unter  die  Hände  kamen. 

Soviel  man  aus  dem  Röntgenbilde  schliessen  darf  —  ana¬ 
tomische  Untersuchungen  liegen  ja  noch  nicht  vor  — ,  handelt 
es  sich  allein  um  eine  ossifizierende  Periostitis. 
Bei  den  Phalangenknochen  ist  die  Diaphyse  gewöhnlich  in  gan¬ 
zer  Ausdehnung  in  Mitleidenschaft  gezogen,  bei  den  langen 
Knochen  nur  partiell.  Der  Prozess  führt  nicht  zur  Rarefizierung 
von  Knochengewebe,  die  Kontinuität  wird  nirgends  aufgehoben. 
Hiermit  stimmt  auch  der  weitere  Verlauf  überein:  bei  Heilung 
der  Krankheit  gehen  die  Knochen  auf  ihre  normale  Form  zu¬ 
rück,  und  zwar  je  jugendlicher  das  Individuum  ist,  um  so  voll¬ 
kommener.  Bei  älteren  Kindern  scheint  sich  die  Rückbildung 
über  Jahre  erstrecken  zu  können. 

Stellt  man  diese  Knochenerkrankung  in  Vergleich  mit  der 
Syphilis,  so  fällt  die  Aehnlichkeit  mit  luetischen  Periostitiden 
der  Frühperiode  ohne  weiteres  auf.  Ihre  Lokalisation  jedoch, 
das  Auftreten  bei  Kindern  und  das  Fehlen  spontanen  Schmerzes 
lassen  eine  recht  sichere  Trennung  zu. 

Mit  dem  echten  Knochengumma  ist  die  Affektion,  soweit  wir 
sie  bisher  beobachteten,  auch  nicht  im  entferntesten  in  Verbindung 
zu  bringen.  Ihre  Aehnlichkeit  mit  der  syphilitischen  Spina  ven- 
tosa  ist  eine  rein  äusserliche.  Die  viel  ausgesprochenere  Spindel¬ 
form  der  Auftreibung  bei  Spina  ventosa,  die  sich  höchstens  bei 
sehr  kleinen  Kindern  gut  nachweisen  lassen  wird,  die  Zartheit 
der  mitunter  papierdünnen  Knochenschalen,  die  schon  leichtem 
Druck  nachgeben,  die  Abheilung  unter  Hinterlassung  eines  De¬ 
fektes,  endlich  die  grosse  Seltenheit 2)  der  Spina  ventosa  wird 
auch  ohne  Röntgenplatte  ihre  syphilitische  Natur  verraten. 

Für  die  Unterscheidung  von  der  tuberkulösen  Spina  ventosa 
kommt  ausserdem  noch  der  therapeutische  Effekt  einer  anti¬ 
luetischen  Kur  in  Betracht.  Die  Periostitis  bei  Fram¬ 
bösie  wird  sehr  günstig  und  rasch  durch  Queck¬ 
silber  beeinflusst,  bei  Tuberkulose  würde  die  Kur  re¬ 
fraktär  bleiben. 

Solch  bedeutende  Differenzen  sind  wohl  allein  genügend, 
mich  gegen  den  Einwurf  der  Verwechslung,  mit  dem  derartige 
Befunde  abgetan  zu  werden  pflegen,  zu  schützen.  Ich  möchte 
aber  doch  noch  ausdrücklich  hinzufügen,  dass  die  klinische 
Diagnose  der  Krankheit  in  allen  13  Fällen  mit  der  Sicherheit, 
die  heute  überhaupt  möglich  ist,  festgestellt  werden  konnte.  Bei 
8  Patienten  stand  jenes  eigene  Exanthem  in  Blüte,  das  wir  für 
charakteristisch  für  Frambösie  halten.  Besondere  Beweiskraft 
wohnt  den  10  Fällen  aus  Familienepidemien  inne,  deren  Dia¬ 
gnose  sich  gegenseitig  stützte.  Und  endlich  hatte  ich  Gelegen¬ 
heit,  einige  der  Fälle  auf  der  Dezembersitzung  unseres  ärzt¬ 
lichen  Vereins  in  Medan  vorzustellen,  ohne  dass  gegen  die 
Diagnose  Frambösie  Einspruch  erhoben  wurde. 

Ich  glaube  daher  berechtigt  zu  sein,  in  meinen  13  Fällen 
von  einer  Periostitis  framboetica  infantilis  sprechen 
zu  dürfen.  Mit  voller  Ueberzeugung  gehe  ich  hier  einen  Schritt 
weiter  als  J  e  a  n  s  e  1  m  e,  welcher  in  seinem  Cours  de  Dermato¬ 
logie  exotique  auch  3  Fälle  beschreibt,  die  den  unseren  gleichen. 
Ihre  Zugehörigkeit  zur  Frambösie  lässt  er  indessen  unent¬ 
schieden,  da  er  eine  begleitende  Syphilis  nicht  auszuschliessen 
vermag.  Dass  mich  in  allen  meinen  Fällen  eine  sonst  sym¬ 
ptomlos  oder  uncharakteristisch  verlaufende  Syphilis  getäuscht 
hätte,  kann  ich  unmöglich  annehmen. 

Ueber  weitere  klinische  Eigentümlichkeiten  der  Fram¬ 
bösie,  das  Verhalten  der  Körpertemperatur,  des  Blutes,  der 
Lymphorgane,  der  Wirkung  der  antiluetischen  Mittel  etc., 
werden  wir  in  unserer  ausführlichen  Arbeit  verhandeln.  Die 
wichtigsten  Schlussfolgerungen  lassen  sich  indessen  schon  aus 
den  hier  wiedergegebenen  Beobachtungen  ziehen. 

Danach  haben  wir  in  der  Frambösie  ein  recht  viel¬ 
gestaltiges  Krankheitsbild  vor  uns,  viel  u  m  - 
fassender,  als  es  nach  der  Darstellung  skepti¬ 
scher  Autoren  scheinen  möchte.  Wenn  wir  auch  nicht  so 
weit  gehen  —  vorläufig  wenigstens  —  als  de  B  o  i  s  s  i  e  r  e 


2)  Le  will  sah  Spina  ventosa  in  15  Jahren  unter  jährlich  3—4000 
Patienten  nur  6  mal.  Bei  Frambösie  erkrankt  jedes  6.  Kind  an  der 
Periostitis  seiner  Hand-  und  Fussknochen. 


1368 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


auf  den  Fidschiinseln,  so  ergibt  sich  doch  ein  auffallender 
Parallelismus  zur  Lues.  Von  grösster  Be¬ 
de  u  t  u  n  g  für  die  Auffassung  der  Krankheit  sind  die 
Knochenaffektionen.  Musste  bereits  nach  den  Ver¬ 
suchen  von  Bär  mann  und  Halberstädter  die  Fram¬ 
bösie  als  eine  Infektionskrankheit  erscheinen,  die  den  ganzen 
Körper  durchseucht,  so  lehren  unsere  Fälle,  was  von  anderen 
Beobachtern  auch  schon  behauptet  wurde,  dass  die  Frambösie 
imstande  ist,  auch  tiefere  Teile  des  Körpers  anzutasten.  Sie 
darf  daher  wie  die  Lues  einen  konstitutionellen  Charakter  für 
sich  beanspruchen.  Wollen  wir  sie  richtig  rangieren,  so 
müssen  wir  sie  als  eine  selbständige  Krankheit  un¬ 
mittelbar  neben  die  Syphilis  stellen,  als  eine  zweite 
Syphilis,  in  demselben  Verhältnis  etwa,  wie  die  Malaria 
tertiana  neben  der  Perniziosa.  Von  dem  Standpunkt  Hut¬ 
chinsons  und  Scheubes  aus  gesehen,  die  mit  ihrer  Uni- 
tätslehre  doch  der  Wahrheit  nicht  so  fern  waren,  geschieht 
hier  dasselbe,  als  mit  dem  Typhus,  der  Dysenterie,  ja  neuer¬ 
dings  selbst  mit  der  Tuberkulose.  Die  Syphilis  wird 
aufgelöst  in  eine  Gruppe  selbständiger 
Krankheiten. 

D  e  1  i,  Sumatra,  Januar  1907.  . 

Erklärung  der  Abbildungen. 

Fig.  1.  Frambötisches  Exanthem. 

Fig.  2.  Schnitt  durch  eine  Frambösiepapel  bei  schwacher  Ver- 
grösserung. 

Fig.  3.  Partien  der  Mitte  der  verdickten  Epidermis  aus  dem  Schnitte 
der  Fig.  2,  bei  starker  Vergrösserung,  zahlreiche  Spirochäten 
aufweisend. 

Fig.  4.  Periostitis  framboetica  des  Metakarpus  V,  sowie  der  Pha¬ 
lanx  I  des  zweiten  und  vierten  Fingers. 

Fig.  5.  Periostitis  framboetica  des  Metatarsus  I  und  V. 

Fig.  6.  Periostitis  framboetica  der  Ulna  unterhalb  des  Olekranon. 

Literatur: 

1)  Aldo  Castellani:  Is  Yaws  Syphilis?  Journal  of  trop. 
Med.  1906,  pag.  1.  Spirochätenfunde  bei  tropischer  Frambösie. 
Deutsch,  med.  Wochenschr.  1906,  pag.  16.  —  2)  van  den  Borne: 
Over  het  voorkomen  van  Spirochaeten  by  framboesia  tropica.  Ge- 
neesk.  tydschrift  voor.  Ned.  Indie,  deel  46,  pag.  86.  Verdere  opmer- 
kingen  omtrent  den  by  Framboesia  voorkomenden  vorm  van  Spiro- 
chaete  pallida,  id.  pag.  409.  —  3)  Cornelissen:  Jaarverslag  der 
werkzaamheden  van  de  afdeeling  Sumatras  Oostkust  der  vereeniging 
tot  bevordering  der  Geneeskundige  wetenschappen  in  Ned.  Indie 
1906.  —  4)  Maurer  G. :  Die  Malaria  perniciosa.  Zentr.  für  Bakt., 
1902,  Bd.  32.  —  5)  Weidenreich:  Eine  neue  Fixiermethode. 
Münch,  med.  Wochenschr.,  1906,  pag.  384.  —  6)  Schüffner  W.: 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Malaria.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med., 
1899.  —  7)  Henggeier:  Ueber  einige  Tropenkrankheiten  der 
Haut.  Monatsschr.  f.  prakt.  Dermat.,  1904,  Bd.  40,  pag.  235.  —  8) 
Bärmann  und  Halberstädter:  Experimentelle  Versuche  über 
Framboesia  tropica  an  Affen.  Geneeskund.  Tydschrift  voor  Ned. 
Indie,  1906,  Deel  46,  pag.  181.  —  9)  Jon.  Hutchinson:  Yaws. 
The  Journal  of  tropic.  Med.,  1900,  pag.  23.  —  10)  Scheube:  Krank¬ 
heiten  der  warmen  Länder.  —  11)  A.  Plehn:  Die  tropischen  Haut¬ 
krankheiten.  Menses  Handbuch.  —  12)  P.  Manson:  Tropical  di¬ 
seases.  —  13)  Jeanselme:  Cours  de  dermatologie  exotique.  — 
14)  Fournier:  Traite  de  la  Syphilis.  Fase.  1,  pag.  309.  —  15) 
Lewin:  Die  syphilitischen  Affektionen  der  Phalangen  der  Finger 
und  Zehen.  Charite-Annalen,  4.  Jahrgang,  2.  (zitiert  nach  J.  Neu¬ 
mann).  —  16)  de  Boissiere:  Filaria  and  Yaws  in  Fiji.  Journ.  of 
trop.  Med.,  1904,  pag.  180.  —  17)  E.  Hoffmann  und  A.  Beer: 
Weitere  Mitteilungen  über  den  Nachweis  der  Spirochaete  pallida  im 
Gewebe.  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1906,  pag.  869. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Berlin. 

Zur  Indikation  und  Technik  der  Hebosteotomie.*) 

Von  Prof.  Max  Henkel,  Oberarzt  der  Klinik. 

Als  D  o  e  d  e  r  1  e  i  n  in  der  bekannten  Sitzung  der  Wiirttem- 
bcrgischen  geburtshilflich  -  gynäkologischen  Gesellschaft  in 
Stuttgart  (20.  Februar  1904)  zuerst  die  subkutane  Hebosteotomie 
an  Stelle  der  Symphysiotomie  empfahl,  geschah  es,  nachdem 
dieser  Empfehlung  beherzigenswerte  Worte  über  die  Indika¬ 
tionsstellung  zu  geburtshilflichen  Operationen  vorangeschickt 
waren,  ln  klaren  Worten  betonte  D  o  e  d  e  r  1  e  i  n  die  zu  Recht 
bestehende  Tatsache,  dass  die  Spontangeburt  eine  gute  Pro¬ 


*)  Nach  einem  Vortrage,  gehalten  auf  dem  Kongress  der  Deut¬ 
schen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  in  Dresden,  Mai  1907. 


gnose  gibt,  und  dass  der  Natur  erst  dann  zu  Hilfe  gekommen 
werden  dürfe,  wenn  ihre  Kräfte  sich  als  unzulänglich  erweisen. 
Dass  D  oederlein  besonders  noch  vor  der  sogen,  hohen 
Zange  warnte,  darin  wird  ihm  jeder  Geburtshelfer  recht  geben 
müssen.  Meiner  festen  Ueberzeugung  nach  schädigt  keine  ge¬ 
burtshilfliche  Operation  Mutter  und  Kind  so  sehr  —  auch  für 
die  Dauer  —  wie  gerade  die  hohe  Zange. 

Alles  das  findet  nun  auch  seine  volle  Berechtigung,  wenn 
es  sich  um  die  Ausführung  der  Hebosteotomie  zur  Entbindung 
einer  Frau  handelt.  Wie  überhaupt  in  der  Geburtshilfe  die 
Indikationsstellung,  namentlich  in  der  Behandlung  des  engen 
Beckens  schwierig  ist,  so  erfordert  die  Pubiotomie  mit  ihrer 
Anzeige  ein  besonders  gut  durchgebildetes  geburtshilfliches 
Können. 

Viel  wichtiger,  als  die  zu  wählende  Technik,  die  ja  trotz 
aller  Publikationen  nur  eine  im  Grunde  unwesentliche  Modi¬ 
fikation  des  von  Doederlein  angegebenen  „subkutanen“ 
Gedankens  ist,  scheint  mir  die  Indikationsstellung  zu  sein. 

Zunächst  ist  die  rechtliche  Stellung  der  Hebosteotomie  fest¬ 
zulegen.  Können  wir  einer  Frau,  die  sich  in  Geburtsnöten  an 
uns  wendet,  vorenthalten,  dass  die  Entbindung  eine  Durch- 
sägung  des  Schambeins  notwendig  macht?  Oder  sind  wir  nicht 
vielmehr  verpflichtet,  ihr,  resp.  den  Angehörigen,  den  Sachver¬ 
halt  genau  auseinanderzusetzen!?  Im  Falle  der  Verlauf  der  Pu¬ 
biotomie  für  Mutter  und  Kind  gut  ist,  und  die  Frau  nach  etwa 
14  Tagen  entlassen  werden  kann,  wird  sich  natürlich  Niemand 
beschweren.  Ganz  anders  aber  kann  sich  die  Sachlage  gestalten, 
wenn  trotz  Pubiotomie  das  Kind  tot  geboren  wird  —  wie  es 

doch  wiederholt  auch  den  besten  Geburtshelfern  passiert  ist _ , 

und  ausserdem  die  Frau  noch  womöglich  eine  dauernde  Stö¬ 
rung  in  ihrer  Erwerbstätigkeit  dadurch  erleidet,  dass  die  Festig¬ 
keit  des  Beckens  eine  mangelhafte  geworden  ist,  eine  Urinfistel 
nachgeblieben  ist  etc.  Ueber  diese  Dinge  werden  die  Ansichten 
der  Autoren  naturgemäss  recht  geteilte  sein.  Die  einen  sagen: 
wenn  die  Frau  ein  lebendes  Kind  haben  will,  so  muss  sie  eben 
mit  dem  Entbindungsverfahren  einverstanden  sein,  welches  der 
betreffende  Arzt  für  angezeigt  erachtet. 

Gegen  diesen  Gedankengang  lässt  sich  gewiss  nichts  ein¬ 
wenden,  doch  darf  man  nicht  die  Voraussetzung  vergessen: 
d  i  r  e  k  t  e  r  W  u  n  s  c  h  der  Frau  und  —  lebendes  Kind !  Nur 
in  dieser  sicheren  Erwartung  wird  sich  m.  E.  eine  Frau  ent¬ 
schlossen  können,  sich  der  Hebosteotomie  zu  unterwerfen;  bleibt 
nachher  die  Erfüllung  des  ärztlichen  Versprechens  aus,  so  be¬ 
deutet  das  in  jeder  Beziehung  einen  grossen  Misserfolg.  Man 
kann  unmöglich  die  Hebosteotomie  inParallele  mit  einemZangen- 
versuch  setzen,  an  den  sich  dann  die  Perforation  anschliesst, 
wenn  er  ergebnislos  geblieben  ist  —  der  Frau  erwächst  dadurch 
kein  Nachteil,  wenigstens  dann  nicht,  wenn  die  Operation  (Zan¬ 
genversuch,  Perforation)  von  einigermassen  kundiger  Hand 
ausgeführt  worden  war.  Die  Hebosteotomie  aber,  die  wir  aber 
doch  auch  nur  aus  relativer  Indikation  ausführen,  bringt  man¬ 
cherlei  Gefahren  mit  sich,  die  ja  auch  deutlich  genug  in  der 
Mortalität  von  5—6  Proz.  und  in  den  verhältnismässig  häufigen 
Blasenverletzungen  zum  Ausdruck  kommt.  Und  für  den  Arzt 
selbst  ist  es,  wenigstens  so  weit  ich  aus  eigenem  Empfinden 
urteilen  kann,  ein  höchst  unbefriedigendes  Gefühl  einer  Pubio- 
tomierten  nachher  auseinandersetzen  zu  müssen,  dass  das  Kind 
doch  gestorben  ist. 

Sicherlich  hat  K  r  ö  n  i  g  recht,  wenn  er,  fussend  auf 
unserem  vorgeschrittenen  Wissen  und  Können,  das  Recht  des 
Kindes  mehr  in  den  Vordergrund  rückt.  Aber  damit  darf  nicht 
gesagt  werden,  dass  das  Recht  des  Kindes  unter  allen  Um¬ 
ständen  vorangeht.  Vielmehr  müssen  wir  als  recht  und 
billig  anerkennen,  dass  da,  wo  die  Geburt  des  lebenden  Kindes 
die  Existenz  der  Mutter  in  Gefahr  bringt,  diese  zum  mindesten 
das  Recht  der  Selbstbestimmung  hat. 

Man  wird  mir  vielleicht  entgegenhalten,  dass  bei  der  recht¬ 
lichen  Begründung  des  vaginalen  Kaiserschnittes  bei  Eklampsie 
die  Verhältnisse  annähernd  so  liegen  wie  bei  der  Pubiotomie. 
Auch  hier  führen  wir  einen  grossen  und  trotz  allem  doch  auch 
lebensgefährlichen  Eingriff  bei  einer  Frau  aus,  ohne  viel  mit 
ihr  oder  den  Angehörigen  zu  verhandeln.  Gewiss,  das  ge¬ 
schieht,  aber  nur,  weil  wir  kein  anderes  Mittel  haben,  um  bei 
nicht  vorbereiteten  Geburtswegen  die  Entbindung  im  Augen¬ 
blick,  und  darauf  kommt  es  an,  durchzuführen  —  und  die 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1369 


sofortige  Entbindung  kann  direkt  lebensrettend  wirken.  In  den 
Fällen  aber,  bei  denen  die  Hebosteotomie  in  Frage  kommt, 
stehen  uns  verschiedene,  weniger  gefährliche  Entbindungsver¬ 
fahren  zur  Verfügung,  die  sämtlich  der  Frau  keinen  Nachteil 
bringen.  Und  aus  diesem  Grunde  muss  die  Frau  zur  Hebo¬ 
steotomie  ihre  Einwilligung  geben,  die  auch  meist  leicht  zu  er¬ 
langen  ist,  falls  der  Wunsch  nach  einem  lebenden  Rinde  über¬ 
haupt  vorhanden  ist.  Wiederholt  habe  ich  beobachten  können, 
dass  der  Kaiserschnitt  aus  relativer  Indikation  viel  leichter  ab¬ 
gelehnt  wird  als  die  Hebosteotomie;  die  „Erweiterung“  des 
zu  engen  Beckens  erscheint  den  Frauen  gewöhnlich  recht  in¬ 
leuchtend.  , 

Unter  allen  Umständen  ist  m.  E.  aber  die  direkte  Ein¬ 
willigung  der  Frau  in  den  Fällen  erforderlich,  bei  denen  der 
Ausgang  der  Pubiotomie  für  das  R  i  n  d  nicht  absolut  sicher  er¬ 
scheint:  hochgradige,  namentlich  allgemeine  Verengerung  des 
Beckens,  grosser,  harter,  nicht  konfigurabler  Schädel,  enge 
Weichteile,  und  da,  wo  unregelmässige  Herztöne  eine  Gefahr 
des  kindlichen  Lebens  andeuten. 

Es  wird  die  Zukunft  lehren,  ob  es  in  diesen  Fällen  nicht 
besser  ist,  von  vornherein  den  Kaiserschnitt  vorzuziehen,  dessen 
Prognose  durchaus  nicht  so  schlecht  ist,  wie  manche  glauben, 
die  seit  Einführung  der  Beckenerweiterung  diesen  als  eine  über¬ 
wundene  Operation,  wenigstens  aus  relativer  Indikation,  an- 
sehen. 

Die  Hebosteotomie  selbst  halte  ich  in  den  Fällen,  in  denen 
sie  indiziert  ist,  für  eine  segensreiche,  lebenssichere  und  zu¬ 
verlässige  Operation,  sowohl  für  die  Mutter  wie  für  das  Rind. 
Die  Indikationsstellung  ist  aber  nicht  immer  leicht,  sondern  sie 
erfordert  gute  geburtshilfliche  Schulung  und  lässt  sich  durch¬ 
aus  nicht  einfach  nach  dem  Grade  der  Beckenverengerung  be¬ 
stimmen. 

Am  schwierigsten  erscheint  mir  bei  Erstgebärenden  die 
Entscheidung,  bei  denen  man  den  Geburtsmechanismus  (Grösse 
des  Kindes,  Ronfigurabilität  des  kindlichen  Schädels,  Wehen¬ 
tätigkeit,  Widerstandsfähigkeit  der  Frau,  Beschaffenheit  des 
Beckens  etc.)  nicht  genau  kennt.  Jeder  einigermassen  erfahrene 
Geburtshelfer  wird  mir  bestätigen,  dass  hier  oft  genug  an¬ 
scheinend  grosse  Missverhältnisse  zwischen  Schädel  und 
Becken  durch  gute  Wehen  etc.  glatt  und  manchmal  in  über¬ 
raschend  kurzer  Zeit  überwunden  werden. 

Auch  die  Wehenschwäche  bei  Erstgebärenden  ist  in  ihrer 
Bedeutung  nicht  immer  mit  Sicherheit  zu  beurteilen;  es  wech¬ 
selt  hier  gelegentlich  die  Wehentätigkeit  in  ihrer  Intensität  recht 
häufig,  indem  anfänglich  schwache,  erfolglose  Wehen  durch 
recht  intensive  und  sehr  wirksame  abgelöst  werden,  die  den 
Schädel  das  Hindernis  überwinden  lassen.  Geht  in  diesen 
Fällen  durch  Erschöpfung  der  Frau  oder  infolge  der  schlecht 
werdenden  kindlichen  Herztöne  die  Geburt  auch  nicht  immer 
spontan  zu  Ende,  so  genügt  doch  in  sehr  vielen  Fällen  der 
Forzeps,  um  den  Kopf,  der  ja  dann  meist  die  enge  Stelle 
bereits  passiert  hat,  zu  entwickeln.  Und  bei  der  Durchsicht 
der  mitgeteilten  Fälle  von  Hebosteotomie  bei  Erstgebärenden 
habe  ich  mich  des  Eindruckes  nicht  erwehren  können,  dass 
diese  Operation  in  gar  nicht  so  seltenen  Fällen  überflüssiger¬ 
weise  gemacht  worden  ist;  ein  Bedenken,  das  um  so  mehr  ge¬ 
rechtfertigt  ist,  da  man  weiss,  dass  die  Prognose  der  Hebosteo¬ 
tomie  hinsichtlich  der  Nebenverletzungen  gerade  bei  Erstge¬ 
bärenden  durchaus  nicht  gut  zu  nennen  ist. 

Es  ist  nun,  um  den  bei  aktiver  Entbindung  nach  Hebosteo¬ 
tomie  so  leicht  auftretenden  Scheidenverletzungen  vorzu¬ 
beugen,  von  verschiedener  Seite  (M  enge,  Doede  r  1  e  i  n 

u.  a.)  der  Vorschlag  gemacht  worden,  nach  der  Durchsägung 
des  Knochens  die  weitere  Geburt  den  Naturkräften  zu  über¬ 
lassen.  Einige  meiner  Bedenken,  die  ich  gegen  diesen  Vor¬ 
schlag  hege,  habe  ich  bereits  in  einer  früheren  Arbeit  (Zeitschr. 
f.  Gyn.  u.  Geb.,  Bd.  57)  vorgebracht.  Schon  damals  wies  ich 
darauf  hin,  dass  bei  der  Hebosteotomie  so  starke  Blutungen 
auftreten  können,  dass  dadurch  nicht  nur  die  Existenz  der  Kin¬ 
der,  sondern  auch  die  der  Mutter  gefährdet  werden  kann.  Wie 
berechtigt  diese  Einwände  waren,  haben  später  die  Mitteilungen 

v.  Rosthorns  (Mittelrh.  Ges.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  12.  V.  1906) 
und  Zweifels  ergeben,  und  auch  Olshausen  bereitete  die 
Blutstillung  in  einem  Falle  sehr  grosse  Schwierigkeiten.  Ent¬ 
stehen  diese  Blutungen,  mit  denen  wir  doch  immer  rechnen 

No.  28. 


müssen,  dann,  wenn  die  Hebosteotomie  bei  einer  Erstgebären¬ 
den  und  nicht  genügend  erweitertem  Muttermunde  gemacht 
wurde,  so  ist  das  Kind  so  gut  wie  rettungslos  verloren.  Um  in 
einem  solchen  verzweifelten  Fall  noch  Muttermundsinzisionen 
und  einen  hoch  hinauf  reichenden  Scheidendammschnitt  zu 
machen,  um  das  kindliche  Leben  zu  retten,  den  Mut  wird  bei 
einer  ohnedies  ausgebluteten  Frau  nicht  jeder  Geburtshelfer 
besitzen. 

Aber  auch  abgesehen  hiervon  kann  es  geschehen,  was  bei 
der  Durchführung  einer  scharfen  Pubiotomienadel  von  unten 
her  wiederholt  passiert  ist,  dass  das  Ligamentum  arcuatum 
bei  der  nachfolgenden  Durchsägung  des  Knochens  nicht  mit 
durchtrennt  wurde.  Ist  das  Ligamentum  sehr  fest,  so  wird  es 
mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  ein  Geburtshindernis  abgeben, 
das  nur  durch  nochmalige  Anwendung  der  Säge  oder  durch 
Anwendung  starker  Gewalt  bei  Extraktion  des  Schädels  zu 
beseitigen  ist. 

Ich  will  nicht  besonders  darauf  eingehen,  dass  eine  für  die 
Entbindung  eventuell  notwendig  werdende  zweite  Narkose  eine 
immerhin  unangenehme  Zugabe  bedeutet.  Aber  sehr  gewiss 
mahnen  die  leider  nicht  so  ganz  seltenen  Verletzungen  ernster 
Art,  die  mit  der  Säge  (also  nicht  erst  später  bei  der  Entbindung 
mit  der  Zange!)  verursacht  worden  sind,  zur  Vorsicht.  Wieder¬ 
holt  ist  mit  der  Säge  die  Blase  verletzt  worden:  ausserdem 
existiert  aber  auch  ein  Bericht,  nach  welchem  beim  Sägen 
das  Kind  lädiert  und  gleichzeitig  das  untere  Uterinsegment  per¬ 
foriert  wurde.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  hier  die  Frau  nur 
durch  sofortige  Entbindung  und  nachfolgende  Laparotomie  ge¬ 
rettet  werden  konnte  —  wie  es  ja  auch  geschah. 

Gewiss  ist  im  Prinzip  der  Vorschlag  von  Zweifel. 
Menge,  D  o  e  d  e  r  1  e  i  n  etc.  richtig,  dass  nach  der  Hebosteo¬ 
tomie  am  zweckmässigsten  die  Geburt  spontan  verläuft.  Die 
Ausführung  dieses  Gedankens  bedarf  aber  sehr  sorgsamer  Er¬ 
wägungen,  die  ich  kurz  dahin  zusammenfassen  möchte,  das«* 
1.  die  Hebosteotomie  erst  dann  vorgenommen  werden  dart. 
wenn  der  Muttermund  vollständig  erweitert  und  der  Schädel 
möglichst  auch  schon  konfiguriert  ist;  2.  müssen  sehr  gute 
Wehen  sein;  3.  darf,  was  namentlich  in  der  Privatpraxis  seine 
Schwierigkeiten  hat,  der  Arzt  bis  zur  Beendigung  der  Geburt 
die  Kreissende  nicht  verlassen. 

Nur  unter  diesen  Voraussetzungen  halte  ich  die  „prophy¬ 
laktische“  Hebosteotomie  für  gerechtfertigt,  da  man  bei  dieser 
Indikationsstellung  sich  nach  zwei  Richtungen  deckt:  einmal 
wird  man,  wenn  die  Geburt  soweit  bereits  vorgeschritten  ist, 
die  Durchtrennung  des  Knochens  nicht  überflüssiger  Weise 
machen  und  zweitens  kann  man,  wenn  bei  der  Hebosteotomie 
Komplikationen  auftreten,  die  operative  Entbindung  sofort  vor¬ 
nehmen. 

Ob  es  ratsam  ist  bei  M  e  h  r  g  e  b  ä  r  e  n  d  e  n  den  spontanen 
Geburtsverlauf  nach  der  Hebosteotomie  abzuwarten,  muss  von 
Fall  zu  Fall  entschieden  werden.  Wartet  man  mit  der  Operation 
auch  hier  so  lange,  bis  der  Muttermund  vollständig  erweitert  ist, 
so  wird  es  human  sein,  —  vorausgesetzt,  dass  die  Scheide  ge¬ 
nügend  weit  ist,  —  in  der  gleichen  Narkose  durch  Wendung 
oder  Zange  die  Geburt  zu  beenden.  Ist  die  Scheide  dagegen 
eng,  ihre  Wandung  rigide,  so  kommt  natürlich  auch  hier  der 
weitere  spontane  Geburtsverlauf  in  Frage. 

Die  Wichtigkeit  einer  dehnbaren  Scheide  für  den  glatten 
Verlauf  der  Geburt  nach  Hebosteotomie  habe  ich  bereits  früher 
(1.  c.)  erwähnt  und  geglaubt,  wegen  der  Gefahr  der  Scheiden¬ 
risse,  deren  Bedeutung  späterhin  auch  von  anderer  Seite  aner¬ 
kannt  worden  ist,  die  Indikation  der  Hebosteotomie  bei  Erstge¬ 
bärenden  erheblich  einschränken  zu  müssen. 

Ich  halte  aus  dem  gleichen  Grunde  auch  heute  noch  meine 
frühere  Ansicht  aufrecht,  jedoch  mit  der  Modifikation,  dass 
in  den  oben  näher  beschriebenen  Fällen  ein  Versuch  mit  dem 
spontanen  Geburtsverlauf  gerechtfertigt  ist.  Wie  sehr  ge¬ 
fährdet  die  Scheide  einer  Primipara  selbst  bei  spontanem  Ge¬ 
burtsverlauf  nach  der  Hebosteotomie  ist,  lehrt  die  Publikation 
von  B  a  u  m  m  (Monatsschr.,  Bd.  24,  April  1907)  der  auch  in 
einem  solchen  Fall  mit  der  Knochenwunde  perforierende  Schei¬ 
denverletzung  sah  und  Hoch  eisen,  der  sogar  bei  einer 
Mehrgebärenden  noch  eine  tiefe,  starke  Weichteilverletzung 
erlebte. 

2 


1370 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Ob  man  in  der  Lage  ist,  durch  Scheidendaniminzision  dem 
Aufplatzen  der  Scheide  und  namentlich  der  relativ  gefährlichen 
Kommunikation  zwischen  Scheide  und  Knochenwunde  vorzu¬ 
beugen,  müssen  weitere  Beobachtungen  lehren.  Zu  berück¬ 
sichtigen  ist  jedoch,  dass  beim  Scheidendammschnitt  nur  der 
vordere  Teil  der  Scheide  erweitert  werden  kann,  nicht  der 
hintere,  was  namentlich  also  bei  langem  Scheidenrohr  zu  be¬ 
denken  ist.  Tritt  der  Schädel  mit  dem  Forzeps  in  den  hinteren 
Teil  der  engen  Scheide,  so  reisst  diese  ein  und  der  Riss  pflanzt 
sich,  unterstützt  durch  den  Druck  der  scharfen,  freien  Knochen¬ 
enden,  trotz  des  Entspannungsschnittes,  nach  vorn  und  ent¬ 
sprechend  der  Sägestelle  fort. 

Prüft  man  die  Lagebeziehungen  zwischen  Scheide  und  ab¬ 
steigendem  Schambeinast,  so  wird  man  auch  hier  wesentliche 
Unterschiede  finden,  indem  manchmal  die  Scheidenwand, 
gleichsam  getrennt  durch  lockeres  Zellgewebe,  sehr  gut  ver¬ 
schieblich  gegen  den  Knochen  ist.  In  anderen  Fällen  erscheint 
die  Scheidenwand  wieder  ganz  auffallend  dünn  (namentlich  bei 
älteren  Erstgebärenden)  und  ist  verhältnismässig  nur  wenig 
gegen  den  Knochen  verschieblich.  Dass  diese  letzteren  Fälle 
für  die  Entstehung  von  Rissen  geradezu  prädistiniert  erscheinen, 
liegt  wohl  auf  der  Hand  und  ebenso,  dass  man  in  der  Wahl  des 
Entbindungsverfahrens  vorsichtig  sein  muss. 

Durchaus  diskutabel  erscheint  es  mir  auch,  ob  man  die 
Scheide  nicht  besser  mit  einem  Kolpeurynter  erweitert,  den 
Scheideneingang  vorsichtig  mit  den  Fingern  resp.  mit  der  Faust 
dehnt,  statt  in  allen  Fällen  den  S  c  h  u  c  h  a  r  d  t  sehen  Schnitt 
anzuwenden.  Ich  glaube  nämlich,  dass  man  auf  diese  Weise  der 
Erweiterung  des  engen  Scheidenrohres  in  seiner  ganzen  Aus¬ 
dehnung  mehr  gerecht  wird  als  mit  dem  Scheidendammschnitt, 
der  ja  in  erster  Linie  den  engen  Scheide  nein  gang  be¬ 
seitigen  wird.  Wie  berechtigt  diese  meine  Einwände  sind, 
lehren  die  Erfahrungen  von  Hocheisen,  der  trotz  tiefer 
Scheidendamminzision  starke  Scheidenzerreissung  nicht  ver¬ 
hindern  konnte.  Die  Anwendung  des  Kolpeurynters  müsste 
zeitlich  natürlich  der  Hebosteotomie  vorausgehen. 

Ueber  den  Effekt  der  Hebosteotomie,  der  Erweiterung 
des  Beckens  selbst,  dürften  die  allgemeinen  Ansichten  jetzt 
dahingehen,  dass  sie  praktisch  hierin  so  viel  leistet  wie  die 
Symphysiotomie  und  dass  es  im  allgemeinen  wenig  ausmacht, 
ob  die  Knochendurchtrennung  etwas  mehr  nach  der  Sym¬ 
physe  als  mehr  nach  der  anderen  Seite  erfolgt.  Geht  man 
natürlich  noch  weiter  lateralwärts,  wie  es  aber  wohl  nur  bei 
missglückter  Technik  und  nicht  absichtlich  vorgekommen  ist, 
so  treffen  durchaus  die  H  o  c  h  e  i  s  e  n  sehen  Anschauungen  zu, 
dass  dann  die  Erweiterung  des  Beckens  eine  mangelhafte  ist. 
Das  ist  ja  auch  nicht  weiter  verwunderlich,  weil  es  erfalmings- 
gemäss  feststeht,  dass  die  Erweiterung  des  Beckens  nach  Hebo¬ 
steotomie  in  erster  Linie  im  queren  Durchmesser  erfolgt,  dann 
im  schrägen  (dem  der  Sägestelle  gegenüberliegenden)  und  am 
wenigsten  den  geraden  Durchmesser  betrifft.  Durchsägt  man 
nun  stark  lateralwärts,  so  bleibt  in  der  Mitte  das  Schambein 
stehen,  wir  verzichten  also  mehr  oder  weniger  überhaupt  auf 
die  Erweiterung  im  geraden  Durchmesser  und  entwickeln  den 
Schädel  hauptsächlich  durch  die  eine,  allerdings  stark  erweiterte 
Beckenhälfte.  In  einer  gewissen  Weise  wird  sich  allerdings 
doch  das  abgesägte  Schambeinstück  an  der  Erweiterung  des 
Beckens  beteiligen,  indem  nämlich  eine  Drehung  desselben 
um  die  Symphyse  selbst  erfolgt,  und  zwar  nach  aussen,  so 
dass  auch  dieses  Stück  noch  zur  Erweiterung  des  Beckens  im 
geraden  oder  doch  annähernd  im  geraden  Durchmesser  benützt 
wird.  Die  Beweglichkeit  des  Schambeins  ist  aber  nur  eine 
sehr  begrenzte,  ihr  Effekt  also  ein  geringer.  Ob  cs  sich  in  der 
Symphyse  um  ein  echtes  resp.  rudimentäres  Gelenk  handelt, 
ist  eine  Frage  von  nicht  ganz  untergeordneter  Bedeutung.  Ich 
habe  mich  bemüht,  zur  Klärung  derselben  beizutragen  und  aus 
3  weiblichen  Leichen  die  beiden  Schambeinkörper  mit  Symphyse 
herauszunehmen  und  zur  histologischen  Untersuchung  entkalkt. 
Es  fand  sich  beim  Studium  der  Präparate  zunächst,  dass  die 
Entkalkung  in  den  beiden  Fällen,  die  von  Wöchnerinnen  stamm¬ 
ten,  unendlich  viel  schneller  vor  sich  ging,  als  im  dritten,  der 
von  einer  im  gleichen  Alter  stehenden  Frau  stammte,  die  nicht 
gravida  gewesen  war.  Unschwer  ist  wohl  die  Deutung  darin 
zu  suchen,  dass  bei  der  Schwangerschaft  eine  gewisse  Ent¬ 
kalkung  des  Knochens  eintritt.  Daraus  erklärt  sich  auch,  wes¬ 


halb  die  Durchsägung  bei  der  Pubiotomie  so  ausserordentlich 
leicht  von  statten  geht.  Und  weiter  liegt  in  dem  verhältnis¬ 
mässig  geringen  Kalkgehalt  auch  wohl  die  Ursache,  weshalb 
der  Kallus,  wie  jetzt  doch  zahlreiche  Röntgenuntersuchungen 
bewiesen  haben,  so  unverhältnismässig  lange  fibrös  erscheint. 
Erfolgt  in  dieser  Phase,  das  heisst  also  bei  noch  nicht  völliger 
Kalkablagerung  eine  neue  Geburt,  so  wird  die  frühere  Säge¬ 
stelle  eine  gewisse  Dehnbarkeit  aufweisen,  wie  dies  ja  auch  der 
mitgeteilte  Fall  von  Reifferscheid  (Zentralbl.  f.  Gynäkol., 
18,  1906)  beweist.  Doch  kann  ich  mich  mit  den  Schlüssen,  die 
R.  aus  seiner  Beobachtung  zieht,  nur  teilweise  einverstanden 
erklären.  R.  kommt  nämlich  zu  dem  Resultat,  dass  bald  eine 
fibröse,  bald  eine  knöcherne  Narbe  an  der  früheren  Sägestelle 
entstünde.  Für  den  Geburtshelfer  sei  es  natürlich  sehr  wichtig, 
eine  fibröse  unter  Schwangerschaft  und  Geburt  dehnbare  Narbe 
zu  erhalten,  und  dafür  sei  es  wichtig,  einmal  keinen  festen 
Beckenverband  anzulegen  und  dann  die  Wöchnerin  früh,  am 
1-4.  bis  16.  Tag,  aufstehen  zu  lassen.  Ein  knöcherner  Kallus 
wird  sich  m.  E.  für  die  Dauer  wohl  nur  vermeiden  lassen,  wenn 
sich  Weichteile  in  den  Knochenspalt  legen.  Diese  Interposition 
von  Weichteilen  haben  wir  aber  nicht  in  der  Hand.  Bei  ge¬ 
nauerer  Durchsicht  liegt  der  R.sche  Fall  nun  so,  dass  die  erste 
Hebosteotomie  am  20.  März  1905  erfolgte  und  schon  im  Juli 
eine  neue  Schwangerschaft  eingetreten  war.  Tatsache  ist 
jedenfalls,  dass  die  Kalkeinlagerung  sehr  langsam  vor  sich  geht 
und  durch  eine  neueintretende  Schwangerschaft  überhaupt  hint¬ 
angehalten  wird,  so  dass  die  Geburten,  die  verhältnismässig 
bald  nach  einer  Hebosteotomie  erfolgen,  eben  w/egen  der  dann 
noch  möglichen  Dehnbarkeit  der  Narbe  (dazu  Auflockerung 
durch  die  neue  Schwangerschaft)  eine  günstigere  Prognose 
bieten,  als  diejenigen,  bei  denen  die  Pubiotomie  jahrelang  zu¬ 
rückliegt. 

Seit  langem  besteht  schon  die  Differenz  in  der  Beurteilung 
der  Symphyse;  die  einen  (Zweifel)  bestreiten  mit  aller  Ent¬ 
schiedenheit,  dass  die  Symphyse  ein  Gelenk  sei,  während 
andere,  zu  denen  auch  ich  gehöre,  der  entgegengesetzten  An¬ 
sicht  sind,  so  dass  sie  eine  gewisse  Scheu  haben,  die  Symphyse 
zu  spalten,  weil  sie  die  Eröffnung  eines  Gelenks  vom  rein 
chirurgischen  Standpunkt  aus  für  einen  immerhin  nicht  ganz 
ungefährlichen  Eingriff  halten.  Da  mich  nun  Zweifel  in 
seinem  Referat  über  die  beckenerweiternden  Operationen  zum 
Träger  dieser  letzten,  seiner  Ansicht  nach  irrigen  Theorie 
stempelt,  so  habe  ich  mich  entschlossen,  eigene  Studien,  an  der 
Symphyse  zu  machen,  um  so  direkt  zur  Klärung  der  uns  inter¬ 
essierenden  Frage  beizutragen.  Ich  habe  bei  2  Frauen,  die  bald 
nach  der  Entbindung  gestorben  sind,  die  eine  an  Verblutung, 
die  andere  an  puerperaler  Infektion,  die  Symphyse  mit  den 
beiderseitigen  Schambeinkörpern  in  toto  herausgenommen  und 
entkalkt  (5  proz.  Trichloressigsäure).  Nach  der  Entkalkung 
Hessen  sich  leicht  horizontale  Schnitte  durch  das  ganze  Prä¬ 
parat  anlegen.  Schon  makroskopisch  Hess  sich  jedesmal  ein 
Spalt  im  Bereich  der  Symphyse  nachweisen;  eine  gewisse  Be¬ 
harrlichkeit  in  dem  Auftreten  derselben  scheint  also  doch  zu 
bestehen.  Dieser  Spalt  durchsetzte  die  Symphyse  regelmässig 
von  oben  nach  unten  in  ziemlicher  Ausdehnung,  während  er 
vorn  und  hinten  dicht  an  das  fibröse  Gewebe  heranreichte,  das 
an  diesen  Stellen  in  continuo  quer  über  die  Symphyse  ver¬ 
läuft.  Die  mikroskopische  Untersuchung  nun  ergab  unzweifel¬ 
haft  das  Vorkommen  einer  Synovialmembran,  die  der  fibrösen 
Gelenkkapsel  aufsitzt.  Die  Synovialmembran  enthält  peripher- 
wärts  elastische  Fasern;  an  einigen  Präparaten  sah  ich  auch 
gelegentlich  Fettzellen  im  Bindegewebe.  Nach  der  Gelenk¬ 
höhle  zu  fanden  sich  nun  aber  ganz  unzweideutige  Epithel¬ 
zellen,  die  in  ein-  oder  mehrfacher  Lage  die  freie  Innenfläche 
bekleideten.  An  meinen  Präparaten  fanden  sich  nun  gelegent¬ 
lich  Lücken  im  Endothelbesatze,  und  ich  muss  daher  die  Frage 
offen  lassen,  ob  es  sich  hier  um  mechanische  Schädigung  bei 
Behandlung  der  Präparate  oder  um  einen  natürlichen  Vor¬ 
gang  handelt.  Jedenfalls  dokumentiert  der  histologische  Be¬ 
fund,  der  in  voller  Eindeutigkeit  bei  beiden  Fällen  konstatiert 
werden  konnte,  dass  es  sich  nichtumeinen  einfachen  Ge- 
w  e  b  s  s  p  a  1 1  handelt.  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  ob  anderweitig 
schon  derartige  histologischöUntersuchungen  der  Symphyse  ge¬ 
macht  worden  sind,  oder  ob  die  allgemeine  Kenntnis  das  Resultat 
lediglich  makroskopischer  Studien  ist.  In  diesem  Falle  wurde 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1371 


cs  jedem  frei  stehen,  meine  Befunde  einer  Kontrolle  zu  unter¬ 
werfen.  Das  eine  kann  ich  übrigens  noch  besonders  hervor¬ 
lieben,  dass  die  Endothelien  in  ihrer  Anordnung,  Form,  Kern¬ 
bildung  so  absolut  deutlich  zu  erkennen  sind,  dass  eine  Ver¬ 
wechslung  mit  Resten  des  der  Verflüssigung  widerstehenden 
Faserknorpels  (A  e  b  y,  Heule,  zitiert  bei  Zweifel,  Ver- 
handl.  d.  D.  üesellsch.  f.  Gynäkoi.,  Dresden  1907)  gänzlich  aus¬ 
geschlossen  ist. 

Sind  wir  nun  in  der  Lage,  uns  schon  vor  Ausführung  der 
Pubiotomie  ein  Urteil  über  den  Effekt  der  Operation  zu  bilden? 
Es  scheint  mir  die  Beantwortung  dieser  Frage  deswegen  so 
wichtig  zu  sein,  weil  wir,  wenn  das  zutrifft,  manche  Hebosteo¬ 
tomie  mit  ungünstigem  Ausgang  vermeiden  können.  Die  in 
den  letzten  Jahren  zahlreich  erschienenen  Publikationen  brin¬ 
gen  nun  eine  ganze  Reihe  von  Beobachtungen  und  Erfahrungen, 
die  von  grossem  Werte  sind. 

Wir  wissen,  dass  die  Prognose  der  Pubiotomie  bei  Mehr- 
gebärendeu  in  jeder  Beziehung  besser  ist  als  bei  Erstgebären¬ 
den;  im  wesentlichen  wird  hier  der  Vorteil  durch  die  grössere 
Weite  der  Scheide  und  ihre  bessere  Dehnbarkeit  bedingt.  Auch 
die  Länge  der  Scheide  und  die  Dicke  ihrer  Wand  —  je  dünner, 
um  so  leichter  wird  sie  einreissen  —  ist  von  Wichtigkeit.  Selbst¬ 
verständlich  kommen  auch  bei  Primiparen  Ausnahmen  vor, 
wo  die  Scheide  als  solche  eine  günstige  Prognose  bietet,  zu¬ 
mal  wenn  das  Kind  nur  klein  ist. 

Das  Verhältnis  zwischen  kindlichem  Schädel  und  Becken 
ist  in  jedem  einzelnen  Falle  genau  in  Narkose  zu  prüfen.  Für 
den  vorangehenden  Schädel  ist  bestehende  Konfiguration  und 
weiche  Knochenbildung  von  Vorteil,  während  ein  grosser  har¬ 
ter  Schädel  natürlich  leicht  Verletzungen  des  nicht  genügend 
dehnbaren  Geburtsweges  verursachen  wird.  Die  Frage,  ob  die 
Entbindung  durch  Wendung  oder  Zange  vorzunehmen  ist,  hat 
sich  von  ihrem  „prinzipiellen“  Standpunkte  herunterbequemen 
und  dem  allgemein  gültigen  geburtshilflichen  Standpunkte  wei¬ 
chen  müssen:  je  nach  den  vorliegenden  Verhältnissen  sind  ent¬ 
weder  Zange  oder  Wendung  indiziert.  Den  vorangehenden 
Kopf  wird  man  am  zweckmässigsten  in  tiefer  Narkose  impri- 
inieren,  was  meist  leicht  gelingt,  wenn  er  konfiguriert  war. 
Bei  nicht  konfiguriertem  Schädel  geht  wohl  meist  die  Wendung 
noch,  die  dann  in  bezug  auf  Nebenverletzungen  bessere  Resul¬ 
tate  gibt  als  der  Forzeps.  Ist  man  jedoch  auf  diesen  an¬ 
gewiesen,  so  wird  man  eine  gut  konstruierte  Achsenzugzange 
bevorzugen,  die  dem  Schädel  eine  gewisse  Beweglichkeit  und 
bestmögliche  Raumausnützung  gestattet. 

Weiter  haben  wir  gelernt  auch  den  B  a  u  des  Beckens,  nicht 
nur  die  F  o  r  m  und  die  A  r  t  resp.  den  Grad  der  Beckenverenge- 
rung  in  den  Rahmen  unserer  Beurteilung  einzuschliessen.  Wir 
wissen,  dass  mit  der  Durchsägung  des  Knochens  allein  der  Er¬ 
folg  der  Hebosteotornie  noch  nicht  erreicht  ist,  auch  die  Liga¬ 
mente,  namentlich  das  Lig.  arcuatum  muss  mit  durchtrennt 
sein.  Aber  auch  trotz  genauer  Erfüllung  dieser  Vorschrift 
gibt  es  eine  nicht  ganz  kleine  Anzahl  von  Hebosteotomien,  die 
auch  dann  nicht  zum  Ziele,  der  genügenden  Erweiterung,  ge¬ 
führt  haben,  wo  infolgedessen  entweder  noch  eine  Perforation 
des  Kindsschädels  nötig  wurde,  oder  die  Entbindung  eine  der¬ 
artig  schwierige  war,  dass  das  Kind  den  erhaltenen  Ver¬ 
letzungen  erlag  —  ein  Misserfolg,  der  der  Indikationsstellung 
zur  Last  fällt.  Die  Ursache  ergibt  sich  bei  genauem  Studium 
dieser  Fälle  meist  ohne  weiteres.  Es  handelt  sich  bei  derartigen 
Becken  mit  mangelhafter  Aufschliessbarkeit  im  allgemeinen  um 
zu  straffe  resp.  besonders  straffe  Ligamentverbindung  an  den 
Gelenken  der  Beckenknochen  und  meist  auch  um  ein  starkes 
Knochenmassiv.  Aus  einem  Vergleich  der  Fälle  mit  derselben 
Verengerung  des  Beckens  und  glatt  vor  sich  gegangener  Heb¬ 
osteotomie  ergeben  sich  die  Unterschiede,  die  dann  auch  m.  E. 
durchaus  einleuchtend  sind.  Am  besten  geeignet  für  die  becken¬ 
erweiternde  Operation  sind  die  Frauen  mit  grazilem  Knochen¬ 
bau:  Symphyse  niedrig,  Schambögen  weit,  Beckenkanal  kurz. 
Während  die  Fälle  mit  einem  langen  Beckenkanal,  hoher,  dicker 
Symphyse  und  spitzem  Schambeinbogen  (männlicher  Habitus) 
ungünstig  liegen.  Und  es  ist  hierbei  nicht  nur  das  Skelett, 
welches  diese  schlechtere  Prognose  bedingt,  sondern  in  diesen 
Fällen  besteht  auch  gewöhnlich  eine  viel  grössere  Festigkeit 
aller  Ligamente  (Lig.  sacro-ilacum),  deren  Widerstand  nur  mit 
grösster  Kraft,  und  dann  natürlich  mit  Schaden  für  das  Kind 


überwunden  werden  kann.  In  der  grösseren  Festigkeit  der 
Ligamente  sind  die  Erstgebärenden  den  anderen  Frauen  auch 
wieder  überlegen;  so  dass  gegebenen  Falles  bei  hoher  Sym¬ 
physe  etc.  auch  das  noch  besonders  zu  berücksichtigen  wäre, 
um  eine  Kontraindikation  gegen  die  Hebosteotornie  abzugeben. 

Nach  den  ersten  Mitteilungen  und  den  daran  von  den 
Operateuren  geknüpften  Hoffnungen  und  Erwartungen  hätte 
man  annehmen  müssen,  dass  Kaiserschnitt,  Perforation  des 
lebenden  Kindes  und  künstliche  Frühgeburt  ihre  Existenz¬ 
berechtigung  für  alle  Zukunft  verloren  hätten.  Vor  der  all¬ 
gemeinen  Ausbreitung  dieser  Lehren,  und  dass  die  Flebosteo- 
tomie  eine  Operation  des  praktischen  Arztes  sei,  habe  ich  schon 
frühzeitig  (Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkoi.,  Bd.  56)  warnen 
zu  müssen  geglaubt.  Und  wie  berechtigt  diese  Warnung  war, 
das  hat  die  Folge  mit  aller  Deutlichkeit  ergeben,  so  dass  ich 
mit  meiner  Beurteilung  der  Hebosteotornie  wohl  kaum  noch 
vereinzelt  dastehe.  Das  schliesst  jedoch  nicht  aus,  dass  ich  die 
Hebosteotornie  mit  richtiger  Indikationsstellung  für  eine  der 
zuverlässigsten  und  lebenssichersten  Operationen  halte,  die  es 
gibt;  doch  soll  eine  geschulte  Hand  und  ein  guter  Geburtshelfer, 
der  völlig  mit  dem  Geburtsmechanismus  vertraut  ist,  sie  aus¬ 
führen;  denn  die  Indikationsstellung  setzt  genaue  Kenntnis  der 
Geburt  beim  engen  Becken  und  eine  gut  ausgebildete  Unter¬ 
suchungstechnik  voraus.  Es  ist  nicht  richtig,  sich  hierbei  vom 
Grade  der  Beckenenge  (Conj.  vera)  in  erster  Linie  leiten  zu 
lassen,  es  gehört  zur  Indikationsstellung  noch  vieles  andere: 
Grösse  des  Kindes  bezw.  seines  Schädels,  Beschaffenheit  der 
Wehen,  genaue  Kenntnis  der  gesamten  räumlichen  Verhält¬ 
nisse  der  Becken,  Dicke  der  Knochen,  Widerstandsfähigkeit 
der  Ligamente,  Form  des  Schambogens  etc.  Das  alles  setzt 
oft  genug  spezialistische  Kenntnisse  voraus,  die  nur  durch  sehr 
grosse  Uebung  und  gute  Schulung  zu  erlangen  sind.  Und  so 
ergibt  es  sich  ganz  von  selbst,  dass  wir  auch  heute  noch  ge¬ 
wiss  auf  keine,  der  verschiedenen  Entbindungsverfahren  beim 
engen  Becken  verzichten  können  —  trotz  der  unbestrittenen 
grossen  Erfolge  der  Hebosteotornie. 

Soll  nun  diese  Operation  nicht  auch  das  Missgeschick  der 
Symphysiotomie  teilen,  so  ist  es  unbedingt  erforderlich,  dass 
ihre  Indikationsstellung  genau  festgelegt  wird,  damit  nicht  die 
ungünstigen  Fälle  sich  mehren  und  damit  die  Zukunft  einer 
an  sich  segensreichen  und  vortrefflichen  Operation  vernichten. 
Der  leitende  Gedanke  und  die  einzige  Rechtfertigung  der  Heb- 
osteotomie  liegt  in  der  Garantie  der  Geburt  eines  lebenden 
Kindes,  das  wird  zuletzt  wohl  von  allen  Geburtshelfern  an¬ 
erkannt;  es  ist  genug  mit  der  Durchsägung  des  Beckens,  alle 
übrigen  Verletzungen,  denen  die  Mütter,  wie  doch  eine  reich¬ 
lich  erworbene  Erfahrung  zur  Genüge  lehrt,  dabei  ausgesetzt 
sind,  müssen  vermieden  werden,  und  das  gelingt  nur  durch 
sorgfältig  und  kritisch  gestellte  Indikation  und  auf  der  Höhe 
stehende  Technik.  Die  leitenden  Gesichtspunkte  der  Indika¬ 
tionsstellung  glaube  ich  ausführlich  genug  auseinandergesetzt 
zu  haben,  bis  auf  den  einen  Punkt:  ist  bei  bestehendem  Fieber 
die  Hebosteotornie  kontraindiziert?  In  der  Literatur  besteht 
darüber  durchaus  noch  keine  Einigung.  Die  Tübinger  Schule 
schliesst  jeden  Fall  mit  Fieber  von  der  Ausführung  der  Opera¬ 
tion  aus.  Ich  persönlich  schliesse  mich  mehr  den  Franque- 
sclien  und  B  u  m  m  sehen  Ausführungen  an  und  glaube,  dass 
Fieber  an  sich  keine  Kontraindikation  abgibt,  wohl  aber  wenn 
der  Gesamteindruck  der  Kreissenden  die  Wahrscheinlichkeit 
oder  den  Verdacht  einer  bestehenden  Infektion  abgibt.  Fiebert 
eine  Frau,  die  von  nicht  ganz  einwandsfreien  Händen  unter¬ 
sucht  ist,  sind  schon  anderweitige  Entbindungsversuche  vor¬ 
ausgegangen,  kreisst  die  Frau  schon  sehr  lange,  ist  das  Frucht¬ 
wasser  zersetzt,  so  dürfte 'die  Hebosteotornie  nicht  mehr  an¬ 
gezeigt  sein  und  nur  —  selbst  bei  lebendem  Kinde  — -  die  Per¬ 
foration  gerechtfertigt  erscheinen.  Während  leichte  Temperatur¬ 
erhöhungen  bei  fehlender  Pulsbeschleunigung,  noch  nicht 
langem  Kreissen  und  gutem  Allgemeinbefinden  gewiss  keine 
Bedenken  gegen  die  Operation  verursachen  werden,  voraus¬ 
gesetzt  natürlich,  dass  die  Hebosteotornie  sich  ohne  Nebenver¬ 
letzungen  ausführen  lässt  und  ein  lebendes  Kind  garantiert. 
Verschiedene  hierhergehörige  Publikationen  rechtfertigen 
diesen  Standpunkt  zur  Genüge. 

Von  dem  grossen  Wert  der  Hebosteotornie  konnte  ich 
mich  überzeugen,  als  ich  vor  der  Aufgabe  stand,  den  dringenden 

2* 


1 37  2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28 


Wunsch  nach  einem  lebenden  Kinde  bei  einer  27  jährigen  I.  Para 
mit  engem  Becken  (Vera  7%)  und  Placenta  praevia  centralis  zu 
erfüllen.  2  mal  musste  die  Frau  mit  Perforation  des  Kindes 
entbunden  werden.  Da  der  Wunsch  nach  einem  lebenden  Kinde 
bei  der  Frau  besonders  lebhaft  war,  so  gab  es  bei  der  Becken¬ 
enge  nur  die  Wahl  zwischen  klassischem  Kaiserschnitt  oder 
Pubiotoinie  mit  gleichzeitigem  vaginalen  Kaiserschnitt.  Ich 
entschied  mich  zu  dem  letzteren  Weg,  da  die  Frau  schon  mehr¬ 
fach  untersucht  war,  und  weil  ich  den  vaginalen  Kaiserschnitt 
in  diesem  Falle  auch  für  den  weniger  gefährlichen  hielt.  Die 
Operation  verlief  in  ihren  beiden  Phasen  vollkommen  glatt 
und  ohne  nennenswerte  Blutung.  In  der  Bewertung  des  Kaiser¬ 
schnittes  (vaginal  oder  abdominal)  als  Entbindungsverfahren 
bei  Placenta  praevia  stehe  ich  durchaus  auf  dem  Standpunkt 
von  H  o  f  m  e  i  e  r,  indessen  gibt  es  doch  Fälle,  die  wie  dieser 
eine  Abweichung  von  dem  allgemein  gültigen  Verfahren  recht- 
fertigen. 

Die  Technik  der  Hebosteotomie  ist  seit  der  Einführung  der 
subkutanen  Durchsägung  des  Schambeines  wesentlich  er¬ 
leichtert,  vielleicht  zu  sehr,  so  dass  wohl  nicht  immer  und 
überall  die  notwendige  Vorsicht  angewandt  worden  ist;  denn 
mit  der  Durchtrennung  des  Knochens  ist  die  Sache  durchaus 
noch  nicht  abgetan.  Es  müssen  nicht  nur  alle  Komplikationen 
(Blasen-  resp.  Scheidenverletzungen)  ausgeschlossen  werden, 
sondern  es  müssen  auch  für  die  Entbindung  alle  vorhandenen 
Chancen,  die  das  Becken  selbst  bezw.  die  Hebosteotomie 
bietet,  bis  ins  Kleinste  ausgenutzt  werden. 

Die  Einführung  der  Nadel  von  unten  bietet  den  Nach¬ 
teil,  dass  das  Ligamentum  arcuatum  oft  nicht  mitgefasst 
wird,  so  dass  es  bei  dem  Durchtritt  des  Kopfes  mit  grosser 
Gewalt  gesprengt  wird;  dabei  entstehen  sehr  leicht  Scheiden¬ 
verletzungen,  weil  die  übergross  einsetzende  Gewalt  sich, 
ohne  dass  wir  es  verhindern  können,  auf  die  anliegende 
Scheide  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Sägestelle  fort¬ 
pflanzt.  Die  Folge  ist  dann  die  wenig  angenehme  Kom¬ 
munikation  zwischen  Scheide  und  Knochenwunde,  so  dass 
die  ursprünglich  „subkutane“  Hebosteotomie  vollkommen  illu¬ 
sorisch  wird.  Dem  gegenüber  fällt  die  Voraussetzung  der 
Nadeldurchführung  von  unten,  die  Schonung  der  Crus  resp. 
Corpus  clitoridis  gar  nicht  ins  Gewicht,  denn  erstens  gelingt 
es  so  gut  wie  nie,  dieses  in  seiner  Kontinuität  zu  erhalten,  und 
anderseits  ist  die  dabei  entstehende  Blutung  regelmässig  und 
sicher  durch  einfachen  Druck  zu  stillen.  Es  ist  meines  Erach¬ 
tens  auch  nicht  richtig,  das  „Subkutanste“  bei  Ausführung  der 
Hebosteotomie  allzusehr  zu  betonen,  es  liegt  dieser  Anschauung 
viel  Selbsttäuschung  zugrunde. 

Denn  nach  allen  unseren  Kenntnissen  über  Wundinfektion 
muss  es  uns  eigentlich  wundernehmen,  dass  sich  nicht  auch 
schon  von  anderer  Seite  folgende  Bedenken  hiergegen  erhoben 
haben:  Das  Ideal  der  Anhänger  ausschliesslich  subkutanen 
Operierens  spiegelt  sich  in  der  Stichmethode  wieder.  Ganz 
abgesehen  von  den  hierbei  besonders  häufig  auftretenden 
Blasenverletzungen  bedingt  das  Hin  und  Her  der  Säge  eine 
reichliche  Infektion  derselben  mit  Bakterien,  die  auf  und  in  der 
Haut  sitzen.  Diese  werden  naturgemäss  in  die  Wunde  trans¬ 
portiert.  Dadurch  nun,  dass  beim  Sägen  unmöglich  die  kleine 
Einstich-  und  Ausstichöffnung  unversehrt  erhalten  bleiben  kann, 
werden  beim  Eindringen  der  Säge  in  angrenzende  Hautpartien 
immer  neue  Mikroorganismen  mobil  gemacht,  die  mit  dieser 
in  die  Wunde  verschleppt  werden.  Gewiss,  wir  können  die 
Haut  rasieren,  desinfizieren  —  obgleich  das  gerade  an  der  uns 
wichtigen  Stelle  seine  Schwierigkeiten  hat  — ,  die  Säge  aus¬ 
kochen,  allein  wie  wenig  Garantien  das  im  allgemeinen  bietet, 
das  lehren  die  Erfahrungen.  Vollkommen  afebril  verlaufen  ver¬ 
hältnismässig  nur  wenig  Hebosteotomien;  und  oft  genug  gibt  es 
Fieber  und  leider  auch, trotz  exaktester,  rein  subkutanerTechnik, 
Vereiterungen  des  Operationsgebietes,  dazu  kommen  dann  noch 
die  nicht  ganz  seltenen  Thrombosen,  die  wir  doch  auch  als 
Folge  einer  stattgehabten  Infektion  ansprechen  müssen.  Das 
alles  sind  also  Einwände,  deren  Berechtigung  mir  die  Anhänger 
der  Stichmethode  nicht  absprechen  können.  Besser  ist  darum 
gewiss  das  ursprüngliche  D  o  e  d  e  r  1  e  i  n  sehe  Verfahren  mit 
dem  Querschnitt  über  dem  Schambein  und  dem  Einschnitt  an 
der  Durchtrittsstelle  der  Nadel.  Hält  man  beim  Sägen  mit 
kleinen  Haken  die  Wundränder  oben  und  unten  auseinander,  so 


kann  man  in  der  Tat  die  Sägeinfektion  aus- 
schliessen.  Doederlein  schiebt  nun  die  Weichteile 
hinter  der  Symphyse  zurück,  um  Nebenverletzungen  zu  ver¬ 
meiden.  Tatsächlich  gelingt  dies  aber  nicht  in  allen  Fällen 
auch  dann  nicht,  wenn  zur  Kontrolle  der  Finger  in  die  Scheide 
gelegt  wird.  Starke  Blutungen  und  Blasenverletzungen  sine 
auch  hierbei,  wie  die  Berichte  verschiedener  Operateure  lauten 
nicht  ausgeblieben.  Diese  Erwägungen  veranlassten  mich 
gleich  bei  bei  meiner  ersten  Pubiotomie  (16.  Dezember  1904 
also  schon  vor  der  Publikation  der  anatomischen  Studier 
Tandlers:  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  No.  28,  1906)  das  Periosi 
von  der  Hinterwand  des  Schambeins  abzuschieben.  Alle 
späteren  Publikationen  konnten  bestätigen,  dass  die  technische 
Ausführung  dieses  kleinen  Eingriffes  nicht  die  geringster 
Schwierigkeiten  bereitet.  Wenn  man  nach  der  Durchtrennung 
der  Haut  den  Schnitt  gleich  bis  auf  den  Knochen  durchführt, 
gelingt  es  auch  ohne  Raspatorium  leicht,  nur  mit  der  Schere, 
das  Periost  etwas  abzulösen,  damit  eine  Lücke  für  den  Zeige¬ 
finger  geschaffen  wird,  der  dann  ohne  die  geringsten  Schwierig¬ 
keiten  das  Periost  bis  zum  unteren  Rande  des  Schambeins  ab¬ 
streift.  Weitere  Erfahrungen  haben  mich  nun  gelehrt,  dass 
es  recht  zweckmässig  ist,  diese  Ablösung  des  Periostes  mög¬ 
lichst  weit  nach  rechts  und  links  vorzunehmen.  Der  Nutzen 
dieses  Vorgehens  liegt  darin,  dass  in  manchen  Fällen,  wo  die 
Differenz  zwischen  Beckenenge  und  der  Grösse  des  Kindes¬ 
schädels  nur  verhältnismässig  gering  ist,  eine  Diastase  der 
durchsägten  Knochenenden  von  1  bis  ca.  2  cm  eintritt,  ohne 
dass  eine  Zerreissung  des  Periostes  eintritt. 
In  diesem  Punkte  widerspricht  also  die  praktische  Erfahrung 
der  Tandler  sehen  Theorie  bis  zu  einem  gewissen  Grade. 
Bei  erheblichen  Misserverhältnissen  zwischen  Schädel  und 
Becken  ist  das  natürlich  ausgeschlossen;  es  eignen  sich  auch 
nicht  alle  Becken  für  dieses  Ziel,  vor  allem  die  mit  sehr  festen 
Ligamenten  und  hohem,  dickem  Schambein  etc.  nicht,  wie  ich 
das  weiter  oben  schon  auseinandergesetzt  habe.  Ist  sehr  viel 
Platz  zu  schaffen,  so  muss  natürlich  das  Periost  ganz  oder  teil¬ 
weise  zereissen.  Das  intakt  gebliebene  Periost  bedingt  neben 
dem  momentanen  Vorteil  auch  noch  den,  dass  die  Knochen¬ 
heilung  schneller  und  glatter  ohne  sehr  erheblicher  Kallus¬ 
bildung  vor  sich  geht;  Druck  der  Blase  gegen  die  scharfen 
Knochenenden  ist  ausgeschlossen,  weil  das  feste  Periost  da¬ 
zwischen  liegt. 

Die  Frauen  können  schon  sehr  früh  das  Bett  verlassen  und 
das  Becken  ist  in  seiner  Festigkeit  so  gut  wie  gar  nicht  beein¬ 
trächtigt.  Auch  Verschiebungen  der  Knochenenden  nach  vorn 
oder  hinten  gegen  einander  habe  ich  in  diesen  Fällen  bei  der 
Nachuntersuchung  nicht  feststellen  können.  Ja,  in  einigen 
Fällen  war  schon  bei  der  Entlassung  der  Wöchnerin  die  Säge¬ 
stelle  kaum  noch  zu  fühlen  gewesen.  Auf  die  absolute  Sicher¬ 
heit,  Blasenverletzungen  durch  das  systematische  Ablösen  des 
Periostes  zu  vermeiden,  brauche  ich  nicht  noch  besonders  hin¬ 
zuweisen.  Das  Ablösen  des  Periostes  bedingt  keineswegs  die 
Gefahr  der  Knochennekrose,  da  sich  einmal  das  Periost  gleich 
nach  der  Durchsägung  wieder  an  den  Knochen  legt,  und 
andererseits  die  Knochenvernähung  auch  vom  Periost  an  der 
Vorderwand  des  Schambeins  ausreichend  erfolgen  kann,  mit 
dem  es  hier  fest  verwachsen  ist.  Diesem  Verfahren  erstand 
nun  in  der  Literatur  der  Einwand,  dass  es  die  Operation  un¬ 
nötig  kompliziere  und  leicht  —  dadurch,  dass  der  Finger  in  die 
Wunde  eindringt  —  Infektion  bedinge.  Abgesehen  davon,  dass 
ich  selbst  nie  eine  sekundäre  Wundheilung  beobachten  konnte, 
haben  weitere  Erfahrungen  mir  doch  in  der  Hinsicht  recht  ge¬ 
geben,  dass  kein  anderes  Verfahren  so  sicher  Nebenver¬ 
letzungen  ausschliesse.  Von  vielen  Seiten  ist  ausdrücklich  be¬ 
tont  worden,  dass  zum  Schutz  der  Blase  die  Fingerkontrolle 
von  der  Scheide  her  vollkommen  genüge.  Wie  wenig  diese 
Gegenbehauptung  begründet  ist,  beweist  ein  kurzer  Blick  in  die 
Literatur  mit  den  zahlreichen  Blasenverletzungen,  die  auch 
ersten  Operateuren  trotz  der  Kontrolle  von  der  Scheide  her 
passiert  sind.  Und  es  sind  nicht  nur  Blasenläsionen,  die  trotz 
dessen  mit  der  Säge  ganz  direkt  hervorgerufen  wurden,  auch 
das  Kind  wurde  durch  die  Säge  verletzt,  ja  sogar  der  Uterus 
selbst  kam  in  die  Säge.  Man  sollte  meinen,  dass  diese  Argu¬ 
mente  eigentlich  genügen  sollten,  um  das  rein  subkutane  Ver¬ 
fahren  als  gefährlich  zu  bezeichnen.  Meiner  Ueberzeugung 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1373 


nach  hätte  sich  auch  der  Todesfall  an  Verblutung,  der  aus  der 
Heidelberger  Klinik  veröffentlicht  worden  ist,  ebenso  wie 
andere  sehr  starke  Blutungen  vermeiden  lassen,  wenn  die  Hebo¬ 
steotomie  nach  voraufgegangener  Ablösung  des  Periosts  er¬ 
folgt  wäre.  Ursache  der  Blutung  war  in  diesen  Fällen  wohl 
unschwer  entweder  der  venöse  Plexus  pubo-vesicalis  oder  die 
Arteria  pudenda  interna  (Z  w  e  i  f  e  1).  Da  unter  Umständen, 
namentlich  zur  Zeit  der  Schwangerschaft,  diese  Qefässe  eine 
ganz  erhebliche  Cirössenzunahme  erfahren,  so  bedeutet  ihre 
Verletzung  eine  gewiss  recht  erhebliche  Gefahr,  wie  namentlich 
der  v.  Rosthorn  sehe  Fall  es  lehrt,  wo  die  Blutung  nicht 
einmal  in  der  Klinik  mit  allen  dort  zu  Gebote  stehenden  Hilfs¬ 
mitteln  gestillt  werden  konnte.  Da  nun  diese  Gefässe  median- 
wärts  vom  Periost  liegen,  so  wird  man  ihre  Verletzung  absolut 
sicher  durch  Abschieben  derselben  vermeiden  können. 

Eine  weitere  Komplikation  der  Hebosteotomia  subcut.  be¬ 
dingen  die  in  der  Vulva  so  oft  entstehenden  Hämatome,  die 
nachträglich  auch  noch  wiederholt  vereitert  sind.  Das  Blut, 
das  zur  Bildung  dieser  führt,  stammt  zum  Teil  aus  dem  durch¬ 
trennten  Corp.  cavernosum  clitoridis,  zum  Teil  aus  den  oft 
recht  erheblich  erweiterten  und  vermehrten  Venen  der  Vulva 
resp.  der  tiefer,  vor  dem  Schambein  gelegenen.  Diese  ge¬ 
legentlich  recht  lästige  Zugabe  nach  einer  sonst  tadellos  ver¬ 
laufenen  Hebosteotomie  lässt  sich  leider  nicht  immer  ganz  be¬ 
seitigen. 

Von  allen  Gefässverletzungen,  die  hierfür  in  Frage  kom¬ 
men,  halte  ich  die  des  Corp.  cavernosum  clitoridis  für  verhält¬ 
nismässig  belanglos,  da  man  diese  Blutung  durch  einfachen 
Druck  in  kurzer  Zeit  ausschalten  kann.  Wichtiger  erscheinen 
mir  die  Gefässe  —  auch  die  kleinen  Arterien  —  vor  dem 
Schambein  in  dem  dort  befindlichen  Fettgewebe  und  den 
Muskeln  zu  sein.  Mit  Rücksicht  auf  die  Lage  des  Schambeins 
und  seiner  nach  hinten  etwas  konvexen  Form  lässt  es  sich  — 
man  kann  die  Drahtsäge  halten  wie  man  will  —  nicht  ver¬ 
meiden,  dass  auch  vorn,  vor  dem  Knochen,  Nebenverletzungen 
entstehen  (Muscul.  gracilis,  Adductor.  longus,  Rectus  ab- 
dominis),  durch  die  Blutung  mit  nachfolgender  Hämatombildung 
zustande  kommt. 

Diese  Erwägung  veranlasste  mich  denn  auch  bald,  nach 
meinen  ersten  Hebosteotomien  die  Operation  so  zu  modifizieren, 
dass  ich  nach  Anlegung  eines  Querschnittes  und  stumpfem 
Zurückschieben  des  Periosts  an  der  Hinterwand  nunmehr  vorn 
von  dem  oberen  Hautschnitt  mit  einem  Instrument  vorn  am 


Schambein  entlang  bis  zum  unteren  Rand  desselben  in  die  Tiefe 
ging  und  dort  eine  Kommunikation  mit  dem  künstlich  ge¬ 
schaffenen  Raum  zwischen  Schambein  und  Periost  herstellte. 
Das  von  vorn  stumpf  durchgeführte  Instrument  trägt  eine 
Fadenschlinge,  die  von  hinten  her  unter  Leitung  des  Fingers 
mit  einem  Schlingenführer  in  Empfang  genommen  wird.  An  den 
Faden  wird  danach  die  Säge  befestigt  und  dann  unter  kräf¬ 
tigem  Auseinanderhalten  der  Wundränder  das  Schambein 
durchtrennt.  Nach  Durchsägung  des  Knochens  springt  die  Säge 
nach  oben  heraus.  Auf  diese  Weise  lässt  sich  die  untere  Aus¬ 
stichöffnung  in  der  Haut  gänzlich  vermeiden,  desgleichen  auch 
alle  vorher  besprochenen  Nebenverletzungen.  Wirklich  nen¬ 
nenswerte  Hämatombildung  habe  ich  nie  gesehen  und  ebenso¬ 
wenig  eine  Vereiterung  des  Operationsfeldes. 

Die  Technik  ist  komplizierter  als  diejenige  anderer  Opera¬ 
teure,  aber  das  kann  ja,  wenn  eine  Methode  sonst  Vorzüge  hat, 
kein  Gegengrund  sein,  sie  anzuwenden.  Und  hier  liegen  die 
Vorzüge  eben  in  der  absoluten  Sicherheit  der  Vermeidung  aller 
Nebenverletzungen. 

Die  Schnittrichtung  bei  der  Durchsägung  des  Schambeins 
wurde  früher  lebhaft  diskutiert.  Die  Lehren  Zweifels  und 
die  Erfahrungen  Burnnis  dürften  meines  Erachtens  aber  die 


Frage  jetzt  definitiv  entschieden  haben,  dass  für  den  Aufschluss 
des  Beckens  es  am  vorteilhaftesten  ist,  den  Knochen  möglichst 
weit  medianwärts  zu  spalten.  Ausserdem  verteilt  sich  auch 
die  Gewalt,  die  das  Becken  auseinander  drängt,  auf  beide 
Beckenhälften  gleichmässiger. 

Soll  die  Entwicklung  der  Kinder  an  die  Hebosteotomie  an- 
schliessen,  so  müssen  sowohl  im  Interesse  der  Kinder  wie  auch 
der  Mutter  alle  Chancen,  die  das  erweiterte  Becken  bietet, 
ausgenützt  werden. 

Nach  Durchsägung  des  Knochens  bringt  man  nach  unserer! 
Erfahrungen  die  Kreissende  in  leichte  Hängelage,  die  Beine 
werden  möglichst  dicht  aneinander  gebracht;  ein  seitliches 
Fixieren  des  Beckens  oder  das  Umlegen  eines  Gummischlauchs 
haben  wir  in  letzter  Zeit  immer  mehr  als  überflüssig  erkannt; 
das  Entscheidende  ist,  dass  die  Entbindung  ruhig  und  mit 
richtiger  Abwägung  von  Kraft  und  Widerstand  vollzogen  wird. 
Ist  nun  der  Kopf  mit  der  Zange  in  das  Becken  hineingezogen, 
oder  ist  die  Extraktion  nach  voraufgegangener  Wendung  so 
weit  gediehen,  dass  der  Kopf  im  Becken  steht,  so  wird  der 
Körper  der  Frau  zurückgezogen,  die  Beine  im  Hüftgelenk  stark 
gebeugt  und  die  Knie  adduziert;  das  erweitert,  wie  man  sich 
leicht  überzeugen  kann,  den  Beckenausgang,  was  namentlich 
bei  allgemeiner  Beckenverengerung  resp.  Trichterform  des 
Beckens  von  Wichtigkeit  ist. 

Notwendig  ist  es  vor  und  nach  der  Hebosteotomie  zu  kathe- 
terisieren,  um  über  eventuelle  Blutbeimengung  im  Urin  orien¬ 
tiert  zu  sein. 

Nach  der  Entbindung  erfolgt  die  Wundversorgung;  wir 
haben  jedesmal  noch  einen  Gurt  um  das  Becken  gelegt,  aber 
ich  persönlich  glaube,  dass  die  Ligamentapparate  der  hin¬ 
teren  Beckenwand  bei  ihrem  Intaktsein  vollkommen  ausreichen, 
um  die  durchsägten  Schambeinenden  aneinander  zu  bringen. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  sich  zwischen  der  Symphyseo- 
tomie  und  der  Hebosteotomie  Ausgleiche  anbahnen,  indem 
mehr  und  mehr  beide  das  gute  voneinander  nehmen:  die  Durch¬ 
trennung  ües  Schambeins  erfolgt  immer  mehr  und  mehr  nach 
der  Symphyse  zu  und  die  Symphysiotomie  selbst  ist  in  das 
Stadium  der  subkutanen  Operation  übergetreten.  Welche  von 
den  beiden  Operationen,  die  jede  ihre  Vorzüge  hat,  schliess¬ 
lich  den  Sieg  behält,  wird  die  Zukunft  lehren.  Eines  aber  steht 
schon  jetzt  fest,  dass  beide  nicht  den  klassischen  Kaiserschnitt 
und  auch  nicht  die  Perforation  des  lebenden  Kindes  völlig  aus 
der  Welt  schaffen  können. 

Aus  dem  hygienischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 

lieber  Konkurrenz  der  Antikörper. 

Von  Dr.  Ernst  Brezina. 

Ueber  das  Verhalten  des  tierischen  Organismus  gegenüber 
der  gleichzeitigen  Einverleibung  mehrerer  Antigene  liegen  bis¬ 
her  nur  spärliche  Angaben  vor.  Wendelstadt  [l]  be¬ 
handelte  eine  Ziege  längere  Zeit  hindurch  mit  gleich  grossen, 
recht  erheblichen  Mengen  gewaschener  Pferde-,  Rinder-  und 
Hammelblutkörperchen.  Am  Schlüsse  der  Immunisierung 
besass  das  Serum  des  Versuchstieres  gleich  stark  lösende 
Eigenschaften  für  alle  drei  verwendeten  Blutarten.  Durch 
elektive  Absorption  war  es  möglich,  dem  Serum  die  lösenden 
Substanzen  für  jede  einzelne  Erythrozytenspezies  vollkommen 
zu  entziehen,  ohne  dass  dessen  lytische  Fähigkeit  für  die  beiden 
anderen  dadurch  abnahm. 

Analoge  Versuche  bezüglich  der  Agglutininbildung  rühren 
von  C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  [2]  her.  Dieser  injizierte  seinen  Versuchs¬ 
tieren  gleichzeitig  Bact.  typhi,  Bact.  coli  und  pseudodysen- 
tericus  und  fand,  dass  die  Tiere  darauf  ebenso  reagierten  wie 
Kontrolltiere,  die  nur  eine  der  genannten  Bakterienarten  allein 
erhalten  hatten.  Elektive  Absorption  ist  auch  hier  möglich. 
Immunisiert  man  dagegen  ein  Tier  mit  einer  Bakterienart  und 
versetzt  das  Immunserum  mit  eben  dieser  Art,  so  werden 
ausser  dem  Hauptagglutinin  gleichzeitig  bei  der  Behandlung 
des  Tieres  entstandene,  auf  andere  Bakterien  wirkende  Mit- 
agglutinine  ebenfalls  ausgefällt.  F  r  i  e  d  b  e  r  g  e  r  [3]  be¬ 
handelt  Meerschweinchen  mit  kleinen  Dosen  von  Cholera¬ 
vibrionen  und  den  mehrhundertfach  grösseren  Mengen  Typhus- 
bazillen.  Die  Bildung  bakteriolytischer  Cholera¬ 
antikörper  ist  bei  solchen  Tieren  bei  weitem  schwächer 


1374 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28 


als  bei  den  Kontrollticren,  welche  bloss  Cholerakulturen  in 
gleicher  Menge  wie  die  Versuchstiere  erhalten  haben.  Es  ist 
natürlich  wegen  der  Verschiedenheit  der  Antigenmenge  nicht 
statthaft,  diese  Versuche  den  vorhergenannten  gegenüber¬ 
zustellen. 

Nach  Michaelis  [4 ]  führt  die  Behandlung  von 
Kaninchen  mit  Pferdeserum  (also  mit  einem  Gemisch  von  art¬ 
fremdem  Albumin  und  Globulin)  lediglich  zur  Bildung  eines 
Präzipitins  für  Pferdeserumglobulin,  nicht  aber  für  Albumin, 
während  Pferdeserumalbumin,  für  sich  allein  der  gleichen 
Tierart  injiziert,  das  Auftreten  von  Präzipitin  gegen  diesen 
Eiweisskörper  zur  Folge  hat.  Michaelis  sieht  in  dem 
Ausbleiben  der  Präzipitinbildung  gegen  Albumin  bei  Behand¬ 
lung  mit  Vollserum  einen  Fall  von  Konkurrenz  der 
H  a  p  t  i  n  e.  Michaelis’  Versuch  kann  jedoch  mit  denen  der 
übrigen  genannten  Autoren  nicht  gut  verglichen  werden,  da 
hier  die  Wirkung  der  Injektion  verschiedener  Eiweisskörper 
der  gleichen  Tierart,  sonst  aber  die  von  artverschiedenen  Ei¬ 
weisstoffen  untersucht  wurde. 

Die  Frage,  ob  es  eine  Konkurrenz  der  Antigene  und  Anti¬ 
körper  gibt,  d.  i.  ob  sich  diese  gegenseitig  in  ihrer  Bildung 
bezw.  Wirkung  behindern,  ist  durch  die  besprochenen  Ver¬ 
suche  noch  nicht  endgültig  gelöst,  denn  namentlich  in  der  Arbeit 
von  Wendel stadt  fehlen  Kontrollversuche,  in  denen  Ziegen 
mit  einer  Blutart  allein  behandelt  werden.  C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  aber 
arbeitete  lediglich  mit  Bakterien  und  überdies  mit  nur  wenigen, 
mit  einander  zum  Teil  nahe  verwandten  Arten. 

Die  unten  folgenden  Versuche  hatten  zunächst  den  Zweck, 
einen  Beitrag  zur  Lösung  dieser  Frage  zu  liefern,  hauptsächlich 
in  Bezug  auf  die  Hämolyse. 

Der  bei  den  Versuchen  einzuschlagende  Weg  war  von 
selbst  gegeben:  Versuchstiere  mussten  mit  gleichen  Mengen 
gewaschener  Erythrozyten  verschiedener  solcher  Tierarten 
behandelt  werden,  auf  welche  das  Serum  ersterer  normaler¬ 
weise  keine  oder  nur  geringe  lösende  Wirkung  besass.  Nach 
der  Immunisierung  war  dann  die  hämolytische  Fähigkeit  des 
Serums  für  sämtliche  zur  Behandlung  verwendete  Blutarten 
zu  prüfen.  Hieraus  ergeben  sich  bereits  auch  die  technischen 
Schwierigkeiten  der  Versuche.  Grössere  Tiere,  bei  denen 
ein  Aderlass  in  vivo  (vor  der  Behandlung,  um  die  hämolytische 
Wirkung  des  Normalserums  zu  bestimmen,  und  während  der¬ 
selben)  leicht  und  zu  jeder  Zeit  durchführbar  ist,  eigneten  sich 
für  die  Versuche  aus  dem  Grunde  nur  wenig,  weil  es  von 
Wichtigkeit  war,  Kontrolltiere  mit  nur  je  einer  der  verwendeten 
Blutarten  zu  behandeln.  Solche  Tiere  in  grösserer  Anzahl 
konnten  aber  aus  äusseren  Gründen  im  hiesigen  Institute  nicht 
eingestellt  werden.  Kaninchen,  deren  Ohrvenen  mehrmalige 
Blutentziehung  in  der  Regel  gestatten,  waren  zur  Zeit  der 
Untersuchungen  schwer  zu  erhalten,  überdies  sehr  wenig 
widerstandsfähig;  es  blieben  daher  Meerschweinchen  als  die 
geeignetsten  Versuchstiere  übrig.  Während  der  Versuche 
lernte  ich  Blutentnahme  aus  der  Karotis  und  intravenöse  In¬ 
jektion  an  einem  und  demselben  Tiere  in  einer  Operation 
regelmässig  mit  Erfolg  durchführen.  Bei  den  ersten  Ver¬ 
suchen  an  Meerschweinchen  freilich  begnügte  ich  mich  damit, 
die  hämolytische  Wirkung  des  normalen  Meerschweinchen¬ 
serums  an  gleich  schweren  Kontrolltieren  zu  untersuchen. 
Diese  Wirkung  steigt,  wie  ich  mich  bald  überzeugen  konnte, 
mit  zunehmendem  Alter  der  Tiere  meist  merklich  an,  es  war 
daher,  wiewohl  technisch  nicht  vorteilhaft,  notwendig,  für  die 
Versuche  junge  Tiere  von.  höchstens  300  g  Gewicht  zu  ver¬ 
wenden. 

Als  schonendster  Eingriff  erwies  sich  bei  den  Meer¬ 
schweinchen  die  intravenöse  Injektion.  Hier  war  nicht  ein 
Tierverlust  zu  verzeichnen,  auch  genügte  einmalige  Ein¬ 
spritzung  kleiner  Blutmengen,  um  die  hämolytische  Fähigkeit 
des  Serums  deutlich  zu  steigern.  Trotzdem  verliess  ich  diese 
Methode  später,  da  die  intravenöse  Injektion  mit  gleichzeitigem 
Aderlass  sehr  zeitraubend  war.  Es  musste  nach  der  Ein¬ 
spritzung  des  Blutes  abgewartet  werden,  bis  dieses  sich  im 
üefässystem  des  Versuchstieres  sicher  gleichmässig  verteilt 
hatte,  dann  erst  durfte  man  den  Aderlass  vornehmen.  In¬ 
jektion  nach  dem  Aderlass  war  wegen  des  Kollabierens  der 
Jugularvene  nach  Durchschneiden  der  Karotis  nicht  tunlich. 

Die  mit  den  Blutgemischen  behandelten  Kaninchen  und 
Meerschweinchen  erhielten  von  jeder  einzelnen  Blutart  die 


gleiche  Dosis  eingespritzt,  wie  die  mit  nur  je  einer  Blutart  be¬ 
handelten  Kontrolltiere.  Die  Blutentziehung  erfolgte  bei  der 
Meerschweincehn  etwa  12  Tage  nach  der  einzigen  bezw.  letzter 
Injektion.  Die  beiden  grossen  Versuchstiere  (Schaf,  Ziege)  wurdei 

14  Tage  nach  der  letzten  Einspritzung  zur  Ader  gelassen.  Dü 
Serie  der  Kaninchen  musste  wegen  eines  epidemieartig  untei 
den  Tieren  ausgebrochenen  Schnupfens  wenige  Tage  nach  dei 
-•  Injektion  getötet  werden,  als  die  Wirkung  derselben  woh 
kaum  zur  Geltung  gekommen  war. 


Die  bei  Untersuchung  der  hämolytischen  Wirkung  dei 
Sera  angewendete  Technik  war  die  gewöhnliche:  Fallende 
Mengen  des  frischen  Immunserums  wurden  in  kleine  Röhrchei 
gefüllt,  5  proz.  Aufschwemmungen  der  Erythrozyten  in  dei 
Menge  von  X>  ccm  zugesetzt,  endlich  mit  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung  auf  2  ccm  aufgefüllt.  Die  Röhrchen  wurden  durcl 
2  Stunden  bei  37°  gehalten,  kamen  dann  über  Nacht  in  dei 
Kühlschrank,  worauf  der  Grad  der  Hämolyse  notiert  wurde 
In  sehr  zahlreichen  Fällen  wurden  Parallelversuche  gemacht 
wobei  die  gleichen  Mengen  der  inaktivierten  Immunsera  mii 
kleinen  Quantitäten  frischen  Normalserums  ergänzt  wurden 
Da  aber,  wie  oben  gesagt,  die  Immunisierung  absichtlich  nichi 
sehr  hoch  getrieben  war,  ergaben  diese  Versuche  keine  anderei 
Resultate  als  die  übrigen  und  wurden  daher  nicht  eigens  an¬ 
geführt. 

Im  folgenden  sind  die  Versuchsresultate  tabellarisch  zu¬ 
sammengestellt. 

Grade  der  Hämolyse:  komplett  (c),  fast  komplett  (fc),  stark  (st), 
massig  (m),  gering  (g),  Spur  (Sp),  fehlend  (0). 

Die  Bezeichnungen  Pferd,  Rind  etc.  bedeuten  die  auf  Lyse  ge¬ 
prüften  Blutarten  (je  0,5  ccm  einer  5  proz.  Aufschwemmung  der  be¬ 
treffenden  Blutkörperchen). 

Die  an  der  Spitze  der  Kolonnen  stehenden  Dezimalzahlen  be¬ 
zeichnen  die  Mengen  der  geprüften  Sera. 


Vers  u  c  h  I.  Kaninchen,  behandelt  mit  je  2  subkutanen  Injektionen 
von  0,8  ccm  Erythrozyten  vom  Pferd,  Rind,  Schaf,  Schwein,  Ente 
_  bezw.  -4,0  ccm  Erythrozytengemisch. 


Vor 


Nach 
der  Behandlung 


0,25 

|  0,1 

|  0,25 

0,1 

0,05 

ferdeblutkörperchen 

vorbehandelt. 

Sp 

# 

fc 

st 

rn 

0 

• 

Sp 

0 

0 

Sp 

• 

g 

Sp 

0 

g 

g 

Sp 

o 

Ait  Rinderblut 

vorbehandelt. 

g 

• 

g 

1  g 

Sp 

Sp 

• 

st 

m 

Sp 

Sp 

• 

m 

Sp 

0 

g 

• 

m 

Sp 

0 

Vlit  Schafblut 

vorbehandelt. 

g 

. 

c 

g 

Sp 

Sp 

. 

g  i 

Sp 

0 

g 

• 

c 

c 

st 

Sp  | 

• 

g 

Sp 

Sp 

Schweineblut 

*)  vorbehandelt. 

• 

. 

c 

m 

• 

• 

g 

0 

• 

• 

g 

Sp 

• 

• 

• 

m 

g 

. 

0,02 


Kaninchen  1 :  Mit 


Pferd 

Rind 

Schaf 

Ente 


Pferd 

Rind 

Schaf 

Ente 


Pferd 

Rind 

Schaf 

Ente 


Pferd 

Rind 

Schaf 

Ente 


Pferd 

Rind 

Schaf 

Ente 


Pferd 

Rind 

Schaf 

Ente 


Kaninchen  2: 


Kaninchen  4: 


Kaninchen  5:  Mit  Entenblut  vorbehandelt. 

Sp 


g 

Sp 

g 

fc 


0 

m 


Kaninchen  6:  Mit  Blutgemisch  vorbehandelt. 


Sp 


0 

0 

0 

0 


0 

0 

g 

0 


g 

Sp 

st  !  g 

Sp 

0 

C 

in  ;  0 

Sp 

Sp 

c 

m  j  Sp 

g 

Sp 

c 

st  |  g 

Sp 

0 

0 

Sp 


')  War  zur  Zeit  der  Untersuchung  des  Serums  auf  seine  hämo¬ 
lytische  Wirkung  leider  nicht  zu  erhalten. 


9.  Juli  1907, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1375 


Versuch  II.  Schaf,  11  kg  schwer,  behandelt  mit  subkutanen  In¬ 
jektionen  von  Pferde-,  Rinder,  Schweine,  Kaninchen-,  Entenerythro¬ 
zyten  (Gemisch  zu  je  5  ccm  jeder  Blutart). 


Hämolyse  bei  Verwendung  folgender 

Blutarten  in 

Serummengen 

Sprozentiger 

Vor 

der 

Nach 

Nach 

3  weiteren 

Aufschwemmung 

Behandlg. 

3  Injektionen 

Injektionen 

0,25 

0,1 

0,25 

0,1 

0,05 

0,02 

0,25 

0,1 

0,05 

0,02 

0,01 

Pferd  . 

st 

g 

c 

st 

Sp 

0 

c 

c 

fc 

m 

Sp 

Rind . 

g 

0 

st 

g 

0 

0 

c 

c 

Sp 

0 

0 

Schwein  .  . 

g 

0 

c 

st 

0 

0 

c 

fc 

m 

Sp 

0 

Kaninchen  .  .  . 

st 

g 

c 

st 

m 

Sp 

c 

fc 

st 

g 

0 

Ente  . 

m 

g 

c 

fc 

st 

Sp 

c 

c 

fc 

m 

0 

Versuch  III.  Ziege,  23kg  schwer,  behandelt  mit  subkutanen  In¬ 
jektionen  von  Rinder-,  Schaf-,  Schweine-,  Kaninchen-,  Entenerythro¬ 
zyten  (Gemisch  zu  je  8  ccm  jeder  Blutart). 


Rind  . 

Sp 

c 

st 

0 

0 

Schaf . 

Sp 

m 

Sp 

0 

0 

Schwein  .... 

Sp 

c 

m 

Sp 

0 

Kaninchen  .  .  . 

g 

c 

fc 

g 

0 

Ente  . 

m 

c 

fc 

st 

0 

In  Versuch  V,  VI,  VII  ist  unter  Erythrozytengemisch  ein  Ge¬ 
menge  gleicher  Teile  von  Pferde-,  Rinder-,  Schaf-,  Schweine-,  Ka¬ 
ninchen-  und  Entenerythrozyten  zu  verstehen. 


Blutkörperchen 

Aufschwemmung 

Versuch  IV.  Serum 
normaler  Meerschweinchen 

Versuch  V.  M.  25  1  mal 
mit  0,05  ccm  Erythrozyten¬ 
gemisch  intravenös  be¬ 
handelt 

M. 

23 

M.  24 

0,25 

0,1 

0,25  0,1 

0,25 

0,1 

0,05 

0,02 

Pierd  .... 

st 

m 

m  Sp 

c 

fc 

st 

g 

Rind  .... 

m 

g 

m  Sp 

c 

fc 

st 

g 

Schaf  .... 

st 

m 

m  g 

c 

c 

c 

st 

Schwein  .  . 

g 

Sp 

m  Sp 

c 

fc 

fc 

st 

Kaninchen 

g 

Sp 

m  |  g 

c 

fc 

st 

g 

Ente  .... 

m 

Sp 

m  g 

c 

c 

st 

g 

Versuch  VI.  Meerschweinchen,  behandelt  mit  je  0,7  ccm  einer 
Blutart  bezw.  mit  je  4,2  ccm  Blutgemisch  (je  2  mal,  subkutan). 


M.  26:  Mit  Pferdeblut 
vorbehandelt 

M.  27 :  Mit  Rinderblut 
vorbehandelt 

0,25 

0,1 

0,05 

0,02 

0,01 

0,25 

0,1 

0,05 

0,02 

0,01 

Pferd  . 

c 

fc 

st 

st 

g 

fc 

st 

g 

0 

Rind . 

m 

g 

0 

c 

st 

m 

g 

Schaf  . 

st 

m 

Sp 

fc 

st 

g 

0 

Schwein . 

Sp 

0 

0 

g 

Sp 

. 

Kaninchen . 

m 

Sp 

0 

g 

Sp 

• 

. 

Ente  ....  •  .  .  . 

Sp 

0 

0 

Sp 

0 

• 

• 

M.  28:  Mit  Schafblut  M.  29 :  Mit  Schweineblut 
vorbehandelt  vorbehandelt 


Pferd  . 

Rind . 

Schaf . 

Schwein  '. . 

Kaninchen . 

Ente . 


st 

g  [  • 

st 

m 

. 

fc 

m 

• 

g 

Sp 

• 

• 

c 

c  :  fc 

st 

st 

m 

. 

. 

m 

g 

. 

c 

fc 

st 

st 

Sp 

0 

. 

c 

st 

• 

Sp 

Sp 

• 

Sp 

0 

. 

- 

M.  30:  Mit  Kaninchen¬ 
blut  vorbehandelt 


M.  31 :  Mit  Entenblut 
vorbehandelt 


Pferd  . 

m 

Sp 

Sp 

g 

Rind . 

c 

m 

Sp 

Sp 

g 

• 

Schaf  . 

m 

g 

st 

Schwein . 

m 

m 

Sp 

st 

, 

Kaninchen . 

c 

fc 

st 

g 

Sp 

• 

Ente . 

g 

0 

0 

fc 

st 

Sp 

M.  32:  Mit  Blutgemisch 
vorbehandelt 

M.  33 :  Mit  Blutgemisch 
vorbehandelt 

Pferd  . 

c 

fc 

fc 

m 

c 

c 

fc 

st 

Rind . 

fc 

fc 

m 

Sp 

c 

fc 

st 

g 

Schaf  . . 

c 

c 

fc 

st 

c 

c 

fc 

st 

Schwein  .  , 

fc 

st 

g 

Sp 

c 

fc 

fc 

m 

Kaninchen  .... 

c 

st 

Sp 

0 

c 

c 

st 

Sp 

Ente . 

c 

st 

g 

Sp 

c 

fc' 

st 

g 

(Versuch  VII  und  VIII  siehe  nächste  Seite.) 


Suchen  wir  nun  aus  den  Versuchsprotokollen  die  Antwort 
auf  die  eingangs  gestellte  Hauptfrage  abzuleiten,  so  ergibt  sich 
folgendes :  Die  Versuchstiere  bilden  bei  Behand¬ 
lung  mit  verschiedenen  Arten  von  Erythro¬ 
zyten  in  der  Regel  Antikörper  gegen  diese 
alle  und  zwar  in  gleicher  oder  etwas  grösse¬ 
rer  Menge  wie  die  Kontrolltiere,  die  nur  mit 
einer  B  1  u  t  a  r  t  behandelt  sind.  Eine  gegen¬ 
seitige  Behinderung  der  Antigenwirkungen 
findet  nicht  statt. 

Es  war  ferner  von  Interesse,  zu  erfahren,  ob  Tiere,  die  mit 
einer  oder  mehreren  Blutarten  behandelt  sind,  auf  die  darauf¬ 
folgende  Injektion  einer  oder  mehrerer  neuer  Erythrozyten¬ 
spezies  in  anderer  Weise  reagieren  als  normale  Tiere,  mit 
anderen  Worten,  ob  das  Vorh  an  densein  besti  m  m  - 
t  e  r  Antikörper  die  Bildung  neuer  derartiger 
Stoffe  irgendwie  beeinflusst.  Auch  dies  ist 
nicht  der  Pall.  Ich  behandelte  (Versuch  VII)  einige  Meer¬ 
schweinchen  zuerst  mit  einer  Blutart  allein,  dann  mit  einem 
Erythrozytengemisch,  das  die  zuerst  für  sich  gegebene  Blutart 
auch  wieder  enthielt.  Das  Serum  solcher  Tiere  löste  alle  die 
einzelnen  Blutarten  etwa  ebenso  stark  auf,  wie  das  Serum 
jener  Meerschweinchen,  welche  die  bezüglichen  Blutarten 
allein  oder  im  Gemisch  —  ohne  Vorbehandlung  erhalten  hatten 
(eine  Ausnahme  bildete  lediglich  Meerschweinchen  37  für  Ka¬ 
ninchen-  und  Entenblut),  nur  die  zuerst  allein  und  dann  im  Ge¬ 
misch  gegebene  Blutart  wurde  schliesslich  entsprechend  der 
häufigeren  Behandlung  etwas  mehr  gelöst.  Injiziert  man 
einem  gegen  mehrere  Erythrozytenspezies  immunisierten 
Tiere  nachträglich  eine  neue  Blutart,  so  gewinnt  das  Serum 
für  diese  letztere  ebensogut  lösende  Eigenschaften,  wie  wenn 
man  dieses  Blut  —  allein  oder  im  Gemisch  —  einem  normalen 
Tier  eingespritzt  hätte  (M  42,  43).  Einzelne  spezielle  Fälle 
werden  weiter  unten  besprochen. 

Aus  den  Versuchstabellen  ergeben  sich  jedoch  ausserdem 
noch  einige  zum  Teil  nicht  ganz  uninteressante  Tatsachen. 
Die  hämolytische  Wirkung  des  normalen 
Meerschweinchenserum. s  ist  individuell  ver¬ 
schieden,  und  zwar  löst  dieses  Normalserum  eine,  jenes 
eine  andere  Blutart  stärker  auf.  Selbstverständlich  liegen  hier 
nicht  Verschiedenheiten  im  Alexingehalte  der  Sera  vor,  son¬ 
dern  die  Mengen  der  normalen  Immunkörper  sind  ungleich. 
Vergleicht  man  die  hämolytische  Wirkung  derSera  einerseits  vor 
der  Behandlung,  andererseits  nach  Immunisierung  mit  Blut¬ 
gemisch,  so  zeigen  sich  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  bei  einem 
und  demselben  Tiere  vor  und  nach  der  Immunisierung  in  Bezug 
auf  die  Lösung  der  einzelnen  Blutarten  Unterschiede  im 
gleichen  Sinne  und,  soweit  hier  von  quantitativen  Verhältnissen 
überhaupt  die  Rede  sein  kann,  auch  in  relativ  etwa 
gleicher  Stärke.  (Addition  der  normalen  und 
I  m  m  unhä  m  o  1  y  s  i  n  e.)  Dieses  Verhalten  konnte  aber 
durchaus  nicht  immer  beobachtet  werden,  gelegentlich 
löste  das  Serum  eines  Normaltieres  eine  bestimmte 
Blutart  schwächer  auf  als  die  anderen,  nach  der  Im¬ 
munisierung  mit  Blutgemisch  aber  stärker.  Es  fand 
sich  kein  Fall,  wo  die  im  normalen  Serum  vorhandenen 
Unterschiede  bezüglich  der  Löslichkeit  der  verschiedenen  Blut- 
arten  durch  die  Immunisierung  eine  unverhältnismässige  Ver¬ 
stärkung  erfahren  hätten.  Es  sprechen  daher  auch 
die  vorliegenden  Versuche  dafür,  dass  das 
Vorhandensein  oder  Fehlen  von  normalen 
Hämolysinen  in  einem  Serum  für  die  Bildung 
von  Immunhämolysinen  vollkommen  belang¬ 
los  ist. 

Die  Injektion  einer  Blutart  hatte  bei  Meer¬ 
schweinchen  fast  immer  die  Zunahme  der 
lytischen  Fähigkeit  des  Serums  auch  für 
andere  Blutarten  zur  Folge.  Diese  Zunahme  war 
mitunter  recht  beträchtlich,  in  anderen  Fällen  nur  schwach 
ausgeprägt.  Sie  erstreckte  sich  bald  auf  alle  im  Versuche  ver¬ 
wendeten  Erythrozytenspezies,  bald  nur  auf  einzelne  oder  eine 
und  war  auch  bei  gleicher  Vorbehandlung  der  Tiere  ver¬ 
schieden.  Mit  Ausnahme  der  weiter  unten  erwähnten  Fälle 
liessen  sich  keinerlei  Gesetzmässigkeiten  beobachten.  Auch 
die  Lyse  von  Vogelblutkörperchen  wurde  mitunter  durch  Ein¬ 
spritzung  von  Säugerblut  gesteigert  und  umgekehrt.  Die  Be- 


1376 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Versuch  VII.  Meerschweinchen  intravenös  mit  0,05  ccm  einer  Blutart  bezw.  mit  0,3  ccm  Blutgemisch  injiziert. 


1  mal  Schweineblut 


Pferd  .  . 
Rind  .  . 
Schaf  .  . 
Schwein  . 
Kaninchen 
Ente  .  . 


Pferd  .  . 
Rind  .  .  . 
Schaf  .  . 
Schwein  . 
Kaninchen 
Ente  .  .  . 


Hierauf 

1  mal  Blutgemisch 


M.  40: 

mal  Blutgemisch 


m 

g 

g 

Sp 

Sp 

Sp 


c 

fc 

c 

c 

st 

st 


c 

st 

c 

c 

m 

g 


fc 

in 

st 

st 

Sp 

Sp 


st 

Sp 

m 

g 

0 

0 


M.  34 

: 

M.  35 

M.  36 

• 

1  Vor  der 

liehandl. 

1  mal  Pferdeblut 

Hierauf 

1  mal  Blutgemisch 

Vor  der 

liehandl. 

lmal  Rinderblut 

Hierauf 

1  mal  Blutgemisch 

Vor  der 

liehandl. 

1  mal  Schafblut 

Hierauf 

1  mal  Blutgemisch 

0,1 

0,1 

0,05  0,025  0,01 

0,1 

0,05  0,025 

0,01 

0,1 

0,1 

0,05  0,025 

0,01 

0,1 

0,05' 0,025 ;  0,01 

0,1 

0,1 

0,050,025 

0,01 

0,1 

0,05 

0,025;  0,01 

Pferd  .  . 

c 

fc 

m 

0 

c 

fc 

st 

Sp 

st 

st 

g 

fc 

g 

Sp 

0 

g 

st 

m 

fc 

st 

g 

0 

Rind  .  . 

0 

0 

c 

fc 

m 

0 

g 

c 

fc 

st 

g 

c 

fc 

st 

Sp 

0 

m 

g 

# 

c 

fc 

st 

g 

Schaf  .  . 

m 

g 

c 

st 

g 

0 

m 

Sp 

0 

c 

st 

m 

Sp 

Sp 

c 

fc 

st 

g 

c 

fc 

st 

g 

Schwein 

0 

0 

st 

g 

Sp 

0 

g 

0 

0 

# 

st 

m 

g 

0 

g 

Sp 

0 

st 

g 

Sp 

Sp 

0 

Kaninchen 

Sp 

Sp 

g 

Sp 

0 

0 

g 

Sp 

0 

, 

g 

Sp 

0 

0 

0 

Sp 

0 

, 

g 

0 

0 

Ente  .  .  . 

0 

0 

i 

VI.  37 

Sp 

. 

0 

0 

0 

g 

0 

0 

IV 

I\.  38 

g 

Sp 

0 

0 

0 

Sp 

0 

JV 

A.  39 

m 

g 

Sp 

0 

1  mal  Kaninchenblut 


Hierauf 

1  mal  Blutgemisch 


st 

st 

g 

. 

fc 

m 

Sp 

0 

g 

st 

m 

fc 

st 

m 

0 

Sp 

g 

Sp 

c 

st 

g 

g 

st 

g 

• 

. 

c 

fc 

st 

Sp 

0 

Sp 

Sp 

• 

• 

c 

fc 

m 

0 

g 

m 

Sp 

• 

c 

c 

st 

m 

fc 

m 

• 

. 

c 

st 

m 

0 

g 

m 

g 

. 

# 

fc 

m 

g 

0 

Sp 

st 

m 

c 

c 

m 

Sp 

c 

c 

m 

g 

c 

c 

fc 

g 

g 

g 

0 

. 

g 

st 

g 

0 

g 

Sp 

0 

c 

fc 

st 

Sp 

Sp 

0 

. 

• 

g 

Sp 

0 

0 

0 

st 

g 

g 

6 

st 

g 

0 

0 

0 

Sp 

0 

g 

Sp 

0 

g 

Sp 

0 

• 

• 

g 

Sp 

o 

0 

0 

g 

Sp 

• 

g 

Sp 

0 

0 

0 

m 

g 

Sp 

0 

c 

fc 

m 

M.  41: 

1  mal  Blutgemisch 


c 

c 

c 

c 

st 

fc 


fc 

st 

fc 

st 

c 

st 

fc 

st 

st 

g 

fc 

st 

g 

g 

m 

g 

0 

g 


1  mal  Entenblut 


Hierauf 

1  mal  Blutgemisch 
0 

Sp 
0 

g 
0 


Versuch  VIII.  Meerschweinchen  je  2mal  behandelt  mit  0,3  ccm  Pferde-,  Rinder-,  Schaf-,  Schwein-,  Kaninchen-  oder  Tauben¬ 
blut  bzw.  mit  dem  entsprechenden  Vielfachen  eines  Gemisches  dieser  Blutarten  (subkutan). 


M.  45: 

Gemisch  ohne  Schafblut  Hierauf  Schafblut 


Pferd  .  . 
Rind  .  .  . 
Schaf  .  . 
Schwein  . 
Kaninchen 
Taube  .  . 


Pferd  .  . 
Rind  .  .  . 
Schaf  .  . 
Schwein  . 
Kaninchen 
Taube  .  . 


Pferd  .  . 
Rind  .  .  . 
Schaf  .  . 
Schwein  . 
Kaninchen 
Taube  .  . 


Sp 

c 

c 

st 

g 

. 

Sp 

st 

Sp 

c 

c 

fc 

m 

c 

c 

st 

m 

Sp 

c 

g 

c 

c 

st 

g 

c 

c 

fc 

st 

Sp 

st 

Sp 

c 

c 

fc 

m 

• 

# 

. 

Sp 

st 

0 

c 

c 

m 

Sp 

c 

fc 

st 

g 

0 

g 

0 

c 

c 

fc 

m 

c 

c' 

fc 

st 

0 

g 

M. 

48: 

Kani 

ncher 

blut 

M. 

49: 

Sp 

m 

Sp 

0 

0 

g 

m 

Sp 

m 

Sp 

Sp 

0 

Sp 

fc 

g 

g 

Sp 

0 

0 

g 

st 

0 

g 

Sp 

Sp 

0 

0 

m 

0 

c 

st 

m 

Sp 

Sp 

c 

Sp 

m 

g 

Sp 

0 

Sp 

fc 

M 

.  51: 

Tau 

benblut 

M. 

52: 

Sp 

g 

Sp 

0 

0 

Sp 

c 

Sp 

Sp 

Sp 

0 

0 

Sp 

c 

m 

0 

0 

0 

0 

m 

c 

Sp 

g 

Sp 

0 

0 

Sp 

c 

0 

Sp 

0 

0 

0 

Sp 

c 

0 

c 

fc 

st 

Sp 

Sp 

c 

M.  42: 

M.  43: 

M.  44: 

Ui  — 

33 

■o  SS 

es 

Gemisch 

Hierauf  Tanhenhlnt 

33  “O 

nz J  » 

Gemisch 

Hierauf 

33  "O 

ns  = 

Gemisch 

®  33 

ca 

ohne  I aubenblut 

u-  _e a 

-  as 

s—  ca 

ohne  Kaninchenblut 

Kaninchenblut 

t—  _£= 
=>  33 

oc 

ohne  Kaninchenblut 

0,1 

0,1 

0,050, 025 

0,01 

0,1 

0,05 

0,025 

0,01 

0,01 

0,1 

0,05 

0,025 

0,1 

0,1 

0,05|0,025 

0,01 

0,1 

0,1 

0,05  0,025 

0,01 

Pferd  . 

g 

c 

c 

st 

g 

c 

st 

g 

0 

Sp 

c 

c 

m 

g 

c 

st 

g 

0 

Sp 

fc 

st 

g 

0 

Rind . 

m 

c 

c 

fc 

m 

c 

c 

m 

0 

Sp 

c 

c 

st 

m 

c 

c 

m 

0 

m 

c 

c 

st 

g 

Schaf  . 

m 

c 

c 

st 

g 

c 

c 

c 

fc 

m 

c 

st 

m 

0 

c 

c 

c 

c 

m 

c 

st 

Sp 

0 

Schwein  .... 

g 

c 

c 

m 

g 

c 

fc 

m 

Sp 

Sp 

c 

fc 

m 

Sp 

c 

c 

m 

Sp 

Sp 

fc 

st 

g 

0 

Kaninchen  .  .  . 

Sp 

c 

c 

m 

Sp 

c 

fc 

m 

Sp 

Sp 

g 

Sp 

0 

0 

c 

st 

g 

0 

0 

g 

Sp 

0 

0 

Taube  . 

g 

m 

Sp 

0 

0 

c 

c 

st 

g 

0 

fc 

st 

g 

Sp 

c 

c 

st 

Sp 

Sp 

fc 

st 

g 

0 

M.  46 :  Schafblut 


g 

st 

m 

m 

0 

Sp 


st 

m 

g 

st 

st 


c 

c 

c 

c 

st 

fc 


0 

m 

Sp 

§ 

0 


0 

g 

Sp 

Sp 

g 

Sp 


st 

fc 

st 

st 

Sp 

st 


0 

Sp 

0 

Sp 

0 

0 


0 

0 

0 

0 

Sp 

0 


g 

fc 

Sp 

Sp 

0 

Sp 


M.  47 :  Schafblut 


Sp 

Sp 

g 

Sp 

Sp 

Sp 


st 

fc 

st 

st 

g 

Sp 


g 

st 

m 

m 

0 

0 


Sp 

m 

ip 

Sp 

0 

0 


0 

Sp 

0 

0 

0 

0 


M.  50:  Taubenblut 


0 

Sp 

g 

Sp 

Sp 

0 


m 

fc 

m 

m 

g 

c 


g 

st 

g 

g 

0 

c 


0 

st 

0 

Sp 

0 

fc 


0 

g 

0 

0 

0 

g 


M.  53:  Blutgemisch 
Sp  c  c  st  g 

m  c  c  c  st 

m  c  c  c  g 

Sp  c  c  c  m 

Sp  c  c  g  0 

Sp  c  c  fc  g 


obachtung  ist  im  Prinzip  schon  alt,  und  es  wurde  namentlich  von 
Ehrlich  und  Morgenroth  in  ihren  grundlegenden  Ver¬ 
suchen  über  Hämolysinbildung  gefunden,  dass  das  Serum  eines 
mit  Hammelblut  immunisierten  Tieres  auf  Rinderblut  —  in  ge¬ 
ringem  Masse  —  hämolytisch  wirkt.  Diese  Autoren  geben  auch 
eine  Erklärung  der  von  ihnen  gefundenen  Tatsache  (Rezep¬ 
torengemeinschaft).  Dass  hier  eine  so  weit  verbreitete,  stets 


wiederkehrende  Erscheinung  vorliege,  scheint  bisher  nicht  be¬ 
kannt  gewesen  zu  sein.  Die  lysogenen  Gruppen  der  Antigene 
verschiedener  Tiere  zeigen  offenbar  eine  weitergehende  Ueber- 
einstimmung  im  Baue,  als  nach  der  Stärke  der  spezifischen 
Reaktion  zu  erwarten  wäre.  Die  beschriebene  Erscheinung, 
man  könnte  sie  „h  e  t  e  r  o  1  o  g  e  Reaktion“  nennen,  unter¬ 
liegt  bei  den  verschiedenen  Versuchstieren  wesentlichen  indi- 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


viduellen  Schwankungen,  mehr  als  die  bei  gleicher  Vorbehand¬ 
lung  der  Tiere  ziemlich  konstante  „homologe  Re- 
a  k  t  i  o  n“. 

So  wurden  im  Versuch  VIII  je  zwei  gleich  schwere  Meer¬ 
schweinchen  in  vollkommen  gleicher  Weise  mit  Kaninchen- 
bezw.  Taubenblut  gleicher  Provenienz  behandelt  (M.  48,  49  u. 
50,  51).  Auch  die  Untersuchung  der  Sera  erfolgte  für  jedes 
Tierpaar  mit  dem  gleichen  Erythrozytenmateriale.  Tatsächlich 
unterschieden  sich  die  Sera  der  beiden  Kaninchenbluttiere  in 
Bezug  auf  die  Lösung  von  Kaninchenblut  fast  gar  nicht  von 
einander,  ein  Gleiches  gilt  für  die  beiden  anderen  Meerschwein¬ 
chen  hinsichtlich  der  Lyse  von  Taubenblut.  Die  Zunahme 
des  hämolytischen  Vermögens  für  die  nicht  injizierten  Blut¬ 
arten  war  dagegen  bei  den  beiden  Tieren  eines  jeden  Paares 
in  durchaus  verschiedener  Weise  erfolgt  (qualitativ  und  quanti¬ 
tativ);  namentlich  die  beiden  Taubenbluttiere  zeigen  unter 
einander  grosse  Verschiedenheiten.  Es  liegen  demnach  Diffe¬ 
renzen  in  der  „heterologen  Reaktion“  der  Meerschweinchen 
bei  gleicher  „homologer  Reaktion“  vor.  Auf  den  gleichen  Reiz 
hin  kann  es  bei  der  Bildung  gleicher  Mengen  homologer  Hämo¬ 
lysine  zur  Entstehung  heterologer  Hämolysine  von  verschie¬ 
dener  Art  und  Menge  kommen. 

Auffallende  Befunde  bieten  ferner  die  Meerschweinchen 
45,  46  und  47.  Hier  führte  die  Injektion  von  Schafblut  zur 
Bildung  von  Hämolysinen,  die  auf  Rinder-(und  Schweine  ?)blut 
stärker  lytisch  wirkten  als  das  homologe,  umgekehrt  löste 
das  Serum  eines  mit  Blutgemisch  ohne  Schafblut  behandelten 
Meerschweinchens  letztere  Blutart  fast  ebenso  stark  auf,  wie 
die  injizierten  Blutarten,  ausserdem  stärker  als  das  Serum  der 
beiden  vorgenannten  nur  mit  Schafblut  behandelten  Tiere. 
Letzterer  Umstand  wäre  in  der  Weise  zu  erklären,  dass  das 
Gemisch  der  fünf  Blutarten  eine  absolut  grössere  Menge  von 
den  die  Bildung  von  Schafbluthämolysin  anregenden  Gruppen 
enthielt  als  das  Schafblut  allein,  da  ja  dieses  in  viel  geringerer 
Menge  (Vs)  eingespritzt  worden  war  als  das  Gemisch.  Der 
andere  Befund  dagegen  ist  nach  unseren  gegenwärtigen  Vor¬ 
stellungen  nicht  recht  verständlich.  Ihm  reihen  sich  übrigens 
die  ähnlichen  Befunde  bei  Meerschweinchen  38  und  39  an.  Eine 
Wiederholung  der  Versuche  an  möglichst  grossem  Tier¬ 
materiale  wäre  jedenfalls  erwünscht. 

Ein  ähnliches  Versuchsergebnis  zeigen  die  Protokolle  einer 
Arbeit  von  Bock  [5]  über  Agglutininbildung  mit  Patatyphus- 
und  verwandten  Bakterien.  Ein  Immunserum,  hergestellt  durch 
Behandlung  mit  dem  Stamme  „Bang“  agglutinierte  diesen 
Stamm  bedeutend  schwächer  als  einige  verwandte  Bakterien¬ 
stämme.  Aus  Parallelversuchen  mit  anderen  Immunseren  er¬ 
gibt  sich,  dass  die  Ursache  dieses  Verhaltens  nicht  etwa  in 
einer  schwächeren  Agglutinabilität  des  fraglichen  Stammes 
zu  suchen  ist. 

Solche  Tatsachen  weisen  darauf  hin,  dass  die  Spezifität 
der  die  Empfindlickeit  (Lyse,  Agglutination)  der  Zellen  be¬ 
dingenden  Gruppen  nicht  ohne  weiteres  jener  der  antigenen 
Gruppen  (Lysogene,  Agglutinogene)  gleichzusetzen  ist,'  wofür 
auch  sprechen  würde,  dass  bei  der  Injektion  von  Rinderblut  bei 
den  bisherigen  Versuchen  eine  Umkehrung  der  Erscheinung 
nicht  gesehen  wurde  (Meerschweinchen  27  und  35).  Die  vor¬ 
liegenden  Beobachtungen  sind  zu  den  in  jüngster  Zeit  von 
Bang  und  Forssmann  [6]  erhobenen  Befunden  in  Be¬ 
ziehung  zu  bringen.  Es  gelang  diesen  Autoren  durch  ein 
neues  Verfahren  aus  Erythrozyten  eine  Substanz  darzustellen, 
welche  bei  der  Injektion  immunisierend  auf  die  Versuchstiere 
wirkte,  während  ihr  jedes  Bindungsvermögen  für  die  Ambo¬ 
zeptoren  eines  homologen  Immunserums  fehlte.  Mit  den  we¬ 
sentlichen  Grundlagen  der  Seitenkettentheorie  wären  diese 
Befunde  allerdings  kaum  in  Einklang  zu  bringen. 

Ob  die  nach  Injektion  von  Blutgemischen  auftretende  Im¬ 
munität  für  jede  einzelne  Blutart  durch  die  Wirkung  der  homo¬ 
logen  Erythrozyten  allein  oder  durch  Zusammenwirken  dieser 
und  der  heterologen  Blutkörperchen  zu  stände  kommt,  diese 
Frage  zu  stellen  ist  man  auf  Grund  der  besprochenen  Versuche 
berechtigt.  In  letzterem  Falle  sollte  man  meinen,  dass  das 
Serum  der  mit  Blutgemisch  behandelten  Meerschweinchen  jede 
einzelne  Blutart  stärker  löst  als  das  der  nur  mit  einer  Erythro- 
sentlichen  Grundlagen  der  Seitenkettentheorie  wären  diese 
zytenspezies  injizierten  Versuchstiere.  Einige  Befunde  scheinen 
in  der  Tat  in  diesem  Sinne  zu  sprechen.  Bei  der  Inkonstanz  der 

No.  28. 


1377 


„heterologenReaktion“  der  einzelnenTiere  wäre  dieseErage  mit 
Sicherheit  nur  in  der  Weise  zu  lösen,  dass  eine  grosse  Anzahl 
von  Tieren  einerseits  mit  den  einzelnen  Blutarten,  anderseits 
mit  Gemischen  derselben  behandelt,  die  Wirkung  des  Serums 
genau  festgestellt  und  Durchschnittswerte  berechnet  werden. 
Auch  durch  das  Verfahren  der  elektiven  Absorption  könnte 
man  über  die  spezifischen  Substanzen  der  durch  Blutgemisch¬ 
injektion  erzeugten  Sera  vielleicht  noch  manchen  Aufschluss 
erlangen,  namentlich  darüber,  ob  diese  etwa  aus  verschiedenen, 
einerseits  durch  Injektion  der  homologen,  anderseits  der  hetero¬ 
logen  Blutkörperchen  erzeugten  Anteilen  bestehen.  Entspre¬ 
chende  Versuche  sind  aus  äusseren  Gründen  unterblieben. 

Endlich  sei  noch  auf  die  Tatsache  hingewiesen,  dass  die 
Wirkung  der  Meerschweinchenimmunsera  auf  Kaninchenblut 
nicht  selten  schwächer  war  als  auf  andere  Blutarten.  Die  Stei¬ 
gerung  der  Hämolyse  für  Kaninchenblut  durch  Behandlung  mit 
anderen  Blutarten  blieb  häufig  aus.  Es  ist  möglich,  dass  die 
nahe  Artverwandtschaft  des  Kaninchens  und  Meerschweinchens 
mit  diesem  Verhalten  in  Zusammenhang  steht.  Bekannt  ist  ja 
auch,  dass  es  nicht  gelingt,  durch  Injektion  von  Kaninchen¬ 
serum  bei  Meerschweinchen  Präzipitine  zu  erzeugen.  Meer¬ 
schweinchen  37  zeigte  sich  übrigens  refraktär  nicht  nur  gegen¬ 
über  der  Injektion  von  Kaninchen,  sondern  auch  von  Enten¬ 
blut  (s.  o.) 

Einige  Versuche  über  die  Bildung  von  Agglutininen  bei 
Behandlung  von  Meerschweinchen  mit  mehreren  Bakterien¬ 
arten  bestätigten  Castellanis  Befunde.  Vierundzwanzig- 
stündige  Agarkulturen  von  Choleravibrionen,  Bac.  typhi,  Pro¬ 
teus  und  Staphylokokken  (je *  1 * 3/e  Kultur  subkutan  nach  Abtötung 
durch  Hitze  injiziert)  dienten  zur  Behandlung.  Der  Agglu- 
tinierbaren  Bakterienspezies.  Um  ein  die  übrigen  Bakterienarten 
injizierten  Tieren  ungefähr  derselbe  wie  bei  denen,  die  nur  mit 
einer  Bakterieart  behandelt  waren.  Agglutination  der  Sta¬ 
phylokokken  wurde  auch  durch  zweimalige  Injektion  in  keinem 
Falle  erreicht,  sie  gehören  bekanntlich  zu  den  schwerer  agglu- 
tinierbaren  Bakterienspezies.  Um  ein  die  übrgien  Bakterienarten 
agglutinierendes  Serum  zu  erzielen  genügten  in  der  Regel  1 — 2 
Injektionen.  Die  Agglutinine  traten  nach  der  1.  oder  2.  Ein¬ 
spritzung  auf,  u.  zw.  bei  den  Meerschweinchen,  welche  Bak¬ 
teriengemische  erhalten  hatten,  gleichzeitig  für  alle  3  Arten,  in 
einem  Falle  fehlten  sie  auch  nach  der  2.  Injektion. 

Die  angeführten  Versuche  bestätigen  demnach  die  Unter¬ 
suchungen  Castellanis  und  erweitern  dieselben  in  der 
Richtung,  als  nachgewiesen  wurde,  dass  nicht  nur  aggluti¬ 
nierende,  sondern  auch  hämolytische  Antikörper  gegen  mehrere 
Antigene  gleichzeitig  gebildet  werden  können,  dass  also  die 
Konkurrenz  der  Antikörper  praktisch  keine  wesentliche  Rolle 
spielt. 

Sollte  es  daher  künftig  in  ausgedehnterem  Masse  als  bisher 
möglich  und  wünschenswert  sein,  beim  Menschen  oder  bei  den 
Haustieren  mehrere  prophylaktische  Impfverfahren  neben¬ 
einander  zur  Anwendung  zu  bringen,  so  lassen  die  Resultate 
der  vorliegenden  Versuche  es  hoffen,  dass  der  Wert  des  einen 
Schutzimpfungsverfahrens  durch  die  gleichzeitige  Durchführung 
eines  oder  mehrerer  anderer  nicht  beeinträchtigt  wird. 

Literatur: 

1.  Wendelstadt:  Zentralbl.  f.  Bakt.  1902,  I,  Bd.  31,  pag.  469. 
—  2.  Castellani:  Zeitschr.  f.  Hygiene,  1902,  Bd.  40,  pag.  1.  — 
3.  Friedberger:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1904.  ■ —  4.  Michaelis: 
Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  1905,  Bd.  56,  pag.  409.  —  5.  Bock:  Arb. 
a.  d.  Kais.  Ges.-A.,  1906,  Bd  24,  pag.  238.  —  6.  Bang  und  Forss- 
man:  Hofmeisters  Beitr.,  1906,  Bd.  8,  pag.  238. 


Aus  der  med.  Klinik  zu  Greifswald  (Professor  Moritz). 

Ausscheidung  „endogener“  Harnsäure  im  Gichtanfail. 

Von  Franz  Soetbeer. 

Bei  dem  Patienten  D.  habe  ich  im  Juni  1904  *)  die  Harn¬ 
säureausscheidung  im  Gichtanfall  untersucht.  Ich  teile  die 
Untersuchung  mit,  weil  nur  eine  weitere  ähnliche  von 
B  r  u  g  s  c  h  9  bekannt  ist.  In  meinem  Falle  lagen  die  Anfalls¬ 
verhältnisse  für  die  Beobachtung  günstiger,  auch  fehlt  bei 
B  r  u  g  s  c  h  die  Beobachtung  von  Stundenwerten, 

*)  Die  Publikation  hat  sich  aus  äusseren  Gründen  verzögert. 

1)  Th.  Brugsch:  Zur  Stoffwechselpathologie  der  Gicht.  Zeit¬ 

schrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie,  1906,  Bd.  2,  619» 

3 


1378 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Nach  einer  schweren  Qichtattacke  im  Februar  hatte  sich  der 
Zustand  des  Pat.  wesentlich  gebessert,  er  genoss  eine  anfallsfreie 
Periode  von  mehreren  Monaten.  Anfang  Juni  bekam  er  wieder 
leichte  Anfälle  von  2  Tage  Dauer  in  der  Hand,  den  Zehen,  dem  Knie. 
Leichte  Rötung  und  Schwellung,  etwas  Schmerz,  dann  wieder  Wohl¬ 
befinden.  Auffallend  waren  die  regelmässigen  Intervalle.  Ich  be¬ 
nutzte  die  Kenntnis  dieser  Verhältnisse  um  die  Harnsäureausscheidung 
in  3  Stundenwerten  bei  fleischhaltiger  und  fleischfreier  Kost  vor, 
in  und  nach  dem  Anfall  zu  studieren. 

In  einer  früheren  Arbeit 2)  habe  ich  zu  zeigen  versucht,  dass 
das  charakteristische  der  Harnsäurestundenwerte  bei  Qichtikern  ihr 
regelloses,  von  der  Fleischaufnahme  unabhängiges  Schwanken  ist, 
während  die  Harnsäurekurve  der  Gesunden,  wie  Pfeil3)  gezeigt 
hat,  einen  bestimmten,  von  der  Fleischaufnahme  abhängigen  Typus 
zeigt. 

Wir  sehen  nun  mit  Hilfe  der  Tabelle  und  Kurvenzeichnung,  wo 
die  Harnsäure  in  3  Stundenwerten  und  Grammen  aufgetragen  ist, 
zunächst  denselben  planlosen  Ausscheidungsverlauf,  den  wir  schon 
an  unseren  früheren  Fällen  in  anfallsfreier  Zeit  beobachtet  haben. 
Weiter  aber  fällt  hier  bei  einem  Blick  auf  die  Kurve  auf,  dass  die 

Tab 


Tagesmengen  nicht  abhängig  sind  von  der  Fleischaufnahme  wie  beim 
Gesunden,  sondern  ausschliesslich  von  ihrem  Verhältnis  zum  Anfall. 
Wir  haben  Tage  mit  250  g  Fleischaufnahnle,  wie  den  27.  Juni 
mit  nur  0,118  g  Harnsäureausscheidung  und  Tage  ohne  Fleisch  mit 
0,320  g  Harnsäureausscheidung. 

Am  23.  Juni  beginnt  in  der  Zeit  von  3—6  Uhr  morgens  ganz 
unmotiviert  die  starke  Ausscheidung  und  am  nächsten  Tag,  ein 
Fleischtag,  ist  der  Anfall  da.  Man  könnte  bei  oberflächlicher  Be¬ 
trachtung  versucht  sein  die  Steigerung  mit  der  Fleischaufnahme  in 
Verbindung  zu  bringen,  wenn  nicht  glücklicherweise  der  Anstieg 
der  Ausscheidung  schon  6  Stunden  vor  der  ersten  Fleischaufnahme 
erfolgt  wäre.  Die  Ausscheidung  sinkt  am  nächsten  fleischfreien  Tag 
auf  0,177  g,  um  am  übernächsten,  ebenfalls  fleischfreien  Tag  rapide 
noch  einmal  anzusteigen  auf  0,320  g.  Ein  eingefügter  Fleischtag  zeigt, 
dass  die  Fleischnahrung  ohne  jede  Wirkung  ist  (0,118  g),  die  Aus¬ 
scheidung  geht  ihren,  von  ganz  unbekannten  Faktoren  abhängigen 
Gang.  Am  30.  beginnt  bei  fleischfreier  Kost  ein  neuer  Anfall,  die 
Harnsäurekurve  steigt  in  regelloser  Form  von  59  mg  bis  zu  291mg 
in  die  Höhe.  2  Tage  darauf  ist  die  Ausscheidung  wieder  auf  mini¬ 
malste  Werte  gesunken. 

eile. 


Datum 

21.  VI. 

22.  VI. 

23.  VI. 

24.  VI. 

25.  VI. 

26.  VI. 

27.  VI. 

28.  VI. 

29.  VI. 

30.  VI. 

1.  VII. 

2.  VII. 

3.  VII. 

Nahrung 

250  g 
Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

3  mal 
100  g  Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

250  g  Fleisch 
1/ 2  PI.  Rotw.' 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

Ohne 

Fleisch 

D  in  g 

Ü  in  g 

Ü  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

0  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

U  in  g 

9  U.  Vorm. 

12  „  Mittag 

3  v  Naclmi. 

6  „  Nachm. 

9  „  Nachm. 
12  „  Mittern. 
3  „  Vorm. 

6  v  Vorm. 

0,017 

0,017 

0,013 

0,057 

0,064 

0,024 

0,016 

0,007 

0,003 

0,002 

0,007 

0,005 

0,015 

0,006 

0,007 

0,004 

0,027 

0,005 

0,021 

0,012 

0,006 

0,003 

0,004 

0,050 

0,041 

0,049 

0,029 

0,031 

0,024 

0,038 

0,045 

0,006 

0,017 

0,036 

0,020 

0,035 

0,007 

0,013 

0,014 

0,035 

0,026 

0,044 

0,053 

0,051 

0,039 

0,038 

0,016 

0,053 

0,016 

0,005 

0,007 

0,012 

0,007 

0,009 

0,048 

0,014 

0,016 
0,033 
0,018 
0,026 
0,019 
>  0,029 
0,030 
0,021 

0,002 

0,009 

0,004 

0,006 

0,013 

0,008 

0,005 

0,012 

0,011 

0,040 

0,031 

0,006 

0,018 

0,004 

0,013 

0,030 

0,030 

0,058 

0,059 

0,027 

0,037 

0,030 

0,029 

0,021 

0,009 

0,013 

0,038 

0,007 

0,015 

0,046 

0,041 

0,002 

0,003 

0,003 

0,006 

0,004 

Tagesmenge 

0,215 

0,049 

0,128 

0,263 

0,177 

0,320 

0,118 

0,192 

0,059 

0,152 

0,291 

0,171 

— 

Fleischtage. 
Fleischfreie  Tage. 


tischer  Lehren  für  die  praktische  Diätetik.  Auch  Noorden1) 
warnt  in  seiner  neuesten  Darstellung  dieser  Verhältnisse  vor 
einseitiger  Begünstigung  fleischfreier  Nahrung  für  Gich- 
tiker. 


Ueber  ein  Asthma-Inhalationsmittei  nach  Professor 
Dr.  Alfred  Einhorn. 

Von  Dr.  Friedrich  Schaefer,  Spezialarzt  für  Nasen- 
und  Halskrankheiten  in  München. 

Durch  die  starke  Atemnot  beim  Asthmaanfall  entsteht  beim 
Patienten  häufig  die  Vorstellung,  es  müsse  in  den  oberen  Luft¬ 
wegen  ein  Hindernis  für  seine  Respiration  liegen  und  deshalb 
sucht  er  Hilfe  bei  den  Laryngologen.  So  kommt  es,  dass  wir 
Halsärzte  unter  unserer  Klientel  so  viele  Asthmatiker  zu  be¬ 
handeln  haben. 

Mögen  auch  viele  Fälle  von  Asthma  bronchiale  durch 
Reflexerscheinungen:  Nasenpolypen,  Tubercula  septi,  Granu¬ 
lationen  usw.,  ausgelöst  und  so  unserer  chirurgischen  Behand¬ 
lung  zugänglich  sein,  mögen  manche  Fälle  auf  Arsenik-  oder 
Jodbehandlung  günstig  reagieren,  so  bleibt  doch  ein  grosser 
Prozentsatz  der  Fälle  übrig,  die  wir  ausserstande  sind,  zu 
bessern,  geschweige  denn  temporär  zu  heilen. 


Der  Versuch  zeigt,  dass  vor  einem  Gichtanfall  die  Fleisch¬ 
aufnahme  die  Harnsäure  nicht  so  beeinflusst  wie  beim  Ge¬ 
sunden,  die  Ausscheidungskurve  bleibt  niedrig.  Ferner  aber 
auch,  und  das  ist  das  Neue  und  Wichtige,  dass  die  Harnsäure¬ 
ausscheidung  im  Anfall  stark  ansteigt,  bei  völlig  fleischfreier 
Kost.  Auch  hier  ist  die  Form  der  Ausscheidungskurve  ganz 
unabhängig  von  der  Nahrungsaufnahme  und  gleicht  in  keiner 
Weise  der  Ausscheidungskurve  der  Gesunden  mit  fleischfreier 
Kost. 

Unsere  Beobachtung  der  Steigerung  der  Harnsäureaus¬ 
scheidung  im  Gichtanfall  bei  fleischfreier  Kost  ist  für  den  Prak¬ 
tiker  eine  Warnung  vor  der  doktrinären  Verwertung  theore- 


Auch  klimatische,  wie  Anstalts-  und  Bäderbehandlung 
lässt  nur  zu  häufig  im  Stich,  zumal,  wenn  der  Patient  wieder 
an  seinen  Wohnort  und  in  seinen  alten  Wirkungskreis  zuriick- 
kehrt. 

Vor  5—6  Jahren  tauchte  nun  ein  Geheimmittel  aus  Amerika 
auf,  das  mit  dem  sogen.  Oelzerstäuber  von  der  Nase  aus  in¬ 
haliert  und  von  einem  gewissen  A.  T  u  c  k  e  r,  „General¬ 
direktor“,  vertrieben  wurde.  Dieses  Geheimmittel  wirkte  in 
den  meisten  Fällen  äusserst  günstig  und  ging  trotz  aller  ärzt¬ 
lichen  Warnungen  vor  Geheimmitteln  rasch  durch  Empfehlung 
von  Patient  zu  Patient.  Heute  gibt  es  wohl  kaum  einen 
schweren  Asthmatiker,  der  nicht  den  Tuck  ersehen  Apparat 
in  der  Tasche  bei  sich  führt. 


4)  Noor  den:  Handln  d.  Path.  d.  Stoffwechsels.  Berlin  1907, 
Bd.  II,  S.  181. 


s)  Soetbeer:  Zeitsclir.  f.  pliys.  Chemie,  Bd.  40,  S.  25. 

3)  Pfeil:  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie,  Bd.  40,  S.  1. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1379 


9.  Juli  1 907. 


War  für  uns  Aerzte  bei  der  reklamenhaften  Anpreisung  des 
Qeheimmittels  (das  zu  unmässig  hohem  Preise  mit  dem 
schablonenhaftesten  Fragebogen  dem  Patienten  zngesandt  wird) 
eine  Empfehlung  desselben  völlig  ausgeschlossen,  so  war  aber 
auch  die  Pflicht  uns  erwachsen,  das  Mittel  zu  prüfen  und  unter¬ 
suchen  zu  lassen,  um  eventuell  daraus  für  unser  therapeutisches 
Handeln  Vorteile  zu  gewinnen  und  so  dem  Geheimmittel¬ 
schwindel  am  besten  steuern  zu  können. 

Damals  wendete  ich  mich  an  Prof.  Einhorn  mit  der 
Bitte,  das  Mittel  zu  analysieren. 

Die  Resultate  dieser  Untersuchung  hat  Prof.  Einhorn 
in  einer  Arbeit  der  letzten  Nummer  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  niedergelegt. 

Wie  dort  ersichtlich,  waren  die  therapeutischen  Erfolge 
anfangs  sehr  wenig  ermunternd,  so  dass  ich  immer  wieder 
Zweifel  hegte,  ob  nicht  doch  in  dem  Mittel  eine  bisher  un¬ 
bekannte  Substanz  enthalten  sei,  welche  die  souveräne  Wir¬ 
kung  auf  den  Anfall  ausübe. 

Erst  als  Prof.  Einhorn  die  Nitrite  des  Kokains  und 
Atropins,  die  er  im  T  u  c  k  e  r  sehen  Geheimmittel  in  Lösung 
fand,  in  reinem  Zustande  darstellte  und  mir  Lösungen  von 
diesen  bis  jetzt  unbekannten  Salzen  zur  therapeutischen  Prü¬ 
fung  zur  Verfügung  stellte,  änderte  sich  das  Resultat  mit  einem 
Schlage. 

Seit  etwa  3  Jahren  steht  mir  durch  ihn  eine  Lösung  von: 

Kokainnitrit .  1,028  Proz. 

Atropinnitrit . 0,581  „ 

Glyzerin . 32,16  „ 

Wasser  .  66,23  „ 

zur  Verfügung.  Ich  habe  diese  Inhalationslösung  bei  25  bis 
30  Kranken  therapeutisch  geprüft  und  dabei  so  ziemlich  die 
gleichen  Resultate  erhalten,  wie  man  sie  bei  Gebrauch  des 
T  u  c  k  e  r  sehen  Geheimmittels  sieht. 

Das  Inhalationsmittel  (das  ja  im  wesentlichen  dasselbe  ent¬ 
hält,  wie  viele  unserer  Asthmamittel  (Salpeterpapiere,  Stra- 
monium,  Asthmazigaretten,  T  rousseau  sehe  Kur  etc.  [Atro¬ 
pin  und  Nitrite])  muss  vor  allem  richtig  gebraucht  werden. 

Die  Anwendungsweise  ist  bekanntermassen  die,  dass  der 
Patient,  sobald  er  merkt,  dass  ein  Asthmaanfall  einsetzen  will, 
den  Oelzerstäuber  mit  Nasenansatzrohr  nimmt  und  während 
einiger  tiefen  Inspirationen  das  durch  rasches  kräftiges  Drücken 
auf  den  Gummiballon  zerstäubte  Mittel  durch  die  Nase  ein¬ 
saugt,  so  dass  der  ganze  Respirationstraktus  herunter  bis  in 
die  Bronchien  in  direkte  Berührung  mit  dem  krampfstillenden 
Medikament  kommt. 

Hat  das  beengende  Gefühl  nicht  ganz  aufgehört,  so  wird 
nach  einer  halben  bis  einer  Stunde  von  neuem  diese  Mani¬ 
pulation  wiederholt,  bis  der  Krampf  geschwunden  ist. 

In  den  meisten  Fällen  ist  nach  ein-  bis  zweimaligem  In¬ 
halieren  schon  eine  wesentliche  Erleichterung  eingetreten  und 
der  Anfall  kommt  nicht  mehr  zum  Ausbruch. 

Die  Fälle,  in  denen  zunächst  kein  therapeutischer  Erfolg 
eintrat,  zeigten  jedesmal  bei  näherer  Untersuchung,  dass  der 
Fehler  nicht  im  Mittel,  sondern  in  seiner  Anwendung  zu 
suchen  sei. 

Oft  hat  der  Patient  mit  dem  Einatmen  erst  begonnen,  als 
der  Anfall  schon  völlig  ausgebildet  war;  dann  sind  die  Lungen 
schon  so  gebläht,  dass  eine  tiefe  Einatmung  nicht  mehr  recht 
möglich.  Es  kann  das  Mittel  dann  auch  nur  schwer  und 
langsam  dahin  kommen,  wo  es  krampfstillend  wirken  soll. 

Oder  der  Patient  bringt  das  Einatmen  durch  die  Nase 
nicht  recht  fertig.  Lässt  man  sich  diese  Manipulation  vom 
Patienten  in  der  Sprechstunde  vorexerzieren,  so  sieht  man  erst, 
wie  ungeschickt  das  ausgeführt  wird.  Manche  Patienten  zer¬ 
stäuben  das  Mittel  genau  während  der  Exspiration,  oder 
drücken  während  einer  langen  Inspiration  einmal  schwach  auf 
den  Gummiballon,  so  dass  sie  so  gut  wie  gar  nichts  inhalieren 
können. 

Schwere  Asthmatiker  muss  man  veranlassen,  das  Mittel 
regelmässig  morgens  und  abends,  eventuell  auch  nachts  einmal 
anzuwenden.  Eine  Heilung  des  Asthma  wird  mit  dem  Mittel 
natürlich  ebenso  wenig  erzielt,  als  mit  dem  Tuck  ersehen 
Mittel  selbst,  wenn  es  auch  dort  reklamehaft  behauptet  wird, 
denn  es  kann  nur  krampfhemmend  wirken.  Wenn  ein  zu 
starken  Asthmaanfällen  neigender  Patient  eben  das  Mittel 


längere  Zeit  aussetzt,  so  wird  sich  auch  mit  der  Zeit  ein  Anfall 
wieder  einstellen. 

Wird  aber  das  Mittel  rechtzeitig  und  richtig  gebraucht, 
so  leistet  es  das  Gleiche  wie  das  T  u  c  k  e  r  sehe. 

Besonders  lehrreich  waren  deshalb  die  Versuche  mit 
Patienten,  die  schon  jahrelang  vorher  das  T  u  c  k  e  r  sehe  Mittel 
angewendet  hatten  und  die  natürlich  an  ein  anderes  Mittel, 
das  vor  allem  nicht  die  gleiche  dunkle  Farbe  (wahrscheinlich 
Beimischung  eines  Pflanzenextraktivstoffes)  wie  ihr  alt¬ 
gewohntes  Geheimmittel  bot,  nicht  recht  heranwollten.  Sie 
alle  fanden  schliesslich,  dass  das  neue  Mittel  ebenso  gegen  den 
Krampf  wirke,  wenn  auch  vielleicht  der  eine  einmal  fand,  dass 
es  nicht  ganz  so  rieche,  der  andere,  dass  es  den  Husten  etwas 
später  löse.  Patienten,  die  zuerst  längere  Zeit  das  Einhorn- 
sche  Mittel  anwandten  und  dann  dazwischen  das  T  u  c  k  e  r  sehe 
bekamen,  waren  dagegen  wieder  etwas  skeptisch  gegen  das 
Geheimmittel  und  griffen  lieber  auf  das  Einhorn  sehe  zu¬ 
rück. 

Es  macht  eben  bei  dem  Asthmatiker,  der  ja  immer  neuro- 
pathisch  veranlagt,  die  Suggestion  manches  mit  aus  und  diese 
steht  einem  Geheimmittel  in  erster  Linie  zu  Gebote. 

Alle  Patienten  mit  schweren  Asthmaanfällen,  die  das 
Einhorn  sehe  Mittel  erprobten,  kamen  immer  und  immer 
wieder  darauf  zurück  und  manche  wenden  es  jetzt  schon 
3  Jahre  mit  völligem  Erfolg  an,  insoferne  sie  dadurch  die  Mög¬ 
lichkeit  besitzen,  jeden  Anfall  zu  unterdrücken  oder  nicht  auf- 
kommen  zu  lassen. 

Die  Untersuchungen  Einhorns  konnten  aber  von  neuem 
zeigen,  dass  auch  dieses  Geheimmittel  gar  keine  so  harmlosen 
indifferenten  Stoffe  enthält  und  unter  Umständen  —  in  falscher 
Weise  gebraucht  —  schwere  Vergiftungen  hervorrufen  könnte. 

Ueberhaupt  wird  ja  jedem  Arzt  zunächst  das  Bedenken 
kommen,  ob  nicht  ein  Mittel,  das 

1  Proz.  Kokain  und 
1/2  „  Atropin 

enthält,  akute  Vergiftungen  hervorrufen  könnte.  Nach  genauen 
Angaben  von  Prof.  Einhorn  wird  aber  mit  einem  guten  Oel¬ 
zerstäuber  in  3  Minuten  höchstens 


0,000348  . Atropinnitrit  und 

0,000620  . Kokainnitrit 


zerstäubt,  was  also  um  das  Mehrfache  unter  der  Einzelmaximal¬ 
dosis  bleibt. 

Gewöhnlich  wird  nun  2 — 3  mal  täglich  auf  jeder  Nasen¬ 
hälfte  während  3—5  tiefen  Atemzügen,  d.  i.  also  10  Atemzüge, 
kräftig  inhaliert.  Zu  10  tiefen  Atemzügen  braucht  man  aber 
im  äussersten  Falle  50  Sekunden,  d.  i.  im  Tage  also  3  mal 
50  =  150  Sekunden  —  2%  Minuten.  In  dieser  Zeit  wird  im 
Maximum  nur  0,000517  g  Kokainnitrit  und  0,000290  g  Atropin¬ 
nitrit  versprayt,  während  die  Maximaldosen  für  Cocain,  hydro- 
chlor.  0,05  und  für  Atropin,  sulfur.  0,001  pro  Einzeldosis  be¬ 
tragen. 

Wenn  man  ferner  bedenkt,  dass  bei  dem  Inhalieren  ein 
grosser  Teil  des  inhalierten  Medikamentes  bei  der  nächsten 
Exspiration  unresorbiert  die  Lunge  verlässt,  so  wird  man  wohl 
einsehen,  dass  keine  akuten  Vergiftungserscheinungen  eintreten 
können,  dagegen  wird  man  sich  wundern,  dass  schon  so  ge¬ 
ringe  Mengen,  auf  die  Respirationsschleimhaut  gebracht,  im¬ 
stande  sind,  den  Krampf  zu  lösen. 

Atmet  einmal  ein  Kranker  in  der  Angst  vor  dem  Anfall 
übermässig  viel  und  lang  ein,  so  wird  sich  zunächst  ein 
Trockenheitsgefühl  im  Rachen  bemerkbar  machen  und,  hat  man 
ihn  vorher  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  dieses  T  rocken- 
heitsgefühl  das  erste  Anzeichen  von  einem  zuviel  des  Guten  sei, 
so  wird  eine  akute  Vergiftung  sicher  zu  vermeiden  sein. 

Eine  andere  Frage  ist  die,  ob  der  chronische  Gebrauch 
selbst  von  so  geringen  Mengen  Atropin  und  Kokain  nicht 
schliesslich  doch  schädigend  auf  den  Gesamtorganismus  ein¬ 
wirkt. 

Ich  kenne  Fälle,  wo  das  T  u  c  k  e  r  sehe  Mittel  schon  5  bis 
6  Jahre  ohne  nachweisliche  Schädigung  täglich  gebraucht 
wurde.  Schliesslich  ist  in  verzweifelt  schweren  Fällen  das 
kleine  Uebel  dem  grösseren  vorzuziehen. 

Jedenfalls  müssen  wir  Aerzte  es  freudigst  begriissen,  dass 
wir  durch  die  Einhorn  sehe  Untersuchung  ein  Mittel  an  der 

3* 


1380 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Hand  haben,  das  im  stände  ist,  sicher  das  Gleiche  zu  leisten, 
wie  das  T  11  c  k  e  r  sehe  Geheimmittel. 

Vielleicht  lässt  der  eine  oder  andere  Kollege  sich  auch  zur 
weiteren  Prüfung  herbei,  um  so  den  armen  Asthmatikern  zu 
helfen  und  dem  Geheimmittelschwindel  zu  steuern. 


Aus  der  chirurgischen  und  orthopädischen  Heilanstalt  des 
Dr.  Langemak  zu  Erfurt. 

Zur  Thiosinaminbehandlung  der  Dupuytren  sehen 

Faszienkontraktur. 

Von  Dr.  Langemak. 

Nachdem  H  e  b  r  a  im  Jahre  1892  das  Thiosinamin  in  die 
Therapie  eingeführt  und  T  e  1  e  k  y  dieses  Mittel  auf  Grund  der 
von  ihm  erzielten  Erfolge  für  geeignete  Fälle  empfohlen  hatte, 
war  es  ein  Verdienst  Lengemanns,  darauf  hinzuweisen, 
dass  auch  das  Malum  Dupuytren  günstig  durch  Thiosinaminein- 
spritzungen  beeinflusst  werden  kann,  wenn  man  die  Behand¬ 
lung  durch  Massage,  passive  Streckungen,  warme  Bäder  und 
Auflegen  von  Thiosinaminpflastermull  unterstützt. 

Lengemann,  welcher  über  Dauererfolge  von  über 
einem  Jahr  berichten  konnte,  ging  in  der  Weise  vor,  dass  er 
täglich  mittelst  P  r  a  v  a  z  scher  Spritze  1  ccm  einer  Lösung  von 
Thiosinamin  2,0,  Glyzerin  4,0,  Aqu.  dest.  14,0 — (10  Proz.)  in 
die  Infiltrate  und  deren  Umgebung  injizierte,  wobei  er  immer 
die  Einstichstelle  in  gesunder  Haut  wählte.  Dass  auch  grössere 
Dosen  vertragen  werden,  beweist  eine  Mitteilung  J  e  1 1  i  n  e  k  s, 
welcher  anfangs  in  kleineren,  später  in  grösseren  Intervallen 
Injektionen  von  2 — 5  Teilstrichen  einer  P  r  a  v  a  z  sehen  Spritze 
einer  15  proz.  alkoholischen  Thiosinaminlösung  direkt  in  die 
verhärteten  Knoten  und  Stränge  der  kranken  Palmarfaszie 
unter  Chloräthyl-  oder  Kokainanästhesie  applizierte.  M  e  1 1  i  n 
benutzte  sogar  manchmal  Lösungen  von  20  proz.  Konzen¬ 
tration. 

Trotz  der  guten,  einwandfrei  beobachteten  Erfolge  haftet 
der  Methode  zunächst  der  eine  grosse  Nachteil  an,  dass  die 
Behandlung  eine  sehr  langwierige  ist;  denn  Jellinek,  wel¬ 
cher  freilich  keine  andere  Therapie  zur  Unterstützung  an¬ 
wendete,  musste  die  Behandlung  fast  ein  Jahr  durchführen,  um 
einen  vollen  Erfolg  zu  erreichen.  Auch  Lengemann  musste 
in  einem  Fall  28  Injektionen  machen,  um  zum  Ziele  zu  kommen. 
Immer  zog  sich,  auch  in  den  leichteren  Fällen,  die  Behandlung 
über  Monate  hin.  Lengemann  selbst  glaubt,  dass  wirklich 
schwere  Fälle  bei  der  Thiosinaminbehandlung  grosse  Anfor¬ 
derungen  an  die  Geduld  stellen  würden. 

Ein  weiterer  Nachteil  der  Methode  ist  die  Schmerzhaftig¬ 
keit  der  Einspritzungen.  Selbst  wenn  man  die  wässerige  Lö¬ 
sung  benutzt,  der  im  Gegensatz  zur  alkoholischen  Lösung  nach¬ 
gesagt  wird,  dass  sie  fast  keine  Schmerzen  macht,  und  selbst 
wenn  man  die  von  Lengemann  empfohlene  vorangehende 
Injektion  von  lA  ccm  1  proz.  Kokainlösung  zur  Schmerzherab¬ 
setzung  anwendet,  wird  in  den  meisten  Fällen  doch  die  Ein¬ 
spritzung  in  das  narbige  Gewebe  so  schmerzhaft  empfunden, 
dass  die  Patienten  nach  der  ersten  Einspritzung  oder  nach 
einigen  auf  die  weitere  Behandlung  verzichten  oder  eine  weitere 
Einspritzung  verweigern.  Meine  Erfahrungen  decken  sich  in 
dieser  Beziehung  mit  denen  Lexers,  welcher  in  der  Freien 
Vereinigung  der  Chirurgen  Berlins  mitteilte,  dass  die  nach  der 
Injektion  auftretenden  Schmerzen  meist  sehr  erheblich  ge¬ 
wesen  seien,  ja  die  vollständige  Durchführung  der  Kur  un¬ 
möglich  gemacht  hätten. 

Durch  die  Weigerung  eines  Patienten,  weitere  Ein¬ 
spritzungen  machen  zu  lassen,  wurde  ich  zu  einer  Methode  ge¬ 
führt,  die  beide  Nachteile,  die  bisher  der  Methode  anhafteten, 
verringern,  wenn  auch  nicht  vollkommen  beseitigen,  da  man 
mit  wenigen,  manchmal  sogar  mit  einer  Einspritzung  aus¬ 
kommt. 

Ich  brachte  die  Hand  des  Patienten,  bei  dem  ich  2  ccm  einer 
10  proz.  wässerigen  Lösung  injiziert  hatte,  einige  Tage  für  eine 
Stunde  in  den  Heissluftkasten,  um  das  Narbengewebe  aufzuweichen, 
und  massierte.  Als  ich  am  4.  Tage  mit  passiven  Streckversuchen 
begann,  fühlte  und  hörte  ich  bei  langsam  und  schonend  angewandtem 
manuellem  Zuge  plötzlich  die  Narbenstränge,  welche  den  Finger  in 
die  Hohlhand  eingekrallt  fixierten,  nachgeben  und  zerreissen.  Jeden 
Tag  wurde  nun  nach  einem  Heissluftbade  der  Finger  weiter  passiv 
gestreckt,  wobei  fast  immer  unter  Krachen  Narbenstränge  durch- 


rissen,  und  schon  am  10.  Tage  war  der  Finger  vollkommen  gerade; 
nur  das  Grundglied  blieb  bei  der  Streckung  noch  um  5 — 10  Grad 
zurück.  Der  Patient,  ein  62  jähriger  Steuereinnehmer,  der  wieder 
in  seinen  Dienst  musste,  konnte  sich  nicht  weiter  behandeln  lassen; 
ich  empfahl  ihm  deshalb,  um  die  Beweglichkeit  des  Fingers  weiter 
zu  bessern,  täglich  einmal  ein  recht  heisses  Seifenbad  der  Hand  zu 
geben  und  nachts  meine  Jute-Flies-Verbände  anzulegen.  Nach  4 
Wochen  sah  ich  den  Patienten  wieder;  der  Finger  konnte  aktiv  voll¬ 
kommen,  passiv  sogar  überstreckt  und  in  normaler  Weise  gebeugt 
werden.  Die  Dankbarkeit  des  Patienten  war  eine  grosse,  denn  das 
Leiden,  welches  vor  18  Jahren  begonnen  hatte  und  nicht  nur  zur 
vollkommenen  Krummstellung  des  rechten  3.  Fingers  geführt,  sondern 
auch  allmählich  die  anderen  Finger  der  Hand  in  Mitleidenschaft  ge¬ 
zogen  hatte,  belästigte  den  Träger  beim  Geldzählen  ungemein. 

Ich  konnte  mich  anfangs  noch  nicht  so  sehr  mitfreuen,  da  ich 
den  Dauererfolg  abwarten  musste.  Heute  aber,  nachdem  fast  3  Jahre 
seit  der  Behandlung,  die  im  Juli  1904  stattfand,  vergangen  sind,  kann 
man  wohl  von  einem  Dauererfolge  sprechen.  Auch  jetzt  noch  ist  der 
Finger  vollkommen  funktionsfähig.  Patient  badet  die  Hand  mehr¬ 
mals  wöchentlich  in  warmem  Seifenwasser  und  biegt  täglich  mehr¬ 
mals  den  Finger  in  leichte  Ueberstreckung. 

Ermutigt  durch  diesen  Erfolg  habe  ich  nun  nach  der  gleichen 
Methode,  natürlich  unter  der  für  die  individuelle  Behandlung 
des  Einzelfalles  nötigen  Modifikation,  noch  weitere  6  Fälle  be¬ 
handelt,  darunter  3  schwere  und  3  leichteren  Grades. 

Um  nicht  durch  ausführliche  Krankengeschichten  zu  er¬ 
müden,  möchte  ich  nur  kurz  die  Erfahrungen,  die  ich  bei  der 
Behandlung  dieser  Fälle  gesammelt  habe,  und  die  nötigen  Vor- 
sichtsmassregeln  mitteilen,  die  ich  aus  denselben  als  notwendig 
ableiten  konnte; 

Wenn  es  sich  um  empfindliche  Kranke  handelt,  ist  es  rat¬ 
sam,  sowohl  die  Einspritzung  als  auch  die  erste  Sprengung 
der  Narbenstränge  im  ersten  Aetherrausch  vorzunehmen,  und 
wenn  eine  zweimalige  Anwendung  des  Rausches  wegen  des 
Alters  des  Patienten  oder  aus  anderen  Gründen  nicht  ratsam 
erscheint,  so  empfehle  ich,  lieber  die  Einspritzung  im  Rausch 
vorzunehmen,  da  mir  die  Patienten,  bei  denen  ich  die  Spren¬ 
gung  ohne  Betäubung  langsam  vornahm,  versicherten,  dass  der 
Schmerz  der  Einspritzung  viel  grösser  gewesen  sei,  als  der  bei 
der  gewaltsamen  Dehnung  empfundene.  Hat  die  Thiosinamin¬ 
lösung  im  Verein  mit  der  Erweichung  durch  heisse  Luft  das 
Narbengewebe  genügend  lange  beeinflusst,  so  gelingt  oft  die 
Geraderichtung  des  Fingers  bei  Anwendung  des  Rausches 
schon  in  einer  Sitzung.  Hat  aber  das  Leiden  bei  jugendlichen 
Individuen  begonnen,  und  kommen  die  Patienten  bei  Fort¬ 
schreiten  der  Kontraktur  Ende  der  Zwanziger  oder  Anfang  der 
Dreissiger  in  die  Behandlung,  so  hat  man  ausser  der  narbigen 
Kontraktur  mit  einer  arthrogenen  zu  rechnen;  in  diesen  Fällen 
setzt  die  Inkongruenz  der  Gelenkflächen  der  vollkommenen 
Streckung  zuweilen  solche  Hindernisse  entgegen,  dass  es  noch 
einer  längeren  Behandlung  durch  kleine  Schienenapparate  und 
andere  orthopädische  Massnahmen  bedarf,  bis  die  völlige 
Streckfähigkeit  erreicht  ist. 

Sieht  man,  dass  man  nicht  mit  einer  Injektion  auskommt, 
so  kann  man  eine  zweite  ohne  Aetherrausch  vornehmen,  da 
der  Kranke  bei  der  ersten  keine  Schmerzen  empfunden  hat  und 
nicht  ängstlich  geworden  ist.  Ausserdem  pflegt  die  zweite  Ein¬ 
spritzung  schon  weniger  Schmerzen  zu  bereiten,  da  das  Ge¬ 
webe  bereits  gelockert  ist  und  die  injizierte  Flüssigkeit  infolge¬ 
dessen  keinen  so  grossen  Druck  auf  das  Gewebe  ausübt.  Eine 
zweite  oder  dritte  Einspritzung  ist  oft  auch  aus  prophylak¬ 
tischen  Gründen  in  den  Fällen  wünschenswert,  in  denen  die 
Geraderichtung  in  einer  Sitzung  gelang,  da  die  Knoten  selten 
nach  einer  einzigen  Injektion  völlig  verschwinden  und  den  An¬ 
lass  zu  einem  Rezidiv  geben  können.  Auch  in  den  Fällen,  die 
zu  den  leichteren  zu  rechnen  sind,  weil  nur  das  Grundglied  in 
mässigem  Grade  an  die  Vola  herangezogen  ist,  wird  man 
gut  tun,  von  vorneherein  mit  mehreren  Injektionen  zu  rechnen, 
da  hier  gerade  die  im  Anfänge  auftretende  Knötchenbildung  in 
erster  Linie  zu  behandeln  ist,  die  Geraderichtung  des  Fingers 
passiv  meistens  keine  Schwierigkeiten  macht. 

Ueber  die  jedesmal  zu  injizierende  Flüssigkeitsmenge  ist 
zu  sagen,  dass  im  allgemeinen  wenig  Flüssigkeit  mit  hohem 
Prozentgehalt  zu  bevorzugen  ist,  doch  wird  man  zweckmässig 
nicht  über  20  proz.  Lösungen  hinausgehen  und  mit  10  proz.  be¬ 
ginnen,  da  in  vereinzelten  Fällen  neuerdings  über  eine  Idio¬ 
synkrasie  gegen  Thiosinamin  berichtet  ist,  die  sich  in  Tem¬ 
peratursteigerung,  Störungen  des  Allgemeinbefindens,  Appetit- 


Beilage  zu  No.  28  1907  der  Münchener  Medizinischen  Wochenschrift. 


Fig.  6  Fig.  4 

Zur  Arbeit:  „Die  Spirochaeta  pertenuis  und  das  klinische  Bild  der  Framboesia  tropica“  von  Dr.  W.  Schüffner. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1381 


losigkeit,  Benommenheit  des  Kopfes,  Gefühl  von  Mattigkeit  und 
Müdigkeit  äusserte.  Diese  Erscheinungen  traten  aber  nie  auf, 
wenn  man  den  Patienten  langsam  an  das  Mittel  gewöhnte. 

1  ccm  der  wässrigen  lOproz.  Lösung  genügt  für  die  einmalige 
Injektion  in  einen  Krankheitsherd  immer. 

Zu  beachten  ist,  dass  man  das  Medikament  nicht  zu  nahe 
an  die  Haut  injiziert,  da  man  sonst  leicht  kleinere  Nekrosen 
erleben  kann,  die  um  so  unangenehmer  sind,  als^n  der  so  ent- 
■  standenen  Wunde  die  Sehne  zutage  liegen  kann.  Ich  sah  eine 
solche  Nekrose  noch  4  Wochen  nach  der  Injektion  in  einem 
Falle  eintreten.  Eine  doppelstecknadelkopfgrosse  Partie  hatte 
sich  bald  nach  der  Einspritzung  bläulich  verfärbt.  Die  nach 
so  langer  Zeit  erst  erfolgende  Abstossung  ergab  eine  kleine, 
wie  mit  einem  Locheisen  ausgeschlagene  Wunde  in  der  Hohl¬ 
handmitte,  in  deren  Grunde  die  Sehne  freilag.  Unter  Jod¬ 
ätzung  schloss  sich  der  Defekt  in  einigen  1  agen,  ohne  das  gute 
funktionelle  und  kosmetische  Resultat  zu  beeinflussen.  Seit¬ 
dem  ich  darauf  achtete,  dass  die  Nadel  beim  weiteren  Vor¬ 
schieben  nicht  eil  dermal  zu  liegen  kam,  sondern  immer  sub¬ 
kutan  blieb,  habe  ich  keine  weiteren  Nekrosen  beobachtet. 

Fast  alle  Kranken  gaben  mir  nach  den  Injektionen  und 
Streckungen  an,  dass  sie  ein  taubes  Gefühl  in  der  Spitze  des 
betreffenden  Fingers  hätten.  Dasselbe  ging  bei  einigen  nach 
einigen  Tagen,  bei  anderen  nach  Wochen,  bei  den  schwersten 
Fällen  erst  nach  Monaten  fort.  Eine  Kokainwirkung  kann  man 
wohl  wegen  der  Länge  der  Zeit  ausschliessen,  ebenso  liegt 
keine  Veranlassung  vor,  das  Thiosinamin  verantwortlich  zu 
machen.  Ich  erkläre  mir  die  Sensibilitätsstörung  durch  die 
Nervendehnung,  die  bei  der  Geraderichtung  erfolgt;  die  Finger 
standen  doch  meist  viele  Jahre  in  der  pathologischen  Beuge¬ 
stellung.  Diese  Auffassung  findet  eine  Stütze  in  der  Tatsache, 
dass  die  Störung  der  Sensibilität  am  längsten  anhielt  in  den 
Fällen,  in  denen  die  Finger  ganz  in  die  Hand  eingeschlagen 
standen,  wo  also  die  Dehnung  des  Gewebes  am  stärksten  vor¬ 
genommen  werden  musste. 

Nicht  unterlassen  möchte  ich,  darauf  hinzuweisen, 
dass  es  notwendig  ist,  auf  Zucker  bei  allen  Pa¬ 
tienten  vor  der  Injektionsbehandlung  zu  untersuchen. 
Die  Gewebe  geraten  in  starke  Spannung  und  diese 
verträgt  ein  Diabetiker  bekanntlich  am  schlechtesten. 
Bei  einem  meiner  Patienten  hatte  der  Hausarzt  8  1  age,  bevoi 
ich  eine  Thiosinamininjektion  machte,  auf  Zucker  untersucht 
und  kein  Saccharum  nachweisen  können.  Ich  untersuchte  des¬ 
halb  den  Urin  nicht  und  wurde  für  diese  Unterlassungssünde 
schwer  bestraft;  denn  ich  hatte  mehrere  schlaflose  Nächte,  als 
sich  einige  Tage  nachher  die  Umgebung  der  Einstichstelle  stark 
rötete,  der  Handrücken  anschwoll,  blaurote  Flecken  an  einigen 
Stellen  auftraten  und  der  Patient  somnolent  wurde.  Die  nun 
vorgenommene  Urinuntersuchung  ergab  zwar  nur  Spuren  von 
Zucker,  aber  das  Gespenst  der  Gangrän  verliess  mich  mehrere 
Tage  nicht.  Durch  einige  kleinere  Inzisionen  und  durch  Be¬ 
handlung  mit  dem  Saugapparat  für  die  ganze  Hand  gelang  es 
glücklicherweise  unter  strenger  Zuckerdiät  die  bedrohlichen 
Erscheinungen  zu  beseitigen,  auch  wurde  das  Resultat  der 
Behandlung  durch  diesen  Zwischenfall  in  keiner  Weise  beein¬ 
trächtigt. 

Weder  bei  der  allmählichen,  in  mehreren  Sitzungen  vor¬ 
genommenen,  noch  bei  der  im  Aetherrausch  erfolgten  lang¬ 
samen  passiven  Streckung  habe  ich  unangenehme  Zwischenfälle 
erlebt.  Nur  bei  einem  Patienten  riss  eine  Hautfalte  ein  bei  dem 
letzten  Streckversuch  des  Fingsrs,  also  bei  der  Ueberfiihrung  in 
die  völlige  Streckstellung.  Die  quer  über  dem  ersten  Interphalan- 
gealgelenk  verlaufende,  ca.  1  cm  lange  Wunde,  in  deren  Grunde 
die  Sehne  freilag,  schloss  sich  in  einigen  Tagen;  auch  hier  war 
das  funktionelle  Ergebnis  ein  ausgezeichnetes.  Wäre  die  Haut 
nicht  eingerissen,  so  hätte  ich,  um  eine  vollkommene  Strek- 
kung  zu  erzielen,  einen  kleinen  Einschnitt  machen  müssen,  da 
an  dieser  Stelle  die  Haut  mit  der  Sehne  fest  verwachsen  war. 
Ich  hatte  mit  dem  Einreissen  der  Haut  gerechnet,  würde  aber 
bei  noch  stärkerer  Verwachsung  die  scharfe  Ablösung  der 
Haut  nach  Einschnitt  vorziehen. 

Die  Funktion  der  behandelten  Finger  wurde  in  allen  Fällen 
eine  gute;  eine  vollkommen  normale  in  den  meisten  Fällen,  und 
zwar  in  2  der  schwersten,  während  in  einem  mittelschweren 
Falle  noch  eine  Beugestellung  des  Grundgliedes  von  ca.  30 0 


(180°— 30°)  zurückblieb.  Der  hochgradig  nervöse  und 
neurasthenische  Patient  wollte  sich  den  durch  die 
völlige  Geraderichtung  zu  ertragenden  Beschwerden 
nicht  mehr  unterziehen,  zumal  er  mit  dem  funktio¬ 
nellen  Resultat  zufrieden  war,  weil  ihn  der  Finger 
nicht  mehr  am  Orgelspielen  hinderte.  Die  beiden  schwersten 
Fälle  konnte  ich  den  Kollegen  anlässlich  eines  über  dieses 
Thema  gehaltenen  Vortrages  im  ärztlichen  Verein  demon¬ 
strieren.  Allgemein  fiel  das  gute  funktionelle  Resultat  auf. 

Wenn  auch  die  Literatur  über  die  Behandlung  narbiger  Ge¬ 
websveränderungen  mit  Thiosinamineinspritzungen  schon  eine 
recht  stattliche  ist,  so  blieb  doch  die  Anzahl  der  mitgeteilten, 
mit  diesem  Mittel  behandelten  Fälle  von  D  u  p  u  y  t  r  e  n  scher 
Faszienkontraktur  leider  eine  geringe,  so  dass  schon  aus  diesem 
Grunde  meine  Publikation  berechtigt  ist.  Ich  glaube  aber  auch 
durch  diese  Zeilen  gezeigt  zu  haben,  dass  wir  die  Schmerz¬ 
haftigkeit  und  die  lange  Dauer  des  Verfahrens  einschränken 
können,  wenn  wir  das  Brisement  force  in  schonender  Weise 
zu  Hilfe  nehmen,  und  dass  das  funktionelle  Resultat  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.  Wenn  man 
berücksichtigt,  dass  das  Leiden  meist  das  höhere  Alter  be¬ 
trifft  und  deshalb  eine  radikale  operative  Behandlung  schon 
wegen  der  Narkosenschädigung  nicht  ratsam  erscheint,  wenn 
man  ferner  erfahren  hat,  dass  selbst  eine  eingreifende  chirur¬ 
gische  Therapie  nicht  sicher  vor  Rezidiven  schützt,  so  wird 
man  der  mehr  orthopädischen  Behandlungsmethode  im  all¬ 
gemeinen  den  Vorzug  geben  müssen.  Vereinzelte  Fälle,  vor 
allem  solche,  in  denen  die  Knoten  und  Schwielenbildung  eine 
besonders  starke  ist,  werden  auch  ferner  dem  Messer  gehören, 
aber  auch  in  diesen  kann  man  sich  die  Arbeit  erleichtern,  wenn 
man  das  Gewebe  durch  Thiosinamin  zuvor  erweicht  und  even¬ 
tuell  durch  Injektionen  während  der  Nachbehandlung  der  Rezi¬ 
divgefahr  vorbeugt. 

In  allen  Fällen  ist  es  notwendig,  dass  der  Patient  durch  regel¬ 
mässig  genommene  heisse  Seifenwasserbäder  und  häufiges 
Biegen  des  behandelten  Fingers  in  leichte  Uebei  Streckung, 
namentlich  in  der  ersten  Zeit  nach  der  ärztlichen  Behandlung, 
das  erreichte  Resultat  zu  erhalten  bestrebt  ist.  Sollte  sich 
trotzdem  einmal  nach  Jahren  der  Beginn  eines  Rezidives  zei¬ 
gen,  wird  sich  der  Patient  rechtzeitig  dem  Arzte  zeigen  und 
sich  gerne  einer  erneuten  Einspritzung  unterziehen,  da  ihm 
diese  Art  der  Behandlung  in  den  meisten  Fällen  gestattet,  seinen 
Beruf  auszuüben.  Zu  einer  zweiten  Operation  entschliessen 
sich  die  Patienten  dagegen  nur  selten  und  schwer. 

Zum  Schluss  noch  einen  kurzen  Hinweis  auf  eine  Ver¬ 
bindung  des  Thiosinamins  mit  Natr.  salicylicum,  welche  unter 
dem  Namen  Fibrolysin  in  den  Handel  gebracht  ist.  Es 
wird  diesem  Präparat  Schmerzlosigkeit  an  der  Injektionsstelle 
und  grössere  Zuverlässigkeit  in  der  Wirkung  nachgerühmt, 
Vorzüge,  welche  bei  weiterer  Bestätigung  dieses  Urteils  dazu 
führen  werden,  dieses  Arzneimittel  häufiger  als  1  hiosinamin 
allein  auch  bei  dem  Malum  Dupuytren  anzuwenden. 

Von  der  Wirkung  des  Thiosinamin-Pflastermulls  habe  ich 
mich  nicht  überzeugen  können. 


van 
ff.  — 
J  el- 
[  i  u  s  - 
Verh. 
Toxi- 


Literatur. 

1  Baumstark:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1904,  No.  24.  — 
.  B  r  i  n  i  t  z  e  r:  Ibid.  1906,  No.  4.  —  3.  D  o  b  e  r  a  u  e  r :  Beitrage  zur 
:lin.  Chir.,  Bd.  36,  H.  1.  —  4.  Heb  ra:  Verh.  d.  2.  intern.  Derm.- 
hmgr.  Wien  1892,  S.  413  ff.  —  5.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d:  Freie  Vereinigung 
[er  Chirurgen  Berlins,  142.  Sitzung  (14.  Nov.  1904).  —  6.  Hirsch- 
and:  Archiv  für  Ohrenheilkunde,  Bd.  64,  H.  2  und  3.  /. 

ioorn:  Verh.  der  Deutsch,  derm.  Ges.,  4.  Kongr.,  S.  23b 
I.  Janssen:  v.  Langenbecks  Archiv,  Bd.  67,  H.  4.  — -  9. 
inek:  Wien.  klin.  Wochenschr.  1906,  No.  28.  —  10.  J u 
i  e  r  g:  Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  35.  —  11-  Derselbe. 

1.  Deutsch,  derm.  Ges.  1901,  S.  255  ff.  -  12.  J  adas  s  ohn: 
codermien,  Deutsche  Klinik,  10.  -  13.  L  e  n  g  em  a  n  n:  Deutsche 
ned.  Wochenschr.  1903,  No.  23.  —  14.  Derselbe.  Ibidem  » 
4o.  i3.  _  15.  Lewandowski:  Therapie  der  Gegenwart  1903, 

io  —  16.  Lex  er:  Freie  Vereinigung  der  Chirurgen  Berlins, 
42.  Sitzung  (14.  Nov.  1904).  —  17.  Lion:  Archiv  f.  Derm  u.  Syph. 
900  Bd  54,  S.  366.  —  18.  Me  11  in:  Freie  Vereinigung  der  Chirurgen 
3erlins,  142.  Sitzung  (14.  Nov.  1904).  -  19  Neutra:  Wien  klin. 
Vochenschr.  1901.  No.  39.  -  20.  O  f  f  e  r  g  e  1  d:  Munch  med.  Wochen- 
ichrift  1905,  No.  37.  —  21.  v.  P  e  t  e  r  s  e  n:  Verh.  d.  Deutsch,  derm. 
3es.  1901,  S.  255  ff.  —  22.  R  i  1 1  e:  Ibidem.  —  23.  T  e  Schema  ch  er 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1904,  No.  14.  —  24.  Teleky:  Zentralbl. 
:.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Chir.  1902. _ 


1382 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Aus  der  Lupusheilanstalt  für  Kranke  der  Landesversicherungs¬ 
anstalt  der  Hansestädte  zu  Hamburg. 

Experimentelle  Untersuchungen  über  die  biologische 
Tiefenwirkung  des  Lichtes  der  medizinischen  Quarz¬ 
lampe  und  des  Finsenapparates. 

Von  Dr.  Paul  W  i  c  h  m  a  n  n. 

Seitdem  Finsen  seine  Erfolge  der  Behandlung  des  Lupus 
mit  konzentriertem  Licht  veröffentlicht  hat  und  durch  die  Kon¬ 
struktion  seiner  Sammelapparate  die  Durchführung  seiner  Me¬ 
thode  weitesten  Kreisen  zugänglich  machte,  sind  zahlreiche 
Versuche  gemacht  worden,  diese  kostspielige  und  umständliche 
Behandlung  zu  verbilligen,  zu  vereinfachen  und  zu  verbessern. 
Diese  Versuche  sind  in  2  Richtungen  unternommen  worden: 
einmal  in  dem  Finsen  sehen  Sinne,  „ein  Licht  zu  schaffen, 
welches  so  reich  wie  möglich  an  chemischen  Strahlen  und  so 
arm  wie  möglich  an  Wärmestrahlen  ist“  Q,  sodann  in  der  Ab¬ 
sicht,  die  Wirkung  der  tiefgehenden  Strahlen  —  der  grünen, 
gelben,  roten  —  zu  verstärken  analog  den  in  der  Photographie 
gekannten  Verfahren  der  Sensibilisation.  Der  letztere  Weg  ist 
heute  allgemein  verlassen,  wenigstens  soweit  er  mit  dem 
Finsenverfahren  zur  Erzielung  einer  grösseren  Tiefenwirkung 
kombiniert  wurde;  von  den  vielen  Apparaten,  die  erdacht  wor¬ 
den  sind,  um  die  Finsenapparate  zu  ersetzen,  hat  sich  zur 
Behandlung  tieferer  Dermatosen  wohl  nur  die  von  Prof.  Lor- 
t  e  t  und  Dr.  Qenoud  konstruierte  Lampe  einer  Anerkennung 
weiterer  Kreise  erfreut.  Schon  durch  Berechnung  lässt  sich 
jedoch  feststellen,  dass  das  Licht  derselben  schwächer  als  bei 
den  Finsenapparaten  zur  Verwendung  kommt.  Nach  des  Autors 
praktischen  Erfahrungen  leistet  jene  Lampe  in  der  Behandlung 
des  Lupus  weniger. 

Das  Haupterfordernis  für  die  erfolgreiche  Bestrahlung 
tieferer  Prozesse  in  der  Haut,  die  genügende  Tiefenwirkung, 
scheint  also,  soweit  „chemische  Strahlen“  in  Frage  kommen, 
nur  durch  Benützung  des  grossen  Finsenapparates  bezw.  des 
Finsen-Reyn-Apparates  gewährleistet  zu  sein,  welcher  nach 
F  i  n  s  e  n  s  eigenem  Urteil  „ebensoviel  oder  fast  ebensoviel“ *  2) 
wie  der  grosse  Apparat  leistet. 

Um  oberflächliche  Wirkungen  sind  wir  freilich  in  der  Be¬ 
strahlungstherapie  nicht  verlegen,  hier  stehen  eine  Reihe  von 
leistungsfähigen  Apparaten  zur  Verfügung. 

Um  so  grösseres  Aufsehen  musste  daher  die  Publikation 
Kromayers3)  erregen,  in  der  Quecksilberwasserlampe  sei 
eine  neue  Lichtquelle  gefunden,  die  dem  Finsenlicht  in  der  Wir¬ 
kung  überlegen  sei.  Hier  möge  nur  kurz  darauf  hingewiesen 
sein,  dass  diese  neue  Lampe  das  1892  von  Leo  Arons  ent¬ 
deckte  Quecksilberlicht  aussendet  und  nach  den  Angaben  von 
Küch  aus  Quarz  hergestellt  wird;  Kromayer  hat  den 
Apparat  für  therapeutische  Zwecke  ausgebaut  und  mit  Wasser¬ 
kühlung  versehen. 

Eine  Lichtquelle,  die  solch  ungeheure  Mengen  photoche¬ 
mischer  Energie  aussendet,  musste  selbstverständlich  thera¬ 
peutische  Bedeutung  gewinnen,  wenn  sie  in  so  zweckent¬ 
sprechender  Ausgestaltung  wie  in  der  „medizinischen  Quarz¬ 
lampe“  vorlag,  einer  Konstruktion,  die  eventuell  auch  in  ein¬ 
fachster  Weise  Finsens  Prinzipien  der  Wasserkühlung  und 
Kompression  bei  der  Behandlung  durchzuführen  gestattet. 

War  schon  von  vornherein  ersichtlich,  dass  dieser  Lampe 
das  Behandlungsfeld  weiter  gesteckt  war  als  ihrer  Schwester, 
der  Uviollampe,  die  das  Quecksilberlicht  in  ungleich  weniger 
zweckentsprechender  Weise  verwendet,  so  ist  doch  heute  noch 
die  Frage  offen,  ob  dieser  neue  Apparat  berufen  sein  wird,  die 
altbewährte  Finsenbehandlung  bei  tieferen  Dermatosen  (Lupus!) 
zu  verdrängen,  mit  anderen  Worten,  ob  die  biologische  Tiefen¬ 
wirkung  der  Quecksilberwasserlampe  die  des  Finsenlichtes 
nicht  nur  erreicht,  sondern  übertrifft. 

Naturgemäss  können  praktische  Erfahrungen  im  Sinne  von 
Dauerheilungen  in  Anbetracht  der  kurzen  Zeit,  seit  welcher  die 


T  s.  Niels  R.  Finsen:  Ueber  die  Anwendung  konzentrierter 
chemischer  Lichtstrahlen  in  der  Medizin.  Mitteil,  aus  Finsens 
Medizinske  Lvsinstitut  li.  3. 

2)  Niels  R.  Finsen  und  Axel  Reyn:  Ein  neuer  Lichtsammel¬ 
apparat  zur  Einzelbehandlung.  Mitteilungen.  Heft  4.  S.  77. 

3)  Quecksilberwasserlampen  zur  Behandlung  von  Haut  und 

Schleimhaut.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  No.  10. 


neue  Lampe  angewandt  wird,  nicht  dem  Material  von  Finsen 
gegenübergestellt  werden,  wir  sind  daher  auf  experimentelle 
Untersuchungen  angewiesen. 

Solche  liegen  bereits  in  der  oben  erwähnten  Publikation 
Kromayers  vor.  K  r  o  m  ayer  prüfte  die  Einwirkung  der 
medizinischen  Quarzlampe  und  des  Finsen-Reyn-Apparates 
in  der  Weise,  dass  er  das  Licht  durch  Haut  oder  mehrfach 
zusammengeft^tetes  Papier  hindurchschickte  und  an  dem  Grade 
der  Schwärzurig  von  untergelegtem  Chlor-  oder  Bromsilber¬ 
papier  die  Lichtwirkung  abschätzte. 

Derartige  Untersuchungen  sind  unzulässig 4),  denn  wenn 
auch  im  allgemeinen  betrachtet  diejenige  Strahlengruppe, 
welche  auf  die  photographische  Platte  wirkt,  dieselbe  ist, 
welche  die  spezifische  biologische  Lichtentzündung  hervorruft, 
so  darf  doch  das  Mass  der  chemischen  Reaktion  auch  nicht 
annähernd  analog  dem  der  Gewebereaktion  gesetzt  werden. 
Wie  weit  solche  Reaktionen  von  einander  abweichen,  wird  am 
besten  klar,  wenn  man  die  photographische  Schicht  durch  eine 
zweite:  Gewebeschicht,  ersetzt. 

Die  folgenden  Untersuchungen  sind  daher  in  der  Weise  an¬ 
geordnet,  dass  das  Licht  der  medizinischen  Quarzlampe  bezw. 
eines  Finsen-Reyn-Apparates  nach  der  Passage  durch  ein  ra¬ 
siertes,  entfettetes  Kaninchenohr  eines  lebenden  Tieres  die  Haut 
des  menschlichen  Unterarmes  trifft.  Die  Versuche  sind  mit 
starker  Kompression  ausgeführt  , indem  die  Scheibe  der  Quarz¬ 
lampe  bezw.  die  Drucklinse  des  Finsenapparates  der  Innen¬ 
seite  des  Kaninchenohres  angepresst,  dieses  wiederum  der  Haut 
des  menschlichen  Armes  fest  angedrückt  wird,  so  dass  dem¬ 
nach  das  Ohr  zwischen  Druckscheibe  und  Haut  fest  einge¬ 
klemmt  ist. 

Als  Vergleichsobjekte  für  beide  Lichtarten  wurden  stets 
korrespondierende  Stellen  derselben  Versuchsperson  ge¬ 
wählt,  da  die  individuell  verschiedene  Empfindlichkeit  sonst 
einen  Versuchsfehler  abgeben  könnte. 

Das  die  Kühlung  des  Druckapparates  vermittelnde  Wasser 
lief  stets  kalt  ab. 

Bei  Beurteilung  des  Effektes  ist  die  anfängliche,  sofort  nach 
dem  Nachlassen  des  Druckes  zu  beobachtende  Hyperämie  und 
Schwellung,  welche  binnen  kurzem  vorübergeht,  als  nicht  ins 
Gewicht  fallend,  nicht  verzeichnet,  dagegen  ist  natürlich  auf 
die  erst  allmählich  einsetzende  photochemische  Lichtentzündung 
der  grösste  Wert  gelegt. 

Die  erste  Versuchsreihe  bietet  folgende  Verhältnisse  dar: 


Lichtquelle 

Physikalische  Haupt¬ 
faktoren  derselben 

Dauer  der 
Belichtung 

Makroskopisch  sichtbarer  Effekt 
auf  den  menschlichen  Unter¬ 
arm  nach  Passage  des  Lichtes 
durch  ein  Kaninchenohr 

Medizinische 

Quarzlampe 

Blau,  violett,  ultra¬ 
violett,  (namentlich 
auch  kürzerer  Wellen¬ 
länge) 

5  Min. 

15  Min. 
23  Min. 

Nicht  vorhanden. 

Dto. 

Nur  sehr  geringe  punktförmige 
Rötungen,  nach  48  Stunden 
verschwunden. 

Finsen-Reyn- 

Apparat 

Alle  Bestandteile  des 
sichtbaren  Spectrums, 
ultraviolett  mehr  län¬ 
gerer  Wellenlänge 

5  Min. 

15  Min. 

23  Min. 

Nicht  vorhanden. 

Sehr  zartes  Erythem,  tagelang 
sichtbar. 

Deutliches  zartes  Erythem, 
loichto  Schwellung;  orsteres 
tagelang  anhaltend. 

Aus  diesen  Ergebnissen  folgt  zweifellos, 
dass  die  biologische  spezifische  Wirkung  des 
Lichtes  des  Finsen-Reyn-Apparates,  nach¬ 
dem  derselbeein  Kaninchenohrpassiert  hatte, 
cinestärkerewaralsdiedesLichtesderQuarz- 
lampe  unter  gleichen  Versuchsbedingungen. 

Letzteres  löste  übrigens  am  bestrahlten  Ohr  eine  erheblich 
stärkere  Entzündung  aus  als  das  Finsenlicht. 

Der  Quarzlampe  wäre  also  nach  dieser  Versuchsreihe  eine 
bedeutend  grössere  Oberflächenwirkung,  eine  geringere  Tiefen¬ 
wirkung  eigen  als  der  Finsen-Reyn-Lampe.  Diese  Resultate 


4)  s.  Bemerkungen  zu  der  Publikation  des  Herrn  Prof.  Kro- 
rnayer:  Quecksilberwasserlampen  zur  Behandlung  von  Haut  und 
Schleimhaut.  Von  Dr.  P.  Wich  mann.  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1906.  No.  17. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1383 


stehen  im  Gegensatz  zu  den  Untersuchungen  Kromayers, 
der  wie  oben  hervorgehoben  mit  photographischen  Schichten  ar¬ 
beitete  und  zu  dem  Schlüsse  gelangt,  „eine  drei-  bis  fünfmal 
überlegene  Tiefenwirkung  des  Quecksilberlichtes“  gegenüber 
dem  Licht  der  Finsen-Reyn-Lampe  anzunehmen. 

Bemerkt  sei  noch,  dass  ein  unter  starker  Kompression  und 
Wasserkühlung  mit  der  Quarzlampe  behandelter  erbsengrosser 
flacher,  nicht  vorbehandelter  Lupusherd  nach  5  Sitzungen  ä  15 
Minuten  anscheinend  völlig  verschwand,  2  Monate  später  rezi- 
divierte  er.  Natürlich  kann  diese  Tatsache  ohne  weiteres  nicht 
im  Vergleich  mit  der  Wirkung  des  Finsenlichtes  als  beweis¬ 
kräftig  angesehen  werden. 

Es  gelang  mir  nun  in  einem  Falle  von  chronischem  Ekzem 
der  Hand,  welches  bereits  jahrelang  bestand  und  mit  chemi¬ 
schen  Mitteln  aller  Art  erfolglos  behandelt  worden  war,  da¬ 
durch  eine  Abheilung  zu  erzielen,  dass  ich  das  Licht  der  Quarz¬ 
lampe  durch  eine  dünnste  Membran  passieren  liess,  um  den 
übergrossen  Reiz  des  kurzwelligsten  Ultraviolett  auszuschalten. 
Ich  sagte  mir,  dass  durch  die  starke  Lichtentzündung,  die  das 
kurzwellige  Ultraviolett  an  der  Oberfläche  hervorruft,  vielleicht 
die  Passage  der  tiefergehenden  Strahlen  gehindert,  und  so  die 
tiefinfiltrierten  Partien  des  Ekzems  ohne  Beeinflussung  blieben. 
Tatsächlich  rezidivierte  das  Ekzem  nach  Bestrahlung  mittels 
der  Quarzlampe  ohne  Filter  in  bereits  10  Tagen,  während  nach 
Benutzung  des  Filters  eine  reizlose  Abschälung  und  Abheilung 
erfolgte,  welch  letztere  nun  schon  3  Monate  anhält. 

Hierdurch  angeregt  erschien  es  mir  aussichtsvoll,  die  oben 
dargelegten  experimentellen  Untersuchungen  über  die  Tiefen¬ 
wirkung  in  Kombination  mit  einem  Filter  zu  wiederholen.  Die 
Anordnung  dieses  Versuches  wurde  ungemein  erleichtert  durch 
den  inzwischen  von  Kromayer  angegebenen  Mischapparat, 
welcher  der  Spülflüssigkeit,  die  durch  die  Quarzlampe  fliesst, 
eine  Methylenblaulösung  in  gewünschter  Konzentration  gleich- 
mässig  beimengt.  Durch  Verwendung  einer  Methylenblaulösung 
in  einer  Verdünnung  von  1  :  10  000  werden  die  kurzwelligen 
ultravioletten  Strahlen  fast  völlig  absorbiert,  die  blauen,  vio¬ 
letten  und  langwelligen  ultravioletten  Strahlen  werden  dagegen 
wenig  beeinflusst. 

Bei  Verwendung  eines  solchen  „Filters“  ergab  sich  nun  bei 
sonst  gleicher  Versuchsanordnung  folgendes: _ 


Lichtquelle 

Physikalische  Haupt¬ 
faktoren  derselben 

Dauer  der 
Belichtung 

Makroskopisch  sichtbarer  Effekt 
auf  den  menschlichen  Unter¬ 
arm  nach  Passage  des  Lichtes 
durch  ein  Kaninchenohr. 

Medizinische 

Quarzlampe 

Die  oben  genannten 
mit  Ausnahme  des 
kurzwelligen  Ultra¬ 
violett 

35  Min. 

Im  Verlaufe  weniger  Stunden 
setzt  eine  massige,  typische, 
spezifische  Lichtentzündung 
ein,  die  tagelang  anhält. 

Finsen-Reyn- 

Apparat 

Die  oben  genannten 

35  Min. 

Die  einsetzende  spezifische  Licht¬ 
entzündung  ist  im  Vergleich 
zur  obigen  sehr  gering. 
In  der  Mitte  der  belichteten 
Zone  entwickelt  sich  eine 
kleinerbsengrosse  Brandblase, 
nachdem  die  Haut  daselbst 
von  Anfang  an  lebhaft  ge¬ 
rötet  war ;  es  wurde  an  dieser 
Stelle  über  lebhaftes  Hitze¬ 
gefühl  während  der  letzten 
10  Min.  der  Belichtung  ge¬ 
klagt. 

Nach  diesen  Versuchen  vermag  das  Licht 
der  Quarzlampe,  wenn  ein  Teil  seines  Ultra- 
violett  ausgeschaltet  wird,  inderseiben  I  i  e  f  e 
eine  stärkere  photochemische  Lichtentzün¬ 
dung  herbeizuführen  als  das  Finsenlicht. 

Andererseits  zeigt  sich  als  interessante  Tatsache,  dass  das 
Finsenlicht  in  der  Tiefe,  wo  die  die  Wirkung  der  Wärmestrah¬ 
lung  kompensierende  Wasserkühlung  nicht  mehr  von  Einfluss 
ist,  sicherlich  vermöge  seiner  Wärmestrahlung  (rot!  gelb!)  eine 
hohe  Wirkung  auf  gewisse  Gewebe  ausiiben  kann.  Dass  diese 
oben  verzeichnete  Gewebereaktion  wirklich  einer  Verbrennung 
im  gewöhnlichen  Sinne,  also  einer  Wärmewirkung  zuzurechnen 
ist,  ergibt  sich  au§  der  Beobachtung,  dass  diese  Entzündung 
unmittelbar  nach  Aufhören  der  Belichtung  bereits  einsetzte, 


ferner  aus  der  Angabe  der  belichteten  Person,  welche  deutlich 
Hitzegefühl  an  der  betreffenden  Stelle  empfand.  Um  jeden 
Zweifel  auszuschliessen,  wiederholte  Autor  den  Versuch  am 
eigenen  Arm.  Die  Bestrahlung  erfolgte  selbstverständlich  in 
peinlichster  Befolgung  F  i  n  s  e  n  scher  Grundsätze  unter  starker 
Kompression  und  starker  Wasserkühlung,  das  Kühlwasser  lief 
kalt  ab.  Diese  Ergebnisse  bestätigen  die  Resultate  von 
S  c  h  o  1 1  z  5),  es  erscheint  mir  jedoch  nicht  ohne  weiteres  er¬ 
laubt,  dieselben  als  massgebend  bei  der  Finsenbehandlung  an¬ 
zusehen,  denn  es  ist  noch  nicht  erwiesen,  dass  einer  Brenn¬ 
wirkung  am  Epithel  der  Oberhaut  auch  nur  einigermassen  eine 
analoge  Beeinflussung  in  der  Tiefe  der  Haut  entspricht,  wir 
haben  es  in  beiden  Fällen  mit  ganz  verschiedenen  Absorptions¬ 
verhältnissen  zu  tun. 

Was  nun  die  photochemische  Wirkung  der  Quarzlampe 
und  des  Finsenlichtes  anbetrifft,  so  hat  sich  nach  dem  Obigen 
ergeben,  dass  nach  Passage  des  Lichts  durch  ein  Kaninchen¬ 
ohr  die  erstere  eine  stärkere  ist  als  die  letztere,  soweit  das 
Epithel  der  Oberhaut  in  Betracht  kommt.  Nach  dem  was  über 
die  Wirkung  der  chemischen  Strahlen  in  tieferen  Schichten  der 
Haut  bereits  bekannt  ist,  werden  wir  in  der  Annahme  nicht 
fehl  gehen,  dass  ceteris  paribus  bei  der  dargelegten  Versuchs¬ 
anordnung  auch  in  tieferen  Hautschichten  der  Quarzlampe  die 
stärkere  photochemische  Wirkung  zukommt,  falls  wir  das  er¬ 
wähnte  Filter  benutzen. 

Wenn  ohne  Benutzung  des  Filters  die  Ergebnisse  für  die 
Quarzlampe  ungünstig  ausfielen,  so  ist  der  Grund  hierfür  wahr¬ 
scheinlich  darin  zu  suchen,  dass  eine  zu  starke  Beeinflussung 
der  oberflächlichen  Hautschichten  durch  kurzwelliges  Ultra¬ 
violett  den  Durchgang  der  für  die  Tiefe  massgebenden  Strahlen 
(blau,  violett!)  hindert.  Da  nach  Finsens  Untersuchungen 
auch  zur  Behandlung  tieferer  Dermatosen  (Lupus!)  die  Ultra¬ 
violettwirkung  als  Oberflächenreiz  nicht  entbehrt  werden  kann, 
so  scheint  mit  Rücksicht  auf  die  tiefwirkenden  Strahlen  doch 
nur  ein  gewisses  Optimum  von  Ultraviolett  zulässig.  Ein  sol¬ 
ches  scheint  mir  durch  Benutzung  von  Methylenblaulösung  in 
einer  Konzentration  1:10  000  bei  Gebrauch  der  Quarzlampe 
unter  Berücksichtigung  F  i  n  s  e  n  scher  Grundsätze  (Kom¬ 
pression,  Kühlung)  gegeben  zu  sein. 

Wenn  die  F  i  n  s  e  n  sehe  Auffassung,  nach  der  der  Erfolg 
des  Finsenlichtes  in  einer  photochemischen  Beeinflussung  des 
Gewebes  zu  suchen  ist,  zu  Recht  besteht,  so  werden  diese  ex¬ 
perimentellen  Untersuchungen  erwarten  lassen,  dass  in  praxi 
auch  bei  tiefgelegenen  Affektionen  der  Haut  das  Licht  der 
Quarzlampe  dasjenige  des  F  i  n  s  e  n  sehen  Apparates  bei  wei¬ 
tem  an  Wirkung  übertrifft. 

Da  die  Quarzlampe  die  Behandlung  grösserer  Flächen  in 
einer  Sitzung  gestattet,  ihre  Applikation  und  Bedienung  eine  un- 
gemein  einfache  ist,  dieselbe  endlich  einen  sehr  geringen  Strom¬ 
verbrauch  beansprucht,  so  würde  sie  im  Sinne  obiger  Voraus¬ 
setzungen  dem  Finsenapparat  in  jeder  Beziehung  vorzuziehen 
sein. 

Ueber  Bier  sehe  Stauung  und  Seekrankheit. 

Von  Medizinalrat  Dr.  Schlaeger,  Landesarzt  in  Olden¬ 
burg  i.  Gr. 

Zwei  Veröffentlichungen  über  dasselbe  Thema  veranlassen 
mich,  eigene  Beobachtungen  aus  dem  Jahre  1906  sowohl  über 
die  Bi  er  sehe  Stauung,  als  auch  über  die  Seekrankheit  mit¬ 
zuteilen,  weil  sie  vielleicht  geeignet  sind,  etwas  Zusammen¬ 
hang  in  die  auf  den  ersten  Augenblick  etwas  merkwürdig  er¬ 
scheinende  Kombination  von  Stauung  und  Seekrankheit  zu 
bringen.  Vielleicht  veranlassen  die  Zeilen  auch  Kollegen, 
welche  Gelegenheit  haben,  die  beiden  von  mir  gemachten  Er¬ 
fahrungen  nachzuprüfen,  dies  zu  tun. 

Meine  ersten  Beobachtungen  über  die  Anwendung  und  Wirkung 
der  Kopfstauung  machte  ich  an  einem  Fall  von  Gesichtsakne.  Fs 
handelte  sich  um  eine  junge  Dame,  welche  seit  einigen  Jahren  kleine 
Aknepusteln  im  Gesicht  bekam,  die  ich  nach  den  üblichen  Methoden 
behandelte.  Ein  dreimonatlicher  Aufenthalt  der  Patientin  in  Florenz 
hatte  dieses  Leiden  durch  Vernachlässigung  so  sehr  verschlimmert, 


B)  Ueber  die  Bedeutung  der  Wärmestrahlen  bei  der  Behandlung 
mit  konzentriertem  Licht  naclAFi ns,e n.  Berliner  klin.  Wochenschr. 
1904,  No.  18. 


1384 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


dass  dieselbe  in  einem  geradezu  unbeschreiblichem  Zustande  in 
Deutschland  wieder  ankam.  Es  waren  bis  tief  ins  Unterhautzell¬ 
gewebe  derbe  Infiltrate  entstanden,  welche  zum  Teil  von  der  Grösse 
eines  Zweimarkstückes  waren.  Am  Kinn  war  ein  solches  Infiltrat 
von  der  Dicke  einer  halben  Haselnuss.  Da  sämtliche  Stellen  stark 
rot  gefärbt  waren,  war  das  Aussehen  der  jungen  Dame  recht  be¬ 
jammernswert. 

Eine  chirurgische  Behandlung  hielt  ich  für  ausgeschlossen,  weil 
ich  entstellende  Narben  dabei  nicht  hätte  vermeiden  können. 

Ich  schrieb  deshalb  an  Herrn  Geheimrat  Bier  und  fragte  an, 
ob  er  in  ähnlichen  Fällen  Erfolg  mit  Saug-  und  Staubehandlung  ge¬ 
sehen  hätte.  Da  nur  ein  Fall  mit  etwas  unsicherem  Erfolg  vor¬ 
lag,  schickte  ich  die  Dame  zu  einer  mehrwöchentlichen  Behandlung 
nach  Bonn  und  habe  dann  nach  Rücksprache  mit  Herrn  Geheimrat 
Bier  die  Weiterbehandlung  übernommen.  Die  Behandlung  mit  den 
bekannten  Saugglocken  wurde  bald  aufgegeben,  sodass  die  weiteren 
Erfolge  der  Kopfstauung  allein  zuzuschreiben  sind.  Die  tiefen  Infil¬ 
trate  waren  nach  ca.  3  Monaten  fast  verschwunden.  Kleine  Akne¬ 
pusteln  kamen  schnell  zur  Einschmelzung  und  Eintrocknung,  so  dass 
der  Allgemeinzustand  jetzt  erheblich  besser  ist,  als  seit  Jahren.  Da 
die  Dame  sich  inzwischen  verheiratet  hat  und  verzogen  ist,  habe 
ich  letzthin  nur  brieflich  gehört,  dass  sie  mit  dem  Verlauf  recht  zu¬ 
frieden  ist. 

Da  die  Dame  während  der  Dauer  von  Monaten  oft  recht 
lange,  bis  zu  10  Stunden,  die  Kopfstauung  angewandt  hat,  war 
mir  Gelegenheit  gegeben,  die  Wirkung  derselben  häufig  direkt 
zu  beobachten.  Ich  will  hier  jedoch  nicht  über  die  Einwirkung 
auf  das  kranke  Gewebe  berichten,  sondern  über  die  Einwirkung 
auf  die  Gefässe  selbst.  Bekanntlich  verschwindet  die  nach  Ein¬ 
leitung  der  Stauung  je  nach  dem  Grade  der  Abschnürung 
schneller  oder  langsamer  sichtbare  Hyperämie  nach  dem  Ab¬ 
nehmen  der  Umschnürung  recht  bald  wieder.  Die  Farbe  der 
Gesichtshaut  ist  schon  nach  einigen  Minuten  wieder  die  nor¬ 
male,  während  die  Blutüberfüllung  in  den  erkrankten  Teilen 
etwas  länger  anhält.  Anders  ist  jedoch  die  Wirkung  der  Kopf¬ 
stauung  auf  die  kleinsten  Blutgefässe,  welche  wenig  kon¬ 
traktiles  Gewebe  in  ihrem  Verlauf  haben.  Bei  andauernder 
Stauung  bis  8  oder  10  Stunden  bildeten  sich  die  Gefässe  der 
Augenbindehaut  überhaupt  nicht  mehr  zurück,  so  dass  nicht 
nur  sichtbare  Rötung  der  Schleimhaut,  sondern  auch  funktionell 
andauernd  Schleimhautabsonderung  und  Tränenfluss  den 
ganzen  Tag  über  bestand.  Nachdem  die  Dauer  der  Stauung  auf 

4  bis  6  Stunden  reduziert  war,  verschwand  die  Injektion  der 
oberflächlichen  Skleralgefässe  vielleicht  nach  Verlauf  von 

5  -6  Stunden, _  während  die  Erweiterung  der  tieferen  Skleral¬ 
gefässe  als  pfirsichroter  Schimmer  überhaupt  nicht  mehr  ver¬ 
schwand.  —  Man  darf  hieraus  doch  wohl  schliessen,  dass  die 
Wirkung  der  Stauung  um  so  länger  anhält,  je  mehr  sich  die 
Grösse  der  Gefässe  derjenigen  der  Kapillaren  nähert. 

Hierzu  möchte  ich  noch  eine  weitere  Bemerkung  machen, 
welche  mir  die  sehr  intelligente  Patientin  über  eigentümliche 
Einwirkung  längerer  Stauung  auf  ihr  Seelenleben  machte.  Sie 
äusserte  sich  derart,  dass  ihr  zuweilen  eigentümlich  zumute 
gewesen  sei;  sie  habe  ein  Gefühl  gehabt,  als  ob  sie  Augenblicke 
ein  Doppelleben  führe  und  sie  könne  diesen  Zustand  am  ehesten 
mit  Stunden  aus  ihrer  Kindheit  vergleichen,  in  denen  sie  an 
Kinderkrankheiten  leidend  fiebernd  und  phantasierend  im  Bett 
gelegen  habe.  —  Diese  Bemerkung  ist  wichtig,  da  sie  einmal 
an  die  Grenzen  der  Stauungsdauer  erinnert,  dann  beweist  sie 
aber  wohl,  dass  lange  Stauung  auf  die  Funktion  des  Gehirns 
nicht  ohne  Einfluss  ist.  Ob  sie  wichtig  genug  ist,  um  bei  Stupor 
und  ähnlichen  Zuständen  therapeutisch  von  der  Kopfstauung 
Gebrauch  zu  machen,  mögen  die  Fachleute  entscheiden. 

Meine  erste  Beobachtungsreihe  möchte  ich  hier  ab- 
schliessen  und  zunächst  eine  kurze  Beobachtung  am  eigenen 
Leibe  mitteilen: 

Im  Oktober  1906  fuhr  ich  mit  meiner  Frau  von  Antwerpen  nach 
Gibraltar;  ich  war  noch  nie  seekrank  gewesen  und  blieb  auch  jetzt 
davon  befreit,  aber  ich  habe  in  der  Bay  von  Biscaya  doch  die  ersten 
Anfänge  dieses  ungemütlichen  Zustandes  erlebt,  als  von  den  anderen 
Reisegefährten  niemand  mehr  sichtbar  wurde.  Es  war  kein  erheb¬ 
licher  Sturm,  welcher  uns  das  antat,  sondern  lediglich  die  gefürchtete 
nordwestliche  Dünung.  Es  waren  vor  allem  Unlustgefühle,  welche 
mich  beherrschten,  Gleichgültigkeit,  verminderter  Appetit  und  viel¬ 
leicht  ganz  geringe  Uebelkeit.  Ich  lag  im  Kartenzimmer  auf  der 
Bank  und  ärgerte  mich,  wenn  der  Kapitän  sich  mit  mir  unter¬ 
halten  wollte.  Dieser  Zustand  dauerte  einige  Stunden  an.  Beim 
Mittagessen  leistete  ich  weniger  als  sonst,  doch  zeigte  mir  abends 
eine  reichlich  genossene  Mahlzeit  (ungeschälte  Kartoffel  mit  Häring), 
dass  cs  sich  unmöglich  um  eine  Störung  von  Seiten  des  Magens 
handeln  konnte.  Die  Bewegungen  des  Schiffes  waren  dabei  die¬ 


selben  wie  vormittags:  Die  Kartoffeln  musste  ich  bald  von  links,  bald 
von  rechts  wieder  heranholen.  Soviel  war  mir  jedenfalls  durch  diesen 
leichten  Anfall  sicher  geworden,  dass  es  sich  um  Vorgänge  handeln 
muss,  welche  zerebralen  Ursprungs  sind.  Ich  dachte  in  den  Vor¬ 
mittagstunden  an  meine  ersten  Rauchstudien,  und  die  Wirkung  des 
Nikotins  auf  den  Menschen  ist  ohne  Zweifel  eine  brauchbare  Parallele 
für  die  Zustände,  wie  sie  die  Seekrankheit  mit  sich  bringt. 

Nach  diesen  Exkursionen  möchte  ich  einige  Bemerkungen 
über  rein  mechanische  Vorgänge  machen: 

Wenn  man  ein  geschlossenes  System  kommunizierender 
Röhren  grösseren  und  geringeren  Kalibers  in  Schwingungen 
versetzt,  so  werden  diese  Schwingungen  keine  erheblichen 
Wirkungen  in  dem  System  hervorrufen,  wenn  das  System  voll¬ 
ständig  mit  Flüssigkeiten  gefüllt  ist  und  wenn  das  Material  zu 
den  Röhren  ohne  Elastizität  ist. 

Handelt  es  sich  jedoch  um  ein  Röhrensystem  aus  elasti¬ 
schem  Material  unter  denselben  Umständen,  so  werden 
Schwankungen  in  dem  System  eintreten.  Es  wird  die  Füllung 
der  einzelnen  Röhren  da  am  meisten  wechseln,  wo  die  gering¬ 
sten  Widerstände  vorhanden  sind,  und  zwar  kann  es  sich  dort 
sowohl  um  Ueberfüllung  mit  Flüssigkeit  handeln,  als  auch  um 
Elüssigkeitsmangel. 

Ein  solches  System  kommunizierender  Röhren  mit  elasti¬ 
schen  Wänden  von  verschiedenster  Dicke  und  Widerstands¬ 
kraft  ist  nun  unser  Gefässystem.  Schwingungen  dieses  Systems 
werden  Schwankungen  im  Füllungszustande  der  einzelnen  Blut¬ 
räume  zur  Folge  haben;  es  wird  sich  sowohl  um  Blutüber¬ 
füllung  und  Blutleere  in  den  Kapillaren  handeln  können.  Modi¬ 
fiziert  ist  unser  Gefässystem  nur  dadurch,  dass  in  dasselbe  eine 
Pumpe  eingeschaltet  ist,  deren  Wirkung  ebenfalls  von  der 
Elastizität  der  Gefässwände  abhängig  ist.  Es  kann  also  Vor¬ 
kommen  bei  erheblichen  Schwankungen  des  Schiffes,  dass  die 
Schwankungen  in  der  Füllung  der  Gehirnkapillaren,  der  Wir¬ 
kung  der  Herztätigkeit  entgegenarbeiten,  es  kann  auch  sein, 
dass  sie  dieselben  verstärken.  Jedenfalls  spielen  sich  diese 
Schwankungen  des  Gefässystems  in  erster  Linie  in  den  Gehirn¬ 
kapillaren  ab.  Ich  glaube  auch  nicht,  dass  Blutleere  oder  Blut¬ 
überfüllung  die  Erscheinungen  der  Seekrankheit  auslösen,  son¬ 
dern  ich  glaube,  dass  der  unregelmässige  Wechsel  im  Füllungs¬ 
zustande  der  Kapillaren  auf  die  Zentren  einen  Reizzustand  ab¬ 
gibt  und  diese  Reizung  der  Zentren  löst  die  Erscheinungen 
der  Seekrankheit  aus.  Ich  erinnere  an  ähnliche  Vorgänge  beim 
Karussellfahren,  in  der  Eisenbahn  und  im  Lift. 

Wenn  wir  dies  annehmen,  können  wir  auch  die  Wirkung 
der  B  i  e  r  sehen  Kopfstauung  auf  die  Seekrankheit  nicht  mehr 
zu  den  Unmöglichkeiten  halten.  Die  in  meinen  obigen  Aus¬ 
führungen  erwähnte  dauernde  Erweiterung  der  Kapillaren  durch 
Stauung  schützt  das  empfindliche  Organ  vor  den  Schädigungen 
des  Reizes  und  die  Endwirkung  bleibt  aus. 

Die  Theorie  in  die  Praxis  umsetzen  hatte  ich  Mitte  No¬ 
vember  reichlich  Gelegenheit.  Nach  einer  glatten  Fahrt  von 
Lissabon  bis  Dover  —  sogar  die  Bay  war  milde  gesinnt  — , 
setzte  im  Kanal  ein  erheblicher  Sturm  ein.  Das  Tagebuch  er¬ 
wähnte  Windstärken  bis  10.  Dazu  kam,  dass  in  der  Nähe  von 
Dover  die  Ruderkette  unseres  schwerbeladenen  Schiffes  riss 
und  dass  wir  mehrere  Stunden  willenlos  dem  Sturm  preis- 
gegeben  waren.  Die  folgende  Nacht  mussten  wir  wegen  hohen 
Seegangs  mit  halber  Kraft  fahren  und  auch  der  weitere  Weg 
bis  Hamburg  war  nicht  ganz  glatt.  Es  waren  also  die  Vorbe¬ 
dingungen  für  die  Seekrankheit  reichlich  vorhanden.  Meine 
Frau  hat  auf  der  Hinreise  nach  Gibraltar  und  auch  auf  anderen 
Reisen  erheblich  unter  diesem  Uebel  zu  leiden  gehabt,  diese 
Sturmtage  hat  sie  jedoch  ohne  opfern  zu  müssen  überstanden. 
Die  Nahrungsaufnahme  war  allerdings  sehr  gering,  aber  sie  hat 
auch  nur  morgens  je  nach  ihrem  Befinden  einige  Zeit  die 
Halsstauung  angewandt. 

Wenn  ich  durch  diese  Zeilen  nachgewiesen  habe,  dass  die 
Anwendung  der  Bier  sehen  Stauung  bei  der  Behandlung  der 
Seekrankheit  nicht  zu  den  Absurditäten  gehört,  wie  mir  ein 
Kollege  sagte,  der  zurzeit  im  Mittelmeer  praktische  Erfahrungen 
sammeln  kann,  dann  ist  ihr  Zweck  erfüllt.  Immerhin  soll  die 
Anwendung  zunächst  von  weiterer  Nachprüfung  abhängen  und 
dann  auch  ärztlicher  Kontrolle  wegen  der  Leistungsfähigkeit 
des  Gefässsystems  Vorbehalten  bleiben. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1385 


Ueber  den  Einfluss  des  Cholins  und  der  Röntgen¬ 
strahlen  auf  den  Ablauf  der  Gravidität. 

Bemerkungen  zu  der  unter  dem  gleichen  Titel  veröffentlichten 
Erwiderung  der  Herren  Neumann  und  Fellner 
(diese  Wochenschrift  No.’  23). 

Von  E.  v.  Hippel  und  H.  Pagenstecher. 

Die  auffallend  temperamentvolle  „Erwiderung“  der  Herren 
Ncuman  n  und  Fellner  erfordert  eine  kurze  Richtigstellung,  da 
uns  in  derselben  Behauptungen  zugeschrieben  werden,  die  wir  gar 
nicht  ausgesprochen  haben.  Unsere  Arbeit  enthielt  überhaupt  keinen 
Angriff  gegen  N.  und  F.,  der  eine  „Erwiderung“  verlangt  hätte. 

Die  Autoren  vertreten  die  Ansicht,  dass  durch  die  Bestrahlung 
der  Ovarien  diese  zur  Atrophie  gebracht  werden  und  dass  der  Rück¬ 
gang  der  Schwangerschaft  durch  das  Versiegen  der  inneren  Sekretion 
der  Ovarien  erfolge.  Zur  Stütze  führen  sie  die  Art  ihrer  Versuchs¬ 
anordnung  und  ihre  mikroskopischen  Befunde  an. 

Diese  Erklärung  kann  aber  wohl  nicht  für  Fälle  zutreffen,  wo 
die  Ovarien  vor  der  Strahlenwirkung  geschützt  waren  und  bei  der 
mikroskopischen  Untersuchung  normal  gefunden  wurden.  Da  dies  in 
unserer  zweiten  Versuchsreihe  der  Fall  war,  so  sagten  wir,  dass 
diese  Tatsache  nicht  „zu  gunsten  der  theoretischen  Auffassung 
Fellners  spräche“.  Nirgends  haben  wir  dagegen  behauptet,  dass 
sie  die  Möglichkeit  der  Fellner  sehen  Erklärung  ausschliesse,  so¬ 
fern  der  objektive  Befund  ein  anderer  ist.  Es  ist  sehr  wohl  möglich, 
dass  die  Beeinflussung  der  Schwangerschaft  durch  die  Bestrahlung 
eine  „komplexe“  Grösse  ist,  nehmen  doch  N.  und  F.  selbst  auch 
eine  „Allgemeinwirkung“  an. 

Mit  dem  Satz:  „es  vermögen  also  diese  Versuche  die  Deutung, 
welche  wir  unserem  gegeben  haben,  absolut  nicht  zu  widerlegen1* 
stossen  die  Autoren  offene  Türen  ein,  da  wir  nirgends  eine  derartige 
Behauptung  aufgestellt  haben. 

Unsere  Versuche,  in  welchen  der  Bauch  durch  Bleiplatten  ge¬ 
schützt  war,  suchen  die  Autoren  mit  ihrer  Theorie  durch  die  An¬ 
nahme  in  Einklang  zu  bringen,  dass  die  dabei  erfolgende  Bestrahlung 
der  Schilddrüse  indirekt  eine  Atrophie  der  Ovarien  und  vielleicht 
auch  des  Uterus  zur  Folge  hatte. 

Hierzu  ist  zu  bemerken,  dass  wir  über  die  Bedeutung  der 
Schilddrüse  keine  Untersuchung  angestellt  und  auch  keine  Ansicht 
geäussert  haben,  eine  Atrophie  der  Ovarien  war  aber  in  unseren 
histologisch  untersuchten  Fällen  ebensowenig  vorhanden,  wie  eine 
solche  des  Uterus.  Deshalb  halten  wir  die  Behauptung,  „diese  Ver¬ 
suche  brachten  vielmehr  nur  eine  Bestätigung  unserer  Anschauung“ 
auch  jetzt  nicht  für  zutreffend. 

Bezüglich  der  Degenerationserscheinungen  an  den  Ovarien 
schreiben  die  Autoren:  „H.  und  P.  leugnen1)  aber  eine  solche 
auf  Grund  einer  von  berufener  Seite  erfolgten  Untersuchung.  Wenn 
man  einigen  Autoren  derart  widerspricht1),  wie  es  H.  und  P. 
Halberstädter,  Specht,  einer  Reihe  von  französischen 
Autoren  und  uns  gegenüber  tun 2),  so  wäre  es  wohl  angezeigt  ge¬ 
wesen,  nicht  allein  die  Namen  dieser  berufenen  Autoren  zu  nennen, 
damit  sie  für  ihr  negatives  Urteil  einstehen,  sondern  auch  die  Beweise 
zu  erbringen,  und  wir  erwarten,  dass  dies  in  der  aus¬ 
führlichen  Arbeit  nach  geholt  werde3).  Unsere  aus¬ 
führliche  Arbeit  erscheint  demnächst,  ihre  Veröffentlichung  konnte 
aus  äusseren  Gründen  bisher  nicht  erfolgen,  aber  auch  ohne  diese 
darf  man  wohl  über  die  Halber  Städter  sehen,  Specht  sehen 
und  unsere  vorläufigen  Mitteilungen  nicht  so  ohne  weiteres  m  i  t 
einem  anonymen  Urteil  hinweggehen  3)“. 

Demgegenüber  erklären  wir :  Wir  haben  nirgends 
etwas  „geleugnet“,  nirgends  den  tatsächlichen 
Angaben  „widersproche n“  und  sind  ebensowenig 
über  die  Angaben  der  genannten  Autoren  „mit 
einem  anonymen  Urteil  hinweggegange  n“.  Wir 
haben  vielmehr  sowohl  Halberstädter  als  Specht 
und  Fellner  zitiert  und  ihre  Angaben  mit  keiner 
Silbe  angezweifelt. 

Wenn  wir  selber  keine  analogen  Ergebnisse  hatten,  so  folgt 
daraus  zunächst  doch  wohl  nur,  dass  bei  diesen  Versuchen  keine 
absolut  konstanten  Resultate  erhalten  werden.  Wenn  ein  Autor  mit 
Röntgen-  oder  Radiumstrahlen  ein  Kankroid  heilt,  der  andere  aber 
kein  solches  Ergebnis  erzielt,  so  hat  er  damit  die  Angaben  des 
ersten  nicht  „geleugnet“.  Genau  so  liegt  es  hier. 

Unsere  Präparate  der  Ovarien  sind  von  Prof.  Schottländer 
für  normal  erklärt  worden,  wie  das  übrigens  v.  H.  in  seinem  Vor¬ 
trag  in  Stuttgart  angegeben  hat 4). 

Eine  weitere  ausführliche  Arbeit  ist  von  uns  nicht  beabsichtigt 
und  wird  auch  trotz  der  „Erwartung“  von  N.  und  F.  nicht  erfolgen. 
Wir  überlassen  es  den  Gynäkologen  oder  anderen,  die  sich  vielleicht 


*)  Von  uns  gesperrt. 

2)  Die  Interpunktion  ist  hier  von  uns  sinngemäss  geändert;  nach 
der  in  dem  Aufsatz  von  N.  und  F.  angewandten  müsste  man  an¬ 
nehmen,  dass  die  Autoren  Halberstädter  und  Specht  zu 
ihren  Gegnern  zählen,  was  sicher  nicht  gemeint  war. 

3)  Von  uns  gesperrt. 

4)  Verhandl.  d.  Deutschen  Patholog.  Gesellschaft,  Stuttgart  1906. 

No.  28. 


für  unsere  Versuche  interessieren,  dieselben  zu  prüfen  und  event. 
weiter  zu  verwerten,  sofern  sie  es  der  Mühe  wert  halten,  und  haben 
uns  selbst  wieder  ophthalmologischen  Arbeiten  zugewandt. 

Völlig  unverständlich  ist  uns  der  Schlussatz  der  Autoren:  „Auf 
die  grossen  Zellen  an  der  Plazentarstelle,  welche  die  beiden  Autoren 
gleich  uns  fanden  und  mit  dem  Rückgang  der  Trächtigkeit  in  Be¬ 
ziehung  brachten,  kommen  wir  in  der  ausführlichen  Arbeit  zurück. 
Letzterer  Anschauung  müssen  wir  aufs  energischste 
widersprechen5),  da  sich  diese  Zellen  auch  bei  gut  erhaltener, 
selbstverständlich  nicht  bestrahlter  Gravidität  finden,  ja  selbst  zu 
Beginn  der  Trächtigkeit,  wie  Disse  nachgewiesen  hat.“ 

Wir  haben  den  Befund  der  grossen  Zellen  zu  keinem  anderen 
Schluss  verwertet,  als  zu  dem,  dass  in  den  Fällen,  wo  sie  vorkamen, 
wirklich  beginnende  Gravidität  vorhanden  gewesen  und  dass  die 
Konzeption  nicht  einfach  zufällig  ausgeblieben  war.  Warum  der 
Nachweis  dieser  Zellen  auch  bei  erhaltener  und  beginnender  Gra¬ 
vidität  ein  Grund  sein  soll,  uns  „energischst  zu  widersprechen“ 
entzieht  sich  unserem  Urteil. 

Die  Erörterungen  über  die  Priorität  könnten  wieder  den  An¬ 
schein  erwecken,  als  ob  wir  einen  Angriff  gegen  irgend  jemand  in 
dieser  Hinsicht  gerichtet  hätten.  Wäre  uns  an  Aufstellung  von 
Prioritätsansprüchen  etwas  gelegen,  so  hätte  der  eine  von  uns  (v.  H.) 
sich  eben  nicht  damit  begnügt,  die  erste  kurze  Mitteilung  „an  einer 
für  die  Mehrzahl  der  Aerzte  völlig  unzugänglichen  Stelle“  zu  machen. 
Für  unser  Empfinden  sind  Prioritätsstreitigkeiten  zwischen  Autoren, 
die  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  völlig  unabhängig  voneinander  ähn¬ 
liche  Untersuchungen  angestellt  haben,  eine  Geschmacklosigkeit. 
Wenn  Fellners  Name  in  dem  kurzen  Autoreferat  über  einen 
Vortrag  (v.  H.s)  nicht  erwähnt  ist,  so  hatte  das  lediglich  den  Grund, 
dass  in  demselben  überhaupt  keine  Literaturangaben  gemacht  sind; 
es  lag  uns  aber  ferne,  F.  ignorieren  zu  wollen,  wie  der  Passus  „frei¬ 
lich  ohne  uns  zu  erwähnen“  vermuten  lassen  könnte.  In  dem  betr. 
Vortrag  war  Fellners  Mitteilung  eingehend  besprochen  worden. 

Was  die  Art  der  Bestrahlung  anlangt,  so  betrug  der  Abstand 
der  Antikathode  von  der  Bauchdecke  der  Tiere  in  Rückenlage  45  bis 
48  cm.  Es  wurde  mit  der  Albers-Schönberg  sehen  Blende 
die  Unterbauchgegend  in  der  ersten  Versuchsreihe,  der  Oberkörper 
in  der  späteren  in  einem  Durchmesser  von  13  cm  bestrahlt.  (Angaben 
von  Herrn  Dr.  E  n  g  e  1  k  e  n,  der  den  grösseren  Teil  der  Bestrah¬ 
lungen  vornahm.) 


Aus  dem  physiologischen  Institut  und  aus  der  psychiatrischen 
Klinik  der  Universität  Freiburg  i.  Br. 

Die  Beziehungen  der  Medulla  oblongata  zur  Pupille. 

Von  Privatdozent  Dr.  W.  T  r  e  nd  e  1  e  nb  u  rg  und  Privat¬ 
dozent  Dr.  0.  Bumke. 

Die  unter  dem  gleichen  Titel  in  No.  25  dieser  Wochenschrift  ver¬ 
öffentlichte  Mitteilung  von  Bach  nötigt  uns  zu  der  folgenden  kurzen 
Erwiderung  . 

Herr  Prof.  Bach  stützt  sich  bei  seinen  gegen  uns  gerichteten 
Ausführungen  auf  einen  (mit  Maschinenschrift  hergestellten)  Bericht 
über  unseren  Vortrag,  den  wir  ihm  aut  seinen  Wunsch  unmittelbar 
nach  der  Badener  Neurologenversammlung  hatten  zugehen  lassen. 
Da  dieser  Eigenbericht  unseres  Wissens  bisher  nirgends  abgedruckt 
worden  ist  —  der  offizielle  Bericht  erscheint  frühestens  im  Herbst  d.  J. 
—  so  mag  es  zunächst  gestattet  sein,  ihn  hier  wörtlich  mitzuteilen. 

„T  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g  und  Bumke-  Freiburg  i.  Br. 

Zur  Frage  der  Bach  sehen  Pupillenzentren  in  der  Medulla  oblongata. 

Bach  und  Meyer  waren  durch  Experimente  an  Katzen  zu 
dem  Ergebniss  gekommen,  dass  doppelseitige  Durchschneidung  der 
Medulla  am  spinalen  Ende  der.  Rautengrube  sofortige  Lichtstarre 
beider  Pupillen  zur  Folge  hätte;  ein  einseitiger  Schnitt  sollte  Licht¬ 
starre  der  gekreuzten  Pupille,  Freilegung  der  Rautengrube,  oft  Licht¬ 
starre  und  Miosis  (Tabespupillen!)  hervorrufen.  Bach  erklärte  diese 
Ergebnisse  durch  die  Annahme  von  Hemmungszentren  am  spinalen 
Ende  der  Raute. 

Diese  bisher  nicht  einwandfrei  nachgeprüften  Experimente  haben 
die  Vortragenden  wiederholt,  und  zwar  wurde  4  mal  genau  ent¬ 
sprechend  den  Bach  sehen  Versuchen  bei  künstlicher  Atmung  an 
der  typischen  Stelle  total  durchschnitten,  ausserdem  aber  4  mal  nur 
die  eine  Hälfte  der  Medulla  durchtrennt  und  das  Tier  am  Leben  ge¬ 
lassen  (bis  3  Wochen).  Die  Vollständigkeit  der  Schnitte  wurde 
anatomisch  (Marchipräparate)  kontrolliert 

Der  Erfolg  war  in  keinem  Falle  der  von  Bach  und  Meyer 
beschriebene;  es  trat  niemals  Lichtstarre  ein,  sondern  stets  nur 
(unmittelbar  nach  dem  Schnitt)  Pupillenerweiterung  und  dement¬ 
sprechend  erfolgte  dann  sogar  ein  grösserer  Ausschlag  des  Licht¬ 
reflexes.  Niemals  wurde  bei  Freilegung  der  Medulla  Miosis  beob¬ 
achtet.  Bei  den  am  Leben  gehaltenen  Tieren  mit  Halbseitendurch- 
schneidung  bestand  eine  geringe  Pupillendifferenz,  deren  Erklärung 
die  Vortr.  noch  offen  lassen.  —  Die  Vortr.  können  somit  die  Badi¬ 
schen  Resultate  nicht  bestätigen  und  glauben,  dass  die  Hypothesen 
dieses  Autors  aufgegeben  werden  müssen.  (Die  ausführliche  Ver- 


5)  Von  uns  gesperrt. 


4 


1386 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


öffentlichung  wird  in  den  klinischen  Monatsblättern  für  Augenheil¬ 
kunde  erfolgen.)“ 

Wir  glauben  nicht,  dass  diese  kurzen  Sätze  zum  Ausgangspunkt 
für  eine  Diskussion  über  die  Beweiskraft  unserer  Versuche  dienen 
können.  Eine  Kritik  unserer  Experimente  und  unserer  Schluss¬ 
folgerungen  wird  erst  möglich  sein,  wenn  die  ausführliche  Veröffent¬ 
lichung  unserer  Arbeit,  die,  wie  gesagt,  in  den  klinischen  Monats¬ 
blättern  für  Augenheilkunde  erfolgen  wird,  vorliegt.  Wir  könnten 
uns  mit  dieser  Feststellung  begnügen,  wenn  nicht  die  Mitteilung  von 
Bach  einige  grundsätzlich  wichtige  Behauptungen  enthielte, 
deren  Berechtigung  von  den  Ergebnissen  unserer  Versuche  im  ein¬ 
zelnen  ganz  unabhängig  ist  und  deren  Richtigkeit  deshalb  schon  jetzt 
geprüft  werden  kann  und  unseres  Erachtens  geprüft  werden  muss. 

Bach  schreibt:  „Der  Grund  (sc.  für  unsere  negativen  Resultate) 
kann  unter  anderem  daran  liegen,  dass  sie  bei  ihren  Versuchen  ent¬ 
weder  die  für  den  Lichtreflex  wichtige  Stelle  zerstört  oder  wenigstens 
ausser  Funktion  gesetzt  haben  oder  darin,  dass  durch  ihre  Schnitte 
die  in  Betracht  kommende  Stelle  unbeeinflusst  blieb.“  Es  läge  nahe, 
dem  gegenüber  einfach  auf  die  noch  ausstehende  Publikation  unserer 
Versuchsprotokolle  (und  anatomischen  Befunde)  hinzuweisen.  Nun 
schreibt  aber  Bach  auf  der  nächsten  Spalte: 

„Kommt  man  mit  der  Läsion  an  das  Zentrum  heran,  so  besteht 
die  Gefahr,  es  sofort  oder  nach  kurzer  Zeit  ausser  Funktion  zu  setzen, 
bleibt  man  spinalwärts  in  nur  geringer  Entfernung  davon,  so  wird 
vielleicht  gar  keine  Beeinflussung  der  Pupille,  höchstens  eine 
Aenderung  der  Pupillen  weite  eintreten.  Setzt  man  die  Läsions¬ 
stelle  zerebral  davon,  so  wird  es  im  Experiment  kaum  je  gelingen, 
nur  die  zum  Zentrum  hin. zieh  enden  Bahnen  elektiv  zu  zer¬ 
stören;  Verletzung  der  abgehe  m  den  Bahnen  schaltet  aber  das 
Zentrum  aus.“ 

Damit  wäre  a  priori  bewiesen,  dass  die  Ergeb¬ 
nisse  von  Bach  nicht  widerlegt  werden  können.  Wir 
haben  uns  bemüht,  nicht  zerebralwärts  und  nicht  spinalwärts  von 
der  von  Bach  als  wichtig  bezeichneten  und  in  einer  Abbildung  näher 
angegebenen  Stelle  zu  durchschneiden  (obwohl  Bach  selbst  Proto¬ 
kolle  mitgeteilt  hat,  nach  denen  eine  Durchschneidung  spinal  von  der 
Raute  die  Pupillenreaktion  auch  schon  beeinflusst);  dagegen  war 
allerdings  das  Ziel  unserer  Experimente,  an  das  Zentrum  am  spinalen 
Ende  der  Rautengrube  „heranzukommen“.  Ist  auch  das  nicht  ge¬ 
stattet,  so  ist  zuzugeben,  dass  die  Hypothesen  von  Bach  gar  nicht 
zu  widerlegen  sind.  Dann  bleibt  aber  zu  fragen,  wie  sie  überhaupt 
auf  Grund  solcher  Versuche  haben  aufgestellt  werden  können. 

Dieser  Frage  gegenüber  ist  zunächst  in  tatsächlicher  Beziehung 
aus  der  neuesten  Publikation  von  Bach  die  Mitteilung  wertvoll, 
dass  auch  bei  seinen  gemeinsam  mit  H.  Meyer  angestellten  Ver¬ 
suchen  „Schnitte  am  spinalen  Ende  der  Rautengrube  nicht  regel¬ 
mässig  Lichtstarre  bewirkten“.  Das  ist  eine  absolut  neue  Tat¬ 
sache,  die  in  der  Veröffentlichung  der  beiden  Autoren  nirgends  er¬ 
wähnt  ist.  Und  doch  würde  ihre  Mitteilung  für  die  Beurteilung  der 
Bach-Meyer  sehen  Versuchsergebnisse  von  ausserordentlicher 
Bedeutung  gewesen  sein.  Wir  werden  darauf  in  unserer  ausführlichen 
Arbeit  zurückzukommen  haben  und  dort  des  Näheren  begründen,  wes¬ 
halb  wir  die  Schlüsse,  die  Bach  aus  diesen  Durchschneidungsver¬ 
suchen  gezogen  hat,  für  irrtümlich  halten.  Bach  scheint  übrigens 
heute  auf  diese  Experimente  selbst  nicht  mehr  den  Wert  zu  legen, 
wie  früher;  denn  er  schreibt' 

„H.  Meyer  und  Verfasser  sind  auf  Grund  ihrer  sehr  zahl¬ 
reichen  Experimente  in  der  Lage,  von  dem  Ergebnisse  ihrer  Durch¬ 
schneidungen  am  spinalen  Ende  der  Medulla  oblongata  vollständig 
abzusehen,  ohne  ihre  Hypothese  aufgeben  zu  müssen.“ 

In  der  Tat,  wenn  weder  Durchschneidungen,  die  das  „Zentrum“ 
selbst  treffen,  noch  solche,  die  spinal-  oder  zerebralwärts  davon  ge¬ 
legen  sind,  gesetzmässig  das  Pupillenspiel  beeinflussen,  dann 
wird  die  Existenz  eines  in  der  Medulla  gelegenen  Pupillenzentrums 
durch  diese  Experimente  gewiss  nicht  bewiesen. 

Bach  sieht  nun  den  springenden  Punkt  der  ganzen  Frage  und 
den  Grundpfeiler  der  Bach-Meyer  sehen  Hypothese  in  dem  Auf¬ 
treten  von  Miosis  und  Pupillenstarre  bis  Freilegung  der  Raute  und 
in  der  Beseitigung  dieser  Störungen  durch  einen  Schnitt  zerebral  von 
der  Mitte  der  Rautengrube.  (Eine  Bemerkung  des  Autors  —  er  be¬ 
ruft  sich  auf  die  Beobachtung  der  Pupillen  durch  mindestens  3  Per¬ 
sonen  —  nötigt  uns  zu  der  Feststellung,  dass  wir  weder  in  unserem 
Vortrag,  dem  beizuwohnen  übrigens  Herr  Prof.  Bach  leider  ver¬ 
hindert  war,  noch  in  dem  oben  mitgeteilten  Referat  das  Tatsäch¬ 
liche  dieser  Pupillenbeobachtungen  irgendwie  in  Zweifel  gezogen 
haben).  Die  Bach -  Meyer  sehe  Hypothese  fährt  dann  Bach 
fort,  „besteht  solange  zu  Recht,  bis  nachgewiesen  ist,  dass  die  von 
uns  gegebene  Erklärung  unserer  Resultate  falsch  ist,  bis  nachge¬ 
wiesen  ist,  dass  unsere  Versuchsergebnisse  gar  nicht  in  direkter 
Abhängigkeit  von  gewissen  Beeinflussungen  der  Medulla  stehen, 
sondern  durch  irgendwelche  Mängel  unserer  Versuchsanordnung, 
durch  irgend  welche  „Nebenverletzungen“  etc.  bedingt  sind.“ 

Wir  müssen  natürlich  die  Frage  offen  lassen,  ob  die  dahin 
zielende  Beweisführung  unserer  noch  nicht  veröffentlichten  Arbeit 
Anerkennung  finden  wird.  Wir  möchten  aber  schon  hier  feststellen, 
dass  in  den  zuletzt  zitierten  Sätzen  die  Beweislast  unserer  Ansicht 
nach  nicht  unerheblich  verschoben  wird.  Wenn  bei  den  Resultaten 
von  Bach  und  Meyer  Versuchsfehler  eine  Rolle  gespielt  haben 


No.  28. 


sollten,  so  wäre  es  nicht  unbedingt  unsere  Aufgabe,  sie  aufzudecken. 
Unsere  Aufgabe  war,  diese  Experimente  nachzuprüfen.  Das  ist  ge¬ 
schehen,  und,  wie  erwähnt,  mit  negativem  Ergebnis.  Wir  können 
nicht  zugeben,  dass  dem  positiven  Resultat  die  grössere  Beweis¬ 
kraft  zukommt.  Wenn  Bach  durch  Freilegung  der  Rautengrube 
Pupillenstarre  und  Miosis  erhielt  und  wir  nach  ganz  dem  gleichen 
Eingriffe  nichts  davon  sahen,  so  ist  daraus  nur  das  zu  folgern:  dass 
die  Freilegung  der  Medulla  an  sich  Pupillenstarre  und  Miosis 
nicht  bewirkt.  Dazu  kommt,  dass  Bach  selbst,  auch  in  dieser 
Beziehung,  keineswegs  stets  die  gleichen  gesetzmässigen  Resultate 
erhalten  zu  haben  scheint.  Er  sagt:  „Manchmal  war  nur  die  eine 
oder  andere  Störung  ausgesprochen.  —  Weniger  deutlich  und  nicht 
so  häufig  traten  die  Pupillenstörungen  auf,  wenn  die  Freilegung  der 
Rautengrube  vom  Halsmarke  (sc.  statt  vom  Hinterhaupt)  her  er¬ 
folgte.“  Statt  wirklicher  Pupillenstarre  wurde  gelegentlich  —  Zahlen 
sind  nicht  (angegeben  —  nur  starke  Herabsetzung  der  Lichtreaktion 
konstatiert. 

Ob  unsere  Experimente  beweiskräftig  sind,  wird  erst  an  der 
Hand  unserer  Versuchsprotokolle  und  unserer  anatomischen  Belege 
entschieden  werden  können.  Die  neueste  Publikation  von  Bach  aber 
versucht  jeder  Nachprüfung  der  B  a  c  h -M  ey  e  r  sehen  Experimente, 
die  negativ  ausfällt,  ivon  vornherein  die  Beweiskraft  abzusprechen. 
Dazu  mussten  wir  schon  jetzt  Stellung  nehmen. 

Freiburg  i.  B.,  21.  Juni  1907. 

- - 

Die  Gesundheitsverhältnisse  der  deutschen  Kolonien 
in  statistischer  Betrachtung. 

Von  Dr.  med.  E.  R  o  e  s  1  e  in  Dresden. 

Den  klimatischen  Einflüssen  mancher  Länder  auf  die  menschliche 
Gesundheit  wurde  bis  in  die  jüngsten  Jahre  eine  viel  zu  grosse  Be¬ 
deutung  beigelegt,  weil  man  früher  in  ihnen  allein  die  Ursachen  oder 
die  begünstigenden  Momente  für  die  Entstehung  jener  Krankheiten 
vermutete,  die  vornehmlich  in  ihrer  Verbreitung  auf  die  Länder  be¬ 
schränkt  sind,  deren  klimatischer  Charakter  wegen  seiner  Eigenart 
ganz  besonders  in  den  Vordergrund  tritt.  Die  Erfahrung  hat  aber 
besonders  in  den  Tropen  gelehrt,  dass  das  Klima  eines  solchen  Landes 
an  und  für  sich  keine  schädigende  Wirkung  auf  den  Menschen  aus- 
iibt,  allerdings  unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Mensch,  der  sich 
aus  den  gemässigten  Zonen  dorthin  begibt,  völlig  gesund  ist.  Trifft 
diese  hauptsächlichste  Bedingung  zu,  so  ist  nicht  einmal  eine  be¬ 
sondere  Trainierung  erforderlich,  da  der  gesunde  Körper  bei  ge¬ 
eigneter  Lebensweise  sich  bald  den  andersartigen  Temperaturein¬ 
flüssen  anzupassen  vermag. 

Die  einzige  Gefahr,  die  dem  Europäer  in  den  Tropen  droht,  bilden 
einzig  und  allein  die  Tropenkrankheiten,  die  fast  keinen  bisher  ganz  zu 
verschonen  pflegten.  Seitdem  aber  auch  auf  diesem  Gebiete  die  Hy¬ 
giene  eine  Reihe  prophylaktischer  Massnahmen  geschaffen  hat,  ist 
auch  hierin  ein  wesentlich  günstiger  Wandel  eingetreten  und  sta¬ 
tistisch  zu  verzeichnen.  Dafür  liefern  gerade  unsere  Kolonien  in  der 
Tropenzone  die  deutlichsten  Beweise. 

Die  gesamte  Gesundheitsüberwachung  liegt  dort  in  den  Händen 
von  beamteten  Regierungsärzten,  denen  nicht  allein  die  Behandlung 
der  kranken  Europäer  und  Eingeborenen,  sondern  auch  die  Durch¬ 
führung  aller  hygienischen  Massregeln  obliegt.  Es  ist  bewunderns¬ 
wert,  was  gerade  in  letzterer  Beziehung  manche  dieser  Aerzte  schon 
zu  leisten  vermochten  und  welche  gesundheitsförderliche  Einrichtungen 
sie  bereits  aus  eigener  Initiative  getroffen  haben,  wenn  man  ihre 
Berichte1)  einem  eingehenden  Studium  unterwirft.  Der  ärztliche 
Beruf  offenbart  sich  hier  in  seiner  neuen  Grösse:  neben  der  Heilbe¬ 
handlung  schafft  er  hygienische  Zustände,  die  der  gesamten 
Bevölkerung  zu  dauerndem  Nutzen  und  Segen  gereichen  und  die 
Kultur  des  Landes  auf  eine  höhere  Stufe  erheben. 

Da  die  Tropenhygiene  erst  nach  dem  weiteren  Ausbau  unserer 
Kenntnisse  von  den  Tropenkrankheiten  einsetzen  konnte,  so  befindet 
sich  naturgemäss  die  hygienische  Entwicklung  unserer  Kolonien  noch 
in  den  Anfangsstadien.  Ihre  Rückwirkung  auf  die  Verminderung  der 
Erkrankungen  und  Sterbefälle  kann  deshalb  noch  keine  überraschen¬ 
den  Erfolge  gezeitigt  haben.  Dennoch  dürfte  es  gegenwärtig  einmal 
angebracht  und  von  Interesse  sein,  die  zur  Zeit  bestehenden  Ge¬ 
sundheitsverhältnisse  unserer  Schutzgebiete  an  der  Hand  der  vor¬ 
liegenden  Statistik  zu  betrachten,  die  mit  ihren  bedeutungsvollen 
Zahlen  auch  dem  Fernstehenden  es  einigermassen  ermöglicht,  ein  ge¬ 
treues  Bild  davon  zu  entwerfen. 

Dazu  müssen  wir  allerdings  die  unseren  Ausführungen  zu  gründe 
liegenden  amtlichen  Aufzeichnungen  der  Regierungsärzte  einer  zweck¬ 
dienlicheren  Umarbeitung  unterziehen,  um  einerseits  prozentuale  Ver¬ 
gleiche,  andererseits  übersichtliche  Zusammenstellungen  für  unsere 
Schlussfolgerungen  zu  erlangen. 

In  dieser  Hinsicht  können  wir  am  eingehendsten  die  Statistik  über 
Deutsch -  Ostafrika  wegen  seiner  verhältnismässig  grossen  An¬ 
zahl  ansässiger  Europäer  verwerten.  Dort  haben  im  letzten  Be¬ 
richtsjahre  (April  1903  bis  März  1904)  von  den  1200  ansässigen 


1)  Medizinalberichte  über  die  deutschen  Schutzgebiete.  Heraus¬ 
gegeben  von  der  Kolonialabteilung  des  Auswärtigen  Amtes.  Berlin, 
Mittler  &  Sohn. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1387 


Europäern  915  ärztliche  Hilfe  in  Anspruch  genommen.  Angesichts 
dieses  hohen  Prozentsatzes  (=  76,3  Proz.)  müssen  wir  zuerst  die 
einzelnen  Krankheitsarten  in  ihrem  relativen  Verhältnis  zu  einander 
und  zu  der  Gesamtzahl  der  Europäer  feststellen,  wodurch  wir  am 
vorteilhaftesten  über  die  Häufigkeit  einzelner  Krankheiten  Kenntnik 
erhalten,  aus  welcher  wir  wiederum  unsere  Schlüsse  über  die  be¬ 
stehenden  Gesundheitsverhältnisse  ziehen  können.  Für  eine  mass¬ 
gebende  Beurteilung  wäre  es  allerdings  nötig,  die  betreffenden  Durch¬ 
schnittszahlen  mehrerer  Jahre  zum  Vergleiche  heranzuziehen,  doch 
reichen  die  erschienenen  Berichte  dazu  nicht  aus.  Wir  können  uns 
aber  für  unsere  Betrachtung  mit  der  Statistik  des  letzten  Berichts¬ 
jahres  begnügen,  da  wir  nur  die  gegenwärtigen  Verhältnisse  berück¬ 
sichtigen  wollen  und  da  diese  Statistik  bereits  wesentliche  Erfolge 
gegenüber  den  Vorjahren  aufzuweisen  hat. 

Wenn  wir  nun  die  aus  den  absoluten  Zahlen  der  einzelnen  Er¬ 
krankungsarten  gewonnenen  Prozentziffern  nach  ihrer  Grösse  regi¬ 
strieren,  so  erhalten  wir  nachstehende  Tabelle:  


Von  den  ärztlich  behandelten  Erkran¬ 
kungen  der  Europäer  entfielen  auf 


Infektionskrankheiten . 

Krankheiten  der  Ernährungsorgane  .  .  . 

Hautkrankheiten . 

Venerische  Krankheiten . 

Augen-  und  Ohrenkrankheiten  ...... 

Krankheiten  durch  tierische  Parasiten  .  . 

Verletzungen . 

Krankheiten  der  Atmungsorgane . 

Nervenkrankheiten . •  .  .  .  . 

Krankheiten  der  Kreislauforgane . 

Krankheiten  der  Bewegungsorgane  .  .  . 

Frauenkrankheiten . 

Krankheiten  der  Harn-  u.  Geschlechtsorgane 

Konstitutionelle  Krankheiten . 

Sonstige  Krankheiten . .  •  • 

Summe 


In 

Prozenten 


Auf  je  100 
Europäer 
berechnet 


40,4 

14,i 

10,6 

8.4 

4.7 
4,o 

3.8 

3.2 

2.2 
2,1 

1.9 

1.4 
1,3 
1,2 
0,7 


100  Proz.  76,3  Proz 


Die  Infektionskrankheiten  haben  also  für  den  Europäer  die  grösste 
Bedeutung,  da  sie  auch  in  diesem  Berichtsjahr  noch  zwei  Fünftel 
aller  Erkrankungen  ausmachen.  Die  übrigen  Krankheitsarten  treten 
dagegen  weit  zurück  und  erreichen  —  mit  einigen  Ausnahmen 
nicht  die  bei  uns  sich  ergebenden  Zahlen,  die  wir  allerdings  nur 
aus  den  Statistiken  der  Heeresverwaltungen,  der  Krankenhäuser  oder 
Krankenkassen  erhalten  können  und  deshalb  nur  annähernd  mit  den 
Erkrankungen  einer  Gesamtbevölkerung  analogisieren  dürfen. 

Die  auffallende  Häufigkeit  der  Infektionskrankheiten  verstehen 
wir,  wenn  wir  folgende  Tabelle  betrachten,  in  der  wir  diese  Kiank- 
heiten  selbst  nach  ihrem  prozentualen  Verhältnis  zergliedert  haben: 


Von  den  Infektionskrankheiten  ent¬ 
fielen  auf 

In 

Prozenten 

Auf  je  100 
Europäer 
berechnet 

Malaria . 

80 

24,4 

Schwarzwasserfieber  . 

9 

2,7 

Ruhr . 

2,4 

0,8 

Pest  . 

Id 

0,3 

Denguefieber . 

0,& 

0,2 

Sonstige  Infektionskrankheiten  .... 

7 

2,5 

Summe 

100  Proz. 

30,9  Proz. 

Wir  sehen  daraus,  dass  die  auch  bei  uns  endemischen,  kon- 
tagiösen  Krankheiten,  die  wir  unter  „sonstige“  Infektionskrankheiten 
zusammengefasst  haben,  fast  gar  nicht  an  der  auffallenden  Häufig¬ 
keit  dieser  Krankheitsgruppe  in  dem  tropischen  Afrika  wegen  ihres 
seltenen  Vorkommens  Schuld  tragen,  was  wohl  allein  dem  Umstand 
zuzuschreiben  ist,  dass  die  meisten  Europäer  sich  in  den  mittleren 
Jahren  befinden,  in  denen  die  Gefahr  der  Akquirierung  jener  Krank¬ 
heiten  —  mit  Ausnahme  von  Tuberkulose  —  am  geringsten  ist;  wir 
sehen  aber,  dass  dagegen  93  Proz.  der  ver zeichneten  Fälle  auf 
spezifische  T  ropenkrankheiten  entfallen,  die  also  fast 
allein  den  grossen  Prozentsatz  der  Infektionskrankheiten  ausmachen. 

Unter  den  Tropenkrankheiten  ist  es  hauptsächlich  die  Malaria 
und  ihre  verhängnisvolle  Nachkrankheit,  das  Schwarzwasser¬ 
fieber,  wogegen  der  Europäer  einen  unaufhörlichen  Kampf  zu 
führen  gezwungen  ist.  Glücklicherweise  stehen  uns  aber  gerade  hier 
die  vorzüglich  bewährten  Schutzmittel,  vor  allem  die  prophylaktische 
ChininbehandJlung,  die  bei  längerem  Aufenthalt  in  den  I  ropen  aller¬ 
dings  mit  der  Benützung  der  mechanischen  Schutzvorrichtungen  gegen 
Mückenstiche  notwendigerweise  verbunden  werden  muss  U,  zur  Vei - 
fiigung,  so  dass  bei  einer  sachgemässen  Anwendung  dieser  Mittel  und 


einer  dementsprechenden  Belehrung  der  Bevölkerung  für  die  Zukunft 
weit  günstigere  Resultate  als  bisher  zu  erhoffen  sind;  hat  sich  doch 
allein  seit  dem  Vorjahre  die  Gesamtzahl  der  bei  den  Europäern  be¬ 
obachteten  Malariafälle  schon  um  142  erniedrigt. 


Dass  die  Schuld  der  Erkrankung  vielfach  an  der  Leichtfertigkeit 
oder  Unwissenheit  der  Bevölkerung  liegt,  können  wir  aus  den  Er¬ 
krankungen  an  Schwarzwasserfieber  in  Daressalam  ersehen.  Es  han¬ 
delte  sich  in  allen  Fällen  nur  um  solche  Europäer,  die  früher  an 
Malaria  gelitten  hatten  und  trotz  ärztlicher  Ermahnungen  die  be¬ 
währte  (Nachbehandlung  mit  Chinin  (jeden  9.  und  10.  Tag  1,0  g,  10  bis 
12  Wochen  hindurch)  gar  nicht  oder  nicht  sorgfältig  durchgeführt 
hatten.  Der  Malariakranke  darf  sich  also  nur  allmählich  des  Chinins 
entwöhnen,  eine  zu  baldige  Unterbrechung  kann  eine  akute  Chinin¬ 
vergiftung  hervorrufen,  sobald  solche  Kranke  erst  später  wieder  die 
übliche  Dosis  Chinin  nehmen.  Gerade  diese  Fälle  haben  wieder  die 
Anschauung  Kochs  bestätigt,  dass  das  Schwarzwasserfieber  im 
wesentlichen  eine  Ghininvergiftung  ist,  die  aber  nur  bei  früheren 
Malariakranken  vorkommt,  da  die  Malaria  selbst  die  Disposition  dazu 
schafft:  denn  alle  Fälle  wurden  nach  späterer  Wiedereinnahme  von 
Chinin  bei  diesen  früheren  Malariakranken  ausgelöst.  Eine  vor¬ 
sichtige,  erneute  Chiningewöhnung  hat  bei  allen  Kranken  auch  zur 
Heilung  geführt. 

Nächst  den  Malariakrankheiten  ist  die  tropische  Ruhr  die  ver¬ 
breitetste  Infektionskrankheit,  die  eine  ebensolche  Rolle  auch  in 
Kamerun,  Togo  und  Deutsch-Neu-Guinea  spielt.  Durch  die  Verbesse¬ 
rung  der  Trinkwasserversorgung  gelang  es  in  Deutsch-Ostafrika 
wenigstens  bei  den  Europäern  überall  einer  weiteren  Ausbreitung  Ein¬ 
halt  zu  tun. 

In  dem  letzten  Berichtsjahr  hat  ausserdem  die  Pest  unter  den 
Europäern  einige  Opfer  gefordert,  die  bekanntlich  einen  endemischen 
Herd  am  Viktoriasee  seit  vielen  Jahren  besitzt.  Nunmehr  wurde  sie 
auch  in  einem  zweiten  Bezirk  durch  Eingeborene  eingeschleppt  und 
bei  der  Pflege  eines  Kranken  wurden  zugleich  3  Europäer  mit  Lungen¬ 
pest  infiziert,  von  denen  2  (Krankenschwestern)  starben.  Ein  weiterer 
Fall  von  Bubonenpest  ging  in  Heilung  über.  Die  Hauptüberträger  der 
Pest  sind  auch  hier  die  Ratten,  deren  massenhaftes  Sterben  jeweils 
den  Ausbruch  der  Seuche  verkündet.  Für  den  Europäer  besteht, 
falls  er  die  verseuchten  Ansiedelungen  meidet,  keine  Infektionsgefahr. 
Die  vorgekommenen  Erkrankungen  beruhten  sämtlich  auf  Vernach¬ 
lässigung  der  notwendigsten  Vorsichtsmassregeln  von  seiten  der  Er¬ 
krankten,  deren  Sorglosigkeit  allerdings  wieder  auf  Unwissenheit 
zurückzuführen  ist. 

Das  Denguefieber,  das  in  früheren  Jahrzehnten  die  ost¬ 
afrikanische  Küste  in  schweren  Epidemien  heimsuchte3),  wurde  nur 
in  2  Fällen  beobachtet,  die  beide  geheilt  wurden.  Diese  Krankheit 
dürfte  nunmehr  für  Ostafrika  bedeutungslos  geworden  sein. 

Die  Statistik  der  Infektionskrankheiten  wie  der  übrigen  Er¬ 
krankungen  kann  auf  Grund  der  ärztlichen  Aufzeichnungen  natürlich 
nicht  erschöpfend  sein,  da  wir  annehmen  müssen,  dass  eine  Reihe 
von  Erkrankungen  überhaupt  nicht  in  ärztliche  Behandlung  gelangte. 
Mit  diesem  Umstand  müssen  wir  jedoch  bei  jeder  Krankheitsstatistik 
rechnen  und  fällt  daher  auch  hier  nicht  ins  Gewicht.  Immerhin  können 
wir  aber  aus  der  verhältnismässig  grossen  Anzahl  der  behandelten 
Erkrankungen  genügenden  Aufschluss  über  deren  verschiedene  Häufig¬ 


keit  erlangen.  .  ,  .  ,  . 

Viel  ungünstiger  aber  wird  dieses  Verhältnis  bei  den  Einge¬ 
borenen,  denn  von  den  4  025  000  farbigen  Bewohnern  haben  nur 
10  820,  also  0,27  Proz.,  ärztliche  Hilfe  aufgesucht.  Die  Statistik  er¬ 
streckt  sich  infolgedessen  nur  auf  einen  Bruchteil  der  Bevölkeiung, 
und  zwar  auf  die  im  Umkreise  jedes  Regierungssitzes  (Station) 
wohnenden  Eingeborenen.  Da  deren  Anzahl  natürlich  nicht  fest- 
bestellt  werden  kann,  so  müssen  wir  auf  weitere  statistische  Er¬ 
hebungen  verzichten  und  uns  allein  auf  die  vorliegende  Kranken¬ 
statistik  für  unsere  Berechnungen  beschränken,  die  uns  unter  solchen 
Jmständen  nur  einen  Einblick,  aber  kein  Urteil  über  die  Gesundheits- 
Verhältnisse  ermöglichen.  Ordnen  wir  daraus  auch  hier  die  einzelnen 
Krankheitsgruppen  nach  ihrem  prozentualen  Verhältnis,  so  erhalten 
wir  folgende  tabellarische  Uebersicht: 

(Tabelle  siehe  nächste  Seite.) 

Vergleichen  wir  nun  diese  Tabelle  mit  derjenigen  der  Europäct, 
so  fällt  vor  allem  der  hohe  Prozentsatz  der  Hautkrankheiten 
bei  den  Farbigen  auf.  Wir  können  zu  dessen  Eikläiung  wohl  an- 
nehmen,  dass  das  äusserlich  Bemerkbare  dieser  Erkrankungen  die 
hauptsächlichste  Veranlassung  für  die  Eingeborenen  ist,  sich  in  Be¬ 
handlung  zu  begeben,  während  bei  den  nur  fühlbaren  Krankheiten 
ihre  Indolenz  sie  sehr  häufig  auf  ärztlichen  Rat  verzichten  lassen 
dürfte  Untersuchen  wir  die  einzelnen  Hautkrankheiten  naher,  so 
srfahren  wir,  dass  es  sich  bei  diesen  Erkrankungen  in  41  Proz.  bei 

den  Eingeborenen  um  Unterschenkelgeschwüre  und  in  36  1  roz.  um 

phlegmonöse  Entzündungen,  bei  den  Europäern  aber  in  61  I  roz.  um 

letztere  gehandelt  hat.  Es  ist  ja  hinlänglich  bekannt,  dass  in  den 

rropen  der  Hautpflege  die  grösste  Sorgfalt  gewidmet  werden  muss 
und  dass  jede  Vernachlässigung  bittere  Folgen  nach  sich  ziehen  kann. 

Die  Indolenz  der  Eingeborenen  dürfte  ferner  auch  für  die  relativ 
geringe  Anzahl  der  beobachteten  I  n  f  e  k  t  i  o  n  sk  ra  n  k  h  eiten 
verantwortlich  gemacht  werden,  zumal  die  Malaria  als  verbreitetste 


a)  Meixner  undKudike:  Chininprophylaxe  in  Deutsch-Ost¬ 
afrika.  Arch.  f.  Schiffs-  und  Tropenhygiene,  Bd.  IX. 


3)  Hirsch:  Handb.  der  hist.-geogr.  Pathologie. 


4 * 


1388 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Von  den  ärztlich  behandelten  Erkrankungen  der 
Eingeborenen  entfielen  auf 

In  Prozenten 

Hautkrankheiten . 

24,66 

Verletzungen . ' . 

15,66 

Krankheiten  der  Ernährungsorgane . 

12,41 

Krankheiten  der  Atmungsorgane . 

1 1,26 

Infektionskrankheiten . 

10,06 

Venerische  Krankheiten . 

8,6 

Augen-  und  Ohrenkrankheiten . 

6,54 

Krankheiten  durch  tierische  Parasiten . 

4,52 

Krankheiten  der  Bewegungsorgane . 

3,1 

Krankheiten  der  Kreislauforgane . 

1,46 

Krankheiten  der  Harn-  und  Geschlechtsorgane  .  .  . 

0,66 

Nervenkrankheiten . 

0,51 

Konstitutionelle  Krankheiten . 

0,29 

Frauenkrankheiten . 

0,18 

Schlafkrankheit  . . 

0,15 

Sonstige  Erkrankungen . 

0,14 

Summe 

100  Proz. 

Volkskrankheit  die  Neger  gegen  alle  Fieberanfälle  schon  abgestumpft 
hat,  so  dass  bei  solcher  nur  selten  der  Arzt  zu  Rate  gezogen  wird. 
Daher  ist  es  auch  unmöglich,  eine  Morbiditätsstatistik  über  die  In¬ 
fektionskrankheiten  im  besonderen  aufzustellen.  Wir  sehen  aber  aus 
den  Berichten,  dass  die  Malaria,  obgleich  nur  ein  Bruchteil  zur  Be¬ 
obachtung  kam,  dennoch  an  Zahl  die  höchste  Stelle  von  allen  Krank¬ 
heiten  auch  bei  den  Farbigen  einnimmt  und  dass  daher  von  einer  aus¬ 
gedehnten  Immunität  der  erwachsenen  Eingeborenen  in  Malaria¬ 
gegenden  noch  nicht  allzuviel  zu  verspüren  ist.  Es  wird  sogar  von 
Fällen  berichtet,  in  denen  die  in  der  Kindheit  überstandene  Malaria 
keinen  Schutz  gegen  Neuinfektionen  hinterlassen  hatte  und  wir  fin¬ 
den  auch  nirgens  die  Ansicht  P 1  e  h  n  s  bestärkt,  dass  der  Ein¬ 
geborene  schon  im  Mutterleibe  eine  relative  Immunität  durch  die 
Bildung  von  Antikörpern  im  Blute  gegen  das  Malariagift  erwirbt4). 
Da  sich  die  Immunität  nur  immer  auf  eine  Malariaform  erstrecken  soll 
und  also  keinen  Schutz  gegen  die  anderen  Formen  verleiht,  so  dürfte, 
diese  natürliche  Schutzeinrichtung  noch  weiterhin  an  Wert  ein- 
büssen. 

Von  den  häufiger  vorkommenden  Erkrankungen  müssen  wir  noch 
die  Krankheiten  der  Ernährungsorgane  berücksichtigen.  Vor¬ 
nehmlich  handelt  es  sich  hier  bei  beiden  Bevölkerungsschichten  um 
den  akuten  Magen-  und  Darmkatarrh,  doch  dürfte  sein  Prozentver¬ 
hältnis  bei  den  Europäern  (45  Proz.  der  Erkrankungen  dieser  Rubrik) 
nicht  höher  als  bei  uns  sein,  obwohl  eine  passende  Ernährung  und  Diät 
in  den  Tropen  bekanntlich  mit  grösseren  Schwierigkeiten  ver¬ 
knüpft  ist. 

Von  den  parasitären  Krankheiten  interessieren  uns  nur 
die  Sandflohgeschwüre,  die  auch  den  Hauptprozentsatz  dieser 
Erkrankungen  bilden,  bei  den  Weissen  39,  bei  den  Farbigen  65  Proz. 
Die  Durchführung  der  Desinfektion  der  mit  diesem  Ungeziefer  be¬ 
hafteten  Räume  hat  bereits  eine  wesentliche  Verminderung  dieser 
eigenartigen  Parasiten  zur  Folge  gehabt. 

Zum  ersten  Male  in  diesem  Berichtsjahre  wird  das  Vorkommen 
der  Schlafkrankheit  unter  den  Eingeborenen  der  nördlichen 
Qrenzdistrikte  angezeigt.  Die  Infektion  erfolgte  in  sämtlichen  Fällen 
ausserhalb  des  deutschen  Schutzgebietes,  in  dem  nördlich  gelegenen 
Uganda,  wo  diese  furchtbare  Krankheit  bereits  grössere  Ausdehnung 
erlangt  hat,  seitdem  sie  1896  aus  dem  Gebiete  des  Kongos  einge¬ 
schleppt  worden  ist.  Der  Ueberträger  des  tierischen  Krankheits¬ 
erregers,  des  Trypanosoma  Brucei,  die  Tsetsefliege  (Glossina  palpa- 
bilis)  wurde  in  den  dichten  Gebüschen  am  Ufer  des  Viktoriasees  über¬ 
all  da  nachgewiesen,  wo  auch  die  Schlafkrankheit  vorkam.  Das  ver¬ 
hängnisvollste  dieser  Krankheit  besteht  vor  allem  in  der  ungewöhn¬ 
lich  langen  Inkubationszeit  von  4  Wochen  bis  4  Jahren  und  in  der 
totverheissenden  Prognose.  Die  weitere  Erforschung  und  Hintanhal¬ 
tung  dieser  Seuche  gebietet  nicht  nur  die  drohende  Gefahr  für  eine 
unserer  blühendsten  Kolonien,  ihre  Bekämpfung  ist  vielmehr  ein  drin¬ 
gendes  Postulat  der  Humanität  und  des  kulturellen  Fortschrittes 
unserer  Zeit. 

Betrachten  wir  schliesslich  noch  die  Sterblichkeits¬ 
ziffern,  welche  auf  die  ärztlich  behandelten  Erkrankungen  der 
Europäer  und  Farbigen  treffen,  so  ergibt  sich  bei  beiden  der  gleiche 
Prozentsatz  von  1,75  auf  je  100  Krankheitsfälle.  Berücksichtigen  wir 
nur  die  Sterblichkeit  an  Infektionskrankheiten,  so  treffen  bei  den 
Europäern  auf  100  infektiöse  Kranke  3,  bei  den  Eingeborenen  5  Todes¬ 
fälle,  eine  über  Erwarten  günstige  und  im  Vergleich  mit  den  anderen 
Kolonien,  wie  wir  noch  sehen  werden,  äusserst  geringe  Anzahl. 

Die  Gesundheitsverhältnisse  der  übrigen  Kolonien  können 
wir  nur  nach  der  Gesamtzahl  aller  ärztlich  behandelten  Erkrankungen 
und  der  vorgekommenen  Todesursachen  ermessen,  zumal  bei  der  ge¬ 
ringen  Anzahl  der  dort  ansässigen  Europäer  eine  Zergliederung  ihrer 
Morbiditätsstatistik  allein  in  bezug  auf  die  uns  am  meisten  inter¬ 
essierende  Krankheitsgruppe  hinreichen  dürfte. 


4)  P 1  e  h  n:  Ueber  Malariaimmunität.  Arch.  f.  Schiffs-  u.  Tropen¬ 
hygiene,  Bd.  X. 


Wiederum  sind  es  die  Tropenkrankheiten  und  von  diesen  die 
Malaria,  welche  die  Erkrankungsziffer  der  Europäer  in  diesen  Kolonien 
unverhältnismässig  hoch  erscheinen  lässt.  Wenn  wir  aus  der  Kran¬ 
kenstatistik  die  Prozentzahlen  berechnen,  so  trifft  in  einigen  Kolonien 
fast  auf  jeden  ansässigen  Europäer  eine,  in  zwei  Bezirken  sogar  noch 
mehr  ärztlich  behandelte  Erkrankungen.  Unter  diesen  Verhältnissen 
dürfte  wohl  der  Arzt  als  die  wichtigste  Persönlichkeit  in  diesen  Kolo¬ 
nien  gelten,  ohne  dessen  heilsamen  Einfluss  die  Existenz  des  Euro¬ 
päers  fast  in  Frage  gestellt  werden  kann. 

Folgende  Tabelle  möge  diese  Verhältnisse  im  letzten  Berichts¬ 
jahre  illustrieren  und  den  überaus  grossen  Einfluss  der  Tropen¬ 
krankheiten  auf  die  Höhe  der  Erkrankungsziffern  in  den  verschiedenen 
Kolonien  dartun: 


Anzahl  der  ärztlich  behandelten  Davon  waren 

Erkrankungen,  Tropenkrankheiten 

welche  auf  je  100  ansässige  Europäer  trafen :  in  Procenfen  der  Erkrankungen: 


in  Kamerun 
Bezirk :  Viktoria 

47/ 

V/A 

'/// 

74 

///I 

47/ 

7/4 

V/A 

3 

”  Deutsch  -  Neu -Gui  nea 
Bezirk:  Herbertshöhe 

7// 

7// 

44 

V// 

j 

V/A 

'/A 

»  Togo 

Ge 

Anga 

na  u  e 

>en  Fe 

hlen 

44 

V/A 

7// 

44 

»  Deutsch -Oslafrika 

7// 

44 

V/A 

///, 

71 

»  Ka  merun 

Bezirk :  Cuala 

4Z 

7// 

74 

74 

47, 

VA 

»  Deutsch  -Neu-Guinea 
Kaiser  Wilhelmsland 

44 

//4 

'A 

v/v 

44 

47 

”  Kamerun 
Bezirk:  Kribi 

44 

VV/ 

/I 

Anzahl  in  Procenfen  : 

0  25  50  75  100  125 

0  2 

5 

0  7 

100 

Die  graphisch  dargestellten  Zahlen  sind  der  Reihe  nach  von  oben 
nach  unten  bei  den  Erkrankungen:  123;  104,7;  93,7;  76,2;  73;  58;  32; 
und  bei  der  Tropenkrankheiten:  78,5;  41,6;  — ;  37;  67;  71;  32,3. 

Danach  müssten  die  Bezirke  Viktoria  in  Kamerun  und  Herberts¬ 
höhe  auf  Deutsch-Neu-Guinea  als  die  ungünstigsten  erscheinen,  Vik¬ 
toria  hauptsächlich  deshalb,  weil  die  Tropenkrankheiten  dort  die 
meisten  Erkrankungen  verursachen;  aber  wir  müssen  bei  dieser 
Beurteilung  bedenken,  dass  sich  diese  Statistik  nur  auf  ein  einzelnes 
Jahr  erstreckt  und  dass  es  sich  in  den  meisten  Bezirken  um  nur  ver¬ 
hältnismässig  geringe  absolute  Zahlen  handelt  und  deshalb  schon  ge¬ 
ringe  Verschiebungen  eine  grosse  Abweichung  im  prozentualen  Ver¬ 
hältnis  verursachen.  Da  jedoch  diese  Statistik  die  bisher  günstigste 
ist,  so  besitzt  sie  wenigstens  aktuellen  Wert.  Erst  später,  wenn  sich 
die  Berichte  über  einen  grösseren  Zeitraum  erstrecken  und  wenn  das 
Verhältnis  der  Tropenkrankheiten  zu  den  übrigen  in  diesen  Berichten 
eine  ausführlichere  Berücksichtigung  erfahren  dürfte,  wird  sich  ein 
genaueres  Bild  davon  in  der  angeführten  Weise  aufzeichnen  lassen. 

Während  —  wie  natürlich  —  nicht  jede  Erkrankung  in  ärztliche 
Behandlung  gelangte  und  statistisch  verwertet  werden  konnte,  be¬ 
sitzen  wir  jedoch  über  die  Todesursachen  bei  den  Europäern  sehr 
genaue  Angaben.  Davon  müssen  wir,  um  ein  richtiges  Bild  von  dem 
Ausgang  der  zahlreichen  Erkrankungen  zu  erhalten,  wie  wir  es  zur 
Beurteilung  der  Sterblichkeitsverhältnisse  benötigen,  alle  unnatür¬ 
lichen  Todesarten,  Selbstmord,  Mord  und  Unglücksfall,  ausscheiden. 
Berechnen  wir  hierauf  die  Sterbefälle,  die  infolge  von  Krankheiten 
(also  mit  oder  ohne  ärztliche  Behandlung)  eingetreten  sind  auf  je  100 
ansässige  Europäer,  so  ergibt  sich  folgende  vergleichende  Uebersicht 
für  das  letzte  Berichtsjahr: 


Anzahl  der  SferbeFälle  Davon  verursach!  durch 
-infolge  von  Krankheüen-  Tropenkrankheiten 

welche  auf  je  100  ansässige  Europäer  trafen;  in  Prozenten  der  Sterbefälle; 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1389 


Kamerun  also,  das  von  jeher  in  gesundheitlicher  Beziehung  sich 
keines  guten  Rufes  zu  erfreuen  hatte,  hat  auch  in  diesem  Berichtsjahre 
relativ  die  meisten  Sterbefälle  zu  verzeichnen.  Eine  Ausnahme  macht 
in  diesem  Jahre  nur  der  Bezirk  Kribi.  An  zweiter  Stelle  folgt  Togo, 
an  dritter  Kaiser-Wilhelmsland,  eine  schon  bedeutend  geringere  Zahl 
weist  auch  diesmal  Deutsch-Ostafrika  auf.  Von  Südwestafrika  stehen 
wegen  der  herrschenden  Unruhen  die  näheren  Nachrichten  aus;  aus 
den  aufgeführten  Todesursachen  konnte  nur  das  prozentuale  Verhältnis 
der  Tropenkrankheiten  berechnet  werden,  das  sich  am  günstigsten  von 
allen  Kolonien  stets  erwiesen  hat  und  sich  auch  hier  mit  nur  7,7  Proz. 
wieder  erweist. 

In  allen  übrigen  Kolonien  bilden  die  T  ropenkrankheiten, 
wie  wir  aus  der  Tabelle  sehen,  die  hauptsächlichste  Todes¬ 
ursache.  In  den  Bezirken  Viktoria  und  Kribi  in  Kamerun  und  in 
Kaiser-Wilhelmsland  entfallen  sämtliche  Todesfälle,  in  Togo  86,  in 
Deutsch-Ostafrika  61  Proz.  davon  auf  Tropenkrankheiten.  Gelänge 
es,  den  unheilvollen  Einfluss  dieser  Krankheiten  in  den  Kolonien 
weiterhin  zurückzudrängen  und  auf  ein  Minimum  abzuschwächen,  so 
könnten  wir  mit  Recht  und  mit  Stolz  die  Gesundung  unserer  Kolonien 
lobpreisen.  Um  dieses  hohe  Ziel  zu  erreichen,  brauchen  wir  nicht  nur 
geschulte  und  erfahrene  Aerzte,  sondern  auch  eine  aufgeklärte  Be¬ 
völkerung,  die  sich  verständnisvoll  an  dem  harten  Kampf  beteiligt, 
anstatt  sie  diesen  durch  eine  oft  noch  grassierende  Chininscheu  gegen¬ 
teilig  beeinflusst.  Freilich  wird  noch  lange  solchen  Bestrebungen  die 
Indolenz  und  die  Unbildung  der  Ureinwohner  im  Wege  stehen,  die 
für  sich  und  den  Europäer  immer  wiederkehrende,  neue  Infektions*- 
quellen  heraufbeschwören,  die  unter  den  tropischen  Einflüssen  aller¬ 
dings  nie  völlig  versiechen  werden. 

Wir  haben  schliesslich  in  unserer  Mortalitätsstatistik  noch  einen 
weiteren  Umstand  zu  berücksichtigen,  der  gerade  für  unsere  Kolonien 
eine  schwerwiegende  Bedeutung  erlangt  hat,  das  ist  die  hohe 
Sterblichkeit  in  den  mittleren  Lebensjahren. 

Da  uns  die  Berichte  keinen  Aufschluss  über  die  Zahl  der  lebenden 
Europäer  in  den  einzelnen  Altersklassen  geben,  so  können  wir  auch 
nicht  die  Zahl  der  Gestorbenen  im  Verhältnis  zu  den  Lebenden  in  den 
einzelnen  Altersgruppen  bestimmen,  wodurch  erst  die  richtige  Beur¬ 
teilung  dieses  Verhältnisses  ermöglicht  werden  würde.  Unsere  Zu¬ 
sammenstellung  muss  sich  also  darauf  beschränken,  den  Prozentsatz 
aller  an  Krankheiten  gestorbenen  Europäer  für  die  einzelnen  Alters¬ 
klassen  zu  bestimmen  und  diese  Ziffern  mit  der  mutmasslichen  Anzahl 
Lebender  in  den  betreffenden  Klassen  in  vergleichende  Beziehungen 
zu  bringen. 

Das  genaue  Alter  liegt  von  90  an  Krankheiten  gestorbenen  Euro¬ 
päern  aus  allen  Kolonien  vor.  Bei  weiteren  10  hieher  gehörenden 
Todesfällen  fehlt  die  Altersangabe,  doch  dürfen  wir  aus  dem  Berufe 
der  Gestorbenen  schliessen,  dass  diese  sich  in  der  Altersklasse  von 
20 — 40  Jahren  befunden  haben.  Um  nun  die  aus  diesen  100  Sterbe¬ 
fällen  in  den  einzelnen  Lebensabschnitten  sich  ergebenden  Zahlen  mit 
den  entsprechenden  Prozenten  in  einem  deutschen  Lande  vergleichend 
darzustellen,  haben  wir  die  betreffende  Statistik  von  Bayern5)  für 
das  gleiche  Jahr  gewählt,  die  mit  geringfügigen  Abweichungen  mit 
derjenigen  anderer  Bundesstaaten  übereinstimmt,  und  haben  die  da¬ 
durch  gefundenen  doppelten  Zahlenreihen  wiederum  in  ein  Dia¬ 
gramm6)  eingetragen,  das  beii  dem  grossen  Unterschied  der  absoluten 
Zahlen  natürlich  nur  gewisse  Anhaltspunkte  geben  kann; 

Die  Sterblichkeil  an  Krankheiten  den 

- Europäer  in  den  deutschen  Kolonien 

im  Vergleich  mit  der 

Gesamt-Sterblichkeit  in  Bayern 

in  den  einzelnen  Altersklassen. 


auf  je  100  Gestorbene  berechnet. 


°)  Generalbericht  der  bayer.  Sanitätsverwaltung  1903. 

8)  In  der  Ueberschrift  des  Diagramms  muss  es  genauer  lauten: 
nach  dem  Alter  der  Gestorbenen,  anstatt  in  den  einzelnen  Alters¬ 
klassen. 


Der  Unterschied  der  beiden  Kurven  ist  auf  den  ersten  Blick  hin 
überraschend.  Er  ist  aber  erklärlich,  wenn  wir  bedenken,  dass  die 
meisten  Europäer  Zugewanderte  sind,  die  sich  doch  fast  ausnahmslos 
erst  in  den  Mannesjahren  in  die  Kolonien  begeben  haben,  und  dass 
infolgedessen  die  meisten  im  Alter  zwischen  20  und  40  Jahren  stehen, 
während  die  übrigen  Altersklassen,  besonders  die  Gruppen  von  1 — 10 
und  über  40  Jahre  dort  nur  spärlich  vertreten  sind.  Daher  mussten 
wir  schon  a  priori  vermuten,  dass  in  jener  meist  vertretenen  Alters¬ 
klasse  von  20 — 40  Jahren  die  Sterbefälle  in  den  Kolonien  ihr  Maxi¬ 
mum  erreichen,  während  bei  uns  bekanntlich  überall  und  nicht  bloss 
in  Bayern  die  meisten  Sterbefälle  auf  die  zahlreiche  kindliche  Alters¬ 
klasse  fallen.  Immerhin  lehrt  die  Tabelle,  dass  auch  das  rüstigste 
Alter  den  Gefährlichkeiten  der  Tropen  nicht  zu  trotzen  vermag  und 
dass  infolgedessen  die  Bekämpfung  der  einzig  und  allein  gefahr¬ 
bringenden  Tropenkrankheiten  desto  ernsthafter  und  energischer  ge¬ 
führt  werden  muss,  umsomehr  als  diese  Krankheiten  gerade  das 
blühendste  und  hoffnungsvollste  Leben  unserer  Kolonien  in  vielen 
Fällen  zu  Grunde  richten. 

Den  Einfluss  des  Geschlechtes  auf  die  Mortalität, 
bezw.  Morbidität  müssen  wir  in  unserer  statistischen  Betrachtung 
ganz  unberücksichtigt  lassen,  da  keine  getrennten  Aufzeichnungen  da¬ 
rüber  vorliegen.  Wir  können  nur  berechnen,  dass  unter  den  67  an 
Krankheiten  gestorbenen  Europäern,  die  im  Alter  von  20 — 40  Jahren 
standen,  sich  9  Frauen  befunden  haben,  von  denen  5  an  Tropen¬ 
krankheiten  starben. 

Betrachten  wir  zum  Schluss  neben  der  Sterblichkeit  an  Krank¬ 
heiten,  die  wir  bisher  kennen  gelernt  haben  und  die  für  die  Beurteilung 
des  Gesundheitszustandes  einer  nicht  sehr  zahlreichen  Bevölkerung 
eigentlich  allein  herangezogen  werden  darf,  dieGesamtsterblich- 
k  e  i  t,  die  für  gewöhnlich  in  den  Landesstatistiken  nur  berücksichtigt 
wird  und  die  wir  deshalb  zum  Vergleiche  brauchen,  so  erhalten  wir 
folgendes  tabellarische  Resultat  für  das  verflossene  Berichtsjahr: 

Gesaml’-Sl’erblichkeif  der  Europäer 


in  Kamerun 


”  Togo 


»  Deutsch -Neu-6uinea 


"  Deutsch-Oslafrika 


»  diesen  Kolonien 
zusammen 

im  Vergleich  mif  0 
der  Gesamt-sterblichkeit: 


in  Deutschland 


Auf  100  berechnet:  Io  i  2  3  t  5  S 

Diese  Statistik  musste  sich  daher  auf  diejenigen  Kolonien  be¬ 
schränken,  von  denen  wir  das  relative  Verhältnis  der  Sterbefälle  zu 
der  Anzahl  der  lebenden  Europäer  berechnen  konnten. 

Wie  wir  seit  langem  gewöhnt  sind,  unsere  Kolonien  in  gesund¬ 
heitlicher  Hinsicht  einzuschätzen,  das  hat  sowohl  diese  Krankheits- 
wie  Sterblichkeitsstatistik  zahlenmässig  zum  Ausdruck  gebracht  und 
wird  durch  diese  letzte  Tabelle  bestätigt:  Kamerun  mit  der  höchsten 
Sterblichkeitsziffer,  dann  folgend  abwärts  Togo  und  Deutsch-Neu- 
Guinea,  schliesslich  Deutsch-Ostafrika  mit  den  niedrigsten  Ziffern. 

Vergleichen  wir  noch  auf  dieser  Tabelle  die  Gesamtsterblichkeit 
in  diesen  Kolonien  zusammen  mit  derjenigen  des  Deutschen  Reiches 
(einschl.  der  Totgeburten)  in  demselben  Jahre,  so  bleibt  immer  noch 
ein  Unterschied  von  35  Proz.  zu  ungunsten  unserer  Kolonien  bestehen 
und  dabei  haben  wir  das  bisher  günstigste  Berichtsjahr  zu  dem  Ver¬ 
gleiche  herangezogen,  der  natürlich  noch  zu  keiner  endgültigen 
Schlussfolgerung  berechtigt. 

Wir  brauchen  aber  deshalb  den  Mut  nicht  sinken  zu  lassen,  son¬ 
dern  wir  dürfen  nach  den  bereits  erzielten  Resultaten  auch  weiterhin 
hoffen,  dass  die  Erfolge  andauern  und  dass  mit  der  erst  beginnenden 
ökonomischen  Entwicklung  auch  die  hierzu  notwendige  hygienische 
Vervollkommnung  unserer  Kolonien  Hand  in  Hand  gehe,  deren  nutz¬ 
bringende  Förderung  und  Ausgestaltung  gerade  jetzt  im  Mittelpunkte 
unserer  nationalen  Bestrebungen  —  wie  noch  nie  zuvor  —  stehen. 
Nur  die  Durchführung  aller  Aufgaben,  die  uns  die  öffentliche  Gesund¬ 
heitspflege  in  den  Schutzgebieten,  besonders  in  den  tropischen,  auf¬ 
erlegt,  kann  uns  mit  den  schweren  Opfern,  welche  unsere  Kolonien 
schon  gefordert  haben,  versöhnen  und  uns  in  eine  bessere  Zukunft 
schauen  lassen. 


1390 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Ist  der  Arzt  verpflichtet,  bei  typhusverdächtigen  Er¬ 
scheinungen  dem  Bezirksamte  Anzeige  zu  erstatten? 

Von  Dr.  Felix  Freudenthal  II,  Rechtsanwalt 

in  Würzburg. 

Diese  für  den  Arzt  prinzipielle  Frage  hat  das  Kgl.  Oberste  Lan¬ 
desgericht  in  München  in  seinem  Urteile  vom  11.  Juni  1907  im  ver¬ 
neinenden  Sinne  entschieden. 

ln  einer  Familie  in  Versbach  waren  in  kurzer  Zeit  3  Kinder  an 
typhusverdächtigen  Erscheinungen  erkrankt. 

Der  zugezogene  Arzt  Dr.  B.  aus  Rimpar  konnte  bei  einmaliger 
Untersuchung  eine  zuverlässige  Diagnose  nicht  stellen  und  ordnete 
die  Unterbringung  der  Patienten  in  das  Juliushospital  in  Wiirzburg  an. 
Zugleich  stellte  der  Arzt  ein  Zeugnis  aus,  welches  unter  Beifügen 
eines  Fragezeichen  die  Krankheit  als  eine  Magen-  und  Darmerkran¬ 
kung  bezeichnete. 

Nach  eingehender  Untersuchung  im  Juliushospitale  seitens  des 
Geheimrates  v.  L  e  u  b  e  wurde  nach  Verlauf  von  mehreren  Tagen 
Typhus  festgestellt  und  sodann  vom  Kgl.  Bezirksamte  Wiirzburg 
gegen  Dr.  B.  Strafanzeige  wegen  Uebertretung  des  Artikels  72 
des  Polizeistrafgesetzbuches  und  der  Verordnung  vom  22.  Juli  1891 
erstattet. 

Artikel  72  P.Str.G.B.  bestraft  approbierte  Aerzte,  welche  die 
ihnen  nach  Verordnung  obliegende  Anzeige  von  dem  Ausbruche  einer 
ansteckenden  Krankheit  unter  Menschen  nicht  sofort  der  Polizei¬ 
behörde  erstatten,  an  Geld  bis  zu  90  M. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  Bestimmungen  der  oben  alle¬ 
gierten  Verordnung  vom  22.  Juli  1891  besagen  nachstehendes: 

„Aerzte  haben  von  jedem  bei  Ausübung  ihres  Berufes  zu  ihrer 
Kenntnis  gelangenden  Auftreten  nachstehender  Krankheiten,  nämlich: 
Typhus  abdominalis  und  Typhus  recurrens  Anzeige  zu  erstatten. 

Die  Anzeige  hat  innerhalb  längstens  24  Stunden  nach  erlangter 
Kenntnis  von  der  bezüglichen  Krankheit  an  jene  Distriktspolizei¬ 
behörde,  in  deren  Bezirk  die  Krankheit  auftritt,  zugleich  auch  an  die 
einschlägige  Ortspolizeibehörde  zu  erfolgen.“ 

Die  vom  Strafrichter  zu  entscheidende  Frage  gipfelte  darin:  Ist 
der  Arzt  verpflichtet,  erst  beim  Auftreten  des  Typhus  oder  auch 
schon  bei  typhusverdächtigen  Erscheinungen  den  Verwaltungsbehör¬ 
den  die  vorgeschriebene  Anzeige  zu  erstatten? 

ln  Uebereinstimmung  mit  der  Verteidigung  haben  auf  Grund 
des  unzweideutigen  Wortlautes  des  Gesetzes  alle  Instanzen  den 
ersteren  Standpunkt  vertreten. 

De  lege  ferenda  ist  jedoch  bei  typhusverdächtigen  Erscheinungen 
die  Anzeige  anzustreben.  Die  Zweckbestimmung  des  Gesetzes  stellt 
eine  Präventivmassregel  dar:  ein  Ausbreiten  des  Typhus  soll  in 
seinem  Anfangsstadium  unterdrückt  werden.  Es  ist  allerdings  nicht 
zu  verkennen,  dass  bei  Anzeigen  von  typhusverdächtigen  Erschei¬ 
nungen,  die  sich  nachträglich  als  harmlos  herausstellen,  die  davon 
betroffenen  Gemeinden  in  ihrem  Wirtschaftsbetriebe  auf  das 
schwerste  geschädigt  werden;  der  Verkehr  wird  unterbunden,  die 
Ausfuhr  von  Lebensmitteln  usw.  untersagt.  Diese  Nachteile  sind  je¬ 
doch  verschwindend,  wenn  nur  in  einem  einzigen  Falle  bei  einer 
laxen  Handhabung  des  Gesetzes  die  Anzeige  zu  spät  erfolgt  und  die 
Krankheit  schon  zu  weit  vorgeschritten  ist. 

Es  liegt  hier  zweifelsohne  eine  Lücke  des  Gesetzes 
vor,  und  auch  Geheimrat  v.  Leube  hat  die  Verordnung  vom 

22.  Juli  1891  als  reformbedürftig  bezeichnet,  um  mit  dem  jetzigen 
unsicheren  Rechtszustande  aufzuräumen. 

Diese  Lücke  ist  um  so  befremdender,  als  das  Reichsgesetz  be¬ 
treffend  die  Abwehr  und  Unterdrückung  von  Viehseuchen  vom 

23.  Juni  1880  in  seinen  §§  9  und  65  eine  Verpflichtung  zur  Anzeige 
schon  dann  statuiert,  wenn  der  Tierarzt  von  Erscheinungen  Kenntnis 
erhält,  die  den  Verdacht  eines  Seuchenausbruches  begründen. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Emil  v.  Düngern  und  Richard  Werner:  Das  Wesen 
der  bösartigen  Geschwülste,  eine  biographische  Studie.  Aus 
dem  Institut  für  Krebsforschung  in  Heidelberg  (Direktor:  Wirkl. 
Geheimrat  Prof.  Dr.  v.  C  z  e  r  n  y).  Akademische  Verlags¬ 
gesellschaft  m.  b.  H.,  Leipzig.  159  S.  Preis  3  M. 

Die  Verfasser  bringen  eine  klare  kritische  Zusammen¬ 
fassung  aller  bis  jetzt  auf  dem  Gebiete  der  Geschwulstlehre 
bekannt  gewordenen  Tatsachen,  soweit  dieselben  von  allge¬ 
meiner  Bedeutung  sind  für  die  Beurteilung  des  Wesens  und  der 
Entstehung  der  bösartigen  Gewächse.  Die  ganze  Darstellung 
beschränkt  sich  aber  nicht  nur  auf  sorgfältiges  Studium  der 
so  reichen  über  diesen  Gegenstand  vorhandenen  Literatur, 
sondern  es  kommen  in  ihr  auch  überall  die  eigenen  Anschau¬ 
ungen  der  Verfasser  und  eine  Fülle  neuer  Gedanken  zur  Gel¬ 
tung. 


Von  hervorragendem  Interesse  ist  der  Abschnitt  über  die 
Gesetze  des  normalen  Wachstums.  Die  schon 
von  Weigert  vertretene  Lehre,  dass  die  zur  Gewebswuche¬ 
rung  führenden  Reize  dadurch  wirken,  dass  durch  sie  die  nor¬ 
maler  Weise  in  den  Zellen  vorhandenen  Wachstumshemmungen 
eine  Schädigung  erfahren  oder  ausgeschaltet  werden,  wird  hier 
auf  breiter  experimenteller  Basis  zu  einer  wohlfundierten 
Theorie  ausgebaut,  durch  welche  tatsächlich  nicht  nur  die  nor¬ 
malen  Wachstumsvorgänge,  sondern  auch  die  bei  ein¬ 
maliger  oder  auch  bei  chronischer  Reizeinwirkung  zu  beob¬ 
achtenden  Wucherungserscheinungen  unserem  Verständnis 
näher  gerückt  werden. 

Die  Verfasser  zeigen,  dass  sich  durch  geeignete 
Anwendung  verschiedener  Reize  qualitative 
Veränderungen  der  Zellen  erzielen  lassen, 
welche  auch  m  orphologisch  zum  Ausdruck 
gelangen.  Dabei  ist  es  von  besonderem  Interesse,  dass 
ähnliche  qualitative  Veränderungen  sich  auch  bei  den  Geweben 
alter  Individuen  finden:  „Die  Zellen  sind  bei  diesen  sämtlichen 
geprüften  Reizen  gegenüber  unterempfindlich,  indem  erst 
stärkere  Reize  eine  Wucherung  auslösen  und  den  Tod  herbei¬ 
führen.  Die  Wachstumshemmungen  werden  aber  langsamer 
restituiert,  weshalb  das  Gewebe,  wenn  es  einmal  zur  Wuche¬ 
rung  gebracht  ist,  länger  wächst  als  ein  junges.  Die  Anpas¬ 
sungsfähigkeit  ist  herabgesetzt.  Man  braucht  die  Intensität  des 
Reize  nicht  so  stark  zu  erhöhen,  um  die  zum  Stillstand  ge¬ 
kommene  Wucherung  aufs  neue  anzuregen.“ 

Die  Anpassung,  welche  auf  einer  Wiederherstellung  der 
geschädigten  normalen  Wachstumshemmungen  beruht,  voll¬ 
zieht  sich  bei  normal  reagierenden  Zellen  unter  allen  Um¬ 
ständen  auch  dann,  wenn  man  sie  aus  dem  Verbände  heraus- 
reisst  und  in  anderes  Gewebe  transplantiert:  Die  Aus¬ 
schaltung  der  Zellen  aus  dem  physiologi¬ 
schen  Verbände  für  sich  allein  kann  niemals, 
w  i  e  R  i  b  b  e  r  t  dies  bekanntlich  annimmt,  eine 
fundamentale  Aenderung  in  der  Wachstums¬ 
art  der  Zellen  bedingen.  Eine  solche  kommt  über¬ 
haupt  nicht  durch  Aenderung  der  Korrelationen  der  .Zellen 
untereinander  zustande,  sondern  kann  nur  durch  eine  Aende¬ 
rung  der  Reaktionsfähigkeit  der  Zellen  selbst  herbeigeführt 
werden. 

In  der  normalen  Reaktionsfähigkeit  der 
Zellen  auf  äussere  Reize  haben  wir  demnach 
das  wichtigste  Moment  zu  erblicken,  auf  dem 
die  Regelung  der  Wachstumsvorgänge  im 
Organismus  basiert,  wobei  wir  unter  Reizen 
auch  die  gegenseitige  Einwirkung  der  Kör¬ 
perzellen  aufeinander  zu  verstehen  habe  n.“ 
Auf  dieses  Prinzip  ist  auch  das  sogen,  histogenetische  Gleich¬ 
gewicht  der  Gewebe  zurückzuführen. 

Von  den  normalen  Geweben  unterscheiden  sich  die  bös¬ 
artigen  Geschwülste  vor  allem  durch  das  in  den  meisten  Fällen 
zu  beobachtende  dauernd  beschleunigte  Wachs- 
t  u  m,  wie  ein  solches  insbesondere  auch  bei  den  bekannten 
Versuchen  von  Ehrlich  und  A  p  o  1  a  n  t  zum  Ausdruck  ge¬ 
langte.  Wenn  es  auch  nicht  notwendig  ist,  dass  diese  Eigen¬ 
schaft  regelmässig  in  die  Erscheinung  tritt,  so  ist  doch  die 
Fähigkeitzu  dauernd  beschleunigtem  Wachs- 
t  u  m  für  alle  malignen  Zellen  charakteristisch. 

Nach  den  Untersuchungen  der  Verfasser 
kann  dieses  beschleunigte  Wachstum  nur  da¬ 
rauf  beruhen,  dass  bei  den  malignen  Zellen 
die  normalen  Hemmungsvorrichtungen  nicht 
nur  schwer  geschädigt  oder  vernichtet  sind, 
sondern  dass  auch  die  Zelle  die  Fähigkeit 
verloren  hat,  diese  Hemmungsvorrichtungen 
zu  restituieren,  so  dass  sie  nunmehr  in  dau- 
erndgesteigerterWucherungverharrenmuss. 
Diese  Auffassung  steht  in  völligem  Einklang  auch  mit  den  ex¬ 
perimentellen  Ergebnissen  E  h  r  1  i  c  h  s  und  A  p  o  1  a  n  t  s,  sowie 
mit  den  biologischen  Eigenschaften  gerade  der  schnell  wach¬ 
senden  Geschwülste. 

Die  durch  Vernichtung  der  Hemmungsvorrichtungen  be¬ 
dingten  Veränderungen  der  biologischen  Qualitäten  der  Zellen 
sind  bei  den  malignen  Gewächsen  auch  mit  einer  Veränderung 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1391 


9.  Juli  1907. 

ihres  Stoffwechsels  und  sehr  oft  mit  hochgradigen  morpho¬ 
logischen  Veränderungen  verbunden. 

Eine  Aehnlichkeit  zwischen  Geschwulst- 
zellen  und  embryonalen  Zellen  besteht  auch 
nach  Ansicht  der  V  e  r  f .  in  keiner  Weise;  ja  bei 
der  Reaktion  auf  Wachstumsreize  zeigt  das 
Geschfwulstgewebe  geradezu  diametral  ver¬ 
schiedene  Eigenschaften.  Die  gleiche  Ansicht  wird 
bekanntlich  auch  von  Hertwig  vertreten. 

Die  namentlich  bei  Krebsen  zu  beobachtenden  entzünd¬ 
lichen  Veränderungen  im  Gewebe  werden  auch  von 
den  Verf.  als  eine  Reaktionserscheinung  und  nicht 
etwa  als  ein  die  Geschwulstbildung  einleitender  Vorgang  ge¬ 
deutet.  Mit  Recht  weisen  die  Verf.  darauf  hin,  dass  diese 
letztere,  von  R  i  b  b  e  r  t  vertretene  Auffassung  schon  durch  die 
auch  in  den  Metastasen  beliebiger  Organe  auftretenden  gleichen 
entzündlichen  Veränderungen  ihre  Widerlegung  findet. 

Von  den  am  Rande  von  Krebsen  häufig  vorkommenden 
Wucherungen  des  Epithels  lässt  sich  nach  Ansicht  der  Verf. 
nicht  mit  Sicherheit  entscheiden,  ob  sie  das  Vorstadium  einer 
multizentrischen  Krebsentwicklung  bedeuten,  oder  ob  sie  die 
Folge  eines  Einflusses  des  Tumorgewebes  auf  die  Umgebung 
darstellen. 

Hinsichtlich  des  Zustandekommens  der  von  Ehrlich  und 
anderen  erzielten  Immunisierungsresultate  an  Mäusen  und 
Ratten  gegen  Geschwulstübertragungen  nehmen  die  Verf.  einen 
von  Ehrlich  zum  Teil  abweichenden  Standpunkt  ein. 

Von  hohem  Interesse  sind  endlich  die  beiden  letzten  Ab¬ 
schnitte  des  Buches,  in  welchen  die  bisherigen  Theorien  über 
das  Wesen  und  die  Ursache  der  Geschwülste  kritisch  erörtert 
werden.  Mit  Recht  betonen  die  Verf.,  dass  alle  Erklä¬ 
rungsversuche,  welche  nicht  mit'  einer  bio- 
logischen  Aenderung  d  er  Gewebszellen  selbst 
rechnen,  wie  insbesondere  die ‘Theorie  C  o  h  ti¬ 
li  e  i  m  s,  Ribberts  und  seiner  Schüler,  durchaus 
unzureichend  sind.  Zu  dieser  Ueberzeugung,  welche  auch 
vom  Referenten  stets  mit  grösstem  Nachdruck  ausgesprochen 
worden  ist,  sind  die  meisten  Forscher  gelangt.  Die  Unter- 
s  u  ch  u  n  gen  v.  Dünger  n  sundWerners  bedeuten 
aber  insofern  einen  Fortschritt,  als  sie  zum 
ersten  male  auf  Grund  sicher  gestellter  ex¬ 
perimenteller  Tatsachen  das  Wesen  dieser 
Veränderungen  erkennen  lassen. 

Sehr  richtig  ist  es  auch,  wenn  die  Verf.  die  These,  dass 
diese  Veränderungen  nur  an  ausgeschalteten,  nicht  mehr  im 
normalen  Gewebsverband  stehenden  Zellen  vor  sich  gehen 
könnten  (R  i  b  b  e  r  t),  als  eine  durchaus  willkürliche  Behaup¬ 
tung  bezeichnen,  „welche  ganz  unwahrscheinlich  wird,  wenn 
man  bedenkt,  dass  die  Reize  der  Aussenwelt  viel  eingreifendere 
sind,  als  jene,  welche  von  der  geänderten  Umgebung  zu  er¬ 
warten  sind  und  deren  Einfluss  wir  ja  bei  Transplantationen  zu 
sehen  Gelegenheit  haben.“ 

Bezüglich  der  A  e  t  i  o  1  o  g  i  e  gelangen  die  Verf.  zu  der 
Anschauung,  dass  die  Anhaltspunkte,  welche  sie  über  das  Wesen 
der  Malignität  auf  Grund  des  Tatsachenmaterials  gewannen, 
ebenfalls  eine  mehrfache  Aetiologie  zulassen.  Die  Verände¬ 
rungen  an  den  Zellen,  die  sie  als  Ursache  des  bösartigen  Wachs¬ 
tums  festgestellt  haben,  können  ja  sowohl  durch  kongenitale 
Missbildung,  wie  durch  äussere  Einwirkungen  entstanden  ge¬ 
dacht  werden.  Für  die  wichtigste  Eigenschaft  der  malignen 
Zellen,  für  die  verminderte  Restitutionsfähigkeit  der  Wachs- 
tumshemmungen  lassen  sich  die  Entstehimgsbedingungen  ge¬ 
nauer  präzisieren.  Die  Ursache  kann  eine  primäre  Keimes¬ 
variation  sein  (B  o  r  s  t,  Sc  h  w  a  1  b  e),  doch  fehlt  für  eine  solche 
Annahme  jeder  Beweis.  Die  Experimente  der  Verf. 
zeigen  vielmehr,  dass  auch  bei  nor  m  a  1  e  n  Zel¬ 
len  eine  Abnahme  der  Restitutionsfähigkeit 
der  Wachstu  m  shemm  ungen  sich  erzielen 
lässt  und  zwar  dann,  wenn  ein  Reiz  von  rela¬ 
tiv  starker  Intensität  ohne  Erholungsmög¬ 
lichkeit  rasch  hintereinander  angewandt 
wird  oder  bei  der  kombinierten  Anwendung 
verschiedener  Reize. 

Man  kann  sich  demnach  wohl  vorstellen,  dass  es  Reize 
oder  Reizkombinationen  gibt,  welche  die  Wachstumshem¬ 
mungen  entweder  komplexer  schädigen  oder  sie  elektiv  treffen 


und  die  lebenswichtigen  Teile  relativ  intakt  lassen.  Bei  der 
Annahme  komplexer  Reize  liegt  es  nahe,  an  den  Einfluss  von 
Mikroorganismen  zu  denken,  wenn  auch  schwerwiegende  Mo¬ 
mente  igeigen  eine*  solche  Annahme  sprechen. 

G.  Hause  r. 

E.  v.  Cyon:  Die  Nerven  des  Herzens.  Ihre  Anatomie 
und  Physiologie.  Ucbersetzt  von  H.  L.  Heusne  r.  Neue, 
vom  Verfasser  umgearbeitete  und  vervollständigte  Ausgabe 
mit  einer  Vorrede  für  Kliniker  und  Aerzte.  Mit  47  in  den  Text 
gedruckten  Figuren.  Berlin,  Verlag  von  Julius  Springer, 
1907.  Preis  M.  9. — . 

In  der  Besprechung  der  französischen  Ausgabe  des  vor¬ 
liegenden  Werkes  hatten  wir  den  Wunsch  ausgedrückt,  dass 
dasselbe  durch  Uebertragung  ins  Deutsche  weiteren  Kreisen 
der  Aerztewelt  zugänglich  gemacht  werden  möge.  H.  L. 
Heusner  hat  sich  dieser  verdienstvollen  Arbeit  unterzogen, 
Wofür  ihm  der  Dank  des  ärztlichen  Publikums  gebührt.  Ein 
grösserer  Kreis  ist  jetzt  in  die  Lage  versetzt,  dem  von  Cy  o  n 
mit  Temperament,  ja  man  darf  sagen,  mit  grosser  Leidenschaft¬ 
lichkeit  geführten  Feldzug  gegen  die  myogene  Theorie  an  der 
Hand  seines  Werkes  folgen  zu  können.  Der  Autor  wünscht 
nicht  nur,  gestützt  auf  zahlreiche  Experimente,  als  Herzphysio¬ 
loge  zu  sprechen,  sondern  auch  als  Herzkranker  zum  Wohle 
aller  Herzleidenden,  deren  Behandlung  durch  die  myogene 
Theorie  auf  Irrwege  geführt  worden  ist.  Die  myogene  Iheorie, 
welche  Cyon  für  einen  wissenschaftlichen  Aberglauben  und 
eine  Verirrrung  ansieht,  muss  auch  bei  den  Aerzten  und  Kli¬ 
nikern  wieder  ausgetilgt  werden,  während  sie  für  den  Phy¬ 
siologen  von  Fach  „jetzt  nur  noch  eine  peinliche  Erinnerung 
ist“.  Die  Beweisführung  für  diese  Stellungnahme,  welche  be¬ 
kanntlich  einen  entschiedenen  Gegensatz  zu  der  gerade  von 
führenden  deutschen  Klinikern  eingenommenen  Auffassung  dar¬ 
stellt,  muss  an  der  Hand  des  Werkes  selbst  verfolgt  werden. 
In  der  deutschen  Ausgabe  ist  vieles,  auch  die  Vorrede,  umge¬ 
arbeitet  worden,  zahlreiche  Zusätze  sind  zu  den  einzelnen  Ab¬ 
schnitten  gemacht  worden  und  die  Literatur,  welche  im  gröss¬ 
ten  Umfange  verwertet  ist,  ist  auf  429  Nummern  angewachsen. 
Die  Zahl  der  Abbildungen  ist  ebenfalls  noch  etwas  vermehrt 
worden.  Grassmann  -  München. 

Balthazard,  Ce  st  an,  H.  Claude,  Macaigne, 
Nicolas  et  Verger:  Precis  de  Pathologie  interne.  Vier 
Bände  mit  zahlreichen  Abbildungen  im  Text.  3318  Seiten. 
Mit  einer  Vorrede  von  Prof.  Bouchard.  G.  S  t  e  i  n  h  e  i  1. 
Paris  1907.  Preis  32  Frcs. 

In  der  Vorrede  betont  Bouchard,  dass  es  gelungen  sei, 
ein  Werk  aus  einem  Guss  zu  schaffen,  trotzdem  es  nicht  aus 
einer  Hand  hervorgegangen  sei.  Die  sechs  Autoren,  alle  aus 
einer  Schule  stammend,  seien  unter  sich  einig  in  der  wissen¬ 
schaftlichen  Auffassung,  so  dass  einerseits  völlige  Einheitlich¬ 
keit  herrsche,  andererseits  der  grosse  Vorteil  resultiere,  dass 
die  einzelnen  Teile  den  Forschern  zugewiesen  werden  konnten, 
die  sich  speziell  mit  der  Materie  beschäftigt  haben.  In  der  1  at 
ist  ein  zu  detailliertes  Eingehen  auf  die  Entwicklung  der  ein¬ 
zelnen  Fragen  mit  Glück  vermieden  und  keiner  der  Verfasser 
schiebt  die  Abschnitte,  über  die  er  am  meisten  gearbeitet,  auf 
Kosten  anderer  in  den  Vordergrund.  Dabei  wird  allerdings 
das  theoretische  Wissen  nicht  völlig  vernachlässigt.  „Ohne 
die  Wissenschaft  ist  die  Praxis  blind.“  Mit  diesem  Satz  emp¬ 
fiehlt  Bouchard  das  Werk  angelegentlichst  den  Medizin¬ 
studierenden  und  den  Aerzten. 

Im  Band  1  (829  Seiten)  behandelt  Nicolas-  Lyon  die  In¬ 
fektionskrankheiten  in  5  Kapiteln  (Infektionskrankheiten  mit  be¬ 
kannten  Erregern,  solche  mit  unbekannten  Erregern,  solche 
durch  Pilze,  durch  Protozoen  bedingt,  endlich  Krankheiten 
durch  grosse  tierische  Parasiten).  Mit  grosser  Sorgfalt  ist 
,  vor  allem  das  erste  Kapitel  durchgeführt,  bei  der  wir  auch  die 
j  von  einem  eigenen  1892  entdeckten  Erreger  herrührende  Papa- 
geienkrankheit,  die  unter  typhusartigen  ^  Erscheinungen  mit 
1  schwerer  Beteiligung  der  Lungen  verläuft,  ebensowenig  wie 
1  andere  von  Tieren  übertragene  Krankheiten  vermissen.  Sehr 
I  eingehend  ist  auch  die  Syphilis  unter  weitgehender  Beriick- 
1  sichtigung  der  neuesten  Literatur  behandelt.  Wir  finden  Ab¬ 
bildungen  von  Schau dinns  Spirochäte  und  Angaben  über 
Färbemethoden.  Den  Schluss  des  ersten  Bandes  bilden  5 


1392 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Kapitel  über  Vergiftungen  und  Autointoxikationen,  von  Bal- 
thazard  verfasst.  Hier  finden  Fisch-,  Fleisch-  und  sonstige 
Nahrungsmittelgifte,  Opium,  Morphium,  Tabak,  Alkohol  sowie 
verschiedene  Metalle  (Quecksilber,  Blei,  Arsenik)  genaue  Wür¬ 
digung  im  Hinblick  auf  ihre  Wirkung  beim  Menschen.  Das 
Myxödem,  Akromegalie,  Sklerodermie,  Basedowsche 
Krankheit  sowie  die  innere  Sekretion  von  Hoden  und  Ovarien 
werden  im  Kapitel  Autointoxikation  abgehandelt.  Der  gleiche 
Autor  bespricht  im  2.  Band  (676  Seiten)  die  „Pathologie  der  Er¬ 
nährung“.  Zuerst  die  Vorbedingungen  für  den  abnormen  Ab¬ 
lauf  des  Stoffwechsels,  dann  in  eigenen  Kapiteln  Diabetes,  Fett¬ 
sucht,  Gicht  und  die  Erkrankungen  des  Bewegungsapparates 
(Rheumatismus,  Rhachitis,  Osteomalazie),  schliesslich  Skorbut, 
Pellagra,  Lathyrismus  (Springkrautvergiftung).  Im  gleichen 
Band  schreibt  der  gleiche  Autor  über  Krankheiten  des  Blutes 
und  der  blutbildenden  Organe,  M  a  c  a  i  g  n  e  über  Herz-,  Ge- 
fäss-  und  Lungenkrankheiten. 

Im  3.  Band  (947  Seiten)  teilen  sich  Balthazard  und 
Henri  Claude  in  die  Besprechung  der  Erkrankungen  des 
Verdauungskanals  sowie  der  Gallen-  und  Harnwege.  Be¬ 
sondere  Rücksicht  ist  auf  die  Frühdiagnose  des  Magen-  und 
Darmkarzinoms  genommen;  bei  der  Ruhr  werden  die  neueren 
ätiologischen  Ergebnisse  (Entstehung  entweder  durch  Amöben 
oder  durch  den  Bazillus  von  Chantemesse-Shiga)  berück¬ 
sichtigt.  Der  4.  Band  (868  Seiten),  die  Krankheiten  des  Ner¬ 
vensystems  enthaltend,  hat  Cestan  (Toulouse)  und  V  e  r  - 
g  e  r  (Bordeaux)  zu  Verfassern.  Bei  den  Erkrankungen  des 
Zentralnervensystems  ist  hier  ein  umfangreiches  1.  Kapitel 
Herdsymptomen  gewidmet  (syndromes  regionaux),  dann  folgt 
eine  Besprechung  von  Blutungen  und  deren  Folgen,  weiter 
Kapitel  über  akute  und  chronische  Entzündungen,  schliesslich 
Tuberkulose,  Syphilis,  Traumen,  Tumoren  und  endlich  die 
Syringomyelie.  Den  Band  schliessen  periphere  Nervenerkran¬ 
kungen,  Muskelkrankheiten  und  Neurosen.  Dieser  Band,  der 
durch  seine  Einteilung  besonders  auffällt,  enthält  die  meisten 
Illustrationen  des  Werkes,  die  teilweise  sehr  instruktiv  sind, 
aber  unter  schlechter  Wiedergabe  leiden. 

Das  ganze  Werk  zeichnet  sich  meines  Erachtens  vor  allem 
dadurch  aus,  dass  es  lückenlos  unser  Wissen  über  die  inneren 
Krankheiten  wiedergibt,  ohne  dabei  an  Uebersichtlichkeit  im 
geringsten  einzubüssen.  Da  auch  die  neuesten  Ergebnisse  der 
Forschung  überall  berücksichtigt  sind,  wird  es  auch  manchem 
deutschen  Leser  ein  willkommenes  Nachschlagebuch  sein,  be¬ 
sonders,  da  es  trotz  des  relativ  bedeutenden  Umfanges  ziemlich 
billig  ist.  Theodor  R.  Schilling-  Nürnberg. 

P.  Bade:  Die  angeborene  Hüftgelenksverrenkung.  Mit 

189  Abbildungen  im  Text.  Verlag  von  F.  Enke.  Stuttgart 
1907.  Preis  Mark  12. 

An  Arbeiten  über  angeborene  Hiiftluxationen  ist  wahrlich 
kein  Mangel:  Von  den  600  Publikationen,  die  in  dem  umfassen¬ 
den  Literaturverzeichnis  am  Schlüsse  des  vorliegenden  Buches 
enthalten  sind,  gehören  nicht  weniger  als  500  den  letzten  15 
Jahren  an.  Und  doch  herrscht  noch  keineswegs  Klarheit  und 
Einigkeit  hinsichtlich  der  Aetiologie  wie  der  Therapie  dieses 
Leidens.  Ja  die  allseitige  Erörterung  der  letzteren  wirkt  durch 
die  vielfachen  Widersprüche  der  Autoren  geradezu  verwir¬ 
rend.  Sich  selber  einen  Ueberblick  über  dieses  Labyrinth 
therapeutischer  Vorschläge  zu  verschaffen  —  das  war  für  den 
Verfasser  der  erste  Anstoss,  das  vorliegende  Buch  zu  schrei¬ 
ben,  für  das  alle  ihm  Dank  schulden,  denen  es  zugedacht  ist: 
der  praktische  Arzt,  der  Chirurg,  der  angehende,  wie  der  er¬ 
fahrene  Orthopäde.  Gibt  doch  das  Buch  keineswegs  nur  eine 
Zusammenstellung  der  Literatur,  sondern  das  Resultat  kri¬ 
tischer  Prüfung,  die  Zusamrnenfiigung  des  Sichergestellten  zu 
einem  einheitlichen  Bild. 

Mit  grösstem  Interesse  aber  muss  der  Hauptteil  des  Buches 
studiert  werden,  in  welchem  Verf.  den  Weg  aufs  genaueste 
beschreibt,  den  er  sich  für  seine  Therapie  mühsam  gebahnt 
hat  und  der  ihn  zu  vorzüglichen  Resultaten  geführt  hat.  Sein 
Repositionsverfahren  kennzeichnet  sich  dadurch,  dass  er  den 
Kopf  auf  der  „Bahn  der  Gleitfurche“  in  die  Pfanne  zurückführt. 

Die  Nachbehandlung  zeichnet  sich  aus  durch  die  ausgiebige 
Kontrolle,  welche  vom  Moment  der  Reposition  an  durch  das 
Röntgenverfahren  ausgeübt  wird. 


Eine  grosse  Zahl  solcher  eingehend  studierter  und  erläuter¬ 
ter  Bilder  werden  reproduziert  in  Form  genauer  Pausen,  die 
durch  Schattierung  plastisch  wirken. 

Sie  illustrieren  die  Serie  von  Krankengeschichten,  welche 
als  Anhang  und  zur  praktischen  Belegung  der  vorgetragenen 
Anschauungen  und  therapeutischen  Prozeduren  beigefügt  sind. 

Das  Buch  wirkt  nicht,  wie  so  manche  neuere  Publikation, 
durch  den  erdrückenden  Umfang  einer  persönlichen  Statistik, 
sondern  durch  die  Gründlichkeit,  mit  welcher  das  Kranken¬ 
material  studiert  und  verwertet  wurde  zur  Erkenntnis  der 
Wahrheit,  zur  Förderung  des  Wissens  und  Könnens.  Dem 
Buch  gebührt  ein  hervorragender  Platz  in  der  orthopädischen 
Literatur.  V  n  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Des  Frangois  Rabelais  Pantagruel.  2.  Blich.  Ver¬ 
deutscht  von  Dr.  O  w  1  g  1  a  s  s.  Verlegt  bei  Albert  Langen, 
München,  1907.  235  Seiten. 

Unser  Stuttgarter  Kollege  O  w  1  g  1  a  s  s  setzt  mit  dem  vor¬ 
liegenden  Bande  das  löblich  begonnene  Werk,  eine  stilistisch 
dem  Original  gleichkommende  Uebersetzung  von  Rabelais' 
Satiren  zu  geben,  mit  Geschick  fort.  Die  Ausstattung  des  Ver¬ 
lags  Albert  Langen  schliesst  sich  dem  gedachten  Zwecke 
sinngemäss  an,  sodass  das  Buch  jedem  frohgemuten  Manne 
Freude  und  Genuss  bringen  wird. 

Max  Nassauer-  München. 

T  li  o  m  e  s  Flora  von  Deutschland,  Oesterreich  und  der 

Schweiz.  V. — VII.  Band:  Kryptogamenflora;  Moose, 
Algen,  Flechten  und  Pilze  (die  Farne  befinden  sich  in  Band  I), 
herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Walter  M  i  g  u  1  a.  Fritz  Zez- 
s  c  h  w  i  t  z,  Botanischer  Verlag  „Flora  von  Deutschland1.  Gera, 
Reuss  j.  L. 

Von  dem  wiederholt  hier  angezeigten  Werk  sind  13  weitere 
Hefte,  die  Lieferungen  27 — 39,  erschienen.  In  diesen  wird  die 
Behandlung  der  Algen  fortgesetzt,  ohne  noch  zum  Abschluss 
gebracht  zu  werden.  Im  Laufe  der  Bearbeitung  hat  sich  das 
Bedürfnis  herausgestellt,  die  Kryptogamenflora,  die  ursprüng¬ 
lich  auf  nur  45  Lieferungen  veranschlagt  war,  ausführlicher  zu 
gestalten  und,  was  anfangs  nicht  beabsichtigt  war,  tunlichst 
alle  im  Gebiet  bisher  aufgefundenen  Arten  und  Formen  zu  be¬ 
rücksichtigen.  Unter  diesen  Umständen  muss  die  Zahl  der 
Lieferungen  erheblich  vermehrt  werden,  was  die  Abonnenten 
des  Werkes  im  Interesse  der  dadurch  erzielten  grösseren 
Gründlichkeit  und  Vollständigkeit  gewiss  gerne  hinnehmen 
werden.  Die  Ausführung  der  neuen  Lieferungen  verdient  das 
gleiche  hohe  Lob  wie  die  früheren.  Botanisierenden  Kollegen 
kann  bei  Beginn  der  Reise-  und  Wanderzeit  die  T  home  sehe 
Flora  nur  lebhaft  empfohlen  werden. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  1907.  No.  25. 

Gr  ob  er- Jena:  Ueber  die  Arbeitshypertrophie  des  Herzens 
und  seiner  Teile, 

G.  nahm  Wägungen  vor  an  Stallkaninchen,  wilden  Kaninchen 
und  Hasen,  untersuchte  das  Gewicht  des  ganzen  Herzens  und  seiner 
1  eile,  und  fand  bei  muskeltätigeren  Tieren  ein  grösseres,  bei  muskel¬ 
ruhigeren  Tieren  ein  kleineres  Herzgewicht.  Der  rechte  Ventrikel 
ist  stärker  an  der  Gewichtszunahme  beteiligt  als  der  linke.  Diese 
Erscheinung  lässt  sich  erklären  durch  Vermehrung  der  Residual¬ 
luft  nach  Anstrengungen,  Steigerung  des  intraalveolaren  Drucks  und 
dadurch  vermehrten  Druck  in  den  zuführenden  Gefässen. 

K.  L  i  e  p  e  1 1  -  Berlin. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  88.  Band.  1.— 3.  Heft. 

Mai  1907. 

Eritz  König:  Ueber  Prothesen  bei  Exartikulation  und  Resektion 
des  Unterkiefers. 

Nach  einer  wegen  eines  Adamantinoms  vorgenommenen  Ex- 
aitikulation  der  rechten  Unterkieferhälfte  (Ramus  ascendens  und 
giosser  Teil  des  Horizontalis)  benutzte  König  mit  sehr  gutem  Er¬ 
folge  eine  Claude  Martin-Schroeder  sehe  Unterkieferprothese, 
die  vor  der  Sauer  sehen  bessere  Kosmetik,  gute  Kaufähigkeit,  Ver¬ 
meidung  übermässiger  Arbeitsleistung  der  gesunden  Seite  als  Vorteile 
hat,  aber  nur  bei  Willensstärken  und  intelligenten  Pat.  anwendbar  ist 
Anschliessend  veröffentlicht  K.  das  Resultat  einer  Umfrage  an  Kliniken  ! 
und  Krankenhäusern  über  Nachbehandlung  der  Kontinuitätsresek- 
tior.en  und  Exartikulationen  des  Unterkiefers  und  empfiehlt  die  Unter- 
bindung  dei  Caiotis  externa  als  vorbereitende  Operation  bei  Exar¬ 
tikulation  des  Unterkiefers  und  zwar  vom  Operationsschnitt  aus. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1393 


Holland:  Ueber  den  tuberkulösen  Tumor  der  Flexura 
sigmoidea. 

Verf.  teilt  einen  unter  dem  Bilde  eines  Karzinoms  verlaufenen 
Fall  von  Tuberkulose  der  Flex.  sigm.  (hypertrophische  Form)  mit. 

Nach  im  Mai  1905  ausgeführter  Kolostomie  Verschwinden  des 
Tumors,  der  sich  nach  Schluss  des  Anus  praeternat.  wieder  einstellte 
mit  neuen  Stenoseerscheinungen;  Darmresektion  im  Januar  1906 
brachte  Heilung. 

Besprechung  der  verschiedenen  Formen  der  Darmtuberkulose 
und  des  tuberkulösen  Lymphoms  des  Mesenteriums. 

Der  Grund  für  die  enorm  seltene  Lokalisation  der  Tuberkulose 
an  der  Flexur  im  Gegensatz  zum  Karzinom  ist  noch  dunkel.  Von 
Symptomen  war  am  ersten  die  sich  allmählich  steigernde  Obstipation 
bemerkenswert.  Geht  man  bei  unsicherer  oder  falscher  Diagnose 
(Ca.)  so  vor  wie  beim  Ca.,  so  ist  die  Prognose  sowohl  bei  Resektion 
wie  bei  Anlegung  eines  Anus  praeternaturalis  günstig. 

Vorschütz:  Hyperalgetische  Zonen  bei  Schädel-  und  Ge¬ 
hirnverletzungen. 

V.  stellte  in  Analogie  mit  dem  von  W  i  1  m  s  und  M  i  1  n  e  r  be¬ 
schriebenen  Auftreten  hyperalgetischer  Zonen  nach  Schädelschüssen 
in  einem  Falle  von  Schläfenschuss,  sowie  auch  in  einer  Reihe  anderer 
Schädelverletzungen  das  Auftreten  von  Hyperalgesien  fest. 

Die  Hyperalgesie  ist  nicht  auf  Verletzung  des  sympathischen 
Geflechtes  um  den  Sinus  cavernosus,  sondern  auf  eine  direkte  Gehirn¬ 
läsion,  zurückzuführen,  von  wo  der  Reiz  auf  dem  Wege  des  Sym¬ 
pathikus  bis  zum  Ganglion  cervicale  supr.  und  weiter  durch  die  Rami 
communicantes  in  die  peripheren  Nerven  geleitet  wird.  Die  mit  dem 
Gangl.  cervic.  sup.  verbundenen  4  Zervikaläste  werden  mehr  oder 
weniger  ausgedehnt  mitbetroffen. 

Die  Hauthyperalgesie,  geprüft  durch  Streichen  mit  der  Fingerkuppe 
über  den  behaarten  Kopf  oder  mit  stumpfer  Nadel,  gestattet  danach 
einen  Rückschluss  auf  die  Verletzung  des  Schädelinnern,  wie  an  den 
Fällen  eingehend  gezeigt  wird. 

Auch  für  die  Unfalluntersuchung  bieten  die  Hyperalgesien  ein 
objektives  Untersuchungsmittel. 

Wolff:  Ueber  Lungenkomplikationen  nach  operativen  Ein¬ 
griffen  mit  einem  statistischen  Beitrag  aus  der  Königl.  chirurgischen 
Klinik  in  Königsberg. 

Nach  einer  allgemeinen  eingehenden  Besprechung  über  die 
Ursachen  und  das  Wesen  der  früher  oder  später  postoperativ  auf¬ 
tretenden  Lungenkomplikationen  (Bronchitiden,  lobuläre  Pneumo¬ 
nien,  lobäre  Pneumonie,  Lungengangrän,  Lungenabszess,  hämor- 
rhagisch-embolische  Infarkte,  Lungenembolien  und  akutes  Lungen¬ 
ödem)  prüft  W.  an  einem  Material  von  3248  Operationen  die  Häufig¬ 
keit  dieser  Affektionen  mit  Bezug  auf  die  verwandten  Narkotika 
(Aether,  Billrothmischung,  Chloroform)  und  findet,  dass  das  Chloro¬ 
form  die  geringste  Prozentzahl  aufweist  besonders  bezüglich  der 
Lungenerkrankungen,  „die  in  direktem  Zusammenhang  mit  Narkose 
und  Operation  stehen“.  Bei  78  unter  Lokalanästhesie  ausgeführten 
Operationen  kamen  7  mal  Lungenkomplikationen  vor,  davon  4  mal 
bei  den  mit  Eröffnung  des  Peritoneums  verbundenen  Operationen. 

Schlagintweit:  Ueber  subkutane  Luxationen  des  Talus 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  blutigen  Repositionsmethode. 

Vier  in  den  letzten  6  Jahren  beobachtete  Fälle  von  subkutaner 
Luxation  des  Talus,  wovon  der  eine  mit  Fraktur  der  Malleolen  kom¬ 
pliziert  war,  der  erste  eine  Doppelverrenkung  des  Talus  nach 
Malgaigne  darstellte. 

Der  Mechanismus  ist  nicht  klargestellt,  auch  S.  kann  über  das 
Zustandekommen  der  Luxation  in  seinen  Fällen  nichts  näheres  sagen. 
Dem  Autor  ist  die  Ansicht  Stetters  —  zuerst  forzierte  Abduktion 
oder  Adduktion,  dann  Dorsal-  oder  Plantarflexion  —  die  plausibelste. 
2  Fälle  wurden  unblutig  reponiert,  Fall  1  und  2  operativ  reponiert,  bei 
Fall  1  wurde  wegen  einer  hinzugetretenen  „erysipelatösen  Ent¬ 
zündung“  später  die  Exstirpation  nötig. 

Drau  dt:  Ueber  Kavaresektion  in  einem  Falle  von  Misch¬ 
geschwulst  der  Nierenkapsel. 

Bei  der  Exstirpation  des  von  der  Kapsel  der  rechten  Niere  eines 

2  jährigen  Jungen  ausgehenden  Tumors  musste  die  Resektion  eines 

3  cm  langen  Stücks  der  V.  cava  inf.  gemacht  werden  (Heilung  und 
Rezidi vfreiiheit  von  14  Jahr).  Anknüpfend  an  den  mikroskopischen 
Befund  (Drüsenschläuche,  glatte  Muskelfasern)  bespricht  D.  die  sogen, 
embryonalen  Mischgeschwülste  der  Niere  und  die  Ansichten  für  und 
wider  die  W  i  1  m  s  sehe  Hypothese  von  der  Genese  aus  versprengten 
Urnierenkeimen.  Die  'im  vorliegenden  Falle  zwecks  radikaler 
Operation  unbedingt  erforderliche  Resektion  der  V.  cava  inf..  peripher 
vor  der  Einmündung  der  linken  V.  renalis  wurde  anstandslos  ver¬ 
tragen  (6  Fälle  von  Resektion  oder  Ligatur  der  V.  cava  inf.  aus  der 
Literatur  mit  4  Heilungen). 

Der  kollaterale  Kreislauf  wurde  analog  den  G  o  1  d  m  a  n  n  sehen 
Versuchen,  wie  die  Röntgenaufnahme  der  injizierten  Vene  beweist, 
hauptsächlich  durch  die  prä-  und  intravertebralen  Kollateralbannen 
übernommen. 

Frangenheim:  Ostitis  gummosa  mit  Spontanfraktur. 

Bei  einem  Fall  von  Spontanfraktur  des  rechten  Radius  wegen 
Ostitis  gummosa,  die  die  häufigere  Ursache  pathologischer  Spontan¬ 
frakturen  bei  Lues  darstellt,  wurde  der  Knochen  partiell  reseziert. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  von  Exzisionen  aus  Stellen  der 
Muskulatur  in  der  Umgebung  der  Fraktur  —  im  Röntgenbild  bis  an 


die  Ulna  heranreichende  periostale  Auflagerungen  —  ergab  „in  die 
Muskulatur  hinreichend,  und  zwar  in  dem  verbreiterten  inter¬ 
muskulären  Bindegewebe  entwickelt  grosse  Inseln  von  hyalinem 
Knorpel,  die  nach  endochondralem  Typus  und  durch  Metaplasie  des 
Knorpels  in  Knochen  übergeführt  werden“.  Eine  Knochenneubildung 
wie  bei  der  normalen  Frakturheilung  (periostal  oder  direkt  aus  Binde¬ 
gewebe)  war  nirgends  zu  sehen. 

Kudlek:  Beitrag  zur  Pathologie  und  Physiologie  der  Patella. 

Mitteilung  eines  Falles  von  zentralem  Riesenzellensarkom  der 
Patella  (2  Fälle  aus  der  Literatur),  die  deswegen  vor  2  Jahren  (noch 
Rezidivfreiheit)  exstirpiert  wurde.  Mit  Rücksicht  auf  das  ausge¬ 
zeichnete  funktionelle  Resultat,  das  aus  der  Schonung  der  Quadrizeps- 
sehne  sich  ergibt,  empfiehlt  Verf.  die  Exstirpation  der  Kniescheibe 
auch  bei  „den  entzündlichen  Erkrankungen  des  Kniegelenks  mit 
Verwachsungen  der  Patella  mit  ihrer  Unterlage“. 

Iselin:  Von  den  Zwerchfellverletzungen  und  ihren  Folgen,  den 
Zwerchfellhernien. 

Anschliessend  an  die  7  seit  1900  in  der  Baseler  Klinik  vorge¬ 
kommenen  Zwerchfellverletzungen  und  eine  Zwerchfellhernie  be¬ 
handelt  I.  zusammenstellend  die  operierten  perkutanen  Zwerchfell¬ 
verletzungen,  die  Rupturen  des  Zwerchfells  und  die  Zwerchfellbrüche. 
Die  vom  Verf.  durch  eigene  Beobachtungen  und  neuere  Literatur¬ 
berichte  auf  die  Zahl  90  gebrachten  Verletzungen  des  Zwerchfells  sind 
weit  überwiegend  Stichverletzungen.  Tiefer  Sitz  der  Thoraxwunde, 
deren  Erweiterung  zwecks  Zwerchfellkontrolle  wesentlich  ist 
(En  derl  en),  Netzprolaps  in  die  äussere  Wunde  sind  wichtig  für 
die  Diagnose.  Lunge,  Leber,  Milz,  Niere,  Pankreas,  Netz,  Magen 
waren  in  einer  Reihe  von  Fällen  mitverletzt.  Vorfall  von  Netz  war 
am  häufigsten  bei  Sitz  der  Wunde  im  8.  und  9.,  von  Magen  im  7. 
Interkostalraum. 

Bei  der  Unsicherheit  der  Heilung  von  Zwerchfellwunden  ist  die 
exakte  Naht  indiziert.  Man  geht  zweckmässig  durch  die  vorhandene 
Wunde  unter  Erweiterung  vor,  event.  prolabiertes  Netz  wird  ab¬ 
getragen,  die  Zwerchfellwunde  bei  Repositionsschwierigkeiten  er¬ 
weitert;  eine  Kontrollaparotomie  bei  allen  perforierenden  Zwechfell- 
wunden  auf  der  linken  Seite  empfiehlt  sich  sehr.  Der  operative 
Pneumothorax  schwindet  nach  8  Tagen. 

Die  an  Häufigkeit  den  Stichverletzungen  nicht  nachstehenden 
Rupturen  des  Zwerchfells,  meüst  selbständige  bei  Kompression  von 
Bauch  oder  Brust  (rasche  Vermehrung  des  Druckes  in  einer  der 
grossen  Körperhöhlen  oder  vorübergehende  Deformation  des  Brust¬ 
korbes)  oder  auch  nach  Erbrechen  bei  krankhafter  Disposition  des 
Muskels  auftretende  Verletzungen  sitzen  weit  mehr  rechts  wie  links 
(Leberschutz,  Tierexperiment)  und  dann  im  Zentrum  tendineum.  Dia¬ 
gnostisch  kann  die  Art  des  Traumas,  der  Ausfall  der  Funktion  auf  der 
entsprechenden  Thoraxseite,  besonders  aber  die  Symptome  der 
Zwerchfellshernie  verwertet  werden.  Wegen  häufiger  Mitverletzung 
von  Abdominalorganen  scheint  die  Laparotomie  der  empfehlenswerte 
operative  Weg.  Ohne  Operation  fast  immer  tödlicher  Ausgang,  zu¬ 
weilen  noch  später  infolge  von  Einklemmung  oder  Vergrösserung  des 
Bruches.  Bisher  4  Operationen  mit  50  Proz.  Mortalität. 

Das  kasuistische  Resultat  der  Zwerchfellhernien  (letzter  Teil  der 
Arbeit)  umfasst  24  Fälle  mit  8  Heilungen.  Die  Hernien  sind  entweder 
kongenital  (H.  diaphragm.  spur.,  ver.,  Eventratio  diaphragmatis)  oder 
erworben  (Trauma).  Die  Magenzwerchfellhernien  sind  der  Diagnose 
hauptsächlich  durch  genaue  Auskultation  und  Perkussion  zugänglich, 
Röntgen  gibt  keinen  sicheren  Befund.  Dickdarmzwerchfellhernien 
werden  meist  erst  bei  der  wegen  Ileus  vorgenommenen  Laparotomie 
diagnostiziert. 

Die  Reposition  bei  der  Operation  (querer  Schnitt  am  linken 
Rippenbogen  auf  dem  Medianschnitt)  kann  event.  nur  durch  künst¬ 
lichen  Pneumothorax  (Inzision  oder  Punktion  der  Pleura)  möglich 
werden.  Der  Defekt  soll  durch  genaue  Naht  verschlossen  werden, 
event.  kann  ein  Vorlagern  der  Leber  oder  Muskelplastik  nötig  werden. 

Die  inkarzerierten  Dickdarmhernien  haben  wegen  des  späten 
Auftretens  der  Einklemmungserscheinungen  eine  schlechte  Prognose. 

O  f  f  e  r  g  e  1  d:  Ueber  die  Unterbindung  der  grossen  Gefässe  des 
Unterleibes.  Experimentelle  und  kritische  Studien. 

Verfasser  gibt  nach  genauer  Angabe  der  einschlägigen  Literatur 
eine  Darstellung  seiner  systematisch  bei  Tieren  (grössere  Kaninchen, 
Hund,  Katze)  ausgeführten  Unterbindungen  der  grösseren  Gefässe  des 
Unterleibs  (Aorta  vom  Abgang  der  Art.  nies.  inf.  bis  zur  Bifurkation, 
V.  cava  von  der  Vereinigung  der  II.  comm.  bis  zur  Einmündung  der 
V.  spermat.  int.,  A.  il.  comm.  jederseits,  A.  hypog.  und  il.  ext.,  sowie 
der  gleichnamigen  Venen)  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Ver¬ 
haltens  des  Blutdrucks,  der  elektrischen  Erregbarkeit  und  der  Ent¬ 
wicklung  des  Kollateralkreislaufs. 

Aus  dem  am  Schlüsse  der  sehr  lesenswerten  Arbeit  angegebenen 
Ergebnis  scheint  folgendes  sehr  beachtenswert: 

Da  das  Herz  nach  Unterbindung  irgend  eines  der  grösseren  Ge¬ 
fässe  des  Unterleibes  zur  Ueberwindung  des  sich  einstellenden  Kol- 
lateralkreislaufes  (Blutdruck,  Injektion  des  Gefässystems  mit  nach¬ 
träglicher  Durchleuchtung)  eine  plötzliche  Mehrarbeit  zu  leisten  hat 
(klinisch,  anatomisch),  ist  für  den  Ausgang  der  Unterbindung  der  Zu¬ 
stand  des  Herzens  und  die  Drucksteigerung  ausschlaggebend. 

Nach  Unterbindung  der  Aorta  wird  das  Herz  in  den  meisten  Fällen 
insuffizient,  sie  ist  daher  nie  anwendbar  bei  Gefässerkrankungen  etc.. 


1394 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


bleibt  vielleicht  ultimum  refugium  bei  akuter  Anämie.  Die  danach 
auftretenden  Lähmungen  sind  peripherer  Natur. 

Dasselbe  gilt  von  der  doppelseitigen  Ligatur  der  Art.  il.  commun., 
während  die  einseitige  wenig  gefährlich  ist. 

Die  Unterbindung  der  Art.  il.  int.  einseitig  und  doppelseitig  ist 
ebenso  wie  'die  Unterbindung  der  Art.  il.  ext.  ungefährlich. 

Nach  Unterbindung  der  Art.  femoralis  kommt  es  beim  Menschen 
in  60  Proz.  zur  Gangrän,  daher  ist  die  Unterbindung  der  Art.  il.  comm. 
vorzuziehen. 

Während  die  Ligatur  der  V.  femoralis  noch  etwas  Paresen  macht, 
ist  die  der  V.  il.  ext.  von  keinen  Störungen  gefolgt,  ebenso  wie  dife 
Ligatur  der  II.  int.  einseitig,  während  bei  doppelseitiger  Ligatur  dieser 
Vene  Blasenstörungen  möglich  sind. 

Einseitige  Unterbindung  der  V.  il.  communis  ist  ungefährlich,  die 
doppelseitige  Ligatur  macht  wie  die  der  Cava  inf.  unterhalb  der  Ein¬ 
mündung  der  Nierenvenen  „Symptome  einer  Mehrbelastung  des  Kreis¬ 
laufs“  ohne  Organstörungen. 

Lex  er:  Gelenkchondrome. 

L.  beschreibt  einen  Fall  von  „Chondromatose  der  Gelenkkapsel“, 
eines  von  Reichel  zuerst  demonstrierten  Krankheitsbildes,  von  dem 
bis  jetzt  erst  2  Fälle  —  Reichel  (Kniegelenk),  Riedel  (Hand¬ 
gelenk)  —  bekannt  sind. 

Es  handelte  sich  um  einen  27  jährigen  Mann,  dessen  rechtes  Knie¬ 
gelenk  geringradig  geschwollen,  in  leichter  Beugestellung  an  allen 
freiliegenden  Teilen  der  Gelenkkapsel  „kleinknollige,  knochenharte 
Tumoren“  fühlen  Hess.  Röntgen:  „im  Gebiete  der  ganzen  stark  er¬ 
weiterten  Kapsel  wolkige  Schatten.“ 

Das  Gelenk  wurde  unter  Lumbalanästhesie  extrakapsulär  und 
zwar,  da  eine  Durchwucherung  der  Kapsel  und  der  Muskeln  den 
Verdacht  eines  Chondrosarkoms  nahelegte,  in  möglichst  grosser  Aus¬ 
dehnung  reseziert  mit  nachfolgender  Transplantation  von  Leichen¬ 
knochen,  der  allerdings  später  entfernt  werden  musste. 

Das  Präparat  zeigte  „die  ganze  Gelenkhöhle  mit  bläulichen, 
knolligen  Knorpelmassen“,  von  der  Synovialis  ausgehend,  angefüllt. 

Der  mikroskopisch  als  „Chondrom  mit  reichlicher  Verkalkung  und 
Verknöcherung“  imponierende  Tumor  ging  von  dem  Gebiet  der 
Synovialis  aus  und  verdrängte  das  Nachbargewebe,  ohne  es  zu  In¬ 
filtrieren. 

Bezüglich  der  Genese  handelte  es  sich  nach  L.  um  „Knorpelver¬ 
sprengungen  aus  der  Entwicklungszeit,  entstanden  durch  Fehler  der 
Mesenchymdifferenzierung  bei  der  Gelenkbildung“. 

Die  einzig  rationelle  Therapie  ist  die  Resektion,  da  nur  durch  sie 
die  Entfernung  der  Synovialis  garantiert  wird. 

Kleinere  Mitteilungen: 

Eichel:  Die  isolierte  Luxation  des  Os  naviculare  pedis. 

Mit  guten  Abbildungen  versehene  Darstellung  eines  Falles  von 
isolierter  Verrenkung  des  Os  naviculare  (9  Literaturangaben),  die 
blutig  reponiert  wurde. 

Blech  er:  Ein  Fall  von  Luxation  aller  drei  Keilbeine. 

Die  seltene  Verletzung  (nur  ein  Fall  in  der  Literatur)  machte  die 
Resektion  der  drei  Keilbeine  nötig.  Flörcken  -  Würzburg. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  21 — 23. 

No.  21.  K-  F  ö  r  s  t  e  r  1  i  n  g  -  Hannover:  Mitteilung  zur  Technik 
der  T  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Transplantation. 

An  die  diesbezüglichen  Vorschläge  Vogels  (No.  23  des  Zentral¬ 
blatts)  anschliessend,  schildert  F.  die  an  Sch  langes  Abteilung 
seit  10  Jahren  bewährte  Fensterung  der  Th  i  e  r  s  ch  sehen  Läppchen, 
bei  der  Misserfolge  kaum  Vorkommen.  Die  Anfrischung  der  Wunde 
geschieht  durch  ein  schmales  Skalpell  in  der  Weise,  dass 
etwa  darunter  liegendes  schwieliges  Narbengewebe  mitent¬ 
fernt  wird.  Anwendung  des  scharfen  Löffels  wird  in  der 
Regel  vermieden.  Nach  Auflegung  der  stets  nur  grossen 
Transplantationen  fenstert  man  diese  mit  der  Schere  in 
der  Weise,  dass  die  Stückchen  dabei  nicht  exzidiert,  sondern  nur 
aufgeklappt  werden  und  so  für  etwa  sich  sammelnde  Sekrete  Abfluss 
gesichert  ist.  Bei  reiner  Wunde  wird  der  Verband  erst  am  6.  Tage 
entfernt;  sezerniert  die  Wunde  noch,  so  wird  nach  3 — 4  Tagen  der 
Verband  erneuert  und  je  nach  Befund  feucht  oder  trocken  behandelt. 

H.  Jacobsthal:  Die  Luxationsfraktur  des  Os  navic.  pedis, 
eine  typische  Fussverletzung. 

Nach  2  eigenen  Fällen  und  insgesamt  43  von  N  i  p  p  o  1  d  ge¬ 
sammelten  Fällen  kommt  diese  Form  ausschliesslich  bei  Erwachsenen 
männlichen  Geschlechtes  als  indirekte  Luxationsfraktur  durch  Sturz 
aus  Höhe  zustande,  wobei  der  Fuss  in  Spitzfussstellung  auf  den  Boden 
auftrifft  und  in  seiner  Längsachse  von  beiden  Seiten  komprimiert  wird, 
wobei  es  auf  dem  Boden  des  Fussgewölbes  an  der  am  meisten  in  An¬ 
spruch  genommenen  Stelle  des  Dorsum  zu  Bandrupturen  kommt, 
Keilbein  einerseits,  Talus  andrerseits  zum  Klaffen  gebracht  werden 
und,  plantar  zusammengedrängt,  das  Navikulare  dorsal  herausquet¬ 
schen  (wie  die  Finger  den  Kern  einer  geöffneten  Pflaume),  während 
durch  die  Stärke  der  einwirkenden  Kräfte  das  Navikulare  dabei  gleich¬ 
zeitig  eine  Kompressionsfraktur  erleidet.  —  Von  16  Fällen  war  die 
Verschiebung  14  mal  eine  dorsale. 


No.  22.  L  a  n  z  -  Amsterdam:  Experimenteller  Ersatz  des  Mesen¬ 
terium. 

Um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  und  in  welcher  Ausdehnung 
sich  das  Mesenterium  durch  Insertion  des  Netzes  am  Darm  sub¬ 
stituieren  lasse,  führte  L.  entsprechende  Tierversuche  aus,  indem  er 
bei  einem  Hund  in  mehreren  Sitzungen,  d.  h.  in  ca.  1 — 2  monatlichen 
Intervallen  (anfangs  in  3  cm,  später  in  9,  14,  25,  zusammen  schliess¬ 
lich  insgesamt  in  50  cm  Ausdehnung)  das  Mesenterium  einer  Darm¬ 
schlinge  ablöste  und  an  dessen  Stelle  Netz  (um  das  betr.  Darmstück 
herumgeschlagen  oder  einfach  angenäht)  an  Stelle  des  Mesenteriums 
befestigte.  Es  wurde  hierdurch  'der  Beweis  geliefert,  dass  einem  in 
seiner  Ernährung  bedrohten  Organ  der  Bauchhöhle  vom  Netz  aus 
Blut  zugeführt  werden  kann.  In  einem  Fall  hat  diese  Methode  L. 
kürzlich  praktischen  Erfolg  erwiesen,  indem  er  bei  Operation  eines 
Ileus  bei  vermeintlichem  Karzinom  der  Flexura  lienalis  einen  Volvulus 
des  S  romanum  vorfand,  der  durch  Detorsion  sich  beseitigen  Hess, 
während  der  Tumor  ein  Carcinoma  pylori  war,  das  noch  nicht  zur 
Retention  geführt  hatte.  Bei  der  Resectio  pylori  (B  i  1 1  r  o  t  h  II)  bot 
die  Verwachsung  des  Mesocolon  transv.  mit  der  grossen  Kurvatur 
besondere  Schwierigkeiten,  resp.  musste  die  Art.  colica  media  aus¬ 
gedehnt  isoliert  und  schliesslich  ligiert  werden;  und  da  die  Re¬ 
sektion  des  Colon  transv.  die  Prognose  des  desolaten  Falles  zu  un¬ 
günstig  erscheinen  Hess,  so  schlug  L.  das  Netz  über  das  Colon  transv. 
empor  und  befestigte  seinen  freien  Rand  mit  einigen  Knopfnähten  in 
den  Schlitz  des  Mesocolon  transv.  Der  Verlauf  war  reaktionslos.  Pat. 
wurde  mit  7  kg  Gewichtszunahme  entlassen.  Wenn  auch  nach  trau¬ 
matischer  oder  operativer  Ablösung  des  Darms  von  seinem  Mesen¬ 
terium  stets  die  Darmresektion  das  Normalverfahren  bleiben  wird, 
kann  nach  L.  immerhin  in  einem  Ausnahmsfall,  wie  dem  geschilderten, 
das  Netz  berufen  sein,  eine  Ersatzrolle  zu  spielen. 

Willard  B  a  r  1: 1  e  1 1  -  St.  Louis:  Eine  einfache  Operationsmethodc 
für  Steine  im  Ureter. 

B.  empfiehlt  fiir  Steine  mässiger  Grösse  in  der  Pars  pelvica  des 
Ureters,  die  durch  Röntgenstrahlen  diagnostiziert  sind,  in  der  Weise 
vorzugehen,  dass  von  einem  Längsschnitt  am  Aussenrand  des  Rektus 
das  Peritonum  stumpf  nach  der  Mittellinie  zu  verschoben  wird.  Der 
Ureter  haftet  so  fest  am  Peritoneum  und  die  Verbindung  zwischen 
letzterem  und  der  Fascia  transv.  ist  so  locker,  dass  man  den  Ureter 
in  die  Wundöffnung  ziehen  und  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  der 
linken  Hand  leicht  denselben  in  seinem  Verlauf  durch  das  Becken  ver¬ 
folgen  und  den  Stein  palpieren  kann.  Sobald  dieser  gefunden,  wird 
er  durch  die  beiden  Finger  festgehalten  und  mit  der  Spitze  eines 
scharfen  Messers  eine  winzige  Oeffnung  in  den  Ureter  gestochen.  Der 
Stein  lässt  sich  überraschend  leicht  aus  dem  kleinen  Loch  heraus¬ 
drängen,  dasselbe  wird  nicht  vernäht,  ein  dünner  Gummidrain  von  der 
Nachbarschaft  des  Ureters  zum  unteren  Wundwinkel  herausgeleitet, 
der  Rest  der  Bauchwunde  geschlossen.  —  Vier  so  operierte  Patienten 
verliessen  innerhalb  2  Wochen  das  Spital  in  bester  Gesundheit. 

No.  23.  W  e  d  e  r  h  a  k  e  -  Düsseldorf :  Ueber  eine  einfache 
trockene  Entkeimungsmethode  der  Haut. 

W.,  der  mit  der  Heusner  sehen  Jod-Benzin-  und  einer  jahre¬ 
lang  von  ihm  versuchten  Jod-Benzin-Paraffin-Desinfektion  wegen  der 
Feuergefährlichkeit  der  Lösung  nicht  zufrieden  war,  auch  mit  einer 
Jod-Paraffin-Tetrachlorkohlenstoff-Methode  nicht,  da  das  Paraffin  nicht 
sicher  genug  alle  Poren  deckt  und  entweder  zu  spröde  oder  zu  leicht 
schmelzbar  ist,  hält  Harze  statt  der  Handschuhe  zu  verwenden  nicht 
zweckmässig  wegen  der  Reizung  der  Haut,  auch  Kautschuk  und 
und  Gaudanin  zu  leicht  verletzlich  und  abreibbar.  Erst  in  einer  von 
Dr.  Degen  und  K  u  t  h  -  Düren  nach  seinen  Angaben  hergestellten 
Lösungsform  des  Kautschuks  glaubt  W.  den  Ersatz  der  Gummihand¬ 
schuhe  (ohne  deren  Nachteile)  gefunden  und  eine  Händedesinfektions¬ 
methode  gegeben,  die  uns  eine  garantiert  bakterienfreie  Hand  schafft, 
da  die  Lösung  nicht  allein  steril,  sondern  durch  den  Jodgehalt  starke 
antibakterielle  Eigenschaften  hat.  Nach  W.  wäspht  man  die  Hände  ohne 
Benutzung  von  Seife  und  Wasser  5  Minuten  in  einer  Lösung  von 
1  Jod  in  1000  Tetrachlorkohlenstoff  mittels  Bürste  oder  rauhen 
Tupfers,  überzieht  dann  die  Hände  mit  der  betr.  Lösung  so,  dass  keine 
Hautstelle  von  der  Kautschuklösung  unbedeckt  bleibt  (indem  man  die 
Lösung  in  die  Handflächen  giessen  lässt  und  durch  waschende  Be¬ 
wegungen  über  die  Oberfläche  verteilt).  Die  Lösung  ist  schmiegsam 
und  elastisch,  nicht  feuergefährlich,  klebt  und  schmiert  nicht,  reizt 
nicht  und  widersteht  allen  Unbilden  der  chirurgischen  Tätigkeit  (so¬ 
fern  man  nicht  kautschuklösende  Mittel,  wie  Tetrachlorkohlenstoff, 
Benzin,  Chloroform  anwendet).  Die  Decke  ist  so  dünn,  dass  sie 
kaum  bemerkbar,  das  Gefühl  in  keiner  Weise  beeinträchtigt  und  lässt 
sich  nach  der  Operation  durch  einen  mit  Tetrachlorkohlenstoff  ge¬ 
tränkten  Tupfer  leicht  und  vollständig  wieder  entfernen. 

A.  Schwarz-  Berlin :  Ueber  Urinbefunde  nach  Lumbal¬ 
anästhesie  mit  Stovain.  II.  Teil. 

Von  60  Stovainisierten,  deren  Urin  untersucht  wurde,  blieben 
21,67  Proz.  frei  von  Nierenaffektion,  78,33  Proz.  zeigten  mehr  oder 
minder  schwere  Nierenstörung,  deren  Diagnose  sich  durch  Zylinder, 
speziell  granulierte  Zylinder,  stellen  iicss  und  deren  durchschnitt¬ 
liche  Dauer  6V2  Tage  betrug.  30  mal  konnte  der  Beginn  der  Nephritis 
4 — 6  Stunden,  14  mal  24 — 30  Stunden,  4  mal  48 — 60  Stunden  nach  der 
Stovainisierung  beobachtet  werden.  Die  Nephritis  verlief  stets 
günstig,  bleibende  Nierenschädigung  konnte  nie  festgestellt  werden. 

Sehr. 


I  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1395 


Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  23  und  24.  (Nachtrag 
zum  Referat  in  No.  26.) 

H.  Seil  heim:  Zur  Wirkung  der  Uterusexstirpation  auf  die 

^^NacfT'einer  zuerst  von  Yarell  1827  aufgestellten  Behauptung 
,vird  die  Resektion  des  Legdarmes  beim  Huhn,  welche  der  Uterus- 
ixstirpation  beim  Menschen  entspricht,  in  ihrer  Wirkung  der  Ka¬ 
stration  gleich  gestellt.  Das  Ovarium  soll  danach  schrumpfen,  der 
ranze  Organismus  sich  verändern  und  die  Henne  dem  Hahn  ähnlich 
'Werden  S.  prüfte  diese  Experimente  nach  und  fand  die  Beobach¬ 
tung  falsch  gedeutet.  Nach  anfänglicher  Verkleinerung  der 
|  Ovarien  machten  dieselben  später  dieselben  Veränderungen  durch, 
iSvie  bei  nichtoperierten  Konfrontieren.  Der  Henne  schadet  die  Ent¬ 
fernung  des  Legdarmes  also  nichts  in  Bezug  auf  die  Funktion  ihres 
Ovariums.  S.  mahnt  danach  zur  Vorsicht  in  der  Deutung  von 
Folgeerscheinungen  der  Uterusexstirpation  als  „Ausfallssym- 
i  p  t  o  m  e“. 

R.  Baron  Keyserlingk  -  Reval :  Bossi-,  Dülirssen- 
und  Klassischer  Kaiserschnitt. 

K.  ist  bei  Eklampsie  für  möglichst  rasche  Entbindung.  Er  ver¬ 
wendet  sowohl  die  stumpfe  Dilatation  nach  Bossi  wie  den  vaginalen 
Kaiserschnitt  nach  D  ii  h  r  s  s  e  n,  je  nach  Lage  des  Falles.  Bei  Multi¬ 
paris  mit  Narben  am  Muttermund  und  älteren  rigiden  I-paris  ist  der 
Bossi  zu  verwerfen.  Dagegen  ist  er  im  allgemeinen  in  der  Privat¬ 
praxis  dem  Diihrssen  vorzuziehen,  während  in  der  Klinik  letzterer 
von  K.  bevorzugt  wird.  Zum  Schluss  berichtet  K.  über  9  ein¬ 
schlägige  Fälle,  davon  6  Bossi,  2  Dührssen  und  1  klassischer  Kaiser¬ 
schnitt.  Die  Prognose  für  das  Kind  ist  bei  allen  Methoden  gleich  gut. 

L.  P  r  o  c  h  o  w  n  i  k  -  Hamburg:  Ueber  Zapfentampons. 

P.  empfiehlt  statt  der  flüssigen  Tampons  feste,  ein  Mittelding 
zwischen  Suppositorium  und  Globus  vaginalis.  Der  Apotheker  E. 
Niemitz  in  Hamburg  stellt  diese  „Zapfentampons“  aus  rei¬ 
nem  Glyzerin,  Ichthyol,  Belladonna,  Zink  und  Tannin  her.  Der  ziem¬ 
lich  hohe  Preis  (2—3  Mk.  pro  6  Stück)  wird  ihrer  Verbreitung  etwas 
hinderlich  sein.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Bd.  65,  Heft  5  u.  6. 

17)  E.  W  i  e  1  a  n  d  -  Basel:  Zur  Pathologie  der  dystrophischen 
Form  des  angeborenen  partiellen  Riesenwuchses. 

Detaillierte  Wiedergabe  der  klinischen,  sowie  namentlich  der 
anatomisch-histologischen  Befunde  bei  einem  exquisiten  Falle  von 
partiellem  Riesenwuchs.  14  Abbildungen  im  Text. 

18)  L.  F.  Meyer:  Zur  Kenntnis  des  Stoffwechsels  bei  den  ali¬ 
mentären  Intoxikationen.  (Aus  dem  städtischen  Kinderasyl  zu  Berlin, 
Oberarzt:  Prof.  F  i  n  k  e  l  s  t  e  i  n.) 

Verf.  schildert  die  für  die  Intoxikation  als  typisch  aufzufassen¬ 
den  Veränderungen  des  Stoffwechsels.  Danach  ist  die  normale 
N-Retention  gestört,  es  kommt  sogar  zu  einem  vermehrten  Abbau 
von  eiweisshaltigem,  d.  i.  Zellenmaterial  (toxischer  Eiweisszerfall)  - — 
auch  die  Endprodukte  des  Eiweissstoffwechsels  unterscheiden  sich 
von  der  Norm.  So  konnte  die  bereits  von  Keller  festgestellte  er¬ 
höhte  Ammoniakausscheidung  als  „absolut  an  den  Zustand  der  In¬ 
toxikation  gebunden“  dargetan  werden.  Auch  die  Funktion  der  Harn¬ 
stoffsynthese  konnte  als  gestört  erkannt  werden.  Der  Zuckerstoff¬ 
wechsel  ist  in  jedem  Falle  von  Intoxikationserkrankung  gestört  und 
kommt  es,  lange  bevor  die  Assimilationsgrenze  für  die  betreffende 
Zuckerart  überschritten  ist,  zur  alimentären  Glykosurie.  Dabei 
spricht  Ausscheidung  des  Monosaccharids  nach  Verf.  für  eine  herab¬ 
gesetzte  Oxydation  im  intermediären  Stoffwechsel  —  Ausscheidung 
des  Disaccharids  für  mangelhafte  Funktion  des  Darmepithels.  Der 
•  Fettstoffwechsel  lässt  in  erster  Linie  eine  Herabsetzung  der  Resorp¬ 
tion  vom  Darm  aus  erkennen,  ist  aber  auch  intermediär  Störungen 
ausgesetzt,  erkenntlich  an  der  Vermehrung  des  ausgeschiedenen 
Azetons  (Langstein  und  Meye  r).  Die  Störung  in  der  Wasser¬ 
bilanz  —  gesteigerte  Abgabe  —  ist  nur  teilweise  durch  den  Wasser¬ 
verlust  von  seiten  des  Darmes  zu  erklären  —  die  forcierte  toxische 
Atmung  soll  nach  Verf.  einen  beträchtlichen  Wasserverlust  invol¬ 
vieren,  worüber  jedoch  exakte  Messungen  fehlen.  (Dauerwägungen 
—  Ref.)  Der  Salzstoffwechsel  —  untersucht  wurde  auf  Kochsalz  — 
liess  während  der  Intoxikation  eine  negative  Kochsalzbilanz  fest¬ 
stellen,  der  in  der  Rekonvaleszenz  eine  erhöhte  NaCl-Retention  folgt. 

Verf.  begnügt  sich  vorläufig  mit  der  Konstatierung  der  vor¬ 
liegenden  Stoffwechselstörungen  und  hält  es  für  verfrüht,  etwa  die 
markanteste  Alteration  des  Stoffwechsels,  die  Azidose,  als  Ursache 
des  Zustandes  anzusprechen  —  abgelehnt  wird  jedoch  als  ätio¬ 
logisches  Moment  —  besonders  hervorgehoben  —  ein  Infarkt. 

Kleine  Mitteilungen.  E.  S  t  i  r  n  i  m  a  n  n  -  Luzern :  Akute  Leu¬ 
kämie  und  Adenotomie. 

Vereinsberichte.  —  Literaturbericht  von  L.  Lang  st  ein. 

19)  M.  K  o  b  -  Königsberg:  Klinische  Beobachtungen  an  12  Fällen 
von  obliterierender  Herzbeutelentzündung  als  Teilerscheinung  schwe¬ 
rer  Herzaffektionen  im  Kindesalter. 

Kasuistische  Mitteilung. 

20)  W.  Wernstedt:  Beiträge  zum  Studium  des  Säuglings- 
pylorospasmus»  mit  besonderer  Berücksichtigung  von  seiner  An- 

geborenheit.  (Aus  Prof.  M  e  d  i  n  s  Klinik  im  „Allmänna  Barnhuset“ 


[Stockholm]  und  dem  zootomischen  Institut  der  Universität  zu  Stock¬ 
holm  [Prof.  Leche].) 

Lesenswerte  Studie  über  die  bereits  lebhaft  diskutierte  Frage, 
ob  der  Pylorospasmus  kongenital  sei  oder  nicht.  Trotz  geschickter 
Zitierung  anderer  Autoren  und  Beibringung  eigenen  neuen  Materiales 
(vergleichend  anatomisches)  muss  der  Verf.  die  Frage  der  „An- 
geborenheit“  doch  offen  lassen.  W.  nimmt  eine  „gewisse  Disposi¬ 
tion“  an,  die  in  einer  Vulnerabilität  der  die  Retentions-  und  Evakua- 
tionsphasen  der  motorischen  Magenarbeit  regulierenden  Nervenele- 
rnente  bestehe.  Das  Thema  fernerhin  bearbeitende  Autoren  werden 
gut  ‘tun,  die  Arbeit  gebührend  zu  berücksichtigen. 

21)  N.  G  u  n  d  o  b  i  n  -  Petersburg:  Die  Eigentümlichkeiten  des 
Kindesalters. 

Dieser  Artikel  bildet  die  Einleitung  zu  des  Verfassers  Buch: 
„Die  Eigentümlichkeiten  des  Kindesalters“.  Dieses  Buch  ist  jm  Jahre 
1905  in  russischer  Sprache  erschienen.  Die  Ausführungen,  welche  all¬ 
gemein  medizinisches  wie  pädiatrisches  Interesse  haben,  gipfeln  in 
der  Forderung  gründlicher  Erforschung  der  Anatomie  und  Physio¬ 
logie  des  kindlichen  Organismus,  dazu  seien  neben  den  Kinderkliniken 
die  Asyle  für  Neugeborene  und  Säuglinge  berufen. 

22)  Heinrich  Bogen:  Experimentelle  Untersuchungen  über 
psychische  und  assoziative  Magensaftsekretion  beim  Menschen.  (Aus 
der  Universitätskinderklinik  zu  Heidelberg.) 

Fütterungsversuche  im  Sinne  Pawlows  an  einem  3jährigen 
Knaben  mit  künstlicher  Magenfistel  (angelegt  wegen  totaler  Narben- 
striktur  nach  Laugenverätzung  des  Schlundes).  Sowohl  die  Ver¬ 
suche  über  psychische  Sekretion  sowie  die  Assoziationsversuche 
hatten  ein  positives  Resultat;  bei  den  letzteren  liess  sich  sogar  mit 
der  Abnahme  des  Reizes  eine  Abnahme  der  Azidität  erkennen.  Ner¬ 
veneinfluss? 

Kleine  Mitteilungen.  Leo  Baron:  Ueber  2  Fälle  von  Hirsch- 
Sprung  scher  Krankheit.  (Aus  dem  grossen  Friedrichs-Waisen¬ 
hause  der  Stadt  Berlin  in  Rummelsburg,  Oberarzt:  E.  Müller.) 

Vereinsberichte.  —  Literaturbericht  von  L.  Langstein.  — 
Buchbesprechungen.  —  Tagesnachrichten.  —  Sach-  und  Namen¬ 
register  zu  Bd.  65.  0.  R  o  m  m  e  1  -  München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  1907.  32.  Bd. 

4. — 6.  Heft. 

Hermann  Schlesinger  -  Wien :  Gekreuzte  Hemichorea,  an 
den  Gubler  sehen  Lähmungstypus  erinnernd. 

Der  hier  beschriebene,  ganz  ungewöhnliche  Symptomenkomplex: 
einseitige  Lähmung  des  Fazialis,  Hemichorea  auf  der  gekreuzten  Kör¬ 
perhälfte,  kann  nach  der  Ansicht  des  Verfassers  nicht  durch  einen 
Herd  ausgelöst  werden.  Es  müssen  mehrere  Krankheitslokalisationen 
dafür  verantwortlich  gemacht  werden.  Schlesinger  glaubt  zwei 
enzephalitische  Prozesse,  den  einen  im  zerebralen  Ponsende,  den 
anderen  in  der  Bindearmbahn  als  Ursache  für  das  vorliegende  Bild 
ansprechen  zu  müssen. 

A.  Wimmer-  Kopenhagen :  Die  syphilitische  Spinalparalyse. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Medulla  spinalis  eines  an 
syphilitischer  Rückenmarkserkrankung  verstorbenen  Patienten  er-* 
gab,  dass  neben  einem  mvelitischen  Prozess  im  mittleren  Dorsalmark 
noch  eine  kombinierte  Systemerkrankung  vorlag.  Ausgesprochene 
Degeneration  der  Pyramidenseitenstrang-  und  Vorderstrangbahnen 
oberhalb  der  Querschnittserkrankung  deutet  entschieden  darauf 
hin,  dass  es  auch  zu  primären  Strangdegenerationen  gekommen 
war. 

Bittdorf:  Ueber  den  sog.  Verkürzungstypus  bei  Mitbewe¬ 
gungen,  Reflexen  und  Paresen.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Breslau.) 

Als  „Verkürzungstypus“  wird  die  gemeinsame  Aktion  der  Ver- 
kiirzer  der  unteren  Extremitäten,  also  der  Hiift-  und  Kniegelenks¬ 
beuger,  der  Dorsalflexoren  des  Fusses  und  der  Zehen  und  der  Heber 
des  inneren  Fussrandes  bezeichnet.  Eine  solche  gemeinsame  Tätig¬ 
keit  dieser  Muskeln  stellt  sich  dann  ein,  wenn  die  willkürliche 
Innervation  der  Beine  Schaden  gelitten  hat  (Pyramidenbahnerkran¬ 
kung).  Unter  diesen  Umständen  kommt  es  bei  gewollter  Bewegung 
des  einen  oder  anderen  Verkiirzers  zu  einer  Gruppeninnervation 
sämtlicher  Verkürzer.  So  tritt  beim  Versuch  derartiger  Kranker, 
das  Hiift-  und  Kniegelenk  zu  beugen,  eine  willkürlich  nicht  unter¬ 
drückbare  Dorsalflexion  des  Fusses  und  der  Zehen  bei  gleichseitiger 
Hebung  des  inneren  Fussrandes  auf  (S  t  r  ii  m  p  e  1 1  sches  Phänomen). 
Ebenso  stellt  sich  dann  bei  gewollter  Dorsalflexion  der  Zehen  eine 
willkürlich  nicht  unterdrückbare  Anspannung  des  Tibialis  anticus, 
eline  Dorsalflexion  des  ganzen  Fusses  und  eine  Beugung  im  Knie¬ 
gelenk  ein. 

Dieselben  Erscheinungen  finden  sich  nun  auch  bei  den  reflek¬ 
torischen  Bewegungen  dieser  Kranken.  Streicht  man  oder  sticht 
man  in  einem  solchen  Falle  die  Fussohle,  so  gerät  die  Verkürzer- 
gruppe  des  Beines  in  Kontraktion.  Dlie  reflektorische  Bewegung 
gleicht  auch  darin  der  synergistischen,  dass  die  distalen  Verkürzer 
am  sichersten  und  frühzeitigsten  in  Tätigkeit  geraten  (Dorsalflexion 
der  grosen  Zehe,  B  a  b  i  n  s  k  i  sches  Phänomen!). 

Die  Verlängerer  der  Extremitäten  leiden  bei  Erkrankung 
oder  Ausfall  der  Pyramidenbahnen,  wie  bei  der  zerebralen  oder 
spinalen  Halbseitenlähmung  viel  weniger  als  die  Verkürzer.  so 
kommt  es,  dass  Hemiplegier  bald  wieder  mit  gestrecktem,  steif  ge- 


1396 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


haltenen  Bein  zu  gehen  vermögen.  Die  Strecker  werden  eher 
wieder  dem  Willen  zugänglich  als  die  Beuger,  die  ihrerseits  vielmehr 
reflektorischen  und  synergistischen  Einflüssen  unterstehen.  B  i  t  - 
t  o  r  f  glaubt  diese  Gesetze  auf  ontogenetischem  und  phylogene¬ 
tischem  Wege  erklären  zu  können. 

.1  a k  o  b  i  -  Ofen-Pest:  Ueber  Tetanie  im  Anschluss  an  78  Fälle. 

Die  verhältnismässig  grosse  Anzahl  von  Beobachtungen  der  im 
Titel  genannten  Krankheit  veranlasste  den  Autor  zu  statistischen  Er¬ 
hebungen.  Diese  bringen  nichts  wesentlich  Neues.  Interessant  ist 
nur  wieder  die  Feststellung,  dass  die  Tetanie  in  den  kälteren  Mona¬ 
ten  des  Jahres  viel  häufiger  auftritt  als  in ‘den  wärmeren  und  dass 
von  sämtlichen  Berufsarten  die  Schriftsetzer  und  die  Schuster  das 
grösste  Kontingent  stellen.  Auf  die  Beziehung  der  T  etanie  zui  Er¬ 
krankung  oder  zum  Fehlen  der  Glandulae  parathyreoideae  geht  der 
Verfasser  gar  nicht  ein. 

L  u  d  w  i  g  -  Kassel :  Ueber  Veränderungen  der  Ganglienzellen  des 
Rückenmarkes  bei  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica. 

Bei  der  histologischen  Untersuchung  des  Rückenmarkes  mehre¬ 
rer  Fälle  von  Zerebrospinalmeningitis,  die  allgemeinen,  hoch¬ 
gradigen  Muskelschwund  zur  Folge  hatten,  konnten 
schwere  degenerative  Veränderungen  der  Vorderhornganglienzellen 
festgestellt  werden.  Zweifellos  bestehen  —  wie  dies  auch,  von 
anderer  Selite,  so  von  W  i  ck  m  a  n  n-  Stockholm  betont  worden  ist 
keine  scharfen  Grenzen  zwischen  der  Meningitis  epidemica  und  der 
Poliomyelitis.  Auch  die  letztere  Erkrankung  tritt  bisweilen  epidemie- 
artig  auf.  Bei  beiden  Formen  kann  es  zur  Degeneration  der  Ganglien¬ 
zellen  der  Vorderhörner  kommen.  Bei  der  Meningitis  cerebro¬ 
spinalis  werden  unter  Umständen  die  motorischen  Ganglienzellen  der 
ganzen  Spinalachse  geschädigt,  während  sie  bei  der  Poliomyelitis 
in  der  Mehrzahl  sich  erholen,  so  dass  nur  einzelne  Gruppen  dem 
Schwund  verfallen. 

Veraguth  und  Cloetta:  Klinische  und  experimentelle  Be¬ 
obachtungen  an  einem  Fall  von  traumatischer  Läsion  des  rechten 
Stirnhirns. 

Das  Dunkel  über  die  Funktionen  des  Stirnhirns  wird  auch  durch 
die  vorliegenden  eingehenden  neurologischen  und  psychologischen 
Studien  nicht  gelichtet.  Ein  junger  Mann  hatte  sich  durch  einen 
schweren  Sturz  vom  Rad  eine  Zertrümmerung  des  rechten  Stirn¬ 
beines  und  der  vorderen  Partien  des  rechten  Stirnhirnes  zugezogen. 
Abgesehen  von  einer  rechtsseitigen  Geruchsstörung  waren  nun  weder 
neurologische  noch  psychische  Ausfallserscheinungen  festzustellen, 
die  mit  Sicherheit  auf  die  Zertrümmerung  des  rechten  Frontalpoles 
hätten  zurückgeführt  werden  können. 

H.  Krieger- Marburg:  Vollständige  postdiphtherische  Oeso¬ 
phagus-  und  Kardialähmung. 

Kurze,  kasuistische  Mitteilung. 

Ad.  Strümpell:  Nekrolog  auf  Paul  Julius  Moebius. 

Kleinere  Mitteilungen.  L.  R.  M  ü  1 1  e  r  -  Augsburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  25  u.  26,  1907. 

1)  F.  Kraus  und  G.  F.  N  i  c  o  1  a  i  -  Berlin:  Ueber  das  Elektro¬ 
kardiogramm  unter  normalen  und  pathologischen  Verhältnissen. 

Schluss  folgt. 

2)  J.  Veit-Halle  a.  S. :  Die  abdominale  Exstirpation  des  kar- 
zinomatösen  Uterus. 

Die  Dauererfolge  der  vaginalen  Uterusexstirpation  sind  nicht 
befriedigend.  Verf.  ist  nun  in  der  Lage,  eine  Reihe  von  20  abdomi¬ 
nalen  Uterusexstirpationen  mitzuteilen,  unter  welchen  kein  primärer 
Todesfall  vorkam.  Alle  Patienten  genasen.  Die  primäre  Mortalität 
der  Operation  ist  also  heute  eine  verschwindend  kleine  geworden. 
Die  Herzschwäche  als  Todesursache  fürchtet  Verf.  seit  Einführung 
der  Spinalanästhesie  nicht  mehr.  Unoperiert  Hess  Verf.  jene  Fälle, 
in  welchen  schon  eine  Blasenscheidenfistel  bestand  oder  das  Kar¬ 
zinom  das  ganze  Becken  ausfüllte. 

3)  F.  E  i  c  h  1  e  r  -  Charlottenburg:  Experimentelle  Beiträge  zur 
Diagnose  der  Pankreaserkrankungen.  Die  C  a  m  m  i  d  g  e  sehe  „Pan¬ 
kreasreaktion“  im  Urin. 

Verf.  stellt  die  bisher  geübten  chemisch-diagnostischen  Me¬ 
thoden  zum  Nachweis  von  Pankreaserkrankungen  zusammen  und  gibt 
eine  Darstellung  der  C  a  m  m  i  d  g  e  sehen  Reaktion,  über  deren  Ein- 
zelnheiten  das  Original  zu  vergleichen  ist.  Er  hat  die  Zuverlässigkeit 
derselben  an  3  Hunden  geprüft,  welche  er  pankreaskrank  gemacht 
hatte.  Während  der  Harn  dieser  Tiere  vor  der  Operation  diese  Re¬ 
aktion  nicht  ergab,  war  sie  nach  der  Operation  bei  allen  Versuchs¬ 
tieren  positiv. 

4)  H.  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  -  Berlin:  Ueber  akute  myeloide  Leukämie. 

Verf.  berichtet  unter  Wiedergabe  der  differentialdiagnostischen 
Einzelnheiten  eingehend  über  die  klinischen  Erscheinungen  und  den 
Sektionsbefund  der  2  von  ihm  neuerdings  beobachteten  Fälle.  In 
beiden  Fällen  betrug  die  Verlaufsdauer  nur  6  Wochen. 

5)  Senftleben  -  Breslau :  Ueber  die  Entstehung  des  Hitz- 
schlages. 

Schluss  folgt. 

6)  A.  Plehn:  Ueber  perniziöse  Anämie. 

Vortrag  in  der  Berl.  med.  Gesellschaft.  Vergl.  Angabe  darüber 
Seite  1309  der  Münch,  med.  Wochenschr.  In  seinem  Vortrag  gibt  P. 
auch  eine  Darstellung  der  Therapie  genannter  Krankheit. 


7)  Hildebrandt  - Berlin :  Die  chirurgische  Therapie  des 
Magengeschwürs. 

Nach  der  Statistik  von  Krönlein  wurde  in  ca.  85  Proz.  der 
operierten  Fälle  ein  positives  Ergebnis  erzielt.  Die  Frühoperation 
bei  der  akuten  Blutung  ist  zu  verwerfen.  H.  bespricht  die  in  Frage 
kommenden  Operationsmethoden,  unter  welchen  für  viele  Chirurgen 
heute  die  Gastroenterostomie  das  Normalverfahren  darstellt.  Diese 
Operation  schützt  freilich  auch  nicht  ganz  zuverlässig  vor  Rückfällen. 
Immerhin  geht  die  Hvperazidität  zurück  oder  verschwindet  ganz. 
Die  Erfolge  bei  der  akuten  Blutung  sind  unsicher,  bei  wiederholten 
Blutungen  wird  die  Exzision  bei  günstiger  Lage  des  Geschwüres 
ausgeführt  und  die  Gastroenterostomie  angeschlossen.  Perforierte 
Magengeschwüre  werden  immer  operativ  behandelt,  auch  Verwach¬ 
sungen  werden  oft  mit  Erfolg  operativ  beseitigt. 

No.  26.  1)  C.  B  r  u  c  k  -  Batavia:  Die  biologische  Differenzierung 
von  Affenarten  und  menschlichen  Rassen  durch  spezifische  Blut¬ 
reaktion. 

Aus  den  im  Verlaufe  der  deutschen  Java-Expedition  des  Prof. 
N  e  i  s  s  e  r  angestellten  Untersuchungen  ergab  sich,  dass  es  mit  Hilfe 
der  Komplementbindung  gelingt,  die  einzelnen  Affenarten  nach  ihrer 
Stellung  im  System  und  ihrem  Verhältnis  zum  Menschen  biologisch 
zu  differenzieren.  Die  Art  Mensch  steht  nach  dem  Ausfall  dieser 
Untersuchungen  biologisch  ungefähr  so  weit  vom  Orang-Utan  ent¬ 
fernt,  wie  dieser  vom  Macacus  rhesus  und  nemestricus.  Unterschiede 
der  einzelnen  menschlichen  Rassen  untereinander  Hessen  sich  mit  den 
gegen  Affen  gerichteten  Immunseren  nicht  konstatieren.  Mit  Hilfe 
eines  gegen  Vertreter  der  weissen  Rasse  gerichteten  Immunserums 
ist  es  jedoch  möglich,  diese  von  Angehörigen  der  mongolischen  und 
malayischen  Rasse  biologisch  zu  unterscheiden.  Einer  morphologisch 
am  höchsten  stehenden  Unterart  gebührt  dieser  Platz  auch  biologisch 
bezüglich  ihres  Eiweissbaues. 

2)  S  p  i  e  1  m  e  y  e  r  -  Freiburg  i.  B.:  Atoxyl  bei  Paralyse. 

An  der  Freiburger  Klinik  wurden  eine  kleinere  Anzahl  von  Para¬ 
lytikern  mit  Atoxylinjektionen  behandelt.  Es  trat  zwar  eine  Besse¬ 
rung  des  Allgemeinzustandes  und  leichtere  Heilung  von  Hautaffek¬ 
tionen  bei  den  Kranken  ein,  jedoch  änderte  sich  am  gewohnten  Ver¬ 
laufe  der  Paralyse  nichts,  so  dass  diese  Behandlung  metasyphilitischer 
Erkrankungen  keine  günstigen  Aussichten  eröffnet.  Verf.  hat  die  In¬ 
jektionen  auch  bei  Tieren,  welche  mit  Trypanosomen  infiziert  worden 
waren,  angewendet,  doch  konnte  er  das  Leben  der  Tiere  dadurch 
nicht  verlängern. 

3)  M.  M  o  s  s  e  -  Berlin:  Zur  Lehre  von  der  perniziösen  Anämie. 

Vergl.  Referat  S.  1202  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

4)  A.  Schütze-Berlin:  Ueber  weitere  Anwendung  der 
Methode  der  Komplementfixation. 

Aus  den  Untersuchungen  wird  gefolgert,  dass  das  Verfahren  der 
Komplementfixation  eine  sichere  und  einwandfreie  Unterscheidung 
zwischen  dem  echten  Choleravibrio  und  den  choleraähnlichen 
Vibrionen  nicht  zulässt.  Betreff  der  weiteren  Einzelheiten  und 
Schlussfolgerungen  muss  der  Originalartikel  verglichen  werden. 

5)  A.  Selig- Franzensbad:  Klinische  Beobachtungen  über  die 
Herzvibration. 

Verf.  hat  den  Einfluss  der  Vibration,  welche  er  in  der  Herz¬ 
gegend  und  am  Rücken  applizierte,  auf  Puls,  Atmung  und  Blutdruck 
untersucht.  Der  Puls  sank  meist,  blieb  aber  auch  nicht  selten  un¬ 
beeinflusst.  Nicht  pathologisch  erweiterte  Herzen  zeigten  nach  der 
Vibration  keine  weitere  Verkleinerung.  Bei  pathologischer  Dilatation 
wurde  häufig  eine  Abnahme  des  Herzumfangs  erzielt,  oft  schon  nach 
einer  Anwendung.  Anginöse  Zustände  bei  Arteriosklerotikern  wur¬ 
den  öfter  günstig  beeinflusst.  Das  subjektive  Befinden  der  Behandel¬ 
ten  besserte  sich  auffallend  häufig. 

6)  Goldschmidt  -  Reichenhall :  Ueber  die  Anwendung  des 
Morphiums  bei  Asthma. 

Verf.  tritt  für  die  Anwendung  kleiner  Dosen  bei  Asthma  ein, 
welche  ohne  Schwierigkeit  wieder  abgewöhnt  werden  können. 

7)  S  e  n  f  1 1  e  b  e  n  -  Breslau:  Ueber  die  Entstehung  des  Hitz- 
schlags. 

Auf  Grund  persönlicher  Beobachtungen  und  zahlreicher  Blut¬ 
untersuchungen  konnte  S.  feststellen,  dass  bei  Zuständen  von  Hitz- 
schlag  das  Hämoglobin  aus  den  Blutkörperchen,  welche  zahlreiche 
Veränderungen  eingehen,  austritt  und  dass  von  den  scheinbar  ver¬ 
mehrten  weissen  Blutkörperchen  oft  nur  die  Kerne  übrig  bleiben. 
Das  gelöst  im  Serum  zirkulierende  Hämoglobin  führt  zum  explosions¬ 
artigen  Zerfall  weisser  Blutkörperchen  und  damit  zu  einer  sehr 
raschen  Zunahme  des  Fibrinferments  im  Blute.  Dadurch  tritt  eine 
Intoxikation  ein,  welche  das  eigentliche  Wesen  des  Hitzschlags  dar¬ 
stellt,  und  zu  Gerinnungen,  namentlich  in  den  Lungenkapillaren,  so¬ 
wie  zu  Gehirnlähmung  führt.  Aus  diesen  Vorgängen  erklären  sich 
die  klinischen  Symptome  der  Erkrankung.  Therapeutisch  empfiehlt 
Verf.  ausser  dem  Aderlass  besonders  Eingiessungen  von  Kochsalz¬ 
lösungen  in  den  Darm. 

8)  F.  Kraus  und  G.  F.  N  i  c  o  1  a  i  -  Berlin:  Ueber  das  Elektro¬ 
kardiogramm  unter  normalen  und  pathologischen  Verhältnissen. 

Vergl.  Referat  S.  1202  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

9)  H.  B  e  i  t  z  k  e  -  Berlin:  Ueber  eine  neue  Theorie  in  der  Im¬ 
munitätslehre. 

Nach  den  herrschenden  2  Haupttheorien  bekämpft  der  Organis¬ 
mus  die  Wirkung  der  eingedrungenen  Bakterien  einmal  durch  den 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1397 


Vorgang  der  Phagozytose  oder  durch  die  sog.  Bakteriolysine.  Ge¬ 
wisse  im  Serum  vorhandene  Stoffe,  die  sog.  Opsonine,  befördern  die 
Phagozytose,  indem  sie  die  Bakterien  für  die  letztere  vorbereiten.  Es 
gelang  W  r  i  g  h  t  durch  eine  Vakzinimpfung  die  opsonische  Kraft  des 
Blutserums  zu  steigern.  Gegenüber  den  bakteriellen  Allgemein¬ 
infektionen  kommt  es  therapeutisch  darauf  an,  den  Reichtum  des 
,  Serums  an  Opsoninen  zu  steigern.  Darauf  beruht  z.  B.  die  Wirkung 
der  Stauungstherapie,  sowie  jene  der  Finsenbehandlung. 

Grassmann  -  München. 

| 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  26. 

1)  Strasburger  -  Bonn :  Ueber  den  Einfluss  der  Aorten- 
,  elastizität  auf  das  Verhältnis  zwischen  Pulsdruck  und  Schlagvolumen 

des  Herzens. 

Siehe  Referat  über  den  Kongress  f.  innere  Med.  1907,  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  21,  S.  1052. 

2)  C.  A.  E  w  a  1  d  -  Berlin:  Idiopathische  spindelförmige  Erweite¬ 
rung  der  Speiseröhre. 

In  dem  beschriebenen  Fall  wurde  die  klinisch  gesicherte  Dia¬ 
gnose  durch  Obduktion  bestätigt.  Aetiologisch  wirkten  offenbar 
:  Spasmus  der  Kardia  und  paretische  Erschlaffung  der  Speiseröhren¬ 
wand,  bei  gleichzeitiger  Hypertrophie  ihrer  Muskulatur,  zusammen. 
Der  Vagus  zeigte  mikroskopisch  keine  Veränderungen. 

3)  D.  G  r  ü  n  b  a  u  m  -  Berlin:  Milchsekretion  nach  Kastration. 

Von  21  Fällen  zeigten  14  mehr  oder  minder  reichliche  Sekretion 

der  Mamma  nach  Entfernung  der  Ovarien,  in  der  3.  Woche  nach  der 
Operation  oder  noch  später  beginnend,  von  mehreren  Tagen  bis  zu 
mehreren  Monaten  anhaltend. 

4)  Max  J  o  s  e  p  h  -  Berlin:  Die  allgemeine  Therapie  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten.  (Schluss.) 

Fortbildungsvortrag. 

5)  Hauschild  -  Breslau :  Ueber  „Euferrol“. 

Günstige  Erfahrungen  mit  Euferrolkapseln  bei  Bluterkrankungen, 
funktionellen  Neurosen,  chronischen  Hautleiden,  Erschöpfungs¬ 
zuständen.  Das  Mittel  enthält  Eisen  und  Arsen. 

6)  Theo  Groedel  II -Bad  Nauheim:  Abgang  des  Wurmfort¬ 
satzes  per  rectum  bei  eitriger  Peritonitis. 

Krankengeschichte,  Sektionsbefund. 

7)  R.  Z  u  e  1  z  e  r  -  Potsdam:  Das  orthopädische  Stuhlband. 

Eine  einfache  Vorrichtung  zum  Geradsitzen  der  Kinder  (ab¬ 
gebildet). 

8)  Franz  Z  e  r  n  i  k  -  Steglitz:  Neue  Arzneimittel,  Spezialitäten 
und  Geheimmittel. 

9)  R  i  e  t  s  c  h  e  1  -  Charlottenburg:  Heizung  und  Lüftung  in  Kran¬ 
kenhäusern.  (Schluss.) 

Verf.  empfiehlt  für  örtliche  Erwärmung  Warmwasserheizung, 
für  Lüftung  Ventilatorbetrieb  und  Erwärmung  der  Luft  an  Warm¬ 
wasser-  oder  Dampfheizkörpern,  sämtliche  Anlagen  unter  Annahme 
von  Dauerbetrieb.  Die  Fernwarmwasserheizung  (bei  Pavillonsystem) 
ist  nur  unter  bestimmten  Voraussetzungen  empfehlenswert. 

10)  Edvard  R  a  v  n  -  Kopenhagen:  Das  Militärsanitätswesen 
Dänemarks. 

R.  Grashey  - München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No._  25.  R.  K  r  a  u  s  und  R.  v.  Stenitzer  -  Wien :  Ueber  Para¬ 
typhusgifte  und  deren  Neutralisation  mit  Typhusantitoxin. 

Es  ist  den  Verfassern  gelungen,  mit  dem  Serum  zweier  Pferde, 
welche  mit  steigenden  Dosen  von  Typhuskulturfiltraten  immunisiert 
wurden,  auf  die  Toxine  zweier  Paratyphusstämme  antoxisch  einzu¬ 
wirken.  Mit  dem  Serum  eines  dieser  Pferde  liess  sich  ein  Kaninchen 
gegen  Paratyphus-  und  Mäusetyphustoxin  präventiv  spezifisch 
schützen. 

A.  v.  T  o  r  d  a  y  -  Ofen-Pest:  Die  Bedeutung  der  herabgesetzten 
Salzsäureproduktionsfähigkeit  in  der  Diagnostik  der  Magenerkran¬ 
kungen. 

Die  verschiedenen  Einzelangaben  lassen  sich  dahin  zusammen¬ 
fassen,  dass  die  Herabsetzung  der  Salzsäureproduktion  eine  bei  den 
verschiedensten  Krankheiten  zutreffende  Erscheinung  ist  und  jeden¬ 
falls  in  der  Diagnostik  des  Magenkarzinoms  nicht  von  beweisender 
Bedeutung  ist. 

H.  v.  S  c  h  r  ö  1 1  e  r  -  Wien:  Zur  Bronchoskopie  bei  Fremd¬ 
körpern.  (Schluss  folgt.) 

A.  Fuchs- Wien :  Ein  Fall  von  Scheu thauers  „Kombina¬ 
tion  rudimentärer  Schlüsselbeine  mit  Anomalien  des  Schädels“ 
(Dysostose  cleido-cränienne). 

Beschreibung  des  Falles  mit  Abbildung. 

A.  T  h  e  o  d  o  r  o  v  -  Sofia:  Ueber  den  Nachweis  von  Milzbrand¬ 
bazillen  an  Pferdehaaren. 

Beschreibung  eines  dem  in  No.  22  von  R  u  s  s  publizierten  ähn¬ 
lichen  Falles,  wo  bei  einer  verstorbenen  Rosshaararbeiterin  Milz¬ 
brand  als  Todesursache  festgestellt  und  dann  eine  bakteriologische 
1  Untersuchung  der  in  der  Fabrik  befindlichen  Rosshaarvorräte  ein 
positives  Ergebnis  hatte.  Es  besteht  die  Vermutung,  dass  die  Haare 
von  Kadavern  der  im  russisch-japanischen  Kriege  gefallenen  Pferde 
Stammen.  Erwähnenswert  ist  auch,  dass  in  den  Organen  des  durch 


die  Sectio  caesarea  in  mortua  entwickelten  toten  Kindes  Milzbrand¬ 
bazillen  nicht  zu  finden  waren. 

M.  v.  Eisler-Wien:  Erwiderung  zu  den  Bemerkungen 
L.  Z  u  p  n  i  k  s  über  Spezifizität  der  Bakterienpräzipitine. 

Kontroverse. 

F.  Strunz-Wien:  Paracelsus  in  Oesterreich. 

In  dieser  anziehenden  biographischen  Skizze  wird  be¬ 
sonders  der  Aufenthalt  des  Paracelsus  in  Oesterreich 
von  1537  bis  zu  seinem  Tode  1541  genauer  erörtert:  Der 
Aufenthalt  in  Kromau  (Mähren)  der  zweimalige  Aufenthalt 
in  Wien  1537  und  1541,  sein  Leben  in  Villach  und  in 
Salzburg,  wo  er  starb.  Eine  Reihe  seiner  bedeutenden  Schriften 
ist  in  Oesterreich  begonnen  oder  abgeschlossen  worden. 

No.  26.  F.  Chvostek:  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Tetanie. 
Die  elektrische  Uebererregbarkeit  der  motorischen  Nerven. 

Aus  den  ausführlichen  Darlegungen  ergibt  sich,  dass  das  E  r  b  - 
sehe  Phänomen  ein  konstantes  Symptom  der  Tetanie  im  akuten 
Stadium  ist  und  wenn  genügend  oft,  zu  verschiedenen  Zeiten  und  an 
verschiedenen  Nerven  untersucht  wird,  gleich  der  mechanischen 
Uebererregbarkeit  der  motorischen  Nerven  immer  zu  finden  ist. 
In  den  Intervallen  der  Tetanie,  auch  wo  noch  zeitweilig  Parästhesien 
und  Krämpfe  Vorkommen,  ist  das  Erb  sehe  Phänomen  seltener  als 
das  Fazialisphänomen.  Das  Phänomen  ist  daher  nicht  so  sehr  gegen 
die  übrigen  Hauptsymptome,  besonders  der  mechanischen  Ueber¬ 
erregbarkeit  überwiegend,  dass  man  einzig  und  allein  von  seinem 
Vorhandensein  die  Diagnose  der  Tetanie  abhängig  machen  kann. 

L.  M  o  s  z k  o  w  i  c  z  -  Wien:  Zur  Technik  der  Operationen  an 
der  Hypophyse. 

Das  Ziel  dieser  Operationen  muss  sein,  bei  der  unvermeidlichen 
Eröffnung  der  Meningen  eine  Infektion  zu  verhüten  und  nach  der 
Operation  einen  sicheren  Abschluss  der  Oeffnung  an  der  Schädel¬ 
basis  gegen  die  Nasen-  und  Rachenhöhle  herzustellen.  Die  von  M. 
vorgeschlagene  Methode  hat  Aehnlichkeit  mit  der  von  Schlöffe  r 
(in  No.  21)  beschriebenen;  sie  soll  aber  zweizeitig  ausgeführt 
werden  und  es  wird  die  Knochenlücke  an  der  Schädelbasis  durch 
Transplantation  eines  Hautlappens  von  der  unteren  Stirngegend  her 
gedeckt  und  vor  Infektion  geschützt.  Nachdem  dieser  Lappen  an  der 
Schädelbasis  angeheilt  ist,  wird  die  zweite  Operation  gemacht,  nach 
temporärer  Ablösung  der  Spitze  des  Hautlappens  die  den  Tumor 
deckende  Knochenspange  abgetragen  und  dieser  entfernt  und  dann 
die  Oeffnung  an  der  Schädelbasis  durch  den  Hautlappen  wieder  ge¬ 
schlossen.  Alles  Nähere  vergl.  im  Original. 

R.  Kraus  und  S.  Gross- Wien:  Ueber  experimentelle  Haut¬ 
tuberkulose  bei  Affen. 

Bei  diesen,  wie  in  früheren  Versuchen  gelang  es  an  Affen  ex¬ 
perimentell  eine  der  menschlichen  ähnliche  Form  der  Hauttuberkulose 
zu  erzeugen.  Es  fand  sich  nun,  dass  dabei  die  progredienten,  mit 
Zerfall  einhergehenden  Formen  (Perlsucht,  Typus  bovinus)  wenige 
Tuberkelbazillen  enthalten,  während  die  sich  zurückbildenden  durch 
menschliche  Bazillen  erzeugten  Itnpfprodukte  ohne  Zerfall  ganz 
ausserordentliche  Bazillenmengen  aufweisen;  das  letztere  ist  auch 
bei  den  Affektionen  nach  Ueberimpfung  von  Vogeltuberkulose  der 
Fall. 

J.  R  i  c  h  t  e  r  -  Wien :  Ein  Fall  von  subkutan  entwickeltem  Plat¬ 
tenepithelkarzinom  der  Glutaealgegend. 

Das  subkutan  entwickelte  Kankroid  dürfte  aus  der  Wandausklei¬ 
dung  eines  sekundär  epithelisierten,  bei  einer  chronischen  Follikulitis 
entstandenen  Abszesses  sich  gebildet  haben. 

H.  v.  Schroetter  -  Wien :  Zur  Bronchoskopie  bei  Fremdkör¬ 
pern.  (Schluss.) 

Der  eine  der  beiden  hier  beschriebenen  erfolgreich  behandelten 
Fälle  ähnelt  sehr  dem  von  A.  K  i  1 1  i  a  n  in  No.  37,  1903  der  Münch, 
med.  Wochenschr.  publizierten  Fall;  in  dem  zweiten  wurde  bei  einem 
10  Monate  alten  Kinde  ein  Knochenstück  von  8,6:11,5:1,6  mm  am 
nächsten  Tage  im  Wege  der  oberen  Methode  (Tubus  von  5  mm 
Durchmesser,  18  cm  Länge,  Pinzette)  ohne  Narkose,  ohne  Lokal¬ 
anästhesie  aus  der  Teilungsstelle  des  rechten  Bronchus  extrahiert. 
Bronchopneumonie  mässigen  Grades.  Heilung. 

Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

C.  Arthur  Ball:  Der  Schliessmuskel  der  männlichen  Blase  in 
Beziehung  zur  Prostatektomie.  (Practitioner,  März  1907.) 

Auf  Grund  einer  Beobachtung  am  Menschen  und  mehrerer  Ver¬ 
suche  an  Hunden  kommt  Verf.  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  nicht  der 
Compressor  urethrae  ist,  der  den  Blasenschluss  garantiert,  sondern 
der  Sphinkter  internus  vesicae.  Näheres  ist  in  dem  mit  Abbildungen 
versehenen  Original  nachzusehen. 

Peverell  S.  Hi  che  ns:  Zur  Behandlung  der  Hämoptoe.  (Ibid.) 

Verf.  lässt  den  Kranken  in  einem  gut  ventilierten  Zimmer  in 
sitzender  Stellung  im  Bette  bleiben.  Er  gibt  Morphium  und  sucht  ihn 
(was  er  für  sehr  wichtig  hält)  über  den  Blutabgang  zu  beruhigen. 
Dann  lässt  er  Terpentin  einatmen  und  verordnet  innerlich  3  mal 
täglich  1,0  Chlorkalzium.  Der  Stuhl  muss  durch  ein  Bittersalz  gut 
geöffnet  werden.  Die  Nahrung  sei  kalt  und  nicht  nur  flüssig.  Steht 
die  Blutung  nicht  bald,  so  verordnet  er  Nitroglyzerin.  Von  den 
sonstigen  Hämostypticis  sah  er  niemals  Nutzen,  oft  aber  Schaden. 

A.  J.  Wallace:  Ueber  den  Kaiserschnitt.  Mit  16  Kranken¬ 
geschichten.  (Ibid.) 


1398 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28 


13  Fälle  werden  wegen  Beckenenge,  3  wegen  Tumoren  operiert. 
Verf.  empfiehlt  einen  Schnitt  durch  den  Rektus,  der  nicht  zu  klein 
sein  darf.  Es  ist  unnötig  und  schädlich,  den  Uterus  vor  die  Bauch¬ 
höhle  zu  wälzen.  Es  ist  viel  besser,  den  Uterus  in  situ  einzuschnei¬ 
den.  Der  Sitz  der  Plazenta  wird  am  besten  durch  Vergleichung  der 
Breitendurchmesser  der  vorderen  und  hinteren  Uteruswand  erkannt. 
Sie  sitzt  an  der  breitesten  Wand.  Er  rät,  den  Uterus  durch  einen 
Vertikalschnitt  in  der  Mittellinie  zu  eröffnen.  Den  Fundusschnitt 
verwirft  er  schon  aus  dem  Grunde,  weil  der  Uterus  dazu  vorgewälzt 
werden  muss.  Er  rät,  wenn  möglich  nach  guter  Vorbereitung,  bei 
Tageslicht  zu  operieren  und  nicht  zu  warten,  bis  die  Geburt  be¬ 
gonnen  hat.  Er  näht  in  3,  bei  dickem  Uterus  in  4  Etagen.  Verf.  steht 
auf  dem  Standpunkt,  dass  es  unerlaubt  ist,  gesunde  Organe  funktions¬ 
unfähig  zu  machen,  er  verwirft  deshalb  die  Sterilisierung  der  Frau. 
Man  muss  aber  dafür  sorgen,  dass  etwa  nötig  werdende  spätere 
Kaiserschnitte  möglichst  ungefährlich  verlaufen,  und  so  näht  er  in 
jedem  Falle  den  Uterus  an  die  Bauchwand,  um  feste  Verwachsungen 
zu  erzielen  und  einen  späteren  Kaiserschnitt  extraperitoneal  aus¬ 
führen  zu  können.  Von  den  16  Müttern  starb  1.  Alle  Kinder  wurden 
lebend  geboren,  1  starb  nach  wenigen  Stunden;  2  in  den  .ersten  Mona¬ 
ten  nach  der  Entlassung  aus  dem  Spital;  die  übrigen  sind  gesund. 
Der  Todesfall  bei  der  Mutter  betraf  eine  Frau,  die  schon  mehrere 
Stunden  kreisste  und  bei  der  ausserhalb  schon  verschiedene  instru¬ 
menteile  Eingriffe  gemacht  waren;  es  trat  Sepsis  ein.  In  einem  der¬ 
artigen  Falle  hält  Verf.  es  jetzt  für  besser,  an  Stelle  des  konserva¬ 
tiven  Kaiserschnittes  den  Porro  zu  setzen. 

Charles  Leedham  Green:  Die  antiseptische  Wirkung  metal¬ 
lischen  Nahtmateriales.  (Ibid.) 

Auf  Grund  zahlreicher  Versuche  hat  Verf.  festgestellt,  dass 
Kupfer  (und  in  geringerem  Grade  Messing  und  Bronze)  einen  sehr 
stark  hemmenden  Einfluss  auf  das  Wachstum  der  Bakterien  aus¬ 
übt.  Auch  Eisen  hat  eine  hemmende  Wirkung,  aber  nur,  wenn  es 
zum  Rosten  kommt.  Blei  und  Silber  haben  fast  gar  keine  hemmende 
Wirkung;  Gold,  Platinum,  Zinn,  Aluminium,  Magnesium  und  Nickel 
überhaupt  keine.  Verf.  hat  deshalb  den  Silberdraht  durch  Bronze  er¬ 
setzt  (nicht  Aluminiumbronze,  sondern  reine  aus  Kupfer  und  Zinn 
bestehende  Bronze).  Dieser  Draht  ist  billig,  sehr  biegungs-  und 
widerstandsfähig  und  reizt  gar  nicht.  Er  wirkt  entschieden  antisep¬ 
tisch.  Auch  reiner  Kupferdraht  wird  gut  von  den  Geweben  ver¬ 
tragen. 

J.  Hogarth  Pringle:  Zur  Messung  des  Femurhalses.  (Ibid.) 

Verf.  ist  mit  den  gewöhnlichen  Massmethoden  (Roser-Nela- 
t  o  n,  C  h  i  e  n  e  etc.)  nicht  immer  zurechtgekommen  und  empfiehlt 
deshalb  warm  folgende  Methode.  Man  misst  mit  einem  Messbande 
die  Entfernung  von  der  Spitze  des  grossen  Trochanters  bis  zur  Spitze 
des  Malleolus  externus  oder  zu  dem  am  meisten  vorspringenden 
Punkte  des  Condylus  externus.  Findet  man,  dass  diese  Entfernungen 
beiderseits  gleich  sind,  so  misst  man  von  der  Spina  anterior  superior 
zu  denselben  Punkten,  ist  diese  Entfernung  beiderseits  verschieden, 
so  beweist  dies  eine  Verkürzung  des  Femurhalses.  Schwere  Ver¬ 
krümmung  des  Femurschaftes  macht  natürlich  diese  Methode  unmög¬ 
lich,  derartige  Fälle  sind  jedoch  selten. 

W.  Edward  Ben  nett:  Die  angeborene  Verrenkung  des  Hüft¬ 
gelenkes.  (Birmingham  Medic.  Review,  März  1907.) 

Verf.  berichtet  über  37  eigene  Fälle.  Er  verwendet  niemals 
Apparate  zur  Extension,  sondern  nur  seine  eigene  Hand,  er  hat  des¬ 
halb  auch  niemals  üble  Zufälle  erlebt.  Von  10  doppelseitigen  Fällen 
wurden  6  sofort,  3  nach  längerer  Zeit  eingerichtet,  1  Fall  wurde  nicht 
reduziert.  Von  17  einseitigen  Fällen  wurden  14  sofort,  2  nach  einiger 
Zeit  reduziert,  1  Fall  misslang.  Von  den  10  doppelseitigen  Fällen 
wurden  4  völlig  geheilt,  bei  3  wurde  ein  guter,  bei  2  ein  massiger 
Enderfolg  erzielt,  1  Fall  misslang.  Bei  den  17  einseitigen  Fällen 
wurde  9  mal  ein  sehr  gutes,  2  mal  ein  mässiges  und  1  mal  ein  schlech¬ 
tes  Resultat  erzielt.  Näheres  im  Original. 

William  Billington:  Zur  Nachbehandlung  Laparotomierter. 
(Ibid.) 

Die  Hauptsache  ist,  das  Auftreten  von  Darmlähmung  zu  ver¬ 
hüten.  Man  darf  nach  Laparotomien  kein  Opium  geben,  den  Schmerz 
bekämpfe  man  mit  Aspirin  (0,75).  In  den  ersten  24  Stunden  erhält 
der  Kranke  nur  warmes  Wasser  per  os,  hiervon  aber  reichliche 
Mengen.  Kaltes  Wasser,  Eis,  Milch  sind  schädlich.  Bei  starkem 
Durst  gebe  man  mehrere  Kochsalzklystiere  und  eventuell  subkutane 
Kochsalzinfusionen.  Sobald  der  leichteste  Meteorismus  auftritt  oder 
keine  Winde  abgehen,  gebe  man  Terpentinklysmen  und  führe  ein 
Darmrohr  ein.  Wirkt  dies  nicht,  so  ist  Kalomel  das  beste  Abführ¬ 
mittel  (0,3  nach  48  Stunden);  man  kann  bis  zu  0,75  am  Tage  geben, 
wenn  man  gleichzeitig  Klystiere  anwendet.  Handelte  es  sich  um 
schon  bestehende  Peritonitis  bei  der  Operation,  so  mache  man  eine 
möglichst  kurze  Operation.  Man  entferne  die  Ursache  (perforierten 
Wurm,  Magengeschwür  etc.);  Auspackungen  der  Därme,  Massen¬ 
spülungen,  langes  Tupfen  etc.  sind  schädlich.  Man  gebe  sofort  reich¬ 
liche  Kochsalzklysmen  und  Infusionen  (eventuell  intravenös).  Der 
Kranke  muss  in  halb  sitzende  Stellung  gebracht  werden,  so  dass 
der  Eiter  ins  Becken  sinkt.  Kalomel  und  Terpentinklysmen  sind 
auch  hier  das  beste  Mittel,  um  die  Darrntätigkeit  anzuregen. 

W.  Osler:  Zur  Frage  der  Zerebrospinalmeningitis.  (Edinburgh 
Medic.  Journal,  März  1907.) 


Aus  den  Ausführungen  des  bekannten  Klinikers  sei  nur  hervor¬ 
gehoben,  dass  er  die  mehrfach  wiederholte  Spinalpunktion  warm  emp 
fiehlt.  In  sehr  schweren  Fällen  rät  er  zu  permanenter  Drainagt 
nach  Entfernung  eines  oder  mehrerer  Dornfortsätze.  Sonst  ist  nui 
noch  das  häufige  warme  Bad  oft  von  grossem  Nutzen.  Vom  h  lex- 
n  e  r  sehen  Serum  verspricht  er  sich  gute  Erfolge. 

F.  H.  A.  M  a  r  s  h  a  1 1  und  W.  A.  J  o  1 1  y :  Der  Einfluss  der  Ova¬ 
rien  auf  den  Uterus.  (Ibid.) 

Die  experimentelle  Arbeit  eignet  sich  wenig  zum  Referat.  Nacl 
der  Ansicht  der  Verff.  wird  im  Ovarium  eine  Substanz  ausgeschieden 
das  Hormon,  das  die  Menstruation  hervorruft;  im  Corpus  luteun 
wird  eine  Substanz  gebildet,  die  zur  Ernährung  des  Embryo  währent 
der  ersten  Schwangerschaftsperiode  beiträgt.  Die  Gegenwart  ge¬ 
sunden  Eierstocksgewebes  ist  unbedingt  nötig  für  die  Ernährung  de; 
Uterus,  der  Einfluss  der  Ovarien  auf  den  Uterus  ist  chemischer  unc 
nicht  nervöser  Natur;  dies  geht  daraus  hervor,  dass  erfolgreich  trans¬ 
plantierte  Ovarien,  obwohl  ihr  nervöser  Zusammenhang  mit  den 
Uterus  zerstört  ist,  doch  dieselbe  Wirkung  auf  ihn  ausüben.  E: 
scheint,  als  ob  der  Einfluss  der  Ovarien  auf  den  Uterus  nicht  nui 
während  der  Menstruation  und  Schwangerschaft,  sondern  währent 
des  ganzen  geschlechtsfähigen  Alters  ein  durchaus  notwendiger  sei 

William  Eider  und  Nena  Jevers:  Zur  Frage  der  Zerebro¬ 
spinalmeningitis.  (Scottish  Med.  and  Surgic.  Journal,  März  1907. 

Die  Verf.  berichten  über  eine  Epidemie  der  Genickstarre  ir 
Leitli.  Sie  glauben,  dass  der  Pneumokokkus  und  der  Diplococcus 
intracellularis  nahe  miteinander  verwandte  Organismen  sind.  2  Fällt 
wurden  mit  de  R  e  n  z  i  s  Pneumokokkenserum  behandelt,  ein  Fal 
wurde  gesund,  der  zweite  wurde  vorübergehend  wesentlich  ge 
bessert.  Die  Besserung  war  in  jedem  Falle  eine  sehr  deutlich  wahr 
nehmbare  nach  jeder  Einspritzung,  die  Kranken  wurden  ruhiger,  du 
Temperatur  fiel  zur  Norm  und  Schlaf  stellte  sich  ein.  Die  Verff 
empfehlen  häufiger  wiederholte  Lumbalinjektionen  und  Kochsalz 
infusionen. 

J.  Hogarth  Pringle:  Die  Blutung  aus  dem  Sinus  der  Dun 
mater.  (Ibid.) 

Verf.  gibt  die  Krankengeschichten  von  6  eigenen  Fällen.  Er  emp 
fiehlt,  die  Blutung  durch  Tamponade  zu  stillen,  nur  wenn  dies  nich 
gelingt  oder  der  Tampon  Drucksymptome  macht,  unterbindet  e 
seitlich  oder  zirkulär.  Dies  ist  stets  schwierig  und  die  Tamponad< 
deshalb  vorzuziehen. 

Elizabeth  T.  Fraser:  Der  Wert  des  tuberkulo-opsonischen  In¬ 
dex  als  diagnostisches  Hilfsmittel.  (Glasgow  Med.  Journal,  Mär; 

1907.) 

Bei  gesunden  Personen  (es  wurden  41  gesunde  Personen  unter 
sucht)  steht  der  tuberkulo-opsonische  Index  zwischen  0,8  und  1,2 
Indizes  jenseits  dieser  Grenzen  sind  als  pathologisch  aufzufassen 
Nichttuberkulöse  Erkrankungen  (mit  Ausnahme  einiger  Fälle  voi 
Pneumonie,  Diabetes  und  Keuchhusten)  sowie  hereditäre  Belastung 
mit  Tuberkulose  ändern  diesen  Index  nicht.  Bei  tuberkulösen  Kran 
ken  kann  der  Index  zwischen  0,2  und  0,3  und  2,4  oder  noch  höherei 
Werten  schwanken.  Bei  75  Proz.  aller  tuberkulösen  Individuen  finde 
man  schon  bei  der  ersten  Untersuchung  einen  Index  unter  0,8  odei 
über  1,2.  Findet  man  einen  derartig  hohen  oder  niedrigen  Index 
so  kann  man  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen,  dass  das  Individuun 
tuberkulös  ist.  Bei  den  25  Proz.  der  Fälle,  bei  denen  bei  der  erstei 
Untersuchung  ein  normaler  Index  gefunden  wurde,  handelte  es  siel 
entweder  um  streng  lokalisierte  Fälle  von  Tuberkulose  oder  um  wei 
vorgeschrittene  mit  deutlichen  Allgemeinsymptomen.  Bei  vielei 
streng  lokalisierten  Fällen  findet  man  einen  Index,  der  weit  über  L- 
steht.  In  diesen  Fällen  kann  man  nach  W  r  i  g  h  t  s  Vorgang  eint 
vergleichende  Probe  zwischen  dem  opsonischen  Index  des  Blute: 
und  etwa  der  Pleuraflüssigkeit  oder  des  Eiters  aus  einem  kaltei 
Abszess  anstellen.  Ist  das  Exsudat  ärmer  an  Opsoninen  als  das  Blut 
so  spricht  dies  für  Tuberkulose.  Bei  Fällen  von  Tuberkulose,  w( 
Autointoxikation  stattgefunden  hat  und  wo  bei  der  ersten  Unter 
suchung  ein  normaler  Index  gefunden  wurde,  kann  man  die  Phago 
zytenprobe  mit  erhitztem  Serum  anstellen.  Findet  man  nämlich  ii 
einem  für  10  Minuten  auf  60  0  C.  erhitzten  Serum  noch  die  Fähig 
keit,  die  Phagozytose  anzuregen,  so  kann  man  daraus  schliessen 
dass  der  Organismus  entweder  durch  Autoinokulation  oder  durcl 
Impfung  mit  Tuberkulin  „Inzitoren“  produziert  hat;  dass  also,  wem 
kein  Tuberkulin  eingespritzt  war,  eine  Autoinfektion  vorausgegangei 
sein  muss,  d.  h.  dass  der  betreffende  Kranke  einen  tuberkulösen  Her* 
im  Körper  trägt.  Gelingt  es  durch  alle  diese  Versuche  nicht,  fest 
zustellen,  ob  ein  Individuum  tuberkulös  ist,  so  impfe  man  es  mi 
kleinen  Mengen  von  Tuberkulin  und  bestimme  vor  und  nach  dei 
Impfung  den  opsonischen  Index.  Bei  Tuberkulösen  tritt  stets  nacl 
der  Impfung  eine  Herabsetzung  des  opsonischen  Index  (negativ* 
Phase)  auf.  Man  benutzt  1/iooo  mg  T.  R.  Die  Verf.  schliesst  ihr* 
interessante  und  sorgfältige  experimentelle  Arbeit  mit  den  Worten 
das  der  theoretische  Wert  dieser  Opsoninbestimmungen  viel  grössei 
ist  als  der  praktische.  Die  Bestimmung  des  Index  ist  technisch  sehi 
schwierig  und  zeitraubend  und  kann  nur  in  einem  gut  geleitetei 
Laboratorium  von  einem  in  der  Methode  sehr  erfahrenen  Unter 
Sucher  mit  Anspruch  auf  Genauigkeit  ausgeführt  werden. 

James  Little:  Die  Behandlung  des  Magengeschwüres.  (Dublii 
Journal  of  Medicine.)  .  _  .1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1309 


9.  Juli  1007. 


Sir  Charles  Ball:  Die  Behandlung  des  nicht  malignen  Magen¬ 
geschwüres.  (Ibid.) 

James  Alexander  Lindsay:  Die  Diagnose  und  Behandlung  des 
Magengeschwüres.  (!bid.) 

A.  Brownlow  Mitchell:  Die  chirurgische  Behandlung  des 
Magengeschwüres.  (Ibid.) 

Die  obigen  4  Arbeiten  geben  die  Ansichten  von  4  bekannten 
irischen  Klinikern  (2  Chirurgen  und  2  Internisten)  wieder.  Die  Inter¬ 
nisten  empfehlen  Ruhe  und  Diät,  wobei  allerdings  davor  gewarnt 
wird,  den  Kranken  auf  zu  strenge  Diät  zu  setzen.  Die  Chirurgen 
glauben,  dass  die  Mehrzahl  der  intern  behandelten  Fälle  rezidivieren 
und  dass  nur  in  der  hinteren  Gastroenterostomie  das  Heil  liegt. 
Wie  es  dem  Refer.  scheint,  wird  augenblicklich  in  Grossbritannien 
(namentlich  von  einigen  Chirurgen  in  der  Provinz)  ein  bischen  viel 
auf  dem  Gebiete  der  Magenchirurgie  geleistet.  Immerhin  dürfte 
eine  Einigung  zwischen  Chirugen  und  Internisten  schon  deshalb  kaum 
zu  erzielen  sein,  weil  beide  ganz  verschiedene  Gruppen  von  Fällen 
sehen.  So  thöricht  es  ist,  bei  jedem  vermuteten  Geschwür  bei 
chlorotischen  Mädchen  gleich  zu  operieren,  so  unhaltbar  ist  die  An¬ 
sicht  mancher  Internisten,  dass  man  chronische,  kallöse  Geschwüre 
des  Magens  oder  Duodenums  auf  interne  Weise  heilen  kann.  Leider 
glauben  aber  manche  Internisten,  durch  das  Gebahren  einiger  Chi¬ 
rurgen  geängstigt,  dass  ihnen  die  Chirurgie  allmählig  alles  fortnehmen 
will  und  so  klammern  sie  sich  krampfhaft  an  jeden  Fall,  der  in  ihre 
Hände  kommt  und  ziehen  den  Chirurgen  höchstens  dann  zu,  wenn 
infolge  allzulangen  Wartens  überhaupt  nichts  mehr  zu  machen  ist. 
Wenn  manche  Internisten  etwas  freigebiger  und  manche  Chirurgen 
etwas  zurückhaltender  wären,  dürfte  sich  eine  Einigung  schon  er¬ 
zielen  lassen. 

Thomas  Fiaschi:  Ersatz  der  Tibia  bei  einem  Kinde.  (Austra- 
lasian  Med.  Gazette,  November  1906.) 

Sehr  interessante  Operationsgeschichte.  Bei  einem  5  jährigen 
Mädchen  war  infolge  von  Sepsis  das  mittlere  Drittel  der  Tibia  ver¬ 
loren  gegangen,  es  bestand  an  dessen  Stelle  nur  ein  bindegewebiges 
Band  ohne  jedes  Zeichen  von  Ossifikation.  Verf.  frischte  beide 
Knochenenden  an,  nachdem  er  durch  Entfernung  des  bindegewebigen 
Stranges  eine  Höhle  zur  Aufnahme  des  transplantierten  Knochens  ge¬ 
schaffen  hatte.  Dann  meisselte  er  einen  Hautperiostknochenlappen 
von  dem  oberen  Tibiaende  ab,  bildete  einen  schmalen  Stiel  und 
schlug  ihn  nach  unten,  wo  er  mit  dem  unteren  Tibiaende  vernäht 
wurde.  Beide  Lappen  heilten  gut  an  und  bildeten  nach  einigen  Mo¬ 
naten  eine  feste  Knochensäule,  die  das  Körpergewicht  gut  trägt. 

H.  P.  Hawkins:  Die  idiopathische  Erweiterung  des  Kolons. 
(Brit.  Med.  Journal,  2.  März  1907.) 

Verf.  veröffentlicht  in  dieser  Arbeit  9  eigene  Krankengeschichten 
dieser  merkwürdigen  Krankheit,  bei  der  es  zu  einer  Erweiterung  des 
Kolons  kommt,  ohne  dass  ein  inneres  oder  äusseres  Hindernis  vor¬ 
liegt.  Er  glaubt,  dass  es  sich  ätiologisch  um  einen  angeborenen 
nervösen  Defekt  handelt  und  schlägt  vor,  die  Krankheit  in  Zukunft 
als  „neuropathische  Dilatation  und  Hypertrophie“  zu  bezeichnen.  Er 
glaubt,  dass  die  Krankheit  im  Beginn  durch  einen  chirurgischen  Ein¬ 
griff  heilbar  ist.  In  den  späteren  Stadien  tritt  die  schliesslich  zum 
Tode  führende  Töxämie  oft  so  rapid  und  unerwartet  ein,  dass  eine 
Behandlung  zu  spät  kommt.  Die  beste  Operation  (Verf.  selbst  ist 
Internist)  ist  die  Fixation  des  erweiterten  Kolonabschnittes  und  die 
gleichzeitige  Anlegung  einer  Anastomose  zwischen  Ileum  und  Colon 
pelvicum.  Die  Kolotomie  ist  nutzlos,  die  Resektion  des  erweiterten 
Kolons  unerlaubt.  Die  Symtome  der  Krankheit  bestehen  in  einer 
seit  allerfrühester  Jugend  (angeboren)  bemerkten  Verstopfung,  bei 
der  aber  das  Allgemeinbefinden  oft  lange  auffallend  gut  bleibt.  Die 
Verstopfung  wechselt  oft  mit  Durchfällen.  Der  Bauch  ist  mehr  oder 
weniger  aufgetrieben.  Schmerzen  und  Erbrechen  fehlen  gewöhnlich. 
Man  findet  die  Krankheit  häufig  vor  dem  10.  Lebensjahre  und  dann 
nach  dem  40.  In  den  dazwischenliegenden  Jahren  ist  sie  sehr  selten. 
In  der  Jugend  handelt  es  sich  meist  um  Knaben,  später  werden 
Männer  und  Frauen  gleich  häufig  betroffen.  Verf.  gibt  dann  die  ge¬ 
nauen  Geschichten  seiner  Fälle.  2  wurden  kolotomiert  und  starben, 
bei  1  brachte  eine  Probelaparotomie  Besserung,  je  einer  wurde 
durch  Anastomosenbildung  ohne  und  mit  Fixation  des  Kolons  geheilt, 
4  starben  ohne  Operation. 

Fr.  Eve:  Operationsmethoden  zur  Entfernung  maligner  Tumoren 
vom  Nasopharynx.  (Ibid.) 

Nach  vorhergegangener  Unterbindung  der  Carotis  externa  und 
Tamponade  der  Trachea  macht  man  einen  Schnitt,  der  vom  Mund¬ 
winkel  zum  unteren  Rande  des  Jochbeins  (vorderer  Masseterrand) 
reicht.  Der  Speichelgang  wird  aufgesucht,  nach  vorne  verfolgt  und 
an  seiner  Mündung  zirkulär  Umschnitten,  so  dass  er  zurückgelegt 
werden  kann.  Das  Jochbein  wird  mit  einer  Giglisäge  durchtrennt, 
welche  durch  die  Fissura  sphenomaxillaris  eingeführt  wird.  Das 
Mukoperiost  des  harten  Gaumens  und  Alveolus  wird  in  der  Mittel¬ 
linie  gespalten,  und  dann  werden  diese  Knochen  ebenfalls  mit  einer 
Giglisäge  durchtrennt.  Nachdem  man  den  weichen  Gaumen  vom 
barten  bis  zum  Alveolarrande  gelöst  hat,  wird  ein  stumpfer,  breiter 
Meissei  zwischen  Tuberositas  maxillae  superiores  und  Flügelfort¬ 
sätzen  eingetrieben.  Indem  man  den  Griff  des  Meisseis  nach  rück¬ 
wärts  drückt,  hebelt  man  den  Oberkiefer  aus  seinem  Bette  und  legt 
ihn  nach  oben  und  vorne.  Die  Fazialisäste,  die  den  Orbicularis  oculi 
versorgen,  werden  bei  dieser  Operation  geschont.  Nach  der  Ope¬ 


ration  geniigi  eine  Silbernaht  des  Jochbeins,  um  den  Knochen  in 
guter  Lage  zu  erhalten.  Verf.  beschreibt  dann  noch  eine  ähnliche 
Operationsmethode,  bei  der  die  Hautnarbe  im  Gesicht  vermieden 
wird  und  auch  der  Fazialis  und  der  Speichelgang  sicher  geschont 
werden  können.  Während  er  aber  die  erste  Operation  erfolgreich 
am  Lebenden  ausgeführt  hat,  hat  er  die  letztere  nur  an  der  Leiche 
geübt. 

W.  S.  Bainbridge:  Trypsin  bei  der  Krebsbehandlung.  (Ibid.) 

Seit  einiger  Zeit  hört  man  in  England  viel  von  den  Erfolgen, 
die  in  England  und  Amerika  mit  Trypsineinspritzungen  bei  Krebsen 
erzielt  worden  sein  sollen.  Ganz  besonders  hat  ein  Fall  auch  in  der 
Tagespresse  viel  von  sich  reden  gemacht.  Dieser  von  Morton  in 
NiewYork  als  geheilt  veröffentlichte  Fall  von  Brustkrebs  wird  nun 
von  Bainbridge  aufs  neue  veröffentlicht.  Er  gibt  die  genaue 
Krankengeschichte  mit  den  Operationsprotokollen  und  den  verschie¬ 
denen  Ergebnissen  der  pathologischen  Untersuchungen.  Nachdem 
Bainbridge  die  angeblich  durch  Trypsin  und  Amylopsin  geheilte 
krebsige  Brustdrüse  entfernt  hatte,  zeigte  es  sich,  dass  es  sich  um 
einen  gewöhnlichen  Skirrhus  handelte,  der  von  anderen  nicht  so  be¬ 
handelten  Skirrhen  nicht  abwich.  Nach  der  Operation  wurde  die 
Trypsinbehandlung  nochmals  aufgenommen,  es  kam  aber  trotzdem 
zur  Ausbildung  eines  rasch  wachsenden  Rezidives,  das  ebenfalls 
operativ  entfernt  wurde  und  bei  dem  auch  degenerative  Prozesse, 
die  etwa  auf  die  Trypsinbehandlung  zurückgeführt  werden  konnten, 
vollkommen  fehlten. 

Leonard  Rogers:  Kala-Azar.  (Ibid.  und  9.  März  1907.) 

Verf.,  der  Pathologe  in  Kalkutta  ist,  gibt  in  dieser  Arbeit  eine 
zusammenfassende  Studie  über  die  als  Kala-Azar  bekannte  Krankheit. 
Er  empfiehlt  im  Gegensatz  zu  anderen  Beobachtern  grosse  Dosen 
von  Chinin,  die  unter  Umständen  Monate  lang  fortgenommen  wer¬ 
den  müssen.  Es  ist  ihm  gelungen,  das  hohe  remittierende  Fieber 
durch  Tagesdosen  von  4 — 6  g  Chinin  rasch  in  ein  harmloses,  niedriges 
intermittierendes  Fieber  umzuwandeln.  Sobald  das  Fieber  inter¬ 
mittierend  und  niedrig  geworden  ist,  genügen  Tagesdosen  von  1,25. 
Es  gelang  ihm  auf  diese  Weise  25  Proz.  (500  Fälle)  seiner  Fälle  zu 
heilen.  Sehr  häufig  wird  die  Krankheit,  wenn  sie  sporadisch  auf- 
tritt,  als  Malariakachexie  diagnostiziert.  Sie  ist  weit  über  Hinter¬ 
indien  verbreitet  und  tritt  hier  oft  epidemisch  auf.  Es  ist  dem  Verf. 
gelungen,  den  Erreger  ausserhalb  des  Körpers  zu  züchten. 

E.  W.  White:  Die  Behandlung  beginnender  und  zweifelhafter 
Geisteskrankheiten  in  der  Privatpraxis.  (Brit.  Med.  Journal,  9. 
März  1907.) 

Verf.  plaidiert  warm  für  die  Behandlung  derartiger  Fälle  in 
Privatanstalten,  die  nicht  den  Charakter  der  Irrenhäuser  tragen. 
Das  ist  bisher  in  England  so  gut  wie  unmöglich,  da  jeder  dieser 
Fälle,  wenn  er  überhaupt  in  einer  Anstalt  oder  selbst  im  Hause  eines 
Arztes  behandelt  werden  soll,  durch  eine  Gerichtsbehörde  als  geistes¬ 
krank  notifiziert  werden  muss.  Verf.  bespricht  die  einzelnen  Fälle 
der  Geisteskrankheiten,  wie  sie  in  der  Praxis  Vorkommen  und  vor 
allem  die  Grenzfälle  und  gibt  kurze  Winke  für  die  beste  Behandlung 
derselben. 

P.  J.  Frey  er:  Die  totale  Ausschälung  der  Prostata  bei  Hyper¬ 
trophie  derselben.  (Ibid.) 

Verf.  berichtet  über  weitere  119  Fälle,  die  er  mit  einer  Mortalität 
von  9  Fällen  (7V2  Prozent)  operiert  hat.  Das  Alter  der  Kranken 
schwankte  von  50 — 86  Jahren,  das  Gewicht  der  enukleierten  Drüsen 
von  15,0—280,0.  Die  110  Fälle,  welche  die  Operation  überstanden, 
wurden  vollkommen  geheilt.  Verf.  plaidiert  in  Hinsicht  auf  die  9 
Fälle,  die  im  Anschluss  an  die  Operation  meist  an  Urämie  starben, 
für  eine  frühzeitigere  Vornahme  der  Operation,  d.  h.  zu  einer  Zeit, 
wo  noch  keine  schwereren  sekundären  Veränderungen  der  Nieren 
vorhanden  sind.  (Ein  grosser  Teil  der  Arbeit  enthält  einen  Streit 
mit  Dr.  F  u  1 1  e  r  -  NewYork,  der  die  Priorität  der  sogen.  Frey  er¬ 
sehen  Operation  für  sich  in  Anspruch  nimmt.  Wir  haben  schon  soviel 
von  diesen  Zänkereien  über  die  Priorität  gehabt,  dass  es  besser 
wäre,  Freyer  Hesse  diesen  Punkt  ruhen,  benützte  aber  die  da¬ 
durch  gewonnene  Zeit,  um  uns  einmal  über  die  Dauerresultate  seiner 
Operierten  zu  berichten.  Es  wäre  doch  sehr  nützlich,  zu  wissen,  wie 
z.  B.  seine  ersten  50  Operierten,  deren  Operation  jetzt  doch  schon 
zirka  5  Jahre  zurückliegt,  sich  heute  befinden.  Refer.) 

W.  Winslow  Hall,  E.  G.  Carter,  B.  R.  Howard:  Zur 
Serumbehandlung  des  Tetanus.  (Ibidem.) 

In  dieser  Arbeit  wird  über  3  Fälle  von  Tetanus  berichtet,  die 
nach  Antitoxinbehandlung  geheilt  wurden.  Der  erste  Fall,  8jähr. 
Knabe,  litt  offenbar  an  einem  relativ  gutartigen,  chronisch  einsetzen¬ 
den  Tetanus,  der  sich  nach  1  Einspritzung  von  60  und  2  Ein¬ 
spritzungen  von  je  30  ccm  Serum  rasch  besserte.  Im  zweiten  Falle, 
der  einen  22  jähr.  Bauer  betraf,  traten  Tetanussymptome  8  Tage 
nach  einer  Pfählungsverletzung  des  Hodens  auf.  Es  wurden  17 
Tage  lang  alle  12  Stunden  20  ccm  Serum  (Listerinstitut)  eingespritzt, 
dann  10  Tage  lang  10  ccm.  Im  Ganzen  wurden  83  Injektionen  ge¬ 
macht.  Nach  jeder  Einspritzung  war  die  Zahl  der  Anfälle  und  ihre 
Stärke  entschieden  für  einige  Stunden  vermindert.  Völlige  Heilung 
trat  erst  nach  einigen  Monaten  ein.  Verf.  meint  in  der  Epikrise, 
er  hätte  anfänglich  grössere  Quantitäten  Serum  einspritzen  sollen. 
Der  dritte  Fall  betraf  einen  Arbeiter,  der  2  Tage  nach  einer  ober¬ 
flächlichen  Verletzung  der  Hand  an  Tetanus  erkrankte.  In  5  Tagen 
wurden  110  ccm  Serum  inijziert  (Burroughs,  Wellcome  &  Co.). 
Es  trat  rasch  Heilung  ein.  (Schluss  folgt.) 


1400 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28 


Inauguraldissertationen. 

Universität  Erlangen.  Mai — Juni  1907. 

7.  Jünger  ich  Wilhelm:  Ein  Beitrag  zur  operativen  Behandlung 
der  Larynxtuberkulose. 

Universität  Freiburg.  Juni  1907. 

32.  Löwenhaupt  Hans  Kurt:  Ueber  postepileptische  Sprach¬ 
störungen. 

33.  Geis  Franz:  Ueber  das  Vorkommen  infektiöser  Bindehauterkran¬ 
kungen  in  Oberbaden. 

Universität  Greifswald.  April — Mai  1907. 

9.  H  e  1  b  i  c  h  Hans:  Ist  hohe  Säuglingssterblichkeit  eine  Auslese  im 
Darwin  sehen  Sinne? 

10.  Runge  Arthur:  Zwei  Beiträge  zur  Frage  der  Blasenmole  und 
des  malignen  Chorioepithelioms. 

Universität  Giessen.  Juni  1907. 

25.  Massig  Paul:  Ueber  die  Verbreitung  des  Muskel-  und  elasti¬ 
schen  Gewebes  und  speziell  über  den  Verlauf  der  Muskelfasern 
in  der  Wand  der  Wiederkäuermägen.*) 

26.  Rabi  nowitsch  Calman :  Experimentelle  Untersuchung  über 
den  Einfluss  der  Gewürze  auf  die  Magensaftbildung. 

27.  Steinbrecher  Martin:  Die  Schätzung  der  Transversa  des 
Beckeneingangs  nach  L  ö  h  1  e  i  n.  Nachgeprüft  an  74  Bänder¬ 
becken. 

28.  O  e  1  k  e  r  s  Viktor:  Die  Ueberbeine  am  Metakarpus  des  Pferdes.  *) 
S.  A.  aus  Monatshefte  f.  pr.  Tierhlk.,  Bd.  18. 

29.  Kaznelson  Helene:  Scheinfütterungsversuche  am  erwachsenen 
Menschen. 

30.  Stolz  Willi.:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Pankreassteapsins.*) 

31.  Sturhan  Herrn.:  Ueber  die  Bindung  des  Chloroforms  im 
Blute.  *) 

32.  Kunst  Albert:  Bericht  über  die  Wirksamkeit  der  Universitäts- 
Augenklinik  vom  1.  April  1902  bis  zum  31.  März  1903. 

33.  Gerhardt  Heinrich :  Beiträge  zur  Nervennaht.  *) 

Universität  Königsberg.  April,  Mai  und  Juni  1907. 

8.  Holland  Joh.  Friedr. :  Ueber  den  tuberkulösen  Tumor  der 
Flexura  sigmoidea. 

9.  Meierfeldt  Rieh.:  Ein  Beitrag  zu  den  funktionellen  Unfalls¬ 
nervenkrankheiten. 

10.  Rehberg  Theod.:  Darminvagination  durch  Askariden. 

11.  Ru  pp  Walter:  Ueber  Aneurysmen  der  Arteria  glutaea  superior. 

12.  Sieber  t  Rieh.:  Ueber  „retrograde  Inkarzeration“  des  Darmes. 

Universität  München.  Juni  1907. 

42.  Nothmann  Hugo:  Zur  Kritik  der  Reifezeichen  der  Frucht. 
Untersuchungen  an  14)0  Neugeborenen. 

43.  Cobliner  Samuel:  Haben  die  mikroskopischen  Vorgänge  bei 
der  Abstossung  der  Nabelschnur  forensisches  Interesse? 

44.  C  a  s  p  a  r  y  Leo:  Die  Wendung  nach  Braxton  H  i  c  k  s  bei  Placenta 
praevia  von  1901 — 1905  inkl. 

45.  Durm  Leopold:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Kieferzysten. 

46.  Heinemann  Henry:  Die  Spontanruptur  des  Herzens. 

47.  Zantl  Friedrich:  Innere  Einklemmung  und  Ileus  durch  Spangen¬ 
bildung  nach  Appendizitis. 

48.  Hirschfeld-Warneken  Carl  E.:  Zur  Kenntnis  des  Leber¬ 
abszesses  im  Anschluss  an  Pyosalpinx. 

49.  Eyl  Adolf:  Ueber  einen  Fall  von  Hämangio-Endotheliom. 

50.  Schreiber  Andreas:  Ueber  einen  Fall  von  primärem  Gallert¬ 
karzinom  der  Lunge  mit  Metastasen  im  Gehirn. 

51.  Cal  vary  Martin:  Ueber  Generalisation  der  tuberkulösen  In¬ 
fektion  durch  Einbruch  in  die  Sinusräume. 

52.  Ly  dt  in  Hermann:  Ein  Fall  von  Perikarditis  calculosa  (Stein¬ 
herz). 

53.  Schott  1  Theodor:  Ueber  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
Kyphoskoliose  und  Lungentuberkulose. 

54.  Wolf  Gustav:  Ueber  einen  typischen  Fall  von  Morbus  Basedowii 
bei  einem  elfjährigen  Mädchen.  (Mit  Abbildung.) 

55.  Kandier  Richard:  Ein  Fall  von  Gehirnabszess,  entstanden 
durch  Fortleitung  eines  Tonsillarabszesses. 

56.  Schreckenbach  Georg:  Ueber  einen  Fall  von  dissezieren- 
dem  Aneurysma  der  Aorta. 

57.  Bunz  Max:  Stethographische  Aufnahmen  der  Regio  supraclavi- 
cularis  bei  Lungentuberkulose. 

Universität  Rostock.  Juni  1907. 

17.  Kruse  Georg:  Ueber  Chorea  chronica  progressiva. 

18.  Vor  ster  Carl  E.:  Ueber  Pemphigus  neonatorum,  seinen  Zu¬ 
sammenhang  mit  Dermatitis  exfoliativa  neonatorum  und  Im¬ 
petigo  contagiosa. 

19.  Voss  Heinrich:  Zur  Kasuistik  der  Intoxikationspsychosen. 

20.  Strassner  Horst:  Veronal  und  Proponal. 

Universität  Strassburg.  Juni  1907. 

14.  B  e  i  ssinge  r  Hugo:  Merkfähigkeitsprüfungen  bei  organischen 
Gehirnerkrankungen. 


*)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 


Universität  Wiirzburg.  April — Mai  1907. 

15.  Anacker  Otto:  Ueber  Sajodin. 

16.  Bitter  Ludwig:  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  des  Ni 
kotins  für  die  Stärke  der  Rauchwirkung. 

17.  Hessler  Eugen:  Ueber  Carcinoma  uteri. 

18.  Müller  Christian:  Zur  Klinik  der  linksseitig  auftretenden  Peri 
typhlitis. 

19.  Rose  Eduard:  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Komplementablen 
kung. 

20.  Sommer  Guido:  Ueber  den  Einfluss  der  Fibromyome  auf  di< 
Generationsvorgänge. 

21.  War  bürg  Harry:  Studien  über  den  Nikotin-  und  Pyridingehal 
des  Tabakrauches  bei  Verwendung  schwerer  und  leichter,  sowi< 
„nikotinfreier“  und  „nikotinunschädlicher“  Zigarren. 

22.  Z  a  r  w  u  1  a  n  o  f  f  Neno :  Zur  Aetiologie  der  Dupuytren  schei 
Fingerkontraktur. 


Auswärtige  Briefe. 

Römische  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Rom,  20.  Juni  1907. 

Das  definitive  Erlöschen  der  Mailänder  Vereinigung  dei 
medizinischen  Presse.  —  Die  Aerzte  und  die  Hilfeleistung  be 
Duellen.  —  Ein  grosser  Reichtum  Italiens.  —  II.  internationale! 
Kongress  für  physikalische  Therapie  in  Rom.  —  Maragliano- 
feier. 

In  meinem  in  No.  15  der  M.  med.  W.  enthaltenen  Brie 
sprach  ich  von  dem  Ende  der  römischen  und  mailändischer 
Vereinigungen  der  medizinischen  Presse  und  von  den  An¬ 
strengungen,  die  von  verschiedenen  Seiten  gemacht  wurden 
um  eine  neue  italienische  Vereinigung  zu  gründen,  durch  die 
Italien  sich  den  anderen  Kulturnationen  gleichstellen  und  eint 
Vertretung  für  die  im  August  in  London  tagende  Kommissior 
von  Delegierten  sämtlicher  Nationen  gewinnen  würde.  Es  is 
sehr  schmerzlich,  feststellen  zu  müssen,  dass  alle  diese  Ver¬ 
suche  nicht  das  geringste  praktische  Resultat  zeitigten.  Etliche 
Mitglieder  der  verflossenen  Mailänder  Gesellschaft  machten  voi 
kurzer  Zeit  von  neuem  einen  Versuch,  um  sie  wieder  ins  Leber 
zu  rufen,  indem  sie  sich  an  die  wenigen  Mitglieder  wandten 
die  ihren  Beitrag  noch  bis  zum  Jahre  1906  bezahlt  hatten  (etwz 
die  Hälfte  aller  nominellen  Gesellschafter),  um  sie  zu  fragen 
ob  sie  bereit  seien,  weiterhin  bei  der  Vereinigung  zu  bleiben 
Aber  die  Mehrzahl  erklärte  sich  gegen  den  Fortbestand  dei 
Vereinigung  und  bestimmte  gleichzeitig  den  Rest  des  Vereins¬ 
vermögens  für  das  Institut  der  Aerztewaisen  in  Perugia.  Au' 
diese  Weise  ist  also  die  Mailänder  Vereinigung  endgültig  er¬ 
loschen,  nicht  ohne  ihr  Dasein  mit  einem  Akt  edler  Wohltätigkeil 
zu  beschliessen.  Aber  man  kann  nur  immer  wieder  der 
Wunsch  ausdriieken,  dass  es  der  unermüdlichen  Tätigkeil 
einiger  Kollegen,  die  sich  nicht  entmutigen  lassen,  gelinger 
möge,  eine  neue  lebensfähige  Vereinigung  zustande  zu  bringen 

Die  Vereinigung  der  Aerzte  Palermos  hat  die  Initiative  zu 
einem  sehr  lobenswerten  Beschluss  ergriffen,  der,  wie  es 
scheint  auch  anderorts  von  den  ärztlichen  Gesellschaften  sym¬ 
pathisch  begrüsst  und  angenommen  wird,  nämlich  die  Ver¬ 
weigerung  des  ärztlichen  Beistandes  bei  Duellen.  Die  Ge¬ 
wissheit  sofortiger  ärztlicher  Hilfe  gestattet  zu  viele  Duelle,  die 
ohne  diese  sicher  nicht  stattfinden  würden.  Man  verstehe 
recht!  Es  ist  abstossend  für  einen  Arzt,  einem  Duell  bei¬ 
zuwohnen,  in  der  Erwartung,  dass  ein  Verwundeter  zu 
verbinden,  oder  der  I  od  eines  Duellanten  festzustellen  seir 
wird,  wie  es  abstossend  ist  und  den  Arzt  beinahe  zum  Mit¬ 
schuldigen  an  einem  späteren  Unglück  stempelt,  wenn  er  die 
Fortsetzung  eines  Duelles  gestattet,  weil  die  Verwundung  nichl 
schwer  genug  ist,  um  es  zu  beendigen.  Gewiss  muss  der  Arzl 
seine  Hilfe  unabhängig  von  seinen  persönlichen  Anschauungen 
auf  sozialem  oder  moralischem  Gebiete  allen  denen  leisten,  die 
sie  nötig  haben,  aber  doch  nur  bei  schon  geschehenen 
und  nicht  mehr  zu  ändernden  J atsachen,  nicht  bei  voraus¬ 
sichtlichen  Verwundungen  oder  Tötungen,  die  zu  ver¬ 
hindern  und  unmöglich  zu  machen,  seine  Pflicht  als  Mensch  und 
Bürger  ist.  Wenn  einmal  bestimmt  ist,  dass  der  Arzt  dem 
Duell  nicht  mehr  beiwohnt,  würde  sich  die  öffentliche  Meinung 
gewiss  noch  viel  entschiedener  und  einstimmiger  als  bisher 
gegen  diesen  Ueberrest  einer  barbarischen  Zeit  auflehnen. 
Diese  hier  summarisch  gegebenen  Gründe  und  Ansichten 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


werden  allerdings  nicht  von  allen  akzeptiert,  aber  sie  verdienten 
gewiss,  von  allen  Seiten  beleuchtet  und  studiert  zu  werden, 
damit  man,  wenn  auch  nichts  anderes,  so  doch  wenigstens  die 
Möglichkeit  erzielen  würde,  Duelle  um  nichtige  Ursachen,  die 
sinnlos  in  Szene  gesetzt,  nicht  selten  tödlichen  Ausgang  haben, 
zu  vermeiden. 

Die  Direktion  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  hat  die 
vorzügliche  Idee  gehabt,  in  einem  umfangreichen  Band  die  Be¬ 
schreibungen  sämtlicher  Bäder  und  Quellen  Italiens  zu  ver¬ 
öffentlichen.  Bekanntlich  existieren  ähnliche  Veröffentlichungen 
schon  in  Deutschland  („Deutschlands  Heilquellen  und  Bäder“, 
herausgegeben  vom  Kaiserl.  Gesundheitsamt  1900)  und  in 
Frankreich  (Stations  Hydro-Minerales,  Climateriques  et  Mari¬ 
times  de  la  France). 

Das  Buch,  das  uns  der  italienische  Gesundheitsrat  jetzt  be¬ 
schert  hat,  ist  ein  schönes  Werk,  reich  an  hübschen  Illustra¬ 
tionen  und  von  guter  Ausstattung  in  Druck  und  Papier.  Es  er¬ 
möglicht  uns  einen  raschen  Ueberblick  über  die  zahlreichen 
und  verschiedenartigen  Heilquellen,  an  denen  unsere  Halbinsel 
überreich  ist  und  von  denen  etliche  sich  schon  zu  sehr  be¬ 
merkenswerter  Höhe  emporgeschwungen  haben,  während 
andere  sich  noch  auf  dem  Weg  der  Entwicklung  befinden  und 
wieder  andere  aus  Mangel  an  Tatkraft  und  Kapital  im  Anfangs¬ 
stadium  stecken  geblieben  zu  sein  scheinen.  Das  Buch  um¬ 
fasst  370  Seiten  Text  (also  ca.  100  mehr,  als  das  deutsche  Werk, 
dessen  Format  es  entspricht)  und  bringt  in  italienischer  und 
französischer  Sprache  die  Beschreibung  von  ca.  400  Quellen 
und  Badeorten.  Man  kann  behaupten,  dass  jeder  Typus  von 
Mineralwasser  einen  Vertreter  in  Italien  besitzt  und  diese 
Ueberzeugung  hat  sich  allmählich  überall  Bahn  gebrochen  und 
der  Import  ausländischer  Wasser  ist  dementsprechend  zurück¬ 
gegangen.  Verschiedene  unserer  Badeorte  erfreuen  sich  schon 
eines  internationalen  Rufes  und  ihr  Besuch  steigert  sich  von 
Jahr  zu  Jahr.  Die  jährliche  Besuchsziffer  in  den  verschiedenen 
italienischen  Badeorten  wird  auf  ca.  eine  halbe  Million  ver¬ 
anschlagt.  Wenn  der  Gesundheitsrat  darauf  bedacht  sein  wird, 
seine  Veröffentlichung  so  freigebig  und  allgemein  zu  verbreiten, 
wie  dies  mit  dem  deutschen  und  französischen  Werk  geschah, 
so  wird  dadurch  dem  italienischen  Badewesen  sicher  ein  be¬ 
deutender  Vorteil  erwachsen  und  manche  bis  jetzt  nur  im 
engsten  Kreis  bekannten  Quellen  werden  sich  eines  stets  wach¬ 
senden  Zuspruches  und  guten  Rufes  zu  erfreuen  haben.  Drei 
Vorwürfe  aber  wird  der  aufrichtige  Kritiker  dem  Werk  nicht 
ersparen  können,  von  denen  der  schwerste  der  ist,  dass  das 
Buch  nicht  gebunden,  sondern  nur  geheftet  ist  und  deshalb  nach 
verhältnismässig  kurzem  Gebrauch  auseinanderfällt.  Ferner 
fehlt  eine  geographische  Karte,  welche  eine  rasche  Orientierung 
ermöglicht,  und  ein  Verzeichnis  der  Aerzte  in  den  einzelnen 
Badeorten,  wie  es  z.  B.  der  französische  Führer  aufweist. 
Denn  es  ist  sehr  wichtig  und  angenehm  für  den  praktischen 
Arzt,  wenn  er  aus  diesem  Führer  sofort  ersehen  kann,  ob  in 
diesem  oder  jenem  Badeort  vielleicht  ein  Kollege  ansässig  ist, 
den  er  von  früheren  Gelegenheiten  her  kennt  und  an  den  er  sich 
um  Auskünfte  und  dergleichen  wenden  oder  dem  er  seine 
Patienten  überweisen  kann.  Aber  das  sind  Mängel,  denen  in 
einer  späteren  Auflage  leicht  abzuhelfen  ist  und  die  uns  die 
Freude  an  dem  wahrhaft  schönen  und  nützlichen  Werk  nicht 
verderben  sollen. 

Im  kommenden  Oktober  (vom  13. — 16.)  wird  in  Rom  der 
zweite  internationale  Kongress  für  physikalische  Therapie  unter 
dem  Protektorat  des  Königs  und  der  Präsidentschaft  Professor 
B  a  c  c  e  1 1  i  s  und  der  Mithilfe  aller  Kliniker  Italiens  stattfinden. 
Der  Kongress  umfasst  die  Sektionen:  „Medizinische  Elektrizi¬ 
tät,  Kinesitherapie,  Hydrologie.“  Mit  dem  Kongress  wird  eine 
Ausstellung  von  Apparaten,  Naturprodukten,  Photographien, 
Plänen  und  Büchern  etc.,  die  sich  auf  die  physikalische  Therapie 
beziehen,  verbunden  sein.  Einschreibungen  für  den  Kongress, 
sowie  der  Beitrag,  der  20  Lire  beträgt,  sind  an  Prof.  Co¬ 
lombo,  Via  Plinio,  Rom  zu  richten. 

Am  22.  dieses  Monats  wird  in  der  Universität  zu  Genua 
eine  Jubiläumsfeier  für  den  Leiter  der  dortigen  medizinischen 
Klinik,  Senator  Prof.  Edoardo  M  a  r  a  g  1  i  a  n  o,  stattfinden.  Bei 
dieser  Gelegenheit  wird  eine  Maraglianostiftung  gegründet 
werden,  aus  welcher  jährlich  ein  Preis  für  die  beste  Arbeit 


1401 


über  die  Tuberkulose  verabreicht  werden  soll.  Ueber  den 
Verlauf  dieser  Feierlichkeit,  die  Verdientermassen  einen  der 
tätigsten  Kliniker  Italiens  ehrt,  werde  ich  im  nächsten  Brief 
berichten.  Prof.  G  a  1 1  i. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

32.  Versammlung  der  Südwestdeutschen  Neurologen 

und  Irrenärzte. 

Dis  Versammlung  fand  am  1.  und  2.  Juni  in  Baden-Baden 
statt  und  war  von  weit  über  100  Kollegen  besucht. 

Angemeldet  waren  ausser  dem  Referat  insgesamt  21  Vorträge, 
20  wurden  gehalten.  Zum  ehrenden  Andenken  an  den  langjährigen 
Teilnehmer  der  Versammlungen,  den  unvergesslichen  Möbius, 
wurde  der  Möbiusstiftung  ein  Beitrag  von  100  Mk.  überwiesen. 

1.  Sitzung. 

Vorsitzender:  Moritz. 

W  e  y  g  a  n  d  t  -  Würzburg  stellt  einen  bereits  früher  von  Gras¬ 
hey,  Wolf  u.  a.  beschriebenen  Kranken  vor,  an  dessen  Krankheits¬ 
verlauf  er  Erörterungen  zur  Frage  der  amnestischen  Aphasie 
knüpft.  Obwohl  eine  Basisfraktur  mit  organischer  Schädigung  des 
Gehirns  jedenfalls  Vorgelegen  hat,  betrachtet  W.  die  aphasischen 
Störungen  a's  wesentlich  funktionelle.  Sie  haben  sich  ausserordent¬ 
lich  gebessert,  seitdem  die  Rente  des  Kranken  durch  die  Besserung 
nicht  mehr  alteriert  wird. 

B  e  c  k  e  v  -  Heidelberg  demonstriert  eine  Dame  mit  langjährigem 
Skleroderma,  das  durch  Massage  und  Sonnenbäder  sehr  günstig  be¬ 
einflusst  wurde. 

Stark-  Karlsruhe  spricht  über  einen  Fall  von  Gehirngeschwulst 

mit  einseitiger  Trigeminuslähmung  und  viele  Monate  dauernder  Ab¬ 
sonderung  von  Zerebrospinalflüssigkeit  aus  der  Nase,  die  von  der 
durch  Punktion  aus  dem  Rückenmarkskanal  wiederholt  entleerten 
wesentlich  verschieden  war.  Das  Gehirn  weist  auf  der  einen  Seite 
einen  grossen,  Pons  und  Medulla  oblongata  komprimierenden  Tumor 
auf,  auf  der  anderen  eine  kleine  Geschwulst  des  Trigeminusstammes. 

D  i  n  k  1  e  r  -  Aachen  teilt  die  bei  der  perniziösen  Anämie  vor¬ 
kommenden  Rückenmarksveränderungen  in  drei  Gruppen  ein: 
Solche,  die  klinisch  keine  spinalen  Erscheinungen  darbieten,  solche, 
die  klinische  und  anatomische  Veränderungen  bewirken,  endlich 
solche  klinische  Veränderungen,  die  zur  (anatomischen?)  Heilung 
gelangen. 

In  einem  Fall  der  1.  Gruppe  fanden  sich  kleine,  keilförmige  Herde 
in  den  B  u  r  d  a  c  h  sehen  Strängen  des  Zervikalmarkes. 

In  einem  Fall  der  2.  Gruppe,  der  spastisch-paretische  Erschei¬ 
nungen  und  schwere  Erscheinungen  auf  sensiblem  Gebiet  darbot,  er¬ 
gab  die  Sektion  ganz  unregelmässig  zerstreute  Herde  der  weissen 
Substanz  des  Rückenmarkes  in  grosser  Ausdehnung. 

Ein  Fall  der  3.  Gruppe  zeigte  motorische  und  schwere  sensible 
Störungen  der  Beine,  welche  zugleich  mit  der  Besserung  des  Blut¬ 
befundes  allmählig  zurückgingen. 

E  r  L>  -  Heidelberg  spricht  über  Diagnose  und  Frühdiagnose  der 
syphilogenen  Erkrankungen  des  zentralen  Nervensystems.  Aus 
seiner  mehr  als  dreissigjährigen  Erfahrung  bringt  er  eine  ganze  Reihe 
von  Beispielen,  wo  die  reflektorische  Pupillenstarre  bereits  zehn 
Jahre  vor  dem  Auftreten  irgendwelcher  anderer  tabischer  Symptome 
die  Rückenmarkserkrankung  ankündigte.  Während  die  Franzosen 
die  reflektorische  Starre  heute  als  einen  absoluten  Beweis  über¬ 
standener  Svphilis  ansehen.  hat  sie  Möbius  als  unbedingt  patho¬ 
logisch  für  Tabes  betrachtet;  die  Vereinigung  beider  Theorien  be¬ 
trachtet  jede  Tabes  als  Folge  von  Lues  (Möbius:  Metasyphilis). 
Erb  hofft,  dass  die  moderne  serodiagnostische  Untersuchung  geeignet 
sein  wird,  in  vielen  Fällen,  wo  es  bisher  unmöglich  war,  Klarheit  über 
den  Zusammenhang  beider  Erkrankungen  zu  schaffen.  Er  betont 
noch  besonders  die  Wichtigkeit  der  Kältehyperästhesie  für  die  Früh¬ 
diagnose  der  Tabes,  sowie  die  durch  Lumbalpunktion  nachweisbare 
Pleozytose  des  Liquor  cerebrospinalis. 

Nonne-  Hamburg  schildert  zwei  weitere  Fälle  von  syphi¬ 
litischer  Spinalparalyse,  die  er  jetzt  bereits  fünfmal  anatomisch  unter¬ 
sucht  hat.  Er  glaubt,  dass  nur  deshalb  so  wenig  Fälle  bekannt 
sind,  weil  sich  die  Krankheit  über  einen  so  langen  Zeitraum  er¬ 
streckt.  Der  erste  Fall  betraf  einen  mit  25  Jahren  infizierten  Kranken, 
der  sechs  Jahre  später  die  eisten  subjektiven,  nach  weiteren  acht 
Jahren  die  ersten  spastischen  Erscheinungen  hatte  und  mit  40  Jahren 
starb.  Die  Sektion  ergab  allgemeine  Arteriosklerose  und  durch¬ 
greifende,  sklerotische  Veränderungen  der  Seitenstränge. 

Der  zweite  Fall  betraf  ein  im  Alter  von  20  Jahren  an  der  Lippe 
infiziertes  Mädchen,  das  trotz  guter  antiluetischer  Behandlung  vier 
Jahre  später  paretische  Erscheinungen  der  unteren  Extremitäten 
aufwies;  nach  weiteren  drei  Jahren  hatte  sich  eine  spastische  Parese 
ausgebildet,  die  in  den  nächsten  acht  Jahren  zunahm.  Die  Kranke 
ging  mit  40  Jahren  an  Dekubitus  zu  Giunde.  Die  Sektion  ergab  eine 
fast  ausschliesslich  auf  die  Pyramider.stränge  beschränkte  chronische 
Sklerose. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2£ 


1402 


2.  Sitz  u  n  g. 

Vorsitzender:  R  o  mber  g. 

H  o  c  h  e  -  Ereiburg  erstattet  das  Referat  über  die  klinischen 
böigen  der  Unfallgesetzgebung. 

In  grossem  Umfang  werden  diese  Folgen  nur  in  Deutschland  und 
Oesterreich  beobachtet,  weil  die  anderen  Länder  eine  so  ausgedehnte 
Unfallversicherung  der  Arbeiter  nicht  haben.  Auch  in  Oesterreich  ist 
der  Ueberblick  über  die  Gesamtwirkung  durch  den  Mangel  eines 
Reichs  Versicherungsamtes  erschwert. 

Die  grösste  Wichtigkeit  haben  die  nervösen  Unfallerkrankungen 
und  hier  weniger  die  organischen  als  vor  allem  die  Unfallneurose, 
die  traumatische  Hysterie.  Quincke  hat  dieselbe  den  Gegenpol  der 
staatlichen  Dienstpflicht  genannt,  um  so  den  depravierenden  Ein¬ 
fluss  der  Unfallgesetzgebung  auf  den  Volkscharakter  zu  kennzeichnen. 

Das  bekannteste  Beispiel  der  unterschiedlichen  Einwirkung  von 
Verletzungen  auf  Versicherte  und  Nichtversicherte  sind  die  Mit¬ 
teilungen  von  Bruns  über  den  günstigen  Ausgang  schwerer  Kopf¬ 
verletzungen  in  der  Offizierreitschule  zu  Hannover.  Eine  neuere 
Statistik  über  700  Fälle  von  Kopfverletzung  bei  studentischen  Men¬ 
suren  hat  in  einem  einzigen  Fall  langdauernde  Folgen  nachweisen 
lassen. 

Als  Gründe  für  die  Unfallneurose  der  Versicherten  nennt  Hoch  e 
vorzugsweise:  das  allgemein  menschliche  Begehrungsvermögen,  die 
vielfache  Aufstiftung  zur  Erhebung  von  Ansprüchen,  bald  durch  die 
Ehefrauen,  bald  durch  andere  Unfallrentner,  die  unfreundliche  Behand¬ 
lung  mancher  Rentenbewerber  durch  untergeordnete  Organe,  die 
gehäuften  Untersuchungen  und  den  Wegfall  des  erziehenden  Moments 
der  Not. 

Die  Vorschläge  zur  Abhilfe  sind  zahlreich.  Das  Reichsversiche¬ 
rungsamt  hat  versucht  durch  schärfere  Auslegung  der  geltenden  Ge¬ 
setze  dem  Uebel  zu  steuern,  indem  es  einmal  den  fraglichen  Unfall  für 
quantitativ  unzureichend  erklärte,  ein  anderesmal  die  Neurose  auf 
schuldhaftes  Grübeln  des  Verletzten  zurückführte.  Beide  Entschei¬ 
dungen  sind  vom  ärztlichen  Standpunkt  aus  unhaltbar. 

H  o  c  h  e  unterscheidet  bei.  den  zur  Abhilfe  vorgeschlagenen  Mit¬ 
teln  kleine  und  grosse.  Kleine  sind  die  Abkürzung  des  Verfahrens, 
Untersuchung  durch  weniger  Gutachter,  frühzeitige  Uebernahme  des 
Heilverfahrens  durch  die  Berufsgenossenschaften,  Vermeidung  un¬ 
günstiger  Beeinflussung  durch  den  ersten  Untersucher;  ferner  die 
Beseitigung  der  Kostenlosigkeit  des  Verfahrens  und  die  Festlegung 
von  Schonfristen,  während  welcher  Nachuntersuchungen  nicht  statt¬ 
finden  dürfen. 

Grosse  Mittel  sind  die  Regelung  der  Erziehung  zur  Arbeit,  wobei 
insbesondere  die  Errichtung  von  Arbeitsstätten  für  Halbinvalide  emp¬ 
fohlen  wird,  und  die  Ersetzung  der  Rente  durch  Kapitalabfindung. 
Dieselbe  soll  insbesondere  dadurch,  dass  sie  dem  Empfänger  er¬ 
möglicht,  nachher  offen  in  den  Erwerbskampf  einzutreten,  eine  gute 
seelische  Wirkung  ausüben.  Die  Schwierigkeit  liegt  nur  darin,  den 
richtigen  Zeitpunkt  für  die  Kapitalabfindung  zu  bestimmen. 

W  i  n  d  s  c  h  e  i  d  -  Leipzig  bespricht  als  Korreferent  die  klinischen 
Eigentümlichkeiten  der  Unfallneurose,  die  er  als  eine  Kombination  von 
Hysterie,  Neurasthenie  und  Hypochondrie  bezeichnet  und  als  eine 
spezifische  Reaktion  des  Gehirns  auf  den  Unfall  betrachtet  wissen 
will.  Er  hat  bei  Unfallnervenkranken  besonders  häufig  Degenera¬ 
tionszeichen  angetroffen. 

Als  einen  besonderen  Vorzug  der  Spezialanstalten  für  Unfall- 
nervenkranke  betrachtet  er  die  zwangsweise  Gewöhnung  an  Arbeit, 
fortschreitend  von  leichter  zu  schwererer  Beschäftigung.  Er  gesteht 
zu,  dass  die  Gefahr  der  gegenseitigen  Beeinflussung  in  den  An¬ 
stalten  besonders  gross  ist. 

Eine  ausgedehnte  Diskussion  schloss  sich  an  die  beiden  Be¬ 
richte  an. 

Hoff  m  a  n  n  glaubt,  dass  die  Kapitalabfindung  an  Stelle  der 
Rentenhysterie  lediglich  die  Abfindungshysterie  setzen  wird. 

Enge  sagt,  dass  man  in  der  Schweiz  jetzt  damit  umgehe, 
die  Kapitalabfindung  gesetzlich  einzufüHren.  Er  empfiehlt  schnelle 
Abfindung  durch  kleine  Summen. 

N  o  n  n  e  erzählt  von  fünf  schweren  Kopfverletzungen,  wovon 
zwei  mit  Hämatom  der  Dura,  drei  mit  doppelseitiger  Stauungspapille 
einhergingen;  alle  betrafen  hochbezahlte  Arbeiter  und  gelangten  in 
kurzer  Zeit  zu  völliger  Wiederherstellung.  Besonders  krass  ist  der 
Fall  eines  Schullehrers:  Derselbe  hatte  sich  eine  Kugel  in  den  Kopf 
geschossen,  die  im  Schädel  stecken  blieb,  tat  aber  nach  Vs  Jahr 
schon  wieder  Dienst;  als  er  später  durch  einen  Schrotschuss  eine 
leichte  Hautverletzung  erfuhr,  behauptete  er  im  Prozessweg  eine 
dauernde  Schädigung  seiner  Erwerbsfähigkeit. 

B  ä  u  m  I  e  r  berichtet  von  einem  Unfall,  den  er  selbst  vor  zehn 
Jahren  erlitten  hat.  Durch  Fall  auf  einer  Steintreppe  zog  er  sich 
grosse  Risswunden  der  Kopf-  und  Stirnhaut  zu;  obwohl  keinerlei 
Knochenverletzung  stattgefunden  hatte,  bildete  sich  im  Lauf  der 
Jahre  entsprechend  der  Kopfnarbe  eine  deutliche  Schädeldepression 
ohne  jede  Störung  des  Befindens.  B.  weist  darauf  hin,  wie  leicht  solche 
Depressionen  nachher  zur  Diagnose  einer  früher  erlittenen  Knochen¬ 
fraktur  verleiten. 

Gramer  macht  im  Gegensatz  zu  W  i  n  d  s  c  h  e  i  d  be¬ 
sonders  darauf  aufmerksam,  dass  die  Unfallneurose  keine 
psychologische  oder  physiologische  Sondererscheinung  dar¬ 
stellt,  sondern  durch  die  allgemein  menschlichen  Charakter¬ 


eigenschaften  zu  erklären  ist.  Er  betont,  dass  die  Arbei 
in  den  Nervenheilstätten  stets  unter  ärztlicher  Kontrolle  statt 
finden  müsse  und  im  Höchstfall  4  Stunden  täglich  betragen  solle,  wei 
die  Verletzten  sonst  glauben,  dass  man  ihre  Arbeitskraft  ausnützei 
wolle.  Er  hat  nur  einen  ganz  geringen  Prozentsatz  von  Besse 
rungen  durch  Arbeit  gesehen. 

Gau  pp  betrachtet  die  Disposition  als  ein  wesentliches  Momen 
bei  der  Unfallneurose. 

Moritz  fürchtet  Vermehrung  der  Simulation  bei  obligater  Ka 
pitalabfindung;  er  wünscht  fakultative  Abfindung. 

His  schlägt  folgende  Leitsätze  vor:  Jährliche  Renten  sollet 
nur  für  objektiv  nachweisbare  körperliche  Verletzungen  gewährt  wer 
den.  Reine  Neurosen  sollen  stets  durch  einmalige  Abfindung  ent 
schädigt  werden.  Das  Verfahren  soll  auf  zwei  Instanzen  beschränk 
werden. 

Weygandt  betont  die  ungeheuerliche  Zunahme  der  Ansprüche 
und  die  besonders  auf  dem  Lande  erschwerte  Kontrolle  der  Unfall 
rentner.  Wird  doch  unter  der  bäuerlichen  Bevölkerung  der  Renten 
bezug  direkt  als  eine  Ehre  betrachtet  (Visitkarten  mit  dem  Zusat; 
„Rentenempfänger“). 

Feldmann  geht  davon  aus,  dass  die  Kapitalabfindung  zwai 
für  die  privaten  Unfallversichcrungsgesellschaften  die  beste  Methode 
darstellt,  weil  sie  eine  schnelle  und  einfache  Handhabung  des  Ge 
schäftes  ermöglicht,  dass  sie  jedoch  der  Staat  deshalb  nicht  einfiihrer 
kann,  weil  für  den  Gesetzgeber  nicht  das  Geschäft,  sondern  die 
dauernde  Unterstützung  der  erwerbsunfähigen  Arbeiter  in  Betrach 
kommt. 

Eine  Unterscheidung  von  objektiv  und  subjektiv  Erwerbsun¬ 
fähigen  ist  praktisch  undurchführbar,  die  meisten  Arbeiter  wisset 
mit  Kapital  nichts  anzufangen.  Die  Kapitalabfindung  würde  deshall 
bei  den  dauernd  Erwerbsunfähigen  Krankheit  und  Armut  dauernt 
verknüpfen. 

Hellpach  freut  sich,  dass  kein  Redner  mehr  von  Schreck¬ 
neurose  gesprochen  hat  und  hofft  diesen  Begriff  endgültig  beseitigt. 

Schnitze  und  E  r  b  wenden  sich  gegen  jede  Resolution,  einmal 
aus  geschäftsordnungsmässigen  Gründen,  sodann  wegen  der  vor¬ 
läufig  noch  unüberbrückbaren  Differenz  in  den  Anschauungen. 

Trendelen  bürg  und  Bumke  -  Freiburg  haben  die  B  a  c  fi¬ 
schen  Angaben  über  ein  Pnpillenzentrum  in  der  Medulla  oblongata 

an  Katzen  nachgeprüft  und  behaupten,  dass  ein  solches 
Zentrum  am  Grund  der  Rautengrube  bezw.  im  Halsmark  nicht 
existiert.  (Vergl.  S.  1385  dieser  Nummer.) 

D  r  e  y  f  u  s  -  Heidelberg  hat  alle  Fälle  von  Melancholie,  die 
in  den  Jahren  1892 — 1906  in  der  Heidelberger  psychiatrischen  Klinik 
aufgenommen  wurden,  soweit  es  möglich  war,  persönlich  nachunter¬ 
sucht  und  unter  85  Kranken  66  Proz.  Heilung  konstatiert.  Bei. 
der  Fälle  trat  die  Heilung  erst  nach  3  Jahren  ein,  selbst  nach 
10  jähriger  Krankheitsdauer  wurde  noch  Heilung  ohne  Defekt  kon¬ 
statiert.  10  Proz.  der  Kranken  gesundeten,  obwohl  sie  bei  der  Ent¬ 
lassung  als  schwachsinnig  betrachtet  wurden;  nur  bei  8  Proz.  der 
Kranken  trat  dauernder  Schwachsinn  ein.  Der  Begriff  der  Melan¬ 
cholie  als  einer  ausschliesslichen  Alterspsychose  kann  nicht  aufrecht 
erhalten  werden. 

3.  Sitzung. 

Vorsitzender:  Hoche. 

B  e  c  k  e  r  -  Heidelberg  demonstriert  die  Ergebnisse  einer  neuen 

Methode  der  Gliafärbung. 

B  e  t  li  e  -  Strassburg  spricht  über  färberische  Differenzen  ver¬ 
schiedener  Fasersysteme.  Er  glaubt  eine  elektive  Färbung  der 
motorischen  basern  in  Gehirn  und  Rückenmark  durch  basische  Farb¬ 
stoffe  bewirken  zu  können. 

Curschmann  -  Mainz  deutet  das  konstante  Fehlen  der  arte¬ 
riellen  Gefässreflexe  bei  der  R  e  y  n  and  sehen  Krankheit  dahin,  dass 
es  sich  dabei  um  eine  dauernde  funktionelle  Gefässveränderung 
(Vasokonstriktion)  handelt. 

Ko  hn  stamm  -  Königstein  spricht  über  hypnotische  Behand¬ 
lung  von  Menstruationsstörungen,  die  er  in  einem  langwierigen  Fall 
mit  besonderem  Erfolg  durchgeführt  hat.  Er  betrachtet  auch  die 
Wirkung  vieler  neuerer  Arzneimittel  bei  den  Menstrualblutungen 
als  eine  suggestive. 

E  d  i  n  g  e  r  -  Frankfurt  bringt  zahlreiche  Beispiele  über  den  Auf- 
brauch  von  Nervensubstanz,  der  durch  geeignete  Befragung  der 
Kranken  bei  vielen  Krankheiten  nachzuweisen  ist.  So  z.  B.  war 
ein  Fall  von  Pupillarlähmung  dadurch  bedingt,  dass  der  Erkrankte 
einen  ganzen  Tag  lang  auf  Schneefeldern  gejagt  hatte;  das  gleiche 
trat  bei  einem  Offizier  ein,  der  auf  See  Scheiben  gesetzt  hatte  und 
stundenlang  dem  starken  Lichtreflex  des  Wassers  ausgesetzt  war. 
Bei  Radrennfahrern  fehlen  die  Sehnenreflexe  vollständig;  von 
18  Marathonläufern  wiesen  13  enorm  gesteigerte  Kniereflexe  auf, 
während  diese  bei  5  vollkommen  fehlten. 

Die  typische  Radialislähmung  bei  Bleivergiftung  ist  ebenfalls 
eine  Aufbrauchslähmung:  bei  einem  Arbeiter,  der  durch  die  Art  seiner 
Beschäftigung  hauptsächlich  die  vom  Ulnaris  versorgten  Muskeln  be¬ 
nützte,  bewirkte  der  Saturnismus  eine  Ulnarislähmung. 

Ein  Bahnbediensteter  hatte  das  linke  Bein  gebrochen  und  schonte 
dasselbe  von  da  ab;  als  er  tabisch  wurde,  wurde  das  gesunde  Bein 
ataktisch  und  verlor  die  Reflexe. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1403 


F  i  s  c  h  I  e  r  -  Heidelberg  spricht  über  Erfahrungen  mit  Alkohol¬ 
injektionen  nach  Schlösser.  Unter  .12  Fällen  von  Ischias  war  der 
Erfolg  4  mal  ein  ausgezeichneter,  1  mal  trat  ein  eklatanter  Misserfolg 
auf.  Nach  einer  Injektion  in  den  Nervus  peroneus  trat  vollkommene 
Peroneuslähmung  und  8  Tage  später  totale  Entartungsreaktion  ein, 
die  nach  6  Monaten  noch  vorhanden  war.  Die  Heilung  war  nach 
einem  Jahr  noch  nicht  vollkommen. 

In  einem  Fall  der  Erb  sehen  Privatklinik,  wobei  die  Alkohol¬ 
injektion  direkt  an  der  Austrittsstelle  des  Nervus  isehiadicus  ge¬ 
macht  wurde,  trat  vollständige  Anästhesie  des  ganzen  Unterschen¬ 
kels  und  Entartungsreaktion  auf;  der  Patient  konnte  erst  nach 
5  Monaten  sein  Bein  gebrauchen,  doch  erfolgte  restitutio  ad  integrum. 

In  einem  Fall  von  Tic  convulsiv  hatte  die  Alkoholinjektion 
eine  7  monatliche  Fazialislähmung  zur  Folge. 

Bei  5  Fällen  von  Trigeminusneuralgie  wurde  vollständige  Hei¬ 
lung  erzielt. 

Schlussfolgerung:  Die  Alkoholinjektion  ist  auf  sensible 
Nerven  zu  beschränken.  Bei  motorischen  oder  gemischten  Nerven 
soll  sie  als  ultimum  refugium  gelten  und  ist  nur  mit  Vorbehalt  zu 
machen. 

Die  Vorträge  von 

P  f  e  r  s  d  o  r  f  f  -  Strassburg  über  dialysierenden  Rededrang, 

Rosenfeld  -  Strassburg  über  einige  Formen  der  vasomoto¬ 
rischen  Neurose, 

K  n  a  u  e  r  -  Giessen:  Stoffwechselstörungen  in  einem  Fall  von 
Pseudotumor, 

G  i  e  r  1  i  c  h  -  Wiesbaden  über  einen  Fall  von  neuraler  Muskel¬ 
atrophie, 

van  Oordt-St.  Blasien  über  Differentialdiagnose  zwischen 
multipler  Sklerose  und  Hirnlues, 

L  i  n  k  -  Freiburg  über  den  Muskelton, 

eignen  sich  nicht  zur  auszugsweisen  Wiedergabe. 

Als  Referatsthema  für  die  nächstjährige  Ver¬ 
sammlung  wurde  Aufbrauch  und  Abbau  des  Ner¬ 
ve  n  s  y  s  t  e  m  s  bestimmt:  Edinger  wird  den  klinischen ; 
Alzheimer  den  anatomischen  Teil  übernehmen. 

Geschäftsführer  sind  Hoche-Freiburg  und 
Laquer-Frankfurt.  Gustav  F  e  1  d  m  a  n  n  -  Stuttgart. 

55.  Mittelrheinischer  Aerztetag. 

Sitzung  2.  Juni  1907  zu  Godesberg. 

Nach  der  Zusammenkunft  auf  der  malerisch  schönen  Burgruine, 
wo  die  Teilnehmer  als  Gäste  der  Gemeinde  Godesberg  von  Herrn 
Bürgermeister  D  engl  er  herzlich  begriisst  und  durch  ein  Frühstück 
für  den  wissenschaftlichen  Teil  gestärkt  wurden,  fanden  im  Hotel 
Royal  folgende  Vorträge  statt: 

Die  Vorträge  wurden  durch  Geh.  Rat  Br  an  dis,  den  jugend- 
frischen  82  jährigen  Greis,  humorvoll  eingeleitet. 

Stabsarzt  Schwalbe  sprach  an  Stelle  des  mit  Prof.  Bier 
nach  Berlin  verzogenen  Dr.  Härtel -Bonn  über  Rückenverkrüm- 
rmmgen  und  deren  Behandlung  nach  Prof.  Klapp.  In  der  Haupt¬ 
sache  sieht  die  Behandlung  von  Miedern  und  Geradehaltern  ab. 
Aktive  Muskeltätigkeit  soll  die  Herstellung  besserer  Körperhaltung 
bewirken,  ohne  zugleich  das  Allgemeinbefinden  zu  schädigen,  wie 
die  Korsettbehandlung  dies  stets  in  ihrem  schädlichen  Gefolge  hat. 

Ferner  wird  das  Hauptgewicht  auf  allgemeine  Behandlung  ge¬ 
legt.  Die  kleinen  Patienten  müssen  von  der  Schule  fern  bleiben,  nach 
dem  Turnen  eine  Stunde  Ruhe  haben  und  der  nächtliche  Schlaf  muss 
recht  reichlich  bemessen  werden.  Das  Schlafminimum  sind  10  bis 
11  Stunden.  Gute,  reichliche,  kräftige  Nahrung  muss  während  der 
ganzen,  sich  auf  Jahre  erstreckenden  Behandlung  stets  gereicht 
werden. 

Um  die  Resultate  der  Behandlung  zu  veranschaulichen,  werden 
Patienten  demonstriert,  mit  schweren  und  schwersten  Verkrüm¬ 
mungen,  nach  längerer  Behandlung.  Das  Allgemeinbefinden  war  bei 
allen  sehr  gebessert,  ebenso  haben  die  neuralgischen  Beschwerden  und 
die  Atemnot  bei  den  meisten  vollständig  nachgelassen. 

Prof.  Til  mann -Köln:  Ueber  die  T  a  1  in  a  sehe  Operation. 

Bei  vielen  Lebererkrankungen  sind  die  Beschwerden  der  Patienten 
hervorgerufen  durch  Behinderung  der  Pfortaderzirkulation.  Magen- 
Darmblähungen  und  namentlich  Aszites  sind  die  quälendsten  Begleit¬ 
erscheinungen. 

Um  die  Zirkulation  durch  einen  Kollateralkreislauf  wieder  her¬ 
zustellen,  ohne  grosse  Gefahren  für  die  schwer  heruntergekommenen 
Kranken,  ist  eine  Operation,  die  T  almasche  sicherlich  in  Erwägung 
zu  ziehen.  Die  Möglichkeit  und  die  Berechtigung  dieser  Operation 
ergibt  sich  aus  vielen  Obduktionsresultaten,  welche  zeigten,  dass  sogar 
völliger  Verschluss  der  Pfortader  nicht  zum  Tode  führte,  sondern,  dass 
durch  V  erwachsung  des  Netzes  mit  der  vorderen  Bauchwand  sich 
neue,  genügende  Kol  lateralbahnen  bildeten. 

r  Experimentelle  Untersuchungen  an  Hunden  zeigten,  dass  särnt- 
hche  Hunde  starben,  bei  denen  die  Pfortader  unterbunden  wurde,  dass 
aber  die  Hunde  am  Leben  blieben,  wenn  man  einige  Zeit  vorher  Ver¬ 
wachsungen  zwischen  Netz  und  vorderer  Bauchwand  hervorgerufen 

hatte. 

Die  nach  einigen  Monaten  vorgenommene  Obduktion  zeigte,  dass 
sich  zahlreiche  Anastomosen  an  Stelle  der  Pfortader  gebildet  hatten. 


Diese  Operation  beim  Menschpa  ungefährlich  zu  machen,  bedingt 
eine  (selbstverständliche  Forderung,  d.  Ref.)  strenge  Asepsis  und 
Vermeidung  der  Narkose.  Diese  Operationen  werden  daher  mit 
5  c  h  1  e  i  c  h  scher  Lokalanästhesie  und  mit  Morphium-Skopolamin- 
schlaf  ausgeführt. 

Die  Operation  selbst  besteht  in  Laparotomieschnitt,  Anätzung 
des  Netzes  und  der  vorderen  Bauchwand  mit  Sublimat,  Fixierung 
des  Netzes  an  der  Bauchwand  mit  einigen  Nähten,  dann  folgt 
Schliessung  der  Wunde. 

Die  Operation  wurde  vom  Vortragenden  in  7  Fällen  ausgeführt 
und  zwar  in  4  Fällen  von  Leberzirrhose,  bei  2  Fällen  von  Zucker¬ 
gussleber  und  1  Fall  von  perikarditischer  Pseudoleberzirrhose. 

Im  sämtlichen  Fällen  war  schon  mehrfach  punktierter  Aszites 
vorhanden,  trotzdem  wurde  die  Operation  glatt  vertragen  und  heilte 
die  Wunde  per  primam. 

Da  die  Anastomosenbildung  Wochen  beansprucht,  so  dauert  es 
natürlich  2 — 3  Monate,  bis  der  Aszites  und  sonstige  Stauungserschei¬ 
nungen  schwinden.  Eine  Frau  starb  nach  8  Wochen  an  Erschöpfung, 
bei  2  Fällen  sind  erst  8  resp.  10  Wochen  seit  der  Operation  ver¬ 
strichen,  daher  noch  kein  deutlicher  Erfolg  sichtbar,  bei  den  übrigen 
4  hatte  die  Operation  den  gewünschten  Erfolg.  Diese  sind  4,  5,  15 
und  24  Monate  ausser  Behandlung,  ohne  Aszites.  Ein  Geheilter,  der 
Oktober  1906  operiert  wurde,  wird  vorgestellt. 

Die  Talma  sehe  Operation  hat  daher  ihre  Berechtigung  voll 
und  ganz  erwiesen  und  glaubt  Vortragender  sie  bei  Pfortaderkreis¬ 
laufstörungen  empfehlen  zu  können. 

Geheimrat  Ungar-Bonn:  Tabes  mesaraica  der  Kinder. 

Tuberkulose  der  Mesenterialdrüsen  und  Retroperitonealdriisen  ist 
fast  vollständig  aus  den  Lehrbüchern  verschwunden.  Ist  dies  be¬ 
rechtigt?  —  Die  Leichenbefunde  zeigen,  dass  es  eine  Tuberkulose 
der  Mesenterialdrüsen  gibt. 

Zurückbleiben  im  Ernährungszustände,  Dyspepsie,  Mattigkeit  und 
tonfarbiige  Fäzes  sind  die  klinischen  Symptome.  Die  Tonfarbig¬ 
keit  der  Fäzes  beruht  aber  nicht  auf  Fehlen  der  Gallenfarbstoffe,  son¬ 
dern  auf  dem  Fettmangel  des  Chylus.  In  der  Therapie  ist  ausser 
Allgemcinbehandlung,  Schmierseife  und  Jod  anzuwenden.  —  Fehl¬ 
diagnosen  haben  einige  Laparotomien  veranlasst,  nach  welchen  die 
Patienten  neu  auflebten. 

Vortragender  ist  daher  fest  überzeugt,  dass  die  blosse  Lapa¬ 
rotomie  bei  Tabes  mesaraica  genau  so  indiziert  ist  und  genau  so  gute 
Erfolge  zeitigt,  wie  bei  Peritonitis  tuberculosa. 

Prorock  -  Soden  spricht  über  die  Behandlung  chronischer 
Herzkranker  mit  kohlensäurehaltigen  Thermalsoolbädern.  In  der 
Hauptsache  werden  schwache  kohlensäurehaltige  Bäder  wärmer  und 
von  längerer  Dauer,  starke  kohlensäurehaltige  Bäder  kühler  und  von 
kürzerer  Dauer  angewendet.  Nach  2  wöchentlicher  Badekur  wird  mit 
Terrainkuren  und  Gymnastik  begonnen.  Bei  korpulenten  Personen 
sind  oiaturgemä'ss  Terrainkuren  vorzuziehen.  - —  Die  Dilatation  und  der 
Puls  nahm  ab,  der  Blutdruck  nahm  zu.  Regelmässige  Blutdruck¬ 
messungen  .und  Pulskurvaufnahmen  müssen  als  Kontrolle  der  Be¬ 
handlung  geübt  werden. 

Oberarzt  der  Universitäts-Frauenklinik  Reifferscheid 
Bonn:  Ueber  erweiterte  Abdominaloperation  des  Uteruskarzinoms. 

Seit  drei  Dezennien  ist  die  Uterusexstirpation  geübt  worden. 
1878  wurde  sie  zum  ersten  Male  von  Freund  abdominal  und  im 
selben  Jahre  von  Czerny  vaginal  ausgeführt.  In  früher  Zeit 
operiert,  bedeutet  die  Operation  bei  der  vaginalen  Operation 
oft  auch  Heilung,  in  späteren  Stadien  nur  Aufschub.  Die 
Dauerheilung  beträgt  30— HO  Proz.  der  Operierten,  während 
sie  bei  Mammakarzinom  nur  10 — 20  Proz.  beträgt.  Mit  der 
Besserung  der  Technik  ist  die  Mortalität  von  30  Proz.  auf 
8  Proz.  gesunken.  Die  Statistik  ist  aber  nicht  ganz  zuverlässig. 
Das  Korpuskarzinom  ist  viel  gutartiger,  als  das  Portio-  und  Zervix¬ 
karzinom,  am  bösartigsten  ist  das  Kollumkarzinom,  bei  diesem  sind 
nur  6 — 10  Proz.  Dauerheilungen  zu  verzeichnen,  während  die  absolute 
Heilungsziffer  für  alle  Karzinome  8 — 20  Proz.  beträgt.  Bei  einer  ge¬ 
nauen  Statistik  müssen  sämtliche  Karzinomlokalisationen  gesondert 
geführt  werden,  ebenso  die  Früh-  und  die  Spätoperationen. 

W.  A.  Freund  trat  für  die  abdominelle  Operation  ein.  um  mög¬ 
lichst  ausgiebig  auch  das  Lymph-  und  Bindegewebe  entfernen  zu 
können.  Die  Operabilitätsziffer  ist  dadurch  von  40  auf  70 — 80  Proz., 
sogar  90  Proz.  gestiegen.  Die  Mortalität  war  anfänglich  20 — 30  Proz. 
und  ist  jetzt  auf  8 — 9  Proz.  gesunken.  Die  Dauerresultate  der  ab¬ 
dominellen  Operation  sind,  nach  Wertheim  auf  61 — 66  Proz.  ge¬ 
stiegen  und  die  absolute  Heilungsziffer  25,6 — 32  Proz. 

Bei  K  o  1 1  u  m  karzinom,  das  sonst  für  die  Dauerheilung  so  un¬ 
günstige  Aussichten  hat,  ist  nach  dem  Vortragenden  entschieden  die 
abdominelle  erweiterte  Operation  mit  möglichst  vollständiger  Aus¬ 
räumung  von  Binde-  und  Lymphgewebe  zu  raten. 

Da  immer  noch  viele  Fälle  sehr  spät  resp.  zu  spät  zur  Operation 
kommen,  müssen  die  praktischen  Aerzte  bestrebt  sein,  ihre  Patienten 
möglichst  früh  zur  Operation  zu  bestimmen,  anderseits  durch  gründ¬ 
liche  Untersuchung  gnd  Probeexzision  die  mikroskopische  Früh¬ 
diagnose  zu  üben,  oder  zu  veranlassen. 

E  b  e  r  h  a  rt  -  Köln  zeigt  verschiedene  interessante  gynäko¬ 
logische  Präparate,  doch  sind  seine  wissenschaftlichen  Ausführungen 
zu  einer  Wiedergabe  nicht  geeignet  (der  Ref.). 


1404 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Medizinalrat  Salomon  -  Koblenz  hielt  einen  Typhusvortrag, 
welcher  allgemein  mit  lebhaftestem  Interesse  angehört  wurde.  Nach¬ 
dem  er  über  Typhusdiagnostik  sprach  und  zeigte,  wie  schwer  oft  die 
verschiedenen  Widalmodifikationen  selbst  in  Instituten  zu  einer  einiger- 
rnassen  sicheren  Diagnose  mitunter  verwendet  werden  können,^  kam 
er  auf  den  Kernpunkt  seines  Vortrags,  auf  die  „Typhusträger“.  — 
Es  wurde  oft  angezweifelt,  ob  diese  Typhusträger  wirklich  existieren, 
doch  ist  dies  jetzt  —  nach  seiner  Meinung  —  unerschütterlich  be¬ 
wiesen. 

Unter  Typhusbazitlenträger  versteht  er  Individuen,  die  noch 
nach  der  10.  Krankheitswoche  Typhusbazillen  dauernd  in  sich 
tragen,  und,  obgleich  sie  sich  vollständig  gesund  fühlen,  andere  Per¬ 
sonen  infizieren  können.  —  Eine  Eigentümlichkeit  dieser  Träger  ist. 
dass  hauptsächlich  neu  mit  ihnen  in  Berührung  kommende  Personen 
infiziert  werden,  während  ihre  ständige  Umgebung,  die  ihren  Typhus 
bereits  durchgemacht,  sozusagen  gegen  diesen  speziellen  Typhus¬ 
bazillenträger  immun  geworden  ist. 

Eine  Tabelle,  die  eine  Anzahl  von  Typhusbazillenträgern  und 
die  durch  dieselben  hervorgerufenen  Infektionen  nachwies,  war  be¬ 
sonders  interessant  durch  den  Fall  „Andernach“. 

In  der  Strafanstalt  Andernach  erkrankten  30  Gefangene  an 
Typhus  und  als  Infektionsursache  fand  man  nicht  die  Wasserleitung, 
nicht  die  Kanalisation,  sondern  einen  Typhusträger.  Ein  geradezu 
klassisches  Beispiel  von  Typhusbazillenzüchtung  durch  einen  Typhus¬ 
bazillenträger.  Dieser  Träger  wurde  auch  gefunden  in  der  Gestalt 
einer  imbezillen  alten  Person,  die  den  Kartoffelsalat  zu  schneiden 
hatte.  Die  Kartoffeln  dazu  mussten  für  die  ca.  500  Personen  der  An¬ 
stalt  1—2  Tage  vorher  geschnitten  werden.  Kartoffeln  sind  nun  ein 
vorzüglicher  Nährboden  für  Tvphusbazillen.  Die  kartoffelschneidende 
Typhusbazillenträgerin  impfte  nun  mit  ihren  infizierten  Händen  gerade¬ 
zu  die  Bazillen  in  die  Kartoffeln,  welche  mit  der  frischen  Tvphus- 
bazillenkultur  am  nächsten  Abend  als  Salat  verzehrt  wurden.  In  2% 
Jahren  wurden  im  Bezirk  Koblenz  31  Bazillenträger  gefunden.  Die 
meisten  Träger  sind  Frauen,  was  nach  dem  Vortr.  mit  ihrer  Prädis- 
nosition  für  Gallenleiden  zusammenhängt,  da  vereiternde  Gallenblasen 
Typhusbazillen  in  den  meisten  Fällen  jahrelang  behalten. 

Nach  seiner  Meinung  wird  der  Kampf  gegen  den  Typhus  zu  einer 
staatlichen  Kontrolle  der  Typhusbazillenträger  sich  im  Laufe  der  Zeit 
gestalten. 

Geh.  Rat  B  r  a  n  d  i  s  -  Godesberg,  der  liebenswürdige  Senior  mit 
bezauberndem  Humor,  sprach  dann  von  seinem  Godesberg,  dessen 
wunderschöner  Lage  im  Rheintal.  an  rebenbewachsenen  Hügeln,  mit 
seinen  alkalisch-muriatischen  Heilquellen,  der  staub-  und  rauchfreien 
Luft.  Das  Bad  Godesberg  gefiel  den  Teilnehmern  ebenso  ausge¬ 
zeichnet,  wie  die  zuvorkommenden  Leiter  des  Aerztetages. 

Als  Ort  der  nächsten  Versammlung  wurde  Riidesheim  genannt, 
da  das  in  Aussicht  genommene  Mannheim  keinen  diesbezüglichen 
Vorschlag  gemacht  hat.  Duschfnsky -  Mainz. 


Verhandlungen  der  deutschen  Gesellschaft  für 

Gynäkologie. 

Zwölfte  Versammlung,  abgehalten  zu  Dresden 

vom  21. — 25.  Mai  1907. 

Berichterstatter:  Privatdoz.  Dr.  Schickele-Strassburg  i.  Eis. 

VI. 

Herr  K  a  m  a  n  n  -  Giessen:  Ein  Phantom  zur  Uebung  der  ma¬ 
nuellen  Plazentarlösung. 

Während  die  Technik  der  Wendungen,  der  Extraktionen  am 
Beckenende  und  der  Zangenoperationen  an  den  Schultze- 
W  i  n  c  k  e  1  sehen  Phantomen  gut  zu  erlernen  ist,  fehlt  noch  ein  Phan¬ 
tom  zur  Uebung  der  manuellen  Plazentarlösung. 

Und  doch  sollte  jeder  Mediziner,  ehe  er  in  die  Praxis  hinaus¬ 
tritt,  die  Technik  dieser  gefährlichen  und  besonders  verantwortungs¬ 
vollen  Operation  beherrschen. 

Das  zu  solchen  Uebungszwecken  zu  benutzende  Material  an 
Aborten  und  Fehlgeburten  steht  doch  nicht  allerorts  in  hinreichen¬ 
dem  Masse  zu  Gebote. 

Die  manuelle  Plazentarlösung  kann  systematisch  wohl  nur  an 
einem  Phantom  geübt  werden.  K.  hat  nun  nach  verschiedenen  Vor¬ 
versuchen  ein  aufklappbares  Uterusscheidenphantom  konstruieren 
lassen,  das  in  die  üblichen  S  c  h  u  1 1  z  e  -  W  i  n  c  k  e  1  sehen  Phantome 
eingespannt  wird.  An  die  Uterusinnenfläche  wird  eine  Phantompla¬ 
zenta  in  beliebig  grosser  Ausdehnung  mit  Schwammgummi  fixiert 
und  kann  nun  von  der  von  der  Scheide  aus  eingeführten  übenden 
Hand  Stück  für  Stück  gelöst  werden. 

Wie  jedes  Phantom,  so  steht  natürlich  auch  dieses  hinter  den 
Verhältnissen  an  der  Lebenden  erheblich  zurück.  Immerhin  ist  zu 
hoffen,  dass  es  sich  für  Unterrichtszwecke  als  brauchbar  erweisen 
wird. 

Die  Herstellung  hat  das  Medizinische  Warenhaus  in  Berlin  über¬ 
nommen. 

Herr  N  e  u  -  Heidelberg:  Experimentelles  zur  Anwendung  des 
Suprarenins  in  der  Geburtshilfe. 

N.  berichtet  über  Versuche,  die  er  hinsichtlich  der  Suprarenin- 
wirkung  an  Uteris  in  den  verschiedensten  Alterslagen  und  anatomb 


sehen  Zuständen  ausgeführt  hat.  So  gut  wie  in  keinem  Falle  fehlte 
die  Suprareninreizwirkung.  N.  ist  der  Ansicht,  dass  das  erregende 
Gift  durch  den  Reiz  der  uteromuskulären  plus  vasomuskulären  Kom¬ 
ponente  wirkt.  Gerade  in  diesem  Umstande  ist  die  Bedeutung  des 
Mittels  für  ein  Hämostatikum  der  Gebärmutter  zu  erblicken.  Nach 
Vorversuchen  am  graviden  Tieruterus  ging  N.  dazu  über,  das  Supra- 
renin  an  der  graviden  menschlichen  Gebärmutter  zu  untersuchen. 
Dabei  war  es  möglich,  bei  einem  Kaiserschnitt,  der  nach  P  o  r  r  o  bei 
einer  Osteomalakischen  von  ihm  ausgeführt  wurde,  blutleer  zu  ope¬ 
rieren.  Er  befolgte  dabei  die  Methodik  der  uteromuskulären  In¬ 
jektion  unmittelbar  vor  der  Inzision  nach  Herauswälzen  des  Uterus. 
(Lösung  1:10  000,  3  Teilstriche).  Der  Effekt  war  ein  frappanter. 
Aufrichtung  des  ganzen  Organes,  Steinhärte,  Erblassen.  Das  Kind 
wurde  lebend  extrahiert.  Es  war  also  mittelst  minimaler  Suprarenin- 
dosen  möglich  gewesen,  den  kreissenden  Uterus  in  stürmische  Kon¬ 
traktion  zu  versetzen  und  eine  Anämisierung  des  ganzen  Organes 
herbeizuführen.  Damit  ist  die  Bedeutung  der  Nebennierenpräüarate 
als  ein  für  den  graviden  Uterus  hoch  wirksames  Mittel  bei  Opera¬ 
tionen  an  demselben  gekennzeichnet. 

Weiter  wird  vorläufig  und  in  Kürze  berichtet,  dass  es  möglich 
ist,  Wehen  am  graviden  nicht  kreissenden  Uterus  auszulösen,  dass 
atonische  Blutungen  wirksam  bekämpft  werden  können. 

Die  grösste  Wirkung  Hess  sich  erzielen  mit  der  nerkutanen  utero¬ 
muskulären  Injektion.  Die  subkutane  Injektion  ist  ebenfalls  wirksam, 
wenn  auch  weniger  intensiv.  Die  intrauteripe  Anwendung  erwies  sich 
als  nicht  besonders  geeignet.  Zwei  sehr  bemerkenswerte  Tatsachen 
Hessen  sich  gesetzmässig  erkennen:  1.  der  Grad  der  Suprarenin- 
reizwirkung  steht  in  direktem  Verhältnis  zur  Erregbarkeit  des 
Uterus,  2.  das  Suprarenin  scheint  in  der  graviden  Gebärmutter 
chemisch  gebunden  zu  werden,  woraus  eine  lange  dauernde  Steige¬ 
rung  der  natürlichen  Erregbarkeit  resultiert. 

Herr  P  a  n  k  o  w  -  Freiburg:  Warum  soll  bei  gynäkologischen 
Operationen  der  Wurmfortsatz  mit  entfernt  werden? 

(Der  Vortrag  erscheint  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 

Herr  Baisch:  Die  Dauerresultate  bei  der  Behandlung  der 
Peritoneal-  und  Genitaltuberkulose. 

Baisch  hat  110  Fälle  der  Tübinger  Klinik  aus  den  letzten 
10  Jahren  persönlich  nachuntersucht.  Der  zehnte  Teil  wurde  ex- 
spektativ,  die  übrigen  chirurgisch  behandelt.  Gestorben  sind  41 
primär  und  in  den  nächsten  Jahren  37  Proz. 

Als  Nachbeobachtungszeit  müssen  4  Jahre  verlangt  werden. 
4  Jahre  nach  der  Entlassung  ist  keine  Patientin  mehr  gestorben. 
Weitaus  die  Mehrzahl  stirbt  im  ersten  Jahre  nach  der  Entlassung. 
Bei  den  Verlusten  muss  zwischen  Früh-  und  Spättodesfällen  unter¬ 
schieden  werden. 

Die  Prognose  ist  für  die  einzelnen  Formen  verschieden: 

1.  Peritonitis  exsudativa.  Von  39  Fällen  sind  36  ope¬ 
riert  worden,  und  davon  13  primär  oder  in  den  nächsten  4  Jahren 
gestorben.  23  Operierte  sind  dauernd  geheilt,  21  subjektiv  und 
objektiv  gut,  bei  2  finden  sich  unempfindliche  Adnextumoren  bei 
vollem  Wohlbefinden.  Man  soll  daher  stets  die  Tuben  mit  entfernen, 
daher  ist  auch  die  Laparotomie  vorzuziehen.  Lungen-  und  sonstige 
Komplikationen  sind  keine  absolute  Gegenanzeige,  man  sieht  sie  zu¬ 
weilen  nach  der  Operation  ausheilen.  Bei  Fieber  ist  die  Prognose 
sehr  schlecht. 

2.  Peritonitis  adhaesiva  sicca.  Die  Hälfte  der  22 
Kranken  ist  gestorben.  Von  11  Operierten  leben  noch  8,  von  11  ex- 
spektativ  Behandelten  nur  noch  3.  Man  kann  die  Probelaparotomie 
empfehlen.  Nur  hüte  man  sich  wegen  der  Gefahr  der  Darmver¬ 
letzung  und  folgender  Kotfistel  vor  der  Lösung  von  Darmadhäsionen. 

3.  Salpingitis  tuberculosa  und  Pyosaloinx. 
Gleichzeitig  bestehende  Peritonealtuberkulose  verhindert  die  Heilung 
nicht,  ist  aber  prognostisch  ungünstiger.  Von  13  intern  Behandelten 
leben  noch  5.  aber  alle  haben  ihre  Adnextumoren  behalten,  wenn 
sie  auch  subjektiv  gebessert  sind.  Eine  Reihe  anfänglich  exspektativ 
Behandelter  musste  nach  Monaten  und  Jahren  noch  operiert  wer¬ 
den  und  sind  geheilt.  Von  23  sofort  Operierten  sind  18  voll¬ 
kommen  geheilt,  bei  dem  Rest  finden  sich  wieder  Adnextumoren. 
Man  entferne  stets  beide  Adnexe,  ln  allen  Fällen  ist  die  Laparotomie 
vorzuziehen.  Solange  für  die  Tuberkulösen  nicht  durch  Sana¬ 
torien  etc.  eine  genügend  lange  und  gründliche  interne  Behandlung 
möglich  ist,  müssen  wir  im  Interesse  ihrer  raschen  Wiederherstel¬ 
lung  zur  Ooeration  raten  und  können  dies  nach  den  Erfahrungen  der 
Tübinger  Klinik  mit  gutem  Gewissen  tun. 

Herr  E.  Sclplades:  Ueber  Uterusruptur  Im  Anschluss  an 
97  einheitlich  behandelte  Fälle  der  T  a  u  f  f  e  r  sehen  Universitäts- 
Frauenklinik  zu  Ofen-Pest. 

Vortr.  ist  der  Ansicht,  dass  man  zur  Entstehung  der  spontanen 
Runtur  des  unteren  Gebärmutterabschnittes  den  Widerstand  der 
natürlichen  Fixierungsvorrichtung  für  genügend  erklären  muss, 
nachdem  sonst  der  Mechanismus  dieser  Rupturen  anders  unklar 
bleibt. 

Es  ist  am  richtigsten,  die  komplette  Ruptur  ebenfalls  konser¬ 
vativ  zu  behandeln,  gerade  wie  die  inkomplette.  Die  erste  Be¬ 
handlung  der  Uterusruptur  muss  immer  an  Ort  und  Stelle  ausgeführt 
werden. 

Die  Kranke  bleibe  wenigstens  zwei,  wenn  es  aber  möelich  ist 
8  Tage  lang  in  ihrer  Wohnung.  Inzwischen  wird  der  zur  Zeit  der 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1405 


Geburt  eingeführte  Tampon  belassen,  ausgenommen,  wenn  wir  zur 
Herausnahme  desselben  durch  anhaltend  hohe  Temperaturen  ge¬ 
zwungen  werden.  Erst  jetzt  wird  die  Patientin  in  den  angegebenen 
geeignetsten  Verhältnissen  ins  Institut  transportiert.  Hier  wird  der 
zur  Zeit  der  Geburt  eingelegte  Gazetampon  entfernt,  und  ein  Glas- 
drain"  eingeführt,  welcher  in  6—8  Tagen  und  nach  behutsamer  Aus¬ 
spülung  der  Vagina  mit  einer  Kalium-hypermanganicum-Lösung  durch 
ein  Gummidrain  ersetzt  wird.  Sodann  werden  sonstige  lokale  und 
symptomatische  Behandlungsarten  angewendet,  bis  die  Wundhöhle 

gänzlich  ausgefüllt  wird.  . 

Von  dieser  Behandlungsart  weichen  wir  nur  in  den  Fallen  ab, 
wo  die  konservative  Therapie  nicht  zum  Ziele  führen  würde.  Im 
Falle  einer  operativen  Behandlung  verspricht  die  totale  abdominale 
Hysterektomie  und  die  supravaginale  Amputation  die  besten  Erfolge. 

Die  Frage,  welche  von  den  zwei  Operationen  gewählt  werden 
soll,  muss  im  gegebenen  Falle  durch  den  Zustand  der  Kranken  ent¬ 
schieden  werden.  .... 

Für  spätere  Graviditäten  ist  zu  berücksichtigen,  dass  wegen  der 
wahrscheinlichen  Gefahr  einer  neuerlichen  Ruptur  am  Ende  der 
Schwangerschaft  es  zu  k  e  i  n  e  r  Geburtsarbeit  kommen  darf,  weiters 
dass  wir  dieser  Gefahr  auch  durch  Frühgeburt  nicht  ganz  sicher 
ausweichen  können. 

Laut  diesem  müssen  wir  also  sagen,  dass  in  solchen  ballen  die 
im  Beginne  der  Geburt  ausgeführte  Sectio  caesarea  das  richtig  ge¬ 
wählte  Verfahren  wäre.  Und  dies  sollte  unsere  Konklusion  bleiben 
auch  dann,  wenn  wir  die  beiläufig  5  proz.  Mortalität  des  Kaiser¬ 
schnittes  mit  der  65,8  Proz.  ergebenden  Mortalität  unseres  im  Zu¬ 
samenhange  mit  der  Uterusruptur  ohne  jede  weitere  Distinktion 
beobachteten  Materials  vergleichen  würden. 

Ob  die  Einleitung  einer  künstlichen  Frühgeburt,  welche  die 
Wiederholung  einer  Ruptur  in  18  Proz.  nicht  vermeidet,  richtiger 
wäre,  muss  solange  unentschieden  bleiben,  bis  uns  darüber  über¬ 
zeugende  Erfahrungen  zur  Verfügung  stehen  werden. 

Nachdem  jedoch  die  Uterusruptur  mit  grösserer  Wahrschein¬ 
lichkeit  eine  tödliche  Verletzung  bildet,  hat  die  Kranke  das  Recht,  von 
uns  zu  wünschen,  dass  wir  von  ihr  diese  Gefahr  womöglich  fern¬ 
halten. 

Wenn  die  Frau  daher  von  einer  Uterusruptur  schon  einmal  ge¬ 
heilt  wurde,  geben  wir  ihr  Instruktionen,  dass  sie  die  neueren  Kon¬ 
zeptionen  möglichst  vermeiden  solle,  und  falls  dies  nicht  gelingt,  soll 
unser  Verfahren,  nach  genügenden  Aufklärungen,  von  ihrer  Ent¬ 
scheidung  abhängig  gemacht  werden. 

Das  heisst,  wenn  sie  zur  Zeit  des  früheren  Anfanges  ihrer  Gra¬ 
vidität  zu  uns  kommt  und  es  w  ii  lisch  t,  so  soll  die  Gravidität 
durch  den  künstlichen  Abort  unterbrochen  werden.  Wenn  jedoch 
die  Gravidität  schon  soweit  fortgeschritten  ist,  dass  wir  auch  ein 
lebendes  Kind  erwarten  können,  überlassen  wir  es  nach  genügenden 
Aufklärungen  wieder  ihrer  Entscheidung,  ob  sie  sich  den  Gefahren 
einer  künstlichen  Frühgeburt,  oder  der  Sectio  caesarea  und  der 
dieselbe  ergänzenden  Sterilisation  aussetzen  will. 

Herr  R.  Freund-Halle  a.  S.:  Zur  Toxikologie  der  Plazenta. 
Mit  Demonstration  (Tierexperiment). 

F.  hat  nach  dem  Vorgehen  von  Weichardt  und  Piltz  in¬ 
travenöse  Injektionen  von  Pressaft  entblu  t e  t  e  r 
menschlicher  Plazenten  bei  Kaninchen  ausgeführt. 
An  der  Hand  von  200  Versuchen  (Kaninchen  und  Hunde),  bei  denen 
52  Plazenten  verarbeitet  wurden,  kommt  F.  zu  dem  Resultat,  dass, 
wie  Weichardt  und  Piltz  bereits  annahmen,  zwei  Kompo¬ 
nenten  als  Todesursache  vorhanden  seien:  Die  Thrombose 
erregende  ist  Fibrinfermentwirkung,  die  infolge  von 
Blut-  und  Gewebsbeimengung  trotz  vorheriger  Spülung  der  Plazenta 
nicht  sicher  zu  eliminieren  ist;  die  zweite  ist  ein  besonders 
das  Atmungszentrum  lähmendes  Gift.  Letzteres 
konnte  F.  auch  bei  Dosen  von  1  ccm  klar  in  Erschei¬ 
nung  treten  sehen  in  Fällen,  wo  jede  Thrombose, 
auch  bazilläre  Embolie  ausgeschlossen  war.  Sub¬ 
kutan  und  intraperitoneal  wirkte  das  Gift  nicht.  Immunisierung  der 
Tiere  gelang  nicht,  nur  kurzdauernde  Resistenzerhöhung  gegen  Toxin¬ 
wirkung  bei  mehrfachen,  rasch  aufeinanderfolgenden  kleinen,  allmäh¬ 
lich  steigenden  Dosen.  Chemisch  eine  Trennung  der  toxischen  Sub¬ 
stanz  von  den  Eiweisskörpern  herbeizuführen,  misslang.  Durch 
Schütteln  mit  Tierkohle  (Heubner)  und  auch  durch 
Berkefeldfilter  konnte  der  stets  trübe,  an  Zell¬ 
trümmern  reiche  Pressaft  bis  zur  Opaleszenz  ge¬ 
klärt  und  dadurch  völlig  entgiftet  werden.  Das 
Gift  war  demnach  an  die  Plasmatrümmer  der  Cho- 
rionepithelien  gebunden.  Durch  Osmose  vermittels  ver¬ 
schieden  konzentrierter  Salzlösungen  ein  wasserlösliches,  kri- 
stalloides  Gift  aus  den  Plasmatrümmern  zu  gewinnen,  schlug  fehl; 
wohl  aber  erzielte  man  dadurch  eine  bessere 
Haltbarkeit  des  sehr  unbeständigen,  thermo¬ 
labilen  Giftes.  Kaninchenplazenten  zeigten  sich  im  Extrakt 
Kaninchen  gegenüber  auch  tödlich.  Pressäfte  anderer  drüsiger 
Organe  (Milz,  Niere,  Pankreas,  Leber)  wirkten  bei  intravenöser  Appli¬ 
kation  ganz  analog  oder  ähnlich.  Mit  Ausnahme  der  Pla¬ 
zenta  gibt  es  aber  keine  Drüse,  deren  Zellen  nor¬ 
malerweise  direkt  ins  Blut  gelangen  können.  (Könn¬ 
ten  andere  Drüsenzellen  dies  auch,  so  ereigneten  sich  gleichfalls 
organische  Störungen,  z.  B.  Leberzirrhose  nach  gewissen  hyper¬ 


plastischen  Zuständen  und  Krankheiten  der  Milz,  deren  Pulpazellen 
intravenös  fortgeschwemmt  werden.)  In  Erwägung  dieser 
Tatsache  und  in  Hinblick  darauf,  dass  sich  aus 
jeder  Plazenta  ein  Gift  hersteilen  lässt,  welches 
zentral,  ohnie  Thrombose  und  nicht  durch  die 
Nieren  wirkt,  ist,  soweit  man  vom  Tierexperiment 
auf  menschliche  Vorgänge  schliessen  darf,  die 
Gelegenheit  zu  schweren  Intoxikationen  des 
mütterlichen  Organismus  durch  die  Plazenta 
verständlich. 

Herr  Hofbauer  - Königsberg:  Zur  Pathologie  und  Pathogenese 
der  Eklampsie. 

Die  Aussicht  auf  eine  befriedigende  Lösung  der  Eklampsiefrage 
erscheint  genau  so  wie  bei  anderen  pathologischen  Problemen  nur 
durch  eine  genaue  Lokalisation  des  Gesamtprozesses,  durch  eine 
Erkenntnis  der  Topik  der  Giftwirkung  gegeben;  die  dieselben  aus¬ 
lösenden  Substanzen  rein  darzustellen,  ist  die  sich  daranschliessende 
Aufgabe. 

Die  Aufmerksamkeit  der  Untersucher  muss  sich  aber  nicht  nur 
auf  die  endgültigen,  sie  muss  sich  auch  auf  die  intermediären 
Abbauprodukte  des  Stoffwechsels  richten,  um  eine  breite  Grundlage 
für  die  einheitliche  Konstruktion  des  Krankheitssystems  zu  gewinnen. 

Eine  Direktive  für  den  Gang  der  Untersuchungen  ist  in  dem  ana¬ 
tomischen,  genau  umschriebenen  Bilde  der  Eklampsie  gegeben, 
welche  schwere  degenerative  Veränderungen  in  den  lebenswichtigen 
Parenchymen  aufweist.  Als  besonders  charakteristisches  Kriterium 
dieser  Veränderungen  gilt  seit  den  Schmor  Ischen  Angaben  das 
Auftreten  der  in  der  Aussenzone  der  Acini  gelegenen  Lebernekrosen, 
die  mit  Blutungen  in  das  Gewebe  und  mit  Thrombenbildung  in  den 
Gefässen  gepaart  sind.  Diese  Lokalisation  deutet  mit  Bestimmtheit 
darauf  hin,  dass  das  schädigende  Agens  mit  der  Blutbahn  den  Leber- 
acinis  zugeführt  wird;  und  die  Frage  ist  nur  die,  ob  man  die  Nekrosen¬ 
bildung  als  eine  primäre  Folge  dieser  Noxe  anzusehen  hat  oder  als 
eine  Folgeerscheinung  der  Thrombenbildung  in  den  Gefässchen. 

Vom  chemischen  Standpunkte  aus  ist  es  nun  von  Interesse,  die 
Stoffe  kennen  zu  lernen,  welche  bei  dieser  Degeneration  von  Leber¬ 
substanz  auftreten,  und  deren  pharmakologische  Wirksamkeit.  Der¬ 
artige  Nekrobiosen  müssen  wir  heute  nach  den  Untersuchungen  der 
letzten  Jahre  (Jacoby)  als  autolytische  auffassen;  ja  wir 
müssen  in  der  höhergradigen  trüben  Schwellung,  sowie  in  der  fetti¬ 
gen  Degeneration  wesensverwandte,  nur  graduell  verschiedene  De- 
konstitutionsprozesse  des  Zellplasmas  erkennen.  Eine  Erweiterung 
unseres  Horizontes  muss  somit  dadurch  gegeben  sein,  wenn  wir  eine 
Reihe  von  Stoffen,  welche  erfahrungsgemäss  bei  künstlich  durch¬ 
geführter  Leberautolyse  auftreten,  auch  in  der  eklamptischen  Leber 
nachzuweisen  imstande  sind.  Von  diesen  Substanzen  Hessen  sich 
nun  in  den  kurz  post  exitum  verarbeiteten  Lebern  von  Eklamptischen 
isolieren:  Amidosäuren  (Leucin,  Tyrosin,  Glykokoll)  und  Fettsäuren 
(Milchsäure,  Ameisensäure,  Bernsteinsäure),  ferner  Lysin  und  Purin¬ 
basen.  Die  Vorgänge  in  der  Leber  sind  somit  als  partielle, 
autolytische  anzusprechen;  sie  treten  dadurch  in  Parallele  mit 
den  Ereignissen  bei  der  akuten  Atrophie,  teilweise  auch  mit  denen 
bei  der  Phosphorvergiftung.  Damit  sind  wir  allerdings  noch  nicht 
berechtigt,  irgend  eines  der  Stoffwechselprodukte  in  toxikologischer 
Beziehung  in  den  Vordergrund  zu  rücken;  nur  die  Gesamtheit  der 
Erscheinungen,  welche  auch  bei  den  anderen  schweren  hepatogenen 
Degenerationen  beobachtet  werden  und  auch  dort  auf  die  Gegen¬ 
wart  einer  bestimmten  Substanz  noch  nicht  bezogen  werden  können, 
ist  mit  denselben  in  Relation  gebracht. 

Derartige  autolytische  Phänomene  werden  nun  nach  den  Er¬ 
fahrungen  der  Pharmakologen  dann  ausgelöst,  wenn  im  Blute  Stoffe 
kreisen,  welche  die,  normalerweise  die  Wirkung  intrazellulärer  Fer¬ 
mente  hemmenden,  Faktoren  paralysieren.  Solche  Stoffe  sind  ganz 
allgemein  Globuline,  ferner  Fermentkörper,  welche  in  irgend  einer 
Weise  in  die  Blutbahn  gelangten. 

Nun  wissen  wir,  dass  die  Plazenta  hochaktive  Fermente  be¬ 
herbergt  (Hämolysine,  eiweissspaltende  Fermente  etc.).  Ein  Hinein¬ 
gelangen  grösserer  Fermentmengen  aus  derselben  in  die  materne  Zir¬ 
kulation  müsste  also  diejenigen  deletären  Erscheinungen  auslösen, 
welche  nach  dem  Einbringen  derartiger  Stoffe  in  den  Kreislauf  auf¬ 
treten  —  also  Zerstörung  roter  Blutkörperchen  mit  der  durch  deren 
Stromata  bedingten  Globulinvermehrung,  ferner  Hämoglobinämie  — , 
ferner  Fibrinvermehrung,  Hyperleukozytose,  Degenerationen  von 
Parenchymen,  Blutungen,  Gerinnungen. 

Dass  die  der  Plazenta  eigentümlichen  Fermente  diese  Wir¬ 
kungen  hervorbringen  können,  ist  experimentell  sichergestellt. 

Es  braucht  somit  durchaus  nicht  bei  der  Eklampsie  in  der  Pla¬ 
zenta  selbst  eine  besondere  „Giftproduktion“  stattzufinden,  wie  bis¬ 
her  immer  supponiert  wurde.  Nur  die  A  u  s  f  u  h  r  dieser,  der  Plazenta 
normalerweise  inhärierenden  Stoffe  ist  gesteigert  und  wirkt  auf  den 
maternen  Organismus  deletär;  und  zwar  entweder  direkt  —  im 
Sinne  der  Fermenteinwirkung  —  oder  indirekt,  indem  die  a  u  t  o  - 
lytischen  Prozesse  auftreten  und  im  Gefolge  dieser  abnorme 
Zwischenprodukte  zur  Wirkung  gelangen. 

Eine  Darstellung  des  Hergangs  der  Erkrankung  bei  der  Eklampsie 
müsste  somit  lauten: 

Etappe  I.  Plazenta  (agent  provocateur), 


1406 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  28. 


Etappe  II.  Herz,  Leber,  Niere  (Degenerationen,  auto¬ 
lytische  Prozesse). 

Etappe  III  (vielleicht  auch  gleichzeitig  teilweise  als  Etappe  II). 
Gehirn  prozesse. 

Eine  derartige  toxikologische  Gruppierung  macht  es  erklärlich, 
dass  nach  Ausschaltung  des  schürenden  Herdes  —  i.  e.  der  Plazenta 
die  Intoxikation  zurückgeht,  vorausgesetzt,  dass  noch  nicht  zu 
viel  von  dem  schädigenden  Agens  sich  an  die  giftempfindlichen  Zellen 
verankert  hat. 

Eine  Probe  ist  auch  dadurch  gegeben,  dass  die  bei  der  Leber¬ 
autolyse  sich  bildenden  Fettsäuren  in  der  Plazenta  bei  Eklampsie 
nachweisbar  sind;  sie  beherbergt  dieselben  nun,  wie  jedes  andere 
materne  Organ,  aber  vielleicht  in  relativ  grösserer  Menge,  da  sie  als 
„Giftfänger“  funktioniert. 

Für  die  Therapie  kommen  auf  Grund  dieser  Ausführungen  die 
Frühoperation,  die  möglichste  Vermeidung  des  Chloro¬ 
forms  bei  der  Narkose  in  Frage. 

Herr  v.  H  e  r  f  f  demonstriert  Kurven,  nach  denen  in  Basel  jähr¬ 
lich  6,8  Prom.  Ophthalmoblennorrhöen  in  der  Stadt  angezeigt  werden, 
von  diesen  entfallen  21,2  Prom.  auf  die  unehelichen  und  5,9  Prom. 
auf  die  ehelichen  Kinder  (Durchschnitt  von  10  Jahren). 

Die  Argentum-nitricum-Vorbeugung  im  Frauenspitale  erniedrigte 
die  Erkrankungsziffer  auf  2,6  Prom.,  davon  eheliche  Kinder  2,3  Prom., 
uneheliche  3,6  Prom. 

Die  Einführung  des  Protargols  brachte  eine  weitere  Besserung, 
dass  die  Zahl  der  Ophthalmoblennorrhöen  auf  0,6  Prom.  sank  — 
2  Spätinfektionen  bei  ehelichen  Kindern. 

Unter  Sophol  wurden  bislang  0,4  Prom.  Erkrankungen  re¬ 
gistriert,  d.  h.  eine  Frühinfektion  bei  einem  unehelichen  Kinde.  Seit 
Aufgabe  des  Argentum  nitricum  ist  bei  5900  Kindern  die  Zahl  der 
Erkrankungen  um  das  vierfache  vermindert  worden.  Sophol-  reizt 
weit  weniger  als  Argentum  aceticum. 

Herr  F  r  o  m  m  e  -  Halle  a.  S.:  Lieber  Diagnose  und  Therapie  des 
Puerperalfiebers. 

Bericht  über  bakteriologische  Blutuntersuchungen  bei  52  ver¬ 
schiedenen  Fiebererkrankungen  im  Wochenbette.  Bei  der  putriden 
Intoxikation  (Lochiometra,  28  Fälle)  ist  das  Blut  immer  steril  befun¬ 
den,  ebenso  bei  8  weiteren  Fällen,  die  unter  den  Zeichen  schwerster 
Infektion  erkrankten,  bei  denen  man  Streptokokken  beinahe  in  Rein¬ 
kultur  aus  dem  Uterus  züchten  konnte.  Alle  genasen  ohne  Einleitung 
einer  weiteren  Therapie.  Der  täglich  sich  ergebende  negative 
Ausfall  der  bateriologischen  Blutuntersuchung  bewies,  dass  die  In¬ 
fektion  auf  dem  Uterus  beschränkt  blieb,  dass  die  Bakterien  nicht  im¬ 
stande  waren,  aktiv  das  lebende  Gewebe  zu  überwinden,  der  negative 
Ausfall  der  bakteriologischen  Blutuntersuchung  erlaubte  also  auch 
die  Prognose  günstig  zu  stellen. 

Zwei  Fälle  von  Streptokokkenperitonitis  mit  Streptokokkämie 
kamen  trotz  frühzeitiger  Inzision  und  Drainage  zum  Exitus.  Ein  Fall 
von  Streptokokkämie  (in  2  ccm  Blut  120  Kolonien)  wurde  durch  wie¬ 
derholte  intravenöse  Einverleibung  von  Antistrepto¬ 
kokkenserum  Höchst  gerettet.  Empfehlung  dieser  Methode 
für  künftig  zur  Beobachtung  kommende  Fälle  von  Streptokokkämie. 
Ein  anderer  Fall  von  Streptokokkämie  kam  ohne  intravenöse  Gabe 
von  Serum  zum  Exitus.  Drei  Fälle  von  Puerperalfieber  mit  Staphylo- 
coccus  pyogenes  aureus  im  Blute  wurden  beobachtet,  zwei  davon 
starben,  ein  dritter  genas  (nach  Abort).  • 

Es  sind  also  streng  zu  trennen  die  Fälle  von  Puerperalfieber,  bei 
denen  die  Infektion  auf  den  Uterus  beschränkt  bleibt  und  die  Pa¬ 
tientin  nur  durch  Toxinämie  erkrankt,  die  einen  hohen  Grad  erreichen 
kann,  wenn  Streptokokken  dabei  im  Spiele  sind.  Sind  die  Bakterien 
nicht  im  Stande,  das  lebende  Gewebe  zu  überwinden,  und  in  Blut 
oder  Lymphe  progredient  zu  sein,  so  scheint  nach  Fr.s  Fällen  die 
Prognose  günstig. 

Anders,  wenn  die  Bakterien  ihre  hohe  Virulenz  für  das  Indi¬ 
viduum  dadurch  beweisen,  dass  sie  die  vom  Körper  ausgesandten 
Abwehrkräfte  überwinden,  und  in  Blut  oder  Lymphe  in  grösseren 
Mengen  kreisen  (reine  Septikämie,  puerperale  Peritonitis).  Dann 
ist  die  Prognose  dubiös,  nur  eine  spezifische  Kur  kann  eventuell 
retten. 

Zwischen  diesen  beiden  Erkrankungsformen  steht  die  puerperale 
Pyämie  und  die  Parametritis.  Bei  ersterer  können  in  manchen 
Fällen  Bakterien  im  Blute  gefunden  werden  (2  Fälle),  ist  aber  nicht 
unbedingt  notwendig  (1  Fall),  die  Prognose  scheint  bei  letzterem 
günstiger  zu  sein.  Keine  Bakterien  hat  Fr.  bei  Parametritis  im  Blute 
gefunden,  diese  hat  dabei  günstige  Prognose. 

Zum  Schluss  wird  nochmals  darauf  hingewiesen,  dass  die  bak¬ 
teriologische  Blutuntersuchung  künftig  in  allen  Fällen  von  Puer¬ 
peralfieber  gefordert  werden  muss. 

Herr  v.  H  e  r  f  f  warnt,  aus  einem  einzigen  Falle  Schlussfolge¬ 
rungen  für  die  Therapie  zu  ziehen.  Das  post  hoc  propter  hoc  müsse 
mit  grösster  Vorsicht  gerade  beim  Kindbettfieber  behandelt  werden. 
Anwesenheit  von  Streptokokken  im  Blute  bedeute  noch  lange  nicht 
den  Tod  und  so  kann  der  mitgeteilte  Fall  in  keiner  Weise  als  Be¬ 
weis  für  die  Wirksamkeit  des  angewandten  Serums  dienen. 

Herr  E.  K  e  h  r  e  r  -  Heidelberg:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Wirkung  der  Mutterkornpräparate.  Der  überlebende  Uterus 
als  Testobjekt  für  deren  Wirksamkeit. 

Kehrer  weist  unter  Demonstration  zahlreicher  Kurven  und 
Photographien  nach,  dass  alle  von  ihm  untersuchten  Ergotine  und 


ein  Teil  der  aus  der  Mutterkorndroge  dargestellten  pulverförmigen 
Substanzen  die  automatischen  Kontraktionen  des  vollkommen  vom 
umgebenden  Bindegewebe  und  seinen  Nerven  isolierten,  überlebend 
gehaltenen  Uterus  (Katze,  Kaninchen,  Meerschweinchen,  Hund, 
Mensch)  mehr  oder  weniger  lebhaft  anzuregen  vermögen. 

Eine  vollkommene  Uebereinstimmung  mit  diesen  Versuchen  zei¬ 
gen  die  am  lebenden  Tier  bei  einer  von  Kehrer  zuerst  angewen¬ 
deten  und  im  Diagramm  demonstrierten  Methode,  bei  der  ebenfalls 
der  Uterus  seine  Kontraktionen  selbständig  aufschreibt.  Daraus 
folgt,  dass  das  im  Secale  cornutum  wirksame  Prinzip  im  Wesent¬ 
lichen  einen  peripheren  Angriffspunkt  im  motorischen  Apparat  der 
Uterussubstanz  besitzen  muss. 

Die  Wirkung  intravenös  verabreichter  Mutterkornpräparate  auf 
den  Blutdruck  besteht  in  rapidem  Sinken,  wonach  bald  die  frühere 
Höhe  erreicht  oder  nach  oben  überschritten  wird.  Bei  intramus¬ 
kulärer  Injektion  ist  die  Blutdrucksenkung  gering,  ebenso  bei  intra¬ 
venöser  Einspritzung  der  reinsten  Mutterkornpräparate  (Ergotinin- 
Tanret,  Kornutin-Kobert,  Spasmotin-Jacoby,  Klavin-Vahlen). 

Der  überlebende  Uterus  ist  nach  Kehrer  das  beste  T  cst- 
objekt  für  die  Wirksamkeit  der  Mutterkornpräparate,  da  allen 
bisherigen  Wertbestimmungsmethoden  (Hahnenkammwirkung,  Abort¬ 
eintritt)  zahlreiche  Fehler  anhaften.  Als  „Einheit“  bezeichnet  Keh¬ 
rer  die  minimale  wirksame  Dosis  von  frischem  Mutterkorninfus: 
1  cgr  zugegeben  zu  200  ccm  der  das  Uteruspräparat  tragenden  R  i  n  - 
g  e  r  sehen  Flüssigkeitverdünnung  von  1  :  20  000.  Im  Vergleich  dazu 
wurde  die  Wirksamkeit  von  27  Mutterkornpräparaten  und  für  jedes 
derselben  die  therapeutische  Dosis  bestimmt.  Die  am  stärksten  wir¬ 
kenden  Präparate  (Verdünnung  von  1  :2  Million  sind  Ergotin  Wer- 
nich,  Denzel,  Bonjean  und  Sekakornin.  Nur  die  Nebennierenpräparate 
sind,  auf  den  Uterus  noch  wirksamer:  nämlich  bei  einer  zwischen 
1  :  10  und  1  :  100  Million  gelegenen  Verdünnung. 

Von  den  das  wirksame  Prinzip  angeblich  am  reinsten  enthalten¬ 
den  Präparaten:  Kornutin,  Ergotinin,  Spasmotin,  Klavin  besitzen  die 
3  ersten  nicht  die  intensivste,  das  letzte  fast  gar  keine  Wirkung 
auf  den  Uterus  —  daher  muss  sehr  wahrscheinlich  bei  der  Darstellung 
derselben  ein  mehr  oder  wenig  grosser  Teil  der  wirksamen  Bestand¬ 
teile  verloren  gegangen  sein. 

Herr  E.  Kehrer  demonstriert  den  Einflüss  von  kleinen  und 
grossen  Dosen  von  Morphium,  Skopolamin,  Stovain  auf  die  auto¬ 
matischen  Kontraktionen  des  überlebenden  und  lebenden  Uterus  der 
Katze  und  Kaninchen  (intravenöse  und  intramuskuläre  Injektion).  Die 
3  Narkotika  wirken  in  kleinen  Dosen  leicht  erregend,  in  hohen  Dosen 
lähmend  auf  die  Zusammenziehungen  der  Uterusmuskulatur  eifi.  Auch 
bei  einem  menschlichen  Uterus  erfolgte  durch  Skopolamin  geringe 
Erregung.  In  allen  Fällen  war  der  Effekt  auf  den  Uterus  ganz  be¬ 
deutend  schwächer  als  wenn  Mutterkorn-,  Hydrastin-,  Kotanin- 
präparate,  Chinin,  Pilokarpin,  Strophantin  usw.  verabreicht  worden 
wären.  Ein  Einfluss  der  zur  Lumbalanästhesie  injizierten  Narkotika 
auf  die  Gebärmutter  ist  nicht  anzunehmen.  Mit  den  Versuchen  stimmt 
die  praktische  Erfahrung  bei  Gebärenden,  dass  ganz  kleine  Morphin¬ 
dosen  die  Wehen  anzuregen,  grössere  sie  zum  Stillstand  zu  bringen 
pflegen;  die  öfters  beobachtete  hemmende  Wirkung  bei  der  Narkose 
mit  Skopolamin-Morphin  beruht  nach  Kehrer  wahrscheinlich  auf 
dem  Morphin. 

Herr  G  a  u  s  s  -  Freiburg  i.  Br.:  Zur  Diätetik  des  Wochenbettes. 

An  der  K  r  ö  n  i  g  sehen  Klinik  sind  die  in  Deutschland  durch 
Kästner  empfohlenen  Versuche  des  Friihaufstehens  der  Wöchne¬ 
rinnen  seit  1%  Jahren  wieder  aufgenommen  und  mit  erweiterten 
Indikationen  praktisch  durchgeführt.  Anämie,  Schwäche,  Herzfehler, 
Varizen,  bestehende  oder  befürchtete  Infektion  wurden  als  strenge 
Anzeige  betrachtet,  die  Patienten  so  früh  als  möglich  ausser  Bett  zu 
bringen;  gesunden  Wöchnerinnen  wurde  die  Zeit  des  Aufstehens  frei¬ 
gestellt.  Die  gesunde  Körperbewegung  wurde,  besonders  bei  man¬ 
chen  Frauen,  die  eine  Gegenanzeige  zum  Frtihaufstehen  hatten,  durch 
frühzeitige  gymnastische  Uebungen  im  Bett  ersetzt. 

Von  den  in  lVa  Jahren  entbundenen  1000  Frauen  standen  62  Proz. 
bis  zum  5.,  41  Proz.  bis  zum  3.  Wochenbettstag  auf,  92  Proz.  wurden 
spontan,  8  Proz.  operativ  entbunden.  10  Frauen  starben:  5  an  akuter 
Anämie,  2  an  Eklampsie,  3  an  akuter  Sepsis;  von  den  3  Septischen 
waren  2  ausserhalb  infiziert,  1  starb  1  Tag  nach  einer  intra  partum 
vorgenommenen  abdominellen  Myomotomie  an  Operationsperitonitis. 

Das  subjektive  Wohlbefinden  der  Frühaufsteher  war  durchweg 
entschieden  besser  als  das  der  Spätaufgestandenen ;  spontane  De- 
fäkation  und  Urinentleerung  waren  erleichtert. 

Das  Stillvermögen  der  bis  zum  5.  Tag  aufgestandenen  afebrilen 
Wöchnerinnen  war  bei  weitem  grösser  als  das  der  afebrilen,  nach 
dem  5.  Tag  aufstehenden,  eine  Tatsache,  die  für  die  Steigerung  der 
Milchproduktion  ganz  neue  Perspektiven  bietet. 

Die  Involution  der  Bauchdecken  liess  nichts  zu  wünschen  übrig; 
sowohl  bei  der  Entlassung  aus  der  Klinik  als  bei  späteren  Kontroll- 
untersuchungen  (6  Wochen  bis  1  Jahr)  wurden  gute  Resultate  notiert. 
Diejenigen,  die  gymnastische  Uebungen  gemacht  hatten,  zeigten 
festere  und  straffere  Bauchdecken  als  die  anderen.  Demgegenüber 
fiel  das  häufige  Vorkommen  ausgesprochen  schlaffer  Bauchdecken 
bei  solchen  Sekundiparen  auf,  die  beidemal  kein  kurzes  Wochen¬ 
bett  durchgemacht  hatten. 

Die  Rückbildung  der  Vagina  zeigte  gleich  günstige  Verhältnisse. 
Unter  den  nach  Verlauf  eines  Jahres  .nachkontrollierten  Primiparen 


).  Juli  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1407 


anden  sich  zwei  mit  Prolaps:  beide  waren  nicht  früh  aufgestanden 
md  hatten  keine  Gymnastik  im  Bett  getrieben. 

Primäre  (schon  nach  2  Wochen  p.  p.  konstatierte)  Retroflexio 
iteri  war  viel  häufiger  bei  den  Früh-  als  bei  den  Spätaufstehern, 
ibenso  verhielt  es  sich  mit  der  sekundären  (nicht  vor  6  Wochen 
>.  p.  konstatierten)  Retroflexio  uteri,  für  die  hauptsächlich  die  Mehr- 
.  .ebärenden  ein  grosses  Kontingent  stellten,  ausserdem  besonders 
I  wkundiparae,  die  irn  ersten  und  zweiten  Wochenbett  nicht  früh 
ufgestanden  waren. 

Vergleichende  Pulsbeobachtungen  Hessen  keinerlei  Schädigungen 
!er  Herzfunktionen  erkennen.  Im  Gegenteil  zeigte  sich  die  auffällige 
;  atsache,  dass  keine  der  8  von  Thrombose  und  Embolie  betroffenen 
i  Wöchnerinnen  (auch  der  afebrilen!)  vor  dem  6.  Tage  p.  p.  auf- 

estanden  war. 

Die  wichtigsten  Resultate  zeitigte  das  Friihaufstehen  der  Wöch- 
erinnen  für  die  Frage  der  Morbidität.  Je  früher  die  Frauen  das 
Jett  verliessen,  desto  seltener  wurde  Fieber  beobachtet;  ja  die 
/lorbidität  der  Frühaufsteher  zuzüglich  der  Frauen,  die  nicht  auf- 
tanden,  weil  sie  in  den  ersten  3  Tagen  Fieber  hatten,  zeigte  sich  auf- 
illig  viel  besser  als  die  der  Spätaufsteher.  Vergleichszahlen  aus  den 
ahren,  in  denen  alle  Wöchnerinnen  erst  nach  dem  5.  Tage  aufstanden, 
rhärten  dieses  Resultat. 

Alles  in  allem  lassen  sich  aus  den  —  ausführlich  an  anderem 
)rte  publizierten  —  Beobachtungen  interessante  Schlüsse  ableiten, 
ie  für  die  zukünftige  Wochenbettsdiätetik  von  grosser  Bedeutung 

ein  können. 

Herr  Th.  H.  van  de  Velde:  Ueber  Blastomyzeten  und  Ent- 
iindungen  der  weiblichen  Genitalien. 

Van  de  Velde  berichtet  über  77  Fälle  von  Entzündungen  ver¬ 
miedener  Teile  des  weiblichen  Genitälapparates,  bei  welchen  er 
likroskopisch  und  kulturell  Blastomyzeten  nachgewiesen  hat.  Die 
ausalverbindung  zwischen  der  Anwesenheit  der  manchmal  in  Rein- 
rultur,  oder  öfter  zusammen  mit  verschiedenen  Begleitbakterien, 

-  aber  dann  doch  in  überwiegender  Zahl  —  aufgefundenen  Hefen  und 
en  Entzündungen  wird  vom  Redner  wahrscheinlich  gemacht,  für 
lanche  Fälle  sogar  bewiesen. 

Die  Hefen  Hessen  sich  meistenteils  nur  in  wenigen  Generationen 
nd  in  einigen  Nährmedien  züchten,  in  24  Fällen  aber  gelang  es 
urch  fortgesetzte  Ueberimpfung  viele  der  Eigenschaften  der  be- 
•effenden  Organismen  festzustellen. 

Es  zeigte  sich  dabei  dass  13  unbekannte  Arten  gefunden  wurden, 
on  denen  Van  de  Velde  9  in  Gelatinestichkulturen,  zusammen 
nt  einer  grossen  Anzahl  von  Mikrophotogrammen  dem  Kongresse 
sigt. 

Die  grösste  Zahl  der  Fälle  bezieht  sich  auf  heftiges  Jucken,  und 
berflüssigen,  graugelben,  schleimig-eitrigen  Ausfluss  verursachende, 
Rute  Entzündungen  der  Schleimhaut  des  Zervikalkanals,  der  Vagina 
nd  der  Vulva.  In  9  dieser  Fälle  wurde  das  zu  Scheidenaus- 
pritzungen  benützte  Wasser  als  Ueberträger  der  Blastomyzeten- 
5  ifektion  nachgewiesen,  2  mal  zog  sich  der  betreffende  Ehemann  eine 
alanitis  mit  kleinen  Pusteln  zu,  welche  die  Hefen  in  Reinkultur 
ithielten. 


Das  Bestehen  einer  chronischen  Gonorrhöe  scheint  das  Zustande¬ 
kommen  einer  Blastomyzeteninfektion  zu  begünstigen.  Denn  diese 
htztere  trat  bei  gonorrhöakranken  Frauen  bemerkenswert  oft  auf, 
jerursachte  eine,  immer  ziemlich  heftige,  akute  Verschlimmerung- 
US  Ausflusses  mit  belästigenden  Symptomen  und  bisweilen  auch  all- 
pmeines  Unwohlsein,  schien  aber  auf  das  ursprüngliche  Leiden  einen 
lehr  oder  weniger  günstigen  Einfluss  auszuüben. 

Redner  erwähnt  weiter  noch  den  Hefenbefund  bei  Schwangeren, 
e  von  ihm  wahrgenommenen  Vulvitides  bei  Kindern  und  jungen 
ädchen,  das  Auffinden  von  Hefen  in  Reinkultur  in  Zysten  der  Glan- 
|da  Bartholini,  in  einer  mit  miliären  Abszessen  durchsetzten,  chro- 
j  sch-septischen  Gebärmutter  und  im  eingedickten  Eiter  in  2  Fällen 
hn  Saktosalpinx.  Er  betont  dabei  das  pseudotuberkulöse  Aussehen 
prselben  und.  weist  in  Verbindung  damit  auch  hin  auf  den  klinisch 
pd  pathologisch-anatomisch  stark  an  Tuberkulose  erinnernden  Aspekt 
nes  von  ihm  untersuchten  Falles  von  Nierenblastomykose. 

Nachdem  er  noch  einen  sehr  interessanten  Fall  von  rezidivieren- 
pr  Mastitis  mit  Hefen  in  Reinkultur  mitgeteilt  hat,  schliesst  Van  de 
|  e  1  d  e  seinen  Vortrag  mit  der  Erwähnung  von  4  Fällen  von  Blasto- 
yzetensepsis,  in  welchen  diese  Mikroorganismen  in  dem  der  Armvene 
ltnommenen  Blute  mikroskopisch  und  kulturell  nachgewiesen 
urden. 

Hen  Birnbaum -Göttingen:  Die  Erkennung  und  Behandlung 
:r  weiblichen  Urogenitaltuberkulose  mit  den  K  o  c  h  sehen  Tuber- 
ilinpräparaten. 

ln  der  Göttinger  Frauenklinik  wurde  in  den  letzten  4  Jahren 
;i  über  80  Fällen  die  diagnostische  Tuberkulinprobe  angestellt, 
arunter  befindet  sich  eine  ganze  Reihe  von  Fällen,  die  ätiologisch 
nst  wohl  entweder  unklar  geblieben  oder  die  sogar  sonst  sicher 
Isch  gedeutet  wären.  In  keinem  der  Fälle  hat  die  positive  oder 
gative  Reaktion  direkt  getäuscht.  In  ganz  vereinzelten  Fällen  blieb 
2  Diagnose  infolge  geringer  Intensität  der  Reaktion  zweifelhaft, 
^soliderer  Wert  ist  auf  den  Eintritt  der  lokalen  Reaktion  zu  legen, 

2  sowohl  bei  frischeren  als  auch  älteren  Prozessen  fast  ausnahms- 
I  eintritt.  Eine  Verschleppung  der  Tuberkulose  resp.  eine  Ver- 
hlimmerung  des  tuberkulösen  Prozesses  wurde  niemals  beobachtet. 

,  lerapeutisch  wurden  die  Tuberkulinpräparate  (Alt-  und  Neutuber- 


kulin)  in  23  Fällen  von  Urogenitaltuberkulose  angewandt.  Hand  in 
Hand  mit  den  Injektionen  ging  eine  ZAveckentsprechende  hygienisch- 
diätetische  Behandlung. 

Von  Peritonealtuberkulose  mit  Aszites  wurden  7  Fälle  be¬ 
handelt.  Davon  sind  3  Fälle  zur  Ausheilung  gekommen. 

Von  7  Fällen  von  trockener  Peritonealtuberkulose  sind  5  Fälle 
anscheinend  geheilt.  Von  den  Fällen,  bei  denen  im  Vordergründe 
der  Erkrankung  eine  Adnextuberkulose,  ein  tuberkulöses  Exsu¬ 
dat  usw.  stand,  wurden  anscheinend  geheilt  3  Fälle,  1  Fall  ist  in 
Ausheilung  begriffen  und  bei  dem  5.  Fall  trat,  nachdem  der  Prozess 
ein  Jahr  lang  zum  Ausheilen  gekommen  zu  sein  schien,  ein  Re¬ 
zidiv  auf.  Zur  letzten  Gruppe  gehören  die  Fälle  von  vorwiegend 
Blasentuberkulose.  Mehrfach  bestand  gleichzeitig  Nierentuberkulose. 

1  Von  4  hierher  gehörenden  Fällen  trat  einmal  sichere  Heilung  ein, 
ein  Fall  ist  anscheinend  in  Ausheilung  begriffen,  bei  den  übrigen 
beiden  Fällen  wmrde  nur  eine  erhebliche  Besserung  erzielt.  Bei  fast 
allen  mit  Tuberkulin  behandelten  Fällen  trat  eine  erhebliche  Gewichts¬ 
zunahme  und  auffallende  schnelle  Hebung  des  Allgemeinbefindens  ein. 
Eine  Vorbedingung  für  den  günstigen  Verlauf  einer  Tuberkulinkur  ist 
ein  noch  günstiges  Allgemeinbefinden  und  für  gewöhnlich  Fieberlosig- 
keit  des  betreffenden  Falles.  Schliesslich  ist  eine  weitere  Voraus¬ 
setzung  für  gute  Dauerresultate  die  von  Petruschky  für  die 
Lungentuberkulose  empfohlene  Etappenkur.  Zuweilen  erweist  sich 
die  Kombination  beider  Tuberkulinpräparate  als  vorteilhaft. 

(Gekürztes  Autoreferat.) 

Herr  B  ü  1 1  n  e  r  -  Rostock:  Zur  Kryoskopie  des  Harnes  in  der 
Schwangerschaft. 

B.  untersuchte  den  ohne  Verlust  gesammelten  Harn  einer  ge¬ 
sunden  Primigravida  täglich  während  der  letzten  33  Wochen  der 
Schwangerschaft  auf  Menge,  Gefrierpunkt  und  Chloridgehalt  und  de¬ 
monstriert  die  entsprechenden  Kurven.  Diese  zeigen,  dass  die  Ge¬ 
samtmenge  der  ausgeschiedenen  löslichen  Stoffe  im  Laufe, der  Schwan¬ 
gerschaft  geringer  wird  und  zwar  betrifft  die  Minderausscheidung 
hauptsächlich  die  Achloride  (Harnstoff,  Urate,  Phosphate,  Sulfate  etc.), 
also  die  Produkte  der  regressiven  Eiweissmetamorphose.  Auf  die 
Zeit  des  stärksten  Abfalles  der  Achloridkurve  folgt  unmittelbar  die 
schnellste  Gewichtszunahme  der  untersuchten  Person.  B.  glaubt 
aus  der  ganzen  Untersuchungsreihe  den  Schluss  ziehen  zu  dürfen, 
dass  —  im  Gegensatz  zu  den  Beobachtungen  an  Tieren  —  beim 
menschlichen  Weibe  in  der  Schwangerschaft  schon  früh  die  Tendenz 
einer  Sparsamkeit  im  Eiweisshaushalte  auftritt.  Natürlich  könnte 
die  Entscheidung  der  Frage  erst  durch  exakte  Stoffwechselunter¬ 
suchungen  gegeben  werden.  Immerhin  aber  sei  eine  vorläufige 
Orientierung  auch  durch  kryoskopische  Harnuntersuchungen  möglich, 
vorausgesetzt,  dass  diese  über  lange  Zeiträume  ausgedehnt  werden. 

Herr  Ziegenspeck  -  München :  Zur  Stillungsfrage. 

Z.  entwarft  einen  kurzen  historischen  Ueberblick  auf  das  Stillen 
der  Mütter  in  Deutschland  und  den  Nachbarländern.  Insbesondere 
weist  er  auf  die  grosse  Arbeit  Roses  hin,  in  der  an  der  Hand  sehr 
grosser  Zahlen  die  Bedeutung  der  Muttermilch  für  die  Kinder  und  das 
Menschengeschlecht  überhaupt  nachgewiesen  wird.  Aus  dieser  Unter¬ 
suchung  Roses  geht  weiter  hervor,  dass  auf  die  Entwicklung  der 
Zähne  ein  grosser  Einfluss  besteht,  je  nachdem  die  Kinder  gestillt 
wurden  oder  nicht.  Ja  noch  mehr:  sogar  für  die  Entwicklung  der 
geistigen  Fähigkeiten  ist  ein  Zusammenhang  zu  eruieren.  Stillen  oder 
Nichtstillen  ist  geradezu  eine  nationale  Frage.  An  der  Förderung  der 
Ueberzeugung,  dass  alle  Mütter  stillen  müssen  und  können,  sollen 
alle  Kreise  arbeiten.  Auf  einige  Punkte  wird  besonders  aufmerksam 
gemacht.  Manche  Mutterbrust  geht  schwer.  Wenn  ein  kleines  Kind 
zu  schwach  ist  für  eine  solche  Brust,  dann  muss  es  an  eine  leicht¬ 
gehende  gebracht  werden.  Für  eine  Mahlzeit  ist  immer  eine  Brust 
zu  verwenden.  Die  Pausen  zwischen  den  Nahrungsaufnahmen  sollen 
4  Stunden  betragen.  Die  Legende,  dass  Stillen  die  Mutter  erschöpft, 
dürfte  jetzt  endgültig  widerlegt  sein.  Die  Belehrung  des  Volkes 
und  die  Vermehrung  der  Stillungsheime,  die  Ueberzeugung  jeder  ein¬ 
zelnen  Mutter,  dass  sie  zur  Ernährung  ihres  Kindes  verpflichtet  ist, 
werden  wohl  in  Zukunft  sichere  Besserung  bringen. 

Herr  R  a  u  s  c  h  e  r  -  Fr.eiburg:  Demonstration  eines  sehr  jungen 
menschlichen  Eies  in  situ. 

An  der  Hand  eines  Uebersichtsbildes  bespricht  R.  ausschliesslich 
die  für  die  Eiimplantation  sowie  für  die  Genese  und  Histologie  des 
Chorions  sich  ergebenden,  zum  Teil  durchaus  neuen  Gesichtspunkte: 

1.  Das  auf  nicht  ganz  10  Tage  geschätzte  Ei  ist  völlig  einge¬ 
kapselt.  Residuen  eines  narbigen  Verschlusses  sind  an  der  Eikapsc! 
nicht  befnerkbar. 

2.  In  der  Randdezidua  münden  vielfach  weite  mütterliche  Ge- 
fässe  in  die  Eikammer  ein.  Es  spricht  dies  für  einen  geregelten  Blut¬ 
kreislauf  innerhalb  des  intervillösen  Raumes  bereits  in  diesem  frühen 
Stadium. 

3.  Im  Bereich  der  Randdezidua  sieht  man  an  mehreren  Stellen 
seitlich  arrodierte  und  mit  der  Eikammer  in  offener  Kommunikation 
stehende  Drüsenausführungsgänge  —  ein  Beweis  für  das  parasitäre 
aktive  Vordringen  des  Eies,  genauer  der  das  Eisynzytium  bildenden 
Trophoblastzellen.  Dieses  sowie  die  allenthalben  sichtbare  leuko- 
zytäre  Infiltration  des  mütterlichen  Gewebes  spricht  zu  gunsten  des 
fötalen  Ursprunges  des  Synzytiums. 

4.  Die  Decidua  basalis  weist  mit  Blut  erfüllte,  weite  Driisen- 
holräume  auf.  Ihre  Entstehung  ist  so  zu  denken,  dass  die  Kommuni- 


1408 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2\ 


kation  seitlich  arrodierter  und  vom  intervillösen  Raum  her  mit  Blut 
gefüllter  Drüsen  mit  der  Eikammer  nachträglich  verloren  ging. 

K  e  i  b  e  1  schreibt  den  so  entstandenen  Drüsenhohlräumen  eine 
Bedeutung  für  die  Ernährung  des  Eies  zu. 

Herr  Höhne-Kiel  demonstriert  an  der  Hand  eines  ausge¬ 
zeichneten  Plattenmodells  seine  Ansicht  über  die  Entstehung  der  intra¬ 
muskulären  Abzweigungen  des  Tubenlumens.  Aus  dem  Modell  und 
den  mikroskopischen  Bildern  sieht  man  sehr  gut  Zusammenhang,  Bau 
und  Anordnung  dieser  Divertikel.  H.  erläutert  die  Entwicklung  dieser 
Gebilde  aus  Abszessen  innerhalb  der  Tubenwand,  die  in  deren  Dicke 
sich  ausbreiten  und  nachträglich  in  das  Tubenlumen  durchbrechen. 
Später  erst  wurden  sie  mit  kubischem  Epithel  ausgekleidet,  so  dass 
diese  Hohlräume  Drüsenschläuchen  ähnlich  sehen,  die  in  der  Tuben¬ 
wand  gewuchert  sind.  Den  Zusammenhang  dieser  Kanäle  unter¬ 
einander  und  mit  dem  Tubenlumen  erkennt  man  ebenfalls  deutlich 
durch  Injektion  von  Farbstoffen. 

Der  grösste  Teil  der  Tubendivertikel  entsteht  auf  diese  Art. 
Von  ihnen  sind  kongenitale,  die  nicht  zu  leugnen  sind,  vollständig  zu 
trennen.  Ausführl.  Arbeit:  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  74. 

Im  dritten  Teile  meines  Berichtes  über  den  Gynäkologenkon¬ 
gress  zu  Dresden  (Münch,  med.  Wochenschr.  No.  25)  ist  aus  Ver¬ 
sehen  der  Vortrag  von  Herrn  R  e  i  f  f  e  r  s  c  h  e  i  d  -  Bonn  in  un¬ 
vollständiger  Form  unter  die  Diskussionsbemerkungen  eingereiht 
worden.  Deshalb  mag  er  hier  nochmals  in  ungekürztem  Autoreferat 
abgedruckt  werden. 

Herr  Reifferscheid  -  Bonn :  Erfahrungen  mit  der  Heb¬ 
osteotomie. 

R.  berichtet  an  der  Hand  einer  den  Kongressteilnehmern  ge¬ 
druckt  vorliegenden  Tabelle  über  27  Hebosteotomien.  Von  den 
Frauen  starb  eine  am  5.  Tage  des  afebrilen  Wochenbettes  an 
Embolie,  alle  übrigen  konnten  geheilt  mit  gutem  Gehvermögen  ent¬ 
lassen  werden.  17  mal  wurde  die  subkutane  Schnittmethode,  10  mal 
die  Stichmethode  angewandt.  3  Blasenverletzungen  kamen  vor,  alle 
bei  Anwendung  der  Stichmethode.  Sicher  vermeiden  lassen  sich 
Blasenverletzungen  nur  bei  dem  Operationsverfahren  von  Döder- 
1  e  i  n,  nicht  bei  der  Stichmethode,  gleichgültig,  welche  Nadel  man 
dazu  benutzen  mag.  Zur  Vermeidung  kommunizierender  Scheiden¬ 
verletzungen  sind  grosse  Scheidendamminzisionen  bei  engen  Geni¬ 
talien  notwendig,  ferner  ist  es  von  grösster  Wichtigkeit,  wenn  mög¬ 
lich  nach  Zweifels  Vorschlag  die  Geburt  spontan  verlaufen  zu 
lassen. 

Die  Hebosteotomie  ist  in  der  Therapie  des  engen  Beckens  eine 
unentbehrliche  Operation  geworden.  Sie  ist  bis  zu  einer  Conj.  vera. 
von  6,75  bezw.  6,5  cm  anwendbar.  Ihr  Wert  liegt  in  erster  Linie 
darin,  dass  sie  es  uns  ermöglicht,  auch  beim  engen  Becken  ab¬ 
wartend  zu  verfahren  und  erst  dann  einzugreifen,  wenn  der  Geburts¬ 
verlauf  lehrt,  dass  eine  Spontangeburt  ausgeschlossen  ist. 

Aber  die  Hebosteotomie  ist  keine  Operation  des  praktischen 
Arztes,  da  zur  Bekämpfung  der  möglichen  Komplikationen  spezia- 
listische  Kenntnisse  und  Uebung  notwendig  sind.  Sie  soll  in  der 
Regel  auch  nur  in  einem  Krankenhause  vorgenommen  werden,  wo  die 
nötige  Assistenz  und  alle  Hilfsmittel  jederzeit  zur  Stelle  sind.  Kon¬ 
sequent  wäre  es  demnach,  die  Geburtsleitung  beim  engen  Becken 
überhaupt  dem  Krankenhausarzt  vorzubehalten.  Solange  das  nicht 
durchführbar  ist,  bleibt  in  der  Praxis  die  künstliche  Frühgeburt  in 
ihrem  Recht.  Der  konsequenten  Durchführung  der  Hebosteotomie 
setzt  sich  ferner  oft  der  Wille  der  Gebärenden  entgegen,  der  vom 
Arzte  stets  geachtet  werden  muss. 

Zweimal  wurden  spätere  Geburten  nach  Hebosteotomie  be¬ 
obachtet.  Einmal  wurde  durch  Wendung  und  Extraktion  ein  leben¬ 
des  Kind  erzielt,  das  andere  Mal  kam  es  zur  Spontangeburt  eines 
lebenden  Kindes.  Die  Kinder  waren  610  bezw.  400  g  leichter  als 
die  Hebosteotomiekinder.  In  beiden  Fällen  waren  die  Knochenränder 
noch  verschieblich  und  man  konnte  eine  Auflockerung  der  rein  binde¬ 
gewebigen  Narbe  während  der  Schwangerschaft  beobachten.  Es  ist 
also  die  Möglichkeit  einer  dauernden  Erweiterung  des  Beckens 
auch  nach  der  Hebosteotomie  vorhanden.  Die  Fälle  sind  so  zu  er¬ 
klären,  dass  von  dem  umgebenden  Gewebe  etwas  sich  in  den 
Knochenspalt  eingeklemmt  hat  und  so  die  knöcherne  Vereinigung  ver¬ 
hindert  hat.  Darauf  Hesse  sich  der  therapeutische  Vorschlag  auf¬ 
bauen,  zur  Erzielung  einer  dauernden  Beckenerweiterung  zu  ver¬ 
suchen,  operativ  etwas  Gewebe  zwischenzulegen,  wie  das  die  Chirur¬ 
gen  tun,  wenn  sie  ankylotische  Gelenke  resezieren  und  einen  Muskel¬ 
lappen  zwischenlegen,  um  ein  bewegliches  Gelenk  zu  erzielen. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  26.  Juni  1907. 

Demonstrationen: 

Herr  Westenhoeffer:  Präparate  eines  Falles  von  malignem 
Lymphom  mit  geringer  Vermehrung  der  Leukozyten,  der  durch  Ver¬ 
blutung  aus  einer  lymphomatös  entarteten  Stelle  des  Magens  geendet 
hatte. 

Ein  grosses  Encliondrom  der  Rippen;  Einbruch  in  die  Leber. 
Herr  E.  May:  Kaninchenmägen,  auf  welchen  das  kürzlich  von 


G.  Klemperer  gegen  Magenblutisng  empfohlene  Escalin  (Au 
schwemmung  von  Aluminium  in  Glyzerin)  in  feinster,  gleichmässige 
Verteilung  zu  sehen  ist.  Das  Escalin  hat  sich  auf  Klemperer 
Abteilung  auch  in  10  weiteren  Fällen  von  Magenblutung  sehr  gi 
bewährt;  Einzeldosis  10  g  (Preis  M.  1.50),  eine,  höchstens  zwi 
genügen. 

Herr  Mainzer:  Eine  Anzahl  von  Uteri,  die  wegen  Karzi 
noms  mit  den  Adnexen  nach  dem  Vorgänge  von  W.  A.  Freun 
per  laparotomiam  entfernt  wurden  und  die  grosse  Ueberlegenhei 
weil  weit  grössere  Sicherheit  dieses  Verfahrens  gegenüber  der  Ent 
fernung  auf  vaginalem  Wege  dartun. 

Herr  Ewald:  Zu  der  in  der  letzten  Sitzung  von  Herrn  Blum 
b  e  r  g  gemachten  kurzen  Mitteilung  betr.  eines  Untersuchungsver 
fahrens  bei  Appendizitis  habe  er  nachzutragen,  dass  sein  da 
mals  von  ihm  erwähnter  Patient  inzwischen  operiert  worden  ist 
es  fand  sich  Injektion  der  Gefässe  des  Peritoneums,  aber  kein  Eitei 
(Zu  der  Mitteilung  des  Herrn  Bl.  hatte  ich  den  Zusatz  gemacht,  das 
seine  Untersuchungsmethode  nicht  neu  sei.  Herr  Bl.  teilt  mir  deshal 
mit,  dass  er  das  neue  seiner  Methode  nicht  darin  erblickt  wisse 
wolle,  dass  man  die  untersuchende  eindrückende  Hand  plötzlich  vor 
Abdomen  abhebt,  sondern  darin,  dass  man  den  hiebei  entstehende 
Schmerz  vergleiche  mit  dem  beim  zumeist  geübten  Verfahren  de 
einfachen  Eindrückens  mit  der  Hand  entstehenden  Schmerz,  ferne 
in  den  daraus  gezogenen  Schlüssen.  Ref.) 

Tagesordnung: 

Herr  Jakoby:  Ein  Zystoskop  zur  steroskopischen  Auf 
nähme  des  Blaseninnern. 

Eine  Anzahl  von  stereoskopischen  Photogrammen  erläutert 
die  Leistungsfähigkeit  dieses  von  Herrn  J.  konstruierten  Ap¬ 
parates,  der  besonders  dem  Anfänger  die  Deutung  zystoskopi- 
scher  Befunde  erleichtern  soll. 

Di  s  k  u  s  s  i  o  n :  Die  Herren  K  u  t  n  e  r,  R  i  n  g  1  e  b,  E.  R.  W 
Frank  bemängeln  die  physikalischen  Voraussetzungen  des  Appa 
rates  und  meinen,  dass  N  i  t  z  e  nach  reiflicher  Erwägung  von  einen 
stereoskopischen  Zystoskop  Abstand  genommen  habe.  Herr  Ja¬ 
koby  weist  diese  Bedenken  zurück. 

Herr  N  ie  m  a  n  n:  Ueber  Buttermilchernährung  der  Säug¬ 
linge. 

An  einer  grossen  Zahl  von  kranken  Kindern  hatte  Vortr 
und  Ritter  die  Buttermilchernährung  (1  Liter  Buttermilch. 
15  g  Weizenmehl,  60  g  Rohrzucker,  mehrmals  aufgekocht)  an¬ 
gewendet  und  damit  sehr  gute  Resultate  erzielt;  auch  zur  ge¬ 
mischten  Ernährung  mit  der  Brust  und  endlich  zur  Entwöhnung 
eignet  sich  das  Verfahren.  Vorbedingung  ist  tadellose  Butter¬ 
milch,  wie  sie  nur  in  grossen  Meiereien  zu  haben  ist. 

Diskussion:  Herr  Cassel  und  Herr  J  a  p  h  a  bestätigen 
im  Ganzen  diese  Ansichten  aus  eigener  Erfahrung;  doch  ist  natürlich 
auch  für  diese  Ernährung  die  geeignete  Auswahl  zu  treffen  und 
manchmal  zu  anderen  Methoden,  besonders  zur  Brust  überzugehen. 

Hans  K  o  h  n. 


Acrztlicher  Bezirksvcroin  zu  Erlangen. 

(Bericht  des  Vereins.) 

159.  Sitzung  vom  15.  Mai  1907. 

Herr  Kreuter  bespricht  1.  einen  Fall  von  glücklich  operierter 
f  r  e  i  t  z  scher  Hernie,  der  lleuserscheinungen  gemacht  hatte  und  er¬ 
läutert  die  .anatomischen  Verhältnisse  dieser  Hermenbildung. 

2.  Derselbe  demonstriert  2  Patienten  mit  Zungenulzerationen,  von 
denen  das  eine  syphilitischer,  das  andere  tuberkulöser  Natur  ist  und 
bespricht  3.  einen  Fall  von  strikturierendem  Kolonkarzinom  mit  hoch¬ 
gradiger  Dickdarmdehnung,  4.  eine  Beobachtung  von  Chondrosarkom 
des  Oberschenkels,  das  die  Exartikulation  veranlasst  hatte.  In  dem 
betreffenden  Fall  zeigt  das  aufgesägte  Knochenpräparat  (Demon¬ 
stration  Prof.  Hauser)  fast  die  ganze  Markhöhle  vom  Schenkelhals 
bis  zur  Trochlea  herab  mit  Geschwulstmassen  infiltriert;  5.  ein  Prä¬ 
parat  von  chronischer  Osteomyelitis  der  Tibia  mit  fast  totaler 
Obliteration  der  Mark  höhle. 

Herr  Zacharias  bespricht  einen  Fall  von  Kaiserschnitt  an 
einer  Moribunden,  der  wegen  apoplektischen  Insultes  vorgenommen 
wurde.  Demonstration  des  betr.  Gehirns  (Herr  Merkel)  das 
entsprechend  dem  klinischen  Befund  einen  älteren  rechtsseitigen  und 
einen  ganz  frischen  linksseitigen  Blutungsherd  aufweist. 

Herr  Merkel  demonstriert  ein  weiteres  Gehirnpräparat  mit 
enormem,  rechtsseitigen  Blutungsherd;  das  Präparat  (Gehirn  erst  nach 
der  Härtung  frontal  zerlegt!)  ?eigt  die  enorme  Massenzunahme  der 
rechten  Hemisphäre  und  die  Verdrängung  des  Ventrikelseptums  nach 
der  linken  Seite  hinüber. 

Derselbe  bespricht  und  demonstriert  die  Präparate  bei  einem 
Fall  von  tiefsitzendem  Rektumkarzinom,  das  wegen  breitem  Ueber- 
gang  nach  dem  Beckenbindegewebe  inoperabel  war;  bei  demselben 
Pat.  fand  sich  noch  Ecchinoccccus  multilocularis  des  linken  Leber¬ 
lappens  sowie  ein  umschriebenes,  zentral  ulzeriertes  Zungenkarzinom. 
Das  letztere  ist  durch  die  histologische  Untersuchung  als  selbst- 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1409 


ständiges,  vom  Darmkrebs  unabhängiges  zweites  Karzinom  fest¬ 
gestellt  und  hat  keine  Metastasen  gesetzt,  während  das  Rektum¬ 
karzinom  zu  ausgedehnten  Lungenmetastasen  geführt  hatte,  die 
histologisch  völlige  Uebereinstimmung  mit  dem  Bau  des  Darin- 
karzinoms  (Care,  adenomatosum)  zeigten. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  25.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  D  e  n  e  k  e. 

Demonstrationen: 

Herr  Plaut  demonstriert:  1.  Spirochäten  in  Büschelform  nach 
der  Art  der  Qeisselzöpfe  mancher  Bakterien  in  grossen  Mengen 
aneinandergelagert. 

2.  Leprabazillen  in  einem  Leprom  der  Nase  (kleiner  Tumor  am 
linken  Nasenflügel,  lOjähr.  Neger  aus  Liberia).  Der  Nasenschleim 
war  frei  von  Bazillen  gewesen. 

Herr  Engelmann  gibt  die  dazu  nötigen  klinischen  Daten  und 
macht  auf  gewisse  Besonderheiten  des  Falles  aufmerksam. 

Herr  Andereya  demonstriert  einen  Soldaten,  der  einen  Suizid¬ 
versuch  gemacht  hat,  indem  er  sich  mit  Wasser  und  Platzpatrone  in 
den  Mund  schoss.  Der  Schuss  riss  den  linken  Oberkiefer,  den  harten 
Gaumen,  das  Septum  und  die  linke  Nasenhälfte  fort,  so  dass  ein 
enormer  Knochendefekt  resultierte,  an  dessen  Grunde  die  Keilbein¬ 
höhle  offen  liegt.  Es  gelang  durch  mehrere  plastische  Operationen 
die  Zerstörungen  zu  verkleinern.  Trotz  der  erheblichen  Zertrüm¬ 
merung  des  Schädelskelettes  ist  das  Gesicht  nicht  entstellt. 

Herr  Trömner  stellt  ein  Kind  vor,  das  eine  Poliomyelitis 
anterior  durchgemacht  hat,  die  3  Tage  nach  der  Impfung  die 
ersten  Symptome  machte.  Natürlich  wurde  von  den  Angehörigen 
die  voraufgegangene  Vakzination  als  Ursache  beschuldigt.  Eine  ge¬ 
naue  Analyse  des  Falles,  sowie  die  allgemeinen  Erfahrungen  über 
diese  Erkrankung  lassen  aber  mit  Sicherheit  jeden  Kausalnexus  ver¬ 
missen. 

Herr  K  ö  n  i  g  -  Altona  zeigt  ein  15  jähriges  Mädchen,  das  im 
Alter  von  1%  Jahren  wegen  Diphtheritis  tracheotomiert  wurde  und 
bei  dem  das  Decanulement  stets  misslang. 

Durch  chondroplastischen  Verschluss  der  Trachealfistel,  die 
König  ausgeführt  hat,  ist  die  Kranke  jetzt  geheilt  und  spricht  mit 
lauter,  normaler  Stimme.  Vortragender  erklärt  die  Inangriffnahme 
alter  Trachealfistel,  deren  spontaner  Verschluss  wegen  des  Verlustes 
der  vorderen  Trachealknorpel  ausgeblieben  ist,  für  besonders  dank¬ 
bar  und  erörtert  die  von  ihm  in  mehreren  Fällen  angewandte  und 
erprobte  Operationstechnik. 

Herr  Lenhartz  demonstriert  einen  Fall  von  orthostatischer 
Albuminurie.  Der  Fall  zeigt  die  klassischen  Kriterien  und  ist  dadurch 
bemerkenswert,  dass  der  Grad  der  Eiweissausscheidung  nach  Be¬ 
wegungen  ein  sehr  hoher  —  bis  12  Prom.  —  ist.  Dabei  befindet  sich 
der  robuste  und  gesund  aussehende  Mann  ausgezeichnet.  Die  unge¬ 
mein  schwierige  Entscheidung  über  die  Arbeitsfähigkeit  eines  solchen 
Mannes  möchte  L.  wenigstens  für  den  vorgestellten  Fall  bejahend 
fällen. 

Herr  Sa  eng  er:  1.  Fall  von  Hypophysentumor.  44  jährige 
Frau  erkrankt  mit  Sehstörung,  Vergesslichkeit,  Schwanken.  Es 
lassen  sich  totale  Amaurose  rechts  und  temporale  Hemianopsie  links 
konstatieren.  Dieser  Befund  führt  zur  Lokalisation  des  Tumors  an 
der  Basis  in  der  Gegend  des  Chiasma.  Die  darauf  angestellte  Rönt¬ 
genuntersuchung  bestätigt  das  Vorhandensein  eines  Tumors. 

2.  Fall  von  beginnender  Tabes  bei  einer  17  jährigen,  hereditär 
syphilitischen  Jungfrau.  Die  in  der  Entwicklung  zurückgebliebene 
Patientin  zeigt  reflektorische  Pupillenstarre,  fehlende  Sehnenreflexe. 
Hutchinson  sehe  Zähne. 

Herr  Rumpel  legt  ein  Gehirn  vor,  an  dem  sich  nur  an  einzelnen 
Stellen  eine  leichte  Verdickung  der  Pia  und  einige  zarte  Verwach¬ 
sungen  in  der  Gegend  der  Fossa  Sylvii  erkennen  lassen.  Das 
Gehirn  stammt  von  einem  19  jährigen  Manne,  der  einer  progredienten 
Phthise  erlag.  Derselbe  hatte  vor  9  Jahren  eine  klinisch  absolut 
sichergestellte  (Tuberkelnachweis  in  der  Spinalflüssigkeit)  tuber¬ 
kulöse  Meningitis  durchgemacht  und  war  von  derselben  genesen. 
Heilungen  bei  tuberkulöser  Meningitis  ^ind  ungemein  selten.  In  der 
Literatur  beträgt  die  Anzahl  der  berichteten  Fälle  nur  5.  R.  gibt 
einige  Ratschläge  betreffs  der  Behandlung.  Wiederholte  Spinalpunk¬ 
tion,  Bäder,  Ueberernährung  durch  Sondenfütterung,  Nährklystiere, 
subkutane  Ernährung  etc. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  J  o  1 1  a  s  s  e : 

Ueber  den  derzeitigen  Stand  der  Röntgendiagnose  bei  Magen¬ 
krankheiten. 

Herr  Schmilinsky  stimmt  darin  mit  dem  Vortr.  überein, 
dass  das  Röntgenverfahren  nur  die  Ergänzung  aller  anderen  klinischen 
Untersuchungsmethoden  sein  kann.  Diese  Ergänzung  ist  aber  doch 
nur  in  seltenen  Fällen  nötig.  Die  praktischen  Ergebnisse  der  Röntgen¬ 
diagnose  bei  Magenaffektionen  sind  sehr  gering  und  lohnen  kaum  die 
aufgewandte  Mühe  und  Kosten.  Eher  erwartet  Redner  noch  einen 
Erfolg  bei  Darmkrankheiten.  Sehr  angebracht  scheint  ihm  aber  die 
Warnung,  in  die  Bilder  nicht  allzuviel  hineinzulegen.  Nur  in  seltenen 


Fällen  kann  das  Röntgenverfahren  belehrend  und  aufklärend  wirken: 
dazu  rechnet  S.  den  Schrumpfmagen.  Auch  beim  Sanduhrmagen, 
sowie  zur  Kontrolle  des  Sitzes  des  Murphyknopfes  nach  Gastro- 
enterostomosen,  bei  Fremdkörpern  im  Oesophagus  wird  die  Me¬ 
thode  brauchbare  Resultate  geben. 

Herr  Lenhartz  äussert  sich  in  ähnlichem  Sinne.  Es  ist  ge¬ 
wiss  angebracht  und  wünschenswert,  die  Methode  weiter  auszu¬ 
bauen,  aber  bisher  sind  ihre  praktischen  Ergebnisse  gering  und  vor 
allem  nicht  einwandsfrei. 

Herr  K  ii  m  m  e  1 1  ist  im  Gegensatz  zu  den  beiden  Vorrednern  ein 
warmer  Freund  der  Röntgenmethode.  Prinzipiell  wird  durch  Rönt¬ 
genaufnahme  beim  Magenkarzinom  vor  der  Operation  der  Sitz  und 
die  Ausdehnung  des  Tumors  fixiert  und  dann  in  vivo  verglichen. 
K.  demonstriert  eine  grössere  Anzahl  karzinomatöser  Mägen  (teils 
durch  Resektion  operativ  gewonnene  Präparate,  teils  Sektionsbe¬ 
funde)  und  die  dazu  gehörigen  Röntgenbilder.  K.  ist  mit  Jo  Hasse 
der  Ansicht,  dass  die  Technik  in  den  3  Jahren  seit  der  Begründung 
der  Untersuchungsmethode  durch  Rieder  so  eminente  Fortschritte 
gemacht  hat,  dass  wir  dem  Idealziel:  möglichst  frühe  Erkennung 
des  Karzinoms  vielleicht  bald  näher  kommen. 

Herr  J  o  1 1  a  s  s  e  betont  in  seinem  Schlusswort,  dass  er  immer 
nur  den  relativen  Wert  der  Methode  hervorgehoben  habe.  Er 
möchte  diese  neue  Untersuchungsmethode  nicht  mehr  missen  und 
glaubt,  dass  das  bisher  gewonnene  Resultat  zum  weiteren  Ausbau 
der  Methode  einlädt.  J.  zeigt  dann  noch  Bilder  von  einem  Fall 
von  Oesophagusdivertikel.  Werner-  Hamburg. 

Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  23.  April  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Sudeck. 

Schriftführer:  Herr  Koerber. 

Herr  S  u  d  e  c  k  über  vorgetäuschte  Extrauteringravidität  durch 
Blutung  aus  einem  Follikel  gelegentlich  der  Ovulation.  Demon¬ 
stration  des  durch  Operation  gewonnenen  Präparates. 

Ein  in  Rückbildung  begriffenes  kleinkirschengrosses  Corpus 
luteum  war  zum  Teil  aus  seinem  Lager  in  der  Theka  herausgelöst; 
aus  diesem  Spalt  zwischen  dem  Corpus  luteum  und  der  fibrösen 
Schicht  der  Theka,  also  aus  der  inneren  gefässreichen  Thekaschicht, 
stammte  die  Blutung.  Die  meisten  in  der  Literatur  beschriebenen 
Blutungen  haben  ein  anderes  Aussehen,  da  die  Blutung  meistens  in 
den  Follikel  oder  das  Corpus  luteum  erfolgt  und  dann  nach  Sprengung 
der  Höhle  sich  in  die  freie  Bauchhöhle  ergiesst.  Bei  meinem  Prä¬ 
parat  ist  Schwangerschaft  auch  durch  die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  (Dr.  Simmonds)  ausgeschlossen. 

Frau  von  einigen  30  Jahren,  2  Kinder,  erkrankte  plötzlich  am 
5.  Tage  der  Periode.  (Die  vorige  Periode  war  normal  gewesen,  die 
vorletzte  hatte  sich  mit  Unterbrechungen  durch  Wochen  hingezogen.) 
Morgens  9  Uhr  Leibschmerzen,  Drang  im  Mastdarm,  von  12  Uhr  an 
schwindelig  beim  Aufrichten,  ZV*  Uhr  Ohnmacht  (fiel  vom  Sopha), 
dann  häufige  Ohnmachtsanfälle  trotz  Bettlage.  Um  7  Uhr:  Starke 
Leibschmerzen,  besonders  in  der  Lebergegend,  weisse  Haut,  blasse 
Konjunktiven.  Leib  aufgetrieben,  Dämpfung  an  beiden  Seiten.  Para¬ 
metrien  bei  vaginaler  Untersuchung  sehr  schmerzhaft.  Uterus  nach 
links  geschoben.  Puls  ca.  72,  um  8Vz  Uhr  88  pro  Minute. 

Die  Diagnose  Extrauteringravidität  erschien  nicht  zweifelhaft. 
8(4  Uhr  Operation.  Ca.  IV2  Liter  oder  mehr  flüssiges  Blut  im  Leib. 
Tuben  frei;  rechtes  Ovarium,  blutend,  wurde  exstirpiert.  Genesung.- 

Diskussion:  Herr  Prochownik  bestätigt  aus  mehreren 
eigenen  Fällen  und  aus  der  Literatur,  dass  berstende  Follikel  der¬ 
artige  Blutungen  und  ein  klinisches  Bild  wie  das  geschilderte  machen 
können.  Besser  als  die  sehr  difficile  und  nicht  ganz  zuverlässige 
Naht  des  Follikelbettes  zu  machen,  ist  es,  das  betr.  Ovarium  ganz  zu 
entfernen. 

Herr  Fraenkel:  Dass  Follikelblutungen  Hämatome  im  Dou¬ 
glas  sehen  Raum  verursachen,  ist  ziemlich  häufig.  Befunde  mit  solch 
starker  Blutung  wie  im  Falle  S  u  d  e  c  k  sind  jedoch  sehr  selten. 

Unumgänglich  notwendig  ist  immer  eine  genaue  mikroskopische 
Untersuchung  auf  Plazentabildung. 

Er  erinnert  1.  an  einen  Fall,  der  klinisch  als  Tubenschwanger¬ 
schaft  aufgefasst  werden  musste,  in  dem  die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  eine  Ovarialgravidität  feststellte:  das  Ei  an  der  Oberfläche 
des  Ovariums  eingenistet,  rasch  zunehmende  Anämie,  heftige  Blutung. 

2.  an  eine  letal  verlaufene  Gravidit.  tubaria,  die  vor  ca.  10  Jahren 
in  Eppendorf  zur  Sektion  kam.  Heute  erlebt  man  so  etwas  kaum 
mehr.  Die  Frau  war  plötzlich  kollabiert  und  auf  dem  Transport 
gestorben.  Das  Ei  hatte  sich  im  Isthmus  der  linken  Tube  ent¬ 
wickelt,  während  das  letzte  Corpus  luteum  verum  am  rechten 
Ovarium  sass.  Es  musste  also  entweder  eineUeberwanderung  des  Eies 
durch  die  freie  Bauchhöhle  hindurch  (beide  Tuben  waren  in  situ  stark 
nach  rückwärts  gewunden)  angenommen. werden  oder  eine  Wande¬ 
rung  von  der  rechten  Tube  durch  den  Uterus  hindurch  in  die  linke. 
Ein  mechanisches  Hindernis  in  der  rechten  Tube  bestand  nicht. 

Die  Decidua  uterina  nahm  das  obere  Drittel  der  Zervix  ein. 
Dies  ist  interessant  für  die  Frage,  wie  weit  das  untere  Uterinsegment 


1410 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2; 


zu  rechnen  ist.  Nach  Anschauung  der  Gynäkologen  soweit,  als  sich 
Decidua  entwickelt. 

Herr  Simmonds:  Lieber  Syphilis  der  Schilddrüse.  (Demon¬ 
stration.) 

Es  hat  Engel-Reimers  darauf  hingewiesen,  dass  im  Früh¬ 
stadium  der  Syphilis  in  der  Hälfte  der  Fälle  eine  Anschwellung  der 
Thyreoidea  zu  beobachten  sei.  Diese  Schwellung  kann  nur  auf 
grössere  Blutfülle  oder  leichtem  Oedem  beruhen,  denn  bei  den 
Autopsien  solcher  Individuen,  die  noch  Zeichen  einer  frischen  Infektion 
aufwiesen,  habe  ich  weder  makroskopisch  noch  mikroskopisch  Ab¬ 
normes  an  dem  Organ  wahrnehmen  können. 

Syphilitische  Veränderungen  der  Schilddrüse  sind  äusserst  selten. 
Es  liegen  in  der  Literatur  nur  5  Mitteilungen  über  Gummen  dieses 
Organs  bei  Neugeborenen  und  Kindern,  6  Mitteilungen  über  die 
gleiche  Erkrankungsform  bei  Erwachsenen  vor.  (Eugen  Fraenkel, 
Navratil,  Clarke,  Mendel,  Küttner).  Ich  habe  bei  dieser 
Zusammenstellung  nur  die  anatomisch  geprüften  Fälle  berücksichtigt, 
die  nur  auf  klinische  Beobachtung  gestützten  Diagnosen  dagegen  fort¬ 
gelassen,  da  manche  von  diesen  einer  ernsten  Kritik  nicht  standhalten. 

In  dem  von  mir  beobachteten  Falle  lag  nicht  die  bisher  be¬ 
obachtete  Form  der  Schilddrüsensyphilis,  die  Gummabildung,  son¬ 
dern  eine  diffuse  fibröse  Thyreoditis  syphilitica  vor. 
Die  67  jährige  Frau  war  lange  an  Knochensyphilis  und  zerfallenen 
Gummen  des  Schädeldaches  behandelt  worden  und  starb  an  Phthisis. 
Ausser  den  Veränderungen  am  Knochensystem  und  am  Schädeldach, 
sowie  tiefen  Narbenbildungen  und  Lappungen  der  Leber  fand  sich 
eine  eigenartige  Veränderung  der  Schilddrüse.  Sie  war  klein,  derb, 
auf  dem  Durchschnitt  völlig  fibrös  ohne  erkennbare  Reste  von  Drü¬ 
sensubstanz.  Auch  mikroskopisch  Hess  sich  nur  fibrilläres  Binde¬ 
gewebe  nachweisen,  in  welchem  unregelmässige  Herde  von  Rund¬ 
zellen,  besonders  um  die  Gefässe  gruppiert  eingelagert  waren  neben 
vereinzelten  kleinen  Kalkablagerungen.  Nur  an  wenigen  Stellen 
Hessen  sich  innerhalb  der  Infiltrate  kleinste  Reste  von  Schilddrüsen¬ 
gewebe  in  Form  von  Kolloidkugeln  und  Fragmenten  von  Drüsen¬ 
bläschen  erkennen. 

Obwohl  weder  charakteristische  Gefässveränderungen  nachweis¬ 
bar  waren,  noch  Spirochäten,  darf  man  doch  nach  Ausschliessung 
von  Tuberkulose  und  Tumorbildung  mit  Sicherheit  annehmen,  dass 
der  diffuse  entzündliche  Prozess,  der  zu  totaler  fibröser  Umwandlung 
des  Organs  geführt  hatte,  auf  Syphilis  beruht.  Wir  hätten  dem¬ 
nach  in  der  Schilddrüse  wie  in  anderen  Organen  mit  zwei  Formen 
der  Syphilis  zu  rechnen,  einmal  der  Gummibildung,  zweitens  der  dif¬ 
fusen  fibrösen  Thyreoiditis.  Gerade  die  letztere  wird  klinisch  schwer 
erkennbar  sein,  da  sie  die  Form  und  Grösse  des  Organs  nicht  ver¬ 
ändert. 

Auffallend  ist  bei  der  grossen  Ausdehnung  der  Zerstörung  der 
Schilddrüse  in  diesem  Falle  das  Ausbleiben  von  schweren  Aus¬ 
fallserscheinungen.  Die  Körperoberfläche  Hess  nichts  von  Myxödem 
erkennen,  dagegen  dürfte  vielleicht  die  im  Leben  konstatierte  De¬ 
menz  mit  der  Affektion  der  Thyreoidea  in  Zusammenhang  gestanden 
haben. 

Diskussion:  Herr  Fraenkel:  Ich  benutze  die  Gelegenheit, 
Ihnen  eine  Abbildung  des  aus  dem  Jahre  1887  stammenden  Präparats 
von  Schilddrüjsengummi  zu  zeigen.  Hauptsächlich  habe  ich  mir  das 
Wort  erbeten  mitRiicksicht  auf  die  von  Herrn  Simmonds  mitvorge- 
legte,  das  klassische  Bild  des  Hepar  syphilitic.  lobatum  darbietenden, 
Leber.  Ich  habe  seit  einer  Reihe  von  Jahren  die  Beobachtung  ge¬ 
macht,  dass  die  in  Rede  stehende  Lebererkrankung  überwiegend 
bei  Frauen  angetroffen  wird:  Im  vorigen  Jahre  bat  ich  nun,  ohne 
Angabe  eines  Grundes,  Herrn  Simmonds  um  Mitteilung  über  die 
in  seiner  Institutssammlung  befindlichen  Lebern  mit  akquirierter  Sy¬ 
philis  und  dabei  ergab  sich,  dass  von  den  5  dort  vorhandenen  syphi¬ 
litischen,  gelappten  Lebern  4  von  Frauen  stammten,  nur  1  von  einem 
Manne.  Auch  das  heutige  Präparat  des  Herrn  Simmonds  rührt 
von  einer  Frau  her.  Bei  den  von  mir  gesammelten  syphilitischen 
Lebern  konnte  ich  feststellen,  dass  auf  5  bei  Frauen  gefun¬ 
denen  gelappten  Lebern  erst  1  bei  einem  Manne 
kommt.  Ich  halte  dieses  Ergebnis  auch  für  praktisch  wichtig,  denn  es 
mahnt  zu  einer  gewissen  Vorsicht  hinsichtlich  der  Diagnose  Leber- 
syphilis  beim  Manne.  Was  nun  die  Ursache  dieser  Präpon- 
deranz  des  weiblichen  Geschlechts  bei  der  Erkrankung 
der  Leber  unter  dem  Einfluss  der  akquirierten  Syphilis  anlangt,  so 
bin  ich  geneigt,  diese  in  den  chronischen  Traumen  zu  suchen, 
welchen  die  weibliche  Leber  bei  der  Unzweckmässigkeit 
der  weiblichen  Tracht  durch  Korsetts  und  andere  schnü¬ 
rende  Einflüsse  ausgesetzt  ist.  Dadurch  wird,  ähnlich  wie  für 
die  Bildung  von  Gallensteinen,  eine  Disposition  des  Organs  auch  für 
die  Erkrankung  an  Syphilis  geschaffen.  Ich  halte  es  für  ganz  ausge¬ 
schlossen,  dass  es  sich  bei  den  hier  mitgeteilten  Beobachtungen  um 
irgendwelche  Zufälligkeiten  gehandelt  hat  und  es  lag  mir  daran,  zu 
veranlassen,  dass  auch  von  anderen  Autoren,  Klinikern  wie  patho¬ 
logischen  Anatomen,  diese  Angaben  einer  Nachprüfung  unterzogen 
wurden. 

Herr  Schümm  demonstriert  ein  neues  von  ihm  berechnetes 
und  konstruiertes  Handspektroskop,  das  sich  von  den  bekannten 
Handspektroskopen  in  mehrfacher  Hinsicht  unterscheidet. 

Das  in  dem  Apparate  enthaltene,  nach  Schümms  Angaben  von 
Zeiss  (Jena)  hergestellte  Glasprisma  besitzt  derartige  optische  Eigen¬ 


schaften,  dass  das  Spektroskop  ein  lichtstärkeres  Spektrum  liefe 
als  die  bisher  gebräuchlichen  Handspektroskope.  Die  Absorption; 
streifen  von  Farbstofflösungen  erscheinen  bei  der  Beobachtung  m 
diesem  Spektroskop  besonders  scharf  und  deutlich.  Die  Handhabun 
des  Apparates  ist  sehr  bequem.  Die  Firma  Zeiss  (Jena)  hat  di 
Fabrikation  übernommen. 

Eine  genaue  Beschreibung  des  Apparates  erfolgt  unter  de 
Originalien  dieser  Wochenschrift. 

Diskussion:  Herr  Fraenkel  hat  sich  bei  einer  Probt 
Untersuchung  von  den  Vorteilen  des  S  c  h  u  m  m  sehen  Handspektr.t 
skops  überzeugt. 

Herr  Hirschstein:  Ueber  die  Beziehungen  der  ende 
genen  Harnsäure  zur  Verdauung. 

Nachdem  Vortragender  die  zum  Teil  weit  auseinandei 
gehenden  Ansichten  über  den  Ursprung  der  endogenen  Harr 
säure  kurz  skizziert,  geht  er  auf  seine  im  Laboratorium  de 
inneren  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Alton 
(Prof.  U  m  b  e  r)  angestellten  Untersuchungen  näher  ein. 

Schon  die  ersten  am  Menschen  mit  purinfreier  Ernährun 
vorgenommenen  Versuche  deckten  die  eigentümliche,  auc 
schon  von  anderer  Seite  beobachtete  Tageskurve  der  ende 
genen  Harnsäure  auf  mit  der  charakteristischen  Nachtsenkun 
und  der  hohen  Ausscheidung  in  den  Morgenstunden. 

Der  naheliegende  Gedanke,  dass  wir  es  hier  mit  eine 
physiologischen  Harnsäureretention  zu  tu 
haben,  dass  die  tags  zuvor  gebildete  Harnsäure  zum  Teil  ers 
am  nächsten  Morgen  ausgeschieden  wird,  fand  dadurch  sein 
Bestätigung,  dass  auch  die  Ausscheidung  der  exogenen  Harn 
säure  die  gleiche  Unterbrechung  bezw.  Herabminderung  in  de 
Nacht  erfuhr. 

Weitere  Untersuchungen,  die  den  Einfluss  der  Hauptnähr 
Stoffe,  Eiweiss,  Fett,  Kohlehydrate,  auf  die  Ausscheidung  de 
endogenen  Harnsäure  klarlegen  sollten,  zeigten  mit  voller  Deut 
lichkeit,  dass  auch  die  Zufuhr  von  purinfrejem  Eiweiss  ein 
gesteigerte  Ausfuhr  der  endogenen  Harnsäure  zur  Folge  hat 
Eine  einfache  Verschiebung  in  der  Eiweissmenge  der  einzelnei 
Mahlzeiten  bringt  schon  gleichsinnige  Schwankungen  in  de 
endogenen  Harnsäurekurve  hervor. 

Schliesslich  gelang  es  im  Tierversuch  nachzuweisen,  das 
die  Hauptquelle  der  endogenen  Harnsäure  in  den  in  den  Magen 
darmkanal  sezernierten  Verdauungsäften  zu  suchen  sei.  Be 
mit  purinfreier  Nahrung  gefütterten  Hunden  konnten  in  dem  mi 
allen  Kautelen  nach  3 — 4  stiindiger  Verdauung  entnommene! 
Magen-  bezw.  Darminhalt  deutliche  Mengen  von  Purinkörper! 
und  zwar  in  der  Hauptsache  Guanin,  in  geringerer  Ausbeuü 
auch  Odenin  und  Xanthin  nachgewiesen  werden.  (Erschein 
ausführlich  an  anderem  Orte.) 

t_ 

Diskussion:  Herr  Umber  bespricht  kurz  die  für  die  Praxi: 
sich  ergebenden  therapeutischen  und  diagnostischen  Ausblicke,  di< 
die  Studien  über  das  Verhalten  der  endogenen  Purine  beim  Ge 
sunden,  beim  Hungernden  und  beim  Gichtischen  im  Laboratoriun 
seiner  Abteilung  ergeben  haben,  soweit  er  sie  seit  nunmehr  3V. 
Jahren  mit  seinen  Mitarbeitern  Brugsch,  Hirschstein,  Unn: 
jun.  verfolgt  hat.  Er  betont  die  Wichtigkeit  der  Purinbeschränkunj 
sowie  der  Eiweissbeschränkung  überhaupt  in  der  diätetischen  Be 
handlung  der  Gicht.  In  Anbetracht  der  Erfahrung,  dass  der  Gichtikei 
unmittelbar  nach  dem  Anfall  auffällige  Retention  der  Purinkörpei 
zeigt,  verlangt  er  für  diese  Zeit  völlig  fleischfreie  und  eiweissarme 
kohlehydratreiche  Kostordnung.  Im  chronischen  Stadium  möglichste 
Beschränkung  der  Eiweisszufuhr.  Monatelange  Stoffwechselbeob¬ 
achtung  an  Gichtischen  haben  ihn  belehrt,  dass  bei  richtiger  ka¬ 
lorischer  Einstellung  eine  tägliche  Gesamteiweisszufuhr  (tierische: 
und  pflanzlicher)  von  0,8 — 0,9  g  pro  Kilogramm  Körpergewicht  dau¬ 
erndes  N-Gleichgewicht,  sehr  gutes  Allgemeinbefinden  und  sehr  gün¬ 
stige  Beeinflussung  der  gichtischen  Erscheinungen  bringt.  Damit 
stimmen  auch  Chittendens  jüngste  Beobachtungen  über  da: 
Optimum  der  Eiweisszufuhr  bei  Gesunden,  und  ferner  auch  die  alten 
klassischen  Beobachtungen  Garrods  in  der  Diätetik  der  Gicht, 
die  auf  rein  empirischem  Weg  gewonnen  waren.  Dem  spezifischen 
Verhalten  der  endogenen  Purinkurve,  sowie  dem  alternierenden  Ver¬ 
halten  der  endogenen  Purinkurve  und  der  Glykokollkurve,  wie  es 
Hirsch  stein  und  neuerdings  Unna  jun.  im  U.schen  Labora¬ 
torium  beobachtet  haben,  legt  U.  pathognomonische  Bedeutung  bei. 

Herr  Just  fragt  Herrn  Umber,  welchen  Einfluss  nach  seinen 
Erfahrungen  plötzliche  Ernährungsänderungen  und  ferner  körperliche 
Arbeit  auf  die  Harnsäureausscheidung  des  Gichtikers  hätten. 

Herr  Umber  erwidert,  dass  er  speziell  von  dem  plötzlichen 
Uebergange  von  purinhaltiger  zu  purinfreier  Diät  niemals  irgend¬ 
welche  Schädigungen  gesehen  habe,  ferner  dass  Körperbewegung, 
die  die  Oxydationsprozessc  im  Körper  überhaupt  steigere,  nur  gün¬ 
stig  auf  die  intermediäre  Zerstörung  der  Harnsäure  und  damit  die 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1411 


Stoffwechselvorgänge  bei  der  Gicht  wirken  könne,  und  deshalb  auch 
bei  der  Therapie  besonders  zu  berücksichtigen  sei. 

Herr  V  i  1 1  i  n  g  e  r  bemerkt,  dass  nach  eigenen  Untersuchungen 
auch  die  Schwefelausscheidung,  die  regelmässig  unmittelbar  nach 
Einsetzen  der  Verdauung  eine  Steigerung  aufweist,  den  Einfluss  der 
Verdauung  auf  Stoffwechselvorgänge  erkennen  lasse  und  fragt,  in 
welcher  Zeit  nach  Beginn  der  Verdauung  die  ersten  Purine  zu  finden 
seien. 

Herr  Schümm  fragt,  ob  die  Untersuchung  der  Fäzes  bei 
diesen  Harnsäurefragen  zu  vernachlässigen  sei,  ferner  ob  beim  Gich- 
tiker  die  Zufuhr  einer  bestimmten  purinfreien  Eiweissmenge  auch 
einen  entsprechenden  Ausschlag  in  der  Harnsäureausscheidung  er¬ 
kennen  lasse,  endlich  ob  nicht  individuelle  Einflüsse  in  der  Abschei¬ 
dung  der  Verdauungssäfte  bei  der  Reaktion  auf  eiweisshaltige  Nah¬ 
rung  auch  eine  Rolle  spielen  könnten. 

Herr  Hirsch  stein  erwidert  in  seinem  Schlusswort  Herrn 
Villinger,  dass  schon  nach  dreistündiger  Verdauung  Purine  ver¬ 
hältnismässig  reichlich  im  Magendarmkanal  des  Hundes  zu  finden 
seien.  Herrn  Schümm  gegenüber  bemerkt  er  noch,  dass  sicher 
insofern  individuelle  Verhältnisse  bei  der  Sekretion  der  Verdau¬ 
ungsdrüsen  eine  Rolle  spielen,  als  wir  durch  die  P  a  w  1  o  w  sehen 
Untersuchungen  an  Fistelhunden  wüssten,  dass  die  Zufuhr  der  Haupt¬ 
nährstoffe,  Eiweiss,  Fett,  Kohlehydrat,  die  Sekretion  eigens  ange¬ 
passter  Verdauungssäfte  veranlasst.-  Durch  die  Abscheidung  beson¬ 
ders  purinhaltiger  Verdauungssäfte  sei  auch  wahrscheinlich  beim 
Menschen  die  vermehrte  Ausscheidung  der  endogenen  Harnsäure 
auf  Zufuhr  von  purinfreiem  Eiweiss  zu  erklären. 


Gynäkologische  Gesellschaft  in  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  J  u  n  ii  1907. 

Vor  der  Tagesordnung  demonstriert  Herr  Karl  Hörmann  ein 
neugeborenes  Kind  mit  Spina  bifida  der  Lumbalgegend,  beiderseitigen 
Klumpfüssen,  kongenitaler  Fraktur  des  rechten  Oberschenkels  und 
2  Tage  p.  p.  entstandenem  Prolaps  der  ganzen  Vagina  und  des  Uterus. 

Diskussion:  Herr  Albert  Hörrmann. 

Herr  Antann  demonstriert: 

a)  Myomatösen  Uterus  mit  primärem  Fibrom  der  Vagina; 

b)  Blasenstein,  durch  Kolpozystostomie  entfernt; 

c)  den  Uterus  einer  58  jährigen  Frau,  die  nach  14  jähriger  Meno¬ 
pause  wieder  zu  bluten  angefangen  habe.  Es  fand  sich  im  Uterus 
ein  grosser  polypöser  Tumor,  der  mikroskopisch  sich  als  Adeno- 
Myxo-Fibro-Sarkom  erwies,  wohl  entstanden  sekundär  auf  einem 
schon  vorher  vorhandenen  Myom. 

Diskussion:  Die  Herren  Mirabeau,  A  m  a  n  n. 

Diskussion  zu  den  Vorträgen  von  A 1  b  r  e  c  h  t  in  der  letzten 
und  vorletzten  Sitzung:  Herr  Kerschensteiner  a.  G. 

Herr  Ludwig  Seitz  demonstriert: 

a)  Nieren  und  Ureteren  von  Föten  und  Neugeborenen,  an  denen 
er  die  Verschiedenheiten  im  Lumen  der  Ureteren  zeigt.  Bei  sehr 
jungen  Föten  von  20 — 28  cm  ist  das  Ureterlumen  im  ganzen  Ver¬ 
laufe  gleich,  die  Ureteren  ziehen  auch  noch  fast  senkrecht  nach 
unten.  Vortr.  glaubt,  dass  die  Stenosenbildungen  im  Ureter  durch 
Druck  der  Umgebung,  vor  allem  der  Linea  innominata,  bedingt  sind. 

Diskus 'Sion:  Herr  Mirabeau. 

b)  Präparat  mit  beginnender  Nekrose  der  Ureteren  nach  ab¬ 
dominaler  Totalexstirpation  wegen  Carcinoma  uteri. 

Diskussion  die  Herren :  Mirabeau,  Amann,  Albrec  h  t, 
Ludwig  Seitz. 

c)  Neugeborenes  Kind  mit  Sklerema  neonatorum,  Hypertrophie 
und  Oedem  der  Klitoris,  sowie  Zystenhygrom  der  linken  Halsseite. 

d)  bespricht  einen  Fall  von  partieller  Nekrose  der  Kopfgeschwulst 
infolge  langdauernder  Geburt. 

Herr  Karl  Hör  mann:  Das  Verhalten  der  Bindegewebsfasern 
im  Follikel  und  Corpus  luteum  des  menschlichen  Eierstockes  (mit  De¬ 
monstration.) 

H.  teilt  die  Resultate  von  Untersuchungen  mit,  die  er  mittels  einer 
von  Bielschowsky  angegebenen  Silberimprägnationsmethode 
an  dem  Bindegewebsgeriist  der  Follikelhüllen  (normaler  wie  atre- 
tischer  Follikel),  sowie  des  Corpus  luteum  (menstruations  und  gra¬ 
viditatis)  erhalten  hat.  Da  sich  der  VöTrtrag  zu  kurzem  Referat  nicht 
eignet,  sei  auf  die  ausführliche  Publikation  der  betr.  Untersuchungs¬ 
befunde,  sowie  der  angewandten  Methode  im  Archiv  f.  Gynäkol., 
Bd.  82  (Festschrift  für  Fr.  v.  W  i  n  c  k  e  1)  verwiesen. 

Herr  Amann:  Ureterendeckung  und  Drainage  bei  abdominaler 
Beckenausräumung  wegen  Uteruskarzinom. 

Um  die  nach  seiner  ausgedehnten  Methode  frei  liegenden  Ure¬ 
teren  zu  decken  und  sie  dadurch  vor  der  Nekrose  zu  schützen,  hat 
Vortr.  schon  früher  ein  Verfahren  angegeben,  das  darin  bestand,  dass 
die  Blase  rfach  hinten  disloziert  wurde  und  die  Ureteren  gewisser- 
massen  in  Blase  und  Rektum  eingewickelt  wurden.  Die  seitlich  im 
Becken  zurückbleibenden  Höhlen  wurden  paravaginal  nach  unten  drai- 
niert.  Die  Resultate  mit  dieser  Methode  waren  sehr  gute,  doch  ist 
Vortr.  in  den  letzten  Jahren  davon  abgekommen,  da  die  Operation  da¬ 
durch  sehr  verlängert  wurde.  Die  in  den  letzten  Jahren  durchgeführte 
Operationsmethode  besteht  in  folgendem:  Nach  der  Beckenausräu¬ 


mung  'sinken  Blase  und  Ureteren  tief  nach  unten.  Um  den  Ureter  zu 
heben,  wird  der  Stumpf  der  Arteria  uterina  mit  dem  Stumpfe  des  Lig. 
rotundum  vereinigt,  so  dass  der  Ureter  auf  der  Arteria  uterina  reitet, 
der  untere  Teil  des  Ureters  wird  in  einen  nach  oben  gezogenen  Blasen¬ 
zipfel  eingewickelt  und  die  seitwärts  vom  Rektum  stehengebliebenen 
Peritoneallappen  nach  jederseits  darübergenäht.  Um  die  zurück¬ 
gebliebene  Wundhöhle  im  kleinen  Becken  zu  drainieren,  wird  Rektum 
und  Vagina  bis  weit  nach  unten  von  einander  getrennt,  nach  der 
Vagina  zu  mit  dem  Thermokauter  eingeschnitten  und  nach  der  Vagina 
zu  drainiert.  Nach  oben  wird  das  kleine  Becken  dadurch  abgedeckt, 
dass  die  Flexura  sigmoidea  mit  dem  Blasenperitoneum  vereinigt  wird. 
Das  Operationsverfahren  wird  durch  sehr  schöne,  von  A  1  b  r  e  c  h  t 
ausgeführte  Zeichnungen  erläutert. 

Diskussion:  Ludwig  Seitz,  M  i  r  a  b  e  a  u,  Wiener, 

Alb  recht,  Hörrmann,  Amann. 

G.  Wiener-  München. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Prof.  Dr.  O.  Loewi:  Eine  neue  Funktion  des  Pankreas  und 
ihre  Beziehung  zum  Diabetes  mellitus. 

Wenn  man  in  ein  normales  Auge  Adrenalin  einträufelt,  so  ändert 
sich  die  Pupillenweite  gar  nicht  oder  nicht  merklich.  Eine  Ausnahme 
macht  lediglich  das  Froschauge.  Meitzer  hat  nun  nachgewiesen, 
dass  eine  solche  Instillation  von  Adrenalin  eine  starke  Mydriasis 
erzeugt,  wenn  man  bei  Tieren  24  Stunden  zuvor  das  Ganglion  cervi- 
cale  sup.  exstirpiert  hat.  Dadurch,  dass  man  das  besagte  Ganglion 
exstirpierte,  wurden  auch  Hemmungen  für  die  Adrenalinempfindlich¬ 
keit  des  Dilatator  pupillae  beseitigt.  Bekanntlich  erzeugt  nun  die 
Exstirpation  des  Pankreas  einen  Diabetes.  Es  fragt  sich  nun,  ob  nicht 
dieser  Diabetes  ebenfalls  darauf  beruhe,  dass  nach  der  Pankreas¬ 
exstirpation  gewisse  sympathische  Hemmungen  wegfallen  —  Hem¬ 
mungen  für  die  Nerven,  deren  zentrale  oder  periphere  Reizung, 
wie  Eckhardts  schöne  Versuche  gelehrt  haben,  zu  einer  gesteiger¬ 
ten  Umwandlung  von  Glykogen  in  Zucker  und  Uebertritt  des  Zuckers 
in  den  Harn  führen.  Uebt  also  das  Pankreas  einen  reizenden  Ein¬ 
fluss  auf  sympathische  Hemmungen  aus,  so  müssten  nach  Exstir¬ 
pation  desselben  auch  die  Hemmungen  für  die  Adrenalinempfindlich¬ 
keit  des  Dilatator  pupillae  wegfallen,  d.  h.  es  müsste  sodann  nach 
Einträufelung  von  Adrenalin  ins  Auge  eine  Mydriasis  entstehen. 

Das  war  nun  tatsächlich  der  Fall.  Bei  4  Versuchs¬ 
tieren  —  Hunden  und  Katzen  —  trat  nach  der  Totalexstirpation  des 
Pankreas  und  Adrenalininstillation  nach  24  Stunden  eine  beträchtliche 
Mydriasis  auf.  Es  scheint  also,  dass  das  Pankreas  auch  die  bisher 
nicht  bekannte  Funktion  besitze,  sjunpathische  Hemmungen  zu  er¬ 
regen,  bezw.  die  Reizbarkeit  sympathischer  Förderungsnerven  herab¬ 
zusetzen.  Und  per  analogiam  zu  den  Versuchen  Eckhardts 
könnte  man  sich  das  Auftreten  des  Diabetes  nach  Pankreasexstir¬ 
pation  gut  erklären.  18  Diabetiker  wurden  ebenfalls  auf  diese  Er¬ 
scheinung  hin  untersucht.  Bei  10  derselben  trat  nach  Adrenalin¬ 
einträufelung  starke  Mydriasis  auf,  während  bei  28  Kranken 
anderer  Art  nur  2  mal  Mydriasis  beobachtet  wurde,  und  diese 
zwei  Fälle  betrafen  einen  Fall  von  Pankreasgangverschluss  (ohne 
Dlykosurie)  und  einen  Fall  von  Basedow.  Man  wird  also  künftighin 
auch  die  Adrenalininstillation  beim  Menschen  zu  diagnostischen 
Zwecken  der  Funktionstüchtigkeit  des  Pankreas  benützen. 

Dr.  Ludwig  Teleky:  Ueber  Phosphornekrose. 

Der  Vortragende  hat  in  den  Gebieten  der  Zündhölzchenindustrie 
in  Böhmen  und  Steiermark  persönlich  Erhebungen  gepflogen,  welche 
ihn  zu  der  Ueberzeugung  brachten,  dass  die  Fälle  von  Phosphor¬ 
nekrose  keineswegs  so  selten  seien,  als  man  gemeinhin  annimmt. 
Fragebogen,  die  man  an  viele  Spitäler  ausschickte  und  welche  zum 
Teile  beantwortet  zurückkamen,  bestätigten  weiters  diese  Beobach¬ 
tungen.  Das  sorgsam  verarbeitete  grosse  Material  wird  in  einer 
Monographie  erscheinen.  In  den  letzten  10  Jahren  kamen  in  Oester¬ 
reich  350 — 400  Nekrosefälle  vor.  Bei  15 — 20  Proz.  der  Erkrankten 
kommt  es  zum  Tode.  Der  Vortragende  berichtete  über  die  Schädi¬ 
gungen  der  einzelnen  Knochensysteme  bei  der  chronischen  Phosphor¬ 
vergiftung,  besprach  die  operative  und  konservative  Behandlung 
dieser  Fälle  und  schliesslich  auch  eingehend  die  Prophylaxe.  Diese 
besteht  in  erster  Linie  in  der  alleinigen  Zulassung  des  ungiftigen 
roten  Phosphors  und  Verbot  des  weissen  Phosphors  bei  der  Fabri¬ 
kation  von  Zündhölzern.  Oesterreich  möge  recht  bald  der  bezüg¬ 
lichen  Konvention  beitreten,  die  von  einzelnen  Staaten  Europas  be¬ 
reits  geschlossen  wurde. 

Prof.  Dr.  Hermann  Schlesinger:  Spondylitis  iniectiosa 
nach  Denguefieber.  - 

Während  Spondylitis  nach  verschiedenen  Infektionskrankheiten, 
am  häufigsten  nach  Typhus,  schon  oft  beschrieben  sind,  scheint  dies 
der  erste  Fall  zu  sein,  dass  eine  solche  Spondylitis  nach  Dengue¬ 
fieber  zur  Beobachtung  kam.  Der  35  Jahre  alte  Mann  litt  in  Aegypten 
an  Denguefieber.  Jäher  Beginn,  heftige  Schmerzen,  namentlich  in 
den  Gelenkgegenden  und  Steigerung  der  Schmerzen  bei  Bewegungen, 
hohes  Fieber  mit  Remission,  Auftreten  eines  Exanthems,  dem  eine 
Schuppung  nachfolgt,  in  der  Regel  Ausgang  in  Heilung.  Bei  diesem 


H12 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2; 


Manne  stellte  sich  darnach  eine  schwere  Erkrankung  des  Zentral¬ 
nervensystems  ein,  eine  Enzephalo-Myelomeningitis  mit  Bewusst¬ 
losigkeit,  Hirnnervenlähmungen,  Extremitätenlähmungen,  Opistho¬ 
tonus,  Nackensteifigkeit  etc.  Allmähliche  Besserung.  Als  Patient 
vor  ca.  7  Wochen  nach  Europa  kam,  konstatierte  der  Vertragende 
eine  auf  Druck  empfindliche  Kyphose  der  Lendenwirbelsäule,  die 
jetzt  noch  sichtbar  ist.  Es  bestand  Patellar-  und  rechtsseitiger  Fuss- 
klonus.  Der  Vortr.  führt  aus,  dass  er  bei  Fehlen  anderer  Ursache 
diese  Spondylitis  als  eine  infektiöse  im  Sinne  von  Quincke  ansehe, 
wofür  auch  der  Verlauf  in  rasche  Besserung  der  Symptome  spreche. 
Eine  Tuberkulininjektion  ergab  keine  Reaktion,  die  Röntgendurch¬ 
leuchtung  dagegen  charakteristische  Veränderungen  der  Lenden¬ 
wirbel.  Die  infektiöse  Spondylitis  lässt  gemeinhin  eine  günstige 
Prognose  zu. 

Professor  Dr.  v.  Eiseisberg:  Fraktur  mit  grossem  Hämatom 
und  Fehlen  des  Pulses. 

Ein  in  praktischer  Hinsicht  sehr  wichtiger  Fall.  Ein  Arzt  stürzte 
mit  dem  Motorzweirad  und  zog  sich  eine  Fraktur  im  Collum  ana- 
tomicum  des  linken  Humerus  zu.  Der  behandelnde  Arzt  konstatierte 
sofort,  dass  der  Puls  in  der  Arteria  cubitalis  und  in  der  Radialis 
fehle  und  schickte  den  Verletzten  nach  Wien  an  die  Klinik.  Hier 
konstatierte  man  ein  mächtiges  Hämatom  an  der  Innenseite  des 
linken  Oberarmes,  Fehlen  des  Pulses,  Kühle  und  Blässe  der  Ex¬ 
tremität  vom  Ellbogen  nach  der  Peripherie  hin,  Parästhesien  daselbst, 
Gefühl  von  Pelzig-  und  Taubsein.  Man  legte  sofort  etwa  zwei 
Dutzend  Blutegel  längs  des  Unterarmes  und  der  Hand  an,  weitemin 
eine  Bier  sehe  Saugglocke  für  den  Unterarm,  täglich  durch  einige 
Stunden.  Es  zeigte  sich  bald  ein  Erfolg,  der  Arm  wurde  wieder 
wärmer  und  röter,  so  dass  jetzt  trotz  des  Fehlens  des  Pulses  an 
der  Kubitalis  und  Radialis  jede  Gefahr  beseitigt  zu  sein  scheint.  Zur 
Fixation  des  Armes  wurde  eine  leichte  Gipshanfschiene  drei  Tage 
später  angelegt. 

Bei  jeder  Fraktur  soll  sich  der  Arzt  sofort  vom  Bestehen 
des  Pulses  im  peripheren  Abschnitte  der  verletzten  Extremität  über¬ 
zeugen,  da  er  sonst  Gefahr  läuft,  dass  ihm  eine  nach  Anlegung 
eines  festen  Verbandes  auftretende  Gangrän  zur  Last  gelegt  werde. 
In  einem  anderen  Falle,  den  der  Redner  früher  beobachtete  (Kind 
mit  Fraktur  des  Oberschenkels,  fehlender  peripherer  Puls),  wurde 
operiert:  Ausräumen  des  Hämatoms,  wandständige  Ligatur  eines 
Schlitzes  der  Arter.  femoralis.  Es  erfolgte  glatte  Heilung. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  11.  April  1907. 

Zur  Pathogenese  der  Lungenanthrakosis. 

A  r  1  o  i  n  g  und  F  o  r  g  e  o  t  haben  diese  viel  umstrittene  Frage 
neuerdings  zum  Gegenstand  ihrer  Untersuchungen  gemacht.  Sie 
haben  eine  kleine  Menge  chinesischer  Tusche  in  die  Venen  eines 
Kaninchens  eingespritzt,  wo  sie  doch  sofort  durch  das  rechte  Herz 
in  die  Lungen  gelangen  sollte;  aber  nach  24  Stunden  erschienen  die¬ 
selben  nicht  anders  gefärbt  als  die  eines  Kontrollkaninchens  des¬ 
selben  Alters,  während  Leber,  Milz,  Knochenmark  eine  leichtdunkle 
Verfärbung  zeigten.  Injiziert  man  eine  ziemlich  starke  Dosis  3  Tage 
hintereinander,  30  Stunden  nach  der  ersten  Injektion,  so  ist  die  Lunge 
dunkler,  Leber,  Milz,  Knochenmark  haben  eine  ganz  schwarze  Farbe 
angenommen.  Aehnliche  Beobachtungen  wurden  an  Meerschwein¬ 
chen  und  Hunden  gemacht.  Kurz  sehr  feine  Farbstoffpartikelchen,  die 
in  den  Kreislauf  gebracht  werden,  werden  durch  die  verschiedenen 
Filter,  welche  die  parenchymatösen  Organe  darstellen,  zurückge¬ 
halten.  Die  Lunge,  obwohl  auf  idem  Durchgangsweg  dieser  Partikel¬ 
chen  gelegen,  hält  davon  viel  weniger  zurück  als  die  anderen  Organe. 
Es  dürfte  daher  nicht  wahrscheinlich  sein,  dass  die  fremden  Teilchen, 
welche  die  Lunge  in  mehr  weniger  grosser  Menge  einschliesst,  durch 
das  Blut  in  dieselbe  gelangen.  Immerhin  muss  man  nach  den  Be¬ 
obachtungen  Cal  me  tt  es  zugeben,  dass  diese  feinen  Teilchen  in 
Ausnahmefällen,  die  noch  näher  zu  bestimmen  sind,  durch  den  Darm 
hindurchwandern  können. 

Sitzung  vom  22.  April  1907. 

Die  Funktionen  der  Hypophysis  und  der  Glandula  pituitaria. 

Nach  den  Untersuchungen  von  de  C  y  o  n  ist  die  Hypophysis  ein 
Autoregulator  des  intrakraniellen  Blutdruckes;  sie  unterhält  aucn  den 
Tonus  der  hemmenden  Herznerven.  Die  Drüsensubstanz  bringt  2 
wirksame  Stoffe,  welche  die  gute  Funktion  des  Herz-  und  vaso¬ 
motorischen  Nervensystems  unterhalten,  hervor.  Die  Hypophysis  hat 
schliesslich  indirekt  durch  ihre  wirksamen  Substanzen  und  direkt 
durch  ihre  Wirkung  auf  das  Lymph-  und  pneumogastrische  System 
einen  Einfluss  auf  die  organischen  Gewebsveränderungen;  sie  regelt 
die  Diurese  und  übt  eine  gewisse  Wirkung  auf  die  männlichen  Ge¬ 
schlechtsorgane  aus.  Die  Glandula  pituitaria  wirkt  besonders  in 
mechanischer  Weise,  den  Zu-  und  Abfluss  des  Liquor  cerebrospinalis 
in  den  Aquaeductus  Sylvii  regelnd;  ihre  Wirkung  auf  den  Blutdruck 
ist  gleich  Null  und  auf  die  Herznerven  eine  sehr  geringe. 


Sitzung  vom  6.  Mai  1907. 

Experimentelle  Reproduktion  der  Conjunctivitis  granulosa  beim  Affe 

Die  Conjunctivitis  granulosa  (Trachom)  ist  bekanntlich  eine  dt 
gefiirchtetsten  und  gefährlichsten  Augenaffektionen,  besonders  wegt 
der  anderweitigen  Komplikationen  von  Seiten  des  Auges.  Das  wisset 
schaftliche  Studium  dieses  Leidens,  dessen  Mikroorganismus  ma 
nicht  kennt,  ist  andererseits  noch  wenig  vorgeschritten.  Ni  coli 
und  C  u  e  n  o  d  zeigen  nun  die  Ueberimpfbarkeit  des  Leidens  ai 
niedere  Affen  (Macacus  sinicus),  die  ja  auch  für  andere  Krankheite 
des  Menschen,  wie  weichen  syphilitischen  Schanker  und  Lepra  zi 
gänglich  sind.  In  den  2  Impffällen  war  das  Resultat  ein  positives;  bi 
einem  der  beiden  Tiere  hat  man  am  36.  Tag  eine  Granulation  en 
nommen,  um  sie  histologisch  zu  untersuchen:  diese  hat  völlige  Aehr 
Mchkeit  zwischen  der  Struktur  des  experimentellen  Trachoms  de 
Affen  und  des  spontanen  Trachoms  beim  Menschen  ergeben. 

St. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Clinical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  12.  April  1907. 

Ueber  die  Anwendung  von  Silberfiligran  zur  Behandlung  von  Leisten 

hernien. 

L.  H.  Mc  Gavin  hat  mit  einer  Modifikation  der  Bartlett 
sehen  Methode  auch  bei  sehr  grossen  Inguinalhernien  gute  Resultat 
erzielt.  Er  legt  ein  Silberdrahtgitter  an  zwei  Stellen  an  und  unter 
scheidet  zwischen  einer  iliakalen  und  einer  pubischen  Applikations 
stelle.  Dabei  wird  das  ganze  inguinale  Gebiet  geschützt,  ohne  das 
der  Samenstrang  und  Hoden  irgend  einen  Nachteil  erleiden.  Da 
Schambeinstück  wird  zwischen  dem  inneren  Abdominalring  und  der 
Schambein  dem  Peritoneum  aufgelegt;  die  hintere  Wand  des  In 
guinalkanals  wird  auf  dem  Filigran  nach  B  a  s  s  i  n  i  s  Methode  nei 
hergestellt,  und  die  vereinigte  Sehne  wird  an  das  Lig.  Pouparti  an 
genäht.  Auf  diese  Weise  wird  für  das  Darmbeinstück  gewisser 
massen  ein  Bett  hergerichtet,  und  nach  richtiger  Lagerung  des  Funi 
culus  spermaticus  wird  diese  zweite  Filigranläge  am  Peritoneum  s< 
angelegt,  dass  ihr  inneres  Dritteil  dem  Funiculus  an  dessen  Aus 
tritt  aus  dem  Abdominalringe  aufliegt.  Alsdann  werden  die  durch 
trennten  Muskeln  über  diesem  iliakalen  Filigranstück  vereinigt,  um 
die  Aponeurose  des  M.  obliq.  extern,  wird  zum  Verschlüsse  de: 
ganzen  Operationsfeldes  bis  zum  äusseren  Leistenring  herangezogen 
Verf.  hat  mit  diesem  speziell  konstruierten  Silbergitter  6  sonst  gan; 
inoperable  Fälle  behandelt  und  bei  allen  einen  vollen  Erfolg  erzielt 
Bei  keinem  der  Patienten  war  das  Tragen  eines  Bruchbandes  nötig 
und  bei  keinem  hatte  man  das  Silbergeflecht  wieder  entfernen  müssen 

W.  G.  Spencer  erwähnt  einen  Fall  von  grossem  Nabelbruch 
bei  welchem  er  eine  umfangreiche  Lücke  in  der  Bauchwand  durcl 
Filigrannaht,  wenn  auch  nicht  ganz  geheilt,  so  doch  ausserordentlicl 
gebessert  hatte. 

D.  D  r  e  w  hat  ebenfalls  das  gleiche  Prinzip  verwendet  und  zwai 
bei  einem  Fall  von  Inguinal-  und  einem  von  ventraler  Hernie. 

A.  E.  B  a  r  k  e  r  spricht  sich  auf  Grund  seiner  vielfältigen  Er¬ 
fahrung  mit  der  Methode  des  „Stopfens“  zu  Gunsten  des  empfohlener 
Verfahrens  aus. 

Ueber  den  therapeutischen  Wert  von  Antikolibazillenserum 

sprachen  G.  H.  M  a  k  i  n  s  und  P.  W.  G.  S  a  r  g  e  n  t.  Sie  haben  bei 
25  Fällen  von  akuter,  durch  primäre  Erkrankung  des  Blinddarmes  ent¬ 
standener  Peritonitis  mittelst  Injektion  eines  polyvalenten,  aus  Kul¬ 
turen  von  B.  coli  communis  gewonnenen  Serums  behandelt  und 
haben  beachtenswerte  Resultate  erzielt.  Das  Serum  wurde  auf  fol¬ 
gende  Weise  gewonnen:  Zunächst  wurde  ein  Pferd  immunisiert  durch 
14  wöchentliche  Injektionen  von  je  10  ccm  einer  8  tägigen  Bouillon¬ 
kultur  von  Kolonbazillus  in  der  8.  Uebertragung.  Die  Bazillen  stamm¬ 
ten  von  Puerperalfieberfällen  her.  Dann  erhielt  das  Tier  7  Injek¬ 
tionen  einer  ausgewaschenen  Kolonbazillenkultur  in  Dosen  von  5  bis 
20  ccm  in  10  tägigen  Zwischenräumen.  Schliesslich  wurde  noch  eine 
Injektion  von. einer  3  Wochen  alten  Laktosebouillonkultur  von  Bak¬ 
terien,  die  von  Peritonitis  und  von  Kindbettfieber  und  aus  anderer 
Quelle  gewonnen  waren,  gegeben.  In  allen  Fällen  wurden  die  Mikro¬ 
organismen  durch  Zusatz  von  0,1  Proz.  Chinosol  abgetötet.  Die  25 
Kranken  boten  alle  sehr  schwere  Symptome  dar;  6  von  ihnen  waren 
derart,  dass  die  Prognose  absolut  ungünstig  gestellt  werden  musste. 
Es  genasen  von  den  25  allerdings  nur  9,  d.  h.  36  Proz.;  aber  auch  bei 
den  ungünstig  verlaufenen  Fällen  wurde  eine  gewisse  Verminderung 
der  toxischen  Erscheinungen  konstatiert,  und  der  Eintritt  des  Todes 
wurde  offenbar  längere  Zeit  verzögert.  Ein  Nachteil  oder  eine  Ge¬ 
fahr  sei  mit  dem  Verfahren  durchaus  nicht  verknüpft.  Die  Dosierung 
muss  sich  nach  dem  einzelnen  Falle  richten,  doch  können  b^s  zu  40  ccm 
ohne  Schaden  gegeben  werden  . 

D  u  d  g  e  o  n  glaubt,  dass  dieses  nach  seinem  Vorschläge  her¬ 
gestellte  Serum  viel  bessere  Resultate  liefern  werde,  wenn  man  es 
frühzeitig  anwende.  Bei  akut  fieberhaften  Fällen  mit  Schüttelfrost 
und  hohem  Fieber  ist  von  dem  Mittel  ein  Erfolg  zu  erwarten,  bei 
chronischen  Erkrankungen  allerdings  nicht.  Ph. 


9.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1413 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer  wirt¬ 
schaftlichen  Interessen. 

VII.  Hauptversammlung  in  Münster  i.  W. 
am  20.  Juni  1907.  11  Uhr  Vormittag. 

Der  in  No.  26,  S.  1310  enthaltene  Vorbericht  soll  in  folgenden 
Ausführungen  eine  Vervollständigung  erfahren. 

1.  In  der  Diskussion  über  den  Geschäftsbericht  nahmen  die 
Frage  der  freien  Arztwahl  und  die  bekannten  Vorgänge  in  den  Knapp¬ 
schaftsgebieten  einen  breiten  Raum  ein;  sie  bot  bei  gleichen  Rednern 
und  gleichen  Argumenten  fast  dasselbe  Bild  wie  die  entsprechenden 
Verhandlungen  des  Aerztetages. 

Zur  Assistentenbewegung  berichtet 
A  1  e  xa  n  d  e  r  -  Berlin,  dass  von  den  von  85  Berliner  Assistenten 
an  den  Magistrat  gerichteten  Forderungen  anfangs  keine  erfüllt  wurde, 
dann  aber,  als  die  Assistenten  alle  dem  L.  W.  V.  beigetreten 
waren  und  von  der  Sperre  gesprochen  wurde,  in  kurzer  Zeit  die 
wesentlichen  Wünsche  genehmigt  wurden  und  auch  die  Erfüllung  der 
letzten  Forderungen  in  Aussicht  steht. 

Die  Kritik  des  Geschäftsberichtes  über  eine  Entscheidung  des 
Ehrengerichtes  von  Schleswig-Holstein  veranlasste  die  Herren 
S  c  h  e  n  k  e  -  Flensburg  und  R  e  i  m  e  r  s  -  Wandsbeck  ihre  Aerzte- 
kammer  lebhaft  in  Schutz  zu  nehmen,  es  scheine  die  Information  des 
L.  V.  durch  seinen  Vertrauensmann  eine  einseitige  gewesen  zu  sein 
und  die  Kritik  solcher  ehrengerichtlichen  Urteile  habe  stets  etwas 
missliches  an  sich. 

Demgegenüber  beruft  sich  der  Generalsekretär  Kuhns  auf  das 
Originalmaterial.  Der  L.  V.  habe  ein  Recht  zur  Kritik,  wenn  in 
Fragen,  die  seine  eigene  Tätigkeit  berühren,  über  grundlegende  Prin¬ 
zipien  abgeurteilt  und  über  das  Wesen  der  freien  Arztwahl  Ansichten 
aufgestellt  werden,  die  der  Verband  nicht  teilt. 

Von  mehreren  Seiten  wurde  der  ärztliche  Zentralanzeiger  kriti¬ 
siert  und  der  Wunsch  ausgesprochen,  dass  die  Kollegen  weniger 
wie  bisher  diesem  geschäftlichen  Unternehmen,  sondern  lieber  dem 
L.  V.  ihre  Zuwendungen  für  die  Witwen  und  Waisen  von  Kollegen 
machen  sollten. 

2.  Aus  dem  Kassenbericht  ist  einesteils  die  relativ  bedeutende 

Zunahme  des  reinen  Vermögens  des  Verbandes  hervorzuheben,  an¬ 
dererseits  die  wiederholte  Klage  über  die  lässige  Rechnungsführung 
in  manchen  Sektionen,  gegen  welche  der  Kassier  zum  energischen 
Einschreiten  veranlasst  wird.  •  - 

3.  Der  Antrag  des  Provinzialausschusses  Westfalen  (Berichter¬ 
statter  L  a  u  f  f  s  -  Paderborn) : 

Der  Vorstand  des  L.  W.  V.  wird  beauftragt,  die  Unter¬ 
stützung  des  Verbandes  bei  allen  Streitigkeit,  Streiks  usw.  nur 
dann  zu  gewähren,  wenn  die  betr.  Aerzte  sich  verpflichten,  1  Proz. 
ihrer  Kasseneinnahmen  an  die  Verbandskasse  abzuführen,  falls 
der  Streik  zu  gunsten  der  Aerzte  entschieden  wird, 
wird  durch  eine  Erklärung  des  Vorstandes  ersetzt,  welche  die  Er¬ 
wartung  ausspricht,  dass  in  Fällen,  wo  mit  Unterstützung  des  L.  W.  V. 
ein  Streit  zu  gunsten  der  Aerzte  beendigt  wird,  die  Aerzte  einen 
gewissen  Prozentsatz  ihrer  Mehreinnahmen  der  Verbandskasse  über¬ 
weisen  werden. 

4.  Antrag  der  Sektion  Berlin: 

In  der  Erwägung, 

1.  dass  es  für  ärztliche  Relikten  wichtiger  ist,  Gelegenheit  zur 
Ausbildung  und  Betätigung  in  einem  Beruf  zu  erhalten,  als 
ein-  oder  mehrmalige  Geldunterstützungen; 

2.  dass  ferner  Einrichtungen  zur  Unterstützung  mit  Geldmitteln 
bereits  ausserhalb  des  L.  W.  V.  bestehen; 

3.  dass  der  L.  W.  V.  aber  als  bestorganisierte  Institution  für 
Angebot  und  Nachfrage  auch  in  dieser  Beziehung  gelten  kann, 

wird  den  Ortsgruppen  des  L.  W.  V.  ein  Zusammengehen  mit  den 
bestehenden  Unterstützungskassen  empfohlen,  um  ärztlichen  Re¬ 
likten,  besonders  den  weiblichen,  geeignete  Ausbildung  und  Beschäf¬ 
tigung  zu  verschaffen. 

D  a  v  i  d  s  o  h  n  -  Berlin:  Die  bereits  so  gut  wirkende  Stellenver¬ 
mittlung  des  L.  V.  kann  auch  auf  diesem  Gebiet  segensreich  wirken; 
es  liegen  Angebote  aller  Art  auf  dem  Gebiet  des  Unterrichts  der 
Krankenpflege,  der  kaufmännischen  und  wirtschaftlichen  Berufe  etc. 
vor,  aber  es  fehlt  an  der  Stelle,  welche  für  die  betr.  Stelle  die  pas¬ 
sende  Bewerberin  und  umgekehrt  für  die  Bewerberin  die  passende 
Stelle  vermittelt.  Unter  Mithilfe  von  Kollegenfrauen  wird  der  L.  V. 
sicher  gutes  schaffen. 

Nachdem  E  i  s  f  e  1  d  -  Groeningen  auf  die  reiche  Mathias  Hof¬ 
mann  sehe  Stiftung  hingewiesen  und  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Weimar  den  Re¬ 
ferenten  Davidsohn  als  geeigneten  Organisator  empfohlen, 
wird  der  Antrag  angenommen. 

5.  Militärarztfragen. 

Schüller-  Oels  bezieht  sich  zunächst  auf  das  Referat  Zieg¬ 
lers  in  Strassburg,  gegen  welches  von  der  Militärbehörde  gewiss 
eingeschritten  worden  wäre,  wenn  es  nicht  einwandfrei  wäre.  In¬ 
zwischen  ist  wenig  aber  doch  einiges  erreicht  worden.  Im  Reichstag 
hat  der  Vertreter  der  Militärverwaltung  Sixt  v.  Arnim  sich  ge- 
äussert,  dass  den  Militärärzten  die  Zivilpraxis  nicht  ganz  verboten 
werden  kann,  aber  alles  was  irgendwie  einem  unlauteren  Wettbewerb 


gleiche,  unterbleiben  müsse,  man  werde  erneut  die  Sache  erörtern. 
Der  L.  V.  muss  nun  wünschen,  dass  alle  Bestimmungen,  welche  be¬ 
züglich  der  Zivilpraxis  der  Militärärzte  erlassen  wurden,  bekannt 
gegeben  werden,  damit  man  sie  prüfen  könne,  die  Missverständnisse 
sind  noch  zahlreich.  Er  hat  auch  eine  Eingabe  an  den  Generalstabs¬ 
arzt  der  Armee,  Dr.  Schjerning,  gerichtet,  um  gute  Verhältnisse 
herbeizuführen  und  gebeten,  es  möchten  die  Sanitätsoffiziere  zur  ge¬ 
nauen  Einhaltung  der  bestehenden  Verfügungen  angehalten  werden, 
sie  möchten  ferner  sich  an  die  zivilärztliche  Gebührenordnung  halten, 
auf  den  Wohnungsschildern  ihren  militärärztlichen  Rang  angeben, 
Mitglieder  der  Standesvereine  werden  und  bei  Streitigkeiten  keine 
Kassenarztstellen  übernehmen.  Als  besonders  unzuträglich  in¬ 
folge  der  Stellungnahme  des  Korps-  und  Divisionsarztes  schil¬ 
dert  Redner  dann  noch  die  Verhältnisse  im  Bereiche  des  VI.  Armee¬ 
korps  und  besonders  in  Oels,  wovon  die  Heeresverwaltung  jedenfalls 
keine  Kenntnis  habe.  Das  richtige  ist,  entweder  Sanitätsoffizier  oder 
Zivilarzt,  nicht  beides  zugleich. 

Der  Referent  beantragt: 

Den  Herrn  Generalstabsarzt  der  Armee  zu  ersuchen,  die¬ 
jenigen  Verordnungen,  Bestimmungen  usw.  öffentlich  bekannt  zu 
geben,  welche  sich  auf  die  Ausübung  der  ärztlichen  Praxis  seitens 
der  Sanitätsoffiziere  beziehen. 

Wird  ohne  Debatte  angenommen  und  die  Drucklegung  des  Re¬ 
ferates  beschlossen. 

6.  Bericht  über  den  jetzigen  Stand  der  Krankenhausarztfrage. 

B  e  r  n  d  t  -  Stralsund:  Es  ist  irrig,  dass  der  L.  V.  nur  den  Kassen¬ 
ärzten  diene  und  die  Krankenhausarztfrage  lediglich  als  Honorar¬ 
frage  betreibe.  Sie  ist,  da  die  Stellung  der  Krankenhausoberärzte 
oft  eine  unwürdige  ist,  vor  allem  eine  Frage  der  Standeswürde. 

Mit  der  Besserung  der  Stellung  der  Oberärzte  gewinnt  auch  die 
der  Hilfsärzte  ohne  weiteres,  deren  Forderungen  ja  auch  noch  viel¬ 
fach  unerfüllt  sind.  Das  wichtigste  ist  zunächst  eine  Enquete, 
welche  aber  nur  auf  privatem  Wege  zu  erhalten  «ist,  hoffentlich 
aber  bis  zum  nächsten  Jahre  vorliegt.  Wichtig  ist  ein  entsprechender 
Einfluss  der  Oberärzte  in  der  Verwaltung  der  Krankenhäuser.  Die 
Laienkommission,  welche  die  Krankenhäuser  leiten,  haben  immer 
nur  ein  mässiges  Verständnis  für  die  ärztlichen  Dinge.  Die  An¬ 
stellung  muss  ferner  auf  längere  Zeit  erfolgen,  eine  viertel-  oder 
halbjährige  Kündigung  ist  unwürdig,  jeder  muss  eine  Lebensstellung 
erstreben.  Der  Arzt  muss  der  Vorgesetzte  des  Personals  sein;  das 
ist  besonders  bei  den  Diakonissenhäusern  noch  lange  nicht  erreicht 
und  bestehen  nur  fortgesetzte  Kompromisse  zwischen  Arzt  und  Per¬ 
sonal.  Ausserdem  ist  der  Gehalt  vielfach  unwürdig,  schlechter  als 
der  der  Assistenten  und  ohne  Pensionsberechtigung,  die  Stellung 
sollte  so  sein,  dass  der  Oberarzt  ausserdem  nur  Konsiliarpraxis 
zu  treiben  habe;  er  sollte  auch  durch  die  Patienten  I.  und  II.  Klasse 
honoriert  werden.  Dieser  Kampf  ist  nur  ein  Teil  des  allgemeinen 
Kampfes,  um  den  Aerzten  in  der  Medizinalverwaltung  und  ähnlichen 
öffentlichen  Gebieten  die  gebührende  Stellung  an  der  Spitze  zu  er¬ 
ringen. 

Dem  Antrag,  die  bestehende  Kommission  auf  12  Mitglieder  zu 
erweitern  wird  nach  kurzer  Diskussion  zugestimmt. 

7.  Zur  Erhöhung  der  Honorare  in  der  Privatpraxis. 

Neuberger  - Nürnberg  führt  kurz  aus,  dass  die  patriarchali¬ 
schen  Verhältnisse,  wo  viele  Aerzte  ganz  gut  situierte  Kranke  zu 
niedrigen  Sätzen  behandeln,  nicht  mehr  haltbar  sind  und  dass  durch 
solche  falsche  Humanität  vielen  anderen  Aerzten  die  Position  er¬ 
schwert  wird.  Die  zunehmende  Teuerung  der  Lebensführung  hat 
bereits  verschiedene  Aerztevereine  zur  Erhöhung  der  Honorare  ver¬ 
anlasst  und  diese  wurde  wie  die  vierteljährliche  Rechnungsstellung 
im  Publikum  auch  mit  Verständnis  aufgenommen. 

Die  Bekanntgabe  der  Erhöhung  kann  öffentlich  erfolgen. 

Die  meisten  Vereine  haben  2  Mk.  für  die  Konsultation,  3  Mk.  für 
den  Besuch  angenommen,  wobei  der  erste  Besuch  und  Besuche  zu 
aussergewöhnlicher  Zeit  höher  zu  bezahlen  sind.  Dem  müssen  sich 
auch  die  Hausärzte,  besonders  bei  der  guten  Klientel  anschliessen. 

Die  von  dem  Referenten  vorgeschlagene  Resolution,  in  der  ge¬ 
samten  Privatpraxis  eine  entsprechende  Honorarerhöhung  durchzu¬ 
führen,  wird  angenommen. 

8.  Zur  Reform  der  ärztlichen  Krankenversicherung. 

Bloch-  Beuthen  vertritt  in  längeren  Darlegungen  unter  Bezug¬ 
nahme  auf  die  guten  Erfahrungen  bei  der  ärztlichen  Krankenkasse 
des  deutschen  ärztlichen  Zentralvereins  in  Mähren  die  Idee  einer 
allgemeinen,  der  modernen  Arbeiterkrankenversicherung  analogen 
ärztlichen  Krankenversicherung. 

Nachdem  Hesselbarth  und  Wentscher  vom  Standpunkte 
der  Versicherungskasse  der  Aerzte  Deutschlands  aus  lebhaft  in  ab¬ 
lehnendem  Sinne  gesprochen  und  Bloch  versichert,  dass  dieser 
Kasse  kein  Abtrag  geschehen  solle,  wird  sein  Antrag,  es  möge  der 
Leipziger  Verband  zusammen  mit  dem  Vorstande  der  Versicherungs¬ 
kasse  der  Aerzte  Deutschlands  die  Frage  prüfen  und  einer 
Ausgestaltung  auf  möglichst  breiter  Basis  nähertreten,  angenommen. 

9.  Für  den  aus  dem  Vorstande  ausscheidenden  Herrn  Dona- 
1  i  e  s  wird  Herr  M  e  j  e  r  -  Leipzig  gewählt. 

Schluss  der  Versammlung  %7  Uhr,  nachdem  Dyhrenfurth- 
Breslau  dem  Leiter  derselben,  G  ö  t  z  -  Leipzig  den  herzlichen  Dank 
der  Versammlung  zum  Ausdruck  gebracht  hatte.  Bgt. 


1414 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 


Verschiedenes. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Der  Verkauf  einer  ärztlichen  Praxis  verstösst 
gegen  die  guten  Sitten  und  ist  deshalb  nicht  rechtswirksam.  Zu 
dieser  Entscheidung  gelangte  das  Reichsgericht  auf  Qrund  einer  An¬ 
fechtungsklage  des  praktischen  Arztes  Dr.  med.  K.  in  Aue  gegen  den 
praktischen  Arzt  Dr.  med.  B.  in  Dresden.  B.  verkaufte  dem  Kläger 
durch  Vertrag  vom  1.  Dezember  1902  seine  Praxis  für  70  000  Mk. 
Ueber  das  Vermögen  des  Klägers,  der  die  Praxis  am  1.  April  1903 
antrat,  ist  auf  Antrag  des  Beklagten  das  inzwischen  beendete  Konkurs¬ 
verfahren  eröffnet  worden.  Der  Kläger  hat  daraufhin  den  Vertrag 
mit  dem  Beklagten  auf  Grund  der  §§  134  und  138  des  Bürgerlichen 
Gesetzbuches  als  nichtig  angefochten.  Das  Landgericht  zu  Dresden 
liess  den  §  134  B.G.B.  gelten,  da  der  Verkauf  der  ärztlichen  Praxis 
gegen  die  Standesordnung  für  die  ärztlichen  Bezirksvereine  im  Kö¬ 
nigreich  Sachsen  verstosse.  Auf  die  Berufung  des  Beklagten  liess 
das  Oberlandesgericht  Dresden  die  Entscheidung  der  Frage  nach 
§  134  B.G.B.  unentschieden,  erklärte  aber  die  Anfechtung  des  §  138 
B.G.B.  wegen  Verstosses  gegen  die  guten  Sitten  für  begründet.  Diese 
Entscheidung  des  Oberlandesgerichtes  ist  jetzt  vom  II.  Zivilsenat 
des  Reichsgerichtes  gebilligt  worden.  Die  Annahme  des  Ober¬ 
landesgerichtes,  dass  die  Vertragsbestimmung  einer  monatlichen  Ab¬ 
zahlung  von  1500  Mk.  zum  Nachteile  für  die  Hilfesuchenden  werden 
müsste,  da  es  dem  Kläger  bei  der  drückenden  wirtschaftlichen  Lage 
hauptsächlich  um  hohe  Einnahmen  zu  tun  sein  müsse,  sei  richtig. 
Dazu  komme,  dass  unter  solchen  drückenden  Verhältnissen  arbeiten¬ 
den  Aerzten  die  Arbeitsfreudigkeit  und  die  Geneigtheit,  dem  Gemein¬ 
wohl  zu  dienen,  abgehen  müsse.  Diese  Umstände  traten  aber  noch 
zu  dem  bei  jedem  Verkauf  der  ärztlichen  Praxis  sich  ergebenden  all¬ 
gemeinen  Nachteil  hinzu,  der  darin  bestehe,  dass  der  Verkäufer  we¬ 
niger  auf  die  wissenschaftliche  und  sittliche  Befähigung  seines  Nach¬ 
folgers  als  auf  die  Höhe  des  Kaufpreises  Rücksicht  nehmen  wird.  Das 
vorliegende  Verhalten  verletze  somit  nicht  nur  die  Standessitten 
der  Aerzte,  sondern  auch  das  sittliche  Empfinden  der  Gesamtheit. 
Aus  allen  diesen  Gründen  sei  ein  Verkauf  der  ärztlichen  Praxis  nicht 
angängig-  (Voss.  Ztg.) 

Therapeutische  Notizen. 

Bromquecksilber,  ein  neues,  lösliches  Quecksilbersalz, 
hat  Dalimier  mit  folgender  Formel  eingeführt:  HgBr2  1,08,  Na 
brornat.  1,04  (um  die  an  sich  ungenügende  Löslichkeit  des  Hg  Bis  zu 
erhöhen)  und  Aqu.  dest.  ad  100,0.  Das  Bromquecksilber  ist  die  Kom¬ 
bination  eines  Moleküls  des  Metalls  mit  2  Molekülen  Brom  und  zählt 
zu  jenen  Quecksilbersalzen,  deren  Gehalt  an  Hg  am  höchsten  ist. 
.Jeder  Kubikzentimeter  der  Lösung  enthält  1  cg  reinen  Quecksilbers. 
Dieselbe  reagiert  neutral,  ist  leicht  resorbierbar  durch  die  chlorreichen 
Körpersäfte,  bei  120  0  ohne  Nachteil  sterilisierbar  und  zeichnet  sich 
durch  besondere  Beständigkeit  ,aus.  In  den  16  Fällen,  wo  D.  das 
Bromquecksilber  anwandte  (1 — 2  ccm  in  intramuskulärer  Injektion) 
hat  sich  dasselbe  bezüglich  der  Heilwirkung  den  bewährtesten  Queck- 
silbersalzen,  besonders  dem  Bijodat  gleichwertig  gezeigt.  (Bulletin 
medical  1907,  No.  44.)  St. 

Das  Atoxyl  bei  Tuberkulose  hat  nach  den  Erfahrungen 
und  Tierexperimenten  von  Renon  und  De  Lille  nur  einen  be¬ 
schränkten  Wert.  Die  tuberkulös  gemachten  Meerschweinchen  sind 
ungefähr  in  derselben  Zeit  mit,  wie  ohne  Atoxylbehandlung  gestorben. 
Bei  zahlreichen  Kranken  mit  chronischer  Lungen-  und  lokaler  Tuber¬ 
kulose  hat  das  Atoxyl  in  keiner  Weise  auf  den  Krankheitsprozess  ein- 
gewiirkt,  hingegen  bei  tuberkulöser  Pleuritis,  Peritonitis,  bei  Lungen¬ 
tuberkulose  mit  rapidem  Verlauf  schien  es  verzögernden  Einfluss  zu 
haben  und  kann  man  es  in  solchen  Fällen  als  Ersatz  anderer  Arsen¬ 
präparate,  wie  des  Kakodylats,  des  Na  arsenic.  etc.  anwenden.  Es 
wird  innerlich  (Atoxyl  1,0,  Aqu.  dest.  150,0,  1—3  Esslöffel  pro  Tag) 
oder  in  subkutaner  Injektion  (1,5:10,0  Aqu.,  alle  2—4  Tage  2  ccm) 
gegeben.  (Bulletin  medicale  1907,  No.  44.)  St 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  8.  Juli  1907. 

—  Ein  Ergebnis  desAerztetagesinMünster  von  grosser 
prinzipieller  Tragweite  ist  die  nahezu  einstimmig  (gegen  5  Stimmen) 
beschlossene  Forderung  der  gesetzlichen  Festlegung  der 
freien  Arztwahl.  Noch  vor  Kurzem  gab  es  nicht  wenige  ein¬ 
flussreiche  Mitglieder  des  Aerteztages  und  sonst  überzeugte  Anhänger 
der  freien  Arztwahl,  die  sich  einer  gesetzlichen  Einführung  der 
freien  Arztwahl  gegenüber  ablehnend  verhielten.  So  hat  der  Tag  in 
Münster  gezeigt,  dass  der  Gedanke  der  freien  Arztwahl  in  der 
deutschen  Aerzteschaft  unaufhaltsam  vordringt.  Nach  der  Stimmung, 
die  in  Münster  herrschte,  kann  kein  Zweifel  sein,  dass,  falls  die 
Reform  des  Krankenversicherungsgesetzes  dieser  Forderung  nicht 
Rechnung  tragen  sollte,  der  Geschäftsausschuss  auf  die  Solidarität 
und  Entschlossenheit  der  deutschen  Aerzte  rechnen  kann,  wenn  er 


sie  zum  Kampf  gegen  eine  abermalige  Ignorierung  ärztlicher  Leben 
interessen  aufrufen  sollte.  Wenn  man  sieht,  wie  die  Idee  der  freit 
Arztwahl  von  Jahr  zu  Jahr  siegreich  fortschreitet  und  wie  die  Aerzt 
gruppen  immer  kleiner  werden,  die  ihr  ablehnend  gegenüberstehe 
so  ist  es  schwer  zu  begreifen,  dass  eine  starke  Strömung  auf  de 
Aerztetag  verlangte,  diesen  natürlichen  Umwandlungsprozess  dur». 
Gewaltmassregeln  gegen  die  renitenten  Kollegen  zu  beschleunige 
selbst  auf  die  Gefahr  einer  Spaltung  der  Aerzteschaft  hin.  Es  stel 
fest,  wenn  es  auch  nicht  beschlussmässig  festgelegt  wurde,  dass  b 
vielen  Delegierten  der  Wunsch  besteht,  die  Direktiven  des  Geschäft 
ausschusses,  die  Einführung  der  freien  Arztwahl  betr.  dahin  abzi 
ändern,  dass  eine  Mehrheit  von  Aerzten  eines  Ortes  berechtigt, 
sogar  verpflichtet  sein  soll,  die  freie  Arztwahl  auch  gegen  den  Wille 
der  an  den  fixierten  Kassenarztstellen  beteiligten  Kollegen  zu  e 
zwingen  und  dass  Mitglieder  und  Vereine,  die  sich  der  Durchfiihrun 
dieser  neuen  Direktiven  nicht  fügen  wollen,  die  Konsequenzen  z 
ziehen  und  aus  Aerztevereinsbund  und  Leipziger  Verband  auszi 
scheiden  haben.  Wir  fürchten,  dass  hier  ein  gefährliches  Spiel  m 
dem  Feuer  getrieben  wird.  Denn  es  handelt  sich  hier  nicht  nur  ui 
die  nicht  mehr  bedeutende  Zahl  von  Gegnern  der  freien  Arztwah 
sondern  um  die  beträchtliche  Zahl  derjenigen,  die  es  mit  ihre: 
kollegialen  Fühlen  nicht  vereinbaren  können,  die  Mittel  der  zui 
Kampf  gegen  die  Gewaltherrschaft  der  Kassen  gegründeten  Organ 
sation  zum  Kampfe  gegen  Kollegen  anzuwenden.  Als  im  vorige 
Jahre  die  Sperre  über  die  Münchener  Bahnarztstellen  vom  L.  \ 
verhängt  wurde,  hat  sich  die  Mehrheit  der  bayerischen  Aerzte  gege 
die  Sperre  ausgesprochen,  weil  sie  in  ihr  einen  Verstoss  gegen  di 
bisherigen  Direktiven  des  Geschäftsausschusses  erblickte.  Will  ma 
diese  Kollegen,  die  fast  alle,  nicht  sogen,  „prinzipielle“,  sonder 
wirkliche  Anhänger  der  freien  Arztwahl  sind,  zum  Ausscheiden  au 
dem  Aerztevereinsbund  und  L.  V.  veranlassen?  Man  sagt,  die  Stoss 
kraft  der  Organisation  werde  gestärkt,  wenn  sie  nur  die  entschlösse 
nen  Elemente  in  sich  vereinige;  es  müsse  eine  „reinliche  Scheidung 
erfolgen.  Das  Gegenteil  ist  der  Fall;  eine  Standesorganisation  is 
nur  dann  aktionsfähig,  wenn  sie  möglichst  die  Gesamtheit  aller  Ver 
treter  des  Standes  (mit  Ausschluss  der  unhonorigen  natürlich)  um 
schliesst.  Beweis  München,  wo  die  reinliche  -Scheidung  sich  bereit 
vollzogen  hat.  Niemand  wird  behaupten,  dass  die  Stosskraft  de 
Bezirksvereins  München  sich  durch  diese  Scheidung  erhöht  hai 
Wenn  aber  eine  freiwillige  Organisation,  wie  die  der  Aerzte,  all« 
Mitglieder  des  Standes,  radikale  und  gemässigte,  in  sich  vereinige: 
soll,  so  ist  es  nötig,  dass  sie  auf  einer  mittleren  Marschroute  siel 
bewegt  und  auch  Minderheiten  Rechnung  trägt.  Das  hat  der  Deutsch« 
Aerztevereinsbund  bisher  getan  und  es  ist  ihm  gelungen  in  immei 
grösserer  Vollständigkeit  die  deutschen  Aerzte  an  sich  anzugliedern 
Es  ist  wohl  nicht  zu  befürchten,  dass  der  derzeitige  Geschäfts 
ausschuss  von  dieser  Tradition  abweichen  und  ohne  Not  treuen  Mit 
gliedern  den  Stuhl  vor  die  Türe  setzen  wird.  Denn  eine  Not¬ 
wendigkeit,  die  Einführung  der  freien  Arztwahl  zu  forcieren,  besteh- 
jetzt,  wo  ihre  gesetzliche  Festlegung  in  Frage  steht,  weniger  wie 
je.  Fällt  aber  die  freie  Arztwahl  bei  der  Reform  des  Krankenver¬ 
sicherungsgesetzes  und  sollten  die  Aerzte  dann  einen  Kampf  um  diese 
ihre  erste  Forderung  zu  führen  haben,  so  werden  sich  von  selbst  neue 
Direktiven  ergeben.  Die  Begeisterung,  die  der  Kampf  um  eine  gute 
Sache  immer  auslöst,  wird  dann  das  ihrige  tun,  die  Zahl  der  Gegner 
der  freien  Arztwahl  weiter  zu  vermindern.  Wir  möchten  daher 
dem  Geschäftsausschuss  des  Aerztevereinsbundes  sehr  ans  Herz 
legen,  Bestrebungen  gegenüber,  die  darauf  abzielen,  weitere  Kreise 
bundestreuer  Mitglieder  aus  dem  Aerztevereinsbunde  hinauszu¬ 
drängen,  die  grösste  Vorsicht  und  Zurückhaltung  walten  zu  lassen. 
Niederreissen  ist  leichter  als  Aufbauen! 

Laut  §  7  A  Absatz  4  der  Satzungen  des  „V  erbandes  der 
Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer  wirt¬ 
schaftlichen  Interessen“  hat  sich  der  auf  der  Hauptver¬ 
sammlung  in  Münster  i.  W.  vom  20.  Juni  d.  Js.  gewählte  Vorstand 
konstituiert.  Nach  Zuwahl  weiterer  4  Beisitzer  gehören  ihm  z.  Zt. 
an  die  Herren :  Dr.  Hartmann,  Dr.  Max  G  ö  t  z,  Dr.  Hirsch- 
f  e  1  d,  S.-R.  Dr.  D  i  p  p  e,  Dr.  S  t  r  e  f  f  e  r,  Dr.  M  e  j  e  r,  Prof  Dr 
Schwarz,  Dr.  Dumas,  Dr.  V  o  1 1  e  r  t,  Dr.  Göhl  e  r. 

—  Das  Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Fort¬ 
bildungswesen  in  Preussen  hielt  am  Sonnabend  den 
29.  Juni  im  Kaiserin-Eriedrich-Hause  seine,  auch  von  auswärtigen 
Aerzten  zahlreich  besuchte  siebente  Generalversammlung 
ab.  Dem  bisherigen  Vorsitzenden  Ernst  v.  Bergmann  widmete 
der  stellvertretende  Vorsitzende  Geheimrat  v.  Ren  ver  s  warme 
Worte  der  Erinnerung.  Ueber  den  gegenwärtigen  Umfang  der  Or¬ 
ganisation,  die  auch  im  A  u  s  1  a  n  d  e  vielfach  Nachahmung  gefunden 
hat,  und  über  die  Arbeiten  im  abgelaufenen  Geschäftsjahre  erstattete 
Prof.  R.  Kutner  Bericht;  hiernach  sind  gegenwärtig  Vereinigungen 
fiii  unentgeltliche  F ortbildungskurse  vorhanden :  in 
Preussen  31,  in  Bayern  3,  in  Sachsen  3,  in  Württemberg  2,  in  Baden  2, 
m  den  übrigen  ausserpreussischen  Bundesstaaten  7,  ausserdem  eine 
in  Elsass-Lothringen,  also  insgesamt  49.  Hierzu  kommen  die  „Semi- 
naic  für  soziale  Medizin1  in  Berlin,  Breslau,  Leipzig,  München,  Wies¬ 
baden  und  Hamburg.  Vereinigungen  für  honorierte  Kurse  gibt 
es  zurzeit:  in  Preussen  6,  in  ausserpreussischen  Bundesstaaten  5,  mit¬ 
hin  zusammen  11.  Im  ganzen  sind  also  im  Deutschen  Reiche  zurzeit 
00  Kursvereinigungen  vorhanden.  In  Anerkennung  der 


).  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1415 


■rossen  Verdienste,  die  sich  der  gegenwärtige  Leiter  der  Unterrichts- 
ibteilung,  Ministerialdirektor  Dr.  A  1 1  h  o  f  f,  um  die  Begründung  und 
Ausbreitung  des  ärztlichen  Fortbildungswesens  erworben  hat,  er¬ 
zählte  ihn  die  Versammlung  einstimmig  zum  Ehrenvorsitzenden, 
yährend  der  bekannte  Berliner  Anatom,  Qeh.  Med.-Rat  Prof.  Dr. 
\Valdeyer  zum  Vorsitzenden  gewählt  wurde.  Hieran  schlossen 
;ich  die  Wahlen  der  ständigen  Vertreter  des  Zentralkomitees  bei  den 
Akademien  für  praktische  Medizin  in  Köln  und  Düsseldorf“,  als 
.velche  die  Herren  Qeh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Bardenheuer  und 
3eh.  San.-Rat  Dr.  Reimer  ernannt  wurden.  D,en  Schluss  bildeten 
lie  Beratungen  und  Annahme  mehrerer  Anträge,  die  eine  Erhöhung 
ler  staatlichen  Beihilfe  und  eine  Ermässigung  der  Fahrpreise  für  die 
irztlichen  Kursteilnehmer  bei  den  Behörden  erwirken  sollen,  sowie 
ier  Beschluss,  die  Bildung  eines  internationalen  Komitees  für  ärzt- 
iche  Studienreisen  in  die  Wege  zu  leiten. 

_ Die  preussische  Akademie  der  Wissenschaf- 

:en  hat  durch  die  physikalisch-mathematische  Klasse  dem  o.  Professor 
und  Direktor  der  medizinischen  Klinik  Dr.  med.  Ludolf  K  r  e  h  1  in 
Heidelberg  zu  Untersuchungen  über  die  Veränderungen  der  Wasser¬ 
ausscheidung  durch  die  Haut  und  Lunge  bei  Aufenthalt  an  hoch  ge- 
egenen  Punkten  2400  M.  bewilligt,  (hc.) 

—  Dem  französischen  Hygieniker  Brouardel  soll  in  Paris  ein 
3  e  n  k  m  a  1  errichtet  werden.  Für  diesen  Zweck  hat  sich  ein  Komitee 
rnter  dem  Protektorat  des  Präsidenten  der  Republik  gebildet.  Bei- 
;räge  sind  zu  senden  an  die  Verlagsfirma  Herren  B  a  i  1 1  i  e  r  e  & 
Qis,  Paris,  19,  rue  Hautefeuille. 

—  Die  Berliner  Hygiene-Ausstellung,  die  gleich¬ 
zeitig  mit  dem  14.  Internationalen  Kongresse  für  Hygiene  und  Demo¬ 
graphie  vom  23.  bis  zum  29.  September  stattfinden  wird,  soll  in  der 
vVandelhalle  und  in  den  anschliessenden  Nebenräumen  des  Reichs¬ 
agsgebäudes  veranstaltet  werden.  Vorsitzender  ist  Geh.  Rat  Prof. 
3r.  R  u  b  n  e  r,  Schriftführer  Stabsarzt  Dr.  H  o  f  f  m  a  n  n.  Die  Leitung 
Ier  Ausstellung  besteht  aus  Vertretern  des  Kultusministeriums,  des 
Reichsgesundheitsamtes,  der  Medizinalabteilungen  der  Armee  und 
Vlarine  sowie  aus  Vertretern  der  hygienischen  Wissenschaft  und  der 
jesundheitstechnik.  (hc.) 

—  Zur  diesjährigen  ärztlichen  Studienreise  ver¬ 
sammeln  sich  die  Teilnehmer  bereits  am  1.  September  ds.  Js.  in 
Berlin  morgens  9  Uhr  im  „Kaiserin  Friedrich-Haus  für  das  ärztliche 
mrtbildungswesen“  zu  einer  Eröffnungssitzung.  Daran  anschliessend 
Besichtigung  städtischer  Krankenhäuser  und  hygienischer  Einrich- 
:ungen  etc.  nach  Wahl.  Am  2.  September  morgens  verlassen  die 
i'eilnehmer  Berlin  per  Extrazug,  besteigen  in  Warnemünde  den  itir 
iie  ganze  Reise  gecharterten  Dampfer  und  besuchen  die  Ostsee¬ 
räder  sowie  Rügen,  Bornholm,  Wisby  auf  Gothland,  Stockholm  und 
Ropenhagen.  Die  Reise  endet  am  16.  September  mittags  in  Stettin. 
Preis  für  die  ganze  Reise  inkl.  Fahrten,  Verpflegung,  Quartiere, 
Reisebericht,  exkl.  Berliner  Aufenthalt,  Getränke  und  Trinkgelder 
265  Mk.  Baldige  Anmeldung,  welche  durch  Einsendung  der  Ein¬ 
schreibgebühr  von  25  Mk.,  die  auf  den  Gesamtbetrag  verrechnet 
verden,  perfekt  wird,  ist  empfehlenswert,  da  aus  technischen  Grün- 
len  die  Teilnehmerzahl  eine  begrenzte  ist.  Anfragen  etc.  sind  zu 
ächten  an  das  Komitee  zur  Veranstaltung  ärztlicher  Studienreisen, 
5.  H.  des  Generalsekretärs  Dr.  A.  Oliven,  Berlin,  Luisenplatz  2/4 
Kaiserin  Friedrich-Haus  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen). 

—  Der  erste  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft 
ür  Urologie  wird  am  2.  Oktober  zu  Wien  eröffnet.  Da  zu  den 
)ffiziellen  Referaten  (I.  Nierentumoren:  Küster,  v.  Eiseisberg; 
II.  Nierensteine:  Kümmell,  Holzknecht,  Kienböck;  III. 
Albuminurie;  v.  Noorden,  Posner)  schon  eine  Reihe  Dis¬ 
kussionsredner  gemeldet  sind,  bleiben  die  Vormittage  des  3.,  4.  und 
5.  Oktober  ausschliesslich  der  Verhandlung  dieser  Themen  vorbe- 
lalten.  Nur  die  bis  spätestens  15.  Juli  angemeldeten  Vorträge  und 
Demonstrationen  können  bei  Feststellung  des  endgültigen  Programms 
Berücksichtigung  finden.  Alle  Anmeldungen  und  Auskünfte  erfolgen 
in  der  Geschäftsstelle  in  Wien  (Dr.  Kapsammer,  IX.  Maria  The- 
esienstrasse  3). 

—  Der  20.  französische  Chirurgenkongress  findet 
nn  7.  Oktober  1907  zu  Paris  statt.  Auf  der  Tagesordnung  stehen 
1  Themen:  1.  Der  Einfluss  der  Röntgenstrahlen  auf  maligne  Tumoren; 
1.  Nerven-,  Muskel-  und  Sehnentransplantationen  bei  der  Behandlung 
ler  Lähmungen;  3.  chronische,  chirurgische  Affektionen  (Tuberkulose 
nid  Krebs)  in  ihren  Beziehungen  zu  Unfällen. 

—  .Der  9  französische  Kongress  für  innere  Medizin  findet  vom 

19.  Oktober  zu  Paris  statt:  Auf  der  Tagesordnung  stehen:  1. 
Behandlung  des  einfachen  Magengeschwürs,  2.  Pathogenese  und  Be- 
mndlung  der  Basedow  sehen  Krankheit,  3.  die  Hämophilie. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  16. — 22.  Juni  wurden  20  neue  Er¬ 
krankungen  (und  15  Todesfälle)  an  der  Pest  angezeigt.  —  Britisch- 
Jstindien.  In  Moulmein  sind  vom  19. — 25.  Mai  41  Personen  an  der 
Jest  gestorben.  In  Kalkutta  starben  vom  19. — 25.  Mai  131  Personen 
jn  der  Pest.  —  Straits  Settlements.  In  Singapore  sind  am  17.  Mai 
'  Pestfälle,  am  20.  Mai  1  solcher  gemeldet  worden.  —  China.  Zufolge 
•iner  Mitteilung  vom  23.  Mai  sind  letzthin  vereinzelte  Pestfälle  unter 
ler  einheimischen  Bevölkerung  der  Stadt  Amoy  aufgetreten.  — 
[apan.  In  Nischimurasaki  wurden  am  17.  Mai  2  Pestfälle  mit  töd- 
ichem  Ausgange  festgestellt.  — •  Zanzibar.  Am  26.  Juni  ist  in  Zan¬ 
dbar  ein  pestverdächtiger  Todesfall  vorgekommen.  —  Britisch-Siid- 


afrika.  In  King  Williams  Town  wurde  am  24.  Mai  ein  neuer  Pestfall 
ermittelt.  —  Hawaiische  Inseln.  Vom  10. — 27.  Mai  sind  10  Personen 
der  Pest  erlegen.  Seit  dem  ersten  Auftreten  der  Seuche  am  30.  März 
d.  J.  sind  bis  zum  27.  Mai  im  ganzen  41  Pestfälle  bekannt  geworden, 
von  denen  6  auf  Honolulu,  2  auf  Kalauao  und  33  auf  Aiea  entfallen; 
tödlich  verlaufen  sind  davon  bisher  28.  —  Neu-Siid-Wales.  In  Sydney 
wurde  am  19.  Mai  ein  neuer  Pestfall  festgestellt.  —  Viktoria.  In  Mel¬ 
bourne  ist  am  21.  Mai  eine  aus  Sydney  am  17.  Mai  dort  eingetroffene 
Person  an  Pest  gestorben.  —  Neu-Seeland.  In  Auckland  sind  am 
16.  Mai  2  Pesterkrankungen  vorgekommen,  die  tödlich  verlaufen  sind. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  16. — 22. 
Juni  sind  68  Erkrankungen  (und  25  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  25.  Jahreswoche,  vom  16. — 22.  Juni  1907,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Regensburg  mit  27,2,  die  geringste  Krefeld  mit  5,6  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Barmen,  an  Masern  und  Röteln  in  Buer,  an 
Diphtherie  und  Krupp  in  Buer.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Der  a.  o.  Professor  Dr.  Richard  Greeff,  Direktor 
der  Klinik  für  Augenkrankheiten  im  Charitee-Krankenhause,  hat  einen 
Ruf  nach  Kiel  erhalten,  sich  aber  entschlossen,  demselben  nicht 
Folge  zu  leisten,  (hc.)  —  Der  Titel  Professor  wurde  verliehen:  dem 
Privatdozenten  für  innere  Medizin  an  der  Berliner  Universität 
Dr.  med.  Leonor  Michaelis,  dem  Assistenten  bei  Geheimrat 
Senator  am  poliklinischen  Institut  für  innere  Medizin  der  Fried- 
rich-Wilhelms-Universität  Dr.  med.  Max  M  o  s  s  e  und  dem  Privat¬ 
dozenten  für  innere  Medizin  Dr.  Paul  Lazarus  in  Berlin.  — 
Die  Hochschulkorrespondenz  schreibt:  In  hiesigen  Blättern  wird  ge¬ 
meldet,  dass  für  den  v.  Leyden  sehen  Lehrstuhl  an  dritter  Stelle 
Prof.  H  i  s  in  Göttingen  von  der  hiesigen  medizinischen  Fakultät  vor¬ 
geschlagen  sei.  Dies  ist,  wie  wir  hören,  nicht  richtig.  Vielmehr  ist’ 
von  der  Fakultät  an  dritter  Stelle  Prof.  Moritz  in  Strassburg,  früher 
in  Giessen  und  Greifswald,  vorgeschlagen  worden.  Es  ist  aber  wohl 
anzunehmen,  dass  die  Fakultät,  nachdem  die  Professoren  Müller 
in  München  und  K  r  e  h  1  in  Heidelberg  abgelehnt  haben,  weitere 
Vorschläge  machen  wird,  (hc.)  —  Prof.  Hermann  Munk  wird  am 
1.  Oktober  von  seinem  Lehramt  und  von  der  Leitung  des  physio¬ 
logischen  Instituts  zurücktreten. 

Bonn.  Habilitiert  Dr.  med.  Gustav  Embden  mit  einer  An¬ 
trittsvorlesung  über  die  Bedeutung  der  Krankheit  für  die  Lehre  vom 
intermediären  Stoffwechsel,  (hc.) 

Breslau.  Durch  A.  K.  O.  vom  22.  VI.  07  ist  Geheimrat  Prof. 
Dr.  N  e  i  s  s  e  r,  Direktor  der  dermatologischen  Klinik  und  bisheriger 
ausserordentlicher  Professor  zum  ordentlichen  Professor  in  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  der  Universität  Breslau  ernannt  worden.  Habili¬ 
tiert:  Dr.  med.  Walther  Hannes,  Oberarzt  bei  Prof.  Küstner  an 
der  Frauenklinik,  mit  einer  Vorlesung  über  das  Thema:  „Welche 
Anforderungen  sind  an  eine  rationelle  Methode  der  künstlichen  Unter¬ 
brechung  der  Schwangerschaft  zu  stellen?“  (hc.) 

Halle  a.  S.  Anlässlich  des  50  jährigen  Bestehens  des  Halle¬ 
schen  Diakonissenhauses  ernannte  der  Kaiser  den  Chefarzt  Professor 
Gentzmer  zum  Geh.  Medizinalrat  und  verlieh  dem  Oberarzt  Wit¬ 
thauer  den  Roten  Adlerorden. 

Heidelberg.  Dem  in  Heidelberg  ansässigen  Baron  Jakob 
v.  U  e  x  k  ü  1 1  wurde  von  der  medizinischen  Fakultät  der  medizinische 
Doktortitel  honoris  causa  verliehen  in  Anerkennung  seiner  wichtigen 
Untersuchungen  über  die  Erregungsvorgänge  in  den  Nerven  und 
Muskeln. 

Kiel.  Prof.  Dr.  med.  Johannes  Pfannenstiel  in  Giessen 
wurde  zum  ordentlichen  Professor  und  Direktor  der  Frauenklinik  an 
der  hiesigen  Universität  unter  gleichzeitiger  Verleihung  des  Cha¬ 
rakters  als  Geh.  Medizinalrat  ernannt,  (hc.) 

Königsberg  i.  Pr.  Habilitiert:  Dr.  med.  Max  Drau  dt 
(aus  Darmstadt),  Assistenzarzt  bei  Prof.  Lex  er  an  der  chirurgischen 
Klinik  für  das  Fach  der  Chirurgie  und  Dr.  med.  Isfried  H  o  f  b  a  u  r 
(aus  Wien),  Assistenzarzt  bei  Prof.  Winter  an  der  Frauenklinik, 
für  das  Fach  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  (hc.) 

München.  Die  medizinische  Fakultät  hat  die  für  das  Studien¬ 
jahr  1906/07  gestellte  Preisfrage:  „Der  Einfluss  der  Erkrankungen 
der  Koronararterien  auf  die  Herzmuskulatur,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  chronischen  Aortitis“  wiederholt  und  dazu  folgende 
neue  gestellt:  „Es  wird  eine  genauere  anatomische  Untersuchung  des 
Akkommodationsmuskels  im  menschlichen  Auge  gewünscht.  Ins¬ 
besondere  soll  dabei  auch  der  Uebergang  des  Muskels  in  die  Chorio- 
idea  und  sein  Verhalten  bei  Myopie,  Hypermetropie  und  Presbyopie 
erforscht  werden.“  Die  Zahl  der  an  der  Universität  München  im 
Sommersemester  1907  immatrikulierten  Studierenden  beträgt  6009, 
gegen  5734  im  Sommer  1906.  Davon  in  der  medizinischen  Fakultät 
1386  (1215).  (hc.)  Am  6.  Juli  habilitierte  sich  für  Augenheilkunde 

Dr.  Wilhelm  L  o  h  m  a  n  n,  Assistent  der  ophthalmologischen  Klinik, 
mit  einer  Probevorlesung  über  Diagnose,  Prognose  und  Behandlung 
der  tuberkulösen  Erkrankungen  des  Auges.  Die  Habilitionsschrift 
führt  den  Titel:  „Untersuchungen  über  Adaptation  und  ihre  Be¬ 
deutung  für  Erkrankungen  des  Augenhintergrundes“. 

Rostock.  Der  Stabsarzt  Dr.  Riemer,  Bataillonsarzt  des 
hiesigen  Füsilierregiments  No.  90  hat  sich  für  das  Fach  der  Hygiene 
habilitiert.  —  Dr.  med.  R  e  i  n  m  ü  1 1  e  r,  Spezialarzt  fiir  Zahn-  und 


1416 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  2 


Mundkrankheiten,  wurde  als  Lektor  für  dieses  Fach  an  der  Universi¬ 
tät  zugelassen. 

Tübingen.  An  der  medizinischen  Fakultät  wird  für  Phar¬ 
makologie  und  für  Leitung  der  medizinischen  Poliklinik,  die  in  der 
Hand  des  verstorbenen  Professors  Jürgensen  vereinigt  waren, 
je  ein  besonderer  Lehrstuhl  errichtet  werden.  An  Stelle  von  Prof. 
D  ö  d  e  r  1  e  i  n  hat,  nachdem  Fehling-  Strassburg  abgelehnt  hat, 
Prof.  Menge-  Erlangen  einen  Ruf  als  Vorstand  der  Universitäts- 
Frauenklinik  erhalten. 

W  ii  r  z  b  u  r  g.  1408  Studierende  sind  im  laufenden  Semester 
an  der  Universität  Wiirzburg  immatrikuliert,  gegen  1360  im  Sommer 
1906,  davon  449  Mediziner.  Habilitiert:  Dr.  med.  Alexander 
Schmincke  (aus  Kassel),  Prosektor  am  dortigen  pathologischen 
Institut.  Die  Habilitionsschrift  trägt  den  Titel:  „Die  Regeneration  der 
quergestreiften  Muskelfasern  bei  den  Wirbeltieren.  Eine  verglei¬ 
chende  pathologische  Studie  *,  (hc.)  Privatdozent  Dr.  A  r  n  e  t  h 

wurde  von  der  Stadt  Münster  i.  W.  zum  Oberarzt  der  inneren  Ab¬ 
teilung  (250  Betten)  am  Klemenshospitale  einstimmig  berufen. 

Q  e  n  f.  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  O.  Beuttner 
*  wurde  zum  ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
an  Stelle  des  verstorbenen  Prof.  J  e  n  t  z  e  r  ernannt. 

I  n  n  s  b  r  u  c  k.  Der  a.  o.  Professor  Dr.  med.  Alois  Lode  wurde 
zum  ordentlichen  Professor  der  Hygiene  an  der  Universität  Innsbruck 
ernannt,  (hc.) 

Kopenhagen.  Habilitation :  Dr.  med.  Otto  C.  V.  E.  P  e  t  e  r  - 
sen  (Habilitationsschrift:  Beitrag  zur  mikroskopischen  Anatomie  der 
Vesicula  seminalis  bei  dem  Menschen  und  einigen  Säugetieren). 

(Todesfälle.) 

Dr.  D.  M.  M  o  i  r,  Professor  der  Anatomie  am  Medical  College 
Hospital  zu  Kalkutta. 

Prof.  Dr.  Siegfried  C  z  a  p  s  k  i,  der  langjährige  Mitarbeiter  Ernst 
Abbes  und  dessen  Nachfolger  in  der  Geschäftsleitung  des  Zeiss- 
werkes  ist  in  Jena  am  29.  Juni  im  Alter  von  46  Jahren  gestorben. 

Prof.  Dr.  med.  Ferdinand  L  e  v  i  s  o  n,  63  Jahre  alt,  durch  Arbei¬ 
ten  über  Gicht  und  Rheumatismus  bekannt. 

Berichtigung.  In  der  Arbeit  von  C.  Klieneberger 
in  voriger  Nummer  ist  auf  S.  1333,  Sp.  1,  Anmerkung,  in  dem  Satze: 

. . .  wenn,  wie  Voss  selbst  auf  Grund  von  Normalserumkontrollen 


betonL  erst  jenseits  1 :  150  die  Pyozyaneusagglutination  als  S[ 
zifisch  angesehen  werden  kann...  zu  lesen  1:50  statt  1:150. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Verzogen:  Dr.  L  o  e  b  von  Lingenfeld. 

Gestorben.  Medizinalrat  Dr.  Heinrich  Ullrich,  früher 
Direktor  der  Heil-  und  Pflegeanstalten  bei  Kaufbeuren. 

Militärsanitätswesen. 

An  gestellt:  der  Oberarzt  Dr.  Hugo  W  i  1 1  m  e  r  mit  seine 
Ausscheiden  aus  der  Kaiserl.  Schutztruppe  für  Südwest-Afrika  i 
23.  Inf. -Reg.  überzählig  und  ohne  Patent. 

Versetzt:  die  Oberärzte  Dr.  Mayer  vom  18.  Inf.-Reg.  zu 
14.  Inf.-Reg.  und  Dr.  Schmid  vom  23.  Inf.-Reg.  zum  11.  Feh 
Art.-Reg. 

Befördert:  zu  Oberärzten  (überzählig)  die  Assistenzärz 
Dr.  Wiel  des  4.  Inf.-Reg.,  Zanger le  des  17.  Inf.-Reg.,  Dr.  M  i  1 1  e 
des  20.  Inf.-Reg.,  Dr.  Woithe  des  5.  Chev.-Reg.,  kommandiert  zu 
Kaiserl.  Gesundheitsamt,  Dr.  Fürter  des  6.  Feld-Art.-Reg  m 
Dr.  Pachmayr  des  8.  Feld-Art.-Reg.,  ohne  Gehalt  beurlaubt. 

Auszeichnung:  die  Erlaubnis  zur  Annahme  und  zu 
Tragen  von  Ordensauszeichnungen  wurde  erteilt  dem  Stab 
arzt  Dr.  v.  Ammon,  Bataillonsarzt  im  Inf.-Leib-Reg.  für  das  Ritte 
kreuz  1.  Klasse  des  Kgl.  Schwedischen  Wasa-Ordens,  ferner  de 
Oberstabsarzt  Dr.  Kolb,  Regimentsarzt  im  1.  Schweren  Reiter-Rej 
für  den  Kaiserl.  Russischen  St.  Stanislausorden  2.  Klasse. 


Korrespondenz. 

Herr  Dr.  Hugo  Sternfeld  fühlt  sich  durch  unseren  Artik 
„Unfaire  Kampfesweise“  in  No.  3,  1907  dieser  Wochenschrift  verletz 
Um  den  Bemühungen  von  kollegialer  Seite,  die  Angelegenheit  gii 
lieh  beizulegen,  entgegenzukommen,  erklären  wir  —  obwohl  wir  j 
unserem  in  dem  genannten  Artikel  eingenommenen  Standpunkt  gegei 
über  dem  Verhalten  des  Herrn  Dr.  Sternfeld  nichts  ändei 
können  —  doch  gerne,  dass  bei  uns  selbstverständlich  die  Ab  sich 
Herrn  Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  zu  b  e  1  e  i  d  i  g  e  n,  nicht  bestand,  sondei 
dass  dei  Zweck  unseres  Artikels  lediglich  der  einer  Abwehr  war. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  M  a  i  1907. 


Iststärke  des  Heeres: 

70270  Mann,  170  Kadetten,  150  Unteroffiziersvorschüler. 


1.  Bestand  waren 

am  30.  April  1907: 

Mann 

Kadetten 

Unteroffiz. - 
vorschüler 

1514 

_ 

6 

2.  Zugang: 

im  Lazarett: 
im  Revier: 
in  Summa: 

1218 

1521 

2739 

] 

7 

7 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

°/qo  der  Iststärke: 

4253 

60,5 

2 

11,8 

13 

86,7 

3.  Abgang:  < 

dienstfähig: 

°/oo  der  Erkrankten: 
gestorben : 
u/oo  der  Erkrankten : 
dienstunbrauchbar : 
mit  Versorgung: 
ohne  „ 

Auf  Grund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienstvorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

anderweitig: 
in  Summa: 

2790 

656,0 

10 

2,4 

59 

3 

24 

117 

3003 

2 

1000,0 

2 

6 

461,5 

1 

7 

4.  Bestand 
bleiben 

31.  Mai  1907 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 
davon  im  Lazarett: 
davon  im  Revier: 

1250 

17,8 

937 

413 

— 

6 

40,0 

6 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Scharlach  1,  Gesichtsrose  1,  Sarkom  der  Lendenwirbelsäule  1,  Sar¬ 
kom  des  vorderen  Mittelfellraumes  1,  Lungenentzündung  2,  Blind¬ 
darmentzündung  1,  Nierenentzündung  1,  Zerreissung  der  rechten 
Lunge  1,  Schussverletzung  des  Bauches  und  der  Brust  (Selbst¬ 
mord)  1. 

Ausserhalb  der  ärztlichen  Behandlung  starben  2  Mann,  und  zwar 
1  infolge  elektrischen  Schlages,  1  infolge  von  Selbstmord  durch  Er- 
schiessen. 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  Mai  12  Mann. 

Ausserdem  ist  noch  über  1  Fall  von  Selbstmord  durch  Ertränken 
berichtet,  der  bereits  im  April  erfolgte,  während  die  Leiche  erst  im 
Mai  gefunden  wurde. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  24.  Jahreswoche  vom  9.  bis  15.  Juni  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  19(20* 
Altersschw  (üb.  60  J.)  2  (3),  Kindbettfieber  1  (-),  and.  Folgen  dt 
Geburt  1  Ly  Scharlach  1  (1),  Masern  u.  Röteln  10  (5),  Diphth. 
Krupp  3  (3),  Keuchhusten  2  ( — ),  Typhus  — •  (1),  übertragb.  Tierkrank 
(.77^  R°se  (Erysipel)  1  (1),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blu 
tu  Eitervergift.)  2  (1)  Tuberkul.  d.  Lungen  28  (23),  Tuberkul.  au 
ürg.  8  (4),  Miliartuberkul.  1  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  13(11 
Influenza  1  (-  ),  and.  übertragb.  Krankh.  1  (4),  Entzünd,  d.  Atmung: 
organe  4  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  — (2),  organ.  Herzleid.  16  (lf 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  4  (8),  Gehirnschla 
7  (10  Geisteskrankh.  —  (— ),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  1  (1),  an< 
Krankh  d  Nervensystems  1  (3),  Magen-  u.  Darm-Kat.,  Brechdurchfa 
(emschl  Abzehrung)  24  (32),  Krankh.  d.  Leber  2  (2),  Krankh.  de 
Bauchfells  1  (— ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  7  (3),  Krankh.  1 
^ainvr  U'  Geschlechtsorg.  6  (4) ,  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  7  (IC 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  9  (4),  Selbstmord  2  (2),  Tod  durc 
fremde  Hand  -(1)  Unglücksfälle  4  (— ),  alle  übrig.  Krankh.  4  (3). 
t  u  °le  Pfnnn  ^ahl  der  Sterbefälle  193  (188).  Verhältniszahl  auf  d< 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,8  (17,8),  für  die  übe 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,8  (11,7). 

Während  der  25.  Jahreswoche  vom  16.  bis  22.  Juni  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  13  (19* 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  5  (2),  Kindbettfieber  1  (1),  and.  Folgen  d< 
Geburt  2(1),  Scharlach  —  (1),  Masern  u.  Röteln  8  (10),  Diphth. 
Krupp  5  (3),  Keuchhusten  (2),  Typhus  —  ( — ),  übertragb.  Tierkrank 
—  (-),  Rose  (Erysipel)  —  (1),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blu 
u.  Eitervergift.)  2  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  29  (28),  Tuberkul.  an 
ürg.  3  (8),  Miliartuberkul.  1  (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  13  (15 
Imluenza  (1),  and.  übertragb.  Krankh.  2  (1),  Entzünd,  d.  Atmung: 
organe  3  (4),  sonst.  Krankh.  derselb.  2  (-),  organ.  Herzleid.  9  (16 
£r,.d;  Rreisl,a1ufsorg-  (einschl.  Herzschlag)  6  (4),  Gehirnschla 
U  (7)  Geis  eskrankh.  1  (-),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  1  (1),  an 
Krankh  d  Nervensystems  5  (1),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfa 
(emschl  Abzehrung)  27  (24),  Krankh.  d.  Leber  5  (2),  Krankh.  dt 
Bauchfells  —  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (7),  Krankh.  1 

^alnivTU'  ,9 ®schlecbtsorg-  7  (6),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  9  (7 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  9  (9),  Selbstmord  1  (2),  Tod  durc 
fremde  Hand  —  (-)  Unglücksfälle  6  (4),  alle  übrig.  Krankh.  3  (4). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  192  (193).  Verhältniszahl  auf  da 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,2  (18,8),  für  die  übe 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  13,0  (12,8). 

_ )  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  -  Druck  von  E.  Mülilthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München. 


Sie  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
m  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Kummer  80  J,-  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

üb—  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Amulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

» 

Herausgegeben  von 

].?.lngerer,  {Uänmler, '0. r JoIIioger,  B. CursGhraann,  H. Belierlch,  W.r.Leube,  G. Merkel,  J.r.llichel,  F. Penzeldl,  B.». Banke,  B. Spatz,  F. r. Winckel, 

«  m  —  1  _  .  _  I _ ' _ !  I.  »  .  D  Alf  1  ■  . ,  /«L  T  m  "  r ,  /v  1/  ,  a!  \Vf.i  ..  b. _  \T?t. _ 1- _ _  TV  -  1  ■  V  •  i  «  .  ..  .  ..... 


München.  Freiburg  i.  B.  München. 


Leipzig. 


Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


\lo.  29.  16.  Juli  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang, 


Originalien. 

Ueber  die  Behandlung  der  angeborenen  Lebens- 

schwäche.*) 

Von  Prof.  Meinhard  Pfaundler. 

M.  H. !  Der  Begriff  „Lebensschwäche“  enthält  eine  Ne¬ 
gation,  nämlich  eine  Verneinung  der  „Lebenskraft“  und  auf  dem 
Umwege  über  dieses  sein  Reziprok  wird  man  zu  einer  Definition 
der  „Lebensschwäche“  streben  müssen.  An  Stelle  des  vor  Zeiten 
nissb rauchten,  nämlich  mit  allerhand  mystischen  Attributen  be¬ 
lasteten  Ausdruckes  „Lebenskraft“  hat  Esche  rieh3)  jüngst 
(nach  Ostwald)  den  Ausdruck  „Lebenspotential“  gesetzt. 
Das  „Potential“  stammt  aus  den  exakten  Wissenschaften  und 
bringt  von  diesen  die  Forderung  einer  exakten  Umschreibung 
.ind  zahlenmässigen  Wertbemessung  mit.  Es  ist  vorläufig  aller¬ 
dings  noch  recht  schwer,  dieser  Forderung  zu  genügen. 

Nach  Escherich  ist  unter  Lebenspotential  die  jedem 
Lebewesen  zukommende  Fähigkeit  zu  verstehen,  sich  „mittels 
Assimilation  und  Energieumsatz  in  seiner  Eigenart  zu  erhalten, 
zu  wachsen  und  sich  fortzupflanzen“.  Es  ist  vorgeschlagen 
worden,  als  Mass  für  diese  Fähigkeit  die  Zunahme  der  Körper¬ 
länge  oder  der  Körpermasse  in  einer  gewissen  Zeiteinheit,  be¬ 
zogen  auf  die  Längen-  bezw.  Gewichtseinheit  zu  verwenden 
(v.  Exner,  Escherich).  Gegen  diese  Wertbemessung  des 
Lebenspotentiales  lassen  sich  natürlich  manche  Einwände  er¬ 
heben.  So  gibt  es  zweifellos  Lebensfunktionen,  die  als  Kom¬ 
ponenten,  bezw.  als  Aeusserungen  der  Lebenskraft  anzusehen 
sind,  die  aber  zu  keiner  Längen-  oder  Gewichtsvermehrung  An¬ 
lass  geben,  daher  in  jener  Masszahl  nicht  oder  zum  mindesten 
nicht  unmittelbar  zum  Ausdruck  kommen,  so  Zeugung,  geistige 
Produktion.  Ebensowenig  kommt  z.  B.  die  so  hochzuwertende 
Funktion  der  Beschaffung  und  Evidenzhaltung  des  ganzen  Ar¬ 
senals  der  humoralen  Wehrkräfte  gegen  äussere  und  innere 
Schäden  (infektiöse,  autotoxische  Prozesse)  zum  Ausdruck.  Es 
wird  ferner  nicht  oder  zum  mindesten  nicht  ziffernmässig  exakt 
mitgewertet  die  Summe  der  Leistungen,  die  dem  Körper- 
massenverbrauche  das  Gegengewicht  halten,  die  Erhaltungs¬ 
arbeit.  Dafür  wird  —  bei  der  Gewichtsberechnung  —  mit 
einbezogen  der  Ansatz  gewisser  Ballaststoffe,  denen  eine  den 
Organismus  fördernde  Funktion  nicht  zukommt.  Strenge  ge¬ 
nommen  könnte  somit  der  Längen-  oder  Gewichtszuwachs¬ 
koeffizient  wohl  nur  ceteris  paribus  als  Mass  des  Lebens¬ 
potentiales  gelten. 

Ich  sehe  von  derartigen  Einwänden,  die  z.  T.  gerade  für 
die  frühesten  Entwicklungsstufen  von  geringerer  Bedeutung 
sind,  vorläufig  ab  und  will  an  zwei  konkreten  Beispielen  er¬ 
läutern,  wie  sich  das  Lebenspotential  (strenge  genommen  nur 
Gn  „Massenwachstumspotential“)  bei  reifen  und  bei  frühge¬ 
borenen,  debilen  Kindern  verhält,  wenn  man  ihm  das  Mass  zu 
Grunde  legt,  das  seinen  Ausdruck  in  der  Gewichtszunahme  pro 
Zeiteinheit  und  pro  Körpergewichtseinheit  findet. 

Auf  dem  Diagramm  Fig.  1  sehen  Sie  zwei  Körpergewichts¬ 
kurven  dargestellt,  wovon  sich  die  eine  auf  ein  reif  geborenes, 
normales  Durchschnittskind  (A),  die  andere  auf  einen  von  mir 

*)  Referierender  Vortrag,  gehalten  in  der  Gynäkologischen  Ge¬ 

sellschaft  in  München  am  21.  Februar  1907. 

3)  Escherich:  Die  Grundlagen  und  Ziele  der  modernen 
Pädiatrie.  Berlin,  S.  Karger,  1905. 

No.  29. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Oberarzt  Dr.  A.  S  c  h  m  i  d  auf  der 
Krankenabteilung  der  steiermärkischen  Landesfindelanstalt  in 
Graz  beobachteten  Fall  von  Frühgeburt  (B)  bezieht. 


Fig.  1.  Körpergewicht  ^und  „Lebenspotential“  im  ersten 

Lebensjahre. 

A  Normales  Kind  und  B  Kind  Menhart  (Frühgeburt). 

AA’  Körpergewichtskurve  des  normalen  Kindes  (Ziffern  kursiv), 
BB’  „  „  frühgebornen  „  (Ziffern  normal), 

bezogen  auf  den  Massstab  links. 

CC’  Potentialkurve  des  normalen  Kindes, 

DD’  „  „  frühgebornen  „ 

EE’  „  v  „  v  (um  3  Monate  nach  links 

bezogen  auf  den  Massstab  rechts.  verschoben). 

Das  Kind1  Fall  B  wurde  im  Alter  von  20  Stunden  am  12.  Novem¬ 
ber  1902  mit  einem  Körpergewichte  von  860  g,  einer  Körperlänge  von 
35,5  cm  und  einer  Körpertemperatur  von  weniger  als  34,1 0  in  obiger 
Anstalt  aufgenommen  und  dort  durch  fast  4  Jahre  verpflegt.  Es  be¬ 
findet  sich  heute  noch  in  Evidenz  und  ist  nach  eingeholten  Nach¬ 
richten  derzeit  (imAlter  von  etwa  4%  Jahren)  ein  gesundes,  blühendes 
Kind.  Nach  meinen  literarischen  Forschungen  wurde  bisher  nur  von 
einem2)  noch  leichter  geborenen  Kinde  bekannt,  dass  es  Jahre  lang 
gelebt  habe  —  es  ist  der  vielzitierte  Fall  D’O  utreponts.  Unter 
den  fortlaufend  ärztlich  beobachteten,  betreffs  Wachstum  und  Nah¬ 
rungsaufnahme  genau  kontrollierten  Fällen  aber  ist  der  hier  mit¬ 
geteilte  bisher  „Weltrekord“.  Nähere  Mitteilungen  über  diesen  Fall 
werden  a.  a.  O.  erfolgen. 

Sie  sehen  nun,  dass  dieses  frühgeborene  Kind  B,  dessen 
Geburtsgewicht  ich  auf  der  Tabelle  behufs  Vergleichung  der 
Gewichtskurven  in  derselben  Ordinatenhöhe  ansetzte,  wie  jene 
des  Normalfalles  A,  weniger  „steil“,  d.  h.  in  der  Zeiteinheit 
absolut  um  ein  Geringeres  zugenommen  hat,  wie  das  reif  Ge¬ 
borene.  Diese  absolut  geringere  Zunahme  aber 
wurde  von  einer  etwa  viermal  kleineren  Ge¬ 
samtkörpermasse  aufgebracht,  daher,  auf  die 


2)  Von  den  aus  zweiter  oder  dritter  Hand  stammenden  oder 
nach  dem  Hörensagen  wiedergegebenen  Mitteilungen,  deren  Zuver¬ 
lässigkeit  fraglich  ist,  in  denen  z.  B.  das  Geburtsgewicht  geschätzt 
oder  rund  nach  Pfunden  („ein  Pfund,  einundeinhalb  Pfund“)  an¬ 
gegeben  wird  (Becker,  Home),  ist  hiebei  abgesehen.  (Vergl. 
Cullingworth:  Zentralztg.  f.  Kinderheilk.  1878/79  und  A  h  1  * 
feld:  Archiv  f.  Gynäkol.,  Bd.  8.) 


1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1418 


Masseneinheit  berechnet  die  Zunahme  weit 
grösser  ist.  Der  Zuwachskoeffizient,  der  als  Mass  für  das 
„Lebenspotential“  Verwendung  finden  soll,  ist  bei  dem  Früh¬ 
geborenen  ein  höherer  als  beim  normalen  Vergleichskinde. 
Dieser  Zuwachskoeffizient  ist  gleichfalls  in  der  Fig.  1  in  seinem 
Werte  für  die  einzelnen  Monate  des  ersten  Lebensjahres  beide 
Fälle  betreffend  zur  Darstellung  gebracht;  er  nimmt,  wie  er¬ 
sichtlich,  in  dieser  Periode  mehr  weniger  gleichmässig  ab,  hält 
sich  jedoch  für  den  Partus  praematurus  durchwegs  höher.  Wir 
gelangen  demnach  zum  Paradoxon,  dass  das  „lebens- 
s  c  h  w  a  c  h  e“  K  i  n  d  —  eine  Frühgeburt  von  weniger  als  einem 
Kilogramm  Gewicht  wird  wohl  allgemein  als  solches  gelten  — 
im  ganzen  ersten  Lebensjahre  ein  höheres  Le¬ 
benspotential,  mehr  „Lebenskraft“  aufweist, 
als  das  reifgeborene  Normalkind. 

Dieses  Verhalten  Frühgeborener  in  Bezug  auf  „Lebens¬ 
potential“  kann  übrigens  durchaus  nicht  überraschen,  war  viel¬ 
mehr  nach  den  Darlegungen  Escherichs  über  die  physio¬ 
logische  Potentialkurve,  die  während  des  intra-,  sowie  wäh¬ 
rend  des  extrauterinen  Lebens  ein  ununterbrochenes  Absinken 
aufweist,  von  vorneherein  zu  erwarten.  Wir  haben  es  bei 
dem  (gesunden)  Frühgeborenen  eben  mit  einem  an  Konzeptions¬ 
alter  jüngeren,  daher  mit  Wachstumspotential  noch  besser  be¬ 
gabten  Organismus  zu  tun,  als  beim  reifen  Neugeborenen. 
Dieser  Umstand  kommt  recht  anschaulich  zum  Ausdruck,  wenn 
man  an  der  Kurve  des  Falles  B  in  obiger  Tabelle  die  Alters¬ 
korrektur  anbringt.  Das  Kind  B  ist  —  nach  seinen  Körper¬ 
massen  zu  schliessen  —  um  etwa  3  Monate  zu  früh  geboren 
worden.  Wenn  wir  sein  wahres  Alter,  das  Konzeptions¬ 
alter,  berücksichtigen  wollen,  an  Stelle  seines  Geburtsalters, 
so  dürfen  wir  es  erst  nach  Ablauf  dreier  extrauteriner  Monate 
als  „neugeboren“,  erst  mit  4  Monaten  als  1  Monat  alt  erachten 
etc.,  wir  müssen  seine  Potentialkurve  ,um  sie  mit  jener  des 
Falles  A  auf  dieser  Basis  vergleichen  zu  können,  längs  der 
Zeitabszisse  um  eine  drei  Monaten  entsprechende  Strecke  nach 
links  verschieben.  Die  derart  korrigierte  Potentialkurve  des 
Falles  B  stellt  die  Linie  EE’  auf  Fig.  1  dar.  Man  erkennt, 
d  asssichdiese  nahezu  deckt  mitderPotential- 
kurve  des  normalen  Vergleichs  fall  es  A,  dass 
die  beim  „Debilen“  Vorgefundenen  Verhältnisse  somit  in  ge¬ 
wisser  Hinsicht  physiologisch  sind. 

Prüft  man  das  Verhalten  anderer  Fälle  von  „Debilitas  con¬ 
genita“  nach  dieser  Richtung,  so  findet  man  es  sehr  ver¬ 
schieden.  Unter  gleich  günstigen  äusseren  Verhältnissen  sieht 
man  in  einer  Kategorie  von  Fällen  gutes  Gedeihen,  eine  Massen¬ 
zunahme,  die  jener  des  reifen  Kindes  gleichen  Konzeptionsalters 
entspricht,  in  einer  zweiten  Kategorie  von  Fällen  wesentlich 
ungünstigeres  Verhalten.  Scheidet  man  alle  störenden  Neben¬ 
umstände,  namentlich  erworbene  Erkrankungen  und  andere 
äussere  Schäden  nach  Tunlichkeit  aus,  so  findet  man  an  einem 
grösseren  Materiale  gleichmässig  gut  beobachteter  Debiler  — 
wie  es  mir  die  Krankenabteilung  der  steiermärkischen  Landes¬ 
findelanstalt  darbot  —  dass  im  grossen  und  ganzen  ein  dem 
Konzeptionsalter  entsprechender  Massenzuwachs  erzielt  wird 
in  den  Fällen  „reiner  Frühgeburt“  (aus  Anlass  von  Traumen, 
anderen  Zufällen  oder  operativem  Einschreiten  wegen  Becken¬ 
enge),  während  die  frühgeborenen  Kinder  konstitutionell  ge¬ 
schädigter  oder  chronisch  infektionskranker  Mütter  viel 
schlechter  gedeihen  3).  Diese  praktisch  äusserst  wichtige  Schei¬ 
dung  der  kongenital  Debilen  in  2  Kategorien  wurde  auf  Grund 
anderer  Beobachtungen  schon  mehrfach  vorgeschlagen.  Leider 
ist  das  aber  zumeist  nur  prinzipiell,  nicht  effektiv  von  Fall 
zu  Fall  geschehen,  derart,  dass  es  an  einer  differenzierenden 
Symptomatik  heute  noch  fehlt  und  dass  auch  ein  grösseres 
statistisches  Material  über  späteres  Schicksal,  Morbiditäts-  und 
Mortalitätsverhältnisse  in  den  beiden  Kategorien  derzeit  noch 
nicht  vorliegt. 

Wenn  bei  den  Kindern  der  zweiten  Kategorie,  den  mit 
einem  Geburtsmangel,  einer  „tare  hereditaire“  behafteten,  eine 
richtige  (absolute)  Lebensschwäche  vorhegen  kann, 
so  kann  streng  genommen  in  den  anderen  Fällen,  deren  Ver¬ 
halten  betreffs  Wachstumspotential  dem  oben  diskutierten 
gleicht,  nur  von  einer  relativen  Lebensschwäche, 


No.  i 

d.  i.  einer  erhöhten  Gefährdung  durch  die  Schäden  des  ext 
uterinen  Lebens  als  solchen  gesprochen  werden. 

Trachtet  man  die  Begriffe  „Lebensschwäche“,  „Fri 
gebürt“  etc.  in  der  üblichen  Weise  graphisch  darzustellen  u 
abzugrenzen,  so  gelangt  man  etwa  zu  folgendem  Schema  (c 
übrigens  auf  Vollständigkeit  und  zutreffende  Proportior 
keinen  Anspruch  macht). 

Demnach  wären  mindestens  6 
Typen  zu  unterscheiden: 

1.  Debilität  infolge  Frühgeburt 
durch  eine  geschädigte  Mutter. 

2.  Debilität  des  reifen  Kindes  einer 
geschädigten  Mutter. 

3.  Debilität  wegen  Frühgeburt  bei 
gesunder  Mutter. 

4.  Debilität  aus  anderen  Gründen 
bei  gesunder  Mutter  (Zwiegeburt  etc.) 

5.  Frühgeburt  ohne  Debilität. 

6.  Abstammung  von  geschädigter 
Mutter  ohne  Debilität. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  eine 
so  weitgehende  schematische  Diffe¬ 
renzierung,  der  kein  genügendes  ent¬ 
sprechend  gesichtetes  Beobachtungs¬ 
material  zugrunde  liegt,  vorläufig  ohne 
praktischen  Wert  ist.  Vorläufig  ist  selbst  die  Möglichkeit,  zv 
sehen  den  früher  erwähnten  beiden  Kategorien  von  Debili  i 
zu  unterscheiden  eine  sehr  beschränkte.  Dje  dem  Arzte  hie i 
verfügbaren  Anhaltspunkte  liegen  abgesehen  von  der  ai- 
schlaggebenden  Anamnese  und  den  Körpermassen  der  Fruti 
bei  bekanntem  Konzeptionsalter  wohl  insbesonders  im  Ve 
halte  ndesKindes  während  de  rer  sten  Leben 
tage.  Ceteris  paribus  wird  man  finden,  dass  gesunde  Frii 
geborene  weit  lebhafter  sind,  lauter  schreien,  besser  trinke 
öfter  Nahrung  begehren,  die  Augen  häufiger  offen  halten,  mi: 
kelkräftiger  sind  und  unter  weit  ungünstigeren  äusseren  Ve 
hältnissen  ihre  Körpertemperatur  in  normalen  Grenzen  zu  halti 
vermögen,  als  die  Debilen  im  engeren  Sinne  des  Wortes.  W; 
bei  gesunden  Frühgeburten  nur  in  extremen  Fällen  und  seilt 
da  nicht  gesetzmässig  vorkommt,  das  Ueberschlafen  aller  Mal¬ 
zeiten,  die  völlige  Muskelschlaffheit  und  Unbeweglichkeit,  c: 
„vie  sans  respiration“  (Par  rot),  kommt  frühgeborenen  A- 
kömmlingen  geschädigter  Mütter  oft  sehr  ausgesprochen  2. 
Die  oben  erwähnte  gesunde  Frühgeburt  mit  860g  hat  von  di 
ersten  Tagen  an  zum  Fütterungstermine  laut  geschrieen,  ii 
Uebrigen  viel  wach  gelegen,  umhergeblickt,  recht  energisch  g- 
strampelt,  stets  gut  geatmet  und  die  Abstossung  des  Nabe- 
schnurrestes  schon  am  5.  Tage  vollzogen.  Uebrigens  ist  auu 
diese  Unterscheidung  nur  cum  grano  salis  zu  verstehen  (s.  u. 

Eine  untere  Grenze  der  Lebensfähigkeit  von  Früchten  nau 
minimalen  Körpermassen  allgemein  festzustellen,  geht  nicht  a 
und  ist  unnaturwissenschaftlich.  Es  könnte  eine  solche  Fes 
Stellung  dazu  verleiten,  einer  vermeintlich  nicht  lebensfähig! 
Frucht  die  lebenerhaltende  Sorgfalt  nicht  zuzuwenden.  1 
wurden  aber  Debile  am  Leben  erhalten,  deren  Körpermas 
weit  unter  den  ehemals  als  Bedingungen  für  die  L 
bensfähigkeit  erachteten  lagen.  Mit  Recht  wird  die 
bezüglich  ein  Bericht  von  R  a  w  i  t  z  zitiert,  wonae 
dieser  Forscher  eine  8  cm  lange  menschliche  Fruc 
hat  lebend  zur  Welt  kommen  sehen,  deren  Her: 
schlag  nach  Blosslegung  der  Brusteingeweide  durch  4  Stunde 
nahe  bis  zur  völligen  Eintrocknung  fortdauerte.  Die  B< 
Ziehungen  zwischen  Lebensfähigkeit,  Fötalalter  und  Körpe 
massen  lassen  sich  graphisch  darstellen,  wie  es  nachstehenc 
Figur  —  berechnet  nach  einer  Reihe  neuerer  Statistike 
bezüglich  auf  Anstalten  mit  zeitgemässer  Ausstattui: 
—  zeigt,  doch  haben  derartige  Graphika  auf  Grund  vc 
Durchschnittszahlen  wenig  Wert,  da  sie  die  massgebendstc 
Bedingungen  für  die  Lebenserhaltung  im  Einzelfalle  nicht  bc 
rücksichtigen,  insbesonders  nicht  eine  Unterscheidung  zwischc 
„physiologischen  und  pathologischen  Frühgeburten“  in  dei 
oben  angeführten  Sinne  machen.  Dass  sich  unter  den  in  de 
Tabelle  Fig.  3  berücksichtigten  Debilen  auch  eine  grösser 
Anzahl  von  „Kindern  geschädigter  Mütter“  befunden  ha 


q  . 
t 


•  Fig.  2. 


:|)  Der  obenerwähnte  Fall  B  gehört  der  ersteren  Reihe  an. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1410 


geht  aus  den  gegen  die  durchschnittliche  Norm  gesunder 
Früchte  rückständigen  mittleren  Körpermassen  hervor. 


Morlaliläl  in  den  ersten 


<x> 

o 

o 


o 


S  ö  <3 


io  cm  ro  cm  o 
o\  oo  go  cm 


«X» 

o-. 

to 

W 


O 


IO  U-  CN  cm  LO 

ro  ro  ro  rr  tt 


bjO  bJO  biO  bjO  bjO 

O  O  O  O  O 
O  O  O  O  O 
O  CM  IO  00  CM 

r-*  1-H  »— I  i-H  CM 


b C 

tuo 

b£ 

O 

o 

o 

O  1 

1  o 

1  o 

ro  1 

1  oo  ! 

1  LO 

»—i 

y— < 

CN] 

c>j  ->» 


go  go  oo 


Fig.  3.  Körpergwicht  und  Sterblichkeit  Frühgeborener. 

AA’  Mittleres  Körpergewicht  normaler  Föten,  bezogen  auf  den  Mass- 
BB’  B  „  von  Frühgeburten,  stab  links. 

CG’  Mittlere  Sterblichkeit  von  Frühgeburten,  bez.  auf  d.  Massst.  rechts. 


Wie  sich  Mortalität  und  späteres  Schicksal  der  Debilen 
innerhalb  der  beiden  von  einander  getrennten  Kategorien  ver¬ 
halten,  ist  noch  unzureichend  studiert.  Manche  Autoren 
schätzen  die  Mortalität  der  Debilen  mit  hereditärem  Schaden 
zwei-  bis  dreimal  so  gross,  wie  jene  gesunder  Frühgeburten 
unter  sonst  gleichen  Umständen.  Czer  n  y  und  Keller 
meinen,  dass  die  ersteren  in  ihrer  körperlichen  und  auch  in 
ihrer  geistigen  Entwicklung  lange  Jahre  hinaus  weit  hinter 
ihren  Altersgenossen  Zurückbleiben,  während  sich  die  letzteren 
schon  im  späteren  Säuglingsalter  kaum  in  irgend  einer  Weise 
von  den  gesunden  ausgetragenen  unterscheiden.  Letzteres 
kann  meiner  Erfahrung  nach  denn  doch  gesetzmässig  nur  von 
Kindern  gelten,  die  einen  gewissen  Grad  von  Reife  bei  der  Ge¬ 
burt  bereits  erlangt  haben,  nicht  aber  von  gesunden  Früh¬ 
geburten  aus  dem  7.  Fötalmonate.  Die  Lebenschancen 
gesunder  Frühgeburten  haben  insbesondere,  die  Geburts¬ 
helfer  mit  Hinsicht  auf  die  Frage  der  künstlichen  Frühgeburt 
bei  Beckenenge  interessiert.  Aber  die  Urteile  verschiedener 
Geburtshelfer  lauten  sehr  different.  Während  z.  B.  Zweifel 
bekanntlich  meinte,  dass  von  100  künstlich  Frühgeborenen  nach 
Jahresfrist  kaum  mehr  eines  am  Leben  sein  dürfte,  hat 
Lore  y  4)  jüngst  eine 'sehr  günstig  erscheinende  Statistik  aus 
der  Hallenser  Klinik  mitgeteilt.  L  o  r  e  y  hat  dem  späteren 
Schicksale  der  wegen  Beckenenge  der  Mutter  künstlich  früh¬ 
geborenen  Kinder  an  dieser  Anstalt  nachgeforscht  und  äussert 
nach  Darlegung  seines  Materiales:  „Wir  kommen  also  zu  dem 
überraschenden  Resultat,  dass  von  unseren  lebend  entlassenen 
Frühgeburten  nicht  mehr,  sondern  sogar  etwas  weniger  im 
ersten  Lebensjahr  gestorben  sind,  wie  dies  bei  ausgetragenen 
Kindern  im  allgemeinen  der  Fall  zu  sein  pflegt.“  Er  erklärt 
dieses  auffallende  Verhalten  mit  der  grösseren  Sorgfak,  welche 
die  betreffenden  Mütter  auf  ihr  meist  einziges  lebendes  Kind 
verwenden.  Die  von  Lorey  miteinander  in  Vergleich  ge¬ 
setzten  Letalitätswerte  sind  21,5  Proz.  (Frühgeburten)  und 
24  Proz.  (Hallenser  Säuglingssterblichkeit  überhaupt).  Die  Er¬ 
hebungen  L  o  r  e  y  s  sind  von  hohem  Werte  und  Interesse,  doch 
kann  die  obige  Fassung  seines  Schlusses  zu  ganz  irrtümlicher 
Auffassung  verleiten.  Lorey  vergleicht  nämlich  die  Sterb¬ 
lichkeit  der  legitimen  Frühgeburten,  unter  denen  sich  noch 
dazu  70  Proz.  Brustkinder  befanden,  jenseits  der 
ersten  Lebenswoche  mit  der  Mortalität  der  Säuglinge 


4)  Lorey:  Die  Frage  der  künstlichen  Frühgeburt  mit  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  späteren  Schicksale  der  Kinder.  Archiv 
f.  Gynäkol.,  Bd.  71,  1904. 


in  Halle  ii  b  e  r  h  a  u  p  t.  Unter  diesen  Umständen  kann  es  nicht 
so  sehr  wundernehmen,  wie  günstig  sich  die  Verhältnisse  für 
die  künstlich  Frühgeborenen  zu  gestalten  scheinen.  Wenn  man 
aber  die  beiden  zu  vergleichenden  Werte  nach  dem  Materiale 
Loreys  auf  eine  gemeinsame  Stufe  stellt,  die  eine 
richtige  Vergleichung  erst  ermöglicht,  dann  findet  man 
dass  die  Letalitätszahlen  lauten:  40,5  Proz.  für  die 
künstlichen  Frühgeburten  und  weniger  als  24  Proz.  für  die 
Säuglinge  im  allgemeinen.  Die  entsprechende  Zahl  für  die 
wegen  Krankheit  der  Mutter  künstlich  Frühgeborenen  wäre 
nach  Loreys  Befund  82  Proz.,  während  andere  Autoren  die 
Sterblichkeit  in  dieser  Kategorie  durchschnittlich  nur  etwa 
47  Proz.  fanden. 

Auch  B  u  d  i  n  5)  hat  eine  Nachforschung  über  das  Schicksal 
entlassener  Debiler  angestellt  (Kinder  beider  Kategorien).  Es 
waren  2  bis  10  Monate  nach  der  Entlassung  15  Proz.  der  De¬ 
bilen  gestorben,  im  Jahre  1897  17,1  Proz.  von  den  im  Jahre 
1896  entlassenen  normal  Geborenen.  B  u  d  i  n  schliesst  ähnlich 
wie  Lorey:  „Donc  ces  enfants,  sortis  du- Service  des  Debiles, 
etaient  parfaitement  viables,  aussi  viables  que  les  enfants  nes 
ä  terme  puisque  le  chiffre  de  leur  mortalite  est  moindre.“  Ich 
halte  auch  die  von  B  u  d  i  n  angegebenen  Zahlen  nicht  für  ver¬ 
gleichbar;  zum  mindesten  geht  ihre  Vergleichbarkeit  mangels 
genauerer  Angaben  über  das  Alter  der  Kinder  zur  Zeit  der  Er¬ 
hebung  aus  der  Mitteilung  des  Autors  nicht  hervor.  Die  von 
anderer  Seite  mitgeteilten  Zahlen  lassen  an  ihren  grossen 
Schwankungen  erkennen,  dass  wesentlich  beeinflussende  Mo¬ 
mente  in  wechselndem  Masse  und  Sinne  wirksam  gewesen  sein 
müssen. 

Zäh! 


Fig.  4.  Absterbeordnung  normaler  und  debiler 

Säuglinge. 

Zahl  der  Ueberlebenden  von  1000  Lebendgeborenen: 

Kurve  I:  allgemeiner  Durchschnitt  (eheliche  Kinder), 

Kurve  II:  wegen  Beckenenge  künstlich  Frühgeborene  (eheliche) 
(reine  Frühgeburten), 

Kurve  III:  wegen  Krankheit  der  Mutter  künstlich  Frühgeborene. 

Die  nebenstehende  Fig.  4  über  die  Absterbeordnung  reifer 
und  debiler  Kinder  beider  Kategorien  (berechnet  nach  Hun- 
ziker,  Ahlfeld,  Lorey,  Scheffczyk)  lässt  erkennen, 
dass  die  Mortalität  der  gesunden  Frühgeburten,  im  Gegensätze 
zu  jener  von  Kindern  kranker  Mütter  in  erheblichem  Masse  nur 
in  der  ersten  Lebenszeit  von  jener  reifer  Kinder  abweicht. 

Noch  von  einem  anderen,  nämlich  gewissermassen  sozial¬ 
ökonomischen  Standpunkte  hat  das  spätere  Schicksal  Früh¬ 
geborener  Interesse.  Werden  aus  ehemaligen  debilen  Früh¬ 
geburten  brauchbare,  aktive,  körperlich  und  geistig  konkurrenz¬ 
fähige  Mitglieder  der  menschlichen  Gesellschaft  oder  nicht? 
Manche  sind  auch  heute  noch  geneigt,  diese  Frage  für  die  über¬ 
wiegende  Mehrzahl  der  Fälle  zu  verneinen;  dementgegen  hat 
B  u  d  i  n  festgestellt,  dass  die  Debilen,  insbesonders  allerdings 
jene  „saus  tare  hereditairc“,  körperlich  von  Reifgeborenen  spä¬ 
terhin  kaum  mehr  zu  unterscheiden  und  an  intellektueller  Ent¬ 
wicklung  nicht  benachteiligt  sind.  Auch  Lorey  fand  die 
(reinen)  Frühgeburten  späterhin  somatisch  ausgeglichen,  geistig 
„fast  stets  normal“,  in  einigen  Fällen  übernormal. 

Auf  der  unter  Esche  rieh  im  Jahre  1899  gegründeten 
und  bis  1902  geleiteten  Krankenabteilung  für  steiermärkische 
Findelkinder  zu  Graz,  woselbst  mit  grosser  Sorgfalt  und  unter 
erheblichem  Aufwande  an  Ammenmilch  und  allem  anderen  er¬ 
probten  Rüstzeug  eine  grosse  Zahl  Debiler  erfolgreich  behan¬ 
delt  wird,  da  hörten  wir  Laienbesucher  sowie  Aerzte  immer 
wieder  die  Frage  stellen,  ob  sich  denn  all  diese  Mühe  verlohne, 
ob  diese  Kinder  nicht  nach  ihrer  Entlassung  den  ungünstigeren 


5)  Budin:  Le  nourisson.  Paris  1900. 


1* 


1420 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


äusseren  Verhältnissen  rasch  zum  Opfer  fallen  oder  aber  eine 
kümmerliche  Existenz,  sich  und  anderen  zur  Last  elend  weiter¬ 
schleppen.  Diese  Fragen  exakt  und  bestimmt  beantworten  zu 
können,  hat  mich  in  hohem  Masse  gereizt,  und  ich  trachtete 
auch  hier  Nachrichten  über  das  weitere  Geschick  der  „geheilt“ 
Entlassenen  zu  erhalten,  wofür  mir  in  Graz  besonders  günstige 
Bedingungen  insoferne  vorzuliegen  schienen,  als  die  steiermär¬ 
kischen  Findelkinder  durch  die  ersten  beiden  Lebensjahre  vom 
Lande  versorgt,  nämlich  von  besonderen  ländlichen  Pflege¬ 
parteien  auf  Landeskosten  verpflegt  und  z.  T.  auch  noch  weiter¬ 
hin  in  Evidenz  gehalten  werden.  Ich  verdanke  dem  bereitwilli¬ 
gen  Entgegenkommen  der  steiermärkischen  autonomen  Lan¬ 
desbehörde  das  Unternehmen  einer  amtlichen  Statistik  über 
das  Schicksal  der  Debilen,  deren  Ergebnis  zur  Zeit  meiner 
Uebersiedlung  aus  Graz  leider  noch  kein  abschliessendes  war, 
immerhin  als  Beitrag  zu  dieser  Frage  mitteilenswert  erscheint. 

Von  den  in  den  Jahren  1899—1903  (1.  Quinquennium  seit 
Bestehen  der  Anstalt)  aufgenommenen  Rindern  wurden  jene 
ausgewählt,  die  in  den  ersten  14  Lebenstagen  mit  einem  Kör¬ 
pergewicht  von  unter  2500  g  Aufnahme  gefunden  hatten.  Nach 
Ausscheidung  der  Fälle,  in  denen  eine  durch  frühzeitige  Erkran¬ 
kung  erworbene  Lebensschwäche  vorlag,  wurden  auf  ver¬ 
schiedenen  Wegen  Nachforschungen  über  das  weitere  Schick¬ 
sal  dieser  Debilen  gepflogen.  Es  konnte  darüber  in  104  Fällen 
Nachricht  erhalten  werden.  Das  Material  ist  auf  nebenstehenden 
Tabellen  zusammengestellt. 

Die  lebend  befundenen  Kinder  waren  zur  Zeit  der  Erhebung  fast 
durchwegs  „gesund“,  insbesonders  wurden  höhere  Grade  von 
Rachitis  nur  ausnahmsweise.  Skrofulöse  nie  angegeben.  Ueber 
die  geistige  Entwicklung  der  Kinder  lauten  18,3  Proz.  der  ab¬ 
gegebenen  Urteile  ausdrücklich  günstig,  nur  2,2  Proz.  ausdrücklich 
ungünstig  („Schwachsinn“).  Das  Sprechen  wurde  von  4  Kindern 
schwerer  oder  später  erlernt  (mit  26 — 38  Monaten). 

Wie  insbesonders  aus  den  Zahlen  der  Tabellenfächer 
A,  10 — 15  hervorgeht,  handelt  es  sich  grossenteils  um 
mittel  -  undhochgradige  Fälle  angeborener  Lebens¬ 
schwäche  und  muss  angesichts  dessen  das  allgemeine  Ergebnis 
(Fächer  B,  C,  l)  wohl  ein  sehrgünstiges  genannt  werden, 
zumal  wenn  man  die  in  den  ersten  Lebensjahren  so  hohe  all¬ 
gemeine  Sterblichkeit  in  Erwägung  zieht.  Die  Sterb¬ 
lichkeit  unter  den  von  uns  „geheilt“  entlas¬ 
senen  Debilen  ist  wohl  kaum  erheblich  grös¬ 
ser  als  jene  unter  normal  Geborenen  bei  gleichen 
äusseren  Umständen  (illegitime  Kostkinder). 

Aus  den  mitgeteilten  Zahlen  ist  ferner  der  Einfluss  here¬ 
ditärer  Momente  und  die  prognostische  Bedeutung  (Fächer  B, 
C,  2,  3)  des  Verhaltens  der  Kinder  in  der  ersten  Lebenszeit 
(Fächer  B,  C,  4,  5),  sowie  die  Abhängigkeit  der  Erhaltungs¬ 
chancen  von  dem  Verhalten  der  Körpertemperatur,  des  Ge¬ 
burtsgewichtes  und  der  Körperlänge  (als  Masse  für  den  Grad 
der  körperlichen  Entwicklung)  ersichtlich  (Fächer  B,  C,  8 — 15). 
Für  eine  noch  weitergehende  Detaillierung  und  Auflösung  der 
Gruppen  ist  die  Zahl  der  Beobachtungen  eine  zu  geringe;  das 
Spiel  störender  Zufälle  ist  an  den  Daten  der  Vertikalreihen  D, 
E  und  F  schon  erkennbar. 

Die  Fälle  der  Reihe  2  decken  sich  durchaus  nicht  durchwegs 
mit  jenen  der  Reihe  4  —  ebensowenig  jene  der  Reihen  3  und  5  unter¬ 
einander,  woraus  zu  schliessen,  dass  entweder  latente  Krankheits¬ 
zustände  mancher  Mütter  unerkannt  geblieben  sind  und  der  Ge- 
sundheits-  oder  Ernährungszustand  anderer  unterschätzt  wurde  oder 
dass  auch  gesunde,  kräftige  Mütter  hinfällige  Debile  und  anderseits 
kränkliche,  schwächliche  und  unterernährte  Mütter  relativ  wider¬ 
standsfähige  Kinder  erzeugen  können.  Vermutlich  trifft  beides  bis  zu 
gewissem  Grade  zu  und  ist  darnach  auch  die  Scheidung  der  oben¬ 
erwähnten  beiden  Kategorien  der  angeborenen  Lebensschwäche  nach 
Beobachtungen  über  das  Verhalten  des  Kindes  in  der  ersten  Lebens¬ 
zeit  keine  durchaus  zuverlässige. 

Nebst  solchen  bisher  nicht  völlig  befriedigenden  statisti¬ 
schen  Untersuchungen  trägt  insbesonders  die  ärztliche  Einzel¬ 
beobachtung  zur  Beurteilung  des  späteren  Schicksals  Debiler 
bei.  Diese  ergibt  eine  im  Durchschnitte  zweifellos  höhere 
Krankheitsanfälligkeit  bei  den  Debilen  beider  Kategorien.  Ins¬ 
besondere  Ernährungsstörungen,  gewisse  „konstitutionelle“ 
und  gewisse  infektiöse  Erkrankungen  sind  es,  denen  Debile  in 
höherem  Grade  exponiert  sind  und  häufiger  zum  Opfer  fallen, 
als  reif  geborene  Kinder.  Hierauf  wird  weiter  unten  noch  zu¬ 
rückzukommen  sein.  Was  die  geringe  Widerstandskraft  gegen 
Infekte  betrifft,  so  mag  an  den  höchst  auffälligen  Befund  sauerer 


Tabelle  über  das  spätere  Schicksal  der  Debilen,  beurteilt  nach 
dem  Befunde  zur  Zeit  der  Nachfrage,  d.  i.  1 — 5  Jahre  (im  Mittel  etwas 
mehr  als  2  Jahre)  nach  der  Entlassung  aus  der  Krankenabteilung  der 
steiermärkischen  Landesfindelanstalt  in  Graz. 


No. 

A 

B 

C 

D 

E 

F 

Zahl 

der 

Kinder 

Von  je  1 
dern 

tot 

00  Kin- 

sind 

lebend 

Von  j( 
bendei 
günsti¬ 
gen 

K 

Entwic 

100  d 
i  boten 

nor¬ 

malen 

räfte-  im 
klungszu 

3r  Le- 

einen 

minder 

günst. 

d 

stand*) 

1 

Totale 

104 

29,8 

70,2 

64,7 

17,6 

17,6 

2 

Kinder,  deren  Mutter  an  der 
Oebäranstalt  als  gesund, 
kräftig  und  gut  genährt  be¬ 
funden  worden  war. 

66 

27,3 

72,7 

64,9 

16.2 

18,9 

3 

Kinder,  deren  Mutter  als  krank, 
kränklich,  schwächlich  oder 
schlecht  genährt  befunden 
worden  war  oder  in  der 
Schwangerschaft  erkrankte. 

35 

37,1 

62,9 

61,5 

23,1 

15,4 

4 

Kinder,  welche  in  der  Anstalt 
relativ  muskelstark,  lebhaft, 
frisch  befunden  worden 
waren,  die  gut  getrunken, 
laut  geschrien,  tief  geatmet 
haben. 

38 

18,4 

81,6 

68,2 

18,2 

13,6 

5 

Kinder, welche  auffallend  schlaf¬ 
süchtig,  muskelschwach, 
schlecht  trinkend  und  atmend, 
nur  le  se  wimmernd  befunden 
worden  waren. 

11 

45,4 

54,6 

— 

— 

— 

6 

Kinder,  welche  den  Bedin¬ 
gungen  sub  2  und  4  gleich¬ 
zeitig  entsprachen. 

33 

21,2 

78,8 

— 

— 

— 

7 

Kinder,  welche  den  Bedin¬ 
gungen  sub  3  und  6  gleich¬ 
zeitig  entsprachen. 

6 

66,7 

33,3 

— 

— 

8 

nie  unter 

36°  C. 

Kinder  mit  einer 

80 

27,5 

72,5 

71,4 

16,7 

11,9 

9 

Körpertempera¬ 
tur  (in  ano)  von  wenigstens 
zeitweise  unter 
36°  C. 

24 

37,5 

62,5 

33,3 

22,2 

44,4 

10 

P  >  2500 

30 

23,3 

76,7 

66,7 

22,2 

11,1 

11 

einem  Geburts-  2500  >P>  2000 
gewicht  (P)  von 

53 

30,2 

69,8 

66,7 

16,6 

16,6 

12 

(in  g) 

2000  P 

21 

38,1 

61,9 

55,6 

11,1 

33,3 

13 

14 

Kinder  mit  einer  L  >  46 

Körperlänge 

41 

24,4 

75,6 

85,0 

10,0 

5,0 

(L)  von  .  ,  .. 

(Körperlänge  46_^  L  >  44 
bei  der 

33 

33,3 

66,7 

47,1 

23,5 

29,4 

15 

Ueberbringung) 

(in  cm)  44  A  L 

26 

38,5 

61,5 

60,0 

20,0 

20,4 

Reaktion  °)  des  Blutserums  bei  Kindern  mit  angeborener  (und 
erworbener)  Lebensschwäche  und  an  die  von  mancher  Seite  be¬ 
haupteten  Beziehungen  zwischen  Blutalkaleszenz  und  antibak- 
teritischer  Wehrkraft  des  Organismus  erinnert  werden. 

Nach  einem  von  mir  persönlich  gewonnenen  Eindrücke 
trifft  man  bei  debil  geborenen  Kindern  —  namentlich  bei  jenen 
kranker  Mütter  —  im  späteren  Lebensalter  bis  zur  Pubertät  ins¬ 
besonders  gewisse  das  Nervensystem  betreffende  Dauer¬ 
schäden,  wie  atonische,  choreatische,  psychisch  degenerative 
Zustände  an,  Strabismus,  Enuresis,  Pavor  nocturnus  etc.,  die 
zum  Teil  wohl  allerdings  auf  den  Geburtsschaden  selbst,  nicht 
auf  die  Debilität  als  solche  zurückgehen  mögen. 


Unter  allen  Ideen,  die  einer  rationellen  Therapie  der  an¬ 
geborenen  Lebensschwüche  zugrunde  gelegt  werden  können, 
hat  sich  die  energetische  Erwägung,  insbesonders  von  H  e  u  b  - 


*)  Die  hier  angegebenen  Prozentzahlen  beziehen  sich  auf  jene 
Fälle,  in  welchen  eine  ärztliche  Nachschau  vorgenommen  oder  ein 
ausgefüllter  Fragebogen  erhalten  werden  konnte. 

ö)  Es  ist  hier  die  Reaktion  im  physikalisch-chemischen  Sinne, 
die  sog.  aktuelle  Reaktion  gemeint.  Siehe  Pfaundler:  Archiv  f. 
Kinderheilk.,  Bd.  41. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1421 


n  e  r  und  seiner  Schule  gepflegt,  als  die  bei  weitem  fruchtbarste 
erwiesen.  Das  bezügliche  Lehrgebäude  lässt  allerdings  noch 
gar  sehr  an  solider  Fundierung  zu  wünschen  übrig  —  begreif¬ 
licherweise,  denn  es  fehlt  zurzeit  leider  noch  an  einem  kom¬ 
pletten  Stoffwechselversuch  betreffend  ein  jüngstes  lebens¬ 
schwaches  Kind  und  diese  Lücke  wird  wohl  sobald  auch  nicht 
ausgefüllt  werden,  denn  alle  Schwierigkeiten,  welche  dem  Stoff¬ 
wechselversuch  beim  Säugling  überhaupt  entgegenstehen, 
steigen  noch  beträchtlich  an,  wenn  es  sich  um  einen  Debilen 
handelt.  An  Stelle  der  exakten  Erhebung  über  die  körperliche 
Oekonomie  und  die  Energiebilanz  des  Lebensschwachen  treten 
daher  vorläufig  Erwägungen,  welche  naturgemäss  ein  weniger 
zwingendes  Ergebnis  liefern. 

H  e  u  b  n  e  r*  7)  hat  die  Kraftwechselgleichung  R  u  b  n  e  r  s 
n  =  e  +  a  in  vergleichender  Weise  an  einem  normalen  Brust- 
und  Flaschenkinde  und  an  einem  debilen  frühgeborenen  Kinde 
diskutiert.  Er  ging  in  der  Weise  vor,  dass  er  als  bekanntes 
Mass  für  n  den  „Energiequotienten“,  für  a  die  „Wachstums¬ 
intensität“  einsetzte  und  hiernach  auf  die  unbekannte  Grösse  e 
den  Rückschluss  machte,  welche  andernfalls  durch  kalori¬ 
metrische  oder  Stoffwechseluntersuchung  zu  messen  die  Auf¬ 
gabe  gewesen  wäre.  Man  ersieht  aus  den  von  H  e  u  b  n  e  r 
mitgeteilten  Daten,  dass  bei  relativ  gleicher  Energiezufuhr  in 
der  Nahrung  (gleichem  Energiekoeffizienten,  gleichem  „n“)  der 
Körperansatz  („a“)  beim  Frühgeborenen  (absolut8)  kleiner  ist, 
woraus  hervorgehe,  dass  bei  ihm  die  Gesamtkörperarbeit  („e“) 
eine  relativ  grössere  sein  müsse  9). 


?)  Heubner:  Die  Energiebilanz  des  Säuglings.  Zeitschr.  f. 

diätetische  u.  physikalische  Therapie  1901/02,  Bd.  V. 

8)  Siehe  die  folgende  Anmerkung. 

9)  In  die  einschlägigen  Darlegungen  Heubners  hat  sich  —  wie 

mir  scheint  —  ein  für  das  Ergebnis  nicht  unmassgebliches  Versehen 
eingeschlichen.  Die  Werte  der  Gleichung  n  =  a  +  e  sind  zunächst 
absolute  (Kalorienmengen).  Heubner  aber  verwendet  als  Mass 
für  das  n  seinen  „Energiequotienten“,  das  ist  die  Menge  der  in 
der  Tagesnahrung  pro  Kilogramm  Körpergewicht  ent¬ 
haltenen  Rohkalorien.  Er  verwandelt  also  den  absoluten 
Wert  in  einen  relativen,,  indem  er  ihn  auf  die  Körper¬ 
gewichtseinheit  bezieht  oder  —  algebraisch  ausgedrückt  —  durch 
das  Körpergewicht  dividiert.  Hiegegen  wäre  nichts  einzuwenden, 
doch  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  dann  auch  die  anderen 
Werte  der  Gleichung  in  relative  verwandelt,  bezw. 
als  relative  gewonnen  werden  müssen.  Es  muss  m.  a.  W.  die  ganze 
Gleichung  mit  dem  Masse  des  Körpergewichtes  (P)  dividiert  wer¬ 
den,  damit  sie  richtig  bleibe:  -f"  p-,  wobei  ^  den  Energie- 

0 

quotienten,  -p  die  pro  Kilogramm  Körpergewicht  in  der  Zeiteinheit  ab- 
gegebene  Wärmemenge,  p-  das  energetische  Korrelat  der  pro  Kilo¬ 
gramm  Körpergewicht  in  der  Zeiteinheit  zum  Ansatz  gebrachten  Kör¬ 
permasse  bedeutet.  Als  Mass  für  das  ~p  aber  verwendet  Heub¬ 
ner  die  „Wachstumsintensität“,  d.  h.  die  Tangente  des  Winkels,  den 
die  Körpergewichtskurve  (bezw.  deren  Tangente)  mit  der  Horizon¬ 
talen  bei  einem  bestimmten  Ordinaten-  und  Abszissenmassstabe  bil¬ 
det.  Diese  Wachstumsintensität  ist  nun  aber  kein 
auf  Körpergewichtseinheit  reduziertes  Mass,  son¬ 
dern  sie  drückt  die  absolute  Grösse  der  Gewichtszunahme  in  der 

Zeiteinheit  aus  (denn  tga  =  ^  und  wenn  B,  die  .Zeitabszisse,  gleich 

eins  —  etwa  ein  Tag  —  dann  ist  tga  =  A,  der  absoluten  Zu¬ 
nahme).  Somit  stehen  die  drei  Grössen  in  Heubners  Gleichung 
nicht  mehr  auf  einem  gemeinsamen  arithmetischen 
Niveau,  sind  also  nicht  mehr  vergleichbar  im  Sinne  der  ursprüng¬ 
lichen  Gleichung.  Bei  der  Reduktion  des  Wertes  von  a  auf  Körper¬ 
gewicht  dürfte  aber  das  Resultat  der  Berechnung  ein  anderes  werden. 
Das  auf  Körpergewicht  berechnete  “a  ist  nämlich  —  wie  in  den 
Kurven  der  Fig.  1  gezeigt  wurde  —  für  das  (gesunde)  Frühgeborene 
ein  grosses,  demgemäss  sich  beim  Frühgeborenen  sogar  ein  klei¬ 
nes  e  ergeben  müsste  pro  Gewichtseinheit,  wenn  nicht  der  Energie¬ 
quotient  ein  gleichfalls  höherer  wäre.  Es  scheint  somit  vorläufig 
noch  nicht  erwiesen,  dass  eine  Verschiebung  zwischen  den 
Grössen  a  und  e  beim  Frühgeborenen  statthat.  Möglicherweise  sind 
alle  3  Werte  der  Gleichung  beim  (gesunden)  Friigeborenen  erhöht, 
und  zwar  in  gleichem  Masse.  Noch  richtiger  und  zweckmässiger 
wäre  es  vielleicht,  die  Werte  a,  e,  und  n  auf  Körperoberfläche  statt 
auf  Körpergewicht  zu  beziehen. 

Das  a  darf  keinesfalls  als  ein  bloss  von  den  Werten  n  und  e 
abhängiger  und  bestimmter  Restbestand  angesehen  werden;  es  hat 
vielmehr  einen  durch  die  Wachstumsgesetze  bestimmten,  selb¬ 
ständigen  und  in  weitem  Masse  unabhängigen  Wert;  es  ent¬ 
spricht  (in  der  auf  Körpergewicht  reduzierten  Gleichung)  dem  Wachs¬ 
tumspotential  in  dem  oben  erörterten  Sinne  und  ist  beim  gesunden 


Warum  mag  nun  —  wenn  Heubners  Deduktionen  rich¬ 
tig  sind  —  der  Wert  für  e,  die  gesamte  Körperarbeit  bezw.  die 
Wärmeabgabe  beim  Frühgeborenen  relativ  grösser  sein,  als 
beim  reifen  Kinde? 

Unter  allen  Ausgabeposten  des  Krafthaushaltes  steht  bei 
jedem  Warmblüter  bei  weitem  obenan  der  Wärmeverlust,  der 
sich  im  wesentlichen  vollzieht  durch  Leitung,  Strahlung  und 
Wasserverdunstung  an  der  Körperoberfläche,  der  somit  — 
ceteris  paribus  —  naturgemäss  proportional  der  Körper¬ 
oberfläche  sein  muss.  Die  Körperoberfläche  ist  nun  bei  unreifen 
Früchten  zwar  absolut  natürlich  kleiner  als  bei  ausgetragenen 
Kindern,  doch  nach  dem  übereinstimmenden  Ergebnis  von 
Schätzung,  Messung  und  Rechnung  r  e  1  a  t  i  v,  d.  h.  auf  Massen¬ 
einheit  bezogen,  wesentlich  grösser.  Die  Bilanzstörung  bei 
solchen  Kindern  wäre  demnach  bis  zu  gewissem  Grade  auf  ein 
geometrisches  Exempel  zurückzuführen.  Massengleiche  Körper 
haben  um  so  kleinere  Oberfläche,  je  mehr  sie  sich  der  Kugel¬ 
gestalt  nähern.  Die  Statur  des  mageren  unreifen  Kindes  mit 
seiner  faltenreichen  Hautdecke  unterscheidet  sich  in 
diesem  Sinne  tatsächlich  unvorteilhaft  von  jener  des  vollsäftigen, 
prallen,  gut  ausgepolsterten  reifen  Neugeborenen.  Dazu  kommt 
noch  das  Fehlen  der  schlecht  wärmeleitenden  Fetthüllen  und 
die  starke  Durchblutung  der  Haut  beim  Fötus.  Die  Proportion 
zwischen  Körperoberfläche  und  Körpermasse,  die  sich  mit  zu¬ 
nehmendem  Alter  und  Wachstum  zugunsten  der  letzteren  ver¬ 
ändert,  könnte  hiernach  wohl  auch  die  Ursache  für  die  suk¬ 
zessive  Verminderung  des  e  im  Laufe  der  normalen  Entwick¬ 
lung  sein,  welche  ja  an  und  für  sich  schon  das  grosse  e  beim 
Frühgeborenen  erklären  könnte,  weil  dieser  ja  in  Wahrheit 
jünger  ist,  als  sein  Geburtsschein  besagt. 

Zweitens  soll  sich  beim  Frühgeborenen  nach  Heubner 
der  Verdauungsbetrieb  unwirtschaftlicher  gestalten  als  beim 
reifen  Koetanen. 

Sonach  kann  man  das  debile  Kind  als  einen  Organismus 
mit  abnorm  knappem  Haushalte  ansehen;  dieser  Organismus 
arbeitet  ohne  Kraftreserven,  er  erzielt  keine  Ueberschiisse  und 
geringe  äussere  Anlässe  können  daher  sein  Gleichgewicht  der¬ 
art  stören,  dass  die  fernere  Lebensmöglichkeit  in  Frage  gesetzt 
wird.  Der  Arzt  wird  solchen  Kindern  gegenüber  gewisser- 
massen  zum  Vermögensverwalter,  dessen  Aufgabe  darin  be¬ 
steht,  tunlichst  eine  positive  Bilanz  zu  erzielen,  indem  er  die 
Kraftausgaben  verringert,  die  Einnahmen  mehrt.  Das  erstere 
Bestreben  deckt  sich  grösstenteils  mit  der  physikalischen,  das 
letztere  mit  der  diätetischen  Therapie  des  Zustandes  der 
Lebensschwäche. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Aus  dem  pharmakologischen  Institut  in  Heidelberg. 

Die  stopfende  Wirkung  des  Morphins.*) 

Von  Prof.  R.  Magnu  s. 

M.  H. !  Sie  werden  sich  gewundert  haben,  dass  ich  Ihnen 
bisher  über  die  Wirkung  einer  ganzen  Reihe  von  Giften  auf  den 
isolierten  Darm  berichtete,  dabei  aber  das  Morphin  gar  nicht 
erwähnt  habe.  Der  Grund  hierfür  liegt  darin,  dass  es  mir  nicht 
gelungen  ist,  am  isolierten  Darm  mit  Morphin  irgend  einen 
Effekt  hervorzurufen,  der  sich  zur  Stopfwirkung  dieses  viel¬ 
benutzten  Arzneimittels  in  Parallele  setzen  liesse.  Es  lag 
hierin  die  Aufforderung,  diesen  bisher  so  strittigen  und^wider- 

Frühgeborenen  —  wie  gezeigt  wurde  —  deshalb  ein  grosses,  weil  die 
dem  Organismus  durch  die  Befruchtung  der  Keimzelle  überkommene 
Wachstumsenergie  in  frühesten  Entwicklungsperioden  eben  noch 
wenig  verbraucht  ist. 

Das  e  ist  nach  der  ursprünglichen  Form  der  Gleichung  ein  Mass 
für  den  Wärmeverlust  des  Körpers,  nicht  aber  für  die  innere  Kör¬ 
perarbeit.  Diese  kann  dem  Wärmeverluste  nur  unter  gleichen 
äusseren  Bedingungen  proportional  sein,  denn  sie  ist  ja 
physikalischen  Regulierungseinflüssen,  die  keine  Veränderung  der 
Körperarbeit  bedingen,  zugänglich,  wenigstens  insoweit,  als  eine 
Schwankung  der  Körpertemperatur  über  die  normale  Breite  hinaus 
droht,  was  gerade  bei  Debilen  oft  in  ausgesprochenem  Masse  der 
Fall  ist. 

*)  Letzter  Teil  eines  im  medizinischen  Verein  zu  Heidelberg 
gehaltenen  Vortrages:  Physiologische  und  pharmakologische  Unter¬ 
suchungen  über  die  Bewegungen  des  Verdauungskanals.  Referat 
siehe  diese  Nummer  Seite  1456. 


1  422 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


spruchsvollen  Teil  der  Pharmakologie  mit  modernen  Methoden 
neu  zu  bearbeiten. 

Die  herrschende  Lehre  über  die  Morphinwirkung  auf  den 
Darm  besagt,  dass  dieses  Gift  die  Bewegungen  des  Darmes 
durch  cipe  direkte  Beeinflussung  von  Elementen  der  Darmwand 
ruhig  stellt.  Nothnagel  hat  ausserdem  behauptet,  dass 
durch  therapeutische  Dosen  Morphin  die  Hemmungsfasern  des 
Splanchnikus  erregt  und  auf  diese  Weise  die  Darmbewegungen 
aufgehoben  würden,  eine  Angabe,  die  von  einzelnen  Forschern 
bestätigt,  von  anderen  entschieden  bestritten  worden  ist.  Alle 
diese  Erklärungsversuche  betrachten  den  Dünndarm  als  den 
Hauptort  der  Morphinwirkung.  Ausserdem  sind  einige  wenige 
Angaben  über  die  Beeinflussung  der  Magenbewegungen  ge¬ 
macht  worden:  Battelli  sah  zuerst  eine  Erregung,  dann 
eine  Abschwächung  derselben,  Hirsch  beobachtete  an 
Hunden  mit  Duodenaifistel  eine  starke  Verzögerung  der  Magen¬ 
entleerung.  Ueber  eine  Beeinflussung  des  Dickdarms  durch 
Morphin  sind  mir  Angaben  nicht  bekannt  geworden. 

Meine  eigenen  Versuch  gingen  davon  aus,  dass  es  mir 
nicht  gelang,  am  isolierten  Dünndarm  durch  Morphin  eine 
Ruhigstellung  der  Bewegungen  hervorzubringen,  ausserdem 
von  der  Ueberlegung,  dass  in  den  letzten  Jahren  wichtige  Fort¬ 
schritte  in  der  Erkenntnis  der  Dickdarmbewegungen  gemacht 
worden  sind,  welche  es  möglich  erscheinen  liessen,  dass  das 
Morphin  an  diesem  Endteil  des  Verdauungsrohres  seine  Haupt¬ 
wirkung  äusserte.  C  a  n  n  o  n  und  nach  ihm  E  1 1  i  o  t  und 
Barcley-Smith  fanden,  dass  der  Dickdarm  funktionell 
aus  zwei  Teilen  besteht,  einem  proximalen,  dessen  normale 
Bewegung  die  Antiperistaltik  ist,  und  in  welchem  der  Chymus 
aus  der  dünnbreiigen  allmählich  in  die  feste  kotige  Konsistenz 
übergeführt  wird,  und  einem  distalen  Abschnitt,  in  welchem 
die  Kotballen  durch  sehr  langsame  peristaltische  Wellen  gegen 
den  After  zu  bewegt  werden.  Es  erschien  von  vorneherein 
durchaus  möglich,  dass  das  Morphin  in  irgend  einer  Weise 
in  diesen  komplizierten  Mechanismus  eingreift  und  wenn  sich 
diese  Voraussetzung  auch  im  Laufe  der  Versuche  als  irrig 
erwies,  so  wollte  ich  sie  doch  als  Ausgangspunkt  der  ganzen 
Untersuchung  erwähnen. 

Die  erste  Aufgabe  war,  über  die  Gültigkeit  oder  Nicht¬ 
gültigkeit  der  Nothnagel  sehen  Theorie  Klarheit  zu  schaffen. 
Ich  habe  die  Versuche  Nothnagels  genau  nach  seinen  An¬ 
gaben  an  Kaninchen,  denen  in  Aethernarkose  die  Bauchhöhle 
im  Kochsalzbade  eröffnet  war,  wiederholt  und  bin  niemals  im¬ 
stande  gewesen  mich  von  dem  Eintreten  einer  splanchnischen 
Hemmung  durch  kleine  Gaben  Morphin  zu  überzeugen.  Das¬ 
selbe  haben  Jakobi  und  Pohl  gefunden.  Es  ergab  sich 
aber  nach  diesen  Versuchen  die  Frage,  ob  es  überhaupt  erlaubt 
ist,  daraus,  dass  der  Darm  an  narkotisierten  Tieren  vor  und 
nach  Morphin  ein  verschiedenes  Verhalten  gegen  künstliche 
Reize  zeigt,  irgend  etwas  über  die  stopfende  Wirkung  dieses 
Giftes  zu  schliessen.  Wenn  irgendwo,  so  gilt  hier  die  Mahnung 
Pawlows,  die  er  in  seinem  geistreichen  Vortrag:  „Das  Ex¬ 
periment  als  zeitgemässe  und  einheitliche  Methode  medizini¬ 
scher  Forschung“  an  die  Pharmakologen  richtete,  experimen¬ 
telle  Therapie  zu  treiben.  Wenn  man  die  stopfende  Wirkung 
des  Morphins  und  ihre  eventuelle  Abhängigkeit  von  splanch¬ 
nischen  Hemmungen  untersuchen  will,  so  muss  man  zunächst 
bei  seinen  Versuchstieren  Durchfall  hervorrufen,  muss  diesen 
Durchfall  durch  geeignete  Dosen  Morphin  stopfen  und  muss 
sehen,  ob  nach  Ausschaltung  der  splanchnischen  Hemmungs¬ 
fasern  diese  Stopfwirkung  aufgehoben  ist  oder  nicht.  Nur  auf 
diese  Weise  ist  man  sicher,  eindeutige  Resultate  zu  erhalten. 

Als  Versuchstiere  dienten  Katzen.  Um  die  Verhältnisse 
nicht  zu  komplizieren,  wurden  zur  Hervorrufung  des  Durch¬ 
falls  keine  arzneilichen  Abführmittel,  sondern  Milchfütterung 
verwendet.  Darauf  bekommen  die  Tiere  ohne  Schädigung  ihrer 
Gesundheit  dauernd  halbflüssige  oder  breiige  Stühle.  Dieser 
Durchfall  wird  durch  Morphin  (3—4  cg)  subkutan  prompt  ge¬ 
stopft.  Nachdem  dieses  festgestellt  war,  wurde  zur  Ausschal¬ 
tung  der  gesamten  sympathischen  Hemmungsfasern  vom  Magen 
bis  zum  After  geschritten.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  die 
Nervengeflechte,  welche  die  Arteria  coeliaca  und  rnesenterica 
sup.  umspinnen  peripher  von  den  Solarganglien  durch¬ 
schnitten  und  ausserdem  die  Nn.  hypogastrici,  die  Nerven¬ 
geflechte  um  die  Arteria  rnesenterica  inf.  und  die  spär¬ 


lichen  sogen,  aufsteigenden  Kolonäste  sämtlich  peripher  vom 
unteren  Mesenterialganglion  durchtrennt.  Auf  diese  Weise 
wird  die  überwiegende  Zahl  aller  sympathischen  Bahnen  zum 
Verdauungskanal  postganglionär,  d.  h.  peripher  von  ihren 
sympathischen  Ganglien,  unterbrochen.  Die  Katzen  ver¬ 
tragen  den  immerhin  schweren  Eingriff  gut,  erholen  sich 
rasch  und  wenn  man  genügend  lange  Zeit  (mindestens  7 
bis  9  Tage)  wartet,  so  degenerieren  die  Hemmungsfasern 
bis  zur  Peripherie,  was  durch  sorgfältige  histologische 
Untersuchungen  kontrolliert  wurde.  Die  Tiere  bekommen 
auf  Milchfütterung  ebenfalls  Durchfall  und  diese  Diarrhöe 
lässtsich  durch  Morphin  genausogutstopfen, 
wie  bei  normalen  Tieren.  Damit  ist  bewiesen,  dass  die  Mit¬ 
wirkung  der  sympathischen  Hemmungsfasern  für  das  Zustande¬ 
kommen  der  Stopfwirkung  unnötig  ist  und  dass  die  Noth¬ 
nagel  sehe  Theorie  nicht  zu  Recht  besteht. 

Wenn  das  Morphin  demnach  nicht  am  äusseren  Hemmungs¬ 
apparate  des  Darmes  angreift,  so  muss  es  wohl  auf  irgend 
welche  Teile  des  Verdauungskanales  selber  wirken.  Die  Auf¬ 
gabe  war,  nunmehr  festzustellen,  wo  die  Morphinwirkung  sich 
hier  äussert.  Durch  die  grundlegenden  Untersuchungen  Can  - 
n  o  n  s,  der  den  Ablauf  der  Magen-  und  Darmbewegungen  von 
Katzen  unter  normalen  Bedingungen  bei  den  verschiedensten 
Arten  der  Fütterung  auf  dem  Röntgenschirme  verfolgt  hat,  war 
die  physiologische  Grundlage  zu  solchen  Versuchen  gegeben. 
Ich  habe  daher  Katzen  mit  einer  Mischung  von  Kartoffelbrei 
und  Bismutum  subnitricum,  Hunde  mit  Hundekuchen  und 
Wismut  gefüttert  und  den  Verlauf  der  Magen-  und  Darm¬ 
bewegung  unter  normalen  Bedingungen  und  unter  dem  Einfluss 
derjenigen  Morphindosen  verfolgt,  welche  nach  der  vorher 
geschilderten  Versuchsreihe  stopfend  wirken.  Diese  Unter¬ 
suchung  wurde  mir  dadurch  ermöglicht,  dass  der  Direktor  des 
elektrotechnischen  Laboratoriums  in  Aschaffenburg,  Herr 
F.  Dessauer,  eine  für  derartige  Tierversuche  besonders  ge¬ 
eignete  Röntgeneinrichtung  dem  Institute  zur  Verfügung  stellte, 
wofür  ich  auch  an  dieser  Stelle  bestens  danken  möchte. 

Wenn  man  einer  normalen  Katze  25  ccm  Kartoffelbrei  mit 
5  g  Wismut  gemischt  zu  fressen  gibt,  so  sieht  man  10  Minuten 
später  auf  dem  Röntgenschirm  den  ganzen  Magen  mit  dem 
Futter  gefüllt  und  sieht  über  den  Pylorusteil  regelmässige  peri¬ 
staltische  Wellen  nach  dem  Pförtner  zu  verlaufen.  Der  Ueber- 
tritt  ins  Duodenum  beginnt  durchschnittlich  nach  einer  Viertel¬ 
stunde. 

Bei  einer  Katze,  welche  vorher  eine  stopfende  Morphin¬ 
dosis  erhalten  hat,  ist  das  Bild  ein  ganz  anderes.  Zunächst  sieht 
man  in  einer  Reihe  von  Fällen  (nicht  in  allen),  dass  ein  Teil 
der  Nahrung  bis  zu  einer  halben  Stunde  im  untersten  Oeso¬ 
phagus  über  der  Kardia  liegen  bleibt  und  erst  dann  langsam 
in  den  Magen  Übertritt.  Es  ist  also  schon  die  Passage  durch 
die  Kardia  gestört.  Die  auffälligste  und  völlig  konstante  Er¬ 
scheinung  ist  aber  die,  dass  die  Nahrung  stundenlang  im 
Fundusteil  des  Magens  verweilt  und  nicht  in  den  Pylorusteil 
eintritt.  Diese  Phase  kann  bis  zu  8  Stunden  andauern. 

Welches  ist  der  Grund  dieses  merkwürdigen  Phänomens? 
Darüber  erhält  man  Aufschluss,  wenn  man  Katzen  zuerst  mit 
wismuthaltiger  Nahrung  füttert  und  ihnen  erst,  wenn  sich  der 
ganze  Magen  in  normaler  Weise  gefüllt  hat  und  normale  Be¬ 
wegungen  zeigt,  das  Morphin  gibt.  Dann  beobachtet  man,  dass 
sich  allmählich  die  mittlere  Partie  des  Magens,  der  sogen. 
Sphincter  antri  pylorici  und  die  benachbarten  Teile  der  Magen¬ 
wand  zusammenziehen  und  so  den  Fundus-  und  Pylorusteil 
vollständig  von  einander  sondern.  Das  Morphin  führt  zu  einer 
I  rennung  der  beiden  Magenhälften  durch  Kontraktion  in  der 
Gegend  des  Sphincter  antri.  Bei  der  zuletzt  geschilderten  Ver¬ 
suchsanordnung  sieht  man  im  Pylorusteil  die  peristaltischen 
Wellen  unverändert  fortdauern.  Das  Morphin  führt  also  keines¬ 
wegs  zu  einer  Lähmung  der  Magenbewegungen. 

Während  die  Nahrung  auf  diese  Weise  lange  Zeit  im 
Fundus  liegen  bleibt,  kommt  es  zu  einer  allmählichen  Aus¬ 
dehnung  dies is  Magenabschnittes,  welcher  aber  nicht  nur  durch 
die  vermehrte  Magensaftsekretion  bedingt  ist,  welche  Riegel 
als  Wirkung  des  Morphins  entdeckt  hat,  sondern  welche 
giösstenteils  auf  der  Ansammlung  von  Luft  im  Fundus  beruht. 
JJan  kann  s(ch  leicht  hiervon  überzeugen,  wenn  man  eine 
Magensonde  einführt,  durch  welche  das  Gas  alsbald  entweicht. 


6.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1423 


jnter  normalen  Bedingungen  kommt  es  niemals  zu  derartig 
grossen  Gasansammlungen  im  Magen,  weil  sich  bei  einem  ge- 
.vissen  Innendruck  reflektorisch  die  Kardia  öffnet  und  die 
Duktus  entweichen  lässt.  Durch  das  Morphin  wird  auch  dieser 
Viechanismus  gestört.  Die  Passage  durch  die  Kardia  ist  also 
ti  beiden  Richtungen  beeinträchtigt. 

Nach  einer  wechselnden  Anzahl  von  Stunden  (334 — 8) 
erfolgt  langsam  und  allmählich  der  Uebertritt  der  Nahrung  aus 
lern  Fundus  in  den  Pylorusteil,  und  man  sieht  alsbald  kräftige 
leristaltische  Wellen  in  letzterem  einsetzen.  Die  Entleerung 
les  Magens  in  den  Dünndarm  ist  aber  auch  jetzt  noch  ver¬ 
zögert.  Statt  nach  34  Stunde  tritt  sie  oft  erst  nach  1 34 — 2 
Stunden  ein.  Von  da  an  bis  zur  völligen  Entleerung  des  Magens 
lauert  es  nun  ausserordentlich  lange.  Während  unter  nor- 
ualen  Bedingungen  bei  Fütterung  von  25  ccm  Kartoffelbrei 
ler  Magen  nach  2—334  Stunden  leer  gefunden  wird,  dauert  es 
inter  dem  Einfluss  des  Morphin  von  dem  Momente,  wo  die 
Tste  Nahrung  ins  Duodenum  Übertritt  bis  zur  völligen  Ent- 
eerung  des  Magens  noch  7—25  (!)  Stunden.  Es  handelt  sich 
ilso  um  eine  ganz  enorme  Verzögerung  und  Verlangsamung 
les  Uebertritts  der  Speisen  in  den  Darm. 

Dieses  geschilderte  Verhalten  lässt  sich  nun  nicht  nur  bei 
Ratzen,  welche  bekanntlich  auf  Morphin  mit  Erregungser- 
cheinungen  reagieren,  sondern  auch  in  genau  derselben  Weise 
>ei  Hunden  beobachten,  welche  mit  kleinen  Dosen  Morphin 
6  mgr  pro  kg)  narkotisiert  sind.  Auf  dem  Röntgenschirm  sieht 
nati  ganz  die  gleichen  Bilder  wie  bei  Katzen.  Ich  konnte  aber 
lurch  die  Freundlichkeit  von  Kollegen  C  o  h  n  h  e  i  m  die  Be- 
unde  auch  an  einem  Hund  mit  Duodenalfistel  im  physio- 
ogischen  Institut  kontrollieren  und  bestätigen.  An  diesem 
äer  beobachteten  wir  ferner  nach  Fleischfütterung,  dass, 
cenn  nach  ca.  5  Stunden  die  Magenentleerung  endlich  in  Gang 
jekommen  war,  eine  deutliche  Verlangsamung  der  rhythmischen 
)effnungen  des  Pylorus  sich  nachweisen  liess.  Zwischen  den 
Jnzelnen  schussweisen  Entleerungen  aus  der  Fistel  waren 
eweils  Pausen  von  2—3  Minuten,  statt  12  Sekunden  einge- 
chaltet.  Die  Bedeutung  des  verlängerten  Aufenthaltes  der 
lahrung  im  Magen  für  die  Gesamtverdauung  erhellt  aus  folgen- 
er  Beobachtung:  Während  nach  den  Feststellungen  von 
' obler  die  Verdauungsprodukte  des  Fleisches  in  Form  eines 
ehr  dünnen  Breies  ins  Duodenum  übertreten,  war  das,  was 
ich  in  den  Morphinversuchen  aus  dem  Pylorus  entleerte,  eine 
Jinne  Flüssigkeit,  in  der  sich  kaum  irgend  welche  festeren 
Artikeln  nachweisen  liessen.  Der  Magen  überliefert  also 
eine  Verdauungsprodukte  nicht  nur  verspätet  und  sehr 
angsam  an  den  Darm,  sondern  auch  in  deutlich  weiterver- 
autem  Zustande.  So  wird  in  der  Morphinwirkung  dem  Darm 
eine  Aufgabe  wesentlich  erleichtert,  weil  der  Magen  gleich- 
am  als  Schutzorgan  ihm  gegenüber  funktioniert. 

Die  Dünndarmverdauung  steht  nun  in  ihrem  Verlaufe 
öllig  unter  dem  Einfluss  der  verlangsamten  Magenentleerung. 
leim  Hunde  dauert  z.  B.  nach  Hundekuchenfütterung  die  Diinn- 
armverdauung  6 — 7  Stunden.  Unter  dem  Einfluss  von  Mor- 
hin  wird  diese  Zeit  auf  10 — 19  Stunden,  bei  Katzen  nach 
'artoffelbreifütterung  bis  zu  27  Stunden  verlängert.  Ebenso 
de  die  Speisen  verspätet  ins  Duodenum  übertreten,  erscheinen 
ie  auch  verspätet  im  Kolon. 

Der  Beginn  und  der  Rhythmus  des  Durchtritts  durch 
en  Pylorus  beherrscht  den  ganzen  Ablauf  der  Passage  durch 
en  Darm. 

Gegenüber  dieser  indirekten  Beeinflussung  der  Darm- 
ewegungen  tritt  eine  direkte  Wirkung  des  Morphins  auf  den 
'iinndarm  völlig  zurück.  Am  isolierten  Dünndarm  der  Katze 
nd  des  Kaninchens  beobachtet  man  nach  Dosen,  welche  den 
i  meinen  Versuchen  stopfend  wirkenden  entsprechen,  nur 
nässige)  Erregungserscheinungen.  Der  Angriffspunkt  dieser 
rregung  liegt  im  Auerbach  sehen  Plexus.  Zu  einer  Läh- 
iung  des  isolierten  Dünndarms  sind  ganz  enorme  Dosen  nötig 
,4  g  bei  Katzen,  0,5  g  bei  Kaninchen).  Damit  steht  in  Ein¬ 
lang,  dass  man  auf  dem  Röntgenschirm  bei  Katzen  und  Hunden 
i  jedem  Stadium  der  Morphinwirkung  lebhafte  rhythmische 
egmentierung  des  Dünndarminhaltes  durch  die  Pendel- 
ewegungen  beobachten  kann.  Gelegentlich  sieht  man  auch, 


was  unter  normalen  Bedingungen  niemals  vorkommt,  einen 
Teil  der  Nahrung  im  Magen,  einen  anderen  im  Kolon,  während 
der  Dünndarm  leer  ist  und  also  seinen  Inhalt  vollständig  fort¬ 
bewegt  hat.  Man  erkennt  jetzt,  weshalb  alle  Versuche,  am 
Dünndarm  eine  Erklärung  für  die  Morphinwirkung  zu  finden, 
scheitern  bezw.  zu  widerspruchsvollen  Ergebnissen  führen 
mussten.  Das  einzige,  was  sich  am  Dünndarm  nachweisen 
liess,  war  in  einigen  Versuchen,  in  welchen  mehrere  Stunden 
nach  der  Fütterung  Morphin  injiziert  wurde,  eine  Verzögerung 
der  peristaltischen  Fortbewegung,  welche  einige  Stunden,  aber 
immer  sehr  viel  kürzer  andauerte,  als  die  Verzögerung  der 
Magenentleerung,  und  welche  in  anderen  Versuchen  völlig 
fehlte.  Sie  spielt  für  den  Gesamtablauf  der  Fortbewegung  des 
Speisebreies  keine  irgendwie  entscheidende  Rolle,  im  Gegen¬ 
satz  zu  dem  bestimmenden  Einfluss,  den  die  verlangsamte 
Magenentleerung  bereitet. 

Im  Gegensatz  zu  meiner  ursprünglichen  Erwartung  liess 
sich  nun  weiter  eine  deutliche  Beeinflussung  der  Dickdarm - 
bewegungen  überhaupt  nicht  nachweisen.  Die  Antiperistaltik 
des  proximalen  Kolons  ist  in  keiner  Weise  gestört.  Am  iso¬ 
lierten  Colon  descendens  des  Kaninchens  liess  sich  keine  Be¬ 
einträchtigung  der  peristaltischen  und  der  Pendelbewegungen 
erkennen,  einerlei,  ob  das  Morphin  von  aussen  oder  von  der 
Schleimhaut  aus  einwirkte,  oder  ob  die  Dickdarmschlinge 
einem  vorher  morphinisierten  Tiere  entnommen  war.  —  Für 
exaktere  Bestimmungen  im  Röntgenversuche  war  es  nötig,  die 
Füllung  des  Dickdarms  von  der  langsamen  Entleerung  des 
Dünndarms  unabhängig  zu  machen.  Ich  habe  daher,  im  An¬ 
schluss  an  die  physiologischen  Versuche  Cannons,  mit  Wis¬ 
mut  versetzte  Wasser-  und  Nährklystiere  gegeben,  welche 
bis  ins  Zoekum  vordrangen.  Die  daraufhin  auftretenden  Be¬ 
wegungen  waren  bei  normalen  und  morphinisierten  Tieren  die 
gleichen.  Es  ist  möglich,  dass  nach  Morphin  die  Kotentleerung 
nach  den  Klystieren  etwas  später  erfolgt,  als  bei  normalen 
Tieren,  aber  diese  Wirkung  ist  keine  konstante  und  es  lässt 
sich  keine  Dosis  Morphin  ermitteln,  welche  diesen  Effekt  auch 
nur  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  auslöste.  Seifenklystiere, 
welche  so  verdünnt  waren,  dass  sie  bei  Normaltieren  gerade 
eben  mit  Sicherheit  zur  Entleerung  führten,  wurden  nach  Mor¬ 
phininjektion  ebenfalls  ausgestossen. 

Zusammenfassend  lässt  sich  also  sagen,  dass  es  gelingt, 
den  nach  Milchfütterung  entstehenden  Durchfall  bei  Katzen 
durch  geeignete  Morphindosen  zu  stopfen,  dass  für  diese  Stopf¬ 
wirkung  die  Mitwirkung  der  sympathischen  Hemmungsfasern 
nicht  notwendig  ist,  dass  die  verwendeten  Morphindosen  am 
stärksten  den  Magen,  am  wenigsten  den  Dickdarm  beeinflussen, 
dass  die  Hauptwirkung  in  einer  langdauernden  Kontraktion  der 
Magenwand  in  der  Gegend  der  sogen.  Sphincter  antri  pylorici 
besteht  und  dass  ausserdem  auch  der  Pylorus  den  Speisebrei 
langsamer  ins  Duodenum  passieren  lässt,  dass  infolgedessen  die 
Nahrung  beträchtlich  verspätet  und  danach  nur  sehr  allmählich 
in  kleinen  Portionen  und  vollständiger  verdaut  als  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen  in  den  Dünndarm  Übertritt,  und  dass  die 
Bewegungen  des  Antrum  pylori,  des  Dünndarms  und  des  Ko¬ 
lons  durch  Morphin  nicht  aufgehoben  we’rden. 

M.  H. !  Alles  was  ich  Ihnen  im  Vorstehenden  berichtet 
habe,  gilt  zunächst  nur  für  das  Morphin  und  nicht  für  die  Opium¬ 
tinktur,  und  gilt  zunächst  nur  für  die  von  mir  beobachteten 
Tierarten.  Trotzdem  glaube  ich  schon  jetzt  an  die  Kollegen 
von  der  Klinik  die  Bitte  richten  zu  dürfen,  dass  sie  sich  bei 
der  Verwendung  von  Morphin  und  Opium  am  Krankenbette 
die  Frage  vorlegen,  wie  viel  von  den  dabei  beobachteten  Er¬ 
scheinungen  sich  mit  den  Ergebnissen  der  geschilderten  Ver¬ 
suche  in  Einklang  bringen  lässt  und  wie  viel  noch  weiterer  Auf¬ 
klärung  bedarf. 

(Die  ausführliche  Mitteilung  der  Versuche  erscheint  in 
Pflügers  Archiv.) 


1424 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Aus  der  II.  medizinischen  Abteilung  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  St.  Georg,  Hamburg  (Oberarzt  Dr.  J  o  1 1  a  s  s  e). 

Ueber  den  derzeitigen  Stand  der  Röntgendiagnostik 
bei  Magen-Darmkrankhelten.*) 

Von  Dr.  J  o  1 1  a  s  s  e. 

Meine  Herren!  Wenn  auch  bereits  in  dieser  Versammlung 
Röntgenbilder  des  gesunden  und  kranken  Magens  vom  Leben¬ 
den  gezeigt  wurden,  so  glaube  ich  doch  Ihnen  das  im  Zu¬ 
sammenhänge  vorführen  zu  dürfen,  was  man  heutzutage  in  der 
Diagnostik  der  Magendarmkrankheiten  mit  den  Röntgenstrahlen 
leisten  kann,  nachdem  erst  drei  Jahre  verflossen  sind,  seit¬ 
dem  uns  Rieder  das  Röntgenverfahren  durch  Angabe  der 
Bismutmahlzeiten  zur  Durchleuchtung  des  Magens  zugängig 
machte. 

Da  bei  den  in  Frage  kommenden  Methoden  auch  die  Ver¬ 
dienste  Rieders  genügend  gewürdigt  sind,  brauche 
ich  mich  hierüber  nicht  weiter  zu  verbreiten,  sondern 
will  nur  hervorheben,  was  nicht  so  allgemein  bekannt 
ist,  dass  nämlich  schon  vor  Rieder  das  Bismut  zu  Durch¬ 
leuchtungszwecken  des  Magens  resp.  Darms  benutzt  wurde, 
so  von  Roux,  Balthasar  d,  Hildebrandt  und 
auch  von  Boas.  Zu  praktischen  Resultaten  ist  man 
aber  nicht  gekommen,  so  dass  Boas  noch  vor  4  Jahren 
behaupten  durfte :  „Es  bestehen  auch  wenig  Aus¬ 
sichten,  durch  Verbesserung  der  Röntgen¬ 
technik  Günstigeres  zu  leiste  n“.  Dass  dieser  Satz 
heute  durch  die  Rieder  sehe  Methode  nicht  mehr  zu  Recht 
besteht,  ist  Ihnen  allen  aus  der  Literatur,  sowie  aus  gelegent¬ 
lichen  Demonstrationen,  vor  allem  aber  den  Vorführungen  des 
Herrn  Dr.  Kümmell  in  unserem  Verein,  zur  Genüge  be¬ 
kannt. 

Indem  ich  nun  in  medias  res  meines  Themas  gehe,  so  sind 
zunächst  die  Veränderungen  des  Oesophagus  zu  erwähnen,  die 
wir  mit  dem  einverleibten  Bismut  nachweisen  können.  Es  ist 
Ihnen  bekannt,  dass  es  vornehmlich  die  Stenosen  der  Speise¬ 
röhre  sind,  welche  durch  einen  Bismutbolus  sehr  gut  zur  An¬ 
schauung  gebracht  werden  können.  Dabei  ist  es  natürlich  einer¬ 
lei,  ob  die  Stenose  hervorgerufen  ist  durch  eine  Neubildung, 
eine  Narbe  oder  Kompression  von  aussen.  Bemerken  möchte 
ich  dabei  nur,  dass  oft  besser  als  ein  Bolus  eine  Paste  ver¬ 
wendet  wird,  wie  sie  von  Holzknecht  angegeben  wurde, 
und  welche  besteht  aus  30  g  Bismut,  15  g  Milchzucker,  mit 
etwas  Wasser  vermischt.  Ferner  lassen  sich  in  ähnlicher  Weise 
demonstrieren  Divertikel,  Ektasien  etc.  Dass  auch  Fremd¬ 
körper  im  Oesophagus,  soweit  sie  die  Röntgenstrahlen  nicht 
durchlassen,  leicht  nachzuweisen  sind,  liegt  auf  der  Hand. 
Aber  auch  solche,  welche  vermöge  ihrer  geringen  Dichtigkeit 
keinen  Schatten  werfen,  dassen  sich  dadurch  zur  Darstellung 
bringen,  dass  man  eine  Bismutaufschwemmung  oder  -paste 
schlucken  lässt.  Da  dieselbe  den  Fremdkörper  nicht  oder  nicht 
vollständig  passieren  kann,  werden  wir  über  seinen  Sitz  unter¬ 
richtet.  So  sah  ich  jüngst  in  W  i  e  n  im  Institut  des  Radiologen 
Holzknecht  ein  Kind,  das  einen  Zwetschenkern  verschluckt 
haben  wollte  und  seitdem  Schlingbeschwerden  hatte.  Eine 
Durchleuchtung  ergab  zunächst  kein  Resultat,  aber  nachdem 
das  Kind  eine  Bismutaufschwemmung  getrunken  hatte,  liess 
sich  nicht  nur  der  Sitz,  sondern  auch  die  Lage  des  Zwetschen- 
kernes  deutlich  erkennen. 

Ehe  ich  nun  zu  dem  Hauptpunkte  meiner  Erörterungen,  dem 
Magen,  übergehe,  möchte  ich  erwähnen,  dass  wir  unsere  Un¬ 
tersuchungen,  die  ich  zum  Teil  gemeinschaftlich  mit  Herrn  A  1  - 
bers -  Schönberg  unternahm,  dem  ich  an  dieser  Stelle  für 
sein  freundliches  Interesse,  das  er  meinen  Untersuchungen 
schenkte,  danken  möchte,  fast  sämtlich  bei  aufrechter  Körper¬ 
stellung  des  Patienten  Vornahmen  und  so  dorso-ventral  durch¬ 
leuchteten,  und  zwar  unter  Benutzung  einer  von  A  1  b  e  r  s  - 
Schönberg  angegebenen,  ungemein  praktischen  Vorrich¬ 
tung,  die  er  Ihnen  selbst  demonstrieren  wird.  Sodann  möchte 
ich  darauf  aufmerksam  machen,  dass  bei  den  folgenden  De¬ 
monstrationen  wir  uns  grossenteils  nicht  photographischer  Auf¬ 
nahmen,  sondern  der  sogenannten  Schirmpausen  bedienen. 


*)  Nach  einem  im  Aerztl.  Verein  zu  Hamburg  gehaltenen  Vor¬ 
trage. 


Diese  Pausen  haben  ihre  Vorteile  und  Nachteile.  Die  Vorteile 
der  photographischen  Aufnahmen  bestehen  darin,  dass  sie 
künstlerisch  schönere  Bilder  liefern  und  dass  sie  etwaige  De¬ 
tails  objektiver  wiedergeben  und  studieren  lassen.  Die  Schirm¬ 
pausen  hingegen  sind  billiger,  kosten  an  und  für  sich  gar  nichts 
und  sind  sehr  viel  einfacher  herzustellen.  Und  gerade  dieses 


Fig.  1.  Fig.  2. 


ist  es,  worauf  es  ankommt,  wenn  das  Röntgenverfahren  auch 
in  der  Praxis  zur  Diagnose  der  Magendarmkrankheiten  mehr 
herangezogen  werden  soll.  Für  gewöhnlich  und  für  die  Praxis 
reichen  die  Schirmpausen  vollkommen  aus  und  geben  das,  wo¬ 
rauf  es  ankommt,  in  genügend  deutlicher  Weise  wieder.  Sehr 
wichtig  aber  ist  es,  alle  Fälle  auf  dem  Durch- 
leuchtungsschirme  selbst  zu  studieren,  umso¬ 
mehr,  als  manche  für  die  Diagnose  wichtige 


Fig.  7.  Fig.  8. 


TatsachenundVorgängesichgarnichtaufdem 
Bilde  (sei  es  Platte  oder  Pause)  festhalten 
1  a  s  s  en. 

Was  wir  nun  durch  die  Durchleuchtung  am  Lebenden  ge¬ 
lernt  haben,  ist  folgendes:  zunächst  sind  wir  heute  mit  Sicher¬ 
heit  von  der  Vertikalstellung  des  Magens  unterrichtet;  wir 
wissen  ferner,  dass  die  Grösse  und  namentlich  die  Formen  des 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1425 


Magens  ungemein  verschieden  sind,  wir  finden  kaum  zwei 
Mägen,  die  sich  in  ihrer  Form  vollkommen  gleichen  (Fig.  1—3). 
Nur  eine  Form  macht  eine  Ausnahme,  die  ich  erwähnen  muss, 
da  die  Bedeutung  derselben  ziemlich  lebhafte  Kontroversen 
hervorrief.  Es  war  der  bekannte  Wiener  Radiologe  Holz- 
k  n  e  c  h  t,  der  darauf  hinwies,  dass  eine  einzige  Magenform 
konstant  wiederkehrt,  wenn  auch  nur  selten.  Er  bezeichnete 
diese  Form  als  die  eines  Stierhornes  (Fig.  4).  Dieser  Magen 
hat  das  charakteristische,  dass  der  Pylorus  den  tiefsten  Punkt 
des  ganzen  Magens  bildet,  was  bekanntlich  meist  nicht  der 
Fall  ist,  indem  der  sogenannte  kaudale  Teil  durch  einen  Punkt 
des  Magens  gebildet  wird,  der  tiefer  liegt  als  der  Pylorus. 
Hierdurch  entsteht  die  sogenannte  Hubhöhe,  d.  h.  der  Höhen¬ 
unterschied  zwischen  kaudalem  Teil  und  dem  höher  gelegenen 
Pylorus.  Diese  Hubhöhe  nun  fehlt  bei  der  Stierhornform  und 
Holzknecht  glaubte  nun,  diese  Magenform  als  die  wirklich 
und  einzig  normale  hinstellen  zu  dürfen,  und  zwar  erstens,  weil 
sie  die  einzige  konstante,  und  zweitens,  weil  sie  physiologisch 
die  rationellste  sei,  indem  die  Peristaltik  hier  mit  geringster 
Mühe  den  Chymus  in  den  Darm  befördern  könne,  da  die  Ueber- 
windung  der  Hubhöhe  fortfalle.  Alle  anderen  Magenformen 
sollen  nach  Holzknecht  partielle  Dehnungen  resp.  be¬ 
ginnende  Ptosen  darstellen.  Diese  Auffassung  hat  mit  Recht 
den  lebhaftesten  Widerspruch  gefunden,  denn  erstens  kann  man 
sich  schwer  entschliessen,  eine  Form  als  die  normale  zu  be¬ 
trachten,  die  auch  unter  den  Magengesunden  so  selten  ist 
(Holzknecht  spricht  von  20  Proz.  der  Fälle,  ich  fand  auch 
diese  Zahl  zu  hoch  gegriffen;  bei  Kindern  ist  sie  allerdings  häufi¬ 
ger  als  bei  Erwachsenen),  und  zweitens  habe  ich  durch  zahl¬ 
reiche  Versuche  dargetan,  dass  der  Rinderhornmagen  durchaus 
nicht  schneller  sich  seines  Inhaltes  entledigt  als  die  Mägen  mit 
einer  respektablen  Hubhöhe,  und  wir  wissen  ja  aus  der  Klinik, 
dass  selbst  bei  nicht  unbedeutender  zweifelloser  Ptosis  des 
Magens  die  Motilität  nicht  nachweisbar  gestört  zu  sein  braucht. 
Somit  kann  man  der  Ho  1  z k  n  e  cht  sehen  Auffassung  nicht 
zustimmen,  aber  immerhin  ist  es  interessant,  dass  er  auf  eine 
konstante  Form  des  Magens  aufmerksam  gemacht  hat. 

Ferner  möchte  ich  daran  erinnern,  dass  S  i  m  m  o  n  d  s 
darauf  aufmerksam  machte,  dass  durch  Aufblähung  des  Colon 
transversum  die  grosse  Kurvatur  nach  vorn  geschoben  und 
der  Magen  in  seiner  Form  so  verändert  wird,  dass  eine  be¬ 
stehende  Hubhöhe  schwindet:  das  ist  zweifellos  richtig,  aber 
hierdurch  bekommen  wir  beim  Lebenden  zwar  Röntgenbilder 
ohne  Hubhöhe,  aber  nie  die  von  Holzknecht  als  Rinder¬ 
horn  bezeichnete  Form,  diese  bleibt  als  Form  sui  generis.be- 
.  stehen,  was  S  i  m  m  o  n  d  s  übrigens  auch  nicht  bezweifeln 
wollte,  wenn  ich  ihn  recht  verstanden. 

Was  nun  die  normale  Lage  des  Magens  betrifft,  so  sind  wir 
auch  hierin  durch  die  Rieder  sehen  Untersuchungsmethoden 
besser  unterrichtet  als  früher. 

„ V 3  des  Magens  liegt  links  von  der  Mittellinie  und  W  rechts 
von  derselben“,  so  können  Sie  noch  in  neueren  Lehrbüchern 
lesen.  In  Wirklichkeit  liegt  fast  der  ganze  Magen  links  von  der 
Mittellinie,  und  nur  in  gefülltem  Zustande  geht  der  Pylorus 
etwas  über  die  Mittellinie  nach  rechts  hinaus.  Dabei  liegt 
der  Pylorus  normalerweise  etwa  in  der  Nähe  des  1. — 2.  Len¬ 
denwirbels,  die  Kardia  in  der  Höhe  des  10. — 11.  Brustwirbels. 
Fast  an  jedem  gefüllten  Magen  beobachten  wir  dann  die  hier 
sichtbare  Gasanhäufung  (Fig.  4),  die  wir  als  Magenblase  be¬ 
zeichnen,  und  die  bei  aufrechter  Körperstellung  sich  unter  dem 
Zwerchfell  ansammelt.  Diese  Blase  ist  verschluckte  Luft;  ist 
sie  nicht  vorhanden,  so  entsteht  sie  meist  schnell,  unter  unse¬ 
ren  Augen,  wenn  wir  den  Kranken  trinken  lassen.  Die  Grösse 
dieser  Magenblase  ist  sehr  verschieden;  relativ  gross  pflegt 
sie  zu  sein  bei  Pylorusstenose,  auch  bei  Neurasthenikern,  am 
grössten  natürlich  bei  hysterischen  Luftschluckern. 

Des  weiteren  haben  wir  uns  bei  jeder  Untersuchung  zu 
überzeugen  von  der  Art  der  Peristaltik  des  Magens.  Ist  sie 
nicht  vorhanden,  lässt  sie  sich  durch  leichte  Massage  meist 
anregen.  Bei  Stenose  des  Pylorus  pflegt  die  Peristaltik  oft 
eine  sehr  lebhafte  zu  sein,  und  sehr  wichtig  ist  das  Vorkommen 
einer  Antiperistaltik.  Da  diese  nur  selten  sehr  hochgradig  ist, 
gehört  schon  Uebung  und  Aufmerksamkeit  dazu,  dieselbe  zu 
erkennen;  ist  sie  aber  vorhanden,  ist  sie  ein  wertvolles  Sym¬ 
ptom  für  bestehende  Pylorusstenose.  Dies  kann  ja  diagnostisch 

No.  29.  " 


oft  sehr  wichtig  sein,  und  hier  haben  wir  schon  einen  everlt. 
wesentlichen  Punkt,  über  den  wir  uns  nur  durch  eine  direkte 
Untersuchung  auf  dem  Schirme  überzeugen  können.  Natürlich 
können  wir  uns  auch  unterrichten  über  die  Lage  des  Magens 
in  verschiedenem  Füllungszustande  und  bei  verschiedener  Kör¬ 
perstellung,  sowie  über  seine  Lage  in  pathologischen  Verhält¬ 
nissen,  wobei  sich  herausgestellt  hat,  dass  die  Perkussion  oft 
recht  ungenaue  Resultate  liefert.  Hier  sehen  sie  eine  Schirm¬ 
pause,  welche  uns  demonstriert  die  Lage  des  kaudalen  Poles 
1.  bei  gefülltem  Magen  bei  aufrechter  Körperstellung,  2.  bei  ge¬ 
fülltem  Magen  bei  Rückenlage  und  3.  bei  fast  leerem  Magen 
(Fig.  5)  bei  aufrechter  Körperstellung. 

Sehr  einwandfrei  lässt  sich  nun  die  Gastroptose  dartun 
mittels  der  Röntgenstrahlen  (Fig.  6),  wie  Sie  es  ja  auch  auf  den 
K  ü  m  m  e  1 1  sehen  Bildern  gesehen  haben,  und  die  Differential¬ 
diagnose,  ob  eine  Ptosis  oder  Ektasie,  die  einmal  leicht,  andere 
Male  aber  auch  schwer  ist,  lässt  sich  mit  den  X-Strahlen 
sicherer  feststellen. 

Auch  andere  pathologische  Lagen  können  wir  leicht  erkennen: 
So  sehen  Sie  hier  (Fig.  7)  einen  vollkommen  unter  den  linken  Rippen¬ 
bogen  geschobenen  verzerrten  Magen  von  einem  Kranken,  der  an 
einem  Pyloruskarzinom  mit  Metastasen  in  den  retroperitonealen 
Drüsen  und  mehrfach  abgesacktem  Aszites  litt.  Die  beiden  folgen¬ 
den  Bilder  (Fig.  8  und  9)  zeigen  uns,  was  wir  durch  eine  Bauch¬ 
bandage  bei  Lageveränderungen  leisten  können.  Das  erste  Bild 
demonstriert  auf  einer  Pause  einen  hochgradig  ptotischen  Magen.  Die 
betreffenden  Patienten  haben  ja  sehr  häufig  bei  allgemeiner  En- 


Fig.  11. 


Fig..  13 


<S> 

Fig.  12. 


Fig.  14. 


teroptose  ungemein  schlaffe  Bauchdecken,  und,  um  ihre  Beschwerden 
zu  heben,  wird  oft  mit  Recht  eine  Leibbinde  verordnet.  Ich  habe 
nun  wiederholt  konstatiert,  dass  diese  Binden,  selbst  wenn 
sie  neu  von  guten  Bandagisten  angefertigt  waren,  auf  die  Ptosis  gai 
keinen  Einfluss  übten.  Ich  will  damit  nicht  sagen,  dass  sie  den 
Patienten  bei  hochgradigem  Hängebauch  nicht  trotzdem  eine  gewisse 
Erleichterung  schaffen  können,  aber  ich  hab€  selbst  gefunden,  dass 
durch  ungünstig  sitzende  Binden  eine  Steigerung  der  Ptosis  hervoi- 
gerufen  werden  kann,  und  das  ist  denn  doch  nicht  zweckentspiechend. 
Auch  dieser  Kranken  war  von,  einem  einwandfreien  Bandagisten  eine 
Binde  gefertigt  worden,  welche  die  Ptosis  des  Magens  absolut  nicht 
.korrigierte.  Dass  dieses  aber  unter  Kontrolle  auf  dem  Röntgen¬ 
schirme  möglich  ist,  sehen  Sie  auf  diesem  Bilde,  welches  gewonnen 
wurde,  nachdem  ich  die  Bandage  derselben  Kranken  unter  der 
Durchleuchtung  mit  einer  gehörigen  Pelotte  versehen  hatte.  Wir 
sehen,  dass  die  Ptosis  fast  ganz  aufgehoben  wurde,  dass  wir  sogar 
einen  Magen  vor  uns  haben,  der  kaum  eine  Hubhöhe  aufweist,  (daubt 
man  also,  dass  in  einem  konkreten  Falle  die  Ptosis  als  solche  dem 
Kranken  Beschwerden  macht  (was  gewiss  nicht  immer  der  Fall 
ist,  wie  wir  wissen),  so  können  wir  ausschliesslich  unter  Benutzung 
der  Röntgenstrahlen  beurteilen,  ob  eine  Bandage  die  Senkung  korri¬ 
giert  hat,  resp.  welche  Aenderungen  vorzunehmen  sind. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


142  6 


Fragen  wir  uns  weiter,  was  die  X-Strahlen  in  der  Magen¬ 
diagnostik  zu  leisten  vermögen,  so  möchte  ich  zunächst  hervor¬ 
heben,  dass  wir  imstande  sind,  in  durchaus  einwandfreier  Weise 
und  ohne  grosse  Belästigung  für  den  Kranken  die  motorische 
Leistungsfähigkeit  des  Magens  zu  prüfen.  Hierauf  hat  schon 
Rieder  in  seiner  grundlegenden  Arbeit  aufmerksam  gemacht, 
und  ich  kann  mich  in  diesem  Punkte  hier  um  so  kürzer  fassen, 
als  ich  meine  eigenen  hierhergehörigen  zahlreichen  Untersuch¬ 
ungen  bereits  in  der  „Fortschritten“  Albers-Schönbergs  ver¬ 
öffentlicht  und  auch  in  nuce  in  der  biologischen  Abteilung  unseres 
Vereins  vorgetragen  habe.  Ich  will  also  nur  hervorheben,  dass 
nach  einer  Einverleibung  von  30  g  Bismut  in  200  g  Griesbrei 
der  motorisch  normale  Magen  nach  3  Stunden  keinen  Bismut¬ 
schatten  mehr  auf  dem  Schirme  aufweist.  Erst  wenn  nach 
3  Stunden  noch  ein  deutlicher  Schatten  im  Magen  vorhanden 
ist,  können  wir  von  einer  Insuffizienz  I.  Grades  sprechen.  Die 
individuellen  Schwankungen  liegen  zwischen  2  und  3  Stunden. 
Ob  wir  dann  eine  Stauungsinsuffizienz  annehmen  können,  hängt 
dann  davon  ab,  wie  lange  der  Schatten  sich  im  Magen  hält. 
Ist  er  noch  deutlich  im  Magen  vorhanden,  nachdem  abends- vor¬ 
her  Bismut  verabfolgt  wurde,  dürfen  wir  von  einer  Stauungs- 
insuffizienz  sprechen.  Bei  hochgradigen  motorischen 
Störungen  kann  sich  der  Schatten  tagelang  im  Magen  erhalten. 
Erwähnen  möchte  ich  nur  noch,  dass  es  durchaus  nicht  nötig 
ist,  die  Patienten  mit  der  nicht  für  alle  leicht  zu  nehmenden 
Griesbreinahrung  zu  quälen,  ganz  dieselben  Resultate  erreichen 
wir  nach  Einverleibung  von  30  g  Bisniut,  15  g  Milchzucker  und 
etwas  Wasser.  Haben  wir  einen  Fall  vor  uns,  in  dem  wir  einen 
Magenschlauch  nicht  einführen  wollen,  so  ergibt,  wie  erwähnt, 
diese  Methode  völlig  einwandfreie  Resultate.  Im  übrigen  ver¬ 
weise  ich  nochmals  auf  meine  näheren  Untersuchungen  in  den 
„Fortschritten“. 

Ebenso  wie  die  motorische  lässt  sich  nun  auch  die  sekre¬ 
torische  Tätigkeit  des  Magens,  wenigstens  was  die  freie  HCl 
betrifft,  durch  das  Röntgenverfahren  prüfen,  Dr.  Schwartz1) 
in  Wien,  ein  Schüler  Holzknechts,  hat  zunächst  durch 
Versuche  im  Reagenzglase  nachgewiesen,  dass  das  Gold¬ 
schlägerhäutchen  von  der  HCl  aufgelöst  wird  in  einer  bestimm¬ 
ten  Zeit,  je  nach  dem  Konzentrationsgrade.  Er  konstruierte 
nun  kleine  Beutel  von  Goldschlägerhaut,  welche  mit  Bismut 
gefüllt  sind,  und  die  sich  im  Röntgenbilde  deutlich  als  ein  kreis¬ 
runder  Schatten  präsentieren;  sind  sie  aufgelöst,  liegt  das  Bis¬ 
mut  unregelmässig  ausgebreitet  im  Magen  (Fig.  10).  Das  Ver¬ 
fahren  ist  sehr- einfach:  Der  Patient  nimmt  ein  Probefrühstück 
und  K  Stunde  darauf  eine  sog.  Fibrodermkapsel  und  schluckt 
ein  Stück  trockenes  Brot  nach,  damit  die  Pille  nicht  im  Oeso¬ 
phagus  stecken  bleibt.  Dann  wird  in  bestimmten  Zeitabschnit¬ 
ten  durchleuchtet,  und  die  Experimente  im  Reagenzglase  stim¬ 
men  mit  den  klinischen  Versuchen  vollkommen  überein,  dass 
nämlich  das  Häutchen  aufgelöst  ist 

nach  VA  Stunden,  wenn  Hyperazidität  vorliegt, 
nach  2Yi  Stunden  bei  normalem  HCl-Gehalt, 
nach  5  Stunden  noch  nicht  bei  Anazidität. 

Der  Patient  muss  während  der  Dauer  des  Versuchs  die 
linke  Seitenlage  einnehmen.  Zahlreiche  Kontrollversuche 
haben  die  Zuverlässigkeit  dieses  Verfahrens  gezeigt  und  auch 
mir  ist  es  mehrmals  gelungen,  auf  diese  Weise  z.  B.  eine  An¬ 
azidität  nachzuweisen,  welche  sich  bei  späterer  Nachprüfung 
auch  chemisch  ergeben  hat.  Es  lässt  sich  nun  nicht  leugnen, 
dass  für  gewisse  Fälle,  in  denen  ein  Magenschlauch  nicht  ein¬ 
geführt  werden  kann,  diese  Methode  einen  erwünschten  Ersatz 
bietet,  wenn  einem  daran  liegt,  über  die  Sekretionsverhältnisse 
Aufschluss  zu  bekommen. 

M.  H. !  Ich  gehe  jetzt  über  zu  der  interessanten  und  wich¬ 
tigen  Frage,  wie  weit  uns  die  Röntgenuntersuchung  in  der 
Karzinomdiagnose  gefördert  hat.  So  wichtig  dieser  Punkt  ist, 
kann  ich  mich  doch  gerade  hier  kurz  fassen,  da  ja  eben  in  dieser 
Beziehung  Herr  Kümmell  Ihnen  Ausführliches  demonstrierte. 
Im  übrigen  haben  hier  Holzknecht  und  Jonas  anregend 
gearbeitet. 

Zunächst  müssen  wir  uns  daran  erinnern,  dass  2  Vorfragen 
bei  nicht  fühlbarem  1  umor  durch  die  X-Strahlen  einwandfrei 
beantwortet  werden  können;  nämlich  das  event.  Vorhanden- 


*)  Wiener  mcd.  Wochenschr.  1905,  No.  3. 


sein  einer  motorischen  Störung,  namentlich  einer  Stauungs¬ 
insuffizienz,  und  einer  etwaigen  Anazidität.  Was  nun  den  Nach¬ 
weis  eines  nicht  palpablen  Tumors  betrifft,  so  können  natürlich 
nur  solche  von  einiger  Ausdehnung  in  Betracht  kommen,  da 
ja  nur  durch  einen  deutlichen  Schattenausfall  eine  Geschwulst 
sich  geltend  macht.  Wir  können,  allgemein  ausgedrückt,  3  Typen 
unterscheiden,  solche  der  grossen,  solche  der  kleinen  Kurvatur 
und  solche  des  Antrum  über  der  Pars  pylorica.  Ist  der  Pylorus 
selbst  befallen,  so  dass  selbst  eine  hochgradige  Stenose  be¬ 
stehen  kann,  ist  unter  Umständen  gar  keine  Formveränderung 
erkennbar,  abgesehen  von  einer  event.  Ektasie  und  einer  ver¬ 
mehrten  Peristaltik.  Ich  will  Ihnen  nur  kurz  einige  Typen  vor¬ 
führen. 

Fig-  11  zeigt  uns  einen  Schattenausfall  an  der  grossen  Kurvatur, 
Eig-  12  einen  solchen  an  der  grossen  und  kleinen  Kurvatur,  Fig.  13 
eine  Stenosierung  der  Pars  pylorica,  Fig.  14  dasselbe. 

Ist  die  Stenosierung  nun  noch  hochgradiger,  oder  untersuchen 
wir  direkt  nach  der  Nahrungsaufnahme,  so  fehlt  der  feine  in  Fig. 
13  und  14  sich  geltend  machende  schmale  Kanal,  wie  z.  B.  in  Fig.  15. 


Fig.  17. 


Dieser  letzte.  Fall  war  insofern  sehr  instruktiv,  als  es  mir 
gelang,  hier  durch  die  Röntgenuntersuchung  mehr  zu  eruieren  als 
durch  die  klinische.  Es  handelte  sich  um  einen  erst  33  jährigen 
Menschen,  der  über  Magenbeschwerden  klagte,  die  ebensogut  als 
nervöse  wie  auf  organischen  Veränderungen  beruhend  gedeutet  wer¬ 
den  konnten.  Des  Interesses  wegen  nahm  ich  in  diesem  Falle  erst 
eine  Röntgenuntersuchung  vor.  Ich  konstatierte  in  der  angegebenen 
Weise  zunächst  eine  deutliche  motorische  Störung,  sodann  das  völ- 
J ige  Fehlen  der  freien  HCl.  Eine  darauf  vorgenommene  Durch- 
leuchtung  eigab  dann  einen  Schattenausfall,  der  eine  Stenosierung 
der  Pars  pylorica  andeutete.  Ein  Tumor  war  nicht  zu  fühlen.  Wir 
hatten  hier  also  nicht  nur  die  später  durch  klinische  Untersuchung 
bestätigte  Motilitätsstörung  und  Anazidität  durch  die  Röntgenunter¬ 
suchung  nachgewiesen,  sondern  auch  Sitz  und  Ausdehnung  des  fühl- 
baren  rumors  konstatiert.  Der  Patient  entzog  sich  einer  Operation 
dadurch,  dass  er  am  Tage  des  geplanten  Eingriffes  ein  Erysipel 
lekam,  dem  er  erlag.  Die  Sektion  ergab  ein  flaches,  nicht  ulzeriertes 
Karzinom,  das  die  Muskulatur  durchwucherte  und  die  ganze  Pars 
pylorica  hochgradig  stenosierte. 

r  Sie  sehen  also,  m.  H.,  die  Hauptfrage,  ob  die  frühzeitige 
Karzinomdiagnose  im  Sinne  einer  frühzeitigen  Operation  durch 
das  Röntgenverfahren  gefördert  ist,  müssen  wir  heutzutage 
leider  noch  verneinen.  Wohl  können  wir  uns  über  Sitz  und 
Ausdehnung  eines  Tumors,  selbst  eines  nicht  palpablen,  öfters 
unterrichten,  abei  es  muss  immer  schon  ein  ziemlich  beträcht- 
lieber  sein,  und  auch  die  Exstirpierbarkeit  können  wir 
nicht  entscheiden,  da  wir  über  Metastasen  und  Verwach¬ 
sungen  durch  das  Röntgenverfahren  keinen  Aufschluss  be¬ 
kommen.  Nur  Verwachsungen  des  Magens  mit  dem  Querkolon 
kann  man  unter  Umständen  daran  erkennen,  dass  beim  Ein¬ 
ziehen  des  Bauches  der  Magen  sich  nicht  so  weit  vom  Kolon 
nach  oben  entfernt,  wie  gewöhnlich,  sondern  letzteres  ihm  mehr 
folgt.  Somit  bleibt  also  auch  das  von  Ewald  vor  mehreren 
Jahren  ausgesprochene  Wort  trotz  der  X-Strahlen  noch  zu 
Recht  bestehen.  Ob  ein  Tumor  exstirpierbar  ist,  kann  in  jedem 
I  alle  erst  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  entschieden  werden. 

Der  Vollständigkeit  halber  muss  ich  nun  noch  erwähnen, 
dass  man  auch  den  Versuch  gemacht  hat,  das  Ulcus  ventriculi 
im  Küntgenbilde  sichtbar  zu  machen,  ausgehend  von  der  An¬ 
nahme,  dass  das  Bismut  bei  der  Behandlung  des  Ulcus  auf 
diesem  haften  bleibt  und  so  eine  schützende  Decke  bildet.  Es 
war  zuerst  Kraft  auf  dem  ersten  Röntgenkongress,  der  den 
Vorschlag  machte,  das  Bismut  für  die  Diagnose  des  Ulcus  zu 
\erwenden.  Es  ist  uns  nun  gleich  bei  unseren  ersten  Vcr- 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1427 


suchen  gelungen,  den  Vorschlag  in  sehr  eklatanter  Weise  zu 
verwirklichen. 

Fig.  16.*)  Sie  sehen  hier  einen  deutlichen  Schatten  im  Magen 
einer  Patientin,  die  sicher  an  Ulcus  litt.  Dieser  isolierte  Schatten 
haftete  noch  nach  24  Stunden  und  stellte  sich  bei  wiederholten  Ver¬ 
suchen  an  derselben  Stelle  ein.  Die  Deutung  ist  also  wohl  einwands¬ 
frei.  Die  Methode  besteht  einfach  darin,  dass  man  dem  Patienten 
eine  Aufschwemmung  von  1  Theelöffel  Bismut  gibt  bei  leerem  Magen, 
verschiedene  Körperlagen  einnehmen  lässt  und  durchleuchtet  nach 
ca.  6  Stunden,  wenn  also  sicher  das  nicht  festhaftende  Bismut  eli¬ 
miniert  ist. 

Der  demonstrierte  Fall  ist  aber  für  mich  leider  der  einzige 
positiv  ausgefallene  geblieben,  und  es  ist  ja  auch  klar,  dass 
unter  anderem  die  Schwierigkeit  darin  begründet  ist,  dass  ein 
event.  Niederschlag  von  Bismut  nur  eine  so  feine  Schicht  bil¬ 
det,  dass  diese  nur  schwer  einen  Schatten  erkennen  lässt.  In 
neuerer  Zeit  hat  dann  H  e  in  m  e  t  e  r  3  Fälle  von  Ulcus  ventri- 
culi  mitgeteilt,  die  er  in  der  angegebenen  Weise  röntgenologisch 
festgestellt  hat.  Uebrigens  würde  sich  natürlich  ein  Ulcus 
carcinom.  in  ganz  derselben  Weise  zu  erkennen  geben,  so  dass 
zur  Differentialdiagnose  zwischen  Ulcus  und  Karzinom  das  Ver¬ 
fahren  nicht  zu  benutzen  wäre.  Nun,  m.  H.,  es  lassen  sich  aber 
nicht  nur  durch  Tumoren  bedingte,  sondern  auch  anderweitig 
verursachte  Formveränderungen  des  Magens  durch  die  Rönt¬ 
genstrahlen  kenntlich  machen,  so  hochgradige,  durch  adhäsiven 
Zug  hervorgerufene  Verzerrungen,  vor  allem  aber  auch  solche 
durch  Ulcusnarben  gebildete,  welche  man  als  Sanduhrmagen 
bezeichnet.  Wir  wissen  ja,  dass  die  Diagnose  dieser  Form¬ 
veränderung  oft  recht  schwierig  ist,  und  dann  kann  für  viele 
Fälle  das  Röntgenverfahren  wenigstens  klärend  wirken.  Ich 
zeige  Ihnen  jetzt  einige  Bilder,  die  mir  zu  der  Diagnose  ver¬ 
haken  oder  diese  doch  bestätigt  haben.  Näher  werden  diese 
und  einige  andere  Fälle  beschrieben  in  den  „Fortschritten“  von 
Albers-Schönberg.  (Fig.  17  u.  18.) 


Fig.  18.  Fig-  19. 

Ich  gehe  jetzt  über  zu  den  Untersuchungen  des  Darmes  mit 
der  Bismutprobe.  Diese  können  wir  uns  sichtbar  machen  durch 
Einläufe  vom  Anus  aus  sowie  durch  die  Bismutmahlzeit.  Hier 
ist  zunächst  zu  erwähnen,  dass  der  flüssige  Mageninhalt  alsbald 
nach  der  Einführung  den  Magen  verlässt,  die  übrigen  Ingesta 
folgen,  nachdem  sie  verflüssigt  sind.  Den  Dünndarm  passieit 
die  Nahrung  schnell  und  im  flüssigen  Zustande,  daher  werfen 
sie  auf  die  Platte  oder  den  Schirm  nur  einen  undeutlichen  und 


Coloptosis.  transver.  nach  Laparotomie. 

Fig.  20.  Fig.  21. 


verschwommenen  Schatten  (Rieder).  Der  Dickdarm  hin¬ 
gegen  ist  sehr  gut  in  seinem  ganzen  Verlaufe  durch  das  Bis¬ 
mutverfahren  sichtbar  zu  machen. 

Der  zeitliche  Ablauf,  soweit  wir  ihn  sehen,  spielt  sich  nach 

*)  Die  Reproduktion  der  Abbildung  16  musste  unterbleiben,  da 
der  Schatten  im  Schnellpressendruck  nicht  genügend  deutlich  zum 
Vorschein  gekommen  wäre. 


Rieder  derart  ab,  dass  normalerweise  in  6  Stunden  die 
Ingesta  den  Dünndarm  passieren  und  in  24  Stunden  den  Dick¬ 
darm,  so  dass  also  bei  einer  reichlichen  Mahlzeit  nach 
ca.  4  Stunden  noch  Bisrnut  im  Magen  zu  sehen  ist.  Hier  blei¬ 
ben  Bismutreste  übrigens  noch  zu  einer  Zeit  in  den  Haustren 
haften,  wenn  schon  später  eingeführte  Ingesta  den  Darm 
passieren. 

Auf  diesem  Bilde  (Fig.  19)  erkennen  Wir  nun  das  Bild  des 
Kolon  ca.  12  Stunden  nach  der  Mahlzeit. 

Wenn  wir  uns  nun  fragen,  welche  Krankheitszustände  wir 
durch  das  Röntgenverfahren  am  Darm  erkennen  können,  so 
liegt  es  auf  der  Hand,  dass  es  in  erster  Linie  die  Lageanomalien 
sind,  die  sich  uns  einwandfrei  präsentieren;  ich  denke,  die  bei¬ 
folgenden  Figuren  (19 — 21)  zeigen,  dass  man  wohl  imstande  ist, 
etwaige  Lageveränderungen  schon  am  Lebenden  durch  das 
Röntgenbild  zu  erkennen. 

Ueber  die  praktische  Wichtigkeit  dieser  Erkenntnis  am 
Lebenden  werde  ich  mich  bei  anderen  Gelegenheiten  äussern. 

Auch  eine  Stenosenbildung  des  Darmes  aus  irgendwelchen 
Ursachen  lässt  sich  mit  Deutlichkeit  erkennen.  Auch  dort 
sehen  wir,  wie  der  Darminhalt  über  die  verengte  Stelle  nicht 
oder  nur  unvollkommen  hinwegkommt,  sich  staut  etc.,  und  auf 
diese  Weise  lässt  sich  der  Sitz  einer  diagnostizierten  Stenose 
erkennen,  resp.  ein  Tumor  lokalisieren,  und  in  der  Tat  sind 
auch  schon  derartige  Fälle  veröffentlicht,  in  denen  es  in  der 
beschriebenen  Art  möglich  war,  einen  Tumor  zu  lokalisieren, 
so  z.  B.  von  Rieder  selbst;  ich  selbst  bin  leider  nicht  in  der 
Lage,  Ihnen  einen  solchen  Fall  zu  demonstrieren. 

Hiermit,  m.  H.,  glaube  ich  das,  was  man  heutzutage  mit 
dem  Röntgenverfahren  auf  dem  Gebiete  der  Magen-Darm-Dia- 
gnostik  praktisch  erreichen  kann,  erörtert  und  demonstriert  zu 
haben. 

Nun  hat  jüngst  Herr  Schmilinsky,  gewiss  nicht  mit 
Unrecht,  hervorgehoben,  als  im  biologischen  Verein  vom  Nach¬ 
weise  der  Motilitätsstörung  durch  das  Röntgenverfahren  die 
Rede  war,  dass  das  Röntgenverfahren  für  die  allgemeine 
Praxis  zu  kompliziert  sei.  Das  ist  unzweifelhaft  richtig;  ceteris 
paribus  ist  das  einfachste  Verfahren  immer  das  beste;  aber 
es  ist  auch  nicht  behauptet  worden,  dass  das  Röntgenverfahren 
die  übrigen  klinischen  Untersuchungsmethoden  ersetzen  oder 
verdrängen  soll,  im  Gegenteil,  ich  bin  der  Meinung,  dass  jeder 
Röntgenuntersuchung  die  bekannten  und  bewährten  Methoden 
vorauszugehen  haben,  soweit  sie  eben  ausführbar 
sind.  Aber  es  gibt  eben  Fälle,  wo  diese  Methoden  schwer 
oder  nicht  ausführbar  sind,  und  das  sind,  kurz  gesagt,  eben  jene, 
wo  wir  Ursache  haben,  von  der  Einführung  des  Schlauches 
Abstand  zu  nehmen.  Aber  auch  im  Uebrigen,  m.  H.,  hoffe  ich 
Ihnen  gezeigt  zu  haben,  dass  uns  die  Röntgenstrahlen  über 
manche  Dinge  Aufschluss  geben  können,  die  wir  mit  unseren 
früheren  Methoden  schwer  oder  nicht  eruieren  konnten.  So 
ist  das  Röntgenverfahren  zurzeit  noch  nicht  bestimmt,  die 
früheren  Methoden  zu  verdrängen,  sondern  zu  ergänzen  und 
event.  einmal  für  sie  einzutreten.  Wenn  auch  bald  die  Zeit 
kommen  mag,  wo  man,  wie  Rieder  sich  mir  gegenüber  vor 
kurzem  ausgesprochen  hat,  nicht  mehr  von  der  Röntgenunter¬ 
suchung  auf  unserem  Gebiete  als  im  Gegensätze  zu  der  kli¬ 
nischen  Untersuchung  sprechen,  sondern  wo  diese  z  u  der  kli¬ 
nischen  Untersuchung  gehören  wird.  So  sind  auch  die  Worte 
eines  Referenten  über  den  letzten  Röntgenologenkongress  — 
K  a  r  p  1  u  s  -  Charlottenburg  —  nur  zu  unterschreiben :  „Nicht 
in  der  Alternative,  sondern  in  der  Kombination  der  verschie¬ 
denen  Untersuchungsmethoden  liegt  eine  wertvolle  Bereiche¬ 
rung  des  diagnostischen  Apparats“. 


Untersuchungen  an  Schwimmern. 

Von  Priv.-Doz.  Dr.  R.  Kienböck  in  Wien,  Dr.  A.  Selig 
in  Franzensbad  und  Dr.  R.  Beck  in  Wien. 

Obwohl  der  Sport  erst  seit  verhältnismässig  kurzer  Zeit 
wissenschaftliches  Interesse  gewonnen  hat,  wurden  doch  be¬ 
reits  durch  vielseitige  Beobachtungen  manche  beachtenswerte 
Resultate  gewonnen.  Die  Wichtigkeit  derartiger  Unter¬ 
suchungen  bedarf  wohl  nicht  erst  der  Begründung;  ihre  Er¬ 
gebnisse  lassen  es  notwendig  erscheinen,  dass  in  Zukunft  bei 
Krankengeschichten  auch  punkto  Sport  nachgeforscht  weide. 
Zum  Gegenstand  der  Studien  wurden  in  den  letzten  Jahren  die 


1428 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


verschiedensten  Sportarten  gemacht;  Mendelsohn1)  und 
A  1  b  u  2)  prüften  den  Einfluss  des  Radfahrens,  speziell  auch  der 
Radrennfahrten,  Beyer3)  untersuchte  das  Radfahren  vom 
militärärztlichen  Standpunkte,  A  1  b  u  und  Caspari4)  stellten 
an  Dauergehern  Beobachtungen  an,  ebenso  Baldes.  Hei¬ 
chelheim  und  Metzger5 *);  F.  Pick0)  und  Selig7)  an 
Fussballspielern,  Henschen8)  bei  Skiläufern,  Beck9)  wid¬ 
mete  der  Touristik  sein  Augenmerk,  L  e  n  n  h  o  f  f  und  Levy- 
D  o  r  n  10 *),  Selig  “),  M  e  n  d  1  und  Selig12)  den  Ring¬ 
kämpfern.  Das  Hauptinteresse  aller  Beobachter  lag  in  der  Er¬ 
forschung  der  Frage,  wie  sich  Herz  und  Zirkulations- 
s  y  s  t  e  m  gegenüber  den  intensiven  Körperanstrengungen  ver¬ 
halten,  welche  Schädigungen  Herz  und  Nieren  erfahren  können. 

Der  Schwimmsport,  der  bisher  noch  niemals  einer 
gründlichen  ärztlichen  Beobachtung  unterzogen  wurde,  bildete 
den  Gegenstand  unserer  Untersuchungen.  Die  unmittelbare 
Veranlassung  bot  ein  öffentliches  Wettschwimmen, 
welches  von  den  bedeutendsten  Wiener  Schwimmklubs  im 
April  dieses  Jahres  im  Dianabade  in  Wien  abgehalten 
wurde,  und  an  welchem  sich  sowohl  trainierte  Schwimmer  von 
Weltruf  als  auch  untrainierte  beteiligten,  meist  sehr  kräftige 
junge  Leute  unter  20  und  30  Jahren.  Anamnestische  Daten, 
Befund  unmittelbar  vor  und  nach  der  Schwimmtour  sind  in 
Tabelle  I  verzeichnet. 

(Tabelle  siehe  nächste  Seite.) 

Besonderes  Gewicht  wurde  auf  die  orthodiagraphi- 
sche  Untersuchung  (Kienböck)  gelegt.  Als  Raum 
diente  eine  an  die  grosse  Bassinhalle  direkt  anstossende  Kam¬ 
mer.  Die  Untersuchung  wurde  mit  dem  Levy-Dorn  sehen 
Apparat13)  im  Stehen  vorgenommen,  adventral  (postero- 
anterior),  das  Individuum  lehnte  sich  mit  dem  Rücken  an 
eine  dazu  konstruierte  Holzwand,  die  Herz-  und  Zwerchfell¬ 
konturen  wurden  meist  nur  im  Exspirium  bezw.  während 
der  Diastole  aufgenommen.  Klinische  und  orthodiagraphische 
Untersuchung  fand  bei  den  Schwimmern  sowohl  vor  als 
auch  unmittelbar  nach  der  Schwimm  tour  statt ; 
schon  5  bis  höchstens  30  Sekunden  (mit  der  Uhr  kontrolliert) 
nach  dem  Verlassen  des  Wassers  waren  die  jungen  Leute  zur 
Stelle,  natürlich  noch  atemlos,  zum  Teil  wankend,  dabei  triefend 
und  fröstelnd.  Es  lässt  sich  denken,  dass  derartige  erschwe¬ 
rende  Momente  zur  Genauigkeit  der  Untersuchungen  nicht  bei¬ 
trugen,  doch  kam  es  uns  eben  vor  allem  darauf  an,  die  Be¬ 
obachtungen  nach  exzessiver  Anstrengung  (Wettschwimmtour, 
Wasserball,  wobei  der  Ehrgeiz  zu  Maximalleistungen  anspornt) 


1)  Mendel  sohn:  Der  Einfluss  des  Radfahrens  auf  den 
menschlichen  Organismus.  Berlin  1896. 

~)  Al  hu:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1897,  34,  202. 

3)  Beyer:  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  1436. 

4)  Albu  und  Caspari:  D.  med.  Wochenschr.  1903,  29,  252. 

')  Baldes,  Heichelheim  und  Metzger:  Münch.  med. 
Wochenschr.  1906,  53,  1865. 

8)  F.  Pick:  74.  Naturforschervers.,  Karlsbad  1902,  I,  262. 

')  Selig:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1905,  18,  838. 

8)  Henschen:  Mitteil.  a.  d.  med.  Klinik  zu  Upsala.  Jena 

1899. 

9)  Beck:  Wiener  med.  Wochenschr.  1906,  No.  6  u.  7. 

1U)  L  e  n  n  h  o  f  f  und  Levy-Dorn:  D.  med.  Wochenschr.  1905, 
31,  869. 

41)  Selig:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  5. 

12)  Men  dl  und  Selig:  Med.  Klinik  1907,  No.  6. 

1J)  Der  Orthodiagraph  wurde  von  der  Schrötter  sehen  Klinik 
beigestellt,  die  Wiener  Filiale  der  Firma  Reiniger,  Gebbert 
und  Schall  übernahm  den  Transport  und  die  mühsame  Aufstellung 
—  wir  danken  hier  allen  den  Herren,  die  uns  behilflich  waren,  für 
ihre  grosse  Gefälligkeit.  Wir  sagen  an  dieser  Stelle  auch  den  Herren 
Schwimmern  unseren  Dank  für  die  freundliche  Bereitwilligkeit,  als 
Objekte  medizinischer  Forschung  zu  dienen. 


anzustellen  und  zwar  so  rasch  als  möglich  nachher,  um  den 
richtigen  Zeitpunkt  nicht  zu  verpassen;  können  doch  nach  An¬ 
strengungen  die  schweren  Erscheinungen  ungemein  schnell  wie¬ 
der  zurückgehen  (vgl.  auch  Selig  in  einer  früheren  Arbeit). 
Die  Uebereinstimmung  der  Ergebnisse  bei  den  einzelnen  Fällen 
sprechen  aber  allein  schon  für  die  Richtigkeit  unserer  Befunde. 


Fig.  3  vor  Fall  II:  O.  v.  F.  Fig.  4  nach 


Fig.  5  vor  Fall 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1429 


<u 

X 

at 

£- 


Midsa'jj 


3 

g 

cj 

bß 

cc 


© 

0 


3[orup 

-Pie 


•jidsag 


GO 


© 

© 

5 

o3 


,  bß 
-U>  £3 


|  P.| 

h?  :©  -cö 


<u  <u  73  to  73  P 
hiwrt  2  13  H  3 


bß 


o 

> 


0 

CU 


bßT3 

c 


U.  bf) 

©  c 

£  ^ 


C3  d! 


s  bn 
E  j§ 


3  •§ 

tc3 


<Ü  O 
3  > 

<y 


d73  <U  to 

d  <D  .  . 

*r  E  *o  *- 
Oi2  ü  * 
N'OJ 

in  J3 ;  .2  E  v  rt  -g 

OJ  r-  •—  7- 

^  «/)  13  J¥  **  ,  W5 

SS  «  I-CO  c  h 
g  ~  H  a»  u  £ 

n  •«  c  c 

45  P  P  j-  “  P 
•Ö.P  g  «B. 

's  y  t«  u  2  ’S 

SU  TO  iU  •—  u  o 

i/)  c<  &  b«p 


r^j  g  g  lO 

'S  «  -a  «J  co  hct 

2  OT  EfO  u  .HH 
g  r-l  3  rH  g 

..  -Ö  ..  n-j  ,  i 


CD  05  -Hl 

©~  o~  CO 


l£S  • 


05 


07  G7  rH 

tH  rH  07 


5  cT  ad 


rH^  CD 
t-T  ,h  aT 


co  co  o 


00  CO  uO_ 

H  H  CO 


GO 

Ol 


GO 

CD 


Ol 

o 


ä  Ui 

ci  o 
fi  02 


GO 

CO 


CO 

»o 


ö  42 
a  a> 
ö  CO 
GO 

CD  CD 
>Q 


00 

CD 


ico  co  cö  cs 

T-<  CO 


GO  *r 
CD 


Ui 
.  © 
GO 


CO 

IO 


G0 

CD 


Ui 
,  © 

;  co 

t- 

iO 


t3  g  d  ^CDCD^t- 
H  oi  oi  rS  tl  of  oT  af 
sc  o  ^ 


D- 

▼h'  oi  cT 


co 


•  !3 
tt 


?3  II  fl 


bß  II  £ 
:cd  o* 

HU 


CO 

oi  dT  af 


E-<  hU  O* 


CD  CD  CD 

co"  co'  cT 


uU 


CD  iO<N<N 

r-T  af  tH  of  o 


Bh  J 


O^Ol 
co  co 


HdO* 


4= 
CJ  - 
vO  U, 

2a 
n  ü. 

oj  - 

£ 


T3.t;  .. 

D  co 
go  2  2  2  ’H  U 

Iss  II  II  II  II  II 

x< 


ai' 


cg 

i—" 

co , 


t— 

co 


co  x 

üT  ^ 
«S 


co 

I- 

co 


IO 

05 


CT1 

Ol 


o 

CM 


o 

o 


o 

i£5 


CO 


<M  +3  5 
CD  HvO 


GO 

00 


o 


o 

CD 


00 

!- 


g  c  <y 
^5  «j  oc 

T3  S  u 
C  .  ?5 

«  3  “ 
a  S  E 

—  3 

Ü.S£  N 
a;  X)  #C£ 
r  wX 

3  W5 

b/)’ 


e:  c/>  it) 


2  a. 

I 


(U  -- 

•D  Er 

3  CJ 
3  -n  c/5 
0  *3 

H  £ 


c  „• 
<u  5;  0.3^ 

'Cr  ÖJ]h 

T3  .£  *’” 


Seg 


aj 


—  4=  ^ 


U 


3  U  i- 

cc.3 

1  g,s 
’S.&’g 
S«3 
Ei  S 


rt  <o 

3  -  ‘ 
O 


CL»  p 

5j  «2  *-•  c3 

l^s 
■»1^  & 


b/3o  - 
3  <D 


T3  3  >- 
C  3  TO 


3 ’S 


A  «  3  ;  aj 
•  3  ^  nj  3  r; 

3.2  £"=5  E 

•sIk äE^r 

■  4E  •-,  f—  .h—  N 

j^lScsgE 
■c.aig- 

—  a>  ^  oj 

-“Sä-kä 


0-3  3 

.^=3^ 

Ol-- 

irog 

N.*  3 

E 


„•o 
S  5. 


: 


-oj  c  . 
—  d,  £ 
:ct3  d—  c2 
Ti  4p  c2  4= 
NU  3  J- 
u  QJ 

<LI  K.  <V  3 

EE5o  “ 


g—  -*->  t-  •— 

a  -.c  o  3 

>  u  n  c 

flj  }_ 

_ <v 

C  ^  -D  -D  1/3 

<u-v  sü 

3  3  N  5  U 

CJ  d  ^  oj  TO  -3 

"  “Kai  g 

_m23 


<U  TO  O 

-O’Ö  3 


:  3  cn  g  3 
!<  £  SgpEc 
•  u  gg  g 

I  <N  <  Ü  N  Cß  T3 


3  H  3 
CJ  3  CJ 
i-  N 
V  3 
- 

5!§ 

IT 

CJ  -r- 

bß  d«n 
3  S  .B-cj 
‘5;  <5  Om 

U  di  ' 

J>3 
Q  _ 

U  (rt  — 

CJ  CJ  --  02  fi-s 

c1^g 

Cß  ^3 


u  CJ  • 
cj  •—  t: 
u  T3  JE 
cj  r 
J  4D  3  B 


•  3  -.2 

^43  S 

CJ  c$ 

gCQ 

_J  :c3 

c 


073  3 
c/)  3  3 

-Q  toJH, 
S  c 


CJ 

3  -g 

£  TO  w  rr>U0~ 

M  ,#\2  ^ 

n  i- 

£j=  £  2 

-*— *  QJ  "-J  ^  ^ 

’S  m  &.c.-ü<T3 

^•ö  £  &.E  c 

N-=E(5~ 

.a  01  n  e« ^ 
Q.a  fe>*g  g-° 
rt  E  ""  c  O 

-  3|1Z 

•h- •  s-i  "*E  Ti 
OJ  3  ^ 

g«  OT3  45 
U  “  Cü 
;0  »9  TO  e 

43  <  0^*-3 


i  73 

|  § 


£  ^ 

£  £ 

>5  JE 

4=  OJ 

U00 

a 

(A  73 

*3  C 

3 
u  cj 
.£  bß 
<u  CJ 

£3 

Mb 

N 


J-  •  CJ  u 
CJ  ^  d  4> 

l-  _73  (fl 

ä  g  !ä 

°  N.S  „  n 
y  (A  3  cj 
Ö//3  co  :0  u 
r-  4J  -*-* 

3  D  N  U 

•&S,  ^ 

E  c._^E 

•2  5  c  — ' 

•c“"a  •  ts 

N  CJ  c 

fc >  ,a£ 

I^-a-5  2 

I“  3  (j  H 

cj^  (o 

5  TO 

073  3  c 

co  n  u  3 

x  «g jS 

<  CÜCAlS 


«  O;  4;  rt 

s  u°.a  ii 

0<-c  g-°  =  E 

7  Ss  -&.S  ! 

'n-°-E-C  .  £ 

2  03  to  ti  < 
•p“"  5  u 

2  ^  3  3  73  CJ 

S  "  N  3  45"° 
ü  «E 
‘E.p^.S'g 

C/3  «  CB  w 


OT 

<M  Dl  OT 


g  "  c 

EH  :c§ 

1  CJ 

O* 

O* 

HDD 

U  x  o* 

HDD 

HdO’HDO’ 

U  X  o* 

4h 

&H  X  O“ 

Eh  hX  O* 

1 

37,4 

Mundt. 

37,4 

Mundt. 

38,3 

Mastd. 

38,5 

Mastd. 

38,3 

Mastd. 

1 

1 

1 

0 

GO 

iC 

1  0 

(N 

CM 

0 

0 

1 

1 

1 

H 1 

rH 

tH 

1  X 

l 

I 

, 

. 

iß 

1 

1  1 

1 

1 

1 

1 

‘ 

1 

1  1 

' 

1 

1 

* 

_J 

0  g 

CM 

iO 

1  O  4  0 

CO 

OT 

OT  *3  .•£ 

^  & 

rH 

H 

i-H  p 

1 

1 

CO 

CD 


OT 

Dl  (M  oT 


Ei  XI 


CJ 

73 


:d  TO 

3  3 


3 

CJ 

N 

’d 

C D 


•  c«  ' 

TO  1/T  •  •- 

•E  ä>Öx  ü 

-S  5i 

i  !fl  (/)X  . 

U  ;TO  ^ 


cä  c2 

|*S‘C 


U  ;TO 

S  E  t 

^3^ 


44 
C /) 


CJ 

"44 

3 


CJ  co 
J— 

*cC 


04^3  3 
&oogE 

<  T»  3 


»-> 

H  U 


lt:  cj  ^ 

’^c«  ? 

3 

CJ  •  _- 
3  ^  CJ 


:'ä^13 
w  -  u  42  .  Ctf 

d  T-  oj  Cß  '-*  “ 

CJ  r- 

rJ 

•  275.! 

00  o  < 

—  77  I 


C3  qj 

»Su£ 

*c7)  cj  - 


J_J  7~.  ~ 

pH,s-5.2 

3  O  3  3  cj  cj 

4S>d  *"  Ed 


3  3 
<u  CJ 
u  j-  3 

43  43*3 
TO  cj  .3 

»—  i— 

N  H 

'äj  OB  E 

C/5  4J‘rt 


45 ’D  J- 
»  45  I. 

4-g  o 

rt  2 

T3  42  E 
•Exp 
5.E-0 

J2  Sf 

cow 


CJ  OJ 

^E 

.  E 

0%' 

4E  JE 
d  CJ  „ 

H  •  u.  cj 

(f)  Cj  JJ 

£  :S  - 
«  Eg  g 


E  g 

,  3  44 

!  E.S 

1^ 

I  CJ  3 


3  0  E 

«J  dU  H 

Ä  ^  TO 

CJ  b᜜ 

-J  g3«  C 

T  E  ’£ 

2* 


cj 

do 


CJ  CJ 

(/)  c  « 

3  OJ 

• 

£>•! 

s’gH 

•  ‘cj 
u  ^  44 

3  ’A 

TS :rt  - 

.2»  3  u 

sl| 

CJ  J—  0 

D  O  3 
CJ  d  TO 

d 

^  n.S 

— '  CJ  CJ 


L  UC 

.3  CJ 

;3  t>,  ^ 
N  3E 
3  .73  Ü 

CJ  CJ 

b  cß 

43 
^O 
7j  . 


co 


u 

CJ 

7j 

3 

44  *5 

.  ud 
n  , 


3  73  cj 
73  3  ^ 
w  •*• 

,  cj  ja  3 

g  M-g| 

5  SH 

6  p 


Ert 

•“H  1—1 


— ->.£  g  iS 

^  Vcj  CD  2 
"  S  rt 

^  Sd 

—  co  —  43 

cj  j—  .  0  C 
Cß  CJ  -*-»  2  *43  x- 
g  S  ts  45 

_•  o  <  g  -E  -g 

2  45  e  U  P  g 

pÄigx-E| 

d  OJ  CJ 

^  O  ^  W 

^  *-H  .  U  cj 

43  CJ  c  t:  'bß  u 

%t<%.  n| 

3  CJ  >10  .3 

ig  =  °H 

«5  g 

‘cj 

d 


u  TO  3 

ft  .  •'_Q  H.  w  uj  . . 

^  b/jlz  r  n  t;  .ü 

c/)  3  2  O  3  0J  ;- 


•  — .  r-i  3  —  .  Ä 
CJ  3  CJ—  53  CJ 

“•s^l-ga 

g’S  ai  m  S  g 

,-S'«^  ?;Qi_g 

45  —  0“  Ü 

J3  — '.g  45 

“3  TO  d 
3  n  (fl  -  .3  3 
TO  wo  £  2  ^ 

3—  tr\  »-i  a*'  ,CO  r-« 
44  3  £  73  :cj  3 

biiT  r  c  c  3 

P  H  P  45  C 

o  -13  tu  »p 

•43  3  ■— i  3  U  CJ 

y>  (L»CJ^- 

o  CJ  #t3  u  44  ^ 

•p  ”2  s-K.gr 

£S c/3  p  u. 

45«  rtHc0 

■E-ig  >-.c  u 

CJ  _  CJ  *3  ’aJ  O 

d£  E  S!d> 


3  U  '  CJ 
<D  c/)  3 

43 


CJ 


„r  CJ  (/)  ^ 

tfl  cj  (flT  b/).2  cj 

s  =  £  gi-slj 

(«S  tr-r: 


_uE 

gE|g!-3|-g 

1-sT-S‘l  c  ^ 

P  3t;  o  Ä  E  c  «s 

gß^üfe  j;- ‘K 

So  P^^<  MJ=  ”13 
«hä  — >'S  3 

p"°5  3 

£mj,o3^  Je 
m  E  --o  2  §  'S  g  g 
C  So'g  g  y  ^  E:£ 

"  C5C  m;«  tu  g<£ 
J3  3  Mio  ’.5S 

j-ii-e.EÄ  «x  & 

4510*.  —  0—  OS 

.S3|g«5  «0 

CJ<<  c/i  <  3  Cß 


Hg 

c  (/) 

•b’S  - 

oä  2 

4*  CJ43 
3  Cß  TO 

£  ‘(TP 

£!l 

n  - 

J_  /_/  -'«3 

cjM  3 
2  .  06  x 

STO  u  r- 

2  O 

•gliS-B 

.£  45-0  u  C 

•S’S 

m  .  g 


<u  3 

73 

jjsi 

—  _3  CJ 


t|i  Ei  s  7i  1 
TO  CJ  CJ  CJ  qj 
3  h  b  <”  <a 

a  ’S  *£  2 

cß  TO  Cü  „  cj 

3^1? 

_3  CJ  ,±_i  >- 

o  u  77  £  cj 

X  45  45  .3 

H-S  gx: 
.2  o  'S 
£  E -t«  u  • 


45 

S  m 

=  rt 


2'S5 
gc«  rt 
D  g 
45  .  cs 

nJ  c 


45 


'S1 

pS  £ 


u  43  n 

CJ  ^ 

bflTS 
’co 
cn  N 
:cj 

E  g 

t-  bß 

o  E 

d-3 
(/)  CJ 


bß  c  „  33 
Ui  ©  ^  ©  3U 
371  co 
(NOT  e  t-  H 
D  H  h  O  fc 


(N 

61505 

| 

c-  o 
t-  o 


■sH 

#l 

CO 

CO 

© 

bßG7  g 

bß 

xi  | 

-»-3 

© 

*  1  i 

© 

Ui 

72 

93,5 

72 

94- 

'g 

ü 

Ul 

-u» 

*© 

r9 

79 

100- 

Scliu 

-u> 

*© 

hH 

CD 

60  05 
XI  I 


«5 


ta 


1  ■— ■  ® 

’H  o  j=*  -g 
BO  o  £ 
H  GO  3= 


bl,a£  s 

PP  cj  3  ü 
Ui  — 3  c7 


bß  2  ® 
Ui  0  -us 


O 


Oi 

E— 


H  00  UJ 

9  x  _r 

cö  «r; 
^  cm 


S  tH 
^  07 


__  © 

3  .-ä 


bß 

Ui 


CO 

t- 


^””5  O 

lu- 

^  iH 

sehr  kräftig 

20  J. 

169  cm 

22  J. 

173  cm 
schlank 

23  J. 

175  cm 
schlank 

23  J. 

166  cm 
plump  ge¬ 
baut 

19  J. 

176  cm 
schwach 

24  J. 

187  cm 

sein- 

schlank 

25  J. 

168  cm 

plump 

gebaut 

32  J. 

165  cm 

plump  ge¬ 
baut 

18  J. 

169  cm 
sehr  dick 

O 

OT 

X? 

.  ^  c  . 

Q  to*E£  S  ^ 

cd 

GO 

. 

> 

GO 

xä 

cd 

w 

nlpd 

—  —  S  ^ 

OT 

CS3 

>' 

tH 

Ol 

CO 

10 

c- 

co 

0 

CD 

rH 

g 

c3 


’°K 


J)  Durchschnittswerte,  Körperlänge  und  Alter  entsprechend  für  Horizontallage:  Tr  =  11,9,  L  =  13,7,  Br  =  10,3. 


1430 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  29, 


OS 


03 


No. 


ä 

w 


33 

03 


to 

“4 


to 

o 


to 

03 


isjw  o  > a.<s>’*7- 


tft?  “ 


st  c/> 

33- 

CTQ  3 

r  3 

rt 


'5*3 


3 

PC 

►-  p  , 

—  3* 

03' 


rt>  2.: 

■  r-  •- 

&  n  §  3  o. ' 

^  n>  r  o  o  ^ 

-t  a 
N  •  — i 

o  hi  3  3. 

2.5  3-wi 
^  ^  (D  2  rt)  5- 

«V 
p5'2.S  2.5 

3-31  ~  “3  *" 
— .  rt  rt  cT  “•  7! 
rt>  ^crq  P 
rt  PC  3  rD  3 
m  o  -t*  3  PC 
3*3  I  3* 
3  u>  'C  ^rt 

Ö  C’H 

-t  <JTO  O 

g Ss  3-g  5 

»:  C  rt-  O  St 

¥  3  2  3  3  ? 


w£=r 


=•3  5. 

3  o  re 

cos’ 3 

O  D-  3 

=rn> 

5-  3 

3  ^ 

3  CO  ‘ 

3-a  % 

c/)  O  rt 

TJ  -t  Ui 

o  5t  2 


rt> 


rt 


üm 

P  3* 

3  3 

Q.  3 

a>  P 

3  — 

*  r 

w  = 
o  2.crq 
3*  '-»■  rt 

2.  ■-*  rt 


St_ß; 

2  P  3 
=  §- 
M 


20  3  5 

p  P:3 

3  c/>  £ 

o  ^ 

p 

PCCoS 

g.&3 
3  i  • 

5'  3  2. 

*-2  ~ 


-i  re  5* 
£=  = 
o  D- 

Ö-?  ? 

P  g  N 

p  2  c/) 

3- 

5"  O:  Ä 

i"d  n 
O  2  <T 
O  3  p 


-j  c/> 

cL  ^  C 

^  ^  O  a 

slp 

r-t-  C«  3^  P- 

-t  ^  a>  ?r 
p  2  1/1  o 

S  OS- 

n>  a>  p 


3  3:> 
3  erg. 
2-2  8 
o 

Fa.3 

sc2 

C/)  3 

rt.  3 
3  -t  2 
0.0 
re"  »: 

s=  3 

p  U 
3  C/?  = 
3  2  w 

P  P  3 
— !  —  P 

—  P  £ 
3  g  3* 

m  3. 


P 

< / > 

-a  • 

jij-’  O 

re  2 

=  3: 


re  g" 

-t  o 
u  -t 
p:  CL 

-t  rt) 
PC  -1 

~> 

o 


3:^  3 

3  g  2 

c/)  s  r« 

U*2  a 

-  -  p: 

3 

XS, 


p 


rt)  | 


3 

3 

Q. 

3 

O 


C/i&^crq 


V*  r+ 

15. p! 


n'pc^  o 

^33 

rt>  3 
3  ca  P 
*<  - 
3:  &  3: 

cro  er 
rt)  r-1  rt> 


a.Ore 

2  2  3 


•4 

tt*- 


rtj 


es 

03 


CO 


to 


to 

to 


09 

Ol 


to 

o 


m 


pj  09 

«3  rtj 

S"ot 


ET  09 

rtj 

G+-  "" 

(3.  CO 


'  Ö- 

,Stco 
:S  t=! 


03 

rt. .  CO 


& 


5S  )— 1 )— 1 

09  0 

PT  p  g 


09 

03 


' — .  ^  re>  -i  r-r-  r— 

03  M  2  09 
o  re  i  5-  üc 


On 

O 


•P3 

’-O 


!z! 

£3 

3 

CB 


i3  jT  p:: 


B-  =-  M  OS  1—1  o  09 

?T  Sr£m  ^  ^  ZL  H- ■ 

?5 


«rt-  «rt-  ® 

c  ®  s 

• I 


&B 


sr  5  >: 
|  >3  s- 

^  cd  *-i 

■3> 


00  ui 


M3 


-<1 

tO 


W 


i  f! 

^  M  O 
3  *+  3C 
er?  1 


5  S2. 


3  p*> 
re  =•„ 

’  hS 
2.SS. 

~  3-rt, 
^S  3  p 

t_  ’  (/> 

P  ft 

3*  C/)  Z2 
rt)  J3 
m  —  • 


(/)  CT.' 


g??r 

8:|*g* 

<s>  3. 


Sr 

3 

33 

o 


orq'3 


02 

ET 


3; 


Respir. 


Blut¬ 

druck 


)-3 

CD 

B 

*T3 


.O  f1  ^ 


CM  K) 

05  00  CN 


CTi 

CO 


05 

o 


to 

ü! 


33 

3’  £=i- 

—  <r© 


rt-  I— 1 

=■  O 


os 

o 


to 

o 


rt  g  co  3  o, 

5  re  2-  2. 

l'sil30 

■  •  5 


09 

rtl 

"co 


cn 

2 


coC 


S  5-  g*3 

OrH^'orH^orHais" 
2“  S-  ="  re  »'3  2. 

11 11 11 13  11 11 11  !3  11 11 11 «  3  r 

-„Sa  --äs  -„£33 

CO  jDjD  3  p  VOJ-*  J-*  3  o  O  0  3*  p 

1^'cr'to  2  &•  'co'oo  ^  3-'^-‘V'a'  _ 

O*  Q*  3*  Q- 

rt>  o  o  rt 

3  3  1  3 


'  tr*  ^ 


O  O  CH  O 

05 'bo 


^  CO  3t  J 

0  2.  2.! 

cs>  -*  3  ; 


aO 

rt)  c 
^  rt>  -  rt,  CTQ 
^  7*3  -c  rt 
<d3  w  et 
p  3  Q-  2.  S  0 

2«  rt.0.3  3 


2^0  0- 
5=»|-r  = 
2.5  & 


3’<«  3  ^ 

3.  ^  ^3 
2  3-Ir- 

p  5  rt) 

ÖCK)  ? 


CO 


2  = 


o  »:  =;  2  rt. 

=•  re  c  W  =■ 
SLR- 3  3^ 

^Eg-ls- 

2ßaü)»°! 

ge  *a  o  12, 

3  re  V)»  3-Ä 
3  rt-O  3  re- 
3.  3*3-  3  o 
-3  n  S 

3 


5T0q  S  H  rtC 
j;  rt.  3CTQ  rt  3* 

I  *-t  I  .  (/) 


n^o  co  en  a.  co 
P:-.^  3  P:^ 
3  3^  3-'Crq  3  - 
3  3  -=••  N  rt  - 

tl  r*Ol  ft  1 
rt  "t  3  _  . 

2=  3  3  a  S- 

»  Kj  c/s 3  o  re  W 

3  •a 

3  5 ?Z  S-.2. 

33re»2-»n. 

•—  rt  “•  rt  — T* 

«  2.S  -  2  Srt 
?o(aS 
a=iÄ  3  0  5 


5*3 


1  rt 

1  -t 

Ui 


2.3-3  Ot 

crc  3«  T 


n.  ^  CTQ  31  3 


rt 


£3 

CT? 

3 

§ 

s 


-Cj 

o 


Q-i 

0 


OC 

o 

t3- 

B 


H 

p 

er 

a> 

0 


TI 

O 


co 

ro 

«—♦- 

N 

C 

3 

73 


CD 

p*r 

© 

*-< 

©L. 


•-d 

© 


Respir. 


er  to 

I? 


C3 


CTQ 

3 

5» 

ö 


tzj 

SO 

© 


<yc- 

© 


© 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


143! 


Fig.  15  vor  Fall  VIII:  H.  R.  Fig.  16  nach 

(Mit  Markierung  der  Mammillen,  sowie  der  exspiratorischen  und 
inspiratorischen  Lage  des  Zwerchfells.) 


transversal 

längs 

quer 

vorher 

14,2 

14,? 

10,6 

nachher 

13,3 

13,3 

9,3 

vorher 

12,6 

12,9 

9,7 

nachher 

11,5 

12,0 

9,4 

vorher 

11,4 

12,0 

9,7 

nachher 

10,6 

10,9 

8,4 

vorher 

12,0 

12,3 

9,9 

nachher 

11,0 

11,5 

9,1 

vorher 

13,6 

13,6 

10,6 

nachher 

11,9 

11,9 

9,1 

vorher 

11,0 

11,6 

9,7 

nachher 

10,1 

10,8 

8,5 

Fig.  17  vor  Fall  X:  V.  M.  Fig.  18  nach 

(Mit  Markierung  der  Enden  der  3.  Rippen,  sowie  der  Exspiration  und 

Inspiration.) 


(Markierung  des  Zwerchfells  auch  im  Inspirium.) 


Fall  XII :  W. 


Fig.  21  20  Min.  nach 


Fig.  22 

Schematischer  Querschnitt  durch  den 
Thorax  des  Erwachsenen. 


Das  Hauptinteresse  unserer  Untersuchungen  bildete  die 
Frage,  ob  die  exzessive  Anstrengung  beim  Schwimmen  zu 
akuter  Herzdilatation  führen  könne.  Da  machten  wir 
nun  die  überraschende  Beobachtung,  dass  unmittelbar 
nach  der  exzessiven  Anstrengung  nicht  nur 
keine  Vergrösserung,  sondern  eine  Verklei¬ 
nerung  der  orthodiagraphischen  Herzfigur 
vorhanden  war. 

Die  Verkleinerung  des  Herzschattens  war  unter  11  Fäl¬ 
len  10  mal  zu  konstatieren  und  kann  beträchtliche 
Grade  erreichen. 

Man  betrachte  beispielsweise  die  folgenden,  an  den  ersten 
sechs  Radiogrammpaaren  vorhandenen  Masse: 


Die  Verkleinerung  des  transversalen  Herzdurchmessers 
im  Orthodiogramm  betrug  also  nicht  selten  ca.  10  mm,  in  einem 
Falle  sogar  17  mm,  und  die  übrigen  Masse  wiesen  ähnliche  Dif¬ 
ferenzen  auf.  Nur  in  einem  Falle  (No.  10)  blieb  die  Verklei¬ 
nerung  der  Herzfigur  aus. 

Es  unterliegt  gar  keinem  Zweifel,  dass  es  sich  um  eine  t  a  t- 
sächliche  Verkleinerung  des  Herzens  handelt, 
nicht  etwa  um  ein  Vortäuschen  derselben,  z.  B.  durch  Tiefstand 
des  Zwerchfelles,  wodurch  bekanntlich  eine  starke  Verschmäle¬ 
rung  der  steilgestellten  Herzfigur  zu  stände  kommt.  Das 
Zwerchfell  erreichte  im  Exspirium  —  wir  achteten  in  mehreren 
Fällen  darauf  ganz  besonders  —  vor  und  nach  der  Anstrengung 
beiläufig  dieselbe  Höhe,  nur  waren  natürlich  die  inspiratorischen 
Exkursionen  während  der  Dyspnoe  sehr  vergrössert.  Wie  er¬ 
wähnt,  fand  die  punktographische  Herzzeichnung  stets  auf 
der  Höhe  des  Exspirium  und  in  der  Diastole  statt.  Hier  sei 
auch  erwähnt,  dass  das  Herz  nicht  nur  sehr  beschleunigt  pul¬ 
sierte,  sondern  auch  sehrausgiebigeKontraktionen 
machte,  wobei  an  den  Konturen  eine  eigentümlich  rasche 
Wellenbewegung  zu  sehen  war  —  ein  beängstigen¬ 
des  Bild. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  der  Universität  München 
(Direktor:  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  v.  Bauer). 

lieber  die  Wirkung  von  taurocholsaurem  Natrium  und 
tierischer  Galle  auf  den  Pneumokokkus,  Streptococcus 
mucosus  und  auf  die  andern  Streptokokken. 

Von  M.  Mandelbaum. 

Bei  den  Versuchen  über  den  Einfluss  der  Galle  auf  Bak¬ 
terien  entdeckte  N  e  u  f  e  1  d  eine  spezifische  Wirkung,  den  diese 
auf  den  Pneumokokkus  ausübt.  Bringt  man  nämlich  0,1  ccm 
Kaninchengalle  zu  1 — 2  ccm  Pneumokokkenbouillonkultur, 
schüttelt  sodann  diese  Mischung  kräftig  durch,  so  bemerkt  man 
meist  schon  nach  wenigen  Minuten,  dass  das  trübe  Gemisch 
sich  aufhellt,  klar,  hell  und  durchsichtig  wird.  Die  Pneumo¬ 
kokken  werden  von  der  Kaninchengalle  aufgelöst.  Es  ist  eine 
vollständige  Bakteriolyse  eingetreten.  Der  ganze  Prozess 
nimmt  einen  Zeitraum  von  2 — 15  Minuten  in  Anspruch.  „Um 
der  Frage  näher  zu  treten,  auf  welchen  Bestandteilen  der  Galle 
deren  Wirkung  beruht,  hat  N  e  u  f  e  1  d  zunächst  die  sogen, 
„kristallisierte  Galle“,  das  heisst  die  Aetherfällung  der  in  Al¬ 
kohol  löslichen  Bestandteile,  welche  nach  Entfernung  der  Farb¬ 
stoffe  im  wesentlichen  die  glykochol-  und  taurocholsauren  Salze 
enthält,  in  Untersuchung  gezogen  und  gefunden,  dass  die  wirk¬ 
same  Substanz  darin  übergeht.“ 

Diese  Beobachtung  N  e  u  f  e  1  d  s  veranlasste  R.  L  e  v  y, 
differentialdiagnostische  Untersuchungen  mit  gallensauren 
Salzen  bei  Pneumokokken  und  Streptokokken  anzustellen.  Die 
Versuche  wurden  mit  taurocholsaurem  Natrium  ausgeführt, 
als  Lösungsmittel  diente  die  gewöhnliche  Nährbouillon.  L  e  v  y 
fand  nun,  „dass  das  taurocholsaure  Natrium  in  einer  Konzen¬ 
tration  von  2,5  Proz.  bei  allen  untersuchten  Stämmen  von 
Diplococcus  lanceolatus  und  Streptococcus  mucosus  mikro- 
skropisch  eine  vollkommene  Bakteriolyse  bewirkt,  dass  da¬ 
gegen  alle  anderen  Streptokokken  in  keiner  Weise  davon  be¬ 
einflusst  werden“.  Für  die  praktische  Anwendung  des  Dia- 
gnostikums  empfiehlt  Levy  folgende  Anordnung:  „Man  ver¬ 
mischt  gleiche  Teile  einer  5— 10  proz.  Lösung  von  taurochol- 


1432 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


saurem  Natrium  in  Bouillon  und  einer  24  stiindigen  Bouillon¬ 
kultur  und  als  Kontrolle  gleiche  Mengen  Kultur  und  sterile 
Nährbouillon“.  Ich  benützte  bei  meinen  Versuchen  über  die 
Einwirkung  des  taurocholsauren  Natriums  auf  Streptokokken, 
Pneumokokken  und  auf  den  Streptococcus  mucosus  stets  eine 
lOproz.  Lösung  dieses  gallensauren  Salzes  in  Nährbouillon. 
Stets  wurden  2  ccm  dieser  Lösung  mit  der  gleichen  Menge 
einer  24  stiindigen  Bouillonkultur  vermischt.  Meine  Unter¬ 
suchungen  erstreckten  sich  auf  8  Stämme  des  Diplococcus 
lanceolatus,  auf  4  Stämme  des  Streptococcus  mucosus  und  auf 
15  Stämme  des  Streptokokkus.  Von  den  Bouillonkulturen 
dieser  Stämme  wurden,  wie  bereits  erwähnt,  jeweilig  2  ccm  mit 
der  gleichen  Menge  der  10  proz.  Lösung  des  taurocholsauren 
Natriums  vermischt  und  kräftig  durchgeschüttelt.  Ich  fand 
nun  —  ganz  in  Uebereinstimmung  mit  den  Resultaten  von 
L  e  v  y  —  dass  sämtliche  vorher  trübe  Kulturen  des  Pneumo¬ 
kokkus  und  des  Streptococcus  mucosus  nach  Zusatz  der 
taurocholsauren  Natriumlösung  klar,  hell  und  durchsichtig 
wurden,  während  die  Kulturen  der  anderen  Streptokokken  trüb 
und  undurchsichtig  blieben.  (Bemerken  möchte  ich  jedoch  an 
dieser  Stelle,  dass  das  taurocholsaure  Natrium  in  der  erreichten 
Konzentration  —  nach  Vermischung  von  2  ccm  Kultur  mit  der 
gleichen  Menge  der  10  proz.  Gallensalzlösung  betrug  die  Kon¬ 
zentration  5  Proz.  —  zwar  die  Streptokokken  nicht  aufzulösen, 
wohl  aber  zu  schädigen  vermag.  Macht  man  nämlich  nach 
längerem  Stehen  der  Mischung  von  Streptokokkenkultur  und 
taurocholsaurer  Natriumlösung  —  ungefähr  nach  einer  Stunde 
-  einen  Ausstrich  auf  eine  Agarplatte,  so  findet  man  dieselbe 
nach  24  ständigem  Verweilen  im  Brutschrank  steril.) 

Diese  makroskopisch  sichtbare  Aufhellung  reicht  indes 
nicht  zur  sicheren  Beurteilung  aus.  Denn  hat  man  —  schreibt 
Levy  —  z.  B.  nicht  sehr  üppig  gewachsene  Kulturen  vor  sich 
in  einer  vielleicht  noch  sehr  hellen  Bouillon,  so  kann  schon 
durch  die  Verdünnung  allein  die  Mischung  aufgehellt  erscheinen. 
Die  Entscheidung  liefert  einzig  der  hängende  Tropfen.  Hatte 
ich  —  fährt  der  Autor  fort  —  Streptokokken  vor  mir,  so  war 
in  keinem  Falle  ein  Unterschied  in  der  Anzahl  oder  dem  Aus¬ 
sehen  der  Kokken  in  den  Versuchsröhrchen  und  der  Kontrolle 
zu  sehen.  Handelte  es  sich  hingegen  um  den  Pneumokokkus 
oder  den  Streptococcus  mucosus,  so  war  bei  den  angegebenen 
Konzentrationen  niemals  auch  nur  eine  Spur  von  Kokken  im 
hängenden  I  ropfen  zu  erkennen,  in  der  Kontrolle  hingegen 
fanden  sie  sich  in  reichlicher  Anzahl. 

Diese  Beobachtung  kann  ich  nur  teilweise  bestätigen.  Der 
hängende  Tropfen  der  Streptokokkenkulturen  nach  der  Mi¬ 
schung  mit  taurocholsaurem  Natrium  zeigt  in  der  Tat,  wie  es 
ja  nach  der  makroskopischen  Beobachtung  auch  zu  erwarten 
war,  keinen  Unterschied  in  Form  und  Aussehen  der  Kokken  von 
denen  gewöhnlicher  Bouillonkultur.  Untersuchte  ich  dagegen 
einen  hängenden  Tropfen  von  einer  Kultur  des  Pneumokokkus 
oder  des  Streptococcus  mucosus  nach  der  Mischung  mit  der 
Lösung  des  taurocholsauren  Natriums,  so  erschien  derselbe  auf 
den  ersten  Blick  in  der  Tat  bakterienfrei.  Bei  genauer  Durch¬ 
forschung  des  Tropfens  jedoch  mit  stark  abgeblendetem  Lichte 
fielen  mir  einige  Körnchen  in  Diploform,  deren  Lichtbrechungs¬ 
vermögen  sich  kaum  von  dem  der  umgebenden  Flüssigkeit 
unterschied,  am  Rande  des  Tropfens  liegend  auf.  Aber  auch 
diese  wurden  immer  schattenhafter  und  schliesslich  für  das 
Auge  unsichtbar.  Um  mich  von  der  Natur  dieser  Gebilde  zu 
überzeugen,  setzte  ich  mit  Hilfe  der  Platinöse  etwas  Löffler- 
sclies  Methylenblau  zu  dem  hängenden  Tropfen  und  untersuchte 
mm  denselben  mit  der  Oelimmersion.  Zu  meiner  Ueber- 
raschung  fand  ich  nun  —  ganz  gleich  ob  es  sich  um  den  Strepto¬ 
coccus  mucosus  oder  um  den  Pneumokokkus  handelte  — 
Diplokokken  und  kurze  Ketten  blau  tingiert  in  grosser  Anzahl 
besonders  am  Rande  des  Tropfens  liegend  vor.  Doch  zeigten 
die  einzelnen  Kokken  ganz  typische  Veränderungen.  Alle 
Uebergangsformen  von  dem  normal  gefärbten  Diplokokkus  bis 
zu  leeren  Hüllen  und  solchen,  die  noch  minimale  Kokkenreste 
enthielten,  waren  vorhanden.  Das  Präparat  sah  wie  „ausge- 
\\ aschen  aus.  Es  war  dasselbe  Bild,  wie  es  Radziewski 
iiii  den  Pneumokokkus  beim  Zerfall  desselben  im  tierischen 
Organismus  festgestellt  hat.  Nach  2  Tagen  konnte  ich  noch  die 
Anwesenheit  von  Kokken  mittels  der  oben  angegebenen  Me¬ 
thode  nachweisen.  Obwohl  also  die  Bouillonkulturen  nach  dem 


Zusatz  von  taurocholsaurem  Natrium  vollständig  aufgehellt, 
obwohl  ferner  auch  im  gewöhnlichen  hängenden  Tropfen  keine 
Kokken  mehr  zu  erkennen  waren,  so  war  es  doch  möglich,  die¬ 
selben  durch  Hinzufügen  von  etwas  Methylenblau  zu  dem  hän¬ 
genden  Tropfen  für  das  Auge  wieder  sichtbar  zu  machen.  Von 
einer  vollkommenen  Bakteriolyse  kann  hier  also  nicht  die  Rede 
sein.  Die  noch  Testierenden  Kokken  auf  eine  Agarplatte  aus¬ 
gestrichen  gingen  nicht  mehr  an.  Die  Platte  blieb  steril. 

Das  taurocholsaure  Natrium  in  einer  Konzentration  von 
5  Proz.  vermag  also  nach  längerer  Einwirkung  den  Pneumo¬ 
kokkus,  den  Streptococcus  mucosus  und  die  andern  Strepto¬ 
kokken  derart  zu  beeinflussen,  dass  sie,  auf  einem  neuen  Nähr¬ 
boden  überimpft,  nicht  mehr  wachsen. 

Bouillonkulturen  des  Pneumokokkus  und  des  Strepto¬ 
coccus  mucosus  werden  nach  Vermischung  mit  dem  gallen¬ 
sauren  Salz  klar  und  hell,  während  solche  der  andern  Strepto¬ 
kokken  getrübt  bleiben. 

Eine  vollkommene  Bakteriolyse  tritt  beim  Pneumokokkus 
und  dem  Streptococcus  mucosus  nicht  ein.  Die  mikroskopisch 
noch  nachweisbaren  Kokken  zeigen  Involutions-  und  Degene¬ 
rationsformen. 

Meine  weiteren  Versuche  sollten  mir  Aufschluss  geben 
über  die  Wirkung  tierischer  Galle  auf  die  oben  angeführten 
Mikroorganismen.  N  e  u  f  e  1  d  hat,  wie  bereits  erwähnt,  fest¬ 
gestellt,  dass  0,1  ccm  Kaninchengalle  zu  1—2  cdm  Pneumo¬ 
kokkenbouillonkultur  hinzugefügt  ein  vollkommenes  Klar¬ 
werden  der  Bouillon  und  ein  vollständiges  Verschwinden  der 
Kokken  verursacht.  Dieselbe  Wirkung  in  höherem  oder  nie¬ 
derem  Grade  konnte  er  bei  Menschen-,  Affen-,  Hunde-,  Ziegen- 
und  Katzengalle  beobachten.  Ich  habe  zu  meinen  Versuchen 
Rindergalle  benützt,  da  dieselbe  leicht  in  grösseren  Mengen 
erhältlich,  meist  klar,  hell,  frei  von  festen  Bestandteilen  und 
dünnflüssig  ist  und  sich  mit  der  Bouillonkultur  sehr  gut  ver¬ 
mischen  lässt.  Die  Versuchsanordnung  war  stets  folgende: 
2  ccm  Bouillonkultur  wurden  mit  0,5  ccm  Rindergalle  im  Re¬ 
agensröhrchen  vermischt  und  gut  durchgeschüttelt. 

Bei  allen  Kulturen  des  Pneumokokkus  und  des  Strepto¬ 
coccus  mucosus  die-  mir  zur  Verfügung  standen,  trat  schon 
wenige  Minuten  nach  dem  Durchschütteln  Aufhellung  der  vor¬ 
her  trüben  Mischung  ein.  Die  andern  Streptokokkenkulturen 
zeigten  in  keiner  Weise  eine  Aenderung  ihres  vorherigen  Aus¬ 
sehens.  Im  gewöhnlichen  hängenden  Tropfen  war  mikro¬ 
skopisch  keine  Spur  von  Kokken  mehr  zu  sehen  —  natürlich 
nur  bei  Kulturen  des  Pneumokokkus  und  des  Streptococcus 
mucosus.  Fügte  ich  nun  zu  dem  hängenden  Tropfen  etwas 
Löffler  sches  Methylenblau,  so  konnte  ich  wohl  einige  Mi¬ 
nuten  nach  der  Aufhellung  noch  hie  und  da  einen  Diplokokkus 
blau  gefärbt  nachweisen,  nach  einer  Stunde  jedoch  war  auch 
mit  dieser  Methode  kein  Kokkus  mehr  sichtbar  zu  machen. 

Tierische  Galle  vermag  somit  Bouillonkulturen  des  Pneu¬ 
mokokkus  und  des  Streptococcus  mucosus  aufzuhellen  und, 
wie  es  scheint,  eine  vollkommene  Bakteriolyse  dieser  Mikro¬ 
organismen  herbeizuführen.  Andere  Streptokokken  werden 
von  der  Galle  in  keiner  Weise  geschädigt. 

Wie  aus  obigen  Versuchen  hervorgeht,  eignet  sich  sowohl 
das  taurocholsaure  Natrium  wie  auch  die  Galle  vorzüglich  zur 
Differentialdiagnose  zwischen  Pneumokokkus  und  Strepto¬ 
coccus  mucosus  einerseits  und  den  übrigen  Streptokokken 
andererseits.  Beide  Reagentien  bewirken  eine  makroskopisch 
deutlich  wahrnehmbare  Aufhellung  der  Bouillonkulturen  des 
Pneumokokkus  und  des  Streptococcus  mucosus.  Voraus¬ 
setzung  ist  eine  durch  diese  Kokken  ziemlich  getrübte  Bouillon. 
Handelt  es  sich  um  eine  an  und  für  sich  helle  Bouillon  mit 
mässiger  Trübung,  so  ist  die  Galle  dem  taurocholsauren  Na¬ 
trium  entschieden  vorzuziehen.  Erstere  bewirkt  ja  eine  voll¬ 
kommene  Bakteriolyse,  bei  Anwendung  des  gallensauren  Salzes 
dagegen  sind  mikroskopisch  noch  Kokken  in  grosser  Anzahl 
nachweisbar.  Aber  noch  aus  andern  Gründen  ist  die  An¬ 
wendung  der  Galle  der  des  taurocholsauren  Natriums  vorzu¬ 
ziehen.  Die  Lösung  dieses  Präparates  muss  jedesmal  frisch 
bereitet  werden,  es  ist  nicht  überall  erhältlich  und  sehr  teuer. 
Dagegen  kann  man  Rindergalle  überall  bekommen,  man  kann 
dieselbe  sofort  benützen  und  wochenlang  halten.  Denn  das 
rasche  „Faulen“  der  Galle  kann  man  sehr  leicht  durch  Er¬ 
hitzen  derselben  auf  100 "  verhindern.  Die  bakteriolytische 


müenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


1433 


16.  Juli  1907. 


Kraft  derselben  für  den  Pneumokokkus  und  den  Streptococcus 
mucosus  wird  durch  diese  Prozedur  in  keiner  Weise  ver¬ 
mindert.  Diese  Beobachtung  hat  schon  N  e  u  f  e  1  d  gemacht 
und  ich  kann  dieselbe  nur  bestätigen. 

Zu  der  Frage,  ob  die  Reaktion  der  Galle  bezw.  des  gallen¬ 
sauren  Salzes  mit  dem  Pneumokokkus  und  dem  Streptococcus 
mucosus  für  diese  Mikroorganismen  spezifisch  —  was  übrigens 
N  e  u  f  e  1  d  und  L  e  v  y  annehmen  —  und  ob  der  Streptococcus 
mucosus  als  Pneumokokkus  anzusehen  ist,  was  L  e  v  y  und 
andere  Autoren  vorschlagen,  kann  ich  noch  nicht  Stellung 
nehmen,  da  meine  Versuche  über  diese  Punkte  noch  nicht  ab¬ 
geschlossen  sind. 

Während  der  Drucklegung;  dieses  Aufsatzes  erschien  in  dieser 
Wochenschrift  die  Arbeit  von  S  c  h  u  1 1  z  e  „Zur  Streptokokkenfrage“. 
Derselbe  schneidet  auch  das  Thema  über  den  Einfluss  des  taurochol- 
sauren  Natriums  auf  Pneumokokken  etc.  an.  Derselbe  hat  ebenfalls 
festgestellt,  dass  taurocholsaures  Natrium  in  höherer  Konzentration 
(5 — 10  proz.)  bakterizid  auf  Streptokokken  einwirkt.  Derselbe  hat 
ferner  beobachtet,  dass  sich  Pneumokokkenbouillonkultur  nach  Zu¬ 
satz  von  dem  gallensauren  Salze  nicht  ganz  aufhellte.  Trotzdem 
hat  er  mikroskopisch  eine  vollkommene  Bakteriolyse  konstatieren 
können.  Auch  hier  dürfte  es  sich  um  eine  unvollkommene  Auf¬ 
lösung  der  Pneumokokken  handeln,  die  im  gewöhnlichen  hängenden 
Tropfen  dann  für  das  Auge  unsichtbar  erschienen,  die  aber  durch  Zu¬ 
satz  von  etwas  Methylenblau  gefärbt  und  deutlich  wahrnehmbar  ge¬ 
macht  werden  können. 


Aus  der  Kgl.  Universitätsfrauenklinik  Erlangen  (Professor  Dr. 

Meng  e). 

Die  Erfolge  der  Pessartherapie  in  der  gynäkologischen 

Praxis. 

Von  Dr.  Max  Schwab,  Assistent. 

Wenn  etwas  über  die  Pessartherapie  heute  noch  irgendwo 
zum  Vortrag  gelangt,  so  geschieht  es  in  der  Regel  in  der  Form 
eines  Gelegenheitsthemas  vor  einem  ärztlichen  Verein,  mit  dem 
Zwecke  eines  fortbildenden  Vortrages.  Man  beschränkt  sich 
dabei  gewöhnlich  auf  die  allgemeinen  Gesichtspunkte  der  In¬ 
dikationsstellung  und  auf  die  technische  Handhabung  der  Pes¬ 
sare,  und  warnt  zum  Schlüsse  vor  den  unbrauchbaren  und  ge¬ 
fährlichen  unter  ihnen,  vor  dem  Zwanck-Schilling  sehen 
Fliigelpessar  und  vor  den,  fötiden  Ausfluss  verursachenden  Rin¬ 
gen  aus  Weichgummi. 

Ausführlichen  und  positiven  Mitteilungen  aber  darüber, 
welche  Erfolge  denn  eigentlich  mit  den  aus  irgend  einer  Indi¬ 
kation  angewandten  Pessaren  zu  erzielen  sind,  begegnet  man 
selten.  Ueber  die  Erfolge  der  Pessartherapie  lediglich  bei  Re- 
troflexio  uteri  gibt  K  o  b  1  a  n  c  k  (Zeitschrift  für  Geb.  und  Gyn. 
1902)  einen  sehr  ungünstigen  Bericht,  und  erwähnt  gleichzeitig 
eine  Anzahl  früherer  Autoren,  die  keine  besseren  Resultate  ge¬ 
sehen. 

Wenn  man  weiter  die  gebräuchlichsten  Lehrbücher  durch¬ 
sieht,  hat  man  den  Eindruck,  als  gingen  die  Autoren,  die  über 
Resultate  der  gynäkologischen  Operationen  sich  gerne  aus¬ 
sprechen,  über  die  Resultate  der  Pessartherapie  ebenso  gerne 
hinweg.  In  den  Lehrbüchern  von  Fritsch  und  von 
S  c  h  a  u  t  a  ist  so  gut  wie  nichts  darüber  zu  finden. 

H  o  f  m  e  i  e  r  zitiert  einige  Publikationen  aus  früherer  Zeit 
(Munde,  L  ö  h  1  e  i  n),  in  denen  die  Endresultate  der  ortho¬ 
pädischen  Behandlung  der  Retroflexio  uteri  mobilis  ziemlich 
ungünstige  genannt  werden.  Nur  Runge  widmet  dem  Punkte 
sein  Augenmerk.  Er  lobt  den  Erfolg  der  Pessarbehandlung, 
macht  aber  ausdrücklich  darauf  aufmerksam,  dass  es  Fälle  gibt, 
die  einen  in  der  Ansicht  von  der  Wirksamkeit  der  Pessare  wie¬ 
der  schwankend  machen  können.  Und  was  die  definitive  Hei¬ 
lung  betrifft,  so  äussert  er  sich  gleichfalls  mit  ziemlicher  Re¬ 
serve. 

Alles  in  allem  lässt  sich  das  Urteil  der  genannten  Kliniker, 
das  sicher  identisch  ist  mit  dem  der  meisten  Gynäkologen,  da¬ 
hin  zusammenfassen,  dass  sie  alle  die  Pessartherapie  bei  Pro¬ 
lapsen  nur  als  einen  Notbehelf  gelten  lassen  bei  messerscheuen 
Patientinnen,  oder  wo  zu  hohes  Alter  oder  konstitutionelles 
Leiden  operative  Behandlung,  d.  h.  wirkliche  Heilung  des  Lei¬ 
dens  nicht  mehr  geboten  scheinen  lassen.  Bei  der  Behandlung 
der  mobilen  Retroflexio  uteri  dagegen  konkurriert  die  ortho¬ 
pädische  mit  der  operativen  Behandlung  dergestalt,  dass  die 

No.  29.  ' 


letztere  dem  Arzte  die  sympathischere,  der  Patientin  aber  für 
gewöhnlich  die  weniger  erwünschte  ist.  Und  aus  letzterem 
Umstande  ergibt  sich  bei  der  Häufigkeit  der  Retroflexio  uteri 
die  grosse  Bedeutung,  die  die  Pessartherapie  in  der  gynäko¬ 
logischen  Praxis  hat. 

Hier  muss  nun  eingeschaltet  werden,  dass  im  Folgenden 
jener  Punkt  nicht  eigentlich  berührt  werden  soll,  den  die  Litera¬ 
tur  der  letzten  Jahre  öfter  gebracht  hat  (T  h  e  i  1  h  a  b  e  r, 
Krönig-Feuchtwanger,  Wormser  u.  a.),  inwieweit 
die  Retroflexio  uteri  mobilis  überhaupt  von  klinischer  Bedeu¬ 
tung  sei.  Sondern  wir  stellen  uns  lediglich  jenen  Fällen  gegen¬ 
über,  bei  denen  eine  Behandlung,  und  zwar  eine  Pessarbehand¬ 
lung  angezeigt  erscheint,  und  suchen  zu  eruieren,  welche  Er¬ 
folge  damit  erzielt  werden  können. 

Um  es  vorweg  zu  nehmen,  was  mich  veranlasst  hat,  eine 
derartige  Nachforschung  aufzunehmen:  es  ist  die  merkwürdige 
Rolle,  die  das  Pessar  in  vielen  Händen  zu  spielen  scheint  als 
ein  Retter  aus  der  Not  der  Diagnose  und  Therapie.  Noch  in  der 
letzten  Zeit  kam  eine  Frau  in  die  poliklinische  Sprechstunde  der 
Frauenklinik  wegen  Verdauungsbeschwerden,  Erbrechen,  Ge¬ 
fühl  von  Kranksein.  Sie  war  5  Wochen  lang  von  2  Aerzten 
behandelt  worden,  die  vereint  schliesslich  ein  Pessar  einlegten. 
Die  Palpation  der  Oberbauchgegend  ergab  ohne  weiteres  ein 
über  faustgrosses  Pyloruskarzinom.  Nicht  wenige  Patien¬ 
tinnen  kommen  mit  der  Angabe,  man  habe  ihnen  wegen  Vor¬ 
falls  einen  Ring  eingelegt,  während  auch  beim  stärksten  Pressen 
die  vordere  Scheidenwand  kaum  merklich  tiefer  tritt.  Wieder 
andere  kommen  mit  guten  oder  schlecht  sitzenden  Pessaren, 
mit  oder  ohne  Retroflexio  oder  Adnexerkrankung,  mit  oder  ohne 
Beschwerden.  So  kam  ich  denn  auf  die  Idee,  aus  den  letzten 
Jahrgängen  unserer  poliklinischen  Journale  die  Fälle  aufzu¬ 
suchen,  welche  mit  Pessaren  behandelt  wurden  und  welche  so 
oft  sich  wieder  vorstellten,  dass  ein  Urteil  darüber  möglich  ist, 
welchen  Erfolg  das  Pessar  hatte  —  nicht  für  den  Arzt  und  das 
anatomische  Heilresultat,  sondern  für  die  Patientin,  für  deren 
körperliches  Befinden. 

Wenn  ich  oben  einige  Urteile  über  die  Pessartherapie  an¬ 
geführt  habe,  die  meiner  Erfahrung  nach  sich  mit  der  all¬ 
gemeinen  Anschauung  decken,  so  müssen  aber  noch  die  Dar¬ 
legungen  Küstners  (Handbuch  von  Veit,  1907)  über  den 
Wert  der  Pessare  besonderen  Raum  erhalten.  Küstner 
urteilt  in  seiner  grossen  Monographie  über  die  Lage  und  Be¬ 
wegungsanomalien  des  Uterus  und  seiner  Nachbarorgane 
wesentlich  günstiger.  Nach  ihm  ist  jede  Frau,  bei  welcher  in 
der  Zeit  zwischen  Menarche  und  Menopause  und  auch  noch 
darüber  hinaus  eine  Retroversio-flexio  erkannt  wird,  behand¬ 
lungsbedürftig.  Und  zwar  wird  ein  unkomplizierter  Fall  von 
Retroversio-flexio  am  einfachsten  und  vielleicht  auch  noch  am 
besten  so  in  Angriff  genommen,  dass  bimanuell  reponiert  und 
ein  Pessar  angepasst  wird.  Dasselbe  ist  so  lange  zu  tragen,  bis 
die  Befestigungsorgane  des  Uterus  und  seine  Ligamentmuskula¬ 
tur  funktionsfähig  sind;  die  Dauer  schwankt  zwischen  einigen 
Monaten  und  mehreren  Jahren.  Nur  wenn  die  Kranke  eine 
unüberwindliche  Aversion  gegen  Pessare  hat,  wenn  sich  ein 
solches  bei  Frauen,  die  schwer  arbeiten  müssen,  nicht  emp¬ 
fiehlt,  oder  wenn  wegen  Portio-  oder  Dammdefektes  sowieso 
operiert  werden  muss,  so  kann  man  auf  die  Pessartherapie  ver¬ 
zichten  und  wählt  ein  Operationsverfahren. 

Ueber  den  Wert  der  Pessare  bei  Prolapsen  äussert  sich 
Küstner:  Vorfälle,  bei  welchen  nur  wenig,  vielleicht  nur  die 
Portio  oder  nichts  ausserhalb  der  Vulva  liegt,  werden  wie 
Retroflexionen  behandelt,  also  bei  beweglichem  Uterus  mittels 
Pessars.  Vorfälle,  bei  denen  ein  beträchtlicher  Teil  des  Uterus 
oder  das  ganze  Organ  draussen  liegt,  werden  im  Prinzip  opera¬ 
tiv  behandelt,  obwohl  auch  eine  Pessarbehandlung  durch  die 
Grösse  des  Vorfalls  an  sich  nicht  ausgeschlossen  wird. 

Insgesamt  urteilt  Küstner  so,  dass  den  beweglichen 
Retroflexionen  und  gewissen  mobilen  Prolapsen  gegenüber  die 
P’essartherapie  nicht  nur  die  einfachste,  sondern  auch  die 
beste  ist. 

Wie  gesagt,  die  Rolle  eines  Allheilmittels,  die  mir  das 
Pessar  vielfach  zu  spielen  scheint,  hat  mich  veranlasst,  der 
Frage  auf  den  Grund  zu  gehen,  was  denn  das  Pessar  zu  leisten 
imstande  ist.  Insgesamt  stehen  mir  124  Fälle  zur  Verfügung, 
die  mit  Pessaren  behandelt  wurden,  und  zwar  so  lange,  dass 

3 


1434 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


ein  Urteil  über  deren  Wirkung  auf  den  jeweiligen  Zustand  der 
Patientin  mit  Sicherheit  zu  gewinnen  ist. 

Diese  124  Fälle  scheiden  sich  ohne  weiteres  in  2  Gruppen: 
in  solche,  die  mit  dem  Pessar  bereits  in  Behandlung  kamen, 
die  es  also  auswärts  appliziert  erhalten  hatten,  und  in  solche, 
bei  denen  erst  wir  die  Pessarbehandlung  einleiteten.  Während 
die  erste  Gruppe  einen  Ueberblick  darüber  bietet,  was  das 
Pessar  in  der  Hand  von  Nichtspezialisten  vermag,  zeigt  die 
zweite  Gruppe,  welche  Heilwirkung  dem  Pessar  im  besten 
Falle  zukommt,  wenn  es  von  geübter  Hand  angewandt  wird. 

Die  Indikationen  zur  Behandlung  sind  ja  trotz  des  Wider¬ 
streites,  der  noch  über  die  klinische  Bedeutung  der  unkompli¬ 
zierten  Retroflexio  herrscht,  gegeben.  Eine  Vorfall  leidende 
Frau,  ob  sie  ihr  Leiden  nun  bereits  kennt  oder  nur  an  Schmer¬ 
zen  im  Unterleib,  Drängen  nach  unten,  Katarrh  oder  sonstigen 
Beschwerden  laboriert,  muss  davon  befreit  werden,  weil  es 
zunehmend  schlimmer  und  der  zur  Heilung  nötige  Eingriff 
dauernd  umfangreicher  wird.  Eine  an  Retroflexio  leidende 
Frau,  d.  h.  eine  Frau  mit  Beschwerden,  die  sich  auf  die  Retro¬ 
flexio  beziehen  lassen,  Kreuzschmerzen,  Ziehen  im  Unterleib, 
Dysmenorrhöe  in  irgend  einer  Form,  Fluor,  wird  gleichfalls 
jeder  behandeln,  wenn  er  auch  noch  so  sehr  der  Ueberzeugung 
ist,  dass  nicht  jede  Frau  behandelt  werden  muss,  die  eine 
Retroflexio  besitzt1). 

Von  den  124  Fällen  nun  wurde  bei  73  erst  von  uns  die 
Pessartherapie  aufgenommen,  während  die  übrigen  51  bereits 
mit  Pessaren  in  die  Sprechstunde  kamen.  Die  Fälle  verteilen 
sich  auf  rund  3  Jahre  und  bilden  natürlich  nur  eine  Minderzahl 
gegen  die  operativ  behandelten.  Von  den  73  Fällen  litten  24 
an  Vorfall  mit  oder  ohne  Retroflexio  uteri,  die  Testierenden  49 
nur  an  Retroflexio  ohne  Senkung  der  Organe. 

Von  den  24  Vorfallkranken  mussten  mit  Pessaren  behandelt 
werden  2  wegen  Phthisis;  5  befanden  sich  im  Greisenalter,  da¬ 
von  2  mit  Totalprolapsen.  Letzteren  wurde  durch  Menge¬ 
sche  Keulenpessare,  den  anderen  durch  Hartgummiringe  soweit 
geholfen,  dass  sie  mit  ihrem  Zustand  zufrieden  waren.  Bei 
den  17  aber,  die  zunächst  mit  einer  Operation 
nicht  einverstanden  waren,  lautet  das  Resultat  der 
Behandlung:  8  waren  zufrieden  mit  dem  geschaffenen  Zustande, 
3  waren  durchaus  unzufrieden  und  6  entschlossen  sich,  nach¬ 
dem  sie  sich  mehr  oder  minder  lange  mit  dem  Ringe  abgefun¬ 
den,  doch  noch  zur  Operation.  Bei  allen  hatte  es  sich  um  höch¬ 
stens  mittelgradige  Vorfälle  gehandelt,  annähernde  Totalpro¬ 
lapse  befanden  sich  nicht  unter  ihnen. 

Die  Erfolge  bei  den  49  Fällen  nun,  bei  denen  wir  eine  be¬ 
handlungsbedürftige  Retroflexio  uteri  (mobilis  natürlich)  vor¬ 
fanden,  und  bei  denen  nach  unserem  Ermessen  oder  nach  dem 
Willen  der  Patientin  die  Pessarbehandlung  (ausschliesslich 
Hodge-,  höchstens  einmal  Thomaspessare)  angezeigt  war,  ge¬ 
stalteten  sich  im  Laufe  von  bis  zu  3  Jahren  wie  folgt: 

3  Patientinnen  scheiden  aus  wegen  Phthisis,  Morbus  Base- 
dowii,  Retroflexio  uteri  gravidi,  2  wegen  fraglichen  Erfolges 
der  Behandlung.  Gut  war  der  Erfolg  in  21  Fällen.  Aber  nur 
2  mal  konnte  das  Pessar  in  diesen  3  Jahren  wegen  wirklicher 
Heilung  entfernt  werden,  bei  den  übrigen  19  bestand  der  Erfolg 
nur  während  die  Pessare  noch  getragen  wurden,  und  dabei 

2  mal  trotz  Adnexerkrankung,  5  mal  trotzdem  der  Uterus  im 
Pessar  retroflektiert  lag.  20  mal  hingegen  brachte  die  Pessar- 
behandlung  der  Patientin  nicht  den  erwünschten  Erfolg,  und 

3  mal  wurde  schliesslich  die  Falschlage  des  Uterus  operativ  be¬ 
seitigt.  Es  brauch  wohl  kaum  besonders  betont  zu  werden,  dass 
neben  der  Pessarbehandlung  die  Allgemeinbehandlung  der  Pa¬ 
tientin  nicht  vernachlässigt  wurde.  Wieweit  nach  dieser  Rich¬ 
tung  hin  die  betreffenden  Frauen  unseren  Ratschlägen  folgten, 
kann  natürlich  nicht  konstatiert  werden.  Sicher  ist  nur,  dass 
nicht  in  der  Hälfte  der  Fälle  die  Pessarbehandlung  von  Erfolg 
gekrönt  wurde.  Und  wenn  man  nun  noch  in  Betracht  zieht, 
dass  in  der  weitaus  grösseren  Anzahl  die  Retroflexio,  wenn  sie 
als  behandlungsbedürftig  erachtet,  von  vornherein  operativ 
beseitigt  wurde,  so  bleibt  nur  ein  Bruchteil  übrig,  in  welchem 
das  Pessar  wie  beim  Vorfall  so  auch  bei  der  Retroflexio  etwas 


0  Auch  in  den  neuesten  Auflagen  mehrerer  Lehrbücher  findet 
die  Pessarbehandlung  bei  Anteversio  und  Anteflexio,  sogar  mit 
Gummiringen,  noch  Platz.  Das  ist  ein  Zopf,  der  abgeschnitten  wer¬ 
den  muss. 


leistete.  Hält  man  dann  noch  hinzu,  dass  in  mehr  als  einem 
Drittel  der  erfolgreich  mit  Pessar  behandelten  Fälle  Adnex¬ 
erkrankung  oder  Retroflexio  Weiterbestand,  also  gewiss  nicht 
der  orthopädische  Erfolg  des  Pessars  schuld  an  der  Heilwirkung 
war,  so  kommt  man  unschwer  zu  dem  Schluss,  dass  das  Pessar 
einen  recht  kümmerlichen  Heilfaktor  in  der  Therapie  der  Ge¬ 
bärmutterverlagerung  darstellt,  der  bei  den  bekannten  Uebel- 
ständen,  die  das  Tragen  eines  Pessars  mit  sich  bringt,  wirklich 
nur  dann  in  Anspruch  genommen  zu  werden  verdient,  wenn 

Notwendigkeit  der  Rechtlagerung  der  Organe  vorausgesetzt 
—  die  Operation  nicht  zu  ermöglichen  ist. 

-  Bei  den  51  Fällen  nun,  die  bereits  mit  Pessaren  versehen 
zur  Behandlung  kamen,  wird  man  vorweg  annehmen  wollen, 
dass  es  sich  um  Frauen  handelte,  die  mit  ihrem  körperlichen 
Befinden  nicht  zufrieden  waren.  Selbst  dieses  vorausgesetzt 
bieten  die  Fälle  ein  Abbild  dessen,  was  der  Nichtspezialist  er¬ 
reicht,  wenn  er  das  Pessar  ausgiebig  in  den  Kreis  seiner  thera¬ 
peutischen  Tätigkeit  zieht. 

Es  handelt  sich  da  zunächst  um. 22  Prolapsfälle  im  Alter 
von  24  bis  72  Jahren;  die  Hälfte  der  Kranken  hatte  noch  nicht 
das  35.  Jahr  erreicht  und  trug  die  Ringe  doch  schon  seit 
Jahren.  Im  ganzen  waren  zufrieden  mit  dem  Pessar  2  Grei¬ 
sinnen,  von  denen  aber  eine  invalid  erklärt  wurde.  1  Pessar 
wurde  wegen  Gravidität  entfernt,  2  wegen  Dekubitus,  5  Patien¬ 
tinnen  konnten  sich  trotz  Weiterbestehens  der  Beschwerden 
nicht  zur  Operation  entschliessen,  12  willigten  ohne 
weiteres  in  die  Operation  ein,  n  a  c  h  d  e  m  s  i  e 
sich  bis  zu  7  Jahren  mit  den  Ringen  beholfen 
hatten. 

Von  den  übrigbleibenden  29  Fällen  schliesslich,  die  wegen 
„Knickung“  mit  Pessaren  behandelt  worden  waren,  konnten 
ganze  vier  die  Pessare  zu  ihrer  Zufriedenheit  weitertragen. 
Bei  dreien  war  auch  durch  langdauernde  Weiterbehandlung 
mit  Pessaren  kein  Erfolg  zu  erzielen,  8  entschlossen  sich  aus 
demselben  Grund  doch  noch  zur  Operation.  3  wurden  durch 
einfaches  Entfernen  der  Ringe  von  ihren  Beschwerden  befreit, 
3  durch  Ersatz  des  Ringes  durch  Allgemeinbehandlung,  2  durch 
Entfernen  des  Ringes  und  Behandlung  der  Endometritis.  Bei 
den  letzten  6  wurde  der  Ring  entfernt  und  das  eigentliche  vor¬ 
liegende  Leiden  behandelt:  3  mal  die  Parametritis,  2  mal  die 
Retroflexio  fixata,  1  mal  die  Urethritis  mit  Adnexerkrankung. 

Mit  anderen  Worten:  zu  dem  geringen  Erfolge,  den  der 
Spezialist  mit  der  Pessarbehandlung  erzielt,  kommt  beim  Nicht¬ 
spezialisten  noch  der  eventuelle  Mangel  genauerer  Kenntnisse 
in  der  Stellung  der  Indikation  und  Kontraindikation  hinzu. 

Die  Pessarbehandlung  ist  ein  Notbehelf,  nicht  nur  den  Vor¬ 
fällen,  sondern  auch  der  Retroflexio  uteri  gegenüber.  Das 
wollte  ich  mit  meinen  Ausführungen  zeigen,  zu  denen  wiederum 
mii  die  praktische  Erfahrung  den  Anreiz  gab.  Dass  die  Pessare 
in  geeigneten  Fällen  Verwendung  finden  können,  ist  selbstver¬ 
ständlich.  Aber  dass  die  Erfolge,  die  damit  zu  erzielen  sind, 
mcht  hoch  bewertet  werden  dürfen,  das  muss  ich  im  Gegensatz 
zu  besonders  günstigen  Urteilen  wie  die  oben  zitierten  Käst¬ 
ners  behaupten.  Der  Patientin  muss  e  r  s  t  die  Operation  vor¬ 
geschlagen  werden;  wenn  sie  nicht  einwilligt,  dann  erst  mag 
das  Pessar  versucht  werden.  Für  die  Prolapse  wurde  dieses 
Prinzip  ja  bereits  vieler-  aber  nicht  allerorts  durchgeführt,  es 
muss  aber  auch  Geltung  erhalten  den  Retroflexionen  gegenüber, 
soweit  sie  behandlungsbedürftig  erscheinen. 

Dass  gerade  bei  der  Retroflexio  die  Operation  kein  absolut 
sicher  wirkendes  Heilmittel  ist,  lässt  sich  gewdss  nicht  leugnen. 
Man  begegnet  Fällen,  wo  trotz  Rezidivs  Heilung,  und  trotz 
anatomisch  glänzenden  Resultates  Fortdauer  der  Beschwerden 
besteht.  Ob  solche  Fälle  nun  Ausnahmen  sind  oder  nicht,  ob 
sie  durch  richtige  Allgemeinbehandlung  zu  vermeiden  sind  oder 
nicht,  sie  beweisen  auf  jeden  Fall  nichts  dagegen,  dass  die 
Pessartherapie  rein  für  sich  betrachtet  einen  nur  massigen 
Grad  von  Wertschätzung  verdient. 

Die  hier  zahlenmässig  vorgetragenen  schlechten  Resultate 
der  Pessartherapie  einerseits,  die  Tatsache  andererseits,  dass 
die  Retroflexio  uteri  mobilis  häufig  als  belangloser  Nebenbefund 
bei  Neurasthenie  besteht,  lassen  die  Fälle  von  Lageverände- 
rung,  die  für  die  Pessarbehandlung  ausersehen  sind,  als  eine 
Minderzahl  erscheinen.  Demgegenüber  steht  nur  der  Umstand, 
dass  die  Frauen  selbst,  und  besonders  die  hier  am  ersten  in 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1435 


Betracht  kommenden  neurasthenischen,  auf  eine  einmal  kon¬ 
statierte  Lageveränderung  ein  grosses  Gewicht  zu  legen.  Da  hilft 
es  nun  nicht,  ihnen  die  Abnormität  zu  verheimlichen,  weil  sie 
bei  ihrer  Freizügigkeit  dieselbe  wenn  nicht  vom  ersten,  so  vom 
zweiten  oder  dritten  Arzt  erfahren,  der  dann  einen  besonderen 
Ruhm  erntet.  Aber  gerade  weil  sie  so  ungebührliche  Bedeu¬ 
tung  auf  ihre  „Knickung“  legen,  ist  hier  auch  nur  die  Operation 
am  Platze,  von  der  ein  ganz  anderer  suggestiver  Einfluss  aus¬ 
geht,  als  von  einer  langwierigen  und  umständlichen  Pessar¬ 
behandlung,  die  erfahrungsgemäss  eben  nie  recht  Erfolg  hat 
und  früher  oder  später  der  Operation  den  Platz  freigibt.  Des¬ 
halb  kann  man  bei  neurasthenischen  Frauen,  die  an  Retroflexio 
leiden,  nur  das  Prinzip  haben,  ihnen  die  Falschlage  des  Uterus 
nicht  zu  verheimlichen,  deren  Bedeutungslosigkeit  aber  ein¬ 
dringlich  vor  Augen  zu  führen  und  die  Allgemeinbehandlung 
als  das  einzig  Richtige  vorzustellen.  Gewinnt  man  dann  den 
Eindruck,  dass  die  Patientin  ihrer  Retroflexio  trotzdem  nach¬ 
hängt,  dann  nur  Operation,  kein  Pessar! 

Wenn  wir  also  den  Grundsatz  aufstellen:  bei  Vorfällen  nur 
Operation,  bei  mobilen  Retroflexionen  Allgemeinbehandlung 
oder  Operation,  so  hat  doch  jede  der  beiden  Lageverände¬ 
rungen  eine  Ausnahme  von  dieser  Regel  aufzuweisen.  Bei  der 
mobilen  Retroflexio  ist  es  die  im  Wochenbett  nach  rückwärts 
gesunkene  Gebärmutter,  bei  der  immer  Aufrichtung  und  Ein¬ 
legen  eines  Hodgepessars  für  einige  Wochen  genügt,  um  auf  die 
fortschreitende  postpuerperale  Involution  dahin  einzuwirken, 
dass  dauernd  die  Restitutio  ad  integrum  erreicht  wird. 

Dasselbe  begünstigende  Moment,  die  Involution  der  Geni¬ 
talien,  kommt  der  zweiten  Ausnahme  zu  statten,  nämlich  dem 
senilen  Totalprolaps.  Auch  hier  kann,  wenn  durch  ein  pas¬ 
sendes  Pessar  der  Vorfall  eine  Zeitlang  gründlich  zurück- 
gehalten  worden  ist,  wenn  die  Genitalien  längerhin  in  normaler 


Lage  in  der  Bauchhöhle  erhalten  worden  sind,  die  senile 
Schrumpfung  so  heilend  einwirken,  dass  der  Vorfall  gänzlich 
beseitigt  bleibt.  Durch  Behandlung  mit  dem  Menge  sehen 
Keulenpessar  habe  ich  eine  Anzahl  Matronen,  die  unter  ihren 
grossen  Vorfällen  bedauerlich  litten,  nicht  nur  von  ihren 
Leidenszuständen,  sondern  von  dem  Vorfall  befreit  werden 
sehen,  so  dass  das  Pessar  überflüssig  wurde.  Auch  von  anderer 
Seite  wurden  mir  diese  günstigen  Erfolge  bestätigt.  Das 
Keulenpessar  hält  eben  wie  kein  anderes  den  gesamten  Vor¬ 
fall,  in  Sonderheit  die  Rekto-  und  Zystozele  zurück,  was  auf 
die  Wirkung  der  Keule  zu  beziehen  ist,  die  durch  ihre  relative 
Länge  und  Umfänglichkeit  dem  Pessar  die  richtige  Lage  in  der 
konischen,  senilen  Vagina,  die  keine  Scheidengewölbe  mehr 
besitzt,  erzwingt.  Wie  rasch  die  senile  Gewebsschrumpfung 
beim  Tragen  eines  geeigneten  Pessars  die  Heilung  des  Vor¬ 
falls  in  die  Wege  leitet,  beweist  ein  uns  berichteter  Fall,  wo 
nach  nur  zweijährigem  Tragen  des  Keulenpessars  unterhalb 
desselben  eine  so  hochgradige,  ringförmige  Verengerung  der 
Scheide  aufgetreten  war,  dass  der  behandelnde  Arzt  zur  Ent¬ 
fernung  des  Ringes  die  Durchtrennung  desselben  mit  der 
G  i  g  1  i  sehen  Drahtsäge  vornehmen  musste. 


Ich  selbst  habe  bei  einer  allerdings  bereits  Siebzigjährigen, 
die  das  Keulenpessar  nur  kurze  Zeit  getragen,  und  bei  der  der 
allmonatliche  Ringwechsel  eine  zunehmende  Verengerung  der 
Vagina  deutlich  erkennen  liess,  das  Pessar  eben  noch  ohne  der¬ 
artige  Zerstückelung  herausnehmen  können,  als  es  aus  äusseren 
Gründen  einmal  zwei  Monate  lang  in  situ  geblieben  war. 

Dass  das  Pessar  überhaupt  einen  weitgehenden  Ankiang 
gefunden,  erhellt  daraus,  dass  Frauen  mit  zur  Operation  indi¬ 
zierten  Vorfällen  eigens  der  neuen  Pessars  wegen  zugereist 
kamen2 3)-  Herr  Prof.  Menge  hat  zur  Erleichterung  des  Ein¬ 
setzens  und  Entfernens  der  Keule  neuerdings  eine  kleine  Zange 
bei  Alex.  Schädel  in  Leipzig  anfertigen  lassen,  die,  wie  die 
Abbildung  zeigt,  durch  Cremaillere  fest  schliesst  und  die  Keule 
durch  konform  gebogene,  gefensterte  Löffel  umklammert.  Wenn 
man  sich  mit  zwei  Fingern  den  in  die  Vagina  eingeführten 
Ring  des  Pessars  fixiert,  gelingt  dann  mit  Hilfe  dieser  kleinen 
Zange  die  Applikation  oder  Entfernung  der  Keule  spielend  leicht. 


Aus  der  Kinder-Poliklinik  und  -Klinik  der  Universität  Strassburg 
(Direktor:  Prof.  Dr.  O.  K  o  h  t  s). 

Vergleichend-therapeutische  Versuche  bei  Rachitis.1) 

Von  Dr.  Paul  S  i  1 1 1  e  r,  Assistenten  der  Klinik. 

M.  H. !  Solange  uns  die  Aetiologie  der  Rachitis  noch  un¬ 
bekannt  ist,  so  lange  wird  auch  deren  Therapie  naturgemäss 
sich  auf  rein  empirischem  Gebiete  bewegen  müssen.  Und 
dass  diese  Therapie  das  ihr  gesteckte  Ziel  noch  nicht  erreicht 
hat,  beweisen  die  fortwährenden  Anpreisungen  von  neuen 
therapeutischen  Agentien  gegen  Rachitis.  Nur  ein  Mittel  hat 
sich  bei  der  grösseren  Mehrzahl  der  Aerzte  während  einer 
längeren  Zeitdauer  Geltung  zu  verschaffen  gewusst,  der  von 
K  a  s  s  o  w  i  t  z  empfohlene  Phosphorlebertran,  und  auch  dieses 
Mittel  geniesst  keine  unbeschränkte  Anerkennung  (H  e  u  b  n  e  r, 
Zweifel1').  Von  dieser  vielfach  erprobten  Wirksamkeit  des 
Phosphorlebertrans  ausgehend,  sind  dann  in  der  neueren  Zeit 
zahlreiche  von  der  chemischen  Industrie  hergestellte,  besonders 
organische  Phosphorpräparate  gegen  Rachitis  versucht  worden 
und  mangels  geeigneter  Messmethoden  blieb  es  dann  dem 
subjektiven  Ermessen  eines  jeden  einzelnen  überlassen, 
zu  beurteilen,  ob  ein  Versuch  mit  diesen  Mitteln,  der  sich  oft 
nur  auf  eine  minimale  Anzahl  von  Kindern  erstreckte,  von 
therapeutischem  Erfolg  begleitet  war  oder  nicht. 

Ehe  ich  Ihnen  meine  Versuche  schildere,  die  ich  in  den  8  Mo¬ 
naten  Oktober  1906  bis  Mai  1907  an  der  Kinderpoliklinik  und  auf 
der  Kinderklinik  (wo  ich  genauere  Messungen  machen  konnte)  an¬ 
gestellt  habe,  möchte  ich  Ihnen  die  Methoden  beschreiben,  mit  denen 
ich  versucht  habe,  einige  der  hauptsächlichsten  rachitischen  Skelett- 
difformitäten  und  deren  Veränderungen  zu  messen. 

Die  rachitische  Kyphose,  eines  der.  Symptome,  welches  am 
schnellsten  auf  eine  geeignete  Therapie  hin  reagiert,  habe  ich  da¬ 
durch'  gemessen,  dass  ich  2  (an  ihren  Enden)  durch  ein  Scharnier¬ 
gelenk  verbundene,  gerade  Stäbe  in  einer  vertikalen  Ebene  so  an  den 
Rücken  anlegte,  dass  die  beiden  Schenkel  des  hierdurch  gebildeten 
Winkels  sich  an  die  mittleren  Brust-  und  Kreuzwirbeldornen  tan¬ 
gential  anlegten,  während  das  Scharniergelenk  sich  in  der  Höhe  des¬ 
jenigen  Wirbels  befand,  wo  die  Kyphose  am  stärksten  war,  also 
meistens  in  der  Höhe  der  Lendenwirbelsäule.  Die  Grosse  des  Win¬ 
kels  wurde  mit  dem  Winkelmesser  (Transporteur)  bestimmt. 


Zur  Messung  der  Stärke  der  Kraniotabes  habe  ich  mir  folgendes 
Instrument  konstruieren  lassen3)  (siehe  Eig.  l):  In  einem  Ringe  (a) 
—  mit  einem  Fussgestell  (b)  —  ist  verschieblich  eine  Hülse  (c),  deren 


2)  Eine  für  uns  durchaus  unerwünschte  Folge  seiner  Beliebtheit, 
da  wir  daran  festhalten,  dass  der  operable  Prolaps  operiert  werden 
muss. 

D  Nach  einem  Vortrag  im  Assistentenverein  Strassburg. 

2)  Heubner:  Lehrbuch  der  Kinderheilkunde,  Bd.  I.,  2.  Aufl., 
1906.  Zweifel:  Rachitis,  Leipzig  1900. 

3)  Dies  und  das  in  Fig.  2  abgebildete  Instrument  wurden  von 
Instrumentenmacher  W  a  1  b  und  H  e  e  r  1  e  i  n  -  Strassburg  i.  E.  ange¬ 
fertigt. 


3* 


1436 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Inneres  eine  Feder  enthält,  welche  durch  einen  Stempel  (d)  von 
oben  her  zusammendriickbar  ist.  Den  Druck  des  Stempels  auf  die 
Feder  in  Kilogrammen  zeigt  eine  an  der  Hülse  (c)  befindliche  Skala 
an.  Das  Instrument  wird  so  auf  den  zu  messenden  weichen  Schädel¬ 
knochen  aufgesetzt,  dass  der  unterste  Teil  der  Hülse  (c)  —  Durch¬ 
messer  1  cm  —  auf  einer  markierten  Stelle  aufsteht.  Das  Fuss- 
gestell  (b)  des  Ringes  (a)  ruht  auf  dem  umgebenden  Knochen  und 
fixiert  damit  den  Ring.  Die  Messung  erfolgt  in  der  Weise,  dass 
bei  fixiertem  Ringe  (a)  der  Stempel  (d)  in  die  Hülse  (c)  einge¬ 
drückt  wird,  wobei  der  Druck  notiert  wird,  bei  dem  die  Hülse  sich 
eben  im  Ringe  nach  unten  zu  verschieben  anfängt,  d.  h.  der  Mini¬ 
maldruck  in  Kilogrammen  und  Bruchteilen  davon,  welcher  .eben 
nötig  ist,  um  eine  weiche  Stelle  eines  'Schädelknochen  einzudrücken. 

Schwieriger  zu  messen  sind  die  Variationen  an  den  Epiphysen¬ 
auftreibungen  und  der  rachitische  Rosenkranz,  weil  eine  Verände¬ 
rung  dieser  Auftreibungen  naturgemäss  nur  in  sehr  langsamen  Tempo 
vor  sich  geht.  Für  die  Epiphysen  bediente  ich  mich  eines  gewöhn¬ 
lichen  sogenannten  Kalibermasses,  wie  es  in  der  Technik  zur  Mes¬ 
sung  von  Draht-  oder  Röhrendicken  vielfach  Verwendung  findet,  und 
welches  auf  Millimeter,  nötigenfalls  auf  A  und  Vs  Millimeter  geeicht 
ist.  Mit  diesem  Kalibermass  wurde  der  längste  (und  event.  kleinste) 
Durchmesser  der  Epiphyse  und  ein  paralleler  Durchmesser  an  der 
zugehörigen  Diaphyse  da  bestimmt,  wo  sie  am  dünnsten  war  und 
jedesmal  beide  Durchmesser  und  besonders  deren  Differenz  notiert, 
um  bei  den  Messungen  in  der  Zwischenzeit  etwa  eingetretene  Aende- 
rungen  an  der  Dicke  der  Weichteile  über  den  Knochen  zu  eliminieren. 

Die  Auftreibungen  der  Rippenknorpelknochengrenze  wurden 
mittels  folgenden  Instrumentes  gemessen:  In  dem  Viertelsbogenstiicke 
(a)  eines  Kreises  von  5  cm  Radius  befinden  sich  in  Abständen  von  je 
45 0  drei  in  radialer  Richtung  nach  aussen  verschiebliche  Mass- 
stäbe  (b),  deren  Millimeterteilung  so  eingerichtet  ist,  dass  der  Null¬ 
punkt  der  Teilung  dann  abgelesen  werden  kann,  wenn  die  2  mm 
breite  Spitze  (c)  des  Massstabes  genau  im  Zentrum  des  Kreisbogens 
steht  (siehe  Fig.  2).  Dieses  Instrument  wird  (in  einer  zur  Rippe 


senkrechten  Ebene)  so  an  die  zu  messende  Rippenverdickung  gelegt, 
dass  der  mittlere  von  den  3  Massstäben  senkrecht  auf  der  Körper- 
oberfläche  des  Kindes  steht  und  die  2  anderen  Massstäbe  möglichst 
die  Rippenauftreibung  so  berühren,  dass  zwischen  ihren  Endpunkten 
(Spitzen)  der  grösste  Durchmesser  der  Auftreibung  liegt.  Die  Mes¬ 
sungen  mit  diesem  Instrument  ergeben  etwas  weniger  objektive  Re¬ 
sultate  als  die  vorhergehenden,  weil  das  Resultat  hier  viel  mehr  von 
der  Genauigkeit  abhängt,  mit  der  das  Instrument  auf  die  Rippenver¬ 
dickung  aufgesetzt  wird.  Doch  gewöhnt  sich  ein  und  derselbe  Unter¬ 
sucher  nach  einiger  Uebung  leicht  daran,  die  Messung  immer  in  der 
gleichen  Weise  auszuführen,  so  dass  seine  Resultate  untereinander 
ohne  weiteres  vergleichbar  sind  und  somit  auch  einen  eventuellen  Er¬ 
folg  der  Therapie  erkennen  lassen. 

Meine  Versuche  erstreckten  sich  auf  ein  Material  von 
über  200  Kindern  mit  mehr  oder  weniger  schweren,  zum  Teil 
sogar  sehr  schweren  Symptomen  von  florider  Rachitis.  — 
Angewandt  habe  ich  folgende  Präparate: 


mehrmals  täglich  je 


1 — 3  mal 
tägl.  0,1  g 


Eisen  in  Form  von  Liq.  ferri  albuminat. 

zu  10—20  Tropfen 

und  Ti  net.  ferri  pomat.  zu  4—5  Tropfen  /  nach  dem  Alter 
Chlorkalium  (Kalium  chloratum)  1 — 2 mal  tägl.  0,1  g. 
Glyzerinphosphorsaures  Kalium 
„  Natrium 

„  Kalzium 

„  Eisen 

Lezithin  in  Tabletten  ä  0,025  g  zu  2 — 4 
Carniferrin  in  Pulvern  von  0,1 — 0,2  g  tägl. 

Acidum  n u dein i cum  aus  Hefe  dargestellt 
Acidum  nucleinicum  animale 
Natrium  nucleinicum 
Ferrum  nucleinicum 

Phosphorlebertran  (0,01:100,0)  1 — 2  Theelöffel 
Phytin  0,5— 1,0  pro  die. 


in  50  proz. 
Lösungen 

als  Pulver 

Stück  tägl. 


als  Pulver  zu  0,1 
bis  0,4  g  tägl. 

tägl. 


Dieser  empirischen  Auswahl  der  Präparate  lag  die  r  e  i  n 
theoretische  Betrachtung  zu  gründe,  dass  natürlich  ge¬ 
nährte  Kinder  in  viel  geringerem  Verhältnis  an  Rachitis  (und  be¬ 
sonders  selten  an  deren  schweren  Formen)  erkranken,  als  künst¬ 
lich  (mit  Kuhmilch)  genährte.  Es  war  also  von  Interesse,  der  Reihe 
nach  zu  untersuchen,  ob  die  therapeutische  Verabreichung  einiger 
in  der  Frauenmilch  in  grösserer,  in  der  Kuhmilch  in  kleinerer  Menge 
vorhandenen  Stoffe  einen  Einfluss  auf  die  Rachitis  auszuiiben  ver¬ 
möchte,  und  verschiedene  Kinder  mit  verschiedenen  Präparaten  gleich¬ 
zeitig  und  nebeneinander  zu  behandeln.  Insbesondere  kamen  die 
anorganischen  und  die  phosphorhaltigen  organischen  Bestandteile 
in  Betracht:  Eisen  findet  sich  in  Frauen-  und  in  Kuhmilch  fast  in 
gleicher  Menge,  wird  aber  aus  ersterer  besser  resorbiert  als  als 
aus  Tiermilch  (Krasnogorsky4).  —  Natriumoxyd  findet  sich 
in  Kuhmilch  über  3  mal  soviel  wie  in  Frauenmilch,  Kaliumoxyd 
ca.  2Y2  mal  soviel.  Es  ist  daran  zu  denken,  dass  die  grössere  Kalium¬ 
menge  der  Kuhmilch  eine  erhöhte  Natrium-  und  Chlorausscheidung 
im  Säuglingsharn  zur  Folge  hat  (cf.  Bunge5 *),  und  dass  dadurch 
(auf  dem  Wege  einer  Verminderung  der  Kalziumresorption)  der 
rachitische  Prozess  ausgelöst  werden  könne,  wie  Seemann,  Zan¬ 
der0)  und  Zweifel  (1.  c.)  gemeint  haben,  eine  Hypothese  die 
hinfällig  geworden  ist  durch  den  Nachweis,  dass  „bei  der  Rachitis 
der  Kalkgehalt  der  weichen  Organe  nicht  vermindert  ist“  (Stöltz- 
ner  1.  c.)  Auf  Grund  dieser  Hypothesen  war  die  therapeutische 
Anwendung  von  Kochsalz  empfohlen  worden. — Zweitens  ist  im  Gegen¬ 
satz  hierzu  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  nach  den  meisten 
neueren  Aschenanalysen  das  Verhältnis  von  Kaliumoxyd  zu  Natrium¬ 
oxyd  in  Frauenmilch  grösser  als  3:1  ist,  während  es  in  der  Kuh¬ 
milch  nur  2Vz  :  1  und  darunter  beträgt;  und  da  Jacques  L  ö  b 7) 
in  seinen  Versuchen  am  Froschmuskel  gezeigt  hat,  dass  den  Ka¬ 
liumionen  eine  antagonistische  Wirkung  gegenüber  Natriumionen  zu¬ 
kommt,  so  könnte  vielleicht  ein  verhältnismässiger 
Mangel  an  Kalium  bei  der  höheren  Zahl  der  Erkrankungen  von  Kuh¬ 
milchkindern  an  Rachitis  eine  Rolle  spielen;  aus  diesem  Grunde  habe 
ich  durch  Eingeben  von  Chlorkalium  bei  Kuhmilchkindern  das 
Verhältnis  K  :  Na  dem  der  Frauenmilch  ähnlicher  zu  machen  versucht. 
Das  Chlorsalz  wurde  hierzu  gewählt,  um  den  Natriumstoffwechsel 
möglichst  wenig  zu  beeinflussen.  —  Drittens  könnte  (neben  anderen 
Faktoren)  der  de  facto  höhere  Kaliumgehalt  der  Kuhmilch  auch 
direkt  auf  den  rachitischen  Prozess  einwirken,  wie  es  meine  unten 
angeführten  schlechten  Resultate  mit  KCl  annehmen  lassen  (cf.  auch 
H.  Aron,  Pflügers  Archiv,  Bd.  106,  pag.  91).  Esser8) 
hat  kürzlich  die  Aetiologie  der  Rachitis  in  alleiniger  Ueberfiitterung 
(besonders  mit  Milch)  sehen  zu  müssen  geglaubt.  Nun  ist  Milch,  be¬ 
sonders  Kuhmilch,  ja  ein  verhältnismässig  sehr  kalireiches  Nahrungs¬ 
mittel.  Ich  kann  hinzufügen,  dass  ich  häufig  bei  Mehlkindern 
schwere  Formen  von  Rachitis  sah,  und  gerade  die  zur  Kinderernäh¬ 
rung  gebräuchlichen  Mehle  zeichnen  sich  durch  einen  hohen  Gehalt 
an  Kali  aus. 

Weiter  als  ätiologisches  Moment  könnten  in  Betracht  kommen  die 
in  Kuhmilch  in  viel  grösserer  Menge  vorhandenen  Magnesium¬ 
salze,  die  nach  Malcolm9)  bei  wachsenden  Tieren  den  Kal¬ 
ziumansatz  verhindern  sollen,  und  .es  wäre  interessant,  eine  the¬ 
rapeutische  Beeinflussung  der  Rachitis  durch  magnesiumarme  Nahrung 
oder,  falls  es  gelingen  würde,  in  der  Kuhmilch  die  Magnesiumsalze 
ohne  Aenderung  des  Gehaltes  an  anderen  Aschenbestandteilen  (spe¬ 
ziell  an  Ca)  zur  Ausfüllung  zu  bringen,  durch  eine  derartig  ver¬ 
änderte  Kuhmilch  zu  versuchen. 

Der  Phosphorgehalt  der  Frauenmilch  ist  besonders  in 
qualitativer  Hinsicht  ein  anderer  als  in  der  Kuhmilch.  Nach  der 
Literaturzusammenstellung  von  Gilbert  und  Posternak10)  fin¬ 
det  sich  in  der  Frauenmilch  der  Phosphor  fast  „ausschliesslich“  in 
organischer  Bindung  [Albu11)  gibt  für  Frauenmilch  77  Proz.  des 
Gesamtphosphors  als  organisch  gebunden  an,  Schlossmann12) 
eine  noch  kleinere  Prozentzahl],  während  in  der  Kuhmilch  nur 
40,8  Proz.  (Albu:  nur  27,9  Proz.)  des  Gesamtphosphors  organisch 
gebunden  sind;  und  zwar  sollen  in  der  Frauenmilch  hauptsächlich 
Nukleon  (Siegfried 13)  und  in  zweiter  Linie  Lezithin 
(Stoklasa13)  in  viel  grösserer  Menge  als  in  der  Kuhmilch  ver¬ 
treten  sein.  —  Das  im  Kasein  enthaltene  Paranuklein,  das  in  Kuhmilch 
quantitativ  überwiegt,  dürfte  nicht  so  sehr  vom  Paranuklein  des 
Frauenkaseins  verschieden  sein,  was  sich  daraus  vermuten  lässt, 
dass  Abderhalden  und  Schittenhelm 14)  beim  Abbau  von 


4)  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde,  Bd.  64.  Die  Ausnutzung  des 
Eisens  beim  Säugling. 

ft)  Bunge:  Physiologie,  II.  Bd. 

°)  Stöltzner:  Pathologie  und  Therapie  der  Rachitis,  Ber¬ 
lin  1904. 

')  Zit.  bei  Abderhalden:  Lehrbuch  der  physiologischen 
Chemie,  Berlin  1906. 

8)  Die  Aetiologie  der  Rachitis.  Münch,  med.  Wochenschr.,  No. 
17,  1907. 

”)  Zit.  bei  Abderhalden:  Physiologische  Chemie. 

10)  Gilbert-Posternak:  La  medication  phosphoree. 

Paris  1903. 

n)  Albu-Neuberg:  Mineralstoffwechsel.  Berlin  1906. 

1L’)  Schloss  mann:  Archiv  f.  Kinderheilk.,  Bd.  40,  p.  1. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


verschiedenen  Tierkasei'nen,  z.  T.  auch  bei  Menschenkase'in  die¬ 
selben  Abbauprodukte  und  in  ähnlichen  Verhältniszahlen  gefun¬ 
den  haben.  —  Als  Derivat  des  Nukleons  habe  ich  das  Carniferrin 
angewandt,  eine  (aus  Fleischextrakt  dargestellte)  Eisenverbindung  der 
Phosphorfleischsäure,  des  phosphorhaltigen  Nukleonbestandteiles. 
Von  Lezithinpräparaten  kamen  Ovo- Lezithin  (Merck)  und 
verschiedene  Salze  der  Glyzerin  phosphorsäure  zur 
Anwendung.  —  Ich  will  an  dieser  Stelle  nur  kurz  bemerken,  dass  die 
von  Stock  lasa  gefundene  Grösse  des  Lezithingehaltes  der 
Frauenmilch  von  Schlossmann  (1.  c.)  bestritten  worden  ist,  und 
dass  kürzlich  R  a  u  d  n  i  t  z 15)  die  sog.  Nukleone  für  „Kunstprodukte“ 
erklärt  hat. 

Die  Nukleinsäure  (über  deren  Verdauung  siehe  Ab¬ 
derhalden  1.  c.  pag.  313)  und  deren  Salze  (Merck  sehe  Prä¬ 
parate)  habe  ich  als  mit  dem  Nukleon  chemisch  verwandte  Sub¬ 
stanzen  in  meine  Versuche  einbezogen  und  dies  um  so  eher,  als  mir 
aus  den  histochemischen  Untersuchungen  von  G  r  a  n  d  i  s  und 
Main  in  i,  wie  sie  Stöltzner  (1.  c.)  schildert,  hervorzugehen 
scheint,  dass  gerade  die  in  den  Kernen  der  Epiphysenknorpelzellen 
vorhandenen  Phosphor-(Nuklein-)verbindungen  einen  wesentlichen 
Anteil  an  der  Verknöcherung  des  wachsenden  Knochens  nehmen. 

Phosphorlebertran  habe  ich  als  ein  bei  Rachitis  schon 
erprobtes  therapeutisches  Agens  zur  Kontrollierung  der  anderen  Prä¬ 
parate  verwandt,  während  ich  die  aus  Vegetabilien  rein  dargestellte 
organische  Phosphor  Verbindung  Phytin  zum  Vergleiche  mit  den 
übrigen  Phosphorverbindungen  beizog. 

Nährpräparate,  in  denen  meist  ein  unbekannter  phosphorhaltiger 
Körper,  eventuell  noch  andere  wirksame  Substanzen  verabreicht 
werden,  wie  z.  B.  die  jüngst  empfohlene  Hanfmehlsuppe16),  habe  ich 
nicht  angewandt. 

Es  sei  noch  besonders  hervorgehoben,  dass  bei  sämtlichen  Ver¬ 
suchen  den  Eltern  streng  angeordnet  wurde,  bei  den  behandelten  Kin¬ 
dern  keinerlei  Diätwechsel  vorzunehmen,  also  die  alte  Diät  beizu¬ 
behalten,  auch  wenn  infolge  der  verabreichten  Präparate  der  Appetit 
sich  besserte.  Ebenso  wurden  hydrotherapeutische  Massnahmen 
(Salzbäder  u.  ä.)  bei  den  Versuchen  ausgeschlossen. 

Die  Versuche  wurden  derart  durchgeführt,  dass  bei  jedem 
Patienten  während  der  Dauer  von  mindestens  1  A—2  Monaten 
und  länger,  soweit  sie  nicht  vorzeitig  der  Behandlung  entzogen 
wurden,  eines  der  Präparate  allein  oder  Kombinationen  von 
mehreren  Präparaten  gegeben  wurden. 

Bezüglich  meiner  Resultate  kann  ich  mich  kurz  fassen. 
(Auf  die  Anführung  von  einzelnen  Krankengeschichten  glaube 
ich  um  so  eher  verzichten  zu  können,  als  ich  meine  schliessliche 
Behandlungsmethode,  so  lange  sie  nicht  von  einer  grösseren 
Anzahl  von  Aerzten  an  einem  sehr  grossen  Material  nach¬ 
geprüft  ist,  nur  als  therapeutischen  Versuch  betrachtet  wissen 
möchte.)  —  Es  ist  mir,  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Nuklein¬ 
säure  und  ihrer  Verbindungen,  nicht  gelungen,  mit  einem  der 
sonst  versuchten  Präparate  (innerhalb  der  allerdings  etwas 
kurzen  Versuchszeit)  irgendwelche  Einwirkung  auf  den  rachi¬ 
tischen  Prozess  zu  erzielen.  Zwar  machte  sich  in  den  meisten 
Fällen  ein  günstiger  Einfluss  der  verabreichten  Präparate  auf 
den  Appetit  und  in  der  Folge  auf  das  Körpergewicht  bemerkbar, 
auch  habe  ich  in  vielen  Fällen  nach  Anwendung  der  glyzerin¬ 
phosphorsauren  Salze  (weniger  des  Lezithins,  das  ich  vielleicht 
in  zu  geringer  Dosis  gegeben  habe)  und  des  Carniferrins  ein 
Verschwinden  der  bei  Rachitis  oft  vorhandenen  nervösen 
Störungen  (Laryngospasmus  etc.)  gesehen,  aber  eine  Wirkung 
auf  den  Knochenprozess  schienen  mir  nur  die  Präparate  der 
Nukleinsäure  zu  haben,  und  hier  wieder  die  aus  Hefe  dar¬ 
gestellte  Nukleinsäure  schwächer  als  die  drei  anderen  Prä¬ 
parate.  —  Ein  schädlicher  Einfluss  auf  den  rachitischen  Knochen¬ 
prozess,  speziell  die  Kraniotabes,  fiel  mir  bei  Chlorkalium  auf, 
besonders  bei  Kindern  unter  2  Jahren;  in  einem  Fall  nahmen 
die  Kraniotabes  (und  der  Rosenkranz)  unter  Gebrauch  von 
täglich  0,15  KCl  innerhalb  eines  Monats  so  schnell  zu,  dass  ich 
die  weitere  Anwendung  des  Präparates  aufgab.  Das  andere 
von  mir  gegebene  Kaliumsalz  (der  Glyzerinphosphorsäure) 
hatte  keine  so  auffällige  Verschlechterung  der  Rachitis  zur 
Folge. 

Es  lag  nahe,  die  Nukleinsäure  und  deren  Salze  in  Kom¬ 
bination  mit  den  Glyzerinphosphaten  zu  geben,  der  Vollständig¬ 
keit  halber  habe  ich  auch  verschiedene  andere  Kombinationen 
der  oben  erwähnten  Stoffe  auf  ihre  Wirksamkeit  untersucht, 


13)  s.  Gilbert-Po  sternak  1.  c. 

“)  Zeitschr.  f.  physiolog.  Chemie,  Bd.  47,  1906,  p.  458. 
lj)  Handbuch  der  Kinderheilk.  von  Pfaundler-Schloss¬ 
mann,  Bd.  1,  I. 

1B)  Manchot:  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  12. 


1437 

Phosphorlebertran  mit  Eisenpräparaten,  Carniferrin  mit  Gly- 
zerinphösphaten  und  Lezithin,  Phytin  mit  den  gleichen  Prä¬ 
paraten  zusammen.  Von  diesen  zuletzt  genannten  Kombina¬ 
tionen  habe  ich  keinen  Einfluss  auf  den  rachitischen  Prozess  ge¬ 
sehen  (bei  2  älteren  Kindern  besserte  sich  die  Rachitis  etwas 
nach  Phytin  plus  Glyzerinphosphaten),  während  mir  die  gleich¬ 
zeitige  Anwendung  von  Nukleinsäure  und  nukleinsauren  Salzen 
mit  Glyzerinphosphaten  viel  besser  auf  die  Rachitis  eiu- 
zuwirken  schien,  als  Nukleinsäurepräparate  allein  (Nuklein¬ 
säure  und  Carniferrin  wirkten  nicht  besser  als  Alleinanwendung 
von  Nukleinsäure;  Natrium  nucleinum,  Calcium  glycerino- 
phosphoricum  und  Eisen  —  ausser  bei  stark  anämischen  Kin¬ 
dern  —  nicht  besser  als  Nukleinsäure-Glyzerinphosphorsäure). 
—  Am  meisten  habe  ich  gleichzeitig  verabreicht: 

Natrium  n  u  c  1  e  I  n  i  c  u  m  zu  0,2 — 0,5  g  und  Cal¬ 
cium  glycerinophosphoricum  zu  0,1—0,25  g 
(beide  als  Pulver) 

oder: 

Komprimierte  Tabletten  zu  0,1  g  Natrium  n  u  c  1  e  i  n  i  - 
cum  plus  0,05  g  Calcium  glycerinophos¬ 
phoricum  (2 — 5  Stück  täglich  je  nach  dem  Alter  der 
Kinder). 

Die  Firma  Merck-  Darmstadt  machte  mich  darauf  auf¬ 
merksam,  dass  die  Präparate  in  kalter  Lösung  (Zucker¬ 
wasser,  Milch)  oder  direkt  (Schokoladetabletten)  gegeben  wer¬ 
den  sollen.  Acidum-  oder  Ferrum  nucleinicum  in  Verbindung 
mit  Ferrum-,  Natrium-  (oder  Calcium-)  glycerinophosphoricum 
wurden  weniger  oft  gegeben,  weil  nach  den  3  ersteren  Prä¬ 
paraten  einigemal  Durchfall  auftrat,  während  mit  Natrium  gly¬ 
cerinophosphoricum  in  50  proz.  (dicklicher)  Lösung  schwerer 
zu  arbeiten  war.  Die  Empfehlung  von  glyzerinphosphorsaurem 
Kalzium  gilt  nicht  dem  Kalziumpräparat,  sondern  der  Glyzerin¬ 
phosphorsäure,  wenngleich  ich  keineswegs  den  S  i  e  g  e  r  t  - 
sehen1')  Standpunkt  vertrete,  der  vorschlägt,  man  möge  „bei 
künftigen  Versuchen,  Rachitis  experimentell  zu  erzeugen  eher 
zu  viel  Kalk  verfüttern  als  zu  wenig“.  Dagegen  möchte  ich  bei 
der  (neben  einer  medikamentösen  Therapie)  n  i  c  h  t  z  u  ver¬ 
nachlässigenden  diätetischen  Behandlung 
der  Rachitis  Nahrungsmittel  mit  starkem  Kaliumgehalte 
vermieden  wissen,  wie  Kohlarten,  Hülsenfrüchte  und  be¬ 
sonders  Kartoffeln,  die  ja  in  den  Bevölkerungsschichten, 
die  den  höchsten  Prozentsatz  von  Erkrankungen  an  Rachitis 
bieten,  eines  der  Hauptnahrungsmittel  sind. 18) 


Aus  der  I.  med.  Klinik  München  (Obermedizinalrat  Professor 

v.  Bauer). 

Tabes  und  pseudokombinierte  Strangsklerose. 

Von  Dr.  Hugo  Kämmerer,  Assistenzarzt. 

Je  eingehender  und  zahlreicher  das  Zentralnervensystem 
an  Tabes  verstorbener  Kranker  histologisch  durchmustert  wird, 
desto  öfter  vermisst  man  eine  Beschränkung  des  Krankheits¬ 
prozesses  auf  die  Hinterstränge.  Bei  einem  grossen  Bruchteil 
findet  man  andere  Fasersysteme  mit  ergriffen  und  erhält  Bilder, 
die  man  der  grossen  Gruppe  der  kombinierten  Strangsklerosen 
zuzurechnen  hat.  Da  derartige  Fälle  aber  schon  ziemlich  zahl¬ 
reich  beschrieben  sind,  würde  es  sich  kaum  verlohnen,  einen 
einzelnen  Fall  zu  publizieren,  wäre  es  nicht  interessant,  auf 
zwei  fast  konstante  klinische  Symptome  hinzuweisen,  aus  denen 
man  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  Schlüsse  auf  das 
anatomische  Verhalten  ziehen  kann. 

Ich  möchte  daher  in  aller  Kürze  auf  folgenden  Fall  ein- 
gehen: 

Im  März  1905  wurde  die  49  Jahre  alte  Kistenhändlersfrau  R.  Sch. 
ins  Krankenhaus  gebracht.  Sie  gibt  an,  vor  ca.  10  Jahren  sich  er¬ 
kältet  und  eine  Heiserkeit  zugezogen  zu  haben,  die  sich  nach  einigen 
Monaten  wieder  besserte.  Diese  Heiserkeit  stellte  sich  mehrmals 
wieder  ein  und  besserte  sich  immer  wieder,  bis  die  Patientin  schliess¬ 
lich  (vor  ca.  8  Jahren)  gänzlich  heiser  blieb.  Bei  diesem  Zustand 
fühlte  sie  sich  in  den  ersten  1%  bis  2  Jahren  ganz  wohl  und  ver- 


17)  Rhein.-westf.  Gesellsch.  f.  innere  Med.,  Februar  1905;  ref. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  13. 

18)  Meinem  verehrten  Chef,  Herrn  Prof  K  o  h  t  s,  der  mir  die 
Mittel  zu  den  vorliegenden  Untersuchungen  bewilligte,  sage  ich  auch 
an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank. 


1438 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


richtete  vollständig  ihre  Arbeit,  hatte  auch  keinerlei  Beschwerden. 
Vor  4 — 5  Jahren,  also  ca.  3  Jahre  nach  der  bestehenden  andauernden 
Heiserkeit  gesellten  sich  Schmerzen  in  den  Beinen  dazu,  die  der 
Patientin  das  Gehen  und  Stehen  erschwerten.  Diese  Schmerzen 
waren  bei  Nacht  erheblich  ärger,  die  Kranke  hatte  dabei  das  Gefühl, 
als  ob  ihr  jemand  mit  einem  Messer  in  die  Ober-  und  Unterschenkel 
stechen  würde  und  zwar  bald  hier  bald  dort.  Gleichzeitig  hatte  sie 
das  Gefühl,  als  wenn  ihr  jemand  die  Taille  mit  grosser  Gewalt  zu- 
schnüre  und  über  den  Leib  abschneiden  wolle.  Die  stechenden 
Schmerzen  in  den  unteren  Extremitäten  konnte  sie  durch  Einger¬ 
druck  zeitweise  beseitigen.  Ausserdem  litt  Patientin  viel  an  Kopf¬ 
schmerzen.  In  der  Zeit  der  Anfälle  fiel  ihr  das  Gehen  schwer,  in  der 
anfallsfreien  Zeit  ging  es  besser  damit. 

Bis  März  1905  konnte  sie  m  i  t  U  n  t  e  r  s  t  ü  t  z  u  n  g  noch 
einigermassen  gehen.  Seit  dieser  Zeit  k  ö  n  ne  sie 
weder  gehen,  noch  stehen.  Die  oben  erwähnten  Schmerzen 
habe  sie  jetzt  nicht  mehr,  nur  manchmal  in  weit  geringerem  Masse. 
Patientin  sucht  jetzt  das  Krankenhaus  auf,  weil  sie  unfähig 
ist  zu  gehen  und  zu  stehen,  den  Urin  anzuhalten  und  zu 
entleeren.  Auch  den  Stuhlgang  könne  sie  nicht  immer  anhalten  und 
willkürlich  entleeren.  Ausserdem  bestehe  hartnäckige  Verstopfung. 
Frühere  Krankheiten:  Typhus  im  Alter  von  6  Jahren,  Gesichtsrose 
mit  24  Jahren.  Die  Periode,  früher  stets  regelmässig,  sistiert  seit 
dem  45.  Lebensjahre.  Potatorium  negiert.  Geschlechtliche  Infektion 
negiert. 

Objektiver  Befund.  Die  Kranke  ist  mittelgross,  von 
leidlichem  Knochenbau,  massig  entwickelter  Muskulatur  und  geringem 
Fettpolster,  etwas  blässer  Gesichts-  und  Hautfarbe.  Das  Sensorium 
ist  frei.  An  der  Haut  keine  Exantheme,  keine  Drüsenschwellungen, 
keine  Narben.  Die  Kopfhaare  stehen  dünn,  jedoch  kein  deutlicher 
Haarausfall.  Am  Hals  Strumabildung  geringen  Grades. 

Die  Stimme  ist  klanglos.  Die  Laryngoskopie  ergibt 
doppelseitige  Rekurrenslähmung.. 

Die  inneren  Organe  bieten  keinen  bemerkenswerten  krank¬ 
haften  Befund.  Keine  Aorteninsuffizienz  oder  Aneurysma. 

Nervensystem:  Fazialis  im  oberen  wie  im  unteren  Teil  in¬ 
takt.  Beweglichkeit  der  Lider  und  Bulbi  ungestört. 

Die  Pupillen  sind  mittelweit,  die  rechte  deutlich 
weiter  als  die  linke.  Beide  reagieren  auf  Lichteinfall  und 
Konvergenz,  aber  beide  etwas  träge.  Ophthalmoskopischer 
Befund  ohne  Abweichung. 

Die  Sensibilität  und  Motilität  im  Trigeminusgebiet  ist  intakt. 
Gehör  ohne  Störungen.  Beweglichkeit  der  Zunge  gut,  keine  Zungen¬ 
atrophie.  Schlingbewegungen  ohne  Störung,  Wirbelsäule  normal. 
Incontinentiaurinaeetalvi.  An  den  beiden  oberen  Extremi¬ 
täten  kein  Tremor,  keine  Störung  der  aktiven  Beweglichkeit  und  der 
Sensibilität,  aber  hochgradige  Ataxie.  Muskulatur  schlaff, 
passive  Beweglichkeit  gut.  Keine  Atrophie  an  den  Muskeln  der 
oberen  Extremität.  An  den  beiden  unteren  Extremitäten  findet  sich 
zwar  keine  ausgesprochene  Atrophie  der  Muskulatur,  doch  besteht 
ein  ziemlich  hoher  Grad  von  Hypotonie.  Die  grobe  Kraft  an  der 
unteren  Extremität  ist  äusserst  gering.  Aktive  Bewegungen  können 
zwar  gut  ausgeführt  werden,  jedoch  besteht  hochgradige  Ataxie. 
Astasie  und  Abasie.  Die  Sensibilität  der  unteren  Extremi¬ 
täten  zeigt  sich  für  Berührungsempfindungen  ohne  wesentliche  Stö¬ 
rungen,  die  Schmerzleitung  scheint  verlangsamt,  die  Schmerzempfin¬ 
dung  eher  gesteigert  zu  sein.  Es  bestehen  Nachempfindungen  und 
Doppelempfindungen.  Sehnenreflexe  der  oberen  Extremität  sind  nicht 
auslösbar.  Bab  inskischer  Zehenreflex  positiv.  Die 
Patellarreflexe  fehlen  beiderseits,  ebenso  die  Achilles¬ 
sehnenreflexe.  Bauchdeckenreflex  nicht  auslösbar.  Vasomotorische 
und  trophische  Störungen  sind  nicht  vorhanden.  Temperatur  normal. 

Urin:  stark  trüb,  von  stechendem  Geruch  und  alkalischer  Re¬ 
aktion.  Menge  700  ccm,  spezifisches  Gewicht  1012.  Im  Sediment 
massenhaft  Schleim-  und  Eiterzellen,  Tripelphosphatkristalle. 

Ohne  näheres  Eingehen  auf  den  weiteren  Krankheitsverlauf, 
der  im  grossen  und  ganzen  keine  wesentliche  Aenderung  des 
Nervenbcfundes  brachte,  sei  nur  berichtet,  dass  die  Kranke 
schliesslich  an  den  Folgen  einer  aufsteigenden  Pyelonephritis 
zugrunde  ging. 

An  dem  klinischen  Bilde  dieses  Falles  fällt  ausser  den 
typischen  Tabessymptomen  hauptsächlich  dreierlei  auf:  Die 
Rekurrenslähmung,  die  hochgradige  motorische  Schwäche  der 
Beine  und  das  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Phänomen. 

Erstere  ist  ja  bei  der  Tabes  ein  seltener,  aber  keineswegs 
ungewöhnlicher  Befund.  So  hat  Oppenheim1)  schon  im 
Jahre  1888  eingehend  Degeneration  des  Vaguszentrums  in  der 
Medulla  oblongata  und  daraus  resultierende  Rekurrenslähmung 
beschrieben.  Unser  Fall  bereitete  uns  jedoch  bei  der  Obduk¬ 
tion,  wie  wir  sehen  werden,  eine  unvermutete  Ueberraschung. 

Auf  die  beiden  anderen  Symptome  ist  etwas  näher  ein¬ 
zugehen.  B  a  b  i  n  s  k  i  sprach  auf  dem  medizinischen  Kongress 


J)  Arch.  f.  Psych.,  Bd.  XX,  vgl.  auch  Cahn:  Arch.  f.  klin. 
Med.,  Bd.  73. 


des  Jahres  1900  in  Paris  die  Meinung  aus,  dass  die  nicht  seltene 
Verbindung  der  Pyramidenseitenstrang-Degeneration  mit  der 
Tabes  von  den  Klinikern  häufig  nicht  diagnostiziert  würde. 
A'lan  erwarte  sich  bei  der  Läsion  der  Pyramidenstränge  eben 
immer  spastische  Kontrakturen  und  Erhöhung  der  Sehnen- 
reflcxe,  was  jedoch  bei  der  Verbindung  mit  Tabes  meist  fehle. 
Bekanntlich  hat  besonders  Westphal  betont,  dass,  sobald 
sich  die  Erkrankung  der  Seitenstränge  bis  ins  Lendenmark 
herab  fortsetze,  Rigidität  der  Muskulatur  und  Kontrakturen 
nicht  eintreten,  sondern  im  Gegenteil  motorische  Schwäche, 
resp.  Lähmungen.  B  a  b  i  n  s  k  i  hebt  nun  ausdrücklich  hervor, 
dass  in  solchen  Fällen  das  nach  ihm  benannte  Phänomen  auf 
ein  Ergriffensein  der  Pyramidenbahnen  hinweise.  Mills-), 
Collier :1),  Oppenheim* 3 4),  Kattwinkel "),  Crou- 
z  o  n  “)  u.  a.  bestätigen  diese  Ansicht.  Motorische  Schwäche 
der  Beine  an  und  für  sich  kennen  wir  als  ein  regelmässiges 
Symptom  des  sogen.  3.  Stadiums  der  Tabes.  In  Verbindung 
mit  positivem  Babinski  wird  abe‘r  eine  derartig  hochgradige 
und  frühzeitig  eingetretene  Unfähigkeit  zu  gehen  und  zu  stehen, 
wie  bei  unserer  Kranken,  zu  denken  geben. 

Wir  finden  also  bei  unserem  Fall  zwei  Symptome,  die  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  Mitergriffensein  der  Pyramiden¬ 
seitenstränge  hinweisen;  es  kann  die  Wahrscheinlichkeits¬ 
diagnose  auf  die  tabische  Form  der  kombinierten  Strang¬ 
sklerose  gestellt  werden,  von  der  .Crouzon5)  zusammen¬ 
fassend  sagt:  La  forme  de  la  sclerose  combinee  qui  simule  le 
tabes  vulgaire  peut  etre  distinguee  par  trois  symptömes:  la 
demarche  avec  trainement  des  jambes,  la  paraplegie,  le  pheno- 
mene  des  orteils  (signe  de  Babinski).  Chacun  de  ces  symptömes 
a  une  valeur  presque  pathognomique  par  lui  seul;  mais  l'asso- 
ciation  de  deux  ou  des  trois  symptömes  donne  une  plus  grande 
certitude  au  diagnostic. 

Die  Sektion  des  Falles  ergab  keinen  bemerkenswerten 
krankhaften  Befund  der  inneren  Organe. 

Der  in  vivo  kaum  bemerkte  Kropf  entpuppte  sich  als  ziemlich 
grosse,  z.  T.  substernale  Struma,  die  Trachea  und  Oeso¬ 
phagus  fast  ringförmig  umschnürte  und  die  beider¬ 
seitigen  Nervi  recurrentes  stark  komprimierte 
ja  förmlich  platt  drückte.  Die  Rekurrenslähmung  war  also 
eine  periphere  und  hatte  mit  dem  tabischen  Prozess  nichts  zu 
schaffen.  Dementsprechend  wurde  auch  in  der  Medulla  oblongata 
keine  Veränderung  des  Vaguszentrums  nachgewiesen. 

Blase,  Ureteren  und  Nieren  boten  das  Bild  aufsteigender  Pyelo¬ 
nephritis. 

Rückenmark:  Im  sehr  verdickten  und  mit  dem  Mark  viel¬ 
fach  verwachsenen  Duralsack  eine  reichliche  Menge  grauweisslicher 
Flüssigkeit.  Rückenmark  selbst  schmal,  Zeichnung  der  Hinterstränge 
und  rechten  Seitenstränge  gelbgrau.  Substanz  ziemlich  weich. 

Gehirn:  Makroskopisch  ohne  krankhaften  Befund. 

Bulbus  und  Rückenmark  unterwarf  ich  weiterer  histo¬ 
logischer  Untersuchung.  Härtung:  Müller  sehe  Flüssigkeit. 
Färbung:  Weigert-Pal,  Hämatoxylin-Eosin. 

Es  ergab  sich  folgendes: 

Burbus:  Keine  Degeneration  im  Vaguszentrum,  sogenanntes 
Respirationsbündel  und  austretender  Stamm  des  N.  vagus  erhalten. 
Von  den  Kernen  der  Hinterstränge  abwärts  beträchtlicher  Faser¬ 
schwund  im  Funiculus  gracilis,  geringer  im  Funiculus  cuneatus. 

Oberes  Hals  mark:  Starker  Faserschwund  der  G  o  1 1  sehen 
Stränge,  der  medianen  und  der  Li  s  s  a  u  e  r  sehen  Zone,  fehlender, 
resp.  geringer  Faserschwund  in  der  kornu-kommissuralen,  mittleren 
und  hinteren  inneren  Wurzelzone.  Lateralstränge  ohne  Faser¬ 
schwund. 

Mittlere  Zervikalanschwellung:  Ebenso.  Seiten¬ 
stränge  ebenfalls  frei. 

6.  Zervikalsegment:  Sehr  starker  Faserschwund  in  den 
G  o  1 1  sehen  Strängen.  Erweiterung  der  Gefässe,  zahlreiche  Saft- 
liicken.  Starker  Schwund  der  L  i  s  s  a  u  e  r  sehen  Zone. 

3.  Dorsalsegment:  Wie  das  Vorige.  Auffallend  die  Erwei¬ 
terung  der  die  Gefässe  umgebenden  Lymphräume  in  den  Hinter¬ 
strängen. 

8.  Dorsalsegment:  Wie  das  Vorige.  Lateralstränge,  wie 
bisher  immer,  frei. 

11.  Dorsalsegment:  Besonders  in  der  medianen  Zone,  der 
mittleren  Wurzelzone  und  dem  medialen  Teil  der  hinteren  inneren 
Wurzelzone  hochgradiger  Faserschwund.  In  den  übrigen  Partien  des 


-)  Journ.  of  nerv  and  mental  dis.  1899. 

3)  Oppenheim:  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten  1902. 

')  Oppenheim:  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten  1902. 

5)  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.,  75  Bd. 

")  Crouzon:  Des  scleroses  combinees  de  la  moeile,  Paris 

190-1. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1439 


Hinterstranges  ebenfalls,  aber  weniger.  Der  Zentralkanal  ist  er¬ 
weitert  und  mit  zahlreichen  zelligen  Elementen  ausgef iillt. 

12.  Dorsalsegment:  Hinterstrang  wie  11.  Im  Seitenstrang, 
im  Qebiet  der  Pyramidenstränge  und  Umgebung,  beginnen,  nicht 
scharf  begrenzt,  die  Fasern  weniger  dicht  zu  stehen. 

I,  Lumbalsegment:  Nur  die  ikornukommissurale  Zone  ist 
wenig  betroffen,  sonst  starker  Faserschwund  wie  beim  12.  Dorsal¬ 
segment,  auch  die  Seitenstränge  verhalten  sich  wie  bei  diesem. 

3.  Lumbalsegment:  Auch  hier  besonders  auffallend  die 
starke  Gefässerweiterung  in  den  Hintersträngen.  Sonst  wie  im 
vorigen.  Kornukommissurale  Zone  nur  wenig  betroffen.  Lateral¬ 
stränge  wie  beim  2.  Lumbalsegment. 

4.  Lumbalsegment:  Starkes  Ergriffensein  der  mittleren,  der 
hinteren  und  der  L  i  s  s  a  u  e  r  sehen  Zone.  Wenig  die  kornukommis¬ 
surale  oder  vordere  Wurzelzone,  weniger  anscheinend  auch  die 
mediane  Zone.  Bekanntlich  erhalten  die  Fasern  der  letzteren  und  ein 
Teil  der  Fasern  der  ersteren  nach  der  Flechsig  sehen  Entwick¬ 
lungslehre  zuerst  ihre  Myelinscheiden.  Im  Seitenstrang  tritt  hier  ein 
ganz  deutliches  dreieckiges  Degenerationsfeld  zu  tage,  das  seine 
Spitze  gegen  den  äusseren  Winkel  der  grauen  Substanz  richtet,  mit 
seiner  Basis  den  Rand  des  Rückenmarks  erreicht,  ungefähr  dem  Pyra¬ 
midenstrang  entspricht,  aber  die  Grenzen  anscheinend  nicht  genau 
innehält.  Auch  im  Gebiet  der  Kleinhirnseitenstränge  stehen  die  Fasern 
ziemlich  dünn. 

5.  Lumbalsegment:  Im  Seitenstrang  ein  deutliches  De¬ 
generationsdreieck  im  Gebiet  der  Pyramidenstränge.  An  den  Klein¬ 
hirnsträngen  nichts  nachweisbar.  Auch  hier  ist  bei  der  Hämatoxylin- 
Eosinfärbung  sehr  deutlich  die  Erweiterung  und  zellige  Verstopfung 
des  Zentralkanals  (vgl.  Abbildung). 


L  Sakralsegment:  Das  relative  Verschontsein  der  kornu- 
kommissuralen  und  der  medianen  Zone  (dorso-mediales  Sakralbündel 
Marie)  ist  hier  sehr  deutlich.  Deutliches  Dreieck  im  Bereich  der 
Pyramidenbahnen,  wie  bei  den  vorigen  Segmenten. 

3.  Sakralsegment:  Im  Seitenstrang  dreieckiges  Feld. 

4.  Sakralsegment:  Frei  bleiben  zwei  der  Medianlinie  ent¬ 
lang  ziehende  Streifen  des  Hinterstranges,  sonst  ist  dieser  degeneriert. 
Das  laterale  Degenerationsfeld  ist  hier  nicht  mehr  sicher  nach¬ 
weisbar. 

Fast  in  der  gesamten  Ausdehnung  des  Rückenmarkes  ist  die 
Pia  mater  auf  dem  ganzen  Ouerschnitt  verdickt  und  stellenweise 
kleinzellig  infiltriert.  Die  Gefässe  zeigen  vielfach  Verdickung  der 
Intima.  Eine  deutliche  Erkrankung  von  Vorderhornzellen  war  nicht 
nachweisbar.  Degenerationen  in  den  ungekreuzten  Pyramiden¬ 
strängen  konnten  nicht  konstatiert  werden. 

Fassen  wir  den  histologischen  Befund  zusammen,  so  kon¬ 
statieren  wir  Degeneration  der  Hinterstränge  vom  Sakralmark 
bis  in  die  Medulla  oblongata  mit  starker  Beteiligung  der  G  o  1 1  - 
sehen  und  geringerer  der  Bur  dach  sehen  Stränge  und  der 
kornukommissuralen  Zone.  Etwa  vom  2.  Lenden-  bis  zum 
2.  Sakralsegment  Faserschwund  im  Gebiete  der  Pyramiden¬ 
seitenstränge,  der  sich  nicht  streng  an  dieses  Fasersystem  hält 
und  vom  4.  Lenden-  bis  1.  Sakralsegment  am  deutlichsten  als 
dreieckiges  Feld  zutage  tritt. 

Es  bestätigte  sich  also  das  aus  den  klinischen  Erscheinungen 
vermutete  anatomische  Bild.  In  den  oberen  Teilen  des  Rücken¬ 
marks  das  gewöhnliche  Bild  der  Tabes,  im  Lenden-  und  Sakral¬ 
teil  mit  partieller  Sklerose  der  Seitenstränge,  besonders  der 
Pyramidenbahnen,  kombiniert. 

Aus  der  obigen  anatomischen  Beschreibung  geht  sofort 
hervor,  dass  es  sich  nicht  um  eine  systematische,  d.  h.  ein 
ganzes  Fasersystem  und  nur  dieses  betreffende  Sklerose  han¬ 
delt,  sondern  um  das,  was  von  den  Autoren  „kombinierte 
pseudosystematische  Strangsklerose“  genannt 
wird.  Die  Beschränkung  auf  das  Gebiet  des  Pyramiden¬ 
stranges  ist  nur  eine  scheinbare,  die  Degeneration  hält  weder 
in  longitudinaler,  noch  in  transversaler  Richtung  die  Grenzen 
dieses  Fasersystems  ein. 

Es  ist  nicht  der  Zweck  dieser  Mitteilung,  auf  die  1  heorien 
über  die  Aetiologie  der  pseudosystematischen  Strangsklerose 


näher  einzugehen,  besonders  da  dies  ja  von  K  a  1 1  w  i  n  k  e  1 7) 
und  anderen  in  ausführlicher  Weise  geschehen  ist;  es  sei  nur 
erwähnt,  dass  die  Gefässveränderungen,  der  vergrösserte  und 
mit  zelligen  Elementen  verstopfte  Zentralkanal,  die  Erweiterung 
von  Lymphspalten  auf  eine  Alteration  des  lymphato-vaskulärgn 
Apparates  hinweisen  8). 

An  der  vorliegenden  Seitenstrangdegeneration  muss  sofort 
auffallen,  dass  sie  erst  im  Lendenteil  beginnt  und  ihre  grösste 
Intensität  in  der  Höhe  des  4.  Lumbal-  bis  1.  Sakralsegments 
erreicht,  also  fast  das  Aussehen  einer  aufsteigenden,  sich  nach 
oben  allmählich  verlierenden  Degeneration  der  Pyramiden¬ 
seitenstränge  hat.  Jedenfalls  ist  dadurch  eine  von  den  Zentren 
der  Pyramidenstränge  ausgehende  Degeneration  auszu- 
schliessen. 

S  t  r  ii  m  p  e  1 1 9),  der  1886  einen  ähnlichen  Fall,  bei  dem  je¬ 
doch  die  Degeneration  weiter  hinaufreichte,  veröffentlichte,  hat 
die  Ansicht,  dass  eben  sekundär  erkrankte  Pyramidenstränge 
abwärts,  primär  erkrankte  aufwärts-  degenerierten.  Bewiesen 
ist  dies  jedoch  keineswegs.  Ueberhaupt  ist  zurzeit  eine  hin¬ 
reichende  Erklärung  für  diese  eigentümliche  Erscheinung  noch 
nicht  gefunden. 

Die  Theorie  von  Gombault-Philippe10)  und  Klippel- 
D  urante*  11 )  —  retrograde  Degeneration  bei  Erkrankung  der 
Vorderhornzellen  - —  kommt  nur  dann  in  Betracht,  wenn  auch 
eine  Erkrankung  der  Vorderhornzellen  nachweisbar  ist.  Dies 
ist  jedoch  nicht  immer  der  Fall  und  konnte  auch  bei  uns  nicht 
nachgewiesen  werden. 

O  b  e  r  s  t  e  i  n  e  r 12)  hält  an  der  Degeneration  nach  Wal- 
1  e  r  fest.  Er  glaubt,  dass  leichte  lokale  Meningitiden  eine  ge¬ 
ringe  Menge  von  Pyramidenfasern  zum  Schwunde  bringen. 
Auf  diese  Weise  degeneriere  in  jedem  Segment  eine  bestimmte 
Zahl  von  Fasern,  wodurch  in  jedem  Segment  weiter  unten  eine 
Summation  eintritt.  Sind  also  z.  B.  in  drei  unter  einander 
liegenden  Segmenten  je  zwei  Fasern  zugrunde  gegangen,  so 
degenerieren  diese  nach  abwärts  und  wir  finden  im  ersten 
Segment  zwei,  im  2.  Segment  vier  und  im  3.  sechs  degenerierte 
Fasern  —  also  eine  scheinbar  nach  oben  schwindende  De¬ 
generation. 

Allein  K  a  1 1  w  i  n  k  e  1 7)  macht  mit  Recht  darauf  auf¬ 
merksam,  dass  eine  derartige  aufsteigende  Degeneration  auch 
bei  intakten  Meningen  gefunden  wurde  (V  i  e  r  o  r  d  t,  Pal). 

K  a  1 1  w  i  n  k  e  1 1S)  vermutet,  dass  im  Pyramidenstrang 
neben  den  eigentlichen  motorischen  Fasern  noch  andere,  auf¬ 
steigend  degenerierende  verlaufen.  Doch  sind  dadurch  solche 
Fälle,  bei  denen  auf  dem  Querschnitt  fast  keine  gesunde  Faser 
getroffen  wird,  schwer  zu  erklären. 

An  der  Theorie  O  b  e  r  s  t  e  i  n  e  r  s  u)  scheint  mir  die  Vor¬ 
stellung,  scheinbar  anfsteigende  Degenerationen  als  in  Wirk¬ 
lichkeit  absteigende  infolge  von  lokalen  Prozessen  (Meningitis) 
anzusehen,  besonders  deswegen  einleuchtend,  weil  sie  von  dem 
Gesetz  der  absteigenden  Waller  sehen  Degeneration  der 
Pyramidenbahnen  keine  Ausnahme  macht.  Es  müsste  ja  dieser 
lokale  Prozess  nicht  immer  gerade  eine  Meningitis  sein,  es 
könnten  ja  auch  hier  Erkrankungen  der  Blutgefäss-  und  Lymph- 
bahnen  —  im  Sinne  Pierre  Maries  —  eine  Rolle  spielen.  Bei 
unserem  Fall  fanden  sich  sowohl  meningitische-  als  Lymphweg- 
veränderungen,  doch  lässt  sich  aus  unseren  Befunden  kein 
sicherer  Stützpunkt  für  eine  der  genannten  Theorien  gewinnen. 

Aus  dem  städt.  Krankenhause  Ludwigshafen  a.  Rh. 

Zur  Therapie  der  Sepsis. 

Von  F.  Maier  in  Ludwigshafen  a.  Rh. 

Da  es  leider  eine  unbestreitbare  Tatsache  ist,  dass  die 
Therapie  der  schweren  Sepsis  jeder  Art,  trotz  mannigfacher 
Vorschläge,  im  Grund  genommen  doch  immer  noch  recht  im 
Argen  liegt,  halte  ich  mich  für  berechtigt,  einen  Fall  von  puer- 


7)  1.  c. 

s)  Guillain:  Rev.  Neurol.  1899. 

u)  Arch.  f.  Psych.,  Bd  17. 

lu)  Arch.  d.  med.  experim.  1894. 

11 )  Revue  de  Med.  1895. 

12)  Obersteiner:  Nervöse  Zentralorganc,  1896. 

13)  1.  c. 

14)  1.  c. 


Starker  Faserschwund  in  der 
mittleren,  der  hinteren  inneren 
Wurzelzone  und  der  Li  s  sau  er¬ 
sehen  Zone.  Wenig  ergriffen  die 
kornu-kommissurale  oder  vordere 
Wurzelzone. 

In  den  Seitensträngen  je  ein 
dreieckiges,  den  Pyramidensträn¬ 
gen  entsprechend.  Degenerations¬ 
feld.  Erweiterung  der  Lvmph- 
und  Gefässspalten. 


1440 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


peraler  Septikämie  zur  allgemeinen  Kenntnis  zu  bringen,  bei 
welchem  durch  die  eingeschlagene  Therapie  mit  Salizylsäure 
ein  unzweifelhafter  Heilerfolg  erzielt  wurde.  Der  Heilplan 
gründete  sich,  um  dies  kurz  vorauszuschicken,  auf  die  bekannte 
spezifische  Heilwirkung  der  Salizylsäure  bei  gewissen  sep¬ 
tischen  Erkrankungen.  Bereits  seit  längerer  Zeit  hatte  ich  an 
einer  Reihe  septischer  Patienten  Versuche  mit  diesem  Arznei¬ 
mittel  gemacht,  doch  zwang  mich  meist  die  stark  hervor¬ 
tretende  unangenehme  Wirkung  der  Salizylsäure  auf  das  Ge- 
fässzentrum  bald,  auf  derartige  Versuche  zu  verzichten.  Diesen 
IJebelstand  suchte  ich  bei  dem  zu  beschreibenden  Fall  dadurch 
zu  vermeiden,  dass  ich  die  Einzeldosis  so  niedrig  wählte,  dass 
ein  Kollaps  nicht  zu  befürchten  war.  Wiederholt  man  dann  die 
kleine  Einzeldosis  in  entsprechend  kurzer  Zeit,  so  kann  man 
unter  Vermeidung  der  unerwünschten  Nebenwirkung  dem 
Körper  das  Heilmittel  trotzdem  in  ausreichender  Menge  zu¬ 
führen.  —  Es  ist  mir  wohl  bekannt,  dass  therapeutische  Ver¬ 
suche  mit  Salizylpräparaten  bei  Sepsis  längst  gemacht  sind, 
und  dass  diese  Therapie  als  völlig  aussichtslos  längst  wieder 
verlassen  wurde.  Umso  wichtiger  erscheint  mir  gerade  des¬ 
halb  die  Veröffentlichung  eines  Falles,  bei  welchem  sich  eine 
spezifische  Heilwirkung  der  Salizylsäure  mit  Sicherheit  kon¬ 
statieren  lässt. 

Nach  diesen  unerlässlichen  Vorbemerkungen  sei  es  mir  ge¬ 
stattet,  die  Krankengeschichte  des  Falles  ausführlich  wieder¬ 
zugeben  ! 

Anamnese:  A.  St.,  ledige  Arbeiterin  aus  L.,  20  Jahre  alt. 
Patientin  wurde  vor  14  Tagen  mit  der  Zange  entbunden.  Indikation: 
Sekundäre  Wehenschwäche.  Primipara.  Eingriff  erzielt  ein  lebendes 
Kind.  Post  partum  allmählicher  Anstieg  der  mütterlichen  Tempera¬ 
tur  auf  40°.  Von  da  ab  bis  zum  Eintritt  der  Patientin  ins  Kranken¬ 
haus  remittierendes  Eieber,  zwischen  39  und  40  0  schwankend.  Keine 
Schüttelfröste.  Die  damals  vorgenommene  Austastung  des  Uterus 
erweist  denselben  als  völlig  leer,  gut  kontrahiert  und  sehr  druck¬ 
empfindlich.  Parametrien  frei.  In  der  Wand  der  Scheide  mehrere 
unbedeutende  Verletzungen  von  gutem  Aussehen.  Zervix  und  Damm 
intakt.  Im  Laufe  der  folgenden  Tage  infiltriert  sich  von  den  wahr¬ 
scheinlich  durch  die  septischen  Lochien  infizierten  Scheidenver¬ 
letzungen  aus  die  ganze  Scheide.  Ich  möchte  hier  vorausschicken, 
dass  beim  Eintritt  der  Patientin  ins  Krankenhaus  diese  Infiltration 
sich  bereits  völlig  wieder  zurückgebildet  hatte,  so  dass  nicht  anzu¬ 
nehmen  ist,  dass  das  Fieber  von  hier  ausging.  Ausserdem  bestand 
auch  die  Druckempfindlichkeit  des  Uterus  bereits,  bevor  die  Scheide 
infiziert  wurde.  Stärkerer  Eiterabgang  aus  den  Genitalien  nicht  be¬ 
obachtet.  Brüste  ohne  pathologische  Veränderungen. 

Diese  anamnestischen  Angaben  verdanke  ich  dem  Arzt  der 
Patientin. 

Am  30.  Januar  1907  wurde  Patientin  in  das  hiesige  Krankenhaus 
eingeliefert. 

Status:  Schwerkrank  aussehendes  Mädchen.  Hautfarbe  fahl, 
aschgrau.  Schleimhäute  sehr  blass.  Sensorium  erheblich  getrübt, 
ausgeprägte  Euphorie.  Atmung  rasch  und  oberflächlich.  Zunge 
trocken,  rissig,  stark  belegt.  Temperatur  axillar  39,5.  Puls  regel¬ 
mässig,  sehr  klein,  140  Schläge  pro  Minute. 

Herz:  Grenzen  normal.  An  der  Spitze  lautes  schabendes 
systolisches  Geräusch,  das  schwächer  über  allen  Ostien  hörbar  ist. 
Zweiter  Ton  überall  rein,  ziemlich  leise. 

Lungen:  Diffuse  Bronchitis  mässigen  Grades.  Sonst  keine 
pathologischen  Veränderungen. 

Die  Brüste  sind  gut  entwickelt  und  sezernieren  reichlich.  War¬ 
zen  erektil.  Kein  patholoigscher  Befund. 

Abdomen:  Etwas  eingesunken,  nirgends  druckempfindlich. 
Bauchdecken  schlaff,  starke  Striae.  Milz  stark  vergrössert,  eben 
unter  dem  Rippenbogen  palpabel.  Leber  normal.  Der  Uterus  steht 
handbreit  über  der  Symphyse  und  ist  ausserordentlich  druckempfind¬ 
lich.  Parametrien  frei,  Zervix,  Scheide,  Vulva  und  Damm  intakt. 
Lochien  triibserös,  ziemlich  übelriechend.  Blase  und  Mastdarm  funk¬ 
tionieren  normal.  Urin  enthält  etwas  Albumen,  kein  Sacharum. 

Diagnose:  Endometritis  septica,  puerperale  Septikämie. 

Therapie:  30.  I.  07.  Patientin  erhält  zunächst  etwas  Wein 
und  eine  Spritze  Kampher.  Nachdem  sich  der  Puls  etwas  gehoben 
hat,  abends  11  Uhr  abermals  eine  Spritze  Kampher  und  gleichzeitig 
0,75  g  Aspirin.  Der  prompte  Erfolg  dieser  Medikation  war  ein 
schwerer  Kollaps  mit  35,4  Temperatur,  Fazies,  fadenförmigem,  unzähl¬ 
barem  Puls.  Sofort  eine  Spritze  Moschustinktur  subkutan,  dann 
halbstündlich  Kampher. 

31.  I.  Um  3  Uhr  morgens  Schüttelfrost  und  Wiederanstieg  der 
Temperatur  auf  39,5.  Gegen  5  Uhr  morgens  hat  sich  der  Puls 
so  weit  gehoben,  dass  mit  der  Kampherverabfolgung  einstweilen 
aufgehört  werden  kann.  Im  Laufe  des  Vormittags  noch  zweimal 
prophylaktisch  je  eine  Spritze  Kampher.  Nachmittags  1  Uhr  hat 
sich  der  Puls  soweit  gekräftigt,  dass  ich  glaubte,  eine  erneute 


Aspirindosis  riskieren  zu  können.  Es  werden  0,25  g  Aspirin  genom¬ 
men  und  gut  vertragen.  Von  nun  ab  zweistündlich  dieselbe  Menge. 

1.  II.  Während  der  ganzen  Nacht  zweistündlich  0,25  Aspirin. 
Hierdurch  wird  ein  allmähliches  Absinken  der  Temperatur  auf  37° 
erreicht.  (Nachmittags  4  Uhr.)  Abends  steigt  die  Temperatur  trotz 
fortgesetzter  Aspirinverabreichung  wieder  auf  38°  an. 

2.  II.  Während  der  Nacht  fortgesetzt  Aspirin.  Morgens  8  Uhr 
Sensorium  wesentlich  freier,  Puls  lerheblich  gekräftigt  und  verlang¬ 
samt.  (110  Schläge.)  Im  Lauf  des  Vormittags  sinkt  die  Temperatur 
auf  36,5  ab.  Abends  12  Uhr.  Temperatur  37,5.  Von  nun  an  erhält 
Patientin  kein  Aspirin  mehr. 

3.  II.  Morgens  8  Uhr  ist  die  Temperatur  wieder  auf  39,8  ange¬ 
stiegen,  Puls  und  Allgemeinbefinden  erheblich  verschlechtert.  Wie¬ 
deraufnahme  der  zweistündlichen  Aspirinmedikation.  Hierdurch  wird 
ein  Absinken  der  Temperatur  auf  36,5  erreicht.  (Nachmittags  4  Uhr.) 
Abends  8  Uhr  Temperatur  37.  Von  nun  an  Lein  Aspirin 
mehr.  Abends  12  Uhr  Temperatur  38,8. 

4.  II.  Morgens  8  Uhr  Temperatur  39,5.  Puls  klein,  120  Schläge, 
Allgemeinbefinden  schlecht. 

Die  Erfahrung  der  beiden  letzten  Tage,  dass  nämlich  das  Aus¬ 
setzen  der  Aspirinverabfolgung  während  der  Nachtzeit  regelmässig 
erhebliche  Verschlimmerung  des  Zustandes  herbeiführe,  veranlasste 
mich,  das  Mittel  von  nun  an  auch  während  der  Nacht  wieder  geben 
zu  lassen.  Gleichzeitig  verstärkte  ich  die  Tagesdosis,  indem  ich  0,25  g 
einstündlich  geben  liess.  Während  der  Nacht  glaubte  ich  mit  der 
früheren  Dosierung  auskonmien  zu  können.  Der  Erfolg  war  ein 
prompter,  indem  am 

5.  II.  Die  Höchsttemperatur  38,5  betrug. 

6.  II.  Patientin  hat  trotz  der  zweistündlichen  Unterbrechung 
die  ganze  Nacht  zum  ersten  Mal  vorzüglich  geschlafen.  Puls  sehr 
gekräftigt  und  verlangsamt  (95  Schläge).  Sensorium  erheblich  freier. 
Subjektives  Befinden  sehr  gut.  Patientin  liegt  fortwährend  in  leich- 

-  tem  Schweiss.  Objektiver  Untersuchungsbefund  unverändert. 

In  der  Zeit  vom  7. — 10.  II.  trat  wieder  eine  leichte  Verschlimme¬ 
rung  ein,  indem  untertags  die  Temperatur  nicht  unter  37°  abfiel, 
abends  aber  bis  38,8  anstieg.  Daraus  schloss  ich,  dass  die  zuge¬ 
führte  Aspirinmenge  nicht  genüge,  um  ein  dauerndes  Fortschreiten 
der  Besserung  zu  erzielen.  Ich  liess  deshalb  ab  10.  II.  während  des 
Tages  stündlich  0,3  g,  nachts  zweistündlich  die  gleiche  Menge  verab¬ 
reichen.  Auch  in  dieser  Dosis  wurde  das  Mittel  gut  vertragen.  Der 
Erfolg  war  der,  dass  am 

11.  II.  die  Höchsttemperatur  37,6,  die  niedrigste  aber  36,5  be¬ 
trug. 

Es  wurde  nunmehr  am  12.,  13.,  14.  und  15.  II.  das  Mittel  in  der 
letztgenannten  Dosis  weitergegeben  und  dadurch  erzielt,  dass  ab 
14.  II.  Patientin  völlig  fieberfrei  war.  Vom  16.  II.  an  wurde  kein 
Aspirin  mehr  verabreicht,  ohne  dass  nochmals  ein  Temperatur¬ 
anstieg  erfolgt  wäre.  Der  objektive  Untersuchungsbefund  hatte  sich 
inzwischen  folgendermassen  geändert:  Am  8.  II.  war  das  Geräusch 
am  Herzen  verschwunden,  der  Puls  schwankte  zwischen  80  und  90 
Schlägen.  Der  Uterus  war  nur  noch  wenig  empfindlich.  Am  11.  II. 
war  der  Urin  zum  ersten  Mal  völlig  eiweissfrei,  die  Zunge  feucht 
und  völlig  gereinigt.  Am  12.  II.  war  die  Milz  nicht  mehr  palpabel, 
der  Uterus  völlig  unempfindlich,  die  Lochien  normal. 

Die  weitere  Rekonvaleszenz  ging  ohne  Störung  vor  sich.  Von 
Medikamenten  erhielt  Patientin  wegen  der  hartnäckigen  Milzschwel¬ 
lung  ab  25.  II.  geringe  Chinindosen  mit  bestem  Erfolg,  ab  1.  III.  etwas 
Eisen.  Am  5.  III.  verliess  sie  ohne  Zwischenfall  das  Bett,  am  11.  III. 
konnte  sie  geheilt  aus  der  Anstalt  entlassen  werden. 

Interessant  war  das  Verhalten  der  Leukozyten  in  unserem 
Falle.  Es  liess  sich  nämlich  im  Beginn  der  Behandlung  ein 
allmähliges  Ansteigen  ihrer  Anzahl  beobachten.  Der  Höhepunkt 
von  38  000  pro  cmm  wurde  am  6.  II.,  dem  zweiten  Tag  der 
beginnenden  Entfieberung,  erreicht.  Von  da  an  folgte  mit  fort¬ 
schreitender  Entfieberung  ein  rascher  Abfall:  Am  10.  II.  betrug 
ihre  Zahl  noch  18  000,  am  16.  II.,  i.  e.  am  dritten  Tag  der  völligen 
Eieberfreiheit  8000  pro  cmm.  Also  Anstieg  der  Leukozyten¬ 
zahl,  bis  die  Kraft  der  Krankheit  überwunden  ist,  dann  rascher 
Abfall.  Dieses  Verhalten  scheint  einen  Beweis  für  die  Richtig¬ 
keit  der  Anschauung  zu  erbringen,  dass  die  Hyperleukozytose 
bei  Infektionskrankheiten  gewisser  Art  als  Verteidigungsmittel 
des  Organismus  aufzufassen  sei.  Da  ferner  nach  den  Unter¬ 
suchungen  Bohlandsu.  a.  die  Salizylpräparate  zu  den  beim 
gesunden  Menschen  Hyperleukozytose  hervorrufenden  Mitteln 
zu  gehören  scheinen,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  die  Heil¬ 
wirkung  des  Aspirins  in  diesem  Fall  auf  dieser  Eigenschaft 
beruhe. 

Zum  Schluss  möchte  ich  mir  erlauben,  die  meiner  Ansicht 
nach  wichtigen  Punkte  bei  dieser  Art  der  Therapie  kurz  zu¬ 
sammenfassend  hervorzuheben : 

1.  Beginn  der  Behandlung  in  jedem  Fall  prinzipiell  mit 
kleinen  Dosen. 

2.  Prinzipielle  Verabreichung  auch  während  der  Nacht. 

3.  Vorsichtige  Steigerung  der  Dosen  im  Bedarfsfall. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1441 


4.  Prinzipielle  Verabreichung,  bis  völlige  Fieberfreiheit  er¬ 
zielt  wird. 

Bei  derartigem  Vorgehen  lässt  sich  eine  ernstliche  Schädi¬ 
gung  des  Patienten  wohl  mit  Sicherheit  vermeiden.  Eine  Be¬ 
lästigung  des  Magendarmtraktus  habe  ich  nicht  gesehen. 

Wie  sich  andere  Arten  der  Sepsis,  als  die  beschriebene 
zu  dieser  Behandlungsweise  verhalten  werden,  bleibt  abzu¬ 
warten;  darüber  bin  ich  mir  natürlich  völlig  im  Klaren,  dass 
nicht  in  allen  Fällen  ein  derartig  guter  Erfolg  zu  erzielen  sein 
wird.  Jedenfalls  aber  erscheint  mir  in  allen  ähnlich  gelagerten 
Fällen  ein  therapeutischer  Versuch  mit  Aspirin  gerechtfertigt, 
und  ös  freut  mich,  konstatieren  zu  können,  dass  bereits  in 
mehreren  Fällen  hiesige  Aerzte  die  gleiche  Behandlungsweise 
mit  gutem  Erfolg  angewendet  haben. 

Meinem  verehrten  Chef,  Herrn  Dr.  Westhoven,  möchte 
ich  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank  für  die  Ueber- 
lassung  des  Materials  und  manche  Anregung  bei  der  Arbeit 
hiemit  zum  Ausdruck  bringen. 


Eine  Veränderung  der  K  i  1 1  i  a  n  sehen  Kanüle  für  Spülung 
der  Kieferhöhle  vom  mittleren  Nasengange  aus. 

Von  Dr.  Wilh.  Qrosskopff  in  Osnabrück. 

Von  K  i  1 1  i  a  n  ist  seinerzeit  eine  sehr  zweckmässige  Kanüle 
angegeben  worden  zur  Spülung  der  Kieferhöhle  vom  mittleren  Nasen¬ 
gange  aus.  Als  eine  Unannehmlichkeit  beim  Gebrauche  derselben 

empfand  ich,  dass  die¬ 
selbe  keinen  derben, 
festen  Handgriff  hatte. 
Auf  meine  Veranlassung 
hin  hat  deshalb  die 
Firma  Windle  r,  Berlin 
dieselbe  in  der  Weise 
verändert,  dass  dieselbe 
an  ihrer  Abbiegungs¬ 
stelle  am  Naseneingang  mit  einem  soliden  festen  Handgriff  versehen 
ist.  Man  kann  so  die  Kanüle  sowohl  fester  und  ruhiger  halten,  als 
auch  bei  etwaigem  Durchstossen  der  dünnen  Knochenlamelle  grössere 
Kraft  anwenden.  Die  neue  Form  der  Kanüle  ergibt  sich  aus  oben¬ 
stehender  Abbildung. 


Aus  dem  pharmakologischen  Institute  zu  Halle. 

Zur  Streitfrage,  ob  das  abweichende  physiologische 
Verhalten  des  Digalen  (Cloetta)  bedingt  sein  kann 
durch  den  amorphen  Zustand. 

Von  Dr.  med.  Herrn.  Hildebrandt,  Privatdozent  an  der 

Universität  Halle. 

Wenn  in  einer  fundamentalen  Frage  ein  Austausch  wider- 
streitender  Ansichten  stattfindet,  kann  häufig  eine  Beobachtung 
auf  einem  weniger  verwickelten  Gebiete  klärend  wirken;  von 
diesem  Gesichtspunkte  aus  soll  kurz  über  eine  Untersuchung 
berichtet  werden,  welche  an  anderer  Stelle  ausführlich  mit¬ 
geteilt  werden  wird. 

Das  bisher  nur  in  amorphem  Zustande  bekannte  Alkaloid 
Bebeerin  ist  unlängst  von  M.  Scholtz*)  in  krystal- 
lisierter  Form  erhalten  worden  und  zwar  sowohl  die  rechts¬ 
drehende  als  auch  die  linksdrehende  Modifikation;  je  nach  Wahl 
des  Lösungsmittels  (Alkohol  bezw.  Chloroform)  gelingt  es, 
daraus  die  krystallisierte  Modifikation  wieder  zu  er¬ 
halten  oder  aber  sie  in  die  amorphe  überzuführen,  welche 
bei  gleicher  chemischer  Zusammensetzung  doch  Ver¬ 
schiedenheiten  im  Schmelzpunkt,  Löslichkeit 
und,  wie  ich  festgestellt  habe,  in  der  physiologischen 
Wirkung  zeigt,  ohne  dass  sich  eine  Verschiedenheit  des 
Molekulargewichtes  nachweisen  lässt.  Die  amorphe  Mo¬ 
difikation  ist  stets  die  stärker  wirksame,  gleichviel  ob  man 
die  linksdrehenden  oder  rechtsdrehenden  Körper  untersucht. 
Diese  Eigenschaft  der  amorphen  Modifikationen  ist  höchst 
wahrscheinlich  bedingt  durch  eine  leichtere  Resorbirbarkeit, 
zu  deren  Erklärung  rein  chemische  Momente  als  nicht  aus¬ 
reichend  betrachtet  werden  können.  Jedenfalls  ist  hier  auf  eine 
Verschiedenheit  der  Molekulargrösse,  die  etwa  eine  ver¬ 


*)  Archiv  der  Pharmazie,  Bd.  244,  S.  555  ff.  (1906).  Hier  findet 
sich  auch  bereits  eine  kurze  Mitteilung  meiner  Versuche. 


schiedene  Diffusionsfähigkeit  bedingen  könnte,  nicht  zu  re¬ 
kurrieren. 

Hiernach  würde,  auch  wenn  sich  später  die  vollständige 
Identität  des  Digalen  mit  dem  krystallinischen  Digitoxin  in 
chemischer  Hinsicht  nachweisen  lassen  sollte,  die  Tatsache  der 
verschiedenartigen  Wirkung  nichts  Auffallendes  mehr  haben. 
Solange  dieser  Nachweis  nicht  erbracht  ist,  kann  nur  die 
Möglichkeit  zugegeben  werden,  dass  im  Digalen  die 
amorphe  Modifikation  des  Digitoxin  vorliegt. 

Zur  Differentialdiagnose  der  menschenpathogenen 

Streptokokken. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Schultze  in  No.  24  dieser 

Wochenschrift. 

Von  H.  Beitzke  und  O.  Rosenthal. 

W.  H.  Schultze  macht  uns  den  Vorwurf,  dass  wir  den 
Lackmusmilchzuckeragar  falsch  hergestellt  hätten,  da  die  von  uns 
untersuchten  Streptokokkenstämme  zum  Teil  auf  diesem  Nährboden 
nicht  wuchsen.  Logischerweise  muss  er  dann  denselben  Vorwurf 
gegen  Levy,  Nieter,  Hirschbruch  und  Schwer  erheben, 
die  auf  demselben  Nährboden  ebenfalls  ein  ungleichartiges  Wachstum 
der  von  ihnen  geprüften  Streptokokkenstämme  erhielten.  Aber  auch 
das  Eppendorfer  Institut  selbst  scheint  nicht  in  der  Lage  zu  sein, 
eine  genaue  Vorschrift  zur  Bereitung  des  fraglichen  Nährbodens  an¬ 
zugeben,  denn  wie  Schultze  schreibt,  kommt  es  auch  dort  vor, 
„dass  auf  einer  Abkochung  des  Nutroseagars  die  Stämme  nicht 
ordentlich  wachsen,  während  sie  auf  einer  anderen  sehr  gut 
gedeihen“;  Schultze  gibt  also  hiermit  etwas  zu,  was 
er  einige  zwanzig  Zeilen  vorher  bestreitet.  Es  spricht  gegen  den 
Wert  der  F  r  a  e  n  k  e  1  sehen  Differenzierungsmethode,  dass  sie  sich 
auf  ein  Nährmedium  stützt,  dessen  Konstanz  der  Zusammensetzung 
die  der  Bakterienarten  selbst  nicht  wesentlich  übertrifft.  Einspruch 
erheben  müssen  wir  aber  vor  allem  gegen  die  Behauptung 
Schultzes,  dass  wir  mit  ungleichmässigen  Nährböden  gearbeitet 
hätten.  Bezüglich  des  Lackmusmilchzuckeragars  haben  wir  in  unserer 
von  Schultze  mehrfach  zitierten  Arbeit  ausdrücklich  gesagt 
(S.  360):  „Auch  hier  wurde  für  alle  Stämme  ein  und  derselbe  Agar 
verwandt.“  Es  besteht  also  kein  Grund,  unsere  Untersuchungsergeb¬ 
nisse  als  unzuverlässig  anzusehen,  und  unsere  auf  Grund  derselben 
ausgesprochene  Ansicht,  dass  die  zur  Differenzierung  verschie¬ 
dener  Streptokokkenarten  herangezogenen  Unterscheidungsmerkmale 
variable  Eigenschaften  dieser  Bakterien,  also  zu  dem  gedachten 
Zweck  nicht  ausreichend  sind,  ist  durch  die  Schultzesche  Arbeit 
nicht  entkräftet  worden. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Räubers  Lehrbuch  der  Anatomie  des  Menschen.  Neu 

bearbeitet  und  herausgegeben  von  Fr.  Kopsch.  7.  Aufl. 
Abteilung  4:  Eingew'eide.  Leipzig,  Georg  Thieme,  1907. 
M.  10.50. 

Die  vierte  Abteilung  des  Lehrbuches  von  Räuber- 
Kopsch  umfasst  die  Eingeweidelehre  und  stellt  einen  statt¬ 
lichen,  mit  vielen  neuen  und  zum  grossen  Teil  sehr  schönen 
Abbildungen  ausgestatteten  Band  dar.  Der  Vorzug  der  neuen 
Autotypien  kommt  dann  besonders  zur  Geltung,  wenn  man  sie 
mit  den  aus  den  früheren  Auflagen  übernommenen  Holz¬ 
schnitten  (z.  B.  Fig.  189,  206,  275)  vergleicht.  Als  besonders 
gut  gelungen  müssen  von  den  neu  hinzugenommenen  Auto¬ 
typien  die  grossen  Bilder  des  Bauchsitus  bezeichnet  werden. 
In  meist  vorzüglicher  mehrfarbiger  Autotypie  sind  die  mikro¬ 
skopischen  Bilder  wiedergegeben  und  zwar  wie  auch  in  den 
früheren  Lieferungen  in  sehr  beträchtlicher  Grösse.  Zu  be¬ 
anstanden  ist  Fig.  97.  Ein  so  wichtiges  Bild  wie  die  Innen¬ 
ansicht  des  Pharynx  müsste  besser  dargestellt  sein.  In  dem 
Leberschema  (Fig.  177)  tritt  der  Uebergang  der  Leberzellen 
in  die  Gallengangswandungen  nicht  hervor.  —  Die  textliche 
Darstellung  ist  eine  sehr  vollständige  und  übersichtliche,  ohne 
irgendwo  in  Breite  auszuarten.  Sobotta  -  Wiirzburg. 

Die  Koronararterien  des  menschlichen  Herzens  unter  nor¬ 
malen  und  pathologischen  Verhältnissen.  Dargestellt  in  stereo¬ 
skopischen  Röntgenbildern  von  Dr.  F.  J  a  m  i  n,  a.  o.  Professor 
und  Dr.  H.  Merkel,  Privatdozent.  Aus  der  medizinischen 
Klinik  und  dem  pathologischen  Institut  zu  Erlangen.  Verlag 
von  Gustav  Fischer  in  Jena.  Preis  M.  10. — . 

Die  Verfasser  haben  sich  der  technisch  recht  schwierigen 
und  medizinisch  sehr  interessanten  Aufgabe  unterzogen,  die 


1442 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Qefässverbreitung  im  menschlichen  Herzen  an  Injektionsprä¬ 
paraten  mittels  stereoskopischer  Röntgenbilder  zu  studieren. 
Zu  den  betreffenden  Untersuchungen  wurden  über  30  teils  nor¬ 
male,  teils  pathologische  Herzen  vom  Material  des  patho¬ 
logischen  Instituts  zu  Erlangen  verwendet.  Aus  der  Schilde¬ 
rung  der  Technik  ist  zu  ersehen,  dass  für  die  Injektionen  Men¬ 
nige  benutzt  wurde,  welches  in  verschiedenen  rasch  erstar¬ 
renden  Lösungsmitteln  in  die  Herzgefässe  eingespritzt  und  dann 
auf  den  stereoskopischen  Bildern  zur  Darstellung  des  Verlaufes 
der  Herzarterien  verwendet  wurde.  Der  Blick  auf  die  Bilder 
im  Stereoskop  zeigt  die  Gefässverästelungen  mit  zum  Teil  fast 
verblüffender  Plastik,  lässt  die  Verteilung  der  einzelnen  Koro- 
narienzweige  auf  die  Herzabschnitte  erkennen  und  zeigt  die 
bisher  wohl  noch  nicht  in  solcher  vollendeter  Anschaulichkeit 
zur  Darstellung  gelangten  Anastomosen  zwischen  dem  Ver¬ 
breitungsgebiet  der  rechten  und  der  linken  Koronararterie. 
Dieser  so  anschauliche  Nachweis  wirft  ein  neues  Licht  auf  ge¬ 
wisse  klinische  Beobachtungen  bei  teilweisem  oder  gänzlichem 
Verschluss  der  Kranzarterien,  deren  Verbreitungsweise  offen¬ 
bar  erheblichen  individuellen  Variationen  unterliegt.  An  einem 
der  Präparate  zeigt  sich,  dass  von  der  linken  Koronararterie 
aus  eine  ausreichende  Blutversorgung  des  ganzen  Herzens 
stattfinden  kann.  Besonders  interessant  ist  auch  die  Auf- 
zeigung  der  in  das  Kammerseptum  eintretenden  Gefässe  und 
der  reichen  Gefässnetze,  welche  sich  am  hypertrophischen 
Herzen  entwickeln.  Auch  über  den  Umfang  und  die  Intensität 
der  sklerotischen  Verengerungen  der  Kranzarterien  liegen  auf 
den  Tafeln,  welche  technisch  als  sehr  gelungen  bezeichnet 
werden  müssen,  interessante  Beispiel  vor.  Die  30  Tafeln 
werden  in  dem  beigegebenen  Text  kurz  erläutert.  Die  ver¬ 
dienstvolle  Arbeit  der  Autoren  rechtfertigt,  dass  auf  sie  be¬ 
sonders  aufmerksam  gemacht  wird. 

Grass  mann  -  München. 

G  a  r  r  e  und  E  h  r  h  a  r  d  t:  Nierenchirurgie.  348  S.  Berlin, 
Karger,  1907.  Preis  12  M. 

Ein  Handbuch  für  Praktiker  nennen  die  Autoren  das  vor¬ 
liegende  Buch.  Und  in  der  Tat,  für  die  praktischen  Bedürfnisse 
ist  es  berechnet,  frei  von  allem  überflüssigen  Beiwerk,  und 
aus  reicher  praktischer  Erfahrung  heraus  ist  es  geschrieben. 
Die  Beschränkung  auf  das  Wesentliche  kommt  gleich  in  dem 
ersten  Kapitel  über  die  Untersuchungsmethoden  zum  Ausdruck. 
Die  Literatur  über  Gefrierpunktsbestimmung,  Phloridzin¬ 
diabetes,  Stickstoffbestimmung  hat  bekanntlich  einen  solchen 
Umfang  angenommen,  dass  es  schwer  ist,  zu  sehen,  was  nun 
richtig  ist.  Die  Verfasser  nehmen  einen  sehr  unabhängigen, 
mittleren  Standpunkt  ein,  betonen  die  Vorteile  der  Methoden 
und  warnen  vor  ihrer  Ueberschätzung. 

Einer  vorzüglichen  Darstellung  erfreut  sich  das  Kapitel  über 
die  allgemeine  Operationslehre.  Sehr  klare  Abbildungen  unter¬ 
stützen  die  knapp  gehaltene  Beschreibung  der  einzelnen  Opera¬ 
tionen,  auch  der  Erfahrene  wird  in  diesem  Kapitel  vielfache 
Anregung  finden.  In  sehr  objektiver  Weise  sind  bei  der 
Nephrektomie  die  Vorteile  der  lumbalen  und  transperi¬ 
tonealen  Methoden  gegeneinander  abgewogen. 

Bei  der  Therapie  der  Wanderniere  berührt  sehr  wohltuend 
die  Zurückhaltung,  die  die  Autoren  der  operativen  Behandlung 
gegenüber  einzunehmen  raten.  Absolute  Kontraindikation 
gegen  jeden  operativen  Eingriff  bilden  hysterische  Beschwer¬ 
den,  wenn  sie  das  Krankheitsbild  beherrschen.  Die  Mehrzahl 
der  Kranken  wird  durch  orthopädisch-diätetische  Kuren  be¬ 
schwerdefrei. 

Bei  der  Behandlung  der  Nierenrupturen  weisen  die  Ver¬ 
fasser  darauf  hin,  dass  auch  die  schwersten  Blutungen  zum 
Stillstand  kommen  können,  und  dass  die  Frage  einer  Operation 
meist  erst  nach  dem  Verlauf  einiger  Tage  erörtert  zu  werden 
braucht.  Mit  der  Nephrektomie  konkurriert  in  sehr  erfolg¬ 
reicher  Weise  die  Naht  und  die  Tamponade. 

Bei  der  Behandlung  der  Nierentuberkulose  werden  die 
grossen  Vorteile  der  Nephrektomie  ausgiebig  gewürdigt.  Weder 
die  Erkrankung  der  zweiten  Niere,  noch  die  der  Blase,  noch  die 
der  Genitalorgane  kann  eine  Gegenanzeige  bilden. 

Bei  Nierensteinen  raten  die  Verfasser  zu  einer  operativen 
Therapie,  auch  bei  den  röntgenographisch  sicher  nach¬ 
gewiesenen  Steinen,  die  keine  Beschwerden  machen.  Nicht  zu 


operieren  sind  diejenigen  Fälle,  bei  denen  unter  oft  wiederholten 
Koliken  stets  kleine  Konkremente  entleert  werden,  in  denen 
dabei  der  Harn  aseptisch  ist  und  die  Röntgenphotographie 
einen  grösseren  Stein  nicht  erkennen  lässt. 

Gegenüber  der  chirurgischen  Behandlung  der  Nephritis 
nehmen  die  Verfasser  eine  sehr  zurückhaltenden  Standpunkt 
ein.  Bei  genauer  Prüfung  der  einschlägigen  Fälle  ist  von 
einem  Einfluss  der  Operation  nichts  zu  bemerken.  Man  darf 
daher  die  weiteren  Berichte  der  amerikanischen  Anhänger  der 
Operation  abwarten,  ehe  man  selbst  Erfahrungen  sammelt. 

Ref.  hat  nur  einiges  aus  dem  reichen  Inhalte  des  Buches 
herausgehoben.  Die  Proben  zeigen,  dass  das  vorliegende 
Werk  nicht  nur  die  chirurgische  Behandlung  der  Nieren¬ 
erkrankungen  in  mustergültiger  Weise  erörtert,  sondern  auch 
deren  Pathologie  und  Symptomatologie  in  ausführlicher  Weise 
berücksichtigt  und  daraus  strenge  Indikationen  für  die  opera¬ 
tive  Behandlung  aufstellt.  Das -Buch  wird  darum  auch  für  den 
Nichtchirurgen  von  grossem  Werte  sein.  Krecke. 

Therapeutische  Technik  für  die  ärztliche  Praxis.  Ein 

Handbuch  für  Aerzte  und  Studierende.  Herausgegeben  von 
Prof.  Dr.  Julius  Schwalbe.  Leipzig  1906.  Verlag  von 
Georg  T  h  i  e  m  e.  Preis  M.  8.80. 

Das  zu  besprechende  Werk,  in  2  Halbbänden  erscheinend 
und  einschliesslich  des  beigegebenen  Sachregisters  789  Seiten 
umfassend,  darf  mit  Fug  und  Recht  als  eine  hervorragende  Be¬ 
reicherung  unseres  medizinischen,  speziell  für  den  Praktiker 
bestimmten,  Bücherschatzes  bezeichnet  werden.  Denn  ein  die 
ärztliche  Technik  in  solcher  Ausführlichkeit  und  Anschaulich¬ 
keit  behandelndes  Unterrichtswerk,  das  zudem  von  so  be¬ 
rufenen  Autoren  geschrieben  ist,  liegt  meines  Wissens  bisher 
nicht  vor.  Die  Abfassung  eines  Werkes,  das  bestimmt  ist,  die 
gerade  auch  auf  dem  so  erweiterten  Gebiete  der  ärztlichen 
Technik  gemachten  Fortschritte  zusammen  zu  fassen,  lag  ja 
gewissermassen  in  der  Luft  und  man  muss  sagen,  dass  die 
in  dieser  Hinsicht  gestellte  Aufgabe  von  dem  Herausgeber 
und  den  sorgfältig  erlesenen  Bearbeitern  der  einzelnen  Ka¬ 
pitel  in  ausgezeichneter  Weise  gelöst  worden  ist.  Eine  kurze 
Uebersicht  des  Inhaltes  wird  am  besten  den  reichen  Inhalt 
des  Buches  veranschaulichen.  H  o  f  f  a  -  Berlin  hat  die  Technik 
der  Massage  und  Gymnastik,  sowüe  der  mechanischen  Ortho¬ 
pädie  bearbeitet,  O.  Vierordt  (gest.)  die  Technik  der 
Hydro-  und  Thermotherapie,  E.  S  c  h  m  i  d  t  -  Berlin  bearbeitete 
das  Kapitel  der  Radiotherapie,  R.  Robert-  Rostock  gibt  eine 
kurze  und  sehr  gute  Zusammenfassung  über  die  Technik  der 
Arzneibereitung  und  Arzneianwendung.  Ausgewählte  Kapitel 
aus  der  allgemeinen  chirurgischen  Technik  sind  von  O.  Hil¬ 
debrand-  Berlin  unter  Mitwirkung  von  Bruno  Bosse  bei¬ 
gesteuert,  welche  besonders  die  neuerlich  wichtigen  Methoden 
der  Lokalanästhesie  und  Medullaranästhesie,  sowie  die  wich¬ 
tigsten  Vorschriften  über  Anti-  und  Asepsis  betreffen.  Den 
Schluss  des  I.  Halbbandes,  welcher  290  Abbildungen  enthält, 
bildet  die  von  E  v  e  r  s  b  u  s  c  h -München  geschriebene  Ab¬ 
handlung  über  die  Technik  der  Behandlung  des  Auges.  Die 
entsprechenden  Kapitel  über  die  technische  Behandlung  des 
Ohres  sind  von  F.  Siebenmann  -  Basel,  jene  über  Nase 
und  Rachen,  Kehlkopf,  Luftröhre  und  Bronchien  von  E.  P. 
F  r  i  e  d  r  i  c  h  -  Kiel  geschrieben.  Hoppe-Seyler  -  Kiel 
lieferte  das  Kapitel  über  die  Technik  bei  der  Behandlung  der 
Pleura  und  der  Lungen,  Schwalbe  -  Berlin  jenes  betreff  des 
Herzens,  Ad.  S  c  h  m  i  d  t  -  Dresden  jenes  der  Speiseröhre,  des 
Magens  und  Darmes.  Die  chirurgische  Behandlung  der  letz¬ 
teren  Organe  ist  von  Czerny-,  Heidelberg  bearbeitet  wor¬ 
den.  Josef  Englisch  -  Wien  hat  die  Technik  betreff  der 
Harn-  und  männlichen  Genitalorgane,  Fritsch -Bonn  jene 
der  weiblichen  Genitalorgane  geschrieben.  Von  Strüm- 
pell-  Breslau  und  Ed.  Müller-  Breslau  stammt  'der  Ab¬ 
schnitt  über  das  Nervensystem,  in  welchen  sogar  über  die 
psychische  Behandlung  der  Neurasthenie  praktische  Winke 
mit  aufgenommen  wmrden  sind,  wenn  dieselben  auch  im  stren¬ 
gen  Sinn  des  Wortes  nicht  zur  therapeutischen  Technik  ge¬ 
hören  dürften.  Der  2.  Halbband  bringt  169  Abbildungen.  Der 
besondere  Wert  des  Werkes  liegt  in  der  aus  den  Stichproben 
sich  ergebenden  Genauigkeit  in  der  Beschreibung  der  Hand¬ 
griffe  und  Vornahmen,  ferner  in  der  Unterstützung  der  ein¬ 
gehenden  Schilderungen  durch  zum  allergrössten  Teile  gute 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1443 


und  anschauliche  Originalbilder,  endlich  auch  in  der  weit¬ 
gehenden  Angabe  der  Indikationen  der  einzelnen  Eingriffe.  Für 
eine  2.  Auflage  würde  ich  betreff  der  Illustrierung  nur  die  Be¬ 
seitigung  einiger  etwas  komisch  wirkender  Bilder,  z.  B.  jenes 
auf  Seite  123  und  einiger  technisch  weniger  gelungenen,  z.  B. 
Seite  311,  314  und  315,  wünschen.  Im  übrigen  empfehlen  wir 
das  vortreffliche  Werk  den  praktischen  Aerzten  in  besonderem 
Qrade.  Grassmann  -  München. 

W.  Hausmanns  Stereoskopbilder  zur  Prüfung  für 
binokulares  Sehen  und  zu  Uebungen  für  Schielende.  1907. 
W.  Engel  m  a  n  n.  Preis  2  M. 

Diese  nun  in  zweiter  Auflage  erschienenen  Stereoskop¬ 
bilder  sind  bestimmt  für  die  orthopädische  Behandlung  Schielen¬ 
der  und  nach  Schieioperationen,  ferner  bei  Störungen  des 
Muskelgleichgewichtes  und  haben  vor  den  gleichem  Zwecke 
dienenden,  allerdings  für  kleinere  Kinder  ansprechenden 
Bildern  den  Vorzug  der  Verschiebbarkeit  und  dass  sie  im 
stereoskopischen  Sammelbilde  die  Tiefenunterschiede  erkennen 
lassen.  Sie  dienen  also  dem  von  ihnen  angestrebten  Zwecke 
weit  vollkommener  und  wurden  deshalb  schon  bei  ihrem 
ersten  Erscheinen  von  Bielschowsky  im  3.  Heft,  LXI. 
Bandes  des  Archivs  für  Ophthalmologie  mit  Sachkenntnis 
empfohlen.  S  e  g  g  e  1. 

Dr.  Karl  Oetker:  Die  Negerseele  und  die  Deutschen  in 

Afrika.  Ein  Kampf  gegen  Missionen,  Sittlichkeitsfanatismus 
und  Bureaukratie  vom  Standpunkt  moderner  Psychologie. 
München,  1907.  J.  F.  L  e  h  m  a  n  n  s  Verlag.  46  S.  Preis  M.  1.20. 

Die  kleine  Broschüre  bringt  einen  Versuch  der  Rassen¬ 
psychologie  und  zwar  beschäftigt  sie  sich  vorzüglich  mit  dem 
Einfluss  der  christlichen  Lehre  auf  den  Neger  und  der  Frage, 
ob  dieser  vermöge  seiner  Veranlagung  überhaupt  die  Möglich¬ 
keit  hat,  in  absehbarer  Zeit  die  abendländische  Kultur  mit 
ihren  komplizierten  individuellen  und  sozialen  Bestrebungen 
zur  seinigen  zu  machen.  Von  dem  Einfluss  der  christlichen 
Lehre  auf  den  Neger  verspricht  sich  der  Verf.  keine  guten  Er¬ 
folge;  die  Frage  nach  der  Möglichkeit  der  Gewinnung  des 
Negers  für  abendländische  Kultur  beantwortet  er  im  wesent¬ 
lichen  negativ.  Viele  durch  lange  Erfahrung  gewonnene  und 
ohne  Voreingenommenheit  gefällte  Urteile  werden  den  Leser 
mit  der  Art  der  Darstellung,  die  nicht  jedem  sympathisch  sein 
wird,  versöhnen.  zur  V  e  r  t  h  -  Berlin. 

Briefe  von  Albrecht  v.  Gräfe  an  seinen  Jugendfreund 
Adolf  Waldau.  Aus  dem  Nachlass  Waldaus,  herausge¬ 
geben  von  Prof.  R.  G  r  e  e  f.  Berlin,  Wiesbaden.  Verlag  von 
J.  F.  Bergman  n,  1907.  127  Seiten. 

Die  Briefe  geben  nur  einen  Auslug  auf  eine  Seite  des 
Charakters  v.  Graefes:  sein  Freundschaftsgefühl.  Es  ist 
eine  ungestüme,  tiefe  Freundschaft,  die  der  junge  Graefe 
bietet  und  fordert.  Wer  sich  ein  rechtes  Bild  von  dem  Manne 
gestalten  will,  kann  die  vorliegenden  Briefe  nicht  entbehren. 
Sie  werden  in  der  Bibliothek  der  Augenklinik  in  der  Charite  zu 
Berlin  aufbewahrt.  Dort  werden  sie  ein  nicht  wertloses  histo¬ 
risches  Interesse  finden  und  behalten. 

Max  Nassauer  -  München. 

Neueste  Journallileratur. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 

54.  Band,  2.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp.  1907. 

J.  H.  Zaaijer  gibt  aus  der  Amsterdamer  chirurgischen  Klinik 
eine  Arbeit  über  primäres  Karzinom  des  Wurmfortsatzes.  Seit 
Eltings  Arbeit  hat  sich  die  Zahl  der  betreffenden  Fälle  nahezu  ver¬ 
doppelt.  Z.  fügt  5  neue  den  55  sicheren  Fällen  von  Appendixkarzinom 
hinzu,  berichtet  speziell  über  den  histologischen  Befund;  in  zirka 
der  Hälfte  der  Fälle  sind  schon  mehr  als  2  Jahre  vor  dem  Zustande¬ 
kommen  des  Karzinoms  Entzündungserscheinungen  aufgetreten  und 
es  ist  wahrscheinlich,  dass  eine  chronische  Entzündung  bei  der  Kar¬ 
zinombildung  in  der  Appendix  eine  ätiologisch  bedeutungsvolle  Rolle 
spielt.  Die  Altersklasse  von  10 — 40  Jahren  war  in  der  grossen  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  betroffen,  kleine  Appendixkarzinome  kommen  öfters 
10 — 30  Jahre  früher  vor,  als  die  grossen,  die  deutliche  Erscheinungen 
hervorrufen,  meist  sind  Jahrzehnte  für  das  Appendixkarzinom  nötig, 
um  zu  Zoekumkarzinom  zu  werden.  Bei  jugendlichen  Personen  ist 
die  relative  Frequenz  der  rund-  und  polymorphzelligen  Karzinome 
der  Appendix  viel  grösser,  als  dieselbe  in  anderen  Teilen  des  Darmes; 


histologisch  hat  das  Appendixkarzinom,  soweit  es  bis  jetzt  unter¬ 
sucht  worden  ist,  einen  sehr  malignen  Charakter.  Die  kleinen 
Appendixkarzinome  sind  nicht  diagnostizierbar.  Da  die  Karzinome 
der  Appendix  grosse  Tendenz  haben,  auf  das  Mesenteriolum  über¬ 
zugreifen,  so  rät  Z.,  sobald  bei  einer  Appendektomie  eine  Spitzen- 
obliteration  gefunden  wird,  das  Mesenteriolum  so  breit  wie  möglich 
mit  hinwegzunehmen. 

H.  Flörcken  beschreibt  aus  der  Würzburger  Klinik  einen  Fall 
von  subkutaner  totaler  Nierenruptur  mit  besonderer  Berücksichtigung 
des  histologischen  Befundes  der  rupturierten  Niere.  Bei  einem  8  m 
hoch  abgestürzten  Lehrling,  bei  dem  rasch  zunehmende  Anämie  und 
Hämatombildung  zu  aktuellem  Vorgehen  nötigte,  fand  sich  die  Niere 
vollkommen  in  3  Teile  geteilt.  Die  makroskopische  und  mikro¬ 
skopische  Ausdehnung  der  Nierenverletzung  lässt  sich  nach  Fl.  nur 
durch  die  Küster  sehe  Theorie  von  der  hydraulischen  Pressung  er¬ 
klären.  Das  retroperitoneale  Hämatom  erleichterte  in  dem  betreffen¬ 
den  Fall  die  Diagnose  sehr  und  hatte  die  Nephrektomie  vollkommenen 
Erfolg.  . 

T.  v.  Verebely  bespricht  aus  der  Ofen-Pester  Klinik  die 
Granulation  des  menschlichen  Fettgewebes,  die  er  an  Serien,  die 
von  Tag  zu  Tag  das  Weiterschreiten  des  Granulationsprozesses  be¬ 
kunden,  von  der  1.  bis  5.  Woche  studierte.  Das  Fettgewebe  ist 
danach  geradeso  an  der  Bildung  der  Granulationen  beteiligt,  wie 
jedes  Bindegewebe,  von  dem  es  sich  nur  dadurch  unterscheidet, 
dass  in  seinen  Zellen  Fett  angehäuft  ist.  Dieses  vermindert  als 
totes  Material  die  Lebensfähigkeit  seiner  Zellen  derart,  dass  sie 
auf  plötzliche  intensive  äussere  Reize  nicht  mehr  reagieren  können, 
ihr  Fett  wird  dann  entweder  von  der  hereinströmenden  Gewebs¬ 
flüssigkeit  gelöst  oder  durch  polynukleäre  Wanderzellen  und  Bak¬ 
terien  weggeschafft.  Auf  schwächere  Reize  können  diese  Zellen 
zu  neuem  Leben  erwachen  oder  sie  können  innerhalb  der  Fettzellen 
zur  Bildung  einer  lebenskräftigen  Zellgeneration  Gelegenheit  geben. 

Karl  Borszeky  berichtet  ebenfalls  aus  E.  Reczeys  Klinik 
über  die  Operationsmethoden  der  Hernia  obturatoria.  B.  schildert 
die  Schwierigkeiten  der  Operation  von  aussen  und  beschreibt  einen 
Fall,  bei  dem  alle  Symptome  der  Hernia  obturatoria  fehlten  und 
wegen  Ileus  laparotomiert  werden  musste  und  von  der  Bauchhöhle 
aus  erst  die  eingeklemmte  Hernia  obturatoria  erkannt  und  durch 
kleine  Inzisionen  der  einklemmende  Ring  erweitert  wurde  (überdies 
aber  ein  Volvulus  des  Dünndarms  beseitigt  werden  musste,  dessen 
Behandlung  ohne  Laparotomie  unmöglich  gewesen  wäre).  B.  fol¬ 
gert,  dass  die  einzig  richtige  Ooerationsmethode  der  inkarzerierten 
Hernia  obturatoria  die  Laparotomie  ist,  die  nach  Schwarz¬ 
schilds  Statistik  42,85  Proz.  Heilungen  ergab. 

Der  gleiche  Autor  bespricht  ferner  narbige  Darmstenosen  nach 
Brucheinklemmungen  nach  Studien  an  Resektionspräparaten  des 
Darmes.  Die  Resektion  zeigte  sich  in  9 — 21  Proz.  der  eingeklemmten 
Leistenhernien  und  9 — 50  Proz.  der  Schenkelhernien  nötig.  Bei  schon 
entwickelter  Stenose  ist  die  Resektion  des  verengten  Darmstückes 
die  einzig  rationelle,  radikale  Methode,  wenn  der  Zustand  des  Pat. 
eine  solche  erlaubt. 

R  o  i  t  h  gibt  aus  der  Heidelberger  Klinik  eine  Arbeit  „Zur  Be¬ 
deutung  der  Flexura  coli  sinistra“. 

R.  ist  geneigt,  den  Dickdarm  in  zwei  anatomisch  und  physio¬ 
logisch  verschiedene  Gebiete  einzuteilen,  die  fast  konstant  verschie¬ 
denen  Füllungsgrad  zeigen.  Der  proximale  Teil  (Zoekum,  Colon  asc. 
und  transvers.)  verhält  sich  zum  distalen  (Colon  descend.  und  Fle¬ 
xura  sigm.).  was  Gas-  und  Kotfüllung  anlangt  wie  3Vz  :  1,  das  Colon 
desc.  ist  fast  immer  leer,  ein  Klappenmechanismus  an  der  Flexura 
coli  sin.  durch  die  spitzwinklige  Abknickung  an  der  fixierten  Stelle 
spielt  dabei  eine  Rolle,  auch  die  Wandstärke  ist  verschieden,  auf¬ 
fallend.  gering  ist  die  Anzahl  der  Lymphwege  in  der  Wand  des  Colon 
desc.,  es  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  der  Darminhalt  in  dem 
proximalen  Teil  viel  länger  verweit,  als  im  distalen.  Die  radio¬ 
graphischen  Untersuchungen  Rieders  nach  entsprechendem  Ein¬ 
füllen  von  Wismutsuspensionen  zeigten  auch,  dass  diese  3 — 4  Tage 
im  Dickdarm  nachzuweisen  sind.  Wenn  tatsächlich  die  Resorption  im 
-  proximalen  Dickdarmschenkel  zum  grössten  Teil  vor  sich  geht,  so 
scheint  es  R.  empfehlenswert,  bei  Enterostomie  und  Enteroanasto- 
mosen  am  Dickdarm,  möglichst  viel  vom  proximalen  Dickdarmab¬ 
schnitt  zu  erhalten  resp.  den  Anus  praeternat.  möglichst  kranial  in 
der  Nähe  der  linken  Flexur  anzulegen,  umsomehr  als  man  da  auch 
wegen  des  kurzen  Mesenterium  des  Colon  transversum  den 'Prolaps 
aus  dem  Anus  leichter  vermeidet  und  wegen  konsistenteren  Kotes 
auf  leichtere  Reinhaltung  rechnen  darf. 

F.  W.  Kausch  berichtet  aus  dem  städt.  Krankenhaus  Schöne¬ 
berg  über  Blindsacksanduhrmagen  und  eine  Modifikation  der  Gastro¬ 
enterostomie.  Letztere  besteht  darin,  dass  K.  eine  kürzere  Schlinge 
nimmt  als  das  bisher  geschah,  sie  sagittal  liegen  lässt  und  quer 
(im  Sinne  des  Darmes)  an  den  Magen  (an  dessen  Wand  längs)  be¬ 
festigt  und  in  demselben  Sinne  eröffnet,  der  Hauptvorzug  seiner 
Modifikation  der  G.  retrocolica  post,  ist  der,  dass  die  einfache 
Anlegung  der  Fistel  (ohne  jede  komplizierende  Hilfsoperation  sichere 
Funktion  der  Fistel  garantiert. 

Prof.  Herrn.  K  ü  1 1  n  e  r  berichtet  aus  der  Marburger  Klinik  über 
sequestrierende  Milzabszesse  und  teilt  u.  a.  den  Fall  einer  35  jähr. 
ohne  bekannte  Ursache  fieberhaft  erkrankten  luetischen  Frau  mit 
langsam  zunehmender  sprunghafter  Vergrösserung  der  Milz  mit.  Auf 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


1444 


eine  Punktion  im  hinteren  Abschnitt  des  11.  linken  Interkostalraum 
(wodurch  hämorrhag.  Eiter  nachgewiesen  wurde)  trat  unter  schweren 
Allgemeinerscheinungen  Infektion  der  Pleura  ein,  die  zu  schleunigster 
Operation  nötigte.  Bei  der  Operation  des  jauchigen  Empyems  fand 
sich  eine  morsche  Stelle  im  Zwerchfell,  von  der  aus  man  in  die  umfang¬ 
reiche  subphrenische  Abszesshöhle  gelangte,  in  der  grosse  nekrotische 
Gewebsstiicke  schwammen.  Trotz  anfänglicher  Erholung  erlag  der 
Pat.  nach  2  Wochen  einer  Herzinsuffizienz  (frische  verukköse  Endo¬ 
karditis  neben  alten  Klappenveränderungen)  und  fand  sich  der  Abs¬ 
zess  in  der  Tat  als  von  der  Milz  ausgegangen,  die  noch  eine  mit 
pyogener  Membran  ausgekleidete,  aber  keinen  Sequester  führende 
Höhle  enthielt.  K.  sammelte  aus  der  Literatur  41  weitere  Fälle 
sogen.  Milzabszesses,  die  er  kurz  anführt,  von  denen  6  (14)  Proz.) 
traumatischen,  11  (25,2  Proz.)  septischen  Ursprungs  sind,  6  (13,95 
Proz.  bei  Typhus,  7  (16,28  Proz.)  bei  Malaria,  2  (4,65  Proz.)  nach 
Stieltorsion  der  Wandermilz,  3  6,97  Proz.)  nach  Magenperforation  und 
8  (18,6  Proz.)  ohne  nachweisbare  Aetiologie  beobachtet  wurden. 
Weiterhin  teilt  K.  die  Resultate  entsprechender  Tierversuche  mit. 
Diagnostische  Bedeutung  kommt  der  Erkrankung  insoferne  zu,  als 
sanguinolente  Beschaffenheit,  schmutzigroter  schokoladefarbener 
Eiter  mit  grösseren  nekrotischen  Gewebsstiicken  oder  Fetzen  bei 
einem  linksseitigen  subphrenischen  oder  intraabdominalen  Abszesse 
für  die  Milz  als  Ursprungsstätte  der  Eiterung  spricht. 

W.  D  a  n  i  e  1  s  e  n  berichtet  aus  der  gleichen  Klinik  über  die 
Schutzvorrichtungen  in  der  Bauchhöhle  mit  besonderer  Berücksich¬ 
tigung  der  Resorption  und  gibt  unter  Berücksichtigung  der  zahl¬ 
reichen  und  zerstreuten  Arbeiten  über  dieses  Gebiet  eine  Ueber- 
sicht  über  den  derzeitigen  Stand  unserer  Kenntnisse  und  betrachtet 
zunächst  die  im  anatomischen  Bau  und  den  physiologischen  Eigen¬ 
schaften  der  Bauchorgane  begründeten  Schutzvorrichtungen,  sodann 
die  in  der  Transsudation,  Adhäsionsbildung  und  Resorption  beruhen¬ 
den  und  gibt  dann  das  Resultat  eigener  Untersuchungen  über  die 
Wege,  auf  welchen  die  in  die  Bauchhöhle  eingedrungenen  Bakterien 
resorbiert  werden,  über  den  Einfluss  der  Kälte,  der  Heissluftbe¬ 
handlung  auf  die  Resorption  von  Bakterien  in  der  Bauchhöhle  und 
Versuche  zur  Erklärung  der  verschiedenartigen  Resorption  aus  der 
Bauchhöhle.  Die  Kolloidsubstanzen  werden  danach  auf  die  Lymph- 
wege,  die  Kristalloidsubstanzen  auf  dem  Blutwege  resorbiert,  die 
Ergebnisse  eröffnen  z.  T.  neue  Ausblicke  und  Wege  in  der  Erforschung 
schwerwiegender  Fragen  und  verweist  u.  a.  D.  auf  weitere  Ar¬ 
beiten  betr.  des  Sarkoms.  Der  Arbeit  ist  ein  210  Nummern  umfassen¬ 
des  Literaturverzeichnis  angereiht. 

Ebenfalls  aus  der  Marburger  Klinik  gibt  Leonh.  W  e  i  s  s  klinische 
und  antomische  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tendovaginitis  crepitans, 
unter  Mitteilung  von  6  Fällen  dieser  typischen  Affektion  am  Unter¬ 
schenkel,  wobei  deutlich  die  stärkst  geschwellte  und  schmerzhafte 
Stelle  oberhalb  der  Schlusspforte  der  Sehnenscheide  konstatiert 
wurde.  Anschliessend  an  die  Arbeiten  L.  Brauers  und  P  a  u  z  a  ts 
bei  denen  der  krankhafte  Prozess  auch  höher  als  den  eigentlichen 
Sehnenscheiden  entsprechend  lokalisiert  war,  stellte  W.  Unter¬ 
suchungen  über  Verlauf  und  Ausdehnung  der  Sehnenscheiden  der 
Streckmuskeln  an  und  fand  nach  Injektionen  mit  Tusche,  Karmin¬ 
gelatine  und  Wachs,  dass  die  Sehnenscheiden  der  Extremitäten  am 
Bein  an  ihren  proximalen  Enden  mit  der  angrenzenden  Muskelbe¬ 
deckung  durch  feinste  Spalträume  kommunizieren  resp.  die  injizierten 
Lösungen  diffus  in  das  die  Muskeln  bedeckende  Perimysium  über¬ 
gehen.  Die  starken  Lig.  transv.  u.  cruciat.  lassen  anscheinend  der 
in  die  Sehnenscheide  eindringenden  Flüssigkeit  wenig  Raum,  sich  im 
Bereiche  ihres  Verlaufes  auszudehnen.  Auch  an  dem  Ext.  poll.  brevis 
hat  W.  den  gleichen  Zusammenhang  zwischen  proximaler  Sehnen¬ 
scheide  und  Perimysium  feststellen  können.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  24 — 26. 

No.  24.  Brentano-  Berlin :  Die  Cholecystenteroanastomosis 
retrocolica. 

Br.  empfiehlt  in  den  Fällen,  wo  die  Cholecystenteroanastomosis 
die  einzige  Möglichkeit  darstellt,  die  gestaute  Galle  in  den  Darm  ab¬ 
zuleiten  (bei  Geschwülsten  und  chronischen  Entzündungen  des  Pan¬ 
kreaskopfes),  die  Operation  nach  Art  der  Gastroenterostomia  retro¬ 
colica  auszuführen,  wodurch  ohne  nennenswerte  Verzögerung  oder 
Komplikation  der  Operation  auch  der  Uebertritt  von  Darminhalt  in 
die  Gallenblase  besser  verhütet  würde,  da  die  Peristaltik  nicht  durch 
abnorme  Lagerung  der  Därme  behindert  ist.  Kolon  transv.  samt 
Netz  wird  in  die  Höhe  geschlagen,  die  oberste  Jejunumschlinge  auf¬ 
gesucht,  etwa  30  cm  von  der  Austrittsstelle  des  Duodenum  leer¬ 
gestrichen  und  fixiert  gehalten,  dann  das  Mesocolon  transv.  in  der 
Nähe  der  Gallenblase  an  gefässloser  Stelle  stumpf  durchbohrt,  die 
leergestrichene  Jejunumschlinge  durch  den  Schlitz  gezogen  und  ober¬ 
halb  mit  Collinklemme  abgeklemmt.  Die  Darmschlinge  wird  an  die 
Unterfläche  der  Gallenblase  angeheftet  (eventuell  nach  vorgängiger 
Punktion  an  der  freien  Kuppe).  Nach  vollendeter  Anastomose  wird 
die  vordere  Punktionsstelle  ebenfalls  durch  die  Naht  verschlossen, 
die  Dünndarmschlinge  nun  von  unten  her  so  weit  aus  dem  Schlitz 
des  Mesokolon  herausgezogen,  dass  die  Anastomosenstelle  mit  der 
Gallenblase  sichtbar  wird  und  diese  dann  durch  3  Nähte  in  dem 
Mesokolonschlitz  fixiert. 

W.  M  i  n  t  z  -  Moskau:  Spätasphyxie  nach  totaler  Larynxexstir- 
pation. 


Mitteilung  eines  Falles  von  schwerer  Asphyxie  durch  Gerinnsel 
aus  Fibrin  und  Schleim,  die  sich  im  linken  Bronchialsystem  ansammel- 
ten  und  bei  allmählichem  Hervorschieben  auf  die  Höhe  der  Bifur¬ 
kation  den  rechten  Bronchus  mit  verlegten;  Einführen  des  Broncho¬ 
skops  in  den  rechten  Bronchus  brachte  mehrfach  Besserung  der 
schweren  Asphyxie  und  in  Intervallen  lösten  sich  die  Stücke  der 
Ausgüsse  des  linken  Brochus. 

No.  25.  C.  Lau  e  n  s  te  i  n -Hamburg:  Zur  Frage  der  Ent¬ 
stehung  der  Gangrän  der  Verbindungsschlinge  der  „2  Darmschlingen 
im  eingeklemmten  Bruch“. 

L.  kann  der  Klauber  sehen  Ansicht  von  der  doppelten  Ein¬ 
schnürung  der  Mesenterialgefässe  nicht  beipflichten  und  konstatiert, 
dass  man  nach  seinen  Leichenversuchen  und  Tierexperimenten  eine 
Umschnürung  zweier  Darmschlingen  und  des  Mesenterium  der 
inneren  Verbindungsschlinge  nur  dann  erreicht,  wenn  letztere  äusserst 
kurz  (nicht  über  8  cm  beim  Menschen).  L.  hält  die  Thrombose  der 
Mesenterialgefässe  für  sekundäre  Erscheinung  und  möchte  die  sup- 
ponierte  doppelte  Abklemmung  der  Mesenterialgefässe  der  Verbin¬ 
dungsschlinge  —  als  unrichtig  —  aus  der  Aetiologie  dieser  Frage  aus¬ 
schalten;  L.  rät  zunächst  bei  der  Bezeichnung  „2  Darmschlingen  im 
eingeklemmten  Bruch“  zu  bleiben,  da  sie  den  Befund  am  prägnantesten 
charakterisiert  und  auf  den  wichtigsten  Punkt  —  die  Verbindungs¬ 
schlinge  —  direkt  hinweist. 

No.  26.  Longard  -  Forst  Aachen :  Verbesserte  Wagner- 

L  o  n  g  a  r  d  sehe  Aethermaske. 

Beschreibung  der  verbesserten  Maske,  mit  der  die  Aetherdämpfe 
nur  mit  Luft  gemischt  verabreicht  werden  können,  dieselbe  ist  hand¬ 
licher,  dem  Gesicht  sich  besser  anschmiegend  als  das  frühere  Modell 
und  vollständig  sterilisierbar  (s.  Abb.),  sie  funktioniert  nur  dann  rich¬ 
tig,  wenn  sie  dem  Gesicht  luftdicht  anliegt,  so  dass  die  Luft  nur 
durch  das  obere  Ventil  (unter  hörbarem  klapperndem  Geräusch)  ein¬ 
strömt.  Die  Maske  ist  von  Bildhäuser,  Aachen  erhältlich  (Preis: 
18  M.).  Sehr. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  26  und  27. 

W.  Stoeckel  -  Berlin :  Trokar-Katheter  zur  infrasymphysären 
Blasendrainage. 

Schon  von  Jahren  hatte  St.  bei  Harnröhrenplastiken  und  Blasen¬ 
scheidenfisteloperationen  statt  des  Harnröhrendauerkatheters  die 
infrasymphysäre  Blasendrainage  empfohlen.  Zur  Ausführung  der¬ 
selben  empfiehlt  St.  jetzt  nach  Küstners  Vorgang  den  Trokar- 
Katheter,  ein  S  k  e  n  e  scher  Pferdefuss-Katheter  aus  Metall  mit 
biegsamem  Trokarstachel.  Zu  beziehen  von  Georg  Härtel  in 
Breslau. 

W.  H  a  n  n  e  s  -  Breslau :  Verletzung  des  prolabierten  Uterus 
durch  Unfall. 

Eine  56  jährige  Frau  mit  grossem  Vorfall  des  Uterus  fiel,  auf  eine 
Sichel  und  erlitt  eine  Art  Pfählungsverletzung  der  Vagina  und  des 
Uterus.  24  Stunden  später  Totalexstirpation;  doch  starb  Pat.  an 
embolischer  Pneumonie.  Im  kleinen  Becken  fand  sich  noch  ein 
apfelgrosser  jauchiger  Abszess. 

Peters:  Wiederauffüllung  des  Uterus  nach  vorzeitigem  Bla¬ 
sensprung,  nach  dem  Vorschläge  des  San.-Rat  Bauer. 

P.  schlägt  vor,  bei  vorzeitigem  Blasensprung  mittels  eines  be¬ 
sonders  hierzu  konstruierten  Metreurynters  den  Uterus  mit  sterilem 
Wasser  oder  physiologischer  Kochsalzlösung  wieder  aufzufüllen. 
Hierdurch  würde  die  Gefahr  des  Fruchtwassermangels  für  das  Kind 
verringert  und  die  Wendung  erleichtert,  besonders  auch  die  äussere 
Wendung  viel  öfter  möglich  gemacht. 

G.  K  1  e  i  n  -  München:  Skopolamin-Dämmerschlaf  und  Spinal¬ 
anästhesie  bei  gynäkologischen  Operationen. 

Es  gibt  5  Möglichkeiten,  zur  Narkose  zu  gelangen:  Morphium- 
Skopolamin-Dämmerschlaf  allein  oder  in  Verbindung  mit  wenig 
Chloroform.  Spinalanästhesie  allein,  Skopolamin-Dämmerschlaf  mit 
Spinalanästhesie  kombiniert,  Dämmerschlaf  und  Spinalanästhesie  mit 
Inhalationsnarkose  kombiniert.  K.  bespricht  die  Indikationen  für 
diese  5  Möglichkeiten  in  der  Gynäkologie  an  der  Hand  eigener  Er¬ 
fahrung.  In  seinen  Fällen  trat  niemals  ernste  Komplikation  oder 
Nebenwirkung  ein;  die  Kranken  erholten  sich  auffallend  besser  und 
schneller,  als  nach  langen  Chloroformnarkosen. 

A.  A.  M  u  r  a  t  o  w  -  Kiew:  Metrorrhagia  syphilitica. 

M.  macht  auf  eine  wenig  bekannte  Ursache  von  Uterinblutungen 

aufmerksam,  nämlich  Syphilis,  die  er  mit  den  Magenblutungen 
auf  luetischer  Basis  in  Parallele  setzt.  Man  kann  im  Uterus  Ero¬ 
sionen,  Gummata,  Ulzerationen,  Gefässveränderungen  u.  ä.  an¬ 
treffen.  Die  Diagnose  ergibt  sich  ex  juvantibus.  Am  besten  wirkt 
Quecksilber  mit  Jod  kombiniert;  M.  bevorzugt  Pillen  aus  Proto- 
joduret.  hydrarg.,  0,03  pro  dosi,  anfangs  1,  später  2  Pillen  am  Tage. 
Bei  allen  Uterinblutungen,  die  lange  anhalten  und  deren  Aetiologie 
dunkel  bleibt,  sollte  an  Lues  gedacht  und  entsprechend  verfahren 
werden.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  VI.  No.  2.  (Mai 

1907.) 

l)  Wilh.  W  ernstedt:  Beiträge  zum  Studium  der  motorischen 
Funktionen  des  Pylorusteils  des  Säuglingsmagens.  (Aus  Prof.  M  e  - 
d  i  n  s  Klinik  im  „Allmänna  Barnhuset“  Stockholm). 

Zum  kurzen  Referat  ungeeignet. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1445 


2)  Ludwig  F.  Meyer:  Lieber  den  Tod  bei  der  Pylorusstenose 
der  Säuglinge.  (Aus  dem  städt.  Kinderasyl  zu  Berlin.) 

Aus  der  Beobachtung  dreier  Fälle  kommt  M.  zu  dem  Schlüsse, 
dass  der  Tod  bei  Pylorusstenose  nicht  immer  ein  unmittelbarer 
Hungertod  ist,  sondern  vielleicht  nicht  selten  eine  mittelbare  Folge 
der  Inanition,  die  schliesslich  dahin  führt,  dass  bei  Einfuhr  grösserer 
Nahrungsmengen  eine  regelrechte  Nahrungsassimilation  aufhört  und 
eine  alimentäre  Intoxikation  (im  Sinne  des  jüngst  von  Finkeistein 
gezeichneten  Bildes)  einsetzt. 

3)  K.  Lern  pp:  Ueber  Endokarditis  iin  Säuglingsalter.  (Aus 
dem  städtischen  Kinderasyl  zu  Berlin.) 

Genaue  klinische  Beschreibung  einer  Anzahl  von  Beobachtungen. 
Konstanter  und  wichtiger  als  die  örtlichen  Erscheinungen  am  Herzen 
sind  für  die  Diagnose  die  Zeichen  der  Zirkulationsschwäche.  Be¬ 
sonders  wertvoll  sind  die  fast  regelmässig  auftretenden  Zyanose¬ 
anfälle  und  weiter  die  charakteristische  Veränderung  der  Atmung 
(Beschleunigung,  bei  gleichzeitigem  Lungenprozess  bis  zum  „Jagd¬ 
hundatmen“). 

4)  K.  Oppenheimer:  Ueber  den  Nahrungsbedarf  debiler 
Kinder. 

Die  Arbeit  berichtet  über  die  Entwicklung  dreier  debiler  Kin¬ 
der.  Debile  Kinder  haben  einen  relativ  erhöhten  Nahrungsbedarf. 
Für  die  ersten  4  Monate  liegt  der  Energiequotient  zwischen  120  und 
130  Kalorien.  Am  Schlüsse  der  Arbeit  tritt  O.  warm  für  die  Voll¬ 
milchernährung  der  Säuglinge  auch  in  der  Privatpraxis  ein.  Wenn  die 
Mutter  nicht  stillen  kann,  verwendet  er  nur  selten  Ammen,  sondern 
empfiehlt  „konzentrierte  Kuhmilch  als  einziges  Nährmittel“. 

5)  0.  Funkenstein:  Ueber  Temperatursteigerungen  und 
Leukozytose  bei  Kindern  nach  Körperbewegungen.  (Aus  dem  Dr. 
Oppenheimer  sehen  Ambulatorium  für  Kinderkrankheiten  in 
München). 

Untersuchungen  an  18  Kindern  im  Alter  von  4 — 12  Jahren  zeigten, 
dass  nach  heftigen  Körperbewegungen  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
Temperatursteigerungen  passagerer  Art  auftraten,  die  bis  38,8  gingen. 
Das  Ergebnis  gleichzeitiger  Zählung  der  weissen  Blutkörperchen 
scheint  auf  eine  Vermehrung  der  im  Blut  kreisenden  Leukozyten 
während  der  Zeit  der  Temperaturerhöhung  hinzudeuten. 

Referate.  Albert  Uffenheimer  -  München. 

Virchows  Archiv.  Bd.  188,  Heft  3. 

17)  C.  Davidsohn:  Beiträge  zur  Pathologie  der  Unterkiefer¬ 
speicheldrüse  (Glandula  submaxillaris). 

Ausgedehnte  Untersuchungen  über  die  histologischen  Verän¬ 
derungen  der  Glandula  isubmaxillaris  bei  Amyloid,  Diabetes,  Kar¬ 
zinom,  Vergiftungen  mit  Metallen  und  Säuren,  akuten  Infektions¬ 
krankheiten,  Blutkrankheiten,  Nervenkrankheiten,  Tuberkulose, 
Nephritis,  Hautkrankheiten  usw.  Bei  21  Fällen  von  Amy¬ 
loid  der  Speicheldrüsen  waren  11  mal  Tuberkulose,  4  mal  Eite¬ 
rungen,  4  mal  Syphilis,  2  mal  Tumoren  als  Hauptkrankheit  vor¬ 
handen.  Die  Lokalisation  des  Amyloids  entspricht  der  Amyloidab¬ 
lagerung  in  anderen  Organen.  Beim  Diabetes  fand  Verf.  ein  starkes 
Durchwachsensein  der  Drüse  mit  Fettgewebe.  Die  Untersuchungen 
bei  den  anderen  erwähnten  Krankheiten  ergaben  keinen  charakteristi¬ 
schen  Befund. 

18)  CI.  Fermi:  Untersuchungen  über  Tollwut. 

Die  Arbeit,  die  sich  auf  zahlreiche  Experimente  stützt,  ist  im 
Original  nachzulesen. 

19)  G.  Garn  bar  off:  Untersuchungen  über  die  hämatogene  Si- 
derosis  der  Leber,  ein  Beitrag  zur  Arnold  sehen  Granulalehre. 

(Pathol.-anat.  Institut  zu  Heidelberg.) 

Die  Granula,  welche  die  Umsetzung  des  Eisens  vermitteln,  sind 
umgewandelte  Arnold  sehe  Plasmosomen.  Vielfach  wurden  auch 
Körnchen  in  den  Kernen  von  Leukozyten  gefunden,  die  mit  den 
Körnchen  im  Protoplasma  eine  Uebereinstimmung  zieigten.  Diese 
Granula  sind  nach  Verf.  Ansicht  umgewandelte  Karyosomen.  Die 
Untersuchungen  wurden  angestellt  an  experimentellem  Material  (To¬ 
luylendiaminvergiftung)  und  an  menschlichem  Sektionsmaterial. 

20)  R.  R  ös  sie:  Die  Veränderungen  der  Blutkapillaren  der 
Leber  und  ihre  Bedeutung  für  die  Histogenese  der  Leberzirrhose. 
(Pathol.  Institut  München.) 

Die  Leberzirrhose  ist  ein  herdweise  oder  diffuse  mit  Kapillar¬ 
erweiterungen,  perikapillären  Oedemen,  Untergang  und  Neubildung 
von  Endothel  und  Kapillarwänden  beginnender  und  meist  in  Anfällen 
ablaufender  Prozess  toxisch-infektiöser  Natur.  Oft  wird  er,  an  Ex¬ 
tensität  und  Intensität  wechselnd,  als  einfache  Dissoziation  eingeleitet. 
Die  ausgebildete  Zirrhose  kann  häufig  als  das  Resultat  wiederholter 
Dissoziationen  angesehen  werden.  Die  Dissoziationen  heilen  unter 
Regeneration  des  parenchymatischen  Gefässnetzes,  oft  unter  Bildung 
abnormer  Kapillarisationen  des  gelockerten  Gewebes  ab.  Die  Vor¬ 
gänge  am  Parenchym  sind  abhängig  von  Art  und  Stärke  der  durch 
die  Kapillaren  hindurch  und  auf  diese  ausgeübten  Giftwirkung.  Sie 
bestehen  in  Entartungen,  Neuwucherungen  und  Pigmentierung.  Ver¬ 
fallen  die  Epithelien  nicht  der  toxischen  und  anämischen  Nekrose, 
so  bildet  sich  zwischen  ihnen  das  erste  Bindegewebe  aus  den  ver¬ 
änderten  Kapillaren.  Die  Veränderung  besteht  in  einer  auf  oben 
genannte  Weise  zu  stände  gekommenen  Anreicherung  der  Endothelien 
und  der  übrigen  Elemente  der  Kapillarwand.  Die  Ablagerung  eisen¬ 
haltigen  Blutfarbstoffes  geschieht  zum  Teil  durch  Verarbeitung  von 


erythrozytärem  Material  in  den  Epithelien  selbst.  Eine  zuerst  nicht 
pigmentierte  Zirrhose  kann  sich  in  eine  pigmentierte  verwandeln 
(hämochromatotische  Zirrhose). 

21)  E.  Roth:  Ueber  Schrumpfnieren  ohne  Arteriosklerose. 
(Pathol.  Institut  zu  Köln.) 

Untersuchungen  an  6  Fällen.  Die  Nieren  boten  das  Aussehen  der 
weissen  Granularniere.  Die  Glomerulusschlingen  waren  im  grossen 
ganzen  völlig  intakt.  Nur  in  2  Fällen  war  ausgesprochene  Herz¬ 
hypertrophie  vorhanden,  während  in  den  anderen  die  Hypertrophie 
des  linken  Ventrikels  gering  war.  Bemerkenswert  ist,  dass  die 
Stärke  der  Hypertrophie  mehrfach  durchaus  nicht  der  Ausdehnung 
der  Nierenschrumpfung  entsprach. 

22)  R.  L.  Thompson:  Die  Bedeutung  von  embryonalen  Ent¬ 
wicklungsstörungen  für  die  Entstehung  von  Zysten  in  der  Niere. 

(Pathol.  Laboratorium  der  St.  Louis  University.) 

Beschreibung  einer  Gewebsmissbildung  in  der  Niere  eines  2 
Wochen  alten  Kindes.  Auf  Grund  seiner  mikroskopischen  Unter¬ 
suchungen  an  dem  geschilderten  hyperplastischen  Nierenläppchen  tritt 
Verf.  für  'die  Ansicht  der  Autoren  ein,  die  die  Nierenzysten  auf  eine 
Entwicklungshemmung  zurückführen. 

23)  Fahr:  Ueber  die  muskuläre  Verbindung  zwischen  Vorhof 
und  Ventrikel  (das  H  i  s  sehe  Bündel)  im  normalen  Herzen  und  beim 
Adams-Stokes  sehen  Symptomenkomplex. 

Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  stellt  der  Verf.  die  Behauptung 
auf,  dass  das  H  i  s  sehe  Bündel  nach  seinem  Durchtritt  durch  den 
Annulus  fibrosus  sich  zwar  in  zwei  Schenkel  teilt,  jedoch  sich  nicht, 
wie  das  Tawara  angibt,  netzförmig  an  der  Herzinnenfläche  aus- 
breitet,  sondern  bald  völlig  mit  der  Ventrikelmuskulatur  verschmilzt. 
F.  bezeichnet  es  als  eine  Schwäche  der  T  a  w  a  r  a  sehen  Ausfüh¬ 
rungen,  dass  Tawara  die  Befunde  am  Schafherzen  auf  das  Men¬ 
schenherz  so  ohne  weiteres  übertragen  habe,  zumal  überhaupt  darauf 
verzichtet  sei,  das  Herz  eines  erwachsenen  Menschen  mit  zur  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  heranzuziehen.  Wenn  der  Verf.  die  Ta¬ 
wara  sehe  Monographie  nur  einigermassen  sorgfältig  durchstudiert 
hätte,  so  würde  er  dort  zahlreiche  mikroskopische  Untersuchungen 
am  Menschenherzen  aufgeführt  finden  und  weiter  gesehen  haben,  dass 
die  netzförmige  Ausbreitung  des  Bündels  auch  histologisch  festge¬ 
stellt  worden  ist.  Schridde  - Freiburg. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

56.  Bd.  5.  u.  6.  Heft.  1907. 

16)  R.  S  c  h  m  i  t  z  -  Bern:  Ueber  die  Ausscheidung  des  Chinins 
im  menschlichen  Harn. 

Schmitz  fand  von  dem  per  os  verabreichten  Chinin  26 — 30 
Prozent  unverändert  im  Harn  wieder.  Umwandlungsproduktie  des 
Chinins  waren  nicht  zu  finden.  Zur  Bestimmung  benutzte  er  die  Iso¬ 
lierungsmethode  von  Kleine  in  Verbindung  mit  dem  Gordin- 
schen  Titrierverfahren.  Nach  subkutaner  Chininapplikation  erscheinen 
nur  ca.  16  Proz.  im  Harn.  In  den  Fäzes  ist  kein  Chinin  zu  finden. 
Der  Organismus  zerstört  also  den  Rest  des  Chinins.  Diese  Fähigkeit 
des  Organismus  wird  durch  länger  fortgesetzten  Chiningebrauch 
nicht  gesteigert. 

17)  E.  Hedinger  und  O.  Loeb-  Bern :  Ueber  Aortenverände¬ 
rungen  bei  Kaninchen  nach  subkutaner  Jodkaliverabreichung. 

Die  zuerst  Aufsehen  erregenden  Befunde  von  Aortenverände¬ 
rungen  bei  Kaninchen  nach  Adrenalininjektionen  haben  an  Interesse 
eingebüsst,  seit  man  gleiche  Erkrankungen  auch  nach  Applikation  von 
Phlorizin,  Nikotin,  Salzsäure,  Milchsäure,  Phosphorsäure  etc.  be¬ 
obachtet  hat.  Es  handelt  sich  also  nicht  um  eine  spezifische  mit 
der  Blutdrucksteigerung  zusammenhängende  Wirkung  des  Adrena¬ 
lins,  sondern  wahrscheinlich  um  eine  direkte  toxische  Wirkung  auf 
die  sehr  empfindliche  Kaninchenaorta.  Hedinger  und  Loeb  fan¬ 
den  jetzt  auch  nach  starken  Jodkaligaben  bei  2  Kaninchen  aus¬ 
gedehnte  Erkrankung  der  Aorta  media  in  Form  von  verkalkten  und 
nekrotischen  Herden  und  multipler  Aneurysmenbildung.  Da  aber 
6  weitere  in  gleicher  Weise  behandelte  Kaninchen  die  Aortenverände¬ 
rungen  vermissen  Hessen,  so  ist  der  Zusammenhang  dieser  Verände¬ 
rungen  mit  den  Jodkaligaben  noch  der  Aufklärung  bedürftig. 

18)  O.  Loeb -Bern:  Die  Jodverteilung  nach  Einfuhr  verschie¬ 
dener  Jodverbindungen. 

Das  Studium  der  Verteilung  von  Arzneistoffen  im  Körper  ist  von 
hervorragendem  Interesse  für  die  Erkenntnis  der  Wirkungsweise 
unserer  Heilmittel,  insbesondere  der  spezifisch  wirksamen.  Leider 
befindet  sich  unser  Wissen  in  dieser  Beziehung  noch  in  den  Anfängen. 
Für  das  Jod  gestaltet  sich  die  Verteilung  nach  Loebs  interessanten 
Versuchen  folgendermassen.  Nach  ein-  oder  mehrfacher  Jodkaliver¬ 
abreichung  findet  man  bei  Kaninchen  Gehirn,  Rückenmark,  Fett  und 
Knochen  jodfrei.  Muskel,  Leiber,  Niere,  Speicheldrüse,  Lunge,  Magen, 
Auge,  Blut  und  Haut  sind  in  steigendem  Masse  jodhaltig.  Am  höch¬ 
sten  ist  der  Jodgehalt  der  Schilddrüse.  Nach  Aussetzen  der  Jodkali¬ 
zufuhr  bleiben  Schilddrüse,  Blut,  Lunge  und  Niere  am  längsten  jod¬ 
haltig.  Leber  und  Blut  enthalten  nach  längerer  Verabreichung  Jod 
in  besonderer  Bindung,  wahrscheinlich  Eiweissverbindung.  Führt 
man  das  Jod  in  lipoidlöslichen  Verbindungen  ein  (Jodoform,  Jod¬ 
äther,  Jodanilin),  so  wird  das  Jod  lipotrop  und  man  findet  es  auch  in 
dem  sonst  freien  Gehirn  und  Fett,  ein  Resultat,  welches  voraussicht¬ 
lich  für  die  Pharmakotherapie  des  Zentralnervensystems  von  grosser 
Bedeutung  sein  wird. 


1 446 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29 


19)  H.  F  ii  h  n  e  r-  Wiirzburg  und  E.  N  e  u  b  a  u  e  r  -  Wien: 
Hämolyse  durch  Substanzen  homologer  Reihen. 

Die  Verfasser  fanden  f ii r  eine  grössere  Anzahl  von  Substanzen 
homologer  Reihen  einen  gleichen  Parallelismus  zwischen  physi¬ 
kalisch-chemischem  und  hämolytischem  Verhalten,  wie  er  von 
li.  Meyer  und  O  v  e  r  t  o  n  zwischen  physikalisch-chemischem  und 
narkotischem  Verhalten  nachgewiesen  wurde. 

20)  L.  L  e  w  i  n  -  Berlin:  Ueber  das  Verhalten  von  Mesityloxyd 
und  Phoron  im  Tierkörper  im  Vergleiche  zu  Azeton. 

Von  rein  pharmakologischem  Interesse. 

21)  N.  L  o  m  b  r  o  s  o  -  Turin :  Zur  Frage  über  die  innere  Funk¬ 
tion  des  Pankreas,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  den  Fettstoffwechsel. 

Lombroso  beobachtete  bei  Hunden,  denen  das  Pankreas  ent¬ 
fernt  worden  war,  trotz  Hunger  eine  auffallend  gute  Erhaltung  der 
Fettaiblagerungen  in  den  Geweben  und  weiter  eine  sehr  bedeutende 
Ausstossung  von  Fett  mit  dem  Kot.  Diese  Ausstossung  konnte  die 
Einfuhr  übertreffen  und  bestand  in  Körperfett,  wie  aus  Schmelz¬ 
bestimmungen  des  Nahrungs-  und  Kotfettes  hervorgeht.  Die  Resorp¬ 
tion  des  Nahrungsfettes  geht  dabei  weiter  vor  sich,  wie  die  histo¬ 
logische  Untersuchung  der  Darmwand  zeigte.  Einführung  von  Pan¬ 
kreassaft  in  den  Darm  hatte  auf  diese  Verhältnisse  keinen  Einfluss. 
Lombroso  schliest  aus  diesen  Befunden,  dass  dem  Pankreas  eine 
innere,  für  den  Fettstoffwechsel  wichtige  Funktion  zugeschrieben 
werden  muss,  nach  deren  Ausfall  der  Körper  das  Fett  nicht  mehr 
in  normalem  Umfange  zersetzen  kann.  Er  sucht  sich  deshalb  des 
Fettes  durch  Ausstossung  mit  dem  Kote  zu  entledigen.  Diese  Be¬ 
obachtungen  Lombr  os  o  s  verdienen  alle  Aufmerksamkeit,  da  sie 
im  Falle  ihrer  Bestätigung  dem  Pankreas  bezüglich  des  Fettstoff¬ 
wechsels  eine  analoge  wichtige  Rolle  zuschreiben,  wie  dasselbe 
nach  den  bekannten  Untersuchungen  von  Minkowski  und 
v.  M  e  r  i  n  g  sie  für  die  Kohlehydrate  besitzt. 

22)  W.  H  e  u  b  n  e  r  -  Strassburg:  Ueber  Vergiftung  der  Blut¬ 
kapillaren. 

Die  Arbeit  enthält  in  der  Hauptsache  eine  eingehende  Schilde¬ 
rung  der  Wirkung  des  Goldsalzes  auf  den  Organismus.  Eine  wesent¬ 
liche  Wirkung  dieses  Körpers  besteht  in  der  Vergiftung  der  Blut- 
kapillaren,  deren  kontraktile  Elemente  völlig  gelähmt  werden.  Die 
Kapillaren  werden  infolgedessen  ad  maximum  gedehnt,  an  vielen 
Stellen  durch  den  gesteigerten  Druck  zerrissen,  es  kommt  zur  Ver¬ 
blutung  in  die  Kapillaren.  Heuibner  berichtet  weiter  des  näheren 
über  -das  Verhalten  des  Goldsalzes  im  Organismus,  über  seine  Wir¬ 
kung  auf  einzellige  Organismen,  über  die  Wirkung  anderer  Gold- 
verbindungen  und  von  Silbersalzen.  Der  Schluss  bringt  Theoretisches 
über  Kapillarvergiftung. 

23)  Fr.  W  o  h  1  w  i  1 1  -  Strassburg:  Ueber  die  Wirkungen  der 
Metalle  der  Nickelgruppe. 

Studie  von  rein  pharmakologischem  Interesse. 

24)  H.  H'i  1  de  b  r  an  d  t  -  Halle  a.  S. :  Ueber  das  pharmako- 
iog'sche  Verhalten  von  Oxybenzyltanninen. 

Ebenfalls  von  rein  pharmakologischem  Interesse. 

25)  M.  Bial-Berlin:  Bemerkungen  und  Versuche  zu  der  Arbeit 
von  Wandel:  Zur  Pathologie  der  Lysol-  und  Veresolvergiftung. 

26)  O.  Wandel:  Bemerkungen  zu  der  vorstehenden  Arbeit 
B  i  a  I  s. 

Polemik.  J.  M  ü  1 1  e  r  -  Wiirzburg. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  25.  Band, 
2.  Heft.  1907. 

1 )  O  h  1  m  ü  1 1  e  r,  F  r  ä  n  k  e  1,  G  a  f  f  k  y,  Keller,  Orth, 
Hofer:  Gutachten  des  Reichsgesundheitsrates  über  den  Einfluss  der 
Ableitung  von  Abwässern  aus  Chlorkaliumfabriken  auf  die  Schunier, 
Oker  und  Aller. 

Die  in  den  Jahren  1902 — 1904  ausgeführten  Untersuchungen 
haben  ergeben,  dass  die  bei  den  Abwässern  der  Chlorkaliumfabriken 
in  Betracht  kommenden  Flüsse  Sch  unter,  Oker  und  Aller  stark 
verunreinigt  werden.  Die  Verunreinigungen  würden  noch  erheblich 
steigen,  wenn  an  Stelle  der  jetzt  verarbeiteten  5500  Dz.  später,  falls 
die  nachgesuchte  Konzession  erteilt  würde,  11  500  Dz.  zur  Verarbei¬ 
tung  gelangten.  Namentlich  dürfte  ein  übermässiges  Versalzen  auf 
die  Verwendung  des  Wassers  als  Trink-  und  Brauchwasser  einen  un¬ 
günstigen  Einfluss  ausüben.  Eine  Schädigung  des  Fischlebens  scheint 
nicht  zu  erwarten  zu  sein.  Um  den  weiteren  Verunreinigungen  entgegen¬ 
zutreten,  sind  für  die  3  Flüsse  Grenzzahlen  in  bezug  auf  Härte  und 
Chlorgehalt  festgelegt  und  den  Fabriken  aufgegeben  worden,  ihre 
Betriebe  so  einzurichten,  dass  sie  jederzeit  eine  Kontrolle  der  Ab¬ 
wässer  ermöglichen. 

2)  Gärtner  und  Dam  man:  Gutachten  des  Reichsgesund¬ 
heitsrates  über  das  Auftreten  des  Milzbrandes  unter  dem  Rindvieh  im 
Schmeiegebiet  (Reg.-Bez.  Hohenzollern)  und  über  den  Zusammenhang 
dieses  Auftretens  mit  der  Verunreinigung  des  Schmeiebaches  durch 
Abwässer  von  Gerbereien  in  der  Stadt  Ebingen. 

Die  hauptsächlich  infizierten  Bezirke  sind  Ebingen  und  Strass¬ 
berg-Kaiseringen,  bedingt  durch  die  dortigen  Wildhautgerbereien. 
Die  Milzbrandkeime  gelangen  durch  Weichen  und  Fliessen  der  Häute 
und  durch  Rieseln  der  Abwässer  auf  die  Wiesen  und  in  das  Trink¬ 
wasser  des  Viehes.  Als  sichere  Massregel  wird  sich  nur  die  Des¬ 
infektion  der  genannten  Abwässer  oder  mindestens  der  Weichwässer 
ergeben;  aber  auch  die  Kanalisation  der  Stadt  Ebingen  und  Ein¬ 


führung  von  Wasserversorgung  in  -den  betroffenen  Gemeinden,  eben¬ 
so  die  Regulierung  des  Schmeiebaches  dürfte  einige  Abhilfe  schaffen, 
während  alle  anderen  Massregeln,  wie  Aussortierung  der  Häute,  Des¬ 
infektion  derselben,  Schutzimpfung  und  anderes  nicht  in  Frage 
kommen. 

3)  X  y  1  a  n  d  e  r  -  Berlin:  Beiträge  zur  Desinfektion  von  milz¬ 
brandhaltigen  Häuten, 

Die  bisherigen  Versuche  zur  sicheren  Desinfektion  von  Milz¬ 
brandsporen  an  Häuten  mittels  gewöhnlichen  Wasserdampfes  waren 
stets  vergeblich.  Formaldehydwasserdampf  zeigte  zwar  eine  bessere 
Wirkung,  doch  wurde  bei  trockenen  eingewickelten  Häuten  eine 
Tiefenwirkung  vermisst,  trotz  Anwendung  des  Vakuums.  Weitere 
Versuche,  dem  Weichwasser  desinfizierende  Mittel  zuzusetzen  und 
so  die  Milzbrandsporen  abzutöten,  führten  aber  auch  nicht 
zum  Ziel,  wenigstens  nicht  bei  0,5  Prozent  Formalin¬ 
zusatz.  Grössere  Zusätze  machten  aber  die  Häute  für 
weitere  Verarbeitung  völlig  unbrauchbar.  Auf  solche  Mittel 
wie  Sublimat,  Lysol,  Rohkreosol,  Kresolseifenlösung  als  Zu¬ 
satz  zu  dem  Weichwasser  musste  wegen  der  Giftigkeit  verzichtet 
werden. 

4)  Wilhelm  L  a  n  g  e  -  Berlin :  Untersuchung  von  Samen  der 
Mondbohne,  Phaseolus  iunatus  L. 

Die  in  den  Tropen  gebaute  Mondbohne  —  in  dem  vorliegenden 
Falle  aus  Java  —  enthielt  im  Durchschnitt  0,17  Proz.  Blausäure. 

5)  Richard  G  o  n  d  e  r  -  Rovigno:  Beitrag  zur  Lebensgeschichte 
von  Strongyloiden  aus  dem  Affen  und  dem  Schafe. 

6)  F.  N  e  u  f  e  1  d  und  v.  P  r  o  w  a  z\e  k  -  Berlin :  Ueber  die  Im¬ 
munitätserscheinungen  bei  der  Spirochätenseptikämie  der  Hühner 
und  über  die  Frage  der  Zugehörigkeit  der  Spirochäten  zu  den  Proto¬ 
zoen. 

Aus  den  angestellten  Versuchen  schliessen  die  Verff.,  dass  an  der 
Immunität  der  Hühner  bei  der  Hühnerspirillose  die  Phagozytose  nicht 
wesentlich  beteiligt  sei;  vielmehr  sollen  die  parasitiziden  Eigen¬ 
schaften  des  Serums  die  Hauptrolle  spielen.  Es  scheint,  als  ob  die 
Spirochäten  keine  deutlich  nachweisbaren  Stoffe  ausschciden,  die 
stark  toxisch  wirken,  sondern  dass  sie  durch  Verstopfung  der  zarten 
Gefässe  schädigend  wirken. 

Hinsichtlich  der  Stellung  der  Spirochäten  zu  den  Bakterien  oder 
den  Protozoen  weisen  die  Verff.  darauf  hin,  dass  mittels  taurochol- 
saurern  Natron  die  Spirochäten  zur  Auflösung  gebracht  werden 
können,  während  Bakterien  mit  Ausnahme  der  Pneumonie  sich  nicht 
lösen. 

7)  Ed.  P  o  1  e  n  s  k  e  -  Berlin:  Ueber  den  Wassergehalt  des 
Schweineschmalzes. 

Es  wird  vorgeschlagen,  den  Wassergehalt  des  Schweine¬ 
schmalzes  erst  zu  beanstanden,  wenn  er  0,3  Proz.  erreichen  sollte. 

R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  27,  1907. 

1)  A  u  f  r  e  c  h  t  -  Magdeburg:  Der  gegenwärtige  Stand  der  Lun¬ 
genschwindsuchtsfrage. 

A.  konnte  schon  früher  feststellen,  dass  die  ersten  tuberkulösen 
Veränderungen  an  den  Lungenspitzen  nicht  von  der  Endausbreitung 
der  Bronchien  ausgehen.  Die  ersten  Tuberkeln  stehen  vielmehr  im 
Zusammenhang  mit  den  kleinsten  Gefässzweigen.  Es  ist  nun  auch 
nachgewiesen,  .dass  die  Tuberkelbazillen  die  intakte  Ge'fässwand 
passieren  können.  Die  Haupteintrittspforte  wird  durch  die  Tonsillen 
dargestellt  —  die  Inhalationstheorie  ist  nicht  mehr  haltbar  — ,  dann 
werden  die  Drüsen  des  Halses  oder  des  Mediastinums  infiziert,  von 
hier  aus  die  Blutgefässe  der  Lunge.  Eine  Infektion  der  Spitzen  über 
Halslymphdriisen  und  Pleuraverwachsungen  kommt  nicht  in  Betracht. 
Der  Artikel  enthält  auch  einen  Ueberblick  über  die  einschlägige 
Literatur. 

2)  D.  R  o  t  h  s  c  h  i  1  d  -  Soden  a.  T.:  Die  mechanische  Disposition 
der  Lungenspitzen  zur  tuberkulösen  Phthisis. 

In  seinem  Vortrag,  in  dessen  polemischem  Teil  sich  R.  besonders 
gegen  Hart-  Berlin  wendet,  der  seine  Theorie  bekämpft,  führt  er  aus, 
dass  der  Winkel  zwischen  Manubrium  und  Corpus  sterni  von  grösster 
Wichtigkeit  in  der  bezeiclmeten  Richtung  sei,  dass  der  Drehungs¬ 
mechanismus  der  1.  Rippe  diese  Winkelgrösse  ändere,  was  durch  eine 
meist  vorhandene  Beweglichkeit  zwischen  Corpus  und  Manubrium 
sterni  ermöglicht  werde.  Bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Phthisiker 
sei  dieser  Winkel  abgeflacht  oder  ganz  aufgehoben,  die  Manubrium- 
Corpusverbindung  verknöchere  und  an  Stelle  des  normalen  Zwischen¬ 
knorpels  entstehe  eine  Exostose  (von  S.  als  Angulus  Ludovici  be¬ 
zeichnet).  Dadurch  würden  die  Ventilationsverhältnisse  für  gewisse 
Lungenteile  ungünstig  verändert. 

3)  C.  Hart-  Berlin:  Die  Manubrium-Corpusverbindung  des  Ster¬ 
num  und  die  Genese  der  primären  tuberkulösen  Phthise  der  Lungen¬ 
spitzen. 

Diskussionsbemerkungen  zum  Vortrag  unter  No.  2.  H.  bestreitet, 
dass  die  Lehre  R.s  anatomisch-physiologisch  und  vor  allem  patho¬ 
logisch  motiviert  sei,  J)esonders  wird  eine  ausgiebigere  Beweglich¬ 
keit  der  Sternumteile  zu  einander  bestritten;  die  Verknöcherung  der 
betr.  Sternalsynchondrose  ist  im  Wesentlichen  eine  Alterserscheinung. 

4)  v.  H  a  n  s  e  m  a  n  n  -  Berlin :  Einige  Bemerkungen  über  die 
Stenose  der  oberen  Brustapertur  und  ihre  Beziehung  zur  Lungen¬ 
phthise. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1447 


H.  sind  die  von  Rothschild  als  Angulus  Ludovivi  willkür¬ 
lich  bezeichneten  Exostosenbildungen  nicht  zu  Gesicht  gekommen. 
Das  R.sche  „kollaterale  Emphysem  des  oberen  Lappens“  existiert 
nicht  in  der  von  R.  supponierten  Weise. 

5)  M.  Li  s  s  a  u  e  r  -  Berlin:  Die  Manubrium-Corpusverbindung 
des  Sternums  und  ihre  Beziehungen  zur  Genese  der  tuberkulösen 
Lungenphthise. 

L.  bekämpft  ebenfalls  die  anatomischen  Unterlagen  der  R. sehen 
Angaben. 

6)  Jul.  B  e  n  c  e  -  Ofen-Pest:  Experimentelle  Beiträge  zur  Frage 
der  Nierenwassersucht. 

Die  Versuche  beweisen  1.  dass  die  Entstehung  der  Wassersucht 
bei  den  Urantieren  nicht  mit  etwaigen  aus  der  erkrankten  Niere 
stammenden  Produkten  zusammenzuhängen  scheint;  2.  dass  der  voll¬ 
kommene  Ausschluss  jeder  Nierenfunktion  zur  Entstehung  der  Oedeme 
allein  genügt.  Bei  der  Genese  der  Wassersucht  ist  ein  Faktor  wirk¬ 
sam,  der  die  Verteilung  des  Wassers  zwischen  Gewebe,  Blut  und 
Gewebsspalten  verändert. 

7)  A.  Mayer:  Ueber  das  Vorkommen  von  Gallensäuren  in  der 
Frauenmilch. 

Verf.  konnte  bei  einer  stillenden,  ikterisch  werdenden  Frau 
kleine  Mengen  Gallenfarbstoff  in  der  Milch  nachweisen,  dagegen  er¬ 
hebliche  Mengen  von  Gallensäuren  (mehr  Taurochol-  als  Glyko- 
cholsäure).  Die  Säuren  waren  nur  in  der  1.  Verlaufszeit  des  Ikterus 
vorhanden. 

8)  L.  Mohr:  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  alveolaren 
Lungenemphysems. 

Eine  Art  des  Lungenemphysems  kann  durch  primäre  Verände¬ 
rungen  des  Thoraxskelettes  (Sklerose  der  Rippen  und  ihrer  Knorpel, 
des  Sternums  etc.)  hervorgerufen  werden.  Diese  Thoraxstarre  führt 
auch  zu  Gestaltsveränderungen  und  Funktionsstörungen  des  Zwerch¬ 
fells.  Schon  W.  A.  Freund  hat  operative  Therapie  solcher  Fälle 
befürwortet  und  in  1  Falle  mit  —  kurzem  —  Erfolge  durchgeführt. 
M.  teilt  einen  ebenfalls  operativ  behandelten  Fall  mit  (Resektion  von 
Teilen  der  Rippenknorpel  bezw.  Rippen  selbst).  Der  Erfolg  war 
—  seit  der  Operation  ist  noch  kein  Vierteljahr  verstrichen  —  ein 
gütiger.  Grassmann. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  27. 

1)  J  u  r  a  s  z  -  Heidelberg :  Die  Behandlung  der  Larynxtuber 
kulose. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  E.  L  e  s  s  e  r  -  Berlin:  Die  Syphilisbehandlung  im  Lichte  dei 
neuen  Forschungsresultate. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  am  10.  VI.  07,  ref.  Münch 
rned.  Wochenschr.  1907,  No.  25,  Seite  1262. 

3)  A.  W  e  s  t  p  h  a  1  -  Bonn :  Ueber  ein  im  katatonischen  Stupoi 
beobachtetes  Pupillenphänomen  sowie  Bemerkungen  über  die  Pu 
pilienstarre  bei  Hysterie. 

Bei  einem  Falle  von  zweifelloser  Katatonie  —  ohne  irgend¬ 
welchen  Anhaltspunkt  für  Annahme  einer  organischen  Erkrankung  de1 
Zentralnerveinsystems  —  beobachtete  W.,  dass  die  Pupillen  sein 
nautig,  anscheinend  ohne  jede  Gesetzmässigkeit,  von  der  Kreisform  ii 
che  Form  eines  queren  Ovals  übergingen  unter  Verminderung,  selbs 
Aufhebung  der  vorher  prompten  Lichtreaktion.  Zentripetale  Reizt 
spielten  keine  nachweisbare  Rolle;  es  handelt  sich  um  eine  durcl 
zentrifugale  Reize  bedingte  Innervationsstörung  der  gesamten  Iris¬ 
muskulatur,  nicht  etwa  nur  um  reflektorische  Pupillenstarre  Aehn- 
hche  Innervationsstörungen  kann  die  Iris  von  Hvsterischen  ausser¬ 
halb  der  Anfälle  zeigen;  nur  ist  bei  diesen  ein  deutlicher  Einflus« 
des  psychischen  Zustandes,  des  Vorstellungsinhalts  auf  das  Ver¬ 
halten  der  Pupillen  erkennbar. 

£.  Gr  awi  t  z  -  Charlottenburg:  Ueber  Heilung  des  Morbus 
heit  onu*  nebSt  BemerkunSen  iiber  d'e  Pathogenese  dieser  Krank- 

V°rtraS  >m  Verein  für  innere  Medizin  am  6.  V.  07,  ref.  Münch 
med.  Wochenschr.  1907,  No.  20,  Seite  1014. 

dpr  Schlesinger- Wien:  Ueber  Blaseneruptionen  ar 

Haut  bei  zentralen  Affektionen  des  Nervensystems. 

nphpn  CL f3iähr-  *lrau  trat  direkt  nach  linksseitiger  Körperlähmune 
"fbc ^Jweren  Storungen  der  Sensibilität  und  der  Vasomotorer 
k“gf  Blasenfrnption  aaE  sie  Hess  die  gesunde  Seite  fasi 
™men  fre*’  reuz'divierte  einige  Wochen  lang  immer  wieder  unc 
VeJf  ridiff'1n  Unterf  B!nterlassung  umfangreicher  Pigmentierungen  ab 
Zentrabü/  1  d'e  buIlosen  Hauteruptionen  bei  Affektionen  des 

iTe™zm:siz\rmmxr  aem  Pemphigus  imd  std,t 

6)  Max  E  i  nh  o  r  n  -  New  York:  Ueber  eine  neue  Blutprobe, 
iintp  u  emPfiemt  < ein  Benzidinpapier  als  bequeme  Methode  für  die 
Untersuchung  auf  Blut  des  Mageninhalts,  Urins  und  Stuhls. 

...  /  ,  lesch  und  A.  Sch  o  s  sib  e  r  ge  r- Ofen-Pest:  Leu¬ 
kämische  Blutveränderung  bei  Lues  congenita  und  Sepsis. 

Kongenital  luetischer  Säugling,  im  zweiten  Monat  ausgedehnte 
naut-  und  Schleimhautblutungen,  Ikterus;  Leber-  und  Milzschwel¬ 
ung,  l  neumonie.  Blutbild  wie  bei  myeloider  Leukämie,  hatte  je- 

aur  symptomatische  Bedeutung,  weil  aus  der  Reizwirkung  mas- 
nnatter  loxine  auf  das  Knochenmark  des  Säuglings  erklärlich. 


8)  B.  B  o  s  s  e  -  Berlin :  Die  Lumbalanästhesie  in  ihrer  augen¬ 
blicklichen  Gestalt. 

Sammelreferat.  (Schluss  folgt.) 

9)  M.  Wunsch-Berlin:  Ein  Apparat  gegen  Schiefhals. 

Schnallibar e  Bänder  mit  Einschaltung  einer  Zugstange  (abge¬ 
bildet);  Anwendung  bei  leichteren  Graden,  und  zur  Nachbehand¬ 
lung  nach  Operationen. 

10)  B  o  e  t  h  k  e  -  Berlin:  Das  Krankenhaus  der  kleinen  Städte 

Fortsetzung  folgt.  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII  Jahre 
No.  12.  1907. 

A  r  n  d  -  Bern :  Ueber  die  W  i  t  z  e  I  sehe  Aethertropfnarkose. 

Wegen  der  nicht  zu  leugnenden  Gefährlichkeit  jeder  Narkose 
und  auch  der  Medullaranästhesie  wurde  im  Berner  Inselspital  die 
W.sche  Methode  im  Herbst  1904  versucht  und  seitdem  nicht  mehr 
aufgegeben.  Zur  Beschleunigung  des  Eintritts  der  Narkose  wird 
bei  Erwachsenen  0,01  Morphium  und  0,0005  Atropin  eingespritzt 
und  mit  (reinem!)  Bromäthyl  (20  g  rasch  auf  die  offene  Maske  ge¬ 
tropft)  eingeleitet.  Die  Statistik  von  495  Narkosen  ergibt  für  die 
Narkose  selbst  sehr  günstige  Erfolge,  für  die  Nachwirkungen  32  mal 
Komplikationen  von  seiten  der  Atmungsorgane,  welche  Zahl  nicht 
mit  den  so  ungleichartigen  sonstigen  Statistiken  verglichen  werden 
kann. 

I.  K  a  r  c  h  e  r  -  Basel:  Beitrag  zur  Therapie  der  internen  Folge¬ 
erscheinungen  von  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule.  (Schluss.) 

Verf.  benützt  die  Sektionsprotokolle  des  Baseler  pathologischen 
Institutes  und  die  bezüglichen  Krankengeschichten  der  dortigen  medi¬ 
zinischen  Abteilung  und  der  Baseler  Heilstätte  in  Davos.  Wesentlich 
ist  das  inspiratorische  Defizit  und  der  abdominale  Atemtypus,  nötig 
vor  allem  die  Uebung  der  Atemmechanik  und  der  Atemmuskulatür, 
besonders  durch  vorsichtiges  Bergsteigen  in  mittleren  Höhen,  das 
sich  durch  Krankenbeobachtung  und  Untersuchung  des  Pulses  als 
ungefährlich  erweist. 

Lungentuberkulose  kommt  bei  Kyphoskoliose  nicht  selten  vor 
und  hat  eine  schlechte  Prognose.  Eine  Tabelle  zeigt  die  durchschnitt¬ 
lich  geringere  Organentwicklung  bei  Kyphoskoliose.  Die  Herzunter¬ 
suchung  bereitet  oft  Schwierigkeiten,  häufig  findet  sich  Perikarditis 

No.  13. 

Carl  Schiatter  -  Zürich :  Ueber  die  Bier  sehe  Hvperämie- 
behandlung. 

Die  Methode,  deren  Grundlagen  kurz  wiedergegeben  werden, 
wurde  bei  ca.  250  Fällen  angewandt,  die  Heissluftbehandlung  mit  ini 
allgemeinen  sehr  gutem  Erfolg,  besonders  bei  chronischen  Gelenk¬ 
prozessen,  die  Saugbehandlung  bei  „gutartigeren“  Prozessen  mit 
gutem  Erfolg,  die  Stauungsbinde  bei  Tuberkulose  mit  ungleich- 
mässigem,  bei  akuten  Entzündungen  mit  meist  gutem  Erfolg.  Es 
scheinen  hauptsächlich  schwere  Infektionen  zu  versagen.  Hier  muss 
Stauung  mit  Inzision  kombiniert  werden.  „Das  Messer  evakuiert 
den  Eiter,  die  Stauung  bekämpft  die  Entzündung“. 

O.  Deutsch  1  änder-  Bellelay :  Zur  Kasuistik  des  Echino¬ 
coccus  alveolaris.  (Schluss  folgt.)  Pischinger. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

- .  ■ N°-  27 ■  R-  Dehne  und  F.  Hamburger-  Wien :  Ueber  das 

Verhalten  artfremden  Antitoxins  im  menschlichen  Organismus. 

Die  Versuche,  welche  an  Menschen  durch  Injektionen  von  Tetanus¬ 
antitoxin  vorgenommen  wurden  (von  Diphtherieantitoxin  lässt  sich 
dasselbe  Verhalten  voraussetzen),  sind  von  Bedeutung  für  die  Frage 
wie  lange  die  passiv  verliehene  Immunität  beim  Menschen  nachhält’ 
Es  ergab  sich:  Parenteral  einverleibtes  Antitoxin  bleibt  auch  beim 
Menschen  mehrere  Tage  in  unveränderter  Menge  im  Blut  erhalten- 
nach  einigen  lagen  erfolgt  ein  kritischer  Abfall  des  Antitoxins,  der 
zunächst  gewöhnlich  weit  mehr  als  die  Hälfte  des  einverleibten  Anti¬ 
toxins  beträgt.  Dann  folgt  ein  mehr  allmähliches  Abnehmen  und 
nach  etwa  3  Wochen  völliges  Verschwinden  des  Antitoxins.  Die 
rschemungen  der  Serumkrankheit  sind  ein  Indikator  für  die  beträcht¬ 
liche  Abnahme  des  Antitoxins  und  der  Immunität.  Diese  Abnahme 
ist  nicht  gleichbedeutend  mit  einem  völligen  Verschwinden.  Eine 
Abnahme  des  artfremden  Antitoxins  muss  nicht  von  den  Zeichen  der 
Serumkrankheit  begleitet  sein. 

N.  Schneider-Lemberg:  Ueber  das  Verhalten  des  Blutes 
im  Verlaufe  einer  kruppösen  Pneumonie  bei  einem  Kranken  mit 
Polycythaemia  myelopathica,  bei  welchem  die  Milz  früher  exstirpiert 
wurde. 

Näherer  Bericht  über  den  in  No.  14  beschriebenen  Fall  mit  spe- 
ziellei  Berücksichtigung  der  zugleich  mit  der  Pneumonie  einsetzen¬ 
den  bedeutenden  Hyperleukozytose  und  des  allmählichen  Ueber- 
ganges  der  Anisohyperzytose  in  eine  Anisohypozytose. 

E.  Niessner  -  Iroppau:  Ueber  ein  neues  Operationsverfahren 
bei  Anus  vulvovestibularis. 

Von  einem  Hautschnitt  aus,  der  von  der  Steissbeinspitze  zur 
widernatürlichen  Afteröffnung  reicht  und  diese  umkreist,  wird  die 
Muskulatur  des  Beckenausganges  übersichtlich  freigelegt  und  dann 
der  Mastdarm  von  der  über  und  hinter  ihm  gelegenen  Muskulatur 
des  fransversus  perinei  und  Levator  ani  und  von  seinem  Ansatz 


1448 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


gegen  die  Vagina  frei  beweglich  herauspräpariert.  Mit  einer  durch 
den  Sphincter  externus  durchgeführten,  den  Schlitz  erweiternden 
Kornzange  wird  der  Mastdarm  herabgezogen  und  mit  der  äusseren 
Haut  vernäht.  Der  gegen  die  Vagina  hin  hegende  Muskelteil  wird 
mit  einigen  zugleich  durch  die  Haut  gelegten  Nähten  mit  dem  Septum 
rectovaginale  vernäht  und  so  ein  den  normalen  Verhältnissen  ent¬ 
sprechendes  Perineum  gebildet.  Der  Erfolg  der  Operation,  die  im 
Prinzip  der  von  Kroemer  in  No.  10  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
beschriebenen  Methode  jedenfalls  ganz  nahe  steht,  war  in  dem  ersten 
Pall  ein  durchaus  guter. 

W.  Landau -Wien:  Zur  Kenntnis  der  Hypertrichosis  circum¬ 
scripta  mediana. 

Kasuistische  Mitteilung.  Die  Hypertrichosis  entsprach,  in  der 
Medianlinie  des  Rückens  am  meisten  ausgebildet,  etwa  der  oberen 
und  dem  grösseren  Teil  der  unteren  Hälfte  des  Muse,  rhomboides. 
Der  Dornfortsatz  des  4.  und  6.  Brustwirbels  fehlt.  Sehr  wahrschein¬ 
lich  besteht  an  dem  Ort  der  Hypertrichosis  eine  Spina  bifida  occulta, 
wie  in  so  manchen  Fällen  ein  Zusammenhang  der  Anomalie  mit 
einer  Spaltbildung  der  Wirbelsäule  nachzuweisen  war. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  10.  M.  C  r  a  m  e  r  -  Koburg:  Zur  Nasentuberkulose. 

Beschreibung  von  2  Fällen  mit  eigentümlichem  Befund:  Neben 
einer  geschwiirigen  Schleimhauttuberkulose  eine  nekrotisierende 
tuberkulöse  Ostitis  der  mittleren  bezw.  unteren  Muschel.  Nach  Ent¬ 
fernung  des  Sequesters  erfolgte  unter  Spülung  und  Milchsäureätzung 
die  Heilung. 

No.  11,12.  A.  v.  Weismayr  - Wien:  Die  Prognose  der  chro¬ 
nischen  Lungentuberkulose. 

Kurze  prägnante  Uebersicht  der  wichtigsten  prognostischen 
Momente. 

No.  13/14.  K.  D  o  1 1  -  Karlsruhe:  Die  sichtbare  Pulsation  der 
Arteria  brachialis  bei  Arteriosklerose. 

Wenn  bei  gestrecktem  Arm  (mit  Ausschluss  einer  Insuffizienz 
der  Aortenklappen)  an  der  Innenseite  unmittelbar  über  dem  Ellen¬ 
bogen  die  Pulsation  der  Art.  brachialis  deutlich  sichtbar  ist,  so  weist 
dies  Zeichen  neben  anderen  mit  erhöhter  Sicherheit  auf  eine  be¬ 
stehende  Arteriosklerose  hin,  als  einziges  Zeichen  erweckt  es  den 
Verdacht  auf  Arteriosklerose. 

No.  14.  K.  Q  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München:  Zur  Aufzeichnung  von 
Herzumrissen. 

Die  Perkussion  des  Herzens  hat  an  ihrem  Werte  durch  die  Aus¬ 
bildung  der  Röntgenuntersuchung  nichts  eingebiisst.  Wichtig  und 
für  vergleichende  Untersuchungen  unerlässlich  ist  die  Aufzeichnung 
der  Befunde;  dabei  ist  nur  notwendig,  fixe  Punkte  zu  haben,  von  denen 
die  jedesmalige  Aufzeichnung  wieder  auszugehen  hat.  Die  Mammilla 
ist  nicht  nur  bei  Frauen,  sondern  auch  bei  vielen  Männern  kein  fester 
Punkt.  Q.  schlägt  nun  vor,  zur  sicheren  Orientierung  in  die  Zeich¬ 
nung  folgende  2  Linien  aufzunehmen  (bei  ausgewachsenen  Personen): 
die  Mittellinie  zwischen  Jncisura  jugularis  und  Processus  ensiformis 
sterni  und  die  durch  die  Mitte  dieses  Abstandes  senkrecht  gelegte 
Querlinie;  die  auf  dieser  Linie  nach  beiden  Seiten  in  einer  Ent¬ 
fernung  von  5 — 10  cm  eingetragenen  Punkte  bilden  die  Richtpunkte 
für  spätere  Untersuchungen. 

No.  15/20.  K.  U  1 1  m  a  n  n  -  Wien:  Ueber  Konjunktivitis,  Irido¬ 
zyklitis  und  andere  entzündliche  Augenaffektionen  als  Teilerschei¬ 
nungen  eines  Gonorrhoismus. 

Verf.  gibt  unter  Beschreibung  von  4  eigenen  Fällen  einen  Ueber- 
blick  über  die  Anschauungen  betr.  die  Beziehungen  zwischen  Gonor¬ 
rhöe  und  Augenerkrankungen.  Ausser  dem  eventuellen  positiven 
Kokkenbefund  kommen  den  betreffenden  Augenaffektionen  keine 
Charakteristika  zu;  sie  schliessen  sich  nicht  der  akuten,  sondern  der 
chronischen  Gonorrhöe  an,  daher  empfiehlt  sich  einerseits  zur  Fest¬ 
stellung  der  Aetiologie  solcher  Erkrankungen  oft  eine  Untersuchung 
auf  Genitalgonorrhöe,  andererseits  eine  möglichst  behutsame,  die 
Metastasierung  vermeidende  Behandlung  der  chronischen  Gonorrhöe. 

No.  16.  V.  C  h  1  u  m  s  k  y  -  Krakau:  Ueber  die  Erfolge  der  Heiss¬ 
luftbehandlung. 

Gute  Erfolge  hat  Ch.  bei  Arthritis  und  in  der  Nachbehandlung 
nicht  zu  sehr  veralteter  Kontusionen,  Distorsionen,  Frakturen  und 
Luxationen  gesehen;  wechselnd  waren  die  Erfolge  beim  chronischen 
Rheumatismus  und  bei  Neuralgien,  ein  erheblicher  Teil  der  Kranken 
kam  auch  hier  zur  Heilung. 

No.  20/21.  J.  v.  S  z  a  b  o  k  y  -  Ofen-Pest:  Ueber  die  Rolle  der 
ererbten  Disposition  bei  der  Aetiologie  der  Tuberkulose. 

An  1456  Tuberkulose-  und  1433  Kontrollfällen  fand  S.  56,3  Proz. 
der  ersteren,  19,4  Proz.  der  letzteren  erblich  belastet,  grössten¬ 
teils  von  den  Eltern  her,  in  gleichem  Masse  vom  Vater  wie  von  der 
Mutter,  bei  einem  Drittel  bestand  die  Tuberkulose  bei  den  Eltern 
schon  vor  der  Geburt  der  Kinder.  Der  Habitus  phthisicus  kommt 
zwar  hauptsächlich  bei  der  ererbten  Disposition  vor,  ist  aber  nicht 
charakteristisch  für  die  Tuberkulose.  Die  ererbte  Disposition,  die 
übrigens  bei  älteren  Kranken  ebenso  häufig  zu  finden  war  wie  bei 
jüngeren,  scheint  nur  als  mehrfache  Belastung  den  Krankheitsverlauf 
ungünstig  zu  beeinflussen.  Das  Brehmer  sehe  Gesetz  (Erkrankung 
der  Kinder  einer  belasteten  Familie  in  demselben  Lebensalter)  traf 
nur  in  beschränktem  Masse  zu. 


No.  22/23.  H.  S  c  h  ö  p  p  1  e  r  -  München:  Eine  Verordnung  der 
Stadt  Nürnberg  aus  dem  18.  Jahrhundert,  die  eine  Anleitung  zur  ersten 
Hilfeleistung  bei  Verunglückten  betrifft. 

Die  aus  dem  Jahre  1778  stammende  Verordnung  war  eine  hu¬ 
mane  und  für  ihre  Zeit  jedenfalls  sehr  fortschrittliche  Leistung  und 
zum  grossen  Teil  auch  durchaus  praktisch.  Sie  betrifft  das  Ver¬ 
fahren  bei  Ertrunkenen,  Erfrorenen,  Erhängten,  Erstickten  und  Ver¬ 
gifteten  und  verspricht  ansehnliche  Belohnungen  für  glückliche  Le¬ 
bensrettung  und  droht  jedermann  ohne  Unterschied  des  Standes  Strafe 
an  für  lieblose  oder  widerspenstige  Unterlassung  der  Hilfeleistung. 

No.  25.  A.  A  1  e  x  a  n  d  e  r  -  Berlin:  Zur  Frage  der  Verwertbar¬ 
keit  der  Sahli  sehen  Magenfunktionsprüfung  (Desmoidreaktion). 

Die  Ergebnisse  der  von  dem  Verf.  genau  nach  den  Angaben 
des  Autors  vorgenommenen  Untersuchungen  waren  so  ungenau,  dass 
er  die  Anwendung  der  Methode  dem  praktischen  Arzte  nicht  glaubt 
empfehlen  zu  können.  Bergeat  - München. 

Englische  Literatur. 

(Schluss.) 

J.  Rose  Bradford:  Zur  Diagnostik  der  Nierenkrankheiten. 

(Brit.  Med.  Journal,  30.  März  1907.) 

Verf.  glaubt,  dass  man  an  Stelle  des  Ausdruckes  physiologische 
Albuminurie  orthostatische  Albuminurie  sagen  soll,  da  nicht  die  Diät 
oder  z.  B.  kaltes  Baden  die  Albuminurie  hervorrufen,  sondern  die 
aufrechte  Körperhaltung.  Er  weist  darauf  hin,  dass  bei  manchen 
Fällen  von  Schrumpfniere  die  Albuminurie  nur  während  des  Stehens 
auftritt,  in  anderen  dadurch  verschlechtert  wird.  Auch  während  der 
Rekonvaleszenz  bei  akuter  Nephritis  findet  man  während  der  auf¬ 
rechten  Körperhaltung  oft  vermehrte  Eiweissausscheidung.  Es  ist 
aber  durchaus  falsch,  anzunehmen,  dass  alle  Fälle  von  funktioneller 
Albuminurie  schliesslich  doch  auf  eine  leichte,  nicht  fortschreitende 
Nierenläsion  zurückzuführen  sind.  Die  Arbeit  enthält  eine  Reihe 
interessanter  Beobachtungen  bei  Nephritis. 

George  Pernet:  Zur  Behandlung  der  Lues.  (Ibid.) 

Es  ist  ein  erfreuliches  Zeichen,  dass  man  in  England  allmählich 
anfängt,  der  Lues  etwas  mehr  Beachtung  zu  schenken  und  dass  sich 
die  Stimmen  mehren,  die  einer  energischeren  Behandlung  dieser 
Krankheit  das  Wort  reden.  Verf.  betont  vor  allem  die  Notwendigkeit, 
in  allen  Stadien  der  Lues,  also  auch  im  sogen,  tertiären,  Queck¬ 
silber  zu  geben.  Die  Pillenbehandlung,  die  in  England  vor  allem 
durch  Hutchinsons  grossen  Einfluss  bisher  so  ziemlich  allein¬ 
herrschend  war,  hält  er  für  wenig  wirksam.  Er  hält  die  Schmierkur 
und  vor  allem  die  intramuskulären  Einspritzungen  für  bedeutend 
besser.  Zu  letzteren  verwendet  er  hauptsächlich  das  graue  Oel. 
Er  gibt  12  Wochen  lang  je  eine  Einspritzung  von  5—8  cg.  Er  ist 
ein  Anhänger  der  intermittierenden  Behandlung.  In  den  Pausen 
zwischen  den  Spritzkuren  gibt  er  täglich  1,0  Jodkali,  von  dem  er 
glaubt,  dass  es  das  Quecksilber  zur  rascheren  Resorption  bringt. 
Man  vermeide  deshalb  das  Jodkali  in  allen  Fällen  von  Stomatitis. 
Er  beginnt  die  Behandlung,  sobald  die  Krankheit  mit  Sicherheit  fest¬ 
gestellt  ist,  also  in  vielen  Fällen  schon  vor  dem  Ausbruch  des  Exan¬ 
thems.  Iritis  hält  er  für  ein  prognostisch  ungünstiges  Zeichen,  da 
in  derartigen  Fälle  oft  Nervensyphilis  folgt.  Gummata  sollen  auch 
lokal  durch  Spaltungen  und  Auslöffelungen  behandelt  werden,  sobald 
sie  erweicht  sind. 

Mare  Armand  Ruff  er:  Zur  bakteriologischen  Diagnose  der 
Cholera.  (Ibid.) 

Verf.  hat  gefunden,  dass  eine  Anzahl  von  Vibrionen,  obwohl  sie 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  mit  Choleraserum  agglutinieren,  doch 
morphologisch  sich  scharf  von  den  eigentlichen  Choleravibrionen 
trennen  lassen,  da  sie  viele  Geissein  zeigen.  Manche  der  im  Schiffs¬ 
wasser  gefundenen  Vibrionen  agglutinieren  mit  sehr  verdünnten  Lö¬ 
sungen  von  Choleraserum,  andere  nur  mit  viel  stärkeren.  Die  letz¬ 
teren  bilden  eine  Zwischenstufe  zwischen  den  nicht  agglutinierenden 
und  den  stark  agglutinierenden  Arten.  Obwohl  ein  wirksames  Cho¬ 
leraserum  alle  Vibrionen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  agglutiniert, 
so  erzeugen  doch  nur  2  Arten  dieser  Vibrionen,  wenn  sie  auf  Tiere 
verimpft  werden,  bei  diesen  ein  Serum,  das  eine  starke  aggluti¬ 
nierende  Wirkung  auf  Choleravibrionen  ausübt.  Zwei  Seren  übten 
eine  schwache  Agglutination  aus  und  2  gar  keine.  Diese  Unter¬ 
suchungen  bestätigen  den  schon  früher  von  R  u  f  f  e  r  aufgestellten 
Satz,  dass  es  nicht  genügt  bei  der  bakteriologischen  Untersuchung 
auf  Cholera  sich  auf  die  Agglutinationsprobe  allein  zu  verlassen. 
Diese  Probe  ist  zwar  nützlich,  aber  durchaus  nicht  spezifisch. 

Thomas  Oliver:  Das  Aneurysma  der  Aorta.  (Brit.  Med. 
Journal,  16.  März  1907.) 

Diagnostisch  stellt  Verf.  den  Schmerz  an  erste  Stelle.  Deutlicher 
Schmerz  im  Präkordium  in  Verbindung  mit  einem  stark  akzentuierten 
zweiten  Aortenton  bei  einem  gesund  aussehenden  Manne  ohne  Zei¬ 
chen  einer  Nephritis  sollten  uns  stets  an  Aortenaneurysma  denken 
lassen.  J  herapeutisch  stehen  Ruhe,  beschränkte  Nahrungsaufnahme, 
sowie  Jodkali  an  erster  Stelle.  Grosse  Dosen  von  Jodkali  (er  hat 
30,0  pro  Tag  gegeben)  sind  überflüssig,  ja  schädlich,  da  sie  den  Blut¬ 
druck  herabsetzen  und  die  Herztätigkeit  beschleunigen,  also  die  Bil¬ 
dung  eines  Gerinnsels  im  Aneurysmasack  erschweren. 

Guthrie  Rank  in:  Ueber  Erkrankungen  der  Aortenklappen. 

(Ibidem.) 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1449 


Verf.  wendet  sich  gegen  die  in  England  vielfach  verbreitete 
Lehre,  dass  man  bei  Aortenfehlern  keine  Digitalis  geben  dürfe.  Er 
gibt  15  Tropfen  der  Tinktur  4  stündlich,  sobald  Störungen  der  Kom¬ 
pensation  zu  verzeichnen  sind.  Man  muss  die  Digitalis  bis  zum 
Auftreten  leichter  Vergiftungserscheinungen  geben.  Digitalis  lässt 
sich  durch  kein  anderes  Mittel  ersetzen,  wird  aber  mit  Nutzen  mit 
Nitroglyzerin  kombiniert,  besonders  in  allen  den  Fällen,  in  denen  die 
vaskuläre  Spannung  erhöht  ist. 

E.  W.  Hey  Q  r  o  v  e  s:  Fälle  von  V  o  I  k  in  a  n  n  scher  Kontraktur 
bei  Hämophilen.  (Ibid.) 

Sehr  interessante  Krankengeschichten  und  Stammbäume  von 
Blutern.  Bei  2  Kindern  bildete  sich  im  Anschluss  an  ein  Hämatom 
der  oberen  Extremitäten  eine  typische  ischämische  Muskelkontraktur 
(offenbar  durch  Druck  auf  die  zuführenden  Gefässe)  aus,  ohne  dass 
eine  Fraktur  bestanden  hätte  und  dass  Schienen  oder  schnürende 
Verbände  zur  Anwendung  gekommen  wären. 

J.  Dixon  Mann:  Cor  triloculare  biatricum.  (Ibid.) 

Ueberaus  seltene  Missbildung  des  Herzens.  Das  Septum  zwischen 
beiden  Ventrikeln  fehlte  vollkommen.  Mitral-  und  Trikuspidalklappe 
öffnen  sich  an  normaler  Stelle  in  den  gemeinsamen  Ventrikel,  aus  dem 
zwei  Arterien  (Aorta  und  Pulmonalis)  entspringen.  Das  Präparat 
ist  abgebildet.  Interessant  ist  noch,  dass  der  Träger,  ein  Mann, 
trotz  dieser  schweren  Missbildung  35  Jahre  alt  geworden  ist. 

Sir  Lauder  Brunton:  Kalziumsalze  bei  Pneumonie  und  Herz¬ 
krankheiten.  (Ibid.) 

Verf.  hat  gefunden,  dass  Kalziumchlorid  als  Herztonikum  äus- 
serst  wertvoll  ist.  Er  gibt  es  bei  Pneumonien  prophylaktisch  0,3 
bis  0,75  alle  4  Stunden  mit  Saccharin  als  Geschmackskorrigens.  Bei 
Herzkranken,  wo  es  nicht  auf  eine  sehr  rasche  Wirkung  ankommt, 
kann  man  Calc.  glycerophosphor.  oder  lactophosphor.  anwenden,  die 
besser  schmecken. 

.1.  Crawford  Ren  ton:  Späte  Chloroformwirkungen.  (Ibid.) 

2  sehr  interessante  Krankengeschichten  mit  Sektionsberichten. 
Es  handelte  sich  um  die  interessanten  und  noch  so  wenig  bekannten 
Fälle,  in  denen  es  im  Anschluss  an  eine  Chloroformnarkose  ohne  jede 
Sepsis  zu  einer  akuten  Verfettung  der  Leber  gekommen  war.  Es 
handelt  sich  dabei  nach  Verfassers  Ansicht  um  eine  durch  das 
Chloroform  hervorgerufene  Azetonvergiftung.  (Refer.  sah  vor  % 
Jahr  einen  Fall,  bei  dem  er  im  Anschluss  an  eine  Laparotomie  wegen 
Extrauteringravidität  nach  einigen  Tagen,  ohne  dass  Zeichen  einer 
Peritonitis  vorhanden  gewesen  wären,  zu  einem  Symptomenkomplex 
kam,  der  durchaus  dem  bei  akuter  gelber  Leberatrophie  beobachteten 
glich.  Fortgesetzte  Kochsalzinfusionen  und  Klysmen  brachten  Bes¬ 
serung  und  Heilung,  nachdem  die  Kranke  mehrere  Tage  im  schwer¬ 
sten  Koma  gelegen  hatte. 

David  Heron:  .Das  Vorkommen  des  Krebses  in  den  verschie¬ 
denen  Gesellschaftsklassen.  (Ibid.) 

Verf.  hat  auf  Grund  sorgfältiger  statistischer  Studien  gefunden, 
dass  der  Krebs  vorwiegend  eine  Erkrankung  der  besser  gestellten 
Gesellschaftsklassen  ist. 

A.  E.  Barker:  128  Fälle  von  Spinalanalgesie.  (Brit.  Med. 
Journal,  23.  März  1907.) 

Es  ist  dies  die  erste  grössere  englische  Arbeit  über  dieses  Thema. 
Das  Alter  der  Kranken  schwankte  zwischen  15  und  71  Jahren.  Verf. 
verwendet  stets  Stovain  und  zwar  in  folgender  Lösung.  Stovain 
10,0,  Glukose  5,0,  Aqu.  dest.  85,0.  Als  Nebenwirkung  wurde  manch¬ 
mal  leichter  Kopfschmerz  beobachtet,  der  auf  Phenazetin  oder  Ri¬ 
zinusöl  rasch  verschwand.  Durchschnittlich  kamen  5  cg  Stovain  zur 
Verwendung.  Die  Analgesie  trat  durchschnittlich  nach  8  Minuten 
auf  und  erreichte  vor  dem  Ende  der  Operation  den  oberen  Sternal- 
rand  (leichte  Erhebung  des  Beckens).  Durchschnittlich  dauerte  sie 
50- — 70  Minuten.  Verf.  verwendet  keinen  Adrenalinzusatz,  da  er 
Hämorrhagien  fürchtet,  wie  sie  oft  in  der  Haut  nach  lokalen  Anästhe¬ 
sien  mit  Adrenalin  beobachtet  werden.  In  3  Fällen  trat  der  Tod 
ein,  doch  stets  ohne  jeden  Zusammenhang  mit  der  spinalen  Analgesie. 
Der  Kopf  des  Kranken  liegt  hinter  einem  Schirm,  so  dass  .er  den 
Operateur  nicht  sehen  kann.  Verf.  schreibt  dann  ausführlich  über 
die  physikalische  Wirkung  der  Injektionen.  Er  hat  die  Bier  sehe 
Spritze  etwas  modifiziert,  um  mit  Sicherheit  zu  verhindern,  dass 
auch  nur  ein  Tropfen  der  geringen,  zur  Injektion  benutzten  Flüssig¬ 
keitsmenge  verloren  gehe.  Durch  die  Hohlnadel  der  Spritze  steckt 
er  eine  stumpf  endende  Kanüle,  die  die  Spitze  der  Spritze  um  etwas 
überragt.  Nachdem  die  Nadel  eingeführt  ist  und  10  ccm  Spinalflüssig¬ 
keit  abgelaufen  sind,  führt  man  die  an  der  Spritze  befestigte  Kanüle 
durch  die  Hohlnadel  ein.  Das  stumpfe  Ende  der  Kanüle  überragt  die 
Spitze  der  Nadel  um  1  mm  und  muss  also  im  Duralsack  liegen. 
Nach  der  Injektion,  die  in  Seitenlage  des  Kranken  gemacht  wird, 
rollt  man  ihn  auf  den  Rücken,  hebt  das  Becken  um  3 — 4  Zoll  und 
legt  ein  Kissen  unter  den  Kopf.  Misserfolge  treten  bei  genügender 
Uebung  so  gut  wie  nie  ein;  nur  darf  man  nie  injizieren,  wenn  der 
Liquor  cerebrospinalis  nicht  gut  abfliesst. 

P.  A.  Moynihan:  Zur  Behandlung  von  Verätzungen  des 
Magens.  (Ibid.) 

Verf.  empfiehlt,  bei  Verätzungen  des  Magens  möglichst  bald  zu 
operieren,  und  zwar  soll  man  eine  hintere  Gastroenterostomie  an- 
legen  und  gleichzeitig  eine  Gastrostomie  machen.  Von  der  Magen- 
hstel  aus  schiebt  man  ein  Rohr  durch  die  Gastroenteroanastomose 


in  das  Jejunum  und  ernährt  den  Kranken  dadurch  mit  Umgehung 
von  Speiseröhre  und  Magen. 

George  H.  Sa  vage:  Die  Ursachen  und  Zunahme  des  Irrsinns. 
(Ibid.) 

Erblichkeit  ist  als  Ursache  bei  einzelnen  Fällen  von  Dementia 
paralytica  mitanzusehen.  Häufiger  ist  bei  Melancholischen  als  bei 
Maniakalischen  Vererbung  mit  im  Spiel.  Besonders  beruhen  fixe 
Ideen  und  sensorische  Halluzinationen  oft  auf  vererbter  Anlage. 
Moralischer  Blödsinn  und  Neigung  zu  Verbrechen  finden  sich  oft  in 
neurotischen  Familien.  Idiotismus  und  geistige  Schwäche  findet  man 
häufig  bei  Kindern  physisch  dekadenter  Eltern.  Geisteskrankheit 
wird  niemals  direkt  vererbt,  doch  kann  eine  gewisse  nervöse 
Schwäche  vererbt  werden,  die  infolge  selbst  leichterer  Ueberanstren- 
gung  zu  einem  Zusammenbruch  des  geistigen  Gleichgewichts  führen 
kann.  Geisteskranke  Eltern  können  ganz  gesunde  Kinder  haben, 
auch  führen  Ehen  zwischen  Blutsverwandten  an  sich  nie  zu  Geistes¬ 
störungen.  Exzentrische  oder  nervöse  Eltern  (nicht  geisteskranke) 
können  ganze  Familien  von  Idioten  oder  geistig  Minderwertigen 
hervorbringen. 

A.  Knyvett  Gordon:  Zur  Behandlung  der  puerperalen  Sepsis. 

(Lancet,  30.  März  1907.) 

Verf.  behandelte  im  Jahre  1906  in  seinem  Fieberhospitale 
49  Fälle  von  Puerperalfieber  bis  zum  Ende.  Es  handelte  sich  stets 
um  schwere,  lebensgefährlich  kranke  Fälle,  da  leichter  Kranke  von 
den  Aerzten  nicht  dem  Isolierhospitale  überwiesen  werden.  Bei  den 
als  geheilt  entlassenen  Frauen  betrug  die  Behandlungszeit  im  Durch¬ 
schnitt  60  Tage.  In  28  Fällen  war  die  Entbindung  von  einem  Arzt, 
in  16  von  einer  Hebamme  geleitet  worden  (11  Zangengeburten, 
mehrere  Fälle  von  manueller  Lösung  der  Plazenta).  Besonders 
gefährlich  scheinen  dem  Verf.  die  von  Aerzten  und  Hebammen  viel¬ 
fach  angewendeten  Vaginalduschen  nach  der  Geburt.  In  29  der  Fälle 
fand  man  im  Inneren  des  Uterus  Streptokokken,  in  1  Falle  fand  man 
nur  Kolibazillen,  in  2  nur  Gonokokken,  in  1  nur  Staphylokokken.  In 
8  von  27  daraufhin  untersuchten  Fällen  fand  man  Streptokokken  im 
Blute  der  Vena  basilica.  In  18  Fällen  waren  Plazentarreste  zurück¬ 
geblieben  (1  Tod),  in  7  handelte  es  sich  um  Einrisse  (kein  Todesfall). 
8  Fälle  (4  Todesfälle)  litten  bei  der  Aufnahme  an  allgemeiner  Peri¬ 
tonitis;  3  Fälle  von  Beckeneiterung  starben  alle;  allgemeine  Sepsis 
ohne  nachweisbare  Läsion  13  Fälle  mit  4  Todesfällen.  Bei  41  der 
Fälle  wurde  kurz  nach  der  Aufnahme  der  Uterus  kürettiert,  dann 
mit  reinem  Izal  ausgewischt  und  mit  Izalgaze  tamponiert.  Wegen 
allgemeiner  Peritonitis  wurden  8  Fälle  laparotomiert  und  6  geheilt. 
Bei  3  weiteren  Fällen  wurde  der  Uterus  (2  mal  vaginal)  entfernt, 
alle  3  Fälle  starben.  Bei  20  Fällen  wurde  Antistreptokokkenserum 
angewendet  (Wellcome  Laboratorium).  Verf.  verwendet  ein  poly¬ 
valentes  Serum  und  rät  zur  einmaligen  Einspritzung  grosser  Quanti¬ 
täten  (100 — 200  ccm;  die  mehrmalige  Einspritzung  kleinerer  Dosen 
hält  er  für  zwecklos). 

W.  Essex  Wynter:  Chloreton  und  seine  Verwendung  bei  der 
Chorea.  (Ibid.) 

Chloreton  (Trichlor,  tertiär  Butyl-Alkohol)  löst  sich  nur  wenig 
in  Wasser,  gut  in  Glyzerin,  Petroleum,  Oel  und  Alkohol.  Es  kann 
auch  gut  in  Cachets  genommen  werden.  Verf.  fand  es  ein  ausge¬ 
zeichnetes  Mittel  bei  Chorea  (3  mal  0,3  bei  Kindern  von  12  Jahren). 
Er  gab  es  gewöhnlich  5 — 10  Tage  lang.  Es  ist,  wie  auch  Refer.  be¬ 
stätigen  kann,  ein  gutes  Mittel  gegen  Seekrankheit,  man  gibt  3 — 4  mal 
täglich  0,3. 

A.  E.  Giles:  Beobachtungen  über  Fibromyome  des  Uterus. 

(Lancet,  2.  und  9.  März  1907.) 

Verf.  fand,  dass  in  84  Proz.  seiner  Fibromfälle  die  Frauen  über¬ 
haupt  nicht  oder  doch  seit  mindestens  10  Jahren  nicht  schwanger  ge¬ 
wesen  waren.  Er  hat  ferner  im  Laufe  der  Jahre  seine  Meinung  über 
die  Wichtigkeit  und  die  Gefahren  der  Fibrome  durchaus  geändert. 
Er  hält  sie  nicht  mehr  für  Tumoren,  die  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
nur  wenig  Beschwerden  machen,  sondern  er  glaubt,  dass  jedes 
Eibrom  den  Keim  späteren  Leidens  in  sich  trägt  und  deshalb  ent¬ 
fernt  werden  sollte,  sobald  es  die  geringsten  Beschwerden  macht. 
Die  Lehre,  dass  diese  Tumoren  nach  der  Menopause  nicht  mehr  Be¬ 
schwerden  machen,  ist  falsch.  In  vielen  Fällen  ist  die  Menopause 
sehr  lange  hinausgeschoben  oder  wenigstens  hören  die  Blutungen 
nicht  auf  und  schwächen  und  gefährden  die  Frau.  Hört  aber  die 
Blutung  auf,  so  bleibt  doch  der  Tumor  zurück  und  kann  nach  wie 
vor  durch  seinen  Sitz  oder  sein  Gewicht  die  Lebensfreude  stören. 
Während  des  Einsetzens  der  Menopause  drohen  der  Trägerin  eines 
Fibroms  aber  noch  besondere  Gefahren  durch  degenerative  Ver¬ 
änderungen  in  dem  Tumor.  Verf.  rät  deshalb  dringend,  die  Kranke 
nicht  auf  das  Eintreten  der  Menopause  zu  vertrösten,  sondern  zu 
operieren,  sobald  ein  Fibrom  Beschwerden  zu  machen  beginnt. 

Kenneth  W.  Goadby:  Pyorrhoea  alveolaris.  (Lancet,  9.  März 
1907.) 

Sorgfältige  bakteriologische  Studien  über  die  Pyorrhoea  alveo¬ 
laris.  Die  Krankheit  führt  sehr  häufig  zu  Anämie,  zu  dyspeptischen 
Beschwerden  und  zu  Akne.  Die  Behandlung  muss  dafür  sorgen,  die 
Taschenbildung  an  den  Alveolen  zu  beseitigen.  Dies  geschieht  nach 
gründlicher  Reinigung  der  Zähne  am  besten  durch  Ausbrennen  der 
Taschen  mit  dem  Thermokauter.  Die  Behandlung  wird  wesentlich 
gestützt  und  manchmal  überhaupt  erst  erfolgreich  gestaltet  durch 
Vakzinebehandlung.  Man  untersucht  das  Blut  des  betreffenden  Kran- 


1450 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


ken  auf  seinen  opsonischen  Index  für  verschiedene  Mikroorganismen 
(Staphylokokken  und  Streptokokken).  Dann  stellt  man  sich  aus  den 
vom  Kranken  selbst  gezüchteten  Bakterien  Vakzinen  her  und  impft 
den  Kranken  damit.  Findet  man  einen  niedrigen  Index  gegen  mehrere 
Bakterienarten,  so  müssen  auch  die  entsprechenden  verschiedenen 
Vakzinen  angewendet  werden.  Es  trat  stets  nach  der  Impfung  die 
von  W  r  i  g  h  t  beschriebene  negative  Phase  ein  und  es  ist  nötig, 
das  Verschwinden  dieser  Phase  und  einen  übernormalen  opsonischen 
Index  abzuwarten,  ehe  man  mit  der  Lokalbehandlung  der  Alveolen 
beginnt.  Verf.  glaubt,  dass  die  Infektion  zumeist  auf  den  Genuss 
unreiner  Milch  zurückzuführen  ist. 

G.  A.  Sutherland:  Die  Behandlung  der  angeborenen  Pylorus¬ 
stenose.  (Lancet,  16.  März  1907.) 

Für  die  Mehrzahl  der  Fälle  ist  die  chirurgische  Behandlung 
überflüssig,  wenn  man  nicht  zu  spät  mit  der  inneren  Behandlung 
beginnt.  Man  muss  den  Magen  von  aller  den  Pylorus  zum  Krampf 
reizenden  Nahrung  frei  halten.  Man  gebe  nur  sehr  kleine  Mahlzeiten, 
30 — 90  ccm  stündlich  oder  zweistündlich.  Hat  die  Mutter  gute  Milch, 
so  ist  dies  die  beste  Nahrung;  sonst  gebe  man  peptonisierte  Kuhmilch 
oder  Allenburys  Kindernahrung  No.  I.  Ausserdem  kann  man 
Malzextrakt,  rohen  Fleischsaft  und  Traubensaft  versuchen.  Der 
Magen  muss  1—2  mal  täglich  ausgespült  werden.  Bei  sehr  elenden 
Kindern  muss  man  zuweilen  Kognak  geben;  auch  kann  man  Ein¬ 
reibungen  von  Lebertran  versuchen.  Die  ganze  Behandlung  muss 
oft  Monate  lang  fortgesetzt  werden,  ehe  Heilung  eintritt.  Diar¬ 
rhöen,  die  zuweilen  den  Fall  komplizieren,  sind  durch  Verminderung 
der  Nahrung  und  kleine  Dosen  von  Hydrargyrum  cum  Kreta  zu  be¬ 
kämpfen.  Verf.  gibt  einige  Krankengeschichten,  die  zeigen,  dass 
selbst  schwere  Fälle  dieser  gar  nicht  so  seltenen  Krankheit  durch 
innere  Massnahmen  geheilt  werden  können. 

J.  P.  zum  Busch-  London. 


Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  jüngste  Entscheidung  der  Ministeriums  des  Innern  be¬ 
züglich  der  registrierten  Hilfskassen. —  Aus  Versammlungen  der 
Privatdozenten,  Hochschulassistenten  und  Mediziner.  —  Belag¬ 
raum  und  Verpflegstaxen  in  den  öffentlichen  Humanitätsan¬ 
stalten  Oesterreichs  im  Jahre  1907. 

Ende  Jänner  1902  hat  die  Wiener  Aerztekammer  einen 
Beschluss  gefasst,  demzufolge  die  Annahme  von  pauschalierten 
Aerztestellen  bei  den  registrierten  Hilfskassen  als  Standes- 
widrig  erklärt  wurde.  Desgleichen  wurde  die  Annahme 
einer  Stelle  bei  der  nach  dem  Statute  der  registrierten  Hilfs¬ 
kassen  errichteten  „Krankenkasse  der  Wiener  Bankbeamten“ 
nur  dann  als  zulässig  erklärt,  wenn  die  Kammer  die  Be¬ 
dingungen  geprüft  und  gutgeheissen  hätte.  Nach  fast  2  Jahren 
sind  diese  Beschlüsse  der  Wiener  Aerztekammer  von  der 
niederösterreichischen  Statthalterei,  welche  die  Oberaufsicht 
über  die  Aerztekammer  und  ihre  Tätigkeit  übt,  ausser  Kraft 
gesetzt  worden,  mit  der  Begründung,  dass  die  Kammer  hiebei 
ihren  Wirkungskreis  überschritten  habe.  Die  Kammer  hat 
gegen  den  Erlass  der  Statthalterei  den  Rekurs  an  das  Mini¬ 
sterium  des  Innern  ergriffen  und  dieses  hat,  wie  die  Statt¬ 
halterei  jüngst  der  Wiener  Aerztekammer  mitteilte,  dem  Re¬ 
kurse  keine  Folge  gegeben. 

Man  beachte  vorerst  schon  das  äusserliche  Moment.  Es 
handelt  sich  um  eine  für  die  Aerzteschaft  Wiens  und  ganz 
Oesterreichs  lebenswichtige  Frage,  ob  nämlich  den 
Hilfskassen  und  den  nach  ihrem  Statute  errichteten  und  noch 
weiters  zu  errichtenden  Vereinskassen,  die  auch  von  den  wohl¬ 
habendsten  Schichten  der  Bevölkerung  gegründet  werden 
können,  dieselben  Rechte  inbezug  auf  Krankenfürsorge,  in  erster 
Linie  die  obligatorische  Beistellung  unentgeltlicher  ärztlicher 
Hilfe  durch  pauschalierte  Kassenärzte,  gesetzlich  zugestanden 
werden  dürfen  oder  sollen,  als  sie  den  A  r  b  e  i  t  e  r  kranken- 
kassen  gesetzlich  zugestanden  worden  sind.  Die  Aerzte  und  in 
ihrem  Namen  die  Kammer  negierten  es,  sie  wiesen  speziell 
darauf  hin,  dass  sie  die  obligatorische  Krankenversicherung 
der  A  r  b  e  i  t  e  r  als  sozialpolitische  Notwendigkeit  anerkennen, 
freilich  unter  stetem  Hinweis  auf  die  notwendigen  Reformen, 
so  der  gesetzlichen  Festsetzung  einer  gewissen  Einkommens¬ 
grenze  der  Versicherten  etc.,  dass  sie  aber  n  i  e  und  n  i  m  m  e  r 
den  Hilfskassen,  so  wenig  wie  den  Meisterkrankenkassen,  die 
(im  Gesetze  übrigens  gar  nicht  vorgeschriebene)  obligatorische 
freie  ärztliche  Behandlung  zugestehen  können,  weil  derlei  Ein¬ 
richtungen  den  ärztlichen  Stand  vollends  an  den  Bettelstab 


zu  bringen  geeignet  seien.  Und  was  geschieht?  Die  Statt¬ 
halterei  lässt  2  Jahre  ins  Land  gehen,  ehe  sie  den  Abwehr¬ 
beschluss  der  Aerztekammer  als  unzulässig  erklärt  und  ihn 
annuliert  und  der  dagegen  beim  Ministerium  eingebraehte  Re¬ 
kurs  bleibt  weitere  3%  Jahre  liegen,  ehe  er  —  abgewiesen 
wird.  Schon  hieran  ist  die  —  Aerztefreundlichkeit  der  Re¬ 
gierung,  ihre  hohe  Achtung  vor  unserem  Stande,  der  Grad  des 
uns  entgegengebrachten  Wohlwollens,  von  welchem  die  Re¬ 
gierungsvertreter  bei  festlichen  Anlässen  (Aerztekongressen) 
stets  iiberfliessen,  zu  erkennen. 

Die  Wiener  Aerztekammer,  deren  Funktionsperiode  schon 
längst  abgelaufen  ist,  die  also  jetzt  nur  die  Geschäfte  bis  zur 
Wahl  einer  neuen  Kammer  weiterführt,  wird  gegen  die  Ent¬ 
scheidung  des  Ministeriums  -eine  Beschwerde  an  den 
Verwaltungsgerichtshof  richten  und  hat  ausserdem 
folgende  Resolution  gefasst:  „Die  Wiener  Aerztekammer 
protestiert  gegen  die  in  der  Ministerialentscheidung . . .  über 
den  Rekurs  der  Kammer  angeführten,  den  Aerztestand  schwer 
schädigenden  Gründe.  Die  Aerztekammer  wird  nach  wie  vor 
in  dieser  Frage  nach  ihrer  Ueberzeugung  im  Interesse  der 
Aerzte  Vorgehen.“ 

Sehen  wir  uns  die  Gründe  der  Ministerialentscheidung 
genauer  an.  Das  Ministerium  sagt,  dass  die  Hilfskassen  nach 
dem  Gesetze  berechtigt  sind,  vertragsmässig  Kassenärzte  an¬ 
zustellen,  dass  dagegen  die  Aerztekammer  kein  Recht  habe, 
kraft  dessen  sie  befugt  wäre,  diese  Kassen  an  der  Anstellung 
von  Aerzten  und  den  einzelnen  Arzt  an  der  Annahme  einer 
Stelle  bei  diesen  Kassen  zu  hindern.  Wenn  nun  die  Aerzte- 
kammer  dennoch  einen  solchen  Beschluss  gefasst  habe,  so  sei 
dieser  Beschluss  gesetzwidrig  und  dessen  Behebung  gerecht¬ 
fertigt.  Darauf  haben  die  Aerzte  schon  früher  geantwortet, 
indem  sie  sagten:  Wenn  auch  die  Hilfskassen  berechtigt 
sind,  Kassenärzte  anzustellen,  so  sind  sie  hiezu  gesetzlich 
nicht  verpflichtet.  Im  Gesetz  vom  16.  Juli  1892  betr.  die 
registrierten  Hilfskassen  lautet  der  §  1  wörtlich:  „Auf  Gegen¬ 
seitigkeit  gegründete  Vereine,  welche  die  Versicherung  ihrer 
Mitglieder  zum  Zwecke  haben,  können...  besondere  Rechte 
erlangen.  Der  Zweck  dieser  Hilfskassen  kann  sich  erstrecken 
auf  die  Versicherung:  1.  von  Krankenunterstützungen,  2.  eines 
Begräbnisgeldes,  3.  von  Invaliditäts-  und  Altersrenten,  4.  von 
Witwen-  und  Waisenunterstützungen,  5.  einer  Summe  Geldes 
von  seiten  eines  Mitgliedes  zu  gunsten  eines  dritten  . . .  Der 
Wirkungskreis  der  Hilfskasse  kann  einen  oder  mehrere  oder 
alle  genannten  Zwecke  umfassen.“  Und  der  §  16  lautet:  „Als 
Krankenunterstützung  können  den  Mitgliedern  Krankengeld, 
ärztliche  Behandlung,  Arzneien  und  andere  Heilmittel,  Ver¬ 
pflegung  in  einem  Krankenhause.:,  gewährt  werden.“  Wenn 
also  die  Hilfskassen  nach  diesem  Gesetze,  wie  es  das  Mini¬ 
sterium  sagt,  berechtigt  sind,  vertragsmässig  Kassenärzte 
anzustellen,  so  sind  sie  hierzu  keineswegs  auch  ver¬ 
pflichtet,  sie  können  ihren  Mitgliedern  auch  ein  so  reich¬ 
liches  Krankengeld  geben,  dass  diese  sich  ihre  Aerzte  selbst  be¬ 
zahlen.  Die  Hilfskassen,  die  überhaupt  gar  nicht  zu  exi¬ 
stieren  brauchten,  wollen  aber  ihren  Mitgliedern  möglichst 
grosse  Vorteile  verschaffen,  u.  a.  auch  die  billigste  ärztliche 
Behandlung,  also  auch  die  freie  Behandlung  durch  fix  bestellte, 
aber  schmählich  bezahlte  Kassenärzte.  Die  Aerzte  sind  aber 
nicht  gezwungen,  solche  Stellen  anzunehmen  und  sie  leiten  die 
Befugnis,  „diese  Kassen  an  der  Anstellung  von  Aerzten  und 
den  einzelnen  Arzt  an  der  Annahme  einer  Stelle  an  diesen 
Kassen  zu  hindern“,  aus  dem  Aerztekammergesetze  vom 
22.  Dezember  1891  her,  welches  sagt:  „Die  Aerztekammern 
sind  berufen,  über  alle  Angelegenheiten,  welche  die  gemein¬ 
samen  Interessen  des  ärztlichen  Standes,  die  Aufgaben  und 
Ziele,  sowie  die  Würde  und  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes 
betreffen,  Beschlüsse  zu  fassen.“  Wenn  die  Aerztekammer  den 
einzelnen  Arzt  an  der  Annahme  einer  solchen  Stelle  bei  diesen 
Kassen  durch  Androhung  der  Disziplinierung  hindert,  so  hält 
sie  damit  eine  Schädigung  der  gemeinsamen  Interessen,  der 
Würde  und  des  Ansehens  des  ärztlichen  Standes  hintan. 

Die  Ministerialentscheidung  sagt  aber  weiter:  Auch  der 
Beschluss  der  Aerztekammer,  bei  der  Krankenkasse  der  Wiener 
Bankbeamten,  welche  Krankenkasse  zu  den  registrierten  Hilfs¬ 
kassen  gehört,  die  Annahme  einer  solchen  Stelle  nur  dann  zu 
erlauben,  wenn  die  Kammer  die  Bedingungen  geprüft  und  gut- 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1451 


geheissen  habe,  involviere  eine  Verletzung  der  Rechte  der 
Krankenkasse  zur  Aerzteanstellung  und  sei  dessen  Behebung 
dem  Gesetze  entsprechend.  Die  Aerztekammer  habe  zwar  das 
Recht,  darüber  zu  urteilen,  ob  ein  Mitglied  des  ärztlichen 
Standes  sich  eines  standesunwürdigen  Verhaltens  schuldig  ge¬ 
macht  habe,  sie  schafft  aber  ein  Präjudiz,  „wenn 
sie  von  vornherein  gewisse  Reihen  von  Tathandlungen  als 
standeswürdig  oder  standesunwürdig  erklärt,  weil  dann  . . . 
der  Ehrenrat  und  die  Rekursinstanz  nur  mehr  über  das  Vor¬ 
handensein  eines  bestimmten  Tatbestandes,  aber  nicht  mehr 
darüber  zu  urteilen  hätten,  ob  in  diesem  Tatbestände  ein 
standesunwürdiges  Verhalten  zu  erblicken  oder  nicht  zu  er¬ 
blicken  sei,  da  ja  diese  letztere  Frage  durch  einen  Beschluss 
der  Kammer  a  priori  entschieden  wäre.“ 

Wir  sind  keine  Juristen,  um  dem  wirksam  zu  begegnen; 
aber  unser  simpler  Menschenverstand  bäumt  sich  förmlich  auf, 
wir  greifen  uns  unwillkürlich  an  den  Kopf  und  lesen  diese 
Phrasen  ein  zweites  und  drittes  Mal,  um  sie  völlig  zu  erfassen. 
Wir  fragen :  Schaffen  nicht  alle  Strafgesetze  solche 
Präjudize,  haben  sie  nicht  alle  eine  grosse  Reihe  von  Tat¬ 
handlungen  von  vornherein  als  strafbar  erklärt  und  gehen  die 
Gerichte  nicht  so  vor,  dass  sie  im  einzelnen  Falle  nur  das  Vor¬ 
handensein  eines  bestimmten  Tatbestandes  (Raub,  Mord,  Dieb¬ 
stahl)  zu  konstatieren  und  unter  einen  bestimmten  Paragraphen 
des  Strafgesetzes  zu  subsummieren  haben?  Schaffen  nicht  die 
vom  Gesetze  anerkannten  Kodizes  aller  Ehrengerichte  der  ver¬ 
schiedensten  Stände  (der  Rechtsanwälte,  Notare,  Offiziere  etc.) 
tagtäglich  hunderte  solche  Präjudize,  indem  sie  allgemeine 
Grundsätze  aufstellen  und  dabei  von  vornherein  festlegen,  dass 
ein  Standesmitglied  dies  und  jenes  tun  dürfe,  dies  und  jenes  bei 
Androhung  der  Disziplinierung  unterlassen  müsse?  Und  nur 
die  Ehrenräte  unserer  Kammern  sollten  nicht  diese  Auto¬ 
nomie  besitzen,  sie  sollten  vielleicht  darauf  warten  müssen, 

bis  etwa  die - Kronjuristen  so  gnädig  sind,  zu  erklären,  diese 

oder  jene  Tathandlung  eines  Arztes  sei  a  priori  standeswidrig 
resp.  standesunwürdig?  Seit  dem  Bestände  der  Aerzte- 
kammern  wurden  hunderte  solche  Präjudize  geschaffen;  was 
also  durch  mehr  als  15  Jahre  stillschweigend  zugelassen  wurde, 
das  wird  mit  einem  Male  als  unzulässig  erklärt!!  Die  Advo¬ 
katenkammer  erklärt  z.  B.  das  Annoncieren  in  Tagesblättern, 
das  Unterbieten  im  Preise  und  vieles  andere  von  vornherein  für 
standesunwürdig,  der  Offiziersehrenrat  erklärt  das  Besuchen 
eines  Lokales  für  standesunwürdig  usw.,  sie  alle  nehmen  sich 
aus  ihrer  Autonomie  das  Recht  hiezu  und  kein  Mensch  würde 
es  wagen,  es  ihnen  zu  bestreiten,  und  nur  wir  Aerzte  sollten 
wohl  das  Recht  haben,  hinterher  zu  untersuchen  und  zu  er¬ 
klären,  ob  sich  ein  Arzt  eines  standesunwürdigen  Verhaltens 
schuldig  gemacht  habe,  wir  dürften  aber  nicht  prophylaktisch 
Vorgehen,  nicht  allgemeine  Grundsätze  für  das  Verhalten  der 
Aerzte  untereinander  und  gegen  Nicht-Standesmitglieder  auf¬ 
stellen,  um  ja  nicht  der  Rekursinstanz,  also  den  Juristen,  vor¬ 
zugreifen,  da  diese  —  und  vielleicht  nur  diese  allein  — 
das  Recht  haben  sollen,  eine  Reihe  von  Tathandlungen  der 
Aerzte  von  vorneherein  als  standeswürdig  oder  —  unwürdig 
zu  erklären?!  Wir  denken,  dass  auch  unsere  Aerztekammern 
resp.  ihre  gesetzlich  bestehenden  Ehrenräte  jederzeit  das 
volle  Recht  und  einzig  und  allein  auch  die 
Eignung  besitzen,  festzulegen  und  diese  Festlegungen  in 
bindenden  Beschlüssen  an  die  Kammermitglieder  zu  enunzieren, 
was  sie  von  vorneherein  für  standeswidrig  oder  für  standes- 
unwürdig  halten. 

Mit  alledem  hat  das  Ministerium  gar  keine  m  e  r  i  - 
torische  Entscheidung  gefällt,  sonst  hätte  es  sagen 
müssen:  Ihr  Aerzte  seid  berechtigt,  zn  erklären,  was  für  Euch 
standeswidrig  resp.  standesunwürdig  ist.  In  diesem  speziellen 
Falle  (Hilfskassen)  habt  Ihr  gesagt,  es  sei  standeswidrig,  eine 
pauschalierte  Kassenarztenstelle  anzunehmen.  Ich  aber,  als 
die  mit  der  Oberaufsicht  betraute  Behörde,  als  Instanz,  erkläre, 
und  zwar  aus  folgenden  Gründen,  dass  die  Annahme  einer 
solchen  Stelle  nicht  standeswidrig  sei.  Zu  einer  solchen 
meritorischen  Entscheidung  wäre  das  Ministerium  berechtigt 
gewesen.  Es  hat  aber  dies  nicht  getan,  es  hat  vielmehr  aus 
formalen  Gründen,  die  wir  als  juristische  Kniffe  gekennzeichnet 
haben,  den  wohlbegründeten  Rekurs  der  Wiener  Aerztekammer 
abgewiesen. 


Sollen  wir  nun  warten,  wie  der  Verwaltungsgerichtshof 
sich  zu  dieser  Frage  stellt?  Sollen  wir  geduldig  weitere  2  oder 
3  Jahre  warten  und  inzwischen  Zusehen,  wie  eine  Vereins¬ 
krankenkasse  nach  der  anderen  sich  nach  dem  Statute  der 
Hilfskassen  konstituiert,  sich  pauschalierte  Kassen-  und  Kon- 
trollärzte  beilegt  und  uns  praktischen  Aerzten  der  besitzenden 
und  zahlungsfähigen  Klientel  völlig  beraubt?  Nein,  das  dürfen 
wir  nicht.  Wäre  es  nicht  Sache  der  wirtschaftlichen  Aerzte- 
organisation  Oesterreichs,  in  erster  Linie  der  Organisation  der 
Aerzte  Wiens,  hier  Remedur  zu  schaffen?  Der  lendenlahme 
„Protest“  der  Wiener  Aerztekammer  wird  keinen  Hund  vor 
den  Ofen  locken,  da  müssten  wohl,  wenn  überhaupt,  andere,  — 
radikalere  Töne  angeschlagen  werden!  Auch  die  in  den 
Wiener  publizistischen  Organen  zur  Vertretung  der  ärztlichen 
Interessen  aus  diesem  Anlasse  neuerlich  und  bis  zum  Ueber- 
drusse  oft  wiederholte  Mahnung  an  die  Aerzte,  sich  zu  Or¬ 
gan  i  s  i  e  r  e  n,  diesen  Hilfskassen  weder  die  fakultative,  noch 
die  obligatorische  freie  ärztliche  Hilfe  zu  gestalten,  erscheint 
uns,  die  wir  hinter  die  Kulissen  sehen  und  den  Widerstand  und 
die  separatistische  Neigung  kennen,  die  von  einer  grossen 
Gruppe  von  Aerzten  der  tatsächlichen  Organisation  der  Aerzte 
Wiens  auf  rein  wirtschaftlicher  Grundlage  entgegengebracht 
werden,  als  ein  nicht  sehr  aussichtsvolles  Remedium.  In  Nieder¬ 
österreich  wird  ein  gemeinsamer  Landesverband  aller  Aerzte 
zur  Wahrung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen  nach  dem  Muster 
des  Leipziger  Verbandes  mit  Verpflichtungsschein  und  einem 
Jahresbeitrag  von  24  Kronen  jährlich  gegründet.  Es  bestehen 
bereits  derartige  streng  wirtschaftliche  Verbände  der  Aerzte 
in  Deutschböhmen,  Schlesien,  Steiermark,  Kärnten  und  Krain. 
Nur  eine  mächtige,  auf  rein  wirtschaftlicher  Basis  beruhende 
Organisation  der  Aerzte  Wiens,  einer  Organisation,  die  keine 
nationalen,  politischen  oder  konfessionellen  Unterschiede  unter 
Berufsgenossen  kennt,  die  in  vollster  kollegialer  Aufrichtigkeit 
und  ohne  Personenkultus  an  ihre  Aufgaben  ginge,  nur  eine 
solche  Organisation,  an  deren  Zustandekommen  wir  fast 
zweifeln,  könnte  hier  wirkliche  Abhilfe  schaffen.  Vielleicht 
bringt  dennoch  der  Herbst  diese  schöne  Frucht  vom  Baum  der 
Erkenntnis. 

In  den  letzten  Wochen  haben  die  D  o  z  e  n  t  e  n  (Vereinigung 
österreichischer  Hochschuldozenten),  dann  die  Assistenten 
aller  österreichischen  Hochschulen  und  zuletzt  auch  die 
Mediziner  behufs  Wahrung  ihrer  Interessen  Versamm¬ 
lungen  abgehalten,  allerlei  Beschlüsse  gefasst  und  diese  in 
Form  von  Petitionen  oder  Memoranden  der  ihnen  Vorgesetzten 
Behörde  überreicht.  Beginnen  wir  mit  den  Privatdozenten  der 
Wiener  medizinischen  Fakultät.  Die  staatlichen  Spitäler  sollen 
mit  spezialärztlichen  Stellen  ausgestattet  werden.  Das  be- 
griissen  die  Privatdozenten  auf  das  wärmste,  sie  wünschen 
aber,  da  sich  leider  schon  entgegengesetzte  Tendenzen  geltend 
machen,  dass  die  zu  schaffenden  Stellen  unbedingt 
öffentlich  ausz  uschreiben  und  im  Konkurs¬ 
wege  unter  Befolgung  der  bei  Besetzung  von  Primariaten 
vorgesehenen  Bestimmungen  zu  vergeben  seien.  Eine  Kumu¬ 
lierung  mehrerer  Stellen  sei  nach  Möglichkeit  zu  vermeiden, 
eine  Vereinigung  mehrerer  Fächer  im  Interesse  der  Kranken 
nicht  einzuführen.  Eine  provisorische  Besetzung  unter  Um¬ 
gehung  einer  öffentlichen  Ausschreibung  sei  ebenfalls  zu  ver¬ 
werfen,  weil  sie  erfahrungsgemäss  leicht  zu  einem  Definitivum 
führt  und  oft  nur  als  ein  Versuch  erscheint,  die  sonst  fehlende 
Qualifikation  zu  schaffen.  Es  braucht  wohl  nicht  gesagt  zu 
werden,  wogegen  diese  Beschlüsse  ihre  Spitze  richten. 

Die  Assistenten  aller  Hochschulen  Oesterreichs  (Univer¬ 
sitäten,  technischen  Hochschulen,  der  tierärztlichen,  monta¬ 
nistischen  und  der  Hochschule  für  Bodenkultur)  haben  nach 
Abhaltung  eines  Delegiertentages  in  Wien  die  Abfassung  eines 
Memorandums  beschlossen  und  dieses  sodann  den 
Ministern  des  Kultus  und  Unterrichts  und  der  Finanzen,  den 
Rektoraten  aller  Hochschulen,  allen  medizinischen,  philo¬ 
sophischen  etc.  Dekanaten,  endlich  dem  Obersten  Sanitätsrat 
und  zahlreichen  massgebenden  Persönlichkeiten  überreicht.  In 
diesem  Memorandum  weisen  die  Assistenten  auf  ihre  geringe, 
den  heutigen  teuren  Lebensverhältnissen  nicht  mehr  entspre¬ 
chende  Entlohnung  hin  und  bitten,  die  Remuneration  für  alle 
Assistenten  ohne  Rücksicht  auf  etwaige  Emolumente  zu  er¬ 
höhen,  und  zwar  auf  2200  Kronen  jährlich,  worauf  drei  Bien- 


1452 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


nialzulagen  von  je  500  Kronen  folgen.  Sie  wünschen  ferner  die 
Bevorzugung  der  Assistenten  (Konstrukteure)  bei  Besetzung 
von  staatlichen  Lehrstellen  und  anderen  Staatsanstellungen, 
die  Anrechnung  ihrer  Dienstjahre  in  die  gesamte,  einen  Pen¬ 
sionsanspruch  begründende  Dienstzeit  auch  für  den  Fall,  als 
der  Uebertritt  in  eine  dauernde  Staatsanstellung  oder  ein  Lehr¬ 
amt  erst  nach  einer  Unterbrechung  erfolgt,  die  Einführung  von 
Fahrbegünstigungslegitimationen  auf  den  Linien  der  k.  k. 
Staatsbahnen,  die  Einführung  einer  obligatorischen  Kranken-, 
Unfalls-  und  Invaliditätsversicherung  aller  Assistenten  durch 
die  Rektorate,  schliesslich  die  Gleichstellung  aller  den  gesetz¬ 
lichen  Bedingungen  genügenden  Assistenten  in  Rücksicht  auf 
die  Remuneration,  Dienstwohnung  und  die  gewährten  Be¬ 
günstigungen. 

Die  Festsetzung  der  Remunerationen  für  die  Assistenten  in 
ihrer  jetzigen  Höhe  erfolgte  im  Jahre  1872,  also  vor  35  Jahren, 
seither  sind  die  Gehalte  der  Mittel-  und  Hochschulprofessoren 
wiederholt  reguliert,  d.  h.  erhöht  worden,  auch  die  k.  k.  Staats¬ 
beamten  beziehen  in  der  letzten  Zeit  höhere  Gehalte.  Dabei 
ist  die  Stellung  der  Assistenten  keine  dauernde,  bei  ihrer  Be¬ 
stellung  wird  schon  eine  tüchtige,  wissenschaftliche  Ausbildung 
verlangt,  sie  haben  die  Verpflichtung,  den  Professor  in  seiner 
Lehrtätigkeit  zu  unterstützen  und  eventuell  zu  vertreten,  sie 
werden  Mitglieder  wissenschaftlicher  Vereine,  müssen  Reisen 
unternehmen,  um  Kongressen  beizuwohnen,  Sammlungen  und 
Institute  zu  besichtigen  und  haben  sogar  schon  gesellschaft¬ 
liche  Verpflichtungen.  All  das  kostet  Geld,  zuweilen  sogar  viel 
Geld,  welches  sie  bei  der  Abhaltung  von  Privatkursen  auch 
nicht  immer  aufzubringen  im  Stande  sind.  Die  erwähnten 
Eisenbahnlegitimationen  hatten  die  Assistenten  in  früherer  Zeit, 
sie  wurden  ihnen  aber  aus  Sparsamkeit  entzogen.  Die  Be¬ 
rechtigung  dieser  Wünsche  der  Hochschulassistenten  wird  all¬ 
seits  anerkannt  und  auch  der  Unterrichtsminister  hat  einer 
Deputation  der  Wiener  Assistenten  die  baldige  Verbesserung 
ihrer  Lage  in  Aussicht  gestellt. 

Schliesslich  hat  auch  eine  „Vereinigung  Wiener  Mediziner“ 
eine  Versammlung  abgehalten  und  ihren  Wünschen  Ausdruck 
gegeben.  Man  sprach  sich  gegen  die  geplante  Erhöhung  des 
Kollegiengeldes  aus,  befürwortete  vielmehr  die  Einführung 
eines  Kollegiengeld  pauschales  nach  dem  Muster  der  tech¬ 
nischen  Hochschulen  sowie  der  Universitäten  in  Ungarn,  ferner 
die  Stundung  der  Rigorosentaxen  und  deren  Ableistung  in 
Raten  nach  abgelegtem  Doktorat.  Es  möge  den  Medizinern  ge¬ 
stattet  sein,  das  erste  Rigorosutn  schon  im  4.  Semester  abzu¬ 
legen,  damit  sie  im  5.  Semester  unbehindert  sich  den  klinischen 
Studien  widmen  könnten.  Die  praktische  Ausbildung  der 
Mediziner  lasse  viel  zu  wünschen  übrig;  man  schaffe  daher  eine 
entsprechende  Zahl  von  Demonstratorenstellen  an  den  Kliniken, 
führe  das  obligatorische  Hospitieren  für  Mediziner  der  höheren 
Jahrgänge  ein,  man  ziehe  auch  die  Spitäler  an  der  Peripherie 
in  den  Bereich  des  Unterrichtes  ein  etc.  Dass  die  Mediziner 
6  Monate  lang  unter  der  Waffe  dienen,  das  störe  das  Studium 
und  schädige  sie  in  materieller  und  wissenschaftlicher  Hinsicht. 
Tüchtige  Militärärzte  der  Reserve  könnten  doch  nur  in  Spi¬ 
tälern  herangebildet  werden.  Statt  der  sechsmonatlichen 
Truppendienstzeit  wünschen  die  Mediziner  also  nur  ein  ein¬ 
maliges  Einrücken  während  der  Ferien  zur  achtwöchentlichen 
Waffenübung;  die  übrigen  zehn  Monate  des  Freiwilligenjahres 
sollen  erst  nach  erlangtem  Doktorate  und  ausschliesslich  in 
einem  Militärspitale  abgedient  werden.  Auf  diese  Weise 
könnten  tüchtige  Militärärzte  herangebildet  werden.  Schliess¬ 
lich  möge  der  Einrückungstermin  nicht  an  ein  bestimmtes 
Datum  (bisher  1.  April  und  1.  Oktober)  gebunden  und  der 
zwangsweise  Einrückungstermin  zum  militärärztlichen  Dienste 
bis  zum  30.  Lebensjahre  verschoben  werden.  Die  neue  Rigo- 
rosenordung,  die  sich  noch  kaum  richtig  eingelebt  hat,  erscheint 
den  Medizinern,  die  sehr  gut  wissen,  wo  sie  der  Schuh  drückt, 
nach  mehrfacher  Hinsicht  reformbedürftig.  Darüber  wollen 
wir  ein  anderes  Mal  berichten. 

Einer  offiziellen  Mitteilung  entnehmen  wir  die  nachfolgen¬ 
den  Ziffern:  In  Oesterreich  gibt  es  1907  im  Ganzen  254  öffent¬ 
liche  Spitäler  mit  einer  Gesamtzahl  von  37  610  Krankenbetten. 
In  den  letzten  3  Jahren  ist  die  Zahl  der  öffentlichen  allgemeinen 
Krankenhäuser  um  13  gestiegen  und  hat  die  Zahl  der  Kranken¬ 
betten  um  2837  zugenommen.  Seit  dem  Jahre  1877  (drei 


Dezennien)  ist  die  Zahl  der  öffentlichen  Kiankenhäusei  in 
Oesterreich  um  93  (57  Proz.)  gestiegen,  während  im  selben  Zeit¬ 
raum  die  Zahl  der  Krankenbetten  fast  den  doppelten  Stand  er¬ 
reicht  hat:  1877:  18  961,  1907:  37  610  also  plus  18  649  Betten. 
Die  Verpflegstaxe  pro  Tag  und  Kopf  betrug  im  Jahre  1877  durch¬ 
schnittlich  122  Heller  und  ist  im  Jahre  1907  durchschnittlich  auf 
178  Heller  (in  Wien  2  Kronen  40  Heller)  angestiegen.  Die  Zahl 
der  Gebäranstalten  ist  in  den  letzten  3  Dezennien  die  gleiche 
geblieben  (18),  die  Gesamtzahl  der  zur  Verfügung  stehenden 
Krankenbetten  ist  jedoch  um  542  angestiegen  und  beträgt  jetzt 
2071.  Endlich  betrug  die  Zahl  der  öffentlichen  Irrenanstalten 
im  Jahre  1870  21,  im  Jahre  1907  schon  36  und  ist  die  Bettenzahl 
in  dieser  Zeit  von  5581  auf  16  434  angestiegen,  indem  auch  die 
schon  vorhandenen  Irrenanstalten  stark  vergrössert  wurden. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Ältonaer  Aerztlicher  Verein. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  März  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Henop. 

Schriftführer:  Herr  F  e  1  g  n  e  r. 

Herr  Grünberg  spricht  unter  Demonstration  einer  Reihe  von 
behandelten  und  geheilten  Patienten  über  die  Reposition  angeborener 
laxierter  Hüften,  wie  er  sie  in  den  letzten  Jahren  an  einei  giösseien 
Anzahl  von  Patienten  im  Ältonaer  Kinderhospital  ausgeführt  hat, 
und  zeigt  an  der  Hand  von  Diapositiven  die  einzelnen  Behandlungs¬ 
phasen.  Das  Behandlungziel  sei  eine  anatomische  Reposition,  die 
auch  die  besten  Enderfolge  gäbe.  Die  Transposition  sei  immer  nur 
ein  Notbehelf  und  deren  Resultate  Hessen  stets  zu  wünschen  übrig, 
wenn  auch  eine  Besserung  nach  vielen  Richtungen  hin  unverkennbar 
wäre.  Zur  Erreichung  der  anatomischen  Reposition  sei  die  Innen¬ 
rotationsmethode  geeigneter  als  die  Aussenrotation.  Die  Verbands¬ 
technik  sei  zur  Erhaltung  der  gelungenen  Reposition  von  ausschlag¬ 
gebender  Bedeutung.  Bei  nicht  erreichbarer  Reposition  —  meistens 
die  eine  Hüfte  einer  doppelseitigen  Luxation  —  wäre  die  blutige 
Eröffnung  der  Gelenkkapsel,  Trennung  der  event.  Kapselverwach¬ 
sung  mit  dem  Pfannenrande  und  darauffolgender  Reposition  mit  Stel¬ 
lung  wie  bei  unblutiger  Reposition  zu  empfehlen  und  ist  einmal  mit 
Erfolg  ausgeführt  worden.  Behandlungsdauer  im  Verbände  etwa 
9  Monate.  Längere  Zeit  nachher  noch  Massage  und  Bewegungen. 
Die  Innenrotation  des  Oberschenkels  gleicht  sich  allmählich  von  selbst 

aus.  .  . 

Herr  Hohmeier  stellt  eine  Patientin  vor,  die  eine  schwere 
Peritonitis  durchmachte  und  durch  Operation  geheilt  wurde.  Das 
20jähr.  Mädchen  war  regelmässig  menstruiert;  Mitte  Januar  traten, 
nachdem  die  Menses  12  Wochen  lang  sistiert  hatten,  unregelmässige 
Blutungen  auf,  die  Pat.  nicht  weiter  beachtete.  Am  2.  Februar  ver¬ 
schlimmerten  sich  die  Blutungen,  der  herbeigerufene  Arzt  stellte  einen 
Abort  fest  und  nahm  die  Ausräumung  durch  Kürette  vor.  Am  2. 
Tage  nach  dem  Kürettement  hatte  Pat.  abends  beim  Stuhlgang  plötz¬ 
lich  heftige  Schmerzen  im  Unterleib,  die  die  Nacht  über  anhielten;  am 
nächsten  Tag  schon  bot  sich  das  Bild  einer  allgemeinen  Peritonitis. 
Bei  der  Aufnahme  im  Krankenhaus  war  Pat.  sehr  hinfällig,  die 
Atmung  beschleunigt,  der  Puls  kaum  zu  fühlen,  sehr  frequent.  Das 
aufgetriebene  Abdomen  zeigte  neben  ausgesprochener  Spannung  der 
Bauchmuskeln  eine  starke  Druckempfindlichkeit,  die  vor  allem  in  der 
rechten  Unterbauchseite  etwa  2  Ouerfinger  oberhalb  des  Lig.  Poupart. 
hervortrat,  in  den  abhängigen  Partien  war  Dämpfung  vorhanden. 
Bei  Eröffnung  der  Bauchhöhle  durch  einen  rechtsseitigen  Pararektal¬ 
schnitt  entleerte  sich  stinkender  Eiter.  Die  Appendix  erwies  sich 
als  normal.  Beim  Eingehen  in  das  kleine  Becken  kam  man  auf  die 
entzündlich  verdickte  Tube;  der  an  ihr  hängende,  etwa  faustgrosse 
Ovarialsack  zeigte  an  seiner  Hinterwand  eine  grosse  Perforations¬ 
öffnung,  aus  der  sich  beim  Vorziehen  noch  Eiter  entleerte.  Nach  Ent¬ 
leerung  eines  Douglasabszesses  und  eines  Abszesses  in  der  Leber¬ 
gegend  wurde  zur  besseren  Durchspülung  der  Bauchhöhle  eine  Ge¬ 
geninzision  auf  der  linken  Seite  angelegt;  auch  hier  entleerte  sich 
aus  dem  Douglas  und  aus  der  Milzgegend  eine  grosse  Menge  Eiters. 
Nach  gehöriger  Ausspülung  Tamponade  der  Bauchhöhle,  auch  des 
Ovarialsackes  —  von  einer  Exstirpation  des  rechten  Adnexes  musste 
wegen  des  schlechten  Zustandes  der  Pat.  Abstand  genommen  wer¬ 
den  —  Pat.  war  in  den  nächsten  Tagen  fieberfrei  und  erholte  sich 
zusehends.  Am  10.  Tage  p.  op.  Temperaturanstieg,  es  wurden  noch 
4  Abszesse  entleert,  von  denen  sich  zwei  zwischen  den  Darmschlin¬ 
gen,  einer  in  der  Lebergegend,  einer  im  rechten  Douglas  lokalisiert 
hatten.  Von  da  ab  fieberfreie  Rekonvaleszenz. 

Nachdem  Vortr.  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Nachbe¬ 
handlung  der  wegen  diffuser  Peritonitis  operierten  Pat.  gemacht 
hat,  berichtet  er  weiter  über  2  von  ihm  operierte  Fälle  von  Uterus¬ 
ruptur. 

Im  ersteren  handelt  es  sich  um  eine  Ruptura  uteri  traumatica, 
bei  einer  III.  Para  mit  engem  Becken  war  Wendung  und  Extraktion 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1453 


gemacht,  Plazenta  ging  spontan  ab,  keine  erhebliche  Nachblutung. 
Das  Wochenbett  verlief  zunächst  ganz  zufriedenstellend  (Ternp.  nicht 
über  38,5  in  recto).  Am  11.  Tag  p.  part.  Temperaturanstieg  auf  39,8°. 
Am  nächsten  Tage  fühlbarer  Tumor  in  der  rechten  Bauchseite,  am 
12.  Tag  p.  part.  Ueberfiihrung  ins  Krankenhaus.  Der  Allgemein¬ 
zustand  der  Pat.  war  schlecht.  Die  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zeigte, 
dass  der  Uterus  durch  einen  queren  Riss  von  dem  vorderen  Scheiden¬ 
gewölbe  abgerissen  war;  er  war  unterhalb  der  Leber  mit  Netz  und 
vorderer  Bauchwand  verwachsen.  Bei  Lösung  der  Verwachsungen 
entleerte  sich  stinkender  Eiter  aus  einer  unter  der  Leber  liegenden 
zweifaustgrossen  Abszesshöhle.  Totalexstirpation  des  Uterus.  Tam¬ 
ponade  der  Abszesshöhle  und  des  kleinen  Beckens  durch  die  Vagina. 
Exitus  am  6.  Tage  p.  op.  an  embolischer  Pneumonie. 

Im  2.  Falle  handelte  es  sich  um  eine  Ruptura  uteri  spontanea 
bei  einer  XV.  Qravida  im  9.  Schwangerschaftsmonat.  Die  ersten  12 
Geburten  und  Wochenbetten  verliefen  normal.  Bei  der  13.  Geburt 
scheint  es  sich  um  eine  Placenta  praevia  lateralis  gehandelt  zu 
haben,  bei  der  14.  wurden  Zwillinge  im  8.  Monat  vom  Arzt  extra¬ 
hiert.  Letzte  Menstruation  Anfang  Juni,  erste  Kindsbewegung  Ende 
November.  Pat.  fühlte  sich  in  der  Schwangerschaft  ganz  wohl.  Am 
23.  Januar  hatte  sie  morgens  etwas  ziehende  Schmerzen  im  Leib, 
die  sie  aber  nicht  hinderten,  ihrer  Arbeit  nachzugehen.  Nachmittags 
musste  Pat.  mehrmals  erbrechen  und  wurde  ohnmächtig.  Einen 
plötzlichen  Schmerz  im  Leib  hat  sie  nach  ihrer  bestimmten  Angabe 
nicht  gehabt.  Um  6  Uhr  häuften  sich  die  Ohnmächten,  der  Zustand 
wurde  immer  schlechter.  Der  um  7  Uhr  zugezogene  Arzt  riet  wegen 
innerer  Blutung  zur  Ueberführung  in  das  Krankenhaus. 

Die  sehr  blass  aussehende  Pat.  ist  benommen,  der  Puls  ist  sehr 
frequent,  sehr  schwach.  Abdomen  ist  aufgetrieben,  die  abhängigen 
Partien  sind  gedämpft.  Unter  den  dünnen  Bauchdecken  fühlt  man 
mit  erschreckender  Deutlichkeit  die  leicht  verschieblichen  Kindsteile. 
Bei  der  vaginalen  Untersuchung  fühlt  man  den  Muttermund  für 
2  Finger  durchgängig;  in  der  linken  Bauchseite  ist  der  über  kinds¬ 
kopfgrosse  Uterus  deutlich  zu  fühlen. 

Sofortige  Laparotomie:  Es  entleert  sich  eine  grosse  Menge  teils 
flüssigen,  teils  geronnenen  Blutes.  Der  Fötus  ist  im  Eisack  samt 
Plazenta  in  die  Bauchhöhle  ausgetreten.  Beim  Vorziehen  des  Uterus 
zeigt  sich  ein  Riss  der  hinteren  Wand  vom  Fundus  bis  aufs  Schei¬ 
dengewölbe.  Da  der  Zustand  der  Pat.  ein  möglichst  rasches  Vor¬ 
gehen  verlangt,  wird  der  Riss  vernäht,  die  Bauchhöhle  sorgfältig 
von  Blut  gereinigt,  mit  Kochsalz  gespült,  die  Bauchwunde  durch 
Etagennaht  geschlossen.  Unter  Exzitantien  und  Kochsalzinfusionen 
hat  sich  Pat  am  nächsten  Tage  gut  erholt.  Am  6.  Tag  Thrombose 
des  linken  Beines,  vom  12.  Tage  ab  ist  die  Temperatur  normal  ge¬ 
blieben.  Um  einer  weiteren  Schwangerschaft  vorzubeugen  wurde 
der  Pat.  eine  Operation  zur  Herbeiführung  der  Sterilität  vorge¬ 
schlagen  und  sie  willigte  ein.  Am  26.  Februar  Relaparotomie  mit 
teilweiser  Exzision  der  Narbe.  Keine  Verwachsungen  im  Bereich 
der  Narbe.  Der  gut  involvierte  Uterus  wird  mit  einem  Muzeux  ge¬ 
fasst,  der  wegen  der  Weichheit  der  Muskulatur  schon  beim  geringsten 
Zuge  ausreisst.  Der  Uterus  wird  dann  mit  stumpfer  Klemme  gefasst 
und  vorgezogen;  ein  Stück  der  Tuben  wird  reseziert,  das  uterine 
Tubenende  wird  parametran  versenkt.  Bauchnaht.  Leichte  Bron¬ 
chitis  p.  op.,  sonst  keine  Störung.  Heilung  der  Narbe  wieder  p.  p.  i. 
Pat.  ist  seit  8  Tagen  ausser  Bett. 

Die  Ursache  dieser  Ruptur  ist  in  degenerativ-entzündlichen  Pro¬ 
zessen  der  Uterusmuskulatur  zu  suchen. 

Vortr.  geht  dann  noch  auf  die  Aetiologie,  Prognose  und  Therapie 
der  Spontanrupturen  des  Uterus  näher  ein. 

Herr  Herford  berichtet  über  die  bakteriologischen  und 
epidemiologischen  Beobachtungen,  die  an  den  seit  anfangs 
März  in  Altona  aufgetretenen  Fällen  von  Meningitis  cerebro¬ 
spinalis  epidemica  gemacht  sind.  Es  handelt  sich  bisher  um 
10  Erkrankungen,  die  zur  Meldung  gelangt  und  bakteriologisch 
sicher  gestellt  sind.  In  sämtlichen  Fällen  glückte  die  Rein¬ 
züchtung  der  Meningokokken  Weichselbaums  auf  Rinder¬ 
serum,  meist  aus  Lumbalsekret,  zum  Teil  gleichzeitig  aus  dem 
Nasenschleim,  zweimal  aus  Leichenrnaterial.  Die  Fälle  kamen 
meist  in  den  ersten  Krankheitstagen  zur  Untersuchung,  was 
für  das  Gelingen  der  Kultur  wichtig  ist;  je  später  das  Lumbal¬ 
oder  Nasensekret  untersucht  wird,  desto  geringer  sind  die  Aus¬ 
sichten  für  den  positiven  Ausfall  der  Züchtung.  Im  Lumbal¬ 
sekret,  direkt  untersucht,  zeigten  die  Kokken  meist  extrazellu¬ 
läre  Lagerung;  nachträgliche  Einwanderung  in  die  Zellen  bei 
Aufbewahrung  des  entleerten  Exsudates  bei  Körpertemperatur 
wurde  nur  in  einem  Fall  beobachtet.  Sämtliche  Stämme  waren 
gramnegativ.  Das  Aussehen  der  Kolonie  auf  Serum  ist  cha¬ 
rakteristisch;  nach  24  Stunden  ziemlich  kleine  homogene, 
durchscheinende,  glattwandige  Kolonien,  die  häufig  zu  einem 
üppigeren  Rasen  konfluieren  und  einen  leichten  Stich  ins  Gelb¬ 
liche  haben.  Noch  üppiger  ist  das  Wachstum  auf  Aszitesagar, 
wo  die  Kolonien  einen  konfluierenden,  durchscheinenden  Rasen 
oder  mässiggrosse,  leicht  ins  Graue  spielende  Tröpfchen  bilden, 


die  bei  schwacher  Vergrösserung  gelblich,  ganz  homogen  er¬ 
scheinen.  Der  Rand  des  Oberflächenstriches  ist  häufig  gewellt. 
Das  Färbepräparat  der  Reinkultur  ist  ebenfalls  äusserst  cha¬ 
rakteristisch:  Diplokokken  von  der  Form  der  Gonokokken, 
etwas  weniger  abgeplattet,  häufig  Tetraden  bildend  oder  in 
mehreren  Tetraden  zusammenliegend,  von  recht  verschiedener 
Korngrösse  und,  namentlich  bei  etwas  älteren  Kulturen,  auf¬ 
fallend  verschiedener  Färbbarkeit.  Auf  gewöhnlichem  Agar 
gelang  die  Züchtung  direkt  aus  dem  menschlichen  Körper  oder 
bei  Uebertragung  der  ersten  künstlich  gezüchteten  Generationen 
niemals;  erst  allmählich  erfolgte  zunehmende  Anpassung.  Die 
Lebensdauer  auf  Aszitesagar  betrug  im  Höchstfälle  5  Tage. 

Die  Aetiologie  sporadisch  auftretender  Meningitiserkran¬ 
kungen  aufzuklären,  ist  meist  nicht  möglich  und  auch  in  den  vor¬ 
liegenden  Fällen  nicht  gelungen.  Bei  der  Kurzlebigkeit  der 
Kokken  ist  die  Ansteckung  streng  an  den  beherbergenden 
Menschen  geknüpft  und  Bakterienträger  spielen  eine  besonders 
grosse  Rolle.  Aetiologisch,  aber  auch  prophylaktisch  wichtig 
ist  deshalb  die  Untersuchung  Aller,  die  mit  dem  Erkrankten  in 
Berührung  kamen.  Es  scheint,  als  ob  sich  in  der  Umgebung 
jedes  Kranken  Kokkenträger  finden;  die  Untersuchung  der¬ 
selben  ist  sehr  einfach  durch  direkte  Entnahme  von  Nasen¬ 
schleim  mittels  einer  Platinöse  und  Ausstreichen  des  Materials 
an  Ort  und  Stelle  auf  dem  mitgeführten  Nährboden.  Ein 
sicheres  Mittel  zur  Unschädlichmachung  der  Kokkenträger  ist 
bisher  nicht  gefunden;  neuerdings  empfiehlt  Jehle  warm  eine 
Spraybehandlung  mit  Pyozyanase. 

Von  den  Erkrankungen  hängen  einige  durch  Kontakt  mit 
einander  zusammen.  Eine  Erkrankung,  die  nicht  ärztlich  be¬ 
handelt  wurde,  musste  nach  Symptomen,  Anamnese  und  bak¬ 
teriologischem  Befund  als  Abortivfall  betrachtet  werden.  Auf¬ 
fallend  war,  im  Einklang  mit  allen  bisherigen  Beobachtungen, 
auch  in  den  vorliegenden  Fällen  das  Ueberwiegen  des  Kindes¬ 
alters,  und  zwar  gerade  der  jüngeren  Kinder.  Von  den  10  Er¬ 
krankungen  verliefen  bisher  7  tödlich;  der  Verlauf  zeigte  sämt¬ 
liche  Abstufungen  von  kürzester  Dauer  unter  dem  Bilde 
foudroyanter  Infektion  bis  zum  protrahierten  Verlauf  über 
Wochen,  selbst  Monate  und  mitunter  lange  Zeit  völlige  Ver¬ 
schleierung  des  Meningitisbildes;  ein  Fall  wurde  von  Ende 
Januar  bis  anfangs  März  als  Typhus  betrachtet.  (Demon¬ 
stration  von  Präparaten.) 

Diskussion:  Herr  Grüneberg  hält  die  diesjährige  Epi¬ 
demie  für  eine  recht  schwere.  Von  den  6  bis  dahin  ins  Altonaer 
Kinderhospital  eingelieferten  Patienten  sind  5  gestorben.  Bei  allen 
ist  der  Jäger  - W  eichselbaum  sehe  Diplococcus  sowohl  im 
Ausstrichpräparat  als  auch  kulturell  nachgewiesen  worden.  Bei 
allen  Patienten  ist  die  Spinalpunktion  systematisch  vorgenommen 
worden.  G.  hat  bei  seinen  Fällen  nicht  den  Eindruck,  als  wenn  die 
Punktion  einen  hervorragenden  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Erkran¬ 
kung  hat,  nur  schien  es,  als  wenn  einzelne  Beschwerden,  wie  Kopf¬ 
schmerzen,  Nackensteifigkeit  günstig  beeinflusst  werden.  Die  direkte 
Ansteckungsgefahr  scheint  nicht  sehr  gross  zu  sein.  Ein  Kranker 
-  der  zuerst  aufgenommene  —  hat  8  Tage,  ein  anderer  3  Tage 
zwischen  anderen  Patienten  im  Hospital  gelegen,  ohne  dass  eine 
Hausinfektion  vorgekommen  wäre.  Von  den  6  Fällen  stehen  nur  2 
in  einem  räumlichen  Zusammenhänge,  die  anderen  wurden  aus  den 
verschiedensten  Stadtgegenden  eingeliefert.  Schnupfen  oder  Angina 
sind  in  2  Fällen  im  Anfänge  beobachtet  worden.  In  einem  Falle  sind 
im  Nasensekret  zahlreiche  Diplokokken  fast  in  Reinkultur  im  Aus¬ 
strichpräparat  gefunden.  In  Epidemiezeiten  müssen  auch  leicht  ver¬ 
dächtige  Erkrankungen  lumbalpunktiert  werden  zur  Feststellung  der 
Diagnose,  da  die  Anfangserscheinungen  oft  wenig  ausgesprochen 
sind.  An  Komplikationen  sind  einmal  eitrige  Panophthalmie,  zweimal 
urtikariaartiges  Exanthem  beobachtet  worden.  Herpes  labialis  in 
2  Fällen.  Die  Sektion  ergab  in  allen  Fällen  Konvexitätseiterungen 
und  abgeschlossene  Eiteransammlungen  an  der  Basis. 

Herr  Schröder:  Die  geringere  oder  grössere  Trübung  der 
durch  Punktion  gewonnenen  Spülflüssigkeit  ist  für  die  Beurteilung  des 
Ausgangs  der  Krankheit  gleichgültig.  Ich  sah  im  vorigen  Jahr  ein 
mir  als  verdächtig  gemeldetes  Kind  kurz  vor  dem  Tode,  die  Punk¬ 
tionsflüssigkeit  war  wasserklar,  erst  beim  Stehenlassen  zeigte  sich 
ein  ganz  kleines  Flöckchen,  das  mikroskopisch  von  Meningokokken 
wimmelte. 

Herr  König:  Bemerkungen  zur  Wundbehandlung. 

Der  Vortr.  knüpft  an  eine  Beobachtung  an,  bei  welcher 
ein  älterer  Mann  durch  Fall  eine  kleine  Stirnwunde  erhielt,  die 
ein  Arzt  nähte.  In  der  Folge  kam  es  zu  schwerer  (Strepto¬ 
kokken-)  Phlegmone  der  Stirn  und  der  Orbitae;  auch  weit¬ 
gehende  Inzisionen  konnten  den  tödlichen  Ausgang  an  eitriger 


1454 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


Meningitis  infolge  Dnrchwanderns  durch  die  Emissarien  nicht 
hindern. 

K.  betont  die  Gefahr  kleiner  Wunden,  welche  sich  bald 
verlegen  und  der  Infektion  keinen  Ausweg  gestatten;  dasselbe 
gilt  für  genähte  Wunden,  die  Naht  unregelmässiger,  in¬ 
fektionsverdächtiger  Wunden  ist  direkt  ein  Kunstfehler. 
Grössere  Wunden  schwemmen  durch  Blut  und  Sekretstrom  die 
Infektion  leichter  nach  aussen.  Daher  sollen  wir  solche  Oeff- 
nungen  nicht  verschliessen,  ja  unregelmässige,  buchtige  Wun¬ 
den  durch  Tamponade  offenhalten.  Dazu  wende  man  mit  Recht 
die  Bier  sehe  Hyperämie  an,  da  sie  den  Strom  nach  aussen 
leite  und  direkt  bakterizid  wirke. 

Weiter  verbreitet  sich  K-  über  die  Möglichkeit,  auch  bei 
infizierten  Wunden  durch  Exzision  der  Wundränder  die  In¬ 
fektion  noch  zu  beseitigen,  was  nach  Friedrich  innerhalb 
der  ersten  6 — 8  Stunden  gelingt,  sowie  über  dieTrendelen- 
b  u  r  g  sehe  Behandlung  komplizierter  Frakturen,  mit  Exzision 
und  Naht  (R  i  m  a  n  n).  Sicher  geht  aber  aus  den  Behandlungs¬ 
methoden  auch  hervor,  dass  der  Körper  mit  mancher  Infektion 
fertig  wird.  Darauf  bauend,  pflegen  wir  von  einem  Desinfek¬ 
tionsverfahren  der  Wunde  selbst  abzusehen,  während  d  i  e 
Lehre  befiehlt,  die  Umgebung  der  Wunde  durch 
Abseifen  etc.  gründlich  zu  desinfizieren. 

Dieser  Akt  ist  K-  immer  unsympathisch  gewesen;  ent¬ 
weder  wir  vermeiden  bis  zum  Wundrand  zu  kommen  —  dann 
bleibt  der  Schmutz  gerade  in  der  Umgebung  der  Wunde 
sitzen  —  oder  wir  seifen  bis  zur  Wunde  —  dann  treiben  wir 
mehr  Schmutz  in  sie  hinein,  wie  vorher  darin  war.  Dass 
von  der  umgebenden  Haut  bei  trockener  Wundbehandlung 
Keime  in  die  Wunde  übergehen,  ist  übrigens  durchaus  unwahr¬ 
scheinlich.  K.  hat  deshalb  schon  länger  bei  frischen  Wunden, 
sofern  er  nicht  neue  Inzisionen  machen  musste,  von  jeder 
Reinigung  der  umgebenden  Haut  abgesehen. 
Auch  in  der  Poliklinik  des  städtischen  Krankenhauses  hat  er 
das  an  bisher  251  Wunden,  kleineren  und  grösseren  aller  Art 
durchführen  lassen,  nur  dreimal  kam  es  zu  leichten  Infektionen, 
mit  guter  Heilung. 

Den  Hauptvorzug  dieses  Vorgehens  erkennt  K.  darin,  dass 
man  die  Laien  mit  grösstem  Nachdruck  davon  a  b  h  a  1 1  e  n 
kann,  bei  frischen  Wunden  zu  waschen,  zu  spülen 
oder  gar  zu  desinfizieren.  Ausbluten  lassen,  dann  ein  reines 
geplättetes  Leinentuch  darauf,  das  ist  das  beste  Verfahren. 
K.  weist  darauf  hin,  dass  auch  im  Kriege  schon  ähnlich  mit 
Erfolg  verfahren  wird  (Goldammer,  v.  0  e  1 1  i  n  g  e  r). 
Letzterer  hat  sich  einer  Lösung  von  Mastix  20,  Chloroform  50, 
Ol.  lini  gtt.  20  bedient,  um  die  Haut  damit  zu  bestreichen  und 
die  trockene,  auf  die  Wunde  gelegte  Gaze  damit  festzuhalten. 
Dies  Verfahren  erscheint  schon  aus  dem  Grund  praktisch,  da¬ 
mit  die  Patienten  das  Gefühl  haben,  dass  doch  etwas  noch  zur 
Wundbehandlung  dazugenommen  wird. 

An  der  Diskussion  beteiligen  sich  die  Herren :  Schrö¬ 
der,  A.  Möller,  König,  Rieck,  Brachmann,  Pilsky 
und  H  e  n  o  p. 

Zum  Schluss  bemerkt  Herr  König:  Wo  Haare  sind,  z.  B.  am 
Kopf,  müssen  diese  soweit  entfernt,  zurückgeschnitten  bezw.  rasiert 
werden,  dass  sie  nicht  in  die  Wunde  geraten  können.  Dass  im  ein¬ 
zelnen  man  durch  solche  Gründe  bewogen  werden  kann,  einmal 
mehr  an  der  Umgebung  der  Wunde  zu  machen,  gibt  K.  zu  und  über¬ 
lässt  dies  dem  Ermessen  des  Einzelnen. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  4.  Juli  1907. 

Herr  Rosenthal:  Demonstration  eines  Patienten,  den  er 
erfolgreich  wegen  Syphilis  mit  Arsen  behandelt  hat. 

Herr  G.  Klemperer  bespricht  die  Rizinmethode  M.  Jacobys 
zum  Pepsinnachweis;  dieselbe  beruht  bekanntlich  darauf,  dass  eine 
trübe  Lösung  von  Rizin  in  verdünnter  Salzsäure  durch  die  Wirkung 
des  Pepsins  geklärt  wird  (Demonstration).  Auch  zur  quantitativen 
Ausmittelung  der  Pepsinwerte  eignet  'Sich  die  Methode,  wenn  man 
nach  ihr  einen  Reihenversuch  mit  der  zu  untersuchenden  Flüssig¬ 
keit  ansetzt  und  zusieht,  welche  Menge  noch  eben  imstande  ist, 
innerhalb  der  Versuchszeit  die  Rizinlösung  zu  klären. 

Bisher  hat  man  sich  darauf  beschränkt,  die  Salzsäurewerte  des 
Magensaftes  zu  bestimmen,  welche  viel  grösseren  Schwankungen 
unterliegen,  als  die  Eermentmenge  und  auch  nicht  die  Wichtigkeit 
haben.  Er  hat  die  Methode  klinisch  verwerten  lassen  und  sie  den 


bisher  gebräuchlichen  Verfahren,  insbesondere  dem  M  e  1 1  sehen, 
weit  überlegen  gefunden. 

Eine  ganz  unbedeutende  Modifikation  des  J  a  c  o  b  y  sehen  Ver¬ 
fahrens  —  er  nimmt  statt  des  Rizins  Edestin  —  hat  Herr  F  u  1  d 
als  das  seinige  bezeichnet  und  im  Verein  für  innere  Medizin  de¬ 
monstriert;  dabei  schreibt  .1  a  c  o  b  y  ausdrücklich,  man  könne  statt 
des  Rizins  auch  andere  Eiweissarten  nehmen;  Herr  Fuld  meinte 
nun,  das  Rizin  sei  teuer  und  schwer  zu  beschaffen;  das  gerade 
Gegenteil  ist  der  Fall. 

Diskussion:  Herr  Fuld:  Zunächst  stelle  er  fest,  dass  er  es 
war,  der  die  auch  von  Jacoby  nunmehr  akzeptierten  Verfahren 
der  Grenzwertbestimmung  auf  die  Magenfermente  zuerst  angewendet 
hat  zum  Zweck  einer  Bestimmung  des  Labgehaltes, ^die  allen  billigen 
Ansprüchen  an  Genauigkeit  gerecht  werde;  in  Gemeinschaft  mit 
Blum  konnte  er  zeigen,  dass  Pepsin  und  Lab  auch  unter  patho¬ 
logischen  Bedingungen  parallel  gehen,  wobei  letzteres  eben  wegen 
der  Verfeinerung  der  Methodik  in  keinem  Saft  ganz  vermisst  wird. 
Damit  war  die  praktische  Seite  der  Fermentbestimmung  im  Magen¬ 
saft  erledigt  und  für  die  Pepsinmethoden  blieb  eigentlich  nur  ein 
theoretisches  Interesse. 

Die  Jacoby  sehe  Methode  sei,  wie  er  sich  überzeugen  konnte, 
recht  hübsch  und  er  habe  sich  auch  anerkennend  über  sie  geäussert, 
insbesondere  die  ihm  von  Klemperer  zugeschriebenen  Einwände 
niemals  erhoben.  Dagegen  verwahre  er  sich  dagegen,  dass  seine 
auf  Grund  eigener  lang  dauernder  Studien  ausgearbeitete  Methode 
als  blosse  Anleihe  an  der  Jacoby  sehen  hingestellt  werde.  Mit 
gelöstem  Eiweiss  wurde  vor  Jacoby  gearbeitet  von  Hammer¬ 
schlag,  Vol'hard  u.  a.  und  an  deren  Versuche  schlossen  sich 
die  des  Redners  an.  Er  fand  nach  vielem  Probieren  in  dem  Edestin 
einen  gut  definierten,  säurelöslichen  Eiweisskörper,  dessen  klare,  ein- 
promillige  Lösung  er  zum  Reihenversuch  verwendet;  am  Schluss  des 
Versuches  wird  mit  Ammoniak  überschichtet,  wobei  ein  Ring  ent¬ 
steht  in  all  den  Proben,  welche  mehr  als  ein  Fünftel  des  ursprüng¬ 
lichen  Eiweisses  enthalten;  dasjenige  Röhrchen,  bei  welchem  diese 
Ringbildung  eben  ausbleibt,  bezeichne  die  Grenze.  Diese  Methode 
beruhe  auf  einem  ganz  anderen  Prinzip,  sie  sei  unabhängig  von 
derjenigen  Jacobys  ausgearbeitet  worden,  mit  dessen  Wissen, 
und  in  ihrer  Berechtigung  von  diesem  anerkannt;  um  so  unverständ¬ 
licher  der  heutige  Angriff  Herrn  Klemperer  s.  Ihm  sei  es  sym¬ 
pathischer  mit  einer  klaren  Lösung  eines  reinen  kristallisierten  Ei- 
weisskörpers  von  bekannter  Konzentration  zu  arbeiten,  als  mit  den 
Verunreinigungen,  welche  die  Trübung  einer  Giftlösung  bewirken. 

Im  übrigen  könne  ja  jeder  wählen,  welche  Methode  er  vorziehe, 
ihm  sei  das  ausserordentlich  gleichgültig;  nur  gegen  die  Anschuldi¬ 
gung,  sich  eine  fremde  Methode  angeeignet  zu  haben,  musste  er  sich 
schützen. 

Herr  Jacoby  freut  sich,  Gelegenheit  zu  haben,  das  Wort  zu 
ergreifen,  da  er  im  Verein  für  innere  Medizin  abwesend  war.  Er 
zieht  die  Pepsinbestimmung  der  Labbestimmung  vor  und  hält  es  nicht 
für  förderlich,  wenn  seine  Methode,  die  er  für  vortrefflich  hält, 
modifiziert  würde. 

Tagesordnung: 

Herr  L.  Pick:  Ueber  eine  eigentümliche  Lokalisation  der 
Meningokokken  bei  übertragbarer  Genickstarre. 

In  einem  Fall  von  übertragbarer  Genickstarre  fanden  sich  die 
Meningokokken  in  allen  Organen,  auch  in  den  Samenbläschen. 
Es  konnte  deshalb  der  Verdacht  aufkommen,  dass  es  sich  um  Gono¬ 
kokken  handle.  Reinkulturen  und  damit  angestellte  Reaktionen  mit¬ 
tels  Agglutination  und  Präzipitation  etc.  stellten  jedoch  die  Identität 
der  Kokken  fest.  Es  sei,  da  die  Kokken  auch  im  Urin  vorhanden 
waren,  die  behördliche  Anweisung  zur  Bekämpfung  der  Genickstarre 
auch  auf  eine  Desinfektion  der  Fäzes  und  des  Urins  auszudehnen. 

Diskussion:  Herr  Weste nhoeffer:  Er  freue  sich,  dass 
gerade  an  dieser  Stelle,  wo  seine  Angabe,  dass  die  Meningokokken 
sich  zuerst  in  der  Rachentonsille  ansiedeln  und  von  hier  ins  Ge¬ 
hirn  wandern,  bezweifelt  wurde,  jetzt  ebenso  bestätigt  wurde,  wie 
sie  schon  allenthalben  inzwischen  bestätigt  worden  ist. 

Herr  C.  S.  Engel:  Ueber  Rückschlag  in  die  embryonale  Blut¬ 
bildung  und  Entstellung  der  bösartigen  Geschwülste. 

Das  Auftreten  gewisser  Zellformen,  wie  der  kernhaltigen  roten 
Blutkörperchen  unter  pathologischen  Zuständen,  bedeute  einen  Rück¬ 
schlag  in  die  embryonale  Blutbildung.  Aehnlich  denkt  er  sich  die 
Entstehung  der  Geschwülste  als  Rückschlag  ins  embryonale  Zell¬ 
stadium.  Hans  K  o  h  n. 


Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  1.  Juli  1907. 

Demonstrationen: 

Herr  Westenhoeffer:  Präparat  von  Echinokokkus,  der 
neben  der  Wirbelsäule  sass  und  in  den  Wirbelkanal  einge¬ 
brochen  war,  wo  er  Symptome  einer  Kompression  smyelitis 
ausgelöst  hatte. 

Diskussion:  Herr  v.  Leyden  erinnert  an  ähnliche  Fälle. 

Herr  E.  Mai  gibt  zu  obigem  Falle  einige  klinische  Daten. 

Herr  Fuld:  Eine  neue  Methode  der  Pepsinbestimmung. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


145o 


Herr  Fuld  berichtet  über  eine  neue  Methode  der  Pepsinbestim¬ 
mung.  Man  bereitet  sich  eine  1  prom.  Lösung  von  Edestin  (kristal¬ 
linisches  Eiweiss  in  3/ioo  normaler  Salzsäure  und  versetzt  je  2  ccm 
mit  fallenden  Mengen  des  zu  untersuchenden  Magensaftes  und  dessen 
10  resp.  lOOfacher  Verdünnung.  Nachdem  die  Proben  digeriert 
haben,  überschichtet  man  mit  Ammoniak,  welcher,  selbst  nachdem 
Vs  der  Eiweissmenge  wegverdaut  sind,  einen  deutlichen  weissen  Ring 
hervorruft.  Ausbleiben  der  Ringreaktion  bedeutet  also,  dass  die  Ver¬ 
dauung  noch  weiter  als  zu  dieser  Grenze  gegangen  ist.  Redner  be¬ 
spricht,  wie  man  durch  die  Wahl  der  Temperatur  und  der  üigestions- 
zeit  die  Probe  auf  verschiedene  Empfindlichkeit  einstellen  kann,  und 
demonstriert  einen  qualitativen  Versuch,  der  nur  ca.  eine  Minute 
in  Anspruch  nimmt.  Die  Vorzüge  vor  der  älteren  Methode  sind: 
Einfachheit  und  grosse  Empfindlichkeit.  Vor  der  Rizinprobe  Ja- 
cobys  hat  sie  die  Reinheit  des  Ausgangsmaterials  und  die  Kenntnis 
der  Konzentration,  also  auch  der  Verdauungsleistung  voraus. 

Diskussion  zum  Vortrage  des  Herrn  E.  Lesser: 
Syphilisbehandlung. 

Herr  E.  Lesser:  Er  möchte  noch  mitteilen,  dass  in  der  Zwi¬ 
schenzeit  H  a  1 1  o  p  e  a  u  die  ursprünglich  von  S  a  1  m  o  n  angegebenen 
Dosen  Atoxyl  geändert  habe,  er  gab  0,75,  0,6,  endlich  4  X  0,5  und 
wiederholte  diese  Dosis  nach  14  tägiger  Pause.  Ferner  habe  ihm  H. 
geschrieben,  dass  zwischen  dem  französischen  und  deutschen  Prä¬ 
parat  Differenzen  bestanden  bezgl.  der  toxischen  Wirkung;  es  seien 
aber  jetzt  beide  Fabriken  zu  einer  gemeinschaftlichen  Darstellungs¬ 
weise  übereingekommen. 

Endlich  berichtet  L.,  dass  er  in  einem  Falle  von  Pemphigus 
vulg.  chron.  nach  5  Injektionen  Atoxyl  ä  0,5  eine  kleine  Retinal¬ 
blutung  bemerkt  habe,  die  jetzt  verschwunden  sei.  Ob  dies 
Folge  der  Atoxylinjektion,  sei  noch  nicht  ganz  sicher. 

In  einem  2.  Fall,  einer  47  jähr.  syphilitischen  Frau,  trat  am 
26.  Tage,  nachdem  sie  5,1  Atoxyl  erhalten  hatte,  eine  Seh  Störung 
auf,  die  rasch  zunahm  und  nach  13  Tagen  zu  einer  Herabsetzung 
des  Sehvermögens  auf  1/io  führte.  Er  wolle  dies  schon  heute  mit¬ 
teilen,  obwohl  noch  nicht  sicher  sei,  dass  diese  Sehstörung  auf  das 
Atoxyl  zurückzuführen  ist;  ida  aber  bei  Atoxyl,  in  noch  höheren 
Dosen,  retrobulbäre  Neuritis  beobachtet  worden,  so  läge  die  Mög¬ 
lichkeit  vor.  Vielleicht  käme  auch  der  Alkoholismus  der  Patientin 
in  Frage. 

Herr  Greef:  Bei  dieser  Frau,  die  er  auf  Wunsch  L.s  unter¬ 
suchte,  ist  auf  dem  einen  Auge  noch  Ve,  auf  dem  andern  Vio  Seh¬ 
schärfe  vorhanden.  Es  besteht  eine  hochgradige  Einengung  des 
Gesichtsfeldes;  die.  Farbenwahrnehmung  ist  in  dem  Reste 
des  kleinen  Gesichtsfeldes  erhalten.  Auf  dem  linken  Auge  ausserdem 
ein  alter  weisser  Chorioidealfleck. 

Die  Alkoholintoxikation  ist  auszuschliessen,  da  sie  das  Gegen¬ 
teil  (zentrales  Skotom)  erzeugt.  Auch  Syphilis  ist  auszuschliessen,  weil 
die  Krankheit  in  diesem  Falle  noch  zu  jungen  Datums,  um  Atrophie 
zu  erzeugen,  und  die  bei  frischer  Syphilis  beobachteten  Verände¬ 
rungen  in  einer  peripheren  Neuritis  bestehen. 

Es  bleibt  also  nur  übrig  entweder  die  Annahme  einer  Atoxyl  - 
vergiftung  oder  einer  hysterischen  Affektion.  Es  sind  in 
neuerer  Zeit  als  Folgen  von  Atoxylvergiftung  Sehstörungen  berichtet, 
die  aber  in  einem  zentralen  Skotom  bestanden;  doch  sind  auch  stark 
eingeengte  Gesichtsfelder  dabei  beobachtet  worden.  Eine  Entschei¬ 
dung,  welche  von  beiden  Ursachen  hier  vorliege,  wolle  er  noch 
nicht  geben,  da  auch  gewisse  hysterische  Stigmata  bei  der  Patientin  zu 
finden  seien. 

Herr  Blaschko:  Die  Entdeckung  der  Spirochäte  lasse  aller¬ 
dings  eine  frühere  Diagnose  zu,  aber  auf  die  Frage  der  Früh¬ 
behandlung  habe  sie  s.  E.  keinen  E  i  n  f  1  u  s  s  ausgeübt ;  ob 
man  durch  Exzision  des  Primäraffektes  die  Krankheit  coupieren 
könne  oder  nicht,  das  sei  klinisch  zu  entscheiden  und  schon  früher 
erörtert  worden.  Die  Theorie  sprach  immer  dafür,  die  Praxis  meist 
dagegen;  jedenfalls  gelang  es  nur  selten  dadurch  die  Krankheit  zu 
coupieren.  Viel  mehr  lasse  sich  auch  jetzt  nicht  sagen. 

Dasselbe  gelte  für  die  chronische  intermittierende 
Behandlung;  er  sei  auch  heute  noch  ein  Gegner  der¬ 
selben.  Das  Quecksilber  tötet  die  Spirochäten  nicht  ab,  wie  L. 
meinte;  dies  werde  auch  durch  die  neueren  Versuche  Neissers 
an  Affen  bestätigt:  der  Impfschanker  entwickelt  sich  genau  so,  ob 
man  gleichzeitig  mit  der  Injektion  die  Einverleibung  von  Queck¬ 
silber  beginnt  oder  nicht;  und  die  Krankheit  breitet  sich  in  der¬ 
selben  Weise  aus  und  ist  auch  in  gleicher  Weise  weiter  zu  über¬ 
tragen,  ob  man  Hg  anwendet  oder  nicht.  Auch  die  neuen  Mitteilungen 
über  den  A  n  t  i  g  e  n  gehalt  bestätigen  diese  seine  (B  1  a  s  c  h  k  o  s) 
alte  Auffassung.  Er  wolle  die  Frage,  wie  das  Quecksilber  denn 
wirke,  als  nicht  zum  Thema  gehörig  beiseite  lassen  und  nur  nochmals 
sagen,  dass  auch  die  Entdeckung  der  Spirochäte  keine  Stütze  für 
die  intermittierende  chronische  Behandlung  liefere. 

Was  das  Atoxyl  betrifft,  so  könne  er  nur  sagen,  die  Mehrzahl 
der  Syphilisfälle  bleibe  durch  Atoxyl  unbeeinflusst,  bei  der  Minorität 
tritt  ein  Rückgang  der  Erscheinungen  auf;  aber  ob  dieser  nicht  auch, 
wie  so  oft,  spontan  gekommen  wäre,  ist  nicht  zu  sagen.  Ein  kleiner 
Teil  wird  wohl  günstig  beeinflusst,  in  welchem  Hg  und  Jod  versagt 
haben.  Im  grossen  und  ganzen  ist  das  Ergebnis  kein  günstiges. 
Dazu  komme  aber  noch  die  Gefährlichkeit  des  Mittels. 


Arsen  wurde  schon  1807  gegen  Syphilis  empfohlen,  dann  wieder 
verlassen  und  wieder  empfohlen  und  trete  jetzt  im  Gewände  des 
Atoxyls  von  neuem  auf.  In  kleinen  Dosen  wirke  es  wohl  nur  als 
Roborans,  in  grossen  vielleicht  durch  Beförderung  des  Gewebszer¬ 
falles,  wie  dies  vom  Arsen  in  grossen  Dosen  bekannt  ist. 

B.  ist  der  Ansicht,  dass  von  der  Atoxylbehandlung 
n  i  c  h  t  s  übrig  bleiben  wird,  als  eine  gelegentliche  Anwen¬ 
dung  in  gewissen  Fällen.  Jedenfalls  sei  es  dem  Queck¬ 
silber  und  Jod  nicht  an  die  Seite  zu  stellen.  Auch 
hätte  man  mit  der  Publikation  noch  warten  müssen. 

Herr  E.  Holländer:  Dass  durch  frühzeitige  Exzision  des 
Schankers  und  Kauterisation  der  Wundfläche  mittelst  seines 
Heissluftapparates  eine  Coupierung  der  Syphilis  möglich  ist,  hat  er  in 
zahlreichen  Fällen  beobachtet.  Es  finden  sich  darunter  Fälle,  in 
welchen  2  und  4  Jahre  lang  schon  die  Beobachtung  dauert,  auch 
solche,  in  welchen  durch  spätere  Reinfektion  die  Heilung  ge¬ 
sichert  ist. 

Herr  Rosenthal:  Die  Atoxylbehandlung  vermag  nach  seiner 
Meinung  Gutes  zu  leisten,  doch  ist  die  Wirkung  auch  mit  Arsen  in 
der  üblichen  Form  der  arsenigen  Säure  zu  erzielen. 

Herr  Nagelschmidt:  Zwei  Patienten,  welche  Quecksilber 
nicht  vertragen,  wurden  von  ihm  mit  Erfolg  mit  Atoxyl  behandelt. 

Herr  Fritz  Lesser:  Er  habe  die  Atoxylbehandlung  in  Paris 
gesehen  und  erkläre  sich  das  so  sehr  günstige  Urteil  der  Franzosen 
dadurch,  dass  diese  die  Syphilis  meist  mit  Pillen  behandeln,  also  die 
prompte  Wirkung  des  Quecksilbers  bei  äusserlicher  bezw.  subkutaner 
Anwendung  nur  selten  sehen. 

Schluss  der  Diskussion  nächste  Sitzung. 

Hans  K  o  h  n. 


Aerztlicher  Bezirksverein  zu  Erlangen. 

(Bericht  des  Vereins.) 

160.  Sitzung  (gemeinschaftlich  mit  der  Physikalisch-medi¬ 
zinischen  Societät)  vom  17.  Juni  1907. 

Herr  Hauser:  Ueber  extremen  Hochstand  des  Zwerchfells  bei 
einem  Fall  von  Ileus  (mit  Demonstration). 

Vortr.  berichtet  über  einen  Fall  von  enormem  chronischen  Me¬ 
teorismus  infolge  eines  ringförmigen  Dickdarmkarzinoms  (25  cm  ober¬ 
halb  des  Analrings)  -mit  hochgradiger  exzentrischer  Hypertrophie  des 
ganzen  Dickdarms  bis  zur  Ileozoekalklappe,  die  völlig  suffizient  war. 
(Demonstration.)  Der  exzessiv  hohe  Zwerchfellstand  kann  an  dem 
in  toto  ausgelösten  und  durch  Gefrierschnitt  frontal  zerlegten  Thorax 
studiert  werden  (Demonstration),  doch  sind  die  Lagerungsverhält¬ 
nisse  der  Brusteingeweide  kompliziert  durch  eine  gleichzeitig  vor¬ 
handene  hochgradige  Kyphoskoliose.  Die  Lunge  ist  in  all  ihren 
Teilen  noch  lufthaltig,  trotz  -des  enormen  Zwerchfellhochstandes,  wenn 
auch  der  Luftgehalt  natürlich  erheblich  verringert  ist.  Vortr.  hält  die 
Annahme  noch  für  die  wahrscheinlichste,  dass  der  Tod,  der  ganz 
plötzlich  mitten  aus  relativem  Wohlbefinden  im  Kollaps  eingetreten 
ist,  durch  Abknickung  der  Vena  cava  bedingt  war,  wie  dies  der  Ge- 
frierschnitt  zeigt. 

Herr  O.  Schulz:  Notiz  über  die  Zusammensetzung  der  Darm- 
gase  bei  einem  Fall  von  Ileus. 

Im  Anschluss  an  den  gegebenen  Bericht  bespricht  Vortr.  seine 
Untersuchungsergebnisse  über  den  betr.  Fall.  Bei  einem  Bauchum¬ 
fang  von  111  cm  war  die  Konsistenz  des  Abdomens  eine  marmorharte 
und  liess  schon  einen  enorm  hohen  Innendruck  vermuten.  Dement¬ 
sprechend  ergab  die  manometrische  Messung  auch  274  mm  Queck¬ 
silberdruck.  Ein  Teil  der  Gase  wurde  entleert  (ca.  20  Liter), 
im  Ganzen  mochten  schätzungsweise  ca.  35  Liter  gasförmiger  Inhalt 
im  Dickdarm  vorhanden  gewesen  sein.  Die  gasanalytische  Unter¬ 
suchung  ergab  nur  ganz  geringe  Mengen  Schwefel¬ 
wasserstoff,  was  ein  konstanter  Befund  bei  Untersuchungen  der 
Darmgase  ist.  32  Pr-oz.  der  entnommenen  Gase  wären  in  Kalilauge 
absorbierbar;  der  nicht  absorbierbare  Teil  -der  Gase  erwies  sich  als 
brennbar  und  zwar  mit  einer  für  Wasserstoff  charakteristischen 
Flamme. 

Diskussion:  Herren  Rosenthal,  Menge,  Jordis, 
F  u  c  h  s,  de  la  Camp,  Graser. 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  Mai  1 907. 

Herr  Grund:  Ueber  die  Neissersche  Hirnpunktion 

(mit  Krankenvorstellung). 

Vortr.  schildert  zunächst  die  Technik  des  Verfahrens,  die 
sich  auch  ihm  im  allgemeinen  gut  bewährt  hat,  gibt  dann  eine 
Zusammenstellung  der  von  anderen  Autoren  mitgeteilten  dia¬ 
gnostischen  Erfolge.  Daran  schliesst  er  die  Besprechung  von 
7  Fällen  der  Heidelberger  medizinischen  Klinik,  in  denen  das 
Verfahren  angewendet  wurde. 

Es  wurden  im  Ganzen  14  Punktionen  ausgeführt,  die  ohne  we¬ 
sentliche  Reaktion  vertragen  wurden.  In  2  Fällen  von  Hirntumoren 


1456 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


war  das  Ergebnis  negativ,  weil  der  Sitz  des  Tumors,  wie  später  I 
die  Obduktion  ergab,  von  der  Gehirnoberfläche  zu  weit  entfernt 
gewesen  war.  In  einem  Fall  von  Kleinhirntumor  ergab  trotz  nega¬ 
tiven  Punktionsergebnisses  die  Operation  den  Tumor  an  der  ver¬ 
muteten  Stelle,  aber  auch  hier  erheblich  weiter  von  der  Schädeldecke 
entfernt  als  die  Punktionsnadel  eingeführt  worden  war  und  gefahrlos 
eingeführt  werden  konnte. 

2  Fälle  von  wahrscheinlichem  Hirntumor  hatten  negatives  Punk¬ 
tionsergebnis  und  blieben  bis  zur  Entlassung  diagnostisch  unklar. 

In  einem  Falle  von  Hydrocephalus  internus  hatte  die  Ventrikelpunktion 
nach  dem  N  e  i  s  s  e  r  sehen  Verfahren  guten  palliativen  Erfolg. 

Zum  Schlüsse  stellt  Vortr.  einen  16  jährigen  Burschen  vor,  bei 
dem  sich  im  Laufe  eines  Jahres  Kopfweh,  Erbrechen,  Schwindel¬ 
erscheinungen,  taumelnder  Gang  und  Abnahme  des  Sehvermögens  ein¬ 
gestellt  hatten.  Bei  der  Aufnahme  des  Patienten  in  die  medizinische 
Klinik  waren  die  subjektiven  Beschwerden  fast  ganz  verschwun¬ 
den;  es  bestand  von  objektiven  Symptomen  nur  Stauungs- 
papilLe,  etwas  unsicherer  Gang,  leichte  Ataxie  in  der  rech¬ 
ten  Hand,  geringer  Nystagmus  beim  Blick  nach  rechts, 
sehr  seltenes  Erbrechen.  Die  Hirnpunktion  ergab  innerhalb 
des  rechten  Kleinhirns  eine  bernsteingelbe,  klare,  3,9  Proz.  Eiweiss 
enthaltende  Flüssigkeit.  Darauf  wurde  die  Diagnose  auf  eine  Zyste 
des  rechten  Kleinhirns  gestellt.  Die  von  Herrn  Geh.-Rat 
N  a  r  a  t  h  vorgenommene  Operation  bestätigte  die  Diagnose  und 
förderte  gleichzeitig  in  der  lateralen  Wand  der  zweikammerigen 
Zyste  einen  kirschgrossen  Tumor  zu  tage,  der  sich  bei  der  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  als  Gliom  herausstellte.  Vortr.  demon¬ 
striert  den  Patienten,  bei  dem  nach  glattem  Heilungsverlauf  Atrophie 
des  Sehnerven  als  Folge  der  Stauungspapille,  ferner  geringe  rechts¬ 
seitige  Ataxie  im  Arm  und  der  Nystagmus  nach  rechts  zurückge¬ 
blieben  sind  bei  völligem  subjektiven  Wohlbefinden. 

Diskussion:  Herren  Nissl,  Schottlaender,  Grund. 

Herr  Magnus:  Physiologische  Untersuchungen  über  die 
Bewegungen  des  Verdauungskanals. 

Vortr.  gibt  eine  Uebersicht  über  die  von  ihm  in  den  letzten 
4  Jahren  auf  diesem  Gebiete  angestellten  Untersuchungen. 
Durch  Versuche  am  isolierten  Dünndarm  liess  sich  zeigen,  dass 
ausser  der  Peristaltik  auch  die  rhythmischen  Pendelbewegungen 
vom  Auerbach  sehen  Plexus  abhängig  sind,  dass  Auto¬ 
matic,  Rhythmizität  und  refraktäre  Periode  nicht  der  glatten 
Muskulatur  als  solcher  zukommen,  sondern  von  den  peripheren 
nervösen  Zentren  bedingt  werden,  während  die  Erregungs¬ 
leitung  auch  ohne  den  Auerbach  sehen  Plexus  möglich  ist. 
An  zahlreichen  Beispielen  wird  gezeigt,  dass  das  Darmnerven¬ 
system  in  seinem  physiologischen  Verhalten  den  neuerdings 
von  vielen  Forschern  studierten  einfachen  Nervensystemen 
wirbelloser  Tiere  ausserordentlich  ähnlich  ist,  und  dass  sich 
für  alle  am  Darm  festgestellten,  zum  Teil  sehr  merkwürdigen 
Befunde  Bestätigungen  bei  Wirbellosen  gefunden  haben. 

Die  Möglichkeit,  aus  der  Darmwand  Präparate  mit  und 
ohne  nervöse  Zentren  herzustellen,  erlaubte  es,  Versuche  über 
den  Angriffspunkt  von  Giften  am  Darme  auszuführen.  Die  nach 
dieser  Methode  erhaltenen  eindeutigen  Resultate  wichen  in 
vielen  Fällen  von  der  herrschenden  Lehre  ab,  welche  auf  Grund 
von  Versuchen  über  antagonistische  Giftwirkung  (Pilokarpin, 
Atropin,  Physostigmin  etc.)  ausgebildet  wurde.  Vortr.  unter¬ 
zieht  daher  das  Verfahren,  den  Angriffspunkt  von  Giften  mit 
Hilfe  antagonistischer  Giftversuche  zu  bestimmen,  einer  Kritik 
und  zeigt,  dass  und  warum  es  unmöglich  ist,  auf  diesem  Wege 
zu  sicheren  Resultaten  zu  gelangen.  Man  erfährt  in  vielen 
Fällen  nichts  über  den  Ort  der  Giftwirkung,  sondern  nur  über 
die  Affinität  der  verschiedenen  Gifte  zu  den  reizbaren  Struk¬ 
turen.  Auch  die  Zeit  spielt  bei  diesen  Versuchen  eine  Rolle. 
Lokalisationen  von  Giftwirkungen  sind  mit  Sicherheit  daher 
nur  auf  Grund  physiologischer  Versuche  möglich,  wie  sie  sich 
z.  B.  am  Darm  haben  ausführen  lassen. 

(Eine  ausführliche  Darstellung  erfolgt  in  dem  diesjährigen 
Bande  der  „Ergebnisse  der  Physiologie“.  Der  letzte  Teil  des 
Vortrages,  der  sich  mit  der  stopfenden  Wirkung  des  Morphins 
befasst,  findet  sich  auf  S.  1421  d.  No.) 

Diskussion:  Herren  Cohnheim,  Nissl,  Magnus. 


Naturwissenschaftl.-medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

(Sektion  für  Heilkunde.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Juni  1907. 

Herr  Franz:  Demonstrationen. 

Herr  Grober:  Zur  Arbeitshypertrophie  des  Herzens. 

(Erschien  im  Zentralblatt  für  innere  Medizin  1907,  No.  25;  ref. 
d.  W.  No.  25,  S.  1392.) 


Herr  Jacobsthal:  a)  unvollständiger  Bruch  des  Tuberculum 
tnajus  humeri. 

M.  H.!  Ich  wollte  mir  erlauben,  Ihnen  zunächst  ein  Röntgeno¬ 
gramm  zu  zeigen,  welches  wieder  den  Beweis  liefert,  wie  notwendig 
es  ist,  sich  dieses  wichtigen  diagnostischen  Hilfsmittels  zu  bedienen, 
wenn  man  bei  Gelenkverletzungen,  die  unter  dem  Bilde  der  Kon¬ 
tusion  oder  Distorsion  verlaufen,  einen  exakten  Anhalt  für  die  Be¬ 
urteilung  der  später  geklagten  Beschwerden  gewinnen  will. 

Im  vorliegenden  Falle  stürzte  ein  26  jähriger  Postbote  am  8. 
August  1906  beim  Bergabfahren  mit  dem  Rade  und  fiel  dabei  im 
Bogen  auf  die  rechte  Schulter,  während  der  Arm  sich  in  Elevations- 
stellung  befand.  Trotz  starker  Beschwerden  tat  er  seinen  Dienst 
weiter.  Da  aber  die  Schmerzen  sich  nicht  verlieren  wollten,  suchte 
er  Rat  in  der  chirurgischen  Poliklinik  im  September,  mehr  als  6 
Wochen  nach  dem  Unfall.  Es  zeigte  sich  damals  als  einziges  ob¬ 
jektives  Symptom  eine  Schwellung  der  vorderen  Schultergegend; 
Knochenveränderungen  waren  im  Röntgenbilde  nicht  zu  erkennen. 
Die  Diagnose  wurde  auf  Kontusion  des  Gelenkes  gestellt.  Bei  An¬ 
wendung  von  Massage  in  Verbindung  mit  Gymnastik  verschwand  die 
Schwellung,  doch  der  Patient  blieb  bei  seinen  Klagen,  ja  er  meldete 
sich  sogar  im  Januar  krank,  behauptete,  seinen  Dienst  nicht  ver¬ 
richten  zu  können.  Als  ich  ihn  Ende  Januar  begutachtete,  lag  es 
nahe  an  Simulation  zu  denken,  denn  die  Untersuchung  ergab  eine 
freie,  glatte  Beweglichkeit  des  Schultergelenkes,  keine  Atrophie  der 
Muskulatur;  im  Gegensatz  dazu  standen  seine  Klagen  über  Schmer¬ 
zen  in  der  vorderen  Gelenkgegend,  bes.  bei  Bewegungen,  die  so 
heftig  sein  sollten,  dass  er  behauptete,  auch  den  leichten  Dienst,  der 
ihm  gegeben  worden  war,  nämlich  Telegrammaustragen,  nicht  aus¬ 
führen  zu  können;  darin  lag  ja  ohne  Zweifel  eine  Uebertreibung. 
Aber,  von  der  Erfahrung  ausgehend,  dass  auch  in  solchen  Fällen  viel¬ 
fach  eine  reale  Unterlage  sich  finden  lässt,  nahm  ich  nochmals  eine 
Durchleuchtung  vor  und  war  diesmal  glücklicher,  denn  es  zeigte  sich 
entsprechend  der  oberen  Begrenzung  des  Tuberculum  majus  eine 
deutliche  Absprengung,  die  bei  der  zur  Kontrolle  vorgenommenen 
Aufnahme  der  linken  Schulter  fehlt,  es  handelte  sich  also  um  einen 
unvollständigen  Bruch  des  Tuberculum  majus.  Als  ziemlich  häufige 
Komplikation  der  Luxation  des  Humerus  ist  der  Abriss  des  Tuber¬ 
culum  majus  schon  lange  bekannt,  ich  habe  dieselbe  in  den  letzten 
Jahren  mehrfach  gesehen,  erlaube  mir.  Ihnen  eine  diesbezügliche 
Abbildung  zu  demonstrieren.  Hingegen  galt  der  isolierte  Bruch  des 
Tuberkulum  majus  bis  vor  kurzem  als  ein  seltenes  Ereignis.  Gurlt 
konnte  nicht  ein  einziges  anatomisch  verifiziertes  Beispiel  dafür  an¬ 
führen  und  Wohlgemut  h,  der  die  Fraktur  1900  einer  Besprechung 
unterzog,  konnte  keine  Beobachtung  aufweisen.  Die  ersten  sicheren 
Fälle  wurden  dann  1903  von  Jacob  publiziert.  Nies- 
zytka  gebührt  das  Verdienst,  in  einer  im  vorigen  Jahre  erschie¬ 
nenen  Arbeit  die  relative  Häufigkeit  dieser  Verletzung  in  Fällen, 
wo  die  Diagnose  auf  Kontusion  der  Schultergegend  oder  Distorsion 
des  Schultergelenkes  gestellt  war,  dargetan  zu  haben,  es  gelang 
ihm  innerhalb  kürzerer  Zeit  unter  dem  Materiale  der  H  o  e  f  t  m  a  n  n  - 
sehen  Klinik,  das  allerdings  an  Verletzungen  dieser  Art  reich  ist,  8 
Beobachtungen  aufzufinden.  Graessner  hat  in  letzter  Zeit  sogar 
23  innerhalb  3  Jahren  beobachteter  Fälle  aus  dem  Kölner  Bürger¬ 
hospital  beschrieben. 

Was  die  Entstehungsweise  der  Fraktur  betrifft,  so  kommt  sie 
meist  durch  direkte  Gewalt:  Schlag,  Stoss  gegen  die  Schulter  oder 
Fall  auf  dieselbe,  zu  stände,  ist  also  eine  Kontusionsfraktur,  Riss¬ 
frakturen  sind  selten.  Bei  stärkeren  bleibenden  Beschwerden  nach 
Schulterkontusionen  ohne  klinisch  nachweisbare  Veränderungen  des 
Knochens  wird  man  in  Zukunft  jedenfalls  an  diese  Komplikation  häu¬ 
figer  denken  müssen,  als  das  bis  vor  kurzem  geschehen  ist. 

b)  Die  Luxationsfraktur  des  Os  naviculare  pedis  —  eine 
typische  Fussverletzung. 

M.  H.!  Während  die  Kahnbeinbrüche  an  der  Hand  in  den 
letzten  Jahren  recht  zahlreich  beobachtet  und  beschrieben  worden 
sind,  war  die  gleiche  Verletzung  am  Fusse  bisher  weniger  beachtet 
worden,  speziell  sind  die  Angaben  in  den  Hand-  und  Lehrbüchern 
über  diesen  Punkt  noch  sehr  unvollständig  und  spärlich.  2  Fälle 
von  Fraktur  des  Os  naviculare  pedis  durch  indirekte  Gewalt, 
die  ich  im  letzten  Jahre  in  der  chirurgischen  Poliklinik  zu  beobachten 
Gelegenheit  hatte,  zeigten  sich  sowohl  in  Bezug  auf  den  Mechanismus 
der  Entstehung  der  Verletzung  als  auch  durch  die  Form  der  ana¬ 
tomischen  Veränderungen  recht  charakteristisch  und  gaben  Veran¬ 
lassung,  die  bisherige  Kasuistik  genauer  zu  verfolgen.  Herrn  Nip¬ 
pold,  der  auf  meine  Anregung  hin  dieselbe  zusammengestellt  hat, 
ist  es  gelungen  43  Fälle  von  Verletzungen  des  Naviculare  pedis 
in  der  Literatur  aufzufinden  und  es  stellte  sich  dabei  heraus,  dass  das 
klinische  und  anatomische  Bild,  das  meine  beiden  Fälle  boten,  in  einer 
ganzen  Reihe  von  Beobachtungen  wiederkehrt,  so  dass  man  ge¬ 
radezu  von  einer  typischen  Verletzung  reden  kann. 

Die  Krankengeschichten  meiner  Patienten  sind  kurz  folgende; 
Im  1.  Falle  brach  ein  18  jähriger  junger  Mann  bei  dem  Versuch,  einen 
Hochsprung  auszuführen,  zusammen.  Er  gibt  an,  mit  dem  linken 
Fuss  vorn  über  das  Sprungbrett  abgerutscht  zu  sein,  so  dass  er 
mit  der  Grosszehe  und  dem  Innenrande  des  Fusses  den  Boden  zu¬ 
erst  berührte.  Er  konnte  nicht  mehr  mit  dem  linken  Fusse  aui- 
treten,  dieser  schwoll  bald  darnach  an.  Mehrere  Wochen  waren 
noch  starke  Schmerzen  vorhanden,  die  dann  allmählich  abnahmen. 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1457 


Ich  sah  den  Mann  10  Jahre  nach  der  Verletzung.  Er  behauptet 
auch  jetzt  noch,  nicht  beschwerdefrei  zu  sein,  sondern  empfindet 
angeblich  morgens,  sowie  am  Tage  nach  dem  Ausruhen  ein  Gefühl  des 
Steifseins  im  linken  Fuss;  auch  beim  Marsch  und  bei  längerem 
Stehen  hat  er  Schmerzen.  Bei  der  Untersuchung  zeigte  sich  auf 
dem  linken  Fussrücken  eine  knochenharte  Prominenz  in  der  Gegend 
des  Navikulare.  Die  Bewegungen  des  Fusses  waren,  abgesehen  von 
einer  unbedeutenden  Beschränkung  der  Supination  frei,  die  Atrophie 
der  Wadenmuskulatur  betrug  nur  Vs  cm.  Die  Röntgendurchleuchtung, 
die  sowohl  tibiofibular  als  dorsoplantar  vorgenommen  wurde,  lässt 
nun  sehr  deutlich  eine  Fraktur  des  Navikulare  erkennen,  die  Sub¬ 
luxation  der  Fragmente  dorsalwärts  tritt  an  der  seitlichen  Aufnahme 

gut  hervor.  _  ,  .  .  _  „ 

Noch  charakteristischer  war  die  Gewaltemwirkung  im  2.  balle: 
Ein  37  jähriger  Eisenbahnbeamter  fiel  mit  einer  Ladebrücke  l/sm 
tief  herunter.  Während  er  mit  dem  linken  Fusse  in  Spitzfussstellung 
den  Boden  berührte,  fiel  ihm  von  hinten  her  eine  5  Zentner  schwere 
Kiste  auf  die  Ferse.  Er  erlitt  neben  anderen  Verletzungen  der  Fuss- 
knochen,  auf  die  ich  augenblicklich  nicht  näher  eingehen  will,  eine 
Fraktur  des  Os  naviculare  mit  Verschiebung  der  Fragmente  dorsal¬ 
wärts.  Die  Röntgenaufnahmen  lassen  die  Verhältnisse  sehr  deut¬ 
lich  erkennen.  . 

M.  H.!  Die  indirekte  Luxationsfraktur  des  Os  naviculare  pedis, 
eine  Verletzung,  die  bisher  ausschliesslich  bei  Erwachsenen  männ¬ 
lichen  Geschlechtes  gesehen  wurde,  erfolgt  durch  Sturz  bezw.  Sprung 
aus  der  Höhe  oder  wie  in  einem  meiner  Fälle,  auch  im  Momente 
des  Abspringens  zu  einem  Hochsprung.  Hierbei  berührt  der  Fuss 
in  Spitzfussstellung  den  Boden  und  wird  in  seiner  Längsachse  von 
2  Seiten  her  komprimiert,  auf  der  Zehenseite  durch  den  Anprall 
auf  den  Boden,  auf  der  Fersenseite  durch  das  Gewicht  des  Körpers 
bezw.  wie  in  meinem  2.  Falle,  durch  das  Gewicht  einer  nachfallenden 
schweren  Kiste.  Die  Gewalten  wirken  auf  den  Bogen  des  Fuss- 
gewölbes  im  Sinne  der  Vergrösserung  seiner  Konvexität;  an  der 
am  meisten  in  Anspruch  genommenen  Stelle  des  Dorsum,  etwa  seiner 
Mitte,  kommt  es  zu  Bandrupturen.  Keilbeine  einerseits,  Talus  an¬ 
dererseits,  durch  die  Gewalteinwirkung  dorsal  zum  Klaffen  gebracht, 
plantar  zusammengedrängt  quetschen  das  Navikulare  dorsal  heraus, 
wie  die  Finger  den  Kern  aus  einer  geöffneten  Pflaume.  Bei  der 
Stärke  der  einwirkenden  Kräfte  erleidet  dabei  das  Navikulare  gleich¬ 
zeitig  eine  Kompressionsfraktur,  nur  1  mal  fand  es  sich  intakt,  es 
lag  also  eine  reine  Luxation  vor.  Wie  ersichtlich  ist  die  typische 
Dislokation  diejenige  dorsalwärts,  bei  16  genauer  bekannten  Fällen 
war  denn  auch  14  mal  die  Verschiebung  als  dorsale  angegeben,  2  mal 
erfolgte  allerdings  eine  vollständige  Zertrümmerung  des  Kochens 
unter  Dislokation  der  Fragmente  sowohl  nach  dem  Dorsum  als  nach 
der  Planta. 

Was  die  Prognose  der  Verletzung  betrifft,  so  ist  sie  verschieden 
nach  dem  Grade  der  Dislokation  und  abhängig  von  Nebenverletzungen, 
die  sich  nicht  selten  dabei  vorfinden.  Demgemäss  hat  sich  die 
Therapie  auch  recht  verschieden  gestaltet.  Bei  mässiger  Dislo¬ 
kation  sind  einige  Fälle  (4)  bei  rein  exspektativem  Verfahren  mit 
guter  Funktion  geheilt,  auch  in  meinen  beiden  Fällen  möchte  ich 
die  Funktionsstörung,  die  durch  die  Navikularefraktur  allein  verur¬ 
sacht  ist,  höchstens  mit  10  Proz.  Erwerbsunfähigkeit  bewerten. 

Die  Reposition  unmitelbar  nach  der  Verletzung  ist  nur  1  mal 
gelungen;  von  operativen  Eingriffen  ist  die  Exstirpation  und  die 
Resektion  je  1  mal  mit  gutem  funktionellen  Erfolg  ausgeführt  worden. 
Neben  den  Frakturen  durch  indirekte  Gewalt  sind  natürlich  auch 
direkte  Brüche  des  Kahnbeines,  wie  das  ja  bei  starken  Quetschungen 
des  Fusses,  Ueberfahrenwerden,  erklärlich  ist,  mehrfach  gesehen  wor¬ 
den.  Dagegen  sind  erst  in  neuester  Zeit  Rissfrakturen  bekannt  ge¬ 
worden,  die  besonders  deshalb  Interesse  beanspruchen,  weil  sie 
Veranlassung  zu  einer  besonderen  Form  des  Plattfusses  gaben. 

Auf  die  Details  der  Beobachtungen  wollte  ich  hier  nicht  näher 
eingehen,  sondern  möchte  auf  die  demnächst  erscheinende  Arbeit 
N  i  p  p  o  1  d  s  verweisen. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  21.  März  1907. 

Vorsitzender :  Herr  F  1  a  t  a  u. 

Herr  Przegendza  spricht  über  Nebenhöhleneiterungen  der 
Nase. 

Herr  Hofrat  H  e  i  n  1  e  i  n  stellt  einen  14  jährigen  Knaben  vor, 
welcher  bei  einem  übereilten  Sprung  von  einer  niedrigen  Mauer  auf 
das  in  Hyperflexionsstellung  befindliche  Knie  gestürzt  und 
sofort  nicht  mehr  zu  gehen  und  zu  stehen  im  stände  war.  Bei  der 
objektiven  Untersuchung  geringe  Schwellung  des  Kniegelenkes,  wel¬ 
ches  sich  leicht  passiv  in  Hyperextension  im  Sinne  eines 
Genu  recurvatum  bringen,  jedoch  nicht  seitlich  bewegen  lässt.  Si¬ 
chere  Zeichen  eines  Bruches  nicht  nachweisbar,  deshalb  Diagnose: 
Zerreissung  des  vorderen  Kreuzbandes.  Ruhigstellung  des  Beines, 
welche,  da  nach  4  Wochen  passive  Hyperextension  im  Kniegelenk 
möglich  ist,  bis  zur  7.  Woche  fortgesetzt  wird.  Dann  Gehübungen 
im  Schienenhülsenapparat,  welcher  einige  Monate  getragen,  dann¬ 
dauernd  fortgelassen  wird.  Allmähliche  Wiedererlangung  der  Bein¬ 


funktion.  Noch  jetzt,  nach  über  Jahresfrist  seit  dem  Datum  der 
Verletzung  besteht  eine  Einschränkung  der  aktiven  Beugung  des 
Kniegelenkes  um  etwa  30°,  kaum  merklich  ist  der  Ausfall  bei  der 
aktiven  Streckung,  welche  passiv  nicht  vollständig  gelingt,  so  dass 
die  früher  vorhandene  passive  Ueberstreckung  vollends  unmöglich  ist. 
Die  äussere  Konfiguration  des  Kniegelenkes  ist  jetzt  dem  äusseren 
Ansehen  nach  völlig  unverändert,  dagegen  ist  in  der  Kniekehle 
zwischen  Bizepssehne  und  dem  Gefässbiindel  eine  unregelmässig 
rundliche,  etwa  walnussgrosse  knöcherne  Prominenz  zu  tasten, 
welche  in  einen  quer  über  die  Mitte  der  Kniekehle  medialwärts  ver¬ 
laufenden;,  niedrigen  schmalen  knöchernen  First  übergeht.  Nach 
diesem  Befund  kann  an  der  oben  erwähnten  Diagnose  einer  vorderen 
Kreuzbandverletzung  festgehalten  werden.  Ob  die  jetzt  festgestellte 
Knochenverdickung  als  Folge  eines  Bruches  im  lateralen  Femur¬ 
epiphysenbereich  aufgefasst  werden  darf,  oder  ob  es  sich  bei  der  Ent¬ 
stehung  jener  Verdickung  um  den  Folgezustand  einer  mit  der  Kreuz¬ 
bandverletzung  verbundenen  Abreissung  des  Periostes,  Zerreissung 
der  Bursa  mucosa  poplitea  und  des  äusseren  Gastrocnemiuskopfes, 
somit  um  Entwicklung  von  Vorgängen  gehandelt  hat,  welche  den¬ 
jenigen  der  Myositis  ossificans  in  Analogie  zu  setzen  wären,  wird 
nicht  mit  Bestimmtheit  entschieden.  Das  Resultat  der  in  der 
3.  Woche  nach  der  Verletzung  vorgenommenen  Röntgenaufnahme 
ergibt  für  die  erstere  Voraussetzung  keinen  völlig  sicheren  Anhalts¬ 
punkt. 

Ferner  legt  Herr  H  e  i  n  1  e  i  n  die  Leichenpräparate  zweier 
Aortenaneurysmen  vor.  Erstens  handelte  es  sich  um  ein .  um¬ 
schriebenes  sackförmiges  Aneurysma  des  Bogens  bei  einer  71  jähri¬ 
gen  Frau,  welches  fast  völlig  von  einem  geschichteten  Throm¬ 
bus  ausgefüllt  war,  so  dass  man  nahezu  von  Spontanheilung  sprechen 
könnte.  Ein  frischer  Thrombus  erstreckte  sich  in  den  Ursprung 
der  linken  Art.  subclavia,  welcher  Tatsache  klinisch  eine  während 
der  zwei  letzten  Lebenstage  sich  entwickelnde  Gangrän  der  linken 
Oberextremität  entsprach. 

Der  2.  Fall  betraf  ein  diffuses  Aneurysma  des  Aortenbogens  und 
eines  umfänglichen  angrenzenden  Bezirkes  der  Aorta  thoracica  eines 
61  jährigen  Fabrikarbeiters.  Auch  hier  war  der  Innenfläche  ein 
grosser  geschichteter  Thrombus  aufgelagert,  welcher  durch  die 
seltene,  sich  weithin  erstreckende  Flächenausdehnung  ausgezeichnet 
war.  Dem  tödlichen  Ende  ging  klinisch  eine  14  tägige  Hämoptoe 
voraus;  den  klinischen  Erscheinungen  entsprach  ein  Durchbruch  des 
Aneurysmas  in  die  linke  Lunge  und  in  den  linken  Brustfellraum. 
Die  Kommunikationsstelle  im  Bereich  der  Lunge  und  Pleurahöhle  war 
trotz  langen  Suchens  nicht  aufzufinden.  Doch  war  zweifellos  ein 
schmaler  klaffender  Einriss  der  innersten  Thrombusschicht  als  Ein¬ 
trittspforte  der  auf  Umwegen  ihre  Bahn  durch  den  Thrombus  in  die 
Lunge  und  von  da  in  die  Pleurahöhle  sich  wühlenden  Blutmengen 
anzusprechen. 


Naturwissenschafll.-medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  31.  Mai  1907. 

Herr  Spiro:  Einige  Stoffwechselversuche. 

Vortragender  hat  zum  Teil  mit  neuen  Methoden  in  längeren 
Stoffwechselreihen  bei  verschiedener  Ernährung  C,  N,  Harn¬ 
stoff  und  Ammoniak  im  Harn  des  Hundes  bestimmt.  Bei 
diesem  Tier  ist  das  Verhältnis  C:N  nicht  wesentlich  ge¬ 
ändert  bei  Kohlehydrat-  oder  Fettnahrung,  und  wenn  man  den 
C  und  N  des  Harnstoffs  und  Ammoniaks  abzieht,  also  nur  den 
dysoxydablen  Kohlenstoff  und  Stickstoff  bestimmt,  zeigt 
sich  überhaupt  kein  sehr  wesentlicher  Einfluss  der  Ernährungs¬ 
weise.  Beim  Hund  zeigt  sich  auch  bezüglich  der  Azetonurie  kein 
so  deutlicher  Einfluss  der  Kohlehydrate  wie  beim  Menschen, 
Affen,  Ziege,  Schwein  etc.  Die  allgemeine  Bedeutung  der  Kohle¬ 
hydrate  für  den  intermediären  Stoffwechsel  wird  aber  durch 
•folgende  Beobachtung  demonstriert:  Injiziert  man  einem  Ka¬ 
ninchen  gleichzeitig  Fruktose  und  Glykokoll,  so  erscheinen  im 
Harn  komplizierte  Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen,  da¬ 
runter  eine  Pyrazindicarbonsäure,  dieselben  Verbindungen,  die 
nach  Untersuchungen  von  Herrn  S  t  o  1 1  e  auch  nach  Injektion 
von  Fruktosamin  auftreten:  Es  muss  also  intermediär  eine 
Synthese  des  Zuckers  mit  dem  Eiweissab¬ 
kömmling  oder  daraus  abgespaltenem  Ammoniak  statt¬ 
gefunden  haben. 

Da  unter  normalen  Verhältnissen  Zucker  verbrannt,  Glyko¬ 
koll  in  Harnstoff  übergeführt  wird,  zeigt  der  Versuch,  dass 
die  Gegenwart  des  einen  Körpers  das  Schick¬ 
sal  des  anderen  Körpers  beeinflusst,  was  um  so  wich¬ 
tiger  ist,  da  es  sich  hier  um  konstante  Nahrungsstoffe,  resp. 
Produkte  des  intermediären  Stoffwechsels  handelt.  Der  Ver- 


1458 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


hist  an  Zucker  in  Krankheiten  bedeutet  daher  nicht  nur  einen 
Verlust  an  Energie,  sondern,  was  viel  bedeutungsvoller  sein 
kann,  eine  Einbusse  an  einem  Stoff,  der  auch  für  das  Schick¬ 
sal  des  Eiweisses,  resp.  des  Zellmaterials  über¬ 
haupt  eine  Rolle  im  intermediären  Stoffwechsel  spielt. 


Medizinisch-Naturwissenschaftlicher  Verein  Tübingen. 

(Medizinische  Abteilung.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  3.  Juni  1907. 

Klinischer  Demonstrationsabend. 

Herr  Fleischer  demonstriert  eine  Reihe  von  Patienten  mit 
syphilitischen  Augenerkrankungen. 

Zwei  Patientinnen  von  etwas  über  30  Jahren  im  sekundären 
Stadium  von  akquirierter  Lues,  die  eine  mit  einem  ,im  Rückgang  be¬ 
griffenen  Kondylom  der  Iris,  ausserdem  waren  bei  der  Pat. 
auch  roseolaähnliche  Flecken  in  der  Iris  vorhanden  gewesen.  Bei 
der  anderen  war  2  Monate  nach  dem  Auftreten  von  anderen  sekun¬ 
dären  Erscheinungen  eine  einfache  Iritis  serosa  aufgetreten  und 
14  Tage  später  bildeten  sich  nicht  ganz  stecknadelkopfgrosse  Infil¬ 
trate  in  der  im  übrigen  klaren  Kornea  am  oberen  und  unteren  Rand 
derselben,  einer  der  seltenen  Fälle  einer  Keratitis  punctata 
syphilitica,  die  zuerst  von  Mauthner  beschrieben,  von  ihm 
und  anderen  Autoren  nach  ihm  als  Tertiärerscheinung  'der  Lues  auf¬ 
gefasst  worden  war.  Ein  Fall  von  v.  Ammon  beweist  wie  der 
demonstrierte,  dass  die  Erkrankung  auch  im  sekundären  Stadium  auf- 
tritt.  Von  hereditärer  Lues  wurden  5  Patienten  gezeigt:  ein 
Kind  mit  einer  schweren  im  Alter  von  3  Monaten  aufgetretenen  ein¬ 
seitigen  Iridozyklitis.  Die  Mutter  war  ein  halbes  Jahr  vor  der 
Geburt  an  sekundären  Luessymptomen  erkrankt.  Ferner  2  männ¬ 
liche  Patienten  mit  Keratitis  parenchym atosa  im  Alter 
von  23  und  20  Jahren.  Fl.  macht  darauf  aufmerksam,  dass  auch  nach 
den  Erfahrungen  der  Tübinger  Klinik  Gelenkerkrankungen, 
insbesondere  doppelseitige,  seröse  Gonitis  vor  oder  während  dem 
Auftreten  der  Augensymptome  nicht  selten  sind,  was  bei  der  ätio¬ 
logischen  Diagnose  derartiger  Erkrankungen  von  Bedeutung  sei 
(v.  H  i  p  p  e  1  hatte  in  60  Proz.  seiner  Fälle  von  hereditärer  Lues  solche 
Gelenkerkrankungen  gefunden). 

Von  besonderem  Interesse  sind  2  Patienten  mit  hereditär¬ 
luetischen  Veränderungen  der  Retina  und  H  i  r  n  1  u  e  s : 
Die  eine  17  jährige  Patientin  war  vor  2  Jahren  an  Schmerzen  in  den 
Ohren,  in  der  Stirn  und  Hinterhaupt  besonders  nachts  erkrankt.  Es 
besteht  doppelseitige  Abduzensparese,  partielle  Lähmung  beider  Oculo- 
motorii,  einseitige  Fazialisparese,  ferner  starke  Herabsetzung  des 
Gehörs  (zentrale  Affektion).  Röntgenaufnahmen  ergeben,  dass  beide 
Stirnhöhlen  fehlen.  In  der  Peripherie  der  Retina  finden  sich  fein¬ 
fleckige  helle  und  pigmentierte  Herde.  Der  Lichtsinn  ist  nach 
Förster  auf  1/io  herabgesetzt,  das  Gesichtsfeld  ist  konzentrisch  um 
ca.  10 — 20°  eingeschränkt.  Eine  einige  Wochen  fortgesetzte  Schmier¬ 
kur  ist  bis  jetzt  ohne  Erfolg  geblieben.  —  Die  andere  Patientin  stammt 
aus  der  psychiatrischen  Klinik.  Sie  ist  23  Jahre  alt  und  ist  vor 
3  Monaten  an  psychischen  Störungen  erkrankt,  vom  Charakter  einer 
progressiven  Paralyse.  Der  Vater  hat  venerische  Infektion  zu¬ 
gegeben.  Es  besteht  doppelseitige  totale  Pupillenstarre,  ungleiche 
und  mydriatische  Pupillen.  In  der  Peripherie  finden  sich  grobfleckige, 
insbesondere  helle,  wenig  pigmentierte  chorioretinitische  Herde.  Diese 
spezifisch  luetischen  Veränderungen  zusammen  mit  der  bei  Paralyse 
seltenen  totalen  Pupillenstarre  und  Mydriasis  lassen  vermuten,  dass  es 
sich  nicht  um  eigentliche  Paralyse,  sondern  um  spezifische  Verände¬ 
rungen  im  Gehirn  handelt. 

Herr  Otfried  Müller  zeigt  eine  Frau,  die  an  einem  sehr  vor¬ 
geschrittenen  Stadium  von  Akromegalie  leidet.  Bei  derselben  ist  auf 
diagraphischem  Wege  das  Vorhandensein  eines  Tumors  der  Hypo¬ 
physe  festgestellt  worden. 

Herr  R  e  i  s  s  stellt  einen  Fall  einer  leichten  chronischen  Hypo- 
manie  vor,  die  seit  etwa  12  Jahren  besteht  und  mehrmals  zu  kurzem 
Anstaltsaufenthalt  geführt  hatte.  Der  früher  fleissige  und  ruhige  Pat. 
war  infolge  seiner  Erkrankung  zu  einem  Trinker  und  Verschwender 
geworden,  so  dass  schon  im  Jahre  1900  seine  Entmündigung  notwendig 
wurde.  Bei  den  wenig  hervortretenden  und  vom  Alkoholismus  über¬ 
deckten  Symptomen  wurde  aber  die  psychische  Erkrankung  über¬ 
sehen  und  Pat.  wegen  Trunksucht  entmündigt.  Auch  von  ärztlicher 
Seite  war  Pat.  mehrfach  verkannt  worden.  Vortr.  weist  noch  auf  die 
Häufigkeit  des  sekundären  Alkoholismus  bei  psychischen  Erkran¬ 
kungen  hin  und  auf  die  grosse  forensische  Bedeutung  des  besprochenen 
Krankheitsbildes. 

Herr  v.  Bruns  demonstriert  und  bespricht  makroskopische 
Präparate  von  Nierentuberkulose. 

Herr  F  i  n  c  k  h  stellt  vor  ein  Mädchen  mit  starkem  trachealen 
Stridor.  Als  Ursache  desselben  ergibt  die  Röntgenuntersuchung  einen 
retro-ösophageal  gelegenen,  respiratorisch  verschieblichen,  intra¬ 
thorakalen  Tumor  von  Faustgrösse.  In  Berücksichtigung  ander¬ 
weitiger  tuberkulöser  Erkrankungen  wird,  trotz  Fehlens  akut  ent¬ 
zündlicher  Erscheinungen  an  der  Wirbelsäule,  die  Diagnose  auf  kalten 


Abszess  im  hinter  Mediastinum  gestellt.  Die  später  vorgenommene 
Punktion  ergab  400  ccm  tuberkulösen  Eiters. 

Herr  M.  v.  Brunn:  Demonstrationen  zur  Appendizitisfragc. 

1.  46  jährige  Frau,  am  11.  Tage  des  1.  Anfalls  mit  Abszess  ein¬ 
geliefert.  Operation  verweigert.  Durchbruch  in  den  Darm  am 
21.  Krankheitstage. 

2.  18  jähriger  Mann,  am  Anfang  des  3.  Krankheitstages  im  1.  An¬ 
fall  operiert.  Gangrän  des  Spitze  des  Wurmfortsatzes,  Kotabszess. 
Schluss  der  Bauchwunde  bis  auf  eine  Drainöffnung.  Glatter  Verlauf. 

3.  20  jähriges  Mädchen.  Operation  am  3.  Krankheitstage  im 
2.  Anfall.  Multiple  Abszesse  in  der  Nachbarschaft  des  perforierten 
Wurmfortsatzes,  oberhalb  der  Blase  und  auf  der  linken  Seite.  Lösung 
aller  Verwachsungen,  Ausspülung  der  ganzen  Bauchhöhle.  Je  ein 
Drain  rechts  und  links,  Schluss  ‘der  übrigen  Bauchwunde.  Günstiger 
Verlauf. 

4.  77  jähriger  Mann,  der  vor  4  Jahren  eine  schwere  Appendizitis 
gangraenosa  mit  allgemeiner  Peritonitis  und  nachfolgender  Pneu¬ 
monie  durchgemacht  hatte.  Die  Wunden  wurden  damals  tamponiert. 
Es  entwickelten  sich  grosse  Bauchnarbenbrüche,  von  denen  der  rechts¬ 
seitige  jetzt  dadurch  zu  Komplikationen  geführt  hat,  dass  die  Narbe 
platzte  und  eine  Dünndarmschlinge  prolabierte.  Sie  klemmte  sich  ein, 
wurde  gangränös  und  musste  reseziert  werden.  Auch  diese  Operation 
hat  der  Pat.  gut  überstanden.  Er  leidet  jetzt  noch  an  einer  Kotfistel, 
die  durch  Anschneiden  einer  verwachsenen  Darmschlinge  entstand. 

5.  8  jähriges  Mädchen.  Operation  am  8.  Tage  des  1.  Anfalles. 
Entleerung  eines  Abszesses  und  Abtragung  des  Wurmfortsatzes. 
Naht  der  Bauchwunde  bis  auf  eine  Drainöffnung.  Am  3.  Tage  rechts¬ 
seitige  Pneumonie.  19  Tage  nach  der  Operation  wird  ein  subphre¬ 
nischer  Abszess  durch  Punktion  nachgewäesen.  Im  unmittelbaren 
Anschluss  an  diese  Punktion  rapide  Verschlimmerung,  Dyspnoe,  Ex¬ 
sudat  und  Gasansammlung  in  der  rechten  Pleurahöhle  nachweisbar. 
Sofortige  Eröffnung  der  rechten  Pleurahöhle,  aus  der  sich  stinkender 
Eiter  entleert,  und  eines  grossen  subphrenischen  Abszesses  mit  dem¬ 
selben  Inhalt.  Offenbar  war  durch  die  Punktionsflüssigkeit  aus  einem 
stark  gespannten  subphrenischen  Abszess  der  ungewöhnlich  dünn¬ 
flüssige  Eiter  in  die  Pleurahöhle  gedrungen.  Tod  5  Tage  nach  der 
2.  Operation.  Sektion  ergibt  ausser  den  bei  der  2.  Operation  ge¬ 
fundenen  Veränderungen  eine  frische  Pleuritis  auch  links  und  eine 
frische  Perikarditis.  Abszess  rechts  in  der  Zoekalgegend  und  Fort¬ 
leitung  der  Eiterung  entlang  dem  Colon  ascendens  intra-  und  retro- 
peritoneal  bis  in  die  Lebergegend.  Abszess  an  der  Unterfläche  der 
Leber. 

6.  13  jähriges  Mädchen.  Operiert  am  19.  Tage  des  1.  Anfalles 
wegen  Schmerzen  unterhalb  des  rechten  Rippenbogens  und  in  der 
Lumbalgegend.  Lumbaler  Schrägschnitt.  Wurmfortsatz  an  der 
Aussenseite  des  Zoekums  nach  oben  und  hinten  umgeschlagen,  sehr 
lang  und  mit  der  Zöekalwand  durch  ältere  Verwachsungen  verbunden. 
In  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  kein  Abszess.  Ein  solcher  fand 
sich  erst  nach  systematischer  Lösung  der  in  der  Gegend  der  rechten 
Flexur  vorhandenen  Verwachsungen  an  der  Unterfläche  der  Leber, 
ein  weiterer  Abszess,  von  dem  ersten  getrennt,  im  subphrenischen 
Raum  nahe  der  hinteren  unteren  Leberkante.  Ausspülung  der  ganzen 
Bauchhöhle,  Drains  in  den  subphrenischen  und  infrahepatischen  Raum 
und  in  den  Douglas.  Naht  der  übrigen  Wunde.  Bisher  ausser  einem 
Bauchdeckenabszess  keine  Komplikationen. 

7.  — 9.  Zwei  Fälle  von  Cholezystitis  und  ein  Fall  von  rechts¬ 
seitigem  Tubarabort,  die  sämtlich  unter  der  Diagnose  Appendizitis 
eingewiesen  worden  waren. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  Juli  1907. 

Herr  Max  Cohn:  Eine  anatomische  Grundlage  zur  Er¬ 
klärung  des  Schulterhochstandes. 

Auf  Grund  einer  einschlägigen  Beobachtung  glaubt  C.  die  Lehre 
vom  angeborenen  Schulterhochstand,  der  sog.  Sprengel  sehen  De¬ 
formität,  modifizieren  zu  müssen.  Es  fand  sich  zwischen  6.  und 
7.  Halswirbel  ein  dreieckiges  Wirbelrudiment,  das  geeignet  ist,  die 
Ursache  des  Skapulahochstands  zu  erklären.  An  den  Querfortsätzen 
der  4  oberen  Halswirbel  entspringt  der  M.  lev.  ang.  scapulae;  der¬ 
selbe  inseriert  am  oberen  inneren  Schulterblattwinkel.  Wenn  nun  in 
der  unteren  Halswirbelsäule  ein  keilförmiger  Wirbel  eingeschaltet  ist. 
der  nach  der  einen  Seite  spitz  zuläuft,  nach  der  anderen  aber  eine 
Breitseite  aufweist,  so  muss  auf  einer  Seite,  wie  es  in  der  Tat  der 
ball  war,  das  Schulterblatt  um  die  Höhe  des  Keils  nach  oben  ge¬ 
zogen  werden.  C.  glaubt  deswegen,  dass,  wenn  auch  nicht  immer 
genau  dieselbe  Anomalie  vorliegt,  der  genuine  Schulterhochstand  auf 
Wirbelanomalien  beruhe,  die  zwischen  5.  Halswirbel  und  dem  Brust¬ 
wirbel  lokalisiert  sind,  der  durch  eine  Horizontale  durch  die  obere 
Kante  des  Schulterblatts  der  normalen  Seite  gekennzeichnet  ist. 

Herr  S.  Placzek  und  Herr  F.  Krause:  Zur  Kenntnis 
der  Arachnitis  adhaesiva  cerebralis. 

Auf  Grund  von  Erbrechen,  Kopfschmerzen,  Schwindel,  Verände¬ 
rung  des  Ganges,  Taumelgefühl,  Neigung  nach  links  zu  fallen,  fast 
kompletter  Lähmung  aller  äusseren  Augenmuskeln  beiderseits,  voll- 


6.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1459 


tändiger  Lähmung  der  rechten  Qesichtshälfte  mit  Einbeziehung  des 
tirnastes  diagnostizierte  P  1  a  c  z  e  k  bei  einer  25  jährigen  Dame  einen 
umor  in  der  rechten  hinteren  Schädelgrube.  Die  von  Krause  aus- 
efiihrte  Operation  ergab  eine  Hirnhautzyste  an  der  Unterfläche  der 
echten  Kleinhirnhemisphäre,  aus  der  sich  eine  grosse  Menge  Liquor 
ntieerte.  Alle  Lähmungserscheinungen  des  Symptombildes  gingen 
arauf  in  kurzer  Zeit  zurück  und  das  Allgemeinbefinden  wurde  sehr 
ut.  Da  begann  am  10.  Tage  nach  der  Operation  eine  Periode  hohen 
iebers  mit  raschem  An-  und  Abstieg  der  Temperaturen  und  mehr- 
[igigen  freien  Intervallen,  die  3  Monate  dauerte  und  von  Schiittel- 
-ost,  Erbrechen  zeitweilig  begleitet  war.  Im  schroffen  Missverhält- 
is  dazu  stand  das  ausgezeichnete  Allgemeinbefinden.  Da  die  Heilung 
adellos  wurde,  jede  erdenkliche  Ursache  des  Fiebers  auszuschliessen 
rar,  blieb  nur  die  Annahme,  dass  Druck  auf  die  Medulla  bei  der 
Iperation  schuld  war.  Das  Bedeutungsvolle  des  Falles  sieht  P.  in 
.er  zweifelsfreien  Feststellung,  dass  umschriebene  Liquoransamm- 
ing  in  den  weichen  Hirnhäuten  tumorähnliche  Symptomgruppen  be- 
lingeh  kann. 

Herr  F.  Krause:  Besprechung  der  Operationstechnik. 
Herr  Max  Lewandowsky:  Ueber  Abspaltung  des 
Farbensinnes  durch  Herderkrankung  des  Gehirns. 

Ein  Fall  wird  berichtet  und  demonstriert,  in  dem  durch  eine 
fmbolie  offenbar  in  dem  linken  Okzipitallappen  folgender  bisher 
licht  beobachtete  Symptomenkoinplex  zustande  gekommen  war: 
iemianopsie  bezw.  Hemiachromatopsie  nach  rechts, 
m  Bereich  der  erhaltenen  Gesichtsfeldhälfte  volle  Erhaltung 
ler  Sehschärfe.  Erhaltung  der  Erinnerungsbilder 
iir  Formen  und  Gegenstände.  Verlust  der  Fähig¬ 
keit  Farben  zu  bezeichnen  oder  aus  einer  Anzahl  von  Far- 
>en  die  bezeichnete  auszuwählen.  Verlust  der  Fähigkeit  die  Farbe 
:ines  bezeichneten  und  bekannten  Gegenstandes  zu  bezeichnen 
»der  diese  Farbe  aus  einer  Auswahl  von  Farben  herauszusuchen. 
)abei  völlige  Erhaltung  des  Farbensinns,  auch  bei 
Jntersuchung  mit  dem  H  e  1  m  h  o  1 1  z  sehen  Farbenmischapparat : 
Der  Farbensinn  war  abgespalten  von  den  Frinne- 
ungsbildern  der  Gegenstände  und  ihren  Begriffen.  Der  linke 
Okzipitallappen  diente  als  Assoziationszentrum  zwischen  Farbe  und 
len  übrigen  optischen  Elementen  auch  für  die  rechten  Netzhaut- 
lälften.  Die  Erhaltung  des  rechten  Okzipitallappens  Hess  nur  den 
Farbensinn  als  solchen  intakt.  Vortragender  weist  auf  die  Prä- 
)onderanz  der  linken  Hemisphäre  auch  auf  diesem  Gebiete  hin.  Für 
lie  Farbenpsychologie  war  interessant,  dass  schwarz  und  weiss  als 
Farben  rangierten,  über  die  der  Kranke  nicht  verfügte,  während  er 
n  den  Begriffen  „hell“  und  „dunkel“  völlig  sicher  war. 

Diskussion:  Herr  L  i  e  p  m  a  n  n,  der  die  Wichtigkeit  des 
Falles  hervorhob. 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

K.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte. 

Dr.  Karl  Preleitner:  Bericht  über  die  Frequenz  der  Laugen¬ 
verätzung  und  ein  Vorschlag  zu  deren  Verhütung. 

Der  Gehalt  an  Aetznatron  in  den  überall  käuflichen  Präparaten 
schwankte  nach  Untersuchungen  des  Hofrates  Prof.  Ludwig 
zwischen  3,7  Proz.  und  32,55  Proz.  Vergiftungen  mit  der  Lauge 
kommen  bei  Erwachsenen  und  Kindern  vor.  Der  Vortragende  hat 
aus  8  Wiener  Spitälern  innerhalb  der  letzten  7!4  Jahre  zusammen 
362  Fälle  von  Laugenverätzungen,  welche  ausschliesslich  Kinder 
betrafen,  zusammengestellt.  An  den  Folgen  der  Verätzung  starben 
18,6  Proz.,  die  grösste  Zahl  der  Kinder  trug  bleibende  narbige  Ver¬ 
engerungen  des  Oesophagus  davon,  bei  10  Proz.  musste  operiert 
werden,  uni  die  Ernährung  und  spätere  Bougierung  zu  ermöglichen. 
Die  bisherigen  behördlichen  Verordnungen  genügen  absolut  nicht,  um 
diese  Gefahren  zu  beseitigen  oder  auch  nur  zu  verringern,  und  die 
von  anderer  Seite  gemachten  Vorschläge  (Verkauf  in  besonderen 
Flaschen,  mit  eigenen  Etiketten,  Verkauf  der  Lauge  in  fester  Form 
als  Laugenstein,  Zusatz  einer  stark  riechenden  oder  färbenden  Sub¬ 
stanz)  genügen  auch  nicht,  wie  der  Vortragende  ausfiihrt,  und  auch 
der  Vorschlag,  die  Lauge  nur  in  einer  Konzentration  von  Vz — 1  Proz. 
im  Handverkaufe  zu  gestatten,  erscheint  unpraktisch.  Es  bleibt  daher 
nur  eine  Massnahme  übrig,  d.  i.  das  absolute  Verbot  des 
Laugenkleinverschleisses.  Die  Professoren  E.  Ludwig 
und  A.  v.  Vogl  haben  dem  Vortragenden  folgendes  Gutachten 
erstattet:  1.  Die  Laugenessenz  (Natronlauge)  und  der  sog.  Laugen¬ 
stein  (festes  Aetznatron)  bilden  eine  eminente  Gefahr  für  Kinder  und 
Erwachsene,  wie  die  zahlreich  vor  kommenden  schweren  Verätzungen 
beweisen.  2.  Die  Laugenessenz  wird  in  den  Haushaltungen  zum 
schnelleren  Reinigen  von  Wäsche,  Holzfussböden  und  Holzgeschirr 
verwendet  und  kann  durch  Soda  und  Seife  vollwertig  ersetzt  werden. 
Für  den  Konsumenten  würde  daher  das  Verbot  des  Kleinverschleisses 
von  Aetzlaugen  ohne  Belang  sein.  3.  Da  die  bei  uns  gebräuchliche 
Laugemessenz  (Natronlauge)  aus  . Soda  hergestellt  ist,  so  würde  das 
Verbot  des  Kleinverschleisses  der  Aetzlauge  auch  die  Produktion,  da 
ja  dann  mehr  Soda  verkauft  würde,  wirtschaftlich  nicht  schädigen. 
Nach  diesen  Erwägungen  stimmen  wir  dem  Vorschläge  des  Autors, 
den  Verkauf  der  Aetzlauge  vom  Kleinverschleiss  auszuschliessen, 
vollkommen  zu.  Der  Vortragende  bat  zum  Schlüsse,  die  k.  k.  Gesell¬ 


schaft  der  Aerzte  möge  ihre  offizielle  Zustimmungserklärung  zu  der 
von  ihm  eingeleiteten  Aktion  geben. 

In  der  Diskussion  machte  vorerst  der  Sekretär  der  Ge¬ 
sellschaft,  Prof.  P  a  1 1  a  u  f,  den  Vortragenden  aufmerksam,  er  möge 
zunächst  seinen  Antrag  dem  Verwaltungsrate  der  Gesellschaft  über¬ 
reichen.  Sodann  führte  Dr.  L.  T  e  1  e  k  y  aus,  dass  er  selbst  schon 
im  Jahre  1904  sich  mit  dieser  Frage  eingehend  beschäftigt  und  seine 
Arbeit  in  der  Zeitschr.  f.  Heilkunde  veröffentlicht  habe.  Er  stellte 
damals  fest,  dass  in  den  Jahren  1892 — 1899  in  den  Wiener  Kranken¬ 
anstalten  523  Laugenvergiftungen  zur  Beobachtung  gelangten,  von 
welchen  nur  relativ  wenige  (50)  Kinder  betrafen.  50  Fälle  von 
zufälliger  Laugenvergiftung  bei  Erwachsenen  kommen  a  1 1  - 
j  ä  h  r  1  i  c  h  zur  Spitalsaufnahme,  viele  Personen  begehen  mit  Laugen¬ 
essenz  einen  Selbstmord,  weil  sie  das  Mittel  leicht  zur  Hand  haben, 
ln  Ofen-Pest,  wo  nur  der  Laugenstein  in  den  Handel  kommt,  be¬ 
obachtet  man  damit  ebenso  häufig,  vielleicht  sogar  noch  häufiger 
schwere  Verletzungen.  Der  Redner  kritisierte  die  bezüglichen  be¬ 
hördlichen  Vorschriften  und  wünschte,  dass  nur  ein  Verbot  des  Ver¬ 
kaufes  stärkerer  Laugen  erlassen  werden  sollte,  dass  dagegen 
der  Verkauf  geringgradiger  Laugen  in  Flaschen  von  bestimmter  Form 
und  mit  bestimmter  Aufschrift  gestattet  sein  möge. 

Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde. 

Dr.  Alfred  v.  Decastello  und  Dozent  Dr.  Robert  Kien¬ 
böck:  Ueber  die  Radiotherapie  der  Leukämie. 

18  Fälle  von  chronischer  Leukämie  wurden  von  ihnen  bestrahlt, 
davon  gehörten  10  Fälle  der  myeloiden,  8  der  lympha¬ 
tischen  Form  an.  Von  den  Fällen  ersterer  Art  wurde  ein  Fall 
durch  die  Radioskopie  von  allem  Anfang  an  wenig  beeinflusst,  er  starb 
nach  9  monatlicher  Behandlung;  die  übrigen  9  Fälle  zeigten  mehr 
minder  ausgesprochene  Besserung.  In  einem  Falle  trat  nach  fast 
2  jähriger  Behandlung  ein  akutes  Rezidiv  auf,  dem  der  Kranke  erlag: 
bei  einer  durch  fast  2Va  Jahre  mit  Erfolg  behandelten  Frau  scheint 
jetzt  die  Wirksamkeit  der  Behandlung  nachzulassen.  In  allen  Fällen 
hatte  eine  Unterbrechung  der  Bestrahlung  eine  baldige  Verschlechte¬ 
rung  des  Zustandes  zur  Folge.  Von  den  8  Lymphämikern  starb 
einer  (Akromegalie,  schwere  Anämie)  nach  3  wöchentlicher  Behand¬ 
lung,  ein  zweiter  Fall,  der  nur  3  Wochen  lang  behandelt  wird,  zeigt 
bisnun  keine  Aenderung  des  Zustandes;  die  übrigen  Fälle  wurden 
sämtlich  günstig  beeinflusst.  Es  zeigte  sich  also,  dass  diese  Behand¬ 
lung  bei  der  myeloiden  Leukämie  in  mindestens  90  Proz.  der 
Fälle  zunächst  eine  oft  überraschende  Besserung  herbeiführt,  die 
eine  vollständige  Heilung  vortäuscht,  dass  diese  Besserung  bei  Fort¬ 
setzung  der  Behandlung  sehr  lange,  mehrere  Jahre  lang,  anhält, 
dass  aber  schliesslich  dennoch  keine  Heilung  erzielt  wird,  dass  die 
Radiotherapie  in  allen  Fällen  endlich  zu  versagen  scheint.  In  etwa 
10  Proz.  (veraltete  Fälle  im  Stadium  akuterer  Progredienz)  scheint 
die  Methode  von  vorneherein  unwirksam  zu  sein.  Die  lympha¬ 
tische  Form  ist  die  prognostisch  ungünstigere,  in  etwa  30  Proz. 
wird  ein  Misserfolg  beobachtet.  Der  Eintritt  der  Anämie  wird  zu¬ 
weilen  hinausgeschoben  oder  konstant  erhalten.  In  den  von  ihnen 
selbst  behandelten  Fällen  waren  die  Resultate  besser,  in  etwa 
85  Proz.  wurden  Erfolge  erzielt.  Der  Verlauf  ist  unter  dieser  Be¬ 
handlung  ein  langsamer,  plötzliche  Verschlimmerungen  sind  seltener. 
Auch  bei  dieser  Form  ist  Dauerheilung  wahrscheinlich  niemals  zu  er¬ 
zielen.  Der  Grad  der  vorhandenen  Anämie  beeinflusst  den  Zustand 
des  an  lymphatischer  Leukämie  Erkrankten  sehr  stark,  die  Prognose 
bezüglich  der  Lebensdauer  erscheint  besser  als  bei  der  myeloiden 
Leukämie. 

Der  Redner  bespricht  nun  die  Wirksamkeit  der  Behandlung  auf 
die  einzelnen  Symptome,  das  Auftreten  initialer  Störungen,  die  wohl 
durch  Resorption  von  Zerfallsprodukten  bedingt  werden,  aber  an 
sich  bedeutungslos  sind.  Nach  wenigen  Tagen  schon  tritt  subjektive 
Besserung  ein,  welcher  die  objektive  mit  Rückgang  der  Krankheits¬ 
erscheinungen  folgt.  Der  Vortragende  berührt  die  Fieberbewegung, 
die ■  Rückbildung  der  Milz  und  der  Drüsenschwellung,  die  Anämie  der 
Leukämischen,  die  er  nicht  als  sekundäre,  toxisch  bedingte  (hämo¬ 
lytische  Anämie),  sondern  als  „apiastische“,  durch  Versiegen  der  Blut¬ 
körperchenproduktion  infolge  der  Knochenerkrankung  ansicht.  Das 
Verhalten  der  Leukozyten  wird  sodann  eingehend  erörtert,  das  gleich- 
mässig  fortschreitende  Absinken  ihrer  Zahl  während  der  Behandlung, 
das  Auftreten  von  Rezidiven  u.  m.  a.  Das  von  anderen  Beobachtern 
gemeldete  Auftreten  von  Nephritis  wurde  nicht  beobachtet,  auch  bei 
jahrelanger  Fortsetzung  der  Behandlung,  eine  schon  bestehende  Albu¬ 
minurie  wurde  dabei  nicht  stärker. 

Was  die  Erklärung  der  Röntgenwirkung  anbetrifft,  so  kommt  es 
bei  dieser  Erkrankung  wohl  zur  Bildung  von  toxischen  Stoffen,  und 
als  Quelle  dieser  Intoxikation  ist  der  veränderte  Stoffwechsel  der 
in  krankhafte  Wucherung  geratenen  Organe  zu  betrachten.  Primär 
werden  die  leukämischen  Intumeszenzen  beeinflusst,  sekundär  tritt 
eine  Blutveränderung  und  Entgiftung  ein.  Die  myeloide  Leukämie 
wird  auch  dann  günstig  beeinflusst,  wenn  man  nur  die  Milz  allein 
bestrahlt,  es  scheint  also  von  dieser  eine  Fernwirkung  auf  andere, 
nicht  bestrahlte  Herde  myeloiden  Gewebes  (Leber,  Netzhaut,  Kno¬ 
chen,  Drüsen)  ausgeübt  zu  werden.  Bei  der  lymphatischen  Leukämie 
verkleinern  sich  nur  die  direkt  bestrahlten  Lymphome,  die  Fernwir¬ 
kung  äussert  sich  in  der  Verminderung  der  Granulozyten.  Diese 
Fernwirkung  wurde  auch  zuweilen  sogar  bei  ganz  gesunden  Men¬ 
schen  beobachtet  (eigene  Experimente),  was  nur  dadurch  erklärt  wer- 


1460 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  29. 


den  kann,  dass  bei  der  Bestrahlung  lymphatischer  Organe  (Milz) 
Substanzen  frei  werden  (die  sog.  „Leukolysine“  der  Autoren),  welche 
in  die  Blutzirkulation  gelangen  und  eine  Verminderung  der  Leuko¬ 
zyten  des  Blutes  oder  der  Bildungsstätten  hervorzurufen  imstande 
sind.  Der  Vortragende  schliesst  sich  der  Ansicht  an,  dass  die  beim 
Leukozytenzerfall  frei  werdenden  Stoffe  zwar  nicht  als  „Leukolysine“ 
die  fertige  Blutkörperchen  auflösenden  Eigenschaften  besitzen,  hin¬ 
gegen  die,  auf  die  Neubildung  von  Leukozyten  in  den  Bildungsstätten 
selbst  hemmend  einzuwirken.  Zum  Schlüsse  werden  auch  die  Miss¬ 
erfolge  der  Radiotherapie  und  die  hierfür  massgebenden  Faktoren 
und  in  eingehendster  Weise  wird  die  Technik  des  Verfahrens  dar¬ 
gelegt. 

Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 

X.  Versammlung  am'l.  Mai  1907, 

im  Hörsaale  der  medizinischen  Klinik  R.  v.  J  a  k  s  c  h  in  Prag. 

Herr  Lieblein  demonstriert  zuerst  zwei  Fälle,  bei  welchen 
es  durch  Perforation  eines  Ulcus  ventriculi  plötzlich  zu  den  bedroh¬ 
lichen  Erscheinungen  der  Magenperforationsperitonitis  gekommen, 
und  bei  welchen  die  sofort  ausgeführte  Operation  dauernde  Heilung 
brachte.  Der  Vortragende  bespricht  im  Anschluss  daran  die  Prognose 
der  Perforation  des  Magengeschwürs  in  die  freie  Bauchhöhle:  bei 
interner  Behandlung  so  gut  wie  letal,  bei  chirurgischem  Eingreifen 
günstiger.  Die  in  den  Statistiken  angegebene  Zahl  von  50  Proz. 
Heilungen  nach  Operation  perforierter  Magengeschwüre  ist  zu  hoch 
gegriffen.  Von  12  auf  der  W  ö  1  f  1  e  r  sehen  Klinik  in  Prag  operierten 
Fällen  wurden  3  geheilt  =  25  Proz.  Eine  Besserung  der  Resultate 
steht  nur  dann  zu  erwarten,  wenn  die  Fälle  möglichst  frühzeitig 
der  Behandlung  zugeführt  werden.  Es  sind  bei  den  akuten  Magen¬ 
blutungen  bei  Ulcus  ventriculi  jene  Operationen  nicht  vielversprechend 
und  daher  nicht  empfehlenswert,  bei  welchen  man  direkt  auf  das 
blutende  Geschwür  lossteuert  und  in  demselben  die  Blutstillung 
durch  Exzision,  resp.  Umstechung,  Unterbindung  oder  Verschorfung 
anstrebt.  Es  erscheint  viel  zweckmässiger,  in  solchen  Fällen  die 
Gastroenterostomie  auszuführen,  die  als  hintere  Gastroenterostomie 
unter  Verwendung  des  Murphyknopfes  gemacht,  an  die  Kräfte  des 
Kranken  keine  allzugrossen  Anforderungen  stellt  und  das  blutende 
Geschwür  sicher  in  ausgiebigerer  Weise  beeinflusst  als  die  interne 
Behandlung. 

Herr  Walko:  Ueber  chronische  Pankreatitis. 

Der  Vortragende  weist  zuerst  auf  die  Schwierigkeit  der  Dia¬ 
gnose  hin,  da  die  hauptsächlich  hervortretenden  Erscheinungen:  Ge¬ 
schwulstbildung  im  Epigastrium,  Ikterus,  Schmerzen,  Verdauungsbe¬ 
schwerden, Uebelkeit, Erbrechen,  Abmagerung  etc.  zu  allgemeiner  Natur 
sind.  Auch  Glykosurie  und  Störung  der  Fett-  und  Eiweissverdauung 
werden  namentlich  bei  partieller  Läsion  der  Drüse  häufig  vermisst. 
Gute  Dienste  leistete  die  Schmidt  sehe  Zellkernreaktion,  im  Zu¬ 
sammenhang  mit  einer  genauen  Stuhluntersuchung  nach  bestimmter 
Probediät.  Der  Vortragende  bespricht  nun  16  Fälle  eigener  Be¬ 
obachtung.  Bezüglich  der  Differentialdiagnose  bei  der  Gleichartig¬ 
keit  der  Symptome  kommen  in  Betracht:  Pankreaskarzinom,  Kom¬ 
pression  benachbarter  Organe  wie  der  Vena  portae,  Cava  inferior, 
Aorta,  der  Art.  und  Vena  meseraica  sup.,  des  Ductus  thoracicus,  des 
Magens,  des  Darmes,  namentlich  des  Duodenums,  der  Ureteren  etc. 
Von  Magenkrankheiten  kommen  differentialdiagnostisch  in  Betracht: 
das  Magenkarzinom,  gutartige  Tumoren,  Perigastritis,  Atonie  und 
Gastroektasie  und  chronische  Katarrhe.  Die  Funktionsprüfung  des 
Magens  bei  16  Fällen  von  chronischer  Pankreatitis  ergab  bei  8  feh¬ 
lende  Säurefermentsekretion,  davon  bei  4  Milchsäurebildung,  bei  3 
Hypersekretion,  bei  5  annähernd  normale  Verhältnisse.  Der  Magen 
ist  entweder  direkt  ergriffen  durch  Verwachsung,  Kompression,  Zer¬ 
rung  oder  seine  Erkrankung  ist  eine  indirekte  Folge  ersterer  Affek¬ 
tion.  Im  weiteren  werden  die  bei  chronischer  Pankreatitis  auftreten¬ 
den  Erkrankungen  des  Darmes,  Duodenalstenosen,  Darmblutungen, 
Leberschwellung  und  Ikterus  besprochen.  Wichtig  ist  das  häufige 
Vorhandensein  von  Cholelithiasis.  Der  Blutbefund  kann  sich  bis  zu 
den  Erscheinungen  der  perniziösen  Anämie  steigern.  Im  Verlaufe 
der  Krankheit  werden  ferner  öfters  Ohnmachtsanfälle  und  eigentüm¬ 
liche,  der  Dercum  sehen  Krankheit  ähnliche,  auf  Brust,  Bauch  und 
Achselhöhlen  lokalisierte  Fettgewebsvermehrungen  beobachtet.  The¬ 
rapeutisch  ist  auf  die  günstige  Einwirkung  der  einfachen  Laparotomie 
hinzuweisen.  Trinkkuren  blieben  nur  von  vorübergehendem  Erfolg, 
besser  noch  bewährte  sich  das  Pankreon. 

XI.  Versammlung  am  8.  Mai  1907, 

im  Hörsaale  der  deutschen  gynäkologischen  Klinik,  Prof.  v.  Franque. 

Herr  Mar  gu  lies  demonstriert  einen  Fall  von  Leontiasis 
ossea  bei  einem  40jährigen  Manne;  die  Erkrankung  hatte  sich  erst 
im  Laufe  dieses  Jahres  entwickelt  und  hat  gegenwärtig  schon  ausser 
den  Veränderungen  am  Knochen  zu  einer  Sehstörung  geführt. 

Herr  K  1  e  i  n  h  a  n  s  gibt  in  seinem  Vortrage:  „Zur  Lehre  von  den 
präperitonealen  Tumoren“  eine  Uebersicht  der  Bauchdeckenge- 
sclnviilste  und  demonstriert  dann  ein  Präparat,  das  von  einer  67  jähr. 
Frau  stammt,  die  längere  Zeit  an  Blascnbeschwerden  gelitten  hatte. 
Klinisch  zeigte  sich  ein  zwischen  Nabel  und  Symphyse  der  inneren 


Bauchwand  anliegender,  unregelmässig  geformter,  derber  Tumor,  der 
mit  dem  normalen  Genitale  in  keiner  Verbindung  stand.  Bei  der  Ope¬ 
ration  zeigte  sich  der  Tumor  präperitoneal  entwickelt,  duich  eine 
ringförmige  Einschnürung  in  einen  oberen,  zystischen  und  einen  un¬ 
teren,  derberen,  mit  der  Blase  verwachsenen  Anteil  getrennt. 
Der  mit  der  Geschwulst  verwachsene  Teil  der  Blasenwand 
musste  bei  Entfernung  der  Geschwulst  mitreseziert  werden.  .  In  der 
Blase  befanden  sich  übelriechende,  gallertige  Massen.  Anatomisch  er¬ 
wies  sich  der  Tumor  als  Zyste,  deren  obere  Spitze  der  oberste  Teil 
des  Lig.  vesic.  medium  bildet.  Zwischen  1  umorhöhle  und  Blase 
besteht  eine  Kommunikation  durch  eine  kleine  Oeffnung.  Mikro¬ 
skopisch:  In  der  Wand  das  Bindegewebe  an  vielen  Stellen  schleimig 
degeneriert,  stellenweise  glatte  Muskelbündel.  Innere  Auskleidung: 
wo  erhalten,  Zylinderepithel,  vielfach  hoch,  an  manchen  Stellen  pa¬ 
pillenähnlichen  Vorragungen  aufsitzend.  Streckenweise  Becherzellen 
oder  lange  Schläuche  und  drüsenartige  Einstülpungen.  Ferner  findet 
sich  schleimige  Degeneration  und  entzündliche  Infiltration.  Dei  Tu¬ 
mor  entstand  aus  dem  Dottergang. 

Herr  K  I  e  i  n  h  a  n  s  demonstriert  dann  mikroskopische  Präparate 
eines  Divertikels  der  Urethra,  in  dessen  Wand  I  uberkel  nachgewiesen 
wurden ;  tuberkulöse  Erkrankung  irgend  eines  Organes  konnte  nicht 
nachgewiesen  werden.  Die  bestehende  Gravidität  blieb  ungestört,  die 
Geburt  fand  am  richtigen  Termin  statt,  Kind  und  Mutter  befinden 
sich  wohl.  Rötky-Prag. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  10.  und  17.  Mai  1907. 

Der  tuberkulöse  Gelenkrheumatismus. 

Poncet,  der  energische  Vorkämpfer  für  diese  Art  tuberkulöser 
Affektion  bringt  neue  Beispiele  derselben  und  berichtet  über  Be¬ 
obachtungen,  wo  eine  Arthritis  als  rheumatische  bezeichnet  wor¬ 
den  ist,  aber  Erscheinungen  von  tuberkulöser  Entzündung  zeigte  und 
daraus  sich  ein  wirklicher  Tumor  albus  und  typische  fungöse  Osteo¬ 
arthritis  entwickelte;  es  sind  solche  Fälle  nur  als  eine  allmähliche 
Erhöhung  der  infektiösen  Virulenz  aufzufassen.  Was  die  Entwick¬ 
lung  einer  viszeralen  Tuberkulose  im  Verlaufe  eines  akuten  Gelenk¬ 
rheumatismus  oder  am  Ende  desselben  oder  schliesslich  mehr  weni¬ 
ger  lange  Zeit  nach  demselben  betrifft,  so  hat  P.  mehrere  Fälle  von 
rasch  tödlicher  Meningitis,  von  mehr  weniger  ausgebreiteter  Lungen¬ 
infiltration,  schwerer  Pleuritis  usw.  gesehen. 

T  r  i  b  o  u  1  e  t  wünscht  vollständigere  Beweise  für  die  tuber¬ 
kulöse  Natur  des  ankylosierenden  Rheumatismus,  ebenso  wie  Mene¬ 
trier,  welcher  frägt,  ob  Poncet  beim  tuberkulösen  Rheumatis¬ 
mus  Bazillen  gefunden  und  positive  Impfresultate  erzielt  hat. 

Poncet  repliziert  darauf,  dass  nur  sehr  selten  —  bei  akuten 
Formen  —  Tuberkelbazillen  gefunden  wurden;  aber  sei  das  nicht 
auch  bei  anderen  tuberkulösen  Erscheinungen,  z.  B.  dem  Lupus  ery¬ 
thematosus,  bei  geschlossener  Nierentuberkulose,  bei  von  Knochen 
ausgehenden  Eiterherden  usf.  der  Fall?  Die  Impfungen  sind  nur  bei 
akuten  Fällen  positiv,  bei  chronischen  und  bei  Sklerosen  negativ. 
Im  ersteren  Falle  sind  sie  von  grosser  Bedeutung,  im  letzteren  be¬ 
weisen  sie  nichts,  da  es  sich  um  ein  abgeschwächtes  (?  siehe  oben, 
Refer.)  Gift  handelt  und  selbst  bei  den  spezifischen  Formen  der 
Tuberkulose  geringe  Mengen  (8,  10,  15,  20  g)  z.  B.  einer  tuberkulösen 
Pleuraflüssigkeit,  einem  Meerschweinchen  injiziert,  keine  Reaktion 
geben,  grössere  Mengen  aber,  von  50,  60,  80  g,  lokale  oder  allgemeine 
Tuberkulose  hervorrufen. 

Barbier  und  Milan  teilen  die  Auffassung  Poncets  be¬ 
züglich  der  tuberkulösen  Natur  des  ankylosierenden  Rheumatismus, 
letzterer  besonders  auf  Grund  von  positiven  Tuberkulinreaktionen 
(in  12  Fällen). 

Zur  Natur  und  Behandlung  der  diphtheritischen  Lähmungen. 

D  u  f  o  u  r  bringt  einen  Fall,  welcher  mehr  als  jede  histologische 
Untersuchung  für  den  zentralen  Ursprung  mancher  diphtheritischer 
Lähmungen  beweisend  ist.  Er  hatte  ein  8  jähriges  Mädchen  an 
Rachendiphtherie  behandelt  und  einige  Zeit  darauf  wieder  mit  ver¬ 
schiedenen  Lähmungserscheinungen  (des  weichen  Gaumens,  der 
Akkommodation,  des  linken  Fazialis  usw.)  gesehen.  Dieser  klinische 
Beweis  des  zentralen  und  ziemlich  hoch  sitzenden  Ursprungs  der 
postdiphtheritischen  Lähmungen  (im  Grosshirn  oder  verlängerter 
Mark)  dürfte  auch  die  Aerzte  überzeugen,  welche  noch  an  einer 
diphtheritischen  Myelitis  oder  Bulbitis  zweifelten  und  nur  eine  peri¬ 
phere  Neuritis  zuliessen. 

C  o  m  b  y  berichtet  über  4  neue  Fälle  von  diphtheritischer  Spät¬ 
lähmung,  welche  durch  massive  Injektionen  von  Roux  schem 
Serum  geheilt  sind.  Dosis  10 — 20  ccm  3 — 5  Tage  hindurch, 
Maximaldosis  80  ccm.  C.  schliesst  daher,  dass  jeder  mit  diphtheri¬ 
tischer  Lähmung  neueren  oder  älteren  Datums  behaftete  Erwachsene 
oder  Kind  sofort  mit  Heilserum  behandelt  werden  soll.  Diese  Be¬ 
handlung  bietet  keinerlei  Nachteile  und  ist  für  alle  Arten  von  Läh¬ 
mungskrankheiten  und  von  Patienten  anwendbar,  auch  bei  jenen, 
die  schon  vorher  bei  der  Rachenaffektion  mit  Serum  behandelt  wor¬ 
den  sind.  Bei  13  Fällen  diphtheritischer  Lähmung,  die  seit  1902  mit 
Roux  schem  Serum  behandelt  worden  sind,  erzielte  C.  ebensoviele 


16.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1461 


vollständige  und  rasche  Heilungen,  ohne  irgend  einen  Misserfolg; 

7  waren  vorher  wegen  der  Rachendiphtherie  injiziert  worden.  Trotz 
der  wiederholten  und  ziemlich  hohen  Serumdosen  kamen  nur  2  mal 
dem  Serum  zuzuschreibende,  übrigens  gutartige  Affektionen  (Erup¬ 
tionen  usw.)  vor  —  was  dem  Durchschnitt  entspricht. 

Netter  konnte  ebenfalls  den  guten  Erfolg  der  Serumtherapie 
bei  Spätlähmungen  konstatieren,  aber  er  beobachtete  Zufälle  von 

Serumödem.  . 

D  o  p  t  e  r  hat  bei  etwa  100  Patienten  mit  den  Martin  sehen 
Pastillen,  die  man  im  Munde  zergehen  lässt,  gute  Resultate  be¬ 
obachtet.  Diese  Pastillen  entfernen  rasch  den  Löffler  sehen  Ba¬ 
zillus  aus  dem  Halse,  was  mit  der  pathogenetischen  Auffassung  von 
Rist,  welcher  die  Spätlähmungen  nicht  den  löslichen  Toxinen,  son¬ 
dern  'einem  in  den  Bakterienleibern  zurückgehaltenen  Toxin  zu¬ 
schreibt,  übereinstimmen  würde. 

Rist  möchte,  dass  man  das  antibakterielle  mit  dem  antitoxischen 
Serum  verbinde.  Sicher  gibt  es  Lähmungen,  welche  durch  die  lös¬ 
lichen  Toxine  verursacht  sind,  aber  wie  soll  man  die  Lähmungen 
erklären,  welche  trotz  Seruminjektionen  Vorkommen?  Man  muss 
eine  Wirkung  der  adhärenten  Gifte  zulassen. 

Ueber  Schilddrüseninsuffizienz.  8  Fälle  von  partiellem  Myxödem. 

L  e  v  y  und  Rothschild  nehmen  zwischen  dem  ausge¬ 
sprochenen  Myxödem  und  dem  Gesundheitszustände  intermediäre 
Formen  an,  die  sie  in  ihrer  Entwicklung  studiert  haben:  Hypo- 
thyreoidie  geringen  Grades,  gutartige  chronische  Hypothyreoidie 
(Neurasthenie,  Arthritismus),  physisch  und  geistig  mangelhafte  Ent¬ 
wicklung.  Da  das  Oedem  im  späten  Alter  —  in  einem  der  Fälle  mit 
52  Jahren  —  erscheinen  und  spontan  oder  durch  die  Behandlung  ver¬ 
schwinden  oder  nur  vorübergehend  oder  in  Anfällen  auftreten  kann, 
so  schlagen  Berichterstatter  statt  der  Bezeichnung  Myxödem  eine 
andere:  Schilddrüseninsuffizienz  mit  oder  ohne  Oedem  vor. 

Sitzung  vom  24.  Mai  1907. 

Gandy  berichtet  über  die  Resultate  der  Autopsie  bei  einem 
der  Kranken,  welche  er  schon  früher  unter  der  Bezeichnung  sexueller 
Spätinfantilismus  mit  Schilddrüsenatrophie  vorgestellt  hat.  Die 
Schilddrüse  war  atrophisch  (7  g)  mit  interstitieller  Sklerose  und 
Drüsenatrophie,  die  Hoden  waren  atrophisch  (Fehlen  der  intersti¬ 
tiellen  Zellen),  die  einzige  Behandlung  wäre  in  solchen  Fällen  früh¬ 
zeitige  Opotherapie. 

Apert  bespricht  unter  Demonstration  eines  7jährigen  Kindes 
mit  Myxödem,  dessen  Mutter  mangelhafte  Entwicklung  der  Schild¬ 
drüse  mit  entsprechenden  Symptomen  zeigt,  das  familiäre  Myxödem 
(hereditäre  Dysthyreoidie).  Ferner  bringt  er  die  Beobachtung  eines 
hereditär-syphilitischen  Kindes,  das  immer  von  schlechtem  Gesund¬ 
heitszustand  war  und  im  Alter  von  12  Jahren  vollständig  zu  wachsen 
aufhörte.  Es  wurde  nun  eine  Schilddrüsentherapie  eingeleitet,  das 
Körpergewicht  rasch  wieder  eingeholt  —  nach  2  jährigem  Still¬ 
stand  —  und  der  junge  Mann  mit  18  Jahren  sogar  zum  Militärdienst 
eingereiht. 

Renon  und  Azam  haben  in  einem  Falle  von  Basedow¬ 
scher  Krankheit  ausgesprochene  Besserung  nach  22  tägiger  Behand¬ 
lung  mit  täglich  0,3  g  gepulverter  Rinds  -  Hypophysis  erzielt. 
Jedoch  sind  die  Resultate  keine  anhaltenden,  mit  dem  Aufhören  der 
Behandlung  kehren  auch  die  Symptome  des  Basedow  wieder.  Der 
genaue  Mechanismus  der  therapeutischen  Wirkung  des  Hypophysis¬ 
pulvers  ist  noch  unbekannt. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Mitgliederversammlung  vom  6.  Juli  1907. 

1.  Einlauf  und  geschäftliche  Mitteilungen.  Der  Vorsitzende  ge¬ 
denkt  mit  warmen  Worten  des  verstorbenen  Hofrates  H  e  i  g  1,  zu 
dessen  Ehren  sich  die  Versammlung  von  den  Sitzen  erhebt.  Er 
gibt  ferner  bekannt  eine  Einladung  zur  Entsendung  eines  Vertreters 
zum  internationalen  Kongress  für  Schulhygiene,  eine  Aufforderung 
der  K.  Polizeidirektion  zur  freiwilligen  Untersuchung  Geschlechts¬ 
kranker,  entsprechend  einer  Anregung  der  Deutschen  Gesellschaft 
zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten,  schliesslich  das  Proto¬ 
koll  der  Kommissionsisitzung  in  Frankfurt  a.  M.  vom  2.  Juni  1907. 

2.  Der  Vorsitzende  erstattet  über  den  Aerztetag  in  Münster, 
sowie  über  eine  bei  dieser  Gelegenheit  abgehaltene  Versammlung  der 
bayerischen  Delegierten  einen  vom  Plenum  mit  Beifall  aufgenom¬ 
menen  Bericht,  in  dem  er  die  befriedigenden  Resultate  der  Tagung 
hervorhebt.  Der  Entwurf  zur  wirtschaftlichen  Organisation  in 
Bayern,  wie  er  in  No.  27  der  Münch,  med.  Wochenschr.  veröffentlicht 
ist,  wurde  im  Geschäftsausschuss  und  in  der  Versammlung  der 
bayerischen  Kollegen  besprochen  und  soll  eine  andere  Fassung  er¬ 
halten.  Zu  seiner  Umarbeitung  habe  sich  Hofrat  Mayer-  Fürth 
bereit  erklärt. 

3.  Antrag  Perutz  auf  Abänderung  des  §  27  der  Statuten 
der  Abteilung  für  freie  Arztwahl,  der  numehr  lauten  soll:  „Alle  Ver¬ 
träge,  welche  die  Abteilung  mit  Krankenkassen  abschliessen,  er¬ 
neuern  oder  verlängern  will,  müssen  der  lokalen  Vertragskommission 
rechtzeitig  zur  Prüfung  und  Genehmigung  vorgelegt  werden,  und 
steht  derselben  auch  die  Führung  der  diesbezüg¬ 


lichen  Verhandlungen  mit  den  Krankenkassen  z  u.“ 
Es  handelt  sich  nur  um  den  neu  hinzugekommenen  Nachsatz. 
P  e  r  u  t  z  begründet  diese  formale  Ausgestaltung  des  §  27  als  Ausbau 
der  Kompetenzen  der  Vertragskommission,  die  unabhängig  sein  soll 
von  Strömungen  des  Augenblicks.  Es  handelt  sich  im  wesentlichen 
um  eine  Festlegung  der  bisherigen  Gepflogenheiten.  Epstein  be¬ 
merkt,  dass  der  Bezirksverein  solche  Satzungsänderungen  ider  Ab¬ 
teilung  für  freie  Arztwahl  nur  zu  betätigen,  nicht  aber  vorzu¬ 
schlagen  habe.  Juridisch  könne  die  Vertragskommission  nicht  ohne 
Mandat  von  den  einzelnen  Kontrahenten  in  Vertragsverhandlungen 
eintreten.  R  e  h  m  gibt  bekannt,  dass  die  Vorstandschaft  der  Abteilung 
mit  der  Behandlung  der  Frage  im  Bezirksverein  einverstanden  sei. 
Kustermann  stellt  den  Antrag :  „Der  Ae.rztliche  'Be¬ 
zirksverein  möge  beschliessen,  dass  die  von  ihm 
gewählte  Vertragskommission  nicht  nur  das 
Recht  der  Genehmigung  von  Verträgen,  sondern 
auch  das  Recht  der  Vorverhandlungen  ha  t.“  Doll- 
mann  wünscht,  dass  die  Vertragskommissiom  überall  da,  wo  es 
sich  nicht  um  Abschlüsse  auf  der  Basis  der  Minimaltaxe  handelt,  ein 
Programm  vom  Plenum  bekomme.  Schneider  begriisst  den 
Antrag  P  e  r  u  t  z.  Die  Vertragskommission  kann  besser  beurteilen, 
was  erreicht  werden  soll  und  kann.  Sie  soll  nicht  vorher  fest¬ 
gelegt  und  durch  Plenarbeschlüsse  gezwungen  werden,  mit  offenen 
Karten  zu  spielen.  Der  Antrag  Kustermann  gibt  Gelegenheit,  die 
Frage  heute  zu  erledigen.  Perutz  ist  derselben  Ansicht  und 
zieht  seinen  Antrag  zu  gunsten  des  Antrags  Kustermann  zu¬ 
rück.  Bauer  ist  gegen  eine  absolute  Selbständigkeit  der  Vertrags¬ 
kommission,  da  er  Wert  darauf  legt,  dass  die  Mitglieder  der  Ab¬ 
teilung  vor  den  Verhandlungen  gehört  werden.  Perutz  bemerkt 
dazu,  dass  niemand  daran  denke,  dem  Plenum  gewissermassen  den 
Mund  zu  verbinden.  Es  soll  im  Gegenteil  gehört  werden  und  hat 
ja  auch  das  Genehmigungsrecht.  Dagegen  seien  Beschlüsse,  an  die 
dann  die  Kommission  gebunden  ist  und  die  allgemein  bekannt  werden, 
nicht  zweckdienlich.  Auch  Kustermann  und  Ranke  sind 
dieser  Ansicht.  Dollmann  kommt  nochmals  auf  die  Notwendig¬ 
keit  der  Durchführung  der  Minimaltaxe  bei  Verträgen  zu  sprechen, 
worauf  der  Antrag  Kustermann  angenommen  wird. 

Zur  Aerztekammer  werden  entsprechend  der  Mitgliederzahl 
von  528  7  Delegierte  gewählt,  und  zwar  die  Herren:  F.  Bauer, 
Hartle,  Henkel,  K  a  s  1 1,  A.  Mueller,  Rehm,  Stern¬ 
feld,  und  als  Ersatzmänner  die  Herren :  Dornberger,  Ein¬ 
horn,  Hecht,  Jooss,  Kustermann,  Schneider  und 
Scholl. 

4.  Antrag  Friedrich  Bauer:  „Der  Aerztliche  Bezirksverein 
wolle  alsbald  der  Regelung  der  Verhältnisse  in  der  Privatpraxis 
unter  Berücksichtigung  folgender  Gesichtspunkte  näher  treten:  All¬ 
gemeine  Erhöhung  des  zurzeit  üblichen  Honorars,  Einschränkung 
des  unumschränkten  Kreditgebens,  vierteljährliche  Rechnungsstellung, 
Revision  der  Gebührenordnung.“  Bauer  begründet  seinen  Antrag 
mit  dem  Vorgehen  der  Aerzte  in  anderen  Städten,  der  Verteuerung 
der  Lebenshaltung.  Die  Gebührenordnung  von  1901  enthält  gegen¬ 
über  der  von  1875  relativ  wenig  Verbesserungen.  Einzelne  Vor¬ 
schläge  sollen  einer  Kommission  überlassen  werden.  Die  Einschrän- 
•  kung  des  unumschränkten  Kreditgebens  sei  nachgerade  notwendig 
geworden.  Ein  etwas  mehr  kaufmännisches  Denken  und  Verfahren 
in  diesem  Punkt  sei  ohne  Verletzung  ethischer  Prinzipien  möglich. 
Die  vierteljährliche  Rechnungsstellung  solle  allgemeiner  durchgeführt 
werden.  Die  Revisionsbedürftigkeit  der  Gebührenordnung  liegt  auf 
der  Hand.  Eine  zunächst  aus  12  Mitgliedern  bestehende  Kommission 
soll  die  einzelnen  Fragen  bearbeiten.  Diese  Kommission  wird  ge¬ 
wählt.  Sie  hat  das  Kooptationsrecht.  Dornberger  wünscht, 
dass  die  Vorschläge  der  in  Frankfurt  a.  M.  beschlossenen  Einigungs¬ 
kommission  unterbreitet  werden  sollen.  Rehm  ist  ebenfalls  dafür, 
wenn  die  Kommission  des  Bezirksvereins  ihre  Arbeiten  beendet  hat. 
Bauer  bemerkt,  dass  dieser  Zwölferausschuss  noch  nicht  existiert. 
Bezirksarzt  Henkel,  der  öfters  ärztliche  Rechnungen  zu  begut¬ 
achten  hat,  gibt  einige  Ratschläge.  Man  sollte  bei  Besuchstaxen 
die  Entfernungen  in  der  Grossstadt  berücksichtigen.  Die  Minimal¬ 
taxe  ist  im  allgemeinen  richtig,  bei  besonderer  Mühewaltung  und 
längerer  Dauer  der  Konsultation  ist  die  Taxe  höher.  Merkwürdig  ist, 
dass  Bader  und  Hebammen  bei  Unbemittelten  den  Durchschnittssatz 
nicht  überschreiten  dürfen,  während  für  den  Arzt  die  Minimaltaxe 
gilt.  So  kommt  es,  dass  er  bisweilen  schlechter  honoriert  wird  als 
ein  Bader.  Die  Diskussion  dreht  sich  dann  um  die  Frage,  ob  man 
die  Vorschläge  zur  Aenderung  zunächst  im  Bezirksverein  bezw. 
seiner  Kommission  beraten  oder  sofort  dem  Zwölferausschuss  unter¬ 
breiten  soll.  Es  wird  ersteres  beschlossen,  da  man  noch  nicht  weiss, 
bis  wann  die  einzelnen  Vereine  ihre  Delegierten  zu  jenem  Ausschuss 
gewählt  haben.  Sternfeld  bemerkt  übrigens,  dass  dieser  Aus¬ 
schuss  die  ausgearbeiteten  Entwürfe  der  einzelnen  Vereine  zu  be¬ 
gutachten  habe  und  verhindern  solle,  dass  einseitige  Beschlüsse  ge¬ 
fasst  werden,  mit  denen  andere  Gruppen  nicht  einverstanden  seien. 
Die  selbständige  Arbeit  innerhalb  der  einzelnen  Vereine  werde  da¬ 
durch  nicht  berührt.  An  der  Diskussion  beteiligen  sich  noch  die 
Herren  ■  Bauer,  Dollmann,  Perutz,  Kustermann, 

Faust,  Rehm,  K  o  1  b  e  c  k  und  Einhorn.  Aufgenommen  wurde 
Herr  Dr.  Georg  Hohmann.  Schluss  der  Sitzung  11  Uhr,  anwesend 
48  Mitglieder.  Nadoleczny. 


46  2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  20. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Ueber  den  Wert  des  Chloräthyls  als  Inhalations- 
anästhetikum  veröffentlicht  Maas- Berlin  eine  bemerkens¬ 
werte  Abhandlung  (Therap.  Monatsh.  1907,  6).  Das  Chloräthyl  ist 
in  den  letzten  .Jahren  bekanntlich  vielfach  für  kurzdauernde  Opera¬ 
tionen,  zumal  in  der  Zahnheilkunde,  empfohlen  worden.  Was  das 
wichtigste,  seine  Gefährlichkeit  anbetrifft,  so  sind  im  ganzen  etwa 
30  (!)  Todesfälle  bekannt  geworden.  M.  hält  es  zum  mindesten  für 
ebenso  gefährlich  wie  das  Chloroform.  Relativ  ist  es  gefährlicher 
wie  das  Chloroform,  da  die  Wirkungen  des  Mittels  sich  fast  momen¬ 
tan  entwickeln  und  bei  der  Kleinheit  der  Dosis  die  grosse  Gefahr  der 
Ueberdosierung  besteht.  Diesen  schweren  Nachteilen  gegenüber 
kommen  seine  Vorteile,  schnelles  Eintreten  der  Narkose,  Fehlen  von 
Nacherscheinungen,  kaum  in  Betracht.  Es  darf  also  nie  das  Inhala- 
tionsanästhetikum  der  Wahl  sein.  Kr. 

Für  die  zur  Injektion  zu  verwendende  sterilisierte  Gela¬ 
tine  erheben  K  u  h  n  und  R  ö  s  s  1  e  r  (Ther.  Monatsh.  1907,  4)  von 
neuem  die  Forderung,  für  dieselbe  nur  die  Gelatine  gesunder  Schlacht¬ 
tiere  zu  verwenden.  Sie  weisen  auf  die  nach  Gelatineinjektion  wieder¬ 
holt  beobachteten  Tetanuserkrankungen  hin.  Zur  Abtötung  der 
Tetanussporen  genügt  das  Kochen  allein  nicht.  Von  15  daraufhin 
untersuchten  Gelatinen  enthielten  3  noch  virulente  Sporen,  nachdem 
sie  an  drei  aufeinander  folgenden  Tagen  je  30  Minuten  gekocht  waren. 
Die  sterile  Gelatine  von  gesunden  Schlachttieren  wird  bekanntlich 
von  der  Firma  Merck  hergestellt.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  15.  Juli  1907. 

—  Die  Assisenzärzte  der  Münchener  städtischen 
Krankenhäuser  haben  an  den  Magistrat  eine  Eingabe  gerichtet, 
in  der  sie  um  Neuordnung  ihrer  Gehaltsverhältnisse  nach¬ 
suchen.  Bisher  beziehen  die  dienstälteren  Münchener  Assistenz¬ 
ärzte  ein  Anfangsgehalt  von  960  Mk.,  das  im  2.  Jahre  auf  1080,  im 
3.  auf  1320,  im  4.  auf  1500  Mk.  steigt;  die  dienstjüngeren  Aerzte 
(Volontärärzte)  beziehen  keinen  Gehalt.  Beide  Kategorien  erhalten 
ferner  freie  Wohnung  und  vom  2.  Dienstjahr  ab  360  Mk.  Kostver¬ 
gütung.  Angestrebt  wird  nun  zunächst  eine  Umwandlung  der  unbe¬ 
soldeten  Stellen  in  besoldete.  Dies  wird  damit  begründet,  dass  die 
unbesoldeten  Assistenzärzte  genau  den  gleichen  Wirkungskreis  und 
dieselben  Pflichten  haben  wie  die  besoldeten  und  dass  sie  seit  Ein¬ 
führung  des  praktischen  Jahres  auch  bereits  mit  der  nötigen  prak¬ 
tischen  Vorbildung  in  den  Dienst  treten.  Die  Volontärärzte  sind 
also  nicht  länger,  wie  das  früher  gesagt  werden  konnte,  Neulinge, 
deren  Arbeit  keiner  Entschädigung  wert  ist.  Ferner  wird  um  eine 
Erhöhung  der  z.  T.  gänzlich  unzulänglichen  Kostvergütung  von  30 
auf  50  Mk.  nachgesucht  und  endlich  um  eine  Erhöhung  des  Gehaltes 
auf  1200  Mk.  im  ersten  Dienstjahr,  steigend  jährlich  um  200  Mk. 
bis  auf  2000  Mk.  im  5.  Dienstjahr.  Wir  wünschen  dieser  Eingabe  eine 
wohlwollende  Würdigung  seitens  des  Magistrates.  Denn  es  sind  sehr 
bescheidene  und  berechtigte  Wünsche  die  darin  geäussert  werden. 
Ein  Bezug  von  960  Mk.  bei  freier  Wohnung  ist  keine  Bezahlung 
für  einen  Mann,  der  eine  6  jährige  Ausbildung  hinter  sich  hat.  Man 
sagt,  die  jungen  Aerzte  lernen  noch  als  Assistenten,  darum  brauchen 
sie  nicht  voll  bezahlt  zu  werden.  Gewiss,  aber  jeder  junge  Mann  in 
irgendwelcher  Stellung  lernt  noch  und  wird  darum  doch  angemessen 
bezahlt.  Es  ist  aber  noch  zu  berücksichtigen,  dass  auch  hier  Ange¬ 
bot  und  Nachfrage  mitbestimmend  sind  für  den  Preis.  So  lange  die 
jungen  Aerzte  sich  um  die  Assistenzarztstellen  drängten,  war  es  be¬ 
greiflich,  dass  die  Gemeinden  geneigt  waren,  die  Honorare  niedrig  zu 
halten.  Seit  Einführung  des  praktischen  Jahres  ist  das  anders  ge¬ 
worden.  Der  Krankenhausdienst  des  praktischen  Jahres  genügt  den 
meisten  Aerzten  für  ihre  Ausbildung.  Nach  Absolvierung  desselben 
gehen  sie  in  die  Praxis.  Darum  ist  es  so  schwierig  für  die  Kranken¬ 
häuser  geworden,  ihre  Assistenzarztstellen  zu  besetzen,  dass  man  ge- 
i  adezu  von  einer  „Assistentennot  sprechen  kann.  Nicht  von  einer 
Aerztenot;  im  Gegenteil,  die  Ueberfüllung  des  ärztlichen  Berufes 
daueit  fort;  aber  soweit  ist  es  allerdings  noch  nicht  gekommen,  dass 
ein  Arzt  in  der  Praxis  nicht  mehr  verdienen  könnte,  als  eine  Assi¬ 
stenzarztstelle  bisher  zu  tragen  pflegte.  Darum  haben  die  Kranken- 
liciuser  allenthalben  im  letzten  Jahre  ihre  Assistenzarztgehälter  er- 
höhen  müssen;  ja  selbst  Praktikantenstellen  werden,  wie  ein  Blick 
auf  unsere  Liste  offener  Praktikantenstellen  zeigt,  an  manchen  Orten 
besser  bezahlt,  als  eine  Assistenzarztstelle  in  München.  Wenn  heute 
die  Münchener  Assistenzärzte  ihre  Stellen  niederlegen  würden,  würde 
es  ihnen  leicht  sein,  in  kürzester  Zeit  andere,  besser  bezahlte*  Stellen 
zu  tinden,  \\  ährend  der  Magistrat  grosse  Schwierigkeiten  haben 
wurde,  die  Stellen  neu  zu  besetzen.  An  eine  solche  Massregel  wird 
gewiss  nicht  gedacht.  Wir  stellen  nur  die  klare  Sachlage  fest,  deren 
richtige  \\  urdigung  den  Münchener  Magistrat  veranlassen  muss,  dem 
Gesuch  der  Assistenzärzte  stattzugeben. 

1  )er  V  erbau  d  Deutscher  Lebensversiche- 
l  u  n  gsgesellsc  haften  hat  die  vom  Deutschen  Aerztetag  in 


Münster  beschlossene  Forderung  von  10  Mark  für  hausärztliche 
und  von  15  Mark  für  vertrauensärztliche  Zeugnisse  abgelehnt. 
Daraufhin  hat  der  Generalsekretär  des  Aerztevereinsbundes  in  Aus¬ 
führung  des  bindenden  Beschlusses  des  Aerztetages  den  jetzigen 
Vertrag  mit  dem  Verbände  D.  L.  V.  G.  gekündigt.  Damit  kann 
die  Angelegenheit  jedoch  nicht  erledigt  sein;  ein  vertragsloser  Zu¬ 
stand  wäre  nur  für  die  Gesellschaften  von  Vorteil.  Wenn  im  Sinne 
des  Aerztetagesbeschlusses  folgerichtig  gehandelt  werden  soll,  so 
muss  nunmehr  die  Parole  ausgegeben  werden,  dass  kein  Arzt  eine 
Untersuchung  für  eine  Lebensversicherungsgesellschaft  unter  15  Mark 
machen  und  ein  hausärztliches  Zeugnis  unter  10  Mark  abgeben  darf 
Zur  Durchführung  dieser  Massregel  hat  der  Leipziger  Verband  in 
Tätigkeit  zu  treten,  der  damit,  da  eine  Kontrolle  der  Kollegen  der 
ausgegebenen  Parole  gegenüber  nicht  möglich  ist,  vor  eine  sehr 
schwierige  Aufgabe  gestellt  ist.  Entschliesst  man  sich  zu  diesem 
Vorgehen  nicht,  so  wäre  der  Beschluss  des  Aerztetages  ein  Schlag 
ins  Waser,  ja  eine  direkte  Schädigung  des  Ansehens  der  ärztlichen 
Organisation  gewesen. 

—  In  No.  9/1907  der  Münchner  medizinischen  Wochenschrift 
('S.  448)  wurde  darüber  Klage  geführt,  dass  von  den  in  Universitäts¬ 
städten  arbeitenden  Medizinalpraktikanten  verlangt  werde 
sich  von  neuem  immatrikulieren  zu  lassen,  wenn  sie  an  der  Uni¬ 
versität  Vorlesungen  zu  hören  beabsichtigen.  Es  sei  nicht  einzu¬ 
sehen,  warum  den  Praktikanten  das  Recht  verweigert  werde,  als 
Hörer  sich  einschreiben  zu  lassen.  Wie  uns  vom  K.  B.  Kultusmini¬ 
sterium  mitgeteilt  wird,  haben  die  Erhebungen  ergeben,  dass  diese 
Nachricht  für  bayerische  Universitäten  nicht  zutrifft.  An  der 
Universität  München  wurden  die  Medizinalpraktikanten  schon  bisher 
als  Hörer  zugelassen,  an  den  Universitäten  Würzburg  und  Erlangen 
haben  sich  Medizinalpraktikanten  zur  Teilnahme  an  Vorlesungen  oder 
Uebungen  bisher  noch  nicht  gemeldet,  sie  werden  aber  im  Falle  der 
Meldung,  auch  an  diesen  beiden  Universitäten  als  Hörer  nach  §  10 
der  Universitätssatzungen  zugelassen  werden.  Wir  bemerken  dazu, 
dass  uns  die  betreffende  Mitteilung  aus  einer  nichtbayerischen  Uni¬ 
versität  zugegangen  war. 

—  In  einem  Streit  zwischen  den  Krankenkassen 
und  den  Aerzten  in  Köln  hat  das  dortige  Landgericht  ent¬ 
schieden,  dass  die  auf  Anordnung  der  Aerzte  ausgeübte  Tätigkeit  der 
Heildiener,  wie  das  Anlegen  von  Gipsverbänden,  Massieren,  Elektri¬ 
sieren,  Schröpfen  etc.,  ferner  die  Röntgenaufnahmen,  bakteriologische 
Untersuchungen,  medikomechanische  und  orthopädische  Behandlung 
vertragsmässig  zur  Tätigkeitssphäre  der  Aerzte  gerechnet 
werden  müsse,  und  dass  daher  die  Kasse  berechtigt  sei,  die  hiefür 
entstandenen  Kosten  an  der  den  Aerzten  zu  zahlenden  Pauschalsumme 
abzuziehen. 

■  In  Saarbrücken  hat  in  diesen  Tagen  auf  Veranlassung 
des  Ministers  der  usw.  Medizinalangelegenheiten  eine  Konferenz 
stattgefunden,  in  der  die  Errichtung  eines  hygienischen  In¬ 
stituts  für  das  Saargebiet  beschlossen  ist.  Die  dadurch 
entstehenden  Kosten  werden  unter  einer  staatlichen  jährlichen  Bei¬ 
hilfe  von  20  000  Mark  teils  von  den  beteiligten  Kommunalbehörden, 
teils  von  der  Grossindustrie  getragen;  ausserdem  sind  für  die  Er¬ 
richtung  30  000  Mark  aus  dem  Kaiserlichen  Dispositionsfonds  be¬ 
willigt.  Das  Institut  soll  seine  Tätigkeit  nicht  nur  auf  die  Mit¬ 
wirkung  bei  Bekämpfung  der  Seuchen  erstrecken,  sondern  sich  auch 
mit  hygienischen  Fragen  aus  dem  Gebiete  der  Wohnungs-  und  Ge¬ 
werbehygiene,  der  Wasserversorgung,  Abwässerbeseitigung  usw  be¬ 
schäftigen  sowie  als  Ausibildungs-  und  Fortbildungsanstalt  für  Aerzte 
Desinfektoren  usw.  dienen.  z.  f.  Med.-Beamte. 

—  Die  feierliche  Eröffnung  der  allgemeinen  Kran¬ 
kenanstalten  der  Stadt  Düsseldorf  und  der  Akademie 
für  praktische  Medizin  findet  am  27.  Juli  1907  statt.  Zu 
dei  Feier  sind  zahlreiche  Einladungen  an  ärztliche  Kreise  ergangen. 

—  Der  Prozess  des  bekannten  Gynäkologen  und  Mitgliedes  der 
Berlin-Brandenburger  Aerztekammer,  Dr.  R.  Kossmann  zu  Berlin, 
wegen  unberechtigter  Führung  des  Professortitels 
wurde  nunmehr  in  letzter  Instanz  entschieden.  K.  war  bekanntlich 
früher  ausserordentlicher  Professor  der  Zoologie  an  der  philosophi¬ 
schen  Fakultät  zu  Heidelberg;  nach  seiner  Uebersiedelung  als  Arzt 
nach  Berlin  (1890)  nannte  er  sich  auf  dem  Schild  an  seiner  Wohnung 
Professor  und  Unterzeichnete  als  grossherzogl.  bad.  ausserordent¬ 
licher  Professor.  Nachdem  dies  von  der  Polizeibehörde  beanstandet 
worden  war,  beschritt  K.  den  Rechtsweg.  Schöffengericht  und  Land¬ 
gericht  gelangten  zur  Freisprechung,  sowohl  weil  der  Angeklagte  im 
guten  Glauben  gehandelt  habe,  als  auch  weil  er  tatsächlich  den  Pro¬ 
fessortitel  zu  Recht  führe.  Das  Kammergericht  als  oberste  Instanz 
wies  zwar  die  Revision  der  Staatsanwaltschaft  zurück,  weil  festge¬ 
stellt  sei,  dass  K.  in  gutem  Glauben  gehandelt  habe,  sprach  aber 
aus,  dass  kein  preussischer  Untertan  ohne  Genehmi¬ 
gung  des  Königs  von  einer  fremden  Macht  Titel 
oder  Orden  an  nehmen  oder  führen  dürfe.  Professor 
Kossmann  und  alle  anderen  preussischen  Gelehrten,  denen  von 
einem  fremden  Landesfürsten  der  Professortitel  verliehen  wurde, 
und  die  ihn  bisher  unbeanstandet  geführt  haben,  müssen  also  nun 
nachträglich  um  die  Genehmigung  zur  Führung  nachsuchen. 

—  Nach  einer  in  der  „Internat.  Wocbenschr.  f.  Wissensch.,  Kunst 
u.  Technik“  wiedergegebenen  Statistik  des  französischen  Unterrichts¬ 
ministeriums  haben  in  dem  abgelaufenen  Wintersemester  1906/07  die 
französischen  Universitäten  und  Hochschulen 


l(j.  Juli  1907. 


MÜfiNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1463 


38  197  Studierende  beiderlei  Geschlechts  gezählt,  und  zwar  35  638 
männliche  (33  399  Franzosen  und  2239  Ausländer)  und  2559  weibliche 
(1364  Französinnen  und  1195  Ausländerinnen).  Von  diesen  haben 
studiert:  Rechtswissenschaft  15  551  (124  Frauen),  Medizin  8297 
(796  Frauen),  Pharmazie  2290  (66  Frauen),  Literatur  5710  (1105 
Frauen),  Naturwissenschaften,  Philosophie  usw.  6349  (468  Frauen). 
Die  Pariser  Universität  allein  zählte  15  789  Studenten:  7032  Juristen, 
3369  Mediziner,  2413  Literaturstudierehde,  2022  Naturwissenschaftler 
und  953  Pharmazeuten.  Es  folgen  Lyon  mit  2783,  Toulouse  mit  2675, 
Bordeaux  mit  2469,  Nancy  mit  1841,  Montpellier  mit  1752,  Lille  mit 
1560,  Rennes  mit  1498,  Aix-Marseille  mit  1269,  Dijon  mit  966,  Poitiers 
mit  962,  Grenoble  mit  896,  Caen  mjt  814,  Besangon  mit  325,  Cler- 
mont  mit  281  Studierenden,  (hc.) 

—  Pensionsverein  für  Witwen  und  Waisen 
bayerischer  Aerzte.  Der  soeben  zur  Versendung  gelangte 
Jahresbericht  für  1906  gibt  Wieder  ein  erfreuliches  Zeugnis  der  vor¬ 
züglichen  Entwicklung  des  Vereins.  Das  Vermögen  des  Pensions¬ 
fonds  ist  auf  918  808  M.,  das  des  Stockfonds  auf  465  387  M.  gestiegen. 
Das  Gesamtvermögen  des  Vereins  beträgt  1 384  195  M.  Im  Jahre 
1906  hat  sich  das  Gesamtvermögen  des  Vereins  um  27  288  M.  ver¬ 
mehrt.  Diese  sehr  günstige  Vermögenslage  hat  der  letzten  Dele¬ 
giertenversammlung  die  Möglichkeit  gegeben,  vom  Jahre  1907  ab 
die  Dividenden  der  Pensionen  auf  15  Proz.  zu  erhöhen.  Demnach  er¬ 
hält  eine  Witwe  im  Jahre  230  resp.  345  M.;  bei  beispielsweise  vor¬ 
handenen  2  minderjährigen  Kindern  322  resp.  483  M.  Im  Berichts¬ 
jahre  wurden  an  Witwen  und  Waisen  52  389  M.  Pensionen  und  5238  M. 
Dividenden  (nach  Berechnung  mit  10  proz.  Dividenden)  ausbezahlt. 
Seit  Gründung  des  Vereins  (1853)  wurden  im  ganzen  2  043  894  M. 
für  Pensionen,  Dividenden  und  Erziehungsbeiträge  geleistet.  —  Von 
den  Herren  Hofrat  Dr.  W.  B  e  c  k  h  und  Dr.  J.  N  e  u  b  e  r  g  e  r  in 
Nürnberg  wurde  die  Bildung  eines  Zentenar-Jubiläumsfonds  angeregt. 
Aus  den  Zinsen  des  hierfür  gesammelten  Kapitals  soll  unbemittelten 
bayerischen  Kollegen  durch  ganze  oder  teilweise  Zahlung  der  Jahres¬ 
beiträge  der  Eintritt  in  den  Verein  ermöglicht  werden.  Die  Samm¬ 
lung  ergab  bis  jetzt  rund  10  000  M.  Näheres  möge  dem  Jahres¬ 
berichte  1906  entnommen  werden.  Auch  der  Verwaltungsrat  ersucht, 
dieses  ideale  kollegiale  Unternehmen  durch  weitere  Schenkungen 
unterstützen  zu  wollen.  —  Ferner  werden  alle  Bezirksärzte  sowie  die 
ärztlichen  Bezirksvereine  gebeten,  die  Kollegen  des  betreffenden  Be¬ 
zirkes  auf  unseren  in  so  vorzüglicher  Entwicklung  begriffenen  baye¬ 
rischen  ärztlichen  Pensionsverein  aufmerksam  zu  machen.  Wie  viele 
Witwen  danken  ihren  Gatten  über  das  Grab,  dass  sie  die  Wohltaten 
des  Vereins  gemessen.  Aufschlüsse  jeder  Art  erteilen  die  Kreis- 
ausschiisse  sowie  der  Geschäftsführer,  Herr  Hofrat  Daxenberger, 
Miinchen-Gern,  Diillstrasse  23. 

—  Lord  L  i  s  t  e  r  wurde  von  der  Stadt  London  zum  Ehren¬ 
bürger  ernannt.  Der  Ehrenbürgerbrief  wurde  dem  Gefeierten  in 
einer  künstlerisch  reich  ausgestatteten  goldenen  Kassette  in  feierlicher 
Sitzung  in  der  Guildhall  durch  den  Bürgermeister  überreicht. 

—  Das  Zentralkomitee  für  das  Rettungswesen 
in  Preussen  hat  zum  Vorsitzenden  als  Nachfolger  von  Ernst 
v.  Bergmann  Herrn  Ministerialdirektor  Dr.  Förster  gewählt. 
Direktor  Förster  ist  gleichfalls  Vorsitzender  der  Zentralstelle  für 
das  Rettungswesen  an  Binnen-  und  Küstengewässern. 

—  In  Erlangen  findet  in  der  Zeit  vom  22.-27.  Juli  ein  un¬ 
entgeltlicher  Fortbildungskurs  für  Aerzte  statt.  Nähere  Aus¬ 
kunft  erteilt  Herr  Hofrat  Dr.  S  c  h  u  h  in  Nürnberg,  Hauptmarkt  26. 

—  Die  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  schreibt  neuer¬ 
dings  den  von  Med.  Dr.  Moritz  Goldberger  gestifteten  Preis 
im  Betrage  von  2000  Kronen  für  die  beste  Beantwortung  des  vom 
Präsidium  gestellten  Preisthemas:  „Experimentelle  Beiträge  zur 
Frage  der  Beeinflussung  von  Organsystemen  und  Organfunktionen 
untereinander,  in  normalen  oder  pathologischen  Verhältnissen  ‘.  Um 
diesen  Preis  können  Aerzte  aus  Oesterreich-Ungarn  und  ganz  Deutsch¬ 
land  konkurrieren.  Berücksichtigung  finden  nur  Arbeiten,  welche  in 
deutscher  Sprache  verfasst,  bis  längstens  15.  Mai  1909  an  das  Prä¬ 
sidium  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien,  mit  einem  Motto 
versehen,  eingesendet  werden.  Dazu  ist  ein  mit  demselben  Motto 
versehenes  verschlossenes  Kuvert  einzusenden,  welches  Name  und 
Adresse  des  Autors  enthält.  Die  Zuerkennung  des  Preises  erfolgt 
in  der  ersten,  im  Monate  Oktober  1909  stattfindenden  Sitzung  der 
k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien,  die  Ausfolgung  desselben  an 
den  preisgekrönten  Bewerber  am  28.  Oktober,  als  dem  Sterbetage 
des  Stifters.  Hat  die  preisgekrönte  Arbeit  mehr  als  einen  Ver¬ 
fasser,  so  kann  der  Preis  unter  den  Verfassern  zu  gleichen  Teilen 
geteilt  werden.  Die  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  behält  sich 
das  Recht  vor,  die  preisgekrönte  Arbeit  zu  publizieren.  Im  übrigen 
behält  der  Autor  alle  Rechte  an  seinem  geistigen  Eigentume. 

—  Der  von  Rudolf  Mosse  in  Berlin  herausgegebene  „Bäder- 
Almanach“  feiert  mit  der  soeben  erschienenen  10.  Ausgabe  das 
Jubiläum  seines  25  jährigen  Bestehens.  Es  ist  nicht  nötig  über  den 
Inhalt  des  Buches,  über  seine  Reichhaltigkeit  und  Vollständigkeit, 
über  seine  zweckmässige  Anordnung  etc.  etwas  zu  sagen.  Der 
Bäder-Almanach  ist  ja  jedem  Arzte  bekannt;  er  ist  das  unentbehr¬ 
liche  Hilfsmittel  geworden,  wenn  ein  Arzt  über  die  Verhältnisse 
eines  Bades  etwas  nachzuschlagen  hat.  Aber  es  möge  bei  dieser 
Gelegenheit  doch  anerkannt  werden,  dass  die  Verlagshandlung  durch 
die  freie  Zusendung  des  Bäder-Almanachs  an  alle  Aerzte  diesen  einen 
sehr  schätzenswerten  Dienst  erweist.  Die  Schaffung  des  Bäder- 
Almanachs  war  jedenfalls  ein  sehr  guter  Gedanke,  der  das  für  die 


Verlagsbuchhandlung  angenehme  mit  dem  für  die  Aerzte  und  die 
Bäder  nützlichen  aufs  glücklichste  vereinigt.  Wir  wünschen  dem 
Unternehmen,  dass  es  noch  lange  auf  der  gleichen  Höhe  erhalten  wer¬ 
den  möge. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  22.-29.  Juni  wurden  23  neue  Er¬ 
krankungen  (und  18  Todesfälle)  gemeldet.  —  Britisch-Ostindien.  Vom 
9. — 15.  Juni  sind  in  der  Präsidentschaft  Bombay  628  Erkrankungen 
(und  464  Todesfälle)  an  der  Pest  festgestellt  worden.  In  Kalkutta 
starben  vom  26.  Mai  bis  1.  Juni  100  Personen  an  der  Pest.  In 
Moulmein  sind  vom  26.  Mai  bis  1.  Juni  44  Personen  an  der  Pest 
gestorben.  —  Japan.  In  Osaka  ist  die  Pest  neuerdings  erheblich 
stärker  aufgetreten;  von  Mitte  April  bis  Mitte  Mai  sind  dort  32  neue 
Erkrankungen  festgestellt  worden,  seit  Beginn  dieses  Jahres  im 
ganzen  57,  von  denen  55  tödlich  verlaufen  sind.  In  Kobe  ist  am 
3.  Mai  ein  neuer  Fall  vorgekommen.  Auch  aus  dem  Wakayamabezirk 
sind  wieder  3  Pestfälle  gemeldet  worden.  —  Britisch-Südafrika.  In 
King  Williams  Town  ist  in  der  Zeit  vom  26.  Mai  bis  1.  Juni  ein 
Pestfall  bei  einem  Angehörigen  der  Pestsanitätskolonne  vorge¬ 
kommen. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  23. — 29. 
Juni  sind  64  Erkrankungen  (und  29  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  26.  Jahreswoche,  vom  23.  bis  29.  Juni  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Rostock  mit  34,8,  die  geringste  Solingen  mit  7, 2. Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Ulm,  an  Masern  und  Röteln  in  Buer,  Linden, 
an  Diphtherie  und  Krupp  in  Bamberg,  Borbeck,  Hannover. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschul  nachrichte  n.) 

Berlin.  Den  Privatdozenten  in  der  Berliner  medizinischen  Fa¬ 
kultät,  Dr.  med.  Ludwig  Blumreich  (Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie)  und  Dr.  Josef  H  e  1  b  r  0  n  (Augenheilkunde),  Assistenzarzt 
bei  Geheimrat  v.  Michel  an  der  Klinik  und  Poliklinik  für  Augen¬ 
kranke,  wurde  der  Professortitel  verliehen.  Habilitiert:  Dr.  med. 
Georg  .1  ü  r  g  e  n  s,  Stabsarzt  und  Assistenzarzt  bei  Geheimrat  Kraus 
an  der  zweiten  medizinischen  Klinik,  mit  einer  Antrittsvorlesung  über 
Beziehungen  der  genuinen  Pneumonie  zur  Lungentuberkulose  als 
Privatdozent.  Der  Charakter  als  „Geheimer  Medizinalrat“  ist  dem 
a.  0.  Professor  für  Chirurgie  an  der  hiesigen  Universität  und  diri¬ 
gierenden  Arzt  der  chirurgischen  Abteilung  am  Augustahospital,  Dr. 
med.  Fedor  Krause,  verliehen  worden,  (hc.) 

Erlangen.  Professor  Dr.  Menge  hat  den  Ruf  nach  T  ii  - 
b  i  n  g  e  n  als  Nachfolger  Professor  Döderleins  nunmehr  definitiv 
a  b  g  e  1  e  h  11 1,  was  hier  allseitig  mit  grosser  Freude  begriisst  wird. 
—  Für  das  Studienjahr  1907/08  wurde  als  Prorektor  Professor 
Dr.  Gustav  Hauser  gewählt. 

Freiburg  i.  Br.  Dem  a.  0.  Professor  für  Chirurgie  an  der 
hiesigen  Universität,  Dr.  med.  Edwin  G  o  1  d  m  a  n  n,  Oberarzt  der 
chirurgischen  Abteilung  am  Diakonissenhause  daselbst,  wurde  ein 
Lehrauftrag  zur  Abhaltung  von  Vorlesungen  über  experimentelle  Chi¬ 
rurgie  und  dem  a.  0.  Professor  für  Chirurgie  daselbst,  Dr.  med.  Ale¬ 
xander  R  i  t  s  c  h  1,  Leiter  der  orthopädischen  Abteilung  an  der  chi¬ 
rurgischen  Klinik,  ein  Lehrauftrag  für  orthopädische  Chirurgie  er¬ 
teilt.  (hc.) 

Göttingen.  Zum  Prorektor  der  hiesigen  Universität  für  das 
Jahr  vom  1.  September  1907  bis  dahin  1908  wurde  der  Professor 
der  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten  und  Direktor  der  Universitäts¬ 
klinik  und  Poliklinik  für  psychische  und  Nervenkrankheiten,  Dr.  med. 
August  C  r  a  m  e  r  gewählt,  (hc.) 

Greifswald.  Der  Charakter  als  „Geheimer  Medizinalrat“ 
wurde  dem  ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
und  Direktor  der  Frauenklinik  an  der  Universität  Greifswald,  Dr.  med. 
August  Martin  verliehen,  (hc.) 

Heidelberg.  Dem  Direktor  der  medizinischen  Klinik,  Geh. 
Rat  K  r  eh  1,  wurde  das  Kommandeurkreuz  2.  Klasse  vom  Zähringer 
Löwenorden  verliehen.  —  Dr  med.  Hermann  Euler  hat  sich  in  der 
medizinischen  Fakultät  habilitiert  mit  einer  Probevorlesung  „Die  Ent¬ 
wicklung  der  konservierenden  Zahnheilkunde  in  Deutschland  während 
der  letzten  zwei  Jahrzehnte“. 

Marburg.  Professor  Dr.  med.  Paul  Friedrich,  Direktor 
der  chirurgischen  Klinik  in  Greifswald,  hat  einen  Ruf  in  gleicher 
Eigenschaft  an  die  hiesige  Universität  erhalten  und  angenommen, 
an  Stelle  von  Prof.  Dr.  H.  K  ü  1 1  n  e  r,  der  Garres  Lehrstuhl  in 
Breslau  übernommen  hat.  (hc.) 

München  Am  13.  Juni  habilitierte  sich  für  vChirurgie  Dr. 
Rudolf  G  r  a  s  h  ey,  Assistent  am  chirurgisch-klinischen  Institut,  mit 
einer  Probevorlesung  über  die  chirurgische  Bedeutung  der  Fremd¬ 
körper.  Die  Habilitationsschrift  behandelt  die  Untersuchung  von 
Frakturen  mit  Röntgenstrahlen. 

Tübingen.  Privatdozent  Dr.  B  a  i  s,c  h,  I.  Assistenzarzt  der 
Universitäts-Frauenklinik  wird  mit  Prof.  Dr.  Dö  der  lein  nach 
München  übersiedeln.  —  Professor  M  e  n  g  e  -  Erlangen  hat  den  Ruf 
hieher  abgelehnt.  An  dritter  Stelle  ist  Professor  Franz- Jena 
vorgeschlagen. 

Florenz.  Dr.  A.  C  e  v  i  d  a  1 1  i,  Privatdozent  an  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  zu  Modena,  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
gerichtliche  Medizin. 

Kasan.  Der  Privatdozent  an  der  militärmedizinischen  Aka¬ 
demie  zu  St.  Petersburg,  Dr.  Orlowsky,  wurde  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  der  medizinischen  Diagnostik  ernannt. 


MUENCHENEft  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mo.  20. 


1404 


Kopenhagen.  Habilitiert:  Dr.  med.  C.  F.  Jäcobsen 
(Habilitationsschrift:  Untersuchungen  über  den  Typhusbazillus). 

Montreal.  DDr.  F.  Q.  F  i  n  1  e  y,  H.  A.  L  a  f  1  e  u  r  und  L.  F. 
Martin  wurden  zu  Professoren  der  Medizin  an  der  Mc.  Gill  Uni- 
versity  ernannt. 

Moskau.  Privatdozent  Dr.  Go  lu  bin  in  wurde  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  der  Therapeutik  ernannt.  . 

Odessa.  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  J.  Kiya- 
n  i  t  z  y  n  e  in  Charkow  wurde  zum  ordentlichen  Professor  der  Hy¬ 
giene  ernannt. 

Palermo.  Dr.  V.  S  c  a  f  f  i  d  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  Histologie. 

St.  Petersburg.  Der  Privatdozent  an  der  mditärmedr- 
zinischen  Akademie,  Dr.  H.  T  s  e  i  d  1  e  r  wurde  zum  ausserordentlichen 
Professor  der  Chirurgie  am  medizinischen  Institut  für  Frauen  er¬ 
nannt. 

Philadelphia.  Dr.  J.  H.  G  i  b  b  o  n  wurde  zum  Profe.ssor  der 
Chirurgie  am  Jefferson  Medical  College  ernannt. 

Prag.  Der  mit  dem  Titel  eines  ausserordentlichen  Universitäts¬ 
professors  bekleidete  Privatdozent  in  Wien  und  Prosektor  am  Kaiser- 
Franz- Josefs-Spital  daselbst,  Dr.  Richard  K  r  e  t  z,  wurde  zum  ordent¬ 
lichen  Professor  der  pathologischen  Anatomie  an  der  deutschen 
Universität  in  Prag  ernannt.  Damit  ist  die  nach  Abgang  Professor 
C  h  i  a  r  i  s  vakante  Stelle  besetzt. 

Wien.  Der  Kaiser  hat  das  Protektorat  über  die  6.  internatio¬ 
nale  Tuberkulosekonferenz  übernommen,  die  unter  dem  Präsidium 
des  Ministers  Bourgeois  vom  19.  bis  21.  September  d.  J.  in 
Wien  tagen  wird.  Das  Organisationskomitee  für  diese  Konferenz 
besteht  unter  dem  Ehrenpräsidium  des  Grafen  Heinrich  La  risch 
aus  den  Hofräten  Prof.  Dr.  Leopold  v.  Schrötter  und  Obersani¬ 
tätsrat  Prof.  Dr.  Anton  Weichselbaum.  Dr.  L.  W  i  c  k  habilitierte 
sich  als  Privatdozent  für  Balneologie  und  Klimatologie. 

(Todesfälle.) 

Prof.  Dr.  med.  Edmund  Hansen  G  r  u  t,  76  Jahre  alt.  G  r  u  t 
war  Professor  der  Ophthalmologie  an  der  Universität  Kopenhagen 
1888—1896. 

Dr.  H.  H  o  y  e  r,  früher  Professor  der  Physiologie  und  Histologie 
an  der  medizinischen  Fakultät  zu  Warschau. 

Sir  W.  T.  Gairdner,  früher  Professor  der  Medizin  an  der 
Universität  Glasgow. 

Berichtigung.  In  dem  Referat  über  die  Badener  Neu¬ 
rologenversammlung  in  No.  28  vom  9.  ds.  Mts.  ist  wiederholt  irr¬ 
tümlich  Becker-Heidelberg  statt  Becker-Baden  de- 
schrieben. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Militärsanitätswesen. 

Abschied  bewilligt:  dem  Oberstabsarzt  Dr.  Fleisch- 
mann,  Regimentsarzt  im  3.  Inf.-Reg.,  mit  der  gesetzlichen  Pension 
und  mit  der  Erlaubnis  zum  Forttragen  der  Uniform  mit  den  für 
Verabschiedete  vorgeschriebenen  Abzeichen. 

Ernannt:  zum  Regimentsarzt  im  8.  Inf.-Reg.  der  Stabsarzt 
Dr.  Rothenaicher,  Bataillonsarzt  im  16.  Inf.-Reg.  unter  Be¬ 
förderung  zum  Oberstabsarzt,  zum  Bataillonsarzt  im  Inf.-Leib-Reg. 
der  Oberarzt  Dr.  Mann  bei  der  Inspektion  der  Militärbildungs¬ 
anstalten  unter  Beförderung  zum  Stabsarzt  (überzählig),  zum  Ba¬ 
taillonsarzt  im  11.  Inf.-Reg.  der  Stabsarzt  Dr.  Renner  dieses  Re¬ 
giments. 

Versetzt:  der  Oberstabsarzt  und  Regimentsarzt  Dr.  Be¬ 
da  1 1  vom  8.  Inf.-Reg.  zum  3.  Inf.-Reg.,  die  Oberärzte  Dr.  Maxi¬ 
milian  Hohe  von  der  Reserve  (Kaiserslautern)  in  den  Friedensstand 
des  20.  Inf.-Reg.  mit  Patent  vom  23.  Juni  ds.  Js.  und  überzählig, 
Dr.  Miller  vom  20.  Inf.-Reg.  zum  7.  Feld.-Art.-Reg.  und  Dr.  May 
vom  7.  Feld-Art.-Reg.  zur  Inspektion  der  Militärbildungsanstalten. 

Auszeichnung:  dem  Oberstabsarzt  a.  D.  Dr.  Fleisch- 
m  a  n  n,  bisher  Regimentsarzt  im  3.  Inf.-Reg.,  wurde  der  Militär¬ 
verdienstorden  4.  Klasse  mit  der  Krone  verliehen. 


Korrespondenz. 

An  die  bayerischen  Aerztekanimern! 

In  unserem  Anschreiben  an  die  bayerischen  Aerztekammern  betr. 
Ausbau  unserer  wirtschaftlichen  Organisation  haben  wir  für  die 
verschiedenen  Vertragskommissionen  Direktiven  skizziert, 
die  von  den  Kammern  und  Bezirksvereinen  besprochen  werden 
sollten.  Das  Anschreiben  kam  auch  zur  Kenntnis  des  Geschäfts¬ 
ausschusses  des  deutschen  Aerztevereinsbundes  und  man  hat  dort 
Einzelnes  aus  den  aufgestellten  Sätzen  nicht  in  vollem  Einklang  mit 
den  Direktiven  des  Aerztebundes  gefunden. 

So  steht  auf  Seite  4  des  Zirkulars,  14  Zeilen  von  unten,  „freie 
Arztwahl  kann  nur  erzwungen  werden  bei  voller  Zustimmung  aller 
beteiligten  Aerzte“.  Der  Wortlaut  der  Direktiven  des  Bundes  ver¬ 
langt  nur  „Einigkeit  der  Aerzte“. 


Etwas  weiter  unten  steht  der  Satz:  „Allmähliche  Einführung 
der  freien  Arztwahl  durch  Sperre  frei  werdender  Stellen  ist  nur 
durchführbar,  wo  kleinere  Kassen  in  den  Händen  einzelner  Aerzte 
sind“. 

Wir  halten  die  anders  lautende  Direktive  des  Bundes  nicht  in 
allen  Fällen  für  durchführbar  und  wollten  diese  unsere  Ansicht  zur 
Diskussion  stellen. 

Um  aber  auch  den  Schein  zu  vermeiden,  als  ob  wir  uns  in  einen 
Gegensatz  zu  den  Bestrebungen  des  Aerztevereinsbundes  und  seiner 
Organisationen  stellen  wollten,  und  da  wir  uns  überzeugen  Hessen, 
dass  es  inopportun  ist,  im  gegenwärtigen  Moment  an  dem  Wortlaut 
der  Bundesdirektiven  zu  rühren,  so  bitten  wir,  in  unseren  Vor¬ 
schlägen  die  beiden  angegebenen  Sätze  zu  streichen. 

Der  geschäftsführende  Ausschuss  der  Aerzte¬ 
kammern. 

Dr.  W.  Mayer.  Dr.  W.  Beckh.  Dr.  L.  Schuh. 

Niirnberg-Fürth  im  Juli  1907. 


Zur  Frage  der  angeborenen  Funktionsdefekte  im  Gebiete  der  moto¬ 
rischen  Hirnnerven. 

„In  einer  Note  (Münch,  med.  Wochenschr.  No.  27,  1907)  be¬ 
anstandet  H  e  u  b  n  e  r  eine  kritische  Bemerkung,  die  in  einer  Fuss- 
note  zu  meiner  Arbeit  „Zur  Frage  der  angeborenen  Funktionsdefekte 
im  Gebiete  der  motorischen  Hirnnerven“  (diese  Wochenschr.  No.  25) 
enthalten  ist.  Ich  habe  mich  hier  dagegen  ausgesprochen,  dass  bei 
Fehlen  der  Kernanlage  von  einer  Kernschädigung  gesprochen  wer¬ 
den  könne.  In  seiner  Gegenbemerkung  hält  es  H  e  u  b  n  e  r  für  „klar, 
dass  ein  Nervenkern  durch  den  irgendwie  bedingten  Ausfall  des  gröss¬ 
ten  Teils  seiner  Zellen  geschädigt  ist.“  Demgegenüber  muss  ich  doch 
bemerken,  dass  ein  nicht  angelegter,  also  nie  vorhanden  gewesener 
Kern  durch  nichts  Schaden  nehmen  kann,  und  dass  ein  von  Anbeginn 
zellärmer  angelegter  Nervenkern  nur  als  solcher,  als  unterentwickelt 
gelten  muss,  nicht  aber  als  schwer  geschädigt  angesprochen  wer¬ 
den  kann.  Das  mag  manchem  als  Wortklauberei  erscheinen,  ist  es 
aber  nicht,  denn  um  Kernagenesie  (Kunn)  oder  Kernschwund 
(M  o  e  b  i  u  s),  zwei  prinzipiell  verschiedene  Anschauungen  handelt 
es  sich. 

Die  summarische  Verweisung  betr.  Quellenangaben  auf  grosse 
Arbeiten,  die  alle  vorher  erschienenen  einschlägigen  Arbeiten  auf¬ 
zählen,  und  die  Beschränkung  auf  die  genaue  Anführung  der  dort 
nicht  zitierten  oder  seither  publizierten  Arbeiten  kann  ich  und  mit 
mir  wohl  jeder  Unbefangene  nicht  ungehörig  finden. 

Wien,  5.  Juli  1907.  Rudolf  Neurath. 


Zur  Berichtigung. 

Herr  Dr.  R  e  i  n  a  c  h  ersucht  uns  um  Aufnahme  der  nachstehen¬ 
den  Zuschrift. 

„Die  Firma  IStestle  &  Co.  versendet  einen  Artikel  von  Dr. 
Kühner  „Zur  Säuglingssterblichkeit  etc.“,  in  welchem  in  einer 
Fussnote  —  durch  irrtümliche  Rubrizierung  —  eine  Stelle  meiner 
Abhandlung  aus  B  i  e  d  e  r  t  s  „Kind“  über  Minimalnahrung  und  nötiges 
individuelles  Vorgehen  bei  Ernährungsstörungen  zur  Bekräftigung 
einer  angeführten  Ernährungstabelle  (mit  Nestlemehl)  zitiert  wird. 

Um  Missverständnisse  zu  vermeiden,  möchte  ich  konstatieren, 
dass  in  meiner  obigen  Arbeit  weder  etwas  für  noch  etwas 
gegen  den  Gebrauch  von  „Nestlemehl“  geschrieben  steht,  über¬ 
haupt  das  Wort  „Nestlemehl“  nicht  erwähnt  is  t.“ 

Dr.  O.  R  e  i  n  a  c  h  -  München. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  26.  Jahreswoche  vom  23.  bis  29.  Juni  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  22  (13*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  6  (5),  Kindbettfieber  —  (1),  and.  Folgen  der 
Geburt  —(2),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  8  (8),  Diphth.  u. 
Krupp  2  (5),  Keuchhusten  3  (— ),  Typhus  —  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  ( — ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  2  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  23  (29),  Tuberkul.  and. 
Org.  4  (3),  Miliartuberkul.  —  (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  9  (13), 
Influenza  2  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  3  (2),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  3  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  3  (2),  organ.  Herzleid.  14  (9), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  9  (6),  Gehirnschlag 
8  (11),  Geisteskrankh.  1  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  5  (1),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  4  (5),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  37  (27),  Krankh.  d.  Leber  3  (5),  Krankh.  des 
Bauchfells  —  (— ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (7),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  13  (9), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  3  (9),  Selbstmord  —  (1),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  3  (6),  alle  übrig.  Krankh.  4  (3). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  197  (192).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,7  (18,2),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,9  (13,0). 


der  Vorwoche. 


)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle 

Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  -  Druck  von  £.  Mühlthalers  Buch-  und  KunstünTckerei  A.Q.,  München. 


tHe  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6 — 7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  »0  q.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
Jn,  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnuif- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  87»— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Minier,  0.  v.  Bollinger,  fl.  CurschmanD,  fl.  Helferich,  #U  Leute,  6.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.  Fenzoldt,  H.<  tanke,  B.  Spatz,  F.rJinckel, 


München.  Freiburg  i.  B.  ,  München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  Müi.,  hen.  München.  München. 


No.  30.  23.  Juli  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Erlangen. 

Zur  Indikationsstellung  bei  den  beckenerweiternden 

Operationen.*) 

Von  Professor  Dr.  Menge. 

Nachdem  die  operative  Beckenerweiterung,  speziell  die 
Hebosteotomie,  sich  eine  dauernde  Position  in  der 
Therapie  des  engen  Beckens  errungen  hat,  ist  es  an  der  Zeit, 
die  noch  heftig  umstrittene  und  scheinbar  etwas  kompliziert 
liegende  Frage  von  ihrer  Indikationsstellung  einer  Lösung  ent¬ 
gegenzuführen. 

Zweifel  und  Doederlein,  welche  auf  dem  Kongress 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  in  Dresden  ein¬ 
gehende  Referate  über  die  Technik  und  die  Erfolge  der 
operativen  Beckenerweiterung  erstattet  haben,  behandelten  in 
ihren  Ausführungen  die  A  n  z  e  i  g  e  s  t  e  1 1  u  n  g  mit  grosser 
Zurückhaltung  und  Vorsicht.  Sie  motivierten  diese  Reserve 
damit,  dass  eine  genauere  Formulierung  der  Beckenerweite¬ 
rungsindikationen  erst  von  einer  auf  die  erzielten  Resultate  sich 
stützenden  Aussprache  der  Kongressteilnehmer  zu  erwarten  sei. 

Ich  meine,  es  müsste  gelingen,  die  Grenzen  der  operativen 
Beckenerweiterung  den  bisherigen  Behandlungsmethoden  beim 
engen  Becken  gegenüber  präzis  zu  bestimmen  und  damit  mo¬ 
derne  Grundsätze  für  die  ganze  Therapie  bei  den  vulgären 
Formen  des  engen  Beckens  aufzustellen,  wenn  man  auf  die¬ 
jenigen  Beobachtungstatsachen  zurückgreift,  die  ich  im  fol¬ 
genden  kurz  berühren  will. 

Die  erste  Tatsache,  die  wir  als  Unterlage  zu  berück¬ 
sichtigen  haben,  ist  die  altbekannte,  dass  bei  engen  Becken  mit 
einem  Konjugatamasse  von  5,5  cm  und  weniger  auch  das 
kraniotomierte  Kind  nicht  mehr  durch  das  Becken 
hindurchgeht. 

Aus  diesem  ersten  Vordersatz  ergeben  sich  zwei  thera¬ 
peutische  Konsequenzen,  die  auch  bisher  schon  gültig  waren, 
nämlich: 

1.  Bei  engen  Becken  mit  einem  Konjugatamasse  von 

5.5  cm  und  weniger  kommt  bei  ausgetragenen  lebenden 
und  toten  Kindern  von  mittlerer  Grösse  nur  die 
Sectio  caesarea  abdominalis  in  ihren  verschie¬ 
denen  Modifikationen  in  Betracht.  (Klassischer  Kaiserschnitt, 
Frank  sehe  Modifikation  des  konservativen  Kaiserschnittes, 
Porrooperation.) 

2.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass  5,5  cm 
übersteigt,  kommt  bei  totem  Kinde  nur  die  K  r  a  n  i  o  - 
t  o  m  i  e  in  Betracht. 

Der  zweite  Vordersatz,  mit  dem  wir  zu  rechnen  haben, 
lautet: 

Beckenerweiternde  Operationen  können  bei 
mittelgrossem  Kinde  nur  dann  günstige  Erfolge  für  Mutter  und 
Kind  bringen,  wenn  die  Konjugata  vera  nicht  kürzer  ist  als 

6.5  cm. 

Die  hieraus  abzuleitende  therapeutische  Konsequenz  heisst: 

3.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass  zwischen 

5.5  und  6,5  cm  schwankt,  kommt  bei  lebendem,  mittelgrossem 


*)  Nach  einem  auf  dem  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Gynäkologie  in  Dresden  gehaltenen  Vortrag. 

No.  30. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Kinde  nach  wie  vor  nur  der  abdominale  Kaiser¬ 
schnitt  aus  relativer  Indikation  in  seinen  verschiedenen 
Modifikationen  in  Betracht. 

Die  dritte  Prämisse  lautet: 

Die  Erfolge  der  operativen  Beckenerweiterung,  speziell 
der  Hebosteotomie,  die  ich  bei  den  folgenden  Erörterungen  in 
erster  Linie  im  Auge  behalte,  gestalten  sich  für  Mutter  und  Kind 
besonders  günstig,  wenn  man  nach  der  Beckenerweiterung  den 
Spontanaustritt  der  Frucht  abwarten  kann.  Je  mehr  sich 
die  verkürzte  Konjugata  dem  Masse  von  6,5  cm  nähert,  um  so 
folgenschwerer  gestaltet  sich  die  an  die  Beckenerwei¬ 
terung  angeschlossene  künstliche  Entwickelung  der 
Frucht. 

Die  aus  diesen  Vordersätzen  abzuleitenden  therapeutischen 
Folgerungen  lauten: 

4.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass  zwischen 

6.5  und  7,5  cm  schwankt,  früher  bei  lebendem  Kinde  ausschliess¬ 
lich  das  Feld  des  Kaiserschnittes  aus  relativer  Indikation,  ist 
die  Hebosteotomie  nur  dann  zu  machen,  wenn  der 
operativen  Beckenerweiterung  ein  glücklicher  Spontanaustritt 
der  Frucht  folgen  kann.  Das  ist  nur  bei  K  o  p  f  1  a  g  e  n  der  Fall. 

Der  Kaiserschnitt  aus  relativer  Indikation  bleibt 
bei  diesem  Grade  der  Beckenverengerung  als  therapeutisches 
Verfahren  in  Geltung  a)  bei  Schieflagen  und  Beckenendlagen, 
b)  auch  bei  Kopflagen,  wenn  im  Interesse  der  Mutter  oder  des 
Kindes  rasch  entbunden  werden  muss,  oder,  wenn  die  Nabel¬ 
schnur  oder  kleine  Teile  neben  dem  Kopfe  vorgefallen  sind, 
und  deren  Reposition  nicht  gelingt  oder  aussichtslos  erscheint. 

Der  vierte  Vordersatz,  an  den  wir  uns  halten  müssen, 
heisst:  Für  Mutter  und  Kind  völlig  glücklich  verlaufende 
Spontangeburten  kommen  beim  engen  Becken  in  der 
Regel  nur  vor,  wenn  die  Conjugata  vera  nicht  kürzer  ist  als 

7.5  cm,  und  wenn  die  ausgetragene  mittelgrosse  Frucht  sich  in 
Kopflage  befindet. 

Aus  diesem  Satze  können  wir  folgende  therapeutische 
Konsequenz  ableiten: 

5.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass  zwischen 

6.5  und  7,5  cm  schwankt,  kann  man  (bei  Kopflagen)  die  Hebo¬ 
steotomie  schon  zur  Ausführung  bringen,  bevor  die  An¬ 
passungsfähigkeit  des  Kopfes  erprobt  ist,  also 
auch  schon  vor  dem  Blasensprunge;  denn  auf  eine  glückliche 
Spontangeburt  ist  nicht  zu  rechnen. 

Doch  ist  es  wünschenswert  bei  stehender  Fruchtblase 
den  Eingriff  bis  zur  völligen  Erweiterung  des  Muttermundes 
hinauszuschieben. 

Bei  gesprungener  Blase  hebosteotomiert  man  da¬ 
gegen  möglichst  früh,  da  nur  der  tiefertretende  Kopf  die  Frucht¬ 
blase  ersetzen  kann,  und  beim  Einlegen  des  Metreurynters  der 
Kopf  leicht  zum  Abweichen  gebracht  wird. 

Die  fünfte  Prämisse  lautet: 

Bei  konservativer  Geburtsleitung  kommen  bei  engen 
Becken,  deren  Konjugata  das  Mass  von  7,5  cm  und  mehr  er¬ 
reicht,  ca.  80  Proz.  der  ausgetragenen  Kinder  spontan  und 
lebend  zur  Welt,  ohne  die  Muter  zu  schädigen.  Bei  diesem 
Grade  der  Beckenverengerung  lässt  sich  niemals  auf  Grund 
eines  früheren  Geburtsverlaufes  mit  Sicherheit  Voraussagen, 
ob  eine  Spontangeburt  eintreten  wird  oder  nicht,  da  ausser  der 
Beckengrösse  alle  den  Durchtritt  der  Frucht  beeinflussenden 
Faktoren  von  Fall  zu  Fall  variieren  können,  und  mtra 

1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


partum  eine  genaue  Bestimmung  der  Fruchtgrösse  und  der 
Konfigurabilität  des  kindlichen  Kopfes  unmöglich  ist. 

Die  therapeutischen  Konsequenzen  dieser  Vordersätze 
sind  folgende: 

6.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugata  das  Mass  von 
7,5  cm  und  mehr  erreicht  (früher  vielfach  das  Feld  der  künst¬ 
lichen  Frühgeburt,  der  prophylaktischen  Wendung  und  der 
hohen  Zange)  ist  immer  die  Spontangeburt  eines 
ausgetragenen  Kindes  anzustreben.  Stellt  sich 
im  Verlaufe  der  Geburt  die  Anpassungsunmöglichkeit  des 
Kopfes  heraus,  - —  ein  Urteil  darüber  ist  erst  möglich,  wenn  der 
Uterus  auch  nach  dem  Blasensprunge  längere  Zeit  kräftig  auf 
den  Kopf  eingewirkt  hat,  wenn  also  der  Zeitpunkt  für  die  Wen¬ 
dung  längst  verflossen  ist,  —  so  ist  bei  lebendem  Kinde  die 
Hebosteotomie  indiziert. 

Als  sechsten  Vordersatz  haben  wir  zu  beachten : 

Die  Einpressung  des  nachfolgend  en  Kopfes  eines 
ausgetragenen  mittelgrossen  Kindes  in  ein  enges  Becken  ist  mit 
günstigem  Erfolge  für  Mutter  und  Kind  in  der  Regel  nur  dann  zu 
erreichen,  wenn  die  Conjugata  vera  nicht  kürzer  ist  als  8,0  cm. 

Die  therapeutischen  Konsequenzen  dieses  Satzes  lauten: 

7.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass  zwischen 
7,8  und  8,0  cm  schwankt,  ist  die  Hebosteotomie  einer  even¬ 
tuellen  Wendung  und  Extraktion  am  Beckenende  vorauszu¬ 
schicken,  a)  wenn  das  Kind  in  Schieflage  liegt  und  die 
Wendung  auf  den  Kopf  nicht  möglich  ist,  b)  wenn  neben  dem 
vorliegenden  Kopf  Nabelschnur  oder  kleine  Teile  vorgefallen 
sind  und  deren  Reposition  nicht  gelingt  oder  aussichtslos  er¬ 
scheint,  und  c)  wenn  die  Frucht  in  Beckenendlage  liegt. 

Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass  8,0  cm  iiber- 
trifft,  wird  unter  den  gleichen  Verhältnissen  der  nachfolgende, 
Kopf  ohne  vorausgeschickte  Beckenerweiterung  impdmiert. 

Der  letzte  und  siebente  Vordersatz  lautet: 

Die  Hebosteotomie  ist  an  sich  eine  rein  vorbe¬ 
reitende  Operation. 

Die  daraus  abzuleitende  therapeutische  Schlussfolgerung 
heisst: 

8.  An  die  Hebosteotomie  ist  nur  dann  eine  entbindende 
Operation  anzuschliessen,  wenn  Mutter  oder  Kind  oder  beide 
sich  in  Lebensgefahr  befinden  und  nach  der  Beckenerweiterung 
in  Lebensgefahr  bleiben. 

Zu  diesen  Leitsätzen  möchte  ich  noch  einige  Erläuterungen 
hinzufügen. 

Z  u  S  a  t  z  4.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugatamass 
zwischen  6,5  und  7,5  cm  schwankt,  spielt  der  Kaiser¬ 
schnitt  aus  relativer  Indikation  noch  eine  grosse  Rolle.  Der 
Mutter  werden  bei  diesem  Grade  der  Beckenverengung  oft 
durch  die  der  operativen  Beckenerweiterung  nachgeschickten 
künstlichen  Fruchtentwicklungen  gefährliche  Weichteilver¬ 
letzungen  zugefügt.  Das  Kind  wird  durch  eine  bei  Schieflage 
und  bei  Vorfall  der  Nabelschnur  oder  kleiner  Teile  auszu¬ 
führende  Wendung  und  Extraktion  am  Beckenende  oder  auch 
durch  eine  bei  Beckenendlage  nötig  gewordene  künstliche  Ent¬ 
wicklung  immer  schwer  gefährdet.  Auch  das  von  vornherein 
schon  in  Lebensgefahr  befindliche  Kind  kann  viel  sicherer  durch 
die  abdominelle  Sectio  caesarea  gerettet  werden,  wie  durch  die 
Hebosteotomie.  Daher  die  Einschränkung  der  Beckenspaltung 
bei  diesem  Grade  der  Beckenverengerung  auf  ein  fest  be¬ 
stimmtes  Gebiet. 

Zu  Satz  5.  Bei  den  engen  Becken,  deren  Konjugata¬ 
mass  zwischen  5,5  und  6,5  cm  schwankt,  ist  bei  lebendem,  aus¬ 
getragenem  Kinde  die  relative  Indikation  zum  Kaiserschnitt 
von  vornherein  durch  den  Grad  der  Becken¬ 
verengung  allein  fest  gegeben,  weil  bei  absoluter 
Unmöglichkeit  einer  Spontangeburt  kein  anderes  Entbindungs¬ 
verfahren  existiert,  durch  welches  Mutter  und  Kind  gerettet 
werden  kann.  In  gleicher  Weise  ist  bei  den  engen  Becken,  deren 
Konjugatamass  zwischen  6,5  und  7,5  cm  schwankt,  bei  Kopf¬ 
lagen  die  Anzeige  zur  Hebosteötomie  durch  den  Grad  der 
Becken  Verengung  allein  von  vornherein  fest 
gegeben,  weil  bei  Unmöglichkeit  einer  glücklichen  Spontan¬ 
geburt  die  operative  Beckenerweiterung,  wenn  auch  nicht  den 
einzigen,  so  doch  den  für  die  Mutter  schonendsten  Eingriff  dar¬ 
stellt,  durch  den  die  Geburt  eines  lebenden  ausgetragenen 
Kindes  herbeigeführt  werden  kann.  Natürlich  darf  man  bei 


solcher  Sachlage  nicht  von  einer  absoluten  Indikation 
zur  Hebosteotomie  sprechen.  Denn  es  besteht  auch  die  Mög¬ 
lichkeit  unter  Erhaltung  des  mütterlichen  Lebens  die  Frucht 
durch  den  Kaiserschnitt  lebend  zur  Welt  zu  bringen  oder  das 
kraniotomierte  Kind  per  vias  naturales  zu  entwickeln. 

Aber  die  Tatsache,  dass  bei  der  Unmöglichkeit  einer  glück¬ 
lichen  Spontangeburt  die  Hebosteotomie  den  Interessen  der 
Mutter  u  n  d  des  Kindes  mehr  dient  wie  der  Kaiserschnitt, 
stempelt  die  operative  Beckenerweiterung  für  Kopflagen  bei 
dem  angegebenen  Grade  der  Beckenverengung  zur  Ope¬ 
ration  der  Wahl.  Daher  die  a  priori  feststehende  Indi¬ 
kation,  und  daher  die  Erlaubnis,  ebenso  wie  die  Sektio  aus 
absoluter  und  relativer  Indikation,  auch  die  Hebosteotomie 
schon  frühzeitig  eventuell  bei  noch  stehender  Fruchtblase  aus¬ 
zuführen. 

Ganz  anders  liegt  die  Sache  bei  den  engen  Becken,  deren 
Konjugatamass  7K>  cm  oder  mehr  beträgt.  Bei  diesen  ist  die 
Indikation,  angesichts  der  Möglichkeit  einer  glücklichen  Spon¬ 
tangeburt,  niemals  von  vornherein  gegeben.  Sie  ent¬ 
wickelt  sich  vielmehr  erst  im  Verlaufe  der  Geburt. 

Zu  Satz  7.  Dass  der  nachfolgende  Kopf  bei  einer 
Verkürzung  der  Conjugata  vera  auf  ein  kleineres  Mass  wie 
8,0  cm  vielfach  überhaupt  nicht,  oft  auch  nur  unter  Anwendung 
grosser  Druck-  und  Zuggewalt  und  mit  deletärer  Wirkung  für 
das  Kind  durch  das  Becken  hindurchgeleitet  werden  kann, 
während  die  Naturkraft  den  vorangehenden  Kopf  unter 
den  gleichen  Raumverhältnissen  ohne  Schädigung  des  Kindes 
und  der  Mutter  zu  entwickeln  vermag,  ist  nicht  verwunderlich. 
Die  künstliche  Impression  des  nachfolgenden  Kopfes 
verlangt  eine  nicht  unbedeutende  plötzliche  Formver¬ 
änderung  des  Schädels,  während  der  vorangehende  Kopf  in 
günstiger  Haltung  ganz  allmählich  den  Raumverhältnissen  an¬ 
gepasst  wird. 

Dieser  Differenz  muss  meiner  Auffassung  nach  in  der 
Therapie  Rechnung  getragen  werden.  Das  geschieht  am  besten 
dadurch,  dass  man  die  Indikation  zur  Hebosteotomie  dann 
wieder  als  von  vornherein  gegeben  ansieht,  wenn  der 
nachfolgende  Kopf  durch  ein  enges  Becken  hindurch¬ 
geleitet  werden  muss,  dessen  Conjugata  vera  kürzer  ist  als 
8,0  cm. 

Man  könnte  bei  dieser  Sachlage  an  die  von  Doederlein 
vorgeschlagene  und  bereits  mehrfach  zur  Ausführung  gebrachte 
prophylaktische  Umlegung  der  Säge  um  das 
Schambein  denken,  die  es  gestattet,  die  eigentliche  Knochen- 
durchsägung  erst  dann  vorzunehmen,  wenn  der  Versuch,  den 
nachfolgenden  Kopf  zu  imprimieren,  missglückt,  von  der 
Schambeindurchsägung  aber  abzusehen,  wenn  die  Impression 
gelungen  ist.  Diesen  Vorschlag  kann  ich  ebensowenig  billigen, 
wie  die  Empfehlung,  prinzipiell  der  operativen  Beckener¬ 
weiterung  einen  Versuch  mit  der  hohen  Zange  voraus¬ 
zuschicken.  Durch  beide  Probemanipulationen  werden  die 
Chancen  des  Kindes  wesentlich  verschlechtert. 

Zu  Satz  8.  Fast  alle  künstlichen  Fruchtent¬ 
wicklungen,  die  bei  Kopflagen  nach  der  Hebosteotomie 
nötig  werden,  lassen  sich  unter  Umgehung  der  hohen  Zange 
und  der  Wendung  durch  die  manuelle  Impression  des 
Kopfes  in  das  erweiterte  Becken  und  weiterhin  durch  eine  von 
der  Scheide  aus  vorgenommene  manuelle  Drehung  des 
zunächst  seitlich  stehenden  Hinterhauptes  nach  vorn  und 
schliesslich  durch  die  m  a  n  u  e  1 1  e  U  m  h  e  b  e  1  u  n  g  des  Kopfes 
um  die  Symphyse  vom  Rektum  aus  rasch  und  sicher  durch¬ 
führen.  Natürlich  gelingt  das  alles  viel  leichter  bei  Mehr¬ 
gebärenden,  wie  bei  Erstgebärenden.  Jedenfalls  ist  die  Im¬ 
pression,  die  manuelle  Korrektur  der  Kopfstellung  und  auch  die 
schliessliche  Entwicklung  des  gerade  gestellten  Kopfes  vorn 
Rektum  aus  im  Hinblick  auf  die  ihrer  knöchernen  Stütze  be¬ 
raubte  Weichteilbrücke  allen  Manipulationen  mit  der  Zange 
vorzuziehen  und  deshalb  gegebenen  Falles  zu  versuchen.  Bei 
Erstgebärenden  erleichtert  man  sich  die  Kopfentwicklung  durch 
eine  tiefe  Scheidendamminzision. 

Sollte,  was  nur  selten  vorkommt,  eine  Entbindungsindi¬ 
kation  auftreten,  bevor  man  die  Anpassungsfähigkeit  des 
Kopfes  bei  einem  Becken  mit  dem  Konjugatamasse  über  7,5  cm 
erprobt  hat,  so  kann  man  nach  eventueller  Blasensprengung 
einen  Impressionsversuch  nach  Hofmeier  am  vorangehen- 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


147 


den  Kopfe  vornehmen.  Missglückt  der  Impressionsversuch,  so 
ist  die  Hebosteotomie  und  eine  entbindende  Operation  sofort 
anzuschliessen. 

Wie  ich  bereits  erwähnte,  halte  ich  es  für  verfehlt,  der 
operativen  Beckenerweiterung  bei  dieser  Sachlage  einen 
„h  ohen  Zangenversuc  h“  vorauszuschicken,  da  die 
Chancen  des  Kindes  dadurch  erfahrungsgeinäss  stark  ge¬ 
mindert  werden. 

Auch  wepn  man  die  Hebosteotomie  als  eine  rein  vor¬ 
bereitende  Operation  betrachtet,  wird  man  in  praxi  die 
Indikation  zur  Beckenerweiterung  vielfach  mit  der  Indikation 
zur  Entbindung  zusammenfallen  sehen,  da  man  naturgemäss 
möglichst  lange  auf  die  Konfiguration  des  kindlichen  Kopfes 
wartet. 

Bei  den  13  F  ä  1 1  e  n  von  Hebosteotomie,  die  bisher  in  der 
Erlanger  Klinik  vorkamen,  und  die  alle  für  Mutter  und 
Kind  glücklich  verliefen,  fiel  8  mal  die  Indikation  zur  Becken¬ 
erweiterung  mit  der  Indikation  zur  Entbindung  zusammen. 
5  mal  war  das  Kind,  und  3  mal  war  die  Mutter  in  Lebensgefahr. 
Trotzdem  konnte  bei  allen  diesen  Fällen,  wie  auch  bei  4 
weiteren,  im  ganzen  also  bei  12  v  o  n  13  Fällen  nach 
der  Beckenerweiterung  der  Spontan  au  st  ritt 
des  Kindes  abgewartet  werden,  weil  bei  den  ein¬ 
schlägigen  8  Fällen  die  Enbindungsindikation  nach  kurzer  Zeit 
wieder  verschwunden  war.  Die  Ausschaltung  der  bei  diesen 
Fällen  vorhanden  gewesenen  Entbindungsanzeige  ist  ein  be¬ 
sonders  interessanter,  bisher  in  der  Literatur  noch  nicht  er¬ 
wähnter  Nutzeffekt  der  Hebosteotomie.  3  mal  verschwanden 
beim  Tiefertreten  des  Kopfes  infolge  derQewebsentspannung  be¬ 
drohliche  Uterusaus  ziehungserschein  ungen,  und 
5 mal  regelte  sich  die  gestörte  Herztätigkeit  des 
Kindes,  obwohl  gleichzeitig  schon  reichlicher  Mekoniumabgang 
vorhanden  war.  Der  Kopf  des  Kindes  wird  offenbar  durch  die 
Beckenerweiterung  von  einem  deletär  wirkenden  Drucke  be¬ 
freit. 

Nur  in  einem  Falle  wurde  bei  einer  35  jährigen  Erst¬ 
gebärenden  mit  einem  Konjugatamasse  von  7,5  cm  nach  Ein¬ 
tritt  des  Kopfes  in  das  erweiterte  Becken  wegen  Stillstandes 
der  Geburt  der  kindliche,  in  tiefer  Querstellung  befindliche  Kopf 
mit  der  Zange  entwickelt,  als  man  nach  dem  Schambeinschnitte 
mehr  als  30  Stunden  lang  auf  den  Spontanaustritt  des  Kindes 
gewartet  hatte.  Auch  in  diesem  Falle  hätte  man  ohne  Zange 
auskommen  können,  da  nur  noch  Weichteilwiderstand  zu  über¬ 
winden  war. 

Schon  aus  dem  8  maligen  Zusammenfallen  der  Indikation 
zur  Hebosteotomie  mit  der  Entbindungsanzeige  geht  hervor, 
dass  ich  lange  warte,  bis  ich  mich  zum  Schambeinschnitt 
entschliesse.  Diese  Zurückhaltung  in  der  Indikationsstellung 
wird  auch  durch  die  Tatsache  illustriert,  dass  5  nach  der 
Beckenerweiterung  spontan  geborene  Kinder  mit  einem  typi¬ 
schen  Dekubitus  der  Schädelhaut  zur  Welt  kamen. 

Nun  noch  einige  Bemerkungen,  die  sich  auf  alle  Leit¬ 
sätze  beziehen: 

Es  liegt  mir  natürlich  fern,  ein  starres  Festhalten  an  den 
in  den  Thesen  gegebenen  Masszahlen  zu  verlangen.  Selbstver¬ 
ständlich  können  die  Masse  gelegentlich  eine  Verschiebung  um 
einige  Millimeter  nach  oben  oder  auch  nach  unten  erfahren, 
z.  B.  wenn  man  es  mit  offensichtlich  sehr  grossen  oder  sehr 
kleinen  Früchten  zu  tun  hat. 

Durch  diese  für  vereinzelte  Fälle  nötig  werdenden  Aende- 
rungen  wird  aber  die  D  u  r  c  h  s  c  h  n  i  1 1  s  g  e  1 1  u  n  g  m  e  i  n  e  r 
Thesen  nicht  erschüttert. 

Therapeutische  Leitsätze  können  und 
dürfen  nicht  für  seltene  Ausnahmefälle  zu¬ 
geschnitten  werden.  Siemüssenvielmehr  den 
alltäglichen  Ereignissen  Rechnung  tragen. 

Wenn  man  bei  der  Zeichnung  therapeutischer  Grundlinien 
jeder  entfernt  liegenden  Möglichkeit  gerecht  werden  will,  dann 
kommen  Zickzacklinien  zum  Vorschein,  die  nicht  orientieren, 
sondern  verwirren. 

In  keiner  medizinischen  Disziplin  wird  so  häufig  gegen 
den  Geist  einer  exakten  Indikationsstellung  gesündigt,  wie  in 
der  Geburtshilfe,  und  in  keiner  ist  die  Aufstellung  und  die  Be¬ 
folgung  prägnanter  Behandlungsgrundsätze  so  notwendig. 


Handelt  es  sich  doch  bei  fast  allen  therapeutischen  Massnahmen 
um  das  Wohl  zweier  Menschen. 

Ich  habe  die  Beifügung  dieser  letzten  Sätze  für  notwendig 
gehalten,  weil  Werth  in  Dresden  meine  Thesen  als  zu  dog- 
,  matische  zurückgewiesen  hat. 

Die  U  m  f  o  r  m  u  n  g,  welche  die  bisherige  Therapie  bei 
den  vulgären  Arten  des  engen  Beckens  durch  die  Einführung 
der  operativen  Beckenerweiterung  erfährt,  soll  nun  im  folgen¬ 
den  noch  einmal  übersichtlich  zum  Ausdruck  kommen. 

Die  Grenzen  des  Kaiserschnittes  aus  abso¬ 
luter  Indikation  und  der  Kraniotomie  des  toten 
Kindes  bleiben  die  alten. 

Der  Kaiserschnitt  aus  relativer  Indikation 
wird  durch  die  Hebosteotomie  wesentlich  eingeschränkt. 

Künstliche  Frühgeburt  und  prophylaktische 
Wendung  sind  aus  der  Therapie  des  engen  Beckens  ganz 
auszuschalten.  Es  ist  unmöglich,  für  sie  eine  fest  umschriebene 
Indikation  aufzustellen.  Die  Wendung  wird  nie  des  engen 
Beckens  wegen,  sondern  nur  aus  besonderen  Indikationen, 
wie  sie  auch  beim  normalen  Becken  bestehen,  auszuführen 
sein. 

Die  hohe  Zange,  die  Operation  auf  „Biegen  und 
Brechen“  (Zweifel),  die  für  die  Behandlung  des  engen 
Beckens  passt,  „wie  die  Faust  auf’s  Auge“  (O  1  s  h  a  u  s  e  n), 
ist  gleichfalls  ganz  zu  streichen.  Sie  erfreut  sich  zwar  einer 
scharfen  Indikationsstellung,  aber  sie  entbehrt  der  physikali¬ 
schen  Unterlage.  Sie  stellt  einen  Gewaltstreich  dar,  der  Mutter 
und  Kind  auf  das  schwerste  gefährdet. 

Das  Verhältnis  der  Symphysiotomie  zur  Hebosteo¬ 
tomie  bedarf  noch  weiterer  Klärung.  Ich  habe  zurzeit  die 
Symphysiotomie  zu  Gunsten  der  Hebosteotomie  aufgegeben, 
betone  aber,  dass  ich  über  die  subkutane  Symphysiotomie 
überhaupt  keine  und  über  die  Symphysiotomia  aperta  nur 
Erfahrungen  aus  früherer  Zeit  besitze.  Es  ist  mir  unwahr¬ 
scheinlich,  dass  ich  die  Symphysiotomie  wieder  aufnehmen 
werde,  da  ich  bei  fast  allen  Fällen  von  subkutaner  Hebosteo¬ 
tomie  eine  dauernde,  wenn  auch  nur  geringe  Erweite¬ 
rung  des  Beckens  konstatieren  konnte.  Ausserdem  ist 
bei  den  Patienten,  die  ich  selbst  nachuntersucht  habe,  bis  jetzt 
eine  Beweglichkeit  des  Beckenringes  an  der  Sägestelle, 
eine  von  vornherein  angestrebte  Pseudarthrosenbildung  ge¬ 
blieben.  Ueber  die  Natur  des  Kallus  geben  die  Röntgenbilder 
allein  keine  sichere  Auskunft.  Am  besten  orientiert  man  sich 
über  die  Natur  des  Kallus  durch  eine  Betastung  der  Sägestelle 
von  der  Scheide  aus  und  zwar  an  der  sich  abwechselnd  auf 
das  rechte  und  das  linke  Bein  stellenden  Patientin. 

Ob  die  Perforation  des  lebenden  Kindes 
durch  die  Hebosteotomie  und  die  F  r  a  n  k  sehe  Modifikation 
der  Sectio  caesarea  ganz  aus  der  klinischen  Geburtshilfe 
verdrängt  werden  kann,  das  hängt  einzig  und  allein  von  der 
Frage  ab,  ob  man  diesen  Eingriff  in  der  Regel  mit  Glück  für 
Mutter  und  Kind  bei  Genitalfieber  intra  partum  ausführen  kann. 
Bis.  jetzt  fehlon  darüber  ausreichende  Erfahrungen. 

Ich  habe  zweimal  bei  Fieber  intra  partum  ohne  Schaden 
für  Mutter  «und  Kind  hebosteotomiert,  auch  einmal  bei  zer¬ 
setztem  Fruchtwasser  mit  Glück  für  Mutter  und  Kind  den 
klassischen  Kaiserschnitt  ausgeführt.  Doch  wage  ich  es  nicht, 
auf  Grund  dieser  Fälle  eine  definitive  Stellung  zu  der  Frage 
einzunehmen. 

Aus  der  allgemeinen  Geburtshelferpraxis 
wird  die  Kraniotomie  des  lebenden  Kindes 
niemals  völlig  verschwinden.  Denn  weder  Kaiser¬ 
schnitt  noch  Hebosteotomie  können  jemals  Allgemeingut 
der  praktischen  Aerzte  werden.  Die  operative 
Beckenerweiterung  wird  gewiss  von  Geburtshelfern,  welche 
die  entsprechende  Schulung  besitzen  und  über  die  nötige  Assi¬ 
stenz  verfügen,  auch  im  Privathause  mit  Glück  für  Mutter  und 
Kind  ausgeführt  werden  können.  Doch  ist  zu  bedenken,  dass 
auch  bei  Anwendung  des  „subkutanen  Stichver¬ 
fahrens“  Blutungen  Vorkommen,  die  selbst  der  beson¬ 
ders  geschulte  Arzt  nur  dann  zu  stillen  vermag,  wenn  er  unter 
günstigen  äusseren  Verhältnissen  arbeitet.  Ich  habe  bei  einer 
Hebosteotomie  (subkutanes  Stichverfahren)  bei  starker  Varizen¬ 
bildung  in  der  ganzen  Genitalgegend  eine  formidablc 
I  Blutung  aus  den  prävesikalen  Venen  erlebt,  die  ich  unter 

r 


MUfcNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


-tOa 


den  günstigen  Verhältnissen  der  Klinik  nur  mit  Miihc  beherr¬ 
schen  konnte,  v.  Rosthorn  hat  unter  den  gleichen  Vor¬ 
bedingungen  einen  Verblutungstodesfall  beobachtet. 

Derartige  Erlebnisse  stempeln  die  operative  Becken¬ 
erweiterung  doch  im  wesentlichen  zu  einem  klinischen 
Eingriff. 

Hier  setzt  nun  die  Frage  ein,  ob  nicht  trotzdem  auch  der 
in  der  allgemeinen  Praxis  stehende  Kollege  durch  die  Wieder¬ 
geburt  der  Beckenspaltung  Nutzen  haben  und  zu  einer  be¬ 
friedigenden  Reform  seiner  bisherigen  Therapie  des  engen 
Beckens  geführt  werden  wird.  Die  Antwort  kann  nur  lauten: 
Die  Lehre,  die  uns  durch  die  Beckenspaltung 
wieder  neu  vermittelt  wurde,  die  zwar  uralt 
ist,  die  aber  in  Vergessenheit  geraten  war, 
dass  ca.  80  Proz.  der  Kinder  bei  konservativer 
Qeburtsleitung  spontan  und  lebend  durch  das 
enge  Becken  hindurchtreten,  ohne  die  Mutter 
zu  schädigen,  diese  Lehre  muss  auch  für  die 
Therapie  des  praktischen  Arztes  das  Leit¬ 
motiv  werden.  Aus  dieser  Lehre  wird  er  für  sich  und 
für  die  ihm  anvertrauten  Mütter  und  Kinder  grossen  Nutzen 
ziehen. 

Der  Kliniker,  der  die  Beckenspaltung  und  den  Kaiser¬ 
schnitt  in  Reserve  hat,  geht  natürlich  mit  einer  grösseren  Seelen¬ 
ruhe  an  die  konservative  Qeburtsleitung  beim  engen  Becken 
heran  wie  der  praktische  Arzt,  dessen  Reserveeingriff 
nur  die  Kraniotomie  sein  kann. 

Der  Kliniker  kann  in  voller  Sorglosigkeit  immer  von  neuem 
konstatieren,  dass  wir  bisher  durch  künstliche  Frühgeburt  und 
prophylaktische  Wendung  dem  grossen  Können  der  Natur  viel 
zu  oft  in  den  Arm  gefallen  sind,  dass  die  Konfigurabilität  des 
kindlichen  Kopfes  bis  an  das  Wunderbare  grenzt.  Denn  ver¬ 
sagt  das  Können  der  Natur  einmal,  so  ist  er  in  der  glücklichen 
Lage,  Mutter  und  Kind  durch  die  Beckenspaltung  vor  dem 
Schicksal  zu  bewahren,  das  ihnen  früher  hohe  Zange  und 
Kraniotomie  bereitet  haben. 

Ist  der  Kliniker  auch  Lehrer,  so  wird  er  sich  durch  die 
Reform  der  Therapie  von  einem  inneren  Konflikt  befreit  fühlen. 
Er  ist  nicht  mehr  gezwungen,  seinen  Schülern  Behandlungs¬ 
methoden  zu  empfehlen,  die  einer  präzisen  Indikationsstellung 
entbehren. 

Der  Kliniker  kann  also  über  die  Wiedergeburt  der  opera¬ 
tiven  Beckenerweiterung  nur  eine  reine  Freude  empfinden. 

Aber  auch  der  in  der  allgemeinen  Praxis 
stehende  Arzt  muss  ihre  Wiederkehr  dankbar  begrüssen. 
An  Stelle  einer  unübersichtlichen,  komplizierten  und  vielfach 
schlecht  fundierten  hat  sie  ihm  von  neuem  zu  einer  einfachen, 
klaren,  leicht  verständlichen  und  in  allen  Einzelheiten  wohl¬ 
begründeten  Behandlung  des  engen  Beckens  verholfen. 

Natürlich  muss  der  praktische  Arzt  es  verstehen,  die¬ 
jenigen  engen  Becken  auszuscheiden,  bei  denen  eine  spontane 
Gebärmöglichkeit  von  vornherein  ausgeschlossen  ist.  Diese 
Becken  soll  er  auf  alle  Fälle  dem  klinischen  Geburtshelfer 
überlassen. 

Natürlich  muss  der  Praktiker  bei  Schieflagen  und  bei  Vor¬ 
fall  der  Nabelschnur  zu  wenden  und  das  in  Beckenendlage  be¬ 
findliche  Kind  durch  das  enge  Becken  hindurchzuleiten  ver¬ 
stehen,  wenn  der  Grad  der  Beckenverengerung  diese  Therapie 
zulässt. 

Bei  Kopflagen  aber  soll  er  unter  Verzicht  auf 
Kaiserschnitt  und  Beckenspaltung,  auf  künst¬ 
liche  Frühgeburt  und  prophylaktische  Wen¬ 
dung  und  auch  auf  die  ominöse  hohe  Zange 
die  Geburt  immer  abwartend  leiten,  wenn  über¬ 
haupt  an  die  Möglichkeit  einer  Spontangeburt  gedacht  werden 
darf. 

Dann  wird  er  gegen  früher  in  seiner  Bilanz  ein  bedeutendes 
Plus  an  gesunden  Müttern  und  Kindern  zu  verzeichnen  haben, 
auch  wenn  er  gelegentlich  einmal  ein  lebendes  Kind  perforieren 
muss. 

Besonders  wichtig  ist  meiner  Ansicht  nach  die  Aus¬ 
schaltung  der  hohen  Zange.  Die  unbegreifliche  Vor¬ 
liebe  des  praktischen  Arzfes  für  diesen  gefährlichen  Eingriff 
geht  so  weit,  dass  vielfach  selbst  bei  sicher  totem  Kinde 
die  hohe  Zange  der  Kraniotomie  vorgezegen  wird.  Das  ist 


!  perverse  operative  Geburtshilfe,  die  nur  damit  entschuldigt 
werden  kann,  dass  die  Unterweisung  in  der  Technik  und  der 
Indikationsstellung  der  Kraniotomie  in  den  geburtshilflichen 
Operationskursen  eine  ungenügende  ist.  Gerade  diese  Opera¬ 
tion  muss  derpraktische  Arzt  in  einwandfreier  Weiseauszufiihren 
verstehen.  Sie  ist  neben  der  indizierten  Wendung  der  einzige 
Eingriff,  der  für  ihn  beim  engen  Becken  in  Betracht  kommt, 
der  allerdings  nur  ganz  ausnahmsweise  zur  Anwendung 
kommen  wird,  weil  glücklicherweise  der  höhere  Grad  des  engen 
Beckens  im  Privathause  noch  seltener  angetroffen  wird  wie 
in  der  Klinik. 

Noch  eine  kurze  Schlussbemerkung:  Es  ist  von  verschie¬ 
denen  Seiten  betont  worden,  man  dürfe  dem  praktischen 
Arzte  die  Präventivoperationen  und  die  hohe 
Zange  aus  der  Therapie  des  engen  Beckens  nicht  streichen, 
weil  man  ihm  keinen  Ersatz  dafür  geben  könne.  Da  Kaiser¬ 
schnitt  und  Beckenspaltung  nicht  in  das  Privathaus  passen, 
müsse  der  Arzt  das  Recht  auf  die  Einleitung  der  künstlichen 
Frühgeburt,  auf  die  prophylaktische  Wendung  und  auf  die  hohe 
Zange  behalten.  Auch  hinsichtlich  der  Indikations¬ 
stellung  müsse  an  ihn  wegen  seiner  besonderen  Lage  ein 
anderer  Massstab  angelegt  werden,  wie  an  den  klinischen  Ge¬ 
burtshelfer. 

Diese  Anschauung  halte  ich  für  eine  unheilvolle.  Ich  bin 
der  Letzte,  der  die  ungünstige  Lage  des  praktischen  Arztes  ver¬ 
kennt,  und  ich  habe  mich  von  jeher  bemüht,  gynäkologische 
und  geburtshilfliche  Behandlungsmethoden  auszubilden,  die 
gerade  dieser  besonderen  Lage  Rechnung  tragen.  Mir  ist  dafür 
auch  oft  schon  von  Kollegen  durch  Wort  und  Schrift  gedankt 
worden. 

Ich  halte  es  auch  für  ein  dringendes  Bedürfnis,  sowohl  in 
der  Gynäkologie  wie  auch  in  der  Geburtshilfe  weitere  derartige 
Methoden  zu  ersinnen.  Denn  der  praktische  Arzt  ist  weder  in 
der  einen,  noch  in  der  anderen  Spezialdisziplin  als  Therapeut 
entbehrlich.  Aber  einer  Vorbedingung  müssen  alle  diese 
Methoden  gerecht  werden:  sie  dürfen  schon  bestehende  Be¬ 
handlungsmassnahmen  nur  durch  gleichwertige  ersetzen, 
sie  dürfen  niemals  eine  Verschlechterung  der  Therapie  be¬ 
deuten. 

Dieser  Vorbedingung  haben  die  Präventivoperationen  und 
die  hohe  Zange  bei  ihrer  vor  vielen  Jahren  erfolgten  Einführung 
in  die  Therapie  des  engen  Beckens  nicht  entsprochen.  S  i  e 
haben  vielmehr  die  Resultate  für  Mutter  und 
Kind  gegenüber  denen  der  konservativen 
Geburtsleitung,  besonders  im  Privathause, 
verschlechtert. 

Es  kommt  hinzu,  dass  sie  keine  präzise  Indikationsstellung 
erlauben.  Sie  müssen  deshalb  aus  der  Therapie  des  prak¬ 
tischen  Geburtshelfers  wieder  verschwinden.  Mit  der  Emp¬ 
fehlung  dieser  Operationen  mutet  man  meiner  Ansicht  nach 
dem  praktischen  Arzte  zu,  sich  zu  den  Ergebnissen  der  wissen¬ 
schaftlichen  Forschung  in  einen  direkten  Gegensatz  zu  stellen. 

Gegen  ein  solches  Ansinnen  sollte  der  Praktiker  selbst 
Front  machen.  Denn  wenn  er  den  Satz  gelten  lässt,  von  den 
Forschungsergebnissen  und  dem  jeweiligen  Status  der  Wissen¬ 
schaft  weniger  abhängig  zu  sein,  wie  der  Kliniker,  läuft  er 
Gefahr,  zum  Handwerker  herabzusinken. 


Aus  der  psychiatrischen  Universitätsklinik  in  München 
(Direktor :  Hof  rat  Prof.  K  r  a  e  p  e  1  i  n). 

lieber  den  gegenwärtigen  Stand  des  serologischen 
Luesnachweises  bei  den  syphilidogenen  Erkrankungen 
des  Zentralnervensystems.*) 

Von  Dr.  Felix  Plaut,  Assistenten  der  Klinik. 

Die  von  Bordet  und  G  e  n  g  o  u  vor  sechs  Jahren  ge¬ 
fundene,  von  M.  Neisser  und  Sachs  für  die  Eiweiss¬ 
differenzierung  ausgebaute  Komplementbindung  hat  in  der  ihr 
von  A.Wassermann  und  Bruck  gegebenen  Modifizierung 
in  letzter  Zeit  eine  vielseitige  und  nutzbringende  Anwendung 
auf  dem  Gebiet  der  Infektionskrankheiten  erfahren.  Die  Bc- 


*)  Unter  Benutzung  eines  am  22.  V.  07  auf  der  Jahresversamm¬ 
lung  bayerischer  Psychiater  in  München  gehaltenen  Vortrages. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1459 


deutung  der  A.  Wassermann-Bruck  sehen  Versuchsan¬ 
ordnung  liegt  bekanntlich  darin,  dass  bei,  ihr  als  antigenhaltige 
Substrate  Extrakte  aus  Bakterien  bezw.  aus  spezifisch  er¬ 
krankten  Organen,  somit  gelöste  Bestandteile,  zur  Verwendung 
gelangen,  im  Gegensatz  zu  der  ursprünglichen  Bordet- 
G  e  n  g  o  u  sehen  Methode,  die  mit  Bakterienaufschwemmungen 
arbeitet.  Nunmehr  konnten  der  Untersuchung  auf  gelöste  Bak¬ 
terienbestandteile  bezw.  deren  spezifische  Antistoffe  auch 
pathologische  'Prozesse  zugängig  gemacht  werden,  deren 
Krankheitserreger  nicht  in  Reinkulturen  züchtbar  sind,  ja  es 
gelang  sogar,  die  Methode  auszudehnen  auf  Infektionskrank¬ 
heiten  von  unbekannter  Aetiologie,  und  als  eine  besonders  be¬ 
deutsame  Errungenschaft,  welche  die  in  dieser  Richtung  sich 
bewegende  Forschung  zu  verzeichnen  hatte,  ist  die  von 
Wassermann,  in  Gemeinschaft  mit  Alb.  N  e  i  s  s  e  r 
(Breslau)  und  Bruck  begründete  Serodiagncstik  der  Lues 
anzusehen. 

Nachdem  es  Wasserman  n,  A.  N  e  i  s  s  e  r  und  Bruck 
gelungen  war,  in  Sera  von  Luetikern  spezifisch  luetische  Sub¬ 
stanzen  nachzuweisen,  war  es  naheliegend,  bei  Erkrankungen 
des  Zentralnervensystems,  besonders  bei  der  progressiven 
Paralyse  und  der  Tabes,  deren  Zusammenhang  mit  der  Lues 
durch  zahlreiche  klinische  Beobachtungen  und  durch  stati¬ 
stische  Erhebungen  als  sehr  wahrscheinlich  angesehen  werden 
musste,  entsprechende  Untersuchungen  vorzunehmen.  A.  W  as¬ 
sermann  hat  daraufhin  in  Gemeinschaft  mit  dem  Verf.  Spinal¬ 
flüssigkeiten  und  Sera  von  Paralytikern  auf  das  Vorhandensein 
von  luetischen  Stoffen  hin  geprüft,  und  es  Hessen  sich  in  der 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  luetische  Antistoffe  nachweisen.1) 

Die  in  Berlin  auf  der  Wassermann  sehen  Ab¬ 
teilung  des  Instituts  für  Infektionskrankheiten  vorgenommenen 
Untersuchungen  bezogen  sich  auf  die  Spinalflüssigkeiten 
von  54  Fällen  von  Paralyse,  von  denen  sich  41  positiv, 
8  fraglich  und  5  negativ  verhielten.  Unter  20  Sera  von 
Paralytikern  enthielten  19  Antistoffe,  ein  Serum  war  frei 
von  Antistoffen.  Ich  habe  über  die  klinischen  Eigentüm¬ 
lichkeiten  des  Berliner  Materials  bereits  gelegentlich  .eines 
Vortrags  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Psychiatrie  und 
Neurologie  berichtet2)  und  eine  ausführlichere  Bearbeitung  be¬ 
findet  sich  zur’  Zeit  im  Druck  ;3)  ich  möchte  daher  hier  nur  einiges 
aus  diesen  Ergebnissen  hervorheben.  Es  hat  sich  herausge¬ 
stellt,  dass  die  Luesanamnese,  d.  h.  die  Bejahung  oder  Ver¬ 
neinung  der  Infektion,  sich  in  keiner  Weise  für  den  Ausfall  der 
Reaktion  von  Belang  erwies;  ein  grosser  Teil  der  Fälle  negierte 
Lues  und  wies  trotzdem  luetische  Antistoffe  auf.  Fernerhin 
fanden  sich  Antistoffe  unabhängig  davon,  ob  eine  spezifische 
Behandlung  der  Lues  stattgefunden  hatte  oder  nicht.  Der  zeit¬ 
liche  Abstand  zwischen  Infektion  und  Ausbruch  der  Paralyse 
schwankte  in  weiten  Grenzen;  es  fanden  sich  positive  Fälle, 
bei  denen  die  Infektion  über  20  Jahre  zurücklag,  und  solche, 
die  vor  6 — 7  Jahren  luetisch  geworden  waren.  Auch  die 
Schwere  des  Zustandsbildes  schien  keinen  Einfluss  auf  den 
Grad  der  Antikörperproduktion  zu  haben;  es  fanden  sich  Anti¬ 
stoffe  in  beginnenden  Fällen  in  gleicher  Weise  wie  in  vor¬ 
geschritteneren  und  auch  die  negativen  Fälle  zeigten  keine 
klinische  Einheitlichkeit.  Ein  Parallelismus  zwischen  Lympho¬ 
zytengehalt  und  Antikörpergehalt  der  Spinalflüssigkeit  liess  sich 
nicht  ermitteln. 

In  gleicher  Richtung  wurden  Untersuchungen  angestellt  von 
A.  Neisser,  Bruck  und  Schucht4).  Diese  Autoren  untersuchten 
8  Spinalflüssigkeiten  von  Paralytikern  und  fanden  in  4  Fällen  Anti¬ 
stoffe;  unter  drei  Tabikern  verhielten  sich  2  positiv.  In  2  Fälleji 
von  Paralyse  gelang  auch  der  Nachweis  von  luetischem  Antigen  m 
der  Spinalflüssigkeit. 

Es  folgte  dann  eine  Arbeit  von  Schütze  über  Tabes.®) 
Schütze  untersuchte  in  12  Fällen  die  Spinalflüssigkeit  und  hatte 
8  mal  positives  und  4  mal  negatives  Ergebnis.  Hierbei  hat  sich 
eine  überraschende  Uebereinstimmung  zwischen  den  serologischen 
Befunden  und  den  anamnestischen  Erhebungen  bezüglich  der  Lues- 


P  Wassermann  und  Plaut;  Deutsche  med.  Wochenschr., 
1906,  No.  44. 

~)  Ref. :  Neurologisches  Zentralblatt  1906,  No.  23. 

3)  Wird  im  Augustheft  der  Monatsschrift  für  Psychiatrie  und 
Neurologie  erscheinen. 

4)  Neisser,  Bruck  und  Schucht:  Deutsche  med.  Wo¬ 
chenschr.  1906,  No.  48. 

®)  Schütze:  Berliner  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  5. 


infektion  herausgestellt,  indem  die  4  negativen  Fälle  die  Infektion 
in  Abrede  stellten,  während  die  8  positiven  Fälle  Lues  Zugaben. 
Wie  bereits  erwähnt,  hat  sich  nach  unseren  Erfahrungen  bei  Para¬ 
lytikern  eine  Bestätigung  der  anamnestischen  Angaben  durch  den 
Ausfall  der  Reaktion  nicht  erbringen  lassen  und  auch  die  übrigen 
Untersucher  auf  diesem  Gebiete  (s.  u.  Morgenroth  und  S  t  e  r  t  z) 
weisen  besonders  hin  auf  die,  durch  das  nunmehr  gefundene  objektive 
Verfahren  klar  erwiesene  Unzuverlässigkeit  der  Luesanamnese.  Bei 
den  Fällen  von  Schütze  ist  die  glatte  Uebereinstimmung  wohl 
einem  besonderen  Zufall  zuzuschreiben  und  man  wird  gut  tun,  aus 
dieser  zufälligen  Konstellation  keine  allgemeineren  Schlussfolge¬ 
rungen  abzuleiten. 

Weiterhin  hat  Weygandt0)  einen  versuchstechnisch  bemer¬ 
kenswerten  Versuch  mit  3  Tabikerspinalflüssigkeiten  mitgeteilt,  auf 
den  ich  später  noch  zu  sprechen  kommen  werde. 

Eine  besonders  ausgedehnte  Nachprüfung  der  Versuche  an  Para¬ 
lytikern  wurde  dann  von  Marie  und  L  e  v  a  d  i  t  i  in  Paris  unter¬ 
nommen. * *  7)  Das  von  diesen  Autoren  bearbeitete  Material  belief  sich 
auf  39  Fälle  von  Paralyse,  unter  denen  29  luetische  Antistoffe  in 
der  Spinalflüssigkeit  darboten.  Eine  kleine  Gruppe  von  Tabikern 
und  Fällen  von  Tabesparalyse  zeigte  Antistoffe  in  etwas  niedrigerem 
Prozentsatz. 

Die  jüngste  Arbeit  auf  diesem  Gebiete  rührt  von  Morgen¬ 
roth  und  S  t  e  r  t  z  her 8),  «die  in  8  Fällen  die  Spinalflüssigkeiten  von 
Paralytikern  untersuchten  und  in  allen  Fällen  positiven  Ausschlag 
erzielten.  Bemerkenswert  ist  hier  besonders,  dass  unter  diesen  8 
Fällen  nur  bei  einem  die  Anamnese  über  die  stattgehabte  Lues¬ 
infektion  Aufschluss  gab  (s.  o.  Schütz  e). 

Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  von  allen  Autoren  in  ausge¬ 
dehntem  Masse  Kontrollversuche  an  nicht  luetischen  Personen 
vorgenommen  wurden,  die  durchgehends  negativ  ausfielen. 

Ich  habe  dann  die  Arbeiten  in  München  fortgesetzt  und 
inzwischen  weitere  44  Fälle  von  Paralyse  untersucht;  bezüglich 
der  Spinalflüssigkeiten  war  der  Befund  in  einem  Fall  negativ, 
in  2  Fällen  fraglich,  in  allen  übrigen  positiv;  auch  in  3  Fällen 
von  Paralyse,  bei  denen  ich  Gelegenheit  hatte,  die  Ventrikel- 
fiiissigkeit  zu  untersuchen,  fanden  sich  in  derselben  reichlich 
luetische  Antistoffe.  Die  Sera  dieses  Paralytiker¬ 
materials  reagierten  ausnahmslos  positiv; 
auch  das  Serum  des  Kranken,  dessen  Spinalflüssigkeit  frei  von 
Antistoffen  war,  gab  einen  deutlich  positiven  Ausschlag. 

Wir  haben  von  vornherein  die  Untersuchung  auf  Antistoffe 
auch  auf  die  Sera  ausgedehnt  (alle  übrigen  Autoren  haben  sich 
bisher  auf  die  Prüfung  der  Spinalflüssigkeiten  beschränkt)  und 
wir  haben  dabei  oft  gesehen,  dass  der  Gehalt  der  Spinalflüssig¬ 
keit  an  Antistoffen  den  des  korrespondierenden  Serums  über¬ 
traf;  es  sind  uns  aber  besonders  neuerdings  auch  Fälle  be¬ 
gegnet,  wo  bei  geringer  oder  ganz  fehlender  Reaktion  der 
Spinalflüssigkeit,  mit  dem  zugehörigen  Serum  ein  deutlich 
positiver  Ausschlag  zu  erzielen  war.  Darnach  scheint  es  rat¬ 
sam,  die  Untersuchung  des  Serums  in  keinem 
Falle  zu  unterlassen. 

Eines  besonderen  Eingehens  bedarf  nun  die  Arbeit  von 
M  a  r  i  e  und  L  e  v  a  d  i  t  i,  einmal,  weil  sie  die  umfangreichste 
Nachprüfung  der  Versuche  darstellt  und  besonders  deshalb, 
weil  die  Autoren  ihre  Ergebnisse  zu  klinischen  Eigentümlich¬ 
keiten  ihres  Versuchsmaterials  in  Beziehung  gebracht  haben. 
So  ziehen  Marie  und  L  e  v  a  d  i  t  i  u.  a.  aus  ihren  Versuchs¬ 
ergebnissen  den  Schluss,  dass  beginnende  Fälle  von  Paralyse 
fast  durchgängig  Antistoffe  in  der  Spinalflüssigkeit  vermissen 
lassen,  während  vorgeschrittene  Fälle  fast  regelmässig  sich 
positiv  verhalten;  hieraus  folgern  sie  weiter,  dass  die  Anti¬ 
stoffproduktion  erst  einsetze,  nachdem  der  paralytische  Pro¬ 
zess  in  ein  vorgerückteres  Stadium  eingetreten  sei  und  dass 
dann  die  Antikörper  entsprechend  dem  Fortschreiten  der  Er¬ 
krankung  an  Menge  zunehmen.  Eine  besonders  wichtige 
Stütze  für  diese  Auffassung  glauben  sie  darin  zu  sehen,  dass 
in  2  Fällen  bei  erstmaliger  Untersuchung  keine  Antistoffe  nach¬ 
zuweisen  waren,  dieselben  jedoch  bei  einer  mehrere  Wochen 
später  wiederholten  Punktion  vorhanden  gewesen  seien;  dem¬ 
entsprechend  hätte  in  diesen  Fällen  das  klinische  Bild  eine 
Progredienz  der  Krankheit  erkennen  lassen. 


r’)  Wey  Ran  dt:  Sitzungsbericht  der  phys.-med.  Gesellsch.  in 

Wiirzburg,  1907. 

7)  A.  Marie  und  Levaditi:  Annales  de  l’Institut  Pasteur, 
T.  XXL.  Fevrier  1907. 

8)  Morgenroth  und  Stert?;  Virchows  Archiv,  188. 
Band,  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


170 


Dem  gegenüber  ist  zu  bemerken,  dass  man  aus  den  Mit¬ 
teilungen  von  Marie  und  L  e  v  a  d  i  t  i  nicht  den  Eindruck 
gewinnt,  dass  es  sich  bei  ihren  negativen  Fällen  im  Wesent¬ 
lichen  um  eigentliche  Frühfälle  von  Paralysen  handelt.  Einige 
dieser  Fälle  bezeichnen  die  Autoren  als  Pseudoparalysen,  also 
Fälle,  in  denen  die  Diagnose  zum  mindesten  zweifelhaft  er¬ 
schien  und  andere  als  Fälle  mit  langsamem,  zum  Teil  mit  Re¬ 
missionen  einhergehendem  Verlauf. 

Nach  meinen  Erfahrungen,  die  sich  zur  Zeit  auf  etwa  100 
Fälle  von  Paralyse  stützen,  kann  ich  sagen,  dass  der  Grad  der 
Antikörperproduktion  kein  Kriterium  für  die  Intensität  des 
Krankheitsprozesses  darbietet.  Ich  fand  sehr  reichen  Antistoffge¬ 
halt  bei  ganz  frischen  Fällen  ebensowohl,  wie  bei  sehr  langsam 
verlaufenden,  wie  auch  bei  weit  vorgeschrittenen  Fällen.  Und 
ich  fand  zuweilen  nur  Spuren  oder  gänzliches  Fehlen  von  Anti¬ 
stoffen  in  ganz  alten,  fast  agonalen  Fällen,  allerdings  wie  ich 
gern  zugebe,  auch  gelegentlich  bei  beginnender  Erkrankung. 
Woraus  sich  diese  Differenzen  erklären,  ist  zur  Zeit  noch  nicht 
zu  entscheiden.  Wenn  die  Auffassung  von  Marie  und  Leva- 
d  i  t  i  berechtigt  ist,  so  müsste  man  erwarten,  dass  eine  Ver¬ 
mehrung  der  Antistoffe  nach  paralytischen  Anfällen,  die  man 
wohl  mit  Recht  als  akute  Schübe  des  Krankheitsprozesses  an¬ 
sieht,  zu  beobachten  sei.  Dies  ist  jedoch  wie  ich  bei  einigen 
Fällen  zu  sehen  Gelegenheit  hatte,  nicht  der  Fall. 

Am  ehesten  wird  man  wohl  den  Zusammenhang  erkennen 
lernen,  wenn  man,  wie  Marie  und  L  e  v  a  d  i  t  i  es  getan 
haben,  einzelne  Kranke  wiederholt  in  gewissen  Zeitabständen 
untersucht.  Aber  auch  hierbei  ist  mit  Rücksicht  auf  die  gegen¬ 
wärtige  Leistungsfähigkeit  der  Methode  eine  gewisse  Vor¬ 
sicht  am  Platz,  wie  aus  folgendem  zu  ersehen  ist.  Ich  punk¬ 
tierte  in  gleicher  Weise,  wie  es  M  a  r  i  e  und  L  e  v  a  d  i  t  i  getan 
hatten,  eine  Reihe  von  Fällen  mit  anfänglich  minimalem  posi¬ 
tivem  Ausschlag  nach  Verlauf  mehrerer  Wochen  von  neuem  und 
fand  gleichfalls  nunmehr  einen  wesentlich  stärkeren  Ausfall  der 
Reaktion.  Ich  würde  nun  auch  auf  ein  Anwachsen  der  Anti¬ 
stoffe  geschlossen  haben,  hätte  ich  nicht  die  Vorsicht  gebraucht, 
den  bei  der  ersten  Punktion  entnommenen  Liquor  in  den  neuer¬ 
lichen  Versuch  gleichfalls  einzustellen.  Es  stellte  sich  nämlich 
heraus,  dass  die  ehemals  nur  schwach  reagierenden  Spinal¬ 
flüssigkeiten  nun  ebenfalls  eine  deutliche  Reaktion  gaben,  die 
quantitativ  völlig  entsprach  den  neuerdings  entnommenen 
Proben.  Diese  Differenzen  erklären  sich  aus  dem  ungleichen 
Antigengehalt  der  verschiedenen,  bei  den  Versuchen  zur  An¬ 
wendung  gelangten  Extrakte  und  aus  Verschiebungen  in  der 
Beschaffenheit  der  sonstigen  Komponenten  an  sich  und  ihrem 
Verhältnis  zu  einander,  und  es  ergibt  sich  hieraus  die  Lehre, 
dass  man  nicht  ohne  weiteres  zeitlich  auseinanderliegende  Ver¬ 
suchsreihen  auf  einander  beziehen  kann.  Zur  Zeit  sind  quanti¬ 
tativ  zu  vergleichende  Befunde  nur  beweiskräftig,  wenn  sie 
sich  ergeben  aus  Untersuchungen,  die  innerhalb  ein  und  der¬ 
selben  Versuchsreihe  angestellt  wurden.  Aber  selbst  eine  ein¬ 
wandsfrei  erwiesene  Vermehrung  der  Antistoffe  könnte  Schluss¬ 
folgerungen  nur  gestatten,  wenn  es  sich  um  ausgedehnte  Unter¬ 
suchungen  in  dieser  Richtung  handelte,  und  wenn  über  die 
Schwankungen  der  Antistoffproduktion  bei  der  Paralyse  all¬ 
gemeinere  Erfahrungen  gesammelt  wären. 

Nun  haben  Marie  und  L  e  v  a  d  i  t  i  weiterhin  davon  ge¬ 
sprochen,  die  Antikörperreaktion  der  Spinalfliisigkeit  sei  spe¬ 
zifisch  für  Paralyse  und  Tabes  (La  reaction  de  Wasser¬ 
mann  et  Plaut  .  .  .  .  reaction  particuliere  ä  la  paralysie 
generale  et  au  tabes).  Zur  Entscheidung  dieser  Frage  wird  in 
erster  Linie  zu  berücksichtigen  sein,  wie  sich  die  Dinge  ver¬ 
halten  bei  den  im  engeren  Sinne  luetischen  Affektionen  des 
Zentralnervensystems. 

Es  sind  bereits  von  den  verschiedenen  Autoren  die  Unter¬ 
suchungen  ausgedehnt  worden  auf  Fälle  von  luetischen  Er¬ 
krankungen  des  Zentralorgans  und  es  hat  sich  gezeigt,  dass  im 
allgemeinen  bei  Lues  cerebri  Antikörper  in  der  Spinalflüssig¬ 
keit  selten  anzutreffen  sind. 

Unter  8  Fällen  von  Lues  cerebri,  die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  und 
Verfasser  in  Berlin  untersuchten,  fand  sich  in  der  Spinalflüssig¬ 
keit  ein  deutlicher  Antikörpergehalt  in  keinem  Falle,  dagegen 
ein  deutlicher  Befund  2  mal  im  Serum. 

A.  Neisser,  Bruck  und  Schucht  berichten  über 
einen  positiven  und  2  negative  Befunde  der  Spinalflüssigkeit 
bei  Lues  cerebri. 


Schütze  dagegen  hatte  durchgängig  positive  Befunde; 
er  teilt  mit,  dass  er  in  3  Fällen  von  Pachymeningitis  luetica, 
in  einem  Fall  von  Endarteriitis  luetica  und  in  einem  Falle  von 
Lues  cerebri  Antistoffe  in  der  Spinalflüssigkeit  gefunden  hat. 

Marie  und  L  e  v  a  d  i  t  i  untersuchten  2  Fälle  von  Lues 
cerebri  mit  negativem  Ergebnis;  gleichfalls  verhielten  sich 
negativ  einige  Fälle  von  Morgenroth  und  S  t  e  r  t  z. 

Ich  habe  neuerdings  eine  grössere  Reihe  von  luetischen 
Gehirnerkrankungen  untersuchen  können  und  im  allgemeinen, 
sowohl  seitens  der  Spinalflüssigkeit  wie  des  Serum,  negative 
Reaktion  erhalten.  Nur  in  3  Fällen  waren  sowohl  im  Serum, 
wie  in  der  Spinalflüssigkeit  Antistoffe  nachzuweisen;  einer 
dieser  Fälle  war  kompliziert  mit  Tabes,  ein  weiterer  bot  das 
Bild  einer  einfachen  -arteriosklerotischen  Demenz  und  der 
dritte  imponierte  als  postapoplektischer  Schwachsinn;  im 
letzteren  Falle  wurde  Lues  zugegeben,  im  ersteren  ist  wahr¬ 
scheinlich  Lues  vorausgegangen,  da  der  Ehemann  der  Patientin 
zugab,  einen  Schanker  gehabt  zu  haben.  Es  wird  der  histo¬ 
logischen  Untersuchung  Vorbehalten  sein,  festzustellen,  ob  den 
offenbar  seltenen  Fällen  von  Lues  cerebri,  die  mit  Antikörper¬ 
produktion  einhergehen,  irgend  welche  pathologische  Be¬ 
sonderheiten  zukommen  und  man  wird  gut  tun,  in  allen  Fällen 
die  histologische  Kontrolle  heranzuziehen,  da  sich  ja  die  kli¬ 
nische  Diagnose  der  Lues  cerebri  sehr  häufig ‘nur  mit  mehr 
oder  weniger  grosser  Wahrscheinlichkeit  stellen  lässt. 

Um  nun  zu  einem  Urteil  darüber  zu  gelangen,  was  das 
Auftreten  von  Antistoffen  in  der  Spinalflüssigkeit  bedeutet,  wird 
es  in  erster  Linie  nötig  sein,  ausgedehnte  Untersuchungen  an 
Luetikern  ohne  cerebrale  Störungen  vorzunehmen.  Spinal¬ 
flüssigkeiten  solcher  Fälle  sind  bisher  nur  in  geringer  Aus¬ 
dehnung  untersucht  worden  und  es  fanden  sich  im  allgemeinen 
negative  Befunde.  A.  Neisser,  Bruck  und  Schucht  fanden 
luetische  Antistoffe  in  einem  Fall  von  Lues  sec.  und  in  einem 
Fall  von  latenter  Spätlues,  in  2  anderen  Fällen  nicht.  Die  Re¬ 
sultate  von  Marie  und  Levaditi,  Morgenroth  und 
S  t  e  r  t  z,  Wassermann  und  dem  Verfasser,  waren  in 
dieser  Richtung  durchgehends  negativ,  soweit  es  sich  um  Fälle 
ohne  Beteiligung  des  Zentralnervensystems  handelte.  Da¬ 
gegen  fanden  Morgenroth  und  S  t  e  r  t  z  in  der  Spinal¬ 
flüssigkeit  Antistoffe  in  einem  Fall  von  Lues  sec.  mit  Optikus¬ 
atrophie  und  Verfasser  in  einem  Fall  von  Spätlues  mit  ein¬ 
seitiger  reflektorischer  Pupillenstarre,  ohne  sonstige  körper¬ 
liche  oder  psychische  Alteration. 

Die  Fälle  von  Lues,  in  denen  bisher  die  Spinalflüssigkeiten 
auf  Antistoffe  untersucht  wurden,  sind  zur  Zeit  an  Zahl  noch 
zu  gering,  um  allgemeinere  Schlussfolgerungen  zuzulassen. 
Man  kann  jedoch  wohl  schon  sagen,  dass  bei  der  Paralyse  und 
bei  der  Tabes  Antistoffe  in  der  Spinalflüssigkeit  ungleich 
häufiger  anzutreffen  sind,  als  bei  der  Lues  des  Zentralnerven¬ 
systems  oder  gar  bei  Lues  ohne  zerebrale  Störungen;  jedoch 
kann  von  einer  Spezifizität  unserer  Reaktion  für  Paralyse  und 
Tabes  im  Sinne  von  Marie  und  Levaditi  vorläufig  meiner 
Ansicht  nach  nicht  gesprochen  werden. 

Während  nun  bisher  nur  kleine  Gruppen  von  Spinalflüssig¬ 
keiten  zur  Untersuchung  gelangten,  sind  Sera  von  Luetikern 
bereits  in  grösserem  Umfange  auf  Antistoffe  hin  untersucht 
worden.  A.  Neisser,  Bruck  und  Schucht  prüften  261  Sera 
von  Luetikern  und  fanden  Antistoffe  am  häufigsten  bei  florider 
sekundärer  Lues  und  zwar  hier  in  27  Proz.  der  Fälle;  dagegen 
bei  latenter  tertiärer  Lues,  der  Form,  die  wohl  am  ehesten  den 
metasyphilitischen  Fällen  gegenüber  zu  stellen  ist,  nur  in  11 
Proz.  Nun  scheinen  unsere  Untersuchungen  zu  ergeben,  dass 
bei  der  Paralyse  das  Serum  fast  ausnahmslos  Antistoffe  ent¬ 
hält.  Diese  Differenz  zwischen  1 1  Proz.  bei  tertiärer  Lues  und 
100  Proz.  bei  Paralyse  ist  sehr  bemerkenswert  und  es  ist  die 
Möglichkeit  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  aus  den 
1 1  Proz.  von  Luetikern,  die  im  tertiären  latenten  Stadium  noch 
Antistoffe  produzieren,  sich  die  Fälle  rekrutieren,  die  später¬ 
hin  an  metasyphilitischen  Prozessen  erkranken.  Um  diese,  wie 
mir  scheint,  wichtige  Frage  aufzuklären,  wird  es  sich  empfehlen, 
in  den  Städten,  in  denen  serodiagnostische  Untersuchungen 
auf  Lues  vorgenommen  werden,  bei  allen  Fällen  mit  luetischer 
Anamnese,  die  aus  irgend  welchen  Gründen  in  Krankenhäuser 
aufgenommen  werden,  Untersuchungen  des  Serums  auf  Anti¬ 
stoffe  anzustellen.  Die  betr.  psychiatrische  Klinik  wird  über 
alle  diese  Fälle  Listen  führen  müssen,  um  im  Laufe  der  Jahre 


23  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1471 


beobachten,  welche  Fälle  spezifisch  erkranken.  Derartige 
Nachforschungen  versprechen  natürlich  nur  einigen  Erfolg  an 
Orten  mit  relativ  geringer  Fluktuation  dei  Bevölkerung. 

Es  fragt  sich  nun,  sind  die  bisherigen  Ergebnisse  der  Untei- 

,  inneren  geeignet  unsere  Erkenntnis  von  dem  Wesen  des 
suchungen  gee  g  ,  fördern?  Jedenfalls  weisen  die 

hTsheS  n “Ä  "  darauf  hin,  dass  sich  bei  der  Paralyse 
pSre  se  absbielen  die  zur  Lues  in  Beziehung  stehen  und  wir 
hoffen  durch  weitere  Untersuchungen  der  Frage,  wo  sich 
,.  o  Pm7pssp  absüielen  und  welcher  Art  sie  sind,  naher  zu 
kommen.  Ein  besonders  wichtiger  Punkt  ist  der,  die  H'^ungs- 
Stätte  der  luetischen  Antistoffe  bei  der  Paralyse  zu  finden  Ein 
der  hier  zum  Ziele  führen  kann,  besteht  in  der  ver¬ 
gleichend  quantitativen  Bestimmung  des  Antikorpergehalts 

Verfasser  machen  es  wahrscheinlich,  dass  das  /.emraiorgm 
die  Matrix  für  die  Antistoffbildung  darstellt.  Ein  anderer  Weg 
st  der  dass  man  die  verschiedenartigsten  Organe  von  Para- 
1  vtikern  auf  Aiitistoffe  hin  durchprüft.  Ich  bin  zur  Zeit  mi 
diesen  Untersuchungen  beschäftigt  und  habe  bisher  zweimal 
Antistoffe  im  Stirnhirn  nachweisen  können,  während  die  übrigen 
Te  e  des  QeWrns  (Okzipitallappen,  Mark,  Hirnstamm  Pia) 
sowie  die  sonstigen  Organe  (Muskel,  Leber,  Milz,  Niere,  Neben¬ 
niere  Schilddrüse,  Knochenmark,  Pankreas)  fiel  '  on  Ant  - 
stoffen  waren  In  einigen  anderen  Fällen  jedoch  zeigte  das 
Stirnhirn  keinen  Antistoffgehalt  und  auch  bei  den  beiden  posi¬ 
tiven  Fällen  war  die  Reaktion  keine  sehr  intensive,  so  dass  die 
Entscheidung  von  weiteren  Untersuchungen  abhängig  gemac  > 

WerEinemwe»ere  Förderung  wird  für  die  Arbeiten  davon  zu  er- 
warten  sdn  dass  die  Untersuchungen  ausgedehnt  werden  aut 
den  Nachweis  des  luetischen  Antigens.  Nach  den  Erfahrungen 
der  N  e  i  s  s  e  r  sehen  Klinik  in  Breslau  eignen  sich  zum  Antigen- 
nachweis  Im  Blut  nur  hochwertige  Affenimmunsera  und  w.r 
sind  im  Begriff  , diese  Untersuchungen  hier  aufzunehmen 

Nun  wissen  wir  vorläufig  noch  nicht,  was  das  hjet\sche 
Antigen  eigentlich  bedeutet  und  dementsprechend  auch  mch  s 
Näheres  über  sein  Reaktionsprodukt  den  A" '^°ipern 
können  nur  sagen:  Das,  was  wir  luetisches  Antigen  nennen 
ist  eine  Substanz,  die  sich  in  luetischen  Organen  findet  und  au 
die  einpassende  Ambozeptoren  sich  bisher  nur  in  Korperflussig- 
keiten  von  an  Syphilis  oder  Metasyphihs  leidenden  Individuen 
nachweisen  Hessen.  Ueber  die  Natur  dieser  Substanz  lasst  sich 
bisher  nichts  sicheres  aussagen.  Selbstredend  enthalten  die 
luetischen  sowohl  wie  die  normalen  0r2a"“tr^eiha”e 
möglichen  Eiweissstoffe  und  Eiweissabbauprodukte,  die  ihrer 
seits  als  Antigene  fungieren  können.  Andererseits  weiss 

man,  dass  tierische  Sera  gelegentlich  zu  denFve[^i^he"turmit 
sten  Körpern  Antistoffe  aufweisen  können.  Es  ist  deshalb 
der  Möglichkeit  zu  rechnen,  dass  hier  und  da  einmal  ein  solches 
Serum  zu  einem  in  ihm  enthaltenen  nicht  luetischen  Antistoff 
ein  Antigen  in  einem  Organextrakt  vorfmdet  und  dann  die 
Hämolyse  auf  nicht  luetischer  Basis  hemmt.  Derartige  \  >  - 
kommnisse  scheinen  selten  zu  sein;  sie  sind  bisher  im  Labo¬ 
ratorium  von  A.  Wassermann  in  Berlin  und  in  der 

Neisser  sehen  Klinik  in  Breslau  nicht  beobachtet  worden 

Nun  teilte  Marie  und  Levaditi  mit,  dass  sie  mit .10 a 
konzentriertem  Normalextrakt  Hemmungen  der  Hämolyse 
sahen  undWeygandt  fand  in  einem  Falle  von  T  abes  gleich¬ 
falls  Hemmungen  mit  normalem  Extrakt;  schhesHich  berichtet 
Weil  darüber,  dass  er  luetische  Sera  hemmend  fand  gegen 

über  Extrakten  aus  Tumoren.  .  ,.  p.,nnmPn 

Mir  ist  inzwischen  gleichfalls  zweimal  dieses  I  hanomen 
begegnet;  ich  konnte  mich  jedoch  bald  davon  überzeugen,  dass 
eine  derartige  atypische  Hemmung  sich  sehr  wohl  von  einer 
spezifisch-luetischen  unterscheiden  lasst  Es  stellte _  sich  na 
lieh  heraus  dass  der  betreffende  Normalextrakt  nicht  mit  aller 
Flüssigkeiten,  die  mit  Luesextrakt  die  Hämolyse  hemmten,  eine 
gleichartige  Reaktion  erkennen  Hess  sondern  dass  nur  veiem- 
zelte  Körperflüssigkeiten  mit  dem  Normalextrakt  (Extiakt  M 
einen  positiven  Ausschlag  gaben.  Diese  mangelnde  Überein¬ 
stimmung  hat  jedoch  nicht  darin  ihren  Grund  dass  etwa  der 
betreffende  Normalextrakt  Luesantigen  ent  ialt,  aber  nur  in  so 
geringen  Mengen,  dass  er  nur  gegenüber  besonders  hoch¬ 


wertigen  antistoffhaltigen  Flüssigkeiten  eine  Hemmung  ergibt. 
Wäre  dies  der  Fall,  so  müssten  die  Spinalflüssigkeiten  und  Sera, 
die  einen  besonders  intensiven  Ausschlag  mit  Luesextiakt 
geben,  dem  Extrakt  x  gegenüber  eine  Hemmung  in  die  Er¬ 
scheinung  treten  lassen,  während  mit  Luesextiakt  schwach¬ 
hemmende  Flüssigkeiten,  gemischt  mit  Extrakt  x,  keine  Hem¬ 
mung  der  Hämolyse  zeigen  dürften.  Dass  sich  die  Dinge  so 


Auf  Antistoffe  zu  prüfende 
Körperflüssigkeiten 

Gemischt  mit 
Luesextrakt  0,2 

Fall  1 

L.,  Paralyse,  Spinalfl.  0,2 
„  „  Serum  „ 

Geringe  Hemmung 
Totale  „ 

„  2 

A.,  Paralyse,  „  „ 

Deutliche  * 

,  3 

Fr.,  „  Spinalfl.  „ 

„  „  Serum 

Massige  * 

Totale  „ 

„  4 

Ob.,  „  Spinalfl.  „  • 

n  » 

.  5 

M.,  atyp.  Paralyse,  Spiralfl.  0,2 
„  „  ft  Serum  , 

Lösung 

1) 

1 

1  1 

Gemischt  mit 
Extrakt  x  0,2 


Lösung 


Massige  Hemmung 
Lösung 

tale  Hemmung 
Lösung 


Aus  dem  Versuch  geht  hervor,  dass  z.  B.  das  Serum  von 
Fall  1  mit  Luesextrakt  total  hemmt,  mit  Extrakt  x  gar  nicht; 
dagegen  die  Spinalflüssigkeit  von  Fall  3  mit  Extrakt  x  eine 
Hemmung  ergibt,  obwohl  sie  mit  Luesextrakt  nur  in  geringem 
Grade  einen  positiven  Ausschlag  zeigt.  Von  besonderem  Intel - 
esse  ist,  dass  die  Spinalflüssigkeit  von  Fall  3  mit  Extiakt  x 
hemmt,  während  das  mit  Luesextrakt  viel  intensiver  hemmende 
Serum' des  gleichen  Patienten  mit  Extrakt  x  keine  Spur  von 

Hemmung  zeigt.  .  _  ,  . 

Danach  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  es  sich  hier  um 
Bindungsvorgänge  andersartiger  Substanzen  handeln  muss, 
um  Erscheinungen,  die  spezifisch-luetische  Bindungen  Vor¬ 
täuschen  können  und  die  weiter  zu  verfolgen  von  grossem 
Interesse  sein  wird.  Für  das  praktische  Arbeiten  bedeutet  diese 
Eventualität  keine  wesentliche  Erschwerung,  zumal  es  sich 
offenbar  um  relativ  seltene  Vorkommnisse  handelt.  Und  man 
wird  vollends  derartigen  Schwierigkeiten  völlig  aus  dem  Wege 
gehen  können,  wenn  man  sich  Extrakte  konserviert,  die  fiei  sind 
von  solchen  Nebenerscheinungen.  Die  für  die  praktische  Ver¬ 
wendbarkeit  derMethode  besonders  wichtige  Frage  der  Konser¬ 
vierung  der  Organextrakte  haben  inzwischen  einerseits  Marie 
und  Levaditi  mittels  Eintrocknens  der  zerkleinerten  Organe 
im  Vakuum  und  andererseits  Morgen  roth  und  S  t  e  r  t  z 
durch  Einfrierung  der  Organe  in  glücklichster  Weise  gelöst. 

Immerhin  zeigen  diese  Erscheinungen  von  neuem,  dass  der 
Serodiagnostik  der  Lues  bei  all  ihrer  Feinheit  Eigentümlich¬ 
keiten  anhaften,  die  ein  sehr  sorgfältiges  Beobachten  sowie 
einen  sehr  geübten  Arbeiter  verlangen,  und  die  der  Anw  endung 
dieser  wichtigen  Errungenschaft  der  modernen  Bakteriologie 
in  der  allgemeinen  Praxis  zur  Zeit  noch  Schwierigkeiten  ent¬ 
gegensetzen. 

Aus  dem  Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie  der  Universität 
Strassburg  (Direktor:  Prof.  Dr.  Forstei). 

Serodiagnose  bei  Lues,  Tabes  und  Paralyse  durch 
spezifische  Niederschläge. 

'Von  Dr.  F  o  r  n  e  t,  Oberarzt  beim  2.  Schlesischen  Feld-Art.- 
Reg  No.  42  und  J.  Scheresche wsky  (Moskau). 

Die  zuerst  von  Bordet1)  für  Mikroben  und  rote  Blut¬ 
körperchen  und  später  vonGengo  u  2)  für  Eiweisskorper  fest- 
gestellte  Tatsache,  dass  beim  Zusammentreffen  von  Antigen  und 
dem  entsprechenden  Antistoff  Komplement  gebunden  und 
somit  in  entsprechender  Versuchsanordnung  das  Ausbiei  e 
der  Hämolyse  herbeigeführt  wmd,  haben  N  e  iss  e  r  und 

Sachs3)  im  Anschluss  an  eine  Arbeit  von  M  o  r  e  s  c  h  i  )  . 

i)  j  Bordet:  Les  serums  hemolytiques.  Annales  de  1  Institut 

PasieurQ^OO^No.  |upa,Js  2Sensibilatrices  des  serums  actifs.  Ibidem 

19°2,0a Ne^s  s  e  r  und  Sachs:  Ein  Verfahren  zum  forensischen 
Nachweis  der  Herkunft  des  Blutes.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905, 

N°'4^)MoSr  e3s8chi:  Zur  Lehre  von  den  Antikomplementen.  Ibi¬ 
dem  1905,  No.  37,  pag.  1181. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


1472 


Identifizierung  von  Eiweisskörpern  und  in  jüngster  Zeit 
Wassermann  und  Bruck5)6)  zum  Nachweis  minimaler 
Quantitäten  gelöster  Bakteriensubstanzen  und  andererseits 
ihrer  entsprechenden  Antikörper  benutzt. 

Besondere  Beachtung  fanden  in  dieser  Hinsicht  die  sich 
auf  Syphilis  beziehenden  Arbeiten  von  Wassermann, 
N  e  i  s  s  e  r  und  Bruck7),  Wassermann  und  Plaut8) 
und  N  e  i  s  s  e  r,  Bruck  und  S  c  h  u  c  h  t 9).  Die  genannten 
Autoren  konnten  zeigen,  dass  sich  Auszüge  aus  syphilitischen 
menschlichen  Organen  einerseits  und  die  Zerebrospinalflüssig¬ 
keit  von  Paralytikern  und  Tabikern  andererseits  bezüglich  der 
Komplementbindung  genau  so  verhielten  wie  ein  Antigen  und 
der  entsprechende  Antistoff. 

So  interessant  diese  Befunde,  namentlich  im  Hinblick  auf 
die  alte  Streitfrage  über  den  Zusammenhang  zwischen  Syphilis 
und  Paralyse  oder  Tabes,  auch  sind,  so  ist  doch  bis  jetzt  noch 
nichts  über  die  Natur  dieser  Stoffe  bekannt.  Weil10)  hält  es 
sogar  für  möglich,  dass  die  Reaktion  auf  Luesantikörper  nur 
durch  gelöste  Qewebsteile  bedingt  sei  und  Marie  und  Leva- 
d  i  t  i  u)  fanden,  dass  auch  Auszüge  aus  normaler  Leber,  ebenso 
wie  die  aus  syphilitischer,  wenn  auch  in  stärkerer  Konzen¬ 
tration,  imstande  sind,  bei  Gegenwart  von  paralytischer 
Spinalflüssigkeit  Komplement  zu  fixieren.  L  e  v  a  d  i  t  i  und 
Marie  “)  zeigten  ferner,  dass  die  angenommenen  Stoffe  nicht 
mit  den  Bakteriolysinen  zu  identifizieren  sind. 

Nach  dem  Gesagten  musste  es  wünschenswert  erscheinen, 
die  angenommenen,  für  Lues  charakteristischen  Stoffe  und  Anti¬ 
stoffe  auf  andere  und  zwar  möglichst  direkte  Weise  zu  demon¬ 
strieren.  Bei  dem  engen  Zusammenhang,  welcher  zwischen 
der  in  Rede  stehenden  Komplementbindung  und  den  Kraus- 
schen  13)  Präzipitinen  besteht,  schien  uns  die  Möglichkeit  vor¬ 
zuliegen,  die  syphilitischen  Antigene  und  Antistoffe  unmittelbar 
durch  die  Präzipitation  zu  veranschaulichen.  Dies  musste  um 
so  aussichtsreicher  erscheinen,  als  es  uns  schon  früher  ge¬ 
lungen  war,  bei  Typhus  und  Tuberkulose14)15)  Bakterien- 
präzipitinogene  im  Serum  von  Kranken  nachzuweisen. 

Das  erforderliche  Syphilisantigen  stellten  wir  uns  nach 
dem  Vorgang  von  M  a  r  i  e  und  L  e  v  a  d  i  t  i  durch  Eintrocknen 
der  Leber  eines  syphilitischen  Fötus  her,  nachdem  wir  uns 
vorher  von  der  Anwesenheit  der  Spirochaete  pallida  in  dem 
Organ  überzeugt  hatten. 

Zum  Nachweis  der  Syphilisspirochäte  im  Ausstrich  be¬ 
dienten  wir  uns  folgender  vereinfachter  Methode  17):  Auf  einem 
mit  feinstem  Glaspapier  gereinigten  Objektträger  wird  ein 
kleiner  Tropfen  des  fein  zerriebenen  Untersuchungsmaterials 
mit  einem  zweiten,  spitzwinklig  zu  dem  ersten  aufgestellten  Ob¬ 
jektträger  gleichmässig  ausgestrichen  und  noch  feucht  in  der 


von  Hamm18)  angegebenen  „Fixationsröhre“  über  Osmium¬ 
dämpfen  in  wenigen  Sekunden  fixiert.  Nachdem  das  Präparat 
lufttrocken  geworden  ist,  wird  es  mit  10  ccm  einer  kochenden, 
0,5  proz.,  wässerigen  Glyzerinlösung 
übergossen,  welcher  13  Tropfen  alter 
Giemsalösung  zugesetzt  sind;  dieses 
Uebergiessen  wird  2 — 3  mal,  nach  je 
3  Minuten  wiederholt.  Die  Spiro¬ 
chäte  zeigt  dann  in  dem  innerhalb 
10  Minuten  angefertigten  Präparat  eine  so  intensive  Färbung, 
dass  sie  selbst  von  einem  wenig  geübten  Beobachter  nicht 
übersehen  werden  kann  und  das  Beiwort  „pallida“  kaum  noch 
gerechtfertigt  erscheint. 

Die  getrocknete  und  zu  feinstem  Pulver  zerriebene  syphi¬ 
litische  Leber  wurde  'dann  je  nach  Bedarf  in  physiologischer  - 
Kochsalzlösung  aufgelöst,  etwaige  Trübungen  wurden  durch 
Zentrifugieren  und  Filtrieren  (Papier  Schleicher  &  Schüll 
No.  602)  vollkommen  entfernt.  In  gleicher  Weise  wurde  eine 
nicht  syphilitische,  menschliche  Leber  verarbeitet. 

Die  Herstellung  eines  für  unsere  Zwecke  brauchbaren 
Antistoffes  stiess  insofern  auf  Schwierigkeit,  als  uns  keine  Affen 
zur  Verfügung  standen.  Bei  der  Vorbehandlung  von  Kaninchen 
mit  menschlichem  syphilitischem  Material  mussten  notwen¬ 
digerweise  neben  den  gewünschten  Syphilispräzipitinen  auch 
„Menschenpräzipitine“  auftreten.  Diese  konnten  nur  ausge¬ 
schaltet  werden,  wenn  die  Bildung  von  Luespräzipitinen  im 
Kaninchenorganismus  rascher  erfolgt  als  die  der  Menschen¬ 
präzipitine  oder  wenn  es  gelang,  letztere  durch  spezifische 
Absorption,  durch  Verdünnung  oder  durch  spezifische  Lösung 
des  „Menschenpräzipitats“  zu  beseitigen.  Während  die  letzt¬ 
genannten  Versuche  fehlschlugen,  gelang  es  uns  in  einem  Falle 
vom  Kaninchen  vorübergehend  ein  Serum  zu  erhalten,  welches 
wohl  schon  Syphilis-,  aber  noch  keine  Menschenpräzipitine 
enthielt. 

Das  betreffende  Kaninchen  No.  64  hatte  in  Abständen  von 
je  4  Tagen  syphilitische  menschliche  Leber-  und  Papelauf¬ 
schwemmungen  in  steigenden  Mengen  intraperitoneal  und  sub¬ 
kutan  erhalten.  Ein  anderes  Kaninchen  No.  84  war  in  ganz 
ähnlicher  Weise  mit  normalem  menschlichem  Material  vor¬ 
behandelt  worden. 

Die  10  Tage  nach  der  letzten  Injektion  entnommenen 
Serumproben  .wurden  nun  mit  den  vorher  hergestellten  Leber¬ 
auszügen  in  den  verschiedenen  Kombinationen  zusammen¬ 
gebracht. 

Wie  aus  der  Tabelle  I  hervorgeht,  trat  nur  dort  eine 
Präzipitation  ein,  wo  der  syphilitische  Leberauszug  mit  dem 
antisyphilitischen  Serum  zusammentraf,  während  die  übrigen 
Gläser  vollkommen  klar  blieben: 


Tropti’n 


)  Wassermann  und  Bruck:  Ist  die  Komplementbindur 
beim  entstehen  spezifischer  Niederschläge  eine  mit  der  Präzipitierur 
zusammenhängende  Erscheinung  oder  Ambozeptor  Wirkung1?  Med 
zimsche  Klinik  1905,  No.  55,  pag.  1409. 

„  ")  Dieselben:  Experimentelle  Studien  über  die  Wirkung  vc 

I  uberkelbazillenpräparaten  auf  den  tuberkulös  erkrankten  Organi' 
mus.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  No.  12,  pag.  450 

)  Wassermann,  Neisser  und  Bruck:  Eine  serodk 
gnos  tische  Reaktion  bei  Syphilis.  Deutsche  med.  Wochenschr  190 
No.  19,  pag.  745. 

....  /*  Wassermann  und  Plaut:  Ueber  das  Vorhandensein  s^ 
phditischer  Anüstoffe  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  von  Paralytiker: 
Ibidem  1906,  No.  44,  pag.  1769. 

,  J,  ^  e  !  s  s  e  Bfuck  und  Schucht:  Diagnostische  Geweb' 
und  Blutuntersuchungen  bei  Syphilis.  Ibidem  1906,  No.  48,  pag.  193 
i  x-  uWeil:,.  eber  den  Luesantikörpernachweis  im  Blute  vo 
Luetischen.  Wiener  klinische  Wochenschr.  1907,  No.  18,  pag.  52: 
no.  ,,  ,,.a  r  * e  L  e  v  a  d  i  t  i:  Les  „anticorps  syphilitiques“.  Ar 
nalcs  de  1  Institut  I  asteur  1907,  Bd.  21,  No.  2;  ref.  d.  No.  S.  1499. 

•  L  e  v  a  d  1 1  i  et  Marie:  Action  du  liquide  cephalo-re 
chKlien  c  es  paralytiques  generaux  sur  le  virus  syphilitique.  Societ 
de  Biologie  mai  1907,  ct.  n.  Semaine  medicale  1907,  No.  21,  pag  25 

Wi  ’  i>.rau  Leber  spezifische  Reaktion  in  keimfreien  Filtratei 
Wiener  klinische  Wochenschr.  1897,  No.  32 

Wochenschn  "l906,  No.  Münchener  medizinisch 

")1)C.rSelbe:  Uebcr  den  Nachweis  des  Bakterienpräzipitir 
Heft  8.im  0rgamsmus-  Zentralbl.  f.  Bakt.,  I.  Abt.,  Orig!,  Bd  * 

\°7\  Derselbe:  Noch  nicht  veröffentlicht. 

....  ■  >S»C  xreL.sc!lewsky:  Zum  Nachweis  der  Spirochaet 

pallida  im  Ausstrich.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1907,  No.  12. 


Tabelle  I. 


No. 

Syphilitisch. 

Leberauszug 

Normaler 

Leberauszug 

Syphilitisch. 

Äntiserum 

(64) 

Nichtsyphil. 

Antiserum 

Resultat 

1 

9 

X 

— 

X 

- 

positiv 

X 

■ 

X 

X 

negativ 

O 

A 

X 

— 

— 

negativ 

X 

— 

X 

negativ 

Zu  den  Präzipitinuntersuchungen  bedienen  wir  uns  seit 
längerer  Zeit  mit  Vorteil  8  cm  langer  und  0,5  cm  weiter  Gläs¬ 
chen,  in  welchen  die  zu  untersuchenden  Flüssigkeiten  mittelst 
einer  mit  einem  kleinen  Gummiball  versehenen  Kapillarpipette 
vorsichtig  unterschichtet  werden.  Stehen  grössere  Mengen 
der  Flüssigkeiten  zur  Verfügung,  so  werden  mittelst  gradu- 
iu  tei  I  ipette  je  0,15  ccm  in  7  cm  langen  und  0,8  cm  weiten 
Röhrchen  übereinander  geschichtet.  Bei  positivem  Ausfall  der 
Reaktion  bildet  sich  dann,  wie  dies  auch  von  A  s  c  o  1  i 19)  be¬ 
schrieben  wird,  meist  sofort,  immer  aber  vor  Ablauf  von 
-  Stunden  an  der  Berührungsfläche  beider  Flüssigkeiten  ein 
eidlicher  Ring,  welcher  besonders  gut  sichtbar  wird,  wenn 
man  das  durchfallende  Tageslicht  durch  ein  schräg  hinter  die 
Gläschen  gehaltenes  schwarzes  Papier  zum  Teil  abblendet. 


ls)  A.  Hamm:  Beobachtungen  über  Bakterienkapseln  auf  Grund 


Fixationsmethode.  Zentralbl.  f.  Bakt. 


der  Weidenreich  sehen 
Orig.,  Bd.  XL1II,  Heft  3. 

.  r  p9)  As  coli:  Neue :  Tatsachen  und  neue  Ausblicke  in  der  Lehre 
du  Ernährung.  Munch,  med.  Wochenschr.  1903,  No.  5. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1473 


Wir  heben  ganz  besonders  hervor,  dass  nur  vollkommen 
klare  Sera  und  Flüssigkeiten  Verwendung  finden  dürfen. 

Wir  haben  also  durch  unsere  Versuche,  von  denen  einer 
beispielsweise  angeführt  wurde,  das  Vorhandensein  von 
Syphilispräzipitinogenen  in  der  Leber  eines  hereditär-syphi- 
litischep  Fötus  und  von  Syphilispräzipitinen  in  dem  Serum 
eines  mit  syphilitischen,  menschlichen  Organen  vorbehandelten 
Kaninchens  dargetan.  Andererseits  verhehlten  wir  uns  jedoch 
nicht  die  Schwierigkeiten,  welche  die  Gewinnung  eines  der¬ 
artig  geeigneten  antisyphilitischen  Serums  hat.  Zeigte  doch 
das  Serum  des  Kaninchens  64  schon  nach  der  nächsten  In¬ 
jektion  neben  den  Luespräzipitinen  auch  Präzipitine  auf  mensch¬ 
liches  Eiweiss. 

Wir  glaubten  daher  in  der  Folge  ganz  vom  Tierexperiment 
absehen  zu  müssen  und  gingen  dazu  über,  Blutsera  von  Para¬ 
lytikern  und  Tabikern,  deren  Gehalt  an  antisyphilitischen 
Stoffen  im  Sinne  Wassermanns  und  seiner  Mitarbeiter 
wir  vorher  durch  die  Methode  der  Komplementbindung  fest¬ 
gestellt  hatten,  zu  verwenden. 

Dieses  Serum  wurde  dann  in  gleicher  Weise  wie  vorher 
der  Leberauszug  und  das  vom  Kaninchen  gewonnene  Anti¬ 
serum  mit  dem  Blutserum  von  frisch  infizierten  Luetikern  und 
zur  Kontrolle  mit  normalem  Menschenserum  zusammenge¬ 
bracht;  andererseits  wurden  auch  Proben  angestellt,  in  welchen 
das  Serum  der  Luetiker  mit  normalem  Menschenserum  zu¬ 
sammentraf. 

Von  den  ca.  50  mit  gleichem  Ergebnis  angestellten  Ver¬ 
suchen,  bei  deren  Beurteilung  uns  Herr  Prof.  Dr.  Förster 
in  bereitwilligster  Weise  unterstützte,  seien  hier  nur  zwei  an¬ 
geführt. 

Während  Anfangs  die  unverdünnten  klaren  Sera  überein¬ 
andergeschichtet  wurden,  verdünnten  wir  später  die  anti¬ 
körperhaltigen  Sera  auf  das  5  fache  und  erhielten  so  eine 
bessere  Schichtung  und  eine  deutlichere  Reaktion. 

Wir  wählten  Sera  an  Stelle  der  früher  verwendeten  Spinal- 
fliissigkeit  von  Paralytikern,  da  sie  sich  in  unserer  Versuchs¬ 
anordnung  in  bezug  auf  Antikörpergehalt  ebenso  wie  diese 
verhielten  und  da  ihre  Gewinnung  weniger  umständlich  ist. 
Ausserdem  bietet  die  Verwendung  von  gleichartigen  Medien 
für  Antigen  und  Antistoff  den  nicht  zu  unterschätzenden  Vor¬ 
teil,  dass  gewisse  nicht  spezifische  Reaktionen  ausgeschaltet 
werden. 

Hierher  gehört  der  von  M  a  r  i  e  und  L  e  v  a  d  i  t  i  erhobene 
Befund  der  Komplementbindung  bei  der  Kombination:  para¬ 
lytische  Spinalflüssigkeit  +  Auszug  aus  normaler  Leber;  und  der 
von  Weil:  Tumorextrakt  +  Serum  eines  Luetikers.  Unser 
Auszug  aus  einer  syphilitischen  Leber  gab  sowohl  mit  dem 
Serum  eines  Paralytikers,  als  auch  mit  anscheinend  normalem 
Menschenserum  eine  Präzipitation,  während  der  Auszug  aus 
einer  nichtsyphilitischen  Leber  mit  beiden  Seren  nicht  rea¬ 
gierte.  Diese  nicht  spezifischen  Reaktionen  fallen  wie  gesagt 
bei  der  ausschliesslichen  Verwendung  von  Seren  als  Reaktiv 
und  als  Reagens  fort. 

Fassen  wir  das  Resultat  unserer  Untersuchungen  kurz 
zusammen,  so  ergibt  sich:  Das  Serum  von  Para¬ 
lytikern  und  Tabikern  gibt  ausschliesslich 
mit  dem  Serum  von  Luetikern  eine  positive 
Präzipitinreaktion  und  umgekeh  r  t  (cf.  Tabelle  II). 

Wir  besitzen  somit  eine  Methode,  einerseits  bei  Para¬ 
lytikern  und  Tabikern  die  syphilogene  Natur  ihrer  Er¬ 
krankung  festzustellen  und  andererseits  bei  verdächtigen  Er¬ 
krankungen  die  Frage,  ob  Syphilis  vorliegt  oder  nicht,  auf 
serodiagnostischem  Wege  zu  entscheiden. 

Wir  fügen  hinzu,  dass  die  von  uns  auf  Grund  unserer 
Methode  gestellte  Diagnose  Lues  bis  jetzt  in  jedem  einzelnen 
Fall  durch  positiven  Spirochätenbefund  bestätigt  werden  konnte 
und  dass  wir  andererseits  bei  jedem  Falle  mit  Spirochäten¬ 
befund  Syphilispräzipitinogene  im  Blutserum  nachweisen 
konnten. 

Eine  weitere  Mitteilung  über  unsere  Befunde  mit  eingehen¬ 
der  Schilderung  der  klinischen  Daten  werden  wir  in  Gemein¬ 
schaft  mit  Herrn  Privatdozent  Dr.  Rosenfeld  von  der 
psychiatrischen  Klinik  (Direktor:  Prof.  Dr.  Wollenberg) 
und  mit  Herrn  Dr.  E  i  s  e  n  z  i  m  m  e  r  von  der  Klinik  für  Haut- 
und  Geschlechtskrankheiten  (Direktor:  Prof.  Dr.  W  o  1  f  f) 

No.  30. 


Tabelle  11. 


No. 

Serum 

von 

Para¬ 

lytiker 

Tabiker 

Luetiker 

A.  B. 

Gesunder 

A.  B. 

Ergebnis 

1 

0,03 

0,15 

_ 

_ 

Ring 

2 

0,03 

— 

— 

0,15 

— 

Ring 

3 

0,03 

0,15 

— 

— 

— 

— 

0 

4 

0,03 

— 

— 

— 

0,15 

— 

0 

5 

0,03 

— 

— 

— 

— 

0,15 

0 

6 

_ 

0,03 

0,15 

— 

— 

— 

Ring 

7 

_ 

0,03 

— 

0,15 

— 

— 

Ring 

8 

— 

0,03 

— 

— 

0,15 

— 

0 

9 

_ 

0,03 

— 

— 

— 

0,15 

0 

10 

_ 

— 

0,03 

0,15 

— 

— 

0 

11 

_ 

- - 

0,03 

— 

0,15 

— 

0 

12 

— 

— 

— 

0,03 

— 

0,15 

0 

Schluss¬ 

folgerung-: 

Syphilis¬ 
präzipitine  • 

Syphilis¬ 

präzipitinogene 

0 

0 

— 

binnen  kurzem  veröffentlichen;  beiden  Herren  sind  wir  für  die 
liebenswürdige  Ueberlassung  des  Materials  zu  grossem  Danke 
verpflichtet. 

Es  sind  ferner  Versuche  im  Gange,  die  von  uns  angegebene 
Methode  auch  auf  andere  Infektionskrankheiten  zu  übertragen. 
Wir  behalten  uns  vor,  darüber  später  zu  berichten. 

Strassburg,  den  8.  Juni  1907. 

Nachtrag  bei  der  Korrektur: 

Nach  dem  oben  beschriebenen  Prinzip  des 
A  u  f  e  i  n  a  n  d  e  r  w  i  r  k  e  n  s  zweier  P  a  t  i  e  n  t  e  n  s  e  r  a 
aus  differenten  Stadien  ein-  und  derselben 
Krankheit  ist  es  uns  inzwischen  gelungen, 
auch  bei  Scharlach,  Masern  und  Typhus  das 
Vorhandensein  des  entsprechenden  Präzipi- 
tinogens  und  Präzipitins  im  Blutserum  nach¬ 
zuweisen. 

Strassburg,  den  16.  Juli  1907. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  in  Leipzig. 

Ueber  A  E.  W rights  „Opsonine“  und  seine  thera¬ 
peutischen  Bestrebungen  bei  Infektionskrankheiten  .*) 

Von  Privatdozent  Dr.  M.  Löh  lein,  Assistenten  am  Institut. 

In  England  und  Amerika  haben  sich  während  der 
letzten  Jahre  theoretische  und  praktische  Mediziner  auf  das 
Eingehendste  mit  den  von  A.  E.  W  right  entdeckten  „Opso¬ 
ninen“  und  mit  der  Bedeutung  dieser  Körper  des  Serums  für 
die  spezifische  Therapie  einer  ganzen  Reihe  von  Infektions¬ 
krankheiten  beschäftigt.  Eine  sehr  grosse  Reihe  von  Ver¬ 
öffentlichungen  über  den  Gegenstand  liegt  in  den  englischen 
und  amerikanischen  Fachzeitschriften  vor.  Im  Gegensatz  da¬ 
zu  hat  man  in  Deutschland  bisher  den  Arbeiten  W  rights  nur 
verhältnismässig  geringes  Interesse  entgegengebracht;  wie  mir 
scheint,  zu  Unrecht. 

Ich  möchte  Ihnen  heute  einen  kurzen  Ueberbhck  über 
W  rights  Arbeit  geben  und  werde  mich  dabei  bemühen,  so¬ 
weit  das  therapeutische  Problem  in  Frage  kommt,  ein  objek¬ 
tives  Referat  der  W  right  sehen  Ansichten  und  Bestrebungen 
zu  geben;  zu  der  theoretischen  Seite  der  Frage,  mit  der  ich 
mich  selbst  beschäftigt  habe,  werde  ich  mir  später  einige 
kritische  Bemerkungen  erlauben.  ') 

W  r  i  g  h  t  und  seine  Schüler  und  Anhänger  haben  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  nach  ihren  Angaben  vielfach  mit  sehr  guten 
Erfolgen  eine  ganze  Reihe  von  Infektionskrankheiten  des 
Menschen,  unter  denen  die  Tuberkulose  praktisch  das  grösste 
Interesse  beansprucht,  spezifisch  durch  Impfung  mit  abge¬ 
messenen  Dosen  abgetöteter  spezifischer  Krankheitserregei 


*)  in  Anlehnung  an  einen  am  26.  II.  07  in  der  Medizinischen  Ge¬ 
sellschaft  zu  Leipzig  gehaltenen  Vortrag.  . 

*#)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Die  teils  unmittel¬ 
bar  vor.  teils  während  der  Drucklegung  erschienenen  neuesten  Ar¬ 
beiten  über  den  Gegenstand  von  L  e  v  a  d  i  t  i  und  von  Neuieu 
konnten  nicht  mehr  berücksichtigt  werden. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


(Vakzins)  behandelt.  Das  Verfahren  an  sich  ist  demnach  nicht 
neu;  verwenden  die  englischen  Therapeuten  doch  z.  B.  zur 
Behandlung  der  Tuberkulose  Kochs  Neutuberkulin. 

Durchaus  neu  aber  ist  der  Massstab,  den  W  r  1  g  h  t  für  die 
Dosierung  seines  „Vakzins“  eingeführt  hat.  Dieser  wird 
durch  den  „opsonischen  Index“  des  Serums  des  Patienten  ge¬ 
liefert,  der  nach  W  r  i  g  h  t  einen  ganz  ausserordentlich  emp¬ 
findlichen  und  zuverlässigen  Indikator  für  den  Gehalt  des 
Blutes  an  gewissen  antibakteriellen  Substanzen  darstellt. 

Zur  Aufstellung  dieses  Massstabes  gelangte  W  right  auf 
dem  folgenden  Wege:  Er  hatte  im  Serum  normaler  und  er¬ 
krankter  Individuen  bis  dahin  anscheinend  unbekannte  Sub¬ 
stanzen  —  „Opsonine“  —  gefunden,  die  im  Reagensglase  patho¬ 
gene  Keime  der  Phagozytose  durch  die  Leukozyten  des  Blutes 
zugänglich  machten.  Durch  genaue  Zählung  der  unter  ganz 
bestimmten  Versuchsbedingungen  aufgenommenen  pathogenen 
Keime  konnte  W  r  i  g  h  t  die  „opsonische  Kraft“  eines  solchen 
Serums  ziffernmässig  genau  darstellen.  Er  beobachtete  dabei 
zunächst  bei  Menschen,  die  an  chronischer  Staphylomykose 
litten,  einen  im  Vergleich  mit  dem  normaler  Sera  herabgesetzten 
Opsöningehalt.  Er  beobachtete  ferner  unter  dem  Einfluss  der 
Impfung  mit  seinen  „Staphylokokkenvakzins“  unter  bestimmten 
Bedingungen  ein  Ansteigen  des  Opsoningehaltes  im  Blute  der 
Patienten. 

Als  „opsonic  index“  bezeichnet  W  r  i  g  h  t  das  Verhältnis 
des  Opsoningehaltes  des  Serums  eines  Patienten  zu  dem  Op¬ 
soningehalt  eines  normalen  Serums. 

Sehr  umfangreiche  Untersuchungen  von  W  r  i  g  h  t  und 
seinen  Anhängern  ergaben  ein  eigentümliches  und  nach 
W  rights  Angaben  streng  gesetzmässiges  Verhalten  dieses 
„opsonic  index“  bei  verschiedenen  Infektionskrankheiten,  und 
auf  Grund  theoretischer  Erwägungen  erblickt  W  r  i  g  h  t  in  dem 
„opsonic  index“  einen  objektiven  Massstab,  nach  dem  sich  das 
therapeutische  Handeln  zu  richten  hat.  Ich  sehe  von  Einzel¬ 
heiten  ab  und  erwähne  nur  die  gewiss  höchst  beachtenswerte 
Tatsache,  dass  W  r  i  g  h  t  bei  gewissen  Fällen  von  Tuberkulose 
nach  Injektion  minimaler  Mengen  von  T.  R.  einen  sehr  starken 
immunisatorischen  Effekt  (festgestellt  durch  den  „opsonic 
index“)  nachweisen  konnte,  ohne  dass  die  geringsten  Störungen 
des  Allgemeinbefindens,  insbesondere  Temperaturerhöhung, 
aufgetreten  wären.  Schon  im  Jahre  1905  konnte  W  right 
über  ein  sehr  grosses  Beobachtungsmaterial  von  Fällen  von 
Tuberkulose  der  verschiedensten  Lokalisation  berichten,  die  er 
unter  Kontrolle  des  Opsoningehalts  des  Serums  mit  T.  R.  be¬ 
handelt  hatte.  Die  Ergebnise  waren,  soweit  lokalisierte  Tuber¬ 
kulose,  insbesondere  Knochentuberkulose,  in  Betracht  kommt, 
nach  seinem  Bericht  sehr  günstig.  Auch  gegen  eine  ganze  Reihe 
anderer  Infektionserreger  haben  W  r  i  g  h  t  und  seine  Anhänger 
nach  ihren  Angaben  auf  Grund  des  kurz  skizzierten  Verfahrens 
günstige  Erfolge  erzielt.  Ich  verweise,  da  mir  ein  eigenes 
Urteil  hierüber  nicht  zusteht,  auf  die  Originalarbeiten,  die  am 
Schlüsse  zitiert  sind.  Die  von  W  r  i  g  h  t  erreichten  Resultate 
scheinen  mir  unter  allen  Umständen  so  beachtenswert,  dass 
eine  praktische  Nachprüfung  des  W  r  i  g  h  t  sehen  Verfahrens 
in  Deutschland  sehr  wünschenwert  wäre. 

Gegen  die  theoretischen  Ueberlegungen  Wrights  scheinen 
mir  einige  Einwände  erhoben  werden  zu  müssen.  W  r  i  g  h  t 
glaubt  eine  sehr  einfache  Lösung  des  Problems  der  bakteriellen 
Infektion  in  der  Annahme  gefunden  zu  haben,  dass  pathogene 
Mikroorganismen  sich  im  Organismus  in  jedem  Falle  in  einem 
Gebiet  herabgesetzter  „bacteriotropic  pressure“  vermehren, 
d.  h.  in  einem  Gebiet,  wo  die  antibakteriellen  Schutzstoffe 
fehlen  oder  im  Vergleich  mit  ihrer  Menge  im  zirkulierenden 
Blute  erheblich  vermindert  sind.  Dadurch  soll  es  sich  er¬ 
klären,  dass  sie  der  Vernichtung  durch  das  Zusammenwirken 
von  Opsoninen  und  Leukozyten,  d.  h.  durch  Phagozytose,  ent¬ 
gehen.  Im  Kampfe  gegen  die  Eindringlinge  wird  der  Organis¬ 
mus  unter  geeigneten  Bedingungen  unterstützt  durch  die  mit 
Hilfe  der  „Vakzins“  erzielte  Mehrproduktion  von  Opsoninen, 
die  an  den  Infektionsherd  gelangt  die  Phagozytose  begünstigen. 

Gegen  Wrights  Gedankengang  ist  zunächst  der  Ein¬ 
wand  zu  erheben,  dass  die  Phagozytose  pathogener  Keime 
durch  die  Leukozyten  höher  organisierter  Tiere  —  mag  sie 
„spontan“  oder  unter  dem  „opsonischen  Einfluss“  von  Körper¬ 
flüssigkeiten  zustande  gekommen  sein  —  keineswegs  unter 


allen  Umständen  die  Vernichtung  der  Keime  bedeutet. 
Man  kann  sich  hiervon  beispielsweise  beim  Pestbazillus  leicht 
überzeugen.  Es  soll  auf  diesen  Einwand  an  dieser  Stelle  aber 
nicht  ausführlicher  eingegangen  werden.  Sehr  viel  wichtiger 
ist  eine  durch  viele  Einzelbeobachtungen  sichergestellte  Tat¬ 
sache,  die  W  r  i  g  h  t  bei  seinen  Ueberlegungen  nicht  berück¬ 
sichtigt,  die  Tatsache  nämlich,  dass  infektiöse  Keime,  wie  längst 
bekannt  ist,  nach  ihrem  Eindringen  in  den  tierischen  Organis¬ 
mus  ihre  Eigenschaften  in  dem  Sinne  ändern,  dass  sie  gegen  die 
Schutzmittel  des  Organismus  (gelöste  antibakterielle  Sub¬ 
stanzen  und  Phagozyten)  eine  oft  im  höchsten  Grade  gesteigerte 
Widerstandskraft  erwerben,  die  man  mit  Fug  und  Recht  als 
Immunität  bezeichnen  kann. 

Ich  erinnere  hier  hur  an  die  sorgfältigen  Beobachtungen 
von  Cohn  über  Typhusbazillen,  sodann  an  die  Ausführungen 
von  Bail  in  seinen  ersten  Arbeiten  über  „Aggressine“,  ferner 
besonders  an  sehr  zahlreiche  Beobachtungen,  die  zeigen,  dass 
pathogene  Keime,  die  bei  ihrem  Eindringen  in  den  Tierkörper 
ebenso  wie  im  Reagensglas  der  Phagozytose  anheimfallen, 
nach  dem  Ueberstehen  der  ersten  Abwehrreaktion  des  Organis¬ 
mus,  von  anderen  Veränderungen  abgesehen,  die  Eigenschaft 
zeigen,  der  Aufnahme  durch  Phagozyten  zw  entgehen. 
(Metschnikoff:  Pestbazillen;  Bordet:  Streptokokken; 
Silberberg  und  Zeliony:  Hühnercholera.)  Besonders 
erwähne  ich  an  dieser  Stelle  die  von  G  r  u  b  e  r  und  mir  gleich¬ 
zeitig  mitgeteilte  Tatsache,  dass  Milzbrandbazillen  aus  dem 
Körper  des  durch  Infektion  erlegenen  Tieres  der  Phagozytose 
im  Reagensglas  einen  bisher  unbesieglichen  Widerstand  ent¬ 
gegensetzen,  während  hochvirulente  Bazillen  des  gleichen 
Stammes  von  jungen  Agarkulturen  ausgiebiger  Aufnahme  durch 
die  Leukozyten  anheimfallen.  Diese  Versuche  sind  deshalb 
hier  besonders  zu  erwähnen,  weil  die  Anordnung  der  Beob¬ 
achtungen  prinzipiell  genau  mit  der  von  W  r  i  g  h  t  befolgten 
übereinstimmt. 

Eine  ganz  analoge  Beobachtung  hat  ganz  neuerdings 
Löwenstein  bei  Tuberkelbazillen  in  einem  Falle  von 
Blasentuberkulose  des  Menschen  gemacht.  Aus  den  Angaben 
dieses  Beobachters  geht  hervor,  dass  auch  die  „tierischen“ 
Tuberkelbazillen  der  Phagozytose  einen  unvergleichlich 
höheren  Widerstand  entgegensetzen,  als  die  der  Kultur.  End¬ 
lich  erinnere  ich  kurz  an  die  neueren  Angaben  Marmoreks 
über  „erhebliche  Aenderungen  der  Eigenschaften  des  Tuberkel¬ 
bazillus  im  tierischen  Organismus“. 

Jeder  Versuch  einer  „Lösung  des  Problems  der  bak¬ 
teriellen  Infektion“,  der  der  Tatsache  nicht  Rechnung  trägt,  dass 
die  pathogenen  Keime  im  Tierkörper  wesentliche  Aenderungen 
ihrer  Eigenschaften  zeigen,  muss  als  unzulänglich  bezeichnet 
werden,  somit  auch  der  von  A.  E.  W  r  i  g  h  t. 


Aus  diesen  Bedenken  gegen  die  theoretischen  Folgerungen 
Wrights  folgt  für  mich  keineswegs  die  Ablehnung  seiner 
therapeutischen  Bestrebungen.  Es  ist  durchaus  möglich,  dass 
der  „opsonic  index“  entsprechend  der  Annahme  des  englischen 
Autors  einen  brauchbaren  Indikator  für  immunisatorische  Re¬ 
aktionen  abgibt.  Noch  gehen  aber  über  die  Phagozytose  und 
über  die  Bedeutung  der  Opsonine  unsere  Kenntnisse  bei  weitem 
nicht  hinreichend  in  die  Tiefe,  um  ein  endgültiges  Urteil  hier¬ 
über  zu  gestatten. 

Die  erste  Frage,  die  hier  beantwortet  werden  muss,  ist  die 
nach  den  phagozytären  und  bakteriziden  Fähigkeiten  der  Leuko¬ 
zyten  überhaupt. 

Ich  halte  es  durch  frühere  Versuche  von  Metschnikoff 
und  durch  eigene  Versuche  für  erwiesen,  dass  die  Leukozyten 
höherer  Tiere  pathogene  Bakterien  ohne  die  Mitwirkung  von 
Körpersäften  nicht  nur  im  lebenden  Zustande  aufnehmen, 
sondern  auch  intrazellulär  zu  verdauen  imstande  sind.  Auf  den 
früher  oft  erhobenen  Einwand,  dass  von  den  Leukozyten  nur 
abgetötete  Bakterien  aufgenommen  werden,  brauche  ich  nicht 
näher  einzugehen;  ich  erinnere  nur  nebenbei  an  die  bekannte 
Tatsache,  dass  Bakterien,  die  auf  Leukozyten  „chemotaktisch 
negativ  wirken“,  der  Phagozytose  auch  nach  ihrer  Ab¬ 
tötung  durch  hohe  Temperaturen  entgehen. 

Auch  Lambotte  und  S  t  i  e  n  n  o  n,  die  die  bakteriziden 
Fähigkeiten  der  Leukozyten  vollkommen  in  Abrede  stellen,  er- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1475 


21  .lull  1907. 


kennen  an,  dass  diese  Zellen  ohne  die  Mitwirkung  von  Körpei- 
säften  lebende  pathogene  Keime  aufnehmen  können.  Sie  be¬ 
nutzen  bei  ihren  Versuchen  beispielsweise  den  positiven  Aus¬ 
fall  der  Phagozytose  von  Milzbrandbazillen  in  vitro  als  Kn- 
terium  für  den  guten  Erhaltungszustand  von  gewaschenen 
Leukozyten  ausserhalb  des  Tierkörpers.  Sie  leugnen  abei  jede 
bakterizide  Fähigkeit  der  Leukozyten.  Hierin  muss  ich  ihnen 

widersprechen:  ,  ,  ,  ,  , 

Gegenüber  den  Angaben  von  W  right,  L  a  m  b  o  1 1  e  und 
S  t  i  e  n  n  o  n  und  Pettersson  halte  ich  meine  frühere  Be¬ 
hauptung  aufrecht,  dass  auch  gewaschene  Leukozyten  patho¬ 
gene  Keime  intrazellulär  nachweislich  verdauen.  Ich  habe  spe¬ 
ziell  für  den  Choleravibrio  meine  älteren  Versuche  im  Jahre 
1906  noch  einmal  wiederholt  und  zwar  an  fünf  ziemlich  hoch¬ 
virulenten  Stämmen  aus  dem  Institut  für  Infektionski ank- 
heiten1 *).  Die  fünf  Stämme  leisteten  der  Phagozytose  durch 
gewaschene  Leukozyten  einen  verschieden  hohen  Widerstand; 
ich  konnte  aber  auch  bei  ihnen  in  allen  Fällen,  wo  Phagozytose 
stattfand,  Granulabildung  im  Innern  der  Leukozyten  bei  völ¬ 
ligem  Ausschluss  der  Mitwirkung  von  Körpersäften  in  vitro 
nachweisen.  Bei  keinem  der  Fälle  fehlte  das  Phänomen  dei 
Phagozytose  völlig,  bei  einzelnen  trat  ziemlich  lebhafte  I  hago- 
zytose  ein,  ein  nachweislicher  strenger  Parallelismus  zwischen 
Virulenz  und  Widerstand  gegen  Phagozytose  bestand  nicht. 
Die  weitgehenden  Schlüsse,  die  Lambotte  und  S  t  i  e  n  n  o  n 
sowohl  wie  auch  Pettersson  aus  ihren  Experimenten 
ziehen  und  die  im  wesentlichen  darauf  hinauslaufen,  den  Leuko¬ 
zyten  alle  bakteriolytischen  Fähigkeiten  abzusprechen,  muss 
ich  also  nach  wie  vor  bestreiten. 


Was  den  Ablauf  der  Phagozytose  unter  dem  Einfluss  des 
Serums  anlangt,  so  ist  der  Nachweis  eines  opsonischen  Ein¬ 
flusses  von  normalem  Meerschweinchenserum  auf  Cholera¬ 
vibrionen  mir  an  den  fünf  genannten  Stämmen  gelungen.  Dies 
steht  im  Einklang  mit  Befunden,  die  N  e  u  f  e  1  d  mitgeteilt  hat. 
Ich  erwähne  dies  ergänzend,  da  ich  bei  zwei  Stämmen  des. 
Institut  Pasteur  nicht  zu  einem  positiven  Resultate  gekommen 
war.  (Uebrigens  hatte  ich  bereits  bei  der  Mitteilung  dieser 
älteren  Versuchsresultate  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass 
sich  Cholerastämme  finden  lassen  würden,  bei  denen  die  Op¬ 
soninwirkung  des  Serums  aufgezeigt  werden  könnte.) 

Findet  unter  dem  Einfluss  des  Serums  lebhafte  Phagozytose 
statt,  so  beobachtet  man  auch  zahlreichere  intrazelluläre 
Granula,  bei  dieser  Versuchsanordnung  aber  auch  mehr  oder 
weniger  zahlreiche  ausserhalb  der  Zellen.  Es  bedarf  kaum  der 
Darlegung,  dass  man  aus  diesen  Versuchen  keinerlei  Schlüsse 
auf  die  Beteiligung  der  Leukozyten  an  der  Körnchenbildung 
ziehen  kann.  Einerseits  enthält  das  Serum  bakteriolytische 
Ambozeptoren,  die  möglicherweise  bei  der  intrazellulären  Bak¬ 
terienverdauung  eine  vorbereitende  Rolle  spielen  könnten, 
andererseits  besteht  die  Möglichkeit,  dass  infolge  der  Steige¬ 
rung  der  Bakterienaufnahme  durch  die  Opsonine  intrazelluläre 
bakteriolytische  Substanzen  zur  Wirkung  gelangen  können, 
über  deren  Identität  mit  dem  Ambozeptor  und  Komplement  des 
Serums  gar  nichts  ausgesagt  werden  kann.  Dass  man  mit 
Extraktionsmethoden  aus  den  Leukozyten  keine  bakteriziden 
Substanzen,  auch  kein  Komplement  hat  darstellen  können,  be¬ 
weist  nichts  gegen  die  einfache  unmittelbare  Beobachtung  von 
Verdauungsvorgängen,  die  sich  an  pathogenen  Keimen  im 
Innern  von  Leukozyten  abspielen.3) 


Ich  möchte  zum  Schlüsse  die  Frage  nach  der  möglichen 
Identität  von  Opsoninen  und  Normalambozeptoren  kurz  be¬ 
rühren,  um  eine  eigene  Aeusserung  dazu  (1.  c.)  einzuschränken. 
Von  der  Vermutung  ausgehend,  dass  diese  Identität  bestünde, 
hatte  ich  auf  verschiedenen  Wegen  versucht,  sie  als  tatsächlich 
nachzuweisen.  Aus  dem  Misslingen  dieser  Versuche  schloss 
ich,  dass  beide  „Substanzen“  wesenverschieden  seien.  Tat¬ 
sächlich  scheint  mir  der  Nachweis  hierfür  weder. durch  meine 


D  Herrn  Prof.  Dr.  K  o  1 1  e  bin  ich  für  die  freundliche  Vermitte¬ 

lung  der  Kulturen  zu  besonderem  Danke  verpflichtet. 

3)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Vgl.  die  neuen 
Versuchsresultate  von  Gr  über  und  Futaki  (diese  Wochenschrift 
1907,  No.  6). 


eigenen,  noch  durch  die  mir  bekannten  englischen  und  ameri¬ 
kanischen  Untersuchungsresultate  einwandsfrei  erbracht  zu 
sein.  Man  kann  vorläufig  wohl  nur  sagen,  die  Identität  der 
Normalambozeptoren  und  Opsonine  hat  sich  noch  nicht  er¬ 
weisen  lassen  ")• 

Literatur. 

Bail:  Archiv  f.  Hygiene  52,  p.  272  f.  —  Derselbe:  Münch, 
med.  Wochenschr.  1905,  p.  1865.  —  Bordet:  Annales  Pasteur  1897, 
p.  177.  —  E.  Cohn:  Zeitschr.  f.  Hygiene,  45,  1903,  p.  61.  —  M.  G  r  u  - 
ber:  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  1.  Abt.,  Ref.,  Bd.  38,  Beiheft,  pag.  11. 

—  Lambotte  und  Stiennon:  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  40,  p.  224  f. 

—  Löhlein:  Annales  Pasteur  1905,  p.  647,  1906,  p.  939.  —  Der¬ 
selbe:  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  1.  Albt.,  Ref.,  Bd.  38,  Beiheft,  p.  32. 

—  Löwenstein:  Zeitschr.  f.  Hygiene  55,  p.  429.  —  Neufeld: 
Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  Ref.  38,  Beiheft,  p.  27.  —  Pettersson: 
Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  Orig.,  39,  p.  423  f.  —  W  r  i  g  h  t  and  Dou¬ 
glas:  Proceied.  Roy.  Soc.  73,  1904,  p.  128.  —  A.  E.  W  right: 
Lancet  1905,  p.  1598.  —  D  e  r  s  e  1  b  e  und  S.  J.  R  ei  d:  Proceed.  Roy. 
Soc.  77,  Jan.  1906. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Freiburg  i.  Br. 

(Dir.:  Prof.  K  r  ö  n  i  g). 

Warum  muss  bei  gynäkologischen  Operationen  der 
Wurmfortsatz  mit  entfernt  werden?*) 

Von  Dr.  Pankow,  Privatdozent  und  Assistent  der  Klinik. 

Wenn  ich  in  der  Ueberschrift  meines  Vortrages  frage, 
warum  soll  bei  gynäkologischen  Erkrankungen  der  Wurm¬ 
fortsatz  mit  entfernt  werden,  so  liegt  darin  schon,  dass  wir 
bei  unseren  Operationen  die  Appendektomie  nicht  nur  für  er¬ 
laubt,  sondern  auch  für  geboten  halten. 

Eine  solche  Forderung  aber  muss,  sobald  sie  allgemein 
aufgestellt  wird  und  zumal  sie  im  Gegensatz  zu  den  heute 
üblichen  Anschauungen  der  Gynäkologen  steht,  auf  fester 
wissenschaftlicher  Grundlage,  d.  h.  auf  exakten  anatomischen 
Untersuchungen  basieren. 

Derartige  Untersuchungen  aber  liegen  meinen  Aus¬ 
führungen  zugrunde.  Dank  dem  liebenswürdigen  Entgegen¬ 
kommen  des  Herrn  Prof.  A  s  c  h  o  f  f,  der  sich  von  allen  Patho¬ 
logen  in  jüngster  Zeit  wohl  am  meisten  mit  der  Appendizitis 
beschäftigt  und  uns  wichtige  neue  Gesichtspunkte  eröffnet  hat, 
sind  teils  vom  pathologischen  Institut  in  Freiburg,  teils  von  mir 
selbst  ca.  150  von  uns  exstirpierte  Wurmfortsätze  mikro¬ 
skopisch  untersucht  worden.  Und  da  die  Deutung  der  ana¬ 
tomischen  Bilder,  besonders  nach  abgelaufenen  Prozessen,  oft 
eine  ungemein  schwere  und  für  die  Nichtgeübten  fast  unmög¬ 
liche  ist,  wurde  jedes  einzelne  Präparat,  das  den  Unter¬ 
suchungen  zugrunde  liegt,  auch  noch  von  Herrn  Prof.  Aschoff 
selbst  durchgesehen  und  beurteilt,  so  dass  die  Deutung  der 
Bilder  eine  völlig  einheitliche  und  fachmännische  ist. 

Es  würde  mich  natürlich  viel  zu  weit  führen,  wollte  ich 
hier  auf  die  verschiedenen  anatomischen  Bilder  in  den  ver¬ 
schiedenen  Stadien  der  Appendizitis  eingehen.  Das  alles  finden 

2)  Im  Zusammenhang  mit  dieser  Unklarheit  steht  eine  histo¬ 
rische  Richtigstellung,  die  mir  Sauerbeck  in  seinem  neuesten 
Sammelreferat  über  Immunitätsforschung  (Lubarsch  und  Oster- 
"tag:  Ergebnisse  der  allgemeinen  Pathologie,  XI.  Jahrg.,  I.  Abteil., 
p.  791  u.  f.)  zuteil  werden  lässt.  Sauerbeck  wendet  sich  gegen 
eine  Bemerkung  von  mir,  wonach  ich  die  Einführung  des  neuen 
Namens  „Opsonine“  nicht  für  gerechtfertigt  halte.  Die  Begründung 
meiner  Stellungnahme  gegenüber  der  ausführlichen  Kritik  von 
Sauerbeck  würde  unverhältnismässig  viel  Raum  erfordern.  Ich 
betone  deshalb  nur,  dass  ich  a.  a.  O.  das  Verdienst  von  W  r  i  g  h  t, 
die  Opsonine  entdeckt  zu  haben,  ausdrücklich  anerkenne.  Die 
Frage,  wieweit  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f  das  Vorkommen  analoger  Sub¬ 
stanzen  im  spezifischen  Serum  nach  dem  Vorgang  von  Denys  und 
Leclef  in  seinem  Artikel  vom  Jahre  1904  gewürdigt  hat,  würde 
eine  lange  Auseinandersetzung  in  Anspruch  nehmen.  Ich  zitiere  des¬ 
halb  nur  einen  Satz  aus  Sauer  becks  historischer  Bemerkung 
(1.  c.  pag.  794  oben):  „W  right  hat  im  Opsonin  eine  neue  Substanz 
entdeckt,  eine  Substanz,  die  die  Trägerin  einer  Wirkung  ist,  die 
Metschnikoff  bisher  den  Ambozeptoren  zugeschrieben  hat.“ 

Dieser  Satz  enthält  genau  genommen  die  Anerkennung  meiner 
Stellungnahme.  —  Trotzdem  räume  ich  ein,  dass  ich  heute  auch  die 
Einführung  dies  neuen  Namens  „Opsonine“  durch  W  r  i  g  h  t  für 
gerechtfertigt  halte,  weil  bei  der  grossen  Divergenz  der  Meinungen 
über  Serumbakterizidie  und  Phagozytose  die  Verständigung  durch 
die  Einführung  des  neuen  Terminus  gefördert  worden  ist. 

*)  Vortrag,  gehalten  im  Gynäkologenkongress  in  Dresden. 

2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Sie  in  den  Arbeiten  Aschoffs  und  seiner  Schüler  nieder¬ 
gelegt.  Ganz  kurz  will  ich  nur  auf  die  für  uns  wichtigen  ana¬ 
tomischen  Ergebnisse  hinweisen. 

Die  Frage  der  akuten  Appendizitis  ist  schnell  erledigt,  da 
sie  uns  speziell  als  anatomisches  Bild  weniger  tangiert.  Her¬ 
vorheben  will  ich  nur,  dass  sie  stets  in  den  Schleimhautkrypten 
beginnt,  dort  wo  die  Epitheldecke  durch  eine  Lücke  in  der 
Muscularis  mucosae  mit  der  Submukosa  in  direkte  Berührung 
tritt. 

Hier  kommt  es  zu  Epithelverlust,  Ansammlung  eosinophil 
und  neutrophil  gekörnter  Leukozyten  und  zur  Fibrinausschei¬ 
dung.  Der  event.  vorhandene  Kotstein  spielt  dabei  keine  ur¬ 
sächliche  Rolle. 

Von  diesen  Anfängen  der  Entzündung  aus  entwickelt  sich 
dann  weiter  entweder  eine  phlegmonöse  Entzündung  der  Mus¬ 
kulatur  oder  eine  pseudomembranöse  Schleimhautentzündung, 
die  eine  nach  Aschoff  dem  Tonsillarabszess,  die  andere  der 
Diphtherie  vergleichbar.  Wand-  und  Schleimhautprozesse 
gehen  natürlich  oft  Hand  in  Hand. 

Weit  wichtiger  aber  sind  für  uns  die  Folgezfustände  dieser 
Prozesse.  Hier  betont  Aschoff  besonders  zwei  Punkte  mit 
aller  Schärfe,  die  für  die  ganze  Auffassung  der  mikroskopischen 
Bilder  von  höchster  Wichtigkeit  sind.  Einmal  erkennt  er  die 
sogen,  chronische  Appendizitis,  die  Appendicitis  granuiaris  von 
Riedel,  als  selbständiges  Krankheitsbild  nicht  an,  sofern  man 
darunter  eine  primäre  chronische  interstitielle  Entzündung  ver¬ 
steht,  die  zur  Erdrückung  der  Drüsen,  zum  Verlust  des  Ober¬ 
flächenepithels  und  zu  Verwachsungen  führt.  Dann  aber  lehnt 
er  auch  die  physiologische  Obliteration,  wie  sie  ganz  besonders 
von  R  i  b  b  e  r  t  behauptet,  jetzt  aber  auch  von  ihm  wieder  auf¬ 
gegeben  ist,  auf  das  entschiedenste  ab.  In  beiden  Krankheits¬ 
bildern  sieht  er  nichts  anderes  als  die  Folgen  vorausgegangener 
akuter  Anfälle.  Wiederholen  sich  nun  derartige  Anfälle  des 
öfteren,  oder  treten  Exazerbationen  im  Ausheilungsstadium  ein, 
so  kann  natürlich  klinisch  ein  Bild  ausgelöst  werden,  das 
man  wohl  als  chronische  Appendizitis  bezeichnen  könnte.  Aus 
dem  Verlauf  der  akuten  Entzüdung  sind  ja  auch  alle  diese 
Bilder  sehr  leicht  verständlich.  Tritt  der  akute  Anfall  leicht 
auf,  klingt  er  schnell  wieder  ab,  so  kann  eine  vollständige 
Restitutio  ad  integrum  die  Folge  sein.  Kommt  es  zu  aus¬ 
gedehnterer  Zerstörung  der  Schleimhaut  oder  der  Wand  oder 
zur  Perforation,  so  finden  wir  die  Bilder,  die  speziell 
W  ätzold  in  seiner  Arbeit,  der  auch  ein  grosser  Teil  unseres 
Freiburger  Materials  zugrunde  liegt,  ausführlicher  beschrie¬ 
ben  hat. 

Hierher  gehört  die  teilweise  oder  totale  Obliteration,  die 
partielle  Schleimhautzerstörung  und  Lumenverengerung,  hier¬ 
her  gehören  weiter  Verdickungen  und  Sklerosierungen  der 
Serosa,  narbige  Unterbrechung  der  Muskulatur  an  der  alten 
Perforationsstelle  und  ganz  besonders  eine  ausgesprochene 
Bindegewebswucherung  in  der  Muscul.  interna  und  externa,  die 
zu  einer  mehr  oder  minder  starken  Segmentierung  der  Musku¬ 
latur  führt,  wie  wir  sie  wenigstens  bei  jungen  Individuen  an 
normalen  Wurmfortsätzen  niemals  beobachten  können.  Und  ge¬ 
rade  diese  Veränderungen  der  Muskelschichten  sind  es,  die  uns 
viel  leichter  eine  durchgemachte  Appendizitis  erkennen  lassen, 
als  die  Befunde  der  Mukosa  und  Submukosa,  die  dabei  völlig 
normal  erscheinen  können. 

Aus  diesen  Veränderungen  also,  die  ich  an  dieser  Stelle 
nur  in  aller  Kürze  skizzieren  konnte,  sind  wir  in  der  Lage, 
auch  lange  nach  einem  akuten  Anfall  noch  die  Diagnose  auf 
eine  überstandene  Appendizitis  zu  stellen.  Das  aber  ist  als  ein 
grosser  Fortschritt  zu  betrachten,  weil  wir  nun  auch  imstande 
sind,  bei  makroskopisch  anscheinend  unverändertem  Prozessus 
\\  ichtige  Rückschlüsse  auf  eine  frühere  Erkrankung  zu  machen 
und  manches  bei  der  makroskopischen  Betrachtung  des  Pro¬ 
zessus  dunkel  gebliebene  Krankheitsbild  zu  klären.  Wir  alle 
\\  issen  ja,  wie  leicht  sich  gerade  appendizitische  Verwach¬ 
sungen  und  selbst  grosse  Abszesse  anscheinend  restlos  zurück¬ 
bilden  und  wie  wir  bei  Operationen  im  Intervall  nach  einer 
klinisch  absolut  sicheren  Appendizitis  dann  einen  makroskopisch 
\öllig  unceränderten  Prozessus  ohne  jede  Verwachsung  finden 
können,  sodas^s  wir  an  der  Richtigkeit  der  sicheren  Diagnose 
glaubten  zweifeln  zu  müssen.  Das  sind  eben  die  Fälle,  welche 
einzig  und  allein  die  histologische  Untersuchung  klären  kann. 


Legen  wir  diese  oben  fixierten  Befunde  unserer  histo¬ 
logischen  Beurteilung  zugrunde,  so  finden  wir,  dass  die  Appen¬ 
dizitis  beim  Weibe  ganz  unvergleichlich  viel  häufiger  ist,  als 
man  früher  gemeinhin  annahm.  Gewiss  ist  die  relative  Häufig¬ 
keit  der  Appendizitis  im  Verhältnis  zur  Appendizitis  beim  Manne 
heute  mehr  und  mehr  anerkannt.  Zuverlässige  Zahlen  über 
das  absolute  Verhältnis  fehlen  aber  noch  ganz. 

Wenn  D  ii  h  r  s  s  e  n  z.  B.  bei  seinen  Laparotomien  den 
Prozessus  in  3  Proz.,  A  m  a  n  n  in  6  Proz.,  K  e  1 1  y  in  10  Proz., 
Edebohls  in  4  Proz.  erkrankt  fand,  so  sind  diese  Zahlen 
viel  zu  niedrig  gegriffen.  Ebenso  wenig  richtig  sind  aber  auch 
die  Angaben  von  Hermes,  der  bei  75  Laparotomien  wegen 
gynäkologischer  Erkrankung  an  den  Prozessus  40  mal,  also  in 
ca.  53  Proz.,  Veränderungen  fand.  Denn  einmal  rechnet  er  bei 
seinen  makroskopischen  Angaben  zu  den  pathologischen  Ver¬ 
änderungen  schon  Erweiterungen  und  Kotsteine,  Befunde,  die 
auch  schon  bei  ganz  normalem  Prozessus  sich  finden.  Zweitens 
aber  sind  Veränderungen  am  Wurmfortsatz  noch  keine 
Appendizitiden.  Ueberhaupt  ist  bisher  bei  allen  Arbeiten, 
welche  dieses  Thema  behandeln,  der  anatomische  Unterschied 
zwischen  einer  wirklichen  Appendizitis  und  dem  Uebergreifen 
anderer  Prozesse  auf  den  Wurmfortsatz  von  aussen  her  viel 
zu  wenig  betont.  Gewiss  findet  man  bei  Pyosalpingen  und 
Tubargraviditäten  auch  öfters  eine  Mitbeteiligung  des  Wurm¬ 
fortsatzes  insofern,  als  die  dadurch  bedingten  Adhäsionen  auch 
auf  ihn  übergegriffen  und  zu  Veränderungen  der  Serosa  und 
vielleicht  auch  der  Muskularis  geführt  haben,  aber  damit  dürfen 
wir  noch  nicht  von  einer  Erkrankung  des  Wurmfortsatzes  im 
Sinne  einer  Appendizitis  reden.  Diesen  Entscheid  kann,  wenn 
überhaupt,  nur  die  mikroskopische  Untersuchung  geben.  Und 
selbst  dann  sind  wir  nicht  immer  in  der  Lage,  besonders  wenn 
beide  Prozesse,  Adnex-  und  Wurmfortsatzentzündung,  längst 
abgelaufen  sind,  mit  Sicherheit  zu  entscheiden,  welches  Organ 
den  Ausgangspunkt  der  Erkrankung  gebildet  hat. 

Unter  Berücksichtigung  aller  dieser  Punkte  fanden  wir  bei 
einem  daraufhin  untersuchten  Material  von  147  Wurmfort¬ 
sätzen,  die  bei  Laparotomien  wegen  Myomen,  Kystomen, 
Tubargraviditäten,  Adnexerkrankungen  und  bei  Ligament¬ 
fixationen  entfernt  und  unausgewählt  bearbeitet  wurden, 
L  sichere  Appfendizitis  in  82  Fällen,  2.  sicheren  Uebergang  einer 
Entzündung  von  aussen  in  5  Fällen,  3.  fragliche  Befunde  in  24 
Fällen,  4.  unveränderte  Wurmfortsätze  in  36  Fällen. 

Lassen  wir  bei  der  Beurteilung  der  Häufigkeit  der  Appen¬ 
dizitis  die  24  fraglichen  Fälle  überhaupt  weg,  so  finden  wir  bei 
123  Patientinnen  82  Wurmfortsätze  mit  sicheren  Zeichen  einer 
überstandenen  Entzündung,  d.  f.  in  66,6  Proz.,  rechnen  wir 
die  fraglichen  Fälle  mit  zu  den  nicht  kranken,  in  55,7  Proz. 
Berücksichtigen  wir  aber,  dass  auch  unter  den  fraglichen  Be¬ 
funden  vielleicht  manche  sind,  die  auf  eine  Appendizitis  zurück¬ 
zuführen  sind  und  dass  bei  leichten  Fällen  auch  eine  voll¬ 
ständige  restitutio  ad  integrum  erfolgen  kann,  so  gehen  wir  wohl 
nicht  fehl,  wenn  wir  annehmen,  dass  ca.  60  Proz.  aller 
E  rauen,  die  wir  zur  Operation  bekommen,  eine 
Blinddarmentzündung  durchgemacht  haben. 
Das  scheint  nun  zunächst  ein  ausserordentlich  hoher  Prozent¬ 
satz  zu  sein.  Wenn  man  aber  bedenkt,  dass  z.  B.  R  i  b  b  e  r  t 
bei  Menschen  über  60  Jahren  den  Wurmfortsatz  in  über  der 
Hälfte  aller  Sektionen  obliteriert  fand,  dass  eine  solche  Obli¬ 
teration  stets  als  Zeichen  einer  vorausgegangenen  Entzündung 
aufzufassen  ist,  dass  ferner  bei  weitem  nicht  alle  Entzündungen 
zur  Obliteration  führen,  sondern  ein  grosser  Teil  auch  ohne  eine 
solche  ausheilt,  so  ist  meines  Erachtens  die  Zahl  von  60  Proz., 
auch  wenn  es  sich  fast  ausschliesslich  um  Frauen  im  Durch¬ 
schnittsalter  von  20 — 45  Jahren,  also  in  der  Geschlechtsreife 
handelt,  eher  noch  zu  niedrig  als  zu  hoch  gegriffen. 

Wie  oft  die  Appendizitis  nun  ihrerseits  als  Ursache  der 
Genitalerkrankungen  anzusehen  ist,  das  ist,  wie  gesagt,  sehr 
schwer  und  besonders  in  chronischen  Fällen  mit  schwerer 
Zerstörung  der  Appendix  und  der  Adnexe  überhaupt  nicht  mehr 
zu  entscheiden.  Nicht  selten  aber  finden  wir  tatsächlich  bei 
Entzündungen  und  Verwachsungen  der  Adnexe  und  des  Becken¬ 
peritoneums,  für  die  eine  vom  Uterus  ausgehende  septische  und 
gonorrhoische  oder  eine  tuberkulöse  Infektion  mit  Sicherheit 
auszuschliessen  war,  bei  der  Operation  einen  Wurmfortsatz, 
der  die  sicheren  Zeichen  der  abgelaufenen  Entzündung  an  sich 


23.  Juli  1907. 


MUENC1  IENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1477 


trägt  und  deshalb  in  solchen  Fällen  als  die  Ursache  der  Er¬ 
krankung  angesehen  werden  muss. 

Das  sind  Befunde,  die  man  nicht  selten  an¬ 
trifft  und  es  ist  deshalb  der  Appendizitis  eine 
grössere  Rolle  für  die  Entstehung  dieser  Er¬ 
krankungen  zuzuschreiben  als  bisher. 

Relativ  recht  oft  aber  scheint  die  Appendizitis  auch  die  Ur¬ 
sache  pelviperitonitischer  Adhäsionen  zu  sein,  wie  wir  sie  be¬ 
sonders  im  Douglas  und  um  die  abdominellen  I  ubenenden 
herum  finden.  Speziell  ist  es  mir  aufgefallen,  dass  wir  bei 
Sterilitas  matrimonii,  wo  die  durchaus  glaubwürdigen  Patien¬ 
tinnen  und  ihre  Männer  jede  gonorrhoische  Infektion  negierten, 
diese  Veränderungen  fanden.  Zuweilen  schon  makroskopisch, 
öfter  aber  auch  mikroskopisch,  liessen  sich  dann  in  solchen 
Fällen  Veränderungen  am  Processus  vermiformis  nachweisen, 
die  eine  abgelaufene  Appendizitis  mit  Sicherheit  diagnostizieren 
liessen. 

Und  gerade  diese  Sterilitäten  scheinen  es  auch  zu  sein,  die 
eine  operativ  verhältnismässig  günstige  Prognose  geben.  Bei 
ihnen  kommt  es  eben  nicht  so  sehr  zu  einer  Endosalpingitis 
mit  Zerstörung  des  Tubenepithels  und  Verschluss  des  Tuben¬ 
rohreswielmehr  sind  es  hier  gerade  meist  die  perisalpingitischen 
Adhäsionen,  die  man  findet  und  hinter  denen  man  ein  offenes, 
durchgängiges  Tubenrohr  durch  die  Lösung  der  Adhäsionen 
freilegen  kann. 

Kann  man  nun  durch  sorgfältige  Wundversorgung  ver¬ 
hüten,  dass  sich  nach  der  Operation  die  alten  Adhäsionen  wieder 
bilden,  dann  ist  in  der  Tat  die  Konzeptionsmöglichkeit  voll¬ 
auf  gegeben  und  eine  von  uns  so  operierte  Patientin  hat 
auch  1X>  Jahre  p.  op.  ein  ausgetragenes  lebendes  Kind  geboren. 

Die  ungünstige  Prognose  der  durch  Gonorrhöe  bedingten 
Sterilität  ist  ja  bekannt  und  ihre  operative  Therapie  meist  aus¬ 
sichtslos.  In  allen  Fällen  aber,  wo  eine  Gonorrhöe  zweifelhaft 
oder  sicher  ausgeschlossen  ist,  soll  man  meines  Erachtens 
immer  an  den  ursächlichen  Zusammenhang  mit  einer  Appen¬ 
dizitis  denken,  selbst  dann,  wenn  auch  die  sorgfältigsten 
anamnestischen  Nachforschungen  einen  Anhaltspunkt  dafür 
nicht  geben.  Denn  das  geht  aus  unseren  Unter¬ 
suchungen  ebenfalls  ganz  zweifellos  hervor, 
dass  selbst  die  schwersten  Formen  der  Blind¬ 
darmentzündung  unbemerkt  oder  wenigstens 
unbeachtet  von  der  Patientin  vorübergehen 
können.  Die  Tatsache,  dass  man  bei  20 — 30  jährigen  Indi¬ 
viduen  teilweise  oder  ganz  obliterierte  Prozessus  finden  kann, 
ohne  dass  die  Patientinnen  von  einer  früheren  Erkrankung 
etwas  wissen,  spricht  für  diese  Auffassung  ebenso,  wie  sie  die 
Behauptung  der  physiologischen  Obliteration,  von  der  bei  so 
jungen  Frauen  doch  noch  nicht  die  Rede  sein  kann,  widerlegt. 

Diese  Befunde  alter  abgelaufener  Entzündungen  werfen 
aber  auch  noch  ein  neues  Licht  auf  ein  anderes  Krankheitsbild, 
das  uns  Gynäkologen  so  oft  beschäftigt.  Ich  meine  hier  die 
Schmerzen  in  der  rechten  Seite  des  Unterleibes,  bei  denen  Ver¬ 
änderungen  der  Adnexe  und  des  Pelviperitoneums  fehlen  und 
die  man  früher  so  oft  einfach  als  Ovarien,  Ovarialneuralgien 
oder  chronische  Oophoritis  bezeichnete. 

Die  Aetiologie  dieser  Beschwerden  ist  ja  in  einem  grossen 
Teil  der  Fälle  auch  heute  noch  eine  recht  unklare.  In  neuerer 
Zeit  fasst  man  sie  zum  Teil  mehr  als  Neuralgien  im  Gebiete  des 
Ileohypogastrikus  auf,  wie  sie  nach  akuten  Infektionskrank¬ 
heiten  und  besonders  nach  Influenza  relativ  oft  Vorkommen 
sollen  und  es  gibt  Autoren,  deutsche,  wie  besonders  fran¬ 
zösische,  welche  die  Influenza  sogar  als  die  häufigste  Ursache 
dieser  Schmerzen  ansehen.  Andererseits  werden  sie  aber,  und 
wohl  mit  Recht,  mit  in  das  Gebiet  der  Nervosität  und  Hystero- 
neurasthenie  eingereiht.  Aber  man  darf  mit  dieser  Diagnose 
doch  nicht  zu  freigebig  sein.  Wir  sind  nach  unserer  heutigen 
Erkenntnis  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  ein  Teil 
solcher  rechtsseitiger  Beschwerden  ebenfalls  auf  eine  abge¬ 
laufene  Appendizitis  zurückzuführen  ist.  Fanden  wir  doch  des 
öfteren  bei  solchen  Patientinnen  deutlich  ausgesprochene 
Zeichen  einer  alten  akuten  Entzündung. 

Inwieweit  nun  diese  Veränderungen  Beschwerden  machen 
können,  ist  eine  Frage,  die  zu  beantworten  ausserordentlich 
schwer  ist.  Der  Wurmfortsatz  kontrahiert  sich  ja  und  dass 
diese  Kontraktionen  bei  Verengerung  des  Lumens,  welche  eine 


erhöhte  Muskeltätigkeit  fordert,  um  den  dahinter  befindlichen 
Inhalt  zu  entfernen,  Schmerzen  hervorrufen  können,  muss  wohl 
zugegeben  werden.  Ebenso,  dass  Verkürzungen  und  narbige 
Schrumpfungen  des  Mesenteriolums,  welche  die  Streckung  des 
Prozessus  hindern,  und  besonders  auch  Adhäsionen  durch  di¬ 
rekte  Zerrung  am  parietalen  Peritoneum  Schmerzen  ver¬ 
ursachen  können.  Dass  ein  kotiger  Inhalt,  eine  durchgehende 
Kotsäule  oder  ein  Kotstein  für  den  Prozessus  etwas  Patho¬ 
logisches  nicht  bedeutet  und  als  auslösende  Ursache  der 
Entzündung  nicht  anzusehen  ist,  steht  fest.  Diskutierbar  aber 
ist  d  i  e  Frage  ganz  entschieden,  ob  nicht  durch  den  Inhalt  ge¬ 
steigerte  Kontraktionen  ausgelöst  werden,  die  schon  imstande 
sind,  Schmerzen  zu  erzeugen.  Und  in  der  Tat  findet  man  bei 
Frauen,  die  über  lebhafte  rechtsseitige  Schmerzen  klagen,  bei 
der  Operation  zuweilen  nur  einen  erweiterten,  durch  reichlichen 
Inhalt  gespannten  Prozessus,  der  sonst  mikroskopisch  Wand¬ 
veränderungen  nicht  erkennen  lässt.  Man  könnte  einen  solchen 
Befund  also  wohl  schon  in  ursächlichen  Zusammenhang  mit  den 
Beschwerden  bringen.  Andererseits  findet  man  aber  auch 
diesen  Nebenbefund  so  oft  bei  Frauen,  welche  nie  irgendwelche 
Schmerzen  geäussert  haben,  dass  es  schwer  fällt,  ihm  eine  kli¬ 
nische  Bedeutung  beizumessen.  Ich  glaube,  man  kann  sich 
dahin  ausdrücken:  Ein  grosser  Teil  dieser  rechtsseitigen  Be¬ 
schwerden  wird  mit  Recht  ebenso  wie  die  Beschwerden  bei  der 
Ren  mobilis  und  Retrofl.  ut.  mob.  auf  eine  gleichzeitig  be¬ 
stehende  Nervosität  oder  Hysteroneurasthenie  zurückzuführen 
sein.  Ein  anderer  Teil  ist  vielleicht  als  rein  neuralgische  Schmer¬ 
zen  aufzufassen,  für  eine  Reihe  dieser  Fälle  sind  aber  ganz 
sicher  auch  die  Folgezustände  einer  abgelaufenen  akuten 
Apppendizitis  mit  vielleicht  häufigen  leichten  Rezidiven  an¬ 
zusehen. 

Fasse  ich  also  noch  einmal  das  Resultat  der  klinisch-histo¬ 
logischen  Untersuchungen  zusammen,  so  ergibt  sich,  abgesehen 
von  den  bekannten  Komplikationen  der  Gravidität  und  Tu¬ 
moren  durch  eine  gelegentliche  Appendizitis,  folgendes: 

1.  Die  Appendizitis  beim  Weibe  ist  nach  unseren  Unter¬ 
suchungen  unvergleichlich  häufiger  als  man  früher  annahm  und 
befällt  ca.  60  Proz.  aller  Frauen  schon  in  der  Geschlechtsreife. 

2.  Es  ist  deshalb  auch  der  Appendizitis  für  die  Entstehung 
entzündlicher  Becken-  wie  Adnexerkrankungen  eine  weit 
grössere  Rolle  zuzuschreiben  als  bisher. 

3.  Speziell  ist  die  Appendizitis  in  nicht  seltenen  und  vor 
allem  prognostisch  günstigen  Fällen  als  die  Ursache  einer  durch 
Tubenverschluss  bedingten  Sterilität  anzusehen. 

4.  Schliesslich  ist  ein  Teil  der  früher  meist  als  Ovarie  be- 
zeichneten  rechtsseitigen  Unterleibsschmerzen  auf  die  Folgen 
einer  akuten  Appendizitis  zurückzuführen. 

Der  relativ  häufige  Nebenbefund  einer  abgelaufenen,  oft 
unbemerkt  vorübergegangenen  Appendizitis  bei  unseren  Opera¬ 
tionen  beweist  trotz  aller  gegenteiligen  chirurgischen  Behaup¬ 
tungen  aber  auch  weiterhin  die  relative  Gutartigkeit  der  Blind¬ 
darmentzündung.  Trotzdem  aber  wird  jeder  den  heutigen 
chirurgischen  Standpunkt  der  Frühoperation  im  akuten  Anfall 
durchaus  billigen,  weil  eben  alle  unsere  diagnostischen  Hilfs¬ 
mittel,  so  mannigfach  sie  auch  sind,  uns  nicht  mit  Sicherheit 
sagen  können,  wie  jeder  einzelne  Fall  verlaufen  wird.  Da  nun 
weiterhin  nach  den  verschiedenen  Statistiken  die  eitrige  Form 
der  Appendizitis  in  5  Proz.,  die  nicht  eitrige  in  33 — 100  Proz. 
zu  Rezidiven  neigt,  jedes  Rezidiv  aber  die  gleiche  Mortalität 
haben  kann,  wie  der  erste  Anfall,  so  ist  die  Forderung  durchaus 
korrekt,  dass  man  bei  gynäkologischen  Operationen  auch  den 
makroskopisch  veränderten  Prozessus  mitentfernen  muss, 
wenn  man  einmal  gezwungen  ist,  die  Bauch¬ 
höhle  zu  eröffnen.  Wir  sind  um  so  mehi  dazu  berech¬ 
tigt,  als  die  Entfernung  des  Organs  einen  funktionellen  Ausfall 
im  Haushalt  des  Körpers  bisher  nicht  ergeben  hat.  Ausnahmen 
hiervon  sollte  man  nur  dann  machen,  wenn  es  sich  um  sehr 
elende  oder  durch  die  vorausgegangene  Operation  arg  mit¬ 
genommene  Patientinnen  handelt,  bei  denen  auch  die  kurze, 
durch  die  in  wenigen  Minuten  auszuführende  Appendektomie 
bedingte  Verlängerung  der  Operation  im  Interesse  der  Kranken 
unangebracht  erscheint. 

Erkennt  man  die  Berechtigung  einer  solchen  Forderung  an, 
so  muss  man  aber  auch  der  Laparotomie  wieder  ein  weiteres 
Gebiet  einräumen  gegenüber  der  Kolpotomie,  da  w  ir  nui  aui 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


dem  abdominellen  Weg  den  Processus  vermiformis  exstirpieren 
und  mit  seiner  Entfernung  nicht  selten  erst  der  Patienten  die 
sichere  Garantie  auf  einen  dauernden  operativen  Erfolg  geben 
können.  Wir  können  diesen  Weg  um  so  mehr  wählen,  als  wir 
bei  konsequenter  Ausnützung  des  Pfannen  stiel  sehen 
Querschnittes  nach  unseren  Erfahrungen  Hernien  so  gut  wie 
überhaupt  nicht  mehr  zu  fürchten  haben. 

Die  Bedeutung  der  Ohrmuschel  für  das  Hören. 

Von  Prof.  Dr.  Geigel  in  Würzburg. 

Die  Bedeutung  der  Ohrmuschel  für  den  Hörakt  wird  ge¬ 
wöhnlich  recht  gering  eingeschätzt.  Man  muss  dabei  wohl 
unterscheiden,  ob  dem  Ohr  Schallwellen  direkt  von  schwingen¬ 
den  festen,  den  Ohrknorpel  berührenden  Körpern  oder  durch 
die  Luft  zugeleitet  werden. 

Es  liegen  Versuche  von  J.  Müller  und  von  Schäfer1) 
vor,  wonach  die  Fortleitung  des  Schalles  durch  den  Ohrknorpel 
aufs  Trommelfell  bei  Aufsetzen  einer  tönenden  Pfeife,  einer 
Stimmgabel  unzweifelhaft  stattfindet  und  zwar  besser  als  durch 
Knochenleitung.  Beim  Auskultieren  von  Herz  und  Lunge 
kommt,  wie  ich  2)  dies  durch  Versuche  vor  vielen  Jahren  be¬ 
wiesen  habe,  überhaupt  nur  diese  Art  der  Fortleitung  in  Be¬ 
tracht.  Die  Schwingungen  gehen  von  der  Brustwand  auf  die 
Ohrmuschel  direkt,  von  da  auf  die  knorpelige  Wand  des  Ge¬ 
hörgangs,  auf  den  knöchernen  Teil,  das  Periost  und  so  auf  das 
Trommelfell  über.  Die  Leitung  durch  die  Luft  (des  Gehör¬ 
gangs,  eines  Hohlstethoskops)  spielt  dabei  gar  keine  Rolle. 
Damals  glaubte  ich,  das  als  Erster  gefunden  zu  haben.  Ich 
habe  aber  seither  in  meines  Vaters  Bibliothek  ein  Schriftchen 
gefunden  von  Dr.  Haupt3),  prakt.  Arzt  in  Grossostheim,  in 
welchem  ganz  genau  und  richtig  die  gleichen  Lehrsätze  aus 
theoretischen  Erwägungen  abgeleitet  sich  finden.  Es  ist  nur 
eine  Pflicht  der  Gerechtigkeit,  hierin  J.  Haupt  das  Recht  der 
Priorität  ausdrücklich  zu  wahren. 

Ueber  die  Funktion  der  Ohrmuschel  als  Schallleiter  direkt 
von  festen  Körpern  aus,  ohne  Vermittlung  der  Luft,  dürfte  nicht 
mehr  zu  streiten  sein.  Anders  liegt  die  Sache  für  den  gewöhn¬ 
lichen  Hörakt,  für  die  Wahrnehmung  von  Schallwellen,  die  dem 
Ohr  aus  der  Luft  zugetragen  werden.  Dass  hierfür  die  Ohr¬ 
muschel  auch  nicht  gleichgültig  ist,  weiss  man  aus  der  Tat¬ 
sache,  dass  Abschneiden  oder  sonstiger  Verlust  eines  Ohres  das 
Gehör  ganz  entschieden  schlechter  macht.  Man  stellt  sich  vor, 
dass  die  Ohrmuschel  die  Schallwellen  sammle  und  wie  in  einen 
Trichter  durch  Reflexion  in  den  Gehörgang  hineinleite.  Freilich 
die  Form  der  Ohrmuschel  scheint  für  diesen  Zweck  nicht  sehr 
passend  zu  sein  und  auch  gewichtige  physikalische  Bedenken 
anderer  Art  sind  dagegen  anzuführen  4).  Ein  wohl  schon  von 
jedem  gelegentlich  angestellter  Versuch  scheint  dagegen  die 
Bedeutung  der  Ohrmuschel  für  den  Hörakt  über  allen  Zweifel 
zn  erheben.  Wer  ein  Geräusch  in  der  Ferne  deutlich  hören 
will,  legt  seine  beiden  Hände  mit  dem  Daumen  an  oder  ge¬ 
wöhnlich  hinter  das  Ohr,  dabei  die  Muschel  etwas  nach  vorn 
stellend.  Die  schallverstärkende  Wirkung  dieser  einfachen 
Manipulation  ist  sehr  sinnfällig,  wovon  man  sich  bei  gleich- 
mässig  andauernden  Geräuschen,  einem  rauschenden  Regen 
oder  dem  Singen  einer  Lampe  u.  dergl.,  am  leichtesten  über¬ 
zeugt,  wenn  man  die  Hände  bald  anlegt,  bald  fortlässt.  Man 
fasst  dies  wohl  allgemein  als  eine  Vergrösserupg  der  schall¬ 
aufnehmenden  Oberfläche  auf,  wobei  die  Ohrmuschel  durch  die 
Hohlhand  vergrössert  erscheint  und  ausserdem  in  ihrer  Winkel- 
stellung  z.  B.  gegen  die  von  vorn  kommenden  Schallwellen  eine 
günstigere  Lage  einnimmt.  Soweit  wäre  alles  in  Ordnung  und 
ich  glaube,  ich  habe  bis  jetzt  nichts  neues  gesagt.  Jetzt  kommt 
aber  noch  eine  Kleinigkeit.  Wenn  man  sich  vorstellt,  dass  die 
Ohrmuschel  allein  oder  vergrössert  durch  die  Hand  die  Schall¬ 
wellen  der  Luft  durch  den  Meatus  acusticus  dem  Trommelfell 


0  Schäfer:  Nagels  Handb.  d.  Physiol.,  III.  Bd.,  p.  549,  hier- 
selbst  auch  einschlägige  Literatur. 

s)  R-  Geigel:  Ueber  Kommunikationsröhren  und  Stethoskope. 
Sitzungsber.  d.  Phys.  med.  Ges.  zu  Wiirzburg,  15.  Dez.  1894,  und 
Virchows  Archiv,  Bd.  140. 

3)  Haupt:  Die  Schallwahrnehmung  bei  der  Auskultation. 
Aschaffenburg,  Wilh.  Wippen,  1884. 

0  Mack  und  Fischer:  Pogg.  Annalen,  Bd.  149. 


übermittelt,  so  ist  dies  nur  zum  geringsten  Teil  richtig.  Viel¬ 
mehr  spielt  auch  hier  wieder  die  Leitung  durch  den  Knorpel 
und  Knochen  bei  weitem  die  wichtigere  Rolle.  Davon  kann 
man  sich  durch  folgende  einfache  Versuche  auf  das  be¬ 
stimmteste  überzeugen. 

1.  Man  „lausche“  auf  ein  leises  Geräusch,  indem  man  die 
Hände  dem  Ohr  nähert,  ohne  es  zu  berühren;  das  Ge¬ 
räusch  wird,  wie  der  Gegenversuch  deutlich  zeigt  etwas  lauter, 
dem  Ohr  werden  also  jetzt  mehr  Schallwellen  übermittelt,  ob 
der  Ohrmuschel  oder  dem  Gehörgang,  wollen  wir  noch  nicht 
entscheiden. 

2.  Man  wiederhole  den  Versuch,  indem  man  die  Hand  d  i  e 
O  h  r  m  u  s  c  h  e  1,  wenn  auch  nur  an  einer  kleinen  Stelle,  be¬ 
rühren  1  ä  s  s  t,  und  die  Schallverstärkung  wird  auf  einmal 
unvergleichlich  bedeutender.  Man  glaube  nicht,  dass  dabei  ein 
besserer  Abschluss,  ein  besserer  Anschluss  ans  Ohr  wesentlich 
und  notwendig  sei.  Die  bedeutende  Schallverstärkung  tritt 
nicht  ein,  wenn  der  Rand  der  Hohlhand  der  Ohrmuschel  aufs 
äusserste  genähert  ist,  sie  tritt  sofort  bei  Berührung  an  einer 
sehr  kleinen  Stelle  ein.  Für  die  Grösse  der  Schallverstärkung 
ist  allerdings  die  Wahl  dieser  Stelle  nicht  gleichgültig,  weder  an 
der  Hand,  noch  am  Ohr.  Sie  wird  bedeutender,  wenn  nicht 
dicke  fleischige  Teile  der  Hand,  wie  der  Daumenballen,  sondern 
harte,  von  dünner  Haut  überzogene,  wie  die  Gelenke  der  Finger, 
die  Ohrmuschel  berühren.  Sie  ist  unbedeutend,  wenn  das 
Ohrläppchen  berührt  wird,  am  stärksten,  wenn  die  Berührung 
die  hintere  Konvexität  des  Ohres,  den  Helix,  betrifft.  Die 
Schallverstärkung,  die  bei  leiser  Berührung  an  kleiner  Stelle 
sehr  unverkennbar  ist,  wird  auch  entschieden  beträchtlicher, 
wenn  die  Hand  an  einer  grösseren  Berührungsfläche  und  mit 
etwas  stärkerem  Druck  angelegt  wird,  alles  Dinge,  welche 
ganz  zwingend  darauf  hinweisen,  dass  der  Knorpel  der  Ohr¬ 
muschel  nicht  etwa  Schallwellen  in  der  Luft  reflektiert,  sondern 
dass  er  selbst  in  Schwingungen  gerät  und  diese  Schwingungen 
auf  dem  Wege  fester  Leiter  dem  Mittelohr  übermittelt.  Dafür 
spricht  mit  aller  Bestimmtheit  noch  eine  weitere  Abänderung 
des  Versuchs.  Legt  man  die  Hand  nicht  mit  dem  Daumen  ans 
Ohr,  sondern  mit  dem  Kleinfinger,  so  dass  also  die  Hohlhand 
nicht  schräg  «nach  vorn,  sondern  schräg  nach  hinten  gerichtet 
ist,  möglichst  unzweckmässig  also  für  Fortleitung  von  Schall¬ 
wellen  in  den  Gehörgang,  so  tritt  die  bedeutende  Schallver¬ 
stärkung  dennoch  ein. 

Die  Deutung  dieser  Versuche  ist  so  einfach  wie  jene  selbst. 
Die  Ohrmuschel  wird  durch  Schallwellen  in  Schwingungen 
versetzt,  leitet  sie  durch  feste  Körper  dem  Trommelfell  zu.  Die 
angelegte  Hand  vergrössert  die  Ohrmuschel,  so  dass  mehr 
Schallwellen  zur  Wirksamkeit  gelangen.  Auch  bezüglich  der 
geringen  Schallverstärkung,  welche  bei  angenäherter  Hand  ein- 
tritt,  möchte  man  sich  fragen,  ob  die  an  der  Hand  reflektierten 
Schallwellen  direkt  durch  den  Meatus  acusticus  durch  die  Luft 
das  Trommelfell  treffen,  oder  die  Ohrmuschel  direkt  in  Schwin¬ 
gung  versetzen.  Das  letztere  wäre  auch  möglich  und  manche 
Erfahrung  spricht  dafür,  dass  die  Luftleitung  für  das  Hören 
recht  unwesentlich  ist.  So  kann  man  recht  gut  hören,  wenn 
der  Gehörgang  z.  B.  durch  angesammeltes  Ohrenschmalz  ge¬ 
radezu  verstopft  ist.  Falls  nicht  davon  das  Trommelfell  selbst 
berührt  und  am  Schwingen  verhindert  wird,  merken  die  Leute 
gar  nicht,  dass  sie  „verstopfte  Ohren“  haben.  Offenbar  reicht 
hier  die  Schalleitung:  Ohrmuschel-Knorpel-Knochen-Tronmiel- 
fell  vollkommen  zu  einem  noch  normalen  Hören  hin.  Stände  cs 
nicht  fest,  dass  einer  auch  ohne  Ohrmuschel  hören  kann,  so 
würde  ich  auf  die  Luftleitung  bis  zum  Trommelfell  gar  nichts 
geben,  so  muss  ich  sie  als  bei  weitem  untergeordnet  ansehen 
gegenüber  der  Leitung  durch  feste  Körper,  wie  sie  durch  den 
Knorpel  der  Ohrmuschel  auch  dann  vermittelt  wird,  wenn  der 
Schall  nicht  von  berührenden  festen  Körpern,  sondern  wie  ge¬ 
wöhnlich  aus  der  Luft  kommt. 

Damit  ist,  glaube  ich,  der  Ohrmuschel  eine  neue  und  recht 
beträchtliche  Bedeutung  für  das  Hören  zuzuerkennen.  Die 
Knorpel  der  Ohrmuschel  nehmen  die  Schallwellen  auf,  geraten 
ins  Schwingen  und  vermitteln  diese  Schwingungen  ohne  Ueber- 
gang  in  Luft  durch  lauter  feste  Teile  dem  Trommelfell. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1479 


Aus  der  Kgl.  Universitätsklinik  für  psychische  und  Nerven¬ 
krankheiten  in  Göttingen  (Dir.:  Prof.  C  r  a  m  e  r). 

Querulatorische  Psychosen  im  Zusammenhang  mit  der 

Arbeiterversicherung.*) 

Von  Dr.  Tintemann,  Assistenzarzt. 

Seitdem  die  moderne  Sozialpolitik  in  den  letzten  Jahr¬ 
zehnten  des  vorigen  Jahrhunderts  in  einer  berechtigten  Für¬ 
sorge  für  die  arbeitenden  Klassen  die  Gesetze  der  Unfall-  und 
Invalidenversicherung  geschaffen,  hat  der  ärztliche  Stand  eine 
ungeahnte  Ausdehnung  und  Erschwerung  seiner  Tätigkeit  und 
Aufgaben  erfahren.  Der  Arzt  sah  sich  vor  ein  ganz  neues  und 
unbekanntes  Gebiet  gestellt,  das  ihm  Aufgaben  schuf,  die  ihm 
oft  noch  erschwert  wurden  durch  den  Kranken  selbst,  der  in 
einem  wohl  zu  verstehenden  Verlangen  nach  der  leicht  zu  ver¬ 
dienenden  Rente  ein  vorhandenes  oder  nicht  vorhandenes 
Leiden  übertrieb.  Es  waren  vor  allem  die  nervösen  Erkran¬ 
kungen  in  ihrer  unendlich  mannigfaltigen  Form,  die  zunächst 
manche  falsche  Bewertung  erfuhren,  bis  das  ärztliche  Wissen 
die  Höhe  der  Anpassungsfähigkeit  der  Rentenanwärter  erreicht 
hatte.  Während  nun  aber  hier  durch  umfangreiche  Arbeiten 
ein  gewisser  Abschluss  erreicht  ist  und  die  Diskussion  über  das 
Gebiet  sich  hauptsächlich  noch  damit  beschäftigt,  wie  dieser 
unbeabsichtigten  Nebenerscheinung  einer  humanen  Fürsorge  am 
besten  zu  begegnen  sei,  sind  wir  in  der  Kenntnis  eines  ver¬ 
wandten  Gebietes  noch  weit  weniger  fortgeschritten,  es  ist  dies 
der  Zusammenhang  von  Arbeiterversicherungsgesetzen  und 
den  zu  ihrem  Inkrafttreten  führenden  Schädigungen  einerseits 
und  dem  Ausbruch  von  Geisteskrankheiten  andererseits. 

Wir  wissen  zwar  heutzutage  —  und  die  Tatsache  ist  wohl 
ganz  allgemein  anerkannt  — ,  dass  im  Gefolge  von  schweren, 
vor  allem  den  Kopf  treffenden  Traumen  schwere,  oft  rasch  letal 
verlaufende  Geisteskrankheiten  (man  hat  ihnen  die  Bezeichnung 
Kommotionspsychosen  zugelegt)  auftreten  können,  ist  jedoch 
über  ihr  Zustandekommen  bisher  lediglich  auf  Hypothesen  an¬ 
gewiesen  gewesen.  Es  ist  angenommen,  dass  durch  die  plötz¬ 
liche  heftige  Erschütterung  des  Zentralnervensystemes  mole¬ 
kulare  Veränderungen  namentlich  in  der  Wand  der  kleinsten 
Gefässe  im  Gehirn  gesetzt  würden,  die  zu  Ernährungsstörungen 
führen  sollen.  Die  mikroskopische  Untersuchung  hat  erst  in 
neuester  Zeit,  diese  Annahme  stützend,  exsudative  Prozesse  in 
den  perivaskulären  Lymphräumen  nachzuweisen  vermocht; 
doch  herrscht  über  diese  Befunde  noch  keine  Einigkeit. 

Gegenüber  diesen  Fällen,  wo  die  Schwere  und  Art  des  statt¬ 
gehabten  Traumas  eine  schädigende  organische  Ver¬ 
änderung  des  nervösen  Zentralapparates  sicherstellt,  oder  doch 
mit  an  Sicherheit  grenzender  Wahrscheinlichkeit  annehmen 
lässt,  gibt  es  solche,  wo  das  Trauma  sozusagen  nur  eine  ver¬ 
mittelnde  Rolle  spielt,  wo  der  Unfall  derartig  gering  war,  dass 
eine  organische  Veränderung  von  vornherein  ausgeschlossen 
und  wo  gelegentlich  sich  im  Anschluss  doch  eine  Psychose  ent¬ 
wickelt.  Zwischen  ihnen  und  den  erstgenannten  stehen  als 
Uebergang  Fälle,  in  denen  durch  das  Trauma  eine  plötzliche 
Erschütterung  des  ganzen  Körpers  hervorgerufen  wird;  ob  auch 
hier  die  nicht  so  selten  folgende,  unter  verschiedenen  Formen 
verlaufende  Geisteskrankheit  durch  immerhin  mögliche  orga¬ 
nische  Veränderungen  bedingt  wird,  bedarf  weiterer  ein¬ 
gehender  Untersuchungen. 

Bereits  bei  den  Kranken  der  letztgenannten  Form  tritt, 
wenn  wir  genau  Krankheitsgeschichte  und  Befund  verfolgen, 
ein  Moment  hervor,  dessen  Vorhandensein  für  die  ganze  Auf¬ 
fassung  der  Art  des  Zusammenhanges  zwischen  Ursache  und 
Erkrankung  nicht  ohne  wesentliche  Bedeutung  ist,  aber  erst  in 
der  letzten  Zeit  eine  weitergehende  Würdigung  erfahren  hat,  es 
handelt  sich  hier  meist  um  degenerativ  Veranlagte,  also  Men¬ 
schen,  deren  Gehirn  von  vornherein  wenig  widerstandsfähig 
ist,  deren  abnorme  Veranlagung  wir  nachzmveisen  vermögen 
durch  das  Nebeneinandervorhandensein  einer  Anzahl  von 
psychischen  und  körperlichen  Abnormitäten.  Einerseits  gibt 
uns  bereits  ihre  Vorgeschichte  darüber  Aufschluss,  dass  schon 
in  der  Familie  Nerven-  oder  Geisteskrankheiten,  eventuell  be¬ 
stimmte  Stoffwechselstörungen,  vorgekommen,  anderseits  lässt 


*)  Nach  einem  Vortrag  auf  der  42.  Versammlung  des  Vereins  der 
Irrenärzte  Niedersachsens  und  Westfalens. 


die  Untersuchung  eine  Reihe  von  Degenerationszeichen  er¬ 
kennen  auf  körperlichem  wie  psychischem  Gebiet,  auffallend  oft 
findet  sich  ein  leichter  Schwachsinn  bei  ihnen. 

Trifft  einen  derartig  labil  veranlagten  Menschen  ein 
Trauma,  und  zwar  ein  Trauma  leichter  Art,  so  kommt  es  ja 
freilich  nur  in  den  seltensten  Fällen  zur  Ausbildung  einer 
echten  Psychose;  diese  Kranken  bilden  einen  grossen  Prozent¬ 
satz  der  bekannten  Unfallneurastheniker  und  -hysteriker,  die 
nie  ganz  über  die  Folgen  eines  erlittenen  Unfalls  hinweg¬ 
kommen,  dauernd  Beschwerden  behalten  und  dauernd  klagen. 
Bei  ihnen  nun  kann  es  jedoch  im  Laufe  der  Zeit,  nachdem  der 
Verletzte  immer  wieder  untersucht,  mit  seinen  Ansprüchen  ab¬ 
gewiesen  ist,  Berufung  eingelegt  hat  und  wieder  untersucht  ist, 
kurz  die  ganze  Skala  des  umständlichen  und  für  ihn  aufregen¬ 
den  Rentenverfahrens  durchlaufen  hat,  zur  Entstehung  einer 
ausgesprochenen  Geisteskrankheit  kommen.  Und  zwar  trägt 
die  so  entstehende  Psychose  ein  eigentümliches  Gepräge.  Der 
abgewiesene  Rentenanwärter,  dessen  abnorme  psychische  Ver¬ 
anlagung  bereits  betont,  glaubt  an  seine  Erwerbsunfähigkeit,  hat 
auch  abnorme  Sensationen  an  der  verletzt  gewesenen  Stelle; 
er  zieht  den  Schluss,  dass  man  ihn  ungerecht  behandle,  er 
beschwert  sich,  beginnt  zu  querulieren,  schreibt  Stösse  von 
Eingaben  und  Beschwerdeschriften.  Derartige  Psychosen 
bieten  ein  Bild,  das  sehr  dem  des  echten  Querulantenwahn¬ 
sinns  ähnelt. 

Ein  hierher  gehörender  Fall,  nach  einem  Unfall  entstanden, 
wurde  im  Januar  03  in  die  K.  psychiatrische  Klinik  aufge¬ 
nommen  zur  Abgabe  eines  Obergutachtens.1) 

Es  handelte  sich  um  einen  stark  belasteten  und  degenerierten 
Mann,  der  1895  eine  Quetschung  der  Weichteile  des  linken  Unter¬ 
schenkels  erlitten,  die  ein  längeres  Krankenlager  zur  Folge 
hatte.  Nachdem  er  IV2  Jahr  Vollrente  bezogen,  wurde  er  als  völlig 
erwerbsfähig  bezeichnet  und  ihm  die  Rente  sofort  ganz  entzogen. 
Seitdem  führte  er  um  dieselbe  einen  Kampf.  Zu  den  anfangs 
allein  geklagten  Beschwerden  von  seiten  des  verletzten  Beines 
kamen  bald  Klagen  über  allgemein  nervöse  Beschwerden.  Der 
Kranke  begann  im  Gefühl,  ungerecht  behandelt  zu  werden,  ganze 
Konvolute  Beschwerdebriefe,  zum  Teil  sehr  grober  Natur,  und 
Petitionen  zu  schreiben,  die  anfangs  an  die  verschiedenen  zuständigen 
Instanzen,  später  bis  an  das  Ministerium  und  den  Kaiser  gerichtet  waren. 
Zur  Zeit  der  Beobachtung  bestand  eine  ausgebildete  querulatorische 
Psychose,  der  Kranke  war  absolut  überzeugt  von  dem  ihm  wider¬ 
fahrenen  Unrecht  und  seiner  Unfähigkeit  wieder  zu  arbeiten.  I11- 
telektuell  war  ein  ausgesprochener  Schwachsinn  nachweisbar. 

In  dem  abgegebenen  Gutachten  wurde  ein  Zusammenhang 
zwischen  Unfall  und  Geistesstörung  angenommen.  Darauf  wurde 
vom  Schiedsgericht  die  Anfrage  gestellt,  ob  diese  Geistesstörung  als 
direkte  oder  indirekte  Unfallfolge  aufzufassen  sei  und  ob  im  letzteren 
Fall  lediglich  der  Kampf  um  die  Rente  daran  schuld  sei  oder  ob 
es  sich  um  eine  Verschlimmerung  eines  schon  früher  bestehenden 
abnormen  Zustandes  durch  den  Unfall  handle.  Es  wurde  dabei  die 
Entscheidung  des  Reichsversicherungsamtes  vom  21.  X.  02  ange¬ 
zogen:  Indirekte  Unfallfolgen,  die  keine  Berücksichtigung  verdienen, 
sind  solche,  die  entstanden  sind  durch  den  Kampf  um  die  Rente,  also 
infolge  eines  eingebildeten,  eine  rechtliche  Grundlage  entbehrenden 
Anspruchs  auf  eine  Rente. 

Es  war  also  die  Frage  aufgeworfen,  ob  durch  das  (unbe¬ 
rechtigte)  Verlangen  nach  Rente  eine  Geistesstörung  ausgelöst 
werden  kann.  Für  den  geistig  gesunden  Menschen  ist  diese 
Möglichkeit  doch  entschieden  zu  verneinen  und  auch  für  den 
bestehenden  Fall  ist  sie,  wenigstens  in  der  gegebenen  Fassung, 
nicht  richtig.  Hier  ist  eine  scharfe  Trennung  zwischen  den 
Folgen,  die  dem  Trauma  und  denen,  die  dem  „eingebildeten“ 
Rentenanspruch  zur  Last  zu-  legen,  nicht  möglich.  Der  von 
vornherein  geistig  labile  und  vollkommen  nicht  urteilsfähige 
Mann  wird  länger  als  ein  Jahr  als  vollkommen  erwerbsunfähig 
erklärt,  dann  soll  er  plötzlich  wieder  seine  anstrengende  Tätig¬ 
keit  (er  war  Erdarbeiter)  in  vollem  Umfang  aufnehmen,  darauf¬ 
hin  versagt  er.  Er  sieht  nicht  ein,  dass  er  wieder  völlig  er¬ 
werbsfähig  ist,  sieht  infolge  davon  auch  das  Unberechtigte 
seines  Rentenanspruches  nicht  ein.  Der  Unfall  bleibt  hier  doch 
immer  das  auslösende  Moment  für  die  Erkrankung,  deren  letzte 
Ursache  die  abnorme  Anlage  ist,  der  die  Richtung  der  Krankheit 
bestimmt;  es  liegt  die  Verschlimmerung  eines  schon  vorher  be¬ 
stehenden  krankhaften  Zustandes  durch  den  Unfall  vor  im 
Sinne  der  Anfrage. 

Q  cf.  Weber:  Die  akute  Verschlimmerung  von  Geistesstö¬ 
rungen  nach  Unfällen.  IV.  Internationaler  Kongress  für  Versicherungs¬ 
medizin. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Dass  immerhin  eine  bedeutende  Rolle  bei  dem  Zustande¬ 
kommen  der  Psychose  der  Kampf  um  die  Rente  spielen  muss, 
zei^t  der  folgende  Krankheitsfall,  wo  eine  derartige  Erkrankung 
unter  dem  Hilde  des  Querulantenwahnes  hervorgerufen  wird 
durch  die  Ablehnung  eines  Antrages  auf  Invalidenrente  ohne 
Einwirkung  eines  äusseren  Unfalles. 

Im  Februar  1907  wurde  der  ehemalige  Steiger  X.  in  die  Klinik 
aufgenommen.  Der  Kranke  war  bis  zum  Jahr  1896  als  Steiger  in 
einem  Bergwerk  in  Stellung  gewesen.  Damals  gab  er  seine  Stellung 
auf  wegen  einer  rheumatischen  Erkrankung,  und  erhob  Anspruch  auf 
Invalidenrente  wegen  Erwerbsunfähigkeit.  Er  wurde  nach  einer 
Untersuchung  in  Halle  mit  seinen  Ansprüchen  abgewiesen.  Er  führte 
dann  um  die  Rente  einen  Prozess,  der  zu  seinen  Ungunsten  ent¬ 
schieden  wurde.  Dabei  beruhigte  er  sich  nicht,  strengte  weitere 
Entscheidungen  an,  die  sämtlich  gegen  ihn  fielen.  In  dem  Gefühl, 
ungerecht  behandelt  und  vollkommen  erwerbsunfähig  zu  sein,  suchte 
der  Mann  keine  neue  Arbeit,  vernachlässigte  seine  Familie  und 
trieb  sich  umher.  Er  geriet  oft  in  Konflikt  mit  den  Behörden.  So 
schickte  er  1900  ein  Kind  tagelang  nicht  zur  Schule,  da  er  ihm  keine 
Schuhe  kaufen  wollte,  um  seine  Bedürftigkeit  zu  beweisen.  Er 
wurde  zunächst  zu  einer  Geldstrafe  verurteilt,  musste  dann  die 
Strafe  im  Gefängnis  abbiissen,  da  er  nicht  zahlte  und  ungebührlich 
wurde.  Als  er  entlassen  war,  beschuldigte  er  seine  Frau  zunächst, 
dass  sie  veranlasst  habe,  dass  er  in  das  Gefängnis  gekommen,  dann 
schob  er  ihr  auch  die  Schuld  zu,  dass  ihm  die  Rente,  „die  ihm  durch 
das  Gericht  zugesprochen“,  nicht  ausbezahlt  würde,  sie  nehme,  vom 
Magistrat  seines  Wohnortes  beeinflusst  gegen  ihn  Partei. 

Im  Winter  1900  verliess  er  seine  Familie,  trieb  sich  umher, 
wurde  mehrmals  als  obdachlos  in  Polizeigewahrsam  genommen  und 
kam  endlich  in  das  Armenhaus.  Dort  nörgelte  er  an  allem  herum, 
beschwerte  sich  über  Wohnung,  Essen,  das  auf  Veranlassung  des 
Bürgermeisters,  der  ihn  kränker  machen  wolle,  so  schlecht  sei. 
Eines  Tages  griff  er  den  Hausverwalter  tätlich  an,  weil  er  ihm  das 
ihm  zustehende  Geld  nicht  auszahle,  und  wurde  daraufhin  der  Pro¬ 
vinzialheilanstalt  zugeführt. 

Die  Untersuchung  des  Kranken  ergab  zunächst  einen  ausge¬ 
sprochen  degenerativen  Habitus  mit  einer  ganzen  Anzahl  von  De¬ 
generationszeichen  und  einem  deutlich  nachweisbaren,  ziemlich  aus¬ 
gesprochenen  Schwachsinn,  dessen  Folge,  eine  Urteilsschwäche, 
schon  in  der  ganzen  Art  und  Ausbildung  des  bestehenden  Wahn¬ 
systems  zutage  trat.  Es  gibt  in  seinem  Denken,  das  vollkommen 
beherrscht  wird  von  dem  Kampf  um  seine  Rente,  eine  Anzahl  Punkte, 
die  im  Lauf  der  Zeit  für  ihn  absolut  feststehende  Dogmen  geworden 
sind,  und  über  die  eine  Diskussion  mit  ihm  absolut  ausgeschlossen. 
Das  erste  ist  die  feste  Ueberzeugung  seiner  völligen  Erwerbunfähig¬ 
keit,  deren  reelle  Unterlagen  ein  chronischer  Nasenrachenkatarrh, 
ein  Emphysem  und  unbedeutende  Gelenksveränderungen  er  sofort 
dem  Fragenden  aufzählt.  Zurzeit  besteht  daneben  noch  eine  chro¬ 
nische  Nierenerkrankung,  über  deren  Entstehen,  das  in  die  letzten 
Jahre  fällt,  nichts  bekannt  ist,  und  von  deren  Vorhandensein  der 
Kranke  ebensowenig  zu  überzeugen,  wie  von  der  geringen  Be¬ 
deutung  der  übrigen  Krankheitserscheinungen.  Die  aus  diesen 
resultierenden  Erscheinungen  haben  im  Vorstellungsleben  des  Kran¬ 
ken  eine  hypochondrische  Ueberwertigkeit  erlangt,  er  spuckt  und 
räuspert  den  ganzen  Tag,  feuchtet  den  trockenen  Hals  dauernd  durch 
Wassertrinken  an  —  er  trinkt  am  Tag  bis  10  Glas  —  nörgelt  dauernd, 
bald  ist  es  zu  warm,  bald  zu  kalt  für  seinen  Rheumatismus,  be¬ 
schwert  sich  fortwährend,  geht  selbst  im  Zimmer  nie  ohne  Hut. 

Ebenso  fest  steht  bei  ihm  die  Ueberzeugung,  dass  seine  Pro¬ 
zesse  gewonnen  sind.  Das  für  ihn  obsiegende  Urteil  liegt  beim 
Magistrat  seines  Wohnortes,  der  Bürgermeister,  der  jetzt  im  Brenn¬ 
punkt  seines  Wahnsystems  steht,  gibt  das  Urteil  nicht  heraus,  um 
ihm  die  grosse  Entschädigungssumme  nicht  auszahlen  zu  müssen. 
Die  ihm  zu  zahlende  Summe,  deren  Anwachsen  er  fortdauernd  mit 
Zahlen  belegt,  beträgt  zurzeit  nicht  weniger  als  385  000  M.,  ein 
weiterer  Beweis  seiner  Urteilsschwäche.  Der  Bürgermeister,  dessen 
Schurkereien  er  zum  Opfer  gefallen,  hat  auch  seine  Unterbringung 
in  der  Anstalt  bewirkt,  um  ihn  kränker  zu  machen.  Er  wird  aber 
seines  Amtes  entsetzt  werden,  wenn  der  Kranke  nicht  in  kurzer 
Zeit  entlassen,  denn  Schurkerei  im  Amt  hat  nach  dem  Bürgerlichen 
Gesetzbuch  Absetzung  ohne  Kündigung  zur  Folge,  die  Anstalts¬ 
direktion  beauftragt  er  mit  der  Aufsetzung  des  entsprechenden  Ge¬ 
suches. 

Wenn  ich  noch  einmal  kurz  wiederholend  den  Verlauf  des 
Krankheitsbildes  zusammenfasse,  ergibt  sich  Folgendes:  Ein 
stark  degenerativ  veranlagter,  nachweisbar  schwachsinniger 
Mann,  an  einer  Anzahl  körperlicher  Krankheitszustände  leidend, 
wird  mit  dem  nach  seiner  "Ansicht  berechtigten  Anspruch  auf 
Invalidenrente  abgewiesen,  er  strengt  Prozess  auf  Prozess  an, 
wird  immer  wieder  abgewiesen.  Im  Anschluss  bildet  sich  bei 
ihm  ein  Wahnsystem. 

Auch  hier  tritt  im  Krankheitsbilde  das  Querulieren  hervor, 
doch  ist  es  kein  echter  Querulantenwahnsinn.  Die  Urteils¬ 
schwäche  gibt  dem  ganzen  Bild  ein  charakteristisches  Gepräge 
—  auf  der  einen  Seite  hat  der  Bürgermeister  die  Macht,  einen 


Menschen  einzusperren  und  kränker  zu  machen,  auf  der  andern 
wird  er  auf  Betreiben  desselben  binnen  wenigen  Tagen  ab¬ 
gesetzt  —  und  unterscheidet  es  von  dem  des  echten  Queru¬ 
lantenwahnes. 

Auch  unter  die  Formen  der  hypochondrischen  Paranoia 
lässt  sich  die  Krankheit  nicht  einreihen.  Der  Kranke  rechnet 
nur  mit  reellen,  wirklich  vorhandenen  Krankheitssymptomen, 
denen  er  allerdings  eine  zu  schwere  Bedeutung  beimisst;  er 
hat  tatsächlich  infolge  des  fortwährenden  Würgens  und 
Spuckens,  das  er  sich  angewöhnt,  oft  Blutstreifen  im  Auswurf, 
es  fehlt  ihnen  vollkommen  etwas  Wahnhaftes. 

Beide  im  Vorstehenden  wiedergegebenen  Krankenge¬ 
schichten  sind  Fälle  desselben  Typus,  charakterisiert  durch  eine 
ausgesprochene  Neigung  zum  querulieren,  bei  beiden  spielen 
dieselben  ätiologischen  Momente  eine  Rolle,  die  degenerative 
Anlage,  kompliziert  durch  einen  nachweisbaren  Schwachsinn 
und  der  Kampf  um  die  Rente,  dort  infolge  eines  Unfalles,  hier 
nach  Ablehnung  eines  Invalidenrentenantrages. 

Welche  Bedeutung  haben  nun  diese  Faktoren  für  das  Zu¬ 
standekommen  der  Erkrankung?  Es  ist  bereits  oben  hervor¬ 
gehoben  worden,  dass  nach  neueren  Beobachtungen  bei  einem 
grossen  Teil  der  im  Anschluss  an  einen  Unfall  entstehenden 
Neurosen  und  psychischen  Erkrankungen  diese  degenerative 
Anlage  nachweisbar  ist,  abgesehen  natürlich  von  den  echten 
Kommotionspsychosen,  bei  denen  die  Verletzung  organische 
Veränderungen  im  Gehirn  hervorruft. 

Es  ist  durch  den  abnormen  Geisteszustand  eine  Prädis¬ 
position  zur  Erkrankung  geschaffen,  ein  derartiges  Gehirn 
unterliegt  schädigenden  Einflüssen,  mögen  sie  bedingt  sein  in 
reellen  wirklich  vorhandenen  Einwirkungen  der  Aussenwelt, 
wie  sie  ein  Unfall  oder  in  rein  psychischen  Momenten  bestehen, 
wie  sie  die  Aufregungen  eines  langwierigen  Rentenverfahrens 
mit  sich  bringen,  leichter,  das  Vorstellungsleben  dieser 
Menschen  wird  leichter  in  abnorme  Bahnen  gedrängt. 

Zum  Zustandekommen  eines  derartigen  einsichtslosen 
Querulantentums,  wie  es  in  den  voraufgehenden  Fällen  ge¬ 
schildert,  genügt  aber  die  degenerative  Anlage  allein  nicht,  es 
muss  zu  ihr  noch  etwas  hinzukommen,  das  ist  ein  gewisser 
Grad  von  Schwachsinn  mit  Einschränkung  der  Urteilsfähigkeit. 

Auf  diesen  so  vorbereiteten  Boden  wirkt  der  zweite 
Faktor,  der  Unfall,  mit  dem  folgenden  Streitverfahren, 
resp.  dieses  allein  als  auslösendes  Moment  für  die  Geisteskrank¬ 
heit.  Er  gehört  zum  Zustandekommen  dieser  so  gearteten 
Psychose  ebenso  unbedingt  wie  der  erste,  er  bestimmt  aus¬ 
schliesslich  ihre  Form  und  ihren  Verlauf,  bestimmt  die  Form 
des  Wahnsystems.  Es  ist  natürlich  nicht  ausgeschlossen,  dass 
ein  derartig  labiles  Zentralnervensystem  nicht  auch  auf  eine 
andere  es  treffende  Schädlichkeit  mit  einer  Psychose  reagieren 
würde,  aber  dieselbe  würde  dann  unter  einem  anderen  Bilde 
verlaufen. 

Wir  müssen  demnach  die  Erkrankung  im  Zusammenhang 
stehend  nur  als  Folge  des  Rentenverfahrens  und  damit  event. 
auch  als  Folge  eines  vorausgegangenen  Unfalles  annehmen, 
betonend,  dass  sie  nur  auf  einem  vorbereiteten  Boden  zur  Aus¬ 
bildung  kommt. 

An  den  ersten  Fall  möchte  ich  noch  eine  praktische  Be¬ 
merkung  anfügen.  Es  hätte  sich  hier  die  Psychose  vielleicht 
vermeiden  lassen,  wenn  dem  Kranken  die  Rente  nicht  plötzlich 
und  ganz,  sondern  stufenweise  entzogen  worden  wräre.  Der 
schroffe  Uebergang  zwischen  einem  Leben,  wo  der  Kranke 
nichts  zu  tun  brauchte,  und  der  plötzlichen  Notwendigkeit, 
wieder  in  vollem  Umfange  allein  den  Kampf  um  das  tägliche 
Brot  aufzunehmen,  musste  bei  dem  labilen  psychischen  Vor- 
stellungsleben  des  Mannes  ungünstig  wirken,  abgesehen  davon, 
dass  ein  solcher  schroffer  Uebergang  bei  der  Art  des  Leidens 
kaum  vorhanden  gewesen.  Die  Zahl  der  Fälle,  in  denen  gerade 
durch  eine  derartige  plötzliche  völlige  Entziehung  einer  Rente 
nach  erlittenem  Unfall  Menschen  mit  einem  wenig  widerstands¬ 
fähigen  Zentralnervensystem  dauernd  der  Versicherung  zur 
Last  liegend  werden,  ist  nicht  klein. 

Herrn  Professor  Crarner  bin  ich  für  die  Anregung  zu 
der  Arbeit  zu  Dank  verpflichtet. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1481 


Zur  Operation  des  Mastdarmkarzinoms. 

Von  Dr.  Fritz  B  e  r  n  d  t, 

leitendem  Arzte  der  chirurgischen  Abteilung  am  städt.  Kranken¬ 
hause  zu  Stralsund. 

Mit  den  von  S  u  d  e  c  k  in  No.  27.  dieser  Wochenschrift 
besprochenen  Problemen  habe  ich  mich  seit  längerer  Zeit  be¬ 
schäftigt;  ich  bin  dabei,  zum  Teil  auf  Grund  eigener  trüber 
Operationsresultate,  zu  folgenden  Schlüssen  gekommen: 

Die  Hauptgefahren  der  Mastdarmexstirpation  sind  1.  die 
Darmgangrän  und  2.  die  Infektion  der  Bauchhöhle  und  Wunde. 
Nur  eine  Operationsmethode,  die  beides  mit  Sicherheit 
vermeidet,  wird  uns  bessere  Resultate  liefern  als  bisher. 

ad  1.  Auch  die  genaueste  anatomische  Kenntnis  der  nor¬ 
malen  Gefässversorgung  des  Mastdarms  schützt  nicht  vor  einer 
Darmgangrän,  da  es  am  Lebenden  bei  nur  einigermassen  fett¬ 
reichem  Mesenterium  ganz  unmöglich  ist,  sich  so  genau,  wie 
es  nötig  wäre,  über  die  vorliegenden  Gefässverhältnisse  zu 
orientieren,  ganz  abgesehen  von  Anomalien  des  Gefässverlaufs 
und  Verschiedenheiten  in  der  Stärke  der  vorhandenen  Anasto- 
mosen.  Deshalb  werden  wir  am  sichersten  gehen,  wenn  wir 

a)  auf  die  primäre  Herstellung  definitiver  Verhältnisse  ver¬ 
zichten,  also  zweizeitig  operieren  (wie  früher  schon  R  e  h  n 
angedeutet  hat)  und 

b)  einen  möglichst  hohen  Darmteil  zur  späteren  Einpflan¬ 
zung  in  den  Anus  ins  Auge  fassen,  z.  B.  prinzipiell  die 
Flexura  sigmoidea,  deren  Gefässverhältnisse  wesent¬ 
lich  günstigere  sind  als  die  der  tieferen  Darmpartien  und  deren 
meist  langes  Mesenterium  ein  Herabziehen  ohne  alle  Spannung 

zulässt.  ,  „TT  ,  , 

ad  2.  Die  Infektion  der  Bauchhöhle  und  Wunde  kann  mit 

absoluter  Sicherheit  nur  vermieden  werden,  wenn  man 
jede  Durchtrennung  oder  Eröffnung  des  Darmes  innerhalb 
derselben  vermeidet. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  habe  ich  mir  folgenden 

Operationsplan  entworfen: 

1.  Schnürnaht,  die  den  Anus  sicher  verschliesst. 

2.  Inzision  am  linken  Rande  des  Os  coccygis  und  sacrum 
bis  auf  den  Mastdarm.  Die  Wunde  wird  mit  Mull  tamponiert. 

3.  Bauchschnitt  in  der  Mittellinie  (oder  Bogenschnitt  ober¬ 
halb  der  Symphyse).  Ablösen  des  Darms  nebst  Lymphdrüsen 
unter  sorgfältiger  Blutstillung  und  Hinausschieben  desselben 
aus  der  Inzision  neben  dem  Sakrum.  Sorgfältige  Vernähung 
des  Peritoneum  um  den  herabgezogenen  Darm.  Beim  Manne 
wird  dazu  das  Blasenperitoneum,  beim  Weibe  Uterus  und  Lig. 
lata  benutzt.  Schluss  der  Bauchhöhle.  Die  Beckenwunde,  die 
nun  völlig  extraperitoneal  liegt,  wird  tamponiert,  die  lange,  vor¬ 
gezogene  Darmschlinge  in  Mull  eingehüllt.  Damit  ist  der 
I.  Akt  der  Operation  beendet. 

Der  II.  Akt  folgt,  sobald  die  Darmgangrän  sich  markiert 
hat.  Er  besteht  in  der  Entfernung  des  Karzinoms  nebst  dem 
gangränös  gewordenen  Darmabschnitt  durch  Paquellin,  Duich- 
ziehen  des  oberen  Darmteils  durch  den  Anus  und  Fixation  des¬ 
selben  mit  einigen  Nähten. 

Sollte  die  Eröffnung  des  Darmes,  z.  B.  zur  Entleerung  von 
Gas  und  Kot,  schon  in  den  ersten  Tagen  nötig  erscheinen,  so 
würde  trotzdem  eine  Gefahr  für  die  Wunde  damit  nicht  ver¬ 
bunden  sein,  da  die  lange  Darmschlinge  in  ein  Gefäss  geleitet 
und  so  gelagert  werden  könnte,  dass  eine  Verunreinigung  der 
Wunde  mit  Sicherheit  vermieden  wird. 

Ob  dieser  Plan  praktisch  brauchbar  ist,  muss  die  Zukunft 
lehren. 


Ueber  ein  diagnostisches  Symptom  bei  Appendizitis. 

Von  Dr.  Ludwig  Tretzel  in  Würzburg. 

Herr  Dr.  M.  B  1  u  m  b  e  r  g  in  Berlin  -veröffentlicht  in  No.  24 
dieser  Wochenschrift  ein  noch  nicht  allgemeiner  bekanntes  Symptom 
zur  Frühdiagnose  der  Appendizitis,  bestehend  in  einer  von  ihm 
näher  charakterisierten  Schmerzhaftigkeit  der  entzündeten  Stelle  bei 
raschem  Zurückgehen  der  palpierenden  Hand  (im  Vergleiche  mit  dem 
gewöhnlichen  Druckschmerze).  Ich  kann  diese  Beobachtung  Blum- 
b  e  r  g  s  durchaus  bestätigen,  denn  diese  Erscheinung  war  mir  schon 
seit  Jahren  aufgefallen  und  wurde  von  mir  als  diagnostisches  Hilts- 
mittel  bei  genannter  Erkrankung  benützt;  ich  machte,  auch  mehrere 
Kollegen,  so  schon  vor  Jahren  auf  der  hiesigen  medizinischen  Klinik, 

No.  30. 


I  auf  dieselbe  aufmerksam  und  wurde  meine  Beobachtung  von  ver¬ 
schiedener  Seite  (u.  A.  von  Herrn  Dr.  H.  Hof  mann,  I.  Assistenzarzt 
des  Juliusspitals)  bestätigt.*)  Es  liegt  mir  selbstverständlich  ferne, 
hier  gewissermassen  einen  Prioritätsanspruch  zu  erheben,  ich  möchte 
jedoch  nicht  zögern,  jetzt  gleich  meine  übereinstimmenden  Erfah¬ 
rungen  mitzuteilen.  Das  betreffende  Symptom  findet  sich  in  der  Tat 
bei  allen  peritonitischen  Entzündungs-  bezw.  Reizzuständen,  daher 
fast  regelmässig  bei  Appendizitis,  wo  es  bei  schwereren  Fällen  stets 
.nachzuweisen  ist,  weshalb  es  prognostisch  und  therapeutisch  sehr 
wichtig  ist.  Doch  auch  bei  peritonitischen  Adnexerkrankungen,  wie 
dies  auch  Blumberg  hervorhebt,  usw.;  ferner  liess  es  sich  bei 
gewissen  Formen  von  Ulcus  ventriculi  konstatieren. 

Dagegen  findet  man  es  fast  nie  bei  anderweitigen  Erkrankungen 
•des  Unterleibs  wie  Darmkatarrh,  Koliken,  Koprostasen,  meteoriti¬ 
schen  Zuständen,  Ileus;  auch  nicht  bei  Neuralgien,  weshalb  die  Ab¬ 
wesenheit  der  Schmerzhaftigkeit  beim  schnellen  Zurückgehen  der 
palpierenden  Hand  (eigentlich  dem  „Zurückschnellenlassen“  der  betr. 
Weichteile)  im  Gegensätze  zu  dem  meist  vorhandenen  Druckschmerze 
gerade  bei  den  differentialdiagnostisch  oft  Schwierigkeiten  bereitenden 
Ovarialneuralgien  etc.  von  grosser  Bedeutung  ist. 

Allerdings  verliert  dieses  Symptom  seinen  Wert  bei  vorgeschrit¬ 
tenen,  appendizitischen  Erkrankungen,  bei  Exsudatbildung  nach  er¬ 
folgter  Perforation  usw.;  in  solchen  Fällen  erscheint  die  brüske 
Durchführung  dieser  Palpationsmethode  sogar  nicht  unbedenklich,  da 
das  rasche  Zurückschnellen  der  elastischen  Weichteile  durch  Ver¬ 
letzung  schützender  Adhäsionen  leicht  eine  Weiterverbreitung  des 
peritonitischen  Prozesses  veranlassen  könnte.  Ich  bin  aber  über¬ 
zeugt,  dass  das  geschilderte  Symptom  —  bei  Anwendung  der  nötigen 
Vorsicht  —  ein  wertvolles  Hilfsmittel  zur  Frühdiagnose  aller  schwe¬ 
reren,  mit  Perforation  drohenden  Appendixerkrankungen  ist,  weshalb 
ich  —  in  Uebereinstimmung  mit  Herrn  Dr.  Blumberg  —  eine 
Nachprüfung  von  Seite  der  über  ein  grösseres  Krankenmaterial  ver¬ 
fügenden  Kollegen  dringend  empfehlen  möchte. 

Aus  dem  Heiliggeist-Hospital  (med.  Abteilung)  in  Frankfurt  a.M. 
(Chefarzt:  Prof.  G.  T  r  e  u  p  e  1). 

Zur  klinischen  Verwertbarkeit  der  Buchnerschen 
Eiweissbestimmung  im  Harn. 

Von  Dr.  med.  W.  E  n  g  e  1  s,  früherem  Assistenten  am  Hospital. 

Auf  Veranlassung  von  Herrn  Prof.  Treupel  habe  ich 
den  von  Büchner  angegebenen,  in  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift.  1906,  No.  24  beschriebenen  Albuminimeter  auf  seine 
Verwertbarkeit  für  die  klinische  Eiweissbestimmung  nachge¬ 
prüft.  Wie  Büchner  bemerkt,  eignet  sich  sein  Albumini¬ 
meter  besonders  für  Harne,  die  0,1  bis  3,0  Prom.  Eiweiss  ent¬ 
halten.  Nach  meinen  Untersuchungen  kann  ich  dies  durchaus 
bestätigen.  In  diesen  Grenzen  erhielt  ich  durchweg  richtigere 
Resultate  als  mit  der  alten  Esbach  sehen  Methode.  Dagegen 
erwies  sich  bei  höheren  Eiweissmengen,  d.  h.  von  3,0  bis  10,0 
Prom.,  die  E  s  b  a  c  h  sehe  Bestimmung  als  die  genauere.  Noch 
höhere  Eiweissmengen  werden  von  beiden  Albuminimetern  in 
durchaus  ungenügender  Weise  angegeben. 

Folgende  Tabelle  möge  das  Gesagte  bekräftigen. 


Eiweissharne 

Eiweissgehalt 

pro  Liter 

Gewichtsanalytisch 

Büchner 

Esbach 

0,15 

0,18 

0,0 

r-1 

0,28 

0,2 

0,0 

c 

o 

0,32 

0,3 

0,0 

V- 

Oh  £ 

0,70 

0,8 

0,4 

G  'S 

0,88 

0,95 

0,7 

rö  ^ 

1,00 

1,1 

0,8 

.ZÜLJ 

2,10 

2,0 

2,5 

X5 

2,46 

2,3 

3,0 

t—H 

2,68 

2,5 

3,1 

cT 

2,84 

2,6 

3,2 

’  3,52 

3,0 

3,6 

o 

4,02  ' 

3,2 

4,0 

C/3  O 

6,54 

4,2 

5,8 

rO 

8,31 

6,3 

7,7 

CO 

9,84 

7,8 

8,8 

11,84 

8,4 

9,2 

w  e 

12,50 

8,7 

9,7 

<D  O 

14,93 

9,9 

11,0 

O)  Pu 

15,86 

9,8 

12,0 

o 

l  18,62 

11,7 

14,1 

*)  In  der  Sitzung  der  Berliner  med. 

Gesellsch.  vom  19.  Juni  d.  J. 

(ref.  in 

der  Berl.  klin.  Wochenschr.  No. 

26)  erwähnte 

übrigens  aucn 

Ewald,  dass  ihm  dieses  Symptom  bekannt  sei. 

3 

MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Wir  können  also  den  Büchner  sehen  Albuminimeter  für 
den  klinischen  Gebrauch  sehr  wohl  empfehlen,  so  lange  es 
sich  um  Harne  handelt,  die  nicht  mehr  als  3,0 
P  r  o  m.  E  i  w  e  i  s  s  enthalten.  Hat  er  doch  vor  dem  Esbach- 
schen  den  nicht  zu  verkennenden  Vorteil,  bereits  nach  1  Stunde 
das  Resultat  zu  liefern.  Bei  höheren  Eiweissmengen,  die  jedoch 
1,0  Proz.  nicht  übersteigen  dürfen,  müssen  wir  die  alte  Es- 
bac  h  sehe  Methode  vorderhand  beibehalten.  Für  die  höchsten 
Werte  fehlt  uns  eine  einfache,  hinreichend  genaue  Bestim¬ 
mungsweise. 

Ueber  einen  mit  Streptokokkenserum  Menzer  be¬ 
handelten  Fall  von  puerperaler  Pyaemie. 

Von  Dr.  Bewersdorff  in  Wansen. 

Den  bisher  über  die  Anwendung  des  Menzer  sehen 
Streptokokkenserums  bei  puerperalen  Infektionen  veröffent¬ 
lichten  Erfahrungen  *)  möchte  ich  die  folgende  Beobachtung  an¬ 
fügen  : 

Frau  B.  aus  K.,  Arbeiterfrau,  29  Jahre,  II.  Para. 

Partus:  8.  II.  Schädellage.  Geburt  nur  von  der  Hebamme  ge¬ 
leitet,  die  4  mal  (!)  innerlich  untersucht  hat.  Kurz  nach  der  Geburt 
des  Kindes,  vor  Ausstossung  der  Nachgeburt,  soll  ziemlich  starke 
Blutung  eingetreten  sein,  die  aber  stand,  als  die  Hebamme  durch 
Reiben  den  Uterus  zur  Kontraktion  gebracht  und  die  Nachgeburt 
durch  Crede  sehen  Handgriff  herausbefördert  hatte. 

Am  11.  und  12.  Februar  bereits  Unbehagen.  Am  12.  Februar 
abends  gegen  8  Uhr  starker  Schüttelfrost,  sodass  Patientin  angeblich 
kaum  im  Bett  gehalten  werden  konnte.  Die  hinzugerufene  Hebamme 
stellte  angeblich  Temperatur  von  40,3°  C,  fest,  wollte  aber  von  der 
Hinzuziehung  eines  Arztes  noch  nichts  wissen.  Während  der  Nacht 
noch  mehrfache  Schüttelfröste. 

13.  II.  Mittags  wieder  Schüttelfrost,  die  Hebamme  misst  40,1 0  C. 
Der  Ehemann  dringt  auf  ärztliche  Hilfe,  obwohl  die  Hebamme  auch 
jetzt  noch  nichts  davon  wissen  will!  Gegen  2  Uhr  30  Min.  nach¬ 
mittags  treffe  ich  bei  der  Wöchnerin  ein. 

Patientin  aufs  äusserste  geschwächt,  in  Schweiss  gebadet.  Be¬ 
fund  an  den  Genitalien  gibt  nichts  anormales.  Uterus  gerade  noch 
über  der  Schossfuge  zu  palpieren.  Leib  nirgends  druckempfindlich. 
Keine  Blutung  aus  der  Scheide.  Nur  ganz  minimale  Lochialsekretion, 
nicht  übelriechend.  Temperatur  39,9  a,  Puls  160. 

Der  unverhältnismässig  hohe  Puls  im  Verein  mit  den  Schüttel¬ 
frösten  und  der  Temperatursteigerung  lassen  mich  beim  Fehlen  irgend¬ 
welcher  sonstigen  pathologischen  Veränderungen  zu  der  Diagnose, 
septische  Thrombose  in  den  inneren  Genitalvenen  (Uterina  oder 
Spermatika)  kommen.  Vorläufige  Therapie  besteht  in  roborieren- 
den,  auf  Erhaltung  eines  möglichst  guten  Allgemeinbefindens  be¬ 
dachten  Massnahmen  und  milden  hydrotherapeutischen  Verord¬ 
nungen. 

14.  II.  07.  Morgens  hat  die  Hebamme  39,9°  gemessen.  In  der 
Nacht  sind  noch  mehrfache  (4)  starke  Schüttelfröste  aufgetreten. 

Ich  stelle  mittags  12  Uhr  fest:  38,9,  Puls  144.  Hochgradige 
Schwäche. 

15.  II.  07.  Allgemeinbefinden  etwas  besser.  4  Uhr  nachmittags: 
Temperatur  38,2°,  Puls  120.  Nachts  wieder  2  Fröste  eingetreten. 
Keine  Venenschwellung  oder  Schmerzhaftigkeit  an  den  Beinen  oder 
im  Leibe  zu  konstatieren. 

16.  II.  07.  Früh  Temp.  38,3°,  mittags:  Temp.  38,7°,  Puls  130. 
Injektion  (subkutan)  von  20  ccm  M  e  n  z  e  r  sches  Serum  in  den  linken 
Oberschenkel.  Abends:  Temp.  38,2°. 

17.  II.  07.  In  der  Nacht  vom  16. — 17.  ein  sehr  starker  Schüttel¬ 
frost.  Früh:  Temp.  37,7°,  mittags:  Temp.  38,3°,  Puls  100.  In¬ 
jektion  von  10  ccm  M  e  n  z  e  r  sches  Serum.  Abends:  Temp.  39,1°. 

18.  II.  07.  Früh:  Temp.:  37,7°,  mittags:  Temp.  37,3 a,  Puls  90. 
Kein  Schütelfrost  mehr.  Abends:  Temp.  36,9°. 

Von  nun  an  steigt  die  Temperatur  überhaupt  nicht  mehr  über 
37,2°;  Schüttelfröste  treten  gar  nicht  mehr  auf.  Der  Puls  geht  eben¬ 
falls  langsam  zur  Norm  zurück.  Das  Allgemeinbefinden  ist  ausge¬ 
zeichnet.  Am  28.  Februar  kann  ich  die  Patientin  aus  meiner  Be¬ 
handlung  entlassen.  Auf  Erkundigungen  hin  erfahre  ich,  dass  Patientin 
sich  auch  jetzt  noch  eines  ungestörten  Wohlseins  erfreut.  Schüttel¬ 
fröste  sind  nicht  mehr  aufgetreten. 

Dass  es  sich  um  einen  schweren  Fall  sogen,  puerperaler 
Pyämie  handelte,  ist  wohl  nach  dem  erhobenen  Befunde  (starke 
Schüttelfröste,  erhebliche  Schweissekretion,  die  hohen  Tem¬ 
peraturen  bis  40,3°  und  vor  allem  der  sehr  erhöhte  Puls)  ohne 
weiteres  klar.  Soll  nun  in  diesem  Falle  die  Besserung  bezw. 
Heilung  auf  Kosten  des  Streptokokkenserums  Menzer  gesetzt 
werden  oder  ist  sie  als  „Spontanheilung  anzusehen? 


)  Siehe  Burkhardt,  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.  LIII, 
Heit  3;  Martin,  Berlin,  klin.  Wochenschr.,  1906,  No.  29;  Schäf- 
f  e  r,  Der  prakt.  Arzt,  1907,  No.  1  und  2. 


Gewiss  hatten  wir  es,  als  das  Serum  zur  Anwendung  kam, 
nicht  mehr  mit  diesen  exzessiv  hohen  Temperaturen  zu  tun, 
auch  die  Schüttelfröste  traten  nicht  mehr  in  so  kurzen  Inter¬ 
vallen  auf.  Aber  es  ist  ja  gerade  das  Charakteristikum  der 
Pyämie,  dass  nach  einem  Stadium,  angefüllt  mit  so  beängstigen¬ 
den  Symptomen,  wie  in  unserem  Falle,  eine  Periode  relativen 
Wohlbefindens  folgt.  Leider  setzen  für  gewöhnlich  aber  nach 
mehr  oder  minder  langer  Ruhe  dieselben  heftigen  und  be¬ 
ängstigenden  Erscheinungen  wieder  ein.  In  unserem  Falle 
jedoch  blieben  nach  der  Seruminjektion  die  Ruhe  bezw.  der 
Heilungsprozess  ungestört.  Nach  der  ersten  Injektion  machte 
sich  nur  noch  ein  Schüttelfrost  bemerkbar;  am  Abend  nach 
der  zweiten  Injektion  war  normale  Temperatur  vorhanden,  die 
von  da  an  auch  normal  blieb. 

Man  braucht  kein  Anhänger  des  „Post  hoc,  ergo  propter 
hoc“  zu  sein,  um,  bei  Berücksichtigung  des  Verlaufes  und  der 
schlechten  Prognose  der  puerperalen  Pyämie  im  allgemeinen, 
in  diesem  speziellen  Falle  dem  Menzer  sehen  Serum  einen 
entscheidenden  therapeutischen  Einfluss  einzuräumen.  Jeden¬ 
falls  werde  ich  nicht  versäumen,  in  Zukunft  bei  ähnlichen 
Fällen  unverzüglich  das  Serum  in  Anwendung  zu  bringen. 


Ueber  die  Behandlung  der  angeborenen  Lebensschwäche. 

Von  Prof.  Meinhard  Pfaundler. 

(Fortsetzung.) 

A.  Die  physikalische  Therapie;  die  Minderung 
der  Kraftausgaben. 

Die  hauptsächlichste  Kraftausgabe  kommt,  wie  erwähnt 
wurde,  zustande  durch  die  Wärmeabgabe  (und  Wärmebindung) 
an  der  Haut-  und  Lungenoberfläche  (Leitung,  Strahlung, 
Wasserverdunstung,  Austausch  körperwarmer  Atmungsluft 
gegen  kältere).  Es  liegt  sehr  nahe,  hier  Abhilfe  zu  schaffen. 
Dem  beim  Debilen  durch  diese  Vorgänge  bedingten  Energie¬ 
verlust  zu  steuern,  ist  seit  vielen  Jahrhunderten  Gepflogenheit, 
ja  es  geschieht  instinktiv,  da  wir  einschlägigen  Vorkehrungen 
(in  Anwendung  auf  Neugeborene  überhaupt)  in  der  Reihe  der 
warmblütige^  Tiere  mannigfaltig  begegnen. 

Das  Prinzip  ist  also  ein  altes,  die  Methodik  aber  hat  in 
vielen  Wandlungen  stetige  und  namhafte  Fortschritte  gemacht. 
DieAufgabe,  die  sie  sich  stellt,  gehtnamentlich  dahin,  den  Wärme¬ 
verlust  durch  Herstellung  eines  möglichst  niederen  Temperatur¬ 
gefälles  zwischen  dem  kindlichen  Körper  und  seiner  nächsten 
Umgebung  einzuschränken.  Diese  Aufgabe  wird  völlig  ver¬ 
kannt,  wenn  man  —  wie  noch  sehr  allgemein  üblich  —  von 
einer  „Wärmezufuhr“  zum  kindlichen  Körper  spricht; 
einige  Autoren 10)  unterscheiden  förmlich  zwischen  der  Ver¬ 
hütung  von  Wärmeverlust  einerseits  und  der  Wärmezufuhr 
anderseits  als  zwei  differenten  Methoden  des  Vorgehens.  Tat¬ 
sächlich  sind  wir  aber  nicht  in  der  Lage,  einem  Kinde  (anders 
als  in  Form  von  Nahrung)  nutzbringende  Wärme  z  u  - 
zuführen.  Es  ist  nach  physikalischen  Gesetzen  klar,  dass 
eine  direkte  Zufuhr  von  Wärme  nur  dann  zustande  kommen 
kann,  wenn  ein  Temperaturgefälle  von  der  Umgebung  nach  dem 
kindlichen  Körper  zu  statthat,  d.  h.  wenn  die  Umgebung  höher 
temperiert  ist,  als  das  Kind.  Seitdem  wir  über  zweckmässig 
eingerichtete  und  exakt  kontrollierbare  Wärmeapparate  für 
Debile  verfügen,  wissen  wir,  dass  eine  Einstellung  der  um¬ 
gebenden  Luft  über  die  normale  Körpertemperatur  nur  schäd¬ 
lich  wirkt  (vielleicht  abgesehen  von  der  Erwärmungsperiode 
subnormal  Temperierter)  und  auch  in  den  Versuchen  von 
Eröss  mit  Wärmewannen  ersieht  man  aus  den  Protokollen, 
dass  jedesmal  Unruhe,  Röte,  Schweiss,  Temperatursteigerung, 
Dyspnoe  etc.  auftrat,  wenn  die  dem  Körper  anliegende  Luft- 

10)  Vergl.  z.  B.  Berthod:  „L’indication  therapeutique  n’est 
donc  pas  tant  d’empecher  Le  foetus  de  perdre  sa  chaleur  que  de  lui 
en  fournir  artificiellement“.  Eröss:  „Diesen  Kindern  gegenüber  (ge¬ 
meint  sind  hypothermische  Debile)  wird  also  nicht  die  Beschränkung 
der  Abkühlung  unsere  Aufgabe  sein,  sondern  dass  wir  dem  Organis¬ 
mus  von  aussen  Wärme  zuführen,  welche,  gepaart  mit  der  durch  den 
Organismus  erzeugten  Eigenwärme  nicht  nur  die  Temperatur  des 
Körpers,  sondern  dessen  sämtliche  vegetative  Prozesse  steigern  soll.“ 
B  e  r  t  h  o  d:  La  couveuse  et  la  gavage  ä  la  maternite  de  Paris.  These 
de  Paris  1887.  Eröss:  Ueber  den  Einfluss  der  äusseren  Temperatur 
auf  Körperwärme,  Puls  und  Respiration  junger  Säuglinge  etc.  Zeit¬ 
schrift  f.  Heilk.  1884,  Bd.  V. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1483 


Schicht  mehr  als  Körpertemperatur  erreichte,  wenn  also  die 
Bedingungen  einer  wirklichen  Wärmezufuhr  gegeben  waren. 

Die  einzig  und  allein  anzustrebende  Verhütung  zu  grosser 
Wärmeverluste  kann  in  gewissem  Masse  schon  durch  die  Wahl 
einer  geeigneten  Kleidung  für  das  Debile  erreicht 
werden.  Nach  Form  und  Schnitt  kann  es  die  übliche  Kleidung 
sein,  doch  empfehlen  sich  dichter  gefügte,  und  —  soweit  keine 
Durchnässungsgefahr  in  Betracht  kommt  —  wollene  Stoffe. 
Die  von  Assmuss  jüngst  empfohlene  Bekleidungsart  findet 
hier  vielleicht  ein  Indikationsbereich.  Im  übrigen  ist  auch  die 
altbewährte  Wattepackung  durchaus  nicht  unzweckmässig  — 
trotz  des  Einspruches  von  E  r  ö  s  s,  der  gefunden  hat,  dass  sie 
nicht  mehr  leiste,  als  die  gewöhnliche  Kleidung.  Es  handelt 
sich  nämlich  bei  ihr  gar  nicht  so  sehr  um  die  vermehrte 
Leistungfähigkeit  in  dem  vermeinten  Sinne,  als  vielmehr  darum, 
dass  beim  Wattegebrauch  anlässlich  der  Reinigung  und 
Trockenlegung  des  Kindes  die  Körperhülle  nur  teilweise  zu  er¬ 
setzen  und  dadurch  eine  Abkühlung  leichter  zu  vermeiden  ist. 
Ueberdies  steht  fest,  dass  sich  die  Wattepackung  nach  vor¬ 
liegenden  Berichten  in  ganz  exzessiven  Fällen  von  Frühgeburt 
sehr  gut  bewährt  hat.  Der  Erfolg  entscheidet. 

Als  Kuriosum  sei  erwähnt,  dass  Schnitze  Glaswolle 
als  Körperhülle  für  Debile  empfiehlt. 

Die  Bewegungsfreiheit  darf  auch  dem  debilen  Kinde  durch 
die  Kleidung  nicht  benommen  werden.  Es  ist  ein  besonders 
hochzuschätzender  Vorteil  der  gleich  zu  erwähnenden  Wärme¬ 
apparate,  dass  sie  die  Kleidung  ganz  oder  fast  ganz  entbehrlich 
machen. 

Die  Wärmeabgabe  wird  weiterhin  vermindert  durch  die 
höhere  Temperierung  der  das  Kind  umgebenden  Luft,  sowie 
durch  deren  stärkere  Befeuchtung  (Verminderung  des  Tem¬ 
peraturgefälles  und  der  Wasserverdunstung  an  der  Körperober¬ 
fläche).  Dies  kann  erreicht  werden  durch  die  Anwendung 
von  Wärmeflaschen,  Wärmekissen,  Wärmewannen,  Wärme¬ 
platten,  Vorrichtungen,  die  in  Findel-  und  Gebärhäusern  schon 
seit  mehreren  Dezennien  in  Gebrauch  stehen  (v.  R  ü  h  1  - 
St.  Petersburg  1835,  Denuce-Paris  1858,  C  r  e  d  e  -  Leipzig 
1860  etc.).  Die  Leistungen  solcher  Apparate  wurden  von 
Eröss  zum  Gegenstände  eingehender,  gewissenhafter  Unter¬ 
suchungen  gemacht,  wobei  ihre  prinzipielle  Verwendbarkeit, 
aber  auch  gewisse  Nachteile  bei  ihrem  Gebrauche,  wie  Ueber- 
hitzungsgefahr,  erschwerte  Kontrolle  der  Wirkung  etc.  zum 
Ausdrucke  kamen. 

Weit  vollkommener  erreicht  man  den  Zweck  zweifellos 
durch  das  konstante,  warme,  feuchte  Luftbad,  das  insbesondere 
nach  dem  Prinzipe  des  thermostabilen  Brutschrankes  gebaute 
Apparate,  die  sogen.  Couveusen,  bequem  anzuwenden  ge¬ 
statten.  Couveuse  heisst  zu  deutsch  Bruthenne;  durch  eine 
doppelte  Uebertragung  kamen  jene  Apparate  zu  der  eigentüm¬ 
lichen  Bezeichnung  „Couveuses  artificielles“.  „Künstliche 
Bruthennen“  wurden  nämlich  zunächst  Wärmeapparate  ge¬ 
nannt,  dienend  zur  künstlichen  Ausbrütung  von  Hühnereiern, 
und  von  diesen  Apparaten  erst  wurde  der  Name  auf  unsere 
Kinderwärmeschränke  übernommen.  Diese  hat  man  dann  viel¬ 
fach  auch  als  „Brutkasten  für  frühgeborene  Kinder“  bezeichnet 
und  sogen.  „Kinderbrutanstalten“  waren  einige  Jahre  lang  in 
richtigem  Betriebe  befindlich,  eine  Attraktion  für  das  Laien¬ 
publikum  auf  Ausstellungen,  ja  sogar  in  Schaufenstern  von 
Händlern  auf  den  Pariser  Boulevards.  Wurde  diesem  Unfuge 
seither  wohl  gesteuert,  so  blieb  doch  der  Name  „Brutapparat 
im  Laienmunde;  er  scheint  mir  nicht  zutreffend  und  nicht  ganz 
unbedenklich,  insoferne  er  leicht  zur  Annahme  verführen  kann 
der  in  der  Couveuse  sich  vollziehende  Prozess  sei  tatsächlich 
dem  Vorgänge  bei  der  künstlichen  Reifung  des  Eies  analog, 
während  in  Wahrheit  durch  die  Couveuse  doch  nur  eine  und 
sicherlich  nicht  die  wichtigste  der  natürlichen  Daseins¬ 
bedingungen  des  Fötus  im  Mutterleibe  annähernd  hergestellt 
werden  kann.  Die  natürliche  Reife  der  Kinder  und  die  in  der 
Couveuse  erzielte  Hessen  sich  vielleicht  eher  zutreffend  mit  der 
Baumreife  und  der  Lagerreife  gewisser  Früchte  vergleichen. 

Die  Entwicklungsgeschichte  der  Couveuse  kann  hier  ebenso 
wenig  ausführlich  besprochen  werden,  wie  die  grosse  Zahl  ihrer 
modernen  Systeme  und  all  ihrer  technischen  Details,  auf  welche 
viel  Scharfsinn  verwendet  worden  ist.  Ich  will  nur  erwähnen, 
dass  sich  die  Erfindung  an  die  Namen  T  a  r  n  i  e  r  und  Odile 


Martin  knüpft  (Maternite  in  Paris,  1878—1881)  und  dass  um 
den  weiteren  Ausbau  des  ursprünglich  recht  primitiven  Modells 
insbesondere  verdient  waren  Auvard,  Eustac  h  e,  B  u  d  i  n, 
Henry,  D  i  f  f  r  e,  H  u  t  i  n  e  1  in  F rankreich,  Schloss- 
mann,  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n,  Rommel  in  Deutschland,  Hoch¬ 
singer  in  Oesterreich,  Hearson,  Holt,  R  o  t  c  h  in 
England  und  Amerika,  T  e  d  e  s  c  h  i  in  Italien.  Einfachere  Kon¬ 
struktionen,  Improvisationen  wurden  angegeben  von  Auvard 
und  Fürs  t. 

Die  prinzipiellen  Forderungen,  die  an  eine  Couveuse  ge¬ 
stellt  werden  müssen  und  denen  die  neueren  Modelle  auch 
mehr  weniger  gerecht  werden,  sind  namentlich  folgende: 

1.  Die  dem  Kinde  zugeführte  Luft  muss  frisch,  rein, 
entsprechend  warm  und  feucht  sein. 

2.  Temperatur  und  Wassergehalt  der  Luft  müssen  kon¬ 
stant  und  regulierbar  sein. 

3.  Die  Couveuse  muss  den  modernen  Anforderungen  der 
„A  s  e  p  s  i  s“  im  Säuglingspflegebetriebe  entsprechen,  d.  h. 
waschbar,  desinfizierbar  und  betreffs  Reinlichkeit 
leicht  kontrollierbar,  ohne  überflüssige  Staubfänger, 
tote  Winkel  etc.  sein. 

4.  Die  Couveuse  darf  die  Pflege  der  Kinder  nicht 
erheblich  mühsamer  oder  schwieriger  gestalten 
und  das  Kind  nicht  den  Augen  des  Pflegepersonales  entziehen. 


Vorzüge,  die  unter  gewissen  Umständen  besonders  ins  Ge¬ 
wicht  fallen  können,  sind  Transportfähigkeit,  Billigkeit  in  An¬ 
lage  und  Betrieb.  Je  nach  der  Anwendung  der  Couveuse  in 
der  Anstalt  oder  im  Privathause  ist  verschiedenen  Typen  der 
Vorzug  zu  geben. 

Bei  stabilen  Anlagen  empfiehlt  es  sich  sehr,  die  Luft  nicht 
aus  dem  Zimmer,  sondern  vom  Freien  durch  einen  besonderen 
Schacht  in  die  Couveuse  zu  leiten;  andernfalls  ist  für  eine  aus¬ 
reichende  und  kontrollierbare  Ventilation  zu  sorgen,  die  man 
am  besten  durch  entsprechende  Anlage  des  Heizapparates  und 
einen  Kamin  erreichen  kann.  Man  sehe  auch  darauf,  ob  sich 
das  Lager  des  Kindes  nicht  etwa  ausserhalb  (unterhalb)  des 
Lüftungsbereiches  befindet  und  überzeuge  sich,  dass  die  Luft 
tatsächlich  den  ihr  vorgeschriebenen  Weg,  nicht  etwa  jenen 
durch  Ritzen,  Fugen  und  durchlässige  Wände  nehme.  In  den 
Luftstrom  eingeschaltete  Wattefilter  zur  Abhaltung  von  Staub 
und  bakteriellen  Verunreinigungen  scheinen  recht  zweckmässig. 
Von  den  verschiedenen  in  Anwendung  gebrachten  Wärme¬ 
quellen  sind  im  Allgemeinen  die  konstanten  (insbesonders  die 
Bunsenflamme)  den  inkonstanten  (zeitweise  zu  erneuernde 
Heisswasserfüllung,  Termophorkissenetc.)  vorzuziehen,  da  diese 
letzteren  schon  ziemlich  viel  Bedienungsarbeit  fordern.  Manche 
Gasinstallationen,  wie  jene  der  sonst  gut  brauchbaren  Lion- 
couveuse,  ferner  wohl  auch  alle  elektrischen  Heizvorrichtungen 
sind  im  Betriebe  teuer  und  die  darüber  von  den  Fabrikanten  ge¬ 
machten  Angaben  nicht  immer  zuverlässig. 

Das  Prinzip  der  Heizvorrichtung  bei  der  Lioncouveuse  ist 
insoferne  verfehlt,  als  bei  Ansteigen  der  Temperatur  im  Innern 
die  automatische  Regulierung  eine  überflüssige  Erwärmung  und 
Verschlechterung  der  Zimmerluft  anstatt  einer  teilweisen  Ab¬ 
sperrung  der  Gaszufuhr  bewirkt. 

Eine  wesentliche  Erleichterung  und  Sicherung  gewähren 
die  an  neueren  Modellen  angebrachten  automatischen  I  em- 
peraturregulierungen  mit  Quecksilberthermostaten. 

Der  Wassergehalt  der  Luft  ist  von  grosser  Bedeutung.  Als 
Mass  desselben  könnte  ebensogut  die  relative  Feuchtigkeit  als 
das  Sättigungsdefizit  gelten,  doch  schwankt  bei  verschiedenen 
Temperaturen  der  jeweils  wünschenswerte  Wert  der  er- 
steren  “),  während  jener  der  letzteren  ziemlich  konstant  bleibt, 
daher  sich  allgemein  gültige  Angaben  über  das  Optimum  des 
Wassergehaltes  der  Couveusenluft  nur  nach  Sättigungsdetizit 

machen  lassen.  , 

Wenn  nach  Den  ecke  das  Sättigungsdefizit  im  allge¬ 
meinen  höchstens  9  mm  Hg  betragen  soll,  so  wird  man  nach  den 
Ausführungen  von  R  u  b  n  e  r  und  von  Pfaundler  sen. 


“)  Die  relative  Feuchtigkeit  in  den  Kurorten  an  der  Rn/iera 
ist  in  der  dortigen  Wintersaison  oft  nicht  wesentlich  verschieden 
von  jener,  die  inmitten  der  libischen  Wüste  herrscht. 

i2)  l  Pfaundler:  Ueber  den  Wassergehalt  der  Luft  in  Brut¬ 
apparaten.  Mitteilungen  des  Vereines  der  Aerzte  in  Steiermark. 
Bd.  37.  1900. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


in  der  Couveuse  doch  zumeist  den  Wassergehalt  zweckmässig 
etwas  niederer  ansetzen,  nämlich  auf  ca.  11 — 14  mm  Hg,  was 
einer  psychrometrisehen  Differenz  von  5 — 6  Graden  entspricht. 
,,Gibt  man  daher  dem  Aufsichtspersonal  die  Direktive,  dass  der 
Unterschied  (im  Stande)  des  trockenen  und  des  feuchten  Ther¬ 
mometers  5 — 6,  höchstens  7  Grade  betragen  soll,  so  dürfte  man 
nach  den  bisher  gemachten  Erfahrungen  ziemlich  das  Richtige 
getroffen  haben“  (L.  Pfaundler).  Die  nebenstehende  Ta¬ 
belle  gestattet  relative  Feuchtigkeit  und  Sättigungsdefizit  nach 
der  Psychrometerablesung  in  der  Couveuse  zu  bestimmen. 


Relative  Feuchtigkeit  in  Prozenten  (normale  Ziffern). 
Sättigungsdefizit  in  mm  Hg  (kursive  Ziffern)  *)• 


Trockenes  Thermometer 

°C. 

26 

27 

28 

29 

30 

3! 

32 

33 

34 

35 

36 

18 

39 

34 

30 

26 

22 

19 

16 

13 

11 

8 

6 

15 

17 

20 

22 

25 

27 

30 

33 

36 

38 

41 

19 

46 

40 

36 

31 

21 

24 

20 

17 

15 

12 

10 

ü 

14 

16 

18 

21 

23 

26 

29 

31 

34 

37 

40 

20 

53 

47 

42 

37 

33 

29 

25 

22 

19 

17 

14 

O 

12 

14 

16 

18 

21 

24 

27 

29 

32 

35 

38 

0> 

21 

60 

55 

50 

43 

39 

34 

30 

21 

24 

21 

18 

10 

12 

14 

17 

19 

22 

25 

28 

30 

33 

36 

22 

68 

61 

55 

50 

45 

40 

36 

32 

29 

25 

23 

tz 

8 

10 

13 

15 

17 

20 

23 

26 

29 

31 

34 

<D 

sz 

23 

75 

68 

62 

56 

51 

46 

41 

31 

33 

30 

21 

E— 

6 

8 

11 

13 

16 

18 

21 

24 

26 

29 

32 

CO 

24 

83 

76 

69 

63 

57 

52 

47 

42 

38 

35 

31 

4 

6 

9 

11 

14 

16 

19 

22 

24 

27 

30 

o 

25 

92 

84 

77 

70 

64 

58 

52 

48 

44 

40 

31 

3 

2 

4 

7 

9 

11 

14 

17 

20 

22 

25 

28 

X, 

26 

100 

92 

84 

77 

71 

64 

58 

53 

49 

45 

41 

0 

2 

5 

7 

9 

12 

15 

18 

20 

23 

26 

27 

100 

92 

84 

77 

71 

64 

59 

55 

50 

46 

0 

2 

5 

7 

10 

13 

15 

18 

21 

24 

28 

100 

92 

84 

77 

71 

65 

60 

56 

51 

0 

2 

5 

8 

10 

13 

16 

19 

2 1 

B  o  n  n  a  i  r  e  und  seine  Schüler  haben  jüngst  gefunden, 
dass  man  bei  sehr  hohem  Wassergehalte  der  Couveusenluft 
eine  noch  raschere  Erwärmung  der  eingelegten  hypothermen 
Frühgeburten  erzielt.  Diese  Beobachtung  dürfte  wohl  zu¬ 
treffen  und  die  Tatsache  bedarf  zur  Erklärung  nur  des  Hin¬ 
weises  auf  allbekannte  physikalische  und  physiologische  Ge¬ 
setze.  B  o  n  n  a  i  r  e  empfiehlt  nach  Ideen  von  T  e  n  o  n  und 
Lariboisiere  und  auf  Grund  jener  Beobachtung  für  gewisse 
Zustände  bei  Debilen  (Hypothermie,  Sklerem,  Zyanose)  die 
„Couveuse  humide“,  deren  Luft  mit  Wasserdampf  gesättigt  ist 
(Sättigungsdefizit  gleich  null)  und  die  durch  Einhängen  von 
nassen  Tüchern  über  die  Heizkörper  jedes  beliebigen  Systemes 
hergestellt  werden  könne.  Für  das  subjektive  Empfinden  des 
Erwachsenen  ist  die  Atmosphäre  der  „Couveuse  humide“  un¬ 
erträglich  drückend,  schwül.  Die  Verhinderung  jeglicher  Was¬ 
serverdampfung  an  der  Körperoberfläche  wird  höchst  unange¬ 
nehm  empfunden  und  scheint  überdies  auch  durchaus  nicht  un¬ 
bedenklich.  Es  ist  bekannt,  dass  unter  solchen  Bedingungen  die 
Gefahr  von  Ueberhitzungsschäden  besteht  und  Bonnaire 
selbst  hat  bei  der  Verwendung  seiner  feuchten  Couveuse  Ohn¬ 
mächten  auftreten  sehen,  die  wohl  jenen  bei  Hitzschlag  nicht 
allzuferne  stehen.  Ich  halte  die  ,„Couveuse  humide“  zum  min¬ 
desten  für  überflüssig. 

Den  Forderungen  der  Asepsis  entsprechen  namentlich  die 
mit  Emaillefarbe  gestrichenen,  die  aus  Glasmetallkonstruktion 
oder  aus  Porzellan  gebauten  Couveusen.  Breite  Glaswände 
müssen  in  jedem  Falle  das  Kind  ausgiebiger  Belichtung  und 
ständiger,  bequemer  Beaufsichtigung  vom  Zimmer  her  zugäng¬ 
lich  machen. 

Gewissen  besonderen  Vorkehrungen  für  Couveusen,  wie  der 
permanenten  oder  temporären  Sauerstoffdurchleitung  (B  u  d  i  n, 
B  o  n  n  a  i  r  e,  L  a  n  d  o  i  s),  der  violetten  Bestrahlung  (Miller) 
bringe  ich  vorläufig  ein  Vertrauen  nicht  entgegen. 


Berechnet  unter  Annahme  eines  mittleren  Barometerstandes 
von  730  mm  und  der  Psychrometerkonstanten  K =  0,00096  von  L. 
Pfaundler. 


Bei  der  prinzipiellen  Empfehlung  der  Couveuse  wurde  vom 
Standpunkte  der  „Sparung“  ausgegangen.  Die  Ueberlegung 
war  die,  dass  die  Hauptenergieausgabe  des  Körpers,  der 
Wärmeverlust  an  der  Haut-  und  Lungenoberfläche  durch  Ver¬ 
minderung  des  Temperaturgefälles  beliebig  herabgesetzt  wer¬ 
den  könne.  Diese  plausibel  scheinende  Deduktion  muss  aber 
bei  näherem  Zusehen  doch  gewisse  Bedenken  erwecken;  es 
verrät  sich  ihre  Schwäche  dadurch,  dass  sie  leicht  ad  absurdum 
geführt  werden  kann:  Wenn  das  Temperaturgefälle  zwischen 
kindlichem  Körper  und  Aussenluft  gleich  null,  oder  wenn  mit 
anderen  Worten  die  Couveuse  auf  Körpertemperatur  geheizt 
wird,  so  müssten  wohl  all  diese  Energieausgaben  aufhören  und 
das  Gedeihen  des  Kindes  müsste  ein  vorzügliches  sein.  Das 
ist  nicht  nur  nicht  der  Fall,  sondern  wir  sehen  vielmehr  nach 
so  hoher  Temperatureinstellung  gesetzmässig  Unruhe, 
Schweissausbruch,  febrile  Temperatur  bei  dem  Insassen  der 
Couveuse  auftreten.  Die  nähere  Betrachtung  lässt  auch  sogleich 
erkennen,  wo  der  Fehler  in  der  oben  erwähnten  Auffassung  ge¬ 
legen  ist.  Es  ist  klar,  dass  der  Körper  —  auch  bei  völliger 
äusserer  Ruhe  ■ —  stets  gewisse  Arbeit  verrichten  muss  und 
zwar  nicht  allein  Muskelarbeit,  wie  Atmung,  Herzschlag,  Peri¬ 
staltik,  sondern  auch  Arbeit  anderer  Art,  namentlich  in  den 
Drüsenapparaten  (osmotische  Arbeit).  Ein  gewisses  Mass  von 
Wärme  wird  daher  vom  lebenden  Körper  immer  erzeugt  wer¬ 
den  müssen  und  diese  Wärme  wird  auch  ihren  natürlichen  Ab¬ 
fluss  von  der  Körperoberfläche  finden  müssen,  da  sie  über  ein 
gewisses  Mass  hinaus,  das  die  Erhaltung  der  normalen  Körper¬ 
temperatur  ermöglicht,  ein  unverwertbares  Schlackenprodukt 
des  Kraftwechsels  darstellt.  Den  Abfluss  einer  Wärmemenge, 
welche  dieser  Arbeit  entspricht,  zu  verhindern,  bedeutet 
Schaden.  Zunächst  trachtet  zwar  der  in  solche  Lage  gebrachte 
Organismus  sich  durch  besondere  Abwehrvorrichtungen  zu 
helfen  und  den  Wärmeabfluss  in  ausreichendem  Masse  trotz  der 
ungünstigeren  Verhältnisse  zu  erzwingen.  Weiterhin  aber  bei 
Insuffizienz  dieser  Vorkehrungen  kommt  es  zu  ausgesprochenen 
Zeichen  einer  krankhaften  Reaktion,  die  als  Wärmestauung 
oder  Hitzschlag  in  Erscheinung  tritt.  Diesem  Schaden  ist  der 
Säugling  in  4er  zu  warmen  oder  zu  feuchten  Couveuse  ebenso 
ausgesetzt  wie  der  südwestafrikanische  Krieger  im  Felde.  Von 
einer  Einsparung  aber  ist  unter  diesen  Umständen  keine  Rede, 
im  Gegenteil  es  kommt  zu  vermehrtem  Konsum.  Die  Beob¬ 
achtung  des  Stoffwechsels  während  heisser  Bäder  hat  gezeigt, 
dass  hiebei  ein  um  100  Proz.  vermehrter  Gewebszerfall  und 
Umsatz  statthat. 

Es  erhebt  sich  somit  die  Frage,  ob  denn  auf  dem  ange¬ 
deuteten  Wege  überhaupt  unter  irgendwelchen  Umständen  eine 
Einsparung  erzielt  werden  kann?  Diese  Frage  ist  zu  bejahen 
nach  dem  Ergebnisse  von  experimentellen  Untersuchungen,  die 
insbesonders  aus  V  o  i  t  s  und  R  u  b  n  e  r  s  Schule  hervorge¬ 
gangen  sind.  Die  mittlere  Kohlensäureausscheidung  betrug 
nach  Versuchen  R  u  b  n  e  r  s  beim  erwachsenen  Menschen  unter 
sonst  gleichen  Umständen  bei  einer  Temperatur  von 
10-15°  15—20°  20—25°  25—30°  C. 

35,1  27,1  30,0  32,4  g  pro  Stunde. 

Aehnliches  fand  Voit;  das  Minimum  des  Gaswechsels  lag 
für  den  Menschen  bei  etwa  16 0  C,  nach  anderen  Autoren  für  den 
Hund  bei  25 u  C,  für  das  Meerschweinchen  (ein  in  den  Tropen 
beheimatetes  Tier!)  bei  35°  C  etc. 

'Die  in  diesen  Zahlen  zum  Ausdruck  kommende  gesetz- 
mässige  Beziehung  zwischen  der  Stoffwechselgrösse  und  der 
Aussentemperatur  wurde  allgemein  gedeutet  als  Folge  einer 
sogen,  „chemischen  Wärmeregulierungsfunktion“;  durch  ver¬ 
mehrten  oxydativen  Zerfall  von  Körperbestandmassen  sollen 
bei  niederer  Aussentemperatur  neue  Wärmequellen  für  den 
Körper  erschlossen  werden.  Während  man  sich  ursprünglich 
diese  vermehrten  Oxydationen  auf  den  verschiedensten  Ge¬ 
bieten  ablaufend  dachte,  stellte  sich  weiterhin  heraus,  dass  nur 
willkürliche  oder  unwillkürliche  Muskelaktion  sie  bedingt. 
Solche  (willkürliche  oder)  unwillkürliche  Muskelarbeit  —  nur 
letztere  (Zittern,  Innervation  von  Haut-  und  Gefässmuskeln) 
kommt  für  den  Säugling  in  Betracht  —  tritt  bei  verschiedenen 
Individuen  je  nach  Eigenart,  Gewöhnung  etc.  unter  verschie¬ 
denen  Bedingungen  auf,  aber  —  wenigstens  beim  bekleideten 
Erwachsenen  —  wohl  niemals  oberhalb  einer  gewissen  mittleren 
Aussentemperatur  (etwa  16 — 20  "  C).  Nur  insoweit  Er- 


23.  Juli  1907.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ 1385 


h  ö  h  u  n  g  der,  Aussentemperatur  diese  unwill¬ 
kürlich  v  e  rni  ehrte  Muskelarbeit  a  u  f  z  u  treten 
verhindert,  kann  sie  nach  den  heute  gelten¬ 
den  Anschauungen  einen  u  nnützen  Gewebs¬ 
zerfall  hintanhalten  und  eine  Einsparung  er¬ 
zielen  helfen. 

Wenn  es  angehen  mag,  die  auf  Grund  von  Beobachtungen 
am  Erwachsenen  einschlägig  gewonnenen  Prinzipien  auf 
den  Säugling  zu  übertragen,  so  kann  dies  keinesfalls  von  den 
Zahlenwert  en  gelten.  Exakte  Zahlen  über  die  Beziehungen 
von  Gaswechsel  und  Aussentemperatur  beim  Säugling  liegen 
bisher  aber  nur  wenige  vor;  wir  verdanken  sie  Babäks111) 
Untersuchungen  an  gesunden  Neugeborenen.  Nach  B  a  b  ä  k 
beträgt  der  Sauerstoffverbrauch  (ein  besser  verwertbares  Mass 
als  die  Kohlensäureausscheidung)  pro  Kilogramm  Körperge¬ 
wicht  und  Stunde  ceteris  paribus  bei  einer  Aussentemperatur 
von 

12,1°  12,9°  17,1°  19,9°  20,0°  23,2°  23,0°  C. 

874  739  636  632  581  562  578  ccm  Cb. 

Eine  Bestimmung  bei  noch  höherer  Temperatur  hat  leider 
nicht  stattgefunden;  wir  können  daher  aus  Babäks  Unter¬ 
suchungen  nicht  erfahren,  bei  welcher  Temperatur  der  Sauer¬ 
stoffverbrauch  für  das  gesunde  Neugeborene  sein  Minimum  er¬ 
reicht  und  noch  viel  weniger  ist  dies  für  debile  Kinder  im 
Allgemeinen,  geschweige  denn  im  Einzelfalle  bekannt.  Abge¬ 
sehen  davon  also,  dass  der  minimale  Sauerstoffverbrauch  noch 
keineswegs  ohne  weiteres  das  Optimum  der  Couveusentem- 
peratur  bestimmen  würde,  können  wir  zur  Ermittlung  dieses 
praktisch  wichtigen  Wertes  von  zahlenmässigen  Erhebungen 
dieser  Art  vorläufig  nicht  ausgehen,  sind  vielmehr  auf  die  Em¬ 
pirie  angewiesen,  derzufolge  jenes  Optimum  in  Abhängigkeit 
von  dem  Entwicklungszustande  des  jeweiligen  Insassen  der 
Couveuse  zumeist  zwischen  26  und  32  0  C  schwankt.  Aus  jenen 
Erörterungen  aber  hat  sich  mit  sehr  grosser  Wahrscheinlich¬ 
keit  ergeben,  dass  eine  Einsparung  in  dem  vermeinten  Sinne  bei 
rationellem  Couveusenbetriebe  tatsächlich  wohl  erzielbar  ist. 

In  Bezug  auf  die  Uebertragbarkeit  der  beim  Erwachsenen  vor¬ 
liegenden  Verhältnisse  auf  das  Neugeborene  ist  noch  erwägenswert, 
dass  beim  letzteren  die  sogen,  chemische  Temperaturregulierung 
des  Körpers  möglicherweise  eine  weit  grössere  Rolle  spielt  als-  beim 
Erwachsenen,  da  bei  ihm  die  physikalische  Regulierungs- 
Funktion  nach  B  ab  ä  k  noch  sehr  mangelhaft  wirkt.  Speziell  die 
Körpergewichtsverluste  nach  der  Geburt  sind,  vermutlich  Ausdruck 
eines  Gewebszerfalles,  der  durch  vermehrte  Wärmeproduktion  zur 
Erhaltung  der  Körpertemperatur  beitragen  soll;  denn  sie  sind  bei 
debilen  Kindern  (relativ)  grösser  und  können  durch  zweckmässige 
Beschränkung  des  Wärmeverlustes  —  sowie  durch  frühzeitige 
Nahrungszufuhr  —  vermindert  oder  hintangehalten  werden  (Eröss). 

Die  Couveuse  hat  fast  allenthalben  enthusiastische  Freunde 
gefunden  und  es  scheint  ein  gutes  Zeichen,  dass  im  grossen 
und  ganzen  das  Urteil  der  einzelnen  Autoren  umso  günstiger 
ist,  je  mehr  sie  das  Verfahren  anzuwenden  Gelegenheit  hatten. 
Reservierte  Urteile  hört  man  insbesonders  aus  solchen  An¬ 
stalten,  an  denen  man  die  Couveuse  nur  vom  Hörensagen 
kennt.  Von  durchaus  vertrauenswürdiger  Seite  werden  impo¬ 
sante  statistische  Zahlen  über  den  Rückgang  der  Debilensterb- 
lichkeit  seit  Anwendung  der  Couveusen  mitgeteilt,  worauf  noch 
zurückgekommen  wird.  Bei  den  meisten  dieser  Erhebungen 
kann  allerdings  nicht  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden, 
dass  die  als  Ausdruck  modernen  Strebens  vielfach  gleichzeitig 
mit  der  Couveuse  eingeführte  verbesserte  Pflege  wesentlich 
an  den  besseren  Erfolgen  mit  Anteil  habe.  Ich  persönlich 
möchte  immerhin  nach  den  an  grossem  Debilenmaterial  in  der 
steiermärkischen  Landesfindelanstalt  gemachten  Erfahrungen 
auf  einer  derartigen  Krankenabteilung  Couveusenbetrieb  nie¬ 
mals  vermissen. 

Es  hat  nicht  an  prinzipiellen  Einwänden  gegen  die  Cou¬ 
veuse  gefehlt:  in  den  Kästen  stagniere  entweder  die  Luft  oder 
sie  schleppe  Staub  mit  ein,  es  drohe  Ueberhitzungsgefahr,  es 
könnten  die  Kinder  wegen  mangelhafter  Beaufsichtigung  beim 
Erbrechen  in  der  Couveuse  ersticken,  sie  könnten  von  früheren 
oder  gleichzeitigen  Insassen  angesteckt  werden.  Derartige 
Einwände  sind  für  uns  gegenstandslos,  da  sie  nur  Berechtigung 
haben  gegenüber  Couveusen  von  mangelhafter  Konstruktion 


1S)  Babäk:  Ueber  die  Wärmeregulation  beim  Neugeborenen. 
Pflügers  Arch.  1902,  Bd.  89. 


oder  Betriebsart,  also  Couveusen,  die  den  oben  aufgestellten 
Forderungen  nicht  entsprechen. 

Ebensowenig  kann  man  es  als  Einwand  gegen  die  Cou¬ 
veuse  gelten  lassen,  wenn  festgestellt  wird,  dass  Couveusen- 
kinder  späterhin  häufig  schwer  anämisch  und  rachitisch  wer¬ 
den.  Dies  trifft  zweifellos  zu.  Wer  aber  Erfahrungen  über  de¬ 
bile  Kinder  hat,  der  weiss,  dass  diese  mit  und  ohne  Couveuse 
zu  diesen  konstitutionellen  Krankheitszuständen  neigen.  Wenn 
man  in  Anstalten  seit  Einführung  des  Couveusenbetriebes  da  und 
dort  mehr  Anämie  und  Rachitis  sieht  als  ehedem,  so  mögen  die 
Dinge  hier  analog  liegen,  wie  mit  den  postdiphtherischen  Läh¬ 
mungen,  von  denen  gesagt  wurde,  man  sehe  sie  seit  der  Serum¬ 
anwendung  öfter  —  nicht  weil  das  Serum  ihr  Zustandekommen 
begünstigt,  sondern  weil  es  schwer  erkrankte  Kinder  die  Läh¬ 
mung  erleben  lässt,  die  ohne  Serum  zugrunde  gegangen  wären. 
Schlecht  gelüftete  Couveusen  mögen  wohl  zu  Rachitis  dis¬ 
ponieren:  man  kennt  den  Einfluss  der  respiratorischen  Noxen 
bei  dieser  Krankheit.  Dasselbe  gilt  vielleicht  von  zu  feuchten 
Couveusen  14). 

Andere  Einwände  sind  nicht  a  limine  abzuweisen.  Einzelne 
französische  Autoren  (wie  H  u  t  i  n  e  1  und  D  e  1  e  s  t  r  e)  glau¬ 
ben  beobachtet  zu  haben,  dass  die  Disposition  zu  gewissen  in¬ 
fektiösen  Erkrankungen  (Ophthalmie,  Nasen-Rachenkatarrhe, 
Sepsis)  beim  Aufenthalte  in  der  Couveuse  eine  vermehrte  und 
der  Verlauf  dieser  Erkrankungen  ein  minder  günstiger  sei.  Sie 
sprechen  geradezu  von  „Couveusenkrankheiten“.  Zum  Belege 
dieser  Ansicht  liegt  jedoch  m.  E.  weder  ein  ausreichendes 
Material  an  vergleichenden  Beobachtungen  noch  eine  plausible 
Erklärung  vor.  M  o  n  t  i  meint:  „Sobald  bei  einem  in  der  Cou¬ 
veuse  behandelten  Kinde  Zeichen  einer  Infektion  sich  zeigen, 
ist  dasselbe  aus  der  Couveuse  zu  entfernen,  weil  die  kontinuier¬ 
lichen  höheren  Temperaturen  wie  in  einem  Thermostaten  be¬ 
günstigend  auf  die  Entwicklung  der  Bakterien  wirken  un<d  in¬ 
folgedessen  derartige  Infektionen  unter  dem  Einflüsse  der  Cou¬ 
veuse  einen  ungünstigen  Verlauf  nehmen.“  Es  liegt  auf  der 
Hand,  dass  dieser  Vergleich  wenig  zutreffend  und  als  Argument 
hinfällig  ist.  Die  Temperatur  des  kindlichen  Körpers  ist  ja  bei 
rationellem  Betrieb  der  Couveuse  nicht  höher  als  bei  Bett¬ 
pflege15)  und  ausserhalb  des  kindlichen  Körpers  fehlt  es  den 
Krankheitskeimen  in  einer  reinen  Couveuse  an  dem  geeigne¬ 
ten  Nährboden,  der  im  Bakterienbrutschranke  ihr  Wachstum  so 
sehr  fördert.  E  s  c  h  e  r  i  c  h 16)  berichtet  übrigens,  dass  er  an 
Couveusenkindern  eine  grosse  Widerstandsfähigkeit  gegen  In¬ 
fektionen  habe  beobachten  und  diese  Beobachtung  auch  ex¬ 
perimentell  habe  stützen  können. 

Ein  weiterer  gegen  die  gebräuchlichen  Couveusen  gemach¬ 
ter  Einwand  geht  dahin,  dass  die  durch  Manipulationen  beim 
Füttern,  beim  Trockenlegen,  Baden,  Waschen,  Wägen  gefoi- 
derte  zeitweilige  Entfernung  des  Kindes  aus  dem  Wärm¬ 
schranke  mit  einem  unvermeidbaren  und  vermutlich  schädlich 
wirkenden  jähen  Wechsel  der  Umgebungstemperatur  einher¬ 
gehe.  Die  Annahme  eines  solchen  Schadens  wird  namentlich 
nahegelegt  durch  die  notorische  Labilität  der  Körpertempera¬ 
tur  des  Debilen  und  die  üblen  Folgen  der  initialen  Geburts¬ 
abkühlung  bei  solchen  (s.  u.). 

Diesem  Umstande  wurde  nun  tatsächlich  auch  Rechnung 
getragen  durch  die  Konstruktion  von  W  ärmezi  m  m  e  i  n, 
Wärmekammern  für  Lebensschwache  („cham- 
bres  couveuses“,  „sale  incubatrice“).  Ein  solches  Wärme¬ 
zimmer  wurde  zuerst  von  Pajot  durch  Odile  Martin  in 
Paris  (1885),  dann  von  B  o  s  i  und  G  u  i  d  i  in  Florenz  (1895)  und 
von  Cor  lat  in  Lyon  (1896),  errichtet.  Die  erste  derartige 
Konstruktion  auf  deutschem  Boden  war  jene  von  Escherich 
und  Pfaundler  sen.  in  Graz  (Krankenabteilung  der  steier¬ 
märkischen  Landesfindelanstalt).  Eine  diesem  neuen  und  aus¬ 
gezeichnet  bewährten  Modell  (Glas-Eisenkonstruktion)  nach- 


4«;)  Hagen-  Thorn  hat  bekanntlich  aus  der  geographischen 
Verbreitung  der  Rachitis  in  Russland  den  Schluss  gezogen,  dass  ihi 
Auftreten  von  dem  hohen  Wassergehalte  der  Luft  abhänge.  Die  An¬ 
gabe  wurde  von  Skukowsky  bekämpft. 

15)  Ich  sehe  von  Hypothermien  ab,  Zuständen,  die  übrigens  den 
Ablauf  bakterieller  Prozesse  sicherlich  nicht  günstiger  gestalten. 

i»)  Escherich:  Die  Einrichtung  der  Säuglingsabteilung  im 
Anna-Kinderspital  etc.  Mitteilungen  des  Vereins  der  Aerzte  in  Steiei- 
mark  1900,  Bd.  37. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


gebildete  Wärmekammer  haben  M  o  r  o  in  Wien  und  Brauer 
in  Marburg  aufgestellt.  Dieser  „chambre  couveuse“  verdankt 
m.  E.  die  Qrazer  Anstalt  in  erster  Linie  ihre  ausgezeichneten 
Erfolge  in  der  Behandlung  der  Debilen,  für  die  ich  Ihnen  ein 
Beispiel  in  dem  Gedeihen  des  oben  erwähnten  Kindes  Men- 
ha  rt  angeführt  habe,  das  mit  dem  vierten  Teile  des  normalen 
Geburtsgewichtes  in  die  Grazer  Wärmekammer  Aufnahme 
fand. 

Die  „chambre  couveuse“  gestattet  den  ganzen  Pflege¬ 
betrieb  (Reinigqng,  Fütterung,  Bad  etc.)  in  dem  gleichmässig 
erwärmten  Binnenraum  der  Kammer.  Die  Einrichtung  der 
Wärmekammern  in  bezug  auf  die  Fürsorge  für  frische,  reine, 
warme,  feuchte  Luft  entspricht  im  Prinzip  völlig  jener  in  den 
gewöhnlichen  Couveusen.  Auf  die  technischen  Details  und 
auf  die  weiteren  Vervollkommnungen,  durch  welche  Esche- 
rich  das  System  jüngst  in  Wien  noch  wesentlich  gefördert 
hat,  will  ich  nicht  eingehen,  weil  der  Interessentenkreis  für  diese 
nur  in  Anstalten  zu  betreibende  Einrichtung17)  ein  beschränk¬ 
ter  ist. 

Wer  der  Ansicht  ist,  dass  man  die  „chambre  couveuse“ 
durch  starkes  Heizen  eines  beliebigen  Zimmers  ersetzen  könne, 
der  verkennt  die  Vorteile,  die  der  Aufenthalt  des  Pflegeperso¬ 
nals  auserhalb  der  Kammer  bietet  (Belästigung  des  Erwachse¬ 
nen  durch  die  hohe  Temperatur,  Verschlechterung  der  Luft  für 
die  Säuglinge)  und  unterschätzt  die  Kosten  und  Schwierig¬ 
keiten  eines  solchen  Betriebes. 

(Schluss  folgt.) 


Untersuchungen  an  Schwimmern. 

Von  Priv.-Doz.  Dr.  R.  Kienböck  in  Wien,  Dr.  A.  Selig 
in  Franzensbad  und  Dr.  R.  Beck  in  Wien. 

(Schluss.) 

Zugleich  mit  der  Orthodiagraphie  wurde  in  mehreren  Fällen 
(No.  8  und  10)  auch  der  Spitze  nstoss  palpiert  und  da  zeigte 
sich  dieser  nach  dem  Schwimmen  beträchtlich  nach  aussen 
gerückt,  obwohl  er  in  Wirklichkeit,  wie  die  Durchleuchtung  er¬ 
gab,  seine  Stelle  nicht  verlassen  hatte  (10)  oder  sogar  nach  innen 
gewandert  war  (8).  Inspektion  und  Palpation  des  Spitzen- 
stosses  können  also  eine  Verlagerung  desselben,  eine  Herzdila¬ 
tation  Vortäuschen.  Dieser  Umstand  ist  übrigens  bereits  be¬ 
kannt.  R  o  m  b  e  r  g  14)  meint,  dass  angestrengte,  beschleunigte 
Herzaktion  die  Brustwand  systolisch  stärker  erschüttert  und 
breiter  vorwölbt,  Moritz15)  findet  die  Zone  der  Irradiation 
des  Spitzenstosses  um  so  grösser,  je  lebhafter  das  Herz  pulsiert. 
Nach  Hoffmann  16)  kann  das  erregt  schlagende  Herz  leichte 
Vergrösserung  der  Herzdämpfung  Vortäuschen. 

Dass  Perkussion  und  Palpation  den  Spitzenstoss  nicht  an 
dieselbe  Stelle  der  Körperoberfläche  projizieren  können  wie  die 
Orthodiagraphie  ist  klar;  wir  wollen  aber  die  Verhältnisse  an 
einer  schematischen  Zeichnung  (Fig.  22)  veranschaulichen.  Man 
sieht  hier  einen  Querschnitt  des  Brustkorbes,  von  nennens¬ 
werter  Wanddicke;  Md  =  Mannnilla  dextra,  Ms  =  Mainmilla 
sinistra.  Die  orthodiagraphischen  Strahlen  01,  02,  03  und  04  pro¬ 
jizieren  die  Herzbreite  und  den  Mammillarabstand.  Die  Herz¬ 
spitze  wird  auf  die  Thoraxwand  bei  S  projiziert,  also  innerhalb 
der  Mammillarlinie.  Palpation  und  Perkussion,  senkrecht  auf 
die  nach  hinten  ziehende  Brustwand  wirkend,  finden  natur- 
gemäss  die  Herzspitze  in  der  Mammillarlinie,  also  weit  nach 
aussen  gerückt  im  Vergleich  mit  der  Orthodiagraphie. 

L  e  n  n  h  o  f  f  und  Levy-Dorn  radiographierten  Athleten 
nach  öffentlichem  Ringkampf  an  Ort  und  Stelle;  nach  der  Pal¬ 
pation  und  Perkussion  glaubte  man  an  mehreren  Individuen 
Vergrösserung  des  Herzens  nach  der  Anstrengung  annehmen  zu 
können,  orthodiagraphisch  Hess  sich  aber  in  keinem  Falle  — 
auch  nicht  nach  den  schwersten  Kämpfen  —  Vergrösserung  der 
Herzfigur  feststellen.  Auch  Men  dl  und  Selig  vermissten 
an  Ringern  akute  Hcrzdilatation  nach  der  Arbeit,  einer  der 
Ringer  zeigte  orthodiagraphisch  eher  kleinere  Herzmasse  nach 
dem  Kampfe  als  vorher. 


*')  hn  Gegensätze  zu  den  portativen  Einzelcouveusen,  die  weit 
nehr  als  bisher  im  Privathause  Eingang  finden  sollten. 

”)  Romberg:  Kongress  f.  innere  Med.,  Bd.  17,  12-4,  1899. 

*')  Moritz:  Münch,  nied.  Wochenschr.  1902,  49,  7. 

1B)  Hoffmann:  Kongress  f.  innere  Med.  1902,  Bd.  20,  S.  321. 


De  1  a  Camp17)  kommt  nach  seinen  schönen  Unter¬ 
suchungen  zu  dem  bekannt  gewordenen  Resultat,  dass  es  selbst 
nach  maximaler  Körperanstrengung  nur  dann  zu  akuter  Dila¬ 
tation  komme,  wenn  der  Herzmuskel  ernstlich  erkrankt  sei. 

Dass  man  bisher  das  Vorkommen  akuter  Verkleinerung 
des  Herzens  —  wir  wollen  sie  a  k  u  t  e  D  i  m  i  n  u  t  i  o  n  nennen 
—  durch  Körperarbeit  übersah,  erklärt  sich  aus  der  Verschie¬ 
denheit  des  Objektes  der  Untersuchung.  Wir  hatten  Individuen 
vor  uns,  die  exzessive  Anstrengung  der  Körper-  und  Atem¬ 
muskulatur  hinter  sich  hatten,  68  m  in  weniger  als  einer  Minute 
(bei  Fall  6  in  45  Sekunden)  schwimmend  zurückgelegt  hatten, 
mit  konsekutiver  höchster  Dyspnoe,  Zyanose  und  Erschöpfung, 
so  dass  sie  kaum  mehr  gehen  und  stehen  konnten.  Ringkämpfer 
und  Dauergeher  schalten  Ruhepausen  ein,  der  Versuchshund 
legt  im  Tretrad  viele  Kilometer,  jedoch  in  seinem  gewohnten 
Lauftempo  zurück.  Anstrengungen,  bei  denen  die  letzte  Re¬ 
servekraft  des  Herzens  und  der  ganzen  Muskulatur  eingesetzt 
wird,  wie  beim  Preisringen,  Wettradfahren  und  namentlich 
Wettschwimmen,  bringen  eine  schwerere  Veränderung 
des  Kreislaufes  mit  sich  als  länger  dauernde  Anstrengungen 
(wie  Bergtouren)  mit  Ruhepausen  und  ohne  derartige  exzessive 
gewalttätige  Ueberanstrengung  (B  e  c  k). 

Das  Zustandekommen  der  akuten  Herzdiminution  durch 
Ueberanstrengung  kann  wohl  in  primärer  Erweiterung  ge¬ 
wisser  Blutbahnen  eine  plausible-  Erklärung  finden.  In  der 
Körpermuskulatur  erweitern  sich  der  energischen  Funktion  ent¬ 
sprechend  die  Blutgefässe  —  gleichzeitig  wohl  auch  in  den 
Lungen.  Muskulatur  und  Lungen  sind  auch  bei  den  untersuchten 
Individuen  besonders  gut  ausgebildet.  Es  ist  bekannt,  dass  sich 
beim  Uebergang  des  Organismus  von  Ruhe  zur  Körperarbeit  die 
Blutverteilung  sehr  ändert.18)  Vor  allem  haben  die  Bauchorgane, 
auch  das  Zentralnervensystem  das  enthaltene  Blut  an  die  Mus¬ 
kulatur  abzugeben,  schliesslich  wird  aber  auch  das  Herz 
schlechter  gespeist  werden,  die  Diastole  nicht  mehr  das  frühere 
Mass  erreichen. 

Auch  der  eigentümliche  Respirationstypus  beim  Schwim¬ 
men,  kann  wohl  zur  Verkleinerung  des  Herzens  beitragen; 
wir  brauchen  ja  die  Art  der  Tempi  und  der  Atmung  beim 
Schnellschwimmen  nicht  erst  zu  schildern,  machen  nur  auf  die 
lange  Dauer  der  Atmungspause,  das  angestrengte,  gewaltsame 
Inspirieren  aufmerksam,  welche  durch  die  abnormen  Druck¬ 
schwankungen  im  Thorax  oder  reflektorisch  auf  die  Herz¬ 
grösse  einwirken  können.19) 

Wenn  also  schon  bei  allen  schweren  Körperleistungen,  na¬ 
mentlich  bei  den  kurzdauernden  gewaltigen  Anstrengungen, 
Verkleinerung  des  Herzens  auftreten  dürfte,  muss  dies  in  be¬ 
sonderem  Masse  beim  forcierten  Schwimmen  der  Fall  sein. 

Der  Puls  zeigte  nach  dem  Schwimmen  im  allgemeinen  die 
erwarteten  Veränderungen.  Wie  dies  bei  jeder  forcierten  Mus¬ 
kelarbeit  der  Fall  ist,  war  die  Pulsfrequenz  erhöht,  doch  nicht 
so  bedeutend  wie  z.  B.  nach  einem  Ringkampf.  Die  höchste  Puls¬ 
zahl  zeigte  Fall  13  mit  150  Schlägen  in  der  Minute.  Be¬ 
merkenswert  ist  auch,  dass  trotz  der  so  starken  Anstrengung 
keine  A  r  y  t  h  m  i  e  auftrat  —  eine  solche  fehlte  auch  in  allen 
Fällen  nach  Bergtouren  (Beck)  und  Ringkämpfen  (Selig)  — ; 
umgekehrt  beobachteten  wir  zweimal  (Fall  1  und  7)  nach  dem 
Bade  ein  vollkommenes  Schwinden  von  Arythmie,  die  vorher 
bestanden  hatte.  So  sah  auch  Angelo  M  o  s  s  o  20)  bei  einem 
Gebirgsbewohner,  dessen  Puls  arythmisch  war,  unmittelbar 

17)  De  la  Camp:  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1904,  Bd.  51,  S.  1. 

1S)  Gscheidlen:  Untersuchungen  aus  dem  physiologischen 
Laboratorium  in  Wiirzburg,  1868,  Ranke:  Die  Blutverteilung  und 
der  Tätigkeitswechsel  der  Organe,  Leipzig  1871,  und  zahlreiche 
neuere  Arbeiten.  Chauveau  und  Kauffman  n  (Archives  de 
Physiologie  1892)  fanden  im  Musculus  levator  labii  super,  propr. 
des  Pferdes  bei  seiner  Tätigkeit  85  Proz.  Blut  vor,  gegen  17,5  Proz. 
in  der  Ruhe.  Nach  Weber  (Monatsschr.  f.  Neurol.  u.  Psychiatrie, 
Bd.  20,  528)  genüge  selbst  der  Impuls  zur  Bewegung  zum  Zustande¬ 
kommen  von  Hyperämie  im  Muskel. 

1B)  Kienböck  fand  eine  exzessive  Verkleinerung  des  Herzens 
bei  Pseudoangina  cordis  hysterica  vor,  wo  durch  starkes  Pressen 
der  V  a  1  s  a  1  v  a  sehe  Versuch  möglichst  outriert  wird.  Wiener  klin. 
Wochenschr.  1904,  No.  18  u.  21.  —  Radiologische  Untersuchungen 
der  Atmung  im  normalen  Zustand  und  unter  pathologischen  Verhält¬ 
nissen  wurden  kürzlich  von  Holzknecht  und  Hofbauer  vor¬ 
genommen.  Mitteilungen  aus  Holzknechts  Laboratorium,  I.  Bd., 
2.  Heft,  Fischer,  Jena  1907. 

20)  Angelo  Mosso:  Der  Mensch  in  den  Hochalpen.  Veit 
öc  Comp.,  Leipzig. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1487 


nach  einem  Aufstieg  bei  sehr  erhöhter  Pulsfrequenz  die 
Arythmie  verschwinden. 

Der  Blutdruck,  mit  dem  R  i  v  a  -  R  o  c  c  i  sehen  Apparat 
gemessen,  zeigte  kein  einheitliches  Verhalten,  bald  wurde  Stei¬ 
gerung,  bald  Erniedrigung  gefunden.  Die  Respiration  war 
naturgemäss  sehr  beschleunigt  und  angestrengt,  die  höchste 
Respirationsziffer  betrug  60  per  Minute. 

Die  Körpertemperatur  (in  der  Mundhöhle  oder  im 
Mastdarm  gemessen)  zeigte  sich  bei  unseren  daraufhin  unter¬ 
suchten  Schwimmern  nach  dem  Bade  erhöht,  in  mehreren 
Fällen  um  einige  Zehntelgrade,  in  anderen  auf  38,3—38,5  (offen¬ 


bar  infolge  einer  durch  die  Muskelarbeit  leicht  erklärlichen 
Wärmeproduktion.  L  e  n  n  h  o  f  f  und  Levy-Dorn  fanden  bei 
Ringkämpfern  ebenfalls  Temperaturanstieg21). 

Auch  das  Ergebnis  der  Harnuntersuchung  bei  den 
Schwimmern  ist  von  Interesse.  Von  11  Fällen  zeigten  7  nach 
der  Anstrengung  Albumin,  von  leichter  Trübung  bis  zu  star¬ 
kem  flockigen  Niederschlag  (Prüfung  mit  Essigsäure-Ferro- 
zyankalium  und  nach  Spiegler-J  olles).  Die  höchste  Ei¬ 
weissmenge  betrug  1  Vi  Prom.  Essbach.  Dabei  fanden  sich 
auffallend  wenig  renale  Elemente  in  den  untersuchten 
Harnen.  Vgl.  Tabelle  II. 


T  a  b  e 


e  II. 


No. 


Name 

Vor  dem  Schwimmen 

Nach  dem  Schwimmen 

Chemische  Reaktion 

Sediment 

Chemische  Reaktion.  Sediment 

1 

O.  v.  F. 

E  =  0 

(Fall  2) 

Z  =  0 

2 

L.  M. 

E  =  0 

(Fall  3) 

Z  =  0 

3 

R.  B. 

E  =  0 

(Fall  4) 

Z  =  0 

4 

E.  L. 

(Fall  5) 

E  =  0 

5 

L.  D. 
(Fall  6) 

E  =  0 

6 

R.  W. 

E  =  0 

(Fall  7) 

Z  =  0 

7 

Z.  v.  S. 
(Fall  9) 

E  =  0 

8 

R.  P. 

E  =  0 

(Fall  11) 

Z  =  0 

9 

H.  R. 

E  =  0 

10 

R.  K. 

Nukleoalbumin 
positiv,  Albumin 
negativ 

11 

H.  B. 

E  =  0 

Von  sehr  zahlreichen  Harnsäure¬ 
kristallen  und  Oxalaten  durch¬ 
setztes,  sonst  normales  Schleim¬ 
sediment 

Von  einzelnen  Harnsäurekri¬ 
stallen  und  Oxalaten  durch¬ 
setztes,  sonst  normales  Schleini- 
sediment 


Von  einzelnen  Uraten  und  Oxa¬ 
laten  durchsetztes,  sonst  nor¬ 
males  Schleimsediinent 


Normales  wolkiges  Sediment 


E  —  + 

il 2  pro  mille 
Esbach 
Z  =  0 

E  =  -p 

sehr  reichlich 

Z  =  + 

E  =  -f 
l1/ 2  pro  mille 
Esbach 
Z  =  + 


E  =  0 

E  =  + 
i/i  pro  mille 
Esbach 
E  =  0 
Z  =  0 
E  =  + 

E  =  0 
Z  =  0 
E  =  0 
E  =  + 

Albumin  positiv 

E  =  + 

1  pro  mille 
Esbach 


Von  sehr  zahlreichen  Harnsäurekristallen,  Uraten 
und  überaus  zahlreichen  Oxalaten,  vereinzelten 
Leukozyten,  Schleimfäden,  sowie  sehr  verein¬ 
zelten,  schmalen  blassen,  hyalinen  Zylindern 
durchsetztes,  sonst  normales  Schleimsediment. 
Mässig  vermehrtes,  schleimiges  Sediment,  ent¬ 
haltend  sehr  zahlreiche  Harnsäurekristalle  in 
Wetzsteinen,  überaus  zahlreiche  Urate,  einzelne 
Leukozyten,  Schleimfäden,  vereinzelte  scharf 
konturierte  hyaline  Zylinder,  einzelne  Platten- 
epithelien  der  Blase  und  Harnröhre. 
Aeusserst  spärliches,  schleimiges  Sediment,  ent¬ 
haltend  vereinzelte  Harnsäurekristallen  in  Wetz¬ 
steinen  und  einzelne  Oxalate,  vereinzelte  stark 
ausgelaugte  rote  Blutkörperchen  (Blutschatten) 
und  einzelne  Leukozyten,  Schleimfäden,  scharf 
konturierte  hyaline  Zylinder,  stellenweise  eine 
Granulation  zeigend,  einzelne  abgestorbene  teil¬ 
weise  gut  erhaltene  Spermafäden. 


Einzelne  Harnsäurekristalle,  einzelne  Urate, 
sehr  vereinzelte  Leukozyten,  einzelne  Platten- 
epithelien  der  Blase  und  Harnröhre. 


Normales,  wolkiges  Sediment  (Nubeculae). 


Aeusserst  spärliches,  schleimiges  Sediment,  ver¬ 
einzelte  Leukozyten,  Schleimfäden,  einzelne 
Plattenepithelien  der  Blase  und  Harnröhre, 
keine  Nierenelemente. 

Aeusserst  spärliches,  schleimiges  Sediment,  ent¬ 
haltend  vereinzelte  Harnsäurekristalle  in  Wetz¬ 
steinen,  einzelne  Leukozyten,  Schleimfäden, 
sehr  vereinzelte  scharf  konturierte  hyaline  Zy¬ 
linder,  stellenweise  eine  feine  Granulation  zei¬ 
gend,  Plattenepithelien  der  Blase  und  Harnröhre. 


Bemerkungen 


Nach  zwei  Tagen  kein  Albumin 
mehr  nachweisbar.  Von  einzelnen 
Harnsäurekristallen,  Uraten  u.  Oxa¬ 
laten,  sehr  vereinzelten  Leukozyten, 
Schleimfäden,  einzelnen  Plattenepi¬ 
thelien,  sowie  sehr  zahlreichen  ab¬ 
gestorbenen,  grösstenteils  gut  er¬ 
haltenen  Spermafäden  durchsetztes, 
sonst  normales  Schleimsediment. 


Das  Auftreten  von  Albuminurie  nach  Körperanstiengungen 
ist  bekannt;  die  Eiweissmenge  hängt  von  der  Art  der  Arbeit 
ab  lang  fortgesetzte  Arbeit  hat  nicht  denselben  Einfluss  w  ie 
akute  Ueberanstrengung.  F.  Pick  fand  bei  Fussballspielern 
bis  zu  4  Prom.  Eiweiss,  S  e  1  i  g  bei  Ringkämpfern  1  Prom.  Nach 
Becks  Untersuchungen  spielt  Albuminurie  bei  Bergtouren, 
selbst  tagelangen,  sehr  schwierigen  Touren,  keine  nennenswerte 
Rolle.  Auch  nach  anstrengenden  Militärmärschen  wurde  von 
Zuntz  und  Schumburg22)  nur  ganz  vereinzelt  Eiweiss 
im  Harn  konstatiert. 

Nach  Radfahrten  wurden  von  mehreren  Forschern  be¬ 
trächtliche  Eiweissmengen  im  Harn  gefunden.  .  A  1  b  u  stellte 
in  seinen  Fällen  nach  jeder  Radwettfahrt  die  Anwesenheit  von 
Eiweiss  fest  und  häufig  auch  hyaline  Zylinder  und  Epithelien  im 
Harne.  Aehnliche  Befunde  wurden  von  Müller  -3),  M  c  F  ar- 
1  a  n  e 24),  Baldes,  Heichelheim  und  Metzger,  sowie 
Selig  erhoben. 

Das  Auftreten  von  Eiweiss  nach  Ueberanstrengung  ist 
wohl  am  besten  durch  abnorm  gesteigerte  Bildung  von  Stoff- 


21 )  Bei  Seebädern  zwischen  10  und  28  Minuten  Dauer,  Tempeia- 
tur  6—10 0  C.  findet  sich  regelmässig  Erhöhung  der  Mastdarmtem¬ 
peratur  nach  dem  Bade.  (W  i  n  t  e  r  n  i  t  z  und  I  schuitschen- 
thaler:  Blätter  f.  klin.  Hydrotherapie,  No.  45,  1900.) 

U  Zuntz  und  Schumburg:  Physiologie  des  Marsches. 
Bibliothek  von  C  o  1  e  r,  Bd.  6,  Berlin  1901. 

-3)  Müller:  Münch,  med.  Wochenschr.  1896,  No.  48. 

24)  McFarlane:  Med.  Record  1895. 


Wechselprodukten  in  den  Muskeln  (toxische  Albuminuiie),  duicli 
starken  Verbrauch  von  Sauerstoff  in  den  Organen  und  konse¬ 
kutive  mangelhafte  Sauerstoffversorgung  dei  Nieien  (Zuntz 
und  Schumburg)  zu  erklären. 

Bei  5  unserer  Fälle  wurde  auch  auf  Zucker  untersucht 
und  2  mal  —  zum  ersten  Mal  bei  einer  Sportstudie  - —  Spuren 
gefunden;  sowohl  zeigte  sich  mit  der  F  e  h  1  i  n  g  sehen  Probe 
vermehrte  Reduktion,  als  auch  waren  mit  der  Phenylhydiazin- 
probe  einzelne  Glukosazonkristalle  zu  finden.  Die  Gäiungs- 
probe  fiel  stets  negativ  aus.25)  Die  Erklärung  für  diese  geiing- 
gradige  Glykosurie  bleibe  dahingestellt;  es  können  sowohl 
nervöse  Einflüsse,  als  auch  durch  Uebermüdung  herabgesetzte 
Oxydationskraft  des  Gewebes  im  Spiele  sein.  Befunde  von 
Zucker  wurden  bisher  nach  Uebermüdung  noch  nie  erhoben. 


Nach  den  geschilderten  unmittelbaren  Folgen  des  Wett¬ 
schwimmens  wollen  wir  auf  seine  Dauerfolgen  aufmerk¬ 
sam  machen.  Diesbezüglich  orientieren  uns  natürlich  vor 
allem  die  vor  der  Tour  erhobenen  Befunde,  wenn  wir  auch  aus 
dem  Umstande,  dass  vor  unseren  Augen  die  grosse  Körper¬ 
arbeit  ohne  Kollaps  ausgeführt  wurde,  auf  bedeutende  Lei¬ 
stungsfähigkeit  des  Herzens  schliessen  müssen.  Untei 
12  F  ä  1 1  e  n  boten  nun  7abnor  m  e  Befunde  a  m  Herzen 
—  das  wäre,  wofern  man  bei  so  kleinem  Material  von  I  io- 

25)  Die  Harnuntersuchungen  wurden  unter  freundlicher  Kontrolle 
des  Herrn  Dozenten  Dr.  A.  J  o  1 1  e  s  gemacht,  dem  wir  besten  Dank 
sagen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


88 


zenten  sprechen  darf,  58  Proz.2U).  Alkohol-  lind  Nikotinabusus 
bestand  nicht,  schwere  Infektionskrankheit  war  nur  bei  einem 
Falle  vorausgegangen,  so  dürften  also  die  Veränderungen 
hauptsächlich  auf  dem  Schwimmsport  beruhen,  zu  dem  aller¬ 
dings  bei  manchen  auch  andere  sportliche  Betätigungen,  wie 
Athletik,  Rudern,  Fussball,  kamen.  Die  Veränderungen  bestan¬ 
den  2  mal  in  starker  Vergrösserung  des  Herzens 
(chronische  Dilatation,  natürlich  mit  Hypertrophie),  wie  sich 
aus  Perkussion  und  Orthodiagrammen  ergab;  3  mal  in  leichter 
A  r  h  y  t  h  m  i  e,  in  4  Fällen  konnten  über  Mitralis  oder  Aorta 
Geräusche  nachgewiesen  werden.  Wahrscheinlich  be¬ 
ruhten  die  letzteren  nicht  auf  Klappenfehler  im  engeren  Sinne, 
sondern  auf  Herzmuskelerkrankung  (Ring-  und  Papillarmus- 
kulatur),  (vgl.  Beck).  Denn  es  ist  klar,  dass  oft  wiederholte 
exzessive  Anstrengungen  des  Schwimmens,  wie  sie  sich  so¬ 
wohl  in  den  Körperleistungen  selbst,  als  auch  in  den  Zu¬ 
ständen  von  Erschöpfung,  Dyspnoe,  Zyanose,  erhöhter  Puls¬ 
frequenz  und  eigentümlichem  radioskopisch  nachweisbaren 
Schlagtypus  des  Herzens  zeigen,  nach  einem  Stadium  von 
Hypertrophie  mit  Notwendigkeit  schliesslich  zu  Myokard¬ 
veränderungen  führen  müssen,  wenn  auch  akute  Dila¬ 
tationen  nicht  oder  nur  ausnahmsweise  Vorkommen.  In  unse¬ 
ren  Beobachtungen  springt  ein  eigentümlicher  Gegensatz  in  die 
Augen:  einerseits  ist  das  Herz  in  mehreren  Fällen  als  geschä¬ 
digt  zu  betrachten,  und  doch  hat  es  die  grossen  Leistungen 
vollbracht;  man  kommt  dadurch  zur  Bestätigung  der  Erfahrung, 
dass  beides  vereinigt  sein  kann,  Defekt  und  grosse  Leistungs¬ 
fähigkeit.  Die  Erklärung  dürfte  darin  liegen,  dass  wir  eben 
durch  Training  hypertrophische  Herzen  vor  uns  haben. 

Wenn  K  r  e  h  1  -’7)  findet,  dass  das  unbedachte  Radfahren 
an  gesunden  und  besonders  an  minderwertigen  Herzen  der 
Jugend  wahre  Verwüstungen  anrichtet,  wenn  Beyer  erkennt, 
dass  durch  diesen  Sport  der  deutschen  Armee  eine  grosse  Zahl 
Wehrpflichtiger  entzogen  wird,  wenn  endlich  Beck  betont, 
dass  extreme  Touristik  sehr  oft  zu  Herzschädigungen  führt,  so 
ist  nach  unseren  Beobachtungen  auch  bezüglich  des  Schwimm¬ 
sports  vor  dem  over-training  dringend  zu  warnen. 

- - 

Die  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Düsseldorf. 

Von  Professor  Dr.  Arthur  S  c  h  1  o  s  s  m  a  n  n, 
Direktor  der  akademischen  Klinik  für  Kinderheilkunde  an  den 

allgemeinen  Krankenanstalten  der  Stadt  Düsseldorf. 

In  dem  offiziellen  französischen  Amtsorgan,  dem  Bulletin 
des  lois  vom  Jahre  1811/1812  findet  sich  ein  vom  17.  Dezember 
1811  datierter,  in  den  Tuilerien  gegebener  Erlass1)  Napoleons, 
des  „Protecteur  de  la  Confederation  du  Rhin“.  Der  Artikel  1 
dieser  Verordnung  lautet: 

II  sera  etabli  ä  Düsseldorf  pour  le  Grand-Duche  une  Uni- 
versite  composee  de  cinq  facultes,  savoir:  de  Theologie,  de 
droit,  de  medecine,  des  Sciences  mathematiques  et  physiques, 
des  lettres,  qui  entrera  en  activite  au  1  er  Mars  1812. 

Bis  ins  kleinste  Detail  waren  alle  Bestimmungen  für  die 
bergische  Universität  in  Düsseldorf  getroffen;  die  medizinische 
Fakultät  sollte  aus  3  Professoren  bestehen;  es  war  ihr  das 
Recht  zuerkannt,  die  I  itel  und  Grade  eines  Baccalaureus  und 
eines  Lizentiaten,  sowie  den  Doktorhut  zu  verleihen.  Ein 
naturhistorisches  Kabinet,  ein  Laboratorium,  eine  Hebammen¬ 
anstalt,  die  Anatomie,  der  botanische  Garten  und  eine  chirur¬ 
gische  Klinik  sollten  der  Ausbildung  der  jungen  Mediziner 
dienen.  Ein  Teil  dieser  Einrichtungen  brauchte  gar  nicht  neu 
geschaffen,  sondern  nur  erweitert  und  ausgebaut  zu  werden. 
Schon  seit  ungefähr  1740 2)  war  im  Düsseldorfer  Lazarett  ana¬ 
tomisches  Theater  und  chirurgische  Lehrstunde  abgehalten 
worden.  Diese  Einrichtung  war  eine  staatliche,  die  der  Heran¬ 
bildung  geeigneter  Chirurgen  diente.  Auch  die  Hebammen¬ 
schule,  damit  wohl  auch  eine  Entbindungsanstalt,  war  bereits 
vorhanden.  Die  neue  medizinische  Fakultät  der  bergischen 


>  Beck  fand  bei  90  Proz.  der  von  ihm  untersuchten  Touristen 
tlerzveränderungen. 

H  ^  Die  Erkrankungen  des  Herzmuskels.  Nothnagels 

Handbuch,  Bd.  15,  S.  77,  1901. 

')  Siehe  Asbach:  Die  Napoleonische  Universität  in  Diissel- 
don.  Beitrag  zum  Jahresbericht  des  Kgl.  Gymnasiums  1898/99. 


Universität  hätte  sich  also  aufgebaut  auf  Einrichtungen,  die  sich 
aus  dem  Bedürfnis  des  Landes  heraus  allmählig  entwickelt 
hatten.  Auch  darf  man  wohl  annehmen,  dass  die  Düsseldorfer 
Universität  zur  raschen  Blüte  gelangt  wäre.  Die  Unterhand¬ 
lungen,  die  mit  namhaften  Gelehrten  betreffs  ihrer  Berufung 
geführt  wurden,  nahmen  einen  günstigen  Verlauf.  Auch  sollte 
die  Honorierung  der  Professoren  für  damalige  Verhältnisse  eine 
glänzende  sein;  2  der  Mediziner  sollten  je  6000  Frcs.,  der  3. 
ein  Gehalt  von  4000  Frcs.  beziehen,  während  beispielsweise  die 
4  medizinischen  Professoren  der  Universität  Halle  zusammen 
nur  1250  Taler  erhielten.  Aber  auch  an  Hörern  hätte  es  den 
so  gut  dotierten  Lehrern  nicht  gefehlt.  Denn  diese  Frage  hatte  ' 
Napoleon  auf  eine-äusserst  einfache  Art,  allerdings  unter  Miss¬ 
achtung  aller  akademischen  Freiheit  und  Freizügigkeit  gelöst, 
indem  er  in  Artikel  10  der  erwähnten  Verordnung  bestimmt:- 
A  compter  des  Pasques  1812,  il  ne  pourra  etre  envoye 
d  etudiants  du  Grand-Duche  dans  les  Universites  etrangeres; 
pour  Pasques  de  la  meine  annee,  ceux  qui  y  seraient,  seront 
rappeles. 

So  war  alles  vorgesehen,  um  der  Napoleona-Augusta- 

so  sollte  die  bergische  Universität  in  Düsseldorf 
heissen  —  zu  Glanz  und  Blüte  zu  verhelfen.  Aber  es  sollte 
anders  kommen!  Zur  selben  Zeit,  da  man  die  Organisation  der 
jungen  Hochschule  im  grossherzoglichen  Staatsrate  vollendete, 
hatte  sich  das  Geschick  Napoleons  gewendet.  Sämtliche  Schü¬ 
ler  der  oberen  Klasse  des  Düsseldorfer  Gymnasiums,  die  ja 
doch  die  ersten  Studierenden  an  der  Landesuniversität  hätten 
werden  sollen,  meldeten  sich  zur  Teilnahme  an  dem  grossen 
Befreiungskampf,  der  dem  deutschen  Volke  bevorstand.  Ein 
Dekret  des  Generalgouverneurs  Justus  v.  Grüner  brachte 
endlich  der  Napoleonischen  Universität  in  Düsseldorf  auch  den 
formalen  Abschluss. 

Wenige  Jahre  später  sollte  der  Hauptstadt  des  bergischen 
Landes  eine  Entschädigung  für  den  Verlust  ihrer  wertvollen 
Galerie  und  den  Entgang  der  Universität  insofern  zu  teil  werden, 
als  die  Kunstakademie  hier  eröffnet  wurde.  An  Stelle  der  Wis¬ 
senschaft  «wurde  nun  in  Düsseldorf  in  erster  Linie  die  Kunst 
gepflegt,  die  in  dem  damals  idyllisch  ruhigen,  kleinen  Städt¬ 
chen  zu  herrlicher  Entwicklung  kam. 

Am  27.  Juli  steht  nun  Düsseldorf  abermals  vor  einem  wich¬ 
tigen  Momente  in  der  Geschichte  seines  Geisteslebens.  Die  Aka¬ 
demie  für  praktische  Medizin  wird  an  diesem  Tage  feierlich 
inauguriert  und  damit  der  Stadt  eine  Anstalt  gegeben,  der  aus¬ 
drücklich  Charakter  und  Dignität  einer  Hochschule  verliehen 
ist.  Aber  es  ist  ein  anderes  Düsseldorf,  das  Düsseldorf,  das 
jetzt  die  auswärtigen  Teilnehmer  an  seiner  Festfeier  willkom¬ 
men  heisst.  Kaum  eine  andere  Stadt  des  deutschen  Reiches 
hat  aus  der  Entwicklung  der  Industrie  in  gleichem  Masse  Vor¬ 
teil  zu  ziehen  gewusst  und  hat  es  vermocht,  einer  neuen  Zeit  in 
gleicher  Weise  gerecht  zu  werden,  ebenso  aber  auch  die 
Wandlung  der  Dinge  sich  nutzbar  zu  machen.  Hier  im  Zentrum 
des  westdeutschen  Industriegebietes,  in  der  Hauptstadt  von 
„Kohle  und  Eisen“  waren  in  der  erdenklich  besten  Weise  die 
Vorbedingungen  geschaffen,  um  in  einer  für  das  ganze  deutsche 
Volk  immer  brennender  werdenden  Frage  vorbildlich  voran¬ 
zugehen. 

Mit  dem  Wachstum  der  Bevölkerungszahl,  mit  der  zu¬ 
nehmenden  Industrialisierung,  mit  den  Fortschritten  der  Tech¬ 
nik  und  der  Wissenschaft,  mit  den  gesteigerten  Anforderungen, 
die  an  das  einzelne  Individuum  gestellt  werden,  hat  das  Be¬ 
dürfnis  nach  tüchtigen,  wohlausgebildeten  Aerzten  in  gleichem 
Masse  zugenommen.  Die  Zahl  der  Universitäten,  denen  ja  die 
Heranbildung  der  jungen  Mediziner  in  erster  Linie  zufiel,  ist 
nicht  gestiegen;  auch  die  der  speziell  klinischen  Institute  nur 
in  ganz  geringer  Zahl,  während  die  sich  so  rapid  entwickelnden 
medizinischen  Hilfswissenschaften  immer  höhere  Anforde¬ 
rungen  an  den  Staatssäckel  stellen.  Wohl  hatte  das  Wissen  der 
jungen  Aerzte,  die  das  Staatsexamen  absolvieren,  durch  neue 
oder  sich  weiter  entwickelnde  Disziplinen  zugenommen,  aber 
in  Bezug  auf  das  Können  ist  sicher  eher  ein  Rückschritt  als  ein 
Fortschritt  zu  verzeichnen.  Und  doch  entscheidet  im  prak¬ 
tischen  Leben  das  Können  und  nicht  das  Wissen.  Gewiss,  wir 
wollen  keine  Routiniers,  sondern  wissenschaftlich  durchgcbil- 


*)  I  önnies:  Die  Fakultätsstudien  zu  Düsseldorf.  1884. 


GALERIE  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER 


- 


MANUEL 


.ENDEL. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  214 ,  190J. 
Verlag  von  J.  F.  LEHMANN  in  München. 


3.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  XVOCllKNSOiRll^ 


1-489 


,  h  .  fi:p  Praxis  verlangt  vielerlei  Dinge,  die  nm 

CtC  itische? Betätigung'  erlernt  werden  können  Hätte  die 

11  m  ^  Her  deutschen  Aerzte  nach  dieser  Richtung  mit  der 
vusbildung  der  deutsene  wahrlich  heute  mit 

v  issenschafthchen  Schriü  gelmltem  es^a  flem  Empor. 

,er  materiellen  Stenun^de^Aei-zte  Deutsch,and  anders  aus. 

wISiVkann  einK  geistvoller  akademischer  Lehrer  seine  Aus- 
Wohl  kann  em  geisxvu  Krankheiten,  über  die 

tührinigen  über  die  Pathogenese  «r,  *  an(Jere  Djnge  einer 

grossen,  ja  ein"^ 

rss  sa?  »  ^rtssrsr-s 

Kranken  und  die  Wichtigkeit 

Pfllllsss 
i-isssi 

SS 

haus  schaffen  könne.  Der  Gedanke ÄSM 

ÄÄ«  dTe’ Notw "en&eit  verknüpft,  das 

P  Stierte  K  ankenhaus  in  ganz  anderer  Ausdehnung  und  ganz 

isisa 

Veert  :ferndeerQememde  al“  geplanten  Massnahmen  ihrer  Ver 

j„c  etädtischen  Hochbauamtes,  Baurat  R  a  d  k  e, 
der  etwas  durchaus  eigenartiges  zu  schaffen  vermocht^  Oevv 
mag  in  manchen  Dingen  die  gemeinsame  f  bC  ‘  ein  aTs  mit 
mässigkeit  momenta, .««*« ,  !  “meinen  Krankenanstalten 

d^r' Stadt  Düsseldorf  besichtigt,  der  wird  sicher, id,  zugeben, 
hier  ist  ein  Werk  geschaffen,  das  seinen  Meister  lobt  und  d 
Radkesche  Schöpfung  wird  in  vieler  Hinsicht  vorbildlich  für 

haben  sich  allmählich  aus 

demkrankenhausproiekt  der  Stadt  entwickelt^me v. ei.ge 
Dezentralisation  in  jeder  Richtung,  aber  unter  W  ahrung  üei  v  c 
wahungsei  heit  hat  selbständige  Kliniken  und  Institute  an  Stelle 
der  ursprünglich  geplanten  kleinen  Abteilungen  entstehen 

Ganzen  zusammen;  doch  jede  einzelne  Disziplin  hat  alle  Hilfs- 

SäCSSSSSä 

äSEssssä 


der  Forschung  gestellt  hat,  ist  selbstverständlich.  So  darf  den 
die*  Schöpfung  der  Stadt  sich  getrost  neben  den  Einrichtungu 
der  staatlichen  Laboratorien  und  Kliniken,  auch  m  Bezug  a 
dis  was  n  u  r  dem  Unterrichte  dient,  sehen  lassen  und  braucht 
keinen  Vergleich  mit  den  besten  Anstalten  des  Inlandes  wie  des 
Auslandes  zu  scheuen.  Die  Vorbedingungen  für  eine  gedc.l  - 
Uche  Arbeit  der  Akademie  für  praktische  Medizin  m  Dussel- 
dorf  stnd  also  geschaffen;  möge  ein  günstiger  Stern  über  ihr 
walten  und  sic  sich  würdig  einreihen  unter  d,e .arnp®  ®"hunJ 
Stätten  ärztlicher  Ausbildung  und  medizinischer  Eorschunb. 


Emanuel  Mendel  f. 

Die  Berliner  medizinische  Fakultät  hat  wieder  einen  ihrer 
besten  Männer  verloren.  Emanuel  M  e  n  d  e  1  ist  an  den  holgti 
einer  chronischen  Nephritis  am  23.  Juni  in  seinem  Landhause 
in  Pankow  gestorben.  Möge  es  einem  seiner  früheren  Schule 
gestattet  sein,  dem  dahingegangenen  Lehrer  ein  paar  Worte 

übers  Grab  darzubringen.  .  , 

Aus  den  engen  Verhältnissen  der  kleinen  schlesischen 
Stadfeunzlau  hervorgegangen,  „von  armen  aber  anständigen 

Eltern“,  wie  mans  manchmal  liest,  verlebte  M 
ersten  Universitätsjahre  in  Breslau  und  schloss  sich  dort  der 
"ten  Burschenschaft  der  Raczeks  an.  In  Berlin  und  Wien ,  be¬ 
endigte  er  seine  Studien  und  machte  sein  Staatsexamen  1861. 

ISS1  &  ab!  «  F°e"macMeS  ÄÄ* 
,,,'t  niederste  Kugel  bei  Wörth  prallte  von  dem  1866  er¬ 
worbenen  Roten  Adler  Orden  mit  Schwertern  i  ab i,  den  er 
seinem  Medizinalkalender  in  der  linken  Brusttasche  dicht  un 
dem  Herzen  trug.  Ais  das  Garderegiment  „Königin  El  sabeth 
i  Q+iirm  auf  1  e  Bourget  unter  General  von  Budritzki  at 
nahm  rta™  der  ädtere  Stabsarzt  auf  Mendel  zu  und  bat  ihn : 
ich  habe  Frau  und  Kind  zu  Hause  Sie  sind  en“dhe  urfüHte  die 

BUte^ein'^huss^zersplittertFda^Schi^nbein;6 das  ^Eiserne 
Kreuz  war  der  Lohn.  Seine  Braut  pflegte  den  Verwundeten  in 
Berlin  ta  Lazarett  mit  einer  Hingabe,  welche  der  spatere  Gatte 
nie  vergessen  hat. 

Nach  dem  Kriege  Hessen  die  Anregungen  von  dei  cs 
p  h  a*l  sehen  Irrenklinik  an  der  Charite,  welche  W  e  n  d  e  lrege^- 

SSSSSSSää 

tünisehen  Arbeiten  welche,  1873  zur  Habilitation  an  der  Berliner 
m  dSufschefSltät  führten..  Zwei  monographische  Werk 

MUC^  Ä)  “riie^nL^ntirwär u, 

den  Werken  ausserordentlich  scharf  ausgearbeitet,  besonders 

die' Frühdiagnose  der  Paralyse  verdankt  M  e  “  Hand- 

Bearbeitung.  Für  das  E  S  ein -bchwalb  sd  m  nana 
buch  schrieb  er  den  psychiatrischen  Teil  Noch  a  s  aoe  ^ 
Mann  verschmähte  er  es  mcht,  zu  lerne  b 

der  Zeit  als  ich  Student  war,  bei  V  1  r  c  h  o  w  aie  onemi 
Vorlesung  über  pathologische  Anatomie  des  Gehn  •  L“ 
Äe“  er  das  noch  bestehende,  ™^«e“er. 
führte  „Neurologische  Zentralblatt  .  ,U  l  .  d  Karl- 

ordentlicher  Professor 

Strasse  zusammen  mit  Alb  E u  1  e  g essanten  Nerven- 

SüfoeSÄS.  eSO„e  Lehr-  und  L.ngelegtmheit  wurde 

ei^ene^Hörraa^autFmU^Rmunen  für  Laboratorium^arbdtem 

Sprechstunde,  die  er  o  en  c  der  Krankheit  wurde  vor 

den  Zuhörern"  fSh  waren  unserer  rtgel- 

SleS  ta  Berlin ‘“chtsäteneGelegenheit,  auch  in  der  Poliklinik 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


490  * 


mitzuhelfen  und  uns  nützlich  zu  machen.  Noch  mehr  als  drei¬ 
fach  an  Zahl  war  die  öffentliche  Vorlesung  über  Zurechnungs¬ 
fähigkeit  für  Juristen  und  Mediziner  besucht.  Sie  war  einzig 
in  ihrer  Art.  Aus  den  Privat-Irrenanstalten  Berlins  kamen 
die  Kranken,  welche  vorgestellt  wurden.  Gerade  in  Grenz¬ 
fällen  an  scheinbar  höchst  klug  und  logisch  denkenden  Patienten 
verstand  es  M  e  n  d  e  1  meisterhaft,  die  Art  und  die  Kennzeichen 
der  Kranksinnigkeit  seinen  Zuhörern  darzustellen.  In  jedem 
Semester  beschlossen  Ausflüge  in  die  Irrenanstalten  von  Pan¬ 
kow,  Dalldof  oder  Herzberge  die  Vorlesungen.  Das  Mass  von 
Kenntnissen,  das  aus  Mangel  an  systematischem,  in  die  Vor¬ 
bereitungsjahre  einzufügendem  Umgang  mit  Geisteskranken  — 
v.  I  h  e  r  i  n  g  hat  solchen  schon  vor  20  Jahren  in  „Scherz  und 
Ernst  in  der  Jurisprudenz“  dringend  gefordert  und  empfohlen 
—  preussische  Richter  von  der  Seelenheilkunde  besitzen,  ver¬ 
danken  viele  von  ihnen  dieser  Vorlesung.  Oft  erzählte 
Mendel,  dass  sich  ihm  als  Gutachter  vor  Gericht  der  Staats¬ 
anwalt  oder  der  Vorsitzende  als  frühere  dankbare  Schüler  zu 
erkennen  gegeben. 

Neben  diesen  grossen  Erfolgen  als  Lehrer  ging  eine  selbst 
für  Berliner  Professoren  ungewöhnlich  umfangreiche  Sprech- 
und  Konsiliarpraxis  einher.  Der  Umstand,  dass  der  damalige 
Ordinarius  für  Nerven-  und  Irrenheilkunde,  Westphal, 
jahrelang  leidend  war,  steigerte  diese  Seite  der  Mendel  sehen 
Tätigkeit.  Fast  kein  Land  Europas  gab  es,  dessen  Aerzte  ihm 
nicht  Kranke  zuschickten  oder  ihn  ans  Krankenbett  in  weite 
Ferne  gerufen  haben.  Dass  die  Berliner  Fakultät  die  Studenten 
sowohl  aus  Osteuropa  und  aus  den  Balkanstaaten,  wie  aus 
Nordamerika  von  Wien  und  seiner  ärztlichen  Schule  abgezogen, 
war  mit  Mendels  Verdienst.  Als  ich  einmal  in  Moskau  mit 
einem  Nervenarzt  über  dieses  Verhältnis  sprach,  sagte  er  die 
bezeichnenden  Worte:  „Für  uns  Russen  ist  M  e  n  d  e  1  in  ärzt¬ 
licher  Beziehung  dasselbe,  was  für  die  Frommen  bei  uns  die 
iberische  Madonna  ist“  (ein  Heiligenbild,  welches  sich  die  Recht¬ 
gläubigen  aus  der  Uspenskikathedrale  ins  Haus  ans  Kranken¬ 
bett  kommen  lassen). 

Und  wie  wusste  Mendel  mit  Kranken  umzugehen.  Das 
war  keine  gelernte  Technik  der  Seelenanalyse,  das  war  ein¬ 
fach  angeborene  Kunst,  Sache  der  Gnade.  Nur  ein  paar  Bei¬ 
spiele: 

Ein  erschöpfter  Kopfarbeiter,  höherer  Verwaltungsbeamter, 
erzählte  dem  Schreiber  dieser  Zeilen:  Ihr  Lehrer  Mendel 
war,  nachdem  ich  in  steter  Angst,  geisteskrank  zu  werden,  ein 
halbes  Dutzend  Autoritäten  konsultiert,  der  Einzige  und  Erste, 
welcher  die  Schilderung  meiner  Beschwerden,  ohne  die  Stirn 
in  ernste  Falten  zu  ziehen,  gleichmütig,  ja  lächelnd  aufnahm. 
Ich  war  nach  5  Minuten  schon  halb  gesund.  —  Einem  von 
Schmerzen  schwer  geplagten  Neuralgiekranken  sagte  er  zum 
Trost  die  charakteristischen  Worte:  „Sie  fühlen  ihre  Schmer¬ 
zen  nicht  nur,  Sie  haben  sie  auch.“  —  Einem  jugendlichen 
Rückenmarksleidenden  auf  die  Frage,  wie  er  sich  verhalten 
soll,  sagte  er:  „Leben  Sie  wie  ein  alter  Mann!“  —  Eine  pol¬ 
nische  Gräfin,  deren  Finger  bei  Bewegungen  knackende  Töne 
von  sich  gaben,  erhielt  auf  die  Bitte  um  Auskunft,  was  das  zu 
bedeuten  habe,  die  einer  Pythia  würdige  Antwort:  „Craque- 
ment  hysterique.“  —  Eine  Kranke  bekam  auf  die  Klage,  dass 
ihr  der  verordnete  Badeort  nichts  genutzt  habe,  den  Bescheid: 
„Wissen  Sie  denn,  was  passiert  wäre,  wenn  Sie  nicht  die  Kur 
gebraucht  hätten?“  —  Ein  an  Migräne  leidender  Patient  zeigt 
das  schriftlich  von  „seinem“  Professor  gegebene  Ehrenwort, 
dass  die  Migräne  eines  Tages  nicht  mehr  wieder  kommen 
würde. 

Und  erst  das  Kapitel  der  Seelenerkrankungen.  Wie  viele 
J  ragödien,  wie  viele  Gewissens-  und  Seelenkämpfe  haben  sich 
in  dem  Sprechzimmer  dieses  gottbegnadeten  Arztes  abgespielt? 
Das  N  o  t  h  n  a  g  e  1  sehe  Wort:  „Nur  ein  guter  Mensch  kann 
ein  guter  Arzt  sein“,  passte  auf  ihn.  Er  blieb  der  Idealist  auch 
am  Krankenbett  und  übertrug  seinen  leuchtenden  Optimismus 
auf  die  Schwankenden  und  Schwachen. 

Mendel  hat  Hunderte  von  Armen  gratis  behandelt,  nie 
eine  Rechnung  ausgeschrieben.  Das  ungeschriebene  Verbot, 
welches  in  London  den  Mitgliedern  der  Königlichen  Gesellschaft 
der  Aerzte  untersagt,  Honorarprozesse  vor  Gericht  zu  führen, 
galt  auch  für  ihn. 

Auch  der  Humor  war  diesem  im  Grunde  so  ernsten  Arzte 
nicht  fremd.  So  als  er  erzählte,  er  habe  einen  Vortragenden 


Rat  aus  einem  russischen  Ministerium,  der  an  beginnender 
Hirnerweichung  litt,  geraten,  seine  Stellung  „ruhig  und  ohne 
Sorge“  noch  einige  Jahre  beizubehalten. 

Recht  angeregt  und  frisch  wurde  Mendel,  wenn  man  auf 
die  hohe  Politik  die  Rede  brachte.  Mendel  vertrat  Pankow 
und  den  Nieder-Barnimer-Kreis  durch  zwei  Legislaturperioden. 
Er  stand  natürlich 


Wo  das  Herz  schlägt 

Auf  der  Menschheit  frohen  Linke, 

Auf  des  Frühlings  grosser  Seite. 

Da  konnte  er  von  Bismarck  erzählen,  wie  er  bei  einer 
Thronrede  des  alten  Kaisers,  als  die  Worte  stockend  wurden, 
„wild“  geworden  sei  und,  zu  den  Abgeordneten  gewendet, 
halblaut  gesagt  habe:  „Mit  dem  Lesen  geht  es  auch  schon  nicht 
mehr.“  Und  wie  Bismarck  beim  parlamentarischen  Abend  sich 
an  die  Fortschrittler  mit  den  Worten  wandte:  „Meine 
Herren !  Sie  ärgern  mich  ja  manchmal  im  Reichstage,  aber  das 
ist  ein  Kinderspiel  gegen  die  Kämpfe,  welche  ich  mit  den  Unter¬ 
röcken  am  Hofe  auszufechten  habe.“  Aber  auch  werktätig 
förderte  Mendel  im  Reichstag,  was  zu  seinem  Ressort  ge¬ 
hörte.  Der  §  51  von  der  Zurechnungsfähigkeit  verdankt  ihm 
Fassung  und  Kommentar.  Gegen  die  Antivivisektionisten 
kämpfte  er  an  der  Seite  Virchows.  Und  an  den  Vor¬ 
bereitungen  zum  Bürgerlichen  Gesetzbuch,  soweit  es  sich  auf 
Entmündigung  und  Geisteskranke  bezieht,  nahm  er  tätigen  An¬ 
teil.  Die  Unfallneurosen  beschäftigten  ihn  literarisch  und  in 
seiner  Gutachtertätigkeit  Jahre  lang.  Als  die  dem  Liberalismus 
ungünstigen  Zeiten  ausbrachen,  da  klagte  er  oft  über  den 
mangelnden  Nachwuchs  in  der  Jugend  und  über  das  Strebertum 
der  „fils  de  famille“.  Er  zog  sich  auf  das  gemeinnützige  Wir¬ 
ken  in  Pankow  selbst,  in  dem  Brandenburgischen  Provinzial¬ 
landtag,  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft,  deren  2.  Vorsitzender 
er  zuletzt  war,  in  der  Aerztekammer  und  in  vielen  Hilfsvereinen 
und  Stiftungen  zurück;  seinen  praktischen  Optimismus,  die  rast¬ 
lose  Energie  krönte  als  Lebenswerk  das  Pankower  Gemeinde¬ 
krankenhaus,  eine  Musteranstalt,  als  Ganzes  und  in  vielen 
Einzelheiten  ein  Werk  Mendels.  Im  Rathaussaale  zu  Pan¬ 
kow  vor  Tausenden  von  Menschen  vollzog  sich  auch  die 
Trauerfeier  für  den  Verstorbenen. 

Und  wie  standen  seine  menschlichen  Eigenschaften  auch 
ohne  Berücksichtigung  der  ärztlichen  und  parlamentarischen 
Leistungen.  Er  war  ein  Virtuose  der  Freundschaft.  Eines 
Tages  erschien  er  in  Wiesbaden,  spontan,  frühzeitig  nach  durch¬ 
fahrener  Nacht,  nur  um  eine  junge  nervenkranke  Dame  zu  be¬ 
suchen,  und  um  dann  deren  reiseunfähige  Eltern,  welche  in  Berlin 
lebten  und  ihm  befreundet  waren,  zu  beruhigen.  Sein  Familien¬ 
leben  war  von  seltener  Harmonie.  Assistenten  und  Schüler 
versammelte  er  in  seinem  gastlichen  Heim  jeden  Sonntag. 
Dann  spannte  er  den  Bogen  ab,  war  voller  Herzensgüte,  voller 
Fröhlichkeit. 


Mit  Seelenruhe  sah  er  seinem  eigenen  „Abgang  hinter  die 
Kulissen“,  wie  er  scherzend  sagte,  entgegen.  Der  Puls  war  in 
den  letzten  Jahren  unregelmässig  und  hüpfend  geworden. 
„Eines  Tages  wird  der  Faden  ganz  reissen“,  meinte  er. 

So  war  er  in  allen  Dingen  für  uns  Jüngere  ein  unerreich- 

cf-neS  wir  sahen  zu  ihm  auf  und  verehrten  ihn  in 

Stille,  „kindliche  Schauer  treu  in  der  Brust“.  Als  die  Todes¬ 
nachricht  ankam,  lagen  gerade  Lilien  cron  sehe  Verse  vor 
mir  aus  der  herrlichen  Vision  „Ueber  einen  Toten  gebeugt“. 

;,f,Illögen  ilier  folgen.  Mendel  war  natürlich  in  seiner 
Weltanschauung  ein  dezidierter  Heide. 


„ —  —  ich  ueuge  mien  zu  Dir: 

L  u  glaubtest  nicht  an  Gott,  nicht  an  den  Himmel, 
Nicht  an  Unsterblichkeit  und  Wiedersehn. 

Gib  mir  ein  Zeichen:  Hast  Du  Dich  getäuscht? 
Hat  eines  Engels  Lichtgestalt 
f!e,J  W™  Dir  traut  gelegt  um  Deinen  Nacken 
nd  fuhit  Pich,  selig  lächelnd,  aufwärts  zeigend. 
Zum  frohen  Palmenwald  des  Paradieses? 

Und  wandeln  Deine  Freunde  Dir  entgegen, 

Zum  Willkomrngruss  die  lieben  Hände  streckend? 
jib  mir  ein  Zeichen:  Hast  Du  Dich  getäuscht? 


Und  während  ich  die  bleiche  Stirn  berührte, 
rlog  über  uns.  den  Marmelstein  beschattend 
tm  wilder  Schwan  in  trotziger  Lebenskraft!’ 

B.  L  a  q  u  e  r  -  Wiesbaden. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1491 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Prof.  F.  Wesener:  Medizinisch-klinische  Diagnostik. 

II  Auflage  mit  röntgendiagnostischen  Beiträgen  von  Dr. 
Sträter,  Textabbildungen  und  21  farbigen  Tafeln.  Berlin. 
Verlag  von  Julius  Springer. 

Das  in  zweiter  Auflage  erscheinende  Werk  unterscheidet 
sich  von  allen  anderen  seines  Fachs  durch  eine  eigenaitige, 
zweifellos  die  Uebersicht  für  rein  praktische  Zwecke  sehr 
fördernde  Anordnung  des  Stoffes.  Es  bringt  in  seinem  ersten 
Teil  ganz  allgemein  die  Methodik  und  1  echnik  der  Unter¬ 
suchung  und  allgemeine  Diagnostik;  die  Einteilung  in  Unter¬ 
suchungen  I.  mittels  des  Gesichtssinnes,  II.  mittels  des  Gefühls¬ 
sinnes  und  III.  mittels  des  Gehörsinnes  erscheint  etwas  äusser- 
lich,  besonders  wenn  man  unter  I.  so  heterogene  Dinge  wie 
elektrodiagnostische  und  bakteriologisch-chemische  Unter¬ 
suchung  vereinigt  sieht,  ist  aber  nicht  unpraktisch.  Ueberall 
finden  wir  kurze,  klare  Schilderungen,  auch  die  Röntgentechnik 
ist  _  was  bei  der  Fülle  der  Detailarbeit  viel  sagt  —  erschöpfend 
und  übersichtlich  behandelt.  In  Einzelheiten,  wie  in  der  Ge¬ 
ringschätzung  der  Kardiographie,  wird  mancher  Leser  anderer 
Ansicht  sein,  wie  der  Verf.  Auch  scheint  es  dem  Ref.  nicht  an¬ 
gebracht,  dem  studierenden  Leser  den  Wert  der  Anamnese 
als  so  relativ  gering  zu  schildern,  wie  es  der  Verf.  tut.  Der 
zweite  Teil  des  Werkes  behandelt  die  spezielle  Diagnostik  der 
Haut,  des  Respirationssystems,  des  Zirkulationssystems,  des 
Digestionssystems  usw.  Jedem  der  Kapitel  ist  eine  spezielle 
Röntgenlehre  des  betr.  Gegenstandes  (von  Dr.  S  t  r  ä  t  e  r  - 
Aachen)  angefügt.  Die  spezielle  Diagnostik  ist  naturgemäss 
bei  der  Ausführlichkeit  des  ersten  Teils  knapper  gehalten. 
Ueberall  kann  man  sich  der  durchaus  praktischen  Kürze  er¬ 
freuen,  der  doch  eine  eingehende,  kritische  Verarbeitung  auch 
der  neuesten  Literatur  zu  Grunde  liegt.  Vorzüglich  ist  z.  B. 
die  Gegenüberstellung  des  Färberesultates  von  5  der  gebräuch¬ 
lichsten  Färbemethoden  für  die  Blutzellen  im  Text  und  in  einer 
ausgezeichneten  bunten  Tafel.  Manche  Sätze  aus  der  Herz¬ 
diagnostik  wie  der  kategorische:  „eine  Steigerung  des  Blut¬ 
drucks  kommt  bei  Hypertrophie  des  linken  Ventrikels  (In¬ 
suffizienz  der  Aorta,  chronischer  Nephritis  etc.)  vor“,  werden 
wohl  bei  vielen  Widerspruch  erregen.  So  einfach  darf  man 
über  Zusammenhang  und  Kausalnexus  auch  in  einem  Studenten¬ 
lehrbuch  nicht  hinwegspringen.  Auch  die  graphische  Regi¬ 
strierung  der  Venenpulse  dürfte  etwas  weniger  geringschätzig 
behandelt  sein.  Auch  in  der  neurologischen  Diagnostik 
scheinen  mir  manche  nicht  wesentliche  Einzelheiten  anfechtbar 
(z.  B.  einiges  in  der  Darstellung  der  elektrischen  und  mecha¬ 
nischen  Muskelerregbarkeit). 

Den  letzten  Teil  bildet  die  angewandte  Diagnostik.  In  kur¬ 
zen  Sätzen  und  Merkworten  wird  die  Diagnose  der  einzelnen 
Krankheiten  dargestellt;  bei  jedem  Satz  wird  durch  einen  Zahlen- 
vermerk  auf  den  betreffenden  Abschnitt  der  beiden  ersten  Teile, 
der  allgemeinen  Methodik  und  der  speziellen  Diagnostik  hin¬ 
gewiesen.  Das  kurze  diagnostische  Schema  wird  so  in  sehi 
praktischer  Weise  immer  wieder  neu  belebt  und  vertieft. 

Die  Verlagsbuchhandlung  hat  dem  Buch  —  darin  sehe  ich 
einen  seiner  wesentlichen  Vorziige  —  eine  ganz  ausgezeichnete 
Ausstattung  zuteil  werden  lassen;  Textillustrationen  und  Tafeln 
sind  vorzüglich  gewählt  und  reproduziert.  Ein  sehr  gewissen¬ 
haft  gearbeitetes  Register  unterstützt  die  Uebersichtlichkeit 
des  Werkes. 

Alles  in  allem  haben  wir  ein  Buch  vor  uns,  das,  aus  der 
Praxis  geboren  für  die  Praxis  bestimmt,  trotz  einiger  sachlicher 
Ausstellungen  seinen  Platz  in  der  einschlägigen  Literatur  stets 
behaupten  wird.  Es  sei  vor  allem  dem  Praktiker  dringend 
empfohlen.  In  seiner  Klarheit,  Knappheit  und  erschöpfenden 
und  sichtenden  Darstellung  wird  es  —  ohne  den  Ballast  langer 
theoretischer  Erörterungen  —  die  meisten  diagnostischen 
Fragen  in  vorzüglicher  Weise  beantworten. 

Hans  Curschmann  - Mainz. 

Bardenheuer:  Die  allgemeine  Lehre  von  den  Frak¬ 
turen  und  Luxationen,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 
Extensionsverfahrens.  Stuttgart,  Enke,  1907.  377  S.  Preis 
11  Mark. 

Es  muss  freudig  begriisst  werden,  dass  der  Kölner  Chirurg, 
der  die  Behandlung  der  Frakturen  zu  seiner  Hauptlebensauf¬ 


gabe  gemacht  und  über  dieselbe  uns  schon  zahlreiche  wert¬ 
volle  Arbeiten  geschenkt  hat,  nunmehr  auch  die  allgemeine 
Frakturenlehre  im  vorliegenden  Werke  auf  Grund  seiner 
reichen  Erfahrungen  abhandelt. 

Naturgemäss  nimmt  auch  in  diesem  Buch  die  Behandlung 
der  Frakturen  den  Hauptplatz  ein  und  B.  versäumt  keine 
Gelegenheit,  auf  die  grossen  Vorzüge  der  Extensionsbehandlung 
bei  allen  die  Frakturen  betreffenden  Komplikationen  hinzu¬ 
weisen.  Gleichzeitig  werden  die  Nachteile  der  anderen  Be¬ 
handlungsmethoden,  zumal  des  Gipsverbandes,  ausgiebig  her¬ 
vorgehoben. 

Dass  die  Extensionsbehandlung,  so  sehr  sie  sich  in  den 
letzten  Jahren  Gebiet  erobert  hat,  noch  nicht  überall  eingeführt 
ist,  liegt  zum  Teil  an  ihrer  fehlerhaften  Anwendung.  Auf  Ein¬ 
zelheiten  kann  hier  nicht  eingegangen  werden,  es  kann  aber 
nicht  oft  genug  betont  werden,  dass  die  Extension  gleich  am 
ersten  Tage  einsetzen  muss  und  dass  sie  ein  Gewicht  von 
30_40  Pfund  erfordert.  Für  alle  weiteren  Einzelheiten  ist  ein 
genaues  Studium  der  Methode  an  der  Hand  des  Buches  oder 
noch  besser  im  Kölner  Bürgerspital  notwendig.  Krecke. 


Hahn,  Deycke-Pascha:  Knochensyphilis  im  Rönt¬ 
genbild.  (Ergänzungsband  des  „Archiv  der  norm.  u.  pathol. 
Anatomie  in  tvpischen  Röntgenbildern).  Hamburg  1907. 
Gräfe  &.  Sillems  Verlag.  10  Tafeln,  44  Seiten  Text. 
Preis  UM. 

Ein  grösseres  Röntgenwerk,  welches  sich  ausschliesslich  und 
ausführlich  mit  Knochensyphilis  befasst,  war  bisher  in  der 
Literatur  nicht  vorhanden.  Dieser  Mangel  wurde  um  so  pein¬ 
licher  empfunden,  als  die  Zahl  der  kürzeren  Arbeiten,  welche 
dieses  Thema  behandeln,  einschliessen  oder  streifen,  kaum  ein 
halbes  Dutzend  übersteigt.  Den  Wert  gerade  dieser  Unter¬ 
suchungen  kennen  leider  bisher  die  wenigsten  Aerzte.  Das  ist 
um  so  bedauerlicher,  als  tatsächlich  die  Röntgenogramme  spe¬ 
zifisch  syphilitischer  Knochenläsionen  derartig  typische  Bilder 
ergeben,  dass  man  daraus  allein  ohne  jede  anamnestische  und 
klinische  Nachforschung  —  aber  keineswegs  sei  dieser  Modus 
der  Diagnostik  etwa  empfohlen  —  wohl  immer  die  richtige 
Diagnose  stellen  kann.  So  hat  (wenigstens  ist  es  Ref.  so  er¬ 
gangen)  oft  erst  das  Röntgenbild  auf  den  richtigen  Weg  ge¬ 
führt  in  Fällen,  bei  denen  nach  ihrem  sonstigen  Befund  vom 
behandelnden  Arzte  Lues  anamnestisch  gar  nicht  in  Betracht 
gezogen  war.  Daher  ist  denn  das  eingehende  Studium  des 
Atlas,  den  uns  Hahn  und  Deycke  hier  vorlegen,  sowohl  für 
den  Syphilidologen  wie  für  den  praktischen  Arzt  und  nicht 
minder  den  Röntgenologen  in  gleicher  Weise  unerlässlich. 
Birgt  das  Werk  doch  eine  auserlesene  Fülle  geeigneten  Ma¬ 
terials,  welches  u.  a.  zum  Teil  aus  dem  Hospital  Gülhane 
in  Konstantinopel  stammt.  —  Zunächst  sind  im  Zusammenhang 
die  einzelnen  Erscheinungen  der  Syphilis  der  Knochen  (Peri¬ 
ostitis  irritativa,  P.  luetica  Simplex,  P.  gummosa;  Ostitis  Sim¬ 
plex,  O.  gummosa;  Osteomyelitis  Simplex,  O.  gummosa  etc.) 
kurz  erläutert  und  auf  Beispiele  in  den  I  afeln  hingewiesen,  es 
folgen  sodann  die  Tafeln  mit  84  Abbildungen  vom  Lebenden 
und  einzelnen  wichtigen  Knochenpräparaten. 

Die  Tatsache,  dass  die  meisten  Aufnahmen  des  vorliegen¬ 
den  Buches  von  Albers-Schönberg  angefertigt  sind, 
erübrigt  es,  ihre  Vollkommenheit  noch  besonders  zu  betonen. 
Dass  auch  die  Wiedergabe  der  Illustrationen  die  denkbar  beste 
ist,  war  nach  den  bekannten  Leistungen  des  Verlags  nicht 
anders  zu  erwarten.  Alban  Köhler-  Wiesbaden. 


Ikonographia  dermatologica.  Atlas  seltener,  neuer  und 
diagnostisch  unklarer  Hautkrankheiten.  Tabulae  selectae 
editae  a  Albert  N  e  1  s  s  e  r  -  Breslau,  Eduard  Jakobi-Erei- 
burg  i.  Br.  Fase.  II,  Tab.  IX-XVI.  Urban  &  Schwarzen¬ 
berg,  Berlin  und  Wien,  1907.  Preis  8  M. 

Auch  die  2.  Lieferung  des  grossartigen  dermatologischen 
Bilderwerkes  enthält  ganz  vorzügliche  Abbildungen  und  inter¬ 
essante  Besprechungen :  E  h  r  m  a  n  n  -  Wien :  Lichen,  Ekzema 
scrophulosorum  et  Lichen  atrophicans  in  scrophuloso  cum  de- 
pigmentatione;  W.  Heu  ck-Berlin:  Acrodermatitis  atrophicans 
cum  sclerodermia;  J  a  c  q  u  e  t  -  Paris:  Oedema  ingens  ac  su- 
bitum  bracchii;  Kl  i  n  gm  ti  1 1  e  r -Kiel-Breslau:  Lues  ver¬ 
rucosa  et  Jododerma;  P  o  s  p  e  1  o  w  -  Moskau:  Tumor  cutis 
keratoangiomatosus  (Keratangioma?);  W.  Sch  m  1  d  t  -  Erank- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


furt  a.  M.,  Freiburg  i.  B.:  Urticaria  perstans;  Thibierge- 
Paris:  Lymphangioma  capillare  xanthelasmoides;  Ritter 
v.  Z  u  m  b  u  s  c  h  -  Wien :  Casus  pro  diagnosi.  J  e  s  i  o  n  e  k. 

Das  Sexualleben  unserer  Zeit  in  seinen  Beziehungen  zur 
modernen  Kultur  von  Dr.  nied.  Iwan  Bloch,  Spezialarzt  für 
Haut-  und  Sexualleiden  in  Berlin,  Verfasser  von  „Ursprung  der 
Syphilis“  etc.  Verlag  von  L.  Marcus,  Berlin  1907.  822  S. 
Preis  8  M. 

Das  bekannte  literarische  Projekt,  die  Wirkungen  Homers 
durch  die  Weltliteratur  hindurch  zu  verfolgen,  kann  mit  der 
Aufgabe,  welche  der  Verfasser  sich  gestellt  hat,  kaum  an 
Riesengrösse  verglichen  werden:  nämlich  die  Quellen,  die 
Formen,  die  Mittel,  die  Wirkungen  und  vollends  die  Ver¬ 
irrungen  des  menschlichen  Sexualtriebes  darzustellen  in  allen 
ihren  Beziehungen  zu  den  Aeusserungen  unserer  Kultur.  Nicht 
allzuviele  werden  in  der  Lage  sich  fühlen,  ein  Urteil  darüber 
abzugeben,  ob  die  Lösung  dieser  Aufgabe  dem  Verfasser  in 
mehr  oder  weniger  hohem  Grade  gelungen  ist;  denn  dazu  wäre 
eine  mindestens  ebenso  grosse  Erfahrenheit  in  der  Literatur  der 
ganzen  ungeheuren  Frage  die  Voraussetzung,  wie  sie  dem  Verf. 
zu  Gebote  steht,  eine  Belesenheit,  um  deren  Erwerbung  der 
Autor  wahrlich  nicht  ohne  weiteres  zu  beneiden  sein  dürfte. 
Das  Werk  wird,  darüber  besteht  kein  Zweifel,  wie  andere  aus 
diesem  Gebiete  wissenschaftlicher  Forschung,  von  minder¬ 
wertigen  Arbeitern  als  eine  willkommene  Fundgrube  inter¬ 
essanter  Details  ausgebeutet  werden.  Es  wird  auch  in  Unrechte 
Hände  kommen,  die  heute  so  zahlreich  sich  ausstrecken,  wenn 
es  sexuelle  Fragen  zu  erörtern  gilt.  Sie  sind  ja  Modeartikel. 
Das  alles  aber  liegt  nicht  dem  Autor  zur  Last,  dessen  Riesen¬ 
werk  Anspruch  erheben  muss  auf  wissenschaftliche  Würdi¬ 
gung.  Von  der  Ausarbeitung  des  Stoffes  hier  in  einer  kurzen 
Skizze  eine  Andeutung  machen  zu  wollen,  wäre  wohl  ein 
eitles  Unternehmen,  das  der  Mühe  und  dem  Ernste  des  Verf. 
nicht  entspräche.  Es  wäre  interessant,  die  Stellungsnahme  des 
Verf.  zu  den  einzelnen  Problemen  der  sexuellen  Frage  dar¬ 
zulegen,  etwas  zu  jener  der  freien  Liebe,  zum  §  175  des  R.St.G. 
Ohne  auf .  einzelnes  einzugehen,  sei  hier  nur  hervorgehoben, 
dass  eine  optimistische  Auffassung  über  die  fernere  Ausgestal¬ 
tung  des  Sexuallebens  das  ganze  Buch  durchweht  und  dass 
der  Verf.  die  Frage  nach  der  Zukunft  der  menschlichen  Liebe, 
die  Frage,  ob  eine  Veredelung,  eine  Vervollkommnung  des 
Menschengeschlechtes  in  seinen  sexuellen  Beziehungen  er¬ 
wartet  werden  darf,  freudig  bejaht.  Die  sittliche  Forderung 
des  Verf.:  Ohne  freie  Tat  kein  Recht  auf  Liebe!  kann  wohl 
von  jedem  Vernünftigen  unterschrieben  werden.  Stelle  man 
sich  zu  den  persönlichen  Auffassungen  des  Verf.  wie  man  will; 
jedenfalls  vermittelt  sein  Werk  dem  ernsten  Leser  auch  eine  ■ 
Fülle  von  Gedanken,  Beobachtungen  und  Auffassungen  aus¬ 
gezeichneter  Philosophen,  Forscher,  Dichter  und  Schriftsteller 
aller  Zeiten  und  Völker  über  das  völkerschaffende  und  -ver¬ 
nichtende  Prinzip  der  sexuellen  Liebe.  Wie  aus  den  früheren 
Arbeiten  des  Verf.  bekannt  ist,  verfügt  er  über  einen  anregend 
wirkenden  Stil,  der  die  Lektüre  des  ja  oft  unerfreulichen  Stoffes 
meist  erfreulich  und  anziehend  zu  gestalten  weiss.  Einige 
kräftige  Striche  wären  in  einer  etwaigen  späteren  Auflage  aber 
immerhin  eine  Erleichterung  für  den  starken  Band.  Wenn  der 
wissenschaftliche  Ernst  und  der  alles  Schlammige  läuternde  Ein¬ 
fluss  anthropologischer  und  ethnologischer  Betrachtungsweise, 
die  dem  ganzen  Werke  unverkennbar  eigen  ist,  jeden  Leser 
in  seinen  Bann  nimmt  und  zu  einer  ernsten  Betrachtung  der 
hier  behandelten  ernsten  Fragen  zwingt,  dann  erst  kommen 
Verfasser  und  Wissenschaft  auf  ihre  Rechnung. 

Grassmann  -  München. 

Das  preussische  (iesetz  betreffend  die  Bekämpfung  über¬ 
tragbarer  Krankheiten  vom  28.  August  1905  und  die  Aus- 
führungsbestimmungen  dazu  in  der  Fassung  vom  15.  Sep¬ 
tember  1906.  Nebst  dem  Text  des  Reichsgesetzes,  betreffend 
die  Bekämpfung  gemeingefährlicher  Krankheiten  vom  30.  Juni 
Erläutert  von  Dr.  Kurt  Schneider,  Medizinalrat, 
ständiger  Hilfsarbeiter  der  Königlichen  Regierung  in  Breslau. 

Breslau  1907.  J.  U.  K  e  r  n  s  Verlag.  230  Seiten.  Preis  5  M. 

Der  Verfasser  bezweckt  mit  seiner  Arbeit,  denjenigen,  die 
sich  mit  dem  preussischen  Gesetz,  betreffend  die  Bekämpfung 


übertragbarer  Krankheiten  vom  28.  August  1905  näher  zu  be¬ 
schäftigen  haben,  dies  zu  erleichtern.  Er  bringt  deshalb  zu¬ 
nächst  den  Text  dieses  Gesetzes  und  die  im  Titel  erwähnten 
preussischen  Ausführungsbestimmungen,  welchen  er  eine  Ein¬ 
führung  in  das  Gesetz  vorausschickt  und  eine  Reihe  von  Er¬ 
klärungen  beigibt.  Im  Anhänge  sind  die  „Bestimmungen  über 
Entnahme,  über  Versendung  von  Material  für  die  bakterio¬ 
logische  Untersuchung“,  „Ratschläge  an  Aerzte  für  die  Be¬ 
kämpfung  der  übertragbaren  Krankheiten“,  „Gemeinverständ¬ 
liche  Belehrungen  zur  Verteilung  an  die  Bevölkerung  über 
diese  Krankheiten“  bekannt  gegeben;  in  dem  Sachregister  be¬ 
findet  sich  noch  erne  Uebersicht  über  die  im  Buche  angezogenen 
Gesetze,  Erlasse  usw.,  nach  der  Zeitfolge  geordnet. 

Das  Werkehen  kann  als  ein  recht  brauchbares  Nachschlage- 
buch  allen  Aerzten,  amtlichen  sowohl  als  nichtamtlichen,  sowie  ' 
auch  allen  Verwaltungsbehörden  aufs  beste  empfohlen  werden. 

S  p  a  e  t  -  Fürth. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin,  Bd.  90.  3.  u.  4.  Heft. 

11)  R.  Geigel:  Der  Metallklang. 

Die  Arbeit  formuliert  eine  befriedigende,  physikalische  Erklärung 
des  Metallklanges  in  folgendem  Schlussatz:  „Ueberall,  wo  an  schall¬ 
fähigen  Körpern  das  elastische  Gleichgewicht  plötzlich  an  kleiner 
Stelle  kurzdauernd  gestört  wird  (z.  B.  durch  Perkussion),  entstehen 
diskontinuierliche  Schwingungen  des  elastischen  Körpers  (z.  B.  der 
Luft).  Sehr  diskontinuierliche  Wellenbewegung  muss  die  vom  Grund¬ 
ton  weit  abliegenden  hohen  Obertöne  gegenüber  ersterem  hervor¬ 
treten  lassen  und  so  den  , Metallklang1  liefern.“  Erfahrungsgemäss 
sind  im  Körper  überall,  wo  bei  Perkussion  und  Auskultation  Metall¬ 
klang  auftritt,  jederzeit  die  Bedingungen  zum  Entstehen  diskontinuier¬ 
licher  Schwingung  der  Luft  gegeben. 

12)  G.  Köster:  Ueber  das  temporäre  Fehlen  der  Patellar- 
reflexe  bei  der  Hysterie.  (Mit  2  Abbildungen.) 

Kasuistische  Mitteilung  eines  schweren  Hysteriefalles  mit  schwe¬ 
ren  epileptischen  Krampfanfällen  und  letalem  Ausgang.  Die  Autopsie 
bot  keinem  Erklärung  für  die  Reflexstörung.  Vielleicht  kommen  für 
die  Deutung  Stoffwechseltoxine  in  Betracht. 

Io1  A.  Uffenheimer:  Die  Knötchenlunge.  (Aus  dem  hygie¬ 
nischen  Institute  der  Universität  München.)  (Mit  Tafel  VI  und  VII.) 

P>e  Bildung  der  Knötchenlunge  kann  durch  Einbringung  der 
verschiedenartigsten  organischen  Stoffe  in  den  Meerschweinchcn- 
körper  ausgelöst  werden.  Diese  Knötchen  sind  also  keineswegs 
tuberkulöse  Bildungen,  sondern  lediglich  grosse  Lymphknoten  als 
Ausdruck  der  Reaktion  des  Körpers  gegen  eine  eingedrungene  Noxe. 
Die  Ueberimpfung  von  Blut  und  Drüsen  vor  kurzem  mit  Tb.  ge¬ 
fütterter  Meerschweinchen  auf  neue  Meerschweine  löst  nicht  nur  die 
Bildung  der  Knötchenlunge  bei  diesen  Tieren  aus,  sondern  führt 
zugleich  im  Organismus  derselben  zu  Immunisierungsvorgängen 
gegen  den  Tb. .  Ein  kausales  Abhängigkeitsverhältnis  der  Immuni¬ 
sierungsvorgänge  von  der  Bildung  der  Knötchenlunge  ist  nicht  er¬ 
wiesen,  möglicherweise  handelt  es  sich  dabei  um  koordinierte  bio¬ 
logische  Vorgänge.  Es  besteht  wohl  die  Möglichkeit,  dass  schnell 
nach  der  Fütterung  der  jungen  Meerschweinchen  mit  den  Tb.  einige 
wenige  Keime  in  die  verschiedensten  Organe  und  das  Blut  über¬ 
gehen  können,  wo  sie  aber  bei  geringer  Zahl  wohl  völlig  unschädlich 
gemacht  werden. 

14)  C.  Klieneberger:  Studien  über  die  Koliagglutinine  unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  klinischen  Verwertung  von  Koli- 
agglutinationen.  •  (Aus  der  kgl.  med.  Klinik  zu  Königsberg.) 

Die  Sera  von  gesunden  Personen  enthalten  zum  Teil  recht 
beträchtliche  Mengen  von  Koliagglutininen.  Die  verschiedenen  Koli- 
stämme  werden  durch  die  verschiedenen  menschlichen  Sera  ver¬ 
schieden  beeinflusst.  Einzelne  Stämme  finden  in  jedem  Serum  für 
sie  eingestellte  Agglutinine.  Bei  menschlichen  Kolibazillosen  agglu- 
tiniert  öfters  das  Krankenserum  den  infizierenden  Stamm;  öfters  fehlt 
die  Agglutination  vollständig.  Bei  fieberhaften  Kolibazillosen  sowie 
bei  Pyelitis  findet  sich  diese  Agglutination  am  ehesten.  Der  Nach¬ 
weis  einer  spezifischen  oder  abnorm  hohen  Koliagglutination  ist  nur 
an  Hand  von  Normalserumkontrollen  zu  führen.  Die  natürliche  und 
künstliche  Immunisierung  mit  einem  einzigen  Kolistamm  führt  zur 
Bildung  verschiedener  Agglutinine;  häufig  lassen  sich  ein  Haupt-  und 
verschiedene  Partialagglutinine  trennen. 

15)  J.  Bickhardt  und  E.  Schümann:  Beiträge  zur  Patho¬ 
logie  des  Aneurysma  der  Arteria  hepatica  propria.  (Aus  der 
II.  inneren  Abteilung  des  Krankenhauses  Dresden-Friedrichstadt.) 

ln  2  Fällen  konnte  die  Diagnose  erst  bei  der  Autopsie  gestellt 
werden,  der  eine  betraf  eine  69  jährige  Frau,  bei  der  ein  Durchbruch 
eines  Aneurysmas  der  Leberarterie  zu  einer  tödlichen  Magendarm¬ 
blutung  geführt  hatte,  im  2.  Falle  erlag  ein  10  jähriger  Knabe  einer 
Blutung  in  die  Bauchhöhle,  ausgehend  von  einer  Ruptur  eines  Aneu¬ 
rysmas  eines  Astes  der  Leberarterie.  In  einem  3.  Falle,  der  unter 
dem  Verdachte  eines  Magenkarzinoms  zuging,  bestand  Verdacht  auf 
Aneurysma  der  Leberarterie;  da  die  Operation  im  letzteren  Falle  ver- 


23.  Juli  19Ü7. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1493 


weigert  wurde,  ist  die  Diagnose  nicht  sicher  gestellt.  Immerhin  muss 
man  die  Möglichkeit  eines  Aneurysmas  der  Leberarterie  in  Betracht 
ziehen,  wenn  folgende  Symptome  vorliegen:  Schmerz,  ähnlich  wie 
bei  (jallensteinkoliken,  Ikterus,  Blutung  in  den  Digestionsapparat,  Le¬ 
berschwellung,  Temperatursteigerung  (Resorptionsfieber  nach  Blu¬ 
tung),  palpable  Geschwulst  in  der  Leber  von  wechselndem  Cha¬ 
rakter,  insbesondere  von  wechselnder  Wandspannung  (besonders 
nach  Blutung),  pulssystolisches  Geräusch  über  dem  Lebertumor. 

16)  O.  Pryrn:  Die  Bedeutung  der  schichtweisen  Auffüllung  des 
Magens  für  die  klinische  Diagnostik,  speziell  für  die  Beurteilung  des 
Sahli-Seiler  sehen  Probefrühstückes.  (Aus  der  medizinischen 
Universitätspoliklinik  zu  Bonn.)  (Mit  1  Abbildung.) 

Der  Mageninhalt  zeigt,  da  die  Nahrung  im  Magen  schichtweise 
abgelagert  wird,  in  seinen  verschiedenen  Schichten  verschiedene 
Zusammensetzung  und  verschiedene  Azidität.  Deshalb  empfiehlt  es 
sich  für  die  Praxis,  bei  der  Ausheberung  möglichst  viel  zu  expri- 
mieren,  womöglich  den  ganzen  Magen  zu  entleeren,  um  den  oft 
unerklärlichen  Wechsel  in  der  Azidität  des  Ausgeheberten  zu  ver¬ 
meiden.  Durch  diese  Tatsache  wird  der  diagnostische  Wert  des 
E  w  a  1  d  -  B  o  a  s  sehen  Probefrühstückes  wenig  berührt;  dagegen  er¬ 
weisen  sich  die  Voraussetzungen  der  M  a  t  h  i  e  u  sehen  Restbestim¬ 
mung  zum  Teil  als  unrichtig,  während  die  Sahli  sehe  Methode  un¬ 
brauchbar  ist. 

17)  W.  Türk:  Ein  Fall  von  Hefeinfektion  (Saceharomykose) 

der  Meningen.  (Aus  der  II.  medizinischen  Abteilung  des  k.  k.  Kaiser- 
Eranz-Joseph-Spitales  in  Wien.)  (Mit  Tafel  VIII.) 

Die  Diagnose  konnte  intra  vitam  auf  Grund  der  Lumbalpunktion 
gestellt  werden;  als  Eingangspforte  kommt  vielleicht  die  Mund- 
Rachenhöhle  in  Betracht. 

19)  O.  Porges  und  E.  Pribram:  Zur  Kenntnis  der  ortho- 
statischen  Albuminurie.  (Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  Wien.) 
(Mit  2  Kurven.) 

Die  orthostatische  Albuminurie,  bei  der  es  nur  während  auf¬ 
rechter  Körperhaltung,  niemals  bei  horizontaler  Lage  zur  Eiweiss¬ 
ausscheidung  kommt,  ist  wohl  bedingt  durch  ein  Hindernis  im  ar¬ 
teriellen  Gebiete  des  Nierenkreislaufes,  etwa  einen  Konstriktions¬ 
krampf  der  Nierenarterien.  Man  müsste  vorübergehende,  wieder¬ 
holt  auftretende  Spasmen  annehmen,  die  in  der  Zwischenzeit  nor¬ 
malen  Zirkulationsverhältnissen  Platz  machen,  und  von  Albuminurie 
gefolgt  sind. 

19) Jennö  Kollar  its:  Untersuchungen  über  die  galvanische 
Muskelzuckung  bei  verschiedenen  Krankheiten.  (Mitteilung  aus  der 
Kgl.  Universitätsnervenklinik  zu  Budapest.)  (Mit  11  Abbildungen.)- 

Von  den  Ergebnissen  seien  folgende  erwähnt:  Die  verschiedene 
Stromstärke  verursacht  an  den  an  peripherer  Lähmung  leidenden 
Muskeln  aufgenommenen  Kurven  dieselbe  Veränderung  wie  am  ge¬ 
sunden  Muskel.  Bei  der  dystrophischen  Lähmung  verlängert  sich 
zuerst  die  Zeit  der  Erschlaffung,  später  verliert  die  Kurve  von  ihrer 
Höhe,  und  in  noch  späteren  Stadien  verlängert  sich  auch  die  Zeit 
der  Zusammenziehung.  Wenn  die  Dystrophie  mit  spastischer  Läh¬ 
mung  verbunden  ist,  so  entspricht  die  Kurve  im  Anfänge  der  hyper¬ 
tonischen  Kurve,  später  verlängern  sich  sämtliche  Teile  derselben. 
Beim  stark  geschwächten  Kranken  verlängern  sich  alle  Teile  der 
Muskelkurve.  Bei  der  Tetanie  ist  auch  die  Zeit  der  Zusammen¬ 
ziehung  verlängert.  Die  übrigen  Fälle  (Myasthenie,  Hysterie,  Chlo¬ 
rose,  Neurasthenie,  Epilepsie,  Chorea)  boten  normale  und  verlängerte 
Kurven. 

20)  A.  Mayer:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Mineralstoffwechsels 
der  Phthisiker. 

Die  Stoffwechselveränderungen  beim  Phthisiker  sind  folgende: 
Verminderung  der  ausgeschiedenen  Phosphate  und  Retention  der 
Phosphate,  Vermehrung  des  ausgeschiedenen  Kalks  durch  den  Harn 
bei  gleichzeitiger  Verminderung  des  Kotkalks:  Retention  von  Kalk, 
starke  Verminderung  der  ausgeschiedenen  Chloride,  geringe  Neigung, 
Kalium,  eine  grössere,  Natrium  zurückzuhalten.  Es  finden  sich  also 
keine  der  Tuberkulose  eigentümlichen  Stoffwechselveränderungen, 
sondern  Zeichen  der  chronischen  Unterernährung.  Jedenfalls  liegt 
keine  Demineralisation  vor,  eher  ein  Bestreben,  Mineralsalze  im 
Körper  zurückzuhalten. 

21)  A.  Mayer:  Ueber  die  Bildung  und  Ausscheidung  der  Oxal¬ 
säure  bei  Infektionskrankheiten. 

Die  Vermehrung  der  Oxalsäure  ist  ein  konstanter  Befund  im 
Urin  fiebernder  Phthisiker  und  muss,  wenn  sie  im  einzelnen  Falle 
nicht  alimentär  zu  erklären  ist,  als  prognostisch  ungünstiges  Zeichen 
betrachtet  werden,  weil  sie  auf  Eiterung  schliessen  lässt.  Vermehrte 
Oxalsäure  findet  sich  überhaupt  bei  allen  längerdauernden  Strepto¬ 
kokken-  oder  Staphylokokkeninfektionen  (Sepsis,  Erysipel,  eitrige 
Meningitis),  welche  aus  dem  Blute  Oxalsäure  produzieren.  Bei  an¬ 
deren  Infektionskrankheiten  (Typhus,  Diphtherie,  Masern,  Scharlach) 
findet  sich  keine  vermehrte  Oxalsäure. 

22)  Fr.  M.  Gr  o  edel  III:  Zur  Topographie  des  normalen  Ma¬ 
gens.  (Aus  dem  physikalisch-therapeutischen  Institut  der  Univer¬ 
sität  München.)  (Mit  8  Abbildungen.) 

Die  Form  des  gefüllten  Magens  ist  in  erster  Linie  abhängig 
von  der  Körperlage.  Die  Magenorthodiagraphie  (nach  400  g  Mehlbrei 
mit  10  Proz.  Bismuth.  subnitr.)  ergibt  im  Stehen  regelmässig  die 
Siphonform,  im  Liegen  eine  Sandalenform.  Der  Magen  ist  um  eine 
vom  Pylorus  zur  Kardia  verlaufende  Achse  drehbar.  An  dem  Si¬ 


phonmagen  kann  man  einen  absteigenden,  einen  aufsteigenden  Teil 
und  den  Magensack  unterscheiden.  Der  absteigende  Teil  liegt  stets 
links,  der  aufsteigende  meist  rechts  und  der  Magensack  zu  2U  links 
und  1 U  reciits  von  der  Mittellinie.  Es  ergibt  jedoch  eine  grosse  Zahl 
von  Varietäten  dieser  Form  und  Lage:  Der  normale  Magen  hat  nicht 
nur  eine  Siphonform,  sondern  der  wundervoll  und  anatomisch  in 
Form  einer  Doppelschleuse  am  Magenausgang  arbeitende  Magen¬ 
chemismus  setzt  eine  Siphonform  des  Magens  voraus.  Die  Lage  des 
normalen  Magens  wird  durch  viele  Faktoren  bedingt,  von  denen  die 
Körperform,  die  Raumverhältnisse  des  Abdomens,  Beschaffenheit  der 
Bauchdecken,  Lage  und  Füllung  des  Darmes  die  wichtigsten  sind. 
Als  Grundform  ist  bei  beiden  Geschlechtern  die 
Siphonform  konstant  in  allen  Lebensaltern.  Alle 
Ursachen,  welche  Formvarietäten  des  Magens  bedingen,  können 
schliesslich  auch  pathologische  Formen  erzeugen.  Die  Aufblähung 
des  Magens  zu  diagnostischen  Zwecken  ist  wertlos  und  durch  das 
Magenorthodiagranmi  zu  ersetzen. 

23)  Besprechungen.  Bamberger  - Kronach. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  63.  Band.  1. — 4.  Heft. 
Festschrift  zu  Heu  seitens  60.  Geburtstag,  mit  dem  Bildnis 
des  Jubilars. 

1)  G.  Forssner  und  E.  Sjövall:  Ueber  die  Poliomyelitis 
acuta  samt  einem  Beitrag  zur  Neuronophagienfrage.  (Aus  der  I.  med. 
Klinik  des  Serafimerlazarettes  in  Stockholm.) 

Die  Verfasser  teilen  2  Fälle  mit;  bei  dem  ersten,  einem  26jähr. 
Bäcker,  entwickelten  sich  unter  Fiebererscheinungen  innerhalb 
weniger  Tage  schlaffe  Lähmung  beider  Beine,  Parese  der  oberen  Ex¬ 
tremitäten,  Ischurie  ohne  Sensibilitätsstörungen  und  führten  inner¬ 
halb  weniger  Tage  durch  Respirationsstillstand  zum  Tode.  Die  Sek¬ 
tion  ergab  an  Stelle  der  vermuteten  L  a  n  d  r  y  sehen  Paralyse  eine 
Poliomyelitis.  Bei  dem  zweiten  Fall,  einem  23  jähr.  Soldaten,  trat 
innerhalb  der  ersten  24  Stunden  nach  Auftreten  der  ersten  Erschei¬ 
nungen  (schlaffe  Lähmung  beider  Beine,  Blasenstörung,  Benommen¬ 
heit,  Fieber)  der  Tod  ein.  Die  Sektion  bestätigte  die  Diagnose  Polio¬ 
myelitis  anterior  acuta.  Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Prä¬ 
parate  ergab  bei  beiden  Fällen  zahlreiche  Neuronophagien,  Schwund 
der  Ganglienzellen  durch  eindringende  Phagozyten;  die  Ganglien¬ 
zellen  sind  schon  vor  dem  Eindringen  der  Phagozyten  getötet  oder 
tödlich  beschädigt.  Aus  der  Zerberospinalflüssigkeit  des  1.  Falles 
wurden  Staphylokokken  gezüchtet. 

2)  H.  Köster  -  Gothenburg:  Zwei  Fälle  von  diagnostizierten 
und  operierten  Tumoren  der  Rückenmarkshäute. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

3)  J.  Jundell:  Zur  Kenntnis  von  dem  Verlauf  des  Vakzine¬ 
fiebers.  (Aus  Prof.  Medins  Kinderklinik  in  Stockholm.) 

Das  Verhalten  des  Temperaturverlaufes  nach  der  Impfung  liess 
3  Gruppen  von  100  geimpften  Säuglingen  unterscheiden.  Bei  der 
ersten  Gruppe,  17  Fällen,  war  bei  zweimaliger  täglicher  Messung 
keine  Temperaturveränderung  nach  der  Impfung  zu  konstatieren; 
bei  der  2.  Gruppe,  41  Fällen,  trat  am  7.  bis  9.  Tage  ein-  bis  fünftägiges 
mässiges  Fieber  bis  höchstens  39,2 0  auf.  .  Bei  der  3.  Gruppe, 
42  Fällen,  welche  sich  sonst  wie  Gruppe  2  verhält,  geht  diesem 
Floritionsfieber  initiales  Fieber  vom  4.  bis  7.  Tage,  meist  nicht  so 
hoch,  wie  während  des  Floritionsstadiums  vorher,  manchmal  von 
letzterem  durch  eine  Pause  getrennt;  dieselben  Resultate  ergab  eine 
zweite  Serie  von  50  Fällen,  bei  welchen  5 — 6  mal  täglich  gemessen 
wurde.  Bei  10  Neugeborenen,  welche  am  1.  oder  2.  Lebenstage 
geimpft  wurden,  wurde  niemals  ein  Fieber  beobachtet. 

4)  J.  B  o  r  e  1  i  u  s:  Zur  Diagnose  und  Behandlung  der  subkutanen 
traumatischen  Milzruptur.  (Aus  der  Chirurg.  Universitätsklinik  zu 
Lund.) 

Ein  48  jähriger  Mann  wurde  durch  eine  Lokomotive  von  seinem 
Wagen  herabgeschleudert  und  überfahren.  Die  nach  lVz  Stunden 
vorgenommene  Untersuchung  ergab  ausser  einer  Beckenverletzung 
Schmerzen  bei  Druck  auf  die  Brust  linkerseits,  keinen  besonders 
schwachen  Puls,  Abdomen  nur  bei  tiefen  Eindrücken  schmerzhaft.  Im 
Laufe  der  nächsten  2  Stunden  wurde  der  Puls  erheblich  kleiner,  es 
trat  Blässe,  Kälte  der  Extremitäten  und  Ohrensausen  auf,  bei  Auf¬ 
richten  Schwarzwerden  vor  den  Augen.  Im  Abdomen  war  in  beiden 
Seitenregionen  Dämpfung  aufgetreten.  Die  Laparotomie  ergab,  dass 
die  Milz  ganz  abgerissen  tief  unten  hinten  links  lag.  Die  Milz  wurde 
entfernt,  der  Stiel  versorgt,  das  Blut  ausgetupft.  Es  trat  Heilung  ein. 
Die  Diagnose  lässt  sich  nur  vermutungsweise,  aus  dem  mehr  oder 
minder  raschen  Auftreten  der  Anämie  neben  dem  allgemeinen  Schock 
und  aus  der  Dämpfung  des  Perkussionsschalles  in  den  Seitenpartien 
stellen,  wobei  aber  eine  Ruptur  der  Leber  ebenso  in  Frage  kommt. 
Für  die  Therapie  ist  die  Unterscheidung  dieser  beiden  nicht  von 
Belang,  da  die  Laparotomie  jedenfalls  indiziert  ist  und  dann  Auf¬ 
schluss  gibt.  Im  Anschluss  daran  ist  die  Milzexstirpation  das 
sicherste  Verfahren,  um  weitere  Blutung  zu  verhindern.  Die  Unter¬ 
suchung  des  Blutbefundes  ergab  bei  dem  vorliegenden  Fall  in  der 
Zeit  der  Rekonvaleszenz  Vermehrung  der  Lymphozyten  und  eosino¬ 
philen  Leukozyten  und  vereinzelte  Myelozyten. 

5)  A.  P  e  1 1  e  r  s  s  o  n :  Bakterizide  Leukozytenstoffe  (Endo- 
lysine)  und  Milzbrandimmunität.  (Aus  dem  bakteriol.  Laboratorium 
des  Karolin.  Institutes  zu  Stockholm.) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Der  Verfasser  kommt  bei  seinen  Untersuchungen  zu  folgenden 
Schlüssen:  Nicht  nur  die  Leukozyten  milzbrandimmuner  Tiere,  son¬ 
dern  auch  die  empfänglichen,  enthalten  auf  Milzbrandbazillen  wir¬ 
kende  Stoffe;  die  letzteren  sind  aber  bedeutend  ärmer  an  denselben 
als  die  ersteren.  Bei  der  Immunisierung  nimmt  die  bakterzide  Wir¬ 
kung  der  Leukozyten  empfänglicher  Tiere  zu,  wenn  auch  nicht  in 
sehr  hohem  Grade.  Die  auf  die  Milzbrandbazillen  wirkenden  Serum¬ 
alexine  und  Leukozytenendolysine  unterscheiden  sich  von  einander 
sowohl  durch  ungleiche  Hitzbeständigkeit,  als  durch  verschiedene 
Wirkungsweise.  Die  Körpersäfte  infizierter  Tiere  enthalten  immuni¬ 
sierende  Substanzen. 

6)  K-  Petr  eil  und  G.  Bergmark:  Ueber  Sensibilitäts- 
stürungen  bei  und  nach  Herpes  zoster,  zugleich  ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  vom  Verlaufe  der  Bahnen  der  Hautsinne.  (Aus  der  med. 
Klinik  in  Upsala.) 

Bei  den  Untersuchungen  der  Verfasser  an  13  Fällen  wurde  der 
Tastsinn  durch  möglichst  leise  Berührung  mit  einem  Büschel  ganz 
feiner  Baumwolle,  der  Schmerzsinn  mit  dem  Thunberg  sehen 
Algesimeter  geprüft.  Bei  diesem  Instrument  wird  die  Spitze  einer 
am  Lnde  eines  Hebelarmes  angebrachten  Nadel  auf  die  zu  prüfende 
Stelle  aufgesetzt  und  durch  Verschieben  eines  Gewichtes  an  dem 
Hebelarm  die  geringste  Belastung  ermittelt,  bei  welcher  eben  noch 
Stichschmerz  erhalten  wird.  Der  Temperatursinn  wurde  mit  Reagenz¬ 
gläsern  mit  warmem  und  kaltem  Wasser  geprüft.  Die  Unter¬ 
suchungen  wurden  nie  auf  Narben,  sondern  stets  an  makroskopisch 
unveränderten  Hautstellen  gemacht.  Eine  wahre  Hyperaigesie, 
kenntlich  an  Verminderung  der  Reizschwelle,  wurde  nur  zweimal  ge- 
lunden,  während  Hyperästhesie,  beruhend  auf  lebhafteren  Schmerz¬ 
empfindungen  bei  normaler  Reizschwelle,  bekanntlich  sehr  häufig  ist. 
Anästhesie  im  allgemeinen  Sinne  wurde  nur  bei  3  Fällen  völlig  ver¬ 
misst.  Die  Anästhesie  zeigte  nicht  eine  fleckenförmige  Anordnung, 
sondern  war  ganz  gleichförmig  diffus  ausgebreitet.  Der  Schmerzsinn 
war  bei  allen  mit  Anästhesien  Behafteten  konstant  herabgesetzt  oder 
aufgehoben.  Die  Störungen  des  Temperatursinnes  folgten  im  ganzen 
derjenigen  des  Schmerzsinnes.  Störungen  des  Tastsinnes  fanden  sich 
nur  bei  völliger  Analgesie.  Prognostische  Anhaltspunkte  ergaben  die 
Untersuchungen  insofern,  als  nach  dem  Ergebnis  derselben  das  Auf¬ 
treten  sehr  erheblicher  Sensibilitätsstörungen  während  der  Zoster¬ 
eruption  das  Auftreten  einer  chronischen  Neuralgie  wahrscheinlich 
macht.  Die  Abgrenzung  der  Anästhesien  nach  den  segmentalen 
Innervationsgebieten,  spricht  für  den  Sitz  der  Affektion  in  den  Spinal¬ 
ganglien.  Da  die  Herabsetzung  des  Schmerzsinnes  sich  ebenso  weit 
wie  die  Zostereruption  erstreckt,  so  ist  eine  ausgedehntere  Ueber- 
lagerung  der  Innervationsgebiete  des  Schmerzsinnes  nicht  anzu¬ 
nehmen.  Betreffs  des  Tastsinnes  dagegen  ist  eine  Ueberlagerung  der 
Innervationsgebiete  in  weit  höherem  Sinne  der  Fall,  ein  Ergebnis, 
das  mit  den  Resultaten  der  Affenexperimente  Sherringtons  über¬ 
einstimmt. 

7)  F.  Hen  sehen:  Seröse  Zyste  und  partieller  Defekt  des 
Kleinhirns.  (Aus  dem  Laboratorium  der  med.  Klinik  des  Serafimer- 
lazaretts  in  Stockholm.) 

Die  Sektion  eines  43  jährigen  schwachsinnigen,  an  hochgradiger 
Kleinhirnataxie  und  Epilepsie  leidenden,  in  einem  epileptischen  Anfalle 
zugrunde  gegangenen  Mannes  ergab  leichte  Hydrozephalie' des  Gross¬ 
hirns  und  eine  mit  dem  4.  Ventrikel  breit  kommunizierende,  einfach 
seröse  Zyste,  welche  so  gut  wie  die  ganze  linke  Hemisphäre,  den 
Vertnis  und  den  hinteren  Teil  der  rechten  Hemisphäre  einnimmt.  Das 
Gewicht  des  Kleinhirns  betrug  30  g.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  ergab  ein  einfaches  Ependymepithel  in  der  Zystenwand, 
keine  Veränderungen  des  Grosshirns,  im  allgemeinen  sehr  scharf 
abgesetzte  Defekte  der  sonst  normalen  Kleinhirnsubstanz,  typischen 
Faserschwund  in  den  Verbindungsbahnen  des  Kleinhirns  mit  dem 
Hirnstamme,  in  den  unteren  Oliven  scharf  begrenzte  Partien  ohne 
Nervenzellen.  Der  Verfasser  versucht  eine  Einteilung  der  Klein¬ 
hirnzysten  zu  geben,  nämlich  in  Dermoidzysten,  einfach  seröse 
Zysten  mit  noch  vorhandener  oder  vorheriger  Verbindung  mit  dem 
4.  Ventrikel,  zystische  Tumoren,  Zysten  aus  Hämorrhagien  und  Mala¬ 
zien  entstanden  und  endlich  parasitäre  Zysten,  und  die  Entstehung  der 
einfach  serösen  Zysten  durch  Entwicklungsanomalien  zu  erklären. 
Zwischen  den  Defekten  des  Kleinhirns  und  den  Sekundärerschei¬ 
nungen  in  den  Oliven  bestand  ein  bestimmtes  Verhältnis,  was  eine 
Beziehung  zwischen  gewissen  Kleinhirnteilen  und  gewissen  Partien 
der  unteren  Oliven  andeutet. 

E  I  illgren:  Ein  seltener  Fall  von  Ependymitis  des 
IV.  Ventrikels  (in  Form  von  entziindlchem  Granulationsgewebe  mit 
Riesenzellen).  (Aus  der  pathol.-anatomischen  Abteilung  des  Karol 
Institutes  in  Stockholm.) 

Bei  einem  unter  dem  Bilde  eines  Hirntumors  zugrunde  ge¬ 
gangenen  25  jährigen  Manne  ergab  die  Sektion  deutliche  Erweiterung 
aller  Ventrikel  und  Verdickung  des  Ependyms  im  IV.  Ventrikel.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  ergab,  dass  es  sich  um  einen  chronisch- 
entzündlichen  Prozess  in  der  Wand  des  IV.  Ventrikels  und  in  dessen 
Plexus  chorioideus  in  Form  eines  typischen  Granulations-  und  Narben¬ 
gewebes  mit  Riesenzellen  handelte.  Ob  Tuberkulose  oder  Lues  die 
Ursache  war,  liess  sich  nicht  entscheiden.  Ausser  einer  chronischen 
sklerosierenden  Otitis  fand  sich  sonst  nichts  für  die  Aetiologie  Be¬ 
langreiches. 

9'  B.  Dahlen:  Ueber  einen  Fall  von  Aortaaneurysma  mit 
Durchbruch  in  den  linken  Vorhof,  nebst  einigen  Bemerkungen  über 


Aortaaneurysma,  die  fibröse  Aortitis  und  Lues.  (Aus  der  pathol.-anat. 

Abteilung  des  Karol.  Institutes  und  der  I.  med.  Klinik  des  Serafimer- 
lazarettes  in  Stockholm.) 

Ein  an  Aorteninsuffizienz  leidender  41  jähriger  Mann  starb  unter 
zunehmender  Atemnot,  Zyanose  und  Herzschwäche.  Die  Sektion 
ergab  ein  walnussgrosses  sackförmiges  Aneurysma  der  Aorta,  welches 
grossenteils  in  die  Höhle  des  linken  Vorhofs  vorgebuchtet  war  und 
an  der  Stelle  der  grössten  Vorbuchtung  mit  dem  Vorhof  durch  eine 
Oeffnung  von  7  mm  Weite  kommunizierte;  auf  der  Intima  der  Aorta 
mehrere  narbig  strahlige  Einziehungen.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  ergab  eine  typische  fibröse  Aortitis,  wie  sie  infolge  von 
Lues  beobachtet  wird;  Spirochäten  wurden  nicht  gefunden.  Unter 
27  Fällen  des  pathol.  Institutes,  von  welchen  klinische  Aufzeichnungen 
vorhanden  waren,  waren  64  Proz.  auf  luetischer  Basis  entstanden. 
Bei  fast  allen  von  diesen  letzteren  war  auch  eine  typische  fibröse 
Aortitis,  von  der  arteriosklerotischen  wohl  unterscheidbar,  vorhanden. 
Nach  der  Anamnese  war  die  Perforation  mehr  als  3  Monate  vor  dem 
Tode  erfolgt. 

1U)  H.  E.  Jacobaeus:  Ein  Fall  von  Lymphdrüsentuberkulose, 
unter  dem  Bilde  der  Pseudoleukämie  verlaufend,  und  ihre  Behandlung 
mit  Röntgenstrahlen.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  des  Serafimerlazarettes 
in  Stockholm.) 

Ein  20  jähriger  Arbeiter  mit  einer  grossen  Lymphdriisen- 
anschwellung  am  Halse,  anscheinend  pseudoleukämischer  Natur, 
wurde  mit  Röntgenbestrahlung  behandelt;  die  Tumoren  gingen  fast 
völlig  zurück;  eine  starke  Ulzeration  der  bestrahlten  Fläche  heilte  nur 
lehr  langsam.  Einige  Monate  darauf  kam  eine  bedeutende  Milz¬ 
schwellung  dazu,  welche  unter  Bestrahlung  ebenfalls  fast  völlig 
zurückging.  Kurze  Zeit  darauf  erlag  der  Patient  einer  akuten  Miliar¬ 
tuberkulose.  Die  Sektion  ergab,  dass  die  Halslyinphdriisen  fast  ganz 
zu  hyalinem  Bindegewebe  umgewandelt  waren;  am  Milzhilus  fanden 
sich  vergrösserte  Lymphdriisen  mit  Granulationsgewebe  und  grossen, 
nach  S  t  er  n  b  e  r  g  für  die  pseudoleukämieähnliche  Form  der  Lymph¬ 
drüsentuberkulose  charakteristischen  Riesenzellen.  Der  schlimme 
Ausgang  ist  nicht  auf  Rechnung  der  Röntgenbehandlung  zu  setzen. 

11)  G.  Hedren:  Ein  Amyloidtumor  des  Knochenmarkes.  (Aus 
der  pathol.  Abteilung  des  Karol.  Institutes  in  Stockholm.) 

Bei  einem  57jähr.  Bauern  entwickelte  sich  ein  grosser  Tumor,  aus¬ 
gehend  von  der  9.  Rippe  rechts;  die  Untersuchung  des  exstirpierten 
Tumors  ergab,  dass  es  sich  um  Ablagerung  amyloider  Substanz  im 
Knochenmark  in  der  Peripherie  in  Form  von  Schollen  und  Balken 
und  im  Zentrum  hauptsächlich  in  Corpora  amylacea-ähnlichen  Bil¬ 
dungen,  jedoch  ohne  echte  Geschwulstbildung  des  Knochenmarkes 
handelte.  Die  Farbenreaktionen  waren  die  der  amyloiden  Substanz. 
Das  Amyloid  schien  ein  Infiltrationsprodukt,  nirgends  durch  Umwand¬ 
lung  der  Zellen  hervorgegangen  zu  sein.  Der  Tumor  war  ein  echter 
lokaler  Amyloidtumor,  allgemeine  Amyloiddegeneration  ist  auszu- 
schliessen,  da  seit  der  operativen  Entfernung  schon  mehr  als  ein  Jahr 
völliges  Wohlbefinden  besteht. 

12)  G.  Rystedt:  Ueber  einen  Fall  von  Solitärtuberkel  im 
Rückenmark  mit  Nebenbefund  von  sogenannter  artefizieller  Hetero- 
topie  desselben.  (Aus  der  I.  mied.  Klinik  des  Serafimerlazarettes 
in  Stockholm.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

13)  K.  G.  Len  n  ander  und  G  u  n  n  a  r  -  Nyström:  Kasuistische 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  von  Enteritis  ausgegangenen  Peritonitis. 

(Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Upsala.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

14)  J.  Hedenius  -  Stockholm:  Ein  Beitrag  zur  Beleuchtung  der 
sogen.  B  a  n  t  i  sehen  Krankheit. 

Bei  einem  älteren  Mann  entwickelte  sich  ohne  besondere  Aetio¬ 
logie  ein  Milztumor  ohne  gleichzeitige  Veränderung  an  der  Leber 
und  den  Lymphdrüsen  mit  geringer  Verminderung  der  Zahl  der  roten 
Blutkörperchen  und  Leukopenie.  Dazu  kam  allmählich  eine  Kachexie, 
Oedem  der  Beine,  Verdauungsbeschwerden  mit  Erbrechen,  später 
Aszites  und  Verkleinerung  der  Leber.  9  Jahre  nachdem  zum  ersten 
Male  der  Milztumor  bemerkt  worden  war,  trat  dann  der  Tod  ein.  Die 
Sektion  ergab  eine  Stenose  der  B  a  u  h  i  n  sehen  Klappe,  Verdickung 
des  Mesenteriums,  atrophische  Leberzirrhose  und  ganz  alte  Gewebs- 
proliferation  um  die  Portalgefässe  herum,  in  der  Milz  nur  mässige 
Verdichtung  des  Stromas,  dagegen  nichts  von  der  für  Ban  tische 
Krankheit  charakteristischen  Fibroadenie.  Wahrscheinlich  hat  sich 
der  Entzündungsprozess  von  der  Stelle  der  Darmstenose  aus  längs  der 
Wurzeln  der  Portalgefässe  in  die  Leber  hinein  ausgebreitet  und 
dadurch  zum  Milztumor  geführt,  wozu  sich  dann  später  frische 
zirrhotische  Veränderungen  in  der  Leber  gesellten.  Das  Bild  der 
B  a  n  t  i  sehen  Krankheit  kommt  demnach  auch  ohne  dass  der  cha¬ 
rakteristische  pathologisch-anatomische  Befund  vorhanden  ist,  vor; 
in  manchen  Fällen  von  Leberzirrhose  sind  wahrscheinlich  besondere 
Umstände  begünstigend  für  das  frühzeitige  und  das  Krankheitsbild 
beherrschende  Auftreten  eines  grossen  Milztumors,  welcher  dann 
als  primäres  Symptom  imponiert. 

15)  C.  A.  Kling:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Riickenmarks- 
tumoren  und  Höhlenbildungen  im  Rückenmark.  (Aus  der  patho¬ 
logisch-anatomischen  Abteilung  des  Karol.  Institutes  in  Stockholm.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

16)  O.  V.  Petersson:  Werden  Bücher,  die  von  Lungentuber¬ 
kulosen  benützt  werden,  mit  Tuberkclbazillen  infiziert?  (Aus  der 
Klinik  für  Brustkranke  in  Upsala.) 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1495 


Der  Verfasser  untersuchte  die  Journalblankette,  welche  die  An¬ 
gaben  über  Alter,  Namen,  Eintritt,  Anamnese  etc.  enthielten  und  ent¬ 
weder  an  den  Bettafeln  befestigt  waren  oder  auf  den  Nachttischchen 
oder  auf  anderen  Tischen  im  Krankensaal  lagen.  Die  Blankette 
wurden  auf  einer  Glasscheibe  befestigt,  mit  Wasser  unter  Bürsten 
abgespült,  das  Spülwasser  wurde  zentrifugiert,  das  Sediment  auf 
Bazillen  untersucht.  Auf  4  von  10  untersuchten  Blanketten  fanden 
sich  Tuberkelbazillen.  2  von  diesen  Blanketten  waren  auf  den  Nacht¬ 
tischchen  gelegen,  2  an  dem  Betthacken  aufgehängt  gewesen.  Die 
Uebertragung  kann  entweder  durch  Fliegen  oder  durch  Flügge- 
sche  Schleimtröpfchen  geschehen.  Um  die  letztere  Möglichkeit  ex¬ 
perimentell  zu  prüfen,  erhielten  3  Personen  mit  zahlreichen  Bazillen 
im  Auswurf  den  Auftrag,  gegen  reine,  noch  unbenutzte  Blankette  im 
Abstand  von  30  cm  zu  husten,  ohne  dass  sichtbarer  Auswurf  dagegen 
geschleudert  wurde.  Die  Blankette  wurden  wieder  gewaschen,  und 
die  Waschflüssigkeit  in  Kisten  zerstäubt,  in  welche  Meerschweinchen 
hineingesetzt  waren.  Die  3  Versuche  fielen  negativ  aus,  sind  jedoch 
an  Zahl  viel  zu  gering,  um  beweisend  zu  sein. 

17)  J.  W.  W  i  c  k  m  a  n  n  -  Stockholm :  Ueber  die  Prognose  der 
akuten  Poliomyelitis  und  ätiologisch  verwandter  Erkrankungen. 

Der  Verfasser  verwertet  statistisch  eine  im  Sommer  und  Herbst 
1905  in  Schweden  herrschende  Epidemie;  von  1025  Fällen  .sind  868 
Fälle  mit  Lähmungen,  157  sind  abortive  Fälle.  159  Fälle  verliefen 
tödlich,  14  davon  jedoch  infolge  von  Komplikationen  (hauptsächlich 
Bronchopneumonie).  Des  weiteren  ergibt  sich,  dass  die  Prognose 
der  akuten  Poliomyelitis  im  späteren  Kindesalter  und  bei  Erwach¬ 
senen  sich  sehr  verschlimmert.  Die  meisten  Todesfälle  traten  am 
4.  Krankheitstage  auf.  Die  Prognose  quoad  sanationem  completam  ist 
weit  besser  als  allgemein  angenommen  wird,  insofern  als  zahlreiche 
Fälle  überhaupt  ohne  Lähmung  verlaufen  und  viele  Fälle  mit  Läh¬ 
mungserscheinungen  zur  völligen  Genesung  gelangen. 

18)  E.  O.  Hultgren:  Bibliographia  Henscheniana.  Verzeich¬ 
nis  der  von  S.  E.  Henschen  publizierten  Schriften  (1872 — 1906). 

Lindemann  -  München. 

Zeitschrift  für  Heilkunde.  Herausgegeben  von  Kretz 
in  Wien.  XXVIII.  Bd.  (Neue  Folge,  VIII.  Bd.)  Jahrg.  1907. 
Heft  5  u.  6. 

1)  Grünberger  und  Z  i  n  s  e  r:  Das  Verhalten  der  Herzarbeit 
und  des  Gefässtonus  bei  der  Aszitespunktion.  (Aus  der  Ortner- 
schen  Klinik  in  Wien.) 

Am  Schlüsse  der  Punktion  ist  die  Herzarbeit  bald  vermehrt, 
bald  vermindert,  die  Gefässe  bald  verengert,  bald  erweitert  oder 
unverändert.  Während  der  Punktion  treten  oft  plötzliche  Aende- 
rungen  im  Verhalten  des  Herzens  und  der  Gefässe  ein.  Erklärung 
aller  dieser  Erscheinungen  wird  versucht.  Diagnostische  oder  pro¬ 
gnostische  Ergebnisse  sind  nicht  zu  gewinnen. 

2)  Schmie  dl:  Die  histologischen  Veränderungen  der  Arteria 
mesenterica  superior  in  den  verschiedenen  Lebensaltern.  (Aus  der 
Sternberg  sehen  Prosektur  in  Brünn.)  Mit  Abbildungen. 

Die  in  136  Fällen  vorgenommenen  Untersuchungen  zeigen,  dass 
die  Arteria  mesenterica  .superior  im  Laufe  des  Lebens  gewisse  Ver¬ 
änderungen  in  typischer  Weise  durchmacht.  Dieselben  äussern  sich 
vornehmlich  darin,  dass  die  Intima  in  der  Regel  mit  zunehmendem 
Alter  eine  Verbreiterung  mässigen  Grades  erfährt.  Dieselbe  kann  als 
physiologische  Altersveränderung  betrachtet  werden  und  wird  mit 
J  o  r  e  s  am  besten  als  Hyperplasie  bezeichnet. 

Andererseits  verfällt  die  Arteria  mesenterica  superior  wie  die 
anderen  Körperarterien  der  Arteriosklerose,  in  der  Regel  erst  jen¬ 
seits  des  50.  Lebensjahres,  doch  kann  sie  auch  sehr  frühzeitig  von 
der  „juvenilen“  Arteriosklerose  befallen  werden.  Eine  Mittelstel¬ 
lung  nimmt  jene  Veränderung  der  Arterie  ein,  die  namentlich  bei  In¬ 
dividuen  mittleren  Lebensalters  sehr  häufig  angetroffen  wird,  bei 
welcher  die  Intima  noch  sehr  geringe  Veränderungen  aufweist,  wäh¬ 
rend  die  Media  jenen  Befund  darbietet,  der  als  fibröse  Umwandlung 
bezeichnet  wird. 

3)  Pal:  Paroxysmale  Hochspannungsdyspnoe.  (Schluss  folgt.) 

Heft  6. 

1)  Peters:  Ueber  Zölomepitheleinstülpung  und  Absprengung 
an  der  Urnierenleiste  menschlicher  Embryonen.  (Aus  dem  Zucker- 
kan  dl  sehen  anatomischen  Institut  in  Wien.) 

Aus  den  im  Titel  bezeichneten  embryonalen  Absprengungen  gehen 
die  fast  konstant,  also  beinahe  physiologisch  zu  nennenden  Gebilde, 
Hydatiden,  und  ausserdem  manche  pathologische  Gebilde  am  Neben¬ 
hoden,  am  Ligamentum  latum  und  an  der  Tube  hervor. 

2)  Doberauer:  Zur  Chirurgie  des  retrobulbären  Raumes  der 
Orbita.  (Mit  1  Tafel.) 

Kasuistische  Beiträge  zur  Entfernung  von  Fremdkörpern  im 
retrobulbären  Raum  der  Orbita.  Für  therapeutische  Eingriffe  kann 
der  nasale  Abschnitt  der  Orbita  erforderlichen  Falles,  ähnlich  wie 
der  temporale,  zugänglich  gemacht  werden. 

3)  Kindl:  Fünf  Fälle  von  angeborenen  Defektbildungen  an  den 
Extremitäten.  (Aus  der  S  c  h  1  o  f  f  e  r  sehen  chirurgischen  Klinik  in 
Innsbruck.) 

Kasuistische  Arbeit.  ...... 

Lunzer:  Vorgetäusehte  Extrauteringravidität,  gleichzeitig 
ein  Beitrag  zur  Corpus-luteum-Zystenblutung.  (Aus  Schnitzlers 
chirurgischer  Abteilung  in  Wieden  bei  Wien.) 

Kasuistische  Arbeit.  Bändel  —Nürnberg, 


Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  28. 

C.  J.  G  a  u  s  s  -  Freiburg:  Beckenspaitung  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  ausgeführt  aus  absoluter  Indikation. 

In  der  Freiburger  Klinik  wurde  festgestellt,  dass  bei  Conj. 
obstetr.  von  7,25  cm  und  plattem  Becken  sowie  Conj.  obstetr.  von 
7,75  cm  und  allgemein  verengtem  Becken  niemals  ein  reifes  Kind 
spontan  zur  Welt  kam.  Damit  sind  die  oberen  Grenzen  für  die 
Hebotomie  gegeben;  als  unterste  wurde  6,5  cm  angenommen.  Da  bei 
Erstgebärenden  die  entbindenden  Operationen  gefährliche  Weichteil¬ 
verletzungen  mit  sich  bringen,  so  empfiehlt  G.  bei  diesen  die  Becken¬ 
spaltung  schon  in  der  Schwangerschaft  vorzunehmen,  aber 
nicht  vor  der  35.  Schwangerschaftswoche,  damit  bei  etwa  eintreten¬ 
der  Frühgeburt  das  Kind  günstige  Bedingungen  zum  Leben  hat. 

Ein  nach  diesen  Grundsätzen  behandelter  Fall  einer  19jähr. 
I.  Para  mit  allgemein  verengtem  Becken  verlief  für  Mutter  und  Kind 
günstig,  obgleich  der  Verlauf  allerlei  Komplikationen  bot. 

L.  Fränkel:  Ueber  intra-uterinen  Eischwund. 

F.  beobachtete  bei  einer  29  jähr.  Multipara,  der  wegen  zystischer 
Degeneration  beide  Adnexe  entfernt  wurden,  dass  die  bei  der  Opera¬ 
ration  sicher  festgestellte  Gravidität  zurückging  und  wieder  ver¬ 
schwand,  ohne  dass  es  zum  Abort  gekommen  war.  Einen  ganz 
analogen  Fall  hat  kürzlich  P  o  1  a  n  o  (Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u. 
Gynäkol.,  49.  Bd.,  H.  3)  veröffentlicht. 

F.  hat  denselben  Vorgang  bei  Kaninchen  nach  Fortnahme  der 
Ovarien  oder  Corpora  lutea  in  der  Gravidität  wiederholt  gesehen 
und  durch  die  Sektion  bestätigt  gefunden. 

J.  T  h  i  e  s  -  Leipzig:  Ueber  Gesichtslage. 

Th.  empfiehlt  bei  vorhandener  Indikation  (Verzögerung  der  Ge¬ 
burt  bei  vorzeitigem  Blasensprung,  Gefahr  für  Mutter  oder  Kind) 
den  Thor  nschen  Handgriff  zur  Umwandlung  der  Gesichts-  in  eine 
Hinterhauptslage.  Dies  gelang  in  der  Leipziger  Klinik  unter  24  Fällen 
19  mal;  die  Kinder  wurden  dann  11  mal  spontan  geboren,  5  mal  mittels 
Zange,  2  mal  mittels  Zange  und  Perforation,  1  mal  mittels  Wendung. 
Es  starben  3  Kinder  =  12  Proz. 

A.  L  i  1 1  a  u  e  r  -  Leipzig:  Eine  Sterilisierdose  für  den  Gummi¬ 
handschuh. 

Die  für  die  Praxis  bestimmte  Dose  wird  von  der  Firma  Zieger 
und  Wiegand  in  Leipzig  verfertigt  und  kostet  5  Mk.  Nach  der 
Beschreibung  scheint  sie  recht  praktisch  zu  sein. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Virchows  Archiv.  Bd.  189,  Heft  1. 

1)  O.  Busse:  Ueber  ein  Chondro-Myxo-Sarcoma  pleurae 
dextrae.  (Pathol.  Institut  zu  Posen.) 

Die  im  Titel  gekennzeichnete  Geschwulst  fand  -sich  bei  einem 
40  jährigen  Mann  und  wies  grosse  Dimensionen  auf.  Das  Tumor¬ 
gewebe  war  an  einigen  Stellen  auch  in  die  Lunge  eingedrungen. 

2)  E.  Langenbach:  Ein  Fall  von  Chondrodystrophia  foetalis 
mit  Asymmetrie  des  Schädels.  (Pathol.  Institut  zu  Charlottenburg.) 

Kurze  Beschreibung  eines  Falles  ohne  besondere  neue  Gesichts¬ 
punkte. 

3)  L.  Spiegel:  Zur  Kenntnis  der  Weigert  sehen  Elastin- 
farbstoffe.  (Pharmakol.  Institut  zu  Berlin.) 

Die  Ausführungen  müssen,  da  die  chemischen  Formeln  hier  nicht 
wiedergegeben  werden  können,  im  Originale  nachgelesen  werden. 

4)  J.  Tr  aut  wein:  Zur  Frage  des  Galopprhythmus  und  der 
Heinisystolie. 

Klinische  Studien  und  theoretische  Erwägungen  über  das  im 
Titel  angegebene  Thema. 

5)  H.  D  ü  r  c  k:  Ueber  eine  neue  Art  von  Fasern  im  Bindegewebe 
und  in  der  Blutgefässwand.  (Pathol.  Institut  in  München.) 

Mit  der  letzten  Weigert  sehen  Markscheidenfärbung  hat 
D  ü  r  c  k  besondere  Fasern  dargestellt,  die  sich  bei  dieser  Methode 
intensiv  färben.  Im  Bindegewebe  fanden  sich  schwarzblau  gefärbte 
Fasern,  die  sich  durch  ihren  gradlinigen  Verlauf  und  ihre  starre, 
schweinsborstenähnliche  Beschaffenheit  auszeichneten.  Anastomosen 
wurden  nicht  beobachtet.  In  den  Arterien  konnte  der  Verfasser  mit 
dieser  Methode  ferner  eine  longitudinale  Elastika  nachweisen,  die 
dicht  unter  dem  Endothelrohr  befindlich  ist.  Ferner  treten  an  mitt¬ 
leren  und  grösseren  Arterien  und  Venen  gradlinige  Fasern  in  die  Er¬ 
scheinung,  die  radiär  die  ganze  Media  durchsetzen  und  von  der 
Elastica  interna  zur  Elastica  externa  ziehen.  Besonders  wertvoll 
scheint  die  Methode  zu  sein  für  Untersuchungen  über  die  Sklerose 
der  Gefässe. 

6)  Th.  Langhans:  Ueber  die  epithelialen  Formen  der 

malignen  Struma.  (Fortsetzung  folgt  in  nächsten  Hefte.) 

Schridde  -  Freiburg. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  26.  Band, 
1.  Heft.  1907. 

1)  Uhlenhuth  und  H  a  e  n  d  e  I  -  Berlin:  Vergleichende  Unter¬ 
suchungen  über  die  Spirochäten  der  in  Afrika,  Amerika  und  Europa 
vorkommenden  Rekurrenserkrankungen. 

Während  das  amerikanische  und  afrikanische  Rekurrens  sich  ohne 
weiteres  auf  Mäuse  und  Ratten  übertragen  liess,  gelang  dies  beim 
russischen  Stamm  erst  nach  Ueberimpfung  auf  Cercopithecus  fuli- 
ginosus.  Die  Unterschiede  zwischen  den  3  Stämmen  Hessen  sich 
morphologisch  durch  die  Bewegungen  und  Windungen  nachweisen, 
wenn  auch  allerdings  Uebergänge  Vorkommen.  In  der  Länge  zeigten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


sich  keine  durchgreifenden  Unterschiede,  dagegen  lässt  die  biologische 
Serumreaktion  die  Verschiedenheiten  deutlich  hervortreten.  Ebenso 
gelingt  es  mittels  des  Pfeifferschen  Versuches,  die  3  Arten  zu 
trennen.  Wechselseitiges  Immunisieren  gelingt  beim  amerikanischen 
und  russischen  Stamm  so  gut  wie  immer,  beim  russischen  und 
afrikanischen  in  der  Hälfte  der  Fälle  und  bei  der  amerikanischen  und 
afrikanischen  Form  gar  nicht. 

2)  Fritz  Schaudinn:  Zur  Kenntnis  der  Spirochaete  pallida 

und  anderer  Spirochäten.  Aus  dem  Nachlass  herausgegeben  von 
M.  Hart  mann  und  v.  P  r  o  w  a  z  e  k. 

Es  werden  eine  Reihe  von  interessanten  Mitteilungen  über  Spi¬ 
rochaete  plicatilis,  Spirochaete  buccalis,  Spirochäten  aus  ulzerierten 
Karzinomen,  Spirochaete  refringens  und  Spirochaete  pallida  gemacht, 
welche  Schaudinn  zum  Teil  in  Berichten  an  das  Kaiserl.  Gesund¬ 
heitsamt  niedergelegt  hatte.  Vieles  was  von  anderer  Seite  später 
ermittelt  wurde,  hatte  er  bereits  in  seinen  ersten  Aufzeichnungen 
festgelegt. 

3)  S.  v.  P  r  o  w  a  z  e  k  -  Berlin :  Vergleichende  Spirochätenunter¬ 
suchungen. 

Die  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  Spirochäten  des  Ulcus 
tropicum,  der  Stomatitisspirochäten,  der  Frambösia-,  der  Syphilisspiro¬ 
chäten  und  der  Spirochaete  lutrae.  Durch  ihre  morphologische  Struk¬ 
tur,  Flexibilität,  bandförmige  und  undulierende  Membran,  Vermeh¬ 
rungsweise  und  Ruhestadien  sind  'die  Spirochäten  von  den  Bakterien 
zu  unterscheiden  und  den  Protozoen  zuzurechnen.  Die  Frambösia- 
spirochäte  liess  sich  von  der  Syphilisspirochäte  durch  ihre  grössere 
Dicke,  unregelmässigere  Windungen,  hacken-  und  ösenförmig  ge¬ 
bogene  Enden,  seltenere  geisselartige  Anhänge  und  deutlichere  Längs¬ 
teilung  unterscheiden. 

4)  S.  v.  P  r  o  w  a  z  e  k  -  Berlin:  Untersuchungen  über  Hämo- 
gregarinen. 

Feststellung  der  verschiedenen  Entwicklungsstadien  im  Blut  des 
Gecko  (P.latydactylus  guttatus). 

5)  Ludwig  Halberstädter  und  S.  v.  P  r  o  w  a  z  e  k  -  Berlin : 
Untersuchungen  über  die  Malariaparasiten  der  Affen. 

Als  neue  Spezies  von  Malariaparasiten  stellten  die  Verfasser 
das  Plasmodium  pitheci  des  Orang-Utangs  und  ein  Plas¬ 
modium  der  Makaken  (Plasmodium  i  n  u  i)  auf.  Der  Orang- 
Utang-Parasit  ist  von  menschlichen  Malariaparasiten  dadurch  unter¬ 
schieden,  dass  die  jüngsten  Formen  den  Tropikaringen,  die  Ge¬ 
schlechtsformen  den  Quartanaparasiten  in  Bezug  auf  Pigmentierung 
und  äussere  Gestalt  gleichen,  die  Schizogonie  findet  nach  dem  Typus 
der  Tertiana  statt.  Das  Plasmodium  in  ui  ist  dem  Plasmodium 
pitheci  sehr  ähnlich.  Das  Protoplasma  färbt  sich  weniger  intensiv 
und  es  tritt  zahlreiches  gelbes,  zartes  Pigment  auf.  Tüpfelung  war 
nie  zu  beobachten. 

6)  Ludwig  Halber  Städter  und  S.  von  Prowazek- 
Berlin:  Ueber  Zelleinschlüsse  parasitärer  Natur  beim  Trachom. 

Man  fand  beim  Trachom  sowohl  beim  Menschen  wie  beim  Orang- 
Utang  besonders  in  frischen  Fällen  Zelleinschlüsse  innerhalb  der 
Epithelzellen,  die  allmählig  grösser  werden  und  in  denen  später  feine, 
rot  färbbare  Körnchen  auftreten,  die  sich  schnell  vermehren,  und  die 
blau  färbbaren  Protoplasmamassen  zum  Verschwinden  bringen. 
Prowazek  stellt  diese  Zelleinschliisse  in  nahe  Beziehungen  zu  den 
Initialkörperchen  der  Vakzine.  Als  Erreger  des  Trachoms  möchten 
die  Verf.  die  neugefundenen  Zelleinschliisse,  bevor  weitere  Studien 
vorliegen,  noch  nicht  definitiv  ansprechen.  Da  sie  wohl  nicht  zu 
den  Protozoen  zu  rechnen  sind,  schlägt  Prowazek  vor,  sie  in 
eine  neue  Gruppe  „Chlamyodozoen“  einzureihen. 

7)  Ludwig  H  a  1  b  e  r  s  t  ä  d  te  r  -Breslau:  Weitere  Unter¬ 
suchungen  über  Framboesia  tropica  an  Affen. 

Bei  weiteren  Uebertragungsversuchen  der  Frambösie  auf  Affen 
fanden  sich  Merkmale,  die  doch  die  Frambösie  von  der  Syphilis 
unterscheiden  lassen.  Abgesehen  von  der  Verschiedenheit  der  Fram- 
bösie-Spirochäten  sind  die  Primärläsionen  verschieden.  Lokale 
Rezidive  sind  bei  niederen  Affen  häufiger  als  bei  Lues.  Mit  Fram¬ 
bösie  geimpfte  Tiere  lassen  sich  später  noch  mit  Lues  impfen. 

8)  S.  v.  P  r  o  w  a  z  e  k  -  Berlin:  Untersuchungen  über  die 
Vakzine  III. 

9)  X  y  1  a  n  d  e  r  -  Berlin:  Versuche  mit  einem  neuen  Formalin¬ 
desinfektionsverfahren  „Autanverfahren“. 

Es  wurde  festgestellt,  dass  durch  die  Desinfektion  mit  A  u  t  a  n, 
allerdings  nur,  wenn  mehr  von  dem  Mittel  benützt,  als  die  ursprüng¬ 
liche  Vorschrift  besagt,  offen  ausliegende,  an  Stoff  angetrocknete 
Bakterien  sicher  abgetötet  werden.  Eine  Tiefenwirkung  konnte  aller¬ 
dings  auch  nicht  erzielt  werden.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg. 

Soziale  Medizin  und  Hygiene  (vormals:  Monatsschrift 
für  soziale  Medizin).  Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 
II.  Bd.  6.  Heft.  Juni  1907. 

L  o  c  h  t  e  -  Göttingen:  Beitrag  zur  amtsärztlichen  Beurteilung 
neurasthenischer  Zustände,  insbesondere  der  Alkoholneurasthenie. 

(Schluss  folgt.) 

W  e  1  g  e  -  Hamburg:  Nutzbarmachung  militärärztlicher  Unter¬ 
suchungen  für  die  Durchführung  der  vorbeugenden  Krankenpflege  und 
der  Heilbehandlung. 

Um  die  bei  den  militärärztlichen  Untersuchungen  der  Gestel¬ 
lungspflichtigen  oder  Einberufenen  gemachten  Wahrnehmungen  für 


No.  30. 

die  Durchführung  der  vorbeugenden  Krankenpflege  und  der  Heilbe¬ 
handlung  nutzbar  zu  machen,  ist  neuerdings  veranlasst  worden, 
militärischerseits  solche  Leute,  für  die  eine  Heilbehandlung  oder  ein 
Eingreifen  zur  Verhütung  von  Krankheiten  in  Frage  kommt,  der  Ver¬ 
waltungsbehörde  namhaft  zu  machen.  Von  dieser  Stelle  aus  werden 
dann  die  Versicherungsanstalten  resp.  die  Krankenkassen  in  Kenntnis 
gesetzt,  oder  der  Kommunalverband,  die  Armenbehörde  oder  andere 
Organe  der  Wohltätigkeit  angerufen.  Unter  Umständen  wird  auch 
die  Familie  verständigt.  Man  hofft  auf  diese  Weise  namentlich  eine 
Reihe  von  Personen  mit  beginnender  Tuberkulose  der  Heilbehandlung 
zuführen  zu  können.  Auch  auf  dem  Gebiet  der  Nerven-,  der  Ohren-, 
der  Augenkrankheiten,  die  zuweilen  dem  Befallenen  selbst  verborgen 
sind,  kann  so  durch  rechtzeitige  Massnahmen  Manches  verhütet 
werden. 

W.  Friedrich'  und  J  u  r  k  i  n  y  -  Ofen-Pest:  Statistischer  Bei¬ 
trag  zur  Frage  der  Tuberkulose  in  Grossstädten  und  bei  Arbeitern. 

(Schluss.) 

Die  Betrachtung  der  allgemeinen  Sterblichkeitsziffern  und  der 
Sterblichkeitsziffern  für  Tuberkulose  der  Städte  Brüssel,  London. 
Paris,  Berlin,  Wien,  Ofen-Pest,  Kopenhagen,  Belfast,  St.  Petersburg 
und  Philadelphia  im  Zeitraum  1892 — 1903  führt  zu  folgenden  Ergeb¬ 
nissen:  Der  allgemeine  Sterblichkeitskoeffizient  zeigt  eine  stetige 
und  gleichmässige  Abnahme.  Gleichzeitig  mit  der  Zunahme  der  Be¬ 
völkerung  ist  die  Tuberkulosemortalität  in  Brüssel,  London,  Berlin, 
Wien,  Kopenhagen,  St.  Petersburg  zurückgegangen,  während  die 
anderen  Städte  eine  Vermehrung  der  Mortalität  aufweisen.  Eine 
erhebliche  Verschlechterung  der  Tuberkulosesterblichkeit  zeigt  Paris. 
In  Ofen-Pest  hat  sich  die  Sterblichkeit  an  Tuberkulose  von  42,6  im 
Jahre  1892  auf  33,4  im  Jahre  1903  (auf  10  000  Einwohner  berechnet) 
verringert.  Dabei  ergibt  sich,  dass  die  Arbeiterklasse  eine  weit 
höhere  Sterblichkeit  aufweist  als  der  Durchschnitt  der  Gesamt¬ 
bevölkerung  und  dass  diese  Tatsache  in  den  letzten  Jahren  sich 
immer  deutlicher  ausprägte.  Nach  einer  mehrjährigen  Statistik  der 
Ofen-Pester  Bezirkskrankenkasse  sind  es  besonders  die  Buchdrucker 
und  die  dem  Staub  ausgesetzten  Arbeiter  der  Leder-,  Tuch-  und 
Bekleidungsindustrie,  die  auch  die  höchsten  Erkrankungsziffern  an 
Tuberkulose  besitzen. 

S.  Freud -Wien:  Zur  sexuellen  Aufklärung  der  Kinder. 

Offener  Brief  an  Dr.  M.  F  ii  r  s  t,  in  dem  der  bekannte  Neurologe 
unter  Hinweis  auf  die  Tatsache,  dass  die  meisten  Kinder  sexuelle 
Empfindungen  vor  der  Pubertät  besitzen  und  die  sexuelle  Wiss¬ 
begierde  sich  schon  früh  äussert,  für  eine  zeitige  sexuelle  Auf¬ 
klärung  eintritt.  Es  wäre  Sache  der  Schule,  beim  Unterricht  über 
die  Tierwelt  die  Tatsachen  der  Fortpflanzung  zu  erwähnen:  der 
weitere  Schritt,  die  Aufklärung  über  die  spezifisch  menschlichen  Ver¬ 
hältnisse  des  Geschlechtslebens  hätte  dann  am  Schluss  der  Volks¬ 
schule  —  also  noch  vor  dem  10.  Jahre  —  zu  erfolgen.  Der  Zeit¬ 
punkt  der  Konfirmation  sollte  schliesslich  gewählt  werden,  um  dem 
Kind  die  sittlichen  Verpflichtungen,  welche  an  die  Ausübung  des 
Triebes  geknüpft  sind,  darzulegen.  F.  P  e  r  u  t  z  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  28. 

1)  G  o  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r  -  Berlin :  Zur  Schwellenwertsperkussion 
des  Herzens. 

Siehe  Referat  über  den  Kongress  für  innere  Medizin,  1907, 
Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  20,  S.  1007. 

2)  Jul.  Friedländer  und  E.  v.  M  e  y  e  r  -  Frankfurt:  Zur 
Lehre  vom  Roseschen  Kopftetanus. 

Besprechung  eines  Falles:  23jähr.  Fuhrmann  stürzt  mit  dem 
Gesicht  auf  die  Landstrasse.  Rissquetschwunden  am  Auge.  Am 
6.  Tag  Trismus;  ferner  Fazialislähmung  (peripherische),  komplette 
Okulomotorius-,  Abduzens-  und  vielleicht  auch  Trochlearislähmung 
der  verletzten  Seite;  Schlingkrämpfe  (Tetanus  hydrophobicoides); 
frei  blieb  die  Muskulatur  des  Nackens,  Rückens,  an  Bauch  und  Ex¬ 
tremitäten.  Starke  krankseitige  Salivation,  welche  Verf.  als  Reflex¬ 
wirkung  von  den  Kaumuskeln  ans  ansehen;  Tod  am  18.  Tag,  trotz 
Serum. 

3)  F.  K  a  r  e  w  s  k  i  -  Berlin :  Zur  Frage  der  Behandlung  von  Rup¬ 
turen  des  Quadriceps  femoris. 

Fall:  67  jähr.  Herr,  Zerreissung  des  gesamten  Streckapparats. 
Operation  wegen  schlechten  Allgemeinbefindens  nicht  ratsam;  An¬ 
legung  j.e  eines  ober-  und  unterhalb  des  Kniegelenks  (maulkorb¬ 
artig)  angreifenden  Geflechtes  aus  Heftpflasterstreifen,  welche  durch 
regulierbare  Mittelstücke  aus  starkem  Gummi  gegen  einander  gezogen 
werden.  Nach  4  Wochen  Gehfähigkeit,  nach  8  Wochen  fast  volle 
Funktion. 

4)  W.  B  ö  c  k  e  r  -  Berlin:  Ueber  paralytische  Luxationen  der 
Hüfte,  ihre  Entstehung  und  Behandlung.  (Schluss  folgt.) 

5)  K  e  i  m  e  r  -  Düsseldorf :  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  akuten 
Osteomyelitis  der  flachen  Schädelknochen. 

Fall:  13 jähr.  Mädchen,  Phlegmone  des  Zellgewebes  der  Orbita, 
Osteomyelitis  des  Stirn-  und  Scheitelbeins.  Nebenhöhlen  frei;  Aus¬ 
gangspunkt  offenbar  ein  Hordeolum  des  oberen  Augenlides,  Heilung 
nach  breiter  Eröffnung. 

6)  Hugo  N  e  u  h  ä  u  s  e  r  -  Berlin:  Ueber  Blutungen  nach  Nephro¬ 
lithotomie. 

Unter  131  Fällen  von  Nephrolithotomie  erlebte  Israel  12  Nach¬ 
blutungen.  Sie  setzten  entweder  gleich  mit  der  Operation  ein  und 
dauerten  nach  primärem  Verschluss  der  Wunde  fort,  oder  es  han- 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1497 


delte  sich  um  die  ätiologisch  oft  unklaren  Spätblutungen,  welche  z,u 
einer  Zeit  auftraten,  da  der  Urin  bereits  wieder  völlig  klar  war.  N. 
empfiehlt,  mit  der  Tamponade  der  Niere  bei  stärkerer  Blutung  nicht 
zu  lange  zu  warten;  bei  einer  Hämophilen  war  sekundäre  Nephrek¬ 
tomie  notwendig. 

7) 0.  Scherber  -  Wien:  Zur  Klinik  und  Aetiologie  der  nekro¬ 
tisierenden  Stomatitisformen. 

Mehrere  Fälle:  a)  anatomischer  Befund  der  Leukämie.  Die  im 
Anschluss  an  Stomatitis  mercurialis  aufgetretenen  tiefgreifenden  Ge¬ 
schwüre  vermittelten  die  Diagnose  einer  Stern  bergschen 
Lymphosarkomatose.  Tödliche  Allgemeininfektion  durch  den 
Bacillus  pneumoniae  Friedländer,  der  anscheinend  von  den  Ge¬ 
schwüren  aus  in  die  Blutbahn  gelangte,  b)  Fall  von  Noma:  in 
Levaditipräparaten  finden  sich  zahlreiche  leicht  gebogene,  gramposi¬ 
tive  Bakterien  und  zarte  Spirochäten,  c)  Stomatitis  ulcerosa  nach 
irrtümlicher  Injektion  einer  grösseren  Menge  von  Ammoniak  ins 
Rektum.  —  Bemerkungen  zur  Stomatitis  mercurialis:  we¬ 
sentliche  Rolle  von  Bakterien  beim  Zustandekommen  der  Geschwüre; 
Beobachtung  von  Salivation  ohne  Veränderungen  der  Mundschleim¬ 
haut,  also  durch  direkte  Einwirkung  des  Quecksilbers  auf  die  Spei¬ 
cheldrüsen  erklärlich;  therapeutische  Ueberlegenheit  des  Wasser¬ 
stoffsuperoxyds  bei  fast  allen  Stomatitiden. 

8)  B.  Bosse- Berlin:  Die  Lumbalanästhesie  in  ihrer  augen¬ 
blicklichen  Gestalt. 

Sammelreferat  (Schluss). 

9)  Boethke-  Berlin:  Das  Krankenhaus  djer  kleinen  Städte. 
(Fortsetzung.)  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 


Oesterreichische  Literatur. 


Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  28.  O.  Stoerk-Wien:  Ueber  experimentelle  Leber¬ 
zirrhose  auf  tuberkulöser  Basis.  .  . 

Nach  Sts.  Untersuchungen  an  120  Meerschweinchen  sind  die 
mehrfach  beschriebenen  zirrhotischen  Leberveränderungen  eine  ge¬ 
radezu  gesetzmässige  Erscheinung  bei  tuberkulöser  Infektion.  Im 
wesentlichen  beginnen  sie  mit  einer  spezifischen  Epitheloidzellen- 
wucherung  im  Bereich  der  letzten  Pfortaderverzweigungen  in  der 
Leber  daran  schliesst  sich  dann  die  Bindegewebsbildung  und  eine 
oft  äüsserst  lebhafte  Zellproliferation  und  Metamorphose  an  den 
kleinen  Gallengängen,  schliesslich  die  Obliteration  der  Pfortader  - 
zweige.  Auf  die  nähere  Histologie  und  die  Analogien  zu  dei  mensch¬ 
lichen  biliären  Zirrhose  lässt  sich  hier  nicht  weiter  eingehen. 


N.  Jagic-Wien:  Ueber  tuberkulöse  Leberzirrhose. 

Anknüpfend  an  S  t  o  e  r  k  s  vorstehende  Befunde  betont  J.  das 
Vorkommen  zirrhotischer  Veränderungen  der  Leber  auch  bei  der 
menschlichen  Tuberkulose  mit  Anführung  einer  Krankengeschichte. 
Ihr  Verlauf  ist  ein  latenter,  sie  tritt  hinter  den  anderen  tuberkulösen 
Erscheinungen,  speziell  der  Peritonitis  zurück.  Auch  fehlen  ihr  die 
cholangitischen  Schmerzanfälle  und  Ikterus,  wie  sie  der  Lebei  Zirrhose 


der  Alkoholiker  zukommen. 

J.  Bartel-Wien:  Ueber  chronisch  entzündliche  Verände¬ 
rungen  in  Organgeweben  bei  Experimentaltuberkulose. 

Die  von  S  t  o  e  r  k  beschriebenen  Leberveränderungen  haben 
eine  Analogie  in  chronischen  bindegewebigen  zur  Ausheilung  neigen¬ 
den  Entzündungen  der  Lvmphdrüsen  wie  auch  der  Lungen,  wobei  die 
spezifisch  tuberkulöse  Granulationswucherung,  Tuberkelbildung  und 
Nekrose  ganz  in  den  Hintergrund  treten. 

A.  Neu  mann -Wien:  Ueber  ultramikroskopische  Blutunter¬ 
suchungen  zur  Zeit  der  Fettresorption  bei  Gesunden  und  Kranken. 

N.  hat  im  weiteren  Verfolg  seiner  Untersuchungen  die  Phasen 
der  Fettresorption  an  Gesunden  und  Kranken  durch  Feststellung  der 
Menge  der  ultramikroskopischen  Fettteilchen  beobachtet.  Im  all¬ 
gemeinen  ist  2 'Stunden  nach  der  Aufnahme  fetthaltiger  Nahrung  des 
Maximum  der  Zahl  jener  Körperchen  im  Blute  erreicht.  Möglichei - 
weise  bildet  diese  Untersuchungsmethode  zumal  bei  motorischen 
Störungen  des  Magens  und.  Störungen  in  der  Darmverdauung  auch 
praktisch  verwertbare  Aufschlüsse. 

Wagner  von  J  a  u  r  e  g  g  -  Wien :  Gutachten  der  Wiener 
medizinischen  Fakultät,  Gewohnheitsdiebstahl;  wiederholt  erfolg¬ 
reich  durchgeführte  Simulation  von  Geistesstörung. 

Bemerkenswert  ist  an  dem  in  der  Ueberschrift  gekennzeichneten 
Fall  von  Simulation  („epileptische  Verblödung“)  der  Erfolg,  den  der 
ziemlich  plumpe  Schwindel  bei  einigen  Gutachtern  hatte,  während 
er  von  den  meisten  ohne  weiteres  durchschaut  wurde. 


Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  22/23.  P.  B  a  d  e  -  Hannover:  Ein  neues  blutiges  Operations¬ 
verfahren  bei  schweren  angeborenen  Klumpfüssen. 

Das  Verfahren  will  einerseits  die  Erfolge  des  unblutigen  Redres¬ 
sements  in  kürzerer  Zeit,  anderseits  mit  möglichster  Vermeidung  von 
Verkürzungen  Hautnekrosen  erzielen.  Es  steht  sozusagen  als  blu¬ 
tiges  Redressement  zwischen  den  bisherigen  Verfahren,  und  ist  im 
wesentlichen  eine  energische  direkte  Modellierung  und  Verlagerung 
—  mit  Hilfe  eines  eigenen  Instrumentes  —  an  den  durch  einen  Haut- 
und  Periostschnitt  freigelegten  Knochen,  wo  nötig  verbunden  mit 
Tenotomie. 


No.  23.  R.  N  e  u  r  a  t  h  -  Wien:  Mongolismus  mit  myxödemähn¬ 
lichen  Symptomen  kombiniert.  (Kasuistische  Mitteilung.) 

No.  24.  A.  Weiss-Wien:  Ein  neuer  Katheter-  und  Zystoskop- 
Sterilisator 

Die  Instrumente  werden  in  dem  Glaszylinder  des  Apparates  erst 
durch  3 — 6  Stunden  Autandämpfen  ausgesetzt;  dann  wird  ein  Ge¬ 
misch  von  Chlorkaliuni  und  Ammonium  eingeführt,  von  dem  ersteres 
das  tiberschiis-sige  Kondenswasser  absorbiert,  letzteres  den  über¬ 
schüssigen  Formaldehyd  binden  soll.  Die  Erfolge  sind  sehr  be¬ 
friedigend. 

No.  26.  R.  Volk- Wien:  Zur  Atoxylbehandlung  der  Lues. 

V.s  Erfahrung  erstreckt  sich  auf  über  1000  Injektionen  an  50 
Kranken  verschiedener  Luesformen.  Unangenehme  Nebenerschei¬ 
nungen  sah  er  auch  bei  energischem  Gebrauch  nicht,  immerhin 
empfiehlt  sich  eine  genaue  Ueberwachung  der  Kranken.  Im  ganzen 
lässt  V.  das  Mittel  nur  als  Adjuvans  in  der  Syphilistherapie  gelten, 
auch  zur  Lokalbehandlung  der  Initialaffekte  und  Inguinalbubonen.  Die 
Exantheme,  auch  hartnäckige,  gehen  bisweilen  erst  auf  Atoxyl  zurück, 
aber  fast-  stets  musste  V.  doch  noch  zu  Hg  greifen.  Bei  der  Behand¬ 
lung  mit  Atoxyl  scheine  besonders  häufig  Palmarsyphilis  aufzutreten 
(Prädilektionsstelle  der  Arsendermatosen?).  Die  äüsserst  günstigen 
neueren  Urteile  über  das  Atoxyl  scheinen  auf  einer  zu  kurzen  Beob¬ 
achtung  zu  beruhen. 

No.  27.  M.  K  o  s  -  Przemysl :  Tenonitis  suppurativa. 

Beschreibung  zweier  Fälle  mit  auffallend  günstigem  Ablauf  ohne 
Schädigung  des  Auges,  in  dem  einen  Fall  spontaner  Durchbruch,  in 
dem  andern  Eröffnung  des  Abszesses. 

No.  26/28.  M.  Weil- Wien:  Bemerkungen  über  die  Anwendung 
der  Saugtherapie  bei  Naseneiterungen. 

Bisher  ist  von  ungünstigen  Erfahrungen  bei  den  sicher  nur  in 
kleinerer  Zahl  gemachten  Versuchen  nichts  bekannt  geworden.  Nach 
praktischen  Erfahrungen  und  experimentellen  Beobachtungen  hält 
Verfasser  aber  die  Gefahr,  dass  bei  der  Ansaugung  eine  In¬ 
fektion  von  bisher  gesunden  Nebenhöhlen  gesetzt  wird,  für  nicht  ge¬ 
ring,  besonders  die  Gefahr  einer  sekundären  Otitis  media.  Nament¬ 
lich  bei  akuten  Naseneiterungen  glaubt  er  zu  grosser  Vorsicht  bei 
der  Anwendung  der  doch  noch  problematischen  Saugtherapie  warnen 
zu  müssen.  Deshalb  erblickt  er  auch  in  den  neueren,  eine  möglichst 
ausgiebige  Saugwirkung  anstrebenden  Apparaten  (Leu  wer)  keinen 
Fortschritt. 

No.  28.  C.  v.  Pirquet:  Die  Allergieprobe  zur  Diagnose  der 
Tuberkulose  im  Kindesalter. 

Verf.  hat  an  360  Kindern  vom  Säuglingsalter  bis  zu  14  Jahren 
Hautimpfungen  mit  dem  Koch  sehen  'Alttuberkulin  (mit  1  J  eil  5  pro- 
zentigem  Karbolglyzerin  und  2  Teilen  physiologischer  Kochsalzlösung) 
dur'chgeführt.  (Die  genauere  Methodik  vergl.  im  Original.)  Wie  bei 
der  Revakzination  entsteht  beim  Tuberkulösen  bei  Impfung  mit 
Tuberkulin  als  Ausdruck  der  durch  die  früher  erfolgte  Infektion  ver¬ 
änderten  Reaktion  („Allergie“)  eine  eigenartige  Frühreaktion,  auf 
welchem  Prinzip  ja  auch  die  Reaktion  bei  der  Tuberkulininjektion  be¬ 
ruht.  Die  allergische  Reaktion  bei  P.s  Impfung  erfolgt  nun  inner¬ 
halb  eines  oder  zweier  Tage  ohne  Fieber  nur  in  Form  einer  flachen 
Papel,  eventuell  mit  Urtikaria  oder  Bläschenbildung.  Bei  700 
Impfungen  fanden  sich  nur  3  Ausnahmen.  Bei  Skrofulöse,  Knochen- 
und  Gelenkstuberkulose  ist  die  Reaktion  meist  lebhafter,  ebenso  ist 
sie  bei  wiederholter  Impfung  lebhafter.  In  den  klinisch  manifesten 
Fällen  war  sie  immer  positiv,  bei  den  letzten  Stadien  der  Miliar¬ 
tuberkulose  und  der  Meningitis  fehlte  die  Reaktion  nach  der  Impfung, 
ebenso  wie  in  diesen  Fällen  die  Tuberkulinreaktion  reaktionslos 
ertragen  wird.  Wieweit  die  .  Reaktion  ein  wirklich  verlässiges  dia¬ 
gnostisches  Zeichen,  event.  auch  bei  Erwachsenen,  bildet,  ist  noch 
weiter  zu  verfolgen.  Vielleicht  können  methodische  wiederholte 
Impfungen  die  rechtzeitige  Erkennung  der  Frühstadien  und  der  Ent¬ 
stehung  der  Tuberkulose  ermöglichen.  Jedenfalls  stellt  die  Impfung 
eine  bequemere  und  ungefährlichere  Methode  dar,  als  die  Tuber¬ 
kulininjektion. 

No.  28.  N.  Jagic-Wien:  Ueber  negativen  Leberpuls. 

Krankengeschichte  und  Sektionsbefund  eines  Falles.  Das  Phä¬ 
nomen  des  negativen  Leberpulses  findet  seine  Erklärung  in  der  Kom¬ 
bination  eines  offengebliebenen  Foramen  ovale  mit  der  totalen  Ver¬ 
wachsung  des  Herzens  mit  dem  Herzbeutel. 

*  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Französische  Literatur. 

Leon  Lortat-Jacob:  Bemerkungen  über  die  chlorarme 
Diät  bei  der  Epilepsie  des  Kindes.  (Revue  de  medecine,  Januar  1907.) 

In  Anschluss  an  einen  2  Jahre  hindurch  beobachteten  und  zur 
Heilung  gekommenen  Fall,  der  ein  6  jähriges  Mädchen  betraf,  bespricht 
Verfasser  die  grossen  Vorteile  dieser  Therapie  der  Epilepsie,  bei 
welcher  keineswegs  eine  Erhöhung  der  Bromdosen  sich  als  notwendig 
erwies  und  als  besonders  günstige  Nebenwirkung  bedeutende  Zunahme 
des  Körpergewichts  eintrat.  Die  Einschränkung  der  Kochsalzzufuhr 
konnte  ferner  2  Jahre  hindurch  ohne  irgend  welche  schädliche  Neben¬ 
wirkung  ertragen  werden  und  brachte  die  Anfälle  völlig  zum  Ver¬ 
schwinden,  während  die  frühere  Behandlung  mit  hohen  Bromdosen 
allein  usw.  ohne  irgend  welchen  Erfolg  geblieben  war.  Lortat- 
Jacob  beobachtete  ferner  weder  in  diesem  noch  in  anderen  nach 
dieser  Methode  behandelten  Fällen  Erscheinungen  von  Brom-Ver- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


giftung  oder  von  irgend  welcher  Geistesstörung,  die  von  manchen 
Seiten  angegeben  wurden.  Er  zieht  sogar  den  weiteren  Schluss,  dass 
die  Darreichung  von  Brom  (in  kleinen  Dosen)  in  Gemeinschaft  mit 
chlorarmer  Diät  in  manchen  Fällen,  wo  man  nur  eine  Zunahme  des 
Körpergewichtes  erzielen  will,  mit  Vorteil  angewandt  werden  kann. 

S  e  z  a  r  y  -  Paris:  4  Fälle  von  Adipositas  dolorosa  (Derkum¬ 
scher  Krankheit.  (Ibidem.) 

S.  scheint  es,  als  wenn  diese  Krankheit  nicht  so  selten  wäre, 
als  allgemein  angenommen  wird.  Seine  4  Fälle  betrafen  sämtlich 
weibliche  Patientinnen  tim  Alter  von  47,  68,  82  und  57  Jahren  und 
zeigten  die  bekannten  Hauptsymptome  der  Krankheit:  mehr  oder 
weniger  allgemeine  Adipositas,  Schmerzen  (spontan  und  bei  Be¬ 
rührung),  algemeine  Schwäche,  psychische  Störungen  und  ver¬ 
schiedenartige  Hämorrhagien.  Klinisch  tritt  zuweilen  das  eine  oder 
andere  der  Symptome  ausgeprägter  hervor.  Die  Zunahme  des  Körper¬ 
volumens  geschieht  gleichsam  stossweise;  die  Schwäche  war  bei 
dreien  der  Kranken  so  hochgradig,  dass  sie  sich  nicht  bewegen 
konnten. 

Rene  Leriche:  Die  Fernresultate  der  wegen  Karzinom  vor- 
genommenen  Magenresektion.  (Revue  de  medecine,  Februar  1907.) 

Verfasser  unterzog  sich  der  mühsamen  Aufgabe,  in  der  Literatur 
eine  genaue  Aufstellung  über  das  spätere  Schicksal  der  wegen  Magen¬ 
karzinom  Operierten  zu  finden.  Es  verbleiben  94,  welche  3  Jahre 
ohne  Rezidive  geblieben  sind;  von  diesen  bekamen  nach  3 — 5  Jahren 
5  noch  Rezidive,  so  dass  als  definitiv  geheilt  89  anzusehen  sind.  Von 
diesen  datiert  der  älteste  Fall  16  Jahre  und  3  Monate,  5  wenigstens 
10  Jahre  und  34  andere  5 — 10  Jahre  zurück.  (Wie  gross  die  Anzahl 
der  überhaupt  operierten  Fälle  ist,  wird  nicht  angegeben,  jedoch  als 
Endergebnis  anderer  Autoren,  dass  die  Dauerheilung  etwa  20  Proz. 
der  Fälle  betrifft.  Ref.)  Die  Dauerheilungen  verteilen  sich  in  ziemlich 
gleichartiger  Weise  auf  die  verschiedenen  Geschwulstformen  und  es 
ist  keine  histologische  Gruppe  hervorzuheben,  die  besondere  Neigung 
zu  Rezidive  hätte.  Kurz,  das  Lokalbefinden  der  Operierten  ist  ein 
ausgezeichnetes  und,  trotzdem  bei  einigen  eine  geringe  Eventration 
vorhanden  ist,  die  Heilung  bezüglich  des  funktionellen  Resultates  eine 
definitive.  In  Anbetracht  dieser  Erfolge  und  der  ständigen,  progres¬ 
siven  Abnahme  der  Mortalität  sollte  als  Grundlage  aufgestellt  werden, 
dass  jede  Magenneubildung  entfernt  werden  muss,  wenn  sie  ana¬ 
tomisch  zu  exstirpieren  und  die  Kachexie  des  Patienten  nicht  zu  weit 
vorgeschritten  ist.  Es  gibt  also  nur  eine  rationelle  und  zwar  die 
chirurgische  Behandlung  des  Magenkrebses,  die  sofort  indiziert  ist, 
sobald  man  eine  Neubildung  vermutet.  Ist  die  Kachexie  schon  sehr 
weit  vorgeschritten,  so  kann  immer  noch  mit  Vorteil  die  Operation 
in  zwei  Zeiten  ausgeführt  und  sollte  stets  den  Kranken  vorgeschlagen 
werden. 

Stef.  Z  o  g  r  a  f  i  d  i,  Arzt  der  griechischen  Marine:  Beitrag  zum 
Studium  der  Krankheitserscheinungen  bei  den  Tauchern.  (Ibid.) 

Verfasser  hatte  Gelegenheit,  260  Fälle  mit  7  Autopsien  klinisch 
zu  beobachten  und  fasst  seine  Erfahrungen  in  folgenden  Schlussätzen 
zusammen:  Die  durch  rasche  Dekompression  entstehende  Krankheit 
ist  auf  die  Anwesenheit  von  Luftblasen  im  Blut,  welche  entweder 
unmittelbar  den  Tod  oder  typische  Myelitis  (durch  Luftembolie  und 
hämorrhagische  Herde  im  Rückenmark  verursacht,  zurück¬ 
zuführen;  diese  Myelitis  bewirkt  entweder  einen  chronisch  spastischen 
Zustand  oder  in  Bälde  den  Tod.  Ersterer  entsteht  durch  narbige  Ver¬ 
änderungen  im  Rückenmark.  Der  Sauerstoff,  der  als  spezifisches  Heil¬ 
mittel  angesehen  wurde,  hat  nicht  die  auf  ihn  gesetzten  Hoffnungen 
erfüllt.  Die  einzige  rationelle  Behandlung  ist  nach  unseren  jetzigen 
Kenntnissen  die  Prophylaxe;  übrigens  hat  Z.  einer  seiner  Fälle  ge¬ 
lehrt.  dass  das  Leben  mit  Luft  im  Blute  einige  Tage  hindurch  mög¬ 
lich  ist. 

F.  Gross  und  Louis  Sencert:  Beitrag  zum  Studium  und  zur 
Behandlung  der  nicht  auf  Karzinom  beruhenden,  undurchgängigen 
OesoDhagusstrikturen.  (Revue  de  Chirurgie,  Januar  1907.) 

Die  7  Fälle  eigener  Beobachtung,  welche  Verfasser  ihrer  Arbeit 
zu  Grunde  legen,  betrafen  alle  möglichen  Fälle  von  Verengerung  der 
Speiseröhre,  wie  angeborene  (bei  einem  12  jährigen  Knaben),  spasti¬ 
sche,  durch  Narbenstriktur  verursachte;  letztere  erscheint  als  die  bei 
weitem  häufigste.  Die  direkte  Endoskopie  der  Speiseröhre  bildet 
hiebei  einen  grossen  Fortschritt  in  der  Behandlung  und  hat  vor  der 
blinden  Sondierung  (der  einfachen  indirekten  Palpation)  Vorteile*,  die 
keiner  weiteren  Erörterung  bedürfen.  Die  retrograde  Oesophago- 
skopie  wird  nach  der  festen  Ueberzeugung  der  Verfasser  ermöglichen. 

Während  die  Urtikaria  im  allgemeinen  am  4. — 9.  Tag  nach  der 
Seruminjektion  sich  einstellt,  ist  dieses  Erythema  eine  spätere  Er¬ 
scheinung,  am  8.  12.  Tag  auftretend.  Es  stellt  sich  also  dann  ein, 
wenn  der  Kranke  schon  in  voller  Diphtherierekonvaleszenz  sich  be- 
imdet.  Eines  der  Hauptmerkmale  dieser  Eruption  ist  die  rasche  Aus¬ 
breitung  und  Wiederverschwinden  der  einzelnen  Effloreszenzen. 
Ausser  dem  Fieber  sind  nur  wenig  Allgemeinerscheinungen  vorhanden 
( Abgeschlagcnheit,  zuweilen  Diarrhöe,  Appetitlosigkeit).  Die  Dauer 
i  icses  E,  \  tliems  beträgt  im  allgemeinen  2 — 5  Tage,  aber  zuweilen 
kommen  Rückfälle  (2,  sogar  3  nach  einander)  vor.  In  11  von  den 
.  _  beobachteten  Fällen  war  diese  Erythemform  auf  Urtikaria  gefolgt; 
3  mal  wurde  eine  Kombination  dieses  Erythems  mit  einem  poly¬ 
morphen  septischen  Erythem  konstatiert.  Bezüglich  der  Behandlung 
i  .iten  \  erlasset  zu  Bettruhe.  Milchdiät  und  am  Anfang  eine  leichte 
Dosis  Kalomel  (ca.  0,05).  Aber  die  wirkliche  prophylaktische  Be¬ 


handlung  dieser  Serumzufälle  sollte  darin  bestehen,  das  Impfserum 
von  allen  darin  enthaltenen  schädlichen  Stoffen  zu  befreien,  ohne  ihm 
seine  immunisierenden  Eigenschaften  zu  benehmen.  Es  wird  zwar 
daran  in  verschiedenen  Laboratomien,  besonders  in  jenem  von  Pa¬ 
villon  gearbeitet,  aber  bis  jetzt  ist  es  noch  nicht  gelungen,  ein  der¬ 
artiges  Serum  herzustellen. 

Lucien  Rivet:  Bemerkungen  über  die  Gewichts-  und  Tem¬ 
peraturkurven  bei  der  Gastroenteritis  der  Kinder.  (Revue  mensuelle 

des  maladies  de  l'enfance,  Februau  1907.) 

Diese  beiden  wichtigen  Feststellungen  geben  im  allgemeinen  ein 
Bild  von  der  Entwicklungart  der  Magendarmerkrankung  und  bis  zu 
einem  gewissen  Grad  einen  Massstab  für  den  mehr  weniger  günstigen 
Einfluss  der  Diät.  In  der  ersten  Periode  der  akuten  Erscheinungen  ist 
die  Körpertemperatur  erhöht,  das  Körpergewicht  nimmt  je  nach  der 
Nahrungsaufnahme  —  am  wenigstens  bei  Buttermilch  —  ab;  in  der 
zweiten  Periode,  wo  keine  akuten  Erscheinungen  mehr  vorhanden, 
die  Stühle  aber  noch  nicht  normal  sind,  kann  die  Abmagerung  noch 
einen  höheren  Grad  erreichen,  ja  bis  zu  einem  Zustand  völliger 
Kachexie  gelangen.  Es  kommt  dann  die  Periode  der  Rekonvaleszenz, 
welche  sehr  langsam  sich  einstellt  und  nur  allmähliche  Gewichts¬ 
zunahme  bringt.  Von  Wichtigkeit  sind  die  Beobachtungen,  welche 
Verfasser  gelegentlich  dieser  Untersuchungen  über  die  Diät  an¬ 
stellten.  Sie  fanden,  dass  die  sogen.  Wasserdiät  die  beste  Art  ist, 
um  die  akuten  Erscheinungen  zu  bekämpfen;  sind  dieselben  nach  24 
bis  48  Stunden  nicht  gefallen,  so  können  Schleimabkochungen  ihre 
sedative  Wirkung  fortsetzen.  Die  Aufnahme  der  Ernährung  mit 
Buttermilch  verursacht  fast  immer  eine  mehr  weniger  intensive 
I  empei  atui  erhöhung —  das  Buttermilchfieber,  welches  um  so  weniger 
schwer  ist,  je  später  nach  dem  akuten  Stadium  man  dieselbe  ver¬ 
wendet.  Die  IJeriode  der  Abmagerung  kann  sich  noch  lange  nach  der 
klinischen  Heilung  der  Enteritis  hinziehen  und  zuweilen  zu  Er¬ 
scheinungen  von  Pseudo-Addisonscher  Krankheit  führen.  Bei 
Krankenhausaufenthalt  muss  man  in  schweren  Fällen  immer  mit 
Sekundärinfektionen  rechnen,  die  um  so  verhängnisvoller  sind,  je 
schwächer  die  kleinen  Patienten.  Die  allmähliche  Gewichtszunahme, 
welche  die  Rekonvaleszenz  andeutet,  kann  man  mit  jeder  Art  Diät 
erzielen;  am  günstigsten  ist  die  Ernährung  an  der  Brust,  aber  in 
gewissen  Fällen  muss  man  zu  mehlhaltigen  Nahrungsmitteln  oder 
rohem  EJeisch  greifen,  die  besonders  bei  Intoleranz  gegen  Milch  von 
\  orteil  sind.  Es  gibt  nun  Fälle,  wo  es  bei  keiner  Art  Ernährung  ge¬ 
lingt,  dei*  Darmstörungen  völlig  Herr  zu  werden  oder  auch,  nachdem 
sie  nahezu  verschwunden  sind,  das  Kind  fortfährt,  abzumagern, 
kachektisch  wird,  Fieberanfälle  ohne  erkennbare  Ursache  hat.  In 
solchen  Fällen  handelt  es  sich  meist  um  Kinder  mit  hereditärer 
Krankheitsveranlagung  und  zwar,  wie  Verfasser  überzeugt  ist,  vor 
allem  zu  Tuberkulös  e. 

H.  Vincent:  Untersuchungen  über  die  anaeroben  Bakterien 
im  Wasser;  Beitrag  zum  bakteriologischen  Studium  des  Trinkwassers. 

(Annales  de  l’institut  Pasteur,  Januar  1907.) 

V.  hält  die  Untersuchung  auf  anaerobe  Bakterien  für  ein  sehr 
wichtiges  Mittel  zur  Beurteilung  der  Beschaffenheit  des  Trinkwassers. 
Eine  abnorm  grosse  Menge  von  Anaerobien  in  demselben  ist  ein 
sicheres  Zeichen  seiner  schlechten  Beschaffenheit.  Reine  Wässer  ent¬ 
halten  in  der  Tat  nur  wenige  Anaerobien  (1—2  pro  ccm  oder  noch 
weniger),  mittelmässig  reine,  ungesunde  oder  arg  verunreinigte  Ge¬ 
wässer  enthalten  eine  noch  grössere  Proportion  Anaerobien,  welche 
von  10,  20,  50  pro  ccm  auf  500,  1000,  10  000  und  noch  mehr  steigen 
kann.  Wenn  —  was  gewöhnlich  der  Fall  ist  —  die  Zahl  der  Aerobien 
jene  der  Anaerobien  um  vieles  übersteigt,  so  kann  man  daraus 
schliessen,  dass  das  untersuchte  Wasser  nur  einen  vorüber¬ 
gehenden  Aufenthalt  der  schädlichen  oder  nicht  schädlichen 
organischen  Substanzen,  die  dort  hineingelangt  sind,  deren  Zersetzung 
abei  aufgehalten  oder  beschränkt  ist,  bildet.  Wenn  —  was  seltener 
ist  —  die  Bakterienformel  umgekehrt  (anaerobischer  Index  >  1). 
so  deutet  dies  auf  einen  Herd  aktiver  organischer  Fäulnis,  wobei 
in  solchem  Wasser  die  Zersetzung  von  animalischen  oder  vege¬ 
tabilischen  Stoffen  herrühren  kann.  Die  quantitative  und  qualitative 
Bestimmung  der  in  einem  Wasser  enthaltenen  Anaerobien  sollte  daher 
einen  integrierenden  Bestandteil  der  bakteriologischen  Analyse  bilden. 
Zusammen  mit  den  gewöhnlichen  Untersuchungsmethoden  und  der 
Zählung  der  Saprophyten  und  pathogenen  Bakterien,  ebenso  wie  der 
genauen  Bestimmung  der  Kolibazillen  bildet  sie  eine  sehr  wichtige 
Stütze  bei  der  Beurteilung  des  Trinkwasserwertes 
die  untere  Oeffnung  einer  Stenose  zu  erkennen,  welche  ausgedehnte 
Gastrotomie  nicht  frei  zu  machen  imstande  war.  Wenn  die  Ocso- 
phagoskopie  und  auch  letztgenannte  Operation  nicht  zum  Ziele  führen, 
so  kommen  die  äussere  Oesophagotomie,  die  Oesophagektomie,  die 
Oesophagogastrostomie  usw.,  je  nach  der  Lage  des  Falles,  in  Be¬ 
dacht;  Verfasser  glauben,  dass  diese  letztere  immerhin  nur  in  einer 
Minderzahl  der  Fälle  sich  als  notwendig  erweisen  werden. 

Leon  Imbert,  Professor  für  klinische  Chirurgie  zu  Marseille: 
Die  Zerquetschung  der  Unterextremität,  konservative  Behandlung  oder 
Amputation?  (Revue  de  Chirurgie,  Februar  1907.) 

Soweit  es  überhaupt  möglich  ist,  bei  diesen  schweren  Ver¬ 
letzungen,  wo  beinahe  jeder  Fall  .andersartig  liegt,  allgemeine  Ge¬ 
sichtspunkte  auszugeben,  lauten  die  Schlüsse,  welche  .1.  aus  seinen 
12  selbst  beobachteten  Fällen  zu  ziehen  sich  für  berechtigt  hält, 
folgendermassen.  In  erster  Linie  ist  es  wichtig,  mit  den  sogen.  Zer- 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1499 


malm ungen  nicht  die  offenen  Komminutivfrakturen  zu  verwechseln; 
erstere  bestehen  aus  1.  multiplen  Knochen-,  2.  aus  Hautverletzungen 
und  3.  aus  solchen  der  Weichteile,  die  durch  tiefgehende  Zerreissung 
der  Muskelzwischenräume  charakterisiert  sind.  Die  Entwicklung 
dieser  Verletzungen  kann  in  vier  Perioden  eingeteilt  werden,  'deren 
jede  spezielle  Indikationen  von  seiten  des  Chirurgen  erheischt.  1.  Die 
dem  Trauma  unmittelbar  folgende  Periode  ist  durch  den  Schock  und 
selten  durch  Blutung  gekennzeichnet.  2.  Die  erste  Periode,  umfassend 
die  ersten  14  Tage,  charakterisiert  durch  hochgradige  Komplikationen 
allgemeiner  Art,  die  das  Leben  bedrohen:  Tetanus,  Gangrän,  Septi- 
kämie.  3.  die  zweite,  nun  folgende  Periode  ist  besonders  durch  Kom¬ 
plikationen  lokaler  Natur,  wie  Eiterung,  Nekrose  der  Haut  und  der 
Knochen,  charakterisiert.  4.  Die  spätere  Periode,  wobei  mangelhatte 
Konsolidation  die  Ursache  zu  Amputation  abgeben  kann.  Die  für  den 
Chirurgen  schwerwiegendste  Periode  ist  die  sub  3  genannte,  wobei 
oft  die  Frage,  ob  Amputation  oder  konservative  Behandlung,  vor¬ 
tritt.  Die  unmittelbar,  in  den  ersten  Stunden  vorzunehmende  Ampu¬ 
tation  ist  fast  stets  kontraindiziert,  ausser  in  jenen  Fällen,  wo  sie 
beinahe  schon  durch  das  Trauma  ausgefiihrt  wurde  und  sich  nur  noch 
darauf  beschränkt,  einige  Haut-  oder  Muskelbündel  zu  trennen.  Die 
sekundäre  Amputation  ist  selten  angezeigt;  sie  würde  besonders  durch 
sehr  langen  Bestand  infektiöser  Zufälle  und  den  formell  ausgedrückten 
Wunsch  des  Patienten,  möglichst  rasch  geheilt  zu  werden,  gerecht¬ 
fertigt  sein.  Die  Spätamputation  kann  noch  durch  Bildung  einer  hart¬ 
näckigen  Pseudarthrose  notwendig  werden. 

A.  Cou  velaire;  Hämorrhagien  des  Zentralnervensystems  der 
Neugeborenen  nach  Zangenentbindung.  (Annales  de  gynecologie  ei 
d’obstetrique,  Januar  1907.) 

An  der  Klinik  Baudeloque  (unter  Pinard)  wurden  213  Neu¬ 
geborene  seit  4  Jahren  autoptisch  untersucht  und  dabei  nach  einer 
speziellen  Methode  das  Zentralnervensystem  studiert.  Es  fanden  sich 
hiebei  10  Fälle  von  Blutungen  in  der  Medulla  oblongata  und  Rücken¬ 
mark,  bei  allen  diesen  war  eine  schwierige  Entbindung,  wovon  bei 
7  mit  Anlegung  der  Zange,  voransgegangen.  Es  zeigte  sich  nach  den 
sorgfältigen  Untersuchungen  des  Verfassers,  dass  diese  Hämorrhagien 
besonders  dann  beobachtet  werden,  wenn  der  Kopf  des  Fötus,  von 
der  Zange  gefasst,  gegen  irgend  einen  Widerstand,  sei  es  des 
knöchernen  oder  der  Weichteile  des  Beckens  zu  kämpfen  hat.  Meist 
sitzen  die  Hämorrhagien  in  einer  gewissen  Entfernung  von  der  Appli¬ 
kationsstelle  des  Druckes  und  zwar  besonders  im  Halsmark  und  in 
der  Medulla  oblongata.  Das  Uebermass'  des  intrakraniellen  Druckes 
'führt  dazu,  die  Drüsen  (?  Refer.)  des  Kleinhirns  in  den  Wirbelkanal 
zu  drängen;  diese  Drüsen  können,  ebenso  wie  die  benachbarten  Teile 
der  Hirnhemisphären  mit  interstitiellen  Hämorrhagien  infiltriert  sein. 
Vorher  bestanden  Gefässveränderungen,  speziell  jene  der  Heredo- 
syphilis,  scheinen  genügende  Prädisposition  zur  Bildung  einer  Rücken¬ 
marksblutung  bei  Gelegenheit  des  geringen  durch  die  Zange  hervor¬ 
gerufenen  Druckes  zu  bilden.  Die  Gehirnsubstanz  war  bei  den  recht¬ 
zeitig  geborenen  Kindern  völlig  intakt  mit  Ausnahme  eines  einzigen 
mit  Schädelfraktur  verbundenen  Falles;  hingegen  wurden  hämor¬ 
rhagische  Herde  innerhalb  des  Gehirns  in  18  Proz.  der  autoptisch 
untersuchten  Fälle  bei  schwächlichen,  vorzeitig  zur  Welt 
gekommenen  Kindern,  die  früher  oder  später  nach  einen  spontanen 
und  leichten  Geburt,  starben,  beobachtet.  Die  interessante  Arbeit  ist 
mit  einer  Anzahl  Abbildungen  des  makroskopischen  und  mikro¬ 
skopisch-histologischen  Befundes  versehen. 

Salva  Merca.de:  Die  Abszesse  der  Gebärmutter.  (Ibidem.) 

Die  Abszesse  der  Gebärmutterwand  haben  erst  in  den  letzten 
Jahren  ihren  Platz  endgültig  in  der  Gynäkologie  gefunden  und  können 
noch  immer  als  eine  seltene  Affektion  angesehen  werden.  Verfasser 
gibt  in  verdienstvoller  Weise  über  Aetiologie,  Pathogenese,  patho¬ 
logische  Anatomie  und  Diagnose  dieses  Leidens  ein  anschauliches 
Bild.  Die  Behandlung  desselben  hängt  von  dem  anatomischen  Sitz 
ab:  wenn  der  Abszess  in  der  Zervix  sitzt,  was  ausserordentlich  selten 
vorkommt  —  meist  entwickeln  sich  die  Eiterungen  im  Corpus  uteri 
—  so  genügt  einfache  Inzision  per  vaginam,  Kürettement  und  Drai¬ 
nage.  In  den  anderen  Fällen  wird  meist  Laparotomie  nötig  sein,  bei 
multiplen  Abszessen  vaginale  oder  abdominale  Hysterektomie,  wobei 
man  meist  genötigt  sein  wird,  die  Adnexe  der  kranken  Seite  abzu¬ 
tragen  oder  die  Totalexstirpation  zu  machen. 

A.  B.  Marfan  und  Henri  Lern  ai  re:  Beitrag  zum  Studium 
der  sero-toxischen  Zufälle;  das  Erythema  marginatum  aberrans. 
(Revue  mensuelle  des  maladies  de  l’enfance,  Januar  1907.) 

V.  Morax:  Augenerkrankungen  im  Verlaufe  der  Trypano- 
somiasiasis.  (Ibidem.) 

Dieselben  bieten  wegen  ihrer  Häufigkeit  und  ihres  speziellen 
Charakters  ein  sehr  grosses  Interesse.  Das  Auftreten  einer  nicht 
ulzerösen,  interstitiellen  Keratitis  kann  in  vielen  Fällen  bei  einem 
Tiere  eine  Trypanosomainfektion  vermuten  lassen.  Diese  interstitielle 
Keratitis  wird  durch  die  Proliferation  der  Trypanosomen  in  die 
Zwischenschichten  der  Kornea  hervorgerufen  und  kann  zu  voll¬ 
ständiger  Zerstörung  der  Hornhaut  führen,  aber  auch  verschwinden, 
ohne  Spuren  zu  hinterlassen.  Letztere  Entwicklung  zeigt  sich  be¬ 
sonders  bei  Tieren,  welche  eine  ziemlich  ausgesprochene  Resistenz 
gegen  die  Trypanosomainfektion  besitzen  (Ziegen),  hingegen  bei 
Hunden  tritt  der  Tod  ein,  während  die  Hornhäute  noch  völlig  undurch¬ 
sichtig  sind. 


Edmund  Ser  gen  t  und  Etienne  Ser  gen  t:  Epidemiologische 
und  prophylaktische  Studien  über  die  Malaria.  5.  Kampagne  in 
Algier  1906.  (Annales  de  l’institut  Pasteur,  Januar  und  Februar  1907.) 

Die  bekannten  Forscher  setzen  hier  ihre  früher  schon  be¬ 
gonnenen  gründlichen  Untersuchungen  über  die  Ausbreitung  der 
Malaria  in  Algier  und  deren  Bekämpfung  fort.  Auf  Einzelheiten  be¬ 
züglich  des  ersteVen  Kapitels,  das  mit  zahlreichem  Kartenmaterial 
u.  A.  m.  reich  illustriert  ist,  einzugehen,  würde  hier  zu  weit  führen 
und  sei  nur  einiges  über  die,  wie  es  scheint,  in  sehr  wirksamer  Weise 
betriebenen  prophylaktischen  Massnahmen  mitgeteilt.  Es  wurden 
10  000  Anweisungen  über  den  Schutz  gegen  die  Malaria  (4  Seiten 
Text,  4  Seiten  bildliche  Darstellungen)  veröffentlicht,  20  000  kleine 
Plakate,  welche  in  wenigen  Zeilen  Ratschläge  gegen  die  Malaria  auf 
Französisch  und  Arabisch  geben,  in  allen  Eisenbahnwaggons,  auf  den 
Bahnhöfen,  Bureaus  der  Bürgermeister,  der  Gerichte,  der  Posten  an¬ 
geschlagen,  in  5000  Fällen  für  Lehrer,  Offiziere,  Bürgermeister,  Vor¬ 
stände  der  Landwirtschaftsschulen  Vorträge  über  die  Malaria  aus¬ 
gearbeitet,  2000  grosse  Maueranschläge  mit  bildlichen  Darstellungen 
über  die  Malaria  in  den  Schulen,  einigen  Bahnhöfen  usw.  angebracht 
und  10  000  Postkarten,  welche  die  Kenntnis  über  die  Rolle  der 
Moskitos  und  die  neuen  prophylaktischen  Massnahmen  verbreiten 
sollten,  verteilt. 

A.  Marie  und  C.  Levaditi:  Die  syphilitischen  Antikörper 
im  Liquor  cerebrospinalis  der  Paralytiker  und  Tabetiker.  (Ibidem, 
Februar  1907.) 

In  Uebereinstimmung  mit  Wassermann  und  Plaut  fanden 
Verfasser  bei  Paralytikern  diese  spezifischen  Antikörper  und  zwar 
unter  39  untersuchten  Fällen  von  allgemeiner  Paralyse  26  mal 
—  73  Proz.,  unter  9  von  Tabes  6 mal  —  66  Proz.;  die  Serumreaktion 
von  17  anderen  Kranken,  wie  Melancholikern,  Epileptikern,  Idioten 
usw.  bot  stets  ein  negatives  Resultat.  Die  Entstehung  dieser  spe¬ 
zifischen  Substanzen  muss  nach  der  Verfasser  Ansicht  durch  Elemente, 
welche  an  der  Entzündung  der  Hirnhäute  beteiligt  sind,  stattfinden; 
es  handelt  sich  hiebei  um  eine  Art  Sekretion,  wie  auch  Wasser¬ 
mann  und  Plaut  annehmen.  M.  und  L.  glauben  jedoch,  dass  diese 
Sekretion  die  Leukozyten,  besonders  die  Lymphozyten  besorgen, 
während  für  W.  und  PI.  die  Nervenzentren  selbst  diese  Aufgabe  haben. 
Das  Auftreten  der  Antikörper  im  Liquor  cerebrospinalis  ist  nach  der 
beiden  Verfasser  Ansicht  bedingt  durch  das  Vorhandensein  einer  mehr 
weniger  alten  Syphilis  und  durch  die  Lokalisation  eines  intensiven 
und  prolongierten  syphilitischen  oder  parasyphilitischen  Prozesses 
in  den  Hirnhäuten.  Die  vielumstrittene  Frage  der  syphilitischen  Natur 
der  allgemeinen  Paralyse  wird  jedenfalls  durch  diese  bakteriologischen 
Untersuchungen  in  positivem  Sinne  gelöst. 

A.  Calabrese:  Zur  Behandlung  der  Tollwut  mit  Radium 
(Ibidem.) 

Im  Gegensatz  zu  Tizzoni  und  Bongiovanni  (siehe  diese 
Wochenschrift  No.  1,  S.  39)  hält  es  C.  für  wenig  aussichtsreich,  durch 
Applikation  von  Radium  auf  das  Auge  wegen  der  damit  verbundenen 
schädigenden  Wirkungen  beim  Menschen  die  Tollwut  zu  behandeln. 

Lop:  Eine  Varietät  subakuter  Leistendrüsenentzündungen, 
welche  speziell  bei  den  Bewohnern  von  Niederländisch-Indien  Vor¬ 
kommen.  (Gazette  des  höpitaux  1907,  No.  10.) 

Nach  Ansicht  Lops  handelt  es  sich  bei  dieser  Drüsenaffektion 
um  ein  ganz  spezifisches  Leiden:  denn  unter  etwa  1000  Patienten, 
welche  von  den  verschiedensten  Teilen  der  Welt  kamen,  hat  er  diese 
Drüsenentzündung  nur  bei  deutschen  und  englischen  Marinesoldaten 
beobachtet,  welche  von  Java  und  besonders  der  Ostküste  dieser 
Insel  kamen.  Der  Drüsenabszess  ist  immer  einseitig,  nimmt  meist 
ziemlich  grosse  Dimensionen  (bis  zu  einer  Kartoffel)  an,  zeigt  niemals 
Fluktuation;  sich  selbst  überlassen  kommt  er  nach  8—10  Monaten 
zur  Ausheilung.  Inzidiert  man,  wie  es  L.  in  9  von  seinen  16  Fällen 
getan  hat,  so  dauert  die  Heilung  auch  etwa  2  Monate.  Bakterio¬ 
logisch  hat  der  Eiter  immer  Streptokokken  aufgewiesen.  Die  Sanitäts¬ 
offiziere  in  den  Kolonien  müssen  diese  Varietät  von  Leistendrüsenent¬ 
zündung  kennen,  da  eine  Verwechslung  mit  Bubonenpest  immerhin 
möglich  ist  und  deren  Exklusion  zuweilen  erst  bei  genauester  Unter¬ 
suchung  gelingt.  Stern. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Berlin.  Juni  1907. 

28.  Ginsburg  Chaim-Jankel:  Aetiologie  und  Therapie  des  Caput 
obstipum  musculare. 

29.  Müller  Hans:  Ueber  das  Vorkommen  von  Herniataxie  ohne 

Sensibilitätsstörungen  bei  halbseitigen  Kleinhirnerkrankungen  und 
die  Differentialdiagnose  gegenüber  ähnlichen  hysterischen  Krank¬ 
heitsbildern.  . 

30.  Ul  1  mann  Paul:  Ueber  protrahierte  hysterische  Dammei  zu¬ 
stande.  ^  , 

31.  Peter  sen  Karl:  Das  traumatische  Mal  um  Pottn  und  seine 
Differentialdiangose  gegenüber  dem  Spätgibbus  der  traumatischen 
Spondylitis. 

Universität  Tübingen.  Juni  1907. 

10.  Ensgraber  Bernhard:  Ein  weiterer  Fall  von  Kardiolyse. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ne.  CO. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

14.  Versammlung  des  Vereins  Süddeutscher  Laryngo- 

logen  zu  Heidelberg. 

Pfingsten,  20.  Mai  1 907: 

(Offizieller  Bericht  des  Schriftführers  Dr.  Felix  Blumenfeld- 

Wiesbaden.  *) 

Den  Vorsitz  der  von  88  Mitgliedern  besuchten  Versammlung 
führte  Herr  Professor  L  i  n  d  t  -  Bern. 

Herr  Siebenmann-Basel:  Ein  Fall  von  Mitbeteiligung  der 
Schleimhaut  der  oberen  Luftwege  bei  universeller  ichthyosifornier 
Erkrankung  der  Köroeroberhäche. 

19  jähriges  Mädchen,  dessen  Mutter  an  ähnlichen  Hautverände- 
rungen  gelitten  hat,  bietet  an  der  Haut  des  Körpers  das  Bild  einer 
Ichthyosis,  jedoch  handelt  es  sich  um  keine  ganz  reine,  typische 
Form  dieser  Krankheit.  Während  die  übrigen  Schleimhäute  sich 
normal  verhalten,  finden  sich  graue  und  opake  Flecken  in  Mund, 
Rachen  und  Kehlkopf.  Die  Schleimhaut  der  Ober-  und  Unterlippe  ist 
bis  an  die  Umschlagfalte  zum  Alveolarfortsatz  hin  undurchscheinend, 
grau  verdickt  ohne  Rhagadenbildung.  Zahnfleischsaum  etwas  ge¬ 
schwellt  und  getrübt,  Wangenschleimhaut  normal.  Unterfläche  der 
Zunge  plattenartig  verdickt  mit  narbig  eingesenkten  Stellen,  die 
Zungentonsille  ist  graugelb  gefleckt.  Aehnliche  Veränderungen  an 
Gaumen,  Gaumenbögen  und  Tonsillen.  Endlich  pachydermische 
Stellen  auf  der  Spitze  der  Epiglottis,  hinteren  Larynxwand  und  beiden 
Stimmbändern. 

Die  histologische  Untersuchung  von  genannten  Orten  entnom¬ 
mener  Teile  entspricht  betreffs  der  Schleimhaut  von  Rachen,  Kehlkopf 
und  Zunge  dem  Bilde  einer  mässig  entwickelten  Pachydermie,  die 
Lippenschleimhaut  zeigt  ein  ganz  anderes  Bild  in  Bezug  auf  den  Pa¬ 
pillarkörper.  Der  grösste  Teil  der  elastischen  Fasern  ist  gequollen, 
färbt  sich  mit  van  Gieson  gelb,  nur  die  ebenfalls  gequollenen  kollo- 
genen  Fasern  färben  sich  rot,  Gefässwände  und  Membr.  propriae  der 
Schleimdrüsen  verdickt  und  hyalin  degeneriert,  letztere  selbst  atro- 
phiert;  Papillen  reichlicher,  weniger  regelmässig  angeordnet,  die 
obersten  Schichten  der  Schleimhaut  sind  verhornt. 

Diskussion:  Herr  Seifert:  Es  scheint  sich  um  einen  Misch¬ 
prozess  zwischen  Hyperkeratose  und  Sklerodermie  zu  handeln. 

Herr  Jessen  fragt  an,  ob  therapeutisch  Salizyl  verwandt  sei. 

Herr  Sieben  mann:  Schlusswort. 

Herr  Seif ert- Würzburg:  Beitrag  zu  der  Kenntis  von  den  toxi¬ 
schen  Kehlkopflähmungen. 

Diese  Lähmungen  finden  sich  recht  selten  in  der  neueren  wie 
älteren  Literatur  beschrieben.  Es  handelt  sich  um  folgenden  Fall: 
48jähr.,  kräftiger  Bauersmann  erkrankt,  nachdem  er  tagsüber  bei 
Wind,  der  ihm  den  Staub  ins  Gesicht  trieb,  mit  Kupfervitriol  be¬ 
handeltes  Getreide  gesät  hatte,  abends  an  den  Erscheinungen  einer 
akuten  Gastroenteritis.  Nach  14  Tagen  erholte  sich  der  Kranke, 
wurde  aber  von  einer  schweren  Stimmstörung  befallen.  Nach  etwa 
J  Wochen  (1.  XI.  1905)  folgender  Status:  Stimme  unrein,  heiser,  über¬ 
schlagend.  Rechtes  Stimmband  funktioniert  normal,  das  linke  steht 
in  Kadaverstellung.  Im  Uebrigen  an  Brustorganen  etc.  nichts  Ab¬ 
normes:  auch  die  tracheoskopiscbe  Untersuchung  und  die  Sondie¬ 
rung  der  Speiseröhre  ergibt  nichts  Abnormes.  Therapie:  Massage, 
Elektrizität,  später  kleine  Dosen  von  Jodkali.  Die  Prognose  wurde 
von  Beginn  an  günstig  gestellt:  tatsächlich  war  auch  am  .8.  II.  1906 
die  Stimme  wieder  vollkommen  klar.  Singen  wieder  möglich,  nur 
noch  eine  leichte  Ermüdbarkeit  vorhanden,  die  Bewegungen  des  linken 
Stimmbandes  waren  wie  die  des  gesund,  gebliebenen  rechten.  Diese 
Lähmung  beruht  fraglos  auf  einer  Qiftwirkung  des  verschluckten 
Kupferstaubes.  Eine  weitere  Gruppe  von  toxischen  Kehlkopfläh- 
mungen  entsteht  nach  Infektionskrankheiten,  bei  Diphtherie  etc.;  sie 
dürften  als  Neuritiden  angesehen  werden.  Die  Krankengeschichte 
eines  50ährigen.  sonst  gesunden  Arztes,  der  nach  einer  Influenza 
eine  Rekurrenslähmung  bekam,  illustriert  diese  Klasse  von  toxischen 
Kehlkopflähmungen.  Auch  hier  ergab  sich  die  von  Beginn  an  gut 
gestellte  Prognose  als  richtig. 

Zur  Diskussion,  die  wesentlich  die  Frage  erörtert,  nach 
welcher  Zeit  eine  Rekurrenslähmung  sich  noch  zurückbilden  kann 
sprachen  die  Herren  A  v  e  1 1  i  s,  Werner,  L  i  n  d  t,  Schäfer,  Ju¬ 
ras  z,  Sacki  und  der  Vortragende. 

Herr  A  v  e  1 1  i  s  -  Frankfurt  a.  M.:  Laryngotomie  ohne  Kanüle  und 
ohne  Chloroform  in  Skopolamin-Morphium-Narkose. 

Fall  von  typischem  Karzinom  des  linken  Ventrikels  bei  70jähr 
Manne,  Skopolamin  0,003,  Morphin  0,01  bei  verstopften  Ohren  in 
Dunkelzimmer  injiziert,  dann  typische  Operation  mit  Spaltung  der 
oberen  Trachealringe,  Entfernung  des  Tumors  und  Zerstörung  der 
Umgebung  mit  dem  Kauter.  Der  Knorpel  wird  vereinigt,  alles  andere 
bleibt  offen,  keine  Tamponade,  keine  Kanüle.  In  einem  zweiten  Falle 
trat  bei  gleichem  Vorgehen  Nachblutung  auf.  deshalb  nachträgliches 
Einführen  einer  Kanüle  mit  unterer  Tamponade.  Nach  der  Operation 
Bauchlage,  um  den  Abfluss  der  Sekrete  zu  sichern.  Der  Kranke  kann 
sofort  wieder  schlucken,  was  ein  wesentlicher  Vorteil  des  Vor- 


)  Die  Verhandlungen  erscheinen  ausführlich  bei  A.  Stuber- 
Wiirzburg. 


gehcns  ist,  er  steht  nach  1—2  Tagen  auf.  Auf  frühzeitige  Diagnose 
des  Kehlkopfkarzinoms  ist  das  grösste  Gewicht  zu  legen.  Die  endo- 
laryngeale  Operation  ist  nicht  zu  empfehlen.  Im  zweiten  Falle  ergab 
sich  bei  der  Laryngofissur  ein  zweites  Karzinom  auf  der  im  laryngo- 
skopischen  Bilde  gesunden  Seite. 

Herr  Avellis:  Ueber  Kehlkopfluftsäcke  beim  Menschen.  (La¬ 
ryngozele). 

Vierjähriges  Kind,  das  wegen  Heiserkeit  dem  Arzte  zugeführt 
wurde.  In  letzter  Zeit  bildete  sich  bei  kräftigem  und  anhaltendem 
Schreien  eine  Anschwellung  aussen  am  Halse;  dieselbe  wölbt  sich 
zu  beiden  Seiten  des  Schildknorpels  einerseits  bis  zum  Kieferrand, 
andererseits  bis  fast  zum  Schlüsselbein;  sie  ist  weich  und  tympa- 
nitisch,  beim  Nachlassen  des  Schreiens  geht  die  Schwellung  langsam 
zurück,  auch  bei  starkem  Husten  erscheint  sie;  keine  Atemnot,  Ope¬ 
ration  vorläufig  night  indiziert.  Sonstige  Missbildungen  fehlen. 

A.  schliesst  hieran  weitere  Ausführungen  über  die  .entwicklungs¬ 
geschichtliche  Genese  der  Luftsäcke. 

Diskussion:  Die  Herren  V  e  i  s  s  und  Schilling  berichten 
ebenfalls  über  Fälle  von  Laryngozelen.  Herr  Schilling  hält  die 
Bauchlage  nach  der  Skopb’lamin-Morphium-Narkose  nicht  für  un¬ 
bedingt  erforderlich. 

Herr  Avellis  (Schlusswort)  hält  an  der  Empfehlung  der  Bauch¬ 
lage  fest.  Betreffs  der  Laryngozelen  ist  er  nicht  der  Ansicht,  dass 
eine  Operation  nötig  sei. 

Herr  V  o  h  s  e  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Wert  der  Durchleuchtung  bei 
Erkrankungen  der  Stirnhöhle. 

Die  Methode,  vor  17  Jahren  von  V.  bekannt  gegeben,  hat  sich 
noch  nicht  den  Platz  erobert,  der  ihr  bei  der  Diagnose  der  Stirn¬ 
höhlenerkrankung  gebührt.  Alle  bekannten  diagnostischen  Behelfe 
und  Symptome  sind  unsicher,  event.  nicht  in  allen  Fällen  anwendbar, 
wie  z.  B.  die  Sondierung.  Ausspülung.  Der  Grundgedanke,  der  V. 
bei  der  Durchleuchtung  leitete,  war,  von  der  Basis  aus  die  hori¬ 
zontale  und  vertikale  Ausdehnung  der  Stirnhöhle  dadurch  sichtbar 
zu  machen,  dass  wir  gut  abgeblendetes  Licht  in  die  Höhle  senden; 
hierzu  ist  allerdings  ein  gutes  Instrumentarium,  das  es  gestattet,  voll¬ 
kommen  abgeblendetes  Licht  in  die  Stirnhöhle  zu  werfen,  unbedingt 
erforderlich.  Die  Durchleuchtung  der  Stirnhöhle  von  der  vorderen 
Wand  aus  leistet  nicht  dasselbe  wie  die  von  der  Basis  aus,  doch  ist 
sie  als  Ergänzung  der  V  o  h  s  e  n  sehen  Methode  unter  Umständen  von 
Wert,  da  sie  z.  B.  Auskunft  geben  kann  über  die  sagittale  Ausdehnung 
der  Stirnhöhle. 

V.  hat  eine  neue  Durchleuchtungslampe  bei  O.  E  b  e  r  t  -Frank¬ 
furt  a.  M.  konstruiert,  deren  wichtigster  Teil  für  diese  Zwecke  die 
Kappe  zum  Abblenden  ist;  sie  muss  exakt  schliessen,  sie  muss  ge¬ 
statten  das  der  Leuchtkörper  dicht  unter  die  obere  Oeffnung  tritt,  ihr 
gut  abgerundeer  Rand  muss  so  gearbeitet  sein,  dass  er  auch  bei  star¬ 
kem  Druck  beim  Aufsetzen  —  und  ein  solcher  ist  nötig  —  keine 
Schmerzempfindung  veranlasst.  Eine  den, Verhältnissen  des  betreffen¬ 
den  Teiles  des  Orbitaldaches  sich  richtig  anpassende  Lampe  ist 
ebenso  unerlässlich  zum  Gelingen  der  Durchleuchtung,  wie  absolute 
Verdunkelung  des  Untersuchungsraumes.  Die  Untersuchungsmethode 
erfordert  eine  genaue  Beachtung  gewisser  technischer  Feinheiten 
(Einschalten  des  Lichtes  etc.)  wie  auch  eine  Gewöhnung  des  Auges 
an  die  Abstufungen  der  Helligkeit,  die  erworben  sein  will.  Die  Me¬ 
thode  Gerbers,  der  2  Vohsen  sehe  Durchleuchtungsapparate  zu¬ 
gleich  anwendet,  um  Vergleiche  der  Helligkeit  anstellen  zu  können, 
ist  nicht  durchführbar.  Es  kommt  auch  auf  die  Helligkeitsunterschiede 
allein  nicht  an,  vielmehr  ist  Vohsens  Durchleuchtung  auch  noch 
in  anderer  Weise  zur  Diagnose  zu  verwerten,  nämlich  in  Bezug  auf 
die  Stellung  des  Septums.  Ueberschreitet  der  gleichmässig  durch¬ 
leuchtete  Bezirk  stark  die  Mittellinie,  so  ist  mit  Fehlen  des  Septums 
zu  rechnen,  wenn  die  andere  Seite  bei  der  Durchleuchtung  dunkel 
bleibt:  auch  auf  die  Stellung  des  Septums  und  auf  Verschiedenheiten 
der  Grösse  bei  der  Stirnhöhle  läst  sich  aus  der  Durchleuchtung 
schliessen. 

Der  Durchleuchtung  steht  die  Röntgendurchstrahlung  im  sagit- 
talen  Durchmesser  nicht  überlegen  gegenüber;  auch  hier  fällt,  wie 
das  auch  für  die  Durchleuchtung  der  Fall  ist,  die  Dicke  der  Knochen¬ 
wandungen  ins  Gewicht,  sowohl  die  der  hinteren  wie  der  vorderen, 
während  bei  der  Durchleuchtung  nur  die  Dicke  der  vorderen  Wand 
von  Bedeutung  ist.  V.  ist  der  Ansicht,  dass  das  kostspieligere  und 
umständlichere  Röntgenverfahren  für  die  Diagnose  der  Stirnhöhlen¬ 
erkrankungen  keinerlei  Vorzüge  hat;  das  gleiche  gilt  von  der  Sonden¬ 
kontrolle  durch  Röntgenstrahlen  nach  Schreyer.  V.  resümiert: 
..Die  Durchleuchtung  nach  meiner  Methode  ist  bei  latenten  Erkran¬ 
kungen  der  Stirnhöhlen  eines  der  wichtigsten  diagnostischen  Hilfs¬ 
mittel.  Sie  kann  von  der  M  e  y  e  r  sehen  Modifikation  unterstützt,  von 
der  Röntgendurchstrahlung  in  sagittaler  Richtung  ersetzt  werden. 
Letztere  aber  zeigt  bis  jetzt  keine  Ueberlegenheit  gegenüber  meiner 
Methode;  wohl  fixiert  sie  im  Radiogramm  dauernd  den  Eindruck, 
dagegen  entfallen  bei  ihr  die  wichtigen  Symptome  der  Septumdurch¬ 
leuchtung.“ 

Herr  Oppikofer  -  Basel :  Mikroskopische  Befunde  von  Neben- 
höhlenschleimliäuten  bei  chronischem  Empyem. 

Bis  jetzt  wurde  auf  Veranlassung  von  Herrn  Professor  Sieben¬ 
mann  die  Schleimhaut  von  100  chronisch  eiternden  Nebenhöhlen 
untersucht,  einige  Präparate  werden  vorgelegt.  Plattenepithel  wurde 
unter  diesen  Fällen  überraschend  häufig  gefunden,  unter  hundert 
Fällen  35  mal  und  zwar  in: 


muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


1501 


23.  Juli  1907. 

66  Kieferhöhlen  .  .  .  .27  mal 

22  Stirnhöhlen . 7  mal 

10  Siebbeinzellen  ....  1  mal. 

Bei  den  einzigen  zwei  Keilbeinhöhleneiterungen,  die  O.  unter¬ 
suchte,  fand  sich  nur  Zylinderepithel.  Das  Plattenepithel  ist  vor¬ 
wiegend  nur  auf  einige  Teile  der  Schleimhaut  beschränkt,  nur  selten 
war  die  Metaplasie  ausgedehnt.  Wichtig  war  das  Resultat  einer 
Untersuchung  der  Stirnhöhlenschleimhaut,  die  man  makroskopisch  für 
akut  entzündet  hätte  halten  können,  doch  zeigte  das  Präparat  dickes 
Plattenepithel  mit  Verhornung.  Metaplasie  kommt  also,  wie  O. 
sich  an  65  Fällen  akuter  Nebenhöhleneiterung  überzeugen  konnte,  bei 
der  akuten  Form  nicht  vor.  Plattenepithel  in  einem  gewonnenen 
Schleimhaütstück  lässt  also  einen  Schluss  auf  den  Charakter  der 
Eiterung  insofern  zu,  als  das  Vorhandensein  von  Plattenepithel  auf 
chronische  Eiterung  deutet,  das  Fehlen  desselben  schliesst  aber 
solche  nicht  aus.  Bemerkenswert  ist,  dass  das  Plattenepithel  sich 
ebenso  wie  in  der  Nase  namentlich  auf  der  Höhe  einer  Schleimhaut¬ 
falte  findet.  Ein  Präparat  (durch  Operation  nach  Luc  gewonnen) 
zeigte  beginnendes  Karzinom,  das  auf  die  Schleimhaut  beschränkt 
war;  die  sorgfältige  Auskratzung  der-  Schleimhaut  —  die  Diagnose 
Karzinom  wurde  erst  später  gestellt  —  hat  ein  Rezidiv  verhütet. 
Ausserdem  fand  sich  hier  ein  Kalkkonkrement. 

Eine  strenge  Einteilung  der  Nebenhöhleneiterungen  in  solche  von 
ödematösem  und  solche  von  fibromatösem  Typus  erwies  sich  als  nicht 
durchführbar. 

Herr  D  e  n  k  e  r  -  Erlangen:  Weitere  Erfahrungen  über  die  Ra¬ 
dikaloperation  des  chronischen  Kieferhöhlenempyems. 

Vor  zwei  Jahren  publizierte  Denker  drei  Fälle  von  hart¬ 
näckigem,  langwierigem  Empyem  der  Kieferhöhle,  die  nach  seinem 
Verfahren  operiert  und  geheilt  sind;  diesen  schliessen  sich  15  weitere 
an,  die  zur  Operation  kamen,  ohne  dass  etwa  eine  Erweiterung  der 
Indikation  auch  auf  leichtere  Fälle  stattgefunden  hätte,  vielmehr  han¬ 
delte  es  sich  auch  hier  um  Fälle,  die  sich  einer  konservativeren  Be¬ 
handlungsweise  als  unzugänglich  erwiesen  hatten.  In  einem  Falle 
wurde  als  (kürzeste)  Dauer  des  Bestehens  %  Jahre  angegeben,  in 
den  übrigen  Fällen  hatte  sie  mehrere  (bis  zu  16)  Jahre  gedauert.  Das 
Verfahren,  welches  D.  einschlägt,  ist  eine  Kombination  der  Opera¬ 
tion  von  Luc-Bönninghaus  mit  den  Vorschlägen  von  Fried¬ 
rich  und  Kr  etschmann,  bei  welchem  nach  primärem  Verschluss 
der  oralen  Wunde  die  Nachbehandlung  durch  die  Nase  vor  sich  geht. 
Die  Tampons  liegen  bis  zum  3. — 4.  Tage,  vom  10.  Tage  an  Aus¬ 
spülungen  von  der  Nase  aus  mit  Hilfe  eines  weiten,  gebogenen  Glas- 
rohres  und  Borsäureinsufflationen. 

In  den  meisten  Fällen  konnte  die  erkrankte  Schleimhaut  der 
Kieferhöhle  erhalten  werden,  sodass  am  Schluss  der  Operation  fast 
die  ganze  Mundhöhle  mit  Ausnahme  der  fazialen  Wand  mit  Epithel 
bedeckt  war;  D.  glaubt,  dass  durch  dieses  Vorgehen  die  Heilungs¬ 
dauer  wesentlich  abgekürzt  werden  kann.  Nur  in  den  Fällen,  wo  die 
degenerierte  Schleimhaut  das  Lumen  der  Höhle  fast  gänzlich  aus¬ 
füllte,  wurde  sie  gründlich  entfernt  und  die  Heilung  durch  Granula¬ 
tionsbildung  angestrebt.  Durchschnittlich  wurden  die  Patienten  16 Vs 
Tage  nach  dem  Eingriff  entlassen,  die  längste  Dauer  der  Nachbe¬ 
handlung  betrug  30  Tage,  die  kürzeste  6  Tage,  wobei  zu  bemerken 
ist,  dass  die  Kranken  besonders  in  der  ersten  Zeit  länger  als  eigent¬ 
lich  erforderlich  zur  Beobachtung  in  der  Klinik  behalten  wurden. 

Der  Heilungsverlauf  war  immer  glatt,  Störungen  von  Seiten  des 
Tränenapparates  wurden  nicht  beobachtet,  auch  kein  Ausfallen  von 
Zähnen. 

In  allen  Fällen  wurde  Heilung  erzielt,  der  Geruch  verlor  sich, 
die  Eiterung  sistierte  und  bei  der  Kontrolle  ergab  sich,  dass  kein 
Rezidiv  aufgetreten  ist.  In  Uebereinstimmung  hiermit  stehen  ander¬ 
weitige  mit  D.s  Verfahren  gemachte  Erfahrungen.  Wenn  Cordes 
vorschlägt,  die  partielle  Resektion  der  mittleren  Muschel  zu  unter¬ 
lassen,  da  er  Borkenbildung  fürchtet,  und  deshalb  die  orale  Wunde 
teilweise  offen  lassen  will,  um  von  da  aus  den  Tampon  zu  entfernen, 
so  ist  dem  zu  entgegnen,  dass  diese  Befürchtung  sich  nach  ein¬ 
gehenden  Nachforschungen  D.s  als  unbegründet  erwiesen,  ebenso  wie 
die  weitere  Befürchtung,  dass  Neigung  zu  Katarrhen  auftrete.  Bei 
den  letzten  Operationen  wurde  nur  etwa  das  vordere  Drittel  der 
unteren  Muschel  entfernt,  hierauf  ist  im  Interesse  des  vollkommenen 
Verschlusses  der  oralen  Wunde  nicht  zu  verzichten. 

Diskussion  zu  Vortrag  4,  5  und  6. 

Herr  v.  Eicken  tritt  dafür  ein,  die  orale  Wunde  nicht  primär 
zu  nähen  und  die  Schleimhaut  der  Höhle  zu  entfernen. 

Herr  Brünings  hebt  die  Vorzüge  des  Röntgenverfahrens  für 
die  Diagnose  der  Stirnhöhle  hervor. 

Herren  Denker  und  Voh'sen:  Schlusswort. 

Herr  K  a  t  z  -  Kaiserslautern :  Demonstration  eines  neuen  elektro- 
medizinischen  Universalapparates  für  das  ärztliche  Sprech-  und  Un¬ 
tersuchungszimmer. 

Auf  Veranlassung  der '  vereinigten  elektrotechnischen  Institute 
Frankfurt-Aschaffenburg  konstruierte  K.  einen  höchst  kompendiösen 
Apparat,  der  allen  Anforderungen  des  Laryngo-Otologen  entspricht. 
Durch  Verlegung  aller  staubfangenden  Teile  in  das  Innere  des  Tisches 
ist  es  gelungen,  das  Aeussere  nur  aus  Glas  und  Metall  zu  konstruieren, 
so  dass  den  äussersten  Forderungen  der  Asepsis  entsprochen  wird. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Sud  eck. 

Schriftführer;  Herr  K  o  e  r  b  e  r. 

Herr  Delbanco  demonstriert : 

1,  ein  1  Pfd.  schweres  Fibroma  pendulum  der  rechten  grossen 
Labie  einer  57  jährigen  Frau. 

2.  einen  kleinapfelgrossen  Tumor  der  Kopfhaut  eines  50  jährigen 
Mannes. 

Herr  Fahr:  Demonstration  zweier  Hirngeschwülste. 

Bei  beiden  Tumoren  handelt  es  sich  um  Endotheliome,  die  in 
der  Gegend  des  linken  Stirnhirns  von  der  Dura  aus  sich  entwickelt 
und  durch  ihr  Wachstum  sehr  starke  Verdrängungserscheinungen 
am  Gehirn  hervorgerufen  hatten  —  beide  stammen  von  weiblichen 
Individuen.  Der  eine  Tumor  hatte  etwa  die  Grösse  eines  Gänseeies, 
der  andere  war  faustgross.  Der  kleinere  hatte  zu  Lebzeiten  der  Pat. 
starke  Beschwerden  gemacht,  die  sich  in  Kopfschmerzen  und  Krampf¬ 
anfällen  äusserten;  der  Tod,  der  nur  auf  den  Tumor  zuriickgeführt 
werden  konnte,  trat  plötzlich  ein,  nachdem  kurz  zuvor  noch  2  Krampf¬ 
anfälle  stattgefunden  hatten.  Der  grössere  Tumor  hatte  merk¬ 
würdigerweise  zu  Lebzeiten  seiner  Trägerin  nur  ganz  unbedeutende 
Symptome  hervorgerufen.  Die  betr.  Pat.  klagte  ab  und  zu  über 
ein  lähmendes  Gefühl  in  den  Beinen,  das  aber  stets  rasch  vorüber¬ 
ging  und  die  Pat.  nicht  veranlasste,  ärztliche  Hilfe  in  Anspruch  zu 
nehmen.  2  Tage  vor  ihrem  Tode  fiel  es  ihrer  Umgebung  auf,  dass 
sie  stiller  als  sonst  und  etwas  schwermütig  geworden  war.  ln 
diesem  schwermütigen  Zustand  führte  sie  selbst  ihren  Tod  herbei, 
indem  sie  sich  erhängte. 

Bei  der  Sektion  wurde  bei  dem  ersten  Fall  keine,  bei  dem 
zweiten  eine  beginnende  Stauungspapille  gefunden.  Die  Papille  war 
hier,  ebenso  wie  die  Umgebung  des  Tumors  und  die  Meningen,  allent¬ 
halben  völlig  frei  von  Entzündung  und  Vortr.  ist  der  Ansicht,  dass 
man  hier  nur  die  starke  Raumbeengung  und  Stauung,  die  unter  dem 
Einfluss  des  Tumors  in  der  Schädelhöhle  entstanden  war,  zur  Er¬ 
klärung  der  Stauungspapille  heranziehen  könne.  Angeregt  durch 
diesen  Fall  hat  sich  Vortr.  noch  weiter  mit  Untersuchungen  über  die 
Genese  der  Stauungspapille  befasst. 

Auf  Grund  dieser  Untersuchungen  vertritt  er  die  Ansicht,  dass 
die  Entzündungstheorie  von  Leber  und  Deutschmann  für  viele 
Fälle  richtig  ist.  Bei  Stauungspapillen,  die  im  Anschluss  an  Tumor¬ 
bildung  entstanden  sind,  trifft  sie  dann  zu,  wenn  es  sich  bei  den 
Tumoren  um  infektiöse  Granulome  oder  um  maligne  Neubildungen, 
die  mit  starkem  Gewebszerfall  einhergehen,  handelt,  wobei  es  in  der 
Regel  zur  Entzündung  der  Umgebung  und  zu  einer  Produktion  von 
Stoffen  kommt,  die  ihrerseits  zu  einer  Entzündung  Veranlassung 
geben. 

Andererseits  weist  er  darauf  hin,  dass  es  schon  bei  malignen 
Tumoren  oft  schwierig,  ja  unmöglich  ist,  in  der  Umgebung  des 
Tumors  oder  sonstwo  in  den  Meningen  entzündliche  Veränderungen 
nachzuweisen  und  so  den  Beweis  zu  erbringen,  dass  der  Tumor 
tasächlich  einen  Herd  für  die  Entstehung  entzündlicher  Prozesse  dar¬ 
stellt.  Während  man  aber  bei  bösartigen  Tumoren  immerhin  stets 
an  die  entzündliche  Genese  der  Stauungspapille  denken  muss,  bleibt 
bei  gutartigen  Tumoren,  die  scharf  abgekapselt  sind,  lediglich  unter 
Verdrängungserscheinungen  wachsen  und  ihre  Umgebung  völlig  re¬ 
aktionslos  lassen,  bei  Fällen,  wie  sie  beispielsweise  durch  den  de¬ 
monstrierten  Tumor  veranschaulicht  werden,  wohl  nichts  anderes 
übrig,  als  die  Raumbeengung  und  Stauung  in  der  Schädelhöhle  als 
Ursache  der  Stauungspapille  anzunehmen.  (Autoreferat.) 

Diskussion:  Herr  Lieb  recht:  Die  von  mir  aufgestellte 
kombinierte  Theorie  über  die  bei  der  Stauungs¬ 
papille  sich  abspielenden  pathologischen  Vor¬ 
gänge  erscheint  klinisch  und  anatomisch  die  bestbegründetste. 
Nach  dieser  ist  bei  der  Entstehung  der  Stauungspapille  das 
rein  mechanische  Moment  des  unter  höherem  Drucke  stehen¬ 
den  Oedems  im  Sehnerven  wirksam.  Dieses  dringt  durch  die  Lamina 
cribrosa  und  bläht  die  Papille  auf.  Die  Entzündung  des  Sehnerven 
und  der  Papille  hat  mit  der  Entstehung  der  Stauungspapille  nichts 
zu  tun.  Untersucht  man  in  diesem  Stadium  Stauungspapillen,  so 
findet  man  keine  entzündliche  Veränderungen,  nur  ödematöse  Quel- 
lung. 

Nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  gesellen  sich  aber  in  der  Regel 
Entzündungsvorgänge  zuerst  in  den  Sehnervenscheiden, 
dann  übergreifend  auf  den  Sehnerven  und  die  Stauungspapille^  hinzu. 
Dieselben  gehören  nicht  zum  Begriffe  der  Stau¬ 
ungspapille.  Sie  sind  nur  eine  häufige  Begleit¬ 
erscheinung  derselben.  Mit  dem  Eintritte  dieser  entzünd¬ 
lichen  Vorgänge  beginnt  die  Atrophie  der  Sehnervenfasern,  die  Stö¬ 
rung  der  Sehfunktion,  die  Einengung  des  Gesichtsfeldes. 

Woher  die  entzündlichen  Veränderungen  in  den  Scheiden  und 
im  Sehnerven  stammen,  warum  sie  in  dem  einen  Falle  von  Stauungs¬ 
papille  ganz  ausbleiben,  in  dem  anderen  nur  spät  und  in  geringer 
Ausdehnung,  in  dem  dritten  frühzeitig  und  degenerierend  eintreten, 
das  sind  noch  offene  Fragen.  Wenn  diese  Veränderungen  beruhen  auf 
einer  Beimischung  von  entzündungserregenden,  von  der  Geschwulst 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  10. 


produzierten  Stoffen  zur  Zerebrospinalflüssigkeit,  so  ist  zu  erwarten, 
dass  diese  Stoffe  nicht  bloss  am  Sehnerven,  sondern  auf  der  ganzen 
von  ihnen  bespülten  Oberfläche  des  Gehirns  Entzündungsvorgänge 
in  den  Meningen  anregen.  Der  Lösung  dieser  wichtigen  Frage  ist 
Herr  F  a  h  r  nähergetreten.  Es  ist  ja  auffällig,  dass  nur  in  einem 
der  9  Fälle  eine  ausgeprägte  Entzündung  in  der  Arachnoidea  an  ver¬ 
schiedenen  Stellen  des  Gehirns  vorgefunden  wurde,  aber  da  die  Seh¬ 
nerven  und  die  Augen  der  betr.  Fälle  nicht  mehr  zur  Verfügung 
standen,  so  ist  durch  diese  Befunde  die  obige  Frage  noch  nicht  ge¬ 
löst.  Es  wäre  wohl  denkbar,  dass  in  den  8  entzündungsfreien  Fällen 
auch  die  Stauungspapille  und  die  Scheiden  noch  von  Entzündung 
frei  gewesen  wären. 

Weitere  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  erscheinen  not¬ 
wendig. 

Herr  T  r  ö  m  n  e  r  erörtert  die  Erklärungsmöglichkeit  des  ver¬ 
schiedenen  Verlaufes  durch  den  verschiedenen  Sitz  der  Tumoren: 
Im  ersten  Falle  rein  kortikaler  Sitz  in  der  motorischen  Region;  in¬ 
folgedessen  Krampfanfälle  und  Exitus  wohl  durch  Atemlähmung.  Im 
2.  Falle  dagegen  schien  besonders  das  Mark  des  Parietallappens  und 
des  Balkens  betroffen.  Balkentumoren  aber  können  wesentlich 
länger  latent  bleiben  und  machen  unbestimmtere  Symptome. 

Bezüglich  der  Erklärung  der  Stauungspapille  hält  er  den  ge¬ 
steigerten  Druck  für  ihre  Hauptursache,  hält  aber  die  mechanische 
Hypothese  nicht  für  alle  Tatsachen  ausreichend.  Weshalb  z.  B. 
Kleinhirntumoren  fast  stets,  Ponstumoren  nicht  häufig  Stauungs¬ 
papille,  weshalb  Myelitis,  Polyneuritis  und  andere  nichtzerebrale  Er¬ 
krankungen  Neuritis  optica  machen,  erkläre  sie  nicht.  Hier  sind 
noch  entzündlich-toxische  Faktoren  anzunehmen.  Tr.  selbst  habe 
Stauungsneuritis  bei  Enzephalomalazie  beobachtet,  wo  eine  nur  me¬ 
chanische  Erklärung  unmöglich  war. 

Herr  Fraenkel:  Indem  ich  hinsichtlich  meiner  Stellung  zur 
Frage  nach  der  Genese  der  Stauungspapille  auf  meine  im  vorigen 
Jahre  in  diesem  Kreise  gemachten  Bemerkungen  verweise,  wende 
ich  mich  heute  direkt  zu  den  Untersuchungen  des  Herrn  Fahr. 
Meiner  Ansicht  nach  gestattet  diese  vorläufig  keine  sicheren  Schluss¬ 
folgerungen  hinsichtlich  des  Wesens  der  Stauungspapille.  Zunächst 
gestehe  ich,  dass  ich,  soweit  die  sogen.  Entzündungstheorie  derselben 
in  Frage  kommt,  niemals  die  Vorstellung  damit  verknüpft  habe, 
dass  es  sich  da  um  einen  vom  Sitz  des  Hirntumors  auf  dem  Wege 
der  Meningen  kontinuierlich  fortkriechenden  Entzündungsprozess  ge¬ 
handelt  hat,  vielmehr  nimmt  diese  Theorie  an,  dass  der  Tumor 
phlogogen  auf  die  Papille  einwirkt,  dass  es  sich  um  eine  phlogogene 
Fernwirkung  handelt.  Ich  würde  also  glauben,  dass,  wenn  auch  Herr 
Fahr  quoad  entzündliche  Veränderungen  an  den  Meningen  zu  nega¬ 
tiven  Ergebnissen  gelangt  ist,  das  nichts  gegen  die  Theorie  beweist. 
Andererseits  halte  ich  es  für  sehr  schwer  entscheidbar,  ob  etwaige, 
an  den  Meningen  vorhandene,  entzündliche  Zustände  auf  die  Wir¬ 
kung  eines  im  Hirn  bestehenden  Tumors  zurückzuführen  sind.  Für 
sehr  wahrscheinlich  würde  ich  das  nur  halten,  wenn  die  mikroskopisch 
festgestellten  entzündlichen  Veränderungen  in  den  Meningen  auf  die 
Seite  des  Tumors  beschränkt  sind.  Herr  Liebrecht  hat  heute 
ein  Zugeständnis  gemacht,  das,  wie  ich  glaube,  von  den  Anhängern 
der  Entzündungstheorie  mit  Freude  begrüsst  werden  wird.  Er  hat 
gesagt,  dass  nach  der,  in  palliativer  Absicht  vorgenommenen,  Trepa¬ 
nation  oft  genug  Erblindung  eintritt,  weil  die  im  Hirntumor  vor¬ 
handenen  Substanzen  zu  entzündlichen  Prozessen  im  Sehnerven 
Veranlassung  geben,  die  dann  zur  Atrophie  des  Sehnerven  führen. 
Es  scheint  mir  wichtig,  von  dieser  Erklärung  des  Herrn  L  i  e  b  r  e  c  h  t 
hier  entsprechend  Notiz  zu  nehmen. 

Herr  Liebrecht:  Die  Neurologen  werfen  Stauungspapille  und 
Neuritis  optica  zusammen.  Herr  Fraenkel  hat  mich  nicht  ver¬ 
standen. 

Herr  Trömner  entgegnet  Herrn  L.,  dass  in  mittleren  Graden 
auch  von  ophthalmologischer  Seite  sogen.  Stauungspapille  und  Neu¬ 
ritis  optica  nicht  streng  geschieden  werden.  Nebenbei  erinnert 
er  noch  an  die  seltenen  Fälle,  wo  sich  Stauungspapille  noch  nach 
Tumorexstirpation  bildete. 

Herr  Fraenkel:  Ich  habe  Herrn  Liebrecht  gut  verstanden. 

Herr  D  e  1  b  a  n  c  o  erinnert  bezüglich  der  Genese  der  Endo- 
theliome  der  Dura  an  die  grundlegende  Arbeit  von  M.  B.  Schmidt: 
.„Ueber'die  P  a  c  c  h  i  o  n  i  sehen  Granulationen  und  ihr  Verhältnis  zu 
den  Sarkomen  und  Psammomen  der  Dura  mater“.  Nach  Schmidt 
finden  sich  als  ein  fast  konstanter  Befund  in  der  Dura  der  Er¬ 
wachsenen  solide  Zellhaufen  von  epithelartigem  Charakter,  die  Ab¬ 
kömmlinge  des  Endothels  der  Arachnoidea  sind.  Diese  fast  physio¬ 
logischen  Zellnester  sind  der  Ausgangspunkt  der  sogen,  gutartigen 
Sarkome  bezw.  Endotheliome  und  Psammome  der  Dura,  welche  dem¬ 
nach  mehr  als  hyperplastische  Bildungen  zu  betrachten  sind.  Solche 
Zellwucherungen  sind  übrigens  von  Schmidt  auch  in  der  Trigeminus¬ 
scheide  gefunden  worden.  D.  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  die 
Frage  anregen,  ob  nicht  vielleicht  zur  Erklärung  der  Tatsache,  dass 
unter  gleichen  anatomischen  Veränderungen  im  Gehirn  es  das  eine 
Mal  zur  Stauungspapille  kommt,  das  andere  Mal  eine  solche 
ausbleibt,  neben  den  viel  zitierten  Gesichtspunkten  auch  rein  ana¬ 
tomische  Verschiedenheiten  der  Optikusscheide 
heranzuziehen  seien. 

Herr  Fahr:  Schlusswort. 


Herr  Fraenkel:  1.  Ueber  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica. 

M.  H. !  Das  Präparat,  das  ich  Ihnen  zeige,  entstammt  der 
Sektion  eines  an  sogen.  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica,  d.  h. 
durch  den  W  e  i  c  h  s  e  1  b  a  u  m  sehen  Meningokokkus  bedingter  Me¬ 
ningitis  verstorbenen  35  jähr.  Mannes.  Schon  aus  diesem  Grunde 
würde  der  Fall  Interesse  verdienen,  da  sonst,  wie  Sie  wissen,  kind¬ 
liche  Individuen  aus  dem  1.  und  2.  Dezennium  das  Hauptkontingent 
zu  dieser  Erkrankung  stellen.  Aber  auch  das  Präparat  an  sich 
dürfte  bemerkenswert  sein,  da  es  sich  um  eine  seltene  Lokali¬ 
sation  des  Meningitiserregers  handelt. 

Wir  haben  hier  eine  Meningokokkenepididymitis 
vor  uns,  also  eine  echte  Metastase  des  Krankheitserregers  in  ein. 
weit  ab  von  dem  Herde  der  eigentlichen  Erkrankung  gelegenes 
Organ.  Sowohl  mikroskopisch  im  Eiterausstrich  als  kulturell  wurde 
der  Meningokokkus  als  alleiniger  Erreger  nachgewiesen.  Das  um¬ 
kleidende  Epithel  der  Nebenhodenkanälchen  ist,  ebenso  wie  deren 
Wandung,  frei  von  Veränderungen,  ihr  Lumen  angefüllt  mit  eitrigem,  - 
die  Meningokokken  beherbergenden  Material,  wie  Sie  sich  an  dem 
unter  dem  Mikroskop  ausgestellten  Präparat  überzeugen  können. 
Ueber  den  Weg,  auf  welchem  die  Meningokokken  in  die  Nebenhoden¬ 
kanälchen  hineingelangt  sind,  gibt  die  makroskopische  Betrachtung 
des  Präparats  Aufschluss.  Es  findet  sich  im  Nebenhodenkörper  ein 
etwa  kirschkerngrosser  Abszess,  der  die  ganze  Dicke  des  Organs 
durchsetzt  und  von  hier  aus  ist  dann  der  Einbruch  in  die  Neben¬ 
hodenkanälchen  mechanisch  erfolgt.  Der  Hoden  selbst  ist  an  dem 
Prozess  absolut  unbeteiligt,  der  Nebenhoden  verhältnismässig  wenig 
geschwollen.  Es  besteht  ausserdem  eine  ältere  Obliteration  des 
Zwischenscheidenraumes. 

2.  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  Ihnen  eine  zweite  durch  Me¬ 
ningokokkus  bedingte,  gleichfalls  seltene  Erkrankung  zu  de¬ 
monstrieren.  Es  handelt  sich  bei  den  hier  projizierten  Rückenmarks¬ 
schnitten  um  eine  schwere  Meningomyelitis  cervicalis 
acutissima,  die  in  wenigen  Tagen  den  Tod  des  18  jähr.  Menschen 
herbeigeführt  hat.  Auf  den  klinischen  Verlauf  des  Falles  gehe  ich 
heute  nicht  ein. 

Das  Halsmark  ist,  wie  Sie  sehen,  ganz  enorm  geschwollen, 
sein  Querschnitt,  im  Vergleich  zu  dem  hier  projizierten  normalen, 
ein  queres  Oval  darstellenden,  kreisrund.  Die  Vergrösserung  ist 
durch  verschiedene  Vorgänge  bedingt.  Einmal  durch  eine  grosse 
Menge,  in  der  Hauptsache  die  Vorderhörner  einnehmenden,  von  hier 
auf  die  Vorder-  und  Seitenstränge  übergreifenden,  die  Hinterstränge 
völlig  freilassenden,  frischen  Extravasate,  weiter  durch  ein 
die  Vorder-  und  Hinterhörner  betreffendes,  in  ersteren  die  nervösen 
Elemente  auseinanderdrängendes,  O  e  d  e  m,  sowie  durch  eine  mit 
Quellung  einhergehende  Nekrose  der  gliösen  Zel- 
1  e  n  im  Bereich  der  hinteren  Enden  der  Hinterhörner.  Endlich  be¬ 
steht  ein  eitriges  Exsudat  im  Zentralkanal  und  eine  auf 
die  unmittelbarste  Umgebung  desselben  lokali¬ 
sierte  kleinzellige  Infiltration.  Das  Endothel  des  Kanals 
ist  an  einer  Seite  desselben  abgehoben  und  zieht  als  schmales  Band 
durch  das  eitrige  Exsudat.  Die  Präparate  sind  nach  der 
von  mir  zur  Darsteilung  der  Markscheiden  ange¬ 
gebenen  Methylenblaumethode  gefärbt,  und  man  ist 
in  der  Lage,  abgesehen  von  den  Ihnen  geschilderten  histologischen 
Veränderungen*  auch  die  im  Gewebe  vorhandenen  Bakterien,  spez. 
schwer  färbbare,  wie  es  Meningokokken  sind,  mühelos  nach¬ 
zuweisen.  Diese  finden  sich  nun  hier  in  grösserer  Menge  so¬ 
wohl  in  dem  Exsudat  im  Zentralkanal  als  in  dessen 
Umgebung,  fast  ausschliesslich  intrazellulär.  Das  Exsudat  in  der 
Arachnoides  tritt  im  Vergleich  zu  den  das  Rückenmarksparenchym 
betreffenden  schweren  Veränderungen  sehr  in  den  Hintergrund.  Der 
eigentliche  Rückenmarksprozess  ist  ganz  auf  das  Halsmark  lokali¬ 
siert,  während  die  eitrige  Leptomeningitis  sich  durch  die  ganze 
Länge  des  Rückenmarks  forterstreckt.  Auch  in  dem  Exsudat 
der  weichen  Häute;  richtiger  dem  arachnoidalen 
Exsudat,  sind  Meningokokken,  spez.  um  die  hinteren  Wur¬ 
zeln  herum,  aufzufinden.  Die  Färbung  ist  allenthalben 
eine  äusserst  kräftige  und  sehr  haltbare,  wie  Sie 
sich  bei  diesen,  aus  dem  Jahre  1903  herrührenden  Schnitten  über¬ 
zeugen  können.  Ich  betone  das,  weil  es  Herrn  Westenhöffer  bei 
seinen  Untersuchungen  niemals  gelungen  ist,  Meningokokken  im 
Schnitt  nachzuweisen.  Ich  habe  schon  vor  einigen  Jahren  meine 
Markscheidenmethode  zur  Darstellung  schwer  färbbarer  Bakterien  im 
Schnitt  empfohlen.  Aber  auch  ohne  Beizung  der  Gewebe  kann  man 
Meningokokken  im  Schnitt  nachweisen,  wenn  man,  wie  ich  ebenfalls 
wiederholt  angegeben  habe,  diese  kräftig  mit  polychromem  Methylen¬ 
blau  überfärbt  und  dann  mit  Unna  schem  Tannin-Orange  oder 
Tannin-Säurefuchsin  differenziert.  Zum  Beweis  für  die  Leistungsfähig¬ 
keit  der  letzterwähnten  Methode  zeige  ich  Ihnen  das  Mikropho¬ 
togramm  eines  Rückenmark  Schnittes  von  Weich¬ 
selbaummeningitis.  Das  betr.  Rückenmark  hatte  ein  volles 
Jahr  in  K  a  y  s  e  r  1  i  n  g  scher  Lösung  gelegen.  Wenn  also  die  er¬ 
krankten  Gewebe  Meningokokken  enthalten,  dann  sind  diese,  wie 
ich  Herrn  Weste  nhöfer  gegenüber  betone,  auch  im  Schnitt  auf¬ 
zufinden,  wenn  man  nur  die  geeigneten  Färbungsmethoden  heranzieht. 

Diskussion:  Herr  Liebrecht  hat  eitrige  Metastase  bei 
Zerebrospinalmeningitis  im  Auge  eines  Patienten  gefunden  mit  ausser- 


2l  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1503 


ordentlich  reichlichem  Meningokokkeneiter  vor  und  hinter  der  Linse, 
aber  nicht  im  Nerven  und  sejnen  Scheiden. 

Herr  Q  r  ü  n  b  e  r  g,  der  den  Fall  behandelt  hat,  hält  Metastasen 
im  Auge  für  nicht  so  selten.  Nach  Uthoffs  Untersuchungen  in 
4  Proz.  der  Fälle. 

Herr  Sudeck:  Ueber  die  GeSässversorgung  des  Mastdarms  in 
Hinsicht  auf  die  operative  Gangrän.  (Projektionsvortrag,  erschien 
als  Originalarbeit  in  No.  27  dieser  Wochenschrift.) 


Naturwissenschaftl.-medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

(Sektion  für  Heilkunde.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  J  u  n  i  1907. 

Herr  S  p  i  e  t  h  o  I  f :  Bericht  über  den  derzeitigen  Stand  der 
Syphilisforschung.  (Erscheint  in  extenso  in  den  Korrespondenz¬ 
blättern  des  allgetn.  ärztl.  Vereins  von  Thüringen.) 

Hervorgehoben  seien  die  Versuche  mit  Atoxyl  bei  se¬ 
kundärer,  tertiärer  Lues  und  einigen  parasyphi¬ 
litischen  Erkrankungen.  Von  einer  15  proz.  Atoxyllösung 
werden  durchschnittlich  jeden  2.  Tag  0,5  g  intramuskulär  in¬ 
jiziert.  Unter  dieser  Kur  bildeten  sich  die  sekundären  Haut- 
lind  Schleimhauterscheinungen,  manchmal  sehr  schnell,  zurück. 
Ein  günstiger  Einfluss  konnte  auch  bei  gummösen  Prozessen 
beobachtet  werden;  es  scheint  sich  aber  zu  empfehlen,  bei 
Gummata  neben  dem  Atoxyl  auch  noch  Jod  zu  geben,  da  in 
den  einschlägigen  Fällen  nach  6  g  Atoxyl  Hautgummata  noch 
nicht  abgeheilt  waren.  In  einem  Falle  von  sekundärer  syphi¬ 
litischer  Nephritis,  wo  Hg  gut  vertragen  wurde,  ver¬ 
ursachte  Atoxyl  eine  solche  Steigerung  der  Eiweissmengen, 
dass  mit  dem  Mittel  ausgesetzt  werden  musste.  Bei  einer 
Patientin  mit  beginnender  Tabes  (bei  sichergestellter  voraus¬ 
gegangener  Lues)  führten  6  g  Atoxyl  eine  Aenderung  des  Zu¬ 
standes  nicht  herbei.  Verhältnismässig  rasch  zurückgehende 
Albuminurie  wurde  gelegentlich  beobachtet. 

Im  Anschluss  an  den  Vortrag  Demonstration  verschie¬ 
dener  Spirochätenpräparate,  u.  a.  ein  frisches  Präparat 
bei  Dunkelfeldbeleuchtung  mit  dem  von  Dr.  Siedentopf 
konstruierten  Paraboloidkondensor  und  ein  frisches  Prä¬ 
parat  bei  Dunkelbeidbeleuchtung  mit  Zentralblende.  Die  Anwendung 
des  Paräboloidkondensors,  mit  dem  ganz  besonders  distinkte  Bilder 
erzielt  werden,  ist  namentlich  für  Spirochätenuntersuchungen  zu 
empfehlen;  der  Paraboloidkondensor  ist  den  anderen  Apparaten  für 
Dunkelfeldbeleuchtung  überlegen. 

Herr  Siedentopf:  Paraboloidkondensor  von  Zeiss,  eine 
neue  Methode  für  Dunkelfeldbeleuchtung  zur  Sichtbarmachung  leben¬ 
der  Bakterien  usw.  (insbesondere  fiir  Spirochaete  pallida). 

Vom  optischen  Standpunkt  ist  für  die  Spirochaete  pallida  weni¬ 
ger  ihre  geschlängelte  Form  charakteristisch,  als  ihre  ausserordent¬ 
liche  Dünne,  welche  meist  unter  der  Auflösbarkeitsgrenze  der  Mikro¬ 
skopobjektive  liegt,  also  ultramikroskopisch  ist.  Infolgedessen  emp¬ 
fehlen  sich  zu  ihrer  bequemen  Sichtbarmachung  im  lebenden,  unge¬ 
färbten  Zustande  die  Methoden  der  Dunkelfeldbeleuchtung  in  Ver¬ 
bindung  mit  spezifisch  hellen,  künstlichen  Lichtquellen,  weil  hier¬ 
bei  durch  den  grösseren  Kontrast  bessere  Bedingungen  für  die 
Sichtbarmachung  geschaffen  werden.  Natürlich  soll  hiermit  nicht  ge¬ 
sagt  sein,  dass  man  die  lebenden  Spirochäten,  wenigstens  in  grösse¬ 
ren  Individuen,  bei  der  üblichen  mikroskopischen  Abbildung  dunkel 
auf  hellem  Grunde  unter  Verwendung  enger,  zentraler  Beleuchtungs¬ 
kegel  und  starker  Objektive  nicht  auch  sehen  kann.  Es  setzt  dies 
aber  einen  sehr  geübten  Mikroskopiker  voraus,  und  auch  ihm  wer¬ 
den  noch  die  meisten  ultramikroskopischen  Gebilde  entgehen,  welche 
die  Dunkelfeldbeleuchtung  auch  dem  weniger  Geübten  leicht  offen¬ 
bart.  Dazu  kommt  die  empfindliche  Störung  durch  die  sog.  mouches 
volantes,  welche  bei  engen  Beleuchtungskegeln  eine  unangenehme 
Beigabe  darstellen,  zumal  wenn  auf  hellem  Grunde  nur  schwach 
differenzierte  Objekte  beobachtet  werden.  Sie  bleiben  unmerklich  bei 
Dunkelfeldbeleuchtung.  Von  praktischer  Wichtigkeit  ist,  dass  die 
Mikroskopoibjektive  bei  Dunkelfeldbeleuchtung  infolge  des  höheren 
Kontrastes  eine  grössere  Sehtiefe  als  sonst  besitzen.  Ferner  ist  bei 
Dunkelfeldanordnungen  mit  schiefer  Beleuchtung  von  hoher  Aper¬ 
tur  das  Auflösungsvermögen  höher,  so  dass  man  sich  meist  mit 
mittelstarken  Systemen  von  7 — 4  mm  Brennweite  begnügen  kann; 
auch  das  ermöglicht  eine  grössere  Sehtiefe  und  ausgedehnteres  Ge¬ 
sichtsfeld,  als  wenn  man  mit  den  stärksten  kurzbrennweitigen  Ob¬ 
jektiven  zu  suchen  gezwungen  ist. 

Diesen  Vorzügen  der  Dunkelfeldbeleuchtung  steht  der  Nach¬ 
teil  gegenüber,  dass  man  auf ‘die  Reinheit  der  Präparate  viel  mehr 
zu  achten  hat.  Denn  ausser  vielem  unbekannten  Detail  enthüllt  die 
Methode  auch  alle  Oberflächenfehler  der  Deckgläser  und  Objekt¬ 
träger  und  die  Unreinlichkeiten  in  der  zu  untersuchenden  Substanz. 
Freilich  ist  das  kein  ernster  Nachteil,  auch  beim  gewöhnlichen 
Mikroskopieren  soll  man  die  nötige  Sorgfalt  in  der  Anfertigung  reiner 


Präparate  nicht  ausser  Acht  lassen.  Eine  der  Dunkelfeldbeleuch¬ 
tung  spezifische  Störung  entsteht  aber  durch  den  ultramikroskopi¬ 
schen  Staub  der  Luft,  und  es  erfordert  schon  besondere  Achtsamkeit 
sich  davon  möglichst  frei  zu  machen.  Die  Wirkung  dieses  überall 
vorhandenen  feinsten  Staubes  tritt  besonders  deutlich  in  Erschei¬ 
nung,  wenn  man  ein  sonst  sehr  gutes  und  reines  Präparat  etwa 
Vä  Stunde  lang  unter  dem  Mikroskop  bei  Duükelfeldbeleuchtung 
stehen  lässt.  Dann  hat  sich  auf  das  vorher  gut  gereinigt  gewesene 
Deckglas  bereits  so  viel  von  diesem  Staub  gelegt,  dass  durch  seine 
verschleiernde  Wirkung  die  Dunkelfeldbeleuchtung  meist  verdorben 
ist.  Durch  vorsichtiges  Abstäuben  oder  ■  Abschwemmen  von  der 
Oberfläche  des  Deckglases  lässt  sich  dieser  störende  Staub  meist 
leicht  beseitigen. 

Fiir  die  Sichtbarmachung  lebender  Bakterien  kommt  die  von  mir 
in  Gemeinschaft  mit  R.  Zsigmondy  ausgearbeitete  besondere 
ultramikroskopische  Methode  nicht  in  Betracht.  Dieselbe  hat  wesent¬ 
lich  Bedeutung  für  die  Untersuchung  von  ikolloidalen  flüssigen  und 
festen  Lösungen  oder  zur  Feststellung  feinster  Trübungen  bei  Prä¬ 
zipitinen  u.  dergl.  Dagegen  ist  die  ultramikroskopische  Methode 
der  Abblendung  an  der  Frontlinse  des  Objektivs  in  Verbindung  mit 
dem  Wechselkondensor  von  Zeiss1)  hierfür  geeignet.  Ihr  Vor¬ 
zug  besteht  darin,  die  Anwendung  der  stärksten  Immersionsobjek¬ 
tive  zu  gestatten,  ihr  Nachteil  in  dem  starken  Hervortreten  farbiger 
Diffraktionssäume. 

Eine  andere  äusserst  einfache  Dunkelfeldbeleuchtung2)  verlangt 
nur  das  Einlegen  einer  Blende  von  24  mm  Durchmesser  unter  dem 
Immersionskondensor  von  Zeiss  von  1,4  mm  Apertur.  Der  Ob¬ 
jektträger  wird  hierbei  durch  Zedernholzöl  mit  dem  Kondensor  ver¬ 
bunden.  Infolge  der  Totalreflexion  am  Deckglase  tritt  bei  Anwen¬ 
dung  von  Trockensystemen  eine  sehr  brauchbare  Dunkelfeld¬ 
beleuchtung  ein. 

In  der  allgemeinen  Leistungsfähigkeit,  wie  auch  im  Preise  zwi¬ 
schen  diesen  beiden  Anordnungen  steht  die  recht  eigentlich  'für  die 
Untersuchung  kleinster  lebender  Bakterien  (wenn  auch  natürlich 
nicht  allein  hierfür)  geeignete  Methode  der  Dunkelfeldbeleuchtung 
mittels  Paraboloidkondensor  von  Zeiss  (Preis  M.  40). 
Die  Methode  ist  schon  früher  angegeben 3)  und  verwendet  worden. 
Durch  ein  besonderes,  von  mir  angegebenes  Herstellungsverfahren 
werden  jedoch  neuerdings  diese  Paraboloide  in  wesentlich  gegen 
früher  verbesserter  Form  hergestellt,  wodurch  ihre  Leistungsfähig¬ 
keit  erheblich  gestiegen  ist.  Der  Paraboloidkondensor  lässt  sich  an 
jedem  Mikroskop  ohne  weiteres  anbringen,  welches  eine  Kondensor- 
Schiebhülse  von  üblicher  Weite  (36,8  mm)  besitzt.  Er  wird  an 
Stelle  des  Kondensors  soweit  eingeschoben,  bis  seine  Oberfläche 
ungefähr  in  Tischhöhe  liegt.  Hierauf  wird  mit  Zedernholzöl  eine 
möglichst  blasenfreie  Verbindung  zwischen  der  Unterseite  des  Ob¬ 
jektträgers  (von  1,0 — 1,5  mm  Dicke)  und  dem  Kondensor  hergestellt. 
Der  Kondensortrieb  wird  zur  Regulierung  der  Beleuchtung  nicht 
betätigt.  Die  beleuchtenden  Strahlen  haben  eine  numerische  Apertur 
von  etwa  1,1 — 1,4;  sie  werden  an  der  Oberfläche  des  Deckglases 
total  reflektiert,  wenn  sich  Luft  darüber  befindet.  Gegenüber  der 
einfachen  Abblendung  im  Immersionskondensor  besitzt  das  Para- 
boloid  den  Vorteil  der  weitaus  besseren  sphärischen  Korrektion,  aber 
vor  allem  bestehen  keine  Farbenfehler,  weil  die  Strahlen  im  Glas- 
paraboloid  durch  Spiegelung  statt  durch  Brechung  gesammelt  wer¬ 
den.  Zur  Beobachtung  werden  mittelstarke  Trockensysteme  be¬ 
nutzt;  am  besten  ist  hier  das  Objektiv  DD  mit  Korrektionsfassung 
von  Zeiss.  Die  besten  Resultate  werden  erzielt,  wenn  dieses 
Objektiv  mittels  einer  kleinen  Zentriervorrichtung  am  Tubus  ange¬ 
schraubt  wird,  denn  mit  Hilfe  dieser  kann  der  Fokus  des  Paraboloids 
mit  dem  des  Objektivs  zusammengebracht  werden.  Starke  Kom¬ 
pensationsokulare  (No.  12  oder  18)  vervollständigen  die  optische 
Ausrüstung.  Als  Lichtquellen  sind  nur  künstliche  zu  empfehlen: 
Gas-,  Spiritus-,  Glühlicht,  Nernstlicht  oder  am  besten  elektrisches 
Bogenlicht.  Mittels  einer  sog.  Schusterkugel,  welche  in  je  15  cm 
Abstand  zwischen  Lichtquelle  und  Mikroskopspiegel  steht,  wird  auf 
letzterem  ein  Bild  der  Lichtquelle  entworfen  und  gleichzeitig  für  die 
Abhaltung  schädlicher  Wärme  vom  Präparat  gesorgt.  Praktische 
Demonstrationen  an  frischem  Spirochätenmaterial  haben  die  Zweck¬ 
mässigkeit  dieser  Methode  dargetan. 

Bei  der  einfachen  Methode  der  Abblendung  im  Immersions¬ 
kondensor  und  auch  beim  Paraboloidkondensor  treten  infolge  der 
ringförmigen  Seitenbeleuchtung  Beugungssäume  im  Bilde  voll¬ 
kommen  zurück.  Sie  erscheinen  nur  bei  exzentrischer  Beleuchtung, 
wenn  dadurch  einzelne  Teile  des  beleuchtenden  Ringes  ausgeschaltet 
werden.  Verstellt  man  bei  sonst  gut  zentrischer  Beleuchtung  den 
Mikroskopspiegel  aus  der  Stellung  für  gleichmässige  Bildhelligkeit, 
so  bemerkt  man  leicht,  dass  die  Spirochäten  ganz  verschieden  ab- 
geibildet  werden  können,  je  nach  der  relativen  Stellung  ihrer  im 
Raume  gekrümmten  Linienelemente  gegen  die  zur  Geltung  kommen¬ 
den  beleuchtenden  Strahlen.  Die  Zickzacklinie  erscheint  unter¬ 
brochen,  so  dass  je  nur  die  einen  oder  die  anderen  der  unter  sich 
parallelen  Striche  auftreten.  Oder  es  erscheint  jeder  der  Striche  in 


U  H.  Siedentopf:  Journ.  Roy.  Micr.  Soc.  1903,  S.  573 — 5/8. 

2)  H.  Sieden  topf:  Zeitschr.  wiss.  Mikr.  24,  1907,  S.  13 — 20. 

3)  H.  Siedentopf:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1904,  No.  32.  — 
N.  Gaidukov:  Verh.  D.  Zool.  Ges.  1906,  S.  250—258. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


2  getrennte  Punkte  auigelöst.  Auf  diese  Weise  können  5  typisch 
verschiedene  mikroskopische  Bilder  derselben  Spirochäte  je  nach 
der  SpieKelstellung  erzielt  werden. 

Diese  Erscheinung  beruht  darauf,  dass  kleine  mikroskopische 
Linienelemente  von  ultramikroskopischer  Breite  bei  seitlicher  Be¬ 
leuchtung  am  stärksten  Licht  abbeugen,  wenn  ihre  Längsrichtung 
senkrecht  steht  zur  Hauptachse  der  beleuchtenden  Strahlen,  und 
wenn  zugleich  bei  elliptischem  (Querschnitt  des  beleuchtenden 
Büschels  dieses  Linienelement  parallel  der  längeren  Achse  der 
Ellipse  liegt. 

Herr  Gaidukov:  Die  Ultramikroskopie  an  Zellen. 

Das  einzige  Ultramikroskop,  mit  welchem  die  Struktur  der 
Zellen,  dünner  Gewebsschnitte  und  auch  der  dünnen  Schnitte  der 
Gelkolloide  (Kollodium, Gelatine  usw.)  untersucht  werden  kann,  ist  das 
Ultramikroskop  nach  dem  Prinzip  der  Abblendung  nach  Sieden- 
topf  (mit  dem  Wechselkondensor).1 2)  , 

Meine  Untersuchungen 3)  haben  gezeigt,  dass  die  Protoplasten 
vom  ultramikroskopischen  und  vom  kolloid-chemischen  3)  Standpunkt 
folgendes  darstellen: 

1.  Das  lebende  Protoplasma  (ohne  Plasmahaut)  resp.  Zytoplasma 
ist  mit  einem  Hydrosolenkomplex  vergleichbar.  Die  Ultramikronen 
in  diesem  Hydrosolenkomplex  bewegen  sich  ähnlich,  wie  es  in  den 
Gold-  und  Silberhydrosolen  der  Fall  ist.  Ist  das  Zytoplasma  wasser¬ 
reich,  so  ist  diese  Bewegung  sehr  gut  zu  sehen.  Ist  dagegen  das 
Zytoplasma  wasserarm,  so  sieht  man  entweder  nur  eine  flimmernde 
Bewegung  im  Protoplasma  oder  es  ist  gar  nicht  zu  sehen.  Die  ge¬ 
eignetsten  Objekte  für  die  ultramikroskopische  Untersuchung  des 
Plasmas  sind  die  wasserreichen  Zellen  der  Algen  Spirogyra  und 
Oscillaria  und  die  Blumenstaubhaare  der  Tradescontia. 

2.  Das  Zytoplasma  ist  gegen  Zellhaut,  Wasser  usw.  und  gegen 
Zellsaft  durch  eine  Hydrogelschicht  geschützt.  Die  Entstehung  dieser 
Hydrogelschicht  (Plasmahaut)  ist  folgendermassen  zu  erklären.  Die 
im  Medium,  in  dem  Protoplasma  sich  befindet,  sowie  auch  im  Zell¬ 
saft  vorhandenen  Elektrolyte  wirken  auf  die  äussere  Schicht  des 
Plasmas,  die  mit  derselben  in  Berührung  kommt.  Deswegen  koagu¬ 
lieren  die  Ultramikronen  dieser  Aussenschicht  zusammen  und  auf 
diese  Weise  entsteht  eine  festere  Schicht,  welche  das  innere  Plasma 
vor  schädlichen  Wirkungen  der  Elektrolyten  schützt. 

3.  Beim  Absterben  des  Protoplasmas  entsteht  ein  Hydrogelen- 
komplex,  der  aus  einem  irreversiblen  und  einem  reversiblen  Teile 
besteht. 


Medizinische  Gesellschaft  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  13.  J  a  n  u  a  r  1907  im  Anschar-Krankenhaus. 

Herr  Car  lau:  Ueber  Entfernung  eines  Fremdkörpers 
aus  dem  linken  Bronchus.  (Erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  Heermann:  Ueber  Aseptik  in  der  Oto-  und  Rhino- 
chirurgie  mit  Demonstrationen  (erscheint  in  der  Sammlung 
zwangloser  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Nasen-,  Ohren-, 
Mund-  und  Halskrankheiten). 

Herr  Holzapfel  beschreibt  einen  Handgriff,  mittels 
dessen  er  26  Stunden  post  partum  einen  invertierten  Uterus 
zurückbrachte,  dessen  Muskulatur  nach  reichlichen  Sekale- 
gaben  fest  zusammengezogen  war.  Die  Dehnung  des  Trichters 
gelang  erst  dadurch,  dass  H.  und  der  helfende  Arzt  jeder  zwei 
Finger  von  oben  in  den  Trichter  hakten  und  nach  entgegen¬ 
gesetzten  Richtungen  zogen,  während  die  innere  Hand  den 
Trichter  stützte  und  festhielt.  So  gelang  die  Dehnung  so  weit, 
dass  die  innere  Hand  etwas  Korpuswand  durch  den  Schnür- 
ring  nach  oben  bringen  konnte.  Doch  fiel  dieser  Wandteil 
immer  wieder  zurück,  sobald  er  nicht  mehr  von  der  inneren 
Hand  festgehalten  wurde.  H.  liess  deshalb  den  Helfer  die 
Faust  oberhalb  des  Uterus  legen,  sodass  der  Uterus  nicht  nach 
oben  entweichen  konnte,  und  griff  mit  seiner  äusseren  Hand, 
die  schlaffen  Bauchdecken  und  die  Vagina  anterior  weit  vor¬ 
stülpend,  von  unten  her  durch  den  Zervixschnürring.  So  konnte 
er  mit  der  äusseren  Hand  den  von  der  inneren  hochgeschobenen 
Korpuswandteil  zurückhalten,  die  innere  Hand  schob  weitere 
I  eile  nach,  und  so  gelang  die  völlige  Zurückstülpung  des 
Uterus. 


R  Vergl.  S  i  e  d  e  n  t  o  p  f :  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1904,  No.  32; 
Gaidukov:  Verband!,  d.  D.  Zoolog.  Gesellsch.  1906,  S.  250,  Be¬ 
richte  d.  D.  Botan.  Gesellsch.  1906,  S.  581;  Carl  Ze  iss- Jena: 
Neue  Prospekte  über  Dunkelfeldbeleuchtung  und  Ultramikroskopie 
1907  (in  Vorbereitung). 

2)  Vergl.  Gaidukov:  Berichte  d.  D.  Botan.  Gesellsch.  1906, 
S.  587. 

a)  Den  Unterschied  zwischen  Hydrogele  und  Hydrosole  usw. 
vergl.  R.  Zsigmondy:  Zur  Erkenntnis  der  Kolloide,  Jena  1905, 
S.  10 — 76. 


Für  die  E  n  t  s  t  e  h  u  n  g  der  Inversio  uteri  puerperalis  legt 
H.  das  Hauptgewicht  auf  die  Erschlaffung  des  Uterus.  Zur 
Verhütung  der  Inversion  ist  eine  sorgfältige  Ueberwachung 
des  3.  Geburtsabschnittes  notwendig,  die  jede  atonische  Blutung 
von  Beginn  bekämpft.  Ist  es  erst  zur  völligen  Erschlaffung  des 
Uterus  gekommen,  so  genügt  oft  ein  leichter  Druck  von  oben, 
die  Anwendung  der  Banchpresse,  vielleicht  auch  schon  die 
Schwere  der  Plazenta  mit  oder  ohne  Bluterguss,  um  das 
Korpus  nach  unten  zu  drängen  und  durchzustülpen. 

Einzelheiten  zu  dem  Vortrage  finden  sich  im  Zentralblatt 
für  Gynäkologie. 

Herr  Kramer:  Ovarial-  oder  Milztumor? 

Frau  H.,  38  Jahre  alt,  bekam  plötzlich  heftige  krampfartige  — 
vorher  an  der  Stelle  zeitweise  ziehende  —  Schmerzen  in  der  rechten 
Seite  des  Leibes.  Elendes  Befinden,  beschleunigter,  aussetzender- 
Puls,  kein  Fieber.  Befund:  Grosser  Tumor  im  rechten  Hypogastrium, 
der  rechten  Beckenschaufel  aufliegend  und  sich  von  Nabelhöhe  ins 
kleine  Becken  erstreckend,  von  entschieden  elastischer  Konsistenz. 
Innere  Untersuchung:  Der  runde  Tumor  liegt  dem  vorderen  Scheiden¬ 
gewölbe  fest  auf;  Uterus  nach  hinten,  bei  Zug  an  der  Portio  an¬ 
scheinend  gegen  die  Geschwulst  etwas  verschieblich.  Ovarium  (das 
rechte  Ovarium  war  vor  4  Jahren  wegen  zystischer  Entartung  durch 
Laparotomie  entfernt)  neben  dem  Tumor  nicht  nachweisbar.  Dia¬ 
gnose:  Zystischer  Ovarialtumor,  eventuell  Stieltorsion.  Die  äusserst 
hinfällige  Patientin  sollte  sich  vor  der  Operation  erst  etwas  erholen. 
Plötzlich  Symptome  eines  vollständigen  Darmvei  Schlusses.  Lapa¬ 
rotomie:  Der  Tumor  stellte  sich  als  hochgradig  verlagerte  und  ver- 
grösserte  (9:13:22  cm)  Milz  heraus.  Allseitige  Verklebungen,  be¬ 
sonders  feste  am  oberen  Pol  mit  Dünndarmschlingen.  Hier  etwa 
50  cm  unterhalb  des  Duodenums  vollständige  Abknickung  des  Darmes. 
Nach  Lösung  der  Verklebungen  und  Abbindung  des  Stieles  (Torsion 
um  360  °)  Entfernung  der  Milz.  Die  moribund  zur  Operation  ge¬ 
kommene  Patientin  erholte  sich  überraschend  schnell  und  konnte 
nach  4  Wochen  gesund  aus  dem  Krankenhaus  entlassen  werden. 
Auch  weiterhin  gutes  Befinden.  (Vortrag  erscheint  a.  a.  O.  aus¬ 
führlich.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  4.  Februar  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Regierungsrat  Sayffaerth,  Vorsitzender  des 
Kölner  Schiedsgerichts  für  Arbeiterversicherung  spricht  über 
die  Unfallversicherung. 

Der  Vortrag  ging  von  der  eine  bedauerliche  Erscheinung 
im  öffentlichen  Leben  bildenden  Tatsache  aus,  dass  eine  über¬ 
grosse  Zahl  von  Aerzten  mit  der  Arbeiterversicherung  allzu 
wenig  vertraut  ist,  und  gipfelte  in  dem  beherzigenswerten  Vor¬ 
schläge,  den  jungen  Medizinern  vor  wie  nach  dem  Staats¬ 
examen.  noch  mehr  Gelegenheit  zu  bieten,  sich  für  ihre  heutigen¬ 
tags  so  besonders  bedeutsame  sozialpolitische  Wirksamkeit 
vorzubereiten.  Die  nüchterne  Erörterung  über  die  Versiche¬ 
rungsbegriffe,  den  Kreis  der  Versicherten,  die  Versicherungs¬ 
träger  und  die  Leistungen  der  Versicherung  unterbrach  an¬ 
regend  die  Mitteilung  interessanter,  der  langjährigen  prak¬ 
tischen  Erfahrung  des  Redners  entnommener  Erlebnisse  mit 
Verletzten  und  Sachverständigen.  Nach  seinen  Darlegungen 
soll  der  Arzt  zunächst  als  Heilkünstler  unter  Berücksichtigung 
des  Berufs  der  Verunglückten  nicht  allein  so  rasch  wie  möglich 
die  vorhandenen  Wunden  schliessen,  sondern  auch  plan- 
mässig  so  zu  Werke  gehen,  dass  die  Erwerbsfähigkeit  im 
grösstmöglichen  Umfange  wieder  hergestellt  werde.  Dann 
aber  soll  er  als  Vermittler  die  Leidenden  oder  ihre  Angehörigen 
gelegentlich  auf  den  zur  Erlangung  einer  Entschädigung  ge¬ 
eigneten  Weg  weisen  oder  aber  sie  durch  entsprechende  Be¬ 
lehrung  vor  unberechtigten  und  übertriebenen  Forderungen 
zurückhalten.  Als  wichtiger  Zeuge  soll  er  ferner  alle  Aeusse- 
rungen  über  den  Anlass  des  Unglücks  notieren,  in  jedem  Falle 
durch  vorsichtige  Fragen  sich  Gewissheit  zu  verschaffen 
suchen,  wie  der  Hergang  und  Zusammenhang  der  Dinge  ge¬ 
wesen  ist,  und  diese  seine  Wissenschaft  später  in  den  Dienst 
der  objektiven  Wahrheit  stellen.  'Als  Sachverständiger  soll 
er  endlich  keinem  zu  Liebe,  keinem  zu  Leide  seine  Ansicht  über 
den  Fall  klar  heraussagen  und  kurz,  aber  deutlich  begründen. 
Hier  kommt  es  sowohl  auf  den  Zusammenhang  zwischen  Un¬ 
fall  und  Schaden  an,  wobei  mit  Möglichkeit,  Wahrscheinlichkeit 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1505 


und  Gewissheiten  zu  rechnen  ist,  als  auch  auf  das  Mass  des 
Schadens,  in  welcher  Hinsicht  gerade  der  Arzt  gut  beurteilen 
kann,  welche  Fähigkeiten  verloren  gehen,  welche  geblieben 
sind.  Ein  Hinweis  auf  gewisse  Mängel  des  Verfahrens  und 
Unbilligkeiten  der  Entschädigung  oder  Versagung  nach  dem 
bestehenden  Gesetze,  sowie  ein  Ausblick  auf  die  Möglichkeiten 
einer  entsprechenden  Verbesserung  und  auf  eine  künftige  Ver¬ 
einfachung  der  Gesetzgebung  vervollständigte  die  interessanten  i 
Ausführungen.  Für  diejenigen  Vereinsmitglieder,  welche  am 
fraglichen  Abende  nicht  anwesend  sein  konnten,  sowie  für 
andere  Freunde  der  Sache  sei  übrigens  darauf  hingewiesen, 
dass  ein  grosser  Teil  der  vorgetragenen  Ansichten  und 
Wünsche  in  einem  Aufsatze  des  Regierungsrats  S  a  y  f  f  a  e  r  t  h 
von  1906  über  Vereinheitlichung  und  Ausbau  der  deutschen 
Arbeiterversicherung  bereits  niedergelegt  ist.  Derselbe  ist  im 
Frankfurter  Reformblatt  für  Arbeiterversicherung  erschienen. 
Einige  Sonderabzüge  sind,  wie  uns  der  Verfasser  mitteilt,  noch 
vorhanden  und  werden,  soweit  der  Vorrat  reicht,  auch  von 
ihm  selber  gern  abgegeben. 

Herr  Strohe  I:  Unfallversicherung  und  Arzt.  (Selbst¬ 
bericht  ). 

Verf.  beschäftigt  sich  vorzüglich  mit  der  Abfassung  der 
Unfallgutachten.  Nach  seiner  Ansicht  ist  die  reine  Simulation, 
d.  h.  Klagen  ohne  jeden  Grund,  selten,  dagegen  Uebertreibung 
sehr  häufig.  Wenn  aber  Simulation  oder  Uebertreibung  im 
Gutachten  behauptet  werden,  so  muss  dies  auch  bewiesen 
werden.  Bei  Beurteilung  der  Unfallfolgen  sollen  wir  immer 
ähnliche  Fälle,  die  uns  in  der  nicht  versicherten  Praxis  Vor¬ 
kommen,  zum  Vergleiche  heranziehen.  Ferner  müssen  bei  der 
Beurteilung  schwieriger  Fälle  alle  modernen  Hilfsmittel  an¬ 
gewandt  werden,  und  wenn  diese  dem  Untersucher  nicht  zur 
Verfügung  stehen,  müssen  die  Verletzen  den  einschlägigen 
Instituten  überwiesen  werden.  Er  bespricht  dann  die  Ent¬ 
stehung  der  Geschwülste  und  Tuberkulose  bezw.  Osteo¬ 
myelitis  nach  Unfall.  Die  Geschwülste  schliessen  sich  nicht 
sofort  an  den  Unfall  an,  sie  müssen  aber  am  Ort  der  Gewalt¬ 
einwirkung  entstehen.  Metastasen  an  dieser  Stelle  bei  vor¬ 
handenen  bösartigen  Geschwülsten  werden  selten  entstehen 
und  meist  als  Unfallfolgen  abzulehnen  sein.  Tuberkulose  und 
Osteomyelitis  schliessen  sich  bald  an  Unfall  an  und  entstehen  oft 
nach  verhältnismässig  geringen  Gewalteinwirkungen.  Sie 
müssen  in  etwa  3 — 4  Wochen  nach  dem  Unfall  in  Erscheinung 
treten,  während  dieser  Zeitraum  bei  bösartigen  Geschwülsten 
bis  auf  2  Jahre  ausgedehnt  werden  kann.  In  Kürze  werden 
dann  noch  die  Gewerbekrankheiten,  Phosphornekrose,  Osteo¬ 
myelitis  der  Perlmutter-,  Jute-  und  Wollarbeiter,  Aktino- 
mykose,  Reitknochen  usw.  behandelt.  Verfasser  verlangt,  dass 
bei  allen  Unfallverletzten  der  Urin  untersucht  wird,  was  be¬ 
sonders  von  Wichtigkeit  sein  wird  bei  später  festgestellter 
Diabetes.  Bei  letzterem  wird  ein  Zeitraum  von  höchstens  zwei 
Jahren  noch  in  der  Bereich  der  Wahrscheinlichkeit  gehören. 
Die  Gutachten  sollen  in  deutscher  Sprache  und  gewissenhaft 
angefertigt  werden,  so  dass  sie  jeden  Augenblick  eidlich  be¬ 
kräftigt  werden  können.  Gutachten  allein  aus  Aktenkenntnis 
sollten  möglichst  vermieden,  wenn  dies  aber  unmöglich  sei, 
mit  dem  grössten  kollegialen  Takt  ausgestellt  werden.  Des¬ 
gleichen  sollen  auch  Gutachten  an  die  Verletzten  zur  Erlangung 
höherer  Renten  auf  das  geringste  Mass  beschränkt  werden. 
Da  die  Anforderungen,  welche  -an  die  Ausstellung  eines  Gut¬ 
achtens  gestellt  werden,  sehr  grosse  sind,  und  die  Verant¬ 
wortung  bedeutend  ist,  so  soll  dementsprechend  auch  die  Be¬ 
zahlung  durch  die.  Berufsgenossenschaften,  welche  hinreichend 
kapitalkräftig  sind,  eine  angemessene  sein.  Wenigstens  sollte 
sie  den  in  der  Gebührenordnung  angegebenen  Satz  nicht  unter¬ 
schreiten,  was  heute  noch  oft  genug  vorkommt.  Insbesondere 
tadelt  der  Vortragende  die  Abschlüsse  der  Aerztekannner  mit 
der  landwirtschaftlichen  Berufsgenossenschaft  zu  dem  Satze 
von  5  Mark,  der  gerade  die  Hälfte  des  Mindestsatzes  der 
Gebührenordnung  um  ein  Geringes  überschreitet. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg, 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  14.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Tuczek. 

Schriftführer:  Herr  Sardemann. 

Herr  Bach  demonstriert  einen  20jährigen  Patienten  mit  ange¬ 
borener  Elephantiasis  cavernosa  des  linken  Oberlides. 

Derselbe  stellt  eine  49  jährige  Kranke  mit  doppelseitiger  re¬ 
flektorischer  Pupillenstarre  und  einseitiger  (linksseitiger)  Sehnerven¬ 
atrophie  vor. 

R.  S.  =  'Vs — e/o,  E.  L.  S.  =  Handbewegungen  in  nächster  Nähe,  E. 

Pupillen:  Durchfallendes  Licht  R.  2,75,  L.  2,25  mm;  binoku¬ 
lare  Belichtung  R.  2,75,  L.  2,25  mm;  unokulare  Belichtung  R.  2,75, 
L.  2,25  mm;  Konvergenz  R.  2,25,  L.  1,75  mm.  Beiderseits  sensible  und 
Psychoreflexe  nicht  nachweisbar. 

Von  Interesse  für  die  Lokalisation  der  reflektorischen  Starre  ist 
die  Tatsache,  dass  trotz  der  nur  einseitigen  Sehnervenatrophie 
die  Lichtreaktion  beiderseits  gleich  stark  beeinträchtigt, 
d.  h.  erloschen  ist,  ferner,  dass  die  Pupille  auf  der  Seite  der  Seh¬ 
nervenatrophie  enger  ist.  Beim  Verdecken  des  rechten  Auges 
ändert  die  Pupille  des  nahezu  erblindeten  linken  Auges  die  Weite  nicht. 

Herr  Ahlfeld  spricht  über  die  Möglichkeit,  die  frisch 
infizierte  Hand  unmittelbar  darauf  zu  reinigen,  sodass  seiner 
Meinung  nach  eine  Abstinenznichtnötigerscheint, 
sobald  mit  Verständnis  und  Gewissenhaftigkeit  die  sofortige 
Waschung  und  Desinfektion  vorgenommen  worden  ist. 

Zahlreiche  Platten,  auf  denen  die  verschiedenartigsten 
Bakterien  von  der  beschmutzten  Hand  übertragen  waren, 
wurden  neben  den  Platten  demonstriert,  die  nach  der  Waschung 
mit  Wasser  und  Seife  und  neben  denen,  die  nach  einer  so¬ 
fortigen  Alkoholreinigung  gewonnen  waren. 

Genauere  Publikation  erfolgt  anderen  Orts  nach  Fort¬ 
setzung  der  Versuche. 

Herr  Ahlfeld  demonstriert  ein  neugeborenes  Mädchen  mit 
ausgebreitetem  Naevus  pigmentosus  und  starker  Haarentwicklung,  der 
Oberarm,  Ellenbogen  und  Vorderarm  einnimmt. 

Herr  Opitz:  M.  H. !  Ich  möchte  die  sich  bietende  Gelegenheit 
benützen,  die  Verhältnisse  der  geburtshilflichen  Poliklinik  in  Ihrem 
Kreise  zu  besprechen,  weil,  wie  mir  scheint,  noch  vielfach  Missver¬ 
ständnisse  über  deren  Betrieb  bestehen. 

Die  Einrichtung  ist  so  getroffen,  dass  bei  Leuten,  deren  Ver¬ 
mögensverhältnisse  die  Zuziehung  einer  Hebamme  nicht  gestatten, 
eine  Hebamme  und  eine  Schülerin  auf  Ersuchen  hingeschickt  werden, 
gewöhnlich  geht  ein  älterer  Praktikant  sofort  mit.  Falls  irgend  eine 
Anzeige  zu  ärztlichem  Eingreifen  eintnitt,  wird  sofort  ein  Arzt,  ent¬ 
weder  ich  selbst  oder  einer  der  Herren  Assistenten  gerufen,  die  das 
Nötige  vornehmen. 

Ich  bin  dabei  bestrebt,  Schädigungen  der  Hebammen  in  ihrem 
Erwerb  dadurch  vorzubeugen,  dass  augenscheinlich  zahlungsfähige 
Menschen  angewiesen  werden,  eine  der  in  der  Stadt  tätigen  Heb¬ 
ammen  zu  rufen,  genau  so,  wie  ich  in  der  poliklinischen  Sprechstunde 
für  kranke  Frauen  darauf  hinwirke,  dass  zahlungsfähige  Kranke  äb- 
gewiesen  werden. 

Dieser  Teil  der  geburtshilflichen  Poliklinik  wird  verhältnismässig 
oft  benützt.  Dagegen  ist  es,  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  zu 
schliessen,  den  Herren  Kollegen  unbekannt,  dass  wir  auch  sehr  gern 
bereit  sind,  die  nötige  Hilfe  zu  leisten,  wenn  die  Geburt  schon  von 
Hebammen  übernommen  ist.  Es  gibt  ja  doch  da  auch  vielfach  Men¬ 
schen,  die  wohl  die  Kosten  für  eine  Hebamme,  nicht  aber  für  den  Arzt 
aufbringen  können.  Die  Herren  werden  ia  alle  selbst  Fälle  genug  er¬ 
lebt  haben,  in  denen  die  aufgewandte  Zeit,  Mühe  und  Kunst  auch  nicht 
annähernd  vergütet  werden  kann.  Auch  wenn  die  Herren  gelegent¬ 
lich  andere,  dringende  Abhaltungen  haben,  sind  wir  gern  bereit,  helfend 
einzuspringen.  Sie  finden  in  der  Klinik  zu  jeder  Zeit  die  gewünschte 
Vertretung. 

Da  in  allen  Universitätsstädten,  die  ich  kenne,  gerade  die  zuletzt 
gekennzeichnete  Art  des  Doliklinischen  Betriebes  die  Hauptsache,  oft 
sogar  allein  vorhanden  ist,  so  möchte  ich  den  Herren  Kollegen  die 
Bitte  unterbreiten,  sich  in  geeigneten  Fällen  auch  hier  der  geburts¬ 
hilflichen  Klinik  zu  erinnern.  Ich  glaube,  das  kann  nur  zu  beider¬ 
seitigem  Nutzen  ausschlagen. 

Herr  Hess  gibt  experimentelle  Beiträge  zur  Anatomie  und 
Pathologie  des  Pankreas. 

Das  Pankreas  des  Hundes  besitzt  für  gewöhnlich  3  Aus¬ 
führungsgänge,  welche  nach  Füllung  mit  Jodipin  oder  Bromipin 
auf  der  Röntgenplatte  gut  darstellbar  sind. 

Unterbindung  aller  Gänge  führt  zu  Sklerose  des  Pankreas 
und  zu  Störung  der  Fettverdauung. 

Offenbleiben  eines  Ganges  verhindert  mehr  oder  weniger 
diese  Folgeerscheinungen  und  erklärt  die  widersprechen- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


den  Angaben  früherer  Autoren  (L  o  in  b  r  o  s  o,  Z  u  n  t  z  und 
Mayer  etc.). 

Die  Anordnung  der  Ausführungsgänge  im  mensch¬ 
lichen  Pankreas  erklärt  manche  Fragen  der  menschlichen 

Pankreaspathologie.  , 

Durch  Röntgenaufnahmen  lässt  sich  das  Verhalten  des 
Jodipins  und  Bromipins  im  Unterhautzellgewebe  und  im  Darm¬ 
kanal  des  Hundes  gut  verfolgen,  die  Aufsaugung  m  die  Chylus- 
gefässe  dagegen  nicht  nachweisen. 

Redner  zeigt  eine  Anzahl  von  Röntgenplatten,  welche  die 
Anordnung  der  mit  Jodipin  injizierten  Ausführungsgänge  im 
menschlichen  und  Hundepankreas  und  die  Wanderung  des 
Jodipins  im  Unterhautzellgewebe  und  Darmkanal  des  Hundes 
demonstrieren. 

(Der  Vortrag  mit  Abbildungen  erscheint  in  dieser  Wochen¬ 
schrift.) 

Herr  Beneke  demonstriert  einen  Fall  von  Kernikterus.  Bei 
dieser  von  Schmor  1  beschriebenen  seltenen  Form  des  Icterus 
neonatorum  zeigen  sich,  abgesehen  von  dem  allgemeinen  Ikterus,  be¬ 
stimmte  Nervenkerne  im  Zentralnervensystem  intensiv  ikterisch  ge¬ 
färbt;  in  dem  Fall  des  Vortragenden  (Frühgeburt)  stimmte  die  Lo¬ 
kalisation  fieser  Färbungen  fast  genau  mit  der  von  Schmorl  an¬ 
gegebenen  überein,  ebenso  der  mikroskopische  Befund  (Gelbfärbung 
absterbend jr  Ganglienzellen).  Gleichzeitig  fand  sich  eine  diphtheri- 
tische  Oesophagitis  der  unteren  Abschnitte  und  das  charakteristische 
Bild  zahlreicher  Stigmata  ventriculi;  in  beiden  erkrankten  Organen 
waren  die  Nekrosen  intensiv  goldgelb  gefärbt  und  enthielten  grosse 
Mengen  von  kristallreichem  Hämatoidin.  Vortr.  erörtert  die  Ent¬ 
stehung  jener  eigenartigen  Färbungslokalisationen  im  Zentralnerven¬ 
system,  namentlich  auch  in  Rücksicht  auf  die  Frage,  wie  weit  eine  an 
die  Erregungen  bei  der  Geburt  sich  anschliessende  Ischämie  der¬ 
selben  eine  Gewebeschwächung  hervorzurufen  imstande  war.  (Der 
Vortrag  erscheint  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift.) 


Freie  Vereinigung  von  Frauenärzten  in  München. 

I.  Sitzung  am  23.  Januar  1907. 

Vorsitzender :  Herr  S  t  i  e  1  e  r. 

Schriftführer;  Herr  H  e  n  g  g  e. 

Herr  Heng  ge:  Die  vaginale  Operation  der  erkrankten  Adnexe. 

Drängen  nicht  schwer  bedrohliche  Erscheinungen  zum  Ein¬ 
greifen,  so  sind  die  entzündlich  erkrankten  Kleinbeckenorgane  stets 
zunächst  konservativ  zu  behandeln.  Eine  genaue  prozentuale  Fest¬ 
stellung  über  die  Erfolge  und  Misserfolge  der  konservativen  Therapie 
stösst  auf  ausserordentliche  Schwierigkeiten;  Intensität  der  Er¬ 
krankung,  Art  des  Krankenmaterials,  subjektive  Angaben  spielen  da¬ 
bei  eine  Rolle. 

Widersteht  die  Erkrankung  allen  anderen  Heilversucben,  kommt 
die  Kranke  durch  Schmerz  und  Fortdauer  des  Prozesses  von  Kräften, 
wird  sie  arbeits-  und  genussunfähig,  so  ist  die  operative  Behandlung 
indiziert.  (Stellung  der  Kassenkranken.) 

Als  allgemeine  Gesichtspunkte  für  die  Operation  kommen  in 
Betracht:  1.  konservatives  Operieren,  d.  h.  mit  Erhaltung  der 
gesunden  und  soweit  irgend  angängig  auch  der  erkrankten  Organe. 

2.  Vaginales  Operieren  mit  Einschränkung  der  Laparotomie. 

Bericht  über  10  Fälle,  die  nach  dieser  Indikationsstellung  und 
nach  diesen  Grundsätzen  operiert  wurden.  Es  handelte  sich  stets  um 
schwer  entzündlich  erkrankte  Adnexorgane,  einmal  mit  gleichzeitiger 
Extrauteringravidität.  In  einem  Falle  wurden  Uterus  und  Adnexe 
radikal  entfernt  (44  jähr.  Frau),  in  allen  anderen  Fällen  blieben  der 
Uterus  und  z.  T.  beide  Adnexe  (Tubenstomatoplastik)  erhalten:  zu¬ 
weilen  blieben  nur  die  Ovarien  oder  ein  Ovar,  einmal  nur  Vs  Ovar 
zurück.  Alle,  auch  dieser  letzte  Fall,  sind  regelmässig  menstruiert. 
Der  letzte  Fall  liegt  Vz  Jahr  zurück. 

Operiert  wurde  in  der  Regel  mit  Kolpotomia  anterior. 

Kontraindikation  gegen  die  vaginale  Methode  bilden  Komplika¬ 
tionen  von  Seiten  des  Darmes,  besonders  auch  des  Processus  vermi¬ 
formis.  In  solchen  Fällen  tritt  die  abdominale  Köliotomie  (Faszien¬ 
querschnitt)  in  ihre  Rechte. 

Diskussion:  Die  Herren  A.  M  u  e  1 1  e  r,  G.  Klein,  H  e  n  g  g  e. 

Herr  A.  Mueller:  Ueber  einen  seltenen  Krampf zustand  der 

Beckenorgane.  (Ileus  spasticus.) 

Das  Symptomenbild  der  drei  ausführlich  mitgeteilten  Fälle  ist 
völlig  einheitlich:  Momentan  nach  einem  relativ  unbedeutenden  Ein¬ 
griff  (Lösung  von  Verwachsungen;  Vibrationsmassage  und  Protargol- 
injektion  in  den  Darm)  tritt  blitzähnlich  ein  äusserst  heftiger  Schmerz 
auf.  der  zu  Ohnmachtsgefühl  führt.  Der  Ausgangspunkt  des  Reflexes 
ist  das  Rektum,  Sigmoideum,  Beckenbindegewebe,  Peritoneum  und 
Ovar.  Es  treten  sofort  peritonitisartige  Schmerzen  und  Erbrechen 
auf;  der  Leib  wird  gespannt  und  aufgetrieben.  Flatus  gehen  3 — 6 
Tage  nicht  ab,  die  Urinentleerung  ist  mehrere  Tage  unmöglich  oder 
erschwert,  der  Katheterismus  alsdann  schwierig.  Die  Pulszahl  war 
im  Anfalle  meist  vermehrt,  später  eher  niedrig,  ebenso  die  Tem¬ 


peratur.  Es  bestand  mehrere,  3 — 8,  Tage  lang  ein  krampfartiger  Kon- 
traktionszustand  des  Darmes,  in  den  schwereren  Fällen  auch  der  Blase 
und  Vagina  und  wohl  auch  der  ganzen  Beckenmuskulatur. 

Das  Allgemeinbefinden  war  in  allen  Fällen  auffallend  gut  gegen¬ 
über  den  schweren  Symptomen. 

Gemeinsam  ist  allen  Fällen  eine  schon  lange  Zeit  vorher  be¬ 
stehende  entzündliche  Erkrankung  der  Organe  des  kleinen  Beckens, 
speziell  des  Rektum  und  Sigmoideum.  In  allen  3  Fällen  war  nicht 
der  erste  energische  Eingriff  die  Veranlassung  zum  Ausbruch  der 
alarmierenden  Erscheinungen,  sondern  es  waren  stets  schon  eine 
Anzahl  und  auch  schon  energischere  Eingriffe  vorgenommen  worden. 

Aetiologisch  kommt  eine  nervöse  Disposition  in  Frage. 

Diskussion:  Die  Herren  H  e  n  g  g  e,  S  a  n  d  n  e  r.  Klein, 
Mueller. 

Herr  W.  E\elt:  a)  Demonstration  von  3  durch  Operation  ge¬ 
wonnenen  Appendixpräparaten,  b)  Glykosurie  als  Folge  von  Ab¬ 
dominaltumoren. 

•41  jähr.  Patientin;  Uterus  myomatösus,  Kystoma  ovarii  sin.  multi- 
loculare;  Urin  enthält  Albumen  und  reichlich  Zucker.  Nach  der  Ope¬ 
ration,  welche  Uterus  und  beide  Ovarien  entfernte,  blieb  der  Urin 
dauernd  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

Herr  Th.  Kleinschmidt:  Demonstration  von  2  Fällen  früher 
Portiokarzinome. 

In  einem  Falle  ist  schon  durch  die  Probeexzision  das  ganze 
Karzinom  entfernt  worden.  A.  Hengge  -  München. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  April  1907. 

Vorsitzender:  Herr  F  1  a  t  a  u. 

Herr  Fürnrohr  berichtet  über  2  Fälle  von  partieller  Muskel¬ 
atrophie  im  Bereich  der  oberen  Extremitäten,  bei  denen  die  beruf¬ 
liche  Beschäftigung  als  die  wahrscheinliche  Ursache  des  Leidens  an¬ 
zusehen  ist. 

'  Der  erste  Kranke  (wird  vorgestellt),  ein  63  jähriger  Maurer,  kam 
vor  einigen  Wochen  wegen  Schmerzen  im  linken  Ellenbogen  und  im 
Vorderarm  in  ärztliche  Behandlung.  Die  genaue  Untersuchung  ergab 
normale  Reflexe,  keine  Sensibilitätsstörung,  dagegen  eine  deutliche 
Atrophie  der  kleinen  Handmuskeln,  der  Muskeln  des  Daumen-  und 
Kleinfingerballens,  der  Extensoren  und  in  geringerem  Grade  der 
Flexoren  des  Vorderarms.  Oberarm-  und  Schultermuskulatur  er¬ 
wies  sich  intakt.  Elektrisch  fanden  sich  teils  quantitative  Herab¬ 
setzung  der  Erregbarkeit,  teils  partielle  Entartungsreaktion.  Pat. 
muss  bei  seiner  Arbeit  mit  dem  linken  Arm  dauernd  ein  schweres 
Schaff  mit  Mörtel  oder  auch  ein  viereckiges  Brett,  auf  dem  eine 
grössere  Quantität  Mörtel  liegt,  halten,  was  nach  seiner  Schilderung 
einen  ziemlichen  Kraftaufwand  erfordert.  Differentialdiagnostisch 
käme  vor  allem  das  Bestehen  einer  Halsrippe  in  Frage,  weshalb  eine 
Röntgenuntersuchung  noch  vorgenommen  werden  soll.  (Dieselbe 
hat  einen  durchaus  normalen  Befund  ergeben.) 

Der  2.  Kranke,  ein  44  jähriger  Dachdecker,  klagt  seit  einigen 
Tagen  über  Schmerzen  in  beiden  Schultern,  ganz  besonders  rechts. 
Hier  findet  sich  keine  Sensibilitätsstörung,  dagegen  eine  nicht  beson¬ 
ders  hochgradige  Atrophie  des  Supraspinatus,  Infraspinatus,  des 
oberen  Kukullaris,  des  Pectoralis  major,  des  Deltoides  und  vielleicht 
des  Serratus  anticus  major.  Alle  Bewegungen  sind  möglich,  aber 
(besonders  Deltoides)  in  ihrer  Kraft  reduziert.  Elektrisch  zum  Teil 
quantitative  Herabsetzung  in  den  befallenen  Muskeln,  im  Deltoides 
Zuckung  vielleicht  etwas  weniger  blitzartig  als  normal.  Pat.  musste 
in  den  letzten  Wochen  mittels  eines  Seiles  schwere  Lasten  (z.  B. 
Säcke)  in  die  Höhe  ziehen,  was  besonders  für  die  Schultermuskulatur 
eine  sehr  beträchtliche  dauernde  Anstrengung  bedeutete.  Sehr  auf¬ 
fallend  ist,  dass  bei  Pat.  die  beiden  Patellarreflexe  sehr  schwach,  die 
Achillesreflexe  zurzeit  gar  nicht  auszulösen  sind.  Für  Tabes  sind 
keinerlei  sonstige  Anzeichen  vorhanden,  es  könnte  vielleicht  auch  an 
eine  beginnende  Dystrophie  gedacht  werden;  die  Ueberanstrengung 
wäre  in  diesem  Falle  nur  als  Gelegenheitsursache  anzusehen. 

Herr  Przegendza  demonstriert  2  bei  der  Sektion  gewonnene 
Tumoren,  die  annähernd  die  Grösse  eines  Taubeneies  hatten  und 
von  der  Dura  mater  des  Kleinhirns  ausgingen;  nach  dem  makro¬ 
skopischen  Aussehen  dürften  sie  tuberkulöser  Natur  sein. 

Herr  Fla  tau:  Ueber  Eihautretention. 

Der  Zweck  der  Ausführungen  des  Vortragenden  ist,  die  prak¬ 
tischen  Aerzte  davon  zu  überzeugen,  dass  die  Retention  der  Eihäutc 
bezw.  einzelner  Teile  im  allgemeinen  eine  Anomalie  ist,  bei  der  jede 
Polypragmasie  nur  schädlich  wirkt.  Nur  bei  strikter  Anzeige  ist 
man  berechtigt,  in  den  puerperalen  Uterus  einzugehen  und  die  Reste 
zu  entfernen.  Die  Kornzange  ist  zu  diesem  Zweck  ein  ebenso  un¬ 
geeignetes  als  gefährliches  Instrument.  Empfohlen  wird  der  Finger 
oder  die  stumpfe  Kürette  nach  Winter.  Die  Diagnose  ist  manch¬ 
mal  sehr  schwer,  und  man  soll  sich  hüten,  in  der  Beschuldigung  eines 
Kollegen  leichtfertig  zu  sein.  Vorsicht  und  Klugheit  am  Krankenbette 
und  besonders  in  forensischen  Fällen  sollten  den  ärztlichen  Berater 
leiten. 

Herr  H  e  i  n  I  e  i  n  legt  die  Dura  mater,  das  Pankreas  und  das 
Kniegelenk  einer  71  jährigen  Frau  vor,  welche  an  chronischem  Ge- 


23.  Jul!  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1507 


lenkrheumatismus  gelitten  hatte,  in  der  letzten  Lebenszeit  nicht  mehr 
ärztlich  beobachtet  worden  und  unter  den  Erscheinungen  des  nirn- 
schlagflusses  —  mit  dem  Sektiönsergebnis  der  Apoplexia  serosa  — 
verstorben  war.  .  .  ,  , 

Der  Innenfläche  der  atrophischen  Dura  liegt,  innig  und  schwer 
lösbar  mit  derselben  verschmolzen,  ein  dem  äusseren  Ansehen  nach 
der  Dura  gleichendes,  dieselbe  nur  an  Dicke  übertreffendes,  derbes 
Gebilde  auf,  welches  als  fibrös-metamorphosiertes  Hamatom  anzu- 
zusprechen  ist,  auf  deren  Innenfläche  sich  vereinzelte,  mselformige, 
frische,  hämorrhagisch-fibrinöse,  zarte  Pseudomembranen  vor finden. 

Die  Substanz  des  normal  grossen  Pankreas  erscheint  derb,  auf 
dem  Durchschnitt  grossenteils  grob  azinös,  blass,  blutarm,  teilweise 
ist  diese  Zeichnung  verwischt,  das  Qewebe  erscheint  dort  homogen, 
gelbgrau,  so  dass  wahrscheinlich  schleimige  Entartung  vorhegt 
fwegen  rasch  beginnender  Fäulnis  unterblieb  die  mikroskopische 
Untersuchung).  Der  Wirsungsche  Gang  zeigt  rosenkranzformige 
Erweiterung;  in  der  Mitte  des  Ganges  findet  sich  zu  Salbenkonsistenz 
eingedicktes,  grauweisses,  angestautes  Drüsensekret,  welches  waln- 
scheinlich  in  der  Folge  zur  Bildung  eines  Pankreassteines  Anlass  ge¬ 
geben  hätte.  Gallensteine  wurden  nicht  nachgewiesen,  doch  bestand 
Pericholezystitis  und  Obturation  des  Foramen  Winslow. 

Das  Kniegelenk  zeigt  die  für  den  chronischen  Gelenkt  heumatis- 
mus  des  höheren  Alters  charakteristischen  Veränderungen  Atrophie 
der  Knorpelüberzüge  der  Gelenkflächen,  Gelbfärbung  der  Synovialis 
und  der  anderen  bindegewebigen  Gelenkkomponenten,  an  den  Band¬ 
scheiben  ist  die  Farbenniiance  noch  dunkler,  gelbbraun,  infolge  de i 
vorausgegangenen  häufigen  Hyperämien.  H.  erörtert  die  scharfen 
anatomischen  und  klinischen  Unterscheidungsmerkmale  des  chro¬ 
nischen  Gelenkrheumatismus  gegenüber  der  Arthritis  urica  und  dei 
Arthritis  deformans,  und  erinnert  an  die  früher  wiederholt  voi  gelegten 
Präparate  dieser  Krankheitsformen. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  17.  Juli  1907. 

Demonstrationen: 

Herr  Bickel:  Ueber  den  Einfluss  von  Metallen  auf  die  Magen- 

Wie  in  B.s  Laboratorium  für  den  Mar  mors  taub  gezeigt 
worden  (H  e  i  n  s  h  e  i  m  er),  dass  er  eine  starke  Sekretion  des 
Magensaftes  an  regt  (Spaltung  des  kohlensauren  Kalkes  durch  die 
Salzsäure;  bekannte  sekretionsbefördernde  Wirkung  der  frerweiden- 
den  Kohlensäure),  so  wirken  auch  die  Metalle  mit  Ausnahme  dei 
Edelmetalle;  nur  ist  dabei  nicht  Kohlensäure,  sondern  Wasser¬ 
stoff  in  statu  nascendi  das  sekretionsbefördernde  Moment;  dies  güt 
für  Eisen,  Mangan  u.  a.  und  ebenso  auch  für  das  kürzlich  von  i. 
Klemperer  bei  Magenblutungen  empfohlene  Eskalin. 
Das  Eskalin  wirkt  aber  nicht  bloss  durch  Anregung  der  Salzsauie- 
absonderung,  die  bekanntlich  beim  Ulcus  ventriculi  zu  bekannten 
wäre,  sondern  auch  weiterhin  noch  dadurch  schädlich,  dass  es  eine 
stürmische  Gasentwicklung  erzeugt,  die  das  auf  der  Magen¬ 
schleimhaut  niedergeschlagene  Eskalin  abhebt;  dadurch  wird  die 
Absicht,  mittels  des  Eskalins  eine  schützende  Decke  über  das  Ulcus 
zu  bereiten,  vereitelt.  Von  der  von  Klemperer  angegebenen  blut¬ 
stillenden  Wirkung  des  Eskalins  habe  er  sich  im  Tierversuch  nicht 
überzeugen  können  und  gegen  die  von  K.  angeführten  klinischen  Ei- 
folge  sei  das  Bedenken  angebracht,  dass  Magenblutungen  sehi  au- 
nisch  sind,  ein  therapeutischer  Eingriff  also  schwer  abzuschatzen  sei. 

Herr  Rumpel:  2  Patienten  mit  Knochenzysten. 

a)  Junger  Mann.  Beginn  des  Leidens  vor  2  Jahren  mit 
Schmerzen  im  rechten  Fussgelenk.  Verschiedene  Behandlung  ei- 
folglos.  Allmählich  Auftreibung  des  Talus.  Durchleuchtung,  typisches 
Bild  einer  Knochenzyste.  Exstirpation  des  ganzen  Talus;  funktio- 
nelles  Resultat  schon  jetzt  recht  gut  und  weiterhin  noch  Besseiung 
zu  erwarten,  wie  auch  in  einem  von  M.  Borchardt  vor  4  Jahien 
vorgestellten  ganz  gleichen  und  von  R.  jetzt  nachuntersucnten  balle 
das  Resultat  sehr  gut  geworden.  Mikroskopisch  erwies  sich  obige 
Zyste  als  aus  einem  Sarkom  hervorgegangen. 

b)  Junge  Frau.  Vor  anderthalb  Jahren  unbestimmte  Schmerzen 
im  Femur.  '  Behandlung  erfolglos.  Durchleuchtung  sichert  die  Dia¬ 
gnose  einer  Zyste.  Spaltung,  Entleerung  reichlicher  klarer  hlussig- 
keit,  Heilung.  Mikroskopisch  nur  Granulationsgewebe  in  der  Wand, 
trotzdem  nimmt  R.  Entstehung  aus  einem  erweichten  Enchondrom  an. 

Herr  Schönstadt:  a)  Kind  mit  knöchernem  Verschluss  der 

einen  Choane.  ,  , ,  ,  . 

b)  Kind  mit  H  i  r  s  c  h  s  p  r  u  n  g  scher  Krankheit  (angeborner 

abnormer  Grösse  und  Weite  des  Kolon).  Nach  der  Gebuit  des  Kindes 
entleerte  es  kein  Mekonium,  erst  am  6.  Tage  kam  dies  auf  Eingiessung 
zustande.  Auch  späterhin  keine  spontane  Entleerung.  Kind  hoch¬ 
gradig  abgemagert,  dabei  ausserordentliche  Auftreibung  des  Leibes 
und  Diastase  der  M.  recti,  zwischen  welchen  man  Kotballen  in 
Menge  fühlt.  Nur  solche  angeborene  Fälle  seien  als  H.sche 
Krankheit  zu  bezeichnen,  die  andern  seien  blosse  chronische  Ver¬ 
stopfung.  ,  ,  ,  , 

Unter  vom  Vortr.  selbst  vorgenommenen,  wochenlang  fortge¬ 
setzten  Darmspülungen  hat  sich  das  Befinden  gehoben.  Nach  weiterer 


Kräftigung  will  er  operativ  Vorgehen:  Einpflanzung  des  unteren 
Ileum  in  die  Flexura  sigmoidea  nach  L  e  j  a  r  s. 

Herr  H.  Senator:  a)  Sechsjähriges  Mädchen  mit  Chlorom, 
Mikulicz  scher  Krankheit  und  Leukämie. 

Das  Gesicht  ist  geschwollen  und  verunstaltet  und 
blaugelbgrünlich  verfärbt.  Die  Schwellung  betrifft  die 
Augenlider  (Tränendrüsen),  sämtliche  Speichel¬ 
drüsen,  ferner  die  platten  Schädelknochen,  Stirn-, 
Scheitel-,  und  wahrscheinlich  auch  Siebbein,  auf  letzteres  deutet 
neben  dem  Offenstehen  des  Mundes  wegen  erschwerter  Nasenatmung 
der  leichte  Exophthalmus.  Weiterhin  sind  alle  Lymphdrüsen  ge¬ 
schwollen  und  endlich  zeigt  das  Blut  das  Bild  der  lymphati¬ 
schen  Leukämie. 

2.  Angeboren  taubstumme  Frau  mit  Akromegalie  mit  den  üb¬ 
lichen  Erscheinungen  und  ausserdem  Schielen  auf  einem  Auge. 
Eine  Erkrankung  der  Hypophysis  bis  jetzt  nicht  nachweisbar. 

3.  Frau  mit  Neuromen  am  Arm. 

Diskussion:  Herr  Heubner:  In  dem  von  Senator  er¬ 
wähnten,  von  H.  vor  einiger  Zeit  in  der  Charitegesellschaft  vorge¬ 
stellten  Falle  fand  sich  p.  m.  kein  Chlorom,  sondern  eine  Lympho¬ 
matöse  der  Thymus  mit  allgemeiner  Lymphämie.  , 

Herr  Martens;  In  dem  S  e  n  a  t  o  r  sehen  Falle  könnte  die 
Schwellung  am  Kieferwinkel  auch  durch  in .  der  Parotis  sitzende 
Lymphdrüsen  vorgetäuscht  werden,  wie  er  es  kürzlich  erlebte. 

Herr  Marcuse:  Er  habe  vor  2  Jahren  hier  einen  Fall  von 
Mikulicz  scher  Krankheit  vorgestellt  und  habe  das  Kind  noch 
weiterhin  beobachtet.  Von  der  Schwellung  der  Speichel-  und 
Tränendrüsen  aus  bildete  sich  eine  Schwellung  aller  fühlbaren  Drüsen 
am  Halse  aus,  ferner  Verbreiterung  des  Herzens,  Aszites  und  allge¬ 
meine  Hydropsie.  Tod.  Blutuntersuchung  hatte  keine  Leukämie 
ergeben.'  Sektion:  Ausserordentliche  Vergrösserung  aller  Drüsen, 
besonders  am  Hilus  der  Lunge;  also  bestand  nicht  eigentlich  Miku¬ 
licz  sehe  Krankheit,  sondern  Pseudoleukämie.  Zwischen  beiden 
Affektionen  bestehen  wohl  einige  Beziehungen,  wie  auch  ein  Teil  der 
beschriebenen  Fälle  zeigt.  .  . 

Herr  Senator:  In  seinem  Falle  lasse  sich,  wie  er  Herrn 
Martens  gegenüber  bemerke,  die  Parotis  sehr  scharf  abgrenzen; 
ausserdem  bestehe  auch  die  charakteristische  Verändeiung  dei 
Tränendrüse.  Die  Kombination  von  M  i  k  u  1  i  c  z  scher  Kiankheit  mit 
Leukämie  sei  nur  einmal,  die  mit  aleukämischen  Drüsenschwellungen 
öfters  beschrieben.  Die  Diagnose  Chlorom  sei  endlich  durch  die 
Schwellung  der  Schädelknochen  und  die  Verfärbung  gesichert. 

Tagesordnung: 

Herr  Goldscheider:  Die  Perkussion  der  Lungen¬ 
spitzen. 

Bekanntlich  ist  die  Mehrzahl  der  Praktiker  der  Ansicht, 
dass  die  Auskultation  für  die  Diagnose  einer  beginnenden 
Lungenspitzentuberkulose  mehr  leiste  als  die  Perkussion,  d.  h. 
dass  sie  frühzeitiger  einen  Schluss  zulasse.  Diese  Ansicht  be¬ 
ruht,  wie  G.  ausführt,  auf  einer  mangelhaften  T  e  c  h  n  i  k 
I  der  Perkussion.  Unter  Besprechung  der  topographischen  Ver¬ 
hältnisse  übt  G.  Kritik  an  der  bisher  geübten  Perkussion,  wie 
sie  Weil,  Ziemssen,  Gerhardt  gelehrt  und  kürzlich 
K  r  ö  n  i  g  modifiziert  hat.  Daraus  ergibt  sich  —  das  Nähere 
muss  wegen  der  Abbildungen  im  Original  nachgelesen  werden 

_ }  dass  bei  der  gewöhnlichen  Perkussion  die  eigentliche 

Lungenspitze  zu  wenig  oder  gar  nicht  in  Betracht  kommt,  da 
man  einerseits  den  unter  den  Muse,  sternocleidomastoidei  und 
zwischen  seinen  beiden  Ansätzen  gelegenen  wichtigen  Teil  gai 
nicht  zu  perkutieren  pflegt,  andererseits  gewöhnlich  viel  zu 
weit  nach  aussen  perkutiert,  wo  die  Lungenspitzen  gar  nicht 
mehr  getroffen  werden.  Man  perkuticre  also  vorne  vor  allem 
zwischen  den  beiden  Köpfen  des  Muse,  sternocleidomastoideus 
und  grenze  dann  die  Spitzen  ab;  hierbei  ist  eine  ganz  leise  Pei- 
kussion  anzuwenden,  am  zweckmässigsten  mit  Hilfe  eines 
kleinen  Glasstäbchens  oder  Plessimeters,  das  leicht  zwischen 
den  Muskelansätzen  eindringt,  und  des  Fingers  als  Hammer. 
Bei  dieser  Art  lässt  sich  ausserdem  der  „respiratorische  Ver¬ 
such“  (Da  Costa)  leicht  ausführen,  d.  h.  der  Unterschied 
zwischen  der  Ausdehnung  der  Lungenspitzen  in  den  beiden 
Respirationsphasen  feststellen,  womit  ein  weiterer  Anhalts¬ 
punkt  für  die  Diagnose  gewonnen  wird. 

Mit  dieser  skizzierten  Methode  hat  G.  schon  zu  einer  Zeit 
zu  einer  Diagnose  der  beginnenden  Lungenspitzenerkrankung 
kommen  können,  wo  dies  mit  Hilfe  der  Auskultation  noch  nicht 

möglich  war.  . 

Ueber  die  Vergleiche  dieser  Resultate  mit  denjenigen  der 

Röntgenuntersuchung  will  er  später  berichten. 

Diskussion:  Herren  Westenhoeffer,  Ewald.Gold- 
o  „  n  „  i  h  p  r  Hans  K  o  h  n. 


08 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  15.  Juli  1907. 

Herr  Westenhoeffer:  Demonstration  von  Präparaten  eines 
Falles  von  Plethora  vera.  Der  28  jähr.  Arbeiter  war  unter  der 
Diagnose  Meningitis  eingeliefert  und  behandelt  worden;  die 
Sektion  ergab  aber  eine  Gehirnhämorrhagie.  Ausserdem 
waren  sämtliche  Organe  ganz  ausserordentlich  mit  Blut  a  n  g  e  - 
füll  t.  Das  Knochenmark  gleich  den  übrigen  Organen  dunkel¬ 
rot,  sonst  normal  zusammengesetzt,  nur  vom  Typus  desjenigen  bei 
jugendlichen  Individuen.  Genauere  Blutzählung  wurde,  da  die  Dia¬ 
gnose  erst  an  der  Leiche  gestellt,  nicht  vorgenommen;  doch  nimmt 
Vortr.  die  in  solchen  Fällen  gefundene  starke  Vermehrung  der  roten 
Blutkörperchen  nach  dem  mikroskopischen  BiLde  an,  also  denjenigen 
Zustand,  den  man  heute  als  Plethora  vera  bezeichnet;  dafür  spricht 
auch,  dass  das  Gesicht  im  Leben  immer  hochrot  war.  Die  Milz  war 
mässig  vergrössert,  dies  zwar  durch  starke  Füllung  der  Pulpa,  die 
Lymphdriisen  nicht  vergrössert.  Das  Blut  qualitativ  normal.  Die 
Grundlage  des  Leidens  ist  in  der  juvenilen  Beschaffenheit  des 
Knochenmarkes  zu  sehen. 

Diskussion.  Herr  Hans  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d :  Die  hämatologische 
Untersuchung  des  Falles  ergab,  wie  W.  schon  erwähnt,  qualitativ 
normales  Bild;  ausserdem  fand  sich  der  lymphatische  Apparat  normal; 
die  Milzfollikel  verkleinert  bei  gleichzeitiger  Hyperplasie  der  Pulpa; 
in  der  Milz  Normoblasten  und  Myelozyten  in  geringer  Zahl.  Blut¬ 
körperchenhaltige  Zellen  in  der  Milz  ziemlich  spärlich,  im  Gegensatz 
zu  seinem  früher  publizierten  Falle,  der  der  erste  in  Deutschland  be¬ 
schriebene  war.  Im  Knochenmark  geringe  Vermehrung  der  Normo¬ 
blasten,  ausserdem  eine  starke  Hyperplasie  aller  Arten  von  weissen 
Blutkörperchen,  während  sie  im  Blut  selbst  nicht  vermehrt  waren. 

Herr  M.  Michaelis:  Wenn  auch  durch  Obduktion  nur  5  Fälle 
bekannt  sein  mögen,  so  sind  doch  klinisch  eine  grosse  Zahl  solcher 
Fälle  bekannt,  er  behandelte  aber  einen  mit  ca.  10  Millionen  roter 
Blutkörperchen.  —  Von  anderen  Autoren  seien  auch  Erkrankungen 
der  Milz  (käsige  Herde)  gesehen  worden.  Albumen  hatten  alle. 

Herr  Mohr:  Er  habe  eine  grosse  Reihe  solcher  Fälle  gesehen. 
Auffallend  sei  immer  die  Rötung  des  Gesichts  und  der  peripheren 
Teile  (nicht  Zyanose,  sondern  Rötung  wie  bei  Erhitzten).  Immer  fehle 
Milz-  und  Leberschwellung,  immer  fand  sich  Erhöhung  des  Blut¬ 
drucks.  Dieses  letzte  Moment  weise  doch  auf  die  Plethora  im  alten 
Sinne  hin. 

Bei  3  Fällen  fand  sich  eine  toxische  Ursache,  nämlich  CO-Ver- 
giftung.  und  er  erinnere,  dass  bei  der  akuten  CO-Vergiftung  sich  auch 
Vermehrung  der  roten  Blutkörperchen  vorübergehend  finde.  . 

Herr  Westenhoeffer:  Die  Diskussion  habe  dieselbe  Ver¬ 
wirrung  gezeigt,  die  sich  auch  in  der  Literatur  finde;  die  Fälle  von 
käsigen  Herden  in  der  Milz  gehören  ebensowenig  hieher,  wie  die 
nach  CO-Vergiftung.  Es  handele  sich  nur  um  Fälle  mit  vermehrter 
Tätigkeit  des  Knochenmarks.  Albuminurie  habe  auch  sein 
Fall  gezeigt. 

Herr  Paul  Lazarus:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  das  Pankreas. 

Nach  lange  Zeit  fortgesetzten  Injektionen  von  Adrena- 
1  i  n  und  Phloridzin  fand  L.  beim  Meerschweinchen  Dia¬ 
betes  mit  Kachexie,  Abmagerung  und  komatöse 
Zustände.  Daneben  eine  Hypertrophie  des  Pankreas 
und  der  Nebennieren.  Im  Pankreas  ausserdem  eine 
V  e  r  m ehrung  und  Vergrösserung  der  Langer- 
h  a  n  s  sehen  Inseln,  verursacht  durch  Vermehrung  und  Ver¬ 
grösserung  der  Zellen  und  stärkere  Vaskularisation. 

Daraus  schliesst  Vortr.,  dass  diese  Inseln  funktionell 
und  anatomisch  selbständig  sind,  dass  man  sie  experimentell 
vermehren  und  vergrössern  kann,  dass  sie  mit  Wahrscheinlich¬ 
keit  einen  bedeutenden  Faktor  im  Zuckerhaushalt  abgeben, 
indem  sie  antidiabetisch  wirken.  So  habe  er  auch  schon  beim 
Menschen  nach  partiellem  Pankreasausfall  eine  Vermehrung 
der  Inseln  im  Testierenden  I  eil  gefunden.  Die  obige  Vergrösse¬ 
rung  und  Vermehrung  sei  eine  Arbeitshypertrophie. 

Diskussion.  Herr  M.  Lewandowsky:  Phloridzin  er¬ 
zeugt  zwar  Diabetes,  aber  unter  Verminderung  des  Blutzuckers; 
es  sei  deshalb  nicht  zu  verstehen,  weshalb  die  Inseln  hiebei  mehr 
arbeiten  sollten. 

Herr  Mohr  schliesst  sich  diesem  Einwand  an;  der  Phlo¬ 
ridzin-Diabetes  werde  als  Nierendiabetes  betrachtet,  d.  h.  die  Nieren 
scheiden  eben  von  dem  im  Blute  normal  vorhandenen  Zucker  ge¬ 
wisse  Mengen  aus.  Da  sei  die  Arbeitshypertrophie  der  Inseln  nicht 
verständlich. 

Herr  P.  Lazarus:  Er  könne  nur  auf  seine  Experimente  ver¬ 
weisen;  die  Theorie  des  Phloridzin-Nieren-Diabetes  stehe  auf  schwa¬ 
chen  Füssen. 

Herr  Meyer:  Die  von  Bordet  für  andere  Untersuchungen 
und  auch  für  den  Keuchhusten  angegebene  Methode  der  Komple¬ 
mentbindung  habe  er  unter  Wassermann  für  den  Keuchhusten 
nachgemacht;  aber  abweichend  von  Bordet,  der  mit  Keuchhusten¬ 


bazillen  arbeitete,  nahm  er  nach  Wassermanns  Vorgang  bei  der 
Syphilis  Organe  von  an  Keuchhusten  gestorbenen  Kindern.  Die 
Resultate  waren  positiv. 

Herr  Lang  stein  erwähnt  die  Arbeit  Reyers  über  den 
Keuchhustenbazillus,  die  Bordet  gar  nicht  erwähnt  habe. 

Herrn  Arnheim:  Dasselbe  habe  Herr  R  e  y  e  r  mit  seinen  zahl¬ 
reichen  Arbeiten  getan;  er  beanspruche  aber  wenigstens  nicht  die 
Priorität,  sondern  gestehe  ohne  weiteres  zu,  dass  diese  Cza- 
p  1  e  w  s  k  i  gebührt. 

Schluss  der  Diskussion  des  Vortrages  des  Herrn 
E.  Lesse  r:  Ueber  Syphilis. 

Herr  Schuster:  Aus  seinen  Beobachtungen  an  Tabikern  und 
Paralytikern  ergebe  sich,  dass  die  Vornahme  einer  oder  wiederholter 
Schmierkuren  keinen  Einfluss  auf  den  Eintritt  obiger  Erkrankungen 
zu  haben  scheint,. 

Herr  E.  Lesser:  Die  Diagnose  der  Syphilis  habe  durch  die 
Spirochäten  zweifellos  gewonnen.  Auch  die  Frage  der  chronischen 
intermittierenden  Behandlung  habe  dadurch  eine  Stütze  erhalten,  dass 
man  jetzt  bestimmt  weiss,  dass  die  Spätformen  durch  die  gleichen 
Parasiten  erzeugt  werden,  dass  diese  also  noch  in  späten  Zeiten 
lebenskräftig  sind.  Die  H  o  1 1  ä  n  d  e  r  sehen  Fälle  halte  er  nur  zum 
Teil,  weil  vor  Entdeckung  der  Spirochäten  vorgenommen,  für  be¬ 
weiskräftig.  Dass  das  Atoxyl  in  seinem  kürzlich  vorgestellten  Falle 
die  Ursache  der  Erblindung  sei,  sei  jetzt  sicher.  Es  seien  noch  andere 
ähnliche  inzwischen  krank  geworden.  Es  sei  deshalb  nicht  zweifel¬ 
haft,  dass  man  die  in  Paris  angegebenen  hohen  Dosen  nicht  an¬ 
wenden  dürfe.  Kleinere  seien  aber  wohl  auch  weiterhin  zu  ver¬ 
suchen.  Hans  K  o  h  n. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Acadetnie  de  medecine. 

Sitzung  vom  14.  Mai  1907. 

„  Der  Alkohol  im  Kindesalter. 

B  r  u  non-  Rouen  berichtet  über  die  Zunahme  des  Alkoholismus 
im  Kindesalter  und  besonders  über  die  Opfer,  welche  derselbe  unter 
den  Säuglingen  fordert.  Nach  Anführung  verschiedener  Beispiele 
kommt  er  zu  folgenden  Schlüssen.  Die  ausdauernde  Arbeit  der 
Antialkoholisten  hat  seit  etwa  20  Jahren  unzweifelhaften  Erfolg  bei 
den  kultivierten  Völkern  und  den  reicheren  Leuten  gehabt;  der  Bür¬ 
ger  trinkt  weniger,  der  Offizier,  Student  trinkt  /licht  mehr,  die 
„Bierjahre“  des  Deutschen  sind  uns  unbekannt.  Bei  den  Angestellten, 
in  der  Arbeiterklasse  und  unter  den  Bauern  nimmt  der  Alkoholismus, 
zumal  bei  den  Frauen,  zu;  daher  die  Alkoholvergiftung  der  Kinder. 
Die  heranwachsende  Jugend,  der  Lehrling  gewöhnen  sich  immer  mehr 
an  den  Absinth.  Wenn  es  noch  Zeit  ist,  muss  man  beim  Unterricht 
in  der  Schule,  in  den  Lyzeen,  in  der  Kirche,  im  Heere  den  Anti¬ 
alkoholismus  aufnehmen,  muss  man  eine  Generation  von  Erziehern, 
welche  wirklich  daran  glauben,  schaffen;  eine  Arbeit  von  20  Jahren 
wird  dazu  nötig  sein.  Geschieht  dies  nicht,  so  wird  Frankreich  vom 
Alkohol  zerstört  werden. 

Die  Appendizitis. 

G.  R  i  c  h  e  1  o  t  hebt  in  einer  an  persönlichen  Beobachtungen 
sehr  reichen  Arbeit  drei  für  die  Geschichte  der  Appendizitis  wichtige 
Punkte  hervor:  1.  Die  Psoitis  bildet  sehr  oft  ein  Endstadium  der 
Appendizitis,  wofür  R.  einige  Fälle  anführt.  Wenn  erstere  fast  immer 
rechts  sitzt,  so  hat  sie  eben  fast  immer  diesen  Ursprung.  Und  auf 
dieselbe  Art  lässt  sich  die  Psoitis  im  Allgemeinen  erklären:  durch 
eine  Infektion  aus  der  Nachbarschaft  (durch  Kontiguität  oder  Kon¬ 
tinuität);  die  Infektion  ergreift  das  Zellgewebe,  die  Aponeurose  und 
den  Psoas  oder  der  Eiter  gelangt  direkt  in  das  Muskelgewebe  durch 
eine  Lücke  der  Aponeurose.  Ist  eine  Psoitis  rechterseits  vorhanden, 
so  muss  man,  sofort  an  die  Diagnose  „Myositis  durch  sekundäre  Fort¬ 
pflanzung,  auf  eine  Appendizitis“  denken.  Nur  in  seltenen  Fällen 
dürfte  die  Ursache  in  anderen  Nachbarorganen  als  im  Wurmfortsatz 
liegen. 

2.  Die  Psoitis  ist  also  eine  der  früher  schlecht  definierten  und 
in  ihrer  Aetiologie  wenig  gekannten  Affektionen,  welche  jetzt  die 
Appendizitis  in  weitem  Masse  für  sich  in  Anspruch  nimmt.  Eine 
grosse  Anzahl  von  Krankheiten  haben  dasselbe  Schicksal  und  darauf 
muss  man  Rücksicht  nehmen,  um  die  grosse  Häufigkeit  der  Appendi¬ 
zitis  zu  würdigen.  In  Wirklichkeit  sind  all  die  früheren  Fälle  von 
Typhlitis,  die  meisten  Fälle  innerer  Einklemmung,  welche  rechts 
sitzen,  von  Perityphlitis,  viele  Fälle  von  rechtsseitiger  Salpingitis, 
besonders  bei  noch  jungfräulichen  Mädchen,  verkannte  Fälle  von 
Appendizitis. 

3.  Dieses  weite  klinische  Gebiet  dehnt  sich  noch  mehr  aus, 
wenn  man  die  chronische  Appendizitis  in  Betracht  zieht.  Dieselbe 
wird  oft .  verwechselt  mit  Erkrankungen  der  Geschlechtsorgane 
(rechtsseitiger  Ovaritis  oder  Periovaritis),  mit  Dyspepsie,  einfacher 
oder  pseudomembranöser  Enteritis,  Anfällen  von  Hyperazidität  und 
Leberkolik.  Da  die  Appendizitis  so  leicht  mit  anderen  Krankheiten 
verwechselt  wird,  so  ward  sie  lange  Zeit  verkannt  und  erscheint 
gleichsam  als  eine  neue  Krankheit.  Ausserdem  möchte  R.  eine 
wesentliche  Zunahme  derselben  nicht  von  der  Hand  weisen,  und 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1509 


zwar  aus  folgenden  Gründen:  1.  ist  die  Influenza,  welche  seit  etlichen  1 
Jahren  in  erhöhtem  Masse  herrscht,  in  manchen  hüllen  von  ätio¬ 
logischer  Bedeutung,  und  2.  spielt  die  übermässige  Fleischkost, 
welche  „seit  50  Jahren  eine  so  grosse  Anzahl  von  Därmen  über¬ 
anstrengt,  vergiftet,  infiziert“  hat,  eine  gewisse  Rolle.  Letzteres  ist 
zwar  nur  eine  Hypothese  und  durch  Tatsachen  nicht  bewiesen. 

R.  schliesst  daher,  dass,  wenn  man  an  eine  erhöhte  Frequenz  der 
Appendizitis  in  diesen  letzten  Jahren  glaubt,  dies  nur  in  mässigem 
Grade  der  Fall  sei. 

Sitzung  vom  21.  Mai  1907. 

Lannelongue  zeigt  durch  eine  sehr  ausgedehnte  Statistik 
des  Spitals  Trousseau  und  durch  die  Statistik  des  deutschen  Militär¬ 
arztes  V  i  1 1  a  r  e  t,  welche  mehrere  tausend  Fälle  umfasst,  dass  die 
Appendizitis  ehedem  durch  andere  Krankheiten,  wie  akute  Peritoni¬ 
tis,  Abszesse,  Psoitis,  verschleiert  war  und  ihre  Diagnose  eine  ge¬ 
nauere  geworden  ist.  Bei  den  reichen  Leuten  ist  die  Aufmerksam¬ 
keit  in  erhöhtem  Masse  auf  die  Krankheit  gelenkt  worden,  aber  es 
handelt  sich  dabei  keineswegs  um  ein  neues  Leiden.  Das  Haupt¬ 
kapitel  der  Arbeit  Lannelongues  hat  auf  die  so  wichtige  Pro¬ 
gnose  der  Appendizitis  Bezug  und  bringt  dafür  ganz  neue  Gesichts¬ 
punkte,  welche  die  Urinuntersuchung  betreffen.  Bei  jungen  Leuten 
—  Erwachsene  hatte  L.  keine  Gelegenheit  zu  untersuchen  —  im 
heranwachsenden  Alter  erhöht  sich  die  Toxizität  des  Urins  bei  akuter 
Appendizitis  und  nimmt  parallel  mit  der  Desinfektion  des  Erkrankten 
ab.  Wenn  sie  in  schweren  Fällen  von  akuter  Appendizitis  3 — 4  mal 
über  die  normale  Zahl  hinausgeht,  so  bildet  das  eine  neue  Indikation 
zur  Operation.  Steigt  sie  auf  25  Urotoxien,  d.  h.  eine  Injektion  von 
25  ccm  pro  Kilo  Körpergewicht  des  Kaninchens  und  auch  unter  dieser 
Ziffer,  so  ist  die  Indikation  zu  sofortiger  Operation  gegeben.  Schliess¬ 
lich  ermöglicht  die  Harntoxizität  den  Grad  der  Infektion  des  Orga¬ 
nismus  bei  prolongierter  oder  chronischer  Appendizitis  abzuschätzen: 
sie  wird  eine  Gegenanzeige  der  Operation  oder  erheischt  Aufschub 
derselben,  wenn  der  Kranke  noch  merkliche  Spuren  der  Infektion 
zeigt.  Was  die  Technik  der  Untersuchung  betrifft,  so  erklärt  sie  L. 
für  sehr  einfach  und  leicht  ausführbar.  Das  Kaninchen,  dessen  Ge¬ 
wicht  vorher  bestimmt  wird,  wird  an  einer  Mauer  festgelegt;  eine 
Kautschukröhre,  ca.  3  m  lang  und  2  cm  dick,  an  dem  einen  Ende  mit 
einem  Glastrichter,  an  dem  anderen  mit  einem  kleinen  Hahn  ver¬ 
sehen,  wird  längs  der  Mauer  befestigt.  Mit  dem  Hahn  wird  ein  ziem¬ 
lich  feiner  Troikart  verbunden,  um  in  eine  der  dorsalen  Venen  des 
Ohres  des  Kaninchens  gelangen  zu  können.  Nachdem  die  Röhre  mit 
dem  betreffenden  Harn  angefüllt  ist  (nach  vorheriger  Filtrierung), 
sterilisiert  man  das  Ohr,  sticht  in  die  Vene  ein  und  lässt  langsam 
den  Urin  in  dieselbe  *  einfliessen.  Die  Dauer  des  Experiments 
schwankt  zwischen  30  Minuten  und  1  Stunde.  Ist  das  Tier  tödlich 
vergiftet,  so  stellen  sich  Krämpfe  ein  und  bald  der  Tod.  L.  fügt 
bei,  dass  die  Harntoxizität  bei  einer  Anzahl  anderer  Infektionskrank¬ 
heiten,  besonders  der  Unterleibsorgane,  mit  Vorteil  bestimmt  werden 
könnte. 

Auf  den  Einwand  von  Hayem,  man  müsse  auch  die  physi¬ 
kalischen  Eigenschaften  des  Urins,  seine  Konzentration,  seinen  Ge¬ 
frierpunkt  berücksichtigen,  um  die  Toxizität  zu  bestimmen,  erwidert 
Lannelongue,  dass  er  diese  wohl  auch  untersucht  habe,  dass  es 
sich  aber  meist  um  fieberlose  Patienten  (mit  chronischer  Appen¬ 
dizitis)  handle,  bei  welchen  die  Konzentration  des  Urins  keine  Zu¬ 
nahme  erfahren  habe.  St. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Neuer  Standesverein  Münchener  Aerzte. 

Sitzung  vom  9.  Juli  1907. 

Die  gut  besuchte  Versammlung  nahm  einen  stellenweise  sehr 
interessanten  Verlauf.  Dr.  Bergeat  berichtete  zunächst  an  der 
Hand  des  Protokolls  über  den  Frankfurter  Einigungsversuch.  Das 
Resultat  sei  bekannt:  Es  wurde  die  Errichtung  einer  neutralen  Kom¬ 
mission  beschlossen,  die  rein  beratenden  Charakter  haben  und  von 
sämtlichen  7  hiesigen  Standesvereinigungen  durch  je  2  Mitglieder 
beschickt  werden  soll.  Die  Errichtung  einer  solchen  Kommission 
entspreche  dem  Streben  unseres  Vereins  nach  loyalen  Verhält¬ 
nissen.  Es  wird  beschlossen,  der  Kommission  durch  die  Wahl  von 
zwei  Mitgliedern  —  Dr.  Bergeat  und  Dr.  Lukas  —  beizutreten. 
Beide  nehmen  die  Wahl  an.  Bergeat  versichert:  so  viel  an  uns 
liegt,  werden  wir  bestrebt  sein,  ein  erspriessliches  Arbeiten  zu  er¬ 
möglichen.  (Beifall.) 

Höflmayr  regt  an,  dass  die  Beteiligung  an  der  Kommission 
davon  abhängig  gemacht  werden  soll,  dass  nicht  vergangene  Dinge 
immer  wieder  hereingezogen  werden  sollen.  Bergeat, .s  Vor¬ 
schlag,  dass  der  Vorsitz  in  der  Kommission  zwischen  den  beteiligten 
Vereinigungen  jährlich  wechseln  soll,  findet  die  Billigung  der  An¬ 
wesenden.  Höflmayr  wünscht,  den  Vorsitz  sogar  zweimonatlich 
wechseln  zu  lassen.  Die  Beschlussfassung  muss  natürlich  der  Kom¬ 
mission  selbst  überlassen  bleiben. 

Sehr  lebhaft  gestaltet  sich  die  Diskussion  bei  Gelegenheit  des 
nunmehr  vom  Vorsitzenden  erstatteten  Berichtes  über  den  Aerztetag. 
Bergeat  selbst  gab  dabei  nicht  einen  Bericht  über  die  einzelnen 
Vorkommnisse,  sondern  ein  zusammenfassendes  Urteil  über  die  Lage 


auf  dem  Acrztetage,  die  sich  zu  einer  programmatischen  Darlegung 
der  ganzen  gegenwärtigen  ärztlichen  politischen  Lage  gestaltete. 

Die  Beschlüsse  des  Aerztetages  hätten  sachlich  eigentlich  nichts 
Neues  gebracht.  Neu  aber  sei  die  leidenschaftliche  Art  gewesen,  wie 
die  Frage  der  freien  Arztwahl  behandelt  wurde.  Die  Parole  scheine 
weniger  mehr  ein  Kampf  gegen  die  Kassen,  als  ein  Kampf  gegen  alle 
die  Kollegen  zu  sein,  die  nicht  unbedingt  die  freie  Arztwahl  und 
ihre  gesetzliche  Regelung  gutheissen,  und  es  sei  schon  nahezu  so 
weit  gekommen,  dass  ein  Gegner  der  freien  Arztwahl  auch  als 
Gegner  des  Aerztestandes  angesehen  wird.  Ja,  es  wurde  schon  der 
Ruf  nach  einer  „reinlichen  Scheidung“  von  den  anders  denkenden 
Kollegen  erhoben  und  mit  Beifall  begrüsst.  Es  könne  nichts  kurz¬ 
sichtigeres  und  gefährlicheres  geben.  Interessant  war  es  dabei,  dass 
solche  Herren  am  lautesten  diesen  Ruf  erschallen  Hessen,  die  aus 
nächster  Nähe  an  den  Münchener  Verhältnissen  hatten 
sehen  können,  dass  eine  solche  Scheidung  nichts  an¬ 
deres  als  den  offenen  Konflikt  auf  Jahre  bedeutet.  Wenn 

diese  Richtung,  die  über  die  Köpfe  der  Kollegen  hin¬ 
weg  zur  freien  Arztwahl  gewaltsam  fortschreiten  will,  Aatsächlic  l 
die  massgebende  werden  sollte,  dann  würde  der  Aerztevereinsbund 
genau  auf  die  gleiche  abschüssige  Bahn  gelangen,  auf  die  der  Be¬ 
zirksverein  München  geführt  worden  ist.  Es  sei  wirklich  bemerkens¬ 
wert,  dass  das  gleiche  Prinzip,  das  seinerzeit  die  Einigkeit  in  die 
Reihen  der  Aerzte  brachte,  jetzt  dazu  zu  führen  droht,  die  Uneinigkeit 
zu  fördern.  Wenn  im  Aerztevereinsbund  kein  anderes  Einigungs¬ 
moment  mehr  liege,  als  die  freie  Arztwahl,  dann  habe  er  seine  Exi¬ 
stenz  überlebt  und  könne  sich  durch  den  Leipziger  Verband  ersetzen 
lassen. 

Ein  weiteres  zerstörendes  Element  liege  in  dem  Rütteln  und 
Deuteln  an  den  Direktiven  des  Aerztevereinsbundes.  Sie  bilden  die 
Garantien  für  eine  vernünftige  und  ruhige  Politik,  eine  Mahnung  zur 
Besonnenheit  und  kollegialem  Verhalten  gegen  Minderheiten.  Diese 
haben  sich  bisher  allein  durch  sie  beruhigen  lassen.  Wenn  man  sie 
beseitigt,  so  kann  es  nicht  ausbleiben,  dass  eine  Störung  des  Ver¬ 
trauens  und  der  Einigkeit  der  deutschen  Aerzte  entstehe.  Formell 
sei  der  Aerztetag  natürlich  berechtigt,  die  Direktiven  umzustossen, 
aber  er  sollte  sich  wohl  bewusst  sein,  welch  ausserordentlich  grosse 
Verantwortung  für  die  ganze  Entwicklung  der  ärztlichen  Sache  er 
damit  auf  sich  nehmen  würde. 

Eine  merkwürdige  Episode  auf  dem  Aerztetag  sei  der  Zwischen¬ 
fall  betr.  den  Organisationsentwurf  der  bayerischen  Aerztekammern 
gewesen.  Seit  der  Münchener  Bahnarztfrage  sei  der  Vorsitzende  des 
geschäftsführenden  Ausschusses  der  Kammern  an  gewissen  Stellen 
persona  ingrata  geworden  und  es  werde  gegen  ihn  fortgesetzt,  aber 
durchaus  nicht  immer  mit  blanken  Waffen,  vorgestossen.  Das  Ein¬ 
greifen  des  Geschäftausschusses  des  Aerztevereinsbundes  gerade  in 
dieser  Frage  sei  auffallend  gewesen  und  man  dürfe  wohl  erwarten, 
dass  er  nunmehr  auch  einmal  gegen  die  verschiedenen  höchst  be¬ 
denklichen  und  die  Einigkeit  gefährdenden  Versuche,  die  Direktiven 
des  Aerztevereinsbundes  im  Sinne  der  gewaltsamen  Majorisierung 
zu  interpretieren,  Stellung  nehmen  wird.  Weiter  geht  der  Vor¬ 
sitzende  nicht  auf  den  Gegenstand  ein. 

Bezüglich  der  gesetzlichen  Festlegung  der  freien  Arzt¬ 
wahl  steht  Bergeat  auf  dem  Standpunkte,  dass  wir  Aerzte  uns 
nicht  in  ein  ungewisses  gefährliches  Zwangsverhältnis  hineinbegeben 
sollten,  nachdem  sich  unsere  freie  Organisation  so  gut  bewährt  hat. 
Er  beansprucht  durchaus  die  Anerkennung  des  Prinzips  der  freien 
Arztwahl  von  seiten  der  Behörden.  -  Sobald  aber  der  Staat  die 
Reglementierung  und  die  Beaufsichtigung  in  die  Hand  nehme,  dann 
kommen  die  Bedenken,  dass  die  Gesetzgeber  nicht  den  Aerzten  zu 
Gefallen  handeln,  sondern  im  besten  Falle  beide  Parteien,  wahr¬ 
scheinlich  aber  die  Kassenmitglieder  in  erster  Linie  berücksichtigen 
würden,  was  voraussichtlich  Einschränkungsmassregeln  namentlich 
gegen  die  Streikmöglichkeiten  bedeuten  würde.  Zur  Zeit  der  Königs¬ 
berger  Beschlüsse  war  die  Organisation  noch  ein  so  zartes  Pflänz- 
lein,  dass  man  an  eine  gesetzliche  Regelung  als  einzig  sicheren  Ausweg 
denken  musste.  Heute  seien  die  Verhältnisse  andere.  Je  mehr  man 
die  Erfolge  anerkennt,  die  die  freie  wirtschaftliche  Organisation  schon 
erzielt  hat,  desto  weniger  sollte  man  sich  dazu  entschliessen,  die 
wirtschaftliche  Organisation  dem  Gesetzgeber  auszuliefern. 

Spatz  stimmt  dem  Berichte  des  Vorsitzenden  bei,  seine  Be¬ 
denken  wegen  der  gesetzlichen  Festlegung  der  freien  Arztwahl  ver¬ 
mag  er  aber  nicht  zu  teilen..  Dagegen  erblickt  Höflmayr  in  der 
gesetzlichen  Festlegung  der  freien  Arztwahl  das  Ende 
eines  freien  Arztestandes,  die  Verstaatlichung  und  die  Einführung 
des  Kurierzwanges.  Er  ist  für  die  freie  Arztwahl  auf  freier  Grund¬ 
lage.  Ebenso  ist  Becker  ein  Gegner  der  gesetzlichen  freien  Arzt¬ 
wahl.  Er  bedauert  die  Beschlüsse  teils  wegen  des  radikalen  Tones, 
der  vielfach  auf  das:  „Wer  nicht  pariert  —  fliegt“  hinausgelaufen  sei, 
teils  wegen  der  Forderung  der  gesetzlichen  freien  Arztwahl.  Er 
komme  immer  mehr  zu  der  Ueberzeugung,  dass  das  Ideal  der  freien 
Arztwahl  bei  seiner  Uebertragung  in  die  Praxis  den  Erwartungen 
auch  der  Aerzte  nicht  entspräche.  Gar  die  gesetzliche  Festlegung 
würde  er  für  ein  grosses  Unglück  halten  und  seiner  festen  Ueber¬ 
zeugung  nach  würde,  wenn  sie  erfolgen  sollte,  bei  den  Aerzten  selbst 
in  kürzester  Zeit  darüber  Unzufriedenheiten  entstehen,  genau  wie 
seinerzeit  bei  der  von  Aerzten  herbeigeführten  Kurierfreiheit.  Wenn 
die  Aerzte  jetzt  mit  den  Kassenverwaltungen  sich  nicht  einigen 
können,  dann  bleibt  ihnen  eben  noch  die  freie  Verfügung.  Wird  aber  das 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Schiedsgericht  gesetzlich  fixiert,  so  erhält  es  auch  das  Recht,  end¬ 
gültig,  wenn  auch  nach  einem  Instanzenweg,  zu  entscheiden  und  die 
Aerzte  haben  sich  zu  fügen.  Denn  die  Aufsichtsbehörde  wird  vor 
allem  dafür  sorgen,  dass  den  Kassen  niemals  Schwierigkeiten  in 
ihren  Finanzen  und  in  der  Versorgung  ihrer  Mitglieder  erwachsen 
können.  Die  freie  Arztwahl  sei  nicht  das  Endziel  ärztlichen  Strebens, 
sie  sei  nur  ein  Mittel  zum  Zweck,  nämlich  zu  standeswürdiger  Stel¬ 
lung  und  Bezahlung  der  Kassenärzte.  Spatz  sieht  in  den  Be¬ 
schlüssen  des  Aerztetages  keine  Unterlage  für  Beckers  Befürch¬ 
tungen.  Die  Einführung  des  Kurierzwanges  hält  er  für  unmöglich, 
solange  die  Aerzte  einig  sind.  Die  Streikmöglichkeit  werde  auch  bei 
Durchführung  der  Forderungen  des  Aerztetages  bestehen  bleiben; 
denn  von  den  frei  getroffenen  Vereinbarungen  werde  man  auch  unter 
der  gesetzlichen  freien  Arztwahl  zurücktreten  können,  wenn  das 
Schiedsgericht  keine  Einigung  der  Parteien  herbeiführen  konnte. 
Lukas  sieht  in  der  Forderung  der  gesetzlichen  freien  Arztwahl  nur 
das  Zurückverlangen  eines  früher  vorhandenen  Rechtes.  Er  sei 
durchaus  für  die  freie  Arztwahl,  allerdings  könne  er  den  Weg  nicht 
billigen,  aiif  dem  die  freie  Arztwahl  bei  Krankenkassen  mit  fixierten 
Aerzten  von  den  Radikalen  durchgeführt  werden  solle.  Neu¬ 
st  ä  1 1  e  r  hält  die  Befürchtungen  Beckers  und  Höflmayrs 
für  durchaus  beachtenswert,  glaubt  aber,  dass  man  den  Aerzten  die 
Selbstverwaltung  so  wenig  wie  den  Kassen  aus  den  Händen  nehmen 
werde.  Da  würden  die  Parteien,  die  sonst  gegen  uns  sind,  für  uns 
sein  müssen,  wollen  sie  sich  nicht  selbst  ins  Fleisch  schneiden.  Er 
würde  deshalb  die  gesetzliche  Einführung,  wenn  die  besprochenen 
Folgen  im  Auge  behalten,  bezw.  verhütet  werden,  nicht  fürchten. 
Besser  erscheine  ihm  allerdings  die  jetzige  Entscheidungsfreiheit  der 
Aerzte. 

In  der  weiteren  Debatte  werden  noch  einzelne  Missstände  und 
gute  Seiten  der  freien  Arztwahl  und  des  fixierten  Honorarsystems 
lebhaft  diskutiert. 

Bergeat  resümiert  zum  Schluss  den  Verlauf  der  Diskussion. 
Die  gesetzliche  Festlegung  der  freien  Arztwahl  auf  Kosten  der  vollen 
wirtschaftlichen  Bewegungsfreiheit,  daran  müsse  er  festhalten,  würde 
ein  Danaergeschenk  für  unseren  Stand  sein.  Um  so 
wichtiger  sei  es  gerade  jetzt  bei  der  durch  die  Personalver¬ 
änderung  im  Reichsamt  des  Innern  eingetretenen  Pause,  endlich  die 
Zuziehung  von  Aerzten  zu  den  gesetzgeberischen 
Vorberatungen  zu  erreichen. 

Weiterhin  gaben  noch  die  Beschlüsse  bezüglich  Honorierung  der 
Lebensversicherungsgutachten  Anlass  zu  Debatten,  in  denen  der 
Hoffnung  Ausdruck  gegeben  wurde,  dass  der  getane  Schritt  des  Aerzte¬ 
tages  sich  nicht  als  übereilt  erweisen  möchte.  Neu  Stätte  r. 


Verschiedenes. 

Entscheidungen  des  preussischen  ärztlichen  Ehrengerichtshofes. 

1.  Urteil  vom  14.  Mai  1906 :  Ein  Arzt,  der  in  Fällen  drin¬ 
gender  Lebensgefahr  die  ärztliche  Hilfe  verwei¬ 
gert,  macht  sich  einer  Verletzung  der  ärztlichen 
Standespflichten  schuldig. 

Nach  dem  von  der  ersten  Instanz  —  von  der  der  Angeschuldigte 
kostenlos  freigesprochen  worden  war  —  festgestellten  Tatbestände 
hielt  das  Ehrengericht  nicht  für  hinreichend  erwiesen,  dass  dem 
Angeschuldigten  das  Vorliegen  eines  Falles  von  dringender  Lebens¬ 
gefahr  genügend  klar  gemacht  sei,  während  es  den  Grundsatz,  dass 
in  Fällen  dringender  Lebensgefahr  der  Arzt  seine  Hilfe  nicht  versagen 
solle,  nicht  verkannte. 

Es  hängt  grundsätzlich  von  der  freien  Entschliessung  des  Arztes 
ab,  ob  er  die  Behandlung  eines  Kranken  im  Einzelfall  übernehmen 
will;  ein  Zwang  zur  Uebernahme  einer  Behandlung  ist  für  den 
Arzt  r  fe  c  h  1 1  i  c  h  nicht  begründet.  Es  kann  aber  andererseits  aus¬ 
nahmsweise  Fälle  geben,  die  so  schwer  und  dringlich  sind,  dass  der 
Arzt  seine  Hilfeleistung  nicht  verweigern  darf,  ohne  mit  den  Ge¬ 
pflogenheiten  und  Auffassungen  seines  Standes  in  Widerspruch  zu  ge¬ 
raten.  Es  ist  von  den  Angehörigen  des  ärztlichen  Berufes  stets  als 
eine  Ehren-  und  Standespflicht  erachtet  worden,  in  Fällen  dringen¬ 
der  Lebensgefahr  ihre  ärztlichen  Dienste  bereitwilligst  und  bedin¬ 
gungslos  zur  Verfügung  zu  stellen.  Der  Ehrengerichtshof  hat  deshalb 
schon  bei  einer  früheren  Gelegenheit  Veranlassung  genommen,  den 
Grundsatz  auszusprechen,  dass  die  Verweigerung  ärztlicher  Hilfe¬ 
leistung  in  Fällen  dringender  Lebensgefahr  einen  Verstoss  gegen  die 
ärztlichpn  Standespflichten  enthalte  (vergl.  Beschluss  vom  1.  De¬ 
zember  1902).  Dieser  Grundsatz  war  auch  in  dem  vorliegenden  Falle 
zur  Anwendung  zu  bringen.  Ob  ein^  Fall  dringlicher  Lebensgefahr 
vorliegt,  ist  latfrage,  die  in  jedem  Einzelfalle  besonders  zu  prüfen 
und  festzustellen  bleibt.  Im  Gegensätze  zum  ersten  Richter  ist  der 
Ehrengerichtshof  im  vorliegenden  Falle  der  Meinung,  dass  der  Ange¬ 
schuldigte  aus  der  Schilderung  des  Vorganges  und  der  Beschrei¬ 
bung  der  Krankheitserscheinungen  den  Eindruck  gewinnen  musste, 
dass  es  sich  bei  der  Erkrankten  um  eine  dringende  und  unmittelbare 
Lebensgefahr  handle.  Auch  der  Ausspruch  des  Angeschuldigten; 
„Nun,  dann  ist  doch  nichts  mehr  zu  machen“,  sowie  der  kurz  darauf 
eingetretene  Tod  der  Erkrankten  stellen  die  Schwere  und  Dringlich¬ 
keit  des  hrkrankungsfalles  als  ganz  zweifellos  hin  und  lassen  die 
Annahme  begründet  erscheinen,  dass  dem  Angeschuldigtcn  die  Sach¬ 
lage  entsprechend  vorgetragen  worden  ist. 


Der  Angeschuldigte  hat  hiernach,  indem  er  in  einem  Falle  seine 
ärztliche  Hilfeleistung  verweigerte,  wo  sie  nach  Standessitte  herge¬ 
bracht  und  geboten  war,  gegen  die  Pflichten  seines  Standes  ge¬ 
handelt  und  war  deshalb,  wie  geschehen,  mit  einer  Warnung  zu  be¬ 
strafen. 

2.  Urteil  vom  14.  Mai  1906:  Ein  Arzt  war  vom  Ehrengericht  be¬ 
straft  worden,  weil  er  sein  dem  Verein  der  Kassenärzte  in  X.  ge¬ 
gebenes  Versprechen,  Krankenkassenverträge  ohne  Benehmen  mit 
der  Vereinskommission  nicht  abzuschliessen,  nicht  gehalten  habe,  ln 
der  Berufungsrechtfertigung  macht  der  Angeschuldigte,  wie  in  erster 
Instanz,  geltend,  er  habe  sein  Versprechen  gehalten,  habe  keinen 
Vertrag,  mündlich  so  wenig  wie  schriftlich,  mit  der  Krankenkasse 
geschlossen  und  lediglich  privatim  den  ihn  aufsuchenden,  augenärzt¬ 
licher  Hilfe  bedürftigen  Arbeitern  die  Behandlung  gewährt.  Einer 
streikähnlichen  Bewegung  vermöge  er  nach  seinen  Begriffen  von  ärzt¬ 
licher  Ethik  nich-t  zu  folgen. 

Die  Berufung  ist  begründet. 

Der  Angeschuldigte  nimmt  Kassenarztstellen  überhaupt  nicht  an, 
stand  ganz  ausserhalb  des  Streites  der  Aerzteschaft  zu  X.  mit  den 
dortigen  Kassen,  gab  aber  aus  kollegialem  Interesse  dem  Verein  das 
Versprechen,  Verträge  ohne  Benehmen  mit  ihm  nicht  ab¬ 
zuschliessen.  Er  lehnte  daher  auch  das  Anerbieten  eines 
grossen  Betriebes,  als  Kassenarzt  für  ihn  tätig  zu  sein, 
rundweg  ab.  Dagegen  erklärte  er  sich  dessen  Vertreter  gegen¬ 
über  bereit,  Kranke,  speziell  Verunglückte  augenärztlich  zu  behandeln; 
er  würde  keinen  Hilfesuchenden  aus  dem  Grunde  zurückweisen,  weil 
er  Mitglied  der  Krankenkasse  sei,  er  werde  aber  Alles  vermeiden, 
was  ihn  als  Kassenarzt  charakterisieren  könne,  werde  weder  münd¬ 
lich  noch  schriftlich  einen  Vertrag  schliessen,  keine  Krankenscheine 
ausschreiben,  kein  Rezept  für  die  Kasse  schreiben,  keinen  Vertreter 
stellen,  Honoraransprüche  nicht  an  die  Kasse,  sondern  an  die  Pa¬ 
tienten  stellen  usw.  Er  werde  auch  eine  solche  Behandlung  nur  als 
ein  Provisorium  betrachten,  bis  ein  Kassenarzt  gefunden  sei.  Ausser¬ 
dem  sei  ihm  erwünscht,  dass  andere  Aerzte  an  solcher  privaten  Be¬ 
handlung  teilnähmen.  Demgemäss  hat  dann  der  Angeschuldigte  die 
augenkranken  Arbeiter,  welche  ihn  aufsuchten,  behandelt  und  hat 
'ihnen  seine  Liquidation  mitgegeben. 

Der  Angeschuldigte  hat  also  einen  Kassenvertrag  nicht  abge¬ 
schlossen.  Er  hat  sogar  ausführlich  und  ausdrücklich  den  Abschluss 
eines  solchen  Vertrages  verweigert.  Er  hat  in  den  Streit  mit  der 
Kasse  nicht  eingegriffen,  hat  die  Position  seiner  Kollegen  nicht  ver¬ 
schlechtert,  hat  ihnen  von  seiner  Stellungnahme  Mitteilung  gemacht 
und  hat  kein  Ehrenwort  gebrochen.  Der  Umstand  allein,  dass  schliess¬ 
lich  die  Kasse  die  für  die  Arbeiter  ausgestellten  Liquidationen  bezahlt 
hat,  kann  den  Angeschuldigten  nicht  belasten.  Denn  dazu  blieb  die 
Kasse  verpflichtet  und  das  zwischen  ihr  und  den  Arbeitern  bestehende 
rechtliche  Verhältnis  konnte  der  Angeschuldigte  nicht  ändern.  Nach 
Lage  des  in  diesem  Falle  klar  festgestellten  Tatbestandes  ist  in  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  Vertreter  der  Anklage  eine  ehrengerichtliche 
Verurteilung  des  Angeschuldigten  nicht  zu  begründen. 

4.  Urteil  vom  7.  Januar  1907.  Das  Ehrengericht  hatte  einen  Arzt 
mit  einem  Verweise,  400  Mark  Geldstrafe  und  Entziehung  des  Wahl¬ 
rechts  auf  3  Jahre  bestraft,  weil  er  1.  die  Behandlung  von  Patienten 
gelegentlich  einem  als  „Sekretär“  in  seinen  Diensten  befindlichen 
Nichtarzt  iiberliess,  2.  dem  N.  N.  seine  ärztliche  Behandlung  auf¬ 
drängte,  3.  wiederholt  Patienten  brieflich  behandelte. 

Die  Berufung  war  zurückzuweisen,  da  die  Feststellungen  der 
ersten  Instanz  zutreffend  sind.  Das  Treiben  des  Angeschuldigten, 
der  mehrfach  vorbestraft  ist,  ist  eines  Arztes  durchaus  unwürdig  und 
geeignet,  das  Ansehen  des  Standes  schwer  zu  schädigen. 

6.  Beschluss  vom  8.  Januar  1907.  Nach  §  3  Abs.  3  des  Ehren¬ 
gerichtsgesetzes  können  politische,  wissenschaftliche  und  religiöse 
Ansichten  oder  Handlungen  eines  Arztes  als  solche  niemals  den 
Gegenstand  eines  ehrengerichtlichen  Verfahrens  bilden.  Gelangen 
jedoch  derartige  Ansichten  in  einer  Form  zum  Ausdruck  welche 
einen  beleidigenden,  gehässigen  oder  sonst  unwürdigen  Charakter  hat, 
oder  welche  den  Tatbestand  einer  nach  den  allgemeinen  Strafgesetzen 
strafbaren  Handlung  enthält,  so  handelt  es  sich  nicht  mehr  um  po¬ 
litische  usw.  Ansichten  und  Handlungen  eines  Arztes  als  solche, 
sondern  es  bleibt  festzustellen,  ob  der  Arzt  nach  den  besonderen 
Umständen  im  Einzelfalle  sich  neben  der  strafrechtlichen  Verant¬ 
wortung  auch  noch  ehrengerichtlich  strafbar  gemacht  hat. 

Gegen  den  Angeschuldigten  war  nach  Beendigung  des  straf¬ 
rechtlichen  Verfahrens  die  ehrengerichtliche  Bestrafung  beantragt 
worden.  Das  ärztliche  Ehrengericht  lehnte  aber  die  Eröffnung  des 
Verfahrens  ab,  da  §  3  Abs.  3  des  Ehrengesetzes  dahin  verstanden 
werden  müsse,  dass  die  politische  Handlung  eines  Arztes  als  solche, 
auch  wenn  sie  eine  gesetzlich  strafbare  Handlung  sei,  niemals  zu 
einem  ehrengerichtlichen  Einschreiten  und  zu  einer  ehrengericht¬ 
lichen  Strafe  führen  dürfe.  Nur  wenn  eine  politische  Handlung  gleich¬ 
zeitig  auch  eine  Verfehlung  nicht  politischer  Natur  enthalte,  wenn 
sie  z.  B.  zugleich  eine  Verletzung  der  Berufspflicht  darstelle,  unter¬ 
liege  sie  in  ihrem  nichtpolitischen  Teile  dem  Ehrengerichte,  während 
die  politische  Handlung  als  solche  nicht  vor  das  Forum  des  Ehren¬ 
gerichts  gezogen  werden  dürfe.  Ein  polnischer  Arzt  z.  B.,  der  einem 
Deutschen  im  Notfälle  grundsätzlich  aus  seiner  Gesinnung  als  Pole 
heraus  die  ärztliche  Hilfe  verweigere,  verletze  die  Pflicht  gewissen¬ 
hafter  Berufsausübung. 


23.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1511 


Das  Ehrengericht  hat  die  Worte  „als  solche“  übersehen  oder 
nicht  entsprechend  gewürdigt.  Wenn  auch  politische,  wissenschaft¬ 
liche  und  religiöse  Ansichten  und  Handlungen  an  sich  ehrengericht¬ 
lich  straffrei  sind,  so  kann  doch  die  Form,  in  welcher  diese  An¬ 
sichten  zum  Ausdruck  kommen,  ein  ehrengerichtlich  zu  ahndendes 
Vergehen  darstellen.  Es  konnte  daher  das  Ehrengericht  nicht  ohne 
weiteres  die  Eröffnung  der  Voruntersuchung  ablehnen,  sondern  es 
musste  die  Frage  prüfen,  ob  und  inwieweit  der  §  3  Abs.  3  anwendbar 
sei.  Der  Ehrengerichtshof  hat  schon  wiederholt  ausgesprochen,  dass 
es  dem  Arzte  unverwehrt  ist,  seiner  politischen  wie  seiner  wissen¬ 
schaftlichen  Anschauung  freien  Ausdruck  zu  geben,  soweit  er  nicht 
diejenigen  Grenzen  überschreitet,  welche  ihm  einerseits  durch  die 
Pflichten  seines  Standes  und  Berufes,  und  andererseits  durch  die 
Staatsgesetze  im  allgemeinen  gezogen  sind  (vergl.  auch  Entschei¬ 
dungen  des  Ehrengerichtshofes  für  deutsche  Rechtsanwälte).  In 
ersterer  Beziehung  kommen,  neben  dem  vom  Ehrengericht  aufge¬ 
führten  Beispiel  die  wiederholten  Fälle  in  Betracht,  in  welchen  der 
Ehrengerichtshof  Aerzte  verurteilt  hat,  weil  sie  in  wissenschaftlichen 
Vorträgen  Standesgenossen,  welche  die  von  ihnen  vorgetragenen 
Anschauungen  nicht  teilten,  in  beleidigender  Weise  schmähten  oder 
den  ärztlichen  Stand  als  solchen  herabsetzten  und  —  noch  dazu  vor 
einem  grösseren  Laienpublikum  —  einer  beschimpfenden  Kritik  unter¬ 
zogen.  So  wenig  aber  wie  der  §  3  Abs.  3  in  solchen  Fällen  den 
Angeschuldigten  gestattet,  Personen,  welche  anderer  Ansicht  sind, 
zu  beleidigen  und  herunterzusetzen,  so  wenig  gewährt  er  dem  Arzte 
einen  Freibrief,  die  allgemein  gültigen  Staats-  und  insbesondere  die 
Strafgesetze  zu  verletzen.  Eine  Verfehlung  gegen  diese  Gesetze  wird 
gleichzeitig  eine  Verletzung  der  dem  Arzte  nach  §  3  des  Ehren¬ 
gerichtsgesetzes  obliegenden  Pflicht,  sich  auch  ausserhalb  der  Aus¬ 
übung  seines  Berufs  der  Achtung  würdig  zu  zeigen,  welche  der  ärzt¬ 
liche  Beruf  erfordert,  begründen  können.  Ob  der  Angeschuldigte, 
welcher  des  Vergehens  gegen  §  130  des  Reichs-Strafgesetzbuches 
und  gegen  Bestimmungen  des  Pressgesetzes  durch  Urteil  des  Straf¬ 
richters  schuldig  erkannt  ist,  sich  durch  diese  Vergehen  auch  ehren¬ 
gerichtlich  strafbar  gemacht  hat,  ist  hiernach  vom  Vorderrichter  zu¬ 
nächst  zu  prüfen. 

Es  war  daher  zur  Nachholung  dieser  Prüfung  der  erste  Be¬ 
schluss  aufzuheben  und  die  Sache  in  die  erste  Instanz  zurück¬ 
zuverweisen. 

(Urteil  3  vom  15.  Mai  1906  und  5  vom  7.  Januar  1907,  ferner 
Beschluss  7  vom  14.  Mai  1906  sind  rein  prozessualer  Natur  und 
werden  daher  hier  nicht  referiert.)  R.  S. 


Frequenz  der  deutschen  med.  Fakultäten.  Soinmersemester  1907.  D 


Universität 

Sommer 

1906 

Winter  1906/1907 

Sommer  1^07 

In¬ 

länder 

Aus-3/ 

länder 

Summa 

In¬ 

länder 

Aus-2) 

länder 

Summa 

In¬ 

länder 

Aus-2) 

länder 

Summa 

Berlin3)  .... 

519 

451 

970 

662 

520 

1182 

552 

362 

914 

Bonn . 

225 

31 

256 

204 

23 

227 

248 

25 

273 

Breslau  .... 

196 

35 

231 

238 

34 

272 

248 

31 

279 

Erlangen  .  .  . 

111 

61 

172 

141 

65 

206 ‘) 

121 

75 

199 

Freiburg  .  .  . 

482 

41 

523 

91 

371 

462’) 

569 

54 

623 

Giessen  .... 

57 

92 

149 

94 

192 

286 

105 

.195 

80010) 

Göttingen  .  . 

131 

42 

173 

125 

60 

185 

121 

60 

181 

Greifswald  .  . 

154 

30 

184 

151 

31 

182 

164 

41 

205 

Halle . 

60 

115 

175 

148 

52 

200 

160 

50 

210 

Heidelberg  .  . 

68 

294 

362 

75 

252 

327* * 6) 

76 

321 

397 

Jena . 

43 

176 

219 

43 

190 

233 

46 

210 

256 

Kiel . 

178 

100 

278 

167 

42 

209 

224 

106 

330 

Königsberg  .  . 

131 

77 

208 

150 

78 

228 

169 

47 

216 

Leipzig  .... 

215 

232 

447 

235 

284 

519 

239 

259 

498 

Marburg  .... 

182 

58 

240 

172 

50 

222 

229 

64 

293 

München  .  .  . 

346 

751 

1099 

431 

761 

12927 ) 

393 

855 

1248 '0 

Münster  .... 

40 

3 

43 

43 

20 

63 

103 

20 

123 

Rostock  .... 

1  37 

'  '70 

107 

36 

63 

99 

121 

1 

122 

Strassburg  .  . 

187 

30 

217 

217 

36 

253 

198 

35 

233 

Tübingen  .  . 

109 

95 

204 

138 

77 

2158 *) 

121 

104 

225 

Würzburg7)  .  . 

153 

260 

413 

190 

267 

4579) 

175 

274 

449 

6570 

7219 

7574 

*)  Nach  amtlichen  Verzeichnissen.  Vergl  d.  W.  1906,  No.  28.  2)  Unter  Ausländern 
sind  hier  Angehörige  anderer  deutscher  Bundesstaaten  verstanden.  3)  Dazu  die  Studieren¬ 
den  des  Kaiser-Wilhelrn-Instituts.  4)  inkl.  1  Frau.  6)  inkl.  27  Frauen.  6)  inkl.  25  Frauen. 
7)  inkl.  43  Frauen.  8)  inkl.  2  Frauen.  a)  inkl.  6  Frauen.  10)  hier  sind  jedenfalls  die  Vet.- 
Mediziner  mitgerechnet,  deren  Zahl  abzuziehen  wäre.  u)  ausserdem  138  Zahmrzte. 


Frequenz  der  Schweizer  medizinischen  Fakul¬ 

täten  im  Sommersemester  1907.  Basel  175  (169  männliche. 

6  weibliche)  Studierende,  Bern  538  (185  m.,  353  w.),  Genf  445  (203  m., 

242  w.),  Lausanne  435  (131  m.,  304  w.),  Zürich  482  (253  m.,  229  w.), 
in  Summa  2075,  davon  941  männliche  und  1134  weibliche  Medizin¬ 

studierende. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 

Der  heutigen  Nummer  liegt  das  214.  Blatt  der  Galerie  bei:  E  m  a  n  u  e  1 
Mendel.  Vergleiche  den  Nekrolog  auf  Seite  1489  dieser  Nummer. 


Therapeutische  Notizen. 

Ueber  Dyspnon  bei  Angina  pectoris  berichtet 
Dr.  Max  Weissbart  -  München  (im  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Therapie, 
Heft  4,  1907).  Dyspnon  kommt  in  Tablettenform  in  den  Handel 
und  ist  zusammengesetzt  aus :  Theobromin.  -  Natr.  s  a  1  i  c  y  1. 
0,25,  Theobromin. -Natr.  acetic.  0,1  und  E  x  t  r.  Que- 
bracho  0,1.  Diese  Art  seiner  Zusammensetzung  aus  Diuretin 
und  Agurin  einerseits  und  der  Quebrachorinde  andererseits 
veranlasste  Weissbart,  das  Dyspnon  bei  Angina  pec¬ 
toris  und  anderen  Zuständen  in  Anwendung  zu  ziehen.  Die  erziel¬ 
ten  Erfolge  bestimmen  ihn,  das  Mittel  zur  weiteren  Prüfung  zu 
empfehlen.  Besonders  bei  Arteriosklerotikern  und  Patienten  mit 
schweren  Herzfehlern,  wo  man  gerne  mit  den  einzelnen  Mitteln  ab¬ 
wechselt,  hält  Weissbart  das  Dyspnon  indiziert.  Das  kar¬ 
diale  Asthma  der  Arteriosklerotiker  und  Herz¬ 
kranken  wird  durch  Dyspnon  günstig  beeinflusst.  F.  L. 

Zur  Behandlung  des  Keuchhustens  empfiehlt  Bar- 
d  e  t  in  der  Aprilsitzung  der  Pariser  Societe  de  Therapeutique  das 
E  u  c  h  i  n  i  n.  Es  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  es  jeden  bitteren 
Geschmack  verloren  hat  und  daher  leicht,  besonders  von  Kindern, 
zu  nehmen  ist.  Man  gibt  es  5  mal  täglich  in  Dosen  von  0,2  und 
zwar  um  ebenso  viele  Dezigramm  zunehmend,  als  das  Kind  Jahre  hat 
oder  zweimal  soviel  Zentigramm,  als  es  Monate  hat.  Die  Maximal¬ 
dosis  ist  1,5;  damit  kann  fortgefahren  werden,  bis  die  Anfälle  ver¬ 
schwinden  (15 — 30  Tage).  B.  gibt  zu  diesem  Mittel  noch  Orthon  (25 
bis  30  Tropfen  in  Sirup,  3  mal  pro  Tag)  als  antispasmodisches  und 
anästhetisches  Mittel  und  hat  sehr  gute  Erfolge  damit  gehabt  (all¬ 
mähliche  Abnahme  der  Anfälle  an  Zahl  und  Stärke).  Amat  hebt 
bei  dieser  Gelegenheit  den  günstigen  Einfluss  hervor,  den  er  in  einer 
Anzahl  von  Keuchhustenfällen  von  der  Schutzpocken¬ 
impfung  und  besonders  der  zweiten  Impfung  (Revakzination)  ge¬ 
sehen  hat.  St. 

Zur  Behandlung  der  Stomatitis  mercurialis  emp¬ 
fiehlt  P.  M  e  i  s  s  n  e  r  -  Berlin  die  bekannten  Formaminttabletten,  die 
er  sowohl  als  Prophylaktikum  als  auch  bei  teilweise  schon  vorge¬ 
schrittenen  Stomatitisfällen  mit  gutem  Erfolg  anwendete.  Die  Ta¬ 
bletten  wurden  in  stündlichen  Pausen  gegeben,  als  Mundwasser  bei 
der  morgens  und  abends,  wie  nach  jeder  Mahlzeit  vorzunehmen¬ 
den  Zahnreinigung  wurde  essigsaure  Tonerde  mit  Wasserstoffsuper¬ 
oxyd  verordnet.  M.  hält  sich  für  berechtigt  zu  sagen,  dass  die 
Anwendung  von  Formaminttabletten  bei  Quecksilberkuren  mit  der 
allergrössten  Wahrscheinlichkeit  das  Auftreten  der  Stomatitis  mer¬ 
curialis  vermeiden  lässt.  (Therapie  der  Gegenwart,  1907,  7.)  R.  S. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  22.  Juli  1907. 

—  In  der  Novelle  zum  Gesetz,  betr.  Abwehr  und 
Unterdrückung  von  Viehseuchen,  die  in  der  nächsten 
Tagung  des  Reichstags  zur  Beratung  kommen  wird,  soll  auch  die 
Tuberkulose  der  Rinder  in  das  Gesetz  einbezogen  werden. 
Hierdurch  wird  der  Aufsichtsbehörde  das  Recht  verliehen,  an  Tuber¬ 
kulose  erkrankte  Rinder  gegen  entsprechende  Entschädigung  zu 
töten.  ‘ 

—  Für  die  belgischen  Aerzte,  die  Anfang  August  nach 
Berlin  kommen,  hat  sich  aus  der  Mitte  der  Berliner  Aerzteschaft 
ein  Empfangskomitee  gebildet,  dem  sämtliche  grosse  ärztliche  Ver¬ 
einigungen  Berlins,  sowie  eine  Reihe  hervorragender  einzelner  Per¬ 
sönlichkeiten  angehören.  Die  Begrüssung  seitens  der  Berliner 
Aerzteschaft  wird  bei  einer  zwanglosen  Veranstaltung  in  Form  eiqes,, 
Bierabends  stattfinden,  der  für  Sonnabend  den  10.  August  in  Aussicht 
genommen  ist. 

—  In  Bad  Aibling  ist  vor  kurzem  ein  neues  nach  Plänen 
des  Bauamtmannes  S  c  h  a  c  h  ne  r  -  München  erbautes  Kurhaus 
feierlich  eingeweiht  worden. 

—  In  Düsseldorf  verurteilte  die  Strafkammer  den  vielfach  vor¬ 
bestraften  „Natur  heil  kundigen“  Karl  Heinemann,  der 
unter  Vorspiegelung  ärztlicher  Vorbildung  eine  bedeutende  ärztliche 
Praxis  ausübte,  viele  Personen  mit  teilweise  schlimmem  Erfolge  be¬ 
handelte  und  um  Geldbeträge  beschwindelte,  zu  3  Jahren  Zuchthaus. 

—  Das  Rockefeller  Institute  for  medical  Re¬ 
search  in  New  York  hat  20  amerikanischen  Aerzten  zu  wissen¬ 
schaftlichen  Arbeiten  Beihilfe  geleistet.  Leiter  der  Laboratörien  des 
Instituts  ist  zurzeit  Simon  Flexner. 

—  Die  Jahresversammlung  des  Zentralverb  an  de  s  von 
Ortskrankenkassen  im  Deutschen  Reiche  findet  am 
19.  und  20.  August  in  Mannheim  statt.  Auf  der  Tagesordnung  stehen 
u.  a. :  1.  Das  Verhältnis  der  Krankenkassen  zu  den  Aerzten  (vergl. 
Punkt  9  der  Jahresversammlung  1906).  Referent:  Herr  Albert  K  o Ni  n- 
Berlin.  2.  Entwurf  eines  Reichs-Apothekengesetzes.  Reterent:  Heil 
Apotheker  Skalier-  Charlottenburg.  .  .  . 

—  Ein  eigentümlicher  Aerztestreik  scheint  sich  in  vv ies- 
bäden  vorzubereiten.  Die  Oberpostdirektion  in  Frankfurt  a.  M  hat 
kürzlich  den  Vertrag  mit  dem  Vertrauensarzt  der  Wiesbadener  I  ost- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


Verwaltung.  Dr.  S  c  h  e  1 1  e  n  b  e  r  g,  deshalb  gekündigt,  weil  dieser 
bei  der  letzten  Reichstagsstichwahl  für  den  sozialdemokratischen 
Kandidaten  gestimmt  hatte.  Die  ärztliche  Bezirkskommission  leitete 
sofort  Schritte  ein,  um  die  Folgerungen  aus  diesem  Vorgehen  der 
Postbehörde  zu  ziehen,  und  die  Verhandlungen  der  Postdirektion  mit 
anderen  Wiesbadener  Aerzten  zwecks  Uebernahme  der  gekündigten 
Stellung  scheiterten  an  dem  ablehnenden  Verhalten  der  Aerzte,  die 
sich  mit  Dr.  Schell  enb  erg  solidarisch  erklärten.  Der  Leipziger 
Aerzteverband  wird  voraussichtlich  die  Stellung  des  Postarztes 
sperren.  (Pharm.  Ztg.) 

—  Eine  neuartige  Bereicherung  der  medizinischen  Journal¬ 
literatur  steht  bevor  mit  der  in  Vorbereitung  begriffenen  Gründung 
des  „M  edizinisch-natur  wissenschaftlich  es  Archiv. 
Zeitschrift  für  die  gemeinsamen  Forschungsergebnisse  der  klinischen 
Medizin  und  ihrer  gesamten  Nachbargebiete“.  Die  Aufgabe  des  neuen 
Archivs  geht  aus  dem  Untertitel  hervor:  es  sollen  die  Forschungs¬ 
ergebnisse  der  Nachbargebiete  der  Medizin,  wie  Anatomie,  Physio¬ 
logie,  Physik,  Chemie,  Zoologie,  Botanik,  Hygiene  und  Bakteriologie 
einerseits  und  die  der  klinischen  Medizin  andererseits  gegenseitig 
nutzbar  gemacht  werden.  Das  Archiv  wird  herausgegeben  von  Prof. 
Fr.  Henke-  Königsberg,  Prof.  O.  de  la  Camp  -  Erlangen  und 
Privatdozent  A.  P  ü  1 1  e  r  -  Göttingen  und  soll  im  Verlag  von 
Urban  6:  Schwarzenberg  in  Berlin  in  zwanglosen  Heften  er¬ 
scheinen. 

—  Eine  Zeitschrft  für  zahnärztliche  Ortho¬ 
pädie  zum  Zwecke  der  Förderung  und  Vertiefung  dieses  Spezial¬ 
studiums  der  zahnärztlichen  Wissenschaft  wurde  vor  kurzem  in 
München  ins  Leben  gerufen.  Eine  besondere  Aufgabe  des  neuen 
Fachblattes  wird  es  sein,  den  textlichen  Inhalt  durch  Wiedergabe 
korrekter  Bilder  zu  erläutern.  Die  Tendenz  der  Zeitschrift,  bei  der 
zahlreiche  in-  und  ausländische  Autoren  mitwirken,  ist  eine  rein 
wissenschaftliche.  Für  Interessenten  werden  Probeexemplare  vom 
Verlag,  Theresienstrasse  27,  kostenlos  versandt. 


Reim  s.  Dr.  Bruandet  wurde  zum  Professor  der  Anatomie 
ernannt. 

R  e  n  n  e  s.  Dr.  A  s  s  i  c  o  t  wurde  zum  Professor  der  ophthalmo- 
logischen  Klinik  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Dr.  Grancher,  früher  Professor  der  pädiatrischen  Klinik  zu 
Paris. 

Dr.  W.  Koster,  früher  Professor  der  Anatomie  an  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  zu  Utrecht. 

In  London  starb  Sir  William  Broadbent,  Leibarzt  des 
Königs,  im  Alter  von  73  Jahren. 


Personalnachricbten. 

(Bayern.) 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  Be- 
zirksarzt  I.  Klasse  Dr.  Friedrich  Hiemer  in  Altötting,  seiner  Bitte 
entsprechend,  wegen  zurückgelegten  siebzigsten  Lebensjahres  unter 
Anerkennung  seiner  langjährigen,  treuen  und  eifrigen  Dienstleistung. 

Berufung:  Auf  die  erledigte  Stelle  eines  Mitgliedes  des  Kreis¬ 
medizinalausschusses  für  Niederbayern  wurde  der  Bezirksarzt  I.  Kl. 
Dr.  Anton  S  c  h  m  i  d  in  Vilshofen  berufen. 

Erledigt:  Die  Bezirksarztsstelle  I.  Klasse  in  Altötting.  Be¬ 
werber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 
bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis 
zum  3.  August  1.  Js.  einzureichen. 


Amtliches. 

(Bayern.) 

K.  Staatsministerium  des  Innern. 


—  Pest.  Aegypten.  Vom  29.  Juni  bis  6.  Juli  wurden  13  neue 
Erkrankungen  (und  8  Todesfälle)  festgestellt.  —  Britsch-Ostindien. 
In  Moulmein  sind  vom  2.  bis  8.  Juni  19  Personen  an  der  Pest  ge¬ 
storben.  —  Japan.  Auf  Formosa  wurden  im  April  4-48  Erkrankungen 
(und  388  Todesfälle)  an  der  Pest  angezeigt.  In  Yokohama  sind  vom 
23.  bis  29.  Mai  3  tödlich  verlaufene  Pestfälle  beobachtet  worden, 
auch  wurden  einige  Pestratten  gefunden.  —  Argentinien.  In  Cordoba 
sind  zufolge  einer  Mitteilung  vom  4.  Juni  mehrere  Pestfälle  vor¬ 
gekommen,  von  denen  2  tödlich  verliefen. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  30.  Juni 
bis  6.  Juli  sind  69  Erkrankungen  (und  26  Todesfälle)  angezeigt 
worden,  darunter  in  Köln  6  (3)  [Köln  Stadt],  Düsseldorf  15  (7)  [Essen 
Land  8  (5)]. 

—  In  der  27.  Jahreswoche,  vom  30.  Juni  bis  6.  Juli  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Liegnitz  mit  33,1,  die  geringste  Remscheid  mit  4,7  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Masern  und  Röteln  in  Bielefeld,  Heidelberg,  Karlsruhe, 
Linden.  V.  d.  K.  G.-A. 


(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Prof.  Dr.  Wilhelm  His  in  Göttingen  hat  den  Ru 
als  Nachfolger  Leydens  angenommen. 

Greifswald.  Privatdozent  Professor  Dr.  med.  Walte: 
Stoeckel  in  Berlin  hat  einen  Ruf  als  ordentlicher  Professor  de: 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie  und  Direktor  der  Frauenklinik  als  Nach 
folger  Martins  erhalten  und  angenommen,  (hc.) 

Heidelberg.  Geheimer  Hofrat  Dr.  med.  Franz  K  n  a  u  f  f 
Ordinarius  der  Hygiene  und  der  gerichtlichen  Medizin  an  der  Uni 
versität  Heidelberg,  wurde  auf  sein  Ansuchen  von  dem  ihm  im  Neben 
amt  belassenen  bezirksärztlichen  Dienst  mit  Ausnahme  der  F.unk 
tionen  als  Gerichtsarzt  vom  1.  August  d.  J.  ab  enthoben,  (hc.) 

Jena.  Der  Direktor  der  hiesigen  Frauenklinik,  Prof.  Franz 
hat  einen  Ruf  nach  Tübingen  als  Nachfolger  Prof.  Dö'der  lein« 
abgelehnt. 

Leipzig.  Habilitiert:  Dr.  med.  Paul  Schmidt,  Assisten 
bei  Prof.  Hofmann  am  hygienischen  Institut  der  Leipziger  Uni 
versität,  hat  sich  mit  einer  Probevorlesung  „Ueber  Pestverbreitum 
und  die  Massregeln  zur  Verhütung  vom  See-  und  Landwege  aus* 
niedergelassen,  (hc.) 

M  ü  n  c  h  e  n.  Am  20.  Juli  habilitierte  sich  für  innere  Medizir 
Dr.  Walther  Brasch,  Assistent  der  I.  med.  Klinik  (Prof,  v  Bauer) 
mit  einer  Probevorlesung  über  die  Entstehung  innerer  Krankheitei 
durch  Traumen.  Die  Habilitionsschrift  führt  den  Titel:  ,Ueber  da- 
Verhalten  nicht  gärungsfähiger  Kohlehydrate  im  tierischen  Organis¬ 
mus.  Mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Diabetes“. 

W  ü  rzbur  g.  Der  Präsident  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes 
Franz  Bumm  in  Berlin,  und  der  Verlagsbuchhändler  J.  F.  Berg¬ 
mann  in  Wiesbaden  wurden  von  der  medizinischen  Fakultät  zi 
Ehrendoktoren  ernannt. 

Bologna  Der  Privatdozent  an  der  medizinischen  Fakultät  zi 
Neape  Dr.  G.  F  i  n  i  z  i  o,  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für  Kin¬ 
derheilkunde. 

C.  h.?  r  k  0  w.  Dr.  K.  Elene-wsky  habilitierte  sich  als  Privat¬ 
dozent  für  pathologische  Anatomie. 

New  York.  Dr.  P.  F.  Chambers  wurde  zum  Professoi 
der  Gynäkologie  am  College  of  Phs^sicians  and  Surgeons  ernannt 


Die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1906  betreffend. 

Auf  die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  Bayerns  vom 
29.  Oktober  1906  ergeht  nach  Einvernehmen  des  Kgl.  Obermedizinal- 
-ausschusses  nachstehende  Verbescheidung: 

1.  Die  Mehrzahl  der  Aerztekammern  hat  den  schon  im  Jahre  1903 
gestellten  und  neuerdings  vom  ärztlichen  Bezirksverein  Nürnberg 
wiederholten  Antrag,  der  Errichtung  geschlossener  Trinkerasyle 
näherzutreten,  unterstützt.  Derselbe  wird  zunächst  einer  eingehenden 
Beratung  im  verstärkten  Obermedizinalausschusse  unterstellt  werden. 

2.  Dem  Anträge  der  oberbayerischen  Aerztekammer,  in  ange¬ 
messenen  Zeiträumen  für  bewährte  neuere  Behandlungsmethoden  be¬ 
sondere  Sätze  als  Nachtrag  zur  ärztlichen  Gebührenordnung  fest¬ 
zusetzen,  wird  bei  gegebenem  Bedürfnis  Rechnung  getragen  werden. 

3.  Bezüglich  des  Antrages,  im  Bundesrate  dahin  zu  wirken,  dass 
bei  den  Vorberatungen  zur  Novelle  des  Krankenversicherungsgesetze-s 
sachverständige  Aerzte  als  Vertreter  der  Deutschen  Aerzteschaft  zu¬ 
gezogen  werden,  wird  auf  Ziffer  5  der  Verbescheidung  der  Verhand¬ 
lungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1904  verwiesen. 

4.  Die  von  allen  Aerztekammern  beantragte  Revision  der  Kgl 
Verordnungen  vom  6.  Februar  1876,  die  Prüfung  für  den  ärztlichen 
Staatsdienst  betreffend,  ist  in  Instruktion  begriffen. 

5.  Bezüglich  des  Antrages  der  mittelfränkischen  Aerztekammer, 
die  Revision  des  Gesetzes  über  die  öffentliche  Armen-  und  Kranken¬ 
pflege  betreffend,  wird  auf  Ziffer  8  der  Verbescheidung  der  Verhand¬ 
lungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1904  verwiesen. 

6.  Der  Antrag  der  oberfränkischen  Aerztekammer,  die  Revision 
des  Strafgesetzbuches  betreffend,  wurde  dem  zuständigen  Staats¬ 
ministerium  der  Justiz  zur  Würdigung  übermittelt. 

gez.  v.  Brettreich. 


Uebersich!  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  27.  Jahreswoche  vom  30.  Juni  bis  6.  Juli  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M )  14  (22*) 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  7  (6),  Kindbettfieber  —  (— ),  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (— ),  Scharlach  —  (-),  Masern  u.  Röteln  2  (8),  Diphth.  u. 
Krupp  1  (2),  Keuchhusten  2  (3),  Typhus  —  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  ( -),  Rose  (Erysipel)  —  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  1  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  28  (23),  Tuberkul.  and. 
Org.  7  (4),  Mihartuberkul.  —  (— ).  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  7  (9), 
Intluenza  —  (2),  and.  übertragb.  Krankh.  2  (3),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  3  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  2  (3),  organ.  Herzleid.  16  (14) 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  6  (9),  Gehirnschlag 
8  (8),  Geisteskrankh.  —  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  4  (5),  and 
Krankh.  d.  Nervensystems  5  (4),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  28  (37),  Krankh.  d.  Leber  5  (3),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (— ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (2),  Krankh  d 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  2  (1),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  14  (13), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  2  (3),  Selbstmord  2  (— ),  Tod  durch 
tremde  Hand  ( — ),  Unglücksfälle  4  (3),  alle  übrig.  Krankh.  5  (4) 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  181  (197).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,2  (18,7),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,2  (11,9). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  j.  F.  Lcbroann 


in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q., 


München. 


05e  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
Jm  Umfang  von  durchschnittlich  6 — 7  Bogen.  #  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  8* 1/*—  1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  *  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Kiel.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  31.  30.  Juli  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Leipzig. 

Zur  Diagnose  der  Urogenitaltuberkulose.*) 

Von  Privatdozenten  Dr.  Rolly,  Assistenten  der  Klinik. 

Die  Veranlassung  zur  Anstellung  der  Ihnen  heute  mit¬ 
zuteilenden  Untersuchungen  gab  folgender  Fall:  Mir  wurde 
von  auswärts  der  Urin  einer  jungen  Dame  übergeben  mit  der 
Bitte,  denselben  auf  Tuberkelbazillen  zu  untersuchen.  Die 
betr.  Dame  hatte  früher  eine  Spitzenaffektion  überstanden, 
klagte  nun  aber  seit  einiger  Zeit  über  Beschwerden  im  Unter¬ 
leib  und  der  Blase;  sie  wollte  in  3 — 4  Wochen  heiraten  und 
es  wurde  die  Frage  an  mich  gestellt,  ob  eine  tuberkulöse  Affek¬ 
tion  die  Ursache  dieser  Beschwerden  sein  könne  und  von  der 
Beantwortung  derselben  wurde  die  Hochzeit  abhängig  ge¬ 
macht. 

Im  Urinsediment  fanden  sich  nun  eine  Menge  Leukozyten, 
Blasen-  oder  Vaginalepithelien  und  eine  Unmasse  von  säure¬ 
festen  Stäbchen,  welche  meist  in  Haufen  zusammenlagen,  aber 
auch  einzeln  anzutreffen  waren;  eine  Andeutung  von  zopf¬ 
ähnlicher  Aneinanderlagerung  der  einzelnen  Bazillen  konnte 
fernerhin  vereinzelt  nachgewiesen  werden.  Was  die  Form 
und  die  Grösse  der  Stäbchen  anlangt,  so  waren  viele  etwas 
kürzer  und  dicker  als  der  gewöhnliche  Tuberkelbazillus,  andere 
glichen  jedoch  demselben  in  Grösse  und  Form  aufs  Haar;  die 
meisten  Bazillen  waren  gerade  gestreckt,  einige  etwas  gebogen, 
wie  wir  das  bei  den  Tuberkelbazillen  sehr  oft  sehen.  Eine 
reihenförmige  Anordnung  der  Bazillen  wurde  verschiedentlich 
ebenfalls  beobachtet. 

Die  Resistenz  sowohl  gegen  Säure  als  gegen  absoluten 
Alkohol  erschien  bei  der  Mehrzahl  der  Bazillen  ausserordent¬ 
lich  gross,  selbst  bei  Vorbehandlung  der  Ausstrichpräparate 
in  Alkohol  absolutus  und  5  proz.  Chromsäurelösung  (nach 
Bunge  und  T  rantenroth1)  und  nachheriges  Färben 
konnten  immerhin  noch  säurefeste  Stäbchen  im  Präparate  nach¬ 
gewiesen  werden,  während  allerdings  der  grösste  Teil  der¬ 
selben  sich  bei  diesem  Verfahren  entfärbt  hatte. 

Da  ich  auf  Grund  eines  solchen  Ergebnisses  kein  Urteil 
in  dieser  wichtigen  Sache  abgeben  konnte,  so  bat  ich  um 
katheterisierten  Urin  von  derselben  Patientin.  In  der  einen 
Probe  desselben  fand  ich  nun  diese  säurefesten  Stäbchen  nicht 
mehr,  in  einer  anderen,  mir  einige  Tage  später  übergebenen 
konnte  ich  wieder,  allerdings  erst  nach  langem  Suchen  diese 
säurefesten  Stäbchen  nachweisen,  welche  vereinzelt  nur  vor¬ 
handen  waren,  aber  wie  in  den  früheren  Präparaten  einen 
grossen  Grad  von  Säurefestigkeit  besassen. 

Zu  gleicher  Zeit  stellte  ich  natürlich  Kultur-  und  Tierver¬ 
suche  mit  Meerschweinchen  an.  Der  Kulturversuch  war  ab¬ 
solut  negativ,  es  kamen  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden 
(Bouillon,  ülyzerinagar  etc.)  keine  säurefesten  Stäbchen  zur 
Entwicklung.  Mit  der  Tötung  der  geimpften  Meerschweinchen 
musste  natürlich  vorläufig  noch  gewartet  werden. 

Mein  Entscheid  ging  nun  dahin,  dass  vorläufig  noch  nicht 
mit  Bestimmtheit  behauptet  werden  könne,  dass  Tuberkel- 


*)  Nach  einem  am  28.  V.  07  in  der  medizinischen  Gesellschaft 
iu  Leipzig  gehaltenen  Vortrag. 

1)  Fortschritte  der  Medizin,  Bd.  14,  1896. 

No.  31. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

bazillen  unter  den  säurefesten  Stäbchen  vorhanden  seien  und 
dass  zur  endgültigen  Erledigung  dieser  Frage  noch  der  Tier¬ 
versuch  abgewartet  werden  müsse,  dass  aber  jetzt  schon 
manches  in  den  Versuchsresultaten  dafür  spricht,  dass  ein 
kleiner  Teil  der  gefundenen  säurefesten  Stäbchen  als  Tuberkel¬ 
bazillen  angesprochen  werden  könne. 

Der  weitere  Verlauf  der  Erkrankung  der  Patientin  und  der 
Tierversuch  belehrten  uns  nun  darüber,  dass  keine  Tuberkulose 
vorlag;  die  drei  intraperitoneal  und  subkutan  in  der  Schenkel¬ 
beuge  mit  dem  Urinsediment  geimpften  Meerschweinchen 
blieben  gesund,  es  konnte  noch  nicht  einmal  eine  Schwellung 
der  Mesenterial-  resp.  Inguinaldrüsen  dieser  Tiere  nach 
6  Wochen  gefunden  werden. 

Der  Gegenstand  erschien  uns  wichtig  genug,  um  ihn  einer 
erneuten  Prüfung  zu  unterziehen. 

Was  zunächst  die  klinischen  Symptome  einer 
tuberkulösen  Erkrankung  von  Organen  des  Urogenitalapparates 
anlangt,  so  sind  dieselben  natürlich,  je  nach  dem  Sitz,  sehr  viel¬ 
gestaltig.  Auch  wissen  wir,  dass  sie  der  einzige  tuberkulöse 
Herd  im  Körper  sein  kann;  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  werden 
jedoch  in  anderen  Organen  und  besonders  in  den  Lungen 
weitere  Herde  vorhanden  sein. 

Wenn  eine  tuberkulöse  Erkrankung  eines  anderen  Organes 
besteht  oder  bestanden  hat  und  es  treten  Beschwerden  von 
seiten  der  Urogenitalorgane  dazu,  so  werden  wir  an  eine 
Tuberkulose  daselbst  denken  müssen. 

Im  Beginn  einer  tuberkulösen  Erkrankung  des  Urogenital¬ 
systems  werden  von  der  grossen  Zahl  der  Patienten  zuerst 
Blasenbeschwerden  geäussert.  So  fing  z.  B.  von  30  an  Uro- 
genitaltuberkulose  leidenden  Patienten  der  med.  Klinik  zu' 
Leipzig  die  Erkrankung  mit  Blasenbeschwerden  18  mal 
(60  Proz.)  an,  20  Proz.  klagten  zu  Anfang  des  Leidens  über 
Schmerzen  in  der  Nierengegend,  in  10  Proz.  der  Fälle  traten 
als  erstes  Symptom  renale  Hämaturien  mit  und  ohne  kolik¬ 
artigen  Schmerzen  auf. 

Ohne  weitere  klinische  und  pathologisch-anatomische 
Untersuchungen  könnte  man  bei  einer  Zusammenstellung  dieser 
ananmestischen  Daten  annehmen,  dass  bei  weitem  am  meisten 
zuerst  die  Harnblase  von  der  Tuberkulose  ergriffen  werde  und 
von  da  aus  alsdann  die  übrigen  Urogenitalorgane  infiziere. 
Dem  ist  jedoch  nicht  so.  Es  liess  sich  nämlich  meist  der  Nach¬ 
weis  führen,  dass  die  Niere  der  primäre  Sitz  der  Erkrankung 
war  und  sich  erst  sekundär  von  da  auf  den  Ureter,  Blase  etc. 
der  tuberkulöse  Prozess  ausgebreitet  hatte.  Umgekehrt  konnte 
bei  gleichzeitig  bestehender  Blasen-  und  Hodentuberkulose  mit 
Ausnahme  eines  Falles  eruiert  werden,  dass  zuerst  eine  Hoden- 
erkrankung  vorlag  und  später  erst  die  Blase  infiziert  worden 
war.  Wir  können  demnach  schon  angesichts  einer  derartigen 
Statistik  den  Schluss  ziehen,  dass  eine  primäre  Blasen - 
tuberkulöse  im  allgemeinen  recht  selten  sein 
dürfte  und  dass,  wenn  wir  es  mit  einer  tuberkulösen  Blasen¬ 
erkrankung  scheinbar  allein  zu  tun  haben,  wir  stets  danach 
forschen  müssen,  ob  nicht  eine  tuberkulöse  Erkrankung  der 
Nieren  etc.  neben  der  Blasentuberkulose  besteht. 

Da  nun  das  klinische  Bild  der  tuberkulösen  Er¬ 
krankung  eines  oder  mehrerer  Organe  nur  wenig  an  sich  für 
Tuberkulose  Charakteristisches  aufzuweisen  vermag,  da  genau 
dieselben  Erscheinungen  auch  bei  ätiologisch  anders  gearteten 
Erkrankungen  dieser  Organe  bestehen  können,  so  will  ich  hier 

1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


von  der  Aufzählung  der  klinischen  Symptome  dieser  einzelnen 
Erkrankungen  absehen.  Nur  einen  Punkt  möchte  ich  noch  her¬ 
vorheben,  dass  nämlich  die  Stärke  der  Beschwerden  öfters 
nicht  im  Einklang  mit  den  krankhaften  Veränderungen  steht. 
So  sind  manchmal  starke  Blasenbeschwerden  vorhanden  und 
trotzdem  finden  wir  keine  tuberkulöse  Erkrankung  der  Blase, 
sondern  nur  eine  solche  der  Nieren. 

Wir  beobachteten  u.  a.  fernerhin  einen  akuten  und  chro¬ 
nischen  Beginn  der  Erkrankung,  ebenso  ein  langsam  und 
rascheres  Fortschreiten  des  tuberkulösen  Prozesses  bei  unseren 
Patienten. 

Bei  jederErkrankungdesUrogenitalap  pa¬ 
rates,  deren  Aetiologie  nicht  sofort  im  An¬ 
fänge  klar  erscheint,  ist  es  deshalb  unbe¬ 
dingtgeboten,  andieMöglichkeiteinertuber- 
ku  lösen  Erkrankung  zu  denken.  Die  tuber¬ 
kulöse  Natur  des  Leidens  aber  können  wir 
nur  dadurch  feststellen,  dass  wir  den  Tuber¬ 
kelbazillus  im  Urin  oder  in  den  sonstigen 
Exkreten  der  erkrankten  Organe  nach  weisen. 

Dabei  begegnen  wir  aber  sofort  beträchtlichen  Schwierig¬ 
keiten.  Wie  allbekannt  kommen  sowohl  beim  Manne  wie  bei 
der  Frau  in  der  Umgebung  der  Urethralmündung,  ferner 
namentlich  zwischen  den  grossen  und  kleinen  Labien,  am  Sul¬ 
cus  coronarius  des  Mannes  bei  der  Färbung  sich  ähnlich  ver¬ 
haltende  sogen,  säurefeste  Stäbchen  vor,  welche  im  Jahre  1885 
von  T  a  v  e  1  und  Alvarez2)  und  Matterstock  zuerst 
beschrieben  und  „Smegmabazillen“  genannt  wurden. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  in  der  Tat  diese  Smegmabazillen  in 
einem  so  grossen  Prozentsätze  in  der  Umgebung  der  Urethral¬ 
mündung  Vorkommen,  und  demnach  Veranlassung  zu  Täu¬ 
schungen  mit  den  Tuberkelbazillen  geben  können.  Meine  zum 
grossen  Teile  mit  Herrn  Biedermann3)  angestellten  Unter¬ 
suchungen  ergaben  nun,  dass  bei  24  Patientinnen,  welche  an 
keiner  tuberkulösen  Affektion  litten,  21  mal  diese  Smegma¬ 
bazillen  in  beträchtlicher  Anzahl  im  Färbepräparat  gefunden 
werden  konnten.  Besonders  zahlreich  fanden  sie  sich  zwischen 
den  Labia  maiora  et  minora  oberhalb  oder  in  Höhe  der  Urethral¬ 
mündung.  Aber  auch  noch  im  Vestibulum  urethrae  und  sogar 
in  dem  vorderen  Teile  der  Urethra  (3  mal  unter  6  Unter¬ 
suchungen  konnten  diese  säurefesten  Stäbchen  nachgewiesen 
werden).  Ebenso  fanden  sich  bei  Männern  derartige  säure¬ 
feste  Stäbchen  an  der  Corona  glandis  (5  mal  unter  6  Unter¬ 
suchungen),  auch  bei  Rindern  werden  sie  in  ungefähr  derselben 
Verhältniszahi  angetroffen. 

Die  weiteren  Untersuchungen  beschäftigten  sich  alsdann 
mit  der  Frage,  ob  vielleicht  vermittels  Ratheterisation  des 
Urins  diese  säurefesten  Stäbchen  aus  dem  Urin  ferngehalten 
werden  könnten.  Wenn  mir  nun  auch  diese  Versuche  zeigten, 
dass  das  Urinsediment  des  katheterisierten  Urins  gewöhnlich 
frei  von  diesen  Smegmabazillen  gefunden  wird,  so  kann  ich 
mich  auf  Urund  meiner  Untersuchungen  doch  nicht  der  Mei¬ 
nung  derjenigen  Autoren  anschliessen,  welche  glauben,  dass 
inan  durch  Raiheterisation  eine  Verunreinigung  des  Urins  durch 
Smegmabazillen  vermeiden  könne.  Wie  der  eingangs  erwähnte 
Fall  schon  beweist,  befanden  sich  in  der  einen  Probe  katheteri¬ 
sierten  Urins  säurefeste  Stäbchen,  welche  keine  Tuberkel- 
bazilLn  waren;  bei  6  weiteren  Patienten  konnte  ich  fernerhin 
in  dem  mit  aller  Vorsicht  katheterisierten  Urin  keine  säure¬ 
festen  Stäbchen  finden,  während  bei  der  7.  Patientin  sich 
wieder  vereinzelte  Smegmabazillen  im  katheterisierten  Urin 
nach  weist  n  liessen. 

Wir  sind  demnach  zwecks  Stellung  einer  sicheren  Dia¬ 
gnose  darauf  angewiesen,  diese  Bakterien  auch  in  dem  mit 
dem  Ratheter  entnommenen  Urin  mittels  der  uns  zu  Gebote 
stehenden  Methoden  zu  identifizieren  und  von  einander  zu 
trennen. 


2)  Literatur  bei  Lubarsch,  Ostertag:  Ergebnisse  1904, 
pag.  126,  ferner  in  Kolle  Wassermann:  Handbuch  der  pathog. 
Mikroorganismen,  1903,  11.,  pag.  99,  ferner  in  Nothnagels  Patho¬ 
logie  und  Therapie,  XIV,  3,  17,  1899. 

T  Herr  Biedermann  wird  über  seine  unter  meiner  Leitung 
und  Mithilfe  angestellten  Untersuchungen  in  einer  demnächst  erschei¬ 
nenden  Dissertation  berichten. 


Mit  solchen  Methoden  haben  sich  seit  der  Entdeckung  des 
Smegmabaziilus  schon  die  verschiedensten  Autoren  beschäftigt, 
ohne  aber,  dass  über  den  diagnostischen  Wert  derselben  eine 
Einigkeit  erzielt  worden  wäre.  Im  Gegenteil,  die  Versuchs¬ 
resultate  und  Schlüsse  sind  so  widersprechend,  dass  es  un¬ 
möglich  ist,  sich  ohne  eigene  methodische  Untersuchungen  ein 
Bild  der  Sachlage  zu  machen. 

Es  ist  wohl  ohne  weiteres  anzunehmen,  dass  das  gleiche 
färberische  Verhalten  der  Tuberkelbazillen  wie  der  Smegma¬ 
bazillen  auf  derselben  oder  einer  ähnlichen  Ursache  beruht. 
Von  den  meisten  Autoren  wird  gegenwärtig  angenommen,  dass 
der  Gehalt  des  Protoplasmakörpers  an  Fetten  oder  fettähn¬ 
lichen  Stoffen  es  ist,  der  die  sogen.  Säurefestigkeit  bedingt. 
Man  muss  dab.ei  aber  immer  bedenken,  dass  mit  dieser  Säure- . 
festigkeit  über  das  ganze  Leben  der  Bazillen,  über  ihre  Patho¬ 
genität  Tieren  und  Menschen  gegenüber  absolut  nichts  aus¬ 
gesagt  ist. 

Bei  der  Färbung  der  Smegmabazillen  fiel  uns  nun  sofort 
auf,  dass  eine  grosse  Differenz  in  der  Säure¬ 
festigkeit  der  einzelnen  Individuen  besteht. 
Während  verschiedene  der  Bakterien  schon  nach  einer  zwei¬ 
minutenlangen  Einwirkung  von  3  proz.  Salzsäurealkohol  bei 
vorhergehender  Rarboifuchsinfärbung  die  rote  Farbe  in  unseren 
Versuchen  verloren,  waren  die  Smegmabazillen  anderer  Patien¬ 
ten  wieder  so  säurefest,  dass  sie  noch  nach  3 stündiger  Ein¬ 
wirkung  des  Salzsäurealkohols  nicht  entfärbt  wurden  und  hier 
den  Tuberkelbazillen  an  Säurefestigkeit  nicht  nachstanden.  Wir 
konnten  aber  auch  in  Präparaten  von  dem  gleichen  Patienten 
eine  derartige  wechselnde  Säurefestigkeit  der  einzelnen  Ba¬ 
zillen  erkennen.  Besonders  wenn  die  Entfärbung  direkt  unter 
dem  Mikroskope  beobachtet  wird,  ist  dieses  Verhalten  der 
Bakterien  ohne  weiteres  sehr  gut  zu  beobachten. 

Bei  den  Tuberkelbazillen  geht  diese  Entfärbung,  wenn  sie 
einmal  begonnen  hat,  viel  rascher  vor  sich;  wird  in  solchen 
Präparaten  ein  Bazillus  farblos,  so  folgen  sehr  bald  alle 
übrigen  nach.  Es  ist  also  bei  den  TuberkelbaziN 
len  keine  so  grosse  Differenz  und  Inkonstanz 
in  der  Säurefestigkeit  vorhanden. 

Besonders  hervorzuheben  ist  noch  folgende  Beobachtung, 
welche  wir  bei  den  Entfärbungsverfahren  machten.  Wenn 
wir  nach  einer  derartig  meist  länger  dauernden  Entfärbung  mit 
Salzsäurealkohol,  wobei  viele  Bazillen  entfärbt,  nur  ein  Teil 
noch  rot  gefärbt  war,  mit  Methylenblau  nachfärbten,  so  nahmen 
die  entfärbten  Bazillen  die  blaue  Farbe  nur  äusserst  selten  an. 
Offenbar  hatte  der  Salzsäurealkohol  die  Mehrzahl  der  Bazillen 
so  verändert  resp.  aufgelöst,  dass  dieselben  nun  mittels  Me¬ 
thylenblaufärbung  nicht  mehr  gefärbt  wurden.  Ein  Teil  der 
Bakterien  konnten  als  blasse,  nicht  mehr  gefärbte  Schatten  ge¬ 
rade  eben  mit  guten  Immersionslinsen  erkannt  werden. 

Es  mag  an  dieser  Stelle  bemerkt  werden,  dass  die  Gestalt 
und  Grösse  der  Smegmabazillen  in  ein  und  demselben  Ge¬ 
sichtsfeld  sehr  variieren  kann.  Wir  sahen  in  unseren  Prä¬ 
paraten  Bazillen,  welche  die  Grösse  und  Schlankheit  der  Tu¬ 
berkelbazillen  hatten  und  auch  manchmal  eine  mehr  oder 
weniger  gekrümmte  Form  wie  die  Tuberkelbazillen  zeigten. 
Andere  wieder  erschienen  viel  dicker,  kürzer  und  konnten  ge¬ 
wöhnlich  schon  bei  dem  ersten  Anblick  von  den  Tuberkel¬ 
bazillen  unterschieden  werden.  Weiterhin  konnten  wir,  wenn 
auch  nicht  so  häufig,  eine  Granulierung  oder  Punktierung  der 
Smegmabazillen  wahrnehmen,  welche  nach  den  Untersuch¬ 
ungen  verschiedener  Autoren  nicht  bei  den  Smegmabazillen, 
sondern  nur  bei  den  Tuberkelbazillen  Vorkommen  soll. 

Sehr  verschiedenartig  war  die  Gruppierung  der  Bakterien 
im  mikroskopischen  Präparate.  Oft  lagen  sie  zusammen  mit 
grösseren  und  kleineren,  nicht  gefärbten,  meist  etwas  stärker 
lichtbrechenden  Gebilden,  welche  offenbar  von  den  Autoren  für 
epitheloide  Zellen  gehalten  worden  sind;  wir  können  mit 
Sicherheit  nicht  behaupten,  um  was  es  sich  hier  handelt.  Da¬ 
neben  fanden  sich  aber  überall  im  Präparat  völlig  freiliegende 
Bazillen;  eine  Lagerung  in  Zopfformen  konnte  manchmal,  wenn 
auch  nicht  besonders  ausgesprochen,  wahrgenommen  werden. 

Wir  sind  nach  alledem  wohl  imstande, 
schon  allein  durch  Betrachtung  der  gefärbten 
PräparateeinenTeilderBazillenfürSmegma- 
b  a  z  i  1 1  e  n  erklären  zu  können,  den  anderen  Teil 


30.  Juli  1 007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


aber  können  wir  nach  Aussehen  und  Gestalt 
und  Färbung  nicht  von  Tuberkelbazillen 
unterscheiden. 

Unsere  Versuche  beschäftigten  sich  weiterhin  mit  der 
Entfärbung  der  Smegmabazillen  vermittels  einer  25  proz. 
Schwefelsäurelösung.  Wir  konnten  dabei  feststellen,  dass  selbst 
nach  /^ständiger  Einwirkung  dieser  25  proz.  Schwefelsäure¬ 
lösung  in  dem  Ausstrichpräparat  noch  viele  gut  und  schön  rot 
gefärbte  Bazillen  sichtbar  waren. 

Aehnlich  waren  unsere  Resultate  bei  der  Einwirkung  von 
absolutem  Alkohol.  Das  Entfärbungsvermögen  des  absoluten 
Alkohols  ist  augenscheinlich  äusserst  gering,  nach  Id  ständiger 
Dauer  der  Einwirkung  war  manchmal  in  den  Präparaten  über¬ 
haupt  noch  keine  Differenzierung  eingetreten.  Wir  können  mit¬ 
hin  den  von  vielen  Autoren  so  besonders  hervorgehobenen  ge¬ 
ringen  Grad  von  Alkoholfestigkeit  der  Smegabazillen  im  Ver¬ 
gleich  zu  den  Tuberkelbazillen  nicht  bestätigen. 

Am  meisten  hat  sich  uns  bei  der  Differenzierung  der 
Smegmabazillen  gegenüber  den  anderen  Bakterien  eine  Kom¬ 
bination  von  Salzsäure  (3  proz.)  und  absoluten  Alkohol 
bewährt.  Die  Resistenz  der  Bazillen  ist  jedoch  gegen  eitle  der¬ 
artige  3  proz.  Salzsäurelösung,  wie  oben  schon  ausgeführt,  sehr 
verschieden  und  unter  Umständen  ebenso  gross  oder  noch 
grösser  wie  bei  dem  Tuberkelbazillus,  sodass  eine  Differen¬ 
zierung  derselben  auf  diese  Weise  nicht  erreicht  werden  kann. 

Es  musste  demnach  zu  komplizierteren  Färbungsverfahren 
gegriffen  werden.  Pappenheims  Methode,  weiche  auf 
einer  Behandlung  resp.  Nachfärbung  der  mit  Karbolfuchsin 
gefärbten  Präparate  mit  Korallin  (Rosolsäure)  und  Methylen¬ 
blau  beruht,  haben  wir  bis  zu  30  Minuten  ausgedehnt.  Es 
wurden  aber  auch  auf  diese  Weise  nicht  sämtliche  Smegma¬ 
bazillen  entfärbt. 

Nun  wird  von  manchen  Autoren  angegeben,  dass  bei  einer 
Differenzierung  der  mit  Karbolfuchsin  gefärbten  Präparate  und 
nachheriger  Behandlung  mit  absolutem  Alkohol  alle  Smegma¬ 
bazillen  entfärbt  würden.  Bei  einer  Nachprüfung  dieser  Me¬ 
thode  konnten  wir  feststellen,  dass  eine  derartige  Nachbehand¬ 
lung  höchstens  denselben  Effekt  wie  eine  ebensolange  fortge¬ 
setzte  Behandlung  mit  Salzsäurealkohol  hatte.  Infolgedessen 
können  wir  auch  die  auf  diesen  Grundsätzen  beruhenden  Fär¬ 
bungen  (z.  B.  die  von  Weichselbau  m,  Czaplewski) 
nicht  als  sicheres  Färbungsverfahren  bei  der  Unterscheidung 
von  Smegma  und  Tuberkelbazillen  hier  bezeichnen. 

Weiterhin  schlugen  Bunge  und  Trantenroth  (1.  c.) 
um  die  manchmal  sehr  hohe  Säurefestigkeit  der  Smegma¬ 
bazillen  zu  verhindern,  vor,  die  Präparate  mit  Alkohol  abso- 
lutus  und  einer  5  proz.  Chromsäurelösung  vorzubehandeln, 
darauf  mit  Karbolfuchsin  zu  färben,  mit  Schwefelsäure  zu  ent¬ 
färben  und  mit  einer  konzentriert  alkoholischen  Methylenblau¬ 
lösung  nachzufärben.  Bei  einer  Nachprüfung  dieser  Methode 
zeigte  sich  uns  nun,  dass  die  grosse  Mehrzahl  der  Smegma¬ 
bazillen  wohl  verschwunden,  dass  aber  das  ganze  Präparat 
durch  die  Vorbehandlung  in  starker  Weise  verändert  war,  dass 
die  Form  der  Bazillen  verschiedentlich  nicht  mehr  recht  als 
solche  erkannt  werden  konnte.  Andererseits  jedoch  muss  zu¬ 
gegeben  werden,  dass  in  Kontrollpräparaten  mit  Tuberkel¬ 
bazillen  enthaltendem  Sputum  dieselben  mittelst  der  gleichen 
Methode  scheinbar  nur  in  mässigem  Grade  entfärbt  worden 
waren.  Aber  in  Anbetracht  der  starken  Alteration  der  Prä¬ 
parate  und  weil  trotzdem  mittelst  dieser  von  Bunge  und 
Trantenroth  angegebenen  Methode  nicht  sämtliche 
Smegmabazillen  entfärbt  wurden,  können  wir  sie  ebenfalls 
nicht  als  sicheres  und  zuverlässiges  Unterscheidungsmittel 
empfehlen. 

In  einer  weiteren  Versuchsreihe  prüften  wir  den  Einfluss 
einer  Reihe  fettauflösender  Mittel  auf  die  Smegmabazillen,  von 
der  Annahme  ausgehend,  dass  die  spezifische  Färbung  der¬ 
selben  auf  einer  fettähnlichen  Substanz  der  Bakterienleiber  be¬ 
ruhe.  Zuerst  versuchten  wir  eine  Vorbehandlung  der  Präparate 
mit  Aether.  Dabei  wurden  im  allgemeinen  die  Smegmabazillen 
langsam  zum  Verschwinden  gebracht.  Jedoch  zeigte  sich  auch 
hier  wieder,  dass  selbst  nach  12  stündiger  Einwirkung  des 
'Aethers  noch  einige  Exemplare  vorhanden  waren  und  als  solche 
durch  die  spezifische  Färbung  dargestellt  werden  konnten. 


( 3 1 5 

Bei  einer  Vorbehandlung  mit  Alkoholäther  kamen  wir  zu 
ungefähr  denselben  Resultaten  wie  bei  einer  Vorbehandlung 
mit  Aether  allein.  Auch  eine  Vorbehandlung  mit  Chloroform 
und  Kalilauge  hatte  kein  anderes  bemerkenswertes  Ergebnis. 

Auf  Grund  unserer  Resultate  und  derjenigen  der  Literatur 
kommen  wir  mithin  zu  dem  Schluss,  dass  bis  jetzt  kein 
Färbeverfahren  existiert,  mittelst  dessen 
wir  die  Tuberkelbazillen  von  anderen,  sehr 
häufigimUrinsedimentvorkommenden  säure¬ 
festen  Stäbchen  unterscheiden  können.  Mag 
auch  sehr  oft  manches  mehr  für  den  Smegmabazillus  sprechen, 
wie  die  plumpere  Gestalt,  die  verschiedene  Grösse  der  ein¬ 
zelnen  Individuen,  die  Anordnung  derselben  zu  einander,  die 
fehlende  Körnelung,  die  wechselnde  Säureresistenz  usw.,  so 
müssen  wir  aber  doch  nach  den  bisherigen  Ausführungen  be¬ 
denken,  dass  sich  Smegmabazillen  stets  finden, 
welche  sich  bei  der  Färbung  genau  so  wie 
Tuberkelbazillen  verhalten  können.  Ja,  Mar- 
morek  konnte  sogar  konstatieren,  dass  die  jungen  Tuberkel¬ 
bazillen  einer  Kultur  gewöhnlich  nicht  so  säureresistent  sind 
wie  die  alten. 

Unsere  ferneren  Untersuchungen  waren  nun  darauf  ge¬ 
richtet,  ob  es  uns  vielleicht  mittelst  des  Kulturver¬ 
fahrens  gelingen  würde,  beide  Bakterienarten  zu  unter¬ 
scheiden.  Doutrelepont,  Laser  und  Czaplewski4) 
wollten  den  Smegmabazillus  auf  künstlichen  Nährböden  ge¬ 
züchtet  haben.  C.  F  r  ä  n  k  e  1  glaubt  jedoch  auf  Grund  seiner 
Untersuchungen  auf  das  bestimmteste  behaupten  zu  können, 
dass  die  von  den  Autoren  gezüchteten  Stäbchen  nicht  die  echten 
Smegmabazillen  gewesen  sind.  In  den  letzten  Jahren  ist  dann 
scheinbar  W  e  b  e  r 5)  und  M  ö  1 1  e  r 6)  die  Kultur  der  Smegma¬ 
bazillen  geglückt;  Weber  konnte  von  19  Smegmaproben 
16  mal  säure-  und  alkoholfeste  Bazillen  züchten. 

Bei  unseren  eigenen  Untersuchungen  benützten  wir  zuerst 
die  gewöhnlichen  gebräuchlichen  Nährböden.  Wir  züchteten 
aerob  und  anaerob,  es  gediehen  aber  niemals  säurefeste  Stäb¬ 
chen  auf  unseren  Nährböden.  Wie  andere  Untersucher,  so 
konnten  auch  wir  manchmal  Kolonien  von  Pseudodiphtherie¬ 
bazillen  auf  unseren  Platten  und  Ausstrichen  zur  Entwicklung 
bringen,  sind  aber,  wie  C.  F  r  ä  n  k  e  1,  ebenfalls  der  Meinung, 
dass  dieselben  mit  den  Smegmabazillen  absolut  nichts  zu 
tun  haben.  Es  konnte  nämlich  verschiedentlich  von  uns  direkt 
nachgewiesen  werden,  dass  in  Ausstrichen  auf  Nährböden 
die  Smegmabazillen  sofort  nach  der  Impfung  sehr  zahlreich 
waren  und  trotzdem  konnten  keine  pseudodiphtherieähnliche 
Stäbchen  nach  1—3  Tagen  daselbst  gefunden  werden,  anderer¬ 
seits  kamen  Pseudodiphtheriebazillen  reichlich  an  Stellen  zum 
Wachstum,  woselbst  keine  säurefesten  Stäbchen  anfänglich 
vorhanden  waren. 

Dagegen  konnten  öfter  Kolonien  von  Kokken  bei  diesen 
Untersuchungen  gefunden  werden,  welche  auf  den  verschie¬ 
denen  Nährböden  ähnlich  dem  Staphylococcus  albus  gediehen 
und  welche  anfangs  eine  bestimmte  Säurefestigkeit  zum  Teil 
erlangt  hatten.  Nach  1 — 3  Umimpfungen  war  jedoch  auch  diese 
Säurefestigkeit  vollends  verschwunden. 

Ausser  mit  den  gewöhnlichen  Nährböden  wurden  ferner¬ 
hin  noch  mit  komplizierten,  zusammengesetzten  Versuche  an¬ 
gestellt.  So  vermischten  wir  die  Nährsubstrate  (Glyzerinagar, 
gewöhnlicher  Agar,  Gelatine  etc.)  mit  verschiedenen  Fett¬ 
sorten  (Sahne,  Butter,  Lanolin,  Pflanzenfetten,  frischen  und  ver¬ 
dorbenen  Fetten),  welche  ,  keine  oder  auch  nur  eine  mässige 
Menge  freier  Fettsäure  enthielten,  infizierten  dieselben  piit 
Smegma,  welches  reichlich  säurefeste  Stäbchen  aufwies, 
setzten  ausserdem  Zucker,  Glyzerin,  Harn,  menschliches  und 
tierisches  Serum  und  Blut  bei  den  einzelnen  Versuchsserien 
hinzu,  stumpften  die  Alkaleszenz  des  Nährbodens  bei  einei 
weiteren  Versuchsreihe  ab,  das  Resultat  dieser  ausgedehnten 
kulturellen  Untersuchungen  war  jedoch  stets  negativ;  es 
konnten  keine  säurefesten  Stäbchen  auf  den  Kulturmedien  nach- 
gewiesen  werden. 


4)  Literatur  bei  C.  Frankel:  Zur  Kenntnis  der  Smegma¬ 
bazillen,  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  1901,  pag.  1. 

n)  Arbeiten  aus  dem  Kaiserlichen  Gesundheitsamt,  Bd.  19,  1902, 

pag.  251. 

(1)  Zentralblatt  f.  Bakt.  und  Par.  1902,  pag.  278. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIF?. 


No.  3t. 


io  J6 


Wenn  cs  nun  trotzdem  zwei  Forschern  anscheinend  ge¬ 
lungen  ist,  die  Smegmabazillen  zu  züchten,  so  können  wir  den¬ 
noch  auf  Grund  unserer  in  dieser  Hinsicht  zahlreichen  negativen 
Untersuchungen  behaupten,  dass  durch  das  Kulturver¬ 
fahren  die  Differentialdiagnose  zwischen 
Smegma-und  Tuberkelbazillen  bis  jetzt  nicht 
gestellt  werden  kann. 

Es  bleibt  somit  als  letztes  Hilfsmittel  zur  Unterscheidung 
nur  der  Tierversuch  übrig.  Wenn  wir  Meerschweinchen 
tuberkelbazillenhaltiges  Material  subkutan  oder  intraperitoneal 
injizieren,  so  entsteht  stets  eine  typische  Infektion.  Es  kommt 
an  der  Injektionsstelle  zu  einer  Entzündung,  die  regionären 
Lymphdriisen  erkranken  ebenfalls,  schwellen  an  und  nach  3 — 4 
Wochen,  manchmal  auch  schon  früher,  tritt  an  diesen  Stellen 
eine  Verkäsung  auf. 

Injiziert  man  aber  smegmabazillenhaltiges  Material,  so 
sieht  man  gewöhnlich  keine  Entzündung,  niemals  aber  eine  Ver¬ 
käsung  an  der  Injektionsstelle  oder  den  regionären  Lymph- 
driisen  auftreten. 

Von  neun  verschiedenen  Patienten  habe  ich  Smegma,  welches 
reichlich  säurefeste  Stäbchen  aufwies,  mit  einem  Löffel  an  den 
äusseren  Genitalien  abgeschabt,  in  9  Bouillonröhrchen  aufgeschwemmt 
und  den  Inhalt  je  eines  Röhrchens  einem  Meerschweinchen  (bei  6 
Meerschweinchen  intraperitoneal,  bei  3  subkutan)  in  der  Schenkel¬ 
beuge  injiziert.  Die  Meerschweinchen  vertrugen  die  Injektionen  sehr 
gut,  erschienen  nur  den  ersten  Tag  nach  der  Injektion  gewöhnlich 
etwas  ruhiger  und  frassen  an  diesem  Tage  wenig,  nahmen  an  Gewicht 
aber  nicht  ab.  Nach  Ablauf  von  5 — 6  Wochen  wurden  sie  getötet. 
Es  fand  sich  bei  der  Sektion  der  8  Meerschweinchen  überhaupt  nichts 
pathologisches,  nur  bei  einem  subkutan  geimpften  fand  sich  eine 
geringfügige  Schwellung  zweier  Drüschen  in  der  Schenkelbeuge, 
welche  keine  Spur  einer  Verkäsung  zeigten.  Bei  der  mikroskopischem 
Untersuchung  dieser  Drüsen  fanden  sich  weder  Bazillen  noch  Riesen¬ 
zellen. 

Ich  glaube  demnach  aus  diesen  Versuchen  schliessen  zu 
können,  dass  die  Smegmabazillen  auch  in  sehr 
grossen  Dosen  bei  subkutaner  oder  intra¬ 
peritonealer  Infektion  bei  Meerschweinchen 
keine  Erkrankung  hervorrufen,  welche  mit  Tuber¬ 
kulose  verwechselt  werden  könnte,  und  ich  befinde  mich  in 
dieser  Hinsicht  in  Uebereinstimmung  mit  den  meisten  Autoren, 
welche  derartige  Versuche  angestellt  haben.  Auch  bei  Ka¬ 
ninchen,  Hühnern  und  Tauben  fielen  derartige  Versuche  mit 
Injektion  von  Smegmabazillen  völlig  negativ  aus.  Es  dürfte 
sich  jedoch  empfehlen,  diese  Untersuchungen  nur  bei  Meer¬ 
schweinchen  auszuführen,  da  wir  stets  mit  den  Smegmabazillen 
viele  pathogene  Kokken  etc.  einimpfen,  für  welche  das  Meer¬ 
schweinchen  nur  sehr  wenig  empfänglich  ist,  die  anderen  Tiere 
dagegen  schwer  erkranken  und  unter  Umständen  sterben. 

Ob  die  subkutane  oder  intraperitoneale  Injektion  vorzuziehen 
ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden;  ich  würde  empfehlen, 
beide  Arten  der  Infektion  bei  jeder  einzelnen  Untersuchung  vor¬ 
zunehmen  und  einem  Meerschweinchen  intraperitoneal,  einem 
anderen  subkutan  in  der  Schenkelbeuge  möglichst  viel  von  dem 
verdächtigen  Material  einimpfen.  Misslich  ist  bei  diesen  Tier¬ 
versuchen  nur  der  Umstand,  dass  wir  erst  nach  mindestens 
2—3  Wochen  zu  einer  Diagnose  zu  gelangen.  Mein  Vorschlag 
geht  deswegen  dahin,  mehrere  Tiere  gleichzeitig  zu  einem  Ver¬ 
such  zu  nehmen.  Wir  können  alsdann  vielleicht  schon  nach 
8  Tagen  bei  einem  Tiere  die  Sektion  vornehmen;  wird  dabei 
Verkäsung  etc.  gefunden,  so  ist  die  Diagnose  sofort  sicher,  wenn 
nicht,  so  müssen  wir  die  Diagnose  bis  zur  Tötung  der  anderen 
Meerschweinchen  noch  weitere  1—2  Wochen  in  suspenso 
lassen. 

Auch  wäre  das  in  diesen  Tagen  publizierte  Verfahren  von 
Bloch7)  nachzuprüfen,  welcher  subkutan  das  auf  Tuberkel¬ 
bazillen  zu  untersuchende  Material  in  die  rechte  Schenkelbeuge 
injiziert  und  zu  gleicher  Zeit  die  Drüschen  in  der  Schenkelbeuge 
durch  Kneten  und  Reiben  zwischen  den  Fingern  malträtiert. 
Der  betr.  Autor  behauptet,  dass  auf  diese  Weise  die  injizierten 
1  uberkelbazilen  an  diesen  Orten  sich  schneller  vermehren  und 
rascher  die  typischen  Veränderungen  hervorrufen  können. 

Aus  all  diesen  Versuchen  folgt  also,  dass 
es  nur  vermittels  des  Tierversuchs  möglich 
ist,  ein  sicheres  Urteil  zu  fällen,  ob  es  sich  bei 


Anwesenheit  von  säurefesten  Stäbchen  im 
Urinsediment  oder  Genitalsekret  u  m  Tuber¬ 
kelbazillen  handelt  oder  nicht.  Infolge  der  Er¬ 
fahrungen,  welche  wir  aus  dem  tinktoriellen  Verhalten  der 
Smegmabazillen  gewonnen  haben,  ist  es  wohl  möglich,  schon 
durch  die  Färbung  zu  entscheiden,  ob  unter  den  vorhandenen 
säurefesten  Stäbchen  Smegmabazillen  sich  befinden.  Der  Be¬ 
weis  jedoch,  dass  keine  Tuberkelbazillen  vorhanden  sind,  ist 
nur  durch  den  Tierversuch  zu  erbringen. 

Spricht  nun  das  Auffinden  von  Tuberkelbazillen  stets  für 
eine  Tuberkulose  der  Harnwege?  Es  wäre  a  priori  nicht  un¬ 
denkbar,  dass  bei  einer  sonstwo  im  Körper  lokalisierten  Tuber¬ 
kulose  die  Tuberkelbazillen  die  nicht  tuberkulöse  Niere  pas¬ 
sierten. 

Ich  suchte  diese  Frage  dadurch  zu  lösen,  dass  ich  den 
Urin  von  21  Patienten,  welche  an  mittelschwerer  und  schwerer 
Tuberkulose  erkrankt  waren,  ohne  dass  der  Harnapparat  der¬ 
selben  tuberkulös  infiziert  war  (was  die  Sektion  später  be¬ 
stätigte),  auf  Tuberkelbazillen  untersuchte.  Ich  verfuhr  dabei 
so,  dass  ich  den  Tagesurin  sich  absetzen  liess,  dieses  Sediment 
zentrifugierte  und  dasselbe  Meerschweinchen  intraperitoneal 
injizierte.  Bei  3  Patienten  enthielt  der  Urin  kleine  Mengen,  bei 
weiteren  3 X> — 2%  Prom.  Albumen  nebst  Zylindern  etc.  Nur 
in  einem  von  diesen  letzteren  Fällen  konnte  ich  auf  diese  Weise 
Tuberkelbazillen  finden. 

Es  ist  also  demnach  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen,  dass  bei  Tuberkulose  anderer  Organe 
Tuberkelbazillen  die  Niere  passieren  können, 
allerdings  scheint  dabei  eine  intensive  Schä¬ 
digung  derselben  durch  die  in  dem  Körper 
der  Tuberkulösen  kreisenden  Toxine  Be¬ 
dingung  zu  sein  und  auch  nur  bei  Schwer¬ 
kranken  vorzukommen,  so  dass  wir  an  eine 
derartige  Eventualität  bei  den  hier  in  Be¬ 
tracht  kommenden  initialen  Fällen  nicht  zu 
denken  brauchen. 

Da  jede  Erkrankung  des  Urogenitalapparates  unter  Um¬ 
ständen,  wie  bereits  erwähnt,  durch  den  Tuberkelbazillus  ver¬ 
ursacht  sein  kann,  und  es  zwecks  Stellung  einer  Diagnose  des¬ 
wegen  vor  allen  Dingen  darauf  ankommt,  denselben  nach¬ 
zuweisen,. so  seien  wegen  der  Wichtigkeit  des  Nachweises  die 
hier  etwas  ausführlicher  behandelten  Unterscheidungsmerkmale 
des  Tuberkelbazillus  und  Smegmabazillus  entschuldigt.  Der 
Wert  solcherUntersuchungenwird  auch  dadurch  noch  besonders 
erhöht,  dass  schon  verschiedenen  Autoren  eine  Verwechslung 
derSinegmabazillen  mit  denTuberkelbazillen  passiert  ist,  welche 
sogar  zu  einem  operativen  Eingriff  und  Exstirpation  der  vermut¬ 
lich  tuberkulösen  Niere  geführt  haben.  So  berichtet  L  a  a  b  s 
über  einen  Fall,  woselbst  sich  anstatt  der  vermeintlichen  Nieren¬ 
tuberkulose  ein  Abszess  in  der  Lendengegend  zeigte;  im 
Mendelsohn  sehen  Fall  wurde  anstatt  der  erwarteten 
Tuberkulose  in  der  exstirpierten  Niere  eine  Steinerkrankung,  im 
K  ö  n  i  g  sehen  Fall  ein  Nierensarkom  gefunden,  auch  in  dem 
Bunge-Trantenroth  und  Milchner  sehen 8)  Falle 
(1.  c.)  konnte  keine  tuberkulöse  Affektion  der  exstirpierten  Niere 
nachgewiesen  werden. 

Die  von  Bunge  und  T  rantenroth  mitgeteilte  Kran¬ 
kengeschichte  ist  deshalb  interessant,  weil  hier  zur  Siche¬ 
rung  der  Diagnose  ausserdem  noch  Tuberkulininjek¬ 
tionen  vorgenommen  wurden  und  die  betr.  Patientin  schon 
auf  verhältnismässig  kleine  Gaben  von  Tuberkulin  mit  Fieber¬ 
steigerung  reagierte. 

Es  dürften  überhaupt  Tuberkulingaben  als  diagnostische 
Hilfsmittel  bei  dem  Verdacht  einer  tuberkulösen  Erkrankung 
des  Urogenitalapparates,  schon  nach  der  allgemeinen  Sachlage 
zu  urteilen,  von  geringem  diagnostischen  Werte  sein.  Meistens 
fiebern  diese  Patienten  an  sich  schon  öfter  des  Abends,  be¬ 
sonders  aber  kann  sehr  leicht  in  der  Lunge  oder  sonstwo  im 
Körper  ein  latenter  tuberkulöser  Herd  vorhanden,  die  Affektion 
am  Urogenitalapparat  aber  nicht  tuberkulöser  Natur  sein,  die 
Reaktion  wird  in  solchem  Falle  alsdann  positiv  erscheinen. 

Ist  nun  vermittels  der  hier  angeführten  Methoden  die  tuber¬ 
kulöse  Natur  des  Leidens  nachgewiesen,  so  wird  es  die  Auf- 


7)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  17. 


8)  Berliner  klin.  Wochenschr.  1904,  No.  49. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1517 


gäbe  der  übrigen  Untersuchungsmethoden  und  zuletzt  auch  des 
Zystoskops  sein,  den  Sitz  und  die  Ausdehnung  der  Affektion 
festzustellen,  um  alsdann  auf  Grund  der  so  erhaltenen  Befunde 
die  erforderlichen  Massnahmen  zu  treffen. 


Aus  der  Kgl-  Universitätskinderklinik  in  München  (Vorstand: 

Prof.  M.  P  f  a  u  n  d  1  e  r). 

Zur  klinischen  Alexinprobe. 

II.  Mitteilung. 

Getrennte  Alexin-Zwischenkörperbestimmung. 

Von  Privatdozenten  Dr.  E  r  n  s  t  M  o  r  o,  Assistenten  der  Klinik. 

In  neuerer  Zeit  hat  sich  vielfach  das  Bedürfnis  geltend 
gemacht  nach  einer  klinisch  verwendbaren  Methode  zur  quan¬ 
titativen  Bestimmung  des  Alexingehaltes  menschlichen  Blut¬ 
serums.  Zur  Bestimmung  des  Serumalexins  hat  man  sich  bis¬ 
her  zumeist  eines  Verfahrens  bedient,  welches  darauf  beruht, 
zu  prüfen,  in  welcher  Verdünnung  bezw.  in  welcher  absoluten 
Menge  das  betreffend^  Serum  eine  bestimmte  Masse  von 
Erythrozyten  noch  komplett  zu  lösen  vermag.  Gegen  dieses 
Vorgehen  muss  aber  ein  prinzipieller  Einwand  erhoben  werden, 
der  sich  aus  der  Kenntnis  der  komplexen  Natur  jedes  Hämo¬ 
lysins  von  selbst  ergibt.  Nebst  dem  Alexin  oder  Komplement 
ist  für  den  Ausfall  der  Probe  mitbestimmend  der  Zwischen¬ 
körper.  Es  muss  daher  eine  gesetzmässige  Proportionalität 
zwischen  der  hämolytischen  Energie  eines  Serums  und  seinem 
Alexingehalt,  was  ich  bereits  in  meiner  ersten  Mitteilung  be¬ 
tonte,  durchaus  nicht  immer  bestehen.  Schwankungen  im 
hämolytischen  Vermögen  eines  Serums  können  unter  Um¬ 
ständen  ebensogut  auch  auf  den  wechselnden  Gehalt  an  Zwi¬ 
schenkörpern  zurückzuführen  sein.  Man  hat  es  also  gewisser- 
inassen  bei  solchen  Bestimmungen  mit  einer  Gleichung  mit 
zwei  Unbekannten  zu  tun,  d.  h.  mit  einer  unauflösbaren 
Gleichung. 

Ich  habe  in  Anlehnung  an  ein,  der  experimentellen  For¬ 
schung  seit  langem  dienliches  Verfahren  getrachtet,  eine 
klinisch  verwertbare  Methode  auszuarbeiten,  welche  eine 
dieser  beiden  Unbekannten  (die  Zwischenkörperwirkung)  aus¬ 
schaltet  und  die  andere,  nämlich  den  Alexingehalt  des  Serums 
möglichst  rein  bestimmen  lässt.  Das  Prinzip  dieses  Verfahrens 
beruht  darauf,  dass  die  zu  lösende  Erythrozytenmasse  vorerst 
von  dem  spezifisch  differenzierten  Zwischenkörper  eines  künst¬ 
lichen  inaktivierten  Immunserums  quantitativ  sensibilisiert 
wird  und  dass  man  auf  dieses  System  erst  das  auf  seinen 
Alexingehalt  zu  prüfende  Serum  einwirken  lässt.  Wenn  man 
in  dieser  Weise  verfährt,  so  wird  der  Einfluss  der  natürlichen 
Zwischenkörper  des  nachträglich  zugesetzten,  aktiven  Serums 
ganz  oder  wenigstens  zum  grössten  Teile  ausgeschaltet  und  so¬ 
mit  die  hämolytische  Wirkung  dem  reinen  Alexingehalt  pro¬ 
portional. 

Zweifellos  trifft  dies  zu,  wenn  Alexin  und  Zwischenkörper 
artgleich  oder  nahe  artverwandt  sind.  So  kommt  es,  dass  ein 
vom  Kaninchen  stammendes,  spezifisches  Immunserum  die 
entsprechenden  Blutkörperchen  für  das  Alexin  des  Meer¬ 
schweinchenserums  in  ausgezeichneter  Weise  vorzubereiten 
vermag  und  umgekehrt;  nicht  ebenso  verhält  es  sich  dann, 
wenn  auf  die  für  das  Meerschweinchenalexin  quantitativ  sen¬ 
sibilisierten  Blutkörperchen  das  vom  Menschen  stammende  Se¬ 
rumalexin  einwirken  gelassen  wird.  Die  Sensibilisierung  er¬ 
weist  sich  in  diesem  Falle  als  eine  für  den  Angriff  des  Menschen- 
alexins  nicht  völlig  ausreichende,  und  es  bedarf  noch  einer, 
wenn  auch  unbeträchtlichen,  ergänzenden  weiteren  Sensi¬ 
bilisierung  durch  die  natürlichen  Zwischenkörper  des  aktiven 
menschlichen  Serums,  damit  sein  Alexin  die  vollständige  Hämo¬ 
lyse  zu  bewirken  vermag. 

Zu  dieser  Erkenntnis  führten  mich  folgende  Beobachtungen. 
Gelegentlich  meiner  Untersuchungen  an  Neugeborenen  fand 
ich  das  Serum  des  Nabelvenenblutes  auf  das  in  meiner  ersten 
Mitteilung  angegebene  hämolytische  System  vollkommen  wir¬ 
kungslos.  Zunächst  war  daran  zu  denken,  dass  dieses  Serum 
alexinfrei  sei.  Abgesehen  von  der  Unwahrscheinlichkeit 
dessen,  belehrte  mich  der  Eintritt  der  Hämolyse  auf  weiteren 
Zusatz  inaktiven,  normalen  Menschenserums  zu  dem  Gemenge 
(Hammclblutkörperchen  —  i.  a.  Hammelblutimmunserum  vom 


Kaninchen  —  menschliches  Nabelvenenserum),  dass  das  Ver¬ 
halten  so  ist  ,  wie  ich  es  vermutet  habe.  Das  Serum  des  neu¬ 
geborenen  Menschen  enthält  zwar  Alexin,  ist  aber  fast  voll¬ 
ständig  zwischenkörperfrei.  Diesem  Mangel  an  Zwischen¬ 
körpern  war  das  Ausbleiben  der  Hämolyse  in  der  ursprüng¬ 
lichen  Kombination  zuzuschreiben,  denn  es  fehlten  in  diesem 
Falle  die  früher  angeführten  Bedingungen,  die  zu  einer  aus¬ 
reichenden  Sensibilisierung  der  Hammelblutkörperchen  für  das 
Menschenalexin  erforderlich  sind. 

Meine  zweite  Beobachtung  bestand  darin,  dass  ein  mir 
von  Herrn  Dr.  Hans  Sachs  aus  dem  Ehrlich  sehen  In¬ 
stitute  in  liebenswürdigerweise  zur  Verfügung  gestelltes,  hoch¬ 
wertiges  Hammelblutimmunserum  vom  Kaninchen  für  Meer¬ 
schweinchenalexin  einen  Titre  von  1  :  1500  aufwies,  während 
das  gleiche  Serum  in  keiner  Verdünnung,  und  auch  nicht  in 
konzentriertem  Zustande  die  Hammelblutkörperchen  für  das 
Alexin  des  normalen  Menschenserums  ausreichend  zu  sensi¬ 
bilisieren  vermochte. 

Aus  diesen  Befunden  ergibt  sich  mit  grosser  Wahrschein¬ 
lichkeit  der  Schluss,  dass  der  Zwischenkörper  die  Wirkung  des 
von  einer  fernerstehenden  Tierart  stammenden  Alexins  nicht 
oder  nicht  in  vollkommenem  Masse  zu  vermitteln  vermag,  mit 
anderen  Worten,  dass  auch  das  Alexin  in  gewissem 
Sinne  Art  -  oder  zumindestens  Gruppenspezi¬ 
fität  besitzt. 

Die  Lehre,  die  wir  daraus  für  die  Methodik  einer  verläss¬ 
lichen  Bestimmung  des  Menschenalexins  ziehen,  besteht  darin, 
dass  zur  Sensibilisierung  der  Hammelblutkörperchen  eigent¬ 
lich  strenggenommen  nur  die  vom  Menschen  (vielleicht  vom 
Affen)  stammenden  Zwischenkörper  zulässig  sind.  Da  mir  ein 
Affenimmunserum  nicht  zur  Verfügung  stand,  so  musste  ich 
auf  die  Verwendung  künstlicher  Lysine  verzichten  und  es  blieb 
mir  nichts  anderes  übrig,  als  in  der  Folge  mit  den  natürlichen 
Zwischenkörpern  des  normalen  Menschenserums  zu  arbeiten. 
Auf  diesem  neuen  Wege  gelangte  ich  in  der  Tat  zu  einer  Me¬ 
thode,  die,  wie  ich  glaube,  brauchbare  Resultate  liefert. 

Zur  Erläuterung  der  Methode  diene  folgendes  Beispiel: 
0,05  ccm  einer  10  proz.  Hammelblutkörperchenemulsion  werden  von 
o’,05  ccm  eines  mit  gleichen  Teilen  physiologischer  Kochsalzlösung 
verdünnten  Serums  vom  Menschen  binnen  zwei  Stunden  gerade  noch 
komplett  gelöst.  In  dieser  Serummenge  müssen  also  genügend 
Zwischenkörper  vorhanden  sein,  um  die  angegebene  Erythrozyten¬ 
masse  quantitativ  für  das  eigene  Alexin  zu  sensibilisieren. 

Lasse  ich  nunmehr  zu  der  durch  0,05  ccm  inaktivierten  Halb¬ 
serums  x  sensibilisierten  Erythrozytenmasse  von  neuem  das  aktive 
Halbserum  x  einwirken,  so  erziele  ich  die  komplette  Hämolyse 
bereits  nach  Zusatz  von  0,015  ccm  (die  Menge  entspricht  dem  Teil¬ 
striche  0,5  meines  Leukozvtenmelangeurs). 

Von  meinem  eigenen  Halbserum  y  brauche  ich  zur  kompletten 
Hämolyse  in  diesem  System  0,018  ccm  (entspricht  dem  Teilstriche 
0,6  meines  Leukozytenmelangeurs). 

Weitere  Prüfungen  an  einer  grösseren  Zahl  gesunder  Er¬ 
wachsener  führten  regelmässig  zum  annähernd  gleichen  Er¬ 
gebnis.  Somit  durfte  ich  wohl  ein  menschliches  Serum  für 
normal  alexinhaltig  ansehen.  wenn  0,009  ccm  Serum  (lesp. 
0,018  ccm  Halbserum)  das  obige  Gemenge  zu  kompletter  Hä¬ 
molyse  brachte.  Bleibt  bei  dieser  Kombination  ein  gev  issci 
Blutkörperchenrest  ungelöst,  dann  handelt  es  sich  offenbar  um 
eine  mehr  minder  beträchtliche  Alexopenie  des  betreffenden 
Serums;  erfolgt  bei  Zusatz  noch  geringerer  Serummengen  be¬ 
reits  Hämolyse,  dann  ist  der  Alexingehalt  des  betreffenden 
Serums  ein  vermehrter. 

Eine  gewisse  Schwierigkeit,  die  leider  nicht  zu  umgehen 
ist,  besteht  nur  in  der  geeigneten  Auswahl  jenes  Individuums, 
dessen  Serum  die  sensibilisierenden  Zwischenkörper  liefern 
soll.  Dieses  Serum  soll  zwei  Forderungen  entsprechen:  Es 
muss  relativ  reich  sein  an  hämolytischen  Zwischenkörpern  und 
es  muss  von  einem  gesunden  Menschen  stammen. 

Ein  zwischenkörperarmes  Serum  ist  deshalb  unbrauchbar,  weil 
zur  Sensibilisierung  der  Blutkörperchen  in  diesem  Falle  zu  grosse 
Mengen  des  inaktivierten  Serums  erforderlich  sind.  Damit  werden 
Stoffe  von  unberechenbaren  Nebenwirkungen  in  grösserer  Quantität 
dem  System  zugeführt,  die  auf  den  Ablauf  der  Hämolyse  von  stören¬ 
dem  Einflüsse  sein  können.  .  .  .  , 

Sehr  reich  an  hämolytischen  Zwischenkörpern  sind,  wie  ich  an 
einer  grossen  Reihe  von  Fällen  beobachten  konnte,  Sera  von  Men¬ 
schen,  die  an  akuten  oder  chronischen  Allgemeininfckten  leiden. 
Derartige  Sera  sind  jedoch  für  unsere  Zwecke  deshalb  ungeeignet, 
weil  sie  im  inaktivierten  Zustand  die  Alexinwirkung  des  nachträglich 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


zugesetzten,  auszuwertenden  Serums  zuweilen  beträchtlich  hemmen. 
Der  hemmende  Einfluss  dieser  Sera  beruht  wahrscheinlich  auf  ihrem 
Gehalt  an  Antikomplementen.  Darunter  versteht  Moreschi  be¬ 
kanntlich  die  durch  die  Inaktivierung  komplementfrei  gewordenen 
komplexen  Verbindungen  von  Antigen  und  Zwischenkörper,  die  in¬ 
folge  ihrer  grossen  Avidität  zum  freien  Komplement  des  zugesetzten 
Aktivserums  komplementablenkend  wirken  und  so  eine  Hemmung 
der  Hämolyse  herbeiführen  können. 

Bei  der  vergleichenden  Auswertung  des  Alexins  mit  einem  der¬ 
artigen  Serum  als  Zwischenkörper  erhält  man,  wovon  ich  mich  zu 
wiederholten  Malen  überzeugen  konnte,  viel  zu  niedrige  Werte,  und 
cs  ist  aus  diesem  Grunde  geboten,  als  sensibilisierendes  Inaktivserum 
nur  das  Serum  gesunder,  keinesfalls  jenes  infektionskranker  Indi¬ 
viduen  zu  verwenden. 

Ueber  die  quantitativen  Beziehungen  zwischen  Rezeptor,  Ambo¬ 
zeptor  und  Komplement  in  hämolytischen  Systemen  liegen  aus  der 
Schule  E  h  r  1  i  c  h  s  (insbesondere  von  Morgenroth  und  Sachs) 
Untersuchungen  vor,  aus  denen  sich  objektiv  der  wichtige  und  merk¬ 
würdige  Tatbestand  einer  Reziprozität  zwischen  Komplement  und 
Ambozeptor  in  gewissen  Fällen  ergibt.  Nach  dem  ursprünglichen, 
einfachsten  Schema  der  E  h  r  1  i  c  h  sehen  Hypothese  ist  diese  Tat¬ 
sache  nicht  gut  deutbar.  Zu  ihrer  Erklärung  haben  Morgenroth 
und  Sachs  einige  Argumente  herangezogen,  wie  insbesondere  die 
Aviditätsschwankungen  an  der  komplementophilen  Gruppe  des  Ambo¬ 
zeptors  bei  seiner  Verankerung,  ferner  den  Einfluss  eines  Ionenüber¬ 
schusses  auf  die  Dissoziationsverhältnisse  der  —  als  reversiblen  Pro¬ 
zess  gedachten  —  Zwischenkörper-Komplementverbindung,  endlich 
die  Lehre  von  den  Partialambozeptoren  und  den  dominanten  Komple¬ 
menten;  die  Reihe  solcher  Argumente  Hesse  sich  —  nebenbei  be¬ 
merkt  —  auf  dem  Boden  der  Spekulation  wohl  noch  vermehren. 

Praktisch  lässt  sich  für  unsere  Methode  aus  diesen  Forschungen 
jedenfalls  die  Lehre  ableiten,  dass  bei  quantitativen  Alexinbestim¬ 
mungen  grosse  Vorsicht  geboten  erscheint,  namentlich  dann,  wenn 
Alexin  und  Zwischenkörper  nicht  von  derselben  Spezies  stammen, 
aber  auch  dann,  wenn  die  gegenseitig  auszuwertenden  Sera  durch 
bestehende  Allergien  irgendwelcher  Art  eine  noch  nicht  näher  ge¬ 
kannte  Veränderung  erlitten  haben.  Unseres  Erachtens  dürfte  es 
mit  Rücksicht  darauf  heute  überhaupt  nicht  möglich  sein,  irgend 
eine  Methode  der  klinischen  Alexinbestimmung  a  priori  als  prinzipiell 
einwandfrei  zu  bezeichnen;  es  wird  vielmehr  als  Kriterium  für  die 
Methode  der  Umstand,  gelten  dürfen,  dass  sich  aus  ihrer  Anwendung 
gewisse  Gesetzmässigkeiten  ergeben,  die  mit  anderweitig  gesicherten 
Tatsachen  in  Beziehung  stehen. 

Nicht  allein  der  Alexingehalt,  sondern  auch  der  Zwischen¬ 
körpergehalt  gewisser  Sera  ist  in  klinischer  Hinsicht  von  In¬ 
teresse.  Um  diesen  letzteren  zu  ermitteln,  bin  ich  in  der  Art 
vorgegangen,  dass  ich  die  hämolytische  Fähigkeit  des  nicht 
inaktivierten  Serums  bestimmte.  Wenn  die  vorangegangene 
Alexinbestimmung  einen  normalen  oder  nahezu  normalen  Wert 
ergeben  hat,  dann  kann  die  kleinste  Menge  des  aktiven  Serums, 
die  noch  zu  kompletter  Hämofyse  führt,  ein  Mass  für  den  Ge¬ 
halt  dieses  Serums  an  hämolytischen  Zwischenkörpern  er¬ 
geben.  Hiebei  ist  nur  vorausgesetzt,  dass,  was  zumeist  zu¬ 
trifft  und  was  leicht  geprüft  werden  kann,  ein  Ueberschuss  von 
wirksamen  Alexin  gegenüber  dem  Zwischenkörper  vorliegt. 

Allein  auch  dann,  wenn  das  Alexin  des  auf  seinen 
Zwischenkörpergehalt  zu  prüfenden  Serums  stark  vermindert 
ist,  wobei  demnach  die  eben  angeführte  Methode  kein  verwert¬ 
bares  Ergebnis  zutage  fördern  kann,  lässt  sich  zur  Bestimmung 
des  Zwischenkörpers  ein  Weg  finden.  Das  Mittel,  welches  hier 
zum  Ziele  führt,  liegt  in  der  Verwendung  von  alexinhaltigen, 
hingegen  von  Natur  aus  zwischenkörperlosen  (oder  zumin- 
destens  sehr  zwischenkörperarmen)  Flüssigkeiten  als  Kom¬ 
plement.  Wir  haben  früher  eineJ  Serumart,  die  diesen  Be¬ 
dingungen  entspricht,  kennen  gelernt,  nämlich  das  Nabel¬ 
venenserum. 

Selbstverständlich  muss  das  Nabelvenenserum  hier,  wo  es  als 
Alexinträger  fungieren  soll,  in  frischem  Zustande  zur  Anwendung  ge¬ 
langen  und  es  eignen  sich  zu  dieser  Probe  nur  solche  Sera  die 
nahezu  zwischenkörperfrei  sind.  Da  diese  letztere  Voraussetzung 
nicht  immer  zutrifft,  so  ist  es  notwendig,  sich  vorerst  davon  zu  über¬ 
zeugen,  ob  das  betreffende  Nabelvenenserum  nicht  schon  allein  und 
zwar  in  relativ  geringer  Konzentration  zu  hämolysieren  vermag. 

Die  Menge  des  auf  seinen  Zwischenkörpergehalt  zu  prü¬ 
fenden  inaktiven  Serums,  die  im  System;  Hammelblut  —  ak¬ 
tives  Nabelvenenserum  (als  Alexin)  zur  kompletten  Hämolyse 
führt,  ist  uns  demnach  in  einem  derartigen  Falle  das  Mass  für 
den  Zwischenkörpergehalt  des  betreffenden  Menschenserums. 


No.  31. 

Ueber  haltbare  feste  Verbindungen  einwertiger  Phenole 
und  deren  Vorzüge  für  die  Praxis.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Eugen  S  e  e  1  in  Stuttgart. 

Seit  der  Entdeckung  der  antiseptischen  Eigenschaften  des 
Phenols  (=  Karbolsäure)  und  dessen  homologer  Ver¬ 
bindungen,  besonders  der  Methylphenole  (=  K  r  e  s  o  1  e) 
sind  hunderte  von  Arbeiten  erschienen,  welche  deren  gute 
Desinfektionskraft  und  die  dadurch  hervorgerufene  ausgedehnte 
Anwendung  derselben  als  therapeutische  Mittel  beweisen. 

Wenn  demnach  auch  zur  Zeit  diese  Präparate  als  vorziig-  ' 
liehe  Antiseptika  anerkannt  sind,  so  bedurfte  es  doch  vieler 
Versuche,  eine  leicht  dosierbare  Form  für  ihre  praktische  Ver¬ 
wendung  zu  finden,  d.  h.  diese  bei  gewöhnlicher  Temperatur¬ 
leicht  zerfliesslichen  oder  flüssigen  Mittel  in  einen  festen  und 
haltbaren  Aggregatzustand  und  eine  handliche  Form  überzu¬ 
führen  und  so  ihre  Dispensation  ähnlich  wie  die  Sublimat¬ 
pastillen  in  der  heute  so  beliebten  Tablettenform  zu  ermög¬ 
lichen.  ^ 

Dies  ist  den  Bemühungen  des  Chemikers  Dr.  G  e  n  t  s  c  h 
gelungen,  nach  dessen  Verfahren  schön  krystallisierte 
Doppelverbindungen  von  Phenolalkalisalzen 
mitPhenolen  jetzt  leicht  dargestellt  werden  können.  Von 
denselben  verdienen  die  Kaliumverbindungen  der  Karbolsäure 
und  des  Meta-  und  Parakresols  besonderes  Interesse,  da  die 
des  Orthokresols,  dem  ja  auch  die  geringste  desinfizierende 
Wirkung  unter  den  drei  isomeren  Kresolen  zukommt,  ebenso 
wie  die  fast  analog  zusammengesetzten  Natriumsalze  wegen 
ihrer  hygroskopischen  und  anderer  Eigenschaften,  auf  die  hier 
nicht  näher  eingegangen  werden  kann,  weniger  zur  Herstellung 
haltbarer  Tabletten  geeignet  sind. 

Die  Kaliumverbindungen  bestehen  aus  drei  Molekülen 
Phenol  bezw.  Kresol  und  einem  Molekül  Phenolkalium  bezw. 
Kresolkalium  und  besitzen  die  Formeln: 

OH  OK 

3  CeH&OH  •  CeHsOK  bezw.  3  C6H4<^  •  CßH^ 

CHs  XCH3 

demnach  kommt  auf  4  Phenole  bezw.  Kresole  nur  ein  Kaliumjon. 

1.  Die  Karbolsäureverbindung. 

Während  die  krystallisierte  Karbolsäure  =  C«  Hs  OH 
schon  bei  43 0  schmilzt  und  daher  auch  in  der  von  Salz- 
m  ann1)  angegebenen  Pastillenform,  besonders  im  Sommer 
nicht  haltbar  war,  liegt  der  Schmelzpunkt  obiger  Kalium¬ 
verbindung  3  CßHsOH  .  C«HsOK  bei  106 — 108  °,  so  dass  sie  ohne 
jeden  Zusatz  von  Seife  oder  anderen  Bindemitteln  leicht  zu 
schönen,  rein  weissen  Tabletten  geformt  werden  kann,  wie  sie 
von  der  bekannten  Hamburger  Lysolfabrik  Schülke  und 
Mayr  dargestellt  werden. 

Die  chemische  Analyse  dieser  Tabletten  hat  er¬ 
geben,  dass  sie  tatsächlich  nur  aus  der  obigen  Kaliumver¬ 
bindung  des  Phenols  bestehen;  denn  es  wurde  8,8  Proz.  (Mittel 
von  zwei  Bestimmungen)  Kaliumjon  und  90,5  Proz.  Karbolsäure 
neben  geringen  Mengen  Feuchtigkeit  ermittelt. 

Durch  die  bakteriologische  Prüfung,  deren  Re¬ 
sultate  später  mit  der  genauen  Beschreibung  der  chemischen 
und  der  noch  nicht  ganz  abgeschlossenen  klinischen  Unter¬ 
suchung  dieser  und  der  obengenannten  Kresolverbindungen  an 
anderer  Stelle  ausführlich  veröffentlicht  werden  sollen,  wurde 
festgestellt,  dass  die  Desinfektionskraft  dieser  Phenol-Phenol¬ 
kaliumverbindung  dem  reinen  Phenole  =  Karbolsäure  nicht 
nachsteht,  was  auch  schon  Wesenberg2)  bepbachtet  hat. 

Hinsichtlich  ihrer  sonstigen  Eigenschaften  sei  besonders 
hervorgehoben  die  leichte  Löslichkeit  der  nun  kurz¬ 
weg  „K  a  r  b  o  1  s  ä  u  r  e  t  a  b  1  e  1 1  e  n“  genannten  Pastillen  in 
Wasser,  mit  dem  sie  in  jedem  Verhältnis  eine  klare  Lösung 
geben,  sodass  im  Bedarfsfälle  auch  stärkere  Lösungen  als  die 
gewöhnliche  5  proz.  der  Karbolsäure  gut  bereitet  werden 
können,  ferner  die  geringere  Fähigkeit,  die  Finger  anzugreifen, 
was  für  Aetzungen,  wie  sie  von  massgebenden  Forschern  mit 


*)  Eingegangen  am  15.  April  1907. 

G  Deutsche  militärärztüche  Zeitschrift  1897,  XXVI,  279. 

■)  Zentral!)!,  f.  Bakterienlehre,  Parasitenkunde  und  Infektions¬ 
krankheiten,  1905,  Bd.  38.  /  . 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1519 


fester  Karbolsäure  empfohlen  wurden,  besonders  vorteilhaft 
erscheint,  da  man  eine  Tablette  leichter  und  sicherer  zwischen 
den  Fingern  (nötigenfalls  unter  Zuhilfenahme  eines  Tuches)  als 
mittelst  Pinzette  oder  Stift  festhalten  kann.  In  bezug  auf  die 
Entstehung  von  Karbolgangrän  bei  Umschlägen  und  dergl. 
werden  die  Versuche  noch  fortgesetzt. 


2.  Die  Kresolverbindungen. 


Diese  können  als  feste  Seitenstücke  zu  dem  Lysol  an¬ 
gesehen  werden  und  zwar  eignen  sich  hiezu  am  besten,  wie 
schon  oben  erwähnt,  die  Doppelverbindungen  dei 
Kaliumsalze  des  Meta  -  und  Para-Kresols,  von 
diesen  wiederum  scheint  die  Paraverbindung  wegen  ihres 
billigeren  Preises,  höheren  Schmelzpunktes  und  der  damit  ver¬ 
bundenen  Vorteile  für  die  Bereitung  haltbarer  1  abletten  das 
Feld  zu  behaupten ;  denn  die  Lysolfabrik  S  c  h  ü  1  k  e  und  Mayr 
stellt  nur  die  Paraverbindung  her  und  bringt  sie  mit  einem 
geringen  Seifenzusatz  in  Form  schöner  gleichmässiger,  weisser 
Tabletten  unter  dem  Namen  „P  a  r  a  1  y  s  o  1“  in  den  Handel. 

Mit  beiden  Verbindungen  habe  ich  seit  längerer  Zeit  Unter¬ 
suchungen  angestellt  und  über  die  aus  der 

Metakresolkaliumverbindung 

vom  Schmelzpunkt  88°  bereiteten  Tabletten  in  einem 
Vortrage  „Ueber  Arzneitabletten“  auf  der  Naturforscherver¬ 
sammlung  in  Stuttgart  1906  bereits  kurz  berichtet3).  Diese 
sind  auch  schon  von  Wesenberg  (  loc.  cit.)  einer  bakteiio- 
logischen  Untersuchung  unterworfen  worden,  sodass  für  diesen 
Teil  meiner  Prüfung  einige  Versuche  genügten,  da  sie  die  Re¬ 


sultate  Wesenbergs  bestätigten. 

Bei  der  chemischen  Analyse  der  aus  der  Meta¬ 
kresolkaliumverbindung  hergestellten  Tabletten 
wurden  bei  mehreren  Bestimmungen  72 — 75  Proz.  Metakresol, 
4,  5—5  Proz.  Kaliumjon,  18—20  Proz.  Fettsäure,  geringe  Mengen 
Natrium  nebst  Spuren  von  Kalzium,  Magnesium,  Aluminium 
und  Kieselsäure  gefunden;  letztere  sind  wahrscheinlich  nur 
Verunreinigungen  der  Seife;  demnach  bestanden  die  Tabletten 
aus  75—80  Proz.  der  Metakresolkaliumverbindung  von  der 
Formel 

OH(t)  OK(0 

3  CeH^  •  CeH4<( 

xCH3(3)  CH(b) 

und  20 — 25  Proz.  fester  Seife. 


Durch  dieklinischenVersuche,  für  die  mir  durch 
das  Entgegenkommen  des  Herrn  Professors  Dr.  U  e  b  e  1  e, 
der  mir  auch  die  Anregung  zur  Untersuchung  dieser  für  die 
Praxis  so  wichtigen  Verbindungen  gab,  Versuchstiere  und  hier¬ 
auf  eine  grosse  Anzahl  Patienten  der  Klinik  für  kleinere  Haus¬ 
tiere  der  hiesigen  Tierärztlichen  Hochschule  zur  Verfügung 
standen,  konnte  ich  feststellen,  dass  die  Tabletten  in  ihrer 
Wirkung  im  wesentlichen  die  bekannten  guten  antiseptischen 
Eigenschaften  des  Metakresols  besitzen.  Auch  die  toxi¬ 
kologische  Prüfung  führte  zu  ähnlichen  Resultaten, 
wie  sie  von  T  o  1 1  e  n  s  4)  im  pharmakologischen  Institute  in 
Qöttingen  für  das  Metakresol  erhalten  wurden. 

Hinsichtlich  der  Desinfektionskraft  wurde  im  Ein¬ 
klang  mit  den  Resultaten  der  chemischen  und  bakteriologischen 
Untersuchung  festgestellt,  dass  2  1  abletten  ä  1  gr  3  gr  Lysol 
bezw.  dem  offizineilen  Liq.  Cresoli  saponat.  und  4  gr  Karbol¬ 
säure  gleichkommen  und  somit  diese  bewährten  Desinfektions¬ 
mittel  infolge  ihres  höheren  Kresolgehaltes  übertreffen. 

Nach  den  Untersuchungsergebnissen  der  festen  Meta¬ 
verbindung  des  Kresols  war  zu  erwarten,  dass  auch 


die  feste 

Parakresolkalium  Verbindung 


inihrer  Wirkung  im  allgemeinen  derjenigen  des  reinen  Parakresols 
gleichkommen  würde.  Da  aber  gerade  diese  Substanz,  die  erst  bei 
147°  schmilzt,  unter  dem  Namen  „Paralyso  1“  in  die  Therapie 
eingeführt  werden  soll,  so  schien  doch  eine  eingehende  che¬ 
mische,  bakteriologische  und  klinische  Prüfung  nötig  zu  sein, 
da  man  die  Wirkung  eines  Mittels  nach  seiner  chemischen  Zu¬ 
sammensetzung  nie  voraus  bestimmen  kann  und  oft  schon  durch 
kleine  Verschiedenheiten  in  der  chemischen  Konstitution  die 
physiologische  und  pharmakologische  Wirkung  bedeutend  ver- 


3)  Wiener  med.  Wochenschr.,  No.  21  und  22,  1906. 

4)  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol.,  52,  220,  1905. 


ändert  wird ;  sind  doch  nicht  unerhebliche  Unterschiede  in  dieser 
Beziehung  gerade  bei  den  drei  isomeren  Kresolen,  des  Ortlio-, 
Meta-  und  Para-Kresols  vorhanden  und  verhalten  sich  doch 
auch  die  einfachen  Alkalikresolate  in  ihrer  Wirkung  ganz 
anders  als  die  entsprechenden  Kresole  selbst. 

Die  chemische  Analyse  der  Paralysol¬ 
tabletten,  die  nach  einer  Mitteilung  der  Fabrik  aus  85  Proz. 
der  reinen  Doppelverbindung 

OH(i)  OK(i) 

3  CeH4<(  •  CeH4<^ 

CH3(4)  CH3(4) 


und  15  Proz.  fester  Seife  nebst  einem  geringen  geruchver¬ 
bessernden  Zusatze  bestehen  sollen,  bestätigte  diese  Angaben; 
denn  es  wurde  bei  zwei  Bestimmungen  ein  Durchschnittsgehalt 
von  78,5  Proz.  Parakresol  und  8,6  Proz.  Kaliumjon  (=  zu¬ 
sammen  87  Proz.  des  Doppelsalzes  Parakresol-Parakresol- 
kalium)  neben  12,6  Proz.  Fettsäure  und  Spuren  von  Natrium 
ermittelt;  die  Identität  der  geruchverbessernden  Substanz 
konnte  wegen  ihrer  geringen  Menge  nicht  festgestellt  werden. 
Ein  grösserer  Zusatz  derselben  oder  eines  noch  besseren 
Parfümierungsmittels  dürfte  zur  Verdeckung  des  Kresol- 
geruches  bei  den  Tabletten  noch  gemacht  werden,  ohne  dass 
dadurch  die  Desinfektionskraft  der  Paralysoltabletten  merklich 
herabgedrückt  würde. 

Die  Resultate  der  bakteriologischen  Prüfung, 
die  mit  Bact.  coli,  Bac.  pyocyaneus,  Staphylococcus  pyogenes 
aureus  und  Bac.  anthracosis  unter  Berücksichtigung  der  von 
Qeppert5),  Heim6)  und  Paul7)  gegebenen  Anleitungen 
für  die  Wertbestimmung  der  Desinfektionsmittel  ausgeführt 
wurde,  mögen  auszugsweise  hier  in  Kürze  angegeben  werden, 
da  über  die  Paralysoltabletten  bisher  noch  nichts  veröffent¬ 
licht  ist. 

Bact.  coli:  Durch  0,5  proz.  Paralysollösung,  mit 
Brunnen-  oder  destilliertem  Wasser  bereitet,  nach  1  Minute 
vollständige  Abtötung,  durch  1  proz.  Lösung  bereits  nach  X 
Minute,  durch  höhere  Konzentrationen  nach  X  Minute  bezw. 
sofort. 

Pyozyaneus:  Durch  0,6  proz.  Lösung  nach  1  Minute 
schon  vollständige  Abtötung;  schwächere  Lösungen,  wie  z.  B. 
mit  nur  0,3  Proz.  Paralysolgehalt  wirken  in  den  ersten  5  Mi¬ 
nuten  kolyseptisch,  dann  auch  antiseptisch;  durch  ein  und  mehr 
prozentige  Lösungen  wird  schon  nach  K  Minute  bezw.  sofort 
vollständige  Abtötung  erzielt. 

Staphylokokkus:  Durch  0,5  proz.  Lösung  nach  2 
bis  6  Minuten  kolyseptische,  nach  7  Minuten  antiseptische  Wir¬ 
kung;  durch  1  proz.  Lösung  schon  nach  3  Minuten  vollständige 
Abtötung,  die  durch  höhere  Konzentrationen  in  entsprechend 
kürzerer  Zeit  erreicht  wird. 

Anthrax:  Durch  2  proz.  Lösungen  nach  10  Tagen 
noch  keine  Wirkung;  durch  5  proz.  Lösungen  Abtötung  nach 


8  Stunden. 

Im  Vergleich  mit  der  Wirkung  der  aus  der  Metakresol¬ 
kaliumverbindung  hergestellten  Tabletten  hat  sich  ergeben, 
dass  die  Lösung  der  Paralysoltabletten  ä  1  gr  die  aus  der 
analogen  Metakresolverbindung  bereiteten  Pastillen  ä  1  gr  noch 
übertreffen,  was  jedoch  nur  auf  den  höheren  Kreosolgehalt 
zurückzuführen  ist.  Vergleicht  man  die  antiseptische  Wirkung 
beider  Verbindungen  bei  gleichem  Kresolgehalt,  so  stehen  die 
Lösungen  der  aus  Parakresol  bereiteten  Tabletten  qualitativ 
gegen  die  aus  Metakresol  hergestellten  Pastillen  etwas  zurück, 
was  mit  früheren  Untersuchungen  über  die  Kresole  selbst  z.  B. 
von  Seybold8)  übereinstimmt.  Da  man  aber  in  der  Praxis 
nicht  auf  den  Gehalt  an  Kresolen  umrechnen  will,  so  kann  man 
die  Desinfektionskraft  der  Paralysoltabletten  infolge  ihres 
höheren  Gehaltes  an  wirksamer  Substanz  ungefähr  in  der¬ 
selben  Weise  angeben,  wie  ich  es  oben  für  die  aus  der  Metaver¬ 
bindung  hergestellten  Pastillen  schon  getan  habe,  d.  h.  2  Ta¬ 
bletten  Paralysol  ä  1  gr  entsprechen  3  gr  Lysol 

bezw.  Liq.  Kresoli  saponat.  oder  4  gr  Karbol¬ 
säure. 


5) 

6) 


8) 

S.  377, 


Deutsche  med.  Wochenschr.,  1891,  No.  25. 

,  Lehrbuch  der  Bakteriologie,  2.  und  3.  Auflage._ 

)  Zeitschr.  f.  angew.  Chemie,  1901,  No.  14  und  15. 
Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten, 


1898,  Bd.  29, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1520 


Für  die  gewöhnlichen  Desinfektionszwecke  wird  demnach 
eine  1  proz.  Paralysollösung  genügen.  Dieselbe  ist  völlig  klar, 
wenn  sie  mit  destillierten  Wasser  bereitet  wird;  mit  Brunnen¬ 
wasser  entsteht  eine  je  nach  der  Härte  bezw.  von  dem  Kalkge- 
haltc  des  Wassers  abhängige  mehr  oder  weniger  deutliche  Trü¬ 
bung,  wodurch  jedoch  die  Durchsichtigkeit  der  Lösungen  kaum 
beeinträchtigt  wird;  denn  die  Paralysoltabletten  enthalten  ja  nur 
10 — 15  Proz.  Seife.  Dieser  geringe  Seifengehalt  macht  die 
Instrumente  nicht  schlüpfrig  und  greift  die  Hände  nicht  an. 

ln  warmem  Wasser  ist  die  antiseptische  Wirkung  der  Ta¬ 
bletten,  wie  bei  vielen  andern  Desinfektionsmitteln,  noch  etwas 
ausgiebiger,  weshalb  auch  die  Lösungen  am  besten  mit  lau¬ 
warmen  Wasser  bereitet  werden;  wenn  keine  besondere  Eile 
nötig  ist,  so  genügt  zur  Desinfektion  der  Instrumente  und  meist 
auch  der  Hände  schon  eine  >2  proz.  lauwarme  Lösung  der  Para¬ 
lysoltabletten. 

Bei  der  Feststellung  der  an  ti  parasitären  Wir- 
k  11  n  g,  die  nach  einem  einfachen,  von  Herrn  Prof.  Dr.  U  e  b  e  1  e 
gezeigten  und  an  anderer  Stelle  näher  zu  beschreibenden  Ver¬ 
fahren  an  Dermatokoptesmilben  versucht  wurde,  sind  bis  jetzt 
keine  befriedigenden  Resultate  erhalten  worden;  insbesondere 
konnten  dieselben  nicht  mit  den  von  J.  B  r  a  n  d  1  und 
F.  G  m  e  i  n  e  r 9)  mitgeteilten  Ergebnissen,  welche  diese  mit 
Liq.  Kresoli  saponat.  und  der  Karbolsäure  erzielten,  in  Einklang 
gebracht  werden,  weshalb  noch  einige  derartige  Versuche  an¬ 
zustellen  sind. 

Die  klinische  Prüfung,  die  noch  fortgesetzt  werden 
soll,  hat  bis  jetzt  gleichfalls  die  Uebereinstimmung  in  der  Wir¬ 
kung  mit  derjenigen  des  Parakresols  ergeben.  Hinsichtlich  der 
toxischen  Wirkung  wurde  kein  wesentlicher  Unter¬ 
schied  zwischen  der  Meta-  und  Paraverbindung  der  Kresol- 
doppelsalze  festgestellt. 

Nachdem  es  bis  heute  noch  kein  absolut  ungiftiges 
Desinfektionsmittel  gibt,  muss  diesem  Umstand  Rechnung 
getragen  werden.  Bemerkenswert  ist  jedoch,  dass  die 
Tabletten,  in  toto  oder  Stücken  z.  B.  Hunden  eingegeben, 
bei  weitem  nicht  die  grosse  Giftigkeit  zeigen,  wie  ihre  Lö¬ 
sungen,  da  sie  wohl  wegen  ihres  Seifengehaltes  und  der  festen 
Komprimierung  sehr  langsam  resorbiert  werden, 
so  dass  sie  neben  örtlichen  Aetzungen  nur  die  Wirkung  kleinerer 
Dosen  hervorrufen. 

Diese  Beobachtung  erscheint  von  Wichtigkeit,  falls  durch 
irgendwelche  Zufälle  solche  Tabletten  von  Kindern  verschluckt 
werden  sollten;  sie  können  demnach  nicht  so  giftig  wirken  wie 
eine  Dose  Lysol  von  gleichem  Kresolgehalte. 

Man  kann  daher  behaupten,  dass  das  Paralysol  als 
feste  Substanz  weniger  giftig  wirkt  als  eine  nach  ihrem 
Kresolgehalte  gleich  starke  Menge  Lysol, 
v  _ _ 

Die  grossen  Vorteile,  welche  diese  festen  Verbin¬ 
dungen  der  Karbolsäure  und  der  Kresole  vor  diesen  selbst 
haben,  bestehen  hauptsächlich  darin,  dass  sie  leicht  mit  und 
ohne  Seifenzusatz  zu  haltbaren  Tabletten  von  einheitlicher  und 
leicht  zu  kontrollierender  Zusammensetzung  geformt  werden 
können;  denn  gerade  bei  diesen  Desinfektionsmitteln,  von  denen 
der  Mediziner,  sei  er  Arzt,  Tierarzt  oder  Zahnarzt,  sich  so 
häufig  eine  Lösung  von  bestimmtem  Gehalte  in  der  Sprech¬ 
stunde,  Klinik,  bei  Geburten,  Operationen  etc.  selbst  anfertigen 
oder  durch  Hilfskräfte,  wie  Wärter,  Hebammen  und  dergl.  be- 
1  eiten  lassen  muss,  ist  die  Dispensation  des  Medikamentes  in 
I  ablettenform  mehr  als  bei  allen  anderen  Mitteln  berechtigt 
und  in  den  meisten  Fällen  sogar  notwendig.  Es  bedarf  daher 
keines  weiteren  Hinweises  auf  die  oft  unrichtige  Darstellung 
von  Lösungen  der  flüssigen  Karbolsäure  oder  des  Lysols  durch 
das  niedere  Heilpersonal  und  die  die  Pflege  der  Patienten  über¬ 
nehmenden  Angehörigen,  wofür  denselben  in  der  Regel  kein 
\oivuif  gemacht  werden  kann.  Bei  Verwendung  der  Ta¬ 
bletten  sind  solche  Versehen  so  ziemlich  ausgeschlossen. 

Ganz  besonders  geeignet  sind  die  T  a  - 
b  1  e  tt  e  n  zur  bequemen  und  gefahrlosen  Mitnahme  auf  Reisen, 
nii  die  Praxis  usw.  hin  Röhrchen  mit  15  Tabletten  hat  nur  die 
<  flösse  einer  dicken  Zigarre;  der  Inhalt  kann  wegen  seiner  kom¬ 
pakten  Form  im  halle  des  Zerbrechens  des  Röhrchens,  was 

')  Alb  rechts  Wocliensclir.  f.  Tierheilkunde,  München  1900. 


jedoch  bei  dem  von  der  Fabrik  verwendeten  starken  Glase 
ausgeschlossen  zu  sein  scheint,  der  Umgebung  keinen  Schaden 
bereiten,  wie  er  durch  Karbolsäure  oder  Lysol  infolge  ihres 
flüssigen  Aggregatzustandes  in  empfindlicher  Weise  entsteht. 

Weitere  Vorzüge  dieser  festen  Desinfektionsmittel  an¬ 
zuführen,  halte  ich  für  überflüssig,  da  jedem  Arzte  die  Vorteile 
eines  festen  Medikamentes  in  der  leicht  und  genau  dosierbaren 
Tablettenform  gegenüber  einer  flüssigen  Substanz  zur  Genüge 
bekannt  sind. 

Das  Gesamtergebnis  vorstehender  Unter¬ 
suchungen  lässt  sich  kurz  dahin  zusammen¬ 
fassen,  dass  die  neuen  Verbindungen,  sowohl 
die  Doppelsalze  des  Phenols  mit  Phenol¬ 
kali  u  m  als  auch  diejenigen  der  Kresole  mit 
Kresolkaliu  m,  sich  im  allgemeinen  hinsicht¬ 
lich  i  h  r  e  >r  Wirkung  nicht  anders  verhalten 
wie  die  Karbolsäure  und  die  entsprechenden 
Kresole,  da  sie  ja  keine  eigentlichen  Pheno- 
late  oder  Kresolate,  sondern  Doppelverbin¬ 
dungen  von  drei  Molekülen  Phenol  bezw. 
Kr  eso!  mit  nur  einem  Molekül  Kaliumpheno- 
lat  bezw.  Kaliumkresolat  sind.  Durch  diese 
Konstitution  der  Doppelsalze  findet  die 
Uebereinstimmung  in  der  Wirkung  mit  der 
Karbolsäure  bezw.  den  Kresolen  genügende 
Erklärung.  Wir  haben  also  in  diesen  Doppel¬ 
verbindungen  eigentlich  kein  neues  Des¬ 
infektionsmittel,  sondern  nur  die  allbewähr- 
ten  guten  Mittel  (=  die  Karbolsäure  und  die 
Kresole)  in  anderer  Form,  d.  h.  anderem  Ag¬ 
gregation  szu  stände,  der  es  ermöglicht,  die 
betr.  Präparate  als  haltbare  Tabletten  ver¬ 
wenden  zu  können;  darin  bestehen  auch  die 
Hauptvorzüge  dieser  Verbindungen. 


Vikariierende  Respiration. 

Von  Prof.  Dr.  Geigel  in  Würzburg. 

Wenn  von  paarigen  Organen  eines  seinen  Funktionen  nicht 
mehr  oder  nicht  vollständig  nachkommen  kann,  so  ist  es  eine 
häufige  und  allgemein  wohlbekannte  Tatsache,  dass  der  andere 
Paarling  die  Funktion  des  geschädigten  mit  übernimmt,  vikari¬ 
ierend  für  ihn  eintritt.  Bei  den  Lungen  heisst  man  es  allgemein 
das  „vikariierende  Emphysem“,  das  sich  auf  der  noch  ge¬ 
sunden  Seite  einstellt,  wenn  die  andere  Lunge  in  beträchtlichem 
Masse  vom  Atemgeschäft  ausgeschlossen  ist.  Man  heisst  es 
wohl  so,  weil  oft,  aber  auch  nicht  immer,  die  Lungengrenzen 
auf  der  gesunden  Seite  erweitert  angetroffen  werden,  aber  der 
Name  ist  so  unpassend  wie  möglich  gewählt,  was  man  leicht 
einsehen  kann. 

Es  sei  auf  einer  Seite  ein  Pneumothorax  oder  ein  massen¬ 
hafter  Erguss  in  der  Pleura,  dann  sind  die  Lungengrenzen  auf 
der  anderen  Seite  erweitert,  ohne  dass  das  Organ  überhaupt 
vergrössert  zu  sein  braucht,  es  ist  einfach  eine  Verlagerung  der 
Lunge  eingetreten.  Es  übernehme  eine  gesunde  Lunge  in 
diesem  oder  einem  anderen  Fall  das  Geschäft  der  erkrankten, 
der  lahmgelegten  mit;  dann  kann  sie  es  nicht  dadurch,  dass  sie 
sich  allgemein  erweitert,  sondern  nur  dadurch,  dass  sie  grössere 
Atemexkursionen  macht,  was  dem  Begriff  des  Emphysems  be¬ 
kanntlich  widerspricht.  Es  kann  bei  dieser  erhöhten  An¬ 
strengung  und  Ueberanstrengung  der  Lunge  freilich  sekundär 
zum  Emphysem  kommen,  das  ist  aber  dann  nicht  mehr  vikari¬ 
ierend,  sondern  stört  die  vikariierende  Tätigkeit  nur,  sehr  zum 
Schaden  der  Kranken,  weil  jetzt  die  vikariierend  verstärkte 
Atmung  auf  der  gesunden  Seite  notleidet.  Mit  dem  Namen 
„vikariierendes  Emphysem“  bezeichnet  man  also  tatsächlich 
Zustände,  die  entweder  nicht  „Emphysem“  oder  nicht  „vikari¬ 
ierend“  sind,  es  kann  nur  sekundäres  Emphysem 
heissen. 

Es  ist  vielleicht  nicht  unangebracht,  sein  Augenmerk  auf 
die  Mechanik  dessen  zu  richten,  was  man  besser  „vikariierende 
Respiration“  heissen  möchte. 

Bei  gewöhnlicher  Respiration  beträgt  das  ein-  und  aus¬ 
geatmete  Quantum  Luft  für  jeden  Atemzug  rund  500  ccm.  Was 
eine  Lunge  davon  weniger  leisten  kann,  muss,  wenn  alles 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1521 


in  Ordnung  bleiben  soll,  die  andere  dadurch  übernehmen,  dass 
sie  grössere  Atemexkursionen  macht.  Ist  eine  Lunge  z.  13. 
durch  Pneumothorax  oder  sonstwie  völlig  vom  Atemgeschäft 
ausgeschlossen,  so  muss  die  andere  allein  den  halben  Liter  Luft 
mit  jedem  Atemzug  einziehen  und  ausstossen,  dann  ist  sie  in  der 
Tat  (für  die  Ruhe)  völlig  vikariierend  eingetreten.  Da  die  linke 
Lunge  etwas  kleiner  ist  als  die  rechte,  wird  man  wohl  ungefähr 
sagen  können,  dass  die  rechte  Lunge  bei  linksseitiger  schwerer 
Erkrankung  etwas  weniger,  die  linke  umgekehrt  bei  rechts¬ 
seitiger  Erkrankung  oder  Zerstörung  der  Lunge  etwas  mehr  als 
250  ccm  über  ihre  gewöhnliche  Respirationsgrösse  hinaus 
leisten  muss.  Geht  das,  dann  ist  für  die  Ruhe  eine  Kompen¬ 
sation  durch  die  vikariierende  Tätigkeit  der  gesunden  Lunge  ein¬ 
getreten.  Dass  dies  völlig  im  Bereich  der  Möglichkeit  liegt,  ist 
längst  bekannt,  weiss  man  ja  doch,  dass  jederzeit  durch  for¬ 
cierte  Inspiration  noch  rund  1500  ccm  mehr  als  Komplementär- 
hift  eingesogen,  durch  verstärkte  Exspiration  im  Maximum  rund 
ebensoviel  als  Reserveluft  ausgestossen  werden  können.  Die 
Maximalleistung  jeder  Lunge  für  sich  allein  würde  also  (von 
der  Differenz  zwischen  rechts  und  links  abgesehen)  rund 
1500  ccm  betragen.  Eine  solche  übermässige  Tätigkeit  würde 
freilich  nicht  lang  auszuhalten  sein,  aber  immerhin  stünde  für 
einige  Zeit  des  Mehrbedarfs  z.  B.  bei  äusserer  Arbeit,  beim 
Gehen,  für  eine  völlig  gesunde  Lunge  allein  eine  vitale  Kapazität 
von  rund  1750  ccm  zur  Verfügung,  das  Dreieinhalbfache  von 
dem,  was  einer  in  der  Ruhe  braucht.  In  der  Ruhe  ist  es  also 
nicht  so  arg,  was  an  Mehrleistung  von  einer  vikariierend  ein¬ 
tretenden  Lunge  verlangt  wird,  es  sind  nur  200 — 300  ccm,  also 
Vs  bis  Ve  dessen,  wessen  sie  bei  äusserster  Anstrengung  fähig 
wäre.  Ohne  Zweifel  sind  es  hauptsächlich  die  inspiratorischen 
Muskeln,  die  vikariierend  eingreifen  und  deswegen  verschiebt 
sich  auch  die  Mittellage  der  Lungengrenze  etwas  (wenig  nur 
für  die  Ruhe)  in  diesem  Sinn,  allein  es  wäre  ganz  falsch,  hier¬ 
aus  ein  Emphysen  zu  diagnostizieren,  weil  mit  jeder  Exspiration 
die  frühere  exspiratorische  Grenze  mindestens  wieder  erreicht 
wird,  die  Exkursionsbreite  der  Lungengrenze  hat  zugenommen. 

Es  gibt  Fälle,  bei  denen  die  ganze  mechanische  Mehr¬ 
leistung  der  Atmungsmuskeln  einer  Seite  allein,  der  gesunden 
zugemutet  wird.  Dies  ist  dann  der  Fall,  wenn  z.  B.  ein  Ventil¬ 
pneumothorax  schon  die  dauernde  maximale  Erweiterung  der 
erkrankten  Seite  herbeigeführt  hat,  oder  auch  bei  einem  massen¬ 
haften  Erguss  in  die  Pleura  und  totaler  Kompression  der  Lunge. 
Dann  steht  die  erkrankte  Seite  des  Thorax  tatsächlich  bei  der 
Respiration  still. 

In  vielen  Fällen  ist  dem  aber  nicht  so.  Wo  auf  der  kranken 
Seite  noch  irgend  eine  Exkursion  der  Thoraxwand  (einschliess¬ 
lich  des  Zwerchfells)  möglich  ist,  da  vollzieht  sie  sich  auch,  denn 
die  Atmungsmuskeln  werden  nicht  einseitig  innerviert  und  in 
Tätigkeit  gesetzt,  sondern  immer  doppelseitig.  Das  ist  für  den 
Kranken  nicht  gleichgültig,  einmal,  weil  auf  der  kranken  Seite 
noch  ausgenützt  wird,  was  noch  auszunützen  ist,  dann  aber 
in  noch  einer  Weise,  die  der  gesunden  vikariierenden  Seite  zu 
gute  kommt,  wovon  ich  mich  in  folgendem  Falle  kürzlich  auf 
das  Deutlichste  überzeugen  konnte. 

Es  war  ein  48  jähr.  Patient,  bei  dem  die  Zeichen  einer  links¬ 
seitigen  Bronchostenose  unverkennbar  waren.  Das  Röntgen¬ 
bild  ergab  einen  breiten  Schatten  das  ganze  Mediastinum  ent¬ 
lang,  von  oben  bis  unten,  oben  ausgebaucht,  nach  links  mehr  als 
nach  rechts.  Dieser  Schatten  zeigt  bald  auf  dem  Lichtschirm 
eine  deutliche  Verschiebung  nach  links  bei  jeder  Inspiration, 
die  von  mir  am  19.  I.  07  als  „sicher  1 — 1/4  cm“  betragend 
geschätzt  wurde.  Das  Atmungsgeräusch,  das  wenigstens  vorn 
links  ganz  gefehlt  hatte,  fehlte  auch  jetzt  „fast  ganz  ,  hinten 
schien  es  etwas  lauter  als  früher  geworden  zu  sein.  Das 
Phänomen  der  inspiratorischen  Verschiebung  des  Tumors 
wurde  auch  hier  von  den  Herren  Mayr  sen.  und  Rosen¬ 
berger  konstatiert,  dessen  grosser  Röntgenapparat  freund- 
lichst  zur  Verfügung  gestellt  war,  da  bei  meinem  eigenen  die 
Akkumulatoren  versagten.  Um  kurz  damit  zu  sein:  der  Tumor 
stellte  sich  als  ein  Aneurysma  heraus,  das  noch  zu  linksseitiger 

RekurrenzlähmungunddurchlMassenhämorrhagieamö.  II.07zum 

Exitus  führte.  Was  uns  hier  interessiert,  ist  die  V  er  Schie¬ 
bung  des  ganzen  Inhalts  des  Mediastinums 
beijeder  Inspiration  nach  links,  also  nach  der  Seite, 
wo  nachweislich  die  Lunge  fast  völlig  vom  Atmungsgeschäft 

No.  31. 


durch  Kompression  des  Bronchus  ausgeschaltet  war.  Eine 
solche  Verschiebung  scheint  mir  nicht  ohne  Bedeutung  für  die 
vikariierende  Atmung  der  gesunden  Seite  zu  sein.  So  ist  es 
möglich,  dass  eine  gesunde  Lunge  nicht  nur  nach  oben,  unten 
und  aussen  sich  mehr  erweitert,  sondern  auch  nach  innen,  nach 
der  Seite  der  erkrankten  Lunge  hin.  Und  zwar  geschieht  dies 
offenbar  nicht  durch  Tätigkeit  der  Muskeln  auf  der  gesunden, 
sondern  durch  die  auf  der  kranken  Seite.  Der  Vorgang  ist 
leicht  verständlich.  Auf  der  kranken  Seite  ziehen  die  inspira¬ 
torischen  Muskeln  geradeso  wie  auf  der  gesunden.  Kann 
Luft  in  die  kranke  Lunge  durch  den  Bronchus  nicht  eindringen, 
so  tritt  sie  eben  auf  der  anderen  Seite  durch  den  Bronchus  ein 
und  dabei  wird  das  Mediastinum,  so  weit  es  nachgeben  kann, 
nach  der  erkrankten  Seite  ausgebaucht.  Ich  weiss  nicht,  ob 
etwas  ähnliches  schon  beobachtet  worden  ist  und  will  auch 
hier  nicht  auf  die  Frage  eingehen,  wie  das  Phänomen  gelegent¬ 
lich  zur  Diagnose  einer  Bronchostenose,  speziell  auch  für 
Aneurysma  gegen  infiltrierenden  Tumor  verwendet  werden 
kann.  Hier  kommt  es  mir  nur  darauf  an,  zu  zeigen,  dass  solche 
Bewegung  des  Mediastinum  zur  vikariierenden  Respiration 
wesentlich  mit  beitragen  kann.  Bei  unserem  Patienten  tat  sie 
es  um  so  sicherer,  als  die  Lungengrenze  am  unteren  Rand  der 
7.  Rippe,  wenig  verschieblich  angetroffen  worden  war  zu  einer 
Zeit,  wo  die  Erscheinungen  der  Bronchostenose  noch  nicht 
manifest  waren.  Wie  gross  der  Flächeninhalt  des  Mediastinum 
ist,  darüber  sagen  die  mir  zugänglichen  Werke  der  Anatomie 
nichts  aus;  nach  meiner  Schätzung  dürfte  er  aber  gewiss 
wenigstens  200  bis  300  qcm  betragen.  Leicht  kann  also,  wenn 
die  mittlere  inspiratorische  Verschiebung  des  Mittelfells  1  cm 
beträgt,  hierdurch  eine  Menge  von  200  ccm  Luft  über  das  ge¬ 
wöhnliche  Mass  in  die  gesunde  Lunge  gesogen  werden.  Ich 
weiss  nicht,  ob  man  schon  an  diese  Art  vikariierender  Atmung 
gedacht  hat. 

Soweit  wäre  nun  alles  in  Ordnung.  Es  ist  die  Möglichkeit 
gegeben,  dass  auch  bei  gänzlicher  Lahmlegung  einer  Seite 
die  andere  reichlich  den  Ausfall  der  Respirationsluft  decken 
kann,  so  lange  nicht  bedeutendere  äussere  Arbeit  grösseren 
Sauerstoffverbrauch  fordert.  Aber  eines  kommt  noch  sehr 
wesentlich  in  Betracht.  Die  vikariierend  arbeitende  Lunge 
kann  Sauerstoff  in  einer  Menge  zur  Verfügung  stellen,  wie  sie 
für  zwei  ausreichen  würde,  aber  dieses  Quantum  tritt  nur  mit 
dem  venösen  Blute  einer  einzigen  Lunge  in  Austausch,  also 
rund  mit  der  Hälfte  Blut  gegenüber  der  Norm.  Es  ist  möglich, 
dass  auch  in  der  Verteilung  des  Blutes  auf  die  Lungenarterien 
beider  Seiten  eine  vikariierende  stärkere  Füllung  auf  der  ge¬ 
sunden  Seite  eintritt.  Für  die  Fälle  starker  totaler  Kompression 
einer  Lunge  z.  B.  durch  Ventilpneumothorax  ist  dies  sogar  nicht 
unwahrscheinlich.  Man  weiss  auch,  dass  die  Gefässe  der 
Lunge  in  ihrem  Kaliber  schwanken  können,  und  auch  hierin 
könnte  eine  vikariierende  Hyperämie  der  gesunden  Lunge  be¬ 
gründet  sein.  Vornehmlich  steht  aber  der  gesunden  Lunge, 
falls  nur  überhaupt  ein  normales  Quantum  Luft  zugeführt  wird, 
ein  Ueberschuss  von  Sauerstoff  zur  Verfügung.  Die  atmo¬ 
sphärische  Luft  enthält  Q  20,96  Proz.  O2  und  0,04  Proz.  CO2, 
die  ausgeatmete  16,39  Proz.  O2  und  4,05  Proz.  CO2.  Würde 
die  Sauerstoffaufnahme  und  Kohlensäureabgabe  nur  ent¬ 
sprechend  der  Differenz  des  Partialdruckes  in  Alveolarluft  und 
Blut  erfolgen,  so  müsste  entweder  zum  völligen  Ausgleich  die 
doppelte  Menge  Blut  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Gefässe  der 
gesunden  Lunge  fliessen  oder  es  müsste  die  Differenz  des 
Partialdruckes  steigen,  damit  das  nötige  Quantum  Sauerstoff 
aufgenommen,  an  Kohlensäure  ausgeschieden  werden  könnte. 

In  diesem  Falle  wäre  ein  völliger  Ausgleich,  d.  h.  die  Auf¬ 
nahme  des  gewöhnlichen  Quantums  Sauerstoff  in  der  Zeit¬ 
einheit,  trotz  der  besten  vikariierenden  Lungentätigkeit  nur 
dadurch  möglich,  dass  immer  das  Blut  im  rechten  Herzen  gegen 
die  Norm  etwas  ärmer  an  Sauerstoff,  etwas  reicher  an  Kohlen¬ 
säure  wäre.  Die  Kompensation  wäre  nur  durch  venösere  Be¬ 
schaffenheit  des  Blutes  und  durch  einen  gewissen  Grad  von 
Dyspnoe  zu  erkaufen,  an  den  der  Kranke  sich  erst  allmählich 
gewöhnen  muss. 

Ausgeschlossen  wäre  es  aber  auch  nicht,  dass  die  sekre¬ 
torische  Zelltätigkeit  in  der  Lunge,  dass  die  innere  Gassekretion 


Q  Bohn:  Handb.  d.  Physiol.  von  Nagel,  I.,  1,  p.  133. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


dort  auch  sich  vikariierend  ändern  könnte,  um  einen  ergiebi¬ 
geren,  rascheren  Austausch  der  Blutgase  zu  ermöglichen.  Be¬ 
kanntlich  ist  diese  sekretorische  Zelltätigkeit  recht  unabhängig 
von  der  Gasspannung  und  kann  Gase  selbst  von  Orten  ge¬ 
ringeren  nach  solchen  höheren  Ortes  transportieren.  Welche 
von  diesen  Möglichkeiten  bei  der  „vikariierenden  Respiration“ 
verwirklicht  ist,  davon  wissen  wir  nichts  und  müssen  uns  vor¬ 
läufig  mit  dem  Verständnis  der  grobmechanischen  Vorgänge 
begnügen,  die  von  seiten  der  Lnngenbewegung  für  die  Kom¬ 
pensation  des  gesetzten  Schadens  in  Betracht  kommen. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Würzburg  (Direktor:  Herr 
Geheimrat  Prof.  Dr.  H  o  f  m  e  i  e  r). 

Ueber  Eklampsie  ohne  Krämpfe.*) 

Von  Dr.  Paul  Reinecke,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

In  letzter  Zeit  sind  verschiedene  Krankheitsfälle,  die  intra 
et  post  partum  auftraten,  mitgeteilt  worden,  die  auf  Grund  des 
klinischen  Verlaufes  und  auf  Grund  der  pathologisch-anatomi¬ 
schen  Organveränderungen,  soweit  die  Frauen  zur  Sektion 
kamen,  als  Eklampsien  ohne  Krämpfe  angesehen  wurden. 

Der  klinische  Verlauf  dieser  von  Schmorl,  Meyer- 
Wirz,  Esch  und  Labhardt  mitgeteilten  Fälle  lässt  fast 
den  gleichen  oder  doch  sehr  ähnlichen  Symptomenkomplex  er¬ 
kennen.  Ohne  dass  wirkliche  Krämpfe  aufgetreten  wären, 
gehen  die  Frauen  im  tiefen  Koma  zugrunde.  In  zwei  Fällen 
wurde  schon  vor  Eintritt  der  Schwangerschaft  eine  Nieren¬ 
erkrankung  festgestellt,  in  einem  anderen  Falle  trat  im  Koma 
leichte  Albuminurie  auf;  in  den  übrigen  Fällen  wurde  während 
der  Geburt  reichlich  Eiweiss  im  Urin  nachgewiesen.  In  den! 
von  Esch  mitgeteilten  Falle  trat  vor  der  völligen  Bewusst¬ 
losigkeit  noch  völlige  Amblyopie  ein,  die  Temperatur  hielt  sich 
in  der  Höhe  von  39,7  °.  Der  Puls  war  andauernd  stark  be¬ 
schleunigt,  auch  soll  zweimal  Erbrechen  aufgetreten  sein,  die 
Frau  geht  ebenfalls  im  tiefen  Koma  zugrunde  Hieran 
schliessen  sich  noch  zwei  Fälle,  die  von  Binder  und 
Sch  lut  ins  mitgeteilt  wurden.  Unmittelbar  p.  partum  trat 
plötzlich  vollständige  Bewusstlosigkeit  ein,  der  Puls  wurde  an¬ 
dauernd  stark  beschleunigt,  so  dass  zunächst  an  eine  schwere 
Blutung  gedacht  wurde.  Die  Bewusstlosigkeit  wiederholte 
sich  in  dem  von  S  c  h  1  u  t  i  u  s  mitgeteilten  Falle  in  den  nächsten 
Tagen  mehrere  Male,  in  dem  Binder  sehen  Falle  hielt  sie  mit 
kleinen  Unterbrechungen  sehr  lange  bis  zum  nächsten  Tage 
an,  um  dann  nicht  mehr  wiederzukehren.  In  beiden  Fällen 
wurde  im  Urin  eine  reichliche  Menge  Eiweiss  nachgewiesen; 
der  Eiweissgehalt  geht  mit  dem  Rückgang  der  bedrbhlichen 
Symptome  allmählich  auf  ein  Minimum  zurück.  In  beiden 
Fällen  liess  sich  während  der  Erkrankung  unzweifelhaft  eine 
Hypertrophie  des  Herzens  nachweisen  und  beide  Frauen  klag¬ 
ten  kurz  vor  der  Entbindung  über  Sehstörungen. 

Zu  eigentlichen  Krämpfen  kam  es  in  beiden  Fällen  nicht, 
nur  beobachtete  S  c  h  1  u  t  i  u  s  während  des  Ohnmachtsanfalles 
Zuckungen  im  Muse,  .supra-  et  infraspinatus  und  cucullaris  del- 
toideus.  Binder  und  S  c  h  1  u  t  i  u  s  kommen  auf  Grund 
dieser  Symptome  ebenfalls  zu  der  Diagnose  Eklampsie  ohne 
Krämpfe. 

Nach  Schmorl  betreffen  die  wichtigsten  Organverände- 
änderungen  bei  typischer  Eklampsie  die  Nieren,  die  Leber,  das 
Herz  und  das  Gehirn.  Schmorl  glaubt  nun  auch  solche  Fälle 
mit  Sicherheit  als  Eklampsie  bezeichnen  zu  müssen,  bei  denen 
sich  diese  Organveränderungen  nachweisen  lassen,  auch  wenn 
das  wichtigste  Symptom,  die  Krämpfe,  intra  vitam  gefehlt 
haben. 

Bei  der  Niere  handelt  es  sich  nach  Sch  m  o  r  1  meist  um 
degenerative  Prozesse  am  sezernierenden  Parenchym,  beson¬ 
ders  am  Parenchym  der  gewundenen  Harnkanälchen,  an  dem 
sich  albuminöse  Trübung  und  fettige  Entartung  vorfindet. 
Ebenso  wichtig  sind  die  Veränderungen  der  Leber,  Nekrosen 
mit  Thronibenbildung  in  den  Kapillaren  und  inter-  et  intra- 
lobulären  Pfortaderästchen,  ferner  schwere  degenerative  Pro¬ 
zesse  und  Nekrosen  im  Herzfleisch,  multiple  Blutungen  und 


)  Vortrag,  gehalten  in  der  fränkischen  Gesellschaft  für  Ge¬ 
burtshilfe  und  Gynäkologie. 


Erweichungsherde  im  Gehirn  und  multiple  Thrombenbildung  in 
den  inneren  Organen. 

Wir  sind  in  zweifelhaften  Fällen,  wenn  also  das  wichtigste 
Symptom,  die  Krämpfe,  gefehlt  haben,  um  so  mehr  berechtigt, 
von  Eklampsie  zu  sprechen,  je  mehr  von  diesen  typischen 
Organveränderungen  festgestellt  werden  können.  Ebensogut 
aber,  wie  bei  anderen  Krankheiten  diese  oder  jene  für  sie 
typische  Organveränderung  fehlen  kann,  ohne  dass  damit  zu¬ 
gleich  die  Diagnose  der  betreffenden  Krankheit  hinfällig  würde, 
ebenso  häufig  wird  auch  bei  der  Eklampsie  das  Gesamtbild 
der  von  Schmorl  aufgestellten  Organveränderungen  nicht 
immer  zu  finden  sein.  So  konnte  Schmorl  unter  73  Fällen 
2  mal  eine  Nierenaffektion  nicht  nachweisen  und  zwar  bei 
typischem  klinischen  Verlauf  der  Eklampsie. 

Es  ist  gewiss  leicht,  die  Diagnose  Eklampsie  auch  aus  nur 
einigen  der  betreffenden  Organveränderungen  stellen  zu 
können,  sobald  das  wichtigste  Symptom,  die  Krämpfe,  be¬ 
obachtet  wurden;  fehlt  aber  dieses,  so  kann  man  auch  bei 
Fehlen  nur  einer  der  wichtigsten  Organveränderungen  sehr  in 
Zweifel  kommen,  ebenso  wenn  die  an  den  in  Betracht  kom¬ 
menden  Organen  nachgewiesenen  Veränderungen  anderer  Art 
sind,  als  die  bei  dem  typischen  Eklampsiebefund.  Wenn  wir 
die  Eklampsie  als  eine  Intoxikation  auffassen,  wenn  also  die 
Organveränderungen  durch  die  Wirkung  des  Eklampsiegiftes 
entstehen,  wäre  es  da  nicht  möglich,  dass  das  Eklampsiegift 
auch  einmal  andere  Organveränderungen  hervorruft  als  die  ge¬ 
wöhnlich  gefundenen?  Es  ist  doch  nicht  ausgeschlossen,  dass 
die  betreffenden  Organe  auch  einmal  anders  auf  das  Gift 
reagieren  können. 

Was  den  pathologisch-anatomischen  Befund  bei  den  oben 
erwähnten  Fällen  betrifft,  so  zeigen  die  Organe  fast  alle  die  für 
Eklampsie  charakteristischen  Veränderungen,  nämlich  Verände¬ 
rungen  am  sezernierenden  Parenchym  der  Nieren,  multiple 
hämorrhagische  und  anämische  Nekrosen  der  Leber,  schwere 
parenchymatöse  Degeneration,  Nekrosen  und  Blutungen  im 
Herzfleisch,  multiple  Erweichungsherde  und  Blutungen  im  Ge¬ 
hirn,  sowie  multiple  Thrombenbildung  in  den  inneren  Organen. 

Im  Falle  Esch  wurden  die  Nieren  nicht  untersucht;  es 
konnte  aber  intra  vitam  durch  Untersuchung  des  Urins  eine 
Affektion  derselben  festgestellt  werden. 

Anschliessend  hieran  möchte  ich  Ihnen  einen  Fall  mitteilen, 
den  ich  auf  der  geburtshilflichen  Abteilung  der  Universitäts- 
Frauenklinik  Würzburg  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte. 

Es  handelt  sich  um  eine  19  jährige  ledige  I.  Para.  Sie  gibt 
bei  ihrer  Aufnahme  abends  an,  dass  sie  seit  Mittag  desselben  Tages 
leichte  Wehen  verspüre.  Sie  will  nie  ernstlich  krank  gewesen  sein. 
Ihre  letzte  Periode  hatte  sie  von  Ende  April  bis  anfangs  Mai.  Die 
Schwangerschaft  verlief  ohne  Störungen. 

Status:  Mittelgrosses  gutgenährtes  Mädchen,  mässiges  Fett¬ 
polster,  graziler  Knochenbau.  Keine  Zeichen  früherer  Rachitis.  Keine 
Oedeme. 

Das  Abdomen  gleichmässig  oval  aufgetrieben.  Fundus  steht  in 
der  Mittellinie  2  querfingerbreit  unterhalb  des  Proc.  ensiform.,  seit¬ 
lich  reicht  er  bis  zum  Rippenbogen.  Im  Fundus  der  Steiss,  der 
Rücken  liegt  rechts  vorne,  kleine  Teile  links,  der  Kopf  steht  im 
Beckeneingang. 

Introitus  und  Vagina  eng.  Portio,  Zervikalkanal  verstrichen. 
Aeusserer  Muttermund  bequem  für  einen  Finger  durchgängig. 

Der  Kopf  steht  beweglich  im  Beckeneingang,  die  Blase  steht. 
Kleine  Fontanelle  rechts  •  vorne,  die  .Pfeilnaht  verläuft  im  linken 
schrägen  Durchmesser. 

Nach  Anamnese  und  Befund  befindet  sich  also  die  Gravida 
am  regelmässigen  Ende  der  Schwangerschaft,  das  Kind  liegt  in  zwei¬ 
ter  Schädellage. 

Da  die  Wehen  sehr  schwach  sind  und  nur  sehr  selten  auf- 
treten-  wird  vorläufig  von  einer  Verbringung  der  Kreissenden  ins 
Kreisszimmer  abgesehen. 

Am  nächsten  Morgen  sind  die  Wehen  kaum  stärker.  Gravida 
hat  während  des  grössten  Teiles  der  Nacht  geschlafen,  sie  ist  auf. 

Bei  der  abendlichen  Visite  um  5  Uhr  liegt  Gravida  bereits  im 
Bett.  Auf  Befragen  gibt  sie  an,  dass  sie  nachmittags  2  mal  er¬ 
brochen  habe,  worauf  sie  sich  zu  Bett  gelegt  hätte.  Auch  will  sie 
2  mal  Stuhlgang  gehabt  haben.  Urin  wurde  kurz  vorher  gelassen, 
wurde  aber  nicht  aufgefangen.  Gravida  liegt  mit  angezogenen 
Beinen  da,  der  Leib  stark  eingezogen,  sie  klagt  über  Schmerzen 
i«  der  Magengegend. 

Der  Puls  ist  stark  beschleunigt  und  auffallend  klein,  die  Tem¬ 
peratur  beträgt  36,8 u  C.  Die  Atmung  ist  etwas  beschleunigt,  die 
oberen  und  unteren  Extremitäten  fühlen  sich  auffallend  kühl  an. 
Beim  Katheterisieren  der  Blase  entleert  sich  nur  ein  Tropfen  Urin, 
nicht  einmal  zur  Untersuchung  ausreichend.  Die  Beine  werden  in 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1523 


warme  Tücher  geschlagen;  ausserdem  bekommt  sie  Milch  und  Wer- 
narzer  Wasser.  Um  8Va  Uhr  abends  hat  Qravida  auf  Genuss  von 
Milch  und  Wernarzer  Wasser  schwärzliche  dünnflüssige  Massen  er¬ 
brochen.  Sie  klagt  über  Leibschmerzen,  ist  sehr  unruhig.  Sensorium 
vollkommen  frei.  Abdomen  nur  in  der  Magengegend  etwas  druck¬ 
empfindlich,  keine  peritonitischen  Symptome.  Puls  klein  und  fre¬ 
quent  120.  Atmung  noch  mehr  als  vorhin  beschleunigt.  (60  Atem¬ 
züge  in  1  Min.)  Die  Extremitäten  fühlen  sich  kühl  an.  Der  Zustand 
der  Gravida  bessert  sich  nicht.  Sie  macht  den  Eindruck  einer  Ver¬ 
gifteten.  Sie  selbst  bestreitet  aber  entschieden  Gift  in  irgend  einer 
Form  genommen  zu  haben.  Es  wird  wegen  Verdachtes  auf  Vergiftung 
Rizinusöl  per  os  in  Kapseln  gegeben,  ausserdem  ein  Kochsalzeinlauf 
gemacht.  Bald  darauf  stellt  sich  wieder  Erbrechen  ein.  Die  kind¬ 
lichen  Herztöne  sind  deutlich  hörbar. 

Von  10  Uhr  abends  wird  der  Puls  noch  schlechter,  zeitweise 
kaum  fühlbar,  trotzdem  nach  und  nach  6  ccm  Kampher  subkutan  ge¬ 
geben  wurden.  Sensorium  ist  bis  10/4  Uhr  vollkommen  frei.  Von 
dieser  Zeit  ab  gibt  Gravida  nur  noch  auf  dringendes  Zureden  Antwort. 
Von  IIV2  Uhr  ab  antwortet  sie  gar  nicht  mehr.  Sensorium  voll¬ 
ständig  geschwunden.  Der  Radialpuls  ist  nicht  mehr  fühlbar.  Die 
Atmung  nimmt  C  h  e  y  n  e  -  S  t  0  k  e  s  sehen  Typus  an.  Ab  und  zu 
leises  Stöhnen.  Herztöne  des  Kindes  nicht  mehr  zu  hören.  Unter 
zunehmender  Zyanose  erfolgt  gegen  2  Uhr  nachts  der  Exitus  im 
tiefen  Koma. 

Leider  versäumte  ich,  da  ich  den  Fall  anfangs  nicht  so  schwer 
einschätzte,  an  die  Entbindung  durch  Sectio  caesarea  zu  denken. 
Um  9Vs  Uhr  waren  noch  deutlich  die  kindlichen  Herztöne  zu  hören; 
es  wäre  also  möglich  gewesen,  wenigstens  das  Kind  zu  retten. 

Am  nächsten  Tage  gab  die  Mutter  der  Gestorbenen  noch  an, 
dass  ihre  Tochter  in  den  letzten  Tagen  auffallend  still  gewesen  wäre, 
aber  irgendwelche  Schmerzen  nicht  geklagt  hätte.  Einen  Selbst¬ 
mord  durch  Vergiftung  hält  sie  für  ausgeschlossen. 

Am  Tage  p.  mort.  fand  die  Sektion  statt,  die  Herr  Prosektor 
Dr.  Schminke  ausführte.  Er  war  so  liebenswürdig,  mir  das  Re¬ 
sultat  seiner  mikroskopischen  Untersuchungen  mitzuteilen,  wofür  ich 
ihm  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank  sage. 

Dem  pathologisch-anatomischen  Befunde  ist  folgendes  Wich¬ 
tige  zu  entnehmen: 

Makroskopisch  wurde  eine  Degeneration  des  Herzmuskels  nach¬ 
gewiesen.  Auf  dem  perikardialen  Ueberzug  kleine  Blutaustritte, 
ebenso  auf  der  hinteren  Fläche  des  Herzens.  Im  Endokard  des  rech¬ 
ten  Herzens  flächenhafte  Blutungen.  An  den  Nieren  ist  schon  makro¬ 
skopisch  eine  akute  parenchymatöse  Entzündung  nachweisbar.  Die 
mikroskopische  Betrachtung  der  Niere  lässt  ebenfalls  Reizung  und 
degenerative  Prozesse  am  sezernierenden  Parenchym  erkennen.  Im 
Bereich  der  Rinde  an  den  Tubuli  contorti  Quellung  der  Epithelien, 
Auflockerung  des  Plasmas  derselben,  körnige  Trübung  und  starke 
vakuoläre  Degeneration.  Im  Lumen  reichlich  Gerinnselbildung.  An 
einzelnen  Stellen  kann  man  auch  vollkommenen  Zerfall  der  Zellen, 
homogene  Eiweisskoagula  und  Desquamation  dieser  Massen  in  die 
Tubulilumina  zu  erkennen.  Auch  an  den  Glomeruli  sind  degenerative 
Prozesse  deutlich.  Auch  die  H  e  n  1  e  sehen  Schleifen  weisen  an  den 
Epithelien  starke  Degeneration  auf.  Ueber  weite  Strecken  sind  die 
Epithelien  hier  mortifiziert  und  ins  Lumen  abgestossen,  kurz  das 
Bild  einer  akuten  parenchymatösen  Nephritis. 

Makroskopisch  fällt  die  exquisit  safrangelbe  Farbe  der  Ober¬ 
fläche  und  der  Schnittfläche  der  Leber  auf,  die  Läppchenzeichnung  ist 
deutlich.  Mikroskopisch  ist  eine  starke  Fettinfiltration  zu  erkennen 
über  weite  Strecken  des  Organs  in  multiplen  Tröpfchen;  bei  der 
Ausdehnung  dieser  Fettinfiltration,  sodann  der  Einlagerung  des  Fettes 
in  Form  multipler  Tröpfchen  ist  trotz  Fehlens  anderer  Erschei¬ 
nungen  der  Degeneration  an  einen  degenerativen  Prozess  zu  denken. 
Von  kapillären  Thrombosen  nichts  nachzuweisen.  Im  Gehirn  eben¬ 
falls  keine  Veränderungen.  Die  Harnblase  ist  leer,  der  rechte  Ureter 
etwas  erweitert. 

Die  Schleimhaut  des  Oesophagus  in  den  unteren  Partien 
schwärzlich  verfärbt.  Hier  wie  an  der  Schleimhaut  des  Magens 
keine  Zeichen  von  Verätzung. 

Zusammengefasst  haben  wir  also  Veränderungen  des  Her¬ 
zens  (Degeneration  des  Herzmuskels,  Blutaustritte  im  Endokard 
und  auf  dem  Perikard),  der  Nieren  (akute  parenchymatöse  Ent¬ 
zündung),  der  Leber  (fettige  Degeneration). 

Die  auffallend  gelbe  Farbe  der  Leber,  die  übrigens  auch 
von  Esch  erwähnt  wurde,  liess  an  eine  Phosphorvergiftung 
denken,  zumal  von  vornherein  eine  Vergiftung  angenommen 
wurde.  Eine  Untersuchung  des  Darminhaltes  auf  organische 
und  anorganische  Gifte,  die  von  Herrn  Prof.  Medikus  vor¬ 
genommen  wurde,  fiel  aber  negativ  aus. 

Für  irgend  eine  andere  Erkrankung  ist  weder  das  klinische 
Bild,  noch  der  pathologisch-anatomische  Befund  charakte¬ 
ristisch,  so  komme  ich  denn  auf  Grund  des  klinischen  Verlaufes 
und  auf  Grund  des  pathologisch-anatomischen  Befundes  zu  der 
Diagnose  „Eklampsie  ohne  Krämpfe“,  wenn  auch  die  Leber- 
.veränderungen  nicht  gerade  den  für  Eklampsie  typischen  Cha¬ 


rakter  haben  und  wenn  auch  Veränderungen  im  Gehirn  und 
multiple  Thrombosen  in  den  inneren  Organen  nicht  gefunden 
wurden. 


Aus  dem  Pathologischen  Institut  in  Leipzig  (Direktor;  Geh. 

Med. -Rat  Prof.  M  a  r  c  h  a  n  d). 

Ueber  Gehirnabszess  durch  Streptothrix.*) 

Von  Dr.  med.  M.  Lo  eh  lein. 

Die  Sektion  eines  am  Tage  vor  seinem  Tode  in  die  medi¬ 
zinische  Klinik  aufgenommenen  58  jährigen  Mannes  (No.  1867, 
1906)  ergab  neben  Schrumpfnieren  hohen  Grades  und  deren 
Folgezuständen  (hochgradige  Herzhypertrophie)  als  auffälligsten 
Befund  eine  umfangreiche  Abszessbildung  im  Gehirn. 

Nahe  dem  vorderen  Pole  des  rechten  Schläfenlappens  bis  dicht 
unter  dessen  Oberfläche  gelegen  findet  sich  ein  taubeneigrosser  Eiter¬ 
herd,  aus  dem  sich  an  einer  am  seitlichen  Umfang  des  Schläfen¬ 
lappens  beim  Eröffnen  des  Schädels  entstandenen  Verletzung  dicker 
grünlichgelber,  fadenziehender  Eiter  entleert.  Die  Gefässe  der  Pia 
sind  allenthalben  ziemlich  stark  mit  Blut  gefüllt,  besonders  auch  in 
der  Gegend  dieses  Herdes;  die  Maschen  der  Pia  sind  übrigens  hier 
wie  auch  an  der  übrigen  Grosshirnoberfläche  frei  von  Exsudat.  Beim 
Einschneiden  in  den  Schläfenlappen  (von  der  Unterfläche  aus  und  in 
ungefähr  sagittaler  Richtung)  zeigt  sich,  dass  der  erwähnte  Abszess 
nach  hinten  und  medianwärts  mit  einem  zweiten  kleineren  Herd  in 
breitem  Zusammenhang  steht,  der  Eiter  von  der  gleichen  Beschaffen¬ 
heit  enthält  wie  jener;  dieser  zweite  Abszess  hat  am  grösseren  Teile 
seines  Umfanges  eine  deutliche  grau-rötliche,  derbe  Kapsel.  Ein 
dritter,  knapp  kirschgrosser  Eiterherd  folgt  in  der  Marksubstanz 
des  Schläfenlappens  noch  weiter  nach  hinten;  er  steht  mit  den 
beiden  ersteren  nicht  in  einem  mit  blossem  Auge  nachweisbaren 
Zusammenhang.  Die  Gehirnsubstanz  in  der  Nachbarschaft  der  Abs¬ 
zesse  stark  durchfeuchtet,  weich;  diese  Beschaffenheit  setzt  sich 
bis  in  die  Gegend  des  Unterhorns  des  rechten  Seitenventrikels  fort. 
Bei  der  Eröffnung  der  Seitenventrikel  zeigen  sich  die  Plexus  chorioidei 
ganz  eingehüllt  in  dicke  gelbe  eitrige  Exsudatmassen;  im  Lumen  der 
Ventrikel  eine  dünne,  schwach  graugefärbte,  mit  weisslichen  Wolken 
durchsetzte  Flüssigkeit.  Auch  im  IV.  Ventrikel  leicht  getrübte  Flüs¬ 
sigkeit. 

Die  erste  Vermutung,  dass  es  sich  um  eine  otogene  Eite¬ 
rung  handle,  fand  keine  Stütze  in  dem  Befund  der  rechten 
Paukenhöhle,  die  keinerlei  pathologische  Veränderungen  zeigte. 
Dagegen  brachte  die  bakteriologische  Untersuchung  an 
Abstrichpräparaten  die  Feststellung  grosser  Mengen  feiner  ver¬ 
zweigter  Pilzfäden,  die  nach  Grösse  und  morphologischem  Ver¬ 
halten  sogleich  mit  Sicherheit  als  Streptothrix  elemente 
angesprochen  werden  konnten. 

Angesichts  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  von  (Strepto¬ 
thrix-)  Abszess  des  Gehirns  bei  Lungenaffektionen  war  das 
Bestehen  von  ausgedehnten  Bronchiektasien 
mässigen  Grades  besonders  in  beiden  Unterlappen  von  Inter¬ 
esse.  Leider  wurde  der  Versuch  von  mir  unterlassen,  in  den 
Lungen  bezw.  Bronchien  und  Bronchialdrüsen  nach  Pilzele¬ 
menten  zu  suchen.  Dass  hier  die  primäre  Lokalisation  der 
Streptothrix  mit  nahezu  völliger  Bestimmtheit  trotz  des 
mangelnden  Nachweises  angenommen  werden  muss,  scheint 
mir  nach  unseren  Kenntnissen  über  gleichartige  Fälle  sicher. 

Der  Fall  stellt  darnach  einen  Parallelfall  zu  der  bekannten 
ersten  vollständigen  einschlägigen  Beobachtung  von  E  p  p  i  n  - 
ger  dar,  übrigens  wie  ich  sogleich  näher  darlegen  werde, 
auch  hinsichtlich  der  Aetiologie  im  strengsten  Sinne,  da  es  sich 
in  meinem  Falle  um  dieselbe  Streptothrix  a  r  t  handelt,  die 
E  p  p  i  n  g  e  r  zuerst  gefunden  hat. 

Ich  möchte  der  Beschreibung  des  Pilzes  selbst  nur  noch 
eine  kurze  Erörterung  der  Pathogenese  der  Gehirnaffektion  auf 
Grund  der  histologischen  Untersuchung  voranschicken.  Dass 
die  ursprüngliche  Ansiedelung  der  Streptothrix  im  Gehirn  auf 
embolischem  Wege  entstanden  ist,  bedarf  nicht  der  Bespre¬ 
chung.  Ueber  das  Alter  einerseits,  über  die  Verbreitung  der 
Eiterung  an  Ort  und  Stelle  andererseits  konnte  folgendes  zur 
Aufklärung  dienen;  In  Schnitten  von  der  Wand  des  an  zweiter 
Stelle  genannten  Abszesses  und  seiner  Umgebung  zeigt  sich  die 
schon  makroskopisch  erkennbare  Kapsel  als  aus  groben,  von 
sehr  zahlreichen,  strotzend  mit  Blut  gefüllten  Gefässen  durch¬ 
setzten  Bindegewebsfasern  gebildet,  in  deren  Maschen  mehr 

*)  Nach  einem  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  zu  Leipzig 

am  29.  I.  und  26.  II.  1907  gehaltenen  Vortrag. 


2 • 


1524 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3l. 


oder  weniger  reichlich  Leukozyten  liegen.  Nach  der  Beschaf¬ 
fenheit  dieser  „Kapsel“  kann  man  wohl  sicher  auf  ein  Alter  des 
Herdes  von  mindestens  einigen  Wochen  schliessen.  Den  Zeit¬ 
punkt  der  ersten  embolischen  Ansiedelung  freilich  kann  man 
auch  nicht  annäherungsweise  genauer  bestimmen. 

Was  dieVerbreitungderEiterung  und  besonders 
ihr  Uebergreifen  auf  die  Seitenventrikel  anlangt,  so  war  bei 
dem  Fehlen  einer  eitrigen  Infiltration  der  Pia  des  Grosshirns 
in  der  Nachbarschaft  der  Abszesse  von  vorneherein  die  Wahr¬ 
scheinlichkeit  gross,  dass  das  Unterhorn  direkt  vom  Schlä¬ 
fenlappen  aus  infiziert  worden  sei.  Hierfür  ergab  die  histo¬ 
logische  Untersuchung  insofern  Anhaltspunkte,  als  sich  ausge¬ 
dehnte  streifenförmige,  eitrige  Infiltrate  auch  ausserhalb  der 
Abszesse  in  der  Schläfenlappensubstanz  fanden  —  am  ge¬ 
härteten  Präparat  auf  der  Schnittfläche  mit  blossem  Auge  leicht 
erkennbar. 

In  diesen  Infiltraten  fanden  sich  —  wie  im  Innern  der  abs- 
zedierenden  Herde  —  grosse  Mengen  der  charakteristischen 
verzweigten  Fäden,  nirgends  andere  Mikroorganismen.  Die¬ 
selben  Streptothrixelemente  fanden  sich  —  ebenfalls  sehr  reich¬ 
lich  —  in  Abstrichen  und  Schnittpräparaten  von  den  Plexus. 

Zur  Kultur  des  Pilzes  waren  am  Tage  der  Autopsie  von 
dem  Eiter  der  Abszesse  Agarplatten  gegossen  und  teils  frei,  teils 
in  Wasserstoffatmosphäre  in  den  Brütschrank  gebracht  wor¬ 
den;  ausserdem  waren  gewöhnliche  Agarröhrchen  in  grösserer 
Zahl  geimpft  worden.  Auf  allen  beschickten  Nährböden  ent¬ 
wickelte  sich  innerhalb  48  Stunden  —  von  einzelnen  zweifellos 
akzidentellen  Verunreinigungen  abgesehen  —  eine  Reinkultur 
von  Streptothrix  Eppingeri,  wie  sich  aus  den  folgenden  Einzel¬ 
angaben  über  das  weitere  Verhalten  der  Tochterkulturen  ergibt: 

Agar-Oberfläche:  (bei  37  °)  nach  36 — 48  Stunden  (bei 
spärlicher  Aussaat)  kleinste,  runde,  nagelkopfartige  Kolonien  von 
schwach  grauer  Farbe  und  etwas  glänzender  Oberfläche,  die  (be¬ 
sonders  deutlich  unmittelbar  nach  der  Isolierung)  feine  wurzelartige 
Fortsätze  in  die  Tiefe  des  Nährbodens  ausstrecken.  Nach  mehreren 
Tagen  fangen  die  Kulturen  an,  sich  mehr  oder  weniger  deutlich  gelb 
zu  färben.  Alte  Agarkulturen  zeigen  schöne  Orangefärbung. 

Agarplattenkultur:  runde  Kolonien  mit  dichterem  Zen¬ 
trum  und  lockerer  peripherer  Zone. 

Agarstichkultur:  Ganz  überwiegendes  Wachstum  an  der 
Oberfläche,  wo  sich  —  bei  reichlicher  Einsaat  —  eine  dicke,  gerunzelte 
Pilzmembran  von  anfänglich  grauer,  später  gelber,  schliesslich 
orangegelber  Farbe  bildet. 

Bouillonkultur  (bei  37 °):  Stärkstes  Wachstum  an  der 
Oberfläche;  Bildung  eines  grauweissen  Häutchens,  das  später  all¬ 
mählich  orangegelb  bis  rötlich  wird,  und  das  - —  bei  Vermeidung  von 
Erschütterungen  des  Röhrchens  —  an  Ort  und  Stelle  bleibt.  In  Röhr¬ 
chen,  die  geschüttelt  worden  sind,  sinken  Fetzen  der  Oberflächen- 
kolonien  zu  Boden  und  bilden  einen  grauweisslichen  bis  höchstens 
schwach  gelblichen  Bodensatz. 

Gelatinestichkultur  bei  22°:  nach  Wochen  kein  deut¬ 
liches  Wachstum;  keine  Verflüssigung  des  Nährbodens. 

Kartoffelkultur  (bei  37  °) :  nach  2 — 3  Tagen  grauer  Rasen, 
der  sich  allmählich  mit  einem  dicken  streuzuckerartigen  weissen  Belag 
bezieht,  im  Brütschrank  auch  nach  vielen  Wochen  seine  Farbe  nicht 
ändert,  während  beim  Stehen  am  Lichte  nach  einigen  Tagen  gold- 
bis  orangegelbe  Färbung  auftritt. 

Zur  Morphologie  des  Pilzes  habe  ich  nur  folgende 
Bemerkungen  zu  machen:  Eigenbewegungen  habe  ich  an  den 
verschiedenen  Elementen  dieser  Streptothrix,  auf  deren  Be¬ 
schreibung  ich  verzichten  kann,  ebensowenig  wahrgenommen, 
wie  an  einer  anderen,  früher  von  Engelhardt  und  mir  be¬ 
schriebenen  menschenpathogenen  Streptothrixart. 

Kolbenbildung  nach  Art  des  typischen  Aktinomyzes  habe 
ich  weder  in  Ausstrichen  noch  in  Schnitten  beobachtet.  „Säure¬ 
festigkeit“  besitzen  einzelne  Elemente  älterer  Kolonien;  junge 
Fadengcflechte  dagegen  nicht.  Zur  Färbung  empfiehlt  sich  am 
meisten  die  G  r  a  in  sehe  Methode. 

Die  Prüfung  der  Pathogenität  für  Tiere  erfolgte  an 
einem  Hunde,  mehreren  Kaninchen  und  Meerschweinchen. 

Der  Hund,  ein  kräftiger  Dachshund,  erhielt  in  den  peri¬ 
pheren  Teil  der  freigelegten  linken  Arteria  carotis  communis 
eine  Dosis  von  1,5  ccm  einer  dicken  Emulsion  von  mehrtägiger 
Agarkultur,  zeigte  aber  —  nach  dem  Ueberstehen  der  ersten 
Folgen  des  Eingriffes  —  dauernd  keine  Symptome  (ßeobach- 
tungsdaucr  6  Wochen).  Eine  zweite  Injektion  einer  noch  grös¬ 
seren  Dosis  (über  2  ccm)  in  die  andere  Karotis  hatte  ebenfalls 
dauernd  keine  nachweisbaren  Folgen.  Pathogenität  der  Strep¬ 


tothrix  für  Hunde  kann  danach  jedenfalls  nicht  behauptet 
werden. 

Die  Versuche  an  Kaninchen  und  Meerschweinchen  da¬ 
gegen  führten  zu  positiven  Resultaten,  die  in  allen  wesentlichen 
Einzelheiten  den  von  E  p  p  i  n  g  e  r  mit  seinem  Pilz  erzielten 
analog  sind,  d.  h.  es  kam  bei  intravenöser,  subkutaner  und 
intraperitonealer  Injektion  etwas  grösserer  Dosen  zur  Aus¬ 
bildung  einer  ausgesprochenen  „Pseudotuberkulose“,  die  bei 
intravenöser  Injektion  ganz  generalisiert  war. 

Zwei  mittelgrosse  Kaninchen,  die  am  21.  XII.  06  je  2  ccm  einer 
Emulsion  von  14  Tage  alter  Agarkultur  intravenös  (Vena  jugularis 
externa)  erhalten  haben,  starben  am  Morgen  bezw.  Nachmittag  des 
24.  XII.  Bei  der  Autopsie  von  Kaninchen  I  zeigten  die  Lungen 
etwas  vermehrten  Blutgehalt  und  vermehrte  Konsistenz,  einzelne 
hämorrhagische  Fleckchen  und  zahlreiche  mit  blossem  Auge  eben  - 
sichtbare  graue  und  mehr  graugelbliche,  im  Parenchym  unregelmässig 
verteilte  Herdchen.  In  der  Wand  beider  Herzventrikel  zahllose 
kleinste  und  bis  stecknadelkopfgrosse  graugelbliche  oder  intensiv 
gelbliche  Herdchen,  die  Leber  ganz  durchsetzt  von  kleinsten  gelb¬ 
lichen  Knötchen,  die  Milz,  stark  geschwollen,  zeigte  auf  der  Schnitt¬ 
fläche  grosse  unregelmässige,  zu  eichblattförmigen  Figuren  kon- 
fluierende  opake  gelbe  Herde.  In  der  Wand  des  Uterus  zahlreiche 
tautropfenähnliche  stark  prominente  kleine  Knötchen,  in  beiden  Nieren 
sehr  zahlreiche  teils  rundliche,  teils  unregelmässiger  gestaltete  gelb¬ 
liche  Herde,  besonders  in  der  intermediären  Zone. 

Von  den  mikroskopischen  Befunden  sollen  nur  einige  Einzelheiten 
kurz  hervorgehoben  werden.  In  den  Lungen  finden  sich  einmal  im 
Anschluss  an  Pilzembolien  kleinerer  Arterienäste,  die  zweifellos  als 
unmittelbare  Folge  der  Injektion  entstanden  sind,  sehr  zellreiche 
Herdchen  mit  dichten  Pilzgeflechten  im  Zentrum,  die  im  wesentlichen 
aus  polymorphkernigen  Leukozyten  und  Rundzellen  bestehen,  ferner 
finden  sich  an  vielen  Stellen  in  grosser  Ausdehnung  die  Kapillaren 
vollgepropft  von  Pilzgeflechten,  zwischen  denen  mehr  oder  weniger 
zahlreiche  Leukozyten  liegen,  endlich  finden  sich  in  Lungenvenen¬ 
ästen  häufig,  und  zwar  besonders  an  der  Einmündungsstelle  kleinerer 
in  grössere  Aeste  pilzförmig  ins  Lumen  vorspringende  Thromben, 
die  zuweilen  massenhafte  Streptothrixfäden  enthalten.  Die  Herd¬ 
chen  im  Herzmuskel  besitzen  ein  oft  von  dichten  Pilzgeflechten  teils 
umgebenes,  teils  durchwuchertes,  meist  in  der  Faserrichtung  länglich, 
gestrecktes,  nekrotisches  Zentrum,  das  von  einer  schmalen,  hauptsäch¬ 
lich  aus  polymorphkernigen  Leukozyten  gebildeten  Infiltrationszone 
umgeben  ist.  Ganz  ähnlich  verhalten  sich  die  Herdchen  in  der  Leber. 
In  der  Milz  erweisen  sich  die  opaken  gelblichen  Herde  gleichfalls 
als  homogene  nekrotische  Partien.  Zahlreiche  ganz  ähnliche  Herd¬ 
chen,  die  makroskopisch  nicht  erkennbar  waren,  finden  sich  auch  in 
den  Nebennieren.  An  Schnitten  der  Uteruswand  zeigten  sich  in  allen 
Schichten'  derselben  auf  der  Schnittfläche  kreisrunde,  nach  dem  Lumen 
bezw.  nach  der  Serosaseite  zu  oft  halbkugelig  prominente,  sehr  zell¬ 
reiche  Knötchen  mit  massenhaften  im  ganzen  radiär  angeordneten 
Pilzelementen.  In  den  Nieren  finden  sich  ungemein  zahlreiche  Ka¬ 
pillarembolien,  einerseits  in  den  Kapillaren  der  Rinde,  wo  ausgedehnte 
Gitterfiguren  von  den  ganz  durch  gewucherte  Pilzelemente  erfüllten 
Rindenkapillaren  gebildet  werden,  andererseits  in  den  Schlingen  der 
Glomeruli,  die  schwere  Veränderungen  aufweisen,  deren  Schilderung 
im  einzelnen  zu  weit  führen  würde. 

Der  Befund  bei  dem  zweiten  Kaninchen  war  nur  insofern  etwas 
abweichend,  als  hier  die  Beteiligung  des  Uterus  fehlt  —  aus  der  Milz 
und  den  Nieren  von  Kaninchen  II  wurden  Reinkulturen  der  Strepto¬ 
thrix  gezüchtet. 

Ein  Meerschweinchen,  das  inträperitoneal  mit  1la  ccm  einer 
Emulsion  von  10  Tage  alter  Bouillonkultur  injiziert  war,  starb  nach 
5  Tagen  mit  ausgedehnter  „Pseudotuberkulose“  von  Netz  und  Peri¬ 
toneum  (parietale  und  viszerale)  und  einzelnen  grösseren  gelb¬ 
lichen  Knoten  in  Nieren  und  Milz.  In  Ausstrichen  der  Knoten  Hessen 
sich  zahlreiche  charakteristische  Pilzelemente  nachweisen,  auch  die 
Kultur  war  positiv. 

Auch  die  subkutane  Infektion  eines  Meerschweinchens  unter  der 
Bauchhaut  mit  einer  gleichen  Dosis  führte  zum  Exitus  nach  9  Tagen, 
an  der  Injektionsstelle  fand  sich  ein  zehnpfennigstückgrosser  Herd 
von  käseähnlicher  Beschaffenheit  in  der  Bauchwand.  Zahlreiche 
Stecknadelkopf-  bis  reiskorngrosse  gelbliche  Knoten  fanden  sich  sub¬ 
peritoneal  und  subpleural,  kleinere  und  grössere  ähnliche  Knoten  in 
beiden  Nieren,  vereinzelte  in  den  Lungen.  Die  Milz  geschwollen,  aber 
makroskopisch  frei  von  Herden. 

Die  wenigen  Tierversuche  gestatteten  den  Schluss,  dass 
eine  Wucherung  der  Streptothrix  im  Körper  des  Kaninchens 
und  Meerschweinchens  zweifellos  zustande  kommt  und  dass 
der  Organismus  dieser  Tiere  entsprechend  den  Angaben  E  p  - 
p  i  n  g  e  r  s  mit  einer  „Pseudotuberkulose“  auf  den  Eindringling 
reagiert.  Dass  es  sich  dabei  nicht  um  eine  einfache  „Fremd¬ 
körperreaktion“  handelt,  sondern  dass  die  Streptothrix  im  Tier¬ 
körper  zu  lebhafter  Wucherung  fähig  ist,  scheint  mir  nach  den 
mitgeteilten  Befunden  hinreichend  bewiesen.  Kolbenbildung  ist 
in  diesen  wenigen  Versuchen  nicht  beobachtet  worden.  Dass 
sie  unter  Umständen  bei  der  E  p  p  i  n  g  e  r  sehen  Streptothrix 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1535 


vorkommt,  ist  nach  den  Beobachtungen  von  Lu  barsch  und 
von  M  a  c  C  a  1 1  u  m  sichergestellt.  c 

Das  Gesamtergebnis  der  Beobachtungen  ist  dahin  zusam¬ 
menzufassen,  dass  ein  vollkomm  er  Parallelfall  zu 
der  ersten  einschlägigen  Beobachtung  Ep- 
p  i  n  g  e  r  s  v  o  r  1  i  e  g  t,  da  es  sich  hier  wie  dort  um  die  Ent¬ 
stehung  emboliseher  Abszedierung  im  Gehirn  durch  eine  nach 
ihren  morphologischen,  kulturellen  und  tierpathogenen  Eigen¬ 
schaften  sicher  zu  identifizierende  Streptothrix  handelt.  Eine 
vollkommen  analoge  Beobachtung  ist  seit  der  ersten  Mitteilung 
von  E  p  p  i  n  g  e  r  von  Horst  veröffentlicht  worden.  Die¬ 
selbe  Streptothrixart  ist  ferner  beim  Menschen  von,  A  oyama 
und  M  y  a  m  o  t  o  (Empyem),  S  c  h  a  b  a  d  (Empyem)  und  Mac 
Call  um  (postoperative  Peritonitis)  gefunden  worden.  Auf 
die  sehr  umfangreiche  Literatur  von  Streptothrixerkrankungen 
des  Menschen  soll  im  übrigen  nicht  eingegangen  werden1),  zu¬ 
mal  da  neuerdings  umfassende  Zusammenstellungen  der  ein¬ 
schlägigen  Angaben  erschienen  sind.  Ich  möchte  aber  die  Ge¬ 
legenheit  benutzen,  um  eine  von  Engelhardt  und  mir  vor 
mehreren  Jahren  eingehend  beschriebene  einschlägige  Mit¬ 
teilung  in  Erinnerung  zu  bringen,  die  den  meisten  späteren 
Bearbeitern  ähnlicher  Fälle  entgangen  zu  sein  scheint,  um¬ 
somehr,  als  es  sich  nach  der  Schwere  des  Krankheitsverlaufes 
und  dem  anatomischen  Befund  um  eine  exzeptionelle  Beob¬ 
achtung  handelte.  In  dem  betreffenden  Falle  fanden  sich  näm¬ 
lich,  verursacht  durch  eine  von  der  hier  beschriebenen  ab¬ 
weichende  Streptothrix,  massenhafte,  zum  Teil  sehr  grosse  Abs¬ 
zesse  in  allen  lebenswichtigen  Organen:  das  Gehirn  war  ganz 
durchsetzt  von  Abszessen,  sehr  grosse  Abszesse  fanden  sich  in 
der  Leber,  kleinere  in  beiden  Lungen,  im  Myokard,  in  der 
Milz.  Es  handelte  sich  also  um  eine  generalisierte  Pyämie  von 
einer  Schwere,  wie  sie  überhaupt  selten  zur  Beobachtung 
kommt. 

Bei  der  grossen  Unsicherheit,  die  bezüglich  der  Nomen¬ 
klatur  in  den  einschlägigen  Mitteilungen  herrscht,  möchte  ich 
nur  bemerken,  dass  ich  aus  praktischen  Gründen  hier,  wie  in 
meiner  erwähnten  früheren,  mit  Engelhardt  gemeinschaft¬ 
lich  veröffentlichten  Mitteilung  an  der  Bezeichnung  „Strepto- 
thrixinfektion“  festhalte.  Die  erste  Bedingung  für  eine  ein¬ 
heitliche  Bezeichnung  der  hierher  gehörigen  Krankheitsfälle 
scheint  mir  eine  Einigung  über  die  Bezeichnung  des  botanischen 
Genus  —  Streptothrix  oder  Aktinomyzes  —  zu  sein.  Von  bo¬ 
tanischer  Seite  tritt  man  aus  historischen  Gründen  für  den  Gat¬ 
tungsnamen  Aktinomyzes  ein.  In  der  medizinischen  Literatur 
wird  man  bis  zur  endgültigen  Entscheidung  dieser  Frage  am 
besten  wohl  an  der  auch  hier  gewählten  Bezeichnungsweise 
Streptothrix  festhalten. 

Literatur: 

A  o  y  a  m  a  und  M  i  y  a  m  o  t  o:  Mitt.  a.  d.  Mediz.  Fakult.  z.  Tokio, 
Bd.  4,  p.  231  f.  —  MacCallum:  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  Bd.  31, 
p.  529.  —  Engelhardt  und  L  ö  h  1  e  i  n :  Deutsch.  Arch.  f.  klin. 
Med.,  75,  p.  112.  —  Epp  in  ge  r:  Zieglers  Beitr.,  Bd.  9,  p.  287.  — 
Horst:  Ztschr.  f.  Heilk.,  24,  Heft  4.  —  Lu  barsch:  Ztschr.  f.  Hyg., 
Bd.  31,  p.  187.—  Sch  ab  ad:  Ztschr.  f.  Hyg.,  Bd.  47,  p.  41. 

Was  berechtigt  uns,  auf  Grund  der  funktionellen  Hör¬ 
prüfung  Simulation  bezw.  Uebertreibung  als  vorliegend 
anzunehmen?  Wie  verfahren  wir  am  besten,  um  bei 
dem  der  Simulation  bezw.  Uebertreibung  Ueberführten 
einen  Einblick  in  das  wirklich  vorhandene  Gehör  zu 

erlangen? 

Von  Dr.  Robert  D  ö  1  g  e  r, 

Stabsarzt  und  Spezialarzt  für  Ohren-,  Nasen-  und  Halskrank¬ 
heiten  in  Frankfurt  a.  M. 

Zur  Entlarvung  der  Simulation  bezw.  Uebertreibung  von 
Schwerhörigkeit  existieren  zahlreiche  besondere  Methoden  und 
tauchen  immer  wieder  neue  auf.  Sie  sind  aber  oft  recht  unzu¬ 
verlässig  und  richten  dadurch  mehr  Schaden  an  als  sie  nützen. 


1)  Auf  eine,  wie  mir  scheint,  bisher  einzig  dastehende  Beobach¬ 
tung,  die  von  zur  Nedden  stafnmt,  möchte  ich  aufmerksam  machen 
(Klin.  Monatshefte  für  Augenheilkunde,  1907,  pag.  152):  Es  handelt 
sich  um  eine  beim  Menschen  spontan  entstandene,  durch  eine  Strepto¬ 
thrix  verursachte  Keratitis. 


Mir  kam  ein  Fall  vor,  in  welchem  auf  Grund  einer  dieser  Me¬ 
thoden  (des  bekannten,  vielfach  angewandten  doppelseitigen 
Hörrohrversuches)  die  Diagnose  „einseitige  Taubheit“  gestellt 
worden  war,  während  die  nun  vorgenommene  funktionelle  Prü¬ 
fung  den  Untersuchten  als  Simulanten  entlarvte. 

Anderseits  sind  mir  Fälle  begegnet,  in  welchen  der  Simu¬ 
lation  verdächtige  Leute  durch  die  funktionelle  Prüfung  von 
diesem  Verdacht  gereinigt  werden  konnten. 

Wir  haben  also  in  der  funktionellen  Hörprüfung  ein  sicheres 
Hilfsmittel  nicht  nur  zur  Begründung  vorhandener,  auf  krank¬ 
hafter  Grundlage  beruhender  Schwerhörigkeit,  sondern  auch 
zur  Entlarvung  vorgetäuschter  Schwerhörigkeit. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Wichtigkeit  dieser  Frage  sowohl  im 
Militär-  wie  im  Zivilleben  erscheint  es  mir  zweckdienlich,  die 
funktionellen  Befunde,  welche  die  Annahme  von  Simulation 
oder  Uebertreibung  berechtigt  erscheinen  lassen,  einmal  kurz 
zusamenzufassen. 

Wir  sind  berechtigt,  Simulation  bezw.  Uebertreibung  als 
vorliegend  anzunehmen 

1.  wenn  der  Untersuchte  bei  der  Hörprüfung  für  Sprache 
wohl  die  entsprechende  Lippenbewegung  des  Anlautes  der  vor¬ 
gesprochenen  Prüfungsworte  macht,  dieselben  aber  gar  nicht 
oder  nur  zögernd  ausspricht. 

Beobachtung  der  Lippen  durch  den  das  Ohr  verschliessen- 
den  Assistenten  ist  deshalb  notwendig. 

2.  wenn  der  Untersuchte  bei  wirklichem  oder  nur  schein¬ 
barem  Verschluss  des  einen  normalen  oder  annähernd  normalen 
Ohres  in  nächster  Nähe  des  anderen  Ohres  forcierte  Flüster¬ 
sprache,  Umgangssprache  oder  Töne  der  Bezold-Edel- 
m  a  n  n  sehen  Tonreihe  von  c”  =  512  Doppelschwingungen  an 
nach  aufwärts  angeblich  überhaupt  nicht  hört. 

Wir  sind  nämlich  nicht  in  der  Lage,  selbst  durch  festesten 
Verschluss  eines  Ohres  das  andere  normale  oder  annähernd 
normale  Ohr  für  die  Sprache  wie  auch  für  den  oberen  Teil  der 
Tonreihe  ganz  vom  Hörakt  auszuschliessen. 

3.  wenn  der  Untersuchte  bei  einseitig  normalem  oder  an¬ 
nähernd  normalem  Gehör  die  auf  den  Scheitel  aufgesetzte 
Stimmgabel  A,  c’  oder  a’  angeblich  überhaupt  nicht  hört. 

Die  Knochenleitung  fällt  erfahrungsgemäss  gänzlich  nur  aus 
bei  doppelseitiger  Taubheit  oder  bei  hochgradiger,  der  Taub¬ 
heit  nahekommender  doppelseitiger  Schwerhörigkeit. 

4.  wenn  der  Untersuchte  die  auf  den  Scheitel  aufgesetzte 
Stimmgabel  A,  c’  oder  a’  angeblich  in  das  normale  oder  an¬ 
nähernd  normale  Ohr  hört,  bei  wirklichem  oder  auch  nur  schein¬ 
barem  Verschluss  desselben  aber  überhaupt  nicht  mehr;  oder 
wenn  er  die  auf  den  Scheitel  aufgesetzte  Stimmgabel  angeblich 
in  beiden  Ohren  hört,  bei  Verschluss  des  einen  Ohres  aber  an¬ 
geblich  im  anderen,  bei  Verschluss  der  beiden  Ohren  angeblich 
überhaupt  nicht  mehr. 

In  Wirklichkeit  müsste  die  Stimmgabel  bei  Verschluss  des 
Ohres,  auf  dem  sie  zuerst  gehört  wurde,  verstärkt  gehört 
werden. 

5.  wenn  der  Untersuchte  die  unbelasteten  Stimmgabeln 
a’  und  c”  längere  oder  kürzere  messbare  Zeit  (20  Proz.  ihrer 
Hördauer  nach  stärkstem  Anschlag  oder  länger)  per  Luftleitung 
auf  einem  Ohr  bei  gutem  Verschluss  des  anderen  Ohres  hört, 
Flüsterlaute  oder  Umgangssprache  (bei  event.  doppelseitiger 
Schwerhörigkeit)  auch  aus  nächster  Nähe  des  Ohres  angeblich 
nicht. 

Der  Stimmgabelton  a’  grenzt  unmittelbar  an  die  von  B  e  - 
z  o  1  d  für  das  Sprachverständnis  als  unbedingt  notwendig  be- 
zeichnete  Tonstrecke  b’— g"  der  Bezold-Edelmann- 
schen  Tonreihe;  c”  ist  in  ihr  enthalten.  Bei  genügendem  Ge¬ 
hör  für  diese  Töne  (Hördauer  20  Proz.  und  mehr)  ist  auch  ge¬ 
nügendes  Gehör  für  Sprache  vorhanden. 

6.  wenn  bei  öfterer  Wiederholung  der  funktionellen  Prü¬ 
fung  die  Angaben  des  Untersuchten  über  perzipierte  'Ion¬ 
strecken,  Hördauer  einzelner  Töne  und  Hörweite  für  Sprache 
jedesmal  wesentlich  andere  Ergebnisse  zeitigen. 

Umgekehrt  dürfen  wir  in  dem  völligen  Gleichbleiben  der 
Angaben  des  Untersuchten  den  Gegenbeweis  erblicken  in  den 
etwa  zu  Unrecht  der  Simulation  oder  Uebertreibung  geziehenen 
Fällen. 

Gelingt  es  uns  so  im  allgemeinen  leicht,  im  Verlaui  einer 
exakten  funktionellen  Hörprüfung  einen  Simulanten  als  solchen 


1526 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


zu  entlarven,  so  gestaltet  sich  unsere  weitere  Aufgabe,  einen 
Einblick  in  das  wirklich  vorhandene  Gehör  eines  Simulanten 
zu  erlangen,  oft  sehr  viel  schwieriger. 

Die  psychologischen  Vorgänge  im  Innern  eines  Simulanten 
berücksichtigend,  werden  wir  im  allgemeinen  um  so  eher  zum 
Ziele  gelangen,  je  mehr  wir  ihm  den  Weg  zur  Wahrheit  zu  er¬ 
leichtern  suchen  und  ihm  über  das  beschämende  Gefühl  des 
Eingestehens  einer  bewussten  Unwahrheit  hinweghelfen.  So 
werden  wir  bei  vielen  derartig  entlarvten  Simulanten  ein  dank¬ 
bares  Verständnis  finden,  wenn  wir  das  unglaubwürdige  Unter¬ 
suchungsergebnis  zu  erklären  versuchen  durch  wohl  vor¬ 
handene  grosse  Schwankungen  des  Gehörs  zu  verschiedenen 
Zeiten,  ev.  bei  Witterungswechsel  und  —  mit  der  Begründung 
der  angeblich  immer  hörverbessernden  Wirkung  einer  Luft- 
eintreibung  in  solchen  Fällen  —  eine  Uufteintreibung  vornehmen 
(ganz  abgesehen  natürlich  von  den  mit  Einsenkungserschei¬ 
nungen  am  Trommelfell  einhergehenden  Prozessen,  bei  welchen 
Uufteintreibungen  zur  Diagnosestellung  überhaupt  gehören). 
In  einem  grossen  Prozentsatz  der  Fälle  erlangen  wir  bei  der 
nun  folgenden  Hörprüfung  richtige  Angaben. 

In  anderen  Fällen  hinwiederum  bedarf  es  unserer  ganzen 
Ruhe,  Ausdauer  und  Geduld,  um  erst  nach  wiederholten  Uuft¬ 
eintreibungen  in  grösseren  oder  kleineren  Zwischenpausen 
(Tage  oder  Wochen)  unter  allmählichen  Zugeständnissen  ein 
richtiges  Hörrelief  zu  bekommen. 

Als  wichtigste  Zugeständnisse  dürfen  wir  stets  betrachten 
die  längere  oder  kürzere  Perzeption  der  Stimmgabel  a’  per  Luft- 
leitung,  weil  dies  einen  Schluss  auf  das  vorhandene  Sprach- 
gehör  auf  dem  betreffenden  Ohr  zulässt  (siehe  oben  5.),  §owie 
natürlich  vor  allem  das  Hören  von  Flüstersprache  selbst  (oder 
bei  doppelseitiger  Schwerhörigkeit  auch  Umgangssprache), 
wenn  auch  zunächst  nur  unmittelbar  vor  dem  Ohre.  Haben 
wir  dies  erreicht,  so  verfahren  wir  fortan  am  besten  in  folgender 
Weise  bei  der  Hörprüfung  für  Sprache:  Wir  verbinden  die 
Augen  des  Untersuchten  mit  einem  undurchsichtigen  Tuche; 
ein  Assistent  verschliesst  das  eine  Ohr,  indem  er  einen  ange¬ 
feuchteten  Wattepfropf  mit  dem  Zeigefinger  fest  in  den  Gehör¬ 
gangseingang  drückt  und  beobachtet  unauffällig  gleichzeitig  die 
Uippenbewegungen.  Wir  stellen  uns  nun  in  einer  Entfernung 
von  3  m,  nicht  wie  gewöhnlich  mit  zugewandtem,  sondern  mit 
abgewandtem  Munde  auf  und  flüstern  die  Prüfungsworte  in  den 
Raum.  Wenn  nicht  nachgesprochen  wird,  machen  wir  kehrt 
und  flüstern  jetzt  wie  gewöhnlich,  den  Mund  gegen  das  Ohr  des 
Untersuchten  gewandt.  Der  Untersuchte  hat  jetzt  den  Ein¬ 
druck,  als  ob  wir  uns  ihm  genähert  hätten.  Wird  auch  jetzt 
nicht  nachgesprochen,  so  nähern  wir  uns  ihm  leise  auf  2  m, 
event.  1  m  und  schliesslich  event.  soweit,  dass  wir  mit  dem 
Rücken  bezw.  mit  der  Brust  die  Seite  des  Untersuchten  be¬ 
rühren,  immer  zunächst  mit  abgewandtem,  dann  mit  zuge¬ 
wandtem  Munde  prüfend.  Die  so  gewonnene  Hörstrecke 
messen  wir  jedesmal  von  Ohr  zu  Mund  genau  aus  und  notieren 
sie.  Bei  der  nächstfolgenden  Untersuchung  beginnen  wir  die 
Prüfung  in  der  eben  beschriebenen  Weise  aus  einer  Entfernung 
von  4  m,  dann  event.  5  und  6  m,  bis  wir  schliesslich  den  wirk¬ 
lich  vorhandenen  Grad  der  Hörweite  festgestellt  haben.  Wenn 
Flüstersprache  mit  abgewandtem  Munde  z.  B.  auf  3  m  gehört 
wird,  so  muss  Flüstersprache  mit  zugewandtem  Munde  min¬ 
destens  auf  4  m  gehört  werden  usf.  Falls  Flüstersprache  bei  an¬ 
geblich  doppelseitiger  Schwerhörigkeit  überhaupt  nicht  gehört 
wird,  verfahren  wir  in  derselben  Weise  nur  zunächst  unter 
Anwendung  der  Umgangssprache. 

Bei  dieser  Art  Untersuchung  wird  es  dem  Simulanten  un¬ 
möglich  gemacht,  die  ungefähre  Entfernung  des  Untersuchenden 
abzuschätzen,  wie  dies  beim  gleichmässigen  Nähern  oder  Ent¬ 
fernen  leicht  gelingt.  Wichtig  ist  die  Beobachtung  der  Uippen. 
Wenn  der  Simulant  das  Gehörte  mit  den  Uippen  richtig  pronon- 
ziert,  so  ist  dies  für  uns  gleichbedeutend  mit  der  Feststellung 
der  Hörweite. 

Zuweilen  führt  auch  plötzliche  Ueberraschung  oder  Ueber- 
listung  bei  angeblich  doppelseitiger  Taubheit  zum  Ziele.  Der¬ 
artige  Simulanten  wurden  schon  dadurch  überführt,  dass  man 
z.  B.  sagte:  „Der  Hosenlatz  steht  offen“.  Der  Simulant  griff  so¬ 
fort  hin,  um  sich  zu  überzeugen;  oder  „sie  können  jetzt  gehen“; 
der  Simulant  entfernte  sich.  Natürlich  muss  hiebei  ausge¬ 
schlossen  sein,  dass  der  Untersuchte  die  Bemerkungen  von  den 


Lippen  ablesen  konnte.  Wir  können  dies  verhüten,  wenn 
wir  im  Sitzen  unauffällig  unsere  Hand  vor  den  Mund  halten. 

Bleibt  ein  notorischer  Simulant  bei  mehrfachen  Unter¬ 
suchungen  oder  Ueberlistungen  völlig  renitent,  wie  dies  verein¬ 
zelt  geschieht,  sodass  ein  Zugeständnis  nach  keiner  Richtung 
hin  zu  erzielen  ist,  so  empfiehlt  es  sich,  bei  simulierter  doppel¬ 
seitiger  Schwerhörigkeit  oder  Taubheit  Erhebungen  in  der 
Heimat  (bei  Bürgermeister,  Lehrer,  Pfarrer,  Arzt,  letzten 
Arbeitgebern)  anzustellen,  um  ihn  schliesslich  noch  durch  die 
Wucht  dieser  Argumente  zur  Wahrheit  zu  bewegen.  Gelingt 
dies  auch  jetzt  noch  nicht,  so  verfahren  wir  hier,  ebenso  wie 
auch  bei  simulierter  einseitiger  Schwerhörigkeit  oder  Taub¬ 
heit  am  besten  in  der  Weise,  als  ob  volle  Hörschärfe  vorhanden 
wäre,  d.  h.  event.  geltend  gemachte  Rentenansprüche  unter- - 
stützen  \vir  nicht;  einer  event.  beabsichtigten  Befreiung  vom 
Militärdienst  begegnen  wir  durch  Einstellung  oder  Belassung 
bei  der  Truppe.  Macht  der  Simulant  auch  jetzt  noch  weitere 
Schwierigkeiten,  so  überliefern  wir  ihn  dem  Gericht  zur  Be¬ 
strafung. 

Dass  wir  in  allen  derartigen  Fällen  auch  die  Möglichkeit 
psychischer  Defekte  im  Auge  behalten  müssen,  brauche  ich 
wohl  nicht  näher  zu  erörtern. 

Glücklicher  Weise  gehören  diese  letzteren  Fälle  zu  den 
allergrössten  Seltenheiten,  wie  überhaupt  die  Simulation 
doppelseitiger  hochgradiger  Schwerhörigkeit  oder  Taubheit. 
Bei  der  letzten  Einstellung  der  Rekruten  sind  mir  2  Fälle  vor¬ 
gekommen,  die  Umgangssprache  anfänglich  nicht  verstehen 
wollten,  bei  denen  ich  aber  mit  Hilfe  der  oben  angeführten 
Hörprüfungsmethode  rasch  normale  Hörweite  feststellen  konnte. 

Verhältnismässig  häufiger  wird  der  Versuch  gemacht,  ein¬ 
seitige  Schwerhörigkeit  vorzutäuschen,  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  Fälle  aber  handelt  es  sich  um  plumpe  Ueber- 
treibungen. 

Herrn  Hofrat  Prof.  Dr.  B  e  z  o  1  d  sage  ich  für  gütige  Durch¬ 
sicht  der  Arbeit  meinen  verbindlichsten  Dank. 

Antikritisches  zu  meiner  Tripperstatistik. 

Von  Prof.  Dr.  Wilhelm  Erb  in  Heidelberg. 

Die.  am  Schlüsse  meines  Aufsatzes  „Zur  Statistik  des 
Trippers  etc.“1)  ausgesprochene  Erwartung,  dass  lebhafter 
Widerspruch  gegen  meine  Untersuchungsresultate  sich  erheben 
würde,  hat  mich  nicht  getäuscht;  er  ist  bereits  von  mehreren 
Seiten,  aber  soweit  ich  sehe  nur  von  Venereologen  und  Gynäko¬ 
logen  erhoben  worden. 

Was  aber  bisher  geäussert  wurde,  hat  mich  sehr  ent¬ 
täuscht;  statt  der  gehofften  Belehrung,  der  Bestätigung  oder 
Widerlegung  durch  Tatsachen  und  ad  hoc  angestellte  Rontroll- 
untersuchungen  sind  nur  die  bisher  aufgestellten  Statistiken 
und  Behauptungen  wiederholt  und  verteidigt,  allerlei  Ueber- 
legtmgen  und  Einwände  vorgebracht  worden,  die  schliesslich 
nur  auf  ein  Hin-  und  Herreden  hinauslaufen  und  zum  Teil  ge¬ 
radezu  an  dem,  was  ich  gesagt  und  verteidigt  habe,  Vorbei¬ 
gehen.  Aber  keine  neue  Tatsachen,  keine  Spur  fester  Grund¬ 
lagen  für  die  Behauptungen  und  die  allgemeinen  Eindrücke  sind 
erschienen ! 

Ich  könnte  also  ruhig  ein  genaueres  Eingehen  auf  diese 
Kritiken  ablehnen;  das  wäre  ja  das  Bequemere;  habe  ich  doch 
auch  schon  in  der  an  meinen  Vortrag  sich  anschliessenden  Dis¬ 
kussion  2)  das  Wesentliche  gegen  die  mir  dabei  gemachten  und 
von  anderen  später  wiederholten  Einwände  gesagt! 

Bei  der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  erscheint  es  mir  aber 
doch  nicht  zweckmässig,  die  Sache  ruhig  weiter  laufen  zu 
lassen  und  auf  die  bestätigenden  Ergebnisse  der  Unter¬ 
suchungen  von  anderer,  nicht  beteiligter  Seite  zu  warten.  Ich 
äussere  mich  also  noch  einmal.  Und  dabei  muss  ich  von  vorn¬ 
herein  erklären,  dass  ich  die  Tripperspezialisten  und  die  Gynä¬ 
kologen  wegen  der  Einseitigkeit  ihres  Materials  am  wenigsten 
für  geeignet  halte,  hier  das  entscheidende  Wort  zu  sprechen, 
ebenso  wenig,  wie  ich  mich  selbst  für  geeignet  halten  würde, 
etwa  über  die  Häufigkeit  der  Tabes  oder  der  Neurasthenie  in 


1)  Siehe  diese  Wochenschr.  1906,  Nr.  48. 

2)  Siehe  diese  Wochenschr.  1906,  Nr.  52,  S.  2582. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1527 


der  Bevölkerung  statistische  Untersuchungen  an  meiner  Privat- 
klicntel  anzustellen. 

In  der  Oeffentlichkeit  haben  sich  bisher  fast  nur  die 
Gegner  geäussert;  ich  brauche  deshalb  nicht  zu  verschweigen, 
dass  mir  eine  ganze  Anzahl  von  brieflichen  und  mündlichen 
Mitteilungen  zugegangen  ist  von  Kollegen,  die  meine  Angaben 
durchaus  zustimmend  begrüsst  haben  und  sogar  von  „er¬ 
lösenden  Worten“,  von  einer  „errettenden  Tat“  sprechen,  die 
sie  in  meiner  Publikation  gefunden  haben.  Einer  unserer  her¬ 
vorragendsten  Gynäkologen  schrieb  mir  noch  vor  kurzem  ge¬ 
legentlich:  „Er  erkläre  mir  seine  volle  Uebereinstimmung  mit 
meinen  aus  der  Gonorrhöebeobachtung  gezogenen  Schlüssen; 
meine  Mitteilung  sei  im  höchsten  Grade  zeitgemäss  und  er¬ 
wünscht  gewesen!“ 

In  der  Tat  sind  doch  nicht  wenige  Aerzte  über  die  er¬ 
schreckenden  Zahlen  von  B  lasch  ko  und  die  daraus  von 
anderen  in  Bezug  auf  die  Gefährdung  der  Ehefrauen  gezogenen 
Schlüsse  erstaunt  gewesen.  G.  Berg3)  z.  B„  der  allerdings 
meine  Tripperstatistik  für  die  Männer  etwas  skeptisch  be¬ 
trachtet,  erklärt  die  Statistik  der  Ehefrauen  für  eine  „errettende 
Tat“.  —  Und  von  nicht  wenigen  hervorragenden  und  viel¬ 
beschäftigten  Familienärzten  habe  ich  die  schon  in  meiner  Arbeit 
erwähnte  Tatsache,  dass  in  ihrer  Klientel  sich  nur  sehr 
wenige  Frauen  befänden,  die  unter  dem  Verdacht  einer  Tripper¬ 
infektion  bezw.  schwerer  Folgen  einer  solchen  ständen,  durch¬ 
aus  bestätigt  bekommen. 

Trotzdem  scheinen  mir  einige  Bemerkungen  zur  Recht¬ 
fertigung  meines  Standpunktes  und  zur  Beseitigung  von  Miss¬ 
verständnissen  und  grundlegenden  Irrtümern  in  den  Kritiken 
meiner  Arbeit  angebracht. 

Ich  habe  zwar  sehr  deutlich  gesagt,  was  ich  mit  meiner 
kleinen  statistischen  Untersuchung  erreichen  wollte  und  was 
ich  für  erreichbar  hielt.  Das  ist  vielfach  von  meinen  Kritikern 
missverstanden  und  ignoriert  worden.  Ich  halte  ihnen 
gegenüber  meinen  Standpunkt  völlig  auf¬ 
recht,  ja  geradezu  für  unanfechtbar,  trotz  der  mehrmals 
wiederkehrenden  freundlichen  Behauptung,  dass  meine  Methode 
„absolut  falsch“,  dass  meine  Ergebnisse  völlig  unzuverlässig 
und  unzutreffend  sind. 

Ich  habe  zwei  verschiedene  Statistiken  gebracht:  die 
eine  über  die  Häufigkeit  des  Trippers  bei  Männern,  die 
andere  über  die  Häufigkeit  schwerer  Folgen  dieses 
Trippers  für  die  Ehefrauen  früher  tripperkranker  Männer; 
(nicht  über  die  Häufigkeit  der  Ansteckung  der  Ehefrauen 
überhaupt!).  Speziell  die  erstere  Statistik  ist  Hauptgegenstand 
der  Kritik  geworden.  Man  kann  die  Häufigkeit  des  I  rippers 
in  der  männlichen  Bevölkerung  auf  verschiedenen  Wegen  fest¬ 
stellen.  Während  man  früher  sich  mit  den  ganz  unzuver¬ 
lässigen  „Schätzungen“  und  „Eindrücken“  der  Venereologen 
begnügte,  hat  man  dann  durch  direkte  Zählung  der  in  ärztlicher 
Beobachtung  stehenden  Tripper  dieser  Feststellung  näher  zu 
kommen  gesucht.  Das  wäre  ja  wohl  das  sicherste,  wenn  es 
nur  in  weitem  Umfange  durchführbar  und  nicht  von  einer 
Unzahl  der  gröbsten  Fehlerquellen  umgeben  wäre.  Blaschko 
hat  darin  jedenfalls  ein  unbestreitbares  Verdienst;  es  fragt  sich 
nur,  ob  diese  Methode  zuverlässig  genug  ist;  und  das  be¬ 
streite  ich  ganz  entschieden. 

Auf  Grund  einer  sogen.  „Eintagsstatistik“  —  einer  ein- 
z  i  g  e  n  (!)  am  1.  April  —  (die  übrigens  von  Blaschko  selbst 
in  ihrer  ganzen  Anordnung  sehr  bemängelt  wird),  ermittelt  man 
eine  bestimmte  Zahl  von  Tripperkranken.  Das  ist  doch  eine 
ganz  unzuverlässige  Sache;  gerade  der  1.  April,  kurz  nach  dem 
Ablauf  der  an  sexuellen  Exzessen  so  reichen  Karnevalszeit,  ist 
wohl  nicht  der  geeignetste  Zeitpunkt;  man  hätte  mindestens 
noch  3 — 4  andere  Tage  im  Jahr  einmal  kontrolieren  müssen! 
Die  weiteren  Annahmen,  auf  Grund  deren  Blaschko  dann  die 
gefundene  Zahl  vervielfacht,  sind  mehr  oder  weniger  unzuver¬ 
lässig;  es  würde  viel  zu  weit  führen,  ihre  zahlreichen  Fehler¬ 
quellen  undUnsicherheiten  im  einzelnen  nachzuweisen.  Hat  doch 
Blaschko  selbst  schon  zugegeben4),  dass  die  Verdoppelung  der 


*)  G.  Berg:  Therapie  d.  Gegenwart.  März  1907,  S.  125. 

4)  Ueber  die  Häufigkeit  des  Trippers  in  Deutschland.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1907,  Nr.  5  und  Zeitschr.  f.  Bekämpfung  d.  Ge- 
schlechtskr.  VI,  'S.  5,  Febr.  1907. 


rechnerisch  ermittelten  Zahl  auf  Grund  der  Tatsache,  dass  nur 
52  Proz.  der  Aerzte  Angaben  gemacht  haben  und  dass  manche 
Kranke  auch  zu  den  Kurpfuschern  gehen  oder  gar  nicht  be¬ 
handelt  werden  —  wohl  unrichtig  sei;  in  der  Tat  werden  unter 
den  48  Proz.  der  Berliner  Aerzte,  die  k  e  i  n  e  Angaben  gemacht 
haben,  doch  wohl  zumeist  nur  solche  sein,  die  k  e  i  n  e  n  Tripper 
behandelt  haben!  Man  bedenke  die  Unzahl  der  „Spezialisten“ 
z.  B.  für  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten  (deren  es,  wie 
ich  jüngst  gelesen,  in  Berlin  allein  141  gibt!),  für  Augenkrank¬ 
heiten,  Nerven-,  Frauen-,  Magen-  und  Darmkrankheiten,  für 
Chirurgie,  Orthopädie  usw.  —  alle  diese  haben  doch  keine 
Tripper  zu  behandeln!  Und  es  ist  auch  nicht  sehr  wahrschein¬ 
lich,  dass  viele  Tripperkranke  zu  den  Kurpfuschern  laufen,  da 
es  doch  so  viele  Spezialärzte  und  Polikliniken  für  Geschlechts¬ 
kranke  gibt!  Diese  Verdoppelung  ist  also  jedenfalls  nicht 
am  Platze! 

WennBla.schko  trotzdem  meint, dass  seineErgebnisse  sich 
nicht  viel  ändern  würden,  und  dass  er  seinen  Ausspruch5)  —  der 
übrigens  ganz  explizite  gemacht  und  an  dem  nichts  zu  deuteln 
ist,  wie  K  o  p  p 6)  entschuldigend  glauben  machen  möchte  — 
„dass  jeder  junge  Mann,  der  mit  30  Jahren  in  die  Ehe  tritt, 
zweimal  Tripper  gehabt  habe“,  aufrecht  erhalten  könne,  so 
geht  das  doch  wohl  nach  dieser  Korrektur  nicht  gut  an,  selbst 
wenn  dieser  Satz  auf  die  Grossstadt  Berlin  eingeschränkt  wird. 

Jedenfalls  muss  ich  gestehen,  dass  die  weitläufigen  Aus¬ 
einandersetzungen  Blaschkosin  seiner  Kritik,  behufs  Recht¬ 
fertigung  seiner  Methode,  mich  nicht  überzeugt  haben. 

Das  wäre  ja  am  Ende  gleichgültig  —  ich  bin  vielleicht  sehr 
schwer  zu  überzeugen!  Aber  —  nehmen  wir  einmal  an,  dass 
Blaschko  mit  seinem  Ergebnis  im  Rechte  ist,  so  muss 
dasselbe  doch  auch  auf  anderem  Wege  zu  er¬ 
weisen  sein! 

Und  hier  tritt  meine  Methode  ein;  dieselbe  ist  bestimmt 
und  geeignet,  die  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit  der  Blaschko- 
schen  Ergebnisse  zu  kontrollieren ;  ich  will  einmal  die 
Probe  machen  auf  das  Rechenexempel,  das 
Blaschko  aufgestellt  hat. 

Wenn  alle,  oder  auch  nur  die  meisten  jungen,  noch  unver¬ 
heirateten  Männer  bis  zum  30.  Lebensjahr  mindestens  einen 
oder  gar  zwei  und  mehr  Tripper  gehabt  haben,  so  muss  durch 
genaue  Befragung  der  Männer  nach  dem  30.  Lebensjahr  oder 
später  zu  ermitteln  sein,  ob  dies  wahr  ist  oder  nicht,  wenigstens^ 
bis  zu  einem  der  völligen  Richtigkeit  sich  nähernden  Grade! 
Diese  Probe  habe  ich  in  meiner  Statistik  gemacht  und  sie  ist 
zu  Ungunsten  von  Blaschko  ausgefallen.  Die  Rechnung 
stimmt  nicht. 

Ich  will  nicht  dabei  verweilen,  dass  Blaschko  mir  deut¬ 
lich  zu  verstehen  gibt,  dass  ich  von  der  Statistik  eigentlich  nichts 
verstehe  oder  wenigstens  die  statistische  Ausdrucksweise  nicht 
recht  begriffen  hätte;  dass  es  für  den  Statistiker  gar  nichts  Be¬ 
fremdendes  habe,  wenn  sich  unter  einer  gewissen  Anzahl  von 
Menschen  150  oder  200  Proz.  Tripper  finden!  Gewiss!  Aber 
diese  Angaben  werden  falsch  verstanden  und  in  der  Diskussion 
und  Agitation  verwendet,  und  sind  für  den  „gewöhnlichen“ 
Verstand  durchaus  irreführend. 

Es  liegt  eben  hier  ein  grosses  Missverständnis  vor,  das 
auch  Blaschko  entgangen  zu  sein  scheint.  Die  Statistik 
zählt  eben  die  „Tripper“  als  Einzelindividuen,  sie  zählt,  wie 
viele  einzelne  Tripper1'  bei  einer  bestimmten  Anzahl  von 
Menschen  Vorkommen  können,  während  ich  nur  die  Anzahl 
der  Männer  feststellen  will,  die  Tripper  gehabt  haben, 
mögen  sie  nun  1  oder  3  oder  5  oder  mehr  Einzelerkrankungen 
durchgemacht  haben.  —  Also  eine  falsche  Fragestel¬ 
lung  des  Statistikers,  daher  auch  die  falsche  Antwort! 
Die  Zahl  der  Tripper  e  r  k  r  a  n  k  u  n  g  e  n  hat  nur  für  die  all¬ 
gemeine  Pathologie  und  vielleicht  für  den  angehenden  Tripper¬ 
doktor  Interesse,  aber  nicht  für  den  Hygieniker  und  Gynäko¬ 
logen  —  die  wollen  nur  wissen,  wie  viel  Tripper  k  r  a  n  k  e 
existieren.  Deren  Zahl  kann  nie  über  100  Proz.  hinausgehen, 
wird  vielmehr  stets  mehr  oder  weniger  darunter  bleiben. 

Wo  bleiben  denn  in  der  Statistik  Blaschkos  diejenigen 
Leute,  die  —  wie  ja  Blaschko  selbst  zugibt  —  nie  einen 


5)  Mitteil.  d.  deutsch.  Ges.  z.  Bek.  d.  Geschl.,  Bd.  I,  S.  15. 

6)  Siehe  diese  Wochenschr.  1906,  Nr.  51,  S.  2534. 


528 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


Tripper  gehabt  haben?  Die  gibt  es  doch;  aber  für  sie  ist  kein 
Raum  mehr  übrig  in  dieser  Art  von  Statistik;  sie  fallen  einfach 
unter  den  Tisch. 

Die  statistische  Zählmethode  des  „Trippers“  ist  also  für 
unsere  Zwecke  ganz  falsch,  denn  wir  wollen  nicht  wissen,  wie 
viele  Tripper  es  überhaupt  gegeben  hat,  sondern  wie  viel 
tripperkrankeMänner.  Ich  kann  mir  sehr  wohl  denken 

—  das  kommt  ja  alle  Tage  vor,  —  dass  25  Männer  zusammen 
100  Tripper  gehabt  haben;  wenn  ihnen  75  o  h  n  e  Tripper  gegen¬ 
überstehen,  haben  diese  100  dann  100  Proz.  Tripper? 

Es  ist  für  die  Ehefrau  schliesslich  ganz  gleichgültig,  ob  ihr 
Mann  einige  Jahre  vor  der  Ehe  den  fünften  und  letzten 
oder  ob  er  damals  den  ersten  lind  letzten  Tripper  gehabt 
hat;  wichtig  ist  für  dieselben*  nur,  ob  der  Mann  überhaupt 
Tripper  gehabt  hat  oder  nicht  (natürlich  noch  mehr,  ob  der 
Tripper  g  e  h  e  i  1 1  ist  oder  nicht!). 

Nur  ein  kritisches  Wort  über  die  statistische  Zählmethode 
und  die  Multiplikation  der  gefundenen  Jahresziffern  sei  mir 
noch  gestattet! 

Wenn  unter  100  jungen  Männern,  die  etwa  mit  20  Jahren 
in  das  Leben  eintreten,  z  e  h  n  die  Chance  haben,  an  Tripper  zu 
erkranken,  so  sollen  in  10  Jahren,  bei  unveränderten  Bedin¬ 
gungen  hundert  diese  Chance  haben;  man  brauche  nur 
ruhig  die  im  ersten  Jahr  gefundene  Zahl  mit  10  zu  multipli¬ 
zieren;  da  kommen  also  glatt  100  Proz.  heraus!  Aber  woher 
weiss  man  denn,  dass  in  jedem  Jahr  neue  zehn  Männer  in¬ 
fiziert  werden  und  dass  es  nicht  immer  die  gleichen  oder 
welcher  weitere  Bruchteil  von  vorher  verschont  Gebliebenen 
sind,  die  jetzt  erkranken?  Es  ist  doch  ganz  gut  denkbar,  — 
und  Blaschko  selbst  weist  auf  ein  solches  Beispiel  hin — -4  dass 
von  diesen  hundertMännern  nur50  oder40  oder  nochweniger  er¬ 
kranken,  wenn  etwa  jeder  von  diesen  2  oder  3  oder  5  Tripper  in 
10  Jahren  akquiriert,  und  wo  bleiben  dann  in  dieser  Statistik 
50  oder  60  und  mehr  Prozent,  die  dieser  „Chance“  entgehen? 

—  Und  wenn  die  Statistik  bei  ihrer  Methode  bei  100  Männern 
z.  B.  200  Mal  Tripper  konstatiert,  so  hat  sie  doch  nicht  das 
mindeste  Recht,  dieselben  gleichmässig  auf  die  100 
Männer  zu  verteilen  und  zu  sagen,  es  hat  j  e  d  e  r  2  Tripper  ge¬ 
habt,  wie  man  das  getan  hat.  Es  kann  auch  ebenso  gut  anders 
sein,  40  oder  50  können  ja  2 — 4  Tripper  gehabt  haben,  viele 
nur  eine  n  und  vielleicht  20  oder  30  oder  mehr  garkeinen. 
Es  ist  doch  gänzlich  unerlaubt,  die  Verteilung  hier  nach  Gut¬ 
dünken  zu  machen!  Man  denke  dies  nur  einmal  genau  durch! 
Das  führt  zu  ganz  abenteuerlichen  Resultaten  und  dabei  be¬ 
hauptet  Blaschko,  dass  diese  Methode  „wissenschaftlich 
vollkommen  einwandsfrei“  sei!  Ich  verstehe  das  nicht;  eine 
Methode,  die  zu  ganz  unmöglichen  Ergebnissen  führt  und  von 
der  objektiven  Beobachtung  und  praktischen  Erfahrung  sofort 
widerlegt  wird,  eine  Methode,  welche  die  gesund  Gebliebenen 
einfach  ausschaltet,  ist  wissenschaftlich  —  wenigstens  für 
unseren  Zweck  —  im  höchsten  Grade  anfechtbar,  und  mit  ihr 
kann  man  leicht  dazu  kommen,  unter  100  Männern  150 — 200 
Proz.  Tripper  zu  finden! 

Wenn  Blaschko  betont,  dass  dies  nur  für  gewisse  Be¬ 
völkerungsschichten  der  Grossstädte  Geltung  haben  solle,  so  ist 
auch  dies  —  gottlob! —  gewiss  nicht  richtig;  es  gibt  doch  auch 
in  Berlin  und  anderen  Grossstädten  ganz  gewiss  eine  grosse 
Anzahl  von  Männern,  die  nie  einen  Tripper  gehabt  haben;  man 
möge  sich  nur  einmal  nach  ihnen  umsehen! 

Die  Dinge  verlaufen  eben  im  Leben  nicht  mit  der  mathe¬ 
matischen  Gleichmässigkeit,  wie  sie  manche  Statistiker  an¬ 
nehmen;  es  bleibt  bei  diesen  „Berechnungen“  doch  eine  ganze 
Menge  von  Instanzen,  von  zufälligen  entgegenwirkenden  Ein¬ 
flüssen,  von  schützenden  Momenten,  die  gar  nicht  gezählt 
werden  können,  ausser  Betracht;  ich  muss  also  energisch  gegen 
diese  „wissenschaftlich  einwandsfreie“  Methode  protestieren; 
sic  geht  über  meinen  Horizont. 

Es  ist  wohl  überflüssig,  darüber  noch  viel  weiteres  zu 
reden. 

Die  Deduktionen  meiner  Herren  Kritiker  laufen  ja  doch 
wieder  im  Wesentlichen  darauf  hinaus  —  gerade  wie  früher 
bei  meinen  I  abes-Syphilisstatistiken  — ,  dass  ich  es  nicht  recht 
\  erstehe,  Anamnesen  aufzunehmen  und  dass  mein  Material 
nicht  genügende  Garantien  der  Zuverlässigkeit  biete. 


Dabei  ist  es  aber  höchst  drollig,  dass  man  mir,  wenn  es 
meinen  Gegnern  passte,  bei  der  Tabes  stets  vorwarf,  dass  ich 
zuviel  Infizierte  gefunden  hätte  und  jetzt  bei  der  Gonorrhoe, 
wo  meinen  Gegnern  das  Umgekehrte  passt,  schlankweg  be¬ 
hauptet,  ich  fände  viel  zu  wenig!  Ich  ziehe  daraus  den 
beruhigenden  Schluss,  dass  ich  in  beiden  Fällen  annähernd 
das  richtige  finde,  die  unvermeidlichen  kleinen  Fehler 
Vorbehalten ! 

Es  ist  ja  recht  deprimierend  für  mich  zu  sehen,  dass  ich 
nach  einer  mehr  als  40  jährigen  und  wohl  auch  vielfach  aner¬ 
kannten  wissenschaftlichen  Arbeit  mir  so  wenig  wissenschaft¬ 
lichen  Kredit  erworben  habe,  dass  solche  Zweifel  laut  werden 
dürfen!  Und  dies  um  so  mehr,  als  ich  doch  mit  meiner  früher 
so  endlos  angefochtenen  Tabes-Syphilisstatistik  schliesslich, 
einen  glänzenden  Sieg  erfochten  habe!  —  Nun,  ich  bin  darüber 
nicht  sehr  beunruhigt.  Als  ich  vor  45  Jahren  in  die  klinische 
Schule  Friedreichs  eintrat,  der  besonderen  Wert  auf  ge¬ 
naue  Anamnesen  legte,  habe  ich  schon  zu  einer  Zeit,  wo  meine 
heutigen  Gegner  zum  Teil  noch  nicht  das  Licht  der  Welt  er¬ 
blickt  hatten,  gelernt,  sorgfältige  und  gute  Anamnesen  aufzu¬ 
nehmen.  Meine  Tabes-Syphilisstatistik  dürfte  das  beweisen. 
Ich  habe  keineswegs,  wie  Blaschko  behauptet,  erst  nach 
und  nach  gelernt,  die  Syphilis  in  der  Vorgeschichte  der  Tabes 
zu  finden,  und  bin  nicht  zu  allmählich  steigenden  Prozentzahlen 
gekommen ;  hätte  Blaschko  noch  einmal  einen  Blick  in  meine 
letzte  Arbeit7)  darüber  geworfen,  die  ihm  sicher  bekannt  ist  und 
eine  bequeirteZusammenstellung  meinerZahlen  enthält, so  würde 
er  gesehen  haben,  dass  ich  in  den  ersten  dreihundert  Tabesfälleu 
(1879 — 83)  88 — 91  Proz.  und  in  den  letzten  dreihundert  (1899 
bis  1903)  88 — 90  Proz.  Infizierte,  — -  also  genau  dieselben  Zahlen! 

—  gefunden  habe.  Ich  habe  das  also  von  vornherein  gekonnt; 
andere  mussten  es  freilich  nach  und  nach  erst  lernen  und 
manche  haben  dies  auch  heute  noch  nötig. 

Blaschko  hätte  auch  besser  unterlassen,  das  alte  anti¬ 
kritische  Paradepferd  mit  den  ausserordentlich  wechselnden 

—  von  6—94  Proz.  schwankenden  —  Angaben  über  die  Syphi¬ 
lis  in  der  Vorgeschichte  der  Paralyse  wieder  vorzureiten.  Die 
ganz  niederen  Zahlen  beweisen  nur,  dass  man  es  vielfach  gar 
nicht  versteht,  die  anamnestischen  Daten  zu  erheben,  oder  dass 
man  gänzlich  unbrauchbare  Fälle,  mit  den  bei  Paralytikern  ja 
oft  ganz  unzuverlässigen  Angaben  für  die  Statistik  verwertet. 

—  Denn  6—12  Proz.  Syphilis  bei  Paralytikern  —  wer  lacht  da 
nicht?  Das  ist  ja  rein  unmöglich!  Freilich  —  was  ich  meinen 
Gegnern  schon  so  oft  sagen  musste  —  ist  es  immer  wesentlich 
leichter,  nichts  zu  finden,  als  Positives  und  Richtiges  zu  er¬ 
mitteln!  Ebenso  muss  ich,  wie  auch  schon  früher  bei  der 
Tabes,  gegen  die  Heranziehung  der  Anträge  bei  Lebensver¬ 
sicherungen  gegen  mein  Material  protestieren;  schon  die  An¬ 
gaben,  die  Blaschko  selbst  mitteilt:  7,58  Proz.  Tripper,  sind 
so  lächerlich  und  unmöglich,  dass  sie  nur  auf  Unwahrhaftigkeit 
beruhen  können;  das  ist  ja  auch  längst  bekannt. 

Das  ist  doch  ein  ganz  anderes  Material,  als  das  in  meiner 
Sprechstunde,  an  dem  ich  seit  Jahrzehnten  gewohnt  bin,  die 
betr.  Anamnese  mit  der  grössten  Sorgfalt  und  mit  Schonung 
für  die  Kranken  aufzunehmen!  Ich  muss  es  deshalb  auch  ab¬ 
lehnen,  von  meinen  Kritikern  weitere  Belehrung  darüber  ent¬ 
gegenzunehmen,  wie  man  solche  Anamnesen  aufzunehmen  und 
welcher  Täuschungen  man  sich  zu  versehen  habe. 

Ich  bestreite  gewiss  nicht,  dass  auch  ich  solchen  Täu¬ 
schungen  gelegentlich  unterliege,  dass  in  einzelnen  Fällen  der 
Tripper  verschwiegen  oder  geleugnet,  dass  er  wohl  auch  einmal 
vergessen  wird.  Aber  so  häufig  ist  das  gewiss  nicht.  Die 
anekdotischen  Beispiele,  die  V  ö  r  n  e  r  8)  anführt,  von  dem  ver¬ 
logenen  Couleurstudenten,  dem  besserwissenden  Lehrer,  von 
indolenten  Individuen,  von  den  schamhaften  Jünglingen,  die 
den  „unsittlichen“  Verkehr  nicht  eingestehen  wollen,  sind  mir 
aus  meiner  Jugend  auch  bekannt  und  gewiss  eine  Quelle  von 
Irrt ümern ;  es  fragt  sich  nur  wie  häufig  dieselben  sind.  Ich 
wäre  Herrn  V  ö  r  n  e  r  sehr  verbunden,  wenn  er  mir  genau 
und  sicher  angeben  wollte,  wieviel  Prozent  solcher 
Fälle  ihm  in  seiner  anscheinend  recht  grossen  Tripperpraxis 


' )  Syphilis  und  I  abes.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1904,  Nr.  1 — 4. 

8)  Siehe  diese  Wochenschr.  1907,  Nr.  5,  S.  219. 


30.  Juli  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1529 


jährlich  Vorkommen;  ich  wäre  gerne  bereit  entsprechende  Kor¬ 
rekturen  an  meinem  Material  vorzunehmen. 

Bis  auf  weiteres  muss  ich  aber  mein  fast  ausschliesslich 
den  gebildeten  Ständen  und  dem  reiferen  Mannesalter  ange¬ 
höriges  Material  noch  als  recht  zuverlässig  ansehen.  Dasselbe 
ist  keineswegs  den  Bevölkerimgsschichten  entnommen,  die 
verhältnismässig  wenig  venerisch  durchseucht  sind,  wie 
Blas  ch  ko  den  Leser  glauben  machen  möchte;  es  besteht 
in  der  übergrossen  Mehrzahl  der  Fälle  aus  Kaufleuten  (zumeist 
aus  Deutschland),  dann  aus  akademisch  gebildeten  Kreisen 
(früheren  Studenten!)  und  ziemlich  zahlreichen  Offizieren  — 
nun,  das  sind  doch  wohl  gerade  die  Berufskreise,  bei  denen 
nach  allgemeiner  —  auch  Blaschkos  Ansicht  —  der  Tripper 
am  meisten  verbreitet  ist! 

Zum  Beweis  habe  ich  aus  den  letzten  6 — 7  Monaten  meiner 
Sprechstunde  die  Berufsarten  von  300  mich  konsultierenden  Männern 
zusammengestellt;  es  fanden  sich  darunter: 

Kaufleute,  Fabrikanten,  Bankiers  etc.  etc . 150 

Frühere  Studenten:  Professoren,  Richter,  Beamte, 


Chemiker,  Theologen  etc .  87 

Militärs .  17 

Grossgrundbesitzer .  11 

Subalternbeamte  verschiedener  Art .  6 

Handwerker,  üewerbtreibende .  12 

Künstler .  5 

Gastwirte,  Kellner .  8 

Landwirte,  Oekonomen  .  4 

300 

Also  von  300  Männern  gehörten  nicht  weniger  als  25-4,  also  weit 
über  80  Proz.,  den  3  am  meisten  gefährdeten  Bevölkerungsschichten: 
Kaufleute,  frühere  Studenten  und  Offiziere  an!  —  Unter  diesen  300 


Kranken  waren  etwa  60  Ausländer:  Russen  (20),  Amerikaner  (21),  der 
Rest  alle  möglichen  Nationalitäten;  im  Sommer  sind  es  deren  wohl 
etwas  mehr;  aber  im  Grossen  und  Ganzen  bezieht  sich,  wie  man 
sieht,  meine  Statistik  doch  wesentlich  auf  deutsche  Verhältnisse  und 
auf  den  sogen.  Mittelstand. 

Ich  finde  fast  nie  Schwierigkeiten  in  der  Anamnese;  wenn 
reifere  Männer  in  die  Sprechstunde  einer  ärztlichen  Autorität 
kommen  und  in  der  richtigen  Weise  gefragt  werden,  pflegen  sie 
absolut  nicht  mit  der  Wahrheit  zurückzuhalten,  obgleich  viele 
den  Tripper  nicht  für  eine  „Geschlechtskrankheit“  halten  und 
erst  auf  die  Frage,  ob  sie  „nicht  wenigstens  einen  kleinen 
Tripper  gehabt“,  mit  der  bejahenden  Antwort  kommen.  Den¬ 
jenigen,  die  bewusst  die  Unwahrheit  sagen  und  leugnen,  kann 
man  dies  meist  schon  am  Gesicht,  an  den  zögernden  Antworten 
anmerken  und  man  wird  dann  durch  eindringliches  Zureden 
die  Wahrheit  erfahren. 

In  der  Tat,  wenn  meine  ca.  50  Proz.  Tripper  in  diesen 
Schichten  so  weit  hinter  der  Wahrheit  zurückblieben,  wie  meine 
Gegner  behaupten,  wenn  es  in  der  Tat  80—90  Proz.  oder  gar 
100  Proz.  Tripper  gäbe,  so  müssten  mich  ja  von  meinen 
2000  Kranken  nicht  weniger  als  600  oder  800  oder  gar  1000 
direkt  und  dreist  angelogen  haben!  Halten  das  meine 
Herren  Kritiker  wirklich  für  möglich?  Ich  halte  das  geradezu 
für  ausgeschlossen;  ein  alter  Arzt  und  Beobachter  wie  ich 
hat  doch  auch  am  Ende  ein  Urteil  über  die  Zuverlässigkeit 
seiner  Kranken! 

Somit  sind  meine  Zahlen  —  natürlich  mit  einigen  Irr- 
tiimern  und  Fehlern  9)  —  wohl  doch  als  recht  zuverlässige  zu 
betrachten,  wenigstens,  wie  ich  das  immer  und  immer  wieder 
betonen  muss,  für  die  von  mir  untersuchten  Bevölkerungs¬ 
kreise;  das  sind  aber,  der  allgemeinen  Ansicht  nach,  gerade 
diejenigen,  in  welchen  die  Geschlechtskrankheiten  am  meisten 
verbreitet  sind  (vergl.  Blaschko:  Mitteil.  d.  Deutsch.  Ge- 
sellsch.  z.  Bekämpf,  d.  Geschlechtskrankh.,  Bd.  I,  S.  15  u.  16). 
Und  deshalb  halte  ich  auch,  was  Kossmann  nicht  verstehen 
will,  die  Untersuchung  in  diesen  Kreisen  gerade  für  sehr 
wichtig,  weil  sie  am  meisten  gefährdet  sind,  weil  bei  ihnen  die 
Ermittelungen  am  wenigsten  auf  Schwierigkeiten  stossen,  weil 
sie  doch  wohl  mehr  Verständnis  für  die  Bedeutung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  haben  und  weil  sie  einer  entsprechenden 
Belehrung  am  meisten  zugänglich  sein  werden. 


ll)  Die  zum  Teil  wohl  dadurch  kompensiert  werden,  dass  manche 
nicht  gonorrhoische  Harnröhrenausflüsse  für  Tripper  gehalten 
werden.  Das  kommt,  nach  E.  R.  W.  Frank  (Dermatol.  Zentralbl. 
19U7,  S.  103)  gar  nicht  so  selten  vor. 

No.  31. 


Ich  will  hier  kurz  eine  kleine  Fortsetzung  meiner  Statistik  ein¬ 
schalten,  die  lehrt,  dass  die  Zahlen  sich  völlig  gleich  bleiben: 


Schanker 

allein 

Sekundäre 

Syphilis 

Tripper 

Keinerlei 

Infektion 

Im  21.  Hundert 

6 

23 

55 

40 

„  22.  „ 

4 

20 

46 

46 

„  23.  „ 

9 

16 

51 

45 

*  24. 

9 

14 

52 

46 

Summe 

28 

73 

204 

177 

In  Proz. 

7 

18 

51 

44 

Ausserdem,  .  als  belehrendes  Kuriosum,  eine  kleine  Statistik, 
welche  eine  Gesellschaft  von  31  jungen  Aerzten,  durch  geheime,  aber 
garantiert  ehrliche  Abstimmung  festgestellt  hat:  es  fanden  sich  dar¬ 
unter  nur  10  =  30  Proz.,  die  einmal  Tripper  gehabt  haben.  Und  die 
waren  doch  alle  auch  Studenten! 

Ich  halte  somit  meine  Zahlen  vollkommen  aufrecht,  meine 
Methode  für  durchaus  brauchbar,  wenn  sie  auch  keine  ab¬ 
solut  richtigen  Zahlen  gibt  und  geben  kann.  Ich  stelle  es  der 
kontrollierenden  Prüfung  anderer,  unbefangener  Beobachter  an¬ 
heim,  zu  entscheiden,  ob  ich  erheblich  geirrt  habe,  oder  ob  die 
„kalkulatorische“  Statistik  auf  der  Basis  völlig  unzuverlässiger 
Grundzahlen  zu  sichererem  Ergebnisse  führt. 

Ich  wiederhole  ausdrücklich  und  bitte  dringend,  das  nicht 
wieder  zu  ignorieren,  dass  meine  Zahlen  n  u  r  f  ii  r  e  i  n  e  n  be¬ 
stimmten  Beobachtungskreis,  für  gewisse  Be¬ 
völkerungsschichten  Geltung  beanspruchen,  und  dass  ich  es 
nach  wie  vor  für  unbedingt  nötig  halte,  dass  auch  in  zahlreichen 
anderen  Beobachtungskreisen  solche  oder  ähnliche  Statistiken 
aufgestellt  werden;  dann  wird  man  der  Wahrheit  allmählich 
näher  kommen. 

Und  ich  betone  wiederholt,  dass  es  mir  nicht  einfällt,  den 
Tripper  für  eine  gleichgültige  und  nicht  ernst  zu  nehmende 
Krankheit  zu  halten;  ich  bin  durchaus  nicht  Optimist  in  dieser 
Beziehung,  wie  man  mir  mehrfach  vorwirft!  50  Proz.  Tripper 
unter  den  Männern  gewisser  Kreise  ist  schon  eine  ganz  er¬ 
schreckend  hohe  Zahl,  und  das  Elend,  das  dadurch  herbei¬ 
geführt  werden  kann,  ist  beklagenswert  genug!  Wir  müssen 
alles  daran  setzen,  es  zu  mindern,  den  Tripper  zu  verhüten  und 
ihn  rasch  und  gründlich  zu  heilen.  Dazu  besitzen  wir  ja  die 
Mittel,  und  wenn  die  jugendliche  Männerwelt  sich  der  Be¬ 
lehrung  mehr  zugänglich  erweisen  und  sich  mehr  Selbst¬ 
beherrschung  und  Zurückhaltung  angewöhnen  wird,  ist  davon 
grosser  Erfolg  zu  erwarten. 

Der  Zweck  meiner  Untersuchung  war  lediglich  die  Er¬ 
forschung  der  Wahrheit,  die  Bekämpfung  der  mass- 
losen  Uebertreibungen,  welche  sich  in  der  Diskussion  breit 
machten  und  die  Zurückführung  der  Unruhe  und  Unsicherheit, 
welche  sich  weiter  Kreise  gerade  in  der  Tripperfrage  be¬ 
mächtigt  haben,  auf  das  gerechtfertigte  Mass. 


Meine  zweite  Statistik,  welche  sich  mit  den  schwe¬ 
ren  Folgen  des  Trippers  der  Männer  für  deren  Ehefrauen 
beschäftigte,  hat  viel  weniger  Widerspruch  gefunden.  Im 
Gegenteil,  man  hat  sie  mit  ihren  Ergebnissen  geradezu  als  eine 
„errettende“  Tat  bezeichnet. 

Die  Gynäkologen  sind  ja  schon  vielfach  von  den  Nög- 
g  e  r  a  t  h  sehen  übertriebenen  und  geradezu  unverständlichen 
Behauptungen  zurückgekommen,  wie  schon  aus  der  Diskussion 
über  meine  Vorträge  (v.  Rosthorn,  Schaeffer10)  her¬ 
vorgeht.  Ich  ersehe  nachträglich  Genaueres  darüber  in  der 
Abhandlung  von  B  u  m  m  u)  aus  dem  Jahre  1897,  welcher  diese 
Angaben  für  hochgradig  übertrieben  erklärt;  er  behauptet,  dass 
Nöggerath  die  Heilbarkeit  des  Trippers  weit  unterschätzt 
habe  und  glaubt,  dass  frische  Gonorrhöen  bei  Frauen  (wenn 
nicht  besondere  Schädlichkeiten  einwirken)  gewöhnlich  —  mit 
oder  ohne  Behandlung!  —  vollständig  ausheilen. 


10)  Siehe  diese  Wochenschr.  1906,  Nr.  52,  S.  2582,  auch  ebenda: 
1904,  Nr.  13,  S.  585. 

11 )  Ueber  die  gonorrhoischen  Erkrankungen  der  weiblichen  Harn- 
und  Geschlechtsorgane.  Handb.  d.  Gynäkol.  I,  S.  496  ff.  1897. 

3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


Ebenso  ist  es  mit  der  von  Nöggerath  behaupteten  gonor¬ 
rhoischen  Sterilität  der  Frauen;  Bumm  fand  unter  110  Fällen 
primärer  Sterilität  allerhöchstens  30  Proz.  durch  Gonorrhöe 
bedingt  (eine  etwas  grössere  Rolle  spielt  diese  bei  der  sogen. 

Einkindersterilität“).  Aber  die  primäre  Sterilität  wird  von  den 
Gynäkologen  auf  ca.  12  Proz.  aller  Ehen  geschätzt;  nach 
B  u  m  m  würde  also  % — Ya  davon,  d.  h.  also  3 — 4  Proz.  aller 
Ehen,  durch  Gonorrhöe  steril  sein;  das  entfernt  sich  gar  nicht 
weit  von  den  von  mir  gefundenen  (für  die  Sterilität  ja  doch 
im  ganzen  sehr  unsicheren)  Zahlen. 

Aber  wenn  das  so  ist,  warum  äussern  sich  dann  die  Herren 
Gynäkologen  gar  nicht  über  die  Behauptungen,  „dass  fast  alle 
Ehen  vergiftet“,  „dass  die  Volksvermehrung  —  besonders  durch 
den  Tripper  —  bedroht  sei?“  Mir  wenigstens  ist  davon  nichts 
zur  Kenntnis  gekommen.  —  Ja,  Pfannenstiel  hat  noch  vor 
kurzem,  unmittelbar  vor  dem  Erscheinen  meiner  Abhandlung, 
in  einem  Vortrag  ia)  die  Folgen  der  Gonorrhöe  bei  Mann  und 
Weib  in  sehr  düsteren  Farben  geschildert,  besonders  auch  in 
Bezug  auf  die  Fruchtbarkeit  der  Ehen.  Er  erklärt  die  Häufig¬ 
keit  der  Sterilität  durch  Tripper  bei  den  Frauen  für  sehr  gross, 
besonders  für  die  Einkindersterilität;  aber  er  macht  gar  keine 
Zahlenangaben  über  die  absolute  Häufigkeit  der  Sache  und 
überschätzt  dieselbe  jedenfalls  ganz  erheblich,  wie  meine 
Statistik  zeigt;  das  ist  ja  bei  einem  Gynäkologen  wohl  ver¬ 
ständlich,  da  dieser  ja  begreiflicherweise  keinen  Massstab  für 
die  Zahl  der  gesunden  Frauen,  also  für  den  Prozentsatz  der 
tripperkranken  hat. 

Es  wäre  hier  der  Ort,  die  Fortsetzung  meiner  Statistik  über  die 
Ehefrauen  einzufügen;  es  lohnt  nicht,  da  ich  bisher  nur  weitere  60 
Fälle  gesammelt  habe;  das  Ergebnis  ist  mit  dem  früheren  (von  400 
Fällen)  übereinstimmend.  Ich  bemerke  nur,  dass  in  den  60  Fällen 
nicht  weniger  als  58  mal  die  Frauen  unterleibsgesund  er¬ 
schienen,  nur  zwei  erkrankt,  davon  die  eine  noch  zweifelhaft,  ob 
gonorrhoisch;  (sie  hatte  2  mal  abortiert,  wurde  kurettiert  und  hatte 
dann  noch  2  gesunde  Kinder).  32  Frauen  hatten  2 — 6  Kinder;  12  nur 
eines:  davon  5  absichtlich,  3  wegen  zu  kurzer  Ehe,  2  wegen  ander¬ 
weitiger  Erkrankung  (Basedow,  Tuberkulose)  und  nur  2  aus  unbe¬ 
kannter  Ursache;  14  Frauen  hatten  keine  Kinder  (4  wegen  noch  zu 
kurzer  Ehe,  3  wohl  wegen  Syphilis  des  Mannes,  2  wegen  Sterilität  und 
mangelhafter  Potenz  des  Mannes,  2  wegen  Zervixstenose  und  nur  3 
aus  unbekannter  Ursache).  —  Es  ist  überflüssig,  dazu  weiteren 
Kommentar  zu  machen. 

In  parenthesi  will  ich  hier  noch  anfügen,  dass  meine 
Statistik  einen  gewissen  Rückschluss  auf  die  durch  Gonorrhöe 
bedingte  Zeugungsunfähigkeit  des  Mannes  gestattet,  die  jeden¬ 
falls  auch  stark  überschätzt  wird.  Wenn  unter  370  Ehen  früher 
tripperkranker  Männer,  deren  Frauen  gesund  blieben,  sich  nur 
40  (nicht  absichtlich)  kinderlose  Ehen  finden,  unter  welchen 
für  viele  doch  noch  andere  Ursachen  (Syphilis,  zu  kurze  Ehe¬ 
dauer,  Myome,  Zervixstenose,  Retroflexio  uteri  etc.)  in  Frage 
kommen,  so  bleiben  nur  wenige  Prozent  übrig,  bei  welchen  die 
männliche  Sterilität  als  Ursache  der  Kinderlosigkeit  beschuldigt 
werden  kann.  Auch  diese  Frage  auf  statistischem  Wege,  unter 
Zuhilfenahme  möglichst  sorgfältiger  Ermittelungen  zu  lösen, 
liegt  hier  sehr  nahe. 

Was  der  Gynäkologe  Kossmann13)  vorbringt,  berührt 
eigentlich  meine  Sache  nur  sehr  wenig.  Er  erklärt  meine 
Statistik  als  durchaus  unzuverlässig,  glaubt  aber,  dass  eine 
Statistik,  die  er  selbst  etwa  aufstellen  wollte,  ebenso  unzuver¬ 
lässig  sein  würde;  diesen  Glauben  will  ich  ihm  nicht  rauben, 
aber  er  beirrt  mich  keineswegs  in  der  Ueberzeugung,  dass 
meine  Statistik  doch  einen  recht  hohen  Grad  von  Zuverlässig¬ 
keit  besitzt,  aber  natürlich  n  u  r  für  die  Vorkommnisse,  auf 
welche  ich  sie  angewendet  habe  und  angewendet  sehen  will. 
Kossmann  vergisst,  dass  ich  ausschliesslich  die 
schweren  Folgen  des  Trippers  bei  der  Frau  (die 
schweren  Unterleibsentzündungen,  Metritis,  Para-  und  Peri¬ 
metritis,  Pelveoperitonitis  etc.  —  und  die  Unfruchtbarkeit)  zu 
fassen  suche.  Dass  ich  gonorrhoische  Erkrankungen  der  Frau 
überhaupt,  auch  in  ihren  leichten,  heilbaren,  fast  symptomlosen 
Formen  nicht  durch  Befragung  der  Frau  oder  gar  nur  des 
Mannes  feststellen  wollte,  ist  doch  ganz  selbstverständlich;  so 
töricht  bin  ich  doch  nicht. 


'-)  Zeitschr.  f.  Bekämpfung  d.  Qeschlechtskrankh.  VI,  S.  64. 

13)  Zur  Statistik  der  Gonorrhöe.  Diese  Wochenschr.  1906,  No.  51, 
S.  2535. 


Das,  was  ich  wissen  wollte,  und  worauf  es  überhaupt  in 
dieser  Diskussion  allein  ankommt,  das  kann  schliesslich  auch 
der  harmloseste  und  einfältigste  Ehemann  mit  Sicherheit  an¬ 
geben!  —  ob  seine  Frau  Kinder  hat  und  Wie  viele?  —  und  ob 
sie  etwa  einmal  schwer  unterleibsleidend,  bettlägerig  war, 
operiert  wurde  usw.?  Es  ist  recht  betrübend,  dass  ich  das 
immer  wiederholen  muss. 

Es  fällt  mir  nicht  ein,  den  Angaben  von  Kossmann  über 
die  Erscheinungen  der  akuten  Gonorrhöe  bei  Frauen,  über  die 
gonorrhosiche  Erkrankung  des  Uterus,  der  Tuben,  der  Bauch¬ 
höhle  etc.  als  Nichtgynäkologe  zu  widersprechen;  wenn  ihre 
Erscheinungen  so  unbedeutend  sind,  dass  sie  übersehen  und 
vergessen  werden  können,  so  entziehen  sie  sich  natürlich 
meiner  Statistik;  ebenso  ist  es  mit  der  angeblich  sehr  grossen 
Zahl  von  Frauen  mit  gonorrhoischer  Entzündung  der  Bauch¬ 
höhle,  die  angeblich  nur  an  Obstipation,  an  Unterleibsschmerzen 
u.  ähnl.  leiden  oder  vielleicht  nur  für  nervös  und  „unliebens¬ 
würdig“  gelten;  ihre  Zahl  ist  statistisch  gar  nicht  festzustellen. 
Kossmann  glaubt  aber,  dass  sie  recht  gross  sei;  man 
kann  aber  auch  vielleicht  einen  anderen  Glauben  haben  und 
ich  möchte  gerne  die  Ansichten  anderer  Gynäkologen  darüber 
hören. 

Auch  die  kasuistischen  Mitteilungen  von  V  ö  r  n  e  r  (1.  c.) 
über  die  Erkrankung  der  Ehefrauen  in  wahrscheinlich  nicht 
tripperreinen  Ehen  sind  ja  ganz  interessant,  geben  aber  gar 
keinen  Anhaltspunkt  für  die  Häufigkeit  von  Erkrankungen 
ernsterer  Art  in  solchen  Fällen. 

Wenn  endlich  K  o  p  p 14)  aus  meinen  Angaben  heraus¬ 
rechnet,  dass  in  Deutschland  selbst  bei  der  Annahme  von  nur 
2,125  Proz.  schwerer  gonorrhoischer  Erkrankungen  jährlich 
zwischen  8000  und  9000  junge  Ehefrauen  durch  die  Ehe  schwer 
geschädigt  werden,  so  ist  das  ja  erschreckend  genug;  er  hätte 
aber  doch  hinzufügen  dürfen,  dass  nach  den  früheren  und  all¬ 
gemein  anerkannten  Annahmen  diese  Zahl  wohl  zehnmal  .so 
gross  oder  noch  höher  zu  schätzen  wäre! 

Wenn  Blaschko  auch  im  allgemeinen  meiner  Statistik 
für  die  Frauen  mehr  Berechtigung  zugesteht,  so  hat  es  mich 
doch  etwas  peinlich  berührt,  wenn  er  in  seinem  Schlusspassus 
(I.  c.)  meine  Ergebnisse  geradezu  als  betrübend  hinstellt  und 
sie  den  Vorkämpferinnen  der  Frauenbewegung  als  ein  wirk¬ 
sames  Agitationsmittel  an  die  Hand  gibt.  Er  hätte  nicht  ver¬ 
schweigen  dürfen,  dass  diese  25  bezw.  17  Ehen,  die  von  dem 
Tripper  „vergiftet“  waren,  die  einzigen  unter  400  nicht  tripper¬ 
reinen  Ehen  sind  und  dass,  wenn  ich  50  Proz.  tripperkranke 
Ehemänner  finde,  diese  Zahl  noch  ungefähr  verdoppelt  werden 
muss,  dass  also  auf  ca.  800  Ehen  nur  25  bezw.  17  vom  Tripper 
ernstlich  geschädigte  Frauen  kommen15). 


14)  Siehe  diese  Wochenschr.  1906,  S.  2534,  Nr.  51. 

15)  Erst  nachdem  das  Vorstehende  längst  niedergeschrieben  war. 
kam  mir  —  durch  Zufall  sehr  verspätet  —  der  Aufsatz  von  A.  Neisser 
„Ueber  die  Behandlung  der  Gonorrhoe“  in  der  „Med.  Klinik“  1907, 
Nr.  14  zu  Gesicht,  in  welcher  sich  der  Autor  auch  in  einer  grossen 
Anmerkung  gegen  meine  Tripperstatistik  wendet. 

Leider  kommen  auch  von  dieser  von  mir  so  hochgeschätzten 
Seite  im  Wesentlichen  nur  dieselben  Ansichten  und  Bedenken  zum 
Ausdruck,  wie  bei  meinen  anderen  Gegnern;  ich  hoffe,  sie  im  Vor¬ 
stehenden  genügend  widerlegt  zu  haben. 

Neisser  berührt  zum  Teil  Dinge,  die  gar  nicht  hierher  ge¬ 
hören,  die  aber  auch  mir  sehr  wohl  bekannt  sind,  nämlich  die  üblen 
Folgezustände  der  .akuten  und  chronischen  Gonorrhoe  bei  Männer  n. 

Nur  auf  die  im  3.  Absatz  seiner  Anmerkung  getanen  Aeusserungen 
muss  ich  etwas  eingehen,  da  sie  auf  Missverständnissen  beruhen. 
Die  in  ihrer  Richtigkeit  bemängelten  Zahlen  über  4,25  .bezw.  6,25  Proz. 
schwer  erkrankten  Frauen  in  „Tripperehen“  betreffen  ja  keineswegs 
die  Ansteckung  .an  sich,  sondern  nur  die  schweren  Folgen 
derselben  für  die  Frau!  Das  ist  doch  ein  gewaltiger  Unterschied! 
Dass  wahrscheinlich  sehr  viel  häufiger  eine  Ansteckung  mit 
Tripper  in  diesen  Ehen  erfolgt,  die  aber  rasch  heilt  oder  nur  leichtere 
Folgen  hinterlässt,  das  weiss  ich  selbst;  die  wollte  und  konnte  ich 
aber  mit  meiner  Statistik  gar  nicht  fassen.  Im  Schlussatz  dieses 
Alinea  ist  meinem  verehrten  Freunde  aber  noch  ein  erheblicher  Irr¬ 
tum  passiert;  er  vergisst,  dass  die  4,25  Proz.  erkrankter  Frauen  sich 
lediglich  in  den  Ehen  von  tripperkranken  Männern  finden,  es  also 
falsch  ist,  diese  Zahl  zu  verdoppeln.  Wenn  es  in  der  männlichen 
Bevölkerung  50  Proz.  Tripper  gibt,  so  stehen  eben  100  infizierten 
Ehenmännern  (ungefähr)  100  nichtinfizierte  gegenüber  und  unter 
diesen  200  Ehen  finden  sich  dann  4,25  erheblich  an  Tripper  erkrankte 
Frauen,  d.  h.  also  2,125  Proz.  und  nicht  8,5  Proz.,  wie  N.  aus- 


30.  Juli  1907. 


MUfiNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  153t 


Ich  bin  gewiss  kein  Optimist  in  dieser  Frage  und  will  ge¬ 
wiss  nicht  abwiegeln,  oder  die  Bestrebungen  der  Aerzte,  die 
dem  Tripper  eine  ernstere  Bedeutung  zuschreiben  und  ihn  für 
ein  das  Volkswohl  erheblich  schädigendes  Uebel  erklären, 
irgendwie  durchkreuzen.  Ich  wiederhole,  dass,  auch  wenn  man 
bei  der  Wahrheit  bleibt,  die  Dinge  noch  traurig  genug  sind  und 
noch  reichlich  Agitationsstoff  übrig  bleibt;  aber  man  darf  den 
Bogen  auch  nicht  überspannen,  sonst  schadet  man  der  Sache 
mehr  als  man  ihr  nützt.  Und  schliesslich:  Die  Wahrheit  über 
alles ! 

Mir  selbst  wird  es  ja  voraussichtlich  bald  versagt  sein, 
viel  weiteres  Material  zur  Fortsetzung  dieser  statistischen 
Untersuchungen,  die  ja  hach  manchen  Richtungen  noch  aus¬ 
gedehnt  und  verfeinert  werden  können,  beizubringen.  Darum 
möchte  ich  dringend  bitten,  dass  Beobachter  mit  ähnlich 
günstigem  Material  wie  das  meinige  —  Kliniker,  auch  chirur¬ 
gische,  gesuchte  Consiliarii,  beschäftigte  Familienärzte  usw.  — 
sich  der  nicht  ganz  mühelosen  Arbeit  des  Sammelns  geeigneter 
Notizen  unterziehen  und  so  die  Resultate  solcher  Statistiken  auf 
eine  breitere  Unterlage  stellen  möchten. 


Ein  neuer  Harnfänger  für  männliche  Säuglinge.*) 

Von  Dr.  Ernst  Teuffel,  Kinderarzt  in  Dresden. 

Für  die  Herstellung  von  Säuglingsurinalen  ist  die  moderne  Tech¬ 
nik  mehr  und  mehr  vom  Gummi  zum  Glas  übergegangen.  Der  Grund 
hieftir  lag  hauptsächlich  in  der  leichteren  Zersetzlichkeit  und  Trü¬ 
bung  des  Urins  durch  Gummistoffe.  Ganz  hat  man  sich,  wie  ver¬ 
schiedene  Rezipienten  neueren  Datums  beweisen,  noch  nicht  davon 
zu  befreien  gewusst.  Auch  der  von  Gross  mann  wohl  zuletzt 
(1905)  angegebene,  besonders  für  Chirurgen  und  praktische  Aerzte 
bestimmte  Urinfänger  kann  des  Gummis  nicht  entraten,  insofern  ein 
Schlauch  die  Verbindung  zwischen  dem  zu  passierenden  und  dem 
eigentlichen  Aufnahmeglas  vermittelt.  Zum  dichten  Abschluss  dieses 
Rezipienten  ist  ausserdem  eine  grössere  Fläche  Heftpflaster  nötig, 

die  beim  männlichen 
Säugling  Skrotum  und 
Regio  pubica  bekleben 
soll.  Manches  hat  der 
Apparat  dennoch  vor 
der  üblichen  Methode, 
mit  Reagenzrohr  oder 
Kölbchen  den  Urin  ab¬ 
zufangen,  voraus.  Er 
ist  ein  Fortschritt. 

Das  Reagensglas  ist 
für  die  kleinen  laufenden 
Untersuchungen  ohne 
Zweifel  genügend,  mutet 
aber,  wie  ich  glaube,  mit  Recht  etwas  primitiv  an.  Auch  hier  ist  das 
Glas  mit  Heftpflaster  und  mit  den  Windeln  des  Kindes  zu  fixieren. 
Jede  Erektion  würde  ohne  diese  Hilfe  den  Rückfluss  von  Urin  her¬ 
beiführen.  Diese  ganze  Art  der  Fixation  kann  auch  für  den  Säugling 
kaum  angenehm  sein,  um  so  weniger,  wenn  sie  öfter  wiederholt 
werden  muss. 

Unser  Bestreben  muss  auch  in  dieser  Beziehung  sein,  Rezipienten 
zu  finden,  welche  nicht  nur  im  stände  sind,  in  einwandfreier  und 
einfacher  Weise  eine  grössere  Menge  Harn  —  also  auch  für  quan¬ 
titative  Bestimmungen,  abgesehen  von  Stoffwechseluntersuchungen 
—  aufzufangen,  sopdern  auch  möglichst  mühelos  und  für  den  Säug¬ 
ling  möglichst  schonend  befestigt  werden  können,  und  welche  nicht 
teuer  sind. 

Eine  nicht  unwichtige  Frage  für  dieses  Ziel  ist  auch  die  nach 
der  Form  des  Rezipienten.  Unter  den  bisherigen  Formen  vermisste 
ich  ganz  die  stabile,  d.  h.  auf  der  Unterlage  zwischen  den  Beinen 
sicher  ruhende  Form,,  welche  dem  Rezipienten  die  Gestalt  eines 


rechnet.  Hier  liegt  offenbar  eine  Verwechslung  vor;  es  ist  übersehen 
worden,  dass  meine  Statistik  sich  nur  auf  400  verheiratete  Männer 
m  i  t  Tripper  bezieht.  —  Und  ich  finde,  dass  man  über  diese  2,125  Proz. 
schwere  Tripperfolgen  in  der  Gesamtzahl  der  Ehen  doch  nicht  so 
sehr  erschreckt  zu  sein  braucht,  wenn  man  bedenkt,  wie  viel  grössere 
Zahlen  man  bisher  als  richtig  ansah! 

Ueber  die  Bedeutung  des  Trippers  für  die  Sterilität  bezw. 
Impotenz  des  Mannes,  die  N  e  i  s  s  e  r  ebenfalls  berührt,  kann  ich  auf 
meine  oben  gemachten  Bemerkungen  verweisen. 

Jedenfalls  will  ich  auch  an  dieser  Stelle  den  Vorwurf  des 
„Optimismus“  zurückweisen.  Ich  halte,  wie  wiederholt  ausge¬ 
sprochen,  die  Sache  noch  für  schlimm  genug,  wenn  auch  nicht  für  s  o 
schlimm,  wie  man  sie  vielfach  darzustellen  beliebt. 

*)  Nach  einer  Demonstration  in  der  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Heilkunde  in  Dresden  vom  16.  März  1907. 


wirklichen  Harnglases  gibt.  Eine  solche  Form  gestattete  das  Glas 
grösser  zu  bauen  und  ihm  mehr  Gewicht  zu  geben,  so  dass  für  die 
Fixation  nur  diejenige  an  den  Rumpf  in  Betracht  kam. 

Aus  solchen  Erwägungen  heraus  habe  ich  es  der  Mühe  wert 
gefunden,  das  beistehend  abgebildete  Modell  herstellen  zu  lassen. 
Dasselbe  ist  nur  aus  Glas,  leicht  zu  reinigen  und  aüskochbar.  Sein 
Halsteil  dient  der  Aufnahme  des  Penis.  Vom  Halse  an  fällt  die 
Vorderwand  des  Glases  steil  und  mit  Rücksicht  auf  das  Skrotum  in 
leicht  nach  innen  konvexem  Bogen  ab.  So  kann  der  Harn  gleich 
nach  abwärts  fliessen.  Der  Boden  ist  flach  und  breit.  Besonders 
hingewiesen  sei  auf  die  von  oben  vorn  nach  unten  und  hinten  schräg 
verlaufende  Ebene  der  Einflussöffnung.  Der  obere  freie  Rand  des 
Halses  überragt  also  den  unteren  wesentlich.  Hiedurch  soll  das  bei 
anderen  Gläsern  oft  beobachtete  Herausgleiten  des  Penis  nach  oben 
verhütet  und  die  Befestigung  mit  Heftpflaster  überflüssig  werden. 
Die  Befestigung  am  Leib  geschieht  mit  einfachem  Durchzugsband, 
welches  je  an  einer  der  seitlich  am  Halsteil  befindlichen  kräftigen 
Glasösen  angeknotet  und  von  da  um  die  Hüften  geführt  unter  leichtem 
Zug  seitlich  zu  einer  Schleife  verbunden  wird. 

Masse  des  Glases:  Höhe  (bis  zum  unteren  Rand  der  Oeffnung) 
7  cm,  Länge  (über  den  Rücken)  15  cm,  Boden  7:9  cm,  Oeffnungs- 
durchmesser  1,5  :  2,1  cm  (grosses  Modell). 

Mit  Rücksicht  auf  das  Alter  des  Säuglings  sind  2  Gläsergrössen 
vorgesehen,  das  eine  160,  das  andere  200  ccm  fassend.  Diese  Ka¬ 
pazität  macht  ein  häufiges  Abnehmen  des  Glases  bei  quantitativen 
Untersuchungen  unnötig.  Eine  Skala  für  die  Zahl  der  Kubikzenti¬ 
meter  ist  leicht  anzubringen.  Auch  das  jeweilige  Umgiessen  des 
Harns  ist  durch  die  einfache  Art  der  Befestigung  ohne  Schwierig¬ 
keit  auszuführen  und  das  Glas  mühelos  auszuwechseln.  Indem  dieses 
ferner  sicher  auf  seiner  Unterlage  steht  und  die  Fixation  am  Körper 
eine  leichte  ist,  erscheint  die  Belästigung  für  den  Säugling  sehr 
gering.  Ein  Zug  findet  ja  kaum  statt. 

Meine  persönliche  Erfahrung  mit  dem  Rezipienten,  den  ich  in 
einer  ganzen  Reihe  von  Fällen,  besonders  bei  älteren,  unruhigeren 
Säuglingen  angewendet  habe,  geht  dahin,  dass  derselbe  für  den 
klinischen  Bedarf  im  Krankenhaus,  wie  draussen 
für  den  p-rak  tischen  Arzt  seine  Aufgabe  vollkommen  erfüllt. 
Er  ist  mir  aber  auch  bei  Zuständen  von  Anurie,  wo  es  auf  die 
approximative  Bestimmung  der  täglich  abgesonderten  Harnmenge 
sehr  wesentlich  ankommt,  von  grossem  Werte  gewesen. 

Ueber  die  Verwendung  bei  Stoffwechselversuchen  steht  mir 
keine  Beobachtung  zu  Gebote;  ich  kann  mich  aber  der  Ueber- 
zeugung  nicht  verschliessen,  dass  auch  hier  das  Glas,  wenn  es  sich 
nur  um  Harnbestimmungen  handelt,  zu  brauchen  sein  wird.  Hier 
mag  es  sich  ja  der  Sicherheit  wegen  empfehlen,  Heftpflaster  zu  Hilfe 
zu  nehmen.  Mir  selbst  ist  es  einige  Male  gelungen,  Harn  von  12 
bis  24  Stunden  ohne  Verlust  aufzufangen.  In  diesem  Punkt  bin  ich 
für  eine  erweiterte  Prüfung  von  berufener  Seite  nur  dankbar. 

Ein  entsprechendes  Glas  für  den  weiblichen  Säugling  hoffe  ich 
bald  demonstrieren  zu  können. 

Der  Preis  des  Urinals  beträgt  M.  —.70.  Es  ist  von  dem  optischen 
Institut  Carl  Wi  e  g  a  n  d  in  Dresden-N  hergestellt,  welche  Firma  auch 
den  Vertrieb  übernommen  hat. 


Heisse  Luft  als  Behandlungsmittel  der  Frostbeulen  in 

der  Volksmedizin. 

Von  Dr.  Hornung-  Schloss  Marbach  a/Bodensee. 

Die  Artikel  der  Herren  Prof.  Ritter  und  Dr.  Mirt  in  dieser 
Wochenschrift,  welche  über  die  Behandlung  von  Frostschäden  be¬ 
richten,  veranlasst  mich,  folgendes  eigene  Erlebnis  auf  diesem  Ge¬ 
biete  hier  mitzuteilen,  welches  zeigt,  dass  in  der  Volksmedizin  die 
heisse  Luft  schon  längst  zur  Behandlung  der  Frostbeulen  verwandt 
wurde,  und  zwar  mit  bestem  Erfolg. 

Als  ich  ein  Junge  von  9  oder  10  Jahren  war,  hatte  ich  die  Fiisse 
voll  Frostbeulen,  die  im  Winter  durch  das  fortwährende  Jucken 
eine  Qual  waren  und  auch  dadurch  Beschwerden  hervorriefen,  dass 
einzelne  aufbrachen.  Als  ich  einst  im  väterlichen  Pferdestall  wieder 
den  einen  Fuss  mit  dem  Absatz  des  anderen  bearbeitete, 
um  das  Jucken  zu  vertrcioen,  sah  das  der  alte  Kutscher, 
ein  ehemaliger  Postillon,  und  fragte,  was  ich  hätte.  Als 
ich  ihm  mein  Leid  geklagt  hatte,  sagte  er,  das  wolle 
er  schnell  wegschaffen.  Als  anno  48  die  grosse  Strasse 
nach  Erfurt  gebaut  wurde,  habe  er  mitten  im  Winter  die  Messkette 
durch  die  Unstrut  schleppen  müssen  und  sich  dabei  beide  Füsse  er¬ 
froren.  Da  habe  ihm  einer  gesagt,  er  solle  die  Füsse  mit  gereinig¬ 
tem  Steinöl  einreiben  und  sie  ans  Ofenfeuer  halten,  so  lange  er 
könne  und  so  nahe  an  die  Flamme,  als  möglich.  Er  habe  es  getan, 
und  seine  Füsse  seien  gesund  geworden.  —  Es  wurde  also  für  10  1  i. 
Steinöl  beschafft,  meine  Fiisse  wurden  eingerieben  und  ich  brachte 
einen  Nachmittag  damit  zu,  nach  dem  angegebenen  Verfahren  zu 
arbeiten.  Es  wurde  mir  manchmal  brenzlich  heiss;  aber  ich  hielt 
aus.  In  ein  paar  Tagen  waren  die  Frostbeulen  verschwunden  und 

ich  blieb  für  immer  davon  befreit. 

Als  Erklärung  für  die  Wirksamkeit  dieser  I  rozedur  sagte  dei 
Alte,  dass  das  Feuer  mit ‘Hilfe  des  brennbaren  Steinöls  den  Frost 
herausziehen  müsse.  Selbstverständlich  würde  die  Hitze  wohl  ohne 
Steinöl  auch  wirksam  geworden  sein.  Ich  vermute,  dass  dies  an- 

3* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  M. 


gewendet  wurde,  weil  in  der  Volksmedizin  immer  das  Bestreben 
vorhanden  ist,  die  gute  Wirkung  natürlicher  Heilmittel,  wie  trockene 
oder  feuchte  Wärme  etc.,  nicht  diesen  Faktoren  selbst  zuzuschreiben, 
sondern  den  Hilfsmitteln,  mit  denen  sie  dem  Körper  übermittelt 
werden.  So  macht  man  heisse  Umschläge  mit  Heublumen,  badet 
in  heissem  Kamillenthee  usw. 

Nur  kurz  möchte  ich  eine  andere  Behandlungsweise  der  Frost¬ 
beulen  erwähnen,  die  auch  der  Volksmedizin  angehört:  Man  bestreicht 
Frostbeulen  mit  heissem  Tischlerleim.  Ich  würde,  wenn  ich  in  die 
Lage  käme,  noch  einmal  Frostbeulen  an  mir  behandeln  zu  müssen, 
die  erste  Methode  vorziehen,  die  gestattet,  die  Füsse  wegzuziehen, 
wenns  im  Ofen  zu  heiss  wird.  Bei  der  zweiten  ist  man  denn  doch 
dem  Gefühl  für  den  richtigen  Hitzegrad  von  seiten  des  Heilkünstlers 
zu  sehr  ausgeliefert. 


Zur  Differentialdiagnose  der  menschenpathogenen 

Streptokokken. 

Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  von  H.  Beitzke  und 
().  Rosenthal  zu  meiner  Arbeit  in  Nr.  24  dieser  Wochen¬ 
schrift. 

Von  W.  H.  Schultze  in  Qöttingen. 

Beitzke  und  R  o  s  e  n  t  h  a  1  glauben  sich  auf  Grund  meiner 
Ausführungen  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  auch  das  Eppen- 
dorfer  Institut  nicht  in  der  Lage  sei,  eine  genaue  Vorschrift  zur  Be¬ 
reitung  des  Lackmusmilchzuckeragars  zu  geben.  Sie  schliessen  dies 
aus  meinem  Satze:  „Es  kommt  auch  im  Eppendorfer  Krankenhause 
vor,  dass  auf  einer  Abkochung  des  Nutroseagars  die  Stämme  nicht 
ordentlich  wachsen,  während  sie  auf  einer  anderen  sehr  gut  ge¬ 
deihen.“  Aus  dem  Zusammenhang  gerissen,  könnte  dieser  Satz  zu  der 
Annahme  von  Beitzke  und  Rosenthal  führen.  Ich  fahre  aber 
ausdrücklich  fort:  „Es  war  dies  immer  nur  dann  der  Fall,.,  wenn 
der  Nährboden  nicht  gengiiend  alkalisiert  war  und  keinen  rein  blauen, 
sondern  etwas  ins  rötliche  spielenden  Farbenton  aufwies“.  Auch 
erwähne  ich  besonders,  dass  dieser  Nährboden  „von  der  Benützung 
ausgeschaltet“  wurde,  und  habe  nachdrücklich  betont,  dass  „auf  dem 
richtig  alkalisierten  Agar  stets  gutes  Wachstum  vorhanden“  war. 
Auch  vorher  sage  ich  wörtlich:  „Es  ist  niemals  vorgekommen,  dass 
über  Nichtwachsen  eines  Streptokokkenstammes  auf  richtig  zube¬ 
reitetem  Drigalkiagar  berichtet  worden  wäre.“  Wo  ich  also  „etwas 
zugebe,  was  ich  einige  zwanzig  Zeilen  vorher  bestreite“,  wie  B.  und 
R.  schreiben,  ist  mir  nicht  ersichtlich.  Dass  auch  in  dem  best  ge¬ 
leiteten  Institut  einmal  Ungenauigkeiten  in  der  Zubereitung  der 
Nährböden  Vorkommen  können,  ist  wohl  selbstverständlich. 

Da  Beitzke  und  Rosenthal  für  alle  ihre  Stämme  nur  ein- 
und  denselben  Agar  verwandt  haben,  ist  die  Möglichkeit,  dass  ge¬ 
rade  dieser  eine  Agar  nicht  richtig  zusammengesetzt  war,  noch  viel 
wahrscheinlicher,  als  wenn  sie  mehrere  Abkochungen  benützt  hätten, 
und  ich  halte  meine  Ansicht,  dass  sich  die  Differenzen  zwischen  den 
Resultaten  von  Beitzke  und  R  o  s  e  n  t  h  a  1  und  meinen  Ergebnissen 
und  den  sich  darauf  aufbauenden  Erwägungen  am  besten  aus  einer 
verschiedenen  Zusammensetzung  der  benützten  Nährböden  erklären 
lassen,  vollkommen  aufrecht. 


Ueber  die  Behandlung  der  angeborenen  Lebensschwäche. 

Von  Prof.  Meinhard  Pfaundler. 

(Schluss.) 

Eine  ganz  andere  Indikation  für  die  Anwen¬ 
dung  der  Couveuse,  als  bisher  berücksichtigt,  wurde 
insbesonders  von  französischen  Autoren  ins  Auge  gefasst,  näm¬ 
lich  die  Verhütung  der  abnor m  starken  initia¬ 
len  Abkühlung  frühge*borenerKinder  nach  der 
Geburt.  Bei  neugeborenen  Kindern  kommt  es  bekanntlich 
infolge  der  Labilität  ihrer  Körpertemperatur  und  dem  allenthal¬ 
ben  üblichen  ersten  Reinigungsbade  1 — 2  Stunden  post  partum 
zu  einer  kurzdauernden  physiologischen  Temperaturremission 
um  etwa  VA  bis  2K>  °.  Bei  Frühgeborenen  erreicht  diese  ini¬ 
tiale  Abkühlung  sehr  häufig  höhere  Grade  und  persistiert  durch 
längere  Zeit.  E  r  ö  s  s  fand  zwar,  dass  die  Hypothermie  bei 
Frühgeburten  keine  so  häufige  sei  und  dass  nur  der  kleinste 
Teil,  etwa  ein  Viertel,  aller  Frühgeborenen  einer  künstlichen 
Erwärmung  bedürfe,  doch  beziehen  sich  seine  Erhebungen  auf 
Kinder,  die  andauernd  im  Bette  der  Mutter  gepflegt  wurden, 
w  as  auf  die  Temperaturverhältnisse  ohne  Zweifel  grossen  Ein¬ 
fluss  hat  und  was  weder  als  ein  „gewöhnliches“  noch  als  ein 
zweckmässiges  heute  in  Betracht  kommendes  Regime  bezeich¬ 
net  werden  kann. 

Die  (mitunter  exzessive)  Abkühlung  der  Debilen  (auf  32  bis 
30°  C)  scheint  nun  aber  als  solche  mit  Schaden  einher¬ 


zugehen;  dafür  sprechen  insbesonders  Letalitätsdaten,  wie  sie 
beispielsweise  von  B  u  d  i  n  gewonnen  wurden.  Die  Mortali¬ 
tät  innerhalb  der  einzelnen  Geburtsgewichtsklassen  war  unter 
sonst  gleichen  Umständen  eine  weit  geringere,  wenn  die  ini¬ 
tiale  Abkühlung  hatte  vermieden  werden  können,  ja  sie  diffe¬ 
rierte  noch  bis  zu  12  Proz.  zu  Ungunsten  der  unter  32°  C 
Abgekühlten  im  Vergleiche  zu  den  nur  bis  zu  32°  C  Abgekühl¬ 
ten.  Worauf  dieser  Schaden  der  vermehrten  initialen  Ab¬ 
kühlung  beruht,  kommt  in  der  französischen  Literatur  m.  W. 
nicht  zum  Ausdrucke;  doch  ist  es  vielleicht  nicht  schwer,  sich 
darüber  eine  plausible  Vorstellung  zu  machen.  Die  Wieder¬ 
erwärmung,  welche  der  physiologischen  Abkühlung  der  Neu¬ 
geborenen  gesetzmässig  am  2.  Lebenstage  folgt,  kommt  unter 
gewöhnlichen  Verhältnissen  mangels  an  Nahrungsmaterial 
offenbar  auf  Kosten  von  Heizstoffen  des  Körperbestandes  zu¬ 
stande,  die  aus  dem  fötalen  Leben  stammen  und  deren  Konsum 
nach  E  r  er  s  s  den  initialen  Gewichtsabsturz  z.  T.  wenigstens  er¬ 
klärt.  Nun  führt  der  erhöhte  Heizstoffbedarf  nach  ver¬ 
mehrter  Abkühlung  bei  Debilen  möglicherweise  zum  Angriffe 
auf  mehr  oder  „höherwertiges“  Körpermaterial,  dessen  Aus¬ 
fall  nicht  ohne  Schaden  für  das  spätere  Leben  bleibt. 

Wenn  es  sich  bloss  darum  handelt,  diese  initiale  Abkühlung 
zu  verhindern,  dann  genügt  eine  viel  kürzere  Aufenthaltsdauer 
im  Wärmschranke.  Tastweises  Herabmindern  der  Couveusen- 
temperatur  lässt  meist  schon  nach  wenigen  Tagen  erkennen, 
dass  das  Kind  in  diesem  Sinne  nicht  mehr  couveusenbedürftig 
ist.  Marfan  hält  die  Couveuse  für  nicht  mehr  nützlich,  wenn 
das  Neugeborene  in  gewöhnlichem  Milieu  2  Tage  lang  nicht 
unter  37°  C  temperiert  bleibt.  In  der  französischen  Literatur 
begegnet  man  Angaben  dahingehend,  die  „Inkubation“  dauere 
bei  einem  gewissen  Grade  von  Unreife  oder  Debilität  so  und 
so  lange.  Derartige  Angaben  bleiben  uns  unverständlich,  wenn 
wir  nicht  eben  damit  rechnen,  dass  diese  Autoren  eine  andere 
Indikation  der  Couveuse  im  Auge  haben,  als  jene,  von  der 
unsere  Erörterung  ihren  Ausgang  genommen  hat. 

Die  Vertreter  dieser  Auffassung  von  Nutzen  und  Anzeige 
des  Wärmeschrankes  beklagen  mit  Recht  die  mancherorts 
übliche  Vernachlässigung  des  neugeborenen  Kindes  unmittelbar 
nach  der  Geburt  und  geben  dieser  an  der  hohen  Sterblichkeit 
der  Debilen  mit  Schuld.  Es  mag  wohl  zutreffen,  dass  in  Privat¬ 
häusern  wie  in  Anstalten  zuweilen  die  Aufmerksamkeit  vom 
Kinde  durch  Sorgen  um  die  eben  entbundene  Mutter  abgelenkt 
wird  oder  eine  allzu  umständliche  Erhebung  von  Körpermassen 
und  sonstige  Manipulationen  an  dem  unbekleideten  Neu¬ 
geborenen  dieses  übermässig  abkühlen  lassen  und  derart  ge¬ 
fährden.  Solche  Abkühlung  in  den  ersten  Lebensstunden  tun¬ 
lichst  zu  vermeiden  wird  auch  in  Fällen,  wo  keine  Couveuse 
verfügbar  ist,  Aufgabe  des  Arztes  sein.  Es  ist  allgemein  be¬ 
kannt  und  namentlich  von  E  r  ö  s  s  mit  vielen  Daten  belegt 
worden,  dass  der  Transport  von  Neugeborenen  durch  kältere 
Räume,  ins  Freie  etc.  selbst  bei  sorgsamster  Be¬ 
kleidung  die  Körpertemperatur  ganz  beträchtlich  herab¬ 
setzen  und  Schaden  stiften  kann.  So  fordert  der  Taufgang  — 
unter  ungünstigen  Umständen,  besonders  am  Lande  und  in  der 
kalten  Jahreszeit  —  sicher  namhafte  Opfer  unter  den  Debilen. 
Manche  Aerzte,  insbesonders  Schmidt,  haben  an  eigenen 
frühgeborenen  Kindern  auch  noch  jenseits  der  ersten  Lebens¬ 
woche  die  Schäden  von  Ausgängen  ins  Freie  mit  grosser  Prä¬ 
zision  beobachten  können. 

Wenn  man  den  (debilen)  Neugeborenen  bald  nach  der  Ge¬ 
burt  ins  Freie  bringt,  dann  ist  nach  Edwardo  und  Vil- 
1  e  r  m  e 18)  —  wie  Lachs  zitiert  —  die  Mortalität  geradezu 
eine  Funktion  der  Lufttemperatur:  im  Winter  grösser  als  im 
Sommer,  im  Norden  grösser  als  im  Süden.  In  Italien  überleben 
nach  T  r  e  v  i  s  o  n 18)  das  erste  Lebensjahr  von  den  im  Sommer 
Geborenen  (offenbar  sind  Debile  gemeint)  83  Proz.,  von  den 
im  Winter  Geborenen  nur  19  Proz.!  Groth  konnte  zeigen, 
dass  die  Sterblichkeitskurve  der  Debilen  nach  Jahresmonaten 
in  München  ein  der  Gesamtsäuglingssterblichkeit  geradezu 
konträres  Verhalten  zeigt,  nämlich  in  der  heissen  Jahreszeit 
den  tiefsten  Punkt  erreicht,  in  der  kalten  mächtig  ansteigt. 


18)  Zitiert  nach  Lachs:  Die  Temperaturverhältnisse  bei  den 
Neugeborenen  in  ihrer  ersten  Lebenswoche.  Volkmanns  Sammlung 
I  klin.  Vorträge,  N.  F„  No.  307. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1533 


In  Frankreich  sorgt  die  „Assistance  publique“,  deren  Säug¬ 
lingsschutzbestrebungen  uns  in  vieler  Hinsicht  vorbildlich  sein 
können,  u.  a.  dafür,  dass  Ammen  (,,Fernammen“),  die  mit  neu¬ 
geborenen  Pflegekindern  von  Paris  nach  der  Provinz  reisen, 
besonders  gewärmte  Eisenbahnabteile  erhalten  und  dieselben 
bis  zur  Erreichung  der  Endstation  nicht  verlassen,  woselbst 
ihnen  Wärmevorrichtungen  für  die  Kinder  verfügbar  sind. 

Der  Transport  frühgeborener  Findelkinder  aus  der  Grazer 
Gebärklinik  nach  der  Krankenabteilung  der  Findelanstalt  im 
klinischen  Spitale  liess  mich  oft  die  Schäden  der  Abkühlung 
gewahr  werden,  was  mich  veranlasste,  ein  Projekt  für  eine 
fahrbare  Couveuse  auszuarbeiten.  Wo  eine  solche  nicht  ver¬ 
fügbar  ist,  sollen  Frühgeborene  unbedingt  frühestens  nach  ein¬ 
tägigem  Verweilen  in  dem  Wärmschranke  an  der  Gebäranstalt 
verbleiben. 

Ich  möchte  nicht  verfehlen,  hier  ein  prinzipielles 
Bedenken,  das  gegen  die  Verhütung  jeglicher 
initialer  Abkühlung  erhoben  werden  könnte, 
zu  berücksichtigen.  Hat  die  initiale  Abkühlung,  bezw.  die  sie 
verursachende  Kältewirkung  nicht  etwa  eine  gewisse  Bedeu¬ 
tung  für  physiologische  Vorgänge  nach  der  Geburt  und  kann 
die  Vermeidung  dieser  Kälteeinwirkung  nicht  etwa  auf  diesem 
Wege  Schaden  verursachen?  Es  ist  hier  zu  erwägen,  dass  die 
Wärmeökonomieverhältnisse  des  Körpers  in  utero  und  extra 
uterum  ganz  ausserordentlich  verschiedene  sind;  dort  ein  mini¬ 
males  Temperaturgefälle  vom  Körper  nach  der  Umgebung, 
daher  minimale  Wärmeverluste,  dafür  auch  nur  minimale 
Wärmeproduktion,  hier  durchweg  das  Gegenteil.  Es  kann 
nicht  wundernehmen,  dass  die  zwischen  der  Wärmeein¬ 
nahme  und  -ausgabe  gleich  dem  Zeiger  der  Wage  spie¬ 
lende  Körpertemperatur  bei  dieser  gewaltsamen,  urplötz¬ 
lichen  Umwälzung  einen  Ausschlag  ergibt.  Es  ist  offenbar 
sehr  zweckmässig,  dass  das  Kind  in  dem  Momente,  in  dem 
es  aus  dem  warmen  Fruchtwasserbade  kommt,  auch  ge¬ 
zwungen  wird,  mit  eigener  Körperarbeit  zu  beginnen,  d.  h. 
Wärme  zu  produzieren.  Derart  koordinierte  Vor¬ 
gänge  pflegen  in  der  organischen  Welt  durch 
Reflexe  miteinander  verknüpft  zu  sein,  und  so 
war  auch  a  priori  anzunehmen,  dass  der  auf  das  Neugeborene 
wirkende  Kältereiz  bei  der  Auslösung  des  ersten  Atemzuges 
auf  Reflexbahnen  mitarbeite,  dass  der  beginnende  Wärme¬ 
abfluss  direkt  die  Wärmeproduktion  in  Gang  bringe.  Solche 
Anschaungen  wurden  in  der  Tat  nicht  allein  mehrfach 
geäussert,  sondern  auch  experimentell  und  anderweitig  ge¬ 
stützt;  dass  der  Kältereiz  beim  Neugeborenen  als  zum  minde¬ 
sten  unterstützendes  Moment  für  das  Zustandekommen  des 
ersten  Atemzuges  wirke,  kann  kaum  bezweifelt  werden,  wenn 
man  an  die  Wirkung  kalter  Uebergiessungen  und  kalter  Bäder 
in  jedem  Lebensalter  denkt.  E  r  ö  s  s  und  M  e  i  n  e  r  t,  die  über 
Couveusen  keine  Erfahrungen  zu  machen  Gelegenheit  hatten, 
meinen,  dass  insbesonders  die  Einatmung  relativ  kühler  Luft, 
wegen  deren  Einfluss  auf  die  Atmungstiefe,  bei  aller  Wärme¬ 
versorgung  Debiler  „unerlässlich“  bleiben  werde;  und 
P  o  1  a  n  o  hat  —  um  dieser  Forderung  zu  entsprechen  —  einen 
Wärmschrank  gebaut,  bei  dem  der  Kopf  des  Kindes  ausserhalb 
der  erwärmten  Zone  liegt.  Heute  wissen  wir  nicht  allein  auf 
Grund  von  tausenderlei  Beobachtungen  an  Couveusenkindern, 
dass  diese  Vorsorge  überflüssig  ist,  es  ist  uns  auch  durch 
A  h  1  f  e  1  d  s  bemerkenswertes  Experiment  der  Geburt  in  das 
warme  Bad  bekannt,  dass  unter  den  hiedurch  geschaffenen  Be¬ 
dingungen  der  erste  Atemzug  wider  Erwarten  ebenso  prompt 
erfolgt,  wie  sonst.  Richtig  ist,  dass  in  dem  warmen  Bade  die 
Pulsation  der  Nabelschnur  bestehen  bleibt,  bezw.  ihre  Kon¬ 
traktion  ausbleibt.  Aber  auch  dieses  Bedenken  ist  sicher  kein 
schwerwiegendes,  zumal  örtliche  Eiskiihlung  des  Nabelstranges 
den  Puls  sogleich  unterdrückt. 

Die  Indikation  für  die  Anwendung  der  Couveuse  wird  sich 
im  Einzelfalle  aus  dem  äusseren  Gehaben  des  Kindes,  aus 
seinen  Körpertemperaturen,  allenfalls  auch  aus  mangelhafter 
Gewichtszunahme  ergeben,  soferne  diese  durch  das  Er¬ 
nährungsregime  und  den  Zustand  des  Verdauungstraktes  nicht 
motiviert  erscheint.  Eine  generelle  Kontraindikation  der  Cou¬ 
veuse  bei  debilen  Kindern  der  ersten  Lebenstage  und  -Wochen 
kenne  ich  nicht;  insbesonders  können  als  solche  infektiöse, 
fieberhafte  Prozesse  an  sich  m.  E.  nicht  gelten.  Ueber  die 


Dauer  der  Couveusenbehandlung  entscheidet  in  jedem  Einzel¬ 
falle  die  fortlaufende  Beobachtung  der  als  Indikationen  genann¬ 
ten  Zeichen. 

Anschliessend  seien  einige  andere  auf  den  Wärmehaushalt 
des  Debilen  bezügliche  Massnahmen  zu  erwähnen. 

Ungefähr  zur  Zeit,  da  T  a  r  n  i  e  r  die  erste  Couveuse  baute, 
befasste  sich  W  i  n  c  k  e  1 19)  in  Dresden  mit  Versuchen  über  eine 
Vorrichtung,  die  in  gleicher  Weise  den  Zweck  hat,  durch  Her¬ 
stellung  eines  niederen  Temperaturgefälles  die  Wärmeabfuhr 
aus  dem  kindlichen  Körper  tunlichst  einzuschränken.  Winckel 
aber  wählte  —  vielleicht  in  Anpassung  an  die  im  Mutterleibe 
gegebenen  Verhältnisse  —  an  Stelle  des  konstanten  warmen 
Luft  bades  das  konstante  warme  Wasser  bad.  Dieses 
diente  ihm  zur  Behandlung  der  Lebensschwäche,  sowie  einiger 
anderer  Affektionen  bei  Neugeborenen.  Winckel  ging  in 
der  Weise  vor,  dass  er  Rumpf  und  Extremitäten  des  Säuglings 
in  eine  diesem  Zwecke  durch  ihre  Form  und  durch  besondere 
Vorkehrungen  angepasste  Badewanne  lagerte,  die  mit  warmem, 
nämlich  auf  35 — 37 0  C  temperiertem  Wasser  bezw.  Salzwasser 
(allenfalls  mit  medikamentösen  Zusätzen)  gefüllt  war.  Die  Ver¬ 
suche,  über  welche  Winckel  —  im  Vereine  mit  W  e  i  s  s  — 
berichtete,  hatten  in  einigen,  Debile  betreffenden  Versuchen, 
die  durch  Stunden  und  Tage  ausgedehnt  worden  waren,  ein 
recht  günstiges  Ergebnis  und  noch  1893  berichtet  v.  W  i  n  c  k  e  1 
über  frappante  Erfolge,  die  er  mit  dem  warmen  Dauerbade 
bei  Neugeborenen  (mit  Atelektasen)  erzielen  konnte.  Dennoch 
scheint  das  Verfahren  nicht  viele  Anhänger  gefunden  zu  haben, 
vermutlich  deshalb,  weil  sich  gewisse  prinzipielle  und  prak¬ 
tische  Bedenken  nicht  ganz  von  der  Hand  weisen  lassen.  Die 
Bedienung  des  Apparates  gestaltet  sich  ziemlich  umständlich, 
insoferne  alle  halben  bis  ganzen  Stunden  je  ein  halber  Liter 
kochenden  Wassers  bereit  gehalten  und  (vorsichtig!)  nach¬ 
gefüllt  werden  muss.  Drei-  oder  viermal  am  Tage  ist  das  ganze 
Wasser  durch  frisches  zu  ersetzen,  was  aber  doch  wohl  nicht 
völlig  verhindern  wird,  dass  Teile  der  Körpersekrete  und  -ex- 
krete  über  die  ganze  Körperoberfläche  sich  verbreiten  und 
Keime  ausstreuen.  Darunter,  sowie  unter  der  ständigen  Feucht¬ 
haltung  dürfte  aber  insbesondere  die  Pflege  des  Nabelstrang¬ 
restes  und  der  Nabelwunde  leiden.  Das  Kind  muss  natürlich 
in  der  Wanne  fixiert  werden;  jede  fixierte  Lage  aber  wird  auf 
die  Dauer  qualvoll  und  gerade  von  Säuglingen  im  allgemeinen 
schlecht  ertragen,  wie  man  von  Stoffwechseluntersuchungen 
weiss. 

Winckel  empfiehlt  eine  Temperatur  des  Badewassers, 
die  der  des  Fruchtwassers  nahezu  oder  völlig  gleichkommt. 
Es  ist  zu  erwägen,  dass  dadurch  auf  die  Dauer  Wärmestau¬ 
ungen  bedingt  werden  können,  weil  das  Neugeborene  im  Gegen¬ 
satz  zum  Fötus  unter  allen  Umständen  ein  Wärmeproduzent  ist. 
Das  Wasser  ist  ein  viel  besserer  Wärmeleiter  als  die  Luft, 
daher  geringe  Ausschläge  der  Temperatur  des  Bademediums 
nach  oben  oder  unten  sich  beim  Wasserbade  in  viel  höherem 
Masse  störend  bemerkbar  machen  müssen,  wie  beim  Luftbade. 
Inwieweit  die  beim  Erwachsenen  gemachten  Erfahrungen  über 
die  gewaltsame  Beeinflussung  des  Stoffwechsels  durch  wärmere 
und  kühlere  Wasserbäder  auf  den  Neugeborenen  übertragen 
werden  können,  steht  dahin. 

Ohne  über  die  einzig  entscheidenden  persönlichen  Er¬ 
fahrungen  betr.  das  Win  ekel  sehe  Dauerbad  zu  verfügen, 
möchte  ich  vermuten,  dass  dasselbe  sich  vielleicht  weniger  zur 
längerwährenden  Behandlung  einfacher  angeborener  Lebeus- 
schwäche,  als  vielmehr  zur  Behandlung  gewisser  anderer  Zu¬ 
stände,  namentlich  jener  bewähren  dürfte,  in  denen  eine  Ent¬ 
blutung  innerer  Organe  nach  dem  Hautbereiche  zu  erstrebt 
wird.  Zu  diesem  Behufe  werden  durch  etliche  Stunden  höch¬ 
stens  andauernde  Bäder  ausreichen,  wie  sie  jüngst  auch 
B  u  d  i  n  empfahl. 

Kühlere  Bäder  (zu  Reinigungszwecken)  anzuwenden,  ist 
bei  Debilen  nicht  Tätlich.  Die  Zimmertemperatur  wird  man 
zweckmässig  höher  als  sonst  üblich,  auf  etwa  24—25 "  C  ein¬ 
stellen.  Man  wird  es  vermeiden,  das  debile  Kind  ins  Freie  zu 
bringen,  soferne  nicht  ganz  besonders  günstige  atmo¬ 
sphärische  Bedingungen  gegeben  sind  (conf.  S  c  h  m  i  d  t). 


19)  Winckel:  Ueber  die  Anwendung  permanenter  Bäder  bei 
Neugeborenen.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1882,  VI.  Jahrg. 


lo34 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


In  Anstalten  kommen  heizbare  Wickeltische  für  Debile  in 
Verwendung;  eine  zweckmässige  Fürsorge  ist  endlich  die  Ver¬ 
wendung  vorgewärmter  frischer  Wäsche. 

13.  Die  Diätetik;  die  Vermehrung  der  Ein¬ 
nahmen. 

Eine  vermehrte  Nahrungszufuhr,  die  den  vermehrten  Kraft¬ 
ausgaben  beim  Debilen  das  Gleichgewicht  leisten  soll,  wird 
diesen  Effekt  nur  dann  haben  können,  wenn  das  Kind  die  ver¬ 
mehrte  Nahrungsmenge  zu  bewältigen  imstande  ist.  Vermag 
nun  das  Debile  eine  —  selbstverständlich  relativ  —  grössere 
Nahrungsmenge,  als  das  reif  Geborene  zu  bewältigen?  Die 
Frage  ist  —  wenigstens  in  Bezug  auf  die  einfache  Früh¬ 
geburt  —  zu  bejahen.  Wenn  wir  die  Nahrungsmenge  nach 
energetischem  Masse  messen  und  auf  Körpergewicht  be¬ 
rechnen,  mit  anderen  Worten,  wenn  wir  nach  Heubners 
Energiequotienten  urteilen,  so  finden  wir  tatsächlich  die  Früh¬ 
geborenen  im  Durchschnitte  leistungsfähiger,  toleranter,  den 
Schäden  der  Ueberernährung  unter  sonst  gleichen  Umständen 
weniger  ausgesetzt  als  normal  Geborene.  Diese  Tatsache  wird 
weniger  befremdlich  erscheinen,  wenn  man  bedenkt,  dass 
Nahrungsmenge  und  Nahrungsbedarf  pro  Körpergewichtseinheit 
im  Laufe  des  extrauterinen  Lebens  allmählich  gesetzmässig 
abnehmen  und  das  Frühgeborene  eben  in  jedem  Alter  auf  einer 
Entwicklungsstufe  steht,  die  das  Reifgeborene  um  Wochen  oder 
Monate  früher  erreicht  hat.  Man  begegnet  hier  bei  der  „Ver¬ 
dauungskraft“  —  wie  ersichtlich  —  eben  ganz  analogen  Ver¬ 
hältnissen,  wie  sie  die  „Lebenskraft“  betreffend  eingangs  dar¬ 
gelegt  wurden. 

So  wie  sich  die  Kraftausgaben  beim  gesundeh  Früh¬ 
geborenen  hochstellen,  wenn  man  sie  auf  das  (niedere)  Körper¬ 
gewicht,  hingegen  normal,  wenn  man  sie  auf  die  relativ  grosse 
Körperoberfläche  berechnet,  so  findet  man  auch  die  Nahrungs¬ 
menge,  also  die  Energiezufuhr,  beim  Frühgeborenen  hoch  in 
Bezug  auf  das  Gewicht,  normal  in  Bezug  auf  die  Körperober¬ 
fläche  (Oppenheimer 2Ü).  Es  illustriert  dies  den  bekannten 
R  u  b  n  e  r  sehen  Satz  von  der  Bedeutung  der  Körperoberfläche 
für  den  Krafthaushalt. 

Das  Gesagte  gilt  von  der  natürlichen  Ernährung.  Der  Be¬ 
trieb  bei  der  unnatürlichen  Ernährung  gestaltet  sich  —  wie 
Camerer  angenommen  und  He  u  b  n  e  r  aus  Versuchen  ge¬ 
schlossen  hatte  —  wesentlich  wirtschaftlicher.  In  der  Gleichung 
n  —  e  +  a  wird  das  e  ceteris  paribus  beim  Flaschenkinde 
grösser.  Die  Verdauungsarbeit  (bei  Einschluss  der  Leistungen 
im  intermediären  Stoffwechsel)  wird  von  der  Muttermilch  in 
geringerem  Masse  beansprucht,  als  von  der  artfremden  Milch. 
Die  hiernach  besonders  dringliche  Forderung,  frühgeborene 
Kinder  natürlich  zu  ernähren,  ergibt  sich  auch  schon  aus 
der  Ueberlegung,  dass  der  Frühgeborene  als  gewissermassen 
noch  „intrauterin  Heimatberechtigter“  und  der  Aussenwelt 
Fremder  in  besonderem  Masse  Anspruch  auf  die  von  der 
Natur  in  der  ganzen  Säugerreihe  vorgesehene  Periode  der 
extrauterinen  Abhängigkeit  hat.  Um  die  Nettoeinnahmen  des 
Debilen  möglichst  zu  vermehren,  muss  jene  Nahrung  gewählt 
werden,  welche  die  geringsten  Regieauslagen  bei  ihrer  Ver¬ 
arbeitung  macht,  das  ist  die  Frauenmilch. 

Leider  ergeben  sich  nun  bekanntlich  bei  debilen  Kindern 
sehr  häufig  Schwierigkeiten  in  der  natürlichen  Ernährung.  Sie 
sind  insbesonders  darin  begründet,  dass  die  sogen.  Saugfähig¬ 
keit  im  Gegensätze  zu  den  übrigen  Ernährungsfunktionen  sehr 
oft  insuffizient  wird.  Dies  kann  nicht  wundernehmen,  da  die 
„Saugfähigkeit“  die  einzige  Funktion  ist,  an  die  in  gewissem 
Sinne  stets  ein  absoluter  (nicht  ein  relativer)  Massstab 
angelegt  werden  muss.  Auch  um  relativ  wenig  Nahrung  zu  ge¬ 
winnen,  muss  das  debile  Kind  die  mütterliche  Brust  erschliessen 
und  erhalten;  dieser  Forderung  aber,  die  an  das  Debile  in 
gleichem  Ausmasse  herantritt,  wie  an  das  reife  Kind,  vermag 
das  erstere  eben  vielfach  nicht  zu  entsprechen.  Insbesonders 
die  E  r  h  a  1 1  u  n  g  der  Brustdrüsensekretion,  die  bekanntlich 
eine  regelmässige  und  zureichende  Entleerung  voraussetzt, 
übersteigt  oft  die  Kräfte  des  lebensschwachen  Kindes,  das  sich 
ja  auf  einer  Entwicklungsstufe  befindet,  auf  der  normalmässig 
die  Saugleistung  noch  in  keiner  Weise  angesprochen  wird. 


Diesen  Schwierigkeiten  zu  begegnen,  sollen  die  verschie¬ 
denen  Methoden  der  „indirekten  natürlichen  Ernährung“21) 
dienen;  hierbei  wird  die  mütterliche  Brust  künstlich  entleert 
und  die  gewonnene  Milch  dem  Kinde,  wie  bei  der  künstlichen 
Ernährung  verfüttert. 

Die  Methodik  der  Brustentleerung  ist  eine  noch  sehr 
mangelhafte.  Bei  der  Konstruktion  der  Apparate,  die  diesem 
Zwecke  dienen  sollen,  den  sogen.  Milchpumpen  (Teterelles)  ist 
man  von  einer  falschen  Voraussetzung  ausgegangen,  nämlich 
von  der,  dass  das  Wesentliche  bei  der  natürlichen  Mechanik 
der  Nahrungsaufnahme  das  Saugen  im  engsten  Sinne  des 
Wortes,  d.  h.  die  Herstellung  eines  luftverdünnten  Raumes 
vor  den  Mündungen  der  Milchausführungsgänge  ist.  Wir 
wissen  aber  lange,  dass  dies  nicht  zutrifft,  dass  das  eigentliche 
Saugen  eine  untergeordnete  Rolle  spielt,  keinesfalls  den  Aus¬ 
tritt  der  Milch  aus  den  Milchgängen  bewirkt,  und  können  uns 
daher  durchaus  nicht  wundern,  dass  man  mit  Apparaten,  die 
nichts  anderes  machen,  als  saugen,  sehr  häufig  nichts  oder 
nichts  Befriedigendes  und  Ausreichendes  erzielt:  tausende  der 
schönsten  Brüste  wurden  durch  Milchpumpen  schon  zugrunde 
gerichtet.  Vor  die  Aufgabe,  volle  Brüste  zu  entleeren,  ist  die 
Menschheit  schon  viele  Jahrhunderte  lang  im  Kuhstall  gestellt 
und  hat  sich  dieser  Aufgabe  dort  auch  mit  sehr  zufrieden¬ 
stellendem  Erfolge  —  aber  ohne  Milchpumpe!  — •  entledigt. 
Warum  man  wohl  diese  Erfahrungen  nicht  verwertet  hat,  viel¬ 
mehr  mit  unverkennbarer  Naivität  an  die  Lösung  der  analogen 
Aufgabe  bei  der  menschlichen  Brust  herangetreten  ist?  Ohne 
Zweifel  liegen  die  Verhältnisse  bei  der  menschlichen  Brust 
schwieriger,  wegen  der  anderen  Formation,  wegen  der  höheren 
Empfindlichkeit  und  Verwundbarkeit  des  Organes.  Trotzdem 
Hesse  sich  vermutlich  ein  der  Melkung  ähnlicher,  für  die 
mütterliche  Brust  geeigneter  Modus  der  Entleerung  finden,  der 
den  in  Betätigung  angeborener  Reflexe  vom  Kinde  geübten 
Mechanismus  weit  besser  nachahmt,  als  es  die  Milchpumpe  ver¬ 
mag,  der  vor  allem  zu  einem  —  wie  es  scheint  —  wesentlichen 
Effekt  des  kindlichen  „Saugens“  führt,  nämlich  zur  Warzen¬ 
erektion.  Manche  Frauenbrüste  sind  übrigens  ganz  gut  und 
schadlos  gleich  einem  Kuheuter  melkbar  und  leistet  das  Aus¬ 
drücken  oder  Abdrücken  der  Milch  im  Durchschnitt,  wo  es  an¬ 
wendbar  ist,  immer  noch  Besseres  als  die  Milchpumpe.  Dass 
man  in'  einzelnen  Fällen  und  durch  gewisse  Zeit  auch  mit  Milch¬ 
pumpen  etwas  erzielen  kann,  ist  mir  bekannt;  Anzeige  dafür 
liegt  bei  besonders  empfindlichen  Brüsten  vor. 

Was  die  Milchpumpenmodelle  betrifft,  so  sind  alle  jene 
Typen  von  vorneherein  auszuscheiden,  welche  ohne  vor¬ 
gelegten  Speichelfänger  (Schmidt 22)  mit  Mundsaugen  ar¬ 
beiten,  und  alle  jene,  die  eine  ausreichende  und  bequeme  Säube¬ 
rung  nicht  zulassen.  Eines  der  wenigen  übrig  bleibenden  Mo¬ 
delle  ist  jenes  von  Ibrahim 23).  Die  jüngst  von  Kaupe 
daran  angebrachte  Modifikation  scheint  mir  weder  nötig  noch 
zweckmässig.  Das,  was  Kaupe  durch  seine  viel  zu  umständ¬ 
liche  Vorrichtung  erzielen  wollte,  dass  man  nämlich  die  Milch 
aus  dem  Rezipienten  durch  eine  mit  Gummistopfen  ver¬ 
schlossene  Oeffnung  direkt  entleeren  könne  (Ibrahim  ent¬ 
leert  über  die  Mündung  der  Saugtrompete),  das  Hesse  sich  viel 
einfacher  und  praktischer  durch  eine  stärkere  Ausbauchung  des 
Rezipienten  selbst  erreichen. 

Bei  Säuglingen,  die  auch  aus  der  Flasche  unzureichend 
Nahrung  nehmen,  kommt  das  Eingiessen  durch  Mund  und 
Nase,  allenfalls  die  systematische  Sondenfütterung  (Gavage) 
in  Betracht. 

Das  ideale  Verfahren  in  dem  so  häufig  begegnenden  Falle, 
dass  eine  sonst  gesunde  Mutter  ihr  frühgeborenes  Kind  aus 
den  angegebenen  Gründen  nicht  selbst  zu  stillen  vermag,  ist 
der  temporäre  Kindertausch:  die  Wöchnerin  stillt 
ein  älteres,  gesundes,  kräftiges  Kind,  dessen  Mutter  das  debile 
übernimmt;  der  Milchbruder  aber  kann  im  Bedarfsfälle  dem 
Frühgeborenen  auch  bei  der  Erhaltung  der  Ammenbrust  be¬ 
hilflich  sein.  Dieses  Verfahren,  das  den  Interessen  aller  Be¬ 
teiligten  gerecht  wird,  ist  durchführbar,  wenn  die  Partei  die 


21 )  Gegenstück  zur  „direkten  künstlichen  Ernährung“  (am  Euter 
des  Milchtieres). 

22)  Schmidt:  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  42. 

23 )  Ibrahim:  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  S.  1056  und 
Kaupe:  ebenda  1907,  S.  126. 


20)  Oppenheimer:  C.  Voitsche  Festschrift. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1535 


Amme  und  deren  Kind  ins  Haus  nimmt  oder  wenn  sich  die 
Wöchnerin  mit  ihrem  Kinde  in  eine  geeignete  Anstalt  auf¬ 
nehmen  lässt.  Die  Mitaufnahme  des  Ainmenkindes  ins  Haus 
der  Partei  wird  vermutlich  auf  Widerstand  stossen,  den  zu 
überwinden  das  Argument  dienen  muss,  dass  das  Ammenkind 
eigentlich  die  wichtigere  Aufgabe  zu  erfüllen  habe,  als  die 
Amme  selbst,  nämlich  die  Brust  der  Wöchnerin  für  die  künftige 
Leistung  zugunsten  des  eigenen  Sprösslings  zu  erschliessen 
und  zu  entwickeln.  Unter  günstigen  Umständen  wird  dies  in 
ebenso  viel  Wochen  geschehen  sein,  als  andernfalls  Monate  der 
Ammenwirtschaft  im  Hause  erforderlich  sind.  Auch  die  gleich¬ 
zeitige  Fütterung  des  debilen  neben  dem  kräftigen  Kinde  an 
beiden  Brüsten  von  Mutter  oder  Amme  leistet  oft  sehr  Gutes; 
gibt  es  doch  viele  Brüste,  welche  spontan  tropfen,  wenn  ein 
kräftiger  Sauger  an  der  anderen  Seite  angelegt  wird.  Mit  dem 
blossen  Abdrücken  oder  Absaugen  kann  man  binnen  weniger 
Wochen  die  schönste  Ammenbrust  versiegen  oder  aber  er¬ 
kranken  machen;  diese  Mittel  sollen  daher  nur  als  Notbehelfe 
dienen. 

Der  Nahrungsbedarf,  beurteilt  nach  der  Beobachtung  der 
von  gesunden  und  gesund  bleibenden,  gute  Entwicklung  auf¬ 
weisenden  Frühgeburten  spontan  aufgenommenen  Nahrungs¬ 
mengen,  beträgt  nach  den  wertvollen  Untersuchungen  von 
B  u  d  i  n  (übereinstimmend  mit  älteren  Daten)  für  den  Debilen 
jenseits  der  ersten  Lebenstage  im  ersten  Lebensquartal  etwa 
den  fünften  Teil  seines  Körpergewichtes  pro  Tag  an  Mutter¬ 
milch  (gegen  den  siebenten  Teil  bei  reifen  Neugeborenen),  also 

V  =  y  Heubner,  Finkeistein  berechnen  den  Energie¬ 
quotienten  für  Debile  dieses  Alters  auf  120 — 140  (Mittel  130); 
beim  reifen  Neugeborenen  100.  Die  beiden,  auf  verschiedenen 
Wegen  gewonnenen  Daten  sind,  unter  Zugrundelegung  eines 
Kalorienwertes  der  Frauenmilch  von  650  pro  Liter,  einander 

P 

mathematisch  entsprechend,  denn  y  X  650  =  PX  130. 

Im  zweiten  und  dritten  Quartal  sinkt  das  Nahrungs¬ 
bedürfnis,  ähnlich  wie  beim  normalen  Kinde. 

Viele  debile  Kinder  müssen  zu  den  Mahlzeiten  aus  dem 
Schlafe  geweckt  werden,  da  Nahrungsbedürfnis  spontan  viel¬ 
fach  gar  nicht  geäussert  wird.  Auf  der  ganzen  Welt  hat  man 
es  als  zweckmässig  erkannt,  lebensschwachen  Kindern  kleinere 
und  häufigere  Mahlzeiten  zu  reichen,  als  normalen  Kindern;  nur 
die  Breslauer  Schule  plädiert  für  Beibehaltung  von  5—6  Mahl¬ 
zeiten  in  24  Stunden  auch  bei  Frühgeburten.  Nach  dem  Ge¬ 
sagten  würde  die  Einzelmahlzeit  für  ein  frühgeborenes  Kind 
von  etwa  2  Wochen  mit  einem  Körpergewichte  von  2500  g 

bei  nur  5  maliger  Fütterung  pro  Tag  =  100  g  betragen. 

Wer  öfters  Leichenmagen,  von  jüngsten  Frühgeburten  stam¬ 
mend,  zur  Hand  genommen  hat,  der  wird  Bedenken  dagegen 
nicht  unterdrücken  können,  dass  ein  solcher  Magen  binnen 
weniger  Minuten  dem  Durchtritte  von  100  g  Milch  dienen  oder 
—  nach  anderer  Lehre  —  den  Labkuchen  einer  solchen  Menge 
umfassen  und  bearbeiten  soll.  Man  erinnert  sich  hierbei  an  die 
von  Finkeistein  im  späteren  Lebensalter  bei  ebenfalls  de¬ 
bilen  Kindern  beobachteten  Magenatonien. 

Eine  überaus  schwierige  Aufgabe  erwächst  dem,  der  ge¬ 
zwungen  ist,  ein  debiles  Kind  von  den  ersten  Lebenstagen  ab 
künstlich  zu  ernähren.  Wir  besitzen  zurzeit  nicht  allein  keine 
Methode  der  künstlichen  Ernährung,  die  auch  nur  einigermassen 
günstige  Chancen  für  ein  ungestörtes  Gedeihen  debiler  Kinder 
bieten  würde,  sondern  es  fehlen  uns  auch  die  Leitgedanken, 
die  für  eine  rationelle  Diätetik  auf  diesem  Gebiete  massgebend 
sein  könnten.  Wohl  wurde  gesagt,  dass  beim  debilen  Kinde 
eine  Insuffizienz  der  Verdauungsorgane  in  funktioneller  Hin¬ 
sicht  vorliege  und  dass  man  daher  mit  künstlich  vorverdauter 
Nahrung  und  mit  Verabreichung  von  Verdauungsfermenten  vor¬ 
zugehen  habe;  doch  ist  das  Fundament  dieser  Empfehlung  — 
wie  Czerny  und  Keller  mit  Recht  betonen  —  eine  unbe¬ 
wiesene  Annahme.  Manche  praktischen  Erfahrungen  sprechen 
übrigens  für  die  Verwendbarkeit  vorverdauter  Kuhmilch¬ 
mischungen,  zu  denen  ich  im  weiteren  Sinne  auch  die  Butter¬ 
milch  rechne.  Die  Frage,  in  welches  gegenseitige  Mengen¬ 
verhältnis  die  einzelnen  Nahrungsbestandteile  am  besten  ge¬ 
setzt  werden,  wird  von  erfahrenen  Autoren  geradezu  wider¬ 


sprechend  beantwortet.  Wenn  ich  mich  an  die  Resultate  er¬ 
innere,  die  an  den  steiermärkischen  Findelkindern  unter 
Escherich  und  auch  späterhin  erzielt  wurden,  so  möchte 
ich  im  grossen  und  ganzen  doch  entschieden  für  relativ  fett¬ 
reiche,  bezw.  eiweissarme  Kuhmilchmischungen  plädieren;  mit 
Fettmilch  und  verdünnter  Fettmilch  wurde  —  allerdings  zumeist 
im  Allaitement  mixte  —  doch  oft  überraschend  Gutes  erzielt 
(vergl.  auch  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n).  Von  Verdauungsfermenten  habe 
ich  persönlich  nur  eines  in  grösserem  Massstabe  nachgeprüft: 
nämlich  die  Frauenmilch.  Ueber  die  Rolle  der  Frauenmilch  als 
„Ferment“  habe  ich  an  anderer  Stelle  dieser  Wochenschrift 
jüngst  einiges  mitgeteilt. 

Eine  ganz  untergeordnete  Rolle  gegenüber  der  physi¬ 
kalischen  und  der  diätetischen  Therapie  der  angeborenen 
Lebensschwäche  spielen  bisher  gewisse  andere  Massnahmen, 
wie  beispielsweise  die  Massage,  die  Salzwasserinfusion  (Hypo- 
dermoklysmen),  der  Aderlass.  Möglicherweise  wird  man  die 
Anwendung  solcher  Massnahmen  künftig  besser  studieren,  ihre 
vielleicht  einheitliche  Wirkungsweise  erforschen  und  die  Wir¬ 
kung  selbst  besser  schätzen  lernen.  Zum  mindesten  unnütz 
sind  wohl  die  meisten  medikamentösen  Exzitantien,  insbeson¬ 
dere  der  Alkohol  (in  Form  von  Milch-Rummischungen  noch 
mancherorts  gebräuchlich!),  die  Tinctura  moschi  u.  a.  m. 

Als  drittes  massgebendes  Moment  neben  der  Wärme¬ 
ökonomie,  der  Diätetik,  muss  die  Pflege  des  debilen  Kindes 
genannt  werden.  Ein  lebensschwaches  Kind  fordert  eine 
Pflegeperson  für  sich  allein.  Zahllose  Details  betreffend  die 
ganze  Wartung,  das  Trockenlegen,  das  Baden,  das  Füttern,  das 
Lagern,  das  Anregen  zur  Lungenlüftung  können  von  einer  acht¬ 
samen,  verständigen  und  hingebenden  Pflegerin  zu  einem  das 
Wohl  des  Kindes  am  besten  garantierenden  System  aus¬ 
gebildet  werden.  In  Anstalten  kommt  als  weiteres  hochwich¬ 
tiges  Pflegemoment  noch  die  Isolierung  des  gesunden  Debilen 
von  ansteckenden  und  verdächtigen  Kranken  hinzu. 

Dass  für  das  Wohl  des  lebensschwachen  Säuglings  durch 
zweckmässiges  Vorgehen  sehr  viel  geleistet  werden  kann,  steht 
ausser  Zweifel.  Nach  Auvards  Bericht  konnte  unter  sonst 
gleichbleibenden  Umständen  durch  Einführung  der  Couveuse 
(und  besserer  Pflegeverhältnisse)  die  Sterblichkeit  der  Debilen 
von  66  auf  38,  ja  auf  14  Proz.  herabgesetzt  werden;  ähnliche 
Daten  geben  H  u  t  i  n  e  1  und  D  e  1  e  s  t  r  e,  B  u  d  i  n,  P  o  t  e  1, 
M  a  i  1 1  a  r  t,  R  o  u  x  in  Frankreich,  Noacku.a.  in  Deutschland 
an.  Auch  in  Graz  wurde  es  unter  Escherich-Schmid 
erreicht,  dass  gesunde  Frühgeburten  von  etwa  1500  g  Ge¬ 
burtsgewicht  an  aufwärts  zumeist  davongebracht  wurden.  Es 
ist  klar,  dass  die  Herabsetzung  der  Debilensterblichkeit  einen 
grossen  Einfluss  auf  die  Minderung  der  Säuglingssterblichkeit 
im  Ganzen  hat,  denn  sie  macht  sogar  einen  sehr  beträchtlichen 
Teil  der  Gesamtsterblichkeit  aus.  Nach  amtlichen  Statistiken 
(denen  allerdings  in  diesem  Punkte  ein  gewisses  Misstrauen 
entgegengebracht  werden  muss)  macht  die  Debilenmortalität 
bis  zu  10  Proz.  der  Gesamtmortalität  aus,  in  München  z.  B. 
8,2  Proz. 

Von  16  europäischen  Städten,  über  deren  Mortalitätsver- 
hältnis  E  röss  (im  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde,  Bd.  35)  be¬ 
richtet,  marschiert  München  betreffend  Sterblichkeit  in  den 
ersten  4  Lebenswochen  an  der  Spitze.  Diese  Sterblichkeit  in 
den  ersten  4  Lebenswochen  beträgt  in  München  ca.  ein  Drittel 
der  Säuglingssterblichkeit  und  zwei  Dritteile  dieser  Sterbefälle 
sollen  auf  „Lebensschwäche“  entfallen;  das  wären  etwa  800 
Kinder  pro  Jahr  oder  mehr  als  in  jedem  Lebensalter  an  bös¬ 
artigen  Geschwülsten,  mehr  als  an  allen  Erkrankungen  der 
Atmungsorgane  mit  Ausnahme  der  Tuberkulose,  halb  so  viele 
als  an  Tuberkulose  in  jeder  Form  und  jedem  Alter  sterben!  Es 
ist  sicher,  dass  unter  diesen  800  Kindern  auch  viele  von  kranken 
Müttern  abstammende  und  nicht  rettbare  sind;  ferner  würde 
auch  eine  Kritik  jener  offiziellen  Zahlen  (die  dem  1  hema  dieses 
Vortrages  zu  ferne  liegt)  wahrscheinlich  ergeben,  dass  die  An¬ 
gabe  „Debilitas  vitae“  am  Totenscheine  zahlreiche  Fehldia¬ 
gnosen  deckt.  Immerhin  wird  die  Fürsorge  für  Debile  stets  einen 
Hauptprogrammpunkt  der  Säuglingsschutzbewegung  bilden. 
Den  Gebäranstalten  fällt  in  dieser  Hinsicht  eine  sehr  dankbare 
Arbeit,  aber  auch  eine  sehr  grosse  Verantwortung  zu.  Die 
wesentlichsten  Bedingungen  für  die  Erzielung  günstiger  Er¬ 
gebnisse  liegen  —  wie  erwähnt  —  in  der  Personal-  und  Real- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


ausstattung.  In  letzterer  Hinsicht  stehen  leider  die  deutschen 
Gcbäranstalten  vielfach  hinter  jenen  des  Auslandes,  namentlich 
hinter  jenen  Frankreichs  zurück.  Eine  Umfrage,  die 
Deutsch  24)  im  Jahre  1899  anstellte,  ergab  z.  B.,  dass  20  Jahre 
nach  der  Erfindung  der  Couveuse  noch  in  keiner  einzigen 
deutschen  Gebärklinik  eine  solche  in  Gebrauch  stand!  Seither 
mag  sich  ja  allerdings  manches  zum  Besseren  gewendet  haben. 

Eine  weitere  Bedingung  für  die  Erzielung  von  Dauer¬ 
erfolgen  bei  Debilen  wird  die  sein,  dass  die  Kinder  nicht  etwa 
am  7. — 10.  Lebenstage  entlassen,  sondern  mit  ihrer  Mutter  als 
der  Ernährerin  durch  Wochen,  eventuell  durch  Monate  an  der 
Gebärklinik  oder  —  weit  zweckmässiger  —  in  einer  mit  Ammen¬ 
betrieb  und  Wärmeschränken,  sowie  Wärmkammern  ausge¬ 
statteten  richtigen  Säuglingsklinik  Unterkunft  finden,  bis  ihr 
Zustand  weiteres  Gedeihen  auch  unter  minder  günstigen  Be¬ 
dingungen  erhoffen  lässt. 

- -0©CS- - 

Zur  dritten  Jahrhundertfeier  der  Universität  Giessen. 

Ein  kurzer  Rückblick  auf  die  Geschichte  der  medizinischen 

Fakultät. 

Von  Prof.  A.  J  e  s  i  o  n  e  k  in  Giessen. 

Nach  dem  Tode  des  Landgrafen  Ludwig  von  Marburg, 
1604,  hatten  sich  zwei  Neffen  des  Verstorbenen  in  den  Besitz 
des  Hessenlandes  zu  teilen.  Stadt  und  Universität  Marburg, 
die  alte  hessische  Landesuniversität,  gegründet  1527,  ward  aus¬ 
schliessliches  Eigentum  des  Landgrafen  Moritz  von  Kassel. 
Entgegen  den  Testamentsbestimmungen  begann  dieser  Fürst 
alsbald  in  dem  neugewonnenen  Lande  seine  Zugehörigkeit  zur 
kalvinistisch-reformierten  Kirche  zu  betätigen. 
Den  Widerstand  der  strengen  Lutheraner  Oberhessens  schlug 
er  mit  Waffengewalt  nieder;  die  ihrem  Glauben  treu  bleibenden 
Mitglieder  der  Geistlichkeit  und  der  theologischen  Fakultät 
entsetzte  er  ihrer  Aemter.  Auf  den  Lehrstühlen  der  hessischen 
Landesuniversität  herrschte  K  a  1  v  i  n  s  Lehre. 

Ludwig  V.,  Landgraf  von  Hessen-Darmstadt,  streng- 
lutheranischer  Richtung,  stand  auf  dem  Boden  des  Rechtes, 
als  er  es  sich  angelegen  sein  Hess,  seinen  Untertanen  die  alte 
Lehre  zu  erhalten.  Sein  Glaube,  der  Glaube  seiner  Stamm¬ 
lande,  der  Glaube,  für  welchen  die  Vorfahren  auf  den  Schlacht¬ 
feldern  Gut  und  Leben  eingesetzt  hatten,  war  von  Marburg 
her  schwer  bedroht.  Dem  Ketzertum  des  Kasseler  Vetters 
und  der  Marburger  Universität  musste  ein  Bollwerk  entgegen¬ 
gestellt  werden.  Eine  neue  eigene  Hochschule  sollte  der 
lutherischen  Religion  Rückhalt  geben  und  Hessen-Darmstadt 
vor  der  Irrlehre  bewahren.  Politische  Erwägungen  unter¬ 
stützten  die  religiösen  Gesichtspunkte.  Aus  Marburg  waren 
Flüchtlinge  zur  Stelle,  die  Theologen  Winkelmann  und 
Mentzer,  der  Jurist  Antoni,  die  Philosophen  Dietrich  und 
Fink,  Männer,  welche  geeignet  waren,  die  ehrgeizigen  Wünsche 
des  Fürsten  zu  verwirklichen  und  eine  neue  Hochschule  ins 
Leben  zu  rufen. 

An  den  Grenzen  der  darmstädtischen  und  der  kasseler 
Lande,  in  Giessen,  wurde  im  Oktober  1605  die  neue  Hoch¬ 
schule,  das  „G  ymnasi  u  m“  eröffnet.  Im  alten  Rathause  ward 
sic  untergebracht;  das  „Pädagog“,  eine  Vorschule,  welche  dem 
heutigen  Gymnasium  entspricht,  war  ihr  angegliedert.  Die 
finanzielle  Frage  war  durch  eine  „Schulsteuer“  geregelt  und 
durch  die  Zuweisung  des  Grundbesitzes,  welchen  die  Mar¬ 
burger  Universität  auf  dem  nunmehr  darmstädtisch  gewor¬ 
denen  Gebiet  zu  eigen  gehabt  hatte.  Der  Lehrkörper  setzte 
sich  aus  den  genannten  Professoren  der  Theologie,  Juris¬ 
prudenz  und  Philosophie  zusammen,  welche  aus  Marburg  ins 
lutherische  Gebiet  geflohen  waren.  Ein  Mediziner  war  nicht 
darunter.  Erst  1606  gelang  cs  durch  die  Vermittelung  der 
I  übinger  Universität  für  das  Giessener  „Gymnasium“  einen 
\  crtreter  der  medizinischen  Fakultät  zu  gewinnen.  Johannes 
Münster,  geboren  1501  in  Heilbronn,  Poeta  laureatus,  Arzt 
in  Wimpfen,  war  dem  Rufe  nach  Giessen  gefolgt,  erlag  aber 
nach  wenigen  Wochen  der  Pest. 

Das  „Gymnasium“  zur  Universität  zu  erheben,  dazu  be¬ 
durfte  es  des  kaiserlichen  Privilegiums.  Ludwig  V.  hatte 

-  )  Deutsch:  Die  Lacre  der  Frühgeborenen  in  den  Gcburts- 
anstalten.  Arch.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  28. 


manchen  schweren  Schritt  zu  tun,  bis  es  ihm  gelungen  war, 
Kaiser  Rudolf  II.  für  sein  Vorhaben  zu  gewinnen.  Als  aber 
post  impetrata  privilegia  caesarea  der  Landgraf  aus  Prag 
seinen  Untertanen  die  frohe  Botschaft  bringen  konnte,  dass 
den  lutherischen  Hessen  die  eigene  Universität  gesichert  sei, 
herrschte  Freude  und  Jubel  im  ganzen  Lande.  Unter  grossem 
Gepränge  feierte  Ludwig  V.  am  7.  Oktober  die  Eröffnung 
seiner  Universität;  kurze  Zeit  zuvor  war  die  Grundsteinlegung 
des  Universitätsgebäudes  festlich  begangen  worden.  Der  Uni¬ 
versität  Marburg  war  in  Giessen  eine  ebenbürtige  Gegnerin 
erstanden.  Nicht  nur  in  religiös-theologischen  Fragen,  auf 
allen  Gebieten  akademischer  Wissenschaft  hat  die  neue  Hoch¬ 
schule  trotz  mancher  Fährnisse  der  ersten  Zeiten  trefflich  es 
verstanden,  im  Wettstreit  mit  den  anderen  deutschen  Uni¬ 
versitäten  in  würdiger  Weise  sich  zu  behaupten.  Der  Ruhm 
der  neugegründeten  Academia  Giessena  drang  rasch  über  die 
Grenzen  des  Hessenlandes;  anfangs  nur  auf  die  Bedürfnisse 
des  engeren  Vaterlandes  bedacht,  zählte  die  junge  Ludo- 
viciana  bald  eine  grosse  Anzahl  von  Ausländern  zu  ihren 
Schülern.  Besonders  die  medizinische  Schule  Giessens  scheint 
eine  grosse  Zugkraft  auf  die  Studierenden  aus  aller  Herren 
Länder  ausgeübt  zu  haben. 

Unter  den  Professoren,  welche  bei  der  Eröffnung  der  Uni¬ 
versität  zugegen  gewesen  waren,  repräsentierte  einer  die 
medizinische  Wissenschaft:  Joseph  Lautenbach.  Ihn 
dürfen  wir  als  den  ersten  Lehrer  der  Medizin  an  der  Uni¬ 
versität  Giessen  bezeichnen.  1569  im  Eisass  geboren,  hatte 
er  an  den  Universitäten  Helmstädt  und  Strassbnrg  studiert, 
und  war  Arzt  der  kaiserlichen  Truppen  und  der  Bürgerschaft 
im  benachbarten  Friedberg,  als  der  ehrenvolle  Ruf  nach 
Giessen  an  ihn  erging.  Mit  einer  Rede  de  medicinae  dignitate 
utilitate  et  necessitate  begann  er  im  „Gymnasium“  am  2.  März 
1607  seine  Lehrtätigkeit,  welcher  er  auch  während  des  schreck¬ 
lichen  Pestjahres  1613  bis  zu  seinem  Tode  1614  treu  verblieb. 
Docendo  ac  disputando  academiae  non  mediocriter  profuit. 
Neben  ihm  wirkte  von  1608  an  Gregor  Horst  aus  Torgati. 
Dieser  war  vor  seiner  Berufung  nach  Giessen  in  Wittenberg 
Professor  gewesen,  ein  Mann  von  Energie  und  Fleiss  und  um¬ 
fangreichem  Wissen.  Ein  französischer  Autor  älterer  Zeiten 
nennt,  ihn  den  Aeskulap  der  Deutschen.  Er  war  es,  der  in 
Giessen  die  ersten  Sektionen  vorgenommen  hat.  Oeffentliche, 
festliche  Ereignisse  scheinen  es  gewesen  zu  sein,  als  Horst 
1615  eine  weibliche  Leiche,  etwas  später  eine  gravide  Hirsch¬ 
kuh,  1617  zum  ersten  Male  einen  männlichen  Körper  obduzierte. 
Horst  hat  trotz  seiner  Stellung  als  Leibarzt  des  Landgrafen 
Müsse  gefunden,  sich  literarisch  in  grossem  Massstabe  zu  be¬ 
tätigen.  Aus  seinen  Werken  und  aus  den  Abhandlungen  seiner 
Schüler  spricht  eine  staunenerregende  Vielseitigkeit  seiner 
wissenschaftlichen  Interessen.  Ich  nenne  seine  Libri  obser- 
vationum  medicinalium  singularium  de  febribus,  de  morbis 
capitis,  de  morbis  pectoris,  de  morbis  viscerum  concoctionis, 
des  ferneren  Pharmaceuticarum  exercitationurn  Decas  mit 
einer  grossen  Anzahl  von  Tabellen,  auf  welchen  sich  eine  Un¬ 
masse  von  Syrupen,  Pillen,  Salben,  Oelen  und  anderes  ver¬ 
zeichnet  findet,  sein  Buch  de  morbis  mulierum,  de  morbis 
puerorum,  seine  Informatio  de  variolis  et  morbillis.  Für  den 
Syphilidologen  von  besonderem  Interesse  ist  sein  Buch  de 
morbis  contagiosis  et  malignis.  Prächtige  Beobachtungen 
finden  sich  hier:  Lues  venerea  a  communi  lecto  contracta, 
Lues  gallica  in  prägnante,  Lues  gallica  post  scarificationem  in 
balneo  publico  contracta,  Puellus  sex  mensium  toto  corpore 
pustulosus,  Curatio  morbi  gallici  per  modum  salivationis  ex- 
liibito  Mercurio,  per  inunctionem  aquae  mercurialis,  des  fer¬ 
neren  über  eine  Reihe  von  Hautkrankheiten.  H  o  r  s  t  s  Brief¬ 
wechsel  mit  seinen  gelehrten  Freunden  und  Kollegen  enthält 
eine  Fülle  von  interessanten  Mitteilungen.  Sehr  ergötzlich  zu 
lesen  ist  auch  seine  Abhandlung  de  tuenda  sanitate  studiosorum 
et  literatorum;  alle  möglichen  guten  Rezepte  finden  sich  darin, 
unter  anderem  gegen  die  Schuppen,  gegen  die  Pedikuli,  gegen 
den  Haarausfall,  gegen  „das  Zittermahl“,  gegen  „das  rothe 
Finnechte  Angesicht“,  gegen  Gedächtnisschwäche,  gegen 
Melancholia  usw. 

Den  Wirren  des  grossen  Krieges  entzog  sich  Horst  durch 
den  Verzicht  auf  seine  akademische  Laufbahn  in  Giessen  und 
durch  die  Uebersiedclung  nach  Ulm  1622;  1612  und  1616  war 
er  Rektor  gewesen. 


30.  Juli  190?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Als  Dritter  im  medizinischen  Kollegium  sass  neben 
Lantenbach,  dem  ersten  Dekane  der  Fakultät,  und 
neben  Horst  Michael  D  o  e  r  i  n  g,  ein  geborener  Breslauer, 
1609  aus  Wittenberg  nach  Giessen  berufen.  Er  veröffentlichte 
Studien  über  Parazelsus  und  Hippokrates  und  über  pharmako¬ 
logische  Fragen.  Doch  verblieb  er  nicht  lange  in  Giessen; 
Heimweh  führte  ihn  1612  nach  Breslau  zurück.  Seinen  Lehr¬ 
stuhl  bestieg  1614  Ludwig  Jungermann,  in  Leipzig  ge¬ 
boren,  der  in  Giessen  schon  als  Kandidat  der  Medizin  Vorstand 
des  1609  gegründeten  botanischen  Gartens  gewesen  war. 
Neben  der  Medizin  lehrte  er  Botanik,  vir  botanicorum  suo 
aevo  nemini  secundus.  Seine  Antrittsvorlesung  hatte  die 
dignitas  studii  botanici  zum  Gegenstand  gehabt.  Die  Flora 
von  Giessen  und  Umgebung  hat  er  in  mehreren  Werken  be¬ 
schrieben;  auf  seine  Veranlassung  wurde  der  botanische 
Garten  in  die  Nähe  der  Universität  verlegt.  Auch  die  Er¬ 
richtung  eines  chemischen  Laboratoriums  scheint  sein  Ver¬ 
dienst  zu  sein,  1617.  Nachdem  er  1624  Rektor  gewesen  war, 
übersiedelte  er  1625,  in  der  Zeit,  da  die  Giessener  Universität 
nach  Marburg  zurückkehrte,  an  die  Universität  Altdorf,  wo 
er  seine  botanischen  Studien  weiterpflegte  und  in  hohem  Alter 
verstarb. 

Lautenbachs  Nachfolger  wurde  wieder  ein  Württem- 
berger  Samuel  Stephani.  Die  nahen  Beziehungen  zwischen 
den  Höfen  von  Darmstadt,  Württemberg  und  Sachsen  haben 
auf  die  Besetzung  der  Giessener  Professuren  in  jenen  Zeiten 
einen  unverkennbaren  Einfluss  ausgeübt.  Stephani  begann 
seine  Giessener  Lehrtätigkeit  mit  einer  Rede  de  Pseudo- 
medicis  1616.  Abgesehen  von  seinen  theoretischen  Vorlesungen 
scheint  er  anatomische  Studien  getrieben  zu  haben.  Ausserdem 
war  er  Stadtarzt  in  Giessen.  Religiöse  Meinungsverschieden¬ 
heiten  haben  ihn  bei  Hofe  unbeliebt  gemacht;  1625  zog  er 
sich  nach  Hanau  ins  Privatleben  zurück. 

Das  Jahr  1625  bedeutet  einen  traurigen  Wendepunkt  in  der 
Geschichte  der  Universität  Giessen.  Den  Erbstreitigkeiten 
zwischen  Kassel  und  Darmstadt  hatte  Kaiser  Ferdinand  II. 
1623  ein  Ende  bereitet;  die  Hoheitsrechte  der  Darmstädter 
Linie  über  Land  und  Universität  Marburg  hatten  die  lang  er¬ 
strebte  Anerkennung  gefunden.  Damit  aber  schien  das  Ende 
der  Universität  Giessen  gekommen;  denn  Ludwig  V.  hatte 
1607  für  den  Fall  der  Würdigung  seiner  Ansprüche  auf  Mar¬ 
burg  sich  verpflichtet,  die  neue  Hochschule  in  Giessen  zu 
schliessen.  1625  erfolgte  sub  auspiciis  Ludovici  die  Vereini¬ 
gung  der  Universitäten  Marburg  und  Giessen.  Die  Marburger 
Professoren  verliessen  die  Universität  und  folgten  ihrem 
Fürsten  nach  Kassel.  Sie  wurden  durch  die  Giessener  Pro¬ 
fessoren  ersetzt.  Unter  den  wenigen,  welche  zurückgeblieben 
sind,  war  der  bejahrte  Professor  der  Physik  und  Medizin, 
Nikolaus  Brau  n,  ein  geborner  Marburger.  Seine  Abhandlung 
de  fumo  tabaci  und  botanische  Studien  haben  seinen  Namen 
bekannt  gemacht.  Er  starb  in  hohem  Alter  1639.  Ein  wenig 
rühmliches  Ende  fand  der  zweite  Professor  der  Medizin, 
Johannes  K  e  m  p  f,  gleichfalls  ein  Marburger,  Professor  der 
Botanik  und  landgräflicher  Leibarzt.  Giessae,  ubi  in  aula  Prin- 
cipis  plerumque  commoratus  est,  casu  fatali  occubuit,  cum  in 
domo  sua  a  rustico  quodam  nefando  Watzenbornensi  e  scala 
dejectus  post  paucos  dies  exspiraret.  Der  dritte  Mediziner  der 
vereinigten  Marburger  und  Giessener  Universität  Jakob 
Müller  aus  Torgau  war  ein  grosser  Mathematiker.  In  seiner 
Antrittsrede  bespricht  er  utilem  et  jucundum  medicinae  et 
matheseos  conjunctionem.  Er  bekleidete  beide  Professuren, 
bis  er  1636  als  rei  tormentarii  director  einen  Feldzug  nach 
Meissen  mitmachte  und  dabei  seinen  Tod  fand. 

Ein  berühmter  Arzt  seiner  Zeit  war  Johann  Daniel  Horst, 
der  Sohn  des  obengenannten  Professor  Horst,  ein  Giessener. 
Er  wurde  1637  Professor  der  Medizin  in  Marburg  und  war  dann 
nach  der  Neueröffnung  der  Universität  in  Giessen,  1650,  hier  als 
Professor  tätig  bis  1663.  Aber  in  seiner  Stellung  als  Leibarzt 
hielt  er  sich  meistens  am  Hofe  in  Darmstadt  auf.  Er  hat  seine 
Tage  inter  praxeos  opulentae  negotia  in  Frankfurt  beschlossen. 
Nach  Mascagnis  Zeugnis  ist  er  der  Entdecker  der  Lymph- 
gefässe  des  Herzens  (Eckhard).  Sein  Kollege,  Johannes 
T  i  1  e  m  a  n  aus  Wertheim,  verblieb  1650  in  Marburg;  er  wurde 
Kalvinist,  später  Jude,  war  ein  Liebhaber  der  Astrologie  und 
gab  die  Aphorismen  des  Hippokrates  heraus.  In  die  Marburger 

No.  31. 


1537 


Zeit  fällt  auch  die  Tätigkeit  des  Nachfolgers  Brauns,  Johannes 
Peter  Lot  ich  ins;  dieser  war  geborener  Nauheirner;  scrip- 
tor  historicus,  philologicus,  poeticus,  satiricus  insignis,  nec  in 
medicis  prorsus  ignotus. 

Die  Marburger  Zeit  war  eine  äusserst  traurige;  die 
Schrecken  des  Krieges,  die  verheerenden  Seuchen  herrschten 
in  Marburg  wie  allüberall  in  Deutschland.  Die  Frequenz  der 
Universität  war  eine  äusserst  geringe.  Franzosen  und  Schwe¬ 
den  wüteten  im  Lande  und  schliesslich  kam  auch  der  Streit 
zwischen  Kassel  und  Darmstadt  neuerdings  zum  Ausbruch. 
Die  Landgräfin  Amalie  Elisabeth  von  Kassel  liess  es  sich  an¬ 
gelegen  sein,  Marburg  wieder  in  den  Besitz  ihres  Hauses  zu¬ 
rückzubringen;  Stadt  und  Schloss  fielen  ihr  in  die  Hände,  aber 
die  Professoren  der  Universität  hielten  ihre  Treue  zu  Darm¬ 
stadt.  Wiederholte  Belagerungen  und  Zerstörungen  hatten 
Marburg  fast  völlig  zerstört,  bis  endlich  der  Frieden  von 
Osnabrück  und  Münster  Ruhe  brachte  und  gleichzeitig  eine 
neue  Trennung  der  Universitäten  zur  Folge  hatte.  Nachdem 
noch  die  Frage,  ob  die  hessendarmstädtische  Universität  nach 
Darmstadt  oder  nach  Giessen  verlegt  werden  solle,  für  Giessen 
in  günstigem  Sinne  erledigt  war,  erfolgte  1650  die  Neueröffnung 
der  Giessener  Universität.  Aber  es  hat  noch  einige  Jahrzehnte 
gedauert,  bis  die  Universität  von  den  Schäden  des  Krieges  und 
seinen  Folgen  sich  erholt  hat.  1657  scheinen  nur  2  Studenten 
sich  der  Medizin  befliessen  zu  haben;  aus  dem  Jahre  1667  liegt 
ein  Beschluss  vor,  dass  die  Professuren  der  Medizin  auf  zwei 
zu  beschränken  seien,  während  sonst  gewöhnlich  drei  Lehr¬ 
stühle  dem  medizinischen  Unterrichte  eingeräumt  waren. 

Johannes  Tack  aus  Wetzlar  war  der  erste  Professor  der 
Medizin,  der  nach  der  Marburger  Zeit  seine  Antrittsvorlesung 
wieder  in  Giessen  gehalten  hat,  1650,  über  die  Quadratur  des 
Kreises.  Ausserdem  war  er  Professor  der  Beredsamkeit  und 
der  Physik.  Als  Leibarzt  des  Landgrafen  hielt  er  sich  meist  in 
Darmstadt  auf.  Tack  scheint  nicht  unschuldig  daran  gewesen 
zu  sein,  dass  1651  ein  landgräflicher  Erlass  die  Universitäts¬ 
professoren  mahnen  musste,  fleissiger  zu  sein  und  ihre  Vor¬ 
lesungen  gewissenhaft  zu  halten.  Derartige  Tadelsäusserungen 
der  Regierung  finden  sich  übrigens  wiederholt  in  den  Akten  der 
Universität  verzeichnet.  1651  wurde  Christian  B  u  n  c  k  e  Pro¬ 
fessor  der  Medizin;  er  lehrte  hauptsächlich  Botanik.  Georg 
Balthasar  Metzger  aus  Schweinfurt  war  Professor  der 
Anatomie,  Botanik  und  Physik,  bis  er  1661  nach  Tübingen  ging. 
Sein  Nachfolger,  Lorenz  S  t  r  a  u  s  s,  Professor  der  Medizin  und 
Physik,  wurde  berühmt  durch  seine  Schrift  de  foetu  extra 
uterum  retento. 

Des  renommierten  Horst  Weggang  von  Giessen,  die 
häufige  Abwesenheit  T  a  c  k  s  in  Angelegenheiten  seiner  Praxis 
bei  Hofe  scheinen  die  medizinische  Fakultät  schwer  geschädigt 
zu  haben.  Michael  Heiland,  Professor  der  Medizin  in 
Leipzig,  ward  dazu  auserwählt,  der  Fakultät  das  alte  Ansehen 
wieder  zu  verschaffen.  Nach  Giessen  berufen,  rechtfertigte  er 
in  30  jähriger  Lehrtätigkeit,  wobei  er  die  Anatomica,  Chirurgica 
und  Botanica  zu  vertreten  hatte,  das  Vertrauen,  welches  man 
seiner  berühmten  Persönlichkeit  entgegengebracht  hatte.  4  mal 
war  ihm  das  Rektorat,  16  mal  das  Dekanat  zu  Teil.  9  Doktoren 
und  31  Lizentiaten  verdanken  ihm  ihre  akademischen  Grade. 
Ein  treuer  Verehrer  Galens  war  er  ein  Feind  der  Karthesianer. 
Ein  würdiges  Denkmal  hat  er  sich  in  seinen  Stiftungen  ge¬ 
setzt,  darunter  ein  Legat  von  1000  Gulden  für  die  Witwen  der 
Professoren,  ein  Legat  von  50  Gulden  für  die  Erbauung  eines 
Theatrum  anatomicum  und  bestimmte  Summen  für  die  Mit¬ 
glieder  der  Fakultät.  Seine  Hochherzigkeit  verdient  es,  dass 
aus  seinem  Testamente  folgender  Passus  hier  wiedergegeben 
sei:  So  ich  beyden  Fakultaeten  hiemit  legirt  haben  vill,  der 
gestalt,  dass  die  von  solchen  Capitalien  erhobene  pensiones 
jaehrlich  am  Tage  Michaelis,  bei  angestelltem  conventu  facul- 
tatis  unter  deren  Membra  praesentia  ausgeteilet  und  dabei 
meiner,  als  eines  vordem  gewesenen  Mitglieds,  in  bestem  ge¬ 
dacht  verden  moege.  Heiland  starb  1693.  Hieronymus 
R  o  e  t  e  1  ist  als  erster  Professor  extraordinarius  genannt,  1663. 
Eine  Vorlesung,  welche  er  angekündigt  hat,  befasste  sich  mit 
der  Explicatio  medicamentorum  officinalium.  Ein  zweiter 
Extraordinarius,  Ludwig  Christian  Tack,  der  Sohn  des  oben 
erwähnten  Professor  Tack,  der  mit  der  Quadratur  des  Kreises 
sich  beschäftigt  hatte,  ist  innerhalb  eines  Jahres  Ordinarius  ge- 

4 


1038 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _ _ _  No.  31. 


worden.  Aber:  laboribus  praecocibus  et  iniprobis  adeo  sani- 
tatem  fregit,  ut  melancholia  confectus  30  annos  et  ultra  delirus 
et  mentis  impos  hic  viveret. 

Justus  Friedrich  D  i  1 1  e  n  i  u  s,  mit  einer  Rede  de  ortu  et 
progressu  anatomes  1688  in  den  Lehrkörper  eingetreten  be¬ 
tätigte  sich  auf  dem  Gebiete  der  Anatomie,  der  Botanik,  der 
Pathologie  und  der  praktischen  Medizin.  Die  Bürde  des  Rek¬ 
torates  scheint  ihn  seiner  Lehraufgabe  vorübergehend  be¬ 
denklich  entfremdet  zu  haben.  Für  das  Wintersemester  1701 
hatte  er  Physiologie  und  Pathologie  des  Auges  angekündigt, 
für  das  Wintersemester  1707  eduliorum  facultas  ac  natura.  Er 
ist  1720  gestorben.  Von  Johann  Christophorus  He  rt  wird  er¬ 
zählt,  dass  er  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Fürstlichkeiten  hoch¬ 
angesehener  Leibarzt  gewesen  ist.  Auch  Michael  Bernhard 
V  a  1  e  n  t  i  n  i,  ein  Giessener,  Professor  der  Physik,  Pathologie 
und  praktischen  Medizin  hat  es  verstanden,  trotz  seines  ge¬ 
brechlichen  Körpers,  grosser  Ehrungen  teilhaftig  zu  werden; 
unter  anderem  war  er  Mitglied  der  Akademien  zu  Padua,  Ber¬ 
lin,  London.  Im  Vorlesungsverzeichnis  verspricht  er  Casus 
non  ubique  obvios  e  praxi  zu  demonstrieren.  In  einer  seiner 
Schriften  rühmt  er  den  hortus  medicus,  das  Laboratorium 
chymicum  und  das  Amphiteatrum  sectionibus  anatomicis 
destinatum,  wodurch  Giessen  anderen  Universitäten  voraus  sei. 
Gleichzeitig  mit  V  a  1  e  n  t  i  n  i  wirkte  eine  zeitlang  Georg 
Christophorus  M  o  e  1 1  e  r,  1700  Mitglied  der  Fakultät  ge¬ 
worden.  Seinen  Lehrberuf  scheint  er  nicht  sehr  strenge  auf¬ 
gefasst  zu  haben,  obwohl  er  klinische  Demonstrationen  ange¬ 
kündigt  hat;  er  verspricht  im  Vorlesungsverzeichnis  candidatos 
hactenus  sibi  concreditos  ad  lectos  aegrorum  zu  führen,  1704. 
1717  wurde  er  Arzt  am  Reichskammergericht  zu  Wetzlar. 
Böttichers  Nachfolger  wurde  Georg  Theodor  B  a  r  t  h  o  1  d 
mit  einer  Antrittsvorlesung  de  existentia  Dei  et  admiranda 
sapientia  ex  re  herbaria  cognoscenda.  Er  beginnt  im  Oktober 
1709  die  Demonstrationen  im  Theatro  anatomico  noviter 
instructo. 

Johann  Kasimir  Hert,  promoviert  bei  der  ersten  Jahr¬ 
hundertfeier  der  Universität  1707,  wurde  der  Nachfolger  seines 
Vaters,  des  vielbegehrten  Hofarztes.  Er  war  in  Giessen  ge¬ 
boren,  war  Kreisarzt  in  dem  benachbarten  Nidda.  Als  Pro¬ 
fessor  pauca  scripsit,  ea  tarnen  ab  Hallero  non  sine  laude 
memorata.  Von  seinen  Schülern  wurden  vier  berühmte  Uni¬ 
versitätslehrer.  Johann  Melchior  V  e  r  d  r  i  e  s,  gleichfalls  ein 
geborener  Giessener,  Professor  philosophiae  naturalis,  wurde 
Ordinarius  der  Pathologie  1714.  Seine  Physik,  seine  Abhand¬ 
lungen  über  medizinische  und  physikalische  Themata  prae- 
sertim  de  aequilibrio  mentis  et  corporis  haben  unter  seinen 
Zeitgenossen  seinen  Namen  berühmt  gemacht.  Chemiker  — 
Alchymiae  autem  osor  —  war  Johann  Thomas  Hen  sin  g, 
Vorstand  des  chemischen  Laboratoriums,  Professor  der 
Medizin  und  der  Chemie;  1717  kündigte  er  an:  Vegetabilium 
atque  animalium  historia  et  theoria  chemica  absoluta;  1724  las 
er  über  Frauenkrankheiten. 

Von  den  anderen  Mitgliedern  der  Fakultät  während  des 
18.  Jahrhunderts  seien  noch  genannt:  L.  H.  L.  H  i  1  c  h  e  n,  eine 
geraume  Zeit  einziger  Vertreter  der  Medizin  an  der  Univer¬ 
sität,  in  Fragen  der  forensen  Medizin  bewandert;  Anfang  der 
50er  Jahre  hat  er  auch  Physiologie  gelesen;  Garnisons¬ 
medikus  Fr.  W.  H  e  n  s  i  n  g,  1742  zum  Prosektor  deklariert 
mit  einem  Gehalt  von  50  Gulden,  wohl  der  erste  Prosektor 
der  Anatomie  in  Giessen.  1743  Professor  der  Anatomie  ge¬ 
worden,  starb  er  schon  1745.  Er  hat  eine  eigene  Sammlung 
von  anatomischen  Präparaten  besessen,  welche  nach  seinem 
Tode  von  der  Universität  angekauft  worden  ist;  sie  ist  im 
französischen  Kriege  zu  Grunde  gegangen.  Fr.  A.  Carteuser 
hat  ausser  der  medizinischen  auch  noch  der  philosophischen 
und  der  1777  ins  Leben  getretenen  ökonomischen  Fakultät 
angehört,  hat  neben  Medizin  Botanik,  Chemie  und  Physik 
gelehrt.  Johann  Wilhelm  B  au  m  e  r  wurde  1765  Professor  der 
Medizin,  nachdem  er  zuerst  Theologe  gewesen  war.  Er  war 
der  erste,  der  hier  in  Giessen  eine  Vorlesung  über  venerische 
Krankheiten  angekündigt  hat.  Allerdings  hat  er  auch  ein 
Collegium  styli  latini  purioris  privatim  gehalten.  (Als  ersten 
Vertreter  meiner  Spezialdisziplin  muss  ich  den  älteren  Horst 
bezeichnen,  insofern  dieser  literarisch  wenigstens,  wie  ange¬ 
geben,  mit  syphilidologischcn  und  dermatologischen  Fragen 
sich  viel  beschäftigt  hat.) 


Christophorus  Ludwig  Nebel,  1766  Prosektor  am  Thea¬ 
trum  anatomicum,  zum  a.  o.  Professor  ernannt  auf  Grund  einer 
Abhandlung  de  analysi  aquarum  Giessensium,  übernahm  nach 
Alefelds  Tod  1774  das  Ordinariat  für  Chirurgie  und  Ge¬ 
burtshilfe;  Dietz  wurde  Alefelds  Nachfolger  auf  dem 
Lehrstuhle  für  Anatomie.  Ferdinand  Georg  Danz  lebte  im  An¬ 
fänge  der  90  iger  Jahre  des  18.  Jahrhunderts  als  Prosektor  und 
a.  o.  Professor.  Seine  literarische  Tätigkeit  befasst  sich  viel 
mit  geburtshilflichen  Fragen,  obwohl  er,  wie  es  scheint,  diesem 
Fache  praktisch  nicht  nachgegangen  ist.  Besonders  bekannt 
geworden  ist  sein  Grundriss  der  Zergliederungskunst  des  neu¬ 
geborenen  Kindes,  welches  Werkchen  Sömme rings  Einfluss 
deutlich  erkennen  lässt.  „Wenn  man  diesen  Grundriss  liest, 
bekommt  man,  abgesehen  davon,  dass  wir  jetzt  in  der  Er¬ 
kenntnis  weiter  sind,  den  Eindruck  eines  sorgfältig  und  me¬ 
thodisch  gearbeiteten  Buches,  in  welchem  neben  der  Anatomie 
auch  physiologische  Fragen  besprochen  werden  und  die  bis 
dahin  auf  den  Gegenstand  bezügliche  Literatur  sorgfältig  be¬ 
rücksichtigt  ist,  sodass  er  als  ein  schönes  Zeichen  schrift¬ 
stellerischer  Tätigkeit  in  Giessens  Vergangenheit  angesehen 
werden  kann“  (Eckhard).  \ 

Dietz’  Nachfolger  als  Professor  der  Anatomie  wurde 
der  frühere  Prosektor,  Ernst  Ludwig  Wilhelm  Nebel,  1805, 
der  Sohn  des  oben  genannten  Professor  Nebel,  unter  den 
Giessener  Professoren  der  älteren  Zeit  wohl  einer  der  be¬ 
deutendsten  und  verdientesten.  Er  scheint  auf  allen  mög¬ 
lichen  Gebieten  der  medizinischen  Wissenschaft  sich  betätigt 
zu  haben.  Jahrelang  hat  er  Geschichte  der  Medizin  gelehrt. 
Von  seinen  anderen  Vorlesungen  will  ich  erwähnen:  Grund¬ 
züge  der  Psychologie  mit  Hinsicht  auf  Entstehung  und  Heilung 
von  Krankheiten.  Die  Tierarzneikunde  hier  in  Giessen  darf  ihn 
als  ihren  ersten  Vertreter  bezeichnen.  Wir  verdanken  ihm 
eine  Reihe  vortrefflicher  historischer  Abhandlungen  über  die 
Universität  Giessen  und  ihre  Lehrer.  Seinem  Buche  über  die 
Professoren  der  Medizin  und  über  den  medizinischen  Unter¬ 
richt  im  17.  und  18.  Jahrhundert  sind  meine  Mitteilungen 
grösstenteils  entnommen:  E.  L.  W.  Nebel  Clarissimos  doctis- 
simosque  aliquot  candidatos  summis  in  medicina  honoribus 
condecoratos  commendat  atque  Professorum  qui  medicinam 
in  academia  Giessensi  docuerunt  conspectum  prämittit, 
Giessae  1802. 

Ich  muss  darauf  verzichten,  die  Namen  aller  Mediziner 
aus  dem  18.  und  19.  Jahrhundert  aufzuzählen  —  nicht  als  ob 
nicht  alle  ebenso  sehr  der  Erwähnung  würdig  wären  wie  die 
bereits  genannten.  Aber  viel  Neues  und  Bemerkenswertes  liegt 
aus  dieser  Zeit  nicht  vor.  Die  wissenschaftlichen  Bestre¬ 
bungen  der  Einzelnen  haben  sich  in  den  engen  hergebrachten 
Grenzen  gehalten,  selbständiges  Forschen  war  damals  noch 
nicht  so  vorhanden  wie  heutzutage.  Bis  zum  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  blieb  hier  in  Giessen  der  medizinische  Unter¬ 
richt  im  wesentlichen  auf  theoretische  Vorlesungen  beschränkt; 
auch  die  klinische  Erziehung  der  Studierenden  war  eine  rein 
theoretische  und  dogmatische  geblieben.  In  den  Vorlesungs¬ 
verzeichnissen  jener  Zeiten  finden  wir  Kollegien  über  In- 
stitutiones  medicinae,  Praxis  medica,  Praxis  specialis,  In- 
stitutiones  chirurgicae,  Elementa  artis  obstetriciae,  Ars  obste- 
tricia  usw.  Eigentümlich  berührt  uns  auch  folgendes:  Sommer¬ 
semester  1811 :  Entbindungskunde  trägt  nach  E.  v.  S  i  e  b  o  1  d  s 
Lehrbuch  Prof.  Dr.  Nebel  vor,  oder  1811/12:  Vorlesungen 
über  theoretische  und  praktische  Geburtshilfe  wird  auf  Ver¬ 
langen  Prof.  N.  geben.  Im  grossen  und  ganzen  haben  die 
Schriften  von  Hippokrates  und  Galen,  die  alten  medizinischen 
Klassiker,  die  unerschöpfliche  Quelle  gebildet,  aus  der  alle  medi¬ 
zinische  Wissenschaft  wie  ein  träger  Strom  durch  die  Jahr¬ 
hunderte  hin  sich  ergossen  hat.  Erfreulich  ist  es,  zu  sehen, 
dass  schon  frühzeitig  und  in  nicht  geringem  Umfange  in 
Giessen  das  Interesse  und  die  Liebe  zu  den  Naturwissen¬ 
schaften,  für  Botanik  und  Mineralogie  vor  allem,  für  Physik 
und  Zoologie  sich  Geltung  zu  verschaffen  gewusst  hat.  Die 
meisten  Mediziner  haben  gleichzeitig  ein  naturwissenschaft¬ 
liches  Fach  oder  auch  mehrere  vertreten,  ein  gewisses  Streben 
nach  eigener  Beobachtung,  eigener  Erkenntnis  ist  neben  all  dem 
Wust  der  alten  Scholastik  doch  da  und  dort  nicht  zu  ver¬ 
kennen.  Wohltuend  wirkt  es,  wenn  wir  im  Vorlesungsver¬ 
zeichnis  von  1811/12  von  einem  Professor  der  Medizin  lesen, 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1539 


dass  er  Samstag  nachmittags  Unterricht  in  der  Botanik  und 
Mineralogie  auf  Spaziergängen  erteilen  wolle. 

Vor  allem  der  Anatomie  ist  in  Giessen  eine  aufmerk¬ 
same  Pflege  zuteil  geworden.  Frühzeitig  war  die  Bedeutung 
dieses  Fundamentum,  wie  es  in  einer  gedruckten  Einladung  zu 
einer  öffentlichen  Sektion  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
heisst,  klar  erkannt  worden.  Gerade  in  der  ersten  Zeit  ihres 
Bestehens  war  die  Universität  Giessen  durch  ihre  anatomische 
Schule,  so  kann  man  wohl  sagen,  anderen  Universitäten  voraus. 
Allerdings  in  der  2.  Hälfte  des  17.  und  in  der  1.  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  weisen  die  auf  Anatomie  bezüglichen  Vor¬ 
lesungen  grosse  Lücken  auf,  und  für  die  Physiologie  gilt 
das  gleiche.  Es  kommen  Semester  vor,  in  welchen  weder 
Anatomie  noch  Physiologie  gelesen  worden  sind.  In  dieser 
Zeit  hat  es  auch  Semester  gegeben,  in  welchen  der  gesamte 
medizinische  Unterricht  auf  eine  einzige  Vorlesung  sich  be¬ 
schränkte;  manchmal  finden  sich  in  den  Ankündigungen  auch 
zwei  Vorlesungen,  von  welchen  aber  die  eine  nur  unter  ge¬ 
wissen  Umständen  gehalten  werden  soll.  Der  Grund  für  diesen 
lückenhaften  Unterricht  ist  wohl  in  dem  damaligen  Verfall 
unserer  Universität  gelegen.  Dass  ein  solcher  bestanden  hat, 
darüber  kann  kein  Zweifel  bestehen;  denn  er  ist  zur  Kenntnis 
der  Regierung  gekommen  und  diese  hat  ihn  beachtet  und  Ab¬ 
hilfe  zu  schaffen  gesucht. 

Eine  „kurze  Geschichte  des  anatomischen  und  physio¬ 
logischen  Unterrichtes  an  der  Universität  Giessen  während  der 
drei  ersten  Jahrhunderte  ihres  Bestehens“  hat  der  hochver¬ 
diente,  jüngst  verstorbene  Physiologe  Eckhard  handschrift¬ 
lich  unserer  Universitätsbibliothek  hinterlassen.  Sie  war  1904 
für  die  Zwecke  der  gegenwärtigen  Jahrhundertfeier  geschrie¬ 
ben.  So  gebührt  es  sich,  ihrer  hier  ausdrücklich  zu  gedenken, 
und  den  bisherigen  Zitaten  aus  derselben  darf  ich  wörtlich  noch 
folgende  Abschnitte  anreihen:  Die  Formen  des  anatomischen 
Unterrichtes  gliederten  sich  in  theoretischeVorlesungen  übendie 
gesamte  menschliche  Anatomie  oder  über  einzelne  Abschnitte 
derselben,  in  Sezierübungen  und  in  solenne  öffentliche  Demon¬ 
strationen.  Inwieweit  die  Vorlesungen  von  Demonstrationen 
haben  begleitet  werden  können,  entzieht  sich  einer  genauen  Be¬ 
urteilung;  denn  über  die  Existenz  einer  anatomischen  Samm¬ 
lung  sind  wohl  Notizen  vorhanden,  aber  über  den  Inhalt  einer 
solchen  durch  einen  Katalog  ist  keine  Andeutung  zu  machen. 
Nur  von  den  Präparaten  der  erwähnten  H  e  n  s  i  n  g  sehen 
Sammlung  ist  ein  Verzeichnis  vorhanden,  welches  27  Nummern 
enthält.  Anleitungen  zu  den  Sezierübungen  erscheinen  in  den 
Vorlesungsverzeichnissen  unregelmässig  und  haben  sich  sicher 
in  bescheidenen  Grenzen  gehalten;  das  Material  war  sparsam. 
Nachweislich  haben  sie  sich  mehrfach  an  die  öffentlichen  so¬ 
lennen  Demonstrationen  angeschlossen.  Ueber  diese  klären 
uns  einzelne,  in  Plakatform  erhaltene  Blätter,  teilweise  auch  die 
Dekanantsbücher  auf.  Unsere  Universitätsbibliothek  bewahrt 
von  diesen  Einladungen  noch  8  Stück  aus  den  Jahren  1663, 
1669,  1677,  1698,  1703,  1704,  1706  und  1709.  Die  bei  den  Sek¬ 
tionen  zur  Verwendung  gekommenen  Kadaver  waren  zumeist 
von  dem  Landesherrn  der  Universität  überwiesen  und  stamm¬ 
ten  von  dem  Henker  verfallenen  Verbrechern.  Eine  Verord¬ 
nung  aus  dem  Jahre  1770  besagt,  dass  die  Leichen  aller  hin- 
gerichteten  Delinquenten,  aller  im  Oberfürstentum  sterbenden 
L.andstreicher  und  der  im  Giessener  Spital  sterbenden  Armen 
in  die  Anatomie  zu  liefern  seien.  Die  Einladung  zu  den  Sek¬ 
tionen  erfolgte  entweder  durch  den  Dekan  und  die  gesamte 
medizinische  Fakultät  oder  durch  den  jeweiligen  Professor 
der  Anatomie.  Meist  geht  eine  längere  Einleitung  voraus, 
die  bald  mehr  historischer  Art  ist,  bald  die  Wichtigkeit  und 
Notwendigkeit  der  eigenen  anatomischen  Anschauung  betont. 
Das  Publikum,  welches  eingeladen  wurde,  ist  nicht  in  jeder 
Einladung  dasselbe,  meist  aber  sind  es  die  Studierenden  der 
Anatomie,  die  akademischen  Bürger  überhaupt,  die  Liebhaber 
der  Naturwissenschaft  und  Heilkunde,  S.  Magnificenz  der  Herr 
Rektor,  der  sehr  gestrenge  Regierungsprokanzler,  die  Obersten 
des  Gerichtes,  die  Hochberühmten  und  Ausgezeichneten  Herren 
der  Akademie  usw.  Die  Plakate  machen  auch  darauf  aufmerk¬ 
sam,  dass  man  sich  mit  Eintrittskarten  versehen  möge,  die  zu 
massigem  Preise  in  der  Engelapotheke  (das  war  schon  seit  den 
ersten  Zeiten,  wie  es  heutzutage  noch  ist,  die  Universitäts¬ 
apotheke)  zu  haben  seien.  Feierlich  ging  es  dabei  her,  wie  es 


die  Natur  des  geladenen  Publikums  erforderte.  In  einem  der 
Plakate  kommt  die  Bemerkung  vor:  „Befleissiget  Euch  mit  mir 
dabei  einer  ehrfuchtsvollen  Ruhe.“  Uebrigens  sind  die  Leichen 
nicht  nur  zum  Zwecke  von  Sezierübungen,  sondern  auch  zur 
Ausführung  chirurgischer  Operationen  ausgewertet  worden. 
Es  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  wir  höchstwahrscheinlich 
in  diesen  solennen  Demonstrationen  keineswegs  eine  der 
hiesigen  Universität  allein  zukommende  Einrichtung  zu  sehen 
haben;  denn  nach  Büchner:  „Aus  Giessens  Vergangenheit“, 
ist  im  Jahre  1708  von  Marburg  aus  eine  ähnliche  Einladung  an 
die  hiesige  medizinische  Fakultät  ergangen.  Bezüglich  des 
Unterrichtes  in  der  Physiologie  ist  wenig  zu  sagen.  Man 
kann,  meint  Eckhard,  aus  der  Zeit  nach  der  Rückkehr  der 
Universität  von  Marburg  einen  ersten  Abschnitt  mit  dem  Jahre 
1809  abgrenzen,  als  dem  Zeitpunkte,  bis  zu  welchem  Anatomie 
und  Physiologie  von  verschiedenen  Professoren  gelehrt 
worden  ist,  und  im  Gegensätze  dazu  eine  Periode  aufstellen, 
von  1809 — 1891,  während  welcher  hier  in  Giessen  Anatomie 
und  Physiologie  nur  von  einem  einzigen  Professor  vertreten 
worden  ist.  Diese  langdauernde  Kombination  der  beiden  Lehr¬ 
fächer  war  bedingt  durch  das  Zusammenwirken  einer  Reihe 
besonderer  Umstände.  Die  in  Rede  stehende  Zeit  wird  aus¬ 
gefüllt  durch  die  Tätigkeit  von  Johann  Bernhard  W  i  1  b  r  a  n  d, 
Theodor  Ludwig  Wilhelm  B  i  s  c  h  o  f  f  und  Konrad  Eck¬ 
hard. 

B.  W  i  1  b  r  a  n  d  hat  neben  Anatomie  und  Physiologie  auch 
noch  Zoologie  und  vergleichende  Anatomie,  Botanik,  allgemeine 
Naturgeschichte  und  Naturphilosophie  gelesen.  Von  seinen 
Arbeiten  hat  eine  Studie  über  den  Kreislauf  zur  Zeit  ihres  Er¬ 
scheinens  grosse  Beachtung  gefunden.  Als  Prosektor  stand 
ihm  Wernekinck  zur  Seite,  der  die  Sezierübungen  ge¬ 
leitet  und  über  verschiedene  Zweige  der  Anatomie,  u.  a.  Ge¬ 
hirnanatomie,  Vorlesungen  gehalten  hat.  Ihm  und  W  i  1  b  r  a  n  d 
dankte  die  Universität  eine  gute  anatomische  Sammlung. 
W  i  1  b  r  a  n  d  s  Sohn,  Franz  Joseph  Julius  W  i  1  b  r  a  n  d,  nach 
Wernekinck  s  Tod  Prosektor  bei  seinem  Vater,  hat  als 
Ordinarius  später  durch  viele  Jahre  hindurch  gerichtliche 
Medizin  gelehrt. 

Unter  B  i  s  c  h  o  f  f,  1843,  blieb  der  anatomische  und  physio¬ 
logische  Unterricht  noch  in  einer  Person  vereint,  aber  in  den 
Personalbeständen  der  Universität  erscheint  jetzt  ein  be¬ 
sonderes  physiologisches  Institut  neben  dem  anatomischen 
Theater.  Die  Vorlesungen  über  Entwicklungsgeschichte  und 
über  Histologie  fangen  jetzt  an  regelmässig  zu  werden  und 
mikroskopische  und  physiologische  Uebungen  bilden  jetzt  einen 
regelmässigen  Bestandteil  des  Unterrichtes.  Mit  B  i  s  c  h  o  f  f 
beginnt  in  Giessen  die  Zeit,  in  welcher  die  wissenschaftliche 
Forschung  in  Anatomie  und  Physiologie  die  modernen  Bahnen 
betritt.  B  i  s  c  h  o  f  f  s  Prosektor  war  Heinrich  Adolf  Barde- 
leben,  der  spätere  berühmte  Berliner  Chirurg. 

Als  B  i  s  c  h  o  f  f  1854  nach  München  gegangen  war,  wurde 
Bruch  zum  Direktor  beider  Institute  ernannt;  Physiologie 
aber  hat  er  nicht  gelesen.  Eckhard,  bis  dahin  Prosektor, 
wurde  als  Extraordinarius  aufgestellt  mit  der  Weisung,  Physio¬ 
logie  zu  lehren,  wozu  ihm  die  Räume  des  physiologischen  In¬ 
stitutes  zur  Verfügung  estellt  wurden.  Kurze  Zeit  darauf  zum 
Ordinarius  ernannt,  übernahm  er  1859  die  Direktion  beider  In¬ 
stitute  und  las  Physiologie  und  Anatomie.  Schon  in  den  80  er 
Jahren  machte  er  darauf  aufmerksam,  dass  eine  Trennung  der 
beiden  Professuren  und  ihrer  Institute  zeitgemäss  sei.  Diese 
erfolgte  aber  erst  1891.  Für  die  Anatomie  wurde  Bonnet 
berufen;  das  anatomische  Institut  verblieb  in  seinen  Räumen  ‘), 


1)  In  den  ersten  Zeiten  nach  der  Gründung  der  Universität  hat 
der  medizinischen  Fakultät  für  ihre  sämtlichen  Vorlesungen  und  Ar¬ 
beiten  das  alte  Universitätskollegienhaus  gedient,  dessen  Grundstein¬ 
legung  oben  erwähnt  ist.  Es  stand  an  der  Stelle,  wo  später  jenes 
Gebäude  errichtet  worden  ist,  welches  im  Laufe  der  Jahre  verschie¬ 
denen  Zwecken,  zuletzt  bis  Herbst  1904  der  Universitätsbibliothek 
gedient  hat.  Jenes  alte  Kollegium  ist  erst  1838  beim  Neubau  des 
eben  genannten  Gebäudes  abgerissen  worden.  Das_  öfter  genannte 
Theatrum  anatomicum  scheint  in  den  Jahren  1704 — 1709  hergerichtet 
worden  zu  sein  und  ist  im  Jahre  1849  verlassen  worden;  es  war  in 
der  Gegend  der  jetzigen  Brandgasse  gelegen.  Das  dritte  in  Betracht 
kommende  Gebäude  ist  das  hier  genannte,  das  noch  heute  der  Ana- 
tomie  und  dem  zoologischen  Institute  dient;  es  ist  im  Herbste  1849 
bezogen  worden. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


540 

während  dem  physiologischen  Institute  die  Räume  der 
früheren  Enbindunganstalt  zugewiesen  worden  sind.  „Wie  alle 
Institute,  welche  aus  der  Umänderung  von  Gebäulichkeiten  ent¬ 
standen,  die  ursprünglich  für  andere  Zwecke  bestimmt  waren, 
hat  auch  unseres  seine  grossen  Mängel“,  klagt  Eckhard. 
„Die  Räume  sind  sehr  unzweckmässig  mit  einander  verbunden 
und  haben  unzureichendes  Licht;  sehr  empfindlich  ist  der 
Mangel  an  Tierställen;  ich  behelfe  mich  so  gut  es  geht,  weil 
ein  Neubau  eines  physiologischen  Institutes  von  der  Fakultät 
beantragt  ist.“  Auch  der  Nachfolger  Eckhards,  Professor 
F  r  a  n  k,  ist  in  diesem  Institut  noch  tätig.  Von  den 
Prosektoren,  welche  Eckhards  Schüler  gewesen  waren, 
nenne  ich  die  späteren  Professoren  W  e  1  c  k  e  r  -  Halle, 
Kehrer-  Giessen  und  Heidelberg,  Braun-  Göttingen, 
K  n  o  1 1  -  Wien.  Ueber  die  wissenschaftliche  Bedeutung  Eck¬ 
hards,  über  seine  Lehrtätigkeit  an  hiesiger  Universität  will 
ich  keine  weiteren  Worte  verlieren;  das  Andenken  dieses  un¬ 
ermüdlich  fleissigen,  bis  in  sein  hohes  Alter  hinein  arbeits¬ 
freudigen  und  arbeitsfähigen  Marines  ist  bei  allen  lebendig. 
B  o  n  n  e  t  ist  1895  nach  Greifswald  übergesiedelt.  Sein  Nach¬ 
folger  wurde  Prof.  Strahl. 

Was  die  Entwicklung  der  medizinischen  Wissenschaft  in 
den  klinischen  Disziplinen  betrifft,  muss  mit  Bedauern  ge¬ 
sagt  werden,  dass  Giessen  in  dieser  Beziehung  hinter  den 
anderen  Universitäten  um  ein  Beträchtliches  zurückgeblieben 
ist.  Lange  hat  es  gedauert,  bis  hier  in  Giessen  der  moderne 
klinische  Unterricht  sich  Eingang  verschaffen  konnte.  Ueberall 
an  deutschen  und  ausserdeutschen  Hochschulen  sind  im  Laufe 
des  18.  Jahrhunderts  klinische  Lehranstalten  ins  Leben  ge¬ 
treten,  welche  dem  allseits  sich  regenden  Bedürfnis  nach  der 
exakten  Erforschung  der  krankhaften  Veränderungen  im 
menschlichen  Organismus  zu  entsprechen  gesucht  haben  und 
den  Forderungen  der  mächtig  vorwärtsschreitenden  natur¬ 
wissenschaftlichen  Erkenntnis  gerecht  zu  werden  beflissen 
waren.  In  Giessen  entstand  die  erste  Klinik  erst  im  Jahre 
1814.  Es  war  die  geburtshilfliche  Klinik.  Die  erste 
Anregung  zur  Errichtung  einer  solchen  ging,  wie  ich  einem 
handschriftlichen  Beitrage  zur  Chronik  der  Universität  seitens 
des  Herrn  Geheimrat  Pfannenstiel  entnehme,  in  der 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts,  ziemlich  gleichzeitig  von 
dem  damaligen  Extraordinarius  Prof.  Nebel  —  dem  die  Uni¬ 
versität  ued  die  medizinische  Fakultät  nicht  wenig  zu  danken 
haben  —  und  von  den  Studierenden  der  Medizin  aus,  von 
ersterem  durch  einen  Bericht  an  die  Regierung  zu  Darm¬ 
stadt,  von  letzteren  durch  eine  Bittschrift  an  den  Rektor,  1772. 
Hand  in  Hand  mit  diesen  Wünschen  gingen  die  Bestrebungen 
der  Staatsregierung,  das  Hebammenwesen  zu  organisieren. 
1790  hatte  Landgraf  Ludwig  bei  seinem  Regierungsantritte 
10  000  Gulden  für  die  Erbauung  einer  Hebammenlehranstalt 
geschenkt.  Aber  erst  1807  erfolgte  ein  wesentlicher  Fortschritt 
in  dieser  Angelegenheit,  als  bei  Niederlegung  des  Festungs¬ 
walles  der  Stadt  das  dadurch  frei  werdende  Gelände,  soweit 
es  an  die  Universität  grenzte,  dieser  überlassen  wurde  und 
teilweise  als  Bauplatz  für  die  Entbindungsanstalt  Verwendung 
finden  konnte.  Erbaut  wurde  das  Gebäude  in  den'Jahren  1809 
bis  1813.  In  letzterem  Jahre  wurde  die  Direktion  der  „Geburts¬ 
anstalt“  neben  der  Professur  für  Chirurgie  und  Geburtshilfe 
dem  „besonders  als  Operateur  viel  versprechenden“  Dr. 
H  e  g  a  r  übertragen.  Da  brachten  aber  die  kriegerischen  Zeiten 
eine  neue  Störung.  Nach  der  Schlacht  bei  Leipzig  wurde  die 
Entbindungsanstalt  als  Lazarett  für  russische  und  französische 
Soldaten  verwendet.  Inzwischen  war  den  Studierenden,  seit 
1809,  Gelegenheit  geboten,  im  Zucht-  und  Stockhaus  der  Stadt 
Hebungen  in  der  Geburtshilfe  vorzunehmen.  Der  Unterricht  der 
Hebammen  war  1799  dem  Physikus,  Professor  Schwabe 
übei Lagen  worden.  Hegar  starb  1814  „als  Opfer  seiner  Be¬ 
mühungen  um  die  Lazarette“. 

Sein  Nachfolger  wurde  Ferdinand  Franz  August  von 
R  i  t  g  e  n,  wohl  einer  der  hervorragendsten  und  am  meisten 
verdienten  Vertreter  der  medizinischen  Wissenschaft  zu 
Giessen.  Unter  seiner  Leitung  gedieh  die  innere  Einrichtung 
des  Gebäudes  schliesslich  soweit,  dass  am  15.  November  1814 
die  Eröffnung  der  Entbindungsanstalt  erfolgen  und  die  erste 
Schwangere  aufgenommen  werden  konnte.  In  der  Verwaltung 
clei  Anstalt  vai  dem  Direktor  ein  Deputierter  der  Universität 


und  der  Regierung  zur  Seite  gestellt,  da  die  Anstalt  zugleich 
Landeshebammenschule  war.  Ins  Jahr  1816  fällt  der  Beginn 
der  regelmässigen  Unterrichtskurse  für  Hebammenschülerinnen. 

Einen  beachtenswerten  Beitrag  zum  Studium  der  Frauen¬ 
frage  an  der  Giessener  Universität  liefert  die  Tatsache,  dass 
bereits  in  den  ersten  Jahren  des  Bestehens  dieser  geburtshilf¬ 
lichen  Klinik  weibliche  Studenten  hier  tätig  waren;  im  Jahre 
1815  erfolgte  die  Promotion  der  Frau  Regina  Josepha  von 
S  i  e  b  o  1  d  zum  Dr.  artis  obstetriciae,  und  im  Jahre  1817  die 
Promotion  von  Fräulein  Charlotte  Heiland.  Karoline 
Zimmer  mann  aus  Darmstadt  wurde  1831  immatrikuliert 
als  Studierende  der  Geburtshilfe  und  der  Pharmakodynamik. 

Bis  1890  unterstand  die  Verwaltung  der  Entbindungsanstalt 
der  Provinzialdirektion  von  Oberhessen.  1890  wurde  sie  als 
geburtshilflich-gynäkologische  Klinik  in  einem  neuen  zweck¬ 
entsprechenden  Gebäude  untergebracht  und  der  Universität 
angegliedert.  Neben  der  geburtshilflichen  Abteilung  war  1871 
eine  eigene  gynäkologische  Abteilung  geschaffen  worden. 
Nach  dem  Tode  des  vielverdienten  Professors  von  R  i  t  g  e  n, 
1868,  übernahm  Fr.  Birnbaum  das  Direktorat  der  Klinik, 
den  Hebammenunterricht  und  den  Lehrauftrag  für  praktische 
Geburtshilfe,  während  A.  Kehrer  der  Lehrauftrag  für  theo¬ 
retische  Geburtshilfe  übertragen  ward.  1872  wurde  Kehrer 
o.  ö.  Professor  und  Direktor  der  ganzen  Klinik  und  der  He¬ 
bammenanstalt.  Nach  seiner  Berufung  nach  Marburg  war  Fr. 
Ahlfeld  hier  tätig,  1881 — 1883.  Dessen  Nachfolger  war  R. 
Kaltenbach,  bis  1887 ;  1887  und  1888  war  M.  Hof  meier 
hier.  Ein  reges  wissenschaftliches  Leben  hat  unter  den  Ge¬ 
nannten,  noch  im  alten  Gebäude,  geblüht.  Selbst  in  jenen  unzu¬ 
länglichen  Räumen  haben  sie  es  verstanden,  an  dem  Auf¬ 
schwünge  der  modernen  operativen  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  sich  rühmlichst  zu  beteiligen.  Aber  erst  die  neue 
Klinik,  welche  1890  unter  Hermann  L  ö  h  1  e  i  n  eingeweiht 
worden  ist,  sicherte  Giessens  Plaz  neben  den  ersten  gynä¬ 
kologischen  Kliniken  des  In-  und  Auslandes.  L  ö  h  1  e  i  n  s  Ver¬ 
dienste  um  die  neue  Klinik,  um  den  geburtshilflich-gynäkolo¬ 
gischen  Unterricht,  seine  Verdienste  um  die  Universität,  seine 
grundlegenden  Bestrebungen  um  das  Hebammenwesen  sind  in 
einem  Nekrologe  in  dieser  Wochenschrift  gewürdigt  worden 
(1901',  No.  52).  L  ö  h  1  e  i  n  s  Nachfolger  war  Pfannenstiel. 

An  den  Namen  v.  R  i  t  ge  n  knüpft  sich  auch  die  Ge¬ 
schichte  der  übrigen  Kliniken.  Was  wir  aus  dem  Anfänge  des 
19.  Jahrhunderts  über  den  klinischen  Unterricht  in  der  Medizin 
und  Chirurgie  wissen,  beschränkt  sich  auf  die  Mitteilung  der 
Chronik,  dass  den  Studierenden  1809  unter  Nebel  die  Ge¬ 
legenheit  geboten  war,  im  Militärhospitale  in  der  medizinischen 
und  chirurgischen  Praxis  sich  zu  üben,  und  dass  seit  diesem 
Jahre  Baiser  täglich  ein  Klinikum  gehalten  habe.  Dies  aber 
war  eine  private  Veranstaltung,  und  erst  1816  wurde  dieses 
Klinikum  zu  einer  akademischen  Anstalt  mit  einem  Staats¬ 
zuschuss  umgewandelt.  1824,  so  heisst  es  in  der  Chronik,  er- 
öffnete  von  R  i  t  g  e  n  im  Bürgerspitale  eine  medizinisch¬ 
chirurgische  Klinik.  In  einer  Festrede,  welche  Ge¬ 
heimrat  Riegel  1890  aus  Anlass  der  Enthüllung  des  Liebig- 
denkmal  und  der  Einweihung  der  neuen  Kliniken  gehalten  hat, 
wird  über  die  Entstehung  der  alten  Giessener  Klinik  Folgendes 
berichtet:  Für  die  innere  Medizin  und  Chirurgie  waren  nur 
einige  Betten  in  dem  sogenannten  städtischen  Hospitale,  einem 
selbst  damals  bescheidensten  Ansprüchen  nicht  genügenden 
Hause  untergebracht.  Erst  im  Jahre  1831  —  nach  dem  1829 
beendeten  Umbaue  der  früheren  Kaserne  auf  dem  Seltersberge 
—  erhielt  die  Universität  ein  Krankenhaus,  insoferne  dem  medi¬ 
zinisch-chirurgischen  Unterrichte  die  eine  Hälfte  der  Kaserne 
zur  Verfügung  gestellt  worden  ist;  in  der  anderen  Hälfte  waren 
die  Bibliothek  und  die  Sammlungen  der  Universität  unterge¬ 
bracht.  Das  Direktorium  dieses  Universitätskrankenhauses 
führte  Professor  Baiser,  Vertreter  der  inneren  Medizin  und 
der  Augenheilkunde.  1834  wurde  eine  Poliklinik  der  Klinik  un¬ 
gegliedert.  Für  die  Chirurgie,  welche  zunächst  mit  der  Geburts¬ 
hilfe  vereinigt  geblieben  war,  wurde  erst  im  Jahre  1837  eine 
eigene  Klinik  neben  der  medizinischen  Klinik  im  gleichen  Ge¬ 
bäude  errichtet.  Direktor  dieser  ersten  chirurgischen  Klinik  war 
Professor  Wernher.  Nach  Baisers  Tode  wurden  die 
Augenkranken  zum  I  eil  der  inneren,  zum  Teil  der  chirurgischen 
Klinik  überwiesen.  Baisers  Nachfolger  als  Direktor  der 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1541 


medizinischen  Klinik  wurde  Professor  Vogel,  welchem  Pro¬ 
fessor  S  e  i  t  z  gefolgt  ist.  Dessen  Nachfolger,  Franz  Riegel, 
wird  die  Nachwelt  als  den  eigentlichen  Begründer  der  kli¬ 
nischen  Medizin  in  Giessen  rühmen.  Das  Verdienst  dieses  ziel¬ 
bewussten,  rastlos  tätigen  Mannes  ist  es,  dass  zunächst  in  der 
alten  Klinik  nicht  unwesentliche  Verbesserungen  vorgenommen 
worden  sind,  dann  aber,  dass  endlich  eine  den  modernen  For¬ 
derungen  nach  allen  Seiten  hin  entsprechende  neue  medi¬ 
zinische  Klinik  ins  Leben  getreten  ist.  Am  28.  Juli  1890  ist 
deren  Eröffnung  erfolgt.  25  Jahre  hat  Riegel  als  Leiter  der 
medizinischen  Universitätsklinik  gewirkt.  Seine  Verdienste 
hier  zu  besprechen,  ist  nicht  der  Platz.  Ich  verweise  auf  die 
Nekrologe  in  der  Fachpresse  1904  und  auf  den  Jubiläumsartikel 
in  dieser  Wochenschrift,  1904,  No.  20.  Riegels  Nachfolger 
sind  Moritz  und  V  o  i  t. 

Als  Begründer  der  chirurgischen  Klinik  muss 
Wernher  angesprochen  werden.  1835  wurde  er,  damals 
Physiaktswundarzt  zu  Offenbach,  zum  Extraordinarius  er¬ 
nannt  und  als  Assistenzarzt  der  chirurgischen  Klinik  dem  Pro¬ 
fessor  der  Geburtshilfe  v.  Ritgen  unterstellt.  1837  Ordi¬ 
narius  und  Direktor  der  chirurgischen  Klinik  geworden,  erhielt 
er  1845  auch  die  Professur  der  pathologischen  Anatomie  und 
ward  Konservator  der  pathologisch-anatomischen  Sammlung, 
welche  aus  der  1837  von  der  Universität  angekauften  Söm- 
meringschen  Sammlung  hervorgegangen  war.  1856  wurde 
er  von  der  Nominalprofessur  der  pathologischen  Anatomie 
entbunden,  gab  jedoch  die  Direktion  der  pathologisch-ana¬ 
tomischen  Sammlung  erst  ab,  als  1872  eine  eigene  Professur 
für  pathologische  Anatomie  errichtet  war.  Nach  43  jähriger 
Tätigkeit  an  seiner  Klinik  trat  er  1878  in  den  Ruhestand.  Seine 
Verdienste  um  die  Universität  nicht  minder  wie  um  die  Wissen¬ 
schaft,  in  der  er  sich  auf  chirurgischem  und  pathologischem 
Gebiete  in  reichem  Umfange  betätigt  hat,  stellen  ihn  in  die 
erste  Reihe  der  Giessener  Mediziner.  Sein  Nachfolger  Bose, 
ein  Schüler  Langenbecks,  bekleidete  die  Professur  für 
Chirurgie  und  das  Direktorat  der  chirurgischen  Klinik  bis  1899. 
Dessen  Nachfolger,  Professor  P  o  p  p  e  r  t,  wird  es  vergönnt 
sein,  die  chirurgische  Klinik  in  nächster  Zeit  in  ein  neues,  wür¬ 
diges  Heim  überzuführen. 

Als  Lehrer  der  Ophthalmologie  waren  nach  Baisers 
Tode  Professor  Vogel,  die  Dozenten  Weber  und  R  a  u, 
Professor  Trapp,  Wernher,  der  a.  o.  Professor  Wetter 
und  Professor  Dr.  Alexander  W  i  n  t  h  e  r,  Dr.  Carl  Wern¬ 
her,  der  Sohn  des  Chirurgen,  und  Professor  Gerold  tätig. 
1877  erfolgte  die  Gründung  einer  ophthalmologischen  Klinik  und 
die  Schaffung  eines  Ordinariates,  welches  bis  1879  Sattler 
inne  hatte,  ein  Schüler  B  i  1 1  r  o  t  h  s  und  A  r  1 1  s.  Als  sein  Nach¬ 
folger  wirkte  A.  von  Hippel,  bis  1890.  In  diesem  Jahre 
wurde  Vossius  von  Königsberg  als  Ordinarius  der  Ophthal¬ 
mologie  und  Direktor  der  Universitäts-Augenklinik  nach 
Giessen  berufen.  Ein  umfangreicher  schöner  Neubau  für  die 
Zwecke  der  Augenklinik  wird  in  den  nächsten  Monaten  voll¬ 
endet  sein. 

Begründer  der  modernen  pathologischen  Anatomie  in 
Giessen  ist  L  a  n  g  h  a  n  s,  welcher,  von  Marburg  nach  Giessen 
berufen,  als  Professor  der  pathologischen  Anatomie  neben 
Wernher  von  1868  bis  1872  hier  tätig  war.  Als  o.  Pro¬ 
fessoren  der  pathologischen  Anatomie  und  allgemeinen  Patho¬ 
logie  waren  seine  Nachfolger  Köster,  1872 — 1874,  P  e  r  1  s, 
1874 — 1881,  Marchand,  1881 — 1883.  Seit  diesem  Jahre 
vertritt  hier  B  o  s  t  r  ö  m  die  pathologische  Anatomie  und  die 
forense  Medizin.  Das  neue  pathologische  Institut  ist  1890  er¬ 
öffnet  worden,  nachdem  bis  dahin  die  Arbeitsräume  und  die 
Sammlungen  in  der  Anatomie  untergebracht  gewesen  und  die 
Sektionen  in  einem  Anbau  der  alten  Kliniken  abgehalten 
worden  waren. 

v.  R  i  t  g  e  n  s  bahnbrechende  Bestrebungen  haben  sich 
auch  auf  die  Entwicklung  der  Irrenpflege  und  des  psychi¬ 
atrischen  Unterrichts  erstreckt.  Als  Professor  der  Psychiatrie 
für  das  Irrenwesen  unermüdlich  tätig,  hat  er  es  verstanden, 
die  Fakultät  ebensowohl  wie  die  Ständekammer  für  die  Idee 
einer  psychiatrischen  Klinik  zu  gewinnen.  Sein  Schüler 
Ludwig,  der  jetzige  Senior  der  hessischen  Psychiater,  hat 
seine  Gedanken  übernommen  und  weiter  entwickelt.  Ich  er¬ 
innere  an  v.  R  i  t  g  e  n  s  Lehrbuch  von  den  Persönlichkeits¬ 


krankheiten  und  Ludwigs  diesbezügliche  Dissertation. 
Ludwig,  den  früheren  Direktor  der  Anstalt  in  Heppenheim, 
dürfen  wir  als  den  modernen  Reformator  des  Irrenwesens  in 
Hessen  feiern.  Von  ihm  stammt  auch  die  erste  Skizze  für  eine 
psychiatrische  Klinik  in  Giessen.  Diese  hat  Sommer  gebaut, 
1895  aus  Würzburg  als  a.  o.  Professor  berufen,  1896  zum  Ordi¬ 
narius  ernannt.  1896  ist  die  Klinik  eröffnet  worden. 

Die  Gründung  des  Pharmakologischen  In¬ 
stitutes  ist  1844  erfolgt.  Der  erste  Direktor  war  Prof. 
P  h  o  e  b  u  s.  Aus  dessen  Zeit  besitzt  das  Institut  eine  ziemlich 
bedeutende  pharmakognostisehe  Sammlung.  1868 — 1879  war 
Buchheim  tätig.  Unter  Prof.  Gaethgens  war  das  In¬ 
stitut  in  der  Universität  untergebracht.  Als  Prof.  Gaeth¬ 
gens  1898  sein  Amt  niederlegte,  wurde  für  das  Institut  ein 
eigenes  Heim  erworben,  das  frühere  Schwesternhaus,  und  Prof. 
G  e  p  p  e  r  t  mit  dem  Ordinariat  betraut.  Ein  Neubau  ist  in 
Aussicht  genommen. 

v.  R  i  t  g  e  n  kann  als  derjenige  bezeichnet  werden,  welcher 
als  erster  hier  in  Giessen  mit  der  öffentlichen  Gesundheitspflege 
^sich  eingehend  und  in  modernem  Sinne  beschäftigt  hat.  Als 
o.  ö.  Professor  der  medizinischen  Polizei,  Psychiatrie  und  Ge¬ 
burtshilfe  hat  er  nicht  nur  auf  allen  klinischen  Gebieten  eine 
grundlegende  Tätigkeit  entfaltet,  aus  seinem  umfangreichen 
Werke  über  das  Medizinalwesen  des  Gr.  Hessen  mit  ausführ¬ 
lichen  Kapiteln  über  die  Gesundheitspolizei  und  Impfung  ist  er¬ 
sichtlich,  dass  er  auch  als  Vorläufer  der  modernen  Hygiene  in 
Giessen  zu  bezeichnen  ist.  Als  erster  offizieller  Vertreter  der 
Hygiene  wirkte  hier  seit  1888  Gaffky.  Das  hygienische  In¬ 
stitut  war  ursprünglich  im  alten  L  i  e  b  i  g  sehen  Laboratorium 
untergebracht,  seit  1896  besitzt  es  ein  eigenes  treffliches  Ge¬ 
bäude,  dessen  Direktorium  seit  1904  Prof.  K  o  s  s  e  1  innehat. 
Das  alte  L  i  e  b  i  g  sehe  Laboratorium,  mit  den  Erinnerungen  an 
die  zwei  berühmten  Gelehrten,  die  nicht  wenig  zum  Ansehen 
der  Giessener  Universität  beigetragen  haben,  so  hoffentlich 
bleibt  es  der  Nachwelt  erhalten  als  Wahrzeichen  des  wissen¬ 
schaftlichen  Ruhmes  der  Ludoviciana!  Vielleicht  erbarmt  sich 
seiner  anlässlich  der  gegenwärtigen  Jubelfeier  der  Verein  zur 
Denkmalspflege. 

Die  O  t  i  a  t  r  i  e  vertrat  als  erster  in  Giessen  Dr.  Hermann 
Stein  brügge.  Dieser  hatte  sich  1885  als  Privatdozent  für 
Ohrenheilkunde  hier  habilitiert  und  zur  Ausübung  seiner  Lehr¬ 
tätigkeit  und  Abhaltung  einer  Poliklinik  3  Zimmer  im -alten 
Universitätskanzleigebäude  zugewiesen  erhalten.  1887  zum 
a.  o.  Professor  ernannt,  erhielt  er  den  Lehrauftrag  1889;  1891 
wurde  ihm  ein  Kredit  von  800  M.  für  die  von  ihm  gegründete 
und  bis  dahin  aus  eigenen  Mitteln  unterhaltene  Ohrenpoliklinik 
eröffnet.  1892  wurde  diese  Poliklinik  in  einem  Nebengebäude 
der  Alten  Klinik  untergebracht.  1898  zum  etatsmässigen 
a.  o.  Professor  ernannt,  starb  dieser  verdiente  Vertreter  seines 
Spezialfaches  1901.  Sein  Nachfolger  ist  Prof.  Leutert,  der 
in  den  gleichen  unzureichenden  Räumen  seine  Poliklinik  aus¬ 
übt.  Ihm  sowie  dem  Extraordinarius  für  Dermatologie  sollen 
in  absehbarer  Zeit  in  der  „Alten  Klinik“,  wenn  diese  von  der 
chirurgischen  und  ophthalmologischen  Klinik  verlassen  sind, 
Räume  für  Klinik  und  Poliklinik  zur  Verfügung  gestellt  werden. 
Mit  dem  Lehrauftrage  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten 
ist  eine  Poliklinik  verbunden,  im  vorigen  Jahre  errichtet  und 
zurzeit  in  einem  Raume  der  medizinischen  Klinik  untergebracht. 

Die  Kinderheilkunde  als  Spezialfach  ist  durch  Privat¬ 
dozenten  Dr.  K  o  e  p  p  e  vertreten,  der  sich  aus  eigenen 
Mitteln  eine  Poliklinik  für  den  pädiatrischen  Unterricht  ein¬ 
gerichtet  hat. 

Mit  der  Universität  in  Giessen  von  alters  her  verbunden 
ist  das  Studium  der  Veterinärmedizin.  Ursprünglich 
bildete  die  Tierheilkunde  einen  Bestandteil  der  1777  gestifteten 
ökonomischen,  der  V.  Fakultät.  Als  diese  1785  wieder  ein¬ 
gegangen  war,  wurde  die  Tierarzneischule  der  medizinischen 
Fakultät  angegliedert,  und  als  in  den  Jahren  1826—1829  die 
alte  Kaserne  für  die  Zwecke  der  entstehenden  Kliniken  um¬ 
gebaut  wurde,  wurde  die  Tierarzneischule  in  der  alten  Gen¬ 
darmeriekaserne  daneben  untergebracht.  Seit  1828  bildet  die 
Tierheilkunde  einen  fortlaufenden  Bestandteil  des  Lehrplanes 
der  Universität.  Prof.  Vix  hatte  den  Auftrag  erhalten,  Vor¬ 
lesungen  aus  dem  Gebiete  der  Tierheilkunde  zu  halten.  1829 
wurde  das  Tierarzneiinstitut  eröffnet,  zunächst  als  eine  Privat- 


MUENCHENER ^MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  31. 


* 42 


anstalt  von  Prof.  V  i  x  mit  Staatszuschuss.  1829/30  kündigte 
V  i  x  an,  dass  er  auf  ausdrückliches  Verlangen  Vorträge  über 
physiologische  und  pathologische  Anatomie  der  Tiere  für 
jüdische  Theologen  halten  werde.  Im  Jahre  1830  verlangte  eine 
Verordnung  der  Regierung  über  das  Studium  der  Tierarznei- 
k'unde  den  Nachweis  der  Gymnasialmaturität,  worauf  von 
1832  an  den  nach  3  jährigem  Universitätsstudium  promovieren¬ 
den  Tierärzten  die  Würde  eines  Dr.  med.  vet.  verliehen  wurde. 
Diese  Zugehörigkeit  des  aus  den  3  ordentlichen  Professoren 
der  Tierheilkunde  bestehenden  veterinär-medizinischen  Kol¬ 
legiums  zur  medizinischen  Fakultät  findet  seit  den  letzten 
Jahren  des  vergangenen  Jahrhunderts  seinen  Ausdruck  im 
wesentlichen  darin,  dass  der  „vereinigten“  medizinischen 
Fakultät  bezüglich  der  tierärztlichen  Promotionen  und  Habili¬ 
tationen  gewisse  Rechte  zustehen,  während  die  eigentlichen 
tierärztlichen  Angelegenheiten  und  auch  die  Berufungen  von 
dem  veterinär-medizinischen  Kollegium  selbständig  behandelt 
werden.  Von  den  Professoren  der  letzten  Zeit  haben  Pflug 
Klinik  und  Pathologie,  Eichbaum  Anatomie,  Preusse 
und  Win  ekler  die  Veterinärpolizei  und  die  Poliklinik  ver¬ 
treten.  1899  ist  P  f  e  i  f  f  e  r  der  Nachfolger  Pflugs  geworden, 
und  seit  1901  lehrt  Martin  die  Anatomie,  Olt  die  Patho¬ 
logie,  der  a.  o.  Prof.  G  m  e  i  n  e  r  die  medizinische  Klinik,  und 
als  Nachfolger  Wincklers  wirkt  seit  vorigem  Jahre  der 
mit  Lehrauftrag  versehene  Kreisveterinärarzt  Dr.  K  n  e  1 1. 

Die  Anstellung  einer  grösseren  Anzahl  von  Professoren 
und  der  Neubau  prachtvoller  Institute  in  den  letzten  Jahren 
haben  dem  Studium  der  Tierheilkunde  ‘in  •  Giessen  einen  be¬ 
deutenden  Aufschwung  verliehen,  so  dass  die  Veterinärmedizin 
hier  durchaus  würdig  dasteht,  namentlich  seit  als  Vorbildung 
für  die  Tierärzte  des  deutschen  Reiches  allgemein  die  Uni¬ 
versitätsreife  verlangt  wird. 

Im  Laufe  der  letzten  zwei  Dezennien  ist  hier  in  Giessen 
für  die  Zwecke  des  medizinischen  Unterrichts  sehr  viel 
Schönes  und  Gutes  geschaffen  worden.  Die  Ausgaben,  welche 
dem  kleinen  hessischen  Staate  in  dieser  Zeit  aus  Neubauten  und 
Einrichtungen  erwachsen  sind,  sind  sehf  beträchtliche.  Die 
noch  vorhandenen  Mängel  und  Lücken  auszugleichen,  bleibt  der 
nächsten  Zeit  überlassen.  Die  Reichhaltigkeit  und  Vortrefflich¬ 
keit  des  Lehr-  und  Lernmateriales  sichert  der  medizinischen 
Wissenschaft  an  der  Ludoviciana  ein  herrliches  Arbeitsfeld. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

R.  H  ö  b  e  r  -  Zürich:  Physikalische  Chemie  der  Zelle  und 
der  Gewebe.  Zweite  neubearbeitete  Auflage.  460  Seiten  mit 
38  Textfiguren.  Verlag  von  W.  E  n  g  e  1  m  a  n  n.  Leipzig  1906. 
Preis  14  M. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  der  Weg  zur  Physio¬ 
logie  abgesehen  von  der  Morphologie  über'Physik  und  Chemie 
und  insbesondere  über  das  den  beiden  letzteren  Disziplinen 
gemeinsame  Gebiet  der  physikalischen  Chemie  führen  muss. 
Aus  dieser  Ueberzeugung  heraus  hat  H  ö  b  e  r  vor  vier  Jahren 
sein  Buch  erscheinen  lassen.  Das  Buch  musste  Anklang  finden 
und  hat  ihn  auch  in  dem  Masse  gefunden,  dass  schon  jetzt  eine 
neue  Auflage  notwendig  wurde. 

Die  vielfache  Anwendung  physikalisch-chemischer  Me¬ 
thoden  auf  physiologische  Probleme  hat  in  den  letzten  Jahren 
zur  Anhäufung  eines  gewaltigen  Tatsachenmaterials  geführt, 
insbesondere  auf  den  speziellen  Gebieten  der  physikalischen 
Chemie  der  Salze,  Fermente  und  Kolloide.  H  ö  b  e  r  hat  das 
Wichtigste  davon  in  das  Buch  aufgenommen  und  so  den  Um¬ 
fang  um  fast  ein  Drittel  des  früheren  vermehrt.  Auch  sonst 
wurden  vielfach  Umstellungen  und  Ueberarbeitungen  vorge¬ 
nommen,  sodass  nunmehr  in  dreizehn  Kapiteln  nacheinander 
behandelt  werden:  Der  osmotische  Druck  und  die  Theorie  der 
Lösungen  —  Der  osmotische  Druck  der  Organismen  —  Die 
Ionentheorie  —  Die  Gleichgewichte  in  Lösungen  —  Physi¬ 
kalisch-chemische  Analyse  organischer  Flüssigkeiten  —  Die 
Permeabilität  der  Plasmahaut  —  Die  Kolloide  —  Die  Wirkungen 
reiner  Elektrolytlösungen  —  Die  Wirkungen  von  Elektrolyt¬ 
kombinationen  —  Ionenpermeabilität  —  Die  Permeabilität  der 
Gewebe  —  Die  Fermente  —  Zur  physikalischen  Chemie  des 
Stoff-  und  Energiewechsels.  Den  Schluss  bildet  ein  Autoren- 
und  Sachregister. 


Der  Praktiker,  welcher  sich  mit  den  Grundlagen  der  physi¬ 
kalischen  Chemie  bekannt  gemacht  hat,  wird  nicht  nur  in  dem 
Buche  in  einer  ausgezeichneten  Weise  orientiert  über  das, 
was  bisher  die  physikalische  Chemie  der  Physiologie  geleistet 
hat,  er  wird  auch  die  reichste  Anregung  zur  Betätigung  auf 
diesem 'Gebiete  finden.  Jedenfalls  gebührt  Höber  der  be¬ 
sondere  Dank  der  Mediziner  dafür,  dass  er  die  grosse  Mühe 
nicht  gescheut  hat,  das  Physikalisch-Chemische  aus  den  medi¬ 
zinischen  Wissenschaften  zusammenzutragen  und  in  einer  so 
anregenden  Weise  zur  Darstellung  zu.  bringen. 

K.  Bürker  - Tübingen. 

Dr.  Hermann  Schridde:  Die  Entwicklungsgeschichte 
des  menschlichen  Speiseröhrenepithels  und  ihre  Bedeutung  für 
die  Metaplasielehre.  Wiesbaden.  Verlag  von  J.  F.  Berg- 
m  a  n  n,  1907.  101  Seiten  und  23  Abbildungen  auf  4  Tafeln. 

Preis  4  Mk. 

Verfasser  gibt  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  über 
die  Entwicklung  des  menschlichen  Speiseröhrenepithels,  denen 
mit  allen  Hilfsmitteln  der  modernen  Technik  hergestellte  Prä¬ 
parate  von  Embryonen  (Länge  13 — 300  mm,  Alter  5—36  Wo¬ 
chen),  Neugeborenen,  Kindern  und  Erwachsenen  zu  gründe 
liegen  (darunter  auch  Fälle  von  angeborener  Oesophagusatre- 
sie).  Er  unterscheidet  verschiedene  Stufen  der  Entwicklung 
des  Speiseröhrenepithels,  die  jedoch  nicht  bestimmten  Stadien 
der  äusseren  Körperentwicklung  entsprechen,  sondern  sehr  va¬ 
riieren,  so  dass  das  Alter  oder  die  Länge  eines  Embryos  durch¬ 
aus  nicht  als  Massstab  der  Entwicklung  des  Epithels  betrachtet 
werden  kann.  Aus  dem  ursprünglich  einreihigen  entodermalen, 
kurzzylindrischen  oder  kubischen  Epithel  wird  ein  zweischich¬ 
tiges,  aus  hohen  hellen  Zellen  bestehendes  Zylinderepithel,  dünn 
treten  auch  Flimmerzellen  auf,  und  weiterhin  ein  vielschich¬ 
tiges,  aus  hellen  polygonalen  Zellen  gebildetes  Epithel;  schliess¬ 
lich  werden  diese  Zellen  allmählig  ersetzt  durch  typische  Faser¬ 
zellen,  die,  von  der  Basalschicht  immer  weiter  vordringend, 
schliesslich  beim  Erwachsenen  eine  im  Durchschnitt  24-schich- 
tige  Lage  bilden.  Eine  fünfte  Richtung,  in  welcher  sich  das  ur¬ 
sprünglich  entodermale  Epithel,  allerdings  nur  in  abnormen 
Fällen,  entwickeln  kann,  ist  durch  schleimbildende  Zylinderzellen 
gekennzeichnet.  Faserzellen  und  Schleimzellen  sind  Dauer¬ 
bildungen,  im  Gegensatz  zu  den  ersten  drei  Zellsorten,  welche 
„Zeitbildungen“  darstellen. 

Diese  Befunde  zieht  Verf.  zur  Erklärung  gewisser,  als  Ano¬ 
malien  der  Entwicklung  zu  deutender  pathologischer  Zustände 
des  Oesophagus  heran:  der  Zysten  mit  Flimmer-  und  Faser¬ 
epithel,  der  Divertikel  mit  Flimmer-  und  Becherzellen  und  der 
bekannten,  in  der.  Höhe  des  Ringknorpels  vorkommenden 
sogen.  Magenschleimhautinseln. 

Bei  der  Erörterung  der  Beziehung  seiner  Befunde  zu  der 
Lehre  von  der  Metaplasie  weist  Verf.  darauf  hin,  dass  die  wäh¬ 
rend  des  Embryonallebens  im  Oesophagus  auftretenden  Zell¬ 
arten  niemals  ineinander  übergehen;  es  handelt  sich  vielmehr 
lediglich  um  eine  Differenzierung  der  ursprünglichen  ento¬ 
dermalen  Stammeszellen  in  verschiedene,  aber  selbständige 
Formen.  Als  Grundlage  hiefür  nimmt  Verf.  die  Gegenwart  ver¬ 
schiedener  „strukturbildender  Substanzen“  im  Plasma  der 
Stammeszelle  an  und  glaubt,  dass  hiebei  (durch  stammesge¬ 
schichtliche  Vererbung  bestimmte)  Qualitäten  sowohl  in  der  Ein¬ 
zellzelle  als  im  Bereich  des  ganzen  Epithelverbandes  in  den 
Kampf  geraten,  derart,  dass  die  phylogenetisch  älteren  Quali¬ 
täten  schliesslich  überwunden  werden.  Demnach  handelt  es 
sich  bei  der  normalen  Entwicklung  des  Oesophagusepithels 
nicht  um  eine  echte  Metaplasie;  Verf.  spricht  hier  von  Nor¬ 
mo  p  1  a  s  i  e,  und  meint  damit  eine  Differenzierung,  welche 
für  den  normalen  Standort  einer  Zelle  spezifisch  ist  und  die 
für  diesen  Ort  die  typische  Ausdifferenzierungszone 
nicht  überschreitet.  Verf.  geht  dann  auf  die  Epithel¬ 
metaplasien  überhaupt  ein,  die  in  den  verschiedensten 
Organen  als  einfache  Anomalien,  ferner  bei  chronischen  Ent¬ 
zündungen  und  Geschwülsten  beobachtet  werden,  und  stellt 
auch  hier  eine  echte  Metaplasie  im  Sinne  V  i  r  c  h  o  w  s  in 
Abrede.  Er  nimmt  vielmehr  eine  von  ihm  sogen,  indirekte 
Metaplasie  an,  in  dem  Sinne,  „dass  eine  differenzierte 
Zeile  der  Keimzonen  der  Epithele  als  solche  oder  in  ihren 
Tochterzellen  durch  endliche  Aufgabe  der  spezifischen  Attribute 


30.  Juli  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1543 


sich  zurückbildet  zu  einer  Form,  der  die  Potenzen  der  Stammes¬ 
zelle  wieder  zufallen“. 

Solche  Entdifferenzierungen  sollen  vor  allem  durch  <Aen- 
derung  der  funktionellen  Reize  zustande  kommen.  Aus  der 
entdifferenzierten  Zelle  kann  dann  eine  für  den  Standort  hetero- 
type  Zelle  entstehen;  jedoch  meint  Verf.,  dass  hier  durch  Onto- 
genie  und  Phylogenie  gezogene  Grenzen  der  heterotypen 
Differenzierungsmöglichkeit  bestehen.  Daneben  nimmt  Verf. 
noch  eine  Heteroplasie  an,  in  dem  Sinne,  dass  sich 
aus  undifferenzierten  Stammeszellen  schon  im  embryo¬ 
nalen  Leben  für  den  Standort  atypische  Elemente  ent¬ 

wickeln,  oder  dass  sich  undifferenzierte  Stammeszellen  in 
das  postembryonale  Leben  hinüber  erhalten  v  (besonders 
in  den  Keimzonen  der  Epithele)  und  dass'  sich  dann  aus 

solchen  Zellen  (heterochron)  für  den  Standort  atypische  Ele¬ 
mente  entwickeln.  Die  oben  erwähnten  Grenzen  gelten 
auch  für  diese  Heteroplasie.  Unter  Prosoplasie  — 
ein  Ausdruck,  der  allerdings  schon  anderweitig  in  Be¬ 
schlag  genommen  ist  —  versteht  Verf.  eine  über  die 

Normoplasie  (s.  o.)  hinausgehende  Entwicklung,  eine  das 
„physiologische  Mass  überschreitende  Weiterdifferenzierung“, 
und  rechnet  hierher  z.  B.  das  Auftreten  verhornen¬ 
den  Faserepithels  in  der  Speiseröhre,  Harnröhre,  Vagina, 
Mundschleimhaut  usw.,  endlich  auch  die  Bildung  typischer 

Becherzellen  in  der  Gallenblasen-  und  Uterusschleimhaut. 
Die  Annahme  von  Keimverlagcrungen  wird  als  unnötig  erklärt. 
Als  Pseudometaplasie  endlich  gelten  jene,  durch  äussere 
mechanische  Momente  hervorgerufene  Formveränderungen  der 
Epithelzellen,  bei  welchen  die  innere  spezifische  Struktur  der 
Zellen  in  ihren  Grundzügen  unverändert  bleibt. 

Das  letzte  Kapitel  der  Sehr.  Ausführungen  gilt  der  „B  i  n  - 
degewebsmetaplasie“.  Hier  kann  Verf.  die  Möglich¬ 
keit  einer  echten  direkten  Metaplasie,  z.  B.  von  Bindegewebe 
in  Knochen,  nicht  abstreiten,  hofft  aber,  dass  es  vielleicht  einmal 
noch  gelingen  wird,  für  die  heterotypen  Bildungen  des  Binde¬ 
gewebes  die  gleichen  Grundsätze  aufzustellen,  wie  für  die  des 
Epithels. 

Die  gründlichen  Untersuchungen  Schriddes  sind  sehr 
wertvoll  und  für  die  Lehre  von  der  ■  Metaplasie  von  grosser 
Bedeutung;  sie  werden  auch  sicher  in  hohem  Masse  anregend 
wirken.  Dem  Ref.  scheint  nur  der  Gegensatz,  den  S  c  h  r  i  d  d  e 
zwischen  seiner  eigenen  Auffassung  und  der  Metaplasielehre 

V  i  r  c  h  o  w  s  findet  (cf.  p.  68  und  79  bei  S  c  h  r  i  d  d  e)  nicht  so 
scharf.  V  i  r  c  h  o  w  versteht  unter  Metaplasie  „Persistenz  der 
Zellen  bei  Veränderung  des  Gewebscharakters“;  aber  es  geht 
aus  seinen  Abhandlungen  über  Metaplasie  (Zellularpathologie 
IV.  Aufl.,  pag.  70  und  98,  V  i  r  c  h  o  w  s  Archiv,  Bd.  97,  pag. 
416  ff.)  sehr  deutlich  hervor,  dass  er  darunter  auch  ähnliche 
Vorgänge  begreift,  die  S  c  h  r  i  d  d  e  unter  dem  Begriff  der  „in¬ 
direkten  Metaplasie“  zusammenfasst. 

In  seinem  berühmten  Vortrag  über  Metaplasie  z.  B.  schreibt 

V  i  r  c  h  o  w:  „Ein  Motiv  zu  Missverständnissen  liegt  nur  darin, 

dass  diese  Wechsel  nicht  selten  eingeleitet  werden  durch  ein¬ 
fache  plastische  Vorgänge,  namentlich  durch  Vermehrung  der 
Zellen  im  Wege  der  Proliferation,  so  dass  der  Gesamtvorgang 
in  zwei  Akte  oder  Stadien  zerfällt:  ein  erstes  einfach  plastisches 
und  ein  zweites  metaplastisches“.  V  i  r  c  h  o  w  spricht  also 
nicht  nur  dann  von  Metaplasie,  wenn  Zellen  einfach  persi- 
stieren  und  sich  umwandeln,  sondern  auch  wenn  sie  sich  vor¬ 
her  teilen  und  vermehren  und  dann  nach  einer  neuen  Richtung 
differenzieren.  Borst-  Würzburg. 

Frankl-Hochwart  und  O.  Zuckerkandl:  Die 
nervösen  Erkrankungen  der  Harnblase.  2.  umgearbeitete  Auf¬ 
lage.  Wien,  Holder,  1906.  137  S.  Preis  4  M. 

Die  nervösen  Erkrankungen  der  Blase  sind  in  der  Regel 
keine  Krankheit  für  sich,  sondern  Teilerscheinungen  einer 
anderen  Erkrankung  des  Nervensystems.  Trotzdem  oder  viel¬ 
leicht  gerade  deswegen  ist  es  wichtig,  ihre  Pathologie  und 
Symptomatologie  genau  zu  kennen,  um  im  gegebenen  Fall  der 
richtigen  Erkennung  sicher  zu  sein. 

In  der  physiologischen  Einleitung  geben  die  Verfasser  zu¬ 
nächst  eine  Darstellung  der  noch  nicht  völlig  geklärten  Blasen¬ 
sensibilität  und  Blasenmotilität.  Den  Harndrang  erklären  sie 
vorwiegend  als  Kontraktionsgefühl;  aber  auch  die  besondere 


Empfindlichkeit  der  Schleimhaut  des  prostatischen  Teiles  muss 
zu  seiner  Erklärung  mit  herbeigezogen  werden. 

Bei  der  Erörterung  der  allgemeinen  Symptomatologie 
werden  die  einzelnen  Erscheinungen,  insofern  sie  für  die  Er¬ 
kennung  des  nervösen  Charakters  des  Leidens  von  Bedeutung 
werden,  eingehend  geschildert.  Nervöse  Blasenschmerzen 
dürfen  nur  dann  angenommen  werden,  wenn  man  ein  Grund¬ 
leiden  findet,  das  mit  solchen  Beschwerden  einhergehen  kann. 
Vermehrter  Harndrang  hat  kaum  eine  diagnostische  Bedeutung. 
Herabgesetzter  Harndrang  spricht  mit  Wahrscheinlichkeit  für 
ein  nervöses  Leiden.  Grosse  Vorsicht  erfordert  die  Diagnose 
des  nervösen  Sphinkterkrampfes,  der  nervösen  Blasenlähmung 
und  der  nervösen  Harnretention.  Die  Erscheinungen  der  ner¬ 
vösen  Inkontinenz,  des  Harnträufelns,  des  Harndurchbruches, 
der  ausdrückbaren  Blase  erfahren  eingehende  Würdigung. 

Im  speziellen  Teil  des  Buches  werden  die  Blasenstörungen 
bei  den  verschiedenen  Erkrankungen  des  Nervensystems  (spi¬ 
nalen,  peripheren,  zerebralen  Erkrankungen,  Neurosen)  im  ein¬ 
zelnen  beschrieben.  Zahlreiche  eingestreute  Einzelbeob¬ 
achtungen  beweisen,  wie  wichtig  oft  die  Art  der  Blasenstörung 
Tür  die  Frühdiagnose  des  Grundleidens  ist. 

In  dem  Abschnitt  über  Therapie  ist  selbstverständlich  nur 
die  Lokalbehandlung  berücksichtigt:  Einführung  von  Sonden, 
Elektrisation,  Einspritzungen,  Hydrotherapie,  Massage  u.  dgl. 
Bemerkenswert  erscheint,  dass  den  epiduralen  Injektionen  bei 
der  Enurese  ein  grossej  Erfolg  zuerkannt  wird. 

K  r  e  c  k  e. 

Georges  Luys:  Exploration  de  l’appareil  urinaire.  Paris 
1907.  Masson  &  Cie.  511  S.  Preis  15  Frs. 

Es  ist  wohl  kaum  zu  bestreiten,  dass  der  Aufschwung, 
den  die  urologische  Spezialwissenschaft  in  den  letzten  20 
Jahren  genommen,  auf  die  grossartigen  Verbesserungen  der 
Untersuchungsmethoden  zurückzuführen  ist;  in  manchen 
Punkten  erlebten  sie  eine  solche  Wandlung,  dass  nur  ganz 
entfernte  Beziehungen  zu  bestehen  scheinen. 

L.  hat  nun  in  einem  stattlichen  Werke  alle  Untersuchungs¬ 
methoden  des  Harnapparates,  alte  und  neue,  ausführlich  und 
zugleich  präzis  zusammengestellt  und  so  jedem,  auch  dem  in 
urologischen  Untersuchungen  weniger  geübten  Chirurgen  einen 
Berater  an  die  Hand  gegeben,  der  ihm  aufs  leichteste  wie  aufs 
eingehendste  urologische  Fragen  zu  klären  im  Stande  ist. 

Aus  dem  ausserordentlich  mannigfachen  Inhalt  seien  nur 
kurz  die  Abschnitte  hervorgehoben,  denen  L.  durch  eingehende 
Behandlung  eine  besondere  Aufmerksamkeit  schenkt. 

So  widmet  der  Verfasser  in  dem  Kapitel  „Harnröhren- 
untersuefipng“  einen  grösseren  Abschnitt  der  Urethroskopie, 
die  bis  vor  ganz  kurzer  Zeit  in  Frankreich  wenig  geübt  und 
geschätzt  war.  Bei  dieser  Gelegenheit  zeigt  L.  an  der  Hand 
von  Krankengeschichtsauszügen  den  Wert  des  von  ihm  ver¬ 
besserten  Endoskops,  das  auch  Ref.  aus  persönlicher  Erfahrung 
als  eines  der  einfachsten  und  zugleich  am  besten  die  Details 
zeigenden  empfehlen  zu  können  glaubt. 

Bei  der  Erörterung  der  Blasenuntersuchung  beschäftigt 
sich  ein  leider  etwas  kurz  ausgefallener  Abschnitt  mit  der 
Kystoskopie,  wie  sie  mit  den  bei  uns  gebräuchlichen  optischen 
Instrumenten  vorgenommen  wird.  L.  ist  ein  eifriger  Verfechter 
des  bei  Frauen  jedenfalls  recht  gut  brauchbaren  linsenlosen 
Kystoskops,  das  in  der  Hauptsache  in  einer  Abart  seines  Harn¬ 
röhrenendoskops  besteht,  dein  noch  eine  Absaugvorrichtung 
beigegeben  ist. 

Der  Abschnitt  der  Ureteren-  und  Nierenbeckenunter¬ 
suchung  bringt  die  verschiedenen  Methoden,  den  Katheterismus 
der  Ureteren  zu  betätigen. 

Im  letzten  Teil  endlich  über  Nierenuntersuchung  zeigt  L. 
neben  der  Darstellung  der  bis  jetzt  gebrauchten  Methoden  die 
Leistungsfähigkeit  seines  Harnsegregators.  Es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dass  derselbe  in  geeigneten  Fällen  ab¬ 
solut  sichere  Resultate  gibt;  dies  tut  nicht  nur  die  grosse 
Reihe  seiner  mitgeteilten  Untersuchungen  überzeugend  dar, 
sondern  es  bestätigen  dies  auch  eine  beträchtliche  Anzahl  von 
Untersuchern  (auch  Ref.);  dabei  hat  das  Instrument  noch  den 
Vorteil  der  Möglichkeit  einer  absoluten  Asepsis  bei  relativ  ge¬ 
ringer  Schmerzhaftigkeit  der  Anwendungsweise. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  eine  ganz  vorzügliche. 
165  Figuren  im  Text  und  5  farbige  Tafeln,  die  leider  nur  Harn- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


15-44 


No.  31. 


röhrenbilder  und  einige  Blasenbilder  (aufgenommen  mit  dem 
Loschen  Endoskop)  geben,  erhöhen  das  Verständnis  des  Textes. 

Kielleuthner  -  München. 

R.  W  o  h  1  a  u  e  r:  Urologisch-kystoskopisches  Vademekum. 

Wiesbaden  1907.  179  Seiten.  Preis  Mk.  3.60. 

Verf.,  ein  langjähriger  Schüler  N  i  t  z  e  s,  hat  in  recht  glück¬ 
licher  Weise  die  Aufgabe,  in  knapper  Kürze  einen  Abriss  der 
Erkrankungen  der  Harnorgane,  ihrer  kystoskopischen  Unter¬ 
suchung  und  ihrer  Therapie  zu  geben,  gelöst.  Das  kleine,  in¬ 
haltsreiche  Büchlein  wird  manchem  Praktiker  als  Nachschlage- 
buch,  vielen  Studierenden  als  Anleitung  sehr  willkommen  sein. 

Kielleuthner  -  München. 

Praktischer  Führer  durch  die  gesamte  Medizin  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  Diagnose  und  Therapie.  Nach- 
schlagebuch  in  allen  Fragen  für  den  praktischen  Arzt  und 
Studierende.  Herausgegeben  von  Sanitätsrat  Lorenz  in 
Scharley  O/S.,  Knappschaftsarzt.  2.  vollständig  überarbeitete 
und  vermehrte  Auflage.  2.  Band.  Verlag  von  Benno 
Kor.  egen.  Leipzig  1907.  Seitenzahl  516. 

Bereits  bei  Erscheinen  des  ersten  Bandes  haben  wir  auf 
die  ausschliesslich  für  den  Gebrauch  des  Praktikers  berechnete 
Einrichtung  des  Werkes  hingewiesen,  das  sich  diesem  Zwecke 
zu  Liebe  aller  literarischen  Nachweise  und  theoretischen  Er¬ 
örterungen  enthält.  Der  vorliegende  Band  bringt  die  Kapitel 
über  Menstruation,  Schwangerschaft,  Geburt,  Wochenbett,  so¬ 
dann  Krankheiten  der  Neugeborenen.  Ferner  enthält  er  die 
Kapitel  über  die  Krankheiten  der  oberen  und  unteren  Glied¬ 
massen  und  des  Beckens,  über  die  Hautkrankheiten,  ferner  ein 
eigenes  Kapitel  über  die  Gebrechen  und  Krankheiten  des 
Greisenalters.  Den  Schluss  des  Bandes  bildet  eine  Darstellung 
der  Anwendung  der  Hyperämie  als  Heilmittel.  Ein  sehr  aus¬ 
führlich  gearbeitetes  Sachregister  schliesst  den  Band  ab. 

Grassmann  -  München. 

Jahrbuch  der  praktischen  Medizin.  Kritischer  Jahres¬ 
bericht  für  die  Fortbildung  der  praktischen  Aerzte,  heraus¬ 
gegeben  von  Prof.  Dr.  J.  Schwalbe-  Berlin.  Jahrgang 
1907.  Stuttgart,  Verlag  von  Ferd.  Enke,  1907.  622  Seiten. 
Preis  13  M. 

Mit  Genugtuung,  deren  Berechtigung  wir  mit  Vergnügen 
anerkennen,  hebt  der  Herausgeber  im  Vorwort  hervor,  dass 
das  Jahrbuch  auch  heuer  wieder  als  erster  der  verschiedenen 
erscheinenden  Jahresberichte  auf  dem  Plane  erscheint.  Der 
Jahresbericht,  dessen  Bearbeiter  die  nämlichen  sind,  wie  im 
Vorjahre,  nur  dass  Prof.  P.  F.  R  i  c  h  t  e  r  -  Berlin  den  Bericht 
über  die  Stoffwechselkrankheiten  erstattet  hat,  bringt,  in  Form 
und  Umfang  sich  seinen  bisherigen  bewährten  Traditionen  an¬ 
schliessend,  knapp  gehaltene  Zusammenfassungen,  auch  mit 
kritischer  Sichtung,  der  im  letzten  Jahre  erschienenen  Publi¬ 
kationen  und  ermöglicht  dem  Praktiker  eine  rasche  und  zuver¬ 
lässige  Uebersicht  über  die  Fortschritte  und  Streitfragen  auf 
den  verschiedenen  Gebieten  der  Medizin.  Ein  gutes  Sach-  und 
Autcrenregister  erleichtert,  wie  bei  dem  S  c  h  w  a  1  b  e  sehen 
Jahrbuch  herkömmlich,  den  raschen  Gebrauch  des  verdienst¬ 
vollen  Werkes.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Die  preussische  Gebührenordnung  für  approbierte  Aerzte 
und  Zahnärzte  vom  15.  Mai  1896.  Für  die  Bedürfnisse  der 
ärztlichen  und  zahnärztlichen  Praxis  erläutert  von  Justizrat 
A.  J  o  a  e  h  i  m,  Rechtsanwalt  am  Kammergericht  und  Notar 
und  Dr.  H.  Joachim,  prakt.  Arzt.  Zweite  vermehrte  und 
verbesserte  Auflage.  —  Anhang:  A.  Das  Gebührengesetz  vom 
9.  März  1872,  B.  Gerichtliche  Geltendmachung  des  Honorars 
(nebst  Formularen),  C.  Praktische  Beispiele  für  die  Bemessung 
der  Gebühren.  —  Berlin  W.  30.  Verlag  von  O.  C  o  b  1  e  n  t  z 
1907.  254  Seiten.  IJreis  6  M. 

In  vorliegendem  Werkchen  sind  in  gemeinsamem  Zu¬ 
sammenarbeiten  von  einem  Juristen  und  Arzt  eingehende  Er¬ 
läuterungen  zu  der  „Bekanntmachung  betreffend  den  Erlass 
einer  Gebührenordnung  für  approbierte  Aerzte  und  Zahnärzte 
vom  15.  Mai  1896  nebst  Ergänzung  vom  13.  März  1906“  ge- 
gcbeii;  es  sind  darin  erschöpfende  Erklärungen  zu  richtiger 
Handhabe  der  Gebührenordnung  enthalten,  sodass  der  Rat 


suchende  Arzt  fast  überall  den  erwünschten  Aufschluss  er¬ 
hält.  Da  ein  Bedürfnis  nach  solchen  Aufschlüssen  unter  den 
Aerzten  besteht,  wie  sich  aus  den  zahlreichen  Anfragen  ergibt, 
denen  man  in  dieser  Hinsicht  in  verschiedenen  medizinischen 
Zeitschriften  begegnet,  und  da  die  Auskunftserteilung  in  dem  er¬ 
wähnten  Werkchen  fast  durchweg  eine  recht  befriedigende  ist, 
so  kann  dieses  allen  preussischen  Kollegen  aufs  beste  empfohlen 
werden.  S  p  a  e  t  -  Fürth. 

Neueste  Journalliteratur. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Herausgeg.  von 

Prof.  L.  Brauer.  Band  VII.  Heft  4. 

H.  Herzog:  Klinische  Beiträge  zur  Tuberkulose  des  mittleren 
und  inneren  Ohrs. 

Inhaltreiche  und  klinisch  und  anatomisch  interessante  Darstel¬ 
lung  des  wichtigen  Kapitels  an  der  Hand  des  Materials  der  Münchener 
Ohrenklinik,  zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

C.  Hart:  Die  Beziehungen  des  knöchernen  Thorax  zu  den  Lungen 
und  ihre  Bedeutung  für  die  Genese  der  tuberkulösen  Lungenphthise. 

Ganz  auf  dem  Boden  der  W.  A.  Freund  sehen  Lehre  stehend 
gibt  Verf  abermals  interessante  Beiträge  zu  diesem  Kapitel.  Bei  in 
Bezug  auf  ihre  Thoraxform  nicht  zur  Phthise  disponierten  Diabetikern 
beginnt  die  Krankheit  auch  nicht  in  den  Spitzen,  sondern  im  Mittel¬ 
und  Unterlappen.  Bei  Thoraxverengerungen  anderer  Lokalisation 
(Narbenverziehung,  Kyphoskoliose)  lokalisiert  sich  der  Prozess  genau 
unter  diese  (weniger  durchatmeten)  Lungenteile.  „Jede  Lungenpartie 
ist  unmittelbar  von  der  sie  räumlich  umschliessenden  und  ihr  funk¬ 
tionell  vorstehenden  Partie  des  knöchernen  Thorax  abhängig.“  Als 
„Thorax  phthisicus“  betrachtet  Verf.  eine  ganz  spezifische  Form  des 
Brustkorbs,  welche  als  Folge  von  Entwicklungshemmungen  im  Be¬ 
reich  der  oberen  Brustapertur  zu  betrachten  ist.  Von  einer  The¬ 
rapie  dieser  Anomalie  ist  naturgemäss  nichts  zu  erwarten,  um  so 
mehr  von  einer  Prophylaxe  in  Gestalt  von  Atemübungen  von  Kind  auf, 
die  Verf.  dringend  empfiehlt  (vergl.  dazu  die  ausserordentliche  Sel¬ 
tenheit  der  Phthise  bei  Sängern  und  Bläsern.  Referent.) 

E.  Masing:  Ueber  Bronchophonie  der  Flüsterstimme. 

In  Uebereinstimmung  mit  M  o  s  e  s  (diese  Zeitschrift,  Bd.  IV,  H.  2) 
führt  Verf.  an  der  Hand  einiger  eigenen  Beobachtungen  aus,  wie 
wichtig  die  Auskultation  der  Flüsterstimme  für  die  Frühdiagnose  der 
Spitzenaffektionen  ist,  deren  allererstes  und  von  anderen  un¬ 
abhängiges  Symptom  die  Bronchophonie  der  Flüsterstimme  oft  dar¬ 
stellt.  Auch  als  Finalsymptom  bei  der  Heilung  kann  sie  wieder  auf- 
treten,  nachdem  sie  vorher  verschwunden  war. 

Hans  Curschmann  - Mainz. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  85.  Band.  Leipzig. 

Vogel. 


1)  Bardenheuer:  Zur  Frage  der  radikalen  Frühresektion 
des  tuberkulösen  Ellenbogengelenkes  überhaupt  sowie  besonders 
im  kindlichen  Alter.  (Bürgerhospital  Köln.) 


Nach  einer  jahrelang  beobachteten  konservativ-exspektativen 
Behandlung  der  Gelenktuberkulose,  deren  Resultate  keineswegs  gün¬ 
stige  vaien,  ist  B.  besonders  auch  am  Ellbogengelenke  zu  seiner 
alten  Methode  der  frühzeitigen,  extrakapsulären,  radikalen  Resektion 
zui  ückg.ekehrt,  wobei  er  unter  radikal  lediglich  die  Entfernung  alles 
Tuberkulösen  versteht;  er  will  die  Gelenktuberkulose  als  eine  bös¬ 
artige  Neubildung  betrachtet  wissen  und  legt  darum  die  Resektions- 
fiächen  völlig  ins  Gesunde.  Dabei  soll  am  Ellbogen  auf  die  Epiphysen¬ 
linien  um  so  weniger  Rücksicht  genommen  werden,  als  etwa  ein¬ 
tretende  Wachstumsstörungen  sich  an  der  oberen  Extremität  weit 
wenigei  unangenehm  fühlbar  machen,  als  an  der  unteren.  Auch  die 
Möglichkeit,  ein  Schlottergeienk  zu  erhalten,  soll  nicht  die  gründ¬ 
liche  Entfernung  alles  Kranken  scheuen  lassen.  Wie  diese  von  einem 
bogenförmig  das  Olekranon  umgreifenden  Schnitt  am  besten  extra¬ 
kapsulär  zu  ei i eichen  ist,  wird  näher  beschrieben;  zur  Erläuterung 
dienen  3  Zeichnungen.  Für  aseptischen  Wundverlauf  und  damit  fistel¬ 
lose  Heilung  wichtig  hält  B.  die  völlige  Ruhigstellung  der  Resektions¬ 
enden,  die  am  besten  durch  Vernagelung  erreicht  wird.  Der  Nagel 
sicht  zum  Gipsveibande  heraus  und  wird  nach  8  Tagen  entfernt;  zur 
ordentlichen  Festlegung  der  Ulna  muss  der  Arm  am  Thorax  durch 
den  Verband  fixiert  werden.  Es  empfiehlt  sich  besonders  am  Ell¬ 
bogengelenke  nicht  lange  mit  der  Resektion  zu  warten,  weil  dadurch 
die  Heilungsbedingungen  ungleich  ungünstiger  werden,  örtlich  wie 
allgemein,  bei  Kindern  ebenso  wie  bei  Erwachsenen. 

2)  Barth:  Ueber  Niereneiterungen  in  der  Schwangerschaft. 

(Stadtlazarett  Danzig.) 


um  die  jvnue  aer  bcinvangerschaft  kann  durch  Hyperämie  der 
Schleimhaut,  namentlich  in  dem  die  Iliaka  im  Winkel  kreuzenden 
rechten  Harnleiter,  ein  relativer  Verschluss  eintreten,  der  zur  Harn- 
stauung  im  Nierenbecken  führt.  Diese  kann  weiterhin  hämatogen 
nnt  Kolibakterien  infiziert  werden,  es  kommt  zur  reinen  Kolipyelitis 
ohne  Beteiligung  der  Niere.  Viel  seltener  und  ernster  sind  Infek- 
tioncn  mit  Eitererregern,  wobei  auch  die  Niere  'in  Mitleidenschaft  ge- 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1545 


zogen  wird.  Die  durch  die  Pyelitis  hervorgerufenen  Erscheinungen 
verschwinden  fast  sogleich,  wenn  man  dem  gestauten  und  infizierten 
Harn  Abfluss  verschafft:  entweder  mit  dem  Ureterenkatheterismus 
oder  mit  der  Nephrotomie  (in  besonders  schweren  Fällen  auch  mit 
dem  künstlichen  Abort).  Die  Nephrotomie  hat  keine  Gefahren,  weder  für 
die  Mutter,  noch  für  das  Kind,  das  vielmehr  bei  längerem  Bestehen  der 
Pyelitis  meist  verloren  ist.  Der  Ureterenkatheterismus  ist  für  das 
Kind  gefährlicher  als  die  Nephrotomie,  da  er  durch  krampfhaftes 
Zusammenziehen  des  Harnleiters  reflektorisch  Wehen  und  damit 
Abort  hervorrufen  kann.  Nach  Entleerung  des  infizierten  Harns 
künstlich  oder  durch  Ausstossung  der  Frucht  tritt  baldige  Heilung 
ein,  jedoch  nur  im  klinischen  Sinne.  Kolibakterien  bleiben  meist  im 
Nierenbecken  liegen. 

3)  Borchard:  Zur  Frage  der  deformierenden  Entzündung 
(Arthritis  deformans)  des  Hüftgelenkes  bei  jugendlichen  Individuen. 

(Diakonissenhaus  Posen.) 

Mitteilung  dreier  Fälle  von  Hüftgelenkserkrankungen  bei 
jüngeren  Personen  (darunter  einmal  doppelseitig),  die  alle  mit  der 
Resektion  behandelt  wurden.  Alle  zeigten  mehr  oder  weniger  ab¬ 
gelaufene  Erscheinungen  von  Osteomyelitis  des  Schenkelhalses,  da¬ 
neben  aber  am  Rande  des  Schenkelkopfes  knöcherne  Wucherungen, 
wie  sie  sonst  der  Arthritis  deformans  .zugeschrieben  werden. 

4)  Tilmann:  Zwei  Fälle  von  Hirntumor.  (Akademie  für  prakt. 
Medizin  in  Köln.) 

Auch  bei  jenen  Hirntumoren,  deren  exakte  topische  Diagnose 
unmöglich  ist,  erscheint  die  Vornahme  einer  Trepanation  dann  be¬ 
rechtigt,  wenn  es  sich  darum  handelt,  heftige  subjektive  Beschwerden 
des  Patienten,  die  auf  Hirndruck  zurückzuführen  sind  (Kopfschmer¬ 
zen,  Sehstörungen)  zu  beseitigen.  Mitteilung  zweier  Fälle  von 
Gliom,  eins  im  Gyrus  centralis,  das  andere  im  Kleinhirn  gelegen,  bei 
denen  solch  eine  Palliativtrepanation  vorgenommen  wurde;  im  ersten 
Falle  gelang  es  weiterhin,  den  Tumor  auszulösen  mit  leidlich  be¬ 
friedigendem  Erfolge. 

5)  v.  Mangoldt:  Aphorismen  zur  Appendizitis.  (Karolahaus 
Dresden.) 

Die  Schwierigkeit  in  der  Beurteilung  eines  Appendizitisfalles 
beruht  darauf,  dass  bei  leichten  klinischen  Erscheinungen  schwere 
anatomische  Veränderungen  vorliegen  können  und  umgekehrt.  Unter 
175  Fällen  hat  Verf.  bei  10  Früh-  und  105  Intervalloperationen  keinen 
Todesfall  erlebt;  bei  Intermediäroperationen  (3. — 5.  Tag)  verlor 
er  6  von  8  Patienten,  bei  Spätoperationen  8  von  52.  Frühoperationen 
müssen  in  den  ersten  2  mal  24  Stunden  vorgenommen  werden;  andern¬ 
falls  bedeuten  sie  eine  erhebliche  Gefahr  für  das  Leben  des  Patienten. 
Die  auf  den  anatomischen  Befunden  beruhende  Einteilung  B  ii  n  g  - 
ners  ist  in  praxi  kaum  anwendbar.  Bei  Appendicitis  simplex  und 
Appendizitis  mit  umschriebener  Abszessbildung  ist  Zuwarten  unter 
genauer  Kontrolle  statthaft.  Gehen  die  Erscheinungen  nicht  zurück, 
verschlimmern  .sie  sich  gar,  so  muss  operiert  werden.  Von  den 
schwersten  mit  freier  Peritonitis  einhergehenden  Fällen  von  Appen¬ 
dizitis  sind  am  1.  Tage  4/s,  am  2.  2U  der  Kranken  durch  die  sofortige 
Operation  zu  retten;  später  sind  sie  meist  verloren.  Als  Grundlage 
für  die  als  chronische  Appendizitis  gedeuteten  Erscheinungen  finden 
sich  katarrhalische  Schwellungen,  Schleimhautblutungen,  Stenosen 
u.  a.  m.  —  Differentialdiagnostisch  kommt  namentlich  bei  Frauen 
Tubengravidität,  Pyosalpinx,  Ovarialtumor  mit  Stieldrehung  in  Be¬ 
tracht.  Für  die  Frühoperationen  ist  der  Steilschnitt  am  Rektusrande, 
für  die  Intervalloperationen  der  Wechselschnitt  angebracht.  Als  Naht- 
material  empfiehlt  sich  dünne  Seide.  Bei  der  Eröffnung  von  Blind¬ 
darmabszessen  ist  sorgfältige  Tamponade  von  entscheidender 
Wichtigkeit,  besonders  dann,  wenn  der  Abszess  durch  die  freie 
Bauchhöhle  hindurch  eröffnet  wurde.  Für  die  sich  retrozoekal  ent¬ 
wickelnden  Abszesse  gibt  M.  als  charakteristisch  das  bei  Perkussion 
der  Zoekalgegend  erhältliche  bruit  de  pot  feie  an.  Bei  der  Heraus¬ 
nahme  einer  perforierten  Appendix  ist  darauf  zu  achten,  dass  nicht 
ein  Stück  der  Appendix  zurückbleibt,  das  später  wieder  apoendizi- 
tische  Erscheinungen  machen  könnte.  Unter  den  späteren  Kompli¬ 
kationen  bei  Appendizitis  sind  namentlich  die  nicht  selten  zu  be¬ 
obachtenden  Herzstörungen  wichtig.  Zur  Vermeidung  der  für  den 
Patienten  gegebenen  Falles  sehr  störenden  postoperativen  Ver¬ 
wachsungen  ist  es  gut,  den  Stumpf  des  Mesenteriolum  mit  Serosa 
zu  übernähen,  Blutungen  sehr  sorgfältig  zu  stillen,  kein  Opium  zu 
geben,  bald  abfiihren  zu  lassen  und  nicht  zu  spät  konsistente  Kost  zu 
geben. 

6)  Müller:  Transperitoneale  Freilegung  der  Wirbelsäule  bei 
tuberkulöser  Spondylitis.  (Chir.  Klinik  Rostock.) 

Verfasser  rühmt  dieser  Methode,  die  er  an  der  Hand  eines  Falles 
von  Karies  des  letzten  Lenden-  und  ersten  Kreuzbeinwirbels  aus¬ 
führlich  beschreibt,  besonders  die  vorzügliche  Uebersicht  und  gute 
Zugänglichkeit  des  Frkrankungsherdes  bei  völliger  Ungefährlichkeit 
nach. 

7)  Neu  mann:  Ueber  den  Volvulus  des  Magens.  (Kranken¬ 
haus  im  Friedrichshain-Berlin.) 

Beschreibung  eines  Falles  von  Magenvolvulus.  der  in  anisoperi- 
staltischem  Sinne  erfolgt  war;  Magen  und  Anfangsteil  des  Duodenum 
hatten  eine  Drehung  um  180°  erfahren,  das  Duodenum  war  in  der  Pars 
descendens  vollkommen  zugedreht.  Die  Grundbedingung  für  diese 
Erkrankung,  von  der  aus  der  Literatur  noch  8  weitere  Fälle  erwähnt 
werden  und  zu  der  Verf.  einige  in  Abbildungen  wiedergegebene 
Lcichenversuche  ausgeführt  hat,  ist  die  Gastroptose.  Als  Kardinal¬ 


symptom  für  den  Magenvolvulus  kommen  akut  entstandener  Magen¬ 
meteorismus,  Schwierigkeit  oder  Unmöglichkeit  der  Sondenunter¬ 
suchung,  fruchtloser  Singultus  bei  ileusartigen  Erscheinungen  in  Be¬ 
tracht.  Nach  der  Reposition  des  Magens  nimmt  man  zur  ferneren 
Vermeidung  von  Flüssigkeitsansammlung  im  Magen,  die  für  das  Ent¬ 
stehen  des  Volvulus  teilweise  verantwortlich  gemacht  werden  muss, 
die  Gastroenterostomie  vor.  Verf.  glaubt,  dass  der  akute  Magen¬ 
volvulus  häufiger  ist,  als  man  gemeinhin  annimmt,  um  so  mehr,  als 
er  spontan  zurückgehen  kann. 

8)  Lennander:  Akute  Magenerweiterung  bei  angeborenem  (?) 
zu  engem  Pylorus  und  Drehung  der  distalen  zwei  Drittel  des  Dünn¬ 
darms.  (Chir.  Klinik  Upsala). 

Der  geblähte  Darm  wurde  reponiert,  zu  seiner  Entleerung  die 
Enterostomie  gemacht.  Gastrostomie,  Jejunostomie.  Nachdem  Magen 
und  Dünndarm  einigermassen  entleert  waren,  kontrahierten  sie  sich 
wieder  selbsttätig.  Heilung  nach  späterer  Ausführung  der  Gastro- 
jejunostomie  nach  Roux.  Während  der  Operation  wurde  Kochsalz¬ 
lösung  mit  etwas  Adrenalin  intravenös  injiziert;  der  Zusatz  des 
Adrenalins  soll  den  Schock  bekämpfen.  Verf.  bespricht  nebenbei  die 
in  ihrer  Entstehung  nicht  ganz  klare  akute  postoperative  Magen¬ 
dilatation,  der  man  am  besten  durch  Erhöhung  des  Fussendes  des 
Bettes  begegnet;  bei  Verdacht  auf  akute  Magenerweiterung  ist  so¬ 
fort  die  Magenausspiilung  zu  machen. 

9)  Enderlen:  Ein  Beitrag  zum  traumatischen  extraduralen 
Hämatom.  (Chir.  Klinik  Basel.) 

Kritische  Besprechung  der  für  die  Diagnose  wichtigen  Sym¬ 
ptome:  freies  Intervall,  kontralaterale  Hemiplegie,  Druckpuls,  Stau¬ 
ungspapille,  Erbrechen,  kontralaterale  Sensibilitätsstörungen  usw., 
die  alle  mehr  oder  weniger  durch  gleichzeitige  anderweitige  Ver¬ 
letzungen  im  Bereiche  des  Schädels  verdeckt  oder  verwischt  sein 
können.  Das  Fehlen  der  Stauungspapille,  nach  Bergmann  das 
wichtigste  diagnostische  Hilfsmittel,  beweist  nichts  gegen  ein  extra¬ 
durales  Hämatom.  Punktion  des  Schädels  nach  Neisser  - Pollack 
ist  auch  nicht  sicher;  noch  weniger  die  Lumbalpunktion.  Für  die 
Differentialdiagnose  in  Erwägung  kommen  Pachymeningitis  haem. 
int.,  Apoplexie,  namentlich  in  Form  der  traumatischen  Spätapoplexie, 
thrombotische  Enzephalomalazie,  Rindenabszess,  endlich  Intoxi¬ 
kationen  durch  Alkoholismus,  Uraemie,  Diabetes.  Die  Indikation  für 
frühzeitige  Trepanation  ist  dann  gegeben,  wenn  nach  einem  Schädel¬ 
trauma  bleibende  und  zunehmende  Zeichen  schwerer  Funktionsstörung 
vorhanden  sind,  auch  dann,  wenn  nichts  anderes  als  die  direkten 
Herdsymptome  vorliegen  (Kocher). 

10)  Perthes:  Ueber  Operationen  bei  habitueller  Schulter¬ 
luxation.  (Chir.  poliklin.  Institut  Leipzig.) 

Die  bei  habitueller  Schulterluxation  im  Gelenke  Vorgefundenen 
Störungen  sind  der  Hauptsache  nach:  Abriss  der  Muskeln  am  Tuber¬ 
culum  majus,  Abrisse  und  Absprengungen  am  inneren  Pfannenrande. 
Erweiterung  der  Kapsel.  Dementsprechend  hat  P.  nach  temporärer 
Ablösung  der  benachbarten  Muskelansätze  die  abgerissenen  Sehnen 
bezw.  das  am  inneren  Pfannenrande  abgerissene  Labrum  glenoidale 
mit  u-förmig  gestalteten  Nägeln  wieder  angenagelt;  zur  Verkleine¬ 
rung  der  erweiterten  KaDsel  wurde  die  von  Lange  zur  Sehnen¬ 
verkürzung  angegebene  Raffnaht  angewendet.  Der  Erfolg  war  in 
mehreren  mitgeteilten  Fällen  vorzüglich. 

11)  W  i  t  z  e  1  -  Düsseldorf :  Die  postoperative  Thromboembolie. 

Sofern  die  Thrombose  in  bestimmten  engen  Grenzen  bleibt,  stellt 

sie  einen  jeder  Wundheilung  eigentümlichen  Vorgang  dar.  Erst 
die  progressive  Thrombose  ist  als  wirkliche  Störung  zu  bezeichnen 
und  bringt  die  Gefahr  der  Embolie.  So  wenig  gegen  die  einmal  vor¬ 
handene  ausgedehnte  Thrombose  ausgerichtet  werden  kann,  so 
wichtig  ist  es,  ihrem  Auftreten  vorzubeugen.  Nachdem  als  erwiesen 
gelten  darf,  dass  nach  grösseren  plötzlichen  Blutverlusten  die  Gerinn¬ 
barkeit  des  Blutes  steigt,  dass  Quetschungen  und  Zerrungen  der  Ge- 
fässwände  zur  Blutgerinnung  führen  können,  die  um  so  leichter  er¬ 
folgen  wird,  je  schwächer  das  Herz  arbeitet  und  je  geringer  die 
für  die  Blutbewegung  in  den  Venen  wichtige  Muskeltätigkeit  ist, 
wird  man  als  prophylaktische  Massregeln  gegen  die  progrediente 
Thrombose  folgende  beobachten  müssen:  Stärkung  des  Gesamt¬ 
organismus  und  des  Herzens  vor  der  Operation.  Blutsparung.  Ver¬ 
meidung  gröberer  Zerrungen  und  Quetschungen  der  Venen  während 
der  Operation.  Baldige  Muskelbewegungen,  Aufstehen  oder  wo  dies 
nicht  angängig,  ausgiebige  Atemgymnastik  nach  der  Operation.  Auch 
die  sofortige  Anregung  der  Darmtätigkeit  gehört  hierher.  Erfolgt 
trotz  alledem  eine  fortschreitende  Thrombose,  so  meldet  sich  diese 
durch  staffelförmiges  Ansteigen  der  Pulszahlen  bei  annähernd  nor¬ 
maler  Temperatur  an  (Mahlersches  Symptom). 

12)  Z  i  e  g  1  e  r  -  München:  Studien  über  die  feinere  Struktur  des 
Röhrenknochens  und  dessen  Polarisation  nebst  einem  Anhang:  We- 
b  e  r :  Ueber  Doppelbrechung  und  Polarisation. 

Z.  hat  nachgewiesen,  dass  der  Knochen  positiv  einachsig  doppel¬ 
brechend  ist;  die  Doppelbrechung  liegt  zum  grösseren  'Feil  in  der  or¬ 
ganischen.  zum  geringeren  in  der  anorganischen  Substanz.  Chi¬ 
rurgisch  besonders  interessant  ist  die  Tatsache,  dass  junges,  nach 
einer  Fraktur  sich  entwickelndes  Knochengranulationsgewebe  schon 
am  5.  Tage  nach  der  Fraktur  zu  polarisieren  anfängt. 

13)  La  u  e  n  .s  t  e  i  n  -  Hamburg:  Ueber  einen  Fall  von  solitärem 
Fibromyom  im  Querkolon. 

Der  'walnussgrosse  Tumor  sass  der  Darmwand  entsprechend 
dem  Mesenterialansatze  gestielt  auf  und  wurde  einfach  abgetragen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


Die  klinischen  Erscheinungen  bestanden  in  zeitweilig  auftretenden 
heftigen  Schmerzanfällen  mit  Verhaltung  von  Stuhl  und  Winden. 

14)  R  o  s  e  n  b  e  r  g  e  r  -  Wiirzburg:  Ueber  Choledocho-Duo- 
denum-Anastomose. 

Es  handelte  sich  um  einen  nahezu  vollständigen,  höchst  wahr¬ 
scheinlich  narbigen  Verschluss  der  Papille,  der  die  gedachte  Ope¬ 
ration  durch  chronischen  Ikterus  mit  schweren  Ernährungsstörungen 
notwendig  machte.  Heilung. 

15)  Kappeier:  Ein  Beitrag  zur  chirurgischen  Behandlung  der 
Epityphlitis  im  Bruchsack.  (Krankenhaus  Konstanz.) 

Bei  einem  mit  der  Diagnose  „eingeklemmter  Bruch“  eingeliefer¬ 
ten  Patienten  fand  sich  im  Bruchsacke  eine  perforierte  Appendix  mit 
Abszessbildung,  sowie  unauflösbar  verklebt  Zoekum  und  unterer  Teil 
des  Ileum.  Resektion  dieses  ganzen  Darmknäuels;  Verschluss  des 
Kolon;  seitliche  Einpflanzung  des  Dünndarmendes  in  den  Kolon¬ 
stumpf.  Heilung.  Besprechung  der  übrigen  32  in  der  Literatur  be¬ 
kannt  gewordenen  wegen  Epithyphlitis  im  Bruchsacke  vorgenom¬ 
menen  Operationen.  Primäre  Reposition  des  Bruchinhaltes  pflegt  ver¬ 
hängnisvoll  zu  werden. 

16)  Rosenbach:  Ueber  die  Luxation  des  Ulnarnerven.  (Chir. 
Poliklinik  Qöttingen.) 

Dieses  seltene  Vorkommnis  scheint  in  erster  Linie  abhängig 
zu  sein  von  einer  abnormen  Schwäche  der  den  Nerven  befestigenden 
Aponeurose  und  kommt  lediglich  in  Beugestellung  des  Armes  dadurch 
zu  stände,  dass  der  tiefer  tretende  Trizeps  den  Nerven  aus  seinem 
Lager  im  Sulkus  verdrängt.  Die  ausgelösten  Erscheinungen  sind  die 
der  umschriebenen  Neuritis.  Einen  dauernden  Erfolg  verspricht  meist 
nur  die  blutige  Reposition  und  Fixation  des  Nerven. 

17)  Burkhardt:  Zur  Aetiologie  aseptischer  Eiterungen.  (Chir. 
Klinik  Wiirzburg.) 

Versuche  haben  gezeigt,  dass  zermalmtes  Muskelgewebe  chemo¬ 
taktisch  wirkende  Stoffe  enthält,  die  unter  Umständen  zu  einer 
aseptischen  Eiterung  führen  können;  besagte  Stoffe  stellen  eiweiss¬ 
artige  Substanzen  dar,  die  beim  Zerfall  der  Zellen  bezw.  ihrer 
Kerne  frei  werden  und  ausser  der  chemotaktischen  auch  bei  ihrer 
Resorption  eine  fiebererregende  Wirkung  ausübend  Man  ist  somit 
berechtigt,  ausser  der  bakteriellen  und  chemischen  auch  eine  rein 
traumatische  Eiterung  anzunehmen. 

18)  Klaussner:  Ueber  Luxation  der  Zehen.  (Chir.  Poli¬ 
klinik  München.) 

Zusammenstellung  der  interessanteren  diesbezüglichen  Fälle 
nebst  einer  eigenen  Beobachtung,  wo  wegen  starker  Verkürzung  des 
I.  Metatarsus  (alte  Karies)  bei  heftigem  Abspringen  mit  dem  Fusse 
eine  Luxation  im  II.  Metatarsophalangealgelenke  eingetreten,  nicht 
im  I.,  wie  es  meist  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

19)  Franke:  Das  Influenzaknie.  (Diakonissenhaus  „Marienstift“ 
Braunschweig.) 

Verf.  gibt  den  Namen  Influenzaknie  einer  häufig  von  ihm  und 
anderen  beobachteten  in  der  Gefolgschaft  der  Influenza  auftretenden 
chronisch  entzündlichen  Affektion  des  Kniegelenkes,  die  mit  einem  als 
typisch  zu  erachtenden  Schmerzpunkt  am  inneren  Condylus  femoris, 
Gelenkschmerzen,  Steifigkeit  und  Schwäche  in  dem  befallenen  Knie, 
besonders  beim  Treppensteigen  einhergeht.  Zu  gründe  liegt  vornehm¬ 
lich  eine  Knochenerkrankung,  eine  „gutartige  Epiphysenosteomyelitis“. 
Die  Therapie  ist  die  bei  anderweitigen  Arthritiden  übliche;  der  Erfolg 
ist  meist,  wenn  auch  erst  nach  längerer  Zeit,  günstig;  doch  können 
in  seltenen  Fällen  auch  Gelenkversteifungen  eintreten. 

20)  Flörcken:  Die  Fraktur  des  Collum  radii.  Chirurgische 
Klinik  Wiirzburg.) 

Die  ziemlich  seltene  Verletzung  der  Fraktur  des  Collum  radii 
kommt  in  60,9  Proz.  der  Fälle  isoliert  vor  und  kann  ebensowohl 
direkt  wie  indirekt  entstehen.  Differentialdiagnostisch  am  nahe¬ 
liegendsten  ist  die  Fractura  capiluti  radii;  die  Entscheidung  ist  wohl 
nur  mit  der  Radioskopie  möglich.  Für  die  Therapie  kommen  baldige 
Massage  und  aktive  wie  passive  Bewegungsübungen  zur  Anwendung. 

21)  Klemm:  Ueber  die  akute  Darminvagination  im  Kindes¬ 
alter.  (Kinderkrankenhaus  Riga.) 

Die  Diagnose  der  akuten  Darminvagination  gründet  sich  am 
sichersten  auf  den  grundsätzlich  in  der  Narkose  festzustellenden 
Nachweis  des  Invaginationstumors  und  Abgang  von  blutigem  Schleim 
aus  dem  After.  Zur  einzig  notwendigen  Wiederherstellung  der  be¬ 
hinderten  mesenterialen  Blutzufuhr  ist  allein  die  sofort  nach  fest¬ 
stehender  Diagnose  vorzunehmende  Laparotomie  mit  anschliessender 
Desinvagination  bezw.  Resektion  geeignet.  Alle  internen  Mass¬ 
nahmen  sind  vom  Uebel. 

22)  Payr-Graz:  Weitere  experimentelle  und  klinische  Bei¬ 
träge  zur  Frage  der  Stieldrehung  intraperitonealer  Organe  und  Ge¬ 
schwülste. 

Auf  die  wichtigen  Einzelheiten  dieser  interessanten  Unter¬ 
suchungen  kann  hier  leider  auch  nicht  annähernd  eingegangen  wer¬ 
den;  diese  wollen  in  der  Urschrift  gelesen  sein;  zur  Erleichterung  des 
Verständnisses  dienen  eine  ganze  Reihe  instruktiver  Abbildungen. 
Das  wesentliche  Ergebnis  dieser  Experimente  geht  dahin,  dass  Stiel¬ 
torsionen  durch  Blutdruckdifferenzen  im  Gefässystem  des  betreffen¬ 
den  Organstieles  zu  stände  kommen  („hämodynamische  Torsion“). 

23)  Stieda:  Zur  Aetiologie  der  Belastungsdeformitäten  und 
über  verwandte  Gelenkerkrankungen.  (Chir.  Klinik  Königsberg.) 

Die  im  späteren  jugendlichen  Alter  mit  Vorliebe  in  der  Gegend 
der  Epiphysenfugen  auftretenden,  nicht  nachweisbar  durch  Rhachitis 


bedingten  Belastungsdeformitäten  sind  als  die  Folgeerscheinungen 
einer  konstitutionellen  Anomalie  aufzufassen,  zu  deren  weiteren 
Aeusserungen  Hyperplasien  im  Bereich  des  lymphatischen  Rachen¬ 
ringes  mit  abnormer  Gaumenbildung,  Schilddrüsenschwellung,  Zy¬ 
anose  der  peripheren  Extremitätenabschnitte,  Steigerung  der  Sehnen¬ 
reflexe  und  Neigung  zu  Spasmen  zu  rechnen  sind.  Die  Deformitäten 
an  Wirbelsäule  und  Thorax  sind  oft  mehr  sekundärer  Art  und  durch 
Beeinträchtigung  der  Nasenatmung  hervorgerufen.  Als  verwandte 
Erkrankungen  sind  nach  Verf.  auch  die  juvenile  Arthritis  deformans 
im  Hüftgelenk  (analog  mit  Coxa  vara?)  und  Ellbogengelenk  (Cubitus 
valgus),  die  Madelung  sehe  Handdeformität  und  eine  eigentüm¬ 
liche  vom  Verf.  beobachtete  Beugekontraktur  im  ersten  Interphalan- 
gealgelenke  der  Finger  zu  rechnen.  Die  erkrankten  Gelenke  sind 
neben  Anwendung  der  Massage  lediglich  zu  schonen,  nicht  voll¬ 
kommen  ruhig  zu  stellen. 

24)  F  e  s  s  1  e  r  -  München :  Der  Wundverband  im  Kriege. 

Zusammenstellung  der  bezüglich  des  Wundverlaufes  interes-  - 
santcren  Schussverletzungen  aus  dem  türkisch-griechischen  Feldzug 
(1897),  welche  durch  11  mm  -  Weichbleigeschosse  gesetzt  wurden. 
Verf.  ist  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  weniger  die  durch 
das  grosse  Kaliber  verursachte  grosse  Wunde,  noch  der  Umstand, 
dass  viele  Verwundete  lange  Zeit  bis  zum  ersten  Verband  warten 
mussten  (gerade  diese  pflegten  ungeahnt  gut  zu  heilen)  daran  schuld 
war,  wenn  so  häufig  Eiterung  eintrat,  dass  hierfür  vielmehr  die 
Unzweckmässigkeit  des  ersten  Verbandes  (nasse  Karbolwatte)  und 
das  damals  beliebte  Sondieren  verantwortlich  zu  machen  waren. 
Verf.  erinnert  schliesslich  an  die  Bergmann  sehe  Regel,  nur  die 
Umgebung  der  Schusswunden  zu  reinigen,  die  Wunden  selbst  anti¬ 
septisch  oder  aseptisch  zu  bedecken,  bei  Knochenfrakturen  die  be¬ 
treffenden  Glieder  nach  Möglichkeit  durch  Gipsverband  ruhig  zu 
stellen;  wenn  die  Kugel  nicht  unmittelbar  zu  erreichen  ist,  bleibt 
sie  liegen. 

25)  Hochenegg:  Winke  für  die  Nachbehandlung  der  wegen 
Rektumkarzinom  sakral  Operierten. 

Bei  den  wegen  Mastdarmkrebs  radikal  operierten  Patienten 
ist  die  Nachbehandlung  ebenso  wichtig  wie  die  Operation  selbst 
und  unendlich  schwieriger,  als  nach  allen  anderen  Operationen.  H. 
rät  auf  Grund  von  kurz  mitgeteilten  Beobachtungen,  sakral  Operierte 
nicht  auf  dem  Rücken,  sondern  auf  der  Seite  liegen  zu  lassen,  das 
Becken  nie  höher  zu  stellen  als  das  Abdomen  (Ausnahme:  venöse 
Nachblutungen,  Prolaps  der  Därme  in  die  Wunde)  gewissenhafte 
Sorge  für  regelmässige  Urin-  und  Stuhlentleerung,  welch  letztere 
erst  mit  etwas  Opium  zurückgehalten  werden  kann,  später  durch  Ein¬ 
läufe  herbeigeführt  werden  soll,  nicht  mit  Abführmitteln,  da  ver¬ 
flüssigter  Stuhl  ungleich  infektiöser  ist,  als  fester. 

26)  Friedrich:  Die  operative  Stellungnahme  zur  akuten, 
progredienten  infektiösen  Enzephalitis.  (Chirurg.  Klinik  Greifswald.) 

Diese  seltene  Form  der  rasch  fortschreitenden  Infektion  eines 
traumatisch  entstandenen  Zertrümmerungsherdes  im  Hirn  ohne 
gleichzeitige  Meningitis  erfordert  unter  allen  Umständen  die  schleu¬ 
nige  operative  'Eröffnung  des  infizierten  Erweichungsherdes.  Die 
somit  ausserordentlich  wichtige  Diagnose  stützt  sich  am  ehesten  auf 
das  Eintreten  schwererSymptome  „nach  einem  Intervall,  welches  durch¬ 
schnittlich  länger  als  das  des  Meningeahämatoms,  kürzer  als  das  des 
Hirnabszesses  ist,  ferner  auf  den  rasch  lebenbedrohenden  Charakter 
in  der  Zunahme  der  schweren  Symptome  und  auf  die  Möglichkeit 
primärer  oder  sekundärer  Bakterieninvasion  ins  zerebrale  Zertrüm¬ 
merungsgebiet.“ 

27)  Martens:  Zur  Kenntnis  der  Oesophagusdivertikel.  (Kran¬ 
kenhaus  Bethanien  Berlin.) 

3  Röntgenbilder  nebst  Krankengeschichte  eines  verhältnismässig 
grossen,  bislang  noch  nicht  operierten  Oesophagusdivertikels. 

28)  Payr  und  Martina-  Graz:  Ueber  wahre  laterale  Neben¬ 
kröpfe.  Pathologisch-anatomische  und  klinische  Beiträge. 

Echte,  also  isolierte  laterale  Nebenkröpfe  sind  ein  seltener  und 
wegen  ihrer  äusseren  Aehnlichkeit  mit  den  alltäglichen  Lymphomen 
kaum  ante  operationem  diagnostizierbarer  Befund;  da  mit  den  Hals¬ 
organen  in  keinem  Zusammenhänge,  bewegen  sie  sich  nicht  beim 
Schluckakt;  doch  können  sie  bei  starkem  Wachstum  Schling-  und 
Atembeschwerden  oder  Parästhesien  im  Arm  durch  Druck  auf  den 
Plexus  hervorrufen.  Histologisch  sind  die  bei  demselben  Individuum 
gern  mehrfach  auftretenden  Nebenkröpfe  meist  als  papilläre  Adenome 
und  Zystadenome,  auch  als  fötale  Adenome  zu  bezeichnen,  in  denen 
häufig  trotz  der  meist  sehr  reichlichen  Vaskularisation  der  Neben¬ 
kröpfe,  also  auf  Grund  umschriebener  Ernährungsstörungen  Ablage¬ 
rung  von  Kalk  in  Gestalt  der  aus  den  Psammomen  bekannten  Körnern 
stattfindet.  Vor  der  operativen  Entfernung  von  Nebenkröpfen  ver¬ 
gewissere  man  sich,  ob  die  Schilddrüse  gesund  und  überhaupt  vor¬ 
handen  ist,  da  sonst  mit  Exstirpation  des  Nebenkropfes  die  Ge¬ 
fahr  des  Myxödems  gegeben  wäre. 

29)  Saigo:  Traumatische  Aneurysmen  im  japanisch-russischen 
Kriege. 

Durch  das  moderne  klein kalibrige  Geschoss  wird  ziemlich  häufig 
Gelegenheit  zur  Ausbildung  von  Aeurysmen  gegeben,  die  langsam 
innerhalb  von  2 — 5  Wochen  nach  der  Gefässverletzung  erfolgt.  Die 
augenblickliche  Nachblutung  ist  meist  gering  im  Gegensätze  zu 
schweren  Nachblutungen  auf  dem  Transporte;  für  diesen  empfiehlt  sich 
daher  möglichste  Immobilisierung.  Die  Exstirpation  des  Aneurysmas, 
die  einzig  rationelle  Behandlungsweise,  geschieht  am  besten  erst 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1537 


nach  völligem  Ausheilen  der  Schusswunde,  vorausgesetzt,  dass  nicht 
durch  Druck  des  Aneurysmas  auf  Nerven  diese  gelähmt  zu  werden 
drohen;  auf  die  Esmarchsche  Blutleere  verzichtet  man  am  besten 
bei  der’  Operation.  36  Krankengeschichten. 

30)  Armknecht:  Heilungsergebnisse  beim  Lippenkrebs.  Ein 

Beitrag  zur  Technik  der  radikalen  Lymphdrüsenexstirpätion.  (Kran¬ 
kenhaus  Worms.)  ,  .... 

Nach  grundsätzlich  ausgeführter  Entfernung  der  Lymphdrusen 
in  der  Submentalgegend,  sowie  beiderseits  in  den  Submaxillargruben 
und  den  Halsseiten  bis  hinab  zu  den  Supraklavikulargruben,  welche 
Drüsenentfernung  der  Exstirpation  des  Lippenkrebses  voi  ausge¬ 
schickt  wurde,  erhielt  Verf.  eine  Heilungsziffer  von  93  Proz  gegen¬ 
über  662/s  Proz.  in  den  Fällen,  wo  nur  das  Karzinom  entfernt  wuide. 

31)  M  e  y  e  r  -  Zürich;  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Längsfrakturen 

der  Pätdlä* 

Längsfrakturen  in  der  Patella  sind  anscheinend  nicht  so  ganz 
selten  wie  man  bisher  anzunehmen  geneigt  war.  Verf.  teilt  7  inner¬ 
halb  dreier  Jahre  selbst  beobachteter  und  mit  Röntgenstrahlen  be¬ 
stätigter  Fälle  mit;  4  mal  nimmt  Verf.  eine  indirekte  Entstehung  in 
der  Weise  an,  dass  die  Patella  durch  Zug  der  seitlichen  Muskeln, 
namentlich  des  Tensor  fasciae  latae  über  den  Condylus  lateralis  ver¬ 
zogen  und  hier  entzwei  gerissen  wird.  Die  Symptome,  besondeis  die 
Funktionsstörung,  sind  weit  weniger  schwer  als  beim  Querbruch; 
eine  Diastase  der  Bruchstücke  wird  nur  unter  günstigen  Umstanden 
bei  starker  Beugung  des  Kniegelenkes  fühlbar  sein.  . 

32)  Thelemann:  Ueber  akzessorisches  Pankreas  in  der  Ma¬ 
genwand.  (Chir.  Klinik  Marburg.)  ,  , 

Fall  von  haselnussgrossem,  isoliertem,  aus  Pankreasgewebe  be¬ 
stehendem  Tumor  in  der  vorderen  Pyloruswand.  Kasuistischei  Bei¬ 
trag  nebst  kurzen  Auszügen  aus  anderweitigen  Veröffentlichungen. 

33)  Nieder  stein:  Die  Zirkulationsstörungen  im  Mesenterial- 
gebiet.  Eine  experimentelle  Studie  nebst  klinischen  Schlussbemer- 
kungen  von  Prof.  W.  Sprengel.  (Krankenhaus  Braunschweig.) 

‘  Diese  ausserordentlich  lehrreichen  Versuche  beim  Hunde  können 
mit  ihren  Resultaten  auch  nicht  annähernd  in  kurzem  Referate  wieder¬ 
gegeben  werden.  Andeutungsweise  sei  Folgendes  erwähnt^ Unter¬ 
bindung  des  Hauptstammes  der  Arteria  mesenterica  superior  —  reiner 
Embolie  führt  zu  hämorrhagischem  Infarkt  in  der  Darmwand,  Gjeich- 
zeitiger  partieller  oder  totaler  venöser  Verschluss  bewirkt  hämor¬ 
rhagische  Gangrän.  Klinisch  kommt  es  in  beiden  Fällen  zu  profusen 
Darmblutungen.  Paraffinverschluss  eines  arteriellen  Haupt-  oder 
Nebengefässstammes  —  Embolie  der  Hauptarterie  +  thrombotischem 
Verschluss  der  arteriellen  Kollateralen  ergibt  anämischen  Infarkt  mit 
hämorrhagischer  Randzone.  Paraffinverschluss  eines  aiteiiellen 
Haupt-  oder  Nebengefässstammes  nebst  Verschluss  des  ganzen  ent¬ 
sprechenden  Venengebietes  (durch  Paraffin  nicht  zu  erreichen) 
embolisch-thrombotischem  Verschluss  eines  arteriellen  Gebietes 
4-  Thrombosierung  des  zugehörigen  Venengebietes  (experimentell 
durch  Ablösung  des  Mesenteriums  auf  weitere  Streckern  nachgeahmt) 
liefert  die  anämische  Gangrän.  Klinisch  liegt  in  den  beiden  letzten 
Fällen  das  Bild  des  Ileus  ohne  Blutung  vor. 

34)  Schul  tze:  Beitrag  zur  Kenntnis  des  angeborenen  Nabel- 
schnurbruches.  (Evangelisches  Krankenhaus  Dtisseldoif.) 

Verf.  ist  der  Ansicht,  dass  für  die  breitbasige  Form  der  ange¬ 
borenen  Nabelschnurbrüche  eine  Hemmung  im  Randwachstum  der 
Rumpfplatten  verantwortlich  zu  machen  ist,  ,für  die  mehr  gestielte  Form 
dagegen  ein  zeitliches  Missverhältnis  im  Randwachstum  der  Rumpf¬ 
platten  zur  Entwicklung  der  Darmschlingen;  Beschleunigung  dei 
ersteren  oder  Verzögerung  der  letzteren.  Die  Therapie  besteht  in 
sofortiger  Operation  nach  der  Geburt  unter  Chloroformnarkose;  in 
einem  von  zwei  mitgeteilten,  also  behandelten  Fällen  musste  Vcif. 
ausserdem  eine  Stenose  des  Darmes  durch  Resektion  beseitigen. 

Heilung.  .  ,  _ 

35)  Riedinger- Würzburg:  Beitrag  zur  Lokalisation  der  Exo¬ 
stosen  im  Kniegelenk. 

Bei  einem  22  jährigen  Mädchen  fand  sich  eine  Exostose  an  der 
Vorderfläche  des  Femur  dicht  oberhalb  der  Patella;  bei  der  Operation 
zeigte  sich,  dass  die  Exostose  intrakapsulär  im  oberen  Rezessus 
gelagert  war,  nicht,  wie  gewöhnlich,  extrakapsulär. 

Baum-  München. 


Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  29. 

M.  Schwab -Erlangen:  Zur  Histologie  der  chronischen  Endo¬ 
metritis.  .  , 

Hitschmann,  Adler  und  Theilhaber  haben  bereits  da¬ 
rauf  hingewiesen,  dass  die  bisherige  Lehre  von  der  Histologie  der 
chronischen  Endometritis  einer  gründlichen  Revision  bedarf.  Alle 
drei  leugnen  die  E.  glandularis  hypertrophica  und  hyperplastica,  die  als 
prämenstruelle  Veränderungen  zu  deuten  sind.  Sch.  äussert  sich  in 
ähnlichem  Sinn.  Auf  Grund  von  40  Nachuntersuchungen,  die  an  aus¬ 
geschabter  Mukosa  angestellt  sind,  folgert  er,  dass  die  Veränderungen 
der  letzteren  ebenso  bei  klinisch  gesunden  als  kranken  Uterusschleim¬ 
häuten  im  Sinne  der  einzelnen  Endometritisformen  gefunden  werden 
können.  Für  die  Diagnose  entscheidet  hier  nicht  der  histologische, 
sondern  der  klinische  Befund.  _ 

D.  v.  V  e  1  i  t  s  -  Pressburg:  Ueber  Adrenalinwirkung  bei  Osteo¬ 
malazie. 

Angeregt  durch  B  ossis  Veröffentlichung  versuchte  v.  V.  in 
2  Fällen  schwerer  Osteomalazie  das  Adrenalin  (Vs  ccm  einer  Lösung 


von  1:1000).  Die  Knochenschmerzen  wurden  zwar  geringer,  aber 
beide  Patienten  bekamen  Fieber  und  alarmierende  Herzerscheinungen, 
die  eine  Fortsetzung  der  Kur  verboten. 

E.  S  0  n  n  t  a  g -Freiburg  i.  B.:  Erwiderung  auf  den  Artikel  des 
Herrn  Dr.  K-  Bai  sch:  „Nochmals  über  die  Einteilung  des  engen 
Beckens  und  die  Prognose  der  einzelnen  Formen“  in  No.  22  d.  Bl. 

Modest  P  o  p  e  s  c  u  1  -  Czernowitz:  Die  Zange  am  Steiss. 

Auf  Grund  eines  glücklich  verlaufenen  Falles  empfiehlt  P.  die 
Anlegung  der  Zange  am  Steiss  für  gewisse  Fälle.  Von  den  sonst  üb¬ 
lichen  Extraktionsmethoden,  stumpfer  Haken.  Schlinge  und  ge¬ 
krümmter  Finger,  ist  nur  die  letztgenannte,  weil  ungefährlich,  zu  emp¬ 
fehlen.  Bei  grossen  Widerständen  gelingt  aber  die  Extraktion  mit  dem 
Finger  oft  nicht  und  dann  ist  die  Zange  von  grossem  Nutzen. 

P.  'Steffeck  -  Berlin :  Eine  neue  Leibbinde, 

Die  Binde  ist  nach  dem  Modell  einer  männlichen  Badehose  ge¬ 
arbeitet  und  besitzt  als  Material  ein  Geflecht  von  unnachgiebigen 
Gurten.  Jede  Binde  muss  nach  Mass  angefertigt  werden;  ihr  Preis 
stellt  sich  auf  20  M.  Zu  haben  bei  K  ü  c  h  m  a  n  n  -  Berlin. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  VI.  No.  3.  (Juni 
1907.) 

1)  Arthur  Keller:  Milchwirtschaftliches. 

Der  Autor  hat  im  Aufträge  des  preussischen  Ministeriums  der 
Medizinalangelegenheiten  eine  Anzahl  neuer  Milchküchen  und  Mu¬ 
sterstallungen  in  Norddeutschland  besucht  und  berichtet  nun  über  die 
Erfahrungen  dieser  Studienreise.  Es  wird  geschildert,  mit  welchen 
Schwierigkeiten  der  Milchwirt  zu  kämpfen  hat,  um  die  Tuberkulose 
aus  seinen  Viehbeständen  auszuschalten.  Der  Wert  der  Tuberkulin¬ 
prüfung  und  die  bei  ihrer  Vornahme  notwendigen  Kautelen  werden 
besprochen.  Der  Unterschied  zwischen  Milchwirtschaften  mit  Zucht¬ 
betrieb  und  den  sogen.  Abmelkwirtschaften  wird  dargelegt;  deren 
verschiedenartige  Stellung  zur  Tuberkulosefrage  begründet.  Die  Pro¬ 
duktionskosten  der  Milch  werden  angegeben,  die  Frage,  der  „Vor¬ 
zugsmilch“  oder  „Säuglingsmilch“  wird  eingehend  erörtert.  Das 
Verlangen  v.  Behrings,  die  Säuglinge  mit  roher  Milch  zu  er¬ 
nähren,  wird  kritisiert.  Die  Kontrolle  des  Gesundheitszustandes  der 
Milchtiere  und  die  eigentliche  Stallhygiene  erfahren  eine  eingehende 
Besprechung.  Insbesondere  wird  gegen  das  holländische  System  der 
Aufstallung  Front  gemacht  und  dafür  eine  einfachere  gesunde  Stal¬ 
lung,  verknüpft  mit  besonderem  Abwasch-  und  Melkraum  empfohlen. 

2)  Julius  Peiser:  Wabenlunge  im  Säuglingsalter.  (Aus  der 
Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  zu  Breslau.) 

Schilderung  und  Abbildung  eines  Falles  von  angeborener  Bronchi- 
ektasie  mit  sekundärer  katarrhalischer  Pneumonie  und  Abszessbil¬ 
dung. 

3)  Robert  S  c  h  1  ii  t  e  r  -  Magdeburg:  Erstes  Sanimelreferat  über 
Arbeiten  aus  der  Lehre  von  der  Tuberkulose. 

Auf  über  25  Seiten  sind  eine  grosse  Anzahl  von  Arbeiten  referiert. 
Das  Kapitel  „Infektion,  Infektionswege“  hat  aber  durch  Weglassung 
wichtiger  Publikationen  eine  zu  einseitige  Bearbeitung  gefunden. 

Referate,  Albert  Uff  enheimer  -  München. 

Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten.  43.  Band. 
1.  Heft.  1907. 

E.  Meyer:  Klinisch-anatomische  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
progressiven  Paralyse  und  der  Lues  cerebrospinalis,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Rückenmarksveränderungen.  Hierzu  3  I  afeln. 

Von  3  klinisch,  pathologisch-anatomisch  und  besonders  diffe¬ 
rentialdiagnostisch  sehr  interessanten  Fällen  sprach  der  erste  klinisch 
mehr  für  Lues  cerbrospinalis,  war  aber  anatomisch  sicher  Paralyse. 
Im  zweiten  Fall  wurde  klinisch  mit  Sicherheit  die  Diagnose  Para¬ 
lyse  gestellt,  die  anatomische  Untersuchung  ergab  zweifellos  Lues 
cerebrospinalis.  Dabei  wurde  die  Lues  cerebri  nicht  etwa  nur  aus 
dem  Fehlen  der  pathologischen  Rindenveränderung,  sondern  auch  aus 
typisch  syphilitischen  Befunden,  wie  Gummi,  H  e  11  b  n  e  r  scher  Etid- 
arteriitis  usw.  erschlossen.  Der  dritte  Fall  liess  klinisch  zwei  Deu¬ 
tungen  zu,  Paralyse  oder  Alkoholismus,  event.  beide,  erwies  sich 
aber  anatomisch  auch  als  Lues  cerebri.  Die  Untersuchung  des 
Rückenmarks  der  genannten  3  Fälle  und  weiterer  9  Fälle  von  Para¬ 
lyse,  Tuberculosis  cerebri,  Meningitis  tuberculosa  und  Autointoxi¬ 
kationspsychose  zwingt  dazu,  die  Frage,  ob  bei  der  Paralyse  im 
Rückenmark  die  gleichen  chronisch  entzündlichen  Veränderungen  wie 
in  der  Hirnrinde  sich  finden,  zu  bejahen. 

Drei  Arten  von  paralytischen  Erkrankungsformen  des  Rücken¬ 
markes  werden  unterschieden:  1.  Primäre  strangartige  Degeneration 
ohne  nachweisbaren  Zusammenhang  mit  einer  Hirnerkrankung.  2.  Se¬ 
kundär  absteigende  Degeneration  von  Hirnherden,  speziell  Rinden¬ 
herden  aus.  3.  Diffuse  adventitielle  Plasmazellen  und  Lymphozyten¬ 
infiltration  als  Ausdruck  eines  chronisch  entzündlichen  Prozesses. 
„Der  Nachweis  des  chronisch  entzündlichen  Prozesses  im  Rücken¬ 
mark  vervollständigt,  so  geringfügig  die  Veränderungen  meist  auch 
sind,  doch  die  Kette  der  Beweise,  dass  das  ganze  Nervensystem  bei 
Paralyse  Sitz  ein  und  desselben  chronischen  Entzündungsprozesses 
ist.“  ' 

H.  di  Gaspero:  Der  psychische  Infantilismus.  Eine  klinisch¬ 
psychologische  Studie.  (Aus  der  neurologisch-psychiatrischen  Uni¬ 
versitätsklinik  in  Graz.)  Hierzu  2  Abbildungen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1548 


Auf  Grund  von  5  eigenen  Fällen  und  deren  genauer  psychologisch¬ 
klinischer  Analyse  werden  zwei  Gruppen  aufgestellt:  Der  echte 
psychische  Infantilismus  als  Persistenz  des  kindlichen  Seelenlebens 

—  die  hierhergehörigen  Individuen  sind  reife  Kinder  und  gänzlich 
unreife  Erwachsene  —  und  der  kleindimensionale  Entwicklungsgrad 

—  es  besteht  eine  „Miniaturpsyche“.  Die  betreffenden  Individuen  sind 
halb  Erwachsene  und  halb  Kinder.  —  Weiter  werden  die  Differential¬ 
diagnose,  die  Pathologie  (die  infantilen  Erinnerungsfälschungen,  der 
infantile  Verstimmungszustand,  infantile  Psychosen),  der  Verlauf  und 
die  Ausgänge  des  psychischen  Infantilismus  an  der  Hand  eigener 
Beobachtungen  eingehend  erörtert.  Im  übrigen  sei  auf  das  Ori¬ 
ginal  der  umfangreichen  Arbeit  verwiesen. 

Wassermeyer:  Zur  Pupillenuntersuchung  bei  Geistes¬ 

kranken.  (Aus  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  zu  Kiel.) 

Nachdem  B  u  m  k  e  das  Fehlen  der  Pupillenunruhe,  der  Psycho- 
reflexe  und  der  Erweiterung  der  Pupillen  auf  sensible  Reize  geradezu 
als  typisch  für  Dementia  praecox  erklärt  hat  —  ein  ungemein  wich¬ 
tiges  Symptom,  wenn  es  in  der  Fassung  zu  Recht  bestände  — ,  sind 
die  sorgfältigen  Nachuntersuchungen  des  Verf.  an  100  Geisteskranken 
und  Kontrolluntersuchungen  an  174  Soldaten,  die  er  abweichend  von 
anderen  Untersuchern  mit  dem  vorzüglichen  Z  e  i  s  s  sehen  binoku¬ 
laren  Mikroskop  vornahm,  als  besonders  wertvoll  zu  begrüssen. 

Das  Fehlen  von  Pupillenunruhe  und  Psychoreflexen  kommt  nach 
des  Verfassers  Beobachtungen  allerdings  vorwiegend  bei  geistigen 
Schwächezuständen,  wie  Imbezillität  und  epileptischer  Demenz, 
ausserdem  bei  den  von  Bumke  unter  dem  Begriff  der  Dementia 
praecox  zusammengefassten  funktionellen  Psychosen  vor.  Die  Be¬ 
hauptung  B  u  m  k  e  s,  dass  Psychoreflexe  und  Pupillenunruhe  bei 
Dementia  praecox  auf  der  Höhe  der  Erkrankung  stets  fehlen,  geht 
entschieden  zu  weit.  Dass  Verf.  vor  allem  zunächst  ausgedehnte, 
systematische  Untersuchungen  an  Gesunden  als  notwendig  verlangt, 
bei  denen  er  vereinzelt  bereits  das  Fehlen  dieser  Zeichen  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  fand,  kann  man  nur  gutheissen. 

.Toh.  Longard:  Ueber  „moral  insanity“.  Hierzu  eine  Ab¬ 
bildung. 

4  einschlägige  Beobachtungen  werden  in  extenso  mitgeteilt  und 
besprochen.  Unter  „moral  insanity“  versteht  Verf.  auf  erblich  de- 
generativem  Boden  erwachsene  Formen  geistiger  Abnormität,  die 
Degenerationszustände  vorstellen.  Diese  Formen  sind  wegen  der  an¬ 
geborenen,  teilweise  idiotischen  Veranlagung  der  Idiotie  oder  deren 
leichterem  Grade,  der  Imbezillität,  unterzuordnen,  wobei  man  gut  tut, 
noch  eine  die  Haupteigenschaft  kennzeichnende  Bezeichnung  hinzu-, 
zufügen  und' von  „moralischer  Idictie“  oder  „moralischer  Imbezillität“ 
zu  sprechen. 

Karl  Heilbronner:  Zur  Symptomatologie  der  Aphasie,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Beziehungen  zwischen  Sprachver¬ 
ständnis,  Nachsprechen  und  Wortfindung.  (Aus  der  psychiatrischen 
Klinik  der  Reichsuniversität  Utrecht.)  (Schluss  folgt.) 

Bo  ege:  Die  periodische  Paranoia.  Eine  kritische  Studie  zur 
Paranoiafrage. 

Von  allen  (26)  als  periodische  Paranoia  in  der  Literatur  ver¬ 
öffentlichten  Fällen  fanden  sich  nur  4,  bei  denen  nach  Verfassers 
Ansicht  die  Diagnose  auf  Grund  der  heutigen  klinischen  Kenntnisse 
nicht  bestritten  werden  konnte.  Die  anderen  von  der  Paranoia  aus- 
zuschliessenden  Hessen  sich  meistens  anderen  klinischen  Krankheits¬ 
bildern  zwanglos  beifügen. 

Renkichi  Moriyasu:  Das  Verhalten  der  Fibrillen  bei  progres¬ 
siver  Paralyse.  (Aus  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  zu  Kiel.) 
Hierzu  2  Abbildungen  im  Text. 

30  Fälle  von  progressiver  Paralyse  wurden  zur  Untersuchung 
herangezogen.  Die  Ganglienzellen  der  Grosshirnrinde  erscheinen  bei 
der  progressiven  Paralyse  in  grosser  Ausdehnung  krankhaft  ver¬ 
ändert  (besonders  in  Fibrillenpräparaten).  Die  Zerstörung  der  Neuro¬ 
fibrillen  beginnt  im  Zelleib,  besonders  in  der  perinukleären  Zone  und 
breitet  sich  dann  auf  die  Fortsätze  aus.  Zu  gründe  gehen  zuerst  die 
zarten  Fortsätze,  später  erst  die  Spitzenfortsätze.  Auch  die  extra¬ 
zellulären  Fibrillen  sind  gelichtet.  In  Fällen,  in  denen  der  Mark¬ 
scheidenschwund  bei  Weigertfärbung  sehr  stark  erscheint,  können  die 
I  i br i I len  überall  noch  ziemlich  gut  erhalten  bleiben.  Im  Hinterhaupt¬ 
lappen  ist  der  Faserschwund  in  der  Regel  am  schwächsten  aus¬ 
gesprochen. 

Im  Kleinhirn  nehmen  die.  Purkinje  sehen  Zellen  an  Zahl  stark 
ab  und  verlieren  (auf  Fibrillenbildern)  frühzeitig  ihre  Fortsätze.  Es 
pflegen  in  ihrer  Umgebung  die  korbartigen  Geflechte  zugrunde  zu 
gehen  und  die  Parallelfasern  am  Rande  der  Körnerschicht  zu  ver¬ 
schwinden.  Die  Fibrillen  der  Körnerschicht  sind  besonders  in  den 
ausseren  Abschnitten  vermindert. 

In  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks  können  die  Fibrillen 
gut  erhalten  bleiben.  Bei  sekundärer  Strangdegeneration  sieht  man  ge- 
lctfentlich  die  Fibrillen  stärker  betroffen  als  die  Markscheiden. 

W  .  La  r  io  n  off:  Die  feine  Struktur  und  eine  neue  Färbungs- 
methode  des  Gehirns  des  Menschen  und  der  Tiere.  Hierzu  Tafel  IV 
V  und  VI. 

Vereinfachte  Modifikation  der  G  o  1  g  i  sehen  Methode.  Gewin¬ 
nung  grossei  demonstrativer  durchsichtiger  Präparate  aus  dem  gan¬ 
zen  Gehirn  oder  Teilen  desselben  durch  Uebergiessen  von  dicken 
Mikrotomschnitten  mit  weissem  Spiritus-Sandarak-Lack  und  noch- 
maligem  Uebergmssen  nach  dem  Trocknen  mit  Kanadabalsam  in 
A}!oi.  Die  Einzelheiten  müssen  im  Original  nachgelesen  werden. 


Raecke:  Ueber  epileptische  Wanderzustände  (Fugues,  Porio- 
manie.  (Aus  der  psychiatrischen  und  Nervenklinik  der  Universität 
Kiel.) 

„Die  epileptischen  Wanderzustände  stellen  kein  eigentliches 
Krankheitsbild  dar.  Es  sind  scharf  zu  trennen  das  Wandern  im  epi¬ 
leptischen  Dämmerzustände  und  das  Wandern  ohne  Bewusstseins¬ 
trübung  im  Verlaufe  einer  epileptischen  Verstimmung.  Endlich  darf 
als  dritte  Gruppe  der  Hang  zu  impulsivem  Fortlaufen  bei  epilepti¬ 
schem  Schwachsinn  abgegrenzt  werden. 

Beim  Wandern  im  epileptischen  Dämmerzustände  finden  sich  Er¬ 
scheinungen  weitgehender  Störung  der  Ideenassoziation,  wie  sie  im 
allgemeinen  bei  Hysterischen  nicht  vorhanden  sind. 

In  forensischen  Fällen  muss  man  stets  versuchen,  durch  Ver¬ 
nehmung  von  Augenzeugen  direkte  Anhaltspunkte  für  das  Bestehen 
eines  epileptischen  Dämmerzustandes  zur  Zeit  .der  Tat  zu  erlangen. 
Der  Nachweis  epileptischer  Antezedentien  genügt  an  sich  noch  nicht. 
Die  Amnesie  ist  kein  einwandsfreies  Symptom.  Dauernd  geordnetes  ~ 
Verhalten  ohne  Verkehrtheiten  in  Wort  und  Tat,  abgesehen  von  dem 
Delikte  selbst,  spricht  zunächst  gegen  einen  Dämmerzustand.“ 

Nekrolog:  Paul  Möbius. 

Anton-  München :  Bemerkung  zu  Podest  äs  Aufsatz: 
Häufigkeit  des  Selbstmordes  in  der  Marine,  in  dieser  Zeitschrift, 

Bd.  42,  1.  Heft,  S.  32  ff. 

Podestä:  Entgegnung  auf  vorstehende  Bemerkung. 

Referate.  Germanus  F  1  a  t  a  u  -  Dresden. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  28  u.  29,  1907. 

1)  H.  Oppenheim  und  M.  B  o  r  c  h  a  r  d  t  -  Berlin:  Ueber 

2  mit  Erfolg  operierte  Fälle  von  Geschwulst  am  Kleinhirnbrücken¬ 
winkel. 

H.  Oppenheim  berichtet  über  die  Krankengeschichte  und 
neurologischen  Befund  der  beiden  Fälle,  von  denen  der  erste,  ein 
26  jähriger  Mann,  nach  Entfernung  eines  zirka  eigrossen  Fibrosarkoms 
an  der  diagnostizierten  Stelle  trotz  vorhandener  schwerer  Symptome 
geheilt  wurde,  während  beim  zweiten,  der  bereits  Sehnervenatrophie 
darbot,  das  Leben  erhalten  und  einzelne  Symptome  zum  Verschwin¬ 
den  gebracht  werden  konnten.  —  Borchardt  bespricht  die  zur 
Anwendung  gebrachten  Operationsmethoden,  mit  Beigabe  einer  Zeich¬ 
nung. 

2)  V.  Babes  und  A.  V  a  s  i  1  i  u- Bukarest:  Die  Atoxylbehand- 

lung  der  Pellagra. 

Nach  einem  kurzen  Ueberblick  über  die  derzeitigen,  wenig  be¬ 
friedigenden  Behandlungsmittel  der  für  Rumänien  eine  sehr  grosse 
Rolle  spielenden  Pellagra  werden  die  Ergebnisse  der  Atoxylinjek- 
tionen  an  leichteren  und  schwereren  Fällen  geschildert.  Mit  Aus¬ 
nahme  der  schweren  zerebralen  Zustände  und  der  Tachykardie 
werden  selbst  durch  geringe  Dosen  des  Mittels  die  Pellagrasym¬ 
ptome  oft  mit  einem  Schlage  gebessert  oder  zum  Verschwinden  ge¬ 
bracht.  Ueber  die  Dauererfolge  sprechen  sich  die  Verfasser  zu¬ 
rückhaltend  aus  —  jedenfalls  leistet  die  Atoxylbehandlung  bisher  das 
Beste. 

3)  K.  W  a  1 1  i  c  z  e  k  -  Breslau :  Ueber  Hyperostose  der  Ober¬ 
kiefer. 

Unter  Zugrundelegung  eines  von  ihm  operierten  Falles  —  es 
finden  sich  in  der  Literatur  nur  noch  5  ähnliche  —  bespricht  Verfasser 
die  seltene,  auf  chronisch  entzündlicher  Ostitis  beruhende  Affektion. 

In  dem  mitgeteilten  Falle  (27  jähriger  Gasarbeiter),  dessen  Heilung 
unter  Komplikationen  erfolgte,  war  der  Entzündungsprozess  vom 
Alveolarfortsatz  beider  Oberkiefer  ausgegangen.  Die  Veranlassung 
der  ätiologisch  unklaren  Krankheit  ist  wiederholt  ein  Trauma  ge¬ 
wesen. 

4)  O.  G  r  o  s  s  e  -  München:  Improvisierte  Asepsis. 

G.  sterilisiert  mittels  Wasserdampfes  in  zwei  ineinandergestellten 
Töpfen  (nur  die  Messer  in  Glasröhren  eingeschlossen)  und  hält  nach 
seinen  Untersuchungen  auch  für  die  Verbandstoffe  10  Minuten  langes 
Durchströmen  des  Dampfes  für  ausreichend.  Ueber  die  Einzelheiten 
ist  das  Original  zu  vergleichen.  Für  die  Hautdesinfektion  wird  3  Mi¬ 
nuten  langes  Abreiben  mit  Brennspiritus  auch  von  G.  empfohlen. 

5)  L.  B  1  u  m  r  e  i  c  h  -  Berlin :  Zur  Frage  spontaner  Zervixver- 
letzung  beim  Abort  und  dessen  forensische  Bewertung. 

In  dem  von  B.  gesehenen  und  zwar  im  ganzen  Verlaufe  be¬ 
obachteten  Falle  (junge  Primipara)  erfolgte  während  des  Abortus 
(4.  Monat)  eine  Abreissung  der  hinteren  Hälfte  der  Port,  vaginal, 
von  der  Scheidenwand.  Die  Ursache  ist  wahrscheinlich  in  abnormer 
Rigidität  der  Muttermundspartie  zu  suchen.  Unter  anderen  Ver¬ 
hältnissen  hätte  man  sicher  an  einen  kriminellen  Eingriff  denken 
müssen.  Verf.  referiert  über  ähnliche  Fälle  aus  der  Literatur. 

6)  H  e  1  b  r  o  n  -  Berlin:  Die  Tuberkulose  des  Auges  und  ihre  Be¬ 
handlung. 

In  der  Berliner  Universitäts-Augenklinik  beträgt  die  Häufigkeit 
der  Tuberkulose  der  Augen  ca.  Vz  Proz.,  also  gegenüber  anderen 
Statistiken  sehr  viel.  Verf.  referiert  über  die  verschiedenen  Formen 
und  Lokalisationen  der  Augentuberkulose,  die  Diagnose  derselben. 
Die  Prognose  ist  doch  nicht  so  ernst,  als  meist  angegeben  wird.  In 
der  Behandlung  spielen  Injektionen  mit  Tuberkulin  T.  R.  eine  Rolle, 
die  Erfahrungen  darüber,  ebenso  jene  mit  v.  Behrings  Tulase,  be¬ 
rechtigen  aber  noch  nicht  zu  einem  bestimmten  Urteil. 

No.  29.  I )  S.  P 1  a  c  z  e  k  und  F.  K  r  a  u  s  e  -  Berlin :  Zur  Kenntnis 
der  umschriebenen  Arachnitis  adhaesiva  cerebralis. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1549 


Cf.  Bericht  der  Münch,  med.  Wochenschr.  über  die  Sitzung  der 
Berl.  med.  Gesellschaft  vom  10.  Juli  1907. 

2)  J.  P  e  i  s  e  r  -  Breslau:  Ueber  das  habituelle  Erbrechen  der 
Säuglinge  („Speikinder“). 

ln  einer  Reihe  solcher  Fälle  handelt  es  sich  um  Ueberernahrung 
und  zu  kurze  Trinkpausen,  -in  anderen  um  eigentliches  nervöses  Er¬ 
brechen  bei  neuropathisch  veranlagten  Kindern,  wobei  vielleicht  ein 
reflektorischer  Pylorospasmus  zugrunde  liegt.  In  beiden  Gruppen 
leidet  die  Ernährung  meist  nicht,  wohl  aber  bei  einer  weiteren  Kate¬ 
gorie  von  Säuglingen,  welche  nur  speien,  wenn  man  sie  nach  dem 
Trinken  nicht  ruhig  liegen  lässt.  Wie  dem  Verf.  Röntgendurchleuch¬ 
tungen  zeigten,  ist  bei  diesen  „schlaffen“  Kindern  die  Magenperistaltik 
vermindert.  Manche  Kinder  speien  auf  jede  milch-  resp.  milchreichere 
Nahrung.  In  -einem  zur  Operation  gebrachten  Falle  habituellen  Er¬ 
brechens  fanden  sich  als  Gründe  desselben  Reste  einer  fötalen  Peri¬ 
tonitis.  Das  Kind  genas. 

3)  M.  Lewandowsky  -  Berlin :  Ueber  Apraxie  des  Lid¬ 
schlusses. 

In  einem  Falle  typischer  linksseitiger  Hemiplegie  (64jähr.  Mann) 
konnte  bei  bestehender  unbedeutender  Fazialisparese  der  aktive  Lid¬ 
schluss  beiderseits  nicht  mehr  vollzogen  werden,  dagegen  war  der 
Blinzelreflex  erhalten.  Hysterie  wird  ausgeschlossen.  Es  handelt  sich, 
wie  L.  in  der  Epikrise  dartut,  um  einen  durch  sogen.  Seitenlähmung 
bedingten  Motilitätsausfall.  Apraxie  des  Lidschlusses  kann  auch  auf 
organischer  Basis  Vorkommen. 

4)  C.  Funck-Köln:  Zur  Biologie  der  perniziösen  Blutkrank¬ 
heiten  und  der  malignen  Zellen. 

F.  führt  aus,  dass  bei  gewissen  Krankheiten  des  Blutes  Kate¬ 
gorien  von  Zellen  desselben  den  Charakter  maligner  Zellen  annehmen, 
die  gegen  gewisse  -Noxen  widerstandsschwächer  sind  als  physio¬ 
logische  Zellen.  Die  Ptomaine,  besonders  das  von  C  o  1  e  y  isolierte 
Ptomain  haben  die  stärkste  Wirkung  auf  die  maligne  Zelle. 

5)  H.  Ne  u  m  an  n -Potsdam:  Zur  Behandlung  des  Erysipels  mit 
Metakresolanythol. 

Bei  23  Fällen  hat  Verf.  die  Substanz  mittels  Aufpinseln  aut  -die 
Haut  angewendet  und  konnte,  wie  die  Krankengeschichten  zeigen, 
meist  rasche  Heilung  herbeiführen.  Das  Präparat  ist  reizlos  und  un¬ 
giftig. 

6)  F.  M  o  s  e  s  -  Berlin:  Der  heutige  Stand  der  Atoxylbehandlung 
der  Syphilis,  unter  Mitteilung  eigener  Beobachtungen. 

M.  referiert  in  Kürze  über  die  bisher  -betr.  der  Syphilistherapie 
mit  Atoxyl  gemachten  Mitteilungen.  Das  Atoxyl  ist  kein  Mittel,  das 
heute  schon  sorglos  dem  Praktiker  übergeben  werden  könnte,  es  ist 
vor  allem  auch  stark  giftig  und  entfaltet  häufig  unangenehme  Neben¬ 
wirkungen.  Verf.  kann  über  19  Fälle  eigener  Beobachtung  berichten. 
Von  diesen  wunden  5  durch  Atoxyl  allein  geheilt,  7  wurden  gebessert, 
in  4  Fällen  musste  die  Kur  wegen  Nebenerscheinungen  abgebrochen 
werden;  überhaupt  blieben  nur  7  Fälle  ohne  Nebenwirkungen.  In 
Fällen,  die  sich  gegen  Hg  intolerant  oder  refraktär  verhalten,  kann 
vom  Atoxyl  mit  Vorteil  Gebrauch  gemacht  werden. 

Grassman  n  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  29. 

1)  Bier-Berlin:  Beeinflussung  bösartiger  Geschwülste  durch 
Einspritzung  von  artfremdem  Blut. 

Die  vorsichtige  Injektion  artfremden  Blutes  ist  nach  B.  das  un¬ 
schädlichste  Mittel,  um  eine  Entzündung  und  Fieber  beim  Menschen 
hervorzurufen.  Die  -damit  einhergehenden  Lösungs-  und  Einschmel¬ 
zungsprozesse  versuchte  er  für  bestimmte  Heilzwecke  auszunützen; 
so  injizierte  er  Schweineblut  in  inoperable  Karzinome  und  deren  Um¬ 
gebung.  Die  günstige  Wirkung  zeigte  sich  darin,  dass  die  erreich¬ 
baren  Geschwulstabschnitte  einer  trockenen  Nekrose  verfielen,  ähn¬ 
lich  wie  nach  Einspritzung  des  neuen  v.  Leyden-  und  B  e  r  g  e  1 1  - 
sehen  Leberferments;  oder  er  beobachtete  eine  heftige  entzündliche 
Reaktion  und  Bindegewebsneubildung  in  der  Umgebung,  durch  welche 
das  Karzinomgewebe  erdrückt  wurde.  Einspritzung  artfremden  Blutes 
wirkte  auch  günstig  bei  Prostatahypertrophie. 

2)  Felix  F  r  a  n  k  e  -  Braunschweig:  Diagnose  und  Behandlung 
der  chronischen  Gelenkerkrankungen.  Klinischer  Vortrag. 

3)  Jul.  C  i  t  r  o  n  -  Berlin :  Ueber  Komplementbindungsversuche 
bei  infektiösen  und  postinfektiösen  Erkrankungen  (Tabes  dorsalis  etc.) 
sowie  bei  Nährstoffen. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  am  3.  VI.,  ref.  M.  m.  W. 
1907,  No.  24,  S.  1203. 

4)  H.  Strauss  und  J.  Leva-Berlin:  Ueber  eine  neue  Form 
der  Motilitätsprüfung  des  Magens. 

Probefrühstück,  bestehend  in  -einer  bestimmten  Menge  eines  fett¬ 
haltigen  Zwiebacks  von  gleichartiger  Zusammensetzung  und  400  ccm 
Thee.  Nach  1  Stunde  Ausheberung,  dann  Reinwaschung  des  Magens 
mit  2  Spülungen.  Die  Filterrückstände  werden  teilweise  eingedampft, 
dann  Fettbestimmung  auf  refraktometrischem  Wege  nach  Wollny. 
Das  Fettzwiebackprobefrühstück  gestattet  nicht  nur  Schlüsse  auf  die 
Motilität,  sondern  ist  auch  für  die  Sekretionsprüfung  gleichzeitig  zu 
verwerten. 

5)  M  a  r  c  u  s  -  Pyrmont:  Untersuchungen  bei  2  Fällen  von  Gicht. 

Bei  2  Fällen  von  chronischer  Gicht  beobachtete  M.  beträchtliche 
Mehrausscheidung  von  gelösten  Harnbestandteilen  und  von  N  nach 


Gebrauch  Pyrmonter  Salzbrunnens  —  im  Vergleich  zu  destilliertem 
Wasser. 

6)  L.  Caro -Posen:  Heilung  eines  Falles  von  vorgeschrittener 
B  a  n  t  i  scher  Krankheit  durch  Milzexstirpation. 

Nach  -der  Operation  Besserung  des  Hb-Gehalt-es,  Anstieg  der 
roten  und  weissen  Blutkörperchen;  nach  einem  Jahre  waren  die  Ver¬ 
hältniszahlen  einigermassen  normal.  Die  vor  der  Operation  zeit¬ 
weise  auftretenden  Temperaturerhöhungen  verloren  sich  einige 
Wochen  nach  derselben. 

7)  H.  V  ö  r  n  e  r  -  Leipzig:  Ein  Fall  von  Oedema  cutis  factitium. 

Bei  einem  25  jährigen  Mann  zeigte  sich  auf  mechanische  Einflüsse 
hin  vorübergehend  Oedem  der  betr.  Hautpartien;  die  prominenten 
Hautbezirke  waren  zuerst  blass,  dann  oft  rot  umrändert,  schliesslich 
von  gleichmässiger  Rötung,  die  sich  nach  Abschwellung  langsam  ver¬ 
wischte,  an  den  Extremitäten  öfters  livide  werdend.  Die  Schleim¬ 
häute  blieben  frei,  während  sie  beim  akuten  zirkumskripten  Haut¬ 
ödem  Quinckes  öfters  befallen  werden.  Ein  gewisse  Aehnlichkeit 
bestand  mit  Urticaria  gigantea. 

8)  W.  B  ö  c  k  er  -  Berlin:  Ueber  paralytische  Luxationen  der 
Hüfte,  ihre  Entstehung  und  Behandlung.  (Schluss.) 

Verf.  bringt  aus  der  H  o  f  faschen  Klinik  4  Fälle  von  permanenter 
Hiiftluxation  bei  spinaler  Kinderlähmung.  Das  Röntgenbild  zeigte 
den  Kopf  deutlich  nach  oben  verlagert  (Lux.  para-  bezw.  supra- 
cotyloidea),  oder  nach  vorne  unter  den  horizontalen  Schambeinast 
getreten  (Subluxatio  infrapubica  mit  Nearthrosenbil-dung,  d.  h.  Ver¬ 
schiebung  und  Ausweitung  der  Pfanne  nach  vorn  und  unten).  Bei 
frsichen  Fällen  von  Luxation  empfiehlt  Verf.  Tenotomie  und  Re¬ 
dressement,  bei  älteren  blutige  Reposition. 

R.  Grashey  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 
No.  14.  1907. 

A.  Siegrist-Bern:  Ueber  die  Notwendigkeit,  die  Augen  der 
schulpflichtigen  Kinder  vor  dem  Schuleintritt  untersuchen  zu  lassen 
und  über  die  Beziehungen  des  Astigmatismus  zur  Myopie.  (Schluss 
folgt.) 

O.  T  e  u  t  s  c  h  1  ä  n  d  e  r  -  Bellelay;  Zur  Kasuistik  des  Echino¬ 
coccus  alveolaris  (pathologisch-anatomische  un-d  klinische  Notizen 
über  drei  neue  Fälle).  (Schluss.) 

Einmal  nur  in  der  Leber  Herde,  einmal  zahlreiche  grosse  Herde 
in  Gehirn,  Lunge,  Leber  (in  beiden  Organen  Kavernen),  Nebenniere 
(wohl  Kontinuitätsmetastase  von  -der  Leber),  einmal  Kombination 
mit  Bauchfelltuberkulose. 

Im  Kanton  St.  Gallen  ist  Alveolarechinococcus  endemisch. 

P  i  s  c  h  i  n  g  e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  29.  Th.  vande  Velde  - Haarlem:  Neueres  über  die  Hebo- 
tomie. 

Der  Artikel,  welcher  durch  eine  Reihe  von  Abbildungen  über 
die  beckenerweiternden  Operationen  ergänzt  wird,  befasst  sich  haupt¬ 
sächlich  mit  der  dauernden  Beckenerweiterung  nach  Hebotomie.  Die 
Erweiterung,  nicht  nur  bei  Beckeneingangs-  sondern  auch  Beckenaus¬ 
gangsverengerung  lässt  sich  in  vielen  Fallen  in  genügendem  Masse 
erzielen,  wenn  man  nach  der  Hebotomie  von  dem  gebräuchlichen 
Kompressionsverband  absieht.  Drei  so  behandelte  Frauen  haben 
später  spontan  und  relativ  leicht  Kinder  geboren,  welche  schwerer 
waren  als  das  mit  Hilfe  der  Hebotomie  geborene.  Demnach  scheint 
es  überflüssig  weiter  nach  besonderen  komplizierten  Operationen  zur 
Beckenerweiterung  zu  suchen. 

E.  -F  r  i  e  d  b  e  r  g  e  r  -  Königsberg  i.  Pr.:  Hat  die  Methode  der 
Komplementablenkung  eine  Bedeutung  für  die  Diagnose  der  Lyssa r 

In  Ueber-einstimmung  mit  Heller  und  Tomaskin  fand  Verf., 
dass  das  Komplementablenkungsverfahren  bei  Lyssa  kein  positives 
Ergebnis  liefert. 

J.  Ri  c  h  t  e  r  -  Wien:  Entzündung  um  Fremdkörper  als  Tumor 
operiert. 

Zwei  Fälle:  Ein  grosser  Bauchdeckentumor  um  eine  Blasenwand¬ 
geschwulst.  Nach  -der  Exstirpation  fanden  sich  beim  ersteren  in  der 
Mitte  mehrere  Eisendrahtstücke,  in  letzterem  ein  Holzsplitter.  Die 
Herkunft  der  Fremdkörper  war  nicht  zu  eruieren,  wahrscheinlich 
dürften  sie  aus  dem  Darmkanal  an  Ort  und  Stelle  gelangt  sein. 

E.  S  t  o  e  r  k  und  O.  Hahn-del  -  Wien:  Ein  Fall  von  Taenia  nana 
in  Oesterreich. 

Krankengeschichte.  Bei  der  Kleinheit  des  Parasiten  wird  der¬ 
selbe  vielleicht  oft  übersehen.  Nach  Extract.  filic.  gingen  Tausende 
von  Exemplaren  ab.  Nach  lVz  Jahren  Rezidiv  und  neuerliche  Kur. 
Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Taenia  nana  keines  Zwischenwirtes 
bedarf  und  als  Zystizerkoid  in  -demselben  Wirte  lebt  wie  die  'I  aenie. 
Versuche,  an  weissen  Ratten  das  Zystizerkoidstadium  zur  Entwicklung 
und  Beobachtung  zu  bringen,  fielen  negativ  aus. 

Wiener  medizinische  Presse. 

No.  19.  M.  O  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Wien:  Zur  Behandlung  der  Haut- 
und  Geschlechtskrankheiten  mit  Bier  scher  Stauung. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1550 


No.  31. 


Die  Stauungsbehandlung  zeigte  sich  einflusslos  bei  Psoriasis, 
Alopecia  areata  und  seborrhoica  und  chronischem  Ekzem;  dagegen 
ist  sie  wirksam  bei  allen  akut  eitrigen  Affektionen  wie  bei  Abs¬ 
zessen,  Furunkeln,  Lymphdrüsenentzündungen;  lebhaft  empfiehlt  sie 
Verf.  bei  der  Arthritis  gonorrhoica  und  Ulcus  gummosum  cruris.  Die 
Resultate  bei  Epididymitis  gonorrhoica  oder  tuberculosa  sind  noch 
zweifelhaft. 

No.  19.  A.  S  o  n  n  e  n  s  c  h  e  in -Liebau:  Einiges  über  Keuch¬ 
husten. 

S.  empfiehlt  als  relativ  wirksame  Therapie  ausser  der  Luftver¬ 
änderung  und  der  Ruhigstellung  des  Kehlkopfes  (nur  bei  älteren 
Kindern  durchführbar)  die  Inhalation  von  Wassendämpfen  mit  Zu¬ 
satz  von  etwas  Kochsalz  und  einiger  Tropfen  Aqu.  lauroceras.  (10 
bis  20  auf  1  Liter)  und  innerlich  12 — 20  Tropfen  Tinct.  Belladonna 
auf  70  -Wasser  event.  mit  Codein.  hydrochl.  0,01 — 0,02,  tagsüber  zu 
nehmen. 

No.  21.  J.  Pal -Wien:  Angeborene  Dextrokardie  (Dextroversio 
cordis)  mit  Aortenstenose. 

Krankengeschichte  und  Obduktionsbefund  eines  von  der  Geburt 
bis  zum  49.  Jahr  ärztlich  verfolgten  Falles.  Fötale  Endokarditis  am 
Konus  der  Aorta  mit  hochgradiger  Aortenstenose  und  Hypertrophie 
des  linken  Ventrikels  während  des  foetalen  Lebens  haben  die  schon 
nach  der  Geburt  konstatierte  Dextroversion  herbeigeführt. 

No.  22.  F.  T  u  t  s  c  h  -  Unterlangendorf:  Das  Autan  in  der  Land¬ 
praxis. 

f.  empfiehlt  die  Desinfektion  von  Wohnräumen  durch  Autan 
als  ein  sicheres,  leicht  ausführbares,  unschädliches  und  verhältnis¬ 
mässig  billiges  Verfahren. 

No.  24.  M.  v.  Z  ei  s  s  1  -  Wien:  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit 
Atoxyl. 

Verf.  fasst  nach  4  jähriger  Anwendung  des  Atoxyls  sein  Urteil 
vorläufig  dahin  zusammen,  dass  das  Mittel  kaum  ein  wirkliches  Anti- 
syphiliticum  ist,  möglicherweise  aber  durch  die  roborierende  Arsen¬ 
wirkung  sich  eine  Bedeutung  in  dem  Sinne  verschaffen  wird,  dass 
die  .Syphilisbehandlung  mit  einer  geringeren  Menge  der  eigentlichen 
Antisyphilitica  auskommen  kann.  Nebenbei  Erwähnung  verdient  die 
prompte  Wirkung,  welche  in  manchen  Fällen  das  Arsen  bei  häufigen 
Pollutionen  jugendlicher  Individuen  hat. 

No.  23/25.  P.  P  r  e  g  o  w  s  k  i  -  Warschau-München ;  Zum  Kapitel 
der  Tuberkulosebehandlung. 

P.  gibt  die  Krankengeschichten  von  20  Fällen,  die  er  einer  lo¬ 
kalen  Fhermophorbehandlung  unterzogen  hat;  bei  den  15  Kranken 
mit  lokalisierter  Tuberkulose  lauten  die  Erfahrungen  ziemlich  er¬ 
mutigend,  im  allgemeinen  trat  eine  günstige  Beeinflussung  zu  tage. 

.  No.  26.  J.  Strasser  -  Wien :  Das  v.  G  r  a  e  f  e  sehe  Zeichen  bei 
einer  traumatischen  Neurose. 

Das  Zeichen  wurde  bei  der  ersten  Untersuchung  durch  den  Ver- 
tasser  ein  halbes  Jahr  nach  einer  heftigen  Commotio  cerebri  mit  ge¬ 
kreuzter  Hemiparese  als  ein  Begleitsymptom  im  Bilde  der  trau¬ 
matischen  Neurose  festgestellt. 

K.  Bi  oschniowski-St.  Petersburg:  Gehirnabszess  otiti- 
schen  Ursprunges,  Operation,  Genesung. 

Kasuistische  Mitteilung.  Bergeat  -  München. 

Dänische  Literatur. 

H.  J.  Bing:  Ueber  die  Bestimmung  der  Grenzen  des  Herzens 
bei  Perkussion.  (Bibliotek  for  Läger  1907,  H.  3—4.) 

Der  Verfasser  hat^  die  Goldscheider  sehe  Perkussion  nach 
Lurschtnann  und  iSchlayer  (D.  med.  Wochenschr.  1905)  an¬ 
gewandt.  Durch  Vergleich  mit  der  orthodiagraphischen  Methode 
fand  er  in  106  Fällen  die  rechte  Grenze  richtig  in  71  Proz.,  die  linke 
richtig  in  70  Proz.,  beide  Grenzen  richtig  in  54  Proz.,  beide  Grenzen 
unrichtig  in  10  Proz,  Als  richtig  wird  die  Grenze  bezeichnet,  wenn 
sie  nicht  mehr  als  Vs  cm  von  der  bei  der  Orthodiagraphie  gefundenen 
abwich.  Nach  Erörterung  der  Fehlerquellen,  von  welchen  die  wich¬ 
tigste  Lungenemphysem  ist,  resümiert  der  Verfasser  seine  Anschau¬ 
ungen  lolgendermassen :  Zur  Bestimmung  der  Grösse  des  Herzens 
ist  die  beste  klinische  Methode  die  Orthodiagraphie.  Wenn  man 
diese  nicht  anwenden  will,  soll  man  bei  der  Perkussion  ausser  der 
a  isoluten  Herzdämpfung  auch  die  totale  bestimmen.  Zu  diesem 
Zwecke  ist  die  G  o  Ed  s  c  h  e  i  d  e  r  sehe  Methode  zu  empfehlen,  die 
jedoch  vollständige  Ruhe  in  dem  Zimmer  erfordert.  Wenn  Unruhe  im 
immer  ist,  kann  die  abgedämpfte  Perkussion  und  Pettersons 
schwache  I  erkussion  gute  Hilfe  zur  Bestimmung  der  Herzgrenzen 
leisten  Die  Bezeichnung  „relative  Dämpfung“  und  die  Bestimmung 
derselben  .sind  entbehrlich. 

1907^No^  14^)  3  *  U  m’  neues  Saccharimeter.  (Hospitalstidende 

Dei  \  ertasser  hat  ein  Saccharimeter  konstruiert,  das  sehr  genau 
und  einfach  ist,  und  durch  welches  man  im  Verlaufe  von  5  Minuten 
die  quantitative  Zuckerbestimmung  im  Harn  machen  kann.  Der 
Apparat  ist  bei  Paul  Altmann,  Berlin,  Luisenstr.  47  zu  erhalten. 

1  liorvald  Kiär:  Ein  Fall  von  angeborenem  totalen  Mangel  an 
permanenten  Zähnen.  (Ibidem,  No.  15.) 

Es  handelte  sich  um  einen  25  jährigen  Mann,  der  seine  bleiben¬ 
den  Zähne  nie  gehabt  hatte.  Bei  der  Untersuchung  fanden  sich  noch 
5  Milchzähne  im  Oberkiefer;  das  Röntgenbild  zeigte,  dass  weder 
Zahnkeime  noch  bleibende  Zähne  in  den  Kiefern  vorhanden  waren. 


sowohl  die  Processus  alveolares  der  Maxilla  inf.  als  der  Maxilla  sup. 
waren  atrophisch;  der  Angulus  mandibulae  war  normal,  mass 
ca.  90  Grade.  Der  Patient  wog  bei  der  Geburt  4  kg;  die  Nägel  fehl¬ 
ten  sowohl  an  Händen  als  Füssen.  Die  Mut-ter  war  während  der 
Schwangerschaft  gesund,  sie  hatte  nie  abortiert.  Die  Eltern  ver¬ 
neinten  Syphilis  und  Tuberkulose.  In  den  ersten  Lebensjahren  war 
er  sehr  klein  und  anämisch,  entwickelte  sich  langsam.  Er  hatte 
die  Masern  und  den  Keuchhusten  im  3.,  die  Diphtherie  im  9.  Lebens¬ 
jahre  ohne  Komplikationen  durchgemacht,  hat  keine  Kieferkrank¬ 
heiten  gehabt.  Die  Ursache  der  Deformität  muss  in  einer  Entwick- 
lungsstörung  im  Fötalleben  gesucht  werden. 

V.  Saxtorph  Stein:  Eine  neue  Paraffinspritze  und  Bemerkungen 
über  die  Paraffinsclnnelzpunkte.  (Ibidem,  No.  18.) 

Die  von  dem  Verfasser  konstruierte  Paraffinspritze  für  hartes 
Paraffin  wird  abgebildet  und  ihre  Vorteile  gegenüber  den  landläufi¬ 
gen  Spritzen  erklärt. 

Louis  Bramson:  Pneumatische  Einlegesohlen  bei  Plattfuss. 

(Ibidem.) 

Der  Verfasser  empfiehlt  zur  Behandlung  von  Plattfuss  pneu¬ 
matische  Einlegesohlen.  Die  Stiefel  werden  in  der  HöhLung  der 
Fussohle  mit  einem  kleinen  Luftkissen  versehen,  das  ein  weiches 
elastisches  Lager  für  den  abnormen  Teil  des  Fusses  bildet  und  gleich¬ 
zeitig*  einen  gleichförmigen  Druck  gegen  denselben  ausübt.  Ver¬ 
mittels  eines  Luftschlauchs  steht  das  Luftkissen  in  Verbindung  mit 
einem  hinter  der  Ferse  angebrachten  Ventil,  so  dass  man  das  Luft¬ 
kissen  mit  einer  gewöhnlichen  Radpumpe  aufblasen  kann.  Die  Hülle 
des  Luftkissens  besteht  aus  Streckleinwand  und  ist  so  eingerichtet, 
dass  das  Kissen  an  der  inneren  Seite  des  Fusses  stärker  als  an  der 
äusseren  Seite  aufgeblasen  wird. 

Kr.  Po  u  Isen:  Luxatio  ossis  lunati.  (Ibidem,  No.  19  u.  20.) 

Die  Abhandlung  wird  in  extenso  in  deutscher  Sprache  veröffent¬ 
licht  werden. 

Jörgen  Jensen:  Fractura  tuberositatis  tibiae.  (Ibidem,  No.  23 

u.  24.) 

Bisher  wurden  40  Fälle  dieses  Bruchs  veröffentlicht,  der  Ver¬ 
fasser  teilt  10  neue  Fälle  mit  und  gibt,  zum  Teil  auf  Röntgenbilder 
gestützt,  eine  eingehende  Darstellung  des  Leidens.  Aus  seinen  Unter¬ 
suchungen  geht  u.  a.  hervor,  dass  die  Tuberositas  tibiae  immer  ihren 
eigenen  selbständigen  Knochenkern  hat,  die  Ossifikation  findet  vor 
dem  11.  Jahre  nur  ausnahmsweise  statt,  am  häufigsten  im  13.  Jahre; 
im  15,  Jahre  ist  die  Tuberositas  gewöhnlich  mit  der  Epiphyse  zu¬ 
sammengewachsen,  während  die  Knorpellinie  zwischen  der  Diaphyse 
und  der  Tuberoepiphyse  bis  zum  18.  bis  25.  Jahre  bleibt.  Die 
Tuberositas  des  rechten  Beines  ist  am  häufigsten  gebrochen.  Die 
Behandlung  der  leichteren  Fälle  der  unvollständigen  Frakturen  kann 
ambulant  geschehen;  bei  den  schwereren  Fällen  der  unvollständigen 
Fraktur  muss  der  Patient  8 — 14  Tage  im  immobilisierenden  Verband 
liegen  bleiben  oder  in  schräger  Elevation  mit  Eisbeutel  oder  Um¬ 
schlag  um  das  Knie,  nach  einigen  Tagen  Massage.  Bei  den  voll¬ 
ständigen  Frakturen  wird  es  von  der  Dislokation  des  Fragmentes 
abhängen,  ob  man  konservative  oder  operative  Behandlung  zur  Re¬ 
position  anwenden  soll. 

Chr.  Sau  gm  an:  Ueber  die  Bedeutung  der  Tröpfcheninfektion 
für  die  Verbreitung  der  Tuberkulose.  (Ugeskrift  for  Läger  19U7, 
No.  15.) 

Der  Verfasser  behauptet  gegenüber  der  von  Flügge  vor  der 
5.  Tuberkulosekonferenz  zu  Haag  am  6.  September  1906  ausge¬ 
sprochenen  Kritik  seiner  in  der  Zeitschr.  f.  Tuberkulose  Bd.  VI,  H.  2. 
S.  215  veröffentlichten  Abhandlung,  dass  Einatmen  von 
tuberkelbazillenhaltigen  Tropfen  für  erwachsene, 
gesunde  Menschen  ohne  Bedeutung  für  die  Ver¬ 
breitung  der  Tuberkulose  ist  oder  jedenfalls 
nur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle  spielt. 

E.  Schmiegelow:  Ueber  Oesophago-,  Tracheo-  und 
Bronchoskopie.  (Ibidem,  No.  20,  21,  22  u.  23.) 

Der  Verfasser  beschreibt  die  Methoden  und  teilt  seine  grosse 
klinische  Erfahrung  über  dieselben  mit.  Die  Abhandlung  ist  gleich¬ 
zeitig  in  extenso  in  deutscher  Sprache  in  Nordiskt  medicinskt  Arkiv 
1906,  H.  4  (innere  Medizin)  erschienen. 

Klinische  Untersuchungen  aus  der  Abteilung  B  des  Kgl.  Fre- 
deriks  Hospital  (von  Prof.  Knud  Fab  er  anlässlich  des  150jährigen 
Jubiläums  des  Hospitals  herausgegeben).  Die  Festschrift  enthält 
folgende  4  Abhandlungen: 

1.  Knud  Fab  er  und  C.  Lange:  Die  chronische  Achylia 
gastrica.  Pathogenese  und  Aetiologie. 

Die  Verfasser  sind  der  Ansicht,  dass  die  chronische  Achylia 
gastrica  immer  von  einer  Gastritis  äbhängt,  und  stützen  ihre  An¬ 
schauung  auf  eingehende  anatomische  Untersuchungen  in  12  Fällen. 
(Vgl.  diese  Wochenschrift  1906,  iS.  327  und  833.) 

2.  P.  Lieb  mann:  Eine  neue  Methode  zur  quantitativen 
Pepsinbestimmung. 

Nach  kritischer  Besprechung  der  landläufigen  Methoden  zur 
Pepsinbestimmung  gilbt  der  Verfasser  eine  Darstellung  seiner 
Methode,  deren  Prinzip  im  Vergleich  des  optischen  Verhältnisses  von 
zwei  Flüssigkeiten  besteht.  Er  benützt  eine  Emulsion  von  koagu¬ 
liertem  Hühnereiweiss;  wenn  man  zu  dieser  Emulsion  Pepsin  und 
Salzsäure  zusetzt,  wird  sie  nach  und  nach  aufklären,  bis  die  Flüssig¬ 
keit  beinahe  waserklar  wird.  Die  Schnelligkeit  der  Aufklärung  ist 
ceteris  paribus  von  der  Pepsinmenge  abhängig.  Je  nach  der  Auf- 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1551 


30.  Juli  1907. 


klärung,  die  in  einem  bestimmten  Zeitraum  stattfindet,  lässt  sich  die 
Pepsinmenge  bestimmen.  Der  Apparat  ist  sehr  einfach,  die  Methode 
verlangt  keine  Vorbereitungen  noch  Laboratorium,  lässt  sich  bei  ge¬ 
wöhnlicher  Zimmertemperatur  im  Verlaufe  von  20 — 45  Minuten  an¬ 
stellen.  Die  Bedeutung  der  gefundenen  Zahlen  findet  man  in  der 
beigefiigten  Tabelle,  die  auf  Versuche  mit  Lösungen  von  bekannter 
Konzentration  von  Armours  Pepsin  gestützt  ausgearbeitet  ist. 

3.  Fr.  Vogelius:  Enteritis  membranacea. 

Eine  auf  17  Fälle  gestützte  klinische  Studie.  Der  Verfasser  ist 
der  Ansicht,  dass  es  sich  um  einen  Katarrh,  gewöhnlich  um  einen 
schweren  Fall  von  Kolitis  handelt. 

4.  V.  Rubow:  Untersuchungen  über  die  Respiration  bei  Herz¬ 
krankheit.  Ein  Beitrag  zum  Studium  der  Pathologie  des  kleinen 
Kreislaufes. 

Die  Untersuchungen  der  Total-  und  Mittelkapazität  der  Lungen 
wurden  in  dem  physiologischen  Laboratorium  (Prof.  Bohr)  vor¬ 
genommen,  und  aus  den  Versuchen  scheint  hervorzugehen,  dass  in 
gewissen  Fällen  von  Herzkrankheit  eine  Dyspnoe  eintreten  kann,  die 
nicht  eine  vermehrte  Lungenventilation  intendiert  oder  verursacht, 
sondern  eine  starke  Ausdehnung  der  Lungen,  die  kompensatorische 
Bedeutung  bekommen  kann,  wenn  der  kleine  Kreislauf  beschwert  ist. 
Der  günstige  Einfluss  von  systematischen  Respirationsübungen  auf 
das  Herz  wird  wahrscheinlich  auch  grösstenteils  dadurch  verursacht, 
dass  diese  Uebungen  den  Patienten  die  obenerwähnte  Dyspnoe  er¬ 
leichtern.  Adolph  H.  M  e  y  e  r  -  Kopenhagen. 

Spanische  Literatur. 

C.  Calle  ja:  Modifikationen  histologischer  Methoden.  (Rev. 
de  Cienc.  Med.  de  Barcelona,  April  1907.) 

Verf.  bringt  zuerst  eine  Modifikation  der  Henke-Zeller- 
schen  Einbettungsmethode,  dann  eine  Gefrierschnittmethode  unter 
Verwendung  von  Chloräthyl.  Den  Schluss  bildet  eine  Modifikation 
der  Cox  sehen  Imprägnationsmethode  für  das  Nervengewebe,  bei 
der  ein  Teil  der  Imprägnation  unter  Körpertemperatur  vor  sich  geht. 
Die  Einzelheiten  sind  in  einem  kurzen  Referat  nicht  wiederzugeben. 

A.  Pi  y  Sun  er:  Die  antitoxische  Funktion  der  Niere.  (Gac. 
Med.  Catalan,  No.  1 — 8,  1907.) 

In  einer  umfangreichen  Abhandlung  sucht  Pi  y  S  u  n  e  r  an  der 
Hand  der  Literatur  (92  Literaturangaben)  wie  zahlreicher  eigener 
Tierversuche,  den  Nachweis  zu  liefern,  dass  das  Vorhandensein  einer 
„inneren  Sekretion“  der  Niere  nicht  bewiesen  ist,  Das  was  man  als 
Wirkung  einer  inneren  Sekretion  betrachtet,  ist  vielmehr  die  Wir¬ 
kung  einer  antitoxischen  Funktion  der  Nierenepithelien,  eine  Bindung 
und  Umwandlung  toxischer  Substanzen,  die  dann  eventuell  ausge¬ 
schieden  werden.  Da  die  antitoxische  wie  die  sekretorische  Funktion 
an  die  gleichen  Elemente,  die  Nierenepithelien,  gebunden  sind,  so 
bestehen  enge  Beziehungen  zwischen  normalem  bezw.  pathologischem 
Ablauf  der  Urinabscheidung  und  der  antitoxischen  Funktion, 
und  deshalb  wirkt  auch  die  Verabreichung  von  Nierenextrakten  gün¬ 
stig  auf  den  Entgiftungsprozess.  „Antitoxie“  wie  Sekretion  sind 
zwei  verschiedene  „Aspekte“  der  gleichen  Drüsenfunktion.  Der  Be¬ 
griff  „innere  Sekretion“  ist  also  durch  den  der  „antitoxischen  Funk¬ 
tion  ‘  der  Niere  zu  ersetzen. 

Manuel  de  Foronda:  Das  rote  Licht  bei  exanthematischen 
Krankheiten.  Historische  Bemerkung.  (Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct., 
7.  Juni  1907.) 

An  der  Hand  eines  im  Archiv  zu  Lille  befindlichen  Aktenstückes 
aus  dem  Jahre  1509  berichtet  Verf.,  dass  der  damals  9  jährige 
Karl  V.,  an  Variola  erkrankt,  Bettdecke  und  Nachthemd  von  hochroter 
Wolle  bekam,  und  sogar  sein  Bett  mit  rotem  Stoff  umgeben  wurde, 
damit  sein  Auge  darauf  ruhe  —  ein  Beweis,  dass  man  damals  schon 
der  roten  Farbe  einen  gewissen  günstigen  Einfluss  zuschrieb. 

Martinez  Var  gas:  Die  akute  Myositis.  (La  Med.  de  los  ninos 
No.  1—2,  1907.) 

Monographische  Darstellung  mit  mehreren  eigenen  Beobach¬ 
tungen  und  Literaturangaben.  Zu  kurzem  Referat  eignet  sich  die 
Arbeit  nicht,  Interessenten  seien  auf  sie  hingewiesen. 

Pedro  Ramön  y  Cajal:  Ein  Fall  von  diabetischer  Chorea. 
(La  Clinica  Moderna,  Ref.:  Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct.,  28.  April  1907.) 

Verf.  berichtet  über  einen  Fall  von  vernachlässigtem  Diabetes, 
bei  dem  die  Glykosurie  trotz  Diät  und  Medikamente  nicht  unter 
6  Prozent  sank.  Plötzlich  setzte  eine  heftige  Hemichorea  der 
ganzen  rechten  Seite  ein,  die  seitdem  5  Monate  lange  fortbesteht. 
Sehr  eigentümlich  war  ihre  Wirkung  auf  die  Glykosurie.  Sofort  sank 
dieselbe  binnen  2  Wochen  auf  0,  um  seitdem  nur  dann  wieder  in  ge¬ 
ringem  Grad  sich  einzustellen,  wenn  die  Chorea  etwas  nachlässt. 
Verf.  glaubt,  dass  die  durch  die  Chorea  bedingte  starke  Muskelarbeit 
die  Glykosurie  nicht  aufkommen  lässt.  Zur  Zeit  besteht  starke  Poly¬ 
urie  (6 — 7  1)  ohne  Glykosurie. 

Perez  V  ento:  Das  Vorkommen  der  Chorea  in  Cuba.  (La  Rev. 
de  Med.  y  Cir.  de  la  Habana,  ref.:  Gac.  Med.  Catalan.  No.  4,  1907.) 

Gegenüber  der  vielfach  verbreiteten  Ansicht,  dass  die  Chorea 
in  den  Tropen  so  gut  wie  nie  vorkomme,  wird  festgestellt,  dass  auf 
Cuba  die  Krankheit  gar  nicht  so  selten  ist,  besonders  gern,  wie  bei 
uns,  sich  anschliessend  an  rheumatische  Affektionen. 

J.  Codina  Castell  vi:  Intermittierende  Chylurie  und  Lungen¬ 
tuberkulose.  (Gac.  Med.  Catalan.  No.  7,  1907.) 


Interessante  kasuistische  Mitteilung:  bei  einem  51jährigen  Mann 
besteht  seit  seinem  18.  Lebensjahr  Chylurie,  und  zwar  mit  Unter¬ 
brechungen:  es  war  zuerst  4  Jahre  Chylurie  vorhanden,  dann  6  Jahre 
keine,  2  Jahre  Chylurie,  1  Jahr  Pause,  6  Jahre  Chylurie,  4  Jahre 
Pause;  jetzt  seit  10  Jahren  beständig  Chylurie.  Der  Mann  war  nie 
in  den  Tropen,  Filaria  war  keine  zu  finden.  Sonst  war  an  ihm  nichts 
nachzuweisen  als  eine  chronische  Tuberkulose.  Eine  Erklärung  des 
Falles  lässt  sich  nicht  geben;  der  Tuberkulose  ging  die  Chylurie 
lange  voraus. 

U  b  e  d  a  und  De  P  r  a  d  a :  Das  v.  Ruck  sehe  Tuberkulin  bei 
der  Lungentuberkulose.  (El  Siglo  Medico,  13.  April  und  11.  Mai  1907.) 

Die  Verff.  haben  im  Dispensario  antituberculoso  zu  Madrid  das 
v.  R  u  c  k  sehe  Tuberkulin,  einen  wässerigen  Auszug  des  Tuberkel¬ 
bazillus,  an  13  Patienten  verwendet,  von  denen  4  gebessert,  3  ge¬ 
heilt  wurden,  4  unbeeinflusst  blieben,  2  verschlechtert  wurden  und 
1  starb.  Das  Präparat  ist  kostspielig  und  schwer  dosierbar.  Es  macht, 
am  Arm  injiziert,  wenig  oder  keine  Lokalerscheinungen;  Allgemein¬ 
reaktion  kommt  bei  Lösung  1  und  10  nicht  vor,  während  Lösung 
100  leichte  Temperatursteigerung  macht.  Fieber  und  Gewicht  wer¬ 
den  günstig,  Husten  und  Auswurf  nicht  beeinflusst.  Bei  Fällen  des 
I.  Stadiums  befördert  es  die  Indurationsprozesse;  im  II.  Stadium  sind 
die  Resultate  weniger  günstig.  Im  ganzen  ist  der  Eindruck,  den  die 
Verff.  von  dem  Tuberkulin  haben,  günstig. 

-  Behandlung  der  Pneumonie  mit  metallischen  Fermenten.  (Real 
Acad.  de  Med.  de  Madrid,  Sitzungen  vom  6.,  13.  und  27.  April,  Rev. 
de  Med.  y  Cir.  Präct.,  21.  u.  28.  Mai,  21.  Juni  1907.) 

In  den  Sitzungen  der  Madrider  Akademie  vom  6.,  13.  u.  21.  April 
kam  es  zu  einem  ausgedehnten  Meinungsaustausch  über  die  Be¬ 
handlung  der  Pneumonie  mit  subkutanen  Injektionen  von  Palladium¬ 
lösung  (5—10  ccm,  enthaltend  0,2— 0,9  mg  Metall)  nach  dem  Vor¬ 
gang  R  o  b  i  n  s.  Das  zur  Besprechung  stehende  Krankenmaterial  war 
aber  ein  nur  sehr  kleines,  da  im  ganzen  von  drei  Mitteilenden 
(Cortezo,  Espina  und  S  a  n  u  d  o)  nur  15  Fälle  nach  der  Methode 
behandelt  worden  waren.  Die  kurzen  Mitteilungen  lassen  Einzel¬ 
heiten  nicht  erkennen,  doch  macht  es  kaum  den  Eindruck,  als  ob 
die  Deferveszenz  unter  dem  Einflüsse  der  Injektionen  etwa  früher  er¬ 
folgte.  Alle  behandelten  Fälle  kamen  zur  Heilung,  und  alle,  die  sich 
mit  oder  ohne  eigene  Erfahrung  zu  der  Frage  äusserten,  erklärten 
sich  geneigt,  die  Methode  bei  den  weiter  in  Behandlung  kommenden 
Pneumoniefällen  anzuwenden,  da  sie  modernen  theoretischen  An¬ 
schauungen  entspreche  und  dabei  völlig  unschädlich  sei. 

P.  Altes:  Behandlung  der  Milzbrandpustel.  (La  Medicina  de 
los  ninos  No.  1 — 3,  1907.) 

Verf.  bringt  die  Krankengeschichten  zweier  Geschwister  von 
6  und  8  Jahren,  bei  denen  er  die  Milzbrandpustel  mit  Exzision  und 
Kauterisation  der  Pustel  selbst,  kaustischer  Stichelung  der  öderna- 
tösen  Umgebung  und  4  Injektionen  ä  1  ccm  einer  2  proz.  Karbol¬ 
lösung,  dazu  antiseptischen  Umschlägen  (von  Phenol  mit  Kampher) 
und  innerlicher  Verabreichung  von  Tonicis  (Chinin)  behandelt  hatte. 
Er  legt  in  längeren  Ausführungen  die  Richtigkeit  dieser  Methode  dar 
und  hält  die  Bedenken  vieler  Kollegen  gegen  die  Karbolinjektionen 
nicht  für  gerechtfertigt;  immerhin  ist  der  Urin  dabei  genau  zu  be¬ 
obachten. 

J.  Gonzalez  Castro:  Klinische  Beobachtungen  über  Protargol. 

(El  Siglo  Medico,  8.  Juni  1907.) 

Gonzalez  Castro  bringt  4  Fälle  von  Protargolbehandlung  mit 
sehr  günstigem  Erfolg:  ein  seit  14  Jahren  bestehendes  Ulcus  cruris, 
bei  dem  von  anderer  Seite  die  Amputation  vorgeschlagen  war  (Pro- 
targolpulver  und  10  proz.  Salbe),  ein  infektiöses  Ulcus  corneae  (In¬ 
stillation  von  5  proz.  Lösung),  eine  tuberkulöse  Osteomyelitis  und 
Keratoblepharokonjunktivitis  (Verband  mit  2  proz.,  bezw.  Instillation 
von  5  proz.  Lösung),  eine  schwere  Vejbrennung  (10  proz,  Salbe). 
Auch  sonst  hat  er  gerade  bei  Verbrennungen  jeden  Grades  Um¬ 
schläge  mit  2  proz.  Protargollösung  mit  vorzüglichen  Resultaten 
verwendet.  Seiner  Ansicht  nach  hat  das  Protargol  eine  spezifische 
Wirkung  auf  die  Eiterbakterien,  ganz  besonders  allerdings  auf  die 
Gonokokken.  Es  wirkt  sehr  gut  keratoplastisch  und  erzeugt  ideale 
Narben.  Seine  Anwendung  auf  der  Haut  sowohl  wie  auf  Schleim¬ 
häuten  ist  wenig  schmerzerregend.  Es  dringt  sehr  tief  in  die  Ge¬ 
webe  ein  und  wirkt  dadurch  resorbierend  auf  eitrige  Exsudate.  Man 
verwendet  je  nach  Art  des  Prozesses  5 — 50  proz.  Konzentrationen; 
am  besten  hält  man  eine  50  proz.  Stammlösung  vorrätig  und  ver¬ 
dünnt  sie  erst  im  Moment  des  Gebrauches. 

P.  Vilanova:  Der  Zungenkrebs  bei  syphilitischen  Rauchern. 

(Rev.  de  Cienc.  Med.  de  Barcelona,  Mai  1907.) 

Der  Zungenkrebs  beruht  immer  oder  doch  fast  immer  auf 
Syphilis  und  Tabakmissbrauch.  Durch  eine  gewissenhafte  Behand¬ 
lung  der  Syphilis  wird  mancher  Zungenkrebs  zu  verhüten  sein;  fer¬ 
ner  sollte  allen  Luetischen  der  Tabak  sowohl  wie  konzentrierte 
Alkoholika  verboten  werden,  ganz  besonders  der  Tabak,  ohne  den 
es  keinen  Zungenkrebs  gibt.  Die  präkanzerösen  Veränderungen  der 
Mundhöhle,  die  Leukoplakie  der  Luetischen,  Rhagaden  und  Fissuren, 
sind  energisch  zu  bekämpfen,  eventuell  durch  eine  erneute  antilue¬ 
tische  Kur  (Kalomelinjektionen),  durch  Aetzung  mit  Chromsäure  oder 
den  Thermokauter.  Ein  sich  entwickelndes  Epitheliom  ist  bei  recht¬ 
zeitiger  Diagnosenstellung  nicht  selten  noch  blutig  zu  entfernen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3l. 


1552 


Blanc:  Die  Bi  er  sehe  Stauung  bei  Gelenkaffektionen  der  Kin¬ 
der.  (Soc.  Ginec.  Espan.,  28.  Nov.  1906,  Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct., 
7.  April  1907.) 

Blanc  berichtet  über  45  Fälle  von  mit  Stauung  behandelten 
kindlichen  Gelenkaffektionen.  Er  teilt  sie  in  4  Gruppen:  1.  Synovitis 
tuberculosa.  Hier  verschwinden  nach  2  Tagen  die  Schmerzen;  nach 
10 — 12  Tagen  vermindert  sich  die  Spannung;  nach  etwa  1  Monat 
ist  die  Funktion  wieder  fast  normal,  doch  ist  die  Wiederherstellung 
keine  vollständige,  es  bleibt  stets  etwas  ödematöse  Schwellung  und 
Bewegungsstörung  zurück.  2.  Epiphysitis  tuberculosa.  Auch  hier 
vermindern  sich  Schmerz  und  Bewegungsstörung  innerhalb  10  bis 
12  Tagen,  dann  aber  setzt  eine  Periode  ein,  wo  die  Epiphyse  an¬ 
schwillt  unter  Vermehrung  der  Schmerzen  und  der  Bewegungs¬ 
störung;  in  einigen  Fällen  kam  es  sogar  zur  Fistelbildung,  die  unter 
geeigneter  Behandlung  zur  Ausheilung  kam,  jedoch  war  der  Zustand 
des  Gelenks  nur  wenig  besser  als  vor  der  Stauungsbehandlung. 
3.  Panarthritis  ohne  Fistelbildung,  meist  Mischinfektionen  von  Tu¬ 
berkelbazillen  und  Streptokokken.  Hier  waren  die  Resultate  mit 
2  Ausnahmen  ungünstig.  4.  Panarthritis  mit  Fistelbildung.  In  den 
ersten  Tagen  war  die  Eiterung  sehr  stark,  dann  wurde  sie  ge¬ 
ringer,  mehr  sanguinolent,  aber  eine  wesentliche  Aenderung  trat  erst 
ein,  als  eine  aktivere  Therapie  eingeleitet  wurde;  die  Stauungs¬ 
behandlung  verschlimmerte  jedenfalls  in  diesen  Fällen  nichts. 

A.  Rodriguez  y  Rodriguez:  Verletzung  des  Perikards 
mit  Zurückbleiben  eines  Fremdkörpers  (Glasstück  von  4  cm  Länge 
und  2  cm  grösster  Breite).  Hämothorax,  Hämoperikard.  Extraktion 
des  Fremdkörpers  und  Naht  des  Perikards.  Günstiger  Ausgang.  (El 
Siglo  Medico,  1.  Juni  1907.) 

Kasuistische  Mitteilung  zur  Herzchirurgie. 

J.  Goyanes:  Ueber  laterale  und  zirkuläre  Venennaht.  (Rev. 
de  Med.  y  Cir.  Präct.,  14.  Juni  1906.) 

Schon  mehrfach  hatte  ich  Gelegenheit,  in  dieser  Wochenschrift 
die  Arbeiten  des  Verf.  über  Gefässchirurgie  zu  referieren.  In  der 
vorliegenden  Arbeit  berichtet  er  zunächst  über  die  Literatur  der 
lateralen  Venennaht,  dann  kurz  über  5  eigene  Fälle.  3  betrafen  die 
Axillarvene  bei  Operationen  von  Mammakarzinomen;  die  genähten 
Wunden  waren  bis  1  cm  lang,  es  kam  niemals  zu  Nachblutungen, 
noch  zu  Zirkulationsstörungen.  Die  beiden  anderen  betrafen  die 
Jugularis  communis  bei  Operationen  am  Hals  und  waren  ebenso  er¬ 
folgreich.  Die  zirkuläre  Venennaht  ist  bis  jetzt  an  Menschen  sehr 
selten  gemacht  worden.  Sieht  man  von  den  auf  dem  letzten  fran¬ 
zösischen  Chirurgenkongress  von  Doyen  und  U 1 1  m  a  n  n  mit  wenig 
Details  erwähnten  9  Fällen  ab,  so  sind  nur  3  Fälle  eingehender  be¬ 
schrieben,  einer  von  Kümmell  (Bruns  Beitr.  Bd.  26),  einer  von 
Krause  (D.  med.  Wochenschr.  1900,  Vereinsbeil.,  p.  82)  und  einer  von 
Payr  (Archiv  f.  klin.  Chir.  Bd.  64).  Verf.  selbst  fügt  diesen  Fällen 
einen  neuen,  von  ihm  selbst  operierten  hinzu,  von  Resektion  und 
Zirkulärnaht  der  Vena  subclavia.  Es  handelte  sich  um  eine  Drüsen¬ 
metastase  von  einem  Mammakarzinom  aus,  die  fest  mit  der  Vene 
verwachsen  war,  so  dass  ein  keilförmiges  Stück  der  Vene  entfernt 
werden  musste,  von  einer  Grösse  von  12  mm  vorn,  6  mm  hinten.  Die 
Zirkulärnaht  wurde  in  der  Weise  angelegt,  dass  zuerst  3  Hauptnähte 
in  gleichen  Zwischenräumen  gesetzt  wurden,  so  dass  die  klaffen¬ 
den  Lumina  in  gleichseitige  Dreiecke  verwandelt  wurden.  Jede 
der  3  Seiten  wurde  dann  für  sich  mit  fortlaufender,  ebenfalls  die 
ganze  Gefässwand  perforierender  Naht  genäht,  je  1  mm  vom  Rand 
und  ebensoweit  eine  von  der  anderen  entfernt,  so  dass  für  jede  Seite 
6 — 7  Nähte  erforderlich  waren.  Als  Nahtmaterial  diente  Seide. 
Gleich  nach  Lösung  der  Klemmpinzetten  floss  das  Blut  durch  die  ge¬ 
nähte  Stelle  durch,  wobei  durch  einige  Nahtstellen  etwas  Blut 
sickerte.  Die  Heilung  war  eine  vollständige. 

J.  Rabasa  Fontsere:  Beitrag  zum  Studium  der  Tracheo¬ 
tomie  bei  Larynxtuberkulose.  (Rev.  Barcel.  de  enf.  de  oido  etc., 
April — Juni  1907.) 

Verf.  berichtet  über  4  Fälle  von  mit  Tracheotomie  behandelter 
Larynxtuberkulose,  von  denen  einer  im  Anschluss  an  die  Operation 
starb,  einer  (quoad  Larynx  wenigstens)  geheilt  und  2  wesentlich 
gebessert  wurden.  Was  die  Indikationen  der  Tracheotomie  bei 
Larynxtuberkulose  anlangt,  so  sind  Extreme  nach  beiden  Richtungen 
hin  zu  vermeiden.  Wo  die  Deglutition  erschwert  ist,  würde  man  mit 
der  Kanüle  dem  Kranken  nur  eine  neue  Unbequemlichkeit  ohne 
entsprechenden  Nutzen  schaffen;  ebenso  würde  man  bei  der  in¬ 
filtrierenden  Form  und  bei  starkem  Mitergriffensein  der  Lunge  durch 
die  Erschwerung  der  Atmung  nur  schaden.  Viel  nützen  kann  man 
dagegen  mit  der  frühzeitigen  Operation  bei  der  fibrösen  Form,  die 
zu  Stenosierung  neigt  und  doch  in  kürzerer  oder  längerer  Zeit  eine 
Tracheotomie  notwendig  machen  würde. 

Avelino  Martin:  Bemerkungen  über  die  Prognose  der  In¬ 
fluenzaotitis.  (Rev.  Barcelon.  de  enferm.  de  oido  etc.,  April— Juni 
1907.) 

Die  Influenzaotitis  pflegt  sich  am  3.  bis  8.  Tag  der  Infektion 
im  Anschluss  an  den  konstant  vorhandenen  akuten  Nasenrachen¬ 
katarrh  einzustellen.  Bei  der  reichlichen  Gelegenheit  zu  Misch¬ 
infektion  braucht  die  Otitis  durchaus  nicht  eine  Manifestation  des 
spezifischen  Influenzaerregers  zu  sein.  Eine  bessere  Prognose  bieten 
gerade  die  Formen,  die  auf  der  Tätigkeit  eines  anderen  Bazillus 
beruhen;  sie  finden  sich  meist  bei  Individuen,  die  schon  früher 
am  Mittelohr  gelitten  hatten.  Die  durch  den  Pfeiffer  sehen  Ba¬ 


zillus  selbst  hervorgerufene  Otitis  ähnelt  in  ihrem  Verlauf  sehr 
den  bei  akuten  Exanthemen  vorkommenden  Formen.  Ganz  be¬ 
sonders  sind  jene  im  Gefolge  der  Influenza  auftretenden  Formen  der 
Otitis  media  zu  fürchten,  in  denen  es  ohne  akute  Erscheinungen 
zu  chronisch-indurativen  Prozessen,  zu  typischen  Mittelohrsklerosen 
mit  mehr  oder  minder  hochgradigem  Verlust  des  Hörvermögens 
kommt.  Martin  hat  Fälle  gesehen,  in  denen  während  der  In¬ 
fluenza  Otalgien  auftraten,  die  ohne  jede  Eiterung  zu  Taubheit  führ¬ 
ten,  und  seiner  Ansicht  nach  ist  jede  Otalgie  bei  Influenza  auch 
ohne  Eiterung  als  prognostisch  ungünstig  zu  betrachten.  Die  eitrige 
Influenzaotitis  tritt,  wie  bemerkt,  zu  einer  Zeit  auf,  wo  die  übrigen 
Influenzasymptome  schon  im  Schwinden  sind;  die  Beteiligung  des 
Warzenfortsatzes  und  Antrums  sind  bei  ihr  die  Regel  und  deletäre 
Komplikationen  nicht  selten.  Jedenfalls  ist  jede  Influenzaotitis  als 
schwere  Krankheit  zu  betrachten;  ihrem  Eintritt  vorzubeugen  kann 
man  wenigstens  versuchen  durch  richtige  Behandlung  des  Nasen¬ 
rachenkatarrhs  in  den  ersten  Stadien  der  Influenza. 

M.  Kaufmann-  Mannheim. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Aerztiicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  vom  6.  Mai  1 907,  abends 
7  Uhr  im  grossen  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek. 

Vorsitzender:  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer:  Herr  S  e  1  i  g  m  an  n. 

Protokoll  Verlesung. 

Demonstrationen  aus  dein  pathologischen  Institut: 

Herr  A  I  b  r  e  c  h  t  demonstriert  1.  einen  Fall  von  Metastasen 
eines  Rektalkarzinoms,  bei  welchem  ein  Knoten  sowohl  in  einen 
Hauptbronchus  als  in  eine  Lungenvene  durchgebrochen  war  und  zu 
weiteren  Verschleppungen  auf  dem  Wege  des  Blutkreislaufes  geführt 
hatte.  Exstirpation  des  tiefsitzenden  Rektalkarzinoms  vor  5  Jahren; 
kein  lokales  Rezidiv. 

Zu  einer  grösseren  Anzahl  von  Präparaten  tuberkulöser 
Lungen  erläutert  der  Vortragende  die  Möglichkeiten  einer  für 
die  Klinik  brauchbaren  und  gleichzeitig  pathologisch-ana¬ 
tomisch  einwandsfreien  Einteilung  der  tuberkulösen  Prozesse 
der  Lunge.  A.  F  r  ä  n  k  e  1  hat  mit  v.  R  o  s  t  h  o  r  n  vor  kurzem 
ein  Schema  hierfür  vorgeschlagen,  welches  unterscheidet: 

1.  Spitzenprozesse,  ein-  oder  doppelseitig; 

2.  Oberlappenprozesse,  ein-  oder  doppelseitig,  und  zwar 
a)  infiltrative;  b)  zirrhotische;  c)  kavernöse  Prozesse  (unter 
letztere  einbegriffen  die  käsig  pneumonischen  Herde). 

3.  Tuberkulose  'des  Oberlappens  mit  gleichzeitiger  Beteili¬ 
gung  von  Mittel-  oder  Unterlappen. 

Diese  Einteilung  ist  jedenfalls  den  bisherigen  vorzuziehen, 
lässt  sich  aber  auch  jetzt  schon  in  mancher  Hinsicht  verbessern. 
Voraussetzung  für  eine  derartige  Einteilung  ist,  dass  gewisse, 
in  Hinsicht  auf  Prognose  und  Therapie  zu  unterscheidende 
Formen  genügend  häufig  rein  oder  weitaus  überwiegend  den 
tuberkulösen  Prozess  repräsentieren.  Das  trifft  denn  auch  in 
der  Tat  für  eine  grosse  Zahl  von  Fällen  zu,  wenn  man  das 
folgende  Einteilungsprinzip  annimmt: 

A)  Solitäre  Herde  (bei  Erwachsenen  am  häufigsten  in  den 
Oberlappenspitzen,  bei  Kindern  häufig,  aber  auch  gelegent¬ 
lich  bei  Erwachsenen,  an  anderen  Stellen,  namentlich  im  oberen 
Drittel  der  Unterlappen. 

B)  Oberlappenprozesse,  d.  h.  einigermassen  ausgedehntere 
und  fortschreitende  tuberkulöse  Herde  im  Oberlappen.  Bei 
diesen  ist  indes  fast  regelmässig  bereits  die  Spitze 
des  Unterlappens  der  betreff! enden  Seite  in 
geringem  Grade  mitbefallen,  sodass  eine  strenge  Scheidung 
nach  dem  F  r  ä  n  k  e  1  sehen  Schema  nicht  möglich  ist.  Die 
Oberlappenprozesse  (und  die  Prozesse  der  Gruppe  C)  lassen 
sich  wieder  einteilen  in 

1.  zirrhotische:  überwiegend  oder  ausschliesslich 
fibröse  Umwandlung,  a)  ohne  oder  b)  mit  Kavernen; 

2.  knotige  Tuberkulose,  a)  ohne  oder  b)  mit  Ka¬ 
vernen:  Bronchiolitis  und  Peribronchiolitis  nodosa  mit  Tendenz 
zum  zentralen  Abheilen,  im  ganzen  langsam  fortschreitend,  bei 
geringer  Zahl  der  Knoten  häufig  zur  Abheilung  gelangend. 
Klinisch  verhältnismässig  geringfügige  Symptome;  häufig 
wegen  der  Kombination  mit  Emphysem  (lokalem  oder  allge¬ 
meinem)  übersehen  oder  nach  Ausdehnung  geringer  einge¬ 
schätzt  als  sie  in  Wirklichkeit  sich  erweisen; 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1553 


3.  käsig-pneumonische  Tuberkulose,  a)  ohne 
oder  b)  mit  Zerfall  und  Kavernenbildung.  Unter  diese  letztere 
Rubrik  gehört  die  Mehrzahl  der  flori’den  Phthisen,  sei  es,  dass 
der  käsig-pneumonische  Prozess  von  Anfang  an  das  Bild  be¬ 
herrscht,  oder  sich  unter  rascher  Verschlimmerung  an  eine 
der  Formen  sub  1  oder  2  anschliesst. 

C)  Ausgedehntere  Prozesse  in  2  oder  mehr  Lappen,  mit 
den  gleichen  3  bezw.  6  Unterabteilungen. 

Relativ  häufiger  ist,  als  durch  käsige  Tuberkulose  (siehe 
sub  B)  der  Ausgang  der  beiden  ersteren  Formen,  zumal  bei 
älteren  Individuen,  durch  nichtkäsige  Pneumonie  oder  durch 
eine  andere  Komplikation  (Pneumothorax,  Pleuritis  etc.)  her¬ 
vorgebracht. 

Diese  drei  Hauptgruppen  (1,  2,  3)  erlauben  dann  eine  an  die 
ältere  anschliessende  weitere  Klassifikation  nach  der  Aus¬ 
dehnung,  je  nachdem  sie  einen  Oberlappen,  zwei  Oberlappen, 
Ober-  und  Unterlappen  der  gleichen  Seite  in  ausgedehnterem 
Masse,  oder  drei  Lappen  befallen  haben.  Für  die  erstere 
Gruppierung  stellt  sich  die  Reihenfolge  der  Bösartigkeit  in  der 
angegebenen  Weise  (zirrhotische,  knotige,  käsige  Prozesse). 
Hier  kommt  dann  noch  die  Frage,  ob  Kavernen  vorhanden  sind 
oder  fehlen,  prognostisch  zur  Bedeutung,  jedoch  in  verschie¬ 
denem  Masse  für  die  verschiedenen  Gruppen;  denn  im  Falle 
der  zirrhotischen  Herde  sind  Kavernen  sehr  häufig  belanglos, 
ausgeheilt;  im  Falle  der  knotigen  Tuberkulose  begünstigen  sie 
in  hohem  Masse  das  Fortschreiten  sowohl  im  Bereich  des  be¬ 
treffenden  Bronchus  als  des  gleichseitigen  Unterlappens, 
ferner  auch  das  Befallenwerden  des  Darmes,  event.  des  Kehl¬ 
kopfes.  Bei  der  dritten  Form  endlich,  den  käsig-pneumonischen 
Prozessen,  stellen  die  Kavernen  eine  Komplikation  dar,  welche 
den  ohnehin  meist  rapiden  Verlauf  nur  um  weniges  be¬ 
schleunigt.  Ihre  prognostische  Bedeutung  ist  also  am  grössten 
in  den  Fällen  der  zweiten  Gruppe  (B  2  b). 

Die  vorgeschlagene  Einteilung  basiert  im  wesentlichen 
auf  der  von  Orth  immer  vertretenen  Einteilung  der  tuber¬ 
kulösen  Prozesse  in  überwiegend  exsudative,  also  hier  pneu¬ 
monische  Formen  und  überwiegend  produktive,  knötchen¬ 
bildende  Formen  (natürlich  ohne  absolut  scharfe  Trennung  der 
Prozesse).  Der  zunächst  naheliegende  Einwand,  dass  die 
Formen  sich  regelmässig  kombinieren,  trifft,  wie  die  Beob¬ 
achtung  zeigt,  nur  für  die  geringere  Zahl  der  Fälle  zu,  indem 
z.  B.  in  den  letzten  Stadien  die  knotige  Form  zu  kleineren  oder 
grösseren  käsig-pneumonischen  Herden  auswächst,  aber  fast 
nie  im  umgekehrten  Sinne.  In  diesen  letzteren  Fällen  hat  aber 
die  genaue  Diagnose-  und  Prognosestellung  in  der  Regel  nur 
mehr  theoretischen  Wert.  Zu  beachten  ist  noch,  dass  die 
peribronchialen  Knötchen  bei  subakutem  Verlauf  in  ausser¬ 
ordentlich  grossen  Mengen  aufzutreten  pflegen,  entsprechend 
der  Entstehung  sehr  reichlicher  käsig-bronchiolitischer  Herde, 
eine  Veränderung,  der  eine  sehr  rasche  Ausdehnung  der 
katarrhalischen  Prozesse  (umschriebene  Atelektasenbildung 
usw.)  parallel  läuft. 

Der  Vortragende  glaubt,  dass  unter  Zugrundlegung  dieses 
Schemas  in  Form  einer  Fragestellung  und  unter  Be¬ 
rücksichtigung  der  übrigen  Organ-  und  Gesamterscheinungen 
eine  wirklich  brauchbare  und  mit  den  pathologischen  Ver¬ 
änderungen  zusammenstimmende  klinische  Diagnostik  der 
Lungentuberkulose  geschaffen  werden  kann. 

Herr  Otto  Rothschild:  Demonstration  eines  retrobulbären 
Teratoms. 

Herr  Ferd.  Becker:  Ein  mit  Radium  behandelter  Fall  von 
Epitheliom. 

Der  78  jährige  Patient,  der  sich  Ihnen  vorzustellen  die  Freund¬ 
lichkeit  hat,  zeigte  am  18.  IX.  06,  als  ich  ihn  zum  ersten  Mal  sah, 
folgenden  Befund:  Auf  dem  linken  Jochbogen  ein  etwa  markstück¬ 
grosses  Epitheliom  mit  Neigung  zur  Narbenbildung  im  Zentrum,  ge- 
schwiirigem  Zerfall  und  derber  infiltrativer  Wucherung  in  der  Peri¬ 
pherie.  Ein  etwa  erbsengrosses  Gebilde  von  gleicher  Beschaffen¬ 
heit  fand  sich  unter  dem  linken  Auge  etwa  der  Lage  des  Foramen 
iufraorbitale  entsprechend.  In  symmetrischer  Weise  zeigte  die  rechte 
Seite  Läsionen  von  minderer  Bedeutung,  nämlich  unter  dem  rechten 
Auge  ein  linsengrosses  gelbliches  mattglänzendes,  in  der  Haut  liegen¬ 
des,  nur  wenig  prominentes  Knötchen.  Endlich  auf  dem  rechten 
Jochbogen  eine  lebhaft  gerötete,  diffus  infiltrierte  schuppende  Stelle. 

Es  fiel  mir  zunächst  die  Symmetrie  der  Hautläsionen  auf,  die 
ich  auf  den  Druck  eines  Brillengestelles  zurückführen  zu  dürfen 
glaubte,  Patient  wusste  von  einer  solchen  Genese  nichts,  leitete 


vielmehr  das  markstückgrosse  Ulcus  links  von  Rasierverletzungen 
her.  Dieses  Gebilde  hat  sich  angeblich  in  7  Jahren  langsam  ent¬ 
wickelt. 

Der  Hausarzt  hatte  bereits  Solut.  fowler.  ars.  gegeben,  eine 
Medikation,  die  ich  noch  4  Wochen  beibehielt.  Daneben  wurden 
die  Epitheliome  mit  Radium  behandelt,  und  zwar  5  mg  Radiumbromid 
von  2  000  000  Uraneinheiten  an  12  verschiedenen  Stellen  je  30 — 60 
Minuten.  Im  ganzen  wurden  so  23  Bestrahlungen  in  15  Sitzungen 
verabreicht,  1  Stelle  (unter  dem  rechten  Auge)  wurde  einmal,  das 
Randinfiltrat  der  obersten  Spitze  des  grössten  Ulcus  dreimal,  alle 
anderen  Stellen  je  zweimal  in  Intervallen  von  etwa  6  Wochen  der 
Radiumwirkung  ausgesetzt. 

Am  18.  I.  07  erhielt  der  Herr  wegen  einiger  nachträglich  auf¬ 
getretener  seborrhoischer  Warzen  an  der  Stirne  nochmals  Fowler- 
sche  Lösung. 

Vortrag  des  Herrn  A.  Homburger:  Zur  Diagnose  der 

Kleinhirngeschwülste. 

H.  berichtet  über  3  Fälle  von  Kleinhirntumor:  I.  Angiosarkom 
beider  Hemisphären  und  des  Wurms,  Exitus  Vz  Jahr  nach  Auftreten 
der  ersten  Erscheinungen.  II.  Gliom  medial  vom  linken  Nucleus 
dentatus  an  den  Ventrikel  heranreichend,  erzeugte  beiderseitige 
Basalnervensymptome  neben  homolateralen  Hemisphärenerschei¬ 
nungen;  die  ersteren  blieben  auch  nach  Entlastungstrepanation  nebst 
-•Ventrikelpunktion  bestehen.  Exitus  3  Monate  nach  Auftreten  der 
ersten  Erscheinungen.  III.  Zyste  der  rechten  Hemisphäre:  rechts¬ 
seitige  Fazialis-,  Akzessorius-,  Hypoglossusparese,  Hemihypotomie. 
Operation  und  Heilung.  Patient,  23  Jahre  alt,  arbeitet  als  Weber 
10  Stunden  täglich.  Von  Allgemeinerscheinungen  bestanden  in  allen 
drei  Fällen  Kopfschmerz,  Erbrechen,  Schwindel  ohne  Richtungsmerk¬ 
male;  beiderseits  Stauungspapille;  ausserdem  in  allen  dreien  Ny¬ 
stagmus;  in  keinem  zu  irgendwelcher  Zeit  Pulsverlangsamung.  Alle 
drei  Fälle  verliefen  in  typisch  sich  abgrenzenden  Schüben.  (Ausführl. 
Veröffentl.  i.  d.  Z.  f.  d.  Grenzgeb.) 

Diskussion:  Herr  Brodnitz:  Der  Fall  von  geheilter 
Kleinhirnzyste,  den  ich  Ihnen  hier  vorstelle,  wurde  von  mir  am  10. 
Januar  1907  operiert.  Es  wurde  ein  Weichteillappen  gebildet,  ent¬ 
sprechend  der  rechten  Hinterhauptsschuppe,  mit  der  Basis  nach 
unten;  Skelettierung  des  Knochens  bis  zum  Foramen  magnum;  Tre¬ 
panation  mit  Handtrepan  dicht  unterhalb  der  Linea  semicircularis, 
Entfernung  des  Knochens  mit  der  Liier  sehen  Zange,  nach  unten  bis 
Foramen  magnum,  nach  oben  bis  1  cm  oberhalb  des  Sinus  trans- 
versus.  Dura  stark  gespannt,  nicht  pulsierend.  Der  erste  1  eii  der 
Operation  ist  beendet;  der  Knochendefekt  wird  mit  einer  Kompresse 
bedeckt,  der  Weichteillappen  darüber  vernäht.  Nach  5  Tagen  zweiter 
Teil  der  Operation.  Nach  Spaltung  der  Dura  drängt  sich  die  rechte 
Kleinhirnhemisphäre  stark  hervor;  bei  vorsichtigem  Zurückdrängen, 
um  den  Duraspalt  zu  verlängern,  spritzt  aus  der  rechen  Hemisphäre 
ein  feiner  Strahl  klarer,  gelblicher  Flüssigkeit,  die  Oeffnung  wird 
erweitert  und  man  befindet  sich  in  einer  pflaumengrossen  Zyste, 
deren  Spitze  nach  dem  Canal,  hypogloss.  gerichtet  ist;  die  Zysten¬ 
wandung  ist  deutlich  zu  übersehen,  kann  ejdoch  nur  stückweise  ent¬ 
fernt  werden,  daher  Einlegen  eines  Drainrohres,  im  übrigen  völliger 
Verschluss  des  Lappens.  Eingriff  wird  gut  überstanden.  Reichlicher 
Abfluss  von  Zerebrospinalflüssigkeit  auch  nach  Entfernung  des  Drains, 
welcher  8  Tage  liegen  blieb.  Nach  4  Wochen  völlige  Vernarbung. 
Subjektiv  gar  keine  Beschwerden,  objektiv  leichtes  Schwanken,  wel¬ 
ches  durch  systematische  Gehübungen  in  weiteren  2  Wochen  ganz 
gehoben  wurde.  Gegenwärtig  zeigt  nur  die  Narbe  die  frühere 
schwere  Erkrankung;  durch  die  Nackenfaszien  und  Muskulatur  ist  ein 
völliger  Abschluss  erzielt,  es  besteht  kein  Prolaps.  Der  Patient  ist 
in  seiner  früheren  Stellung  als  Weber  mit  lOstündiger  Arbeits¬ 
zeit  tätig. 

Herr  Kohnstamm:  Angesichts  der  Verfeinerung  der  Klein¬ 
hirndiagnostik,  von  der  wir  eben  wieder  eine  Probe  erfahren  haben, 
ist  die  Zurückführung  jedes  Symptoms  auf  sein  anatomisches  Sub¬ 
strat  von  Bedeutung.  Die  Oppenheim  sehe  A  r  e  f  1  e  x  i  e  der 
Kornea  ist  ein  Lähmungssymptom  des  sensiblen  Trigeminus,  dessen 
Wurzeln  dieselbe  Dreiteilung  ihres  Verlaufes  erfahren,  wie  die  Hin¬ 
terwurzeln  des  Rückenmarkes.  Der  kinästhetische  Anteil  derselben 
verläuft  bekanntlich  ungekreuzt  in  den  Hintersträngen,  um  dann 
von  den  Hinterstrangskernen  ab  den  Weg  zur  gekreuzten  medialen 
Schleife  einzuschlagen.  Diesem  Anteil  entsprechen  diejenigen  Tri- 
geminuswurzeln,  die  im  sensiblen  Trigeminuskern  dei  Brücke  en- 
digen.  Der  2.  Anteil  der  Spinalwurzeln  tritt  in  die  graue  Substanz 
des  Eintrittniveaus  ein,  setzt  sich  zum  Teil  zum  gekreuzten  Go- 
w  e  r  sehen  Strang  fort,  dem  Leiter  des  Temperatur-  und  Schmerz¬ 
sinns,  teils  dient  er  der  Reflexvermittlung.  Diesem  Anteil  entspricht 
die  spinale  Trigeminuswurzel  in  ihrer  ganzen  Länge.  Selbst  Er- 
weichungsherde  im  kaudalen  Drittel  derselben  machen  Aieflexie 
der  Kornea  (ein  Primum  movens!).  Dem  3.  Kl.-S.-B.-Anteil 
der  Spinalwurzeln  entsprechen  nach  meiner  Anschauung  Fasern,  die 
sich  aus  dem  ventralen  Zipfel  des  Graus  der  spinalen  Trigeminuswurzel 
entwickeln  und  sich  dem  Corp.  restif.  kleinhirnwärts  anschliessen. 
(Psych.-neurolog.  Wochenschr.  1905,  24.) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


1554 


Berliner  medizinische  Gesellschaft  siehe  S.  1558. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  1.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Schriftführer:  Herr  Herrschei. 

rlerr  W  i  n  t  e  r  n  i  t  z  teilt  als  Nachtrag  zu  seinem  Demon¬ 
strationsvortrag  vom  20.  März  1907  (vergl.  Bericht  in  dieser  Zeitschr. 
Nr.  21)  über  den  Fall  Schneider,  bei  dem  die  Differentialdiagnose 
liernia  diaphragmatica  bezw.  Eventeratio  diaphr.  zur  Diskussion 
stand,  mit,  dass  seither  R  i  s  e  1  -  Leipzig  in  einem  ähnlichen  Fall,  der 
zur  scheinbar  wohlbegründeten  Diagnose  einer  Eventeratio  diaphrag¬ 
matica  geführt  hatte,  bei  der  Autopsie  eine  geheilte  traumatische 
Hd'rnia  diaphragmatica  spuria  sinistra  feststellen  konnte.  Man  wird 
unter  diesen  Umständen  zugeben  müssen,  dass  selbst  mit  Hilfe  der 
Röntgendurchleuchtung  intra  vitam  eine  sichere  Diagnose  nicht  zu 
stellen  ist.  Es  ist  daher  sehr  wohl  möglich,  dass  schliesslich  C. 
Hirsch  im  Falle  Schneider  mit  seiner  Annahme  einer  Hernia 
diaphragmatica  gegenüber  der  jetzt  vorherrschenden  Auffassung  einer 
Eventeratio  diaphragmatica  doch  Recht  behält. 

Herr  Leo:  Geschichtliches  aus  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie. 

Unter  Vorlegung  der  Originalien  bespricht  Vortr.  die 
Eigenarten  der  verschiedenen  geburtshilflichen  und  gynäko¬ 
logischen  Schriftsteller  seit  der  Renaissancezeit. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Mohr: 
Demonstration  von  Herzkranken. 

Herr  v.  ßramann  berichtet  genaueres  über  die  Indikations¬ 
stellung  und  die  Technik  der  Kardiolyse. 

V 

Sitzung  vom  15.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Herr  Käthe:  Ueber  den  Befund  von  Luft  in  den  Lungen 
eines  intrauterin  abgestorbenen  Kindes. 

Ausgehend  von  der  Bedeutung,  welche  die  Lungen¬ 
schwimmprobe,  zum  ersten  Male  praktisch  verwertet  durch 
den  Physikus  Johann  Schreyer,  gelegentlich  des  Pegauer 
Kindsmordprozesses  im  Jahre  1681,  seither  in  der  gerichtlichen 
Medizin  erlangt  hat,  erörterte  Vortragender  die  verschiedenen 
Momente,  welche  den  Ausfall  der  Probe  zu  beeinflussen  ver¬ 
mögen,  sei  es  nach  der  negativen,  sei  es  nach  der  positiven 
Seite  hin.  In  ersterer  Beziehung  kommt  hauptsächlich  die 
Tatsache  in  Betracht,  dass  Lungen  von  Neugeborenen,  welche 
durch  Atmung  entfaltet  gewesen  sind,  wieder  völlig  atelek- 
tatisch  werden  können.  Andererseits  ist  aber  auch  mit  der 
Möglichkeit  zu  rechnen,  dass  die  Probe  bei  Lungen,  die  nach 
der  Geburt  bestimmt  nicht  geatmet  haben,  deswegen  positiv 
ausfällt,  weil  ihnen  künstlich  (durch  Schnitze  sehe  Schwin¬ 
gungen  etc.)  Luft  zugeführt  ist,  oder  weil  sich  in  ihnen  Fäulnis¬ 
gas  entwickelt  hat  oder  aber  schliesslich  deswegen,  weil  die 
Frucht  bereits  intrauterin  Luft  bezw.  Gas  (Tympania  uteri)  ge¬ 
atmet  hat.  Nach  Darlegung  der  einzelnen  Bedingungen,  unter 
denen  es  zur  Ansammlung  von  Luft  bezw.  Gas  in  der  Gebär¬ 
mutterhöhle  und  zur  Aspiration  durch  das  Kind  kommen  kann, 
besprach  Vortr.  einen  Fall  von  intrauteriner  Luftatmung,  den 
er  seziert  hatte  und  bei  dem  der  Eintritt  von  Luft  in  das  Cavum 
uteri  durch  Anlegen  der  hohen  Zange  ermöglicht  war.  Gleich¬ 
zeitig  legte  er  makroskopische  und  mikroskopische  Präpa¬ 
rate  vor. 

Diskussion.  Herr  Schulz:  Ich  kann  den  Ausführungen 
des  Herrn  Vortragenden  in  allen  Punkten  beistimmen.  Auch  ich  bin 
der  Ansicht,  «dass  der  Luftgehalt  in  den  Lungen  herriihrt  von  einem 
Atmen  während  der  Geburt.  Die  Gelegenheit  hierzu  war  gegeben 
bei  den  FZxtraktionsversuchen,  die  vor  Einlieferung  der  Kreissenden 
in  die  Klinik  angestellt  worden  sind. 

Im  übrigen  möchte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  noch  auf  einen 
Punkt  lenken.  Als  ich  die  Brustorgane  des  Neugeborenen  vor  einigen 
I  agen  sah,  fand  ich  in  der  Nachbarschaft  des  lufthaltigen  Lungen¬ 
herdes  ein  subpleurales  Emphysem.  Ein  interstitielles  und  subpleurales 
Emphysen  werden  häufig  bei  intrauteriner  Erstickung,  aber  auch  bei 
1  od  aus  anderen  Ursachen  an  den  Lungen  Neugeborener  gefunden. 
Puppe  wollte  sie  als  ein  besonderes  Zeichen  der  gewaltsamen  Er¬ 
stickung  durch  weiche  Bedeckungen  angesehen  wissen.  Auf  der  vor¬ 
jährigen  Naturforscher-  und  Aerzteversammlung  in  Stuttgart  be¬ 
richtete  er  über  einschlägige  Beobachtungen  anLeichenNeugeborener : 
Es  konnte  ihm  aber  entgegengehalten  werden,  dass  auch  bei  anderen 
1  odesarten  Emphysem  dieser  Art  sich  fände.  Ich  bringe  diesen  von 
dem  Herrn  Vortragenden  nicht  erwähnten  Befund  deshalb  vor,  weil 


er  hier  von  neuem  beweist,  dass  er  auch  bei  anderen  Todesarten  an¬ 
getroffen  wird. 

Herr  Veit  sprach  die  Vermutung  aus,  dass  infolge  der  ungün¬ 
stigen  äusseren  Verhältnisse,  unter  denen  die  Geburt  stattfand,  und 
•  infolge  ihres  protrahierten  Verlaufes  gasbildende  Bakterien  in  den 
Uterus  eingeschleppt  seien  und  zu  einer  Tympanie  geführt  hätten. 

Vortragender  widersprach  dem  mit  dem  Hinweis  darauf, 
dass  sich  dann  in  den  Alveolen,  die  stellenweise  Fruchtwasserbestand¬ 
teile  enthielten,  auch  die  Bakterien  hätten  finden  müssen,  dies  war 
jedoch  nicht  der  Fall. 

Herr  Schepel  mann  sprach  über  Syringomyelie;  nach  einer 
historischen  Einleitung  erörterte  er  die  pathologische  Anatomie,  Sym¬ 
ptomatologie,  den  Verlauf  und  die  Differentialdiagnose;  besondere  Be¬ 
rücksichtigung  fanden  die  Lepra  und  die  M  o  r  v  a  n  sehe  Krankheit. 
Sodann  demonstrierte  er  einen  40  jährigen  Patienten,  der  schon  1901 
und  1904  in  der  medizinischen  Klinik  behandelt  war.  Patient  hatte 
von  1890 — 1895  der  Fremdenlegion  angehört  und  war  in  Afrika  an  der 
Syringomyelie  erkrankt.  Der  Herd  musste  —  wie  typisch  —  im  mitt¬ 
leren  und  unteren  Hals-  sowie  obersten  Brustmark  liegen  und  ziem¬ 
lich  symmetrisch  angeordnet  sein.  Die  Medulla  oblongata  sowie  die 
Hinterstränge  waren  nur  wenig  befallen.  An  der  Hand  der  früheren 
Krankengeschichten  Hess  sich  nachweisen,  dass  mit  Sicherheit  seit  6, 
wahrscheinlich  aber  schon  seit  9  Jahren  ein  ziemlich  stationärer  Zu¬ 
stand  eingetreten  war. 

Herr  Pfeifer:  Herr  Dr.  Schepel  mann  erwähnte  bei  der 
Beschreibung  der  Symptomatologie  der  Syringomyelie  auch  Störungen 
der  Schweissekretion  und  okulo-pupilläre  Symptome.  Einen  der¬ 
artigen  Fall,  der  uns  vor  etwa  Vt  Jahr  von  seiten  der  medizinischen 
Poliklinik  überwiesen  wurde,  hatte  ich  Gelegenheit,  zu  untersuchen. 
Der  Kranke  hatte  im  Jahre  1897  ein  Schädeltrauma  erlitten.  Im  An¬ 
schluss  hieran  trat  vermehrtes  Schwitzen  am  Kopf,  anfangs  beider¬ 
seits,  später  nur  auf  die  linke  Kopfseite  beschränkt,  auf.  Ferner  ent- 
wicklte  sich  eine  Schwäche  der  Arme  und  schliesslich  auch  der 
Beine.  Luetische  Infektion  wurde  negiert. 

Die  Untersuchung  ergab  starke,  nur  auf  die  linke  Gesichts-  und 
vordere  Kopfseite  beschränkte  Schweissekretion,  Erweiterung  der 
linken  Pupille  und  der  linken  Lidspalte,  Atrophie  der  kleinen  Hand¬ 
muskeln  besonders  links,  sowie  eine  spastische  Parese  beider  Beine. 
Eine  deutliche  dissoziierte  Empfindungslähmung  war  an  der  linken 
oberen  Extremität  nicht  nachweisbar.  Sehr  wahrscheinlich  hat  es 
sich  bei  diesem  Falle  ursprünglich  um  eine  durch  das  Trauma  be¬ 
dingte,  im  8.  Zervikal-  und  1.  Dorsalsegment  lokalisierte  Hämato- 
myelie  gehandelt,  aus  welcher  sich  später  eine  Syringomyelie  ent¬ 
wickelte. 

Was  die  Beziehung  der  Syringomyelie  zur  M  o  r  v  a  n  sehen 
Krankheit  angeht,  so  herrscht  heute  fast  allgemein  die  Anschauung, 
dass  es  sich  um  ein  und  dieselbe  Erkrankung  handelt.  Der  Ausfall 
sämtlicher  Empfindungsqualitäten  bei  der  M  o  r  v  a  n  sehen  Krankheit 
ist  dadurch  zu  erklären,  dass  die  Höhle,  oder  die  dieselbe  umgebende 
Gliamasse  sehr  weit  in  das  Gebiet  der  Hinterstränge  sich  hinein  er¬ 
streckt  und  diese  zerstört. 

Herr  Fries  fragt,  ob  das  Röntgenbild  bei  dem  vorgestellten 
Kranken  an  den  Knochen  der  oberen  Extremitäten,  insbesondere  an 
den  Fingerphalangen  trophische  Störungen  aufweist. 

Herr  Schepelmann  verneint  dies. 

Herr  Mohn  weist  auf  den  Thorax  en  bateäu  bei  Syringomelie- 
kranken  hin,  der  nach  seiner  Ansicht  auch  bei  diesen  Kranken  in  Ent¬ 
wicklung  begriffen  ist. 


Medizinische  Gesellschaft  in  Kiel. 

( Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  2.  Februar  1907  im  Marinelazarett  in  Kiel. 

Herr  Rüge:  Ueber  Schlafkrankheit  (gegenwärtiger  Stand  un¬ 
seres  Wissens)  mit  Demonstrationen. 

Sitzung  vom  2.  März  1907  in  der  Klinik  für  Hautkrank¬ 
heiten. 

Herr  Pfeiffer:  Demonstration  eines  Falles  von  multipler 

Periostitis  typhosa. 

23  jähriges  Mädchen.  Vor  8  Monaten  schwerer  Typhus.  In  der 
6.  Krankheitswoche  Schwellungen  und  Schmerzen  am  linken  Ober¬ 
schenkel,  linken  Unterschenkel  und  linken  Orbitalrand,  vor  jetzt  5 
Wochen  schmerzhafte  Schwellung  am  linken  Unterarm.  Bei  der  Auf¬ 
nahme  am  26.  I.  07  fanden  sich  periostale  Schwellungen  am  linken 
Unterarm,  linken  Unterschenkel  (hier  Ulzeration),  rechten  Unter¬ 
schenkel  (von  Patientin  gar  nicht  bemerkt),  linken  Orbitalrand.  Eiter 
mit  Typhusbazillen  wurde  am  rechten  Unterschenkel  und  linken 
Unterarm  nachgewiesen.  Im  Stuhl  fanden  sich  keine  Typhusbazillen. 

Die  Therapie  bestand  in  Inzisionen,  darnach  schnelle  Heilung, 
am  linken  Unterschenkel  unter  Abstossung  eines  kleinen  Knochen¬ 
sequesters. 

Herr  Klingmüller  demonstriert  2  Fälle  von  schwerer  ma¬ 
ligner  Lues. 

Bei  dem  einen  Fall,  29  jährigen  Mann,  hatte  bereits  der  Primär¬ 
affekt  den  Charakter  eines  schnell  zerfallenden  Geschwüres  und 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1555 


ebenso  ulzerierten  alle  späteren  Rezidive  der  Haut  und  Schleimhaut. 
Besonders  entwickelte  sich  im  Rachen  ein  Geschwür,  welches  auf 
weichen  Gaumen,  Gaumenbögen,  Tonsillen,  hintere  Rachenwand  und 
bis  auf  die  Epiglottis  Übergriff.  Besonders  bemerkenswert  war  ferner, 
dass  sich  an  den  Stellen  von  Hydrarg.  oxycyanat.  - 
Einspritzungen  (Injektion  Hirsch)  ebenfalls  r  u  p  o  i  d  e  Ge¬ 
schwüre  entwickelten  von  demselben  Charakter  wie  die 
auch  anderwärts  auftretenden.  Quecksilber  wurde  vertragen  in 
Form  von  Salizyleinspritzungen  und  Einreibungen,  hatte  aber  keinen 
endgültigen  Heilerfolg,  während  Kalomelinjektionen  prompt  wirkten. 
Jod  und  Zittmanndekokte  wirkten  verschlechternd.  Das  ausgedehnte 
Geschwür  im  Rachen  zeigte  aber  bald  wieder  die  Neigung  zur 
Ausbreitung  und  führte  zu  einer  Arrosion  der  Arteria  thyreoidea  Su¬ 
perior  und  einer  Blutung,  welcher  der  sehr  heruntergekommene 
Patient  erlag.  ( iVz  Jahr  nach  der  Infektion).  Die  Sektion  ergab: 
Amyloide  Herde  in  der  Leber  und  ulzeröse  Veränderungen 
im  Rachen  und  Kehlkopfeingang. 

Beim  2.  Fall,  23  jähriges  junges  Mädchen,  extragenitale  Infektion, 
Primäraffekt  an  der  linken  Tonsille,  disseminierte  ulzeröse  Herde 
und  ausgedehntes  talergrosses  Geschwür  an  der  hinteren  Rachen¬ 
wand,  sehr  heruntergekommen,  anämisch  (60 — 65  Hgb.),  wirkte  Ka- 
lomel  prompt  und  sicher.  Hydrarg.  oxycyanat.  (Injektion  Hirsch) 
hatte  gar  keinen  spezifischen  Erfolg  und  machte  lang  bestehende 
Infiltrate  mit  langdauernden  ausstrahlenden  Schmerzen  in  den  unteren 
Extremitäten. 

Im  Anschluss  an  diesen  Fall  wird  das  hier  nicht  sehr  seltene 
Krankheitsbild  der  malignen  Lues  besprochen. 

Herr  Bering  demonstriert  die  Kromayersche  Ouarzlampe 
und  berichtet  über  günstige  Wirkungen  bei  Lupus  vulgaris,  Lupus 
erythematodes,  Alopecia  areata,  Epheliden,  Folliculitis  barbae,  Der¬ 
matitis  lichenoides  pruriens,  Strophulus,  Trichophytie,  parasitären 
und  chronischen  Ekzemen  und  Teleangiektasien. 

Nach  den  bisherigen  Erfahrungen  scheint  die  Quarzlampe  den 
Finsenlampen  in  ihrer  Wirkung  überlegen  zu  sein. 

Herr  Bering:  Ueber  die  Penetrationsfähigkeit  des 
Quarzlichtes,  über  die  oxydierende  und  reduzierende  Wirkung 
des  Lichts  und  über  seinen  Einfluss  auf  den  Gesamtorganismus. 
(Erscheint  ausführlich  im  med.  naturw.  Archiv.) 

Herr  K  li  n  g  m  ü  1 1  e  r  demonstriert  einen  Fall  von  Hydroa  vac- 
ciniforme  mit  ausgedehnten  narbigen  Veränderungen  im  Gesicht  und 
fast  gänzlicher  Erblindung,  frische  Blasen  an  den  Händen:  2  Fälle 
von  Xeroderma  pigmentosum  aus  der  Familie,  welche  von 
Nereer  (Dissertation  Kiel  1906)  genauer  beschrieben  ist.  Der 
eine  Fall  zeigt  multiple  Kankroide  im  Gesicht. 

Herr  Bering  demonstriert  2  mit  Röntgenstrahlen  behandelte 
Fälle  von  Kopffavus,  2  Fälle  von  ausgedehnter  Trichophytie  am 
Körper,  welche  mit  der  Quarzlampe  auffallend  günstig 
beeinflusst  und  geheilt  wurden,  einen  Fall  von  Lichen  ruber  atrophi¬ 
cans  universalis  und  einen  Fall  von  Lichen  ruber  planus  universalis 
mit  ausgedehnten  Pigmentierungen  und  Atrophien. 

Herr  K  1  i  n  g  m  ü  1 1  e  r  spricht  über  Therapie  der  Gonorrhöe 
und  setzt  an  einer  sorgfältigen  Statistik  die  Ueberlegenheit  von  mög¬ 
lichst  früh  einsetzender  energischer  Behandlung  mit  Protargol  aus¬ 
einander.  Vorzüge:  Schnelles  Dauerresultat.  Verhütung  von  Kompli¬ 
kationen.  (Wird  an  anderer  Stelle  ausführlich  veröffentlicht.) 

Sitzung  vom  4.  Mai  1907  im  Anschar-Krankenhaus. 

Herr  Ferd.  Petersen  stellt  vor: 

1.  Einen  Mann  mit  Oesophaguskarzinom,  bei  dem  er  vor  bald 
einem  Jahre  die  Gastrotomie  gemacht  hat,  und  der  sich  nun  teils 
durch  die  Magenfistel,  teils  durch  den  Oesophagus  sehr  gut  ernährt. 
Im  Anschluss  daran  werden  noch  andere  Fälle  von  Karzinom  des  Ver¬ 
dauungskanals  besprochen,  bei  denen  die  Kranken  nach  Ausschaltung 
des  Karzinoms  noch  jahrelang  in  leidlichem  Wohlbefinden  gelebt 
haben. 

2.  Eine  28  jährige  Plätterin,  bei  der  ein  Sanduhrmagen  infolge 
Ulcusnarbe  bestand  und  die  nun  nach  Beseitigung  der  nur  eine  Finger¬ 
kuppe  durchlassenden  Striktur  und  Ausführung  der  Gastroentero- 
stomia  antecolica  wegen  zugleich  bestehender  Verengerung  des  Py- 
lorus  sich  sehr  wohl  befindet.  Der  Verf.  setzt  seine  eigene  Opera¬ 
tionsmethode  auseinander. 

3.  Ein  mikrozephales  Kind  mit  doppelter  Kieferspalte,  Verwach¬ 
sung  von  Ober-  und  Unterkiefer,  bei  dem  die  zugleich  bestehenden 
Flügelhäute  an  den  Beinen  operativ  entfernt  worden  waren. 

Derselbe  spricht  dann  über  die  Operation  der  Hasenscharte.  Er 
ist  für  möglichst  frühzeitige  Operation,  weil  dann  die  Kinder  am 
besten  noch  bei  Kräften  sind,  die  Missbildungen  am  vollständigsten 
zurückgehen,  die  Kinder  am  ruhigsten  sind  und  am  wenigsten  leiden 
und  macht  sie  am  liebsten  ambulant,  damit  die  Kinder  in  ihren  ge¬ 
wohnten  Verhältnissen,  bei  derselben  Ernährung  etc.  bleiben.  Die 
Blutung  ist  möglichst  einzuschränken,  was  durch  Kompression  leicht 
gelingt.  P.  schildert  die  verschiedenen  Operationsmethoden  und  zu¬ 
letzt  sein  eigenes,  modifiziertes  H  a  g  e  d  o  r  n  sches,  Verfahren.  _ 

Die  Kinder  werden  festgewickelt  in  aufrechter  Stellung  operiert, 
Neugeborene  und  Kinder  in  den  ersten  Lebenswochen  ohne  Narkose. 

Herr  Hoppe-Seyler  zeigt : 

1.  von  ihm  und  Tollens  angegebene  Troikars  und  Hohl¬ 
nadeln  für  Brust-,  Bauch-  und  Lumbalpunktion,  welche  mit  einem 


Schlauchansatz  versehen  sind  und  so  die  Druckmessung  und  Ent¬ 
leerung  von  Flüssigkeitsergüssen  erleichtern,  und  spricht 

2.  über  länger  dauernde  Entleerung  der  Zerebrospinalflüssigkeit 
bei  Meningitis  mit  Hilfe  einer  in  die  Lumbalgegend  eingeführten  Ka¬ 
nüle,  durch  die  die  Flüssigkeit  unter  konstantem  Druck  abfliesst. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  18.  Februar  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Goldberg:  a)  Ueber  Blutungen  der  Harnwege. 
(Wird  anderweitig  publiziert.) 

b)  Bericht  über  die  letzten  25  harnchirurgischen  Opera¬ 
tionen. 

Als  „harnchirurgische“  Operationen  fasst  G.  diejenigen  zu¬ 
sammen,  welche  ohne  Eröffnung  der  äusseren  Bedeckungen  im 
Inneren  der  unteren  Harnwege  vorgenommen  werden.  Seine  letz¬ 
ten  25  umfassen: 

1.  10  interne  Urethrotomien. 

Alle  Patienten  hatten  sehr  alte,  filiforme  Strikturen;  chronische 
hochgradige  Retentio  urinae  und  meist  auch  Infektion;  alle  \yaren 
erfolglos  mit  den  Dilatationsmethoden  vorbehandelt.  Durchschnitts¬ 
alter  50  Jahre.  Alle  ohne  Komplikation,  vollständig,  und  —  bei  spä¬ 
terer  Bougierung  —  dauernd  heil.  (Vergl.  frühere  Operationen 
in  D.  Zeitschr.  f.  Chir.  19,  wo  Indikationen  und  Technik  erörtert.) 

2.  2  Extraktionen  von  Harnröhrensteinen. 

3.  2  Bottinische  Operationen,  nach  den  in  D.  med. 
Wochenschr.  1906  entwickelten  Indikationen.  1  heil,  1  +. 

4.  11  Litholapaxien. 

Das  Durchschnittsalter  der  Patienten  —  nur  Männer  —  beirug 
55  Jahre,  über  60  waren  4,  unter  60  —  6. 

Kompliziert  war  die  Lithiasis  —  abgesehen  von  den  gewöhn¬ 
lichen  Erscheinungen  der  Diathese  —  2  mal  mit  Arteriosklerose, 
1  mal  mit  Myokarditis,  1  mal  mit  Dialbetes  mellitus. 

In  Narkose  operierte  ich  5,  ohne  Narkose  6  Patienten. 

1  Patient  (Myokarditis)  starb  8  Tage  p.  op.  an  Apoplexie; 
1  Operation  blieb  unvollendet;  9  wurden  geheilt,  nach  einem  Kranken¬ 
lager  von  durchschnittlich  2 — 3  Tagen,  ohne  andere  postoperative 
Komplikationen,  als:  1  mal  Blutung.  4  mal  vorübergehende  Harnver¬ 
haltung.  Alle,  bis  auf  2  mit  präexistenter  chronischer  schwerer 
Zystitis,  wurden  mit  klarem,  eiterfreiem  Harn  entlassen. 

Herr  Vorschütz:  Ueber  schwere  Distorsionen  des 
Fussgelenkes  mit  Demonstration  von  entsprechenden  Röntgen¬ 
bildern.  (Die  Arbeit  ist  erschienen  in  der  Deutsch.  Zeitschr.  f. 
Chirurgie,  Bd.  80,  1905,  ref.  d.  W.  1906,  No.  14,  S.  665.) 

Bei  schweren  Distorsionen  im  Fussgelenk  kommt  es  nicht  sel¬ 
ten  zu  einer  messbaren  Diastase  zwischen  Tibia  und  Fibula.  Die 
Messung  geschieht  mittels  einer  Schubleere,  deren  Branchen  senk¬ 
recht  auf  den  zum  Unterschenkel  im  rechten  Winkel  stehenden  Fuss 
aufgesetzt  werden  müssen,  um  die  Messung  exakt  vornehmen  zu 
können,  da  es  sich  nur  um  Grössen  in  Millimeter  handelt.  Auch 
ist  die  Anfertigung  eines  Röntgenbildes  sehr  sorgsam  und  ge¬ 
nau  vorzunehmen,  da  bei  falscher  Lagerung  des  Fusses  Täu¬ 
schungen  Vorkommen  können.  Diese  schweren  Distorsionen  mit  einer 
Diastase  sind  so  zu  behandeln,  als  ob  es  sich  um  einen  Knöchelbruch 
handelte,  da  im  Grunde  genommen  die  Verhältnisse  bezüglich  der 
später  zu  entstehenden  Plattfiisse  genau  dieselben  sind.  Es  bleibt 
sich  gleich,  ob  die  Knochen  oder  die  Bänder  verletzt  sind,  auf 
jeden  Fall  ist  der  Halt  des  Gelenkes  durch  die  weite  Bewegungs¬ 
möglichkeit  der  Talusrolle  geschwunden  und  so  dem  Entstehen,  des 
Plattfusses  Vorschub  geleistet.  Die  Behandlung  besteht  am  besten  in 
der  Extension  nach  Bardenheuer,  welche  12  Tage  lang  angelegt 
wird  und  vom  6.  Tage  ab  in  der  Strecke  aktive  und  passive  Be¬ 
wegungen  empfiehlt.  Die  weitere  Behandlung  besteht  in  aktiven 
Bewegungen  vornehmlich  in  Supinationsübungen  des  Fusses  und  in 
der  Anwendung  der  heissen  Luft.  Auf  Grund  längerer  Erfahrungen 
wird  angeraten,  den  Fuss  3  Wochen  nicht  zu  belasten.  Diese  Dia- 
stasen  kommen  für  die  Unfallheilkunde  vor  allem  dort  in  Frage, 
wo  bei  Distorsionen  später  ein  Plattfuss  eingetreten  ist.  ohne  einen 
Knochenbruch  nachweisen  zu  können.  Das  Röntgenbild  sichert  in 
solchen  Fällen  am  besten  die  Diagnose. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  7.  Mai  1 907. 

Vorsitzender:  Herr  B  a  h  r  d  t. 

Schriftführer:  Herr  Ri  ecke. 

Herr  S.  Köster  demonstriert: 

1.  Einen  Fall  von  beginnender  multipler  Sklerose  mu  initialen 
Augensymptomen  (einseitigem  zentralem  Skotom). 

B.  Ernst,  25  Jahr,  Postbote,  wurde  mit  folgendem  von  der 
Universitäts-Augenklinik  (Prof.  Birch -  Hirsch  fei  d)  erhobenen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


Augenbefund  zum  Vortragenden  geschickt:  B.  leidet  an  einem  zen¬ 
tralen  Skotom  des  linken  Auges  für  Weiss  und  für  Farben,  Nystagmus 
und  Amblyopie.  Peripheres  Gesichtsfeld  frei.  Vielleicht  besteht  eine 
geringe  Hyperämie  der  Papille.  Ich  vermute  Sclerosis  multiplex. 
Die  Anamnese  ergibt,  dass  die  Augenstörungen  seit  dem  1-4.  Lebens¬ 
jahr  bestehen  und  dass  sie  besonders  nach  Schliessung  des  rechten 
Auges  auffällig  werden.  Wenn  er  scharf  nach  etwas  sehen  will, 
muss  er  von  der  linken  Seite  sehen.  Erst  auf  Befragen  gibt  Patient 
an,  dass  er  bei  kaltem  und  feuchtem  Wetter  Steifigkeit  in  den  Beinen, 
besonders  im  rechten  Beine  verspüre.  Sonst  keine  Beschwerden. 
Objektiv  ist,  abgesehen  von  den  sehr  charakteristischen  Augen¬ 
symptomen  nur  eine  Steigerung  der  Patellarsehnenreflexe,  Andeu¬ 
tung  von  Fussklonus  und  ein  leichter  Grad  von  Spasmus  in  beiden 
Beinen,  besonders  dem  rechten,  vorhanden.  Der  Gang  ist  nicht 
ausgesprochen  spastisch,  die  Stiefel  werden  an  den  Spitzen  zuerst 
abgenützt.  Vortragender  betont  unter  Hinweis  auf  die  Literatur 
die  Bedeutung  des  Augenbefundes  für  die  Diagnose  der  multiplen 
Sklerose  zu  einer  Zeit,  wo  die  ausgesprochenen  anderweitigen  Ner- 
vensymptome  (Zittern,  Sprachstörung  usw.)  noch  völlig  fehlen 
können. 

2.  Einen  Fall  von  spastischer  zerebrospinaler  Paralyse  mit  zen¬ 
tral  bedingter  Amblyopie. 

Kr.  Martha,  12  Jahr,  Brauerskind,  wurde  von  der  Universitäts- 
Augenklinik  mit  dem  Befunde  des  Herrn  Prof.  Bielschowsky 
zugeschickt,  dass  die  Kranke  „höchstgradig  amblyopisch  ist,  ohne 
dass  der  Augenbefund  eine  entsprechende  Unterlage  dafür  gibt“. 
Der  Vater  ist  an  Lungentuberkulose  gestorben,  soll  nicht  luetisch 
gewesen  sein,  die  Mutter  und  eine  14  jährige  Schwester  sind  körper¬ 
lich  und  geistig  gesund.  Als  das  rechtzeitig  und  glatt  geborene 
Kind  ca.  Ws  Jahr  alt  war,  fiel  den  Angehörigen  die  Steifigkeit  der 
unteren  Extremitäten  und  des  linken  Armes  auf.  Schon  im  Jahre 
1896  wurde  in  der  Augenklinik  festgestellt,  dass  die  nur  etwas 
blassen  und  von  Pigment  umsäumten  Papillen  kefne  pathologische 
Veränderung  aufwiesen  und  dass  vorgehaltene  Gegenstände  richtig 
erkannt  wurden.  Nach  nunmehr  11  Jahren  ist  derselbe  Augen¬ 
befund  zu  erheben.  Sie  kann  über  die  Strasse  herüber  keinen  Gegen¬ 
stand  erkennen,  wohl  aber  farbige  Eindrücke  auf  1 — 2  m  wahrnehmen. 
Sehr  grosse  Buchstaben  erkennt  sie  mit  Mühe,  macht  aber  wegen 
ihrer  Amblyopie  im  Schreiben  nur  geringe  Fortschritte.  Die  Glieder¬ 
steifigkeit  hat  mit  der  Zeit  zugenommen  und  seit  Vs  Jahr  treten 
nach  Aufregungen  Krämpfe  von  3 — 5  Minuten  langer  Dauer  auf,  bei 
denen  das  Bewusstsein  erhalten  bleibt.  Der  Mund  und  der  Kopf 
werden  zuerst  ruckweise  nach  links  verzogen  und  dann  fangen  die 
Extremitäten  an  zu  zucken.  Kein  Zungenbiss,  kein  Urinabgang.  Nach 
dem  Anfall  Müdigkeit  aber  keine  Amnesie.  Objektiv  findet  sich 
ausser  der  Amblyopie  eine  leichte  Erweiterung  und  etwas  trägere 
Reaktion  der  linken  Pupille  und  ein  irregulärer  Nystagmus.  Dazu 
kommt  die  mit  Steigerung  aller  Sehnenreflexe  verbundene  spastische 
Versteifung  aller  Glieder,  die  durchaus  dem  gewöhnlichen  Bilde  ent¬ 
spricht.  Nur  der  rechte  Arm  hat  etwas  geringere  Spasmen.  Das 
Kind  ist  so  steif,  dass  es  nicht  gehen  und  stehen  kann,  sondern 
getragen  werden  muss.  Auffallend  ist  die  Hyperextension  der  grossen 
Zehen.  Das  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Phänomen  ist  schön  vorhanden.  Psy¬ 
chisch  ist  die  Kranke  als  imbezill  zu  bezeichnen,  doch  ist  ihre  psy¬ 
chische  Inferiorität  nicht  grösser  als  bei  vielen  anderen  Kranken  mit 
angeborener  oder  erworbener  spastischer  Zerebrospinalparalyse.  Es 
ist  diese  Feststellung  wegen  der  differentialdiagnostisch  allein  in  Be¬ 
tracht  kommenden  Sachs  sehen  familiären  Idiotie  von  Wert.  Bei 
dieser  ist  aber  ausser  einer  spastischen  oder  schlaffen  Lähmung 
der  Glieder  stets  eine  Optikusatrophie  die  Ursache  der  Erblindung 
bei  den  idiotischen  Patienten.  Im  vorliegenden  Fall  fehlt  erstens  der 
familiäre  Charakter  des  Leidens  und  zweitens  besteht  keine  Optikus¬ 
atrophie,  sondern  die  peripheren  Verhältnisse  sind  an  beiden  Augen 
ophthalmoskopisch  normal.  Die  Sehstörung  muss  also  zentral  be¬ 
dingt  sein  und  es  liegt  bei  Würdigung  des  dem  klinischen  Bilde  zu 
gründe  liegenden  anatomischen  Substrates  nahe,  die  Ursache  der 
Amblyopie  in  kortikalen  resp.  subkortikalen  enzephalitischen  Hirn¬ 
veränderungen  zu  suchen.  Vortragender  weist  auf  die  ausserordent¬ 
liche  Seltenheit  der  demonstrierten  Augenkomplikation  hin,  für  die 
er  bisher  noch  keinen  analogen  Fall  in  der  Literatur  gefunden  hat. 

3.  Einen  Fall  von  Tabes  dorsalis  mit  doppelseitiger  Abduzens¬ 
lähmung,  beginnender  Optikusatrophie  und  Insuffizienz  und  Stenose 
der  Aorta. 

K.,  40  Jahr,  Arbeiter.  Im  Jahre  1892  luetische  Infektion.  Fast 
nicht  mit  Hg  behandelt.  Nach  Jahren  langsame  Entwicklung  einer 
Tabes.  Subjektiv  lanzinierende  Schmerzen,  grosse  Unsicherheit  beim 
Gehen,  Abnahme  der  Sehkraft.  Keine  Störung  der  Blase  und  der 
Potenz. 

Seit  Januar  1907  Doppeltsehen  beim  Blick  nach  links  und  nach 
rechts.  Dazu  öfters  Herzklopfen.  Objektiv  Verlust  der  Patellar- 
reflexe,  Analgesie  der  Unterschenkelhaut,  Hackengang,  Romberg,  re¬ 
flektorische  Pupillenstarre,  beginnende  Optikusatrophie,  doppelseitige 
Abduzenslähmung  (Augenklinik,  Prof.  Bielschowsky). 

Hebender  und  nach  aussen  von  der  Mammillarlinie  verlagerter 
Spitzenstoss  im  5.  Interkostalraum,  typisches  Sägegeräusch  über  der 
Aorta.  Pulsus  celer. 

Vortragender  bespricht  die  Vorliebe  des  luetischen  Giftes  für 
die  Aorta  und  hält  unter  Berücksichtigung  der  in  der  Literatur  nie¬ 


dergelegten  Erfahrungen  die  Koinzidenz  von  Tabes  mit  Insuffizienz 
und  Stenose  der  Aorta  auch  im  vorliegenden  Fall  nicht  für  etwas 
Zufälliges. 

4.  Einen  Fall  von  postdiphtherischer  multipler  Neuritis  bei  einem 
24  jährigen  Landwirt. 

B.  Kurt.  Vom  1. — 27.  Januar  1907  eine  so  mild  verlaufende 
Diphtherie  des  Gaumens  und  der  Tonsillen,  dass  der  behandelnde 
Arzt  von  der  Heilserumeinspritzung  absah.  Mitte  Februar  näselnde 
Sprache  und  Unfähigkeit  zu  lesen.  Anfang  März  verschwanden  diese 
Beschwerden.  Den  ganzen  Februar  hindurch  bis  zum  12.  März  hatte 
Patient  wieder  gearbeitet.  In  der  2.  Märzwoche  stellte  sich  eine 
rasch  zunehmende  grosse  Schwäche  in  den  Armen  und  Beinen  ein, 
sodass  er  am  12.  März  die  Arbeit  niederlegen  musste.  Gleichzeitig 
mit  der  Parese  der  Extremitäten  stellten  sich  heftige  Schmerzen  in 
beiden  Waden  und  Gefühlsvertaubungen  in  den  Füssen  sowie  in 
beiden  Händen  (besonders  intensiv  in  beiden  Ulnarisgebieten)  ein. 
Die  vom  N.  ulnaris  versorgte  Handmuskulatur  zeigte  deutlichen 
Funktionsausfall.  Keine  Blasenstörung.  Objektiv  bestand  Ende  März 
grosse  motorische  Schwäche  (er  konnte  nicht  5  Minuten  gehen  und 
mit  den  Händen  nichts  festhalten).  Druckempfindlichkeit  der  M. 
tibiales  in  beiden  Waden  und  hinter  dem  inneren  Knöchel,  Verlust 
der  Patellar-  und  Achillessehnenreflexe  und  starkes  Schwanken  bei 
Augenfussschluss.  Damals  wie  auch  noch  heute  waren  objektiv 
keine  'deutlichen  Gefühlsstör-ungen  nachweisbar,  ebenso  fehlten  bis 
heute  Erscheinungen  von  Seiten  des  Herzens.  Das  Romberg- 
sche  Phänomen  und  die  Gliederschwäche  haben  durch  Anwendung 
von  Bädern  und  Elektrizität  zwar  abgenommen,  sind  aber  noch  vor¬ 
handen.  Die  Patellar-  und  Achillessehnenreflexe  fehlen  noch.  Vor¬ 
tragender  weist  darauf  hin,  dass  die  toxischen  Nacherkrankungen  am 
Nervensystem  und  am  Herzmuskel  bei  Diphtherie  sich  einstellen,  ob 
mit  Heilserum  behandelt  worden  ist  oder  nicht. 

5.  Einen  Fall  von  Lähmung  des  rechten  N.  accessorius,  des 
rechten  N.  sympathicus  bei  gleichzeitiger,  durch  Aortenaneurysma 
bedingter  rechtsseitiger  Rekurrenslähmung. 

K.  Henriette,  54  Jahr.  Arbeiterin.  Im  August  1906  bei  Feldarbeit 
Erkältung  mit  unmittelbar  nachfolgenden  heftigen  Schmerzen  in  der 
rechten  Halsseite.  Nach  4  Wochen  deutlicher  Muskelschwund  am 
Halse  und  der  rechten  Schulter.  Im  November  durch  Laryngologen 
(Herr  Dr.  T  h  i  e  s)  Feststellung  einer  rechtsseitigen  Rekurrensläh¬ 
mung.  Jetzt  Klagen  über  Heiserkeit,  Atemnot  bei  jeder  Anstrengung, 
Funktionsbehinderung  bei  Seitwärts-  und  Vorwärtsheben  des  rechten 
Armes  und  Schweregefühl  in  der  rechten  Schulter.  Augenblick¬ 
licher  Befund:  Typische  Lähmung  des  ganzen  rechten  M.  cucullaris 
mit  Schaukelstellung  des  Schulterblattes,  Vorwärtsdrängung  der 
rechten  Klavikula;  Abstand  des  rechten  Angulus  scapulae  von  der 
Mittellinie  11cm,  der  des  linken  7  cm.  Verbreiterung  des  Rückens. 
Zurückbleiben  der  rechten  Schulter  bei  der  Atmung.  Vikariierende 
Hypertrophie  des  rechten  M.  levator  anguli  scapulae.  Völliger 
Schwund  des  auch  elektrisch  nicht  mehr  erregbaren  M.  sternocleido- 
mastoideus.  Der  M.  cucullaris  ist  bei  promptem  Zuckungsablauf 
herabgesetzt  erregbar.  Erschwerung  der  Schulter-  und  Arm-* 
hebungen.  Dazu  kommt  eine  Verengerung  der  rechten  Pupille  und  bei 
schroffem  Temperaturwechsel  Hitzegefühl  und  Rötung  der  beständig 
trockenen  rechten  Wange.  Ueber  dem  oberen  Sternum  eine  Dämp¬ 
fung,  Pulsation  im  Jugulum,  rauhes  systolisches  Geräusch  über  der 
Aorta,  differenter  Puls.  Vortragender  führt  die  rechtsseitige  Re¬ 
kurrenslähmung  auf  die  aneurysmaähnliche  Erweiterung  der  Aorta 
zurück.  Die  Lähmungen  des  N.  accessorius  und  des  Sympathikus 
der  rechten  Seite  haben  ihre  gemeinschaftliche  Ursache  wahrschein¬ 
lich  in  einem  chronisch  neuritischen  Prozess  rheumatischen  Ur¬ 
sprunges.  Dafür  spricht  ausser  den  anamnestischen  Angaben  der  Um¬ 
stand,  dass  sich  die  Halsnerven  und  der  Plexus  brachialis  der  rechten 
Seite  noch  jetzt  als  druckempfindlich  erweisen.  Tumoren  am  Fo- 
ramen  jugulare  oder  an  der  Schädelbasis  waren  auszuschliessen. 

6.  Einen  Fall  von  syphilitischer  Epilepsie. 

R.  Arthur,  34  Jahre,  Schlosser.  Infektion  und  Potatorium  negiert, 
ist  unverheiratet.  Im  Jahre  1905  zum  ersten  Mal  Krämpfe  mit  Hitze- 
gefiihl  im  Kopf  und  Ucbelkeit  als  Aura.  Bei  einem  Anfall  im  Warte¬ 
zimmer  der  Poliklinik  plötzliches  Hinstürzen,  tonisches  Stadium  mit 
Zyanose  und  Eintritt  vieler  kleiner  Hautblutüngen  im  Gesicht  und  am 
Halse  und  einer  grösseren  konjunktivalen  Blutung,  dann  klonisches 
Stadium.  Während  des  ganzen,  5  Minuten  dauernden,  Anfalles  Ver¬ 
lust  des  Pupillar-  und  Sehnenreflexes  und  tiefe  Bewusstlosigkeit. 
Nachher  Müdigkeit  und  Kopfschmerz.  Seither  im  ganzen  6  Anfälle 
zuweilen  mit  Zungenbiss  und  einmal  mit  Fraktur  des  Nasenbeines. 
Anfang  Januar  1906  plötzlicher  Verlust  der  Potenz  und  völlige  Blasen¬ 
lähmung.  Der  Urin  geht  Tag  und  Nacht  unfreiwillig  ab.  Objektiv 
mässiger  Stupor,  Bissnarbe  quer  über  die  Zungenspitze,  verbogenes 
Nasenbein,  Steigerung  der  Patellarreflexe  und  Erhaltensein  der  Kre- 
masterreflexe.  Durch  Jodkali  Rückgang  der  Blasenlähmung,  sodass 
die  Hose  tageweise  trocken  ist  und  leichteres  Auftreten  der  letzten 
2  Anfälle.  Vortragender  setzt  auseinander,  dass  die  sogen,  syphi¬ 
litische  Epilepsie  sich  von  der  genuinen  symptomatologisch  nicht 
unterscheidet.  Das  erstmalige  Auftreten  der  Krämpfe  im  30.  Lebens¬ 
jahr  schliesst  die  Anwesenheit  einer  genuinen  Epilepsie  von  vorn¬ 
herein  aus.  Für  eine  traumatische  Aetiologie  fehlte  jeder  Anhalts¬ 
punkt,  Blei  oder  andere  epileptogene  Gifte  haben  nicht  eingewirkt. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1557 


für  Alkoholmissbrauch  fehlen  alle  Anhaltspunkte.  Dagegen  spricht 
das  plötzliche  Auftreten  von  Harn-  und  Potenzverlust  nach  ein¬ 
jährigem  Bestehen  der  Epilepsie  bei  dem  33  jährigen  Manne  für  die 
luetische  Natur  sowohl  der  spinalen  Symptome  als  auch  der  Epi¬ 
lepsie.  Die  Neigung  der  Syphilis,  sich  zugleich  an  mehreren  Stellen 
des  Nervensystems  und  in  verschiedener  Weise  zu  äussern,  ist  be¬ 
kannt.  Ob  die  Epilepsie  im  vorliegenden  Falle  nur  toxischen  Ur¬ 
sprungs  ist,  oder  ob  ein  Zusammentreffen  mit  organisierten  Störungen 
in  Frage  kommt,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden.  Für  das  aus¬ 
gezeichnete  Ausfallssymptom  der  Blasenlähmung  ist  jedenfalls  ein 
spezifischer  spinaler  Herd  als  Ursache  anzunehmen.  Für  die  luetische 
Natur  des  gan2ife!^i  Symptombildes  spricht  schliesslich  seine  glückliche 
Beeinflussung  Uürch  Jodkali. 

Herr  R  o  1 1  y  spricht  über  die  Ursache  des  scheinbar 
aeroben  Wachstums  von  Anaerobiern  in  flüssigen  Medien, 
welche  Organstückchen  enthalten,  und  den  Wert  solcher 
Untersuchungsweisen  für  die  pathologische  Diagnostik. 

Untersuchungen,  welche  R.  in  früheren  Jahren  angestellt 
hat,  haben  ihm  gezeigt,  dass  es  nicht  gelingt,  die  Anaerobier 
bei  Anwesenheit  von  O  zu  züchten.  Um  so  auffallender  waren 
ihm  die  in  letzter  Zeit  über  diesen  Gegenstand  publizierten 
scheinbar  positiven  Erfolge  anderer  Autoren.  Die  Versuche 
dieser  (z.  B.  Harras:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  p.  2237) 
waren  u.  a.  so  angeordnet,  dass  zu  steriler  Bouillon  Stückchen 
tierischen,  aber  auch  pflanzlichen  Gewebes  hinzugegeben 
wurden. 

R.  demonstriert  diese  Versuche,  welche  zeigten^  dass  in  der 
Tat  in  derartig  steriler  Bouillon,  welche  Kartoffel-  oder  Organ¬ 
stückchen  enthielt,  verschiedener  Anaerobier  sehr  gut  gediehen, 
während  in  Kontrollröhrchen  ohne  diese  Zutaten  keine  Anaero¬ 
bier  fortkamen.  Auch  bei  öfters  vorausgegangener  Sterilisation 
der  Bouillon  mit  den  Kartoffelstückchen  kamen  die  Anaerobier 
sehr  gut  zur  Entwicklung. 

Nun  ist  seit  Ehrlich  (1885)  bekannt,  dass  die  Reduktions¬ 
kraft  eine  Fundamentaleigenschaft  des  Protoplasma  ist.  Es 
war  nicht  ausgeschlossen,  dass  derartige  Kartoffel-  oder  Organ¬ 
stückchen  in  der  Bouillon  reduzierend  wirken  und  für  die 
Aerobier  alsdann  anaerobe  Bedingungen  hersteilen  würden. 

In  der  Tat  zeigte  sich,  dass  bei  Verwendung  von  Lackmus 
und  Methylenblau  eine  deutliche  Reduktion  in  der  Organ-  oder 
Kartoffelbouillon  bei  ruhigem  Stehen  der  mit  Watte  verschlos¬ 
senen  Röhrchen  hervorgerufen  wurde.  Die  Entfärbung  des 
Methylenblau  und  Lackmusfarbstoffes  infolge  der  Reduktion 
wurde  zuerst  manchmal  schon  nach  ein  paar  Stunden  am 
Boden  des  Gläschens  sichtbar,  breitete  sich  von  da  im  Verlaufe 
der  nächsten  Stunden  und  Tage  nach  der  Oberfläche  des  Röhr¬ 
chens  zu  aus,  um  alsdann  nach  2 — 3  Wochen  wieder  langsam 
zurückzugehen.  Die  oberflächliche  Schicht  wird  niemals  ent¬ 
färbt,  sondern  hier  wirkt  der  O  der  Luft  den  Reduktionspro¬ 
zessen  in  der  Flüssigkeit  entgegen,  indem  derselbe  nach  der 
Tiefe  zu  diffundiert. 

Sogar  nach  4  monatlichem  ruhigem  Stehen  der  Röhrchen 
(Demonstration),  wobei  stets  durch  den  Wattepfropf  leicht  der 
0  der  Luft  zutreten  kann,  kann  man  sehr  oft  eine  Reduktion 
des  Methylenblau  in  der  Tiefe  der  Flüssigkeit  noch  nachweisen. 

Schliesst  man  ein  Kartoffelbouillonröhrchen,  welches  man 
vorher  mit  Methylenblau  versetzt  hat,  mit  einer  dicken  Schichte 
Paraffin  oben  ab,  so  wird  allmählich  fast  sämtliches  Methylen¬ 
blau  reduziert  (Demonstration  von  solchen  Röhrchen,  welche 
3  Monate  alt  sind);  öffnet  man  alsdann  derartige  Röhrchen  und 
schüttelt  mit  Luft,  so  wird  die  Bouillon  wieder  blau,  was  Vor¬ 
tragender  demonstriert. 

Ferner  zeigt  R.  Kulturen  von  Bact.  phosphoreum,  welche 
im  Dunkeln  in  gewöhnlicher  Bouillon  leuchten,  verimpft  man 
dieselben  aber  in  Bouillon,  welche  Stückchen  von  Kartoffeln 
oder  Organteilen  enthalten,  so  leuchten  sie  nicht. 

Wurde  Bouillon  mit  Kartoffelstückchen  mit  einem  An¬ 
aerobier  geimpft  und  vermittels  eines  Schüttelapparates  oder 
durch  Einblasen  von  O  behandelt,  so  blieb  das  Wachstum  aus. 
Bei  gleichem  Verfahren  gediehen  Aerobier  ausgezeichnet. 

Es  steht  mithin  durch  diese  Versuche  fest,  dass  die  Ge¬ 
websstückchen  in  der  Bouillon  reduzierende 
Eigenschaften  besitzen,  infolgedessen  es 
den  Anaerobiern  möglich  ist,  sich  zu  ent¬ 
wickeln.  Fangen  letztere  an,  sich  zu  vermehren,  so  dürfte 
alsdann  in  einem  derartigen  Röhrchen  das  weitere  Wachstum 
sehr  ausgiebig  von  statten  gehen,  insofern  z.  B.  in  der  Kartoffel¬ 


bouillon  die  Anaerobier  die  Stärke  der  Kartoffel  rasch  zer¬ 
setzen  und  u.  a.  besonders  CO->  bilden.  Es  wird  sich  die  ganze 
Bouillon  mit  COa  sättigen,  ausserdem  auf  der  Oberfläche  der¬ 
selben  sich  die  schwerere  CO2  auflegen.  Auf  diese  Weise 
dürfte  in  solchen  Kulturen  das  anaerobiotische  Wachstum 
weiterhin  sehr  befördert  werden. 

Ferner  wird  demonstriert,  dass  eine  reduzierende  Eigen¬ 
schaft  —  sichtbar  an  der  Entfärbung  des  Methylenblau 
den  Kartoffelstückchen  in  festen  Nährböden  (Agar)  nicht  inne¬ 
wohnt.  Es  ist  infolgedessen  auch  unmöglich,  die  Anaerobier 
auf  derartig  festen  Nährböden  in  Petri  sehen  Schalen  etc.  zu 
züchten.  Scheinbar  ist  die  reduzierende  Wirkung  an  einen  ge¬ 
wissen  Flüssigkeitsgehalt  des  umgebenden  Mediums  gebunden. 

Was  die  Bedeutung  dieser  Züchtung  der  Anaerobier  für 
die  menschliche  Pathologie  anlangt,  so  wird  darauf  hin¬ 
gewiesen,  dass  die  Züchtung  in  der  Kartoffelbouillon  sehr  ein¬ 
fach  gegenüber  den  anderen  jetzt  gebräuchlichen  anaerobio- 
tischen  Züchtungsmethoden  ist,  dass  es  allerdings  nicht  gelingt, 
die  Bakterien  von  einander  zu  isolieren.  Immerhin  ist  es  zu 
empfehlen,  die  so  einfache  Methode  in  der  Pathologie  anzu¬ 
wenden  und  R.  berichtet  von  einem  Fall  von  puerperaler 
Sepsis,  woselbst  es  gelungen  ist,  den  Bac.  emphysem.  Fränkel, 
einen  obligaten  Anaerobier,  auf  diese  Weise  aus  dem  Blute 
der  Patientin  intra  vitam  zu  züchten. 

Herr  v.  Criegern  demonstriert: 

1.  Einen  Fall  von  Morbus  Addisorti.  Behandlung  mit  synthe¬ 
tischem  Suprarenin. 

2.  Einen  Fall  von  Hemiplegie.  Besserung  im  Spätstadium.  The¬ 
rapeutische  Anämisierung  durch  Stauungsbinde. 

3.  Einen  Fall  von  rezidivierender  Pleuritis  mit  Anwendung  eines 
Druckapparates. 

4.  Einen  Fall  von  Struma:  Mediastinaltumor.  Rückbildung  durch 
Radium. 

5.  Einen  Fall  von  Gesundheitsschädigung  durch  Falkenberger 
Gichtwasser. 

Herr  Rille:  Demonstration  eines  Falles  von  Favus. 


Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  Juli  1907. 

Da  die  Eingabe  an  das  Staatsministerium  vom  16.  März  1906 
zum  Teil  missverstanden,  zum  Teil  als  zu  weitgehend  erachtet  wor¬ 
den  war,  wurde  die  Gesellschaft  zur  Ausarbeitung  neuer  Vorschläge 
in  Sachen  der  Hebammenausbildung  seitens  des  Obermedizinalaus¬ 
schusses  aufgefordert.  Diese  Neubearbeitung  durch  eine  Kommission 
war  Gegenstand  der  letzten  Sitzung  und  gelangte  zur  Annahme  nach 
einer  kurzen  erläuternden  Generaldiskussion. 

Die  Durchsprechung  der  früheren  Eingabe  im  Obermedizinal- 
ausschusse  in  Gegenwart  der  Herren  Prof.  S  e  i  t  z  und  Pfaundler 
und  die  bekannt  gewordenen  Gutachten  von  Leitern  von  Gebär-  und 
Hebammenanstalten  dürfen  eine  gewisse  Denkwürdigkeit  bean¬ 
spruchen  —  nicht  durch  die  Grösse  und  Fortschrittlichkeit  in  den  An¬ 
schauungen  der  letztgenannten. 

Die  Regierung  bekundete  offenbar  grösseres  Verständnis  und 
Entgegenkommen  gegenüber  den  Forderun'gen  der  Kinderheilkunde, 
welchen  in  ihrer  neuen  Fassung  voraussichtlich  ein  günstigeres  Ge¬ 
schick  beschieden  sein  wird. 

Im  Verlaufe  der  Sitzung  stellte  Mennacher:  1.  einen  typischen 
Fall  von  Myxödeme  fruste  (4  jähr.  Mädchen)  vor,  2.  anatomische  Prä¬ 
parate  eines  früheren  Krankheitsfalles,  3.  Lumbalhernie  durch  Faszie 
und  Muskulaturdefekt  links  (Kolon  und  Niere).  Spiegel  b  erg. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  31.  Januar  1907. 

Herr  Weygandt:  Ueber  die  Frage  syphilitischer  Anti¬ 
stoffe  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  bei  Tabes  dorsalis. 

Anschliessend  an  die  Untersuchungen  von  Wasser- 
m  a  n  n  und  Plaut,  welche  bei  Paralytikern  in  der  Spinal- 
f Rissigkeit  durch  die  Methode  der  Komplementablenkung  spe¬ 
zifisch-syphilitische  Antistoffe  nachweisen  konnten,  ist  Wey¬ 
gandt  diesem  Problem  bei  der  Tabes  dorsalis  in  einer  einst¬ 
weilen  allerdings  nur  beschränkten  Zahl  von  Fällen  näher  ge¬ 
treten.  Bei  Weygandts  Versuchen  war  der  Ambozeptor 
wirksam  für  Rinderblutkörperchen,  als  Komplement  diente 
Meerschweinchenserum.  Das  Komplement  wurde  in  13  fach 
abgestufter  Verdünnung  (0,004  bis  0,07)  zugesetzt,  ein  Zusatz 


1 558 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


von  Karbol,  der  stören  kann,  vermieden.  Zur  Kontrolle  wurden 
neben  der  Spinalflüssigkeit  die  Versuche  auch  mit  normaler  und 
luetischer  Milz  angestellt.  Auf  Grund  der  Versuche  liess  sich 
einp  irgendwie  spezifische  Reaktion  nicht  erkennen.  Es 
ist  vielmehr  zu  vermuten,  dass  in  normaler  Milz  schon  irgend 
welche  Eiweisskörper  vorhanden  sind,  die  die  Hämolyse 
hemmen  und  vor  allem  unter  Zusatz  von  Spinalflüssigkeit  in 
ausgedehntem  Masse  hemmen  können.  Das  bedingt  eine 
Mahnung  zur  äussersten  Vorsicht  bei  ähnlichen  Versuchen. 


Sitzung  vom  28.  Februar  1907. 

Herr  J.  Müller:  IJeber  Blutbrechen  bei  Hysterischen. 

Fine  27  jährige  Gutsbesitzerstochter,  in  deren  Familie  Nerven¬ 
krankheiten  nicht  stark  hervorgetreten  waren,  litt  als  Kind  an  häufi¬ 
gen  „Ohnmächten  ‘,  die  regelmässig  beim  sonntäglichen  Besuch  der 
Kirche  aufzutreten  pflegten,  so  dass  man  sie  stets  hinaustragen 
musste.  Ferner  bestand  Neigung  zu  Kopfweh  und  halbseitigem  Ge- 
sichtsschrnerz.  Mit  20  Jahren  zum  ersten  Mal  typischer  hysterischer 
Anfall  mit  allgemeinen  Krämpfen,  der  sich  seither  jedes  Jahr  ein 
oder  mehrere  Male  wiederholte  und  ausnahmslos  spät  abends  ein¬ 
trat.  Das  Bewusstsein  war  während  der  Anfälle  wohl  getrübt,  aber 
nicht  völlig  aufgehoben. 

Der  Appetit  war  stets  gering,  nicht  selten  wurden  die  ge¬ 
nossenen  Speisen  erbrochen,  und  zwar  ebenfalls  in  der  Regel  spät 
abends.  Der  Schlaf  ist  von  jeher  sehr  schlecht.  Meist  liegt  die 
Patientin  den  grössten  Teil  der  Nacht  wach,  hat  aber  trotzdem  am 
läge  keine  besondere  Müdigkeitsempfindung.  Vor  4  Jahren  trat  im 
Anschluss  an  die  Menses  zuerst  eine  Hämatemesis  und  Schwarz¬ 
färbung  des  Stuhls  ein,  worauf  eine  Ulcuskur  verordnet  wurde.  Die 
Hämatemesis  wiederholte  sich  seither  3 — 4  mal,  wie  früher  stets 
aberids.  In  den  Zwischenzeiten  funktionierte  der  Magen  ohne  be¬ 
sondere  Beschwerde,  im  Gegensatz  zu  sonstigen  Ulcuskranken  wirkte 
lebhafte  Bewegung  in  frischer  Luft,  ja  sogar  Reiten  stets  günstig. 

Januar  1907  Lintritt  in  die  Behandlung  des  Vortragenden:  Im 
Anschluss  an  die  Menstruation  stellt  sich  ein  typischer  hysterischer 
Krampfanfall  mit  allgemeinen  Konvulsionen  ein,  einige  Tage  später 
abends,  nach  vorausgegangenem  Globusgefühl,  unter  heftigem  lang¬ 
dauernden  Würgen  Erbrechen  von  ca.  %  Liter  einer  Flüssigkeit,  die 
zum  grösseren  Teil  aus  Speichel  besteht,  daneben  aber  beträchtliche 
Mengen  eines  mit  Blut  gleichmässig  durchsetzten  Schleims  enthält. 
Das  Blut  ist  zum  Teil  in  Hämatin  übergeführt,  stammt  also  aus  dem 
Magen.  Wiederholung  der  gleichen  Anfälle  von  Hämatemesis  an 
3  Abenden,  dann  gelingt  eine  Unterdrückung  des  Erbrechens  durch 
Belladonna-Morphium-Suppositorien.  Die  Kranke  erholt  sich  rasch, 
die  zunächst  noch  vorhandenen  Magen-  und  Oesophagusschmerzen 
verschwinden  in  wenigen  Tagen  und  abgesehen  von  Mangel  an 
Esslust,  beträchtlicher  Oligurie  und  der  alten  Schlaflosigkeit  bestehen 
keine  Beschwerden  mehr,  bis  beim  Eintritt  der  nächsten  Menses  sich 
Krampfanfälle  und  Hämatemesis  wiederum  einstellen.  Es  wird  die 
1  athogenese  dieser  zweifellos  hysterischen  Magenblutungen  er¬ 
örtert  und  über  ähnliche  Beobachtungen  aus  der  Literatur  berichtet. 


Sitzung  vom  6.  Juni  1907. 


^rr  E  1  ö  r  c  k  e  n :  Zur  Kasuistik  der  Extremitätenmissbildungen. 

(Mit  Demonstrationen.) 

Fl.  demonstriert  eine  Reihe  von  Extremitätenmissbildungen,  z.  T. 
epidiaskopisch,  z.  I .  in  vivo.  Nach  Demonstration  zweier  Fälle  von 
Hexadaktylie  (54  jährige  Frau  mit  Doppelbildung  beider  Phalangen 
des  rechten  Daumens  und  2  jähriger  Junge  mit  analoger  Doppelbil- 
duni»;  beider  grosser  Zehen)  zeigt  Vortragender  Photographie  und 
Rontgembild  einer  Oktodaktylie  des  linken  Fusses  (4  Monate  altes 
Mädchen).  Das  aus  gesunder  Familie  —  keine  kongenitalen  Missbil¬ 
dungen  sonst  bekannt  —  stammende  Kind  hat  am  linken  Füsschen 
N  \ unentwickelte  Zehen;  jeder  Zehe  entspricht  ein  gut  ausgebildeter 
Metataisus,  auf  den  bei  der  1.  und  4.  Zehe  je  2,  bei  den  übrigen 
je  3  Phalangen  folgen.  Nach  Messung  und  Palpation  musste  eine 
Ueberzahl  auch  der  I  arsalknochen  vorhanden  sein,  das  Röntgenbild 
gibt  wegen  noch  fehlender  Ossifikation  leider  darüber  keinen  Auf¬ 
schluss.  Funktion  aller  Zehen  gut.  Durch  eine  Art  Ovalärschnitt 
exartikulierte  Fl.  die  3  tibialen  Zehen  im  Metatarsotarsalgelenk  und 
schrägte  das  vorspringende  Tarsalstück  ab;  das  kosmetische  Resultat 
war  danach  ein  sehr  gutes. 


-n  ,,Kin  Fall  von  totaler  Syndaktylie  der  rechten  Hand  bei  einer 
-U  jährigen  1  atientin  mit  hereditär  absolut  negativer  Anamnese  be- 
schliesst  die  epidiaskopische  Demonstration.  Die  drei  radial  ge¬ 
legenen  Finger  tragen  gemeinschaftlichen  Nagel,  der  4.  und  5.  Finger 
sind  durch  je  eine  ganz  seichte  Furche  von  den  übrigen  getrennt 
Das  Röntgenbild  zeigt  eine  Synostose  am  Ende  der  Nagelphalangen 
bt_i  den  3  radialen  1  ingern,  die  Syndaktylie  mit  den  übrigen  Fingern 
ist  eine  kutane.  Ausserdem  fehlt  bei  sämtlichen  4  ulnaren  Fingern 
je  eine  1  halanx,  die  Grundphalanx  des  3.  Fingers  zeigt  noch  einen 
Defekt  der  ganzen  proximalen  Hälfte. 

Vortragender  geht  dann  auf  die  Kasuistik,  Genese  und  Therapie 
(.Ili  o,\  dakt\  lie  ein  und  bespricht  besonders  die  auf  die  meisten  der 
demonstrierten  Fälle  anwendbare  amniogene  Genese  an  der  Hand 
der  Experimente  von  T  o  u  r  n  i  e  r  und  von  B  a  r  f  u  r  t  h.  Die  von 


anderen  Autoren  beobachtete  Erblichkeit  bei  derartigen  Missbil¬ 
dungen  spielt  in  keinem  einzigen  der  demonstrierten  Fälle  eine  Rolle 

Chirurgisch-therapeutisches  Vorgehen  ist  geboten  nur  bei 
arger  Verunstaltung  der  Fuss-  oder  Handformen  (Oktodaktylie), 
Hexadaktylien  können  gut  unoperiert  bleiben,  werden  aber  gewöhn¬ 
lich  auf  Drängen  der  Angehörigen  operativ  angegriffen. 

Bei  der  Genese  der  seltenen  totalen  Syndaktylie  haben  intra¬ 
uterine  Druckverhältnisse  wohl  eine  Rolle  gespielt. 

Es  folgt  sodann  die  Demonstration  zweier  Patienten,  eines  ein- 
jährigen  Jungen  mit  Doppelbildung  der  Endphalanx  der  linken  grossen 
Zehe  und  Crus  varum  cong.  derselben  Extremität,  sowie  eines 
/s  jährigen  Mädchens  mit  kongenitalem  totalem  Fibpladefekt,  par¬ 
tiellem  Defekt  des  fibularen  Tarsus  sowie  der  fibularen  Zehen. 

Für  die  Genese  der  kongenitalen  Strahldefekte  sind  ebenfalls 
intrauterine  Druckverhältnisse  verantwortlich  gemacht,  eine  Art 
Längsnarbe  an  der  Tibia  im  vorliegenden  Falle  deutet  auf  ein  intra¬ 
uterines  Trauma  hin. 

Die  auch  beim  Fibuladefekt  beobachtete  Heredität  (R  i  d  d  e  r) 
ist  hier  wiederum  negativ. 

Stellt  sich  später  eine  Verkürzung  ein,  so  kann  man  nach 
Franke  eine  Arthrodese  zwischen  hinterer  Kalkaneusfläche  und 
distaler  Tibiaepiphyse  in  Equinusstellung  machen. 


L  Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Juli  1907. 

Demonstrationen: 

Herr  Gräffner:  Frau  mit  Ochronose,  der  erste  Fall  dieser 

Krankheit,  der  lebend  demonstriert  wird,  während  von  dem  ersten  in 
vivo  von  L.  Pick  diagnostizierten  nur  die  Leichenorgane  vor  Wz 
Jahrer  in  dieser  Gesellschaft  gezeigt  worden  waren. 

Diese  von  V  i  r  c  h  o  w  bekanntlich  zuerst  beschriebene  Affektion 
besteht  in  einer  Braunfärbung  der  Knorpel  und  der  Haut,  zuweilen 
mit  schwarzen  Flecken  in  den  Schleimhäuten  und  auf  der  Kornea. 
Ihre  Ursache  war  unaufgeklärt,  bis  Pick  die  Ansicht  aufstellte,  dass 
es  sich  um  Folgen  einer  chronischen  Karbolintoxikation 
handelt;  denn  sowohl  in  P  i  c  k  s  Falle,  wie  vorher  in  einem  englischen 
(Pope),  als  auch  in  dem  Falle  Graeffners  hatten  die  Patienten 
Unterschenkelgeschwüre,  die  sie  jahrzehntelang  mit  Karbolumschlägen 
behandelt  hatten.  In  den  Fallen  von  Ochronose,  in  welchen  auch 
Alkaptonurie  bestand  (Nachdunkelung  des  Harns)  war  Karbolsäure 
nicht  im  Spiele. 

Diskussion:  Herr  v.  Hansemann:  In  seinem  Falle,  in 
dem  der  Urin  tintenschwarz  wurde,  spielte  die  Karbolsäure  sicherlich 
keine  Rolle.  Es  müsse  also  mindestens  2  Arten  von  Ochronose  geben. 

Herr  L.  Pick:  Man  müsse  eine  endogene  und  eine  exogene 
Ochronose  unterscheiden.  Bei  letzterer  ist  die  Karbolsäure  das  zur 
Pigmentierung  führende  Moment,  wie  er  dies  vor  Wz  Jahren  näher 
ausgeführt. 

Herr  Westenhoefler:  Unter  Hinweis  auf  Goldschei¬ 
ders  Vortrag  vor  8  Tagen  demonstriert  er  mehrere  Thoraces,  aus 
welchen  hervorgeht,  dass  die  Lungentuberkulose  niemals 
vorn  beginnt,  sondern  immer  hinten  (B  i  r  c  h  -  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  s 
Bronchialgeschwür  im  hinteren  apikalen  Bronchus),  dass  die  Anfänge 
also  durch  die  Goldscheider  sehe  Methode  der  Perkussion  gar 
nicht  erreicht  werden,  diese  also  der  Auskultation  bei  beginnender 
Phthise  nicht  überlegen  sein  könne. 

Diskussion:  Herr  Goldscheider:  Gerade  die  hinten 
sitzenden  Anfänge  der  Tuberkulose  sollten  durch  seine  Methode  nach¬ 
gewiesen  werden,  wie  e#  auf  Grund  eingehender  anatomischer  Er¬ 
wägungen  und  Beobachtungen  für  möglich  halte;  natürlich  lasse  sich 
das  Birch-Hirschfeld  sehe  Bronchialgeschwür  nicht  per- 
kutieren,  wohl  aber  seine  nächsten  Folgezustände.  Von  den  Lymph- 
drüsen,  die  Western hoeffer  in  letzter  Sitzung  erwähnt,  habe 
dieser  heute  ganz  geschwiegen.  Sie  dürften  also  als  erledigt  betrachtet 
werden. 

Herr  Westenhoeff  er:  Keineswegs.  Der  eine  Thorax  zeige 
eine  unter  dem  Muse,  sternocl.  sitzende  geschwollene  Lymphdriise, 
die  in  vivo  nicht  zu  fühlen  war  und  doch  die  Perkussion  beeinflussen 
konnte. 

Herr  Milchner:  Anguillulae  intestinales  aus  dem  Stuhlgang 
eines  an  Cochin  china  diarrhöe  leidenden,  seit  4  Jahren 
kranken,  seit  2  Jahren  aus  Atchin  zurückgekehrten  Mannes.  Tannin- 
klystiere  beseitigten  schnell  die  Diarrhöe  und  verminderten  die  Zahl 
der  Würmer,  woraus  auf  die  ätiologische  Bedeutung  derselben  zu 
schliessen  sei. 

Herr  G.  Klemperer:  Einige  Nierensteine,  darunter  eine 
Serie  kleiner  Steine,  die  bei  einem  Kollegen  nach  Einnahme  von 
200  g  G  1  y  z  e  r  i  n  abgegangen  waren.  Er  habe  sonst  vom  Glyzerin 
keine  solche  Wirkung  gesehen,  in  diesem  Falle  könne  man  dies  wohl 
nicht  einfach  absprechen. 

Ferner  den  Magen  eines  mit  Escalin  behandelten  Hundes,  an 
welchem  die  von  Bickel  in  letzter  Sitzung  erwähnten  üblen  Folgen 
des  Escahns  nicht  zu  sehen  sind.  Was  die  angeblich  schädliche  saft- 
befordernde  Wirkung  des  Escalins  betrifft,  so  zeige  das  Bismuth  diese 
noch  viel  mehr. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1559 


Er  habe  sich  natürlich  vor  Empfehlung  des  Escalin  an  zahl¬ 
reichen  Menschen  von  seiner  guten  Wirkung  überzeugt. 

Diskussion:  Herr  Biickel:  Das  Escalin  entspreche  nicht 
den  Anforderungen  eines  Ulcusmittels,  wie  er  neulich  schon  aus- 
gefiihrt. 

Herr  Senator:  Mit  Glyzerin  innerlich  müsse  man  vorsichtig 
sein  (Blutharnen);  50  g  halte  er  für  die  zulässige  Dosis. 

Herr  J.  Israel:  Zwei  Ureterensteine  von  ganz  enormer 
Grösse,  beide  durch  Operation  entfernt.  Solche  sind 
immer  aus  primären  Nierensteinen  entstanden,  die  in  den 
Ureter  gerutscht  sind  und  dort  allmählich  sich  vergrössert 
haben.  In  einem  begannen  die  Beschwerden  im  4.  Lebensjahre  und 
führten  nach  beschwerdefreien  Zeiten  im  34.  J.  zur  Operation.  Das 
Konkrement  ist  ca.  15  cm  lang,  2  cm  dick,  sehr  zerbrechlich;  am 
unteren  Ende  löste  sich  der  primäre  kleine  Stein  ab.  Im  zweiten 
Falle,  wo  die  Niere  mitentfernt  wurde,  ist  das  Konkrement  noch  etwas 
grösser;  Beginn  der  Beschwerden  im  24.  Jahr,  Operation  im  31. 

Herr  J.  CItron:  Einige  Patienten,  an  welchen  er  die  von 
Wolff-Eisner  angegebene  Tuberkulinreaktion  durch  Einträufe¬ 
lung  ins  Auge,  und  zwar  in  der  von  C  a  1  m  e  1 1  e  angegebenen 
starken  Verdünnung  (ein  Tropfen  der  1  proz.  Lösung),  angestellt  hatte. 
Es  ergab  sich,  dass  von  45  klinisch  Tuberkulosefreien  44  nicht 
reagierten,  1  war  positiv  (Rötung  der  Konjunktiva);  von  31  klinisch 
sicher  Tuberkulösen  waren  25  positiv,  6  negativ  (davon  2  kachektisch, 

1  moribund).  Auf  das  Fehlen  der  Reaktion  bei  zu  weit  vorgeschrit¬ 
tenen  oder  Miliartuberkulosen  hatte  v.  Pirquet  schon  bei  seiner 
kutanen  Reaktion  hingewiesen.  Von  14  Verdächtigen  11 
positiv,  3  .  negativ.  Die  Reaktion  in  dieser  Verdünnung 
mit  glyzerinfreiem  Tuberkulin  (C.  nahm  Alttuberkulin)  ist  so 
milde,  dass  die  Patienten  sie  manchmal  gar  nicht  merken;  sie  tritt 
nach  3 — 12  Stunden  ein. 

Herr  Jakobsohn:  Kleines  Mädchen,  das  eine  Bleiplombe  ver¬ 
schluckt  hatte,  die  Israel  nach  Bronchoskopie  und  Durchleuchtung 
entfernte. 

Herr  Martens:  Eine  Filaria  sanguinis,  die  er  einem  aus  Afrika 
zurückgekehrten  Herrn  aus  dem  Augenlid  unter  Lokalanästhesie  ent¬ 
fernte. 

Tagesordnung: 

Herr  J.  Orth:  Zur  Frage  der  Immunisierung  von  Meer¬ 
schweinchen  gegen  Tuberkulose. 

Vortr.  will  heute  nur  von  Experimenten  sprechen,  die  eine 
Prüfung  der  von  F.  F.  Friedman  n  angegebenen  Immuni¬ 
sierung  von  Meerschweinchen  gegen  Tuberkulose  mit  Hilfe 
der  von  Fr.  gefundenen  Bazillen  der  Schildkrötentuber¬ 
kulose  bezwecken.  Das  Meerschweinchen  ist  dafür  deshalb 
besonders  geeignet,  weil  es  für  Tuberkulose  so  ausserordentlich 
empfänglich  ist,  ein  positiver  Erfolg  bei  ihm  also  besonders  zu 
beachten  wäre  und  zu  Hoffnungen  bei  weniger  empfänglichen 
Tieren,  eventuell  beim  Menschen,  einige  Berechtigung  gäbe. 

Die  Tiere  wurden  ihm  von  Fr.  schon  vorbehandelt,  d.  h. 
also  mit  Schildkrötenbazillen  infiziert,  übergeben  und  sie  soll¬ 
ten  dann  gegen  Tuberkelbazillen  anderer  Herkunft  (Tier  und 
Mensch)  widerstandsfähig  sein. 

Er  hob  zunächst  eine  Beobachtung  hervor,  die  für  die 
Natur  dieser  Schildkrötenbazillen  von  Bedeu¬ 
tung  ist.  Ein  in  genannter  Weise  mit  Schildkrötenbazillen  ge¬ 
impftes  Tier  kam  erkrankt  an,  erholte  sich  aber  wieder  und 
nahm  zu;  1  Jahr  12  Tage  später  tötete  Vortragender  das  Tier 
und  fand  tuberkulöse  Veränderungen  auf  dem  Peri¬ 
toneum,  welches  die  Hoden  überzieht;  deutliche  Knötchen,  die 
auch  mikroskopisch  typische  Tuberkeln  mit  'Riesenzellen 
waren;  Bazillen  waren  nicht  darin  aufzufinden,  auch  blieb  die 
Kultur  negativ.  Aber  in  einem  2.  Meerschweinchen,  das  mit 
Stückchen  obiger  tuberkulösen  Veränderungen  subkutan 
infiziert  worden,  fanden  sich  trotz  fortwährender  Gewichts¬ 
zunahme  und  Fehlens  jeglicher  Krankheitserscheinungen  nach 
der  nach  10  Monaten  vorgenommenen  Tötung  nicht  nur  die  obi¬ 
gen  tuberkulösen  Veränderungen  (sowohl  in  regionären,  als 
entfernteren  Lymphdrüsen,  in  den  Nieren  usw.),  sondern  auch 
Bazillen,  freilich  in  geringer  Zahl.  Die  Kultur  ging  ganz 
spärlich  an. 

Aus  diesem  Befund  ergibt  sich  zunächst  die  wichtige  Tat¬ 
sache,  dass  die  Schildkrötenbazillen  wirklich  in 
die  Gruppe  der  Tuberkelba zillen  gehören,  dass 
sie  im  Meerschweinchen  nicht  abgetötet  werden,  sondern  über 
Jahr  und  Tag  lebendig  bleiben  und  eine,  freilich  wenig  progre¬ 
diente  tuberkulöse  Affektion  erzeugen.  —  Die  übrigen 
Tiere  wurden,  wie  erwähnt,  mit  bovinen  und 
menschlichen  Tuberkelbazillen  infiziert  und 
es  ergab  sich  als  Qesamtresultat,  dass  alle  Tiere 
gleichmässig  tuberkulös  wurden,  dass  aber 


die  vorbehandelten  etwas  länger  lebten,  als 
die  Kontrolltiere.  Vortragender  macht  dabei  auf  einen 
oft  gemachten  Fehler  aufmerksam,  dass  man  bei  solchen  Ver¬ 
suchen  mit  Tuberkelbazillen  die  Tiere  zu  früh  tötet;  die  Tuber¬ 
kulose  braucht  Zeit  und  er  habe  deshalb  die  Tiere  so  lange 
leben  lassen,  bis  sie  von  selbst  starben.  Nur  einzelne  Tiere 
tötete  er  vorher,  um  das  Verhalten  der  Tiere  nach  der  Infektion 
studieren  zu  können.  Da  fanden  sich  denn  in  einem  nach 
18  Tagen  getöteten  Tiere  bereits  überall  tuberkulöse  Erup¬ 
tionen  (also  trotz  der  Vorbehandlung).  Ferner  fand  sich, 
dass  die  vorbehandelten  Tiere  zum  Teil  nicht  die 
übliche  Allgemeininfektion  bekamen,  sondern  eine  typische 
Lungenschwindsucht  (mit  Kavernen),  wie  er 
schon  früher  einmal  demonstrierte.  (Cave:  Verwechslung  söl- 
cher  ulzeröser  Kavernen  mit  Emphysemblasen  peripher  von 
tuberkulös  erkrankten  und  verengten  Bronchiolen!)  Der  Ein¬ 
wand,  dass  diese  Tiere  deshalb  Kavernen  bekommen  hätten, 
weil  sie  infolge  der  Vorbehandlung  länger  gelebt  haben,  ist 
nicht  zutreffend,  denn  wenn  sie  auch  im  Durchschnitt  länger 
lebten,  so  trifft  dies  nicht  gerade  auf  die  mit  Kavernen  befun¬ 
denen  zu.  Er  glaubt  daher,  dass,  wenn  auch  die  Lebensdauer 
eine  Rolle  dabei  spielen  mag,  doch  die  wesentliche  Ursache  der 
Kavernenbildung  in  der  Vorbehandlung  zu  suchen  sei.  Aehn- 
liches  haben  L  i  b  b  e  r  t  z  und  R  u  p  p  e  1  1905  mitgeteilt. 

Es  fand  sich  auch,  wie  Baum  garten  und  Orth  schon 
früher  erwähnt,  in  diesen  Versuchen,  dass  beim  Meerschwein¬ 
chen  die  Lungen' verhältnismässig  spät  erkranken,  Milz  und 
Leber  viel  früher.  Als  Kuriosum  zeigt  Orth  eine  kavernöse 
Meerschweinchenlunge,  in  deren  einer  Kaverne  sich  neben 
reichlichsten  Tuberkelbazillen  auch  eine  Aspergilli!  s- 
mykose  fand. 

Die  Vergleichszahlen  der  Lebensdauer  sind  etwa  so:  In 
einer  Serie  lebten  die  Nichtvorbehandelten  im  Durchschnitt 
98  Tage,  die  Vorbehandelten  113  Tage;  in  einer  2.  Serie  war 
das  Verhältnis  39:57  bezw.  (anderer  Infektionsmodus) 
59:  131  Tage;  in  einer  3.  Serie  33;  119  (1  Tier)  bezw.  54:  173 
(1  Tier). 

Es  sei  also  ein  Resultat  zu  gunsten  der 
vorbehandelten  Tiere  da,  ob  man  es  ein  schö- 
nes  Resultat  nennen  wolle,  sei  subjektiv.  Jeden¬ 
falls  könne  man  die  Versuche  daraufhin  fortsetzen. 

Zur  Frage,  wodurch  die  nicht  in  Abrede  zu  stellende  Wir¬ 
kung  der  Vorbehandlung  erzielt  wird,  meint  Vortragender, 
dass  es  sich  nicht  wohl  um  eine  Abschwächung  der  Virulenz 
handelt  (schon  am  18.  Tage  fand  sich  ja  allgemeine  Erkran¬ 
kung),  sondern  um  die  Wirkung  von  toxischen  Antikörpern, 
die  auf  die  Körperzellen  einwirken  und  nur  vom  zellularpatho¬ 
logischen  Standpunkt  vielleicht  einmal  zu  erklären  sein 
werden. 

D  i  s  k  u  s  s  i  o  n :  Herr  K  1  e  b  s;  Herr  Friedman  n,  der  darauf 
hinweist,  dass  die  I  iere  Orths  meist  nur  einmal  vorbehandelt 
worden  sind,  und  dass  mit  mehrfach  vorbehandelten  bessere  Re¬ 
sultate  zu  erzielen  seien;  Herr  Wassermann,  der  es  als  zwei¬ 
felhaft  hinstellt,  ob  man  in  solchen  Fällen  von  Immunisierung 
sprechen  dürfe  und  nicht  vielmehr  von  einer  erschwerten 
Superinfektion;  wissen  wir  doch,  dass  wenn  ein  Organismus 
einen  tuberkulösen  Herd  aufweist,  es  schwer  ist,  ihn  aufs  neue  zu 
infizieren.  Hans  Kohii. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  28.  Mai  1907. 

Die  kongenitalen  heredo-syphilitischen  Herzgefässaffektionen. 

Wenn  auch  die  Rolle  der  kongenitalen  Syphilis  bei  den  Gefäss- 
und  Herzaffektionen  nicht  mehr  bezweifelt  wird,  so  sind  doch  die 
Fälle,  wo  diese  Aetiologie  eine  unzweifelhafte  ist,  ziemlich  selten. 
Landouzy  und  Laederich  bringen  nun  den  typischen  Fall  eines 
rechtzeitig  zur  Welt  gekommenen  Kindes,  das  mit  einer  charakteristi¬ 
schen  Eruption  sekundärer  Syphilis  ins  Spital  gebracht  wurde  und 
im  Alter  von  10  Wochen  an  Bronchopneumonie  verstarb.  Die 
Autopsie  allein  ermöglichte  die  Herz-  und  Aortenveränderung  fest¬ 
zustellen  (beträchtliche  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels,  unvoll¬ 
ständiger  Verschluss  zwischen  den  beiden  Herzohren,  Aplasie  der 
Aorta),  während  zu  Lebzeiten  kein  Herzgeräusch,  Zyanose  u.  a. 
vorhanden  war.  Nieren  und  Nebennieren  zeigten  gleicherweise  Ver¬ 
änderungen  von  Dystrophie,  die  mit  kongenitaler  Syphilis  Zusammen¬ 
hängen.  Landouzy  glaubt,  dass  Fälle  dieser  Art,  mit  klinisch 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  M. 


560 


wenig  oder  gar  nicht  ausgesprochenen  Veränderungen,  häufiger  sind 
als  inan  allgemein  annimmt.  St. 

Zur  Behandlung  des  Strabismus. 

De  Lapersonne  fasst  auf  Grund  von  190  Beobachtungen 
die  Indikationen  dieser  Behandlung  folgendermassen  zusammen.  Un¬ 
ter  10  Jahren  ist  jeder  chirurgische  Eingriff  kontraindiziert.  Wenn 
die  Sehschärfe  beiderseits  ziemlich  gleich  und  der  Strabismus  alter¬ 
nierend  ist,  muss  man  Korrektionsgläser  verschreiben  und  nötigen¬ 
falls  die  Akkomodation  durch  Atropin  lähmen.  Ist  die  Sehschärfe  auf 
einer  Seite  viel  geringer,  mit  fixem  Strabismus,  so  muss  man  auf  das 
gesunde  Auge  eine  Abschlussbinde  legen,  was  viel  Geduld  erfordert. 
Diploskop  und  Stereoskop  geben  in  diesem  Alter  wenig  Erfolge.  Im 
Alter  von  10  bis  zu  12  Jahren  muss  man  in  folgender  Weise  operieren: 
1.  einfache,  einseitige  Tenotomie  bei  Strabismus  unter  10°,  2.  Teno- 
tomie  der  beiden  M.  recti  interni  über  10°,  3.  muss  man  die  Kapsel 
des  einen  oder  der  beiden  Recti  interni  versetzen,  bei  Strabismus 
über  20  0  und  4.  bei  solchen  von  30 — 35  0  letztere  Operation  mit  der 
Tenotomie  verbinden.  Diese  allgemeinen  Regeln  können  je  nach 
dem  Zustand  der  Muskulatur  modifiziert  werden.  Sofort  nach  der 
Operation  ist  die  optische  Behandlung  von  grosser  Wichtigkeit:  Kor¬ 
rektion  mit  Gläsern;  Uebungen  mit  dem  roten  Glase,  mit  dem  Diplo¬ 
skop  von  R  e  m  y  und  am  Ende  der  Behandlung  Stereoskopie. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Pathological  Society  of  London. 

Sitzung  vom  7.  Mai  1907. 

Die  pathologische  Anatomie  der  Nebennieren. 

F.  A.  B  a  i  n  b  r  i  d  g  e  und  P.  R.  Parkinson  haben  eine  Serie 
von  50  Fällen  der  Reihe  nach,  wie  sie  zur  Obduktion  kamen,  nach 
dem  K  o  h  n  sehen  Verfahren  untersucht,  mittels  dessen  die  vor¬ 
handene  Quantität  von  Adrenalin  sich  abschätzen  lässt  an  der  Tiefe 
der  bewirkten  Chromaffinfärbung  im  Marke  der  Drüsen.  Ihre  Kon- 
trolliintersuclningen  ergaben,  dass  keine  erhebliche  Veränderung  in 
der  Menge  der  Chromaffinsubstanz  in  dem  zwischen  dem  Eintritt  des 
Todes  und  der  Ausführung  der  Obduktion  verlaufenen  Zeitraum  ein- 
tritt.  Ein  vollständiges  Verschwinden  des  Adrenalins  konstatierte 
man  bei  denjenigen  Fällen,  wo  der  Tod  infolge  akuter  Allgemein- 
infektion  oder  durch  operativen  Schock  herbeigeführt  worden  war; 
in  normaler  oder  fast  normaler  Menge  wurde  es  dagegen  angetroffen 
bei  chronisch  verlaufenen  Leiden.  Besonderes  Interesse  boten  einige 
Fälle  dar,  bei  denen  bei  der  Autopsie  eine  Arterienerkrankung  nach¬ 
gewiesen  wurde,  und  bei  denen  intra  vitam  der  Blutdruck  erhöht 
gewesen  zu  sein  scheint.  Unter  diesen  boten  etliche  eine  mässige 
Vergrösserung  der  Nebennieren  dar,  adenomatöse  Gewächse  fanden 
sich  aber  nicht  vor;  hierbei  erreichte  die  Tiefe  der  Chromaffinfärbung 
einen  sehr  hohen  Grad,  und  die  Menge  des  in  der  Marksubstanz  an- 
gesannnelten  Adrenalins  scheint  enorm  gewesen  zu  sein.  Aus  diesen 
Beobachtungen  dürfte  der  Schluss  zu  ziehen  sein,  dass  bei  akuten 
Erkrankungen  und  bei  niedrigem  Blutdruck  die  Nebennieren  ihren 
Gehalt  an  Adrenalin  abgeben,  während  andererseits  letzteres  bei 
hohem  Blutdruck  sich  in  den  Nebennieren  in  normaler  oder  gar  in 
vermehrter  Menge  anhäuft. 

Impfung  eines  Schimpansen  mit  Syphilis. 

A.  S.  Grün  bäum  berichtete  über  ein  positives  Ergebnis  der 
Uebertragung  des  Syphilisvirus  auf  einen  Affen.  Es  entwickelte  sich 
an  der  infizierten  Stelle  an  der  rechten  Augenbraue  14  Tage  nach  der 
Inokulation  ein  Schanker,  und  9  Wochen  nachher  konstatierte  man 
vorwiegend  am  Gesicht  einen  Sekundärausschlag.  An  diesen  beiden 
Läsionen  wurde  Treponema  pallidum  nachgewiesen,  aber  nicht  länger 
als  bis  zur  13.  Woche.  Genau  11  Monate  nach  der  Impfung  ging  das 
Tier  ein.  Etwa  2  Monate  vor  dem  Tode  traten  2  Attacken  von 
Jackson  scher  Epilepsie  auf.  Parese  der  linken  Seite  und  Störung 
der  Lautbildung  traten  während  einiger  Stunden  hervor,  und  Parese 
sowie  Zuckungen  der  Extremitäten  sah  man  mehr  oder  minder  stark 
bis  zuletzt  sich  geltend  machen.  Die  Sektion  ergab  zahlreiche  mini¬ 
male  Hämorrhagien.  im  Gehirn,  welche  aber  fast  ausschliesslich  die 
rechte  Hälfte  und  vorwiegend  die  Rinde  betrafen  und  sich  auf  der 
Scheitelhöhe  von  vorne  bis  hinten  erstreckten.  Sie  waren  entstanden 
durch  Einrisse  der  kleinen  Gefässe,  wahrscheinlich  nach  vorheriger 
Thrombosierung  in  den  allerkleinsten  Gefässen.  An  einigen  fand  man 
fibroide  Entartung  und  in  ihrer  Umgebung  kleinzellige  Infiltration. 
Meningitis  war  nicht  nachzuweisen.  An  der  Leber  fanden  sich  kleine 
Gebiete  beginnender  Infiltration  und  Fibrose.  Die  Hoden  wiesen 
typische  syphilitische  Fibrose  auf.  Eine  Serumprobe,  welche  in 
Neissers  Laboratorium  in  Breslau  untersucht  wurde,  enthielt  laut 
dem  dort  gelieferten  Berichte  syphilitische  Antikörper.  In  der 
Zerebrospinalflüssigkeit  und  in  den  anderen  Organen  fanden  sich  keine 
Treponemata  vor. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  Nürnberg. 

Sitzung  vom  25.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Hofrat  W.  B  e  c  k  h. 

Ueber  den  A  e  r  z  t  e  t  a  g  erstattet  Hofrat  L.  Schuh  einen  ein¬ 
gehenden  Bericht.  Vortr.,  sowie  Neuberger  beuauern,  dass  es 
durch  den  Schluss  der  Debatte  den  Delegierten  des  Bezirksvereins 
Nürnberg  nicht  mehr  möglich  war,  den  in  letzter  Sitzung  angenom¬ 
menen  Antrag  auf  allgemeine  Aufhebung  der  Karenz¬ 
zeit  bei  allen  Krankenkassen  zu  vertreten.  Ueber  die  freie  Arzt¬ 
wahl  und  deren  weiteren  Ausbau,  speziell  mit  Rücksicht  auf  die 
bayerischen  Verhältnisse,  soll  in  einer  späteren  Sitzung  des  Bezirks¬ 
vereins  ausführlich  diskutiert  werden. 

Ein  vorgelegter  Vertragsentwurf  zur  Besserung  der 
Honorare  und  allgemeinen  Regelung  der  ärztlichen  Tätigkeit  bei 
den  hiesigen  freien  F  a  ml  iienkrankenkassen  findet  fast  ein¬ 
stimmige  Annahme. 

C  n  o  p  f  gibt  ein  Referat  über  die  Errichtung  einer 
städtischen  Milchanstalt. 

Nach  Anregung  des  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
waren  in  einer  aus  der  Vorstandschaft  des  genannten  Vereins,  Aerzten, 
Kinderärzten  und  Laien  gebildeten  Kommission  die  Grundzüge  zur 
Einrichtung  von  Mütterberatungsstellen,  Stillprämien  und  Ver¬ 
abreichung  einwandfreier  Kindermilch  beraten  worden.  Neu¬ 
berger  hatte  dann  Ende  1905  in  den  städtischen  Kollegien  einen 
entsprechenden  Antrag  gestellt.  Die  Sache  hat  sich  jetzt  soweit  ver¬ 
dichtet,  dass  der  Bezirksverein  Stellung  zu  genannten  Vorschlägen 
nehmen  soll.  Nach  eingehender  Diskussion  wird  beschlossen,  den 
1.  und  2.  Vorstand  des  Bezirksvereins  in  oben  genannte  Kommission 
zu  delegieren. 

Zum  Schlüsse  werden  die  anlässlich  des  Besuches  fran¬ 
zösischer  Aerzte  zu  treffenden  Veranstaltungen  beraten. 


Auswärtige  Briefe. 

Römische  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Schloss  Marbach  am  Bodensee,  15.  VII.  07. 

Jubiläumsfeier  Maraglianos.  —  Fortbildungskurse  in 
Pavia.  —  Muss  der  Arzt  dem  Rufe  einer  Behörde  Folge  leisten? 
—  Sind  hypodermische  Injektionen  als  chirurgische  Operation 
zu  betrachten? 

Die  Feierlichkeiten,  mit  denen  das  Jubiläum  Professor  M  a- 
r  a  g  1  i  a  n  o  s  in  Genua  begangen  wurde,  waren  wahrhaft  gross¬ 
artig  und  erhebend;  alle  Schulen  Italiens  nahmen  daran  teil 
und  auch  vom  Ausland  trafen  zahlreiche  Abgesandte  und  Be¬ 
glückwünschungen  ein.  Ganz  Genua  war  in  Feststimmung,  um 
seinen  grossen  Sohn  zu  feiern.  Am  Morgen  des  Festtages  hielt 
der  Professor  seine  Schlussvorlesung,  in  der  er  flüchtig  die 
während  des  scholastischen  Jahres  in  der  Klinik  durchgeführten 
Arbeiten  aufzählte.  Nach  der  Vorlesung  wurde  die  Büste  M  a- 
raglianos  enthüllt,  sowie  die  Tafel,  welche  die  Namen  der¬ 
jenigen  Schüler  des  I^rofessors  enthält,  die  sich  in  der  Uni¬ 
versitätskarriere  besonders  hervorgetan  haben.  Am  Nachmittag 
wurde  dann  in  der  Aula  magna  der  Universität  die  Gründungs¬ 
tafel  des  Maraglianopreises  überreicht,  einer  jährlichen  Prämie 
für  die  beste  Arbeit  über  die  Tuberkulose. 

Aus  der  bemerkenswerten  Rede  Maraglianos  möchte 
ich  hier  ein  Bruchstück  anführen,  in  welchem  der  Professor  die 
Stellung  des  Klinikers  gegenüber  den  Studenten  erläutert  und 
von  der  von  ihm  gegründeten  Schule  spricht. 

,,.  .  .  Die  ausserordentlich  liebenswürdigen  und  gütigen 
Worte,  die  an  mich  gerichtet  wurden,  sind  eine  andere  Be¬ 
lohnung  meines  Wirkens,  eine  Belohnung,  auf  die  ich  eigentlich 
keinen  Anspruch  habe,  denn  man  hat  mir  die  Erfüllung  einer 
Pflicht  als  Verdienst  anrechnen  wollen.  Wenn  ich  der  Schule 
die  ganze  Begeisterung  der  Jugend,  alle  Kräfte  des  Mannes¬ 
alters,  meine  Hoffnungen,  meinen  Glauben,  mein  ganzes  Selbst 
gab,  so  geschah  das,  weil  es  meine  Ueberzeugung  war  und 
ist,  dass  es  die  Pflicht  eines  Professors  und  vor  allem  eines 
Klinikers  sei,  so  zu  handeln.  Er  muss  das  tun,  weil  die  prak¬ 
tische  Erziehung  der  jungen  Aerzte  seine  Verantwortlichkeit 
ist,  weil  es  seine  Aufgabe  ist,  in  den  Schülern  das  Fieber  der 
Arbeit  und  der  wissenschaftlichen  Forschung  zu  erwecken, 
seine  Pflicht,  zu  produzieren  und  die  anderen  zur  Produktion 
anzuregen,  dem  hohen  Ziele  zustrebend,  dadurch  das  wissen¬ 
schaftliche  Nationalvermögen  zu  bereichern. 


30.  Juli  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1561 


Das  waren  die  Pflichten,  die  mir  das  Amt  auferlegte,  wel¬ 
ches  ich  in  der  Jugend  ersehnte  und  mir  eroberte.  Es  konnte 
mir  nicht  schwer  fallen,  diese  Pflicht  zu  erfüllen,  mit  dem  Bei¬ 
spiel  meines  Vorgängers  und  Lehrers  de  R  e  n  z  i  und  dem 
meiner  tüchtigen  Kollegen  der  Fakultät,  die  mit  ihrer  Arbeit¬ 
samkeit  das  heimatliche  Athenäum  zieren,  vor  Augen. 

Und  ausserdem  bin  ich  ja  für  diese  Mühen  reichlich  ent¬ 
schädigt  worden,  entschädigt  durch  die  Liebe  von  fünfund¬ 
zwanzig  Jahrgängen  junger  Leute,  die  durch  mich  für  die  Wis¬ 
senschaft  und  die  ärztliche  Kunst  erzogen  wurden,  entschädigt 
durch  die  Genugtuung,  die  es  mir  gibt,  unter  meinen  Schülern 
einen  Queirolo,  Livierato,  Devot  o,  Castellino, 
Lucatello,  Jemma  zu  zählen,  die  sich  die  Katheder  der 
besten  Universitäten  des  Landes  errungen  haben,  entschädigt 
durch  so  viele  meiner  Schüler,  die  sich  im  Lehrfach  wie  in  den 
Hospitälern  oder  der  Privatpraxis  auszeichnen,  durch  ihre 
Tüchtigkeit  der  Schule  und  dem  Lehrer  Ehre  machen,  ent¬ 
schädigt  auch  durch  das  Glück,  dass  es  mir  vergönnt  war,  eine 
Schule  zu  gründen. 

Eine  Schule  zu  gründen? 

Aber  das  bedeutet  eine  Reihe  von  Arbeitern  finden,  die  sich 
um  den  Meister  gruppieren,  die  alle  ihre  Kräfte  zu  einer  zu- 
sammenfassen,  die  nicht  die  eigene  Individualität  hervorheben, 
sondern  sie  beinahe  unterdrücken,  zur  Ehre  des  Gesamtwesens, 
das  befruchtet  durch  ihre  Arbeit  entstehen  soll.  Und  es  ist 
nötig,  dass  von  dieser  Fusion  der  Intelligenzen  ein  solcher 
Zauber  ausgeht,  dass  immerzu  und  immerzu  andere  angezogen 
werden,  die  sich  dem  gleichen  Ziel  widmen  und  die  von  dem 
Kultus  für  das  gemeinsame  Ideal  zusammengehalten  werden. 

Auf  diese  Weise  lassen  alle  Generationen,  die  sich  folgen, 
ein  Atom  ihres  Geistes  in  der  Schule,  durch  die  sie  gegangen 
sind  und  es  entsteht  die  Tradition  und  erzeugt  mit  ihnen  dieses 
Netz  von  unsichtbaren,  aber  doch  festen  Fäden,  welche  die 
Gegenwärtigen  mit  den  Vergangenen  verbinden,  welche  die 
Schule  stolz  sein  lässt  auf  jeden  Erfolg  ihrer  Jünger  und  diese 
frohlocken  macht,  bei  jedem  Triumph  der  Schule,  aus  der  sie 
hervorgegangen  sind. 

Und  eine  solche  Schule  hatte  ich  das  Glück  bei  mir  ent¬ 
stehen  zu  sehen,  Dank  des  Wetteifers  starker,  uneigennütziger 
Geister,  und  die  1150  Arbeiten,  die  in  diesem  Vierteljahrhundert 
veröffentlicht  wurden,  legen  Zeugniss  ab  von  ihrem  blühenden, 
fruchtbaren  Leben.  .  .  .“ 

Maragliano  wurde  zu  Genua  am  ersten  Juni  1849  ge¬ 
boren,  er  promovierte  im  Jahre  1870,  wurde  dann  Assistent  in 
der  medizinischen  Klinik  Genuas  und  1875  der  Erste  in  dem 
Konkurs  für  den  Lehrstuhl  der  klinischen  Medizin  an  der  Uni¬ 
versität  zu  Cagliari.  Im  Jahre  1877  bekam  er  den  Lehrstuhl 
für  die  allgemeine  Pathologie  und  im  Jahre  1882  wurde  er  zum 
Leiter  der  medizinischen  Klinik  ernannt,  welches  Amt  er  noch 
inne  hat.  Er  war  viele  Jahre  lang  Dekan  der  Fakultät  und  ver¬ 
trat  wiederholt  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  Italien  im  Aus¬ 
lande.  Seit  dem  Jahre  1900  gehört  Maragliano  auch  dem 
Senat  an.  Seiner  Tatkraft  und  Ausdauer  verdankt  die  medi¬ 
zinische  Klinik  Genuas,  die  er  in  ungeordnetem  und  herabge¬ 
kommenen  Zustand  übernommen  hatte,  den  gewaltigen  Auf¬ 
schwung;  er  stellt  hohe  Ansprüche  an  seine  Schüler,  wer  nicht 
tüchtig  und  arbeitsam  ist,  muss  seine  Klinik  verlassen.  Eng 
verbunden  ist  Maraglianos  Name  mit  dem  wissenschaft¬ 
lichen  Kampf  gegen  die  Tuberkulose;  schon  im  Jahre  1895 
sprach  er  in  Bordeaux  über  die  Existenz  spezifischer  antituber¬ 
kulöser  Substanzen  und  die  Möglichkeit,  diese  im  lebenden  Tier 
zu  erzeugen,  um  sie  in  der  Klinik  bei  der  Behandlung  der  Tu¬ 
berkulose  zu  verwenden.  Zahlreiche  Arbeiten  und  Mitteilungen 
Maraglianos  behandeln  dieses  Argument,  aber  auch  mit 
den  Erkrankungen  des  Blutes,  der  Leber,  des  Stoffwechsels, 
des  Nervensystems  und  der  Lungenentzündung  beschäftigte  er 
sich  mit  besonderem  Interesse.  Auch  das  Institut  für  das  Stu¬ 
dium  der  Infektionskrankheiten  ist  seine  Gründung. 

Unübertrefflich  ist  er  als  Lehrer,  klar  und  präzis  in  der 
Darstellung,  genau  und  wohl  überlegt  im  Diagnostizieren,  er¬ 
fahrungsreich  und  tüchtig  in  der  Behandlung.  Seine  Klinik 
steht  der  Ordnung  und  reichen  Produktivität  wegen  unter  denen 
Italiens  zweifelsohne  an  einem  der  allerersten  Plätze. 


Eine  andere  Klinik,  in  der  ebenfalls  eine  überaus  rege  Tä¬ 
tigkeit  sich  entfaltet,  ist  jene  des  Prof.  T  a  n  s  i  n  i,  Inhabers 
des  Lehrstuhls  für  Chirurgie  an  der  Universität  Pavia.  Der  von 
ihm  vor  drei  Jahren  ins  Leben  gerufene  Fortbildungskursus  er¬ 
freute  sich  auch  in  diesem  Jahre  des  regsten  Zuspruches.  Es 
waren  49  Aerzte  aus  den  verschiedensten  Gegenden  Italiens 
eingeschrieben,  sogar  aus  Kalabrien  und  Sizilien  waren  sie  nach 
Pavia  gekommen.  Die  Zahl  der  Operationen  belief  sich  auf  260 
und  die  Hörer  des  Kurses  konnten  sich  an  denselben  als  Assi¬ 
stenten  beteiligen.  Die  Teilnehmer  dieses  Kurses  können  auf 
diese  Weise  ihre  Kenntnisse  auffrischen  und  bereichern,  sich 
grössere  Fertigkeit  aneignen  und  stets  die  neuesten  Methoden 
kennen  lernen,  was  gewiss  vom  grössten  Vorteil  sowohl  für  sie 
selbst  als  wie  für  die  ihrem  Arbeitsgebiet  angehörenden  Kran¬ 
ken  ist.  Es  wäre  aus  diesem  Grunde  auch  sehr  zu  wünschen, 
dass  in  jeder  Universität  derartige  Kurse  für  die  praktischen 
Aerzte  eingeführt  würden. 

Zwei  interessante  ärztliche  Rechtsfragen  sind  vor  kurzem 
an  italienischen  Gerichtshöfen  zur  Entscheidung  gekommen. 
Die  eine:  „Muss  der  Arzt  dem  Rufe  einer  Behörde  Folge 
leisten?“  kam  in  Mailand  zum  Austrag.  Dort  war  am  29.  April 
spät  abends  (10  Uhr)  ein  Polizist  in  Zivil  auf  der  ärztlichen 
Nachtwache  erschienen  und  hatte  einen  Arzt  verlangt.  Aber 
als  der  wachhabende  Arzt  erfuhr,  dass  er  sich  auf  die  Polizei 
begeben  sollte,  um  einen  Arrestanten  zu  untersuchen,  dessen 
Uebahren  auf  Wahnsinn  schliessen  liess,  telephonierte  er  erst 
in  die  Polizei  und  fragte  an,  wer  ihn  für  seine  Tätigkeit  ent¬ 
schädigen  würde.  Da  die  telephonische  Antwort  unbefriedi¬ 
gend  ausfiel,  weigerte  sich  der  Arzt  dem  Rufe  Folge  zu  leisten. 

Daraufhin  wurde  (gegen  ihn  Anzeige  erstattet.  Vor  dem 
Dichter  wies  der  Arzt  vor  allem  darauf  hin,  dass  er  mit  seiner 
Weigerung  beabsichtigt  habe,  eine  prinzipielle  gerichtliche  Ent¬ 
scheidung  herbeizuführen,  da  die  Polizeibehörde  sich  bisher 
stets  geweigert  hatte,  die  Aerzte  für  ihre  Besuche  zu  ent¬ 
schädigen.  Ausserdem  sei  er  der  Ansicht,  dass  es  kein  Gesetz 
gebe,  welches  den  Arzt  verpflichte,  einem  jeden  Ruf  Folge  zu 
leisten.  Der  Richter  gab  ihm  darin  Recht,  denn  es  sei  in 
keinem  Gesetzesparagraphen  vorgesehen,  dass  der  frei  prak¬ 
tizierende  Arzt  die  Pflicht  habe,  dem  Ruf  einer  Behörde  zu 
folgen,  nur  die  Gemeindeärzte  seien  verpflichtet,  sich  auf  Auf¬ 
forderung  den  Behörden  zur  Verfügung  zu  stellen.  Die  Ver¬ 
handlung  endete  daher  auch  mit  einem  Freispruch  des  be¬ 
treffenden  Arztes. 

Die  zweite  Streitfrage  war  die,  ob  hypodermische  Injek¬ 
tionen  als  chirurgische  Operationen  zu  betrachten  seien.  Der 
Fall  war  folgender:  Ein  Barbier  in  einem  kleinen  Ort  hatte 
einer  Frau  hypodermische  Injektionen  gemacht  und  obwohl 
ihm  der  dortige  Gemeindearzt  und  Sanitätsbeamte  dies  unter¬ 
sagte,  hatte  er  diese  lukrative  Nebenbeschäftigung  nicht  auf¬ 
gegeben.  Der  Sanitätsbeamte  erstattete  nun  Anzeige  gegen  den 
Barbier,  die  er  damit  begründete,  dass  hypodermische  Injek¬ 
tionen  chirurgische  Operationen  und  daher  nur  von  approbier¬ 
ten  Aerzten  auszuführen  seien.  Aber  auch  hier  kam  das  Ge¬ 
richt  zu  einem  freisprechenden  Urteil,  indem  es  die  Ansicht  aus¬ 
sprach,  dass  hvpodermische  Injektionen  unter  jene  leichten 
mechanischen  Operationen  zu  zählen  seien,  die  jedermann, 
ohne  Arzt  zu  sein,  ausüben  könne  und  dürfe.  Prof.  G  a  1 1  i. 


Verschiedenes  (gerichtliche  Entscheidungen,  therapeutische 
Notizen  etc.),  Personalnachrichten.  Korrespondenz,  Statistik 

siehe  S.  1568. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  29.  Juli  1907. 

—  Die  neuen  Vorschriften  über  den  Verkehr  mit 
G  e  h  e  i  m  m  i  1 1  e  1  n  und  ähnlichen  Arzneimitteln,  wie  sie  durch  Bun¬ 
desratsbeschluss  vom  27.  Juni  1.  J.  festgesetzt  wurden,  werden  jetzt 
bekannt  gegeben.  Die  Zahl  der  auf  die  Geheimmittellisten  gesetzten 
Mittel  beträgt  jetzt  153,  gegen  bisher  95.  Von  Bedeutung  ist.  dass  den 
häufigen  Umgehungsversuchen,  die  darin  bestanden,  dass  durch  Acnde- 
rung  des  Namens  und  Variation  der  Zusammensetzung  M'ttel  der 
Verordnung  entrückt  wurden,  durch  folgenden  Zusatz  zu  §  1  vor¬ 
gebeugt  wird:  „Die  Anwendung  der  nachstehenden  Vorschriften  auf 
diese  Mittel  wird  dadurch  nicht  ausgeschlossen,  dass  deren  Be¬ 
zeichnung  bei  im  wesentlichen  gleicher  Zusammensetzung  geändert 
wird.“  Wir  werden  den  Wortlaut  der  neuen  Vorschriften,  die  ab 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  31. 


502 


1.  Oktober  1.  J.  in  allen  Bundesstaaten  in  Kraft  treten,  demnächst 
mitteilen. 

—  Am  städtischen  Gesundheitsamt  in  Berlin  sind 
zu  Abteilungsvorstehern  gewählt:  Prof.  Dr.  Sobernheim,  Priv.- 
Doz.  f.  Hygiene  in  Halle,  und  Dr.  Pendle  r,  I.  Assistent  und  Leiter 
der  Abteilung  für  Nahrungsmittelchemie  am  Pharmazeutischen  Institut 
in  Dahlem. 

—  Eine  orthopädische  Schularztstelle  hat  die  Stadt 
Charlottenburg  errichtet  und  dem  praktischen  Arzte  Dr.  med.  Jakob 
T  a  e  n  d  1  e  r  übertragen.  Zweck  dieser  Neueinrichtung  ist  die  sach¬ 
verständige  Untersuchung  und  Kontrolle  der  mit  Wirbelsäulenver¬ 
krümmungen  etc.  behafteten  Schulkinder.  Im  Anschluss  hieran  wer¬ 
den  orthopädische  Turnkurse  in  den  Turnhallen  der  Schulen  abgehalten 
werden. 

—  Man  schreibt  ans  aus  Wien:  In  dem  Prozesse,  welchen  der 
gewesene  Krakauer  Universitätsprofessor  Dr.  Albert  Adam- 
k  i  e  w  i  c  z  gegen  den  Inhaber  der  chemischen  Fabrik  E.  Merck  in 
Darmstadt  führte,  ist  nunmehr  auch  das  Urteil  des  Wiener  Ober¬ 
landesgerichtes,  der  Berufsinstanz,  erflossen.  Es  lautete  auf  kosten¬ 
pflichtige  Abweisung  des  Klägers.  Wir  haben  seinerzeit 
berichtet,  dass  Prof.  Adamkiewicz  die  obgenannte  Firma  auf 
Zahlung  von  250  000  Kronen  Konventionalstrafe  geklagt  hatte,  weil 
sie  schon  nach  5  Jahren  vom  Vertrage  zurückgetreten  war,  welchen 
sie  1891  auf  25  Jahre  geschlossen  hatte.  Sie  war  zurückgetreten,  weil 
das  Kankroin  des  Herrn  Prof.  Adamkiewicz  sich  nicht  als  Heil¬ 
mittel  gegen  den  Krebs  bewährt  hatte  und  weil  die  Erzeugung  und  der 
Vertrieb  des  Mittels  der  Firma  materiellen  Schaden  brachte.  In  der 
ersten  Instanz,  beim  Handelsgerichte,  hatten  die  Professoren 
v.  N  e  u  s  s  e  r  und  v.  Eiseisberg  als  Sachverständige  ihr  Gut¬ 
achten  dahin  abgegeben,  dass  dass  Kankroin  nach  den  Erprobungen 
zahlreicher  erster  Kliniker  den  Krebs  nicht  im  geringsten  günstig  be¬ 
einflusse.  Diesem  Gutachten  sprach  auch  das  Oberlandesgericht  die 
entscheidende  Bedeutung  zu  für  die  Frage  des  Bestandes  oder  Nicht¬ 
bestandes  des  Vertrages.  Die  Persönlichkeiten  der  Sachverständigen 
bieten  dem  Gerichte  die  volle  Gewähr  für  die  richtige  Beurteilung 
der  fachwissenschaftlichen  Frage  nach  dem  Heilwerte  des  Kankroins; 
sie  haben  zwar  das  Kankroin  nicht  selbst  angewandt,  sie  beriefen  sich 
aber  auf  eine  Reihe  wissenschaftlicher  Kapazitäten,  welche  das  Heil¬ 
mittel  an  Kranken  erprobt  haben.  Es  kann  ihnen  auch  nicht  zuge¬ 
mutet  werden,  selbst  ein  Heilmittel  anzuwenden  und  zu  erproben, 
welches  zufolge  der  Erprobung  durch  andere  Kapazitäten  nicht  auf 
wissenschaftlichem  Fundament  beruhe.  Wissenschaft  und  Erfahrung 
sprechen  dagegen,  dass  Adamkiewicz  mit  Kankroin  wirkliche 
Heilerfolge  erzielt  habe.  Auch  die  vom  Kläger  Adamkiewicz 
gegen  die  Höhe  der  den  zwei  medizinischen  Sachverständigen  zu¬ 
gesprochenen  Gebühr  von  je  2000  Kronen  erhobene  Beschwerde  sei 
nicht  stichhaltig,  da  es  sich  hier  um  eine  Fachprüfung  handle,  die 
den  Charakter  einer  wissenschaftlichen  Leistung  besitze  und  eine 
längere  Untersuchung  und  ein  eingehendes  Studium  erforderlich 
machte. 

—  Das  Organisationskomitee  des  5.  internationalen  Gy¬ 
näkologenkongresses  teilt  mit,  dass  es  auf  Grund  vielfacher 
Aeusserungen  über  die  Unzeitigkeit  eines  Kongresses  in  Russland  und 
in  Uebereinstimmung  mit  dem  Generalsekretär  des  Ständigen  Ko¬ 
mitees,  Herrn  Dr.  Jacobs,  beschlossen  hat  den  Kongress  in  St.  Pe¬ 
tersburg  zu  verschieben.  Die  Frage  über  Ort  und  Zeit  des  bevor¬ 
stehenden  5.  Kongresses  ist  deshalb  dem  Generalsekretär  überlassen. 
Das  russische  Organisationkomitee  hegt  die  Hoffnung  den  nächsten, 
sechsten  internationalen  Kongress  bei  günstigeren  Zeiten  in  St.  Pe¬ 
tersburg  abhalten  zu  können. 

—  Am  8.  Juli  (25.  Juni)  d.  J.  ist  ein  halbes  Jahr¬ 
hundert  vollendet,  seit  Seine  Exzellenz  Geheimrat  Dr.  Karl 
Rauchfuss  in  St.  Petersburg  seiner  ausgebreiteten  und 
fruchtbringenden  ärztlichen  und  wissenschaftlichen  Tätigkeit 
obliegt.  Der  Verein  der  Kinderärzte  in  St.  Petersburg  rüstet 
sich,  dieses  Jubiläum  seines  einstigen  langjährigen  Präsidenten  und 
jetzigen  Ehrenmitgliedes  durch  eine  Festsitzung  zu  begehen.  Die 
Feier  ist  auf  den  10.  November  (28.  Oktober)  festgesetzt.  Diejenigen 
Aerzte  und  Vereine,  die  sich  an  derselben  zu  beteiligen  wünschen, 
werden  ersucht,  sich  bei  dem  Präses  des  Vereins,  Prof.  Dr.  A.  Rus- 
s  o  w,  Direktor  des  Elisabeth-Kinderhospitals,  Fontanka  152,  zu 
melden. 

—  Der  Aerztliche  Verein  München  hat  an  Herrn 
Prof.  v.  Müller,  der  vor  kurzem  einen  glänzenden  Ruf  nach  Berlin 
abgelehnt  hat,  eine  Adresse  gerichtet,  in  welcher  der  Freude  der 
Münchener  Aerzte  über  das  Verbleiben  des  ausgezeichneten  For¬ 
schers  und  Lehrers  in  unserer  Stadt  Ausdruck  gegeben  wird. 

—  Mit  Bezug  auf  unsere  Notiz  „Aerztetag  und  Lebens¬ 
versicherungsgesellschaften“  in  No.  29  dieser  Wochen¬ 
schrift  teilt  uns  der  Generalsekretär  des  Deutschen  Aerztevereins- 
bundes,  Herr  Dr.  Heinze  mit,  dass  die  Kündigung  des  Vertrags  mit 
dem  Verbände  Deutscher  Lebensversicherungsgesellschaftcn  noch 
nicht  perfekt  geworden  sei;  die  bevorstehende  Kündigung,  welche 
auf  Grund  des  Beschlusses  des  Aerztetags  allerdings  erfolgen  müsse, 
sei  vielmehr  lediglich  der  anderen  Partei  avisiert  worden.  Bis  zur 
erfolgten  Kündigung  seien  beide  Parteien  an  die  noch  bestehenden  bis¬ 
herigen  Vereinbarungen  gebunden. 

Die  Notizen  über  Pest,  Genickstarre,  Mortalität  in  Deutschland 

s.  S.  1568. 


(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Aus  der  Jagorstiftung  wurden  dem  Privat¬ 
dozenten  für  innere  Medizin  an  der  Berliner  Universität,  Prof.  Dr. 
Leonor  Michaelis,  zu  Studien  über  die  Wirkungsweise  der  Fer¬ 
mente  1200  Mark  und  dem  Privatdozenten  für  Psychiatrie  der  Uni¬ 
versität  Freiburg  i.  Br.,  Dr.  Walter  Spielmeyer,  zu  Studien  über 
Beziehungen  zwischen  Trypanosomiasis-Schlafkrankheit  einerseits 
und  Syphilis-Paralyse-Tabes  andererseits  1500  Mark  bewilligt,  (hc.) 
Der  bisherige  Privatdozent  für  Chirurgie  an  der  Bonner  Universität, 
Dr.  Viktor  Schmieden,  der  mit  Beginn  dieses  Semesters  seinem 
Chef,  Geheimrat  Bier  an  die  Bergmann  sehe  chirurgische  Klinik 
in  Berlin  als  Assistenzarzt  folgte,  hat  sich  am  23.  ds.  mit  einer  An¬ 
trittsvorlesung  über  „Die  chirurgische  Behandlung  des  Morbus  Ba¬ 
sedow“  als  Privatdozent  in  der  Berliner  medizinischen  Fakultät  nie¬ 
dergelassen.  Geheimer  Medizinalrat  Prof.  Dr.  August  Bier, 
v.  Bergmanns  Nachfolger  an  der  Berliner  Universität,  ist  zürn 
etatsmässigen  Mitgfiede  des  Wissenschaftlichen  Senats  bei  der  Kaiser 
Wilhelms-Akademie  für  das  militärärztliche  Bildungswesen  ernannt 
worden,  (hc.) 

Bon  n.  Der  Charakter  als  Geheimer  Obermedizinalrat  mit  dem 
Range  der  Räte  zweiter  Klasse  ist  dem  ordentlichen  Professor  und 
Direktor  der  Frauenklinik  an  der  hiesigen  Universität,  Geh.  Med.- 
Rat  Dr.  med.  Heinrich  Fritsch,  verliehen  worden,  (hc.) 

Breslau.  Prof.  Dr.  Hermann  K  ü  1 1  n  e  r,  Direktor  der  chirur¬ 
gischen  Universitätsklinik,  wurde  zum  Medizinalrat  ernannt. 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  Br.  Die  Doktorwürde  haben  an  der  hiesigen  Uni¬ 
versität  im  verflossenen  Jahre  64  Mediziner  erworben.  Die  ärztliche 
Staatsprüfung  bestanden  37,  die  ärztliche  Vorprüfung  61,  die  zahn¬ 
ärztliche  Prüfung  13.  Die  medizinische  Fakultät  hat  Se.  Exzellenz 
Staatsminister  Dr.  Freiherrn  Alex.  v.  Dusch  zum  Ehrendoktor  er¬ 
nannt.  (hc.) 

Giesse  n.  Dr.  med.  Hans  K  o  e  p  p  e,  Privatdozent  für  Kinder¬ 
heilkunde  an  der  hiesigen  Universität  ist  zum  ausserordentlichen  Pro¬ 
fessor  ernannt  worden,  (hc.) 

G  ö  1 1  i  n  g  e  n.  Der  Privatdozent  für  Psychiatrie  an  der  Uni¬ 
versität  Göttingen,  Dr.  med.  H.  Vogt,  Arzt  an  der  Provinzialheil- 
anstalt  in  Langenhagen,  wird  sich  am  1.  Oktober  d.  J.  für  ein  Jahr 
an  das  neue  Dr.  Senckenbergische  neurologische  Institut  nach  Frank¬ 
furt  a.  M.  begeben  und  wird  für  diese  Zeit  die  Leitung  der  hirnpatho¬ 
logischen  Abteilung  des  Institutes  übernehmen. 

Heidelberg.  Der  Assistent  der  chirurgischen  Klinik 
Dr.  Georg  H  i  r  s  c  h  e  1,  hat  sich  habilitiert  mit  einer  Probevorlesung 
über  „Das  Magengeschwür  in  seiner  chirurgischen  Bedeutung“. 

J  e  n  a.  Der  Assistent  am  anatomischen  Institut,  Privatdozent 
Dr.  Lubosch,  ist  zum  a.  o.  Professor  ernannt  worden. 

Marburg.  Zum  Rektor  der  hiesigen  Universität  für  das  Stu¬ 
dienjahr  1907/08  wurde  der  Direktor  der  psychiatrischen  Klinik,  Geh. 
Med. -Rat  Prof.  Dr.  med.  Franz  Tuczek  gewählt,  (hc.)  —  Der  Ober¬ 
arzt  der  chirurgischen  Klinik,  Privatdozent  Dr.  D  a  n  i  e  1  s  e  n,  wird 
zum  1.  X.  seinem  Chef,  Herrn  Prof.  Dr.  Küttner  nach  Breslau 
folgen. 

Münche  n.  Dem  an  Stelle  v.  W  i  n  c  k  e  1  s  zum  ordentlichen 
Professor  und  Direktor  der  Frauenklinik  an  der  hiesigen  Universität 
berufenen  Prof.  Dr.  Albert  D  öder  lein  wurde  die  Funktion  eines 
Direktors  der  Münchener  Hebammenschule  übertragen,  (hc.) 

Tübingen.  Stabsarzt  z.  D.  Dr.  S  c  h  1  a  y  e  r,  Assistenzarzt 
an  der  medizinischen  Klinik,  hat  sich  mit  einer  Arbeit:  „Ueber 
nephritischesOedem“  und  einer  Probevorlesung:  „Ueber  die  diagnosti¬ 
sche  Bedeutung  der  Röntgendurchleuchtung  für  die  innere  Medizin“ 
habilitiert.  —  Dr.  Merzbacher,  II.  Assistenzarzt  an  der  psych¬ 
iatrischen  Klinik,  hat  sich  mit  einer  Probevorlesung  über  „den  Wert 
der  frühzeitigen  Diagnose  in  der  Psychiatrie“  habilitiert. 

Würzburg.  Zum  Rektor  der  hiesigen  Universität  für  das 
Studienjahr  1907/08  wurde  der  Professor  der  Anatomie,  der  Histologie 
und  Embryologie,  sowie  Vorstand  des  anatomischen  Instituts,  Dr.  med. 
Philipp  S  t  ö  h  r  gewählt,  (hc.) 

Graz.  An  erster  Stelle  zum  Nachfolger  des  nach  Marburg  be¬ 
rufenen  Professors  Dr.  P.  Friedrich  vorgeschlagen,  hat  Prof.  Dr. 
Erwin  Payr,  Vorstand  der  chirurgischen  Abteilung  am  städtischen 
Krankenhause  in  Graz  die  Berufung  als  ordentlicher  Professor  der 
Chirurgie  und  Direktor  der  Kgl.  Chirurg.  Klinik  in  Greifswald  er¬ 
halten  und  angenommen.  —  Der  Privatdozent  für  Chirurgie  und  Assi¬ 
stent  der  chirurgischen  Universitätsklinik  Dr.  Max  Hof  mann  wurde 
vom  Gemeinderat  der  Stadt  Meran  zum  chirurgischen  Primarius  des 
dortigen  Krankenhauses  gewählt. 

Ofen-Pest.  Als  Priivatdozenten  wurden  in  der  medizinischen 
Fakultät  der  hiesigen  Universität  zugelassen  und  bestätigt:  Dr.  Eugen 
Kollarits  für  Nervenpathologie  und  Dr.  Paul  Hari  für  experi¬ 
mentelle  Chemie,  (hc.) 

Berichtigung.  In  den  Demonstrationsbemerkungen  von  Dr. 
Lieblein  in  der  wissenschaftlichen  Gesellschaft  deutscher  Aerzte 
in  Böhmen  in  No.  29  ist  auf  Seite  1460,  Spalte  1,  Zeile  29  von  oben 
folgender  Satz  einzuschalten:  Ferner  demonstriert  der  Vortragende 
eine  Patientin,  bei  welcher  derselbe  wegen  einer  akuten  Blutung 
aus  einem  Magengeschwür  im  Stadium  der  akuten  Blutung  die  hintere 
Gastroenterostomie  mit  dem  Murphyknopf  ausgeführt  und  Heilung  er¬ 
zielt  hat.  Im  Anschluss  daran  bespricht  der  Vortragende  die  operative 
Behandlung  der  akuten  Blutungen  beim  Magengeschwür. 


Beilage  zu  No.  31  der  Münehener  medizinischen  Woehensehrift. 


79.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Dresden 

vom  15.  bis  21.  September  1907. 


Allgemeine  Tagesordnung. 

Sonntag,  den  15.  September.  Vormittags:  Sitzung  des 
Vorstandes.  Eröffnung  der  Ausstellung.  Abends  8  Uhr:  Begriissung 
in  der  Ausstellungshalle. 

Montag,  den  16.  S  e  p  t  e  m  b  e  r.  Vormittags  914  Uhr :  Erste 
allgemeine  Versammlung  (Ausstellungshalle).  1.  Begriissungsan- 
sprachen.  2.  Vorträge.  Nachmittags  3  Uhr:  Konstituierung  der  Ab¬ 
teilungen.  Abends  8  Uhr:  Gartenkonzert  mit  festlicher  Beleuchtung 
(Belvedere). 

Dienstag,  den  17.  September.  Vor-  und  nachmittags: 
Sitzungen  der  Abteilungen.  Abends  7  Uhr:  Festvorstellung  im  Kö¬ 
niglichen  Opernhaus. 

Mittwoch,  den  18.  September.  Vor-  und  nachmittags 
Sitzungen  der  Abteilungen.  Abends  7  Uhr  Festmahl  (Ausstellungs¬ 
halle). 

Donnerstag,  den  19.  September.  Vormittags  814  Uhr : 
Geschäftssitzung  der  Gesellschaft.  Vormittags  10  Uhr:  Sitzung  der 
beiden  Hauptgruppen  (Ausstellungshalle).  Nachmittags  3  Uhr:  Einzel¬ 
sitzungen  der  beiden  Hauptgruppen.  1.  Naturwissenschaftliche  Haupt¬ 
gruppe  in  der  Aula  der  Technischen  Hochschule.  2.  Medizinische 
Hauptgruppe  im  Ausstellungsgebäude.  Abends  8  Uhr:  Empfang  in 
den  Räumen  des  Ausstellungsgebäudes,  veranstaltet  von  der  Stadt¬ 
verwaltung. 

Freitag,  den  20.  September.  Vormittags  914  Uhr :  Zweite 
allgemeine  Versammlung,  Vorträge.  Nachmittags:  Besichtigungen, 
bez.  Sitzungen  der  Abteilungen. 

Sonnabend,  den  21.  September.  Tagesausflüge:  1.  Nach 
Freiberg  (Muldenhütten,  Bergakademie).  2.  Nach  Meissen.  3.  Nach 
Schandau.  4.  Nach  der  Bastei.  —  Ausserdem  hat  die  Kgl.  Bade¬ 
direktion  von  Bad  Elster  zu  einem  Besuche  dieses  Bades  eingeladen. 
Näheres  ist  noch  zu  vereinbaren. 

Erläuterungen  und  Mitteilungen. 

Die  Jahresversammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
wird  von  der  „Gesellschaft  Deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte“  einberufen. 

Mitglied  der  Gesellschaft  kann  jeder  werden,  welcher  sich  wis¬ 
senschaftlich  mit  Naturforschung  oder  Medizin  beschäftigt. 

Der  Mitgliedsjahresbeitrag  beträgt  Mk.  5. — .  Diejenigen  Mit¬ 
glieder,  welche  die  von  der  Gesellschaft  herausgegebenen  „Verhand¬ 
lungen“  zu  beziehen  wünschen,  haben  ausserdem  Mk.  6. — ,  also 
zusammen  Mk.  11. — ,  zu  zahlen. 

Anmeldungen  zur  Mitgliedschaft  vor  der  Versammlung  haben 
schriftlich  beim  Schatzmeister  der  Gesellschaft,  Verlagsbuchhändler 
Karl  Friedrich  Lampe,  per  Adr.:  F.  C.  W.  Vogel  in  Leipzig, 
Dresdner  Strasse  3,  bis  zum  9.  September  1907  zu  erfolgen,  später 
und  während  der  Versammlung  bei  der  Hauptgeschäftsstelle  (in  der 
Kgl.  Technischen  Hochschule,  Dresden,  Bismarckplatz). 

Teilnehmer  an  der  Versammlung  kann  auch,  ohne  Mitglied  der 
Gesellschaft  zu  sein,  jeder  werden,  der  sich  für  Naturwissenschaft 
und  Medizin  interessiert.  \ 

Jeder  Besucher  der  Versammlung  hat  eine  Teilnehmerkarte  zu 
lösen  zum  Preise  von  Mk.  20. — . 

Die  Mitglieder  der  Gesellschaft  aber,  welche  für  ihre  Mitglieds¬ 
karte  bereits  den  Jahresbeitrag  von  Mk.  5. —  oder  Mk.  11  bezahlt 
haben,  erhalten  die  Teilnehmerkarte  äuf  Vorlegen  der  Mitglieds¬ 
karte  für  Mk.  15. —  oder  Mk.  9. — . 

Damenkarten  werden  zum  Preise  von  Mk.  6. —  zugleich  mit 
der  Teilnehmerkarte  bezw.  gegen  Ausweis  einer  solchen  ausgegeben. 

Bei  der  sehr  wünschenswerten  gleichzeitigen  Entnahme 
der  Karten  für  das  Festmahl  erhöhen  sich  diese  Beiträge  um  je 
Mk.  5.—. 

Die  Ausgabe  der  Teilnehmerkarten  und  der 
Damenkarten  erfolgt  gegen  Einzahlung  der  dafür  angegebenen 
Beträge.  Wenn  diese  Beträge  bis  zum  11.  September  in  Dresden 
eingehen,  werden  die  Karten  den  Bestellern  durch  die  Post  über¬ 
sandt  an  die  bei  der  Einsendung  des  Betrages  angegebene  Adresse, 
um  deren  deutliche  Angabe  gebeten  wird. 

Die  Ausgabe  der  Karten  geschieht,  bezw.  Geldsendungen  und 
Bestellungen  werden  angenommen:  durch  die  Dresdner  Bank, 
Dresden,  König  Johannstrasse  in1  der  Zeit  vom  20.  AugusGbis  9.  Sep¬ 


tember  einschliesslich,  durch  die  HauptgeschäftsstelleDres- 
d  e  n  (Technische  Hochschule,  am  Bismarckplatz)  in  der  Zeit  vom 
9.  September  an.  Teilnehmer-  und  Damenkarten,  für  welche  in  der 
Zeit  vom  11. — 15.  September  die  Beträge  durch  Postanweisung  ein¬ 
gehen,  werden  als  vorbestellte  Karten  an  einem  besonderen  Schalter 
der  Hauptgeschäftsstelle  gegen  Ausweis  des  Postscheines 
ausgegeben. 

Mitglieder  haben  bei  Vorausbestellung  ihre 
Mitgliedskarte  oder  die  Quittung  über  gezahlte  Mk. 
11. —  einzusenden  und  erhalten  beide  mit  der  Teilnehmerkarte 
zurück. 

Da  erfahrungsgemäss  der  Andrang  an  den  beiden  ersten  Tagen 
der  Versammlung  ein  sehr  grosser  ist,  wird  im  Interesse  der  Ver¬ 
sammlungsbesucher  dringend  empfohlen,  von  der  Möglichkeit  der 
Vorausentnahme  von  Teilnehmer-  und  Damenkarten  möglichst  grossen 
Gebrauch  zu  machen.  Um  die  Vollständigkeit  des  Teilnehmerver¬ 
zeichnisses  zu  sichern,  wird  in  diesem  Falle  gebeten,  bei  der  Karten¬ 
bestellung  auch  die  voraussichtliche  Wohnung  während  der  Ver¬ 
sammlung  anzugeben. 

Auskünfte.  Anfragen  in  geschäftlichen  bezw.  wissenschaftlichen 
Angelegenheiten  allgemeiner  Natur  sind  an  die  „Geschäfts¬ 
führung  der  79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte, 
Dresden,  Lindenaustrasse  30, 1.“  zu  richten.  —  Auskünfte  betreffs 
der  einzelnen  wissenschaftlichen  Abteilungen  werden 
ausschliesslich  durch  die  bezüglichen  Einführenden  erteilt.  Alle 
derartigen  Anfragen,  sowie  weitere  Vortragsanmeldungen  sind  nur  an 
diese  Herren  zu  richten.  —  Alle  übrigen  Anfragen,  wie  hinsichtlich 
der  Festlichkeiten,  Vergnügungen,  Wohnungen  etc.  wolle  man  un¬ 
mittelbar  an  die  betreffenden  Unterausschüsse  richten. 

Zur  Vermittelung  von  Wohnungen  ist  ein  Ausschuss  in  Tätigkeit 
getreten,  der  Anmeldungen  entgegennimmt.  Die  Adresse  ist  aus¬ 
schliesslich  :  „W  ohnungsausschuss  der  79.  V  ersaminlung 
Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  Dresden,  Hauptbahnhof 
(Fremdenverkehr).“  Eine  möglichst  frühzeitige  Be¬ 
stellung  von  Zimmern  ist  dringend  erwünscht. 

Mit  der  Versammlung  ist  eine  Ausstellung  naturwissenschaftlicher 
und  medizinisch-chirurgischer  Gegenstände,  sowie  chemisch-pharma¬ 
zeutischer  Präparate  und  naturwissenschaftlicher  Lehrmittel  ver¬ 
bunden,  die  in  erster  Linie  Neuheiten  der  letzten  Jahre  auf  diesem 
Gebiet  umfassen  soll.  Die  Ausstellung  findet  im  städtischen  Aus¬ 
stellungsgebäude  statt.  Ueber  diese  Ausstellung  wird  ein  Katalog 
erscheinen. 

Die  Stadtverwaltung  wird  auf  ihre  Kosten  einen  wissenschaftlichen 
Führer  durch  Dresden  und  Umgebung  herstellen  lassen,  welcher  allen 
Teilnehmern  der  Versammlung  als  bleibendes  Erinnerungszeichen 
überreicht  werden  wird. 

Plan  der  wissenschaftlichen  Verhandlungen. 

I.  Allgemeine  Versammlung  in  der  Halle  des  Ausstellungspalastes. 

Montag,  den  16.  Septem  be  r,  vormittags  9/4  Uhr :  B  c - 
grüssungsansprachen.  A.  Gutzmer  - Halle  a.  S.  und  F. 
Kl  ein -Göttingen:  Bericht' der  Unterrichtskommission  der  Gesell¬ 
schaft  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte.  W.  H  e  in  p  e  1  -  Dresden: 
Die  Behandlung  der  Milch  (mit  Demonstrationen).  Ho  che -Frei¬ 
burg:  Moderne  Analyse  psychischer  Erscheinungen. 

Freitag,  den  20.  September,  vormittags  9!4  Uhr :  H.He  r- 
gese!  1- Strassburg  i.  E.:  Die  Eroberung  des  Luftmeeres  (mit  Licht¬ 
bildern).  O.  zur  Strassen- Leipzig:  Die  neuere  Tierpsychologie. 

M.  Wolf-Heidelberg:  Die  Milchstrasse  (mit  Lichtbildern). 

II.  Gesamtsitzung  beider  Hauptgruppen  in  der  Halle  des  Ausstellungs¬ 

palastes. 

Donnerstag,  dem  19.  September,  vormittags  10  Uhr: 
R.  Hesse  -  Tübingen:  Ueber  das  Sehen  der  niederen  Tiere.  L. 
H  e  i  n  e  -  Greifswald :  Ueber  das  Sehen  der  Wirbeltiere  und  dei  Kopf- 
fiissler. 

Sitzung  der  medizinischen  Hauptgruppe. 

Donnerstag,  den  19.  September,'1  nachmittags  3  Uhi 
in  der  Halle  des  Ausstellungspalastes:  Chr.  B  o  h  r  -  Kopenhagen  und 

N.  Ph.  Tendeloo- Leiden:  Die  funktionelle  Bedeutung  des  Lungen¬ 
volums  in  normalen  und  pathologischen  Zuständen. 


No.  31. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


Medizinische  Hauptgruppe. 

H.  Abteilung:  Anatomie,  Physiologie,  Histologie  und  Embryologie. 

1.  B  a  u  m  -  Dresden :  Ueber  die  Benennung  der  Hand-  und  Fuss- 
arterien.  —  2.  Fröhlich  -  Chemnitz:  Ueber  die  intermediären  Zonen 
der  Magenschleimhaut.  —  3.  1 1 1  i  n  g  -  Berlin:  Ueber  den  Verdauungs- 
traktus  von  Cricetus  vulgaris.  —  4.  I  m  m  i  s  c  h  -  Dresden:  Ein  Bei¬ 
trag  zum  Studium  des  Herzstosses  an  einem  Exokardiakus.  —  5. 
K  I  c  m  m  -  Dresden :  Vergleich  der  Nahrungsmengen  natürlich  ge¬ 
nährter  Neugeborener  der  Menschen  und  einiger  Säugetiere.  —  6. 
K  u  n  z  -  K  r  a  u  s  e  -  Dresden:  Neue  Beiträge  zur  Chemie  und  Physio¬ 
logie  der  höheren  Fettsäuren.  —  7.  L  u  b  o  s  c  h  -  Jena:  Das  Kiefer¬ 
gelenk  der  Säugetiere  (mit  Demonstration).  —  8.  Scheunert- 
Dresden:  Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Verdauungsphysiologie.  — 
9.  S  t  i  e  d  a  -  Königsberg  i.  Pr.:  Gehirn  eines  Sprachkundigen. 

15.  Abteilung:  Allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie. 

Zugleich  Tagung  der  Deutschen  Pathologischen  Gesellschaft. 

Referatthema: 

Teratome  und  ihre  Stellung  zu  anderen  Geschwülsten.  Re¬ 
ferent:  Askanazy  -  Genf  und  Borst-  Wiirzburg. 

Angemeldete  Vorträge: 

1.  A  1  b  r  e  c  h  t  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Pathologie  der  farblosen 
Zellen  des  Blutes.  —  2.  A  x  e  n  f  e  Ld  -  Freiburg:  Zur  Pathologie  des 
briihjahrkatarrhs.  —  3.  B  a  b  e  s  -  Bukarest:  Die  Nebennieren  bei 
Tuberkulose  und  bei  akuten  Allgemeininfektionen.  —  4.  Derselbe: 

I  opographie  des  Fettes  in  den  Nieren  bei  verschiedenen  Erkran¬ 
kungen  derselben.  —  5.  v.  B  a  u  m  g  a  r  t  e  n  -  Tübingen:  Ueber  die 
durch  Alkohol  hervorzurufenden  pathologisch-histologischen  Ver¬ 
änderungen  (nach  gemeinschaftlich  mit  Herrn  Dr.  Rumpel  ange- 
stellten  Experimenten).  —  6.  B  o  r  r  m  a  n  n  -  Braunschweig:  Vortäu¬ 
schung  primärer  oder  implantierter  Karzinome  im  Digestionstraktus 
infolge  Einbruches  karzinomatöser  Drüsen.  —  7.  C  h  i  a  r  i  -  Strass¬ 
burg:  Ueber  die  Genese  der  Amyloidkörperchen  des  Zentralnerven¬ 
systems.  —  8.  Derselbe  Demonstration  eines  vollständigen  Defekts 
der  Concha  auriculae.  —  9.  D  a  v  i  d  s  o  h  n  -  Berlin:  Zur  Pathologie 
der  Venen.  —  10.  D  i  b  b  e  1 1  -  Tübingen:  Ueber  experimentelle  Ra¬ 
chitis.  — -  11.  D  i  e  t  r  i  c  h  -  Charlottenburg:  Der  Fettgehalt  pathologi¬ 
scher  Nieren.  —  12.  D  ii  r  c  k  -  München:  Untersuchungen  über  die 
Zwischenzellen  des  Hodens.  —  13.  Derselbe:  Ueber  die  feineren 
histologischen  Veränderungen  besonders  des  Nervensystems  bei  Beri- 
Beri.  —  14.  E  b  e  r  -  Leipzig:  Die  Beziehungen  zwischen  Menschen- 
und  Rindertuberkulose,  erläutert  an  der  Hand  der  im  Veterinärinstitut 
Leipzig  zur  Ausführung  gelangten  Uebertragungsversuche  (mit  De¬ 
monstration).  —  15.  H  e  n  k  e  -  Königsberg:  Weitere  Beiträge  zur 
Frage  der  primären  Darmtuberkulose.  —  16.  Derselbe:  Thema 
Vorbehalten.  —  17.  J  o  e  s  t  -  Dresden:  Untersuchungen  zur  Frage  der 
Latenz  der  Lymphdrüsentuberkulose  beim  Rind.  —  18.  Kaiser¬ 
in  g  -  Charlottenburg:  Fettige  und  lipoide  Degeneration?  —  19. 
K  1  e  b  s  -  Berlin :  Neue  Versuche  über  die  Infektionswege  der  Tuber¬ 
kulose.  —  20.  Derselbe:  Zur  Immunitätsfrage  bei  Tuberkulose.  — 

21.  Ko  c  h  -  Elberfeld:  Spirochätenbefund  bei  kavernöser  Lungen- 
svphilis  und  Pachymeningitis  interna  hämorrhagica  productiva.  — 

22.  Kretz- Wien:  Ueber  Appendizitis.  —  23.  M  a  r  e  s  c  h  -  Wien: 
Zur  Kenntnis  der  T ubenwinkelmyome.  —  24.  Derselbe:  Zur  Kennt¬ 
nis  der  J  rachealdivertikel.  —  25.  Derselbe:  Bakteriologischer  Bei¬ 
trag  zur  Aetiologie  und  Pathogenese  der  Appendizitis.  —  26. 
M  ö  n  c  k  eb  e  r  g  -  Giessen:  Die  angeborene  Stenose  des  Aorten- 
ostiums  und  die  angeborene  Stenose  der  Aorta  jenseits  des  Isthmus. 

27.  M  o  r  p  u  r  g  o  -  Turin:  Ueber  die  infektiöse  Osteomalazie  und 
Rachitis  der  weissen  Ratten  (mit  Demonstration  von  makroskopischen 
und  mikroskoDischen  Präparaten).  —  28.  Derselbe:  Ueber  häma¬ 
togene  Tuberkulose  (mit  Demonstration  von  mikroskopischen  Prä¬ 
paraten).  —  29.  Mühlmann  -  Balachanv:  Das  Wesen  der  N  i  s  s  1  - 
sehen  Körper.  —  30.  O  e  s  t  re  i  ch  -  Berlin:  Ueber  Angina  pectoris. 
—  31.  Bai  tauf- Wien:  Demonstration.  —  32.  R  ö  s  s  1  e  -  München: 
Beiträge  zur  histologischen  Pathologie  der  Leber:  a)  Epitheliale  Rie¬ 
senzellen  bei  J  uberkulose.  b)  Ueber  herdweise  Zirrhose,  c)  Porto- 
cene  betfembolie  der  Leber,  d)  Ueber  die  Lokalisation  des  Fettes 
in  der  Leber,  e)  Ueber  die  Leber  beim  Diabetes.  —  33.  Schlagen- 
h  auf  er- Wien:  Eine  menschliche  Infektion  durch  den  Bacillus  pseu- 
dotuberculosis  rodentium.  —  34.  D  e  r  s  e  1  b  e:  Ueber  das  Vorkommen 
donpelbrechender  fettähnlicher  Substanz.  —  35.  S  ch  ii  1 1  e  r -Berlin: 
Eine  Demonstration  am  Projektionsmikroskop  mit  einem  kurzen  Ver¬ 
tröst  über  die  nrotozoischen  Parasiten  der  Syphilis.  —  36.  Der¬ 
selbe:  Eine  Demonstration  am  Projektionsmikro.skop  mit  einem 
kurzen  Vortrag  über  die  protozoischen  Parasiten  des  Krebses  und 
Sarkomes  beim  Menschen.  —  37.  S  c  h  w  n  1  b  e  -  Karlsruhe  Thema 
Vorbehalten.  —  38.  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  Brünn :  Experimentelle  Erzeugung 
von  Magengeschwüren  bei  Meerschweinchen.  —  39.  Derselbe: 
Demonstration  über  primäre  Lymphosarkomatose  des  Magens. 

16.  Abteilung:  Innere  Medizin,  Pharmakologie,  Balneologie  und 

Hydrotherapie. 

1.  B  r  i  e  g  e  r  -  Berlin:  Hydrotherapie  und  innere  Medizin.  — 2. 

E  n  g  e  1  -  Nauheim:  Orthotische  Albuminurie  bei  Nephritis.  —  3.  Theo 
Groedel  II  und  Franz  Groedel  III  (Nauheim):  Die  Form  der 


Herzsilhouette  bei  verschiedenen  Herzaffektionen.  —  4.  J  o  1 1  e  s  - 
Wien:  Die  Bedeutung  der  Pentosen  in  den  Fäzes  und  deren  quanti¬ 
tative  Bestimmung.  —  5.  Köster  -  Leipzig:  Ueber  Fettresorption  des 
Darmes  und  die  Beeinflussung  der  Gallenabsonderung  durch  Fett¬ 
darreichung.  —  6.  Kraus  -  Sanatorium  Wienerwald  b.  Pernitz:  Ueber 
tuberkulösen  Pneumothorax.  —  7.  K  u  n  z  -  Leipzig-Plagwitz:  Ueber 
die  Verschleppung  ansteckender  Krankheiten  durch  Krankenkassen¬ 
bücher.  —  8  Laqueur-Ems  und  Löwenthal-Braunschweig:  Ueber 
die  Aufnahme  von  Radiumemanation  bei  Bade-  und  Trinkkuren.  — 
9.  Arnold  L  o  r  a  n  d  -  Karlsbad:  Klinische  Beiträge  zur  Frage  über 
die  Beziehungen  der  Schilddrüse  zum  Diabetes.  —  10.  Lustig- 
Meran:  a)  Die  Diätetik  bei  Arterienverkalkung;  b)  Ueber  einen  durch 
Röntgenstrahlen  geheilten  Fall  von  multiplen  Lymphomen.  —  11. 
Wilhelm  Mager -Brünn:  Zur  Klinik  der  Erkrankungen  des  lympha¬ 
tischen  Apparates.  —  12.  M  e  i  n  e  r  t  z  -  Rostock:  Tuberkulose  und 
Thrombose,  ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Verlaufes  der  experimen¬ 
tellen  Tuberkulose  in  der  venöshyperämischen  Niere.  —  13.  Hermann 
M  e  y  e  r  -  Dresden :  Die  intestinale  Gärungsdyspepsie.  —  14.  Rie- 
b  o  1  d  -  Dresden :  Ueber  periodische  Fieberbewegungen  mit  rheu¬ 
matischen  Erscheinungen  bei  jungen  Mädchen  (sogen,  rekurrierendes 
rheumatoides  Ovulationsfieber).  —  15.  R  ö  s  e  -  Dresden :  Zur  Patho¬ 
logie  und  Therapie  der  Kalkarmut.  —  16.  R  o  s  e  n  b  a  u  m -  Dresden: 
Blutuntersuchungen  beim  Krebse  des  Verdauungskanals.  —  17.  Ro¬ 
se  n  f  e  1  d  -  Breslau):  Ueber  Hauttalgabsonderung.  —  18.  Roth¬ 
schild  -  Aachen-  Die  Selbstbehandlung  der  zentralamerikanischen 
Indianer  bei  rheumatischen  Erkrankungen.  —  19.  S  c  h  e  r  e  r  -  Brom¬ 
berg:  Gefährdung  eines  gesunden  Ehegatten  durch  einen  tuberkulösen. 

—  20.  S  c  h  e  n  k  e  r -  Aarau:  Meine  Beobachtungen  in  der  Tuber¬ 
kulosetherapie  bei  der  Anwendung  von  Marmorekserum.  —  21. 
Schmidt  und  L  o  h  r  i  s  c  h  -  Halle  a.  S.:  Die  Bedeutung  der  Zellu¬ 
lose  für  den  Stoffhaushalt  schwerer  Diabetiker.  —  22.  Sc  h  ii  c  k  i  n  g  - 
Pyrmont:  Zur  Genese  der  Bleichsucht.  —  23.  Schürmayer- 
Berlin:  Zur  physikalischen  Therapie  der  Erkrankungen  der  Leber 
und  Gallenwege.  —  24.  S  k  a  1 1  e  r  -  Görlitz:  Zur  Behandlung  der  Gal¬ 
lensteinleiden.  —  25.  S  t  r  u  b  e  1 1 -Dresden:  Beiträge  zur  Immuni¬ 
tätslehre.  —  26.  Hans  W  e  i  c  k  e  r  -  Görbersdorf :  Das  Tuberkulin  in 
der  Hand  des  praktischen  Arztes.  —  27.  Z  i  e  m  s  s  e  n  -  Wiesbaden: 
Heilung  der  Ischias. 

17.  Abteilung:  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften. 

1.  A  r  c  h  e  n  h  o  1  d  -  Treptow:  Geschichtliches  aus  dem  Astrono¬ 
mischen  Museum  der  Treptower  Sternwarte.  —  2.  Fuchs-  Dresden: 

I  hema  Vorbehalten.  —  3.  G  e  r  s  t  e  r  -  Braunfels:  Zur  Bibliographie 
der  Iatrohygiene.  —  4.  G  ü  n  t  h  e  r  -  München:  Die  kartographischen 
und  geophysikalischen  Arbeiten  des  Schweizers  M.  A.  C  a  p  p  e  1  e  r.  — 
5.  v.  G  y  ö  r  y  -  Budapest:  Thema  Vorbehalten.  —  6.  Heintze- 
Meissen:  Thema  Vorbehalten.  —  7.  K  o  s  s  m  a  n  n  -  Berlin:  Die  wis¬ 
senschaftliche  Universalsprache  in  ihrer  Beziehung  zu  der  Geschichte 
der  Wissenschaften.  —  8.  M  a  r  t  i  n  -  Zürich:  Thema  Vorbehalten.  — 
9.  M  u  1  e  r  t  -  Meissen:  Bäder  und  Badewesen  in  Altmeissen.  —  10. 
Nägeli-Akerblom  -  Genf:  Kopro-  und  Organtherapie  in  Genf 
um  1700.  —  11.  N  e  u  b  u  r  g  e  r  -  Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  12. 
P  a  g  e  1  -  Berlin:  Eine  Aufgabe  der  Gesellschaft  für  Geschichte  der 
Medizin.  —  13.  Derselbe:  Demonstration  und  Erläuterung  eines 
Liber  rarus  (Festschrift  an  Hanut  iKamintus]).  —  14.  Derselbe: 
Neue  Beiträge  zur  medizinischen  Kulturgeschichte.  —  15.  Reber- 
Genf:  Thema  Vorbehalten.  —  16.  Derselbe:  Thema  Vorbehalten. 

—  17.  R  i  c  h  t  e  r  -  Berlin:  Beitrag  zur  Geschichte  des  Scharlachs.  — 

18.  S  chelenz-  Wehlheiden-Kassel:  Zur  Geschichte  des  Naturselbst- 
d.ruckes  (Physiotypie).  —  19.  Derselbe:  Zur  Geschichte  des  „Ske- 
lettierens“  von  Pflanzenblättern  (mit  Vorführung  von  Beispielen).  — 
20.  Sb  i  de  1  -  Oberspaar:  Thema  Vorbehalten.  • —  21.  Sudhoff- 
Leipzig:  Die  Aufgaben  und  Hilfsmittel  einer  medizinischen  Archä¬ 
ologie.  —  22.  Derselbe:  Die  Miniaturen  des  Dresdner  lateinischen 
Galenkodex  und  andere  Miniaturen  mittelalterlicher  Handschriften  zur 
Geschichte  der  Heilkunde.  —  23.  Derselbe:  Die  „Wanderbücher“ 
Hohenheims.  —  24.  v.  T  ö  p  1  y  -  Wien :  Brillen  und  Brillenfuterale 
im  Mittelalter.  —  25.  Tr  e  p  t  o  w  -  Freiberg:  Die  älteste  Geschichte 
des  Bergbaues  und  die  geschichtliche  Sammlung  für  Bergbaukunde  in 
der  Kgl.  Sächs.  Bergakademie  Freiberg. 

18.  Abteilung:  Chirurgie. 

1.  v.  Aberle-Wien:  Thema  Vorbehalten.  —  2.  Axenfeld- 
Freiburg:  Exstirpation  des  Halssympathikus  bei  Glaukom.  —  3.  B  a  d  e- 
Hannover:  Die  Indikation  zu  Sehnenoperationen  bei  spinalen  und  zere¬ 
bralen  Lähmungen.  —  4.  B  e  c  k  e  r  -  Rostock:  Zur  Frage  der  opera¬ 
tiven  Behandlung  von  Venenthrombosen  (mit  Demonstration  von 
Präparaten).  —  5.  Derselbe:  Die  endemische  Verbreitung  der 
Ecchinokokkenkrankheit  in  Mecklenburg.  —  6.  Borchardt  -  Posen : 
Thema  Vorbehalten.  —  7.  B  o  s  s  e  -  Berlin:  Ueber  Lumbalanästhesie. 

—  8.  Ceci-Pisa:  Originalverfahren  für  kineplastische  Amputation 
der  obereh  Gliedmassen.  —  9.  E  h  r  1  i  c  h  -  Frankfurt  a.  M.:  Wird  sich 
vielleicht  an  einer  Karzinomdiskussion  beteiligen.  — -  10.  Feder¬ 
mann-Berlin:  Wert  und  Bedeutung  der  Leukozytenuntersuchung 
für  Beurteilung  und  Behandlung  von  Abdominalerkrankungen.  —  11. 

F  r  i  e  d  r  i  c  h- Greifswald:  Thema  Vorbehalten.  —  12.  Glück- 
mann -Berlin:  Die  Spiegeluntersuchung  der  Speiseröhre  und  ihre 
Ergebnisse  (mit  Projektionsdemonstrationen).  —  13.  Derselbe:  Die 


Öeilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


1565 


30.  Juli  1907. 


Spiegeluntersuchung  der  unteren  Darmabschnitte  und  ihre  Ergebnisse. 

—  14.  Goldmann  - Freiburg:  Die  Beziehungen  des  Gefässystems  zu 
den  malignen  Neubildungen  (mit  Projektionsdemonstrationen).  —  15. 
Goldschmidt -Berlin:  Galvanokaustische  Eingriffe  bei  Affek¬ 
tionen  der  Urethra  posterior.  —  16.  G  r  u  n  e  r  t  -  Dresden:  Chirur¬ 
gische  Behandlung  der  Prostatahypertrophie.  —  17.  Hacken¬ 
bruch-Wiesbaden:  Zur  Radikaloperation  der  Leistenbrüche.  —  18. 
H  a  a  s  1  e  r  -  Halle  a.  S.:  Beiträge  zur  Leberchirurgie.  —  19.  v.  Ha- 
b  e  r  e  r  -  Wien:  Ueber  Appendicitis  adhaesiva.  —  20.  H  a  e  n  e  1  -  Dres¬ 
den:  Chirurgische  Behandlung  des  Ulcus  duodeni.  —  21.  Hauser- 
Erlangen:  Wird  eventuell  an  einer  Karzinomdiskussion  teilnehmen, 
vielleicht  Präparate  demonstrieren.  —  22.  H  e  n  k  e  -  Königsberg:  Ist 
eventuell  bereit,  sich  mit  einem  Vortrage  über  Karzinompathologie 
zu  beteiligen.  —  23.  H  e  u  s  n  e  r  -  Barmen:  Ueber  Jodbenzindesinfek¬ 
tion.  —  24.  Derselbe:  Harzklebeverbände.  —  25.  Hoennicke- 
Dresden:  Experimentell  erzeugte  Missbildungen.  —  26.  Kelling- 
Dresden:  Ergebnisse  serologischer  Untersuchungen  bei  Karzinom.  — 
27.  Derselbe:  Mitteilungen  über  Oesophagoskopie.  —  28.  Der¬ 
selbe:  Thema  Vorbehalten.  —  29.  K  o  1 1  m  a  n  n  -  Leipzig:  Thema 
Vorbehalten.  —  30.  Kuhn -Kassel:  Fabrikation  des  Sterilkatgut. 

—  31.  Derselbe:  Ueberdruck  mit  weicher  Maske  bei  Lungen¬ 
operationen.  —  32.  Derselbe:  Operation  des  Wolfsrachens  mittelst 
peroraler  Tubage.  —  33.  K  o  e  1 1  i  c  k  e  r  -  Leipzig:  Diagnostische  und 
therapeutische  Erfolge  der  Oesophagoskopie.  —  34.  K  o  e  n  i  g  -  Altona: 
Studien  aus  dem  Gebiet  der  Knochenbrüche.  —  35.  Krämer  - Böb¬ 
lingen:  Tuberkulinnachbehandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose.  — 
36.  L  i  n  d  n  e  r  -  Dresden:  Thema  Vorbehalten.  —  37.  Lorenz- 
Wien:  Arthrodese  und  Arthrolyse.  —  38.  v.  M  a n  g  o  1  d  t  -  Dresden: 
Endschicksale  des  transplantierten  Knorpels.  — 39.  Derselbe: 
Funktionelle  Erfolge  operativer  Eingriffe  bei  Gelenkfrakturen  (be¬ 
sonders  am  Ellbogen).  —  40.  M  ü  1.1  e  r  -  Rostock:  Demonstration  von 
Präparaten.  —  41.  N  ö  s  s  k  e  -  Dresden:  Thema  Vorbehalten.  —  42. 
P  le  1 1  n  e  r  -  Dresden:  Ueber  Darminvagination.  —  43.  Payer- 
Graz:  Wil  zur  Frage  der  Organtransplantation  sprechen.  —  44.  Der¬ 
selbe:  Thema  Vorbehalten.  —  45.  R  a  d  m  a  n  n  -  Laurahütte  (Ober¬ 
schlesien):  Chirurgische  Behandlung  bei  epidemischer  Genickstarre. 

—  46.  R  e  h  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Thema  Vorbehalten.  —  47.  R  i  e  d  e  1  - 
Jena:  Die  Appendizitis  der  kleinen  Kinder.  - —  48.  S  e  y  d  e  1  -  Dresden: 
Rationelle  Behandlung  des  Pleuraempyems  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Aspirationsverfahrens  (Bühlau,  Perthes,  eigenes  Ver¬ 
fahren).  —  49.  Sc  h  a  n  z  -  Dresden:  Zur  Skoliose.  —  50.  Schür¬ 
mayer-  Berlin:  Röntgenologie  des  Abdomens  (Projektionsvortrag). — 
51.  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Duisburg:  Behandlung  der  Frakturen  des  Ellbogen¬ 
gelenkes  durch  Autoextension  (ohne  fixierenden  Verband).  —  52. 
S  t  i  c  h  -  Breslau:  Neue  Versuche  mit  Gefäss-  und  Organtransplan¬ 
tationen.  —  53.  T  i  1 1  m  a  n  n  s  -  Leipzig:  Thema  Vorbehalten. 

19.  Abteilung:  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

1.  Falk -Berlin:  a)  Pathologische  ßeckenformen  bei  Neuge¬ 
borenen  mit  Demonstrationen  am  Projektionsapparat,  b)  Demon¬ 
stration  von  Präparaten  von  Extrauteringravidität.  —  2.  G  e  1 1  h  o  r  n- 
St.  Louis:  Die  Behandlung  des  inoperablen  Uteruskarzinoms  mit 
Azeton.  —  3.  Gerstenberg  und  Hein- Berlin :  Beiträge  zur  Ana¬ 
tomie  der  Rückenmarksanästhesie.  —  4.  H  e  i  n  s  s  -  Weimar :  Lin 
neues  Ozoninhalationsverfahren  zur  Therapie  der  Tuberkulose, 
Anämie,  Chlorose,  Diabetes,  Malaria  und  Neurasthenie.  —  5.  v.  Holst- 
Dresden:  Prolapsoperation.  —  6.  Mueller  - München:  aj  Ueber  die 
Beziehungen  zwischen  Darmkrankheiten  und  Frauenleiden,  b)  Zur 
Kenntnis  der  Kopfformen  bei  Neugeborenen.  —  7.  Rosenfeld- 
Wiien:  Kraurosis  vulvae.  (Mit  Demonstration  von  mikroskopischen 
Präparaten.  —  8.  Sauer  -  Bad  Steben:  Eignung  und  Wert  der  physi¬ 
kalischen  Hilfsmittel  in  der  Gynäkologie.  —  9.  Tuszkai  -  Marien¬ 
bad:  Untersuchung  und  Behandlung  von  Frauenleiden  unter  Wasser. 

—  Nachträglich  eingegangen :  1U.  Schenk  und  Scheib-  Prag : 
Vergleichende  bakteriologische  und  klinische  Untersuchungen  von 
Laparotomie  wunden  bei  gewöhnlichem  und  verschärftem  Wund¬ 
schutz.  —  11.  W  a  gne  r  -  H  o  h  e  n  l  o  b  b  e  s  e  -  Dresden:  a)  aus 
den  Grenzgebieten  der  mechanischen  und  operativen  Gynäkologie 
(mit  Demonstrationen),  b)  die  Bauchnaht  (mit  Demonstrationen  und 
praktischen  Vorführungen  in  der  Privatklinik  Georgstr.  4).  — 
12.  W  e  i  nd  1  e  r -Dresden:  Zur  Geschichte  der  anatomischen  Ab¬ 
bildung  der  weiblichen  Generationsorgane.  —  13.  L  e  o  p  o  1  d -Dres¬ 
den:  Neue  Erfahrungen  über  die  beckenerweiternde  Operation  (Hebo¬ 
steotomie)  und  ihre  Stellung  zur  praktischen  Geburtshilfe.  — 
14.  Lichtenstein  - Dresden :  Demonstration  einiger  seltener  ge¬ 
burtshilflicher  und  gynäkologischer  Präparate.  —  15.  Steffen- 
Dresden:  Ist  die  Skopolamin-Morphium-Anwendung  in  der  geburts¬ 
hilflichen  Privatpraxis  empfehlenswert? 

20.  Abteilung:  Kinderheilkunde. 

Referatthema:  „Milchküchen  und  Säuglingsfiirsorge- 

stellen.“  Referenten:  T  r  u  m  p  p  -  München  und  S  a  1  g  e  -  Göttingen. 

—  Angemeldete  Vorträge:  1.  B  a  r  o  n  -  Dresden:  Zur  Klinik  der  Plaut- 
Vincentschen  Angina.  —  2.  B  e  r  n  h  e  i  m  -  K  a  r  r  e  r  -  Zürich:  Thema 
Vorbehalten.  —  3.  B  r  ü  n  n  i  n  g  -  Rostock  i.  M.:  Zur  Geschichte  der 
Kindertrinkflasche.  —  4.  Buttermilch  -  Berlin :  Puls,  Blutdruck 
und  Temperatur  bei  gesunden  und  kranken  Säuglingen.  —  5.  Esche- 
r  ich -Wien:  Zur  Diagnose  des  tetanoiden  Zustandes  im  Kindesalter. 


—  6.  Fischl-Prag:  Thema  Vorbehalten.  —  7.  F  1  a c h  s -  Dresden: 
Fieberhafte  Exantheme  im  Kindesalter.  —  8.  H  e  i  m  a  n  n  -  München: 
Der  Komplementbestand  des  jugendlichen  Organismus  bei  natürlicher 
und  künstlicher  Ernährung.  —  9.  Hoch  sing  er  -  Wien :  Seitliche 
Thoraxlymphknoten  im  frühen  Kindesalter.  —  10.  H  o  h  l  f  e  1  d  -  Leip¬ 
zig:  Ueber  Säuglingstuberkulose.  —  11.  K  n  ö  p  f  e  1  m  a  c  h  e  r  -  Wien: 
Subkutane  Vakzineinjektionen.  —  12.  K  r  ä  m  e  r  -  Böblingen:  Die  kon¬ 
genitale  Tuberkulose  und  ihre  Bedeutung  für  die  Praxis.  —  13.  L  ei¬ 
ne  r- Wien:  Ueber  eine  eigenartige  universelle  Dermatose  bei  Brust¬ 
kindern.  —  14.  M  o  r  o  -  München:  a)  Das  Verhalten  des  Serumalexins 
beim  Säugling,  b)  Experimentelle  Beiträge  zur  Frage  der  künstlichen 
Säuglingsernährung  (nach  Untersuchungen,  ausgeführt  in  Gemein¬ 
schaft  mit  Frau  Dr.  E  n  g  e  1  h  a  r  d  t  -  München-Solln).  —  15.  Neu¬ 
mann -Berlin:  Die  Bedeutung  des  Geburtsmonats  für  die  Lebens¬ 
aussicht  der  Säuglinge.  —  16.  N  i  e  m  a  n  n  -  Berlin:  Die  Biogenie  des 
Keuchhustenerregers.  —  17.  Pfaundler-  München :  Säuglings¬ 
ernährung  und  Seitenkettentheorie.  —  18.  v.  P  i  r  q  u  e  t  -  Wien:  Dia¬ 
gnostische  Verwertung  der  Allergie.  —  19.  P  e  i  s  e  r  -  Breslau:  Osteo- 
psathyrosis  im  Kindesalter.  —  20.  Ritter-  Berlin:  a)  Das  Säuglings¬ 
krankenhaus  Gross-Berlin  nach  zweijährigem  Bestehen,  b)  Die  Mye¬ 
litis  acuta  im  Säuglings-  und  Kindesalter.  —  21.  Sch  ick -Wien: 
Ueber  Herzstörungen  bei  Scharlach.  —  22.  Schlesinger  -  Strass¬ 
burg:  Das  Körpergewicht  kranker  Säuglinge.  —  23.  Schloss¬ 
mann-Düsseldorf:  Die  Klinik  für  Kinderheilkunde  in  Düsseldorf.  — 
24.  S  i  e  g  e  r  t  -  Köln:  Der  Nahrungsbedarf,  speziell  der  Eiweissbedarf 
auf  Grund  von  Stoffwechselversuchen.  —  25.  S  o  1 1  m  a  n  n  -  Leipzig: 
Thema  Vorbehalten.  —  26.  S  w  o  b  o  d  a  -  Wien:  Thema  Vorbehalten. 

—  27.  T  e  u  f  f  e  1  -  Dresden:  Enteritis  im  Säuglingsalter.  —  28.  Tob- 
ler-  Heidelberg:  Untersuchungen  über  die  Magenverdauung  der  Milch. 

—  29.  Uffenheimer  und  M  o  r  o  -  München :  Die  Einwirkung 
menschlicher  Lymphe  auf  den  Tuberkelbazillus.  —  30.  Uffen- 
h  e  i  m  e  r  -  München:  Zur  Scharlachfrage.  —  31.  Z  a  p  p  e  r  t  -  Wien: 
Der  Hirntuberkel  im  Kindesalter.  —  R  i  e  t  s  c  h  e  1  -  Dresden:  Be¬ 
sichtigung  des  städtischen  Säuglingsheims  und  der  Waldstation  an 
noch  zu  bestimmenden  Tagen. 

21.  Abteilung:  Neurologie  und  Psychiatrie. 

1.  Anton-Halle  a.  S.:  Ueber  geistigen  Infantilismus.  — 
2.  B  e  t  h  e  -  Strassburg  und  Spitzy-Graz:  Ueber  Nervenregenera- 
tion  und  Heilung  durchschnittener  Nerven.  —  3.  Bum- Wien:  Peri¬ 
neurale  Infiltrationstherapie  der  Ischias.  —  4:  F  i  s  c  h  e  r  -  Prag: 
Ueber  den  fleckweisen  Markfaserschwund  in  der  Hirnrinde  bei  pro¬ 
gressiver  Paralyse.  —  5.  G  r  a  b  1  e  y  -  Kurhaus  Woltersdorfer 

Schleuse:  Die  therapeutische  Bedeutung  der  Luftbäder  bei  der  Be¬ 
handlung  der  Neurasthenie,  Anämie  und  Chlorose.  —  6.  Haenel- 
Dresden:  Ueber  eine  typische  Form  der  tabischen  Gehstörung.  — 
7.  H  i  r  s  c  h  -  Niederwalluf,  Rheingau:  Ueber  die  Bedeutung  turne¬ 
rischer  Uebungen  im  Luftbade,  insbesondere  für  Nervenheilanstalten. 

—  8.  Hirsch  e  1  -  Wien:  Ueber  zerebrogenen  Diabetes.  —  9.  H  o  p  p  e- 
Uchtspringe,  Altmark:  Die  Bedeutung  der  Stoffwechselunter¬ 
suchungen  für  Geistes-  und  Nervenkranke.  —  10.  Kal  man- Graz: 
Zur  Physiologie  und  Pathologie  der  Wasserdampfabgabe  durch  die 
Haut.  —  11.  K  r  o  n  f  e  1  d  -  Wien:  Zur  Geschichte  der  Epilepsiebehand¬ 
lung  (mit  Ausschluss  der  jetzt  üblichen  Verfahren).  —  12.  Liep- 
mann-Berlin:  Ueber  die  Wahnrichtungen,  insbesondere  Grössen- 
und  Kleinheitswahn.  —  13.  Mayr -Graz:  Ueber  das  Verhalten  der 
Eab-  und  Pepsinsekretion  und  deren  Bedeutung  in  der  Symptomatik 
einzelner  Gehirnkrankheiten.  —  14.  Mattausche k -Wien:  Ueber 
einige  Rasseneigentümlichkeiten  der  Wehrpflichtigen  Bosniens  und 
der  Herzegowina.  —  15.  N  i  e  s  s  1  -  Osnabrück:  Ueber  die  Lokalisation 
der  optischen  Erinnerungsbilder.  —  16.  Q  u  e  n  s  e  1  -  Leipzig:  Beiträge 
zur  Aphasielehre.  —  17.  R  e  i  c  h  e  r  -  Berlin:  Kinematographie  in  der 
Neurologie.  —  18.  R  o  h  d  e  -  Königsbrunn:  Gegenwartsfragen  und 
Zukunftsaufgaben  im  Hinblick  auf  die  Behandlung  Nervenkranker  in 
offenen  Heilstätten.  —  19.  Derselbe:  Das  Vererbungsproblem  in 
der  Neuro-  und  Psychopathologie.  —  20.  R  o  t  h  m  a  n  n  -  Berlin:  Zur 
Funktion  des  hinteren  Vierhügels.  —  21.  Schröder:  Hirnrinden¬ 
veränderungen  bei  arteriosklerotischer  Demenz.  (Mit  Demonstra¬ 
tion.)  —  22.  S  c  h  u  1  z  e  -  Sorau:  Ueber  den  Einfluss  der  Psychiatrie 
auf  die  moderne  Weltanschauung.  —  23.  Stadelmann  - Dresden : 
Erlebnis  und  Psychose.  —  24.  Stern- Wien:  Gegenwärtige  Endziele 
aller  bewussten  Menschenarbeit.  —  25.  S  t  r  a  n  s  k  y  -  Wien:  Zur 
Methode  der  Intelligenzprüfung.  —  26.  T  r  ö  m  n  e  r  -  Hamburg:  In¬ 
dikationen  der  Hypnotherapie.  —  27.  Z  i  e  h  e  n  -  Berlin:  Thema  Vor¬ 
behalten.  —  Während  des  Druckes  angekündigt:  28.  Dülken- Leip¬ 
zig:  Die  ersten  Bahnen  im  Grosshirn. 

22.  Abteilung:  Augenheilkunde. 

Angemeldete  Diskussionen:  1.  Bach -Marburg  und  Bumke- 
Freiburg  i.  B.:  Die  Pathologie  der  Pupille.  —  2.  Bieilschowski 
und  Steinert-Leipzig:  Die  Bedeutung  der  Störungen  im  okulo- 
motorischen  Apparat  für  die  Lokalisation  zerebraler  Herderkran¬ 
kungen.  —  3.  Birch-Hirschfeld  - Leipzig  und  R.  Hoffmann- 
Dresden:  Die  Beziehungen  der  entzündlichen  Orbitalerkrankungen  zu 
den  Erkrankungen  der  Nebenhöhlen  der  Nase.  —  4.  Hess -Würz¬ 
burg:  Die  verschiedenen  Methoden  und  Erfolge  der  Star-  und  Nach¬ 
staroperation.  —  5.  P  e  t  e  r  s  -  Rostock  und  S  a  1 1 1  e  r  -  Leipzig.  Die 
Pathologie  und  Therapie  der  einfachen  chronischen  Bindehautentzün- 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


566 


düng.  —  6.  U  h  t  h  o  f  f  -  Breslau :  Augensymptome  bei  Hirnsinus- 
thrombose.  —  7.  Z  a  d  e  -  Leipzig  und  F.  Schanz-  Dresden :  Die 
Aetiologie  und  Behandlung  der  eitrigen  Bindehautentzündung  der  Neu¬ 
geborenen.  —  Angemeldete  Vorträge  und  Demonstrationen: 
8.  A  x  e  n  f  e  l  d  -  Freiburg  i.  B.:  Die  Exstirpation  des  Halssympathikus 
beim  Glaukom.  —  9.  Derselbe:  Die  Pathologie  des  Frühjahrs¬ 
katarrhs.  —  10.  B  a  e  u  m  1  e  r  -  Dresden:  Ueber  Glaukoma  adolescen- 
tium.  —  11.  Franz  B  e  c  k  e  r  -  Düsseldorf :  Zur  Frage  der  Amblyopia 
ex  Anopsia.  —  12.  Hermann  B  e  c  k  e  r  -  Dresden:  Je  ein 

Fall  von  wahrem  und  falschem  Gliom  der  Netzhaut.  — 

13.  Derselbe:  Demonstration  mikroskopischer  Präparate.  — 

14.  B  e  s  t  -  Dresden :  Ektropionoperation.  —  15.  Derselbe:  De¬ 
monstration  mikroskopischer  Präparate  von  Mikrophthalmos.  — 
16.  B  o  n  d  i  -  Iglau :  Augenbefunde  bei  Geisteskranken.  —  17.  E  1  s  c  h  - 
nig-Prag:  Thema  Vorbehalten.  —  18.  F  1  e  i  s  c  h  e  r  -  Tübingen: 
Ueber  Reste  des  Musculus  retractor  bulbi  beim  Menschen.  — 
19.  G  r  e  e  f  f  -  Berlin:  Thema  Vorbehalten.  —  20.  Heymann- 
Dresden:  Beitrag  zur  Kasuistik  des  Melanosarkoms.  —  21.  Kriick- 
m  a  n  n  -  Königsberg:  Ueber  einige  sog.  rheumatische  Augenerkran¬ 
kungen.  —  22.  L  e  s  k  i  e  n  -  Leipzig:  Ueber  die  Verbreitung  des 
„pathologischen“  Astigmatismus  nach  dem  Materiale  der  Leipziger 
Universitätsklinik.  —  23.  L  i  e  b  r  e  c  h  t  -  Hamburg:  Weitere  Be¬ 
obachtungen  über  Schädelbruch  und  Auge.  —  24.  Otto  Meyer-  Bres¬ 
lau:  Hat  die  Serumbehandlung  einen  Einfluss  auf  das  Vorkommen 
postdiphtheritischer  Augenerkrankungen?  —  25.  Waldemar  Lothar 
Meyer-  Dresden :  Ueber  eitrige  Keratitis.  —  26.  P  e  t  e  r  s  -  Rostock : 
Thema  Vorbehalten.  —  27.  v.  P  f  1  u  g  k  -  Dresden:  Jodkalium  und 
Linsenepithel;  dazu  Demonstration  mikroskopischer  Präparate.  — 
28.  Derselbe:  Ueber  ölige  Kollyrien.  —  29.  Raehlmann- 
Weimar:  Die  Theorie  der  Licht-  und  Farbenempfindung  auf  ana¬ 
tomisch-physikalischer  Grundlage.  —  30.  S  a  1 1 1  e  r  -  Leipzig:  De¬ 
monstration  mikroskopischer  Präparate.  —  31.  Fritz  Schanz  und 
S  t  o  c  k  h  a  u  s  e  n  -  Dresden:  Wie  schützen  wir  die  Augen  vor  den 
ultravioletten  Strahlen  unserer  künstlichen  Lichtquellen?  — 
32.  S  c  h  i  e  c  k -Göttingen:  Ueber  spontane  Tumorimplantation  am 
menschlichen  Auge.  —  33.  Schmidt-Rimpler-  Halle  a.  S. : 
Ueber  Sehnervenatrophie  mit  Drucksteigerung.  —  34.  Seefelder- 
Leipzig:  Ueber  die  Verbreitung  des  Hornhautastigmatismus  in  der 
Armee.  —  35.  Uhthoff  -  Breslau :  Thema  Vorbehalten.  —  36.  V  ei¬ 
lt  a  g  e  n  -  Chemnitz:  Demonstration  von  Schnitten  durch  eine  alte 
T  enotomienarbe.  —  37.  Wicherkiewicz-  Krakau :  Ueber  die  kos¬ 
metische  und  prophylaktische  Bedeutung  der  Tenotomie  sämtlicher 
Reeti  bei  Phthisis  bulbi.  —  38.  Hugo  W  o  1  f  f  -  Berlin :  Zur  Photo¬ 
graphie  des  menschlichen  Augengrundes.  —  39.  Wolfrum  -  Leip¬ 
zig:  Ueber  die  feinere  Anatomie  der  Regenbogenhaut.  —  40.  Z  im¬ 
mer  m  a  n  n  -  Görlitz:  Thema  Vorbehalten.  —  Während  des  Öruckes 
angekündigt:  4L  H.  F  r  e  u  n  d  -  Reichenberg:  Missbildungen  des 
Auges. 

23.  Abteilung:  Hals-  und  Nasenkrankheiten. 

Angemeldete  Diskussionen:  B  i  r  c  h  -  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  -  Leipzig 
und  R.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Dresden:  Die  Beziehungen  der  entzündlichen 
Orbitalerkrankungen  zu  den  Erkrankungen  der  Nebenhöhlen  der  Nase. 

—  1.  B  a  r  t  h  -  Leipzig:  a)  Kehlkopf-,  Nasen-  und  Ohrenheilkunde  sind 
beim  Unterricht,  auf  wissenschaftlichen  Kongressen  und  in  der  Litera¬ 
tur  grundsätzlich  gemeinsam,  nicht  getrennt  zu  behandeln,  b)  Die 
Atmung,  insbesondere  die  Veränderung  der  Körperoberfläche  bei  der¬ 
selben.  —  2.  B  1  a  u  -  Görlitz:  Thema  Vorbehalten.  —  3.  Blumen¬ 
feld-Wiesbaden:  Adenoide  Vegetationen  und  intrathorakale  Drüsen. 

—  4.  G  e  r  b  e  r  -  Königsberg:  Komplikationen  der  Stirnhöhlenentzün¬ 
dungen.  —  5.  G  u  t  z  m  a  n  n  -  Berlin:  a)  Ueber  normale  und  patho¬ 
logische  Sprachakzente.  b)  Zur  Diagnose  und  Therapie  der  Sigma¬ 
tismen.  —  6.  Hajek-Wien:  Ueber  Indikationen  zur  operativen  Be¬ 
handlung  der  chronischen  Stirnhöhleneiterung.  —  7.  Heymann - 
Berlin:  Thema  Vorbehalten.  —  8.  Hoffmann  -  Dresden:  Kranken- 
vorstellung.  —  9.  I  m  h  o  f  e  r  -  Prag:  Musikalisches  Gehör  bei 
Schwachsinnigen.  —  10.  Kahl  er- Wien:  Demonstrationen:  a)  ein 
Sarko-Karzinom  des  Sinus  pyriformis;  b)  ein  Cholesteatom  des  Stirn¬ 
bein.  —  11.  Kuhn -Kassel:  Weiteres  zur  peroralen  Tubage,  mit 
Demonstrationen.  —  12.  M  a  n  n  -  Dresden:  a)  Ein  Fall  von  Laryngo¬ 
zele;  b)  Vorstellung  tracheo-bronchoskopischer  Fälle.  —  13.  P  a  n  s  e - 
Dresden:  a)  Ueber  Nasenspülungen;  b)  Erklärung  von  Instrumenten. 

—  14-  R  o  s  e  n  b  e  r  g  -  Berlin:  Ueber  kalten  Abszess  des  Kehlkopfes. 

—  15.  R  u  d  1  0  f  f  -  Wiesbaden:  Demonstration  a)  eines  Falles  von 
Drucknekrose  an  der  Hinterwand  des  Kehlkopfes;  b)  eines  Falles  von 
Myxochondrom  im  Nasenrachenraum.  —  16.  S  a  1  z  b-u  rg -Dresden: 

a)  Erkrankung  der  Singstimme  und  ihre  Behandlung;  b)  Vorstellung 
geheilter  Fälle:  Nasenkarzinom,  Larynxsarkom. 

Zur  Zeit  der  Naturforscherversammlung  wird  die  Deutsche  La- 
ryngologische  Gesellschaft  in  Dresden  tagen.  Die  Vorträge  derselben 
werden  in  den  Sitzungen  der  Laryngologischen  Sektion  gehalten 
werden. 

24.  Abteilung:  Ohrenheilkunde. 

1.  Alexander  - Wien:  a)  Zur  Kenntnis  der  Labyrintheiterung; 

b)  das  Gehörorgan  der  Kretinen.  —  2.  B  a  r  t  h  -  Leipzig:  Kehlkopf-, 
Nasen-  und  Ohrenheilkunde  sind  beim  Unterricht,  auf  wissenschaft¬ 
lichen  Kongressen  und  in  der  Literatur  grundsätzlich  gemeinsam, 


No.  3t. 

nicht  getrennt  zu  behandeln.  —  3.  B  1  a  u  -  Görlitz:  Thema  Vorbehalten. 

—  4.  Hinsberg  -  Breslau:  Thema  Vorbehalten.  —  5.  M  a  n  n  -  Dres¬ 
den:  Orbitalphlegmone  im  Verlauf  einer  akuten  Otitis  media.  —  6. 
Nager -Basel:  Demonstrationen  zur  pathologischen  Anatomie  des 
Labyrinths.  —  7.  P  a  n  s  e -  Dresden:  Präparate  zur  Histologie  der 
Labyrintherkrankungen.  —  8.  Re  i  n  k  r  u  g  -  Breslau:  Thema  Vorbe¬ 
halten.  —  9.  R  u  d  1  0  f  f  -  Wiesbaden:  Ueber  Plastik  nach  Radikal¬ 
operation. 

25.  Abteilung:  Dermatologie  und  Syphilidologie. 

Angemeldete  Vorträge: 

1.  B  r  u  h  n  s  -  Berlin:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Syphilisverlaufs 
und  seine,  Beeinflussung  durch  die  Behandlung.  —  2.  Delbanco- 
Hamburg:'  Lupus  follicularis  disseminatus  (Lupus  miliaris)  geheilt 
durch  Neutuberkulin.  —  3.  Derselbe:  Ein  bezüglich  der  tuberkulösen 
Aetiologie  bemerkenswerter  Fall  von  Lupus  erythematodes.  —  4. 
Derselbe:  Kraurosis  glandis  et  praeputii  penis.  —  5.  Derselbe: 
Anatomische  Mitteilungen.  —  6.  Dommer  -  Dresden:  Demonstration 
urologischer  Apparate.  —  7.  Ehrmann-Wien:  Weitere  Versuche 
über  die  Autoinokulation  bei  Syphilis  (mit  Demonstration).  —  8.  D  e  r  - 
selbe:  Ueber  die  Wirkung  von  Licht-  und  Röntgenstrahlen  bei  Pig¬ 
mentatrophien  und  Hypertrophien  (mit  Demonstration).  —  9.  Ep¬ 
stein  -  Nürnberg:  Die  Exfoliatio  areata  palmaris.  —  10.  Frank- 
Berlin:  Ueber  die  Einwirkung  des  Atoxyl  auf  die  Bakterien  der  Harn¬ 
wege.  —  11.  Galewsky  -  Dresden:  Demonstrationen.  —  12.  Der¬ 
selbe  Ueber  kongenitale  Talgdrüsen  bei  Neugeborenen  (mit  mikro¬ 
skopischen  Demonstrationen).  —  13.  Derselbe:  Häufigkeit  und 
Therapie  der  nichtgonorrhoischen  Urethritis.  —  14.  Derselbe:  Vier 
Fälle  von  Tabes  in  den  ersten  Jahren  nach  der  Infektion.  —  15. 
Heyma  n  n  -  Dresden :  Erfahrungen  mit  der  Quarzlampe.  —  16.  H  o  p  f- 
Dresden:  Ueber  extragenitale  Sklerosen.  —  17.  Juliusberg  -  Ber¬ 
lin:  Ueber  einen  eigentümlichen  Tumor  der  Bauchhaut.  —  18.  K  1  in  g  - 
m  ii  1 1  e  r  -  Kiel :  Therapie  der  Gonorrhoe  des  Mannes.  —  19.  Krau  s- 
Prag:  Ueber  positive  Impfergebnisse  mit  Rhinosklerom.  —  20.  Krei- 
b  i  c  h  -  Prag:  Zur  Quecksilberwirkung.  —  21.  Lassar  -  Berlin:  Haut¬ 
krankheiten  und  Stoffwechsel.  — '22.  L  ed  e  r  m  a  n  n  -  Berlin:  Thema 
Vorbehalten.  —  23.  M  a  n  n  -  Dresden:  Syphilisähnliche  Menstruations¬ 
exantheme.  —  24.  D  e  r  s  e  l  b  e:  Ein  Fall  von  Pemphigus  traumaticus. 

—  25.  M  e  i  r  0  w  s  k  y  -  Graudenz:  Ueber  eine  Methode  der  vollstän¬ 
digen  Beseitigung  von  Tätowierungen  mit  Demonstrationen.  —  26. 
Nagelschmidt  -  Berlin :  Zur  Indikation  der  Röntgenbehandlung. 

—  27.  .Derselbe:  Heutiger  Stand  der  Radiotherapie  und  deren 
Indikation.  —  28.  No  bl -Wien:  Die  diagnostische  Bedeutung  organi¬ 
sierter  Syphilisprodukte.  —  29.  Derselbe:  Zur  Aetiologie  der  Pi¬ 
tyriasis  lichenoides  chronica.  —  30.  O  p  p  e  n  h e  i  m  -  Wien:  Beitrag 
zur  Hautresorption.  —  31.  Derselbe:  Ueber  Pityriasis  rosea.  —  32. 
Derselbe:  Eine  eigenartige  Hauterkrankung.  —  33.  Pinkus- 
Berlin:  Ueber  Naevus  acneiformis.  —  34.  R  i  1 1  e  -  Leipzig:  Thema 
Vorbehalten.  —  35.  R  0  t  h  s  c  h  u  h  -  Aachen:  Gichttripper  und  Penis¬ 
gicht.  —  36.  Schiff- Wien:  Die  Grenzen  der  Röntgentherapie.  — 
37.  S  i  e  g  e  1  -  Berlin :  Ueber  die  Aetiologie  der  Syphilis.  —  38.  S  p  i  e  g- 
ler-  Wien:  Neue  Untersuchungen  über  die  chemische  Natur  des  Haar¬ 
pigmentes  und  der  menschlichen  Haut.  —  39.  S  t  e  i  n  -  Görlitz:  De¬ 
monstration  von  Kranken.  —  40.  D  e  r  s  e  1  b  e:  Ein  schwerer  Fall  von 
Hg-Intoxikation.  —  4L  Ster  n  -  Düsseldorf:  Die  Behandlung  der  Epi- 
dydimitis  und  der  Bubonen  mit  Hyperämie.  —  42.  S  t  r  e  b  e  1  -  Mün¬ 
chen  :  Ozonbehandlung  der  Gonorrhoe.  —  43.  Tornas  zewsky- 
Halle:  Ueber  Impfungen  mit  Syphilis  am  Kaninchenauge.  —  44. 
W  a  e  1  s  c  h  -  Prag:  Ueber  die  Epididymitis  sympathica.  —  45.  Wer¬ 
th  e  r  -  Dresden :  Demonstrationen.  —  46.  Derselbe:  Ueber  Lym- 
phangioma  tuberosum  multiplex.  —  47.  Derselbe;  Atrophia  cutis 
maculosa.  —  48.  Derselbe:  Tuberkulide.  —  49.  Derselbe:  Ka¬ 
suistische  Mitteilungen  zur  operativen  Behandlung  der  Prostata¬ 
hypertrophie.  —  50.  Winkler- Wien:  Experimentelle  Studien  über 
die  Schweissekretion.  —  51.  Zie  1  e  r  -  Breslau:  Neuere  Methoden  der 
Quecksilberanwend.ung  bei  Syphilis.  —  52.  Derselbe:  Demon¬ 
stration  von  Moulagen  aus  der  Breslauer  Hautklinik. 

Im  Zimmer  71  der  Technischen  Hochschule  befindet  sich  die  Aus¬ 
stellung  von  Moulagen,  Photographien  etc. 

26.  Abteilung:  Zahnheilkuiide. 

1.  B  r  and  t -Berlin:  a)  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Zahn, 
Oberkiefer  und  Nasenscheide;  b)  In  wie  weit  entspricht  die  Behand¬ 
lung  der  Blutung  nach  Zahnextraktionen  den  Anforderungen  der  heu¬ 
tigen  Chirurgie.  —  2.  Bruhn  - Düsseldorf:  a)  Zur  Frage  der  Devitali- 
sation  der  Zähne  vor  ihrer  Ueberkappung;  b)  Eine  Demonstration  von 
Vorrichtungen  zur  Befestigung  loser  Zähne.  —  3.  F  e  n  c  h  e  1  -  Ham¬ 
burg:  a)  Elektromotorische  Kraft  von  Strömen  im  Munde;  b)  Kontroll- 
methoden  für  zahnärztliche  Amalgame.  —  4.  Hasse  -  Koblenz:  Ueber 
Krystallgehalt  und  Lösungsdruck  als  Ursachen  der  Formverände¬ 
rungen  unserer  Amalgame.  —  5.  H  e  r  b  s  t  -  Bremen;  Zahnärztliche 
Orthopädie  im  Dienste  der  Chirurgie.  —  6.  K  r  0  n  f  e  1  d  -  Wien: 
Schwere  Folgezustände  nach  Erkrankung  von  Milchzähnen.  —  7. 
K  ü  h  n  a  s  t  -  Dresden:  Die  Rechtslage  in  der  zahnärztlichen  Behand¬ 
lung  für  Krankenkassen.  —  8.  K  u  1  k  a  -  Wien:  Ueber  die  wichtigsten 
mechanischen  und  einige  chemische  Eigenschaften  der  Silikat-  und 
Zinkphosphatzemente.  —  9.  K  u  n  e  r  t  -  Breslau:  Demonstration  der 
Ullendorf  sehen  Gussmethode.  —  ~S).  Kunstmann  -  Dresden ; 


30.  Juli  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


1567 


Wurzelspitzenresektionen  mit  Demonstrationen.  —  11.  Lunia- 
ts  c  h  e  k  -  Breslau:  a)  Welchen  Wert  hat  die  interne  Medikation  für 
die  Entwicklung  der  harten  Zahnsubstanz?  b)  Demonstration:  Auf 
welche  Weise  kann  man  einzelstehende  Eckzähne  als  Stützpunkte  für 
Brückenarbeiten  verwenden?  —  12.  M  e  y  e  r  -  Dresden:  Ueber  mehr¬ 
jährige  Erfahrungen  der  Behandlung  irregulärer  Zahn-  und  Kiefer¬ 
regulierungen  nach  Pf  aff  scher  Methode.  —  13.  M  e  t  z  -  Meran  in 
Tirol:  Pflege  des  Kindergebisses.  —  14.  P  f  a  f  f  -  Dresden:  a)  Zwölf¬ 
jährige  Erfahrungen  über  Kronen-  und  Brückenarbeiten  mit  Demon¬ 
strationen;  b)  Regulierungsmethoden  in  ihrer  geschichtlichen  Entwick¬ 
lung  mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Vor-  und  Nachteile.  — 
15.  P  o  1  s  c  h  e  r  -  Dresden:  Einfluss  des  künstlichen  Zahnersatzes  auf 
Kauen  und  Kiefergelenk.  —  16.  R  e  i  c  h  -  Marburg:  a)  Einiges  über 
irreguläres  Dentin;  b)  Demonstration  des  irregulären  Dentins  an  mi¬ 
kroskopischen  Präparaten.  —  17.  R  ö  s  e -  Dresden:  a)  Ueber  den 
Durchbruch  der  bleibenden  Zähne  des  menschlichen  GebLses;  b) 
Ueber  Kupferamalgam  mit  Demonstrationen.  —  18.  Schachtel- 
Breslau:  Der  Zahnarzt  und  die  Hygiene.  —  19.  S  t  e  h  r  -  Roermond: 

a)  Beiträge  zur  Ernährungsfrage;  Demonstration  von  3  für  die  Zahn- 
und  Kieferregulierung  ungeeigneten  Fällen.  —  20.  Windmüller- 
Hamhurg:  Ueber  chirurgische  Instrumente  des  Altertums  mit  De¬ 
monstrationen  und  Lichtbildern.  —  21.  Z  i  e  g  e  1  -  Görlitz:  a)  Herstel¬ 
lung  schwer  fliessender  Emailblöcke  mit  dem  Trottner  sehen  Ofen; 

b)  Demonstration  des  O  1 1  e  n  d  o  r  f  sehen  Giessverfahrens  zur  An¬ 
fertigung  von  Brücken-  und  Plattenprcthesen  mit  dem  Trottner- 
schen  Ofen. 

27.  Abteilung:  Militärsanitätswesen. 

Angemeldete  Vorträge. 

1.  S  c  h  i  1 1  -  Dresden:  Die  erste  Hilfe  der  Verwundeten.  —  2. 
Derselbe:  Die  Bruchfrage  in  der  Armee.  —  3.  Steinhausen- 
Danzig:  A  typische  Hitzschlagformen.  —  4.  Mann -Krakau:  Hy¬ 
sterie  des  Soldaten.  —  5.  N  a  e  t  h  e  r  -  Leipzig:  Praktischen  Erfah¬ 
rungen  entstammende  Winke  für  die  militärärztliche  Sachverstän¬ 
digentätigkeit  vor  den  Militärgerichten.  —  6.  N  u  e  s  s  e  -  z.  Zt.  Hoyer- 
Nordsee:  Das  Institut  und  die  Methode  Finsen.  —  7.  Häring- 
Dresden:  Aussergewöhnliche  Körpertemperaturen.  —  8.  Blau- 
Berlin:  Vortäuschung  von  Fehlern  und  Gebrechen  von  seiten  der 
Militärpflichtigen.  —  9.  S  i  c  k  i  n  ge  r  -  Brünn:  Bisherige  Erfolge  der 
zahnärztlichen  Behandlung  in  Armee  und  Schule  mit  weiteren  Vor¬ 
schlägen.  —  Während  des  Druckes  angekündigt:  10.  H.  Freund- 
Reichenberg:  Der  erste  Kriegsverband.  —  11.  Derselbe:  Kokain 
als  Gegenmittel  des  Erbrechens  bei  allgemeiner  Narkose. 

28.  Abteilung:  Gerichtliche  Medizin. 

Angemeldete  Diskussionen: 

1.  Z  a  n  g  g  e  r  -  Zürich  und  S  c  h  w  a  b  e  -  Saarbrücken:  Tod  im 
Bergwerk  vom  gerichtlich-psychiatrischen  Standpunkt.  —  2.  Men¬ 
del-Berlin  und  Fritz  S  t  r  a  s  s  m  a  n  n  -  Berlin :  Familienmord  in 
gerichtlich-psychiatrischer  Beziehung. 

Angemeldete  Vorträge: 

1.  B  e  u  m  e  r  -  Greifswald:  Nochmals  die  Lungenfäulnis  Neu¬ 
geborener.  —  2.  K  e  n  y  e  r  e  s  -  Klausenburg:  Anschuldigung  wegen 
Ritualmord.  —  3.  K  o  c  k  e  1  -  Leipzig:  Mikroskopische  Untersuchung 
von  Blutflecken.  —  4.  K  r  a  1 1  e  r  -  Graz:  Blutprobe  van  Deen; 
Schädelbruchformen.  —  5.  L  e  e  r  s  -  Berlin:  Exhibitionismus.  — 
6.  L.  i  n  i  g  e  r  -  Düsseldorf :  Wann  sind  Amputierte  erwerbsunfähig  etc. 
—  7.  O  p  p  e  -  Dresden:  Zyankalivergiftung.  —  8.  P  u  p  p  e  -  Königs¬ 


Verschiedenes. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Von  der  Verantwortlichkeit  des  Arztes. 

Die  Frau  des  Schuhmachermeisters  A.  aus  einem  Dorfe  bei 
U 1  m  begab  sich  eines  Tages  zu  einem  Arzt  in  Ulm,  der  ihr  zum 
Schwitzen  ein  Kastendampfbad  gab.  Infolge  der  zu  langen  Aus¬ 
dehnung  des  Schwitzbades  ist  die  Frau  au  einem  Ohnmachtsanfall 
mit  nachfolgender  Herzlähmung  verstorben.  Der  Arzt  wurde  darauf¬ 
hin  wegen  fahrlässiger  Tötung  zu  drei  Monaten  Gefängnis  verurteilt. 
In  dem  gegenwärtigen  Rechtsstreit  machen  nun  der  Ehemann  der 
Verstorbenen  und  dessen  Kinder  gegen  den  Arzt  Schadensersatz¬ 
ansprüche  geltend,  weil  der  Tod  der  Verstorbenen  durch  die  Fahr¬ 
lässigkeit  des  Arztes  herbeigeführt  worden  ist.  Der  Beklagte  schil¬ 
dert  jetzt  den  Vorgang  in  der  Weise,  dass  er  der  Frau  das  Kasten¬ 
dampfbad  verabreicht  habe  und  dass  er  nach  Ablauf  der  Badezeit 
das  um  den  Hals  liegende  Tuch  weggenommen  und  die  Frau  auf¬ 
stehen  geheissen  habe.  Nachdem  er  noch  den  Deckel  selbst  geöffnet, 
habe  er  dann  die  Zelle  wegen  der  grossen  Schamhaftigkeit  der  Frau 
auf  deren  Bitten  verlassen.  Als  er  dann  nach  einer  dem  Ankleiden 
entsprechenden  Zeitspanne  und  noch  einigem  Warten  die  Zelle 
öffnete,  habe  die  Frau  bereits  tot  im  Dampfkasten  gesessen.  Dem¬ 
nach  habe  sie  von  selbst  den  Kastendeckel  wieder  heruntergeschlagen, 
um  das  Bad  weiter  auszudehnen,  oder  sie  müsse  nach  dem  vor¬ 


berg:  Erwerbsfähigkeit  der  Bettler  und  Vagabunden.  —  9.  Reven- 
s  t  o  r  f  -  Hamburg:  Aspiration  flüssiger  Medien  in  bewusstlosem  Zu¬ 
stande.  —  10.  Ungar -Bonn:  Säuglingssterblichkeit  und  gericht¬ 
liche  Medizin.  —  11.  Ziemke-Kiel:  Tod  durch  Herzverletzung. 
Vergiftung  durch  verdorbenen  Weizen.  —  12.  I  p  s  e  n  -  Innsbruck: 
Ueber  Pankreasblutung  in  ihrer  Beziehung  zum  Tode  der  Neuge¬ 
borenen.  —  13.  M  o  1  i  t  o  r  i  s  -  Innsbruck:  Zur  gewichtsmässigen  Er¬ 
mittelung  von  Pflanzengift. 

Die  Sitzungen  werden  gemeinschaftlich  mit  der  Deutschen  Ge¬ 
sellschaft  für  gerichtliche  Medizin  (Vorsitzender:  Herr  Prof.  Krat- 
t  e  r  -  Graz)  abgehalten. 

29.  Abteilung:  Hygiene  und  Bakteriologie. 

Angemeldete  Vorträge: 

1.  Ditmar-Graz:  Ueber  die  Zulässigkeit  von  Regeneraten  zu 
Gummimischungen,  aus  welchen  hygienische  Gummiartikel  hergestellt 
werden  sollen.  —  2.  v.  D  r  i  g  a  1  s  k  i  -  Hannover:  Aetiologie  und 
Pathologie  der  Ruhr,  einschliesslich  der  Tropendysenterie.  — 
2.  F  r  i  e  s  e  -  Dresden:  Ueber  einige  neue  Reaktionen  auf  Formal¬ 
dehyd  in  Milch.  —  4.  G  a  s  c  h  -  Dresden:  Die  Hygiene  der  Schul¬ 
turnhalle.  —  5.  H  e  f  f  t  e  r  -  Duisburg  a.  Rh.:  Gewerbehygiene  und 
Arbeiterwohlfahrt  (die  Teilnahme  des  Arztes  an  der  Gewerbe¬ 
inspektion).  —  6.  H  e  s  s  e  -  Dresden:  a)  Methodik  der  bakteriologi¬ 
schen  Stuhluntersuchung,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Ty¬ 
phusbazillen;  b)  Methodik  der  Bestimmung  der  Zahl  der  Keime  (Bak¬ 
terien)  in  Flüssigkeiten.  —  7.  K  u  n  z  -  Leipzig-Plagwitz:  Die  Ver¬ 
breitung  menschlicher  Seuchen  durch  Krankenkassenmitgliedsbücher. 
—  8.  Lange  -  Dresden :  Thema  Vorbehalten.  —  9.  L  u  f  f  t  -  Dresden : 
Die  Gefahren  der  elektrischen  Starkströme.  —  10.  R  e  n  k  -  Dresden : 
Ueber  die  Russgefahr  der  Luft.  —  11.  S  t  o  c  k  h  a  u  s  e  n  -  Dresden: 
Die  Beleuchtung  von  Arbeitsplätzen  und  Arbeitsräumen.  —  12.  W  a  g  - 
ner-Hohenlobbese  - Dresden :  Physiologie  und  Psychologie 
der  Leibesübungen  und  ihre  Anwendung  auf  das  Turnen.  —  13.  Weyl- 
Charlottenburg:  Thema  Vorbehalten.  —  14.  H  a  n  a  u  e  r  -  Frank¬ 
furt  a.  M.:  Historisches  zur  Frankfurter  Medizinalstatistik. 

30.  Abteilung:  Tropenhygiene. 

1.  v.  B  a  e  1  z  -  Stuttgart:  Ueber  japanisches  Ueberschwemmungs- 
fieber.  —  2.  P  1  e  h  n  -  Berlin:  Ueber  die  Methodik  der  Malariabehand¬ 
lung  mit  Chinin.  —  3.  B  o  h  n  e  -  Hamburg:  Ueber  klinische  Wirkung 
des  Chininum  basicum.  —  4.  Viereck  -  Hamburg:  Ueber  fieberhafte 
Anaemie  im  Anschluss  an  Malaria.  —  5.  Mü  hl  e  ns  -  Wilhelmshafen: 
Die  Schlafkrankheit  und  deren  Behandlung.  —  6.  Böse-Kiel:  Er¬ 
fahrungen  bezüglich  der  Dysenterie  in  Ustasien.  Mit  epidiaskop.  Pro¬ 
jektion.  —  7.  Sticker  -  Köln  a.  Rh. :  Demonstrationen.  —  8.  Maye  r- 
Hamburg:  Ueber  Malariaparasiten  beim  Affen.  —  9.  Kaisselitz- 
Hamburg:  Ueber  durch  Sporozoen  (mit  Susporiden)  hervorgerufene 
pathologische  Veränderungen.  —  10.  F  ü  1 1  e  b  o  r  n  -  Hamburg:  Ueber 
den  Stand  unserer  Kenntnisse  von  den  Blutfilarien  des  Menschen.  — 

11.  W  e  r  n  e  r  -  Hamburg:  Ueber  Schwarzwasserfieberniere.  — 

12.  B  e  n  d  a  und  P  1  e  h  n  -  Berlin:  Zur  mikroskopischen  Anatomie  der 
Framboesia.  —  13.  R  o  t  h  s  c  h  u  h  -  Aachen:  Die  Syphilis  in  Zentral¬ 
amerika.  —  14.  Z  i  e  m  a  n  n  -  Kamerun:  Ueber  Trypanosomen  bei 
Mensch  und  Tier  in  Westafrika.  —  15.  M  a  u  r  e  r  -  München:  Krank¬ 
heiten,  welche  bei  Tropenbewohnern  nicht  Vorkommen  oder  selten 
sind.  —  16.  S  c  h  1  e  n  d  e  r  -  Bromberg:  Beiträge  zu  den  im  Herero¬ 
feldzuge  beobachteten  Erkrankungen  des  Intestinaltraktus.  — 
17.  K  r  a  u  s  e  -  Berlin:  Ueber  Tier-  und  Pflanzengifte  aus  den 
deutschen  Kolonien.  —  18.  N  i  e  u  w  e  n  h  u  i  s  -  Leiden:  Ueber  Züch¬ 
tung  des  Pilzes  Tinea  albigena. 


geschriebenen  Wannenbad  nochmals  in  den  Kasten  gegangen  sein, 
um  sich  zu  wärmen,  was  beides  gegen  seine  Vorschriften  verstossen 
habe. 

Das  Landgericht  Ulm,  wie  auch  das  Oberlandes- 
ge  rieht  Stuttgart  nahmen  jedoch  ein  fahrlässiges  Verschulden 
des  Beklagten  an  dem  Tode  der  Frau  an  und  verurteilten  den¬ 
selben  zu  einer  entsprechenden  Schadloshaltung  für  die  Dienste,  die 
die  Frau  dem  Haushalt  geleistet  hatte.  Das  Oberlandesgericht  führt 
in  seiner  Begründung  hierzu  aus,  dass  die  Frau  nach  dem  Gutachten 
der  Sachverständigen  nicht  plötzlich  durch  einen  Schlaganfall  ver¬ 
storben  sei,  sondern  im  Schwitzkasten  einen  Ohnmachtsanfall  er¬ 
litten  habe,  zu  dem  später  Herzlähmung  getreten  sei.  Wenn  der 
Ohnmachtsanfall  rechtzeitig  bemerkt  und  die  Frau  aus  dem  Kasten 
entfernt  worden  wäre,  so  wäre  der  Tod  zweifellos  vermieden  worden. 
Als  der  Beklagte  die  Frau  aus  dem  Kasten  gehen  hiess  und  wieder 
aus  der  Zelle  ging,  so  hätte  er  unbedingt  darauf  merken  müssen,  ob 
sie  seinen  Anordnungen  Folge  leistete.  Er  hätte  sich  davon  auch 
durch  Klopfen  oder  Rufen  überzeugen  können.  Dies 
habe  er  aber  nicht  getan.  Dazu  komme  auch  noch,  dass  er  die 
Flammen  der  Heizrohre  habe  brennen  lassen.  Hiermit  habe  er  aber 
fahrlässig  gehandelt.  Denn  er  hätte  damit  rechnen  müssen,  dass  das 
Entfernen  des  Tuches  vom  Halse  und  das  Ausströmen  der  heissen 
Luft  aus  dem  Kasten  einen  Ohnmachtsanfall  bei  der  Frau  hervor- 
rufen  könnte.  Etwaige  Erwägungen,  das  Schamgefühl  der  Frau  zu 
schonen,  spielten  hier  keine  Rolle.  Dass  die  Frau  das  Bad  benutzt 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


1563 


Mo.  31. 


und  dann  wieder  in  den  Kasten  gegangen  sei,  sei  unwahrscheinlich, 
da  die  Badewanne  keinerlei  Spuren  davon  aufgewiesen  habe.  Ebenso 
unwahrscheinlich  sei  die  Einwendung  des  Beklagten,  dass  er  bei 
der  Rücksichtnahme  auf  das  Schamgefühl  der  Frau  den  Deckel  selbst 
geöffnet  habe.  Demgegenüber  sei  die  Möglichkeit  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen,  dass  die  Frau  ohnmächtig  geworden  ist,  ehe  sie  den 
Deckel  öffnen  konnte. 

Gegen  dieses  Urteil  hatte  der  Beklagte  Revision  eingelegt.  Der 
VI.  Zivilsenat  des  Reichsgerichts  erkannte  jedoch  auf  Zurück¬ 
weisung  der  Revision. 

Therapeutische  Notizen. 

In  einer  Arbeit  aus  der  3.  medizinischen  Abteilung  des  Kaiser- 
Franz-Josef-Spitals  in  Wien  (Prof.  H.  Schlesinger)  berichtet 
Hugo  Einhorn  über  Kephaldol,  ein  neues  Antipyretikum 
und  Antineuralgikum.  Ueber  das  Mittel  liegen  bisher  auch 
einige  andere  vertrauenswürdige  Arbeiten  aus  österreichischer  Quelle 
vor,  in  dienen  seine  Brauchbarkeit  als  Antipyretikum  und  Antineural¬ 
gikum  bestätigt  wird.  Das  Kephaldol  ist  ein  gelblich-weisses, 
ziemlich  feines,  etwas  bitter  schmeckendes  Pulver,  das  in  Wasser 
fast  unlöslich,  leichter  in  Alkohol  löslich  ist.  Seiner  chemischen  Zu¬ 
sammensetzung  nach  ist  es  ein  durch  eine  unter  bestimmten  Verhält¬ 
nissen  erzielte  Einwirkung  von  Zitronensäure  und  Salizylsäure  auf 
Phenetidine  resultierendes  Reaktionsprodukt.  Verordnet  wird 
Kephaldol  am  besten  in  Oblaten.  Die  Dosen  betrugen  1 — 5  g 
täglich.  Der  Temperaturabfall  tritt  bald  ein.  Das  Mittel  wurde  an 
einer  grossen  Zahl  von  Patienten  erprobt,  die  an  den  verschiedensten 
fieberhaften  und  neuralgischen  Affektionen  litten.  Seine  Indikation 
als  Antineuralgikum  betrifft  vor  allem  echte  neuralgische  und  neuri- 
tische  Beschwerden;  weniger  prompt  wirkt  es  bei  akuten,  besser  bei 
chronischen  artikularen  Ariektionen.  (Zentralbl.  f.  d.  ges.  Therapie 
1907,  H.  2.)  F.  L. 

Ueber  Sajodin  berichtet  Otto  Anacker  in  einer  Würz¬ 
burger  Dissertation  (1907).  Er  hat  genaue  Untersuchungen  —  auch 
Selbstversuche  —  über  die  bei  der  krage  der  Bewertung  eines  Jod¬ 
präparates  so  wichtige  Resorptionsfrage  angiestellt  und  gefunden, 
dass  bei  nüchterner  Verabreichung  die  Resorption  verhältnismässig 
spät  beginnt  und  die  Ausscheidungsdauer  keine  lange  ist.  Anders  ge¬ 
stalten  sich  aber  die  Verhältnisse,  wenn  das  Sajodin  eine  halbe 
Stunde  nach  der  Mahlzeit  verabreicht  wird:  in  diesem  Falle  ist  die 
Resorption  eine  schnelle  und  die  Ausscheidung  dauert  sehr  lange; 
dabei  soll  man  keine  ausgiebige  Stärkediät  geben,  weil  diese  die  Re¬ 
sorption  des  Jods  verhindert,  und  ebenso  soll  man  den  Alkoholgenuss 
einschränken,  weil  der  Alkohol  beschleunigend  auf  die  Jodausschei¬ 
dung  wirkt  und  so  teils  die  Wirkung  schwächt,  teils  die  Gefahr  des 
Jodismus  steigert.  Anackers  Arbeit  liegen  67  Fälle  zu  gründe. 
Das  Sajodin  wurde  meist  in  Dosen  von  1  g  3  mal  täglich  gegeben, 
nur  bei  Lues  bis  6  g.  Als  Vorzüge  des  Saj  odins  bezeichnet 
Verf.  die  Geruch-  und  Geschmacklosigkeit  und  das  Fehlen  von 
Magenerscheinungen  (wegen  der  erst  im  Darm  erfolgenden  Spal¬ 
tung).  Wenn  auch  nicht  alle  Symptome  von  Jodismus  bei  seinem 
Gebrauche  fehlen,  „so  sind  sie  doch  so  wenig  ausgesprochen  und 
gehen  in  einer  so  milden  Form  vorüber,  dass  die  Behandlung  nicht 
deshalb  ausgesetzt  zu  werden  braucht“.  Interessant  ist  die  mehrfach 
gemachte  Beobachtung,  dass  in  Fällen,  in  welchen  zuerst  die  Jod¬ 
alkalien  auch  in  kleinen  Gaben  schon  Jodismus  hervorrufen,  eine 
vorhergehende  Medikation  von  Sajodin  bewirkt,  dass  darnach 
selbst  grössere  Jodkaligaben  gut  vertragen  werden.  Auch  bei  Ner¬ 
venkrankheiten  und  Arteriosklerose  schien  die  S  a  - 
jodindarreichung  keineswegs  der  Darreichung  von  Jodkali 
nachzustehen;  luetische  Erscheinungen  gingen  nach  Sa¬ 
jodin  ebenso  prompt  zurück,  wie  nach  Jodalkalien.  Schwerere  Er¬ 
scheinungen  von  Jodismus  wurden  in  den  67  Fällen  nie,  leichtere 
4  mal  beobachtet.  F#  L, 

Pepsort  hin  (/ teipis  =  Verdauung,  6(>&6w  =  verbessern)  ist 
ein  nach  den  Angaben  von  R  o  d  a  r  i  hergestelltes  Stomachikum, 
welches  als  wirksame  Bestandteile  den  zu  Pulver  verarbeiteten 
Milchsaft  der  Carica  Papaia,  das  P  a  p  a  i  n  oder  Papayotin,  ferner 
Magnesiumperoxyd  und  Benzonaphthol  (von  Ewald 
zur  Bekämpfung  der  Darmfäulnisprozesse  eingeführt)  enthält.  Das 
Mittel  wird  von  Sauters  Laboratorium  in  Genf  hergestellt.  In 
diesem  Präparat  kommt  neben  der  mächtigen  eiweissverdauenden 
Kraft  des  Papa  in  (1  g  dieses  künstlichen  Fermentes  kann  bis  zu 
2UÜ  g  Eiweiss  peptonisieren  —  100  Tropfen  von  Acidum  hydrochlori- 
cum  dilutum  vermögen  nur  18  g  Eiweiss  zu  verdauen)  die  antifer¬ 
mentative,  gärungswidrige  und  antiseptische  Wirkung  des 
Sauerstoffes  in  statu  nascendi,  daneben  noch  die 
Benzonaphtholwirkung  zur  Geltung.  R  o  d  a  r  i,  dem  wir 
eine  Reihe  wertvoller  Arbeiten  über  die  Pathologie  und  Therapie  der 
Verdauungskrankheiten  verdanken,  berichtet  über  dieses  Pepsor¬ 
th  i  n,  mit  dem  er  sehr  günstige  symptomatische  Erfolge  erzielt  hat. 
im  Zentralbl.  f.  d.  ges.  Therapie  No.  5,  1907.  F.  L. 


mannschaft  des  „Caesarewitsch“  ist  nach  Desinfektion  ihrer  Kleider 
und  Habseligkeiten  abgesondert  worden  und  befindet  sich  unter  fort¬ 
gesetzter  ärztlicher  Beobachtung.  Bis  zum  16.  Juli  waren  weitere 
Pestfälle  dort  nicht  beobachtet.  —  Aegypten.  V-om  6.  bis  13.  Juli  wur¬ 
den  23  Erkrankungen  (und  7  Todesfälle)  an  der  Pest  festgestellt. 
Während  der  ersten  6  Monate  des  laufenden  Jahres  —  bis  zum 
11.  Juli  —  sind  in  ganz  Aegypten  973  Erkrankungen  (und  745  Todes¬ 
fälle)  an  der  Pest  vorgekommen,  also  im  zweiten  Vierteljahr  fast  dop¬ 
pelt  so  viele  wie  im  ersten.  —  Britisch-Ostindien.  In  Madras  ist 
in  der  Zeit  vom  9.  bis  15.  Juni  eine  von  ausserhalb  krank  eingetroffene 
Person  an  der  Pest  gestorben.  In  Kalkutta  starben  vom  9.  bis 
15.  Juni  62  Personen  an  der  Pest.  —  China.  Zufolge  einer  Mitteilung 
vom  10.  Juni  waren  letzthin  in  der  Umgegend  von  Swatau  mehrere, 
bis  dahin  vereinzelte  Pestfälle  unter  der  einheimischen  Bevölkerung 
vorgekommen.  —  Mauritius.  In  der  am  6.  Juni  abgelaufenen 
Woche  wurde  wieder  1  Erkrankung  und  1  Todesfall  an  der 
Pest  angezeigt,  nachdem  während  der  vier  vorangegangenen  Wochen 
angeblich  kein  Pestfall  vorgekommen  war.  —  Zanzibar.  Seit  dem 
8.  Juli  ist  in  der  Stadt  Zanzibar  das  Auftreten  der  Pest  amtlich  fest¬ 
gestellt.  —  Britisch-Siidafrika.  In  King  Williamstown  ist  in  der  am 
15.  Juni  abgelaufenen  Woche  ein  neuer  Pestfall  festgestellt  worden. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  7.  bis 
13.  Juli  sind  55  Erkrankungen  (und  21  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  28.  Jahreswoche,  vom  7.  bis  13.  Juli  1907,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Posen  mit  32,9,  die  geringste  Dtsch.  Wilmersdorf  mit  6,3  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestor¬ 
benen  starb  an  Scharlach  in  Königsberg,  Spandau,  an  Masern  und 
Röteln  in  Aachen,  Heidelberg,  Lübeck,  an  Keuchhusten  in  Hildesheim. 

V.  d.  K.  G.-A. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

V  erzogen:  Dr.  med.  Fritz  S  e  i  d  e  r  e  r  von  Murnau  als  Bahn¬ 
arzt  nach  Ingolstadt.  Dr.  H.  Denzinger  von  Schiitberg  nach 
Murnau. 

Auszeichnung:  Dem  Generalarzt  Dr.  Herrmann,  Vor¬ 
stand  des  Operationskurses  für  Militärärzte,  wurde  das  Kommandeur- 
kreuz  2.  Klasse  des  Kgl.  Dänischen  Danebrogordens  und  des  Kgl. 
Schwedischen  Wasaordens  verliehen. 


Korrespondenz. 

Berichtigung  zu  der  Arbeit  Serodiagnose  bei  Lues,  Tabes 
und  Paralyse  durch  spezifische  Niederschläge  von  Dr.  Fornet  und 

J.  Schere schewsky. 

Die  Tabelle  I  der  in  der  vorigen  Nummer  dieser  Wochenschrift 
erschienenen  Arbeit  ist  infolge  eines  Druckfehlers  unverständlich; 
sie  muss  folgendermassen  lauten: 

1’  a  b  e  1 1  e  I. 


Pest.  Russland.  In  Odessa  ist  am  12.  Juli  in  das  städtische 
Krankenhaus  ein  Heizer  des  Dampfers  „Caesarewitsch“  eingeliefert 
werden,  dessen  am  14.  Juli  erfolgter  Tod,  wie  die  bakteriologische 
Untersuchung  zeigte,  durch  Pest  herbeigeführt  wurde.  Die  Schiffs¬ 


No. 

Syphilitisch. 

Leberauszug 

Normaler 

Leberauszug 

Syphilitisch. 

Äntiserum 

(64) 

Nichtsyphil. 

Antiserum 

Resultat 

1 

X 

X 

positiv 

X 

X 

negativ 

o 

X 

X 

negativ 

4 

X 

X 

negativ 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  28.  Jahreswoche  vom  7.  bis  13.  Juli  1907. 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  14  (14*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  3  (7),  Kindbettfieber  1  ( — j,  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (1),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  2  (2),  Diphth.  u. 
Krupp  4(1),  Keuchhusten  —  (2),  Typhus —  ( — ),  iibertragb.  Tierkrankh. 
—  (-),  Rose  (Erysipel)  —  (—),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  2  (1),  Tuberkul.  d.  Lungen  27  (28),  Tuberkul.  and. 
Org.  6  (7),  Miliartuberkul.  1  (— ),  Lungenentziind.  (Pneumon.)  5  (7), 
Influenza  (  ),  and.  iibertragb.  Krankh.  1  (2),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  2  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (2),  organ.  Herzleid.  12  (16), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  5  (6),  Gehirnsclilag 
6  (8),  Geisteskrankh.  —  (— ),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  1  (4),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  1  (5),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  36  (28),  Krankh.  d.  Leber  5  (5),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (2),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  7  (2),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  13  (14), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  3  (2),  Selbstmord  4  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  ( — ),  Unglücksfälle  5  (4),  alle  übrig.  Krankh.  4  (5). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  175  (181).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  16,6  (17,2),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,1  (12,2). 

_ Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Artuni- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  *  Für 
^  q  — .  •  uunj^c  ul^u^ouluui^ uu^cu  w«uw  am  ubiu  wiiMvumgi  *  Inserate  und  Beilägen  an  Rudolf  Mossc,  Promcnadcplatz  16.  * 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


ftle  Münchener  Medizinische  Wochenschritt  ersehe  nt  wöchentlich 
K  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  #  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4-  *_  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 


T  TLm/va  eialia  nur  rlam  I  Imp/'Mionr 


MÜNCHENER 


Herausgegeben  von 


München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Kiel.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  32.  6.  August  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  med.  Klinik  in  Heidelberg  (Geh.  Rat  E  r  b). 

Ueber  Erfolge  und  Gefahren  der  Alkoholinjektionen  bei 
Neuritiden  und  Neuralgien. 

Von  Privatdozent  Dr.  F  i  s  c  h  1  e  r. 

Das  Interesse  an  der  Neuritis  und  ihrer  Behandlung  stand 
in  letzter  Zeit  im  Vordergrund  der  allgemeinen  ärztlichen  Auf¬ 
merksamkeit,  sodass  sich  sogar  der  letzte  Kongress  für  innere 
Medizin  in  ausführlichen  Referaten  und  Diskussionen  damit  be¬ 
schäftigte.  Und  gewiss  mit  gutem  Recht.  Ist  doch  die  thera¬ 
peutische  Beeinflussbarkeit  dieser  oft  so  langwierigen  und 
schmerzhaften  Erkrankungsformen  eine  relativ  grosse  und 
unter  Umständen  sehr  dankbare,  gelegentlich  aber  auch  gerade 
das  Gegenteil  davon.  Daher  nun  die  vielen  therapeutischen 
Neuerungen  auf  diesem  Gebiet,  daher  auch  die  Unklarheit  in 
den  Indikationen  der  einzelnen  Mittel,  daher  endlich  eine  grosse 
Reihe  verfehlter,  oder  gar  gefährlicher  Mittel.  Wenn  nun,  wie 
es  scheint,  die  Gefahren  aktiven  Vorgehens  überschätzt 
wurden,  so  dass  man  z.  B.  von  der  Injektionstherapie  gänzlich 
abgekommen  war,  so  bedurfte  diese  Ansicht  einer  Revision 
und  es  war  zunächst  Schlösser,  der  Alkoholinjektionen 
gegen  alle  möglichen  akuten  lind  chronischen  Reizzustände 
der  Nerven  wieder  empfahl,  erstmals  auf  dem  Ophthalmologen¬ 
kongress  Heidelberg  (1902),  seitdem  wiederholt,  zuletzt  auf  dem 
25.  Kongress  für  innere  Medizin  in  Wiesbaden. 

Die  vorzüglichen  Erfolge,  welche  Schlösser  bei  seiner 
Behandlungsmethode  erzielt  hatte,  veranlassten  schon  seit 
langer  Zeit  die  medizinische  Klinik  des  Herrn  Geh.  Rat  Erb  in 
Heidelberg,  eine  Nachprüfung  dieser  Methodik  vorzunehmen, 
und  es  wurden  namentlich  schwerere  Formen  von  Ischias-  und 
Trigeminusneuralgien,  die  anderer  Behandlung  bisher  getrotzt 
hatten,  mit  Alkoholinjektionen  behandelt. 

Warum  die  Versuche  nicht  in  grösserem  Umfange  weiter¬ 
geführt  wurden,  wird  sich  sogleich  ergeben. 

Im  folgenden  sei  in  Kürze  das  verwendete  Material  und 
die  Art  der  Anwendung  skizziert. 

Fall  1.  Frau  D.,  26  Jahre.  Ischias  dextra  scoliotica.  Seit 
%  Jahre  krank.  Plötzlicher  Schmerz  im  rechten  Bein  direkt  nach 
der  letzten  Geburt  entlang  der  Hinterseite  des  Oberschenkels  und 
an  der  Wade.  Formikation  in  der  Fussohle,  öfteres  Eingeschlafensein 
der  4.  und  5.  Zehe. 

Objektiver  Befund:  Links-Skoliose,  stark  hinkender  Gang,  Hüft¬ 
gelenk  frei,  deutliches  'Ischiasphänomen.  Typische  Druckschmerz¬ 
punkte.  Rechts  Achillesreflexe  <  Links.  Keine  elektrischen  Verände¬ 
rungen,  keine  sicheren  Sensibilitätsstörungen.  Genitalorgane  frei. 

Früher  behandelt  mit  Jod,  Ableitungen  auf  'die  Haut,  Wärme¬ 
applikationen.  Bei  uns  8  Tage  mit  Wärmekrügen,  Aspirin,  Misch¬ 
pulvern  von  Phenazetin,  Chinin  und  Morphin  ohne  Erfolg. 

3  Injektionen  von  1 — 1,5  ccm  70proz.  Alkohol  im  Abstand 
weniger  Tage  am  Austritt  des  Ischiadikus  bewirkten  völlige  Heilung. 
Nach  Vs  Jahr  stellt  sich  die  Frau  wieder  vor,  vollkommen  wohl. 

Fall  2.  H.  Sch.,  26  Jahre,  Bahnarbeiter.  Ischias  dextra 
scoliotica.  Sehr  schwerer  hartnäckiger  Fall.  Krank  seit  Ja¬ 
nuar  1904  imit  typischen  Schmerzen  entlang  der  Hinterseite  des 
Oberschenkels  und  der  Wade,  Formikationsgefühl  in  der  Wade  und 
der  Fussohle.  Seit  Ende  März  1904  Gang  nur  unter  grossen  Schmer¬ 
zen  und  hinkend,  wurde  ganz  „krumm  gezogen“. 

Objektiver  Befund  Ende  April  1904:  Abmagerung  des  Beines  um 
1 — 2  cm.  Positives  Ischiasphänomen,  typische  Druckschmerzpunkte. 
Ach.-Reflexe  links  und  rechts  gut  auslösbar.  Sensibilität  nicht  ver- 

No.  32. 


ändert,  elektrisches  Verhalten  normal.  Starke  Links-Skoliose.  Hüft¬ 
gelenk  frei,  per  rectum  leichte  Empfindlichkeit  der  rechten  Kreuz¬ 
beingegend.  Kein  Tumor. 

Bei  uns  behandelt  von  Ende  April  bis  Ende  Juli  1904  mit  Wärme¬ 
applikationen,  Dampfbädern,  Aspirin,  galvan.  Strom,  Salizyl,  Vesi- 
cans  etc.  Dann  nach  dem  Landesbad  in  Baden-Baden  gesendet.  Nur 
wenig  gebessert  entlassen.  Wiederaufnahme  24.  I.  05  bis  18.  II.  05 
zur  Alkoholinjektion:  3  mal  1,0  ccm  70  proz.  Alkohol,  3  mal  2,0  ccm 
70  proz.  Alkohol  an  die  Austrittsstelle  des  Nervus  ischiadicus  im 
Abstand  weniger  Tage.  Keine  durchgreifende  Besserung,  ganz 
vorübergehende  Schmerzlinderung.  Mit  Eukaininjektionen  auch  kein 
Erfolg.  Ungebessert  entlassen. 

Fall  3.  S.  O.,  53  Jahre,  Taglöhner.  Ischias  dextra.  Schon 
vor  6 — 7  Jahren  hatte  Pat.  dasselbe  Leiden  gehabt.  Jetzt  krank 
seit  !4  Jahr  in  typischer  Weise.  Bisherige  Behandlung  mit  Wärme¬ 
applikationen,  Ableitungen  auf  die  Haut.  Bei  uns  mit  Fango  und 
Aspirin  zunächst  ohne  Erfolg  behandelt.  Es  wurden  die  typischen 
Ischiassymptome  konstatiert,  die  Druckpunkte,  das  Ischiasphänomen: 
Hüftgelenk  frei,  im  Rektum  nichts  krankhaftes.  2  Injektionen  mit 
70  proz.  Alkohol  wurden  gemacht.  Nach  0,6  ccm  trat  sehr  starkes 
fibrilläres  Zucken  im  Peroneusgebiet  auf.  Daraufhin  sofortige  Unter¬ 
brechung  der  Injektion.  Beim  II.  Versuch  der  Injektion  trat  das¬ 
selbe  schon  bei  0,3  ccm  auf,  sowie  ein  gewisses  Schwächegefühl. 
Auch  darnach  Aufhören  mit  der  Injektion.  Keine  Beeinflussung  der 
Schmerzen. 

F  a  1 1  4.  L.  N.,  44  Jahre,  Händler.  Ischias  dextra  seit  %  Jahr. 
Typische  Schmerzen  bei  Bewegungen,  hinkender  Gang,  Druckpunkte, 
Achillessehnenreflex  rechts  kaum  auslösbar,  links  gut,  Ischiasphä¬ 
nomen  positiv,  keine  Sensibilitätsstörungen,  Hüftgelenk  frei.  Leichte 
Skoliose  der  Wirbelsäule.  Schon  vielfach  behandelt,  bei  uns  zuerst 
mit  Wärmekrügen,  Aspirin  und  Dampfbädern. 

Dann  1.  Alkoholinjektion  3  ccm  70  proz.  in  den  Glutaeus.  Mo¬ 
mentan  starker  Schmerz,  pelziges  Gefühl  im  ganzen  Bein.  Alsbald 
kein  Schmerz  mehr.  In  den  nächsten  Tagen  Schmerzen  im  Unter¬ 
schenkel,  aber  gering.  Geht  nach  Hause,  lässt  sich  keine  Injektionen 
mehr  machen,  da  er  .sich  gesund  fühlte. 

Fall  5.  Frau  H.,  46  Jahre.  Ischias  dextra  scoliotica.  Ein 
Bruder  hatte  Ischias,  vor  10  Jahren  hatte  Pat.  ebenfalls  schon  einmal 
Vs  Jahr  lang  Ischias  im  rechten  Bein.  Seit  fast  1  Jahr  infolge  Er¬ 
kältung  (Durchnässung  beim  Gewitter)  typische  Ischias  mit  Schmer¬ 
zen,  Skoliose,  Druckpunkten,  Ischiasphänomen,  deutlich  etwas  abge¬ 
schwächtem  Achillessehnenreflex,  leichter  Atrophie  der  Wade.  Hüft¬ 
gelenk  frei,  Beckenorgane  desgleichen.  Pat.  hatte  alle  möglichen 
Kuren  angewendet.  Auch  bei  uns  mit  Fango,  Wärmekrügen,  Misch¬ 
pulver  keine  Besserung.  Daher  Alkoholinjektionen.  Im  ganzen  6 
Injektionen,  3  ä  1,0  ccm,  2  ä  2  ccm  und  1  ä  3  ccm  70  proz.  Alkohol, 
meist  an  die  Austrittsstelle  des  Ichiadikus,  einmal  in  die  Glutaeus- 
druckpunkte.  Voller  Erfolg.  Heilung. 

F  a  1 1  6.  A.  M.,  39  Jahre,  Taglöhner  aus  Florenz.  Ischias 
sinistra.  Im  August  1904  hatte  Pat.  schon  einmal  Ischias  am  selben 
Bein.  Seit  Januar  1905  wieder  Ischias  mit  Druckpunkten,  Ab¬ 
schwächung  des  Achillessehnenreflexes,  Ischiasphänomen,  Hüftgelenk 
frei,  Beckenorgane  gesund.  2  Injektionen  mit  80  proz.  Alkohol 
ä  2  ccm.  Jedesmal  starker  sofortiger  Schmerz  im  ganzen  Bein.  Nach 
der  zweiten  Injektion  Heilung. 

Fall  7.  Karl  B.,  29  Jahre.  Ischias  sinistra.  Seit  4  Monaten 
krank.  Typische  Ischias.  Druckpunkte,  abgeschwächter  Achilles¬ 
sehnenreflex,  keine  sensiblen  und  keine  elektrischen  Veränderungen. 
Fango  und  Aspirin  ohne  Erfolg.  Bekommt  2  Injektionen  70  proz. 
Alkohol  2  und  3  ccm  in  die  Glutäalmuskulatur,  Ort  des  grössten 
Druckschmerzes.  Beide  ohne  Erfolg.  Pat.  verlässt  die  Klinik,  will 
keine  Injektionen  mehr. 

Fall  8.  J.  B.,  26  Jahre,  Zigarrenarbeiter.  Ischialgia  dextra 
scoliotica.  Seit  3  Wochen  erkrankt  in  typischer  Weise.  Ischias¬ 
phänomen  positiv,  Skoliose,  Druckpunkte,  hinkender  Gang,  sonstige 
Veränderungen.  Hatte  Dampfbäder,  Fango,  Wärmekrüge,  Salizyl, 
Jodpräparate,  Vibrationsmassage,  Ableitung  auf  die  Haut.  Erhält  3 
Injektionen,  1  mal  1  ccm,  2  mal  4  ccm  70  proz.  Alkohol,  teils  an  die 
Austrittsstelle,  teils  in  die  Glutaeusdruckpunkte.  Sofort  Besserung, 
schliesslich  völlige  Heilung  mit  Massage. 

■  1 


i  570 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Fall  9.  Frau  St.,  47  Jahre,  Landwirtsfrau.  Seit  ca.  !4  Jahr 
leicht  krank,  seit  3  Wochen  schwere  Ischialgia  dextra,  typisches 
Verhalten.  Hüftgelenk  und  Beckenorgane  frei.  Bekommt  8  In¬ 
jektionen  1 — 3  ccm  70  proz.  Alkohol.  Fast  vollkommene  Heilung. 
Da  traten  starke  Menses  auf,  damit  wieder  mehr  Schmerzen.  Ge¬ 
bessert  entlassen  nach  Abklingen  der  Menses. 

F  a  1 1  10.  K.  M.,  42  Jahre,  Arbeiter.  Ischias  sinistra.  Vor 
2  Monaten  typische  schwere  linksseitige  Ischias.  Hüftgelenk  und 
Beckenorgane  frei,  deutliches  Ischiasphänomen,  abgeschwächter 
Achillessehnenreflex  links,  Druckpunkte,  hinkender  Gang,  leichte  Sen¬ 
sibilitätsstörungen  am  Fuss,  Gegend  der  grossen  Zehe.  Keine  elektri¬ 
schen  Veränderungen.  Bekommt  im  ganzen  10  Injektionen  von  1 
bis  2  ccm  70  proz.  Alkohol  ohne  jeden  Erfolg.  5  Eukaininjektionen 
ebenfalls  erfolglos,  oder  nur  wenig  bessernd.  Schliesslich  Heilung  mit 
Fango  und  Suspension. 

Fall  11.  P.  A.,  39  Jahre,  Gipser.  Ischias  dextra.  Hatte 
schon  vor  3 — 4  Jahren  einmal  Ischias.  Krank  seit  2  Monaten  an 
typischer  Ischias.  Ischiasphänomen,  fehlender  Achillessehnenreflex, 
Druckpunkte.  Hüftgelenk  frei,  Beckenorgane  desgleichen;  keine 
elektrischen  und  keine  sensiblen  Störungen.  Auf  2  Injektionen  80  proz. 
Alkohol  ä  2  ccm  vollkommene  Heilung  innerhalb  8  Tagen. 

F  a  1 1  12.  E.  W.,  18  Jahr,  Fuhrmann.  Ischias  sinistra.  Er¬ 
krankte  Vz  Jahr  vor  der  Aufnahme  ohne  bekannte  veranlassende 
Ursache  mit  Schmerzen  im  linken  Gesäss,  entlang  der  Hinterseite  des 
Oberschenkels  und  entlang  der  Wade.  Hinkender  Gang.  Skoliose 
der  Lendenwirbelsäule  nach  links.  Ischiasphänomen,  Druckpunkte. 
Achillessehnenreflex  links  schwächer  als  rechts.  Sensibilität  intakt. 
Elektrische  Erregbarkeit  intakt.  Hüftgelenk  frei,  per  rectum  kein 
abnormer  Befund.  Fangopackung  und  Aspirin  ohne  Erfolg. 

1.  Alkoholinjektion  10.  Januar,  3  ccm  80  proz.  Alkohol  in  den 
Hauptschmerzpunkt  am  Glutaeus,  2  Stunden  lang  heftige  Schmerzen. 
Am  nächsten  Morgen  sehr  grosse  Besserung.  Die  Skoliose  ist 
verschwunden.  Nur  noch  auf  Druck  Schmerzen  im  Bein. 
13.  Januar  zweite  Alkoholinjektion  70  proz.  2  ccm  an  die  Austritts¬ 
stelle  des  Nervus  ischiadicus.  Weniger  Schmerzen,  doch  entlang 
des  Nervus  peroneus  ausgeprägte  Schmerzempfindungen.  3.  Alkohol¬ 
injektion  70  proz.  am  20.  Januar  an  die  Austrittsstelle  des  Nervus 
ischiadicus.  4.  Alkoholinjektion  21.  Januar  in  den  Glutaeus  4  ccm. 
Am  nächsten  Morgen  alle  Schmerzen  weg.  Nur  in  der  Wade  resp. 
an  der  lateralen  ^eite  des  Unterschenkels  noch  Schmerzen.  5.  Al¬ 
koholinjektion  am  26.  Januar,  1  ccm  70  p  r  o  z.  an  den 
Nervus  peroneus.  Keine  besondere  Schmerzemp¬ 
findlichkeit  darnach.  Am  nächsten  Morgen  hochgradige  Pero- 
neusparese,  die  sich  alsbald  in  eine  völlige  Paralyse  des 
Nervus  peroneus  sin.  um  w  a  n  d  e  1 1.  Schon  am  6.  Februar 
vollkommene  Entartungsreaktion  in  dem  betroffenen  Gebiet.  Am 
Fussrücken  Herabsetzung  für  alle  Gefühlsqualitäten,  wenn  auch  nur 
sehr  gering.  Die  nähere  Analyse  ergibt,  dass  die  Wirkung  der 
M.  peronei  erhalten  ist,  dass  aber  der  Tibialis  anticus,  Extensor 
hallucis  longus  und  die  langen  Extensoren  der  Zehen  völlig  gelähmt 
sind.  Es  handelt  sich  hier  also  um  eine  toxische  Lähmung 
des  Nervus  peroneus  profundus.  Es  traten  nun  wieder  gelegentlich 
Schmerzen  im  Oberschenkel  auf,  die  aber  nicht  sehr  heftig  waren. 

Nach  9  Monaten  war  der  Kranke  erst  im  stände  wieder 
längere  Zeit  zu  gehen.  Eine  deutliche  Parese  im  Peroneusgebiet 
war  auch  dann  noch  vorhanden.  Die  Entartungsreaktion  bestand 
noch  im  Juli  vollkommen,  also  nach  6  Monaten.  Dann  wurde  Pat. 
nach  Hause  entlassen.  Erst  nach  1  Jahr  Hessen  sich  keine 
elektrischen  Veränderungen  mehr  konstatieren.  Pat. 
war  bis  November  völlig  arbeitsunfähig  wegen  seiner  Lähmung. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  wir  therapeutisch  alles  aufboten, 
um  die  Lähmung  günstig  zu  beeinflussen,  ohne  jeden  Erfolg. 

Die  Alkoholinjektionen  bei  Ischias  wur¬ 
den  daraufhin  unterlassen; 

Ueber  unsere  Erfahrungen  über  die  Alkoholinjektionen  bei 
Trigeminusneuralgie  kann  ich  summarisch  dahin  be¬ 
richten,  dass  sie  recht  günstige  sind.  Wir  haben  sie  nur  bei 
recht  lange  bestehenden  und  schweren  Fällen  angewendet,  bei 
Supra-  und  Infraorbitalneuralgien.  Neuralgien  des  3.  Astes  des 
Trigeminus  habe  ich  noch  nicht  in  Angriff  genommen,  da  mir 
eine  genaue  Beherrschung  der  Technik  mangelt.  Die  6  Fälle 
von  Supra-  und  Infraorbitalneuralgie,  welche  mit  Alkoholinjek¬ 
tionen  behandelt  wurden,  wurden  alle  geheilt,  resp.  so  ge¬ 
bessert,  dass  man  füglich  von  Heilung  sprechen  kann.  Das  im 
Gefolge  der  Alkoholinjektionen  auftretende  Oedem  der  Lider 
bleibt  einige  I  age  bestehen,  um  dann  meist  spurlos  sich  zu- 
jückzubilden. 

Dagegen  muss  ich  noch  berichten,  dass  in  einem  Falle 
von  Amputationsneuromen  die  Alkoholinjektionen  im  Stiche 
liessen.  Vielleicht  hätte  aber  auch  da  eine  forciertere  und 
länger  durchgeführte  Behandlung  zum  Ziele  geführt. 

Ich  komme  nun  zur  Diskussion  der  Resultate. 

Unter  12  mit  Alkoholinjektionen  behandelten  Fällen  von 
Ischias  und  Ischialgie  finden  wir  bei  8  einen  Erfolg,  der  bei  4 


als  vollkommen,  bei  4  als  partiell  bezeichnet  werden  muss.  Bei 
4  Fällen  fehlt  der  Erfolg.  Die  Abhängigkeit  der  guten  Erfolge 
von  den  Alkoholinjektionen  darf  in  Hinsicht  auf  die  unmittel¬ 
bare  Wirkung  und  bei  dem  Vermeiden  anderweitiger  thera¬ 
peutischer  Beeinflussungen  als  sichergestellt  betrachtet  werden. 
Wichtig  ist  nun,  die  Misserfolge  ins  Auge  zu  fassen.  Ich 
glaube,  2  derselben  für  die  kritische  Würdigung  des  Verfahrens 
von  vornherein  ausschliessen  zu  sollen,  das  sind  Fall  3  und  7. 
In  dem  einen  konnten  nur  sehr  kleine  Mengen  Alkohol  injiziert 
werden  wegen  der  sofort  auftretenden  fibrillären  Zuckungen, 
beim  anderen  wurde  die  Injektion  mehr  in  die  Glutäalmuskulatur 
gemacht,  so  dass  unsicher  ist,  ob  der  Alkohol  in  der  verlangten 
Weise  mit  den  Nerven  in  Berührung  kam. 

Im  Fall  2  handelte  es  sich  um  einen  ausserordentlich  hart-' 
näckigen  Fall,  der  dem  Verdachte  Raum  geben  musste,  dass 
eine  Affektion  der  Nerven  noch  im  Spinalkanal  vorliege.  Da¬ 
gegen  dürften  sich  in  Fall  10  die  Alkoholinjektionen  als  wir¬ 
kungslos  erwiesen  haben,  zumal,  da  spätere  andersartige  Medi¬ 
kationen  zur  Heilung  führten. 

Die  partiellen  Erfolge  sind  zum  Teil  dadurch  bedingt,  dass 
die  Patienten  zu  rasch  aus  der  Behandlung  sich  entfernten, 
vielleicht  auch  dadurch,  dass  bei  aller  darauf  verwendeten 
Sorgfalt  es  doch  nicht  immer  gelang,  den  Alkohol  an  die  rich¬ 
tige  Stelle  zu  applizieren,  zum  grossen  Teil  dürften  aber  noch 
unbekannte  Einflüsse  dafür  massgebend  gewesen  sein. 

Ich  darf  vielleicht  gerade  hier  ein  Wort  über  die  Technik 
der  Alkoholinjektionen  sagen.  Es  wurde  bei  Ischiasfällen  un¬ 
gefähr  in  der  Mitte  zwischen  Trochanter  major  und  Tuber  ossis 
ischii  eingegangen  resp.  etwas  tiefer  in  der  Lotlinie  der  Tei¬ 
lungsstelle  obiger  Linie,  häufig  geleitet  von  dem  Punkte 
grössten  Druckschmerzes.  In  der  Tiefe  wurde  mit  der  Nadel 
nach  dem  Nerv,  ischiad.  gesucht,  bei  dessen  Berührung  der 
Patient  einen  ausstrahlenden  Schmerz  im  ganzen  Bein  an¬ 
gibt.  Dann  wurde  die  Nadel  etwas  zurückgezogen  und  an¬ 
gesaugt  zur  Vergewisserung,  dass  man  nicht  in  einem  Gefässe 
war.  (Dort  vorkommende  Varizen!)  Es  wurde  dann  langsam 
injiziert  unter  Beobachtung  des  Patienten.  Bei  richtiger  Ap¬ 
plikation  erfolgte  meist  sofort  ein  heftiger  Schmerz  im  ganzen 
Bein,  oder  ein  Gefühl  von  Brennen,  Wimmeln,  oder  Taubheits¬ 
gefühl,  das  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  —  wenigen  Mi¬ 
nuten,  mehreren  Stunden  - —  verschwand  und  der  Schmerz 
mit  ihm.  Oft  werden  damit  sofort  die  Bewegungen  freier, 
gelegentlich  verschwand  die  Skoliose  oder  das  Ischiasphäno¬ 
men,  oder  verminderte  sich  doch  sehr.  In  gleicher  Weise 
wurde  dann  im  Abstand  weniger  Tage  (2 — 8)  wiederholt  in¬ 
jiziert. 

Die  Technik  lehnt  sich  also  vollkommen  an  die  Vorschriften 
bei  der  Trigeminusneuralgie  an.  Strenge  Asepsis  ist  selbst¬ 
verständlich.  Temperatursteigerungen  oder  Infitrate  sah 
ich  nie. 

Ich  war  nun  geneigt,  die  Methode  in  grossem  Massstabe 
weiter  anzuwenden,  bis  mich  Fall  12  in  der  geschilderten 
unangenehmen  Weise  auf  die  Gefahren  derselben  hinwies. 

Herr  Geh.  Rat  Erb  hat  nun  in  seiner  Privatpraxis  3  wei¬ 
tere  Fälle  übler  Wirkung  der  Alkoholinjektionen  gesehen  und 
sie  mir  zur  Mitteilung  überlassen,  wofür  ich  ihm  hier  bestens 
danke.  Ueber  den  einen  dieser  Fälle  verdanke  ich  auch  noch 
Herrn  Dr.  Dambacher  in  Karlsruhe  näheren  Bericht. 

Fall  I.  Frl.  H.,  39  Jahre.  Neuritis  facialis  sin.  durch  Alkohol¬ 
injektion.  2.  II.  03.  Seit  10  Jahren  leichter  linksseitiger  Tic  facial; 
verschwand  zeitweilig,  kam  aber  immer  wieder.  Seit  2  Jahren 
stärker,  stört  sehr. 

Im  Frühjahr  1902  von  Herrn  Prof.  Schlösser  Alkoholinjektion 
im  Gesicht  mit  gutem  Erfolg.  Im  Herbst  Rezidiv. 

Am  20.  XI.  02  wieder  von  Schlösser  eine  Alkoholinjektion 
hinter  dem  Ohr;  darauf  sofort  Lähmung  des  linken  Nervus  facialis, 
die  noch  besteht,  aber  etwas  besser  sein  soll.  Auch  das  Gefühl  soll 
gelitten  haben,  ist  aber  wiedergekehrt.  Geschmack  und  Gefühl  auf 
der  Zunge  nicht  gestört,  Kaumuskeln  gut. 

Objektiver  Befund:  Typische  schwere  linksseitige  Fazialis¬ 
lähmung  mit  kompletter  Entartungsreaktion.  Auge  kann  nahezu  ge¬ 
schlossen  werden.  Platysma  frei.  Gaumensegel  und  Zunge  frei. 
Kaumuskeln  gut.  Leichte  subjektive  Hypästhesie  im  Gesicht  links. 
Therapie:  Galvanisation,  Jodvasogen,  warme  Umschläge,  Bäder. 

7.  III.  03.  Minimale  Besserung  am  Mund  und  Kinn. 

2.  VII.  03.  Erhebliche  Besserung.  Mundbewegung  fast  normal. 
Augenschluss,  Stirnrunzeln  noch  mangelhaft,  elektr.  Erregbarkeit  noch 
stark  herabgesetzt. 


6.  August  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1571 


Also  nach  7  Monaten  noch  keine  völlige  Heilung. 

Fall  II.  Frau  J.,  42  Jahre.  April  1904  erkrankt  vermutlich 
durch  Auftreten  des  überhitzten  Fusses  auf  kalten  Steinplatten.  So¬ 
fort  Schmerzen  in  der  rechten  Ferse,  die  zunächst  als  periostitische 
angesehen  wurden.  Im  Oktober  1904  Injektion  mit  Alkohol  von  Prof. 
Schlösser,  offenbar  längs  des  Nervus  tibialis  oberhalb  der  Ferse. 
Im  ganzen  ca.  10 — 12  Injektionen.  Nach  der  letzten  Injektion  ober¬ 
halb  des  Malleolus  internus  momentane  Gefühllosigkeit  des  ganzen 
Fusses.  Die  Schmerzen  waren  verschwunden.  Schwer¬ 
beweglichkeit  des  Fusses.  Die  Anästhesie  besserte  sich,  aber  damit 
traten  nach  einiger  Zeit  erneute  heftige  Schmerzen  an¬ 
derer  Art,  als  die  bisherigen,  auf.  Gehen  nur  auf  ganz  kurze  Di¬ 
stanz  möglich. 

Objektiver  Befund:  9.  III.  05  Druckempfindlichkeit  von  der  Mitte 
der  Wade  bis  zum  Malleolus  internus.  Keine  Ischiasdruckpunkte. 
Deutliche  Hyperästhesie  im  vorderen  äusseren  Drittel  der  Fussohle, 
sowie  am  äusseren  Fussrand.  Hyperästhesie  in  den  Zehen.  Grobe 
Kraft  und  Bewegungsfähigkeit  der  Zehen  nach  unten  geschwächt. 
Gang  unsicher,  hinkend.  Elekt.  Befund:  Komplette  Entartungsreaktion 
aller -Muskeln  an  der  Fussohle  und  der  M.  interossei.  Achillessehnen¬ 
reflexe  rechts  =  links  gut  auslösbar. 

Also  Neuritis  tibialis  toxica.  Nachuntersuchung  Mai  1906.  Noch 
immer  keine  Heilung  nach  mehr  als  l/z  Jahren!  Immer  noch 
Schmerzen,  erhebliche  Gehstörung.  Der  rechte  Fuss  poch  hyper¬ 
ästhetisch  —  Parese  der  kleinen  Fussmuskeln.  An  der  Injektions¬ 
stelle  noch  ein  haselnussgrosser,  mässig  schmerzhafter  Knoten. 
Fusspulse  gut. 

Fall  III.  Herr  Z.,  37  Jahre,  Kaufmann:  Wiederholt  rückfällige 
schwere  Ischias. 

Am  26.,  28.  und  30.  VIII.  04  auf  Verlangen  je  eine  Alkoholin¬ 
jektion  in  die  Nähe  des  Stammes  des  Nervus  ischiadicus.  Nach 
der  letzten  sofortige  komplette  Lähmung  der  Wade  mit  Anästhesien. 
Dann  traten  im  Beine  heftige  sensible  Reizerscheinungen,  Schmerzen 
und  Parästhesien  auf.  Eine  Untersuchung  am  25.  X.  04  ergab  heftige 
Schmerzen  an  der  Fusssohle,  Lähmung  und  Anästhesie  im  Gebiet 
des  Nervus  tibialis  sin.  mit  kompletter  Entartungsreaktion.  Fehlen 
des  Achillessehnenreflexes.  Nervus  peroneus  frei.  Zehenstand  un¬ 
möglich,  Anästhesie  der  Sohle  und  Zehen.  Im  Februar  1905  war 
Entartungsreaktion  nicht  mehr  nachweisbar,  es  trat  Heilung  ein. 

Diese  3  Fälle  haben  mit  dem  meinigen  die  kompletten  Läh¬ 
mungen  mit  Entartungsreaktion  gemeinsam  und  demonstrieren 
typisch  die  toxische  degenerative  Neuritis  im  Anschluss  an  die 
Alkoholinjektionen.  Es  sind  quasi  Experimente  am  Menschen 
analog  dem  Ausfall  der  Finkelnburg  sehen  Experi¬ 
mente  am  Tier,  die  S  c  h  u  1 1  z  e  in  seinem  Neuritisreferat  er¬ 
wähnte.  Es  geht  daraus  unmittelbar  hervor,  dass  unter  Um¬ 
ständen  die  toxische  Wirkung  der  Alkoholinjektionen  unbe¬ 
rechenbar  zur  Geltung  kommt  und  auch  in  den  Händen  des 
erfahrensten  Injektionstechnikers  sich  nicht  sicher  vermeiden 
lässt.  Man  könnte  mir  einwenden,  dass  nicht  allein  die  toxi¬ 
sche,  sondern  auch  die  mechanische  Seite  einer  ungünstigen 
Einwirkung  in  Betracht  käme.  Dem  wäre  entgegenzuhalten, 
dass  die  an  mechanischen  Einwirkungen  durch  die  grossen 
Mengen  der  angewendeten  Injektionsflüssigkeiten  viel  reicheren 
perineuralen  Infiltrationen  mit  Kochsalz,  Eukainlösungen,  Me¬ 
thylenblaulösungen  etc.  derartige  Störungen  offenbar  nicht 
machen.  Gerade  die  degenerativen  Wirkungen  der  Alkohol¬ 
injektionen  sind  nach  Schlossers  neuesten  Darlegungen 
auf  dem  inneren  Kongress  in  Wiesbaden  geeignet,  die  Resek¬ 
tion  des  Ganglion  Gasseri  zu  ersparen,  gerade  bei  den  wirk¬ 
samsten  Anwendungsweisen  der  Alkoholinjektionen  soll  die 
degenerative  Wirkung  hervortreten,  mit  anderen  Worten,  man 
hat  das  Wesen  der  Wirkung  des  Alkohols  neuerdings  genauer 
kennen  gelernt.  Daraus  wird  eine  genauere  Präzisierung  der 
Indikationen  zur  Anwendung  von  Alkoholinjektionen  bei  den 
verschiedensten  Reizzuständen  der  Nerven  resultieren.  Jede 
neue  Heilmethode  erfährt  durch  nicht  beabsichtigte  Neben¬ 
wirkung  ihre  Korrektion,  und  so  zweifellos  die  Alkoholinjek¬ 
tionen,  wie  es  scheint,  schon  jetzt  berufen  sind,  als  Heilmittel 
bei  den  schweren  Neuralgien  der  sensiblen  Nerven  eine  grosse 
Rolle  zu  spielen  und  vielleicht  noch  eine  grössere  zu  erringen, 
so  dürfte  ihre  Anwendung  bei  Erkrankung  gemischter  oder  rein 
motorischer  Nerven  nur  mit  grosser  Vorsicht  und  quasi  als 
ultimum  refugium  angewendet  werden  dürfen  wegen  der  Ge¬ 
fahr  einer  gleichzeitigen  Nervendegeneration. 

Ich  habe  mich  seit  diesen  Erfahrungen  nicht  mehr  ent¬ 
schlossen  können,  Patienten  zu  Alkoholinjektionen  bei  Er¬ 
krankung  der  gemischten  Nerven  ernstlich  zuzureden,  obwohl 
ich  in  einzelnen  Fällen  überaus  schnelle  und  günstige  Heil¬ 
wirkung  gesehen  habe.  Das  Omen  einer  durch  den  ärztlichen 
Eingriff  verursachten  Nervenläsion  liegt  nicht  allein  in  dem 


für  Arzt  und  Patient  gleich  unangenehmen  Ereignis  an  sich, 
sondern  auch  in  der  eventuell  möglichen  Haftbarmachung  des 
Arztes.  Es  ist  nicht  zum  wenigsten  dieser  Grund,  der  uns  be¬ 
wogen  hat,  unsere  Erfahrungen  hier  mitzuteilen.  Zum  Glück 
scheinen  sich  ja  die  toxischen  Neuritiden  wieder  zurück¬ 
zubilden.  In  3  von  4  Fällen  trat  Heilung  ein,  in  einem  waren 
allerdings  noch  nach  VA  Jahren  deutliche  Krankheitssymptome 
vorhanden,  seitdem  fehlen  Nachrichten.  Mit  der  Regeneration 
der  Nerven  ist  aber  das  Wiederauftreten  der  Neuralgien  mög¬ 
lich  und  sogar  beobachtet.  Auch  in  dieser  Hinsicht  bedarf  die 
Methodik  also  noch  der  Vervollkommnung. 

Es  wäre  unrichtig,  aus  diesen  Erfahrungen  und  Er¬ 
wägungen  den  Schluss  ableiten  zu  wollen,  dass  die  Alkohol¬ 
injektionen  ein  für  die  allgemeine  Anwendung  zu  gefährliches 
Remedium  sei  und  ich  möchte  nicht  dahin  falsch  verstanden 
sein,  als  ob  ich  dessen  Anwendung  hiermit  widerrate. 
Hoffentlich  gelingt  es  durch  Variation  der  Methodik  und  genaue 
Indikationsstellung  ihre  Gefahren  noch  zu  beseitigen,  so  dass 
wir  das  an  und  für  sich  so  aussichtsreiche  Verfahren  in 
grösserem  Massstabe  anwenden  können. 


Aus  dem  hygien.  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  B. 

(Direktor:  Herr  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Schottelius). 

Untersuchungen  über  ein  bei  Anwendung  von  Dauer¬ 
bädern  beobachtetes  Ekzem. 

Von  Dr.  med.  Küster,  Privatdozent,  I.  Assistent  des  Instituts. 

Die  ausgedehnte  Anwendung,  welche  die  Dauerbadbehand¬ 
lung  in  den  letzten  Jahren  auf  den  verschiedenen  Kliniken  ge¬ 
funden  hat,  führt  häufig  zur  Beobachtung  einer  eigentümlichen 
Form  von  krankhaften  Hautveränderungen,  die  man  bis  dahin 
noch  nicht  gekannt  hatte  und  deshalb  mit  Recht  als  eine  Folge 
und  störende  Nebenwirkung  des  Dauerbades  ansieht. 

Dieses  Badeekzem  wurde  bereits  in  klinischer  und  thera¬ 
peutischer  Beziehung  von  Jakobi  gewürdigt  und  ich  will 
deshalb  hier  nur  in  kurzen  Zügen  das  gesamte  Krankheitsbild 
rekapitulieren. 

Das  Ekzem  tritt  vorzüglich  bei  heruntergekommenen, 
marantischen  Patienten  (vielfach  bei  Paralytikern)  auf,  doch 
bleiben  auch  kräftige  Individuen  durchaus  nicht  immer  davon 
verschont.  Die  Zeit  innerhalb  der  die  Hautveränderungen 
nach  Beginn  der  Dauerbadebehandlung  eintreten,  ist  ver¬ 
schieden;  häufig  zeigen  Patienten,  die  erst  3 — 4  Tage  im  Bade 
weilen,  die  ersten  Symptome,  während  in  anderen  Fällen 
2 — 3  Wochen  darüber  hingehen. 

Die  Erkrankung  beginnt  mit  einer  flächenhaften  Rötung, 
meist  an  der  Innenfläche  der  Oberschenkel  oder  in  der  Um¬ 
gebung  der  Achselhöhle.  Kleinste,  hochrote  Knötchen,  welche 
an  ihrer  Kuppe  bald  abschilfern  (erweichen?)  und  sich  mit 
einem  schmierigen  Epithelschuppenbelag  bedecken,  stehen 
hier  dichtgedrängt  aneinander  und  bringen  eine  Hautver¬ 
änderung  zuwege,  wie  wir  sie  sonst  nirgends  zu  sehen  gewohnt 
sind,  weil  eben  für  ihr  Zustandekommen  der  eigentümliche 
mazerierende  und  doch  wieder  vor  der  Einwirkung  der  Um¬ 
gebung  (Luft,  Berührung)  schützende  Einfluss  des  Dauerbades 
massgebend  ist. 

Die  Patienten  leiden  subjektiv  unter  dieser  Veränderung 
zunächst  offenbar  sehr  wenig,  denn  Schmerzensäusserungen 
und  Kratzeffekte  fehlen,  auch  ist  es  leicht,  die  Anfangsstadien 
der  Erkrankung  zum  Abheilen  zu  bringen,  wenn  der  Allgemein¬ 
zustand  des  Patienten  gestattet,  ihn  für  einige  Tage  aus  dem 
Bad  herauszunehmen  und  einer  Bettbehandlung  zu  unterziehen. 
Hier  trocknen  die  Knötchen  ohne  weiteres  Hinzutun  rasch 
ein,  die  Oberfläche  schuppt  sich  ab  und  darunter  kommt  wieder 
normale  Haut  zum  Vorschein. 

Kann  die  Dauerbadebehandlung  aber  nicht  unterbrochen 
werden,  so  waren  bis  jetzt  alle  Versuche,  das  Ekzem  zur 
Heilung  zu  bringen,  ohne  Erfolg,  ebenso  wie  es  nicht  gelingt, 
prophylaktisch  bei  disponierten  Personen  den  Ausbruch  zu 
verhindern. 

Bleibt  nun  der  Patient  weiter  im  Bade,  so  nehmen  die 
Hautveränderungen  rasch  an  Umfang  zu  und  bedecken  schliess¬ 
lich  fast  die  ganze  Körperoberfläche,  ein  Zustand,  -der  natürlich 

P 


1572 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


für  das  Gesamtbefinden  der  meist  schon  geschwächten  Kranken 
von  den  verderblichsten  Folgen  sein  muss. 

In  diesem  Stadium  kann  auch  eine  Bettbehandlung  dem 
Patienten  nicht  mehr  nützen,  denn  bei  dem  Abtrocknen  der 
Hautveränderungen  treten  jetzt  so  intensive  Hautspannungen 
auf,  dass  trotz  therapeutischer  Gegenmassregeln  (Salbenbehand¬ 
lung  etc.)  ausgedehnte  tiefe  Schrundenbildung  die  Patienten 
derartig  peinigt,  dass  man  sie  zur  Linderung  ihrer  Schmerzen 
wieder  in  das  Bad  zurückbringen  muss. 

So  harmlos  demnach  das  Badeekzem  in  leichteren  Fällen 
verläuft,  so  schwerwiegend  ist  sein  Auftreten  für  solche  Pa¬ 
tienten,  die  lange  Zeit  im  Wasser  gehalten  werden  müssen  und 
wenn  es  auch  für  sich  allein  nicht  zum  Tode  führt,  trägt  es  bei 
den  geschwächten  Kranken  doch  wesentlich  zur  Beschleunigung 
des  Exitus  letalis  bei. 

Dank  dem  liebenswürdigen  Entgegenkommen  des  Direktors 
der  psychiatrischen  Universitätsklinik,  Herrn  Geh.  Hofrat 
Prof.  Dr.  Ho  che,  der  mir  Fälle  von  Badeekzem  zur  Ver¬ 
fügung  stellte,  habe  ich  mich  einer  Anregung  des  Herrn  Prof. 
Jakobi  folgend,  seit  längerer  Zeit  mit  dem  Studium  der 
Aetiologie  des  Badeekzems  beschäftigt  und  bin  zu  folgendem 
Resultat  gekommen. 

Wenn  man  von  den  erkrankten  Hautpartien  mit  dem 
Skalpell  nur  wenig  Material  von  der  Oberfläche  abkratzt  und 
unter  Zusatz  von  Kalilauge  bei  schwacher  Vergrösserung 
untersucht,  so  sieht  man  massenhaft  Mycelfäden,  welche  nur 
spärlich  Querwände  und  Verzweigungen  erkennen  lassen  und 
in  ihrem  Innern  helle  Pünktchen,  zuweilen  auch  kernartige  Bil¬ 
dungen  aufweisen. 

Daneben  erblickt  man  Häufchen  von  hefeartigen  Zellen, 
ohne  dass  in  dem  frischen  Präparat  ein  Zusammenhang 
zwischen  beiden  Formen  ersichtlich  wäre. 

Da  in  allen  untersuchten  Fällen  immer  die  gleichen  Pilz¬ 
formen  in  grossen  Massen  zu  finden  sind,  wie  man  sie  in 
ähnlich  bei  anderen  Hauterkrankungen  (Favus,  Herpes  ton- 
surans  etc.)  anzutreffen  gewohnt  ist,  so  ist  wohl  schon  aus 
diesem  Grunde  der  Schluss  erlaubt,  dass  die  beobachteten  Pilze 
mit  dem  Badeekzem  in  ursächlichem  Zusammenhang  stehen. 

Eine  Vermehrung  des  Erregers  ausserhalb  der  mensch¬ 
lichen  Haut,  auf  künstlichen  Nährsubstanzen  —  es  wurden  so¬ 
wohl  die  gewöhnlichen  bakteriologischen  Nährmedien  als  auch 
die  besonderen  Mycelnährböden  angewandt  —  wollte  bislang 
nicht  gelingen;  wohl  erhielt  ich  zuweilen  hefeartige  Kolonien, 
aber  niemals  Mycelvermehrung  und  meist  wurden  die  Nähr¬ 
böden  von  massenhaft  vorhandenen  Wasserbakterien  über¬ 
wuchert.  Auch  Züchtung  in  sauerstofffreier  Atmosphäre  und 
serienweise  Abstufung  der  Reaktion  saurer  und  alkalischer 
Nährsubstrate  führte  nicht  zum  Ziel,  ebensowenig  wie  ein 
Haften  des  Krankheitserregers  auf  der  Haut  von  gesunden 
Menschen  oder  auf  Tieren  gelang. 

Es  wurde  deshalb  ein  Kulturverfahren  versucht,  welches 
nach  Möglichkeit  den  natürlichen  Wachstumsverhältnissen  des 
Erregers  angepasst  war.  In  Reagensröhrchen,  in  denen  Gly¬ 
zerinpferdeblutserum  bei  100°  schräg  erstarrt  war,,  wurde  bis 
zum  Wattepfropf  steriles  Leitungswasser  (wie  es  auch  zu  den 
Bädern  Verwendung  findet)  eingefüllt.  Diese  Röhrchen  wurden 
nun  in  Serien  mit  steigenden  Mengen  Formalin  (von  1:500. bis 
1  :  100  000)  versetzt  und  alle  mit  der  gleichen  Menge  einer  Ver¬ 
reibung  des  Hautmaterials  mit  steriler  Kieselguhr  geimpft. 
Diese  Kulturen  wurden  entsprechend  der  Temperatur  des 
Dauerbades  bei  37°  im  Brutschrank  gehalten. 

Durch  diese  Anordnung  waren  bezüglich  Wärme  und 
Sauerstoffspannung  die  natürlichen  Wachstumsbedingungen 
wiedergegeben;  in  dem  festerstarrten  Pferdeblutserum  glaubten 
wir  ein  der  Oberhaut  ähnliches  schlechtes  Nährsubstrat  zu 
bieten,  dessen  Nährwert  durch  die  Formalineinwirkung  noch 
verringert  wurde  und  endlich  musste  bei  einer  der  verschie¬ 
denen  Formalinzugaben  eine  Desinfektionswirkung  erzielt 
werden,  bei  der  alle  bakteriellen  Verunreinigungen  des  Impf¬ 
materials  vernichtet  wurden,  während  die  widerstandsfähigeren 
Hefen  und  Mycelfäden  noch  wuchsen. 

Der  Erfolg  bewies,  dass  diese  Ueberlegungen  im  Prinzip 
richtig  waren;  wir  erhielten  von  einer  bestimmten  Formalin¬ 
verdünnung  ab  ein  Wachtum  von  hefeartigen  Zellen  und  langen 
Mycelfäden,  die  morphologisch  und  tinktoriell  den  im  Ausstrich¬ 


material  gesehenen  identisch  waren.  Von  diesen  Formalin¬ 
wasserkulturen  wurden  nun  Uebertragungen  auf  feste  Nähr¬ 
medien  vorgenommen  und  es  zeigte  sich,  dass  die  als  Hefe¬ 
zellen  gedeuteten  rundlichen  Gebilde  lediglich  das  Konidien¬ 
stadium  des  Mycels  darstellten.  Die  weitere  Untersuchung  der 
Reinkultur  ergab,  dass  der  gezüchtete  Mikroorganismus  den 
Askomyzeten  zugerechnet  werden  muss.  Er  bildet  besonders 
schön  auf  glyzerinfreiem  Agar  lange  Mycelfäden,  an  denen  sich 
an  der  Spitze  und  je  an  der  Stelle  der  Querwände  die  Konidien 
abschnüren.  Diese  Konidien  wuchsen  in  der  Einzellenkultur 
nach  Hansen  wieder  zu  Fäden  aus.'  Findet  ein  sehr  üppiges 
Wachstum  des  Erregers  statt,  z.  B.  auf  Glyzerinagar,  so  werden 
nur  wenige  und  kurze  Mycelien  getrieben,  diese  zerfallen  alsr 
bald  in  Konidien,  so  dass  die  Kolonie  bei  oberflächlicher  Unter¬ 
suchung  durchaus  den  Eindruck  einer  Hefekultur  macht. 

Das  beschriebene  Formalinwasserkulturverfahren  wurde 
für  alle  untersuchten  Fälle  in  Anwendung  gebracht  und  führte 
stets  zu  dem  gleichen  Resultat.  Für  die  Identität  des  ge¬ 
züchteten  Pilzes  mit  den  in  den  Krankheitsherden  der  Haut  ge¬ 
sehenen  Erregern  spricht  besonders  auch  die  Untersuchung  von 
Hautschnitten.  Die  Konidienformen  und  Mycelfäden  lassen  sich 
in  den  nach  Leishmann  gefärbten  Schnitten  in  allen  Ein¬ 
zelheiten  wieder  erkennen.  Da  eine  spätere  ausführliche  Ver¬ 
öffentlichung  der  Histologie  der  Hautveränderung  vorgesehen 
ist,  so  sei  hier  nur  das  Ergebnis  meiner  Untersuchungen  in 
folgendem  kurz  zusammengefasst. 

Der  Askomyzet  wuchert  im  Stratum  corneum  der  Haut, 
doch  gelangt  er  in  den  Ausführungsgängen  der  Hautdrüsen 
sowie  in  den  Haarbälgen  auch  in  tiefere  Schichten.  Aus  den 
Kapillaren  des  Stratum  papillare  findet  nach  den  Pilzansiede¬ 
lungen  hin  eine  reichliche  Leukozytenwanderung  statt,  die  zu 
einer  Auflockerung  des  Stratum  Malpighi  und  zu  einer  Pustel¬ 
bildung  führt. 

Auf  der  Haut  kleiner  Laboratoriumstiere  konnte  ich  die 
Reinkultur  bis  jetzt  nicht  zum  Haften  bringen,  doch  entwickelt 
der  Pilz,  in  den  Körper  injiziert,  echt  pathogene  Eigenschaften. 
Besonders  charakteristisch  sind  gewisse  Herdbildungen  in 
Niere  und  Lunge,  sowie  Veränderungen  im  Auge  (Netzhaut, 
Aderhaut,  Glaskörper). 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Breslau  (Direktor: 

Geheimer  Medizinalrat  Prof.  Dr.  v.  Strümpell). 

Zur  Methodik  der  bakteriologischen  Blutuntersuchung. 

Von  Marinestabsarzt  Dr.  Wiens,  kommandiert  zur  Klinik. 

Bei  Untersuchungen  über  das  Vorkommen  von  Bakterien 
im  Blute  bei  der  kruppösen  Pneumonie  erschien  es  mir  not¬ 
wendig,  neben  dem  häufig  negative  Resultate  ergebenden 
Agar  einen  flüssigen  Nährboden  anzuwenden.  Zwar  haben 
Autoren  wie  Schottmüller  [l]  und  Jochmann  [2] 
speziell  bei  der  Pneumonie  keinen  Vorteil  der  flüssigen  Nähr¬ 
böden  vor  den  festen  gesehen,  es  finden  sich  in  der  Literatur 
jedoch  eine  ganze  Reihe  von  Tatsachen,  aus  denen  die  Zweck¬ 
mässigkeit  der  Züchtung  von  Bakterien  im  allgemeinen, 
Pneumokokken  im  besonderen,  in  flüssigen  Nährböden  hervor¬ 
geht.  N  e  u  f  e  1  d  [3]  schwemmte  bei  der  Züchtung  der  Typhus¬ 
bazillen  das  aus  Roseolen  gewonnene  Blut  in  Bouillon  auf,  um 
die  schädliche  Einwirkung  der  bakteriziden  Kräfte  des  Blutes 
hintanzuhalten.  Diese  Bouillonaufschwemmung  wurde  auf 
37  0  gehalten,  und  erst,  wenn  ein  wesentliches  Wachstum  ein¬ 
getreten  war,  wurde  das  Plattenverfahren  zur  Differenzierung 
der  gewachsenen  Kolonien  verwandt.  Der  frühere  Misserfolg, 
Typhusbazillen  aus  Roseolen  zu  züchten,  beruhte  nach  Neu- 
f  e  1  d  auf  der  Verwertung  fester  Nährböden,  welche  nicht  in 
gleicher  Weise  wie  Bouillon  eine  Verdünnung  der  bakterien¬ 
feindlichen  Stoffe  gewährleisten.  Hauser  [4]  verwandte 
Bouillonkulturen  als  Kontrolle  seiner  festen  Nährböden  bei  den 
Untersuchungen  über  den  Keimgehalt  der  Organe.  Er  führt 
das  bessere  Wachstum  auf  den  reichlichen  Wassergehalt  der 
flüssigen  Nährmedien  zurück.  Dann  hat  vor  allem  Wilhelm 
Müller  [5]  auf  die  Vorzüge  der  flüssigen  Nährböden  hin¬ 
gewiesen.  Nach  seinen  Untersuchungen  lässt  sich  ein  Stadium 
feststellen,  in  dem  vereinzelte  Organismen  noch  imstande  sind, 
in  der  Bouillon  sich  weiter  zu  entwickeln,  während  ein  Wachs- 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1573 


tum  unter  den  gleichen  äusseren  Bedingungen  auf  Agar  aus¬ 
bleibt.  Den  Grund  sieht  er  in  den  osmotischen  Verhältnissen 
beider  Nährböden.  In  der  Bouillon  ist  die  ganze  Bakterienzelle 
direkt  mit  Flüssigkeit  umgeben;  da  ihre  Nahrungsaufnahme 
durch  Osmose  an  ihrer  ganzen  Oberfläche  erfolgt,  kann  sie 
leicht  schädliche  Stoffe  nach  aussen  hin  abgeben  und  andere, 
für  ihr  Wachstum  geeignete,  aufnehmen.  In  dem  einmal  er¬ 
starrten  Agar  dagegen  sind  kaum  Flüssigkeitsteile  noch  frei,  um 
von  den  Keimen  noch  aufgenommen  werden  zu  können.  Schon 
normalerweise  wachsen  die  meisten  Bakterien  auf  Agar 
weniger  üppig  als  auf  Bouillon,  in  abgeschwächtem  Zustand 
macht  sich  dieser  Nachteil  noch  deutlicher  bemerkbar. 

Ein  weiterer  Umstand,  der  auf  die  Entwickelung  der  Bak¬ 
terien  sowohl  in  festen,  wie  in  den  gewöhnlichen  flüssigen  Nähr¬ 
böden  nachteilig  einwirkt,  ist  die  Gerinnung  des  Blutes. 
Während  das  aus  der  Vene  entnommene  (gerinnende)  Blut 
eine  starke  bakterizide  Kraft  entwickelt,  ist  diese  in  dem  in 
den  Gefässen  zirkulierenden  (nicht  gerinnenden)  Blut  nur  ge¬ 
ring.  C  o  n  r  a  d  i  [6,  7]  (daselbst  auch  weitere  Literatur)  hat 
unter  Berücksichtigung  dieser  Tatsache  die  von  ihm  schon 
1901  festgestellte  gerinnungswidrige  Einwirkung  der  Galle  be¬ 
nützt,  um  den  bakteriologischen  Nachweis  der  Typhusbazillen 
im  Blute  zu  erleichtern;  der  Vorteil  der  Gallenblutkultur  besteht 
nach  seinen  Untersuchungen  darin,  dass  die  Galle  die  Wirkung 
der  bakteriziden  Kräfte  des  Blutes  ausschaltet. 

Es  handelte  sich  also  darum,  einen  Nährboden  herzustellen, 
der  1.  flüssig,  2.  für  das  Wachstum  der  Pneumokokken  geeignet 
und  3.  gerinnungshemmend  ist. 

Eine  Anwendung  der  Gallenblutkultur  für  die  Züchtung  der 
Pneumokokken,  wie  Conradi  empfohlen  hat,  zu  probieren, 
erschien  von  vornherein  nicht  sehr  aussichtsvoll.  Durch  die 
Untersuchungen  von  E.  F  r  ä  n  k  e  1  und  P.  K  r  a  u  s  e  [8]  wissen 
wir,  dass  Pneumokokken,  in  Galle  gebracht,  in  der  Regel  schon 
nach  24  Stunden  absterben.  Auch  nach  B  a  b  e  s  [9]  stellt  die 
Galle  für  Pneumokokken  einen  ungünstigen  Nährboden  dar; 
nach  Corrado  [10]  ist  sie  für  Pneumokokken  indifferent. 
Ich  habe  in  6  Fällen  von  Pneumonie  die  Gallenanreicherung 
des  Blutes  vorgenommen,  sämtliche  Kulturen  blieben  steril, 
während  mittels  der  gewöhnlichen  Blut-Agarmischkultur  4  mal 
Pneumokokken  nachgewiesen  werden  konnten. 

Ich  habe  sodann  Versuche  angestellt  mit  Nährböden,  die 
als  wesentlichen  Bestandteil  nur  Pepton  enthalten,  ausgehend 
von  der  Tatsache,  dass  Pepton  auf  das  Blut  einen  gerinnungs¬ 
hemmenden  Einfluss  hat.  Um  die  Wachtumsbedingungen  für 
Pneumokokken  möglichst  günstig  zu  gestalten,  wurdte  den 
Nährböden  auch  Dextrose  zugesetzt. 

Nach  verschiedenen  Versuchen  habe  ich  die  folgende  Me¬ 
thode  als  die  praktischste  und  zweckmässigste  ausprobiert: 

Nach  den  gewöhnlichen  Methoden  hergestelltes  10  proz. 
(leicht  alkalisches)  Peptonwasser,  das  ausserdem  1  Proz.  Dex¬ 
trose  enthält,  wird  in  Mengen  von  10  ccm  in  Reagensgläser 
abgefüllt.  Zur  Untersuchung  wird  das  Blut  in  der  üblichen 
Weise  aus  einer  Ellenbogenvene  mittels  Spritze  entnommen 
und  in  Mengen  von  1  ccm  in  die  Reagensgläser  übertragen. 
Die  Gläser  werden  gründlich  durchgeschüttelt  und  kommen 
dann  in  den  Brutschrank.  Der  mit  Blut  vermischte  Nährboden 
stellt  eine  hellrote,  trübe  Flüssigkeit  dar;  eine  Gerinnung  des 
Blutes  tritt  nicht  ein.,  dagegen  setzt  sich  nach  Verlauf  einiger 
Stunden  ein  dunkelbraunrotes  Sediment  ab.  Durch  kräftiges 
Schütteln  kann  man  dieses  Sediment  wieder  mit  der  Flüssigkeit 
vermischen,  die  dadurch  ein  trübes,  dunkelbraunrotes  Aussehen 
erhält.  Es  ist  zweckmässig,  jedoch  nicht  durchaus  notwendig, 
während  der  Bebrütung  das  den  Nährboden  enthaltende  Re¬ 
agensglas  alle  paar  Stunden  durchzuschütteln.  Nach  Verlauf 
von  20 — 24  Stunden  werden  Teile  des  Sediments  mittels  Platin¬ 
öse  auf  Agarplatten  ausgestrichen,  diese  werden  weiter  be¬ 
brütet.  Bei  positivem  Ausfall  wachsen  die  Kolonien  in  charak¬ 
teristischer  Weise  auf  dem  Agar  und  können  dann  weiter 
identifiziert  werden.  Es  ist  empfehlenswert,  das  Röhrchen  mit 
dem  Nährboden  noch  weitere  24  Stunden  im  Brutschrank  zu 
lassen  und  den  Rest  des  Sediments  nochmals  auf  Agarplatten 
auszusäen,  da  bisweilen  erst  nach  48  ständiger  Bebrütung  ein 
positives  Resultat  erzielt  wird. 

Das  Verfahren  ist,  wie  schon  oben  angedeutet,  von  mir 
speziell  zur  bakteriologischen  Untersuchung  des  Blutes  bei 


kruppöser  Pneumonie  verwandt  worden.  Es  hat,  mit  einer 
einzigen  Ausnahme,  bisher  stets  positive  Resultate  ergeben, 
auch  in  einer  Reihe  von  Fällen,  wo  die  gewöhnliche  Blutagar¬ 
mischkultur  negativ  war.  Ausführlicheres  über  die  zurzeit 
noch  nicht  abgeschlossenen  Untersuchungen  wird  später  ver¬ 
öffentlicht  werden. 

Ein  grosser  Nachteil  haftet  der  Methode  an:  eine  Zählung 
der  gewachsenen  Kolonien,  wie  bei  der  Blutagarmischkultur, 
ist  nicht  möglich.  Ich  habe  verschiedene  Versuche  angestellt, 
das  mit  dem  Blute  vermischte  Peptonwasser  nach  einer  ge¬ 
wissen  Bebrütungszeit  mit  Agar  zu  Platten  auszugiessen,  um 
aus  der  Zahl  der  dann  auf  den  Platten  gewachsenen  Kolonien 
Anhaltspunkte  für  die  Menge  der  im  Blute  kreisenden  Bak¬ 
terien  zu  gewinnen;  diese  Versuche  haben  aber  zu  keinem  be¬ 
friedigenden  Resultate  geführt.  Die  Methode  soll  ja  auch  die 
Blut-Agarmischkultur  keineswegs  ersetzen,  eine  prognostische 
Bedeutung  kommt  ihr  nicht  zu,  sie  kann  lediglich  die  Frage, 
liegt  bei  einer  Pneumonie  eine  Bakteriämie  vor,  oder  nicht,  noch 
beantworten  in  Fällen,  wo  die  Blutagarmischkultur  versagt. 
Ausserdem  ist  ihre  Ausführung  sehr  einfach;  es  genügt  bei 
weitem,  2  ccm  Blut  mittels  Pravazscher  Spritze  zu  ent¬ 
nehmen  und  in  2  Röhrchen  mit  dem  Dextrose-Peptonwasser  zu 
vermischen.  Eine  Kompression  des  Oberarms  mit  elastischer 
Binde  ist  nicht  notwendig,  ein  leichtes  Zusammendrücken  mit 
der  Hand  genügt  vollkommen,  um  die  Kubitalvene  so  weit 
zu  stauen,  dass  man  die  Kanüle  der  Pravazschen  Spritze 
einstechen  kann.  Die  ganze  Operation  nimmt,  abgesehen  von 
der  Desinfektion  der  Haut,  1 — 2  Minuten  in  Anspruch. 

Ueber  die  Verwendbarkeit  des  Nährbodens  bei  anders¬ 
artigen  Bakteriämien  sind  meine  Erfahrungen  noch  zu  gering, 
als  dass  ich  darüber  berichten  könnte.  Beim  Typhus  scheint 
sie  (ohne  Dextrosezusatz)  den  anderen  Methoden,  speziell  der 
Kayser-Conradi  sehen  Gallenanreicherung,  die  sich  in 
unserer  Klinik  gut  bewährt  hat,  nachzustehen.  In  einem  Falle 
von  Kolisepsis  hat  sie  sich  als  recht  brauchbar  erwiesen,  in 
einer  Anzahl  von  Erysipelfällen  waren  die  gewonnenen  Re¬ 
sultate  negativ. 

Literatur: 

1.  Schottmüller:  Zur  Aetiologie  der  Pneumonia  crouposa. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  30.  —  2.  Joch  mann:  Die 
Bedeutung  des  intravitalen  und  postmortalen  Nachweises  von  Bak¬ 
terien  im  menschlichen  Blut.  Lübars  ch-Ostertag,  Ergeb¬ 
nisse  etc.,  X.  Jahrgang  1904/05.  —  3.  Neufeld:  Ueber  die  Züchtung 
der  Typhusbazillen  aus  Roseolaflecken  nebst  Bemerkungen  über  die 
Technik  bakteriologischer  Blutuntersuchungen.  Zeitschrift  für  Hy¬ 
giene,  Bd.  30,  1899.  —  4.  Hauser:  Ueber  das  Vorkommen  von  Mikro¬ 
organismen  im  lebenden  Gewebe  gesunder  Tiere.  Archiv  für  experi¬ 
mentelle  Pathologie,  Bd.  20,  1885.  —  5.  Wilhelm  Müller:  Experi¬ 
mentelle  und  klinische  Studien  über  Pneumonie.  Archiv  für  klinische 
Medizin,  Bd.  71,  1901,  H.  6.  —  6.  C  o  n  r  a  d  i:  Ein  Verfahren  zum  Nach¬ 
weis  der  Typhuserreger  im  Blut.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906, 
No.  2.  —  7.  Ders.:  Ueber  Züchtung  von  Typhusbazillen  aus  dem 
Blute  mittels  der  Gallenkultur.  Zentralbl.  f.  Bakteriolog.,  Beil,  zu 
Abt.  1,  Bd.  XXXVIII,  1906.  —  8.  E.  Frankel  und  P.  Krause: 
Bakteriologisches  und  Experimentelles  über  die  Galle.  Zeitschr.  f. 
Hygiene  und  Infektionskrankh.  XXXII.  Bd.,  1899.  —  9.  Babes: 
Bemerkungen  über  das  Verhalten  gewisser  Organe  gegenüber  spe¬ 
zifischen  Infektionen.  Berliner  klinische  Wochenschr.  1899,  No.  17. 
—  10.  Corrado:  Sul  passagio  dei  germi  patogeni  nella  bile  e  nel 
contenuto  enterico  e  sull  azione  che  ne  risultano.  Ref.  Zentralbl. 
f.  Bakteriolog.,  1892. 


Alis  der  Prosektur  des  städt.  Krankenhauses  München  r/I. 

(Prosektor:  Privatdozent  Dr.  Oberndorfer). 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  Blasengeschwülste  bei 

Anilinarbeitern. 

Von  Dr.  Ludwig  Seyberth. 

Schon  längere  Zeit  rechnet  man  zu  den  Gewerbekrankheiten 
auch  die  akuten,  subakuten  und  chronischen  Krankheitserschei¬ 
nungen,  die  bei  den  Arbeitern  der  chemischen  Fabriken  auf- 
treten,  soweit  sie  unmittelbar  mit  Anilin,  Nitrobenzol, 
Toluidin  und  nahestehenden  Körpern  zu  tun  haben.  Der  akute 
Anfall  einer  Anilinvergiftung  bietet  ungefähr  folgendes  Bild: 
Die  Leute  werden  im  Verlauf  weniger  Stunden  stark  zya¬ 
notisch.  Die  Zyanose  wird  meist  zuerst  an  den  Lippen  sicht¬ 
bar.  Wird  der  Kranke  sofort  bei  den  ersten  Anzeichen  aus 


io7-4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


dem  Arbeitsraume  entfernt,  in  ein  heisses  Vollbad  und  dann 
wohlverwahrt  in  frische  Luft  gebracht,  so  gelingt  es  manchmal, 
den  Anfall  zu  unterdrücken.  Geschieht  das  nicht,  so  treten 
mit  der  zunehmenden  Zyanose  Mattigkeit,  Brustdruck, 
Schwindel,  Dyspnoe  und  zuletzt  Bewusstlosigkeit  auf.  Die  Be¬ 
handlung  besteht  jetzt  in  heissen  Bädern,  Kochsalzinfusionen 
und  künstlicher  Atmung,  bis  wieder  die  natürliche  Atmung  ein- 
tritt.  In  den  nächsten  Tagen  tritt  dann  unter  allmählicher 
Besserung  des  Allgemeinbefindens  heftiger  Harndrang  auf  und 
es  entleert  sich  blutiger  Urin  in  grossen  Mengen.  Mit  ab¬ 
nehmender  Zyanose  nimmt  auch  der  Urin  in  einigen  Tagen 
wieder  sein  gewöhnliches  Aussehen  an,  es  erfolgt  vollständige 
Genesung.  Die  starke  Hämoglobinurie  entsteht  durch  einen 
Zerfall  der  roten  Blutkörperchen  durch  die  Vergiftung. 
Manchmal  kommt  es  auch  zu  direkten  Nierenblutungen.  Das 
Anilin  wird  im  Körper  in  Anilinschwarz  und  diesem  nahe¬ 
stehende  wasserunlösliche  Verbindungen  übergeführt.  Dieses 
Anilinschwarz  ist  in  jedem  Blutstropfen  in  Gestalt  kleiner 
schwarzblauer  Körnchen  und  auf  der  Höhe  der  Vergiftung  auch 
im  Urin  nachweisbar.  Die  endgültige  Entgiftung  des  Körpers 
erfolgt  nach  Engelhardt  durch  Bildung  von  Paramido- 
phenylätherschwefelsäure,  die  als  Alkalisalz  im  Urin  erscheint. 

Solche  akute  Anfälle  kommen  zustande,  wenn  ziemlich 
rasch  Anilin  von  dem  Körper  aufgenommen  wird.  Dass  ge¬ 
rade  das  Anilin  sehr  rasch  durch  die  unverletzte  Haut  auf¬ 
genommen  wird,  kann  man  öfters  bei  Vergiftungsfällen  be¬ 
obachten.  So  erinnere  ich  mich  eines  Falles,  wo  ein  Arbeiter 
mit  defekter  Stiefelsohle  in  ein  wenig  verschüttetes  Anilin  trat. 
Die  Resorption  der  Haut  durch  die  Fussohle  genügte,  um  den 
Mann  in  wenigen  Stunden  schwer  krank  zu  machen.  In  einem 
anderen  Falle  erkrankten  zwei  Arbeiter  akut,  die  bei  der  Arbeit 
zwei  Tage  lang  reichlich  Nitrobenzoldämpfe  einatmen  mussten. 
Viel  leichter  sind  die  Erscheinungen  der  chronischen  Anilin¬ 
vergiftung.  Es  besteht  ein  leichter  Harndrang,  der  Harn  zeigt 
eine  etwas  dunkle  Färbung,  die  Lippen  des  Patienten  sind 
etwas  bläulich  verfärbt  und  die  Gesichtsfarbe  ist  etwas  blass. 
Der  Appetit  kann  dabei  ganz  normal  sein,  eine  Behinderung  in 
der  Arbeitsfähigkeit  tritt  nicht  ein.  Wird  der  Arbeiter  in  einen 
anderen  Betrieb  versetzt,  so  verlieren  sich  diese  Zeichen  wieder 
ganz.  Es  braucht  aber  auch  nicht  einmal  so  weit  zu  kommen, 
mancher  Arbeiter  merkt  an  sich  jahrelang  keine  Krankheits¬ 
erscheinungen,  bis  eines  Tages  Blutharnen  auftritt.  Kommt 
er  dann  zum  Arzt  und  wird  zystoskopiert,  so  wird  sehr  oft 
ein  Blasentumor  als  Ursache  dieser  Blutung  festgestellt. 

Was  die  Neigung  zur  Erkrankung  betrifft,  so  müssen  wir 
wohl  einen  weitgehenden  Unterschied  bei  den  einzelnen  Leuten 
annehmen. ^  Es  gibt  ja  auch  Leute,  die  jahrzehntelang  ohne 
merkbare  Schädigung  ihrer  Gesundheit  in  Anilinbetrieben  tätig 
sind.  Andere  wieder  erwerben  nach  vorübergehenden 
Störungen  eine  weitgehende  Toleranz.  Bei  direkter  Aufnahme 
des  Giftes  auch  in  kleinen  Mengen  erkranken  jedoch,  soviel 
mir  bekannt  ist,  alle.  Für  die  Leute  nun,  die  eine  so  weit¬ 
gehende  Toleranz  entwickeln,  besteht  wie  schon  angeführt, 
die  Gefahr,  mit  der  Zeit  einen  Blasentumor  zu  bekommen, 
dessen  erstes  Anzeichen  meistens  das  Blutharnen  ist.  Auf  diese 
Geschwülste  hat  zuerst  L.  R  e  h  n  die  Aufmerksamkeit  weiterer 
Kreise  gelenkt.  In  seinem  Vortrag  auf  dem  Chirurgenkongress 
zu  Berlin  (1895)  bringt  er  drei  Fälle  zur  Sprache.  Drei  Ar¬ 
beiter,  die  lange  Jahre  in  Anilinräumen  beschäftigt  waren, 
operierte  er  an  Blasentumor.  Die  beiden  ersten  Geschwülste 
wurden  von  Professor  Weigert  als  Fibroma  papillare  und 
als  ödematöses  Papillom  diagnostiziert.  Der  klinisch  gutartige 
Verlauf  entsprach  der  Diagnose.  Im  dritten  Falle  handelte  es 
sich  um  einen  bösartigen  Tumor,  den  Rehn  als  Sarkom  be¬ 
zeichnet.  Marchand  untersuchte  den  Tumor;  er  schloss 
einen  epithelialen  Charakter  aus,  weist  nahe  Beziehungen  der 
Geschwulstzellen  zu  den  Gefässen  nach  und  vergleicht  die 
Bildung  den  Alveoleasarkomen,  wie  sie  an  der  Chorioidea 
Vorkommen.  Der  Fall  endete  letal  durch  ein  Rezidiv  der 
Geschwulst. 

In  neuerer  Zeit  brachte  Karl  G  o  e  b  e  1  einen  beachtens¬ 
werten  Bericht  mit  zahlreichen  Abbildungen:  „Ueber  die  bei 
Bilharziakrankheit  vorkommenden  Blasentumoren  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  des  Karzinoms“.  Die  Trematode 
Pilharzia  haemato'fcium,  die  im  lebenden  Menschen  in  den 


Unterleibsvenen  lebt  und  ihre  Eier  in  die  Schleimhaut  des 
Intestinal-  und  uropoetischen  Systems,  besonders  in  der  Blasen¬ 
schleimhaut,  ablegt,  verursacht  dadurch  bei  ihren  Wirten 
schwere  Krankheitserscheinungen.  Hämaturie,  Strangurie, 
Albuminurie,  Diarrhöen  treten  auf  und  sind  durch  Zystitis, 
Enteritis,  Ureteritis,  Pyelonephritis  oder  durch  Stein  und  Tu¬ 
morbildung  veranlasst.  Neben  gutartigen  Granulationstumoren 
und  einigen  Zottenpolypen  zeigt  uns  G  ö  b  e  1  K.ankroide,  Karzi¬ 
nome  verschiedenster  Form  und  ein  Sarkom  der  Blase.  Neben 
den  Tumoren  besteht  eine  Zystitis,  die  Verfasser  mit  der  sogen. 
Cystitis  cystica  vergleicht  und  die  er  mit  Recht  nach  ihrer 
Ursache  Bilharziazystitis  nennt,  da  sie  offenbar  durch  die 
Infarzierung  der  Schleimhaut  mit  Bilharziaeiern  verursacht  ist. 
Der  Sitz  der  Tumoren  wurde  überall  an  der  Blasenwand  ge-' 
funden.  Ohne  nun  näher  auf  die  ausführliche  und  genaue  Ar¬ 
beit  eingehen  zu  können,  ist  es  mir  aufgefallen,  dass  teilweise 
eine  grosse  Aehnlichkeit  der  äusseren  Gestaltung  dieser  Tu¬ 
moren  mit  den  Tumoren  bei  Anilinarbeitern,  soweit  ich  solche 
gesehen  habe,  besteht.  Auch  histologisch  werden  sich  bei 
einem  Vergleich  manche  Aehnlichkeiten  in  der  Struktur  finden 
lassen.  Im  Sitz  der  Geschwülste  besteht  ein  wichtiger  Unter¬ 
schied,  da  alle  mir  bekannten  Tumoren  bei  Anilinarbeitern  im 
Blasengrunde  nahe  den  Ureterenmiindungen  sassen,  die  Tu¬ 
moren  bei  Bilharziakrankheit  dagegen  an  allen  Stellen  der 
Blasenwand  Vorkommen.  Dieser  Sitz  der  Neubildungen  ent¬ 
spricht  wohl  der  Wirkung  des  Reizes,  der  bei’  Bilharziablasc 
ursprünglich  wohl  an  der  Stelle  der  grössten  Eieransammlung, 
die  an  jeder  beliebigen  Stelle  der  Blase  auftreten  kann,  bei 
chronischer  Anilinvergiftung  im  Blasengrunde  und  an  der 
Ureterenmtindung,  die  dauernd  von  Urin  bespült  werden,  am 
grössten  ist;  denn  der  mit  Reizstoffen  beladene  Urin  ist  im 
letzteren  Falle  wohl  zweifellos  die  Reizursache.  Ueber  Ver¬ 
änderung  der  Blasenschleimhaut  kann  ich  nichts  berichten. 
Wenn  Veränderungen  der  Schleimhaut  da  sind,  so  machen  sie 
doch  für  gewöhnlich,  abgesehen  von  dem  Urindrang,  keine  be¬ 
sonderen  Symptome. 

Eine  weitere  Vergleichsgelegenheit  der  beiden  Tumorarten 
scheint  mir  in  der  hohen  Prozentzahl  maligner  Bildungen  zu 
liegen.  G  ö  b  e  1  gibt  die  Zahl  der  malignen  Tumoren  auf  wenig¬ 
stens  50  Proz.  aller  Neubildungen  an.  Herr  Dr.  Schwerin 
in  Höchst  a.  M.,  dem  ich  für  die  liebenswürdige  Ueberlassung 
des  Tumormaterials  zu  bestem  Dank  verpflichtet  bin,  gab  mir 
an,  dass  nach  seiner  Beobachtung  weit  mehr  als  die  Hälfte 
aller  Blasentumoren  bei  Anilinarbeitern  rezidiviert.  Eine  ge¬ 
naue  Aufstellung  ist,  soviel  ich  weiss,  noch  nicht  vorhanden 
und  bedarf  es  hierzu  noch  einer  grösseren  Reihe  mikroskopisch 
untersuchter  Tumoren.  Später  hoffe  ich  mit  Herrn  Dr. 
Schwerin  zusammen  noch  über  eine  grössere  Reihe  auch 
mit  genaueren  klinischen  Daten  berichten  zu  können.  Da  es, 
glaube  ich  von  allgemeinem  Interesse  ist,  sich  ein  Urteil  über 
diese  Tumoren  zu  bilden,  so  möchte  ich  vorläufig  den  von 
Rehn  veröffentlichten  Fällen  fünf  weitere  anschliessen.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  von  Blasentumoren  stellt  grosse 
Anforderungen  an  eine  genaue  Beobachtung.  Schuchardt 
und  Borst  machen  besonders  darauf  aufmerksam,  dass  sich 
ein  Tumor  mit  maligner  Anlage  oft  als  harmlos  darstellt  und 
man  nur  an  der  Basis  vereinzelt  Stellen  im  Epithelüberzug  der 
Zotten  findet,  wo  ein  oft  nur  geringes  destruierendes  Vor¬ 
dringen  des  Epithels  in  die  Basis  der  Zotten  oder  in  die  Blascn- 
wand  stattfindet.  Deshalb  soll  man  immer  einige  Serien  von 
jedem  Tumor  schneiden. 

Die  Krankengeschichte  unserer  fünf  Fälle  lässt  sich  sehr 
einfach  zusammenfassen.  Sämtliche  Leute  waren  schon  jahre¬ 
lang  in  Anilinräumen  tätig  und  kamen  eines  Tages  mit  Blut¬ 
harnen  in  das  Krankenhaus.  Durch  das  Zystoskop  wurden 
dann  die  Tumoren,  die  alle  im  Trigonum  sassen,  festgestellt  und 
von  Herrn  Dr.  Schwerin  durch  Sectio  alta  entfernt.  Alle 
wurden  anscheinend  geheilt  entlassen,  ob  Rezidive  eingetreten 
sind,  ist  mir  nicht  genauer  bekannt. 

Betrachten  wir  zunächst  die  anatomisch-histologisch  gut¬ 
artigen  Tumoren. 

Tumor  I  ist  eine  klein-kirschgrosse,  breitbasige  Geschwulst  mit 
fein  papillärer  Oberfläche.  Histologisch  zeigt  sie  rein  papillären 
Bau.  Die  Papillen  besitzen  sehr  wenig  Stroma,  da  sie  nur  aus 
spärlichem,  zum  Teil  von  Blutgefässen  durchzogenen  Bindegewebe 


6.  Augüst  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1575 


bestehen.  Die  Papillen  sind  vielfach  gegliedert  und  von  einer  sehr 
dicken  Lage  vielschichtigen  Epithels  überzogen,  das  stellenweise 
noch  den  Charakter  mehrzeiligen  Epithels  aufweist.  Die  Papillen 
sind  vielfach  miteinander  verklebt  und  ihre  Epithelüberzüge  gehen 
ineinander  über.  Die  Epithelien  sind  von  spindeliger  Form  und 
senkrecht  zur  Achse  des  Papillenstromas  gelagert.  Die  Geschwulst 
besteht  nur  aus  Papillen,  der  Boden  der  Geschwulst  und  Blasenwand¬ 
bestandteile  fehlen,  ln  der  Nähe  der  Gefässe  finden  sich  einzelne 
Herde  kleinzelliger  Infiltration. 

Tumor  II  ist  von  breitbasiger.,  mandelförmiger  Gestalt  mit  fein 
papillärer  Oberfläche.  Er  zeigt  grosse  Aehnlichkeit  mit  Tumor  I. 
Das  Papillenstroma  ist  nur  sehr  wenig  entwickelt  und  reich  an 
Blutgefässen  und  Kapillaren.  Das  Epithel,  das  in  dicker  Lage  die 
Papillenoberfläche  bildet,  ist  grösstenteils  vielzeilig,  stellenweise  viel¬ 
schichtig.  Einzelne  Papillen  sind  miteinander  verklebt,  der  Rest  vom 
Geschwulstboden  an  der  exstirpierten  Geschwulst  zeigt  im  lockeren 
Bindegewebe  eine  sehr  starke,  rundzeilige  Infiltration,  die  sich  stellen¬ 
weise  auch  in  die  Papillen  selbst  fortsetzt. 

Tumor  III  ist  eine  kirschkerngrosse  Geschwulst  mit  schmaler 
Basis  und  fein  papillärer,  sammetartiger  zarter  Oberfläche.  Histo¬ 
logisch  besteht  er  aus  sehr  langen  feinen  Papillen,  die  pinselhaar- 
förmig  zusammenstehen.  Das  Stroma  wird  nur  von  wenigen  Binde¬ 
gewebsfasern,  die  reich  an  stark  erweiterten  Blutgefässen  sind,  ge¬ 
bildet.  Es  nimmt  auf  diese  Art  nahezu  angiomatösen  Charakter  an. 
Die  Oberfläche  der  Papillen  bezw.  das  sie  überkleidende  Epithel  zeigt 
grosse  Faltungen.  Das  Epithel  selbst  ist  mehrzeilig,  stellenweise 
mehrschichtig.  Der  Geschwulstboden  wird  von  lockerem,  von  zahl¬ 
reichen  Blutgefässen  durchzogenem  Bindegewebe  gebildet.  Hie  und 
da,  meist  in  der  Umgebung  von  Blutgefässen,  finden  sich  grössere 
und  kleinere  Herde  von  Rundzellen;  auch  in  der  der  Mukosa  an¬ 
grenzenden  Muskulatur  finden  sich  auffallend  stark  erweiterte  Ge¬ 
fässe.  Die  innersten  Schichten  der  Blasenmuskulatur  sind  von 
reichlichem  Bindegewebe  durchsetzt. 

Bei  diesen  drei  in  ihrem  pathologisch-anatomischen  Auf¬ 
bau  gutartigen  Tumoren  kann  man  zwei  Arten  unterscheiden. 
Tumor  I  und  II  mit  der  fein  papillären  mehr  als  kleinhöckerig 
zu  bezeichnenden  Oberfläche  kann  man  wohl  als  einfache  Gra¬ 
nulationstumoren  bezeichnen.  Die  papilläre  Struktur  der  Ober¬ 
fläche  wird  erst  unter  dem  Mikroskop  deutlich.  Tumor  II 
stellt  einen  richtigen  Zottenpolyp  dar,  wie  sie  unter  anderem 
von  Küster  trefflich  beschrieben  worden  sind.  Allen  drei 
Tumoren  gemeinsam  ist  eine  sehr  starke  Entwicklung  des  über¬ 
kleidenden  Epithels  und  so  weit  der  Geschwulstboden  vor¬ 
handen  ist,  eine  starke  herdförmige  kleinzellige  Infiltration 
desselben. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  beiden  bösartigen  Neubildungen, 
so  haben  wir  in  Tumor  IV  eine  klein-haselnussgrosse  Geschwulst 
mit  klein-papillärer  Oberfläche.  Ihr  Sitz  war  dicht  an  der  rechten 
Uretermündung.  Mikroskopisch  zeigen  die  Randpartien  der  Ge¬ 
schwulst  eine  ziemlich  verdickte  aus  lockerem  Bindegewebe  be¬ 
stehende  Mukosa,  die  von  einem  dünnen  mehrzeiligen  Epithel  über¬ 
zogen  ist.  Die  Mukosa  ist  ziemlich  gefässreich.  An  einzelnen  Ge- 
fässen  zeigen  die  Leukozyten  intravaskuläre  Randstellung,  zum  Teil 
sind  sie  bereits  auf  der  Durchwanderung  durch  die  Gefässwände  be¬ 
griffen.  In  den  der  Tumorwucherung  näher  liegenden  Partien 
nimmt  der  Zellgehalt  der  Mukosa  zu;  hauptsächlich  finden  sich 
eosinophile  Zellen  neben  kleinen  einkernigen  Rundzellen.  Letztere 
bilden  stellenweise  grosse  rundliche  Herde  von  follikelähnlichem  Aus¬ 
sehen.  Das  Zentrum  dieser  Herde  wird  von  grösseren  Rundzellen 
mit  rundem  bläschenförmigen  Kern  gebildet.  Das  Epithel  nimmt 
allmählich  an  Dicke  zu,  aus  dem  mehrzeiligen  wird  ein  vielzeiliges, 
zum  Teil  vielschichtiges  Epithel.  Die  Mukosa  gewinnt  starke  papil¬ 
läre  Gliederung.  Die  Papillen  springen  über  das  Niveau  der  Mukosa 
vor.  Die  Papillen  selbst  zeigen  vielfach  sekundäre  Sprossung.  Das 
sie  überziehende  Epithel  zeigt  zum  Teil,  ohne  dass  das  Stroma  sich 
daran  .beteiligt,  Faltungen,  so  dass  ein  überaus  zierlich  verästeltes 
Gebilde  entsteht.  Auch  nach  der  Tiefe  zu  entsteht  eine  Wucherung 
des  Epithels,  in  Form  schmaler,  zum  Teil  drüsenähnlicher  Züge,  zum 
Teil  in  Form  solider  Epithelsprossen.  Einzelne  dieser  drüsenartigen 
Epithelschläuche  sind  zystisch  erweitert.  Ihr  Lumen  ist  ebenso 
wie  das  mancher  schmaler  drüsenförmiger  Epithelzüge  von  einer 
sich  mit  Hämatoxylin  blaufärbenden  fädigen  Gerinnungsmasse  aus¬ 
gefüllt.  Das  zwischen  dem  wuchernden  Epithel  liegende  Binde¬ 
gewebe  ist  von  lockerem  Bau  und  ziemlich  stark  von  Rundzellen 
(eosinophylen  Zellen  —  Leukozyten  —  Lymphozyten)  durchsetzt. 
Die  Epithelwucherung  findet  sich  nur  im  Gebiete  der  Mukosa  selbst, 
auf  die  Muskularis  greift  sie  nirgends  über,  doch  finden'  sich  auch 
in  den  tiefsten  Schichten  der  Mukosa  noch  zahlreiche,  schmale, 
meist  solide  Epithelstränge.  In  die  Basis  der  Geschwulst  einge¬ 
lagert  finden  sich  mehrere  grössere  follikelähnliche  Rundzellen- 
anhäufungen.  An  anderen  Stellen  der  Geschwulst  zeigen  sich  neben 
plumpen,  grösstenteils  von  vielschichtigem  Epithel  überzogenen  Pa¬ 
pillen  überaus  zierliche  zottenförmige  Wucherungen  mit  nur  wenigen 
Bindegewebsfasern  als  Stroma.  Ueberzogen  sind  diese  Zotten  von 
einzeiligem,  stellenweise  auch  von  zwei-  bis  dreizeiligem  Zylinder¬ 


epithel.  Auch  diese  Zotten  zeigen  zahlreiche  sekundäre  Faltungen, 
an  denen  sich  das  feine  Stroma  beteiligt. 

Diese  so  abwechslungsreich  gebaute  Geschwulst  möchten 
wir  als  adenomatösen  Tumor  mit  karzinomatösem  Charakter 
bezeichnen.  Wenn  auch  das  Epithel  noch  nicht  in  die  Musku¬ 
latur  der  Blase  vorgedrungen  ist,  so  stellen  doch  die  zahl¬ 
reichen  soliden  Epithelstränge  in  der  Mukosa  deu  bösartigen 
Charakter  der  Neubildung  ausser  Frage.  Die  zahlreich  zu  be¬ 
obachtende  Auswanderung  weisser  Blutkörperchen  aus  den 
Gefässen  zeigt  wohl,  dass  die  Geschwulst  sich  im  Zustande 
einer  lebhaften  Entzündung  befindet,  vielleicht  übt  auch  die 
beginnende  bösartige  Epithelwucherung  einen  Einfluss  darauf 
aus.  Bei  der  Operation  machte  die  Geschwulst  makroskopisch 
einen  durchaus  gutartigen  Eindruck. 

Tumor  V  ist  ein  halbkirschgrosser  breitbasiger  Tumor  mit  grauer 
kleinhöckeriger  Oberfläche  und  von  halbkugeliger  Gestalt.  Das 
untersuchte  Stück  besteht  nur  aus  Tumor.  Von  der  Blasenwand 
selbst  ist  am  Schnitt  nichts  zu  sehen.  Mikroskopisch  zeigt  der  Tumor 
an  seiner  Oberfläche  noch  eine  Andeutung  von  papillärem  Bau.  Die 
Papillen  sind  aber  grösstenteils  miteinander  verwachsen,  indem  die 
benachbarten  Epithelbezüge  miteinander  in  Verbindung  treten.  Die 
Hauptmasse  des  Tumors,  besonders  die  zentralen  Partien,  bestehen 
aus  einem  feinen,  netzartigen  Stroma,  dessen  Maschen  dicht  mit 
Epithelien  ausgefüllt  sind.  Die  Epithelmassen  sind  in  soliden  Nestern 
vereinigt,  nur  hier  und  da  zeigt  sich  in  den  Alveolen  noch  eine 
Anordnung  des  Epithels,  die  an  die  mehrzeilige  Anordnung  des 
Blasenepithels  erinnert.  Unter  den  Zellen  selbst  finden  sich  zahl¬ 
reiche.  mehrkernige  Zellen  und  Zellen  mit  sehr  grossen  Kernen, 
auch  Zellen  mit  mitotischen  Vorgängen  in  den  Kernen  sind  zahl¬ 
reich  zu  beobachten.  Die  Epithelnester  sind  stellenweise  sehr  gross 
und  zeigen  dann  in  ihren  zentralen  Partien  körnigen  Zerfall  der 
Geschwulstzellen. 

Wir  sehen  also  ein  atypisches  Wachstum  und  alveoläre 
Anordnung  der  Epithelwucherung  vereinigt.  Die  Geschwulst 
zeigt  keinen  papillären  Bau  mehr  und  wir  können  sie  mit 
vollem  Recht  als  Karzinom  bezeichnen.  Es  fehlt  zwar  der 
Nachweis  dies  destruierenden  Vordringens,  aber  sicher  nur,  weil 
an  dem  untersuchten  Teile  kein  Geschwulstboden  mehr  vor¬ 
handen  ist.  So  viel  ich  mich  erinnere,  hat  mir  auch  Herr  Dr. 
Schwerin  später  mitgeteilt,  dass  der  Mann  an  einem  Re¬ 
zidiv  gestorben  sei. 

Wir  sehen  in  vorstehendem,  wie  sich  die  verschieden¬ 
artigsten  Tumoren  bei  sonst  ganz  gleichen  Verhältnissen  ent¬ 
wickeln.  Wir  müssen  unbedingt  für  alle  die  gleiche  Ursache, 
den  chronischen  Reiz  des  Anilinkörper  führenden  Harnes  auf 
die  Blasenwand  annehmen.  Anders  Hesse  es  sich  doch  nicht  er¬ 
klären,  warum  gerade  die  Anilinarbeiter  eines  grossen  Werkes 
soviel  häufiger  von  diesem  Leiden  befallen  werden,  als  die 
andersartig  Beschäftigten.  Eiir  diese  gemeinsame  Ursache 
spräche  auch  eine  den  beschriebenen  Tumoren  gemeinsame 
Eigentümlichkeit;  es  ist  dies  die  bei  allen  auch  bei  den  gut¬ 
artigen  Tumoren  auffallend  starke  Beteiligung  des  Epithels. 
Immer  kommt  es  zu  einer  vielschichtigen  Epithelentwicklung. 
Ob  daran  die  in  Betracht  kommenden  chemischen  Spezial¬ 
körper  einen  bestimmten  Anteil  haben,  wage  ich  nicht  zu  ent¬ 
scheiden.  Es  Hesse  sich  vielleicht  durch  Versuche  nach  dem 
Vorgänge  Fischers  in  Bonn  klarstellen.  Der  starken 
Epithelentwicklung  entspricht  es  auch,  dass  die  beiden  bös¬ 
artigen  Geschwülste  Karzinome  sind.  Auch  den  bösartigen 
Tumor,  über  den  Rehn  berichtet,  möchte  ich  gern  zu  den 
Karzinomen  rechnen;  aus  dem  Berichte  Marchands  geht 
hervor,  dass  die  Blasenoberfläche  des  Tumors  schon  stark 
zerfallen  war.  Die  Abbildung,  die  er  von  dem  Geschwulst¬ 
gewebe  gibt,  zeigt  Aehnlichkeiten  mit  Tumor  V,  wo  die 
tiefer  liegenden  Geschwulstzellen  auch  nicht  mehr  als  Blasen¬ 
epithelzellen  zu  erkennen  wären,  wenn  nicht  die  Diagnose  bei 
der  erhaltenen  Geschwulstoberfläche  viel  sicherer  und  leich¬ 
ter  wäre.  Gemeinschaftlich  sind  auch  allen  Tumoren  die 
Rundzellenherde  als  Zeichen  entzündlichen  Reizes.  Zur  Er¬ 
klärung  dürfen  wir  wohl  nicht  einen  spezifischen  Reiz  des 
Harnes  allein  annehmen,  der  Umstand,  dass  dieTumoren,  deren 
Körper  in  den  freien  Blasenraum  hineinragen,  dauernd  physi¬ 
kalischen  Reizen  ausgesetzt  sind,  würde  ja  ebenfalls  zur  Er¬ 
klärung  dieser  Erscheinung  genügen.  Wenn  wir  den  Charakter 
der  Tumoren  betrachten,  so  haben  wir  unter  acht  Neu¬ 
bildungen  drei  bösartige,  darunter  Tumor  IV,  dessen  Charakter 
erst  bei  genauer  histologischer  Untersuchung  erkennbar  war. 
Für  ein  statistisches  Urteil  ist  das  Material  zu  klein,  aber  wir 


1576 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


erkennen  doch  daran:  der  Charakter  dieser  Tumoren  ist  ein 
zweifelhafter  in  jedem  zur  Behandlung  kommenden  Fall,  so¬ 
lange  nicht  die  histologische  Untersuchung  genauen  Aufschluss 
gegeben  hat.  Die  Operation  soll  darum  in  jedem  Fall  eine  so 
radikale  sein,  als  es  bei  den  oft  sehr  schwierigen  Verhältnissen 
im  Trigonum  und  an  den  Urterenmündungen  nur  immer  mög¬ 
lich  ist. 

Benutzte  Literatur: 

L.  Rehn:  Blasengeschwülste  bei  Anilinarbeitern.  Vortrag  v.  Dr. 
L.  Rehn  auf  dem  Kongr.  f.  Chir.  zu  Berlin  1895.  —  Ernst  Küster: 
Ueber  Harnblasengeschwülste  und  deren  Behandlung.  Sammlung 
klin.  Vorträge  No.  267 — 268,  1886.  —  F  i  s  c  h  e  r  -  Bonn:  Die  ex¬ 
perimentelle  Erzeugung  typischer  Epithelwucherungen  und  die  Ent¬ 
stehung  bösartiger  Geschwülste.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 
—  Goebel:  Ueber  die  bei  Bilharziakrankheit  vorkommenden 
Blasentumoren,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Karzinoms. 
Zeitschr.  f.  Krebsforschung,  III.  Bd.,  H.  3. 


Zur  Wirkungsweise  der  „Scharlachöl“- Injektionen 
B.  Fischers  bei  der  Erzeugung  karzinomähnlicher 

Epithelwucherungen. 

Von  Dr.  M.  Oscar  W  y  s  s  in  Zürich. 

Zu  den  in  letzter  Zeit  hier  mitgeteilten,  höchst  interessanten 
Versuchen  Fischers,  die  von  J  o  r  e  s  und  S  t  a  h  r  nach¬ 
geprüft  wurden  und  zu  ihren  weiteren  Ausführungen  möchte 
ich  im  folgenden  einige  Bemerkungen  anschliessen.  Es  fiel  mir 
nämlich  in  den  erwähnten  Mitteilungen  auf,  dass  allem  nach 
weniger  die  Substanz  in  Betracht  kommt,  die  eingespritzt  die 
bekannt  gewordenen  Epithelwucherungen,  Karzinombildungen 
verursacht,  als  ganz  besonders  die  Art  und  Weise,  wie  die 
Einspritzungen  gemacht  wurden.  Fischer  schon  erwähnte, 
dass  die  Injektionen  unter  starkem  Druck  und  mit  einer 
grösseren  Menge  gemacht  werden  müssen,  um  Erfolge  zu  er¬ 
zielen.  J  o  r  e  s  hebt  hervor,  dass  das  Vorhandensein  einer 
grossen,  schwer  resorbierbaren  Oelmasse,  wenn  auch  in  ziem¬ 
licher  Entfernung  vom  Epithel,  eher  zur  Haarbalgverdickung 
führt,  als  wenn  die  Haarbälge  mit  Oeltropfen  („Scharlachöl“) 
umlagert  sind.  Auch  S  t  a  h  r  betont  insbesondere,  dass  er  bei 
den  Injektionen  das  Bindegewebe,  welches  sich  zwischen  Epi¬ 
thel  und  Perichondrium  straff  ausspannt,  sehr  prall  mit  der  In¬ 
jektionsmasse  anfüllte.  Er  bemerkt  im  ferneren:  „Schon  oben 
deutete  ich  darauf  hin,  dass  in  der  anatomischen  Beschaffenheit 
der  Gegend,  hier  des  Kaninchenohrs,  und  der  Verbindung  des 
Epithels  mit  dem  Knorpel  ein  Grund  gesucht  werden  muss 
für  das  prächtige  Gelingen  der  Injektionen  gerade  an  dieser 
Stelle.  Die  pralle  Füllung  der  straffen  subepithelialen  Binde- 
gewebsschicht  wird  aber  bei  der  so  langsam  erfolgenden  Re¬ 
sorption  des  Oeles  lange  Zeit  einen  Druck  auf  das  Epithel  und 
zwar  dessen  junge  Schichten  zulassen.  Nie  aber  dürfen  wir 
vergessen,  neben  der  Analyse  des  Reizes  und  der  Erforschung 
des  schädlichen  Agens  auch  die  besondere  Beschaffenheit  des 
Ortes  ins  Auge  zu  fassen.“ 

Dazu  kommt  nun,  dass  Fischer  Neubildungen  im  Epi¬ 
thel  auch  dann  beobachtet  hat,  wenn  er  Injektionen  machte  mit 
Agar,  der  in  einem  Falle  mit  phosphorsaurem  Kalk,  im  anderen 
mit  kohlensaurem  Kalk  versetzt  war.  Allerdings  konnte  er 
hier  die  Erscheinung  nur  zweimal  beobachten.  Immerhin 
spricht  das  dafür,  dass  die  Neubildung  nicht  auf  eine  spezifische 
chemische  Einwirkung  hin  entsteht. 

In  einer  Mitteilung  „Zur  Entstehung  der  Röntgenkarzi¬ 
nome  der  Haut  und  zur  Entstehung  des  Karzinoms  im  allge¬ 
meinen“  in  der  Festschrift  K  r  ö  n  1  e  i  n  (Beitr.  z.  klin.  Chir., 
Bd.  XLIX,  März  1906)  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass  nach 
meinen  Untersuchungen  die  Ursache  für  die  schrankenlose 
Teilung  der  Epithelzellen,  d.  h.  eben  für  die  Entstehung  kleiner 
Hautkarzinome,  in  der  vollständig  mangelnden  Ernährung  einer 
Epithelzellengruppe  mit  Blut  (Blutserum  etc.)  zu  suchen  ist. 
Diese  mangelnde  Ernährung,  so  schloss  ich  aus  mikroskopi¬ 
schen  Untersuchungen  weiter,  kommt  dadurch  zustande,  dass 
die  Gefässe  unter  dem  Epithel  allmählich  enger  geworden  und 
obliteriert  sind.  Dadurch  werden  die  Epithelzellen  genötigt, 
ihre  Nahrung  direkt  aus  den  ihnen  zunächst  liegenden  Zellen 
oder  Geweben  zu  entnehmen  (vermöge  ihres  vermehrten  nega¬ 
tiven  osmotischen  Druckes).  Dadurch  werden  die  Zellen 


gleichsam  zu  Parasiten.  Ob  eine  solche  Störung  im  normalen 
Wachstum  der  Zellen  eventuell  in  einer  mangelnden  Zufuhr 
von  einem  Wachstumshemmungsferment,  das  im  Blut  mit¬ 
geführt  würde,  beruhe,  liess  ich  dahingestellt. 

Nun  schienen  mir  beim  Durchlesen  der  Arbeit  B.  Fischers 
seine  Versuche  eine  Bestätigung  meiner  Ansicht  zu  sein,  da 
gerade  Fischer  diesen  Ausschluss  des  Epithels  von  der 
Blutzirkulation  experimentell  sehr  schön  erzeugt  hatte.  Er 
hatte  eine  Zwischenschicht  zwischen  Epithel  und  Bindegewebe 
eingelagert,  die,  unter  einem  erheblichen  Druck  stehend,  beide 
dauernd  von  einander  trennte.  Resorbierbare  Flüssigkeiten 
machen  eine  solche  Trennung  nur  vorübergehend,  da  sie  bald 
wieder  entfernt  werden;  nicht  resorbierbare  dagegen  erfüllen 
diese  Bedingung,  d.  h.  sie  isolieren  das  Epithel  von  der  Säfte¬ 
zufuhr.  Dazu  kommt,  dass  besonders  J  o  r  e  s  und  auch  S  t  a  h  r, 
wie  wir  oben  bemerkten,  darauf  hinweisen,  dass  nur  „Schar¬ 
lachöl“,  das  unter  Druck  stehe,  die  gewünschte  Epithelwuche¬ 
rung  zur  Folge  habe  (also  prall  eingespritzt  und  zwar  zwischen 
Knorpel  und  Epithel  des  Kaninchenohres,  wodurch  dann  der 
Knorpel  einen  dauernden  Gegendruck  ausübt).  Durch  diesen 
andauernden  Druck  wird  das  Epithel  seiner  Nahrungszufuhr 
durch  Saftspalten,  kleine  Gefässe  etc.  beraubt  und  beginnt  zu 
wuchern;  wäre  der  Reiz  des  Scharlachöls  auf  das  Epithel  ein 
rein  chemischer,  so  würde  auch  eine  Wucherung  bei  Injektionen 
an  anderen  Stellen  entstehen,  oder  wenigstens  auch  dann,  wenn 
die  Injektion  sorgfältig  unter  geringem  Druck  gemacht  wurde. 
Aber  gerade  unter  diesen  Umständen  gelingt  sie,  wie  S  t  a  h  r 
bemerkt,  nicht.  Es  muss  demnach  eine  mechanische  Ursache 
vorliegen,  und  da  handelt  es  sich  nach  meiner  Ueberzeugung 
vor  allem  um  eine  Isolierung  der  Basalzellen  vom  Blut-(Säfte-) 
Strom.  Ob  dieser  Ausschluss  vom  Blutstrom  einen  Ausschluss 
der  betreffenden  Zellpartien  von  einem  im  Blute  kreisenden 
Wachstumshemmungsferment  zur  Folge  hat,  das  dann  auf 
die  isolierten  Zellen  nicht  mehr  einwirken  kann,  oder  ob  es  sich 
mehr  um  veränderte  osmotische  Druckverhältnisse  handelt, 
darüber  können  wir  natürlicherweise  blosse  Vermutungen  auf¬ 
stellen.  Es  wäre  aber  denkbar,  dass  durch  veränderten  os¬ 
motischen  Druck  in  den  isolierten  Zellen  auch  andere  Wachs¬ 
tumsenergie  sich  entwickelt,  in  dem  Sinne,  dass  bei  sehr  hohem 
negativ-osmotischem  Druck  die  isolierten  Zellen  Zellflüssigkeit 
der  Nachbarzellen  durch  Osmose  in  sich  aufnehmen  können  — 
dem  Charakter  des  Parasiten  entsprechend. 

Es  dürfte  also  nach  meiner  Ansicht  die  Wirkungsweise  der 
Scharlachölinjektionen  darin  zu  suchen  sein,  dass  das  Schar¬ 
lachöl  und  auch  andere  Substanzen,  wie  z.  B.  mit  Kalk  ver¬ 
setzter  Agar,  einen  Ausschluss  des  Epithels  von  der  normalen 
Ernährung  mit  Blut  auf  mechanischem  Wege  bedingt. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  des  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Eppendorf. 

Ueber  einen  Fall  von  angeborener  Dünndarmsyphilis 
nebst  Bemerkungen  über  die  ätiologische  Bedeutung 
der  Spirochaete  pallida.*) 

Von  Eug.  Fraenkel. 

Die  Berechtigung  zur  Mitteilung  eines  einzelnen  Falles  von 
angeborener  Dünndarmsyphilis  bedarf  eines  Wortes  der  Be¬ 
gründung.  Als  solches  möchte  ich  zunächst  den  Umstand  er¬ 
wähnen,  dass  derartige  Erkrankungen  an  sich 
nicht  besonders  häufig  sind  und  in  durchaus  ver¬ 
schiedener  Form  in  die  Erscheinung  treten,  und  weiter  die  Tat¬ 
sache,  dass  seit  der  Entdeckung  der  Spirochaete 
pallida,  trotz  der  Fülle  des  danach  veröffentlichten  kasuisti¬ 
schen  Materials  über  kongenitale  Darmsyphilis 
fast  gar  keine  Beobachtungen  vorliegen.  In  der 
ausgezeichneten  Bearbeitung  der  Spirillosen  durch  Sobern- 
h  e  i  m  in  dem  zu  dem  Kolle- Wassermann  sehen  Lehr¬ 
buch  gehörenden  Ergänzungsband,  welche  eine  erschöpfende 
Zusammenstellung  der  auf  die  Spirochaete  pallida  bezüglichen 
Veröffentlichungen  enthält,  habe  ich  gerade  über  das  Thema 
der  kongenitalen  Darmsyphilis  und  das  Verhalten  der  Spiro- 


*)  Nach  einer  Demonstration  im  Hamburger  ärztl.  Verein  am 
15.  Mai  1906. 


6.  August  1907.  , _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


chaete  pallida  dabei  Angaben  vermisst.  Mit  Rücksicht  darauf 
und  weiter  in  Erwägung  des  Umstandes,  dass  die  Art  der  Er¬ 
krankung  in  dem  gleich  zu  berichtenden  Fall  eine  sehr  unge¬ 
wöhnliche  war,  namentlich  auch  hinsichtlich  der  durch  sie 
hervorgerufenen  Folgezustände,  erschien  es  mir  wünschens¬ 
wert,  denselben  eingehender  zu  veröffentlichen  und  an  der 
Hand  der  beigegebenen  Photogramme  die  Beziehungen  zwi¬ 
schen  den  im  Darm  lokalisierten  Krankheitsherden  zu  den  hier 
angesiedelten  Spirochäten  zu  erläutern. 

Es  handelt  sich  um  einen  frühreifen,  47  cm  langen,  von  einer 
28  jähr.  Mutter,  bei  der  Syphilis  nicht  nachweisbar  war,  geborenen 
Knaben,  der  von  der  Mutter  genährt  wurde  und  unter  den  Erschei¬ 
nungen  der  Peritonitis  am  5.  Lebenstage  zu  gründe  ging.  Die 
Sektion  ergab  folgenden  Befund:  Am  Nabel  nichts  abnormes. 
In  der  eröffneten  Bauchhöhle  finden  sich  100  ccm  trübrötlicher  Flüs¬ 
sigkeit.  Ein  Teil  der  Dünndarmschlinge  ist  unter  Bildung  eines  un¬ 
entwirrbaren  Knäuels  fest  mit  einander  vereinigt.  Sowohl  die 
Serosa  dieser  als  der  nicht  unter  einander  verwachsenen  Darm¬ 
schlingen  zeigt  graugelben,  eitrigen  Belag.  Der  Wurmfortsatz  ist  frei. 
Milz  6:4:2,  Kapsel  glatt,  Pulpa  ziemlich  fest,  Follikel  wenig  deut¬ 
lich.  Nebennieren  nicht  verändert.  Niere  6:4:3,  Oberfläche  glatt, 
Parenchym  blassrot,  nirgends  Herde.  Leber  11:9:6,  im  Parenchym 
3  hanfkorngrosse,  mikroskopisch  als  Gallengangsadenome  erkannte 
Herde.  Sonst  ist  an  dem  Lebergewebe  nichts  abnormes.  Die  verwach¬ 
senen  Dünndarmschlingen  gehören  dem  oberen  Ileum  an.  An  den  auf¬ 
geschnittenen  Darmschlingen  erkennt  man  auf  der  Schleimhaut  quer 
zur  Längsachse  des  Darms  gestellte,  scharf  abgegrenzte,  zum  Teil 
bis  an  die  äusserst  verdünnte  Serosa  heranreichende  Substanzver¬ 
luste.  Die  Darmwand  ist  hier  vollkommen  durchscheinend  und  reisst 
bei  leisestem  Zug  ein.  Ausserdem  finden  sich  auf  der  Schleimhaut 
mehrfach  beetartige,  in  der  Farbe  nur  wenig  gegen  die  der  Umgebung 
abstechende,  Erhabenheiten,  denen  entsprechend  an  der  Serosa  keiner¬ 
lei  Veränderungen  erkennbar  sind.  Das  untere  Ileum,  sowie  das  Je¬ 
junum  und  Duodenum,  desgleichen  der  Dickdarm  bieten  vollkommen 
normale  Verhältnisse.  Hoden  im  Skrotum.  - —  Die  Thymusdrüse  über¬ 
lagert  den  Herzbeutel.  Herz  frei  von  Veränderungen.  In  den  Lungen 
atelektatische  Stellen.  Auf  den  Gaumenmandeln  schmieriger,  grau- 
gelber  Belag.  Oberflächliche  Epitheldefekte  auf  der  Schleimhaut  der 
Stimmbänder. 

Die  Deutung  des  Falles  stösst  auf  keinerlei  Schwierigkeiten. 
Die  Obduktion  hat  neben  Zeichen  einer  älteren,  sich 
durch  untrennbare  Synechien  zwischen  obe¬ 
ren  Jejunum  schlingen  dokumentierenden, 
Peritonitis  eine  frische  eitrige  Bauchfell¬ 
entzündung  zu  Tage  gefördert.  Da  der  Knabe  ein  Alter 
von  nur  5  Tagen  erreicht  hat,  die  zwischen  den  Dünndarm¬ 
schlingen  vorhandenen  fibrösen  Verwachsungen  auf  ein  viel 
längeres  Bestehen  des  peritonitischen  Prozesses  hinwiesen,  so 
kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  der  Beginn 
dieser  chronischen  Peritonitis  in  das  intra¬ 
uterine  Leben  verlegt  werden  muss. 

Auch  die  Aetiologie  dieser  chronischen 
Bauchfellentzündung  ist  vollkommen  durchsichtig. 
Sie  ist  ausgelöst  durch  die  über  einen  Teil  des 
Jejunum  ausgebreiteten  Krankheitsherde,  wie  sie 
sich  teils  als  tiefgreifende  glattrandige  Geschwüre,  teils 
als  flache,  das  Niveau  der  Schleimhaut  beetartig  über¬ 
ragende  Anschwellungen  präsentieren.  Zu  dieser 
intrauterin  entstandenen  chronischen  Peritonitis  hat  sich 
während  des  kurzen  extrauterinen  Lebens  des  Kindes,  nach 
erfolgter  Nahrungsaufnahme,  unter  Vermittlung  der  an  den 
geschwürigen  Stellen  maximal  verdünnten  Darmwand,  eine 
akute  Infektion  der  freien  Bauchhöhle,  eine  frische,  eitrige 
Peritonitis  gesellt,  wodurch  der  Tod  des  Kindes  herbeigeführt 
worden  ist. 

Ueber  die  Natur  des  ulzerösen  Prozesses  im 
Darm  gab  die  Sektion  keinen  absolut  sicheren  Aufschluss,  da 
weder  an  den  Geschwürsstellen,  noch  an  den  als  Vorläufer 
dieser  aufzufassenden  beetartigen  Anschwellungen  irgend 
welche  charakteristische  Eigentümlichkeiten  festgestellt  wer¬ 
den  konnten.  Nichtsdestoweniger  hielt  ich  mich,  gerade  mit 
Rücksicht  auf  den  zuletzt  erwähnten  Befund  (sc.  die  beetartigen 
Erhabenheiten),  für  berechtigt,  die  Diagnose  auf  kongenitale 
Darmsyphilis  zu  stellen,  obwohl  an  anderen  Organen,  speziell 
des  Unterleibes,  als  sicher  syphilitisch  aufzufassende  Verände¬ 
rungen,  wenigstens  mit  blossem  Auge,  nicht  zu  erkennen  waren. 
Auch  die  mikroskopische  Untersuchung  der  Leber,  des  Pan¬ 
kreas,  der  Nebennieren  ergab  in  dieser  Beziehung  keinen 
weiteren  Aufschluss.  Dagegen  liessen  sich  von  in  Müller- 

No.  32. 


scher  Lösung  unvollständig  entkalkten  Rippen,  deren  makro¬ 
skopische  Besichtigung  eine  sichere  Entscheidung  nicht  ge¬ 
stattete,  die  das  erste  Stadium  der  Osteochondritis  syphilitica 
charakterisierenden  Veränderungen  einwandsfrei  feststellen. 
Dadurch  gewann  die,  auch  in  der  geschilderten  Darmaffektion 
eine  syphilitische  Erkrankung  erblickende,  Annahme  eine  we¬ 
sentliche  Stütze. 

Immerhin  erschien  es  wünschenswert,  zur  weiteren  Be¬ 
gründung  der  Diagnose  wenigstens  den  Versuch  zu  machen,  in 
den  Krankheitsherden  den,  gerade  bei  der  Syphilis  congenita 
meist  mühelos  gelingenden,  Nachweis  der  etwaigen  Anwesen¬ 
heit  der  Spirochaete  pallida  zu  erbringen.  Es  musste  das  in 
diesem  Falle  als  besonders  wertvoll  angesehen  werden,  weil 
man  es  mit  einem  nicht  intrauterin  abgestorbenen,  nicht  faultot 
zur  Welt  gekommenen  Kind  zu  tun  hatte  und  so,  falls  der  ange¬ 
strebte  Spirochätennachweis  positiv  ausfiele,  den  Gegnern  der 
parasitären  Natur  der  sogen.  Silberspirochäte  das  hauptsäch¬ 
lichste  ihrer,  gegen  die  parasitäre  Natur  der  Silberspirochäte 
gerichteten,  Argumente  entzogen  werden  konnte. 

Ich  habe  mich  zur  Darstellung  der  Spirochäten  der  Ber- 
tarelli-Volpino  sehen  Methode  bedient  und  in  den  für 
dieUntersuchung  verwerteten  Darmstücken 
Spirochäten  in  enormerMenge  gefunden,  und  zwar, 
um  das  vorweg  zu  nehmen,  nur  im  Bereich  der 
Krankheitsherde  und  in  deren  unmittelbarster  Um¬ 
gebung,  während  schon  in  geringer  Entfernung  von 
dieser  die  Darmwand  vollkommen  frei  von  Spirochäten 
war.  Innerhalb  der  ‘erkrankten  Stellen  des  Darmes  war 
nun  das  Verhalten  der  Spirochäten  ein  verschiedenes, 
je  nachdem  man  ein  geschwüriges  oder  noch  nicht  zer¬ 
fallenes  Darmstück  durchmusterte.  Um  mit  letzterem  zu  be¬ 
ginnen,  sei  erwähnt,  dass  die  Hauptmasse  der  Spirochäten  sich 
in  den  an  die  kranken  Stellen  unmittelbar  angrenzenden  Stellen 
der  Darmwand,  kurz  ausgedrückt  in  den  Rändern  der  Krank¬ 
heitsherde  aufhielten.  Hier  waren  sie  in  solcher  Menge  vor¬ 
handen,  dass  sie  sich  schon  bei  schwacher  Vergrösserung  als 
ziemlich  breite,  die  Lieberkühn  sehen  Drüsen  und  die  Ka¬ 
pillaren  der  Submukosa  umspinnende  schwarze  Säume  er¬ 
kennen  liessen.  Gegen  die  Muskularis  nahmen  sie  an  Mäch¬ 
tigkeit  ab,  konnten  in  deren  zirkulärer  Schicht  freilich  nur  mit 
stärkeren  Trockensystemen  oder  mit  Immersion  nachgewiesen 
werden,  während  sie  in  dem  longitudinalen  Stratum  vollkommen 
fehlten  und  ebenso  in  den  obersten  Schleimhautlagen  absolut 
vermisst  wurden.  Ganz  in  Uebereinstimmung  mit  den  Angaben 
der  zahlreichen  Autoren,  welche  Organe  kongenital  syphiliti¬ 
scher  Kinder  untersucht  haben,  konnte  ich  sie  auch  in  den  Wan¬ 
dungen  einzelner  Arterienäste  der  Submukosa  eines  nicht  ulze- 
rierten  Herdes  auffinden  und  zwar  durchsetzten  sie  sämtliche 
Wandschichten  der  betreffenden  Gefässe,  dabei  teils  in  der 
Richtung  der  zirkulären  Muskelfasern  teils  senkrecht  zu  diesen 
verlaufend  und  bis  an  das  Endothel  heranreichend.  Bezüglich 
der  in  den  tieferen  Mukosaschichten  vorhandenen  Spirochäten 
habe  ich  bereits  angeführt,  dass  sie  die  Wandungen  der  Lie¬ 
be  r  k  ü  h  n  sehen  Drüsen  umkreisten.  An  vielen  Stellen  ge¬ 
lang  es  indes  auch,  bald  nur  vereinzelte,  bald  mehrere  Exem¬ 
plare  frei  im  Drüsenlumen  oder  zwischen  den  Epithelzellen 
gelagert  zu  erblicken.  An  den  geschwürigen  Herden  erwies 
sich  der  Geschwürsgrund  durchaus  frei  von  Spirochäten,  da¬ 
gegen  waren  diese  in  den  Geschwürsrändern,  auch  hier  haupt¬ 
sächlich  die  Drüsen  umspinnend,  vielfach  untereinander  ver¬ 
filzt,  noch  in  beträchtlicher  Menge  vorhanden,  um  gegen  die 
tieferen .  Schichten  der  Darmwand  hin  rasch  an  Menge  ab¬ 
zunehmen. 

Das  bei  weitem  überwiegende  Gros  der,  den  Nachweis  der 
Spirochaete  pallida  bei  Syphilis  congenita  betreffenden,  An¬ 
gaben  bezieht  sich  auf  Befunde,  welche  bei  tot  oder  totfaul 
geborenen,  meist  von  syphilitischen  Müttern  abstammenden 
Kindern  erhoben  wurden,  ohne  dass  in  den,  auf  die  Anwesen¬ 
heit  von  Spirochäten  untersuchten  Organen  konstant  spezifische 
Läsionen  aufgedeckt  werden  konnten.  Oder  aber  man  hatte  es 
mit  Organen  zu  tun,  welche,  wie  die  Leber,  diffuse  Verände¬ 
rungen  aufwiesen.  Am  massigsten  und  am  regelmässigsten 
wurden  bekanntlich  die  Spirochäten  in  den  Nebennieren  ge¬ 
funden,  welche  sich  fast  ausnahmslos  histologisch  normal  ver¬ 
hielten.  Unter  diesen  Umständen  war  es  von  hervorragendem 

Z 


1578 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Wert,  hier  über  eine  Erkrankung  zu  verfügen,  welche  an  dem 
betreffenden  Organ  zur  Entwicklung  von  Herdaffektionen  Ver¬ 
anlassung  gegeben  hatte. 

•  Nach  den  sattsam  bekannten  Ausführungen  von  Saling, 
Schulze  und  Friedenthal  hätte  man  nun  erwarten 
müssen,  an  den  Stellen  des  stärksten  Gewebszerfalles,  d.  h.  im 
Bereich  der  Darmgeschwüre  auch  die  Hauptmasse  der  Spiro¬ 
chäten  aufzufinden.  Sagt  doch  S  a  1  i  n  g  in  seinen  Diskussions¬ 
bemerkungen  zu  dem  Vortrage  von  B  1  a  s  c  h  k  o  und  Benda 
in  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft  (Berl.  klin.  Wochen¬ 
schrift,  No.  10,  1907,  pag.  293)  „Zur  Darstellung  sogenannter 
Silberspirochäten  im  Gewebe  ist  nichts  weiter  erforderlich  als 
ein  mit  Nekrose  resp.  Gewebszerfall  verbundener  Krankheits¬ 
prozess  und  nachfolgender  Mazeration“.  Keine  einzige  der  von 
Saling  hier  geforderten  Bedingungen  ist  in  dem  vorstehend 
von  mir  geschilderten  Fall  erfüllt  gewesen.  Vor  allem  fehlte 
jede  Spur  von  Mazeration. *)  Und  ferner  bildeten  nicht,  wie 
man  nach  den  Angaben  Salings  erwarten  musste,  die  Stellen 
des  stärksten  Gewebszerfalls  in  der  Darmwand  den  Ort  der 
wichtigsten  Spirochätenansiedlung,  sondern  im  Gegenteil  die 
die  Nekroseherde  bezw.  den  Geschwürsgrund  begrenzenden 
Abschnitte.  Und  diese  wiederum  zeigten  nicht  in  ihrer  ganzen 
Dicke,  sondern  nur  in  ganz  bestimmten  Gewebsschichten  be¬ 
trächtlichere  Spirochätenanhäufungen.  Der  von  Krankheits¬ 
herden  freie  Darm  erwies  sich  schon  in  geringer  Entfernung 
von  diesen  vollkommen  frei  von  Spirochäten,  obwohl  doch  die 
betreffenden  Darmpartien  der  Einwirkung  der  die  Silberspiro- 
cliäte  darstellenden  Agenden  in  genau  der  gleichen  Weise  unter¬ 
worfen  gewesen  sind,  wie  die  von  Nekrose  und  Gewebszerfall 
freien  Randpartien  der  beschriebenen  Herde  im  Darm.  Hier 
liegen  also  nach  jeder  Richtung  klare  Verhältnisse  vor;  ein 
nicht  mazerierter  Fötus,  sondern  ein  erst  am  5.  Lebenstage  ver¬ 
storbenes  Kind  mit  schweren,  auf  ein  intrauterines  Einsetzen 
des  Prozesses  hinweisenden,  bestimmte  Stellen  des  Darmes  be¬ 
treffenden  Veränderungen  und  die  Anwesenheit  von  Spiro¬ 
chäten  ausschliesslich  im  Bereich  der  im  Darm  lokalisierten 
Krankheitsherde.  Wer  vorurteilslos  zu  sehen,  mikroskopische 
Bilder  zu  deuten  und  logische  Schlüsse  zu  ziehen  vermag,  der 
muss  auf  Grund  eines  einzigen  solchen  Falles  zu  der  Ueber- 
zeugung  gelangen,  dass  die  mit  der  Silbermethode  darge¬ 
stellten,  spiraligen  Gebilde  nichts  mit  Gewebsbestandteilen  zu 
tun  haben,  dass  sie  vielmehr  als  etwas  den  Geweben  fremd¬ 
artiges  aufzufassen  sind.  Als  besonders  beweisend  für  die 
parasitäre  Natur  und  g  e  g  e  n  die  von  den  Berliner  Spirochäten¬ 
gegnern  immer  und  immer  wieder  angeführte  Annahme,  dass 
die  Silberspirochäten  Neurofibrillen  entsprächen,  ist  die  La¬ 
gerung  der  Spirochäten  im  Innern  der  Lieber¬ 
kühn  s  c  h  e  n  Drüsen  hervorzuheben.  Es  ist  das  Verdienst 
von  S  i  m  m  o  n  d  s,  auf  diese,  später  auch  von  Verse  be¬ 
schriebene,  Lokalisation  der  Spirochäten  in  Darm  syphilitischer 
Föten  und  auf  ihr  Fehlen  bei  nichtsyphilitischen  u.  zw.  abge¬ 
storbenen,  mazerierten  Früchten  hingewiesen  zu  haben.  Nicht 
die  Mazeration  an  sich  ist  es  also,  welche  mittelst  der  Silber- 
methode  darstellbare  Spirochäten  in  den  Geweben  auftreten 
lässt,  sondern  lediglich  der  Einfluss  der  Syphilis.  Die  Pflicht 
der  Gegner  dieser  Anschauung  ist  es,  den  einwandsfreien  Be¬ 
weis  zu  erbringen,  dass  sie  —  um  bei  dem  uns  hier  beschäf¬ 
tigenden  Organ  zu  bleiben  —  auf  anderem  als  syphilitischem 
Boden  entstandene,  geschwürige  oder  nekrotische  Herde  im 
Darm,  wie  sie  beispielsweise  bei  Typhus  und  Tuberkulose  auf¬ 
treten,  mit  der  gleichen  Silbermethode  dieselben  spirochäten¬ 
artigen  Bildungen  nachweisen.  Es  ist  übrigens  meines  Wissens 
bisher  von  keinem  Beobachter  ein  solcher  Reichtum  der  Darm¬ 
schleimhaut  an  Neurofibrillen  festgestellt  worden,  wie  ihn  hier 
die  grosse  Masse  der,  die  Lieberkiihnschen  Krypten  und  die 
Schleimhautkapillaren  umspinnenden,  Spirochäten  vorgetäuscht 
haben  sollten.  Vollends  spricht  die  Lagerung  der  Spirochäten 
zwischen  den  Epithelien  und  frei  im  Lumen  der  Krypten  und  ihr, 
w  iederum  von  S  i  m  m  o  n  d  s  konstatierter,  oft  massenhafter 
Uebertritt  ins  Mekonium  gegen  eine  solche  Deutung. 

Ich  glaube  nun,  dass  die  hier  absichtlich  etwas  eingehender 
dargelegte  Beobachtung  auch  zu  der  Schlussfolgerung  berech- 


P  cf.  auch  Orths  Diskussionsbemerkungen  zu  dem  Blasch- 
k  o  w  -Benda  sehen  Vortrag  in  No.  11  der  Berl.  klin.  Wochcnschr., 
pag.  319  1.  unten. 


tigt,  dass  die  Spirochäten  ätiologisch  mit  dem  Auftreten  der 
Krankheitsherde  im  Darme  in  Verbindung  gebracht  werden 
müssen,  mit  anderen  Worten,  dass  wir  in  ihnen  die  Erreger 
der  Darmerkrankung  zu  erblicken  haben.  Ihre  ausschliessliche 
Ansiedelung  an  der  Stelle  der  Erkrankung  lässt  meines  Erach¬ 
tens  eine  andere  Auffassung  nicht  zu.  Ausserordentlich  wichtig 
scheint  mir  der  Befund  der  Spirochäten  gerade  in  den  Rändern 
der  erkrankten  Darmstellen.  Sie  bedeutet  wohl  nichts  anderes 
als  die  Progredienz  des  Prozesses.  Da,  wo  die  als  Krankheits¬ 
erreger  in  Betracht  kommenden  Spirochäten  das  Gewebe  ab¬ 
getötet  und  weiterhin  zum  Zerfall  und  zur  Abstossung  mit  kon¬ 
sekutiver  Geschwürsbildung  gebracht  haben,  verschwinden  sie, 
um  in  die  Randpartien  einzudringen  und  hier  die  gleichen  Ver¬ 
änderungen  auszulösen.  So  erklärt  es  sich,  dass  immer  weitere 
Abschnitte  der  Darmwand  in  die  Erkrankung  einbezogen  wer¬ 
den,  so  erklärt  sich  die  in  manchen  Fällen  auch  kongenitaler 
Darmsyphilis  beobachtete  zirkuläre  Form  der  Darmgeschwüre. 

Wie  schon  eingangs  erwähnt,  liegen  Mitteilungen  über  Spi¬ 
rochätenbefunde  in  Därmen  mit  Herdaffektionen  bei  syphiliti¬ 
schen  Neugeborenen  so  gut  wie  gar  nicht  vor.  In  der  mir  zu¬ 
gängigen  Literatur  habe  ich  nur  bei  Verse  (Med.  Klinik,  No. 
24 — 26,  1906:  „Die  Spirochaete  pallida  in  ihren  Beziehungn 
zu  den  syphilitischen  Gewebsveränderungen“)  Angaben  hie¬ 
rüber  gefunden.  Freilich  war  die  Art  der  im  Darm  konsta¬ 
tierten  Veränderungen  von  der  hier  geschilderten  durchaus  ab¬ 
weichend  und  hatte  keinerlei  Folgezustände  nach  sich  gezogen. 
Mikroskopisch  handelte  es  sich  um  zeitige  Infiltrate,  die  den 
Sitz  von  Spirochäten  bildeten.  Ob  auch  die  von  solchen  Herden 
freien  Teile  der  Darmwand  Spirochäten  enthielten,  geht  aus  der 
Darstellung  von  Verse  nicht  hervor.  Verse  fand  die  Spiro¬ 
chäten  am  massenhaftesten  in  der  muskulösen  Darmwand. 
Freilich  fehlten  sie  auch  in  den  anderen  Wandschichten  nicht 
völlig  und  speziell  in  der  Mukosa  umspannen  sie,  ganz  ent¬ 
sprechend  den  von  mir  gemachten  Angaben,  die  Lieber- 
k  ii  h  n  sehen  Drüsen.  Auch  insofern  besteht  eine,  wie  ich 
meine,  prinzipielle  Uebereinstimmung  zwischen  Verses  und 
meinen  Ergebnissen,  als  die  Hauptansiedlungsstätte  der  Spiro¬ 
chäten  dort  wie  hier  nicht  in  den  schwerst  erkrankten  Darm- 
abschnitten,  sondern  in  den  diese  begrenzden  Rändern  ange¬ 
troffen  wurden. 

Ich  wende  mich  nunmehr  zur  Besprechung  der,  bei  der 
Untersuchung  der  kranken  Darmstellen  gewonnenen,  histo¬ 
logischen  Resultate.  Die  Stücke  wurden  mit  Eosin- 
Hämatoxylin,  nach  G  i  e  s  o  n  und,  zwecks  Darstellung  der 
elastischen  Elemente,  mit  saurem  Orcefn  nach  Unna- 
Taenzer,  unter  Anwendung  der  von  mir  angegebenen  Mo¬ 
difikation  (Gegenfärbung  mit  Methylenblau  bezw.  mit  Lithion- 
karmin  und  Picroindigokarmin)  tingiert  und  dabei  folgendes 
festgestellt. 

Fig.  1-  ■  Fig.  2. 


Fig.  1.  Schnitt  durch  eine  beetartige  Erhabenheit  des  Darms 
mit  zentraler  Nekrose. 

Fig.  2.  Schnitt  durch  ein  Darmgeschwür. 

Im  Bereich  der  als  beetartige  Erhebungen  imponierenden 
Partien  bestand  ein,  die  eigentlichen  Schleimhautelemente  be¬ 
treffender  Defekt,  unterhalb  dessen  die  tieferen  Gewebslagcn, 
spez.  die  Submukosa,  so  stark  geschwollen  waren,  dass  da¬ 
durch  der,  durch  das  Fehlen  der  Mukosa  bedingte,  Substanz¬ 
verlust  völlig  ausgeglichen  erschien,  ja  die  Darmwand  pro- 
minierte  hier  sogar  leicht  über  die  Umgebung.  Auch  die  Mus¬ 
kelschichten  partizipierten  an  der  Schwellung  und  ebenso  das 
subseröse  Gewebe,  während  die  Scrosa  selbst  nicht  in  den  Pro- 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1579 


zess  einbezogen  war.  In  ihr  begegnet  man  verschiedenen, 
durch  einkernige  weisse  Elemente  verstopften  Lymphgefässen. 
Die  in  den  Schnitten  angetroffenen  Blutgefässe,  welche  nament¬ 
lich  an  den  mit  Orcei'n  behandelten  Schnitten  besonders  deut¬ 
lich  hervortraten,  erwiesen  sich  vollkommen  frei  von  or¬ 
ganischen  Veränderungen.  Im  Zentrum  dieser  Herde  war  es 
zur  Nekrose  gekommen.  Der  nekrotische  Bezirk  bot  exquisite 
Keilform  dar,  mit  nach  der  Serosaseite  gerichteter  Keilbasis, 
während  die  Spitze  dem  Darmlumen  zugekehrt  war.  Ihr  ent¬ 
sprechend  schien  die  erheblich  geschwollene  Submukosa  aus¬ 
einanderzuweichen,  gleichsam, als  sollte  hier  die  Exfoliation  des 
abgestorbenen,  noch  nicht  aus  dem  Zusammenhang  mit  der 
Umgebung  gelösten  Wandstücks  vor  sich  gehen.  Das  Stadium 
der  Erkrankung,  welches  diesen  Vorgang  vor  Augen  führt, 
habe  ich  nicht  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt,  wohl  aber  das 
weitere,  welches  den  Darm  nach  erfolgter  Abstossung  des 
Wandsequesters  zeigt,  bei  dem  also  das  fertige  Darmgeschwür 
vorliegt.  Hier  ist  die  Darmwand  nur  durch  eine  dünne,  der 
geschwollenen,  mit  anhaftenden  zackigen  Fetzen  des  äusseren 
Muskelstratums  versehenen,  Subserosa  undSerosa  zugehörigen* 
Schicht  gebildet,  während  die  angrenzenden  Ränder  sich  noch 
im  Zustand  frischer  Schwellung  befinden.  Zeitige  Infiltrate 
fehlen. 

Wir  haben  es  also  mit  einem  verhältnismässig  einfachen 
Vorgang  zu  tun,  der  sich  an  den  verschiedenen  Stellen  der 
Darmwand  abgespielt  und  zu  beträchtlicher  Zerstörung  der¬ 
selben  Veranlassung  gegeben  hat.  Ganz  abweichend  von  dem, 
was  man  sonst  in  dieser  Beziehung  in  Organen  kongenital¬ 
syphilitischer  Kinder  zu  sehen  gewohnt  ist,  ist  es  hier  zu¬ 
nächst  zur  Nekrose  der  Dar  in  wand  mit  kon¬ 
sekutiver  Schwellung  der,  dem  Nekroseherd 
unmittelbar  anliegenden,  Darmwandpartien 
gekommen,  und  zwar  ohne  dass  vorgängige  Gefässverände- 
rungen,  wie  wir  sie  von  der  akquirierten  Lues,  spez.  des  Ma¬ 
gens  und  Darms  kennen,  zur  Ischämie  mit  nachfolgendem  Ab¬ 
sterben  der  zugehörigen  Darmwandschichten  geführt  hätten 
und  ohne  dass  die  Darmwand  von,  als  miliare  Qummige- 
schwülste  aufzufassenden,  granulationsgewebsartigen  Massen 
durchsetzt  gewesen  wären.  Man  hat  sich  vielmehr,  wie  ich 
meine,  vorzustellen,  dass  unter  dem  Einfluss  des  syphilitischen 
Virus,  das  in  diesem  Fall  ein  besonders  intensiv  wirkendes 
gewesen  sein  muss,  bestimmte  Schichten  der  Darmwand  un¬ 
mittelbar  der  Nekrose  verfallen  sind.  Nach  Elimination  des  aus 
dem  Zusammenhang  mit  der  Umgebung  gelösten,  abge¬ 
storbenen  Gewebes  resultiert  dann  das  keinerlei  Charak¬ 
teristika  mehr  darbietende  Darmgeschwür.  Der  anatomische 
Prozess  als  solcher,  der  hier  zur  Geschwürsbildung  geführt 
hat,  zeigt  also  nichts  für  Syphilis  Spezifisches,  und  nicht  am 
wenigsten  aus  diesem  Grunde  scheint  mir  der  gelungene  Nach¬ 
weis  der  Spirochaete  pallida  in  den  Krankheitsgeweben  von 
ausschlaggebender  Bedeutung  für  die  Auffassung  der  geschil¬ 
derten  Erkrankung  als  einer  syphilitischen.  Es  liegen  meines 
Erachtens  hier  ganz  ähnliche  Verhältnisse  vor  wie  bei  der 
Tuberkulose,  'sowohl  der  menschlichen  als  der  experimentell 
an  Tieren  erzeugten.  Auch  hier  kennen  wir  an  den  ver¬ 
schiedensten  Organen  Veränderungen,  die  histologisch  wegen 
Fehlens  charakteristischer  Tuberkel  nicht  als  tuberkulös  zu 
bezeichnen  sind,  die  aber  wegen  ihres  Gehalts  an,  mitunter  sehr 
zahlreichen  Tuberkelbazillen,  doch  als  in  das  Gebiet  der  durch 
den  Tuberkelbazillus  bedingten  Erkrankungen  gerechnet  wer¬ 
den  müssen.  Ich  habe  übrigens  bei  der  Untersuchung  zahl¬ 
reicher,  von  sogen,  miliaren  Gummis  durchsetzten  Lebern 
syphilitischer  Föten  und  Neugeborenen  genau  die  gleichen  Be¬ 
funde  erhoben  und  mich  davon  überzeugt,  dass  diese  „Gummis“ 
nichts  anderes  darstellten  als  Komplexe  nekrotischer  Leber¬ 
zellenbalken.  Deshalb  bot  der  vom  Darm  hier  geschilderte 
Befund  für  mich  nichts  überraschendes. 

In  den  mir  zugängigen  Lehrbüchern  der  pathologischen 
Anatomie  und  Syphilidologie  habe  ich  Angaben  über,  den  hier 
berichteten  ähnliche,  Veränderungen  des  Darms  bei  kongeni¬ 
taler  Syphilis  nicht  gefunden,  wohlgemerkt  nur,  soweit  die 
histologischen  Verhältnisse  in  Frage  kommen.  In  Betreff  der 
makroskopisch  wahrnehmbaren  Darmerkrankungen  bei  kon¬ 
genital  syphilitischen  Kindern  herrscht  vielmehr  eine  bemer¬ 
kenswerte  Uebereinstimmung  unter  den  Autoren,  und  gerade 


der  makroskopische  Befund  im  Darm  des  diesen  Erörterungen 
zu  Grunde  liegenden  Falles,  die  beetartigen  Schwellungen,  so¬ 
wie  die  ulzerösen  Herde,  ihre  Lokalisation  im  Jejunum,  die 
chronisch-peritonitischen  Veränderungen  waren  es,  die  mich 
von  vornherein  die  Diagnose  auf  angeborene  Syphilis  des 
Darms  stellen  liessti. 

Big-  3.  Fig.  4. 


Fig.  3.  Darmschleimhaut  nach  Bertarelli-Volpino  be¬ 
handelt;  im  Zentrum  Querschnitt  durch  eine  L  i  e  b  e  r  k  ü  h  n  sehe 
Drüse  mit  Spirochäten;  in  der  Peripherie  Teile  von  Kryptenquer¬ 
schnitten  mit  Spirochäten,  besonders  deutlich  rechts  oben.  Auch  in 
Kapillarwandungen  Spirochäten. 

Fig.  4.  Isolierte,  längsgetroffene  Lieber  kühn  sehe  Drüse, 
Behandlung  mit  Bertarelli-Volpino.  Gegenfärbung  mit  Me¬ 
thylenblau;  Tannindifferenzierung;  tadellose  Kernfärbung.  Spirochäte 
im  Lumen,  zahlreiche  Spirochäten  in  der  Umgebung. 

Bezüglich  der  mikroskopischen  Veränderungen  an  den 
makroskopisch  für  Syphilis  congenita  charakteristischen,  inte¬ 
stinalen  Krankheitsherden  ist  zu  erwähnen,  dass  es  sich  dabei 
nach  den  Angaben  der  Autoren  meist  um  das  Auftreten  granu- 
lationsgewebsartiger,  bisweilen  durch  einen  gewissen  Reich¬ 
tum  an  spindelzelligen  Elementen  ausgezeichneter,  bald  mehr 
zirkumskripter,  seltener  diffuser,  von  der  Submukosa  aus¬ 
gehenden  Neubildungen  handelt,  an  denen  es  früher  oder  später 
zu  der  für  syphilitische  Gummata  so  charakteristischen  regres¬ 
siven  Metamorphose  kommt.  Nach  M  r  a  c  e  k,  der  sich  wohl 
am  eingehendsten  mit  dem  Studium  der  hier  interessierenden 
Prozesse  beschäftigt  hat,  sollen  sich  diese  mit  Vorliebe  um 
die  Arterien  herum  abspielen,  an  denen  es  durch  Schwellung 
ihres  Endothels  zur  Verengerung  und  zum  Verschluss  des 
Lumens  kommt,  wodurch  der  Eintritt  der  regressiven  Meta¬ 
morphose  in  der  Neubildung  begünstigt  wird.  Die  Affektion 
kann  sich  unabhängig  von  dem  lymphatischen  Apparat  im 
Dünndarm  entwickeln,  was  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  zu¬ 
treffen  dürfte,  während  sie  andere  Male  ihren  Ausgang  von  den 
Solitärfollikeln  und  Peyer  sehen  Plaques  zu  nehmen  scheint. 
Die  besonders  von  M  r  a  c  e  k  betonte  Beziehung  der  Darm- 

Fig.  5. 


Fig.  5.  Schnitt  zur  Demonstration  der  enormen  Mengen  vielfach 
untereinander  verfilzten  Spirochäten.  In  der  rechten  Hälfte  des  Ge¬ 
sichtsfeldes  ein  Drüsenquerschnitt  mit  zahlreichen  Fragmenten  von 
Spirochäten. 

Fig.  6.  Derselbe  Schnitt  bei  starker  Vergrösserung. 

gummis  zu  den  Arterien  wird  auch  von  Baumgarten  zu¬ 
gegeben,  wenn  auch  nicht  in  der  ausschlaggebenden  Weise, 
wie  dies  von  Mracek  geschieht.  Während  das  Gros  der 
Autoren  den  Ausgangspunkt  der  syphilitischen  Neubildungen 
im  Darm  bei  den  kongenital  syphilitischen  Veränderungen  des- 

2* 


Fig.  6. 


1580 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


selben  in  die  Submukosa  verlegt,  gibt  J  ii  rge  n  s  an,  sie  meist 
in  der  Muskularis  gefunden  zu  haben.  Auch  Verse  berichtet 
über  2  Fälle  von  Herderkrankungen  im  Darm  bei  Syphilis  con¬ 
genita,  die  vorwiegend  in  der  Muskularis,  einzeln  auch  sub- 
peritoneal  gelegen  haben.  Den  von  mir  beschriebenen,  in  ge¬ 
wisser  Beziehung  nahestehenden  Befund  hat  Lochte  mitge¬ 
teilt  (Jahrbücher  der  Hamb.  Staatskrankenhäuser,  Band  VI, 
pag.  273  ff.).  In  dem  2.,  der  von  diesem  Autor  geschilderten 
Fälle  erwiesen  sich  die,  übrigens  gleichfalls  in  der  Darm¬ 
muskulatur  lokalisierten,  Herde  als  nekrotische  Stellen  der 
Darmwand  und  Lochte  bezeichnet  sie  direkt  als  miliare, 
syphilitische  Nekrosen. 

Es  kann  demnach  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  e  i  n 
Teil  d  e  s  s  e  n,  was  bei  makroskopischer  Be¬ 
trachtung  der  Darm  wandin  solchen  Fällen 
als  miliares  Gummi  imponiert,  d.  h.  als  eine  in  das  Ge¬ 
biet  der  Granulationsgeschwülste  zu  rechnende  Bildung  auf¬ 
gefasst  wird,  sich  in  Wirklichkeit  als  umschrie¬ 
bene  Gewebsnekrose  entpuppt,  deren  Zugehörig¬ 
keit  zur  Syphilis  durch  den  Befund  dier  civarakte- 
ristischen  Spirochäten  in  den  Nekroseherden  und 
deren  Umgebung  bewiesen  ist. 

Nach  der  übereinstimmenden  Angabe  aller  Untersucher  ge¬ 
langen  die  im  Darm  kongenital-syphilitischer  Kinder  vorkom- 
menden  Herderkrankungen  stets  zusammen  mit  syphilitischen 
Veränderungen  in  anderen  Organen  zur  Beobachtung,  eine 
Tatsache,  die  ich  bei  dem  hier  publizierten  Fall  durch  den 
Nachweis  der  Osteochondritis  syphilit.  nur  bestätigen  konnte. 
Dabei  sei  erwähnt,  dass  es  erst  der  mikroskopischen  Unter¬ 
suchung  der  Knochen  (Rippen)  bedurfte,  um  den  für  angeborene 
Knochensyphilis  massgebenden  Befund  zu  erheben.  Man  ist 
also  nicht  berechtigt,  auf  Grund  eines  bei  makroskopischer 
Knochenbetrachtung  negativen,  Ergebnisses  die  Osteochon¬ 
dritis  syphilit.  auszuschliessen,  man  hat  vielmehr  in  allen 
zweifelhaften  Fällen  die  Entscheidung  von  dem  Ausfall  der 
mikroskopischen  Untersuchung  abhängig  zu  machen.  Wie  in 
den  Krankheitsherden  des  Darms  gelang  es  auch  in  den  er¬ 
krankten  Rippenteilen  Spirochäten,  hier  freilich  nur  in  verein¬ 
zelten  Exemplaren  und  nach  längerem  Suchen,  aufzufinden. 


Aus  dem  chemischen  Laboratorium  des  allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf. 

Zur  Frage  nach  dem  Vorkommen  von  Blutfarbstoff  oder 
Hämatm  in  menschlicher  Galle. 

Von  0.  Schümm. 

Durch  zahlreiche  Versuche  ist  festgestellt  worden,  dass 
eine  sichere  Entscheidung  über  An-  oder  Abwesenheit  von 
Blut  in  den  Fäzes  durch  makroskopische  und  mikroskopische 
Untersuchung  nur  in  einem  Bruchteil  der  Fälle  getroffen  werden 
kann. 

Wir  wissen  heute,  dass  oft  sogar  ein  ganz,  erheblicher 
Blutgehalt  der  Wahrnehmung  entgehen  würde,  wenn  man  sich 
mit  der  makroskopischen  und  mikroskopischen  Untersuchung 
begnügen,  eine  chemische  oder  chemisch-spektroskopische 
Untersuchung  dagegen  unterlassen  würde.  Ueber  die  An-  oder 
Abwesenheit  geringster  Blutbeimengungen  (1  Proz.  und 
darunter)  kann  man  im  allgemeinen  sichere  Auskunft  nur 
durch  eine  bei  geeigneter  Kost  durchgeführte  chemische 
Untersuchung  erhalten. 

In  dem  Masse,  wie  die  Bedeutung  der  zum  Nachweis  ge¬ 
ringer  Blutbeimengungen  dienenden  chemischen  Unter- 
suchungismethode,  entsprechend  den  bei  ihrer  Anwendung  er¬ 
zielten  praktisch  wichtigen  Ergebnissen,  seitens  der  Kliniker 
Anerkennung  gefunden  hat,  ist  man  bemüht  gewesen,  die  ur- 
sprunghehe,  keineswegs  voll  befriedigende  (Weber  sehe) 
Methode  zu  vervollkommnen. 

In  der  vom  Verfasser  ausgearbeiteten  Modifikation  der 
sogen,  verbesserten  Web  ersehen  Probe1),  ist  die  Unter¬ 
suchungsmethode  nun  derartig  ausgebildet  worden,  dass  sie 
als  eine  der  zuverlässigsten  klinisch-chemischen  Methoden  an- 


P 

Gustav 


O  Schümm:  Die  Untersuchung  der  Fäzes  auf  Blut. 

1  ischer.  S.  26  u.  f.  Daselbst  die  frühere  Literatur. 


Jena, 


gesehen  werden  kann.  Neben  der  „verbesserten  Weber- 
schen  Probe“  ist  in  letzter  Zeit  die  auch  vom  Verfasser  ein¬ 
gehend  bearbeitete  -)  A  d  1  e  r  sehe  Benzidinprobe  von  Schle¬ 
singer  und  Holst"’)  in  etwas  geänderter  Form  als  sehr 
empfindlich  zum  Nachweis  von  Blut  in  den  Fäzes  empfohlen 
worden.  Eine  Nachprüfung* * *  4)  ergab,  dass  die  Benzidinprobe 
in  dieser  Form  bei  Beachtung  einiger  vom  Verfasser  als  er¬ 
forderlich  bezeichneter  Kautelen  recht  brauchbar  ist,  wenn¬ 
gleich  sie  nicht  so  absolut  zuverlässig  ist,  wie  die  „verbesserte 
Weber  sehe  Probe“.  Dabei  ist  freilich  Bedingung,  dass  ein 
vorzüglich  wirksames  Benzidin  verwandt  wird. 

Wie  ich  durch  Versuche  festgestellt  habe,  kann  die  „ver¬ 
besserte  Weber  sehe  Probe“  schon  bei  einem  Blutgehalt  der 
Fäzes  von  0,1  Proz.  ein  positives  Resultat  geben.  Nach  der 
Angabe  von  Schlesinger  und  Holst,  die  ich  habe  be¬ 
stätigen  können,  ist  die  Empfindlichkeit  ihrer  Ausführungsform 
der  Benzidinprobe  in  manchen  Fällen  noch  3 — 5  mal  so  gross 
als  die  der  „verbesserten  Weber  sehen  Probe“,  so  dass  bei 
ersterer  unter  Umständen  schon  durch  eine  Beimengung  von 
kaum  einem  Tropfen  Blut  zu  der  Tagesmenge  Fäzes  (150  g) 
ein  positiver  Ausfall  bewirkt  werden  kann. 

Bei  dieser  ausserordentlichen  Empfindlichkeit  der  Benzidin¬ 
probe  ist  es  aber  um  so  notwendiger,  etwaigen  Fehlerquellen 
des  Verfahrens  nachzuspüren. 

Im  besonderen  habe  ich  kürzlich  die  Frage 
aufgeworfen5),  ob  infolge  der  Anwesenheit 
von  Blutfarbstoff  oder  ihm  nahestehender 
Abbau  Produkte  in  der  Galle  Spuren  solcher 
Stoffe,  sei  es  nor  m  alerweise,  sei  esbei  Krank¬ 
heiten,  in  die  Fäzes  übergehen  und  einen  posi¬ 
tiven  Ausfall  der  empfindlichsten  chemi¬ 
schen  Blutproben  verursachen  können. 

Auf  Grund  einer  an  Blasengalle  von  Rindern  und  mensch¬ 
lichen  Leichen  ausgeführten  Untersuchung  °)  konnte  ich  es  als 
wahrscheinlich  bezeichnen,  dass  intra  vitam  die  menschliche 
Galle  normalerweise,  wenn  überhaupt,  dann  höchstens  ge¬ 
ringste  Spuren  von  Blutfarbstoff  enthält.  Von  Galle  aus  einer 
menschlichen  Gallenfistel  stand  mir  damals  nur  eine  kleine 
Probe  zur  Verfügung,  die  nur  für  eine  Reaktion  ausreichte. 
Es  war  daher  erforderlich,  die  dabei  festgestellte  Abwesenheit 
von  Blutfarbstoff  an  weiterem  einwandfreien  Material  nach¬ 
zuprüfen. 

Durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Sekundärarzt  Dr. 
Kotzenberg*)  (I.  Chirurg.  Abteil.,  Prof.  Dr.  Kümmell) 
wurde  es  mir  kürzlich  ermöglicht,  grosse  Mengen  frischer 
menschlicher  Fistelgalle  zu  untersuchen. 

Bei  der  erheblichen  praktischen  Bedeutung,  die  die  Ent¬ 
scheidung  der  Frage  nach  dem  eventuellen  Vorhandensein  von 
Blutfarbstoff  in  der  Galle  hat,  scheint  es  notwendig,  das  Ver¬ 
suchsprotokoll  ausführlich  mitzuteilen.  —  Zuvor  seien  die 
Hauptdaten  aus  der  Krankengeschichte  angeführt. 

43  jährige  Frau.  Choleiithiasis,  Cholezystektomie,  Hepatikus- 
drainage.  Als  junges  Mädchen  Gelbsucht.  Später  oft  Anfälle  von 
Magenschmerzen,  die  dann  wieder  vorübergingen.  Seit  März  wieder 
stärker  gelb.  Leidlich  ernährte  Frau  mit  leicht  gelber  Hautfarbe.  Herz, 
Lunge  ohne  Befund.  Unter  dem  rechten  Rippenbogen  deutlich  fühl¬ 
barer  derber,  druckempfindlicher  Tumor,  der  sich  gegen  den  Leber¬ 
rand  abgrenzen  lässt  und  offenbar  die  Gallenblase  darstellt.  Anfälle 
von  Gallensteinschmerzen  hier  mehrfach  beobachtet. 

Operation  in  Skopolamin-Morphium-Chloroformnarkose.  Bajo¬ 
nettschnitt  nach  Kehrer.  Die  Leber  wird  nach  oben  geklappt. 
Gallenblase  stark  mit  Steinen  gefüllt;  Zvstikus  enorm  erweitert.  An 
der  Uebergangsstelle  in  den  Choledochus  sitzt  ein  kirschgrosser. 


J)  O.  Schlimm:  1.  c.  S.  13,  ferner  Z.  f.  Physiol.  Chemie,  Bd. 

46,  S.  510  u.  f.,  Bd.  50,  S.  374  u.  f. 

J)  E.  Schlesinger  und  F.  Holst:  Vergleichende  Unter¬ 
suchungen  über  den  Nachweis  von  Minimalblutungen  in  den  Fäzes 
nebst  einer  neuen  Modifikation  der  Benzidinprobe.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  1906,  No.  36,  ferner:  Ueber  den  Wert  der  Benzidinprobe 
für  den  Nachweis  von  Minimalblutungen  aus  den  Verdauungs-  und 
Harnorganen.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  10. 

‘)  O.  Schümm:  Ueber  den  Nachweis  von  Blut  in  den  Fäzes. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  6. 

5)  1.  c.  Z.  f.  Phys.  Ch.,  Bd.  50. 

,!)  1.  c. 

)  Genanntem  Herrn  sei  auch  an  dieser  Stelle  bestens  gedankt 
sowohl  für  die  sorgfältige  Ueberwachung  der  Gewinnung  des  Ma¬ 
terials  wie  auch  für  die  Ueberlassung  der  Krankengeschichte. 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1581 


weder  vor-  noch  rückwärts  verschiebbarer,  zapfenförmig  in  den 
Choledochus  hineinragender  Stein,  der  sich  auch  nach  Eröffnung  der 
Gallenblase  nicht  herausziehen  lässt.  Die  Gallenblase  wird  aus  ihrem 
Bette  stumpf  gelöst  und  der  Zystikus  unterbunden.  Eröffnung  -des 
Choledochus  und  Entfernung  des  Steins.  Einlegen  eines  Drainrohres 
in  den  Hepatikus  und  Fixation  mit  einem  Katgutfaden.  Vernähen 
des  Gallenblasenbettes  und  Tamponade  der  Wunde  mit  Vioformgaze. 

Am  13.  Tage  war  das  Gummirohr  gelöst  und  aus  der  Wunde 
entfernt  worden,  die  seitdem  nur  noch  mit  Vioformgaze  tamponiert 
wird.  Zur  Zeit  noch  ziemlich  reichliche  Sekretion  aus  der  Wunde. 

Zur  Untersuchung  wurde  die  in  der  Zeit  vom  10. — 15.  V.  07 
inkl.  aufgefangene  Galle  verwandt. 

Versuch  I.  Galle  vom  10.  V.  07. 

Fast  klar,  nicht  fadenziehend.  Spektroskopisches  Verhalten: 
Starke  Absorption  im  Blau  und  Violett  bis  etwa  ßß  525,  schwächere 
Absorption  im  Rot,  jedoch  keine  scharf  begrenzteiuAbsorptionsstreifen, 
Farbe  der  mit  etwas  Wasser  verdünnten  Galle  goldgelb. 

a)  Bei  direktem  Zusatz  von 

1)  Guajaktinktur  und  Terpentinöl:  kein  Farbenumschlag, 

3)  alkoholischer  Benzidinlösung,  Wasserstoffsuperoxyd  und 
Essigsäure  (nach  Adler):  kein  Farbenumschlag, 

3)  Benzidin-Eisessiglösung  und  Wasserstoffsuperoxyd  (nach 
Schlesinger  und  Holst):  kein  Farbenumschlag.  _ 

b)  70  ccm  Galle  mit  der  10  fachen  Menge  Alkoholäther  (aa  p.) 
gefällt.  Niederschlag  abfiltriert,  mit  Eisessig  extrahiert;  filtriertes 
Extrakt  mit  dem  doppelten  Volumen  Aether  gemischt.  Mischung  ein¬ 
mal  mit  dem  halben,  einmal  mit  einem  Drittel  Volumen  Wasser  ausge- 
schiittelt.  Von  der  klar  abgetrennten  sauren  Aetherlösung  wurde: 

1)  eine  Probe  mit  alkoholischer  Benzidinlösung  und  Wasserstoff¬ 
superoxyd  versetzt:  kein  Farbenumschlag,  nur  geringe  gründliche 
Färbung. 

2)  eine  Probe  mit  Guajaktinktur  und  Terpentinöl  versetzt:  kein 
Farbenumschlag, 

3)  die  Hauptmenge  zunächst  direkt  spektroskopiert:  kein  Häma¬ 
tinspektrum;  dann  mit  Salmiakgeist  in  geringem  Ueberschuss  durch¬ 
geschüttelt,  die  wässerige  alkalische  Lösung  abgetrennt,  mit  Schwefel¬ 
ammonium  versetzt  und  spektroskopiert:  kein  Hämochromogen¬ 
spektrum. 

Versuch  II.  Galle  vom  11.  V. 

Etwas  fadenziehend,  fast  klar.  Farbe  und  spektroskopisches 
Verhalten  wie  bei  Versuch  I.  Spez.  Gewicht  1009. 

Weitere  Untersuchung  wie  in  der  bei  Versuch  I  angegebenen 
Weise :  Sämtliche  Blutproben  negativ. 

Versuch  III.  Galle  vom  12.  V. 

Fadenziehend,  fast  klar,  Farbe  und  spektroskopisches  Verhalten 
wie  bei  Versuch  I.  Spez.  Gewicht  1010. 

Weitere  Untersuchung  wie  bisher :  Sämtliche  Blutproben 
negativ. 

Versuch  IV.  Galle  vom  13.  V. 

Fadenziehend,  fast  klar,  Farbe  und  spektroskopisches  Verhalten 
wie  bisher.  Spez.  Gewicht  1008,5.  Weitere  Untersuchung  wie  bisher, 
jedoch  werden  zu  der  unter  „Versuch  I.  b“  beschriebenen  Probe 
200  g  Galle  verarbeitet :  Sämtliche  Blutproben  negativ, 
nur  bei  der  unter  „I.  b  1“  beschriebenen  äusserst  empfindlichen 
Probe  nach  Zusatz  von  Benzidin  und  Wasserstoffsuperoxyd  eine 
schwache  Grünfärbung  der  unteren  Flüssigkeitsschicht. 

Um  dem  Einwande  zu  begegnen,  dass  die  von  mir  zum 
Nachweis  von  Blutfarbstoff  in  der  Galle  angewandten  Ver¬ 
fahren  wegen  der  starken  Eigenfarbe  der  Galle  zur  Auffindung 
kleiner  Mengen  Blutfarbstoff  nicht  geeignet  seien,  wurden 
folgende  Versuche  ausgeführt. 

Versuch  V.  50g  Galle  vom  15.  V.  mit  0,5g  frischen  de- 
fibrinierten^  menschlichen  Aderlassblutes  gemischt,  mit  500 ccm  Aether- 
alkohol  (aa  p.)  gefällt  und  weiter  in  der  unter  „Versuch  I.  b  3“  an¬ 
gegebenen  Weise  spektroskopisch-chemisch  untersucht:  Deutliches 
Hämochromogenspektrum. 

Versuch  VI.  Wiederholung  von  Versuch  V:  Deutliches 
Hämochromogenspektrum. 

Versuch  VII.  50  g  derselben  Galle  mit  0,1  g  frischen,  de- 
fibrinierten  menschlichen  Blutes  gemischt,  mit  500  g  Aetheralkohol 
(ää  p.)  gefällt  und  weiter  in  der  unter  „I.  b.  2“  angegebenen  Weise 
untersucht  (Guajakterpentinölreaktion):  stark  blaugrün,  also  deutlich 
positive  Probe. 

Versuch  VIII.  Wiederholung  von  Versuch  VII:  Deutlich  posi¬ 
tive  Blutprobe. 

Ergebnis: 

I.  Durch  das  unter  „I.  b2“  angegebene  Verfahren  lässt  sich 
mittels  der  Guajakterpentinölreaktion  in  menschlicher  Galle 
trotz  deren  enormen  Eigenfarbe  mindestens  noch  ein  Blut¬ 
gehalt  von  nur  0,2  Proz.  erkennen,  wenn  man  50  g  der  Galle 
verarbeitet.  Die  spektroskopische  Probe  in  der  unter  ,,I.  b  3“ 
angegebenen  Ausführungsform  gibt  bei  Verarbeitung  von  50  g 
Galle  mit  einem  Blutgehalt  von  1  Proz.  noch  eine  sehr  deut¬ 
liche  Hämochroinogenreaktion. 


II.  In  der  (Leber-)  Galle  des  lebenden  Menschen  sind 
Oxyhämoglobin,  Hämoglobin,  Methämoglobin  und  Hämatin  in 
nachweisbarer  Menge  nicht  enthalten.  (Dem  spektroskopischen 
Verhalten  nach  kann  Hämatoporphyrin  höchstens  in  Spuren 
vorhanden  sein). 

III.  Auch  durch  eine  reichliche  Beimengung  normaler  Galle 
zu  (blutfarbstofffreien)  Fäzes  kann  eine  positive  „Blutprobe“ 
weder  bei  Anwendung  der  „verbesserten  Weber  sehen 
Probe“,  noch  bei  der  von  Schlesinger  und  Holst  an¬ 
gegebenen  Ausführungsform  der  Adler  sehen  Benzidinprobe 
vorgetäuscht  werden. 

Ob  und  bei  welchen  Erkrankungen  die  Galle  selbst  blut¬ 
farbstoffhaltig  sein  und  dadurch  einen  positiven  Ausfall  der  an 
den  Fäzes  angestellten  Blutproben  verursachen  kann,  bleibt 
unentschieden.  Meine  praktischen  Erfahrungen  mit  der  „ver¬ 
besserten  W  e  b  e  r  sehen  Probe“  haben  mir  zwar  keinen  Hin¬ 
weis  auf  derartige  Vorkommnisse  ergeben.  Immerhin  wird 
man  die  Möglichkeit  nicht  ganz  ausser  acht  lassen  dürfen. 


Aus  der  kgl.  Universitäts-Augenklinik  zu  Kiel  (Geheimrat 

V  ö  1  c  k  e  r  s). 

Schwere,  unter  dem  Bilde  der  Diphtherie  verlaufende 
Streptokokkenkonjunktivitis  nach  Masern. 

Von  Dr.  G  e  r  h.  Schumacher. 

Die  durch  Streptokokken  bedingten  schweren  Formen  der 
Konjunktivitis  beanspruchen  ein  besonderes  Interesse  wegen 
ihrer  Neigung,  das  befallene  Auge  dauernd  schwer  zu  schä¬ 
digen  oder  gänzlich  zu  zerstören  und  das  Leben  zu  bedrohen. 
Zumeist  findet  sich  eine  deutliche  Membranbildung  auf  der 
Conjunctiva  palpebrae,  sodass  früher  die  Erkrankung  unter 
die  Diphtherie  resp.  den  Krupp  der  Konjunktiva  eingereiht 
wurde.  Diese  beiden  klinisch  wohl  charakterisierten,  häufig 
aber  ineinander  übergehenden  Krankheitsformen  (die  Conjunc¬ 
tivitis  diphtherica  und  die  Conjunctivitis  crouposa)  können 
durch  dieselben  Erreger,  von  denen  die  Löffle  r  sehen  Ba¬ 
zillen  und  die  Streptokokken  im  Vordergrund  stehen,  hervor¬ 
gerufen  werden,  sind  daher  ätiologisch  nicht  zu  trennen;  daher 
kommt  es,  dass  beide  Formen  in  den  letzten  Jahren  unter  dem 
Namen  „Conjunctivitis  pseudomembranosa“  zusammengefasst 
werden.  So  nennt  auch  A  x  e  n  f  e  1  d  im  Handbuch  der  patho¬ 
genen  Mikroorganismen  „Die  Pseudomembranbildung  ein  Sym¬ 
ptom  verschiedenartiger  Infektionen“. 

M  o  r  a  x,  der  in  der  Encyclopedie  frangaise  d’ophthalmo- 
logie  die  Konjunktivitiden  bakteriologisch  mit  Geschick 
trennt,  unterscheidet  leichte  und  schwere  Formen  der 
Diphtheriebazillenkonjunktivitis  und  bei  der  Strepto¬ 
kokkenkonjunktivitis  die  Conjunctivite  lacrymale  (Pari¬ 
naud)  von  der  Conjunctivite  grave  ä  streptocoques, 
welch  letztere  zumeist  unter  dem  Bilde  der  Diphtherie 
verlaufe.  Andere  Lehrbücher  wollen  unter  Conjunctivitis  diph¬ 
therica  nur  die  durch  Löfflers  Bazillen  hervorgerufenen 
schweren  Formen  verstanden  wissen,  wobei  sie  betonen,  dass 
andere  Keime,  besonders  Streptokokken,  dasselbe  Bild  hervor- 
rufen  können.  S  a  e  m  i  s  c  h  hält  auch  in  der  letzten  Auflage 
des  Handbuches  der  Augenheilkunde  an  der  alten  Benennung 
nach  der  klinischen  Erscheinung  fest,  indem  er  als  Conj.  diph¬ 
therica  alle  schweren  Formen  mit  festhaftenden  Membranen 
bezeichnet,  als  Conj.  crouposa  leichtere  Formen  mit  locker 
aufliegenden  Membranen.  Sowohl  diese  wie  jene  Form  kann 
durch  Löfflers  Bazillen,  aber  auch  durch  andere  Erreger 
hervorgerufen  werden. 

Mischinfektionen  sind  häufig  und  diejenigen,  welche  durch 
Löfflers  Bazillen  und  Streptokokken  hervorgerufen  werden, 
am  gefiirchtesten ;  hierbei  sollen  die  Diphtheriebazillen  die 
Kornea  durch  ihre  Toxine  schädigen  und  so  den  Streptokokken 
den  Boden  für  ihre  deletäre  Wirkung  vorbereiten.  Doch  ist 
solche  durch  andere  Bakterien  bedingte  Vorbereitung  nicht 
notwendig,  die  Streptokokken  vermögen  auch  allein  diese 
schweren  Nekrosen  der  Bindehaut  sowohl  w  ie  der  Hornhaut 
hervorzurufen. 

Man  ist  wohl  darüber  einig,  so  weit  das  Auge 
in  Betracht  kommt,  dass  Streptokokken  keine  primäre  Ent¬ 
zündung  hervorrufen,  sondern  erst  dann  im  Bindehautsack  ge- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


deihen,  wenn  die  Widerstandsfähigkeit  des  Gesamtorganismus 
durch  Krankheiten  herabgesetzt  ist.  Auch  für  die  Rachen¬ 
diphtherie  ist  dies  bekannt  (ganz  besonders  nach  Scharlach). 
Nur  in  wenigen  beschriebenen  Fällen  von  solchen  Bindehaut¬ 
entzündungen  (Schlesinger1)  ging  anscheinend  keine  prä¬ 
disponierende  Krankheit  voraus;  sonst  finden  sich,  soweit 
anamnestische  Angaben  gemacht  werden,  solche  erwähnt,  da¬ 
runter  auch  Scharlach  (Uhthoff2),  häufiger  Masern  (En¬ 
gels  :‘),  Pichler4),  Z  i  a 5).  Besonders  betont  Axen- 
f  c  1  d  (i)  unter  Anführung  mehrerer  Fälle  (allerdings  von  Misch- 
infektionen  mit  Diphtheriebazillen),  dass  der  Anwesenheit  von 
Streptokokken  bei  einer  von  ihm  beobachteten  Epidemie  die 
hohe  Todesziffer  und  das  häufige  Vorkommen  schwererer 
Augenentzündungen  und  septischer  Erscheinungen  zuzuschrei¬ 
ben  sei. 

Dass  im  Gefolge  von  Masern  „Diphtherie“  der  Konjunktiva 
auftreten  kann,  findet  sich  in  fast  allen  Lehrbüchern  erwähnt, 
dass  aber  die  Streptokokken  gerade  solche  schwerere  Prozesse 
hervorrufen,  finde  ich  auch  in  neueren  Handbüchern  nicht  in 
dem  Masse  betont,  das  dieser  gefährlichen  Komplikation  zu¬ 
kommt.  Groenouw  (im  Handbuch  der  Augenheilkunde) 
nennt  wohl  die  Pneumokokken,  nicht  aber  die  Streptokokken 
als  Erreger;  im  Handbuch  der  Kinderheilkunde  wird  im  Kapitel 
über  Masern  nur  für  die  Halsdiphtherie  der  „Kokken“  als  Er¬ 
reger  gedacht,  im  Kapitel  über  Diphtherie  für  die  „Diphtherie 
der  Konjunktiven“  der  Streptokokken  nicht  Erwähnung  getan. 

Daher  erscheint  es  berechtigt,  unter  Anführung  des  folgen¬ 
den  Falles  darauf  hinzuweisen,  dass  im  Verlaufe  der  Masern 
solch  schwere  Konjunktivitiden,  die  man  nach  den  klinischen 
Erscheinungen  als  Diphtherie  bezeichnen  muss,  allein  durch  den 
Streptococcus  pyogenes  hervorgebracht  werden  können. 

Wilhelm  R.,  2  jähriges  Arbeiterkind,  kommt  am  1.  Oktober  1906 
in  klinische  Behandlung. 

14  Tage  vorher  hatte  das  Kind  Masern  gehabt,  woran  eine  ältere 
Schwester  vordem  gelitten  hatte.  Gleichzeitig  mit  dem  Masern¬ 
exanthem  war  ein  Ausschlag  mit  Bläschenbildung  an  Brust,  Kinn  und 
linker  Gesichtshälfte  aufgetreten,  der  vor  10  Tagen  das  linke  Oberlid 
ergriff.  Seit  6  Tagen  besteht  Schwellung  und  Verfärbung  der  Lider 
mit  Lichtscheu  und  Tränenträufeln;  Fieber  stellte  sich  angeblich  erst 
in  den  letzten  Tagen  ein. 

Der  allgemeine  Ernährungszustand  ist  gut;  Masernexanthem 
oder  Schuppung  der  Haut  findet  sich  nicht.  Auf  der  rechten  Brust¬ 
seite  sitzt  ein  markstückgrosses,  flaches  Geschwür  mit  leicht  wal¬ 
artig  erhabenem  stellenweise  etwas  unterminiertem  Rande,  das  von 
einer  festhaftenden  graugelblichen  Borke  bedeckt  ist,  nach  deren  Ent¬ 
fernung  die  blassroten,  wenig  gewucherten  Papillen  zum  Vorschein 
kommen,  ohne  dass  tiefere  Substanzverluste  sich  zeigen.  Hinter  der 
linken  Ohrmuschel  ist  eine  ähnlich  aussehende,  jedoch  tiefergreifende 
Zerstörung  der  Haut  mit  stärkerer  Unterminierung  der  Ränder;  im 
Nacken,  zum  Teil  noch  in  behaarten  Teilen  sind  kleinere  flache  Ge¬ 
schwüre  und  am  Kinn  und  -der  linken  Backe  einzelne  Gruppen  ober¬ 
flächlicher  Bläschen,  die  zum  Teil  konfluiert  und  geplatzt  sind,  und 
sich  mit  gelblicher  Borke  bedeckt  haben:  demnach  das  typische  Bild 
der  Impetigo  contagiosa. 

Der  Urin  ist  frei  von  Eiweiss  und  Zucker;  die  Temperatur  be¬ 
trägt  39  °. 

Aus  der  Nase  fliesst  reichlich  Sekret;  der  Mund  und  die  Rachen¬ 
schleimhaut  ist  frei;  an  den  inneren  Organen  nichts  Krankhaftes  nach¬ 
weisbar. 

Das  linke  Oberlid  ist  stark  geschwollen,  blaurot  verfärbt  und 
hängt  starr  über  das  ebenfalls  geschwollene  Unterlid  herab.  Im  Lid¬ 
spaltenbereich  liegt  wenig  schmutziges  Sekret.  Die  Conjunktiva 
tarsi  sowohl  des  Unter-  wie  des  Oberlides  ist  völlig  bedeckt  von 
einer  dicken  schmutziggrauen  Membran,  die  so  fest  haftet,  dass  beim 
Versuch,  sie  zu  entfernen  nur  wenige  Millimeter  grosse  Stückchen  sich 
losreissen  lassen  und  auch  diese  nur  unter  Blutung  aus  der  Konjunktiva; 
die  Membran  setzt  sich  noch  etwas  auf  die  Uebergangsfalten  fort, 
die  im  übrigen  ein  trockenes,  xeroseähnliches  Aussehen  zeigen.  Die 
ganze  Conjunctiva  bulb'i  zeigt  dasselbe  grau  trockene  Aussehen  (ist 
etwas  verdickt,  aber  nicht  chemotisch),  nur  ganz  vereinzelte  bräun¬ 
liche  Striche  zeigen  die  Stellen  an,  an  denen  man  sonst  die  Gefässe 
sieht.  Die  Kornea  ist  gleichmässig  dicht  grau  getrübt,  die  Ober¬ 
fläche  glanzlos,  trocken.  Das  rechte  Auge  ist  völlig  frei. 


0  Schlesinger:  Münch,  med.  Wochenschr.,  1901,  pag.  101. 
-)  Uhthoff:  Verhandl.  d.  Ges.  d.  Naturf.  u.  Aerzte,  68.  Vers. 
Frankfurt  a.  M.,  II.  Teil,  II.  Hälfte,  pag.  325. 

3)  Engels:  Hygienische  Rundschau,  1903,  No.  11. 

U  Pichler:  Beitr.  z.  Augenheilkunde  von  Deutschmann. 

5)  Zia:  Inaug.-Diss.  Marburg  1903. 

6)  Axenfeld:  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilkunde,  Bd.  XLII, 
pag.  576.  Derselbe:  Die  Bakteriologie  in  der  Augenheilkunde, 
.Icna  1907  (cf.  hier  die  Literaturangaben). 


Therapie:  Heisse  Kamillenumschläge,  daneben  Sublimat¬ 
umschläge  (stubenwarm),  Atimpin.  Die  Impetigoeruptionen  werden 
dick  mit  Zinc.  und  Amylum  aa  bestreut. 

.  Schutzverband  des  rechten  Auges. 

Schon  am  folgenden  Tage  ist  die  Hornhaut  am  nasalen  Rande 
in  der  Tiefe  gelblich  infiltriert  und  es  kommt  nach  weiteren  2  Tagen 
zu  ringförmiger  Abszedierung.  In  derselben  Zeit  stösst  sich  die 
Membran  der  Konjunktiva  tarsi  ab,  eine  granulierende  Fläche  zurück¬ 
lassend,  die  nur  noch  von  einzelnen  fester  sitzenden  Membranfetzen 
bedeckt  bleibt,  welche  sich  in  den  nächsten  Tagen  ebenfalls  ablösen. 
Die  Lider  werden  welcher  und  schwellen  etwas  ab.  Zugleich  aber 
stösst  sich  die  ganze  Kornea  ab  und  es  bedeckt  sich  der  Irisprolaps 
mit  dichtem  fibrinösen  Belag. 

Am  6.  X.  tritt  unter  Temperatursteigerung  und  Anschwellung 
der  rechten  Halsdrüsen  eine  Otitis  media  hinzu,  die  eine  zweimalige 
Parazentese  (7.  X.  und  13.  X.)  nötig  macht. 

Die  Impetigo  heilt  bis  auf  die  Stelle  hinter  dem  linken  Ohre  in 
wenigen  Tagen  vollständig;  noch  lange  besteht  eine  zunächst  eitrige, 
später  mehr  schleimig  eitrige  Sekretion  der  Bindehaut,  während  sich 
der  Ohrausfluss  schnell  verringert  und  auch  der  Rest  der  Impetigo 
abheilt  und  sich  die  Sekretion  der  Nase  verliert.  Das  Allgemein¬ 
befinden  hebt  sich  entsprechend  schnell,  so  dass  das  Kind  am  30.  X. 
aus  der  Klinik  entlassen  werden  kann.  Am  10.  XI.  ist  die  schleimig¬ 
eitrige  Sekretion  der  Konjunktiva  nur  noch  gering;  an  Stelle  der 
Kornea  finden  sich  rosarote,  mit  schmutzigem  Sekret  bedeckte  Granu¬ 
lationen;  am  8.  XII.  sind  diese  fast  verschwunden,  die  Sklera  hat  sich 
wie  bei  einem  evakuierten  Bulbus  zusammengezogen,  das  Auge  ist 
geschrumpft,  die  Conjunctiva  bulbi  und  die  Uebergangsfalten  sind 
wulstig  gerötet,  die  Conjunctiva  palpebralis,  besonders  im  tarsalen 
Teil,  ist  mit  dicken  Granulationen  bedeckt. 

Während  des  Aufenthaltes  in  der  Klinik  bekam  auch  die  Mutter 
einen  impetiginösen,  sehr  hartnäckigen  Ausschlag  im  Gesicht. 

Die  bakteriologische  Untersuchung  hatte  folgendes  Resultat:  Im 
Ausstrich  fanden  sich  massenhaft  Gram-positive,  kleine,  runde  Kokken, 
die  fast  stets  zu  zweit  liegen,  häufig  in  den  reichlich  vorhandenen 
Eiterzellen,  welche  teilweise  mit  den  Kokken  vollgestopft  sind;  selten 
finden  sich  zwei  oder  mehr  solcher  Doppelkokken  zu  einer  kurzen 
Kette  verbunden.  Andere  Bakterien,  besonders  diphtherieverdäch¬ 
tige  Stäbchen  wurden  nicht  gefunden.  Aussaat  auf  Löfflerserum 
20  Stunden:  Einige  Kolonien  gelber  Staphylokokken;  zahllose  kleine, 
punktförmige  bis  1  mm  im  Durchmesser  grosse  Kolonien,  die  fast 
wasserklar  sind.  Mikroskopisch:  Streptokokken,  meist  zu  zweien, 
oder  in  Ketten  bis  zu  6  Doppelgliedern,  Gram-positiv.  Keine  Diph¬ 
theriebazillen. 

Kontrollaussaat  am  2.  X.  ergibt  dasselbe  Resultat,  doch  werden 
noch  3  Kolonien  von  kurzen,  plumpen,  Gram-positiven  Stäbchen,  die 
sicher  zur  Pseudodiphtheriegruppe  gehören,  gefunden.  Leider  war 
es  verabsäumt  worden  sofort  Ausstrich  und  Kultur  von  der  Impetigo 
zu  untersuchen,  bevor  dieser  mit  Zinkpuder  verbunden  wurde.  Am 
2.  X.  ergaben  Ausstriche  und  Kultur  von  verschiedenen  Stellen  meist 
nur  gelbe  Staphylokokken,  in  einigen  wurden  auch  sehr  vereinzelt 
kurze  Gram-positive  Stäbchen  gefunden,  die  durchaus  als  Pseudo¬ 
diphtherie  anzusprechen  waren.  Die  Inmetigo  contagiosa  wird  ja 
zumeist  von  Streptokokken  oder  Staphylokokken  bervorgerufen.  Ob 
es  sich  hier  um  eine  durch  das  Zink  verursachte  Abtötung  der 
Streptokokken  handelt  oder  ob  die  in  den  Kulturen  nachgewiesenen 
Staphylokokken  die  Erreger  des  Ausschlages  waren,  muss  dahin¬ 
gestellt  bleiben. 

Am  8.  X.  wurden  wiederum  aus  dem  Auge  fast  nur  Strepto¬ 
kokken,  jedoch  nicht  mehr  in  der  enormen  Menge  wie  vorher  und 
daneben  vereinzelte  Staphylokokken  nachgewiesen ;  aus  dem  jetzt  noch 
nicht  geheilten  impetiginösen  Geschwüre  hinter  dem  linken  Ohr 
wieder  gelbe  Staphylokokken  und  einige  Pseudodiphtheriekolonien. 
Nun  wurden  auch  im  rechten  Mittelohrausfluss  grosse  Mengen  von 
Streptokokken  gefunden  neben  vereinzelten  gelben  Staphylokokken 
und  noch  selteneren  Pseudodiphtheriekolonien.  Kontrollaussaat  er¬ 
gab  dasselbe  Resultat. 

Die  Prüfung  der  Streptokokken  auf  Blutagar,  Gelatine  und  ge¬ 
wöhnlichem  Agar  ergab,  dass  es  sich  um  den  Streptococcus  erysipe- 
latos  (nach  Schottmüller)  handelte  (er  wuchs  bei  Zimmer¬ 
temperatur  und  bewirkte  auf  Blutagar  deutliche  Hämolyse).7) 

Bei  der  Entlassung  ergab  die  bakteriologische  Untersuchung 
Abwesenheit  von  Streptokokken  in  Auge  und  rechtem  Ohr.  Auch 
bei  einer  Nachuntersuchung  am  8.  XII.  fehlten  die  Streptokokken. 
Aus  den  Impetigobläschen  der  Mutter  wurden  nur  gelbe  Staphylo¬ 
kokken  gezüchtet.  Die  Membran  wurde  in  Alkohol  fixiert  und  in 
Paraffin  eingebettet.  Die  Schnitte  zeigten  in  dem  dichten  von  Leuko¬ 
zyten  und  stellenweise  von  abgestorbenen  Epithelzellen  durchsetzten 
Fibrinnetz  grosse  Mengen  von  Streptokokken,  die  häufig  in  schön 
gewundenen  Ketten  bis  zu  8  und  mehr  Doppelgliedern  liegen.  Stäb¬ 
chen  wurden  nicht  gefunden. 

Es  handelt  sicli  demnach  um  einen  Fall,  der  durchaus  kli¬ 
nisch  das  typische  Bild  der  Diphtherie  der  Konjunktiven  bot, 
ohne  dass  Löfflers  Bazillen  als  Ursache  nachgewiesen 
werden  konnten.  Er  schliesst  sich  ätiologisch  völlig  an  die 


')  Die  Nährböden  wurden  mir  in  liebenswürdiger  Weise  vom 
hygienischen  Institut  der  Universität  zur  Verfügung  gestellt. 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1580 


schon  erwähnten  Fälle  an,  bei  denen  Streptokokken  allein  die 
Erreger  der  schweren  Erkrankung  waren.  Der  Fall  ist  aus¬ 
gezeichnet  durch  die  Komplikationen,  einmal  von  seiten  des 
Mittelohres,  die  entweder  als  vom  Munde  aus  fortgeleitet  oder 
als  metastatische  erklärt  werden  müssen,  ferner  durch  die  Ver¬ 
änderungen  der  Haut,  die  Impetigo  contagiosa;  wenn  auch  bak¬ 
teriologisch  der  Nachweis  einer  ätiologisch  gleichartigen  Er¬ 
krankung  nicht  erbracht  worden  ist,  so  lässt  doch  wohl  die 
Anamnese  den  Rückschluss  auf  einen  Zusammenhang  berech¬ 
tigt  erscheinen.  Ein  Zusammenhang  zwischen  Impetigo  und 
Konjunktivitis  ist  nach  Axenfeld  nicht  so  selten.  Auffallend 
war  das  trockene  gangränöse  Aussehen  der  Conjunctiva  bnlbi, 
die  gewöhnlich  bei  ähnlichen  Fällen  chemotisch  befunden 
wurde. 

Die  Zerstörung  der  Kornea  findet  aus  diesem  Befunde  ihre 
Erklärung:  infolge  des  Abschlusses  der  Hornhautrandgefässe 
wurde  den  Streptokokken  in  ähnlicher  Weise  Gelegenheit  zum 
Eindringen  gegeben,  wie  es  bei  den  Mischinfektionen  mit 
Löfflers  Bazillen  der  Fall  ist,  wo  die  Toxine  das  Epithel 
und  das  Stroma  der  Hornhaut  vorher  schädigen  sollen.  Bei 
den  in  der  Literatur  beschriebenen  Fällen  trat  gewöhnlich  am 
3.  oder  4.  Krankheitstage  eine  Trübung  der  Kornea  ein;  im 
vorliegenden  Falle  fand  sich  am  6.  Tage  die  Kornea  diffus  ge¬ 
trübt. 

Wie  schon  betont,  gingen  als  prädisponierende  Krankheit 
Masern  voraus.  Nach  Untersuchungen,  die  S  c  h  o  t  Le  1  i  u  s  s) 
bei  einer  Masernepidemie  machte,  kommt  den  Streptokokken 
bei  den  im  Gefolge  dieser  Krankheit  auftretenden  Konjunktivi- 
tiden  eine  erhöhte  Bedeutung  zu.  Schottelius  fand  bei 
Konjunktivitiden  von  40  Masernkranken  in  14  Proz.,  von 
40  Masernleichen  in  40  Proz.  Streptokokken  und  A  x  e  n  f  e  1  d 
beobachtete  bei  derselben  Epidemie  die  schon  oben  erwähnten 
Fälle.  Aus  anderen  Masernepidemien  stammen  die  ebenfalls 
erwähnten  Fälle  von  Engels,  Z  i  a  und  Pichler  und  der 
hier  mitgeteilte  Fall. 

Die  Therapie  wird  sich  zumeist  auf  eine  lokale  beschränken 
müssen.  Die  Serumtherapie  bietet  einige  Aussicht,  von  A  u  - 
b  ine  au  u.  a.  sind  mit  Marmorekschem  Serum,  von 
Axenfeld  mit  Merck  schein  Serum  mehr  weniger  gün¬ 
stige  Erfolge  erzielt  worden.  In  allen,  besonders  den  schweren 
Fällen,  bei  denen  nicht  mit  genügender  Sicherheit  Anwesen¬ 
heit  von  Diphtheriebazillen  festgestellt  ist,  muss  man  die  An¬ 
wendung  des  Behring  sehen  Serums  verlangen,  eine  An¬ 
sicht,  die  auch  von  Axenfeld  vertreten  wird. 

Herr  Geheimrat  V  ö  1  c  k  e  r  s  spreche  ich  für  die  Ueber- 
lassung  des  Materials  meinen  besten  Dank  aus. 

Aus  der  Klinik  für  Hautkranke  im  städtischen  Krankenhause  zu 
Frankfurt  a.  M.  (Direktor:  Dr.  K.  Herxheim  er). 

Ueber  Vaccina  generalisata. 

Von  Dr.  med.  Felix  Danziger,  Assistenzarzt. 

Seit  Jahrzehnten  ist  es  eine  bekannte  Tatsache,  dass  im 
Gefolge  der  Schutzpockenimpfung  mannigfache  Hauteruptionen 
auftreten  können.  Die  erste  zusammenfassende  Darstellung 
dieser  „vakzinalen  Hauteruptionen“  veröffentlichte  1881  B  e  h- 
r  e  n  d.  Er  beschrieb  neben  einer  Roseola  und  Urticaria  vac- 
cinica  erythematöse  Exsudationsprozesse,  sowie  vesikulöse 
Eruptionen  vom  Charakter  des  Herpes  oder  des  gruppierten 
Ekzems.  Er  beschrieb  ferner  eine  von  den  Franzosen  als  Vac¬ 
cine  generalisee  bezeichnete  Art  von  pustulösem  Ausschlag,  bei 
dem  der  ganze  Körper  oder  ein  grosser  Teil  desselben  von 
Effloreszenzen  bedeckt  ist,  deren  Bau  dem  der  Vakzinepusteln 
entspricht  und  deren  Inhalt  verimpfbar  ist.  Diese  Vaccina  ge¬ 
neralisata,  die  wohl  unstreitig  als  eine  der  unangenehmsten  Kom¬ 
plikationen  der  Schutzpockenimpfung  gelten  kann,  ist  im  Ver¬ 
gleich  zu  der  ungeheuren  Anzahl  der  jährlich  vorgenommenen 
Vakzinationen  relativ  sehr  selten  beobachtet  worden.  Während 
Chauveau  bei  500  000—600  000  Impfungen  nur  6—8  Fälle 
von  generalisierter  Vakzine  feststellte,  hatte  H  a  s  1  u  n  d  schon 
unter  310 000  Geimpften  6  Fälle,  Bondesen  schon  unter 
39  915  Geimpften  4  Fälle.  Der  Vollständigkeit  halber  regi- 


8)  Schottelius:  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilkunde,  Bd.  XLII, 
pag.  565. 


strieren  wir  noch  die  Angabe  Voigts,  der  bei  nahezu  100  000 
Impfungen  17  mal  Vaccina  generalisata  konstatierte.  Wenn  es 
auch  unmöglich  ist,  sich  aus  diesen  differenten  Angaben  ein 
genaues  Bild  von  der  Häufigkeit  dieser  Erkrankung  zu  machen, 
so  geht  doch  jedenfalls  aus  ihnen  hervor,  dass  es  sich  um  eine 
sehr  seltene  Erkrankung  handelt. 

Umsomehr  wird  es  vielleicht  von  Interesse  sein,  wenn  wir 
im  folgenden  über  6  Fälle  von  Vaccina  generalisata  berichten, 
die  wir  gleichzeitig  auf  der  Hautklinik  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten. 

Fall  I:  Kind  Hans  W.,  6  Monate  alt,  wird  am  28.  Dezember  1906 
mit  der  Diagnose  „Vaccina  generalisata“  auf  die  Hautklinik  des 
städtischen  Krankenhauses  aufgenommen.  Es  wird  folgende  Anam¬ 
nese  erhoben:  Am  11.  Dezember  wurde  die  1%  Jahre  alte  Schwester 
des  Knaben  geimpft.  Am  26.  Dezember  erkrankte  Hans  W.  unter 
hohem  Fieber  an  einem  Gesichtsausschlag  und  gleichzeitiger  starker 
Schwellung  des  Gesichts. 

Status:  Das  sehr  wohlgenährte,  kräftig  gebaute  Kind  hat  auf 
der  Stirn,  auf  der  Nase,  auf  beiden  Wangen  und  am  Kinn  einen 
pustulösen  Ausschlag.  Während  auf  der  unteren  Gesichtshälfte,  be¬ 
sonders  am  Kinn,  der  pustulöse  Charakter  des  Ausschlags  sehr  aus¬ 
gesprochen  ist,  sind  auf  der  Stirn  und  den  oberen  Partien  beider 
Wangen  die  Effloreszenzen  bereits  konfluiert  und  bilden  durch  Ein¬ 
trocknung  des  Sekrets  eine  zusammenhängende  gelbe  Kruste.  Die 
einzelstehenden  Effloreszenzen  sind  kreisrund,  meist  von  Erbsen¬ 
grösse  und  alle  dadurch  charakterisiert,  dass  sie  eine  zentrale  Delle 
aufweisen.  Viele  Pusteln  haben  einen  deutlichen,  roten  Hof.  Die 
Farbe  der  Effloreszenzen  ist  teils  weisslich,  teils  gelblich.  Auf  der 
dorsalen  Fläche  der  rechten  Hand  findet  sich,  an  der  Wurzel  des 
Daumens,  eine  Pustel  von  gleicher  Beschaffenheit.  Es  besteht  starkes 
Oedem  des  Gesichts.  Die  Schwellung  der  linken  Gesichtshälfte  ist 
so  hochgradig,  dass  das  Auge  nicht  geöffnet  werden  kann.  Ausser¬ 
dem  ist  eine  ausserordentliche  Anschwellung  der  Lymphdrüsen  an 
beiden  Kieferwinkeln  vorhanden.  Das  Kind  hustet  etwas  und  leidet 
offenbar  an  ausserordentlich  heftigem  Juckreiz. 

30.  XII.  Es  besteht  seit  heute  hohes  Fieber.  (Abendtemperatur 
40,0°  C.)  Die  Gesichtsschwellung  hat  zugenommen.  Am  Hinterkopf 
sind  12  neue  Pusteln  aufgetreten,  von  gleicher  Beschaffenheit  wie  die 
oben  beschriebenen.  Alle  Pusteln  zeigen  Neigung  zu  schneller  Kru¬ 
stenbildung.  Das  Kind  ist  sehr  apathisch. 

2.  I.  Auf  dem  linken  Fussriicken  sind  mehrere  neue  Pusteln 
aufgetreten.  Der  Husten  hat  zugenommen,  jedoch  ist  das  Allgemein¬ 
befinden  offenbar  besser. 

6.  I.  Die  Gesichtsschwellung  nimmt  ab.  Das  Fieber  ist  lytisch 
abgefallen. 

9.  I.  Das  Oedem  des  Gesichts  ist  fast  vollkommen  geschwunden. 
Die  Krusten  beginnen  sich  abzulösen.  Die  Drüsenanschwellungen  an 
beiden  Kieferwinkeln  bestehen  noch.  Ebenso  ist  noch  ein  starker 
Juckreiz  vorhanden.  Seit  heute  wieder  leichte  Temperatursteigerung. 

13.  I.  Es  finden  sich  nur  noch  auf  der  linken  Wange  einige 
wenige  Krusten.  Die  bereits  abgeheilten  Pusteln  haben  nur  sehr 
flache  Narben  zurückgelassen.  Es  ist  immer  noch  Husten  vorhanden. 

20.  I.  Die  Pusteln  sind  sämtlich  abgeheilt,  jedoch  ist  die  Schwel¬ 
lung  der  Halsdriisen,  besonders  rechts,  noch  nicht  zurückgegangen. 
Es  bestehen  immer  noch  abendliche  Temperatursteigerungen  über 
38  0  C.  Die  Ekzembehandlung  geht  mit  Zinkpaste  weiter. 

4.  II.  Die  Drüsenschwellung  am  rechten  Kieferwinkel  zeigt 
heute  deutliche  Fluktuation.  Das  Kind  fiebert  'immer  noch.  Ver¬ 
legung  zwecks  Operation  zur  chirurgischen  Klinik. 

Nach  Spaltung  des  Drüsenabszesses  machte  die  Heilung  schnelle 
Fortschritte  und  das  Kind  wurde  bald  darauf  entlassen. 

Von  Interesse  ist  vielleicht  noch  die  Tatsache,  dass  am  30.  De¬ 
zember.  also  4  Tage  nach  der  Erkrankung  des  Kindes,  die  Mutter  des 
Hans  W.  an  ihrem  linken,  kleinen  Finger  eine  Eiterpustel  bemerkte, 
die  sich  bei  näherer  Betrachtung  als  eine  typische  Impfpustel  er¬ 
wies.  An  demselben  Tage  erkrankte  die  Grossmutter  des  Kindes, 
indem  an  ihrer  rechten  Wange  unter  starker  Schwellung  des  Ge¬ 
sichts  mehrere  Pusteln  auftraten. 

Fall  II:  Kind  Eduard  Sehr.,  3  Jahre  alt,  war  am  28.  XII,  also 
am  gleichen  Tage  wie  Fall  I,  wegen  chronischen  Ekzems  des  Kopfes, 
des  Nackens,  beider  Ohren  und  der  rechten  Wange,  in  unsere  Klinik 
aufgenommen  worden.  Das  sehr  schwächliche  Kind  war  bisher  noch 
nicht  geimpft. 

6.  I.  Das  Kind  klagt  heute  über  Schmerzen  im  Hals  und  in 
beiden  Kniegelenken.  Es  wird  eine  geringe  Rötung  der  rechten  Ton¬ 
sille  festgestellt.  Fieber  besteht  nicht. 

7.  I.  Es  fällt  heute  auf,  dass  das  Ekzem,  das  bisher  unter  Zink¬ 
paste  gut  abheilte,  wieder  stark  nässt. 

8.  I.  Seit  heute  besteht  eine  starke  Schwellung  am  rechten 
Kieferwinkel,  die  unter  hohem  Fieber  aufgetreten  ist.  Die  Schwellung 
umgreift  das  Ohr  von  unten  und  ist  so  hochgradig,  dass  das  Ohr¬ 
läppchen  durch  dieselbe  in  die  Höhe  gehoben  ist.  Es  besteht  ferner 
Oedem  der  rechten  Gesichtshälfte  und  des  Mundbodens.  Die  An¬ 
schwellung  hat  eine  teigige  Konsistenz.  Auf  dieser  Anschwellung 
finden  sich  zahlreiche,  kreisrunde  Pusteln  mit  rotem  Hof  und  zen¬ 
traler  Delle.  Zum  Teil  sind  diese  Pusteln  bereits  konfluiert.  Einige 
sind,  offenbar  beim  Abnehmen  des  Verbandes,  geplatzt,  und  ihre 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Decke  ist  durch  das  Ausfliessen  des  Inhalts  eingesunken.  Es  besteht 
starker  Juckreiz. 

10.  I.  Das  Kind  hat  anfallsweise  Husten.  Das  Oedem  der  rechten 
Gesichtshälfte  hat  zugenommen.  Patient  ist  sehr  apathisch. 

11.  I.  Es  sind  jetzt  auch  hinter  dem  linken  Ohr,  sowie  an  der 
linken  Ohrmuschel  selbst,  einige  Pusteln  entstanden.  (Das  Kind 
hatte  dort  auch  Ekzem.)  Die  Pusteln  am  rechten  Ohr  sind  bereits 
mit  Krusten  bedeckt. 

13.  I.  Die  Temperatur  ist  abgefallen.  Das  Allgemeinbefinden 
ist  gut,  nur  besteht  noch  ein  geringer  Husten.  Auch  die  Pusteln  am 
linken  Ohr  beginnen  einzutrocknen.  Dagegen  zeigt  die  Drüsen¬ 
schwellung  am  rechten  Kieferwinkel  noch  keine  Tendenz  zur 
Rückbildung. 

18.  I.  Die  Lymphdrüsenschwellung  an  der  rechten  Halsseite  hat 
in  den  letzten  Tagen  zugenommen.  Heute  trat  spontan  eine  Per¬ 
foration  ein.  Aus  der  Perforationsöffnung  entleert  sich  eitriger  Inhalt. 

24.  I.  Mittels  der  Bier  sehen  Saugglocke  wurde  der  Eiter  in 
wenigen  Sitzungen  aus  dem  Lymphdrüsenabszesse  entleert,  worauf 
ein  rasches  Zurückgehen  der  Driisenschwellung  eintrat.  Die  Pusteln 
auf  der  rechten  Wange  hatten  sich  in  der  Weise  verändert,  dass  nach 
Verlust  der  Blasendecke  der  Grund  Vegetationen  zeigte.  Auch  diese 
Vegetationen  vergehen  sehr  rasch  und  überhäuten  ohne  Narbenbildung. 

Das  Ekzem  war  in  diesem  Falle  durch  die  überstandene  Vakzine 
entschieden  sehr  ungünstig  beeinflusst  worden,  sodass,  als  am 

9.  III.  1907  das  Kind  wegen  des  Verdachts  der  Lungentuberkulose  auf 
die  medizinische  Abteilung  verlegt  werden  musste,  noch  keine  völlige 
Heilung  desselben  erreicht  war. 

Da  für  uns  kein  Zweifel  bestehen  konnte,  dass  es  sich  in  dem 
Fall  II  ebenfalls  um  Vaccina  generalisata  handelte,  dass  also  eine  An¬ 
steckung  durch  Fall  I  stattgefunden  hatte,  wurden  die  beiden  Kinder 
sofort  streng  isoliert.  Aber  trotzdem  die  beiden  Kleinen  in  einem 
anderen  Gebäude  des  Krankenhauses  untergebracht  wurden,  trotz¬ 
dem  Arzt  und  Pflegepersonal  wechselten,  vermochten  wir  einem 
Umsichgreifen  der  Erkrankung  nicht  mehr  Einhalt  zu  tun. 

Bereits  am  10.  I.  erkrankte: 

Fall  III:  Emil  W.,  1%  Jahre  alt,  noch  nicht  geimpft,  der  be¬ 
reits  seit  dem  20.  X.  wegen  eines  chronischen  Ekzems  des  Gesichts 
und  des  behaarten  Kopfes  und  eines  disseminierten  Ekzems  an  Rumpf, 
Armen  und  Beinen  (Eczem  en  plaques)  bei  uns  in  Behandlung  war. 
An  diesem  Tage  werden  bei  dem  Kinde  an  verschiedenen  Körper¬ 
stellen  kreisrunde  Pusteln  mit  ventraler  Delle  und  rotem  Hof  festge¬ 
stellt.  Solche  Pusteln  finden  sich  am  rechten  Handgelenke,  auf  der 
Stirn  oberhalb  des  linken  Auges  'und  ziemlich  zahlreich  auf  dem 
Rücken.  Die  Pusteln  sitzen  zum  Teil  auf  Stellen,  wo  nie  Ekzem  ge¬ 
wesen  war.  Die  Erkrankung  geht  offenbar  mit  heftigem  Jucken  ein¬ 
her.  Ferner  besteht  hohes  Fieber.  Seit  2  Tagen  war  aufgefallen, 
dass  das  Kind  ziemlich  stark  hustete. 

11.  I.  Es  sind  zahlreiche  neue  Pusteln  im  Gesicht,  auf  dem 
Kopfe,  an  den  Extremitäten  und  am  Skrotum  aufgetreten.  Es  be¬ 
steht  starkes  Oedem  des  Gesichts.  Die  Drüsen  am  Hals  und  am 
Hinterkopf  sind  sehr  geschwollen. 

13.  I.  Abfall  der  Temperatur.  Allgemeinbefinden  besser. 

20.  I.  Die  Pusteln  sind  sämtlich  zu  Borken  eingetrocknet,  und 
letztere  zum  grössten  Teil  schon  abgefallen.  Das  Ekzem,  das  schon 
fast  ganz  abgeheilt  war,  hat  sich  überall  sehr  verschlimmert  und  ist 
an  mehreren  Körperstellen  wieder  nässend  geworden. 

29.  I.  Die  Vakzinepusteln  sind  jetzt  überall  mit  Hinterlassung 
flacher,  immerhin  deutlich  sichtbarer  Narbe  abgeheilt.  Die  Ekzem¬ 
behandlung  geht  weiter. 

Erst  am  28.  II.  konnte  das  Ekzem  für  geheilt  erklärt  und  das 
Kind  entlassen  werden. 

Ebenfalls  am  10.  Januar  erkrankte: 

Fall  IV :  Sophie  K-,  1%  Jahr  alt,  noch  nicht  geimpft.  Das 
Kind  war  von  der  medizinischen  Station  am  18.  XII.  wegen  einiger 
Impetigines  an  beiden  Unterschenkeln  und  Jodoformekzems  an  beiden 
Ohren,  das  bei  Behandlung  einer  doppelseitigen  Otitis  externa  ent¬ 
standen  war,  auf  die  Hautklinik  verlegt  worden.  Am  Morgen  des 

10.  I.  finden  sich  auf  dem  Rücken  des  Kindes,  das  seit  3—4  Tagen 
ziemlich  stark  gehustet  hatte,  vereinzelte  (4—5)  Pusteln  mit  zentraler 
Delle  und  rotem  Hof.  Am  Abend  werden  Pusteln  von  gleicher  Be¬ 
schaffenheit  schon  an  beiden  Armen  und  vereinzelt  im  Gesicht  fest¬ 
gestellt.  Es  besteht  Temperatursteigerung. 

11.  I.  Oedem  des  Gesichts,  Drüsenschwellung  an  beiden  Kiefer¬ 
winkeln.  Ausdehnung  der  Pustulosis  über  den  ganzen  Körper,  ohne 
dass  es  zum  Konfluieren  gekommen  wäre. 

14.  I.  Die  Pusteln  sind  fast  sämtlich  im  Eintrocknen  begriffen. 
Das  Kind  ist  heute  wieder  fieberfrei. 

20.  1.  Die  Pusteln  sind  unter  Borkenbildung  und  unter  Hinter¬ 
lassung  flacher  Narben  vollkommen  abgeheilt.  Die  Heilung  des 
Ekzems  hat,  zumal  sich  fast  keine  Impfpusteln  auf  ihm  lokalisierten, 
gute  Fortschritte  gemacht. 

30.  I.  Ekzem  geheilt. 

Am  11.  I.  hatten  wir  eine  weitere  Erkrankung  zu  verzeichnen. 

Fa  1 1  V:  Paula  B.,  7  Wochen  alt,  war  am  27.  XII.  wegen  heredi¬ 
tärer  Lues  auf  die  Hautklinik  gebracht  worden. 

Das  sehr  elende,  atrophische  Kind  hatte  bei  seiner  Aufnahme  ein 
makulo-papulöses  Exanthem  an  der  unteren  Körperhälfte,  Papeln  an 
beiden  kusssohlen,  in  der  Rima  ani  und  am  Kinn  und  eine  starke 
Koryza. 


Am  11.  I.  wird  am  linken  Mundwinkel  des  Kindes  eine  typische 
Vakzinepustel  festgestellt.  Noch  am  Abend  desselben  Tages  werden 
weitere  Pusteln  am  Kinn  und  auf  der  linken  Wange  sichtbar.  Das 
Kind  hustet  ziemlich  viel,  was  bisher  nicht  der  Fall  gewesen  war. 

12.  I.  Es  werden  heute  an  der  Zungenspitze  und  auf  dem 
Zungenrücken  mehrere  Pusteln  von  verschiedener  Grösse  entdeckt. 
Eine  Pustel  findet  sich  ferner  am  rechten  Mundwinkel.  Es  besteht 
Temperatursteigerung. 

13.  I.  Die  Pusteln  auf  der  Zunge  haben  zum  Teil  schon  die 
Decke  verloren  und  stellen  kreisrunde  Substanzverluste  dar,  die 
das  Kind  offenbar  sehr  schmerzen.  Die  Nahrungsaufnahme  ist  sehr 
schlecht. 

14.  I.  Das  Kind  ist  sehr  apathisch.  Fast  keine  Nahrungsauf¬ 
nahme.  Die  Pusteln  auf  der  Zunge  haben  sich  vermehrt. 

19.  I.  Da  die  Nahrungsaufnahme  sehr  gering  ist,  kommt  das 
Kind  mehr  und  mehr  zurück.  Die  Pusteln  am  Körper  sind  abgeheilt. 

21.  I.  Exitus  letalis. 

^er  letzte  Fall  war  im  Gegensatz  zu  diesem  letal  endigenden 
ein  sehr  leichter. 

Fall  V:  Kind  Willy  M.,  1  Jahr  alt,  ungeimpft,  war  wegen 
Impetigo  contagiosa  bei  uns  in  Behandlung  und  zwar  hatte  es  bei 
der  Aufnahme  Effloreszenzen  auf  der  Stirn,  auf  beiden  Wangen  und 
am  linken  Ohr. 

13.  I.  In  der  Kreuzbeingegend  sind  heute  in  einem  etwa  hand¬ 
tellergrossen  Bezirke  zahlreiche  Pusteln  aufgetreten.  Während  einige 
Pusteln  das  typische  Bild  der  Vakzinepusteln  aufweisen,  stellen 
andere  nur  Abortivformen  dar  und  haben  weder  eine  zentrale,  Delle 
noch  einen  roten  Hof.  Es  besteht  starker  Juckreiz,  dagegen  ist  keine 
Temperatursteigerung  vorhanden. 

15.  I.  Am  Rücken  sind  noch  einige  weitere  Pusteln  aufgetreten. 
Die  Impetigo  contagiosa  ist  unter  Zinkpaste  abgeheilt.  Das  Allge¬ 
meinbefinden  ist  nicht  gestört. 

26.  I.  Die  Effloreszenzen  am  Rücken  sind  sämtlich  abgeheilt. 
Narben  sind  kaum  sichtbar.  Das  Kind  wird  als  geheilt  entlassen. 

Ausser  diesen  6  Patienten,  deren  Krankengeschichte  im  Vor¬ 
stehenden  wiedergegeben  wurde,  befanden  sich  im  Krankensaal  noch 
10  andere  Kinder,  die  bis  auf  eins  alle  geimpft  waren.  Diese  Kinder 
blieben  alle  vor  der  Vakzineerkrankung  verschont,  auch  das  eine 
ungeimpfte  Kind,  trotzdem  es  an  einem  fast  universellen  Ekzem  litt. 
Von  den  9  anderen  Kindern  litten  2  an  hereditärer  Lues,  die  anderen 
an  mehr  oder  weniger  juckenden  Hautaffektionen  (Ekzem  etc.). 

Die  erste  Frage  nun,  die  sich  uns  beim  Studium  der  obigen 
Krankengeschichten  aufdrängt,  ist  wohl: 

Wie  ist  diese  Epidemie  entstanden?  resp.  wie  entsteht  die 
Vaccina  generalisata  überhaupt?  Die  Frage  nach  der  Ent¬ 
stehung  der  Vaccina  generalisata  ist  schon  oft  erörtert  worden. 
Zwei  Wege  sind  es,  die  für  die  Entstehung  der  Erkrankung  vor 
allem  in  Betracht  kommen: 

1.  Die  Autoinokulation  resp.  Inokulation. 

2.  Die  „spontane  Eruption  von  innen  heraus“  (H  a  s  1  u  n  d). 

Beide  Infektionsmöglichkeiten  haben  warme  Verteidiger 
gefunden. 

W  e  1 1  e  r  e  r,  der  sich  entschieden  für  die  Entstehung  der 
Vaccina  generalisata  durch  Autoinokulation  ausspricht,  führt 
darüber  folgende  Gründe  als  Beweis  an: 

1.  Sei  bei  allen  einwandsfreien  Fällen  von  Vaccina  gene¬ 
ralisata  eine  juckende  Dermatose  vorhanden  gewesen. 

2.  Seien  vielfach  sogen.  „Impfstriche“,  entstanden  durch 
den  kratzenden  Fingernagel,  beobachtet  worden. 

3.  Spreche  das  schubweise  Auftreten  der  Effloreszenzen 
gegen  eine  Verbreitung  der  Vakzine  durch  die  Blutbahn. 

4.  Kämen  keine  Impfpusteln  an  Stellen  vor,  die  für  den 
kratzenden  Finger  nicht  erreichbar  oder  durch  einen  Verband 
geschützt  seien.  • 

Ihm  hält  H  a  s  1  u  n  d  entgegen,  dass  doch  nicht  in  allen  be¬ 
obachteten  Fällen  eine  Hautkrankheit  vorhanden  war,  dass 
ferner  relativ  selten  eine  Verletzung  der  ursprünglichen  Impf¬ 
blasen  erwähnt  wird.  Ein  schubweises  Auftreten  des  Aus¬ 
schlages  komme  auch  bei  anderen  Infektionskrankheiten  vor. 
Schliesslich  sei  auch  der  vierte  Grund  nicht  stichhaltig,  da  er 
schon  Blasen  zwischen  den  Schulterblättern  gesehen  habe. 
Ohne  die  Möglichkeit  einer  Autoinfektion  ganz  von  der  Hand 
zu  weisen,  hält  Haslund  die  Vaccina  generalisata  in  der 
überaus  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  für  eine  Allgemeininfektion 
mit  spontanem  Ausbruch  der  Blasen.  Dafür  sprechen  ihm  das 
Fieber,  der  zuweilen  schwere  Allgemeinzustand  una  die  oft 
vorhandene  grosse  Anzahl  von  Blasen.  Ebenso  wie  H  a  s  1  u  n  d 
ist  G  r  o  t  h  für  die  Entstehung  der  Vaccina  generalisata  auf  dem 
Blutwege.  Bei  dem  von  ihm  beobachteten  Falle  lag  eine  Haut¬ 
krankheit  nicht  vor.  Gleichwohl  hält  er  in  den  meisten  Fällen 


6.  August  1907. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


eine  individuelle  Disposition,  vor  allem  durch  chronisches  Ek¬ 
zem,  für  gegeben. 

Einen  neuen  Gesichtspunkt  in  die  Frage  nach  der  Ent¬ 
stehung  der  generalisierten  Vakzine  bringt  Paul  insofern,  als 
er  bei  der  Bezeichnung  als  generalisierte  Vakzine  eine  vorher 
ganz  gesunde  Haut  verlangt.  Dieser  Forderung  schliesst  sich 
Werner  an.  Die  beiden  Autoren  schliessen  damit  die  Ent¬ 
stehung  der  Erkrankung  durch  Kontaktinfektion  so  ziemlich 
aus.  Für  die  Entstehung  der  generalisierten  Vakzine  auf  dem 
Blutwege  traten  u.  ,a.  noch  P  1  o  n  s  k  i  und  Peter  ein. 

Leider  hat  auch  die  von  uns  beobachtete  Epidemie  eine 
Entscheidung  in  dieser  Frage  noch  nicht  herbeizuführen  ver¬ 
mocht.  Immerhin  spricht  manches  für  eine  „Eruption  von  innen 
heraus“.  So  ist  es  doch  eine  auffallende  Tatsache,  dass  in 
allen  unseren  Fällen,  mit  Ausnahme  des  Falles  VI,  der  ja  über¬ 
haupt  sehr  leicht  verlief,  Husten  im  Beginn  der  Erkrankung 
konstatiert  wurde.  Ist  da  nicht  die  Annahme  naheliegend,  dass 
bei  der  generalisierten  Vakzine  das  Krankheitsgift,  ebenso  wie 
das  für  die  Variola  wahrscheinlich  ist,  mit  der  Inspirationsluft 
eingeatmet  wird?  Da  die  bisher  mitgeteilten  Fälle  von  Vac- 
cina  generalisata  nicht  unter  klinischer  Beobachtung  entstan¬ 
den,  so  ist  vielleicht  das  Befallensein  der  Respirationsorgane 
im  Beginn  der  Erkrankung  noch  nicht  genügend  beobachtet 
und  als  Symptom  gewürdigt  worden.  Vielleicht  ist  es  der  Mühe 
wert,  in  Zukunft  in  dieser  Richtung  Nachforschungen  anzu¬ 
stellen.  Gegen  eine  Inokulation  liesse  sich  ferner  anführen, 
dass  in  Fall  I  überhaupt  keine  Hauterkrankung  vorhanden  ge¬ 
wesen  war  und  dass  in  Fall  IV — VI  die  ersten  Impfpusteln  an 
Stellen  auftraten,  wo  nie  vorher  ein  Ekzem  gesessen  hatte,  dass 
somit  die  Möglichkeit  einer  Autoinokulation  resp.  Inokulation 
recht  gering  war.  Ganz  leugnen  lässt  natürlich  die  Möglichkeit 
einer  Inokulation  sich  nicht,  da  ja  die  Läsionen  der  Haut  unseren 
Augen  entgangen  sein  könnten. 

Als  weiterer  Faktor,  der  vielleicht  zur  Entstehung  einer 
Vaccina  generalisata  beitragen  könnte,  käme  eine  besondere 
Virulenz  des  Vakzinekontagiums  in  Betracht.  Man  könnte  bei¬ 
nahe  geneigt  sein,  in  unseren  Fällen  eine  solche  hochgradige 
Virulenz  des  Impfstoffes  anzunehmen,  wenn  man  bedenkt,  dass 
von  dem  ursprünglich  geimpften  Kinde  zunächst  drei  Ange¬ 
hörige  und  von  einer  dieser  indirekt  geimpften  Personen  wieder 
5  Kinder  infiziert  wurden.  Denn  dass  Fall  II — VI  durch  Fall  I 
angesteckt  wurden,  das  geht  aus  dem  fast  ganz  gleichzeitigen 
Auftreten  der  Erkrankung  einwandsfrei  hervor. 

Es  erübrigt  noch,  auf  die  Rolle,  die  das  Ekzem  bei  der 
Vaccina  generalisata  spielt,  des  näheren  einzugehen.  Selbst 
wenn  wir  nicht,  wie  die  Anhänger  der  Kontaktinfektion,  das 
Vorhandensein  einer  juckenden  Dermatose  als  Voraussetzung 
für  das  Zustandekommen  einer  Vaccina  generalisata  betrachten, 
so  müssen  wir  doch  bei  einem  Studium  der  einschlägigen  Li¬ 
teratur  zugeben,  dass  Hautkrankheiten,  insbesondere  Ekzem, 
in  hohem  Grade  zur  Entstehung  einer  Vaccina  generalisata  dis¬ 
ponieren.  Die  Haut  dieser  ekzemkranken  Individuen  bietet  ent¬ 
schieden  einen  Locus  minoris  resistentiae  dar.  Ueber  den  Ein¬ 
fluss  der  Vakzine  auf  die  Heilung  des  bestehenden  Ekzems  sind 
die  Meinungen  sehr  geteilt. 

Während  einzelne  Autoren,  wie  Dietter,  Haslund, 
Kalischer,  Swoboda  nach  Ablauf  der  Vaccina  generali¬ 
sata  eine  schnelle  Heilung  des  Ekzems  beobachteten,  ja  T  a  i  t 
und  G  u  n  d  a  1 1  sogar  die  Vakzination  zur  Heilung  inveterierter 
Ekzeme  bei  Kindern  empfehlen,  hatten  andere,  wie  Wet- 
terer,  Voigt,  Groth,  Haslund  eine  wesentliche  Ver¬ 
schlechterung  zu  verzeichnen. 

Wir  hatten  in  2  Fällen  (II  und  III),  wo  sich  die  Vakzine¬ 
pusteln  auf  dem  Boden  des  bestehenden  Ekzems  lokalisierten, 
eine  Verschlimmerung  des  Ekzems  zu  beobachten.  In  zwei 
anderen  Fällen  (IV  und  VI),  in  denen  die  vorher  erkrankten 
Stellen  der  Haut  von  Vakzinepusteln  verschont  blieben,  ging 
die  Heilung  der  Dermatose  ohne  Störung  vor  sich. 

Die  Prognose  der  Vaccina  generalisata  ist  im  allgemeinen 
günstig. 

Der  Exitus  letalis  unseres  Falles  V  ist  durch  die  schwere 
Form  der  angeborenen  Syphilis,  wegen  deren  das  Kind  zu  uns 
kam,  herbeigeführt. 

Die  Lokalisation  der  Vakzinepusteln  auf  der  Schleimhaut 
bei  diesem  letal  ausgegangenen  Fall  verdient  übrigens  auch 

No.  32. 


1585 


deshalb  besonderes  Interesse,  als  sie  selbst  bei  einer  über  den 
ganzen  Körper  ausgedehnten  Vakzineeruption  etwas  äusserst 
Seltenes  ist.  In  der  ganzen  Literatur  fanden  wir  nur  2  derartige 
Fälle  beschrieben,  der  eine  von  Widowitz,  der  bei  einem 
Patienten  an  der  Schleimhaut  der  Unterlippe  und  an  dem  Ueber- 
gang  des  weichen  zum  harten  Gaumen  Vakzinepusteln  be¬ 
obachtete,  der  andere  von  d’E  s  p  i  n  e  und  J  e  a  n  d  i  n.  Dieser 
letztere  Fall  ist  unsicher,  da  die  am  11.  Tage  nach  der  Impfung 
auf  der  Mundschleimhaut  erschienenen  Bläschen  am  12.  Tage 
schon  wieder  verschwunden  waren. 

Als  etwas  sehr  Seltenes  kann  man  auch  das  Auftreten 
von  Lymphdriisenabszessen  im  Gefolge  der  Vaccina  generali¬ 
sata  bezeichnen.  Diese  seltene  Komplikation  kam  in  zwei  un¬ 
serer  Fälle  (Fall  I  und  II)  zur  Beobachtung  und  vielleicht  können 
wir  dieses  Faktum  als  Stütze  unserer  oben  geäusserten  Ver¬ 
mutung  verwenden,  dass  es  sich  in  unseren  Fällen  um  einen 
ganz  besonders  virulenten  Impfstoff  handelte. 

Was  lehren  uns  nun  die  obigen  Ausführungen?  Sie  lehren 
uns  vor  allem,  dass  es  eine  epidemische  Verbreitung  der  Vac¬ 
cina  generalisata  gibt. 

Den  Impfgegnern  kann  diese  kleine  Epidemie  keine  Waffe 
in  die  Hand  geben,  denn  keines  der  erkrankten  Kinder  hat  einen 
grösseren  oder  gar  dauernden  Schaden  an  seiner  Gesundheit 
genommen  (Fall  V  ist,  wie  oben  schon  bemerkt,  an  der  ange¬ 
borenen  Syphilis,  nicht  an  der  Vakzine  gestorben)  im  Gegen¬ 
teil,  es  hat  sich  der  Impfschutz  der  geimpften  Kinder  glänzend 
bewährt. 

Durch  das  Verbot  der  Impfung  ekzemkranker  Kinder  ist  die 
grosse  Seltenheit  des  Auftretens  der  Vaccina  generalisata  er¬ 
klärt.  Unsere  Epidemie  lehrt  aber  auch^  dass  man  in  der  Iso¬ 
lierung  der  erkrankten  von  noch  nicht  geimpften,  ekzemkranken 
Kinder  nicht  streng  genug  Vorgehen  kann.  ‘Wir  haben  zunächst 
die  Kontagiosität  der  generalisierten  Vakzine  unterschätzt,  weil 
unseres  Wissens  in  der  Literatur  noch  keine  solche  Haus¬ 
epidemie  niedergelegt  worden  ist. 

Gerade  deshalb  erschienen  uns  unsere  Fälle  mitteilungs- 
wert. 

Fremdkörper  in  der  Nase  als  Folge  von  Trauma. 

Von  Dr.  Ernst  Pasch,  I.  Assistenzarzt  der  Lungenheil¬ 
stätte  in  Belzig. 

Fremdkörper  finden  sich  in  der  Nase  aus  den  verschieden¬ 
sten  Gründen;  hauptsächlich  sind  es  solche,  die  von  Kindern 
in  die  Nase  gesteckt  werden. 

Bei  Erwachsenen  sind  Fremdkörperfälle  ziemlich  selten, 
besonders  solche  traumatischen  Ursprungs.  Es  handelt  sich 
dabei  meistens  um  Flinten-  und  Revolverkugeln,  die  bei  einer 
Explosion  der  Waffe  in  die  Nase  gelangen.  Ganz  spärlich  sind 
die  Literaturangaben  über  solche  Fremdkörper,  die  bei  der 
Arbeit  infolge  eines  Traumas  in  die  Nase  gelangt  sind.  Um 
so  mehr  dürfte  folgender  Fall  allgemeines  Interesse  erregen, 
welchen  Verfasser  gelegentlich  einer  Vertretung  im  ober¬ 
schlesischen  Industriebezirk  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte. 

Simon  M.,  Maschinenarbeiter  auf  der  Königin-Luise-Grube, 
28  Jahre  alt.  Patient  arbeitet  auf  der  Seilförderstrecke,  in  einer 
Tiefe  von  200  m.  Die  gefüllten  Kohlenkästen  werden  mit  je  3  m 
langen  Ketten  an  dem  Seil  befestigt  und  unter  Schacht  nach  der 
Förderschale  befördert.  Am  8.  I.  07  fiel  eine  solche  Kette,  die  sich 
vom  Seil  losgelöst  hatte,  hinunter  und  hakte  sich  zwischen  Gestänge 
und  Rädern  fest.  Als  M.  mit  einem  Schwung  die  Kette  von  unten 
nach  oben  an  sich  reissen  wollte,  platzte  sie.  M.  hatte  dabei  eine 
blitzartige  Lichterscheinung  und  empfand  einen  Schlag  auf  die  Nase. 
Diese  schwoll  sofort  an,  besonders  rechts,  und  es  quoll  Blut  aus  der 
rechten  Nasenhöhle.  Patient  hatte  den  Eindruck,  als  ob  durch  einen 
äusseren  Schlag  sein  Nasenbein  beschädigt  sei,  und  als  ob  er  Zähne 
verloren  hätte.  Da  M.  keine  grössere  äussere  Verletzung  hatte, 
machte  er  auf  Rat  des  Grubenkrankenwärters  Umschläge  mit  essig¬ 
saurer  Tonerde.  Dieselbe  Therapie  ordnete  ein  sofort  nach  der 
Arbeit  konsultierter  praktischer  Arzt  ohne  Untersuchung  des  Nasen- 
innern  an.  Bis  Ende  der  zweiten  Woche  verspürte  jedoch  Patient 
keine  Besserung  der  Nasenatmung  und  suchte  deshalb  spezialistische 
Hilfe  auf. 

Befund  am  21.  II.  07:  Auf  der  Maut  der  Nasenspitze  eine  kleine, 
quer  verlaufende  Narbe.  Rechte  Nasenhälfte  stark  aufgetrieben, 
ln  der  Nasenhöhle  am  Septum  und  Nasenboden  schwarze,  mit  der 
Umgebung  nicht  verwachsene  Massen,  die  sich  bei  Sondenberührung 
als  vollkommen  hart  erweisen  und  Verdacht  auf  Fremdkörper  nahe- 

3 


9 


1586 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


legen.  Vorsichtige  Extraktion  dieser  schwarzen  Massen,  die  Zu¬ 
sammenhängen,  in  vollkommen  atypischer  Weise;  sie  erweisen  sich 
als  das  Glied  einer  eisernen  Kette,  das  an  seinem  hinteren  Ende  ge¬ 
sprungen  ist.  Es  ist  fast  20  g  schwer,  38  mm  lang  und  22  mm 
breit.  Geringe  Blutung,  die  bald  steht.  In  der  rechten  Nase,  die 
sofort  auf  ihren  vorigen  Umfang  zurückkehrt,  gewahrt  man  keine 
erheblichen  Verletzungen,  nur  eine  Rinne  in  der  Schleimhaut  der 
Scheidewand,  die  in  toto  etwas  nach  links  gebogen  erscheint.  Jodo¬ 
formpulver. 

Der  rechte  Gehörgang  ist  voll  von  geronnenem  Blut,  das  sich 
durch  Wasserstoffsuperoxyd  nur  schwer  aufweichen  lässt;  somit 
ist  eine  Besichtigung  des  Trommelfells  unmöglich.  Die  Gehörgangs¬ 
wände  sind  gerötet  und  etwas  geschwollen.  Flüstersprache  ad  con- 
cham.  Weber  im  gesunden  Ohr.  Rinne  negativ.  Verschluss  des 
Ohres  durch  sterile  Watte. 

29.  I.  In  den  letzten  Tagen  war  zur  Verhütung  von  Verkle¬ 
bungen  in  der  rechten  Nase  ein  Jodoformgazestreifen  eingeführt 
worden.  Die  im  übrigen  nicht  übermässig  grosse  Nase  erweist  sich 
bei  der  heutigen  Besichtigung  normal.  Am  rechten  Ohr  ist  das 
Trommelfell  sichtbar,  rotbläulich  verfärbt.  Flüstersprache  ca.  5  m, 
Weber  im  Kopf,  Rinne  positiv. 

Am  auffallendsten  ist  es,  auf  welche  Weise  der  Fremdkörper 
in  die  Nase  gelangt  ist.  Es  lässt  sich  dies  meiner  Meinung  nach 
nur  so  erklären,  dass  beim  Reissen  der  Kette  dieses  eine  Glied 
unter  ungeheuerem  Luftdruck  in  die  nicht  einmal  besonders  grosse 
Nase  geschleudert  wurde,  oder  —  was  wahrscheinlicher  ist  —  dass 
es  zu  Boden  fiel  und  von  dort  mit  grosser  Kraft  zurückprallte, 
während  der  Arbeiter  gebückt  stand.  Ein  seiner  Entstehung  nach 
ganz  ähnlicher  Fall  ist  von  Sinotecki  mitgeteilt  worden;  da 
er  auch  sonst  manches  mit  dem  unserigen  Analoges  aufweist,  will 
ich  ihn  nach  einem  Referat  von  Sokolowski  im  Intern.  Zentralbl. 
f.  Laryngol.,  Rhinol,  etc.  1905,  S.  377  hier  kurz  wiedergegeben: 

Ein  Stück  Eisen  sprang  beim  Schmieden  ab,  fiel  auf  die  Erde 
und  prallte  mit  so  grosser  Gewalt  von  dieser  ab,  dass  es  in  die  Nase 
des  gebückt  stehenden  Schmiedes  gelangte.  Die  Entfernung  des 
Eisensplitters  gelang  ihm  erst  mittels  einer  Zange,  er  hatte  eine 
Länge  von  ca.  15  cm  (soll  wohl  heissen  1,5  cm?  Verf.)  Spuren  der 
Verbrennung  waren  auf  dem  rechten  Nasenflügel  sichtbar,  auf  der 
unteren  und  mittleren  Muschel,  sowie  an  den  Seiten  des  rechten 
unteren  Nasenganges,  der  mit  Krusten  bedeckt  war.  Unbedeutende 
Nasenblutung.  Heilung  nach  kurzer  Zeit. 

Die  Diagnose  war  in  unserem  Fall  nicht  ganz  leicht 
zu  stellen;  aus  der  Anamnese,  wie  sonst  in  den  meisten 
Fällen,  ging  sie  nicht  hervor.  Auch  waren  keine  Symptome 
vorhanden,  wie  Katarrh,  Schmerzen  etc.  Die  Behinderung  der 
Nasenatmung  allein  konnte  man  nicht  als  ein  spezifisches  Sym¬ 
ptom  ansehen.  Es  könnte  vielleicht  merkwürdig  erscheinen, 
dass  ein  Fremdkörper  von  dieser  Grösse  14  Tage  lang  voll¬ 
kommen  reizlos  in  der  Nase  liegen  kann;  es  gibt  aber  Fälle, 
wo  ein  Fremdkörper  jahrelang  keine  Erscheinung  zu  machen 
braucht,  so  wird  z.  B.  von  einer  Flintenkugel  berichtet,  die 
erst  nach  25  Jahren  in  der  Nase  entdeckt  worden  ist.  —  Der 
Sitz  des  Fremdkörpers  bot  auch  nichts  Charakteristisches. 
Seifert  teilt  in  Haymanns  Handbuch  der  Rhino- 
1  o  g  i  e  (W  i  e  n  1900)  mit,  dass  in  80  Proz.  aller  Fälle  der 
untere  Nasengang  Sitz  der  Fremdkörper  ist,  sonst  der  mittlere 
Nasengang  oder  der  Engpass  zwischen  mittlerer  Muschel  und 
Septum.  Das  kann  aber  nur  für  Fremdkörper  einer  gewissen 
Grösse  gelten.  Die  Diagnose  ergab  sich  daher  hauptsächlich 
aus  der  nach  der  blossen  Besichtigung  vorgenommenen  Son¬ 
dierung,  die  einen  harten  Gegenstand  feststellte;  dessen  Gestalt 
konnte  man  erst  bei  der  Extraktion  mit  Sicherheit  erkennen. 

Die  Heilung  erfolgte,  besonders  da  keine  erheblichen 
Verletzungen  vorhanden  waren,  glatt  nach  einigen  Tagen. 
Ebenso  ging  das  durch  dasselbe  Trauma  hervorgerufene 
Hämatotympanon  prompt  zurück. 

Dieser  Fall  lehrt,  dass  es  in  jedem  Fall  von  Kopfschmerzen, 
Nasenverstopfung  und  ähnlichen  oft  unbestimmten  Klagen  von 
grosser  Wichtigkeit  für  den  praktischen  Arzt  ist,  das  Nasen¬ 
innere  mittels  eines  Spekulums  zu  besichtigen.  Man  kann  dann 
häufig  positive  Befunde  erheben  wie  in  dem  vorliegenden,  der 
wohl  einzig  in  seiner  Art  dastehen  dürfte. 


Die  Radikaloperation  der  Herniae  permagnae  mit 
Reposition  des  Hodens  in  die  Bauchhöhle. 

(Zu  Sauerbruchs  Publikation :  „Die  Radikaloperation 
übergrosser  Leistenhernien.“  M.  med.  W.  1907,  No.  24.) 
Von  Dr.  Oskar  Bernhard  in  St.  Moritz. 

In  meiner  früheren  Stellung  als  Arzt  des  Oberengadiner 
Spitales  in  Samaden  bin  ich  öfters  in  der  Lage  gewesen,  die 


Radikaloperation  übergrosser  Leistenbrüche  auszuüben 1).  Um 
einen  ganz  festen  Verschluss  zu  erzielen,  habe  ich  dabei  bei 
älteren  Leuten,  von  der  Mitte  der  50  er  Jahre  aufwärts,  mei¬ 
stens  die  gleichzeitige  Kastration  mit  hoher  Abtragung  des 
Samenstranges  gemacht,  ohne  Rücksicht  ob  der  Hode  schon 
atrophisch  war  oder  nicht.  Die  betreffenden  Patienten  waren 
mit  dem  Vorschläge  jedesmal  sofort  einverstanden.  Bei 
jüngeren  Männern  habe  ich  davon  natürlich  stets  abgesehen, 
im  Hinblick  darauf,  dass  der  andere  Hode  später  erkranken 
und  dann  doch  absolute  Impotenz  eintreten  könne  und  dass  die 
Aussicht  auf  eine  solche  Eventualität  auf  den  Operierten  stets 
moralisch  deprimierend  wirken  könnte.  Auch  in  diesen  Fällen 
ist  es  aber  im  Interesse  eines  zuverlässigen  Verschlusses  voq 
grossem  Vorteile,  wenn  man  sich  vom  Funikulus  gänzlich 
emanzipieren  kann.  Deshalb  verlagere  ich  den 
Hoden  in  die  Bauchhöhle.  Diese  Verlagerungs¬ 
methode,  die  ich  natürlich  nur  auf  sehr  grosse  Brüche  oder 
dann  etwa  noch  auf  gewisse  Fälle  von  Rezidiv  nach  Radikal¬ 
operation  beschränke,  habe  ich  vor  10  Jahren  im  Korrespon¬ 
denzblatt  für  Schweizer  Aerzte  veröffentlicht 2).  Da  ich  mit  der¬ 
selben  auch  fernerhin  stets  zufrieden  gewesen  bin,  erlaube  ich 
mir,  durch  die  Arbeit  Sauerbruchs  dazu  veranlasst,  kurz 
darauf  zurück  zu  kommen.  Vor  der  Radikaloperation  wird  im 
Sinne  Kausch’  eine  Vorbereitungskur  durchgeführt.  Bei 
der  Operation  selbst  wird  der  Bruchsack,  wo  es  ohne  zu  grosse 
Zerrungen  und  Schwierigkeiten  geht,  isoliert.  Der  Hode  wird 
aus  dem  Skrotum  in  die  Schnittwunde  hinaufluxiert  und  der 
Samenstrang  bis  zum  inneren  Leistenring  hinauf  freipräpariert. 
Dann  wird  der  Bruchsack  weit  geöffnet  und  der  Hode  samt 
den  Baucheingeweiden  in  die  Bauchhöhle  reponiert.  Bei  den 
weiten  Bruchpforten  fällt  er  gewöhnlich  von  selbst  leicht  in  den 
Bauch  hinein.  Nun  Verschluss  und  Abschneiden  des  Bruchsackes. 
Den  Stumpf  lässt  man  in  die  Bauchöhle  zurückgleiten.  Schluss 
der  Bruchpforte  und  Verengerung  des  Leistenkanales  in  seiner 
ganzen  Länge  mit  festen,  tiefgreifenden  Nähten;  eventuell 
können  noch  myo-  oder  osteoplastische  Deckungen  ange¬ 
schlossen  werden,  meistens  sind  sie  aber  bei  meinem  Verfahren 
überflüssig.  —  Bei  sehr  stark  adhärentem  Bruchsacke  wird  der¬ 
selbe  gleich  am  Anfänge  der  ganzen  Länge  nach  gespalten,  von 
seinen  Wänden  so  viel  abpräpariert,  als  es  eben  gut  geht  und  mit 
der  Schere  entfernt,  und  dann  nach  Reposition  der  Bauchein¬ 
geweide  und  des  Hodens  mit  tieffassenden  Nähten  geschlossen. 
—  Zum  Schlüsse  eine  exakte  fortlaufende  Hautnaht.  Gaze- 
Kollodium-Verband. 

Die  Haut  der  leeren  Skrotalhälfte  wird  in  eine  breite  Falte 
gefasst  und  durch  einige  tiefe  Nähte  die  Höhle  verkleinert. 
Wünscht  es  der  Patient,  so  kann  statt  dessen  nach  dem  Vor¬ 
schläge  Steinmanns3)  ein  Paraffinhode  eingesetzt  werden. 

Was  wird  nun  aus  dem  in  die  Bauchhöhle,  in  sein  altes  Be¬ 
hältnis  zurückgekehrten  Hoden?  Atrophiert  und  degeneriert 


1)  Bei  unserer  schweizerischen  Bevölkerung  sind  Leistenhernien 
ein  sehr  häufiges  Leiden  (cf.  Berlepsch:  Schweizerkunde,  2. 
Auflage,  1875,  pag.  388/89),  sodass  zur  Zeit,  als  die  Miliz  noch  kan¬ 
tonal  war,  ein  Schweizerkanton,  um  die  notwendige  Zahl  Rekruten 
zu  bekommen,  mit  Brüchen  behaftete  Stellungspflichtige  nicht  mehr 
ausmusterte,  und  noch  jetzt  wird  ein  Schweizersoldat,  bei  dem  nach 
seiner  Rekrutenzeit,  also  nachdem  er  durch  seine  militärische  Aus¬ 
bildung  die  schweizerische  Eidgenossenschaft  Geld  gekostet  hat. 
eine  Hernie  austritt,  nur  in  schwereren  Fällen  definitiv  von  fernerer 
Dienstpflicht  entlastet.  Allerdings  werden,  mit  Bruchschäden  be¬ 
haftete  Stellungspflichtige  bei  der  sanitärischen  Eintrittsmusterung 
nicht  mehr  als  diensttauglich  erklärt.  Viele  solche  unterziehen  sich 
der  Radikaloperation,  damit  sie  Soldat  werden  können,  ich  habe 
öfters  solche  militärfreudige  junge  Leute  operiert.  Die  Radikal¬ 
operation  der  Hernien  erfreut  sich  in  der  Schweiz  überhaupt  grosser 
Beliebtheit,  es  wird  dieselbe  verhältnismässig  wohl  in  keinem  Lande 
so  häufig  ausgeführt  wie  bei  uns.  Verhältnismässig  häufig  kommen 
auch  jene  Brüche  vor,  die  wir  als  Herniae  permagnae  bezeichnen, 
selbst  bei  noch  jüngeren  Individuen  infolge  stetiger  Anstrengung  der 
Bauchpresse  durch  Tragen  schwerer  Lasten  bergauf  und  bergab, 
namentlich  der  grossen,  festgeschnürten  Heubürden,  die  wegen  Ab¬ 
schüssigkeit  der  meisten  Wiesen  nicht  zum  Heuschober  gefahren,  son¬ 
dern  getragen  werden. 

2)  „Eine  neue  Methode  der  Radikaloperation  der  Leistenhernie“, 
1897,  No.  21,  cf.  auch  Kocher:  Chirurgische  Operationslehre,  IV. 
Auflage,  1902,  pag.  366,  und  neueste  V.  Auflage  pag.  773. 

3)  Fr.  Steinmann:  Zur  operativen  Behandlung  des  Leisten¬ 
hodens.  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte,  1905,  No.  16. 


6.  August  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1S87 


er  oder  bleibt  er  gesund  und  funktionsfähig?  Meine  sämtlichen 
so  Operierten  leben  noch  und  es  fehlt  einstweilen  ein  Aufschluss 
durch  Autopsie.  Tierexperimente  habe  ich  auch  keine  ange¬ 
stellt.  So  liegt  nun  die  Frage  nahe,  wie  verhält  sich  der  Hode 
bei  angeborener  abdomineller  Lage?  Darüber  existieren 
viele  Beobachtungen.  Gewöhnlich  bilden  sich  der  resp.  die 
Bauchhoden  im  ferneren  Wachstum  des  Individuums  nicht 
weiter  oder  schwächer  und  später  aus,  was  Befruchtungsun- 
tauglichkeit  oder  späte  Pubertätsentwicklung  und  geringe  Sa¬ 
menbildung  bedingt.  Aber  es  können  auch  hier  Textur  und 
Funktionsfähigkeit  des  Hodens  vollkommen  normal  sich  ge¬ 
stalten,  wofür  Kocher  (Die  Krankheiten  der  männlichen  Ge¬ 
schlechtsorgane,  Ferdinand  Enke,  Stuttgart  1887)  mehrfach  den 
Nachweis  leistet.  Eine  Anzahl  Autoren  fanden  normale  Hoden 
im  Abdomen.  Von  42  Patienten  K  r  ö  n  1  e  i  n  s  3*)  mit  Kryp¬ 
torchismus  waren  3  Fälle  von  Retentio  testis  abdominalis.  Da¬ 
bei  wurde  konstatiert,  dass  die  3  Bauchhoden  sich  nahezu  nor¬ 
mal  entwickelt  hatten.  Wo  sich  der  Samenstrang  nicht  leicht 
mobilisieren  und  der  Hode  sich  ins  Skrotum  bringen  lässt,  ver¬ 
zichtet  K  r  ö  n  1  e  i  n  prinzipiell  auf  die  Orchidopexie  und 
verlagert  den  Hoden  lieber  in  das  properitoneale 
Bindegewebe.  B  e  i  g  1 4)  fand  bei  doppelseitigem  vollständigem 
Kryptorchismus  eines  22  jährigen  Mannes  normale  Spermato- 
zoen  im  Samen.  H  y  r  1 1 5)  schreibt  in  seiner  topographischen 
Anatomie  zu  unserer  Frage  folgendes:  „In  der  Bauchhöhle  ver¬ 
bliebene  Hoden  lagern  gewöhnlich  in  der  Nähe  des  Leisten¬ 
kanals,  selten  vor  dem  unteren  Nierenende,  als  an  der  Stelle 
ihrer  primitiven  Entwicklung.  Zurückbleiben  beider  Hoden 
innerhalb  der  Bauchhöhle  trifft  mit  Spaltung  des  Hodensackes, 
hermaphroditischer  Bildung  der  äusseren  Genitalien  und  man¬ 
gelhafter  Entwicklung  der  Hoden  selbst  zusammen,  kommt  aber 
auch  ohne  diese  und  ohne  Beeinträchtigung  des  geschlechtlichen 
Vigors  vor.  Mangelhaft  entwickelte  Hoden  dieser  Art  ge¬ 
winnen  auch  nichts,  wenn  sie  später  wirklich  in  den  Hoden¬ 
sack  herabsteigen. 

Ist  nur  ein  Hode  im  Unterleibe  zurückgeblieben,  so  wird 
der  hervorgetretene  grösser  als  gewöhnlich  gefunden.  Der 
zurückgebliebene  Hode  kann  auch  durch  Atrophie  eingehen 
(F  o  1 1  i  n),  obwohl  es  nur  selten  dahinkommt.  Die  Idee  der 
Atrophie  und  der  damit  zusammenhängenden  Impotentia  gene- 
randi  machte  auf  einen  jungen  Mann  mit  Kryptorchismus,  einen 
Schüler  Astley  C  o  o  p  e  r  s,  einen  so  tiefen  Eindruck,  dass  er 
in  Melancholie  verfiel  und  sich  zuletzt  das  Leben  nahm.  Bei 
der  Sektion  fanden  sich  beide  Hoden  von  normaler  Grösse  und 
Struktur  an  den  Bauchöffnungen  der  Leistenkanäle  liegend. 6) 

Ein  mir  befreundeter  Tierarzt,  Herr  G  i  o  v  a  n  o  1  i  in  Soglio 
iin  Bergell,  an  den  ich  mich  um  Auskunft  über  Bauchhoden  in 
der  Tierwelt  gewendet  hatte,  teilte  mir  aus  seiner  Praxis 
folgende  Beobachtung  mit:  Ein  Bauer  hatte  einem  Ziegenbock, 
der  nur  einen  Skrotalhoden  hatte,  denselben  entfernt,  und  liess 
das  Tier  mit  der  Ziegenherde  laufen.  Da  stellte  es  sich  heraus, 
dass  der  Bock,  welcher  einen  Abdominalhoden  hatte,  zeugungs¬ 
fähig  war.  Als  schönes  Tier  benutzte  man  ihn  sogar  zur  Zucht. 

Pargone  berichtet  über  einen  Hengst,  dessen  beide 
Hoden  nicht  sichtbar  waren,  unter  dessen  Nachkommen  5  Mo- 
norchiden  (Monokryptorchiden)  sich  befanden.  Möller  fand 
in  zwei  Fällen  von  Kryptorchismus  vollständig  entwickelte  be¬ 
wegliche  Spermatozoen  (zitiert  in  Steinmanns  oben  er¬ 
wähnter  Publikation). 

Also  ist  wohl  anzunehmen,  dass  meine  Verlagerungsme¬ 
thode,  die  einen  ausgewachsenen,  normalen  und 
leistungsfähigen  Hoden  betrifft,  denselben  auch  wenig¬ 
stens  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  anatomisch  und  physiologisch 
intakt  lasse.  Dann  haben  wir,  ohne  ein  Organ  geopfert,  d.  h. 
ohne  die  von  so  mancher  Seite  für  die  Operation  dieser  schwie¬ 
rigen  Brüche  vorgeschlagene  gleichzeitige  Kastration  vorge¬ 
nommen  zu  haben,  einen  gleich  guten  Verschluss  erzielt. 

In  anderer  Hinsicht  aber  kann  man  der  Rücklagerung  des 
Hodens  in  die  Bauchhöhle  ernstere  Bedenken  Vorhalten.  Sollte 


3*)  Schönholzer:  Ueber  Kryptorchismus.  Beiträge  zur  kli¬ 
nischen  Chirurgie,  Bd.  49,  pag.  321. 

4)  B  e  i  g  1:  Virchows  Archiv,  Bd.  38. 

5)  Hyrtl:  Handbuch  der  topographischen  Anatomiei  Bd.  II, 
1882,  pag.  63. 

6)  Follin:  Archives  generales  de  med.,  1851,  pag.  260. 


nämlich  der  transplantierte  Hode  später  von  Entzündungen, 
Syphilis,  Tuberkulose,  Karzinose,  Sarkomatose,  Zystenbil¬ 
dung  etc.  heimgesucht  werden,  so  ist  eine  frühzeitige  Erken¬ 
nung  der  betreffenden  Krankheit  allerdings  sehr  erschwert, 
vielleicht  geradezu  unmöglich  gemacht.  Ich  habe  aber  in  der 
Literatur  keine  Fälle  von  malignem  Tumor  oder  sonstiger  Er¬ 
krankung  eines  Bauchhodens  gefunden.  Ein  abdominaler  Hode 
ist  durch  seine  geschützte  Lage  vielleicht  sogar  noch  besser 
daran  als  ein  normal  im  Skrotum  liegender  und  ohne  Zweifel 
als  ein  Leistenhode.  Letzterer  hat  unter  stetigem  Drucke, 
häufiger  Einklemmung  und  öfters  durch  Samenstrang¬ 
torsion  zu  leiden  und  ist  auch  zufälligen  Traumen 
mehr  ausgesetzt  und  es  ist  daher  leicht  zu  begreifen,  dass 
er  oft  erkrankt  und  von  Geschwulstbildung  heimgesucht  wird. 
Robinson  (ebenfalls  zitiert  bei  S  t  e  i  n  m  a  n  n)  macht  da¬ 
rauf  aufmerksam,  dass  bei  gonorrhoischer  Entzündung  eines 
Bauchhodens  die  Gefahr  einer  sekundären  Peritonitis  näher 
liege,  als  beim  Skrotal-  oder  Leistenhoden  und  ich  möchte  das¬ 
selbe  Bedenken  auch  für  die  Erkrankung  eines  Bauchhodens  an 
Tuberkulose  erwähnen.  Alle  solche  Erwägungen  aber,  welche 
doch  nur  mit  Seltenheiten  rechnen,  erachte  ich  nicht  als  stich¬ 
haltig  genug,  die  Operation  zu  verwerfen.  Für  eine  Even¬ 
tualität  bin  ich  prophylaktisch  vorgegangen.  Um  der  späteren 
Entwicklung  einer  Hydrozele  des  dem  Bauche  anvertrauten 
Hodens  vorzubeugen,  habe  ich  das  äussere  Blatt  der  Tunica 
vaginalis  propria  testis  gespalten  und  mit  der  Scheere  abge¬ 
tragen. 

Für  meine  Operationsmethode  spricht  der  Umstand,  dass 
keiner  meiner  zehn  so  Operierten  von  seiten  seines  in  die  Bauch¬ 
höhle  verlagerten  Hodens  jemals  über  Beschwerden  zu  klagen 
hatte  und  dass  bis  dato  sämtliche  trotz  Verrichtung  schwerer 
Arbeit  rezidivfrei  geblieben  sind. 

In  neuerer  Zeit  hat  man  mein  Verfahren  auch  auf  die  ope¬ 
rative  Behandlung  des  Leistenhodens  übertragen,  und  in  Kon¬ 
kurrenz  gebracht  mit  der  Orchidopexie  und  Orchidectomie, 
namentlich  da  wo  bei  geringer  Beweglichkeit  des  Hodens  der 
Erfolg  der  ersteren  problematisch  wird  und  der  Hode  schliess¬ 
lich  doch  nur  am  Pecten  pubis  sitzen  bleibt,  wo  er  allerlei 
Schädlichkeiten  ausgesetzt  ist  und  gewöhnlich  nur  Beschwer¬ 
den  macht  (Steinmann7),  Odiorne  and  Simmons8), 
Corner9)  u.  a.).  Die  Zukunft  wird  uns  wohl  bald  Aufschluss 
geben  über  das  Schicksal  der  operativ  in  die  Bauchhöhle  ver¬ 
senkten  Hoden. 


Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  München  (Prof.  Dr.  v.  B  a  u  e  r). 

Blutbefunde  bei  Nervösen. 

Von  Alfred  Bretschneider. 

In  No.  47  (1906)  der  Münch,  med.  Wochenschr.  teilt 
Dr.  G  o  e  1 1  Blutbefunde  bei  Nervösen  mit,  welche  geeignet 
sind,  das  Interesse  auf  sich  zu  lenken.  Ich  habe  es  mir  zur 
Aufgabe  gemacht,  an  dem  Material  der  I.  med.  Klinik  München 
ähnliche  Resultate  zu  zeitigen,  musste  aber  im  grossen  und 
ganzen  einsehen,  dass  sich  in  den  G  o  e  1 1  sehen  Fällen 
irgendwo  ein  Fehler  befindet.  Schon  äusserlich  betrachtet  muss 
das  Missverhältnis  zwischen  Hämoglobin  und  Blutkörperchen¬ 
zahl  auffallen.  G  o  e  1 1  erklärt  seine  Befunde  im  Sinne  der 
G  r  a  w  i  t  z  sehen  Lehre  der  Blutverdünnung  oder  -Verdichtung 
durch  thermische  Applikationen  und  meint,  dass  bei  Nervösen, 
wie  es  z.  B.  aus  dem  Auftreten  von  zirkumskripten  Erythemen 
und  Oedemen  ersichtlich  ist,  grosse  Schwankungen  in  der 
Gefässinnervation  an  sich  schon  Vorkommen  und  dass  der 
ganze  Apparat  der  Untersuchung  Nervöse  so  sehr  erregt,  dass 
vom  Sympathikus  her  stark  auf  die  Gefässe  eingewirkt  werde 
und  diese  sich  infolgedessen  abnorm  stark  kontrahieren  oder 
dilatieren.  So  sei  es  leicht  einzusehen,  dass  bei  Gefässerschlaf- 
fung  —  Sinken  des  intrakapillären  Druckes  —  ein  Uebertritt 
von  Gewebsflüssigkeit  in  die  Kapillaren  erfolge.  Zu  derartigen 
Schwankungen  seien  Nervöse  eher  disponiert  wie  Normale. 
Das  ist  alles  wohl  zuzugeben;  aber  das  kann  wohl  unmög¬ 
lich  eingesehen  werden,  wieso  2/4  Millionen  Erythrozyten  die- 


7)  Vergleiche  oben. 

8)  Referiert  im  Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  9,  1905,  Referat  14. 

9)  Referiert  im  Zentralblatt  für  Chirurgie,  No.  51,  1904,  Referat  12, 

3* 


1588 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


selbe  Färbekraft  besitzen  sollen,  wie  5  Millionen.  Da  muss 
ein  Fehler  stecken.  Die  einzig  mögliche  Erklärung  wäre  eben 
die:  Der  erste  Tropfen  Blut,  an  welchem  Goett  den  Hämo¬ 
globingehalt  bestimmte,  stammte  in  jedem  der  vier  angeführten 
Fälle  aus  einem  abnorm  kontrahierten  Gefäss,  oder  aus  einem 
normal  innervierten.  Das  wäre  doch  merkwürdig.  An  eine 
solche  Uhrwerksmaschinerie  kann  ich  nicht  glauben. 

Durch  das  Uebertreten  von  Gewebsflüssigkeit  in  die  Ka¬ 
pillaren  findet  eine  Blutverdünnung  statt.  Es  kommen  somit 
auf  einen  Kubikmillimeter  Blut  nunmehr  weniger  Erythro¬ 
zyten  und  Leukozyten.  In  den  von  Goett  angeführten  Fällen 
fällt  der  Erythrozytengehalt  auf  den  halben  Wert  in  zwei 
Fällen,  in  den  anderen  zwei  Fällen  auf  7/io  des  wirklichen  Ge¬ 
haltes.  Aber  das  Hämoglobin,  was  diese  5/io  oder  7/io  Menge 
Erythrozyten  beherbergen,  sollte  dasselbe  sein,  wie  das  des 
ganzen  wirklichen  Körperchengehaltes?  Bei  meinen  Ver¬ 
suchen  mit  Kälte-  und  Wärmeapplikation  auf  die  Haut  der 
oberen  Extremitäten  —  was  analog  sein  soll  den  nervösen  Ein¬ 
flüssen  vom  Sympathikus  her  —  fand  ich  stets  mit  dem  Steigen 
der  Erythro-  und  Leukozytenzahl  bei  Kälteapplikation  ein 
Steigen  des  Hämoglobingehaltes  und  umgekehrt  mit  dem  Fallen 
der  Blutkörperchenzahl  bei  Wärmeapplikation  ein  Fallen  des 
Hämoglobingehaltes. 

Unter  normalen  Verhältnissen  habe  ich 
100  Proz.  Hämoglobin* 

5  050  000  Erythrozyten, 

6  800  Leukozyten. 

Nach  der  Kälteapplikation  an  der  rechten  oberen  Ex¬ 
tremität  fand  ich 

115  Proz.  Hämoglobin, 

5  750  000  Erythrozyten, 

7  200  Leukozyten 
und  nach  Wärmeapplikation 

90  Proz.  Hämoglobin, 

4  225  000  Erythrozyten, 

6  300  Leukozyten. 

Ein  derartiges  Verhältnis  von  Hämoglobin  zu  roten  Blut¬ 
körperchen  fand  ich  stets  bei  dergleichen  Versuchen.  Natürlich 
dürfen  wir  nicht  ausser  acht  lassen,  dass  alle  die  Unter¬ 
suchungen,  mögen  sie  auch  noch  so  exakt  ausgeführt  worden 
sein,  wie  ich  es  tatsächlich  von  den  meinen  behaupte,  Fehler¬ 
quellen  in  sich  bergen,  die  wir  bis  zu  3  Proz.  veranschlagen. 
Aber  selbst  eine  Einrechnung  dieser  3  Proz.  würde  an  meinen 
Resultaten  nichts  ändern.  —  In  den  von  Goett  angeführten 
Fällen  mag  ja  wohl  der  Hämoglobingehalt  absolut  genommen 
und  ebenso  die  Blutkörperchenanzahl  absolut  normal  sein. 
Aber  wenn  Goett  beide  Faktoren  auf  dieselbe  Weise  be¬ 
rechnet,  nämlich  indem  er  von  derselben  Einstichstelle  das 
Blut  entnimmt,  dann  sind  beide  Faktoren  auch  denselben  Ge¬ 
setzen  der  Verdünnung  unterworfen. 

Was  nun  die  Blutuntersuchung  an  den  Nervösen  selbst  an¬ 
geht,  so  möchte  ich  zunächst  vorausschicken,  dass  sich  meine 
Untersuchungen  zum  grössten  Teil  auf  nervöse,  sogen,  „hyste¬ 
rische1  Mädchen  erstrecken  und  zum  geringeren  Teil  auf  sogen, 
„neurasthenische“  Männer. 

Goetts  vier  Kranken  mit  Neurasthenie  glaube  ich  mit 
Recht  meine  Kranken  gegenüberstellen  zu  dürfen.  Was  ich  so 
aus  allen  meinen  Beobachtungen  schliessen  darf,  ist  folgendes: 
Die  vielen  Mädchen,  welche  mit  nervösen  Beschwerden  zu  uns 
in  die  Klinik  kommen,  sehen  gewöhnlich  etwas  blass  aus,  zeigen 
massig  oder  stark  verringerten  Hämoglobingehalt,  haben  bei 
normalem  Organbefund  meistens  ein  ziemlich  lebhaftes  Sexual¬ 
empfinden  und  die  Abstinenz  macht  bei  ihnen  wohl  einen  wich¬ 
tigen  Faktor  aus.  Diese  Mädchen  sind  gewöhnlich  in  solchen 
Stellungen,  wo  sie  viel  zu  arbeiten  und  wenig  Erholung  haben, 
nicht  gerade  gut  zu  essen  bekommen  und  bei  einer  etwas 
schweren  \  eranlagung  leicht  zu  psychischen  Störungen  neigen. 
Sie  v  erden  verschlossen,  scheu,  leicht  erregbar,  hypochon¬ 
drisch  etc.  Oder  es  handelt  sich  um  Männer,  die  keine  Be¬ 
tt  iedigung  in  ihrer  Betätigung  finden,  trinken,  sexuelle  Exzesse 
verüben  und  schliesslich  doch  allmählich  zu  einer  Selbstein¬ 
sicht  kommen  und  dann  unruhig  werden,  unzufrieden  mit  sich 
sei  Bst,  ohne  Inhalt  dastehen  und  in  dieser  Erkenntnis  bei 
felilenclei  hnergie  psychisch  immer  unsicherer  und  schwächer 
v  et  den  etc.,  sie  alle  sind  in  einer  Hinsicht  gleich  zu  be¬ 


werten.  Ihre  „Neurasthenie“  entspringt  psychischen  Fak¬ 
toren.  Das  ist  ja  längst  zur  Genüge  bekannt  und  behandelt 
worden.  Und  auf  die  Art  der  Neurasthenie  kommt  es  ja  hier 
nicht  sowohl  an,  als  darauf,  dass  die  nervösen  Patienten  auf 
Eindruck  und  Einflüsse  von  aussen  her  leichter  und  schneller 
reagieren  als  Normale.  Und  das  ist  bei  meinen  Patienten  in 
demselben  Masse  der  Fall  gewesen,  wie  bei  den  Patienten 

Goetts.  ,  „ 

Ich  habe  wohl  Befunde  erhoben,  von  denen  Grawitz 
schon  spricht,  indem  er  heftigen  psychischen  Einflüssen  die¬ 
selbe  Wirkung  auf  die  Gefässinnervation  und  somit  Blut¬ 
zusammensetzungen  zuschreibt  wie  thermischen.  Ich  habe  bei 
allen  meinen  Patienten  nur  in  zwei  Fällen  einen  ausser¬ 
ordentlich  hohen  Gehalt  an  Hämoglobin  und  Blut¬ 
körperchen  gefunden. 

Marie  K„  22  Jahre  alt,  Diagnose:  Hysterie,  führt  sich  bei  der 
Untersuchung  geradezu  schrecklich  auf,  sie  weint,  bittet  um  Scho¬ 
nung  und  ist  erst  mit  aller  erdenklichen  Mühe  zu  beruhigen,  damit 
sie  sich  durch  einen  Stich  in  die  Fingerbeere  etwas  Blut  entnehmen 
lässt.  Bei  dem  Einstich  zuckt  sie  energisch  zusammen,  bleich  vor 
Schrecken,  und  jammert  über  furchtbare  Schmerzen.  Der  Blutbefund 
war  folgender: 

Hämoglobingehalt  115  Proz., 

Erythrozyten  5  275  000, 

Leukozyten  8  200. 

Indem  ich  an  anderen  Patientinnen  im  gleichen  Saale  dieselbe 
Untersuchung  vornahm,  gewöhnte  ich  sie  allmählich  an  die  Sache 
und  fand  schliesslich  bei  ihr  einen 

Hämoglobingehalt  von  90  Proz., 

4  225  000-  Erythrozyten, 

4  800  Leukozyten, 
und  zwar  zu  wiederholten  Malen. 

Eine  andere  Patientin,  die  ebenfalls  mit  nervösen  Beschwerden 
zu  uns  kam  und  sich  bei  der  Blutuntersuchung  sehr  erregt  zeigte, 
blass  wurde,  trockene  Lippen  und  Zunge  bekam  etc.  hatte 

83  Proz.  Hämoglobin, 

5  700  000  Erythrozyten, 

4  500  Leukozyten, 

und  8  Tage  später 

86  Proz.  Hämoglobin, 

5  600  000  Erythrozyten, 

9  000  Leukozyten  (1  Uhr  nachmittags). 

Dagegen  zeigte  die  Patientin  M.  V.,  welche  ausgesprochen  hyste¬ 
rische  Symptome  aufwies  —  sie  geriet  über  ihr  „Unglück“,  nun  Blut 
hergeben  zu  müssen,  in  theatralisches  Lamentieren  und  war  gar 
nicht  zu  beruhigen. 

Hämoglobingehalt  90  Proz., 

4  250  000  rote  Blutkörperchen, 

6  500  weisse  Blutkörperchen. 

Ebenso  erging  es  mir  mit  sämtlichen  anderen  Nervösen,  die  ich 
nachher  untersucht  habe.  Keinerlei  Befunde  im  Goett  sehen  Sinne. 
Und  wenn,  wie  bei  den  beiden  angeführten  Patienten  eine  übergrosse 
gemütliche  Reaktion  stattfand,  dann  trat  eine  starke  Kontraktion  der 
Gefässe  ein  und  es  ergab  sich  ein  gesteigerter  Körperchen-  u  n  d 
Hämoglobingehalt. 

Ein  Fall  von  Myasthenia  gravis  pseudoparalytica  ohne  anatomi¬ 
schen  Befund  mit  ausgesprochen  nervösen  Symptomen: 

92  Proz.  Hämoglobin, 

5  225  000  Erythrozyten, 

4  900  Leukozyten. 

2  Fälle  von  Morbus  Basedowii  ebenfalls  mit  starken  nervösen 
Beschwerden : 

84  Proz.  Hämoglobin,  und  58  Proz.  Hämoglobin, 

4  475  000  Erythrozyten  4  350  000  Erythrozyten 

4  800  Leukozyten,  6  400  Leukozyten. 

Einige  nervöse  Mädchen  mit  sehr  gesteigerter  Erregbarkeit, 
lebhaftem  Farbenwechsel,  grosser  Unruhe  etc.  ergaben  ähnliche  Be¬ 
funde  wie: 

85  Proz.  Hämoglobin, 

4  475  000  Erythrozyten, 

6  800  Leukozyten. 

Ein  abgearbeiteter,  durch  wenig  Schlaf,  unhygienische  Lebens¬ 
weise  nervös  stark  heruntergekommener  Mann:  sehr  labile  Stim¬ 
mung: 

104  Proz.  Hämoglobin, 

5  225  000  Erythrozyten, 

5  900  Leukozyten. 

Ein  Mediziner,  der  schon  von  Jugend  auf  stark  unter  nervösen 
Beschwerden  zu  leiden  hat  und  namentlich  in  letzter  Zeit  infolge 
angestrengter  Arbeit  sehr  zu  Klagen  Anlass  findet.  Er  ist  unruhig, 
meist  deprimierter  Stimmung,  sehr  leicht  erregbar  und  schläft  sehr 
schlecht.  Kein  körperlicher  Befund: 

93  Proz.  Hämoglobin, 

5  125  000  Erythrozyten, 

4 100  Leukozyten. 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1589 


Paftientin  W.,  die  auf  die  Frage  nach  ihrem  Befinden  stets  mit 
unruhigen  Qeberden  lang  und  hastig  von  ihren  Leiden  erzählt,  wobei 
sie  unruhig  im  Bett  hin  und  herrückt,  deren  Beschwerden  aber  ledig¬ 
lich  auf  nervöser  Basis  beruhen,  wie  Ziehen  im  Rücken  und  im  Leibe, 
Stechen  in  der  Brust  (ohne  jeden  Befund)  zeigt: 

91  Proz.  Hämoglobin, 

4  225  000  Erythrozyten, 

6  900  Leukozyten. 

Es  folgen  wieder  eine  Reihe  von  Patientinnen,  wie  ich  sie  oben 
beschrieben  habe,  die  man  gemeinhin  als  Hysterische  zu  bezeichnen 
pflegt,  mit  ähnlichem  Befund  wie  Marie  L. : 

84  Proz.  Hämoglobin, 

4  650  000  Erythrozyten, 

4  700  Leukozyten. 

2  Patienten  von  „neurasthenischem“  Typus,  ähnlich  dem  Pa¬ 
tienten  I  von  Q  o  e  1 1: 

90  Proz.  Hämoglobin  und  78  Proz.  Hämoglobin 
5  125  000  Erythrozyten  5  075  000  Erythrozyten 

4  100  Leukozyten  4  300  Leukozyten. 

Und  ein  weiterer  Patient,  der  durch  körperliche  Ueberanstren- 
gung,  unhygienischen  Lebenswandel,  alkoholische  und  sexuelle  Ex¬ 
zesse  sehr  heruntergekommen  und  stark  an  nervösen  Beschwerden 
zu  leiden  hat: 

83  Proz.  Hämoglobin, 

5  025  000  Erythrozyten, 

5  300  Leukozyten. 

Ich  möchte  die  übrigen  Fälle,  die  ich  untersucht  habe,  nicht 
anführen.  Ich  habe  im  ganzen  über  50  Patienten  und  Patien¬ 
tinnen  untersucht;  ich  würde  die  genannten  Befunde  nur 
wiederholen. 

Solange  in  der  Goettschen  Arbeit  das  Missverhältnis 
zwischen  Hämoglobin  und  Erythrozyten  nicht  klargestellt  ist, 
hat  es  eigentlich  wenig  Wert,  darüber  zu  reden.  Vielleicht  er¬ 
gibt  sich  dann  alles  von  selbst.  Das  einzige,  was  ich  fest- 
stellen  kann,  ist,  dass  die  Psyche  allerdings  indirekt  einen 
Einfluss  hat  auf  die  Blutzusammensetzung  dadurch,  dass  der 
Gefässstatus  von  ihr  abhängt.  Ein  normaler  Mensch,  der  mit 
Ruhe  oder  nur  geringer  Erregung  sich  den  Einstich  machen 
lässt,  zeigt  wohl  tatsächliche  Resultate.  Ein  Nervöser, 
welcher  an  sich  schon  auf  alle  Eindrücke  von  aussen  her  viel 
ausgiebiger  reagiert,  wird  diesen  Untersuchungen  auch  mehr 
Unruhe  und  Erregung  entgegenbringen  (daher  die  Bezeichnung 
„reizbare  Schwäche“  oder  der  Vergleich  von  Engelmann, 
dass  das  System  der  vom  Sympathikus  innervierten  Organe 
einem  Musikinstrument  gleicht,  welches  sehr  leicht  anspricht, 
aber  auch  bei  grösster  Inanspruchnahme  verhältnismässig  zu 
wenig  Ton  gibt).  Wo  ich  etwas  derartiges  konstatieren  konnte, 
habe  ich  stets  eine  Gefässkontraktion  gefunden  und  somit  eine 
Vermehrung  der  Körperchen  u  n  d  des  Hämoglobingehaltes. 
Mir  scheinen  in  der  G  o  e  1 1  sehen  Arbeit  die  Hämoglobinwerte 
schon  richtig,  weil  da  selbst  eine  Vermehrung  infolge 
Gefässkontraktionen  stattgefunden  haben  kann  und  in  der  Tat 
glaube  ich,  dass  der  Ausdruck  für  einen  Schrecken,  wie  ihn  die 
Manipulationen  der  Blutuntersuchung  den  Nervösen  verur¬ 
sachen,  eher  eine  Gefässverengerung  als  eine  -erweiterung 
ist  —  wie  das  ja  auch  meine  2  Fälle  beweisen,  die  ich  oben  als 
erste  angeführt  habe.  Um  es  zu  wiederholen:  In  2  Fällen  fand 
ich  einen  aussergewöhnlich  hohen  Gehalt  an  Blutkörperchen 
lind  Hämoglobin  infolge  starker  Gefässkontraktion  bedingt 
durch  hochgradige  Erregung.  Die  G  o  e  1 1  sehen  Resultate 
kann  ich  nicht  bestätigen. 

Zur  Behandlung  des  Delirium  tremens. 

Von  Prof.  Aufrecht  in  Magdeburg. 

Die  Mitteilung  Eichelbergs  in  No.  20  dieser  Wochen¬ 
schrift  veranlasst  mich,  auf  meinen  im  Jahre  1890  auf  der  Natur¬ 
forscherversammlung  zu  Bremen  gehaltenen,  in  den  Verhandlungen 
der  Gesellschaft  (Abteilungssitzungen,  II.  Teil,  pag.  219)  in  extenso 
mitgeteilten  Vortrag  zurückzukommen,  nicht  nur,  weil  ich  dort  zuerst 
an  einem  ausreichend  grossen  Material  nachgewiesen  habe,  dass  die 
Verabfolgung  von  Alkohol  bei  der  Behandlung  des  unkomplizierten 
Delirium  tremens  gänzlich  unterlassen  werden  kann,  sondern  auch 
darum,  weil  ich  es  für  einen  therapeutischen  Verlust  ansehen  würde, 
wenn  das  gegen  dieses  Leiden  von  mir  empfohlene  Chlorallwdrat  in 
der  von  mir  geübten  Anwendungsweise  aufgegeben  würde. 

Wie  Eichelberg  aus  dem  allgemeinen  Krankenhause  Ham¬ 
burg-Eppendorf  berichtet,  wird  dort  von  jeder  spezifischen  Behand¬ 
lung  abgesehen;  „denn  weder  von  der.  verschiedentlich  vorgeschla¬ 
genen  Schlafmitteln  noch  von  den  empfohlenen  hydrotherapeutischen 


Massnahmen  ist  ein  Erfolg  beobachtet  worden.  Im  Gegenteil,  es 
machte  den  Eindruck,  dass  hierdurch  nur  noch  die  Herzkraft  ge¬ 
schwächt  wird.  Das  hauptsächliche  Augenmerk  wird  auf  die  Er¬ 
haltung  und  Stärkung  der  Herzkraft  gerichtet;  sobald  der  Puls 
schlechter  wurde,  ist  von  den  verschiedenartigen  Exzitantien  Digitalis, 
Strophanthus,  Kampher,  Kaffee  reichlich  Gebrauch  gemacht  worden.“ 

Von  den  letztgenannten  Mitteln  aber  habe  ich  bei  unkomplizierten 
Fällen  überhaupt  keinen  Gebrauch  machen  müssen,  wesentlich  darum, 
weil  bei  der  von  mir  empfohlenen  Behandlungsmethode  die  hoch¬ 
gradige  körperliche  und  geistige  Erregung  beträchtlich  herabgemin¬ 
dert  wird.  Dass  aber  eine  so  andauernde  Erregung,  wie  sie  durch  das 
Delirium  der  Potatoren  verursacht  wird,  an  und  für  sich  imstande  ist 
die  Herzkraft  herabzusetzen,  dürfte  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen. 

Immerhin  muss  in  erster  Linie  für  die  Berechtigung  zu  thera¬ 
peutischem  Vorgehen  gegen  das  Delirium  tremens  der  Erfolg  mass¬ 
gebend  sein.  Von  Eichelbergs  1053  Fällen  ohne  Komplikationen 
sind  15  gestorben,  also  1,42  Proz.  (nicht  wie  angegeben  ist  1  Proz.). 
Von  meinen  an  der  angegebenen  Stelle  aufgezählten  294  Fällen  da¬ 
gegen  10,  also  3,4  Proz.  Ich  habe  aber  daselbst  hinzugefügt:  „4  von 
diesen  10  starben  dm  Jahre  1885,  in  welchem  nur  22  Delirium-tremens- 
Fälle  aufgenommen  worden  sind“.  In  diesem  Jahre  aber  war  auf 
anderweitige  Empfehlung  hin,  bei  Reduzierung  der  Dosis  des  Chloral- 
hydrats  auf  die  Hälfte  oder  zwei  Drittel,  jedem  Gramm  Chloral- 
hydrat  1  cg  Morphium  hinzugesetzt  worden.  Für  mich  unterliegt  es 
keinem  Zweifel,  dass  diese  Kombination  zu  den  ungünstigen  Resul¬ 
taten  geführt  hat.  Rechne  ich  dieses  eine  Jahr  (22  Fälle  mit  4  Todes¬ 
fällen)  ab,  dann  habe  ich  unter  272  Fällen  nur  6  Todesfälle,  also 
2,2  Proz.  zu  beklagen.  Auch  diese  stammen  aus  früheren  Jahren. 
Vom  1.  Januar  1887  bis  zum  3.  März  1890  sind  bei  möglichst  sorg¬ 
fältiger  Berücksichtigung  aller  sonstigen  hygienischen  Bedingungen 
124  unkomplizierte  Fälle  ohne  einen  ungünstigen  Ausgang  behandelt 
worden. 

Ich  kann  auch  nicht  umhin,  auf  einen  besonderen  Umstand  bei 
der  Beurteilung  der  günstigen  Erfolge  Eichelbergs  hinzuweisen. 
Er  sagt,  dass  die  Deliranten  nach  Möglichkeit  im  Bett  im  gemein¬ 
samen  Wachsaale  gehalten  worden  sind.  Ich  habe  unter  meinen 
Kranken  keinen  einzigen  gehabt,  dessen  tobsuchtähnlicher  Zustand 
nicht  wenigstens  während  der  Nacht  eine  Isolierung  unbedingt  er¬ 
forderlich  gemacht  hätte.  Von  einem  Verbleib  im  Bett  war  keine 
Rede. 

Wenn  es  hiernach  berechtigt  erscheinen  dürfte,  die  Frage  noch 
nicht  als  entschieden  anzusehen,  ob  die  Unterlassung  jeglicher  medi¬ 
kamentöser  Behandlung  begründet  ist,  sprechen  gegen  eine  solche 
Unterlassung  recht  unzweideutig  die  Fälle,  welche  mit  Pneumonie 
kompliziert  waren.  Von  173  mit  Pneumonie  komplizierten  Fällen  star¬ 
ben  nach  Eichelbergs  Angabe  58,  d.  i.  33  Proz. 

Diesen  Zahlen  gegenüber  sind  die  von  mir  berichteten  Resultate 
doch  weit  günstigere.  In  meinem  Werke1):  „Die  Lungenentzün¬ 
dungen“  hatte  ich  mitgeteilt,  dass  unter  den  vom  Jahre  1880  bis  zum 
1.  April  1896  behandelten  1501  Fällen  80  mit  Delirium  tremens  kom¬ 
pliziert  waren.  Im  Anschluss  hieran  hatte  ferner  mein  damaliger 
Assistenzarzt  Dr.  P  e  t  z  o  1  d  2)  über  die  weiteren  bis  zum  1.  Okto¬ 
ber  1901  unter  meiner  Leitung  behandelten  261  Fälle  berichtet,  bei 
welchen  21  mal  Delirium  tremens  vorkam;  also  trat  diese  Krankheit 
bei  insgesamt  1762  Fällen  101  mal,  d.  i.  in  5,7  Proz.  der  Fälle  auf. 
Von  meinen  80  Fällen  starben  22,  von  den  21  Fällen  Petzolds  5, 
also  27  von  101  Fällen,  d.  i.  26,7  Proz.  Dabei  bemerkt  Petzold 
noch  besonders,  dass  von  den  letzten  10  gleichzeitig  mit  Chinininjek¬ 
tionen  3)  und  Chloralhydrat  behandelten  Fällen  nur  einer  gestorben  ist. 

Ziehen  wir  in  Betracht,  dass  meine  Angaben  über  die  Erfolge  bei 
unkompliziertem  Delirium  tremens  über  einen  Zeitraum  von  10  Jahren, 
bei  Delirium  tremens  im  Gefolge  von  Pneumonie  über  einen  Zeitraum 
von  21  Jahren  sich  erstrecken  und  dass  erst  in  den  letzten  Berichts¬ 
jahren  die  von  mir  eingehaltene  Behandlungsmethode  genau  durch¬ 
geführt  worden  ist  —  wie  das  einerseits  die  Misserfolge  bei  der  Be¬ 
handlung  des  reinen  Delirium  tremens  im  Jahre  1885,  andererseits  die 
guten  Erfolge  bei  den  in  den  letzten  Berichtsjahren  1887  bis  1890  be  ■ 
handelten  124  Patienten  mit  reinem  Delirium  tremens,  sowie  die  Er¬ 
folge  bei  den  von  P  e  t  z  o  1  d  beschriebenen  10  im  Anschluss  an 
Pneumonie  aufgeführten  Fällen  erweisen  —  so  dürfte  doch  ein  direk¬ 
tes  therapeutisches  Eingreifen  gegen  dieses  Delirium  unbedingt  zu 
empfehlen  sein. 

Da  ich  bis  jetzt  keine  Veranlassung  gehabt  habe,  von  meinen  in 
dem  erwähnten  Vortrage  empfohlenen  therapeutischen  Massnahmen 
abzugehen,  teile  ich  die  wesentlichen  Gesichtspunkte  in  Kürze  mit. 


*)  Nothnagels  Pathologie  und  Therapie,  1894,  Bd.  XIV,  Teil  1. 

2)  Petzold:  Die  Behandlung  der  kruppösen  Pneumonien. 
D.  Archiv  f.  klin.  Med.  1901,  Bd.  70,  p.  373. 

3)  Bezüglich  der  Anwendung  der  Chinininjektionen  bei  Pneu¬ 
monie  verweise  ich  auf  mein  angegebenes  Werk  über  die  Lungen¬ 
entzündungen,  sowie  auf  die  Arbeit  Petzolds  und  füge  hier  nur 
die  Bemerkung  hinzu,  dass  ich  seit  jenen  Publikationen  zur  Verringe¬ 
rung  der  zu  injizierenden  Quantität  nicht  mehr  die  einfache  Lösung 
von  Chininum  hydrochloricum  in  Wasser  (1:34),  sondern  eine 
Mischung  von  Chin.  hydrochloricum  1,0,  Urethan  0,5,  Aqu.  dest.  ad 
10,0  verwende,  in  welcher  sich  das  Chinin  in  Lösung  erhält  oder 
beim  Ausfallen  nach  mehrtägigem  Stehen  während  kälterer  Jahres¬ 
zeit,  durch  leichtes  Erwärmen  sich  wieder  klar  löst. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


ioyu 

Die  an  unkompliziertem  Delirium  tremens  Leidenden,  welche 
meist  bei  ihrer  Aufnahme  auf  'der  Höhe  der  Krankheit  angelangt  sind, 
werden,  wenn  eine  andere  Unterbringung  nicht  möglich  ist,  tags¬ 
über  mit  unheilbaren  Geisteskranken  zusammen  untergebracht  und 
dürfen  ihrer  durch  die  Gesichtshalluzinationen  angeregten  Beschäfti¬ 
gung  nachgehen.  Von  irgend  welchen  Zwangsmitteln  ist  selbstver¬ 
ständlich  keine  Rede.  Nur  wenn  ihre  Gesichtshalluzinationen  schreck¬ 
hafter  Natur  sind  und  auf  diese  Weise  Tobsuchtsanfälle  ausgelöst 
werden,  müssen  sie  sofort  in  Isolierzellen  gebracht  werden. 

Abends  erhält  nun  jeder  halbwegs  robuste  Patient,  nachdem  er 
isoliert  worden  ist,  4  g  Chloralhydrat,  die  in  je  15  g  Syr.  simpl.  und 
Syr.  cort.  aur.  aufgelöst  sind,  wodurch  der  kratzende  Geschmack  im 
Pharynx  auf  ein  Minimum  reduziert  wird.  Bisweilen,  doch  kommt 
dies  nicht  häufig  vor,  tritt  schon  in  der  ersten  Nacht  Ruhe  und  Schlaf 
ein,  in  anderen  Fällen  bleibt  der  Schlaf  noch  aus,  die  Patienten  sind 
nur  etwas  ruhiger  als  vorher.  Am  nächsten  Morgen  können  sie  recht 
oft  unter  die  anderen  Kranken  gebracht  werden,  bisweilen  müssen 
sie  isoliert  bleiben.  Nur  in  überaus  seltenen  Fällen  erhalten  sie  mor¬ 
gens,  wenn  die  Unruhe  eine  allzu  hochgradige  tobsuchtähnliche  ist, 
2 — 3  g  Chloralhydrat,  sonst  tut  man  am  besten,  sie  bei  Tage  ruhig 
delirieren  zu  lassen.  Ist  auch  am  Morgen  dieses  Mittel  nötig,  dann 
tritt  damit  noch  keine  rechte  Ruhe  ein,  wohl  aber,  wenn  sie  am 
zweiten  Abend  wiederum  4  g  erhalten  haben.  Zum  wenigsten  lässt 
sich  am  nächsten  Morgen,  also  nach  48  ständigem  Aufenthalte  im 
Krankenhause,  ein  stundenlanger  ruhiger  Schlaf  erwarten,  wenn  er 
eben  bis  dahin  nicht  eingetreten  ist.  Der  Anfall  ist  dann  als  absolut 
geheilt  zu  betrachten.  In  einer  recht  geringen  Zahl  von  Fällen  be¬ 
darf  es  3  Abende  nacheinander  der  genannten  Dosis  von  4  g.  Länger 
als  3  mal  24  Stunden  habe  ich  den  Anfall  nie  dauern  sehen.  Dies 
ist  der  späteste  Termin,  mit  welchem  die  Rekonvaleszenz  beginnt.  Es 
bedarf  dann  des  Chloralhydrats  nicht  mehr,  nur  in  sehr  seltenen  Fällen 
werden,  wenn  abends  der  Eintritt  .des  Schlafes  sich  verzögert,  noch 
1 — 2  Abende  je  2  g  Chloralhydrat  verabfolgt.  Die  Rekonvaleszenz 
ist  regelmässig  eine  gute  und  durch  keinen  Zufall  unterbrochen.  Nie¬ 
mals  habe  ich  von  der  solchergestalt  gehandhabten  Anwendung  des 
Chloralhydrats  irgend  eine  nachteilige  Folge  gesehen. 

Günstiger  noch  gestaltet  sich  der  Erfolg  in  den  Fällen,  wo  das 
Delirium  tremens  zu  einer  Pneumonie,  einem  Erysipel,  einer  Lymph- 
angitis  oder  zu  einem  Knochenbruch  hinzutritt,  vor  allem,  weil  hier 
die  Krankheit  schon  in  den  ersten  Anfängen  beobachtet  und  behandelt 
werden  kann.  Diese  Patienten  erhalten  ausnahmslos  abends  3  g 
Chloralhydrat.  Die  Wirkung  ist  eher  eine  promptere  zu  nennen,  als 
bei  den  reinen  Fällen.  Fast  stets  tritt  schon  nach  der  ersten  Dosis 
Schlaf  ein.  An  den  nächsten  Abenden  wird  die  Gabe  wiederholt. 

Auch  bezüglich  der  sonstigen  roborierenden  Behandlung  ist  von 
mir  ein  Unterschied  innegehalten  worden  zwischen  den  reinen  un¬ 
komplizierten  Fällen  von  Delirium  tremens  und  solchen,  wo  zu  einer 
Pneumonie  oder  einer  sonstigen  akuten  Krankheit  erst  im  weiteren 
Verlauf  ein  Delirium  tremens  hinzutritt.  In  diesen  letzteren  Fällen 
macht  die  akute  Krankheit  an  und  für  sich  bei  den  meisten  in  das 
Krankenhaus  aufgenommenen,  fast  ausnahmslos  dem  Arbeiterstande 
angehörigen  Kranken  eine  roborierende  Behandlungsweise  erforder¬ 
lich,  weil  dieselben  eine  erstaunlich  geringe  Menge  von  Körperstoffen 
für  die  Konsumption  durch  das  Fieber  mitbringen.  Schon  die  ge¬ 
wöhnliche  Wägung  der  diesem  Stande  angehörigen  Menschen  ergibt 
zu  jedermanns  Ueberraschung,  wie  gering  das  Gesamtkörpergewicht 
derselben  gegenüber  gleich  grossen  Menschen  aus  besseren  Gesell¬ 
schaftsklassen  ist.  Um  also  bei  solchen  Menschen  die  Konsumption 
möglichst  hintanzuhalten,  empfiehlt'  sich  mit  dem  Beginn  der  akuten 
Krankheit  die  Verabfolgung  von  Alkoholizis.  Sie  erhalten  täglich 
esslöffelweise  entweder  200  g  Ungarwein  oder  2  stündlich  1  Esslöffel 
einer  Mixtur,  welche  30  Proz.  eines  90  grädigen  Alkohols  enthält.  In 
neuerer  Zeit  habe  ich  letztere  häufiger  angewendet,  nicht  nur  des  ge¬ 
ringeren  Preises  wegen,  sondern  weil  dieselbe  von  den  Patienten 
dem  Ungarwein  vorgezogen  wird.  Sie  enthält  60  g  Alkohol,  10  g 
einfachen  Syrup,  je  1  g  Tinctura  amara  und  aromatica,  2  dg  Aqu. 
amygd.  am.  und  destilliertes  Wasser  bis  zum  Gesamtgewicht  von 
200  g.  Zur  Dunkelfärbung  wird  etwas  Sacch.  tostum  zugesetzt.  Das 
Ganze  erhält  die  Signatur:  Mixtura  roborans. 

Dagegen  habe  ich,  abweichend  von  der  vielfach  geübten  Methode, 
in  keinem  Falle  von  reinem  Delirium  tremens  Alkohol  verabfolgt.  Die 
Patienten  haben  während  ihres  ganzen  Aufenthaltes  im  Krankenhause 
ohne  Alkohol  existiert  und  sie  sind  sehr  gut  ausgekommen.  Wenn 
sonst  vielfach  während  des  Delirium  tremens  Alkohol  gegeben  wird, 
so  liegt  dieser  Vornahme  wesentlich  ein  gewisses  Gefühl  von  Mitleid 
zugrunde.  Man  glaubt,  die  Patienten  entbehren  in  so  hohem  Grade 
(.las  ihnen  gewohnte  Getränk,  dass  sie  physisch  oder  psychisch  unter 
der  Entziehung  leiden  könnten.  Dass  aber  eine  solche  Entbehrung 
tatsächlich  nicht  besteht,  bin  ich  durch  meine  in  den  letzten  10  Jahren 
an  den  294  Fällen  gemachten  Beobachtungen  auf  das  bestimmteste 
zu  versichern  in  der  Lage.  Der  Alkohol  fehlt  den  Patienten  so  wenig, 
dass  sie  in  der  1  at,  so  lange  sie  im  Krankenhause  zu  bleiben  haben, 
nicht  einmal  den  Krankenwärtern  den  Wunsch  danach  aussprechen. 
Ich  habe  auf  diese  Weise  den  überraschenden  Unterschied  zwischen 
der  Morphiumsucht  und  der  Trunksucht  festzustellen  vermocht.  Der 
Moi  phiumsüchtige  krankt  in  jedem  Sinne  psychisch  und  physisch 
durch  eine  plötzliche  totale  Entziehung  des  Morphiums.  Der  Trunk¬ 
süchtige  leidet  durch  die  Entziehung  des  Alkohols  nicht. 


Für  mich  war  die  Unterlassung  der  Alkoholverabfolgung  eigent¬ 
lich  von  vornherein  nur  darauf  begründet,  dass  ich  gar  keine  Indika¬ 
tion  für  die  Anwendung  desselben  finden  konnte.  Vor  allem  hatte  ich 
mich  nie  überzeugen  können,  dass  die  Entziehung  des  Alkohols,  wie 
manche  meinen,  den  Ausbruch  der  Krankheit  bedingt  oder  wenigstens 
begünstigt. 

Einerseits  hatten  nachweislich  solche  Gewohnheitstrinker,  welche 
wegen  eines  unkomplizierten  Delirium  tremens  in  das  Krankenhaus 
gebracht  worden  waren,  bis  zum  Beginn  ihres  Deliriums  regelmässig 
Alkohol  zu  sich  genommen,  andererseits  hatten  ja  Patienten,  welche 
wegen  Pneumonie  oder  schweren  Erysipels  in  das  Krankenhaus  auf¬ 
genommen  waren,  fast  immer  Alkoholika  erhalten,  ohne  dass  bei 
Gewohnheitstrinkern  der  Ausbruch  des  Delirium  tremens  verhütet 
worden  wäre. 

Sodann  habe  ich  mit  sehr  seltenen  Ausnahmen  während  des 
akuten  Stadiums  des  Delirium  tremens  nicht  diejenige  Indikation  für 
Verabfolgung  von  Alkoholizis  resp.  Exzitantien  gesehen,  wie  sie  für 
akute  fieberhafte  Krankheiten  vorhanden  war.  Und  als  ich  erst  bei 
grösserer  Bereicherung  meiner  Erfahrung  bei  den  Kranken  durch 
Fortlassung  des  Alkohols  weder  eine  Schädigung  noch  eine  Ent¬ 
behrung  konstatieren  konnte,  habe  ich  dabei  besonders  die  Möglich¬ 
keit  ins  Auge  gefasst,  den  Genesenen  auch  fernerhin  die  Enthaltung 
vom  Alkoholgenuss  oder  wenigstens  eine  Einschränkung  desselben 
als  leicht  durchführbar  zu  erweisen.  Dem  einen  oder  anderen  ist 
sicherlich  daraus  Nutzen  hervorgegangen,  der  wohl  nicht  gering  an¬ 
zuschlagen  ist. 


Aus  der  Universitäts-Augenklinik  in  Zürich  (Direktor:  Prof. 

O.  H  a  a  b). 

Ein  neuer  Apparat  zur  Bestimmung  der  Viskosität  des 

Blutes. 

Von  Dr.  med.  Walter  Hess,  Assistenten. 

Auf  der  Milchglasplatte  H  sind  zwei  graduierte  Glasröhrchen, 
A  und  B,  befestigt,  welche  einerends  durch  das  Rohr  G  unter  sich 
und  durch  den  Schlauch  K  mit  dem  Gummiballon  L  in  Verbindung 
stehen;  anderends  sind  an  dieselben  je  ein  Glasröhrchen  C  und  D  von 
sehr  feiner  Oeffnung,  sogen.  Glaskapillaren,  angeschlossen.  Diese 


letzteren  münden  wiederum  in  E  und  F,  Glasröhrchen  vom  Kaliber 
der  erstgenannten  A  und  B  Das  Röhrchen  F,  das,  an  H  angestossen. 
durch  die  Feder  N  in  seiner  Lage  gehalten  wird,  ist  wegnehmbar  und 
kann  durch  ein  anderes  der  in  der  Mehrzahl  vorhandenen,  metrisch 
gleichen  Röhrchen  ersetzt  werden.  Durch  Hahnen  O  ist  die  Mög¬ 
lichkeit  geboten,  die  Kommunikation  B  mit  G  und  damit  auch  mit  dem 
Ballon  L  aufzuheben. 

Die  Röhrchen  A  und  B  sind  vor  ihrer  Einmündung  in  das  Rohr 
G  rechtwinklig  abgebogen,  so  dass  sie,  wie  auch  der  Schlauch  K. 
von  oben  herab  in  G  einmünden. 

Zwischen  Schlauch  K  und  Gummiballon  L  ist  ein  Glasrohr  V  ein¬ 
geschaltet,  dessen  Inneres  mit  der  Aussenluft  durch  das  Loch  P 
kommuniziert. 

Die  Platte  H  ist  in  einem  Etui  befestigt,  welches  ausserdem  das 
Zubehör,  nämlich  eine  grösser  Anzahl  mit  F  metrisch  gleicher  Er¬ 
satzröhrchen,  Leinwandläppchen,  ein  Fläschchen  Ammoniak  und  ein 
Thermometer  enthält.  Die  Dimensionen  des  Etuis  sind  27  :  9  :  6  cm. 

Die  Untersuchung  mit  dem  beschriebenen  Apparat  gestaltet  sich 
folgendermassen: 

In  den  Röhren  B,  C  und  E  liegt  eine  zusammenhängende 
Wassersäule,  und  zwar  so,  dass  ihr  linkes  Ende  beim  Nullpunkt  der 
Skala  liegt.  (Vergl.  Skizze.) 

Bevor  das  abnehmbare,  nur  durch  die  Feder  N  in  seiner  Lage 
gehaltene  Röhrchen  F  in  die  skizzierte  Lage  gekommen,  also  an  D 
angestossen  ist,  wurde  es  mit  einem  Bluttropfen  in  Berührung  ge¬ 
bracht,  welcher  infolge  der  Kapillarität  in  dasselbe  eingetreten.  Beim 
Ansaugen  mittelst  des  Ballons  L  tritt  die  Blutsäule  durch  die  Kapillare 
D  hindurch  in  die  Pipette  A  hinein.  Ist  dieselbe  bis  zum  Nullpunkt 
angefüllt  (wie  es  in  der  Skizze  der  Fall),  so  wird  der  Hahnen  O  senk¬ 
recht  gestellt,  d.  h.  geöffnet;  bei  dem  nunmehr  erneut  erfolgen¬ 
den  Ansaugen  füllt  sich  B  mit  dem  aus  E  stammenden,  durch  C 
zufliessenden  Wasser,  während  gleichzeitig  durch  den  ganz  analogen 
Vorgang  Blut  in  A  einströmt.  Sobald  dasselbe  bei  der  Marke  1 
angelangt  ist,  unterbricht  man  die  Saugwirkung  des  Ballons,  so  dass 
Blut  und  Wasser  stille  stehen. 

Die  Menge  des  in  das  Röhrchen  B  eingeflossenen  Wassers,  welche 
an  der  Skala  abgelesen  wird,  zeigt  an,  wie  sich  die  Viskosität  der 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1591 


untersuchten  Blutprobe  zu  der  des  Wassers  verhält,  also  direkt 
die  relative  Viskosität. 

Durch  Pressen. des  Ballons  L  werden  Wasser  und  Blut  wieder 
zurückgetrieben.  Ist  ersteres  wieder  beim  Nullpunkt  angelangt, 
schliesst  man  den  Hahnen  0,  so  dass  das  Wasser  in  dieser  Lage  fixiert 
bleibt,  und  entleert  nun  durch  erneuten  Druck  das  Blut  vollständig 
aus  A  und  Q. 

Das  Röhrchen  F  wird  weggenommen  und  bei  dem  nächsten  Ver¬ 
such  durch  ein  frisches  ersetzt.  Durch  zweimaliges  Einsaugen  von 
Ammoniak  wird  D  und  A  ausgespült,  und  der  Apparat  ist  wieder 
versuchsbereit. 

Die  Röhrchen  F  werden  ausgespült  und  in  Ammoniak  liegen  ge¬ 
lassen.  Wenn  eine  grössere  Anzahl  bei  einander  sind,  trocknet  man 
sie  auf  einem  erhitzten  Blech  oder  Drahtnetz.  Die  Reinigung  der 
Röhrchen  F  kann  man  sich  auch  ersparen,  da  der  Wert  derselben 
nur  wenige  Pfennige  beträgt. 

Der  Druck  wird  mittelst  des  Ballons  dadurch  erzeugt,  dass  man 
mit  einem  Finger  das  Loch  P  verschliesst  und  dabei  den  Ballon 
presst. 

Ansaugend  wirkt  er  dann,  wenn  man  erst  nach  erfolgtem  Pressen 
P  verschliesst  und  dann  die  Pressung  aufhebt. 

Bei  Freilassen  des  Loches  P  hört  Druck  oder  Saugwirkung  des 
Ballons  sofort  auf. 

Ist  eine  Blutprobe  sehr  dickflüssig,  so  wird  sie  nur  bis  zur 
Marke  Vz  oder  angesaugt;  die  abgelesenen  Werte  mit  2  oder  4 
multipliziert,  stellen  dann  die  gesuchten  Viskositätswerte  dar. 

Kontrollversuche  an  Flüssigkeit  mit  bekannter  Viskosität  ergeben 
eine  Genauigkeit  des  Apparates  von  1 — 2  Proz. 

Vz  Minute  nach  Auffangen  des  eben  ausgetretenen  Bluttropfens 
kann  der  gesuchte  Wert  abgelesen  werden;  nach  einer 
weiteren  Minute  ist  der  Apparat  wieder  versuchsbereit. 

Der  Einfluss  der  Versuchstemperatur  drückt  sich  nach  meinen 
experimentellen  Untersuchungen  dadurch  aus,  dass  mit  dem  Steigen 
derselben  um  1°  der  Viskositätswert  um  0,8  Proz.  abnimmt.  Ver¬ 
suche,  welche  bei  den  gewöhnlich  vorkommenden  Temperaturen 
ausgeführt  worden  sind,  verursachen  daher  einen  Fehler  von  ca. 
4  Proz.,  der  im  Verhältnis  zu  den  zur  Beobachtung  gelangenden  indi¬ 
viduellen  Schwankungen  vernachlässigt  werden  kann.  Eine  Kor¬ 
rektion  des  abgelesenen  Wertes  ist  deshalb  über¬ 
haupt  nur  bei  stärkeren  Temperaturabweichungen 
nötig. 

Die  mathematische  Begründung  des  angewandten  Prinzipes  findet 
sich  in  meiner  Arbeit:  Viskosität  des  Blutes  und  Herzarbeit  (Viertel¬ 
jahrschrift  der  Zürch.  Nat.  Gesch.,  Jhg.,  51,  1906). 

Im  übrigen  verweise  ich  auf  die  demnächst  in  dieser  Zeitschrift 
erscheinende  Arbeit. 

(Der  beschriebene  Apparat  ist  zu  beziehen  durch  die  Firma; 
J.  G.  Cramer,  Glasbläserei,  Spiegelgasse  7,  Zürich  I.) 


Eine  Verbesserung  der  Durchleuchtungsblende  speziell 
für  die  Zwecke  der  Magenuntersuchung. 

Von  Dr.  med.  B.  Wiesner  und  Ingenieur  Friedrich 
Dessauer  -  Aschaffenburg. 

Im  Jahre  1903  veröffentlichten  wir  in  dieser  Wochenschrift 
No.  32  unter  dem  Titel;  „Ueber  einen  Fortschritt  im  Durchleuchtungs¬ 
verfahren“  eine  Konstruktion,  die  in  der  Zwischenzeit  hundertfältige 
Anwendung  in  der  Praxis  erfahren  hat.  Sie  ibetraf  eine  Durch¬ 
leuchtungsblende,  die  ein  sehr  rationelles  Absuchen  des  Körpers, 
speziell  des  Thorax  und  eine  zuverlässige  Anpassung  der  Blenden¬ 
öffnung  an  die  Grösse  des  zu  durchleuchtenden  Gebietes  gestattete. 

Die  Anwendung  des  Blendenverfahrens  in  der  inneren  Medizin 
war  damals  noch  neu.  Holzknecht  hat  systematisch  als  Erster 
in  seinem  Werk:  „Die  röntgenologische  Diagnostik  der  Erkrankungen 
der  Brusteingeweide“  die  Anwendung  des  Blendenverfahrens  durch¬ 
geführt.  Unsere  damals  veröffentlichte  Konstruktion  Hess  eine  gleich- 
massige  Bewegung  des  Blendenkörpers,  der  Röhre  und  des  Durch¬ 
leuchtungsschirmes  zu,  die  alle  starr  miteinander  verbunden  waren. 
Die  Blendenebene  erhielt  eine  mit  Hilfe  einer  Iris  verstellbare  Aper¬ 
tur.  Das  Licht  der  Röhre  war  durch  Tuchklappen  allseitig  abgehalten. 
Der.  Patient  wurde  durch  Armstützen  fixiert.  Eine  Zeitlang  darauf 
haben  wir  diesen  Apparat  zum  Orthodiagraphen  ausgebaut.  (Ver¬ 
gleiche  unseren  Aufsatz  in  No.  21,  1904  dieser  Zeitschrift.) 

Der  nachstehend  wiedergegebene  Apparat  (Figur)  stellt  einen 
neuen  Ausbau  dieses  Instrumentes  dar.  Seitdem  Holzknecht, 
Rieder  u.  a.  mit  Erfolg  die  Magenuntersuchung  dem  Röntgen¬ 
gebiete  einverleibt  haben,  schien  es  wünschenswert,  die  gleichzeitige 
Beweglichkeit  von  Röhre,  Schirm  und  Blende  auch  in  der  hori¬ 
zontalen  Richtung  zu  ermöglichen.  Es  ist  an  und  für  sich  nicht 
schwer,  wird  aber  sofort  konstruktiv  ziemlich  schwierig,  wenn  inan 
eine  neuere  Forderung  hinreichend  zu  erfüllen  bestrebt  ist,  nämlich 
den  Schutz  des  Untersuchers  vor  X-Strahlung.  Diesen  genügenden 
Schutz  berücksichtigen  die  meisten  Konstruktionen  zu  wenig.  Bei 
einigen  ist  die  Blendenebene  so  klein,  dass  der  Untersucher  seitlich 
von  Strahlen  getroffen  wird,  ibei  anderen  ist  er  bei  der  Verstellung 
der  Blende  gezwungen,  die  Hände  der  Strahlung  auszusetzen. 

Führt  man  die  Blendenebene  hinreichend  gross  und  undurchlässig 
aus,  so  wird  sie  sehr  schwer.  Dennoch  kann  man  bei  der  vor¬ 
liegenden  Konstruktion  die  horizontale  und  .die  vertikale  Bewegung 


von  Blende,  Röhre  und  Leuchtschirm  leicht  bewerkstelligen.  Die 
Vertikalbewegung  ist  sorgfältig  ausbalanziert,  die  Horizontalbewe¬ 
gung  dadurch  erleichtert,  dass  der  grosse  Körper  der  Blendenebene 
auf  4  Rädern,  die  in  2  Paaren  übereinander  angeordnet  sind,  hängend 
läuft. 


Bei  der  Untersuchung  wird  zunächst  die  Röhre  so  eingespannt, 
dass  die  Antikathode  dem  Zentrum  der  Iris  gegenüber  liegt.  Nach¬ 
dem  der  Patient  mit  Hilfe  der  Armstützen  fixiert  ist,  wird  der  Leucht- 
schinn  ihm  möglichst  genähert,  festgespannt  und  eventuell,  wenn 
man  Zeichnungen  machen  will,  mit  Pauspapier  bedeckt.  Während 
der  Untersuchung  hat  man  nur  den  Leuchtschirm  nach  rechts  und 
links,  nach  oben  und  unten  zu  bewegen.  Blende  und  Röhre  machen 
diese  Bewegung  von  selbst  mit.  Will  man  aber  trotzdem  —  und 
bei  der  Schwere  der  zu  bewegenden  Masse  mag  das  Vorkommen  — 
mit  der  freien  Hand  nachhelfen,  so  kann  man  ungescheut  an  der 
Blendenplatte  selbst  zugreifen,  weil  die  Hand  dennoch  geschützt 
bleibt. 

Ein  Kreuz  von  Bleidraht,  das  in  der  Irisblende  eingestellt  wer¬ 
den  kann,  dient  dazu,  die  bei  der  Untersuchung  des  Magens  auf¬ 
gefundenen  wichtigsten  Punkte  grob  orthodiagraphisch  auf  die  Haut 
oder  Glasplatte  aufzeichnen  zu  können.  Man  hat  einfach  den  Kreu¬ 
zungspunkt  ’des  Bleidrahtkreuzes  mit  den  gefundenen  Punkten  ^uf 
dem  Leuchtschirm  zur  Deckung  zu  bringen  und  kann  dieselben  dann 
auf  der  Haut  oder  auf  der  dem  Leuchtschirm  aufgelegten  Glasplatte 
markieren. 

Das  Wesentliche  und  die  Untersuchung  sehr  Fördernde  ist  dabei, 
dass  Röhre,  Blende  und  Schirm  in  jeder  Stellung  bleiben,  also 
nie  festgehalten  zu  werden  brauchen.  Man  kann  also  jeden  Moment 
beide  Hände  frei  haben,  wie  das  ja  auch  schon  bei  unserem  ersten 
Modell  der  Fall  war. 

Selbstverständlich  kann  auch  diese  Vorrichtung  orthodia¬ 
graphisch  eingerichtet  werden.  Durch  die  Grösse  der  Blenden¬ 
ebene,  die  leichte  Verstellbarkeit  der  Apertur  (Iris)  und  die  reichliche 
Abdämmung  allenfallsigen  Seitenlichtes  gewährleistet  die  Vorrich¬ 
tung  eine  sehr  scharfe  und  detailreiche  Durchleuchtung.  Die  direkte 
Beobachtung  des  Hüftgelenkes  auf  dem  Leuchtschirm,  die  wir  in  der 
erstzitierten  Arbeit  zuerst  dargestellt  hatten,  gelingt  mit  ganz  leich¬ 
ter  Mühe.  . 

Das  Instrument  wird  gebaut  von  den  Vereinigten  Elektrotech¬ 
nischen  Instituten  Frankfurt-Aschaffenburg  in  Aschaffenburg. 

Erwähnt  sei  noch,  dass  wir  diese  Konstruktion  auf  Vorschlag 
des  Herrn  Dr.  G  ü  n  z  b  u  r  g  -  Frankfurt  a.  M.  ausführten. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Aerztliches  und  Nichtärztliches  von  einer  Sommerreise 
durch  das  Mittelmeer  nach  dem  Orient. 

Von  Dr.  Otto  N  e  u  s  t  ä  1 1  e  r. 

hine  Fahrt  von  Genua  entlang  der  Küste  Italiens,  hinein 
m  die  herrliche  Bucht  von  Neapel,  vorüber  an  I  s  c  h  i  a,  P  r  o  c  i  d  a, 
Stromboli  und  dann  durch  die. Strasse  von  Messina,  wo  Del¬ 
phine  das  Schiff  umtanzen,  vorüber  an  den  farbenreichen,  in  einen 
v  eichen,  purpurnen  Duft  getauchten,  kahlen,  zementfarbenen  Bergen 
der  griechischen  Halbinsel,  vorüber  an  den  klassischen 
Statten  von  Salamis  und  Aegina  nach  dem  Zentrum  alter 
griechischer  Kultur,  dem  heute  noch  in  Ruinen  imposanten  Athen, 
und  dann  hinüber  nach  dem  üppigen  Kleinasien,  nach  Smyrna  mit 
dem  schimmernden,  weit  hinauf  ansteigenden  Häusermeer  in  der 
prächtigen,  bergumgiirteten  Bucht  und  schliesslich  an  Mi  ty  lene 
vorbei  nach  dem  H  e  1 1  e  s  p  o  n  t  und  der  Königin  der  Städte:  Kon¬ 
stantinopel  in  unvergleichlicher  Umgebung,  überreich  an  alten 
und  neuen  prächtigen  Bauten,  ein  Wunder  an  Formen  und  Farben, 
diese  Fahrt  als  die  schönste,  kulturgeschichtlich  interessanteste,  wei¬ 
teste  historische  Gebiete  erschliessende  Reise  zu  bezeichnen,  die  einem 
in  kurzen  Ferienwochen  zu  besuchen  durch  günstige  Fahrgelegen¬ 
heit  jetzt  ermöglicht  ist,  das  wird  nicht  auf  viel  Widerspruch  stossen. 
Aber  wenn  man  hört,  dass  jemand  diese  Reise  nicht  etwa  machen 
will  —  wie  dies  ja  gewiss  sehr  schön  wäre  — ,  um  in  nebeligen 
Herbsttagen  nochmals  Sonne  und  Wärme  zu  geniessen,  oder  dem 
rauhen  Winter  zu  entfliehen,  oder  die  Nasskälte  unseres  Frühlings 
zu  vei  meiden,  sondern,  dass  er  sie  mitten  in  der  warmen  Jahreszeit 
zu  unternehmen  gedenkt,  so  wird  dies  ein  bedenkliches  Schütteln 
des  Kopfes  verursachen.  Ja  in  den  erstaunten  Blicken  vermöchte 
man  unschwer  einen  anachronistischen  Gedanken  zu  lesen,  einen  Ge¬ 
danken,  der  der  Sonne  eine  Wirkung  auf  das  Gehirn  zuschreibt,  die 
sich  doch  höchstens  auf  oder  nach  der  Reise  äussern  könnte.  Es 
sei  denn,  dass  schon  der  Gedanke  an  die  vermeintlich  zerrüttende 
Sonnenhitze  telepathisch  das  arme  Gehirn  verbrennen  könnte  Als 
skeptischer  Naturwissenschaftler  wird  man  indes  solche  Gedanken¬ 
wirkung  entschieden  zurückweisen.  Und  es  ist  auch  kein  Grund  zu 
den  angedeuteten  Befürchtungen  vorhanden.  Man  braucht  nicht  ein¬ 
mal  wie  der  kohlpechrabenschwarze  Mohr  einen  „Sonnenschirm“ 
für  das  Gehirn,  ein  Strohhut  genügt.  Auch  die  Gesundheit  leidet 
mclii,  im  Gegenteil,  die  Wirkung  einer  solchen  Sommerreise  ist  eine 
belebende,  erfrischende,  ja  sie  hat,  von  den  Schönheiten  der  Natur  da 
unten  ganz  abgesehen,  mancherlei  Vorzüge  vor  einer  Reise  in  Ge¬ 
genden,  wo  man  sich  wegen  der  grundlos  so  merkwürdig  gefürch¬ 
teten  Sonnenhitze  lieber  im  Sommer  hinzuwenden  pflegt.  Freilich, 
wenn  man  nach  einigen  regnerischen,  kühlen  Tagen  auf  unserer  Hoch¬ 
ebene  die  hahrt  nach  Genua  direkt  zurücklegt,  so  empfindet  man 
zunächst  den  Temperaturkontrast  sehr  ausgesprochen.  Dazu  trägt 
auch  die  Ermüdung  von  der  20stündigen  Fahrt  und  die  einge- 
scnlossene  Lage  Genuas  mit  bei.  Nach  2 — 3  Tagen  aber,  während 
deren  man  die  Strahlen  der  Sonne  als  unbehaglich  sengend  auf  Haut 
und  Kopf  spürt,  wo  der  Schweiss  heiss  von  der  Stirne  rinnt  und 
man  am  liebsten  alle  Kleider  abwerfen  würde  und  wo  sich  nament- 
. h  Regen  Abend  ein  gewaltiger  —  aber  ach  so  schöner  —  Durst 
einstellt,  ist  die  Akklimatisation  vollzogen.  Wenn  das  nicht  der  Fall 
ist  dann  spielt  sicher  der  Alkoholgenuss  eine  Rolle.  Ich  erinnere 
mich  meiner  ersten  Südlandreise  im  Sommer,  wo  ich  dem  Wasser 
ü-  Lraute:  *ran^  Wein  oder  Wein  mit  Wasser  und  empfand 

die  Hitze  viel  ausgesprochener,  namentlich  auch  nachts.  Man  kann 
also  durch  Einschränken  oder  Weglassen  des  Wein-  oder  Bier¬ 
genusses  viel  zum  eigenen  Behagen  beitragen.  Den  „schönen  Durst“ 
braucht  man  deshalb  nicht  zu  vernachlässigen:  ich  weiss  das  Hoch¬ 
gefühl  seiner  Stillung  sehr  wohl  zu  schätzen:  Mit  einer  der  zahl- 
reichen  Fruchtlimonaden,  oder  einem  gelato,  oder  einer  granita,  oder 
kühlenden  Früchten  den  lechzenden  Gaumen  zu  erfrischen.  Diesen 
Genuss  der  Erfrischung  kann  man  aber  auch  haben,  ohne  Alkohol  zu 
tunken,  der  einem  gerade  in  der  Wärme  nur  noch  heisser  und 
schlaffer  macht. 

Auf  dem  Meere  wird  übrigens  die  Hitze  nie  unerträglich.  Wenn 
nicht  gerade  —  was  ein  merkwürdiger  Zufall  wäre  —  der  Wind 
in  gleicher  Schnelligkeit  von  hinten  her  kommt,  wie  der  Dampfer 
vorwärts  geht,  fächelt  einem  der  Luftzug  immer  Kühlung  zu,  und  so 
gelangt  man  zum  vollen  Genuss  einer  fortwährenden  Reihe  von 
sonnigen  schönen  1  agen,  ohne  dass  sie  schwer  zu  ertragen  wären. 
... 111  Kürze  fängt  man  an  ganz  berückt  zu  werden  von  der  sommer- 
lichen  Schonhert  des  Mittelmeeres.  Da  liegt  man  behaglich  in  seinem 
Deckstuhl,  die  glänzende  Helle  erheitert  das  Gemüt.  Der  warme 
Luitstrom  umhüllt  einen  mit  schmeichelnden  Wogen.  Tief  dunkel 
azurblau  leuchtet  das  Meer.  Stille  ringsum.  Nur  unterbrochen  von 
dem  einschläfernden  Rauschen  des  anschlagenden  Wassers.  Da  klin- 
gen  die  Schwingungen  der  Nerven  nach  all  der  Hast  des  Arbeits- 
-,ai! es  endlich  einmal  aus  und  zur  grössten  Ueberraschung  findet  man 
sich  oft  aus  behaglichem  Schlummer  erwacht,  wenn  die  Glocke 
zum  Mittagessen  oder  zum  Souper  läutet,  oder  der  aufmerksame 
Defc.K.ste0wart  einen.  sanft  aufrüttelt  mit  der  Frage:  Tee  oder  Kaffee 
gefällig?  oder  —  ein  Imbiss  vor  dem  Zubettgehen? 

Für  Schlaflose  könnte  es  wirklich  keine  bessere  Gelegenheit 
zur  \  erbesserung  ihres  Zustandes  geben,  als  so  eine  Fahrt  Gestattet 
doch  die  Temperatur,  den  ganzen  Tag  im  Freien  zu  liegen,  ja  ganze 


Nächte  kann  man  ohne  Befürchtung  vor  Erkältung  im  Freien  schlafend 
zu  bringen,  wenn  man  sich  nur  durch  eine  Decke  gegen  den  morgens 
fallenden  Tau  schützt. 

Aber  auch  für  allgemeine  Nervosität,  namentlich  für  solche  Fälle 
\yo  Ruhe  allein  zu  Depression  und  Grübelei  führt,  eignen  sich  diese 
Fahrten  im  Mittelmeer  vorzüglich.  Einen,  vielleicht  zwei  Tage  ge- 
messt  man  die  grosse  Stille  der  Meeresfahrt,  unterbrochen  durch 
herrliche  Ausblicke  auf  das  stets  nahe  Land  —  die  Strecke  zwischen 
der  Strasse  von  Messina  und  Cap  Malapan,  wo  man  Land  ganz 
aus  dem  Gesicht  verlor,  ist  jetzt  durch  die  Fahrt  durch  den  Busen 
von  Corinth  ausgeschaltet  — ,  am  nächsten  Tag  winkt  schon  wieder 
Abwechslung:  die  Möglichkeit,  wieder  ans  Land  zu  gehen  und  an¬ 
regendste  Eindrücke  zu  empfangen.  Das  sind  Verhältnisse,  wie  man 
sie  nur  bei  Mittelmeerfahrten  geniessen  und  als  ideale  Vereinigung 
einer  Ruhe-  mit  Zerstreuungskur  bezeichnen  kann. 

Pt2!1-  ^ann  die  Annehmlichkeit  eines  vorzüglichen  Hotels.  Denn 
m  e  ^er  Levantelinie,  deren  Passagierdienst  jetzt  vom 

IN  o  rddeutschen  Lloyd  übernommen  worden  ist,  selbst  die 
alteren,  die  Pera,  mit  der  ich  nach  Konstantinopel  und  die  vom 
schwarzen  Meer  zurückkehrende  Stambul,  mit  der  ich  4  Tage  danach 
den  gleichen  Weg  nach  Marseille  zurückfuhr,  machen  mit  ihrer 
tadellosen  Reinlichkeit  und  ihrer  bequemen  Einrichtung  die  Reise  zu 
einem  vollen  Genuss,  namentlich,  wenn  man  bedenkt,  wie  wenig 
oft  für  die  Grundbedingung  der  Reinlichkeit  in  den  Hotels  da  unten 
gesorgt  ist,  und  wie  auf  anderen  Linien,  selbst  auf  den  guten  Schiffen 
oft  dann  zu  wünschen  übrig  bleibt.  Auch  in  3.  Klasse,  wo  die 
Passagiere  zu  6  und  8  Personen  zusammen  schlafen  müssen,  wo  sie 
aber  auch  Anteil  an  dem  Promenadedeck  haben  und  mit  ihrer  Be¬ 
köstigung  fast  gleich  mit  den  Passagieren  der  ersten  Klasse  ge¬ 
stellt  sind,  herrscht  soviel  Reinlichkeit  und  Komfort,  dass  jungen 
Leuten  oder  weniger  anspruchsvollen,  diese  3.  Klasse  —  eine  2.  gibt  es 
nicht  —  vollauf  genügen  wird,  besonders  wenn  sich  mehrere  schon 
von  vornherein  zusammenfinden,  so  dass  sie  nicht  mit  Fremden  die 
Kabine  teilen  müssen.  Auf  unserer  Reise  machten  eine  grössere 
Zahl  von  Lehrern  und  eine  Lehrerin,  die  alle  nach  Odessa  An¬ 
stellung  angenommen  hatten,  die  Reise  in  der  3.  Klasse  mit.  So 
verbiingt  man  denn  behaglich  Tag  für  Tag  an  Deck  kühl  gekleidet  in 
oei  schmeichelnden,  warmen,  bewegten  Luft  und  erhöht  sich  noch  den 
Genuss,  indem  man  der  unbehaglichen  Kälte  gedenkt,  die  man  auf  ’ 
hoffnungsvoH,  bei  schönem  Wetter  angetretener  Fahrt  in  nördlichen 
Meeien  zu  ei  leben  bekommt  und  die  einen,  ach  so  oft,  zwingt,  den 
Genuss  dei  herrlichen  Luft  sich  stundenlang  versagen  zu  müssen. 

Aber  am  Lande?  Brennt  da  nicht  die  Sonne  mit  fürchterlicher 
Gl iji  hei  unter  in  dem  schattenlosen  Athen  oder  in  Smyrna,  wo  die 
melancholischen  Zypressen  nur  strichförmig  Schatten  gewähren,  wenn 
man  nicht  gerade  in  das  prächtige  Wasser  und  schattenreiche  Tal 
des  Josua  hinter  dem  Berge  gefahren  ist,  oder  in  Konstantinopel 
mit  den  vielen  steilen,  beschwerlichen,  steinigen,  staubigen  Strassen? 

.l'n>  behaglich  warm  wird  es  da  einem  gelegentlich  wohl,  aber  dafür 
gibt  es  dann  wieder  einen  unbeschreiblichen  Genuss:  gegen  Abend 
leiss  und  staubig  in  die  kühlenden  Fluten  des  windbestrichenen 
Meei  es  einzutauchen.  Es  gibt  Menschen,  die  diese  prächtige  Ge¬ 
legenheit,  ich  möchte  sagen  zur  tiefsten  Erkenntnis  der  Freude  am 
Wasser,  sich  entgehen  lassen!  Nun,  wen  die  tiefblauen  Wogen  des 
Mittelmeeres  an  einem  sonnigen  glänzenden  Tage  nicht  locken,  den 
hatten  sich  die  armen  Fischer  der  Sage  als  schützenden  Begleiter 
auswahlen  sollen,  die  sich  schon  in  die  kühlenden  Fluten  nordischer 
Flusse  und  Seen  von  holden  Nixen  haben  hinabziehen  lassen.  Un¬ 
beschreiblich  schön,  ein  ewig  fesselndes  Wunder  der  Natur  ist  dieses 
tsiau.  Als  exakter  Mediziner  wird  man  sagen:  Blau  wie  eine  Kupfer- 
Zuckerlosung.  Als  künstlerisch  sehender  Mensch  wird  man  noch  die 
gewagtesten  Farbenbekenntnisse  matt  dagegen  erachten.  Und  in  diesen 
luten  dann  erst  zu  baden!  Ich  habe  es  nach  Möglichkeit  getan. 
Zuerst  schon  benützte  ich  den  Aufenthalt  in  Genua  zu  einem  Bade- 
äusf  ug  nach  Nervi.  Zwischen  zackigen  Felsenriffen  über  hellgrün 
schillerndem  Grunde,  neben  heissen  Felsen  im  Anblick  der  prächtigen, 
bergumrahmten  Bucht  schwamm  ich  hinaus  in  die  goldene  Abend- 
sonne  und  hatte  noch  die  Unterhaltung  durch  zwei  der  vielen  dort 
ansässigen  deutschen  Familien,  die  sich  unverstanden  glaubten.  Dann 
badete  ich  in  Neapel  in  der  Nähe  der  neuen  aus  früherem  Gerümpel 
entstehenden  schönen  Stadtteile  bei  St.  Lucia,  dem  Sammelpunkt  der 
e  eganten  Welt  am  Abend,  der  badelustigen  am  Nachmittag.  Dann 
c!  a*  e  1  0  n>  dem  alten  Hafen  von  Athen,  mit  samtig  weichem 
‘~andboden,  moderner  Badeanstalt,  im  Gegensatz  zu  vielen  italieni¬ 
schen  Badern  streng  geschieden  für  Männlein  und  Weiblein,  im  An¬ 
blick  der  Akropolis  —  und  einigen  der  neuesten  griechischen  Kriegs¬ 
schule,  umfächelt  von  herrlich  duftendem  frischen  Bergwind  aus 
dem  Hymettos,  das  schönste  Bad  vielleicht  auf  der  ganzen  Reise.  In 
ei  herrlichen  Bucht  von  Smyrna  fand  ich  leider  beim  Hinweg  nicht 
die  Zeit  und  auch  beim  zweiten  Besuch  auf  der  Rückreise  war  noch 
so  unendlich  viel  verlockendes  und  charakteristisches  in  Strassen 
und  Basaren  zu  sehen.  Und  dann  war  eine  derartige  Angewöhnung 
an  das  Klima  eingetreten,  dass  sich  gar  nicht  mehr  das  intensive 
edurfnis  nach  einem  kühlen  Bade  einstellte.  Schliesslich  hatte 
man  ja  immer  die  Aussicht  auf  das  gewohnte  Bad  vor  dem  Abend- 
tusch  an  Bord.  Dann  schwamm  man  noch  im  Bosporus.  Einmal  nahe 
der  Staat,  wo  die  vorüberfahrenden  Naphthaboote  einen  zarten  Pe¬ 
troleumuberzug  über  das  dunkelgrüne  Wasser  verbreitet  hatten  — 
jcim  ersten  Anblick  eine  nicht  verlockende  Dreingabe,  die  sich  aber 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHR1ET. 


1593 


gar  nicht  so  störend  und  riechend  erwies,  wie  ich  gefürchtet  —  und 
dann  drüben  bei  Haidar  Pascha  auf  dem  asiatischen  Ufer,  der  Stelle, 
wo  die  deutsche  Bagdadbahn  mit  ihren  eleganten  Wagen  und  Ma¬ 
schinen,  die  vorzüglichen,  modernen  mustergültigen,  von  deutschen 
Ingenieuren  errichteten  Hafenanlagen  und  die  schmucken,  kleinen 
Personendampfer  aus  Kiel,  die  den  Verkehr  mit  Konstantinopel  alle 
30  Minuten  vermitteln,  uns  Deutsche  besonders  freudig  überraschen. 
Das  Wasser  ist  hier  ähnlich  wie  in  der  Meerenge  von  Messina,  sehr 
frisch,  fast  etwas  zu  kühl;  sonst  hat  das  Mittelmeer  natürlich  eine 
relativ  hohe  Temperatur,  die  aber  bei  der  hohen  Luftwärme  noch 
angenehm  kontrastiert.  Freilich  auf  den  Schiffen  freut  man  sich  nicht, 
wenn  man  Photographien  entwickelt  und  das  Wasser  so  warm  ist, 
dass  es  bei  einigem  Stehen  schon  Temperaturen  annimmt,  die  die 
Gelatine  aufweichen.  Selbst  das  liberalerweise  zur  Verfügung  ge¬ 
stellte  Eis  nützt  nicht  lange  und  wer  daher  seine  Photographien  schon 
unterwegs  entwickeln  will,  was  natürlich  grossen  Vorteil  hat,  dem 
ist  entschieden  zu  empfehlen,  sich  mit  Fixiersalzzerstörer  (ich  hatte 
den  von  den  Bayerschen  Farbenfabriken  mit)  auszurüsten,  um  das 
Wässern  möglichst  abkürzen  zu  können.  —  So  lässt  sich  eine  Bade¬ 
kur  ungezwungen  mit  der  Reise  vereinigen,  entschieden  mit  eine 
grosse  Annehmlichkeit  und  von  grossem  gesundheitlichen  Wert.  Für 
empfindliche  Naturen,  denen  das  Baden  in  unseren  Breiten 
nicht  bekommt,  weil  sie  immer  einer  gründlichen  Vorwärmung  und 
des  Aufenthaltes  in  behaglich  warmer  Luft  nachher  bedürfen,  die 
auch  starke  Temperaturdifferenzen  im  Wasser  nicht  vertragen,  dürfte 
gerade  das  Baden  im  Mittelmeer  eine  Erholung  sein, 
die  noch  viel  zu  wenig  bekannt  ist.  Man  fürchtet  sich 
eben  immer  vor  der  Hitze.  Selbst  an  Land  ist  diese  nicht  halb  so 
unerträglich  als  bei  uns,  eine  Erfahrung  die  von  allen  bestätigt  wird, 
die  länger  in  warmen  Ländern  waren.  Am  besten  aber  vereint  man 
die  Badetour  mit  einer  solchen  Fahrt.  Da  ist  man  auch  noch  der 
Scherereien  mit  Hotels  und  der  Unannehmlichkeit  wegen  Kost  und 
sonstiger  ungewohnter  Dinge  im  südlichen  Leben,  die  ich  nicht  näher 
zu  nennen  brauche,  enthoben.  Für  reizbare  und  ruhebedürftige  Na¬ 
turen  ein  weiterer  nicht  zu  unterschätzender  Vorteil. 

Da  ich  die  Schiffe  hier  als  schwimmende  Hotels  mit  in  Betracht 
ziehe,  so  muss  ich  auch  wohl  noch  mit  ein  paar  Worten  des  Auf¬ 
enthaltes  auf  denselben  gedenken.  Es  sind  mittelgrosse  Schiffe,  von 
ca.  3000—3500  Tonnen.  Sie  bieten  Platz  für  etwa  50  Passagiere 
1.  Klasse.  Die  Kost  ist  ausserordentlich  reichlich  und  bietet  viel 
Abwechslung.  Das  ist  bedeutsam,  gerade  wenn  man  das  Schiff  als 
Art  Erholungsaufenthalt  benützen  will.  Als  einziger  Mangel jwurde 
es  empfunden,  dass  dem  Obst  noch  nicht  jenes  Verständnis  entgegen- 
gebracht  wird,  wie  man  es  bei  einer  solchen  Fahrt  mitten  durch  die 
üppigsten  Obstländer  wünschen  möchte.  Das  wird  ja  wohl  bald 
besser  werden,  wenn  die  neu  eingeführten  Zahlmeister  —  auf  der 
Pera  war  schon  einer  installiert,  ein  prächtiger  Münchener  Lands¬ 
mann  —  erst  die  Einkaufsquellen  und  die  Qualitäten  einerseits,  an¬ 
dererseits  die  Wünsche  des  Publikums  genauer  kennen  gelernt  haben. 
Für  die  immer  zahlreicher  werdenden  Freunde  von  alkoholfreien 
Getränken  wären  auch  noch  Wünsche  zu  erfüllen.  Zwar  sind  Mi¬ 
neralwasser  zu  haben,  aber  diese  in  grosser  Auswahl  mitzunehmen, 
geht  nicht  an.  Andererseits  wäre  es  so  leicht,  einfach  kohlen¬ 
saures  Wasser  herzustellen.  Die  Kohlensäure  ist  nämlich  für  den 
Bierausschank  vorhanden.  Würde  man  dann  noch  einige  der  vor¬ 
züglichen  Fruchtsäfte,  die  in  Italien  überall  zu  haben  sind:  Granat¬ 
äpfel,  Orangen,  Pfefferminz,  Mandeln,  dann  eine  Mischung  von  Mandel 
und  Melonensamen  (Orzata),  um  nur  einige  der  bei  uns  weniger  be¬ 
kannten  zu  nennen,  so  wäre  herrlich  vorgesorgt.  Es  besteht  die 
sehr  anerkennenswerte  Massnahme,  dass  den  Mannschaften  kein  Al¬ 
kohol  gegeben  werden  darf.  Aber  andererseits  ist  nicht  vorgesorgt, 
dass  sie  kühle  billige  Ersatzgetränke  haben  können.  Auch  in  dieser 
Richtung  ist  die  Herstellung  von  kohlensaurem  Wasser  erwünscht. 
Erfreulich  war  es  übrigens,  zu  sehen,  dass  der  Alkoholkonsum  der 
Seeleute  im  grossen  ganzen  auch  abzunehmen  scheint.  Es  kam 
wiederholt  bei  Tisch  das  Gespräch  auf  diese  Frage  und  es  war  inte¬ 
ressant,  zu  hören,  wie  auch  —  natürlich  mit  individuellem  Unter¬ 
schied  —  die  Kapitäne  und  Offiziere  sich  mehr  und  mehr  der  Tem- 
perenz,  ja  zeitweise  voller  Abstinenz  zuneigen. 

Immerhin  bleibt  der  Unterschied  auffallend  zwischen  den  Trink¬ 
gewohnheiten  der  Nord-  und  Südländer.  „Wenn  ein  Grieche  oder 
Italiener  an  der  Tafel  sitzt“,  so  erzählte  man  uns,  „dann  trinkt  er 
Flaschen  Wasser  leer“.  Reisen  dagegen  Engländer  oder  Deutsche 
oder  Russen  —  so  halten  sich  die  mit  gleicher,  ja  mit  grösserer 
Energie  an  Bier  und  Wein“. 

Behält  man  diesen  Unterschied  im  Auge,  so  fällt  es  einem 
gar  nicht  mehr  so  besonders  auf,  wenn  man  in  das  Land  der  durch 
Religionsgesetz  vorgeschriebenen  Alkoholabstinenz,  in  die  1  iirkei 
kommt  und  da  ausser  in  den  europäischen  Vierteln  lauter  „alkohol¬ 
freie“  Restaurants  und  Kaffeehäuser  findet.  Schade,  dass  man  jene 
Arbeiter  nicht  einmal  alle  dorthin  schicken  kann,  die  da  immer  sagen: 
Ja,  wer  schwer  arbeitet,  der  muss  auch  sein  Bier  oder  seinen  Wein 
haben.  Es  gehört  zu  den  auffallendsten  Erscheinungen  in  der  Tür¬ 
kei,  welch  enorme  körperliche  Leistungen  von  den  Lastträgern, 
Schiffern  usw.  dort  vollbracht  werden.  Handkarren  oder  Lastwagen 
gibt  es  z.  B.  in  Konstantinopel  nicht.  Sie  würden  auch  bei  dem 
elenden  Strassenpflaster  und  den  steilen  Strassen  kaum  denkbar  sein. 
Die  Lastenbeförderung  geschieht  auf  dem  Rücken  von  Pferden,  Maul¬ 
tieren,  Eseln  —  daneben  zum  grossen  Teile  auf  menschlichen  Rücken. 


Da  kann  man  verlumpte,  alte,  arme,  hagere  .Männer  mit  riesigen 
Kisten,  Ballen,  Körben,  Balken,  ja  mit  vollen  Kasten,  die  2 — 3  mal 
so  hoch  sind  wie  der  Mann  selbst,  über  die  Strasse  schreiten  sehen. 
Beim  Zoll  ist  es  Vorschrift,  dass  mehr  als  ein  Träger  erst  bei  Lasten 
von  über  80kg  bezahlt  zu  werden  braucht;  so  viel  also  schafft,  gleichsam 
als  gesetzliche  Norm,  ein  einzelner  Lastträger.  Wo  es  sich  um 
grössere  Lasten  handelt,  da  werden  diese  an  1  oder  2  lange  am  Ende  ge¬ 
knotete  Stangen  gehängt,  die  2  bezw.  4  Träger  auf  ihren  Schultern 
tragen.  Nicht  minder  staunenerregend  sind  die  Leistungen  im  Ru¬ 
dern,  im  Laufen.  Im  Hafen  sieht  man  unglaublich  grosse,  schwer 
beladene  Schiffe,  die  von  2  oder  4  Leuten  gerudert  werden.  So 
schwer  ist  die  Last,  dass  die  Leute  ihr  Körpergewicht  ausnützen 
müssen,  indem  sie  sich  am  Ruder  hängend  fallen  lassen,  um  dann 
immer  wieder  aufzustehen.  Die  Verleiher  von  Pferden  laufen  die 
steilen  und  langen  Berge  hinauf  neben  dem  trabenden  Tiere  her;  bei 
der  freiwilligen  Feuerwehr  legen  die  Leute,  von  denen  4  während  des 
Rennens  abwechselnd  die  Spritze  auf  den  Schultern  tragen,  in  schnell¬ 
stem  Lauf  %,  %  Stunden,  oft  noch  mehr  zurück.  Diese  Leute  trin¬ 
ken  niemals  einen  Tropfen  Alkohol.  Und  wie  wenig  sie  gar  erst 
essen,  das  übertrifft  noch  den  bei  uns  als  Muster  der  Bescheidenheit 
bekannten  Italiener.  Einige  Schnitten  Melonen,  etwas  Trauben  oder 
Yaourt  (Sauermilch),  das  genügt  zur  Stillung  des  Hungers  und 
Durstes.  Auch  Wasser  trinken  die  Leute  nicht  viel,  obgleich  in  Kon¬ 
stantinopel,  namentlich  durch  die  von  dem  jetzigen  Sultan  neu  er¬ 
baute  Wasserleitung,  ganz  vorzügliches  Wasser  zur  Verfügung  steht, 
viel  besseres  als  in  Athen,  dessen  Wasser  nicht  als  unbedenklich 
gilt.  Interessant  ist  es,  wie  um  die  Brunnen,  namentlich  gegen  Abend 
immer  ein  „Kampf  ums  Wasser“  entsteht.  Man  wird  an  Szenen  beim 
Salvator  erinnert,  wenn  das  Gerücht  umgeht,  der  Quell  beginne  zu 
versiegen.  Die  Brunnen  sind  umlagert  von  zahllosen  Menschen  mit 
den  merkwürdigsten  Gefässen:  Flaschen,  Tonkrüge,  Blechkannen,  so, 
wie  wir  sie  für  Oelfarben  verwenden,  Kupfergefässe  usw.  Bei  einem 
Teil  der  Brunnen  ist  es  schwer,  ausser  mit  kleinen  Gefässen,  an¬ 
zukommen;  denn  sie  sind  zum  Schutz  gegen  Verunreinigung  so 
gebaut,  dass  der  Wasserstrahl  sich  senkrecht  von  oben  her  in  der 
Mitte  zwischen  4  von  einer  kleinen  Kuppel  gekrönten  Säulen  herab 
ergiesst,  und  zwar  nicht  in  ständigem  Strahl  —  das  würde  zu  viel 
Verlust  bedeuten  — ,  sondern  nur,  wenn  man  gegen  ein  Ventil 
drückt.  Zwischen  diese  Säulen  muss  man  mit  dem  Gefässe  herein. 
Natürlich  sind  nicht  alle  Brunnen  so.  Der  Brunnen  unseres  Kaisers, 
den  er  als  Andenken  an  seinen  Besuch  zum  Geschenke  machte,  ist 
ein  Kuppelbau,  an  dessen  Sockel  8  Hähne  Wasser  spenden  —  — 
würden,  wenn  nicht  die  Leitung  schon  längere  Zeit  in  Unordnung  und 
sämtliche  Hähne  gestohlen  wären!*)  In  den  älteren  Stadtteilen  sieht 
man  auch  die  armen  Teufel  von  Wasserträgern,  die  in  ihren  pyra¬ 
midenförmigen,  starren,  ledernen  Wasserschläuchen  das  Wasser  am 
Brunnen  sammeln  und  dann  auf  Mauleseln  in  die  Häuser  schaffen, 
wo  sie  es  dann  gegen  geringen  Entgelt  in  die  aufgestellten  Eimer 
füllen.  Vielfach  sind  auch  Brunnen  eingerichtet  ähnlich  den  Trink¬ 
hallen  in  Badeplätzen.  Das  Wasser  ist  von  aussen  nicht  zugänglich, 
sondern  wird  in  Blechtassen  durch  die  Gitter  gereicht. 

Doch  zurück  zu  mehr  ärztlichen  Dingen!  Es  würde  sich  wirk¬ 
lich  verlohnen,  einmal  genaue  Stoffwechselversuche  an  den  Leuten 
da  unten  vorzunehmen.  Ihre  Ernährung  mit  Stoffen,  die  bei  uns  als 
wenig  nahrhaft  gelten,  und  die  geringen  Quantitäten,  die  sie  von  den 
meist  vegetabilischen  Nahrungsmitteln  verzehren,  würde  lehrreiche 
Aufschlüsse  gerade  auch  in  der  Frage  der  Möglichkeit  „vegetabili¬ 
scher“  Ernährung  geben.  Denn  in  den  türkischen  Garküchen  sieht 
man  nur  winzige  Rationen  von  Hammelfleisch  verzehren.  Eine  Por¬ 
tion  umfasst  etwa  6 — 8  Stückchen  Fleisch  von  der  Form  und  Grösse 
unseres  Würfelzuckers,  die  auf  einen  flachen  kurzen  Spiess  auf¬ 
gesteckt  sind  und  über  Kohlenfeuer  geröstet  werden.  Daneben  ist 
Reis,  Fett  und  Zucker  in  den  Hauptmahlzeiten  relativ  reichlich  ver¬ 
treten.  Der  Kaffee  wird  von  den  Einheimischen  fast  immer  stark 
süss  getrunken;  auf  der  Strasse  spielen  neben  den  Früchten:  Melonen. 
Trauben,  Feigen,  MisDeln.  hauptsächlich  Kuchen  verschiedener  Art, 
butterteigartig  mit  Hammelfett  bereitete  Fladen  von  gutem  Ge¬ 
schmack.  Zuckersachen,  dann  jenes  merkwürdige,  ringförmige,  an 
unsere  Bretzeln  erinnernde  Gebäck  und  ähnliches  eine  Hauptrolle, 
ferner  ein  aus  Zuckermilchwasser  und  Reis  hergestellter,  flacher, 
geleeartiger,  zäher,  aber  auch  sehr  gut  schmeckender,  in  drei-  oder 
viereckiger  Form  geschnittener  Papp.  Das  berühmte  Konfekt  „Sul- 
tanbrod“  (Lukumi)  wird  nur  von  der  reicheren  Bevölkerung, 
namentlich  von  den  Damen  verzehrt.  Es  ist  eine  zähe,  an  unseren 
Gummizucker  erinnernde  Masse  mit  verschiedenem  Fruchtgeschmack, 
die  zur  Vermeidung  des  Zusammenklebens  mit  feinstem  Staubzucker 
überstreut  wird,  und  an  der  man  längere  Zeit  die  Freude  des  Kauens 
und  des  vorzüglichen  Geschmackes  nach  verschiedenen  miteingekoch¬ 
ten  Früchten  haben  kann.  Die  Zähigkeit  wird  durch  Beigabe  von 
Mastix  erreicht,  der  ja  bekanntlich  auch  vielfach  ohne  Zusatz  gekaut 
wird,  angeblich  als  vorzügliches  Mittel  zur  Reinhaltung  der  Zähne. 
Da  man  Zahnbürsten  wenig  kennt,  so  mag  dieses  Harz  immerhin  einen 
gewissen  Ersatz  bilden.  Ursprünglich  eine  bernsteinfarbige  harzige 
Masse,  wird  es  während  des  Kauens  zu  einem  weissen.  zähen,  un¬ 
durchsichtigen  Papp  und  schmeckt  fast,  als  ob  man  Harz  kauen 
würde.  Auch  verschiedene  Körner  und  Kornfrüchte  werden  viel 

*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Jetzt  soll  er 
wieder  in  Stand  gesetzt  sein. 


io94 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


gegessen:  geröstete  Erbsen,  Melonen-  und  Pistazienkerne,  Erdnüsse, 
spanische  Nüsse  usw. 

Die  echte  türkische  Küche  hatte  ich  Gelegenheit  in  einem  der 
Spitäler  kennen  zu  lernen,  allerdings  —  mit  Ausnahme  einer  Schoten¬ 
frucht  von  der  Form  kleiner  Gurken,  die  ich  leider  nicht  benennen 
kann,  und  die  ich  mit  Tomaten  verkocht  versuchte  —  nur  vom  An¬ 
sehen.  Auch  in  der  Krankenkost  spielen  die  Vegetabilien  eine  grosse 
Rolle;  dann  gibt  es  allerdings  auch  Hammelfleisch  und  Geflügel, 
weniger  Kalb-  oder  Rindfleisch. 

In  Konstantinopel  haben  die  sämtlichen  europäischen  Nationen 
je  ihr  eigenes  Hospital.  Sie  liegen  alle  in  Pera  auf  dem  Hügel 
und  es  ist  ein  herrlicher  Blick,  der  sich  in  vielen  Krankenzimmern 
hinaus  auf  das  Meer  und  die  Berge  ergibt. 

(Schluss  folgt.) 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Aus  den  preussischen  Aerztekammern. 

Von  Dr.  Neuberger  in  Nürnberg. 

Der  vorliegende  Bericht  umfasst  .die  Jahre  1905  und  1906.  Die 
letzte  Zusammenstellung  über  die  Tätigkeit  der  preussischen  Aerzte¬ 
kammern  aus  dem  Jahre  1904  befindet  sich  in  No.  25,  1905  dieser 
Wochenschrift.  Wenn  ich  somit  die  Verhandlungen  zweier  Jahre 
zusammenfasse,  so  ist  damit  der  Vorteil  verbunden,  dass  die  meisten 
Fragen,  die  sämtliche  Kammern  beschäftigten,  in  gewissem  Sinne 
zum  Abschluss  gekommen  sind.  Es  kann  nämlich  nicht  geleugnet 
werden,  dass  eine  jährliche  Berichterstattung  manche  Lücken  dadurch 
aufweist,  dass  das  Kammermaterial  von  den  einzelnen  Kammern  zeit¬ 
lich  verschieden  behandelt  wird,  so  dass  einzelne  —  und  nicht  die 
unwichtigsten  —  Fragen  oft  von  vielen  Kammern  noch  gar  nicht 
erörtert  wurden.  Gewiss  ist  eine  völlig  einheitliche  Behandlung  in 
sämtlichen  Kammern  unausführbar,  manche  Frage  wird  in  dieser  oder 
jener  Aerztekammer  vertagt,  dazu  kommen  die  neuen  Anträge,  die 
in  den  verschiedenen  Kammern  gestellt  werden,  immerhin  dürfte  doch 
eine  grössere  Einheitlichkeit  zu  erzielen  sein.  Das  sollte  sich  schon 
daraus  ergeben,  dass  bei  den  Beratungen  im  Aerztekammerausschuss, 
welch  letzterer  doch  vielfach  sein  zusammenfassendes  Urteil  gerade 
auf  der  Grundlage  der  vorherigen  Beschlüsse  der  Einzelkammern 
über  viele  Anträge  betätigen  muss,  sehr  oft  die  Tatsache  zu  ver¬ 
zeichnen  ist.  dass  diese  oder  jene  Kammern  mit  der  betreffenden 
Materie  sich  noch  gar  nicht  beschäftigt  haben. 

Für  unsere  Berichterstattung  kommen  3  Sitzungen  des  Aerzte- 
kammerausschusses  in  Betracht,  die  am  3.  Dezember  1905,  am 
2.  März  1906  und  am  6.  Januar  1907  stattfanden  und  verschiedene 
bereits  im  vorigen  Berichte  erwähnte  Beratungsgegenstände,  wie  d  i  e 
Regelung  der  gegenseitigen  Beziehungen  der 
preussischen  Kammern  hinsichtlich  des  Un¬ 
terstützungswesens,  die  Stellung  der  Gefängnis¬ 
ärzte,  die  Verbesserung  der  Stellungen  der  Bahn- 
ii  nd  Bahnkassenärzte  zum  Abschlüsse  oder  zu  erspriesslicher 
Weiterentwicklung  brachten. 

Bezüglich  •  des  Unterstützungswesens  wird  ein  fünf¬ 
jähriges  Provisorium  beschlossen,  eine  Karenzzeit  fällt  fort,  der  Unter¬ 
stützungsbedürftige  —  Arzt,  dessen  Witwe  und  unmündige  Kinder  — 
wird  von  der  Kammer  unterstützt,  in  der  er  bei  Eintritt  der  Be¬ 
dürftigkeit  wohnt,  bei  Verzug  aus  einem  Kammerbezirk  in  einen  an¬ 
deren  unterstützt  ersterer  für  den  Zeitpunkt  von  2  Jahren,  dann  über¬ 
nimmt  der  neue  Kammerbezirk  die  Unterstützung,  gegenseitige  Be¬ 
aufsichtigung  wird  ebenso  als  Pflicht  erachtet,  wie  die  Mitteilung  ein¬ 
getretener  besserer  Lebensverhältnisse  des  Unterstützten. 

Die  Stellung  der  Gefängnisärzte  ist  nach  überein¬ 
stimmendem  Urteil  aller  Kammern  eine  durchaus  ungenügende.  Die 
Honorierung  ist  nur  bei  kleinen  Gefängnissen  eine  entsprechende,  bei 
grossen  Gefängnissen  wird  bis  zu  60  Insassen  in  der  Regel  4  Mk.  pro 
Kopf,  darüber  hinaus  nur  2  Mk.  bezahlt.  Es  wird  beanstandet,  dass 
die  Untersuchungen  bei  Aufnahme  und  Entlassung  der  Gefangenen, 
ausführliche  Gutachten,  ausserordentliche  Besuche  ausserhalb  der 
Dienststunden  etc.,  nicht  besonders  bewertet  werden.  Das  sei  ebenso 
nötig  wie  eine  Erhöhung  des  Pauschales  bei  entfernter  Lage  der  An¬ 
stalt  oder  wenn  mit  der  Anstalt  eine  Irren-  oder  grössere  Kranken¬ 
abteilung  verbunden  ist.  Ein  angemessener  Zuschuss  zu  den  Ver¬ 
treterkosten  sei  bei  längerer  Krankheit  und  Urlaub  nötig,  der  Arzt 
müsse  gegen  Verletzungen,  die  in  Ausübung  des  Berufes  in  der  Anstalt 
sich  ereignet  hätten,  versichert  werden,  auch  die  Gewährung  einer 
Pension  nach  längerer  Dienstzeit  sei  anzustreben.  Der  Aerztekammer- 
ausschuss  hat  durch  die  Kammern  einen  einheitlichen  Fragebogen  zur 
Eruierung  der  Lage  der  Gefängnisärzte  versenden  lassen,  der  Justiz- 
minister  war  aber  nicht  entgegenkommend,  so  dass  eine  genaue  Sta¬ 
tistik  nicht  möglich  war.  Immerhin  genügten  die  Recherchen,  um 
obige  Grundsätze  aufzustellen,  die  von  dem  Vertreter  der  schlesischen 
Kammer  in  einem  zusammenfassenden  Referate  verwertet  werden 
sollen. 

In  der  B  a  h  n  a  r  z  t  f  r  a  g  e  erging  sich  der  Kammerausschuss 
zunächst  in  einer  ausgiebigen  Beratung  des  von  dem  Minister  für 
öffentliche  Arbeiten  aufgestellten  Vertragsformulars  für  Aerzte  und 
Eisenbahndirektionen.  Der  Ausschuss  erkannte  die  Verbesserungen 
gegen  früher  durchaus  an,  hielt  aber  für  ein  neues  Vertragsformular 


noch  mannigfache  Aenderungen  für  notwendig.  Als  Familienange¬ 
hörige  —  um  nur  einige  Punkte  anzuführen  —  sollen  Kinder  und  Stief¬ 
kinder  gelten,  die  das  16.  Lebensahr  noch  nicht  überschritten  haben 
(nicht  das  18.  Jahr);  ein  unentgeltliches  Beistehen  für  den  be¬ 
nachbarten  Bahnarzt,  wie  es  im  Vertragsformular  steht,  wird  nicht 
bedingungslos  akzeptiert;  anstatt  dass  der  Bahnarzt  den  Auswurf 
untersuchen  muss,  soll  von  ihm  eine  Untersuchung  veranlasst  wer¬ 
den;  das  vorher  einzuholende  Einverständnis  der  Eisenbahndirektion 
bei  Wohnungsänderungen  soll  dadurch  .in  eine  mildere  Fassung  ge¬ 
kleidet  werden,  dass  Wohnungsänderungen  der  Direktion  rechtzeitig 
anzuzeigen  sind;  auch  soll  der  Arzt  nicht  „innerhalb  seines  Bezirkes, 
und  zwar  möglichst  in  dessen  Mitte  wohnen  müsse  n“,  sondern 
im  allgemeinen  innerhalb  der  Grenzen  seines  Bezirkes  wohnen;  bei 
länger  dauernder  Erkrankung  des  Bahnarztes  sollen  die  Vertreter¬ 
kosten  von  der  Direktion  übernommen  werden  etc.  etc.  Dass  die 
Honorierungssätze  einer  zeitgemässen  Abänderung  —  zumeist  nach 
den  Beschlüssen  der  Elberfelder  Aerztekommission  —  vom  Ausschuss 
unterstellt  wurden,  bedarf  keiner  besonderen  Ausführung.  Der  Kam¬ 
merausschuss  beschloss,  in  einer  Denkschrift  dem  Verkehrsminister 
durch  eine  Deputation  diese  Beschlüsse  zur  Benützung  bei  einem 
neuen  Vertragsformular  unterbreiten  zu  lassen.  Der  Erfolg  dieses 
Beschlusses  war  nach  den  Angaben  der  Deputation  resp.  Kommission 
—  Hartmann,  Herzau,  Körner  —  durchaus  befriedigend.  Die 
Besprechungen  mit  den  Vertretern  des  Verkehrsministers  führten  zu 
grossen  Verbesserungen  in  den  künftigen  Bahn-  und  Bahnkassen¬ 
arztverträgen,  sowie  zur  versuchsweisen  Einführung  —  zunächst  auf 
die  Dauer  von  2  Jahren —  der  freien  Arztwahl  bei  der  Eisenbahn¬ 
betriebskrankenkasse  in  Frankfurt  a.  M.  Der  Kammerausschuss  er¬ 
klärt  es  für  notwendig,  dass  die  Kommission  auch  weiterhin  die  er¬ 
forderlichen  Verhandlungen  führt  und  den  Kammern  von  den  bisheri¬ 
gen  Ergebnissen  in  einem  besonderen  Berichte  Mitteilung  macht. 

Einen  grossen  Spielraum  nahmen  die  Vertragskommis¬ 
sionen  in  den  Beratungen  des  Aerztekammerausschusses  und  der 
Kammern  ein.  Obwohl  die  Resultate  dieser  Kommissionen,  wie  auch 
bereits  im  vorigen  Bericht  hervorgehoben  wurde,  nicht  unbefriedigend 
waren,  so  waren  doch  die  Ergebnisse  in  den  verschiedenen  Kam¬ 
merbezirken  sehr  variierend.  Ein  Zwang  auf  widerstrebende  Aerzte 
liess  sich  nicht  ausüben,  auch  haben  mancherorts  (Westpreus- 
sen,  Hessen-Nassau  etc.)  die  behördlichen  Organe  den  Ver¬ 
tragskommissionen  Hindernisse  in  den  Weg  gelegt.  Das  veranlasste 
die  Hannoversche  Kammer,  eine  Förderung  des  Aus¬ 
baus  der  Vertragskommissionen  durch  die  Re¬ 
gierung  !zu  beantragen.  Gleichzeitig  wurde,  insbesondere  durch 
die  Anregung  Hartmanns  -  Hanau  eine  Denkschrift  betr. 
die  einheitliche  Organisation  der  Vertragskom¬ 
missionen  ausgearbeitet  und  den  Kammern  zur  Beschlussfassung 
vorgelegt.  Die  Denkschrift  enthält  Bestimmungen  betr. 
Kammer-  und  Bezirksvertragskommissionen,  wo¬ 
nach  letzteren  die  Beurteilung  und  Genehmigung  der  Verträge  zu¬ 
stehen  sollte,  während  erstere  wohl  die  Grundsätze  für  die  Bezirks¬ 
vertragskommissionen  aufzustellen,  im  übrigen  aber  als  Berufungs¬ 
instanz  zu  gelten  haben.  Der  Kammervorstand  selbst  ist  zweite 
Berufungsinstanz.  Weiterhin  enthält  die  Denkschrift  allgemeine 
und  besondere  Grundsätze  für  die  Vertragskom¬ 
missionen  zur  Regelung  des  Verhältnisses  der  Aerzte  zu  den 
Krankenkassen  und  eine  Schutzbündniserklärung. 

Die  staatliche  Anerkennung  der  Vertragskommissionen 
wird  von  vielen  Kammern  abgelehnt,  die  Kammern  von  West¬ 
falen,  Schleswig-Holstein,  Pommern  wünschen  die 
„Selbsthilfe“,  Sachsen  will  bis  zur  gesetzlichen  Regelung  der 
Krankenkassenfrage  die  Vertragskommissionen  als  „freie  Institu¬ 
tionen“,  die  Kammer  der  Rheinprovinz  und  Hohenzollern 
glaubt,  dass  die  Regierung  gar  nicht  darauf  eingehen  könne.  Alle 
diese  Kammern  lassen  aber  ihre  Bedenken  fallen  —  mit  Ausnahme  der 
Rhein  provinz  —  da  der  Kammerausschuss  eine  mündliche 
Vorstellung  beim  Medizinalminister  befürwortet,  wo¬ 
bei  nur  bei  einer  Einheitlichkeit  der  Aerztekammerbeschlüsse  ein 
Erfolg  staatlicherseits  zu  erwarten  sei.  Wenn  nun  auch  bezüglich  der 
Einzelheiten  der  Denkschrift  gewisse  Vorbehalte  und  redaktionelle 
Aenderungen  von  einzelnen  Kammern,  ebenso  wie  eine  Streichung  der 
Schutzbündniserklärung  —  Sachsen  —  gemacht  werden,  so  be- 
schliesst  der  Kammerausschuss  —  trotz  des  ablehnenden  Votums 
der  rheinischen  Kammer  —  mit  dem  Minister  in  mündliche  Ver¬ 
handlungen  zu  treten  und  dabei  Einzelheiten  zum  Ausdruck  zu 
bringen. 

Mit  der  Revision  des  Strafgesetzbuches  beschäf¬ 
tigten  sich  unter  Zuziehung  der  juristischen  Berater  der  Ehrengerichte 
sämtliche  Aerztekammern.  Eine  Kommission  der  Brandenburg- 
Berliner  Kammer  hat  diese  Materie  sehr  eingehend  bearbeitet, 
eine  diesbezügliche  Denkschrift  erlassen  und  letztere  der  Kommission 
des  Bundesrates  direkt  überwiesen.  Die  Kammern  schlossen  sich  im 
grossen  und  ganzen  den  Ausführungen  der  Kammer  von  Berlin- 
Brandenburg  an  und  der  Kammerausschuss  hat  das  gesamte 
Material  der  einzelnen  Kammern  dem  Minister  übermittelt.  Es  han¬ 
delt  sich  hauptsächlich  um  die  Aenderung  von  Paragraphen,  die 
sich  auf  Körperverletzung,  Verbrechen  und  Vergehen  gegen  das 
Leben,  Berufsverschwiegenheit  und  wissentliche  Verletzung  von 
Absperrungsmassregeln  beziehen.  Eine  Aenderung  wird  mit  der 
die  ärztliche  Tätigkeit  erschwerenden  Rechtsunsicherheit  neben  der 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1595 


Schädigung  der  öffentlichen  Gesundheit  begründet.  Es  ist  nicht  an¬ 
hängig  hier  die  einzelnen  in  Betracht  kommenden  Gesetzespara- 
craphen  und  die  Abänderungsvorschläge  der  Kammern  anzuführen, 
nur  folgende  Fassung  möge  Platz  finden,  wonach  eine  strafbare  Hand¬ 
lung  nicht  zutrifft,  wenn  die  Handlung  von  einem  approbierten  Arzte 
in  Ausübung  seines  Berufes  innerhalb  der  Regeln  der  ärztlichen 
Wissenschaft  begangen  wird  und  nicht  in  bewusstem  Widerspruch 
steht  mit  der  freien  Willensbestimmung  desjenigen,  an  welchem  die 
Handlung  begangen  wird  oder  seines  gesetzlichen  Vertreters,  und 
wenn  sie  zur  Rettung  eines  anderen  aus  einer  gegenwärtigen,  auf 
ungefährlichere  Weise  nicht  zu  beseitigenden  Gefahr  für  Leib  oder 
Leben  bestimmt  ist.  Bezüglich  der  unbefugten  Offenbarung  von  Pri¬ 
vatgeheimnissen  —  §  300  —  soll  die  Mitteilung  straflos  bleiben,  wenn 
sie  mit  Genehmigung  der  anvertrauenden  Person  oder  in  Wahr¬ 
nehmung  berechtigter  Interessen  erfolgt  etc. 

Der  Antrag  der  sächsischen  Kammer,  den  Medizinalminister 
zu  bitten,  beim  König  die  Leitung  der  wissenschaftlichen 
Deputation  für  das  Medizinal  wesen  durch  ein  ärzt¬ 
liches  Mitglied  derselben  als  Direktor  und  die  Leitung  der 
Medizinal  ab  teilung  des  Ministeriums  durch  einen  ärztlichen 
Vortragenden  Rat  als  Ministerialdirektor  zu  erwirken,  sobald  die  jetzi¬ 
gen  Inhaber  dieser  Stellen  ausscheiden,  wird  von  sämtlichen  Kammern 
akzeptiert  und  vom  Ausschuss  ausgeführt.  Eine  gleiche  Anregung 
war  übrigens  bereits  im  Jahre  1898  von  seiten  mehrerer  Aerzte- 
kammern  und  dem  Ausschuss  ergangen.  Interessant  ist,  dass  in  der 
Berlin-Brandenburger  Kammer  darauf  aufmerksam  ge¬ 
macht  wird,  dass  trotz  der  alljährlich  stattfindenden  Wahlen  seit 
13  Jahren  kein  Kammermitglied  zur  Sitzung  des  Medizinalkollegiums 
und  seit  4  Jahren  keines  für  die  wissenschaftliche  Deputation  ein¬ 
berufen  sei.  ...  •* r  ,  ,  , ,  , 

Gemäss  dem  Anträge  der  rheinischen  Kammer  beratschlagten 

Kammern  und  Ausschuss  über  die  Verschmelzung  der  so¬ 
zialen  Versicherungsgesetze.  Auch  hierüber  herrschte 
in  fast  allen  Kammern  Uebereinstimmung.  Zumeist  wurde  die  Ver¬ 
schmelzung  der  Kranken-  und  Invaliditätsversicherung  für  zweck¬ 
dienlich  erachtet,  nur  Schlesien  hielt  sie  für  nicht  dringlich  und 
zurzeit  nicht  einmal  ratsam.  Die  Vorschläge  bewegten  sich  in  be¬ 
kannten  Bahnen:  gesetzliche  freie  Arztwahl,  Honorierung  der  Ein¬ 
zelleitungen  nach  der  Minimaltaxe,  paritätische  Einigungskommis¬ 
sionen,  Berufungsinstanz  mit  unparteiischem  Vorsitzenden,  ärztlicher 
Beirat  im  Kassenvorstande,  Versicherungspflicht  bis  zur  Einkommens¬ 
grenze  von  2000  M.,  Ausbau  der  Krankenversicherung  durch  _  Ein¬ 
beziehung  der  Dienstboten,  der  landwirtschaftlichen,  hausindustriellen 
und  unständigen  Arbeiter.  B  e  rlin -B  r  and  e  nb  u  r  g  will  Be¬ 
seitigung  der  13  wöchigen  Karenzzeit  bei  der  Unfallversicherung, 
Schleswig-Holstein  tritt  für  Errichtung  von  Lehrstühlen  der 
sozialen  Medizin  und  Gewerbehygiene  ein,  Westpreussein  for¬ 
dert  bei  Abänderung  des  Unfallversicherungsgesetzes,  dass  Unfall¬ 
rente  und  Lohn  zusammen  bei  arbeitsfähigen  Rentnern  nicht  höher 
sein  soll  als  der  Lohn  vor  dem  Unfälle,  auch  wünscht  die  gleiche 
Kammer  eine  gesetzliche  Fixierung  des  ärztlichen  Sachverständigen¬ 
honorars  für  die  Schiedsgerichtsverhandlungstermine.  Die  west¬ 
fälische  Kammer  beantragt,  um  die  Anschauungen  der  gesamten 
Aerzteschaft  darzulegen,  Verhandlungen  über  die  Verschmelzung  der 
drei  sozialen  Gesetze  auf  dem  deutschen  Aerztetage.  In  diesem 
Sinne  fällt  auch  die  Entscheidung  des  Kammerausschusses  aus.  Da¬ 
bei  wird  kn  Sinne  der  Kammer  von  Hessen-Nassau  der  Mini¬ 
ster  ersucht,  für  die  Mitwirkung  von  Aerzten  bei  der -Vorberatung 
Sorge  treffen  zu  wollen.  Die  Kammer  Berlin-Brandenburg 
ist  mit  dem  Beschlüsse  des  Ausschusses  nicht  einverstanden  und 
übergibt  ihre  Verhandlungen  und  Beschlüsse  durch  den  Oberpräsi¬ 
denten  dem  Kultusminister,  damit  die  preussische  Regierung  im  Sinne 
dieser  Beschlüsse  auf  die  deutsche  Reichsregierung  einzuwirken  ver¬ 
möge. 

Der-  bereits  im  vorigen  Berichte  erwähnte  Antrag  der  Kam¬ 
mer  von  Schleswig-Holstein:  Beseitigung  des 
Selbst  dispensierungsrechtes  der  Homöopathen 
wird  von  allen  Kammern  und  vom  Ausschüsse  gutgeheissen.  Ber¬ 
lin-Brandenburg  macht  besonders  darauf  aufmerksam,  dass 
die  Herstellung  homöopathischer  Medizin  von  seiten  der  Aerzte  auf 
unüberwindliche  technische  Schwierigkeiten  stosse.  Von  manchen 
Kammern  wird  auch  hervorgehoben,  dass  mit  der  Aufhebung  dieses 
Sonderrechtes  und  der  Bezeichnung  -als  Homöopath  den  homöo¬ 
pathisch  ordinierenden  Kollegen  kein  Hindernis  mehr  für  den  An¬ 
schluss  an  die  Standesvereine  im  Wege  stünde. 

Ablehnung  erfährt  von  den  meisten  Kammern  und  vom  Aus¬ 
schüsse  der  Antrag  Hannover:  die  Vertretung  der  prak¬ 
tischen  Aerzte  durch  Praktikanten,  mit  der  Motivierung, 
dass  die  Aerzteschaft  das  praktische  Jahr 'selbst  verlangt  habe  und 
der  Antrag  ungesetzlich  sei.  Ostpreussen  hatte  zum  Antrag 
keine  Stellung  genommen,  da  der  Verband  ostpreussischer  Aerzte  eine 
dem  Antrag  der  hannoverschen  Kammer  analoge  Petition  ein¬ 
gereicht  hatte,  deren  Beantwortung  abgewartet  werden  sollte. 
Schleswig-Holstein  war  für  den  Antrag  eingetreten,  unter 
Anerkennung  der  Schwierigkeit,  Vertreter  zu  bekommen.  In  letzterer 
Hinsicht  wird  in  den  Kammern  Schlesien  und  Sachsen  hervor¬ 
gehoben,  -dass  die  Aerzte  sich  gegenseitig  vertreten  müssten. 

Ebenso  wird  vom  Ausschuss  der  Antrag  der  Aerztekammer 
Leipzig  auf  Herausgabe  einer  Reichs-Hand  ver¬ 


kauf  staxe  mit  der  Begründung  abgelehnt,  dass  die  Taxe  einer 
ständigen  Aenderung  wegen  des  raschen  Wechsels  des  Einkaufs¬ 
preises  der  Handverkaufsartikel  unterliege,  und  dass  die  staatliche 
Taxe  voraussichtlich  höher  als  die  der  freien  Vereinbarung  über¬ 
lassene  sei.  Von  den  Kammern  hatten  nur  Westfalen  und 
Schleswig-Holstein  sich  zustimmend  verhalten. 

Ueber  Zusätze  zur  Gebührenordnung  hat  der  Minister 
die  Kammern  befragt.  Dem  Votum  sämtlicher  Kammern  gemäss 
beschloss  der  Kammerausschuss,  dass  Einspritzungen  von 
Heilmitteln  direkt  in  eine  Blutader  ausser  dem  Betrag  für  das 
Heilmittel  mit  3  bis  20  M.  und  dass  telephonische  Beratung 
im  Hause  des  Arztes  als  Konsultation,  beim  Rufen  des  Arztes  zu  dem 
öffentlichen  Fernsprecher  als  Besuch  zu  honorieren  ist. 

Die  Kammer  Berlin-Brandenburg  schlug  vor,  dass  alle 
Rezepte,  die  Morphin  oder  dessen  Salze  zur  subkutanen  Ein¬ 
spritzung  enthalten,  vom  Apotheker  zurückzubehalten  und  bei  jeder 
Revision  vorzulegen  seien  und  auch  deutlich  mit  Namen  und  Wohnung 
des  Arztes  versehen  sein  müssen.  Auch  sei  Veronal  unter  die 
stark  wirkenden  Drogen  aufzunehmen.  Letzterem  Wunsche 
entsprach  der  Minister,  an  den  sich  die  Kammer  direkt  gewandt  hatte; 
hinsichtlich  der  anderen  Anregung  entschied  der  Minister,  dass  Re¬ 
zepte  gesetzlich  nicht  zurückbehalten  werden  dürfen,  dass  die  Apo¬ 
theker  an  und  für  sich  bei  stark  wirkenden  Rezepten  die  Unterschrift 
prüfen  müssen  und  dass  die  Aerzte  selbst  die  verlangten  Bedingungen 
erfüllen  könnten.  Die  meisten  Kammern  hatten  sich  der  antrag¬ 
stellenden  Kammer  angeschlossen,  Hessen-Nassau  ersuchte  den 
Ausschuss,  -an  zuständiger  Stelle  dafür  einzutreten,  dass  alle  neuen 
beim  Menschen  zu  verwertende  Präparate  zunächst  als  starkwirkende 
Arzneimittel  zu  betrachten  seien,  bis  sie  dem  freien  Verkehr  über¬ 
geben  würden.  Der  Ausschuss  hielt  durch  den  ministeriellen  Be¬ 
scheid  die  Sache  für  erledigt. 

Die  wesentlichsten  Beratungsvorlagen  des  Kammerausschusses 
sind  damit  erörtert.  Der  Vollständigkeit  halber  soll  noch  angefügt 
werden,  dass  betr.  die  Gebührenordnung  für  Medizinal¬ 
be  amte  der  Abgeordnete  Dr.  Rügenberg  vom  Ausschuss  mit 
dem  weiteren  Eintreten  in  dieser  Frage  betraut  wurde,  wobei  hervor¬ 
gehoben  wurde,  dass  die  Tierärzte  in  der  vorbereiteten  Gebühren¬ 
ordnung  mehrfach  besser  gefahren  seien  als  die  Aerzte,  ferner,  dass 
den  Aerztinnen  die  gleichen  Rechte  und  Pflichten 
zustehen,  wie  den  Aerzten,  dass  die  An  -  und  Abmeldungen 
der  Aerzte  durch  den  Erlass  von  Polizeiverordnungen  zu  regeln 
seien,  dass  die  Kammerbeiträge  gleichzeitig  auszu¬ 
schreiben  seien,  dass  die  Vorsitzenden  der  Ehrengerichte  in  den 
ehrengerichtlichen  Urteilen  die  Vorstrafen  der  verurteilten 
Aerzte  aufführen  sollen,  dass  durch  Abänderung  des  §  8  der 
Allerh.  Verordnung  vom  25.  Mai  1887  die  Wahlen  durch  Akklama¬ 
tion  statt  durch  Stimmzettel  vorgenommen  werden  dürfen.  Schliess¬ 
lich  soll  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  von  seiten  der  Berlin- 
Brandenburger  Kammer  dem  Ausschüsse  in  der  Protokoll¬ 
führung,  Bilanzaufstellung  etc.  Einwürfe  zuteil  wurden,  die  zu  län¬ 
geren  Erörterungen  führten,  wobei  aber  die  sämtlichen  Vertreter  der 
anderen  Kammern  die  Beschwerden  als  unberechtigt  zurückwiesen. 
Die  beschwerdeführende  Kammer  beklagt  sich  ferner  über  ihren  ge¬ 
ringen  Einfluss  im  Ausschüsse,  der  ihrer  Grösse  und  Bedeutung  nicht 
entspräche,  auch  sei  ihr  Beitrag  zum  Ausschuss  zu  hoch.  Auch  mit 
der  Geschäftsführung  des  Aerztekammerausschusses  ist 
Berlin-Brandenburg  nicht  einverstanden,  der  Ausschuss  habe 
eine  vorbereitende,  die  Beschlüsse  sammelnde  und  an  den  Minister 
übermittelnde  Tätigkeit,  diese  habe  der  Ausschuss  durch  selbständige 
Beschlüsse  in  der  Bahnkassenfrage  und  durch  Uebergabe  -der  Be¬ 
ratung  der  Verschmelzung  der  sozialen  Gesetze  an  den  Aerztevereins- 
hund  überschritten.  Die  Kammer  bittet  daher  in  einer  Eingabe  den 
Minister,  dass  in  Zukunft  der  Ausschuss  sich  strikt  an  seine  Auf¬ 
gaben  halten  möge,  dass  durch  ein  ausführliches  Protokoll  ein  klares 
Bild  der  Verhandlungen  des  Ausschusses  gegeben  werde  und  dass  er 
in  der  Regel  zweimal  im  Jahre  zu  bestimmter  Zeit  zusammentreten 
möge,  damit  die  Kammern  rechtzeitig  die  vorher  bekannt  zu  gebenden 
Gegenstände  beraten  können.  Was  den  letzteren  Punkt  anbetrifft,  so 
verweise  ich  auf  meine  diesen  Bericht  einleitenden  Bemerkungen. 
Ich  bin  der  Ansicht,  dass  mit  der  Ein-  und  Durchführung  der  letzten 
Anregung  die  Kammer-  und  Ausschussverhandlungen  an  Einheitlich¬ 
keit  und  Bedeutung  wesentlich  gewinnen  würden. 

Wenn  ich  nun  zu  den  Verhandlungen  übergehe,  die  in  den  ein¬ 
zelnen  Kammern  gepflogen  wurden,  so  verdient  zunächst  die  Stellung¬ 
nahme  der  Kammern  zu  -den  Landesver  siche  r  u  ngs- 
anst  alten  eine  Würdigung.  Die  schon  im  vorigen  Bericht  er¬ 
wähnte  Beschuldigung  gegen  -die  Aerzte,  dass  sie  vielfach  scl*-chte 
und  ungenügende  Atteste  ausstellen,  veranlasste  in  mehreren  Kam¬ 
mern  eine  lebhafte  Diskussion.  Dabei  wurde  besonders  betont,  so 
in  den  Kammern  von  Westfalen,  Schlesien,  Schleswig- 
Holstein,  dass  die  Honorierung  der  Atteste  sehr  zu  wünschen 
übrige  Hesse  und  eine  entsprechende  Bezahlung  auch  bessere  Zeug¬ 
nisse  im  Gefolge  haben  würde.  Dass  ein  gegenseitiges  friedliches 
Zusammenarbeiten  unbedingt  erforderlich  sei,  konstatiert  in  beson¬ 
derem  Masse  Hannover  und  Hessen-Nassau;  Os  t  - 
preussen  ersucht  die  Landesversicherungsanstalt,  dass  ihr  Ubei- 
vertrauensarzt  unvollständige  oder  ungenügende  Atteste  an  den  Aus¬ 
steller  zuriiekschickt;  die  Kammer  von  W  e  s  t  p  r  e us  s  e  n,  deren 
Landesversicherungsanstalt  mit  der  Anstellung  von  \  ertrauensaizten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


1596 


droht,  falls  nicht  bessere  Gutachten  ausgestellt  würden,  will  gegen 
nachlässige  Aerzte  ehrengerichtlich  vorgehen.  In  Pommern  sind 
Vertrauensärzte  bei  der  Landesversicherungsanstalt  angestellt;  die 
Anregung,  von  neuem  Verhandlungen  anzubahnen,  wird  als  aus¬ 
sichtslos  von  der  Kammer  abgelehnt;  in  der  Rheinprovinz  wird 
der  Vertrag  zum  1.  April  1907  gekündigt,  da  die  Anstalt  nur  3  M. 
Honorar  zahlen  will  und  die  Aerzte  Zuschusshonorar  von  Kranken 
verlangen  sollen;  Schleswig-Holstein  erzielt  ein  Abkommen, 
wonach  unter  Ausschluss  eines  Zusatzhonorars  von  Rentenbewerbern 
6  M.  für  ein  Gutachten  zugebilligt  wird;  Schlesien  nimmt  Rück¬ 
sicht  auf  die  finanzielle  Lage  der  Anstalt,  sieht,  um  die  freie  Arztwahl 
aufrechtzuerhalten,  von  der  Forderung  der  Mindesttaxe  ab  und  ge¬ 
nehmigt  6  M.  für  Gutachten ;  Hessen-Nassau  trifft  ein  5  jähriges 
Abkommen,  wonach  ein  „weiteres“  Gutachten  statt  mit  3  M.  mit  6  M. 
honoriert  wird.  Hannover  fordert  eine  Erhöhung,  falls  die  Her¬ 
stellung  des  Attestes  durch  Aufsuchen  des  Rentenbewerbers  in  dessen 
Wohnung  erfolgen  muss.  Die  meisten  anderen  Kammern  führen  er¬ 
folglose  Verhandlungen  mit  der  Landesversicherungsanstalt.  Eine 
einheitlichere  Gestaltung  der  Verhältnisse  zu  den  Anstalten  wäre 
meines  Erachtens  dringendes  Bedürfnis. 

Mit  der  landwirtschaftlichen  Berufsgenossen¬ 
schaft  haben  Schlesien  und  Hessen-Nassau  Verträge  ab¬ 
geschlossen,  Schlesien  zu  5  M.,  Hessen -Nassau  zu  6  M. 
pro  Gutachten.  Auch  Pommern  hat  erfolgreiche  Verhandlungen 
geführt. 

Ostpreussen  hat  in  Unfallsachen  eine  Beschwerde  an  den 
Obenpräsidenten  eingereicht,  weil  in  7  Kreisen  kein  Gutachten  des 
behandelnden  Arztes  eingeholt  und  somit  der  Begriff  des  „Hörens 
des  Arztes“  verletzt  wird.  Als  Antwort  erfolgt,  dass  die  Kammer 
nicht  zuständig  sei,  nur  durch  Beschwerde  des  Unfallverletzten  im 
Einzelfalle  sei  eine  Erledigung  möglich. 

Krankenkassen -  Angelegenheiten  spielten  —  ab¬ 
gesehen  von  der  besonderen  Tätigkeit  der  Vertragskommissionen  in 
dieser  Beziehung  —  in  den  Kammerverhandlungen  manche  Rolle.  In 
der  schlesischen  Kammer  wurde  das  Verhalten  des  Landrats 
bei  dem  Streite  mit  der  Ortskrankenkasse  des  Kreises  Oh  lau  einer 
scharfen  Kritik  unterzogen  und  das  Nichteingreifen  der  Aufsichts¬ 
behörde  trotz  ungenügender  Aerzteversorgung  getadelt.  Die  Kammer 
Hannover  wandte  sich  beschwerdeführend  an  den  Oberpräsi¬ 
denten  gegen  einen  Landrat,  der  ohne  Grund,  um  einen  ansässigen 
Arzt  zu  schädigen,  einen  zweiten  Arzt  zur  Niederlassung  veranlassen 
wollte  und  deshalb  sich  an  die  Göttinger  medizinische  Fakultät  ge¬ 
wandt  hatte.  Das  Dekanat  hatte  die  Zuschrift  der  Kammer  über¬ 
geben.  In  Schleswig-Holstein  kam  es  zu  einem  Konflikt  mit 
dem  Kaiserl.  Kanalamt  und  zur  Sperre  der  Kanalarztstelle.  Der  Ver¬ 
such,  Aerzte  für  Krankenkassen  von  Postunter  beamten  an¬ 
zustellen,  führte  in  Hessen-Nassau  zu  einer  Korrespondenz  mit 
der  Frankfurter  Oberpostdirektion.  Auch  andere  Kammern  beschäf¬ 
tigten  sich  mit  dieser  Angelegenheit  und  stellten  als  notwendige  Be¬ 
dingung  für  solche  Kassen  die  Einführung  der  freien  Arztwahl,  Be¬ 
zahlung  der  Einzelleistungen  nach  der  Gebührenordnung  etc.  auf.  Zu 
einhelligen  Beschlüssen  kam  es  bezüglich  des  Antrags  des  deutsch- 
nationalen  Handlungsgehilfen  tags  über  Aufstel¬ 
lung  von  Vertrauensärzten  einzelner  Firmen,  wonach  nur 
in  Gemeinschaft  mit  dem  behandelnden  Arzte  eine  Untersuchung 
durch  den  Vertrauensarzt  erfolgen  dürfe. 

Der  Antrag  der  hannoverschen  Kammer,  dass  das 
Nie htvor  legen  von  Kassen  vertrügen  gegen  die 
Standessitte  verstosse,  findet  fast  allgemeine  Zustimmung. 

Die  Entwicklung  der  Unterstützungskassen  der 
Kammern  macht  zum  Teil  sehr  erspriessliche  Fortschritte.  So  hat  die 
Unterstützungskasse  der  Rheinprovinz  anfangs  1907  ein  Ver¬ 
mögen  von  237  666  M„  W  e  s  t  f  a  1  e  n  Ende  1906:  94  186  M.,  H  e  s  s  e  n- 
Nassau  Ende  1906:  52000  M.  Andere  Kammern  besitzen  hin¬ 
gegen  nur  kleine  Kapitalgrundstöcke  ihrer  Unterstützungskassen,  so 
ziJT  Westpreussen:  10  800  M.  (Ende  1906),  Pommern: 
1/  789  M.  (Ende  1906)  [dazu  kommt  für  Pommern  die  Runge¬ 
stiftung  mit  36  909  M.  Vermögen],  Schlesien  mit  20300  M.  (Ende 
1906).  Nach  einer  Aeusserung  in  der  westfälischen  Kammer 
hofft  man  im  Jahre  1923  dort  die  Unterstützungskasse  in  eine  Rechts¬ 
kasse  umwandeln  zu  können,  in  der  Rheinpro  vinz  hält  man 
diesen  Zeitpunkt  für  noch  nicht  nahe;  die  Anregung,  die  Zahlung  eines 
Sterbegeldes  aus  dem  Vermögen  der  Kammerkasse  zu  ermöglichen, 
wird  daher  auch  nicht  weiter  verfolgt,  um  den  Zeitpunkt  nicht  noch 
mehr  hinauszuschieben.  Hannover  beschliesst  die  Bildung  einer 
Kommission  behufs  Gründung  einer  Zwangswitwenkasse,  wie  z.  B. 
im  Königreich  Sachsen,  obzwar  ein  früher  zu  gleichem  Zwecke  ein¬ 
gesetzter  Ausschuss  kein  positives  Ergebnis  zeitigen  konnte.  Von 
Interesse  scheint  mir  die  Angabe  zu  sein,  dass  in  der  Provinz  Hes- 
sen-Nassau,  die  neben  derjenigen  der  Kammer  noch  andere  Unter¬ 
stützungskassen  besitzt,  nach  Erklärungen  in  der  Kammer  über  die 
Verwendung  des  sogen.  Pfeiffer  sehen  Unterstützungsfonds  der 
Kammervorstandschaft  nichts  bekannt  ist.  Das  müsste  abzuändern 
sein,  um  etwaigen  Ungleichheiten  in  der  Gabenverwendung  Vor¬ 
beugen  zu  können.  Bemerkenswert  ist  auch,  dass  wegen  der 
Sterbekasse  von  Hessen-Nassau,  die  bei  167  Mitgliedern 
einen  Vermögensstand  von  7769  M.  besitzt,  Verhandlungen  mit  der 


Versicherungskasse  der  Aerzte  Deutschlands  zwecks  Auflösung  und 
Uebergang  in  letztere  beschlossen  wurden. 

Die  von  der  Kommission  des  Aerztetages  für  das 
ärztliche  Unterstütz  ungs-  und  Versicherungs¬ 
wese  n  gestellten  Fragen  hinsichtlich  der  Mitwirkung  der 
Kammer  n  wurden  in  verschiedenen  Kammern  einer  Beratung 
unterzogen.  Pommern  und  Hessen-Nassau  bejahen  die 
Fragen.  Die  örtlichen  Einrichtungen  betreffend  Auskunftsstellen  und 
Beschäftigungsnachweisen  etc.  werden  von  den  Kammern  West¬ 
preussen,  Schlesien,  Westfalen  für  undurchführbar  oder 
als  nicht  Erfolg  versprechend  abgelehnt.  Auch  die  Erzielung  von  Ver¬ 
günstigungen  bei  Versicherungen,  Bädern,  Badekuren  etc.  für  alle 
Aerzte  wird  verschieden  beurteilt.  Sachsen  ist  dafür,  West¬ 
falen  und  Schlesien  lehnen  es  ab. 

Anregungen  zu  Aenderungen  der  Gebührenordnung 
A  und  B  ergingen  von  Hannover  und  Westfalen  aus  und 
wurden  in  den  einzelnen  Kammern  durch  bestimmte  Kommissionen 
in  Angriff  genommen.  Westfalen  hält  die  gesamte  Gebühren¬ 
ordnung  für  revisionsbedürftig  und  ersucht  den  Kammerausschuss,  zur 
Ausführung  geeignete  Schritte  einzuleiten. 

Die  Kammern  der  Rheinprovinz,  von  Westfalen  und 
Hessen -  Nassau  haben  zur  Frage  der  Gründung  von  Aka¬ 
demien  Stellung  genommen,  indem  sie  von  der  Errichtung  weiterer 
Akademien  Abstand  zu  nehmen  bitten,  bis  Erfahrungen  über  die 
Kölner  vorliegen,  und  bedauern,  dass  die  Vertretung  der  Aerzteschaft 
in  dieser  Angelegenheit  nicht  befragt  wurde. 

Die  S  p  e  z  i  a  1  a  r  z  t  f  r  a  g  e  beschäftigte  besonders  die  schles- 
wig-holsteinsche  Kammer.  Die  Bezeichnung :  „praktischer 
Arzt  und  Arzt  für“  wurde  kritisiert,  eine  Beschlussfassung  aber  aus¬ 
gesetzt,  da  der  Aerztetag  späterhin  sein  Votum  abgeben  würde.  Die 
Bezeichnung:  „Spezialarzt  für  Zahn-  und  Mundkrankheiten“  ist  nach 
der  Anschauung  einzelner  Kammern  (Westpreussen,  Han¬ 
no  v  e  r)  dem  praktischen  Arzt  gestattet,  der  sich  eine  ausreichende 
Vorbildung  für  dieses  Fach  erworben  hat. 

Der  in  der  westfälischen  Kammer  eingebrachte  Antrag 
(von  M  ü  1 1  e  r  -  Hagen),  dass  der  Arzt  sich  nicht  nach  einer  be¬ 
stimmten  Heil  m  ethode  bezeichnen  dürfe  (Naturarzt,  Homöo¬ 
path  etc.),  dringt  nicht  durch,  da  der  Kammer  zur  Durchführung 
des  Beschlusses  keine  Macht  zur  Seite  stände. 

Das  fortgesetzte  Annoncieren  von  Inhalatorien 
wird  in  der  Rh'einprovin;z  und  Westfalen  für  eine  Ver¬ 
fehlung  gegen  die  Standesehre  betrachtet. 

Hinsichtlich  der  Verleihung  von  Orden  und  Titeln 
an  Aerzte,  die  den  ärztlichen  Ehrengerichten  unterstehen,  soll 
durch  den  Kammerausschuss  auf  Antrag  der  rheinischen  Kam¬ 
mer  nach  Beschlussfassung  der  übrigen  Kammern  dahin  gewirkt 
werden,  dass  eine  Befragung  stattfindet,  ob  die  zur  Auszeichnung 
vorgeschlagenen  Aerzte  eine  ehrengerichtliche  Verhandlung  zu  über¬ 
stehen  hatten. 

Ausschreitungen  der  in  der  Gemeindepflege 
auf  dem  Lande  beschäftigten  Schwestern  verur¬ 
sachte  eine -umfangreiche  Enquete  der  schlesischen  Kammer, 
deren  Ergebnisse  für  den  Regierungsbezirk  Breslau  —  mit  Ausnahme 
der  Stadt  Breslau  selbst  —  von  P  a  r  t  s  c  h  der  Kammer  unterbreitet 
wurden.  Dass  die  Krankenpflege  auf  dem  Lande  noch  vielfach  zu 
Verbesserungen  Anlass  gäbe,  wurde  von  vornherein  zugestanden. 
Die  Resultate  wiesen  aber  sehr  schlimme  Schäden  auf.  insbesondere 
auf  dem  Gebiete  der  Kurpfuscherei.  Die  Kammer  stellte  bestimmte 
Forderungen  auf,  die  vorzugsweise  darin  gipfeln,  dass  die  Kranken¬ 
pflegestationen  einer  Aufsicht  durch  den  Kreisarzt  zu  unterstellen  sind, 
'die  sich  auf  die  Einrichtung  der  Station,  die  Dienstanweisung  der 
Schwestern,  die  Desinfektion  der  Gerätschaften,  die  Abgabe  der  Medi¬ 
kamente  und  den  Befähigungsnachweis  der  Schwestern  zu  beziehen 
habe.  Die  Tätigkeit  der  Schwestern  habe  sich  auf  die  Pflege  und  die 
erste  Hilfe  bei  Notfällen  zu  beschränken,  auch  sollen  sie,  wenn  ärzt¬ 
liche  Beratung  am  dritten  Tage  nicht  zugezogen  wird,  von  der 
Weiterpflege  Abstand  nehmen  müssen.  Als  Medikamente  dürfen  nur 
die  Handverkaufsartikel  von  den  Pflegerinnen  abgegeben  werden. 

Sehr  beachtenswert  dürfte  der  Beschluss  der  Kammer  von  Ost¬ 
preussen  sein,  durch  eine  Kommission  eine  Broschüre:  Was 
muss  der  ostpreussische  Arzt  bei  seiner  Nieder¬ 
lassung  von  Standeseinrichtungen  wissen?  her- 
stellen  zu  lassen.  Die  Kosten  des  Drucks  will  die  Kammer  über¬ 
nehmen. 

Eine  ganze  Reihe  von  Anträgen :  Die  Wahl  sachver¬ 
ständiger  Aerzte  für  die  Schiedsgerichte  (Hessen- 
Nassau),  die  Haftpflicht  des  Staates  bei  Beschädi¬ 
gung  von  ihm  beauftragter  Aerzte  (Westpreussen), 
E  r  1  a  s  s  einer  Reichsmedizinalverordnung  (Berlin- 
Brandenburg),  einheitliche  Gestaltung  dei  Stan¬ 
desordnungen  ider  preussischen  Aerztekammern 
(Hessen-Nassau)  etc.  ist  bisher  nur  von  einem  kleinen  Teil 
der  Kammern  in  Erwägung  gezogen  worden,  so  dass  es  zwreckmässig 
ist,  über  diese  erst  im  nächstjährigen  Bericht  sich  zu  äussern. 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1597 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Kurt  Ziegler:  Experimentelle  und  klinische  Unter¬ 
suchungen  über  die  Histogenese  der  myeloiden  Leukämie.  Ver¬ 
lag  von  Q.  Fischer,  Jena  1906.  125  Seiten.  Preis  Mk.  4.50. 

Durch  die  Untersuchungen  Heinekes  haben  wir  er¬ 
fahren,  welche  schädigenden  Einflüsse  die  Röntgenstrahlen  auf 
verschiedene  tierische  Organe  ausüben.  Die  Nachprüfungen 
von  Krause  und  Ziegler  haben  im  grossen  ganzen  diese 
Lehren  bestätigt.  Von  Bedeutung  für  die  später  noch  zu  be¬ 
sprechenden  Fragen  war  es,  dass  bei  der  Röntgen¬ 
bestrahlung  der  Milz  allein  das  lymphatische  Gewebe 
dieses  Organes  zerstört  wurde,  während  das  Milz¬ 
stroma  erhalten  blieb.  Ziegler  hat  diese  Versuche 
weiter  fortgesetzt  und  erweitert  und  sich  vor  allem  die 
Aufgabe  gestellt,  festzulegen,  welche  späteren  zelligen  Ver¬ 
änderungen  die  Milz  erfährt,  und  welche  morphologische  Zu¬ 
sammensetzung  das  Blut  hierbei  darbietet. 

In  erster  Linie  wurden  die  Experimente,  über  die  in  der 
vorliegenden  Habilitationsschrift  berichtet  wird,  an  Mäusen  vor¬ 
genommen.  Es  wurden  einmal  die  Milz  und  die  Lymphknoten 
der  Gelenkbeugen,  ferner  die  Milz  allein,  und  in  einer  dritten 
Versuchsreihe  Milz  und  Knochenmark  unter  Ausschluss  des  Rip¬ 
penmarkes  einer  langdauernden  Bestrahlung  mit  Röntgen¬ 
strahlen  unterworfen.  Ferner  wurden  bei  zwei  Meerschwein¬ 
chen  und  fünf  Kaninchen  die  Milzen  bestrahlt. 

Die  Befunde  bei  den  Mäusen  waren  bei  den  verschiedenen 
Versuchsanordnungen  fast  völlig  gleiche.  Das  Blutbild  wies  in 
der  ersten  Zeit  nach  der  Bestrahlung  einen  rapiden  Lympho¬ 
zytensturz  auf.  Ganz  besonders  auffällig  aber  war  das  Ver¬ 
halten  der  schon  normalerweise  zu  durchschnittlich  9  Proz.  im 
Mäuseblute  vorhandenen  Myelozyten.  In  den  ersten  Tagen 
trat  eine  geringe  Verminderung  dieser  Elemente  ein,  die  jedoch 
bald  von  einer  mehr  oder  minder  starken  Vermehrung,  die  oft 
sehr  hohe  Werte  zeigte,  gefolgt  war.  Ausserdem  führte  dann 
das  Blut  vereinzelte,  kernhaltige  Erythrozyten.  Es  entstand 
also  ein  Blutbild,  welches  mit  dem  der  myeloiden  Leukämie 
grosse  Aehnlichkeit  hatte.  In  einem  Falle,  der  83  Tage  be¬ 
obachtet  wurde,  verschwanden  jedoch  schliesslich  die  hohen 
Werte  der  Myelozyten,  und  allmählich  bildete  sich  ein  völlig 
normales  Blutbild  wieder  heraus. 

Sehr  bemerkenswert  waren  die  histologischen  Befunde  an 
der  Milz,  die  in  manchen  Fällen  eine  hervorragende  Vergrösse- 
rung  aufwies.  Bei  geringerer  Strahlenschädigung  war  nur  die 
Peripherie  der  Milzfollikel  vernichtet,  und  hier  fanden  sich  nun 
an  Stelle  der  ursprünglichen,  lymphozytären  Elemente  Myelo¬ 
zytenlager.  Waren  jedoch  infolge  der  Bestrahlung  die  Follikel 
anscheinend  völlig  zu  gründe  gegangen,  so  bot  die  gesamte  Milz 
ein  fast  völlig  myeloides  Aussehen  dar.  In  diesen  Fällen  war 
es  ferner  zu  einer  weitergehenden  Wucherung  der  Myelozyten 
gekommen,  so  dass  die  Milz  bis  auf  das  Doppelte  ihrer  normalen 
Grösse  angeschwollen  war. 

Zur  Beurteilung  der  im  vorstehenden  skizzierten  Verände¬ 
rungen  ist  natürlich  die  histologische  Beschaffenheit  des  Kno¬ 
chenmarkes  von  ausschlaggebender  Bedeutung.  Ich  habe  die 
einzelnen  Notizen  auf  das  peinlichste  studiert  und  nebeneinan¬ 
dergestellt:  ausser  der  am  ungeschützten  Knochenmarke  ein¬ 
getretenen  Rarefikation  zeigen  sämtliche  Fälle  abgesehen  von 
einigen,  in  denen  reichlich  Leukozyten  vorhanden  waren,  ein 
ganz  normales  Verhalten.  Nirgends  ist  aus  den  Beschrei¬ 
bungen  irgendwie  ersichtlich,  dass  eine  über  die  Norm  hinaus¬ 
gehende  Vermehrung  der  Myelozyten  hätte  konstatiert  werden 
können.  Ja,  in  vielen  Fällen  ist  in  den  Protokollen  ausdrücklich 
vermerkt,  dass  das  Mark  normale  Verhältnisse  dargeboten 
habe. 

Aus  den  im  Vorstehenden  wiedergegebenen  Befunden  zieht 
der  Verfasser  folgende  Schlüsse,  von  denen  die  hauptsächlich 
in  Betracht  kommenden  hier  wörtlich  wiedergegeben  werden 
sollen.  „Durch  die  Bestrahlung  mit  Röntgenstrahlen  verfällt 
der  follikuläre  Apparat  der  Milz  in  mehr  oder  minder  grossem 
Masse  der  Nekrose.  Nach  kurzer  vorübergehender  entzünd¬ 
licher  Leukozytose  kommt  es  zu  einer  andauernd  hochgradigen 
Verminderung  der  Lymphozytenzahl  und  ferner  konstant  nach 
einigen  Tagen  zu  einem  vermehrten  Auftreten  mononukleärer 
myeloider  Zellen,  sowie  vereinzelter  kernhaltiger  roter  Blut¬ 


körperchen.  Man  gewinnt  den  Eindruck  einer  überhasteten 
Produktionstätigkeit  des  Knochenmarkes,  welche  zur  Aus¬ 
schwemmung  normal  nicht  vorhandener  oder  nur  in  geringer 
Zahl  vertretener  Zellen  in  das  Blut  führt.  Zu  gleicher  Zeit  lagern 
sich  nun  in  das  verödete  Milzgewebe  diese  pathologisch  ver¬ 
mehrten  Zellformen  ein.  Myelämischer  Blutbefund,  Knochen¬ 
markshyperplasie  und  totale  myeloide  Umwandlung  der  Milz 
mit  Vergrösserung  des  Organs  berechtigen,  hier  von  einer 
akuten  myeloiden  Leukämie  zu  sprechen.  Diese  Verhältnisse 
weisen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  darauf  hin,  dass  zwi¬ 
schen  Milz  und  Knochenmark  gewisse  zelluläre  Gleichgewichts¬ 
verhältnisse  bestehen,  deren  Störung  zu  ungunsten  der  Milz 
hyperplastische  Vorgänge  im  Knochenmark  verursacht.  Da  zu 
gleicher  Zeit  das  Milzstroma  gute  Wachstumsbedingungen  auch 
für  das  myeloide  Gewebe  bietet,  so  kann  es  sekundär  zur  An- 
siedlung  und  üppigen  Vermehrung  dieser  Zellen  in  der  Milz  und 
schliesslich  zur  Ausschwemmung  von  hier  aus  in  die  Blut¬ 
bahn  kommen.  Man  muss  also  einen  gewissen  Antagonismus 
zwischen  Lymphozyt  und  Myelozyt  wenigstens  in  Milz  und 
Knochenmark  annehmen,  welcher  die  Erhaltung  normaler  zellu¬ 
lärer  Blutbeschaffenheit  bedingt.“ 

Die  Experimente  an  Meerschweinchen  und  Kaninchen 
zeigten  im  Wesentlichen  die  gleichen  Ergebnisse  wie  bei  den 
Mäusen.  Auch  die  histologischen  Befunde  an  Milz  und  Kno¬ 
chenmark  wäre”  völlig  identische.  Leider  liegt  hier  keine  lange 
genug  andauernde  Beobachtung  dafür  vor,  ob  auch  bei  diesen 
Tieren  schliesslich  die  Myelozyten  wieder  aus  dem  Blute  ver¬ 
schwinden,  und  eine  normale  Blutbeschaffenheit  wieder  eintritt. 

Auf  die  Schilderung  der  in  der  Arbeit  zum  Schlüsse  be¬ 
schriebenen  menschlichen  Leukämiefälle  werde  ich  nicht  näher 
eingehen,  da  mir  vor  allem  der  experimentelle  Abschnitt  der 
Monographie  von  Wichtigkeit  zu  sein  scheint.  Einer  be¬ 
sonderen  Beachtung  bedürfen  jedoch  die  Ziegler  sehen 
Schlussfolgerungen,  die  er  aus  dem  von  ihm  experimentell  und 
klinisch  bearbeiteten  Materiale  zieht. 

Danach  ist  seiner  Ansicht  nach  zur  Entstehung  der 
myeloiden  Leukämie  erforderlich :  „1.  eine  Schä¬ 
digung  der  Milz,  welche  zu  einem  Verlust  oder  zu  funk¬ 
tionellem  Versagen  der  follikulären  Apparate  führt,  ohne  dass 
jedoch  Stroma  und  Gefässanordnungen  wesentliche  Verän¬ 
derungen  erleiden.  Diese  Veränderungen  sind,  gleichviel  auf 
welche  Weise  sie  entstanden,  die  Bedingung  für  das  Zustande¬ 
kommen  der  Erkrankung.  Diese  besteht  2.  in  myeloider 
Reaktion  des  Knochenmarks,  d.  h.  vermehrter 
Produktion  und  Ausschwemmung  einkerniger 
proliferationsfähiger  Zellen;  3.  Einlagerung 
dieser  Zellen  in  das  verödete  Milzgewebe  und 
ungehemmtes  Wachstum  derselben  unter  gleich¬ 
zeitiger  Hyperplasie  des  Knochenmarks;  4. 
Ueberschwemmung  des  Blutes  mit  myeloiden 
Zellen  aus  Milz  und  Knochenmark  (Leukämie); 
5.  sekundäre  Organveränderungen  event.  -Bildungen  tumor¬ 
artiger  Markzellenherde“. 

Es  ist  mir  nicht  klar  geworden,  wie  Ziegler  zu  diesen 
Anschauungen  auf  Grund  seiner  Experimente  hat  kommen 
können.  Ich  habe  oben  schon  hervorgehoben,  dass  auf  Grund 
der  Notizen  über  die  histologische  Beschaffenheit  des  Knochen¬ 
markes  in  den  einzelnen  Fällen  niemals  von  einer  be¬ 
sonderen  Hyperplasie,  einer  myeloiden  Re¬ 
aktion,  geschweige  denn  leukämischen  Be¬ 
schaffenheit  gesprochen  werden  kann.  Damit 
ist  natürlich  auch  die  Hypothese  hinfällig,  dass  eine 
bestimmte  Korrelation  zwischen  Milz  u  n  d  K  n  o- 
chenmark  bestehe.  Besonders  aber  muss  die  noch 
weitergehende  Schlussfolgerung  Zieglers  zurückgewiesen 
werden,  dass  aus  einer  Störung  dieser  zellulären  Gleich¬ 
gewichtsverhältnisse  —  in  diesem  Falle  zu  ungunsten  der  Milz 
—  eine  Leukämie  entstehen  solle.  Hier  ist  vor  allem  die  Frage 
aufzuwerfen:  handelt  es  sich  bei  den  an  den  Tieren  erhobenen 
Befunden  überhaupt  um  Leukämie?  In  der  Arbeit  wird  ein  Fall, 
der  genügend  lange  beobachtet  wurde,  erwähnt,  bei  dem  das 
Blutbild  zum  Schlüsse  wieder  ein  völlig  nor- 
m  ales  wurde.  Diese  Tatsache  aber  bedeutet 
einen  f  u  n  d  a  m  e  n  t  a  1  e  n  Unterschied  zwischen 
diesen  Blutveränderungen  und  der  Leukämie. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Und  ferner :  Dass  bei  den  Ziegler  sehen  Versuchen 
keine  myeloische  Leukämie  vorliegt,  geht 
mit  Bestimmtheit  allein  schon  daraus  hervor, 
dass  bei  keiner  Beobachtung  von  einer  1  e  u  - 
Kä  mischen  Beschaffenheit  des  Knochen¬ 
markes  die  Rede  sein  kann.  Eine  myeloide 
Leukämie  ohne  spezifische  Knochenmarks¬ 
veränderung  gibt  es  aber  bekanntlich  über¬ 
haupt  nicht. 

In  der  gleichen  Weise  ist  auch  der  allerdings  rein  hypo¬ 
thetische  Gedanke  Zieglers  abzulehnen,  dass  auch  bei 
der  lymphatischen  Leukämie  eine  p  r  i  m  ä  r  e  Schä¬ 
digung  des  Knochenmarks  die  auslösende  Ur¬ 
sache  sei.  Ich  kann  gleich  an  dieser  Stelle  einen  schlagenden 
Beweis  gegen  eine  derartige  Ansicht  anführen.  Vor  einiger 
Zeit  habe  ich  einen  Fall  von  typischer  lymphatischer  Leukämie 
beobachtet.  Hier  war  das  gesamte  Knochenmark  ab¬ 
solut  intakt  und  nur  allein  das  lymphatische 
Gewebe  des  übrigen  Körpers  leukämisch  ver¬ 
ändert.  Das  beweist,  glaube  ich,  genug  oder  alles  gegen  die 
Ziegler  sehe  Anschauung. 

Meiner  Ansicht  nach  sind  die  interessanten  Versuche 
Zieglers  in  ganz  anderer  Weise  auszulegen  und  bedeuten 
für  eine  andere  Lehre  einen  sehr  bedeutungsvollen  Fortschritt. 
Sie  bringen  meines  Erachtens  nämlich  den  besten  Beweis  dafür, 
dass  auch  bei  der  myeloiden  Leukämie  die 
■myeloide  Umwandlung  der  Milzautochthon 
aus  präexistierendem  myeloiden  Gewebe  ge¬ 
schieht  und  nicht  zurückgeführt  werden  darf  auf  aus  dem 
Knochenmarke  stammende,  in  die  Milz  eingewanderte  Zellen. 
Dafür  spricht  in  evidenter  Weise  die  schon  mehrfach  hervor¬ 
gehobene  Tatsache,  dass  bei  den  Z  i  e  g  1  e  r  sehen  Experi¬ 
menten  das  Knochenmark  niemals  leukämisch 
verändert  war. 

Was  Ziegler  durch  seine  Untersuchungen  festgelegt 
hat,  sind  die  bemerkenswerten  Tatsachen,  dass  auf  die 
Einwirkung  der  Röntgenstrahlen  hin  der 
lymphatische  Teil  des  M  i  1  z  p  a  r  e  n  c  h  y  m  s 
zu  gründe  geht,  und  daraufhin  eine  myeloide 
Substitution  statt  hat,  und  ferner,  dass  durch 
diese  Ueberschussbildung  an  myelozytären  Ele¬ 
menten  eine  mehr  oder  minder  starke  Ueber- 
schwemmung  des  Blutes  mit  Myelozyten  ein- 
tritt.  Soweit  es  der  eine  obenerwähnte,  genügende  Zeit  hin¬ 
durch  beobachtete  Fall  beweist,  verschwinden  diese  weit  über 
die  Norm  vermehrten  Myelozyten  endlich  aber  wieder  voll¬ 
ständig  aus  dem  Blute.  Da  wir,  wie  ich  das  dargelegt  habe, 
keine  Leukämie  in  dieser  Blutveränderung  erblicken  dürfen, 
so  wird  es  angebracht  sein,  für  derartige,  wie  man  wohl  an¬ 
nehmen  darf,  vorübergehende  Veränderungen  des  Blutbildes 
den  Namen  Myelozytosen  zu  gebrauchen. 

Ich  habe  geglaubt,  die  Ziegler  sehe  Arbeit  besonders 
ausführlich  besprechen  zu  müssen,  einmal  weil  ich  die  von 
Ziegler  gefundenen  Tatsachen  für  sehr  wertvoll  und  als 
Grundlage  einer  neuen  Forschungsrichtung  erachte  und  zwei¬ 
tens,  weil  ich  der  Ansicht  bin,  dass  jedoch  die  aus  diesen  Be¬ 
funden  gezogenen  Schlüsse  und  Lehren  irrige  sind  und  ver¬ 
wirrend  wirken  können.  Deshalb  habe  ich  auch  eine  ein¬ 
gehende  Kritik  für  nötig  gehalten. 

'  _  ‘  S  c  h  r  i  d  d  e  -  Freiburg. 

i 

Dr.  Hugo  Schulz,  ord.  Professor  und  Geheimer  Medi¬ 
zinalrat:  Vorlesungen  über  Wirkung  und  Anwendung  der  un¬ 
organischen  Arzneistoffe  für  Studierende  und  Aerzte.  Leipzig 
1907.  Verlag  von  G.  T  h  i  e  m  e.  Preis  8  Mark. 

Vorliegendes  Buch,  das  in  Form  von  Vorlesungen  ge¬ 
schrieben  ist,  bringt,  wie  im  Vorworte  mitgeteilt  ist,  in  etwas 
erweiterter  Gestalt  das,  was  Verfasser  seit  24  Jahren  im  Kolleg 
vorzutragen  pflegt.  Es  soll  vor  allem  die  Kenntnisse  vermitteln, 
die  der  praktische  Arzt  am  Krankenbett  benötigt. 

Ausführlicher  ist  auf  die  erste  Vorlesung  einzugehen,  da  sie 
den  Leser  über  die  eigenartigen  Schulz  sehen  Anschauungen 
über  Arzneiwirkung  orientiert:  Dieselbe  beruht  stets  in  einer 
Reizung.  Die  Erstwirkung  jeglichen  Reizes  ist  das  Auftreten 
stärkerer  Blutfüllung  und  diese  zeitigt  Heilerfolge  genau  so, 


wie  Bier  bewiesen  hat,  dass  künstlich  erzeugte  Hyperämie 
krankhaft  hyperämische  Organe  zur  Heilung  bringen  kann. 
Somit  muss  der  Arzt  vor  allem  wissen,  welcher  Arzneistoff  ge¬ 
rade  für  ein  bestimmtes  Organ  das  beste  Reizmittel  ist.  Die 
Kenntnis  der  Arzneimittelwirkung  muss  dem  Arzte  ermög¬ 
lichen,  den  Reiz  an  eine  bestimmte  Stelle  des  Organismus  zu 
dirigieren.  Die  Bier  sehen  Arbeiten  führt  Schulz  als  Be¬ 
weis  für  die  Richtigkeit  des .  leitenden  Grundgedankens  der 
Hahnemann  sehen  Schule  an :  Similia  similibus  curentur. 
Diesem  Leitsätze  steht  auch  Schulz  freundlich  gegenüber 
und  die  Art  und  Weise,  die  Arzneikräfte  kennen  zu  lernen  und 
sie  für  die  Therapie  auszunützen,  verrät  eine  Anlehnung  der 
Schulz  sehen  Anschauungen  an  die  von  Hahnemann  auL 
gestellten  Prinzipien.  Doch  verwahrt  sich  Schulz  vor  der 
Ansicht,  als  sei  er  ein  Vertreter  der  homöopathischen  Schule, 
die  nur  diese  Prinzipien  ausgebaut  hat.  Den  Ausgangspunkt 
seiner  Ueberlegungen  bilden  die  von  den  Physiologen  -aufge- 
stellten  Gesetze  vom  Verhalten  der  Organe  unter  dem  Einflüsse 
eines  Reizes,  insbesondere  des  von  Rudolf  Arndt  aufgestellten 
, biologischen  Grundgesetzes“:  „Schwache  Reize  fachen  die 
Lebenstätigkeit  an,  mittelstarke  fördern  sie,  starke  hemmen  sie 
und  die  stärksten  heben  sie  auf;  aber  durchaus  individuell  ist, 
was  sich  als  einen  schwachen,  einen  mittelstarken,  einen  starken 
oder  sogenannten  stärksten  Reiz  wirksam  zeigt“. 

Uebergehen  möchte  ich  auch  nicht  die  Stellungnahme  des 
Verfassers  zu  den  Tierexperimenten.  Ihnen  misst  S  c  h  u  1  z  für 
die  Bestimmung  der  Angriffspunkte  der  Arzneistoffe  im  Or¬ 
ganismus  nur  geringen  Wert  bei:  „Meist  sind  es  toxikologische 
Momente,  die  wir  durch  sie  kennen  lernen“.  „Der  menschliche 
Organismus  ist  in  seiner  ganzen  Eigenart  doch  zu  weit  ver¬ 
schieden  von  dem  des  Tieres,  als  dass  es  erlaubt  sein  könnte, 
von  dem,  was  wir  unter  dem  Einfluss  eines  Arzneistoffes  am 
Tiere  gesehen  haben,  gleich  weitere  Schlüsse  auf  ein  entspre¬ 
chendes  Verhalten  des  menschlichen,  aber  erst  recht  des  er¬ 
krankten  menschlichen  Organismus  zu  ziehen“. 

Der  Referent  vertritt  in  diesen  Fragen  einen  anderen 
Standpunkt;  doch  dürfte  für  eine  diesbezügliche  Erörterung  hier 
nicht  der  Raum  sein. 

Die  Schulz  sehen  Anschauungen  waren  ausführlich  zu 
besprechen,  da  sie  für  die  Behandlung  des  ganzen  Stoffes  mass¬ 
gebend  sind.  Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  folgende:  Die  Wir¬ 
kung  der  Halogenverbindungen  einschliesslich  der  organischen 
halogenhaltigen  Körper,  des  Schwefels  und  der  schwefelsauren 
Salze,  der  Salpetersäure  und  der  Nitritverbindungen,  des  Phos¬ 
phors  und  der  Phosphorsäure,  des  Arsens,  Antimons,  Wismuts, 
der  Kieselsäure,  des  Ammoniaks,  der  Alkalimetalle,  der  Alkali¬ 
erdmetalle  und  der  Schwermetalle. 

Zum  Schlüsse  weist  Verfasser  darauf  hin,  dass  bei  der 
Verordnung  anorganischer  Heilmittel  der  Arzt  ein  viel  grös¬ 
seres  Gefühl  der  Sicherheit  haben  kann,  als  bei  der  von  or¬ 
ganischen  Verbindungen  —  insbesondere  die  neueren  Mittel 
—  da  die  Wirkungen  ersterer  durch  ihre  jahrelange  Verwen¬ 
dung  am  Krankenbette  sichergestellt  sind. 

A.  Jodlbauer. 

Prof.  Dr.  W.  Dönitz:  Die  wirtschaftlich  wichtigen 
Zecken,  mit  besonderer  Berücksichtigung  Afrikas.  Mit  38  Ab¬ 
bildungen  auf  6  Tafeln.  Leipzig  1907.  Verlag  von  Johann 
Ambrosius  Barth.  127  S.  Preis  5  Mark,  geb.  5.80  Mark. 

Mücken,  Tsetsen  und  Zecken  sind  die  Tiergruppen,  die 
durch  ihre  Bedeutung  für  die  menschliche  und  tierische  Patho¬ 
logie  seit  Erkenntnis  derselben  zu  einer  intensiven  Beschäfti¬ 
gung  mit  ihnen  angeregt  haben.  Verfasser  bringt  seit  dieser 
Erkenntnis  die  erste  umfassende  Bearbeitung  der  Zecken  in 
deutscher  Sprache,  und  zwar  steht  ihm  die  Wichtigkeit  ein¬ 
zelner  Züge  im  Leben  der  Zecken  für  die  Krankheits¬ 
übertragung  an  der  Spitze  seiner  Ausführungen;  es  han¬ 
delt  sich  also  nicht  um  eine  zoologische  Darstellung  als  Selbst¬ 
zweck,  sondern  um  angewandte  Zoologie.  Der  Besprechung 
der  Biologie,  der  allgemeinen  Anatomie  und  Physiologie,  des 
Vorkommens  der  Wirtstiere  und  des  zuträglichen  Klima  wird 
die  Systematik  angeschlossen,  bei  der  Verfasser  im  wesent¬ 
lichen  der  1844  von  C.  L.  K  o  c  h  aufgestellten  treu  blieb.  Ein¬ 
gehend  behandelt  sind  nur  die  für  die1  tierische  und  menschliche 
Pathologie  —  also  wirtschaftlich  —  wichtigen  Zecken,  deren 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1599 


Darstellung,  da  sie  über  die  ganze  Erde  verbreitet  sind,  nicht 
nur  für  Europa  und  Afrika  Interesse  haben  wird.  Die  übrigen 
Zecken  sind  kurz  gekennzeichnet.  Sämtliche  Arten  sind  in  die 
Bestimmungstabellen  aufgenommen.  Die  bei  der  Beschrei¬ 
bung  der  Arten  befolgte  Methode,  das  Wesentliche  und  Unter¬ 
scheidende  hervorzuheben  und  die  rein  schematische  Neben¬ 
einanderstellung  zu  durchbrechen,  darf  als  grosser  Vorzug  des 
Buches  bezeichnet  werden. 

Angefügt  ist  der  zoologischen  Beschreibung  eine  kurze 
aber  umfassende  Besprechung  der  Krankheiten  der  Menschen 
und  Tiere,  bei  denen  Zecken  als  Ueberträger  erkannt  sind, 
sowie  ihre  Prophylaxe  und  Therapie.  Ergänzt  wird  der  zoo¬ 
logische  Teil  durch  38  recht  gute  und  deutliche  Abbildungen  auf 
6  Tafeln. 

Das  Buch  arbeitet  durch  zoologische  Darstellung  der 
Zecken  und  Zusam  menfassung  alles  über  die  Zeckenkrankheiten 
Bekannten  dem  grossen  und  wirtschaftlich  wichtigen  Ziele  der 
Ausrottung  dieser  Krankheiten  vor.  zur  Verth  -  Berlin. 

Dr.  M.  S  i  m  m  o  n  d  s:  Ueber  Form  und  Lage  des  Magens 
unter  normalen  und  abnor  nen  Bedingungen.  Mit  10  Abbil¬ 
dungen  im  Text  und  12  Tafei  i.  Jena  1907.  Gustav  Fischer. 
54  S.  3  Mark. 

Von  der  Tatsache  ausgehend,  dass  die  pathologischen  Ana¬ 
tomen  zur  Bearbeitung  der  d*  m  Kliniker  so  wichtigen  Frage 
von  der  Form  und  Lage  des  Magendarmkanales  und  seiner 
Anomalien  bisher  nur  wenig  beigetragen  haben,  bestimmte 
Verf.  in  den  letzten  Jahren  gai  z  systematisch  bei  Hunderten 
von  Leichen  den  Situs  der  Baue» 'Organe  mit  Hilfe  der  Kamera. 
Der  erste  Abschnitt  behandelt  f  orm  und  Lage  des  normalen 
Magens  und  zieht  S.  aus  sein  n  Photogrammen  folgenden 
Schluss:  Es  gibt  weder  eine  no.male  Magenform,  noch  eine 
normale  Magenlage.  Sowohl  der  H  o  1  z  k  n  e  c  h  t  sehe  Typus 
des  engen,  schräg  gestellten,  einem  Rinderhorn  vergleichbaren 
Magens,  dessen  Pylorus  in  aufrechter  Körperhaltung  den  tief¬ 
sten  Punkt  einnimmt,  als  auch  der  Rieder  sehe  vertikal  ge¬ 
stellte  Magen  mit  leicht  hackenförmiger  Gestalt,  wobei  nicht 
der  Pförtner,  sondern  Teile  der  grossen  Kurvatur  am  tiefsten 
stehen,  haben  als  normal  zu  gelten,  sofern  nur  der  Magen  so 
gelagert  ist,  dass  der  Pylorus  und  die  kleine  Kurvatur  von  der 
normal  geformten  Leber  ganz  bedeckt  sind.  Die  folgenden 
vier  Abschnitte  beschäftigen  sich  dann  mit  den  Dislokationen 
und  Deformitäten  des  Magens.  Es  sind  dies:  Gastroptose, 
Magenverlagerung  bei  Kolonanomalien  und  Dislokationen  in¬ 
folge  krankhafter  Veränderung  der  Nachbarorgane  (Leber, 
Milz,  Niere),  ferner  Sanduhrmagen  und  kongenitale  Pylorus¬ 
stenose.  Zur  Gastroptose  möchte  ich  kurz  bemerken,  dass 
S.s  Annahme  einer  klinisch  allgemein  gültigen  Voraussetzung, 
die  Ptosis  des  Magens  sei  in  der  Regel  mit  Ektasien  kombiniert, 
keineswegs  zutrifft.  Bezüglich  der  noch  immer  herrschenden 
Unsicherheit  über  die  Ursache  der  sogen,  angeborenen  Pylorus¬ 
stenose  hält  Verfasser  dafür,  dass  es  sich  primär  um  einen 
Spasmus  handelt,  an  dem  sich  sekundär  Muskelveränderungen, 
speziell  der  Pylorus-  und  Antrummuskulatur  anschliessen. 

Das,  wodurch  vorliegende  Arbeit  unser  besonderes  Inter¬ 
esse  verdient,  scheint  mir  ausser  dem  zahlreich  beigegebenen 
Material  vorzüglicher  photographischer  Aufnahmen  (48)  der 
Nachweis  dessen  zu  sein,  dass  der  für  den  Magendarmsitus 
bisher  hauptsächlich  geübten  Röntgenuntersuchung  doch  auch 
mancherlei  Mängel  anhaften;  denn  einerseits  kann  der  Rönt¬ 
genologe  den  Magen  stets  nur  in  einem  bestimmten  Füllungs¬ 
zustande  mit  Bismutbrei  untersuchen,  andererseits  gibt  der 
Röntgenschatten  nur  die  Projektion  der  Magenkonturen  bei 
der  Vorderansicht,  so  dass  dort,  wo  grosse  Kurvatur  und 
untere  Magengrenze  nicht  zusammenfallen,  das  Röntgenbild 
nicht  der  tatsächlichen  Magenform  entspricht. 

A.  Jordan. 

1 

Max  N  i  t  z  e  -  Berlin :  Lehrbuch  der  Kystoskopie,  ihre  Tech¬ 
nik  und  klinische  Bedeutung.  389  Seiten  mit  11  Tafeln  und  133 
Abbildungen  im  Text.  Zweite  Auflage.  Wiesbaden  1907.  Ver¬ 
lag  von  J.  F.  Bergmann.  Preis  18  Mk. 

Seit  der  ersten  und  einzigen  Auflage  vorliegenden  Stan¬ 
dardwerkes  der  Kystoskopie  ist  eine  lange  Zeit  (18  Jahre) 
verstrichen.  Der  Grund  für  diese  Tatsache  dürfte  wohl  darin 


zu  suchen  sein,  dass  Max  N  i  t  z  e,  der  Begründer  der  Kysto¬ 
skopie  und  ihrer  klinischen  Methodik,  sein  literarisches  Lebens¬ 
werk  nur  als  ein  in  allen  Teilen  völlig  abgerundetes  Ganzes 
in  die  Welt  schicken  wollte.  Der  Tod  hat  ihm  die  Feder  aus 
der  Hand  genommen;  seine  letzte  Arbeit  aber  lag  abgeschlossen 
vor.  Einige  seiner  Schüler,  vor  allen  Kutner,  unternahmen 
es  in  dankenswerter  Weise,  die  Drucklegung  im  Geiste  des  Ver¬ 
fassers  zu  bewerkstelligen. 

Die  Einteilung  des  gesamten  Stoffes  ist  im  Wesentlichen 
die  gleiche  wie  die  der  ersten  Auflage;  doch  hat  jeder  einzelne 
Abschnitt  eine  namhafte  Bereicherung  oder  wenigstens  Neube¬ 
arbeitung  erfahren.  Einzelne  Teile  sind  völlig  neu  eingefügt. 

Der  erste  Hauptabschnitt  behandelt  die  Theorie  und  Tech¬ 
nik  der  kystoskopischen  Untersuchungsmethode;  von  beson¬ 
derem  Interesse  ist  es  dabei,  über  den  Werdegang  des  Kysto- 
skops,  sowie  die  bedeutenden  Schwierigkeiten,  die  zu  besiegen 
waren,  Details  zu  erfahren.  Ein  Kapitel  ist  der  Technik  der 
kystoskopischen  Untersuchung  gewidmet;  es  werden  ausführ¬ 
lich  Ratschläge  gegeben,  wie  eine  Kystoskopie  erfolgreich  aus¬ 
zuführen  und  zu  beendigen  ist.  Wohl  als  Druckfehler  wird 
es  aufzufassen  sein,  wenn  hier  von  einer  Füllung  ‘der  Blase 
mit  Oxyzyanatlösung  5  :  1000  (anstatt  etwa  1  :  5000)  gesprochen 
wird;  das  reservierte  Urteil,  das  über  diese  Spülflüssigkeit  ab¬ 
gegeben  wird,  wäre  nur  zu  begründet.  Neu  hinzugekommen 
ist  an  dieser  Stelle  eine  Würdigung  der  hervorragenden  Fort¬ 
schritte,  die  durch  andere  Forscher  auf  diesem  Gebiete  herbei¬ 
geführt  wurden. 

Von  besonderem  Interesse  ist  für  jeden  Praktiker  der  zweite 
Hauptabschnitt,  der  uns  den  endoskopischen  Befund  der  ge¬ 
sunden  und  kranken  Harnblase  gibt.  Eigene  Kapitel  widmet 
hier  N  i  t  z  e  den  zystoskopischen  Bildern  bei  Blasentuber¬ 
kulose,  bei  Steinen  und  Fremdkörpern,  bei  Prostatahypertro¬ 
phie,  bei  pathologisch  veränderten  Harnleitermündungen  und 
endlich  als  willkommene  Bereicherung  bei  Blasengeschwülsten. 

Der  dritte  Hauptabschnitt  befasst  sich  mit  der  Bedeutung 
der  Kystoskopie  für  Diagnose  und  Therapie  der  Harn-  und 
Blasenleiden.  Wenn  es  auch  oftmals  möglich  sein  wird,  auf 
Grund  einer  verlässlichen  Krankengeschichte,  einer  verstän¬ 
digen  Berücksichtigung  der  Symptome  und  einer  eingehenden 
Harnuntersuchung  eine  sichere  Diagnose  der  Krankheit  zu 
stellen,  so  bleiben  doch  noch  eine  überaus  grosse  Anzahl  von 
Fällen  übrig,  welche  eine  lokale  Untersuchung  dringend  fordern. 
Und  da  zeigt  sich  die  Kystoskopie  den  übrigen  Untersuchungs¬ 
arten  weit  überlegen;  vereint  sie  doch  zwei  Hauptmomente 
einer  guten  Untersuchungsmethode,  Zuverlässigkeit  des  Be¬ 
fundes  und  Schonung  des  Kranken,  in  hervorragendem  Masse. 
Gänzlich  neu  ist  hier  der  Teil  angeschlossen,  der  den  Harn¬ 
leiterkatheterismus  und  seine  diagnostische  Verwendung  be¬ 
handelt,  sodann  endlich  die  Darstellung  der  intravesikalen  Ope¬ 
rationstechnik,  die  N  i  t  z  e  begründete  und  meisterhaft  be¬ 
herrschte. 

Eine  besondere  Sorgfalt  wurde  den  ausserordentlich  in¬ 
struktiven  Tafeln,  sowohl  den  photographischen  wie  auch  den 
farbigen  zu  Teil;  die  naturgetreue  Abbildung  geschauter  Blasen¬ 
bilder  war  von  jeher- das  Ziel  von  Nitz  es  Wünschen.  Tat¬ 
sächlich  gehören  diese  Tafeln  zu  dem  Vollendetsten,  was  bis 
jetzt  das  Reproduktionsverfahren  geleistet. 

Kielleuthner  -  München. 

Die  Augenheilkunde  in  der  Römerzeit  von  Dr.  R.  d  e  1  C  a  - 
stillo  y  Quartiellers  in  Madrid.  Autorisierte  Ueber- 
setzung  aus  dem  Spanischen  von  Dr.  M.  Neuburger,  Pro¬ 
fessor  an  der  k.  k.  Universität  in  Wien.  Mit  26  Textfiguren. 
Leipzig  und  Wien  1907.  Franz  Deu  ticke.  Preis  4  Mk. 

Die  d  e  1  C  a  s  t  i  1 1  o  sehe  Monographie,  die  in  fliessender 
Uebersetzung  Prof.  Neuburgers  vorliegt,  bringt  nach  ein¬ 
gehender  Klassifizierung  der  bekannt  gewordenen  Okulisten¬ 
stempel,  deren  Zahl  über  200  beträgt,  zunächst  eine  genaue  erst¬ 
malige  Beschreibung  eines  Stempels,  der  sich  in  Spanien  im 
Besitze  des  Herrn  Eusebio  Vaideperas  befindet.  Verf. 
huldigt  der  Anschauung  D  e  n  e  f  f  e  s  u.  a.,  nach  welcher  die 
Gepflogenheit  des  Kollyrienstempelns  den  gallisch-römischen 
Augenärzten  geeignet  hat,  und  sucht  den  Umstand,  dass  der 
von  ihm  beschriebene  Okulistenstempel  in  Spanien  gefunden 
wurde,  durch  die  Hypothese  zu  erklären,  dass  ein  auf  Reisen  in 


ibUÜ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


Spanien  weilender  gallischer  Augenarzt  vom  Tode  überrascht 
und  mit  seinem  Stempel  bestattet  worden  sei,  wenn  man  nicht 
annehmen  wolle,  dass  der  spanische  Stempel  wie  die  italieni¬ 
schen  zur  Bereicherung  einer  Antikensammlung  in  der  Fremde 
käuflich  erworben  worden  sei.  In  eingehendem  Studium  konnte 
der  Verfasser  im  spanischen  archäologischen  Museum  augen¬ 
ärztliche  Bronzegegenstände  feststellen,  von  denen  er  einige 
seiner  Schrift  in  photographischen  Abbildungen  beigibt.  Mit 
grosser  Ausführlichkeit  werden  auch  die  Grabsteine  von  römi¬ 
schen  Augenärzten  angeführt;  und  zwar  reiht  sich  an  die  Auf¬ 
zählung  aller  eine  genauere  Beschreibung  der  beiden  in  Spanien 
gefundenen  Grabinschriften.  —  In  weiteren  Kapiteln  wird  die 
Therapie,  Materia  medica  und  Chirurgie  der  römischen  Augen¬ 
ärzte  in  knapper,  aber  übersichtlicher  und  kritischer  Weise 
dargestellt.  Anhangsweise  folgen  eine  grosse  Anzahl  von  Kol- 
Iyrienformeln,  sowie  ein  Register  der  Kollyriennamen. 

Im  wesentlichen  also  handelt  es  sich  um  eine  archäolo¬ 
gische  Studie,  die  man  umso  dankbarer  anerkennen  muss,  als 
sie  alles  den  Arzt  interessierende  über  ophthalmologische  Funde 
aus  der  Römerzeit,  das  sich  in  einer  grossen  Menge  oft 
schwierig  zu  erreichender  Publikationen  niedergelegt  findet, 
übrsichtlich  darstellt  und  in  diesem  Punkt  eine  Ergänzung 
z.  B.  zu  der  klassichen  und  ausführlichen  Geschichte  der 
Augenheilkunde  von  Hirschberg  bildet. 

Lohmann. 

C.  A  r  n  o  1  d  -  Hannover:  Repetitorium  der  Chemie.  12. 

Auflage.  688  Seiten  mit  einzelnen  Abbildungen  im  Text.  Ver¬ 
lag  von  L.  Voss-  Leipzig,  1906.  Preis  7  Mk. 

Das  im  November  1884  in  erster  Auflage  erschienene 
Arnold  sehe  Repetitorium  war  vom  Verfasser  dazu  be¬ 
stimmt,  dem  Studierenden  der  Medizin  zur  Vorbereitung  auf 
die  naturwissenschaftliche  Prüfung,  als  Leitfaden  neben  dem 
Kolleg  und  durch  das  umfangreiche  Register  als  Nachschlage- 
buch  in  der  Praxis  zu  dienen.  Das  Buch  muss  seiner  Bestim¬ 
mung  entsprochen  haben,  denn  es  erscheint  nunmehr  in 
zwölfter  Auflage. 

In  der  ersten  Abteilung  wird  die  allgemeine  Chemie,  und 
zwar  Stöchiometrie  und  Verwandschaftslehre  in  einer  sehr  in¬ 
struktiven  Weise  behandelt.  In  erweiterter  Bearbeitung  ist 
dieser  Teil  als  besonderes  Lehrbuch  erschienen,  das  an  dieser 
Stelle  besprochen  und  angelegentlich  empfohlen  werden  konnte. 

Die  zweite  Abteilung  umfasst  die  anorganische,  die  dritte 
die  organische  und  vielfach  auch  physiologische  Chemie.  Das 
für  den  Mediziner  Wichtige  ist  durch  Grossdruck  hervorge¬ 
hoben,  das  durch  Kleindruck  Mitgeteilte  geht  mehr  in  die  De¬ 
tails  und  ist  für  den  Pharmazeuten  und  Chemiker  bestimmt. 
Besondere  Sorgfalt  wurde  wieder  auf  das  Register  verwendet, 
das  in  der  Tat,  wie  Referent  nach  jahrelangem  Gebrauche  des 
Buches  bestätigen  kann,  nur  selten  im  Stiche  lässt  und  das  nun¬ 
mehr  über  6500  Stichworte  enthält. 

Das  Buch  erfreut  sich  ohne  Zweifel  mit  Recht  grosser  Be¬ 
liebtheit.  Auch  das  Ausland  ist  auf  das  Buch  aufmerksam  ge¬ 
worden,  eine  Uebersetzung  ins  Englische  und  Japanische  ist 
durchgeführt,  eine  solche  ins  Französische  und  Italienische 
steht  bevor.  K.  B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen. 

Neueste  Journalliteratur. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  83.  Band,  1.  Heft.  Berlin, 
H  i  r  s  c  h  w  a  1  d,  1907. 

2)  J  o  r  d  a  n  -  Heidelberg:  Zur  Ligatur  der  Carotis  communis. 

(Line  neue  Methode  zur  Orientierung  über  eventuelle  Zirkulations¬ 
störungen.) 

-t)  D  e  u  t  s  c  h  1  ä  n  d  e  r  -  Hamburg:  Die  Verrenkuugsbriiche  des 
Naviculare  pedis  und  deren  Folgezustände. 

6)  Kausch-Schöneberg:  Die  Schrumpf  blase  und  ihre  Be¬ 
handlung  (Darmplastik). 

N )  Bardenheuer  -  Köln :  Die  Behandlung  der  Frakturen  des 
oberen  und  unteren  Endes  des  Femur  mittels  Extension. 

9)  Döring:  Die  Polyposis  intestini  und  ihre  Beziehung  zur 

karzmomatösen  Degeneration.  (Chirurgische  Klinik  in  Göttingen.) 

.  I0)  Mertens:  Stichverletzuug  der  Lunge.  Naht.  Heilung. 

(Chirurg.  Abteilung  des  Allerheiligen-Hospitals  in  Breslau.) 

12)  A  d  1  e  r  -  Pankow:  Leber  die  Torsion  des  grossen  Netzes. 

.  H>  .J®ncke1:  Traumatische  Heterotopie  des  Rückenmarks. 

(Chirurgische  Klinik  in  Göttingen.)  * 


15)  Hof  mann:  Die  Pharyngotomia  suprahyoidea  transversa 
als  Voroperation  zur  Entfernung  von  Nasenrachentumoren  nebst  Mit¬ 
teilung  von  zwei  Fällen  temporärer  Resektion  beider  Oberkiefer  nach 
Kocher.  (Chirurgische  Klinik  in  Graz.) 

Vortrage  auf  dem  36.  Chirurgenkongress.  Referate  s.  No.  16 — 20 
dieser  Wochenschrift. 

I)  Berger  -  Kassel:  Zur  Kasuistik  der  Bauchverletzungen  durch 
stumpfe  Gewalt. 

Kasuistische  Mitteilung  von  4  Fällen.  1.  Milzruptur ;  Splen- 
ektomie;  Heilung.  2.  2  Fälle  von  traumatischer  Cholezystitis:  bei 
dem  einen  chronischer  Verlauf,  keine  Steine,  Heilung  nach  Zyst- 
ostomie.  Beim  zweiten  Falle  akuter  Verlauf  mit  beginnender 
Peritonitis,  zahlreiche  Steine  in  der  Blase,  Zystostomie,  Heilung. 
3.  Mesenterialtumor  nach  Trauma.  Drüsenmetastase  eines  primären 
1 1'irntumors. 

3)  Je  nsen:  Fractura  tuberositatis  tibiae.  (Frederiksborger 

Krankenhaus  in  Kopenhagen.) 

Auf  Grund  eines  Materials  von  10  Fällen  bespricht  J.  die  kli¬ 
nischen  und  anatomischen  Verhältnisse  der  Erkrankung.  Er  unter¬ 
scheidet  partielle  und  vollständige  Abreissungen  der  Tuberositas.  Die 
ersteren,  die  den  von  S  c  h  1  a  1 1  e  r  beschriebenen  Fällen  entsprechen, 
entstehen  nach  heftigen  Kontraktionen  des  Quadnzeps,  besonders 
häufig  beim  Fussballspielen,  bei  jugendlichen  Individuen,  bei  denen 
die  1  uberositas  noch  nicht  vollkommen  knöchern  mit  der  Tibia  ver¬ 
wachsen  ist.  Die  Beschwerden  sind  anfangs  oft  gering,  sodass  das 
Trauma  oft  vergessen  wird,  steigern  sich  aber  allmählich.  Die  Pro¬ 
gnose  ist  im  allgemeinen  gut,  doch  bleibt  eine  leichte  Schwäche  des 
Beines  mitunter  lange  Zeit  bestehen.  Die  Therapie  erfordert  nur 
Schonung  und  kann  eine  ambulante  sein.  Die  vollständigen  Frak¬ 
turen  entstehen  häufiger  bei  Erwachsenen  und  sind  häufig  mit  einem 
Bluterguss  ins  Kniegelenk  kompliziert;  die  Therapie  muss  bei 
stärkerer  Dislokation  eine  operative  sein. 

5)  Wenglowski  -  Moskau :  Die  anatomische  Begründung  der 
operativen  Behandlung  der  Leistenbrüche. 

V.  legt  vor  allem  Wert  darauf,  dass  die  Bruchpforte  vollkommen 
durch  Muskeln  geschlossen  Wird  und  empfiehlt,  die  Muskeln  durch 
einen  senkrechten  Schnitt  am  äusseren  Rektusrand  zu  mobilisieren, 
wenn  die  Vernähurig  ohne  das  unmöglich  ist.  Den  Samenstrang  ver¬ 
lagert  W.  nicht;  den  Bruchsack  bindet  er  nur  ab  und  durchtrennt  ihn, 
ohne  ihn  auszulösen. 

7)  B  o  c  k  e  n  h  e  i  m  e  r  -  Berlin :  Beitrag  zur  Beeinflussung  der 
k  olibakterizidie  des  Menschenserums  durch  chirurgische  Operationen. 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

II)  Busse -Posen:  Ueber  die  Entstehung  tuberkulöser  Darm- 
strikturen. 

B.  glaubt,  dass  die  von  W  i  e  t  i  n  g  angenommene  nicht  geschwü- 
rige,  submukös  verlaufende  Tuberkulose  des  Darms  durch  nichts  be¬ 
wiesen  ist,  dass  im  besonderen  die  Ueberziehung  der  Strikturen  mit 
Schleimhaut  nichts  für  W  i  e  t  i  n  g  s  Auffassung  beweist,  da  hier  Aus¬ 
heilungsstadien  längst  abgelapfener  Prozesse  vorliegen  und  da  die 
Darmschleimhaut  ein  grosses  Regenerationsvermögen  besitzt,  dass 
aber  im  Gegenteil  Epithelnester,  die  in  der  Tiefe  der  Narbe  gelegen 
sind,  oft  direkt  auf  frühere  Geschwüre  hinweisen.  Ausser  der  Nar¬ 
benschrumpfung  kommt  vor  allem  die  fehlerhafte  Wirkung  der  Mus¬ 
kulatur  nach  Unterbrechung  der  Längsmuskelschicht  am  Darm  für  die 
starke  Einziehung  und  Verengerung  des  Darmes  mit  in  Betracht.  In¬ 
sonderheit  veranlasst  die  Kontraktion  der  an  den  Wundrändern  ge¬ 
legenen  Ringmuskelfasern  eine  Einstülpung  der  am  Geschwürsgrunde 
erhaltenen  Serosa.  Es  ist  in  hohem  Masse  wahrscheinlich,  dass  diese 
Strikturen  nicht  lediglich  aus  Geschwüren  sich  bilden,  die  nur  durch 
die  I  uberkelbazillen  und  die  von  diesen  bewirkte  Entzündung  und 
Verkäsung  hervorgerufen  werden,  sondern  dass  bei  der  Ausbildung 
der  Geschwüre  und  Narben  die  völlige  oder  teilweise  Verödung  der 
den  erkrankten  Teil  versorgenden  Blutgefässe  mit  in  Betracht 
kommt. 

13)  Frangenheim:  Die  Spontanlösung  der  ypsilonförmigen 
Knorpelfuge.  (Chirurg.  Klinik  in  Königsberg.) 

E.  beschreibt  2  Fälle  von  Spontanlösung  der  ypsilonförmigen 
Knorpelfuge:  bei  dem  einen  Fall  kam  es  im  Verlaufe  einer  fehlerhaft 
behandelten  tuberkulösen  Koxitis  zur  Lösung  mit  Spontanluxation 
des  Sitzbeines  nach  innen;  bei  dem  anderen  Falle  lag  Osteomyelitis 
des  Darmbeines  vor,  bei  der  infolge  der  Epiphysenlösung  eine  Spontan¬ 
luxation  des  Femurs  nach  hinten  zustande  kam. 

15)  I  obiäsek:  Ueber  eine  neue  plastische  Operation  der 
Phimose.  (Böhmische  chirurgische  Klinik  in  Prag.) 

Durch  radiäre  Inzisionen  wurden  aus  dem  äusseren  Präputial- 
blatt  3  Lappen  gebildet,  dann  ebenso  3  Lappen  aus  dem  inneren  Blatte, 
die  aber  um  60°  gegen  die  äusseren  Lappen  verschoben  sind.  End¬ 
lich  wurden  die  Spitzen  der  6  Lappen  mit  den  entsprechenden  gegen¬ 
überliegenden  Lappenwinkeln  vereinigt. 

17)  Kleinere  Mitteilungen. 

Küster-  Marburg:  Ein  Hilfsmittel  zur  schnellen  Ausführung  der 
Kraniotomie. 

K.  beschreibt  einen  sog.  Schlittenmeissei,  d.  h.  einen  Meissei, 
du  an  der  Schneide  eine  kleine  Platte  zum  Schutze  «der  Dura  zei^t. 

Schanz-  Dresden :  Zur  Behandlung  der  Schenkelhalsbrüche. 

Sch.  weist  auf  die  häufigen,  erst  nach  langer  Zeit  eintretenden 
sekundären  Verbiegungen  des  Schenkelhalses  nach  Frakturen  und 
Osteotomien  hin  und  betont,  dass  diese  auch  durch  lange  fortgesetzte 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1601 


Ruhelage  nicht  verhindert  werden  können.  Er  empfiehlt  als  Stütz¬ 
apparat  für  diese  Fälle  seine  „federnde  Hüftkrücke“. 

Heineke  -  Leipzig. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  86.  Band,  1.  Heft, 
Leipzig,  Vogel. 

1)  L  e  n  n  a  n  d  e  r  -  Upsala:  Ein  Fall  von  Dünndarmvolvulus  mit 
einem  M  e  c  k  e  1  sehen  Divertikel,  nebst  einigen  Worten  über  sub¬ 
akuten  Ileus  und  über  Gastrostomie  bei  Dünndarmparalyse. 

Bei  der  Operation  des  vor  2  Tagen  erkrankten  Patienten  fand 
sich  ein  entzündetes  Meckel  sches  Divertikel,  das  mit  der  vor¬ 
deren  Bauchwand  bis  an  den  Nabel  verwachsen  war,  sowie  eine 
Umdrehung  fast  des  ganzen  Diinndarmpacketes  um  wenigstens  360°. 
Ausserdem  freie  hämorrhagische,  sero-purulente  Peritonitis.  Ex¬ 
stirpation  des  Divertikels,  Reposition  des  Dünndarmes.  3  W  i  t  z  e  1  - 
sehe  Darmfisteln.  Wegen  beständigen  übelriechenden  Erbrechens 
später  noch  eine  Magenfistel.  Tod  nach  5  Tagen.  Sektion:  Darm¬ 
diphtherie. 

Im  Anschluss  an  den  Fall  gibt  L.  wertvolle  Anregungen  für  die 
Diagnose  und  Therapie  bei  Ileus.  Wichtig  erscheint  ihm  vor  allen 
Dingen  eine  ausgiebige  Anwendung  von  der  Enterostomie.  Bleibt 
trotz  der  Enterostomie  der  Mageninhalt  übelriechend,  so  soll  man 
eine  Gastrostomie  anlegen.  L.  glaubt,  dass  die  Enterostomie  und 
Gastrostomie  imstande  sind,  die  Kranken  mit  Darmparalyse  zu  retten. 
Die  Enterostomie  muss  immer  proximal  von  dem  Hindernis  angelegt 
werden. 

2)  B  u  d  d  e  -  Bocholt  i/W.:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Topo¬ 
graphie  der  normalen  Art.  hepatica  und  ihrer  Varietäten  sowie  der 
Blutversorgung  der  Leber. 

Von  den  Varietäten  der  Art.  hepatica  sind  chirurgisch  wichtig  die 
Ueberkreuzung  des  Ductus  hepaticus  durch  die  Art.  cystica  oder 
sogar  den  ganzen  Ramus  dexter  a.  hepaticae.  Bei  normaler  topo¬ 
graphischer  Lage  ist  die  Art.  hepatica  vor  Verletzungen  bei  Opera¬ 
tionen  an  den  Gallengängen  geschützt.  Häufig  ist  ein  Ersatz  eines 
Teiles  der  Art.  hepatica  durch  einen  Ast  aus  der  Art.  mesenterica 
superior. 

Die  zahlreichen  Beziehungen  der  Art.  hepatica  und  die  dadurch 
gegebene  leichte  Möglichkeit  der  Ausbildung  eines  Kollateralkreis- 
laufs  gestatten  unbedenklich  die  Unterbindung  des  ganzen  Stammes 
bei  vorausgegangener  Thrombosen-  oder  Aneurysmabildung.  Bei 
normaler  Art.  hepatica  ist  dagegen  nur  die  Unterbindung  vor  Ab¬ 
gabe  der  Art.  gastrica  dextra  ratsam,  während  die  Unterbindung  des 
Ramus  sin.  oder  dext.  unbedenklich  ausgeführt  werden  kann. 

3)  Geiser:  Ueber  Duodenalkrebs.  (Patholog.  Anstalt  Basel.) 

Unter  11  314  Leichen  aus  den  letzten  30  Jahren  waren  909  Karzi¬ 
nomfälle  mit  123  Darmkrebsen;  9  -davon  betrafen  das  Duodenum. 
2  Fälle  waren  über  der  Papille,  3  in  der  Gegend  der  Papille  und 
4  unterhalb  der  Papille.  Die  klinische  Diagnose  war  1  mal  Pylorus- 
karzinom,  3  mal  Leberkarzinom,  je  1  mal  Pankreaskarzinom,  Bauch¬ 
felltuberkulose,  Magenkarzinom,  ein  Tumor  war  symptomenlos  ver¬ 
laufen. 

Auf  Grund  der  eigenen  und  von  weiteren  71  Beobachtungen 
aus  der  Literatur  gibt  G.  ein  übersichtliches  Bild  der  pathologischen 
und  klinischen  Erscheinungen.  Eine  sichere  Diagnose  ist  leider,  wie 
die  eigenen  Fälle  lehren,  nur  schwer  möglich. 

4)  G  r  a  b  o  w  s  k  i  -  Köln-Ehrenfeld:  Ein  geheilter  Fall  von  Zygo- 
matikus-  und  InSraorbitalneuralgie,  operiert  nach  der  Barden- 
heuer  sehen  Methode  (Neurinsarkoklese). 

Das  Verfahren  bestand  darin,  dass  die  Nerven  aus  dem  Knochen¬ 
kanal  herausgemeisselt  und  in  einen  untergeschobenen  Periostmuskel¬ 
lappen  eingebettet  wurden.  Beide  Nerven  zeigten  sich  deutlich  ge¬ 
rötet.  Der  Erfolg  war  2  Vs  Monate  nach  der  Operation  noch  ein 
vollständiger.  K  r  e  c  k  e. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 
54.  Band,  3.  Heft.  Tübingen,  Laupp.  Juni  1907. 

H.  Hilgenreiner  gibt  aus  der  Prager  Klinik  experimentelle 
Untersuchungen  über  den  Einfluss  der  Stauungshyperämie  auf  die 
Heilung  von  Knochenbrüchen.  Nachdem  die  relativ  kleinen  Zahlen 
der  von  Deutschländer,  Dumreicher,  Helferich  etc.  be¬ 
handelten  Fälle  für  die  betreffende  Frage  nicht  genügen,  stellte  H.  eine 
grosse  Zahl  von  Tierexperimenten  (über  100)  an  jungen  Hunden 
an,  von  denen  ein  grosser  Teil  im  Röntgenbild  beobachtet  wurde 
und  bei  denen  er  die  elastische  Umschnürung  zum  grössten  Teil  in 
sehr  einfacher  Weise  durch  Anlegen  eines  entsprechenden  Gummi¬ 
bändchens  effektuierte  und  Fälle  von  Gangrän  und  Phlegmone  ver¬ 
meiden  konnte.  Er  kommt  danach  zum  Schluss,  dass  man  zu  unter¬ 
scheiden  hat  zwischen  langdauernder  Stauungshyperämie  mit  relativ 
kurzen  Unterbrechungen  und  kurzdauernder  Stauung  mit  langen  Pau¬ 
sen,  von  denen  erstere  infolge  ihrer  schmerzstillenden  und  kallus¬ 
fördernden  Wirkung  für  die  Behandlung,  letztere  infolge  ihrer  auf¬ 
lösenden  und  resorbierenden  Kraft  für  die  Nachbehandlung  besonders 
geeignet  zu  sein  scheint.  Auch  bei  der  Behandlung  von  Frakturen 
der  Extremitäten  mit  Stauungshyperämie  hat  man  zwischen  der  re¬ 
generativen  und  der  resorbierenden  Stauungshyperämie  zu  unter¬ 
scheiden.  Die  erstere  ist  indiziert  in  allen  Fällen  von  verzögerter 
Kallusbildung  und  Pseudarthrosenbildung,  sowie  bei  normaler  Kallus¬ 


bildung  in  der  ersten  Zeit  der  Behandlung  dort,  wo  durch  die  relativ 
geringe  Abkürzung  der  anatomischen  Heilung,  wie  sie  dadurch  er¬ 
reicht  werden  kann,  auch  eine  Abkürzung  der  ganzen  Heilungsdauer 
zu  erwarten  ist.  Die  resorbierende  Stauungshyperämie  erscheint 
mehr  geeignet,  durch  Verhütung  und  Aufhebung  funktioneller  Stö¬ 
rungen  eine  beträchtliche  Abkürzung  der  Heilungsdauer  herbeizu¬ 
führen,  weshalb  von  derselben  ein  ausgedehnter  Gebrauch  zu  machen 
ist.  Im  allgemeinen  für  die  spätere  Behandlung  der  Frakturen  (Sta¬ 
dium  der  definitiven  Kallusbildung)  bestimmt,  erscheint  dieselbe  für 
manche  Frakturen  (Gelenkfrakturen  etc.)  frühzeitig  und  ausschliess¬ 
lich  indiziert. 

Der  günstige  Einfluss  der  Hyperämie,  der  aktiven  wie  passiven, 
auf  den  Heilungsprozess  von  Frakturen  erscheint  durch  das  Tier¬ 
experiment  und  durch  die  Erfahrungen  am  Menschen  sichergestellt. 

Derselbe  Autor  berichtet  über  Hyperphalangie  des  Daumens  und 
gibt  unter  Mitteilung  eines  unzweifelhaften  Falles  von  dreigliederigem 
Daumen  bei  Doppeldaumen  eine  Zusammenstellung  der  in  der  Litera¬ 
tur  mitgeteilten  Fälle,  diese  betrafen  in  ca.  2/s  der  Hexadaktylien 
sog.  Doppeldaumen.  Von  42  Fällen  von  Hyperphalangie  am  einfachen 
Daumen  war  die  Dreigliedrigkeit  16  mal  einseitig,  2  mal  beiderseitig. 
Die  Heredität  spielt  bei  allen  Fällen  eine  grosse  Rolle.  Von  den 
ebenfalls  in  Gruppen  geordneten  Fällen  von  Hyperphalangie  am 
Doppeldaumen  fand  H.  auf  31  Doppeldaumen  40  dreigliedrige  Daumen 
resp.  Finger.  12  mal  fand  sich  die  Dreigliedrigkeit  an  beiden  Fingern 
des  Doppeldaumens.  Die  Behandlung,  wenn  solche  überhaupt  nötig, 
muss  dem  speziellen  Einzelfall  genau  angepasst  sein. 

Max  v.  Brunn  gibt  aus  der  Tübinger  Klinik  eine  Mitteilung 
über  neuere  Methoden  der  Hautdesinfektion  des  Operationsfeldes  und 

berichtet  darin  über  das  seit  U/s  Jahren  an  der  betreffenden  Klinik 
eingerichtete  bakteriologische  Laboratorium  (das  wohl  für  jeden 
grösseren  chirurgischen  Betrieb  verlangt  werden  muss).  Eine  Reihe 
von  Verfahren,  durch  die  Mitteilungen  von  D  öder  lein  veranlasst, 
verbesserten  Wundschutz  mittelst  Gummidecken  der  Haut  zu  er¬ 
reichen  —  darunter  Nachprüfungen  der  D  öd  e  r  1  e  i  n  sehen  Versuche 
an  chirurgischem  Material  —  werden  mitgeteilt  und  300  Versuche  mit 
6000  Einzeluntersuchungen  verwertet,  indem  speziell  Strumaopera¬ 
tionen,  Mammaexstirpationen,  Laparotomien  und  Hernien  bei  jeder 
Gruppe  berücksichtigt  werden,  und  tabellarische  Uebersichten  über 
die  Methoden,  bei  denen  ein  Ueberzug  über  das  Operationsfeld 
(Gummilösung  oder  Chirosoter)  angewendet  wurde,  gegeben.  Als 
Desinfektionsmethode  für  das  Operationsfeld  wird  schliesslich  die 
H  e  u  s  n  e  r  sehe  (5 — 10  Minuten  lange  Abreibung  mit  lOprom.  Jod¬ 
benzin,  dem  10  Proz.  Paraffinöl  zugesetzt  sind  Imittels  sterilen  Gaze- 
bauschesl)  als  einfach  am  meisten  empfohlen.  Nachdem  es  feststeht, 
dass  durch  keine  der  mechanisch-chemischen  Desinfektionsmethoden 
ein  keimfreies  Operationsfeld  zu  erreichen,  verdienen  die  Bestre¬ 
bungen,  durch  einen  sterilen  Ueberzug  die  noch  vorhandenen  Bak¬ 
terien  abzudecken  und  für  die  Dauer  der  Operation  festzulegen,  alle 
Beachtung.  In  dem  sterilen  Gummiüberzuge  nach  Döderlein 
besitzen  wir  eine  allen  bisherigen  überlegene  Methode,  welche  das 
Höchste  an  Keimverminderung,  allerdings  nur  nach  Vorbehandlung 
des  Operationsfeldes  mit  Benzin  und  Jodtinktur,  leistet.  Die  Vor¬ 
behandlung  mit  Benzin  empfiehlt  sich  jedoch  nicht  für  alle  Fälle,  da 
häufig  Hautreizungen  im  Gebiet  des  Operationsfeldes  und  oberfläch¬ 
liche  Verätzungen  auch  entfernter  gelegener  Hautstellen  Vorkommen. 
Jodtinktur  ist  besonders  in  der  Umgebung  drainierter  Wunden  zu  ver¬ 
meiden. 

Das  Chirosoter  kann  durch  seinen  Gehalt  an  Tetrachlorkohlen¬ 
stoff  Aetzwirkungen  ausüben  und  ist  daher  nicht  wohl  zu  empfehlen. 

Meissner  berichtet  aus  der  gleichen  Klinik  über  Händedes¬ 
infektion  mit  Chirosoter  und  diesbezüglich  unternommene  Versuche, 
die  u.  a.  ergaben,  dass  die  mit  Jodbenzinparaffin  desinfizierte  Hand 
sich  nicht  zur  Anwendung  des  Chirosoter  eignet,  wohl  aber  die  mit 
Seifenspiritus  desinfizierte  Hand.  An  trockener  Hand  haftet  das 
Chirosoter  gut  und  gibt  eine  für  Wasser  und  Blut  undurchlässige 
Decke.  Die  auf  den  Händen  befindlichen  Keime  werden  durch  Chiro¬ 
soter  dauernd  in  genügender  Weise  zurückgehalten.  Die  Trans- 
spiration  ist  nicht  beeinträchtigt,  die  Chirosoterdecke  ist  schlüpfrig 
und  deshalb  beim  Operieren  unangenehm.  Mit  Wasser  und  Seife  ge¬ 
reinigte  Hände  sind  für  Chirosoter  wegen  ihres  Wassergehaltes  un¬ 
geeignet.  M.  möchte,  wenn  auch  der  dem  Chirosoter  zugrunde 
liegende  Gedanke  ein  durchaus  moderner  ist,  doch  demselben  als 
Ersatz  der  Gummihandschuhe  nicht  bedingungslos  das  Wort  reden; 
besonders  bei  septischen  Operationen  vermag  es  diese  kaum  zu  er¬ 
setzen,  dagegen  empfiehlt  M.  das  Chirosoter  bei  Notoperationen  und 
im  Felde. 

Der  gleiche  Autor  bespricht  („Der  Ureter  als  Inhalt  eines  Leisten¬ 
bruches“)  einen  Fall  von  linksseitigem,  angeborenem  Leistenbruch 
bei  3 Vz  jährigem  Knaben  mit  angeborener  Anomalie  beider  Ureteren 
(d.  h.  partiellem  klappenartigen  Verschluss  ihrer  Blasenmündungen 
und  starker  Dilatation  und  S-förmiger  Verkrümmung  ihres  Verlaufes), 
wobei  der  linke  mit  einer  Hernie  ins  Skrotum  herabgestiegen  war. 

E.  Sehrt  bespricht  aus  der  Freiburger  Klinik  subkutane  Leio¬ 
myome  der  Wange  und  ihre  Histogenese,  die  nicht  das  geringste  mit 
Dermatomyomen  zu  tun  haben  und  deren  kritische  Würdigung  nach 
den  Fällen  der  Literatur  und  eines  näher  mitgeteilten  Falles  von 
Leiomyom  der  Wange  er  gibt,  bezüglich  welches  letzteren  die  Genese 
der  Tumoren  aus  der  Muskularis  der  arteriellen  Gefässe  nach  makro¬ 
skopischem  und  mikroskopischem  Befund  anzunehmen  ist. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


iOÜ2 


K  u  r  z  w  e  1 1  y  «:ibt  aus  dem  Krankenhause  zu  Zwickau  klinische 
Erfahrungen  über  Medullaranästhesie,  mit  besonderer  Berücksichti¬ 
gung  des  Alypins,  gestützt  auf  323  Alypinaruisthesien  (bei  Erwach¬ 
senen  meist  0,04 — 0,06),  wodurch  meist  rasch  nach  2 — 3  Minuten  An¬ 
ästhesie  in  grosser  Ausdehnung  erreicht  wurde,  die  nur  20  mal  völlig 
versagte,  in  84,2  Proz.  nach  Ausbreitung  und  Dauer  völlig  genügend 
war,  in  33,7  Proz.  wurden  Nebenwirkungen,  in  27,9  Proz.  Nachwir¬ 
kungen  (Kopfschmerz,  Erbrechen,  Herzschwäche  etc.),  in  46,4  Proz. 
sowohl  Neben-  als  Nachwirkungen  beobachtet,  8  mal  schwere  Kol¬ 
lapse,  3  mal  Todesfälle,  darunter  einer  bei  49  jährigem  kräftigem 
Manne  mit  Unterschenkelfraktur.  K.  betrachtet  Art  der  Anästhesie, 
Auftreten  vo;i  Neben-  und  Nachwirkungen  im  Verhältnis  zu  den  ein¬ 
zelnen  Operationen  (an  After  und  Damm,  Extremitäten,  Bauch)  und 
kommt  besonders  im  Vergleich  mit  den  im  gleichen  Zeiträume  in  dem 
betr.  Krankenstift  ausgeführten  600  Narkosen,  die  ohne  irgendwelche 
nennenswerte  Störungen  verliefen,  während  bei  den  315  Medullar- 
anästhesien  eine  ganze  Reihe  schwerer,  zum  Teil  lebensgefährlicher 
Zufälle  auftraten,  zu  einem  völligen  Aufgeben  der  weiteren  Versuche 
mit  der  Medullaranästhesie,  da  sie  mit  der  Narkose  nicht  ernstlich 
konkurrieren  kann,  solange  nicht  mit  grösserer  Sicherheit  als  bisher 
das  Aufsteigen  eines  in  den  Spinalkanal  injizierten  Anästhetikums  zur 
Medulla  oblongata  und  damit  seine  Nebenwirkungen  verhütet  werden 
können. 

Er.  Magenau  bespricht  aus  dem  Karl-Olga-Krankenhaus  zu 
Stuttgart  innere  Darmfisteln  und  teilt  u.  a.  einen  komplizierten  Fall 
innerer  Darmfistel  auf  traumatischer  Basis  bei  6  jährigem  Kinde  mit, 
der  durch  wiederholte  chirurgische  Eingriffe  (zuerst  Darmausschal¬ 
tung  zur  Behebung  von  Blutungen,  dann  definitiver  Eingriff)  zur  Hei¬ 
lung  gebracht  werden  konnte. 

Aus  der  gleichen  Abteilung  bespricht  O.  Ha  ist  die  Frühoperation 
der  Appendizitis  im  Anschluss  an  186  seit  1903  operierte  Fälle,  von 
denen  117  im  Anfall,  69  im  Intervall  operiert  wurden,  und  zwar  von 
Jahr  zu  Jahr  zunehmend.  Das  Verhältnis  beim  männlichen  und  weib¬ 
lichen  Geschlecht  ist  61  Proz.  zu  38.4  Proz.,  ist  aber  nahezu  gleich 
betr.  der  Kinder  (von  1—15  Jahren).  Bei  den  53  Frühoperationen 
wurden  16  mal  (30,2  Proz.)  Kotsteine  gefunden.  33  mal  handelte  es 
sich  um  App.  destructiva.  Die  Mortalität  der  innerhalb  der  ersten 
48  Stunden  Operierten  beträgt  1,9  Proz.  Seit  1904  hatte  Hof¬ 
meister  eine  fortlaufende  Serie  von  50  Frühoperationen  ohne 
Todesfall,  so  dass  die  prinzipielle  Frühoperation  der  exspektativen 
Behandlung  weit  überlegen.  Unter  64  nach  dem  2.  Tag  operierten 
Fällen  (des  intermediären  und  Spätstadiums)  fanden  sich  19  Fälle  von 
Peritonitis,  unter  den  50  Frühfällen  in  24,5  Proz.  Je  früher  die  Peri¬ 
tonitis  libera  zur  Operation  kam,  um  so  günstiger  war  die  Prognose. 
H.  vergleicht  die  Frühoperation  mit  der  intermediären  und  Spät¬ 
operation  und  zeigt  an  den  näher  mitgeteilten  Fällen  den  günstigen 
Einfluss  der  Frühoperation  auf  Puls  und  Temperatur,  besonders  aber 
die  günstigen  Heilungsresultate  (die  64  Spätfälle  zusammen  hatten 
15,6  Proz.  Mortalität)  bei  der  Frühoperation  und  das  viel  schwerere 
Krankenlager,  die  häufigeren  Komplikationen  in  den  Spätfällen.  Des 
weiteren  vergleicht  H.  die  Frühoperationen  mit  den  Intervallopera- 
tionen  und  teilt  betr,  Differentialdiagnose  6  Fälle,  die  als  Appendizitis 
zur  Operation  geschickt  wurden,  bei  denen  aber  andere  Affektionen 
(Pyosalpinx,  Pyelitis,  Stieldrehung  einer  Parovarialzyste)  sich  fanden, 
näher  mit.  Bezüglich  der  Technik  empfiehlt  H.  den  seit  Jahren  von 
Prof.  Hofmeister  benutzten  Kulissenschnitt  im  Gebiet  der  Rektus- 
scheide.  Der  mit  Zwirn  abgebundene  und  verschorfte  Prozessus- 
stumpf  wird  durch  Zwirntabaksbeutelnaht  eingestülpt  und  die  Ver¬ 
senkungsstelle  mit  L  e  m  b  e  r  t  scher  fortlaufender  Katgutnaht  über¬ 
näht.  Bei  peritonitischer  Darmparalyse  und  postoperativem  Ileus 
leistet  die  frühzeitig  ausgeführte  Enterostomie  gute  Dienste.  Unter 
den  Schlussfolgerungen  wird  die  Frühoperation  (die  nicht  gefährlicher 
und  häufig  leichter  als  die  Spätoperation)  als  der  exspektativen  Be¬ 
handlung  bezüglich  der  Mortalitätsziffer  weit  überlegen  (1.54:8,3), 
warm  empfohlen.  In  einem  Nachtrag  wird  das  auf  227  Fälle  an¬ 
gewachsene  Material  noch  kurz  angeführt,  das  65  Fälle  von  Früh¬ 
operation  mit  1,54  Proz.  Mortalität,  27  von  Intermediäroperation 
(3. — 5.  1  ag)  mit  48.15  Proz.  und  50  Spätoperationen  nach  dem  5.  Tage 
mit  8  Proz.  Mortalität,  85  Intervalloperationen  mit  0  Proz.  Mortalität 
aufweist.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  27  u.  28. 

No.  27.  Fritz  K  ö  n  i  g  -  Altona:  Zur  Technik  der  Kardiolysis. 

K.  teilt  kurz  einen  Fall  mit,  in  dem  die  Patientin  nach  sub- 
periostaler  Resektion  bis  zu  ihrem  2Vs  Jahre  später  erfolgten  Tod  be¬ 
obachtet  werden  und  voller  Erfolg  für  die  Herzaktion  konstatiert  wer¬ 
den  konnte,  auch  beschreibt  er  das  Präparat  und  gibt  entsprechendes 
Röntgenogramm,  aus  dem  ersichtlich,  dass  fast  keine  Knochenneubil- 
dung  eingetreten  ist.  Wegen  der  Gefahr  der  Pleuraverletzung  emp¬ 
fiehlt  K.  eventuell  nur  das  vordere  Periost  mit  den  Rippen  zu  re¬ 
sezieren,  das  hintere  aber  unbekümmert  stehen  zu  lassen.  Wie 
Küttner  rät  er,  4.,  5.  und  6.  Rippe  von  etwas  ausserhalb  der 
Mammillarlinie  bis  einige  Zentimeter  in  die  knorpelige  Rippe  hinein 
zu  resezieren,  was  den  Indikationen  genügt,  sofern  nicht  direkte 
Schwarten  weiter  bis  zum  Sternum  hin  gefunden  werden. 

No.  28.  v.  A  b  e  r  1  e  -  Wien:  Zur  operativen  Behandlung  des 
muskulären  Schiefhalses. 


v.  A.  schildert  den  Standpunkt  des  Prof.  A.  Lorenz  sehen  Am¬ 
bulatoriums  in  der  betreffenden  Frage,  wobei  das  Hauptgewicht  auf 
die  Korrektur  der  Zervikalskoliose  gelegt  wird,  das  Redressement 
in  jedem  Fall  (leichten  und  schweren)  vorgenommen  wird,  offene 
Durchschneidung,  die  L.  früher  selbst  geübt,  hält  er  für  unnötig;  die 
subkutane  Methode  bietet  vielmehr  die  beste  Möglichkeit,  ausgiebi¬ 
ges  Redressement  der  Halswirbelsäule  sofort  in  unmittelbarem  An¬ 
schluss  an  die  Durchschneidung  des  Kopfnickers  anzuschliessen  und 
die  kosmetischen  Resultate  sprechen  entschieden  zu  gunsten  sub¬ 
kutaner  Tenotomie.  Letztere  ist  bei  richtiger  Technik  leicht  und 
sicher  auszuführen,  es  soll  nur  ein  kleiner  Rest  der  innersten  Muskel¬ 
fasern  nicht  durchschnitten  werden,  diese  geben  dann  dem  permanen¬ 
ten  gleichmässigen  Zuge,  den  ein  Assistent  ausübt,  ohne  weiteres 
nach.  Das  nun  folgende  Redressement  muss  so  lange  fortgesetzt 
werden,  bis  der  Kopf  in  der  überkorrigierten  Stellung  spontan  ver¬ 
harrt,  was  in  hartnäckigen  Fällen  bis  Vs  Stunde  dauern  kann,  aber 
ohne  jedes  brutale  Vorgehen  möglich  ist.  Ein  Gipsverband  für  2  bis 
3  Wochen  in  überkorrigierter  Stellung,  Nachbehandlung  mit  aktiven 
und  passiven  Uebungen  eventuell  mit  zeitweisem  Tragen  eines  ein¬ 
fachen  Lederdiadems  mit  seitlichem  elastischen  Zug  sichern  ein  gutes 
Endresultat. 

K  ö  n  i  g  -  Berlin:  Die  subkutane  Tenotomie  des  muskulären 
Scliiefhalses. 

K.  begrüsst  ebenfalls  mit  Freuden  die  Bestrebungen,  die  alte 

Operation  wieder  zu  Ehren  zu  bringen  und  verweist  auf  die  Sei¬ 
ten  570 — 72  seines  Lehrbuches  (8.  Aufl.)  Sehr. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  30. 

L.  S  e  i  t  z  -  München:  Ueber  operative  Behandlung  intrakranieller 
Blutergüsse  bei  Neugeborenen. 

S.  hat  vor  kurzem  die  Hirndrucksymptome,  wie  sie  sich  bei 
Neugeborenen  infolge  intrakranieller  Blutungen  einstellen,  näher  be¬ 
schrieben  (Arch.  f.  Gynäkol.,  82.  Bd.,  p.  527)  und  dabei  vorgeschlagen, 
in  progressiven  Fällen  die  Trepanation  und  Entleerung  des  Hämatoms 
vorzunehmen.  Er  hat  inzwischen  Gelegenheit  gehabt,  die  Operation 
in  einem  Falle  auszuführen,  der  jedoch  ungünstig  verlief.  Die  Sektion 
ergab,  dass  .ausser  dem  subduralen  Bluterguss,  der  gut  entleert  war, 
noch  eine  infratentoriale  Blutung  über  Kleinhirn  und  Medulla  ob¬ 
longata  bestand,  der  das  Kind  erlag.  C  u  s  h  i  n  g  hat  die  Operation 
in  4  ähnlichen  Fällen  ausgeführt,  von  denen  2  Erfolg  hatten. 

G.  Walcker:  Zur  Technik  der  Hebosteotomie. 

W.  macht  auf  die  beiden  Gruben  rechts  und  links  vom  Harn¬ 
röhrenwulst  hinter  den  Schambeinen  aufmerksam,  welche  die  Anhef¬ 
tungsstelle  der  Vagina  markieren,  deren  Durchtrennung  zu  Prolaps 
der  vorderen  Vaginalwand  führt.  Der  Schnitt  durch  den  Knochen 
muss  daher  stets  lateralwärts  von  dieser  Scheidenanheftungsstelle  ge¬ 
führt  werden.  W.  empfiehlt  nochmals  häufigere  Anwendung  seiner 
Hängelage  bei  Geburten,  welche  die  prophylaktische  Hebosteotomie 
ganz  verschwinden  lassen  wird. 

E.  T  r  u  z  zi  -  Padua:  Ein  Vorschlag  zur  Erzielung  einer  dauern¬ 
den  Beckenerweiterung  durch  Pubotomie. 

Der  von  Wendeier  unlängst  (cf.  diese  Wochenschr.  No.  23, 
S.  1142)  gemachte  Vorschlag,  einen  Fremdkörper  in  die  Knochen- 
wunde  einzuführen  ist  von  T,  bereits  1905  in  den  „Annali  di  ostetrica 
e  di  ginecoiogia“  gemacht  worden. 

J.  Kocks:  Mikrotom  und  Sonde. 

Eine  Erwiderung  auf  R.  M  e  y  e  r  s  Artikel  in  No.  21  des  Zentral¬ 
blattes  f.  Gynäkol.  (cf.  diese  Wochenschr.  No.  23,  S.  1142). 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

57.  Bd.  1.  u.  2.  Heft.  1907. 

1)  E.  A  1 1  a  r  d  -  Greifswald:  Ueber  den  zeitlichen  Ablauf  der 
Azidosekörperausscheidung  beim  Diabetes. 

A  1 1  a  r  d  gewann  näheren  Einblick  in  den  Verlauf  der  Azeton¬ 
körperausscheidung  beim  Diabetes  durch  Untersuchungen  des  Urin 
in  2-  bis  3  ständigen  Perioden.  Er  konnte  so  den  Einfluss  verab¬ 
reichter  Nahrungsmittel  deutlicher  als  es  bisher  der  Fall  war,  ver¬ 
folgen.  Ausserdem  reichte  er  die  Nahrungsstoffe  nur  ein-  oder  zwei¬ 
mal  täglich.  Nach  200  g  Butter,  die  als  einzige  Nahrung  an  einem 
Hungertag  gegeben  wurden,  fand  er  10 — 12  Stunden  später  einen  ge¬ 
waltigen  Anstieg  der  Azetonkörperausscheidung.  Ob  allerdings  bei 
solch  unphysiologischen  Ernährungsversuchen  nicht  auch  unbeab¬ 
sichtigte  Reizerfolge  am  Verdauungsapparat  eine  Rolle  spielen,  lässt 
der  Referent  dahingestellt.  Eiweiss  als  Nutrose  (100  g)  hatte  keinen 
Einfluss,  die  gleiche  Menge  Fleisch  bewirkte  Verminderung  der  Oxy- 
buttersäure  und  Vermehrung  des  Azetons.  Hungertage  führten  zu 
einem  starken  Absinken  der  Azidosekörpermengen,  eine  Bestätigung 
älterer  Naunyn  scher  Erfahrungen. 

2)  E.  Starkenstein  -  Prag:  Ueber  die  Wirkung  des  Hydroxy- 
koffeins  und  anderer  Methylharnsäuren. 

Beim  Kaninchen  wirkt  Harnsäure  nach  dem  Verfasser  diuretisch, 
in  grösseren  Gaben  nierenschädigend.  3-  und  7-Monomethylharn- 
säure  sind  Erregungsgifte  für  das  zentrale  Nervensystem  und  haben 
vorübergehende  Anurie,  später  Polyurie  und  Tod  zur  Folge.  1-,  3- 
Dimethylharnsäure  wirkt  leicht  diuretisch  ohne  Schädigung  des 
Organismus.  1-,  3-,  7-Trimethylharnsäure  (Hydroxykoffei'n)  dagegen 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1603 


ist  ein  kräftiges,  unschädliches  Diuretikum,  idas  klinischer  Piiifung 
wert3rrEe;  Magnus -Aisleb  eil- Jena:  Versuche  über  relative 

Im  Experiment  gelang  es  Magnus-Alsleben  nui  untei 
.ranz  extremen  Verhältnissen  (Aortenabklemmung,  Infusion  grosser 
Kochsalzmengen)  eine  Insuffizienz  der  Mitralis  oder  lrikuspidalis 
yn  erzielen. 

4)  E.  M  a  g  n  u  s  -  A  1  s  1  e  b  e  n  -  Jena:  Zum  Mechanismus  der 

MltrDurchPe*geeignete  Fixierung  des  Herzens  im  Augenblick  dei 
Systole  konnte  der  Verf.  nachweisen,  dass  die  beiden  M.tralsegel 
sich  unter  Bildung  eines  Knicks,  wie  von  Hesse  und  Kr  eh  1  an¬ 
gegeben,  mit  ihrem  unteren  Teil  aneinander  legen.  Hieibei  findet 
mell  eine  Fältelung  besonders  des  kleinen  hinteren  Segels  statt. 
Letzteres  dient  allein  dem  Abschluss  nach  dem  Vorhof.  Das  grosse 
vordere  oder  Aortensegel  hat  ausserdem  die  Aufgabe,  dem  Blutstrom 
die  Richtung  nach  der  Aorta  zu  geben,  indem  es  wahrend  der  Systole 
mit  dem  Septum  ein  hierhin  gerichtetes  Rohr  bildet. 

5)  0.  Q  r  o  s  -  Leipzig:  Ueber  das  Auftreten  der  Lackfarbe  in 
Blutkörperchensuspensionen  unter  dem  Einflüsse  der  Warme 

Das  Lackfarbenwerden  von  Blutkörperchen  in  dei  \\aime  ist 
abhängig  von  der  Konzentration  der  Mischflüssigkeit,  von  deren  Blut¬ 
gehalt  und  besonders  von  ihrem  Qehalt  an  Wasserstoft-  und  Hydroxy 
ionen.  Steigende  Temperatur  beschleunigt  es. 

6)  A.  F  r  a  e  n  k  e  1-Badenweiler-Heidelberg  und  G.  S  c  h  w  a  r  t  z- 
Strassburg:  Ueber  intravenöse  Strophanthininjektionen  bei  Herz- 

K nnken  ,  ,  . 

Die*  Verfasser  empfehlen  warm  intravenöse  Strophanthminjek- 
tionen  in  Fällen  plötzlicher  oder  chronischer  Herzschwäche  aus 
kardialen  Ursachen.  Die  günstige  Wirkung  ist  oft  schon  nach  einigen 
Minuten  bemerkbar  und  trat  bei  der  Mehrzahl  der  Lalle  ein.  Eo 
kommen  aber  auch  Kranke  vor,  die  sich  refraktar  verhalten.  Vei- 
wendet  wurde  das  B  ö  h  r  i  n  g  e  r  sehe  Strophanthin,  das  in  Menge  von 
y4_ i  mg  in  die  Kubitalvene  injiziert  wurde.  In  24  Stunden  soll 
nicht  mehr  als  1  mg,  und.  wegen  der  Kumulationsgefahr  im  ganzen 
nicht  mehr  als  2  mg  verabreicht  werden. 

7)  A.  F  r  a  e  n  k  e  1  -  Badenweiler-Heidelberg:  Zur  Frage  der 
Kumulation,  insbesondere  beim  Digaien. 

Im  Tierversuch  konnte  entgegen  C  1  o  e  1 1  a  s  Angaben  bei 
Digaien  eine  deutliche  kumulierende  Wirkung  festgcstellt  werden. 
Digaien  verhält  sich  also  in  diesen  wie  anderen  Punkten  den  ubngen 
Digitaliskörpern  durchaus  analog. 

8)  A.  Fraenke  1-Badenweiler-Heidelberg:  Bemerkungen  zur 

internen  Digitalismedikation.  .....  , 

Fraenkel  tritt  hier  für  die  Verabreichung  des  Digitalispulveis 
ein,  falls  man  im  Besitze  einer  wirksamen  Droge  ist.  Zur  Ver¬ 
meidung  der  Kumulation  gebe  man  0,3  g  Pulvei  pio  die  und  mache 
die  weitere  Medikation  von  dem  Eintritt  deutlicher  therapeutischer 
Wirkung  abhängig. 

9)  C.  L  ö  w  e  n  s  t  e  i  n-Strassburg:  Ueber  Beziehungen  zwischen 
Kochsalzhaushalt  und  Blutdruck  bei  Nierenkranken. 

Verf.  fand  in  Uebereinstimmung  mit  den  Angaben  französischer 
Autoren  bei  Nierenkranken  ein  Sinken  des  Blutdrucks  bei  kochsalz¬ 
armer  Kost.  Stärkere  Kochsalzzufuhr  bewirkte  in  einzelnen  Fällen 
Steigen  des  Blutdrucks,  in  2  Fällen  wurde  sogar  Lungenödem  beob¬ 
achtet.  Dies  kann  durch  Steigen  des  Blutdrucks  infolge  Gefässkon- 
traktion  und  Insuffizienz  des  linken  Herzens  bedingt  sein.  Odei  das 
Kochsalz  wirkt  direkt  auf  die  osmotischen  Verhältnisse  der  Lungen- 
^clässc 

10)  R.  B  a  y  e  r  -  Strassburg:  Ueber  den  Einfluss  des  Kochsalzes 
auf  die  arteriosklerotische  Hypertonie. 

Kochsalzfütterung  bewirkte  bei  Arteriosklerotikern  und  manchen 
Formen  von  Myokarditis  eine  Blutdrucksteigerung.  Ueber  das  Zu¬ 
standekommen  derselben  lässt  sich  zur  Zeit  Näheres  nicht  sagen. 

J.  Müller-  Wiirzburg. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  30,  1907. 

1)  E.  M  e  y  e  r  -  Königsberg  i.  Pr.:  Untersuchungen  des  Nerven¬ 
systems  Syphilitischer. 

An  74  Fällen  (1  im  primären,  61  im  sekundären,  12  im  tertiären 
Stadium)  hat  M.  das  Nervensystem  eingehend  untersucht.  Darnach 
führt  die  Syphilis  im  sekundären  Stadium  öfter  zur  Steigerung  vorhan¬ 
dener  Nervosität.  Die  allgemeine  nervöse  Erregbarkeit  nahm  bei 
Vs— Vs  der  Fälle  zu  (lebhafte  Patellarreflexe,  Tremor,  Kopfweh  etc.), 
bei  einigen  Fällen  zeigten  sich  die  Anfänge  organischen  Nervenleidens. 
Leichte  Pupillendifferenzen  fanden  sich  ziemlich  zahlreich,  auch  bei 
den  Fällen  im  tertiären  Stadium.  Unter  30  lumbalpunktierten 
Syphilitischen  ergab  sich  19  mal  Lymphozytose:  doch  konnte  ein  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  den  Liquorveränderungen  und  nervösen  Be¬ 
schwerden  nicht  festgestellt  werden. 

2)  L.  Brieger  und  M.  Krause-  Berlin :  Neuer  Beitrag  zur 
Konzentrierung  der  Immunkörper  im  Diphtherieserum. 

Zur  Reinigung  und  Konzentrierung  des  Serum  benützten  Ver¬ 
fasser  die  Beobachtung,  dass  man  mit  CINa  einen  bedeutenden  Nieder¬ 
schlag  erhält,  wenn  man  Serum,  mit  sterilem  Wasser  verdünnt  oder 
auch  unverdünnt,  mit  CINa  übersättigt  und  dass  dieser  Niederschlag 


keine  Antikörper  mehr  einschliesst.  Der  Gang  des  Verfahrens  muss 
im  Original  eingesehen  werden. 

3)  L.  Pick -Berlin:  Ueber  Meningokokken-Spcrmatozystitis. 
(Schluss  folgt.) 

4)  G.  P  e  r  i  t  z  -  Berlin:  Neuralgie,  Myalgie. 

P.  bespricht  die  Differentialdiagnose  dieser  oft  verwechselten 
Affektionen.  Myalgie  ist  ausgezeichnet  durch  lokalen  Druckschmerz, 
ferner  Hyperalgesie  der  Haut  über  den  schmerzhaften  Muskelpartien. 
Häufig  klagen  solche  Kranke  über  Parästhesien  an  den  hyperalgeti¬ 
schen  Bezirken.  Myalgische  Partien  sind  auch  in  der  von  spontanen 
Schmerzen  freien  Zeit  druckschmerzhaft.  Die  Myalgie  zeigt  typische 
Lokalisation  an  den  einzelnen  Mnskelgruppen  (im  Original  schema¬ 
tische  Zeichnungen!),  meist  Stellen,  wo  die  betr.  Muskeln  exponiert 
liegen.  Die  sehr  wirksame  Therapie  besteht  in  Injektionen  mit 
CINa  (0,2:  100  mit  0,5  Novokain). 

5)  K  e  1 1  n  e  r  -  Berlin:  Ueber  Gangrän  des  Skrotums. 

Die  ausgedehnte  Gangrän  trat  bei  dem  35  jährigen  Kranken  im 
Anschluss  an  Erysipel  ein.  Die  Deckung  der  Hautdefekte  .ist  möglichst 

durch  Plastik  anzustreben.  . 

6)  E.  Roth  schuh -Aachen:  Syphilitische  Familiengeschichten 

aus  Zentralamerika. 

Mitteilung  der  Anamnese  von  14,  an  einem  Jage  gesehenen 
Fällen,  von  denen  nur  einer  an  Lues  in  Behandlung  war,  während 
bei  sämtlichen  (zum  mindesten  in  der  nächsten  Verwandtschaft)  die 
Erscheinungen  syphilitischer  Dyskrasie  bestanden. 

7)  M.  Cohn -Berlin:  Ueber  den  Einfluss  der  Röntgendiagnostik 
auf  die  Erkennung  und  die  Behandlung  der  Ellenbogenbriiche. 

Die  Durchleuchtung  ermöglicht  die  genaue  Erkennung  intra-  und 
extraartikulärer  Frakturen  und  der  Beteiligung  der  drei  das  Gelenk 
zusammensetzenden  Knochen.  Die  moderne  Behandlung  perhoi les¬ 
ziert  bekanntlich  länger  liegenbleibende  feste  Verbände,  sie  wechselt 
z.  B.  mit  Stärkeverbänden  bald  in  Streck-  bald  in  Beugestellung  des 
Gelenkes.  Das  ergibt  das  beste  funktionelle  Resultat.  Die  frühzeitige 
Anwendung  der  Hyperämie  leistet  in  letzterer  Richtung  ebenfalls  sehr 
gute  Dienste  und  verdrängt  zum  Teil  die  Massage  in  der  Nachbehand¬ 
lung  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  30. 

1)  Adolf  Bi  ekel -Berlin:  Ueber  die  Pathologie  und  Therapie 
der  Hycerchlorhydrie.  Ein  Vortrag  für  praktische  Aerzte. 

Ueberblick  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Frage,  wobei  Verf. 
auch  seine  eigenen  Untersuchungen  und  Erfahrungen  (Diätregimc) 
anführt. 

2)  R.  Bassenge  und  M.Krause  -  Berlin:  Zur  Gewinnung  von 
Schutzstoffen  aus  pathogenen  Bakterien. 

Zur  Gewinnung  von  Toxinen  und  anderen  immunisierenden 
Stoffen  aus  Typhusbakterien  bewährten  sich  den  Verfassern  auch 
Schüttelextrakte  mit  Glyzerin  (lOproz.).  die  Glyzerinschütteltoxine 
besitzen  hohe  immunisierende  Eigenschaften,  ergeben  aber  nicht  so 
günstige  Resultate  wie  die  Schüttelextrakte  der  lebenden  Typhus¬ 
bakterien  mit  destilliertem  Wasser. 

3)  P.  M  iih  1  e  n  s  -  Wilhelmshaven:  Beitrag  zur  experimentellen 
Kaninchenhornhautsyphilis. 

Die  Versuche  des  Verfassers  zeigten,  dass  die  spezifische  syphi¬ 
litische  Keratitis  parenchymatosa  beim  Kaninchen  auch  durch  Impfung 
mit  frischem  Organsaft  von  kongenitaler  Lues  entsteht. 

4)  A.  P  1  e  h  n  -  Berlin:  Zur  Frage  der  Arteinheit  der  Malaria¬ 
parasiten. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  am  29.  IV.  07,  ref.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1907,  No.  19,  S.  965. 

5)  Felix  Franke -Braunschweig:  Diagnose  und  Behandlung 
der  chronischen  Gelenkerkrankungen.  (Schluss  folgt.) 

6)  Kettner  -  Berlin :  Ueber  Automobilverletzungen. 

Ein  Fall  von  Radiusfraktur,  wie  sie  beim  Ankurbeln  in  der  charak¬ 
teristischen,  mehrfach  beschriebenen  Weise  entsteht.  —  Ein  Fall  von 
Abschälung  der  Haut  eines  ganzen  Beins;  der  Lappen  Hess  sich 
nicht  erhalten.  Nach  Einleitung  guter  Granulationsbildung  wurde  in 
der  9.  Woche  wegen  Auftretens  von  Inanitionsdelirien  die  hohe  Am¬ 
putation  notwendig;  nach  weiteren  4  Wochen  Fod  an  Broncho¬ 
pneumonie. 

7)  Julius  Hell  er -Charlottenburg:  Ueber  Hautveränderungen 
beim  Diabete  bronce. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  am  6.  V.  07,  ref.  Münch, 
med.  Wochenschr.  1907,  No.  20,  S.  1015.  # 

8)  H.  A  x  m  a  n  n  -  Erfurt:  Lupusbehandlung  mittels  der  Uviol- 

lampe.  T  ,  . 

In  einem  Fall  (abgebildet)  von  ausgedehntem  Lupus  vulgaris  des 
ganzen  Gesichts,  Halses,  Schultern  und  Brust  schien  die  Uviolbehand- 
lung  der  mit  Finsenlampe  überlegen  zu  sein.  # 

9)  H.  C  i  t  r  o  n  -  Berlin :  Ein  Saccharometer  zur  gleichzeitigen  Be¬ 
stimmung  beliebig  vieler  Zuckerharne  (modifiziertes  Gär-Saccharo- 
skop  nach  C  i  t  r  o  n). 

Beschreibung  und  Abbildung  des  Apparats. 

10)  C.  A.  E  w  a  1  d  -  Berlin:  Zur  Schwellenwertsperkussion  des 
Herzens. 

Verf.  wahrt  seine  Priorität  für  dieses  Verfahren,  das  er  übrigens 
den  anderen  Methoden  für  gleichwertig,  aber  nicht  überlegen  hält. 

R.  Grashey  -  München. 


10U4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  30.  A.  S  t  r  u  b  e  1 1  -  Dresden :  Ueber  Methoden  zur  Be¬ 
stimmung  der  Herzarbeit. 

Antrittsvorlesung. 

A.  Saxl-Wien:  Die  Beugeadduktionskontraktur  bei  Koxitis. 

Durch  absolute  oder  relative  Insuffizienz  der  Glutäalmuskulatur 
wird  in  der  Regel  der  Erfolg  eines  Redressements  der  Adduktions¬ 
beugekontraktur  in  Frage  gestellt  und  es  kommt  zu  Rezidiven.  Verf. 
gibt  daher  der  subkutanen  subtrochanteren  Osteotomie,  wie  sie  von 
Aberle  (Zeitschr.  f.  orthopäd.  Chirurgie  1905,  XIV)  beschrieben 
wurde,  den  Vorzug.  70  Kranke  hat  S.  auf  diese  Weise  ohne  Kom¬ 
plikation  operiert. 

O.  Kren- Wien:  Ueber  das  Vorkommen  der  „Trichonodosis* 
(Q  a  1  e  w  s  k  i). 

K.  hat  bei  seinen  Untersuchungen  gefunden,  dass  die  von 
Galewski  als  Trichonodosis  beschriebene  Knotenbildung  an  den 
Haaren  keine  Krankheit  darstellt,  sondern  eine  auf  physikalischen 
und  mechanischen  Einflüssen  beruhende,  auch  bei  Gesunden  sehr 
häufig  vorkommende  Erscheinung  ist.  Eine  grosse  Rolle  scheinen 
dabei  die  weitverbreiteten  mechanischen  Prozeduren  und  im  Ucber- 
mass  angewendeten  entfettenden  Mittel,  wie  auch  das  zu  häufige 
Waschen  mit  Alkalien,  Spirituosen  und  Aether  zu  bilden,  wodurch 
die  Struktur  des  Haarschaftes  verletzt  und  verändert  wird. 

Riehl -Wien:  Zur  Behandlung  der  Vergiftung  mit  Schlangen¬ 
biss. 

Solange  das  wirksame,  von  Calmette  hergestellte  Kobra¬ 
antitoxin  kein  Analogon  für  die  Gifte  unserer  europäischen  Gift¬ 
schlangen  erhalten  hat,  empfiehlt  sich  am  meisten  die  von  Calmette 
vorgeschlagene  Behandlung  mit  subkutanen  Chlorkalkinjektionen  in 
der  Umgebung  der  Bissstelle.  Die  Lösung  beträgt  1  Chlorkalk  auf 
12  W  asser,  vor  dem  Gebrauch  auf  die  5 — 6  fache  Menge  mit  destil¬ 
liertem  W  asser  zu  verdünnen,  10 — 20  g  einzuspritzen.  Verf.  hat  ent¬ 
sprechende  haltbare  1  abletten  hersteilen  lassen  und  er  schlägt  vor, 
solche  labletten  und  Spritzen  in  möglichster  Zahl  gebrauchsfertig 
in  den  von  Schlangen  heimgesuchten  Gegenden  zu  deponieren. 

Prager  medizinische  Wochenschrift. 

No.  17.  A.  G  a  r  k  i  s  c  h  -  Prag:  Ueber  Tuberkulose  der  Portio 
vaginalis. 

Mitteilung  eines  Falles  aus  der  v.  Franqu  eschen  Klinik. 
Nachdem  durch  Probeexzision  die  Tuberkulose  festgestellt  war,  wurde 
die  Totalexstirpation  des  hypoplastischen  Uterus  vorgenommen.  Zer¬ 
vix,  Korpus  und  1  üben  erwiesen  sich  als  tuberkulös  erkrankt,  wie 
man  annehmen  muss  auf  hämatogenem  Wege;  weder  fand  sich  bei 
der  Patientin  .selbst  sonstige  Tuberkulose,  noch  waren  deren  Gatte 
und  Eltern  erkrankt. 

No.  17  19.  W.  M  o  r  t  o  n  -  New  York:  Trypsin  zur  Karzinom¬ 
behandlung. 

No.  19.  W.  M  o  r  t  o  n  -  New  York :  Ueber  einen  mit  Trypsin  be¬ 
handelten  Fall  von  Krebs. 

ln  diesen  beiden  Artikeln  wird  über  30  Fälle  von  Trypsininjek¬ 
tionen  und  Amylopsinbehandlung  nach  Beard  berichtet.  In  allen 
scheint  eine  Besserung  im  Fortschreiten  des  Prozesses  stattgefunden 
zu  haben,  in  einzelnen  zeigte  sich  eine  Heiltendenz  durch  Binde¬ 
gewebsbildung,  Atrophie  und  Degeneration,  bei  zwei  Fällen  von  Ge¬ 
sichtskrebs  ist  eine  Heilung  anzunehmen.  Jedenfalls  sind  weitere 
Versuche  zu  empfehlen. 

No.  18/19.  A.  S  i  t  z  e  n  f  r  e  y  -  Prag:  Mammakarzinom  zwei 
Jahre  nach  abdominaler  Radikaloperation  wegen  doppelseitigem 
Carcinoma  ovarii. 

Der  sehr  genau  beschriebene  Fall  zeigt  ein  primäres  Adeno¬ 
karzinom  des  einen  Ovariums  mit  einer  Metastase  im  rechten 
Ovarium.  In  der  einen  Mamma  fand  sich  nach  214  Jahren  ein  pri¬ 
märer  und  ein  möglicherweise  metastatischer  Karzinomknoten.  Zu 
beachten  ist  an  sich  die  relativ  lange  Erhaltung  des  Lebens  nach  der 
Operation  des  doppelseitigen  Ovarialkarzinomes. 

No.  24.  H.  R  u  b  r  i  t  i  u  s  -  Prag:  Ueber  die  Frühoperation  der 
akuten  Osteomyelitis. 

8  Krankengeschichten  aus  der  Wölflerschen  Klinik.  Die 
i  i  ii  h  z  e  i  t  i  g  e  Aufmeisselung  bringt  die  akute  Osteomyelitis  rascher 
zur  Heilung  und  verhütet  ebenso  in  vielen  Fällen  die  Nekrosenbildung 
w  ie  die  Allgemeininfektion. 

No.  24.  v.  Jaksch  -  Prag:  Ueber  ein  neues  radiotherapeutisches 
Verfahren. 

Verf.  hat  eine  Reihe  von  Versuchen  gemacht  über  die  Durch¬ 
lässigkeit  verschiedener  Metalle  für  die  Röntgenstrahlen  und  hat  vor 
ahem  gefunden,  dass  eine  Silberplatte  (von  0,02  mm  Dicke)  imstande 
ist,  die  für  die  Haut  schädlichen  Strahlen  abzuhalten,  die  in  die  Tiefe 
wirkenden  Strahlen  aber  durchzulassen.  Vielleicht  lässt  sich  auf 
Grund  dieser  Erfahrungen  durch  Verwendung  verschiedener  Metall¬ 
arten  die  Röntgentherapie  beispielsweise  der  Leukämie  noch  weiter 
verfeinern  und  ausbauen. 

No  24.  M.  P  e  r  1  s  e  e  -  Leitmeritz:  Ein  therapeutischer  Beitrag 
zur  Behandlung  abnormer  menstrueller  Blutungen,  besonders  im 
Klimakterium. 


In  5  näher  angeführten  Fällen  solcher  klimakterischer  Blutungen 
teilweise  verbunden  mit  Myomen,  hat  Verf.  nach  dem  Gebrauch  von 
Thyreoidintabletten  (dreimal  täglich  1—2  Stück)  ganz  wesentliche 
Besserungen  gesehen.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Norwegische  Literatur. 

H.  J.  Vetlesen:  Phosphorsaures  Natron  bei  neurasthenischen 

Zuständen.  (Norsk  Magazin  for  Lägevidenskaben  1907,  No.  4.) 

Der  Verfaser  empfiehlt  bei  Morbus  Basedowii  und  bei  Neur¬ 
asthenie  phosphorsaures  Natron  in  wässeriger  Lösung  15:250,  1  Ess¬ 
löffel  voll  4  mal  täglich. 

Olaf  Scheel:  Angeborene  Herzfehler.  (Ibidem.) 

Im  ersten  Fall  handelt  es  sich  um  einen  offenen  Ductus  Botalli 
bei  einer  28  jährigen  Frau,  die  an  Pneumonie  starb.  Der  Verfasser 
sucht  die  Einwirkung  dieses  Fehlers  auf  die  Herzfunktion  näher  nach¬ 
zuweisen.  indem  er  sich  u.  a.  auf  Messungen  der  Gefässdimensionen 
stützt,  mit  Normalzahlen  von  eigenen  Messungen  bei  Frauen  derselben 
Altersklasse  verglichen.  Die  starke  Erweiterung  der  Pulmonalarterie 
und  die  Hypertrophie  der  rechten  Herzhälfte  zeigt  ein  diastolisches 
Ueberfliessen  des  Blutes  von  der  Aorta  nach  der  Art.  pulm.  zu; 
systolisch  muss  ein  Ueberfliessen  in  entgegengesetzter  Richtung  statt- 
gefunden  haben,  denn  die  Aorta  descendens  hat  unter  dem  Ductus 
Botalli  eine  normale  Weite,  während  die  Aorta  ascendens  1  cm  über 
den  Klappen  verengert  war.  Diese  Enge  der  Aorta  ascendens  mit 
der  subnormalen  Kapazität  des  linken  Vorhofs  und  Ventrikels  zu¬ 
sammengehalten,  zeigt,  dass  ein  Teil  des  Blutstromes  der  linken 
Herzhälfte  entgangen  ist,  teils  durch  das  systolische  Ueberfliessen 
von  der  Art.  pulmonalis  nach  der  Aorta  zu,  teils  möglicherweise  durch 
die  herabgesetzte  Lungenzirkulation  wegen  der  Pulmonalsklerose. 
Der  Verfasser  sucht  ferner  in  den  einschlägigen  Fällen  der  Literatur 
die  Herzfunktion  nach  ähnlichen  Prinzipien  zu  beurteilen  und  stellt 
3  Gruppen  auf,  in  denen  er  die  die  Herzfunktion  und  Zirkulation 
betreffenden  Verhältnisse  näher  untersucht:  1.  Art.  pulmonalis  er¬ 
weitert,  Aorta  ascendens  eng;  2.  Art.  'pulmonalis  erweitert,  Aorta 
ascendens  normal;  3.  Art.  pulmonalis  und  Aorda  ascendens  erweitert. 
Im  zweiten  Fall  handelte  es  sich  um  Transoositio  aortae  et  arteriae 
pulmonalis  bei  einem  4  wöchentlichen  Mädchen.  Immer  ein  wenig 
Zyanose  der  Lippen,  die  Respiration  während  des  Saugens  er¬ 
schwert.  Die  letzten  2  Tage  traten  Blutbrechen  und  Melaena  auf. 
Die  Sektion  ergab  den  Ursprung  der  Aorta  aus  dem  rechten  Ventrikel 
rechts  und  etwas  nach  vorne  von  der  Art  pulmonalis,  die  aus  dem 
linken  Ventrikel  kommt.  Rechter  Ventrikel  stark  erweitert  und 
hypertrophisch,  linker  Ventrikel  bedeutend  kleiner.  Die  venösen 
Ostien  und  die  Vorhöfe  in  normaler  Lage.  Duct.  Botalli  und  Foramen 
ovale  offen.  Der  Verfasser  untersuchte  näher  die  Blutzirkulation  und 
die  Herzfunktion.  Als  unmittelbare  Todesursache  fanden  sich  Em¬ 
bolien  mit  Infarktbildung  des  Dünndarmes. 

Nils  Bäcker  Gröndahl:  Ueber  Pankreas-  und  Fettgewebs- 
nekrosen  nach  Gallensteinanfällen.  (Aus  dem  pathologisch-anatomi¬ 
schen  Laboratorium  Ullevaal.)  (Ibidem,  No.  5.) 

Auf  5  Fälle  gestützt  gibt  der  Verfasser  eine  genaue  makro-  und 
mikroskopische  Untersuchung  der  Leiden  und  eine  klinische  Ueber- 
sicht  der  Frage.  Von  speziellem  Interesse  war  der  Nachweis  von 
charakteristischem  Pigment  in  den  Nekrosen,  welches  als  Resultat 
von  Fettspaltungen  aufzufassen  ist  und  wahrscheinlicherweise  aus 
fettsauren  Alkali-  oder  Erdalkalisalzen  besteht. 

E.  H.  fiansteen:  Spontane  Ruptur  der  Aorta.  (Aus  dem 

pathologischen  Institut  des  Reichshospitals.)  (Ibidem.) 

Ein  23  jähriger,  bisher  gesunder  Mann  stellte  sich  als  Rekrut  zum 
Militärdienst  und  marschierte  am  ersten  Tag  mit  seiner  Kompagnie 
den  15  km  langen  Weg  nach  dem  Exerzierplätze,  wurde  dort  von  der 
Kontrollkommission  untersucht  und  gesund  befunden.  Er  sollte  dann 
mit  seinen  Kameraden  seine  Matratze  mit  Stroh  füllen;  während 
dieser  Arbeit  sank  er  plötzlich  zusammen  und  starb.  Bei  der  Sek¬ 
tion  wurde  eine  rechtwinkelige  Aortaruptur  gefunden,  deren  horizon¬ 
taler  Schenkel  4  cm  lang  und  perforierend,  der  vertikale  Schenkel 
3  cm  lang  und  nur  durch  die  Intima  dringend.  Die  perforierende 
Ruptur  führte  bis  an  die  Wand  der  Art.  pulmonalis  und  neben  dieser 
in  den  Herzbeutel,  der  mit  500  g  Blut  gefüllt  war.  Die  Aorta  zeigte 
sich  makro-  und  mikroskopisch  ganz  normal,  ohne  Atheromasie  oder 
fibröse  Entartung  des  elastischen  Gewebes.  Das  Herz  war  ein  wenig 
hyper  trophiert,  sonst  ganz  normal.  Bei  der  Besprechung  der  ver¬ 
schiedenen  Möglichkeiten  zur  Erklärung  der  Ruptur  spricht  sich  der 
Verfasser  gegen  die  Annahme  einer  ganz  spontanen  Ruptur  aus  und 
tiii  die  Annahme  einer  traumatischen  Einwirkung  am  vorhergehenden 
läge,  über  die  eine  Aufklärung  nicht  zu  erhalten  war;  dieses  Trauma 
bewirkte  die  Ruptur,  mit  der  der  Patient  immerhin  noch  24  Stunden 
leben  konnte. 

.1.  H.  Bidenkap:  Die  Speckphlegmone.  (Der  „Speckfinger“ 
der  norwegischen  Eismeerfischer.)  (Ibidem.) 

Dieses  Leiden  tritt  bei  den  Eismeermannschaften  auf,  ist  eine  die 
inger  angreifende  chronische  Lymphangitis  mit  sekundärer  arthro- 
gener  Affektion;  in  den  schwereren  Fällen  entsteht  vorübergehende 
Entzündung  der  Weichteile  der  Hand  und  des  Arms,  von  leichter 
Arthroitis  des  Hand-,  Ellenbogen-  und  Schultergelenkes  begleitet. 
Der  angegriffene  Finger  schwillt  in  toto  schnell  an,  wird  fibrös  ver- 
dickt  und  nimmt  eine  gelbbraune  Farbe  an;  er  steht  in  Extension;  die 
Konsistenz  ist  etwas  elastisch,  wenn  man  einschneidet,  findet  man 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1605 


nie  Eiter,  sondern  die  Haut  und  das  subkutane  Gewebe  ist  verdickt,  I 
fettartig  und  ist  Speck  vollständig  ähnlich;  es  tritt  leichtes  Oedern 
der  Hand  und  des  Armes  auf,  welches  schnell  schwindet,  während  | 

die  Haut  des  Fingers  nach  und  nach  atrophiert;  die  Folgen  der 

Arthroitis  der  Fingergelenke  sind  mehr  oder  weniger  starke  An¬ 
kylosen.  Das  Leiden  dauert  mehrere  Monate.  Die  Krankheit  tritt 

nur  bei  den  Mannschaften  auf,  die  beschäftigt  sind,  Seehunde  und 
Walrosse  zu  fangen  und  flensen.  Das  Leiden  ist  von  infektiöser  Art 
und  entsteht  ohne  Zweifel  während  des  Zerteilens  der  Tiere.  Im¬ 
munität  tritt  nicht  ein.  Die  Infektion  findet  speziell  in  Wunden  statt, 
die  im  Begriff  sind  zu  heilen.  Das  Leiden  unterscheidet  sich  von  der 
gewöhnlichen  Phlegmone  dadurch,  dass  Rubor  fehlt,  keine  Neigung 
besteht  die  Gelenke  anzugreifen,  durch  seine  lange  Dauer  ohne 
Fieber,  endlich,  dass  die  Speckphlegmone  nicht  erweicht  wird,  nicht 
Eiter  absondert  und  eine  andere  Behandlung  erfordert.  Einschnitt 
hilft  nie,  wenn  die  Gelenke  schon  affiziert  sind;  die  Fischer  selbst 
wenden  warme  Umschläge  an.  Der  Verfasser  empfiehlt  eine  10  proz. 
Ichthyolsalbe,  vielleicht  lässt  sich  das  von  P  o  u  Ls  e  n  -  Kopenhagen 
bei  Erysipeloid  empfohlene  Einpinseln  mit  4  proz.  Chromsäurelösung 
oder  die  Bier  sehe  Stauung  anwenden.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  des  angegriffenen  Fingers  ergibt  eine  chronische,  sklero- 
sierende  Entzündung.  In  sehr  seltenen  Fällen  tritt  Mischinfek¬ 
tion  auf,  so  dass  Periostitis  und  Pyarthros  sich  mit  so  heftiger 
Affektion  der  Gewebe  entwickelt,  dass  Amputation  notwendig  wird. 

0.  Berner:  Ein  Fall  von  Bronchialsteinen.  (Aus  dem  patho¬ 
logisch-anatomischen  Institut  der  städtischen  Krankenhäuser  Chri- 
stiania.)  (Ibidem.) 

Es  handelte  sich  um  eine  43  jährige  Frau,  die  seit  5  Jahren  hustet 
und  ab  und  zu  expe'ktoriert;  vor  14  Tagen  hustete  sie  ca.  200  ccm 
Blut  aus,  später  fand  sich  ein  wenig  Blut  in  dem  Expektorat.  Sie 
wird  moribund  in  das  Krankenhaus  überführt.  Bei  der  Sektion  wurde 
in  der  rechten  Lunge  eine  gangränöse  Kaverne  und  rechtsseitiger 
Pyopneumothorax  gefunden,  die  linke  Lunge  war  normal.  Nirgends 
Spur  von  Tuberkulose.  In  dem  rechten  grossen  Bronchus  wurde  ein 
grosser  Stein,  in  den  folgenden  Bronchialästelungen  zwei  kleine  Steine 
gefunden.  Um  den  grossen  Stein  herum  war  die  Schleimhaut  ulzeriert 
und  stark  injiziert.  Die  Broncholithen  müssen  in  diesem  Fall  als  primär 
betrachtet  werden,  sekundär  hat  sich  die  Blutung  und  die  Infektion 
mit  ihren  Folgen,  die  gangränöse  Kaverne  und  der  Pyopneumothorax, 
entwickelt. 

Axel  Holst:  I.  Beri-beri.  II.  Untersuchungen  über  Schiffs- 
beri-beri.  Einleitung:  Ueber  Polyneuritis  gallinarum  Eijkmani.  (Ibi¬ 
dem  No.  6.) 

Der  Verfasser  gibt  zuerst  eine  Beschreibung  der  sogen.  Schiffs- 
beri-beri,  ein  Leiden,  das  dem  Skorbut  sehr  ähnlich  ist  und  wie  dieser 
durch  frische  Nahrung  geheilt  wird;  Schiffs-beri-beri  ist  durch  eine 
allgemeine  Schwäche  mit  Oedemen  charakterisiert,  Dyspnoe  und 
Herzschwäche  kann  eintreten  und  die  Patienten  können  an  akuter 
Herzparalyse  sterben.  Periphere  Neuritis  ist  bei  dieser  Krankheit 
selten,  es  scheint  deshalb  zweifelhaft,  dass  sie  mit  der  tropischen 
und  japanischen  Beri-beri  identisch  ist.  Als  Ursache  der  Krankheit 
wird  schlechtes,  ohne  Hefe  zubereitetes  Brot,  getrocknete  Erdäpfel 
und  Nahrungsmittelkonserven  angesehen.  Der  Verfasser  veröffent¬ 
licht  demnächst  eine  Reihe  Versuche,  die  er  mit  Tauben  und  Küchlein 
gemacht  hat,  indem  er  die  Tiere  mit  solchen  Nahrungsmitteln  fütterte, 
die  bei  den  Menschen  Schiffs-iberi-beri  verursachen.  Dadurch  gelang 
es  ihm,  die  von  Ei jk mann  (Arch.  f.  Hygiene  1906,  Bd>  58)  so  genannte 
Polyneuritis  gallinarum  hervorzurufen.  Es  gelang  ihm  hier  zu 
zeigen,  dass  die  Ursache  des  Leidens  in  hermetischen  Nahrungs¬ 
mitteln  (in  Autoklave  gekochtes  Ochsenfleisch)  und  in  schlechtem 
Brot  zu  suchen  ist,  die  Schädlichkeit  der  getrockneten  Erdäpfel 
zu  beweisen  gelang  ihm  nicht.  Dazu  kommt,  dass  die  Polyneuritis 
gallinarum  mehr  der  japanischen  als  der  Schiffs-beri-beri  ähnlich 
scheint,  der  Verfasser  hat  deshalb  die  Versuche  mit  Geflügel  aufge¬ 
geben  und  wird  später  Versuche  mit  Säugetieren  mitteilen. 

Dreier:  Ueber  die  puerperale  Mortalität  in  Norwegen. 
(Ibidem.) 

In  dieser  bedeutenden  statistischen  Abhandlung  zeigt  der  Ver¬ 
fasser  die  in  den  späteren  Jahren  verminderte  puerperale  Mortalität, 
die  1866—1876  6—7  Prom.,  1876—1880  5—6  Prom.,  1891—1893  4,3 
Prom.  und  1901 — 1904  2,8  Prom.  war.  In  den  Jahren  1866 — 1880 
waren  10  Proz.  der  im  Alter  von  15 — 50  Jahren  gestorbenen  Frauen 
Wöchnerinnen,  in  den  Jahren  1896 — 1900  nur  5  Proz.  Das  seltenere 
Auftreten  des  Puerperalfiebers  ist  Schuld  an  der  verminderten  Mor¬ 
talität. 

Olaf  Scheel:  Gefässmessungen  und  Arteriosklerose.  (Ibidem.) 

Durch  Gefässmessungen  zeigt  der  Verfasser,  dass  der  Unter¬ 
schied  der  Gefässweite  der  zwei  Geschlechter  von  der  Körperlänge 
abhängig  ist;  innerhalb  der  einzelnen  Altersgrenzen  ist  die  Gefäss¬ 
weite  von  dem  Blutdruck  abhäpgig.  Das  Leben  lang  nimmt  die 
Elastizität  gleichmässig  und  progressiv  aib,  während  die  Gefässweite 
zunimmt,  diese  Veränderungen  werden  von  dem  immer  auf  die  Ge- 
fässe  wirkenden  Blutdruck  verursacht.  Die  Variationen  des  Blut¬ 
drucks  sind  teilweise  individuell  und  erklären  teilweise  die  indi¬ 
viduellen  Veränderungen  der  Gefässweite,  können  aber  nicht  alle 
Variationen  der  Gefässweite  erklären;  angeborene  oder  erworbene 
individuelle  Veränderungen  der  Widerstandsfähigkeit  der  Gefässe 
spielen  auch  eine  Rolle.  Der  Verfasser  meint,  dass  der  Elastizitäts- 
Verlust  und  die  Ausdehnung  derselbe  Prozess  ist,  der  später  zu 


Arteriosklerose  führt,  und  dass  dieselben  Gesetze  für  den  Elastizitäts- 
verlust  und  für  die  Arteriosklerose  gelten,  ferner  dass  diese  Ver¬ 
änderung  der  Gefässe  von  der  Zeit  anfängt,  wann  der  Körper  ausge¬ 
wachsen  ist,  und  dass  sie  sich  unter  der  Wirkung  des  Blutdruckes 
gleichmässig  bis  zu  den  höchsten  Graden  der  Arteriosklerose  fort¬ 
setzt.  Der  Verfasser  behauptet,  dass  die  Beurteilung  der  ätiologischen 
Faktoren  der  Arteriosklerose  mit  Berücksichtigung  der  pathologischen 
Anatomie  stattfinden  muss,  so  dass  man  immer  Fälle  innerhalb  der¬ 
selben  Altersklasse  vergleicht  und  nicht  das  grösste  Gewicht  auf 
die  arteriosklerotischen  Lokalveränderungen,  sondern  mehr  auf  die 
Gefässweite  legt.  Adolph  H.  M  e  y  e  r  -  Kopenhagen. 

Rumänische  Literatur. 

M.  Manicatide:  Ueber  eine  spezielle  Form  von  typhösem 
Fieber.  (Romania  medicala  und  Presa  medicala  romäna,  No  1/2 
1907.) 

Der  Verfasser  beschreibt  eine  besondere  Form  von  Typhus  bei 
Kindern,  welche  in  der  Literatur  noch  nicht,  oder  nur  in  ungenügender 
Weise  erwähnt  worden  ist  und  bringt  26  einschlägige  Beobachtungen. 
Es  handelt  sich  hierbei  gewöhnlich  um  Kinder,  welche  den  Eindruck 
machen  schwer  krank  zu  sein,  hohes  Fieber  (39—39,5  °)  haben,  abge¬ 
schlagen,  somnolent  sind,  bei  Nacht  delirieren,  eine  trockene  Zunge 
mit  roten  Rändern,  mitunter  auch  Epfstaxis  darbieten,  kurz  wie 
schwer  Typhuskranke  erscheinen.  Nichtsdestoweniger  kann  es 
Vorkommen,  dass  [die  Temperatur  nach  wenigen,  meist  3 — 7  lagen, 
in  plötzlicher  Weise  abfällt  und  Genesung  eintritt.  Während  der 
Krankheitsperiode  ist  die  Diazoreaktion  positiv,  ebenso  die  Agglu- 
tinierung  .im  Verhältnisse  von  Wo — Woo,  auch  fand  der  Verfasser,  sei 
es  im  Pharynxschleim  oder  im  Harne,  Eberthsche  Bazillen;  die 
Diagnose  Typhus  aDüominalis  konnte  also  in  allen  Fällen  bestimmt 
nachgewiesen  werden  und  trotzdem  verlief  der  ganze  Krankheits¬ 
prozess  in  wenigen  Tagen.  Die  Untersuchung  des  Blutes  auf  Plas¬ 
modien  fiel  in  allen  Fällen  negativ  aus  und  konnte  folglich  Malaria  aus¬ 
geschlossen  werden. 

V.Babes  und  Th.  Mironescu:  Plastische  Linitis  und  Magen¬ 
krebs.  (Ibidem.) 

Die  Untersuchungen  über  plastische  Linitis  oder  Magenzirrhose, 
wie  die  Krankheit  in  Deutschland  genannt  wird,  haben  noch  nicht 
vollkommene  Uebereinstimmung  der  Autoren  zur  Folge  gehabt,  denn 
obwohl  die  Mehrzahl  die  Krankheit  als  eine  krebsige  Entartung  be¬ 
trachtet,  bestehen  doch  gewisse  Meinungen,  denen  zuiolge  es  sich 
um  einen  entzündlichen  Prozess  handeln  würde.  Auf  Grund  eines 
letzthin  untersuchten  Falles  von  plastischer  Linitis,  neigen  die  Ver¬ 
fasser  der  Meinung  zu,  dass  es  sich  um  einen  gelatinösen  Krebs 
handelt. 

.1.  D.  G  h  i  u  1  a  m  i  1  a:  Die  Behandlung  des  Pes  varo-equinus  beim 
Kinde.  (Ibidem.) 

Die  nach  den  heutigen  Anschauungen  als  rationellste  Behand¬ 
lungsmethode  erscheinende  manuelle  Redressierung,  ohne  eingreifende 
blutige  Operation,  mit  Ausnahme  einer  eventuellen  Sektion  der 
Achillesferse,  ist  auch  vom  Verfasser  in  mehreren  Fällen  mit  sehr 
gutem  Erfolge  angewendet  worden.  Je  früher  die  Behandlung  be¬ 
gonnen  wird,  desto  günstiger  sind  auch  die  zu  erzielenden  Resultate. 
Komplizierte  Apparate  sind  unnötig  und  im  allgemeinen  muss  man 
daran  festhalten,  dass  durch  methodische,  wenn  auch  längere  Zeit  in 
Anspruch  nehmende  Redressierungen,  viel  mehr  zu  erzielen  ist,  als 
durch  gewaltsame  Eingriffe.  Anfangs  wird  nur  die  falsche  Stellung 
korrigiert,  später  werden  leichte  Verbände  angelegt  und  bei  fort¬ 
schreitender  Besserung  der  Fass  in  einen  Gipsverband  gelegt.  Es 
ist  von  Vorteil  eine  Hyperkorrektion  vorzunehmen,  d.  h.  den  Varo- 
equinus  in  einen  Calcaneo-valgus  zu  verwandeln.  Ist  dies  nicht  gut 
möglich,  dann  wird  die  Achillessehne  durchschnitten.  Später  werden 
Zelluloidapparate  mit  Charnieren  am  Sprunggelenke,  die  nur  die 
Beugung,  aber  nicht  auch  die  Streckung  gestatten,  eventuell  auch 
mit  elastischem  Zuge  versehen,  um  fehlerhafte  Haltungen  auszu¬ 
gleichen,  angelegt.  Bei  Kindern  die  bereits  gehen,  ist  es  gut,  unter 
dem  Kalkaneus  eine  dicke  Watteschichte  in  den  Kontentivverband 
einzubetten;  da  der  Fuss  nicht  nach  vorne  rutschen  kann,  ist  der 
Absatz  genötigt  beim  Gehen  immer  tiefer  und  tiefer  hinunterzusinken, 
wodurch  eine  Selbstverbesserung  der  Varusstellung  erzielt  wird. 
Mehrere  photographische  Abbildungen  illustrieren  die  vom  Verfasser 
mit  seinen  Apparaten  und  Verbänden  erzielten  Resultate. 

G.  Marinescu  und  .1.  Minea:  Notiz  über  einige  kleine  sym¬ 
pathische  Ganglien  von  mikroskopischer  Grösse,  in  der  Nachbarschaft 
der  Spinalganglien:  sympathische  Hypospinalganglien.  (Romania  me¬ 
dicala,  No.  3/4,  1907.) 

Die  Verfasser  haben  nach  der  Methode  von  Cajal  mit  redu¬ 
ziertem  Silbernitrat  die  Spinalganglien  in  Serienschnitten  in  verschie¬ 
denen  normalen  und  pathologischen  Fällen  beim  Menschen  studiert 
und  gefunden,  dass  ausser  den  bekannten  Spinalganglien  noch  kleine, 
meist  mikroskopische  Ganglien  vorhanden  sind,  die  unterhalb  der 
Hauptganglien  gelegen  sind  und  für  welche  sie  den  Namen  Hypo- 
spinalganglien  vorschlagen.  Um  dieselben  zu  finden,  muss  man  bei 
der  Präparierung  der  Spinalganglien  und  ihrer  peripheren  Wurzeln, 
auch  das  ganze  Zellgewebe  mit  herausnehmen,  welches  hier  eine 
Fliille  der  subganglionären  Wurzeln  bildet. 

Die  erwähnten  Ganglien  stehen  durch  einen  kürzeren  oder  län¬ 
geren  Ast  in  Verbindung  mit  den  Spinalganglien  oder  dem  Spinal¬ 
nerven.  Ihre  Zahl  ist  eine  schwankende;  in  einigen  Fällen  findet 


1606 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


man  nur  ein  einziges  Ganglion,  welches  in  anderen  Fällen  durch 
mehrere  ersetzt  ist.  In  einem  Falle  von  Myelitis  konnte  man  in  der 
Höhe  des  zweiten  Sakralganglions  acht  derartige  mikroskopische 
Ganglien  zählen. 

Was  die  Funktion  dieser  Ganglien  anbetrifft,  so  können  wohl 
Vermutungen  gemacht,  aber  keine  bestimmte  Meinung  aufgestellt 
werden. 

A.  Stamatiade:  Beiträge  zum  Studium  der  Läsionen  der 
Nebennieren  bei  verschiedenen  Krankheiten.  (Inauguraldissertation, 
Bukarest  1907.) 

ln  dieser  unter  der  Leitung  von  B  a  b  e  s  ausgeführten  Arbeit, 
gibt  der  Verfasser  das  Resultat  der  mikroskopischen  Untersuchung 
einer  Serie  von  über  20  Nebennieren  und  gelangt  zum  Schlüsse,  dass 
diese  Organe,  im  Verlaufe  verschiedener  Krankheiten,  viel  tiefgreifen¬ 
dere  Störungen  darbieten,  als  dies  für  gewöhnlich  angenommen  wird. 
Durch  Färbungen  mit  Scharlach-Hämatoxylin  zeigt  es  sich,  dass 
namentlich  das  Fettgewebe  der  Suprarenalkapseln  verschiedene  Ver¬ 
änderungen  erleidet.  Dasselbe  'ist  bei  Hypertrophie  der  Organe 
vermehrt,  fehlt  hingegen  bei  schweren,  septischen  oder  putriden  In¬ 
fektionen,  sowie  auch  bei  Abdominaltyphus.  Bei  Krebs  der  splanch- 
nischen  Organe  besteht  immer  eine  bedeutende  Hypertrophie  der 
Nebennieren,  in  drei  Fällen  wurde  sogar  eine  adenomatöse  Entartung 
derselben  gefunden.  Diese  Befunde  würden  vielleicht  für  eine  be¬ 
deutend  gesteigerte  antitoxische  Funktion  dieser  Organe  sprechen. 
In  allen  Fällen  von  akuter  und  verbreiteter  Tuberkulose  wurden 
miliare  Tuberkel  in  den  Nebennieren  gefunden.  Als  weitere  Verände¬ 
rungen,  welche  in  den  Nebennieren  beobachtet  werden  können,  er¬ 
wähnt  der  Verfasser:  hyaline  Degenereszenz,  lokalisierte  oder  aus¬ 
gebreitete  Lipochromatose,  fibröse  oder  Sklerose  Veränderungen  des 
Parenchyms  und  besonders  gewisse  nekrotische  Formen. 

Poenaru-Caplescu:  Die  Behandlung  der  Varikozele  auf 
der  Klinik  des  Prof.  Dr.  Thoma  Jonnescu.  (Revista  de  Chirurgie, 
April  1907.) 

Der  Verfasser  beschreibt  30  Fälle  von  Varikozele,  welche  er  auf 
der  Klinik  von  Th.  Jonnescu  und  nach  dessen  Methode  mit  gutem 
Erfolge  operiert  hat.  Der  Vorgang  besteht  im  wesentlichen  in  einer 
Kombination  der  Methode  von  Francesco  Parona  (Inzision  und 
Eversion  der  Vaginalis)  mit  Isolierung  und  Resektion  des  varikösen 
Venenbündels  und,  wo  notwendig,  Resektion  eines  Teiles  der  Skrotal- 
liaut.  Als  praktische  Neuerung  ist  zu  vermerken,  dass  die  Fäden 
der  beiden  Venenligaturen  aneinander  geknüpft  werden,  wodurch 
eine  solide  Suspension  für  den  Testikel  geschaffen  wird.  Die  Opera¬ 
tionen  wurden  meist  unter  Rhachistovainisierung  vorgenommen.  Die 
Nähte  blieben  länger  (9 — 11  Tage)  als  dies  bei  anderen  Operations¬ 
wunden  der  Fall  ist,  liegen,  weil  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  dass 
Skrotalwunden  sich  viel  langsamer  vereinigen. 

Th.  Mironescu:  Experimentelle  Läsionen  der  Aorta  bei  Ka¬ 
ninchen,  hervorgerufen  durch  Adrenalineinspritzungen.  (Romania  me- 
dicala,  No.  7,  1907.) 

Es  sind  zahlreiche  Arbeiten  gemacht  und  veröffentlicht  worden, 
die  sich  mit  den  Veränderungen  beschäftigen,  welche  durch  intra¬ 
venöse  Adrenalininjektionen  in  der  Kaninchenaorta  hervorgerufen 
werden.  Während  die  Einen  der  Ansicht  sind,  dass  dieselben  der 
menschlichen  Arteriosklerose  ähnlich  sind,  finden  die  Anderen,  dass 
es  sich  nur  um  nekrotische  Erscheinungen  handelt  und  schlagen  für 
die  betreffenden  Veränderungen  die  Bezeichnung  Arterionekrose  statt 
-Sklerose  vor.  Der  Verfasser  hat  diese  Untersuchungen  von  neuem 
aufgenommen  und  hierzu  junge  Kaninchen  im  Gewichte  von  1200 
bis  1800  g  benützt,  welchen  er  im  Verlaufe  von  25 — 30  Tagen  3 — 4 
intravenöse  Einspritzungen  von  2,5 — 2,8  ccm  Adrenalinlösung  1  prom. 
gemacht  hatte.  Bei  der  Sektion  zeigte  die  Aorta  der  Versuchs¬ 
tiere  bei  Färbung  mit  Hämatoxylineosin  eine  Verdickung  der  Intima 
mit  Proliferierung  der  Zellen  und  zahlreichen  Fibroblasten,  Verände¬ 
rungen,  denen  eine  Aehnlichkeit  mit  der  menschlichen  Arteriosklerose 
nicht  abgesprochen  werden  kann.  An  manchen  Stellen  erschienen  die 
elastischen  Fasern  wie  gerissen,  die  Muskelfasern  nekrotisch  und 
oft  kalkig  infiltriert,  auch  aneurysmatische  Ausbuchtungen  der  Intima 
gehörten  nicht  zu  den  Seltenheiten.  Diese  Veränderungen  kommen 
sonst  bei  Kaninchen  nicht  vor,  wie  dies  M.  in  mehr  als  300  Sektionen 
feststellen  konnte  und  man  kann  daher  sagen,  dass  das  Adrenalin  die 
Ursache  derselben  ist.  Wenn  also  andere  Forscher  zu  abweichen¬ 
den  Resultaten  gelangt  sind,  so  kann  dies  nur  auf  die  geringe  Anzahl 
von  Versuchen  und  auf  spezielle  Umstände  derselben  zurückgeführt 
werden. 

Elisa  Stefan  esc  u:  Die  Gegenwart  der  N  e  g  r  i  sehen  Körper¬ 
chen  in  den  Speicheldrüsen  wutkranker  Hunde.  (Ibidem.) 

Die  zuerst  von  B  a  b  e  s  und  dann  von  N  e  g  r  i  näher  beschrie¬ 
benen  Körperchen,  die  von  einer  hellen  Zone  umgeben  im  Protoplasma 
der  Nervenzellen  wutkranker  Tiere  auftreten,  spielen  in  dieser  Krank¬ 
heit  gewiss  eine  wichtige,  aber  bis  jetzt  noch  nicht  näher  festgestellte 
Rolle.  B  a  b  e  s  erklärt  dieselben  als  spezifische  Körperchen,  die 
durch  ihr  Eindringen  in  die  Nervenzellen  in  denselben  eine  Reizung 
hervorrufen,  worauf  die  Reaktion  der  Zelle  sich  dadurch  kundgibt, 
dass  sie  das  fremde  Körperchen  mit  einer  Kapsel  umgibt  und  es 
auf  diese  Weise  isoliert.  Als  Beweis  wäre  der  Umstand  anzuführen, 
dass  die  N  e  g  r  i  sehen  Körperchen  nur  in  den  einigermassen  ver¬ 
änderten  Nervenzellen,  welche  also  denselben  noch  eine  Resistenz 
darbieten,  nicht  aber  in  den  gänzlich  zerstörten  Nervenzellen  gefunden 
werden.  Die  Virulenz  der  Speicheldrüsen  hat  viele  Forscher  ver¬ 


anlasst  die  betreffenden  Körperchen  auch  in  diesen  Drüsen  aufzu- 
suchen,  doch  waren  ihre  Resultate  negative.  Der  Verfasserin  ist 
es  nun  gelungen,  auch  in  der  Parotis  eines  wutkranken  Hundes  N  e  - 
g  r  i  sehe  Körperchen  aufzufinden.  Die  betreffenden  Präparate  wur¬ 
den  in  Formol  gehärtet,  mit  dem  Gefrierungsmikrotom  geschnitten 
und  mit  Eosinmethylenblau  gefärbt.  Die  Körperchen  erscheinen  hier¬ 
bei  rotviolett  und  sind  von  dem  blauen  Protoplasma  leicht  zu  unter¬ 
scheiden.  Bei  demselben  Tiere  wurden  auch  im  Ammonshorne,  in  den 
Purkinje  sehen  Zellen  und  in  der  Hirnrinde  N  e  g  r  i  sehe  Körper¬ 
chen  gefunden,  während  dieselben  im  Bulbus  und  Rückenmarke 
fehlten. 

Poenaru-Caplescu:  Penetrierende  Wunden  der  Prä- 
kordialgegend.  (Spitalul,  No.  9,  1907.) 

Der  Verfasser  beschreibt  die  Fortschritte,  welche  die  Herz¬ 
chirurgie  in  den  letzten  Jahren  gemacht  hat  und  empfiehlt,  in  An¬ 
betracht  der  guten  Erfolge,  die  von  zahlreichen  Chirurgen  bereits  in' 
dieser  Beziehung  erzielt  worden  sind,  die  sofortige  Naht  der  be¬ 
stehenden  Herzwunden.  Er  beschreibt  einen  selbstoperierten  Fall, 
in  welchem  es  sich  um  einen  19  jährigen  Selbstmörder  gehandelt 
hatte,  der  sich  einen  Messerstich  in  die  Herzgegend  beigebracht  hatte. 
Die  starke  Verbreiterung  der  Herzdämpfung,  das  Angstgefühl,  die 
Dyspnoe  und  bestehende  Zeichen  innerer  Blutung  deuteten  auf  eine 
penetrierende  Herzwunde  hin.  Durch  Resektion  der  4.,  5.  .und  6. 
Rippe  nahe  der  Mammillarlinie  wurde  ein  thorakoplastischer  U-för- 
miger  Knochenmuskellappen  gebildet  und  medianwärts  umgeschlagen. 
Das  durch  den  Messerstich  durchbohrte  Perikard  wurde  breit  ge¬ 
öffnet,  die  Blutgerinnsel  aus  dem  Herzbeutel  und  der  Brusthöhle 
entfernt,  die  Herzwunde  durch  mehrere  Katgutnähte  vereinigt,  worauf 
Herzbeutel  und  Brustlappen  genäht  wurden.  Es  erfolgte  Vereinigung 
per  primam  und  der  Kranke  konnte  das  Spital  geheilt  verlassen,  nach¬ 
dem  auch  der  aufgetretene  Pneumothorax  vollkommen  ausheilte. 
Peinliche  Asepsis  ist  Hauptbedingung  für  das  Gelingen  eines  derar¬ 
tigen  Eingriffes  und  macht  eine  Drainierung  .der  Perikardialhöhle  über¬ 
flüssig. 

C.  Jonescu-Mihaesci:  Beiträge  zur  Durchgängigkeit  des 
Darmes  für  inerte  Pulver.  (Bukarest  1907.) 

Der  Verfasser  hat  unter  der  Leitung  von  J.  Cantacuzino 
bei  Meerschweinchen  neue  Untersuchungen  angestellt  um  festzu¬ 
stellen,  ob  und  in  wie  weit  inerte  Pulver  durch  die  intakte  Darm- 
schleimhaut  hindurchgehen  und  ob  die  Anthrakose  auf  eine  Resorption 
vom  Darme  aus  zurückgeführt  werden  kann.  Die  verwendeten  Tiere 
waren  Meerschweinchen,  denen  man  mit  der  Oesophagussonde  ver¬ 
schiedene  Farbstoffe,  wie  Karmin,  Zinnober,  Pflanzenkohle,  Rauch¬ 
schwarz  etc.  eingab.  Die  Versuchstiere  wurden  nach  %,  24,  48 
und  72  Stunden  getötet  und  die  aus  der  Lunge  und  den  verschiedenen 
in  Betracht  kommenden  Organen  hergestellten  Präparate  mikro¬ 
skopisch  untersucht.  Es  stellte  sich  heraus,  dass  in  der  grossen 
Mehrzahl  der  Fälle  eine  Ablagerung  der  eingeführten  pulverförmigen 
Körper  in  den  untersuchten  Organen  nicht  stattgefunden  hatte,  dass 
folglich  von  einer  Durchgängigkeit  der  Darmwand  für  inerte  Pulver 
nicht  gesprochen  werden  kann. 

D.  Calinescu:  Vorschlag,  anschliessend  an  alle  ländliche 
Schulen  Bäder  einzurichten.  (Spitalul,  No.  10,  1907.) 

Ausgehend  von  dem  Erfahrungssatze,  dass  Reinlichkeitsbegriffe 
von  frühester  Jugend  auf  eingeprägt  werden  müssen,  schlägt  C. 
vor,  in  Verbindung  mit  allen  Landschulen  Volksbäder  einzurichten, 
in  welchen  alle  Schulkinder  einmal  wöchentlich  Bäder  nehmen  sollen 
und  wo  auch  die  sonstige  Bevölkerung  gegen  billiges  Geld  solche 
soll  nehmen  können.  Auf  diese  Weise  könnte  man  die  bei  den  alten 
Völkern  so  allgemein  verbreitete  Vorliebe  für  Bäder  und  Bade¬ 
anstalten  wieder  in  den  breiteren  Volksschichten  aufleben  lassen. 

Poenaru-Caplescu:  Zwei  Fälle  von  Gefässnaht.  Heilung. 

(Ibidem.) 

Im  Laufe  zweier  chirurgischer  Eingriffe  geschah  es,  dass  P.-C. 
einmal  die  Axillararterie  und  das  andere  Mal  die  Vena  saphena  in¬ 
terna  in  einer  Ausdehnung  von  20,  resp.  12  mm  und  in  longitudinaler 
Richtung  anschnitt.  Die  Gefässe  wurden  gleich  mit  Katgut  genäht, 
darüber  die  Gefässscheide  ebenfalls  mittels  einiger  Nähte  vereinigt 
und  es  konnte  so  vollkommene  Heilung  erzielt  werden.  Im  ersteren 
Falle  blieb  der  Radialpuls  ununterbrochen  gut  fühlbar  und  auch  im 
zweiten  Falle  war  keinerlei  Zirkulationsstörung  zu  bemerken.  Die 
Gefässnaht  kann  also  heute  als  ein  leicht  ausführbarer,  praktischer 
chirurgischer  Eingriff  angesehen  werden. 

C.  D.  Severeano:  Ueber  Schwierigkeiten  der  Diagnose  bei 
Appendizitis.  (Revista  de  Chirurgie,  Mai  1907.) 

Der  Verfasser  studiert  in  eingehender  Weise  alle  Umstände, 
welche  die  Diagnose  bei  Appendizitis  erschweren,  respektive  in 
falsche  Bahnen  lenken  und  bringt  aus  seiner  reichen  Erfahrung 
mehrere  einschlägige  Beispiele.  Nichtsdestoweniger  ist  die  Diagnose 
nicht  schwer,  namentlich  wenn  es  sich  um  akute  Fälle  handelt  und 
man  auf  die  Hauptsymptome:  Schmerz,  plötzlicher  Anfang,  Hyper¬ 
ästhesie  der  Zoekalgegend,  muskuläre  Resistenz  und  Entwicklung  eines 
Tumors  innerhalb  24  Stunden  achtet.  Uebelkeit,  Erbrechen  und  Ver¬ 
stopfung  sind  weitere  pathognomonische  Zeichen.  Es  können  Ver¬ 
wechslungen  .Vorkommen  mit  Salpingitis,  doch  ist  der  Beginn  bei 
derselben  nicht  plötzlich  und  die  Schmerzhaftigkeit  auf  Druck  keine 
so  grosse.  Verschiedene  Kolikschmerzen,  die  vom  Darme,  der  Niere 
oder  Leber  ausgehen,  können  eine  Entzündung  des  Wurmfortsatzes 
Vortäuschen,  doch  bestehen  bei  denselben  noch  andere  Neben- 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1607 


Symptome,  die  auf  die  richtige  Spur  leiten.  Perforationsperitonitis, 
Tuberkulose  der  Mesenterialganglien,  Volvulus  und  Abszesse  können 
Appendizitis  Vortäuschen.  Andererseits  ist  es  auch  vorgekommen, 
dass  bestehende  Appendizitis  verkannt  und  als  eine  andere  Krankheit 
angesehen  wurde,  so  z.  B.  als  Salpingitis,  Perihepatitis  etc.  Im  all¬ 
gemeinen  kann  gesagt  werden,  dass  am  sichersten  die  Diagnose  in 
den  supraakuten  Fällen  gestellt  werden  kann,  dass  grössere  Schwie¬ 
rigkeiten  bei  der  subakuten  Form  und  der  appendikulären  Perfo¬ 
rationsperitonitis  bestehen. 

C.  Daniel:  Einige  Betrachtungen  über  die  Symphysiotomie. 
(Ibidem.) 

Bei  guter  Technik  und  exakter  Asepsis  gibt  die  Symphysiotomie 
sehr  gute  Resultate  und  sollte  durch  die  Hebotomie  nicht  verdrängt 
werden.  Ueble  Zufälle  sind  im  Laufe  der  Operation  durch  einige 
Vorsicht  zu  vermeiden  und  was  die  Vereinigung  der  Symphysenhälften 
anbetrifft,  so  kann  dieselbe  in  genauer  Weise  immer  erreicht  werden, 
falls  man  aseptisch  operiert  und  die  Teile  durch  Knochennaht  ver¬ 
einigt.  Hierzu  schlägt  D.  die  metallischen  Klammern  von  D  u  - 
jurier-Jacoel  vor.  Man  legt  deren  zwei  an  und  zwar  eine 
obere  und  eine  untere. 

Scarlat  Ohl:  Beiträge  zum  Studium  der  Balsamica  im  Allge¬ 
meinen,  der  gonorrhoischen  Infektion  und  speziell  des  Santyls. 

(Inaugural-Dissertation,  Jassy  1907.) 

Der  Verfasser  hat  an  der  dermatologischen  Klinik  von  Derne- 
triade  Versuche  mit  Santyl  angestellt  und  lobt  dessen  gute 
Wirkung  in  den  verschiedenen  Stadien  der  gonorrhoischen  Infektion. 
Das  Mittel  wird  gut  vertragen,  ruft  keinerlei  Reizung  hervor  und 
kann  auch  Kindern  gegeben  werden;  ein  9  jähriger  Knabe  nahm  ohne 
Beschwerden  bis  zu  65  Tropfen  pro  Tag.  Interessant  ist  es,  dass 
0.  auch  durch  subkutane,  resp.  intramuskuläre  Injektionen  von  San¬ 
tyl  (in  Ol  Olivar.  1  :  10)  gute  Erfolge  bei  antero-posteriorer  Blen- 
norhöe  und  bei  post-gonorrhoischem  Rheumatismus  erzielen  konnte. 

T. 

Unfallheilkunde. 

T  h  i  e  m  -  Kottbus:  Wie  schützt  man  sich  vor  der  Vortäuschung 
von  Streckschwäche  im  Kniegelenk?  (Monatsschr.  f.  Unfallheilk. 
1907,  No.  1.) 

Durch  die  Aufforderung  beide  Beine  gestreckt  zu  erheben,  wo¬ 
zu  eine  erhebliche  Kraftleistung  und  dementsprechend  ein  sehr  starker 
Willensimpuls  gehört,  wobei  beim  ersten  Male  niemand  den  Willen 
auf  eines  der  Beine  anders  dosiert,  wie  auf  die  andere  Seite.  Die 
Probe  passt  auch  für  die  Prüfung  des  Ileopsoas.  In  beiden  Fällen  ist 
Ueberraschung  des  Patienten  nötig,  der  nicht  wissen  darf,  worauf  es 
ankommt  (vgl.  Vulpius  No.  3.). 

L  i  n  i  g  e  r  -  Düsseldorf :  Interessante  Fälle  aus  der  Versiche¬ 
rungspraxis.  (Ibidem  No.  2.) 

Arzt  und  Attest.  I.  Ein  Arzt,  der  in  einem  ersten  Gutachten 
über  die  Invalidität  eines  Landwirtschaftsarbeiters  diesem  dauernde 
Invalidität  auf  Grund  ausserordentlicher  Magerkeit,  hohen  Grades  von 
Mattigkeit  und  Hinfälligkeit,  chronischen  Luftröhrenkatarrhs,  chro¬ 
nischen  erheblichen  Magen-  und  Darmkatarrhs,  Verdachts  des  Be¬ 
stehens  eines  runden  Magengeschwürs,  Vergrösserung  der  Milz,  chro¬ 
nischen  Rheumatismus  bescheinigt  und  damit  zur  Bewilligung  der 
Invalidenrente  verholfen  hatte,  beantwortete  über  denselben  Arbeiter, 
der,  trotz  der  Invalidenrente,  ohne  wesentliche  Behinderung  weiter  ge¬ 
arbeitet  hatte,  ein  Jahr  später,  in  einem  Unfallgutachten,  die  Frage: 
Bestanden  an  dem  Verletzten  schon  vor  dem  Unfall  Gebrechen  oder 
Krankheitserscheinungen  und  welche?  mit  dem  Satze:  Gebrechen  be¬ 
standen  absolut  nicht:  ferner  die  Frage:  War  der  Verletzte  vor  dem 
Unfall  voll  erwerbsfähig?  mit:  Ja! 

II.  Ein  ähnlicher  Fall,  der  ebenso  die  „Einseitigkeit“  mancher 
ärztlicher  Begutachtungen  und  Untersuchungen  in  In validitäts-  und 
Unfallattesten  dartut. 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg:  Wie  schützt  man  sich  vor  der  Vor¬ 
täuschung  von  monoartikulärer  Muskelschwäche?  (Ibidem.) 

Man  lässt  z.  B.  beide  Arme  gleich  weit,  d.  h.  soweit  seitlich 
erheben,  als  es  dem  Patienten  angeblich  mit  dem  kranken  Arm  ge¬ 
lingt  und  fordert  ihn  auf,  idem  nach  abwärts,  gerichteten  Druck  der 
Hand  des  Untersuchers  den  bestmöglichen  Widerstand  entgegen¬ 
zusetzen.  Da  es  ohne  spezielle  Uebung  so  gut  wie  unmöglich  ist, 
einen  energischen  Bewegungsimpuls  asymmetrisch  zu  geben,  fühlt  man 
sofort  auch  die  etwa  tatsächlich  vorhandene  Schwäche  einer  Körper¬ 
seite  in  dem  ungleichen  Widerstand,  da  während  der  Dauer  der 
Belastung,  bezw.  des  Herabdrückens,  der  Arm  stets  die  gleich  grosse 
Differenz  aufweist.  Weniger  deutliche  Ergebnisse  liefert  die  Methode 
für  Ellbogen  und  Handgelenk.  An  den  unteren  Extremitäten  zeigt 
das  Verfahren  eindeutige  Resultate  (vgl.  T  h  i  e  m,  No.  1). 

C.  S  c  h  m  i  d  t  -  Kottbus:  Die  Bedeutung  der  prophylaktischen 
B  i  e  r  sehen  Stauung  in  der  Unfallheilkunde.  (Iibdem  No.  4.) 

Schm,  befürwortet  warm  bei  allen  infektionsverdächtigen  Ver¬ 
letzungen  die  prophylaktische  Stauung  im  Verein  mit  einem  lockeren 
Verband  und  Katgutnaht  mit  (eventuell)  Offenhaltung  einer  oder 
mehrerer  kleinerer  Drainagelücken,  besonders  bei  den  durch  Ma- 
schinenverletzungen  hervorgerufenen  Sehnenzerreissungen  und  Kno¬ 
chenzertrümmerungen.  Für  komplizierte  Frakturen  empfiehlt  sich  die 
sofortige  Anlegung  eines  gepolsterten  Gipsverbandes. 


Trotz  dieser  günstigen  Wirkungen  der  Bier  sehen  Stauung  dür¬ 
fen  aber  in  bezug  auf  die  operative  Indikation  bei  Verletzungen  -der 
Arbeiter  nicht  die  altbewährten  Grundsätze  umgestossen  werden, 
welche  einen  zu  weit  gehenden  Konservativismus,  besonders  für  die 
Behandlung  von  Fingerverletzungen,  verwerfen,  zumal  da  Nach¬ 
operationen  von  den  Verletzten  nur  selten  gestattet  werden. 

H.  Hirschfeld  -  Berlin :  Ueber  einen  Fall  von  traumatischer 
Alopecia  areata.  (Ibidem  No.  5.) 

Erstmalige  Beschreibung  einer  direkten  traumatischen  Alopecia 
areata,  entstanden  durch  Stoss  des  Kopfes  gegen  eine  eiserne  Zahn¬ 
stange,  wodurch  zunächst  eine  Beule  entstand  und  ca.  14  Tage  später 
genau  an  der  Stelle  der  Verletzung  der  Haarausfall. 

P.  S  t  r  a  s  s  m  ann-  Berlin :  Körperliche  Erschütterungen  und 
Frauenleiden.  (Aerztl.  Sachverstär.digenztg.  1906,  No.  23.) 

Nach  einleitenden  Bemerkungen  über  die  Statik  der  inneren 
weiblichen  Genitalien  bespricht  Str.  die  Wirkung  plötzlicher  einmali¬ 
ger  starker  und  der  häufigen  kleinen,  mehr  chronischen  oder  habi¬ 
tuellen  Erschütterungen  auf 

I.  ganz  gesunde,  nicht  gravide  Frauen,  a)  solche,  die  noch  nicht 
geboren  haben,  b)  solche,  die  die  Geburt  mit  guter  Rückbildung 
durchgemacht  haben; 

2.  auf  Gravide: 

3.  auf  kranke  Frauen,  a)  kranke  Gravide,  b)  Frauen  mit  bereits 
bestehenden  Lageveränderungen,  c)  mit  entzündlichen  Erkrankungen, 
d)  mit  Geschwülsten. 

Als  beachtenswerte  Folgerungen  sind  festzuhalten,  dass  albu- 
minurische  Schwangere  ganz  besonders  vor  allen  Erschütterungen  des 
Körpers  zu  bewahren  sind,  also  auch  nicht  reisen  dürfen,  dass  in 
der  Gravidität  jede  sportsmässige  Bewegung  (Tennis,  Radeln,  Turnen, 
Reiten  usw.)  unterbleiben  soll,  dass  die  Menstruation  und  auch  die 
Prämenstruation  eine  Schonzeit  für  alle  starken  aktiven  Bewegungen 
sein  soll. 

Den  Schluss  bilden  interessante  Mitteilungen  über  den  Einfluss 
des  berufsmässigen  Maschinennähens  auf  die  weiblichen  Geschlechts¬ 
organe.  Eine  einmalige  körperliche  Erschütterung,  ein  Unfall  ist  für 
Frauenleiden  nur  -in  sehr  beschränktem  Masse  verantwortlich  zu 
machen. 

H.  Berger  -  Remscheid:  Mein  Unfall.  (Kritische  Betrachtungen 
über  die  Folgen  leichter  Unfälle  und  über  Simulation.)  (Ibidem  No.  24.) 

Die  ausführliche  Schilderung  des  am  eigenen  Körper  beobachte¬ 
ten  Verlaufes  eines  verhältnismässig  leichten  Unfalls  und  seiner 
schweren  Folgeerscheinungen  beweisen,  dass  man  den  subjektiven 
Klagen  des  Verletzten  mehr  Glauben  schenken  muss,  und  vor  allem 
die  Diagnose  Simulation  noch  seltener  stellen  soll,  als  häufig  getan 
wird.  (Es  ist  dabei  aber  zu  berücksichtigen,  dass  im  allgemeinen 
ein  Arzt,  der  vor  allem  auch  einer  objektiveren  Kritik  seines  Zu¬ 
standes  bis  zu  einem  gewissen  Grade  fähig  ist,  weniger  unbegründete 
subjektive  Beschwerden  haben  wird  als  ein  Laie,  ein  Arbeiter.  Ref.) 

L.  W.  W  e  b  e  r  -  Göttingen:  Echte  traumatische  Psychose  mit 
tödlichem  Ausgang.  (Aerztl.  Sachverständigenztg.  1907,  No.  2.) 

Mitteilung  eines  interessanten  Falles  von  im  Anschluss  an  eine 
Gehirnerschütterung  entstandener  Psychose,  -deren  Diagnose  gegen¬ 
über  progressiver  Paralyse  differentialdiagnostisch  auch  durch  die 
mikroskopische  Untersuchung  des  Gehirns  sichergestellt  werden 
konnte. 

O  b  e  r  n  d  o  r  f  e  r  -  München:  Tumor  und  Trauma.  (Ibidem.) 

Ausgehend  von  dem  statistischen  Nachweisversuch  Herz¬ 
fel  -d  s,  dass  ohne  Trauma,  d.  h.  ohne  Reizung  und  Zellenverlagerung, 
nahezu  ausschliesslich  ein  Tumor  nicht  entstehen  könne,  erörtert  0. 
die  einzelnen  Geschwulsttheorien  (von  denen  er  vor  allem  die  para¬ 
sitäre  verwirft)  und  erledigt  die  Vorfrage:  Können  Traumen,  d.  h. 
Reize,  direkt  normale  Zellen  zu  selbständiger  und  beschränkter 
Wucherung  veranlassen?  im  verneinenden  Sinn.  Aber  Traumen 
können  durch  Zellenschädigung  oder  -Zerstörung  reaktive  Vorgänge 
auslösen,  auf  deren  Boden  sich  eine  Geschwulst  entwickeln  kann: 
also  indirekte  Geschwulstentstehung  durch  das  Trauma.  Diese  Unter¬ 
scheidung  (direkte  oder  indirekte  Entstehung)  ist  allerdings  praktisch 
ohne  grosse  Wichtigkeit,  aber  es  ist  dabei  zu  bedenken,  dass  diese 
Reize  nicht  Traumen  im  engeren  Sinn  darstellen,  und  dass  das  Trauma 
nicht  unbedingt  Geschwulstbildung  veranlassen  muss,  dass  eine 
Menge  Vorbedingungen  hierfür  erst  erfüllt  sein  müssen,  mit  anderen 
Worten,  dass  eine  Disposition  für  die  Geschwulstentstehung  vorhan¬ 
den  sein  muss,  deren  Grund  wir  noch  ebensowenig  genau  angeben 
können,  wie  die  letzte  Ursache  der  Geschwulstentstehung  selbst. 

An  Traumen,  die  imstande  sind,  als  Reize  im  obengenannten 
Sinne  den  Boden  für  eine  Geschwulstentstehung  vorzubereiten,  kom¬ 
men  solche  -durch  stumpfe  und  schneidende  Gewalt,  solche  durch 
wiederholte  Gewalten  in  Betracht.  Stumpfe  Gewalteinwirkung  ist  am 
häufigsten. 

Zur  Annahme  eines  Zusammenhanges  ist  ferner  notwendig,  dass 
sich  der  Tumor  am  Orte  des  Trauma  entwickelt  und  in  einer  auf  das 
Trauma  folgenden  bestimmten  Zeitgrenze,  die  vielleicht  auf  3 — 5  Jahre 
nach  dem  Unfall  zu  setzen  wäre,  sowie  dass  von  dem  I  rauma  ab 
bis  zur  Geschwulstmanifestierung  eine  Kontinuität  krankhafter  Er¬ 
scheinungen  sich  beobachten  lässt. 

Bezüglich  einer  wesentlichen  Verschlimmerung  bestehender  I  u- 
moren  durch  Traumen  ist  ebenfalls  in  jedem  einzelnen  Fall  streng  zu 
individualisieren.  Im  allgemeinen  sind  es  Sarkome,  die  auf  Reize,  be¬ 
sonders  solche,  die  lebhaftere  Hyperämie  bedingen,  mit  stärkerem 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


ioü8 


Wachsturn  antworten;  Karzinome  kommen  seltener  in  Betracht.  Das 
Trauma  braucht  hier  auch  nicht  direkt  den  Ort  des  Tumors  zu  be¬ 
treffen,  sondern  kann  ihn  auch  indirekt  beeinflussen.  Dass  Traumen 
irgendwelchen  Einfluss  auf  den  Ort  der  Metastasierung  haben,  dafür 
fehlen  sichere  Anhaltspunkte.  Hierdurch  unterscheiden  sich  die 
Tumoren  wesentlich  von  Infektionskrankheiten,  besonders  der  Tuber¬ 
kulose. 

E.  Wette:  Die  Dauer  des  Heilverfahrens  bei  der  Behandlung 
Unfallverletzter.  (Chirurg.-orthopäd.  Klinik  von  Prof.  Dr.  Hoffa, 
Berlin.)  (Ibidem  No.  4.) 

W.  hat  an  201  Fällen  von  Unterschenkel-  und  Fussverletzungen 
die  Frage  studiert,  wodurch  es  kommt,  dass  bei  Unfallverletzten  Ar¬ 
beitern  so  häufig  verhältnismässig  lange  Behandlungszeit  und  damit 
übermässige  Kosten  für  die  Berufsgenossenschaft  zustande  kommen. 
Fr  erblickt  die  Ursache  dafür  in  dem  System  der  kassenärztlichen  Be¬ 
handlung,  in  der  ungenügenden  Würdigung  praktischer  Erfahrungen 
von  seiten  vieler  Aerzte,  infolge  von  Ungeschultheit  und  Unkenntnis 
(z.  B.  der  richtigen  Auffassung  und  Behandlung  einer  Kombination 
mit  Pes  planus  bezw.  Pes  valgus  oder  einer  Supinationskontraktur 
des  Fusses),  ferner  in  der  teilweise  abnorm  lange  durchgeführten 
konservativen  Behandlung  kleiner  Verletzungen  (abgequetschter 
Zehenkuppen,  Unterlassung  der  Transplantation  grosser  Hautdefekte 
usw.). 


In  Hinblick  auf  die  Weigerung  der  Patienten,  sich  der  Operation 
zu  unterziehen,  verlangt  Verfasser  die  gesetzliche  Handhabe  für  den 
Arzt,  kleinere  operative  Eingriffe,  die  ohne  jede  Gefahr,  ohne  Narkose 
und  ohne  anderen  als  einen  kosmetischen  Nachteil  ausgeführt  werden 
können,  auch  ohne  Einwilligung  des  Patienten  vornehmen  zu  dürfen. 

Zum  Schluss  plädiert  W.  für  den  Fortfall  kleinerer  Renten  bei 
kleinen  Finger-  oder  Zehenverletzungen,  die  zeitweise  noch  etwas 
Schmerzen  machen,  den  früheren  Arbeitsverdienst  aber  nicht 
schmälern. 

E.  Meyer -Königsberg  i.  Pr.:  Die  pathologische  Anatomie  der 
Paralyse  in  ihrer  Bedeutung  für  die  forensische  und  Unfallpraxis. 

(Psychiatr.  Universitätsklinik  zu  Königsberg  i.  Pr.)  (Ibidem  No.  7.) 

Da  die  pathologische  Anatomie  aus  der  anatomischen,  speziell 
mikroskopischen  Untersuchung  allein  fast  mit  Sicherheit  das  Vor¬ 
liegen  einer  Paralyse  diagnostizieren  kann  (pathognomonisch  ist  die 
adventitielle  Infiltration  der  Hirnrindengefässe  mit  Lymphozyten  und 
besonders  Plasmazellen),  so  ist  diese  Kenntnis  von  grosser  Wichtig¬ 
keit  für  die  Beurteilung  von  Selbstmorden  und  unklaren  Todesfällen, 
auch  um  zu  entscheiden,  ob  chronischer  Alkoholismus  oder  Paralyse 
Vorgelegen  hat  (z.  B.  in  der  Lebensversicherung).  In  der  Unfall- 
piaxis  kommt  die  Abgrenzung  gegenüber  der  Dementia  posttrau- 
matica,  dem  Alcoholismus  chronicus  u.  a.  in  Frage.  Dass  auf  trau¬ 
matischem  Wege  ähnliche  Veränderungen  entstehen  können,  ist  nicht 
anzunehmen.  Mitteilung  eines  Falles,  in  dem  bei  der  Sektion,  76  Stun- 
Qtii  nach  dem  lode,  noch  die  charakteristischen  Veränderungen  der 
Paralytikerhirnrinde  gut  gefärbt  auf  das  Karste  hervortraten  und 
dadurch  das  Nichtvorhandensein  eines  Zusammenhanges  mit  einem 
3  Monate  vorher  iiberstandenen  Eisenbahnunglück  hervorging. 

F.  Kauf  f  mann  -Ulm:  Kürzung  der  Unfallrente  und  ärztliche 
Begutachtung.  (Ibidem  No.  8.) 

Bei  der  Kürzung  der  Rente  und  deren  Begründung  zeigt  sich 
oft  eine  Unsicherheit  der  begutachtenden  Aerzte  und  damit  ein  un¬ 
günstiger  Einfluss  auf  die  Rentenfeststellung  infolge  der  verschiedenen 
Fassung  der  Formulare  der  B.G.  und  des  Absatzes  5  des  §  10  d-s 

G.U.V.G.  (Berechnung  der  Rente  für  Personen,  welche  vor  dem  Un¬ 
fall  bereits  erwerbsunfähig  waren),  weshalb  K.  folgende  Sätze  auf¬ 
stellt: 


1.  Die  Entschädigung  (Rente)  muss  dem  Masse  des  Schadens 
entsprechen. 

2.  Bei  vorher  schon  mit  Mängeln  behafteten  Personen  ist  die 
Einwirkung  des  Unfalls  in  der  Regel  eine  ungleich  schlimmere  als 
bei  gesunden  Personen. 

3.  Bei  gewei blichen  Arbeiten  kommt  eine  schon  vor  dem  Un¬ 
fall  vorhandene  teilweise  E.  U.  bei  der  Ermittlung  und  durch  die  Er¬ 
mittlung  des  Jahresverdienstes,  welcher  der  Berechnung  der  Rente  als 
Grundlage  dient,  zur  Wirkung  und  zum  Ausdruck. 

^  e  Tu  ')  s  d  °  1  1  un,(^  Wigand:  Ueber  akute  Ataxie  nach  Hitz- 
schlag.  (Harenkrankenhaus  und  allgemeines  Krankenhaus  Eppendorf- 
Hamburg.)  (Ibidem  No.  9.) 

Auf  Grund  der  Mitteilung  über  2  eigene  Fälle,  sowie  über  2 
truher  von  Nonne  berichtete  muss  man  in  der  Reihe  der  für  die 
akute  Ataxie  in  Betracht  kommenden  Schädlichkeiten  auch  die  Ueber- 
hitzung,  den  Hitzschlag,  einfügen;  doch  scheint  gegenüber  den  schon 
niilicr  bekannten  Fällen  von  akuter  Ataxie  (meist  nach  Infektions¬ 
krankheiten),  in  denen  fast  immer  völlige  oder  nahezu  völlige  Rück¬ 
bildung  der  Symptome  eintrat,  die  Prognose  in  Fällen  von  akuter 
Atax'e  nach  Ueber  ntzung  eine  viel  infaustere  sein,  indem  in  allen 
4  Beobachtungen  die  Funktionsstörung  auch  im  Laufe  von  Jahren 
ziemlich  stabil  blieb. 

t  ii  L' enfeld_Berlin:  Zur  Begriffsbestimmung  des  Un¬ 
falls.  (Ibidem.) 

definiert  auf  Grund  einer  Erörterung  der  Merkmale  des  Un¬ 
falls  den  letzteren  als  eine  durch  ein  zufälliges  plötzliches  und  äusser- 
liCiies  F  re  i  g  n  i  s  veranlasste  körperliche  oder  geistige  Beschädi- 
gung,  die  unter  Mitwirkung  von  persönlichen  Eigentümlichkeiten 
und  subjektiven  Empfindungen  des  Verletzten  die  Einschränkung  oder 


die  völlige  Aufhebung  der  Erwerbsfähigkeit  und  nachhaltige,  zuweilen 
erst  spater  in  Erscheinung  tretende  Folgen  verursachen  kann. 

Schwab-  Berlin-Schöneberg. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  vom  3.  Juni  1907,  abends 
7  U  h  r,  im  grossen  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek. 
Vorsitzender :  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer:  Herr  S  e  1  i  g  m  a  n  n. 

Herr  Al  brecht  demonstriert: 

1.  Linen  Fall  von  akuter  Lysolvergiftung  bei  einem  etwa  45  jähr. 
Mann:  Suizidium,  Menge  des  aufgenommenen  Lysols  unbekannt- 
rasche  Magenspülung;  Tod  nach  3  Tagen  unter  Erscheinungen  der 
hämorrhagischen  Nephritis  und  von  Bronchopneumonien. 

Der  unterste  Teil  des  Oesophagus  und  die  Kardia  sind  am 
stärksten  verändert,  ihre  Schleimhaut  fast  überall  in  grossen  braunen 
lederartigen  Fetzen  abgehoben,  in  der  Magenschleimhaut  allmählig 
abnehmende  Auflagerungen  der  diffus  gebräunten  Schleimhaut,  welche 
streifenförmig  bis  etwa  zur  Pylorusgegend  verlaufen.  Im  Anfangs¬ 
teil  des  Duodenums  geringe  Anätzung  der  Schleimhaut.  Geringe 
Aetzung  in  Kehlkopf,  Trachea  und  an  den  Lippen. 

Der  Vortragende  hebt  die  zunehmende  Häufigkeit  der  Lysolver¬ 
giftungen  hervor  und  die  Notwendigkeit,  den  freien  Verkauf  von 
konzentriertem  Lysol  in  Apotheken  und  Drogerien  auf  gesetzlichem 
Wege  zu  verhindern. 

2.  Fast  pflaumengrosse  derbwandige  Zyste  mit  hellbräunlicher, 
etwa  %  cm  dicker  fibröser  Wand,  in  welcher  dicht  verfilzte,  von 
Bindegewebe  umwachsene  Fasern  eines  die  Lichtung  ausfüllenden 
Gazetampons  auf  der  Schnittfläche  hervorragen.  Das  Präparat  wurde 
durch  Nachoperation  entfernt  bei  einem  Patienten,  welchem  vor  einem 
Jahre  auswärts  eine  blutige  Ischiadikusdehnung  gemacht  worden  war. 
Offenbar  war  der  wegen  Blutung  eingestopfte  Tampon  —  darauf  weist 
die  starke  Pigmentierung  hin  —  vergessen  worden. 

3.  Etwa  halbkindskopfgrosses  ödematöses  Myoma  submucosum 
des  Uterus  mit  starker  Entwicklung  der  Uterinwand.  Der  Uterus  ent¬ 
spricht  auch  in  seiner  Wanddicke  etwa  einem  graviden  Uterus  des 
dritten  Monats.  Auch  klinisch  musste  die  Möglichkeit  einer  Ver¬ 
wechslung  ernsthaft  in  Betracht  gezogen  werden. 

4.  Zwei  Präparate  von  Lungenembolie: 

a)  Fall  von  Pemphigus  vulgaris  universalis.  Im  Laufe  der  Be¬ 
handlung  trat  eine  tödlich  endende  Lobulärpneumonie  ein,  im  An¬ 
schluss  an  eine  (klinisch  latente)  Embolie  eines  rechtsseitigen  Unter¬ 
lappenastes.  Als  Ausgangspunkt  wurden  marantische  Thromben  der 
Vena  poplitea  dextra  gefunden,  fortgesetzt  von  zahlreichen  maran¬ 
tischen  Thromben  in  varikös  erweiterten,  zum  Teil  sklerotisch  ver¬ 
dickten  Venen  der  Wade  (Saphena  minor  und  Muskelvenen,  be¬ 
sonders  des  Gastrocnemius). 

b)  Lobulärpneumonie  und  serofibrinöse  Pleuritis  bei  2  jährigem 
Kinde,  im  Anschluss  an  Masern  entstanden.  Anatomisch:  in  eitriger 
Einschmelzung  begriffener  Infarkt  des  Unterlappens  und  eitrige  Pneu¬ 
monie  bei  ausgedehnter  embolischer  Verstopfung  mehrerer  grosser 
Aeste  des  Unterlappens;  frische  Infarktbildung  im  gleichen  Unter¬ 
lappen.  Marantischer  Thrombus  an  der  Linea  terminalis  des  rechten 
Vorhofes,  ausgedehntere  marantische  Thromben  in  der  linken  Vena 
femoralis. 

Der  Vortragende  weist  darauf  hin,  dass  die  beiden  Fälle  durchaus 
nicht  Ausnahmen,  sondern  relativ  häufige,  klinisch  wenig  beachtete 
Vorkommnisse  darstellen.  Am  meisten  Beachtung  haben  jene  häufigen 
Fälle  gefunden,  welche  in  der  bekannten  Weise  durch  verstopfende 
Embolie  von  Lungenarterien  aus  peripherischen  Venenthromben  direkt 
tödlich  enden.  Infarktbildungen  sind  bekanntlich  gleichfalls  häufig,  .aber 
überwiegend  bei  Herzkranken  klinisch  feststellbar.  Dagegen  ist,  wie 
in  dem  ersteren  Falle,  der  Zusammenhang  blander  Embolie  und  dadurch 
hervorgebrachter  Disposition  des  betreffenden  Abschnittes  für  die 
Ansiedlung  von  Pneumonieerregern,  ohne  alle  Infarktsymptome  kli¬ 
nisch  fast  unbeachtet,  auch  anatomisch  in  seiner  Bedeutung  und 
Häufigkeit  kaum  genügend  eingeschätzt.  Neben  diesen  drei  Möglich¬ 
keiten  trifft  bekanntlich  auch  die  vierte  nicht  allzu  selten  zu,  dass 
bei  hochgradig  kachektischen  oder  anämischen  Individuen  Embolien 
der  Lunge  entweder  zu  gar  keinen  anatomisch  nachweisbaren  Ver¬ 
änderungen  führen  (Auffindung  von  einfachen  oder  multiplen,  weit¬ 
organisierten  Embolis  bei  karzinomatösen  (auf  Basis  von  Krebszell¬ 
embolie  oder  von  anderen  Thromben  aus),  terminale,  kleine  einfache 
oder  multiple  Embolien  als  häufiger  Befund  bei  anämischen  Phthi¬ 
sikern). 

Es  ist  besonders  hervorzuheben,  dass  sowohl  die  groben  als  die 
kleineren  Embolien  häufig  Vorkommen,  ohne  dass  an  ihrer  Ursprungs- 
stelle  Oedem,  Phlebitis  etc.  sich  gezeigt  hätte.  Alle  Patienten 
mit  Varizen  der  Unterextremitäten  müssten  in 
allen  Krankheitsfällen,  welche  zu  längerem  Liegen 
führen,  mit  Herzschwäche  einhergehen,  und  beson- 


6.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1609 


ders  in  allen  denjenigen,  bei  welchen  durch  infek¬ 
tiöse  Prozesse  die  Gerinnbarkeit  des  Blutes  ver¬ 
mehrt  wird,  in  Hinsicht  auf  derartige  Thromben¬ 
bildung  und  Emboliegefahr  besonders  aufmerksam 
überwacht  werden.  Allgemein  kann  nur  gesagt  werden,  dass 
die  Entstehung  der  Thromben,  soweit  nicht  eigentliche  Thrombo¬ 
phlebitis  in  Frage  kommt,  am  häufigsten  ist,  wenn  konkurrieren: 
Herzermüdung,  (Fettherz,  idiopathische  Dilatation,  Klappenfehler, 
Verfettung  des  Myokards),  infektiöse  Erkrankungen  (insbe¬ 
sondere  Pneumonie,  Typhus,  ausgedehnte  Eiterung),  Phleb¬ 
ektasien  (Phlebosklerose).  Unter  den  Embolis  sind  in 
der  genannten  Richtung  diejenigen,  welche  aus  maran¬ 
tischen  Thromben  des  rechten  Ventrikels  oder  Vorhofs  stammen, 
verhältnismässig  wenig  wichtig;  sie  führen  nicht  sehr  häufig  zu 
Lungenembolien  und  im  allgemeinen  werden  auch  meist  nur  kleine 
Stücke  von  ihnen  losgerissen.  Ebensowenig  kommen  für  Embolien 
die  an  sich  ja  viel  häufigeren  Thrombenbildungen  in  den  Venen  des 
Parametriums  —  ausser  in  Puerperium  und  Gravidität  —  oder  die 
Venen  des  Plexus  prostaticus,  die  gleichfalls  häufig  frühzeitig  throm- 
bosieren,  in  Frage:  denn  aus  ihnen  werden  nur  selten  Gerinnsel  ver¬ 
schleppt.  Es  ist  demnach  zu  erwarten,  dass  bei  genügend  darauf 
gerichteter  Untersuchung  die  so  häufigen  Thromben  in  den  peri¬ 
pherischen  Venen  auch  klinisch  häufig  diagnostiziert  und  daraus  die 
Konsequenzen  für  die  Vermeidung  von  Embolien  gezogen  werden. 

Diskussion:  Herr  K.  Herxheimer:  Der  Fall,  worüber 
Herr  A  1  b  r  e  c  h  t  soeben  sprach,  ist  ein  Pemphigus,  der  im  städti- 
v  sehen  Krankenhause  behandelt  wurde,  und  der  mehrfaches  Interesse 
bietet.  Zunächst  deshalb,  weil  er  von  der  Mundschleimhaut  aus¬ 
ging,  eine  Eigenschaft,  die  die  Krankheit  prognostisch  ernster  er¬ 
scheinen  lässt.  Dann  aber  auch,  weil  er  auf  fast  allen  sichtbaren 
Schleimhäuten  Platz  griff,  auf  den  Konjunktivae,  in  der  Nase,  am  Anus. 
Endlich,  weil  auf  der  Zunge  sich  Vegetationen  zeigten,  während  die¬ 
selben  auf  der  Haut  und  den  übrigen  Schleimhäuten  fehlten.  Es  ist 
ohne  weiteres  verständlich,  dass  die  Vegetationen  sich  zum  Pem¬ 
phigus  der  Schleimhaut  eher  zugesellen,  als  zu  dem  der  Haut,  weil 
dort  durch  die  Mazeration  des  Epithels  die  Papillen  leichter  aus- 
wachsen  können.  Pathologisch-anatomisch  möchte  ich  bemerken,  dass 
wohl  alle  Pemphiguskranken,  die  in  den  letzten  12(4  Jahren  im  städ¬ 
tischen  Krankenhause  starben,  an  Embolien  nach  peripheren  Throm¬ 
bosen  oder  an  Pneumonie  zu  Grunde  gingen. 

Herr  S  i  p  p  e  1  weist  darauf  hin,  wie  schwer  differenziell  dia¬ 
gnostisch  die  Unterscheidung  zwischen  Myom  und  Schwangerschaft 
sein  kann,  wenn  es  sich,  wie  bei  dem  von  ihm  operierten  und  von 
Herrn  A  1  b  r  e  c  h  t  demonstrierten  Uterus,  um  völlig  symmetrische 
Vergrösserung  des  Uteruskorpus  handelt,  wenn  die  schleimige  Erwei¬ 
chung  ein  verhältnismässig  rasches  Wachstum  des  Uterus  bedingt  und 
wenn  dadurch  die  Konsistenz  des  Myoms  der  eines  graviden  Uterus 
gleich  wird.  Erschwert  wird  die  Diagnose  durch  den  Umstand,  dass 
auch  beim  erweichten  Myom  die  umhüllende  Uteruswand  dieselben 
Kontraktionen  bei  der  Palpation  eingehen  kann,  wie  bei  Gravidität. 
Unter  Umständen  vermag  nur  die  Beobachtung  Klarheit  zu  schaffen. 
Umgekehrt  ist  die  schleimige  Erweichung  und  die  hierdurch  bewirkte 
Konsistenzveränderung  geeignet,  die  Diagnose  der  seltenen  Myome 
des  Ligamentum  latum  zu  erleichtern,  weil  gerade  diese  infolge  ihrer 
ungünstigen  Ernährungsbedingungen  sehr  oft  muzinös  entarten  und 
von  keiner  kontraktilen  Muskularis  umgeben  sind,  welche  Verände¬ 
rungen  in  der  Festigkeit  der  Geschwulst  veranlassen  kann. 

Herr  Edinger  demonstriert  das  Gehirn  von  Tursiopsis  tursio, 
einem  Delphin.  Hier  sind  die  Hemisphären  ganz  enorm  entwickelt 
und  auch  stark  gefurcht.  Sie  übertreffen  an  relativer  Masse  sogar 
die  des  Menschen  oder  erreichen  sie  doch.  Selbst  die  riesigsten 
Anthropomorphen,  hünenhafte  Gorillas,  haben  kaum  halb  so  grosse 
Hemisphären  wie  der  Mensch.  Da  nun  Alles  dafür  spricht,  dass  die 
Hemisphären  höherer  geistiger  Tätigkeit  dienen  und  da  sich  mit  ihrer 
Ausbildung  eben  die  Fähigkeit  zu  solcher  steigert,  so  erhebt  sich 
die  Frage  nach  dem  Gebrauch,  den  der  Delphin  von  so  hoch  ent¬ 
wickeltem  Gehirne  macht.  Es  ist  aber  da  gar  nichts  bekannt  und 
doch  dürfen  wir  annehmen,  dass  hier  in  der  Tiefe  des  Weltmeers 
Wesen  von  besonderer,  unsere  eigene  Begabung  vielleicht  in  vielen 
Richtungen  übertreffender  Begabung  leben.  Wir 
brauchen  nicht  mit  den  Romanschriftstellern  künstliche  Marsbe¬ 
wohner  konstruieren,  es  ist  vielmehr  durchaus  möglich,  dass  in  den 
Delphinen  Wesen  gegeben  sind,  die  uns  in  bestimmten  Beziehungen 
überragen.  Leider  besteht  gar  keine  Aussicht  die  Rätsel,  welche 
hier  die  Anatomie  aufgibt,  biologisch  zu  lösen. 

Herr  Scheven  demonstriert: 

1.  2  Fälle  von  Radikaloperation  der  Stirnhöhle.  Der  erste 
doppelseitig  operierte  bietet  infolge  der  kleinen  Raumverhältnisse 
der  erkrankten  Höhlen  ein  ideales  kosmetisches  Resultat:  der  2. 
Fall  betrifft  eine  extrem  grosse  Stirnhöhle  mit  ausgedehnten  Re- 
zessusbildungen  frontalwärts,  nach  dem  Schläfenbein  zu  und  einem 
tiefen  orbitalen  Rezessus.  Trotz  schwerster  Krankheitssymptome 
glatter  Verlauf;  Heilung  mit  tiefer  Impression  an  der  Stirn.  In  beiden 
Fällen  wurde  nach  K  i  1 1  i  a  n  operiert  und  das  Hauptgewicht  auf 
eine  weite  Kommunikation  nach  der  Nase  zu  gelegt. 

2.  5  Mandelsteine  aus  der  oberen  Mandelbucht  eines  15  jährigen 
jungen  Mannes,  die  fast  symptomlos  getragen,  nach  kurzen  Be¬ 
schwerden  durch  Brechakt  spontan  entleert  wurden.  Der  grösste 
dieser  5  Steine  allein  hat  einen  Umfang  von  6  cm,  ist  2(4  cm  hoch, 


2  cm  tief;  die  kleineren  Steine  sind  diesem  grossen  Konkrement  dicht 
angelagert  und  passen  mit  Kugelsegmenten  in  entsprechende  Aus¬ 
schliffe  des  grösseren  Steines  hinein,  so  dass  die  ganze  Masse  ein 
sich  gelenkartig  gegen  einander  verschiebendes  Gebilde  darstellt. 
Auf  diese  Art  war  die  Möglichkeit  gegeben,  dass  die  Steine  beim 
Schluckakt  sich  durch  gegenseitige  Verschiebung  den  sich  ändernden 
Raumverhältnissen  der  einzelnen  Phasen  anpassen  konnten  und  so 
erklärt  sich  wohl  der  symptomlose  Verlauf.  Die  chemische  Analyse 
(Dr.  Emden)  ergab  phosphorsauren  Kalk. 

3.  Viel  kleinerer  Mandelstein  ()(4I  Haselnuss)  von  maulbeerförmigem 
Aussehen,  der  wegen  starker  Beschwerden  (Hustenreiz)  entfernt  wer¬ 
den  musste;  die  umgebende  Tonsille  war  in  hartes  fibröses  Ge¬ 
webe  umgewandelt. 

4.  Speichelstein  aus  dem  Ductus  sublingualis.  Grösse  die  dop¬ 
pelte  eines  Kirschkernes.  Die  Verstopfung  des  Speichelganges  hatte 
zu  einer  diffusen  Entzündung  und  harten  Infiltration  des  Mundbodens 
geführt,  die  nach  Exzision  des  Steines  schnell  zuriiekging.  Die  Dia¬ 
gnose  machte  Schwierigkeiten,  weil  ein  voraufgegangenes  regionäres 
Karzinom  (vor  2  Jahren  operiert)  zunächst  an  Metastasen  denken 
liess. 

Herr  Emanuel:  Ein  Fall  von  Höhenschielen  (Parese  des 
Musculus  rectus  superior  sin.)  durch  Tenotomie  des  Musculus  rectus 
superior  (dext.)  geheilt. 

21  jähriger  Mann  bemerkt  seit  (4  Jahr,  dass  das  rechte  Auge 
beim  Blick  nach  links  höher  steht.  Nie  Doppeltsehen.  Der  Kopf  wird 
nach  links  und  etwas  nach  hinten  geneigt  gehalten.  Visus  beiderseits 
normal.  Bei  Fixation  des  rechten  Auges  steht  das  linke  tiefer,  bei 
Fixation  des  linken  Auges  das  rechte  höher.  Beim  starken  Blick 
nach  oben  bleibt  das  linke  Auge  etwas  zurück.  Prüfung  nach  Mad- 
dox:  1  Grad  Konvergenz,  Bild  des  linken  Auges  28  Grad  höher  als 
das  Bild  des  rechten.  Die  Höhendistanz  wächst  bei  Hebung  des 
Blicks  und  beim  Blick  nach  links,  nimmt  ab  beim  Senken  des  Blicks 
und  beim  Blick  nach  rechts:  Parese  des  Musculus  rectus  superior  sin. 

Operation:  Durchschneidung  des  Musculus  rectus  superior  dext. 
nach  vorheriger  Einlegung  eines  Fadens  durch  den  Muskel  zur  etwai¬ 
gen  nachträglichen  Dosierung  des  Effekts.  Nach  der  Operation  keine 
nennenswerten  Störungen  durch  Doppelbilder.  Nach  3  J  agen  Beginn 
der  stereoskopischen  Uebungen.  4  Wochen  nach  der  Operation  kos¬ 
metisch  und  funktionell  ideales  Resultat.  Nach  M  a  d  d  o  x  keine 
Höhendifferenz  beim  Blick  geradeaus.  Hering  scher  Fallversuch 
wiederholt  prompt  bestanden.  Bilder  im  Stereoskop  werden  leicht 
vereinigt  und  die  Sicherheit  der  Tiefenschätzung  nimmt  fortschrei¬ 
tend  zu. 

Herr  Cuno:  Bericht  über  den  Stand  der  unter  Kontrolle  des 
Vereins  stehenden  Milchkuranstalt. 

Im  Auftrag  der  Kommission  des  ärztlichen  Vereins  zur  Ueber- 
wachung  der  Frankfurter  Milchkuranstalt  referiert  Cuno  über  den 
Stand  der  Anstalt.  Durch  Anlegung  eines  Kontumazstalles  mit 
Weidegang  im  Odenwald  wurde  die  Anstalt  erweitert,  und  wurde 
es  dem  Anstaltsleiter  erlaubt,  20  Kühe  unter  weitgehenden  Kautelen 
auch  zu  einer  2.  Melkperiode  zuzulassen.  Von  den  90 — 95  Anstalts¬ 
tieren  wurden  täglich  ca.  1000 — 1050  Liter  Milch  gewonnen.  Der 
Durchschnittsmilchertrag  einer  Kuh  betrug  12,3  Liter.  Zum  Ersatz 
abgemolkener  Kühe  musste,  da  die  Schweiz  gesperrt  war,  auf  Oden- 
walder  Bergkühe  zurückgegriffen,  und  statt  Schweizer  Heu  solches 
aus  der  Schwäbischen  Alb  eingeführt  werden.  Die  Kühlvorrichtungen 
wurden  verbessert,  neue  Melkstühle  eingeführt.  Die  Tuberkulose 
der  Anstaltstiere  hat  abgenommen  und  wurde  nur  bei  10  Proz.  der 
seit  Januar  1906  verkauften,  geschlachteten  Tiere  geringgradige 
Tuberkulose  gefunden.  Nachimpfungen  mit  Tuberkulin  konnten  bis¬ 
her  noch  nicht  eingeführt  werden.  Die  bisherige  Trockenfütterung 
blieb  bestehen.  Der  Fettgehalt  der  Anstaltsmilch  betrug  fast  ständig 
4  Proz.;  ihr  Schmutzgehalt  war  minimal.  Durch  die  grosse  Zahl  der 
mit  der  Milch  vorgenommenen  Manipulationen  (mehrfaches  Durch- 
seihen,  grosse  Milchgefässe)  war  die  Zahl  der  Bakterien  in  der 
Milch  ziemlich  gross.  Bei  dem  jetzigen  Bestreben,  eine  bakterien¬ 
arme,  eventuell  zum  Rohgenuss  geeignete  Milch  zu  gewinnen,  wird 
die  Kommission  eine  möglichst  aseptische  Milchgewinnung  einzu¬ 
führen  versuchen.  Da  die  Kontrolle  eines  Stalles  schon  mit  grossen 
Schwierigkeiten  verbunden  ist,  hält  es  die  Ueberwachungskommission 
nicht  für  angebracht,  noch  andere  Anstalten  unter  Kontrolle  zu 
nehmen. 

Diskussion:  Herr  Hirschberg  fände  es  sehr  bedauer¬ 
lich,  wenn  der  Aerztl.  Verein  es  ablehnen  würde,  fernerhin  eine 
Ueberwachungskommission  für  die  Frankfurter  Milchkuranstalt  aus 
seiner  Mitte  zu  wählen.  Mit  einem  solchen  Beschluss  wäre  das 
Schicksal  der  Anstalt  besiegelt,  sie  würde  aufhören  zu  existieren. 
Wer  aber  die  Verhältnisse  der  Kinderernährung  in  Frankfurt  vor 
Errichtung  der  Anstalt  kannte,  wer  ein  Menschenalter  hindurch  die 
Vorzüge  der  von  der  Anstalt  gelieferten  Milch,  besonders  für  die 
Kinderernährung  erprobt  hat,  wird  für  die  Erhaltung  der  Anstalt  in 
der  jetzigen  Gestalt,  allerdings  vorbehaltlich  gewisser  Reformen,  ein- 
treten.  Der  Keimgehalt  allein  ist  es  nicht,  wie  selbst  Herr  N  ei  sscr 
hervorhebt,  der  das  Kriterium  einer  guten  oder  schlechten  Milch  ab¬ 
gibt.  Die  Hauptsache  ist  doch  eine  für  die  Kinderernährung,  nament¬ 
lich  im  abgekochten  Zustande,  qualitativ  geeignete  Milch.  Die  hatten 
wir  seit  30  Jahren,  und  nun  droht  die  Gefahr,  sie  zu  verlieren.  Des¬ 
halb  beantrage  ich,  die  bisherige  Kommission  wieder  zu  wählen, 
ihr  jedoch  aufzugeben,  die  geeigneten  Massnahmen  anzuordnen,  die 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


101U 


dahin  führen,  auch  im  Grossbetrieb  den  Keimgehalt  der  Milch  mög¬ 
lichst  herabzudrüoken.  Herr  Ne  iss  er  wird,  wenn  er  es  auch  ab¬ 
lehnt,  der  Kommission  anzugehören,  ihr  mit  seinem  bewährten  Rat 
sicherlich  gerne  zur  Seite  stehen. 

Herr  Flesch  (zur  Geschäftsordnung):  Es  erscheint  eine  Gene¬ 
raldiskussion  vor  Eintritt  auf  die  von  dem  Vorsitzenden  angeregten 
Einzelpunkte  wünschenswert,  weil  es  vielleicht  am  Platze  ist.  dass 
bei  diesem  Anlass  der  Verein  sich  über  die  Gesamtlage  der  Milch- 
versorgung  der  Stadt  äussert;  die  Beschaffung  grösserer  Milch¬ 
zufuhren  aus  Gebieten  mit  Weidehaltung  ist  nicht  ausgeschlossen, 
wenn  dieselbe  von  ärztlicher  Seite  verlangt  wird. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  5.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Schriftführer:  Herr  Herschel. 

Herr  Fries  zeigt  ein  Intrauterinpessar,  das  als  antikonzeptio¬ 
nelles  Mittel  bei  einer  psychisch  Kranken  eingelegt  war  und  das  nun 
in  der  Anstalt  entfernt  ist.  Die  oberen  Enden  gehen  federnd  aus¬ 
einander,  um  dem  Instrument  Halt  zu  geben;  vor  dem  Ende  am 
äusseren  Muttermund  liegt  federnd  eine  breite  Platte  auf,  um  den 
Verschluss  zu  bewirken. 

In  der  Diskussion  bemerkt  Herr  Veit,  dass  Konzeption 
auch  beim  Tragen  eines  Intrauterinpessars  erfolgt  ist,  wie  in  der 
Literatur  beschrieben. 

Herr  Pfeifer:  Ueber  die  Diagnose  von  Hirntumoren 
durch  Hirnpunktion. 

Nach  einem  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Hirnpunktionen 
geht  der  Vortragende  kurz  auf  die  Resultate  seiner  bis  zum  Sommer 
des  vorigen  Jahres  zum  Zwecke  der  Diagnose  von  Hirntumoren 
vorgenommenen  Hirnpunktionen  ein.  Er  betont  dabei,  dass  es  sich 
bei  den  früheren  Punktionen  im  wesentlichen  um  die  Gewinnung 
flüssigen  Materials  gehandelt  hat  und  dass  es  ihm  zuerst  gelungen 
ist,  mittels  der  Hirnpunktionen  solide  Hirntumoren  festzustellen.  Er 
demonstriert  sodann  sein  bei  der  Punktion  benütztes  Instrumentarium 
und  berichtet  über  den  weiteren  Krankheitsverlauf  bei  den  bis  zum 
Sommer  des  vorigen  Jahres  auf  Grund  der  Hirnpunktion  zur  Ope¬ 
ration  gekommenen  Fälle.  Unter  7  von  diesen  Fällen  sind  bei  5 
nach  einem  Verlauf  von  1 — 2  Jahren  seit  der  Operation  keine  Allge¬ 
meinerscheinungen  aufgetreten.  Bei  einem  Fall  trat  einige  Monate 
nach  der  Operation  eine  Verschlimmerung  ein,  die  zum  Exitus  führte. 
Bei  einem  Fall  ist  die  Stauungspapille  noch  nicht  verschwunden, 
während  die  subjektiven  Hirndrucksymptome  nachgelassen  haben. 

Sodann  berichtet  der  Vortragende  über  zwei  weitere  Fälle  von 
Hirntumoren,  die  durch  Gehirnpunktionen  diagnostiziert  und  operiert 
wurden. 

Bei  dem  einen  wurde  ein  Tumor,  dessen  Sitz  klinisch  in  die 
Umgebung  der  rechten  motorischen  Region  zu  verlegen  war,  ohne 
dass  jedoch  eine  genaue  Lokaldiagnose  gestellt  werden  konnte,  mittels 
der  Punktion  am  rechten  Stirnhirn  1  cm  vor  dem  rechten  Armzentrum 
festgestellt,  und  zwar  wurde  dabei  so  viel  Tumormaterial  gewonnen, 
dass  Schnittpräparate  angefertigt  werden  konnten.  An  diesen  liess 
sich  mit  Anwendung  der  M  a  1 1  o  r  y  sehen  Gliafärbung  ein  Gliom 
feststellen.  Zugleich  wurde  ermittelt,  dass  der  Tumor  nicht  weiter 
als  3  cm  von  der  Hirnoberfläche  entfernt  sein  konnte,  und  dass  die 
basalen  Partien  des  rechten  Stirnhirns  und  der  rechte  Temporal¬ 
lappen  frei  von  Tumor  waren. 

Die  Diagnose  wurde  durch  die  Operation  bestätigt,  der  Tumor 
konnte  jedoch,  da  er  von  erheblicher  Grösse  war  und  weit  in  die 
I  iefe  ging,  nicht  vollständig  exstirpiert  werden.  Nach  anfänglichem 
Rückgang  der  Hirndrucksymptome  trat  dann  späterhin  durch  das 
Weiterwachsen  des  Tumors  wieder  eine  Verschlechterung  ein;  etwa 
4  Monate  nach  der  Operation  erfolgte  der  Exitus. 

Bei  dem  zweiten  Fall  wurde  zunächst  durch  2  Punktionen  am 
linken  Parietalhirn  eine  Zyste  festgestellt  und  zugleich  durch  weitere 
Punktion  am  rechten  Seitenventrikel  ermittelt,  dass  diese  Zyste  nicht 
mit  dem  Ventrikel  in  Verbindung  stehen  konnte.  Die  Zystenflüssig¬ 
keit  war  zähflüssig  und  goldgelb,  die  Ventrikelflüssigkeit  wasser¬ 
klar.  Der  Eiweissgehalt  der  Zystenflüssigkeit  betrug  das  10  fache 
von  dem  der  Ventrikelflüssigkeit.  Durch  Untersuchung  von  Gewebs- 
stiieken  die  zugleich  mit  der  Zystenflüssigkeit  aspiriert  worden  waren, 
wurde  ausserdem  festgestellt,  dass  die  Zystenflüssigkeit  aus  dem 
Innern  eines  I  umors  und  zwar  eines  Sarkoms  stammte. 

Auch  in  diesem  Falle  wurde  die  auf  Grund  dier  Punktion  gestellte 
1  hagnose  durch  die  Operation  bestätigt.  Leider  war  auch  diesmal 
der  1  umor  zu  gross,  so  dass  eine  vollständige  Exstirpation  nicht 
möglich  war.  Der  Kranke  starb  etwa  4  Wochen  nach  der  Operation. 

Der  Vortragende  weist  schliesslich  darauf  hin,  dass  die  Lokal¬ 
diagnose  von  Hirntumoren  mit  Zuhilfenahme  der  Hirnpunktion  rascher 
gestellt  werden  kann  als  durch  die  klinische  Untersuchung  allein, 
mul  hebt  den  wichtigen  Einfluss  der  durch  die  Hirnpunktion  sicher¬ 
gestellten  Diagnose  auf  ein  rasches  therapeutisches  Handeln  hervor. 

Bei  den  letzten  beiden  Fällen  war  die  histologische  Diagnose 
dadurch  verfeinert,  dass  mit  dem  verbesserten  Instrumentarium  so 


grosse  Gewebsstiicke  gewonnen  wurden,  dass  Schnittpräparate  ange¬ 
fertigt  und  Spezialfärbungen  vorgenommen  werden  konnten. 

Die  Diskussion  wird  vertagt. 

Herr  Veit:  Ueber  den  Kaiserschnitt  nach  Frank. 

Vortr.  berichtet  über  zwei  Fälle,  in  denen  er  nach  dem  Vor¬ 
schlag  von  Frank  mit  Erfolg  den  Kaiserschnitt  gemacht  hat.  Das 
erste  Mal  handelte  es  sich  um  eine  Kreissende,  die  ziemlich  weit 
mit  der  Bahn  hergeschickt  wurde  und  bei  der  bei  einem  Becken  mit 
einer  Conjugata  vera  von  wenig  über  6  cm  die  noch  eben  pulsierende 
Schnur  aus  der  Vulva  heraushing.  Der  normale  Kaiserschnitt  bot 
wegen  der  langen  Geburtsdauer  eine  schlechte  Prognose;  daher  wird 
das  Peritoneum  der  vorderen  Uteruswand  in  der  Gegend  des  unteren 
Uterinsegmentes  an  das  Peritoneum  parietale  genäht  und  so  die 
Bauchhöhle  ganz  von  der  Uterushöhle  abgeschlossen.  Kind  tief  as- 
ohyktisch,  wird  belebt.  Mutter  genesen,  wenn  auch  nicht  ohne  Fieber. 
Vortr.  nimmt  Veranlassung,  an  der  Hand  dieses  und  eines  zweiten 
erfolgreichen  Falles  auf  die  Vorteile  dieser  übrigens  noch  vierbesse¬ 
rungsfähigen  Methode  hinzuweisen.  Auch  betont  er  die  grossen 
Unterschiede  in  der  klinischen  Bedeutung  der  Fäulniskeime  von  den 
virulenten  Keimen;  handelt  es  sich  um  die  letzteren,  so  hilft  natür¬ 
lich  der  Bauchhöhlenabschluss  nichts,  während  er  bei  Fäulniskeimen 
von  der  grössten  Bedeutung  ist. 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  28.  Mai  1907. 

Diskussion  zum  Vortrag  des  Herrn  Thorbecke: 
Ueber  Lumbalanästhesie. 

Herren  Bai  sch,  Schoenborn  und  N  a  r  a  t  h. 

Herr  Kermauner:  Ich  möchte  doch  ein  Wort  einlegen  für 
die  Kombination  der  Lumbalanästhesie  mit  der  Morphium-Skopolamin- 
Halbnarkose,  der  wir  neuerdings  mit  recht  gutem  Erfolge  auch  noch 
V  e  r  o  n  a  1  zugefügt  haben.  Ueber  die  pharmakologisch-toxische 
Seite  kann  ich  mich  zwar  weiter  nicht  aussprechen,  ich  müsste  das 
Fachmännern  überlassen.  Ich  kann  nur  anführen,  dass  wir  nie  irgend¬ 
welche  unangenehmen  Folgen  gesehen  haben,  die  darauf  zurückzu¬ 
führen  gewesen  wären.  Die  Zahl  der  Neben-  und  Nachwirkungen  ist 
bei  uns  jedenfalls  nicht  grösser  als  in  anderen  Statistiken,  bei  reiner 
Lumbalanästhesie.  Hingegen  sind  die  Vorteile  in  die  Augen  springend; 
der  direkte  Vergleich  hat  uns  überzeugt.  Unsere  ersten  Lumbal¬ 
narkosen,  über  welche  V  ö  1  c  k  e  r  seinerzeit  hier  berichtet  hat,  sind 
ohne  diese  Kombination  ausgeführt  worden;  sie  halten  den  Vergleidi 
nicht  aus;  unsere  jetzigen  Anästhesien  sind  —  Versager  infolge  tech¬ 
nischer  Fehler,  welche  immer  noch  Vorkommen,  abgerechnet  —  weit¬ 
aus  ruhiger,  angenehmer  und  sicherer.  Die  Patientinnen  machen  alle 
Vorbereitungen  zur  Operation  halb  oder  ganz  schlafend  mit  und 
schlafen  noch  stundenlang  nachher,  verschlafen  somit  einen  gute-' 
Teil  des  Wundschmerzes,,  der  sonst  regelmässig  nach  der  Operation 
recht  intensiv  auftritt.  Während  der  Operation  perzipiert  die  Pa¬ 
tientin  meist  nichts,  ein  Umstand,  der  für  manchen  Operateur  sehr 
angenehm  ist;  er  braucht  seine  Worte  nicht  in  acht  zu  nehmen;  nicht 
jedes  Wort,  das  hier  gesprochen  wird,  ist  für  das  Ohr  des  Kranken 
bestimmt.  Gerade  diese  praktischen  Vorzüge  sind  so  gewichtig, 
dass  ich  die  Kombination,  sei  es  bei  Stovain,  sei  es  bei  Tropakokain, 
zu  dem  wir  wieder  zurückkehren,  nicht  mehr  missen  möchte. 

Herr  Thorbecke  (Schlusswort):  All  den  Ausführungen  von 
heute  Abend  möchte  ich  —  nachdem  meine  Arbeit  in  extenso  in  der 
Medizin.  Klinik  (No.  14)  erschienen  ist  —  nur  noch  einmal  hinzufügen, 
wl_e  Dr.  Kermauner  eben  betonte,  dass  wir  den  Dämmerschlaf 
bei  der  Lumbalanalgesie  nicht  mehr  missen  mögen  vor  allem  aus 
humanen  Gründen. 

Was  die  Pulsverlangsamung  anbelangt,  verweise  'ich  auf  die  Ar¬ 
beit  von  Dir.  Himmelheberin  der  Medizin.  Klinik  (No.  21),  worin 
auf  Gi und  der  bei  uns  beobachteten  Fälle  ihre  Erklärung  versucht 
wurde. 

Zum  Schluss  möchte  ich  nochmals  auf  unsere  Resultate  e’ingehen. 
Wir  haben  jetzt  eine  Serie  von  154  Stovain-Lumbalanalgesien  abge- 
schlossen  und  fanden,  dass  unsere  Resultate  gegen  früher  sich  noch 
vervollkommnet  haben;  u.  zw.  99  vollkommene  (=  64,3  Proz.).;  37 
(bezw.  32)  unvollkommene  Analgesien  (=  24,0  Proz.)  und  18  Ver¬ 
sager“  (=  11,7  Proz.). 

Dazu  ist  zu  bemerken,  dass  wir  in  der  Dosis  versuchsweise  noch 
weiter  herabgegangen  sind  (für  vaginale  Operationen  0,02 — 0,04,  für 
Laparotomien  0,03—0,06  Stovain),  dabei  allerdings  erfahren  mussten, 
dass  die  Güte  und  die  Dauer  der  Analgesie  öfter  zu  wünschen  übrig 
liessen. 

Entsprechend  waren  die  Neben-  bezw.  Nachwirkungen:  wir  haben 
unter  den  i54  Fällen  92  mal  (=  59,8  Proz.)  absolut  keine,  21  mal 

13,6  Lioz. )  Neben-  und  41  ( —  26,6  Proz.)  Nachwirkungen. 

Wir  haben  vorläufig  mit  den  Stovain-„Narkosen“  abgeschlossen, 
r'w  ’e*rl?r  entsprechenden  Zahl  von  Tropakokainanalgesien  ein 
iten  über  die  Giftigkeit  bezw.  Folgen  des  Stovains  zu  erhalten  und 
fallen  zu  können. 

p,  .  Hen  v.  Lichtenberg  macht  Mitteilung  über  einen  seltenen 
rall  von  Oesophagusperforation,  welcher  grosse  diagnostische  Schwie- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1611 


6.  August  1907. 


rigkeiten  darbot,  und  erst  nach  dem  Tode  völlig  geklärt  wurde.  Der 
Fall  wird  kurz  in  dieser  Wochenschrift  publiziert. 

Herr  Schwalbe:  Kephalothorakopagen  und  Thorako- 
pagen.  Einiges  über  Bau  und  Genese. 

Vortr.  sprach  über  seine  Untersuchungen,  die  er  zum 
grössten  Teil  in  seiner  „Morphologie  der  Missbildungen,  II  (die 
Doppelbildungen)“  veröffentlicht  hat.  Eingehender  wurden  die 
Kephalothorakopagen  mit  zyklopischem  Defekt  behandelt  und 
auf  die  Bedeutung  dieser  Doppelbildungen  für  die  Auffassung 
der  Zyklopie  hingewiesen.  Da  eine  fortlaufende  Reihe  von 
Kephalothoracopagus  disymmetros  bis  zum  Kephalothoraco- 
pagus  monosymmetros  tribrachius  aufgestellt  werden  kann,  so 
spricht  dies  dafür,  dass  die  Entwicklung  der  Zyklopie  bei 
Janusbildungen  schon  auf  einer  sehr  frühen  Anlage  begründet 
ist.  Wahrscheinlich  ist  die  teratogenetische  Terminations¬ 
periode  für  die  syngenetische  Missbildung  der  Zyklopie  bei 
Kephalothorakopagen  in  die  Zeit  bis  zur  Gastrulation  zu  legen. 
Jedenfalls  hat  die  Zyklopie  bei  Janusbildungen  keine  amniogene 
Entstehung.  Das  spricht  natürlich  sehr  gegen  die  von  vielen 
angenommene  amniogene  Entstehung  der  Zyklopie  überhaupt. 
Dasselbe  gilt  von  der  Arhinenkephalie. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

V.  Sitzung  vom  5.  März  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  The  len:  Ueber  die  Diagnostik  der  chirurgischen 
Nierenerkrankungen  mit  Hilfe  der  Zystoskopie  und  des  Ureteren- 
katheterismus. 

Herr  T  h  e  1  e  n  hat  eine  Reihe  interessanter  chirurgischer 
Nierenerkrankungen  mit  Hilfe  der  Zystoskopie,  des  Ureteren- 
katheterismus  und  des  Röntgenogramms  diagnostiziert  und  be¬ 
spricht  den  Wert  dieser  neuen  Untersuchungsmittel.  Besonders 
lässt  sich  bei  der  Nierentuberkulose  aus  den  zystoskopisch 
sichtbaren  Veränderungen,  dem  Oedem,  dem  erweiterten 
Lumen  der  Ureterenmündung,  den  vorhandenen  Ulzerationen, 
Knötchen  und  Gefässsternen  in  der  Umgebung  der  Ureteren¬ 
mündung  die  frühzeitige  Diagnose  einer  tuberkulös  erkrankten 
Niere  stellen.  In  zweifelhaften  Fällen  entscheidet  der  Nach¬ 
weis  der  Tuberkelbazillen  des  mit  dem  Uretenkatheter  aus  der 
voraussichtlich  erkrankten  Niere  aufgefangenen  Urins. 

Bei  einem  17  jährigen  Mann,  der  zeitweise  blutigen  Harn  hatte, 
ergab  die  Zystoskopie  eine  vollständig  normale  Blase,  aus  der  rechten 
Uretermündung  trat  blutiger  Harn  aus.  Der  Urin  der  rechten  Niere, 
mit  dem  Ureterkatheter  entnommen,  enthielt  reichlich  rote  Blutkör¬ 
perchen  und  Tuberkelbazillen.  Der  Urin  der  linken  Niere  zeigte 
keine  pathologischen  Bestandteile.  Es  wurde  rechts  die  Nephrek¬ 
tomie  ausgeführt  und  es  fanden  sich  im  Parenchym  zahlreiche  erbsen- 
bis  haselnussgrosse,  mit  Eiter  angefüllte  Kavernen,  im  Nierenbecken 
ausser  vielen  Tuberkelknötchen  ein  tuberkulöses  Ulcus,  welches  die 
Blutung  verursacht  hatte.  Der  Ureter  der  erkrankten  Niere  war 
noch  vollständig  frei  von  tuberkulösen  Erscheinungen.  Die  Opera¬ 
tionswunde  heilte  ohne  Fistel.  Seit  4  Jahren  ist  der  betreffende  ]unge 
Mann  ganz  gesund  und  sein  Urin  frei  von  Blut,  Eiter  und  Tuberkel¬ 
bazillen. 

Besteht  bei  Männern  gleichzeitig  eine  tuberkulöse  Pro¬ 
statitis  und  eine  Tuberkulose  der  Samenbläschen,  so  wird 
durch  die  Nephrektomie  einer  erkrankten  JNiere  nicht  viel  er¬ 
reicht,  da  die  Blase  aszendierend  immer  wieder  infiziert  wird. 

In  einem  Falle  konnte  Vortragender  bei  einer  rechtsseitigen 
tuberkulösen  Pyonephrose  eine  linksseitige  toxische  Albu¬ 
minurie  feststellen,  die  einige  Wochen  nach  der  Entfernung 
der  erkrankten  Niere  vollständig  schwand. 

Unter  54  Fällen  von  Blasentuberkulose  konnte  er  durch  die 
Zystoskopie  und  den  Ureterenkatheterismus  bei  32  die  Mit¬ 
erkrankung  einer  Niere  feststellen.  Bei  Nierensteinen  ist  ausser 
der  zystoskopischen  Diagnostik  das  Röntgenogramm  von  aus¬ 
schlaggebender  Bedeutung.  In  vier  Fällen,  in  denen  zysto¬ 
skopisch  eine  eitrige  Pyelitis  oder'  eine  Hämaturie  aus  einer 
Niere  festgestellt  wurde,  ergab  das  Röntgenogramm  einen 
deutlichen  Schatten,  der  sich  bei  der  Operation,  von  einem 
Nierenstein  herrührend,  bestätigte. 

Bei  einem  Patienten,  der  eine  rechtsseitige  Pyelitis  mit  einem 
Calculus  im  Nierenbecken  hatte,  war  die  linke  Ureterenmündung  nicht 
sichtbar.  Auch  nach  Indigokarmininjektion  trat  ke;in  gefärbter  Harn 


in  der  Gegend  der  linken  Uretermündung  aus.  Bevor  auf  diesen 
Befund  hin  die  rechtsseitige  Pyonephrose  und  der  Calculus  entfernt 
wurde,  überzeugte  sich  Geheimrat  Prof.  Bardenheuer,  der  die 
Operation  ausführte,  ob  eine  linke  Niere  vorhanden  sei,  und  in  der 
Tat  bestätigte  sich  der  zystoskopische  Befund,  die  linke  Niere  fehlte. 

Vortragender  hatte  häufig  Gelegenheit,  einseitige  lang- 
dauernde  Nierenblutungen  zystoskopisch  zu  diagnostizieren, 
deren  Ursache  weder  Stein,  Tumor,  noch  Tuberkulose  war, 
sondern  Blntgefässerkrankung  bei  interstitieller  Nephritis. 

Interessant  sind  auch  die  zystoskopischen  Befunde  bei 
alten  Prostatikern,  wo  man  oft  grosse  Divertikel  findet;  die 
Ureterenmündungen  sind  stark  diktiert  und  infolgedessen  für 
eine  aszendierende  Infektion  prädisponiert. 

Am  meisten  ist  differentialdiagnostisch  mit  dem  Zystoskop 
und  dem  Ureterenkatheter  zu  entscheiden,  ob  eine  Zystitis  oder 
Pyelitis  resp.  Pyelonephritis,  die  aszendierend  oder  auf  dem 
Wege  der  Blut-  oder  Lymphbahn  entstanden  ist,  vorliegt.  Vor¬ 
tragender  zystoskopierte  mehrere  Male  Pyelitiden  bei 
schwangeren  Frauen,  welche  durch  Ureterkompression  und 
Retention  von  Urin  im  Nierenbecken  entstanden  waren. 

Von  grossem  Wert  ist  auch  der  Ureterkatheterismus  bei 
Uretervaginalfisteln  nach  gynäkologischen  Operationen,  um 
festzustellen,  welcher  Ureter  der  verletzte  ist,  da  meist  die 
Fistelöffnung  in  der  Vagina  sich  nicht  auffinden  lässt. 

Am  Schlüsse  erwähnt  er  noch  den  von  K  a  t  h  e  1  i  n  an¬ 
gegebenen  Harnsegregator,  den  er  mehrere  Male  anwendete, 
ohne  mit  demselben  zu  einem  einwandfreien  Resultate  zu 
kommen. 

Herr  Horn  Demonstrationen. 


Physiologischer  Verein  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  F  e  b  r  u  a  r  1907. *) 

Herr  Pfeiffer:  Ueber  Harnsäure. 

Vortragender  gibt  nach  kurzen  chemischen  Vorbemer¬ 
kungen  einen  Ueberblick  über  den  jetzigen  Stand  der  Harn¬ 
säurefrage  und  berührt  dabei  die  Frage  der  Harnsäurebildung 
bei  Säugetieren  und  Vögeln,  der  Harnsäurezersetzung,  des 
Ortes  der  Harnsäurebildung  und  -Zersetzung,  der  Lösungs¬ 
bedingungen  und  Lösungsverhältnisse  der  Harnsäure  im  Blute, 
den  Gewebssäften  und  im  Harn.  Zum  Schluss  wird  das  Ver¬ 
halten  der  Harnsäure  im  Organismus  des  Gichtikers  kurz  ge¬ 
streift. 

Herr  Henke:  Ueber  die  seitlich  eingezogene  Kieferform. 

(Ausführlich  veröffentlicht  im  Jahresbericht  der  zahnärztlichen 
Universitätspoliklinik  zu  Kiel  1906/07.) 

Sitzung  vom  6.  Mai  1907. 

Herr  Piper:  Ueber  willkürlichen  Tetanus.  (Wird  in 
Pflügers  Archiv  erscheinen.) 

Herr  Ho  eh  ne  demonstriert  ein  ca.  14  Tage  altes  menschliches 
Abortivei  (3  : 3.5  mm)  in  seinem  Situs  in  der  SDontan  ausgestossenen 
Dezidua.  An  der  Innenfläche  der  tvpisch  gefelderten  Dezidua  tritt 
deutlich  der  Implantationshügel  mit  einer  leicht  gebogenen  spalt¬ 
förmigen  Implantationsöffmmg  hervor.  An  der  rauhen  Ablösungs¬ 
fläche  der  Dezidua  sieht  man  die  eröffnete  Eikammer  und  in  ihr  den 
höchstens  hanfkorngrossen,  von  einem  dichten  Zottenmantel  umge¬ 
benen.  Eikörper,  der  nur  an  der  Einbohrungsstelle  mit  der  Frucht¬ 
kapsel  in  Verbindung  steht. 

Sitzung  vom  27.  Mai  1907. 

Herr  H  o  e  h  n  e:  Zur  Morphologie  der  intramuskulären  Ab¬ 
zweigungen  des  Tubenluniens. 

Von  den  zahlreichen  bezüglich  der  Aetiologie  der  Extra¬ 
uteringravidität  aufgestelltcn  Theorien  hat  n  u  r  d  i  e  wenn  auch 
nur  spärliche  sichere  Stützpunkte  aufzuweisen,  deren  Anhänger 
mechanische  Hindernisse  auf  dem  Eiwege  als  Ursache  für  die 
ektopische  Eieinbettung  annehmen.  Speziell  auf  mechanische 
Hindernisse  gerichtete  Untersuchungen  an  schwangeren  Tuben 
haben  in  der  Tat  positive  Resultate  gebracht,  in  Gestalt  von 
mehr  oder  weniger  ausgesprochenen  Faltenverwachsungen 
und  von  epithelialen  Wandgängen.  Auch  durch  das  Ma¬ 
terial  der  Kieler  Universitäts-Frauenklinik 
konnte  bestätigt  werden,  dass  Faltenver¬ 
wachsungen  und  intramuskuläre  Abzwei¬ 
gungen  des  Tubenlumens  ein  überaus  h  ä  u  f  i  - 

-  j  i  *> 

*)  Der  Redaktipn  zugegangen  am  20,  Juni  1907. 


1612 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32. 


ger  Befund  in  schwangeren  Tuben  sind.  Und 
nicht  nur  die  gravide,  sondern  auch  die  anderseitige  Tube  bei 
Eileiterschwangerschaft  enthält  keineswegs  selten  die  erwähn¬ 
ten  Veränderungen.  Sie  müssen  a  1  s  d  i  e  Folge  eines 
überstandenen  Entzündungsprozesses  ange¬ 
sehen  werden,  da  sie  nur  in  Tuben  Vorkommen, 
die  auch  sonst  typische  Zeichen  einer  durch¬ 
gemachten  Salpingitis  erkennen  lassen  (ge¬ 
naue  Untersuchung  von  e  t  \v  a  150  normalen  und 
pathologischen  Tube  n).  Mit  den  durch  Windungen 
und  Torsionen  bedingten  Unregelmässigkeiten  und  Aus¬ 
bauchungen  der  Eileiterlichtung,  mit  den  in  normalen  Tuben 
vorkommenden,  mit  faltentragender  Schleimhaut  ausgekleide¬ 
ten  Divertikeln  und  mit  den  seltenen  Fällen  von  Tubenver¬ 
doppelung  haben  die  intramuskulären  Abzweigungen  des  Tu- 
benlumens  gar  nichts  zu  tun.  Vielmehr  zeigen  sie  grosse 
Uebereinstimmung  mit  den  epithelialen  Wandgängen,  die  bei 
den  sog.  Adenomyomen  der  Tubenwinkel  und  bei  der  Salpin¬ 
gitis  isthmica  nodosa  beobachtet  werden.  H.  gibt  eine  genaue 
Charakteristik  der  intramuskulären  Abzweigungen  des  Tuben¬ 
lumens.  Die  eigentümlichen  Formverhältnisse  zeigt  er  an 
einem  komplizierteren  Gangsystem,  das  in  einer 
der  gesammelten  chronisch  entzündeten  Tuben  gefunden  und 
nach  dem  Bornschen  Rekonstruktionsver¬ 
fahren  modelliert  worden  ist  (Demonstration 
des  aus  150  Serienschnitten  ä  15  .«  aufgebauten  Modells 
und  der  dem  Modell  zugrunde  liegenden  mikroskopi¬ 
schen  Präparate).  Sehr  viele  der  intramuskulären  Ab¬ 
zweigungen  des  Tubenlumens  kommen  schon  deshalb  für  die 
ektopische  Einbettung  des  Eies  nicht  in  Frage,  weil  ihr  Kaliber 
und  ihre  Zugangsöffnung  zu  winzig  sind.  Andere  dagegen 
haben  ein  weites  Lumen  und  ein  weites  Kommunikations- 
ostium,  bis  zu  2  mm  Durchmesser.  Dass  ein  befruchtetes  Ei 
auf  seinem  Transport  zum  Uterus  eine  so  weite  Fallgrube 
immer  glücklich  passieren  sollte,  kann  nicht  gerade  als  wahr¬ 
scheinlich  betrachtet  werden.  Ist  aber  das  entwicklungsfähige 
Ei  einmal  in  ein  geräumiges  weitverzweigtes  Kanalsystem 
hineingeraten,  so  wird  es  schwerlich  wieder  herauskommen, 
sondern  entweder  zugrunde  gehen  oder  hier  zur  Ansiedelung 
gelangen  müssen. 

Herr  Göbell:  Ueber  die  Heilung  von  Herzwunden. 

Vortr.  hat  bei  50  Tieren  (Kaninchen.  Katzen,  Hunden)  die 
Heilungsvorgänge  von  am  freigelegten  Herzen  gesetzten  und 
durch  Katgut-  oder  Seidennaht  geschlossenen  Herzwunden  ■ 
studiert.  Von  den  50  Tieren  —  bei  einigen  wurden  auch  Ampu¬ 
tationen  der  Herzspitze  öder  eine  Resektion  eines  Stücks  Ven¬ 
trikelwand  (bis  ins  Endokard)  vorgenommen  —  sind  nur  7  so¬ 
fort,  und  zwar  4  an  Verblutung,  2  an  doppelseitigem  Pneumo¬ 
thorax  und  1  an  Herzprolaps,  gestorben,  während  11  innerhalb 
kurzer  Zeit,  längstens  nach  9  Tagen  an  Perikarditis  zugrunde 
gingen.  An  32  Tieren  konnte  Vortr.  die  Heilungsvorgänge  bis 
zu  1 1  Monaten  nach  der  Herznaht  histologisch  untersuchen.  Da¬ 
nach  ist  die  Wirkung  einer  Naht  des  Herzmuskels  nicht  so  un¬ 
schädlich  für  das  Herzmuskelgewebe,  wie  sie  von  Eisberg 
früher  hingestellt  worden  ist.  Fast  jedesmal  wird  das  von  der 
Naht  umschlungene  Gewebe  geschädigt,  und  falls  ein  Ast  der 
Koronararterie  umstochen  ist,  ist  die  Schädigung  noch  be¬ 
trächtlicher.  Sehr  oft  sieht  man  Bilder,  die  einem  anämischen 
Infarkt  an  der  Stelle  der  Naht  gleichkommen.  Macht  man  Am¬ 
putationen  der  Herzspitze  wie  Eisberg  oder  Herzwand¬ 
resektionen.  so  kann  man  finden,  dass  ganz  breite  Partien  der 
genähten  Herzwand  in  einen  anämischen  Infarkt  verwandelt 
sind.  Die  Folge  dieser  durch  die  Naht  gesetzten  Gewebs¬ 
schädigungen  sind  Narben  und  Schwielenbildungen.  Vortr.  ist 
in  der  Lage  Präparate  zu  demonstrieren,  an  welchen  bereits 
deutliche  Aneurvsmabildung  der  Herzwand  nachweisbar  ist. 
Ueber  die  Einzelheiten  wird  in  einer  ausführlichen  Arbeit  dem¬ 
nächst  berichtet  werden. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  20.  Juni  1907. 

Herr  Z  a  r  n  i  k:  Ueber  ein  neues  Protozoon.  (Mit  Demon¬ 
strationen.) 


Das  neu  entdeckte  Protozoon,  Solenopus  chon- 
dropho  rus  n.  g.,  n.  sp.,  stammt  aus  dem  adriatischen  Meer 
und  gehört  zur  Gruppe  der  Plasmodroma.  Der  Körper  hat  die 
Form  und  Grösse  einer  kleinen  Erbse  und  ist  dunkelbraun  ge¬ 
färbt.  Er  ist  von  einer  feinen  hornigen  Cuticula  überzogen, 
welche  an  der  einen  Seite  eine  grössere  Oeffnung  hat  zum 
Durchtritt  der  Pseudopodien.  Das  Plasma  hat  zahlreiche 
kleine  Kerne.  Ausserdem  ist  es  von  gelblichen  Körnern  einer 
organischen  Siliciumverbindung,  sog.  Phaeochondren,  die  als 
Skelettgebilde  aufzufassen  sind,  und  kleineren,  im  Leben  stets 
in  tanzender  Bewegung  befindlichen,  stark  lichtbrechenden 
Körnchen,  sog.  Kinochondren,  erfüllt.  Die  Pseudopodien  sind 
ganz  anders  gebaut  wie  die  bisher  bekannten  Gebilde  dieses 
Namens,  sie  sind  ganz  homogen,  ohne  Strömungen  und  be-  ' 
stehen  aus  einer  festen  Aussenschicht,  welche  ihnen  eine  starre 
Becshaffenheit  verleiht,  und  einer  flüssigen  Innenmasse,  die 
jedoch  vom  Körperplasma  verschieden  ist.  Die  Tiere  pflanzen 
sich  durch  Bildung  von  Schwärmern  fort.  Infolge  seines  eigen¬ 
tümlichen  Baues  ist  Solenopus  als  Repräsentant  einer  eigenen 
Ordnung  der  Plasmodroma  —  Solenopoda  —  zu  betrachten. 
Der  Vortrag  wurde  durch  Projektion  zahlreicher  Mikrophoto¬ 
gramme  und  Demonstration  mikroskopischer  Präparate  er¬ 
läutert. 

Herr  Johannes  Müller:  Demonstration  der  unblutigen  Blut¬ 
druckmessungen  nach  v.  Recklinghausen. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  27.  Mai  1907. 

Untersuchungen  über  die  Wirkung  der  Schweieiwässer  bei  der 

Hg-Behandlung. 

Es  ist  bekannt,  dass  in  den  Schwefelbädern  Syphilitiker  Queck¬ 
silberdosen,  welche  3 — 4  mal  die  Norm  übersteigen,  vertragen  können; 
Desmoulieres  und  C  h  a  t  i  n  haben  nun  bei  ihren  bezüglichen 
Untersuchungen  Folgendes  festgestellt.  Die  Schwefelwässer  wir¬ 
ken,  indem  sie  den  lösenden  Einfluss  des  Blutserums  auf  die  Queck- 
silberalbuminate  vermehren;  dadurch  kann  man  die  erforderlich 
hohen  Dosen  Quecksilber  anwenden  ohne  die  Gefahr  der  Vergiftung 
oder  von  Quecksilbererscheinungen.  Die  Schwefelwässer  setzen  das 
in  den  Geweben  angehäufte  Ouecksilber  in  erhöhte  Zirkulation  und 
leisten  so  grosse  Dienste  in  Fällen  von  Intoxikation,  Gingivitis,  Sto¬ 
matitis,  merkurieller  Enteritis  usf. 

a 

Sitzung  vom  3.  Juni  1 907. 

Ein  neues  Verfahren  zur  experimentellen  Diagnose  der  Tuberkulose. 

H.  Vallee  hat  das  Verfahren  v.  Pirquets  nachgeprüft  und 
gefunden,  dass  bei  gesunden  Rindern,  Ziegen  oder  Meerschweinchen 
einige  Tropfen  unverdünnten  Tuberkulins,  auf  die  rasierte  und  skarifi- 
zierte  Haut  appliziert,  meist  keinerlei  bemerkenswerte  Reaktion  her¬ 
vorruft  und  nur  ganz  ausnahmsweise  eine  leichte  Entzündung  der 
Ränder  der  Skarifikationen  von  übrigens  ganz  flüchtiger  Dauer  ent¬ 
steht.  Wenn  V.  hingegen  unter  denselben  Bedingungen  bei  tuber¬ 
kulösen  Tieren  (Rindern  und  Pferden)  und  bei  einer  Reihe  von 
infizierten  Meerschweinchen  operierte,  so  entstand  nach  24  Stunden 
eine  sehr  deutliche  Hautreaktion.  Die  Haut  wird  auf  eine  Ausdehnung 
von  mehreren  Millimetern  von  jeder  Seite  der  Skarifikationsgrenze 
infiltriert  und  bildet  eine  schmerzhafte,  graurote  Verdickung  (ver¬ 
schieden  je  nach  der  Intensität  der  Reaktion).  Stehen  die  Skarifi¬ 
kationen  genügend  nahe  beisammen,  so  erzielt  man  eine  wahre  öde- 
matöse  Hautplaque,  welche  jede  Weichheit  verloren  und  sehr  emp¬ 
findlich  für  Druck  ist.  Was  sehr  wichtig  ist,  die  Hauterscheinung  wird, 
anstatt  zurückzugehen,  von  der  36.  Stunde  an  ausgeprägter,  erreicht 
ihr  Maximum  gegen  die  48.  Stunde  und  ist  noch  mit  sehr  deutlichen 
Anzeichen  mehr  als  4 — 5  Tage  nach  dem  Eingriff  vorhanden.  Diese 
Hauterscheinung,  welcher  man  den  Namen  Kutireaktion  geben  kann, 
ist  bei  manchen  tuberkulösen  Individuen  so  ausgeprägt,  dass  sie  den 
Charakter  einer  wahren  Papelbildung  annimmt.  Die  Hautreaktion 
ist  nicht  von  einer  ausgesprochenen  Temperaturreaktion  begleitet. 

St. 

Einfluss  der  raschen  Luftbewegung,  welchen  das  Automobil  auf  die 

Allgemeinernährung  ausübt. 

Moneyrat  hat  studiert,  welchen  Einfluss  das  Automobilfahren 
—  Reisen  von  8 — 10  Tagen  bei  mittlerer  Geschwindigkeit  von  40  km 
pro  Stunden  und  täglichen  100 — 200  km  —  auf  gesunde,  neurasthe- 
nische  und  anämische  Personen  ausübt.  Die  Zahl  der  roten  Blut¬ 
körperchen  und  der  Hämoglobingehalt  nehmen  in  bedeutendem  Masse 
zu,  bei  Gesunden  ebenso  wie  bei  Anämischen;  bei  letzteren  sieht  M. 
das  Automobilfahren  sogar  für  eine  vorzügliche  Behandlung  an.  Die 
Harnuntersuchung  zeigte  gleicherweise  eine  Vermehrung  des  ge¬ 
samten  Stoffwechsels,  was  mit  einer  Zunahme  des  Appetits  zusammen¬ 
fällt.  Der  Schlaf  wird  in  besonderem  Masse  beeinflusst:  bei  Ge- 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1613 


6.  August  1907. 

suuden  wird  er  verlängert,  bei  Neurasthenikern,  die  nicht  ohne  wenig 
schlafen,  hört  die  Schlaflosigkeit  sehr  rasch  auf  und  weicht  einem 
normalen  Schlaf. 

Sitzung  vom  10.  J  u  n  i  1907. 

Anwendung  der  Radioskopie  und  Radiographie  bei  der  Inspektion 

tuberkulösen  Fleisches. 

Märtel,  sich  .darauf  stützend,  dass  die  tuberkulösen  Verände¬ 
rungen  bei  Rind  und  Schwein  oft  verkalkt  sind,  benützte  diese  Eigen¬ 
schaft,  um  mittels  Röntgenstrahlen  das  Vorhandensein  diskreter, 
mitten  in  den  Qeweben  liegender  Veränderungen  (besonders  in  den 
Drüsen,  mehr  weniger  von  Fett  umhüllt)  nachzuweisen.  Das  gesunde 
Drüsengewebe,  nähezu  durchsichtig  für  Röntgenstrahlen,  gibt  einen 
wenig  deutlichen  Schatten,  die  erkrankten  Drüsen  werden  unter  der 
Form  mehr  weniger  ausgedehnter  granulierter  Flecke,  je  nach  dem 
Grade  der  Affektion,  projiziert;  auf  diese  Weise  werden  die  ver¬ 
stecktesten  Herde  entdeckt  und  unter  der  Bedingung,  dass  ihr  In¬ 
halt  das  granulierte  Aussehen  hat,  welches  einen  gewissen  Grad  von 
Kalkinfiltration  verrät.  Die  Organe,  welche  ein  negatives  Resultat 
bei  der  radioskopischen  Untersuchung  geben,  können  trotzdem  tuber¬ 
kulös  sein,  aber  in  positiven  Fällen  hat  die  Methode  den  Vorteil,  dass 
man  keine  Schnittpräparate  braucht  und  so  eine  sehr  rasche  Unter¬ 
suchung  ermöglicht  wird. 

Sitzung  vom  17.  Juni  1907. 

Ueber  ein  neues  Verfahren  zur  Diagnose  der  Tuberkulose  beim 
Menschen  (Ophthalmoreaktion  auf  Tuberkulin). 

Nachdem  V  a  1 1  e  e -d’Alfort  mit  seiner  Kutireaktion  (Injektion 
von  Tuberkulin  in  die  skarifizierte  Haut)  bei  tuberkulösen  Rindern 
positive  Resultate  gehabt  hat,  hatte  A.  C  a  1  m  e  1 1  e  ähnlich  wie 
Wolf-  Berlin  die  Idee,  zu  untersuchen,  ob  bei  Rindern  die  gesunde 
Schleimhaut  und  besonders  die  des  Auges,  welche  so  leicht  gewisse 
Toxine,  wie  das  Diphtheriegift,  das  Abrin  und  andere  Gifte  resorbiert, 
nicht  bei  Berührung  mit  Tuberkulin  eine  analoge  Reaktion  zeigen 
würden.  Calmette  stellte  an  25  Individuen  (Erwachsenen  und 
Kindern),  wovon  16  tuberkulös  und  9  mit  anderen  nichttuberkulösen 
Affektionen  behaftet  waren,  Versuche  an.  Um  die  reizende  Wirkung 
des  Glyzerins  auf  die  Schleimhaut  zu  meiden,  haben  C.  und  seine 
Mitarbeiter  (Breton,  G.  Petit,  der  Augenarzt  Painblau)  aus¬ 
schliesslich  eine  Lösung  trockenen,  durch  75  pro.z.  Alkohol  präzipi- 
tierten  Tuberkulins  angewandt;  die  Lösung  war  1  proz.  und  frisch 
dargestellt:  man  instilliert  jedesmal  je  einen  Tropfen  in  ein  Auge. 
3 — 5  Stunden  nach  dieser  Einträufelung  zeigen  alle  Tuberkulösen  eine 
sehr  deutliche  Kongestion  der  Conjunctiva  palbebralis  mit  mehr 
weniger  starkem  Oedem,  Rötung,  Tränenträufeln  usf.  Das  Maximum 
der  Reaktion  stellt  sich  zwischen  6  und  10  Stunden  ein;  über  Schmerz 
wird  hierbei  nicht  geklagt,  die  Temperatur  nicht  merklich  beeinflusst. 
Durch  Beobachtung  des  anderen  Auges,  welches  kein  Tuberkulin  be¬ 
kommen  hat,  ist  es  leicht,  die  Intensität  der  Reaktion  festzustellen. 
Bei  Kindern  nach  18  und  bei  Erwachsenen  nach  24  Stunden  nehmen 
die  Kongestionsersc'heinungen  ab  und  verschwinden  schliesslich.  Bei 
gesunden  oder  mit  anderen  Krankheiten  behafteten  Leuten  bleibt  die 
Tuberkulineinträufelung  vollkommen  unschädlich,  höchstens  zu 
leichter  Rötung  führend.  Nur  in  einem  der  Fälle  (von  angenommener 
geringer  Bronchitis),  wo  die  tuberkulöse  Natur  des  Leidens  nicht  ver¬ 
mutet  wurde,  war  die  Reaktion  positiv.  Diese  „Augenreaktion  auf 
Tuberkulin“  stellte  sich  rascher  ein,  als  die  Kutireaktion,  welche 
erst  nach  48  Stunden  auftritt,  und  verursachte  weder  dauernden 
Schaden  noch  Schmerz.  Die  Aerzte,  welchen  es  oft  so  schwer  ge¬ 
lingt,  tuberkulöse  Affektionen  frühzeitig  zu  diagnostizieren  oder  die 
definitive  Heilung  alter  tuberkulöser  Veränderungen  festzustellen, 
werden  vielleicht  bei  Anwendung  dieser  Methode  ein  einfaches,  ele¬ 
gantes  und  rasches  Aufklärungsmittel  finden. 

H.  Vallee  bespricht  noch  einge'hend  den  Einfluss  verschiedener 
Bedingungen  auf  das  Auftreten  der  Kutireaktion  bei  tuber¬ 
kulösen  Rindern  und  hat,  ebenso  wie  W  o  1  f  f  -  Ei  s  n  e  r,die  Kon- 
junktivalreaktion  bei  tuberkulösen  Tieren  beobachtet.  Er  glaubt  je¬ 
doch,  dass  diese  Reaktion  nur  beschränkten  diagnostischen  Wert  hat 
und  dass  sie  beim  Menschen  wegen  der  auftretenden  Schmerzen  und 
sonstigen  Folgen  (?  siehe  oben  Refer.)  nicht  in  Betracht  kommen 
und  in  der  Veterinärmedizin  wegen  der  Leichtigkeit,  sie  vorzutäuschen, 
systematisch  nicht  angewendet  werden  kann.  Aber  als  biologische 
Erscheinung  ist  die  Augen-  mit  der  Hautreaktion  zu  vergleichen,  indem 
sie  beide  interessante  Aufschlüsse  über  die  Wirkungsweise  des  Tuber¬ 
kulins  geben;  die  Methode  der  Skarifikationen  bietet  dagegen  eine 
neue  Art  therapeutischer  Anwendung  des  Tuberkulins.  St. 

Societe  de  biologie. 

Sitzung  vom  11.  Mai  1907. 

Offizieller  Bericht  über  die  Anthrakosis. 

Um  diese  Streitfrage,  welche  mit  soviel  Hartnäckigkeit  von 
beiden  Seiten  (siehe  die  früheren  Berichte  in  dieser  Wochenschrift) 
geführt  wurde,  einigermassen  zu  entscheiden,  hat  die  Gesellschaft 
für  Biologie  eine  Kommission  eingesetzt,  welche  aus  5  bewährten 
Forschern  bestand.  Dieselbe  hat  sich  nur  mit  der  Darmanthrakosis 
beschäftigt,  in  der  Annahme,  dass  viele  Tiere,  besonders  ausge¬ 
wachsene,  normalerweise  Lungenanthrakosis  haben.  Die  Kom¬ 


mission  kam  zu  dem  Schlüsse,  dass  Kohlenpartikelchen  unter  den  ur¬ 
sprünglich  festgesetzten  Bedingungen  (6  Stunden  nach  Einverleibung 
von  chinesischer  Tusche  werden  die  Tiere  geopfert)  nicht  aus  dem 
Darm  in  die  Mesenterialdrüsen  gelangen.  Andererseits  können  in 
Fällen  wiederholter  Einverleibung  die  Kohlenpartikelchen  hin¬ 
durchgelangen;  es  wäre  wünschenswert,  dass  die  genauen  Bedin¬ 
gungen  und  der  Mechanismus  dieser  Passage  noch  studiert  würden. 

Sitzung  vom  25.  Mai  1907. 

Beitrag  zum  Studium  der  Lumbalpunktion  bei  Syphilis. 

Jeanselme  und  Barbe  haben  bei  53  Syphilitikern,  welche 
den  verschiedensten  Stadien  der  Krankheit  angehörten,  die  Lumbal¬ 
punktion  ausgeführt  und  kommen  hiebei  zu  folgenden  Schlüssen: 
1.  die  Lymphozytose  des  Liquor  cerebrospinalis  kann  man  bei  Sy¬ 
philis  beobachten,  ohne  dass  die  Untersuchung  des  Nervensystems 
irgendwelche  Veränderung  desselben  ergibt,  2.  die  Lymphozytose  ist 
ausserordentlich  häufig  bei  Kopfschmerz  oder  Roseola,  ohne  jedoch 
stets  diese  Symptome  zu  begleiten,  3.  es  sollte  in  bestimmten  Zwi¬ 
schenräumen  die  Lumbalpunktion  ausgeführt  werden,  um  sich  zu 
vergewissern,  dass  nicht  eine  Reaktion  des  Nervensystems  droht, 
4.  die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dass  die  in  den  ersten  Jahren  übliche 
Syphilisbehandlung  mit  unlöslichen  oder  löslichen  Salzen  keine 
Sicherheit  gibt,  da  nur  in  der  Hälfte  der  Fälle  die  Lymphozytose 
vermindert  wird.  Es  muss  daher,  wenn  die  Reaktion  der  Meningen 
nicht  aufgehört  hat,  die  Behandlung  fortgesetzt  werden  und  es  ist 
zu  hoffen,  dass  in  kurzen  Zwischenräumen  wiederholte  Injektionen  in 
annähernder  Weise  festellen  lassen  wie  viele  Einspritzungen  noch  not¬ 
wendig  sind,  um  jede  Reaktion  der  Gehirnhäute  zum  Verschwinden 
zu  bringen.  Die  Lumbalpunktion  muss  also  zu  einer  die  Behandlung 
leitenden,  rationellen  Methode  erhoben  werden. 


VI.  Hauptversammlung  des  Deutschen  Medizinalbeamten- 

Vereins 

zu  Bremen  am  Montag,  den  9.  September  und  Dienstag,  den 

10.  September  1907. 

Tagesordnung. 

Sonntag,  den  8.  September.  8  Uhr  abends ;  Gesellige 
Vereinigung  zur  Begrüssung  (mit  Damen)  im  Rutenhof  (Domshof; 
Kellerräume;  Eingang  vom  Restaurant). 

Montag,  den  9.  September.  9  Uhr  vormittags:  Erste 
Sitzung  im  Saale  der  Bürgerschaft  Börse  (Marktplatz;  Eingang  dem 
Dom  gegenüber).  1.  Eröffnung  der  Versammlung.  2.  Geschäfts-  und 
Kassenbericht;  Wahl  der  Kassenrevisoren.  3.  Ueber  den  Wert 
neuerer  physikalischer  Behandlungsmethoden  und  ihre  Anwendung 
durch  nicht  approbierte  Personen.  Referent:  Herr  Dr.  A.  L  a  q  u  e  u  r, 
leitender  Arzt  der  hydrotherapeutischen  Anstalt  und  des  mechano- 
therapeutischen  Instituts  am  Rudolf-Virchow-Krankenhause  in  Berlin. 
4.  Ueber  die  forensische  Bedeutung  der  Dementia  praecox.  Referent: 
Herr  Dr.  A.  Delbrück,  Direktor  des  St.-Jiirgen-Asyl  für  Geistes¬ 
und  Nervenkranke  zu  Ellen  bei  Bremen.  5.  Einrichtung,  Betrieb  und 
Ueberwachung  der  öffentlichen  Wasserversorgungsstellen.  Referent: 
Herr  Med. -Rat  Dr.  Racine,  Kreis-  und  Stadtarzt  in  Essen  a.  Ruhr. 
—  Nach  Schluss  der  Sitzung:  Besichtigungen1).  —  8  Uhr  abends: 
Festessen  mit  Damen  im  Museum  am  Domshof.  Preis:  M.  4.50. 

Dienstag,  den  10.  September.  9  Uhr  vormittags :  Zweite 
Sitzung.  1.  Entwurf  eines  Reichs-Apothekengesetzes.  Referent:  Herr 
Reg.-  und  Med. -Rat  Prof.  Dr.  Gumprecht  -  Weimar.  Korreferent: 
Herr  Geh.  Ober-Med.-Rat  Dr.  H  a  u  s  e  r  -  Darmstadt.  2.  Vorstands¬ 
wahl;  Bericht  der  Kassenrevisoren.  —  Nach  Schluss  der  Sitzung:  Ge¬ 
meinschaftliches  Essen  mit  Damen.  —  3  Uhr  nachmittags:  Besichti¬ 
gungen1).  —  Abends:  Begriissungsabend  des  „Deutschen  Vereins  für 
öffentliche  Gesundheitspflege“  im  Künstlerverein  (Domshaide). 

Die  Teilnahme  an  der  Hauptversammlung  ist  ausser  den  ein¬ 
geladenen  Gästen  nur  den  Mitgliedern  des  Preussischen  und  Deutschen 
Medizinalbeamten-Vereins  und  deren  Damen  gestattet. 


Auswärtige  Briete. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  31.  Juli  1907. 

Ernst  v.  Leydens  Abschiedsvorlesung. 

Mit  dem  heutigen  Tag  tritt  Prof.  Ernst  v.  Leyden  von 
der  Stelle  zurück,  an  der  er  mehr  als  drei  Jahrzehnte  hindurch 
gestanden  und  von  der  aus  er  eine  ungewöhnlich  vielseitige, 
erfolgreiche  und  befruchtende  Tätigkeit  entfaltet  hat.  v.  Ley¬ 
den  hatte  das  Glück,  seine  Erfolge  zu  sehen  und  zu  gemessen, 
und  wenn  er  heut,  ein  jugendlicher  Greis,  sein  Lehramt  nieder¬ 
legt,  um  es  in  jüngere  Hände  übergehen  zu  lassen,  so  tritt 
er  damit  noch  keineswegs  vom  medizinischen  Leben  zurück. 
Wem  es,  wie  ihm,  gegönnt  ist,  noch  als  ein  Siebenziger  im 

x)  Das  Nähere  wird  am  Sitzungstage  bekannt  gegeben. 


1614 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  32 


Leben  wie  in  der  Wissenschaft  und  dem  Beruf  sich  jung  zu 
erhalten,  dem  ist  der  Zusammenhang  mit  den  Berufsgenossen 
und  die  Teilnahme  an  ihren  Arbeiten  Lebensbedürfnis.  So 
steht  v.  Leyden  noch  heute  beim  Abschluss  seiner  aka¬ 
demischen  Tätigkeit  noch  mitten  im  akademischen  Leben  und 
seine  heutige  Abschiedsvorlesung  gestaltete  sich  zu  einer  Ab¬ 
schiedsfeier,  die  seine  Kollegen,  Assistenten  und  Schüler  ihm 
bereiteten.  Auch  die  Behörden  nahmen  an  dieser  Feier  teil. 
Als  erster  sprach  der  Generalstabsarzt  der  Armee  Dr.  Schjer- 
n  i  n  g,  indem  er  die  Verdienste  hervorhob,  die  v.  Leyden 
sich  um  das  Militärmedizinalwesen  erworben  hatte.  General¬ 
arzt  Scheibe  betonte  im  Namen  der  Chariteedirektion  die 
mannigfachen  Förderungen,  die  das  Chariteekrankenhaus  und 
ganz  besonders  die  Lage  der  Chariteekranken  durch  v.  Ley¬ 
dens  Wirken  erfahren  haben.  Als  Vertreter  des  Kultusmini¬ 
steriums  sprach  Geheimrat  Kirchner  über  die  Bestrebungen 
v.  Leydens  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  welche  zu 
einem  wesentlichen  Teil  seiner  Initiative  zu  verdanken  seien, 
und  schloss  daran  den  Wunsch,  dass  auch  auf  seinem  neuesten 
Arbeitsgebiet,  der  Erforschung  und  Bekämpfung  der  Krebs¬ 
krankheit,  in  gleichem  Masse  aussichtsvolle  Erfolge  erzielt 
werden  mögen.  Im  Namen  der  medizinischen  Fakultät  dankte 
der  Dekan  Prof.  H  e  u  b  n  e  r  dem  langjährigen  Kollegen,  im 
Namen  der  früheren  Assistenten  Prof.  A.  F  r  a  e  n  k  e  1  für  die 
mannigfachen  Anregungen,  die  der  Meister  seinen  Schülern 
und  Mitarbeitern  hatte  zu  teil  werden  lassen.  Der  älteste  der 
jetzigen  Assistenten,  Prof.  A.  L  a  z  a  r  u  s,  hob  die  wissenschaft¬ 
liche  Bedeutung  hervor,  welche  v.  Leydens  Arbeiten,  die 
sich  auf  einen  Zeitraum  von  mehr  als  50  Jahren  erstrecken, 
gewonnen  haben,  und  dieBereicherung, welche  die  medizinische 
Literatur  durch  seine  Veröffentlichungen  erfahren  hat.  Es  folg¬ 
ten  noch  Ansprachen  eines  Vertreters  der  militärärztlichen 
Assistenten,  ein  begeisterter  Dank  der  jetzigen  Hörer,  ein  Ab¬ 
schiedswort  des  Leiters  der  zweiten  medizinischen  Klinik,  Prof. 
K  r  a  u  s  s,  und  zum  Schluss  wandte  sich  der  älteste  der  Ber¬ 
liner  Professoren,  Senator,  an  den  scheidenden  Kollegen, 
mit  dein  ihn  eine  jahrzehntelange  Freundschaft  verband,  eine 
Freundschaft,  die  keine  Einbusse  erlitt,  wenn  im  gemeinsamen 
Suchen  nach  neuen  wissenschaftlichen  Wahrheiten  ihre  Mei¬ 
nungen  auch  manchmal  auseinander  gingen. 

Wenn  bei  dieser  Abschiedsfeier  die  Behörden,  die  aka¬ 
demischen  Berufsgenossen,  die  früheren  und  die  jetzigen  Assi¬ 
stenten  ihren  Dank  anzusprechen  Gelegenheit  nahmen,  so  will 
es  uns  doch  scheinen,  dass  eine  grosse  Gruppe,  die  grösste 
von  allen,  dabei  nicht  zum  Wort  gekommen  ist,  obwohl  sie 
wie  kaum  eine  andere  dazu  Veranlassung  hat;  das  ist  die  jetzt 
lebende  Generation  von  Aerzten,  die  mittelbar  oder  unmittel¬ 
bar  von  v.  Leyden  Belehrung  und  Anregung  empfangen 
haben.  Es  sei  daher  gestattet,  an  dieser  Stelle  diese  Lücke  aus- 
zufüllen.  Wer  als  Student  zu  seinen  Füssen  gesessen  und  in 
seinen  Krankensälen  gearbeitet  hat,  dem  kann  niemals  seine  so 
oft  und  so  eindringlich  wiederholte  Lehre  in  Vergessenheit  ge- 
iaten,  dass  nicht  die  Krankheit,  sondern  der  Kranke  der  Gegen¬ 
stand  unserer  Behandlung  sein  müsse.  So  selbstverständlich 
diese  Lehre  auch  klingt,  so  ist  doch  oft  genug  gegen  sie  ver- 
stossen  worden;  und  wir  werden  gut  tun,  uns  ihrer  immer  wie¬ 
der  zu  erinnern,  \yenn  eine  diagnostische  und  therapeutische 
1  olypramasie,  welche  ihre  Anregungen  nicht  aus  dem  Kran¬ 
kenzimmersondern  aus  dem  Laboratorium  schöpft,  mit  Mitteln 
gegen  die  Krankheit  vorgeht,  die  dem  Kranken  unangenehmer 
sind  als  sein  Leiden.  Im  klinischen  Unterricht  wie  in  der 

q/wo- .v,et01pte  N  L  e  y  d  e  n  stets,  dass  es  bei  aller  wissen- 
L  Hhhchen  Exaktheit  in  der  Diagnosenstellung  doch  immer  bei 
dei  Aufstellung  des  Heilplans  die  erste  und  vornehmste  Auf- 
gu  k  des  Aiztes  ist,  dem  Kranken  zu  helfen,  mit  welchen  Mit¬ 
teln  es  auch  sei,  und  unbekümmert  darum,  ob  sie  vor  einer 
sti engen  I  heorie  auch  bestehen  können;  die  psychische  Beein- 
r  nssiing  des  Kranken  durch  den  Arzt  soll  ein  wesentlicher  Fak¬ 
tor  im  Heilplan  sein.  Die  Berliner  Aerzte,  welche  mit  ihm  zu¬ 
sammen  am  Krankenbett  gestanden  haben  und  den  wohltuen¬ 
den  Einfluss  seiner  liebenswürdigen  Persönlichkeit  auf  den 
Kranken  beobachten  konnten,  die  Aerzte,  die  in  Stadt  und  Land 
als  seine  Schüler  wirken,  werden  in  dankbarer  Erinnerung 
der  Anregungen  gedenken,  welche  sie  einst  von  ihrem  Lehrer 
Ernstv.  Leyde  n  empfingen. 


A/T  T-r 
1*1.  i\. 


Verschiedenes. 

Ein  sonderbarer  Aerzteverein. 

Der  durch  seine  Angriffe  sowohl  auf  den  ärztlichen  Stand,  als 
ganz  besonders  auf  die  wissenschaftliche  Medizin  genugsam  be¬ 
kannte  „Internationale  Verein  zur  Bekämpfung  der  wissenschaftlichen 
Tierfolter  (Deutsche  Hauptstelle  des  Weltbundes  gegen  die  Vivi¬ 
sektion)“  verschickt  seinen  Jahresbericht  über  das  Geschäftsjahr 
1906,  verfasst  von  Professor  Dr.  P.  F  o  e  r  s  t  e  r  in  Friedenau.  Dieser 
Bericht,  der  an  Kraftausdrücken  über  die  ärztliche  Wissenschaft  und 
Kunst  nicht  arm  ist  und  eigentlich  von  jedem  Kollegen,  der  unsere 
Feinde  kennen  will,  gelesen  werden  sollte,  enthält  auch  eine  Mit¬ 
teilung  darüber,  dass  kürzlich  in  Frankfurt  a.  M.  ein  „Deutscher 
Verein  vivisektionsgegnerischer  Aerzte“  gegründet  worden  ist.  Die 
Aufgabe  dieses  Vereins  ist:  „der  vivisektorischen  Schein-  und  Trug¬ 
wissenschaft  überall  nachzugehen,  um  sie  zu  entlarven,  zu  wider¬ 
legen,  blosszustellen  und  in  ihrer  ganzen  Hässlichkeit  und  Unwissen¬ 
schaftlichkeit  nachzuweisen“.  Ueber  die  Mitgliedschaft  heisst  es: 
„Ordentliches  Mitglied  kann  jeder  staatlich  approbierte  Vertreter 
des  ärztlichen  und  tierärztlichen  Standes  werden,  der  sich  als  Gegner 
der  Vivisektion  bekennt  und  für  deren  Abschaffung  eintritt,  ohne 
Rücksicht  auf  das  von  ihm  vertretene  Heilverfahren.  Als  ordent¬ 
liche,  stimmberechtigte  Mitglieder  können  aus¬ 
serdem  staatlich  geprüfte  Vertreter  anderer 
wissenschaftlicher,  namentlich  naturwissenschaftlicher, 
Fächer  aufgenommen  werden,  wenn  sie  den  Grundsätzen  der  Ver¬ 
einigung  zustimmen  und  deren  Aufgaben  durch  wissenschaftliche  Mit¬ 
arbeit  fördern“.  Ins  Leben  gerufen  ist  dieser  sich  aus  Tierärzten 
und  Nichtärzten  zusammensetzende  Aerzte  verein  von  Dr.  med. 
B  o  h  n  in  Breslau  und  Fräulein  Behrens  in  Frankfurt  a.  M.;  hoffent¬ 
lich  ist  Herr  Professor  Foerster,  seines  Zeichens  Schulmeister, 
der  sich  als  Redakteur  des  „Tier-  und  Menschenfreundes“  täglich  die 
grössten  Verdienste  um  die  Aufdeckung  der  Gräuel  der  1 1 1  wissen¬ 
schaftlichen  Medizin  erwirbt,  zum  Ehrenmlitgliede  ernannt  worden.  H. 

Oi 

Therapeutische  Notizen. 

Thiocol  als  Antidiarrhoicum  wird  von  Nothmann 
in  einer  Arbeit  aus  dem  Kinderambulatorium  von  Dr.  Fromm- 
Miinchen  auf  Grund  günstiger  Erfahrungen  empfohlen.  Es  wurde  bei 
Kindern  mit  subakutem,  infektiösen,  sonst  nicht  (weder  durch  die 
Diät  noch  durch  die  üblichen  Antidiarrhoika)  zu  beeinflussendem 
Darmkatarrh  mit  promptem  Erfolg  gegeben.  Man  muss  das  T  h  i  o  - 
c  o  1  in  grossen  Dosen  geben.  Es  löst  sich  gut  im  Wasser,  hat 
keinen  üblen  Geschmack  und  wird  deshalb  auch  von  Kindern  leicht 
genommen.  Es  beeinflusst  in  günstigem  Sinne  die  Entleerungen, 
ohne  aber  im  Gegensatz  zu  anderen  Mitteln  selbst  bei  längerem 
Gebrauch  Verstopfung  zu  bewirken.  Das  Mittel  ist  allerdings  ziem¬ 
lich  teuer.  (Zentralbl.  f.  d.  ges.  Therapie,  1907,  No.  6.)  JIF.  L. 

Gonoglobuli  sind  Vaginalkugeln,  welche  2  g  Zymin 
und  2  g  sterilen  Zucker  enthalten.  Beide  Substanzen  sind  auf 
trockenem  Wege  zu  Kugeln  geformt  und  mit  einer  leicht  löslichen 
Membran  umhüllt.  Das  so  eingeschlossene  Zymin  behält  Monate 
lang  seine  Gärkraft.  Die  umhüllende  Membran  ist  leicht  löslich; 
bei  einer  Temperatur  von  35 — 38°  zerfallen  die  Kugeln  zu  einem 
sich  nicht  zusammenballenden  Pulver.  Die  Gonoglobuli  werden,  in 
Glasröhren  mit  je  5  Stück  luftdicht  verschlossen,  von  Dr.  Braun 
(Rosenapotheke  in  München)  in  den  Handel  gebracht  und  bewähren 
sich  bei  einer  Reihe  gynäkologischer  Affektionen  (Zen¬ 
tralbl.  f.  d.  ges.  Therapie,  1907,  No.  4).  F.  L. 

Aus  einer  Arbeit  von  Creutz  (Berl.  tierärztl.  Wocherischr. 
No.  52,  1906)  ist  ersichtlich,  dass  die  Wirkung  des  Yohimbin 
als  Aphrodisiakum  keine  suggestive,  sondern  eine  spezifische 
ist.  Creutz  hat  bei  Bullen  und  Hengsten  das  Yohimbin  in 
Dosen  von  0,05  bis  0,075  in  Wasser  gelöst  mit  Leinsamenschleim 
mehrmals  täglich  mit  promptem  Erfolg  gegeben.  F.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  5.  August  1907. 

—  Nach  dem  Verordnungsblatt  des  K.  Bayer.  Kriegsministeriums 
No.  17  vom  25.  Juni  1907  wird  in  Bayern  vom  1.  Oktober  1907  ab 
eine  S  a  n  i  t  ä  t  s  i  n  s  p  e  k  t  i  o  n  mit  dem  Sitz  beim  Operationskurs 
in  München  errichtet.  Diese  besteht  aus:  1  Sanitäts-Inspekteunmit 
dem  Range  und  den  Gebührnissen  eines  Generalmajors  als  Brigade¬ 
kommandeur.  Er  führt  die  Bezeichnung:  „Generalarzt  und  Sanitäts- 
Inspekteur“  und  hat  über  das  Personal  seiner  Inspektion  die  Be¬ 
urlaubungsbefugnis  und  die  Disziplinarstrafgewalt  eines  Brigadekom¬ 
mandeurs.  Der  Sanitätsinspekteur  ist  zugleich  Vorstand  des  Opera¬ 
tionskurses.  1  Stabsarzt.  Die  Dienstverhältnisse  der  Sanitätsinspek¬ 
tion  werden  durch  eine  besondere  Dienstvorschrift  geregelt. 

Die  Stadt  Dresden  hat  für  den  Empfang  der  im  September 
lfd.  Jrs.  dort  tagenden  Naturforscherversammlung  die 
Summe  von  20  000  Mark  bewilligt.  Davon  sind  14  000  für  den  am 
Donnerstag,  den  19.  September  in  den  Räumen  des  Ausstellungs^ 


6.  Augüst  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1615 


gebäudes  stattfindenden  Festabend  bestimmt.  Die  Bewilligung  dieser 
Summen  ging  im  Stadtverordnetenkollegium  nicht  ganz  ohne  Wider¬ 
spruch  vor  sich,  der  mit  dem  Hinweis  auf  die  schlechten  Finanzen 
der  Stadt  und  die  notwendige  Aufbesserung  der  Gehälter  der  kleinen 
Beamten  begründet  wurde.  Der  Vorwurf,  dass  der  festliche  Empfang 
der  Versammlung  mit  Geld  bezahlt  wird,  das  nach  Ansicht  eines  Teiles 
der  Dresdener  Stadtväter  besser  für  notleidende  Beamte  verwendet 
worden  wäre,  berührt  peinlich;  er  legt  die  schon  oft  erörterte  Frage 
aufs  neue  nahe,  ob  die  kostspieligen  Bewirtungen  bei  grossen  wissen¬ 
schaftlichen  Versammlungen  nicht  besser  unterblieben.  Es  sind  weite 
Kreise  der  Teilnehmer,  die  an  solchen  Festen  keinen  Gefallen  finden; 
der  dabei  regelmässig  stattfindende  Alkoholmissbrauch  ist  dem  An¬ 
sehen  der  Vertreter  der  Wissenschaft  in  der  Bevölkerung  nicht 
förderlich.  Wenn  der  Wissenschaft  in  ihren  Vertretern  eine  Huldi¬ 
gung  bereitet  werden  soll,  so  kann  dies  auch  auf  andere  Weise,  als 
durch  Gelage  geschehen.  Durch  die  Herausgabe  einer  Festschrift 
z.  B.  schafft  eine  Stadt  eine  dauernde  Erinnerung,  die  auch  für  sie 
selbst  bleibenden  Wert  besitzt;  oder  es  möge  ein  schöner  Rahmen 
für  ein  Fest  geschaffen,  die  Beköstigung  aber  den  Teilnehmern  über¬ 
lassen  werden.  Wir  möchten  wünschen,  dass  diese  Frage  einmal 
im  Schosse  des  Vorstandes  der  Gesellschaft  zur  Sprache  käme. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Düsseldorf:  Am  27.  Juli  sind  im  Bei¬ 
sein  des  neuen  preussischen  Kultusministers  Herrn  Dr.  Holt,  Ver¬ 
tretern  zahlreicher  deutscher  und  ausländischer  Universitäten  und 
wissenschaftlicher  Gesellschaften  die  neuen  Krankenanstalten  und  die 
Akademie  für  praktische  Medizin  in  Düsseldorf  feietlfch  eingeweiht 
worden.  Die  Festlichkeiten!  begannen  vormittags  10  Uhr  mit  einem 
Rundgang  durch  die  neuen  Kliniken  und  Institute,  deren  musterhafte 
Einrichtungen  allgemeine  Bewunderung  und  Anerkennung  hervor¬ 
riefen.  Nach  einem  kleinen  Imbiss  auf  dem  Terrain  der  Kranken¬ 
anstalten  begann  in  dem  festlich  geschmückten  Saale  der  städtischen 
Tonhalle  die  eigentliche  Eröffnungsfeier.  Nach  dem  Oberbürger¬ 
meister  der  Stadt  Düsseldorf  Herrn  Marx  und  der  Festrede  des 
Dezernenten  Herrn  Beigeordneten  Dr.  Greve  sowie  einer  kurzen 
Ansprache  des  derzeitigen  geschäftsführenden  Professors  der  Aka¬ 
demie  Geheimrat  Witzei  überbrachte  der  Kultusminister  in  einer 
längeren  Rede  die  Glückwünsche  der  Staatsregierung  zur  Vollendung 
des  grossen  Werkes  und  äusserte  sich  programmatisch  über  die 
Stellung  der  Akademien  im  medizinischen  Unterricht.  Den  Reigen 
der  weiteren  Gratulanten  begannen  Herr  Geh.  Medizinalrat  Professor 
Dr.  R  e  n  v  e  r  s  im  Auftrag  des  Zentralkomitees  für  das  ärztliche  Fort¬ 
bildungswesen,  sodann  der  geschäftsführende  Professor  der  Akademie 
für  praktische  Medizin  in  Köln  Herr  Dr.  Hochhaus  und  der  Dekan 
der  medizinischen  Fakultät  Berlin  Herr  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr. 
Heubner,  letzterer  wies  darauf  hin,  dass  das  ursprüngliche  Miss¬ 
trauen  der  Universitäten  gegen  die  neue  Erscheinungsform  der  Aka¬ 
demien  bereits  heute  als  geschwunden  zu  betrachten  sei.  Medi¬ 
zinische  Fakultät  und  Akademie  für  praktische  Medizin  seien  Schwe¬ 
stern,  die  beide  nach  den  gleichen  Zielen  streben:  Erforschung  der 
Wahrheit  und  Uebermittelung  des  Erforschten  an  die  Jünger  der  Heil¬ 
kunst.  Der  Rektor  der  Universität  Münster  Prof.  Dr.  Pieper, 
sowie  der  Dekan  der  medizinischen  Fakultät  Bonn  Herr  Geheimrat 
Prof.  Dr.  S  c  h  u  1 1  z  e  übermittelten  die  Glückwünsche  der  beiden 
Nachbaruniversitäten.  Es  folgten  die  Ansprachen  der  übrigen  an¬ 
wesenden  Dekane  und  der  Vertreter  der  auswärtigen  Regierungen. 
Für  die  grossen  wissenschaftlichen  Gesellschaften  Deutschlands 
sprachen  Exzellenz  H  e  g  a  r,  Exzellenz  Czerny  und  Exzellenz 
Moritz  Schmidt.  In  einer  formvollendeten  und  warm  gehaltenen 
Rede  gab  der  Vorsitzende  des  ärztlichen  Vereins  Düsseldorf  Sanitäts¬ 
rat  Dr.  Fel  dmann  im  Namen  der  Düsseldorfer  Aerzteschaft  seiner 
Freude  darüber  Ausdruck,  dass  Düsseldorf  durch  die  Errichtung  der 
Akademie  unter  die  Zentralpunkte  medizinischer  Forschung  eingerückt 
sei,  und,  tempora  mutantur,  der  Vorsitzende  der  Aerztekammer  der 
Rheinprovinz  Herr  Geheimrat  Prof.  Dr.  L  e  n  t  schloss  den  Reigen 
der  Begriissungsansprachen  namens  der  rheinischen  Aerzte  mit  einem 
Hoch  auf  die  neue  Akademie.  Bei  dem  Festmahle  sprachen  nochmals 
der  Kultusminister,  der  Oberbürgermeister  der  Stadt  Düsseldorf,  dem 
im  Namen  der  anwesenden  Gäste  der  Oberpräsident  der  Rheinpro¬ 
vinz  antwortete.  Eine  Festfahrt  auf  dem  Rhein  mit  Uferbeleuchtung 
des  ganzen  Geländes  und  ein  geselliges  Zusammensein  in  der  be¬ 
leuchteten  Ehrenhalle  der  Kunsthalle  schloss  den  für  Düsseldorf  so 
ereignisreichen  Tag.  —  n  n  — 

—  Der  ärztliche  Bezirksverein  München-Land 
Hat  zu  Delegierten  für  die  oberbayerische  Aerztekammer  gewählt  die 
Herren  Bergeat,  Krebs  und  V  o  c  k  e. 

—  Zum  XIV.  internationalen  Kongress  für 
Hygiene  und  Demographie,  23.  bis  29.  September  in  Ber¬ 
lin,  sind  bereits  mehr  als  1400  Anmeldungen  aus  allen  zivilisierten  Län¬ 
dern  eingegangen;  darunter  befinden  sich  eine  grosse  Anzahl  von 
Delegierten  der  Regierungen  des  In-  und  Auslandes. 

—  Folgende  Ferienkurse  werden  an  der  Universität 
Heidelberg  in  den  Herbstferien  abgehalten  werden:  Prof.  Dr. 
R.  0.  Neumann:  Kurs  für  Bakteriologie.  Privatdozent  Dr.  med. 
Sch  äffe  r:  Geburtshilflicher  Operationskurs  für  Vorgerücktere; 
gynäkologischer  Operationskurs.  Privatdozent  Dr.  Schoenborn 
und  Privatdozent  Dr.  Fischler:  Repetitorium  der  inneren  Medizin. 
Privatdozent  Dr.  Bender:  Repetitionskurs  der  Anatomie  des  Men¬ 
schen.  (hc.) 


—  Die  belgischen  Aerzte,  welche  anfangs  August  auf 
einer  Studienreise  Berlin  besuchen  wollten,  haben  ihren  Besuch  auf 
einen  späteren  Zeitpunkt  verschoben. 

—  „Folia  Therapeutica.  A  periodical  Journal  relating 
to  modern  Therapeutics  and  Pharmacology  for  medical  Practitioners“ 
ist  der  Titel  einer  neuen,  im  Verlag  von  John  Bale  Sons  &  Daniels- 
son  in  London  erscheinenden  Zeitschrift.  Herausgeber  sind  Prof. 
A.  B  a  g  i  n  s  k  i  -  Berlin  und  Dr.  J.  S  n  o  w  m  a  n  -  London.  Die  neue 
Zeitschrift,  die,  wie  der  Name  sagt,  sich  besonders  den  Fortschritten 
der  Therapie  widmen  will,  scheint  sich  die  Mitarbeit  deutscher 
Autoren  besonders  angelegen  sein  zu  lassen.  Nicht  nur  dass  ein 
Deutscher  Mitherausgeber  ist,  enthalten  die  ersten  Nummern  auch 
eine  grosse  Anzahl  deutscher  Beiträge,  so  Berliner  Briefe  von  Ewald 
und  B  a  g  i  n  s  k  y,  eine  Arbeit  über  Arteriosklerose  von  Senator, 
über  Bier  sehe  Stauung  von  Schmieden,  über  hydrothera¬ 
peutische  Behandlung  einiger  Konstitutionskrankheiten  von  Brie- 
g  e  r.  Das  Blatt  erscheint  vierteljährlich  und  kostet  1  sh  das  Heft. 

—  Cholera.  Britisch-Ostindien.  Die  Choleraepidemie  in 
Kaschmir  hatte  Ende  Juni  etwas  nachgelassen.  Vom  17.  bis  24.  Juni 
waren  1140  Personen  erkrankt  und  869  gestorben.  In  Srinagar,  das 
für  den  Verkehr  von  Europäern  am  meisten  in  Betracht  kommt,  waren 
in  der  Woche  nur  6  Erkrankungen  und  3  Todesfälle  gemeldet.  Im 
ganzen  sind  seit  November  v.  J.  in  Kaschmir  bis  Ende  Juni  angeblich 

15  835  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  und  9022  daran  gestorben. 

—  China.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  18.  Juni  starben  in  Amoy 
täglich  4  bis  5  Personen  an  der  Cholera. 

—  Pest.  Russland.  In  Odessa  ist  ein  Angestellter  des  Stadt¬ 
krankenhauses,  welcher  der  Leichenöffnung  des  kürzlich  an  der  Pest 
verstorbenen  Heizers  beigewohnt  hatte,  unter  pestverdächtigen  Er¬ 
scheinungen  am  17.  Juli  erkrankt;  der  Kranke  wird  in  einer  besonderen 
Baracke  an  der  Naphtha-Mole  abgesondert  gehalten.  —  Aegypten. 
Vom  13.  bis  19.  Juli  wurden  15  neue  Erkrankungen  (und  7  Todesfälle) 
an  der  Pest  festgestellt.  —  Britisch-Ostindien.  In  Moulmein  sind  vom 
9.  bis  22.  Juni  38  Personen  an  der  Pest  gestorben.  In  Kalkutta 
starben  vom  16.  bis  22.  Juni  25  Personen  an  der  Pest.  —  Hongkong. 
Vom  28.  April  bis  1.  Juni  wurden  in  der  Kolonie  48  Erkrankungen 
und  40  Todesfälle  an  der  Pest,  davon  15  Krankheitsfälle  in  der  Stadt 
Viktoria  festgestellt.  —  China.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  18.  Juni 
kamen  in  der  Stadt  Amoy  immer  noch  Todesfälle  vor.  —  Japan.  In 
Osaka  kamen  von  Mitte  Mai  bis  Mitte  Juni  10  neue  Pestfälle  zur 
amtlichen  Kenntnis.  Je  eine  Pesterkrankung  wurde  ferner  aus  der 
Osaka  benachbarten  Stadt  Sakai  sowie  aus  dem  Ehimebezirk  ge¬ 
meldet;  Kobe  blieb  seit  dem  3.  Mai  von  der  Pest  verschont.  —  Bri- 
tisch-Südafrika.  In  der  am  22.  Juni  abgelaufenen  Woche  ist  in  King 
Williamstown  ein  Pestfall  bei  einer  Europäerin  festgestellt  worden. 

—  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  wurden  vom  22.  April  bis  23.  Juni 

16  Erkrankungen  und  4  Todesfälle  an  der  Pest  gemeldet.  —  Chile. 
Seit  April  d.  J.  ist  auch  Pisagua  von  der  Pest  betroffen;  von  46  bis 
zum  28.  Mai  in  das  dortige  Lazarett  aufgenommenen  Pestkranken 
waren  20  gestorben  und  nur  3  geheilt;  ausserdem  sollen  zahlreiche 
Pestkranke  in  Privathäusern  sich  befinden. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  14.  bis 
20.  Juli  sind  49  Erkrankungen  (und  21  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  29.  Jahreswoche,  vom  14.  bis  20.  Juli  1907,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Posen  mit  29,0,  die  geringste  Schwerin  mit  6,1  Todesfällen  pro  Jahr 
und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen  starb 
an  Scharlach  in  Beuthen,  an  Masern  und  Röteln  in  Bielefeld.  Colmar, 
Linden,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Borbeck.  V.  d.  K-  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Zum  Oberarzt  der  Universitäts-Frauenklinik  im 
Charitekrankenhause  in  Berlin  und  Lehrer  an  der  Hebammenlehr¬ 
anstalt  wurde  an  Stelle  des  nach  Greifswald  übersiedelnden  Prof. 
Dr.  S  t  o  e  c  k  e  1  der  Privatdozent  für  Gynäkologie  und  Assistenzarzt 
an  der  Frauenklinik  der  Universität  Giessen  Dr.  med.  Paul  K  r  o  e  - 
mer  berufen,  (hc.) 

Bonn.  Sein  goldenes  Doktorjubiläum  feierte  am  1.  August  der 
Anatom  Geh.  Med. -Rat  Dr.  phil.  Adolf  Freiherr  von  la  Valette 
St.  George  in  Bonn,  (hc.) 

Düsseldorf.  Zum  Dozenten  für  kommunale  Krankenfürsorge 
an  der  Akademie  für  praktische  Medizin  wurde  der  beigeordnete  der 
Stadt  Düsseldorf  Dr.  jur.  Greve  ernannt.  —  Dem  Dozenten  Un¬ 
soziale  Medizin  Landesmedizinalrat  Dr.  Liniger  und  dem  Do¬ 
zenten  für  Nasen-,  Kehlkopf-  und  Ohrenkrankheiten  Geheimen  Sani¬ 
tätsrat  Dr.  Keime  r  wurde  der  Professortitel  verliehen..  —  Prof. 
S  e  1 1  h  e  i  m  verlässt  die  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Düssel¬ 
dorf,  um  als  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  s  Nachfolger  nach  Tübingen  zu  gehen.  Da¬ 
mit  verlässt  das  zweite  ordentliche  Mitglied  die  Akademie  Düssel¬ 
dorf  (zuerst  M.  B.  Schmidt,  jetzt  Zürich)  ohne  auch  nur  an  der 
Akademie  tätig  gewesen  zu  sein. 

Frankfurt  a.  M.  Dem  Direktor  der  städtischen  Irren¬ 
anstalt  in  Frankfurt  a.  M.,  Dr.  med.  Emil  Sioli  und  dem  Leiter  der 
Hautklinik  am  städtischen  Krankenhaus  daselbst,  Oberarzt  Dr.  med. 
Karl  Herxheim  er  ist  vom  preussischen  Kultusminister  der  Pro¬ 
fessortitel  verliehen  worden,  (hc.) 


1616 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  32. 


Giessen.  Der  Privatdozent  für  Psychiatrie  und  Oberarzt  an 
der  Klinik  für  psychische  und  nervöse  Krankheiten  der  Universität 
Giessen  Dr.  med.  Adolf  Dannemann  wurde  zum  ausserordent¬ 
lichen  Professor  ernannt-,  (hc.) 

Greifswald.  In  der  Greifswalder  medizinischen  Fakultät  hat 
sich  I)r.  med.  Georg  v.  Voss,  Oberarzt  der  psychiatrischen  Klinik, 
mit  einer  Probevorlesung  über  die  soziale  Bedeutung  der  Hysterie 
als  Privatdozent  eingeführt,  (hc.) 

Halle  a.  S.  Für  das  Fach  der  Psychiatrie  habilitierte  sich  in 
der  medizinischen  Fakultät  Dr.  med.  Ernst  S  i  e  f  e  r  t  mit  einer  An¬ 
trittsvorlesung  über  „Krankhafte  Verstimmungszustände  und  ihre 
strafrechtliche  Bedeutung“. 

Heidelberg.  Der  Direktor  des  physiologischen  Universitäts- 
institutes  Prof.  Kossei  wurde  zum  Geh.  Hofrat  ernannt. 

Kiel.  Der  II.  Assistent  an  der  medizinischen  Klinik  Dr.  K  ü  1  b  s 
hat  sich  auf  Grund  seiner  Arbeit:  „Beiträge  zur  Entwicklung  des 
Knochenmarks“  für  das  Fach  der  inneren  Medizin  habilitiert.  Seine 
Antrittsvorlesung  behandelte:  „Blutbefunde  bei  Erkrankungen  des 
hämatopoetischen  Apparats“.  —  Dem  am  Ende  des  Sommersemesters 
vom  Lehramt  zurücktretenden  Prof.  Werth  (Direktor  der  Frauen¬ 
klinik)  wurde  von  der  gesamten  Studentenschaft  ein  Fackelzug  dar¬ 
gebracht. 

Köln.  An  der  städt.  Handelshochschule  zu  Köln  wurde  Ober¬ 
stabsarzt  Dr.  med.  D  a  n  t  w  i  z,  Dozent  an  der  Akademie  für  prakt. 
Medizin,  mit  Vorlesungen  über  Tuberkulose  betraut  und  liest  im 
kommenden  Wintersemester  „Die  soziale  Bedeutung  und  die  Be¬ 
kämpfung  der  grossen  Volksseuchen“  (Alkoholismus,  Tuberkulose  und 
Geschlechtskrankheiten).  —  Für  das  Lehrgebiet  der  Hautkrankheiten 
wurde  der  Dozent  an  der  Akademie  für  prakt.  Medizin  Dr.  Zinsser 
berufen,  hc.)  —  An  Stelle  des  verstorbenen  Wirkl.  Geh.  Medizinalrat 
Prof.  Dr.  Bergmann,  Exzellenz,  wurde  vom  Zentralkomitee  für 
das  ärztliche  Fortbildungswesen  in  Preussen  der  Geh.  Medizinalrat 
Prof.  Dr.  Barden  heuer  zu  seinem  Vertreter  bei  der  Akademie 
für  praktische  Medizin  zu  Köln  gewählt.  Prof.  Dr.  Hochhaus 
wurde  zum  geschäftsführenden  Professor  derselben  ernannt  bis  zum 
1.  April  1910. 

Marburg.  Für  das  Fach  der  inneren  Medizin  und  experimen¬ 
tellen  Pathologie  habilitierte  sich  an  der  Universität  Marburg  Dr.  med. 
Reinhard  von  den  Velden,  erster  Assistenzsarzt  hei  Prof. 
Brauer  an  der  medizinischen  Klinik.  Seine  Habilitationsschrift 
trägt  den  Titel  „Koordinationsstörungen  des  Kreislaufs“,  (hc.) 

Tübingen.  Mit  Beginn  des  kommenden  Wintersemesters 
scheidet  Dr.  med.  Johannes  F  i  n  c  k  h,  erster  Assistenzarzt  bei  Prof. 
G  a  u  p  p  an  der  psychiatrischen  Klinik,  aus  dem  Lehrkörper  der 
Tübinger  med.  Fakultät  aus  und  übernimmt  die  Leitung  einer  Privat- 
nervenklinik  in  Berlin,  (hc.) 

Lyon.  Dr.  Coli  et  wurde  zum  Professor  der  allgemeinen 
Pathologie,  Dr.  Pie  zum  Professor  der  Therapeutik,  Dr.  Roque 
zum  Professor  der  internen  Pathologie  ernannt. 

O  f  e  n  -  P  e  s  t.  Dr.  med.  Karl  Heim-  wurde  als  Privatdozent 
tiir  Semiotik  der  Kinderkrankheiten  in  die  medizinische  Fakultät  der 
Universität  Ofen-Pest  aufgenommen,  (hc.) 

Paris.  Zum  Professor  der  Anatomie  an  Stelle  des  verstorbenen 
Prof.  P  o  i  r  i  e  r  wurde  der  Professor  an  der  med.  Fakultät  zu  Nancy 
Dr.  Nicolas  ernannt;  zum  Professor  der  Histologie  an  Stelle  des 
verstorbenen  Prof.  Duval  der  Professor  an  der  med.  Fakultät  zu 
Nancy  Dr.  Prenant;  zum  Professor  der  Operations-  und  Instru¬ 
mentenlehre  Dr.  Quenu;  zum  Professor  der  geburtshilflichen  Klinik 
an  Stelle  des  verstorbenen  Professor  Budin  Dr.  Bar;  zum  Pro¬ 
fessor  der  Geschichte  der  Medizin  und  Chirurgie  Dr.  Ballet. 

Toulouse.  Dr.  Audebert  wurde  zum  Professor  der  ge¬ 
burtshilflichen  Klinik  ernannt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Schmalbach  in  Germersheim, 
Dr.  B  1  a  u  w  in  Dannstadt. 

Verzogen:  Dr.  Busch  von  Germersheim  nach  München, 
Dr.  Hub  ach  von  Dannstadt  nach  Mannheim. 

Erledigt:  Die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse  in  V-iechtach.  Be¬ 
werber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 
bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K-  Regierung,  K.  d.  I.,  bis  zum  19.  August 
1.  J.  einzureichen. 

Gestorben.  Dr.  Rudolf  Schreiner,  kgl.  Bezirksarzt  in 
Viechtach,  50  Jahre  alt. 


Korrespondenz. 

Aus  dem  pharmakologischen  Laboratorium  von  Kings  College,  Uni- 

versity  of  London. 

Ueber  die  Wirkung  von  Plazentarextrakt. 

Vorläufige  Mitteilung. 


Trockne  eingedampft,  und  abermals  mit  absolutem  Alkohol  ausge¬ 
zogen,  filtriert  und  eingedampft.  Der  so  gewonnene  Rückstand  wurde 
in  physiologischer  Kochsalzlösung  aufgenommen  und  intravenös  in¬ 
jiziert.  Es  erwies  sich,  dass  diese  Substanz  eine  energische  Er¬ 
höhung  des  Blutdruckes  hervorrief,  welche  genau  der  Wirkung  des 
Adrenalins  entsprach.  Ferner  bewirkte  sie  charakteristische  Kon¬ 
traktionen  der  glatten  Muskulatur  des  schwangeren  Uterus  und  der 
Blutgefässe. 

Die  chemische  Natur  des  wirksamen  Bestandteiles  wird  von  dem 
Einen  von  uns  (F.  E.  T.),  in  Gemeinschaft  mit  Dr.  O.  Rosenheim 
näher  untersucht. 

London,  den  59.  Juli  1907. 


Amtliches. 

(Bayern.) 

No.  13621.  München,  den  23.  Juli  1907. 

Kgl.  Staatsministerium  des  Innern. 

An  die 

K.  Regierung  von  Unterfranken  und  Aschaffen  bürg, 

Kammer  des  Innern. 

Betreff:  Aerztliche  Standesvertretung. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Bad  Kissingen  hat  in  einer  von  dem 
ständigen  Ausschuss  der  unterfränkischen  Aerztekammer  unterstütz¬ 
ten  Eingabe  gebeten,  von  der  Zugehörigkeit  zu  einem  ärztlichen  Be¬ 
zirksvereine  die  Anstellung  eines  Arztes  im  öffentlichen  Dienstver¬ 
hältnisse,  sowie  die  Verleihung  von  Auszeichnungen  abhängig  zu 
machen. 

Dieser  Anregung  kann  eine  Folge  nicht  gegeben  werden,  da  sie 
eine  Beschränkung  staatlicher  Hoheitsrechte  zur  Folge  haben  würde 
und  der  Staatsregierung,  so  weit  es  sich  um  Anstellung  von  Aerzten 
in  einem  öffentlichen,  nicht  staatlichen  Dienstverhältnisse,  wie  an  ge¬ 
meindlichen  und  distriktiven  Krankenanstalten  handelt,  nur  ein  sehr 
beschränktes  Einwirkungsrecht  bei  der  Anstellung  zukommt. 

Dagegen  bleibt  es  den  ärztlichen  Standesvertretungen  unbe¬ 
nommen,  Aerzte,  die  in  Gegensatz  zu  der  Organisation  der  ärztlichen 
Bezirksvereine  treten,  dem  K.  Staatsministerium  des  Innern,  sowie 
den  mit  der  Anstellung  von  Aerzten  im  öffentlichen,  nicht  staatlichen 
Dienstverhältnisse  befassten  Behörden  unter  Darlegung  des  Sach¬ 
verhaltes  zu  benennen. 

Was  die  besondere,  an  die  Militärverwaltung  gerichtete  Bitte 
anlangt,  darauf  zu  sehen,  dass  Zivilärzte  mit  Bezügen  aus  Militär¬ 
fonds  der  ärztlichen  Standesehrengerichtsbarkeit  -unterstehen,  so  hat 
das  K-  Kriegsministerium  verfügt,  dass  die  Prüfung  der  persönlichen 
Eigenschaften  nicht  beamteter  oder  nicht  in  einem  Militärverhältnis 
stehender  Aerzte  auf  die  Anfrage  beim  zuständigen  ärztlichen  Bezirks¬ 
vereine  über  das  Ansehen,  das  der  Arzt  im  Kreise  seiner  Standes¬ 
genossen  sowohl  persönlich  wie  in  Ausübung  seiner  ärztlichen  Tätig¬ 
keit  geniesst,  auszudehnen  ist. 

Der  ständige  Ausschuss  der  Aerztekammer,  die  ärztlichen  Be- 
zii  ksvereine,  sowie  die  Distriktsverwaltungsbehörden  des  Regierungs¬ 
bezirks  sind  von  dieser  Entschliessung  zu  verständigen. 

gez.  v.  B  r  e  1 1  r  e  i  c  h. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  29.  Jahreswoche  vom  14.  bis  20.  Juli  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  16  (14*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  10  (3),  Kindbettfieber  3  (1),  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (1),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  1  (2),  Diphth.  u. 
Krupp  2  (4),  Keuchhusten  2  (— ),  Typhus  —  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  2  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  31  (27),  Tuberkul.  and. 
Org.  3  (6),  Mihartuberkul.  —  (1),  Lungenentziind.  (Pneumon.)  8  (5), 
Influenza  -  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  2  (1),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  5  (2),  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (— ),  organ.  Herzleid.  9  (12), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  11  (5),  Gehirnschlag 
4  (6),  Geisteskranke  1  (— ),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  4  (1),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  —  (1),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  44  (36),  Krankh.  d.  Leber  I  (5),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  7  (7),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  15  (13), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  3  (3),  Selbstmord  2  (4),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  3  (5),  alle  übrig.  Krankh.  4  (4). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  199  (175).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,9  (16,6),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,0  (11,1). 


Von  W.  E.  D  ix  on  und  Frank  E.  Taylor. 

Frische  menschliche  Plazenten  wurden  kleingehackt  und  mit 
absolutem  Alkohol  extrahiert.  Das  filtrierte  Extrakt  wurde  zur 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwocl 


Verlag  von  J.  F.  Lehm  ann  in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


|)5e  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4-  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

\jk  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  8*/* — 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  *  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0. v. Angerep,  Ch. Bäumlep,  ;0. v. Bolünger,  H. Curschmann,  H. Hellench,  W. v. Leube,  GJerkel,  J. v. Michel,  F.PenzoIdt,  l\  Banke,  B. Spatz,  F. v. Winckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  Müu.  hen.  München.  München. 


No.  33.  13.  August  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Ueber  die  Indikationen  für  eine  künstliche  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  bei  Geisteskranken.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Alzheimer  in  München. 

Wenn  wir  uns  in  der  gynäkologischen  Literatur  umsehen, 
so  finden  wir,  dass  über  die  Gründe,  welche  Anlass  zu  einer 
künstlichen  Schwangerschaftsunterbrechung  geben  können,  im 
allgemeinen  Uebereinstimmung  besteht.  Man  kann  die  Indi¬ 
kation  dafür  wohl  dahin  zusammenfassen :  Eine  künst¬ 
liche  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
istdanngeboten,  wenninfolgederSchwanger- 
schaft  ein  lebensbedrohlicher  Zustand  der 
Mutterbereitsei  ngetretenodermitBesti  mm  t- 
heit  zu  befürchten  ist,  falls  eine  Unterbre¬ 
chung  der  Schwangerschaft  und  nicht  etwa 
eine  weniger  eingreifende  Massnahme  den 
bedrohlichen  Zustand  der  Schwangeren  be¬ 
seitigen  kann. 

Versuchen  wir  aber  nun  diese  allgemeinen  Grundsätze, 
die  aus  einer  vernunftgemässen  Abschätzung  zwischen  dem 
Werte  des  Lebens  von  Mutter  und  Kind  gewonnen  worden 
sind,  auf  die  ungemein  mannigfachen  Umstände  und  Bedin¬ 
gungen  anzuwenden,  die  in  der  Praxis  das  Zusammentreffen 
der  Schwangerschaft  mit  vielerlei  mütterlichen  Erkrankungen 
ergibt,  so  begegnen  wir  wechselnderen  Meinungen  und  oft  auf 
der  einen  Seite  der  Empfehlung  entschiedenen  Vorgehens,  auf 
der  andern  dem  Rat  vorsichtigen  Zurückhaltens.  Denn  es 
schwanken  sowohl  die  Meinungen  darüber,  ob  in  dem  einzelnen 
Falle  ein  lebensbedrohlicher  Zustand  der  Mutter  vorliegt,  als 
auch  darüber,  ob  nur  eine  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
und  nicht  schon  andere  ärztliche  Eingriffe  diesen  Zustand  be¬ 
seitigen  können.  Das  gilt  besonders  auch  bezüglich  der  Frage, 
in  wie  weit  psychische  Störungen  Anlass  zu  Schwangerschafts¬ 
unterbrechungen  geben  können. 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  gerade  hier  von  manchen 
Gynäkologen  lind  Irrenärzten,  seit  dem  Vortrage  J  o  1 1  y  s  auf 
der  Naturforscherversammlung  in  Hamburg,  1901:  „Ueber  die 
Indikationen  des  künstlichen  Abortes  bei  der  Behandlung  von 
Neurosen  und  Psychosen“  die  Grenzen  des  Eingreifens  weiter 
gezogen  worden  sind  und  aus  gelegentlichen  Erfahrungen  kann 
man  ersehen,  dass  heute  manche  Aerzte  noch  viel  weiter  zu 
gehen  sich  geneigt  zeigen,  als  es  J  o  1 1  y  selbst  für  ratsam  ge¬ 
halten  hatte. 

So  ist  es  wohl  am  Platze,  auf  Grundlage  eines  grösseren 
Materiales,  die  Frage  der  Indikation  für  die  Schwangerschafts¬ 
unterbrechung  bei  den  Psychosen  aufs  neue  zu  prüfen.  Das 
Material,  das  mir  zur  Verfügung  stand,  setzt  sich  zusammen 
teils  aus  Fällen  der  hiesigen  Klinik,  teils  aus  zahlreichen 
Krankengeschichten,  die  mir  Herr  Direktor  Dr.  Vocke  in 
liebenswürdiger  Weise  aus  der  Kreisirrenanstalt  zur  Ver¬ 
fügung  gestellt  hat,  dann  aus  Fällen,  welche  in  der  früheren 
Abteilung  für  Geisteskranke  des  Krankenhauses  1.  d.  Isar  von 
Herrn  Professor  Dr.  G  u  d  d  e  n  beobachtet  worden  sind  und 
schliesslich  aus  eigenen  Beobachtungen  in  meiner  Anstalts- 


*)  Nach  einem  im  Münchner  ärztlichen  Verein  gehaltenen  Vor¬ 
trage. 

No.  33. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

tätigkeit  und  Konsiliarpraxis.  Im  Ganzen  standen  mir  65 
Krankengeschichten  von  mit  Geisteskrankheit  komplizierten 
Schwangerschaften  zu  Gebote. 

In  den  Lehrbüchern  der  Gynäkologie  lesen  wir,  dass  eine 
Graviditätspsychose  Anlass  zur  Schwangerschaftsunterbre¬ 
chung  geben  könne.  Die  Graviditätspsi'chose  ist  nun  keine 
klinische  Krankheitsform,  darüber  sind  in  Deutschland  alle 
Psychiater  einig.  Jede  Psychose  und  Neurose,  die  im  mittleren 
Lebensalter  der  Frau  auftritt,  begegnet  uns  auch  gelegentlich 
bei  Schwangeren.  Wollen  wir  einen  sicheren  Standpunkt  in 
unserer  Stellung  zu  den  Schwangerschaftsunterbrechungen  ge¬ 
winnen,  so  müssen  wir  zunächst  sehen,  ob  und  in  wie  weit 
solche  Psychosen  durch  die  Schwangerschaft  selbst  veran¬ 
lasst  sind. 

Dass  eine  Gravidität  eine  Psychose  veranlassen  kann,  ist 
gewiss  nicht  von  vornherein  auszuschliessen.  Denn  die 
Schwangerschaft  bringt  offenkundig  tiefgehende  Umwälzungen 
im  mütterlichen  Organismus  zu  Wege;  zum  Aufbau  der  Frucht 
wird  mütterliches  Material  verwendet,  ja  im  Verlaufe  der 
Schwangerschaft  können  Stoffe  gebildet  werden,  die  auf  die 
Mutter  als  Giftstoffe  wirken.  Zu  diesen  körperlichen  Schädi¬ 
gungen  kommen  psychische.  Nicht  jede  Mutter  empfindet  das 
stolze  Gefühl,  Mutter  zu  sein;  Angst  vor  Schande,  Sorge  um 
die  Nahrung,  Bangen  vor  der  Geburt  und  ihren  Gefahren  lasten 
auf  vielen  Schwangeren. 

Vergleichen  wir  nach  den  älteren  Statistiken  von 
Weebers  und  Jones  (Fig.  l)  die  Zahl  der  Graviditäts- 


Verhältnis  der  Psychosen  beim  weib¬ 
lichen  Geschlecht  zu  den  Graviditäts-, 
Puerperal-  und  Laktationspsychosen. 

nach  Weebers  nach  Jones 


Verhältnis  der  Graviditäts-, 
Puerperal-  und  Laktations¬ 
psychosen  zu  einander. 

nach  nach 

Siemerling  Aschaffenburg 


85 

80 

75 

70 

65 

60 

55 

50 

45 

m 

40 

wJm 

35 

30 

m 

PI 

25 

p# 

20 

Wm 

15 

IIP 

10 

m 

5 

0 

OrBvidilit: 

P 

Puerperal  Laklaiiena 
ychoaen 

imidiWsfi/erptnal  \LaklahonBi 
psychoeen  ' 

Fig.  2. 


Psychosen  mit  der  Zahl  der  Psychosen  des  weiblichen  Ge¬ 
schlechtes  überhaupt  und  der  Zahl  der  puerperalen  und  Lak¬ 
tationspsychosen,  so  zeigt  sich,  dass  die  Zahl  der  Graviditäts¬ 
psychosen  im  Vergleich  zu  den  Psychosen  überhaupt  nicht 
sehr  beträchtlich  scheint  und  namentlich  auffällig  niedrig  ist  zu 
der  Zahl  der  Psychosen  in  den  anderen  Perioden  des  Gene¬ 
rationsgeschäftes,  besonders  der  Periode  des  Puerperiums. 
Letzteres  zeigt  sich  besonders  deutlich  auch  an  den  Zusammen¬ 
stellungen  von  Aschaffenburg  und  Siemerling 
(Fig.  2),  wo  die  Puerperalpsychosen  die  Schwangerschafts- 

1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33, 


Psychosen  um  ein  sehr  vielfaches  übertreffen,  obwohl  die  Zeit 
der  Gravidität  434  mal  so  lange  ist,  als  die  in  Berechnung  ge¬ 
zogene  Zeit  des  Puerperiums.  Während  also  aus  dieser  Zu¬ 
sammenstellung  eine  ätiologische  Beziehung  zwischen  Puer¬ 
perium  und  Psychose  unverkennbar  zu  Tage  tritt,  erscheint 
sie  für  die  Schwangerschaft,  wenigstens  auf  diesem  Wege, 
nicht  nachweisbar. 

Eine  solche  Statistik  würde  aber  noch  nicht  ausschliessen 
lassen,  dass  zwischen  einzelnen  Psychosen  und  der  Schwanger¬ 
schaft  ätiologische  Beziehungen  vorhanden  sind. 

Wir  müssen  daher  aus  dem  Wesen  der  einzelnen  Krank¬ 
heiten  so  weit  es  uns  die  klinische  Betrachtung  erschlossen  hat 
und  aus  dem  Studium  des  Verlaufes  der  Krankheit  und  der 
Gravidität  in  einzelnen  Fällen  derselben  unseren  Standpunkt 
zu  der  Frage  der  Schwangerschaftsunterbrechung  abzuleiten 
versuchen. 

In  den  Lehrbüchern  der  Gynäkologie  finden  wir  öfter  er¬ 
wähnt,  dass  die  Graviditätspsychosen  vornehmlich  als  De¬ 
pressionszustände  und  heitere  und  verwirrte  Erregungszu¬ 
stände  auftreten.  Auch  aus  der  Zusammenstellung  Aschaf¬ 
fe  n  b  u  r  g  s  und  Siemerlings  und  meiner  eigenen  lässt 
sich  ersehen,  dass  Zustände  ängstlicher  und  trauriger  Ver¬ 
stimmung  und  Zustände  heiterer  oder  verwirrter  Erregung  am 
häufigsten  bei  der  Gravidität  beobachtet  werden.  Wir  wissen 
heute,  dass  diese  Depressionen  und  Erregungen  verschiedene 
Zustandsbilder  im  Verlaufe  einer  einzigen  Krankheit  darstellen, 
die  man  früher  als  Melancholie,  Manie,  periodisches  und  zirku¬ 
läres  Irresein  unterschieden  hat,  während  wir  sie  jetzt  zu¬ 
treffender  mit  K  r  a  e  p  e  1  i  n  alle  unter  dem  Namen  des  m  a  - 
nisch-depressiven  Irresein  zusammenfassen. 

Gehen  wir  nun  den  Beziehungen  nach,  welche  zwischen 
dieser  Psychose  und  der  Gravidität  bestehen,  so  sehen  wir, 
dass  diese  nicht  nach  allen  Richtungen  ganz  durchsichtige 
sind.  Man  kann  sich  die  sehr  verschiedenartigen  Verlaufs¬ 
formen  dieser  Krankheit  und  ihre  Beziehungen  zur  Schwanger¬ 
schaft  am  besten  an  der  Hand  von  Schematas,  wie  sie  hier 
wiedergegeben  sind,  vor  Augen  führen;  der  Einfachheit  halber 
sind  aus  dem  ganzen  Leben  nur  die  Jahre  herausgenommen, 
die  zur  Darstellung  der  Beziehungen  zwischen  Gravidität 
und  Krankheitsanfällen  wichtig  sind.  Jede  quere  Kolumne  ent¬ 
spricht  einem  in  zwölf  Monate  geteilten  Jahre.  Die  depri¬ 
mierten  Zeiten  sind  senkrecht,  die  manischen  wagrecht  ge¬ 
strichelt,  die  Zeiten  der  Schwangerschaften  punktiert  ein¬ 
getragen. 

Von  21  manisch  depressiven  Kranken  nun  fällt  nur  bei  4 
der  erste  Anfall  in  die  Zeit  einer  Gravidität,  während  bei 
den  17  übrigen  schon  früher,  unabhängig  von  einer  Schwanger¬ 
schaft,  Anfälle  von  depressivem  und  manischem  Charakter  be¬ 
obachtet  worden  sind  oder  die  Depression  oder  Erregung  schon 
bestand,  als  die  Schwangerschaft  eintrat.  In  einigen  Fällen 
war  umgekehrt  die  manische  Erregung  indirekte  Ursache  der 
Gravidität,  da  Manische  leichter  sexuellen  Versuchungen  unter¬ 
liegen.  Eine  genauere  Beobachtung  der  Beziehungen  zwischen 
den  einzelnen  Schwangerschaften  upd  ,den  einzelnen  Krank¬ 
heitsanfällen  zeigt  uns  gar  nicht  selten  Bilder,  wie  eines  in 
Fig.  3  wiedergegeben  ist,  wo  die  einzelnen  Krankheitsanfälle 

Manisch-depressives  Irresein  und  Gravidität. 

•  !■■■*  •  .  '•  i .!oi  '  Ti 


Fig.  3. 

zwischen  die  einzelnen  Schwangerschaften  hineinfallen.  Die 
betreffende  Frau  war  deprimiert,  wenn  sie  nicht  gravide  war, 
und  gesund,  wenn  sie  eine  Schwangerschaft  durchmachte.  Der 
Mann  einer  anderen  Patientin  versicherte  uns,  dass  seine  Frau 
nur  gesund  sei,  wenn  sie  sich  in  anderen  Umständen  befinde, 
aber  immer  bald  erregt  oder  deprimiert  würde,  wenn  die  Ge¬ 
burt  vorbei  sei.  Würden  hier  enge  ätiologische  Beziehungen 
}  oi  liegen,  so  müsste  man  wohl  viel  häufiger  ein  Zusammen¬ 
fallen  von  Gravidität  und  psychischer  Störung  erwarten. 


In  der  Literatur  sind  nun  aber  auch  Fälle  beschrieben,  bei 
welchen  sich  in  jeder  Gravidität  eine  Depression  eingestellt 
hat.  Solche  Fälle  sind  aber  offenbar  nicht  häufig.  Mir  ist  unter 
mehreren  hundert  Fällen  von  manisch-depressivem  Irresein 
kein  solcher  Fall  bekannt  geworden.  In  allen  jenen  Fällen,  in 
welchen  ein  oder  zwei  Schwangerschaften  mit  einem  manisch- 
depressiven  Zustande  zusammenfielen,  waren  auch  Anfälle 
ohne  Gravidität  nachzuweisen,  schon  vor  der  ersten  Gravidität 
vorhanden  oder  sie  traten  auch  in  der  klimakterischen  Epoche 
noch  auf.  Abzustreiten  ist  aber  das  Vorkommen  solcher  ver¬ 
einzelter  Fälle  nicht. 

Spricht  nun  alles  dies  nicht  sehr  für  enge  ätiologische 
Beziehungen  zwischen  manisch-depressivem  Irresein  und  Gra¬ 
vidität,  so  zeigt  uns  die  klinische  Betrachtung  des  manisch- 
depressiven  Irreseins,  dass  es  in  einer  degenerativen  Anlage 
seine  Ursache  haben  muss.  In  zahlreichen  Fällen,  besonders  in 
den  schwereren  mit  häufigen  Anfällen,  tritt  es  ganz  unverkenn¬ 
bar  zutage,  dass  sich  die  einzelnen  Anfälle  lediglich  von  innen 
heraus  ohne  äussere  Einwirkung  entwickeln.  Bei  leichteren 
Fällen  lässt  sich  wohl  heute  nicht  mit  Sicherheit  ausschliessen, 
dass  das  Hinzukommen  anderer  Schädlichkeiten  einen  Krank¬ 
heitsanfall  begünstigt.  Sicher  aber  dürfte  sein,  dass  man  den 
Einfluss  solcher  Schädigungen  noch  vielfach  zu  überschätzen 
geneigt  ist.  So  mag  auch  bei  einer  hiezu  Disponierten  einmal 
eine  Schwangerschaft  einen  Anfall  auslösen. 

Gegen  eine  grosse  Bedeutung  der  Schwangerschaft  für  die 
Entstehung  manisch-depressiver  Krankheitszustände  spricht 
auch  der  geringe  Einfluss,  den  in  all  unseren  Fällen  die  natür¬ 
liche  Unterbrechung  oder  die  Beendigung  der  Schwangerschaft 
auf  den  Krankheitsverlauf  zeigte.  In  keinem  Falle  trat  mit  dem 
Ende  der  Schwangerschaft  eine  Heilung  ein.  Weder  ein  natür¬ 
licher  Abort,  noch  die  Entbindung  veränderte  das  Krankheits- 


Manisch-depressives  Irresein  und  Gravidität. 


I  IManie  -üüi  Manie  u.Gravidifär. 


1 1 1 II  Depression  •l•l•H•Depr,essionu.Qravidi^ä'^ 


Fig.  4. 


i 


r< 


bild  (Fig.  4).  Die  mit  einer  Schwangerschaft  komplizierte 
Erkrankung  dauerte  nicht  länger  als  die  vorausgegangene  oder 
folgende,  bei  der  keine  Schwangerschaft  vorlag  (Fig.  5).  ln 


Manisch-depressives  Irresein  und  Gravidität. 


Manie  Manie  u.  Gravidität. 


Fig.  5. 

einem  Falle  trat  die  Heilung  des  Anfalles  noch  während  der 
Schwangerschaft  ein. 

Bezüglich  der  Prognose  des  manisch-depressiven  Irreseins 
wissen  wir,  dass  sie  günstig  ist,  insofern  als  der  einzelne  An¬ 
fall  regelmässig  zur  Heilung  führt,  ungünstig,  insofern  als  durch 
das  ganze  Leben  hindurch  die  Gefahr  späterer  Rückfälle  be¬ 
stehen  bleibt,  ja  Anfall  sich  an  Anfall  reihen  kann. 

Zunächst  lässt  sich  nicht  ersehen,  wie  eine  solche  Krank¬ 
heit  die  allgemeinen  Bedingungen  für  die  Einleitung  einer 


13.  August  1907. 


MUENCHeNER  medizinische  Wochenschrift. 


Schwangerschaftsunterbrechung  geben  soll,  wie  sie  oben  dar¬ 
gelegt  worden  sind.  J  o  1 1  y  hat  aber  eine  für  die  Mutter  be¬ 
stehende  Lebensgefahr  darin  gesehen,  dass  depressive  Kranke 
vielfach  lebhafte  Suizidneigung  zeigen.  Dieser  Suizidneigung 
könne  auch  dadurch  nicht  wirksam  begegnet  werden,  dass 
man  die  Kranken  in  Anstalten  bringe,  da  dort  ein  Selbstmord 
auch  nicht  zu  verhüten  sei.  Der  Abort  bessere  dazu  den  Zu¬ 
stand  der  Kranken  und  könne  so  die  Lebensgefahr  beseitigen. 
Bei  suizidgefährlichen,  schwer  deprimierten  Schwangeren 
hält  er  darnach  eine  Schwangerschaftunterbrechung  für  an¬ 
gebracht. 

Den  Schlussfolgerungen  Jollys  kann  man,  glaube  ich, 
nach  zwei  Seiten  hin  nicht  ganz  beistimmen.  Es  ist  zunächst 
zuzugeben,  dass  auch  in  einer  aufs  beste  geleiteten  Anstalt 
eine  Geisteskranke  sich  töten  kann.  Am  häufigsten  ereignet 
sich  das  bei  Kranken,  bei  welchen  niemand  einen  Selbstmord¬ 
versuch  erwartet.  Deprimierte  Kranke,  deren  Selbstmord¬ 
neigung  jeder  Arzt  kennt,  werden  in  allen  Anstalten  unter 
ständige  Wache  gebracht.  Wenn  sich  dann  nicht  das  Personal 
einer  groben  Nachlässigkeit  schuldig  macht,  ist  ein  Selbstmord 
mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  verhüten,  jedenfalls  gehört  er  zu 
den  äussersten  Seltenheiten.  Gegenüber  den  immerhin  recht 
zahlreichen  Aborten,  die  man  bei  selbstmordsüchtigen  Depri¬ 
mierten  vornehmen  müsste,  kann  die  Zahl  derer,  die  davon  in 
einer  gutgeleiteten  Anstalt  sich  das  Leben  nehmen  würden,  wohl 
kaum  in  Betracht  kommen.  Da  noch  dazu  eine  an  Selbstmord¬ 
neigung  leidende  Deprimierte,  auch  wenn  sie  nicht  schwanger 
ist,  schon  aus  therapeutischen  Gründen  in  eine  geschlossene 
Anstalt  gehört,  so  müssen  wir  jedenfalls  die  Verbringung  in  die 
Anstalt  als  einen  milderen  Eingriff  ansehen,  als  die  Ein¬ 
leitung  eines  Abortes.  Damit  haben  wir  aber  auch,  scheint  es 
mir,  das  Recht  verloren,  eine  Schwangerschaftsunterbrechung 
vorzunehmen. 

Es  sind  gewisse  FormerT  der  Depression  mit  einer  be¬ 
sonderen  Art  von  Wahnbildung,  die  den  Gedanken  einer  künst¬ 
lichen  Schwangerschaftsunterbrechung  nahelegen  und  die  auch 
wohl  Jolly  in  erster  Linie  im  Auge  gehabt  hat.  Bei  Frauen, 
welche  schon  mehrere  Kinder  geboren  haben,  entwickelt  sich 
im  Anschlüsse  an  eine  neue  Schwangerschaft  ein  erster  oder 
wiederholter  Depressionszustand  mit  einer  Fülle  ängstlicher 
oder  hypochondrischer  Vorstellungen  oder  Versündigungs¬ 
ideen.  Die  Kranke  glaubt,  alles  schwarz  in  schwarz  sehend,  dass 
sie  das  neue  Kind  nicht  mehr  ernähren  könne,  elendiglich  mit 
ihrer  ganzen  Familie  Hungers  sterben  müsse,  oder  dass  sie  zu 
schwach,  zu  elend  sei,  die  ihr  in  einem  ganz  grässlichen  Lichte 
vor  Augen  stehende  Geburt  durchzumachen,  oder  dass  sie  zum 
Gelächter,  Hohn  und  Spott  der  Welt  würde,  weil  sie  in  ihren 
alten  Tagen  noch  einmal  ein  Kind  bekomme.  Das  alles  kann  sie 
nicht  ertragen,  sie  will,  sie  muss  sterben.  Sie  verweigert  die 
Nahrung,  sucht  ständig  nach  Gelegenheit  zum  Selbstmord,  ver¬ 
letzt  sich  in  selbstmörderischer  Absicht.  Solche  Kranke 
machen  in  der  Pflege  und  Beaufsichtigung  die  erdenklichste 
Mühe.  Gelegentlich  wird  dann  auch  einmal  von  den  An¬ 
gehörigen  oder  der  Kranken  selbst  der  Wunsch  geäussert,  dass 
man  die  Frucht,  die  vermeintliche  Ursache  aller  der  Wahn¬ 
vorstellungen  der  Kranken,  beseitige. 

Wir  wissen  nun  aber  doch,  dass  die  Wahnbildungen  dieser 
Kranken  keines  reellen  Anknüpfungspunktes  bedürfen  und  wir 
haben  Kranke  genau  dieselben  Wahnideen  äussern  hören,  die 
gar  nicht  schwanger  waren,  sondern  nur  schwanger  zu  sein 
sich  einbildeten.  Tatsächlich  zeigte  sich  auch  in  einem  der 
wenigen  Fälle,  die  mir  bekannt  geworden  sind,  bei  denen  ein 
künstlicher  Abort  eingeleitet  worden  war,  dass  die  Kranke  zu¬ 
nächst  nicht  zu  überzeugen  war,  dass  die  Frucht  beseitigt  sei 
und  in  der  alten  Weise  weiter  klagte,  später  aber,  als  sie  sich 
überzeugte  hatte,  jammerte,  dass  sie  ein  grosses  Verbrechen 
verschuldet  habe.  Die  Krankheit  hatte  sich  mit  der  Vornahme 
des  Abortes  nicht  verändert,  nur  langsam  der  Inhalt  der  Wahn¬ 
ideen. 

Es  erscheint  mir  dann  weiter  nach  dem  erfahrungsgemäss 
geringen  Einfluss,  den  der  normale  Ausgang  einer  Schwanger¬ 
schaft  in  den  Krankengeschichten  auf  den  Verlauf  der  manisch- 
depressiven  Zustände  erkennen  lässt,  im  Gegensatz  zu  Jolly, 
wenig  wahrscheinlich,  dass  ein  Abort  imder  Regel  eine  günstige 
Einwirkung  zeigen  wird.  Bei  der  ungemein  wechselnden  und 


1619 


gar  nicht  voraus  zu  bestimmenden  Dauer  der  einzelnen  Krank¬ 
heitszustände,  bei  dem  oft  raschen  Zurückgehen  der  Symptome 
können  ein  paar  Fälle,  in  welchen  eine  rasche  Besserung  eintrat, 
noch  nicht  einen  günstigen  Einfluss  des  Abortes  beweisen. 

Dass  aber  solche  Fälle  auch  ohne  Einleitung  eines  Abortes 
einen  guten  Ausgang  nehmen,  zeigt  eine  Beobachtung,  die  wir 
im  vorigen  Jahre  mit  den  Aerzten  in  Eglfing  zusammen  gemacht 
haben. 

Eine  Frau,  welche  schon  früher  4  Geburten  durchgemacht  hatte, 
ohne  zu  erkranken,  kam  im  Mai  1895  wegen  eines  Depressions¬ 
zustandes  in  die  psychiatrische  Klinik.  Noch  in  tiefer  Depression  wird 
sie  von  ihrem  Mann  gegen  ärztlichen  Rat  aus  der  Klinik  geholt,  bald 
darauf  geschwängert  und  kommt  dann  anfangs  September  in  einer 
erregten  Depression  in  die  Klinik  zurück.  Grosse  motorische  Un¬ 
ruhe,  heftige  Angstzustände,  möchte  „laut  schreien  vor  innerer  Un¬ 
ruhe,  Angst  und  Beklemmung“.  Allmählich  wenden  sich  ihre  krank¬ 
haften  Vorstellungen  immer  mehr  ihrer  Schwangerschaft  zu.  Sie  hat 
sich  selbst  ein  Kind  gewünscht,  um  gesund  zu  werden.  Das  war 
ein  grosses  Unrecht,  denn  sie  kann  es  nicht  ernähren;  ihre  ganze 
Familie  muss  zu  Grunde  gehen.  Nach  Eglfing  überführt,  steigert  sich 
die  Erregung.  Hartnäckige  Nahrungsverweigerung,  immerwährend 
Versuche  sich  zu  morden,  selbst  zu  schädigen.  Sie  muss  wochenlang 
gehalten  werden.  Schliesslich  erfolgt  eine  normale  Geburt  und  heute 
ist  auch  die  Mutter  wieder  zu  Hause,  wenn  auch  noch  nicht  völlig 
genesen.  Aber  auch  hier  bestand  die  Depression  schon  vor  Eintritt 
der  Gravidität  und  die  Erregung  dauerte  noch  eine  gute  Zeit  über  die 
Geburt  hinaus. 

Demgegenüber  steht  ein  anderer  Fall,  dessen  Kenntnis  ich  der 
Freundlichkeit  des  Herrn  Professor  Gudden  verdanke.  Bei  einer 
schwer  manisch  erregten  Kranken  wird  eine  Frühgeburt  eingeleitet. 
Das  Kind  stirbt  bald  nach  der  Geburt,  die  Mutter  geht  wenige  Tage 
später  an  puerperaler  Sepsis  zu  Grunde. 

Freunde  eines  entschiedenen  Vorgehens  mögen  vielleicht 
sagen,  dass  der  Tod  der  Mutter  einem  unglücklichen  Zufalle, 
einem  Versehen  zuzuschreiben  sei,  dass  bei  peinlichster  Vor¬ 
sorge  ein  solcher  Ausgang  vermieden  werden  könne.  Fast  in 
allen  Krankengeschichten,  welche  über  die  Geburt  Geistes¬ 
kranker  berichten,  selbst  wenn  es  sich  um  sehr  erregte  Kranke 
handelt,  findet  sich  die  Bemerkung,  dass  die  Geburt  auffallend 
gut  von  statten  gegangen  sei.  Unter  4  Fällen  von  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  bei  Geisteskranken,  über  die  ich  verfüge, 
befinden  sich  zwei  mit  Tod  durch  Sepsis.  Gewiss  mag  hier 
der  Zufall  mitspielen.  Aber  ganz  sicher  dürfte  doch  jedenfalls 
sein,  dass  bei  einer  natürlichen  Beendigung  der  Schwanger¬ 
schaft  die  physiologischen  Schutzvorrichtungen  des  weiblichen 
Organismus  besser  gegen  die  Gefahr  einer  Infektion  zu  schützen 
vermögen,  gerade  bei  einer  sehr  erregten  Kranken,  als  bei  den 
durch  einen  Abort  gesetzten  Wunden. 

Alles  dieses  zusammenfassend  müssen  wir  also  sagen,  dass 
das  manisch-depressive  Irresein  keine  Indikation  für  die 
Schwangerschaftsunterbrechung  abgeben  dürfte.  Der  Selbst¬ 
mordgefahr  kann  wirksamer  und  weniger  eingreifend  durch 
die  Verbringung  in  eine  geschlossene  Anstalt  begegnet  werden. 
Eine  heilende  Einwirkung  des  Abortes  auf  die  Krankheit  der 
Mutter  scheint  nicht  genügend  erwiesen. 

Etwas  einfacher  dürften  die  Verhältnisse  bei  den  Krank¬ 
heitszuständen  liegen,  die  wir  unter  dem  Namen  der  De¬ 
mentia  praecox1  zusammenfassen.  Jolly  hat  die  Mei¬ 
nung  ausgesprochen,  dass  leichte  Fälle  von  Katatonie  nach 
Beendigung  der  Schwangerschaft  gewöhnlich  heilten,  dass  aber 
eine  Gefahr  vprljpge,  dass  sie  sich  zu  chronischen  Psychosen 
entwickelten.  Obwohl  die  oben  ausgesprochenen  Grundsätze 
diesen  Fall  nicht  einschliessen,  so  würde  ich  keinerlei  Bedenken 
haben,  eine  künstliche  Schwangerschaftsunterbrechung  dann 
zu  empfehlen,  wenn  dadurch  eine  Verblödung,  ein  dauerndes 
geistiges  Siechtum  mit  Sicherheit  verhindert  werden  könnte. 
Blödsinn  ist  wohl  schlimmer  als  der  Tod.  Doch  so  liegen  offen¬ 
bar  die  Verhältnisse  nicht.  Die  Krankheit  scheint  sich  wohl 
manchmal  mit  dem  Ablauf  der  Schwangerschaft  zu  bessern, 
aber  gewöhnlich  schreitet  sie  bald  wieder  weiter.  In  vielen 
Fällen  ändert  die  Schwangerschaft  und  die  Geburt  nicht  das 
allergeringste.  Alle  9  Krankengeschichten,  welche  mir  zu  Ge¬ 
bote  stehen,  zeigen  dies.  Von  den  9  Fällen  waren  offenbar 
7  schon  krank,  als  die  Schwangerschaft  eintrat.  Die  Geburt  hat 
in  keinem  Falle  den  Krankheitsverlauf  wesentlich  beeinflusst. 
Eine  Indikation  zur  Schwangerschaftsunterbrechung  wird  durch 
die  Dementia  praecox  nicht  gegeben. 

Unter  meinen  Fällen  befinden  sich  dann  auffallend  viele 
—  10  Paralysen.  Die  Paralyse  ist  eine  metasyphilitische 

i* 


1620 


MUHNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Erkrankung  und  das  Zusammentreffen  von  Gravidität  und 
Paralyse  jedenfalls  nicht  ätiologisch  begründet.  Viele  para¬ 
lytische  Schwangerschaften  enden  mit  einem  Abort  oder  mit 
einer  Frühgeburt.  Bei  anderen  kommt  ein  lebendes,  meist 
schwächliches  Kind  zur  Welt.  Es  ist  auffällig,  wie  wenig  die 
meisten  Paralytischen  durch  die  Geburt  affiziert  werden.  Dass 
im  Verlaufe  einer  paralytischen  Schwangerschaft  durch  diese 
lebensbedrohliche  Zustände  ausgelöst  würden,  ist  mir  nicht  be¬ 
kannt.  Bei  der  absolut  infausten  Prognose  der  Krankheit  ist 
das  Leben  der  Mutter  geringer  einzuschätzen,  allerdings  auch 
die  dauernde  Lebensfähigkeit  des  Kindes. 

Bei  der  Epilepsie  hält  Binswanger  in  besonderen 
Fällen  eine  Schwangerschaftsunterbrechung  für  geboten, 
J  o  1 1  y  bei  schweren  Anfällen  von  Hysteroepilepsie. 
Die  Hysteroepilepsie  ist  wohl  nicht  als  eine  besondere 
Krankheitsform  anzunehmen,  es  handelt  sich  teils  um  Hyste¬ 
rische  mit  epileptischen,  teils  um  Epileptische  mit  hysterischen 
Zügen. 

Dass  epileptische  Anfälle  zum  ersten  Male  in  der  Schwan¬ 
gerschaft  auftreten,  ist  so  selten,  dass  man  wohl  annehmen  darf, 
dass  es  sich  hier  um  ein  zufälliges  Zusammentreffen  handelt. 
Natürlich  muss  man  eine  Eklampsie  ausschliessen.  Gar  nicht 
selten  sieht  man  aus  den  Krankengeschichten  von  Epilep¬ 
tischen,  dass  während  einer  Schwangerschaft  die  Anfälle  eher 
seltener  werden.  Das  ist  sogar  in  einer  unrichtigen  Verall¬ 
gemeinerung  in  die  Volksmeinung  übergegangen  und  in 
München  fragen  zuweilen  epileptische  Mädchen  oder  ihre 
Mütter,  ob  es  nicht  gut  für  die  Kranke  wäre,  wenn  sie  ein  Kind 
bekäme.  In  anderen  Fällen  geht  die  Krankheit  ihren  gewöhn¬ 
lichen  Verlauf  und  selbst  während  der  Geburt  auftretende  An¬ 
fälle  erfordern  einige  Vorsicht,  sind  aber  nicht  bedrohlich.  Ob 
eine  gelegentliche  Häufung  der  Anfälle  während  d,er  Schwanger¬ 
schaft  durch  diese  bedingt  wird,  ist  schwer  zu  beurteilen.  Meist 
lässt  sie  sich  eben  so  gut  wie  sonst  durch  grössere  Gaben  von 
Brom  und  Amylenhydrat  bekämpfen.  Einen  lebensgefähr¬ 
lichen  Zustand  im  Verlaufe  der  Epilepsie  stellt  der  Status 
epilepticus  dar,  und  hier  allein  könnte  wohl  eine  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  in  Frage  kommen.  Die  Raumbeengung, 
welche  eine  vorgeschrittene  Schwangerschaft  bedingt,  kann 
durch  die  Behinderung  der  Atmung  in  einem  solchen  Zustande 
das  Leben  gefährden.  Praktisch  ist  mir  bis  jetzt  kein  solcher 
Fall  bekannt  geworden;  manchmal  scheint  beim  Status  epilep¬ 
ticus  ein  Spontanabort  oder  eine  Frühgeburt  einzutreten. 

Die  Meinung  Binswanger s,  dass  man  bei  einer  Häu¬ 
fung  der  Anfälle  in  der  Gravidität,  wenn  gleichzeitig  eine  lang¬ 
dauernde  Benommenheit  und  schwere  psychische  Störungen 
auftreten,  wegen  der  Gefahr  eines  bleibenden  geistigen  Zer¬ 
falls  eine  Schwangerschaftsunterbrechung  vornehmen  müsse, 
halte  ich  nicht  für  genügend  begründet.  Es  scheint  mir  in 
solchen  Fällen  der  Zusammenhang  zwischen  Gravidität  und 
Verschlimmerung  der  Epilepsie  nicht  erwiesen,  und  deswegen 
auch  ein  günstiger  Einfluss  einer  Schwangerschaftsunter¬ 
brechung  zweifelhaft. 

Eine  Krankheit,  bei  welcher  die  Frage  einer  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  gar  nicht  so  selten  an  uns  herantritt,  ja 
von  den  Angehörigen  und  der  Kranken  selbst  zuweilen  direkt 
angeregt  wird,  ist  die  Hysterie.  Schwangerschaft  erzeugt 
wohl  an  sich  keine  Hysterie,  aber  mit  allen  ihren  Zusammen¬ 
hängen  ist  sie  zweifellos  ein  wichtiges  psychogenes  Moment, 
das  schwere  hysterische  Zustände  auslösen  kann.  Ein 
hysterisch  veranlagtes  Mädchen,  das  ausser  der  Ehe  in  andere 
Umstände  gekommen  ist,  die  Schande  fürchtet,  vor  allerlei 
Sorgen  um  die  Zukunft  bangt,  die  verwöhnte,  widerstands- 
unfähige  Iochter  aus  guter  Familie,  der  die  Beschwerden  der 
Schwangerschaft,  die  Qualen  und  Gefahren  der  Geburt  als 
etwas  unerträgliches,  schreckliches  vor  Augen  stehen,  eine 
von  neuem  Schwangere,  die  eine  besonders  schwere  Geburt 
hinter  sich  hat,  sind  gefährdet,  eine  Schwangerschaftshysterie 
zu  erwerben.  Hysterische  Anfälle  und  Erregungen  werden 
recht  häufig  durch  aussereheliche  Schwangerschaft  ausgelöst 
und  jedes  Jahr  sehen  wir  solche  Kranke  vielfach  in  der  Klinik. 
Einen  sehr  charakteristischen  Fall  habe  ich  ausserhalb  der  An¬ 
stalt  gesehen. 

Lin  Mädchen  aus  bürgerlicher  Familie  war  schmählich  betrogen 
w  oi  den,  sie  fürchtete  die  Schande  und  ging  offenbar  in  ernster  Ab- 


No,  33. 

sicht  sich  das  Loben  zu  nehmen  ins  Wasser.  Herausgeholt,  bekam 
sie  hysterische  Krämpfe.  Das  Geständnis  des  Motives  ihres  Selbst¬ 
mordversuches  gab  den  Eltern  Veranlassung  zu  heftigen  Vorwürfen 
und  Verwünschungen.  Bei  dem  Mädchen  folgte  eine  Reihe  hy¬ 
sterischer  Anfälle  auf  die  andere,  dazwischen  zeigt  es  ein  delirantes 
Verhalten,  spricht  von  Windeln,  dem  Galgen,  glaubt  sich  auf  Stroh 
im  Kerker,  ganz  als  wäre  ihr  Gretchen  im  Faust  ein  Vorbild  ge¬ 
wiesen.  Die  Eltern  weigern  sich  hartnäckig  die  Tochter  in  die  An¬ 
stalt  zu  bringen,  weil  ihre  Schande  an  den  Tag  käme.  Zu  Hause 
ging  es  wochenlang  in  gleicher  Weise  weiter.  Dann  wurden  die 
Anfälle  seltener.  Inzwischen  sind  die  Eltern  zu  einer  ruhigeren 
Auffassung  der  Lage  gekommen.  Vom  5.  Monat  der  Schwanger¬ 
schaft  ab  tritt  eine  anhaltende  Besserung  ein.  Das  Mädchen  gebar 
später  auswärts  und  ist  wenigstens  mehrere  Jahre  ohne  hysterische 
Erschein  üngen  geblieben. 

Hier  ist  es  vielleicht  auch  am  Platze,  einige  Worte  über 
das  unstillbareErbrechenderSchwangerenzu 
sagen,  das  ja  in  seinen  ganz  schweren  Fällen  eine  allgemein 
anerkannte  Indikation  für  eine  Schwangerschaftsunterbrechung 
bildet.  Gewiss  hat  die  Hyperemesis  gravidarum  an  und  für 
sich  nichts  mit  Hysterie  zu  tun.  Aber  mag  man  sie  nun  mit 
einer  Reflexneurose  erklären  oder  auf  eine  Intoxikation  zurück¬ 
führen,  sicher  ist,  dass  sie  manchmal  sehr  von  psychogenen 
Einflüssen  abhängig  ist.  In  einzelnen  Fällen  kann  es  offenbar 
eine  ausschliesslich  psychogene  Erkrankung  sein. 

Bei  einer  jungen  Frau,  welche  schon  früher  hysterische  Sym¬ 
ptome  geboten  hatte,  trat  in  der  ersten  Schwangerschaft  unstillbares 
Erbrechen  ein.  Die  Kranke  magerte  in  bedenklicher  Weise  ab.  Bei 
der  anamnestischen  Erhebung  ergab  sich,  dass  eine  Freundin  von  ihr 
durch  unstillbares  Erbrechen  dem  Tode  nahegekommen  war.  Bei  ihr 
selbst  hatte  sich  schon  wenige  Tage  nach  dem  Ausbleiben  der  Men¬ 
struation  heftiges  Erbrechen  eingestellt  und  sie  hatte  schon  damals 
behauptet,  dass  sie  daran  sterben  müsse..  Durch  Isolierung  von  den 
überbesorgten  Angehörigen,  Beigabe  einer  verständigen  Pflegerin  und 
vernünftigen  Zuspruch,  gelang  es,  die  Kranke  nach  einigen  Rückfällen 
dahin  zu  bringen,  dass  sie  Nahrung  behielt  und  ihre  Schwangerschaft 
glücklich  beendete. 

Zu  der  Hysterie  oder  zu  den  mannigfachen  Formen  psycho¬ 
pathischer  Zustände  und  nicht  zu  den  Depressionszuständen 
des  manisch-depressiven  Irreseins  dürften  jene  Frauen  gehören, 
die  nach  der  Angabe  Zweifels  gelegentlich  zu  jedem  Gynä¬ 
kologen  kommen  und  wegen  nervöser  Beschwerden  oder  auch 
unter  dem  Geständnis  von  Selbstmordgedanken,  ihn  um  Unter¬ 
brechung  der  Schwangerschaft  bestürmen,  sich  aber  oft  durch 
Vorstellungen  zur  Besonnenheit  zurückbringen  lassen.  Es  ist 
wohl  kaum  zu  zweifeln,  dass  in  solchen  Fällen  ein  Abort  auch 
die  Beschwerden  wegnehmen  würde.  Aber  wir  würden  sicher 
solche  Kranke  zu  Hysterischen  erziehen  und  Schwangerschafts¬ 
neurosen  wieder  bei  anderen  züchten,  wenn  wir  uns  hier  zu 
bereitwilligen  Dienern  der  Wünsche  der  Kranken  machen 
wollten. 

Es  ist  gar  nicht  einzusehen,  warum  die  Hysterie  einen  An¬ 
lass  zur  Schwangerschaftsunterbrechung  geben  sollte.  Würde 
sich  hier  der  Arzt  verleiten  lassen,  einzugreifen,  so  würde  er, 
ganz  abgesehen  davon,  dass  er  sein  Vorgehen  in  keiner  Weise 
zu  rechtfertigen  vermöchte,  der  Volksgesundheit  schaden, 
statt  nützen. 

Die  2  Fälle  von  Gravidität  bei  Imbezillität  und  die 
3  bei  Idiotie  beweisen  zunächst,  dass  keine  Frauensperson 
so  blöde  im  Geist  und  so  abstossend  am  Körper  sein  kann,  dass 
sie  nicht  der  Gefahr,  sexuell  gemissbraucht  zu  werden,  aus¬ 
gesetzt  wäre.  Die  Krankheit  wird  natürlich  nicht  durch  die 
Schwangerschaft  beeinflusst  und  zu  einer  Schwangerschafts¬ 
unterbrechung  ist  kein  Grund  vorhanden. 

Dagegen  geben  diese  Fälle  Anlass,  einen  Gesichtspunkt  zu 
besprechen,  der  auch  schon  bei  Gelegenheit  von  Diskussionen 
über  die  Einleitung  eines  Abortes  bei  Geisteskranken  berührt 
worden  ist  und  sich  auf  alle  Geistesstörungen  bezieht.  Man 
meint,  das  Leben  der  Frucht,  das  ja  bei  allen  Schwangerschafts¬ 
unterbrechungen  gegen  das  Leben  der  Mutter  einzuschätzen  ist, 
sei  bei  der  Nachkommenschaft  Geisteskranker  geringer  anzu¬ 
schlagen,  weil  es  sich  um  eine  degenerierte,  minder¬ 
wertige  Nachkommenschaft  handle.  Gewiss  drängt  sich 
jedem,  der  bei  der  Geburt  einer  solchen  Schwachsinnigen  als 
Helfer  zur  Seite  gestanden  hat,  die  Vorstellung  auf,  dass  ihm 
die  Menschheit  dafür  nicht  zum  Danke  verpflichtet  ist. 

Aus  gelegentlichen  Besprechungen  mit  Kollegen  ersehe 
ich,  dass  derartige  Erwägungen  zuweilen  Anlass  zu  einem  Ein- 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1621 


griffe  geben,  wo  ihn  der  Zustand  der  Mutter  gewiss  nicht 
rechtfertigt. 

Einer  solchen  Stellungsnahnie  gegenüber  muss  man  aber 
wohl  betonen,  dass  unsere  Kenntnisse  der  Vererbungsgesetze 
noch  viel  zu  lückenhaft  sind,  als  dass  sie  uns  Richtlinien  für 
das  ärztliche  Handeln  geben  könnten. 

Wir  wissen  zwar,  dass  die  Kinder  Geisteskranker  in  einem 
mehr  oder  minder  hohen  Grade  disponiert  sind,  selbst  geistig 
zu  erkranken.  Auf  Umfrage  habe  ich  auch  von  einigen  Fällen 
erfahren,  die  in  Irrenanstalten  als  Kinder  Geisteskranker  ge¬ 
boren,  später  selbst  als  Geisteskranke  wieder  dahin  gekommen 
waren.  Aber  ob  z.  B.  das  Kind  einer  Manisch-depressiven, 
das  während  eines  Krankheitsanfalles  geboren  wurde,  in 
höherem  Grade  zur  Erkrankung  veranlagt  ist,  als  ein  Kind,  das 
vor  dem  ersten  Anfall  zur  Welt  kam,  darüber  haben  wir  noch 
gar  keine  Erfahrung,  auch  darüber  nicht,  ob  es  nicht  vielleicht 
später  mit  einem  gesunden  Manne  gesunde  Kinder  erzeugen 
kann.  Unsere  Forschung  hat  sich  bisher  hauptsächlich  der 
Richtung  der  Degeneration  zugewandt.  Dass  es  aber  auch  eine 
Regeneration,  ein  allmähliches  Verschwinden  krankhafter  Ver¬ 
anlagung  aus  den  Stammbäumen  gibt  und  geben  muss,  weil 
sonst  die  Menscheit  wohl  schon  völlig  degeneriert  wäre,  das  ist 
bis  heute  viel  weniger  verfolgt  worden.  Vielleicht  wird  uns  die 
Zukunft  hier  klarer  sehen  lassen  und  dann  auch  andere  Grund¬ 
sätze  zur  Geltung  bringen;  heute  würden  wir  ins  Uferlose  ge¬ 
raten,  wenn  wir  uns  für  berechtigt  hielten,  die  Minderwertig¬ 
keit  der  Nachkommen  Geisteskranker  in  die  Wagschale  zu 
legen,  wenn  wir  uns  entschliessen  müssen,  ob  eine  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  am  Platze  ist  oder  nicht. 

Es  erübrigt  uns  nur  noch  zwei  Krankheitsformen  kurz  zu 
betrachten,  die  in  enger  und  engster  Beziehung  zur  Gravidität 
stehen  und  die  beide  häufig  mit  psychischen  Störungen  einher¬ 
gehen,  die  Chorea  gravidarum  und  die  Eklampsie. 
Die  Chorea  gravidarum  ist  keine  einheitliche  Krankheit.  Alle 
Formen  von  Chorea,  die  hysterische,  die  Huntingtonsche,  die 
rheumatische  Chorea  können  auch  in  der  Schwangerschaft 
auftreten.  Da  sie  für  die  Mutter  in  einer  ganz  verschiedenen 
Weise  gefährlich  sind,  spielen  sie  auch  hinsichtlich  der  Indi¬ 
kation  zur  Schwangerschaftsunterbrechung  eine  ganz  ver¬ 
schiedene  Rolle.  Die  hysterische  Chorea  bietet  nach  dem  oben 
Angeführten  keinen  Anlass  zum  Eingreifen,  die  seltene  pro¬ 
gressive,  hereditäre  Chorea  ist  eine  an  sich  unheilbare  Er¬ 
krankung;  ich  habe  nirgends  etwas  darüber  gefunden,  dass  sie 
durch  eine  Schwangerschaft  ungünstig  beeinflusst  wird.  Nicht 
wenige  Fälle  rheumatischer  Chorea  verschlimmern  sich  im 
Wochenbett  nicht,  ja  sie  heilen  sogar  unter  zweckmässiger 
Therapie.  Dagegen  sieht  man,  dass  in  einzelnen  Fällen  eine 
früher  schon  einmal  vorhandene  Chorea  in  der  Schwanger¬ 
schaft  wieder  auftritt  oder  dass  sie  zum  erstenmale  in  der 
Schwangerschaft  zum  Ausbruch  kommt  und  unter  rascher  Aus¬ 
breitung  der  choreatischen  Zuckungen  auf  alle  Muskelgebiete, 
Auftreten  schwerer  Delirien,  hohem  Fieber  bald  einen  bedroh¬ 
lichen  Charakter  annimmt.  Ich  habe  eine  solche  Kranke  am 
fünften  Tage  zu  Grunde  gehen  sehen.  Die  genaueren  Be¬ 
ziehungen  zwischen  der  Chorea  und  ihrer  Verschlimmerung 
und  dem  Wochenbett  sind  noch  unklar,  es  ist  aber  wohl  kaum 
zu  bezweifeln,  dass  Beziehungen  vorhanden  sind. 

Nach  unseren  einleitenden  Darlegungen  würde  in  diesen 
schweren  Fällen  zweifellos  eine  Indikation  für  eine  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  gegeben  sein,  wenn  sie  die  Mutter  retten 
könnte.  Die  vorliegenden  Statistiken  leiden  noch  vielfach  an 
dem  Mangel,  dass  sie  die  verschiedenen  Formen  der  Chorea 
nicht  auseinanderhalten  und  die  Schwere  der  einzelnen  Fälle 
nicht  deutlich  erkennen  lassen.  Immerhin  hat  man  den  Ein¬ 
druck,  dass  im  allgemeinen  die  Schwangerschaftsunterbrechung 
einen  günstigen  Erfolg  hat.  So  dürfte  bei  der  Chorea  gravi¬ 
darum,  wenn  allgemeine  Konvulsionen,  bedenkliche  Tem¬ 
peratursteigerungen  und  schwere  delirante  Zustände  aufge¬ 
treten  sind,  eine  Schwangerschaftsunterbrechung  geboten  sein. 
Wie  aber  schon  v.  W  i  n  c  k  e  1  hervorhebt,  hilft  sie  in  allen 
Fällen  nicht.  Unter  den  mir  vorliegenden  Krankengeschichten 
befindet  sich  ein  Fall,  bei  welchem  nach  einer  künstlichen  Früh¬ 
geburt  die  choreatischen  Symptome  nicht  nachliessen  und  zu¬ 


dem  eine  puerperale  Sepsis  eintrat,  die  den  Tod  der  Mutter 
herbeiführte;  das  Kind  war  gleich  nach  der  Geburt  gestorben. 

Dass  bei  schweren  eklamptischen  Zuständen 
die  Einleitung  einer  künstlichen  Frühgeburt  geboten  ist,  ist 
allgemein  anerkannt.  Hier  haben  wir  es  ja  auch  mit  einer 
Krankheit  zu  tun,  die  mit  der  Schwangerschaft  in  engster 
ätiologischer  Beziehung  steht.  In  den  meisten  Fällen  handelt 
es  sich  auch  nur  um  eine  Beschleunigung  der  Geburt.  Doch 
gibt  es  seltene  Fälle,  in  welchen  die  Eklampsie  schon  früher 
auftritt.  Gerade  wegen  der  Notwendigkeit  eines  eventuell 
raschen  Eingreifens  ist  es  geboten,  bei  allen  Krampfzuständen 
während  der  Schwangerschaft  an  Eklampsie  zu  denken.  Wir 
haben  wiederholt  in  die  psychiatrische  Klinik  hochschwangere 
Frauen  mit  der  Diagnose  Hysterie  eingeliefert  bekommen,  die 
sich  in  schweren  eklamptischen  Zuständen  befanden  und  wohl 
nur  durch  eine  rasche  Entbindung  vom  Tode  gerettet  wurden. 

Schliesslich  hätten  wir  noch  auf  eine  Frage  einzugehen, 
die  sich  gleichmässig  auf  alle  Geisteskrankheiten  bezieht,  bei 
welchen  wir  eine  Indikation  für  eine  Schwangerschaftsunter¬ 
brechung  als  vorliegend  erachtet  haben  und  die  sich  ausser¬ 
dem  auf  jene  Psychosen  ausdehnt,  die  im  Puerperium  ent¬ 
standen  sind. 

Nämlich:  Ist  eine  Schwangerschaftsunterbrechung  bei 
einer  zweiten  Gravidität  am  Platze,  wenn  im  Gefolge  der  vor¬ 
ausgegangenen  Schwangerschaft  eine  lebensgefährliche  Er¬ 
krankung,  also  eine  schwere  Chorea,  eine  Eklampsie  mit 
Psychose  auftrat,  bei  der  die  Mutter  mit  knapper  Not  mit  dem 
Leben  davon  kam,  oder  wenn  im  Anschluss  an  das  erste 
Wochenbett  eine  schwere  Psychose  aufgetreten  war,  die  zwar 
in  Heilung  ausging,  aber  mit  einem  neuen  Puerperium  die  Ge¬ 
fahr  eines  Rückfalls,  sogar  unheilbarer  Verblödung  bringen 
könnte?  Die  Frage  ist  keine  theoretische,  sie  wird  öfters  an 
den  Psychiater  gestellt.  Man  kann  darauf  nur  antworten,  dass 
die  Konstellationen  der  einzelnen  Schwangerschaften  so  ver¬ 
schiedene  sind,  dass  eine  folgende  die  Gefahren  einer  früheren 
nicht  notwendig  zu  bringen  braucht  und  tatsächlich  häufig  nicht 
bringt.  Für  die  Chorea,  für  die  Eklampsie,  auch  für  die  Psy¬ 
chosen  scheint  das  erwiesen.  So  ist  es  durchaus  angebracht, 
abzuwarten,  und  seine  Indikationen  lediglich  nach  der  vor¬ 
liegenden  Gravidität  zu  stellen. 

Nicht  selten  macht  man  dann  die  Erfahrung,  dass  Ange¬ 
hörige  und  prakt.  Aerzte  bei  irgend  welchen  in  der  Gravidität 
auftretenden  nervösen  Störungen  von  Bedenken  erfüllt  werden, 
ob  nicht  etwa  die  Fortdauer  der  Gravidität  die  Beschwerden 
verschlimmern  und  eine  unheilbare  Geisteskrankheit  herbei¬ 
führen  könne.  Rein  hysterische  Symptome,  Klagen  psycho¬ 
pathischer  Persönlichkeiten  über  nervöse  Schmerzen,  leichte 
Depressionszustände  geben  zu  solchen  Sorgen  Veranlassung. 
So  mangelhaft  noch  nach  manchen  Richtungen  unsere  klinischen 
Kenntnisse  sind,  das  wird  ein  erfahrener  Psychiater  wohl  in 
den  meisten  Fällen  sicher  entscheiden  können,  ob  es  sich  um 
Anfangserscheinungen  schwerer  Krankheit  oder  um  unbe¬ 
denkliche  Symptome  handelt.  Hier,  wie  überhaupt  immer, 
wenn  eine  Schwangerschaftsunterbrechung  wegen  Geistes¬ 
krankheit  in  Frage  kommt,  sollte  man  nicht  versäumen,  den 
Rat  eines  Irrenarztes  in  Anspruch  zu  nehmen.  Im  allgemeinen 
werden  diese  Gefahren  meist  sehr  überschätzt. 

Damit  hätten  wir  wohl  die  praktisch  wichtigsten  Formen 
der  Geistesstörungen,  bei  welchen  eine  Schwangerschafts¬ 
unterbrechung  in  Frage  kommen  kann,  besprochen.  Möglicher¬ 
weise  sind  dabei  noch  nicht  alle  die  mannigfachen  Umstände, 
welche  die  Praxis  bringen  kann,  genügend  berücksichtigt 
worden. 

Die  Indikationen  sind  etwas  enger  gezogen,  als  sie  J  o  1 1  y 
gezogen  hat  und  als  es  heute  manche  Kollegen  tun.  Wenn 
unsere  Patienten  oder  ihre  Angehörigen  mit  Klagen  und 
Wünschen  an  uns  herantreten,  dann  ist  es  nötig,  dass  wir 
diesen  bestimmte  Grundsätze  entgegenstellen  können. 

Ich  glaube,  dass  allein  die  oben  dargelegten  sich  aus 
unseren  heutigen  klinischen  Erfahrungen  ableiten  lassen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


i  622 


Aus  dem  hygienischen  Institute  der  Universität  Halle  a.  S. 

(Direktor:  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  C.  F  r  a  e  n  k  e  1). 

Ueber  das  Vorkommen  und  die  Bedeutung  von  Typhus¬ 
bazillenträgern  in  Irrenanstalten. 

Zugleich  ein  Nachtrag  zu  der  Mitteilung  über  bemerkenswerte 
Befunde  bei  Untersuchungen  auf  das  Vorhandensein  von 
Typhusbazillenträgern  in  einer  Irrenanstalt. 

Von  Dr.  A.  Nieter,  Stabsarzt,  kommandiert  zum  Institut. 

In  No.  33  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift 
vom  vorigen  Jahre  berichteten  L  i  e  f  m  a  n  n  und  ich  über  be¬ 
merkenswerte  Befunde  bei  Untersuchungen 
auf  das  Vorhandensein  von  Typhusbazillen- 
trägem  in  einer  Irrenanstalt  in  Mitteldeutschland. 
Seit  unserer  damaligen  Mitteilung  haben  wir  bezw.  nur  ich  im 
Aufträge  von  Herrn  Geh. -Rat  Prof.  Dr.  C.  Fraenkel  noch 
weiter  Gelegenheit  gehabt,  in  dieser  Anstalt  bakteriologische 
Arbeiten,  die  sich  mit  der  Aufklärung  neuer  Typhusfälle  be¬ 
fassten,  auszuführen.  Die  dort  gemachten  Untersuchungen 
und  die  dabei  gewonnenen  Erfahrungen  sind  von  einigem  In¬ 
teresse,  so  dass  es  sich  wohl  schon  der  Mühe  verlohnt,  darüber 
noch  eine  weitere  Mitteilung  folgen  zu  lassen. 

Bei  unserer  erstmaligen  Durchsuchung  der  Anstalt  vor 
ungefähr  Jahresfrist,  mit  dem  Ziele  auf  Bazillenträ¬ 
gerinnen  zu  fahnden,  hatten  wir  im  ganzen  7  Bazillen¬ 
trägerinnen  und  bei  einer  im  Laufe  des  Spätsommers  ebenfalls 
daraufhin  gerichteten  Prüfung  nochmals  4  Dauerausscheider¬ 
innen  festgestellt.  Mit  der  Auffindung  dieser  schon  recht  er¬ 
heblichen  Anzahl  von  chronischen  Typhusbazillenausscheider¬ 
innen  glaubten  wir  uns  der  Hoffnung  hingeben  zu  können,  dass 
neue  Typhusfälle  sobald  nicht  mehr  auftreten  würden.  In 
dieser  Annahme  haben  wir  uns  indes  schon  verhältnismässig 
bald  getäuscht  gesehen.  So  kamen  im  Laufe  des  Winters 
(Ende  Dezember  und  Anfang  Januar  1907)  beispielsweise  3 
Neuerkrankungen  bei  3  Pflegerinnen  in  einem  Gebäude 
der  Anstalt  vor,, /das  auch  in  früheren  Jahren  schon  als  ganz 
besonders  typhusdurchseucht  angesehen  worden  war. 
Unter  den  250  Insassinnen  dieses  Anstaltshauses  hatten  wo¬ 
bei  unseren  erstmaligen  Untersuchungen  allein  7  als  Typhus¬ 
bazillenträgerinnen  aufgedeckt.  Da  aus  den  an  Ort  und  Stelle 
gewonnenen  Erhebungen  hervorging,  dass  weder  eine  Ein¬ 
schleppung  vorlag,  noch  auch  dass  an  eine  auf  Wasser  oder 
durch  andere  Nahrungsmittel  zurückzuführende  Infektion  ge¬ 
dacht  werden  konnte,  so  lag  die  Vermutung  nahe,  dass  viel¬ 
leicht  noch  eine  Bazillenträgerin  vorhanden 
sein  könnte,  die  als  die  Quelle  der  neuen  Erkrankungen  an¬ 
zusehen  wäre.  Die  daraufhin  angestellten  Untersuchungen 
bestätigten  auch  wirklich  diesen  Verdacht, 
ln  dem  Saale,  auf  welchem  die  3  erkrankten  Pflegerinnen 
Dienst  verrichtet  hatten,  fand  sich  noch  eine  seit  einer  Reihe 
von  Jahren  in  der  Anstalt  untergebrachte  Typhusbazil¬ 
lenträgerin,  die,  ohne  jemals  klinische  Symptome  für 
Typhus  abgegeben  zu  haben,  oder  sonstwie  als  krank  in  Be¬ 
obachtung  gekommen  zu  sein,  mit  einer  an  hoher  Sicherheit 
grenzenden  Wahrscheinlichkeit  die  Ansteckung  vermittelt 
hatte.  Diese  Kranke  bot  nun  ausserdem  insofern  noch  einen 
ganz  besonders  interessanten  Befund  dadurch,  als  bei  ihr  i  n 
ihren  Entleerungen  neben  Typhusbazillen 
auch  Paratyphusbazillen  (Typus  B)  in  wieder- 
holentlichen  Prüfungen  festgestellt  werden  konnten.  D  e  r  b  e  i 
ihr  isolierte  Stamm  „Typhus“  wurde  durch 
lyphusserum  in  einer  Verdünnung  von  1 :  6000 
und  der  Paratyphusstamm  (B)  durch  Para¬ 
typhusserum  in  einer  Verdünnung  von 
1.3600  a  g  g  1  u  t  i  n  i  e  r  t.  Auf  die  Einzelheiten  dieser  Beob¬ 
achtung  will  ich  an  anderer  Stelle  noch  ausführlich  zurück¬ 
kommen,  es  sei  hier  nur  der  Tatsache  schon  Erwähnung  getan. 

Indes  auch  bei  diesen  eben  angeführten  Neuinfektionen,  die 
diesmal  nur  Pflegerinnenpersonal  betrafen,  sollte  es  nicht 
bleiben.  Nach  einer  Ruhepause  von  ungefähr  4  bezw.  5  Mo¬ 
naten  kamen  ziemlich  unvermutet  wiederum  in  einem  anderen 
Gebäude,  in  dem  ebenfalls  bei  den  früher  ausgeführten  Unter¬ 
suchungen  zwei  Bazillenträgerinnen  bereits  aufge- 
’ linden  und  daraufhin  isoliert  worden  waren,  3  Neuerkran¬ 


kungen  vor.  Diese  Erkrankungen,  welche  sich  diesmal  bei  3 
in  einem  Wachsaal  befindlichen  bettlägerigen  Kranken  ereig¬ 
neten,  traten  fast  zur  gleichen  Zeit  auf.  Auf  dem  betreffenden 
Wachsaal  befand  sich  ausserdem  eine  Kranke,  die  vor  zwei 
Jahren  (1905)  Typhus  in  der  Anstalt  durchgemacht  hatte.  Ihr 
Blutserum  zeigte  noch  eine  positive  Widalreaktion  in  einer 
Verdünnung  von  1:100.  Nachdem  die  Stuhlproben  der  im 
Wachsaal  befindlichen,  sowie  auch  der  übrigen  Insassinnen  des 
gesamten  Gebäudes  unter  Einbeziehung  des  Pflegepersonals 
bei  einer  erstmaligen  Durchmusterung  ein  völlig  negatives  Re¬ 
sultat  gezeitigt  hatten,  wurde  zu  einer  zweiten  Durchsuchung 
des  ganzen  Hauses  geschritten  unter  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Kranken  des  vom  Typhus  heimgesuchten  Wach¬ 
saales,  von  denen  gelegentlich  sogar  öftere  Proben  der  Unter-' 
suchung  zugeführt  wurden.  Im  Laufe  dieser  gelang  es  in  der 
Tat  wiederum  eine  Dauerausscheiderin  aus¬ 
findig  zu  machen;  es  handelte  sich  in  diese m 
Falle  um  die  Kranke,  welche  vor  zwei  Jahren 
Typhus  überstanden  hatte  und,  wie  erwähnt, 
noch  positive  Blutreaktion  zeigte.  In  der  dritten 
Stuhlprobe  wurden  in  ziemlicher  Menge  in  einwandfreier 
Weise  Typhusbazillen  zum  Nachweis  gebracht.  Die 
jüngsten  Neuerkrankungen  waren  damit  ohne  Zweifel  mit 
Sicherheit  durch  diese  Kranke  herbeigeführt,  zumal  sie  sich  auf 
demselben  Wachsaal,  in  demselben  Gebäude  mit  diesen 
Kranken  befunden  hatte  und  mehrfach  im  Laufe  der  Zeit  Ge¬ 
legenheit  geben  konnte,  dass  sich  andere  Kranke  durch  sie 
infizierten. 

Aehnliche  Beobachtungen,  wie  wir  sic  in  M.  anzu- 
stellen  Gelegenheit  hatten,  sind  auch  in  jüngster  Zeit  von 
anderer  Seite  speziell  in  Irrenanstalten  gemacht  worden. 
Eine  Reihe  solcher  Beobachtungen  sind  auch  veröffentlicht 
worden.  Es  sei  mir  daher  gestattet,  hier  einige  davon  anzu¬ 
führen. 

Eine  ausserordentlich  eingehende,  sehr  interessante  Schil¬ 
derung  von  mehreren  Typhusepidemien  gibt  Friedei.  Es 
handelt  sich  um  die  Provinzial-Heil-  und  Pflegeanstalt  in 
Andernach,  in  der  vor  dem  Jahre  1901  immer  nur  ganz 
vereinzelte  Typhuserkrankungen  unter  den  Anstaltsbewohnern 
zu  verzeichnen  waren;  diese  konnten  fast  stets  als  ausserhalb 
der  Anstalt  infiziert  nachgewiesen  werden.  Die  nach  dieser 
Zeit  aufgetretenen  Epidemien  waren  die  folgenden: 

1.  1901  im  Mai:  9  Fälle:  1  Arzt,  5  männliche  Pfleger,  3 
männliche  Pfleglinge  und  ein  weiblicher  Pflegling. 

2.  1901  im  Oktober:  12  Fälle:  9  Pflegerinnen,  1  Pfleger, 

1  männlicher  und  1  weiblicher  Pflegling. 

3.  1905  im  Mai:  7  Fälle:  1  Pfleger  und  6  männliche  Pfleg¬ 
linge. 

4.  1905  im  September:  35  Fälle:  8  männliche  Pfleger, 

8  weibliche  Pflegerinnen,  4  Männer  (Hauspersonal),  5  männ¬ 
liche,  10  weibliche  Pfleglinge. 

Zwischen  den  Epidemien  1—3  kamen  7  Einzelfälle  zur  Be¬ 
obachtung;  6  mal  musste  die  Infektion  in  der  Anstalt  stattge¬ 
funden  haben;  ein  Fall  war  eingeschleppt. 

Als  Infektionsquelle  kam  nach  Ansicht  Friedeis  nur 
die  Anstaltsküche  in  Betracht;  die  von  ausserhalb  be¬ 
zogenen  Lebensmittel  (Wasser  usw.)  gaben  niemals  irgend 
welchen  Anhalt.  Von  F  r  i  e  d  e  1,  der  bei  der  3.  und  4.  Epidemie 
die  Nachforschungen  leitete,  wurde  die  Vermutung  auf  einen 
innerhalb  der  Anstalt  befindlichen  Typhusbazillenträger  aus¬ 
gesprochen.  Es  wurde  daher  zur  Untersuchung  von  Fäzes 
und  Urin  aller  in  der  Anstaltsküche,  Spülküche,  Molkerei  und 
Wäsche  Beschäftigten  geschritten.  Während  die  Annahme 
einer  ausserhalb  der  Anstalt  gelegenen  Infektionsquelle  auch 
nicht  die  kleinste  Stütze  fand,  ergab  das  Resultat  der  Stuhl¬ 
untersuchungen,  dass  noch  im  September  die  Ausschei¬ 
dung  von  Typhusbazillen  nahezu  in  Reinkultur  in 
den  Fäzes  einer  imbezillen  65  jährigen  Person  mit  schwachem 
Reinlichkeitsgefühl,  die  seit  6  Jahren  in  der  Anstaltsküchc 
dauernd  beschäftigt  war,  festgestellt  werden  konnte.  Durch 
kontrollierende  Nachuntersuchungen  wurde  die  Daueraus¬ 
scheidung  bestätigt.  An  Typhus  will  diese  Person  nie  ge¬ 
litten  haben;  in  der  Anstalt  selbst  war  auch  nie  bei  ihr  eine 
daiaufhin  zielende  Erkrankung  beobachtet.  Ihre  Beschäftigung 
hatte  unter  anderem  besonders  im  Schneiden  von  Kartoffeln  zu 


13.  Atigust  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1623 


Salat,  von  Fleischstücken  zu  Fleischsalat,  von  Zwiebeln  zu 
diesen  Salaten,  sowie  überhaupt  im  Mischen  und  Herrichten 
dieser  und  anderer  Speisen  bestanden.  Alle  anderen  Personen, 
die  in  Beziehung  zu  Nahrungsmitteln  gestanden  hatten,  waren 
frei  von  Typhusbazillen  befunden  worden. 

Bei  der  Annahme,  die  nach  den  Ausführungen  des  Autors 
grosse  Wahrscheinlichkeit ,  für  sich  hat,  dass  nämlich  diese 
Person  vielleicht  schon  viele  Jahre  vor  der  Auffindung  eine 
Dauerausscheiderin  gewesen  war,  gewinnen  die  verschiedenen 
Typhusepidemien  in  der  Anstalt  eine  ungezwungene  Er¬ 
klärung. 

In  den  V  i  e  r  t  e  1  j  a  h  r  s  b  e  r  i  c  h  t  e  n  der  Untersuchungs¬ 
anstalten  zur  Bekämpfung  des  Typhus  im  Südwesten  des 
Reiches  sind  weiterhin  wiederholentlich  Mitteilungen  enthalten, 
die  speziell  auf  Irrenanstalten  Bezug  haben. 

So  wird  beispielsweise  im  Regierungsbezirk  Trier  aus 
der  Irrenanstalt  M  e  r  z  i  g  berichtet,  dass  ein  im  Oktober  1906 
sieh  ereigneter  Fall  von  Typhus  auf  eine  65  jährige  Geistes¬ 
kranke,  die  sehr  zum  Kotschmieren  neigte,  als  Bazillen¬ 
trägerin  ermittelt  wurde,  mit  Sicherheit  zurückgeführt  werden 

konnte.  ,  J 

Ueber  die  in  der  Irrenanstalt  Hördt  von  der  Strass- 
b  u  r  g  e  r  Anstalt  ausgeführten  Arbeiten  ist  bekannt  geworden, 
dass  im  Jahre  1904  »auf  zwei  durch  gemeinsamen  Hof  ver¬ 
bundenen  Abteilungen  ab  September  bis  Januar  1905  sich  14 
Typhusfälle  ereigneten,  trotz  jedesmaliger  Isolierungs-  und 
Desinfektionsmassnahmen.  Die  Neuerkrankungen  auf  diesen 
Abteilungen  sistierten  erst,  nachdem  durch  umfangreiche  Unter¬ 
suchungen  zwei  chronische  Bazillenträger  her¬ 
ausgefunden  und  ebenfalls  isoliert  waren.  In  der  gleichen  An¬ 
stalt  war  ferner  eine  als  W  äscherin  auf  den  von  Typhus 
betroffenen  Abteilungen  verwendete  Frau  im  Dezember  1904 
an  Typhus  erkrankt.  Durch  3  mal  vorgenommene  Unter¬ 
suchungen  im  Februar  und  März  waren  deren  Stuhl  und  Urin 
typhusbazillenfrei  befunden.  Im  September  1905  traten  jedoch 
Typhen  in  der  Abteilung  dieser  Frau  auf.  Bei  abermaliger 
Durchuntersuchung  aller  Gesunden  der  betreffenden  Säle 
wurde  die  oben  bezeichnete  Wäscherin  als  Bazillen¬ 
träger  in  festgestellt.  Ihr  Serum  agglutinierte  Typhus¬ 
bazillen  noch  1 :  1000.  Bei  einem  weiteren  im  Oktober  des¬ 
selben  Jahres  in  dieser  Anstalt  beobachteten  Typhusfall  wurde 
aus  den  Gesunden  heraus  eine  55  jährige  Frau  als  Bazillen¬ 
trägerin  ermittelt,  die  1903  an  J  yphus  gelitten  und  seitdem 
dauernd  an  einer  schweren  Cholezystitis  litt.. 

Aus  einer  Bezirksirrenanstalt  bei  Saargemünd  wird 
mitgeteilt,  dass  bei  neuerdings  vorgekommenen  Typhuser¬ 
krankungen,  bei  denen  eine  Einschleppung  nicht  nachgewiesen 
werden  konnte,  die  beiden  früher  festgestellten  Bazillenträger, 
die  nach  4  bezw.  8  maliger  negativer  Untersuchung  als  genesen 
betrachtet  worden  waren,  einer  Nachuntersuchung  unterzogen 
wurden.  Es  zeigte  sich  dabei,  dass  die  Ausscheidung  von 
Typhusbazillen  inzwischen  wieder  begonnen  hatte  und  auch 
anhielt.  Dabei  wurde  ferner  aus  der  Umgebung  von  frischen 
Typhuskranken  eine  weitere  gesunde  Bazillenträgerin  ermittelt 
und  ausserdem  eine  4.  Anstaltsinsassin  nach  neuerdings  über¬ 
standenem  Typhus  als  Typhusbazillenausscheiderin  festgestellt. 

Endlich  seien  hier  noch  einige  über  die  Kreisirrenanstalt 
Klingemünster  berichtete  kurze  Angaben  angeführt,  in 
der  2  Bazillenträger  aufgefunden  wurden,  die  beide  dadurch 
noch  besonders  bemerkenswert  sind,  als  bei  ihnen  monatelang 
die  Ausscheidung  s  i  s  t  i  e  r  t  e,  um  dann  von  neuem  zu  be¬ 
ginnen. 

Die  grösste  Aehnlichkeit  mit  unseren  Beobachtungen  haben 
die  in  der  Irrenanstalt  Hördt  gemachten,  die  in  epidemio¬ 
logischer  Hinsicht  gerade  so  ausserordentlich  wertvoll  sind. 
Nach  den  Angaben  von  L  e  v  y  und  Kayser  haben  die  dabei 
gesammelten  Erfahrungen  nach  Feststellung  und  Isolierung  der 
Typhusbazillenträger  die  Anstalt  seitdem  von  Typhus  ver¬ 
schont.  Auch  bei  umfangreichen  Untersuchungen  sind  wir  von 
denselben  Gesichtspunkten,  wie  sie  von  Levy  und  Kayser 
ausführlich  dargelegt  werden,  geleitet  worden.  Bei  der  bisher 
bereits  ermittelten  grossen  Anzahl  —  es  kommen  auf  900 
Anstaltsinsassinnen  im  ganzen  jetzt  13  Bazil¬ 
lenträgerinnen  —  können  wir  uns  indes  der  Ansicht 
nicht  verschliessert,  dass1  möglicherweise  sogar  trotz  der 


wiederholten,  in  sorgfältiger  Weise  durchgeführten  Unter¬ 
suchungen  noch  eine  oder  die  andere  Daueraus¬ 
scheiderin  vorhanden  sein  mag,  die  den  Ausgangs¬ 
punkt  neuer  Erkrankungen  bilden  kann.  Ist  man  doch  gerade 
bei  den  Stuhluntersuchungen  so  häufig  vom  Zufall  abhängig,  da 
bazillenfreie  Intervalle  mit  bazillenhaltigen  Schüben  ab- 
wechseln  können.  Solche  Beobachtungen  sind  wiederholent¬ 
lich  gemacht  worden.  Kayser,  der  eine  probeweise  bak¬ 
teriologische  Spätkontrolle  abgelaufener  Typhen  unter  der 
Zivilbevölkerung  Strass burgs  nach  Jahr  und  Tag  vor¬ 
genommen  hat,  konnte  bei  etwa  3  Proz.  der  daraufhin  nach¬ 
träglich  Untersuchten  bis  dahin  als  „bakteriologisch  genesen“ 
geltenden  Personen  als  „Bazillenträger“  feststellen,  ca.  1  Proz. 
Männer  und  2  Proz.  Frauen.  Von  Brio  n  und  Kayser  wird 
in  bezug  auf  die  Häufigkeit  chronischer  Bazillenträger  1,5  Proz. 
von  200  klinisch  sorgfältig  behandelten  Fällen  aus  Strass- 
b  u  r  g  -  Stadt  angegeben. 

Zu  der  Frage,  welche  Umstände  dazu  beitragen,  dass  an 
Typhus  erkrankt  gewesene  bezw.  in  der  Umgebung  solcher 
aus  den  Gesunden  heraus  einzelne  Personen  zu  Bazillenträgern 
werden,  vermögen  unsere  in  M.  gesammelten  Erfahrungen 
wenig  Anhaltspunkte  zu  geben.  Die  von  L  e  n  t  z  aus¬ 
gesprochene  Mutmassung,  dass  alle  Arten  von  schwächenden 
Momenten  die  Disposition  zur  Entstehung  einer  Dauerausschei¬ 
dung  geben  können,  trifft,  so  anfechtbar  sie  auch  noch  sein  mag, 
in  gewissem  Sinhe  in  Irrenanstalten  vielleicht  in  vielen  Fällen 
zu,  besonders  wenn  man  in  Rücksicht  zieht,  dass  bei  schweren 
psychischen  Erkrankungen  die  Körperkräfte  infolge  unzu¬ 
reichender  Ernährung  (durch  Nahrungsverweigerung  und 
andere  Momente)  geschwächt  sind.  Bei  einem  von  uns  in 
unserer  ersten  Mitteilung  schon  erwähnten  Falle  einer  Bazil¬ 
lenträgerin,  welche  zur  Zeit  unserer  Tätigkeit  in  der  Irren¬ 
anstalt  verstarb  und  zur  Sektion  kam,  konnten  wir  aus  der 
Galle  und  den  reichlich  Vorgefundenen  Gallensteinen 
Typhusbazillen  in  Reinkultur  zum  Nachweis  brin¬ 
gen.  Wir  hatten  damals  schon  darauf  hingewiesen,  dass  dieser 
Fall  einen  bemerkenswerten  Beitrag  zu  den  Beobachtungen 
Försters  und  seiner  Strassburger  Mitarbeiter 
bietet.  Im  Verein  mit  den  übereinstimmenden  Befunden 
anderer  Forscher  legt  diese  Beobachtung  immerhin  den  Ge¬ 
danken  nahe,  dass  die  in  der  Gallenblase 
wuchernden  Typhus-  bezw.  Paratyphus¬ 
bazillen  bei  der  Steinbildung  eine  tatsäch¬ 
liche  Rolle  spielen,  ja  überhaupt  bei  Gallen¬ 
leiden  eine  ätiologische  Bedeutung  besitzen. 
Inwieweit  Gallenleiden  bei  den  übrigen  von  uns  ermittelten 
Bazillenträgerinnen  ausserdem  vorliegen,  konnte  bei  den  im¬ 
bezillen  Kranken  nicht  festgestellt  werden;  irgendwelche  An¬ 
haltspunkte  dafür  haben  sich  auch  nicht  ergeben. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  mit  einigen  Bemerkungen 
auf  den  bereits  erwähnten  Fall  einer  Bazillenträgerin  zurück¬ 
kommen,  bei  der  sich  eine  Mischinfektion  von 
Typhus-  und  Paratyphusbazillen  im  Stuhle  vor¬ 
fand. 

Der  erste,  der  einen  derartigen  Fall,  bei  dem  er  die  gleichzeitige 
Anwesenheit  von  Typhus-  und  Paratyphuserregern  in  den  Fäzes  und 
in  der  Infektionsquelle,  dem  Wasser  eines  Brunnens  feststellen  konnte, 
war  C  o  n  r  a  d  i.  Diesen  Beobachtungen  sind  in  jüngster  Zeit  dann 
weitere  gefolgt,  so  von  Kayser,  Qaehtgens  und  F  o  r  n  e  t. 
Kayser  konnte  aus  dem  Stuhle  einer  Typhuskranken  am  7.  Krank¬ 
heitstage  Typhusbazillen,  6  Wochen  darauf  in  'der  Rekonvaleszenz 
aber  mehrfach  Paratyphusbakterien  (Typus  B)  aus  Stuhl  und  Urin 
züchten.  Der  Nachweis  beider  Bakterienarten  gelang  hier  nicht 
gleichzeitig  und  nicht  während  der  Fieberperiode,  wohl  aber  im 
Verlaufe  derselben  Krankheit. 

Bei  dem  von  Qaehtgens  beschriebenen  Falle  wurden  am 
8.  bezw.  9.  Tage  nur  Typhusbazillen  gefunden,  dagegen  aus  den 
Fäzes  nach  der  Entfieberung  neben  vereinzelten  Typhus-  auch  Para¬ 
typhuskolonien.  ,  .  ^ 

Der  von  Fornet  berichtete  Fall  betraf  eine  Bazillentragerm, 
die  in  einem  Hotel  aushilfsweise  beschäftigt  war,  und  auf  welche  mit 
Wahrscheinlichkeit  sowohl  Typhus-  als  auch  Paratyphuserkrankungen 
zurückgeführt  werden  konnten.  . 

In  dem  von  uns  eruierten  Falle  fanden  sich  auf  einer  I  latte 
nebeneinander  vereinzelte  Typhus-  und  reichliche  Paratyphus-- 
kolonien.  Die  isolierten  Stämme  zeigten  auf  den  benutzten  Nährböden : 
Traubenzuckeragar-  und  Bouillon,  Traubenzucker  Barsickow,  Milch¬ 
zucker  Barsickow,  Lackmusmolke,  Milch.  Kartoffeln,  Gelatine,  Neu- 
tralrot  uSw.  i  h  r  e  c'h  a  r  a  k  t  e  r  i  s  t  i  s  c  h  e  n  Eigenschatten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


und  bestätigten  sich  als  solche  auch  durch  die 
makroskopischen  Agglutinationsproben  im  Re¬ 
agenzglas. 

Die  Patientin  selbst  agglutinierte  mit  ihrem  eigenen  Serum 
Typhusbazillen  1:  100  positiv,  Paratyphusbazillen  (Typus  B)  dagegen 
nur  1 : 50  undeutlich  bezw.  unvollkommen.  Es  bestand  damit  die 
Möglichkeit,  dass  die  bei  ihr  gleichzeitig  vorhandenen  Paratyphus¬ 
bazillen  nur  ein  saprophytisches  Dasein  in  ihrem  Darm  führten.  Eine 
Paratyphuserkrankung  in  der  Irrenanstalt  ist  bisher  nicht  beobachtet. 
Vorn  experimentellen  Standpunkt  aus  muss,  wie  dies  L  e  v  y  und 
Gaethgens  auch  ausdrücklich  hervorheben,  die  Ansteckungs¬ 
möglichkeit  zwischen  Typhus-  und  Paratyphuskranken  zugegeben 
werden  und  dies  um  so  eher,  als  durch  die  erstbestehende  Krankheit 
die  natürlichen  Widerstandskräfte  des  Organismus  ja  entschieden 
herabgesetzt  werden,  und  so  vielfach  gerade  eine  Disposition  für  eine 
neu  auftretende  Infektion  sich  einstellt. 

Die  Zahl  unserer  in  der  Anstalt  ermittelten  Typhusbazillen¬ 
trägerinnen  beträgt  also,  wie  bereits  hervorgehoben,  im  ganzen 
jetzt  13.  Im  Vergleich  zu  anderen  Untersuchungen,  die  in 
Irrenanstalten  vorgenommen  worden  sind,  ist  die  Anzahl  un- 
verhältnismässig  hoch.  Eine  Erklärung  indes  für 
diese  erhebliche  Menge  chronischer  Typhusbazillenausscheide¬ 
rinnen  kann  einmal  in  der  Tatsache  gefunden  werden,  dass  es 
sich  bei  den  von  uns  festgestellten  Bazillenträgerinnen  nur  um 
weibliche  handelt.  Von  allen  Forschern  wird  in  überein¬ 
stimmender  Weise  gerade  ein  starkes  Ueberwiegen 
des  weiblichen  Geschlechtes  angegeben.  Als 
zweiter  Grund  aber  kommen  ganz  entschieden  unsere,  wieder- 
holentlich  an  einer  grossen  Anzahl  von  Untersuchten,  in 
schematischer  Weise  vorgenommenen  Prüfungen  unter 
Berücksichtigung  auch  der  scheinbar  „Nicht- 
erkrankten“  in  Betracht. 

Unsere  in  so  ausgedehnter  Weise  ange- 
stellten  Untersuchungen  zeigen,  dass  wir 
durch  die  „Suche  nach  Bazillenträgerinnen“ 
manchen  dunklen  Typhusfall  an  den  Herd 
seiner  Entstehung  verfolgen  konnten  und  da¬ 
mit  die  Handhabe  zu  wirksamen  Bekämp- 
fungsmassregeln  gewannen.  In  dieser  Er¬ 
kenntnis  fordern  sie  unbedingt  aber  dazu  auf, 
noch  mehr  wie  bisher  jedem  einzelnen  Ty¬ 
phusfall  auf  seine  Entstehung  hin  nachzu¬ 
spüren  und  namentlich  auch  der  Umgebung 
des  Kranken,  „den  Gesunden“  grössere  Be¬ 
achtung  zuteil  werden  zu  lassen. 


Literatur: 

1.  C  o  n  r  a  d  i:  D.  med.  Wochenschr.  1904,  No.  32.  —  2.  F  o  r  n  e  t: 
Zur  brage  der  Beziehungen  zwischen  Typhus  und  Paratyphus.  Arb. 
a.  d.  K.  Gesundheitsamte  1907,  25.  Bd.,  H.  1,  S.  247.  —  3.  Förster 
und  Kayser:  Ueber  das  Vorkommen  von  Typhusbazillen  in  der 
Galle  von  Typhuskranken  und  „Typhusbazillenträgern“.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1905,  No.  31,  S.  1473.  —  4.  F  r  i  e  d  e  1:  Die  Tvphusunter- 
suchungen  des  Laboratoriums  der  Kgl.  Regierung  in  Koblenz.  Hyg. 
Rundschau  1906,  No.  1,  S.  5.  —  5.  W.  G  a  e  h  t  g  e  n  s:  Ueber  einen 
r a  11  von  Mischinfektion  von  Typhus  und  Paratvphus.  Zentralbl.  für 
Bakt.  etc  1906,  Abt.  I.  Bd.  40,  H.  5,  S.  621.  —  6.  H.  K  ay  s  e  r:  Ueber 
ntei  suchungen  bei  Personen,  die  vor  Jahren  Typhus  durchgemacht 
haben,  und  die  Gefährlichkeit  von  Bazillenträgern.  Arb.  a.  d  Kais 
Gesundheitsamte  1907,  25.  Bd.,  H.  1,  S.  223.  -  7.  H.Kayser:  Ueber 
die  Gefährlichkeit  von  „Typhusbazillenträgern“.  Arb.  a.  d  Kais  Ge¬ 
sundheitsamte  1906,  Bd.  24,  H.  1,  S.  176.  —  8.  P.  K  1  i  n  g  e  r :  lieber 
lyphusbazillenträger.  Arb.  a.  d.  Kais.  Gesundheitsamte  1906,  Bd.  24, 
,  ,  ?L“Dj  heJtz:  Ueber  chronische  Bazillenträger.  Klin.’ 
Jahrbuch  1905,  Bd.  14,  S.  475.  -  10.  E.  Levy  und  W.  Gaehtgens- 
Leber  die  Beziehungen  des  Paratyphus  zum  Typhus.  Arb.  a.  d.  Kais 
Gesundheitsamte  1907,  25.  Bd.,  H.  1,  S.  250.  -  11.  E.  Levy  und 
1.  Ka  \  ser:  Befunde  bei  der  Autopsie  eines  Typhusbazillenträgers. 
Autoinfektion.  Ueber  Behandlung  der  Leiche.  Arb.  a.  d.  Kais  Ge¬ 
sundheitsamte  1907,  25.  Bd.,  H.  1,  S.  254.  —  12.  A.  Nieter  und 
M  Lief  man  n:  Ueber  bemerkenswerte  Befunde  bei  Untersuchungen 
aut  das  Vorhandensein  von  Jyphusbazillenträgern  in  einer  Irren¬ 
anstalt.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  33. 


Aus  der  Chirurg.  Klinik  München  (Geheimrat  v.  A  n  g  e  r  e  r). 

lieber  Lumbalanaesthesie.*) 

Von  Dr.  Alwin  Ach,  II.  Assistenten  der  Klinik. 

Im  Jahre  1899  hat  B  i  e  r  ein  Verfahren  veröffentlicht,  das 
\  öllig  geeignet  erscheint,  die  Inhalationsnarkose,  wenn  auch 

München  a8hye07em  VortraRe’  gehalten  im  ärztlichen  Verein  zu 


nicht  ganz  zu  verdrängen,  so  doch  stark  einzuschränken.  Es 
ist  dies  die  sogen,  medulläre  oder  Lumbalanästhesie.  Bier 
kam,  durch  Quinckes  Lumbalpunktion  angeregt,  auf  den 
idealen  Gedanken,  durch  Injektion  von  Kokain  in  den  Dural¬ 
sack  eine  Anästhesie  zu  erzielen;  er  injizierte  8  Kranken  in 
den  Subarachnoi  deal  raum  lumbal  Kokain,  was  eine  Anästhesie 
der  Beine  nach  5 — 8  Minuten  zur  Folge  hatte,  so  dass  er  Opera¬ 
tionen,  wie  Sequestrotomien  der  Tibia,  Fussgelenksresektionen 
schmerzlos  ausführen  konnte.  Ein  Amerikaner  namens  Cor¬ 
ning  hat  schon  im  Jahre  1885  ähnliche  Experimente  an  Tieren 
ausgeführt  und  wurde  deshalb  Bier  die  Priorität  streitig  ge¬ 
macht.  Ohne  mich  näher  hierauf  einzulassen,  möchte  ich  nur 
erwähnen,  dass  Bier  allein  das  volle  Verdienst  der  Lumbal¬ 
anästhesie  zusteht.  Er  hat  zuerst,  ohne  die  Versuche  Cor¬ 
ning  s  zu  kennen,  am  Menschen  das  Verfahren  probiert  und 
es  nach  allen  Richtungen  hin  ausgebaut.  Bier  war  so  über¬ 
zeugt  von  der  Güte  der  Methode,  dass  er  sie  an  seinem  Kol¬ 
legen  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  und  sich  selbst  ausführen  liess.  Die 
Methode  wurde  hauptsächlich  von  den  Franzosen  und  auch 
von  einigen  deutschen  Gelehrten,  besonders  Bumm,  mit  Eifer 
verfolgt.  Die  Nacherscheinungen  waren  aber  mit  Kokain  der¬ 
artig  unangenehme  —  hohes  Fieber,  Schüttelfröste,  schwere 
Kollapse  und  sogar  Todesfälle  waren  nicht  selten  —  dass 
der  Erfinder  Bier  selbst  in  einem  Referate  über  1200  Lumbal¬ 
anästhesien  auf  dem  Chirurgenkongresse  1901  direkt  vor  der 
Methode  warnte,  da  sie  noch  nicht  genügend  ausgebaut  sei. 

Erst  mit  der  Erfindung  der  Ersatzmittel  des  Kokains,  spe¬ 
ziell  des  Stovains  durch  Fourneau  im  Jahre  1904,  wurde 
die  Lumbalanästhesie  von  Bier,  der  inzwischen  weitere  ex¬ 
perimentelle  Untersuchungen  gemacht  hatte,  wieder  aufgenom¬ 
men.  Zu  den  neuen  Mitteln  gesellte  sich  eine  verbesserte 
Technik  und  es  wurde  so  eine  Methode  geschaffen,  die  zur¬ 
zeit  überall  mit  grossem  Erfolge  angewandt  wird. 

Bevor  ich  nun  auf  die  J  echnik  und  Mittel  näher  eingehe, 
möchte  ich  mir  an  der  Hand  von  Abbildungen,  die  ich  grössten¬ 
teils  der  Güte  des  Herrn  Dr.  Hahn  verdanke,  einige  ana¬ 
tomische  Bemerkungen  gestatten. 

(Redner  bespricht  nun  kurz  die  hier  in  Betracht  kommen¬ 
den  Details  der  Wirbelsäule,  der  Rückenmarkshäute,  der  Höhe 
des  Conus  terminalis,  die  individuellen  Schwankungen  unter¬ 
worfen  ist  und  mit  dem  Wachstum  der  Wirbelsäule  in  direktem 
Zusammenhänge  steht.  Es  wird  ausserdem  die  Lage  der  Blut¬ 
gefässe  im  Rückenmarkskanal,  die  Verzweigung  der  Nerven¬ 
wurzeln,  [spez.  Rami  communicantes],  das  Ligamentum  denti- 
culatum  und  das  Septum  subarachnoideale  besprochen,  auch 
der  physiologischen  Engen  und  der  Zysternen  resp.  der  hier 
liegenden  Nerven  wird  Erwähnung  getan.  Zum  Schlüsse  geht 
Redner  auf  die  Untersuchungen  von  Quincke  und  Axel 
Key  und  R  e  t  z  i  u  s  betreff  den  Zu-  und  Abfluss  des  Liquors, 
Tela  chorioidea,  Foramen  Magendi,  Aperturae  laterales  etc. 
kurz  ein.) 

Meine  Herren,  wenn  auch  bezüglich  der  Technik  einesteils 
in  der  Literatur  ziemliche  Uebereinstimmung  besteht,  so  gehen 
doch  andererseits  die  Anschauungen  bezüglich  der  Injektions¬ 
stelle.  der  Wahb  der  Applikationsweise  und  der  Dosis  der 
Mittel  sehr  auseinander.  Die  einen  injizieren  in  liegender, 
andere  in  sitzender  Stellung,  die  einen  wählen  den  ersten  oder 
den  zweiten,  die  anderen  den  dritten  oder  vierten  Interarkual- 
raum  zur  Injektion.  Auf  der  einen  Seite  wird  Novokain  oder 
Alypin  verwandt,  auf  der  anderen  wird  dem  Stovain  oder 
7  t  opakokain  der  Vorzug  gegeben.  Bald  werden  grosse  oder 
kleine  Dosen  nicht  konzentrierte,  oder  konzentrierte  Lösungen 
injiziert,  denen  Suprarenin,  Adrenalin  oder  auch  nichts  zu¬ 
gesetzt  sind. 

Im  Folgenden  nun  eine  bis  ins  Detail  gehende  Beschreibung 
der  in  der  hiesigen  Chirurgischen  Klinik  üblichen  Technik  der 
Lumbalanästhesie.  Zur  Punktion  des  Rückenmarkskanals  wird 
das  sogen.  Q  u  i  n  c  k  e  sehe  „Besteck  zur  Lumbalpunktion“  ge¬ 
bt  aucht;  das  ist  eine  Rekordspritze  mit  einer  langen  Hohlnadel, 
die  mit  einem  Mandrin  versehen  ist.  Dieses  Instrumentarium 
vird  in  Wasser  ausgekocht,  nicht  in  Sodalösung,  da  Soda 
erstens  die  Wirkung  des  Anästhetikums  beeinträchtigt  oder 
event.  aufhebt  und  zweitens  das  Gewebe  sehr  stark  reizt  und 
infolgedessen  Nacherscheinungen  wie  Kreuz-  und  Kopf¬ 
schmerzen  auslöst.  Nach  dem  Auskochen  kommen  die  Instru¬ 
mente  in  warme  Kochsalzlösungen  und  wird  die  Spritze  erst 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1625 


dort  nach  gründlicher  Reinigung  des  Kolbens  mit  einem  Tupfer 
zusammengesetzt.  Der  Mandrin  wird  unter  gleichzeitiger 
Drehung  um  die  Längsachse  öfters  in  die  Hohlnadel  ein-  und 
ausgeführt,  damit  event.  angesetzter  Rost1)  mechanisch  ent¬ 
fernt  wird.  Der  Mandrin  wird  nun  ebenfalls  mit  feuchten  Koch¬ 
salztupfern  gereinigt  und  die  Hohlnadel  mehrmals  durchge¬ 
spritzt.  Man  lässt  nun  den  Patienten  aufrecht  mit  vornüber¬ 
gebeugtem  Kopfe  sich  hinsetzen.  Nun  füllt  man,  nach  gründlicher  i 
Reinigung  des  Rückens  mit  Aether  und  Alkohol,  die  Spritze  mit 
dem  angewärmten  Anästhetikum.  Früher  nahmen  wir  in  einigen 
Fällen  Novokain,  das  wir  aber  wegen  der  starken  Nacher¬ 
scheinungen  wieder  aufgaben.  Das  Stovain,  das  wir  in  über 
250  Fällen  gebrauchten,  haben  wir  ebenfalls  wieder  verlassen 
infolge  der  starken  Wirkung  auf  die  motorischen  Nerven  (Ge¬ 
fahr  der  Phrenikuslähmung).  Ausserdem  ist  schon  nach  kurzer 
Zeit  in  den  im  Handel  erschienenen  Stovainphiolen  freie  Salz¬ 
säure  nachweisbar  und  hiervon  scheinen  auch  bei  subkutaner 
Injektion  die  bekannten  Reizerscheinungen  des  Stovains  her¬ 
zurühren.  Wir  verwenden  jetzt  ausschliesslich  Tropakokain 
und  zwar  nehmen  wir  als  höchste  Dosis  für  hohe  Anästhesien 
1,2  ccm  einer  5  proz.  Tropakokainlösung  (gleich  0,06),  gehen 
aber  bei  kurz  dauernden  Operationen  (Hernien)  mit  der  Menge 
des  Mittels  bis  auf  0,03  (gleich  6  Teilstriche)  herunter. 

Als  Injektionsstelle  wählen  wir  für  hochgehende  Anästhe¬ 
sien  (Laparotomien)  den  ersten  Interarkualraum,  bei  tieferen 
Anästhesien  oft  den  zweiten,  für  Hämorrhoiden  haben  wir  in 
einzelnen  Fällen  sogar  den  dritten  Interarkualraum  vorgezogen. 
Man  sucht  sich  mit  der  Jac  ob  y  sehen  Linie,  d.  i.  die  Ver¬ 
bindungslinie  der  beiden  Cristae  oss.  il.  den  vierten  Dornfort¬ 
satz  auf  und  zählt  von  hier  nach  oben  die  einzelnen  Dornfort¬ 
sätze  ab.  Die  Höhe  der  Darmbeinkämme  variiert  aber,  sodass 
die  Verbindungslinie  zuweilen  auf  den  dritten  Dornfortsatz, 
oder  zwischen  dritten  und  vierten,  oder  auch  zwischen  vierten 
und  fünften  fällt.  Man  zählt  infolgedessen  am  besten  zur  Kon¬ 
trolle  auch  immer  von  der  letzten  Rippe  nach  abwärts  und 
nimmt  im  Zweifelfalle  den  unteren  Zwischenraum.  Man  sticht 
nun  mit  der  Hohlnadel  genau  in  der  Medianlinie  senkrecht 
gegen  die  Rückenfläche  des  Patienten  ein.  Seitliches  Ein¬ 
stechen  ist  nicht  anzuraten,  da  hierbei  häufiger  Venenver¬ 
letzungen  Vorkommen,  auch  Verletzungen  der  Nervenfasern, 
ausserdem  bekommt  man  nur  mangelhaften  Liquorabfluss  und 
zuweilen  halbsseitige  Anästhesien.  Nach  der  Durchbohrung 
der  Haut  entfernt  man  den  Mandrin,  damit  man  sofort  bei 
weiterem,  langsamen  Vordringen  durch  das  Ligamentum  inter¬ 
spinale,  Lig.  flavuni  etc.  den  .Moment  des  Eindringens  in  den 
Subarachnoidealranm  beobachten  kann.  Dies  dokumentiert 
sich  erstens  durch  das  Gefühl  des  geringeren  Widerstands  und 
zweitens  durch  das  Ausfliessen  des  Liquors  im  Strome  oder 
in  rascher  Tropfenreihenfolge.  Gelangt  man  mit  der  senkrecht 
eingeführten  Nadel  beim  Einstich  auf  Knochen,  so  senkt  man 
die  Nadel,  nachdem  man  sie  etwas  zurückgezogen  hat  und 
dringt  in  veränderter  Richtung  etwas  schräg  nach  oben  vor. 

Meine  Herren,  es  besteht  die  Möglichkeit,  dass  man  sich 
im  Wirbelkanal  befindet  und  doch  kein  Liquor  abfliesst. 
Es  kann  dies  daher  kommen,  dass  die  Oeffnung  der  Kanüle 
durch  einen  Nerv  verlegt  wird.  Man  dreht  in  diesem  Fall  die 
Kanüle  in  ihrer  Längsachse  und  wird  dann  ein  rasches  Ab- 
fliessen  des  Liquors  hiermit  erzielen.  Die  zweite  Möglichkeit 
ist  die,  dass  man  beim  Durchstechen  der  Bänder  mit  einem 
Ruck  gleich  durch  den  ganzen  Subarachnoidealraum  hindurch¬ 
gelangt  und  auch  die  vordere  Durafläche  durchbohrt,  oder  man 
ist  überhaupt  noch  nicht  im  Durasack.  In  diesem  Fall  muss 
man  die  Nadel  etwas  zurückziehen  oder  vorführen.  Fliesst 
nun  der  Liquor  im  Strome  ab,  so  wird  die  Injektion  ohne  vor¬ 
heriges  Aspirieren  des  Liquors  möglichst  langsam  vollzogen, 
damit  keine  erheblicheren  Druckschwankungen  im  Liquor  auf- 
treten  können. 

Wie  erwähnt,  wärmen  wir  die  Injektionsflüssigkeit  vorher 
an,  um  auch  jeglichen  Kältereiz  auszuschalten.  Zur  besseren 
Verteilung  des  Anästhetikums  im  Liquor  aspirieren  wir  nun 
2  ccm  und  injizieren  von  Neuem  in  eben  so  langsamer  Weise. 
Grössere  Mengen  zu  aspirieren  —  Bier  geht  bis  zu  10  ccm  — 


1)  Aus  diesem  Grunde  verwenden  wir  jetzt  nur  noch  Injektions¬ 
nadeln  aus  Platiniridium. 

No.  33. 


halte  ich  infolge  der  Druckschwankungen  für  nicht  ganz  harm¬ 
los.  Wünscht  man  eine  hochreichende  Anästhesie,  so  kann 
man  durch  rasches  Injizieren  das  Anästhetikum  im  Arach- 
noidealsack  hochtreiben,  es  wird  sich  aber  empfehlen,  lieber 
2 — 3  mal  geringe  Mengen  von  2  ccm  zu  aspirieren  und  wieder 
zu  injizieren.  Man  hat  ja  zudem  die  Beckenhochlagerung  zur 
Verfügung,  mit  der  man  das  Mittel  in  schonender  Weise  nach 
oben  transportieren  kann.  Will  man  eine  Anästhesie  am 
Damm,  so  verzichtet  man  auf  mehrmaliges  Aspirieren  sowie 
auf  Beokenhochlagerung,  legt  event.  die  Stauungsbinde  am 
Hals  an,  um  eine  Blutüberfüllung  im  Hirn  und  eine  vermehrte 
Liquorabsonderung  und  damit  ein  Zurückhalten  des  Anästheti¬ 
kums  in  den  unteren  Partien  des  Subarachnoidealraumes  zu 
bewerkstelligen.  Ausserdem  kann  man  dem  Anästhetikum 
noch  Suprarenin  zufügen,  wodurch  ein  langsameres  Einpor- 
steigen  des  Anästhetikums  im  Duralsack  und  infolge  herab¬ 
gesetzter  Resorption  auch  eine  zeitliche  Verlängerung  der 
Anästhesie  erzielt  wird. 

Sofort  nach  der  Injektion  wird  der  Patient  langsam  auf  den 
Rücken  gelegt  und  je  nachdem  Beckenhochlagerung  auf  3  bis 
8  Minuten  ausgeführt. 

Das  in  den  Subarachnoidealraum  injizierte  Anästhetikum 
wird  von  der  nervösen  Substanz,  sei  es  physikalisch  oder 
chemisch,  gebunden  und  so  dem  weiteren  Transport  im  Sub¬ 
arachnoidealraum  entzogen.  Man  kann  sich  vorstellen,  dass 
in  vielen  Fällen  die  ganze  eingebrachte,  wirksame  Substanz 
schon  in  den  unteren  Partien  des  Subarachnoidealraumes  ge¬ 
bunden  wird,  sodass  überhaupt  nichts  nach  oben  gelangt, 
van  L  i  e  r  aus  Amsterdam  hat  experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Einwirkung  des  Stovains  auf  die  Rückenmarkszellen 
gemacht  und  nachgewiesen,  dass  an  der  Injektionsstelle  kurz 
nach  der  Injektion-  die  Rückenmarkszellen  stark  hydropisch  ge¬ 
schwollen  sind.  Die  N  i  s  s  1  sehen  Körperchen  weisen  einen 
körnigen  Zerfall  auf  und  sind  stärker  gefärbt.  Der  Kern  der 
Zelle  ist  aufgeblasen.  In  den  höher  oben  gelegenen  Partien 
des  Rückenmarks  bestehen  geringere  Erscheinungen,  während 
in  der  Gegend  der  Medulla  oblongata  normale  Verhältnisse 
vorliegen.  Zugleich  wies  van  L  i  e  r  darauf  hin,  dass  es  sich  nur 
um  eine  vorübergehende  Erscheinung  handelt,  dass  schon  nach 
6  Stunden  eine  bedeutende  Besserung  der  Verhältnisse  ge¬ 
geben  und  nach  24  Stunden  ein  normales  Aussehen  der  Zellen 
vorhanden  sei. 

Klinisch  treten  nach  der  übrigens  schmerzlosen  Injektion 
des  Anästhetikums  folgende  Erscheinungen  auf:  Die  Patienten 
verspüren  sofort  ein  Hitze-  oder  Kältegefühl  in  den  Beinen,  be¬ 
merken  ein  Ameisenkriechen,  die  Beine  werden  schwer.  Die 
Reflexe  sind  abgeschwächt  und  erlöschen  nach  ca.  3  Minuten 
und  es  treten  motorische  Störungen  auf.  Die  Anästhesie,  die 
schon  nach  einer  Minute  am  Damm  und  an  der  Hinter-  und 
Innenseite  des  Oberschenkels  sich  kund  gibt,  greift  schliess- 
sich  auf  beide  Beine,  auf  den  Rumpf  event.  bis  zur  Mamma,  oder 
gar  bis  zum  Hals  über.  Zuerst  verschwindet  die  Schmerz¬ 
empfindung,  während  die  Tastempfindung  in  seltenen  Fällen  in 
geringem  Grade  erhalten  bleibt.  Durchschnittlich  nach  iK  bis 
1  Stunde  gehen  die  Erscheinungen  zurück,  und  zwar  ver¬ 
schwinden  zuerst  die  Motilitätsstörungen,  dann  kehren  die  Sen¬ 
sibilität  und  die  Reflexe  wieder.  Ausnahmen  vom  normalen 
Verlauf  sind  jedoch  durchaus  nicht  zu  selten.  Es  kommen  in¬ 
folge  mangelhafter  Technik  uoch  Versager  vor,  auch  wurden 
zuweilen  zeitlich  nicht  ausreichende  Anästhesien  beobachtet. 
Es  treten  Begleiterscheinungen  auf,  wie  blasses  Aussehen, 
Würgen,  Erbrechen,  Pulsbeschleunigung,  schwere  Kollapse  und 
selbst  Todesfälle.  Auch  Nacherscheinungen,  wie  Kreuz-,  Kopf- 
und  Nackenschmerzen  werden  häufig  beobachtet.  Sie  treten 
zum  Teil  schon  am  Operationstage,  zum  Teil  erst  nach  3—4, 
ja  erst  später  auf  und  sind  je  nach  der  Schwere  von  1  ständiger 
bis  zu  wochenlanger  Dauer.  Derartige  Nacherscheinungen 
wurden  auch  von  den  Neurologen  nach  einfachen  Lumbal¬ 
punktionen  sehr  häufig  konstatiert  und  werden  als  eine  menin- 
geale  Reizung,  als  eine  aseptische  Meningitis  bezeichnet, _  von 
anderen  als  Ueber-  oder  Hochdruckerscheinungen  aufgefasst. 
Weiterhin  sind  unter  die  Nacherscheinungen  auch  Lähmungen 
zu  zählen.  Ich  erinnere  an  den  bekannten  Fall  von  König, 
an  mehrere  mitgeteilte  Peroneus-  und  Augenmuskellähmungen. 
Auf  die  Häufigkeit  des  Zustandekommens  dieser  letzteren 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Lähmungen  will  ich  hier  nicht  näher  eingehen,  da  ich  erst  kürz¬ 
lich  in  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift  meine 
Gründe  hiefür  niedergelegt  habe.  Sie  sind  durch  die  ana¬ 
tomische  Lage  der  Nerven  in  einer  Zysterne  und  dem  langen 
Verlauf  im  Subarachnoidealraume  bedingt  und  kommen  durch 
Einwirkung  des  Anästhetikums  direkt  auf  die  Nerven  zustande, 
gerade  so  wie  der  Atmungsstillstand  in  einzelnen  Fällen,  wie 
von  anderer  Seite  erwähnt,  auf  Phrenikuslähmung  zurückzu¬ 
führen  ist  und  nicht  etwa  auf  Lähmung  des  Atmungszentrums 
beruht. 

Die  isolierten  Lähmungen  einzelner  Nerven  z.  B.  des 
Peroneus  können  erstens  durch  Anstechen  des  Nerven  bei 
der  Injektion  zustande  kommen,  denn  durch  Injektionen  in  die 
Nerven  wird  eine  schollige  Degeneration  in  den  Nerven  erzielt, 
während  sonst  bei  Berührung  des  Nerven  mit  dem  Anästheti- 
kum  keine  Veränderung  des  histoloischen  Bildes  auftritt. 
Zweitens  können  sich  durch  intensivere  Einwirkung  des 
Anästhetikums  spez.  des  Stovains  auf  die  Nerven  neuritische 
Prozesse  einstellen  und  eine  Lähmung  zur  Folge  haben. 

Wenn  ich  auf  unsere  Resultate  von  450  Lumbalanästhesien 
zu  sprechen  komme,  so  möchte  ich  erwähnen,  dass  Dr.  Haub  er 
über  die  ersten  200  Fälle  im  Archiv  für  klinische  Chirurgie  ein 
ausführliches  Referat  gebracht  hat.  Während  damals  der  Pro¬ 
zentsatz  der  Begleit-  und  Nacherscheinungen  noch  ein  relativ 
hoher  war,  sind  in  den  übrigen  250  Fällen  speziell  in  den  letzten 
150  Fällen  die  Resultate  wesentlich  gebessert,  sodass  über¬ 
haupt  nur  20  Proz.  der  Patienten  an  Begleit-  und  Nacher¬ 
scheinungen  zu  leiden  hatten.  Die  Begleiterscheinungen  er¬ 
strecken  sich  nur  auf  Blässe  des  Gesichtes,  Würgen  und  in 
einigen  Fällen  auf  Erbrechen,  während  wir  niemals  schwere 
Erscheinungen  wie  Kollaps  oder  gar  einen  Todesfall  zu  ver¬ 
zeichnen  hatten.  Auch  haben  wir  niemals  schwerere  Nach¬ 
erscheinungen  ausser  Kopf-,  Kreuz-  und  Nackenschmerzen 
registrieren  können,  die  sich  auf  die  Dauer  von  einigen  Stunden 
event.  auf  mehrere  Tage  erstreckten.  Die  schwersten  Er¬ 
scheinungen  werden  dargestellt  durch  4  Abduzensparesen, 
die  spontan  wieder  zurückgingen  und  von  denen  einer  auf 
Tropakokain  fällt. 

Ich  bin  geneigt,  die  guten  Resultate  auf  die  verbesserte 
Technik  und  die  jetzige  Anwendung  des  Tropakokains  zu¬ 
rückzuführen. 

Falls  wir  einmal  starke  Begleiterscheinungen  bekommen 
sollten,  wie  Kollaps  oder  Atmungslähmungen,  so  würde  ich 
erstens  die  sofortige  Punktion  des  Arachnoidealsackes  und 
Ablassen  von  Liquor  (ca.  5 — 6  ccm)  vornehmen.  Es  würde 
hierdurch  das  injizierte  Anästhetikum  wohl  völlig  entfernt  oder 
wenigstens  ein  starkes  Sichsenken  des  Niveaus  durch  den  von 
oben  nachdrückenden  Liquor  erzielt.  Zweitens  würde  ich  so¬ 
fort  künstliche  Atmung  einleiten,  drittens  Koffein  zur  Hebung 
des  Blutdrucks  subkutan  injizieren,  viertens  eventuell  die 
Stauungsbinde  am  Halse  anlegen. 

Als  Gegenmittel  gegen  die  Nacherscheinungen  wurden 
Phenazetin  und  Aspirin  etc.  gegeben,  mit  meist  nur  geringem 
Erfolge.  In  zwei  Fällen  erzielten  wir  mit  Koffein  sehr  rasch 
eine  Beseitigung  heftiger  Kopfschmerzen.  Es  wird  ferner  das 
I  ieflagern  des  Kopfes,  oder  das  Ablassen  von  Liquor  emp¬ 
fohlen.  Von  Krönig  wurden  zweimalige  Schwitzbäder  im 
Lichtbad  von  je  34  Stunde  Dauer  mit  sehr  gutem  Erfolge  ver¬ 
ordnet.  Vielleicht  Hesse  sich  auch  durch  die  Stauungsbinde 
in  Kombination  mit  anderen  Mitteln  eine  günstige  Wirkung 
erzielen.  Wie  wir  sehen,  gehen  alle  Verordnungen  aus  auf  die 
Beseitigung  des  Anästhetikums  oder  dessen  Abbauprodukten. 
Entweder  durch  Steigerung  des  Blutdrucks,  durch  künstliche 
Blutstauung  im  Gehirn,  durch  Punktion  oder  Schwitzbäder 
und  soll  hiernit  eine  Art  Durchspülung  des  Subarachnoideal- 
raumes  erzielt  werden. 

Meine  Herren,  gegen  die  üblen  Nacherscheinungen  stehen 
uns  aber  vor  allem  noch  prophylaktische  Gegenmittel  zur 
Verfügung. 

1.  eine  gute  lechnik;  man  soll  bei  der  Injektion  nicht  viel 
herumstochern,  da  hierdurch  leicht  Blutungen  zustande 
kommen  können; 

2.  soll  man  als  Anästhetikum  das  relativ  harmlose  Tropa¬ 
kokain  verwenden,  nicht  das  Stovain; 

3.  müssen  die  kleinen  Dosen  beibehalten  werden; 


4.  dürfen  keine  konzentrierteren  Lösungen  gebraucht 
werden,  da  hierdurch  eventuell  physikalische  Kräfte,  Zug¬ 
wirkungen  bis  in  die  entfernteren  Partien  des  Subarach- 
noidealraumes  ausgelöst  werden; 

5.  ist  unbedingte  Ruhe  in  Rückenlage,  womöglich  mit  er¬ 
höhtem  Oberkörper  wenigstens  nach  der  Operation  notwendig; 

6.  muss  die  Beckenhochlagerung,  wo  es  nicht  unbedingt 
notwendig  ist,  in  Wegfall  kommen; 

7.  kann  event.  die  Stanungsbinde  am  Hals  in  Verwendung 
kommen; 

8.  wäre  es  zu  überlegen,  ob  man  nicht  sofort  nach  der 
Operation  Koffein  subkutan  injizieren  soll,  um  damit  eine 
Steigerung  des  Blutdruckes  und  somit  eine  vermehrte  Liquor¬ 
absonderung  zu  erzielen.  Es  wäre  so  die  Möglichkeit  gegeben, 
den  mit  dem  Anästhetikum  versetzten  Liquor  rasch  aus  dem 
Subarachnoidealraum  auf  natürlichem  Wege  zu  entfernen. 
(Inzwischen  wurde  dies  bei  mehreren  Fällen  durchgeführt  und 
sind  sämtliche  Fälle  bis  jetzt  ohne  Nacherscheinungen  ge¬ 
blieben.) 

Wir  machen  den  ausgiebigsten  Gebrauch  von  der  Lumbal¬ 
anästhesie,  so  bei  sämtlichen  Operationen  an  den  unteren 
Extremitäten,  bei  denen  die  Lokalanästhesie  nicht  anwendbar 
ist,  bei  Operationen  am  Damm  und  Rektum  speziell  bei 
Hämorrhoiden  und  Karzinomen,  bei  sämtlichen  Hernien.  Bei 
Laparotomien  Hess  die  Lumbalanästhesie  zum  Teil  im  Stich, 
aber  seit  wir  Tropakokain  verwenden,  und  wir  infolgedessen 
stärkere  Beckenhochlagerungen  in  Anwendung  bringen 
können,  haben  wir  die  Lumbalanästhesie  auch  auf  Laparo¬ 
tomien  ausgedehnt.  Zerren  am  Mesenterium,  Ziehen  am 
Magen  und  Darm  wurde  anfangs  sehr  unangenehm  gefunden 
und  wurden  direkte  Schmerzen  hierdurch  ausgelöst.  Es  wer¬ 
den  ja  auch  nur  die  Rami  communicantes  des  Sympathikus 
(Phrenikus-  und  Vagusfasern)  von  der  Lumbalanästhesie  be¬ 
troffen,  nicht  aber  der  Sympathikus  selbst,  der  nach  Anschau¬ 
ung  der  Anatomen  keine  sensiblen  Fasern  führen  soll.  Jedoch 
ist  diese  Anschauung  speziell  nach  den  .Untersuchungen  von 
B  u  c  h  jetzt  nicht  mehr  haltbar.  Wir  gaben  deshalb  zur  Be¬ 
einflussung  des  Sympathikus  20 — 30  Minuten  vor  der  Opera¬ 
tion  eine  %-  bis  1  Spritze  einer  2  proz.  Morphiumlösung  (0,015 
bis  0,02)  und  waren  nun  mit  den  erzielten  Resultaten  ausser¬ 
ordentlich  zufrieden.  Es  wurden  mehrere  Gastroentero¬ 
stomien,  eine  Magenresektion,  Enteroanastomosen,  Perityph¬ 
litisfälle,  selbst  im  Anfall  schmerzlos  operiert.  Auch  bei  ner¬ 
vösen  Kranken,  die  zur  Lumbalanästhesie  sonst  nicht  geeignet 
sind,  haben  wir  jetzt  nach  Morphiuminjektionen  sehr  gute  Re¬ 
sultate  erzielen  können,  so  dass  wir  bei  sämtlichen  Kranken 
vom  13.  Lebensjahre  an  bis  ins  hohe  Alter  Operationen  bis 
zur  Mamma  vornehmen,  vorläufig  mit  Ausnahme  von  Nieren¬ 
operationen,  da  behauptet  wurde,  dass  nach  Lumbalanästhesien 
Nierenreizungen  zustande  kämen.  Die  von  uns  in  letzter  Zeit 
nach  dieser  Richtung  hin  erfolgten  Nachuntersuchungen  führten 
bis  jetzt  noch  zu  keinem  positiven  Ergebnis. 

Als  Kontraindikation  für  Lumbalanästhesie  möchte  ich  in 
Uebereinstimmung  mit  Gerstenberg  anführen : 

1.  frische  oder  schlecht  behandelte  Syphilis; 

2.  Fieber  mit  unbekannter  Herkunft; 

3.  septische  Zustände,  da  hierbei  leicht  durch  die  Injektion 
ein  Locus  minoris  resistentiae  mit  seinen  Folgezuständen  ge¬ 
schaffen  werden  kann; 

4.  schliessen  wir  auch  Patienten  mit  Leiden  des  Zentral¬ 
nervensystems,  z.  B.  Tabes,  aus; 

5.  hochgradige  Skoliosen. 

M.  H. !  Wenn  wir  nun  ein  Resümee  ziehen,  und  gleich¬ 
zeitig  in  Betracht  ziehen,  dass  die  Methode  noch  neu  und  in  der 
Entwicklung  begriffen  ist  und  dass  durch  weitere  Verbesserung 
der  Technik  und  Mittel  die  Begleit-  und  Nacherscheinungen 
immer  mehr  ausgeschaltet  werden  können,  so  glaube  ich,  dass 
die  Lumbalanästhesie,  wenn  sie  auch  die  Inhalationsnarkose  . 
nicht  völlig  zur  Seite  drängen  kann,  doch  zu  den  weitesten 
Hoffnungen  vollauf  berechtigt. 

Literatur: 

1.  Bier:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  1899,  Bd.  51.  2.  Ders.: 
Verhandl.  d.  Deutsch.  Oeselisch,  f.  Chir.  30.  Kongress  1901,  34.  Kon¬ 
gress  1905.  3.  Ders.:  Zur  Geschichte  der  Rückenmarksanästhesie. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1906.  4.  D  u  m  o  n  t:  Handb.  d.  allgemeinen 
und  lokalen  Anästhesie  1903.  5.  Braun:  Die  Lokalanästhesie  1905. 


iS.  August  1907.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  1627 


6.  Seldowitzsch:  Ueber  Kokainisierung  des  Rückenmarks  nach 
Bier.  Präparate  in  der  Münch.  med.  Wochenschr.  1899.  7.  Kreis: 
lieber  Medullarnarkose  bei  Gebärenden.  Referat  in  der  Miinch.  med. 
Wochenschr.  1900.  8.  Tuffier:  Ueber  medulläre  Kokainanästhesie. 
Ref.  i.  d.  Münch,  med.  W.  1900.  9.  Ders. :  Chaput  Nelaton  Ricard, 
Reclus,  und  Guinard.  Vorträge  in  der  Societe  de  Chirurgie.  Referat 
in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1901.  10.  Klapp:  Experimentelle 

Studien  über  Lumbalanästhesie.  Arch.  f.  klin.  Chir.  1905.  11.  Son¬ 
nenburg:  Rückenmarksanästhesie  mittels  Stovain.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  1905.  12.  Slaymer:  Erfahrungen  über  Lumbal¬ 

anästhesie  mit  Tropakokain  in  1200  Fällen.  Wiener  med.  Wochen¬ 
schrift  1906.  13.  Dönitz:  Wie  vermeidet  man  Misserfolge  bei 

Lumbalanästhesie?  Münch,  med.  Wochenschr.  1906.  14.  Lazarus: 
Zur  Lumbalanästhesie.  Med.  Klinik  1906.  15.  Schönborn:  Be¬ 

richt  über  Lumbalpunktionen  an  230  Nervenkranken.  Med.  Klinik 
1906.  16.  H  e  i  n  e  k  e  und  L  ä  w  e  n:  Erfahrungen  über  Lumbal¬ 

anästhesie  mit  Stovain  und  Novocain  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Neben-  und  Nachwirkungen.  Beiträge  zur  klinischen 
Chirurgie.  17.  Finkelnburg:  Neurologische  Beobachtungen 
und  Untersuchungen  bei  der  Rückenmarksanästhesie  mittelst  Kokain 
und  Stovain.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906.  18.  Edinger:  Vor¬ 

lesungen  über  den  Bau  der  nervösen  Zentralorgane.  Leipzig  1896. 
19.  Krönig:  Verhandlungen  der  deutsch.  Gesellsch.  f.  C-hir.  XXXV. 
Kongress  1906.  20.  Ders.:  Naturforscherversammlung  zu  Stuttgart 

1906.  Referat  im  Zentralbl.  f.  Gynäkologie  1906,  44.  21.  Opitz: 

Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  18.  22.  Veit:  Berliner  klin.  Wochen¬ 
schrift  No.  8.  23.  Quincke:  R  e  i  c  h  e  r  t  s  und  Du  bois  Rey- 

monds  Archiv.  Jahrg.  1872.  24.  Ders.:  Deutsche  Klinik,  Bd.  VI, 
Teil  1.  25.  Axel  Key  und  Retzius:  Studien  in  der  Anatomie  des 
Nervensystems  und  des  Bindegewebes.  Stockholm  1875  und  76. 
26.  Gerstenberg:  Meine  Erfahrungen  mit  B  i  e  r  scher  Lumbal¬ 
anästhesie.  27.  Dö  der  lein  und  Krönig:  Operative  Gyn.  1907. 
28.  A  d  a  m:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  8.  29.  L  ö  s  e  r :  Med. 
Klinik  1906,  No.  10.  30.  Röder:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906, 
No.  23.  31.  Hermes:  Med.  Klin.  1906,  No.  13.  32.  D  e  e  t  z:  Münch, 
med.  Wochenschr.  1906,  No.  28.  33.  B  e  c  k  e  r:  Münch,  med.  Wochen¬ 
schr.  1906,  No.  28.  34.  Landow:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906, 
No.  30.  35.  Mühsam:  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  35. 

36.  Lang:  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  35.  37.  Bai  sch: 
Beiträge  zur  klin.  Chir.  v.  Bruns.  52.  Bd.,  1.  Heft,  1906.  38. 

Rauscher:  Zentralbl.  f.  Gyn.  1906,  No.  41.  39.  Hauber:  Arch. 
f.  klin.  Chir.,  81.  Bd.,  2.  Abt.  40.  Schwarz:  Zentralbl.  f.  Chir. 

1907,  No.  13. 


Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Universitätsklinik  zu  Berlin  (weiland 

Exz.  v.  Bergmann). 

Erfolgreiche  Uebertragung  eines  Spindelzellensarkoms 
des  Oberarms  beim  Hunde. 

Von  Dr.  Anton  Sticker,  Assistent  (aus  den  Mitteln  der 

Jakob  Plauth-Stiftung). 

Meine  bisherigen  Erfolge  der  Geschwulstübertragungen 
beim  Hunde  beziehen  sich  auf  Rundzellensarkome,  welche 
spontan  an  den  Geschlechtsorganen  des  Hundes  beobachtet 
wurden,  sich  experimentell  in  die  Unterhaut,  die  Submukosa, 
die  serösen  Körperhöhlen,  die  Knochen  implantieren  Hessen  und 
in  zahlreichen  Fällen  zur  allgemeineren  Metastasenbildung  mit 
letalem  Ausgang  der  Versuchstiere  in  2 — 2K  Monaten  führten. 
Ausser  dem  von  einem  Penissarkom  eines  Stuttgarter  Hundes 
abgeleiteten  Stamm,  der  bis  heute  bei  über  200  Hunden  in  zahl¬ 
reichen  Versuchsreihen  durch  18  Generationen  hindurch  fort¬ 
gepflanzt  wurde,  besitze  ich  zwei  andere  Stämme,  welche  ich 
der  Güte  Prof.  Bashfords  - London  und  Prof.  Regen¬ 
bogens-  Berlin  verdanke.  Sie  leiten  ihren  Ursprung  von 
spontanen  Vaginaltumoren  her  und  zeigen  bezüglich  ihrer  An- 
siedelungs-  und  Wachstumsverhältnisse  gleiche  Eigenschaften 
wie  der  Stuttgarter  Stamm.*) 

Nunmehr  ist  es  mir  gelungen,  ein  Spindel¬ 
zellensarkom  des  Oberarms  von  Hund  auf 
Hund  zu  übertragen  und  damit  die  Zahl  der 
beim  Hunde  transplantabien  malignen  Tu¬ 
moren  um  eine  neue  Art  zu  vermehren.  Ich  ver¬ 
danke  diesen  Fall  der  gütigen  Vermittlung  des  Professor 
Claude  du  Bois-Reymond  -  Berlin, 

Am  21.  Februar  ds.  Js.  wurde  mir  ein  Hund  mit  gewaltigem 
Oberarrntumor  zugeführt.  Eine  Röntgenaufnahme  zeigte,  dass  der 
Tumor  unmittelbar  bis  an  den  Humerus  heranreichte  und  an  einer 


*)  Anmerkung  während  der  Korrektur:  Durch  die 
Güte  des  Tierarztes  Bongarz  und  des  Tierarztes  Haun Schild, 
beide  in  Berlin,  wurden  mir  weitere  fünf  Bernhardinerhunde  mit  trans- 
plantablen  Tumoren  zugeführt. 


deutlich  umschriebenen  Stelle  zwischen  Periost  und  Knochen  einge¬ 
wuchert  war.  Das  untenstehende  Bild,  welches  nach  dieser  Röntgen¬ 
aufnahme  angefertigt  wurde,  gibt  über  Sitz  und  Ausbreitung  der  Ge- 


j  schwulst  Auskunft.  Dass  es  sich  um  einen  höchst  malignen  Tumor 
handelte,  ergab  der  übrige  Befund.  Es  war  ein  7  Jahre  alter  schot¬ 
tischer  Windhund  (Greyhound),  stark  kachektisch,  mit  haselnuss¬ 
grossen  Metastasen  in  den  Achseldrüsen,  enteneigrosser  Geschwulst 
kn  linken  Hoden  und  anschenind  zahlreichen  Metastasen  in  den 
Lungen. 

Anamnestisch  wurde  folgendes  eruiert:  Am  5.  Juni  19C6  wurde 
bei  fraglichem  Hunde  eine  walnussgrosse,  verschiebbare  Geschwulst 
am  linken  Oberarmbein  beobachtet.  Eine  Behandlung  mit  Jodvasogen 
und  Jodtinktur  blieb  erfolglos.  Am  12.  Juli  war  der  Tumor  faustgross. 
Oberstabsveterinär  R.  Körner  in  Erfurt  nahm  eine  operative  Ent¬ 
fernung  vor.  Ende  Juli  war  die  Wunde  vollkommen  verheilt.  Anfang 
Oktober  zeigte  sich  ein  lokales  Rezidiv  von  der  Grösse  einer  Walnuss, 
welches  seitdem  ununterbrochen  fortwuchs  und  die  Gebrauchsfähig¬ 
keit  des  Schenkels  mehr  und  mehr  beeinträchtigte.  Ueber  die  Zeit 
des  ersten  Auftretens  der  Hodengeschwulst  konnte  nichts  in  Er¬ 
fahrung  gebracht  werden. 

Am  23.  Februar  d.  J.  exstirpierte  ich  die  ganze  Geschwulst  des 
Oberarms.  Der  Wundverlauf  war  ziemlich  glatt;  es  blieb  eine  15  cm 
lange  Hautnarbe  zurück.  Auch  der  linke  Hoden  wurde  exstirpiert. 
Trotz  der  regelmässigen  Nahrungsaufnahme  magerte  das  Tier  sicht¬ 
lich  ab,  Atmungsbeschwerden  traten  auf  und  am  26.  März  Exitus 
letalis.  An  der  Operationsstelle  fand  sich  ein  haselnussgrosses  Re¬ 
zidiv  der  Weichteile,  beide  Lungen  durchsetzt  von  zahlreichen  linsen- 
bis  kirschgrossen,  weissgrauen,  derben  Knoten,  welche  sich  scharf 
vom  Lungengewebe  absetzten;  bei  den  unmittelbar  unter  der  Lungen¬ 
oberfläche  gelegenen  fand  sich  eine  nabelartige  Einziehung  der 
Pleura.  In  der  letzten  linken  Rippe  eine  linsengrosse  Metastase. 
In  der  linken  Achseldrüse  ein  haselnussgrosser  Knoten.  Das  Periost 
des  distalen  Endes  des  Humerus  war  durch  eine  bleistiftstarke  Ge¬ 
schwulstmasse  vom  Knochen  abgedrängt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  operativ  entfernten  Ge¬ 
schwulst  und  der  bei  der  Sektion  gewonnenen  Tumoren  ergab  ein 
typisches  Spindelzellensarkom:  Spindelige  Zellen  mit  grossem  Kern 
und  wenig  Zwischensubstanz  zu  Bündeln  gruppiert,  welch  letztere 
sich  in  verschiedenen  Richtungen  durchflochten. 

Uebertragungsversuche:  Unmittelbar  nach  der  Ex¬ 
stirpation  des  Tumors  am  23.  Februar  wurden  bei  4  Hunden  je  zwei 
subkutane  und  intraperitoneale  Implantationen  vorgenommen.  Die 
bei  den  letzteren  beiden  Hunden  am  42.  bezw.  56.  Tage  ausgefühlte 
Probelaparotomie  zeigte  auf  dem  grossen  Netze  zahlreiche  grieskorn- 

2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


grosse,  blendendweisse  fibröse  Knötchen  mit  vaskularisierter  Um¬ 
gebung,  deren  mikroskopische  Untersuchung  keine  Geschwulstzellen 
aufwies.  In  der  Unterhaut  der  beiden  anderen  Hunde  entwickelten 


sich  deutliche  Tumoren,  welche  schon  am  42.  Tage  Mandelkerngrösse 
erreichten  und  zu  weiteren  Uebertragungen  exstirpiert  wurden.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  derselben  zeigte  denselben  Typus,  wie 
der  Spontantumor. 

Indem  ich  mir  weitere  Mitteilungen  über  den  Verlauf  der 
Uebertragung  des  Spindelzellensarkoms  Vorbehalte,  möchte  ich 
mit  wenigen  Worten  auf  die  Bedeutung  dieser  und  anderer  Ge¬ 
schwulstübertragungen  für  die  Menschenpathologie  hinweisen. 
Ich  weiss  sehr  wohl  und  habe  dies  auch  schon  bei  anderen  Ge¬ 
legenheiten  zum  Ausdruck  gebracht,  dass  Ergebnisse  des 
Tierexperiments  nicht  ohne  weiteres  auf  den  Menschen  zu 
übertragen  sind;  zum  Nachdenken  über  analoge  Erscheinungen 
beim  Menschen  dürften  sie  aber  von  besonderem  Werte  sein. 
Nachdem  die  maligne  Geschwulst  beim  Tier  sich  in  mancherlei 
Fällen  als  übertragbar  gezeigt  hat,  drängt  sich  die  Frage: 
Gibt  es  auch  beim  Menschen  übertragbare 
m  a  1  i  g  n  e  Geschwülste?  mit  grösserer  Lebhaftigkeit  als 
früher  auf  und  die  bisherige  schroff  ablehnende  Haltung  gegen¬ 
über  den  Deutungen  gewisser  empirischer  Beobachtungen  — 
ich  erinnere  nur  an  den  Ehegattenkrebs  —  im  Sinne  einer  spon¬ 
tanen  Uebertragung  erscheint  minder  berechtigt.  In  den  meisten 
histologischen  Arbeiten  über  die  Geschwülste  findet  man  die 
Frage,  von  welchem  Gewebe  stammen  die  Geschwulstzelled  ab, 
unmittelbar  mit  der  ätiologischen  Frage  verknüpft.  Man  nimmt 
für  dieses  oder  jenes  Gewebe  nur  diese  oder  jene  Veränderung 
an,  und  die  Geschwulstentstehung  scheint  erklärt  zu  sein.  Die  ge- 
stellte  Aufgabe  verhält  sich  also  wie  eineGleichung  mit  zweiUn- 
bekannten.  Mit  der  Auffindung  des  Gewebes,  aus  welchem  die 
Geschwulstzelle  ihre  Abstammung  nahm,  wird  die  eine  Un¬ 


bekannte  eliminiert,  für  die  andere  Unbekannte,  die  maligne 
Eigenschaft  der  Zelle,  fand  man  bis  jetzt  nur  hypothetische 
Werte,  welche  einer  der  zahlreichen  Geschwulsttheorien  ent¬ 
lehnt  werden;  bald  ist  es  ein  Parasit,  bald  eine  chemische,  bald 
eine  physikalische  Ursache.  Die  experimentelle  For¬ 
schung  führte  zu  ganz  anderem  Ergebnis.  Ihr 
gelang  es,  in  ein  normales  Gewebe  Ge¬ 
schwulstzellen  zu  implantieren,  und  zwar  mit 
dem  Erfolge,  dass  diese  zur  Fort  Wucherung 
schritten  und  eine  Geschwulstkrankheit  mit 
allen  ihren  Folgen  (Metastasenbildung,  töd¬ 
lichen  Ausgang)  erzeugten.  Weder  die  Frage  nach 
der  Abstammung  der  Geschwulstzellen  von  irgendwelchem 
Gewebe,  noch  auch  die  Frage  nach  der  Ursache,  woher  die 
maligne  Eigenschaft  dieser  Geschwulstzelle,  kommen  in  Be¬ 
tracht.  Mit  der  Auffindung  der  Geschwulstzelle  als  des  Trä¬ 
gers  und  Verbreiters  der  Krankheit,  war  das  X  —  eine 
andere  Unbekannte  gab  es  nicht  —  gefunden.  Solche  und 
andere  Erwägungen  waren  es,  welche  mir  den  Satz  diktierten: 
Meine  und  anderer  Uebertragungsversuche  zwingen,  mit  der 
bisherigen  Anschauung,  welche  insbesondere  die  patho¬ 
logischen  Anatomen  vertreten  und  gemäss  welcher  ein  jedes 
Sarkom  und  Karzinom  seinen  Ausgang  unbedingt  von  irgend¬ 
welchen  Körperzellen  des  Erkrankten  nehmen  müsse,  zu 
brechen.  Ich  war  zu  dieser  Auffassung  gekommen,  weil  ich, 
um  es  nocheinmal  zu  wiederholen,  in  der  gewaltigen  kasuisti¬ 
schen  Literatur  der  bösartigen  Geschwülste,  die  Frage  nach 
dem  Ursprung  der  primären  Geschwulst  immer  wieder  vor¬ 
nehmlich  von  dem  histogenetischen  Standpunkt  aus  erörtert 
fand,  selten  oder  niemals  aber  der  Fragestellung  begegnete: 
Ist  im  vorliegenden  Falle  an  einen  ektogenen  Ursprung  der  Ge¬ 
schwulst  zu  denken?  In  der  Allgemeinheit,  in  der  ich  -den  obi¬ 
gen  Vorwurf  den  pathologischen  Anatomen  machte,  kann  ich 
jedoch  den  Satz  nicht  aufrecht  halten,  und  ich  nehme  ihn  als 
unberechtigt  zurück.  Vor  allem  haben  gerade  die  massgeben¬ 
den  Pathologen  J)  in  ihrem  Kampfe  mit  den  Anhängern  der 
parasitären  Theorie  ausgeführt,  dass  die  transplantierten  Ge¬ 
schwülste  nicht  aus  Zellen  des  Individuums,  auf  welches  trans¬ 
plantiert  worden  ist,  sondern  aus  den  transplantierten  Zellen 
hervorgehen,  somit  also  klar  und  deutlich  die  Möglichkeit  des 
ektogenen  Ursprungs  einer  Geschwulst  zugegeben.  Aber  ich 
gehe  noch  einen  Schritt  weiter.  Ohne  die  histogenetische  For¬ 
schung  wäre  keine  so  schnelle  Einigung  zwischen  der  patho¬ 
logisch-anatomischen  und  der  neuen  experimentellen  Ge- 
schwnlstforschung  möglich  gewesen.  Indem  die  pathologische 
Anatomie  für  jedes  Geschwulstgewebe  die  Verwandtschaft  mit 
irgend  einem  Körpergewebe  streng  wissenschaftlich  nach¬ 
gewiesen  und  die  Abstammung  der  Geschwulstzellen  von  Kör¬ 
perzellen  des  Wirtes  behauptete,  arbeitete  sie  der  experimen¬ 
tellen  Geschwulstforschung  vor,  welche  nach  hundertfältigen 
vergeblichen  Versuchen *  2),  Geschwülste  des  Menschen  auf  das 
Tier  oder  Geschwülste  der  Tiere  auf  andere  Arten  zu  über¬ 
tragen,  erst  Erfolge  erzielte,  als  sie  ihre  Ueber¬ 
tragungen  innerhalb  derselben  Art  vornahm 
und  somit  sich  zu  der  Artspezifizität  der  Ge¬ 
schwulstzellen  bekannte.  Dass  ein  Mäusetumor 
auf  Mäuse  und  nicht  auf  Ratten,  ein  Hiin-detumor  auf  Hunde 
und  nicht  auf  Meerschweinchen  sich  übertragbar  erweist,  ent¬ 
spricht  vollständig  der  pathologisch-anatomischen  Annahme, 
gemäss  welcher  die  Geschwulstzelle  von  Körperzellen  ab¬ 
stammt  —  und  somit  auch  dem  biologischen  Gesetz, 
dass  Körperzellen  mit  Aussicht  auf  Erfolg  nur  innerhalb 
derselben  oder  nahe  verwandten  Art  transplantiert  werden 
können.  Ueber  eine  Artspezifizität  der  Geschwulstzeilen 
konnte  die  experimentelle  Forschung  eingehende  Unter¬ 
suchungen  anstellen.  Es  zeigte  sich  bei  -dem  Hundesarkom 
Stickers  -die  Spezifizität  der  Geschwulstzellen  als  eine  nicht 
so  eng  begrenzte  wie  bei  den  Mäusetumoren.  Ersteres  lässt 
sich  noch  auf  den  verwandten  Fuchs  übertragen;  der  Jensen- 

*)  Vergl.  J.  Orth:  Die  Morphologie  der  Krebse  und  die  para¬ 
sitäre  Theorie.  Berliner  klin.  Woch-enschr.  No.  11  und  12,  1905.  — 
D.  v.  Hansemann:  Die  mikroskopische  Diagnostik  der  bösartigen 
Geschwülste.  1902,  S.  211/215. 

2)  Ich  habe  in  meiner  Frankfurter  Zeit  mehr  als  400  und  an  der 
Berliner  chir.  Klinik  etwa  100  Versuche  angestellt,  Geschwülste  auf 
andere  Arten  zu  übertragen  —  alle  mit  negativem  Erfolg! 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1629 


sehe  Tumor,  von  der  dänischen  Maus  stammend,  lässt  sich  nicht 
auf  Berliner  Mäuse  übertragen.  Die  Artspezies  der  Tumorzellen 
erklärt  auch,  dass  dieselben  Vorgänge,  welche  bei  der 
Transplantation  arteigenen  und  artfremden 
normalen  Gewebes  beobachtet  werden,  bei 
der  Geschwulstübertragung  genau  wieder¬ 
kehren.  Bei  den  zahlreichen  Transplantationen  artfremder 
Tumoren  fand  ich  stets  eine  vom  ersten  Tag  ab  deutlich  wer¬ 
dende  Abwehrreaktion  des  Körpers,  entzündliche  Schwellung 
und  Wucherung  des  die  implantierten  Zellen  umgebenden  Ge¬ 
webes,  welche  tagelang  andauerte  und  mit  einer  vollständi¬ 
gen  Resorption  oder  Hinterlassung  einer  bindegewebigen 
Narbe  ihren  Abschluss  fand;  niemals  wurde  eine  Wucherung 
der  eingeführten  Geschwulstzellen  selber  beobachtet.  Anders 
bei  den  arteigenen  Geschwulstübertragungen.  Das  deponierte 
Geschwulstmaterial  verschwand  in  den  ersten  Tagen  vollstän¬ 
dig,  Anzeichen  irgendwelcher  Reaktion  desbenachbartenKörper- 
gewebes  wurden  nicht  beobachtet.  Nach  einer  Latenzzeit  von 
mehreren  Tagen  bis  zu  mehreren  Wochen  und  Monaten  trat 
eine  Wucherung  der  implantierten,  in  geringer  Anzahl  in  loco 
zurückgebliebenen,  Geschwulstzellen  ein. 

Haben  somit  pathologisch-anatomische  und  experimentelle 
Geschwulstforschung  übereinstimmende  biologische  Resultate 
gezeitigt,  so  sehen  wir  auch  noch  ein  anderes  gleichstimmiges 
Ergebnis.  Bei  der  experimentellen  Geschwulst¬ 
übertragung  nimmt  der  Tumor  von  wenigen 
an  Ort  und  Stelle  etablierten  Geschwulst- 
zellen  seinen  Ausgang  und  tritt  zu  dem  um¬ 
gebenden  Gewebe  nur  insoweit  in  Beziehung, 
als  es  zu  seiner  Ernährung  notwendig!  st.  Auch 
die  pathologischen  Histologen,  am  unermüdlichsten  die  R  i  b  - 
b  e  r  t  sehe  Schule  haben  gezeigt,  dass  die  sog.  Uebergänge 
von  gesundem  Gewebe  in  Tumorgewebe  in  den  meisten  Fällen 
auf  ungenügender  Untersuchung  oder  falscher  Deutung  be¬ 
ruhen,  dass  vielmehr  das  Wachstum  aller  malignen 
Tumoren  aus  sich  heraus  von  wenigen  Zellen 
ohneUmwandlung  des  Nachbargewebes  statt¬ 
findet.  Die  Zukunft  muss  lehren,  ob  beide  Forschungen  sich 
noch  mehr  nähern  werden,  ob  alle  Tumoren  auf  dm  fötalen 
oder  postembryonalen  Leben  implantierte  Zellen  zurück¬ 
zuführen  sind,  mit  anderen  Worten,  ob  die  Tumorzellen 
zwar  arteigene,  aber  nicht  körpereigene  Zel¬ 
len  darstellen. 


Ueber  die  Registrierung  mechanischer  Vorqänqe  auf 
elektrischem  Wege,  speziell  mit  Hilfe  des  Saitengalvano¬ 
meters  und  Saitenelektrometers.*) 

Von  Max  Creme  r. 

Die  ungemeine  Rapidität  der  Einstellung,  die  den 
beiden  hauptsächlichsten  Saiteninstrumenten  —  dem 
Saitengalvanometer  und  dem  Saitenelektrometer  —  eigen 
sind,  reizt  dazu,  Vorgänge,  die  bisher  vorwiegend 
rein  mechanisch  registriert  wurden,  auf  irgend  eine 
Weise  mit  Hilfe  der  genannten  Instrumente  zur  Dar¬ 
stellung  zu  bringen.  Wissen  wir  doch,  dass  es  mög¬ 
lich  ist,  einen  Ausschlag  von  ansehnlicher  Grösse  in  weniger 
als  Eintausendstelsekunde  bei  beiden  Instrumenten  sich  voll¬ 
ziehen  zu  lassen.  Bei  Einwirkung  kurzer  Stromstösse  auf  das 
Saitengalvanometer,  kurzer  Voltstösse  auf  das  Saitenelektro- 
meter.  hebt  sich  selbst  bei  einer  Plattengeschwindigkeit  bis  zu 
2  m  der  Faden  unter  Umständen  scheinbar  senkrecht  von  der 
Abszissenachse  ab.  Nun  sind  die  Versuche,  irgendwelche 
mechanischen  Vorgänge  auf  diese  Weise  darzustellen,  schon 
so  alt  wie  die  Erfindung  des  Saitengalvanometers,  bezw.  die 
Verbesserung  desselben  durch  Einthoven.  Alsbald  hat 
dieser  Forscher  mitgeteilt,  dass  man  Töne  auf  das  schönste, 
speziell  auch  die  Herztöne,  mit  dem  Instrument  zu  registrieren 
vermöge,  und  Töne  sind  schliesslich  nur  eine  besondere  Art 
mechanischer  Erschütterungen.  Dass  diese  Möglichkeit  der 
Tonregistrierung  auch  bei  dem  Saitenelektrometer  besteht, 
habe  ich  schon  bei  meinem  ersten  Vortrag  über  dieses  Instru- 


*)  Vorgetragen  in  der  Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physio¬ 
logie  zu  München. 


ment  in  dieser  Gesellschaft  mitgeteilt1).  Einen  Versuch,  grö¬ 
bere  mechanische  Bewegung  zu  registrieren  hat  vor  einiger 
Zeit  Max  Edelmann2)  ausgeführt.  Er  hat  die  Membran 
eines  kleinen  Telephons  mit  einer  Pelotte  versehen  und  benützt 
das  Telephon  in  Anwendung  mit  dem  kleinen  Saitengalvano¬ 
meter  zur  Pulsschreibung.  Unabhängig  von  ihm  habe  ich  das 
Mikrophonprinzip  in  ähnlichem  Sinne  zu  verwerten  gesucht 
und  ich  zeige  hier  ein  kleines  Mikrophon,  das  ich  von  der  Firma 
Reiner  für  diese  Zwecke  schon  vor  zwei  Jahren  kon¬ 
struieren  liess. 

Es  lässt  sich  natürlich  im  Prinzip  jede  mechanische  Be¬ 
wegung,  jede  Längenänderung  etc.  sowohl  telephonisch  wie 
mikrophonisch  registrieren;  auch  der  Druck  von  Flüssigkeiten 
und  Gasen.  Im  letzteren  Falle  muss  die  Telephonmembran 
oder  Mikrophonmembran  als  Abschluss  einer  entsprechenden 
Kapsel  dienen.  Was  speziell  das  Mikrophon  angeht,  so  ist  die 
Anwendung  sehr  einfach.  Man  schaltet  dasselbe  bei  der  ersten 
Art  der  Benützung  genau  wie  bei  der  von  Einthoven  an¬ 
gegebenen  Registrierung  von  Tönen  in  den  primären  Kreis 
eines  Stromes  ein,  dessen  sekundäre  Spirale  zu  dem  Einthoven¬ 
galvanometer  abgeleitet  ist.  Ich  habe  einmal  gelegentlich 
einige  Aufnahmen  von  Pulsen  gemacht,  die  mir  zwar  die  prin¬ 
zipielle  Brauchbarkeit  des  Instrumentes  dartaten,  die  aber 
auch  eine  Ueberempfindlichkeit  desselben  ergaben.  Man  lei¬ 
det  an  der  Schwierigkeit,  dass  das  Mikrophon  ja  nicht  nur  auf 
Druckunterschiede,  sondern  auch  auf  Töne  und  Geräusche  an¬ 
spricht  und  dass  alle  möglichen  Vibrationen  des  Armes  sich  in 
den  erhaltenen  Kurven  mitverraten.  Ich  lasse  dahingestellt, 
ob  durch  ein  systematisches  Durchprobieren  der  hier  vor¬ 
handenen  Möglichkeiten,  Anwendung  verschiedener  Metall¬ 
pulver  und  verschiedene  Arten  lockerer  Kontakte,  Zwischen¬ 
schaltung  der  geeigneten  Glieder  für  die  Uebertragung,  sich 
nicht  auch  ein  für  die  Puls-  resp.  Blutdruckschreibung  brauch¬ 
bares  Instrument  wird  gewinnen  lassen.  Aber  die  Puls¬ 
schreibung  ist  ja  nur  ein  Beispiel.  Jede  Art  von  Druckänderung 
lässt  sich  in  gleicher  Weise  sowohl  auf  das  Telephon  wie  auch 
auf  das  Mikrophon  übertragen. 

Handelt  es  sich  darum,  den  Moment  des  Beginnes  einer 
Muskelzuckung  möglichst  scharf  festzustellen,  so  stört  die  bei 
der  Pulsschreibung  zutage  tretende  Ueberempfindlichkeit  des 
Mikrophons  nicht,  oder  sehr  viel  weniger,  wie  ich  mich 
durch  besonderen  Versuch  überzeugt  habe. 

Sowohl  das  Telephon  als  auch  das  Mikrophon  bei  der 
üblichen  Schaltungsweise  reagieren  auf  sehr  langsame  Aende- 
rungen  des  Druckes  nicht.  Sie  geben  in  erster  Annäherung 
eher  den  ersten  Differentialquotienten  der  Druck-  resp.  der 
Längenänderungen  nach  der  Zeit,  allerdings  auch  diesen  nicht 
in  aller  Strenge,  selbst  wenn  die  Einstellungsgeschwindigkeit 
des  Saitengalvanometers  eine  momentane  wäre. 

Das  Mikrophon  gestattet  aber  auch  eine  Schaltungsweise, 
bei  der  die  Ausschläge  den  Drucken  direkt  entsprechen. 

Schaltet  man  nämlich  in  den  primären  Kreis  ausser  dem 
Mikrophon  auch  noch  einen  sehr  grossen  Widerstand  ein,  gegen 
den  der  Mikrophonwiderstand  verschwindet,  und  sorgt  für  eine 
hinreichende  Stromstärke  durch  eine  konstante  Batterie,  so 
finden  bei  entsprechenden  Druckänderungen  im  Mikrophon  — 
an  den  Zuleitungsstellen  zu  demselben  entsprechende  Span¬ 
nungsänderungen  - —  statt.  Diese  Spannungsänderungen  kann 
man  nun  sowohl  mit  dem  Einthovengalvanometer  als  auch  mit 
dem  Saitenelektrometer,  eventuell  unter  Einschaltung  eines 
Kompensators,  beobachten  und  registrieren.  Für  nicht  allzu 
langsame  Aenderungen  genügt  als  automatischer  Kompensator 
eine  grössere  Kapazität.  Diese  Art  der  Schaltung,  bei  der  die 
Fehler  der  Transformierung  vermieden  werden,  lässt  sich  auch 
zur  Klanganalyse  verwenden.  Wenn  nun  auch  die  Einstel¬ 
lungsgeschwindigkeit  der  Saiteninstrumente  sehr  gross .  ist 
gegenüber  den  Hauptvorgängen,  um  die  es  sich  in  erster  Linie 
bei  Puls-  und  Blutdruck  handelt,  so  folgt  doch  nicht  ohne  wei¬ 
teres,  dass  die  Anwendung  derselben  wesentlich  weiterführen 
muss,  als  es  schon  jetzt  bei  rein  mechanischer  Registrierung 
möglich  ist,  wenn  diese  nach  den  von  Otto  Frank  in  den 
letzten  Jahren  entwickelten  Grundsätzen  bestätigt  wird.  Se'bst- 


1)  Münch,  med.  Wochenschr.  1907.  No.  11. 

2)  cf.  Katalog  No.  28  von  Prof,  Dr.  M.  Th.  E  d  e  1  m  a  n  n  und  Sohn, 

München. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


iü3U 


verständlich  bleiben  ja  bis  zur  schwingenden  Telephon-  oder 
Mikrophonmembran  alle  Momente,  die  die  Kurven  des  wahren 
Druckverlaufes  fälschen,  bestehen. 

Ich  möchte  nun  noch  über  ein  drittes  Prinzip  berichten, 
mit  dem  man  sowohl  beim  Saitengalvanometer,  als  namentlich 
auch  beim  Saitenelektrometer  mechanische  Vorgänge  verfolgen 
kann,  nämlich  über  die  Anwendung  des  Kondensatorprinzips 
für  die  Registrierung  derselben. 


b  Saitenelektromerer 


p,  *  p, 

< _ i _ 


In  dem  vorstehenden  Schema  sei  b  eine  Batterie,  die  zu  den 
beiden  Platten  ci  cs  eines  Kondensators  geführt  wird.  In  diese 
Zufuhrstelle  sei  irgendwo  das  zunächst  durch  Schlüssel  s  kurz¬ 
geschlossene  Saitenelektrometer  eingeschaltet,  dessen  beide 
Polplatten  pi  und  p2  und  Faden  f  schematisch  in  der  Figur 
angezeigt  sind.  Das  ganze  System  sei  in  der  Nähe  des  Saiten¬ 
elektrometers  bei  dem  Punkte  e  geerdet.  Der  Kondensator 
wird  sich  laden  —  sagen  wir  z.  B.  bis  zu  1000  Volt.  Dem  Faden 
des  Saitenelektrometers  sei  ebenfalls  irgend  eine  passende  La¬ 
dung  erteilt.  Hebe  ich  jetzt  den  Kurzschluss  bei  s  auf,  so 
wird  der  Faden  in  seiner  Ruhelage  bleiben,  vorausgesetzt, 
dass  die  Isolation  zwischen  den  Kondensatorplatten  ci  und  C2 
eine  möglichst  vollkommene  ist.  Nähert  oder  entfernt  man 
nun  aber  die  Kondensatorplatten,  bewegt  man  also  z.  B.  ci , 
während  C2  sich  in  der  Ruhelage  befindet,  so  ändert  das  System 
seine  Kapazität.  Es  muss  positive  oder  negative  Elektrizität 
von  der  Kondensatorplatte  C2  auf  die  Polplatte  pi  hinfliessen, 
und  zwar  so  lange,  bis  das  gesamte  System  der  beiden  Kon¬ 
densatoren  ci,  C2,  pi  p2  in  seiner  Spannung  der  angewandten 
Batterie  gleich  ist.  Dementsprechend  muss  jetzt  der  Faden 
eine  andere  Gleichgewichtslage  annehmen.  Besteht  also  die 
eine  Kondensatorplatte  aus  einer  dünnen  Membran,  die  unter 
dem  Einfluss  von  Zug  oder  Druck  von  der  anderen  entfernt 
oder  ihr  genähert  werden  kann,  so  macht  der  Saitenelektro¬ 
meterfaden  entsprechende  Bewegungen.  Er  erscheint  so  als 
ein  Hebel,  der  ohne  direkte  Berührung  der  sich  bewegenden 
Membran  aufgesetzt  ist.  Man  kann  natürlich  auch  das  Eint¬ 
hovengalvanometer  benützen,  indem  man  es  z.  B.  an  Stelle 
des  Saitenelektrometers  einschaltet.  Nur  gibt  dann  die  Faden¬ 
bewegung  in  einer  gewissen  ersten  Annäherung  wieder  den 
ersten  Differentialquotienten  der  betreffenden  Aenderung,  nicht 
diese  selbst  an.  Es  sind  noch  andere  Schaltungsweisen  möglich. 
Bei  Verwendung  eines  Kondensators  z.iB.,  der  nicht  vollkommen 
isoliert,  würde  der  Faden  des  Saitenelektrometers  bald  aus 
dem  Gesichtsfeld  verschwinden  und  überhaupt  gefährdet  sein, 
wenn  man  nicht  durch  einen  grossen  Widerstand  zwischen  den 
beiden  Platten  dafür  sorgte,  dass  die  allmählich  bei  pi  zu¬ 
strömende  Elektrizität  immer  wieder  zur  Erde  abgeleitet  wer¬ 
den  kann.  Dann  entspricht  aber  die  Verlagerung  des  Saiten-’ 
elektrometerfadens  nicht  mehr  der  Lageänderung  von  ct,  in¬ 
dem  eine  bleibende  Lageänderung  nicht  von  einem  bleibenden 
Ausschlag  gefolgt  ist.  Natürlich  kann  man  diese  Methode  aus 
einer  bestimmten  Absicht  auch  dann  anwenden,  wenn  der 
Kondensator  so  vollkommen  wie  möglich  isoliert. 

Die  Kondensatormethode  bildet  namentlich  in  einer  Be¬ 
ziehung  eine  für  die  physiologische  Graphik  ganz  neue  Re¬ 
gistriermethode.  Bisher  ist  es  zwar  möglich,  durch  Benützung 
der  Lichtstrahlen  (inkl.  Röntgenstrahlen)  als  massenlosen  Hebel 
die  Bewegungen  eines  Organes  ohne  Berührung  mit  der 
zeichnenden  Fläche  zu  registrieren.  Hier  haben  wir  es  mit 
einer  neuen  Art  dies  zu  bewirken  zu  tun.  Man  kann  nämlich 
zwischen  den  beiden  Kondensatorplatten  ci  und  C2  ein  schla¬ 
gendes  Froschherz  völlig  isoliert  aufhängen.  Dann  wird  sich 
trotzdem  mit  den  Bewegungen  dieses  Herzens  die  Kapazität 


des  Kondensators  ändern,  und  wir  haben  hier  einen  zweiten 
Fall  der  Aufschreibung  und  zwar  der  mechanischen  Bewegung 
des  Organs  ohne  direkte  Berührung  mit  dem  registrierenden 
Instrument. 

Die  oben  gemachte  Bemerkung,  dass  aus  der  Tatsache  des 
neuen  Wegs  noch  nicht  ohne  weiteres  folgt,  dass  er  weiter 
führen  muss  in  der  Erkenntnis  der  bisher  nur  rein  me¬ 
chanisch  registrierenden  Bewegung,  gilt  auch  hier.  —  Obschon 
die  mechanische  Masse  des  Qnarzfadens  im  Saitenelektrometer 
wie  auch  im  Saitengalvanometer  eine  verschwindende  ist,  und 
daher  a  priori  die  Bewegung  einer  Membran  ohne  jede  De¬ 
formation  wiedergegeben  werden  könnte,  so  ist  doch  zu  be¬ 
achten,  dass  eine  vor  einer  geladenen  Fläche  schwingende 
Membran  nicht  ohne  weiteres  identisch  ist  mit  einer  gänzlich 
frei  schwingenden.  Die  Membran  wird  in  ihrer  Bewegung 
unter  Umständen  in  ähnlicher  Weise  beeinflusst  wie  der 
Saitenelektrometerfaden  durch  die  Influenzelektrizität  der  Pol¬ 
platten.  Es  ist  denkbar,  dass  auf  diese  Weise  die  wirksame 
Masse  des  Systems  erheblich  grösser  ist  als  die  mechanische 
und  grösser  wie  die  eines  aufgesetzten  Spiegels  oder  eines  auf¬ 
gesetzten  gewöhnlichen  Hebels.  Nur  eingehende  theoretische 
und  experimentell  kritische  Studien  können  die  Frage  ent¬ 
scheiden,  ob  und  unter  welchen  Bedingungen  der  neue  Uni¬ 
versalhebel  —  Kondensatorprinzip  in  Verbindung  mit  dem 
Saitenelektrometer 3)  —  eine  vollkommenere  Erkenntnis  des 
Verlaufes  mechanischer  Vorgänge  bedeutet. — Eine  Möglichkeit 
indessen  möchte  ich  kurz  streifen.  Sowohl  beim  Telephon-, 
wie  beim  Mikrophon-,  als  auch  beim  Kondensatorprinzip  er¬ 
scheint  es  denkbar,  die  bewegte  Membranfläche  bei  Blutdruck¬ 
messungen  z.  B.  unmittelbar  in  das  Gefässystem  einzuführen. 
Die  wirksamen  Massen  der  Flüssigkeiten  der  Verbindungs¬ 
röhren  können  dadurch  in  Wegfall  kommen. 

Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Leipzig. 

Ein  Fall  von  Berstungsruptur  des  Rektum. 

Von  Privatdozent  Dr.  H.  H  e  i  n  e  k  e,  I.  Assistent  der  Klinik. 

Im  vorigen  Jahre  hatte  ich  Gelegenheit,  einen  Fall  von 
sogen.  Spontanruptur  oder  Berstungsruptur  des  Rektum  zu 
veröffentlichen,  die  bei  einem  vorher  ganz  gesunden  Manne 
beim  Heben  einer  schweren  Last  entstanden  war.  (Beiträge 
zur  klinischen  Chirurgie,  Band  50.)  Ich  habe  damals  alle  bis 
dahin  publizierten  Fälle  von  Rektumruptur  aus  .der  Literatur 
zusammengestellt  und  habe  nur  12  ähnliche  Beobachtungen, 
die  sich  auf  einen  Zeitraum  von  80  Jahren  verteilen,  auffinden 
können.  Der  Zufall  hat  es  gewollt,  dass  in  der  Leipziger 
chirurgischen  Klinik  kürzlich  ein  weiterer  Fall  von  Rektum¬ 
ruptur  zur  Beobachtung  gekommen  ist.  Da  das  Krankheits¬ 
bild  so  selten  ist,  möchte  ich  auch  diesen  Fall  kurz  mitteilen. 

45  jähriger  Mann.  Pat.  bekommt  seit  4 — 5  Jahren  beim  Stuhlgang 
einen  Vorfall  des  Mastdarms,  der  sich  immer  leicht  wieder  zurück¬ 
bringen  liess.  Seit  längerer  Zeit  leidet  Pat.  an  hartnäckiger  Stuhl¬ 
verstopfung;  manchmal  wurde  beim  Stuhlgang  etwas  Blut  enleert. 
Am  Morgen  des  Aufnahmetages  hatte  Pat.  wieder  sehr  harten  Stuhl¬ 
gang;  beim  Pressen  auf  dem  Nachtgeschirr  spürte  er  plötzlich  einen 
Riss  im  Unterleib,  während  gleichzeitig  ein  Stück  Darm  aus  dem 
After  hervortrat.  Die  Schmerzen  waren  anfangs  nicht  stark,  steiger¬ 
ten  sich  aber  im  Laufe  der  nächsten  Stunden.  Der  bald  gerufene 
Arzt  reponierte  den  vorgefallenen  Darm  und  liess  den  Patienten  ins 
Krankenhaus  bringen.  Während  des  Transportes  trat  der  Vorfall 
wieder  heraus. 

Bei  der  Aufnahme  des  Patienten,  6  Stunden  nach  Eintritt  der 
Ruptur,  bot  sich  folgendes  Bild:  Grosser  kräftiger  Mann;  ist  sehr 
aufgeregt  und  klagt  über  heftige  Schmerzen  im  Leib.  Starker  Kollaps. 
Puls  klein  und  weich,  um  90;  Extremitäten  kalt  und  zyanotisch; 
Stimme  aphonisch.  Bauch  leicht  aufgetrieben,  Bauchdecken  ge¬ 
spannt  und  überall  druckempfindlich.  Aus  dem  Anus  hängen  mehrere 
Dünndarmschlingen  mit  dem  zugehörenden  Mesenterium  heraus;  Ge¬ 
samtlänge  etwa  1  m.  Die  Schlingen  sind  stark  gestaut,  blauschwarz, 
das  Mesenterium  ist  von  Blutungen  durchsetzt,  die  Schlingen  selbst 
zeigen  keine  gröberen  Verunreinigungen.  Am  Anus  ist  ausser  einigen 
erweiterten  Venen  nichts  besonderes  zu  sehen.  Ein  Prolaps  der  Rek¬ 
talschleimhaut  besteht  zurzeit  nicht.  Der  Patient  bricht  wiederholt 
gallige  Massen. 

Die  prolabierten  Darmschlingen  und  die  Umgebung  des  Anus 
werden  zunächst  nach  Möglichkeit  mit  warmer  Kochsalzlösung  ge- 


3)  Natürlich  sind  auch  andere  spannungsmessende  Vorrichtungen, 
z.  B.  das  Kapillarelektrometer  verwendbar. 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1631 


reinigt.  Dann  Chloroformnarkose,  Beckenhochlagerung  und  Laparo¬ 
tomie  unterhalb  des  Nabels.  Im  Bauchraume  frei  ziemliche  Menge 
trübserösen  Exsudats.  Die  Serosa  des  Darmes  ziemlich  reizlos  aus¬ 
sehend,  keine  Fibrinbeläge.  Der  Riss  im  Rektum  ist  zunächst  nicht 
zugänglich  zu  machen,  da  die  ins  kleine  Becken  hineinführenden 
Diinndarmschlingen  den  Einblick  verlegen.  Deshalb  wird  der  Dünn¬ 
darm  aus  dem  kleinen  Becken  herausgezogen;  nun  sieht  man  an  der 
Vorderwand  des  Rektum  einen  Riss,  durch  den  die  Schlingen  durch¬ 
getreten  sind;  sie  lassen  sich  durch  leichten  Zug  aus  dem  Rektum 
heraus  und  in  die  Bauchhöhle  hineinziehen.  Der  Riss  im  Rektum  ist 
längsgerichtet  und  verläuft  vom  Grunde  des  Douglas  aus  ziemlich 
genau  in  der  Mittellinie  nach  oben.  Der  Riss  ist  in  der  Serosa  5  cm 
lang,  in  der  Wand  des  Rektum  selbst,  die  nach  Erweiterung  des 
Serosarisses  zum  Vorschein  kommt,  noch  etwas  länger.  Die  Serosa 
ist  von  der  Rektalwand  eine  Strecke  weit  abgelöst.  In  der  nächsten 
Umgebung  des  Risses  finden  sich  kleine  Kotpartikel,  die  sorgfältig 
entfernt  werden.  Dann  Naht  der  Rektalwand  und  der  Serosa.  Gründ¬ 
liche  Spülung  der  Bauchhöhle  mit  Kochsalzlösung  und  Schluss  der 
Bauchwunde. 

Am  nächsten  Morgen  war  der  Patient  ganz  munter,  hatte  nicht 
gebrochen,  keine  Schmerzen.  Bauch  weich  und  unempfindlich. 
Abends  peritonitische  Erscheinungen,  die  sich  schnell  steigern. 

Am  Morgen  des  zweiten  Tages  Exitus  letalis  unter  den  Erschei¬ 
nungen  der  peritonealen  Sepsis. 

Sektionsbefund1)  (Dr.  Verse):  Ziemlich  grosse  männ¬ 
liche  Leiche  in  mittlerem  Ernährungszustand.  Rings  um  den  Anus 
ein  ringförmiger  Wulst;  besonders  auf  der  rechten  Seite  die  Haut 
ziemlich  weich  und  bläulich-weiss  gefärbt.  In  der  Mitte  des  Ab¬ 
domens  eine  17  cm  lange,  frische,  vernähte  Operationswunde.  Zwerch¬ 
fellstand  rechts  4.  Rippe,  links  4.  Interkostalraum.  Herz-  und  Herz¬ 
beutel  ohne  Besonderheiten.  Ausgedehnte  lobulär-pneumonische 
Herde  im  linken  unteren  Lungenlappen. 

Im  Abdomen  schmutzig-braunrötliche  Flüssigkeit.  Magen  mässig 
ausgedehnt.  Die  oberen  Dünndarmschlingen  ziemlich  blass,  an  ihren 
Berührungsrändern  streifig  gerötet,  wenig  ausgedehnt.  Die  unteren 
Dünndarmschlingen  diffus  gerötet,  stellenweise  dunkelblaurot  ge¬ 
färbt.  Die  Serosa  an  diesen  Stellen  durch  Fibrin  verklebt.  Diese  Ver¬ 
änderung  des  Darmes  beginnt  unten  dicht  oberhalb  der  Ileozoekal- 
klappe;  das  ganze  so  veränderte  Stück  hat  eine  Länge  von  1,20  m. 
Die  freie  Flüssigkeit  im  Abdomen  ist  namentlich  im  kleinen  Becken 
stark  eitrig,  ihre  Menge  beträgt  500  ccm.  Im  kleinen  Becken,  in 
der  Tiefe  der  Excavatio  rectovesicalis  beginnend,  verläuft  an  der 
Vorderwand  des  Rektum  nach  aufwärts  eine  Naht.  Beim  leichten 
Anziehen  des  Colon  sigmoideum  spannen  sich  die  vom  Promontorium 
zur  Harnblase  hinziehenden  Plicae  rectovesicales  an  und  bilden  hinter 
der  Harnblase  einen  scharf  halbmondförmig  vorspringenden  Saum, 
hinter  dem  man  nach  vorne  in  einen  ziemlich  tiefen  Rezessus  gelangt 
von  4 — 5  cm  Länge,  dessen  Hinterfläche  von  dem  Rektum  gebildet 
wird.  Der  in  diesen  Rezessus  der  Excavatio  rectovesicalis  einge¬ 
führte  Finger  kommt  mit  der  Kuppe  bis  in  eine  Höhe  von  etwa  2  cm 
oberhalb  des  Anus.  Das  Rektum  hat  bis  zur  Mitte  des  Steissbeins 
ein  etwas  breites  Mesorektum  und  erscheint  auch  weiter  unterhalb 
nur  ganz  locker  fixiert.  Die  von  der  Tiefe  des  Recessus  rectovesicalis 
nach  oben  verlaufende  Naht  des  Rektum  hat  eine  Länge  von  9  cm. 
An  2  Stichkanälen  ist  die  Darmwand  etwas  auseinander  gewichen. 
In  den  Anus  lassen  sich  3  Finger  leicht  einführen. 

Die  Beckenorgane  wurden  zusammen  mit  dem  Beckenboden 
herausgenommen.  Nach  dem  Lösen  der  Naht  zeigt  sich,  dass  der 
Riss  nicht  ganz  die  Länge  der  ihn  vereinigenden  Naht  hat.  Seitlich 
von  dem  Riss  ist  die  Schleimhaut  ziemlich  weit  abgelöst. 

Diagnose:  Ruptura  recti  (Prolapsus  partis  intestini  tenuis  pro 
ano).  Peritonitis  fibrinopurulenta  recens  diffusa.  Laparotomia. 
Pneumonia  lobularis  haemo.rrhagica  lobi  inferioris  sin.  (ex  aspiratione). 

Der  Fall  zeigt  den  gewöhnlichen  Verlauf  der  Erkrankung, 
wie  er  bei  den  meisten  Rektumrupturen  beschrieben  worden 
ist:  seit  Jahren  bestehender  Rektalprolaps,  heftiges  Pressen 
beim  Stuhlgang  oder  beim  Heben  eines  schweren  Gegenstandes, 
Ruptur  des  Prolapses  und  Vorfall  von  Dünndarmschlingen 
durch  das  Loch  in  der  Mastdarmwand. 

Der  Mechanismus  dieser  Rupturen  bietet  dem  Verständnis 
keine  Schwierigkeiten.  Durch  die  heftige  Aktion  der  Bauch¬ 
presse  werden  beim  Heraustreten  des  Prolapses  Dünndarm¬ 
schlingen  in  den  Blindsack  des  Peritoneums,  der  in  der  Vorder¬ 
wand  des  umgestülpten  Rektums  liegt,  hineingepresst.  Er¬ 
reicht  der  Druck  eine  gewisse  Höhe,  dann  reisst  das  Rektum 
auf  der  Höhe  des  Prolapses  ein  und  die  Dünndarmschlingen,  die 
bei  grösseren  Vorfällen  in  dem  prolabierten  Rektum  ja  schon 
ausserhalb  des  Anus  liegen,  treten  durch  den  Riss  heraus. 
Das  prolabierte  Rektum  zieht  sich  nun  offenbar  im  Momente 
des  Einreissens  wieder  zurück,  so  dass  die  Rissstelle  wieder 
innerhalb  die  Bauchhöhle  zu  liegen  kommt;  alle  Beobachtungen 


1)  Herrn  Geheimrat  March  and  und  Herrn  Dr.  Verse  bin 
ich  für  die  freundliche  Ueberlassung  des  Protokolls  zu  grossem  Danke 
verpflichtet. 


stimmen  wenigstens  darin  überein,  dass  das  Rektum  nach  der 
Ruptur  nicht  prolabiert  gefunden  wird;  schon  Quenu  hat 
dies  Verhalten  in  seiner  ausführlichen  Arbeit  hervorgehoben. 

Die  Rupturen  lassen  sich  auf  diese  Weise  ohne  Schwierig¬ 
keiten  verstehen;  immerhin  ist  es  aber  auffallend,  dass  die 
Zerreissungen  bei  dem  verhältnismässig  häufigen  Leiden  des 
Prolapses  so  enorm  selten  zur  Beobachtung  kommen.  Eine 
besondere  Schwäche  der  Rektalwand  muss  in  den  zur  Ruptur 
kommenden  Fällen  also  wohl  angenommen  werden. 

Allerdings  hat  man  in  den  bisher  beobachteten  Fällen 
meist  nichts  Sicheres  gefunden,  was  für  eine  Herabsetzung  der 
Widerstandsfähigkeit  der  Darmwand  gesprochen  hätte,  keine 
Ulzerationen  u.  dergl.  Auch  bei  unserem  Falle  hat  die  Sektion 
keine  Anhaltspunkte  in  dieser  Richtung  ergeben. 

Wie  gross  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  der  Wider¬ 
stand  der  Rektalwand  trotz  eines  Prolapses  ist,  davon  habe  ich 
mich  durch  die  Liebenswürdigkeit  der  Herrn  Dr.  Verse  vor 
Kurzem  an  der  Leiche  überzeugen  können.  Bei  einer  weib¬ 
lichen  Leiche  mit  grossem  Rektalprolaps  gelang  es  uns  nicht, 
mit  der  von  der  Bauchhöhle  aus  in  den  Prolaps  eingeführten 
Hand  dieDarmwand  zu  sprengen,  trotz  Aufwendung  bedeutender 
Kraft.  Die  Wand  des  Mastdarms  zerriss  erst  dann,  als  wir 
die  Fingerspitze  förmlich  in  die  Darmwand  hineinbohrten;  die 
dazu  erforderliche  Kraft  war  eine  sehr  grosse.  Dass  die  Bauch¬ 
presse  so  enormen  Druck  entwickelt,  ist  kaum  denkbar,  auch 
greift  der  intraabdominale  Druck  nicht  an  so  zirkumskripter 
Stelle  an,  wie  die  Fingerspitze. 

Die  Berstungsrupturen  des  Mastdarms  sind  bisher  vor¬ 
wiegend  bei  Frauen  beobachtet  worden,  entsprechend  der 
grösseren  Häufigkeit  der  Vorfälle  beim  weiblichen  Geschlecht. 
Nur  5  Fälle  bei  Männern  sind  bekannt:  ein  Fall  von  Quenu, 
die  Fälle  von  Warn  ecke  (Zeitschr.  f.  Chirurgie  82)  und 
Preindlsberger  (Wien.  med.  Presse  1906)  und  unsere 
beiden  Fälle.  Unter  diesen  5  Fällen  bestanden  Prolapse  nur 
zweimal,  bei  dem  Q  u  e  n  u  sehen  und  bei  dem  oben  beschrie¬ 
benen  Falle,  während  die  anderen  3  vor  der  Ruptur  keine  Vor¬ 
fälle  hatten;  die  letzteren  3  Beobachtungen  bilden  eine  be¬ 
sondere  Gruppe  und  sind  ätiologisch  vorläufig  noch  unklar, 
aber  jedenfalls  anders  aufzufassen  als  die  häufigeren  bei  Pro¬ 
lapsen  beobachteten  Rupturen. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  neuen  Vincenziushauses 
in  Karlsruhe  (Chefarzt  Dr.  S  i  m  o  n). 

Traumatische,  intraperitoneale  Ruptur  der  Blase 
(Laparotomie),  Heilung. 

Von  W.  Berblinger. 

Die  subkutanen  Verletzungen  der  Blase,  wie  sich  durch 
Stoss  oder  Fall  auf  den  Bauch,  durch  Quetschung  des  Unter¬ 
leibs  zustande  kommen,  sind  im  Vergleich  zu  den  Verletzungen 
anderer  Abdominalorgane,  wie  Leber,  Milz,  Pankreas,  Niere 
recht  häufig.  Güterbock  stellt  178  Verletzungen  der  Niere 
zusammen  und  bezeichnet  diese  Zahl  als  niedrig  im  Vergleich 
zu  den  extra-  und  intraperitonealen  Blasenrupturen.  Unter 
den  zahlreichen  Fällen  von  traumatischer,  intraperitonealer 
Ruptur  der  Blase  sind  aber  relativ  nur  wenige,  die  trotz  Opera¬ 
tion  mit  Heilung  endigten. 

Wie  sich  aus  mehreren  Zusammenstellungen  ergibt,  ist  die 
Prognose  der  intraperitonealen  Ruptur  gegenüber  der  extra¬ 
peritonealen  weit  weniger  günstig.  Spontanheilungen  gehören 
zu  den  grössten  Seltenheiten.  Stephan  Smith  (1851)  beob¬ 
achtete  unter  80  intraperitonealen  Rissen  nur  2,  die  spontan 
ausheilten,  dagegen  unter  25  extraperitonealen  5  Heilungen. 
Die  operativ  behandelten  Fälle  geben  ein  ähnliches  Bild;  unter 

22  intraperitonealen  Rupturen  mit  nachfolgender  Blasennaht 
zählt  Schlange  nur  10  Heilungen,  7  dagegen  unter  10  extra¬ 
peritonealen  Verletzungen,  während  allerdings  ältere  Statistiken 
von  R  i  v  i  n  g  t  o  n  und  M  a  1 1  r  a  i  t  die  Prognose  des  intraperi¬ 
tonealen  Risses  noch  viel  ungünstiger  erscheinen  lassen. 
Alexander  (1901)  endlich  konstatierte  unter  45  mit  Naht 
behandelten,  intraperitonealen  Rupturen  22  Heilungen  und 

23  Todesfälle.  Das  Verhältnis  hat  sich  aber  in  den  letzten 
10  Jahren  doch  so  verschoben,  dass  die  Mortalität  bei  intra¬ 
peritonealen  Rissen  von  45,5  Proz.  auf  20,5  Proz.  gesunken  ist 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Diese  wenigen  Zusammenstellungen  lassen  schon  er¬ 
kennen,  von  welcher  Tragweite  die  richtige  Diagnosestellung 
bei  Blasenruptur  ist,  nicht  nur  wegen  des  operativen  Vorgehens, 
sondern  auch  bezüglich  der  Prognose.  Gestaltet  sich  diese 
doch  um  so  günstiger,  je  schneller  im  allgemeinen  die  einzige 
Hilfe,  nämlich  der  operative  Eingriff  erfolgt.  Die  Behandlung 
allein  durch  den  Verweilkatheter  ist  heutzutage  verlassen. 

Unser  Fall  wurde  nun  nicht  nach  dem  Vorschlag  vieler 
Autoren  (G  a  r  r  e,  Madelung,  Mikulicz,  Schlange) 
mit  Sectio  alta  behandelt.  Die  verschiedenen  Ansichten  betreffs 
der  operativen  Massnahmen  seien  aber  erst  nach  der  Schil¬ 
derung  unseres  Falles  erwähnt. 

Der  10  jährige  Knabe  O.  K.  lag  mit  dem  Bauch  auf  einem  mit 
Holz  beladenen  Wagen.  Ueber  diesem  hing  an  der  Scheune  ein 
an  einfacher  Rolle  aufgehängter  sehr  schwerer  Kehrrichteimer.  Der 
bei  einer  Bewegung  der  Pferde  angezogene  Wagen  löste  die  Auf¬ 
hängevorrichtung,  der  schwere  Eimer  fiel  mit  mässiger  Geschwindig¬ 
keit  dem  Knaben  auf  den  Rücken  und  drückte  ihn  fest  gegen  die 
harte  Unterlage.  Nachdem  der  Junge  aus  dieser  Situation  befreit 
war,  konnte  er  zwar  noch  auf  den  Füssen  stehen,  klagte  aber  sofort 
über  heftige  Schmerzen  im  Leibe,  besonders  unterhalb  des  Nabels. 
In  das  Bett  gebracht  bekam  Patient  häufiges  Aufstossen  und  starkes 
Erbrechen;  Harn  konnte  er  nicht  sofort  entleeren. 

Der  herbeigeholte  Arzt  verordnete  Leibwickel  und  warme  Bäder. 
Da  nach  dem  Bad  etwas  Stuhl  und  Urin  abgingen,  wurde  nicht 
katheterisiert.  Die  brennenden  Schmerzen  nahmen  jedoch  immer  zu, 
der  Junge  erbrach  viel,  wurde  sehr  schwach  und  elend.  Deshalb 
erfolgte  am  9.  April  1906,  zwei  Tage  nach  dem  Unfall,  die  Aufnahme 
in  das  Krankenhaus. 

Der  sehr  magere  Patient  ist  ziemlich  kollabiert,  die  Pupillen  sind 
erweitert.  Auf  Fragen  gibt  er  mühsam  Antwort,  klagte  nur  über 
heftiges  Brennen  im  Leibe.  Aufstossen  und  Erbrechen  von  schlei¬ 
migen,  sauer  riechenden  Massen.  Temperatur  36,7,  Puls  klein  und 
frequent  120  pro  Minute,  Atmung  oberflächlich  beschleunigt.  Das 
Abdomen  ist  mässig  aufgetrieben,  die  Rekti  sind  angespannt;  auf 
der  Bauchhaut  keine  Abschürfungen  und  Ecchymosen;  Regio  meso- 
gastrica  und  hypogastrica  besonders  oberhalb  der  Symphyse  äusserst 
druckempfindlich.  Perkutorisch  lässt  sich  eine  Dämpfung  bis  in 
Nabelhöhe  nachweisen,  welche  sicher  durch  freie  Flüssigkeit  im 
Bauchraum  bedingt  ist.  Das  Zwerchfell  steht  nicht  abnorm  hoch, 
die  Leberdämpfung  ist  aber  stark  verschmälert.  Die  Untersuchung 
des  Beckens  ergibt  keine  auffallende  Beweglichkeit  oder  Druck¬ 
empfindlichkeit,  eine  Beckenfraktur  ist  somit  nicht  wahrscheinlich.  Die 
für  extraperitoneale  Blasenrupturen  charakteristische  prävesikale  Ge¬ 
schwulst  ist  nicht  vorhanden.  Der  eingeführte  Katheter  entleert  aus 
der  Blase  100  cm  klaren,  nicht  blutigen  Urin.  Per  rectum  wird  nicht 
untersucht,  die  Zystoskopie  unterbleibt  aus  Gründen,  die  im  folgen¬ 
den  erwähnt  werden  sollen. 

Die  vorhandenen  Symptome  ermöglichten  es  nicht,  eine  sichere 
Diagnose  zu  stellen.  Differentialdiagnostisch  wurden  Darmquetschung 
mit  nachfolgender  Gangrän,  Ruptur  und  hierdurch  bedingtem  Erguss, 
oder  intraperitoneale  Ruptur  der  Blase  mit  Eintritt  von  Harn  ins 
Cavum  peritonei  erwogen.  Wenn  auch  stärkere  peritonitische  Er¬ 
scheinungen  vorhanden  waren,  so  war  für  eine  diffuse  eitrige  Peri¬ 
tonitis,  wie  sie  zweifellos  nach  Darmruptur  aufgetreten  wäre,  das 
Aussehen  des  Patienten,  sowie  der  Puls,  immerhin  doch  noch  zu 
gut.  Die  niedrige  Temperatur  konnte  diagnostisch  nicht  verwertet 
werden,  weil  sie  einerseits  besonders  bei  der  erhöhten  Pulsfrequenz 
dem  Kollaps  zugeschrieben  werden  konnte,  andererseits  die  Peri¬ 
tonitis  nach  intraperitonealen  Blasenrupturen  oft  später  und  langsam 
an  Intensität  zunehmend  auftritt.  Hamilton  nennt  sogar  einen  Fall, 
bei  welchem  erst  5  Tage  nach  der  Verletzung  die  Zeichen  der  Peri¬ 
tonitis  sich  einstellten.  Für  eine  intraperitoneale  Ruptur  der  Blase 
waren  absolut  eindeutige  Zeichen  auch  nicht  gegeben;  Harndrang 
bei  der  Unmöglichkeit  die  Blase  zu  entleeren,  bestand  nicht;  die  zu¬ 
nehmenden  peritonitischen  Reizungen  konnten  allerdings  von  dem 
in  die  Bauchhöhle  eingedrungenen  Harn  herrühren.  Dieser  war  ja 
wohl  zwei  I  age  nach  der  Verletzung  nicht  mehr  aseptisch.  Der 
Umstand,  dass  sich  nur  so  wenig  Urin  entleerte,  deutete  wohl  auf 
eine  Blasenverletzung,  auffällig  blieb  aber  das  fast  klare,  nicht  blutige 
Aussehen  des  Urins,  welcher  auch  mikroskopisch  keine  Blutkörper¬ 
chen  in  nennenswerter  Zahl  enthielt,  und  ist  bei  Peritonitis  mit 
starkem  Erguss  das  Urinquantum  ja  auch  vermindert.  Gerade  weil 
nun  die  Diagnose  zweifelhaft  war,  wurde  gleich  die  Bauchhöhle 
selbst  eröffnet. 

Operation  (Herr  Dr.  Simon):  Chloroformäthernarkose. 
Schnitt  in  der  Medianlinie  bis  3  fingerbreit  oberhalb  der  Symphyse. 
Nach  Eröffnung  der  Peritonealhöhle  spritzt  ungefähr  1  Liter  einer 
fast  klaren,  urinös  und  deutlich  ammoniakalisch  riechenden  Flüssig¬ 
keit  aus  der  Bauchwunde.  Die  Peritonealgefässe  zeigen  mässige  In¬ 
jektion,  die  Darmschlingen  noch  keine  Zeichen  einer  adhäsiven  oder 
eitrigen  Peritonitis.  Der  Bauchraum  wird  zwischen  den  Darm¬ 
schlingen  gründlich  ausgetupft;  dann  Beckenhochlagerung.  Durch 
Bauchtücher  werden  die  Darmschlingen  abgedeckt  und  nach  oben  ge¬ 
schoben.  Die  Organe  des  kleinen  Beckens  liegen  übersichtlich  da. 
Die  vordere  Rektumwand  ist  blutig  infiltriert,  die  Blase  stark  kon¬ 


trahiert.  Sie  zeigte  an  ihrer  hinteren  oberen,  von  Peritoneum  über¬ 
zogenen  Wand  3  cm  oberhalb  der  linken  Uretermündung  eine  ungefähr 
4  cm  lange,  schwärzliche  Strecke.  Diese  erweist  sich  als  die  nekroti¬ 
sche  Randpartie  einer  Peritoneum  und  ganze  Blasenwand  durch¬ 
setzenden  Wunde. 

Die  Wundränder  in  Blase  und  Peritoneum  werden  angefrischt, 
durch  Katgutnaht  in  3  Etagen  vereinigt.  Das  kleine  Becken  wird 
sorgfältig  ausgetupft.  Auf  die  Naht  des  intraperitonealen  Risses 
werden  zwei  Jodoformgazestreifen  gelegt,  welche  zugleich  mit  einem 
in  die  Bauchhöhle  führenden  Drainrohr  durch  den  unteren  Wund¬ 
winkel  nach  aussen  ableiten.  Der  obere  Teil  der  Bauchwunde  wird 
durch  Naht  vereinigt,  darüber  Verband.  Um  eine  Dehnung  der 
frischen  Naht  zu  verhüten,  wird  durch  einen  elastischen  Verweil¬ 
katheter  kontinuierlicher  Harnabfluss  ermöglicht. 

Weiterer  Verlauf  bis  zur  Entlassung:  Am  2.  Tage  nach  der  Ope¬ 
ration  trat  eine  Eiebersteigerung  auf  bis  40,2,  die  unter  Berück¬ 
sichtigung  einer  gleichzeitig  bestehenden  starken  Bronchitis  wohl  auf 
die  im  unteren  Abdominalabschnitt  konstatierte  Peritonitis  zuriickzu- 
fiihren  ist.  Mässige  Wundsekretion,  Verweilkatheter  lieferte  ziem¬ 
lich  klaren  Harn;  Katheter  wurde  gewechselt.  6  Tage  nach  der  Ope¬ 
ration  abermals  Temperaturerhöhung  und  zwar  anhaltend  um  39,5°. 
Durch  den  Verweilkatheter  floss  kein  Harn  ab,  zu  gleicher  Zeit  bildete 
sich  eine  kleine  Blasenbauchfistel,  indem  das  Sekret  aus  der  Bauch¬ 
wunde  etwas  vermehrt  urinös  roch.  Der  Kranke  hatte  einen  stark 
beschleunigten  Puls.  Die  Bauchwunde  wurde  neu  drainiert  und  tam¬ 
poniert.  Der  Katheter  wurde  herausgenommen,  er  war  an  seinem 
Blasenende  abgeknickt,  das  Fenster  verstopft.  Bald  darauf  sistierte 
das  Erbrechen,  der  neue  Verweilkatheter  leitete  gut  ab.  Blasen- 
spülungen  unterblieben  absichtlich.  Der  leicht  getrübte,  sauer  rea¬ 
gierende  Harn  enthielt  zahlreiche  Leukozyten  und  Zelldetritus  bei 
entsprechendem  Eiweissgehalt.  Kein  Indikan.  Durch  die  Ueberfiil- 
lung  der  Blase  war  die  Wunde,  deren  Nähte  wohl  gerade  resor¬ 
biert  zu  werden  begannen,  an  einer  Stelle  wieder  geöffnet  worden 
und  resultierte  daraus  die  Fistel.  Diese  heilte  rasch  aus.  Nach 
einigen  Tagen  ganz  normale  Temperaturen.  Entlassung  nach  414 
Wochen.  Zystoskopischer  Befund:  Etwas  oberhalb  der  linken 
Ureteröffnung  sieht  man  eine  3 — t  cm  lange  weisse  Narbe.  Im  übrigen 
zeigt  die  Blasenwand  sich  vollkommen  normal  gefärbt.  Urin:  Ohne 
Sediment,  kein  Albumen. 

Der  Umstand,  dass  in  unserem  Falle  nicht  das  meist  ge¬ 
übte  Verfahren,  Sectio  alta,  angewendet  wurde,  erfordert  noch 
eine  kurze  Erklärung.  Freilich  war  das  Bestehen  multipler 
Blasenrisse  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  wie  andererseits 
eine  Darmruptur  nicht  ganz  auszuschliessen  war.  In  solchen 
zweifelhaften  Fällen  empfiehlt  es  sich  jedenfalls,  den  Fall  durch 
Laparotomie  anzugreifen.  Sie  ermöglicht  bei  zweckmässiger 
Lagerung  des  Patienten  eine  gute  Liebersicht  über  die  Organe 
im  kleinen  Becken;  eine  gleichzeitig  bestehende  Verletzung  des 
Darms  kann  natürlich  auf  diesem  Wege  allein  erkannt  werden. 
Hat  man  endlich  einen  intraperitonealen  Riss  konstatiert,  so 
kann  bei  Beckenhochlagerung  die  ganze  Blase  übersehen 
werden,  schliesslich  kann  man  bei  nicht  zu  kleinem  Riss  von 
diesem  aus  das  ganze  Blaseninnere  abtasten,  um  etwa  daneben 
noch  bestehende  weitere  Risse  zu  entdecken.  Man  wird  natür¬ 
lich  nur  die  Laparotomie  machen,  wenn  eine  intraperitonealc 
Ruptur  sehr  wahrscheinlich  ist,  für  eine  extraperitoneale  die 
wenigen  charakteristischen  Zeichen  aber  fehlen.  Man  hat  aber 
auch  dann  nicht  unnötig  das  Spatium  praevesicale  eröffnet, 
welches  einen  günstigen  Boden  für  die  Wundinfektionen  ab¬ 
gibt.  Schlange  und  B  e  r  n  d  t  empfehlen  selbst  bei  sicher 
diagnostizierter  intraperitonealer  Ruptur  die  Sectio  alta, 
während  Blum  in  jedem  Falle,  welcher  eine  Ruptur  ver¬ 
muten  lässt,  die  Laparotomie  ausführt,  ebenso  handelt  Dam- 
b  r  i  n.  Naheliegend  wäre  schliesslich,  zur  Feststellung  der 
Blasenverletzung  die  zystoskopische  Untersuchung  auszu¬ 
führen.  Roll  konstatierte  auch  in  einem  Fall  mit  dem  Zysto- 
skop  die  Lage  des  Risses.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  aber, 
besonders  unmittelbar  nach  der  Verletzung  —  und  eine  rasche 
Diagnosestellung  ist  hier  besonders  erforderlich  — ,  wird  sich 
die  Blase  gar  nicht  füllen  lassen;  wie  es  zur  Zystoskopie  nötig 
ist.  Ferner  kann  auch  die  Anwendung  des  Zystoskops  direkt 
schaden,  wenn  z.  B.  schwache  peritoneale  Verklebungen  über 
der  Rissstelle  sich  nach  Füllung  der  Blase  wieder  lösen.  Dann 
kommt  der  warme  Schnabel  des  Zystoskops  mit  der  Blasen¬ 
wand  in  Kontakt  und  verletzt  diese  oder  könnte  gar  durch 
den  Riss  in  das  Cavum  peritonei  dringen;  die  Gefahr  einer 
Infektion  bietet  sich  auch  von  neuem. 

Aus  letzterem  Grunde  scheint  uns  auch  die  von  W  e  i  r 
und  Keen  angegebene  Methode  selbst  bei  strengster  Beob¬ 
achtung  der  Asepsis  unzweckmässig.  Es  soll  nämlich  die  Blase 
mit  einem  abgemessenen  Quantum  Flüssigkeit  gefüllt  werden, 


\i.  August  1907. 


MÜENCFIENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1633 


aus  der  wieder  abfliessenden  Menge  wird  auf  die  Art  des  Risses 
geschlossen. 

Die  Naht  der  Blasenwunde  wurde  derart  ausgeführt,  dass 
die  erste  ziemlich  enge  Nahtreihe  die  Mukosa  durchgriff,  da¬ 
rüber  wurde  die  Muskularis  und  das  Peritoneum  und  zuletzt 
noch  peritoneale  Nähte  nach  der  Art  der  Lambertnaht  darüber 
gelegt.  Dabei  wurde,  wie  es  schon  Vincent  1881  angegeben, 
die  Mukosa  nicht  vollständig  durchstochen,  um  Infiltrationen 
der  Stichkanäle  und  Inkrustationen  um  die  Fäden  zu  vermeiden. 
Alle  Nähte  wurden  mit  Katgut  ausgeführt,  um  eine  Durch¬ 
wanderung  und  Steinbildung,  wie  dies  bei  Seidennähten  vor¬ 
kommt,  zu  verhindern.  Die  Naht  ist  dann  allerdings  nicht  so 
sicher,  wie  bei  einer  Seidenetage,  was  sich  ja  auch  in  unserem 
Falle  zeigte.  Die  kleine,  durch  Verschluss  des  Verweilkatheters 
entstandene  Fistel  hatte  aber  ausser  mässiger  peritonealer  Rei¬ 
zung  keinerlei  üble  Folgen  und  heilte  auch  sehr  rasch  wieder. 
Sie  wäre  auch  wohl  kaum  entstanden,  wenn  das  Hindernis  für 
die  Harnentleerung  nicht  gerade  zur  Zeit  der  beginnenden 
Katgutresorption  aufgetreten  wäre. 

Bezüglich  der  Ausführung  der  Blasennaht  sei  noch  der  von 
Militärarzt  Dr.  Sterscheminski  konstruierte  Blasen¬ 
dilatator  erwähnt.  Anfüllung  der  Blase  und  des  Mastdarms  mit 
Flüssigkeit  (P  e  t  e  r  s  e  n),  Einblasen  von  Luft  in  die  Blase 
(Tilden  Brown)  setzen  eine  unverletzte  Blasenwand  vor¬ 
aus,  dagegen  lässt  sich  der  oben  genannte  Dilatator  in  jedem 
Falle  anwenden.  Er  besteht  im  wesentlichen  aus  einem  am 
Blasenende  eines  biegsamen  Katheters  befestigten  elastischen 
Gummiballon;  der  aufgeblähte  Ballon  dehnt  natürlich  die  da¬ 
rüber  liegende  Blase.  Aber  auch  dieses  Hilfsmittel  ist  zu  ent¬ 
behren.  Es  ist  fast  immer  möglich,  eine  Ecknaht  oder  beide  an¬ 
zulegen.  Durch  Anziehen  dieser  geknüpften  Fäden  lässt  sich 
dann  ein  exakter  Nahtverschluss  -der  Wunde  herstellen,  ohne 
dass  der  Blasenriss,  wie  es  bei  Anwendung  des  Dilatators 
wohl  meist  der  Fall  ist,  unnötig  gedehnt  wird.  Auch  wäre  es 
schliesslich  kein  Unglück,  wenn  nach  ausgiebiger  Reinigung 
der  Bauchhöhle  ein  Blasenriss,  der  ganz  besonders  schwer 
für  die  Naht  erreichbar  ist,  nur  durch  einen  Tampon  ver¬ 
schlossen  würde.  N  e  u  m  a  n  n  hat  z.  B.  einen  derartigen  ge¬ 
heilten  Fall  auf  dem  Chirurgenkongress  1906  vorgestellt. 

Was  endlich  die  Entstehung  der  vorliegenden  Blasenruptur 
betrifft,  so  wurde  durch  den  Stoss  auf  den  Rücken  die  mässig 
gefüllte  Blase  fest  an  die  vordere  Hälfte  des  Beckenringes 
und  gegen  die  Bauchwand  gedrückt.  Der  durch  die  Kom¬ 
pression  gesteigerte  Inhaltsdruck  sprengte  die  Blase  an  ihrer 
schwächsten  Stelle.  Der  Riss  verlief  auch  in  unserem  Falle 
in  der  hinteren,  oberen  Blasenwand,  welche,  wie  Vessari 
nachgewiesen,  durch  die  besondere,  sehr  variable  Anordung 
ihrer  Muskelzüge  und  dazwischen  bestehende,  nur  mit  Mus¬ 
kularis  bedeckte  Stellen  gegen  Rupturen  weniger  resistent  ist. 
Tendiert  doch  schon  die  normale  Schleimhaut  der  Blase  hier  zu 
hernienartigen  Ausstülpungen  durch  die ‘Lakunen  der  Muskel¬ 
haut.  Auch  die  Richtung  des  Risses  war,  wie  in  der  Mehrzahl 
aller  beobachteten  Fälle  (D  a  m  b  r  i  n),  ungefähr  parallel  der 
Blasenachse.  Es  erfolgte  also  die  Ruptur  nach  demselben 
Mechanismus,  welcher  sich  durch  die  Untersuchungen  von 
Stubenrauch  und  B  e  r  n  d  t  ergeben  hat. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  der  Magdeburger  städtischen 
Krankenanstalt  Altstadt  (Direktor:  Dr.  Habs). 

Kontusionsverletzungen  des  Bauches.*) 

Von  Dr.  Th.  V  o  e  c  k  1  e  r,  Sekundärarzt  der  Chirurg.  Abteilung. 

M.  H. !  Den  Verletzungen  des  Bauches  ist  von  jeher  ein 
grosses  Interesse  entgegengebracht  worden  und  besonders  in 
den  letzten  Jahren  ist  dieses  Thema  oft  Gegenstand  von  Publi¬ 
kationen  und  von  Diskussionen  auf  Kongressen  und  in  medi¬ 
zinischen  Gesellschaften  gewesen. 

Es  kann  uns  dies  nicht  wunderbar  erscheinen,  wenn  wir 
bedenken,  wie  verhängnisvoll  oft  zunächst  harmlos  er¬ 
scheinende  Verletzungen  für  den  Inhalt  der  Bauchhöhle,  die 
grossen  drüsigen  Organe,  Leber,  Milz,  Nieren  und  den  In- 
testinaltraktus  sind,  und  wenn  wir  uns  weiter  vergegen¬ 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  medizinischen  Gesellschaft  zu  Magde¬ 
burg  am  18.  April  1907. 

No.  33. 


wärtigen,  wie  schwierig  meist  in  den  ersten  Stunden  die  Dia¬ 
gnose  der  Verletzung  eines  der  genannten  Organe  sein  kann. 

Bei  den  penetrierenden  Verletzungen  der  Bauchhöhle,  wie 
sie  durch  Hieb,  Stich,  Schuss  oder  dergl.  entstehen,  ist  man 
wohl  von  vornherein  geneigt,  die  Läsion  als  sehr  ernst  zu  be¬ 
urteilen  und  alles  zu  tun,  den  Kranken  möglichst  schnell  unter 
Verhältnisse  zu  setzen,  wo  er  sofort  oder  wenigstens  jeden 
Augenblick  operiert  werden  kann;  bei  den  subkutanen  Bauch¬ 
verletzungen  hingegen  sind  die  Erscheinungen  in  den  ersten 
Stunden  oft  so  wenig  alarmierend,  das  ganze  Krankheitsbild 
so  in  Dunkel  gehüllt,  dass  man  nicht  selten  zu  seinem  Schrecken 
erst  dann  dem  Fall  gerechte  Beurteilung  widerfahren  lässt, 
wenn  es  bereits  zu  spät  ist. 

Es  war  daher  mit  Freude  zu  begrüssen,  als  in  den  90  er 
Jahren  verschiedene  Publikationen  namhafter  Autoren  er¬ 
schienen  —  ich  nenne  die  Namen  Petry,  Trendelen¬ 
burg,  Angerer,  Körte,  Lexer  — ,  welche  die  Erschei¬ 
nungen  der  subkutanen  Verletzung  des  Bauchinhaltes  auf  das 
sorgfältigste  analysierten  und  uns  wertvolle  Fingerzeige  für 
die  richtige  Verwertung  jedes  einzelnen  Symptoms  gaben. 

Es  wäre  nun  sehr  verlockend,  m.  H.,  auf  diese  Arbeiten 
und  das  ganze  grosse,  interessante  Kapitel  der  Bauchver¬ 
letzungen  näher  einziigehen;  doch  muss  ich  mich  bei  der  mir 
zur  Verfügung  stehenden  Zeit  heute  darauf  beschränken,  nur 
eine  Gruppe  von  Verletzungen  herauszugreifen.  Es  sind  dies 
die  traumatischen  Leberrupturen.  Immerhin  wird  sich  dabei 
genug  Gelegenheit  bieten,  wenigstens  nach  der  Seite  der  Dia¬ 
gnostik  hin,  auch  der  übrigen  Formen  der  subkutanen  Bauch¬ 
verletzungen  zu  gedenken. 

Die  Anregung,  dieses  Thema  zu  erörtern,  gibt  mir  ein  im 
Dezember  vorigen  Jahres  von  mir  operierter  Fall,  und  zwar 
handelt  es  sich  dabei  um  eine  Ruptur  der  Leber  und 
des  Pankreas,  die  zur  Abstossung  eines 
grossen  Leberstückes  und  Bildung  einer  Pan- 
kreasfistel  führte,  welche  spontan  zur  Hei¬ 
lung  k  a  m. 

Für  die  Ueberlassung  der  Operation  und  sein  Interesse  an 
meiner  Arbeit  spreche  ich  an  dieser  Stelle  meinem  hochver¬ 
ehrten  Chef,  Herrn  Direktor  Dr.  H  ab  s,  meinen  verbindlichsten 
Dank  aus. 

Ich  bin  in  der  glücklichen  Lage,  Ihnen  den  Verletzten  heute 
in  völlig  genesenem  Zustande  vorzustellen  und  referiere  Ihnen 
zunächst  die  Krankengeschichte: 

Es  handelt  sich  um  einen  20  jährigen  Bahnarbeiter,  Hermann  W.; 
derselbe  war  am  11.  Dezember  1906  mit  Zusammenketten  von  Eisen¬ 
bahnwagen  beschäftigt,  als  er  das  Unglück  hatte,  zwischen  -die  Puffer 
zweier  Wagen  zu  geraten,  welche  seinen  Körper  in  der  Gegend  des 
Epigastriums  fassten  und  zusammenpressten.  Er  stürzte  zusammen 
und  wurde  vermittels  Sanitätswagens  unserer  Anstalt  zugeführt.  Die 
Aufnahme  erfolgte  am  11.  Dezember  abends  8  Uhr. 

Hier  wurde  folgender  Status  erhoben:  Es  handelte  sich  um  einen 
grossen,  kräftig  gebauten  Mann;  er  war  bei  vollem  Bewusstsein  und 
machte  klare  Angaben.  Im  wesentlichen  klagte  er  über  Schmerzen 
im  oberen  Teile  des  Bauches,  besonders  beim  Atemholen.  Die  Haut 
des  Gesichtes  und  der  sichtbaren  Schleimhäute  war  blass.  Es  bestand 
eine  ziemlich  erhebliche  Prostration.  An  Herz  und  Lunge  war  etwas 
Krankhaftes  nicht  nachweisbar.  Der  Puls  war  kräftig  und  von  guter 
Füllung  und  Spannung. 

In  den  oberen  Teilen  des  Bauches  war  eine  gewisse  Spannung 
der  Bauchdecken  angedeutet:  eine  Auftreibung  bestand  nicht.  Die 
Gegend  oberhalb  des  Nabels  war  stark  druckempfindlich.  Die  Haut 
des  Bauches  zeigte  sich  an  dieser  Stelle  jedoch  frei  von  Suggillationen 
oder  Abschürfungen.  Fluktuationsgefühl  bestand  nicht.  Der  Urin, 
der  in  Sonderheit  keine  Blutbeimengungen  zeigte,  war  frei  von  Ei- 
weiss  und  Zucker. 

In  Anbetracht  des  guten  Pulses,  der  nur  geringen  Spannung  des 
Leibes  und  des  fehlenden  Erbrechens  wurde  zunächst  von  einem  Ein¬ 
griffe  Abstand  genommen. 

Am  12.  Dezember  erbrach  der  Kranke  in  den  ersten  Morgen¬ 
stunden  zweimal.  Vz8  Uhr  sah  ich  den  Kranken  wieder  und  konnte 
feststellen,  dass  die  Blässe  des  Gesichts  und  der  Schleimhäute  ent¬ 
schieden  zugenommen  hatte;  insbesondere  aber  war  der  Puls  frequen¬ 
ter  und  wesentlich  weicher  und  schlechter  gefüllt  als  am  vorigen 
Abend.  Man  konnte  weiterhin  eine  deutliche  Dämpfung  in  den  ab¬ 
hängigen  Partien  des  Abdomens,  sowie  Fluktuationsgefühl  im  Bauche 
nachweisen.  Die  Spannung  der  Bauchdecken  war  .deutlich. 

Es  wurde  daher  sofort  zur  Operation  geschritten,  da  die  Dia¬ 
gnose  einer  inneren  Blutung  als  sicher  angenommen  werden  musste, 
deren  Ursache  man  in  einer  Organzerreissung  zu  finden  erwartete. 

In  vorsichtiger  Aethernarkose  wurde  ein  grosser  Laparotomie¬ 
längsschnitt  fingerbreit  links  von  der  Mittellinie  vom  Schwertfort- 


634 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


satz  bis  unterhalb  Nabel  gemacht.  Dieser  Schnitt  führte  gerade  über 
die  schmerzhafte  Stelle  hinweg.  Im  Momente  der  Eröffnung  des  Peri¬ 
toneums  stürzte  ein  Schwall  flüssigen,  dunkelroten  Blutes  hervor,  .der 
ganze  Bauch  erwies  sich  angefüllt  mit  enormen  Massen  teils  flüssigen, 
teils  geronnenen  Blutes.  Nach  oberflächlicher  Entfernung  des  Blutes 
ging  ich  mit  der  Hand  ein,  um  die  Organe  abzutasten.  Milz,  Magen 
und  vorliegender  Darm  erwiesen  sich  als  intakt,  dahingegen  glitt  die 
Hand  bei  Abtastung  der  Leber  sogleich  in  eine  breit  klaffende  Wunde 
derselben. 

Da  der  Zugang  zu  der  Leberwunde  von  dem  ursprünglichen 
Schnitt  aus  schwer  zu  bewerkstelligen  war,  sah  ich  mich  genötigt, 
demselben  an  seinem  oberen  Ende  noch  einen  Querschnitt  hinzuzu¬ 
fügen,  welcher  unter  Durchtrennung  des  Lig.  teres  hepatis  einen 
grossen  Teil  der  Leber  übersichtlich  freilegte.  Jetzt  liess  sich  fest¬ 
stellen,  dass  die  Leberwunde  etwa  auf  der  Grenze  zwischen  rechtem 
und  linkem  Lappen  eindrang  und  hier  in  ganzer  Breite  das  Leber¬ 
gewebe  trennte.  Die  Gallenblase  war  nicht  zu  fühlen.  Aus  dem 
Leberrisse  ergoss  sich  beständig  reichlich  Blut.  Der  Riss  sass  zum 
grössten  Teile  unter  dem  Rippenbogen  versteckt.  Da  während  des 
Eingriffes  die  Herzkraft  bedenklich  nachliess  und  Eile  not  tat,  sah 
ich  von  einem  Versuche  der  Lebernaht  ab  und  entschied  mich  für 
die  Tamponade.  Es  wurde  die  Leberwunde  mit  mehreren  grossen, 
sterilen  Kompressen  fest  ausgestopft.  Nunmehr  wurde  die  Bauch¬ 
höhle  nochmals  von  allen  Blutresten  nach  Möglichkeit  gereinigt,  und 
der  Schnitt  bis  auf  den  oberen  Wundwinkel,  zu  welchem  die  Tupfer 
herausgeleitet  wurden,  durch  Etagennaht  geschlossen. 

Unmittelbar  nach  der  Operation  sorgte  eine  reichliche  subkutane 
Kochsalzinfusion  für  eine  Besserung  der  Pulsbeschaffenheit,  doch 
mussten  im  Laufe  des  Tages  noch  mehreremale  Herztonika  gegeben 
werden.  Immerhin  erholte  sich  der  Kranke  nach  dem  Eingriffe  ziem¬ 
lich  rasch.  Fieber  trat  nur  einmal  am  5.  Tage  post  operat.  auf  und 
erreichte  eine  Höhe  von  38,4.  Die  Tamponade  wurde  allmählich  ge¬ 
lockert,  gekürzt  und  am  20.  VII.  gänzlich  entfernt.  Jetzt  lag  in  der 
Wunde  der  untere  Rand  eines  Teiles  des  linken  Leberlappens  frei. 

Er  sah  graugrün  aus,  war  von  matschiger  Konsistenz  und  fauli¬ 
gem  Gerüche,  kurz  erwies  sich  als  mortifiziert. 

Die  anfänglich  stark  gallig  gefärbte  Sekretion  veränderte  nach 
einigen  Tagen  ihre  Farbe  und  Beschaffenheit,  insofern  als  sie  farblos 
und  mehr  wässrig  wurde. 

Am  4.  Januar  stiess  sich  aus  einem  von  ausgezeichneten  Granu¬ 
lationen  bedeckten  Wundtrichter  ein  zirka  kleinhandtellergrosses, 
nekrotisches  Leberstück  ab.  Die  Abstossung  erfolgte  unter  leichten 
T  emperatursteigerungen. 

Ich  habe  dasselbe  nach  Härtung  in  Formol  in  Alkohol  aufbewahrt 
und  kann  es  Ihnen  hier  herumreichen.  Leider  ist,  wie  immer,  eine  be¬ 
trächtliche  Schrumpfung  eingetreten,  so  dass  es  jetzt  hinter  seiner 
ursprünglichen  Grösse  weit  zurückbleibt. 

Nach  Abstossung  des  Leberstückes  hielt  bei  sonst  ausgezeichne¬ 
tem  Wohlbefinden  die  beschriebene  Sekretion  aus  der  Wunde  an. 
Die  Absonderung  war  jetzt  wasserklar,  was  den  Verdacht  erregte, 
dass  es  sich  um  ein  Drüsensekret,  mutmasslich  des  Pankreas  handelte. 
Es  war  leicht,  ein  grösseres  Quantum  in  einem  Reagenzglase  auf¬ 
zufangen.  Die  Untersuchung  auf  Trypsin  fiel  positiv  aus  und  war 
damit  der  Beweis  erbracht,  dass  es  sich  tatsächlich  um  Bauchspeichel 
handelte.  Es  bestand  demnach  eine  Pankreasfistel  und  war  anzu¬ 
nehmen,  dass  das  Trauma  ausser  einer  Ruptur  der  Leber  auch  noch 
eine  solche  der  Bauchpeicheldrüse  hervorgebracht  hatte.  Dass  sie 
uns  bei  der  Operation  entgangen  war,  hatte  wohl  seinen  Grund  darin, 
dass  rasches  Handeln  dabei  Hauptsache  war  und  dass  wir,  als  der 
Leberriss  sicher  tamponiert  war,  froh  waren  und  die  Operation  so 
rasch  als  möglich  beendeten. 

Nun  die  Fistel  zeigte  zunächst  trotz  Tamponade  und  Aetzung  des 
Wundtri'chters  keine  Neigung  sich  zu  schliessen,  was  um  so  be¬ 
dauerlicher  war,  als  der  Ernährung«-  und  Kräftezustand  des  Kranken, 
wie  sich  leicht  denken  lässt,  unter  dem  beständigen  Ausfall  an  wich¬ 
tigem  Verdauungssekret  doch  immerhin  litt. 

Mitte  Februar  wurde  die  Sekretion  geringer.  Am  16.  Februar 
ver liess  der  Kranke  das  Bett  und  konnte  am  28.  II.  als  fast  geheilt  aus 
der  klinischen  Behandlung  entlassen  werden. 

Bei  der  Entlassung  war  die  Inzisionswunde  fast  völlig  vernarbt, 
nur  an  der  Stelle,  an  welcher  die  Tampons  zur  Wunde  herausgeleitet 
waren,  war  noch  ein  feiner,  schlitzförmiger  Spalt  zu  bemerken,  aus 
dem  sich  spontan  und  konstant  eine  mässige  Menge  von  wasserklarem 
Bauchspeichel  ergoss.^  Eine  feine  Sonde  liess  sich  hier  2  cm  tief 
einführen.  In  diesem  Zustande  verliess  uns  der  Kranke. 

Er  stellte  sich  nach  seiner  Entlassung  noch  mehrmals  in  der 
Poliklinik  unserer  Anstalt  vor,  bis  am  15.  III.  die  Fistel  geschlossen 
und  Patient  geheilt  war. 

Soweit  zunächst  unser  Fall.  Gestatten  Sie  nun,  dass  ich 
im  Anschluss  hieran  einige  Erörterungen  über  das  vorliegende 
Krankheitsbild,  seine  Diagnose  und  Behandlung  knüpfe. 

Das  Zustandekommen  einer  Leberruptur  setzt  bei  sonst 
gesundem  Zustande  des  Organes  stets  eine  erhebliche  Gewalt¬ 
einwirkung  voraus.  Ueberfahrungen,  Quetschungen,  heftiger 
Stoss  oder  Schlag  gegen  den  Leib  durch  Maschinenteile,  Eisen¬ 
bahnpuffer,  Tierhufe,  Hörner  unseres  Rindviehs  etc.,  das  sind 
die  Ursachen,  welche  zu  subkutaner  Zerreissung  des  Organs 


führen.  Natürlich  können  nach  derartigen  Traumen  auch  Rup¬ 
turen  anderer  Organe,  der  Milz,  der  Nieren,  des  Darmes  etc., 
erfolgen;  allein  von  allen  Unterleibsdrüsen  wird  man  unter  ge¬ 
gebenen  Verhältnissen  am  häufigsten  die  Leber  rupturiert 
finden.  Dies  erklärt  sich  leicht:  ihre  Grösse,  ihre  straffe  Be¬ 
festigungsart,  sowie  ihre  anatomische  Lage,  durch  welche  sie 
in  breiter  Ausdehnung  den  Rippen  anliegt  und  mit  ihrem  ganzen 
Dickendurchmesser  die  Bauchhöhle  rechts  von  vorn  nach 
hinten  vollständig  ausfüllt,  geben  für  ein  Ausweichen  einer  sie 
treffenden  Gewalt  wenig  Spielraum.  Zudem  entbehrt  ihre  Sub¬ 
stanz  fast  völlig  der  elastischen  Fasern,  so  dass  auf  eine  mo¬ 
mentane  Anpassung  des  massigen  Organes  an  den  vermin¬ 
derten  Rauminhalt  in  der  Bauchhöhle  durch  Verkleinerung 
seines  Lumens  nicht  zu  rechnen  ist.  So  kommt  es,  dass  man 
häufig  ausgedehnte  Rupturen  findet  bei  völligem  Mangel  einer 
Verletzung  der  Bauchdecken,  ja  sogar,  wie  in  meinem  Falle, 
ohne  auch  nur  die  leiseste  Spur  einer  Gewalteinwirkung  auf 
der  Haut  zu  bemerken. 

Interessant  sind  nun  für  die  Aetiologie  unserer  Verletzung 
auch  einige  Beobachtungen,  aus  denen  hervorgeht,  dass  die 
subkutane  Leberruptur  auch  sozusagen  auf  indirektem  Wege 
entstehen  kann.  Gewöhnlich  trifft  ja  das  Trauma  die  Bauch¬ 
wand  an  der  der  Leber  gegenüber  liegenden  Stelle;  wir  nennen 
das,  indem  wir  die  zwischen  Leber  und  angreifende  Gewalt 
zwischengelagerte  Bauchwand  ignorieren,  eine  direkt  auf  die 
Leber  einwirkende  Gewalt.  Nun  sind  aber  auch  Fälle  be¬ 
schrieben,  wo  beim  Sturz  aus  grosser  Höhe  auf  den  Kopf  oder 
die  Füsse  die  Leber  rupturierte.  R  e  z  e  k  berichtet  über  einen 
Erhängten,  welcher  noch  lebend  abgeschnitten  wurde  und  dabei 
auf  die  Füsse  istürzte;  derselbe  zog  sich  dadurch  eine  aus¬ 
gedehnte  Leberzerreissung  zu,  an  deren  Folgen  er  starb. 

Diese  Fälle  sind  nicht  schwer  zu  erklären:  Ich  machte 
schon  auf  die  straffe  Befestigungsart  der  Leber  aufmerksam. 
Wenn  nun  ein  fallender  Körper  im  Fallen  plötzlich  aufgehalten 
wird,  so  hat  die  mehrere  Pfund  schwere  Leber  das  Bestreben, 
ihre  Fallgeschwindigkeit  beizubehalten;  ihre  straffen  und  sehr 
derben  Aufhängebänder  lassen  dies  nicht  zu  und  so  trennt  sich 
die  Leber  von  denselben  ab,  wobei  tiefere  Einrisse  in  ihre  Sub¬ 
stanz  wohl  unvermeidlich  sind.  Ein  französischer  Forscher, 
R  i  c  h  e  r  a  u  d,  hat  dies  übrigens  durch  Versuche  an  Leichen, 
welche  er  aus  grosser  Höhe  herabstürzen  liess,  bestätigt. 

Endlich  will  ich  noch  darauf  hinweisqn,  dass  bei  krankhaft 
verändertem  Organe  oft  schon  ein  viel  geringeres  Trauma  zum 
Zustandekommen  einer  Verletzung  führen  kann.  So  hat,  wie 
die  umfangreiche  Statistik  Mayers  lehrt,  in  gewissen  Fällen 
ein  einfaches  Hinfallen  z.  B.  auf  dem  Eise  genügt,  um  Rupturen 
von  mehreren  Zoll  Länge  hervorzubringen;  oder  bezeichnend 
ist  auch  eine  andere  Mitteilung  (Heinzeimann),  nach 
welcher  sich  ein  18  jähriger  Pneumoniker  beim  plötzlichen  Um¬ 
drehen  im  Bette  eine  tödliche  Leberruptur  zuzog. 

Was  nun  die  Symptomatologie  der  Leberruptur  anbetrifft, 
so  kann  Ihnen  mein  eingangs  beschriebener  Fall  schon  als 
Beispiel  dienen.  Der  Befund  am  zweiten  Beobachtungstage 
brachte  volle  Klarheit  in  die  Situatioil. 

Es  ist  aber  die  Leberruptur  nur  ein  Beispiel  für  eine 
schwere  Bauchkontusion  und  ihre  Symptome  sind  im  wesent¬ 
lichen  überhaupt  die  einer  intraperitonealen  Verletzung;  oft 
wird  sich  die  spezielle  Diagnose,  welches  oder  welche  Organe 
verletzt  sind,  nicht  eher  stellen  lassen,  als  bis  eine  Inzision  dem 
Auge  Zutritt  gestattet. 

Eine  grosse  Zahl  von  Kranken,  welche  eine  schwere  Kon¬ 
tusion  des  Abdomens  erlitten  haben,  bieten,  wenn  wir  sie  zu¬ 
erst  sehen,  die  Zeichen  eines  mehr  oder  weniger  schweren 
Nervenschocks,  ein  Symptomenkomplex,  der  sich  bekanntlich 
in  ausgesprochenen  Fällen  zusammensetzt  aus  tiefer  Blässe 
des  Gesichtes,  wiederholt  auftretenden  Ohnmachtsanwand¬ 
lungen,  grosser  Mattigkeit  und  Schwäche,  sowie  meist  kleinem 
weichen  und  frequenten  Puls.  Nicht  so  selten  wird  freilich 
jeder  Schock  vermisst,  und  die  Kranken  sind  noch  eine  Strecke 
Weges  gegangen,  um  dann  zusammenzubrechen  und  dem  Ver¬ 
blutungstode  zu  erliegen. 

Der  Schock  ist  ja  gerade  das  Unheimliche  bei  den 
schweren  Bauchkontusionen:  es  ist  hinreichend  bekannt,  dass 
gerade  bei  Schlägen  oder  Stössen,  welche  das  Abdomen 
treffen,  auch  ohne  dass  schwere  innere  Verletzungen  entstehen, 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1635 


Nervenschock  aufzutreten  pflegt;  aber  die  Zeichen  des  Schocks 
gehen  oft  unbemerkt  und  rasch  in  die  einer  schweren  sub¬ 
kutanen  Organzerreissung  über.  Zudem  sind  die  Symptome 
einer  inneren  Blutung  denen  des  Schocks  so  ähnlich,  dass  man 
sich  bei  der  ersten  Untersuchung  oft  die  Frage  nicht  beant¬ 
worten  kann:  handelt  es  sich  um  Schock  oder  innere  Blutung. 

Und  doch  werden  Sie  mir  zugeben  müssen,  dass  diese 
Frage  mitunter  eine  rasche  Beantwortung  erheischt,  da  für 
eine  aussichtsreiche  Therapie  oft  wenige  Stunden  von  aus¬ 
schlaggebender  Bedeutung  sind. 

M.  H.!  Es  liegt  wohl  für  eine  schwere  Bauchkontusion 
der  Vergleich  mit  der  Berstung  der  schwangeren  Tube  bei 
Extrauteringravidität  nicht  fern.  Bei  beiden  Krankheiten  heisst 
es,  rasch  die  Diagnose  stellen  und  rasch  handeln.  Es  muss 
daher  nicht  bloss  dem  Chirurgen,  sondern  auch  dem  prakti¬ 
schen  Arzte  das  klinische  Bild  dieser  Zustände  allzeit  gegen¬ 
wärtig  sein  und  wir  müssen  diagnostische  Momente  fordern, 
welche  uns  frühzeitig  auf  die  richtige  Fährte  leiten,  um  bei¬ 
zeiten,  so  lange  es  nicht  zu  spät  ist,  helfend  einzugreifen. 

Ich  sagte,  dass  Blässe,  sowie  Kleinheit  und  Frequenz  des 
Pulses  Symptome  des  Schocks  wären.  Sie  charakterisieren 
aber  auch  die  innere  Blutung,  und,  m.  H.,  dehnen  sich  diese 
Erscheinungen  über  die  ersten  beiden  Stunden  nach  der 
Verletzung  aus,  angenommen,  dass  sonst  weiter  gar  nichts 
für  eine  innere  Verletzung  spräche,  so  sollten  wir  schon  Ver¬ 
dacht  schöpfen,  dass  im  Bauch  etwas  zerrissen  ist.  Oft  sind 
jetzt  schon  die  übrigen  Symptome  innerer  Verblutung  aus¬ 
gesprochen:  Angstgefühl,  Durst,  Uebelkeit,  Urindrang. 

Eine  wiederholte  sorgfältige  Palpation  des  Abdomens  lässt 
uns  immer  wieder  eine  Stelle  oder  einen  grösseren  Bezirk  als 
schmerzhaft  erkennen.  Der  Schmerz  kann  alle  Intensitäts¬ 
grade  erreichen.  Die  Erklärung  für  die  oft  enorme  Schmerz¬ 
haftigkeit  bei  Leberrupturen  ist  gar  nicht  so  leicht  gegeben. 
Von  der  Leberwunde  selbst  wird  er  wohl  nur  selten  ausgehen. 
Denn  wie  die  sorgfältigen  Untersuchungen  Lennanders 
gezeigt  haben,  ist  das  Lebergewebe  sowohl,  wie  der  Serosa- 
überzug  der  Leber  nicht  schmerzempfindlich.  Oft  wird  wohl 
der  Schmerz  von  den  Bauchdecken  ausgehen,  indem  Sugil- 
lationen  unter  dem  Peritoneum  parietale  dieses  als  äusserst 
schmerzhaft  berüchtigte  Bauchfellblatt  reizen. 

Bei  der  Untersuchung  auf  Druckschmerzhaftigkeit  nehmen 
wir  zugleich  ein  weiteres  Symptom  wahr,  ein  Symptom,  auf 
welches  nach  den  später  immer  wieder  bestätigten  Erfahrungen 
Trend  eie.  n-burgs  das  allergrösste  Gewicht  gelegt  werden 
muss.  Es  ist  das  eine  tonische  Spannung  der  Bauchdecken: 
die  Bauchmuskeln  sind  mehr  oder  weniger  kontrahiert  und 
werden  dauernd  in  diesem  Zustande  gehalten.  Oft  lässt  sich 
nachweisen,  dass  die  Spannung  am  Orte  der  Verletzung  am 
grössten  ist.  Bei  jeder  Berührung  des  Abdomens  nimmt  sie  zu. 
Es  ist  notwendig,  den  Kranken  mit  offenem  Munde  rasche 
und  nicht  zu  tiefe  Atemzüge  ausführen  zu  lassen  und  die  Be¬ 
tastung  selbst  ganz  vorsichtig  und  sanft  vorzunehmen;  man 
wird  dann  dieses  äusserst  charakteristische  Symptom  schon  in 
seinen  Anfängen  feststellen  können.  In  den  höchsten  Graden 
ist  die  Bauchdecke  fest  kontrahiert,  desgleichen  die  Skrotal- 
haut,  die  Testikel  hoch  hinaufgezogen,  der  Penis  leicht  erhoben 
und  verkürzt.  Der  Kontraktionszustand  teilt  sich  übrigens  auch 
der  glatten  Muskulatur  des  Darmes  mit.  Man  hat  den  Darm 
bei  der  Laparotomie  oft  fest  zusammengezogen,  einem  Hunde¬ 
darme  gleichend,  vorgefunden. 

Diese  eigenartige  Spannung  der  Bauchwand,  die  wir  so¬ 
wohl  bei  Rupturen  der  grossen  Unterleibsdrüsen,  wie  auch  bei 
Zerreissung  des  Magendarmkanals  fast  mit  Regelmässigkeit 
nachweisen  können,  hat  ihren  Grund  in  einem  chemischen  bezw. 
mechanischen  Reiz  auf  das  Peritoneum  und  kommt  reflek¬ 
torisch  zustande.  Es  ist  wichtig,  dass  sie  von  Dauer  ist.  Ganz 
vorübergehend  hat  man  sie  in  seltenen  Fällen  auch  bei  ein¬ 
facher  Kontusion  festgestellt;  hält  sie  jedoch  an,  so  ist  sie  im 
höchsten  Grade  suspekt. 

Ein  alarmierendes  Symptom  ist  fernerhin  das  Erbrechen; 
bei  einfachen  Kontusionen  ohne  Verletzungen  wird  so  gut  wie 
niemals  Erbrechen  beobachtet.  Bei  Verletzungen  des  Magens, 
Darmkanals  tritt  Erbrechen  fast  immer  noch  vor  Ablauf  der 
ersten  Stunde  ein,  etwas  später  bei  grossem  Bluterguss  in  die 
Bauchhöhle,  doch  pflegt  es  fast  nie  zu  fehlen.  Auch  unser 


Kranker  erbrach,  allerdings  erst  nach  Ablauf  mehrerer  Stunden. 

Ist  eine  gewisse  Zeit,  X>  bis  mehrere  Stunden  nach  der 
Verletzung  verstrichen,  so  tritt  ein  weiteres  Kardinalsymptom 
in  Erscheinung.  Es  wird  jetzt  möglich,  perkutorisch  die  ins 
Abdomen  ausgetretene  Flüssigkeit  nachzuweisen.  Es  tritt  in 
den  abhängigen  Partien  des  Abdomens  eine  meist  deutliche 
Schallverkürzung  auf,  deren  obere  Begrenzungslinie  bei  vor¬ 
sichtiger  Lagerung  auf  diese  oder  jene  Seite  sich  verschiebt. 
Die  Perkussion  erlaubt  uns  übrigens  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  die  Differentialdiagnose  zu  stellen,  was  im  Leibe  zer¬ 
rissen  ist.  So  ist  für  Milzruptur  charakteristisch  die  ausge¬ 
breitete  Dämpfung  in  den  linken,  oberen,  seitlichen  Partien 
des  Leibes;  die  Dämpfung  setzt  sich  dann  nach  unten  etwa  bis 
zum  Lig.  Pouparti  fort.  Bei  Leberzerreissung  ist  die  Dämpfung 
entweder  mehr  gleichmässig  auf  beide  Seiten  des  Leibes  ver¬ 
teilt,  oder,  was  das  häufigere  ist,  auf  der  rechten  Seite  allein 
nachweisbar. 

Ist  es  möglich,  neben  der  Dämpfung  in  den  Seitenteilen 
noch  eine  zirkumskripte  Zone  tympanitischen  Schalles  ge¬ 
wöhnlich  in  der  Mitte  des  Epigastriums  nachzuweisen,  so  be¬ 
weist  das  einen  Luftaustritt  in  die  freie  Bauchhöhle  und  er¬ 
laubt  uns  die  Diagnose  auf  Magen-Darmverletzung  zu  stellen. 
Meist  handelt  es  sich  dann  um  Magenverletzung;  bei  Darmver¬ 
letzung  lässt  sich  weit  seltener  Luftaustritt  in  die  Peritoneal¬ 
höhle  konstatieren. 

M.  H.!  Diese  eben  geschilderten  Symptome,  von  denen 
natürlich  das  eine  oder  andere  fehlen  kann  —  ich  stelle  sie 
nochmals  zusammen:  Blässe,  kleiner  frequenter  Puls,  grosse 
Schwäche  und  Prostration,  Spannung  der  Bauchdecken,  Er¬ 
brechen  und  abnorme  Dämpfungsbezirke  —  sind  für  unser 
therapeutisches  Handeln  in  erster  Linie  entscheidend;  die 
übrigen,  gleich  noch  zu  erwähnenden  Symptome  vervoll¬ 
ständigen  das  Krankheitsbild  und  machen  uns  speziell  die  Dia¬ 
gnose  einer  Leberruptur  wahrscheinlich,  sind  aber  quoad 
therapiam  nur  von  untergeordneter  Bedeutung. 

Von  altersher  als  charakteristisch  für  Leberverletzungen 
wird  der  rechtsseitige  Schulterschmerz  angegeben.  Derselbe, 
bereits  von  C  e  1  s  u  s  beschrieben,  wird  als  Reflexempfindung 
aufgefasst,  ausgehend  von  den  Verästelungen  der  durch  das 
Lig.  Suspensorium  hepat.  zur  Leberkapsel  herabsteigenden 
Phrenikusfasern,  von  dein  die  Empfindung  auf  dem  Wege  des 
9.  Zervikalnerven  auf  den  Nerv,  cutaneus  scapularis  übertragen 
wird.  Dieser  Schulterschmerz  wird,  wenn  auch  nicht  für  ein 
häufiges,  so  doch  für  ein  pathognomonisches  Symptom  für 
Leberruptur  gehalten. 

Noch  weniger  konstant  ist  der  Ikterus;  er  kommt  etwa  in 
jedem  5.  Falle  einer  Leberverletzung  zur  Beobachtung  und 
zwar  am  häufigsten  am  2.  bis  4.  Tage.  Später  auftretender 
Ikterus  hat  seine  Ursache  in  Leberentzündung  und  Abszess¬ 
bildung.  Der  primär  auftretende  Ikterus  kommt  wahrschein¬ 
lich  daurch  zustande,  dass  ausgetretene  Gallenflüssigkeit  vom 
Peritoneum  resorbiert  wird. 

Wie  haben  wir  uns  nun  einem  Kranken  gegenüber  zu  ver¬ 
halten,  bei  dem  wir  den  Verdacht  einer  Organruptur  im  Ab¬ 
domen  haben?  Man  wird  ja,  wie  auch  in  unserem  Falle,  öfters 
die  Diagnose  nicht  sozusagen  prima  vista  stellen  können,  son¬ 
dern  das  deutlichere  Hervortreten  dieses  oder  jenes  Symptoms 
noch  abwarten  wollen.  Wie  Sie  sahen,  ist  in  dieser  Zeit  jede 
Minute  kostbar  und  mit  gespanntester  Aufmerksamkeit  wird 
man  jede  leiseste  Veränderung  im  Zustande  des  Verletzten 
registrieren.  Das  setzt  natürlich  in  den  ersten  Stunden  eine 
ganz  besonders  sorgfältige  Beobachtung  voraus.  Die  Beob¬ 
achtung  muss  eigentlich  eine  dauernde  sein,  wenigstens  sollte 
der  Arzt  jede  Stunde  sich  den  Kranken  genau  ansehen. 

Gleich  bei  der  ersten  Untersuchung  des  Verletzten,  die 
vorsichtig,  aber  gründlich  zu  geschehen  hat,  ist  dringend  zu 
raten,  den  Katheterismus  nicht  wegzulassen.  Finden  Sie  die 
Blase  leer,  oder  quellen  nur  einige  Tropfen  dicken  Blutes  her¬ 
vor,  so  spricht  dies  für  Blasenruptur,  entleeren  Sie  aber  ein 
grösseres  Quantum  blutigen  Urin,  so  ist  eine  Nierenruptur 
wahrscheinlich.  Durch  dieses  einfache  Manöver  haben  Sie  so¬ 
fort  in  der  Diagnose  einen  grossen  Schritt  vorwärts  getan. 

In  der  nun  folgenden  Zeit  der  Beobachtung  ist  manches 
zu  tun,  und  auch  mancherlei  zu  unterlassen,  einesteils  um  dem 

offenbar  schwer  leidenden  Verletzten  etwas  Linderung  zu 

■r 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


1636 


schaffen,  andernteils  um  uns  das  Krankheitsbild  nicht  zu  ver¬ 
wischen,  oder  für  den  Fall,  dass  eine  schwere  Verletzung  des 
Magens  oder  Darmkanals  vorliegt,  nicht  zu  schaden. 

So  ist  es  von  grosser  Wichtigkeit,  dem  Verletzten  nichts 
per  os  zu  verabreichen;  auch  Flüssigkeiten,  Eisstückchen,  wie¬ 
wohl  bei  dem  brennenden  Durste  stürmisch  verlangt,  sind  am 
besten  ganz  wegzulassen.  Auch  die  Flüssigkeitszufuhr  per 
rectum  unterlässt  man  am  besten  in  den  ersten  Stunden,  da 
durch  Kochsalzlösungen  die  Peristaltik  im  Darme  angeregt 
wird,  wodurch  Verklebungen  verhindert  und  der  Austritt  vom 
Darminhalt  bei  Durchtrennungen  erleichtert  wird. 

Allein  man  braucht  sich  doch  den  heftigen  Bitten  um  ein 
durststillendes  Mittel  gegenüber  nicht  ganz  ablehnend  zu  ver¬ 
halten.  Zweckmässig  greift  man  in  solchen  Fällen  zur  sub¬ 
kutanen  Kochsalzinfusion.  Diese  hilft  nicht  nur  das  subjektive 
Durstgefühl  bekämpfen,  sondern  wendet  sich  auch  besonders 
erfolgreich  gegen  den  Kollaps  und  die  Herzschwäche.  Kampher- 
injektionen  werden  gleichfalls  nicht  zu  entbehren  sein,  wenn¬ 
gleich  man  sich  immerhin  sagen  muss,  dass,  wenn  das  Kreis¬ 
laufssystem  an  einer  Stelle  sozusagen  ein  Loch  hat,  wie  es 
doch  der  Fall  ist  bei  einer  grossen  Drüsenruptur,  das  durch 
Kampher  angeregte  Herz  gleichsam  in  ein  Danaidenfass  hinein¬ 
pumpt  und  die  Gefahr  nur  gesteigert  wird. 

Vor  der  Darreichung  eines  Narkotikums  möchte  ich  ganz 
entschieden  warnen.  Die  danach  eintretende  Euphorie  und 
der  Schlaf  lassen  die  Schmerzen  verschwinden,  die  Bauch¬ 
deckenspannung  eventuell  nicht  aufkommen,  verhindern  das 
Erbrechen,  kurz  sind  geeignet,  das  Krankheitsbild  derartig  zu 
verschleiern,  dass,  wenn  nachher  die  Morphiumwirkung  nach¬ 
gelassen  hat,  die  Peritonitis  schon  ausgebrochen  sein  kann, 
und  wir  die  beste  Zeit  zu  einem  Eingriffe  versäumt  haben. 

Meistens  wird  es  dem  Praktiker  wohl  nicht  möglich  sein, 
eine  derartig  unausgesetzte  Beobachtung  vorzunehmen;  dann 
gehört  solch  ein  Verletzter  ohne  Verzug  ins  Krankenhaus,  wo 
für  eine  Operation  jederzeit  alles  hergerichtet  ist. 

Die  Indikation  zur  Operation  ist  vorhanden,  sobald  ein 
begründeter  Verdacht  auf  eine  Leberruptur  besteht.  Absolute 
Sicherheit  der  Diagnose  ist  nicht  erforderlich,  hohe  Wahr¬ 
scheinlichkeit  genügt.  Diese  weitgesteckte  Indikation  hat  sehr 
wohl  ihre  Berechtigung,  wenn  man  bedenkt,  welch  erschre¬ 
ckend  hohe  Mortalitätsziffer  speziell  die  Leberruptur  aus¬ 
zeichnet. 

Es  ist  hierbei  interessant,  etwas  auf  die  Geschichte  unserer 
Verletzung  zurückzublicken,  und  ich  will  Ihnen  die  Notiz 
eines  Arztes  (Reinhardt)  nicht  vorenthalten,  der  im  Jahre 
1761  eine  Monographie  über  Leberverletzungen  geschrieben 
hat  und  folgendes  sagt:  In  allem  Ernste,  die  Leute  (er  meint, 
welche  eine  grössere  Leberwunde  geheilt  haben  wollen)  sind 
im  Gehirn  verrückt  und  man  muss  ihnen  eine  Wallfahrt  nach 
Anticera  anzustellen  den  Rat  geben,  damit  sie  durch  den  Ge¬ 
bt  auch  der  Niesswurzeln  wieder  zu  ihrem  vorigen,  itzo  aber 
cntw  ischten  Verstände  gelangen  möchten.  Nun  heutzutage 
wäre  manchem  diese  Wallfahrt  sicher;  denn  selbst  grosse 
Leberwunden  werden  unter  Umständen  geheilt. 

So  trostlos  ist  die  Prognose  doch  nicht  mehr.  Aber 
schlecht  genug  ist  sie  immerhin  noch,  wie  Ihnen  folgende 
Zahlen  beweisen  mögen.  Edler  kommt  in  seiner  grossen 
Statistik  zu  folgenden  Zahlen:  von  189  subkutanen  Leberver¬ 
letzungen  starben  162  =  85,7  Proz.  Eine  andere  Statistik 
rechnet  eine  Mortalität  von  86,6  Proz.  aus.  Beide  Statistiken 
stammen  aus  den  80  ger  Jahren,  wo  man  bei  Leberruptur 
sicherlich  noch  nicht  so  oft  operiert  hat,  wie  heute.  Daher  ist 
die  Annahme  wohl  gerechtfertigt,  dass  die  Mortalität  sich 
heute  noch  mehr  verbessert  hat;  aber  nur,  daran  ist  festzu¬ 
halten,  durch  ein  aktives,  chirurgisches  Vorgehen. 

Alles  Heil  liegt  im  Messer!  Auf  die  wenigen  Literatur¬ 
fälle  von  Spontanheilung  der  Leberruptur  haben  wir  keine  Rück¬ 
sicht  zu  nehmen.  Käme  uns  bei  konsequent  durchgeführter 
operativer  Behandlung  einmal  eine  dieser  grössten  Seltenheiten 
zu.  Gesicht,  so  würde  der  glückliche  Ausgang  durch  das 
chirurgische  Dazwischenkommen  nicht  gestört  worden  sein. 
Treffen  wir  aber  bei  unserem  Vorgehen  auf  eine  total  zer¬ 
trümmerte,  für  jede  Behandlung  aussichtslose  Leber,  so  werden 
wir  uns  bei  dem  ohne  Operation  sicher  feststehenden  tödlichen 
Verlaufe  keine  Gewissenbisse  machen  ob  einer  unnötig  aus¬ 


geführten  Laparotomie.  Zwischen  diesen  Extremen  liegt  je¬ 
doch  die  grosse  Zahl  von  Rupturfällen,  bei  welchen  chirur¬ 
gisches  Eingreifen  den  sicheren  Tod  abgewendet  hat. 

Eins  möchte  ich  auch  noch  betonen,  nämlich  dass  man 
das  Abklingen  des  Schocks  nicht  abzuwarten  braucht.  Es 
liegt  hier  die  Sache  anders,  als  beispielsweise  bei  schweren 
Zertrümmerungen  der  Extremitäten;  bei  diesen  hat  das  Ab¬ 
warten  des  Schocks  einen  Sinn,  wo  man  die  Blutung  der 
Wunde  exakt  stillen  und  ein  gefahrdrohendes  Weiterwirken 
der  Verletzung  verhindern  kann.  Anders  bei  der  intraperi¬ 
tonealen  Verletzung;  hier  kann  der  Schock  bezw.  der  Kollaps 
erst  schwinden,  wenn  die  Ursache  beseitigt  ist,  und  wie  ich 
schon  oben  sagte,  ist  der  Schock  oft  weiter  nichts,  als  der  Aus¬ 
druck  der  inneren  Blutung. 

Ueber  das  spezielle  Vorgehen  bei  der  Operation  haben 
Sie  schon  bei  der  Beschreibung  meines  Falles  Einiges  gehört. 
Mit  technischen  Einzelheiten  darf  ich  Sie  im  Weiteren  wohl 
verschonen.  Nur  eine  Frage  will  ich  an  dieser  Stelle  berühren. 

Hat  man  sich  durch  ausgiebige  Inzision  die  Leberwunde 
freigelegt,  so  entsteht  die  Frage,  was  soll  weiter  geschehen, 
um  die  Blutung  zu  beherrschen.  Soll  man  nähen  oder  tam¬ 
ponieren  ? 

Prinzipiell  lässt  sich  meines  Erachtens  diese  Frage  nicht 
entscheiden.  Jede  Methode  hat  ihre  Vorteile.  Dort,  wo  man 
sich  die  Leberwunde  in  ganzer  Ausdehnung  sichtbar  machen 
kann,  also  an  der  Vorderfläche  und  an  der  unteren  Kante,  und 
wo  die  Wundränder  glatt  und  nicht  gequetscht  sind,  da  wird 
man  tiefgreifenden  Parenchymnähten  mit  dickem  Ratgut  oder 
dicker  Seide  und  nachfolgender  oberflächlich  fassender  Naht 
den  Vorzug  geben.  Es  ist  nicht  nötig,  wie  Burkhardt  will, 
dass  da,  wo  die  Naht  Anwendung  finden  soll,  die  Wunde  nur 
so  tief  ist,  dass  man  sie  mit  der  Nadel  in  ganzer  Tiefe  unter¬ 
stechen  kann.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass  auch  da,  wo  nicht 
die  ganze  liefe  der  Wunde  zur  Adaption  gebracht  werden 
konnte,  die  Blutung  stand.  Liegt  die  Leberwunde  höher  an 
der  Konvexität,  zum  Teil  versteckt  unter  dem  Rippenbogen  und 
hat  sie  zerfetzte  oder  stark  gequetschte  Ränder,  so  ist  die 
1  amponade  das  sicherere,  raschere  und  zweckmässigere  Ver¬ 
fahren.  Ob  man  Jodoformgaze  oder  sterile  Gaze  nimmt,  ist 
ziemlich  gleichgültig.  Hauptsache  ist,  dass  die  Tamponade  so 
fest  ist,  dass  sie  der  Blutung  sicher  Einhalt  gebietet  und  dass 
sie  sich  der  Leberwundfläche  fest  anlegt.  Die  Tampons  werden 
dann  an  irgend  einer  Stelle  zur  Laparotomiewunde  heraus¬ 
geleitet  und  die  Wunde  bis  auf  diese  Stelle  in  Etagen  vernäht. 
Auch  eine  Kombination  von  Tamponade  und  Naht  ist  in  einigen 
Fällen  mit  Glück  versucht  worden. 

Nun,  meine  Herren,  ich  komme  jetzt  wieder  auf  unseren 
Fall  zurück.  Wie  Sie  hörten,  hatte  hier  die  Tamponade  einen 
vollen  Erfolg,  die  Blutung  stand. 

Auf  zwei  mir  nicht  unwichtig,  erscheinende  Komplika¬ 
tionen  will  ich  nun  noch  zu  sprechen  kommen.  Das  ist  zu¬ 
nächst  die  Abstossung  des  sequestrierten  Leberstücks. 

Es  ist  eigentlich  seltsam,  dass  man  darüber  so  wenig  Mit¬ 
teilungen  in  der  Literatur  findet.  In  der  Leber  sind  die  Ar¬ 
terien,  wie  in  der  Niere,  nach  dem  Prinzipe  der  Endarterien 
verzweigt  und  man  sollte  daher  doch  bei  grösseren  Ver- 
letzungen,  welche  ja  fast  immer  grosse  Gefässe  in  ihrer  Kon¬ 
tinuität  trennen,  häufig  die  Sequestrierung  von  Leberstücken 
erwarten.  Diese  Erwartungen  scheinen  aber  nicht  zuzutreffen. 
Auf  dem  Chirurgenkongress  1904  machte  Graser  an  der 
Hand  eines  Falles  auf  die  spätere  Ausstossung  grösserer  rnorti- 
fizierter  Leberstücke  aufmerksam  und  ganz  vor  kurzem  erst 
erschien  eine  Arbeit,  welche  das  gleiche  Thema  behandelt,  und 
in  welcher  2  Fälle  beschrieben  werden,  von  denen  der  eine 
meinem  Falle  ausserordentlich  ähnelt.  Dort  erfolgte  die  Aus- 
stossung  am  54.  Tage  nach  der  Verletzung.  Aus  beiden  Publi¬ 
kationen  geht  jedoch  hervor,  dass  der  erwähnte  Vorgang  offen¬ 
bar  zu  den  Seltenheiten  gehört. 

Endlich  muss  ich  noch  auf  die  Komplikation  mit  Pankreas¬ 
verletzung  zurückkommen,  welche  meinen  Fall  auszeichnete. 
Auch  dieses  Zusammentreffen  scheint  nicht  gerade  häufig  zu 
sein. 

Die  grosse  und  umfassende  Arbeit  Edlers,  welche  bis 
zum  Jahre  1887  alle  Fälle  von  Leberverletzung  zusammenstellt, 
verzeichnet  bei  den  subkutanen  Leberrupturen  die  Pankreas- 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1637 


Verletzung  gar  nicht.  Es  werden  da  als  gleichzeitig  auftretende 
Verletzungen  der  Häufigkeit  nach  geordnet  erwähnt:  Ver¬ 
letzung  der  Rippen,  der  Lungen,  der  Milz  und  der  Nieren. 

Bis  zum  Anfang  dieses  Jahres  konnte  Karewsky  über¬ 
haupt  nur  35  Fälle  von  subkutaner  Pankreasverletzung  zusam¬ 
menstellen,  von  diesen  waren  23  mit  Verletzung  anderer  Or¬ 
gane  kombiniert.  Die  grosse  Seltenheit  der  Pankreasruptur 
kann  ja  bei  der  ausserordentlich  versteckten  Lage  der  Drüse  in 
der  Tiefe  des  Bauches  nicht  wunderbar  erscheinen. 

Ihre  Verletzung  ruft  stets  einen  bedenklichen  Zustand  her¬ 
vor,  der  in  seiner  Schwere  natürlich  je  nach  dem  Umfange  der 
Läsion,  sowie  der  begleitenden  Nebenverletzungen  wechselnd 
sein  wird.  Es  hängt  viel  davon  ab,  ob  das  die  Drüse  über¬ 
ziehende  Bauchfell,  also  das  hintere  Parietalperitoneum  mit 
einreisst  oder  nicht.  In  Abhängigkeit  hiervon  können  bei  Pan¬ 
kreasverletzung,  und  wir  wollen  einmal  eine  isolierte  Pan¬ 
kreasverletzung  annehmen,  drei  Bilder  entstehen. 

Ist  der  Bauchfellüberzug  nicht  mitverletzt,  so  ergiesst  sich 
austretendes  Blut  und  Pankreassaft  subperitoneal  und  wölbt 
dann  das  Peritoneum  in  Form  eines  retroperitonealen  Tumors 
vor.  Unter  dem  Wachsen  des  Druckes  in  dieser  so  gebildeten 
Höhle  kommt  die  Blutung  zum  Stehen  und  das  Hämatom  ver¬ 
fällt  regressiven  Veränderungen.  Leicht  kommt  es  dann  zui 
Bildung  sogenannter  Pseudozysten  des  Pankreas.  In  einer 
grossen  Statistik  über  121  Pankreaszysten  ist  von  Körte 
33  mal  in  der  Anamnese  ein  verwertbares  Trauma  nach¬ 
gewiesen  worden. 

Ist  nun  der  Bauchfellüberzug  bei  Einwirkung  der  ver¬ 
letzenden  Gewalt  zerrissen,  so  kann  zweieilei  eintreten.  das 
Blut  ergiesst  sich  in  einen  Raum,  der  begrenzt  wird  oben  von 
der  Leber  und  dem  Zwerchfell,  vorn  vom  Magen  und  Lig.  gastro- 
colicum,  unten  vom  Colon  transversum  und  Mesokolon.  Dieser 
Raum  heisst  bekanntlich  Bursa  omentalis  und  steht  durch  das 
Foramen  Winslowi  unterhalb  der  Leber  mit  der  übrigen  Bauch¬ 
höhle  in  Verbindung.  Hat  nun  das  Foramen  Winslowi  durch 
langsames  Austreten  von  Blut  Zeit  zu  verkleben,  so  ist  das 
Blut  wiederum  in  einem  Hohlraum  gefangen  und  es  wird  mit 
Wahrscheinlichkeit  zur  Tumorbildung  kommen.  Kann  jedpch 
unter  der  Gewalt  des  ausströmenden  Blutes  das  Foramen  nicht 
verkleben,  dann  tritt  das  Blut  ungehindert  in  die  freie  Bauch¬ 
höhle  und  macht  hier  dieselben  Erscheinungen,  wie  bei  einer 
Blutung  aus  der  Leber  oder  Milz. 

Die  Diagnose  stösst  bei  der  Pankreasruptur  wohl  auf  die 
grössten  Schwierigkeiten  und  meist  wird  man  über  die  Dia¬ 
gnose  einer  interperitonealen  Verletzung  nicht  hinauskommen. 
Auch  hier  kommt  natürlich  alles  darauf  an,  dass  der  Arzt  die 
Diagnose  so  bald  als  möglich  an  der  Hand  der  oben  geschil¬ 
derten  Symptome  stellt,  und  den  Kranken  chirurgischer  Hilfe 

Zuführt.  .  j.  tr  ui 

Im  Vordergründe  steht  auch  hier  natürlich  die. Verblu¬ 
tungsgefahr.  Daneben  fällt  noch  ein  Umstand  ins  Gewicht,  der 

auch  rasches  Handeln  bedingt. 

Wir  müssen  danach  trachten,  die  Berührung  grosserer 
Mengen  Pankreassaft  mit  den  Organen  der  Bauchhöhle  zu  ver¬ 
hüten,  da  der  Bauchspeichel  stark  gewebsschädigend  wirkt 
und  zur  Bildung  von  Fettnekrosen  führt. 

Naht  und  Tamponade  sind  auch  bei  der  Bauchspeicheldrüse 
die  Mittel,  mit  denen  der  Chirurg  gegen  die  drohende  Gefahr  zu 
Felde  zieht.  Haben  wir  so  den  Verletzten  über  die  erste  Ge¬ 
fahr  hinweggeleitet,  so  stellt  sich  fast  regelmässig  in  der  Nach¬ 
behandlung  ein  bemerkenswerter  Uebelstand  ein.  Auch  unser 
Kranker  entging  diesem  Schicksal  nicht. 

Es  kommt  ganz  gewöhnlich  zur  Bildung  einer  Pankreas¬ 
fistel.  Diese  Fistel,  die  wir  entstehen  sehen  nicht  nur  nach  Pan¬ 
kreasverletzungen,  sondern  auch  nach  Operationen  von  Pan¬ 
kreasgeschwülsten  und  Pankreaszysten,  bedeutet  für  ihren 
Träger  nicht  nur  eine  Quelle  vieler  Beschwerden,  sondern  auch 
einen  für  den  Gesamtorganismus  nachteiligen  Ausfall  von  Ver- 
dauungssäften.  Der  stark  reizende  Bauchspeichel  schädigt  die 
Haut  der  Umgebung  sehr,  so  dass  man  zu  Pasten  von  Vioform, 
Airol  und  anderen  Mitteln  greifen  muss,  um  die  Anätzung  hint¬ 
anzuhalten. 

Wir  waren  bis  jetzt  eigentlich  nicht  in  der  Lage,  etwas 
Zweckmässiges  zur  Heilung  der  Fisteln  zn  tun,  und  mussten 
uns  darauf  beschränken,  den  Saft  abzufangen  und  die  Haut 


vor  dem  Pankreassaft  zu  schützen,  wie  ja  auch  in  unserem 
Falle  verfahren  wurde,  bis  sich  die  Fistel  spontan  länger  als 
%  Jahr  nach  der  Verletzung  schloss. 

Künftighin  aber  würde  ich  anders  verfahren,  seitdem  uns 
vor  ganz  kurzer  Zeit  ein  Weg  gewiesen  wurde  (Karewsky, 
Heineke),  der  ebenso  einfach  ist,  wie  er  zweckmässig  zu 
sein  scheint. 

Wie  die  interessanten  Untersuchungen  Wohlgemuts 
ergeben  haben,  hängt  die  Menge  des  aus  der  Fistel  entleerten 
Sekretes  ganz  von  der  Zusammensetzung  der  Nahrung  ab. 
Bei  reiner  Fettnahrung  ist  die  Menge  minimal,  etwas  grösser 
bei  Eiweissnahrung  und  sehr  bedeutend  bei  Kohlehydrat¬ 
nahrung.  Der  Autor  empfiehlt  daher  zum  Zwecke  der  Heilung 
von  Pankreasfisteln  eine  streng  durchgeführte  Diabetesdiät.  In 
zwei  Fällen  ist  dieses  Verfahren  bis  jetzt  erprobt  worden,  und 
zwar  mit  glänzendem  Erfolge,  so  dass  sich  die  Fistel  innerhalb 
weniger  Tage  schloss. 

Nun,  m.  H.,  ich  bin  am  Schlüsse  meiner  Ausführungen.  Es 
war  meine  Absicht,  Ihnen  an  der  Hand  eines  schweren  und 
komplizierten  Falles  von  subkutaner  Bauchverletzung  zu  zei¬ 
gen,  wie  bei  diesen  Zuständen  alles  auf  rasche  Diagnose  und 
schleunigst  eingeleitete  Therapie  ankommt.  Ich  habe  Ihnen 
die  prägnantesten,  pathognomonischen  Symptome  hervorge¬ 
hoben,  auf  Grund  deren  wir  wenigstens  die  Diagnose  einer 
intraperitonealen  Verletzung  stellen  können.  Ich  betone  noch¬ 
mals,  dass,  sobald  die  Diagnose  einer  Blutung  oder  Berstung 
eines  Darmteiles  durch  eines  der  genannten  Symptome  wahr¬ 
scheinlich  gemacht  wird,  unverzüglich  die  Laparotomie  vorzu¬ 
nehmen  ist. 

Mein  Fall,  dem  Sie  wohl  auch  wegen  seiner  seltenen  Kom¬ 
plikationen  ihr  Interesse  nicht  versagt  haben,  liefert  Ihnen  eine 
Illustration  zu  dem  Gesagten  und  einen  Beweis,  dass  wir  der¬ 
artigen  Verletzungen  nicht  mehr  machtlos  gegenüberstehen. 

Die  Zeiten  sind  vorbei,  wo  jede  Leberzerreissung  als  töd¬ 
lich  galt;  auch  auf  diesem  Gebiete  hat  die  Heilkunst  dank  der 
modernen  Chirurgie  einen  energischen  Schritt  vorwärts  getan. 

Literaturverzeichnis: 

Trend  eie  nb  u  rg:  Milzexstirpation  wegen  Zerreissung. 
D.  med.  Wochenschr.  1899.  —  Len  n  ander:  Weitere  Beobach¬ 
tungen  über  die  Sensibilität....  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  73.  — 
Voeckler:  Zur  Kasuistik  der  Bauchkontusionen.  D.  Zeitschr.  f. 
Chir.,  Bd.  82.  —  Fertig:  Traumatische  Leberrupturen  mit  Aus- 
stossung  ....  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  87.  Graser.  J  t auma¬ 
tische  Leberruptur.  Verhandl.  d.  D.  Gesellsch.  f.  Chir.  1904,  II. 
Wilms:  Leberrupturen.  Verhandl.  d.  D.  Gesellsch.  f.  Chir.  1905. 
Edler:  Die  traumatischen  Verletzungen  der  parenchymatösen  Unter¬ 
leibsorgane.  Langenbecks  Archiv,  Bd.  34.  —  Heineke:  Zur  Be¬ 
handlung  der  Pankreasfisteln.  Zentralbl.  f.  Chir.  1907,  No.  10.  — 
Karewsky:  Pankreasverletzungen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907, 

No.  7. _ Nötzel:  Ueber  die  Operation  bei  Leberverletzung.  Bruns 

Bei'tr.,  Bd.  48.  —  S  c  h  1  a  1 1  e  r :  Behandlung  der  traumatischen  Leber¬ 
verletzung.  Bruns  Beitr.,  Bd.  15.  —  Handb.  d.  prakt.  Chir.,  Bd.  III.  - 
K  r  a  b  b  e  1:  Wie  soll  sich  der  prakt.  Arzt  bei  Bauchverletzungen  ver¬ 
halten?  Zeitschr.  f.  ärztl.  Fortbildung  1904,  No.  7. 


Multiple  Hirntumoren  unter  dem  Symtomenbilde  eines 
Herdes  der  inneren  Kapsel  auftretend. 

Von  Generalarzt  Dr.  S  e  g  g  e  1. 


Die  Diagnose  von  Hirntumoren  und  ihre  Lokalisation  bietet 
trotz  zahlreicher  Kasuistik  immer  wieder  Interesse  und  zwar 
auch  dann,  wenn  eine  Fehldiagnose  gemacht  wurde.  Nach¬ 
stehende  Veröffentlichung  dürfte  daher  gerechtfertigt  erschei¬ 
nen,  nachdem  hier  eine  scheinbar  gut  begründete  Annahme  und 
Lokalisation  nur  eines  Tumors  sich  als  unrichtig  erw  ies  und  die 
Sektion  mehrere  Tumoren  genau  an  den  während  des  Lebens 
bestehenden  Symptomen  entsprechenden  Stellen  ergab. 

Ich  führe  zunächst  kurz  die  Krankengeschichte  an,  welche 
ich  der  Güte  des  behandelnden  Arztes,  Herrn  Hofrat  Dr.  Rudolt 
v.  H  ö  s  s  1  i  n,  verdanke. 


Herr  K,  Brauereibesitzer  von  K.  in  1  irol,  22  Jahre  alt,  trat  am 
.  IV.  04  in  die  Kuranstalt  Neu-Wittelsbach  ein.  Die  Anamnese  ci- 
ibt  •  Als  Kind  immer  schwächlich,  habe  er  vor  zwei  Jahren  Kurz 
ach  einem  Falle  aus  dem  Bade  linksseitige  Pleuritis  bekommen, 
chon  während  dieser  Erkrankung  sei  einmal  plötzliche  Eiblinuung 
ingetreten,  die  nach  einigen  Stunden  sich  wieder  verlor.  Voi  <rei 
Wochen  trat  halbseitige  Lähmung  der  linken  Körperhalfte  mit  Spra 


638 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Störung  ein,  Patient  hatte  das  Gefühl,  als  ob  die  Zunge  ganz  gelähmt 
sei,  welches  Gefühl  langsam  nach  einer  Stunde  zurückging. 

Status  praesens:  Guter  Ernährungszustand.  Sprachstö¬ 
rung  angedeutet.  Sehnen-  und  Knochenreflexe  gesteigert,  zumal 
links.  Babinski  rechts  und  links.  Am  ganzen  Körper,  besonders  an 
der  Kopfhaut  starke  Hyperästhesie  (rechts  grösser  als  links),  da¬ 
gegen  die  Schmerzempfindung  links  herabgesetzt.  Pupillenreaktion 
normal,  die  Zunge  wird  gerade  herausgestreckt,  linker  Gaumenbogen 
stark  paretisch,  der  linke  Arm  kann  nur  bis  zur  Horizontalen  er¬ 
hoben  werden.  Grosse  Schwäche  der  Eingerbeuger  und  -Strecker, 
Bizeps  in  leichter  Kontraktion.  Grosse  Neigung  zur  Kontraktion 
überhaupt  vorhanden.  Motilität  und  Kraft  der  Beinmuskulatur  gut. 
Das  erschwerte  Gehen  beruht  auf  bei  der  Bewegung  eintretenden 
Spasmus.  Augenbewegungen  ungestört.  Reflex  der  Kornea  und  Kon- 
iunktiva  normal.  Links  untere  Fazialisparese.  Das  bestehende 
Zwangslachen  und  Schnauben  soll  seit  der  Jugend  bestehen.  Linke 
Lungengrenzen  nicht  verschieblich,  im  übrigen  normaler  Objek¬ 
tivbefund. 

9.  IV.  Pat.  hatte  nachts  starke  Kopfschmerzen  und  Schmerzen 
im  Leib,  ist  deshalb  sehr  niedergeschlagen.  Nach  Ol.  Ricini  und  Ein¬ 
lauf  starke  Entleerung.  Pat.,  der  schwachsinnigen  Eindruck  macht 
und  gar  nicht  sprach,  kann  dann  wieder  sprechen,  zeigt  komplette, 
schlaffe  Lähmung  der  linken  oberen  Extremität,  Be¬ 
rührung  und  Schmerzempfindung  sind  links  deut¬ 
lich  herabgesetzt. 


Am  11.  IV.  untersuchte  ich  auf  Wunsch  v.  Hösslins  Pa¬ 
tienten  und  fand  inkomplette  linksseitige  Hemianopsie,  beide  Pupillen 
gleich  weit,  hemiopische  P.R.  ist  nicht  auszulösen,  monokulär  erfolgt 
die  Pupillarreaktion  links  stossweise,  konsensuell  beiderseits  prompt, 
ebenso  die  Konvergenzreaktion.  Links  S  3h,s,  Snellen  0,6  in  der  Nähe, 
rechts  S  3/*,  Snellen  0,5  in  der  Nähe.  Farbensinn  beiderseits  nicht 
herabgesetzt. 

Ophthalmoskopisch:  beiderseits  Neuritis  optica  mit  verschwom¬ 
menen  Pupillengrenzen,  Venen  erweitert,  Arterien  nicht  sichtbar, 
rechts  ausgesprochene  Stauungspapille  (Prominenz  der  Pupille 
0,6  mm,  FH  3  zu  1  D). 


Kollege  v.  H.  und  ich  besprachen  den  Fall  eingehend.  Die 
Hauptsymptome  von  seiten  des  Gehirns,  insbesondere  die  Stauungs¬ 
papille,  wiesen  auf  einen  Tumor  hin,  für  seinen  Sitz  in  der  rechten 
Capsula  interna  und  zwar  vom  Knie  bis  in  den  retrolentikulären  Teil 
sprach  das  Zusammentreffen  von 

1.  linksseitiger  Halblähmung  mit  Zungenlähmung  und  Fazialis¬ 
parese, 


2.  Herabsetzung  der  Berührungs-  und  Schmerzempfindung  linker¬ 
seits, 

3.  Inkompletter  linksseitiger  Hemianopsie.  Nicht  ganz  vereinbar 
wai  dieser  Lokalbefund  allerdings  mit  dem  Wbchsel  der  Lähmungs¬ 
erscheinungen,  die  noch  dazu  vorherrschend  ausgesprochen  spasti¬ 
schen  Charakter  hatten  und  zeitweilig  zurücktraten.  Hauptsächlich 
fehlten  aber  Lähmung  oder  Parese  der  linken  unteren  Extremität 
ausgesprochene  linksseitige  Hemianästhesie  als  Bindeglieder  zwischen 
Parese  der  oberen  linken  Extremität  und  der  Hemianopsie  zu  der 
gesicherten  Annahme  eines  Herdes  in  der  inneren  Kapsel.  Auch  die 
Annahme  eines  Herdes  im  rechten  Sehhügel  wurde  in  Erwägung  ge- 


Vom  11.  IV.  ab  sah  ich  Patienten  nicht  weiter.  Da  Hofrat  v.  H. 
\  eri eiste,  wird  derselbe  von  Herrn  Dr.  van  Scherpenberg  weiter 
behandelt  und  von  ihm  die  Krankengeschichte  weitergeführt. 

r  -i  Y°,m.  bricht  Pat.  viel,  hat  starken  Kopfschmerz,  sein 

Leib  ist  immer  sehr  empfindlich.  Stuhl  wird  nur  künstlich  hervor¬ 
gerufen.  Es  treten  öfters  Anfälle  auf,  wobei  Pat.  plötzlich  die  Sprache 
verliert  und  den  linken  Arm  nicht  heben  kann.  Fordert  man  ihn 
eindringlich  auf,  zu  sprechen,  so  geschieht  das  wieder  ganz  gut,  dann 
wird  auch  der  Arm  wieder  wie  vorher  bewegt.  Die  Parese  des  linken 
Armes  ist  überhaupt  gegen  anfangs  sehr  zurückgegangen. 

,  2J:  ,IV-  Pat  ist  sanz  teilnahmslos.  In  den  letzten  Tagen  waren 

abendliche  Temperaturerhöhungen  bis  zu  39°  eingetreten,  objektiv 
hess  sich  nur  enorm  gesteigerte  Schmerzempfindlichkeit  am  ganzen 
Kor.pei  nachweisen.  Die  Klagen  über  Kopfschmerzen  sind  dagegen 
geringer.  Die  Nahrungsaufnahme  ist  dürftig,  die  Nächte  schlecht. 

22>\  schreit  viel  und  windet  sich  vor  Schmerzen,  ohne 

sie  zu  ^ahsieren.  In  den  letzten  Tagen  traten  Störungen  des  Lage- 
rungsgefuhles  auf:  Pat.  meint,  er  liege  nicht  im  Bette,  sondern  auf 
dem  Sopha  u.  a.  m.  Seit  heute  steht  der  linke  Bulbus  öfter  in  Strabis¬ 
mus  conyergens-Stellung,  um  im  nächsten  Augenblicke  wieder  sich 
normal  einzurichten.  Lässt  man  den  Kranken  fixieren,  so  stehen  die 
Augen  gerade  Leichter  Nystagmus.  Bei  Aufforderung,  dem  Finger 
mit  dem  Blick  zu  folgen,  tut  dies  das  rechte  Auge  ganz  normal 
wahrend  das  linke  bei  Innervation  gleich  in  den  inneren  Augenwinkel’ 
hineinschiesst.  Bewusstsein  noch  ungetrübt. 

.  Jom  ^6.  IV>  trjtt  das  Bild  der  Basilarmeningitis  immer  deutlicher 
hervor  Temperatur  erhöht,  mit  geringen  morgendlichen  Remis¬ 
sionen,  leichte  Nackensteifigkeit  und  starke  Schmerzen  bei  jeder  Be- 
wegung  des  Kopfes.  Pat;  ist  immer  etwas  benommen,  liegt  den 
ganzen  I  ag  .teilnahmslos  da,  gibt  aber  über  seinen  Zustand  Antwort 
hat  sich  bei  Nahrungsaufnahme  verschluckt.  Ein  •  Novum  gibt  die 

KnLYerUrasseTnder  ^  Un*e“:  Links  obe"  Vergütung  mR 


29.  IV.  Die  Klagen  über  Kopfschmerzen,  die  sich  gesteigert 
hatten,  sind  in  den  letzten  Tagen  wieder  geringer,  aber  jede  Be¬ 
rührung  beim  Umbetten  und  die  Stuhlentleerung  verursachen  grosse 
Schmerzen.  Pat.  ist  immer  sehr  benommen,  erkennt  jedoch  seine 
Umgebung,  der  Puls  wird  immer  schneller  und  kleiner.  Doppel¬ 
seitige  Amaurose.  Seit  2  Tagen  Cheyne-Stokes.  Exitus. 

Die  Sektion,  von  Herrn  Prof.  Dr.  Hermann  D  ii  r  c  k  vor¬ 
genommen,  ergab  chronische  Tuberkulose  der  intrathorazischen  und 
intraabdominellen  Lymphdrüsen,  subakute  Dissemination  in  beiden 
Lungen,  auf  dem  Peritoneum,  in  Milz  und  Nieren,  akute  tuberkulöse 
Basilarmeningitis  und  multiple  Konglomerattuberkel  des  Grosshirns. 
Ich  beschränke  mich,  da  hier  nur  von  Interesse,  darauf,  den  ge¬ 
naueren  Befund  in  der  Schädelhöhle  wiederzugeben: 

Dura  mater  sehr  stark  gespannt,  injiziert;  die  weichen  Hirnhäute 
auf  der  Konvexität  von  massenhafter  wässeriger  Flüssigkeit  durch¬ 
setzt,  bei  Herausnahme  des  Gehirns  sammelt  sich  solche  sehr  reich¬ 
lich  in  den  hinteren  Schädelgruben.  Die  weichen  Häute  an  der 
Basis  sind  von  einer  grau-gelblichen  Sülze  durchsetzt,  besonders  in 
der  Gegend  des  Chiasmas  und  der  Sylvischen  Gruben,  dem  Ge- 
fässveriauf  folgend,  überall  sehr  feine  graue  Körnchen  eingelagert. 
Beim  Einschneiden  in  die  Hemisphären  erkennt  man  in  der  Gehirn¬ 
rinde  besonders  rechts  im  Bereich  des  Stirn-,  Scheitel-,  und  Hinter¬ 
hauptlappens  zahlreiche  von  einander  getrennte  hanf¬ 
kor  n  -  b  i  s  ha  selnus  «grosse,  runde,  gelbliche  Herde. 
Am  dichtesten  sind  dieselben  auf  der  Höhe  des 
Scheitellappens  rechts,  zum  Teil  haben  dieselben  eine 
leicht  hämorrhagische  Umgebung.  Ein  mehr  als  haselnuss¬ 
grosser  Knoten  liegt  dicht  an  der  Fissura  cal- 
carina,  ein  ebenso  grosser  Knoten  an  der  Spitze  des 
Hinte  rhauptpol  es  rechts.  Linkerseits  sind  die  Knoten  sehr 
viel  spärlicher  angeordnet  und  nur  im  Scheitellappen.  Alle  Hirn¬ 
kammern  stark  erweitert,  mit  trübwässeriger  Flüssigkeit  gefüllt.  Das 
Ependym  besonders  im  3.  Ventrikel  injiziert  und  blutig  durchsetzt. 
Zeichnung  der  basilaren  Ganglien  deutlich,  im  linken  Thalamus  opticus 
ein  erbsengrosser,  derber,  runder  Käseherd.  Kleinhirn-,  Grosshirn¬ 
schenkel  und  verlängertes  Mark  frei  von  Einlagerungen. 

Es  hatten  demnach  die  anfänglich  und  nach  kurzer  Be¬ 
obachtung  auf  einen  Herd  im  Gehirn,  die  innere  Kapsel  oder 
den  Sehhügel,  gedeuteten  Symptome  deren  mehrere.  Als  Ur¬ 
sache  der  totalen  linksseitigen  Hemianopsie  fand  sich  je  ein 
Herd  am  Hinterhauptspol  und  an  der  Fissura  calcarina  mit  Usur 
der  betreffenden  Rindenpartie  und  als  Ursache  der  Störungen 
in  der  Motilität,  Sensibilität  und  Allgemeingefühle  Herde  im 
Scheitellappen  bezw.  der  R  o  1  a  n  d  o  sehen  Furche. 

Die  doppelseitige  Erblindung  kurz  vor  dem  Tode  wird 
ebenso  wie  die  früheren,  kurz  vorübergehenden  Erblindungen 
nicht  duich  die  tuberkulöse  Basilarmeningitis,  sondern  durch  den 
Druck  des  bei  dem  beträchtlichen  Hydrocephalus  internus  stark 
gefüllten  Recessus  opticus  des  3.  Ventrikels  auf  das  Chiasma  zu 
erklären  sein. 1) 

Jedenfalls  gibt  vorstehender  Fall  die  Anregung,  bei  meh¬ 
reren  Symptomen,  die  auf  einen  Herd  bezogen  werden  können, 
auch  an  mehrere  getrennte  Herde  zu  denken  und  dabei  das 
Gi  undleiden  für  die  Erklärung  beizuziehen.  Letzteres  war  bei 
der  kurzen  Beobachtung,  unter  der  v.  H.  und  ich  den  Pa¬ 
tienten  hatten,  für  die  Untersuchung  noch  nicht  zugänglich, 
sonst  würden  wir  von  unserer  vorläufigen  Diagnose  rasch  zu¬ 
rückgekommen  sein.  Eine  wiederholte  ophthalmoskopische 
Untersuchung  würde  vielleicht  auch  die  Diagnose  aufklärende 
I  uberkelbildung  in  der  Chorioidea  ergeben  haben.  Leider  war 
die  Untersuchung  der  Augen  nach  dem  Tode  nicht  gestattet. 


Aus  dem  allgemeinen  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf 
(Chem.  Laboratorium:  O.  Schlimm). 

Vergleichende  Untersuchungen  über  den  Nachweis  von 
Blut  in  den  Fäzes  mittels  des  Spektroskops  und  der 
modifizierten  Web  ersehen  Probe. 

Von  Dr.  Max  Fraenkel. 

In  No.  4  des  Zentralbl.  f.  innere  Medizin  versucht  H.  F. 
G  runwal  d  UJ  die  spektroskopische  Zyankaliumprobe  in  die 
1  raxis  der  Stuhluntersuchungen  auf  Blut  einzuführen  mit  der 
ngabe,  dass  „die  Kenntnis  einer  Blutprobe  wohl  sehr  wiin- 
schenswert  wäre,  die,  bei  möglich  grösster  Einfachheit  der 
Ausführung  doch  wesentlich  empfindlicher  wäre  als  die  ein- 
fache  W  e  ber  sehe  Probe  und  weniger  subtil  als  die  Benzidin- 
i  eaktion  .  Die  von  O.  Schum  m  [2]  modifizierte  Weber- 

')  Wilbrand  und  Sänger:  Neurologie  des  Auges,  III.  Bd., 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1639 


sehe  Probe,  die  den  eben  zitierten  Anforderungen  in  weit 
höherem  Masse  entspricht  als  die  Zyankaliumprobe,  bezeichnet 
er  als  „leider  sehr  kompliziert  und  zeitraubend“,  scheint  sie 
aber  nicht  oft  angewandt  zu  haben;  denn  sonst  würde  er  sich 
wahrscheinlich  bald  überzeugt  haben,  dass  sie  bei  einiger 
Uebung  sehr  leicht  auszuführen  und  auch  nicht  annähernd  so 
zeitraubend  ist,  wie  die  von  ihm  empfohlene  Zyankaliumprobe. 
Weshalb  Grünwald  die  spektroskopischen  Blutunter¬ 
suchungen  gerade  um  diese  eine  alte  Probe  bereichern  will,  ist 
auch  nicht  ersichtlich,  da  er  selbst  zu  dem  Resultat  kommt, 
dass  sie  durchaus  nicht  mehr  leistet,  als  die  bewährte  Hämo- 
chromogenreaktion.  Andererseits  birgt  das  Arbeiten  mit  so 
grossen  Mengen  konzentrierter  Zyankaliumlösung,  wie  sie  zu 
den  Stuhluntersuchungen  erforderlich  sind,  so  grosse  Ge¬ 
fahren  in  sich,  zumal  wenn  die  Untersuchungen,  wie  das  an 
vielen  Krankenhäusern  und  Kliniken  üblich  ist,  ohne  besondere 
Vorsichtsmassregeln  vom  Krankenpflegepersonal  ausgeführt 
werden,  dass  schon  aus  diesem  Gründe  die  Empfehlung  der 
Zyankaliumprobe  nicht  ratsam  erscheint. 

Aus  Grünwalds  Arbeit  ist  leider  auch  nicht  zu  entnehmen, 
wie  er  mit  „einigen  Tropfen“  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  eine 
spektroskopische  Prüfung  anstellt;  denn  er  gibt  weder  an,  mit  wel¬ 
chem  Spektroskop,  noch  in  welcher  Schichtdicke  er  die  Flüssigkeit 
untersucht  hat.  Bei  den,  nach  Grünwalds  Vorschrift  von  mir 
angestellten  Proben  gelang  es  mir  überhaupt  nicht,  wenn  es  sich 
um  geformten  Stuhl  handelte,  mehr  als  2 — 3  Tropfen  Filtrat  in  meh¬ 
reren  Stunden  oder  einen  klaren,  zum  Spektroskopieren  geeigneten 
Abguss  zu  erzielen.  Während  man  selbst  zu  der  von  Schümm 
modifizierten  Weber  sehen  Probe  bei  einiger  Uebung  nicht  mehr 
als  10—15  Minuten  braucht,  sind  nach  Grünwalds  eigenen  An¬ 
gaben  zur  Zyankaliumprobe  mindestens  2  Stunden  erforderlich, 
Ausserdem  bedarf  'es  auch  zum  Spektroskopieren  einer  nicht  unbe¬ 
trächtlichen  Uebung,  da  man  sonst  bei  den  stärkeren  Verdünnungen 
das  Vorhandensein  der  charakteristischen  Streifen  im  Spektrum  nicht 
mit  Sicherheit  feststellen  kann. 

Dann  habe  ich  aber  auch  noch  auf  Anregung  von  Herrn 
Schümm,  dem  ich  an  dieser  Stelle  hierfür,  wie  für  die  bei  meinen 
Untersuchungen  geleistete  Anleitung  und  Hilfe  herzlichst  danken 
möchte,  die  Ergebnisse  der  Stuhlprobe  nach  den  von  G  r  ü  n  w  a  1  d 
angegebenen  Methoden  nachgeprüft  und  bin  dabei  zu  wesentlich 
anderen  Resultaten  gekommen.  Während  z.  B.  Grünwald  findet, 
dass  die  beiden  spektroskopischen  Proben  der  Weber  sehen  um 
das  Dreifache  überlegen  sind,  konnte  ich  bei  einer  Stuhluntersuchung 
mit  der  einfachen  Weber  sehen  Probe  eine  allerdings  nur  schwach 
positive  Reaktion  feststellen,  während  die  spektroskopischen  Prü¬ 
fungen,  auch  mit  verschiedenen  Modifikationen,  absolut  negativ  aus¬ 
fielen. 

Die  Weber  sehe  Probe  wurde  angestellt  mit  3  g  gut  durch¬ 
gerührtem  Stuhl,  Vz  ccm  Guajaktinktur  und  1  ccm  verharztem  Ter¬ 
pentinöl.  Die  Färbung  der  Flüssigkeit  war  nach  3  Minuten  braungelb 
mit  einem  starken  Stich  ins  grüne. 

Die  mit  4  g  Stuhl  angestellte  Weber  sehe  Probe  nach  der 
Schümm  sehen  Modifikation  fiel,  im  Vergleich  hiermit,  stark  positiv 
aus  (schon  nach  Minute  deutliche  Violettfärbung,  nach  2  Minuten 
tief  dunkelblau). 

Bei  der  spektroskopischen  Untersuchung  wurde  nach  den  An¬ 
gaben  Grünwalds  ein  Stück  gut  verrührten  Stuhles  (3g)  mit 
10  g  15proz.  Natronlauge  und  einigen  Tropfen  Schwefelammonium 
gemischt  und  nach  5  Minuten  filtriert;  1  ccm  des  Filtrates  wurde, 
da  die  Flüssigkeit  zum  Spektroskopieren  zu  dunkel  war,  aufs  Vier¬ 
fache  verdünnt.  Im  Spektum  war  aber  nicht  die  Spur  eines  Streifens 
zu  .sehen. 

Dasselbe  negative  Resultat  hatte  die  Zyankaliumprobe,  ausge¬ 
führt  nach  den  Angaben  Grünwalds.  Eine  weitere  spektroskopi¬ 
sche  Untersuchung  wurde  angestellt  nach  Reinigung  des  zu  unter¬ 
suchenden  Stuhlbröckels  durch  Alkoholäther;  der  Stuhl  wurde  dann 
mit  Eisessig  extrahiert,  das  filtrierte  Extrakt  mit  dem  doppelten  Vo¬ 
lum  Aether  versetzt,  mit  dem  halben  Volum  Wasser  ausgeschüttelt; 
die  Aetherlösung  abgetrennt  und  nochmals  mit  einigen  Kubikzenti¬ 
meter  Wasser  ausgeschüttelt;  die  Aetherlösung  wieder  abgetrennt, 
mit  Salmiakgeist  in  geringem  Ueberschuss  durchgeschüttelt,  die 
ammoniakalische  Lösung  abgetrennt  und  mit  etwas  Hydrazinhydrat 
oder  Schwefelammonium  versetzt.1)  Trotzdem  die  Flüssigkeit  ihrer 
geringen  Eigenfarbe  wegen  besser  zur  spektroskopischen  Unter¬ 
suchung  geeignet  war  als  die  stark  gefärbten  Extrakte,  wie  man  sie 
nach  Grünwalds  Vorschriften  erhält,  fiel  die  Probe  negativ  aus. 

Das  gleiche  Resultat  ergab  die  in  der  angegebenen  Weise  durch¬ 
geführte  Untersuchung  einer  Anzahl  anderer  schwach  bluthaltiger 
Stühle. 


D  O.  Schümm:  Die  Bedeutung  der  Fäzesuntersuchungen  mit 
besonderer  Berücksichtigung  des  Nachweises  von  Blutungen  (Phar¬ 
mazeut.  Zeitung  vom  24.  November  1906). 


Grünwald  konnte  1  g  Blut  in  40  g  Stuhl  spektroskopisch 
deutlich  nachweisen;  diese  Angabe  stimmt  ungefähr  überein  mit  denen 
Siegels  [3]  und  Webers  [4j;  ersterer  schreibt,  dass  3V2 — 3% 
Proz.  Blut  erforderlich  sind  zur  Hämochromogenreaktion  im  Aether- 
extrakt.  Weber  bekam  unter  Umständen  sogar  schon  bei  2  Proz. 
eine  erkennbare  Hämochromogenreaktion;  hierbei  ist  allerdings  zu 
berücksichtigen,  dass  Weber  wahrscheinlich  seine  Untersuchungen 
an  Stuhlproben  anstellte,  die  nicht  von  fleischfreier  Kost  herrührten; 
das  in  dieser  Form  in  den  Stuhl  übergehende  tierische  Blut  kann 
aber  unter  Umständen  Vz — 1  Proz.  der  gesamten  Stuhltagesmenge 
betragen.  Man  kommt  dann  auch  bei  den  Weber  sehen  Angaben 
auf  mindestens  2Vz — 3  Proz.  Ein  gleiches  Resultat  erzielte  auch 
Schümm2)  bei  einer  grossen  Reihe  systematisch  angestellter 
Stuhluntersuchungen,  wobei  er  teils  Milchstühlen  eine  bestimmte 
Menge  frischen  Blutes  zusetzte,  teils  Stühle  gesunder  Personen  unter¬ 
suchte,  die  zu  fleischfreier  Kost  einen  bis  mehrere  Kubikzentimeter 
Blut  genossen  hatten.  Er  fand  dann,  wenn  er  das  Eisessigextrakt 
mit  Ammoniak  alkalisierte  und  Schwefelammonium  oder  Hydrazin¬ 
hydrat  zusetzte,  bei  etwa  2Vz  Proz.  zuerst  eine  deutlich  erkennbare 
Hämochromogenreaktion. 3) 

Bis  hierher  also  lassen  sich  die  Resultate  Grünwalds 
mit  denen  anderer  Autoren  in  Einklang  bringen.  Wenn  er 
weiterhin  aber  zu  dem  Ergebnis  kommt,  man  könne,  weil  sich 
1  g  Blut  in  40  g  Stuhl  noch  bis  zur  vierfachen  Verdünnung 
nachweisen  lasse,  auch  das  Vorhandensein  von  1  g  Blut  noch 
in  160  g  Stuhl  nach  seinem  Verfahren  (als  Zyanhämoglobin) 
spektroskopisch  feststellen,  so  ist  das  ein  falscher  Schluss,  in¬ 
sofern  als  er  nicht  berücksichtigt,  dass  bei  der  vierfachen  Stuhl¬ 
menge  auch  die  vierfache  Menge  von  Kotfarbstoffen  (Urobilin 
usw.)  vorhanden  ist,  die  das  Spektroskopieren  äusserst  er¬ 
schweren,  wenn  nicht  unmöglich  machen.  Ist  es  doch  auch 
nicht  dasselbe,  ob  1  g  Blut  in  160  g  eines  dünnflüssigen  diar- 
rhoischen  wenig  gefärbten  oder  in  der  gleichen  Menge  eines 
normalen  festen  Stuhles  nachgewiesen  werden  soll. 

Deshalb  ist  es  auch  nicht  angängig,  die  Resultate,  die  man 
bei  der  Untersuchung  von  wässerigen  Blutlösungen  mit  den 
verschiedenen  Proben  (W  e  b  e  r  scher,  Benzidin-,  Zyankali-, 
Hämochromogenprobe)  erhalten  hat,  direkt  auf  den  Nachweis 
von  Blut  im  Stuhl  zu  übertragen.  Die  Weber  sehe  Probe  ist 
speziell  für  den  Nachweis  von  Blut  im  Stuhl  angegeben;  will 
man  die  Guajakprobe  auf  frische  Blutlösung  anwenden,  so 
wird  die  von  Weber  empfohlene  Ueberführung  des  Blutfarb¬ 
stoffes  in  Hämin  (durch  Zusatz  von  Essigsäure)  überflüssig. 
Bei  dieser  Art  der  Ausführung  ergeben  sich  ganz  andere  Zahlen, 
als  G  r  ii  n  w  a  1  d  sie  gefunden  hat.  G  r  ü  n  w  a  1  d  gibt  als 
äusserste  Grenze  eines  positiven  Ausfalles  der  Reaktion  bei 
wässerigen  Blutverdünnungen  an: 

für  Weber:  .  .  .  1:2000, 

Hämochromogen :  1 :  5000, 

Zyankalium :  .  .  1 :  5000. 

Die  beiden  letztgenannten  Zahlen  stimmen  mit  den  von  mir 
gefundenen  Resultaten  überein;  mit  der  Guajakprobe  hingegen 
fand  ich  noch  bei  einer  Verdünnung  von  1 :  100  000  eine  wahr¬ 
nehmbare  Reaktion. 

Die  Guajakprobe  wurde,  da  bekanntermassen  ein  Gemisch 
aus  Terpentinöl  und  Guajaktinktur  bei  längerem  Stehen  an  der 
Luft  infolge  von  Selbstzersetzung  eine  leichte  Bläuung  gibt,  in 
jedem  einzelnen  Falle  durch  einen  Blindversuch  kontrolliert. 
Ausserdem  verfeinerte  ein  kleiner  Kunstgriff,  den  Schümm 
[5]  in  einer  früheren  Arbeit  angegeben  hat,  die  Schärfe  der 
Reaktion.  Die  Blaufärbung  wird  nämlich,  besonders  bei  den 
höheren  Verdünnungen,  leicht  verdeckt  dadurch,  dass  sich  aus 
der  zu  untersuchenden  Lösung  und  den  Reagentien  eine  feine 
Emulsion  bildet;  gibt  man  nun  hierzu  1  ccm  Alkohol  und 
schüttelt  damit  durch,  so  geht  der  blaue  Farbstoff  grösstenteils 
in  den  Alkohol  über  und  erscheint  durch  die  jetzt  stärkere 
Konzentration  und  infolge  des  Fehlens  störender  Trübungen 
deutlicher.  So  fand  ich  bei  einer  Verdünnung  von: 


2)  Nach  persönlicher  Mitteilung. 

3)  Nach  einer  mündlichen  Mitteilung  über  noch  nicht  veröffent¬ 
lichte  Untersuchungen  konnte  Schlimm  15]  neuerdings  feststellen, 
dass  sich  spektroskopisch  ein  Blutgehalt  von  nur  0,6  Proz.  nachweisen 
lässt,  wenn  man  etwa  20  g  des  Stuhles  nach  der  zweiten,  in  der 
Pharmazeutischen  Zeitung  vom  24.  November  1906  unter  „b“  ange¬ 
gebenen  Vorschrift  verarbeitet.  Dagegen  gelang  auch  ihm  der  spek¬ 
troskopische  Nachweis  bei  diesem  Blutgehalt  nicht  mit  der  von 
Grünwald  empfohlenen  Zyankaliumprobe. 


1640 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


I. 

1  : 10  000  [8  ccm  Blutlösung,  10  Tropfen  *) 

Guajaktinktur,  20  Tropfen  verharzten  Terpentinöls] 
nach  5  Sekunden  deutliche  Blaufärbung;  nach 
2  Minuten  auf  Zusatz  von  1  ccm  Alkohol : 
Vertiefung  der  Blaufärbung. 

II. 

1  :  20  000  [8  ccm  Lösung,  10  Tropfen  Tinktur, 
20  Tropfen  Terpentinöl]  sofort  bläulich  grüne 
Färbung ;  nach  3  Minuten  auf  Zusatz  von  1  ccm 
Alkohol :  deutliche  dunkle  Blaufärbung. 


Blindversuch : 

[8  ccm  Wasser,  10  Tropfen 
Guajaktinktur,  20  Tropfen 
Terpentinöl]  keine  Färbung; 
erst  nach  */*  Stunde  beginnende 
ganz  leichte  Blaufärbung. 


wie  I. 


III. 

1  :  40  000  [8  ccm  Lösung,  5  Tropfen  Tinktur, 
20  Tropfen  Terpentinöl]  smaragdgrüne  Färbung; 
nach  3  Minuten  auf  Zusatz  von  1  ccm  Alkohol : 
intensive  Blaufärbung. 

IV. 

1  :  50  000  [8  ccm  Lösung,  5  Tropfen  Tinktur,  I 
20  Tropfen  Terpentinöl]  hellblaugrüne  Färbung; 
nach  3  Minuten  auf  Zusatz  von  1  ccm  Alkohol : 
tiefere  Blaufärbung, 

V. 

1  :  80  000  [8  ccm  Lösung,  3  Tropfen  Tinktur, 
20  Tropfen  Terpentinöl]  hellgrüne  Färbung  mit 
Stich  ins  Blaue ;  nach  3  Minuten  auf  Alkohol¬ 
zusatz  :  stärkere  Bläuung. 

VI. 

1 : 100  000  [8  ccm  Lösung,  3  Tropfen  Tinktur, 
20  Tropfen  Terpentinöl]  Färbung  eine  Nüance 
heller  als  V.;  aber  nach  Alkoholzusatz  noch 
deutlich  bläulich. 


wie  I. 


wie  I. 


wie  I. 


wie  I. 


Bei  der  spektroskopischen  Untersuchung* * *  4)  kommt  es 
wesentlich  auf  die  Schichtdicke  der  untersuchten  Flüssigkeit 
an,  wie  die  folgenden  Resultate  beweisen: 

Hämochromogen  probe. 


Schichtdicke:  20mm 

Schichtdicke:  40mm 

Schichtdicke:  54mm*) 

1 : 1000 

Erster  Streifen  deutlich, 
zweiter  schwach. 

1  : 2000 

Erster  Streifen  gut 
sichtbar,  zweiter  kaum 
angedeutet. 

1  : 4000 

Erster  Streifen  schwach 
sichtbar,  zweiter  nicht 
mehr  wahrnehmbar. 

1  : 5000 

Nach  wenigen  Sekunden 
erster  Streifen  deutlich 
sichtbar. 

1  :  6000 

Erster  Streifen  eben 
wahrnehmbar,  äusserst 
schwach. 

Erster  Streifen  schwach, 
aber  gut  wahrnehmbar. 

1  : 8000 

Geringste  wahrnehm¬ 
bare  Andeutung  des 
ersten  Streifens. 

Erster  Streifen  sehr 
schwach,  aber  doch  un¬ 
zweifelhaft  erkennbar. 

1  :  10  000 

Nach  einer  Minute  etwa 
erster  Streifen  deutlich 
erkennbar. 

1  :  1 2  000 

negativ. 

negativ. 

1  : 15  000 

Nach  einer  Minute  An¬ 
deutung  des  ersten 
Streifens,  allmählich  noch 
schärfer  werdend. 

1  :  20  000 

Streifen  kaum  noch  sicht¬ 
bar,  tritt  erst  nach  zwei 
Minuten  ganz  schwach  auf. 

d  a  \  1 •  T  »‘-nweieiammomums  wurde  bei  dieser  Versuchsreihe  Hydrazinhydrat  als 

Keduktionsmitiel  verwendet  und  gab  etwas  bessere  Resultate  als  ersteres. 

Die  Zyankaliumprobe  wurde  ausgeführt,  wie  G  r  ü  n  w  a  1  d 
es  auch  in  seiner  Arbeit  angibt,  indem  das  Hämochromogen- 

•  •  ^  Schümm:  Zur  Kenntnis  der  Guajakblutprobe  und 

einiger  ähnlicher  Reaktionen.  (Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  1907 

Bd.  50,  pag.  381.). 

4)  Für  die  Untersuchungen  kamen  in  Anwendung  ein  Zeiss- 
sches  Handspektroskop  mit  Wellenlängenskala  und  ein  neues  von 
bchumm  konstruiertes  lichtstarkes  Spektroskop,  das  die  Absorp¬ 

tionsstreifen  sehr  scharf  zeigt. 


Spektrum  in  das  Zyankaliumspektrum  übergeführt  wurde.  Man 
sah  dann  2  gleichstarke  Streifen  etwas  mehr  nach  dem  vio¬ 
letten  Ende  des  Spektrums  zu  als  die  beiden  Hämochromogen- 
streifen;  doch  übertraf  die  Zyankaliumprobe  niemals  die  Hämo- 
chromogenprobe  an  Schärfe,  wenigstens  wenn  man  das  Auf¬ 
treten  des  ersten  Hämochromogenstreifens  schon  als  positiven 
Ausfall  der  Probe  gelten  lässt;  —  dass  das  Auftreten  dieses, 
dem  roten  Ende  des  Spektrums  näher  gelegenen,  Streifens 
allein  genügt,  haben  mir  aber  meine  Untersuchungen  bewiesen. 
—  Zudem  hat  die  Zyankaliumprobe  den  Nachteil,  dass  sich  die 
Streifen  bei  ihr  (wenigstens  in  der  ursprünglichen  Ausführung) 
nur  sehr  langsam  entwickeln,  während  sie  bei  der  Hämochro- 
mogenprobe  gleich  oder  nach  wenigen  Minuten  erscheinen. 
G  r  ü  n  w  a  1  d  selbst  rät  an,  die  Probe  über  Nacht  stehen  zu 
lassen. 

Wenn  man  also  die  an  sich  sehr  wertvollen  spektro¬ 
skopischen  Proben  zum  Nachweis  von  Blut  im  Stuhl  ver¬ 
wenden  will,  so  wird  man  jedenfalls  nach  wie  vor  der  Hämo- 
chromogenprobe  den  Vorzug  geben  und  zwar  in  der  oben 
schon  beschriebenen  Form.5) 

Literatur: 

1.  H  F.  Grünwald:  Zur  Frage  des  Blutnachweises  in  den 
Fäzes.  (Zentralbl.  f.  innere  Medizin,  1907,  No.  4.)  —  2.  O.  S  c  h  u  m  m- 
Die  Untersuchung  der  Fäzes  auf  Blut.  (Verlag  von  Gustav  Fischer' 
Jena  1906.)  —  3.  Siegel:  Ueber  den  Nachweis  von  Blutfarbstoff 
in  den  Fäzes.  (Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  33.)  —  4.  H. 
Weber:  Ueber  den  Nachweis  des  Blutes  in  dem  Magen-  und  dem 

Darminhalt.  (Berlin,  klin.  Wochenschr.,  1893,  No.  19,  pag.  441.)  _ 

5.  O.  Schümm:  Die  Bedeutung  der  Fäzesuntersuchungen  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  des  Nachweises  von  Blutungen.  (Phar¬ 
mazeutische  Zeitung  vom  24.  November  1906.  —  6.  D  e  r  s  e  1  b  e:  Zur 
Kenntnis  der  Guajakblutprobe  und  einiger  ähnlicher  Reaktionen.  (Zeit¬ 
schrift  f.  physiol.  Chemie,  1907;  Bd.  50,  pag.  381.) 


Akute  Zitrophenvergiftung. 

Mitteilung  von  J.  Hey  de  in  Dresden. 

Da  das  Zitrophen  als  unschuldiges  Mittel  gilt  und  viel  verwendet 
wird,  halten  wir  es  für  eine  Pflicht,  alle  die  Fälle  mitzuteilen,  bei 
denen  durch  das  Mittel  Vergiftungserscheinungen  auftraten. 

r .  betraf  einen  22  jährigen,  kräftig  gebauten  jungen 
Mann,  Studenten,  der  vor  6  Jahren  eine  Myokarditis  durchgemacht 
hatte,  jetzt  aber  gesund  war.  Er  erkrankte  an  einem  Tonsillarabszess 
und  wünschte  ein  Linderungsmittel,  erhielt  3  Zitrophenpulver  ä  1  g 
mit  der  Weisung,  das  erste  Pulver  sofort,  abends,  das  zweite  am 
Morgen  nach  dem  Frühstück  zu  nehmen  und  mit  dem  3.  zu  warten 
bis  der  Arzt  wieder  dagewesen  sei.  Ungefähr  1  Stunde  nach  der 
zw  eiten  Dosis  traten  nun  genau  dieselben  Symptome  ein,  die 
G  old  Schmidt1)  beschreibt,  Herzschwäche,  Arrhythmie,  hoch¬ 
gradige  Zyanose  (Lippen  blauschwarz),  Fingerspitzen  und  Nägel, 
Zehenspitzen  und  Nägel  blau,  kalte  Extremitäten,  Schweiss,  Hin- 
falhgkeitsgefühl,  Temperatur  nicht  wesentlich  herabgesetzt. 

Auch  hier  gelang  es  .durch  Analeptika  (Kampher,  Kaffee)  die  Ge¬ 
fahr  zu  beseitigen.  Aber  ungefähr  4  1  age  hielt  das  Schwächegefühl 
an  und  die  Zyanose  wich  erst  am  3.  Tage. 

Interessant  ist  es,  dass  der  Vater  des  Patienten  auch  eine 
I d i o s y  nkrasie  gegen  Phenetidinpräparate  hat.  Er  teilte  uns  nämlich 
mit,  dass  es  ihm  früher  einmal  nach  Einnehmen  von  Vs  g  Phenazetin 
so  jämmerlich  schlecht  geworden  sei,  dass  er  geglaubt  habe,  sterben 
zu  müssen. 

Wir  haben  es  hier  im  Gegensätze  zu  dem  Goldschmidt- 
sehen  Falle  mit  einem  jungen,  kräftigen  Mann  zu  tun  und  sahen 
i  Vergiftung  nach  2  g  Zitrophen  in  zwei  Dosen  innerhalb 

J 1  Stunden.  Beweis,  dass  man  bei  dem  Mittel  äusserste  Vorsicht 
anwenden  muss. 


Aus  dem  städtischen  Krankenhause  Bayreuth 
(Oberarzt  Dr.  Landgraf). 

Ein  Instrument  zur  partiellen  Exzision  des  eingewachsenen 

Nagels. 

Von  C.  Ittameier,  Medizinal-Praktikant. 

In  seinen  „Erinnerungen  eines  deutschen  Arztes“  rühmt  Pro¬ 
fessor  Strom  eyer  Dupuytren  die  ausserordentliche  Schnellig¬ 
keit  nach,  mit  der  er,  angeblich  in  wenigen  Sekunden,  die  partielle 
Exzision  des  eingewachsenen  Nagels  ausführte.  Wenn  auch  heute 
dank  der  Lokalanästhetica  Schnelligkeit  kein  unbedingtes  Erfordernis 
mchi  ist,  so  ist  es  doch  bei  gewissen  Arten  der  Anästhesierung,  z.  B. 


5)  s.  a.  Zitat  „5“. 

U  Diese  Wochenschrift,  1907,  No.  23. 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1641 


mit  dem  Aetherspray,  oder,  wie  es  bei  diesen  Operationen  hier  aus¬ 
schliesslich  geschieht,  mit  Chloräthyl,  infolge  der  beschränkten  Wir¬ 
kungsdauer  dieser  Mittel  wünschenswert,  den  Eingriff  in  möglichst 
kurzer  Zeit  zu  vollenden. 

Andererseits  handelt  es  sich  häufig  um  sehr  harte  und  dicke 
Nägel,  die  den  gewöhnlichen  Scheren  einen  unüberwindlichen  Wider¬ 
stand  entgegensetzen. 

Aus  diesem  Bedürfnis  heraus  haben  wir  uns  ein  Instrument  kon¬ 
struiert,  das  beiden  Anforderungen  gerecht  werden  soll. 


Wie  aus  der  beigegebenen  Abbildung  ersichtlich  ist,  besteht 
das  Instrument  in  einer  Zange,  deren  Branchen  ein  Keil  und  eine 
Rinne  sind.  Der  Keil,  dessen  vordere  Kante  geschärft  ist,  passt  exakt 
in  die  Rinne,  so,  dass  beim  Schliessen  der  Zange  die  aneinander- 
vorbeigleitenden  Kanten  beider  Branchen  die  Wirkung  einer  Schere 
haben. 

Die  Handhabung  des  Instrumentes  ist  ohne  weiteres  klar.  Je 
nachdem  es  sich  um  einen  eingewachsenen  Nagel  rechts  oder  links 
handelt,  wird  die  entsprechende  Hälfte  des  Keiles  unter  die  einge¬ 
wachsene  Partie  geschoben  und  das  Instrument  geschlossen,  wobei, 
wie  oben  erwähnt,  der  Nagel  entlang  der  Kante  des  Keiles  durch¬ 
schnitten  wird.  Beide  Branchen  fassen  nach  dem  Schluss  das  zu 
entfernende  Stück  fest,  sodass  es  unmittelbar  nach  dem  Durchschnei¬ 
den  herausgezogen  werden  kann.  Der  Eingriff  ist  also  nimmer  zwei-, 
sondern  einzeitig. 

Die  Zange  fertigt  Kleinknecht  in  Erlangen.  Sie  hat  uns  bis 
jetzt  ausgezeichnete  Dienste  geleistet. 


Aerztliches  und  Nichtärztliches  von  einer  Sommerreise 
durch  das  Mittelmeer  nach  dem  Orient. 

Von  Dr.  Otto  Neustätte  r. 

(Schluss.) 

Unser  deutsches  Hospital  ist  schon  relativ  alt.  Es 
wurde  vor  30  Jahren  etwa  errichtet  und  weist  daher  gegenüber  dem 
ganz  modernen,  vor  kurzem  vollendeten  Neubau  des  englischen  Spi¬ 
tals  natürlich  Zeichen  des  Alters  auf.  Der  Operationssaal  z.  B. 
musste  erst  aus  einem  gewöhnlichen  Saale  hergerichtet  werden.  In 
Betrieb  und  Verwaltung  aber  steht  das  Haus  vollständig  auf  der 
Höhe  moderner  Anforderungen,  wie  man  dies  nicht  nur  von 
Deutschen,  sondern  auch  von  Angehörigen  anderer  Nationen  freudig 
anerkannt  hören  wird.  Die  Schwestern  sind  Diakonissinnen  aus  dem 
Mutterhaus  in  Kaiserswerth  und  haben  wie  die  Aerzte,  von  denen 
ich  leider  keinen  antraf,  stets  das  Beste  getan,  um  den  Ruf  des 
deutschen  Hospitals  hoch  zu  halten.  Ausser  dem  drei  Stockwerk 
hohen  Gebäude  sind  noch  Isolierhäuser,  Kinderhäuser,  Verwaltungs¬ 
gebäude  vorhanden.  Zwischen  den  einzelnen  Teilen  erstreckt  sich 
ein  vortrefflich  gehaltener  Garten,  der,  wie  mich  meine  entgegen¬ 
kommende  Führerin,  die  Oberschwester  belehrte,  wohl  an  Ueppig- 
keit  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt,  aber  doch  viel  mehr  Arbeit 
macht,  als  man  vermuten  sollte.  Was  es  eben  bei  uns  zu  viel  gibt: 
Regen,  das  mangelt  und  muss  durch  sorgfältige  Bewässerung  ersetzt 
werden,  bei  der  die  Kranken  nicht,  wie  meist  bei  uns,  mithelfen, 
die  vielmehr  auf  den  Schultern  der  an  sich  schon  recht  beanspruch¬ 
ten  Schwestern  ruht. 

War  hier  im  deutschen  Spital  alles  zu  finden,  was  man  nach 
guter  deutscher  Ueberlieferung  nur  erwarten  konnte,  so  war  anderer¬ 
seits  in  türkischen  Spitälern,  die  kennen  zu  lernen  natürlich  beson¬ 
deres  Interesse  hatte,  zu  finden,  was  man  nicht  erwartet  hatte, 
wenigstens  sofern  es  sich  um  die  Einrichtung  der  modernen  Spi¬ 
täler  handelte.  Das  hervorragendste  in  dieser  Richtung  bietet  das 
von  dem  gegenwärtigen  Sultan  aus  eigener  Initiative  und  aus  seiner 
Privatschatulle  errichtete  Hamidie-Spital.  Es  liegt  draussen  ausser¬ 
halb  des  Häusergewirres  in  den  Gartenanlagen  auf  den  Höhen  in  der 
Richtung  gegen  den  Bosporus  hin  mit  herrlichem  Blick  auf  die  klein¬ 
asiatischen  Berge.  Die  eingeleisige  Pferdebahn  führt  uns  im 
Schneckentempo  in  lieblicher  Fahrt  durch  die  Hauptstrassen  Peras, 
denen  man  es  anmerkt,  dass  gelegentlich  ihre  Pflastersteine  von 
dem  oder  jenem  herausgenommen  wurden,  um  zu  irgend  welchen 
privaten  Zwecken  verwendet  zu  werden.  Am  staubigen,  welligen 
Exerzierfeld  und  grossartigen  Kasernen  vorüber  kommen  wir  hinaus 
in  die  geheimnisumwobene  Gegend  in  der  Nähe  des  kaiserlichen 
Palastes.  Von  diesem  sieht  man  infolge  seiner  in  üppigen  Gärten 


versteckten  Lage  und  der  weit  ausholenden  Umgrenzungsmauer 
nichts.  Von  dem  Spital  aus  kann  man  ausser  den  weit  ausgedehn¬ 
ten  grünen  Flächen  hier  und  da  eine  weisse  Mauer  oder  ein  Dach 
herausragend  beobachten,  wenn  man  oben  auf  den  östlichen  Balkon 
des  Hauptgebäudes  hinaustritt.  Dieses  Hauptgebäude,  1899  eröffnet, 
ist  nur  für  Verwaltungs-  und  Repräsentationszwecke  bestimmt. 
Zwei  prunkvolle,  in  europäischem  Stil  mit  Polstermöbeln,  Gardinen, 
Teppichen  und  einem  mit  goldenen  Schreibutensilien  geschmückten 
Schreibtisch  ausgestattete  Räume  sind  hier  und  auch  bei  anderen 
Spitälern  für  den  allerdings  fast  nie  eintretenden  Fall  vorgesehen, 
dass  der  Sultan  der  Anstalt  einen  Besuch  abstatten  würde.  Mehrere 
ebenfalls  reich  ausgeschmückte  Räume  des  Chefarztes,  auch  ganz 
europäisch,  weisen  unter  anderem  Bilder  von  Z  i  e  m  s  s  e  n,  Bier, 
L  a  s  s  a  r  u.  a.  auf. 

Eine  dankbare  Patientin  hat  eine  riesige,  unendlich  mühsam 
gefertigte  Hochstickarbeit  zum  Dank  für  ihre  Genesung  hier  hinein 
gestiftet;  in  der  Mitte  in  Goldstickerei  das  Lob  des  Sultans,  darum 
herum  einen  Kranz  von  gestickten  und  plastisch  übereinander  ge¬ 
nähten  Blumen.  Auch  der  darunter  stehende  hochelegante  euro¬ 
päische  Schreibtisch  ist  das  Geschenk  einer  Patientin.  Sonst  enthält 
dieses  Gebäude  noch  einen  Speisesaal  der  Aerzte,  eine  klein  aus¬ 
sehende  Moschee,  ein  einfaches  Zimmer,  in  dem  in  der  Richtung 
gegen  Mekka  die  Gebetnische  angebracht  ist,  sonst  schmucklos. 
Unten  befinden  sich  die  Verwaltungsräume.  Das  Spital  selbst  besteht 
aus  lauter  getrennten  Pavillons,  jeder  etwa  doppelt  so  gross  wie 
eine  D  ö  c  ke  r  sehe  Baracke,  von  denen  übrigens  mehrere  für  an¬ 
steckende  Krankheiten  aufgeschlagen  sind.  Jeder  solche  Pavillon  ist 
für  verschiedene  Zwecke  bestimmt.  Die  ältesten  sind,  dem  ur¬ 
sprünglichen  Zwecke  des  Spitales  entsprechend,  nur  für  Kinder  ein¬ 
gerichtet.  Es  führt  der  einzige  Eingang  an  dem  Zimmer  der  Wär¬ 
terin  und  dem  Abort  vorüber  in  den  Mädchensaal  und  durch  diesen 
hindurch  in  den  Knabensaal.  Die  Wärterinnen  tragen  gelblich- 
weisse,  faltige,  weiche  Kleider  und  eine  Art  Domino,  der  auch  den 
Kopf  bedeckt,  also  wie  auch  sonst  die  Türkinnen  auf  der  Strasse. 
Das  Gesicht  war  frei.  Interessant  ist  der  Abort.  Er  besteht  aus 
einem  in  den  Marmorboden  eingeschnittenen  Loch  mit  einer  eben¬ 
falls  ausgeschnittenen  Längsrinne  an  der  Vorderseite,  kein  Sitz.  Die 
Benützung  bedingt  also  das  Hocken  in  der  Naturstellung.  Zur  Reini¬ 
gung  ist  Wasserspülung  angebracht.  Die  Einrichtung  ist  also  sehr 
primitiv;  aber  Italien  und  Frankreich,  die  europäischen  „Kulturlän¬ 
der4,  sind  in  diesem  Punkte  vielfach  nicht  weiter  vorgeschritten,  re¬ 
lativ  noch  viel  weiter  zurück.  Man  denke  an  die  Rivierabahnhöfe. 
Die  Wände  in  den  Pavillons  sind  teils  mit  roter  Oelfarbe  gestrichen, 
teils  mit  Kacheln  belegt.  Die  Fussböden  bestehen  aus  glatten  Stein- 
fliessen.  Der  Operationssaal  ist  gut  eingerichtet,  die  Wände  Kacheln, 
der  Fussböden  Stein.  Die  sonst  recht  erfreuliche  Reinlichkeit  liess 
auffallenderweise  gerade  hier  zu  wünschen  übrig,  ebenso  wie  im 
Verbandzimmer.  Die  Frequenz  der  Klinik,  die  ursprünglich  auch 
nur  für  Kinder  bestimmt  war,  dann  aber  auch  auf  Frauen  ausgedehnt 
wurde,  für  die  jetzt  noch  ein  gynäkologischer  Pavillon  errichtet 
wird,  betrug  seit  1899  6374,  die  in  der  Poliklinik  83  245.  Allerdings 
muss  berücksichtigt  werden,  dass  auch  die  massenhaften  Beschnei¬ 
dungen,  die  zu  Ehren  des  Geburtstages  des  Sultans  auf  einmal  vor¬ 
genommen  werden,  mitgerechnet  werden  müssen.  Leider  kam  ich 
gerade  2  Tage  nach  dem  Schlüsse  dieser  Zeremonie.  Die  Kinder 
werden  nach  24  Stunden  jeweils  wieder  entlassen  und  vorher  mög¬ 
lichst  alle  anderen  Kranken  entfernt,  um  Platz  zu  schaffen.  Innerhalb 
8  Tagen  waren  2772  Knaben  zirkumzidiert  worden!  Die  Operation 
wird  mit  zweierlei  Zangen  gemacht.  Die  eine  hält  das  Präputium 
wie  eine  flache  Peanzange  zwischen  ihren  Armen  und  darüber 
wird  der  Schnitt  gemacht;  die  andere  Klammer  enthält  in  der  Mitte 
ihrer  Arme  einen  Spalt.  Nach  dem  Abklemmen  wird  durch  diesen 
das  Messer  durchgeführt.  Es  werden  nicht  etwa  nur  Moslemin 
in  das  Spital  aufgenommen,  aber  sie  bilden  doch  die  weitaus  grösste 
Zahl.  Die  meisten  Patienten  sind  innerlich  Kranke,  dann  folgen 
die  Nasen-,  Ohren-,  Kehlkopf-  und  Frauenkrankheiten.  Der  mir 
versprochene  Jahresbericht  traf  leider  nicht  ein,  so  dass  ich  die 
genauen  Zahlen  nicht  angeben  kann.  Von  Interesse  ist  es,  wie  man 
sich  mangels  gewisser,  uns  selbstverständlicher  Hilfsmittel  einzu¬ 
richten  verstanden  hat.  Elektrische  Leitungen  gibt  es  nicht.  Der 
Sultan  hatte  sich  der  Einrichtung  von  elektrischem  Licht  in  Kon¬ 
stantinopel  bisher  verschlossen.  Kurz  nachdem  ich  zurückgekehrt 
war,  las  ich,  dass  er  schliesslich  doch  zugestimmt  hat  und  das  elek¬ 
trische  Licht  nun  nicht  mehr  als  Teufelswerk  und  gefährlich  gilt. 
Darum  musste  für  den  Röntgenapparat  die  Elektrizität  selbst  gemacht 
werden  und  ein  schnarrencles  Geräusch  wie  von  einem  Automobil, 
deren  es  in  Konstantinopel  doch  keine  gibt  —  eine  Fahrt  dort  wäre 
auch  kaum  leichter  auszuführen,  als  etwa  auf  dem  Gerolle  eines 
Berges  — ,  das  meine  Aufmerksamkeit  schon  länger  auf  sich  ge¬ 
zogen  hatte,  entpuppte  sich  als  von  einem  Benzinautomobilmotor 
herrührend,  der  hier  verwendet  wird,  um  eine  Dynamo  zu  treiben, 
von  der  der  elektrische  Strom  in  Akkumulatoren  aufgestapelt  wird. 
Auch  Gas  gibt  es  nicht.  Die  Wärmeschränke  im  bakteriologischen 
und  histologischen  Laboratorium  müssen  daher  mittels  Petroleum¬ 
lampen  geheizt  werden,  was  sich,  wenn  auch  schwierig  und  „mit 
Geruch“  durchführen  lässt,  wie  gar  mancher  gleich  mir  kaum  ge¬ 
dacht  haben  würde.  Die  Beleuchtung  in  den  Krankenhäusern  wird 
ähnlich  wie  in  den  Moscheen  mittels  Oellampen  notdürftig  durch¬ 
geführt,  die  an  der  Decke  aufgehängt  sind.  Konstantinopel  war 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


1042 


eben  bisher  überhaupt  die  Stadt  der  Dunkelheit  —  auch  im  wört¬ 
lichsten  Sinne. 

Gerne  hätte  ich  die  militär-medizinische  Schule  Haidar  Pascha 
besucht,  allein  dazu  hätte  es  eines  eigenen  kaiserlichen  Irades  be¬ 
durft.  Da  man  munkelt,  dass  selbst  die  Feuerwehr  erst  einer 
solchen  Erlaubnis  zum  Ausrücken  bedarf  —  wenn  es  nicht  wahr  ist, 
ist  es  gut  erfunden  — ,  so  musste  ich  mich  wohl  fügen,  da  es  zwar 
nicht  schwer  ist,  ihn  zu  erhalten,  aber  doch  Zeit  kostet.  Dagegen 
erhielt  ich  dank  der  Freundlichkeit  S.  Exz.  Dr.  Elias  Pascha,  dem 
bekannten,  jetzt  wie  so  mancher  verdiente  Mann  in  Ungnade  ver¬ 
fallenen  Organisator  und  Berater  des  Sultans  für  die  hygienische 
und  ärztliche  Kultur  in  Konstantinopel  und  der  Türkei,  die  trotz 
ihrer  Halbheiten  doch  ein  Verdienst  des  jetzigen  Sultans  sind,  die 
Erlaubnis,  das  Marienhospital  zu  besuchen.  Es  ist  ein  langge¬ 
streckter,  renaissanceartiger  Bau,  oben  auf  dem  Hügel  über  dem 
Goldenen  Horn  gelegen.  Ein  Vorgarten  mit  blühenden  Pfefferbäumen 
zieht  sich  der  ganzen  Länge  der  Fassade  entlang,  die  durch  einen 
erhöhten  Mittelbau  mit  Portikus  und  zwei  ebenfalls  etwas  höheren 
Flügeln  einen  sehr  harmonischen  Eindruck  macht.  Der  innere  An¬ 
blick  harmoniert  freilich  weniger  mit  den  Forderungen  der  Neuzeit. 
Der  Bau  ist  alt,  mit  Säulenhallen,  Marmorgängen,  dürftiger  Ein¬ 
richtung  und  holperigem  Holzboden  und  Holzdecken  in  den  ausser¬ 
ordentlich  grossen  und  hohen  Krankensälen.  Die  eisernen  Bettstellen 
stehen  ziemlich  dicht  beisammen;  im  Notfall  werden  sie  immer  noch 
enger  zusammengerückt  und  die  Leute  auch  auf  Matrazen  in  die  Korri¬ 
dore  gelegt.  Das  Spital  war  interessant  als  Gegensatz  zu  jenem 
durchaus  modernen.  Man  bekommt  da  den  Fortschritt  der  Kultur, 
der  sich  unaufhaltsam  auch  in  der  Türkei  durchsetzt,  so  recht  deut¬ 
lich  vor  Augen.  Am  Eingang  hatten  sich  die  Marinesoldaten  in¬ 
zwischen  höchlichst  an  meinem  Fernstecher  ergötzt,  den  ich  ihnen 
überlassen  hatte,  und  durch  den  sie  bewundernd  die  Umgebung  und 
die  unten  liegenden  prächtigen  neuen  Kriegsschiffe  betrachteten,  die 
niemals  Feuer  in  den  Kesseln,  niemals  Pulver  in  den  Kanonen  seit 
ihrer  Ankunft  im  Goldenen  Horn  gesehen  haben  und  an  der  gleichen 
Stelle,  an  die  sie  vor  Anker  gelegt  worden  sind,  nun  verrosten. 

Von  da  fuhr  ich  über  das  Goldene  Horn  hinüber  nach  dem 
jüdischen  Viertel  Bairat,  um  das  stattliche,  auch  im  Renaissancestil 
gebaute,  sehr  modern  und  gediegen,  namentlich  neben  der  ärmlichen 
Umgebung,  erscheinende  jüdische  Spital  zu  besichtigen.  Hier  kon¬ 
trastierte  das  Innere  nicht  so  mit  dem  Aeusseren.  Der  Betrieb  ist 
vielmehr  durchaus  modern,  soweit  es  sich  eben  machen  lässt.  Da 
aber  das  Spital  ganz  von  mildtätigen  Beiträgen  sich  erhalten  muss 

—  auch  die  Aerzte  arbeiten  ohne  Entgelt,  das  Judenviertel  be¬ 
herbergt  fast  nur  arme  und  vielfach  sehr  arme  Leute,  kleine  Hand¬ 
werker  aller  Art,  bis  herunter  zum  Lastträger  und  kleine  Kaufleute, 

I  rödler,  Matratzenflicker  usw.  — ,  so  konnte  einer  der  grossen,  hohen, 
steingepflasterten  kühlen  Säle  bis  jetzt  noch  nicht  in  Betrieb  ge¬ 
nommen  werden,  er  steht  leer.  Auch  hier  ist  eine  Poliklinik  vorge¬ 
sehen,  deren  grosser  Saal  von  Wartenden  übervoll  war,  sodass  viele 
im  Freien  auf  dem  Boden  zu  warten  vorzogen.  Das  Spital  ist  wie  alle 
anderen  interkonfessionell  gehalten;  namentlich  in  der  Poliklinik  sah 
ich  fast  lauter  türkische  Frauen;  die  Wärterinnen  sind  zum  Teil 
Jüdinnen,  zum  Teil  Griechinnen.  In  den  Frauensälen  fiel  mir  auf,  dass 
mehrere  Patientinnen  Zigaretten  neben  sich  liegen  hatten.  Das  Sei 
allgemein  üblich,  dass  die  Frauen  hier  rauchen,  wurde  mir  geant¬ 
wortet.  Freilich  den  Laparotomierten,  deren  vier  gerade  dalagen, 
wird  dieser  Genuss  zunächst  nicht  erlaubt. 

Eigenartig  und  zeitraubend  ist  die  zeremonnell  höfliche  Art,  wie 
man  überall  empfangen  wird.  Am  auffallendsten  war  uns  dies  beim 
ersten  Besuch,  den  ich  dem  grössten  Hospital  in  Smyrna  abstattete. 
Beim  Vorüberfahren  fiel  uns  —  wir  waren  in  grösserer  Gesellschaft 

—  ein  moderner,  europäisch  aussehender,  hoher  und  ausgedehnter 
weisser  Bau  auf  mit  besonders  hohen  Fenstern.  Es  ist  das  Hospital 
der  Stadt,  von  städtischen  Mitteln  errichtet,  mit  etwa  250  Betten  und 
ebenfalls  sehr  ausgedehntem  poliklinischen  Betrieb.  Wir  Hessen  durch 
den  Dolmetscher,  der  zuerst  nicht  recht  dran  wollte,  anfragen,  ob  wir 
7  2  Damen,  2  Nichtmediziner  und  ein  Kollege  —  das  Hospital  be¬ 
sichtigen  könnten.  Das  wurde  uns  in  freundlicher  Weise  bejaht,  und 
wir  wurden  in  die  elegant  ausgestattete  Apotheke  einzutreten  gebeten. 
Da  sahs  ganz  europäisch  aus.  Die  gleichen  Regale,  die  weissen 
Porzellanbehälter,  die  Flaschen,  und  auf  dem  Ordinationstisch  eine 
Menge  von  Mustern  deutscher  chemischer  Fabriken.  In  allen  Spi¬ 
tälern  waren  die  Chemikalien  fast  ausschliesslich  deutscher  Ab¬ 
kunft.  Dagegen  sind  die  Apparate  mit  Ausnahme  einiger  Sterilisier¬ 
apparate  alle  aus  französischen  Fabriken  gewesen.  Auch  hier  war 
der  eben  in  Einrichtung  begriffene,  geradezu  raffiniert  ausgestattete, 
blendend  helle  Operationssaal  mit  allen  modernen  Utensilien  aus  Paris 
versehen,  nichts  also  erinnerte  an  die  Türkei  in  der  Apotheke  ausser 
den  merkwürdigen  türkischen  Schnörkeln,  die  unter  den  französischen 
Bezeichnungen  auf  den  Flaschen  und  Töpfen  und  Schubläden  ange¬ 
bracht  waren  und  ein  merkwürdiger  Schaukasten,  in  dem  Abgänge 
oder  durch  Operation  gewonnene  Blasen-  und  Nierensteine,  deren 
erstere  eine  Spezialität  allerhäufigster  Art  in  Smyrna  sein  sollen, 
Photographien  von  Aussätzigen  mit  fürchterlichen  Verunstaltungen, 
eine  Frau  vor  der  Operation  ihres  Ovarialkystoms  und  nach  der¬ 
selben,  Präparate  von  Operationen  usw.  ausgestellt  waren.  Meine 
Vermutung,  dass  diese  Dinge  Besuchern  der  Apotheke  oder  des  Kran¬ 
kenhauses  als  Reklame  gezeigt  würden,  bestätigte  sich  aber  nicht. 
Es  war  nur  eine  merkwürdige  Unterbringung  hier  statt  in  dem  vor¬ 


handenen  mikroskopischen  oder  einem  sonstigen  Laboratorium.  Da 
sassen  wir  nun  und  dann  kam  der  Direktor,  ein  behäbig  aussehender, 
freundlicher,  alter,  korpulenter  Türke  in  europäischem,  weit  gehaltenen 
grauen  Anzug,  aber  mit  dem  Fez  auf  dem  Kopfe,  den  die  Türken  stets 
aufbehalten.  Er  freute  sich  sichtlich  über  die  Anerkennung,  die  wir 
hier  und  später  den  Einrichtungen  zollten,  und  dankte  für  unsere 
durch  Gebärden  ausgedrückte  Bewunderung  mit  behaglichen  Hände¬ 
bewegungen  und  Neigen  des  Kopfes.  Aerzte  'waren  leider  keine  an¬ 
wesend.  Später  kam  der  erste  Apotheker,  mit  dem  wir  uns  fran¬ 
zösisch  unterhalten  konnten.  Da  sassen  wir  nun  ungeduldig  und 
warteten  immer  auf  die  Besichtigung.  Es  hiess  aber  auf  unsere  An¬ 
frage  nur  immer:  Gleich,  wir  möchten  uns  nur  ein  wenig  gedulden. 
Auf  was  gewartet  werden  musste,  wollte  uns  gar  nicht  klar  werden. 
Wir  meinten  schliesslich,  ob  vielleicht  die  Damen  störten.  Das  war 
es  aber  nicht.  Endlich  kam  die  Lösung  des  Rätsels  —  auf  präch¬ 
tigem  Silberbrett  wurde  uns  in  silbernen  Bechern,  von  denen  ich 
gerne  einen  wegen  der  schönen  Arbeit  mitgenommen  hätte,  Limonade 
kredenzt.  Erst  nach  dieser  Höflichkeitserweisung  kann  man  zu  seinem 
eigentlichen  Zweck  gelangen.  Das  wiederholte  sich  immer.  Ge¬ 
wöhnlich  wird  man  gefragt,  man  nehme  doch  sicher  eine  Tasse 
Kaffee  zuerst.  Man  bekommt  aber  auch  Limonade.  Das  geht  meist 
wenigstens  etwas  rascher.  Der  Gang  durch  das  weitläufige  Ge¬ 
bäude  war  ausserordentlich  interessant.  Die  Einrichtungen  sind 
durchaus  modern  und  grossstilig.  Licht  flutet  überall  herein,  wo 
nicht  die  Rolljalousien  es  abdämpfen.  Eigenartig  war  aber  doch 
mehreres.  Oben  in  dem  breiten  Gang,  der  sich  links  und  rechts 
von  der  schönen  Marmortreppe  ausdehnt,  lagen  auf  dem  Boden  auf 
Matratzen  einige  20  Kranke,  die  man  in  den  Sälen  nicht  mehr  unter¬ 
bringen  konnte.  Abgewiesen  darf  kein  Kranker  werden  —  also  wird 
untergebracht  wies  eben  geht.  Einer  von  den  Leuten  hatte  seine 
Katze  mit,  die  neben  ihm  auf  der  Matratze  schlief,  gelegentlich  auch 
zwischen  den  Leuten  herumspazierte.  Es  ist  charakteristisch  für 
die  zarte  Behandlung,  deren  sich  die  Tiere  bei  den  Türken  zu  er¬ 
freuen  haben,  dass  man  dieses  Tier  so  gewähren  Hess.  Was  die 
Aerzte  dazu  sagten  —  kann  ich  nicht  berichten.  Dann  kamen  wir  an 
einem  kleinen,  ganz  finsteren  Gemach  vorüber,  in  dem  drei  Männer 
in  Kostümen,  die  offenbar  zum  Besuch  hereingekommen  waren,  da 
die  Kranken  alle  Anstaltstracht  erhalten,  um  zwei  Betten  traurig 
herumsassen;  es  ist  dies  die  Sterbekammer,  in  die  die  Kranken  un- 
•mittelbar  vor  ihrem  Tode  gebracht  zu  werden  pflegen.  Wir  be¬ 
sichtigten  dann  noch  mehrere  Säle,  die  Laboratorien,  man  zeigte  uns 
auch  den  in  Kioskstil  gebauten  Kaninchenstall,  der  zum  bakteriologi¬ 
schen  Laboratorium  gehört.  Alles  ganz  modern.  Allmählich  hatte  sich 
eine  ganze  Schar  von  Wärtern  um  uns  versammelt,  die  neugierig 
uns  beobachteten.  Ein  Wort  des  Verwalters  allerdings  genügte  dann, 
um  die  Leute  in  schleunigste  Bewegung  zu  versetzen.  Das  Verhältnis 
der  Untergebenen  hat  noch  etwas  Sklavenhaftes  und  mit  den  Leuten 
änderte  sich  auch  der  Ausdruck  unseres  sonst  so  freundlichen  Be¬ 
gleiters  in  ein  barsches,  wenn  auch  ruhiges,  Befehlen.  Das  Hospital 
verliessen  wir  mit  grosser  Befriedigung.  Wer  erwartete  auch  in 
einer  Stadt,  in  der  kein  Licht  die  Strassen  nachts  erhellt,  es  müsste 
denn  sein,  dass  aus  dem  noch  immer  nicht  ausverkauften  Korbe  eines 
Trauben-  oder  Feigenhändlers  ein  flackerndes  Oellämpchen  oder 
eine  aufgesteckte  Kerze  herausleuchtet,  wo  die  Kamele  von  dem 
Innern  Asiens  in  langen  Zügen  ihre  Schätze  herbeibringen,  wo  die 
europäische  Kleidung  im  Gegensatz  zu  Konstantinopel  —  erfreu¬ 
licherweise  fürs  Auge  —  noch  recht  selten  ist,  kurz,  wo  die  Kultur 
noch  einen  ausgeprägten  orientalischen  Charakter  trägt,  ein  voll¬ 
ständig  modernes  Krankenhaus  zu  finden,  das  jeder  europäischen 
Grossstadt  nur  Ehre  machen  würde.  Freilich  ist  Smyrna  im  Wesen 
vielleicht  doch  viel  moderner  als  Konstantinopel.  Was  diesem  An¬ 
sehen  und  Bedeutung  gibt,  die  alte  Pracht  und  der  Hof,  das  fehlt 
hier.  Smyrna  bietet  gar  nichts  sehenswertes.  Dafür  aber  fehlt  auch 
der  lähmende  Einfluss  des  Konservativismus  oder  er  ist  mehr  den 
Handelsbedürfnissen  gewichen,  die  ein  Ueberwiegen  der  Kaufleute 
—  namentlich  der  Griechen  —  mit  sich  gebracht  hat.  Der  Einfluss 
zeigt  sich  in  der  besseren  Pflasterung  der  Strassen,  den  besser  ge¬ 
bauten  Häusern,  dem  modernen  Kai  mit  Trambahn,  europäischen 
Häuserfronten,  Cafes,  dem  Vorhandensein  von  Automobilen  und  dem 
Mangel  der  auf  den  Strassen  herumlungernden  Hunde,  um  die  Men¬ 
schen  und  Wagen  in  Konstantinopel  vorsichtig  herumgehen. 

Ein  weiter  Sprung.  Es  war  auf  der  Rückreise  von  Marseille  in 
der  Bahn.  Im  vollgepfropften  Coupe  drei  Französinnen,  Südfran¬ 
zösinnen,  mit  Kindern.  Das  Gespräch  führt  eine  Provenzalin.  Eine 
lebhafte,  schwarze,  rundliche  Bürgersfrau,  ziemlich  elegant  aber  etwas 
burschikos  in  den  Manieren  —  um  die  Hitze  los  zu  werden,  rafft  sic 
die  Röcke  bis  gut  herauf  über  die  Waden  und  knüpft  sich  Aermel 
und  Kragen  auf  und  fächelt  sich  fortwährend  mit  ihrem  kleinen 
Fächer.  Sie  springt  von  einem  Gespräch  zum  andern.  Schliesslich 
kommt  sie  auf  Lourdes  zu  sprechen.  Drei  wunderbare  Fälle  habe 
sie  selbst  miterlebt!  Ein  Mädchen,  krumm  und  lahm,  versuchte 
noch  vergebens  die  Stufen  in  Lourdes  hinaufzugehen.  Plötzlich  be¬ 
kommt  sie  Krämpfe,  die  Hände,  die  vorher  krampfhaft  geschlossen 
gewesen,  zittern  und  fangen  an,  sich  zu  öffnen,  der  ganze  Körper 
gerät  in  Konvulsion,  und  unter  Schluchzen  wankt  sie  zum  ersten 
Male  seit  langer  Zeit  allein  vorwärts.  2.:  Ein  Blinder,  der  an  die 
heilige  Stätte  hingekommen  sei,  geführt  von  seiner  Schwester,  ge¬ 
senkten  Hauptes.  Plötzlich  ein  gellender  Schrei  des  Entzückens: 
j’y  vois,  j’y  vois!  Und  dann  ein  überglückliches  Stammeln  von  dem 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1643 


Wunder,  das  ihm  zuteil  geworden.  Wie  ein  Schleier  sei  die  Blindheit 
heruntergefallen  vor  seinen  Augen.  3.:  Ein  junger  Mann,  der  seit 
Kindheit  gelähmt,  mühsam  an  Krücken  sich  fortschleppte.  Auf  der 
2.  Stufe  angelangt,  wirft  er  plötzlich  seine  Krücken  weg  und  steigt 
frei  und  gewandt  die  Stufen  hinauf.  —  Also  alltägliche  Fälle  an  sich. 
Aber  welch  glänzende  Augen  voll  starren  Staunens  bei  den  Zu- 
nörern.  Und  welch  begeisterter  Schluss  der  Sprecherin:  O  n'y  croit 
pas  —  Achselzucken  —  moi  je  n’y  crois  pas  non  plus  — .  Ich 
habe  es  gesehen,  gesehen  mit  meinen  Augen,  was  gibt  es  da  noch 
zu  glauben? 

Ein  junger  Franzose  in  der  Ecke  lächelt  spöttisch  und  murmelt 
etwas  vor  sich  hin.  Ja:  welche  Aehnlichkeit  doch  zwischen  Ost 
und  West!  Dort  die  heulenden  Derwische,  die  sich  heiser  schreien 
und  den  Rücken  und  den  Hals  verstauchen  und  die  furchtsamen  Rat¬ 
geber  des  Sultans,  die  gegen  das  elektrische  Licht  als  Teufelswerk 
toben,  und  die  Weiber,  die  den  Photographieapparat  fürchten  wie  ein 
Hexenwerk  —  und  hier  die  moderne  Europäerin,  der  sich  aus  Bayerns 
Landtagspräsidium  ein  ebenbürtiger  Schwärmer  an  die  Seite  stellen 
liesse  —  wo  sind  da  die  grossen  Unterschiede?  Wahn,  Wahn,  über¬ 
all  Wahn!  Wir  brauchen  nicht  allzu  stolz  zu  sein,  wir  Europäer, 
wir  besseren  Menschen!  Wenn  wir  auch  recht  sehr  dazu  neigen 
im  Augenblick,  wo  wir  in  jener  merkwürdigen  Halbkultur  am  Ost¬ 
ende  Europas  und  am  Westende  Asiens  weilen! 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Alfred  Adler:  Studie  über  die  Minderwertigkeit  von 
Organen.  Urban  &.  Schwarzenberg.  Berlin-Wien 
1907.  92  Seiten.  3  Mark. 

Die  vorliegende  Studie,  welche  stark  von  den  Freud- 
schen  Gedankenkreisen  beeinflusst  ist,  enthält  zwei  Grund¬ 
ideen.  Die  eine  ist  die  Annahme,  dass  es  eine  primäre  Minder¬ 
wertigkeit  von  Organen  gibt,  welche  für  Entstehung,  Lokali¬ 
sation  und  Ablauf  der  Krankheiten  von  entscheidender  Be¬ 
deutung  sei,  die  zweite  ist  die,  dass  eine  solche  Organminder¬ 
wertigkeit  durch  Kraftleistungen  auf  dem  übergeordneten 
psychischen  Felde  nicht  nur  ausgeglichen,  sondern  über¬ 
kompensiert  werden  könnte.  So  vortrefflich  nun  diese  beiden 
leitenden  Gedanken  dazu  angetan  wären,  die  Grundlage  für  ein 
experimentelles  Vorgehen  auf  dem  genannten  Gebiete  zu  bilden, 
so  ungenügend  muss  die  Beweisführung  Adlers  in  einer  so 
schwierigen  Frage  bezeichnet  werden.  Nicht  nur,  dass  er  in 
den  Fehler  der  einseitig  Begeisterten  verfällt,  nun  aus  diesem 
ja  vielleicht  ganz  fruchtbaren  Gedanken  heraus  alles  erklären 
zu  wollen  und  alle  bisher  in  der  Aetiologie  der  Krankheiten 
als  unbedingt  richtig  erkannten  und  oft  allein  ausschlaggebenden 
Faktoren,  wie  Mass  und  Art  der  bakteriellen  Infektionen, 
mechanische  Ursachen  usw.  zu  vernachlässigen,  sondern  es  ist 
auch  nicht  der  leiseste  Versuch  gemacht,  in  einem  von  den 
vielen  angeführten  Fällen  die  Organminderwertigkeit  anders  zu 
erweisen,  als  durch  Angabe  von  anamnestischen  Daten  (Be¬ 
tonung  der  Erblichkeit,  Aufführung  der  Kinderfehler),  des  Ver¬ 
haltens  von  Reflexen  und  der  subjektiven  Aussagen  der  Patien¬ 
ten.  Wen  hätte  es  nicht  schon  gelockt,  dem  Gedanken  an  an¬ 
geborene  oder  erworbene  Organschwäche,  der  doch  auch  gar 
nicht  neu  ist,  nachzugehen?  Und  sind  nicht  schon  die  Anfänge 
einer  rationellen  Prüfung  des  interessanten  Problems  durch 
Anstellung  funktioneller  Examina  der  Organe  gemacht?  Eines 
der  Ziele,  die  wir  erreichen  müssen,  ist  ja  dies,  die  Leistungs¬ 
fähigkeit  gesunder  und  kranker  Organe  feststellen  zu  können, 
und  das  Ideal  wäre  dies,  wenn  für  einen  bestimmten  Patienten 
schon  aus  seinen  gesunden  Tagen  her  Mass  und  Güte  seiner 
Organfunktionen  feststünde.  Dass,  wie  Adler  behauptet,  für 
die  Minderwertigkeit  der  Organe  morphologische  Kennzeichen 
vorhanden  wären,  ist  nicht  richtig.  Denn  keineswegs  entspricht 
7..  B.  die  Missbildung  eines  Organs,  z.  B.  einfache  Hypoplasie 
der  Niere,  einer  Minderwertigkeit  derselben  in  Adlers  Sinn, 
dass  z.  B.  ein  solches  Organ  der  Ansiedlung  von  Infektionen 
besonders  ausgesetzt  wäre  oder  besonders  oft  genuine 
Schrumpfung  zeigte.  Und  insbesondere  enthüllt  uns  das  Mikro¬ 
skop  nichts,  aber  auch  gar  nichts,  was  sich  als  Minderwertig¬ 
keit  eines  Organgewebes  bezeichnen  liesse. 

Der  Verfasser  geht  so  weit,  das  Befallenwerden  auch 
vieler  Personen  in  Epidemiezeiten,  z.  B.  durch  Diphtherie,  nur 
auf  Grund  vorhandener  Minderwertigkeiten  der  Rachenorgane 
gelten  zu  lassen,  oder  führt  als  Beispiel  für  Minderwertigkeit 
des  Sehorganes  an,  dass  ein  Knabe  in  wenig  Jahren  mehrmals 
von  fremder  Hand  eine  Verletzung  des  Auges  erlitt!  In  Ver¬ 


folgung  der  genannten  zweiten  Grundidee  kommt  er  zum 
Schluss,  dass  infolge  Ueberwindung  ursprünglich  unternor¬ 
maler  Fähigkeiten  aus  Leuten  mit  „oraler  Minderwertigkeit“ 
hervorragende  Schauspieler,  aus  Enuretikern,  welche  im  spä¬ 
teren  Leben  häufig  noch  vom  nassen  Element  träumen,  be¬ 
sonders  tüchtige  Schwimmer  und  Ruderer  würden,  dass 
mancher  passionierte  Tourist,  Schlittschuh-  und  Skiläufer  ur¬ 
sprünglich  ein  Minderwertiger  in  Bezug  auf  die  Beine  ge¬ 
wesen  ist.  Die  Hypertrophie  des  Herzens  bei  Nierenschrump¬ 
fung  wird  dem  Verfasser  erst  verständlich  durch  die  Annahme 
einer  gleichzeitigen  Minderwertigkeit  des  Blutgefässysteins; 
überhaupt  wird  oft  die  Annahme  von  Kombinationen  der 
Minderwertigkeiten  notwendig,  z.  B.  gleichzeitige  Minder¬ 
wertigkeit  von  Darm  und  Sexualorganen,  Darm-  und  Respira- 
tionstraktus.  Auf  diese  Weise  lassen  sich  natürlich  viele  Fälle 
unterbringen.  Die  minderwertigen  Organe  sollen  bald  Ver¬ 
änderungen  atrophischer,  bald  solcher  hypertrophischer  Natur 
zeigen  und  zum  Neoplasma  ist  dann  nur  „ein  Schritt“.  Die 
Riesenzellen  bei  der  Tuberkulose  erwecken  dem  Verfasser  den 
Verdacht,  dass  es  sich  bei  ihnen  um  dieselbe  Wachtstums- 
tendenz  handelt,  wie  sie  minderwertigen  Organen  zukomme; 
doch  genug  der  Beispiele.  Wo  der  Verfasser  sich  auf  psychi¬ 
atrisch-psychologische  Gebiete  begibt,  können  wir  ihm  auch 
nicht  folgen,  und  es  ist  zu  fürchten  oder  zu  hoffen  —  wie  man 
will  — ,  dass  er  damit  nicht  vielen  Beifall  finden  wird,  wenn 
er  sich  bemüht,  alle  Neurosen  und  Psychoneurosen  auf  Organ- 
minderwertigkeit  zurückzuführen. 

Robert  R  ö  s  s  1  e  -  München. 

V.  Babes:  Beobachtungen  über  Riesenzellen.  Mit 

10  farbigen  Tafeln.  Bibliotheca  Medica.  Abteilung  C.  Heft  20. 
Stuttgart,  Verlag  von  Erwin  Nägele,  1905.  Preis  60  M. 

Verfasser  hat  auf  Grund  eines  reichen  Untersuchungs- 
materials  die  Morphologie,  Entstehung  und  Herkunft  der 
Riesenzellen,  welche  bei  den  verschiedenen  pathologischen 
Vorgängen  beobachtet  werden,  einem  erneuten  sorgfältigen 
Studium  unterworfen. 

Nach  einem  kurzen  historischen  Ueberblick  über  die  Lehre 
von  der  Riesenzellenbildung  im  allgemeinen  und  einer  Zurück¬ 
weisung  der  M  e  t  s!  c  h  n  i  k  o  if  f  sehen  Makrophagenlehre 
werden  im  1.  Abschnitt  die  Fremdkörperriesen¬ 
zellen  besprochen.  Babes  fasst  unter  diesem  Begriff  alle 
diejenigen  Riesenzellen  zusammen,  welche  überhaupt  korpus- 
kuläre  Elemente  irgend  welcher  Art  in  sich  aufnehmen  und 
eventuell  zur  Resorption  bringen.  Eine  Entstehung  dieser 
Zellen  durch  Verschmelzung  von  Leukozyten  und  Polyblasten 
konnte  Verfasser  niemals  beobachten,  wohl  aber  konnte  er  die 
Entstehung  aus  Blut-  und  Ly  mphgefässs  prossen 
nachweisen. 

Eine  sehr  ausführliche  und  fesselnde  Darstellung  hat  im 
2.  Abschnitt  die  Frage  von  der  Riesenzellenbildung  bei  Tu¬ 
berkulose  gefunden.  Nach  den  Untersuchungen  des  Ver¬ 
fassers  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  ein  grosser 
Teil  der  Tuberkuloseriesenzellen  aus  einer  Sprossung 
von  Gefässen  erfolgt,  eine  Tatsache,  welche  auch  der  Re¬ 
ferent  auf  Grund  seiner  eigenen  Beobachtungen  nur  bestätigen 
kann. 

Im  3.  und  4.  Abschnitt  wird  die  Riesenzellenbildung  bei 
R  o  t  z  und  Lepra  besprochen. 

Von  besonderer  Bedeutung  ist  auch  der  5.  Abschnitt, 
welcher  die  Riesenzellenbildung  von  Geschwülsten  be¬ 
handelt.  Namentlich  ist  es  von  Interesse,  dass  B.  die  von 
Arnold  angenommene  Entstehung  von  Riesenzellen  durch 
einfache  Segmentierung  und  indirekte  Fragmentierung  des 
Kernes  bei  den  Geschwulstzellen  nicht  konstatieren  konnte. 
Wenn  B.  auch  zugibt,  dass  es  in  vielen  Fällen  nicht  gelingt,  die 
Entstehungsweise  der  Riesenzellen  festzustellen,  so  sollen  nach 
seinen  Beobachtungen  doch  die  meisten  Riesenzellen 
auf  dem  Wege  der  Knospung  und  multipolaren 
indirekten  Kernteilung  entstehen,  wobei  die 
auftretenden  Mitosen  sich  i  m  wesentlichen 
wenig  von  den  normalen  Kernteilungs¬ 
figuren  unterscheiden.  Auch  die  Metschnikoff- 
sche  Annahme,  dass  die  Kerne  der  Riesenzellen  durch  Quel¬ 
lung  der  chromatischen  Fäden  entständen,  wird  von  B.  zu- 


1644 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


rückgewiesen ;  ebenso  hält  er  die  Entstehung  von 
Riesenzellen  durch  Verschmelzung  kleinerer 
Zellen  für  durchaus  unerwiesen. 

Der  6.  und  7.  Abschnitt  (nicht  8.  und  9.,  wie  irrtümlicher¬ 
weise  gedruckt  ist)  endlich  handeln  von  Riesenzellenbildung 
im  Muskel-  und  Nervengewebe,  sowie  der  Riesen¬ 
zellenbildung  aus  epithelialen  Elementen. 

Der  letzte  (8)  Abschnitt  enthält  Schlussbemerkungen,  in 
welchen  der  Verf.  das  Wesentliche  an  neuen  Tatsachen  und 
neuen  Gesichtspunkten,  welche  seine  eigenen  Untersuchungen 
für  die  Bedeutung  und  Entstehung  der  verschiedenen  Formen 
der  Riesenzellen  ergeben  haben,  nochmals  kurz  zusammenfasst. 

Einige  besonders  wichtige  Ergebnisse  haben  bereits  bei 
der  Besprechung  der  einzelnen  Abschnitte  Erwähnung  ge¬ 
funden.  Hervorgehoben  sei  noch,  dass  nach  B.  die  Knos¬ 
pe  n  b  i  1  d  u  n  g  namentlich  dann  zur  Entstehung 
von  Riesenzellen  führt,  „w  enn  die  infolge 
einer  regenerativen  oderformativen  Reizung 
entstandene  Ge websknospung  in  ihrer  natür¬ 
lichen  Entwicklung  zu  Gewebsanteilen  be¬ 
hindert  ist,  ohne  dass  ihre  Wachstumsenergie 
bedeutendere  Einbusse  erlitten  hätt  e“. 

Hinsichtlich  der  Funktion  der  Riesenzellen  ist  B.  auf 
Grund  seiner  Untersuchungen  zu  der  Anschauung  gelangt, 
„dassdiePhagozytosekeinesfallsdiewesent- 
liehe  Ursache  und  der  Endzweck  der  Riesen- 
zellenbildung  sein  kann,  nachdem  der  Ein¬ 
schluss  von  Fremdkörpern  gewöhnlich  nicht 
zu  Anfang  der  riesenzelligen  Knospenbildung 
beobachtet  wird  und  in  vielen  Fällen  über- 
hauptnichtz  u  konstatierenist,  währendalle  r- 
dings  andere  wichtige  Momente,  welche  mit 
Phagozytose  nichts  zu  tun  haben,  von  Anfang 
an  im  Sinne  der  Bildung  von  regenerativen 
Prozessen,  von  Gefässknospen  und  Inseln,  na¬ 
mentlich  aber  von  Riesen  zellen  die  Gewebe 
beeinflusse  n“. 

Im  übrigen  muss  bezüglich  der  Einzelheiten  der  ebenso 
interessanten,  als  reichen  und  mannigfaltigen  Resultate  dieser 
überaus  sorgfältigen  und  gründlichen  Untersuchungen  auf  das 
Original  verwiesen  werden,  zumal  dieselben  vielfach  nur  an 
der  Hand  der  zahlreichen  Abbildungen,  welche  sich  durch 
grosse  Klarheit  und  vorzügliche  Ausführung  auszeichnen,  leich¬ 
ter  zu  verstehen  sind.  G.  Hauser. 

Georges  Hayem:  Les  evolutions  pathologiqttes  de  la 
digestion  stomacale.  Masson  et  Cie,  Paris  1907,  236  Seiten. 

Hayem  bestimmt  durch  verschiedene  Untersuchungen 
die  Menge  der  Gesamtazidität,  der  freien  und  gebundenen  Salz¬ 
säure,  des  fixen  Chlors  und  der  gesamten  Chloride  des  Magen¬ 
inhalts.  Je  nach  dem  wechselnden  Verhältnis  der  einzelnen 
Komponenten  zu  einander  unterscheidet  er  eine  geradezu  ver¬ 
wirrende  Menge  pathologischer  Zustände  sekretorischer  und 
motorischer  Art.  So  stellt  er  drei  Grade  von  Hypopepsie  auf, 
spricht  von  einer  verlangsamten  und  beschleunigten  Hyper- 
pepsie,  von  einem  hyperpeptischen  und  hypopeptischen  Typ 
der  Hyper-  resp.  Hyposekretion.  Das  Verfahren,  das  nicht  nur 
zeitraubende  Untersuchungen,  sondern  auch  eine  mehrmalige 
Ausheberung  bei  der  gleichen  Person  in  kurzen  Zwischen¬ 
räumen  verlangt,  hat  sich  bisher  in  Deutschland  keinen  Eingang 
verschafft  und  wird  sich  wohl  auch  weiterhin  wenig  Anhänger 
erwerben.  F.  Perutz- München. 

Dr.  Antoine  Perretiere:  Traite  des  maladies  de  la  voix 
cliantee.  Paris  1907.  Pr.  8  Fr. 

Das  zunehmende  Interesse,  das  den  stimmwissenschaft¬ 
lichen  Problemen  in  neuerer  Zeit  von  manchen  Laryngologen 
entgegengebracht  wird,  hat  in  dem  Erscheinen  verschiedener, 
zum  Teil  vortrefflicher  Publikationen  Ausdruck  gefunden. 
Auch  das  vorliegende  Buch  Perretieres  kann  als  eine  wert¬ 
volle  Bereicherung  der  stimmärztlichen  Literatur  bezeichnet 
werden,  insoferne  es  in  ausführlicher  Beschreibung  der  ver¬ 
schiedenen  Krankheitsformen  ein  gutes  und  ziemlich  voll¬ 
ständiges  Bild  von  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Singstimmen¬ 


pathologie  gibt..  Freilich  werden  hiebei  auch  verschiedent¬ 
lich  allzu  ausführlich  einige  Erkrankungen  besprochen,  die  zu 
der  Singstimme  keine  direkte  Beziehung  haben,  wie  Diphtherie, 
Karzinom  und  auch  sonst  manche  Krankheitsbilder  allzu  breit 
vom  rein  laryngologischen  Standpunkt  aus  behandelt,  sodass 
man  oft  ein  Lehrbuch  der  Laryngologie  vor  sich  zu  haben 
glaubt.  Erfreulich  ist,  dass  neben  gebührender  Würdigung 
verschiedener  Allgemeinerkrankungen  hinsichtlich 
ihres  Einflusses  auf  die  Gesangsstimme,  auch  die  besonders  in 
letzter  Zeit  wieder  in  den  Vordergrund  gestellten  gesangsärzt¬ 
lichen  Prinzipien  —  die  verschiedenen  Formen  von  fehlerhafter 
Technik  sowie  stimmliche  Ueberanstrengung  als  ätiologische 
Momente  —  einer  ziemlich  eingehenden  Erörterung  unterzogen 
werden.  Doch  müsste  das  in  praktischer  Hinsicht  so  überaus 
wichtige  Krankheitsbild  der  funktionellen  Stimmschwäche,  der 
Phonasthenie  im  Sinne  F  1  a  t  a  u  s  genauer  präzisiert  sein,  wie 
es  wohl  von  den  meisten  Lesern  als  Mangel  empfangen  werden 
dürfte,  dass  nicht  auch  eine  ausführlichere  kritische  Würdigung 
der  jeweilig  in  Frage  kommenden  therapeutischen  Massnahmen 
Platz  gefunden  hat.  Häufige  Wiederholungen  sind  zum 
grössten  Teil  in  der  nicht  in  allen  Teilen  besonders  glücklichen 
Anordnung  des  Stoffes  begründet.  Ein  umfangreiches  Li¬ 
teraturverzeichnis,  das  auch  die  neuesten  Erscheinungen  be¬ 
rücksichtigt,  bildet  den  Schluss  des  303  Seiten  umfassenden, 
empfehlenswerten  Buches.  Zimmermann-München. 

Külz:  „Blätter  und  Briefe  eines  Arztes  aus  dem  tropischen 
Deutschafrika“,  bei  Wilhelm  Süsserott,  Berlin  W.,  Goltz¬ 
strasse  24.  230  Seiten. 

Um  das  Verständnis  für  unsere  Kolonien  auch  in  der  Hei¬ 
mat  zu  vertiefen,  die  Vorstellungen,  die  man  von  ihnen  hat, 
zu  klären  und  zu  zeigen,  dass  auch  dort  an  der  Lösung  aus¬ 
sichtsvoller  Aufgaben  im  Grossen  wie  im  Kleinen  gearbeitet 
wird,  hat  die  Frau  des  Regierungsarztes  Dr.  Külz  die  Blätter 
und  Briefe,  die  ihr  Gatte  in  die  Heimat  gelangen  liess,  ge¬ 
sammelt  und  einen  ausgewählten  Teil  ohne  sein  Wissen  der 
Oeffentlichkeit  übergeben. 

Es  ist  ein  gutes  Buch  zur  richtigen  Zeit.  Anders  berichtet 
der  Weltenbummler,  anders  der  Jäger  und  Forscher,  anders 
der  Reichstagsabgeordnete  als  der  Gatte,  der  in  Briefen,  in  die 
Heimat  meist  an  seine  Gattin  gerichtet,  über  Alltagsarbeit  im 
Alltagsleben  erzählt.  Die  Zensur  des  auswärtigen  Amtes  ver¬ 
hindert  nicht  die  Betonung  des  eigenen  Standpunktes,  auch  dort 
nicht,  wo  er  sich  auf  Bahnen  bewegt,  die  von  der  massgeben¬ 
den  Behörde  nicht  geteilt  werden.  Nicht  ganz  mit  Unrecht 
nennt  die  Gattin  des  in  der  Ferne  weilenden  Arztes  die  Ver¬ 
öffentlichung  eine  Indiskretion,  immerhin  ist  sie  es  nur  im  aller¬ 
besten  Sinne,  und  wird  von  dem,  dessen  Streben  und  Arbeiten 
sie  erzählt,  nicht  als  solche  empfunden  werden  können. 

Der  äussere  Gang  ist  einfach.  K.  war  von  Juli  1902  bis 
Januar  1904  in  Togo  und  zwar  im  heutigen  Anecho  als  Leiter 
des  Nachtigal-Krankenhauses  und  nach  Heimatsurlaub  von 
August  1904  bis  Juli  1905  abermals  in  Togo,  teils  im  Hinter¬ 
land,  teils  am  alten  Wirkungsort  tätig,  dann,  auf  seinen  Wunsch 
versetzt,  vom  Juli  1905  bis  Januar  1906  in  Kamerun  und  zwar 
im  Siidbezirk,  teils  im  Innern,  teils  an  der  Küste.  Er  hat  mit 
offenen  Augen  die  grossen  Fragen  unserer  Kolonialpolitik  ge¬ 
sehen  und  sie  mit  nüchternem  Geist  und  in  scharfer  Fassung 
beurteilt.  Wo  er  negiert,  fehlt  nie  der  positive  Vorschlag. 
Manches,  was  er  mitteilt,  betrifft  den  ärztlichen  Wirkungskreis, 
mehr  noch  der;  des  allgemeinen  Tropenpolitikers.  Seine  Cha¬ 
rakteristik  des  Küstennegers,  seine  Beurteilung  der  Frauen¬ 
frage,  seine  Erläuterungen  über  die  Mission  und  vieles  andere, 
entsprechen  der  unausgesprochenen  Ansicht  vieler.  Sein  ärzt¬ 
liches  Wirken,  besonders  in  Togo,  seine  Liebe  zur  alten  und 
zur  neuen  Heimat,  wiederum  unter  letzterer  besonders  Togo 
verstanden,  lassen  den  Leser  das  Buch  und  den,  dessen  Wirken 
es  darstellt,  lieb  gewinnen. 

Es  ist  eine  wohltätige,  schmucklose  Darstellung,  die  nichts 
beansprucht,  aber  viel  gibt,  doppelt  wohltätig,  weil  sie  in  dieser 
Zeit  der  Verleumdung  und  Anschwärzung  unserer  besten  Vor¬ 
kämpfer  in  den  Kolonien,  obschon  nicht  für  die  Oeffentlich¬ 
keit  geschrieben,  sich  frei  haltend  von  jedem  Klatsch,  ehrliches 
Streben  und  Mühen  zum  Teil  gerade  der  Angeschuldigten  dar¬ 
stellt,  nicht  ohne  die  Fehler  und  Ursachen  der  Misserfolge  dort 


i3.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1645 


aufzudecken,  wo  sie  bis  dahin  nur  einzelne,  neuerdings  aber 
auch  die  Oeffentlichkeit  gefunden  haben. 

zur  Verth-  Tsingtau. 

Jahrbuch  der  sexuellen  Zwischenstufen,  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  Homosexualität.  Herausgegeben  unter 
Mitwirkung  namhafter  Autoren  im  Namen  des  wissenschaftlich¬ 
humanitären  Komitees  von  Dr.  med.  M.  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d. 
VIII.  Jahrgang  1906.  S  p  o  h  r  s  Verlag,  Leipzig.  940  Seiten. 
M.  16.60. 

Von  vornherein  wird  man  nicht  gerade  mit  angenehmen 
Gefühlen  an  die  Lektüre  des  in  diesen  Jahrbüchern  auf¬ 
gestapelten  Materials  herangehen.  Gewiss  ist  die  Form  des 
Gebrachten  einwandfrei.  Aber  der  Standpunkt  ist  doch  nicht 
ein  rein  wissenschaftlicher,  sondern  es  ist  die  Wissenschaft 
zurVerteidigung,  ja  gelegentlich  zur  Idealisierung  einesGeistes- 
zustandes  verwertet,  der  eben  normal  Empfindenden  unsym¬ 
pathisch,  ja  abstossend  erscheint,  namentlich  von  dem  Moment 
an,  wo  er  gar  verherrlicht  werden  soll,  wenn  z.  B.  die  sozialen 
Gefühle  auf  die  gleichen  Wurzeln  zurückgeführt  werden,  wie 
die  gleichgeschlechtliche  Variante  der  Liebe. 

Dagegen  muss  gerade  dem  Arzt  auch  diese  Seite  der 
menschlichen  Natur  nicht  fremd  bleiben  und  er  muss  sich  Ver¬ 
ständnis  und  Mitempfindung  für  die  Leiden  erwerben,  die  aus 
dieserVeranlagung  entspringen,  deren  krankhaftes  Wesen  auch 
dann  noch  selbst  Homosexuellen  im  Bewusstsein  bleiben  wird, 
wenn  die  strafrechtliche  Aechtung  der  Aeusserung  dieser  Krank¬ 
heit  aufgehoben  wird  —  eine  Massnahme,  die  mir  gerecht¬ 
fertigt  erscheint,  sofern  die  etwa  bestehenden  Gefahren  der  Ver¬ 
führung  jugendlicher  Personen  u.  a.  verhütet  werden,  die  auch 
die  jetzt  üppig  insKraut  schiessende  Literatur  vermindern  würde 
und  die  Aeusserungen  der  Homosexuellen  dahin  im  grossen 
und  ganzen  verschlösse,  wohin  die  intimsten  seelischen  Ange¬ 
legenheiten  gehören:  die  eigene  Brust  oder  die  intimer  Freunde 
bezw.  des  Arztes.  Einstweilen  muss  man  es  vom  Standpunkt 
der  unglückselig  Veranlagten  begreiflich  finden,  wenn  sie  sich 
ihrer  Menschenwürde  wehren,  die  ja  nicht  durch  die  geschlecht¬ 
liche  Seite  allein  begründet  oder  vernichtet  wird. 

Um  nun  die  richtige  Auffassung  der  Frage  zu  vermitteln, 
dazu  sind  die  „Jahrbücher“  als  eine  möglichst  vollständige 
Sammlung  alles  in  Betracht  kommenden  Materiales  und  wissen¬ 
schaftlich  kritischer  Arbeiten  gegründet  und  auch  durchaus  ge¬ 
eignet.  Sie  stehen  zwar  von  vorneherein  vor  allem  auf  dem 
Standpunkt  der  Abschaffung  des  §  175  des  St.G.B.  und  einer  ge¬ 
wissen  „humanitären“  Sympathie  für  das  Urningtum.  Das 
hindert  aber  nicht,  dass  gegnerische  Anschauungen  in  der 
Literaturberichten,  wenn  auch  kritisiert,  erscheinen.  Auch 
ist,  natürlich  in  abwechselndem  Grade,  wissenschaftlich  Bedeut¬ 
sames  darin  enthalten.  So  dürften  die  Jahrbücher  jedenfalls  ein 
wertvolles,  anderwärts  unerreichbares  Quellenstudium  er¬ 
möglichen,  dessen  Einzelheiten  ja  vielleicht  nur  den  Psychiater 
und  Neurologen  unter  den  Aerzten  interessieren,  dessen  un¬ 
gefähre  Kenntnis  aber  doch  auch  jedem  Praktiker  geläufig 
sein  sollte,  da  er  durch  sein  aufklärendes  Eingreifen  manches 
Unglück  zu  verhüten  vermöchte. 

Von  dem  Inhalt  des  vorliegenden  Bandes  seien  erwähnt: 
Vom  Wesen  der  Liebe,  zugleich  ein  Beitrag  zur  Bisexualitäts¬ 
frage  (Magnus  Hirschfeld).  Die  urnische  Frage  und  die 
Frau  (Frau  Elisabeth  Dauthendey).  Kritik  der  näheren 
Vorschläge  zur  Abänderung  des  §  175  von  Dr.  B.  Fried- 
1  ä  n  d  e  r.  Homosexuelle  in  Dantes  göttlicher  Komödie  von 
Freiin  von  Verschner,  Helene  Petrowna  Blavatzky,  ein 
weiblicher  Ahasver,  Hadrian  und  Antonius  von  Dr.  Kiefer. 
Literatur-  und  kulturgeschichtliche  Beiträge  von  Dr.  Iwan 
Bloch,  Dr.  Birnbaum,  Dr.  Friedländer.  Zusammen¬ 
stellung  der  Literatur  über  Hermaphroditismus  beim  Menschen 
von  Dr.  F.  v.  Neugebauer.  Bibliographie  der  Homo¬ 
sexualität  des  Jahres  1905.  Dr.  Neustätte  r. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  63.  Band.  5.  u.  6.  Heft. 

19)  J  ii  r  g  e  n  s:  Klinische  Untersuchungen  über  Pneumonie.  (Aus 
der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Der  Verfasser  berichtet  an  der  Hand  von  Krankengeschichten 
Über  die  Befunde  der  röntgenologischen  Untersuchung,  welche  be¬ 


sonders  für  die  Diagnose  postpneumonischer  Zustände  von  grösster 
Bedeutung  ist.  Die  verzögerte  Resolution  lässt  sich  daran  erkennen, 
dass  der  Schatten  sich  gleichmässig  aufhellt  und  schliesslich,  wenn 
auch  erst  nach  längerer  Zeit,  völlig  verschwindet;  der  Uebergang  in 
chronische  Pneumonie  und  Karnifikation  daran,  dass  ein  intensiver 
Schatten  bestehen  bleibt,  manchmal  sogar  noch  intensiver  wird,  wenn 
er  auch  an  Ausdehnung  abnimmt.  Der  Ausgang  in  Gangrän  und 
Abszessbildung  lässt  sich  meist  deutlich  verfolgen,  die  Heilungs¬ 
tendenz  derselben  wird  durch  die  Verkleinerung  des  Schattens  oft 
eher  erkannt,  als  es  nach  dem  Allgemeinbefinden  und  dem  objektiven 
Befund  zu  vermuten  ist.  Besonders  wertvoll  aber  ist  die  Röntgen¬ 
untersuchung  für  die  Erkennung  des  Zusammenhangs  mit  einer  an 
die  Pneumonie  anschliessenden  Tuberkulose.  Das  Röntgenbild  zeigt 
in  vielen  Fällen,  dass  das  pneumonische  Exsudat  sich  gleichmässig 
aufhellt,  dass  aber  dann  allmählich  wieder  vereinzelte  Schattierungen 
auftreten,  es  zeigt  sich  nicht  selten,  dass  durch  die  pneumonische 
Infektion  nach  Resorption  des  Infiltrates  die  Tuberkulose,  die  wahr¬ 
scheinlich  häufig  schon  lange  vorher  latent  bestanden  hatte,  plötzlich 
sich  in  dem  betreffenden  Lappen  verbreitet.  Die  Bedeutung  der 
Pneumonie  für  die  Lungentuberkulose  als  disponierendes,  die  Wider¬ 
standskraft  herabsetzendes  Moment  wird  damit  neuerdings  erwiesen. 

20)  A.  Gigon:  Ueber  die  Gesetze  der  Zuckerausscheidung  beim 
Diabetes  mellitus.  III.  Mitteilung.  Stoifwechselversuch  an  einem 
Falle  von  Pankreasdiabetes.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Basel.) 

Bei  einem  schweren  Diabetes,  bei  dem  die  Sektion  Pankreas- 
sklerose  infolge  von  Steinbildung  ergab,  wurden  die  Nahrung  und  die 
Ausscheidungen  genau  analysiert.  Nach  einer  Periode,  in  welcher 
noch  gute  Ausnützung  der  Nahrung  konstatiert  werden  konnte,  folgte 
eine  Periode  sehr  schlechter  Ausnützung  mit  typischen  Fettstühlen; 
Maltose  wurde  nie  im  Harn  gefunden  (Titration  vor  und  nach  Spal¬ 
tung  mit  HaSOU;  die  Aetherschwefelsäuren  waren  vermindert.  In 
der  III.  Periode  wurde  Pankreon  3X2  Kapseln  ä  0,25  g  gegeben. 
Die  N-Ausscheidung  und  die  Zuckerausscheidung  stiegen  an,  letztere 
stieg  mehr  an  und  dauerte  länger,  so  dass  D:  N  den  Wert  3,6  erreichte; 
das  Assimilationsvermögen  für  Kohlehydrate  war  also  verschlechtert. 
Zulage  von  Ovalbumin  führte  dann  wie  eine  solche  von  Kasein  vor 
der  Pankreondarreichung  zu  einer  Verschlechterung  der  Kohlehydrat¬ 
verbrennung.  Die  Verbesserung  der  Eiweissresorption  durch  die 
Pankreonwirkung  war  nur  vorübergehend.  Gleichzeitig  trat  N-Reten- 
tion  ein  mit  Erhöhung  des  Körpergewichts,  welche  wahrscheinlich 
grösstenteils  auf  Retention  von  Wasser  beruhte,  da  bei  weiter¬ 
bestehender,  positiver  N-Bilanz  das  Körpergewicht  wieder  abnahm. 
In  der  IV.  Periode  erhielt  der  Patient  3X4  Kapseln  mit  je  0,25 
Pankreon,  ausserdem  wurden  Versuche  mit  verschiedenen  Kohle¬ 
hydraten  angestellt,  über  welche  schon  in  der  II.  Mitteilung  berichtet 
wurde.  Die  Untersuchung  der  Stühle  ergab  im  Anfang  des  Ver¬ 
schlusses  des  Duct.  .pancreaticus  bedeutende  Verschlechterung  der 
N-Ausniitzung,  später  spontane  Besserung.  Die  Kohlehydrate  wurden 
gut  ausgenützt;  der  Fettverlust  betrug  im  Maximum  47,4  Proz.;  im 
Minimum  13,5  Proz.'  Die  Fettspaltung  zeigte  grosse  Schwankungen, 
die  Menge  der  Seifen  war  dauernd  vermindert  und  stets  geringer  als 
die  der  Fettsäuren.  Die  Wirkung  des  Pankreons  Rhenania  war  trotz 
dauernder  Einfuhr  nur  eine  vorübergehende. 

21)  L.  Pi  neu  sso  hn:  Zur  Ausnutzung  des  Kakaos  im  Orga¬ 
nismus.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Versuche  an  Hunden  von  9 — 10  kg  Gewicht  ergaben  folgen¬ 
des:  Bei  Kakaogaben  von  50  g  tritt  eine  Vermehrung  des  Kotes  auf. 
Die  Ausntiizung  des  Fettes  war  stets  innerhalb  der  physiologischen 
Grenzen.  Die  Ausnützung  des  Eiweisses  war  im  Durchschnitt  89  Proz. 
statt  94  Proz.  bei  Normalnahrung  und  war  besser  bei  stark  ausge¬ 
presstem  Kakao;  bei  einer  fettreichen  Handelssorte  war  sie  nur  76 
Proz.,  bei  einer  zweiten  82,5  Proz.  Die  Versuche  am  Menschen 
zeigten  grössere  individuelle  Schwankungen;  das  Eiweiss  wurde  am 
besten  bei  stark  abgepresstem  Kakaopulver  ausgenützt,  am  schlech¬ 
testen  bei  Sorten,  welche  mit  übermässigem  Zusatz  von  Pottasche 
oder  ganz  ohne  einen  solchen  hergestellt  wurden;  möglichst  feine 
Pulverisierung  und  gute  Zerteilung  in  der  Flüssigkeit  steigern  die 
Ausnützung;  die  Fettausnützung  war  stets  gut.  Versuche  an  Hunden 
mit  kleinem  Pawlowschen  Magen  ergaben  umso  stärkere  Ver¬ 
minderung  der  Saftmenge  und  Herabsetzung  der  Azidität,  je  fett¬ 
reicher  der  Kakao  war. 

22)  J.  Plesch:  Chromophotometer,  ein  neuer  Apparat  zur  Be¬ 
stimmung  der  Konzentration  von  Farblösungen,  besonders  zur  Fest¬ 
stellung  der  Hämoglobinkonzentration  und  der  Menge  des  Blutes  bei 
Lebenden.  (Aus  dem  tierphysiolog.  Institut  der  Berliner  landwirt¬ 
schaftlichen  Hochschule.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

23)  Th.  Bourmoff  und  Th.  B  r  u  g  s  c  h :  Das  neutrophile  Blut¬ 
bild  bei  Infektionskrankheiten.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Verfasser  kommen  zu  folgenden  Resultaten.  Bei  Anwendung 
der  Romanowskyfärbung  weist  das  neutrophile  Blutbild  bei  ge¬ 
sunden  Menschen  eine  gewisse  Gesetzmässigkeit  auf.  Bei  einer 
Reihe  schwerer  Infektionen,  so  bei  der  Tuberkulose,  beim  Scharlach, 
bei  der  Pneumonie,  beim  Erysipel  und  Tetanus  ist  eine  Verschiebung 
des  neutrophilen  Blutbildes  nach  links  im  Sinne  Arneths  zu  finden, 
die  durch  nicht  sehr  grosse,  immerhin  doch  deutliche  Unterschiede  in 
der  Bevölkerung  der  ersten  Klassen  bedingt  ist.  Die  Annahme 
Arneths,  dass  die  ersten  Klassen  die  jüngsten,  die  letzten  Klassen 
die  ältesten  Leukozyten  enthalten,  ist  jedoch  nicht  bewiesen.  Denn  das 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Vorhandensein  von  2,  3  und  mehr  Kernen  in  den  neutrophilen  Leuko¬ 
zyten  ist  wahrscheinlich  Folge  des  Fixierungsverfahrens,  denn  die 
photographischen  Aufnahmen  von  Q  r  a  w  i  t  z  und  Grünberg  an 
fiischem  Blut  mit  ultraviolettem  Licht  lassen  keine  Segmentierung 
des  Kerns,  nur  Biegung  desselben  erkennen.  Die  Verschiebung  im 
Blutbild  bei  den  Infektionskrankheiten  rührt  daher,  dass  der  Kern 
meist  plumper  und  dicker  ist,  -daher  der  Fragmentierung  mehr  Wider¬ 
stand  leistet.  Eine  ähnliche  Schädigung  -der  Leukozytenkerne  konnte 
Pollitzer  dadurch  hervorbringen,  dass  er  einen  durch  Gummi¬ 
binde  abgeschnürten  Gefässbezirks  mit  Röntgenstrahlen  behandelte; 
bei  Kaninchen  auch  durch  Gefrierenlassen  mit  Chloräthyl. 

24)  E.  Kuhn:  Beitrag  zur  Karzinombehandlung  mit  Pankreatin, 
Radium  und  Röntgenstrahlen.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

25)  Fritz  Meyer:  Zur  bakteriologischen  Diagnose  des  Ab- 
dominaltyphus.  (Aus  der  I.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Von  den  neueren  Methoden,  auf  bakteriologischen  Wege  die 
Diagnose  Abdominaltyphus  zu  sichern,  hat  sich  dem  Verfasser  das 
C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  sehe  Bouillonzüchtungsverfahren  sehr  bewährt.  Von 
20  ccm  Blut,  aus  der  Armvene  entnommen,  werden  Mengen  von  je 
10,  5  und  3  ccm  auf  Bouillonkolben  von  300  ccm  Inhalt  verteilt;  nach 
20  Stunden  ist  das  inzwischen  sedimentierte  Blut  dunkler  gefärbt  und 
die  darüber  stehende  Bouillon  leicht  getrübt,  wenn  in  der  Kultur  sich 
Bakterien  entwickeln;  1  ccm  dieser  Kultur  mittels  P  a  s  t  e  u  r  scher 
Pipette  auf  Drigalskyagar  übertragen,  liefert  dann  in  8  Stunden 
die  gesuchte  Reinkultur  von  Typhusbazillen.  Die  Prüfung  der  Viru¬ 
lenz  der  gezüchteten  Typhusbazillen  ist  prognostisch  bedeutungsvoll, 
aber  nur  im  klinischen  Laboratorium  mit  Aufwand  eines  grossen  Tier¬ 
materials  ausführbar.  Sehr  einfach  und  auch  für  den  Praktiker  leicht 
ausführbar  ist  das  Verfahren  der  Gallenröhre  von  Conradi-Kayser ; 
2  ccm  Blut  mit  5  ccm  Galle  vermischt,  bleiben  24  Stunden  im  Brut¬ 
schrank  stehen,  danach  werden  Kulturen  auf  Drigalskyagar  an¬ 
gelegt;  bei  5  derartigen  Untersuchungen  wurde  jedesmal  ein  positives 
Resultat  erhalten.  Die  F  o  r  n  e  t  sehe  Methode,  durch  Zusammen¬ 
bringen  von  Blutserum  frischer  Typhuskranker  mit  Typhusimmun¬ 
serum  Niederschläge  zu  erzeugen,  hat  sich  bisher  nicht  bewährt. 

26)  H.  Chr.  Geelmuyden:  Ueber  Maltosurie  bei  Diabetes 
mellitus.  (Aus  dem  physiolog.  Institut  der  Universität  in  Christiania.) 

Das  vom  Verfasser  angewendete  Verfahren  zum  Nachweis  der 
Maltose  im  Harn  ist  folgendes:  Vom  Harn  wird  eine  nach  der  polari¬ 
metrischen  Bestimmung  ca.  1  g  Zucker  enthaltende  Portion  abge¬ 
messen,  bis  auf  50  ccm  mit  Wasser  verdünnt,  2  g  salzsaures  Phenyl¬ 
hydrazin  und  3  g  essigsaures  Natron  zugesetzt  und  %  Stunden  auf 
dem  Wasserbad  erwärmt;  dann  heiss  filtriert.  Dem  heissen  Filtrat 
werden  nochmals  die  gleichen  Mengen  Reagentien  zugesetzt,  dann 
wird  wieder  %  Stunden  erwärmt.  Nach  dem  Abkühlen  im  Wasser¬ 
bade  wird  die  gebildete  zweite  Osazonfraktion  abgesaugt,  mit  20  ccm 
50  proz.  Azetonlösung  behandelt  und  auf  dem  Saugfilter  filtriert,  das 
Filtrat  wird  zur  Kristallisation  lose  bedeckt  über  Nacht  hingestellt. 
Mikroskopische  Bilder  der  so  gewonnenen  Präparate  lassen  sich  kaum 
von  solchen  jener  unterscheiden,  welche  nach  demselben  Verfahren 
aus  Lösungen  eines  Gemisches  von  Maltose  und  Glukose  dargestellt 
sind.  Man  sieht  lange,  breite  und  dünne,  Schwert-  oder  messer- 
törmige,  tieforangegelbe  Kristalle  radiär  angeordnet  mit  schwach  ge¬ 
bogenen  Bändern,  entweder  spitz  auslaufend  oder  unregelmässig  ab¬ 
geschnitten,  mit  braunen,  teerartigen  Tropfen  und  Körnern  gemischt. 
Von  den  Zentren  der  Kristallrosetten  gehen  oft  sternförmige  Büschel 
von  ganz  anders  gestalteten  Nadeln  aus;  dieselben  sind  hell,  grünlich- 
gelb,  sehr  dünn,  lang,  gewöhnlich  geschlängelt,  gebogen.  Zuweilen 
hat  man  den  Eindruck,  dass  auch  diese  Nadeln  breit  sind  und  dass 
man  sie  nur  von  der  scharfen  Seite  sieht,  nämlich  bei  pfropfenzieher¬ 
artig  gewundenen,  bei  welchen  die  breite  Fläche  streckenweise  sicht¬ 
bar  ist.  Die  Maltose  findet  sich  hauptsächlich  in  diabetischen  Harnen, 
welche  Superrotation  zeigen.  Die  Maltosurie  ist  kein  seltenes  Vor¬ 
kommnis  bei  Diabetes,  bei  hohem  Zuckergehalt  ziemlich  regelmässig, 
sowohl  bei  schwerem,  wie  bei  leichtem  Diabetes. 

27)  J.  Brodzki  -  Kudowa:  Ueber  urotryptische  Fermente.  (Aus 
der  I.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Je  25  ccm  Harn  wurden  mit  20  ccm  destillierten  Wassers,  1  g 
Kasein  und  zur  Prüfung  auf  peptisches  Ferment  mit  2  ccm  n-Salz- 
saure,  zur  Prüfung  auf  tryptisches  mit  2  ccm  Vz  n-NaOH  oder  2  ccm 
1  proz.  Natriumkarbonatlösung  versetzt  und  24  Stunden  bei  37°  stehen 
gelassen,  1  ccm  I  oluol  verhindert  Bakterienentwicklung,  dann  wird 
5  g  CINa  und  die  zur  Neutralisation  nötige  Menge  n-HCl  oder  NaOH 
zu  dem  Verdauungsgemisch  hinzugefügt,  auf  freier  Flamme  auf 
ca.  70  erwärmt,  das  nicht  verdaute  Kasein  durch  tropfenweisen  Zu¬ 
satz  von  1  ccm  Eisessig  ausgefällt,  zum  besseren  Zusammenballen 
noch  auf  dem  Wasserbade  erwärmt  und  dann  durch  ein  Faltenfilter 
filtriert,  in  20  ccm  des  Filtrates  wird  der  N  nach  K  j  e  1  d  a  h  1  be¬ 
stimmt  und  eine  zweite  Probe  in  gleicher  Weise  mit  Kaseinzusatz  nach 
dem  Aufkochen  behandelt.  Die  Differenz  im  N-Gehalt  rührt  von  den 
Verdauungsprodukten  her.  Mit  dieser  Methode  Hess  sich  im  Hunde¬ 
harn,  im  Kaninchenharn  und  im  Menschenharn  tryptisches  Ferment 
nachw  eisen,  im  Hunde-  und  Menschenharn  wurde  auch  peptisches 
Ferment  gefunden.  Auch  in  pathologischen  Harnen  fand  sich  tryp¬ 
tisches  Ferment;  im  normalen  Harn  durchschnittlich  beim  Hund 
so  viel  Ferment,  dass  5,4  g  Eiweiss  im  Tage  durch  die  ganze  Harn¬ 
menge  verdaut  werden  kann,  beim  Menschen  so  viel,  als  der  Ver¬ 
dauung  von  8,4  g  Eiweiss  pro  Tag  entspricht.  Fibrin  wird  von  dem 


urotryptischen  Ferment  nicht  verdaut,  wohl  aber  von  dem  peptischen. 

28)  W.  J  a  n  o  w  s  k  i  -  Warschau:  Nochmals  über  Dikrotie  bei 
Aorteninsuffizienz. 

Erwiderung  an  Geigel.  Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  ge¬ 
eignet.  Lindemann  -  München. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  86.  Band,  2—4.  Heit. 

Leipzig,  Vogel,  1907.. 

6)  R.  M  o  r  i  a  n  -  Essen :  Ueber  die  Luxation  im  Talonavikular- 
gelenk. 

Von  der  seltenen  Verletzung  sind  bisher  10  Fälle  beobachtet 
worden,  ausserdem  2  Subluxationen.  In  M.s  Falle  handelte  es  sich  um  • 
eine  Verrenkung  nach  innen  und  etwas  nach  unten.  Reposition  in 
Narkose. 

7)  Luxembourg:  Zur  Kasuistik  der  Luxatio  pedis  sub  talo 
und  der  Talusbrüche.  (Bürgerhospital  Köln.) 

2  Fälle  von  Luxation  nach  hinten  und  aussen.  Der  erste  Fall 
wurde  in  Narkose  reponiert.  Im  zweiten  Falle  musste  wegen  einer 
Weichteilwunde  und  wegen  der  fast  völligen  Befreiung  des  Talus  von 
seinem  Bandapparate  der  Talus  reseziert  werden. 

Eine  weitere  Beobachtung  betraf  eine  Fraktur  im  Talushalse  mit 
Luxation  des  Taluskopfes.  Exstirpation  des  Caput  tali.  Heilung. 

(Ref.  hat  in  einem  ähnlichen  Falle  mit  Erfolg  die  Reposition  des 
abgebrochenen  und  luxierten  Kopfes  gemacht.) 

8)  Hirsch:  Ueber  isolierte  Frakturen  einzelner  Handwurzel¬ 
knochen.  (Allgem.  Krankenhaus  Wien.) 

8  Fälle  von  Kahnbeinbruch  und  5  Fälle  von  Mondbeinbruch. 
Besprechung  des  Zustandekommens  und  der  Erscheinungen  dieser 
seltenen  Verletzungen. 

9)  Kuhn  und  Rössler:  Katgut,  steril  vom  Schlachttiere,  als 
frischer  Darm  vor  dem  Drehen  mit  Jod  und  Silber  behandelt.  (Elisa¬ 
beth-Krankenhaus  Kassel.) 

In  verdienstvoller  Weise  lenken  die  Verfasser  wiederholt  die 
Aufmerksamkeit  auf  die  Schwierigkeit  der  Katgutsterilisation.  Bei 
der  jetzigen  Art  der  Katgutherstellung,  bei  der  unter  den  unsaubersten 
Verhältnissen  die  Därme  zusammengedreht  werden,  ist  es  unver¬ 
meidlich,  dass  die  Fäden  voll  sitzen  von  Bakterien,  an  welche  die  ge¬ 
wöhnlichen  Desinfizientien  nur  schwer  herandringen  können.  Ge¬ 
legentlich  kann  sich  so  auch  im  Katgut  ein  Tetanus-  und  Milzbrand¬ 
erreger  verborgen  halten. 

Die  Verff.  verlangen  daher,  dass  das  Katgut  steril  vom  Schlacht¬ 
tier  als  Rohdarm  von  sachverständiger  Seite  gewonnen  wird,  als 
frischer  Darm  vor  dem  Drehen  mit  .lodsalzen  und  Silbersalzen  be¬ 
handelt  und  dann  noch  einer  Schlusssterilisation  unterworfen  wird. 
Die  Asepsis  beginnt  bei  der  Entnahme  des  Darmes  vom  Tierkörper. 

Es  folgt  dann  das  Schlitzen  und  Schleimen  der  Därme  in  auskochbaren 
Apparaten.  Jetzt  werden  die  Fäden  mit  Jod-  und  Silbersalzen  im¬ 
prägniert  und  dann  erst  gedreht. 

Die  Jodimprägnierung  geschieht  zunächst  in  einer  Jodkalium¬ 
lösung,  die  ein  oder  mehrmals  gewechselt  wird.  Von  da  kommt  der 
Faden  für  kurze  Zeit  in  eine  Jodjodkaliumlösung. 

Die  Präparation  mit  Silber  geschieht  entweder  in  Fluorsilber 
oder  in  einer  der  C  red  eschen  Silberverbindungen. 

(Dass  die  K.  und  R. sehen  Untersuchungen  einen  sehr  wunden 
Punkt  dei  Katgutzubereitung  treffen  und  vieles  bessern  werden,  ist 
zweifellos.  Wer  sicher  fahren  will,  lässt  das  Katgut  ganz  weg  und 
nimmt  Seide.  Ref.) 

10)  R  e  i  s  m  a  n  n:  Ein  Fall  von  Luxatio  pedis  sub  talo.  Die  Be¬ 
wegungen  des  Fusses  im  Tarsus.  Der  Luxationsmechanismus.  Die 
Distorsion.  Das  C  h  o  p  a  r  t  sehe  Gelenk.  (Evangel.  Krankenhaus 
Haspe.) 

Die  Verletzung  wurde  mit  Exstirpation  des  Talus  behandelt,  da 
Repositionsversuche  erfolglos  blieben.  R.  schliesst  daran  Betrach¬ 
tungen  über  die  Fussbewegungen.  Der  Fuss  kann  nur  3  Bewegungen 
ausführen:  1.  Plantare  und  dorsale  Beugung  (Talokruralgelenk), 

-  Supination  und  Pronation  bei  freiem  Fusse  (Navikulo-Talo-Kal- 
kanealgelenk),  3.  Drehbewegung  in  den  Articulationes  malleolares  bei 
fixiertem  Fusse.  Die  Luxatio  pedis  sub  talo  geht  in  der  Regel  hervor 
aus  einem  Uebermass  von  Pro-  oder  Supination. 

B.  Bauer:  Eine  bisher  nicht  beobachtete  kongenitale, 
hereditäre  Anomalie  des  Fingerskelettes.  (Allgem.  Krankenhaus 
Wien.) 


...Es  handelte  sich  um  eine  überzählige  distale  Epiphyse  an  der 
Mittelphalanx  des  kleinen  Fingers.  Der  Finger  war  verkrümmt  mit 
der  Konverität  nach  der  Utnarseite. 

12)  Lorenz:  Einklemmung  von  Dünndarmgekröse  in  einer 
Spalte  des  grossen  Netzes.  (Klinik  Hochenegg,  Wien.) 

Es  handelte  sich  um  einen  eingeklemmten  Nabelbruch,  in  dem 
das  in  einer  Netzspalte  eingeklemmte  Mesenterium  sich  wie  eine 
Z^ste  darstellte.  Die  zugehörige,  noch  lebensfähige  Dünndarm- 
schlinge  lag  in  der  Bauchhöhle.  Heilung. 

».'^)  B  o  e  r  n  e  r  -  Charlottenburg :  Beiträge  zu  den  Frakturen 
der  Metakarpalknochen. 

2  Beobachtungen. 

di  ^  a  e  r  u  c  h:  Beitrag  zur  Resektion  der  Brustwand  mit 

Plastik  auf  die  freigelegte  Lunge.  (Chirurg.  Klinik  Greifswald.) 

Ausgedehnte  Thoraxresektionen  wegen  mit  dem  Thorax  ver¬ 
wachsenen  Mammakarzinom.  Bemerkenswert  ist  zumal  der  zweite 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1647 


Fall,  bei  dem  die  vordere  Brustwand  in  ca.  30  cm  Länge  und  20  cm 
Breite  reseziert  wurde.  Der  Defekt  wurde  durch  Verlagerung  eines 
die  andere  Mamma  enthaltenden  Hautlappens  und  Transplantation 
direkt  auf  die  Lunge  gedeckt. 

Die  Eröffnung  der  Brusthöhle  wurde  unter  Unterdrück  vorge¬ 
nommen.  Der  Mammalappen  muss  luftdicht  mit  .doppelter  Nahtreihe 
eingenäht  werden. 

15)  Kr  oh -Köln:  Ueber  Spiralfrakturen. 

Aus  den  Ergebnissen  von  des  Verfs.  Experimentaluntersuchungen 
sei  hervorgehoben,  dass  reine  Torsion  imstande  ist,  Spiralfrakturen 
zu  erzeugen,  jedoch  nur  an  pathologisch  veränderten  Knochen  (Osteo¬ 
porose,  Tabes,  Tumor).  Bei  unverändertem  Knochen-,  Gelenk-  und 
Bandapparat  muss  zur  Entstehung  eines  Bruches  die  Torsion  sich 
mit  Gewaltfaktoren  vergesellschaften,  welche  die  Widerstandsfähig¬ 
keit  des  Knochens  herabzusetzen  bestrebt  sind. 

16)  Alb  recht:  Ueber  Lymphangiektasie.  (II.  Chirurg.  Klinik 
Wien.) 

Bei  einem  21  jährigen  Kranken  fand  sich  die  obere  Hälfte  des 
rechten  Oberschenkels  beträchtlich  verdickt,  die  Haut  eigentümlich 
verfärbt,  ln  der  veränderten  Haut  zeigten  sich  zahlreiche  gelb- 
weisse  Bläschen,  von  kleinster,  eben  noch  wahrnehmbarer  Grösse  bis 
zur  Grösse  einer  Haselnuss.  Die  aus  einem  Bläschen  entleerte  Flüs¬ 
sigkeit  war  zuerst  rosarot,  nach  einiger  Zeit  milchweiss  und  ent¬ 
hielt  mikroskopisch  Erythrozyten,  Lymphozyten  und  vorwiegend 
Fett  in  kleinsten  Tröpfchen.  Bei  reichlicher  Fettnahrung  und  im 
Hungerzustande  ergab  sich  ein  Unterschied  im  Fettgehalt  der  Flüssig¬ 
keit  um  3  Proz.  Gab  man  dem  Patienten  Sesamöl,  so  konnte  das¬ 
selbe  nach  4—6  Stunden  in  der  Flüssigkeit  nachgewiesen  werden. 
Es  handelte  sich  demnach  um  echte  Chylorrhöe.  Die  Untersuchung 
eines  exstirpierten  Stückchens  wies  das  Bild  eines  kavernösen 
Lymphangioms  auf  mit  reichlichen  glatten  Muskelfasern.  Es  handelt 
sich  jedenfalls  um  eine  angeborene  abnorme  Anlage,  die  Filaria  war 
als  Erreger  auszuschliessen.  In  der  Literatur  bezeichnet  man  der¬ 
artige  Bildungen  als  Lymphnävus. 

Die  Erklärung  der  Chylorrhöe  sucht  A.  darin,  dass  er  die  abdomi¬ 
nellen  Lymphbezirke  von  der  Erweiterung  der  Lymphgefässe  ergriffen 
annimmt.  Die  Annahme  einer  Verengerung  des  Ductus  thoracicus 
ist  zur  Erklärung  nicht  notwendig. 

17)  Haberern  -  Ofen-Pest:  Zur  Kenntnis  der  Echinokokken  am 

Halse. 

Ein  mit  Erfolg  operierter  Fall  bot  dem  Verf.  Veranlassung,  die 
Erscheinungen  des  Halsechinokokkus  zusammenzustellen.  Des  Verf.s 
Fall  war  dadurch  bemerkenswert,  dass  die  Karotis  arrodiert  wurde, 
und  die  Blutung  die  Blase  umspülte  und  so  den  Tumor  vergrösserte. 
Mit  der  Organisation  der  Blutgerinnsel  hörte  die  Pulsation  in  dem 
Tumor  auf. 

Nach  der  Operation  zeigten  sich  Symptome,  die  auf  eine  Ver¬ 
letzung  des  Halssympathikus  und  des  Plexus  brachialis  hinwiesen. 

18)  Finsterer:  Ueber  das  Sarkom  der  weiblichen  Brustdrüse. 
(II.  Chirurg.  Klinik  Wien.) 

Bericht  über  46  Fälle  von  denen  40  mikroskopisch  untersucht 
wurden.  Von  den  40  waren  18  Zystosarkome,  10  Fibrosarkome, 
5  Myxosarkome,  6  Rundzellensarkome,  1  Lymphosarkom. 

Die  Prognose  des  sehr  seltenen  Mammasarkoms  ist  im  allge¬ 
meinen  eine  bessere  als  .die  des  Karzinoms.  Es  müssen  dazu  aber 
möglichst  radikale  Operationen  vorgenommen  werden.  Am  günstig¬ 
sten  ist  die  Prognose  bei  den  Zystosarkomen:  von  18  Fällen  blieben 
12  Frauen  8 — 26  Jahre  rezidivfrei. 

19)  Mormburg-Spandau:  Die  zwei-  und  mehrfache  Teilung 
der  Sesambeine  der  grossen  Zehe. 

M.  fand  in  9  Fällen  eine  Zweiteilung  eines  Sesambeines,  in 
3  Fällen  eine  Dreiteilung  und  in  einem  Fall  eine  Vierteilung.  In  sämt¬ 
lichen  6  Fällen,  in  denen  die  Röntgenaufnahmen  von  beiden  Füssen 
gemacht  wurden,  fand  sich  die  Teilung  an  beiden  Füssen.  Man  hüte 
sich  vor  Verwechslungen  mit  Frakturen!  K  r  e  c  k  e. 

Archiv  für  Gynäkologie.  Bd.  81,  Heft  3.  Berlin  1907. 

1)  Otto  Roith:  Zur  Anatomie  und  klinischen  Bedeutung  der 
Nervengeflechte  im  weiblichen  Becken.  (Aus  der  Universitäts- 
Frauenklinik  zu  Heidelberg.) 

R.  untersuchte  die  Beckenorgame  von  3  ausgetragenen  Neu¬ 
geborenen  weiblichen  und  1  männlichen  Geschlechts,  einem  ein-  und 
einem  zweijährigen  Mädchen  und  Stücke  aus  dem  Bindegewebe  er¬ 
wachsener  puerperaler  und  nicht  puerperaler  Frauen.  Serienschnitte. 
Anatomische  Beschreibung  und  Erörterungen  über  Zweckmässigkeit 
(Geburt)  und  Entwicklungsgeschichte,  physiologische  und  klinische 
Anschauungen  (Erkrankungen  im  Beckenbindegewebe,  1  raumen,  Des¬ 
zensus,  Reflexneurosen). 

2)  Fritz  Kermauner:  Angiom  der  Plazenta.  (Aus  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  Heidelberg.) 

Das  Angiom  stellte  einen  kleinkirschgrossen  lappigen  Knoten  in 
der  Substanz  der  Plazenta  dar.  Die  Hauptmasse  bildete  ein  wirres 
Netz  von  dicht  aneinander  liegenden  Kapillaren.  Der  Ausgangspunkt 
dieser  Tumoren  ist  die  Chorionzotte. 

3)  Kannegiesser:  Ueber  subkutane  Hebotomie  auf  Grund 
von  weiteren  30  Fällen  und  über  die  „Dauererfolge“  der  Operation. 
(Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  in  Dresden.) 


Innerhalb  der  letzten  5U  Jahre  wurde  in  30  Fällen  die  Hebotomie 
ausgeführt,  alle  Mütter  und  alle  Kinder  haben  die  Klinik  gesund  ver¬ 
lassen.  An  die  Beckenerweiterung  wurde  sogleich  die  Entbindung 
angeschlossen;  unter  51  Fällen  wurde  28  mal  mit  Zange  entbunden, 
20  mal  durch  Wendung  und  Extraktion,  2  mal  durch  Extraktion  am 
Fuss  und  1  mal  durch  Kraniotomie.  18  Operierte  wurden  nachunter¬ 
sucht,  in  6  Fällen  wurde  Geburt  nach  vorausgegangener  Hebotomie 
beobachtet:  1  Kaiserschnitt,  3  Frühgeburten,  darunter  2  künstliche, 
1  spontane  Geburt  und  1  Wendung. 

4)  Lichtenstein:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Indikation  zur 
Wendung  und  Extraktion  durch  die  Hebotomie,  (Aus  der  Kgl.  Frauen¬ 
klinik  in  Dresden.) 

Von  154  gewendeten  Kindern  starben  4L  Nach  L.  sind  von 
diesen  41  Kindern  24  dem  grossen  Missverhältnis  zwischen  Becken 
und  Kind  zum  Opfer  gefallen  und  wären  durch  die  Hebotomie  zu 
retten  gewesen.  Durch  Anwendung  der  Hebotomie  werden  die  Re¬ 
sultate  der  in  ihre  Schranken  zurückgewiesenen  Wendung  bedeutend 
bessere  werden. 

5)  G.  Leopold  und  E.  J.  Konräd:  Zur  Berechtigungsfrage 
der  künstlichen  Frühgeburt.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  in  Dresden.) 

Unter  14  094  Geburten  der  Dresdener  Klinik  finden  sich  84  künst¬ 
liche  Frühgeburten,  die  wegen  Beckenenge  eingeleitet  wurden,  dar¬ 
unter  keine  Erstgebärende.  Methoden:  5  Bougie,  12  Bougie  und 
Metreuryse,  52  Bossi  und  Metreuryse,  15  Metreuryse.  1  Frau  ist 
gestorben,  58  Kinder  wurden  lebend  entlassen.  Die  künstliche  Früh¬ 
geburt  bleibt  auch  weiterhin  für  den  praktischen  Geburtshelfer  voll 
und  ganz  berechtigt.  Als  beste  Methode  hat  sich  Bossi  +  Metreuryse 
für  die  plattrhachitischen  Becken  und  Bougie  für  allgemein  verengte 
Becken  bewährt.  Kaiserschnitt  und  Hebotomie  bedeuten  ohne  Zwei¬ 
fel  eine  grössere  Gefahr  für  die  Mutter  als  die  Vornahme  der  künst¬ 
lichen  Frühgeburt. 

6)  C.  Meissner:  Die  Perforation  des  lebensfrischen  und  ab¬ 
sterbenden  Kindes  1892—1906.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  in 
Dresden.) 

In  14 Vz  Jahren  wurde  57  mal  die  Perforation  des  lebenden  und 
112  mal  die  Perforation  des  absterbenden  Kindes  ausgeführt.  Von  den 
57  Frauen  sind  2  gestorben  (Eklampsie  und  Uterusruptur).  Allzu¬ 
langes  Abwarten  auf  eine  Spontangeburt  trug  in  einigen  Fällen  die 
Schuld,  dass  im  Interesse  der  Mutter  das  lebende  Kind  geopfert 
werden  musste,  ebenso  führte  in  einzelnen  Fällen  das  lange  Abwarten 
zu  dem  Absterben  des  Kindes. 

7)  Leise witz:  Ueber  die  Zange  in  der  Therapie  des  engen 
Beckens  zur  Rettung  des  Kindes.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  in 
Dresden.) 

In  13  Jahren  wurden  unter  27  238  Geburten  697  Zangenopera¬ 
tionen  vorgenommen,  davon  in  63  Proz.  zur  Rettung  des  Kindes  allein. 
Nur  37  mal  wurde  die  hohe  Zange  angelegt.  Die  Mortalität  der 
Mütter  betrug  21,  davon  fallen  4  der  Klinik  zur  Last.  Die  Mortalität 
der  Kinder  betrug  109.  —  Die  hohe  Zange  ist  unbedingt  auszuschliessen, 
namentlich  für  den  praktischen  Geburtshelfer,  an  ihre  Stelle  ist  eine 
weniger  schädigende  Operation  zu  setzen,  die  Hebotomie.  Ist 
diese  für  den  praktischen  Geburtshelfer  im  einzelnen  Falle  weder 
durchführbar  noch  ratsam,  so  zögere  er  nicht,  zu  perforieren  und  sei 
es  auch  das  noch  lebende  Kind. 

8)  G.  Leopold:  Beitrag  zur  Sectio  caesarea  auf  Grund  von 
229  Fällen. 

Die  mütterliche  Mortalität  unter  den  229  Fällen  betrug  4,9  Proz. 
Ueber  70  Kinder  des  zweiten  Hunderts  konnte  Nachricht  eingezogen 
werden;  es  lebten  davon  bis  zu  8  Jahren  noch  55  =  78,5  Proz.  Kri¬ 
tische  Besprechung  der  Todesfälle. 

9)  F.  W  e  i  n  d  1  e  r  -  Dresden:  Spontane  Geburt  beim  engen 
Becken.  (Aus  der  Kgl.  Frauenklinik  in  Dresden.) 

In  den  3  Jahren  1898  mit  1900  kamen  6469  Geburten  zur  Be¬ 
obachtung,  darunter  waren  1610  enge  Becken  —  Vt.  Als  Grenze  galt 
eine  Conj.  vera  von  9,5  cm.  1201  —  74,6  Proz.  der  Geburten  bei 
diesen  engen  Becken  nahmen  einen  spontanen  Verlauf;  7  Frauen 
starben,  ohne  Verschulden  der  Klinik.  Für  die  Praxis  wird  die 
„vorbeugende“  Behandlung  des  engen  Beckens  nach  wie  vor  zu 
Recht  bestehen  bleiben. 

10)  G.  Leopold:  Das  klinische  Jahr  1906  und  die  Therapie 
beim  engen  Becken  zur  Rettung  des  kindlichen  Lebens. 

514  Frauen  hatten  eine  Conjugata  vera  von  8  cm  abwärts;  davon 
haben  81  Proz.  spontan  geboren;  19  Proz.  wurden  durch  Hebo¬ 
tomie  (22),  Kaiserschnitt  (15),  künstliche  Frühgeburt  (14),  Wendung 
und  Extraktion  (44)  und  durch  hohe  Zange  (3)  entbunden.  Von  diesen 
operativ  Entbundenen  starb  1  Mutter  und  9  Kinder. 

Anton  H  e  n  g  g  e  -  München. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  31. 

M.  Fraenkel:  Ein  Abort  durch  Röntgenstrahlen. 

F.  behandelte  eine  tuberkulöse  junge.  Frau  im  3.  Monat  der  Gra¬ 
vidität  zur  Einleitung  des  künstlichen  Aborts  mit  Röntgenbestrahlung 
der  Ovarien  und  Schilddrüse.  Der  Abort  trat  nach  25  Sitzungen 
prompt  ein.  Nach  seinen  Tierversuchen  kann  F.  die  Angaben  von 
Fellner  und  Neumann  bestätigen,  dass  nach  der  Bestrahlung  de- 
generative  Prozesse  an  den  Ovarien  deutlich  erkennbar  sind  (cf.  cnese 
Wochenschrift  1907,  S.  1131).  Dass  bei  Bestrahlung  der  Schilddrüse 
ein  Einfluss  auf  die  Sexualorgane  stattfindet,  konnte  F.  in  3  hallen 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


von  Struma  feststellen,  in  denen  sich  nach  der  Bestrahlung  Menstrua¬ 
tionsstörungen  einstellten. 

S  e  i  f  f  a  r  t  -  Nordhausen :  Drei  Kaiserschnitte  aus  relativer  In¬ 
dikation.  ..  , 

In  den  3  Fällen,  die  alle  für  Mutter  und  Kinder  günstig  verliefen, 
handelte  es  sich  zweimal  um  schwere  Eklampsie,  einmal  um  ein 
plattes  Becken  mit  starken  Oedemen  der  äusseren  Genitalien  hei 
einem  14jährigen  Mädchen.  S.  machte  jedesmal  den  klassischen 
Kaiserschnitt  mit  querem  Fundalschnitt  nach  Fritsch. 

W.  R  ii  h  1  -  Duisburg:  Ueber  eine  Methode,  dem  Kinde  künstlich 
Luft  zuzuführen  bei  erschwertem  Durchtritte  des  nachfolgenden 
Kopfes. 

R.  erprobte  seinen  Handgriff,  dessen  nähere  Beschreibung  im 
Original  nachgesehen  werden  muss,  in  3  Fällen  mit  gutem  Erfolg. 
Einmal  handelte  es  sich  sogar  um  Placenta  praevia,  wo  die  Gefahr 
der  Luftembolie  besonders  gross  ist.  ln  allen  Fällen  konnte  er  be¬ 
obachten,  dass  das  Kind  während  Ausführung  des  Handgriffes  Atem¬ 
bewegungen  machte. 

R.  glaubt,  dass  in  seinen  Fällen  das  Leben  der  Kinder  ohne  seinen 
Handgriff  verloren  gewesen  wäre. 

Neuerdings  hat  er  auch  ein  spekulumähnliches  Instrument  für 
seine  Zwecke  konstruiert,  das  den  Handgriff  erleichtern  soll. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  65.  ßd.  Ergänzungsheft. 

Arbeiten  aus  der  k.  k.  Universitäts-Kinderklinik  in  Wien. 

1)  Theodor  Esche  rieh:  Ueber  Isolierung  und  Kontaktverhü¬ 
tung  in  Kinderspitälern.  (Vortrag,  gehalten  in  der  pädiatrischen  Sek¬ 
tion  der  78.  Naturforscherversammlung  in  Stuttgart,  September  1906.) 

Der  erfahrene  Kliniker  stellte  mit  seinen  Ausführungen  die  Pläne 
für  die  neu  zu  erbauende  Kinderklinik  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  in  Wien  zur  Diskussion.  2  Tafeln  mit  Situationsplan  und 
Grundrissen  veranschaulichen  den  Text. 

2)  F.  Hamburger:  Ueber  Eiweissresorption  bei  der  Er¬ 
nährung. 

Verf.  behandelt  ein  von  ihm  schon  wiederholt  bearbeitetes  Ge¬ 
biet  und  belegt  seine  Ansichten  über  die  Eiweissresorption  mit  neuen 
experimentellen  Beweisen.  Die  gewandt  geschriebene  Abhandlung 
läuft  zum  Schlüsse  in  eine  Polemik  gegen  Langstein  aus,  bei 
welcher  der  Verf.  unter  Wahrung  seines  eigenen  Standpunktes  zu 
vermitteln  bestrebt  ist. 

3)  L.  Je  hie:  Ueber  die  Streptokokkenenteritis  und  ihre  Kom¬ 
plikationen. 

Verf.  bespricht  die  zuerst  von  Es  che  rieh  beschriebene  spe¬ 
zifische  Darmerkrankung  in  klinischer  und  bakteriologischer  Be¬ 
ziehung.  Aus  den  Schlussätzen  sei  hervorgehoben,  dass  die  Erkran¬ 
kung  sowohl  sporadisch  wie  gehäuft  auftritt,  hauptsächlich  in  der  wär¬ 
meren  Jahreszeit.  Toxische  Erscheinungen  stehen  klinisch  im  Vor¬ 
dergründe.  Eine  fast  regelmässige  Komplikation  ist  die  Nephritis, 
welche  chronisch  werden  kann.  Die  Stühle  enthalten  meist 
in  grosser  Menge  Streptokokken,  ebenso  der  Harn,  in  schweren  Fällen 
lassen  sich  auch  Streptokokken  im  Blut  nachweisen.  Das  Blutserum 
der  Patienten  agglutiniert  in  vielen  Fällen  sowohl  die  eigenen,  wie  auch 
fremde  Darmstreptokokken,  während  sie  durch  das  Blutserum  gesunder 
Kinder  nicht  agglutiniert  werden.  Morphologisch  lassen  sich  die  Darm¬ 
streptokokken  nicht  von  anderen  sicher  trennen.  Als  ätiologisches 
Moment  kommt  bei  der  Streptokokkenenteritis  hauptsächlich  die 
Milch  in  Betracht,  welche  sehr  häufig  Streptokokken  in  beträchtlicher 
Menge  enthält.  Es  folgen  49  Krankengeschichten.  80  Literatur¬ 
nummern. 

4)  Erich  Benjamin  und  Erich  Sluka:  Das  Chlorom.  Ein 
Beitrag  zu  den  akuten  Leukämien  des  Kindesalters. 

Verf.  liefert  einen  kasuistischen  Beitrag  zu  der  Stellung  dieser 
sein  seltenen  Erkrankung  im  pathologischen  System  und  ihrer  Be¬ 
ziehung  zur  Leukämie.  Genaue  Beschreibung  der  Symptome  und 
Photographie  illustrieren  die  Arbeit.  Literatur.  2  farbige  Abbil¬ 
dungen  (Blutbild  und  mikroskopisches  Bild  des  Schläfentumors). 

5)  A.  Hecht:  Experimentell-klinische  Untersuchungen  über 
Hautblutungen  im  Kindesalter. 

Man  findet  nach  Hecht  mittels  dosierte  r  Saugwirkung  die 
Hautgefässe  bei  Kindern  nach  Alter  und  Körperregion  verschieden 
leicht  zerreisslich.  Venöse  Stase  begünstigt  allein  durch  Steigerung 
des  kapillären  Blutdruckes  den  Eintritt  von  Hautblutungen.  Erhöht 
ist  die  Neigung  zu  Blutungen  bei  hämorrhagischen  Erkrankungen  — 
hier  besonders  an  den  Beinen  —  ebenso  bei  Scarlatina  und  Morbillen. 
Bei  Morbillen  ist  die  leichte  Zerreisslichkeit  bis  in  die  Zeit  der  Pig¬ 
mentierung  nachweislich  und  ist  an  die  Effloreszenzen  gebunden. 
Nicht  so  verhalten  sich  die  Rubeolafälle.  Bei  Diphtherie  dagegen 
besteht  wiederum  eine  deutliche  Herabsetzung  der  Resistenz  der 
Hautgefässwandungen.  Zur  Technik  eine  Abbildung  im  Text. 

6)  B.  Schick:  Die  Nachkrankheiten  des  Scharlach. 

Verf.  versucht  die  dem  „postscarlatinösen  Fieber“  der  älteren 
Autoren  zugrunde  liegenden  Nachkrankheiten  zu  analysieren  und  ihre 
ätiologische  Einheit  mit  der  Scarlatina  darzutun.  Dabei  kommen  nach 
Schick  verschiedene  Formen  der  Nachkrankheiten  in  Betracht  und 
kombinieren  sich  in  mannigfacher  Weise.  Als  wichtigste  Kombination 
ist  Nephritjs-Lymphadenitis  zu  nennen.  Seltenere  Kombinationen  sind 
Nephritis-Synovitis,  Lymphadenitis-Synovitis  usw.  Dabei  halten  sich 


alle  postskarlatinösen  Erkrankungen  an  das  gemeinsame  Eintritts¬ 
gesetz  und  zeigen  ähnlichen  Fieberverlauf  —  remittierenden  Charak¬ 
ter  und  lytisches  Abklingen. 

7)  Bianca  Bienenfeld:  Das  Verhalten  der  Leukozyten  bei  der 
Serumkrankheit. 

Arbeit  von  vorwiegend  hämatologischem  Interesse.  Vergleiche 
das  Original.  Literatur. 

8)  Egon  Rach:  Ueber  einen  Fall  von  Arteriosklerose  bei  einem 
13  jährigen  Mädchen. 

Kasuistische  Mitteilung.  Auf  Grund  des  erhobenen  mikro¬ 
skopischen  Befundes  den  selteneren  Fällen  von  echter  Arterio¬ 
sklerose  zuzurechnen,  welche  von  den  postinfektiösen  ab¬ 
zutrennen  ist. 

9)  Hecht:  Beobachtungen  über  die  Wirkung  hydriatrischer  Pro¬ 
zeduren  bei  masernkranken  Kindern. 

Nach  einem  kurzen  Ueberblick  über  die  Literatur  gibt  Verf.  seine 
Versuchsergebnisse  bekannt.  Neben  Abreibungen  und  Packungen 
wurden  kalte  Bäder  (20°  C)  und  abgekiihlte  von  25 — 28°  C  gereicht. 
Der  antithermische  Effekt  war  bei  jüngeren  und  schlechtgenährten 
Kindern  am  grössten,  besonders  in  den  ersten  vier  Lebensjahren. 

Erhöht  wird  die  Wirkung  der  Bäder  durch  Frottieren.  Dabei  ist 
die  antipyretische  Wirkung  des  Bades  unabhängig  vou  der  Fieber¬ 
höhe  und  von  der  Tagesspannung  der  Fieberbewegung.  Der  Tem¬ 
peraturabfall  vollzieht  sich  im  und  nach  dem  Bade  gleichmässig 
und  erreicht  eine  Viertelstunde  nach  dem  Bade  ihren  tiefsten  Punkt. 
Als  üble  Zufälle  wurden  bei  zwei  elenden  Kindern  Kollapstempera¬ 
turen,  bei  zwei  anderen  Durchfälle  infolge  der  Bäder  beobachtet. 
Die  Respiration  sank  ziemlich  konstant.  Eine  Gesetzmässigkeit  über 
den  Einfluss  der  kalten  Bäder  auf  die  elektrische  Erregbarkeit  konnte 
nicht  abgeleitet  werden.  Ueber  den  Einfluss  der  hydriatrischen  Pro¬ 
zeduren  auf  den  klinischen  Verlauf  und  die  Indikationsstellung 
schweigt  sich  der  Autor  bedauerlicherweise  völlig  aus. 

10)  Erich  B  e  n  jamin  und  Erich  Sluka:  Zur  Leukämie  im 
Kindesalter. 

Zusammenfassende  Studie  über  diese  Erkrankung.  Im  Original 
nachzulesen.  Literatur.  0.  Rommel-  München. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  31,  1907. 

1)  L.  A  s  c  h  o  f  f  -  Freiburg  i.  Br.:  Die  Dreiteilung  des  Uterus, 
das  untere  Uterinsegment  (Isthmussegment)  und  die  Placenta 
praevia. 

Auf  Grund  seiner  histologischen  Untersuchungen  tritt  A.  ent¬ 
schieden  dafür  ein,  am  Uterus  ausser  Korpus  und  Zervix  auch  ein  da¬ 
zwischen  liegendes  Isthmusgebiet  zu  unterscheiden,  dessen  Mukosa 
jener  des  Korpus  analog  ist,  während  das  physiologische  Verhalten 
der  Muskulatur  desselben  mit  jener  der  Zervix  korrespondiert.  Das 
sogen,  „untere  Uterinsegment“  geht  aus  diesem  Isthmusbezirk  hervor. 
Diese  Dreiteilung  liefert  bessere  Einsicht  in  die  Bildung  der  Placenta 
praevia,  speziell  ihrer  verschiedenen  Grade.  Das  Zustandekommen 
der  letzteren  wird  von  A.  im  einzelnen  geschildert. 

2)  C  1  a  u  s  -  Berlin:  Luetische  Erkrankung  der  Parotis. 

Nach  einem  Referate  über  die  einschlägige  Literatur  berichtet 
Verf.  über  eine  eigene  Beobachtung,  wo  bei  einer  Frau  eine  beträcht¬ 
liche  Anschwellung  der  linken,  eine  geringe  der  rechten  Parotis  be¬ 
stand,  die  auf  Jodkali  zurückging,  ebenso  wie  eine  chronische  Mittel¬ 
ohreiterung.  Auch  letztere  muss  für  luetisch  angesehen  werden. 

3)  D.  G  r  ii  n  b  a  u  m  -  Berlin:  Ein  neuer  Fall  von  primärem  Krebs 
der  Appendix. 

Demonstration  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft  am  5.  Juni  1907. 
Vergl.  d.  W.  No.  24. 

4)  A.  Schanz  -  Dresden:  Eine  typische  Erkrankung  der  Wirbel¬ 
säule  (Insufficientia  vertebrae). 

Sch.  schildert  in  seinen  Symptomen  und  im  Verlauf  ein  Krank¬ 
heitsbild,  bestehend  in  Druck-  und  Klopfempfindlichkeit  verschiedener 
Teile  der  Wirbelsäule,  auch  der  Rippen  und  des  Beckens,  die,  ohne 
typische  lokale  Entzündungserscheinungen  an  den  einzelnen  Wirbeln 
einhergehend,  von  gastrointestinalen  oder  allgemeinnervösen  Sym¬ 
ptomen  begleitet  ist.  Verf.  konstatiert  einen  weitgehenden  Parallelis¬ 
mus  mit  der  Pathogenese  und  Symptomatologie  des  Plattfusses  und 
supponiert  Reizzustände  an  Teilen  der  Wirbelsäule.  Die  Therapie 
besteht  in  Ruhe,  dann  Massage,  Gymnastik  und  einem  von  Verf.  an¬ 
gegebenen  billigen  Apparat. 

5)  B.  H  e  r  z  o  g  -  Mainz:  Die  Syphilis  des  Herzens  und  ihre  Früh¬ 
diagnose. 

Unter  Anführung  einiger  Beobachtungen  betont  H.,  dass  die 
Frühdiagnose  der  Herzlues  dann  möglich  ist,  wenn  die  Aorta  und  die 
Kranzarterien  allein  oder  vorzugsweise  ergriffen  sind.  Jeder  schwere 
Anfall  von  Angina  pectoris  bei  jungen  oder  mittelalten  Leuten,  Herz- 
vergrösserung,  die  ohne  sonstige  Veranlassung  sich  relativ  rasch  ent¬ 
wickelt,  Auftreten  von  Aorteninsuffizienz  ohne  Gelenkrheumatismus 
im  mittleren  Alter  sollen  an  Lues  denken  machen. 

6)  L.  P  i  c  k  -  Berlin :  Ueber  Meningokokken-Spcrmatozystitis. 

Vergl.  Bericht  der  Münch,  med.  Wochenschr.  über  die  Sitzung 

der  Berliner  med.  Gesellschaft  S.  1454. 

7)  E.  Runge  -  Berlin:  Stauungstherapie  in  der  Gynäkologie  und 
Geburtshilfe. 

Schilderung  der  Technik  des  Verfahrens,  wie  sie  in  der  Poliklinik 
der  K.  Charite  in  Anwendung  ist.  Fälle  mit  Entzündungserscheinungerl 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1649 


der  Uterussclileimhaut  eignen  sich  hierfür;  über  die  Erfolge  bei  chro¬ 
nischer  Metritis  ist  noch  nichts  bestimmtes  zu  sagen.  Sekretstau¬ 
ungen  und  Fisteln  in  Laparotomienarben  sind  auch  ein  günstiges  In¬ 
dikationsfeld.  Die  Anwendung  der  Saugung  bei  Mastitis  ergab  auch 
dem  Verf.  die  bekannten  guten  Resultate. 

Gr  assmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  31. 

1)  S  o  m  m  e  r  -  Giessen:  Diagnostik  und  Therapie  der  psy¬ 
chischen  und  nervösen  Krankheiten.  (Klinischer  Vortrag.) 

2)  J.  G.  M  ö  n  c  k  e  b  e  r  g  -  Giessen:  Ueber  die  genuine  Arte¬ 
riosklerose  der  Lungenarterie. 

Verf.  teilt  2  Fälle  mit,  welche  er  denen  von  Romberg  und 
Aust  anreiht.  Klinisch  bestand  Herzvergrösserung  (mit  Ge¬ 
räuschen),  Zyanose,  Oedeme,  Stauung  in  den  Organen  des  grossen 
Kreislaufs.  Bei  der  Obduktion  fand  sich  hochgradige  Hypertrophie 
des  rechten  Ventrikels  ohne  entsprechende  Klappen-  oder  Lungen¬ 
veränderungen.  Erst  der  mikroskopische  Befund  zeigte,  dass  ein 
bedeutendes  Stromhindernis  in  schweren  Lungengefässveränderungen 
gegeben  war,  welche  denen  bei  Arteriosklerose  im  grossen  Kreis¬ 
lauf  analog  waren.  Im  einen  Fall  hatte  sich  auf  dem  Boden  zirkum¬ 
skripter  (sekundärer)  Intimawucherungen  ein  Thrombus  im  Pul- 
monalarterienstamm  entwickelt.  Mit  Rücksicht  auf  das  jugendliche 
Alter  mehrerer  Patienten  nimmt  Verf.  an,  dass  es  sich  um  angeborne 
Alterationen  der  Lungengefässwände  handeln  könne. 

3)  Paul  K  r  o  e  m  e  r  -  Giessen:  Klinische  Beobachtungen  über 
Aetiologie  und  Therapie  des  Chorionepithelioms,  insbesondere  über 
die  Behandlung  der  Blasenmole.  (Schluss  folgt.) 

4)  Leutert  -  Giessen :  Bier  sehe  Stauung  in  der  Otologie. 

Verf.  ermuntert  zu  weiteren  Versuchen  mit  der  Stauung,  sie 

sollen  aber,  wegen  der  möglichen  Gefahren,  nur  in  Kliniken  angestellt 
werden.  Bei  chronischer  Mittelohreiterung  war  die  Stauung  erfolg¬ 
los.  Bei  Warzenfortsatzeiterung  macht  die  Stauung  die  alte  Therapie 
keineswegs  entbehrlich. 

5)  H.  Hirschfeld  und  R.  K  o  t  h  e  -  Berlin :  Ueber  abnorm 
hohe  Leukozyten  bei  schweren  Infektionen. 

In  der  Leukozytenmenge  liegt  ein  brauchbarer  Anhaltspunkt  für 
Beurteilung  der  Schwere  einer  Infektion,  wie  sich  Verf.  bei  Appen¬ 
dizitisfällen  immer  wieder  überzeugten.  Von  9  Fällen  mit  sehr  hoher 
Leukozytose  (60  000—92  000),  welche  kurz  mitgeteilt  werden,  starben 
6;  bei  Frauen  und  Kindern  ist  das  Leukozytenphänomen  am  ausge¬ 
sprochensten.  In  einem  10.  Fall  —  lOjähr.  Knabe  mit  Appendizitis 
gangraenosa  —  stieg  die  nach  der  Operation  anhaltende  Leukozytose 
(22  000 — 38  000)  im  Gefolge  einer  Blutung  aus  einem  Duodenalge¬ 
schwür  bis  auf  190  000,  während  die  roten  Zellen  keinerlei  Regene¬ 
rationserscheinungen  entwickelten;  der  Blutbefund  war  leukämie¬ 
ähnlich.  Tod  am  3.  Tag  nach  der  Blutung.  Der  Fall  ist  klinisch  näher 
beschrieben  im  folgenden  Artikel. 

6)  M  ü  h  s  a  m  -  Berlin:  Tödliche  Blutung  aus  einem  Duodenal¬ 
geschwür  nach  Appendizitisoperation. 

Es  handelte  sich  wahrscheinlich  um  retrogradige  Embolie;  die 
Arrosion  des  Gefässes  wurde  vielleicht  durch  einen  Diätfehler  be¬ 
günstigt.  —  Verf.  achtete  auf  den  Stuhl  nach  Laparatomien  und  fand 
in  einigen  Fällen  Blut. 

7)  Felix  F  r  a  n  k  e  -  Braunschweig:  Diagnose  und  Behandlung 
der  chronischen  Gelenkerkrankungen.  Klinischer  Vortrag.  (Schluss 
folgt.) 

8)  Sommer  und  Daune  m  ann  -  Giessen :  Zur  Geschichte 
der  medizinischen  Fakultät  der  Universität  Giessen. 

.  R.  Grashey  -  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  31.  E.  Moro  und  A.  D  o  g  a  no  f  f  -  München:  Zur  Patho¬ 
genese  gewisser  Integumentveränderungen  bei  Skrofulöse. 

Die  Verf.  berichten  über  die  eigentümlichen  Reaktionserschei¬ 
nungen,  welche  sie  bei  schwächlichen,  skrofuloseverdächtigen  Kin- 
drn  nach  der  Pi  r  quetschen  Tuberkulinimpfung  sowohl  als  Der¬ 
matitis  (Skrofuloderma)  und  besonders  als  Conjunctivitis  phlyctaenu¬ 
losa  auftreten  sahen.  Wie  Pfaundler  in  der  Münchener  Gesell¬ 
schaft  für  Kinderheilkunde  ausgeführt  hat,  muss  man  dabei  an  eine 
spezifische  gesteigerte  Empfindlichkeit  des  Integumentes  bei  skrofu¬ 
lösen  Individuen  denken. 

K.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Prag:  Ueber  die  Resistenz  des  Menschen 
gegen  Milzbrand. 

Verf.  hat  bei  seinen  Versuchen  das  Verhalten  des  Milzbrand¬ 
bazillus  sowohl  gegenüber  Serum  als  gegenüber  Eiter  verfolgt  und 
gesehen,  dass  Serum  allein  den  Bazillus  nicht  abtötet,  sondern  im 
Gegenteil  seine  Entwicklung  zu  fördern  pflegt  .  Dagegen  sah  er  im 
Eiter  (Buboneneiter)  eine  lebhafte  Phagozytose  und  ausserdem  an  den 
Bazillen  Absterbeerscheinungen  und  Zerfall  eintreten.  Noch  inten¬ 
siver  scheint  die  Abtötung  in  gefrorenem  Eiter  zu  erfolgen.  Alles 
in  allem  ergibt  sich,  dass  die  Resistenz  des  Menschen  gegen  Milz¬ 
brand  auf  den  Leukozyten  beruht. 

O.  Mayer-  Graz:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Sehstörung  und 
Erblindung  nasalen  Ursprungs. 

Krankengeschichte  einer  76  jährigen  Frau,  die  nach  längerem 
Bestand  eines  Empyems  der  rechten  Nebenhöhlen  im  Anschluss  an 


einen  akuten  Nasenkatarrh  über  Nacht  auf  dem  rechten  Auge  er¬ 
blindete,  während  auf  dem  linken  die  Sehschärfe  auf  drei  Zehntel 
abfiel.  Nach  der  Eröffnung  der  Kiefer-  und  Keilbeinhöhle  sowie  der 
hintersten  rechten  Siebbeinzelle  wurde  das  Sehvermögen  des  linken 
Auges  wieder  fast  normal.  Die  Miterkrankung  des  linken  Auges 
bei  der  rechtsseitigen  Nasenaffektion  lässt  sich  vielleicht  am  besten 
durch  ein  von  dem  rechten  Optikus  nach  dem  linken  fortgeleitetes 
entzündliches  Oedem  erklären. 

S  t  r  u  b  e  1 1  -  Dresden:  Inwiefern  ist  es  erlaubt,  die  Ergebnisse 
der  modernen  Kreislaufforschung  vom  Experiment  auf  die  Klinik  und 
auf  die  Pathologie  des  Menschen  zu  übertragen? 

Zur  kurzen  Wiedergabe  nicht  geeignet. 

Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

W.  S.  Lazarus-Barlo  w:  Die  histologische  Diagnose  der 
Endotheliome.  (Glasgow  Medic.  Journ.,  April  1907.) 

Verf.,  der  Direktor  des  Krebsinstitutes  am  Middlesex  Hospital  in 
London,  glaubt,  dass  man  den  Begriff  des  Endothelioms  erweitern 
muss  und  dass  manche  bisher  als  Plattenepithelkrebse  beschriebenen 
Tumoren  der  Cervix  uteri  und  der  Brustdrüse  den  Endotheliomen 
zuzuzählen  sind.  Er  rechnet  die  Endotheliome  zu  den  Sarkomen  und 
unterscheidet  zwischen  „hämatischen  und  lymphatischen“  Endo¬ 
theliomen,  sowie  zwischen  Peritheliomen  und  Endotheliomen.  In 
den  letzten  7  Jahren  fand  er  unter  allen  von  ihm  untersuchten  bös¬ 
artigen  Tumoren  Endotheliome  in  8  Proz.  der  Fälle  in  der  Zunge, 
10  Proz.  im  Uterus,  10  Proz.  in  der  Brust,  10  Proz.  in  der  Leber 
und  den  Gallengängen  und  7  Proz.  in  den  Knochen  (primäre  Knochen¬ 
tumoren).  Die  histologisch  als  Endotheliome  bekannten  Geschwülste 
zeigen  eine  ungewöhnlich  grosse  Anzahl  von  Metastasen.  Die  Arbeit 
enthält  eine  Anzahl  guter  Abbildungen. 

James  Kerr  Love:  Blaue  Pigmentierungen  des  Trommelfells. 
(Ibid.) 

Verfasser  beschreibt  eine  blaue  Pigmentierung  des  Trommel¬ 
fells,  die  er  bei  6  Grubenarbeitern  sah,  die  über  Taubheit  klagten. 
Er  glaubt,  dass  es  sich  um  eine  Ablagerung  von  Kohlenstaub  han¬ 
delt,  der  durch  die  Tuba  Eustachii  in  das  Mittelohr  gelangt.  Das 
Pigment  liess  sich  weder  durch  Spülen  noch  durch  Tupfen  vom  Trom¬ 
melfell  entfernen. 

J,  O.  Aff  leck:  Zur  Prognose  und  Therapie  der  lobären  Pneu¬ 
monie.  (Scottish  Med.  and  Surgic.  Journ.,  April  1907.) 

Das  höhere  Lebensalter  und  der  Alkoholismus  sind  bei  der  Pneu¬ 
monie  von  übelster  Vorbedeutung.  Von  46  Alkoholikern,  die  an  Pneu¬ 
monie  erkrankten,  starben  40.  Er  beschreibt  dann  näher  die  dia¬ 
gnostisch  interessanten  Fälle,  bei  denen  es  im  Beginn  der  Erkran¬ 
kung  zu  heftigen  Schmerzen  im  Leibe  und  zu  Rigidität  der  Bauch¬ 
muskeln  kommt,  so  dass  manchmal  fälschlich  eine  Appendizitis  an¬ 
genommen  wird.  Hohe  Temperaturen  mit  starkem  Schweissausbruch 
sind  prognostisch  als  ungünstig  anzusehen.  Vor  allem  kommt  es 
darauf  an,  die  Herzkraft  zu  erhalten  und  dies  geschieht  am  besten 
durch  reichliche  Verabreichung  von  Digitalis  und  Strychnin.  Auch 
Alkohol  ist  ein  gutes  Stimulans  in  der  Behandlung  der  Pneumonie. 
Schlaflosigkeit  wird  am  besten  durch  Paraldehyd  bekämpft.  Opium 
sollte  nie  gegeben  werden.  Antipyretika  dürfen  ebenfalls  nicht  ge¬ 
geben  werden,  bei  hohem  Fieber  verwendet  er  kalte  Abreibungen. 

J.  L.  Fraser:  Die  Aetiologie  der  Nasenpolypen.  (Ibid.) 

In  vielen  Fällen  akuten  und  chronischen  Nasenkatarrhs  kommt 
es  zu  seröser  Durchtränkung  der  Schleimhaut  in  der  Gegend  der 
mittleren  Muschel.  Zuerst  sind  nur  die  oberen  Lagen  ergriffen  und 
in  vielen  Fällen  stellt  sich  nach  einiger  Zeit  wieder  ein  normaler 
Zustand  her.  In  anderen  Fällen  dringt  das  Oedem  auch  in  die  tiefe¬ 
ren  Schichten  vor  und  führt  zu  ausgedehnterer  Schwellung  des  vor¬ 
deren  Endes  der  mittleren  Muschel,  des  Processus  uncinatus  und  der 
Bulla  ethmoidalis.  Die  Schwerkraft  und  der  Einfluss  der  venösen 
und  lymphatischen  Obstruktion  vergrössern  dies  Oedem  und  es 
kommt  zur  Bildung  von  Polypen,  die  also  nichts  sind,  als  ödematöse 
Hypertrophien  der  Schleimhaut.  Häufig  findet  man  dabei  Erkran¬ 
kungen  der  Nebenhöhlen  und  der  Knochen,  aber  sie  sind  nicht  die 
Ursache  der  Polypen.  Bei  vielen  Fällen  von  Sinuseiterungen  fehlen 
die  Polypen  vollkommen.  Bei  allen  chronischen  Fällen  von  Polypen 
findet  man  aber  Verdickungen  der  Gefässwände,  des  Periosts  und 
meist  auch  eine  hyperplastische  Otitis.  Ist  nur  die  Schleimhaut  er¬ 
krankt,  so  genügt  ihre  Entfernung  zur  Heilung.  Ist  aber  auch  der 
Knochen  krank,  so  muss  man  den  kranken  Teil  des  Os  ethmoidale 
entfernen.  Oft  gibt  die  mikroskopische  Untersuchung  eines  kleinen 
Theiles  des  kranken  Knochens  wertvolle  Aufschlüsse  über  die  beste 
Art  der  Therapie.  . 

Alexander  Don:  Die  Entfernung  des  Brustkrebses.  (Ibid.) 

Verf.  beschreibt  und  bildet  ab  eine  eigentümliche  Schnitt¬ 
methode,  bei  der  die  Achselhöhle,  die  Seitenteile  und  der  von  Hand- 
ley  als  wichtig  angegebene  Teil  über  der  Fascia  abdominalis  gut 
ausgeräumt  werden  kann,  ohne  dass  man  viel  Haut  entfernt.  Sehr 
wichtig  ist  es,  die  Faszie  des  Latissimus  dorsi  und  1  eres  major 
gründlich  zu  entfernen,  da  auf  ihr  die  Glandulae  thoracicae  liegen.  Ls 
ist  am  besten,  die  Kranke  von  Beginn  der  Operation  an  auf  die 
gesunde  Seite  zu  legen,  da  man  dann  besser  an  diese  t  eile  heran¬ 
kommen  kann.  Die  beiden  Pektorales  und  alles  Unterhautfett¬ 
gewebe  bis  zur  Mittellinie  werden  entfernt.  Nach  völliger  Ent¬ 
fernung  alles  Gewebes  bestrahlt  Verf.  die  frei  daliegende  Wundfläche 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


650 


10  15  Minuten  lang  mit  Röntgenstrahlen.  Er  lässt  beim  Verbände 

den  Arm  ganz  frei,  damit  keine  unangenehmen  Kontrakturen  ent¬ 
stehen. 

F.  W.  N.  Haultain:  Das  Zervixmyom  und  seine  Behandlung. 

(Edinburgh  Medic.  Journ.,  April  1907.) 

Verf.  bespricht  die  Pathologie,  Anatomie  und  Symptomatologie 
dieser  Tumoren  an  der  Hand  von  30  eigenen  operierten  Fällen,  von 
denen  er  3  verlor.  Meist  gaben  Druckbeschwerden  die  Indikation 
zur  Operation.  Als  einzig  brauchbare  Methode  empfiehlt  er  die  ab¬ 
dominale  totale  Hysterektomie,  wobei  er  nach  Ablösung  der  Blase 
und  Unterbindung  der  Ligam.  lata  und  der  Arterien  zuerst  das  vor¬ 
dere  Scheidengewölbe  eröffnet.  Dann  wird  nach  der  Scheide  hin 
locker  drainiert  und  das  Peritoneum  über  dem  Tampon  vernäht. 

W.  H.  Newton:  Die  Entzündungen  in  der  Umgebung  des 
Kolons.  (Medical  Chronicle,  April  1907.) 

Die  Perikolitis  ist  viel  häufiger  als  vielfach  angenommen  wird. 
Sie  kann  überall  am  Kolon  auftreten,  betrifft  aber  am  häufigsten  das 
Colon  descendens.  Meist  spielt  chronische  Konstipation  ätiologisch 
die  Hauptrolle.  Bei  vielen  derartigen  Kranken  kommt  es  zur  Aus¬ 
bildung  kleiner  Ausbuchtungen  des  Darmes,  es  bilden  sich  Sacculi 
und  Divertikel,  die  dem  Wurmfortsatz  vergleichbar  sind  und  in  denen 
sich  der  Appendizitis  ähnliche  Entzündungsvorgänge  abspielen 
könne.  Andere  Fälle  von  Perikolitis  entstehen  durch  Perforation 
des  Darmes  durch  Fremdkörper  (Bland  Sutton).  Schliesslich  können 
Traumen  und  verschiedene  Arten  von  Geschwüren  des  Darmes  (gut¬ 
artige  und  bösartige)  zur  Perikolitis  führen.  Es  kann  zur  Ausbildung 
einer  chronischen  Entzündung  oder  zur  akuten  Eiterung  kommen. 
Nicht  selten  wird  fälschlich  ein  maligner  Tumor  (selbst  noch  bei  der 
Operation)  angenommen,  der  dann  zuweilen  spurlos  nach  der  Probe¬ 
laparotomie  verschwindet.  Die  Behandlung  der  akuten,  abszedieren- 
den  Fälle  kann  nur  eine  chirugische  sein,  bei  den  chronisch  infil¬ 
trierenden  erzielt  man  durch  Bettruhe,  Umschläge  und  regelmässige 
Stuhlentleerungen  oft  Besserung.  Zuweilen  ist  es  bei  den  chroni¬ 
schen  Fällen  von  Nutzen,  eine  Laparotomie  zu  machen  und  Adhä¬ 
sionen  zu  lösen. 

Arthur  Fox  well:  Die  hypostatische  Pneumonie.  (Birmingham 
Medical  Review.  April  1907.) 

Verf.  hat  eine  Anzahl  von  Fällen  bakteriologisch  untersucht,  ist 
aber  dabei  zu  dem  Resultate  gekommen,  dass  die  dabei  gefundenen 
Mikroorganismen  (Pneumokokken,  Strepto-  und  Staphylokokken)  ganz 
nebensächlich  sind,  die  Ursache  der  Hypostase  ist  in  Schwächung 
des  rechten  Herzabschnittes  zu  suchen.  Die  Therapie  besteht  vor 
allem  in  der  Prophylaxe,  bei  beginnender  Hypostase  lasse  man  Atem¬ 
übungen  machen,  gebe  Strychnin  und  Digitalis  sowie  eventuell  ein 
Brechmittel.  Auch  Aderlässe  und  warme  Bäder  sind  manchmal  von 
Nutzen. 

F.  Victor  Mil  ward:  Die  Beziehungen  der  Obstipation  zur 
Konstipation.  (Ibidem.) 

Unter  Obstipation  versteht  Verf.  im  Gegensatz  zur  Konstipation 
(Stuhlverstopfung)  eine  Stuhlverstopfung,  die  auf  mechanischen  Ur¬ 
sachen  beruht.  Er  beschreibt  näher  die  Hypertrophie  der  Houston- 
schen  Falten  des  Rektums  und  ihre  operative  Beseitigung,  die  na¬ 
mentlich  von  einigen  amerikanischen  Chirurgen  vielfach  mit  gutem 
Erfolge  geübt  wurde.  Dann  geht  er  näher  auf  Stuhlverstopfung  durch 
chronische  Adhäsionen  und  Knickungen  des  Kolons  ein  und  empfiehlt 
hierbei  die  Anlegung  einer  Anastomose  zwischen  Ileum  und  Colon 
descendens.  Schliesslich  glaubt  er,  dass  man  in  der  Appendikostomie 
eine  vorzügliche  Methode  besitzt,  um  chronische  Verstopfungen  zu 
heilen.  Man  näht  den  Wurm  in  eine  kleine  Bauchwunde  ein,  er¬ 
öffnet  ihn  und  dilatiert  ihn,  wenn  nötig.  Durch  diese  Dauerfistel 
kann  man  täglich  Medikamente  in  den  Darm  einführen  oder  ihn 
ausspülen. 

Stanley  Burnes:  Der  Patellarreflex  bei  der  Pneumonie. 

(Ibidem.) 

Verf.  konnte  feststellen,  dass  bei  Fällen  von  lobärer  Pneumonie 
der  Kniereflex  fast  immer  nach  einiger  Zeit  erlischt,  während  er  bei 
anderen  Lungenkrankheiten  (Tuberkulose,  Diphtherie)  erhalten  bleibt. 
Erlischt  der  Kniereflex  sehr  frühzeitig  (schon  am  dritten  Tage),  so 
spricht  dies  für  eine  hochgradige  Toxämie  und  gibt  eine  schlechte 
Prognose.  Ist  er  am  7.  Tage  noch  vorhanden,  so  ist  die  Prognose 
gut.  In  allen  tödlich  endenden  Fällen  war  der  Reflex  einige  Zeit  vor 
dem  Tode  erloschen.  Verf.  glaubt,  dass  man  sobald  der  Reflex  ver¬ 
schwindet,  beginnen  muss  den  Kranken  energisch  zu  stimulieren. 
Den  Eintritt  der  Krisis  kann  man  aus  dem  Verhalten  der  Reflexe  nicht 
bestimmen. 

John  Cowan:  Die  myogene  Theorie  der  Herztätigkeit.  (Prac- 
titioner.  April  1907.) 

Verf.  gibt  eine  gute  Uebersicht  dieser  hauptsächlich  von  Eng¬ 
ländern  und  Amerikanern  ausgearbeiteten  Lehre  von  der  myogenen 
Erregung  des  Herzens.  Die  Arbeit  ist  für  ein  kurzes  Referat  nicht 
geeignet.  Sie  enthält  eine  gute  Uebersicht  über  die  wichtigsten  bisher 
erschienenen  Arbeiten  über  dieses  Gebiet. 

Fr.  Langmead:  Die  Beziehungen  der  einfachen  hinteren  Ba- 
silarmeningitis  zum  Zerebrospinalfieber.  (Ibidem.) 

Die  hintere  Basilarmeningitis  wurde  zuerst  von  G  e  e  und  Bar- 
1  o  c  o  beschrieben,  später  erkannte  Still  einen  nach  ihm  genannten 
Diplokokkus  als  ihren  Erreger.  Verf.  sucht  nun  nachzuweisen,  dass 
auch  die  Meningitis  basilaris  posterior  in  epidemischer  Form  auf¬ 
treten  kann;  dass  die  Pathologie  dieser  Krankheit  zu  eng  begrenzt 


worden  sei  und  dass  der  Still  sehe  Diplokokkus  nichts  anderes 
ist  als  der  Weichselbaum  sehe  Meningokokkus.  Er  glaubt, 
dass  die  Basilarmeningitis  von  Still  nichts  weiter  ist  als  eine 
sporadisch  auftretende,  abgeschwächte  Meningitis  cerebrospinalis  und 
dass  sich  jederzeit  durch  uns  bisher  unbebaute  Ursachen  aus  solchen 
zu  allen  Zeiten  isoliert  vorkommenden  Fällen  eine  Epidemie  von 
Meningitis  cerebrospinalis  entwickeln  kann. 

Woods  Hutchinson:  Was  ist  Fieber?  (Ibidem.) 

Nicht  die  hohe  Temperatur,  sondern  die  gleichzeitig  vorhandenen 
Eoxine  sind  das  schädliche  des  Fiebers.  Die  erhöhte  Temperatur 
beruht  nicht  auf  vermehrter  Oxydation,  da  die  COs-Ausscheidung 
gleich  bleibt  oder  sogar  verringert  ist.  Die  Erscheinungen  des  Fie¬ 
bers  beruhen  auf  einer  allgemeinen  Störung  und  Umkehrung  des  nor¬ 
malen  Stoffwechsels  durch  die  Toxine;  die  Energie,  die  sonst  in 
Sekretion,  Wachstum,  Bewegung  etc.  umgesetzt  wird,  wird  jetzt  in 
Wärme  umgewandelt  und  geht  dem  Körper  verloren.  Tatsächlich  ist 
der  Stoffwechsel  im  Fieber  gegenüber  der  Gesundheit  verringert, 
aber  er  ist  zerstörend,  nicht  aufbauend.  Sind  sehr  grosse  Mengen 
von  Toxinen  vorhanden,  so  wird  der  Stoffwechsel  so  stark  herab¬ 
gesetzt,  dass  es  zu  einer  subnormalen  Temperatur  kommt.  Man 
sollte  nicht  eher  von  Fieber  sprechen,  als  bis  die  Normaltemperatur 
um  1,5  0  F  überschritten  ist.  Es  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  die  erhöhte 
Temperatur  im  Fieber  dem  Körper  durch  ungünstigen  Einfluss  auf 
das  Wachstum  der  Mikroorganismen  Nutzen  bringt.  Therapeutisch 
ist  es  von  Wichtigkeit,  die  Intoxikation  und  nicht  die  Temperatur 
zu  behandeln. 

H.  Nethersole  Fl  et  sch  er:  Antipyrin  als  Sedativum  im  Säug¬ 
lingsalter.  (Ibidem.) 

Bei  Keuchhusten  im  Säuglings-  und  Kindesalter  hat  sich  dem 
Verf.  kein  Mittel  so  bewährt  als  das  Antipyrin.  Er  gibt  0,06  bis  0,15 
alle  4 — 6  Stunden,  vor  dem  Schlafengehen  verdoppelt  er  die  Dose  und 
erzielt  dadurch  häufig  eine  ruhige  Nacht.  Auch  bei  der  Unruhe  der 
Kinder,  die  aus  vielen  Ursachen  so  häufig  während  des  Zahnens 
auftritt  hat  sich  Antipyrin  in  denselben  Dosen  bewährt.  Dasselbe 
gilt  für  das  nächtliche  Aufschrecken  der  Kinder.  Verf.  sah  niemals 
unangenehme  Nebenwirkungen. 

George  F.  Still:  Ueber  Enuresis  und  fäkale  Inkontinenz  der 
Kinder.  (Clinical  Journal,  24.  April  1907.) 

Verf.,  der  eine  sehr  grosse  Erfahrung  als  Kinderarzt  hat,  glaubt, 
dass  die  meisten  Fälle  von  Enuresis  bis  zur  Pubertät  verschwinden; 
die  seltenen  Fälle,  die  in  das  erwachsene  Alter  hineinreichen,  ver¬ 
schwinden  zuweilen  mit  der  Heirat.  Stets  sollte  der  Urin  genau 
untersucht  werden,  der  allerdings  meist  normal  gefunden  wird.  Findet 
man  viel  Harnsäure,  so  beschränke  man  die  Kohlehydrate.  Stets 
untersuche  man  auf  Würmer  und  zwar  gebe  man,  selbst  wenn  ihr 
Vorhandensein  von  den  Eltern  bestritten  wird,  einmal  Santonin  und 
Kalomel  und  untersuche  die  nächsten  Stühle.  Findet  man  keinen 
greifbaren  Grund,  so  versuche  man  Belladonna.  Man  muss  das  Mittel 
in  steigenden  Dosen  für  mehrere  Wochen  geben.  Man  kann  bei 
Kindern  über  5  Jahren  mit  10  Tropfen  der  Tinktur  3  mal  täglich 
beginnen  und  jeden  5.  Tag  um  2Vz  Tropfen  steigen  bis  die  Enuresis 
aufhört  oder  Vergiftungserscheinungen  auftreten.  Hört  die  Enuresis 
z.  B.  mit  17  Tropfen  auf,  so  steige  man  noch  um  2Vz  Tropfen  und 
bleibe  bei  20  Tropfen  3  mal  täglich  für  14  Tage.  Nach  dieser  Zeit 
gehe  man  langsam  in  5  Tagen  um  2Va  Tropfen  zurück.  Hört  die 
Enuresis  nicht  auf,  obwohl  die  Toleranzgrenze  für  Belladonna  er¬ 
reicht  ist,  so  gebe  man  die  höchstmöglichen  Mengen  fort  zusammen 
mit  12%  Tropfen  Tinct.  Lycopodii,  die  alle  5  Tage  um  2 Vs  Tropfen 
gesteigert  wird.  Atropin  hat  keine  Vorzüge  vor  der  Tinct.  Bella- 
donnae.  Man  kann  der  Belladonna  auch  Nux  vomica  in  grossen  Dosen 
zufügen.  Ein  anderes  Mittel  ist  Phenazetin  oder  Bromkali.  Auch  das 
Extract.  fluid,  von  Rhus  aromatica  in  Dosen  von  10—25  Tropfen 
3  mal  täglich  hilft  zuweilen.  Versagen  diese  Mittel,  so  hilft  zuweilen 
das  Extract.  liquid.  Ergot.  in  Dosen  von  20  Tropfen  3  mal  täglich. 
(Alle  diese  Dosen  sind  für  5  jährige  Kinder  gerechnet.)  Verf.  wendet 
sich  dann  scharf  gegen  die  von  manchen  Aerzten  empfohlenen  In¬ 
stallationen  der  Harnröhre  und  des  Blasenhalses  mit  Hö'llenstein- 
lösungen,  sowie  gegen  die  Massage  vom  Rektum  aus  und  gegen  die 
Injektionen  in  den  Wirbelkanal.  Auch  die  Entfernung  der  langen 
Vorhaut  oder  adenoider  Wucherungen  hat  sicherlich  keinen  Einfluss 
auf  die  Enuresis  (diese  Operationen  sollen  natürlich,  wenn  sonst 
indiziert,  vorgenommen  werden).  Zuweilen  ist  Galvanismus  als  rein 
psychisches  Mittel  von  Nutzen.  Verf.  gibt  dann  noch  Ratschläge 
über  die  allgemeine  Pflege  und  Diät  der  Kinder.  Incontinentia 
alvi  hat  er  namentlich  bei  Knaben  gesehen  und  zwar  zuweilen  zu¬ 
sammen  mit  Enuresis.  Man  vermeide  alle  den  Darm  reizende  Nah¬ 
rung,  vor  allem  Obst  'in  jeder  Form  und  verordne  D  o  w  e  r  sches 
Pulver  zusammen  mit  Bromkali  und  Belladonna.  Bei  schwächlichen 
Kindern  gibt  er  Arsenik  und  Strychnin  gleichzeitig.  Eine  sorgfältige 
Pflege  der  Kinder  ist  sehr  nötig,  da  es  sich  meist  um  hochgradig 
„nervöse“  Kinder  handelt. 

Sir  Hector  C.  Cameron:  Lord  L  i  s  t  e  r  und  die  Entwicklung 
der  Wundbehandlung  in  den  letzten  40  Jahren.  (Brit.  Med.  Journ., 
6.  April  1907.) 

Verf.,  ein  Schüler  List  er  s,  der  die  ganze  Entwicklung  der 
L  i  s  t  e  r  sehen  Wundbehandlung  von  Anfang  bis  heute  miterlebt  hat, 
gibt  in  diesem  Festaufsatz  zu  L  i  s  t  e  r  s  80.  Geburtstage  einen  höchst 
interessanten  Rückblick  über  Liste  rs  erste  Versuche  und  die 
allmählige  Ausarbeitung  der  jetzt  geltenden  Regeln  für  die  Wund- 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1651 


behandlung.  Er  betont  dabei  besonders,  dass  L  i  s  t  e  r  stets  aner¬ 
kannt  bat,  wieviel  er  Pasteur  verdankt  und  wie  erst  Pasteurs 
Entdeckungen  ihn  zu  seinen  Versuchen  angeregt  haben.  Andererseits 
aber  bestreitet  er  (und  wohl  mit  Recht),  dass  zwischen  der  ur¬ 
sprünglichen  Antiseptik,  die  L  i  s  t  e  r  lehrte  und  der  heute  üblichen 
sogenannten  Asepsis  ein  prinzipieller  Unterschied  ist,  so  dass  man 
die  Antispesis  als  etwas  ganz  neues,  vom  Listerismus  gründlich 
verschiedenes,  anzusehen  habe.  Er  selbst  ist  bis  heute  der  Karbol¬ 
säure  treugeblieben  und  er  glaubt,  dass  man  mit  ihr  ausgezeichnete 
Erfolge  erzielen  kann.  Er  rühmt  das  tiefe  Eindringen  der  Karbol¬ 
säure  in  die  Haut  und  er  bedeckt  eine  Stunde  vor  der  Operation 
das  ganze  Operationsfeld  mit  einer  in  5  prozentige  Karbollösung  ge¬ 
tränkten  Kompresse.  Dies  macht  in  dringenden  Fällen  jede  andere 
Hautvorbereitung  überflüssig.  Auch  zur  Händedesinfektion  benutzt  er 
2Vs  proz.  Karbollösung.  Er  spricht  dann  ausführlicher  über  die  Be¬ 
handlung  komplizierter  Frakturen.  Im  Gegensatz  zu  Bergman  n, 
der  die  trockene  Reinigung  'dieser  Wunden  empfiehlt,  spült  er  kompli¬ 
zierte  Frakturen  stets  mit  grossen  Mengen  5  proz.  Karbollösung  aus. 
Der  Aufsatz  bietet  viel  Interessantes  zur  Geschichte  der  Antiseptik. 

Sir  Victor  Horsley:  Neue  Untersuchungen  über  die  Richtig¬ 
keit  der  von  Hughlings  Jackson  ausgesprochenen  Ansichten  über 
die  Tätigkeit  des  Kleinhirns.  (Ibidem.) 

Horsley  hat  gefunden,  dass  die  Rinde  des  Kleinhirns  uner¬ 
regbar  ist,  wenn  man  sie  mit  der  Erregbarkeit  des  Gyrus  frontalis 
ascendens  vergleicht.  Ferner  hat  er  nachgewiesen,  dass  der  ab¬ 
leitende  Mechanismus  des  Kleinhirns  in  den  Kernen  des  Kleinhirns 
selbst  und  in  den  parazerebellaren  Kernen  liegt.  Alles  bestätigt 
die  von  Jackson  und  Edinger  gefundene  Tatsache,  dass  die 
Kleinhirnrinde  die  erste  Hauptstation  ist  für  die  Repräsentation  der 
Bewegungen  aller  Skelettmuskeln. 

J.  Scott  Riddell:  Ueber  Jodalkoholkatgut.  (Ibidem.) 

Verf.  benutzt  seit  mehreren  Jahren  das  von  Salkindsohn 
angegebene  Verfahren  der  Katgutbereitung.  Man  legt  Rohkatgut  in 
eine  Lösung  von  Jodtinktur  in  Alkohol  (1  :  15).  Nach  8  Jagen  ist 
das  Katgut  steril.  Man  kann  es  unbeschränkt  lange  in  dieser  Lösung 
aufheben  ohne  dass  es  brüchig  wird.  Nach  2  bis  3  Wochen  füge  man 
neue  Lösung  hinzu.  Das  Katgut  wird  vorher  fest  auf  Glasspulen 
gewickelt.  (Schluss  folgt.) 

Bericht  über  urologische  Forschungsergebnisse  aus  dem  ersten 

Halbjahr  1907. 

Im  Folgenden  sollen  kurz  die  Neuerscheinungen  der  urologischen 
Spezialwissenschaft  besprochen  werden,  die  uns  das  letzte  Halbjahr 
brachte.  Es  sind  dabei  nur  die  praktisch  wichtigeren  Arbeiten 
herausgegriffen,  wie  sie  ja  den  Leserkreis  dieser  Wochenschrift 
hauptsächlich  interessieren  dürften.  Der  Bericht  kann  und  soll  des¬ 
wegen  keinen  Anspruch  auf  Vollständigkeit  machen. 

An  erster  Stelle  sind  einige  neuere  grössere  Werke  zu 
erwähnen.  Nitzes  „Lehrbuch  der  Kystoskopie“  ist  vor  kurzem  an 
dieser  Stelle  eingehend  gewürdigt  worden.  Ebenso  Garre  und  E  h  r- 
hardt:  „Nierenchirurgie“,  Luys:  „Exploration  de  l’appareil  uri- 
naire“  und  Wohlauer:  „Urologisch-kystoskopisches  Vademekum“. 
Eine  hübsche,  gross  angelegte  Monographie  über  Prostatektomie 
bringt  uns  Proust  (la  prostatectomie  dans  l’hypertrophie  de  la 
prostate.  Paris,  Masson  &  Cie.,  1907).  Nach  einem  geschichtlichen 
Ueberblicke  werden  die  pathologische  Anatomie  der  Drüse,  die  Ana¬ 
tomie  des  Dammes  für  den  perinealen  Operationsweg  und  endlich  die 
beiden  Methoden  der  Prostataenukleation,  die  perineale  und  die 
suprapubische,  besprochen. 

Im  Vordergrund  des  Interesses  befindet  sich  noch  immer  die 
Nieren  tuberkulöse,  wie  aus  der  grossen  Anzahl  von  Arbeiten 
bedeutender  Forscher  über  diesen  Gegenstand  hervorgeht.  Sie  be¬ 
fällt  keineswegs  so  selten  den  Menschen,  als  nach  den  Berichten 
früherer  Jahre  zu  vermuten  wäre;  im  Gegenteile,  die  Statistiken  der 
Nierenchirurgen  weisen  einen  recht  beträchtlichen  Prozentsatz  für 
Nierentuberkulose  auf;  dabei  ist  noch  zu  beachten,  dass  eine  grosse 
Anzahl  von  sicher  diagnostizierten  Fällen  wegen  Verweigerung  der 
Operation  von  Seiten  des  Patienten  oder  Arztes  nicht  mit  ein¬ 
gerechnet  sind.  Zuckerkandl  (Ueber  die  Behandlung  der  Nieren¬ 
tuberkulose;  Deutsche  med.  Wochenschr.,  XXXII.  Jahrg.,  No.  28), 
Rovsing  (Ueber  die  Bedeutung  der  Blasentuberkulose  und  die 
Heilbarkeit  derselben;  Langenbecks  Arch.  f.  klin.  Chirurgie,  82.  Beb, 
1.  H.),  Walker  (Tuberculosis  of  the  bladder;  Annales  of  surg.  1907, 
Februar,  März,  April)  und  P  i  t  h  a  (Ueber  die  Untersuchungsmethoden 
und  die  Therapie  bei  der  sogen,  chronischen  Nierentuberkulose;  Klin. 
therap.  Wochenschr.  1907,  No.  2 — 5)  haben  diesbezügliche  For¬ 
schungsergebnisse  veröffentlicht.  In  den  Hauptpunkten  stimmen  ihre 
Ansichten  überein:  die  Nierentuberkulose  ist  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  einseitig  und  zirkulatorischen  Ursprungs,  wirkliche  spontane 
Heilung  einer  diagnostizierten  Nierentuberkulose  gibt  es  wohl  kaum, 
die  medikamentöse  JTerapie  steht  bis  jetzt  machtlos  dem  Prozess 
gegenüber;  der  einzige  Weg  zur  vollständigen  Heilung  ist  die  so¬ 
fortige  Entfernung  des  erkrankten  Organs.  In  der  allerjüngsten  Zeit 
haben  Nicol  ich  (Cura  chirurgica  della  tuberculosi  renale)  und 
Israel  (Die  Endresultate  meiner  Nephrektomien  wegen  J’uber- 
kulose;  nebst  einigen  diagnostischen  Bemerkungen)  in  den  neu¬ 
gegründeten  „Folia  urologica,  Bd.  I,  H.  1“  ihre  Erfahrungen  darüber 
mitgeteilt.  Von  besonderem  Interesse  sind  Israels  Thesen,  da  er 


über  eine  recht  ansehnliche  Reihe  von  selbstoperierten  und  lange 
beobachteten  Fällen  verfügt.  Die  Endresultate,  berichtet  der 
erfahrene  Chirurg,  sind  in  der  Mehrzahl  befriedigend;  der  Kräfte¬ 
zustand  wird  normal,  das  Körpergewicht  steigt  (bis  zu  90  Pfund!),  die 
Miktionsbeschwerden  verschwinden  oder  verringern  sich  in  beträcht¬ 
lichem  Masse.  Diese  Besserung  beruht  auf  Rückbildung  des  tuber¬ 
kulösen  Prozesses  der  Blase  durch  Entfernung  des  Ansteckungs¬ 
herdes.  Die  Operation  soll  bei  einseitiger  Erkrankung  sofort  der 
Diagnose  folgen;  je  frühzeitiger  dies  geschieht,  desto  besser  das 
Endresultat.  Israel  verfügt  über  Fälle,  bei  denen  zwischen  Opera¬ 
tion  und  Erhebung  des  Endresultats  ein  recht  beträchtlicher  Zeitraum. 
10—15  Jahre,  verflossen  sind.  Eine  Schädigung  der  zurückgebliebenen 
gesunden  Niere  durch  Schwangerschaft  ist  nicht  zu  befürchten.  Nach¬ 
trägliche  tuberkulöse  Erkrankung  des  Schwesterorgans  beruht  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  auf  dem  Vorhandensein  präexistierender  latenter 
Herde.  Die  allgemeine  Diagnose  ist  gar  nicht  schwer  und 
ohne  spezialistische  Kenntnis  zu  stellen.  Ist  ein  auffallendes  Miss¬ 
verhältnis  zwischen  Stärke  der  Funktionsstörung  und  Geringfügigkeit 
der  Harntrübung,  verringert  sich  die  Blasenkapazität  in  fortschreiten¬ 
dem  Masse,  tritt  die  Nutzlosigkeit,  ja  Schädlichkeit  der  Blasen¬ 
spülungen  deutlich  hervor,  findet  man  endlich  im  schwachtrüben  Urin 
mikroskopisch  neben  Leukozyten  auch  kleine  Blutkoagula  oder  nur 
vereinzelte  rote  Blutzellen,  so  ist  der  Arzt  verpflichtet,  den  steril  mit 
dem  Katheter  aufgenommenen  Harn  auf  Tuberkelbazillen  zu  unter¬ 
suchen  und  zwar  auf  mikroskopischem  Wege  und  mittels  des  Tier- 
experiments.  Für  die  exakte  Feststellung  der  Einseitigkeit  oder 
Doppelseitigkeit  der  Niererkrankung  sind  allerdings  Methoden  er¬ 
forderlich,  die  eine  grössere  Uebung  erfordern  und  daher  chirurgisch- 
urologisches  Sondergebiet  bleiben  werden. 

Die  von  C  o  1  o  m  b  i  n  o  beschriebenen  Veränderungen  der 
Leukozyten  des  Harns  bei  Nierentuberkulose  nachzuprüfen,  hat  sich 
Moscou  (Diagnostic  de  la  tuberculose  de  l’appareil  genito-urinaire 
d’apres  l’examen  microscopique  des  urines;  Presse  medic.^1907,  H.  2) 
unterzogen.  Diese  Veränderung,  bestehend  in  unregelmässig  zacki¬ 
gem  Rande,  Auftreten  von  durchsichtigen  Bläschen  am  Rande  des 
Protoplasmas  und  Unsichtbarwerden  des  Kerns  und  der  Granula, 
konnten  tatsächlich  in  einer  grossen  Anzahl  der  einschlägigen  Fälle 
beobachtet  werden;  doch  dürfen  sie  nicht  als  Beweis  für  Nieren¬ 
tuberkulose  angesehen  werden,  da  sie  einerseits  bei  sicher  bestehen¬ 
der  derartiger  Erkrankung  fehlen,  andererseits  sich  auch  ab  und  zu 
bei  anderen  Affektionen  der  Harnorgane  (Konkrement  der  Blase,  akute 
Blennorhöe)  finden. 

Durch  seinen,  den  gegenwärtigen  Erfahrungen  entgegengesetzten 
Inhalt  fällt  ein  Bericht  über  zwei  Fälle  von  Spontanheilung 
der  Blasentuberkulose  von  Deschamps  (Contribution  ä  l’etude 
de  la  guerison  spontanee  de  la  tuberculose  du  rein.  Annal.  des  mal. 
gen.-urin.  1907,  H.  8)  auf.  Der  erste  Fall  ist  wohl  nicht  eine  Spon¬ 
tanheilung  im  wahren  Sinne  des  Wortes.  Ein  tuberkulöser  Abszess 
der  Niere  wird  eröffnet,  gereinigt  und  drainiert;  die  endgültige  Heilung 
der  Testierenden  Fistel  tritt  nach  3  Jahren  ein.  Der  zweite  Fall  be¬ 
trifft  ein  Mädchen,  mit  den  Erscheinungen  einer  Tuberkulose  des 
Harnapparates.  Intravesikale  Separation;  beiderseits  trüber  Harn; 
K  o  c  h  sehe  Bazillen  wurden  durch  Tierversuch  nachgewiesen.  Durch 
medizinische  Behandlung  (Urotropin.  Milchdiät,  Ruhe  etc.)  wurde 
eine  vollständige  Heilung  (klarer  Urin,  Aufhören  der  Schmerzen), 
nach  2  Jahren  erzielt.  Der  zur  Beurteilung  des  Resultates  eigent¬ 
lich  hier  unerlässliche  Tierversuch  wurde  nicht  mehr  wiederholt, 
so  dass  die  Heilung  nicht  genügend  erwiesen  erscheint. 

Was  die  Behandlung  der  chronischen  N  e  p  h  r  i  t  i  s  durch  Ent¬ 
kapselung  (nach  Edebohls)  anlangt,  so  ist  das  Urteil  über  den 
Wert  dieser  Methode  ein  widersprechendes.  Während  E.  Müller 
(Ueber  die  Entkapselung  der  Niere.  Arch.  f.  klin.  Chir.,  82  Bd..  H.  1, 
1907)  diese  Operation  bei  3  Nephritikern  mit  gutem  Erfolge  ausführte, 
kommt  Zondeck  (Die  chirurgische  Behandlung  der  chronischen 
Nephritis  nach  Edebohls.  Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u. 
Chir.,  1907,  III.  Suppl.)  zu  dem  Resultate,  dass  sie  weder  harmlos 
noch  empfehlenswert  sei. 

Ueber  eine  neue  Art,  die  Blase  durch  Naht  zu  vereinigen,  be¬ 
richtet  D  eibet  (Sutur  hermetique  de  la  vessie  par  decollement 
et  rebroussement  de  la  muaueuse.  Annal.  des  mal.  gen.-urin. .  1907, 
H.  7.).  Er  sucht  sich  den  Erfolg  einer  primären,  totalen  Vereinigung, 
—  die  für  gewöhnlich,  wenn  auch  nicht  ausnahmsweise,  so  doch  in¬ 
konstant  eintritt  —  durch  Aneinanderbringen  von  breiten  Wundflächen 
der  Mukosa  zu  sichern.  Das  Verfahren,  das  von  Ricard  für  die 
Behandlung  der  Vesiko-Vaginalfisteln  angegeben  wurde,  ist  folgendes: 
Man  evertiert  vor  Anlegen  der  Naht  mit  einer  Pinzette  die  Räncei 
der  vesikalen  Wunde  und  löst  nun  entweder  mit  dem  Messet  olci 
der  Schere  die  Mukosa  von  der  Muskularis  in  einer  Ausdehnung  von 
ungefähr  1cm  ab.  Die  Muskularis  wird  an  der  Umgrenzung  dei 
Ablösung  genäht,  faltet  sich  und  bringt  dadurch  die  beiden  bchlenn- 
hautwundflächen  aufs  innigste  in  Berührung;  es  bildet  sich  ein  kleine i 
Schleimhautwulst,  dessen  epithelialer  Ueberzug  gegen  das  Blasen- 
kavum  zu  gerichtet  ist.  Ein  intravesikaler  Druck,  der  durch  zeit¬ 
weiliges  Verstopfen  des  Verweilkatheters  sich  ja  häufig  ernste  lt, 
wird  keinerlei  unangenehme  Zwischenfälle  nach  sich  ziehen,  da  die 
Schleimhautflächen  sich  um  so  inniger  vereinigen.  Die  starke  Vasku¬ 
larisation  der  Mukosa  gewährleistet  noch  vor  Resorption  ues  Katgut 
die  Heilung  der  Wundränder. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Die  Frage,  welcher  Weg  für  die  totale  Exstirpation  der  Pro¬ 
stata  wegen  Hypertrophie  zu  wählen  ist,  hat  auch  in  diesem 
Halbjahr  ausser  P  r  o  u  s  t  s  oben  erwähnter  Monographie  einige  Be¬ 
arbeitungen  erfahren.  Pousson  (resultats  comparatifs  entre  la 
prostatectomie  perineale  et  la  prostatectomie  sus-pubienne.  Bullet, 
et  mein,  de  la  soc.  de  Chir.  de  Paris,  3.  H.,  1907)  bevorzugt  jetzt  den 
transvesikalen  Weg  (nach  Frey  er),  obwohl  seine  Mortalitätsziffer 
für  diese  Methode  22,7  Proz.  beträgt  (22  Fälle)  gegen  14,3  Proz.  (28 
Fälle)  bei  perinealer  Enukleation.  Als  Grund  für  seine  Schwenkung 
gibt  er  an,  dass  die  Operation  am  Damm  grössere  Schwierigkeiten 
durch  eventuelle  Verletzung  des  Bulbus  oder  Rektums  bietet  gegen¬ 
über  den  einfachen  Verhältnissen  des  transvesikalen  Weges;  letzterem 
Vorzug  ist  natürlich  der  der  Schnelligkeit  gemein,  was  bei  dem  vor¬ 
gerückten  Alter  dieser  Patienten  nicht  zu  unterschätzen  ist.  Grössere 
Blutungen  traten  nur  zweimal  auf;  durch  Tamponade  standen  sie 
bald.  Bei  der  Ausschälung  der  Prostata  hält  es  P.  für  besser,  die 
Kapsel  zu  inzidieren,  als  sich  des  Fingernagels  zu  bedienen.  Die 
Drüse  wird  herausgerissen  ohne  die  Harnröhre  zu  schonen;  die 
Besichtigung  des  Wundfeldes  geschieht  mittels  des  „eclaireurs“;  die 
Blutung  wird  mit  dem  Thermokauter  oder  Adrenalin  gestillt.  Ein¬ 
legen  des  E  r  e  y  e  r  sehen  Drains  in  die  Wunde,  der  nach  6 — 8  Tagen 
mit  dem  Verweilkatheter  vertauscht  wird.  L  e  g  u  e  u  betont  in  der 
Diskussion,  dass  eine  kleine  Prostata  suprapubisch  äusserst  schwer 
zu  entfernen  sei;  hier  trete  die  'perineale  Methode  in  ihre  Rechte. 

Zu  ähnlichen  Resultaten  kommt  C  a  s  t  a  n  o  (Prostatectomie  pe¬ 
rineale  et  prostatectomie  transvesicale,  methode  de  Frey  er.  An- 
nal.  des  mal.  gen.-urin.  1907,  H.  6).  Auch  er  gibt  der  trans¬ 
vesikalen  Prostataausschälung  den  Vorzug.  Die  Eröffnung  der  Blase 
bietet  zugleich  den  Vorteil,  sich  über  den  Zustand  des  Organs  genau 
zu  informieren;  Steine,  die  ja  oft  die  Hypertrophie  der  Drüse  kompli¬ 
zieren,  sind  leicht  zu  entfernen.  Die  Pars  prostatica  der  Harnröhre 
ist  leichter  zu  schonen  als  beim  perinealen  Vorgehen.  Die  ge¬ 
fürchtete  Verletzung  des  Rektums,  welche  lang  dauernde  Fisteln  im 
Gefolge  hat,  ist  vermieden.  Dagegen  gibt  C.  die  leichtere  Bewerk- 
stelligung  einer  ausgiebigen  Drainage  durch  die  perineale  Methode 
in  stark  infizierten  Fällen  zu. 

Kallionzis  (note  sur  la  prostatectomie  transvesicale.  Ibid., 
2.  H.,  1907)  operiert  in  der  Weise,  dass  er  (und  wie  er  angibt  auch 
Israel)  der  eigentlichen  Operation  die  Boutonniere  folgen  lässt, 
um  eine  doppelte  Drainage  zur  Verfügung  zu  haben. 

Von  den  nichtoperativen  therapeutischen  Massnahmen 
hat  sich  die  Behandlung  der  Vergrösserung  dieser  Drüse  mit  Rönt¬ 
genstrahlen,  auf  die  grosse  Hoffnungen  gesetzt  wurden,  leider  nicht 
bewährt.  Das  Endziel  aller  Prostatikertherapie,  die  dauernde  Be¬ 
seitigung  des  Resturins  ist  nach  den  Angaben  Schlagintweits 
(Die  Behandlung  der  Prostatahypertrophie  mit  Röntgenstrahlen. 
Zeitschr.  f.  Urologie,  Bd.  1,  H.  1,  1907),  der  ein  grösseres  Material 
daraufhin  sorgsamst  beobachtete,  nicht  zu  erreichen.  Eine  Einwir¬ 
kung  der  Strahlen  sei  zwar  sicher  vorhanden,  jedoch  bis  jetzt  regellos 
und  unbeständig.  Auch  Haenisch  (Ueber  die  Röntgenbehandlung 
der  Prostatahypertrophie  und  ihre  Technik,  diese  Wochenschrift  1907, 
No.  14)  spricht  sich  reserviert  über  die  Dauererfolge  dieser  Therapie 
aus. 

Kurz  sei  noch  eines  Vorschlages  von  Lüth  (Zur  Therapie  der 
Prostatitis  gonorrhoica.  Med.  Klinik,  1907,  p.  262)  für  die  Therapie 
von  Prostataaffektionen  gedacht.  Er  besteht  darin,  Fibrolysinein- 
spritzungen  in  die  entzündete  Prostata,  die  den  gewöhnlichen  thera¬ 
peutischen  Massnahmen  trotzt,  vorzunehmen.  Bei  6  Fällen  der  hart¬ 
knotigen  Form  konnte  L.  gute  Erfolge  erzielen;  bei  der  weichen  folli¬ 
kulären  Form  war  der  Erfolg  weniger  ermutigend. 

Eine  Reihe  von  den  seltenen  Fällen  akut-septischer  Thrombo¬ 
phlebitis  und  Cellulitis  des  Samenstranges  hat  Cole  Madden 
(Cellulitis  of  the  spermatic  cord.  Lancet,  23.  Februar  1907)  in  Kairo 
gesehen.  Der  SyinDtomenkomplex  ist  ausserordentlich  ähnlich  dem 
der  inkarzerierten  Hernie.  Auch  das  retroperitoneale  Gewebe  kann 
auf  dem  Wege  durch  den  Leistenkanal  ergriffen  werden.  Die  Therapie 
besteht  in  der  vollständigen  Entfernung  des  thrombosierten  Plexus 
und  des  durch  Nekrose  stets  gefährdeten  Hodens.  Ueber  die  Ur¬ 
sachen  des  Leidens  fehlen  Angaben. 

Die  Therapie  der  Gonorrhoe  behandeln  Neisser  (Ueber  die 
örtliche  und  innerliche  Behandlung  der  Gonorrhoe.  Med.  Klinik  1907, 
No.  14).  Asch  (Die  interne  und  lokale  Behandlung  der  akuten 
Gonorrhöe  in  urethroskopischer  Beleuchtung.  Fol.  urol.  B.  1,  H.  1) 
und  Jan  et  (Considerations  generales  sur  le  traitement  de  la  blen- 
norrhagie.  Ibid.)  in  anregenden  Studien.  Der  Breslauer  Forscher 
tritt  für  die  gewöhnliche  Injektionsmethode,  die  von  jedem  nicht 
allzu  ungeschickten  Patienten  gemacht  werden  kann,  ein.  Die  grossen 
Spülungen  mit  und  ohne  Katheter  hält  er  zwar  für  wirksam,  aber 
wegen  des  grossen  Aufwandes  an  Zeit  und  Geld  nicht  für  praktisch 
durchführbar.  Der  Arzt  muss  den  Patienten  für  die  Injektionsmethode 
schulen.  Die  Flüssigkeit  soll  langsam  und  ohne  Gewalt  eingespritzt 
werden;  der  beste  Modus  ist  der,  zwei  bis  drei  je  10 — 15  Minuten 
dauernde  Injektionen  machen  zu  lassen;  keinesfalls  sollen  sie  mit 
Gewalt  geschehen,  damit  alles  vermieden  wird,  was  den  Widerstand 
des  Schliessmuskels  überwinden  könnte.  Als  Heilmittel  verwendet 
Neisser  nach  wie  vor  Protargol.  Im  akuten  Stadium  werden  sofort 
einmal  täglich  Einspritzungen  (nur  durch  den  Arzt)  von  3  proz.  Pro¬ 
targol  in  einer  wässerigen  5  proz.  Antipvrinlösung  gemacht:  der  Pa¬ 
tient  spritzt  dreimal  täglich  mit  V-i  proz.  Protargol  in  3  proz.  Antipyrin- 


lösung.  Letzteres  Mittel  kann  auch  durch  Alypin  ersetzt  werden.  Die 
Frage,  ob  die  interne  Therapie  mit  den  alten  oder  neueren  balsami¬ 
schen  Mitteln  die  Aufgabe,  die  wir  an  eine  gute  Gonorrhöetherapie 
stellen,  erfüllt,  beantwortet  N.  mit  striktem:  Nein.  Die  Balsamika 
sind  zwar  sehr  brauchbar  zur  Beseitigung  störender  Symptome,  aber 
sie  sind  nicht  imstande,  die  Gonokokken  zu  beeinflussen  oder  gar 
zu  töten. 

Aschs  Ausführungen  gipfeln  in  folgenden  Thesen:  Jede  akute 
Gonorrhöe  der  vorderen  Harnröhre  ist  lokal  zu  behandeln.  Am 
besten  bewährt  haben  sich  die  Janet  sehen  Spülungen  der  vorderen 
Harnröhre,  welche  die  ersten  14  Tage  2  mal  täglich,  von  da  ab  einmal 
täglich  angewandt  werden  und  zwar  anfangs  mit  einer  Lösung  von 
Kal.  hypermang.  1  :  4000 — 1  :  1000  später  von  Albargin  1  : 4000  bis 
3  :  1000.  Diese  Spülungen  sind  unbedingt  vom  Arzte  auszuführen. 
Bei  jedem  Patienten,  der  eine  akute  Gonorrhöe  'durchgemacht  hat, 
ist  vor  dessen  Entlassung  aus  der  Behandlung  urethroskopiSch  zu 
untersuchen. 

.1  a  n  e  t  beschäftigt  sich  weniger  mit  der  medikamentösen  Therapie 
als  mit  der  Frage  der  Art  und  Weise  und  ües  richtigen  Zeitpunktes 
der  Applikation  des  Mittels.  Er  warnt  davor,  auch  nur  minimale 
Verletzungen  der  entzündeten  Schleimhaut  bei  der  Untersuchung  oder 
Behandlung  herbeizuführen  wegen  des  Auftretens  von  Komplikationen. 
Je  akuter  der  Prozess,  desto  gefährlicher  die  Verletzungen.  Es  ist 
aus  diesem  Grunde  auch  den  Patienten  die  Untugend  abzugewöhnen, 
durch  Drücken  und  Ausstreifen  des  Penis  sich  von  dem  Vorhandensein 
des  „Tropfens“  zu  überzeugen.  Auch  das  Anlegen  eines  Suspen¬ 
soriums  ist  nicht  immer  zweckdienlich,  da  häufig  bei  schlechtem  Sitz 
durch  Druck  oder  Absperrung  des  Sekrets  recht  unangenehme  Ver¬ 
schlimmerungen  herbeigeführt  werden  können. 

G.  Zanoni  (educatione  della  funzione  vesicale.  Gaz.  degli. 
Ospidal.  1907,  No.  48)  schlägt  in  seiner  Arbeit  auf  Grund  seiner  Er¬ 
folge  bei  einem  grösseren  Material  von  Enuresis  fällen  die 
Nebennierenextraktbehandlung  vor.  40 — 80  Tropfen  dreimal  täglich 
bis  zum  Eintreten  des  Erfolges  war  die  von  ihm  angewandte  gewöhn¬ 
liche  Dosierung;  da  Gewöhnung  an  das  Medikament  eintritt,  so  muss 
einerseits  die  Dosis  ab  und  zu  gesteigert,  andererseits  die  Dar¬ 
reichung  nach  einiger  Zeit  ausgesetzt  werden.  Von  134  Fällen  wur¬ 
den  66  geheilt,  21  gebessert.  Am  schönsten  waren  die  Erfolge  bei 
Kindern  im  Alter  von  3 — 10  Jahren.  Aber  auch  bei  älteren  (15  Jahren) 
wurden  Erfolge  erzielt.  Die  Frage  der  endgültigen  Heilung  ist  wegen 
der  Kürze  der  Beobachtungsdauer  (bis  zu  1  Jahr)  noch  offen  zu 
lassen. 

Auch  die  Technik  brachte  uns  im  letzten  Halbjahr  gar  manches 
Neue.  Ich  erwähne  nur  Goldschmidts  Irrigationsurethroskop 
(eine  eingehende  Studie  mit  guten  Photogrammen  findet  sich  in  den 
Fol.  urol.,  Bd.  1,  H.  l),  Wossidlos  Ureterkystoskop  (Zeitschr. 
f.  Urol.,  Bd.  1,  H.  2),  Casper-Blochs  Katheterdampfsterilisator 
(Zeitschr.  f.  Urol.,  Bd.  1,  H.  7)  u.  a.  m.  Neu  sirld  ferner  die  von 
Delamotte  in  den  Handel  gebrachten  Zinnfiliformsonden,  denen 
man  jede  bleibende  Krümmung  geben  kann,  sowie  Seidengespinnst- 
bougies  mit  Metallknopf  zur  Steinsondierung. 

Kielleuthner  -  München. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Berlin.  Juli  1907. 

35.  Kraft  Adolf;  Die  D  e  r  c  u  m  sehe  Krankheit. 

36.  Rozenblat  Henryka:  Experimentelle  Untersuchungen  über 
die  Wirkung  des  Kochsalzes  und  des  doppeltkohlensauren  Natron 
auf  die  Magensaftsekretion. 

37.  Bloch  Sarra:  Peroneussehnenluxation. 

38.  Ilieff  Ilija:  Ueber  die  Sterblichkeit  der  rachitischen  Kinder  nach 
Beobachtungen  in  der  Universitätsklinik  für  Kinderkrankheiten 
zu  Berlin. 

39.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  Erich :  Psychogene  Lähmungen. 

40.  Kollier  Rudolf:  Ueber  den  Einfluss  der  Aussentemperatur  auf 
die  Zuckerausscheidung. 

41.  Behrens  Franz:  Ueber  inter-  und  submuskuläre  Lipome. 

42.  Feldberg  Vera:  Ueber  Uterusmyom  als  Geburtshindernis. 

43.  Herzfeld  Ernst:  Ueber  die  Bedeutung  der  molekularen  Kon¬ 
zentration  von  Flüssigkeitsergüssen  für  die  Resorption  derselben. 

44.  Keller  Herbert:  Zur  Kasuistik  des  Typhus  exanthematicus. 

Universität  Freiburg.  Juli  1907. 

34.  K  raef  Hans:  Zur  Frage  des  abgerissenen  und  im  Uterus  zurück¬ 
gebliebenen  Kopfes. 

35.  Pape  n  hoff  Hermann:  Ueber  Transplantation  eigener  und 
fremder  Haut  und  die  Ursachen  für  die  Nichtanheilung  der 
letzteren. 

Universität  Göttingen.  Juni — Juli  1907. 

17.  C.  de  Boer:  Zur  Behandlung  der  habituellen  Schulterluxation. 

18.  W.  Pipo:  Ueber  56  Fälle  von  Placenta  praevia. 

19.  B.  Vezin:  Sechs  neue  Fälle  von  Osteomalazie  aus  der  Göttinger 
Universitäts-Frauenklinik. 

Universität  Greifswald.  Juli  1907. 

11.  Schimert  Gustav:  Ueber  Leukämie  nach  Traumen. 

12.  Schoettke  Wilhelm:  Experimentelle  Beiträge  zur  Frage  des 
Infektionsmodus  bei  der  weiblichen  Genitaltuberkulose. 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1653 


Universität  Heidelberg.  Juni  und  Juli  1907. 

12.  Kulenkampff  Diedrich:  Ueber  Behandlung  der  Appendizitis. 

13.  Schilling  Karl:  Ueber  einen  Fall  von  multiplen  Nebenmilzen. 

14.  Oambaroff  Gabriel:  Untersuchungen  über  hämatogene  Side- 
rosis  'der  Leber.  Ein  Beitrag  zur  Arnold  sehen  Granulalehre. 

15.  Wirth  Anton:  Klinischer  Beitrag  zur  Achylia  gastrica. 

Universität  Leipzig.  Juni  1907. 

46.  Hirsch  Eduard:  Ueber  Ovarialsarkome. 

47.  Ja  co  bi  Fritz:  Ueber  intermittierende  zystenartige  Dilatation 
des  vesikalen  Ureterendes. 

48.  K  ü  h  n  e  r  Hermann:  Ueber  intradurales  Hämatom. 

49.  Richard  Adolf :  Ein  seltener  Fall  von  plötzlichem  Verschluss 
der  Vena  cava  superior  durch  Aortenaneurysma. 

50.  Unna  Karl:  Beitrag  zur  Pathologie  des  Gichtstoffwechsels. 

51.  Heilmann  Otto:  Zur  Behandlung  der  Lungenphthise  mit 
Solveol. 

52.  K  1  e  1 1  Alfred:  Untersuchungen  über  die  Verwendbarkeit  von 
wässrigen  Extrakten  aus  Hiihnereiweiss  und  Eigelb  als  Bakterien¬ 
nährboden. 

53.  Neumann  Gerhard:  Die  traumatischen  Kniegelenksergüsse  und 
ihre  Behandlung.  (Ein  Beitrag  aus  dem  Garnisonlazarett  2, 
Berlin.) 

54.  Radi  off  Franz:  Ueber  Gundu  in  Deutsch-Ostafrika. 

55.  Schmer  1  Max:  Ein  Fall  von  Epilepsie  mit  Situs  inversus  vis- 
cerum. 

Juli  1907.  • 

56.  Heinemann  Walter:  Ueber  Hemiatrophia  faciei. 

57.  Knotte  Ernst:  Ueber  einen  Fall  von  schwerer  Allgemeintuber¬ 
kulose  mit  Herz-  und  Gallenblasentuberkulose. 

58.  Meixner  Hugo:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Lepra  in  Deutsch- 
Ostafrika. 

59.  Meyer  Karl:  Ueber  den  Tod  in  der  Morphium-Skopolamin-Nar- 
kose,  nebst  einem  Beitrag  und  Sektionsbericht. 

60.  Schul  tes  Walter:  Zur  Kasuistik  der  Mediastinaltumoren. 

61.  Stemmermann  Anna:  Beiträge  zur  Kenntnis  und  Kasuistik 
der  Pseudologia  phantastica. 

62.  Brunner  Ludwig:  30  Primärtumoren  des  Gehirns  anatomisch 
und  klinisch  zusammengestellt. 

63.  H  o  e  r  d  e  r  Carl:  Ueber  Heilstättenwesen. 

64.  Preusse  Hans:  Ueber  einen  Fall  von  Anthrax  intestinalis  beim 
Menschen. 

65.  Se  rings  haus  August:  Ueber  6  Fälle  von  epidemischer  Zere- 
brospinalmeningitis  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Sero¬ 
therapie. 

66.  Stein  Joseph:  Ueber  den  Begriff  „Dämmerzustand“. 

67.  Weigert  Kurt:  Das  Verhalten  des  arteriellen  Blutdrucks  bei 
den  akuten  Infektionskrankheiten. 

68.  Liebl  Ludwig:  Ueber  traumatische  Lungengangrän  infolge  von 
Oesophagusruptur. 

69.  Lübbe  rs  Carl:  Ueber  einen  Fall  von  tiefem  Angiom  an  der 
unteren  Extremität  und  über  seine  Behandlung  mit  Magnesium¬ 
stiften  nach  Payr. 

70.  v.  Mielecki  Walter:  Ueber  Kniescheibenbrüche,  insbesondere 
irn  deutschen  Heere. 

71.  Schob  Franz:  Ein  Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  der 
multiplen  Sklerose. 

72.  Stimmei  Friedrich:  Ueber  Mastitis  luetica  im  Sekundärstadium. 

73.  Tobten  Max:  Ueber  die  Schädeltrepanation  als  palliative 
Operation  bei  inoperablen  Hirntumoren. 

74.  F  r  ö  h  1  i  c  h  Albert:  Untersuchungen  über  die  Uebergangszonen 
und  einige  Eigentümlichkeiten  des  feineren  Baues  der  Magen¬ 
schleimhaut  der  Haussäugetiere,*) 

75.  Mladenowitsch  Ljubomir:  Vergleichende  anatomische  und 
pathologische  Untersuchungen  über  die  Regio  analis  und  das 
Rektum  der  Haussäugetiere.*) 

Universität  Marburg.  Juni  1907. 

6.  Ploeger  Herrn.:  Das  Verhalten  der  Pupillen  bei  der  Hysterie, 
Epilepsie,  Neurasthenie,  Migräne  und  beim  Alkoholismus. 

7.  D  a  n  i  e  1  s  e  n  Willi.:  Ueber  die  Schutzvorrichtungen  in  der  Bauch¬ 
höhle,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Resorption.  Hab.-Schr. 

8.  B  r  ö  k  i  n  g  Ernst:  Ein  Beitrag  zur  Funktionsprüfung  der  Gefässe. 

9.  Sand  voss  Aug.  Heinr.  Wilh.:  Ungewöhnliche  Lokalisationen 
des  Echinokokkus  (Vorderarmmuskeln,  Schilddrüse,  Gallenblase 
und  Niere). 

10.  Sinn  Karl:  Der  Einfluss  exoerimenteller  Pankreasgangunter¬ 
bindungen  auf  die  Nahrungsresorption. 

11.  Fel  sch  Hildegard:  Anatomische  Beiträge  zur  Kenntnis  des 
Spindelstars,  des  Kernstars,  des  Lenticonus  posterior  und  der 
kolobomartigen  Bildungen  der  Linse. 

12.  Siebei  Rud.:  Klinisches  und  Genetisches  über  Hydratnnion. 

13.  Geheeb  Anna:  Zur  Kasuistik  der  Operationen  bei  Karzinom  des 
S  rormanum. 

14.  W  e  i  s  s  Leonhard:  Klinische  und  anatomische  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  Tendovaginitis  crepitans. 


15.  Pietschmann  Karl:  Die  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  die 
Leukämie.  Uebersicht  über  die  bisher  publizierten  einschlägigen 
Fälle  unter  Einbeziehung  eigener  Beobachtungen. 

10.  Becker  Hermann:  Zur  Begründung  einiger  subjektiver  Sym¬ 
ptome  bei  der  initialen  I^hthise,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Bronchial-  und  Mediastinaldriisenvergrösseriing. 

Universität  München.  Juli  1907. 

58.  Wiencke  Rudolf:  Chondrodystrophie  als  Ursache  der  Phoko¬ 
melie.  Mit  Abbildungen. 

59.  Caan  Albert:  Ueber  wandständige  Herzaneurysmen. 

60.  Straus-Goitein  Rahel:  Ein  Fall  von  Chorionepitheliom. 

61.  v.  Parczewski  Stanislawa:  Nephritis  bei  Tuberkulose. 

62.  Brügg,emann  A.:  Zur  Kasuistik  der  Osteomalazie  beim  Mann. 
Mit  4  Tafeln. 

63.  Seckel  Ernst:  Ueber  die  Abspaltung  von  Jod  aus  Jodkalium¬ 
gelatine  im  Lichte. 

64.  Kramer  Oskar:  Zur  Untersuchung  der  Merkfähigkeit  Gesunder. 

65.  Przygoda  Wladislaus:  Ueber  den  klinischen  Verlauf  der 
multiplen  Sklerose. 

66.  Dawidoff  S.:  Multiple  Lymphangiome  des  Dünndarms. 

67.  Judt  Josef:  Ueber  die  Säuglingssterblichkeit  und  Säuglings¬ 
ernährung  in  München. 

68.  Fuerst  Walter:  Die  Säuglingssterblichkeit  in  München  in  den 
Jahren  1895  bis  1904  und  der  Einfluss  der  Witterungsverhältnisse 
auf  dieselbe. 

69.  Kaessmann  Ferdinand:  Ueber  primäre  Nierentuberkulose. 

Universität  Strassburg.  Juli  1907. 

15.  Meyer  Karl:  Temperaturverlauf  bei  Typhus  abdominalis. 

16.  Ruete  Alfred:  Ueber  Gallertkarzinose  des  Peritoneums. 

17.  Henne  mann  Friedrich:  Ueber  Rezidive  bei  kruppöser  Pneu¬ 
monie. 

Universität  Würzburg.  Juni  1907. 

23.  Acht  Alwin:  Beiträge  zur  Histologie  des  menschlichen  Neben¬ 
hodens. 

24.  Bösch  Franz  Arthur:.  Ueber  einen  Fall  von  Osteosarkom¬ 
metastasen  der  Lunge. 

25.  Mohr  Sigmund:  Ueber  Unterschiede  des  mütterlichen  und  kind¬ 
lichen  Serums  in  seiner  antitryptischen  Wirkung. 

26.  N  i  e  d  e  n  t  h  a  1  Karl:  Ueber  Ventrifixura  uteri  insbesondere  in 
ihrem  Einfluss  auf  spätere  Schwangerschaften  und  Geburten. 

27.  iS  c  h  w  a  r  z  Ign.:  Die  medizinischen  Handschriften  der  k.  Uni¬ 
versitätsbibliothek  in  Wiirzburg. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Vereinigung  westdeutscher  Hals-  und  Ohren-Aerzte. 

XIX.  Versammlung  v  o  m  2.  Dezember  1906  in  K  ö  1  n. 

Demonstrationen  der  Herren  Lieven,  Neuenborn,  Hop¬ 
mann  II,  Steppetat. 

Herr  Neuenborn:  Ueber  einen  Fall  schwerster  Kokain¬ 
vergiftung. 

Das  Kokain  ist  als  weissliches,  kristallinisches,  leicht  lösliches 
Pulver  in  der  medizinischen  Praxis  allgemein  bekannt  und  wird  haupt¬ 
sächlich  in  Lösungen  zur  örtlichen  Anästhesie  benutzt.  Am  meisten  ist 
es  von  den  Augenärzten  und  uns  Laryngologen  zur  Unempfindlichkeit 
der  Schleimhäute  bei  der  Ausführung  kleinerer  und  grösserer  opera¬ 
tiver  Eingriffe  wohl  mehr  als  20  Jahre  hindurch  als  alleiniges  Mittel 
angewandt  worden. 

Unbedenklich  wurden  zur  Einpinselung  in  die  Nasenschleimhaut, 
sowie  im  Rachen  und  Kehlkopf  20  proz.  Lösungen  appliziert,  ohne  dass 
dieselben,  abgesehen  von  kleinen  Nebenerscheinungen,  irgendwelche 
bedenkliche  Symptome  hervorgerufen  haben.  Ich  selbst  benutzte  in 
den  letzten  Jahren  nur  eine  7(4  proz.  Lösung,  die  ich  mir  selbst  zu¬ 
bereitete.  Ich  tränkte  damit  einen  kleinen,  auf  eine  dünne  Sonde  an¬ 
gedrehten  Wattebausch,  welcher  ca.  0,1  g  Flüssigkeit  in  sich  aufnahm, 
so  dass  ich  demnach  etwa  0,0075  g  Kokain  in  der  Watte  hatte.  Hier¬ 
mit  pinselte  ich  stets  3  Mal  die  einzelnen  Schleimhäute  ein  und  er¬ 
zielte  damit  stets  totale  Anästhesie  derselben. 

Bei  vielen  tausend  derart  behandelten  Fällen  habe  ich  nie 
nennenswerte  Intoxikationserscheinungen  gehabt,  erst  im  letztver¬ 
flossenen  Jahre  musste  ich  zwei  Fälle  schwerster  Vergiftungserschei¬ 
nungen  erleben,  welche  für  uns  Aerzte  sehr  lehrreich  sind,  die  mich 
aber  auch  lebhaft  an  die  Gefährlichkeit  dieses  Mittels  wieder  er¬ 
innerten.  . 

1.  Der  erste  Fall  betraf  ein  junges,  19  jähriges  Mädchen  aus 
Emmerich,  bei  welchem  ich  eine  Knochenblase  der  mittleren  Muschel 
operieren  wollte.  Nach  Applikation  von  ungefähr  0,0225  g  Kokain 
wollte  ich  gerade  zur  Operation  schreiten,  als  die  Dame  ganz  plötz¬ 
lich  ohne  jedes  vorherige  Anzeichen  zur  Erde  stürzte  und  heftige 
epileptiforme  Krämpfe  bekam.  Das  Bewusstsein  war  vollständig  ge¬ 
schwunden,  die  Atmung  war  sehr  schwer,  verlangsamt  und  stertorös, 
die  Herztätigkeit  dagegen  gut  und  normal.  Der  Anfall  ging  glück¬ 
licherweise  sehr  rasch  vorüber,  schon  nach  ca.  2  Minuten  hörten  die 
Krämpfe  auf,  die  Athmung  wurde  gleichmässiger  und  ruhiger  und 
kurze  Zeit  darauf  kam  das  Bewusstsein  wieder. 


*)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33, 


654 


Während  des  ganzen  Anfalles  war  das  Gesicht  zyanotisch  und 
die  Pupillen  ad  maximum  erweitert.  Eine  Stunde  nach  dem  Anfalle 
konnte  die  Dame  in  Begleitung  meine  Wohnung  verlassen;  an  den 
folgenden  Tagen  klagte  sie  noch  über  heftige  Kopfschmerzen  und 
eine  gewisse  Schwere  in  den  Gliedern,  nach  5  Tagen  reiste  sie  nach 
Hause.  Zirka  3  Wochen  später  habe  ich  dieselbe  Dame  unter  Kokain¬ 
anästhesie  ohne  jede  Nebenerscheinung  operiert. 

2.  Etwa  -4  Monate  später  kam  der  zweite  Fall  in  meiner  Praxis 
zur  Beobachtung,  der  viel  schwerer  verlief,  der  aber  insofern  sehr 
wertvoll  ist,  als  er  im  hiesigen  städtischen  Krankenhause  genau  be¬ 
obachtet  wurde. 

Der  Pat.,  ein  23  jähriger  Bildhauergehilfe,  will  vorher  stets  ge¬ 
sund  gewesen  sein.  Vor  einigen  Monaten  fing  er  an  über  Kopfschmer¬ 
zen  und  Eiterausfluss  aus  beiden  Nasenseiten  zu  klagen.  Ausserdem 
hatte  er  einen  üblen  Geruch  in  der  Nase  und  schlechten  Geschmack. 
Pat.  sah  sehr  blass  aus,  fühlte  sich  sonst  aber  wohl.  Bei  der  ersten 
Untersuchung  konstatierte  'ich  am  4.  IX.  06  doppelseitige  Oberkiefer¬ 
höhlenentzündung.  Zur  Sicherung  der  Diagnose  punktierte  ich  da¬ 
mals  den  Patienten  unter  Kokainanästhesie,  und  zwar  zuerst  die  linke 
Seite.  Es  entleerte  sich  bei  der  Ausspülung  eine  reichliche  Menge 
sehr  übelriechenden  Eiters.  Gleich  nach  %der  Spülung  begab  sich  Pat. 
von  meiner  Wohnung  zu  seiner  Arbeitsstätte  hin  und  arbeitete  den 
ganzen  Tag  über,  ohne  irgendwelche  Nebenerscheinung  bekommen 
zu  haben. 

Am  10.  September  kam  Pat.  zum  zweiten  Male  in  meine  Sprech¬ 
stunde,  ich  punktierte  damals  dieselbe  Höhle  wieder  unter  Anwen¬ 
dung  meiner  gewöhnlichen  Kokaindosis.  Auch  dieses  Mal  traten 
keine  Nebenerscheinungen  auf,  Pat.  konnte  wieder  ruhig  seiner  Be¬ 
schäftigung  nachgehen. 

2  Tage  später  erschien  Pat.  zum  dritten  Male  bei  mir.  Es  fiel 
mir  an  diesem  Tage  auf,  dass  er  ausserordentlich  blass  und  ernst 
dreinschaute,  so  dass  ich  ihn  sofort  fragte,  ob  ihm  nicht  gut  zu 
Mute  wäre,  was  aber  verneint  wurde.  Ich  entschloss  mich  zur 
Punktion  der  rechten  Oberkieferhöhle.  Nachdem  ich  zweimal  mit 
Kokain  den  unteren  Nasengang  eingepinselt  hatte,  stand  ich  von  der 
dritten  Pinselung  ab,  da  Pat.  noch  um  etwas  blässer  geworden  war 
als  vorher.  Auf  meine  wiederholte  Trage,  ob  er  sich  nicht  gut  fühle, 
bekam  ich  wiederum  eine  verneinende  Antwort.  Ich  hatte  dieses  Mal 
also  höchstens  0,015  g  Kokain  im  Wattebausch,  welches  schwerlich 
alles  verbraucht  sein  dürfte.  Bei  der  Punktion  entleerte  sich  auch  aus 
dieser  Höhle  Eiter  in  ziemlich  reichlicher  Menge,  der  aber  nicht  weiter 
übel  roch.  Nach  der  Punktion  blies  'ich  die  Oberkieferhöhle  mit  Luft 
durch,  um  das  überschüssige  Wasser  zu  entfernen.  Nach  Heraus¬ 
nahme  des  dünnen  Troikarts  fragte  ich  Patienten  nochmals,  wie  er 
sich  fühle.  Mitten  in  der  Antwort  stürzte  Pat.  wie  vom  Blitz  ge- 
ti  offen  zur  Erde.  Die  Atmung  stand  vollständig  still.  Das  Auge  war 
starr  und  gebrochen,  die  Pupillen  waren  aufs  äusserste  erweitert 
und  reagierten  nicht  auf  Reize.  Gleichzeitig  wurde  der  ganze  Körper 
steif,  Pat.  hatte  einen  tetanischen  Krampf.  Schaum  stand  vor  dem 
Munde,  das  Gesicht  war  fahl,  die  Lippen  zyanotisch.  Im  ersten  Mo¬ 
ment  glaubte  ich  eine  Leiche  vor  mir  zu  haben,  da  aber  der  Puls 
gut  und  regelmässig  schlug  (72  Pulsschläge  in  der  Minute)  und 
ebenso  die  Herzaktion  vollständig  normal  blieb,  riss  ich  zunächst  den 
Klagen  auf,  machte  die  Brust  frei  und  begann  die  künstliche  Atmung. 
Dieselbe  wurde  durch  den  tonischen  Krampf  der  gesamten  Körper- 
muskulatur  sehr  erschwert,  es  gelang  mir  anfangs  nicht,  den  Brust¬ 
kasten  zusammenzudrücken,  so  dass  ich  gezwungen  war,  die  Zwerch- 
tülmassage  auszuführen.  Nach  reichlich  25  Minuten  künstlicher  At¬ 
mung  machte  Pat.  die  ersten  selbständigen  Atemzüge,  die  jedoch 
nicht  standhielten,  immer  wieder  war  ich  gezwungen,  zwischendurch 
künstliche  Atmung  zu  machen. 

Nach  Verlauf  einer  Stunde  kam  mir  Kollege  W  a  1 1  e  r  s  t  e  i  n 
zu  Hilfe,  der  sofort  mehrere  Aetherinjektionen  vornahm,  obwohl  der 
Puls  während  der  ganzen  Zeit  stets  normal  geblieben  war.  Der 
tonische  Krampf  liess  zeitweilig  nach,  stellte  sich  aber  sofort  wieder 
ein,  wenn  man  z.  B.  einen  Arm  oder  ein  Bein  aktiv  bewegen  oder 
beugen  wollte.  Hin  und  wieder  traten  jetzt  auch  Zuckungen  auf. 
Amylmtrit,  welches  als  Gegengift  sonst  gelobt  wird,  liess  mich  in 
diesem  Falle  vollständig  im  Stich. 

Jetzt  lagerte  ich  den  Pat.  so,  dass  der  Kopf  niedrig  blieb,  während 
ich  die  Beine  hoch  stellte,  und  machte  kalte  Uebergiessungen  des 
Kopfes.  Pat.  stiess  hierbei  ganz  unartikulierte  Laute  aus.  Auch 
jetzt  noch  waren  wir  gezwungen,  ab  und  zu  künstliche  Atmung  zu 
machen,  da  die  natürliche  Atmung  öfters  aussetzte.  Die  Krämpfe 
liessen  nach  Verlauf  einer  weiteren  Stunde  nach,  so  dass  ich  mich 
entschloss,  zwei  Stunden  zirka  nach  Eintritt  der  Intoxikation  den 
Pat.  ins  städtische  Krankenhaus  transportieren  zu  lassen.  Ich  will 
Ihnen  nun  nicht  die  ganze  ausführliche  Krankengeschichte  hier  mit- 
t eilen,  wie  sie  im  Krankenhause  durch  Herrn  Kollegen  T  e  1  o  v  auf¬ 
genommen  worden  ist,  sondern  Ihnen  nur  die  wichtigsten  Momente 
aufzählen. 

Die  Aufnahme  erfolgte  am  12.  IX.  06,  mittags  12  Uhr. 

Am  gleichen  Tage  war  es  mehrmals  notwendig  geworden,  künst¬ 
liche  Atmung  einzuleiten.  Tonische  Krämpfe  wechselten  ab  mit  klo¬ 
nischen  Zuckungen.  In  der  Nacht  trat  ein  derart  starker,  rein  epilep¬ 
tischer  Anfall  auf,  dass  man  den  Exitus  des  Pat.  befürchtete.  Während 
der  Krampfanfälle  waren  die  Pupillen  stets  ad  maximum  erweitert, 
derart,  dass  man  nur  eine  grosse  Pupille  sehen  konnte.  Beide  Pu¬ 
pillen  reagierten  nicht  auf  Reiz.  Bewusstsein  war  total  erloschen, 


Nahrung  konnte  nicht  gereicht  werden.  Dieser  Zustand  bestand 
weiter  am  13.,  14.  und  15.,  am  letzteren  Tage  fing  der  Patient  an,  mit 
grosser  Unlust  auf  starkes  Anrufen  zu  reagieren.  Im  übrigen  bestand 
auch  in  diesen  Tagen  totale  Bewusstlosigkeit.  Die  Temperatur  war 
mit  Ausnahme  am  13.  IX.  06,  also  am  2.  Tage,  stets  normal  gewesen, 
ebenso  der  Puls. 

Am  13.  IX.  stieg  die  Temperatur  auf  38,2°.  Da  man  geringe  An¬ 
zeichen  von  Nackensteifigkeit,  sowie  einen  positiven  Baginski  zu  be¬ 
obachten  glaubte,  neigte  man  damals  zur  Diagnose  einer  beginnenden 
Meningitis  hin. 

Am  16.  reagierte  Pat.  etwas  besser,  aber  stets  mit  grosser  Un¬ 
lust,  nahm  etwas  Flüssigkeit  zu  sich,  wusste,  wie  er  heisse,  aber 
nicht,  wo  er  wohnte,  erkannte  niemand. 

Am  17.  erkannte  er  zuerst  einen  Arbeitskollegen,  späterhin  auch 
seine  Frau  und  mich.  Pat.  orientiert  sich  etwas,  weiss,  dass  er  im 
städtischen  Krankenhause,  hat  aber  sonst  keine  Ahnung  von  dem, 
was  mit  ihm  vorgegangen  ist. 

Von  nun  ab  besserte  sich  sein  Zustand  zusehends,  er  nimmt 
wieder  normal  Nahrung  zu  sich  und  klagt  nur  über  starke  Kopf¬ 
schmerzen. 

Am  18.  stellten  sich  neuritische  Schmerzen  an  sämtlichen  Nerven¬ 
druckpunkten  ein  besonders  am  Ischiatikus  und  Triegeminus,  welche 
lange  Zeit  anhielten.  Erst  atu  23.  IX.,  also  am  1 1.  Tage,  ist  Pat.  wieder 
vollständig  orientiert  und  kann  Auskunft  geben  über  die  Vorgänge 
vom  12.  IX.  in  meinem  Sprechzimmer.  Am  26.  IX.  geht  Pat.  zum 
ersten  Male  im  Garten  spazieren,  am  27.  IX.  verlässt. er  auf  seinen 
Wunsch  das  städtische  Krankenhaus.  Pat.  ist  noch  längere  Zeit 
nervös  und  schwach,  sonst  geht  es  ihm  gut,  am  23.  X.  nimmt  er  seine 
Arbeit  wieder  auf. 

Dieser  Fall  ist  in  vieler  Beziehung  sehr  lehrreich,  weshalb  ich 
mir  erlaubt  habe.  Ihnen  denselben  mitzuteilen. 

Während  ich  anfangs  glaubte,  dass  ich  eventuell  durch  eine  Ver¬ 
bindungsstelle  der  Highmorshöhle  mit  dem  Schädelinnern  direkt 
Wasser  oder  Luft  nach  dem  Gehirn  hingetrieben  und  dadurch  eine 
Meningitis  veranlasst  hätte,  eine  Ansicht,  die  durch  das  Ansteigen 
der  Temperatur  am  2.  Tage,  sowie  durch  die  geringe  Nackensteifigkeit 
und  den  positiven  Ausfall  des  Baginski  noch  bestärkt  wurde,  lehrt 
doch  der  ganze  klinische  Verlauf,  dass  man  es  hier  mit  einer  schweren 
Kokainintoxikation  zu  tun  hatte. 

Die  Vergiftung  muss  trotz  der  geringen  Dosis  von  Kokain  als 
eine  sehr  schwere  bezeichnet  werden,  wofür  schon  die  lange  Be¬ 
wusstlosigkeit  des  Patienten  spricht.  Merkwürdig  ist  der  Fall  auch 
insoferne,  als  Pat.  früher  grössere  Dosen  ohne  jeden  Nachteil  gut 
vertragen  hat. 

Dass  das  Kokain  als  solches,  etwa  weil  es  zersetzt  sein  könnte, 
nicht  diese  Erscheinungen  hervorgerufen  haben  kann,  beweist  der  Um¬ 
stand,  dass  ich  den  Pat.  am  10.,  also  2  Tage  vorher  genau  mit  dem¬ 
selben  Kokain  anästhesiert  hatte,  ferner  dass  ich  am  selben  Tage  ab¬ 
sichtlich  noch  weitere  Patienten  mit  demselben  Kokain  behandelte, 
welche  in  dem  verschiedensten  Alter  standen,  72,  64,  18,  14,  26, 
35  und  36  Jahren.  Bei  sämtlichen  traten  keinerlei  Nebenerschei¬ 
nungen  auf.  Auch  eine  reine  Idiosynkrasie  kann  die  schweren  Sym¬ 
ptome  nicht  allein  hervorgerufen  haben,  da  Patient  doch  zweimal 
vorher  grössere  Dosen  gut  vertragen  hatte.  Es  muss  noch  ein  wei¬ 
teres  Moment  hinzugetreten  sein,  um  solche  Intoxikationen  hervor¬ 
zurufen. 

Dass  wir  eine  Vergiftung  annehmen  müssen,  beweist  die  später 
auftretende  Neuritis,  welche  als  sicherer  Beweis  hiefiir  gilt. 

E.  Falk  hat  in  den  therapeutischen  Monatsheften  sämtliche 
Kokainivergiftungen  zusammengestellt,  welche  er  bis  zum  Jahre  1890 
in  der  Literatur  vorfand.  Seit  diesem  Jahre  sind  verhältnismässig 
wenig  Fälle  publiziert  worden,  während  Falk  176  Fälle  mit  10  Todes¬ 
fällen  zusammenstellen  konnte.  Bei  allen  Todesfällen  trat  der  Exitus 
erst  bei  viel  grösseren  Dosen  ein  als  in  meinem  Falle,  kein  einziger 
Fall  verlief  aber  annähernd  so  schwer  als  der  uneinige,  wenn  der 
Tod  nicht  eintrat.  Man  hat  allerdings  schon  bedenkliche  Vergiftungs- 
ersoheinungen  speziell  bei  Einpinselungen  in  die  Nase  beobachtet,  bei 
geringeren  Dosen  als  ich  sie  zu  applizieren  pflege,  so  einmal  nach 
0,013  g.  Ich  bin  allerdings  fest  davon  überzeugt,  dass  ich  auch  einen 
Todesfall  in  der  Sprechstunde  erlebt  hätte,  wenn  ich  nicht  so  energisch 
die  künstliche  Atmung  eingeleitet  hätte. 

Man  glaubte  früher  und  auch  teilweise  heute  noch,  dass  das 
Kokain  ein  ausgesprochenes  Herzgift  wäre  und  dass  der  ev.  Tod 
infolge  Herzschwäche  zu  stände  käme.  Falk  hat  durch  seine  Sta¬ 
tistik  bewiesen,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist,  dass  der  Exitus  stets 
durch  Atemstillstand  hervorgerufen  wird,.  Auch  in  meinem  Falle 
zeigt  sich  gerade  die  Atmung  als  am  schwersten 
gefährdet,  während  der  Puls  und  das  Herz  stets  gut 
blieben. 

Vor  mehreren  Jahren  erlebte  hier  ein  Kollege  einen  Todesfall  in 
der  Sprechstunde  auch  nach  Ausspülung  der  Highmorshöhle,  nach¬ 
dem  vorher  durch  Kokain  eine  Anästhesie  hervorgerufen  worden  war. 
Wir  nahmen  damals  Herzschlag  als  Ursache  an.  Der  Kollege  sagte 
mir,  dass  die  Frau  anfänglich  noch  schwach  geatmet  hätte.  Heute  ist 
mir  jene  Diagnose  klarer,  auch  in  diesem  Falle  schreibe  ich  den  Exitus 
dem  Kokain  zu. 

Sehr  bemerkenswert  in  meinem  Falle  war  der  ausgesprochen 
tonische  Krampf  der  gesamten  Körpermuskulatur.  Dieser  Krampf 
unterschied  sich  in  nichts  von  dem,  den  man  bei  der  echten  Tetanie 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1655 


beobachtet;  sowie  man  nämlich  eine  Muskelgruppe  reizte,  trat  sofort 
das  Bild  der  Tetanie  ein. 

Auffallend  war,  dass  am  2.  Tage  die  Temperatur  etwas  anstieg, 
während  dieselbe  sonst  stets  normal  blieb.  Während  wir  anfangs 
glaubten,  es  handle  sich  um  eine  beginnende  Meningitis,  nehme  ich 
jetzt  vielmehr  an,  dass  es  sich  hiebei  um  erhöhte  Muskelarbeit  ge¬ 
handelt  hat. 

Eine  ausgesprochene  Idiosynkrasie  kann  nicht  angenommen  wer¬ 
den  wie  ich  vorhin  schon  ausführte,  es  muss  ein  zweites  Moment 
hinzugetreten  sein,  welches  mit  die  schweren  Symptome  auslöste, 
ein  Moment,  welches  ich  Ihnen  nicht  nennen  kann,  welches  aber  wahr¬ 
scheinlich  in  der  Ausspülung  der  Kieferhöhle  selbst  gesucht  werden 
muss.  Vielleicht  hat  die  Nähe  des  Gehirnes  viel  zu  den  schweren 
Erscheinungen  beigetragen. 

Eine  Lehre  kann  man  aus  meinem  Falle  ziehen,  dass  wir  näm¬ 
lich  bei  allen  Kokainvergiftungen  der  Atmung  unser  besonderes 
Augenmerk  zuwenden  müssen.  Amylnitrit  ist  bei  den  leichteren  Er¬ 
scheinungen  unzweifelhaft  wirksam,  bei  den  schwereren  aber  lässt  es 
vollständig  im  Stiche,  wie  Levin  in  seinem  Werke  schon  mitteilt. 

Man  kann  auch  ersehen,  wie  heimtückisch  das  sonst  so  segens-  I 
reiche  Kokain  werden  kann. 

D  i  s  k  u  is  s  i  o  n :  Herr  H  e  n  r  i  c  i-Aachen  berichtet  von  ähn¬ 
lichen  Fällen. 

1.  Einem  Patienten  mit  Nasenpolypen  und  kombinierter  Neben¬ 
höhleneiterung  waren  die  Polypen  bereits  unter  Kokainanästhesie  ent¬ 
fernt  und  die  Kiefer-  und  Stirnhöhlen  vielleicht  ein  Monat  lang  täg¬ 
lich  ebenfalls  nach  Kokainisierung  mit  stumpfen  Kanülen  ausgespült 
worden.  Eines  Tages  fällt  Patient  plötzlich  während  einer  Aus¬ 
spülung  vom  Stuhle  und  bekommt  einen  dem  Aussehen  nach  reinen 
epileptischen  Anfall:  Schwere  Atmung.  Blaufärbung  des  Gesichtes, 
kleiner  unregelmässiger  Puls,  Zähne  fest  zusammengepresst.  Patient 
erholt  sich  bald  wieder,  es  bleibt  aber  noch  kurze  Zeit  eine  Art 
Dämmerzustand  bestehen.  Nachdem  in  den  nächsten  Tagen  wieder 
vollkommen  normaler  Zustand  eingetreten  und  die  Ausspülungen  wie¬ 
der  aufgenommen  werden,  stellt  sich  wiederum  ein  Anfall  ein.  Die 
Atmung  schnarchend,  sehr  erschwert,  Kieferklemme,  blaue  Gesichts¬ 
farbe,  kleiner  Puls,  Pupillenstarre.  Die  Atmung  setzt  bald  ganz  aus, 
danach  auch  der  Puls.  Oeffnen  des  Mundes  bei  dem  kräftigen  Manne 
selbst  mit  Mundsperrer  nicht  möglich,  künstliche  Atmung  auch  nach 
derTracheotomie  bei  der  krampfhaften  Inspirationsstellung  desThorax 
nicht  ausführbar.  Exitus  letalis.  Die  Sektion  hatte  vollkommen 
negatives  Resultat. 

2.  Einer  Patientin  waren  vor  einiger  Zeit  unter  Kokain  Nasen¬ 
polypen  entfernt  worden.  Es  sollte  die  Kieferhöhle  nach  Kokaini- 
sierung  (lOproz.  Kokain)  vom  mittleren  Nasengang  aus  ausgespült 
werden.  Bei  Beginn  der  Spülung  tritt  ein  epileptiformer  Anfall  auf. 
Schwere  keuchende  Atmung,  Gesicht  blau,  Zuckungen  in  Armen  und 
Beinen,  aussetzender  Puls.  Auf  künstliche  Atmung  und  Herzmassage 
kommt  Pat.  wieder  zu  sich;  doch  besteht  Pamplegie  der  Arme  und 
Beine  und  Bewusstseinsstörung.  Pat.  weiss  nicht,  wo  sie  ist,  kann 
die  richtigen,  Worte  nicht  finden,  sich  auch  auf  ganz  kurz  Vergangenes 
nicht  mehr  besinnen.  Langsam  gehen  alle  diese  Störungen  zurück. 
Nach  einem  Jahre  ist  aber  noch  leichte  Ermüdbarkeit  der  Arme 
und  Beine,  leichte  Gedächtnisschwäche  und  Unlust  zu  jeglicher  Be¬ 
schäftigung  (wie  Handarbeiten  und  Lesen)  ganz  im  Gegensatz  zu 
früher,  vorhanden. 

In  beiden  Fällen  ist  bei  der  Beurteilung  über  die  Ursache  der 
Erscheinungen  die  Frage  offen  gelassen  worden,  ob  das  Kokain  oder 
ein  anderes,  nicht  näher  zu  bestimmendes  Moment  dafür  zu  beschul¬ 
digen  sind.  Beide  Patienten  hatten  früher  nie  epileptische  Anfälle 
gehabt,  waren  auch  nicht  nervös  veranlagt;  es  ist  aber  auch  nicht 
erinnerlich,  dass  besonders  viel  Kokain  gegeben  wurde. 

3.  Einem  Soldaten  sollte  die  hypertrophische  Schleimhaut  beider 
unteren  Muscheln  abgetragen  werden.  Beiderseits  war  mit  20  proz. 
Kokainlösung  'gepinselt  worden.  Gerade  vor  Beginn  der  Operation 
trat  ein  als  hystero-epileptisch  zu  bezeichnender  Anfall  auf.  Patient 
war  anscheinend  ohne  Bewusstsein,  schlug  mit  Armen  und  Beinen 
um  sich  und  machte  eigenartig  zuckende  Bewegungen  mit  dem  Kör¬ 
per.  Die  Atmung  war  beschleunigt,  die  Pupillen  reagierten.  Plötz¬ 
lich  richtete  sich  Patient  auf,  suchte  in  seinen  Taschen  nach  etwas, 
ergriff  in  einer  das  Bild  seines  Schatzes  und  bedeckte  es  leiden¬ 
schaftlich  mit  Küssen.  Nahm  man  ihm  das  Bild  fort  und  hielt  es 
ihm,  den  Kopf  nach  unten,  hin,  so  erkannte  er  es  nicht,  sowie  man 
es  aber  richtig  hinhielt,  riss  er  es  an  sich  und  küsste  es.  Nach  Ver¬ 
lauf  einer  Stunde  hörte  Patient  auf  Anrufen,  machte  aber  noch  einen 
geistesabwesenden  Eindruck.  Nach  3  Stunden  zeigte  Patient  wieder 
ganz  normales  Verhalten.  Pat.  gab  nun  auf  Befragen,  was  mit 
ihm  vorgegangen  sei,  an,  er  habe  3  Tage  Urlaub  gehabt,  sei  in 
seiner  Heimat  und  dort  mit  seinem  Schatz  zusammen  gewesen,  habe 
auch  bei  ihr  geschlafen,  sei  dann  wieder  zuriickgefähren,  wisse  sich 
nur  der  Abfahrt  vom  Bahnhofe  seines  Heimatortes  nicht  mehr  ganz 
genau  zu  entsinnen.  Patient  behauptet,  er  könne  die  Richtigkeit 
seiner  Angaben  auf  Verlangen  vor  Gericht  durch  Eid  bekräftigen. 

Es  dauerte  Tage,  bis  sich  Patient  davon  überzeugt  hatte,  dass 
er  obiges  nicht  wirklich  erlebt  habe,  und  dass  zwischen  seiner  Auf¬ 
nahme  in  die  Klinik  und  seinem  Erwachen  nur  3  Stunden  und  nicht 
3  Tage  gelegen  hatten. 

Hier  handelte  es  sich  offenbar  um  ein  hysterisch  veranlagtes 
Individuum,  bei  dem  das  Kokain  den  eigenartigen  Anfall  ausgelöst 


hatte.  Ein  solcher  Fall  kann  durch  die  Lebhaftigkeit  der  Vorstel¬ 
lungen  eventuell  forensische  Bedeutung  bekommen. 

Herr  Hopmann  I  hat  noch  einigen  Zweifel  an  der  Diagnose 
Kokainvergiftung,  weil  die  Menge  des  Giftes  sehr  gering  war,  der 
Kranke  früher  weit  grössere  Dosen  vertragen  hat  und  weil  Redner 
in  der  Zeit,  als  man  noch  kein  Kokain  kannte,  ähnliche  Zufälle 
(Schwindel-  und  Ohnmachtsanwandlungen  bis  zu  Krampfanfällen  und 
vollständigem  Bewusstseinsverlust)  bei  allerlei  Eingriffen  in  der  Nase, 
selbst  schon  beim  Sondieren,  erlebt  hat. 

Herr  Keim  er:  Es  erübrigt  wohl,  den  Worten  des  Herrn  Kol¬ 
legen  Hopmann  noch  etwas  hinzuzufügen.  Ich  wollte  ungefähr 
dasselbe  sagen.  So  sehr  dankbar  wir  Herrn  Kollegen  Neuenbor  n 
für  seinen  so  sehr  genau  beobachteten  Fall  sein  können,  so  müssen 
wir  uns  doch  immer  fragen,  ob  da  nicht  auch  andere  Momente  eine 
Rolle  mitspielen  können.  Ich  persönlich  habe  es  zu  verschiedenen 
Malen  erlebt,  dass  Patientinnen  und  Patienten  fast  ä  tempo  nach 
einem  kleinen  Eingriffe  in  der  Nase,  selbst  nach  Auswischen  mit 
Watte,  ohne  dass  Kokain  angewandt  wäre,  einen  heftigen  klonischen 
und  tonischen  Anfall  bekamen,  wobei  sie  sehr  blass  wurden  und 
einen  sehr  kleinen  Puls  zeigten.  Noch  vor  ganz  Kurzem  sah  ich 
das  bei  einem  höheren  Offizier,  einem  Herrn,  bei  dem  auch  das  ner¬ 
vöse  Moment  gar  nicht  zur  Erklärung  heranzuziehen  war.  Der  An¬ 
fall  dauerte  fast  10  Minuten;  die  Atmung  war  frei.  Hinterher  bestand 
ein  wüstes  Gefühl  im  Kopfe  und  eine  allgemeine  Zerschlagenheit.  Wir 
müssen  da  wohl  an  reflektorische  Vorgänge  denken. 

Herr  Marx- Witten  führt  ebenfalls  die  unmittelbar  nach 
Kokainapplikation  in  der  Nase  auftretenden  allgemeinen  Krämpfe  auf 
Hysterie  bezw.  Hystero-Epilepsie  zurück,  er  führt  hierfür  zwei  selbst¬ 
beobachtete  Fälle  an.  Den  zweiten  Fall  von  Neuenborn  spricht 
er  als  leichten  Tetanus  an. 

Herr  Blumenfeld  hat  einen  Fall  von  Hystero-Epilepsie  ge¬ 
sehen,  der  in  seinen  wesentlichen  Zügen  dem  Fall  II  des  Herrn 
Neuenborn  entsprach.  Bei  der  Therapie  der  Kokainintoxikation 
ist  das  Wesentliche,  die  Hirnanämie  zu  beheben.  Die  künstliche 
Atmung  erweist  sich  beim  C  h  e  y  n  e  -  S  t  o  k  e  s  sehen  Atmen  als 
unnütz. 

Herr  L  i  e  v  e  n  -  Aachen  glaubt  im  zweiten  Falle  Neuenbor  n  s 
nicht  an  eine  Intoxikation,  er  hält  dieses  Ereignis  für  eine  Schock¬ 
erscheinung,  wie  sie  ähnlich  in  der  urologischen  Praxis  häufiger  be¬ 
obachtet  wird,  wo  ja  bei  einfachem  Katheterismus  die  schwersten 
Zufälle  beobachtet  wurden.  Kokain  werde  bei  diesen  einfachen  Ein¬ 
griffen  ja  zunächst  nie  verwendet. 

Herr  Moses  beobachtete  in  einer  Reihe  von  Fällen,  bei  welchen 
leichte  Kokainintoxikationserscheinungen  eintraten,  dass  eine  auf¬ 
fallend  schnelle  Retraktion  der  Muskelschleimhaut  nach  Applikation 
von  Kokain  zu  konstatieren  war.  Er  glaubt  daraus  Schlüsse  für  die 
Kokainempfindlichkeit  der  Patienten  ziehen  zu  dürfen  und  empfiehlt, 
bei  Einpinselung  von  Kokain  auf  die  Nasenschleimhaut  zunächst  sich 
nur  auf  eine  kleine  Stelle  zu  beschränken  und  bei  beschleunigter  Re¬ 
traktion  derselben  in  der  Dosierung  vorsichtig  zu  sein. 

Herr  Hans  b  erg  hat  sehr  selten  Kokainvergiftungen  gesehen, 
trotzdem  er  stets  auch  für  die  Nase  20  proz.  Lösung  benutzt.  Da¬ 
gegen  sah  H.  einmal  sehr  schwere  Vergiftungserscheinungen  nach 
unbedeutender  Kokainisierung  der  Nase  bei  einem  sonst  gesunden 
Erwachsenen,  der  wegen  einer  Spina  operiert  werden  sollte.  Sehr 
bald  nach  der  Kokainisierung  traten  Unruhe,  Blässe  des  Gesichtes, 
Uebelkeit  ein,  Atmung  wurde  oberflächlich  und  bald  darauf  stellte  sich 
vollständige  Unbesinnlichkeit  ein.  Pupillen  waren  weit,  reagierten 
nicht,  Puls  gut,  ca.  70  in  der  Minute.  Nach  Einatmen  von  Amyl¬ 
nitrit  wurde  der  Puls  voller,  schneller,  tiefere  Inspirationen  erfolgten, 
die  vorher  kalten  Hände  und  Gesicht  wurden  warm.  Allmähliche 
Wiederkehr  des  Bewusstseins,  das  länger  als  eine  Viertelstunde  voll¬ 
ständig  gestört  war.  Es  bestanden  also  in  diesem  Falle  ähnliche  Er¬ 
scheinungen,  wie  in  dem  Neuenborn  sehen,  es  muss  daher  daran 
gedacht  werden,  dass  auch  in  letzteren  es  sich  tatsächlich  um  eine 
Kokainvergiftung  gehandelt  hat,  wenn  auch  der  Verlauf  ein  ganz 
eigenartiger  gewesen  ist.  H.  erwähnt  ausserdem  einen  von  ihm  be¬ 
obachteten  Fall  von  chronischer  Kokamvergiftung,  bei  dem 
neben  hochgradiger  Unruhe,  Oppressionsgefiihl  auf  der  Brust,  Herz¬ 
klopfen,  übertriebene  Schwatzhaftigkeit  sich  zeigte,  welch  letztere 
auch  von  B.  Fraenkel  in  einem  Falle  beobachtet  wurde. 

Herr  Hansberg:  Zur  Heilbarkeit  der  akuten  otogenen  Sepsis. 

Der  Verlauf  der  akuten  otogenen  Sepsis  ist  ein  ausserordentlich 
schneller  und  führt  nach  dem  übereinstimmenden  Urteil  der  Autoren 
so  gut  wie  ausnahmslos  zum  Tode.  H.  glaubt,  dass  dieser  un¬ 
günstige  Ausgang  in  einzelnen  Fällen  verhütet  werden  könne,  falls 
man  in  der  Lage  sei,  die  Krankheit  zeitig  zu  erkennen  und  eine  früh¬ 
zeitige  Operation  zu  machen.  Er  verweist  auf  einen  Fall,  den  er 
1903veröffentlicht  hat,  in  dem  die  schwersten  Erscheinungen  der 
Sepsis,  die  schon  sehr  bald  nach  dem  ersten  Auftreten  der  Ot.  m.  ac. 
einsetzten,  bestanden,  der  Kranke  aber  durch  alsbaldige  Operation 
geheilt  wurde.  In  dem  anderen  veröffentlichten  Fall  erfolgte  die 
Operation  zu  spät. 

Zwei  weitere  Fälle,  die  von  H.  operiert  wurden,  betrafen  ein 
Kind  von  4  Jahren  und  einen  Erwachsenen. 

Das  Kind  erkrankte  an  einer  anscheinend  leichten  linksseitigen 
Ot.  m.  ac.  mit  unbedeutender  Injektion  des  Trommelfells,  die  nur  im 
Beginn  zu  Schmerzempfindungen  Veranlassung  gegeben  hatte.  Die 
Temperatur  stieg  bald  auf  40  bis  über  41,  weswegen  am  folgenden 


i 56 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


Tage  die  Parazentese  gemacht  wurde.  Temperatur  blieb  in  den 
nächsten  2  Tagen  andauernd  hoch  (zwischen  40 — 41),  Puls  120 — 140. 
Kind  war  etwas  benommen,  klagte  aber  über  keine  sonstigen  Be¬ 
schweiden.  Innere  Organe  gesund,  Warzenfortsatz  nicht  empfind¬ 
lich,  unbedeutender  Ausfluss  aus  dem  Ohre.  Die  Eröffnung  des  War¬ 
zenfortsatzes  zeigte  denselben  bis  auf  3  linsengrosse  Eiterklümpchen 
in  den  Zellen  intakt.  Der  gesund  aussehende  Sinus  wurde  ausgedehnt 
freigelegt  und  geschlitzt.  Er  enthielt  anscheinend  keinen  Thrombus. 
Die  Temperatur  fiel  alsbald  nach  der  Operation,  sie  sank  auf  38  bis 
39,5  in  den  nächsten  Tagen,  das  Kind  war  aber  erst  nach  weiteren 
14  Tagen  vollständig  fieberfrei.  Es  war  bemerkenswert,  dass  die 
bestandenen  schweren  septischen  Erscheinungen  nicht  so  bald 
schwanden,  vielmehr  am  zweiten  Tage  nach  der  Operation  viel  stär¬ 
ker  hervortraten,  das  Kind  wurde  somnolent,  war  ausserordentlich 
unruhig,  hatte  intensive  Kopfschmerzen  und  bekam  Erbrechen,  das 
mehrere  Tage  anhielt.  Dann  allmählich  Wohlbefinden.  Der  im  War- 
zenfortsatz  gefundene  Eiter  enthielt  Streptokokken. 

In  dem  anderen  Falle-  entstand  bei  einem  Erwachsenen  im  An¬ 
schluss  an  eine  wegen  einer  heftigen  Nasenblutung  gemachte  retro- 
nasale  Tamponade  einige  Tage  nachher  eine  doppelseitige  Ot.  m.  ac. 
mit  hohem  Fieber  von  40 — 40,5,  einem  Pulse  von  120 — 130.  Es  be¬ 
stand  schlafähnlicher  Zustand.  Einschnitt  in  die  nur  unbedeutend 
injizierten  Trommelfelle  bewirkte  keinen  Nachlass  der  Erscheinungen, 
daher  10  Stunden  später  Aufmeisselung  beiderseits.  Beide  Warzen¬ 
fortsätze  waren  eitrig  durchsetzt  (Streptokokken),  die  hinteren  Schä¬ 
delgruben  wurden  freigelegt,  ebenso  der  rechte  Sinus  in  5  cm  Aus¬ 
dehnung,  der  nicht  erkrankt  schien.  Bei  Freilegung  des  linken  Sinus 
trat  starke  Blutung  ein,  weshalb  die  Operation  abgebrochen  werden 
musste.  Drei  Tage  später  ausgedehnte  Freilegung  auch  des  linken 
Sinus,  der  sich  an  einer  Stelle  etwas  verfärbt  zeigte.  Er  wurde 
in  ganzer  freigelegter  Ausdehnung  geschlitzt,  wie  bei  der  ersten 
Operation  an  der  rechten  Seite,  geschehen  war.  Darnach  allmählicher 
Nachlass  der  Erscheinungen,  aber  noch  14  Tage  hindurch  bestand 
hohes  Fieber.  Metastasen  fehlten  auch  in  diesem  Falle. 

Auffällig  waren  in  beiden  Fällen  die  unbedeutenden  Verände¬ 
rungen  an  den  Trommelfellen,  die  nur  eine  leichte  Injektion  zeigten, 
die  geringe  Schmerzhaftigkeit  im  Ohr  und  die  entweder  ganz  fehlen¬ 
den  oder  nur  unbedeutenden  Erscheinungen  seitens  des  Warzenfort¬ 
satzes  der  bei  dem  Kinde  sich  äusserlich  intakt  und  schmerzlos  bei 
Druck  bewies,  bei  dem  Erwachsenen  nur  auf  Druck  etwas  empfindlich 
war.  Auch  in  dem  bereits  veröffentlichten  geheilten  Falle  war  der 
Befund  am  Trommelfell  sehr  geringfügig,  einen  ähnlichen  Befund 
erwähnt  auch  Hinsberg  in  dem  vor  kurzem  von  ihm  veröffent¬ 
lichten  Falle. 

Diskussion:  Herr  V  o  h  s  e  n  -  Frankfurt  a.  M.:  In  den  mit¬ 
geteilten  Fällen  war  der  Verdacht  auf  den  Ausgang  der  pyämischen 
Erscheinungen  vom  Sinus  der  Beweggrund  ihn  freizulegen,  bezw.  ihn 
zu  öffnen.  Ich  glaube,  dass  wir  in  Fällen,  wo  ein  Herd  im  Warzen¬ 
fortsatz  gefunden  wurde,  dessen  Umgebung  eine  gesunde  Beschaffen¬ 
heit  zeigt,  so  dass  wir  seine  Elimination  bewirken  können,  auf  eine 
Freilegung  des  Sinus  verzichten,  ja  uns  bemühen  sollen,  sie  zu  ver¬ 
meiden.  Erst  recht  bei  den  virulenteren  Erkrankungen  des  Mittel¬ 
ohrs  und  Warzenfortsatzes  sollen  wir  die  Freilegung  des  Sinus  fürch¬ 
ten,  als  eine  Qelegenheitsursache  zur  Entstehung  einer  Thrombose. 
Ich  hatte  Gelegenheit,  folgenden  Fall  mit  Kollegen  Eu lenste  in  zu 
sezieren,  der  mir  über  den  Verlauf  der  Erkrankung  Mitteilung  machte. 
Ein  25  jähriger  Mann  erkrankt  anfangs  Juli  an  Ot.  med.  pur.  de. 
2.  August:  Operation  wegen  ausgedehnter  Erkrankung  des  Warzen¬ 
fortsatzes  mit  beginnender  Bezoldscher  Mastoiditis.  26.  August: 
Kopfschmerz,  Schwindel,  leichte  Temperatursteigerungen.  Am 
29.  August  nochmalige  Auskratzung:  „der  sehr  weit  vom  Opera¬ 
tionsgebiet  abliegende  Sinus  wird  nach  langem  Meissein  durch 
gesunden,  gut  durchbluteten  Knochen  an  einer  kleinen  Stelle  frei 
gelegt  und  da  seine  Wand  gesund  erschien,  nichts  weiter  vom 
Knochen  entfernt“.  Von  da  ab  litt  der  Patient  an  wechselnden 
Kopfschmerzen,  Delirien,  Unruhe,  Temperaturerhöhungen.  Es  trat 
eitrige  Zystitis  und  Pyelonephritis  ein  und  nach  vorausgegangenen 
heftigeren  Kopfschmerzen,  allgemeinen  Konvulsionen  ging  Pat.  in 
tiefstem  Koma  am  22.  Oktober  zugrunde.  Die  Sektion  ergab  starke 
Hyperämie  der  Pia  trüben  Liquor  cer.  sp.,  eitrige  Pyelonephritis  und 
Zystitis.  Im  Sinus  fand  sich,  genau  an  Grösse  der  etwa  3  mm 
breiten  und  1  cm  langen,  bei  der  Aufmeisselung  blossgelegten  Partie 
entsprechend  ein  3  mm.  hoher  wandständiger  Thrombus,  dessen 
mikroskopische  Untersuchung  ihn  als  o  r  g  a  n  i  s  i  e  r  t  .und  k  o  k  k  e  n  - 
haltig  erwies.  Dass  der  I  hrombus  nur  durch  die  Freilegung  des 
Sinus  entstand,  die  ihn  in  unmittelbaren  Kontakt  mit  dem  Eiterherd 
brachte,  ist  durch  die  Form  .des  I  hrombus  sicher  bewiesen.  Es  ist 
bei  der  Möglichkeit  dieses  Ereignisses  doch  angezeigt,  auch  in  solchen 
Fällen,  wie  den  mitgeteilten,  wenn  sich  ein  Herd  findet,  der  zur  Er¬ 
klärung  der  pyämischen  Erscheinungen  genügt,  auf  die  Freilegung 
des  Sinus  selbst  zu  verzichten. 

Herr  Röpke  erwidert  Hansberg,  dass  der  Puls  bei  dem 
Kinde  sich  zwischen  130 — 140  bewegte,  bei  den  Erwachsenen  gleich 
nach  Einsetzen  der  septischen  Erscheinungen  sofort  auf  130  stieg; 
in  dem  veröffentlichten  geheilten  Falle  stieg  er  erst  langsam  auf 
120  Schläge. 

Mit  Herrn  V  o  h  s  e  n  stimmt  Hansberg  darin  überein,  dass  die 
Freilegung  des  Sinus  nicht  absolut  ungefährlich  ist,  wie  verschiedene 
veröffentlichte  einwandfreie  Fälle  beweisen.  Sie  ist  ebenso  wenig 


ganz  gefahrlos,  wie  die  Freilegung  der  Dura;  H.  sah  in  einem  Falle 
nach  breiter  Freilegung  derselben  einen  subduralen  Abszess  ent¬ 
stehen,  dessen  bald  erfolgende  spontane  Entleerung  das  Eintreten 
einer  Meningitis  glücklicherweise  verhinderte. 

In  den  Fällen  von  otogener  Sepsis  ist  die  Freilegung  des  Sinus 
stets  geboten,  und  auch  in  den  Fällen,  in  denen  die  eitrige  Erkrankung 
des  Warzenfortsatzes  nicht  bis  an  den  Sinus  reicht,  muss  der  letztere 
freigelegt  werden,  um  eine  genaue  Besichtigung  vornehmen  zu 
können,  da  ein  unbedeutender,  oder  gar  negativer  Befund  im  Warzen¬ 
fortsatz  noch  nicht  für  ein  Intaktsein  des  Sinus  spricht.  Ob  bei  akuter 
otogener  Sepsis,  wie  Eulen  stein  will,  eine  Thrombose  im  Sinus 
immer  fehlt,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  sicher  gestellt,  es  ist  daher  zweck¬ 
mässig,  sich  nicht  nur  auf  die  Freilegung  des  Sinus  zu  beschränken, 
sondern  denselben  breit  zu  spalten,  um  einen  event.  vorhandenen 
wandständigen  Thrombus  damit  auszuschalten. 

Herr  Vohsen  - Frankfurt  a.  M. :  Kritik  der  Saug-  und  Stauungs- 
tlierapie  im  Ohr  und  den  oberen  Luftwegen.  (Der  Vortrag  erscheint 
ausführlich  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 

Herr  R  i  c  k  e  r  -  Wiesbaden  gibt  eine  kurze  Uebersicht  über  das 
Vorkommen  tierischer  Parasiten  in  der  Nase. 

Herr  T  h  o  m  -  Düsseldorf :  Ueber  die  Reklame  von  Davos  als 
Kurort  gegen  Tuberkulose. 

•  Herr  H  e  n  r  i  c  i  -  Aachen  demonstriert  zwei  ösophagoskopische 
Fremdkörper. 

1.  Eine  abgebrochene  Nadel,  welche  sich  in  die  Schleimhaut  der 
Oesophagoshinterwand  in  der  Höhe  des  Ringknorpels  quer  einge- 
spiesst  hatte.  Sie  wurde  mit  dem  langen  Röhrenspatel  (K  i  1 1  i  a  n) 
zu  Gesicht  gebracht  und  mittels  einer  Löffelzange  (K  i  1 1  i  a  n  sches 
bronchoskopisches  Instrumentarium)  durch  starkes  plötzliches  An¬ 
ziehen  entfernt. 

2.  Ein  Gebiss.  Die  Patientin  hatte  es  im  Schlafe  verschluckt; 
hatte  aber  keine  Beschwerden  davon  und  konnte  alles  ungehindert 
schlucken.  Die  Sonde  glitt  bei  der  Untersuchung  ohne  Widerstand 
in  den  Magen.  Um  ganz  sicher  zu  gehen,  wurde  noch  die  Oeso- 
phagoskopie  vorgenommen  und  dabei  das  Gebiss  in  26  cm  Tiefe  fest 
eingeklemmt  im  Oesophagus  gefunden.  Die  Extraktion  gelang  erst, 
nachdem  das  Gebiss  ganz  an  einer  Seite  gefasst  und  dadurch  beim 
Anziehen  sein  querstehender  grösster  Durchmesser  in  die  Längsrich¬ 
tung  der  Speiseröhre  eingestellt  war,  mit  einer  Hakenzange. 

Herr  K  r  o  n  e  n  b  e  r  g  -  Solingen:  Im  Anschluss  an  den  Vortrag 
des  Herrn  H  e  n  r  i  c  i  gestatte  ich  mir,  Ihnen  gleichfalls  über  einen 
interessanten  Fremdkörperfall  aus  dem  Bereich  der  oberen  Luftwege 
zu  berichten.  Am  25.  Mai  wurde  mir  ein  2Vs  jähriger  Junge  zugeführt, 
der  seit  Anfangs  März  an  Dyspnoe  litt.  Er  hatte  damals  seiner  Mutter 
geklagt,  es  sei  ihm  etwas  in  den  Hals  gekommen,  ein  sofort  und  seit¬ 
dem  öfter  konsultierter  Arzt  stellte  jedoch  das  Vorhandensein  eines 
Fremdkörpers  in  Abrede.  Seit  dieser  Zeit  traten  indes  täglich  ste¬ 
notische  Anfälle,  am  häufigsten  beim  Essen,  aber  auch  oft  zwischen¬ 
zeitlich  auf. 

Bei  der  Untersuchung  bemerkte  man  sofort  eine  leichte  in-  und 
exspiratorische  Stenose  im  Bereich  der  Luftwege,  die  nach  der  Lage 
der  Dinge,  —  auf  Einzelheiten  einzugehen,  würde  zu  weit  führen,  — 
Verdacht  auf  das  Vorhandensein  eines  beweglichen  Fremdkörpers, 
vermutlich  unterhalb  der  Stimmbänder,  erwecken  musste.  Ich  will 
noch  bemerken,  dass  nur  eine  sehr  geringe  Heiserkeit  vorhanden  war. 
Gegen  einen  Fremdkörper  sprach  zwar  die  lange  Dauer  —  über  2Vs 
Monate  —  der  Affektion,  doch  sind  ähnliche  Fälle  mehrfach  berichtet 
worden.  Da  die  Spiegeluntersuchung  nicht  zum  Ziele  führte,  wurde  am 
nächsten  Morgen  in  Narkose  bronchoskopisch  untersucht.  Bei  der 
ersten  Einführung  des  Rohres  wurde  ein  Fremdkörper  weder  oberhalb 
noch  unterhalb  der  Stimmbänder  entdeckt,  die  Atmung  blieb  frei.  Bei 
der  zweiten  Einführung  glitt  das  Rohr  am  Kehlkopfeingang  ab  um 
geriet  in  den  rechten  Sinus  pyriformis.  Dabei  hörte  man  einen 
metallischen  Klang.  Während  nun  das  Rohr  stillgehalten  wurde, 
vernahm  man  ein  leichtes  Anschlägen  gegen  dasselbe,  synchron  der 
Atmung.-  Nun  wurde  das  Rohr  vorsichtig  zurückgezogen.  Dabei 
stellte  sich  einen  Augenblick  ein  weisslicher  Körper  ein.  Als  aber 
dann  die  Sonde  durch  das  Rohr  eingeführt  wurde,  konnte  dieselbe 
keinen  Widerstand  mehr  finden,  auch  kam  auf  keine  Weise  mehr  der 
Fremdkörper  zu  Gesicht.  Man  musste  daher  annehmen,  dass  der¬ 
selbe  durch  die  Manipulation  mit  dem  Rohr  aus  einer  Einklemmung 
gelöst  und  verschluckt  worden  war.  Bereits  der  nächste  Tag  lehrte, 
dass  diese  Vermutung  richtig  war;  mit  dem  Stuhl  wurde  dieser  grosse 
Fremdkörper  entleert.  Es  ist  ein  Hornknopf  mit  einem  Durchmesser 
von  188  mm,  am  Rande  2,  in  der  Mitte  4  mm  dick. 

Von  grossem  Interesse  ist,  dass  der  Fremdkörper  2Vz.  Monate  im 
oberen  Teil  der  Speiseröhre  vermutlich  seitlich  vom  Ringknorpel  ein¬ 
gekeilt  war,  ohne  gelegentlich  in  den  Magen  befördert  zu  werden, 
und  ohne  andrerseits  die  Ernährung  merklich  zu  beeinträchtigen. 
Ferner  verdient  die  Iatsache  beachtet  zu  werden,  dass  er  viel  mehr 
Atem-  als  Schluckbeschwerden,  —  offenbar  durch  den  seitlichen 
Druck  auf  den  Kehlkopf  —  hervorgerufen  hatte,  und  so  die  Ver¬ 
mutung  auf  einen  Fremdkörper  der  Luftwege  wachrief,  während  es 
sich  um  einen  solchen  der  Speiseröhre  handelte. 

Herr  V  o  h  s  e  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Beitrag  zur  Saug-  und  Stau¬ 
therapie  in  Ohr  und  oberen  Luftwegen. 

Der  Vortrag  ist  in  extenso  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.,  No. 
9,  19Ü7,  erschienen. 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1657 


Diskussion:  Herr  Marx-  Witten  hebt  hervor,  dass  das  von 
Vohsen  angegebene  Verfahren  (Ansaugen  des  Sekrets  bei  zuge¬ 
haltener  Nase)  bereits  von  K  i  1 1  i  a  n  im  Archiv  für  Laryngologie,  Bd. 
XIII,  angegeben  worden  ist,  und  zwar  bei  der  Nachbehandlung  nach 
der  K. sehen  Stirnhöhlenoperation.  Redner  wendet  es  selbst  schon  seit 
geraumer  Zeit,  oft  mit  günstigem  Erfolge,  an. 

Die  Saugtherapie  bei  Mittelohreiterungen  ist  von  E  h  r  e  n  f  r  i  e  d- 
Berlin  schon  vor  Jahren  ausgebildet  worden.* 1) 

NB.!  Im  letzten  Protokoll  (No.  5  dieser  Wochenschrift,  S.  238) 
ist  irrtümlich  in  der  Diskussion  Hopmann  I  genannt.  Moses. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

VI.  Sitzung  v  o  in  18.  März  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Strohe. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Vorschütz:  Die  epidemische  Genickstarre  und 
ihre  Behandlung  mit  Stauung  und  Lumbalpunktion  an  der  Hand 
von  beobachteten  Fällen.  (Vortrag  erschien  in  No.  11  und  12 
der  Münch,  med.  Woehenschr.) 

Herr  Funk:  Zur  Biologie  der  perniziösen  Blutkrankheiten 
und  der  malignen  Zelle. 

Die  an  Blutbildungsstätten  angreifende  Wirkung  der 
Röntgenstrahlen  trifft  vorzugsweise  die  jungen,  unreifen  Zell¬ 
elemente.  Indem  eine  Besserung  des  Leukämikers  unter  der 
bekannten  qualitativen  und  quantitativen  Veränderung  der  Blut¬ 
zellenbildung  bei  Behandlung  mit  Röntgenstrahlen  eintritt, 
manifestiert  sich  die  anormale  Blutzellenbildung  als  selbst¬ 
ständiger  Krankheitsprozess.  Die  Pathogenese  der  perniziösen 
Blutkrankheiten  (Leukämien,  perniziöse  Anämie)  wird  deutbar, 
wenn  man  in  Betracht  zieht,  dass  die  lokale  sowohl  als  die 
qualitative  Differenzierung  der  Blutzellen,  bezw.  ihrer  Bildungs¬ 
stätten  phylogenetisch  und  ontogenetisch  jung  ist  und  die  quali¬ 
tative  Differenzierung  im  ausgewachsenen  Organismus  noch 
permanent  stattfindet,  wodurch  eine  gewisse  Labilität  derselben 
gegeben  ist.  Besteht  nun  im  hämatopoetischen  System  eine 
lokal  oder  artlich  beschränkte,  oder  auch  allgemeine  Diffe¬ 
renzierungsschwäche,  so  wird,  wenn  das  System  oder  eine 
Blutzellart  von  einem  adäquaten  Reiz  (für  weisse  Blutzellen, 
z.  B.  Bakterientoxine,  für  rote  Blutzellen  Botriozephalustoxine, 
Blutverluste)  getroffen  wird,  die  reaktiv  erfolgende  Steigerung 
der  formativen  Tätigkeit  mit  der  durch  Ueberstürzung  be¬ 
dingten  biologischen  Minderwertigkeit  des  neugebildeten  Zell¬ 
materials  essentiell,  d.  h.  der  Vorgang  der  qualita¬ 
tiven  und  lokalen1)  Entdifferenzierung  der 
BlutzellenbildungdauertauchnachZessieren 
desdeinProzessauslösendenReizesfort.  F.  be¬ 
trachtet  aus  dieser  Deutung  heraus  die  perniziösen  Blntkrank- 
heiten,  ihre  Variationen,  Uebergänge  etc.  Von  prinzipieller 
Bedeutung  ist  der  Uebergang  der  Pseudoleukämie  in  Lympho¬ 
sarkom:  Bei  dem  durch  Differenzierungsschwäche  in  den  Keim¬ 
zentren  bedingten  Prozess  ist  die  quantitative  Produktion 
gering,  und  es  findet  eine  entsprechende  Ausfuhr  ins  Blut  statt. 
Ist  diese  aber  z.  B.  durch  eine  umhüllende  Kapsel  unmöglich, 
dann  werden  die  neugebildeten  entdifferenzierten  Zellen  aggres¬ 
siv,  durchbrechen  die  Kapsel  und  behalten  mit  der  den  Zellen 
des  Organismus  eigenen  Tenazität  den  veränderten  biologi¬ 
schen  Charakter  bei.  F.  sieht  in  der  Entstehung  ma¬ 
ligner  Neoplasmen  einen  durch  Essentiell¬ 
werden  des  durch  einen  Reiz  im  konstitutio¬ 
nell  oder  durch  Schädigung  differenzierungs¬ 
schwachen  (oder  auch  in  einzelnen  Fällen  bei  der  Ent¬ 
wicklung  gar  nicht  zur  Reife  gelangten,  versprengten)  Ge¬ 
webe  ausgelösten  reaktiven  Vorganges  cha¬ 
rakterisierten  Prozess.  Auch  die  Zellmassen  benigner 
Neubildungen  sind  mehr  minder  biologisch  minderwertig,  können 
deshalb  malign  metastasieren  usw.;  es  besteht  eine  ununter¬ 
brochene  Kontinuität  zwischen  gut-  und  bösartiger  Neubildung 
und  ein  gewisser  Relativismus  im  Begriff  „bösartig“.  Das 


0  Die  Ehrenfried  sehen  Publikationen  finden  sich  in  den 
Verhandlungen  der  deutschen  otologischen  Gesellschaft  1901  und  in 
der  Deutschen  med.  Woehenschr.  1902,  No.  52. 

1)  Möglicherweise  spielt  bei  der  lokalen  Entdifferenzierung  ein 
Koinpensationsbestreben  des  Organismus  als  Hilfsursache  eine  Rolle. 


meist  sofortige  infiltrierende  Wachsen,  die  sofortige  Aggres¬ 
sivität  maligner  Neubildungen  xcu  t^oyrtv  (im  Gegensatz  zu  per¬ 
niziösen  Blutkrankheiten)  ist  durch  die  völlig  verschiedenen 
histologischen  Verhältnisse,  das  nicht  liquide  Gewebe  gegeben. 
Die  grosse  Variabilität  der  Differenzierungsschwäche  und  der 
den  Prozess  auslösenden  Hilfsursachen  bedingt  die  mannig¬ 
fachsten  Bilder,  bei  deren  Deutung  sich  ergibt,  dass  sowohl 
die  R  i  b  b  e  r  t  sehe  als  C  o  h  n  h  e  i  m  sehe  Theorie  für  einzelne 
Fällung  Geltung  häben.  Die  Entdifferenzierung  der  Zellen  ist 
bei  malignen  Neoplasmen  morphologisch  oder  tinktoriell  nicht 
so  deutlich  nachzuweisen,  wie  bei  perniziösen  Blutkrankheiten. 
Mit  wachsender  Entdifferenzierung  wächst  im  allgemeinen  die 
Aggressivität,  die  Malignität  der  Zelle;  mit  sinkender 
biologischer  Individualvalenz  wächst  die 
Individual  potenz  der  Zelle.  Mit  der  Ableitung  von 
den  Befunden  bei  perniziösen  Blutkrankheiten  hat  die  von  vielen 
Autoren  aufgestellte  Hypothese,  welche  in  der  Entdifferenzie¬ 
rung  der  malignen  Zelle  den  für  den  Prozess  bezw.  die  Deutung 
seiner  Genese  massgebenden  Faktor  sieht,  eine  feste  Stütze 
gefunden;  naturgemäss  damit  auch  die  Lehre  vom  Parasitis¬ 
mus  der  malignen  Zelle,  die  aus  der  Erkenntnis  des  an  ihr 
stattgehabten  Rückschlages  zum  Embryonalen  logisch  ent¬ 
springt  und  sie  als  wiedererwachten  Protisten  charakterisiert. 
F.  geht  auf  Einzelerscheinungen  bei  den  verschiedenen  Formen 
der  bösartigen  Neubildungen  ein  (Narbenkeloide,  Adenokarzi¬ 
nome,  Chondrome,  Epithelübergangsstellen  =  Orte  labiler  Dif¬ 
ferenzierung  usw.)  und  exemplifiziert  an  ihnen  die  ausgeführte 
Hypothese. 

Die  auf  perniziöse  Blutkrankheiten  und  maligne  Neubil¬ 
dungen  gleichsinnige  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  erklärt  F. 
auf  Grund  vergleichender  Untersuchungen  in  der  Hauptsache 
durch  eine  nicht  in  der  starken  formativen  Tätigkeit  bezw.  den 
Kernteilungsprozessen,  sondern  in  dem  Zustande  der 
Entdifferenzierung  bedingten  Widerstands¬ 
fähigkeit  der  betreffenden  Zellen  gegen  die 
bei  Röntgenisieren  sich  bildenden  T  oxine  ge¬ 
geben.  Daher  die  Abtötung  der  Embryonen,  der  sich  zum 
Spermatozoon  differenzierenden  Zellen,  der  sich  zu  den  End¬ 
formen  differenzierenden  Blutzellen  usw.  durch  Röntgen¬ 
strahlen.  Die  gebildeten  Toxine  stehen  den  Ptomainen  nahe, 
und  eine  ähnliche  mehr  minder  starke  Wirkung  haben  manche 
bei  Infektionen  im  Organismus  kreisende  Toxine,  von  denen 
eines  von  C  o  1  e  y  aus  Erysipel-  und  Prodigiosuskulturen  iso¬ 
liert  wurde.  Diese  Toxine  wirken  jedoch  auf  die  Zellen  labiler 
Differenzierung,  speziell  auf  die  sich  im  Organismus  ständig 
differenzierenden  weissen  Blutzellen  zugleich  als  Reiz  und 
können  in  fraktionierten  Dosen  bei  Blutgesunden  die  maligne 
Hyperplasie  anregen  bei  vorhandener  oder  durch  die  Noxe  ge¬ 
setzter  Differenzierungsschwäche  (finale  Lymphozytose,  Leu¬ 
kämien  nach  Infektionen);  sie  können  andererseits,  in  zu  starken 
Dosen  verabfolgt,  das  hämatopoetische  System  bis  zur  Aplasie 
schädigen.  Zur  Behandlung  maligner  Neoplasmen,  speziell  der 
Sarkome,  ist  es,  anstatt  mit  den  schwer  zu  dosierenden  Rönt¬ 
genstrahlen  das  Toxin  im  Organismus  zu  erzeugen,  rationeller, 
ein  geeignetes  Toxin  exakt  dosiert  an  den  Ort  der  Neubildung 
zu  injizieren;  denn  diese  Toxine  wirken  vorzugsweise  lokal. 
Röntgentheranie  der  Hautkrankheiten  usw.  ist  nur  auf  die  not¬ 
wendigsten  Fälle  bei  strenger  Indikationsstellung  und  unter 
fortlaufender  Blutkontrolle  einzuleiten  und  durchzuführen.  S  o 
lange  eine  Immunisierung  gegen  den  Para¬ 
siten  „maligne  Zelle“  am  Menschen  praktisch 
nicht  durchführbar  ist,  ist  das  Suchen  nach 
einem  Toxin  stärkerer  Valenz,  als  das  Coley- 
sche  sie  besitzt,  von  obigen  Gesichtspunkten 
ausgehend  berechtigt  und  nicht  aussichtslos. 

•  (Autoreferat.) 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzungvom21.  Februar  1907. 
Vorsitzender :  Herr  Unverricht. 

Herr  Dahlmann  demonstriert  eine  4250  g  schwere  extra¬ 
uterin  entwickelte  Frucht  samt  Eihäuten  und  Plazenta,  die  4  Monate 
nach  dem  Fruchttod  durch  Laparotomie  entfernt  wurde. 


1058 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


2  Geburten  vor  8  und  10  Jahren  waren  vorausgegangen.  Letzte 
Regel  Ende  November  1905.  In  den  ersten  Schwangerschaftsmonaten 
häufig  ziehende  Schmerzen  in  beiden  Seiten.  Im  August  1906  hat  Pat. 
4  Wochen  lang  mit  Leibkrämpfen  im  Bett  gelegen.  Oktober 
.3  Wochen  anhaltende  Blutung,  die  im  November  und  Dezember 
je  8  Tage  wiederkehrte.  Seit  14  Tagen  vor  Weihnachten  fortwährend 
ziehende  Schmerzen  im  Leib. 

Die  Untersuchung  ergab  einen  unbeweglichen  'I  umor  mit  glatter 
Oberfläche,  der  das  kleine  Becken  ausfüllte  und  bis  handbreit  unter 
den  Rippenbogen  reichte.  Der  fest  an  die  Symphvse  angedrückte 
Uterus  wurde  bei  der  Austastung  leer  gefunden.  Im  Becken  war 
deutlich  der  Kopf  zu  fühlen.  Die  Operation  wurde  durch  zahlreiche 
Darmadhäsionen  erschwert.  Nach  deren  Lösung  gelingt  die  Aus¬ 
schälung  des  Eisackes  ohne  Schwierigkeit.  Die  Plazenta  sass  dem 
linken  Lig.  latum  breit  auf.  Bei  ihrer  Lösung  wurden  der  Ureter  und 
die  grossen  Gefässe  sichtbar.  Es  handelt  sich  anscheinend  um  eine 
frühzeitig  geplatzte  Tubargravidität,  die  sich  intraligamentär  fort¬ 
entwickelt  hatte. 

Herr  Weinbrenner:  Die  Sangbehandlung  in  der 
Gynäkologie.  (Erscheint  unter  den  Originalien  in  dieser 
Wochenschrift.) 

D  i  s  k  u  s  s  i  o  n :  Herr  B  r  u  n  e  t  hat  in  der  Hebammenlehr¬ 
anstalt  das  Biersche  Verfahren  in  etwa  einem  Dutzend  gynäko¬ 
logischer  Fälle  angewandt.  Zur  Behandlung  wurden  herangezogen : 
Fälle  von  chronischer  Parametritis  Doster.  und  lateralis  und  ein  Fall 
von  Metro-  und  Endometritis  colli.  Die  Erfolge  waren  sehr  zu¬ 
friedenstellend.  Die  Kreuzschmerzen  und  die  Empfindlichkeit  der  In¬ 
filtrationen  gegen  Berührung  Hessen  sehr  bald,  nach  und  der  Uterus 
wurde  beweglicher.  Die  Behandlung  wurde  14  Tage  bis  3  Wochen 
lang  fortgesetzt  und  sämtliche  Frauen  verliesseo  schmerzfrei  die 
Klinik.  In  einem  Falle  von  Hvsterie  sind  die  Kreuzschmerzen  snäter 
allerdings  wiedergekehrt.  Alles  in  allem:  Das  Biersche  Verfahren 
scheint  eine  wertvolle  Bereicherung  unseres  gynäkologischen  Rüst¬ 
zeuges. 

Herr  D  e  n  e  k  e:  Die  Trinkwasserversorgung  aus  der  Elbe 
unter  physiologischen  und  pathologischen  Gesichtspunkten. 

Diskussion:  Herr  Unverricht  snricht  sich  dahin  aus, 
dass  man  die  Schädlichkeit  des  Kochsalzes  im  Magdeburger  Leitungs¬ 
wasser  nicht  überschätzen  dürfe,  man  müsse  auch  daran  denken,  dass 
eine  Reihe  anderer  Salze  dem  Wasser  beigemischt  seien,  wie  Ma¬ 
gnesia.  Kalksalze  und  dergl.  Dazu  kämen  die  'Zersetzungsstoffe  orga¬ 
nischer  Natur,  die  man  vielfach  gar  nicht  chemisch  fassen  könne, 
deren  Anwesenheit  uns  aber  unsere  Sinnesorgane  genügend  klar 
machen.  Diese  seien  die  besten  Wächter  der  Gesundheit  und  es  sei 
eine  schlechte  Hygiene,  welche  nur  diejenigen  Schädlichkeiten  als 
bewiesen  annehme,  deren  Wirkungen  durch  chemischen  Nachweis, 
Tierexperiment  und  Statistik  sichergestellt  sei.  welche  aber  die  ab¬ 
lehnende  Sprache  unserer  Sinnesorgane  nicht  beachte. 

Was  man  nur  mit  Widerwillen  geniesse.  das  sei  unter  allen  Um¬ 
ständen  der  Gesundheit  nicht  förderlich.  Tierversuche  und  Krank¬ 
heitsstatistik  würden  wohl  in  der  vorliegenden  Frage  noch  lange  eine 
entscheidende  Antwort  schuldig  bleiben. 

Deshalb  sei  der  einzig  richtige  Weg  der.  den  auch  der  Vortr. 
eingeschlagen  habe.  Man  müsse  allgemeine  biologische  Erfahrungen 
heranziehen  und  sich  fragen,  in  welchem  Sinne  unsere  biologische 
Wissenschaft  zu  der  aufgeworfenen  Frage  sich  äussere.  Wenn  bio¬ 
logische  Erwägungen  allgemeiner  Natur  uns  zu  dem  Schlüsse  führen, 
dass  das  Magdeburger  Wasser  nicht  unschädlich  sein  könne,  so  dürfe 
man  an  diesem  Ergebnisse  nicht  achtlos  vorübergehen. 

Sitzung  vom  7.  März  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Unverricht. 

Herr  Schild:  Die  wichtigsten  Hauterkrankungen  des  Ge¬ 
sichtes. 

Der  Vortragende  greift  aus  dein  grossen  Gebiete,  das  dieses 
I  hema  umfasst,  nur  diejenigen  Kapitel  heraus,  welche  seiner 
Erfahrung  nach  für  -den  praktischen  Arzt  von  besonderem 
Interesse  sind.  Er  legt  den  Hauptwert  auf  die  Differential¬ 
diagnose  und  erläutert  zu  diesem  Zwecke  die  in  Frage  kom¬ 
menden  Krankheitsbilder  an  einer  grösseren  Anzahl  selbstge¬ 
fertigter  Wachsmoulagen.  Die  Impetigo  contagiosa,  die  Bart¬ 
flechten.  die  vielgestaltigen  Erytheme,  die  einzelnen  Arten  der 
Akne,  die  Psoriasis,  der  Lupus  erythematodes  und  andere  Er¬ 
krankungen  werden  in  typischen  Formen  demonstriert.  Zum 
Schlüsse  erörtert  der  Vortragende  die  Differentialdiagnose  der 
drei  wichtigsten  Erkrankungen  des  Gesichtes,  nämlich  des 
Kankroids,  des  Lupus  und  der  Spätsyphilis.  Die  verschieden¬ 
sten  Formen  dieser  Affektionen  werden  ebenfalls  durch  eine 
Reihe  von  Moulagen  wiedergegeben.  Auch  kurze  thera¬ 
peutische  Bemerkungen  werden  eingestreut  unter  besonderer 
riicksichtigung  der  Röntgen-  und  Radiumbehandlung.  < 


Sitzung  vom  21 .  März  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Unverricht. 

Herr  Wendel  berichtet  über  die  vom  Magistrat  geplante 
Einrichtung  eines  sogen,  orthopädischen  Turnunterrichtes  für  Volks- 

schiiler  mit  Wirbelverkrümmungen.  Er  teilt  mit,  dass  cs  sich  darum 
handelt,  beginnende  Fälle  von  Skoliose,  bei  denen  es  sich  nicht  um 
fixierte  Deformitäten,  sondern  mehr  um  Haltungsanomalien  handelt, 
von  eigens  dazu  ausgebildeten  Turnlehrerinnen  bezw.  -lehrern  in  be¬ 
sonderen  Abteilungen  turnen  zu  lassen,  wobei  das  Extremitäten¬ 
turnen  nicht,  wie  es  sonst  meist  geschieht,  bevorzugt  wird,  sondern 
neben  dem  deutschen  Turnen  vor  allem  die  Gymnastik  zu  ihrem 
Rechte  kommen  soll.  Die  Schüler  sollen  von  Aerzten  ausgesucht 
werden,  die  Uebungen  werden  gleichfalls  ärztlich  überwacht  werden. 
Die  zugesagte  Mitwirkung  von  orthopädischen  Spczialkollegen  wird 
dafür  bürgen,  dass  etwas  Nützliches  geschaffen  wird.  Es  ist  zu  - 
hoffen,  wenn  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  die  Bedeutung  der 
Skoliose  gelenkt  ist.  dass  dann  auch  für  die  schwereren  Fälle  Mittel 
für  eine  spezialärztliche  Behandlung  gewonnen  werden. 

Herr  Blencke:  Wie  behandelt  man  am  besten  die  be¬ 
ginnende  Skoliose  bei  der  ärmeren  Bevölkerung  und  sind  die 
in  Magdeburg  geplanten  Turnkurse  zweckmässig  oder  nicht? 

(Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  der  Zeitschr.  f.  ortho¬ 
pädische  Chirurgie.) 

Sitzung  vom  4.  April  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Unverricht. 

Herr  Unverricht  hält  den  angekündigten  Vortrag  über 
Hirnpunktion.  Er  bespricht  die  Geschichte  dieser  Operation 
und  schildert  eingehend  die  Technik  des  in  neuerer  Zeit  von 
N  e  i  s  s  e  r  empfohlenen  Verfahrens,  welches  sich  auch  ihm  be¬ 
währt  hat. 

Im  Anschlüsse  daran  stellt  er  einen  Kranken  vor,  bei  welchem 
von  .Tugend  auf  ein  auffällig  grosser  Schädel  bestand,  ohne  dass  zu¬ 
nächst  nennenswerte  Schädigungen  bemerkbar  wurden.  In  späterer 
Zeit  trat  eine  halbseitige  Lähmung  der  linken  Seite  ein,  welche  wieder 
zurückging,  später  aber  machten  sich  spastische  Erscheinungen  an 
den  unteren  Gliedmassen  bemerkbar,  die  allmählich  so  Zunahmen,  dass 
der  Kranke  nicht  mehr  arbeitsfähig  war  und  zeitweise  längere  Zeit 
ans  Bett  gefesselt  blieb.  Im  Jahre  1903  wurde  er  zum  ersten  Male 
in  die  Krankenanstalt  Sudenburg  aufgenommen  und  hier  ein  chro¬ 
nischer  Hydrozephalus  mit  Hydromyelie  diagnostiziert.  Es  bestanden 
neben  Paresen  und  Spasmen  in  den  Beinen  abgegrenzte  Störungen 
der  Empfindlichkeit,  welche  an  den  bei  Syringomyelie  beobachteten 
Typus  erinnerten.  Es  war  die  Temperatur-  und  Schmerzempfindung 
auf  der  linken  Seite  von  dem  Beine  bis  hinauf  zur  Brust  hochgradig 
gestört,  die  Tastempfindung  zwar  nicht  erhalten,  aber  viel  weniger 
verändert,  wie  die  anderen  Empfindungsqualitäten.  Am  linken  Arme 
waren  die  Erscheinungen  wieder  weniger  ausgesprochen  und  am 
Kopfe  war  eine  Veränderung  nicht  zu  finden.  Seit  jener  Zeit  hat  der 
Kranke  13  Spinalpunktionen  durchgemacht,  durch  welche  jedesmal 
seine  Beschwerden  in  auffälliger  Weise  gebessert  wurden.  Er  musste 
meistens  mit  der  Trage  ins  Krankenhaus  gebracht  werden  und  konnte 
dasselbe  dann  immer  wieder  zu  Fuss  verlassen.  Es  besserten  sich 
nicht  nur  die  subjektiven  Schmerzempfindungen,  sondern  auch  die 
Steifigkeit  und  die  Schwäche  der  unteren  Gliedmassen.  Auch  das 
Allgemeinbefinden  hob  sich. 

In  diesem  Jahre  wurde  nun  nach  der  oben  erwähnten  Methode 
eine  Punktion  des  linken  Seitenventrikels  vorgenommen,  bei  welcher 
20  ccm  Hirnflüssigkeit  entleert  wurden.  Der  Erfolg  war  ein  guter, 
nach  Angabe  des  Kranken  sogar  noch  besser,  wie  der  der  Spinal¬ 
punktionen,  sodass  er  selbst  verlangte,  es  möge  ihm  auch  der  rechte 
Ventrikel  punktiert  werden,  was  aber  zunächst  noch  abgelehnt  wurde. 
U.  hat  sich  davon  überzeugt,  dass  das  von  N  e  i  s  s  e  r  empfohlene 
Verfahren  einen  relativ  harmlosen  Eingriff  darstellt  und  wird  seine 
Beobachtungen  hierüber  fortsetzen,  um  später  der  Gesellschaft  Aus¬ 
führlicher  berichten  zu  können. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  16.  Januar  1907. 

Diskussion  zum  Vortrag  des  Herrn  Alzheimer: 
Ueber  die  Indikationen  zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
bei  Psychosen. 

Herr  Gustav  Klein:  Weder  über  die  Ursache  noch  über 
die  Behandlung  des  Erbrechens  in  der  Schwanger¬ 
schaft  (Emesis  und  Hyperemesis  gravidarum)  besteht  Klarheit. 
Früher  wurden  alle  möglichen  Ursachen  genannt  und  die  Therapie 
ihnen  entsprechend  eingerichtet:  Wegen  angeblicher  Stenose  wurde 
die  Zervix  dilatiert;  bei  Retroflexio  wurde  der  Uterus  aufgerichtet, 
was  wegen  der  Möglichkeit  einer  Inkarzeration  des  graviden  Uterus 
angezeigt,  aber  auf  die  Emesis  nicht  immer  von  Einfluss  war,  um¬ 
gekehrt  ist  das  Hauptsymptom  der  Incarceratio  uteri  fetroflexi  gfa- 


13.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1659 


vidi  nicht  das  Erbrechen,  sondern  die  Ischurie;  ohne  klare  Grundlage 
des  Verfahrens  wurde  die  Gravida,  ja  selbst  der  gravide  Uterus  elek¬ 
trisiert;  bei  welchen  Leiden  hätte  die  Elektrizität  in  der  Medizin 
noch  nicht  herhalten  müssen!  Das  sonderbare  war,  dass  jede  Thera¬ 
pie,  jedes  der  ungezählten,  per  os,  subkutan,  vaginal  etc.  angewandten 
Arzneimittel  das  eine  Mal  half,  das  andere  Mal  nicht.  Berühmt  ge¬ 
worden  sind  2  Beobachtungen:  Eine  Schwangere  war  elektrisiert 
worden;  das  Erbrechen  hörte  auf  und  nachträglich  stellte  sich  heraus, 
dass  der  Apparat  gar  nicht  funktioniert  hatte.  Einer  anderen  Schwan¬ 
geren  wurde  gesagt,  es  müsse  der  Abortus  eingeleitet  werden;  nach 
dem  scheinbar  vorgenommenen  Eingriffe  hörte  das  Erbrechen  auf, 
obwohl  die  Schwangerschaft  ihren  ungestörten  Verlauf  nahm. 

Kaltenbach  kam  durch  solche  Beobachtungen  zur  Ansicht, 
die  Hyperemesis  gravidarum  sei  das  Symptom  einer  Hysterie,  die 
bis  dahin  sogar  unbemerkt,  latent  gewesen  sein  könne.  Seine  Thera¬ 
pie  richtete  sich  demnach  auf  Behandlung  der  Psyche  und  des  Nerven¬ 
systems:  Ruhe,  in  schlimmeren  Fällen  Bettruhe  und  Anstaltsbehand¬ 
lung,  zugleich  allerdings  mit  blander,  alkoholfreier  Diät,  Stuhl¬ 
sorge  etc.  Die  Therapie  erwies  sich  in  den  meisten  Fällen,  besonders 
wenn  früh  eingeleitet,  als  wirksam.  Aber  Kaltenbach  stempelte 
damit  die  Kranken  zu  Hysterischen  und  in  der  Volksmeinung  ist  damit 
auch  heute  noch  vielfach  eine  Herabsetzung  verbunden.  Ueberdies 
liess  sich  durchaus  nicht  immer  Hysterie  wirklich  nachweisen. 

Ich  habe  deshalb  Hysterie  nicht  als  regelmässige  Ursache  der 
Hyperemesis  betrachtet,  wenngleich  sie  sicher  eine  Prädisposition 
für  Hyperemesis  schafft.  Mir  schien  es  aus  der  Beobachtung  zahl¬ 
reicher  Fälle,  dass  auch  Nervöse  zum  Schwangerschaftserbrechen 
mehr  neigten,  als  nervetigesunde  Frauen.  In  beiden  Fällen  war  jedoch 
die  Wirksamkeit  der  Kaltenbach  sehen  Behandlung  ebenso  er¬ 
klärlich,  als  die  der  Hypnose  und  Suggestion.  Nur  habe 
ich  gegen  die  letzteren  Behandlungsarten  geltend  gemacht,  dass  sie 
den  Wiillen  des  Kranken  noch  mehr  schwächen,  ihn  einem  fremden 
Willen,  nämlich  dem  des  Arztes  unterwerfen,  statt  die  Willenskraft  zu 
stärken.  Deshalb  habe  ich  Hypnose  und  Suggestion  nie  angewandt, 
wenn  man  nicht  sagen  will,  dass  im  Zusprechen  von  Trost,  in  der 
Anstaltsbehandlung  selbst  schon  ein  mächtiger  suggestiver  Faktor 
enthalten  sei. 

Aber  wie  Kaltenbach  u.  a.  habe  ich  auf  die  sorgfältige  Darm- 
entleerung  der  Kranken  von  jeher  auch  Nachdruck  gelegt.  Einige 
Autoren  haben  direkt  eine  Vergiftung  vom  ungenügend  entleerten 
Darme  aus  als  Ursache  der  Hyperemesis  bezeichnet. 

Heute  scheint  nun  die  Frage  auf  ein  anderes  Feld  gerückt  zu 
werden :  auf  das  Gebiet  der  Autointoxikation  des  Körpers 
und  anscheinend  der  zugleich  möglichen  Selbstentgiftung  des 
Körpers.  Der  schwangere  Fruchthalter  und  in  ihm  vor  allem  der 
Fötus  bilden  Stoffwechselprodukte,  die  für  den  mütterlichen  Körper 
giftig  werden  können,  aber  nicht  immer  auf  ihn  vergiftend  wirken. 
Das  hängt  offenbar  mit  der  grösseren  oder  geringeren  Möglichkeit 
einer  Entgiftung  zusammen.  Wodurch  kommt  diese  nun  zu¬ 
stande? 

Hier  scheint  mir  ein  Umstand  nicht  genügend  gewürdigt  zu  sein, 
der  im  Volksglauben  seit  alten  Zeiten  eine  Rolle  spielt:  das  Volk  dia¬ 
gnostiziert  Schwangerschaft  aus  der  Anschwellung  des  Halses,  also 
der  Thyreoidea.  Ein  gesundes  Weib  mit  plötzlicher  erheblicher  An¬ 
schwellung  des  Halses  gilt  für  schwanger.  Wie  so  oft  ist  auch  hier 
ein  brauchbarer  Kern  im  Volksglauben  enthalten.  Die  Anschwellung 
der  Thyreoidea  Schwangerer  besteht  tatsächlich.  Es  liegt  die  Ver¬ 
mutung  nahe,  dass  die  Thyreoidea  funktionell  anschwillt,  weil 
sie  eine  physiologische  Aufgabe  erledigt:  die  Befreiung  des  Organis¬ 
mus  von  den  giftigen  Stoffwechselprodukten  der  Schwangerschaft. 
Seit  ich  darauf  achte,  fällt  mir  folgendes  auf:  Frauen,  die  vor  der 
Schwangerschaft  keine  besondere  Schwellung  der  Thyreoidea  er¬ 
kennen  Hessen,  in  der  Schwangerschaft  aber  —  und  zwar  regelmässig 
schon  sehr  früh  —  eine  Zunahme  des  Halsumfanges  zeigen,  erbrechen 
nicht  oder  wenig.  Es  kommt  nicht  zu  hohen  Graden  der  Emesis 
und  sie  geht  rasch  vorüber;  offenbar  deshalb,  weil  die  Entgiftung 
durch  die  Vergrösserung  des  chemischen  Laboratoriums  der  Thy¬ 
reoidea  leichter  besorgt  wird.  Immerhin  bedürfen  diese  Beobach¬ 
tungen  noch  der  genauen  Untersuchung  an  einer  grossen  Anzahl 
von  geeigneten  Fällen.  Hier  steht  besonders  den  praktischen  Aerzten 
und  Geburtshelfern  ein  wichtiges  Gebiet  der  Mitarbeit  offen.  Es  wird 
auch  zu  prüfen  sein,  ob  umgekehrt  Emesis  und  Hyperemesis  dort  ein- 
tritt,  wo  eine  Volumszunahme  der  vielleicht  atrophischen  Thyreoidea 
fehlt,  sowie  ob  eine  Degeneration  der  Schilddrüse  (S  t  r  u  m  a) 
die  Wirksamkeit  beeinflusst. 

Entsprechend  der  Möglichkeit  eines  Zusammenhanges  zwischen 
dem  graviden  Uterus  und  der  Schilddrüse  habe  ich  versucht,  Emesis 
und  Hyperemesis  durch  Verabreichung  von  Thyreoideatabletten  zu 
beeinflussen  —  teils  mit  unsicherem,  teils  mit  negativem  Erfolge. 
Immer  musste  mindestens  die  oben  geschilderte  allgemeine  Behand¬ 
lung,  Diät,  Stuhlsorge  zugleich  eintreten,  um  einen  Erfolg  zu  erzielen. 
Aber  das  ist  nicht  auffällig,  da  wir  nur  über  Tier  präparate  verfügen 
und  sie  ausserdem  nur  per  os  geben  können.  Die  Tierpräparate  ent¬ 
halten  (ebenso  wie  die  nach  meiner  Erfahrung  stets  unwirksamen 
Ovarial-,  Oophorintabletten  etc.  bei  ovarialen  Ausfalls¬ 
erscheinungen  der  Frauen)  artfremdes  Eiweiss,  artfremde 
Stoffe.  Schon  dadurch  ist  die  Wirksamkeit  erschwert.  Aber  ausser¬ 
dem  werden  die  leicht  veränderlichen  wirksamen  Substanzen  durch 
die  Verdauungssäfte  bei  der  Darreichung  per  os  offenbar  beeinflusst. 


Daraus  ergäbe  sich,  immer  vorausgesetzt,  dass  die  geschilderte 
Theorie  richtig  ist,  der  Wunsch,  1.  menschliche  Schild¬ 
drüsenpräparate  und  2.  tunlichst  Extrakte  oder 
Sera,  die  subkutan  gegeben  werden  können,  herzustellen.  Man 
kann  nicht  einwenden,  dass  es  sich  um  eine  versteckte  Anthropo¬ 
phagie  handle;  denn  auch  Bluttransfusion  von  einem  Menschen  auf 
den  anderen,  Hauttransplantation  etc.  fällt  in  den  gleichen  Rahmen. 
Schwierig  würde  es  sein,  genügende  Mengen  normaler  Thy¬ 
reoidea  vom  gesunden  Menschen  zu  gewinnen.  Denn 
die  von  den  Chirurgen  exstirpierten  Strumen  scheinen,  da  es  sich  eben 
nicht  um  gesunde,  normal  funktionierende  Thyreoidea  handelt,  zu¬ 
nächst  unbrauchbar.  Somit  müssen  wir  vorläufig  bis  zu  weiterer 
Klärung  der  Frage  doch  auf  Tierpräparate  zurückgreifen;  auf  ähn¬ 
lichem  Wege  wie  durch  das  Antithyreoidinserum  von  Möbius 
scheint  auch  hier  ein  Erfolg  möglich. 

Aber  Aetiologie  und  Therapie  der  Hyperemesis  gravidarum  sind 
damit  schier  noch  dunkler  geworden.  Die  schwersten  Aufgaben  harren 
unser  noch;  die  Heilkunde  ist  kaum  über  die  ersten,  mühsamen  Ver¬ 
suche  hinausgelangt,  sich  zum  Lichte  der  Erkenntnis  emporzuringen. 

Herr  R.  v.  H  o  e  s  s  1  i  n:  Auf  die  Ausführungen  des  Herrn  Klein 
möchte  ich  nicht  weiter  eingehen,  sondern  nur  in  bezug  auf  die  von 
ihm  besprochene  Hyperemesis  gravidarum  bemerken,  dass  ein  Um¬ 
stand  sehr  dafür  spricht,  dass  dieselbe  als  eine  Intoxikationserkran¬ 
kung  der  Schwangerschaft  aufzufassen  ist,  nämlich  der  Umstand,  dass 
das  unstillbare  Erbrechen  oft  gleichzeitig  mit  anderen  Erkrankungen 
in  der  Schwangerschaft,  welche  auch  als  toxische  anzusehen  sind, 
kombiniert  vorkommt;  zu  solchen  toxischen  Erkrankungen  gehört  auch 
die  Korsakow  sehe  Psychose,  die  wiederholt  in  Fällen  von  Hyper¬ 
emesis  gravidarum  zur  Beobachtung  kam,  in  anderen  Fällen  im  An¬ 
schluss  an  das  Absterben  der  Frucht,  die  im  Uterus  zurückgehalten 
wurde  und  dort  mazerierte.  Die  Korsakow  sehe  Psychose  ist 
ja  in  einem  grossen  Teil  der  Fälle  auf  eine  Intoxikation  durch  Alkohol 
zurückzuführen,  in  den  mir  näher  bekannten  Fällen  von  Korsakow 
in  der  Gravidität  und  im  Puerperium  war  der  Alkohol  aber  ätiologisch 
auszuschliessen,  so  dass  man  sie  mit  Recht  zu  den  Graviditäts-Auto- 
intoxikations-Krankheiten  rechnen  kann;  man  wird  daher  auch  die 
während  der  Schwangerschaft  entstandenen  Korsakow  sehen 
Psychosen  zu  denjenigen  Psychosen  zählen  müssen,  welche  unter  Um¬ 
ständen  eine  Indikation  zur  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  ab¬ 
geben  können.  Mir  ist  ein  Fall  bekannt,  es  ist  dies  der  Fall  von 
Demos,  Pinard  und  J  o  f  f  r  o  y,  in  welchem  sehr  bald  nach  der 
Einleitung  der  'kiinstlfchen  Frühgeburt  die  Korsakow  sehen  Sym¬ 
ptome  zurückgingen.  Es  ist  freilich  auch  nicht  zu  vergessen,  dass 
Fälle  zur  Beobachtung  kameh,  in  welchen  die  Korsakow  sehe 
Psychose  sich  erst  im  Anschluss  an  künstliche  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  wegen  Hyperemesis  entwickelte. 

Herr  Ziegen  speck:  Meine  eigenen  Erfahrungen  über  die 
Hyperemesis  gravidarum  sprechen  dafür,  dass  es  sich  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  um  eine  Entzündung  am  oder  im  Uterus  handelt,  welche 
neben  anderen  Symptomen  auch  die  Hyperemesis  zur  Begleiterschei¬ 
nung  hat.  Ohne  das  Vorkommen  von  Hyperemesis  als  Teilerschei¬ 
nung  der  Hysterie,  als  Folge  einer  Intoxikation,  als  Gegenstand  der 
Exaggeration,  ja  sogar  Simulation  in  Abrede  stellen  zu  wollen,  meine 
Fälle  sprechen  für  die  Auffassung  der  Hyperemesis  als  Reflexsymptom 
einer  Entzündung.  Bei  einem  Teil  der  Fälle,  auf  2  besinne  ich  mich 
gewiss,  es  können  aber  auch  mehr  gewesen  sein,  liess  sich  eine  druck¬ 
empfindliche  Stelle  am  Uterus  nachweisen.  Ob  hier  auch  peritoni- 
tische  Verwachsungen  Vorlagen,  liess  sich  in  beiden  nicht  nachweisen, 
weil  der  Uterus  schon  so  gross  war,  dass  er  nicht  mehr  in  der  Becken¬ 
höhle,  sondern  mit  der  Hauptmasse  in  der  Bauchhöhle  lag,  wo  man 
nicht  gegentasten  kann.  Hier  erfolgte  Heilung  dieses  Symptoms  durch 
Massage.  In  einem  anderen  Teil  der  Fälle  handelte  es  sich  um  Endo¬ 
metritis  cervicalis,  und  das  Begleitsymptom  verschwand  auf  Aus¬ 
pinselung  der  Zervix  mit  Jodtinktur.  Suggestivwirkung  dieser  Thera¬ 
pie  erachte  ich  deshalb  als  ausgeschlossen,  weil  medikamentöse 
Therapie  von  meiner  Seite  oder  von  seiten  der  behandelnden  Kollegen 
vorausgegangen  war,  welche  sonst  auch  suggestiv  hätte  wirken 
müssen.  In  dem  einen  Falle  war  mir  unterwegs  die  Jodtinktur  in  die 
umgebende  Wundwatte  gelaufen,  weil  der  Stöpsel  abgegangen  war. 
Ich  suggerierte  daher  der  Patientin  aber,  dass  die  Auspinselung  mit 
dem  Stäbchen,  an  welches  ich  von  der  mit  Jodtinktur  befeuchteten 
Watte  angewickelt  hatte,  wohl  ungenügend  sein  würde  und  die  Pin¬ 
selung  mit  reichlicherer  Verwendung  des  Medikaments  wiederholt 
werden  müsse.  Allein  die  Heilung  war  eine  fast  momentane  und 
vollständige. 

Zweimal  habe  ich  auch  nach  Konzil  mit  dem  Kollegen  die  Schwan¬ 
gerschaft  unterbrochen.  Es  waren  das  Fälle,  wo  beträchtliche  Ge¬ 
wichtsabnahme  eine  dauernde  Schädigung  der  Gesundheit,  ja  eine  Ge¬ 
fahr  für  das  Leben  bei  Fortdauer  der  Gravidität  befürchten  liess.  Es 
handelte  sich  um  Familien,  wo  weiterer  Kindersegen  schwerlich  er¬ 
wünscht  wurde.  In  dem  einen  Falle  hatte  ich  selbst,  im  anderen 
der  Kollege  früher  die  Patientin  an  einem  Frauenleiden  behandelt  und 
es  mögen  Narben  von  dem  abgelaufenen  Leiden  vorhanden  ge¬ 
wesen  sein. 

Was  nun  den  Grundtenor  des  Vortrages  des  Herrn  Alzheimer 
betrifft,  welcher  doch  im  ganzen  ein  negierender  war,  d.  h.  dass  wegen 
Geisteskrankheiten  der  Eltern  die  Schwangerschaft  nicht  zu  unter¬ 
brechen  sei,  möchte  ich  daran  erinnern,  dass  ih  einertn  oder  einigen 
Staaten  deriVerein.  Staaten  von  Nordamerika  es  Staatsgesetz  ist,  dass 


iOOÜ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


unheilbar  Geisteskranke,  namentlich  bei  hereditären  Formen,  vor  Ent¬ 
lassung  aus  der  Anstalt  kastriert  werden.  Auch  ein  deutscher  Arzt 
hat  in  einem  Artikel,  betitelt:  „Ketzerische  Ideen  eines  praktischen 
Arztes“  den  gleichen  Vorschlag  auch  auf  Gewohnheitssäufer  und  -Ver¬ 
brecher  ausgedehnt  haben  wollen.  Er  wollte  dem  Umstand,  dass 
Bestrahlung  mit  Röntgenstrahlen  die  Sterilisation  der  Keimdrüsen 
ohne  Minderung  der  Libido  sexualis  noch  der  Potenz  herbeizuführen 
imstande  ist,  benützen,  dieser  Indikation  in  humanster  Weise,  ohne 
Minderung  des  Vergnügens  gerecht  zu  werden.  Nicht  als  eigene  An¬ 
schauung,  sondern  nur  um  anzuführen,  dass  man  auch  anderer  Mei¬ 
nung  sein  kann,  wollte  ich  mir  erlauben  darauf  hinzuweisen. 

Herr  Alzheimer  hält  eine  Schwangerschaftsunterbrechung 
bei  polyneuritischen  Psychosen  für  angebracht,  wenn  eine  Gefahr  für 
das  mütterliche  Leben  vorliege,  da  erwiesen  sein  dürfte,  dass  zwischen 
einer  gewissen  Form  der  Polyneuritis  und  der  Schwangerschaft  ur¬ 
sächliche  Beziehungen  vorhanden  sind.  Die  durch  die  Schwanger¬ 
schaft  bedingte  polyneuritische  Psychose  scheint  aber  eine  seltene  Er¬ 
krankung;  er  kenne  sie  aus  der  Literatur,  habe  sie  aber  noch  nie  selbst 
gesehen. 

Der  Gesichtspunkt,  dass  die  Nachkommen  eines  Geisteskranken 
minderwertig  seien  und  dass  man  deswegen  bei  der  Abwägung  der 
Gründe  für  und  wider  die  Schwangerschaftsunterbrechung  ihr  Leben 
geringer  einschätzen  müsse,  halte  er  nach  wie  vor  für  bedenklich. 
Unsere  Kenntnisse  von  den  Gesetzen  der  Vererbung  seien  noch  zu 
mangelhaft.  Es  müsse  namentlich  betont  werden,  dass  bei  der  Be¬ 
trachtung  grösserer  Stammbäume  neben  einer  fortschreitenden  De¬ 
generation  in  einzelnen  Zweigen  auch  eine  allmähliche  Ausschaltung 
des  Einflusses  der  geisteskranken  Aszendenz  in  anderen  Linien  un¬ 
verkennbar  hervortrete.  Da  uns  die  Wissenschaft  noch  keinerlei 
sichere  Anhaltsminkte  über  die  Gesundheitsverhältnisse  der  Nach¬ 
kommenschaft  Geisteskranker  geben  könne,  müssten  wir  hier  ganz 
ins  Grund-  und  Uferlose  geraten.  Die  Kastration  psychisch  defekter 
Persönlichkeiten  sei  ja  nur  eine  konsequente  Weiterführung  dieses 
Gedankens.  Die  Irrenärzte  hätten  heute  noch  immer  wieder  gegen 
das  Vorurteil  zu  kämpfen,  dass  sie  widerrechtlich  Menschen  der  Frei¬ 
heit  belaubten;  sie  werden  sich  gewiss  bedenken,  die  Sterilisierung 
ihrer  Patienten  zu  empfehlen.  Der  Kampf  gegen  die  Degeneration 
der  Menschheit  müsse  auf  anderen  Wegen  geführt  werden. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

IX.  Sitzung  vom  11.  Juli  1907. 

Herr  Straub:  1.  Dauernde  Blutdrucksteigerung  durch 
Adrenalin.  (Nach  Versuchen  von  Dr.  W.  Kretschmar.) 

Durch  quantitative  Untersuchung  der  Adrenalinwirkung 
wurde  mittels  einer  besonderen  Methode  (cf.  die  ausführliche, 
demnächst  erscheinende  Publikation)  die  Frage  untersucht,  ob 
sich  nicht  mit  Adrenalin  eine  dauernde  Blutdrucksteigerung 
erzielen  lässt.  Es  gelang  dies  in  einwandfreier  Weise.  Neben 
dieser  1  atsache  konnte  auch  noch  eine  Reihe  von  wichtigen 
Einzelheiten  des  Mechanismus  der  Adrenalinwirkung  über¬ 
haupt  festgestellt  werden. 

2.  Elementarwirkung  der  Digitaliskörper. 

Vortragender  berichtet  über  Versuche,  in  denen  der  Innen¬ 
druck  im  Ventrikel  des  Katzenherzens  in  situ  vor  und  während 
Digitaliswirkung  gemessen  wurde.  Angestrebt  wurden  Mes¬ 
sungen  mit  Gummimanometer,  deren  physikalische  Konstanten 
unter  Zugrundelegung  der  von  Otto  Frank  ausgearbeiteten 
I  heorie  der  elastischen  Manometer  ermittelt  wurden. 

3-  Demonstration  eines  einfachen  Apparates  zur  künstlichen  Re- 
snirierung  von  I  ieren  durch  rhythmische  Unterbrechung  eines  Luft¬ 
stromes.  ‘  M 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  de  biologie. 

Sitzung  vom  25.  Mai  1907. 

Zufälle  der  Schilddrüsenbehandlung. 

Leopold  Levi  und  H.  de  Rothschild  haben  mehr  als  400 
Kranke  der.  Schilddrüsenbehandlung  unterzogen  und  niemals  einen  Zu¬ 
fall  zu  konstatieren  gehabt.  Sie  haben  folgende  Vorsichtsmassregeln 
dabei  beobachtet:  1.  ein  gutes  Präparat,  2.  geringe  oder  mittlere 
Dosen  anzuwenden,  1  g  der  frischen  Drüse  ist  die  gewöhnliche  Vor¬ 
schrift.  ausnahmsweise  kann  man  auf  2 — 2,5  g  steigen,  aber  oft  ge¬ 
nügen  0,25  und  0,1  g;  3.  muss  man  Ruhepausen  zwischen  die  Zeit  der 
Behandlung,  wenn  die  nötige  Dosis  noch  nicht  bekannt  ist;  sie  be- 
und  4.  Ueberwachung  des  Patienten,  besonders  bei  Beginn  der  Be¬ 
handlung  und  wenn  man  mit  den  Dosen  steigt.  Gewisse  kleine  Zu- 
rälle,  welche  die  Engländer  Thyreoidismus  nennen,  können  aber  trotz 
dieser  Vorsicht  Vorkommen  und  zwar  mit  Vorliebe  bei  Beginn  der 
Behandlung  einsetzen  —  nach  10  tägiger  Behandlung  5  Tage  Ruhe 
stehen  in  Erscheinungen  nervöser  Erregbarkeit  (unmotiviertes 


Lachen,  Weinen,  Zornausbrüche),  Herzklopfen,  Diarrhöe,  Zittern, 
Schlaflosigkeit,  Erbrechen  usf.  Diese  Erscheinungen  finden  sich  wie¬ 
der  bei  der  Basedow  sehen  Krankheit,  was  nicht  überraschend  ist, 
da  diese  Krankheit,  das  Maximum  von  „Hyperthyreoidie“,  durch  In¬ 
jektion  hoher  und  wiederholter  Dosen  von  Schilddrüsensaft  reprodu¬ 
ziert  werden  konnte.  Durch  die  Schilddrüsenbehandlung  hervorge¬ 
rufen,  sind  diese  Erscheinungen  aber  weniger  intensiv  wie  beim 
Basedow.  Andererseits  bilden  dieselben  einen  Teil  der  sogen.  Ner¬ 
vosität,  d.  h.  die  kleinen  Zufälle  der  Schilddrüsentherapie  stellen  eine 
Art  experimentelle  Nervosität  dar,  so  dass  Berichterstatter  zu  dem 
Schlüsse  kommen,  dass  gewisse  Formen  von  Nervosität  eine  milde 
Form  B  a  s  e  d  o  w  scher  Krankheit  seien. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  4.  Juni  1907. 

Behandlung  der  Syphilis  mittels  anilarsensaurem  Na. 

Hallopeau  zeigt  an  120  Beobachtungen  die  Wirkung  dieses 
Mittels,  welches  nach  der  Methode  von  S  a  1  m  o  n,  d.  i.  in  intermit¬ 
tierenden  Kuren,  angewandt  wurde.  Es  scheint  bei  manchen  syphi¬ 
litischen  Infektionen  energischer  zu  wirken  wie  Hg  und  Jod,  versagt 
aber  bei  den  parasyphilitischen  Affektionen  (Tabes,  Leukoplasie). 
Das  anilarsensaure  Na  akkumuliert  sich  im  Organismus,  indem  es  Er¬ 
scheinungen  von  Arsenikintoleranz  hervorruft:  sobald  diese  auftreten, 
muss  man  die  Behandlung  unterbrechen,  um  sie  nach  etwa  14  Tagen, 
wenn  keine  Spur  des  Medikaments  mehr  im  Urin  ist,  wieder  auf¬ 
zunehmen;  In  schweren  Fällen  von  Syphilis  kann  man,  um  ein  Maxi¬ 
mum  von  Wirkung  zu  erzielen,  gleichzeitig  Quecksilber  und  Jod 
geben.  Man  injiziert  das  Mittel  in  der  unmittelbaren  Umgebung  des 
Schankers,  von  Exostosen  und  tertiären  Syphilomen.  H.  zieht  den 
chemischen  Namen  „an'ilarsensaures  Na“  der  Bezeichnung  Atoxyl, 
welche  zu  Verwechslungen  führen  könnte,  vor. 

lieber  eine  einfache  Behandlung  der  Gesichtsdermatosen. 

Jacquet  hebt  hervor,  dass  die  einfachsten  Mittel  bei  Sebor- 
rhoea,  kongestiven  Dermatosen,  bei  Osteatose,  Acne  neurotica, 
Pachydermie  des  Gesichts  oft  am  besten  wirken.  Verdauungsstö¬ 
rungen.  besonders  die  Gewohnheit  zu  rasch  zu  essen,  sind  die  Haupt¬ 
ursachen  dieser  Uebel.  Um  sie  zu  erklären  braucht  man  keine  Bak¬ 
terien  oder  Bakteriengifte,  sondern  es  genügt  die  Ueberreizung,.durch 
zu  reichliche  Speisen  und  besonders  die  Ueberreizung  durbh  zu 
rasches  Essen  (Tachyphagie).  Die  Therapie  besteht  daher  darin, 
diese  Ueberreizung.  speziell  des  Verdauungskanals,  aufzuheben  und 
die  Energie  der  (Haut-)  Gewebe  wieder  anzuregen.  Letzteres  er¬ 
reicht  man  besser  als  durch  alle  komplizierten  Mittel  durch  mässige, 
allmählich  zunehmende  Massage  (Kneten)  der  subkutanen  Gewebe 
und  der  Haut:  man  erhöht  allmählich  Energie  und  Dauer  des  Druckes 
(innerhalb  8 — 14  Tage),  um  auf  diese  Weise  eine  Art  Trainierung  der 
Gewebe  zu  erzielen.  .1.  versichert,  dass  man  mit  dieser  Methode  die 
Gewebe  stärkt,  dem  Teint  seine  Frische  gibt,  die  pathologische  Rötung 
vertreibt,  das  Fett  von  den  Stellen,  wie  man  wünscht,  entfernt,  kurz 
das  Gesicht  verjiingert  und  verfeinert. 

Sitzung  vom  11.  Juni  1907. 

Die  Wanderniere. 

Championniere  zeigt  die  grosse  Häufigkeit  der  Wanderniere, 
Ihre  so  zahlreichen  und  wechselnden  Symptome  scheinen  besonders 
von  den  Zerrungen  und  Exzitationszuständen  der  Nebennieren  ab¬ 
zuhängen.  Ch.  bespricht  die  ausserordentliche  Verschiedenheit  dieser 
Erscheinungen,  welche  von  den  schwersten  Ernährungsstörungen  (Er¬ 
brechen,  Schwäche,  Abmagerung,  an  den  verschiedensten  Stellen 
sitzende  Schmerzen)  bis  zu  den  schwersten  Formen  der  Neurasthenie 
gehen;  man  findet  sogar  Fälle,  die  mit  psychischen  Symptomen  ver¬ 
bunden  sind.  Die  Häufigkeit  der  Nierenverlagerung  bei  Geisteskran¬ 
ken  ist  eine  sehr  bemerkenswerte  (S  u  c  k  1  i  n  g-  Birmingham  hat 
20  Fälle  bei  Geisteskranken  operiert  und  bedeutende  Besserungen 
erzielt).  Die  Operation  wirkt  weniger  dadurch,  dass  sie  die  Niere 
höher  legt  (die  Enteroptose  bessert),  als  dadurch,  dass  sie  dieselbe 
fixiert  und  unbeweglich  macht.  Beinahe  regelmässig  ist  sie  von  Er¬ 
folg  begleitet  und  nur  selten  ist  bei  genügender  Fixierung  der  Niere 
ein  Misserfolg  vorhanden.  Ch.  hat  60  Operationen  bei  sehr  schweren 
Fällen  ausgeführt  und  dabei  nur  in  2  Fällen  ein  unbefriedigendes  Re¬ 
sultat  gehabt. 

Die  Aufziehung  der  vorzeitig  Geborenen. 

Maygrier  gibt  eine  sehr  interessante  Statistik  über  die  vor¬ 
zeitig  an  der  Maternite  der  Pariser  Charitee  1898 — 1907  geborenen 
Kinder.  Von  735  Kindern  haben  616  (=  83,8  Proz.)  lebend  die  An¬ 
stalt  verlassen.  Die  so  schwierige  Aufziehung  dieser  schwächlichen 
Kinder,  welche  oft  weniger  als  3  Pfund  wogen,  umfasste  3  Haupt¬ 
indikationen:  1.  sie  gegen  Erkältung  mittels  Couveuse,  Massage,  Frik¬ 
tionen,  heisse  Bäder  usw.  zu  schützen;  2.  ihnen  eine  geeignete  Er¬ 
nährung,  die  vor  allem  in  Darreichung  der  Mutterbrust  bestehen  soll, 
zu  geben  und  3.  sie  vor  Infektionsursachen,  welchen  sie  ihre  geringe 
Widerstandskraft  leicht  aussetzt,  mit  allen  möglichen  Mitteln  zu  be¬ 
wahren.  Schliesslich  ist  ein  wichtiger  Punkt,  dass  diese  Kinder,  wenn 
sie  in  einem  Gebärhaus  zur  Welt  kommen,  dort  auch  die  ganze,  zu 
ihrer  Entwicklung  notwendige  Zeit  bleiben. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1661 


13.  August  1907. 


H  a  1 1  o  p  e  a  u  bespricht  von  neuem  das  Atoxyl  und  dessen 
mit  Quecksilber  abwechselnde  Darreichung;  gleichzeitig  dürfen 
die  beiden  Medikamente  nicht  gegeben  werden,  da  das  Atoxyl  wenig 
beständig  ist  und  dadurch  Intoleranzerscheinungen  auftreten  können. 
Am  besten  wartet  man  (etwa  14  Tage),  bis  das  Arsenik  völlig  aus- 
geschieden  ist,  bevor  man  eine  Quecksilberkur  beginnt.  H.  fand 
übrigens  bedeutende  Unterschiede  zwischen  dem  deutschen  Atoxyl 
und  dem  französischen  Anilarsinat,  ersteres  zeigte  sich  weniger  rein 
und  daher  giftiger.  Man  gibt  es  daher  in  geringeren  Dosen.  Mit  dem 
französischen  Produkt  machte  H.  in  je  zweitägigen  Pausen  Injektionen 
von  0,75,  dann  lässt  er  4  Injektionen  von  0,5  folgen;  meist  wurde  da¬ 
mit  ein  befriedigendes  Resultat  erzielt  und  es  wurden  keinerlei  Zwi¬ 
schenfälle  erlebt. 

Sitzung  vom  18.  Juni  1907. 

Behandlung  des  Ekzema  mit  isotonischem  Meerwasser. 

V  a  r  i  o  t  und  Q  u  i  n  t  o  n  haben  beim  Kinderekzem  isotonisches, 
d.  i.  Meerwasser  angewandt,  welches  durch  Dilution  auf  den  Salz¬ 
gehalt  des  normalen  Serums  zurückgeführt  ist.  Sie  machten  alle 
3  Tage  eine  Injektion  von  30  ccm,  das  bewirkte  eine  Reaktionserschei- 
'  nung  an  den  affizierten  Stellen,  welche  entzündet  werden  und  nässen. 
Diese  Reaktion,  welche  3 — 14  Tage  dauern  kann,  ist  von  einem  Abfall 
der  Krusten  und  rascher  und  mehr  weniger  vollständiger  Rückbildung 
der  Ekzemerscheinungen  gefolgt.  Wenn  die  Reaktion  nicht  eintritt 
(in  etwa  40  Proz.  der  Fälle),  wirkt  trotzdem  die  sonstige  Behandlung 
unmittelbar,  die  Hauterscheinungen  werden  nach  der  ersten  oder 
zweiten  Injektion  blässer,  es  folgt  Abfall  der  Krusten  und  in  8  bis 
10  Tagen  kann  der  Ausschlag  völlig  verschwunden  sein. 

Pellagra  und  Geisteskrankheiten  bei  den  Arabern. 

Nach  den  Untersuchungen,  welche  A.  Marie  in  Aegypten  an¬ 
stellte,  sind  fast  alle  in  den  dortigen  Irrenasylen  untergebrachten 
Kranken  mit  Pellagra  behaftet;  die  Bevölkerung  der  benachbarten 
Städte  ist  ebenfalls  in  hohem  Masse  von  dieser  Krankheit  befallen. 
Die  allgemeine  Paralyse  ist  oft  mit  Pellagra  verbunden,  in  anderen 
Fällen  ist  dieselbe  allein  auf  Syphilis  zurückzuführen  und  schliesslich 
bieten  Syphilis  und  Pellagra  zuweilen  eine  gemeinschaftliche  Ursache 
dieser  Geisteskrankheit. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Clinical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  10.  Mai  1907. 

Heilung  von  Ulcus  ventriculi  durch  Gastroenterostomie. 

•<:  J.  S  h  e  r  r  e  n  berichtet  über  einen  46  jährigen  Patienten,  welcher 
fast  7  Jahre  lang  an  intensiven  gastrischen  Erscheinungen  gelitten 
hatte,  so  dass  schliesslich  zu  einer  Operation  geschritten  werden 
musste.  Man  fand  an  der  kleinen  Kurvatur  ein  grosses  Geschwür 
und  ausgedehnte  Adhäsionen,  welche  die  hintere  Operation  unmöglich 
machten,  und  es  wurde  deshalb  eine  Gastroenterostomia  anterior  ohne 
Schleifenbildung  ausgeführt.  Das  Resultat  war  entschieden  befriedi¬ 
gend,  aber  22  Monate  später  verfiel  der  Patient  in  Melancholie  und 
beging  Selbstmord.  Bei  der  Autopsie  fand  man  den  Magen  nur  mit 
dem  Pankreas  verwachsen;  die  bei  der  Operation  gebildete  Oe  ff  nung 
war  für  zwei  Finger  durchgängig,  und  auch  der  Pylorus  war  offen. 
Durch  die  mikroskopische  Untersuchung  wurde  der  Nachweis  ge¬ 
bracht,  dass  das  Geschwür  vollständig  ausgeheilt  war. 

H.  H.  C 1  u  1 1  o  n  fragt  an,  ob  die  von  Mayo  R  o  b  s  o  n  emp¬ 
fohlene  Methode,  welche  die  Fixierung  des  Jejunums  in  der  Richtung 
von  links  nach  rechts  bezweckt,  angewendet  worden  sei.  Er  selbst 
habe  sie  seit  lVz  Jahren  regelmässig  befolgt. 

Sherren  hat  das  Robsonsche  Verfahren  auch  ausgeübt, 
ist  aber  wieder  davon  abgegangen.  Im  vorliegenden  Falle  ist  es 
nicht  zur  Anwendung  gekommen. 

Ueber  die  Dauer  des  Fortbestandes  der  W  i  d  a  1  sehen  Reaktion  nach 

überstandenem  Ileotyphus 

berichten  H.  S.  French  und  M.  G.  Louisson.  Sie  haben  bei 
135  Typhuskranken,  bei  denen  im  Krankenhaus  ein  positives  Ergebnis 
konstatiert  worden  war,  nachträglich  in  einem  Zeitraum  von  2  Monaten 
bis  zu  10  Jahren  Untersuchungen  ausgeführt  und  einige  interessante 
Resultate  erhalten.  Als  positiv  wurde  die  Reaktion  bezeichnet,  wenn 
mit  einer  Verdünnung  von  1:200  binnen  einer  halben  Stunde  eine  er¬ 
kennbare  Agglutination  eintrat.  Negativ  fiel  die  Probe  bei  70  Proz. 
der  Fälle  aus,  während  bei  22,5  Proz.  die  Reaktion  unvollständig  und 
bei  7,5  Proz.  in  vollkommener  Weise  eintrat.  Das  männliche  Ge¬ 
schlecht  scheint  weit  stärker  affiziert  zu  sein  als  das  weibliche.  Von 
den  Männern  lieferten  11  vom  Hundert  ein  vollständig  positives  Er¬ 
gebnis,  während  von  den  weiblichen  Kranken  keine  einzige  als  voll¬ 
ständig  positiv  zu  bezeichnen  war.  Das  Alter  der  Patienten  hatte 
keinen  nachweisbaren  Einfluss  auf  die  Reaktion.  Ebenso  war  eine 
Einwirkung  von  suppurativen  Komplikationen  nicht  erkennbar.  Na¬ 
mentlich  verdient  es  aber  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  Zeit¬ 
dauer  nach  dem  Ueberstehen  der  Krankheit  sehr  wenig  Einfluss  auf 
den  Ausfall  der  Reaktion  auszuüben  scheint.  Man  könnte  fast  sagen, 
dass  der  positive  Zustand,  wenn  einmal  vorhanden,  in  absehbarer 
Zeit  sich  nicht  ändere.  Mehrere  Fälle  wurden  nach  8  Jahren  noch 


positiv  befunden.  Das  Lebensalter  scheint  auch  nicht  von  Belang  zu 
sein. 

H.  H.  C 1  u  1 1  0  n  hat  bei  Komplikationen  seitens  der  Knochen 
noch  3  Jahre  nach  der  Genesung  Bazillen  in  denselben  nachgewiesen. 

W.  P.  Her  ring  ha  m  bemerkt,  dass  die  Rezidive  bei  fieber¬ 
haften  Infektionskrankheiten  in  keinem  direkten  Verhältnis  stehen  zu 
der  Schwere  der  ersten  Attacke.  Bei  Masern  neigen  Frauen  mehr  als 
das  männliche  Geschlecht  dazu,  zum  zweiten  Male  zu  erkranken, 
während  das  Umgekehrte  für  Ileotyphus  gilt. 

French  erwidert  auf  Befragen,  dass  seine  Fälle  nicht  auf 
das  nachträgliche  Vorhandensein  von  Bazillen  untersucht  worden 
seien.  Er  gibt  zu,  dass  die  Agglutination  mit  der  Anwesenheit  von 
Bazillen  im  Zusammenhang  stehen  könne. 

Vorzeitige  Polysarkie  und  Hirsuties  im  Verein  mit  Hypernephrom. 

L.  G.  Guthrie  und  W.  d’E  ste  Emery  schilderten  zunächst 
folgende  2  Fälle;  1.  Ein  Knabe  im  Alter  von  4%  Jahren,  von  ca. 
85  cm  Körperlänge  und  fast  30  kg  Gewicht  zeigte  ein  intensives  all¬ 
gemeines  Wachstum  der  Haare  und  Fettansammlung  namentlich  an 
den  Wangen  und  Brüsten.  Die  Genitalorgane  waren  nicht  auffallend 
entwickelt.  Nach  dem  an  Lungentuberkulose  erfolgten  Tode  fand 
man  bei  der  Sektion  ein  Hypernephrom  an  der  linken  Seite,  wahr¬ 
scheinlich  karzinomatöser  Art,  aber  ohne  Infiltrationen  und  Meta¬ 
stasen.  Mikroskopisch  war  in  der  Nebenniere  vorwiegend  nekrobio- 
tische  Kortikalsubstanz  vorhanden  nebst  vielen  Riesenzellen.  — 
2.  Ein  Mädchen,  3V2  Jahre  alt,  75  cm  gross  und  18,5  kg  schwer,  bot 
bei  allgemeiner  Fettansammlung  mit  Hängebrüsten  das  Aussehen  einer 
50  jährigen  Frau  dar.  An  den  Oberschenkeln  fanden  sich  Striae  gra¬ 
vidarum.  Im  3.  Lebensjahr  hatte  sie  Haare  in  der  Schamgegend, 
aber  die  Genitalorgane  waren  auch  in  diesem  Falle  nicht  abnorm  ent¬ 
wickelt.  Die  Nekropsie  ergab  kein  Neoplasma;  allerdings  wurden 
die  Nebennieren  nicht  untersucht.  Bei  beiden  Kindern  war  der  Puls 
intermittierend,  die  Intelligenz  normal. 

R.  Johnson  hat  ein  ähnliches  Verhalten  bei  einem  14jährigen 
Knaben  beobachtet.  Derselbe  war  kolossal  muskulös.  Er  ging  lang¬ 
sam  zugrunde  infolge  eines  grossen  Perithelioms  der  Nebenniere. 

J.  D.  Malcolm  berichtet  über  eine  50  jährige  Frau  mit  Bart- 
entwicklung;  es  wurde  ein  grosses  Gewächs  der  Nebenniere  operativ 
entfernt.  Philippi  -  Bad  Salzschlirf. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Aus  seinen  auf  Anregung  von  A.  Fraenkel  - Badenweiler 
unternommenen  Untersuchungen  „Ueber  kumulative  Neben¬ 
wirkungen  bei  der  Digitalistherapie  mit  Infus  und 
Pulvern“  (Dissertation,  Strassburg  1907)  zieht  Fernand  Schaef- 
f  e  r  folgende  Konsequenzen  für  die  Therapie  der  Herzkrank¬ 
heiten  und  die  in  ihrem  Verlauf  oft  eintretenden  kumulativen  Wir¬ 
kungen:  1.  Infus,  fol.  digit.  in  den  üblichen  Tagesdosen  von 
0,5:  100  ist  eine  relativ  schwach  wirkende  Digitalisordination.  Irgend 
welche  Vorzüge  vor  dem  Pulver  hat  das  Infus  nicht.  In  den  üblichen 
Dosen  lässt  die  Wirkung  3 — 4  Tage  auf  sich  warten.  Wollte  man  die 
Wirkung  mit  Infus  beschleunigen  und  vertiefen,  so  müsste  man  zu 
stärkerer  Dosierung  übergehen,  wobei  selbstverständlich  die  Gefahr 
der  Kumulation  hervortreten  würde,  ebenso  wie  beim  Pulver.  Das 
Infus  schmeckt  bitter  und  wird  meist  ungern  genommen;  man  kann 
mit  Infus  keinen  therapeutischen  Effekt  erzielen,  der  nicht  ebenso¬ 
gut  mit  Pulver  erzielt  werden  kann.  2.  Digitalispulver  kommt 
immer  in  Betracht,  wenn  starke  Wirkung  schnell  erzielt  werden  soll 
(v.  Krehl).  Die  kumulative  Wirkung  eines  stark  wirkenden  Pul¬ 
vers  (wie  des  in  Strassburg  verwandten)  lässt  sich  leicht  vermeiden, 
wenn  man  die  übliche  Anfangsdosis  von  0,3  g  nicht  länger  als  2  Tage 
verabfolgt  und  wenn  man  dann  zu  kleineren  Dosen  übergeht,  etwa 
während  2  Tage  je  0,2  und  2  Tage  je  0,1  g.  Kleine  Dosen  von  0,1  bis 
0,15  pro  die  können  unbeschadet  längere  Zeit  gebraucht  werden. 
Aus  der  Zusammenstellung  Schaeffers  geht  nicht  hervor,  ob  die¬ 
jenigen  Fälle,  bei  denen  ohne  Rücksicht  auf  kumulative  Nebenwir¬ 
kungen  grosse  Dosen  in  kurzer  Zeit  gegeben  wurden,  einen  nach¬ 
haltigeren  therapeutischen  Effekt  erzielten  als  jene  Fälle,  bei  denen 
man  solche  bis  zum  Eintritt  der  Wirkung  gab,  um  dann  mit  den 
Dosen  zurückzugehen.  Die  Kumulation  hängt  ab  von  der  Menge, 
die  in  einer  bestimmten  Zeit  verbraucht  wird.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ü  n  c  h  e  n,  12.  August  1907. 

—  Die  von  der  Vereinigung  des  „Oeuvre  d’enseignement  medi- 
cale  complementaire“  organisierte  Studienreise  franzö¬ 
sischer  Aerzte  stattete  am  9.  ds.  München  einen  flüchtigen  Be¬ 
such  ab.  Der  Vormittag  galt  der  Besichtigung  der  klinischen  An¬ 
stalten.  ln  der  medizinischen  Klinik  begriisste  Prof.  v.  Müller  die 
Gäste  und  geleitete  sie  nach  einer  kurzen  Demonstration  interessanter 
Projektionsbilder  durch  das  Krankenhaus.  Dabei  erregten  beson¬ 
ders  des  Röntgenkabinett  und  die  ausgezeichneten  Diapositive  Prof. 
Rieders  berechtigtes  Interesse.  In  der  psychiatrischen  Klinik  über¬ 
nahm  Prof.  K  r  a  e  p  e  1  i  n,  in  der  neuen  Augenklinik  Prof.  E  v  e  r  s  - 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


busch  die  Führung;  in  beiden  Anstalten  konnten  den  Gästen  muster¬ 
gültige  Einrichtungen  vorgeführt  werden.  Auch  das  Miillersche 
Volksbad,  dessen  Besichtigung  unter  der  Führung  des  Rechtsrats 
Schlicht  den  Vormittag  beschloss,  fand  lebhaften  Beifall.  Nach 
einem  von  den  Herausgebern  der  Münch,  med.  Wochenschr.  ge¬ 
gebenen  Essen  wurde  der  Nachmittag  der  Besichtigung  der  Pina¬ 
kothek  und  der  Stadt  gewidmet.  Abends  reiste  die  Gesellschaft  nach 
Nürnberg  weiter.  Leider  war  der  Besuch  viel  zu  kurz,  als  dass  auch 
nur  das  wenige,  was  von  sehenswerten  medizinischen  und  hygi¬ 
enischen  Einrichtungen  Münchens  gezeigt  wurde,  mit  wirklichem 
Nutzen  hätte  genössen  werden  können.  Wenn  die  Studienreisen  ihren 
Zweck,  der  ärztlichen  Fortbildung  zu  dienen,  erfüllen  wollen,  so 
müssten  sie  suchen,  mehr  in  die  Tiefe  als  in  die  Breite  zu  gehen, 
multum,  non  multa  ihren  Teilnehmern  zu  zeigen.  Im  übrigen  sind 
namentlich  die  internationalen  Studienreisen  gewiss  ein  vortreff¬ 
liches  Mittel,  den  Gesichtskreis  der  Aerzte  zu  erweitern,  Vorurteile  zu 
beseitigen  und  freundliche  Beziehungen  zwischen  den  Kollegen  ver¬ 
schiedener  Länder  anzuknüpfen. 

—  Am  3.  und  4.  August  fand  in  London  die  Delegierten¬ 
konferenz  der  internationalen  Vereinigung  der 
medizinischen  Fachpresse  statt.  Die  freie  Vereinigung 
der  deutschen  medizinischen  Fachpresse  war  durch  Prof.  P  o  s  n  e  r 
(Berl.  klin.  Wochenschr.)  vertreten,  der  als  derzeitiger  Präsident  der 
internationalen  Vereinigung  auch  die  Verhandlungen  leitete.  Ausser 
Deutschland  und  England  waren  noch  Frankreich,  Belgien  und  Nor¬ 
wegen  vertreten.  Der  Generalsekretär  Dr.  B  1  o  n  d  e  1  -  Paris  er¬ 
stattete  einen  Bericht  über  die  bisherige  Tätigkeit  der  internationalen 
Vereinigung.  Dieselbe  bezieht  sich  auf  die  Vertretung  der  Fach¬ 
presse  auf  Kongressen,  auf  die  Stellung  gegenüber  den  besonders  in 
Frankreich  sehr  häufigen  Gratisjournalen,  auf  das  Urheberrecht,  auf 
die  Veröffentlichung  derselben  Arbeit  an  verschiedenen  Stellen  etc. 
Es  muss  zugegeben  werden,  dass  die  bisher  erreicnten  praktischen 
Resultate  nicht  bedeutend  sind.  Erfolgreicher  war  die  deutsche  Ver¬ 
einigung,  über  deren  Tätigkeit  Prof.  Po-sner  berichtete.  Durch 
gemeinsame  Ablehnung  marktschreierischer  Inserate,  durch  das  Vor¬ 
gehen  gegen  jene  schlimmsten  Schädlinge  des  ärztlichen  Standes, 
die  die  Empfehlung  neuer  Heilmittel  gegen  Bezahlung  übernehmen 
(schwarze  Liste  käuflicher  Autoren)  hat  sie  überaus  nützliche  Arbeit 
geleistet.  Der  Bericht  Posners  wurde  daher  auch  mit  grossem 
Interesse  entgegengenommen.  Die  nächste  Delegiertenkonferenz  wird 
auf  Einladung  der  deutschen  Vereinigung  im  Jahre  1908  in  Berlin 
stattfinden.  Der  nächste  Kongress  der  internationalen  Vereinigung 
wird  gelegentlich  des  Internationalen  medizin.  Kongresses  in  Ofen- 
Pest  1909  abgehalten  werden. 

—  Die  Landesversicherungsanstalt  Berlin  er¬ 
öffnet  am  1.  Januar  n.  J.  eine  eigene  Zahnklinik  für  die  Berliner 
Arbeiterschaft.  Mit  der  vorläufigen  Leitung  der  Klinik  ist  der  Zahn¬ 
arzt  Dr.  med.  Dürr  betraut  worden. 

— 7  Für  die  Erziehung  und  Ausbildung  geistig  zurück¬ 
gebliebener  Kinder,  namentlich  solcher  besserer  Stände,  war 
bisher  in  Bayern  ungenügend  gesorgt.  Es  muss  daher  sehr  begriisst 
werden,  dass  jetzt  die  Eröffnung  eines  Erziehungsheimes  für  solche 
Kinder  in  der  Nähe  von  München  bevorsteht.  Das  „Erziehungs¬ 
heim  Schloss  Höhenrot h“.  das  Anfang  September  in  Betrieb 
genommen  werden  soll,  wird  Kinder  beiderlei  Geschlechts  von  4  bis 
15  Jahren  aufnehmen,  die  unterrichtlich  und  erziehlich  eine  besondere 
heilpädagogische  Behandlung  nötig  haben.  Es  steht  unter  Leitung  von 
Dr.  phil.  A.  Engelsperger,  die  ärztliche  Ueberwachung  liegt  in 
den  Händen  des  Privatdozenten  Dr.  Uffenheimer;  konsultieren¬ 
der  Arzt  ist  Prof.  .Pf  a un  d  1  e  r.  Die  Anstalt  liegt  in  der  Nähe  des 
Ammersees,  15  Minuten  von  Station  Grafrath,  verfügt  über  ausge¬ 
dehnte  Gartenanlagen,  hat  grosse  Wälder  in  nächster  Nähe,  Ver¬ 
einigt  also  alle  Erfordernisse  eines  Landerziehungsheims.  Nähere  Aus¬ 
kunft  erteilt/  der  Leiter  Dr.  Engelsperger,  München,  Baader¬ 
strasse  30/1 II. 

—  Für  den  vom  23.  bis  29.  September  d.  J.  in  B  e  Hin  tagenden 
XIV.  internationalen  Kongress  für  Hygiene  und 
Demographie  wird  eine  Reihe  von  Festschriften  vorbereitet, 
welche  den  Kongressbesuchern  dargeboten  werden  sollen.  Die  Fest¬ 
schrift  der  beteiligten  Reichsbehörden,  des  Kaiserlichen  Gesundheits¬ 
amtes  und  des  Kaiserlichen  Statistischen  Amtes,  trägt  den  Titel  „Das 
Deutsche  Reich  in  gesundheitlicher  und  demographischer  Beziehung“. 
Von  den  beiden  Festschriften  des  Preussischen  Kultusministeriums 
behandelt  die  eine,  die  kürzlich  zum  Abschluss  gelangte  deutsche 
Seuchengesetzgebung.  Die  zweite  enthält  Monographien  der  neuesten 
medizinischen  Anstalten  in  Preussen,  die  in  hygienischer  Hinsicht  be¬ 
sonders  bemerkenswert  sind.  Die  Stadt  Berlin  bereitet  einen  Fest¬ 
band  mit  den  bedeutendsten  hygienischen  Einrichtungen  der  Reichs¬ 
hauptstadt  vor.  Ausserdem  soll  jedem  Kongressbesucher  beim  Ein¬ 
treffen  ein  in  handlicher  Form  hergestellter  sogen.  „Hygienischer 
1  ührer  überreicht  werden,  welcher  die  für  die  Nachmittagsbesichti¬ 
gungen  in  Aussicht  genommenen  etwa  120  hygienischen  Anstalten  und 
Einrichtungen  Gross-Berlins  in  kurzen  Abschnitten  dreisprachig  be¬ 
handelt,  und  im  Berliner  Hygienischen  Universitätsinstitut  und  im 
Berliner  Institut  für  Infektionskrankheiten  ausgearbeitet  wird. 

—  Der  9.  französische  Kongress  für  innere  Medi- 
z  i  n  wird  (statt  vom  17.  bis  19.  Oktober)  vom  14.  bis  16.  Oktober  zu 
Paris  abgehalten. 


No.  33. 


—  Die  Verhandlungen  des  III.  Kongresses  der  Deutschen  Ge¬ 
sellschaft  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten  in  Mannheim 
über  Sexualpädagogik  sind  als  besonderer  Band  (VII)  der 
Zeitschrift  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten  im  Verlag 
von  J.  A.  Barth  in  Leipzig  erschienen. 

—  Vom  Jahresbericht  über  die  Leistungen  und 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Neurologie  und 
Psychiatrie  ist  soeben  der  X.  Jahrgang,  enthaltend  den  Bericht 
über  das  Jahr  1906,  erschienen  (Verlag  von  S.  Karger  in  Berlin). 
Als  Redakteur  zeichnet  den  Bericht  neben  L.  Jacobsohn  noch 
E.  Mendel.  Die  Grösse  der  in  dem  Bericht  geleisteten  Arbeit  geht 
am  besten  hervor  aus  dem  Umfang  des  Bandes:  1350  Seiten  gr.  4. 
Der  Preis  beträgt  M.  37,  gebunden  M.  40. 

—  Dr.  Alfons  Bilharz  ist  am  1.  Juli  d.  J.  als  Direktor  des 
Fürst-Carl-Landesspitals  in  Sigmaringen  nach  25  jähriger  Tätigkeit 
in  den  Ruhestand  getreten  und  erhielt  bei  dieser  Gelegenheit  den  Titel 
als  Geheimer  Sanitätsrat. 

—  Dem  praktischen  Arzt  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  med.  Heinrich 
Brock  in  Berlin  wurde  anlässlich  seines  goldenen  Doktorjubiläums 
der  Rote  Adlerorden  IV.  Klasse  verliehen,  (hc.) 

—  Aehnlich  wie  in  Bayern  der  „Schematismus“  erscheint  in 
Sachsen  ein  nach  amtlichen  Quellen  beobachtetes  „Handbuch  des 
Medizinal-  und  Veterinär  wesens  im  Königreich 
Sachsen“  (Verlagsbuchhandlung  C.  Heinrich  in  Dresden;  Preis 
M.  1.60).  Das  Handbuch  enthält  die  Personalien  aller  medizinischen 
Behörden  einschliesslich  des  Militär-Medizinal-  und  Veterinärwesens, 
der  medizinischen  Fakulät  in  Leipzig,  der  ärztlichen  Vereine,  sowie 
das  Verzeichnis  sämtlicher  sächsischen  Aerzte  und  Tierärzte. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  20.  bis  27.  Juni  wurden  17  neue  Er¬ 
krankungen  (und  10  Todesfälle)  an  der  Pest  festgestellt.  —  Japan. 
In  dem  Dorfe  Nischimurasaki  sind  vom  18.  Mai  bis  Mitte  Juni  2  wei¬ 
tere  Personen  an  der  Pest  erkrankt,  auch  haben  sich  Ende  Mai  und 
Anfang  Juni  3  Fälle  der  Seuche  im  Kriegshafen  Sasebo  gezeigt,  der 
seit  dem  November  v.  J.  davon  verschont  geblieben  war;  sämtliche 
Fälle  verliefen  bis  auf  einen  tödlich.  —  Britisch-Ostindien.  In  Kalkutta 
starben  vom  23.  bis  29.  Juni  28  Personen  an  der  Pest. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  21.  bis 
27.  Juli  sind  34  Erkrankungen  (und  17  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  30.  Jahreswoche,  vom  21.  bis  27.  Juli  1907.  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Elbing  mit  28,5,  die  geringste  Rheydt  mit  6,2  Todesfällen  pro  Jahr  und 
1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an 
Scharlach  in  Gleiwitz,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Linden,  an  Keuch¬ 
husten  in  Altenessen.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

B  e  r  1  i  n.  Zum  Abteilungsvorsteher  am  Hygienischen  Institut 
der  Berliner  Universität  wurde  der  Oberassistent  daselbst,  Privat¬ 
dozent  für  Hygiene  an  der  Friedrich-Wilhelms-Universität,  Dr.  med. 
Karl  K  i  ss  k  a  1 1  ernannt,  (hc.)  —  Wie  die  Berl.  klin.  W.  hört,  sollen 
die  beiden  medizinischen  Universitätskliniken  vollkommen  gleich¬ 
gestellt  und  die  Bezeichnung  erste  und  zweite  Klinik  fallen  gelassen 
werden. 

Greifswald.  Der  Sekundärarzt  der  Chirurg.  Klinik  Priv.-Doz. 
Dr.  Sauerbruch  wird  seinem  Chef,  Prof.  Friedrich,  nach 
Marburg  folgen.  —  Der  Privatdozent  Prof.  Dr.  Jung,  Oberarzt  der 
hiesigen  Universitäts-Frauenklinik  ist  zum  Leiter  der  neu  zu  er¬ 
öffnenden  Abteilung  für  Gynäkologie  am  städtischen  Krankenhause  zu 
Frankfurt  a.  M.  gewählt  und  hat  die  Wahl  angenommen.  —  Es  ver¬ 
lautet  bestimmt,  der  erst  ein  Semester  hier  tätige  Direktor  der  Uni¬ 
versitäts-Augenklinik,  Prof.  Dr.  Heine,  habe  einen  Ruf  in  gleicher 
Eigenschaft  nach  Kiel  als  Nachfolger  Schirmers  erhalten  und  an¬ 
genommen. 

M  a  r  b  u  r  g.  Zum  ordentlichen  Honorarprofessor  an  der  Uni¬ 
versität  Marburg  ist  der  a.  o.  Professor  und  erste  Prosektor  am 
anatomischen  Institut  daselbst,  Dr.  med.  Joseph  D  i  s  s  e,  ernannt 
worden,  (hc.) 

Münster  i.  W.  Dr.  Araet h,  der  vor  kurzem  die  Stellung  als 
dirigierender  Arzt  dej;  inneren  Abteilung  des  Clemenshospitals  über¬ 
nommen  hat,  wurde  zum  ausserordentlichen  Honorarprofessor  an  der 
Universität  Münster  in  der  philosophischen  und  naturwissenschaft¬ 
lichen  Fakultät  ernannt. 

Würzburg.  Wie  wir  hören,  ist  auf  das  durch  die  Ueber- 
siedlung  des  Professors  Dr.  W.  Straub  nach  Freiburg  i.  Br.  er¬ 
ledigte  Ordinariat  für  Pharmakologie  an  der  Universität  Wiirzburg 
der  Privatdozent  und  erste  Assistent  am  pharmakologischen  Institut 
der  Universität  Strassburg  i.  E.,  Prof.  Dr.  med.  et  phil.  Edwin  Faust 
berufen  worden,  (hc.) 

Genf.  Privatdozent  Dr.  R.  deSeigneux  wurde  zum  ausser¬ 
ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  ernannt. 

Lund.  Dr.  E.  O  v  e  r  t  o  n  wurde  zum  Professor  der  Pharmako¬ 
logie  ernannt. 

Ofen-Pest.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Kinderheil¬ 
kunde  Dr.  J.  v.  Bokay  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Wien.  Als  Privatdozent  wurde  aufgenommen:  Dr.  med. 
Joseph  Partei  für  das  Fach  der  pathologischen  Anatomie,  (hc.) 

(Todesfälle.) 

In  Leer  ist  der  Nestor  der  deutschen  Aerzte,  der  Geheime 
Sanitätsrat  Georg  C.  K  i  r  c  h  h  o  f  f,  94  Jahre  alt,  gestorben.  Er  feierte 


13.  August  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


letzten  Herbst  sein  70  jähriges  Doktorjubiläum.  Noch  bis  zum  Jahre 
1900  versah  Kirchhoff  in  Leer  das  Amt  des  Kreisphysikus,  war 
er  Mitglied  der  Aerztekammer  für  die  Provinz  Hannover  und  stellver¬ 
tretendes  Mitglied  der  wissenschaftlichen  Deputation  für  das  Medi¬ 
zinalwesen  in  Preussen. 

In  Breslau  ist  am  1.  ds.  der  Privatdozent  für  Staatsarzneikunde 
an  der  dortigen  Universität,  Kreisarzt  Qeh.  Med.  Rat  Prof.  Dr.  Joseph 
Jacobi,  im  68.  Jahre  gestorben,  (hc.) 

Dr.  A.  Gue,  früher  Professor  der  Dermatologie  und  Syphili- 
graphie  an  der  medizinischen  Fakultät  zu  Kasan. 

Dr.  M.  Radkewitsch,  Privatdozent  für  Therapeutik  an  der 
medizinischen  Fakultät  zu  Moskau. 

Dr.  Fr.  R.  W  e  b  e  r,  Professor  der  Medizin  am  Milwaukee  Medi¬ 
cal  College. 

Berichtigung:  In  No.  31,  S.  1555,  Sp.  2,  Z.  5  v.  u.  (Leipz. 
,med.  Gesellsch.)  ist  statt  S.  Köster  zu  lesen:  G.  Köster. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Gestorben.  Dr.  Gustav  S  c  h  ö  n  b  r  o  d,  k.  Bezirksarzt  a.  D. 
in  Fürstenfeldbruck. 


Korrespondenz. 

Nachtrag  zu  dem  Aufsatze  „Beitrag  zur  Kenntnis  der  Blasentumoren 

bei  Anilinarbeitern“. 

Wie  mir  Herr  Dr.  Schwerin  in  Höchst  a.  Main  mitteilt, 
wendet  man  in  neuerer  Zeit  bei  akuter  Anilinvergiftung  kühle  Bäder 
an.  Man  ist  von  den  heissen  Bädern  abgekommen,  da  man  durch 
die  Temperaturerhöhung  im  heissen  Bad  öfter  Verschlimmerungen  des 
Zustandes  erlebt  hat.  Dr.  L.  Seyberth. 


Amtliches. 

(Bayern.) 

No.  16960. 

Königlich  Allerhöchste  Verordnung,  den  Verkehr  mit; 

Geheimmitteln  und  ähnlichen  Arzneimitteln  betreffend.*) 

Im  Namen  Seiner  Majestät  des  Königs. 

Luitpold, 

von  Gottes  Gnaden  Königlicher  Prinz  von  Bayern, 

Regent. 

W  i  r  finden  Uns  bewogen,  auf  Grund  des  §  3’67  No.  5  des  Straf¬ 
gesetzbuches  für  das  Deutsche  Reich  und  des  Artikels  72a  des  Polizei¬ 
strafgesetzbuches  für  das  Königreich  Bayern  zu  verordnen,  was  folgt: 

§  1.  Auf  den  Verkehr  mit  denjenigen  Geheimmitteln  und  ähnlichen 
Arzneimitteln,  welche  in  den  Anlagen  A  und  B  aufgeführt  sind,  finden 
die  nachstehenden  Vorschriften  Anwendung;  die  Ergänzung  der  An¬ 
lagen  bleibt  Vorbehalten. 

Die  Anwendung  der  nachstehenden  Vorschriften  auf  diese  Mittel  wird 
dadurch  nicht  ausgeschlossen,  dass  deren  Bezeichnung  hei  im  wesentlichen 
gleicher  Zusammensetzung  geändert  wird. 

§  2.  Die  Gefässe  und  die  äusseren  Umhüllungen,  in  denen  diese 
Mittel  abgegeben  werden,  müssen  mit  einer  Inschrift  versehen  sein, 
welche  den  Namen  des  Mittels  und  den  Namen  oder  die  Firma  des 
Verfertigers  deutlich  ersehen  lässt.  Ausserdem  muss  die  Inschrift 
auf  den  üefässen  oder  den  äusseren  Umhüllungen  den  Namen  oder  die 
Firma  des  Geschäftes,  in  welchem  das  Mittel  verabfolgt  wird,  und  die 
Höhe  des  Abgabepreises  enthalten;  diese  Bestimmung  findet  auf  den 
Grosshandel  keine  Anwendung. 

Es  ist  verboten,  auf  den  Gefässen  oder  äusseren  Umhüllungen, 
in  denen  ein  solches  Mittel  abgegeben  wird,  Anpreisungen,  insbeson¬ 
dere  Empfehlungen,  Bestätigungen  von  ■  Heilerfolgen,  gutachtliche 
Aeusserungen  oder  Danksagungen,  in  denen  deib  Mittel  eine  Heil¬ 
wirkung  oder  Schutzwirkung  zugeschrieben  wird,  anzubringen  oder 
solche  Anpreisungen,  sei  es  bei  der  Abgabe  des  Mittels,  sei  es  auf 
sonstige  Weise,  zu  verabfolgen. 

§  3.  Der  Apotheker  ist  verpflichtet,  sich  Gewissheit  darüber  zu 
verschaffen,  inwieweit  auf  diese  Mittel  die  Vorschriften  über  die  Ab¬ 
gabe  starkwirkender  Arzneimittel  Anwendung  finden. 

Die  in  der  Anlage  B  aufgeführten  Mittel,  sowie  diejenigen  in  der 
Anlage  A  aufgeführten  Mittel,  über  deren  Zusammensetzung  der  Apo¬ 
theker  sich  nicht  soweit  vergewissern  kann,  dass  er  die  Zulässigkeit 
der  Abgabe  im  Handverkaufe  zu  beurteilen  vermag,  dürfen  nur  auf 
schriftliche,  mit  Datum  und  Unterschrift  versehene  Anweisung  eines 
Arztes,  Zahnarztes  oder  Tierarztes,  im  letzteren  Falle  jedoch  nur  beim 
Gebrauche  für  Tiere,  verabfolgt  werden.  Die  wiederholte  Abgabe 
ist  nur  auf  jedesmal  erneute  derartige  Anweisung  gestattet. 


*)  Die  Aenderungen  der  neuen  Vorschriften  gegenüber  den  bis¬ 
herigen  (Bundesratsbeschluss  vom  23.  Mai  1903)  sind  durch  Kursiv¬ 
schrift  kenntlich  gemacht.  Diejenigen  in  Anlage  B  enthaltenen  Mittel, 
welche  bisher  in  Anlage  A  aufgeführt  waren,  sind  gesperrt  ge¬ 
druckt.  —  Nach  „Pharmazeut.  Zeitung“. 


1663 


Bei  Mitteln,  welche  nur  auf  ärztliche  Anweisung  verabfolgt 
werden  dürfen,  muss  auf  den  Abgabegefässen  oder  den  äusseren  Um¬ 
hüllungen  die  Inschrift:  „Nur  auf  ärztliche  Anweisung  abzugeben“ 
angebracht  sein. 

§  4.  Die  öffentliche  Ankündigung  oder  Anpreisung  der  in  den 
Anlagen  A  und  B  aufgeführten  Mittel  ist  verboten. 

Der  öffentlichen  Ankündigung  oder  Anpreisung  der  Mittel  steht  es 
gleich,  wenn  in  öffentlichen  Ankündigungen  auf  Druckschriften  oder 
sonstige  Mitteilungen  verwiesen  wird,  welche-  eine  Anpreisung  der  Mittel 
enthalten. 

§  5.  Diese  Verordnung  tritt  am  1.  Oktober  1907  in  Kraft;  am 
gleichen  Tage  tritt  die  Verordnung  vom  19.  September  1903  —  Gesetz- 
und  Verordnungsblatt  1903  Seite  479  —  ausser  Wirksamkeit. 

München,  den  26.  Juli  1907. 

Luitpold, 

Prinz  von  Bayern, 

des  Königreichs  Bayern  Verweser. 

v.  Brettreich. 

Auf  Allerhöchsten  Befehl: 

Der  General-Sekretär: 
an  dessen  Statt: 

Ministerialrat  Brenner. 

Anlage  A. 

1.  Adlerfluid. 

2.  Amarol  (auch  als  Ingestol). 

3.  Amasira  Lochers  (auch  als  Pflanzenpulrcrmischung  gegen  Dys¬ 
menorrhöe). 

4.  American  coughing  eure  Lutzes. 

5.  Antiarthrin  und  Antiarthrinpräparate  (auch  als  Seils  Antiarthrin). 

6.  Anticelta- Tabletten  (auch  als  Anticelta-Tablets  oder  Fettreduxieruvcjs- 
Tabletten  der  Anticelta- Association). 

7.  Antidiabeticum  Bauers. 

8.  Antidpileptique  Uten. 

9.  Antigichtwein  Duflots  (auch  als  Antigichtwein  Oswald  Niers  oder 
Vin  Duflot). 

10.  Antihydropsin  Bödikers  (auch  als  Wassersuchtselixier  oder  Hydrops- 
Essenz  Bödikers). 

11.  Antimellin  (auch  als  Essentia  Antimellini  composita). 

12.  Antineurast  hin  (auch  als  Nerven  nahrwng  Hartmanns). 

13.  Antipösitin  Wagners  (auch  als  Mittel  des  Dr.  Wagner  db  Markier 
gegen  Korpulenz). 

14.  Antirheumaticum  Saids  (auch  als  Antirheumaticum  nach  Dr.  Said 
oder  Antirheumaticum  Lücks). 

15.  Antitussin. 

16.  Asthmamittel  Hairs  (auch  als  Asthma  eure  Hairs). 

17.  Asthmapulver  Schiffmanns  (auch  als  Asthmador). 

18.  Asthmapulver  Zematone,  auch  in  Form  der  Asthmazigaretten 
Zematone  (auch  als  antiasthmatische  Pulver  und  Zigaretten  des 
Apothekers  Escouflaire). 

19.  Augenwasser  Wliites  (auch  als  Dr.  Whites  Augenwasser  von 
Ehrhardt). 

20.  Ausschlagsalbe  Schützes  (auch  als  Universalheilsalbe  oder  Uni¬ 
versalheil-  und  Ausschlagsalbe  Schützes). 

21.  Balsam  Bilfingers. 

22.  Balsam  Lamperts  (auch  als  Gichtbalsam  Lamperts  oder  Lampert- 
Stepf-Balsam). 

23.  Balsam  Pagliano  (auch  als  Tripperbalsam  Pagliano). 

24.  Balsam  Sprangers  (auch  als  Sprangerscher). 

25.  Balsam  Thierrys  (auch  als  allein  echter  Balsam  Thierrys,  eng¬ 
lischer  Wunderbalsam  oder  englischer  Balsam  Thierrys). 

26.  Beinschäden  Indian  Bohnerts. 

27.  Blutreinigungspulver  Hohls. 

28.  Blutreinigungspulver  Schützes. 

29.  Blutreinigungstee  Wilhelms  (auch  als  antiarthritischer  und  anti¬ 
rheumatischer  Blutreinigungstee  Wilhelms). 

30.  Bräune-Einreibuug  Lamperts  (auch  als  Universal-Bräune-Ein- 
reibung  und  Diphtheritistinktur). 

31.  Bruchbalsam  Tänzers. 

32.  Bruchsalbe  des  pharmazeutischen  Bureaus  Valkenberg  (Valken- 
burg)  in  Holland  (auch  als  Pastor  Schmits  Bruchsalbe). 

33.  Corpulin  (auch  als  Corpulin-Entfettungspralinees  oder  Pralines 
de  Carlsbad). 

34.  Djoeat  Bauers. 

35.  Elixir  Godineau. 

36.  Embrocation  Ellimans  (auch  als  Universal  embrocation  oder 
Ellimans  Universaleinreibemittel  für  Menschen),  ausgenommen 
Embrocation  usw.  for  horses. 

37.  Entfettungstee  Grundmanns. 

38.  Epilepsieheilmittel  Quantes  (auch  als  Spezifikum  oder  Gesund¬ 
heitsmittel  Quantes). 

39.  Epilepsiepulver  Cassarinis  (auch  als  Polveri  antiepilettiche 
Cassarinis). 

40.  Epilepsiepulver  der  Schwanenapolheke  Frankfurt  a.  M.  (auch  a/s 
antiepileptische  Pidver  oder  Pulver  Weils  gegen  Epilepsie). 

41.  Eukalyptusmittel  Hess’  (Eukalyptol  und  Eukalyptusöl  Hess’). 


1664 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  33. 


42.  Ferrolin  Lochers. 

43.  Ferromanyan in. 

44.  Falgural  (auch  a/s  Blutreinigungsmittel  Sichlers  and  Schuhes). 

45.  Gebirgstee,  Harzer,  Lauers. 

46.  Gehöröl  Schmidts  (auch  als  verbessertes  oder  neu  verbessertes 
Gehöröl  Schmidts). 

47.  Gesundheitskräuterhonig  Lücks. 

48.  Glandulen. 

49.  Gloria  tonic  Smiths. 

50.  Glycosolvol  Linders  (auch  a/s  Antidiabeticum  Linders). 

51.  Haematon  Haitxemas. 

52.  Heilsalbe  Sprangers  (auch  als  Sprangersche,  oder  Zug-  und  Heil¬ 
salbe  Sprangers  oder  Sprangersche). 

53.  Heiltränke  Jakobis  (auch  als  Heiltrankessenz,  insbesondere 
Königstrank  Jakobis). 

54.  Homeriana  (auch  als  Brusttee  Homeriana  oder  russischer  Knöterich 
Polvgonum  aviculare  Homeriana). 

55.  Hustentropfen  Lausers. 

56.  Injection  Brou  (auch  als  Brousche  Einspritzung). 

57.  Injection  au  matico  (auch  als  Einspritzung  mit  Matiko). 

58.  Johannistee  Brockhaus’  (auch  als  Galeopsis  ochroleuca  vulcania  der 
Firma  Brockhaus). 

59.  Kalosin  Lochers. 

60.  Kava  Lahrs  (auch  als  Kavakapseln  Lahrs,  Santalol  Lahrs  mit  Kava- 
harx  oder  Kavaharz  Lahrs  mit  Santalol). 

61.  Knöterichtee,  russischer,  Weidemanns  (auch  als  russischer 
Knöterich  oder  Brusttee  Weidemanns). 

62.  Kongopillen  Richters  (auch  als  Magenpillen  Richters). 

63.  Kräutergeist  Schneiders  (auch  als  wohlriechender  Kräutergeist  oder 
Luisafluid  Seh  neiders ) . 

64.  Kräuterpillen  Burkharts. 

65.  Kräutertee  Lücks. 

66.  Kräuterwein  Ullrichs  (auch  als  Hubert  Ullrichscher  Kräuterwein). 

67.  Kronessenz,  Altonaer  (auch  als  Kronessenz  oder  Menadiesche 
oder  Altonaische  Wunder-Kronessenz). 

68.  Kropf-Kur  Haigs  (auch  als  Goitre-cure  oder  Kropfmedizin  Haigs). 

69.  Kurmittel  Meyers  gegen  Zuckerkrankheit. 

70.  Lebensessenz  Fernests  (auch  als  Fernestsche  Lebensessenz). 

71.  Loxapillen  Richters. 

72.  Magenpillen  Tachts. 

73.  Magentropfen  Bradys  (auch  a/s  Mariazeller  Magentropfen  Bradys). 

74.  Magentropfen  Sprangers  (auch  als  Sprangersche). 

75.  Magolan  (auch  als  Antidiabetikum  Braemers). 

76.  Mother  Seigels  pills  (auch  als  Mutter  Seigels  Abführungspillen 
oder  operating  pills). 

77.  Mother  Seigels  syrup  (auch  als  Mother  Seigels  curative  svrup 
for  dyspepsia,  Extract  of  American  roots  oder  Mutter  Seigels 
heilender  Sirup). 

78.  Nektar  Engels  (auch  als  Hubert  Ullrichsches  Kräuterpräparat  Nektar). 

79.  Nervenfluid  Dresseis. 

80.  Nervenkraftelixier  Liebers. 

81.  Nervenstärker  Pastor  Königs  (auch  als  Pastor  Königs  Nerve 
Tonic). 

82.  Nervol  Rays. 

83.  Orffin  (Baumann  Orffsches  Kräuternährpulver). 

84.  Pain-Expeller. 

85.  Pektoral  Bocks  (auch  als  Hustenstiller  Bocks). 

86.  Rillen  Beechams  (auch  als  Patent  pills  Beechams). 

87.  Pillen,  indische  (auch  als  Antidysentericum). 

88.  Pillen  Rays  (auch  als  Darm-  und  Leberpillen  Rays). 

89.  Pilules  du  Docteur  Laville  (auch  als  Pillen  Lavilles). 

90.  Polypec  (auch  als  Naturkräutertee  Weidemanns). 

91.  Reduktionspillen,  Marienbader,  Schindler -Barnay  sehe  (auch  als 
Marienbader  Reduktionspillen  für  Fettleibige). 

92.  Regenerator  Liebauts  (auch  als  Regenerator  nach  Liebaut). 

93.  Saccharosalvol. 

94.  Safe  remedies  Warners  (Safe  eure,  Safe  diabetic,  Safe  nervine, 
Safe  pills). 

95.  Saniana-Präparate  (auch  als  Sanjana-Spezifika). 

96.  Santal  Grötxners. 

97.  Sarsaparillian  Avers  (auch  als  Avers  zusammengesetzter  und 
gemischter  Sarsaparillextrakt). 

98.  Sarsaparillian  Richters  (auch  als  Extractum  Sarsaparillae  com¬ 
positum  Richter).  • 

99.  Sauerstoffpräparate  der  Sauerstoffheilanstalt  Vitafer. 

100.  Schlagwasser  Weissmanns. 

101.  Schweizerpillen  Brandts. 

l*1--  SRup  Pagliano  (auch  als  Sirup  Pagliano  Blutreinigungsmittel, 
Blutreinigungs-  und  Bluterfrischungssirup  Pagliano  des  Prof. 
Girolamo  Pagliano  oder  Sirup  Pagliano  von  Prof.  Ernesto 
Pagliano). 

103.  Spermatol  (auch  als  Stärkungselixir  Gordons). 

104.  Spezialtces  Lücks  (auch  als  Spezialkräutertees  Lücks). 

105.  Sterntce  Weidhaas’  (auch  als  Sterntee  des  Kurinstituts  „Spiro  Spero“). 
Jöö.  Stomakal  Richters  (auch  als  Tinctura  stomachica  Richter). 

107.  Sfroopal  (auch  als  Heilmittel  Stroops  gegen  Krebs-,  Magen-  und 
Leber  leiden  oder  Stroops  Pulver). 

108.  Tabletten  Hoffmanns. 

109.  Tarolin-Kapseln. 

110.  Trunksuchtsmittel  des  Alkolin-Instituts. 

'■  ~  -  - 


111.  Trunksuchtsmittel  Burghardts  (auch  als  Diskohol). 

112.  Trunksuchtsmittcl  August  Ernst  (auch  als  Trunksuchtspulver,  echtes, 
deutsches). 

113.  Trunksuchtsmittel  Theodor  Heintxs. 

114.  Trunksuchtsmittel  Konetxkys  (auch  als  Keph algin putver  oder  Trunk¬ 
suchtsmittel  der  Privatanstalt  Villa  Christi  na). 

115.  Trunksuchtsmittel  der  Gesellschaft  Sanitas. 

116.  Trunksuchtsmittel  Josef  Schneiders  (auch  als  Antebeten). 

117.  Trunksuchtsmittel  Wessels. 

118.  Tuberkeltod  (auch  als  Eiweiss-Kräuterkognak-Emulsion  Stickes). 

119.  Universal-Magenpulver  Barellas. 

120.  Vin  Mariani  (auch  als  Marianiwein). 

121.  Vulneralcreme  (auch  als  Wundcreme  Vulneral). 

122.  Wundensalbe,  konzessionierte,  Dicks  (auch  als  Zittauer  Pflaster). 

123.  Zambakapseln  Lahrs. 

Anlage  B. 

1.  Antineon  Lochers. 

2.  Asthmamittel  Tuckers •  (auch  als  Asthma-Heilmethode  [Specific  I 
Tuckers). 

3.  Augenheilbalsam,  vegetabilischer,  Reichels  (auch  als  Ophthalmin 
Reichels). 

4.  Bandwurmmitiel  Friedrich  Horns. 

5.  Bandwurmmittel  Theodor  Horns. 

6.  Band  wurm  mittel  Konetzkys  (auch  als  Konetzkys 
Helminthe  n  extrakt). 

7.  Bandwurmmittel  Schneiders  (auch  als  Granatkapseln  Schneiders). 

8.  Bandwurmmittel  Violanis. 

'J.  Bromidia  Battle  &  Comp. 

10.  Cathartic  pills  Ayers  (auch  als  Reinigungspillen* 
oder  abführende  Pillen  Ayers). 

11.  Cozapulvcr  ( auch  als  E  Coxa  oder  Trunksuchtsmittel  des  Coxa- 
lnstituts  oder  Institut  d’E-Coxa). 

12.  Diphtheritismittel  Noortwycks  (auch  als  Noortwycks  antisep¬ 
tisches  Mittel  gegen  Diphtherie). 

13.  Gesundheitshersteller,  natürlicher,  Winters  (auch  als  Nature  health 
restorer  Winters). 

14.  Gicht-  und  Rheumatismuslikör,  amerikanischer. 
Latons  (auch  als  Remedy  Lato  ns). 

15.  Gout  and  rheumatic  pills  Blairs. 

16.  Heilmittel  des  Grafen  Mattei  (auch  als  Graf  Cesare  Matteische 
elektrohomöopathische  Heilmittel). 

17.  Heilmittel  Kidds  (auch  als  Heilmittel  der  Davis  Medical  Co.). 

18.  Kollcodin  Hcuschkels  (auch,  als  Mittel  Heuschkels  gegen  Pferdekolik). 

19.  Krebspulvcr  Frischmut hs  (auch  als  Mittel  Frischmuths  gegen  Krebs¬ 
leiden). 

20.  Liqueur  du  Docteur  Laville  (auch  als  Likör  des  Dr. 
Laville). 

21.  Lgmphol  Rices  (auch  als  Bruchheilmittel  Rices). 

22.  Noordyl  (auch  als  Noordy  Itrop fen  Noortwycks). 

23.  Oculin  Carl  Reichels  (auch  als  Augensalbe  Oculin). 

24.  Pillen  Morisons. 

25.  Pillen  Redlin gers  (auch  als  Redlingersche  Pille n). 

26.  Puik-PiUen  Williams  (auch  als  Pilules  Pink  pour  personnes  päies 
du  Dr.  Williams). 

21 .  Reinigungskuren  Konetxkys  (auch  als  Reinigung shuren  der  Kur¬ 
anstalt  Neuallschwill  [Schweix]). 

28.  Remedy  A 1  b  e  r  t  s  (auch  als  Rheumatismus- und  Gicht- 
Heilmittel  A 1  b  e  r  t  s). 

29.  Sternmittel,  Genfer,  Sauters  (auch  als  elektrohomöopathische 
Sternmittel  von  Sauter  in  Genf  oder  Neue  elektro-homöopathische 
Sternmittel  usw.). 

30.  Vixol  (auch  als  Asthmamittel  des  Vixol  Syndicate). 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  30.  Jahreswoche  vom  21.  bis  27.  Juli  1907. 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  6  (16*). 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  6  (10),  Kindbettfieber  —  (3),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  (1),  Scharlach  2  (— ),  Masern  u.  Röteln  2  (1),  Diphth.  u. 
Krupp  —  (2),  Keuchhusten  —  (2),  Typhus  —  ( — ),  iibertragb.  Tierkrankh. 
—  (  — ),  Rose  (Erysipel)  3(1),  anä.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  3  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  11  (31),  Tuberkul.  and. 
Org.  12  (3),  Miliartuberkul.  — ( — ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  10  (8), 
Influenza  —  ( — ),  and.  iibertragb.  Krankh.  —  (2),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  2  (5),  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (— ),  organ.  Herzleid.  7  (9), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  15  (1 1),  Gehirnschlag 
9  (4),  Geisteskrank!!.  6  (1)/  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  3  (4),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  —  (— ),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)- 31  (44),  Krankh.  d.  Leber  2  (1),  Krankh.  des 
Bauchfells  2  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  6  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  5  (7),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  11  (15), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  1  (3),  Selbstmord  1  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  1  (— ),  Unglücksfälle  2  (3),  alle  übrig.  Krankh.  4  (4). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  163  (199).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  15,5  (18,9),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,2  (12,0). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche, 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  £.  Mül.lthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


f«e  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich  n  /rTTiTnrrniTTiT\  Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf- 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6— 7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen  |\/E  I  I  j\|  |  LJ  L  M  L'  L)  strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  8VS— 1  Uhr.  •  Für 
Nummer  80  A-  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich  |  V I  II  INI,  |1  P ,  j  \  P .  j\  Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
iÄ  6.— .  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag.  w  A  w  j-j  i.  ».  .  inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

I.  t.  Ingerer,  Cb.  Bäumler,  ’'0.  r.  Bollinger,  D.  Cmclmann,  9.  Belferich,  W.v.Leube,  0.  Merkel,  J.  t.  Michel,  F.PeezoIdl,  B.»  Banke,  B.  Spalz,  F.  i  Binckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  34.  20.  August  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frank¬ 
furt  a/M.  (Direktor:  Qeh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  P.  Ehrlich). 

Zur  Frage  der  Serum-Ueberempfindlichkeit. 

Von  Stabsarzt  Prof.  Dr.  R.  O  1 1  o  in  Strassburg  i.  Eis.,  früher 

Mitglied  des  Institutes. 

Auf  Veranlassung  von  Herrn  Geheimrat  Ehrlich  hatte 
ich  mich  vor  Jahresfrist  mit  der  zuerst  von  Theobald  Smith 
beobachteten  Erscheinung  beschäftigt,  dass  Meerschweinchen, 
die  früher  einmal  zum  Zwecke  der  Wertbemessung  von  Diph¬ 
therieheilseris  mit  Giftserumgemischen  vorbehandelt  waren, 
akut  eingingen  oder  wenigstens  schwer  erkrankten,  wenn  ihnen 
später  normales  Pferdeserum  injiziert  wurde.  Bei  den  zur 
Analyse  dieses  Phänomens  durchgeführten  Versuchen,  über  die 
ich  seinerzeit  in  dem  ersten  Bande  der  v.  Leuthol d- 
Gedenkschrift  [l]  berichtet  habe,  stellte  sich  heraus,  dass  es 
sich  bei  dieser  Erkrankung  um  eine  (spezifische)  Serumüber- 
empfindlichkeit  höchsten  Grades  handelte.  Zur  Erzeugung 
dieser  „Anaphylaxie“  hatte  die  einmalige  Injektion  von  m  i  n  i  - 
male  n  Dosen  Pferdeserum  unter  der  gleichzeitigen 
Einwirkung  des  Diphtherietoxins  genügt.  Allerdings  hinter- 
liess,  wie  schon  unsere  damaligen  Versuche  zeigten,  auch 
die  einmalige  Injektion  von  Serum  allein  bei  den  Meer¬ 
schweinchen  eine  Ueberempfindlichkeit,  die  besonders  nach  der 
Vorbehandlung  mit  minimalen  Serumdosen  meist  recht 
deutlich  war.  Niemals  waren  aber  bei  derartigen,  nur  mit  Serum 
vorbehandelten  Tieren  und  bei  der  subkutanen  Reinjektion  die 
Ueberempfindlichkeitserscheinungen  so  häufig  und  so  stark  wie 
bei  den  Tieren,  welche  mit  Giftserumgemischen  anaphylakti- 
siert  waren.  Diese  Beobachtung  ist  unabhängig  von  uns  auch 
von  Rosenau  und  Anderson  [2]  gemacht  und  später  in 
gewissem  Grade  auch  von  R  e  m  1  i  n  g  e  r  [3]  bestätigt  worden. 
Allerdings  fand  letzterer  bei  seinen  Tieren  nur  in  einem  auf¬ 
fallend  geringen  Prozentsatz  Krankheitserscheinungen,  und 
zwar  bei  den  mit  Serum  allein  behandelten  Tieren  im  Verhält¬ 
nis  von  1 :  15  und  bei  den  mit  Gemischen  vorbehandelten  Meer¬ 
schweinchen  im  Verhältnis  von  1 :  8.  Dabei  muss  indessen  be¬ 
tont  werden,  worauf  insbesondere  Besredka  und  Stein- 
h  a  r  d  t  [4]  hingewiesen  haben,  dass  auch  sonst  der  Prozentsatz 
der  Erkrankungen  bezw.  der  Todesfälle  bei  des*  überempfind¬ 
lichen  Tieren  nach  den  Angaben  der  einzelnen  Autoren  nicht 
unwesentlich  schwankt.  Wenn  weiter  Besredka  und 
Steinhardt  bei  ihren  umfangreichen  Versuchen  zum  Stu¬ 
dium  der  Anaphylaxie  fast  ausschliesslich  mit  Toxinserum¬ 
gemischen  vorbehandelte  Tiere  verwandt  haben,  so  dürfte  dies 
gleichfalls  nur  geschehen  sein,  weil  eben  bei  diesen  Tieren  die 
Anaphylaxie  stets  deutlich  ausgeprägt  ist.  Es  wäre  somit 
die  Richtigkeit  unserer  Anschauung  erwiesen,  dass  nach  der 
Vorbehandlung  mit  Giftserumgemischen  die  Serumanaphylaxie 
besonders  deutlich  wird.  Zur  Erklärung  dieser  Erscheinung 
hatten  wir  angenommen,  dass  die  Körperzellen  durch  Spuren 
von  anwesenden  Diphtherieresten  • —  sei  es  Toxin  oder  Toxon 
—  eine  bestimmte  Stimulation  erfahren,  welche  sie  für  die  Ein¬ 
wirkung  der  minimalen  Serumdosen  besonders  empfänglich 
macht.  Dieser  Faktor  sollte  in  erster  Linie  betont  werden, 
wie  wir,  um  Missverständnisse  zu  vermeiden,  hervorheben 
möchten,  wenn  wir  das  von  uns  analysierte  Phänomen  von 
34. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

den  bis  dahin  bekannten  Erscheinungen  der  Serumüber- 
empfindlichkeit,  die  man  nach  der  von  A  r  t  h  u  s  [5]  zu¬ 
erst  beobachteten  Anaphylaxie  bei  wiederholter  Injektion 
kurzweg  alle  als  Arthus  sches  Phänomen  zu  bezeichnen 
pflegte,  abtrennten  und  mit  dem  Namen  Theobald  Smiths 
belegten.  Denn  dass  es  zur  Auslösung  einer  Anaphylaxie  nicht 
der  wiederholten  Seruminjektion  bedurfte,  sondern  dass 
hierzu  schon  eine  einmalige  Seriimvorbehandlung  genügte, 
hatten  bereits  v.  Pirquet  und  Schick  [6]  gezeigt,  welche 
sich  vor  allem  um  die  Kenntnis  der  klinischen  Serumüber- 
empfindlichkeitserscheinungen  beim  Menschen  verdient  gemacht 
haben.  Wir  haben  daher  auch  keine  Bedenken  getragen, 
klinisch  die  Theobald  Smith  sehe  Form  der  Ueberemp¬ 
findlichkeit  als  eine  besonders  heftige  „sofortige  Allgemein- 
reai^tion  Reinjizierter“  im  Sinn  v.  Pirquets  und  Schicks 
aufzufassen.  Wenn  man  aber  auch  klinisch  alle  Erschei¬ 
nungen  nach  der  Injektion  fremdartigen  Serums  als  v.  Pir¬ 
quet  und  Schick  sches  Phänomen  (Serumkrankheit)  [7]  be¬ 
zeichnet,  so  wird  man  ätiologisch  doch  die  verschie¬ 
denen  Formen  der  Anaphylaxie  von  einander  trennen  müssen, 
und  zwar  zunächst  einmal  die  angeborene  (konstitutio¬ 
nelle)  Ueberempfindlichkeit  (Idiosynkrasie)  von  den  erwor¬ 
benen  Formen.  Diese  letzteren  können  nach  dem  jetzigen 
Stande  unserer  Kenntisse  verursacht  sein: 

1.  durch  die  Vorbehandlung  mit  Serum  allein, 

2.  durch  die  Vorbehandlung  mit  Giftserumgemischen 
(Theobald  Smith  sches  Phänomen  beim  Meerschweinchen) 
und 

3. '  durch  die  Vorbehandlung  mit  dem  Serum  der  sub  1.  und 
2.  genannten  Tiere,  eine  neue  Form  der  Anaphylaxie,  auf  die 
wir  später  näher  eingehen  wollen. 

Es  dürfte  zweckmässig  sein,  vorher  mit  einigen  Worten 
auf  die  bisher  als  „Immunität“  bezeichnete  „Unempfindlichkeit“ 
bestimmter  mit  Serum  vorbehandelter  Tiere  kurz  zurückzu¬ 
kommen. 

Im  Gegensatz  zu  den  Angaben  von  A.  Wolf  [8],  dass 
Tiere,  welche  bei  der  Eiweissimmunisierung  einmal  die  Er¬ 
scheinungen  der  Ueberempfindlichkeit  gezeigt  haben,  bei  der 
nächsten  Injektion  derselben  Eiweissubstanz  unfehlbar  unter 
gesteigerten  Krankheitserscheinungen  zu  Grunde  gingen,  haben 
wir  als  erste  hervorgehoben,  dass  einerseits  überempfindliche 
Meerschweinchen  nach  der  überstandenen  Reinjektion  mit 
grossen  Dosen  Pferdeserum  bei  der  einige  Zeit  später  nach¬ 
folgenden  zweiten  Reinjektion  keinerlei  Krankheitserschei¬ 
nungen  zu  zeigen  brauchen  und  andererseits,  dass  sich  durch 
eine  geeignete  Steigerung  in  der  Serumapplikation  bei  den 
Meerschweinchen  das  Auftreten  einer  Ueberempfindlichkeit 
Vermeiden  lässt.  Diese  scheinbare  Immunisierungsmöglichkeit 
wurde  später  unabhängig  von  uns  auch  von  Rosenau  und 
Anderson  gefunden  und  besonders  von  Besredka  und 
Seteinhardt  [4u.  9]  weiter  verfolgt  und  von  ihnen  mit  dem 
Namen  „Antianaphylaxie“  belegt. 

Die  ersten  Versuche,  welche  wir  nach  dieser  Richtung  an 
anaphylaktischen  Tieren  angestellt  hatten,  waren  einfach  in  der 
Weise  ausgeführt,  dass  diejenigen  Meerschweinchen,  welche 
bei  der  ersten  Reinjektion  mit  dem  Leben  davon  gekommen 
waren,  nach  einiger  Zeit  eine  zweite  Injektion  subkutan  er¬ 
hielten,  wobei  sich  zeigte,  dass  diese  Tiere  kaum  oder  wenig¬ 
stens  nur  in  geringem  Grade  erkrankten.  Die  Erzielung  dieser 

I 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


1 666 


„Unempfindlichkeit“  bei  bereits  überempfindlichen  Tieren 
liess  sich  aber,  wie  weitere  Versuche  bei  intraperitonealer  Re- 
injektion  zeigten,  und  wie  auch  speziell  von  Besredka  und 
Steinhardt  hervorgehoben  wurde,  nur  durch  die  Verwen¬ 
dung  grosser  Dosen  mit  einiger  Sicherheit  für  längere  Zeit 
erzielen,  bei  welcher  Behandlung  naturgemäss  uns  stets  ein 
grosser  Prozentsatz  der  mit  Toxin-Antitoxingemischen  vor¬ 
behandelten  Tiere  einging.  Wir  haben  daher,  wie  wir  hier 
einfiigen  möchten,  versucht,  -durch  eine  systematische  Steige¬ 
rung  der  Serumdosis  bei  der  Reinjektion  Immunität  möglichst 
ohne  Verluste  zu  erzielen,  in  ähnlicher  Weise,  wie  wir  früher 
auf  diese  Weise  den  Ausbruch  der  Ueberempfindlichkeit  mit 
Erfolg  hatten  verhindern  können  (1.  c.).  In  der  l  at  iiess  sich 
auch  so  bei  bereits  überempfindlichen  Tieren  häufig  noch  eine 
Unempfindlichkeit  wiederherstellen,  wenigstens  gegen  die  sub¬ 
kutane  Reinjektion. 

Schwieriger  war  es  dagegen,  gegen  die  intraperitoneale 
Injektion  Unempfindlichkeit  von  längerer  Dauer  zu  erzielen. 
Gegen  diese  versuchten  wir  auf  Grund  der  Arbeiten  von 
Besredka  und  Steinhardt  über  den  Mechanismus  der 
Antianaphylaxie,  die  nach  ihrer  Auffassung  eine  Desensibili- 
sation  im  Gehirn  verankerter  Sensibilisine  ist,  durch  ein  kom¬ 
biniertes  Verfahren  möglichst  absoluten  Schutz  zu  erhalten, 
indem  wir  auf  die  subdurale  Injektion  von  0,2  ccm,  welche  bei 
unseren  Tieren  verhältnismässig  selten  tödlich  *)  wirkte,  die 
intraperitoneale  Injektion  von  5  ccm  Pferdeserum  folgen 
Hessen. 

Von  8  Meerschweinchen,  welche  6  Wochen  vorher  mit  Toxin- 
Antitoxingemischen  vorbehandelt  waren,  erhielten  sieben  am  31.  V. 
U,2  ccm  norm.  Pferdeserum  subdural  und  .am  1.  VI.  5  ccm  intra¬ 
peritoneal  injiziert. 


1)  subdural 

0,2  ccm  am  31.  V. 

2)  intraperitoneal 

5  ccm  am  1.  VI. 

Nachprüfung  zu  verschiedenen 
Zeiten  mit  5, U  ccm  intraperiton. 

1. 

Schwerkrank 

geringe  Symptome 

nach  5  Tagen 

0? 

2. 

V  v 

*  7 

V 

0? 

3. 

*  11 

V 

0? 

4. 

„  17 

leichtkrank 

5. 

V 

V  •  V 

„  28 

V 

V  V 

6. 

tot  in  5  Min. 

—  — 

— 

— 

7. 

krank 

geringe  Symptome 

*  41 

V 

krank 

8. 

Kontrolle 

—  — 

*  42 

V 

tot  in  50  Min. 

Wie  die  Nachprüfung  zeigte,  war  durch  diese  kombinierte 
Vorbehandlung  für  einige  Zeit  eine  fast  absolute  Immunität 
erzielt,  'die  indessen  vom  17.  Tage  ab  etwas  nachliess  und  am 
41.  Tage  jedenfalls  nicht  mehr  vollständig  war.  Die  gleiche 
vorübergehende  Unempfindlichkeit  liess  sich  .nun  aber  auch 
bei  den  Tieren  nachweisen,  welche  nur  einmal  mit  grossen 
Dosen  vorbehandelt  waren,  auf  deren  häufige  Unempfindlich¬ 
keit  wir  früher  bereits  hingewiesen  haben.  Wir  haben  uns  aber, 
besonders  bei  der  zuerst  von  Rosenau  und  Anderson  an¬ 
gewandten  intraperitonealen  Nachprüfung  und  wenn  diese 
Nachprüfung  erst  mehrere  Wochen  nach  der  Vorbehandlung 
stattfand,  davon  überzeugt,  dass  auch  derartige  mit  grossen 
Dosen  einmal  Vorbehandelte  Tiere  später  deutlich  überempfind¬ 
lich  wurden,  wie  dies  schon  Rosenau  und  Anderson  ge¬ 
funden  und  jüngst  Gay  und  Southard  besonders  hervor¬ 
gehoben  haben. 

Aus  diesen  Resultaten  muss  man  schliessen,  dass  der  anti¬ 
anaphylaktische  Zustand  bei  allen  mit  grossen  Serumdosen  vor¬ 
behandelten  Tieren  nur  ein  vorübergehender  ist,  der  nach 
der  Art  der  Vorbehandlung  und  der  dabei  verwandten  Serum¬ 
dosis  verschieden  lange  dauern  kann,  wobei  die  Individualität 
der  Tiere  eine  nicht  zu  übersehende  Rolle  spielen  dürfte;  keines¬ 
falls  dürfte  man  aber  berechtigt  sein,  wie  dies  Besredka  und 
Steinhardt  tun,  ihn  als  „le  retour  ä  l’etat  normal“  zu  be¬ 
zeichnen.  In  dieser  Hinsicht  scheint  mir  folgender  Versuch 
nicht  uninteressant,  den  wir  im  Anschluss  an  die  Versuche  von 
Besredka  und  Steinhardt  ausgeführt  haben.  Bes¬ 
redka  und  Steinhardt  hatten  sich  gesagt,  dass  wenn  die 


U  Scheinbar  gibt  es  bei  der  Reinjektion  eine  von  Zeit,  Indivi¬ 
dualität  des  Tieres  und  Serumapplikationsform  abhängige  optimale, 
tödlich  wirkende,  Dosis;  so  ging  z.  B.  in  einer  bestimmten  Versuchs¬ 
reihe  bei  der  subduralen  Reinjektion 


von  8  mit  0,2  ccm  reinjizierten  Tieren  nur  1  (=  12,5  Proz.)  ein;  während 
*  6  „  0,1  „  „  „  dagegen  3  (=50,0  Proz.)  eingingen. 


I  „ursprüngliche  Virginität“  durch  die  antianaphylaktische  Be¬ 
handlung  erzielt  ist,  dies  dadurch  bewiesen  werden  könne,  dass 
es  gelänge,  unempfindliche  Tiere  wieder  „überempfindlich“  zu 
machen.  Dies  ist  ihnen  in  der  Tat  gelungen,  die  von  neuem 
mitkleinen  Dosen  behandelten  Tiere  waren  zu  einer  Zeit  über¬ 
empfindlich,  wo  die  Kontrollen  noch  unempfindlich  waren. 
Allein  damit  schien  uns  noch  nicht  bewiesen,  dass  sie  sich  wie 
normale  Tiere  verhielten.  Hierzu  war  es  erforderlich  zu  prü¬ 
fen,  ob  derartige  Tiere  ebenso  schnell  wie  normale  über¬ 
empfindlich  würden.  Zu  diesem  Zweck  wurde  der  in  nach-, 
stehender  Tabelle  näher  skizzierte  Versuch  ausgeführt. 


I.  Vorbehandlung 

II.  Nachbehandlung 

28.  V.  06. 

a) 

b) 

Am  13.  Tage  nach  der  letzten  Be¬ 
handlung  nach  geprüft  mit 
2,5  ccin  norm.  Pferdeserum  intra¬ 
peritoneal  bzw.  0,2  ccm  subdural 


a)  am  10.  VI.  07. 


1.  245 

2.  270 

3.  220 

4.  250 


5.  250 

6.  270 

7.  245 

8.  260 
9.  270 


© 

© 

o 

tö 

O 

o 

B 


Ö 


10.  255 

11.  270 

12.  260 


+ 


o 

o> 

— I 


C5 

O 


B 


13.  245 

14.  245 

15.  250 


16.  270 

17.  295 

18.  245 


— 


keine 


V 


B 

CO 


o 

-4 


*73  o 
CD  o 

2.  5 


o 


dp 

CD 


B 


19.  260 

20.  245  I 

21.  245  ’ 


keine 

V 

n 


7) 

V 

V 


V 

V 


0,2  sub.  =  krank 
2,5  ip.  =  tot  25  Min. 
0.2  subd.  =  tot  12  Min. 
2,5  ip.  =  krank 

b)  am  16.  VI.  07. 


0,2  subd.  keine  deutl.  Sympt. 
2,5  ip.  =  0  ?  keine  deutl. Sympt. 


am  5.VI.07 

V 


aml0.VI.07 


CD 

© 

© 

o 

IO 


-s 

es 


SO 

P 


aml5.VI.07 


f 

+ 

I  o 

to  Ol 

o 

© 


ani20.VI.07 


e 

er 

FT 

je 

Ct“ 

fc* 

P 


c)  am  18.  VI.  07. 

0,2  subd.  =  ?  keine  deutl.  S. 
0,5  ip.  =  krank 

d)  am  22.  VI.  07. 

2,5  ip.  =  0  ?  keine  deutl.  Sympt. 
0,2  subd.  =  0  ?  keine  deutl.  S. 

e)  am  28.  VI.  07. 


2,5  ip.  =  0  ?  k.  d.  S. 

f)  am  3.  VII.  07. 
2,5  ip.  =  tot  50  Min. 


Das  Resultat  dieses  Versuches  lässt  sich  kurz  dahin  zu- 
sammenfassen,  dass  durch  die  Vorbehandlung  mit  grossen 
Dosen  antianaphylaktisch  gewordene  Tiere  sich  nicht  so 
schnell  anaphylaktisieren  lassen  wie  normale;  eine  gleiche  Rc- 
anaphylaktisierung  wurde  erst  erreicht,  wenn  seit  der  antiana- 
phylaktisierenden  Behandlung  mit  der  grossen  Serumdosis  einige 
Zeit  (1  Monat)  verstrichen  war,  eine  Beobachtung,  die  in 
Uebereinstimmung  stehen  würde  mit  der  oben  gemachten  An¬ 
gabe,  dass  der  antianaphylaktische  Zustand  nur  vorüber¬ 
gehend  ist. 

Bei  weiteren  Versuchen  über  die  Serumiiberempfindlich- 
keit  haben  wir  nun  eine  Reihe  von  Experimenten  angestellt, 
welche  darauf  hinauszielten,  die  früher  von  uns  nicht  näher 
erörterte  Frage  nach  dem  Wesen  der  anaphylak¬ 
tischen  Reaktion  näher  zu  analysieren.  In  unserer 
ersten  Arbeit  waren  wir  auf  diesen  Punkt  nur  insoweit  ein¬ 
gegangen,  als  wir  das  Theobald  Smith  sehe  Phänomen  zu 
den  von  v.  Pirquet  und  Schick  als  „sofortige  allgemeine 
Reaktion“  bezeichneten  klinischen  Serumkrankheitserschei¬ 
nungen  gerechnet  hatten.  Die  von  diesen  Autoren  ausge¬ 
sprochene  Ansicht,  dass  die  Serumkrankheit  durch  die  Reaktion 
von  bestimmten  Antikörpern  hervorgerufen  würde,  ist  später 
von  Rosenau  und  Anderson,  Currie  [10],  Nie  olle 
[11  und  12]  und  anderen  vertreten  worden.  Dass  diese  Körper 
allerdings  nicht  einfache  Präzipitine  sein  konnten,  ergab  sich 
schon  aus  dem  Umstand,  dass  sich  in  vitro  im  Blute  der  über¬ 
empfindlichen  Individuen  durchaus  nicht  immer  Präzipitine 
nachweisen  Hessen.  Nach  dem  Bekanntwerden  der  More¬ 
schi  sehen  Versuche  [13]  lag  es  nun  nahe  zu  prüfen,  ob  es 


v 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1667 


sich  nicht  auch  bei  der  Serumkrankheit  um  solche  Antikörper 
handeln  könnte,  welche  erst  mit  Hilfe  der  Bordet -Gen  gou- 
schen  Methode  [14]  nachzuweisen  waren.  Wir  haben  daher  zu¬ 
nächst  Untersuchungen  nach  dieser  Richtung  hin  angestellt,  in¬ 
dem  wir  in  vitro  das  Serum  überempfindlicher  Tiere  mit  nor¬ 
malem  Pferdeserum  und  Komplement  zusammenbrachten  und 
dann  nach  einer  bestimmten  Zeit  ein  hämolytisches  System  hin¬ 
zufügten.  Auf  diese  Weise  Hessen  sich  aber  keine  spezifischen 
komplementbindenden  Antikörper  im  Blute  der  überempfind¬ 
lichen  Meerschweinchen  nachweisen.  Gleichfalls  negativ  ver¬ 
liefen  Versuche,  bei  denen  das  Serum  von  Tieren,  die  nach  der 
Reinjektion  von  normalem  Pferdeserum  typisch  schwer  er¬ 
krankt  waren,  auf  Komplementverlust  geprüft  wurde;  das 
Serum  solcher  Tiere  zeigte  im  hämolytischem  Versuch  keinen 
wesentlichen  Verlust  seiner  lytischen  Wirksamkeit  im  Ver¬ 
gleich  zu  dem  Serum  normaler  Meerschweinchen.  Es  ergaben 
sich  somit  aus  diesen  Versuchen  keine  Anhaltspunkte  für  die 
Annahme,  dass  die  Ueberempfindlichkeitsreaktion  durch  plötz¬ 
lichen  Komplementverlust  bedingt  sein  könnte. 

Wir  haben  dann  weiter  versucht,  für  diejenige  Ansicht 
experimentelle  Beweise  zu  bringen,  welche  Kretz  (zitiert 
nach  v.  Pirquet  und  S  c  h  i  c  k)  in  erster  Linie  vertreten  hat, 
nämlich  die,  dass  die  Ueberempfindlichkeitsreaktion  durch  das 
Vorhandensein  sessiler  Rezeptoren  für  Pferdeeiweiss  im  Meer¬ 
schweinchenkörper  bedingt  sein  könne.  Man  hätte  sich  wohl 
vorstellen  können,  dass  bei  der  hohen  Unempfindlichkeit  nor¬ 
maler  Meerschweinchen  gegenüber  dem  Pferdeeiweiss  der  zur 
Auslösung  von  freien  Antikörpern  notwendige  „Ictus  immuni- 
satorius“  (Ehrlich  und  Morgenrot h)  [15]  speziell  bei  der 
Verwendung  minimaler  Dosen  ausbleibt.  Allein  die  Ver¬ 
suche,  welche  mit  dem  Blute  sowie  mit  den  Extrakten  der 
verschiedensten  Organe  (Leber,  Milz,  Gehirn,  Rückenmark, 
Nebennieren)  anaphylaktischer  Meerschweinchen  angestellt 
wurden,  Hessen  keine  der  obigen  Annahme  entsprechende  Tat¬ 
sache  auffinden,  weder  wurde  das  toxische  Prinzip  des 
Pferdeserums  durch  das  Blut  und  die  Organextrakte  über¬ 
empfindlicher  Tiere  für  andere  anaphylaktische  Tiere  unschäd¬ 
lich  gemacht  (selbst  nicht  nach  24  ständigem  Stehenlassen  der 
Gemische),  noch  wurde  hierdurch  erreicht,  dass  das  Pferde¬ 
serum  seine  anaphylaktisierende  Wirkung  für  normale  Tiere 
verlor.  Die  gleichen  Befunde  haben  auch  andere  Autoren 
erhalten  (Rosena  u  und  Anderson,  B  e  s  r  e  d  k  a  und 
Steinhardt,  Gay  und  Southar  d),  die  in  ähnlicher  Weise 
das  toxische  Prinzip  zu  neutralisieren  versucht  haben. 

Es  wurde  dann  von  uns  geprüft,  ob  vielleicht  das  Pferde¬ 
serum  in  vivo  Veränderungen  erleide,  sei  es,  dass  es  toxische 
Eigenschaften  annehme,  oder  aber  in  der  Peritonealhöhle  über¬ 
empfindlicher  Tiere  eine  Neutralisierung  seines  toxischen  Prin¬ 
zips  erfolgte.  Auch  diese  Versuche  ergaben  in  beiden  Fällen 
negative  Resultate.  Andererseits  fanden  sich  auch  in  dem 
Blute  serumkranker  Meerschweinchen  keine  toxischen  Stoffe 
für  normale  Tiere. 

Schliesslich  haben  wir  dann  noch  untersucht,  ob  nicht  in 
dem  Serum  solcher  Tiere,  die  sich  nach  Vorbehandlung  grosser 
Dosen  zur  Zeit  refraktär  erwiesen,  Eigenschaften  innewohnten, 
welche  die  toxische  und  anaphylaktisierende  Wirkung  des 
Pferdeserums  paralysierten.  Zu  diesem  Zweck  wurden  an 
Meerschweinchen  und  Kaninchen  durch  ein-  oder  mehrmalige 
Injektion  von  Pferdeserum  (zum  Teil  stark  präzipitierende) 
Antisera  gewonnen  und  mit  diesen  Seris  1.  überempfindliche 
Meerschweinchen  vor  der  Injektion  des  Pferdeserums  vor¬ 
behandelt,  2.  das  Pferdeserum  vor  der  Injektion  längere  Zeit 
mit  ihnen  in  Berührung  gelassen,  wie  dies  als  erste  schon 
Rosenau  und  Anderson  getan  hatten.  Aus  den  angestellten 
Versuchen  ergab  sich  aber,  dass  weder  die  Vorbehandelten  Tiere 
gegen  die  toxische  Wirkung  der  nachfolgenden  Seruminjektion 
geschützt  waren,  noch  dass  das  Pferdeserum  an  seinen  toxischen 
und  anaphylaktisierenden  Eigenschaften  Einbusse  erlitten  hatte. 
Im  Gegenteil,  es  ergab  sich  die  merkwürdige  Tatsache,  dass 
der  Zusatz  solcher  Antisera  die  toxische  und  anaphylakti¬ 
sierende  Wirkung  des  Pferdeserums  eher  noch  steigerte.  Ja, 
bei  der  getrennten  Injektion  von  Antiserum  und  der  später 
folgenden  Injektion  des  Pferdeserums  machten  wir  die  Beob¬ 
achtung,  dass  durch  die  voraufgegangene  Injektion  die  nor¬ 
male  n  M  eerschweinchen  überempfindlich  ge¬ 


worden  waren,  da  sie  deutlich  Krankheitserscheinungen 
zeigten.  Diese  Tatsache  erinnerte  uns  an  frühere  Beob¬ 
achtungen  von  v.  Pirquet  und  Schick,  welche  um¬ 
gekehrt  gefunden  hatten,  dass  Kaninchen  nach  vorauf¬ 
gegangener  Behandlung  mit  normalem  Pferdeserum  auf 
die  nachfolgende  Injektion  von  präzipitierendem  Antisernm 
mit  lokalem  Oedem  reagierten  und  an  die  Beobachtung  von 
Lemaire,  dass  bei  Kaninchen,  die  mit  Pferdeeiweiss  immuni¬ 
siert  waren,  die  akuten  Symptome  der  Ueberempfindlichkeit 
gerade  dann  am  stärksten  waren,  wenn  noch  Präzipitine  im 
Serum  der  Tiere  vorhanden  waren. 

Andererseits  hatten  schon  Rosenau  und  Anderson 
Versuche  an  Meerschweinchen  ausgeführt,  um  zu  sehen,  ob 
in  dem  Blute  überempfindlicher  Tiere  die  überempfindlich 
machende  Substanz  frei  vorhanden  wäre.  Sie  hatten  das 
Serum  anaphylaktischer  Tiere  gleichzeitig  mit  Pferdeserum 
normalen  Tieren  injiziert,  doch  dabei  (wie  auch  wir  bei  dieser 
Versuchsanordnung  bestätigen  können)  niemals  Krankheits¬ 
erscheinungen  beobachtet.  Als  wir  aber  in  der  Weise  vor¬ 
gingen,  dass  wir  ähnlich  wie  bei  unseren  genannten  Versuchen 
mit  den  „Antiseris“  zeitlich  getrennte  Injektionen  Vor¬ 
nahmen,  zeigte  sich,  dass  auch  bei  den  normalen  Meer¬ 
schweinchen,  die  mit  dem  Serum  „überempfindlicher“  Tiere 
vorbehandelt  waren,  einder  Serumkrankheit  durch¬ 
aus  ähnliches  Sy  mpto  menbild  erzeugen  Hess. 
Gleiche  Beobachtungen  hatte  nun  auch  N  i  c  o  1 1  e  (1.  c.) 
nach  einer  späteren  Mitteilung  früher  bei  Kaninchen¬ 
versuchen  gemacht.  Behandelte  er  nämlich  Kaninchen  mit 
dem  Serum  überempfindlicher  Tiere  vor,  und  spritzte  ihnen 
24  Stunden  später  Pferdeserum  ein,  so  trat  bei  subkutaner 
Injektion  an  der  Injektionsstelle  ein  lokales  Oedem  auf,  das  bei 
den  Konfrontieren  vermisst  wurde  und  bei  der  intrazerebralen 
Injektion  gingen  sogar  die  Tiere  innerhalb  24  Stunden  ein. 
während  die  Kontrolltiere  munter  blieben. 

Auf  die  Details  unserer  einzelnen  Versuche  möchte  ich 
hier  nur  insofern  eingehen,  als  ich  die  Protokolle  unserer  ersten 
diesbezüglichen  Versuche,  die  ich  Herrn  Geheimrat  Ehrlich 
vorführen  konnte,  anführen  will: 


I.  V  e  r  s  u  c  h. 


Am  20.  VI.  06  werden  3  (6—10  Wochen  vorher)  mit  Toxin-Anti¬ 
toxingemischen  vorbehandelte  Tiere  entblutet  und  mit  dem  resul¬ 
tierenden  Serum  (7,5  ccm)  am  21.  VI.  06  3  normale  Meerschweinchen 
vorbehandelt;  dieselben  werden  nach  bestimmten  Zeiten  mit  norm. 
Pferdeserum  reinjiziert  und  zwar  mit  folgendem  Erfolge: 


L  <-» 

<Li  E 

<U  'S 
£  £ 


U 

03 


1)  ungezeichnet  260g  2,5ccmsiub.  nach  1  Std.2,5ccm  Pf.S.  ip.=  0 ? 


2) 

Ng 

260g  2,5  „ 

P- 

„  1 

»  2,5  „ 

„  sc. 

.=  0 

3) 

KR 

260g  2,5  „ 

sc. 

„  24 

*  2,5  „ 

»  ip- 

-  krank 

4) 

Kontrolltier  260g  2,5  „ 

sc. 

„  1 

»  2,5  „ 

»  ip- 

=  0 

(Kontrolltier :  Normales  Meer¬ 


schweinchenserum) 


II.  Versuch. 


Am  23.  VI.  06  werden  2  weitere  mit  Toxin-Antitoxingemischen 
vorbehandelte  Tiere  entblutet  und  mit  dem  resultierenden  Serum 
(6,5  ccm)  am  24.  VI.  06  2  normale  Tiere  subk.  vorbehandelt.  2  Kon¬ 
trolltiere  erhalten  gleichzeitig  die  entsprechenden  Dosen  normalen 
Serums;  am  25.  erhielten  alle  4  gleichzeitig  6  ccm  norm.  Pferdeserum 
intraperitoneal; 


cu 
.  J5 
u  CJ 
<V  E 

flj  ■ 


u 

co 


1)  Kr.  4ccm.sc.  am25.VI  6 ccmPferdeser.  ip.  =  kurze  Zeit 

schwer  krank 

2)  Rr.  1,5  „  sc.  *  „  6  „  „  ip.=  „ 

3)  Nr.  4  „  norm.S.sc.  „  „  6  „  „  ip.  =  0 

.4)  St.  r.  1,5  „  norm.  S. sc.  „  „  6  „  „  ip.  =  0 


Die  mit  dem  „anaphylaktischem“  Serum  vorbehandelten 
Tiere  erkrankten  also  schwer  unter  den  typischen  Erschei¬ 
nungen  der  Serumkrankheit,  erholten  sich  aber  nach  einiger 
Zeit  völlig.  Die  Kontrollen  blieben  dagegen  dauernd  gesund. 
Aus  diesen  Versuchen  ergab  sich  demnach,  dass  die  normalen 
Tiere  durch  die  Vorbehandlung  mit  „anaphylaktische  m“ 
Serum  die  Eigenschaft  erworben  hatten,  auf  die  nach¬ 
folgende  Injektion  von  Pferdeserum  in  derselben  Weise  zu 
reagieren,  wie  solche  Tiere,  welche  durch  die  Vorbehand¬ 
lung  mit  Pferdeserum  aktiv  überempfindlich  gemacht  worden 
waren.  Es  war  uns  somit  gelungen,  passiv  so¬ 
wohl  mit  dem  Serum  solcher  Tiere,  welche 
Ueberempfindlichkeit  zeigten,  als  auch  sol¬ 
cher,  die  zur  Zeit  unempfindlich  waren,  die 

i* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


1668 


Disposition  zur  Serumkrankheit  zu  über¬ 
tragen. 

Diese  wichtige  Tatsache  der  Möglichkeit  einer  Ueber- 
tragung  der  Anaphylaxie  durch  das  Blut  vorbehandelter^  Tiere 
ist  inzwischen  auch  in  allerjüngster  Zeit  von  Gay  und  Sout- 
hard  [16]  gefunden  worden,  denen  es  gleichfalls  gelang,  so¬ 
wohl  durch  das  Blut  überempfindlicher  als  auch  refraktärer 
Meerschweinchen  die  Anaphylaxie  auf  andere  1  iere  zu  über¬ 
tragen.  Allerdings  ziehen  diese  Autoren  nicht  den  Schluss, 
dass  es  sich  hierbei  um  eine  passive  Uebertragung  der  Ana¬ 
phylaxie  handele,  sondern  sie  nehmen  auf  Grund  ihrer  Ver¬ 
suche,  bei  denen  sie  die  Prüfung  der  Tiere  stets  nur  nach  15 
Tagen  vorgenommen  haben,  an,  dass  in  dem  Körper  der  erst 
behandelten  Tiere,  von  denen  das  Blut  gewonnen  wurde, 
„nicht  neutralisierte  Reste“  des  Pferdeserums  (die  sie  mit  dem 
Namen  „A  n  a  p  h  y  1  a  k  t  i  n  e“  belegen)  zurückgeblieben  seien, 
die  dann,  auf  das  zweite  Tier  übertragen,  dieses  in  der  ge¬ 
nannten  Zeit  anaphylaktisierten.  Gegen  diese  Auffassung  einer 
aktiven  Anaphylaktisierung  durch  die  „Anaphylaktine“  spricht 
nun  allein  schon  der  Umstand,  dass  es  N  i  c  o  1 1  e  (1.  c.)  und 
mir  gelang,  schon  24  Stunden  nach  der  Injektion  bei  den 
Tieren  Ueberempfindlichkeitserscheinungen  zu  beobachten. 
Ferner  die  Tatsache,  dass  in  dem  Serum  der  vorbehandelten 
Tiere,  diese  Stoffe  erst  nach  einigen  Tagen  vorhanden  waren. 
Man  wird  daher  nicht  fehl  gehen,  wenn  man  annimmt,  dass  es 
sich  hier  um  die  Wirkung  echter  Antikörper 
handelt,  die  im  Meerschweinchenkörper  entstehen. 

Was  die  Natur  dieser  anaphylaktisierenden  Anti¬ 
körper  anbetrifft,  so  ist  dieselbe  noch  ziemlich  dunkel.  Mit 
ihrem  Antigen  reagieren  sie  scheinbar  in  vitro  und  in  vivo  in 
keiner  nachweisbaren  Weise;  mit  den  Präzipitinen  sind  sie 
sicher  nicht  identisch,  da  sie  sowohl  in  hochwertigen  präzipi- 
tierenden  Seris  Vorkommen,  als  auch  in  solchen,  die  keine  Spur 
von  Präzipitinen  enthalten;  aus  -dem  gleichen  Grunde  sind  sie 
ebensowenig  identisch  mit  den  komplementbindenden  Eiweiss¬ 
antikörpern.  Sie  vertragen  nach  unseren  Erfahrungen  die  ein- 
stündige  Erhitzung  von  55  0  C  ohne  wesentliche  Abschwächung. 
Ihre  Wirkung  in  vivo  wird  durch  vorherigen  Zusatz  von  Kom¬ 
plementen  (normalen  Meerschweinchenserums)  weder  gestei¬ 
gert  noch  abgeschwächt.  Auch  der  Zusatz  normalen  Pferde¬ 
serums  neutralisiert  ihre  Wirkung  nicht,  dagegen  erhöhen  sie 
scheinbar  die  anaphylaktisierende  Wirkung  des  Pferdeserums. 
Sie  finden  sich  sowohl  im  Serum  gesunder  überempfindlicher 
Tiere  als  auch  in  dem  Serum  solcher  überempfindlicher  Meer¬ 
schweinchen,  welche  nach  der  Injektion  von  Pferdeserum  in 
typischer  Weise  erkrankt  sind.  Es  findet  demnach  auch  bei 
der  Reaktion  in  vivo  keine  völlige  Neutralisation  dieser  Körper 
statt.  Besonders  charakteristisch  ist  für  sie  die  schon  oben 
erwähnte  Tatsache,  dass  sie  stets  getrennt  und  vor  dem 
Pferdeserum  injiziert  werden  müssen,  um  die  Meerschwein¬ 
chen  gegen  die  nachfolgende  Pferdeserumiujektion  überemp¬ 
findlich  zu  machen.  Daraus  haben  wir  geschlossen,  dass,  um 
die  Ueberempfindlichkeit  zu  erzeugen,  eine  gewisse  Verteilung 
dieser  Körper  im  Organismus  und  eine  Verankerung  derselben 
an  die  Körperzellen  der  Tiere  stattgefunden  haben  muss,  ehe 
die  Reaktionsfähigkeit  der  letzteren  gegenüber  dem  normalen 
Serum  geändert  wird  2). 

Zur  Uebertragung  der  Anaphylaxie  genügen  selbst  ge¬ 
ringe  Dosen,  So  fanden  wir  in  Uebereinstimmung  mit  Gay 
und  Southard  nach  der  Injektion  von  0,1  ccm  anaphylak¬ 
tischen  Serums  bei  der  nachfolgenden  Injektion  von  5  ccm  nor¬ 
malen  Pferdeserums  deutliche  Symptome  der  Ueberempfind¬ 
lichkeit.  Im  allgemeinen  schien  es,  als  ob  die  Wirksamkeit 
der  anaphylaktischen  Sera  deutlicher  zutage  trat,  wenn  man 
die  Nachprüfung  nicht  an  dem  nächsten  Tage,  sondern  erst  in 
späteren  Tagen  vornahm.  In  letzterem  Falle  haben  wir  Krank¬ 
heitserscheinungen  nie  vermisst,  sobald  wir  das  anaphylakti¬ 
sierende  Serum  (1,5— 4,0)  subkutan  und  später  das  normale 
Pferdeserum  2,5— 5,0  ccm  intraperitoneal  gaben.  Es  wäre 
noch  hinzuzufügen,  dass  das  anaphylaktisierende  Serum  an 


2)  Die  spezifisch  wirksamen  Stoffe  in  dem  Blutserum  der  mit 
fi  emdartigem  Eiwciss  vorbchan-delten  Tiere  könnte  man  vielleicht  als 
,,a  naphylaktische  Reaktionskörper“  bezeichnen  (vgl. 
Stadel  mann  und  Wolf-Eisner:  lieber  Typhus  und  Koli- 
sepis  etc.;  diese  Zeitschr.  1907,  No.  24). 


und  für  sich  weder  bei  überempfindlichen  noch  bei  normalen 
Tieren  sichtbare  Krankheitserscheinungen  auslöste,  sondern 
anscheinend  stets  reaktionslos  vertragen  wurde. 

Bezüglich  der  Dauer  der  (passiven)  Ueberempfindlichkeit 
nach  -der  Injektion  des  anaphylaktisierenden  Serums  können 
wir  noch  keine  endgültigen  Angaben  machen,  da  unsere  Nach¬ 
prüfungen  nur  bis  zum  13.,  die  von  Gay  und  Southard 
nur  bis  zum  15.  Tage  reichen,  bis  zu  welcher  Zeit  mit 
Sicherheit  die  Ueberempfindlichkeit  konstatiert  werden  konnte. 
Es  dürfte  indessen  sicher  sein,  dass  die  Dauer  der  Ueber¬ 
empfindlichkeit  noch  eine  viel  länger  anhaltende  ist.  Hierfür 
sprechen  wenigstens  die  Versuche,  welche  xvir  an  den  Jungen 
überempfindlicher  Mütter  anstellen  konnten.  Wie  aus  der 
folgenden  Tabelle  ersichtlich  ist.,  liess  sich  bei  derartig  jungen 
Meerschweinchen  noch  bis  zum  44.  Lebenstage  mit  Sicherheit 
die  typische  Ueberempfindlichkeitsreaktion  durch  Injektion  von 
Pferdeserum  erzielen.  Nach  72  bezw.  73  Tagen  war  dieselbe 
allerdings  undeutlich  geworden  oder  fast  0. 

tot  krank  gesund 

1)  2  Junge  2  Tage  alt  2,5  ccm.  norm.  Pferdeserum  subk.  11  — 


2)  2 

V 

3 

V 

v  2,5 

V 

V 

V 

V 

— 

2  — 

3)  1 

V 

4 

» 

v  2,5 

V 

V 

V 

V 

l 

—  — 

4)  1 

V 

12 

V 

„  2,5 

V 

V 

r> 

V 

— 

1  — 

5)  1 

V 

20 

» 

„  2,5 

V 

V 

V 

V 

l 

—  — 

6)  1 

V 

26 

V 

v  2,5 

V 

V 

V 

V 

— 

1 

7)  1 

r> 

44 

V 

n  2,5 

V 

V 

n 

y> 

— 

1  — 

8)  1 

V 

72 

V 

v  2,5 

* 

V 

V 

V 

— 

—  1 

9)  1 

V 

73 

V 

*  2,5 

V 

V 

V 

V 

— 

—  1? 

Da 

nun 

die  Uebertragung  der  Ueberempfindlichkeit  auf  die 

Jungen  durch  die  Mutter  höchst  wahrscheinlich  schon  intra¬ 
uterin  stattgefunden  haben  wird,  so  dürften  sich  diese  Daten 
für  die  Dauer  der  passiven  Anaphylaxie  verwenden  lassen. 
Dies  wird  um  so  mehr  erlaubt  sein,  als  bekanntlich  die  Jungen 
der  Meerschweinchen  nur  kurze  Zeit  saugen  und  frühzeitig  an¬ 
fangen,  sich  andere  Nahrung  zu  suchen.  Es  wird  also  eine 
nennenswerte  Uebertragung  von  spezifischen  Antikörpern 
durch  die  Milch  kaum  stattfinden  können. 

Wir  möchten  bei  der  Gelegenheit  noch  erwähnen,  dass  in 
allerdings  nur  einem  Falle,  bei  -dem  die  passive  Erzeugung  der 
Ueberempfindlichkeit  durch  ein  heterologes  Serum  (Pferde- 
Kaninchen-Serum)  stattfand,  sich  im  Gegensatz  zu  obigen  Ver¬ 
suchen  am  19.  Tage  keine  Ueberempfindlichkeitsreaktion  bei 
den  vorbehandelten  Meerschweinchen  mehr  nachweisen  liess, 
nachdem  dieselbe  am  5.  Tage  noch  deutlich  vorhanden  ge¬ 
wesen  war. 

1. )  5  Meerschweinchen,  vorbehandelt  subkutan,  mit  fallenden  Dosen 

(0,1— 2,5  ccm)  Pferde-Kaninchenserum  werden  nach  48  Stunden 
nachgeprüft  mit  2,5  ccm  norm.  Pferdeserum  intraperitoneal  = 
krank. 

2. )  1  Meerschweinchen  subkutan  mit  je  1,0  ccm  vorbehandelt,  nach¬ 

geprüft  mit  2,5  ccm  Pferdeserum'  intraperitoneal  nach  5  Tagen 
=  schwer  krank. 

3. )  1  Meerschweinchen,  subkutan  mit  je  1,0  ccm  vorbehandelt,  nach¬ 

geprüft  mit  2,5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal  nach  19  Tagen 

Auch  diese  Beobachtung  würde  -dafür  sprechen,  dass  es 
sich  hier  um  wirkliche  Antikörper  handelt,  deren  Funktion  an 
das  Eiweiss  gebunden  ist,  da  auch  bei  den  bisher  be¬ 
kannten  spezifischen  Antikörpern  die  Tatsache  festgestellt  ist, 
dass  sie  eine  längere  Wirksamkeit  bei  der  Uebertragung  homo¬ 
logen  Serums,  als  der  heterologen  Serums  besitzen.  Schliess¬ 
lich  möchten  wir  gleich  hier  noch  kurz  erwähnen,  -dass  spätere 
Nachprüfungen  der  passiv  anaphylaktisierten  und  dann  mit 
Pferdeserum  nachbehandelten  Tiere  im  Durchschnitt  eine  stär¬ 
kere  Ueberempfindlichkeit  an  den  Tag  legten  als  bei  solchen 
I  ieren,  die  allein  mit  Pferdeserum  behandelt  waren.  Ob  es 
sich  hierbei  um  eine  Summation  der  passiv  und  aktiv  erzeugten 
Ueberempfindlichkeitsphänomene  handelt  oder  um  eine  durch 
die  Vorbehandlung  mit  anaphylaktischem  Serum  gesteigerte 
Anaphylaxie  muss  vorläufig  dahingestellt  bleiben. 

Nachdem  somit  die  Möglichkeit  einer  passiven  Uebertra¬ 
gung  der  Ueberempfindlichkeit  auf  Grund  der  an  verschiedenen 
Orten  ausgeführten  Experimente  als  sicher  erwiesen  angesehen 
werden  kann,  musste  es  immerhin  als  paradox  erscheinen,  dass 
ausser  dem  Serum  überempfindlicher  auch  dasjenige  solcher 
Tiere,  welche  zur  Zeit  nach  der  Behandlung  mit  grossen  Dosen 
unempfindlich  waren,  imstande  war,  auf  normale  Tiere  über- 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1669 


tragen,  diese  überempfindlich  zu  machen.  Allerdings  lag  aus 
der  Immunitätslehre  eine  Reihe  von  Tatsachen  vor,  die  dafür 
sprachen,  dass  Immunität  und  Ueberempfindlichkeit  neben¬ 
einander  Vorkommen  können  (es  sei  nur  auf  die  grundlegenden 
Beobachtungen  v.  Behrings  und  Richets  hingewiesen),  und 
in  neuerer  Zeit  hatte  besonders  v.  Pirquet  mit  Nachdruck 
auf  das  enge  Verbundensein  beider  Erscheinungen  bei  der  Vak¬ 
zination  [17,  18]  und  uns  interessierenden  Serumkrankheit  hin¬ 
gewiesen.  Er  hatte  deshalb  für  die  veränderte  Reaktionsfähig¬ 
keit  eines  vorbehandelten  Organismus  den  allgemeinen  Aus¬ 
druck  „Allergie“  vorgeschlagen,  womit  bezeichnet  werden  soll, 
dass  der  betreffende  Organismus  durch  die  Vorbehandlung  eine 
Abweichung  von  der  ursprünglichen  Verfassung,  d.  h.  dem 
Verhalten  des  Normalen,  erlitten  hat.  Eine  Erklärung  des  oben 
geschilderten  Phänomens,  dass  das  Blut  über-  und  unempfind¬ 
licher  Tiere  in  gleicher  Weise  überempfindlichmachend  wirkt, 
war  damit  jedoch  nicht  gegeben  und  dürfte  erst  weiterer  Unter¬ 
suchungen  benötigen.  Einen  Fingerzeig,  nach  welcher  Rich¬ 
tung  hin  sich  diese  zu  erstrecken  haben  werden,  scheint  durch 
die  folgende,  von  uns  angestellte  Beobachtung  gegeben  zu  sein. 
Es  zeigte  sich  nämlich,  dass  das  Serum  solcher  überempfind¬ 
licher  Tiere,  die  mit  minimalen  Dosen  vorbehandelt  waren, 
schon  dann  für  andere  Tiere,  wenn  auch  nur  in  geringem 
Grade,  anaphylaktisierend  wirken  kann,  wenn  die  Serumspen¬ 
der  selbst  noch  nicht  überempfindlich  waren,  dass  also  auch 
diese  später  hoch  überempfindlichen  Tiere  die  kurze  Zeit  von 
einigen  Tagen  eine  „refraktäre“  Periode  durchmachten,  wie 
aus  dem  nachfolgenden  Versuche  ersichtlich  ist. 

Von  einer  Anzahl  Meerschweinchen,  die  zu  Priifungszwecken 

0  57 

am  21.  VI.  mit  0,002  ccm  Serum  antidiph.  ’-f-  ^  Diphtherietoxin 

vorbehandelt  sind,  werden 

A. 

1. )  a  m  26.  VI. :  5  Tage  nach  der  Injektion: 

2  Tiere  geblutet. 

Von  dem  Serum  2,0  ccm  einem  norm.  Meerschweinchen  am  27.  subk. 
injiziert.  Dieses  erhält  nach  48  Stunden:  5  ccm  norm. 
Pferdeserum  intraperitoneal 

das  Tier  bleibt  =  0. 

2. )  a  m  29.  VI :  8  T  a  g  e  nach  der  Injektion: 

3  Tiere  geblutet. 

Von  dem  Serum  erhalten  2  norm.  Meerschweinchen  am  30.  VI.  je 
2  ccm  subk.  injiziert.  Beide  erhalten  nach  48  Stunden: 
je  5  ccm  norm.  Pferdeserum  intraperitoneal 

beide  =  krank,  zeigen  leichte  Symptome. 

3.)  am  1.  VII. :  10  Tage  nach  der  Injektion: 

3  Tiere  geblutet. 

Von  dem  Serum  erhalten  2  norm.  Meerschweinchen  am  3.  VII.  je 
2  ccm  subk.  injiziert.  Beide  erhalten  nach  48  Stunden  norm. 
Pferdeserum 

a)  2,5  ccm  intraperitoneal 

=  ? 

b)  5,0  ccm  intraperitoneal 
=  leichte  Symptome. 

B. 

1. )  1  Prüfungstier  vom  21.  VI.  (11  Tage  nach  der 

Injektion) 

erhält  5  ccm  norm.  Pferdeserum  intraperitoneal 
keine  deutlichen  Symptome. 

2. )  1  Prüfungstier  vom  21.  VI.  (13  Tage  nach  der 

Injektion) 

erhält  5,0  ccm  norm.  Pferdeserum  intraperitoneal 

=  schwer  krank. 

In  dem  vorliegenden  Falle  war  also  am  11.  Tage  nach  der 
Injektion  des  Pferdeserums  noch  keine  deutliche  Ueberempfind- 
lichkeit  bei  den  Prüfungstieren  vorhanden.  Das  dürfte  öfters 
der  Fall  sein.  Schon  in  unserer  früheren  Arbeit  haben  wir 
angegeben,  dass  die  Anaphylaxie  bei  den  mit  minimalen  Dosen 
vorbehandelten  Tieren  meist  in  der  2.  Woche  nicht  deutlich  ist, 
und  auch  Rosenau  und  Anderson  fanden  erst  am  10.  und 
11.  leichte  Krankheitserscheinungen,  während  der  erste  Todes¬ 
fall  in  ihrem  Protokoll  erst  am  12.  bezw.  17.  Tage  verzeichnet 
ist.  Da  nun  auch  Gay  und  Southar d  besonders  hervor¬ 
heben,  dass  man  im  allgemeinen  die  Inkubationszeit  für  die 
Anaphylaxie  auf  14 — 15  Tage  festsetzen  soll,  wir  aber  oben 
gesehen  haben,  dass  das  Serum  derartiger  Tiere  bereits 
am  8.  Tage  anaphylaktisierend  auf  normale  Tiere  wirken  kann, 


so  ergibt  sich  hieraus,  dass  in  der  Tat  auch  bei  diesen  Tieren 
etwa  vom  8.  bis  10.  Tage  eine  bald  verschwindende  Unempfind¬ 
lichkeitsperiode  besteht.  Damit  wird  auch  das  Serum  der 
„überempfindlichen“  Tiere  in  Analogie  gesetzt  mit  dem  (schein¬ 
bar)  „refraktärer“  Tiere.  Wir  können  somit  bei  allen  mit 
Serum  einmal  vorbehandelten  Tieren  3  Perioden  unter¬ 
scheiden  : 

1.  eine  solche,  wo  das  Blut  frei  ist  von  anaphylaktisieren- 
den  Körpern  und  die  Tiere  nicht  überempfindlich  sind; 

2.  eine  solche  Periode,  wo  das  Blut  anaphylaktisierend 
wirkende  Körper  enthält,  aber  die  Tiere  selbst  noch  nicht  über¬ 
empfindlich  sind;  und  eine 

3.  Periode,  in  der  das.  Blut  anaphylaktisierende  Körper 
enthält,  gleichzeitig  aber  die  Tiere  selbst  überempfindlich  er¬ 
scheinen. 

Diese  Feststellung  liefert  uns  nun  ein  Verständnis  für  das 
verschiedene  Verhalten  der  mit  grossen  und  minimalen  Dosen 
behandelten  Tiere.  Der  Hauptunterschied  ist  ein  rein  zeit¬ 
licher  und  liegt  darin,  dass  bei  allen  Tieren  zwar  die  1.  und 
3.  Periode  vorhanden  ist,  dass  aber  die  2.  bei  den  mit  mini¬ 
malen  Dosen  vorbehandelten  Tieren  nur  angedeutet  ist,  wäh¬ 
rend  sie  bei  den  mit  grossen  Serumdosen  vorbehandelten 
Tieren  sich  über  lange  Zeit  (mehrere  Wochen)  ausdehnen  kann. 

Während  dieser  langen  Zeitperiode  wirkt  ihr  Blut  zwar 
anaphylaktisierend  für  andere  Tiere,  während  sie  selbst  un¬ 
empfindlich  erscheinen. 

Diese  Unempfindlichkeit  dürfte  nun  bedingt  sein  durch 
einen  Stoff,  der  mit  dem  Pferdeserum  eingeführt  wird  und  erst 
sehr  langsam  aus  dem  Organismus  verschwindet.  Hierfür 
spricht  einmal  die  Tatsache,  dass  diese  Unempfindlichkeits¬ 
periode  von  der  Grösse  der  applizierten  Serumdosis  ab¬ 
hängt,  und  zweitens  die  von  Lemaire  [16]  gemachte 
Beobachtung,  dass  bei  überempfindlichen  Kaninchen  Serum- 
Krankheitserscheinungen  nur  dann  auftreten,  wenn  das  Anti¬ 
gen  aus  dem  Körper  verschwunden  war.  Es  steht  dem  nichts 
im  Wege  anzunehmen,  dass  auch  bei  unseren  Meerschweinchen 
bestimmte  Reste  des  injizierten  Pferdeserums  lange  Zeit  im 
Körper  der  Tiere  (intrazellulär  verankert?)  bleiben  und  dass 
dadurch  der  Eintritt  bezw.  akute  Verlauf  der  Ueberempfind- 
lichkeitsreaktion  verhindert  wird.  Auch  Gay  und  Sout- 
h  a  r  d  sind  der  Ansicht,  dass  die  mit  grossen  Dosen  vorbehan¬ 
delten  Meerschweinchen  so  lange  refraktär  sind,  als  sie  be¬ 
stimmte  nicht-nentralisierte  Reste  des  Pferdeserums  enthalten; 
diese  Substanz  soll  —  wie  sie  annehmen  —  dieselbe  sein, 
welche  bei  der  Blutübertragung  auf  normale  diese  überemp¬ 
findlich  macht.  Nach  unseren  Untersuchungen  können  wir 
allerdings  diese  Ansicht  nicht  teilen. 

Resümieren  wir  die  Resultate,  welche  sich  aus  unseren 
Untersuchungen,  die  wir  zurzeit  aus  äusseren  Gründen  ab¬ 
brechen  mussten,  ergeben,  so  lassen  sich  dieselben  in  folgender 
Weise  zusammenfassen: 

1.  Durch  die  •einmalige  Vorbehandlung  mit  fremdartigem 

Serum  wird  der  Organismus  der  vorbehandelten  Meerschwein¬ 
chen  in  der  Weise  umgestimmt,  dass  er  auf  die  nach  geeigneter 
Zeit  erfolgende  Reinjektion  mit  typischen,  akut  einsetzenden 
Krankheitserscheinungen  reagiert.  . 

2.  Diese  Krankheitserscheinungen  lassen  sich  auch  bei  nor¬ 
malen  Tieren  beobachten,  wenn  sie  mit  dem  Serum  dei artiger 
Tiere  vorbehandelt  werden. 

3.  Die  durch  die  erste  Injektion  gesetzte  „Ueberemnfind- 
lichkeit“  kann  durch  bestimmte,  im  Körper  vorhandene  Reste 
des  Antigens  abgeschwächt  oder  ganz  verhindert  werden,  so 
dass  eine  scheinbare  „Unempfindlichkeit  resultiert.  Die  Dauer 
dieser  Unempfindlichkeitsperiode  ist  abhängig  von  der  Serum¬ 
dosis  bei  der  ersten  Seruminjektion. 


Literatur. 

1.  R.  Otto:  Das  Theobald  Smith  sehe  Phänomen  der  Serum¬ 
iberempfindlichkeit.  v.  Le  u  t  h  o  1  d  -  Gedenkschrift,  I.  Bd.  ■ •  • 
Rosenau  und  John  F.  Anderson:  A  study  ot  the  cause  of  sudden 
ieath  following  the  injection  of  horse  serum.  Washington  19Uo. 
i.  M.  P.  Remlinger:  Contribution  ä  l’etude  du  phenomene  1  ana- 
jhylaxie.  C.  r.  d.  1.  Societe  d.  Biologie  1907  No.  1.  —  4.  A.  Bes- 
edka  und  E.  Steinhardt:  De  l’anaphylaxie  et  ce  1  antianaphy- 
axie  vis-ä-vis  du  serum  de  cheval.  Annales  de  linst,  lästern 
'Io.  2,  07.  —  5.  Arthus:  Injections  repetees  de  serum  de  cheval 
:hez  le  lapin.  Soc.  de  Biol.  1903,  p.  817.  6.  C.  v.  P  i  r  q  u  e  t  und  B. 

>chick:  Ueberempfindlichkeit  und  beschleunigte  Reaktion.  Mime  .. 


1G7U 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


med.  Wochensclir.  1906,  No.  2.  —  7.  D  i  e  s  e  1  b  e  n :  Die  bei  unikrank- 
lieit.  Leipzig  und  Wien.  Franz  Deut  icke  1905.  —  8.  A.  Wolf: 
Untersuchungen  über  einige  Immunitätsfragen.  Berk  klin.  Wochen¬ 
schrift  1904,  42—44.  —  9.  A.  Besredka  und  E.  S  t  e  in  ha  r  d  t:  Du 
mechanisme  de  l’antianaphylaxie.  Ann.  de  l’Inst.  Pasteur  1907. 
Tome  XXI.  —  10.  .1.  R.  Currie:  On  the  supersensitation  of  persons 
suffring  from  dihtherie  by  repeated  injections  of  horse  serum.  The 
Journal  of  Hygiene.  1907.  No.  1.  —  11.  Maurice  Nico  Ile:  Contn- 
bution  ä  Tetude  du  phenomene  l’Arthus.  Ann.  de  1  inst.  I  ast.  \.)u7 , 
No  2.  —  12.  Derselbe:  Etudes  sur  la  morve  experimentale  du 
cobaye.’  Ann.  de  l’Inst.  Past.  1906,  No.  10.  —  13.  C.  Moreschi:  Zur 
I  ehre  von  den  Antikomplementen.  Beri.  klin.  Wochensclir.  1905, 
No.  37.  —  14.  Gengou:  Sur  les  sensibilisatrices  des  serums  actifs 
contre  les  substances  albuminoides.  Ann.  de  l’Inst.  Past.  1902.  • 
15.  P.  Ehrlich:  Gesammelte  Arbeiten  zur  Immunitätsforschung. 
Berlin  1904.  —  16.  F.  Gay  and  E.  Southard:  On  Serum  Anaphy- 
laxis  in  the  guinea-pig.  Journ.  of  medical  Researches.  1907.  No.  2. 
—  17.  C.  v.  Pirquet:  Allergie.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906, 
No.  20.  —  18.  Derselbe:  Klinische  Studien  über  Vakzination  und 
vakzinale  Allergie.  Leipzig  und  Wien  1907. 


Aus  Dr.  Turbans  Sanatorium  in  Davos-Platz. 

Heilerfolg,  Giftwirkung  und  opsonischer  Index  bei  Be¬ 
handlung  mit  Marmoreks  Antituberkuloseserum. 

Kasuistischer  Beitrag. 

Von  Dr.  Gustav  B  a  e  r,  II.  Arzt  der  Anstalt. 

Unter  den  im  Sanatorium  mit  Marmorekserum  behandelten 
Fällen  verdient  folgender  wegen  seiner  aussergewöhnlichen 
Verlaufsweise  praktisches  wie  theoretisches  Interesse. 

Frl.  X.,  23  Jahre,  trat  am  14.  I.  07  ins  Sanatorium  ein.  Von 
anamnestischen  Daten  ist  anzuführen,  dass  ihre  Mutter  an  Lungen¬ 
tuberkulose  starb;  sie  selbst  war  ein  schwächliches  Kind,  das  mit 
6  Jahren  an  Koxitis  litt,  mit  11  Jahren  eine  Lungenentzündung  durch¬ 
machte.  Patientin  war  stets  etwas  nervös,  jedoch  wurden  nie  hyste¬ 
rische  Symptome  beobachtet.  Vor  6  Jahren  begann  Patientin  zu 
husten,  dazu  gesellte  sich  nervöse  Erregbarkeit  und  Mattigkeit;  es 
waren  oftmals  Temperatursteigerungen  bis  38,0  vorhanden.  Ver¬ 
schiedene  klimatische  Kuren  kamen  in  Anwendung,  von  denen  nur  der 
ein  Jahr  währende  Aufenthalt  im  Hochgebirge  wirksamen  Erfolg  — 
Verschwinden  der  Symptome  unter  starker  Gewichtszunahme  — 
brachte.  Im  Oktober  1906  beginnen  Schmerzen  im  linken  Knie  auf¬ 
zutreten,  allmählich  stellen  sich  Schwellung  und  Fieber  ein.  Unter 
Bier  scher  Stauung  nehmen  die  Schwellung,  aber  nicht  die  Schmer¬ 
zen  ab.  Seit  Dezember  hustet  Patientin  wieder,  aber  ohne  Auswurf 
zu  liefern.  Die  Untersuchung  ergibt  kräftiges,  etwas  pastöses  Mäd¬ 
chen  mit  flachem  Thorax.  Die  rechte  Lungenspitze  ist  etwas  ein¬ 
gesunken;  leichte  Dämpfung  rechts  über  und  auf  der  K'avikula,  hinten 
bis  unter  die  Spina  scapulae  mit  rauhem  Inspirium  und  verlängertem, 
verschärften  Exspirium,  sowie  feinen  Rasselgeräuschen;  auch  links 
hinten  oben  abgeschwächtes,  rauhes  Inspirium  mit  ves.-bronch.  Ex¬ 
spirium. 

Im  Sputum  nie  Tuberkelbazillen.  Das  Herz  ohne  Besonderheiten, 
Puls  86,  regelmässig.  Die  Temperatur  (Mundmessungen)  sehr 
schwankend  (37,5 — 38,4).  Im  Urin  kein  Eiweiss,  kein  Zucker.  Das 
linke  Kniegelenk  weist  im  Bereiche  des  Condylus  internus  tibae  eine 
mässige  Schwellung  und  Schmerzhaftigkeit  auf;  die  aktive  und  pas¬ 
sive  Beweglichkeit  des  Gelenkes  ist  sehr  herabgesetzt.  Das  Knie 
wurde  immobilisiert  und  am  12.  I.  sowie  am  2.  II.  mit  Injektionen  von 
Jodoformglyzerin  in  den  Krankheitsherd  behandelt.  Sie  verursachten 
starke  lokale  Reaktion,  ohne  den  gewünschten  Erfolg  zu  bringen. 
Es  wurde  deshalb  am  14.  II.  07  mit  Marmorekserum  begonnen,  täglich 
1 1  Uhr  a.  m.  5  ccm  rektal.  Etwa  eine  Stunde  nach  jedem 
Serumklysma  stellte  sich  Hitzegefühl,  Klopfen  und  Schmerz  im  1.  Knie 
ein,  um  nach  Vz — 3U  stiindiger  Dauer  wieder  zu  verschwinden,  bei 
den  ersten  Klysmen  stärker,  als  später.  Das  Knie  war  bereits  nach 
den  ersten  Dosen  abgeschwollen  und  viel  weniger  schmerzhaft,  das 
Allgemeinbefinden  sehr  gebessert. 

Temperatur  (vor  der  Behandlung  bis  38,3)  sinkt  lytisch  ab,  er¬ 
reicht  nach  der  6.  Dosis  nur  noch  37,3. 

Am  20.  II.  (nach  der  7.  Eingiessung)  beginnt  aus  bestem  Wohl¬ 
befinden  heraus  5  Uhr  p.  m.  plötzlich  hochgradige  Bangigkeit  und 
Herzklopfen,  Schwindelgefühl  und  Flimmern  vor  den  Augen.  Puls  132, 
Atmung  regelmässig,  nicht  beschleunigt.  Rascher  '1  emperaturanstieg 
von  36,8  (4  Uhr)  auf  38,3  (6  Uhr). 

Zunehmende  Uebelkeit  ohne  Erbrechen. 

7  Uhr:  Puls  90.  regelmässig,  kräftig.  Intensive  Kopfschmerzen. 
Pupillen:  weit,  etwas  träge  reagierend.  Sehen  sehr  erschwert,  nur 
undeutliche  Bilder.  Gehörshalluzinationen:  Klingen  von  Glocken, 
später  Gehörperzeptionen  fast  erloschen. 

8  Uhr:  Zunehmendes  Schwindelgefühl;  Patientin  glaubt  zu 
fliegen;  Präkordialangst,  hochgradige  Aufgeregtheit  und  motorische 
Unruhe.  Puls:  96,  etwas  unregelmässig,  kleiner  und  weicher  werdend. 
Temperatur  37,8;  Atmung  fängt  an  sieh  periodisch  zu  vertiefen  und 
zu  verlangsamen.  Hochgradige  periphere  Zyanose  mit  Kältegefühl, 
kein  Schweiss. 


Pupillen:  sehr  weit,  noch  träger  reagierend.  Lebhafte  Schmerzen 
im  linken  Knie. 

Allmählich  bildet  sich  Chevne-Stokes sehe  Atmung  aus 
mit  sehr  grossen  Atempausen.  Puls  sehr  unregelmässig,  alle  5 — 6 
Schläge  aussetzend,  sehr  klein,  100 — 110. 

Vs  1 0  Uhr:  Kopfschmerz  und  Schwindel  noch  gesteigert.  Be¬ 
ginnende  Schwerbesinnlichkeit.  Patientin  reagiert  nur  noch  auf 
stärkeres  Anrufen,  dabei  Zusammenschrecken.  Augen  oft  starr 
fixierend.  Seltener  Lidschlag.  Zunge  schwer  beweglich,  Schluckakt 
behindert.  Sehr  verlangsamter  Denkakt  (Rechnen).  Personen  werden 
noch  richtig  erkannt.  Reflexe  nicht  gesteigert.  Hochgradige  Un¬ 
ruhe  (Zittern,  Flockenlesen,  Herumfuchteln  mit  den  Armen).  Die 
Behandlung  war  rein  symtomatisch:  Eisblase  auf  dem  Kopf,  einige 
kräftige  Dosen  Kognak,  Bromnatrium. 

11  Uhr:  Atmung  wird  wieder  regelmässiger;  Puls  104,  ziemlich 
kräftig,  regelmässig.  Sensorium  noch  sehr  benommen.  Nacken  etwas 
steif  und  auf  Druck  empfindlich.  Pupillen  gut  reagierend. 

21.  II.:  Patientin  war  bis  5  Uhr  sehr  unruhig,  nicht  klar,  wenig 
geschlafen;  dann  Wz  Stunden  geschlafen,  darnach  Sensorium  freier. 

8  Uhr:  Puls  104,  kräftig,  regelmässig.  Intensive  Kopfschmerzen. 
Pupillen:  normal.  Temperatur  37,7.  Tagsüber  Kopfschmerzen 
schwindend.  Puls:  kräftig.  72.  Temoeratur:  herabgehend  auf  36.8. 
Im  Urin:  kein  Eiweiss,  kein  Zucker.  Keine  Ervtheme.  Abends  steigt 
die  Temperatur  nochmals  auf  37,7  an,  dabei  Puls  wieder  frequenter 
(102)  und  etwas  unregelmässig. 

22.  II.:  Alle  Erscheinungen  geschwunden.  Die  Serumbehandlung 
(2Vs  ccm)  wird  am  25.  II.  von  neuem  begonnen,  am  27.  II.  die  gleiche 
Dosis  wiederholt.  Am  28.  II.  nach  schlecht  verbrachter  Nacht 
morgens  Kopfschmerzen  und  Schwindelgefühl,  Atmung  und  Puls  un¬ 
verändert.  Temperatur  37.9.  Knie  schmerzhaft. 

Am  1.  III:  Mittags  sind  alle  Erscheinungen  zurückgegangen,  nur 
Temperatur  abends  8  Uhr  auf  38.4  erhöht.  Vom  2.  III.  bis  12.  III.  alle 
2  Tage,  am  15.  III.  nach  3  tägigem  Intervall,  5  ccm  Serum,  ohne  Störung. 
Im  Knie  keine  spontanen  Schmerzen  mehr,  nur  noch  geringe  Druck¬ 
empfindlichkeit.  Die  Temperaturen  (s.  Kurve)  sind,  von  einigen 


leichten  Erhebungen  abgesehen,  fortan  meist  normal  (Rektal- 
1  —  2 

temperaturen  nur  höher).  Am  21.  III.  —  6  Tage  nach  der  letzten 

Serumdosis  —  beginnen  Schmerzen  und  Schwellung  in  der  Grund¬ 
phalanx  des  rechten  IV.  Fingers;  die  Serumbehandlung  (2  tägig 
5  ccm)  wird  wieder  aufgenommen;  zugleich  lokale  Stauung  und  Be¬ 
sonnung.  Seit  1.  IV.  Finger  schmerzfrei  und  völlig  zur  Norm  zurück¬ 
gegangen.  Wegen  wieder  auftretender  Knie-  und  Fingerbeschwerden 
am  3.  IV.  nochmals  5  ccm  Serum,  desgleichen  am  7.  IV.  Im  Anschluss 
an  diese  letzte  Eingiessung  beginnen  schon  einige  Stunden  später 
Kopfschmerzen.  Magenbeschwerden  und  Sehstörungen.  Puls:  90, 
Temperatur:  37,8.  Abends  Schwellung  am  rechten  Handgelenk 
(dorsal);  Haut  intensiv  gerötet,  infiltriert  und  heiss  sich  anfühlend.  Das 
Gelenk  selbst  auf  Druck  und  bei  Bewegung  empfindlich.  Finger  und 
Knie  reagieren  nicht  mit.  Am  8.  IV.  Schwellung  und  Rötung  ge¬ 
schwunden. 

Am  17.  IV.  plötzlich  eintretende  Schmerzen  im  linken  II.  Finger 
(Endphalanx),  am  18.  IV.  auch  im  III.  Finger  (Grundphalanx);  beide 
Finger  schwellen  an.  Keine  Temperatursteigerung. 

Unter  Serumbehandlung,  lokaler  Stauung  und  Besonnung  seit 
25.  IV.  Finger  wieder  fast  normal. 

Die  Röntgenaufnahme  ergibt  keinen  sicher  nachweisbaren  Be¬ 
fund  am  Knie,  an  der  Grundphalanx  des  linken  III.  Fingers  einen  etwa 
stark  hanfkorngrossen,  dunklen  Herd,  sonst  an  den  Händen  nichts 
pathologisches.  Patientin  erhält  eine  L  i  e  r  m  a  n  n  sehe  Gehschiene, 
die  sie  seitdem  mit  gutem  Erfolge  trägt. 

Am  Knie  zeigt  sich  nur  noch  eine  leichte  Schwellung  und  Druck¬ 
empfindlichkeit  an  dem  Krankheitsherde. 

In  2 — 4  tägigen  Intervallen  weiterhin  je  5  ccm  Serum,  das  ohne 
Störungen  vertragen  wird. 

Am  19.  V.  (2  Tage  zuvor  Serum  nach  5  tägiger  Pause)  schmerz¬ 
hafte  höckerige  Rötung  und  Schwellung  an  der  Mittelphalanx  des 
rechten  IV.  Fingers,  sowie  des  linken  II.  Fingers,  an  der  Grundphalanx 
des  linken  III.  Fingers  (hier  am  stärksten  mit  Schmerzhaftigkeit  des 
Mittelgelenks),  sowie  der  Grund-  und  Mittelphalanx  des  IV.  Fingers. 
Die  Haut  zeigt  an  diesen  Partien  ein  weissgelbliches  Zentrum,  darum 
erhöhter,  roter  Hof,  C-förmig  oder  auf  Fingerdruck  beständiges  röt¬ 
liches  Zentrum  mit  ödematösem.  weisslichen  Hof,  dieser  wieder  röt¬ 
lich  umgrenzt.  Lebhaftes  Brennen  und  Jucken  in  diesen  Partien. 

Die  Erscheinungen  gehen  nur  langsam  zurück;  deshalb  wird  vom 
24. — 27.  V.  wieder  täglich  5  ccm  Serum  gegeben.  Die  Periostgelenk-^ 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1671 


schmerzen  der  Finger  werden  wesentlich  gebessert,  dagegen  bleibt 
die  Hautaffektion  unverändert. 

Am  2.  VI.,  nach  5  tägiger  Pause,  nochmals  5  ccm  Serum;  schon 
eine  Stunde  darnach  starke  Schmerzen  im  rechten  IV.  Finger, 
Schwindel,  Kopfschmerzen,  Sehstörungen,  psychische  Depression; 
abends  Symptome  verstärkt,  8  Uhr  37,7;  von  V2IO  Uhr  an  bildet  sich 
der  Anfall  aus,  ähnlich  dem  am  20.  11.  Vorherrschend  sind  diesmal 
die  zerebralen  Erscheinungen;  Bewusstlosigkeit  mit  geringen  Unter¬ 
brechungen  andauernd  bis  2  Uhr  nachts.  Pupillen  sehr  träge  rea¬ 
gierend,  bei  etwas  klarerem  Bewusstsein  (nach  sehr  starkem  An¬ 
rufen)  prompte  Reaktion  auf  Bichteinfall. 

puls:  90—IOO,  sehr  unregelmässig,  aussetzend.  Atmung  ober¬ 
flächlich,  beschleunigt. 

Am  3.  VI.  noch  sehr  grosse  Schwäche,  verlangsamter  Denkakt, 
Sehstörungen.  Puls  und  Temperatur  wieder  normal.  Im  Urin  kei  l 
Zucker,  kein  Albumen.  Finger  noch  empfindlich,  das  Knie  reagierte 

nicht  mit.  _  _ 

Hiermit  wurde  die  Serumbehandlung  abgeschlossen.  Der  (je- 
samtverbrauch  war  in  37  Dosen  177,5  ccm. 

Nach  dem  letzten  Anfall  bleibt  eine  Zeitlang  eine  gewisse  Denk¬ 
trägheit  und  leichte  Schwäche  in  den  Augen  bestehen,  ebenso  leichte 
Schmerzen  in  beiden  IV.  Fingern,  sowie  am  linken  Mittelfinger.  Im 
Knie  kein  Schmerz  mehr,  auch  nicht  auf  Druck.  Patientin  geht  ohne 
Beschwerden,  fühlt  sich  kräftig,  psychisch  keinerlei  Störungen,  ausser 
geringer  Gedächtnisschwäche. 

Wenn  wir  das  ganze  Kronkheitsbild  nochmals  überblicken, 
so  hebt  sich  daraus  die  evidente  Tatsache  hervor,  dass  bei 
einem  frischen  Fall  von  Kniegelenktuberkulose  mit  starken 
aktiven  Erscheinungen  durch  Anwendung  des  Marmorek- 
serums  der  Prozess  zum  Stillstand  und  Abklingen  gebracht 
wurde.  Schwieriger  zu  beantworten  sind  die  Fiagen,  in 
welcher  Weise  das  Serum  im  menschlichen  Körper  seine  Wirk¬ 
samkeit  entfaltet,  sowie  speziell  wie  die  trotz  des  zweifellosen 
Erfolges  so  alarmierend  aufgetretenen  Anfälle  zu  erklären  sind. 

Es  lag  hier  der  Gedanke  nahe,  die  mit  ausserordentlicher 
Vehemenz  sich  bis  zum  Symptomenbild  des  Gehirnödems 
steigernde  Attacke  als  Serumkrankheit  aufzufassen,  besonders 
da  im  weiteren  Verlaufe  der  Behandlung  deutliche  Serum¬ 
erscheinungen  zu  konstatieren  waren. 

Der  einzige  Fall  von  Serumkrankheit,  der  hier  in  Parallele 
gesetzt  werden  könnte,  ist  dfer  von  Rosenhaupt1)  be¬ 
schriebene.  Hier  trat  8  Tage  nach  der  Injektion  von  16  ccm 
Diphtherieserum  urtikariaähnlicher  Ausschlag  mit  Oedem  über 
den  ganzenKörper  auf ;  dazu  gesellte  sich  starkeDyspnoe 
und  Zyanose  der  Lippen  und  Nägel,  ausserdem 
Temperaturerhöhung  bis  39,2  und  perikardialer  Er- 
guss. 

Im  Gegensätze  dazu  jedoch  fehlten  in  unserem  Krankheits¬ 
bilde  zur  Zeit  der  schweren  Anfälle  jegliche  Erscheinungen  von 
seiten  der  Haut,  ebenso  die  meist  bei  Serumkrankheit  beob¬ 
achteten  schmerzhaften  Arthralgien  und  Myalgien,  sowie  Reiz¬ 
erscheinungen  seitens  der  Nieren.  Wäre  der  Symptomen- 
komplex  durch  Einverleibung  artfremden,  id  est  Pferdeserum, 
hervorgerufen  worden,  so  müssten  die  unmittelbar  nach  den 
Attacken  angestellten  Präzipitinreaktionen  —  auf  Grund  der 
Beobachtungen  von  Marfan  und  L  e  P  1  a  y 2)  —  positiv  aus¬ 
gefallen  sein. 

Unsere  beiden  Versuche,  Mischen  von  Pferdeserum  mit 
dem  Serum  der  Patientin  in  verschiedenen  Konzentrationen 
(von  1 :  1  bis  zu  1 :  100)  und  Beobachtung  der  Reaktion  im  Brut¬ 
ofen,  waren  absolut  negativ. 

Die  Symptome  deuten  vielmehr  darauf  hin,  dass  es  sich 
um  eine  Ueberladung  des  Organismus  mit  Tuberkulotoxinen 
handeln  muss.  Hierfür  spricht  auch  das  eigenartige  Verhalten 
der  Kurve  des  opsonischen  Index,  worauf  wir  später  noch  zu- 
riiekkommen  werden. 

Wir  können  annehmen,  dass  vom  Krankheitsherde  aus  die 
gesamte  Blutbahn  mit  gelösten  Toxinen  überschwemmt  wurde; 
die  mit  einer  gewissen,  vielleicht  elektiven  Toxinüberempfind- 
lichkeit  ausgestatteten  Organe  reagieren  am  raschesten  und 
intensivsten  auf  die  Gifte  und  so  bildet  sich  rasch  der  geschil¬ 
derte,  schwere  Zustand  aus,  der  mit  dem  Eintritt  von  Somno¬ 
lenz,  C  h  e  y  n  e  -  S  t  o  k  e  s  scher  Atmung,  starker  Zyanose, 
ferner  Temperatursteigerung  und  schweren  Störungen  seitens 


Ü  Rosenhaupt:  Klinischer  Beitrag  zur  Scrumkrankheit. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  42. 

2)  Marfan  und  Le  Play:  Revue  niensuelle  des  maladies  de 
l’enfance.  XXIII.  Mai  1905. 


des  Herznervenappartes  seinen  Höhepunkt  erreicht.  Kurz  ge¬ 
sagt,  wir  sehen  das  Intoxikationsbild  der  akuten  Miliartuber¬ 
kulose,  mit  Ueberwiegen  der  zerebralen  Erscheinungen,  auf 
wenigeStunden  zusammengedrängt,  mit  völligem  Abklingen  des 
pathologischen  Zustandes  zur  Norm.  Es  wäre  naheliegend,  zu 
vermuten,  dass  bei  der  so  überraschend  prompten  und  gün¬ 
stigen  Einwirkung  des  Marmorekserums  an  dem  frischen  Knie¬ 
herde  ausser  der  auf  Neutralisierung  der  giftigen  Stoffwechsel¬ 
produkte  abzielenden  Wirkung  noch  ein  bakteriolytischer  Pro¬ 
zess  stattgefunden  hat  mit  dem  Resultate  des  Freiwerdens  von 
Endotoxinen,  die  ihrerseits,  vielleicht  unter  Kumulierung,  plötz¬ 
lich  den  schweren  Vergiftungsanfall  zur  Auslösung  brachten. 

Der  Beweis  für  eine  direkte  Bakteriolyse  ist  freilich,  so¬ 
weit  aus  der  Literatur  zu  ersehen  ist,  für  den  Tuberkelbazillus 
bis  jetzt  noch  nicht  in  einwandfreier  Methode  erbracht  worden, 
vergleiche  hiezu  die  Arbeit  von  Dembinski:  Ueber  die  Bak- 
teriolvse  der  säurefesten  Bazillen  (Zeitschrift  für  Tuberkulose, 
Bd.  X,  Heft  5). 

Auch  unsere  eigenen  experimentellen  Versuche  ergaben 
völlig  negatives  Resultat.  Wir  brachten  nämlich  _  eine  Auf¬ 
schwemmung  lebender  Tuberkelbazillen  in  physiologischer 
Kochsalzlösung  mit  Marmorekserum  zusammen,  das  durch  Zu¬ 
satz  von  frischem,  also  komplementhaltigem  Serum  einer  leicht 
lungenkranken  Patientin  aktiviert  wurde.  Die  Mischung  weilte 
dann  24  Stunden  im  Brutofen.  Die  darauf  vorgenommene 
mikroskopische  Untersuchung  ergab  keinerlei  Anzeichen  für 
Auflösung  oder  Verminderung  der  Bakterien. 

Ein  von  uns  angestellter  Tierversuch  anderseits  sprach  mit 
Bestimmtheit  für  die  bakterizide  Kraft  des  Marmorekserums. 
Zwei  Normalösen  Tuberkelbazillen  von  einer  8  Wochen  alten 
iKartoffelkultur  wurden  mit  2  ccm  physiologischer  Kochsalz¬ 
lösung  15  Minuten  verrieben  und  davon  V*  ccm  einem 
8  Wachen  alten  Meerschweinchen  intraperitoneal  verimpft. 

Die  gleiche  Menge  der  Emulsion  wurde  mit  2  ccm  Mar- 
morekserum  zusammengebracht,  zur  Aktivierung  des  Serums 
1  ccm  Normalserum  hinzugefügt  und  die  Mischung  nach 
?4stündigem  Verweilen  im  Brutofen  einem  gleichaltrigen 
Meerschweinchen  in  die  Bauchhöhle  injiziert. 

Pe}  der  4  Wochen  darnach  vorgenommenen  Sektion  fand 
sieh  bei  dem  Konfrontiere  eine  nortale  Lynrnhdrüse,  des¬ 
gleichen  die  Bronchialdrüsen  verkäst,  im  Ausstrich  massen¬ 
hafte  Tuberkelbazillen,  während  das  mit  Serum  behandelte 
völlig  gesund  geblieben  war. 

Es  soll  hier  daran  erinnert  werden,  dass  Marmorek  ) 
selbst  bei  Meerschweinchen  eine  tuberkulöse  Erkrankung  ver¬ 
hüten  konnte,  wenn  er  unmittelbar  nach  der  Infektion  mit  viru¬ 
lentem  Material  Antituberkuloseserum  in  die  Blutbahn,  intra¬ 
peritoneal  oder  subkutan,  injizierte;  es  erwies  sich  bei  diesen 
Versuchen  der  intravenöse  Weg  als  der  wirksamste. 

Der  Erfolg  war  auch  dann  noch  ausgesprochen,  wenn  die 
Serumeinverleibung  nach  letzterer  Methode  erst  2  3  Tage 
nach  der  Infektion  erfolgte. 

Wenn  somit  diese  Experimente  auch  für  die  Bakterizidie 
des  Antituberkuloseserums  snrechen.  so  möchte  ich  doch, 
wenigstens  nicht  aus  meinem  einzigen  Tierversuche,  endgültige 
Schlüsse  ziehen:  es  bleibt  überdies  immer  noch  die  Frage  zu 
beantworten,  in  welcher  Weise  sich  diese  Schutzkraft  wirksam 
erweist. 

Einen  Fingerzeig  zur  Klärung  dieser  Vorgänge  gebe" 
die  grundlegenden  Arbeiten  von  W  right3 4 5)0),  von  N  e  u  f  e  1  d 
und  R  i  m  p  a  u  u.  a.  W  r  i  g  h  t  und  seine  Mitarbeiter  zeigten, 
dass  unter  dem  Einflüsse  gewisser,  für  die  verschiedenen  In¬ 
fektionen  snezifischer  Substanzen  im  Blutserum,  der  sogen. 
Opsonine,  die  Bakterien  für  die  Aufnahme  durch  die  Phago¬ 
zyten  vorbereitet  werden;  es  tritt  jedoch  nur  eine  Art  von  Bak- 
teriotropie.  eine  Umstimmung,  nicht  aber  eine  direkte  Schädi¬ 
gung  der  Bakterien  durch  die  Opsonine  auf. 


3)  Marmorek:  Weitere  Untersuchungen  über  den  Tuberkel¬ 
bazillus  und  das  Antituberkuloseserum.  Berliner  klin.  Wochenschr. 

4)  Zusammenfassendes  Referat:  W.  R  0  s  e  n  t  h  a  1 :  Die  Wri glit¬ 
sche  Opsoninlehre  und  ihre  klinische  Verwertung  zu  diagnostischen 
und  theraoeutischen  Zwecken.  Med.  Klinik  1907.  No.  15. 

5)  Löhlein:  Ueber  A.  E.  Wrights  Opsonin  und  seine 
therap.  Bestrebungen  bei  Infektionskrankheiten.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1907,  No.  30. 


1672 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Es  wurde  nachgewiesen,  dass  selbst  ein  hochwertiges 
Immunserum,  mit  opsoninbeladenen  Bakterien  zusammen¬ 
gebracht,  keine  Hemmung  auf  die  Entwicklung  der  Keime  aus¬ 
übt;  erst  die  zugefügten  Phagozyten  vermögen  bei  geeigneten 
Mengeverhältnissen  in  vitro  die  Bakterien  abzutöten  und  so 
der  Resorption  zuzuführen. 

Wir  haben  es  somit  mit  einer  „indirekten  Bakteriolyse“  zu 
tun,  wie  sie  Jousset* * * * 6 *)  nennt. 

Um  einen  Massstab  für  den  quantitativen  Gehalt  eines 
Serums  an  Opsoninen  zu  erhalten,  wurde  von  W  right  der 
Begriff:  „opsonischer  Index“  eingeführt:  man  versteht  darunter 
das  Verhältnis  des  Opsoningehaltes  des  Patientenserums  zu 
dem  eines  normalen  Serums. 

Im  Tierexperiment  haben  G  r  u  b  e  r  und  F  u  t  a  k  i ')  die 
grosse  Bedeutung  solcherSchutzstoffe  bei  Einbringen  von  viru¬ 
lenten  Keimen  in  die  Blutbahn  in  klassischer  Weise  nach¬ 
gewiesen  und  so  viel  zum  besseren  Verständnis  einer  Reihe 
von  einschlägigen  Fragen  beigetragen. 

Die  beiden  Forscher  machten  nämlich  die  interessante  Er¬ 
hebung,  dass  ins  Blut  eingespritzte  Bakterien  schon  nach  ganz 
kurzer  Zeit  nur  noch  zu  einem  kleinen  Bruchteil  vorhanden 
sind;  die  anderen  sind  durch  die  Phagozyten  unter  der  Wir¬ 
kung  bestimmter  Substanzen  aufgenommen  worden,  von  denen 
die  beiden  Autoren  die  Frage  offen  lassen,  ob  sie  mit  den 
Opsoninen  zu  identifizieren  sind  oder  nicht.  Dabei  zeigen  die 
gefressenen  Keime  alle  Stadien  des  Zerfalls. 

Die  weiteren  Untersuchungen  haben  ergeben,  dass  im  in¬ 
aktivierten  Serum  die  Phagozytose  gleich  Null  ist,  dass  sie  im 
aktiven  stark,  im  Immunserum  am  kräftigsten  zutage  tritt. 

Das  Verhalten  der  Tuberkelbazillen  ist  in  diesen  Arbeiten 
nicht  studiert  worden;  jedoch  geben  uns  die  Untersuchungen 
Marmoreks8 *)  gewisse  Anhaltspunkte  dafür.  Er  wies  nach, 
dass  in  der  Blutbahn  an  tuberkulöser  Septikämie  erkrankter 
Meerschweinchen  die  Virulenz  der  Tuberkelbazillen  eine  er¬ 
hebliche  Abschwächung  erleidet,  so  dass  die  mit  derartigem 
bazillenhaltigen  Blute  intraarteriell,  intravenös  oder  intraperi¬ 
toneal  infizierten  Meerschweinchen  in  fast  allen  Versuchen  ge¬ 
sund  blieben,  während  bei  subkutaner  Einverleibung  lokale 
Herde  entstanden. 

Wie  die  Virulenzverminderung  erfolgt,  wurde  nicht  weiter 
untersucht.  Jedoch  finden  wir  in  einer  anderen  Arbeit  des¬ 
selben  Autors  8*)  die  exakte  Beweisführung,  welch  ausschlag¬ 
gebende  Bedeutung  gerade  der  völligen  Integrität  der  Phago¬ 
zyten  für  die  Verhütung  einer  tuberkulösen  Infektion  zukommt. 
Gegen  Tuberkulose  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  nämlich 
refraktäre  Tiere,  wie  weisse  Mäusse,  konnten  mit  Erfolg  erst 
dann  infiziert  werden,  wenn  die  Phagozyten  durch  Einspritzen 
von  Chinin  gelähmt  waren. 

Es  ist  mithin  naheliegend  und  völlig  im  Einklang  mit  den 
Untersuchungen  der  Münchener  Autoren,  wenn  wir  annehmen, 
dass  die  Abschwächung  auf  dem  Umwege  der  Phagozytose 
erfolgte. 

Phagozytose  ist  bekanntlich  nicht  immer  gleichbedeutend 
mit  Abtötung  der  aufgenommenen  Keime;  Grub  er  und 
F  u  t  a  k  i  konnten  sogar  ein  Wachstum  von  phagozytierten 
Aureuskeimen  und  Milzbrandbazillen  nachweisen. 

Andererseits  tritt  jedoch,  wie  oben  angeführt,  in  der 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  die  Vernichtung  der  Keime  durch 
die  Phagozytose  ein;  zwischen  diesen  beiden  Extremen  gibt 
es  zweifellos  Uebergänge,  die  sich  eben  als  Virulenzabschwä- 
chung  dokumentieren  werden. 

Ueber  die  Vorgänge  bei  der  Vernichtung  von  Tuberkel¬ 
bazillen,  die  in  bereits  abgeschwächtem  Zustande  injiziert 
wurden,  sind  noch  weitere  Untersuchungen  anzustellen. 

Für  inaktives  Serum  fanden  wir,  analog  den  Re¬ 
sultaten  von  G  r  u  b  e  r  und  F  u  t  a  k  i,  den  phagozytischen  Wert 
fast  gleich  Null;  wir  benutzten  zu  diesem  Nachweis  in¬ 


“)  La  Methode  „opSonique“  de  Wright,  par  M.  Andre  Jousse  t. 

Bulletin  mensuel  de  la  Societe  d’etudes  scientifiques  sur  la  tuberculose 

1907,  No.  5. 

')  Gr  über  und  Futaki:  Seroaktivität  und  Phagozytose. 

Munch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  6. 

8)  1.  c. 

8D  Marmor ek:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Virulenz  der  TB. 

Berl.  klin.  Wochenschr.  1906. 


aktives  Marmorekserum,  das  wir  mit  Leukozyten  und  auf¬ 
geschwemmten  Tuberkelbazillen  zusammenbrachten  und  be¬ 
stimmten  danach  den  opsonischen  Index.  Der  erhaltene  Wert 
betrug  0,18. 

Die  gleichen  Versuche  von  Bosanquet  und  F  r  e  n  c  h ") 
ergaben  den  Index:  0,127. 

Wenn  ich  den  Versuch  so  abänderte,  dass  ich 
Immunserum,  nämlich  Marmorekserum,  zu 
dem  Serum  eines  Gesunden  oder  Tuber¬ 
kulösen  hinzu  setzte,  so  fand  ich  deren 
Index  u  m  ein  mehrfaches  gesteigert, 
ebenfalls  in  Uebereinstimmung  mit  den  obigen  Er¬ 
gebnissen  von  G  r  u  b  e  r  und  Futaki.  Die  ausführlichen  Mit¬ 
teilungen  über  diese  letzten  Beobachtungen  werde  ich  in  einer 
gemeinsamen  Arbeit  mit  Herrn  Geheimrat  Dr.  Turban  ver¬ 
öffentlichen. 

Eine  hochinteressante  Bestätigung  dieser  experimentellen 
Beobachtungen  bietet  uns  das  Verhalten  der  Kurve  des  op¬ 
sonischen  Index  bei  unserem  Krankheitsfalle. 

Der  Index  war  bei  mehrtägiger,  fortlaufender  Beobachtung 
vor  Beginn  der  Serumbehandlung  auf  den  konstanten  Wert  0,5 
eingestellt.  Wir  sehen  dann  das  kontinuierliche  Ansteigen  des 
Index  bei  täglicher  Serumeinverleibung  ganz  in  Ueberein¬ 
stimmung  mit  den  Beobachtungen  von  Bosanquet  und 
French  10)  an  ihren  Kranken. 

Zugleich  mit  dem  Ansteigen  der  opsonischen  Kraft  findet 
eine  erhebliche  Besserung  des  lokalen  Herdes  und  des  Allge¬ 
meinbefindens  statt,  mit  Rückgang  des  Fiebers  und  der 
Schmerzen. 

Am  Morgen  nach  dem  stürmischen  Anfall  konstatierten  wir 
ein  steiles  Absinken  der  Kurve,  die  darauf  wieder  fast  zur  vor¬ 
her  innegehabten  Höhe  anstieg.  Von  da  an  schwankt  der 
Index  bei  Anwendung  des  Serums  in  kürzeren  oder  längeren 
Pausen  auf  und  ab.  Der  hohe  Anstieg  am  15.  III.  erklärt  sich 
daraus,  dass  das  Serum  diesmal  schon  in  frühester  Morgen¬ 
stunde  gegeben  wurde,  einige  Stunden  vor  Entnahme  der 
Blutprobe  zur  Indexbestimmung. 

Nach  Aussetzen  des  Serums  sinkt  der  opsonische  Index 
wieder  zu  den  ursprünglichen  Werten,  bald  rascher,  bald  lang¬ 
samer  zurück,  ein  Beweis,  dass  die  Steigerung  der  opsonischen 
Kraft  ganz  und  gar  von  dem  jeweiligen  Gehalt  des  Blutes 
an  Immunserum  abhängig  ist.  Zurzeit,  bei  Abschluss  der  Ar¬ 
beit  Ende  Juli,  beträgt  der  fast  konstante  Index:  0,50 — 0,56. 

Wright  hat  festgestellt,  dass  nach  Einverleibung  von 
Tuberkulin  der  opsonische  Index  zunächst  fällt,  um  danach, 
meist  über  die  vorherige  Höhe,  sich  zu  erheben  und  dann  all¬ 
mählich  wieder  langsam  abzusinken;  er  nennt  diese  Phänomene 
negative  und  positive  Phase.  Die  erstere  zeigt  besonders 
dann  sehr  starkes  Absinken,  wenn  die  Tuberkulindosis  zu 
gross  war. 

Wir  glauben,  die  in  unserem  Falle  im  Anschluss  an  die 
Attacke  beobachteten,  sehr  erheblichen  Ausschläge  auch  als 
negative  und  positive  Phase  auffassen  und  in  gleichem  Sinne 
deuten  zu  müssen.  Wir  können  dabei  annehmen,  dass,  viel¬ 
leicht  durch  raschen  Zerfall  von  Phagozyten,  plötzlich  eine 
relativ  grosse  Quantität  Tuberkulotoxine  resorbiert  wurde,  für 
die  der  Organismus  nicht  sofort  die  nötigen  Gegenstoffe  bereit 
hatte. 

Sollten  nicht  die  von  einigen  Autoren  beschriebenen, 
raschen  Propagationen  der  Erkrankung  bei  Anwendung  von 
Marmorekserum  in  Fällen  von  bereits  vorgeschrittener  Tuber¬ 
kulose  auf  ähnliche  Vorgänge  zurückzuführen  sein? 

Es  ist  unvermeidlich,  dass  wir  bei  diesen  Erklärungsver¬ 
suchen  uns  bereits  im  Bereiche  von  Hypothesen  befinden; 
immerhin  lassen  die  objektiven  Tatsachen  zwanglos  derartige 
Deutungen  zu. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig,  für  die  eigenartigen,  einige 
Wochen  nach  der  ersten  Attacke  aufgetretenen  Affektionen  der 
Finger  Erklärung  zu  suchen. 

Wir  haben  hier  strikte  Unterschiede  zu  machen;  die  im 
rechten  IV.  und  im  linken  III.  Finger  beobachteten  Störungen 
gehen  wohl  vom  Knochen  aus;  für  den  letztgenannten  Finger 

°)  Bosanquet  und  French  :  The  influence  of  Antituber- 
culous  Serum  on  the  Opsonic  Index.  Brit.  med.  Journal  1907,  No.  2415. 

10)  1.  c. 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1673 


wird  dies  ja  durch  das  Röntgenogramm  direkt  bewiesen.  Es 
spricht  für  diese  Annahme  auch  der  Umstand,  dass  diese  Stö¬ 
rungen  unter  Fortsetzung  der  Serumbehandlung  völlig  zurück¬ 
gingen  und  jetzt  als  abgelaufen '  gelten  können.  Es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  unter  dem  Einflüsse  der  stürmischen 
Allgemeinreaktion  diese  kleinsten,  bisher  völlig  latenten  Herde 
aktiviert  und  allmählich  manifest  wurden.  Die  in  der  Haut 
und  in  den  Gelenken  hingegen  sich  lokalisierenden  Beschwer¬ 
den,  mit  zum  Teil  sehr  protrahiertem  Verlaufe,  müssen  wir 
als  durch  Serumwirkung  hervorgerufen  ansehen;  sie  werden 
nämlich  im  Gegensätze  zu  obigen  Affektionen  durch  neue  In¬ 
jektionen  eher  verstärkt. 

Es  liegt  uns  ferne,  aus  unserer  bisher  einzigartigen  Be¬ 
obachtung  —  denn  die  bereits  sehr  stattliche  Marmorekliteratur 
berichtet  zwar  von  einer  Reihe  von  zum  Teil  schweren  Zu¬ 
fällen  bei  dieser  Behandlung,  aber  von  keinem,  der  sich  mit 
dem  unsrigen  decken  würde  —  weitgehende  Schlüsse  ziehen  zu 
wollen  auf  die  Berechtigung  oder  Nichtberechtigung  dieser 
Therapie.  Immerhin  lehrt  uns  der  Fall,  auf  welche  unange¬ 
nehmen  Ueberraschungen  man  selbst  bei  offensichtlichem  Er¬ 
folg  bei  dieser  Behandlungsmethode  gefasst  sein  muss,  und 
dass  man  auch  trotz  strengster  Indikationsstellung  und  unter 
Inanspruchnahme  der  modernen  serologischen  Hilfsmittel  nicht 
imstande  ist,  sich  vor  dem  Auftreten  so  unliebsamer  alar¬ 
mierender  Attacken  sicher  zu  stellen. 

Andererseits  bot  uns  gerade  dieser  fatale  Anfall  die  Mög¬ 
lichkeit,  auf  Grund  kontinuierlicher  Beobachtungen  des  opso¬ 
nischen  Index  die  eigenartige  Wirkung  des  Serums  kontrol¬ 
lieren  zu  können  und  damit  bisher  noch  nicht  oder  nur  wenig 
bekannte  Reaktionen  aufzudecken. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Tübingen  (Prof.  R  o  m  b  e  r  g). 

lieber  hysterische  Schweisse. 

Von  Dr.  Hans  Cu  r  schm  an  n,  dirigierender  Arzt  der 
inneren  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  zu  Mainz,  bisher 
Privatdozent  und  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Die  Lehre  von  den  hysterischen  Störungen  der  vasomoto¬ 
rischen  Funktionen,  der  Wärmeregulierung  und  der  Sekretion, 
ist  von  jeher  ein  vielumstrittenes  Kapitel  in  der  Symptomato¬ 
logie  dieses  Leidens  gewesen.  Seit  Charcot  haben  sich  an 
der  Hand  einer  rasch  anwachsenden  Kasuistik  eine  grosse  An¬ 
zahl  von  Autoren  mit  der  Frage  beschäftigt:  Gibt  es  wirklich 
echte  trophische,  wärmeregulatorische  und  sekretorische  Stö¬ 
rungen  infolge  der  Hysterie  oder  sind  alle  jene  Beobachtungen 
Produkte  einer  mehr  oder  weniger  groben  hysterischen  Simu¬ 
lation?  Es  ist  klar,  warum  gerade  in  bezug  auf  die  Störungen 
dieser  der  Willkür  scheinbar  entzogenen  Funktionen  eine  Eini¬ 
gung  der  Meinungen  nicht  erzielt  werden  konnte.  Der  alte 
Streit  um  die  innere  Aetiologie  der  Hysterie  wird  hier  beson¬ 
ders  aktuell:  nämlich  die  Frage,  ob  jede  hysterische  Erschei- 


vasomotorischer  und  sekretorischer  Natur)  von  psychischen 
Einflüssen  hineinblicken,  eine  Abhängigkeit,  die  der  teleo¬ 
logischen  Betrachtungsweise  viel  Stoff  und  reichste  Befriedi¬ 
gung  gewähren  muss.  Warum  soll  es  uns  jetzt  noch  wundern, 
wenn  unter  dem  Einfluss  der  Hysterie  eine  krankhafte  Modi¬ 
fizierung  der  körperlichen  Reaktion  auf  psychische  Einflüsse 
hin  stattfindet?  Und  was  darf  uns  veranlassen,  eine  derartig 
veränderte  körperliche  Reaktion  um  jeden  Preis  als  plumpe 
Simulation  anzusehen? 

Eine  körperliche  Störung,  die,  wie  F 1  a  t  a  u  unlängst  mit 
Recht  betonte,  der  artefiziellen  Nachahmung  sehr  schwer  zu¬ 
gänglich  ist,  die  darum  —  psychogen  hervorgerufen  —  unseren 
Vorstellungskreis  von  der  Abhängigkeit  automatischer  Körper¬ 
leistungen  von  seelischen  Anregungen  erweitern  kann,  ist  die 
Schweissekretion  (vorausgesetzt  natürlich,  dass  sie 
spontan  und  ohne  innere  oder  äussere  Mittel  erfolgt).  Spon¬ 
tane,  regelmässig  wiederkehrende,  einer  mechanischen  oder  je¬ 
weiligen  psychischen  Auslösung  entbehrende  Schweisse  im 
Rahmen  eines  hysterischen  Krankheitsbildes  habe  ich  in  der 
Literatur  nicht  gefunden:  In  den  wenigen  Fällen  von  hyste¬ 
rischer  Hyperhidrosis  (Vulpian,  Binswanger,  Sire- 
d  e  y,  I  h  r  i  g  u.  a.)  handelt  es  sich  meist  um  eine  blosse  Steige¬ 
rung  der  physiologischen  Funktion  beiErregungen,  motorischen 
Paroxysmen  und  im  Schlaf. 

Von  grossem  Interesse  scheint  mir  darum  der  Nachweis, 
dass  es  bei  Hysterischen  auf  rein  psychogenem  Wege  bei  völli¬ 
ger  körperlicher  und  scheinbar  auch  geistiger  Ruhe  zu  mehr¬ 
mals  täglich  und  regelmässig  wiederkehrenden  Schweissen  von 
enormer  Fülle  kommen  kann,  und  dass  die  Sperrung  dieses 
psychogenen  Weges  durch  die  Gegensuggestion  diese 
Schweisse  sofort  inhibiert.  2  Fälle,  Mutter  und  Tochter,  die 
sich  gegenseitig  psychisch  infiziert  hatten,  lieferten  diesen 
Nachweis. 

Fall  I.  Rosalia  K,  57jähr.  Hebamme  von  E.  Aufnahme  am 
21.  Nov.  1906.  Pat.  war  in  ihrer  Jugend  gesund,  angeblich  nicht  nervös, 
ist  seit  28  Jahren  verheiratet,  hat  10  normale  Partus  durchgemacht; 
ihren  Beruf  konnte  sie  bis  vor  einem  Jahre  gut  ausüben  .  Seit 
20  Jahren  hat  nun  Pat.  angeblich  alljährlich  an  „Influenza“  gelitten, 
an  Gliederschmerzen,  allgemeiner  Schwäche,  Kopfweh  und  vor  allem 
profusen,  mehrmals  wiederkehrenden  Schweissen;  diese  „Influenzen“ 
dauerten  nur  kurze  Zeit,  14  Tage  bis  3  Wochen. 

Vor  fast  einem  Jahr,  am  13.  Januar  1905,  erkrankte  Pat.  wieder 
an  -dieser  „Influenza“,  bei  der  sie  5  Tage  lang  dreimal  täglich  heftig 
schwitzen  musste,  worauf  ihr  besser  wurde.  Dann  glaubte  sie  sich 
geheilt  und  verliess  das  Bett;  -darauf  angeblich  Erkältung  und  Rück¬ 
fall.  Pat.  wurde  wieder  bettlägerig  und  musste  nun  4  Monate  (bis 
Mai  1905)  lang  tagtäglich  dreimal  zu  meist  regelmässigen  Zeiten, 
morgens,  mittags  und  abends,  intensiv  schwitzen;  dabei  hatte  sie, 
worüber  sie  sich  als  Hebamme  besonders  wunderte,  niemals  Fieber. 
Die  Schweisse  waren  so  profus,  dass  stets  Wechsel  der  Leibwäsche, 
oft  auch  -der  Bettwäsche  nötig  war.  Dabei  war  der  Appetit  vorzüg¬ 
lich,  Pat.  nahm  beständig  an  Gewicht  zu.  —  Im  Mai  besserte  sich  das 
Leiden,  Pat.  musste  nur  noch  zweimal  pro  Tag  schwitzen;  vom  Juni 
bis  August  wieder  dreimal  täglich  Schweissausbruch  und  seit  dem 
September  nur  noch  zweimaliges  Schwitzen  pro  die.  —  Vor  dem 


nung  nur  das  Produkt  einer  Vorstellung  ist  (M  o  e  b  i  u  s),  oder 
ob  wir  organische,  lokalisierbare  Störungen  histologisch  und 
biologisch  nur  bisher  nicht  nachweisbarer  Art  als  ihr  Substrat 
annehmen  sollen. 

Diese  Gegenüberstellung  —  scheinbar  zwei  unvereinbare 
Widersprüche  —  birgt  aber  in  der  Tat  gar  keinen  Gegensatz 
in  sich.  Die  Frage  scheint  mir  vielmehr  so  zu  liegen:  Sind 
unsere  Kenntnisse  von  den  Einflüssen  psychischer  Vorgänge 
auf  den  Ablauf  jener  körperlichen,  automatischen  Funktionen 
denn  schon  vollkommen?  Dies  ist  durchaus  nicht  der  Fall. 
Die  neuere  biologische  Forschung  lässt  uns  immer  tiefer  in 
die  Abhängigkeit  scheinbar  automatischer  Vorgänge  (vor  allem 

No.  34. 


Schwitzen  angeblich  unangenehme  Sensationen,  Stechen  und  Prickeln 
am  ganzen  Körper,  nach  dem  Schweissausbruch  Erleichterung. 

Während  der  ganzen  Krankheit,  vom  Februar  bis  Ende  Novem¬ 
ber,  -dauernd  bettlägerig. 

Pat.  empfindet  das  Schwitzen  zwar  an  sich  als  etwas  krank¬ 
haftes,  belästigendes,  glaubt  aber  —  ohne  dass  sie  sich  genauere  Vor¬ 
stellungen  davon  macht  —  schwitzen  zu  müssen,  „sonst  würde  ihr 
noch  schlechter“. 

Status  praesens:  Kleine,  fette,  muskelschwache  Person 
mit  echauffiertem  Gesicht,  etwas  schwitzend;  Ausdruck  gutmütig, 
befangen,  etwas  verlegen,  mit  bis  an  -die  Nase  gezogener  Decke  im 
Bett  liegend,  sehr  wärmebedürftig,  angeblich  leicht  frierend.  — -  Die 
Haut  fühlt  sich  warm  und  feucht  an,  ist  diffus  auch  am  Körper  leicht 
gerötet.  Erregungserythem,  starke  vasomotorische  Uebererregbarkeit. 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


1674 


Die  inneren  Organe.  Herz,  Lunge,  Bauchorgane,  ohne  wesent¬ 
liche  Veränderungen.  Das  Nervensystem  zeigt  bis  aut  eine  allge¬ 
meine  abulische  Muskeschwäche  keine  Veränderungen;  leichte  all¬ 
gemeine  Reflexsteigerung;  keine  spezifischen  hysterischen  Stigmata. 

Psychisch  zeigt  Pat.  bis  auf  'die  Vorstellung  des  „Schwitzen- 
miissens“  wenig  Veränderungen;  sie  ist  ruhig,  ziemlich  intelligent, 
aber  ohne  rechte  Einsicht  für  die  Folgen  ihrer  allgemeinen  Abulie 
(die  in  der  Tat  zur  Verarmung  geführt  hatte). 

Ord.:  einstweilen  Tct.  Chin.  comp.  Bettruhe. 

23.  XI.  Täglich  zwei,  regelmässig  mittags  und  abends  wieder¬ 
kehrende  Schweisse  von  ca.  1 — 2  Stunden  Dauer;  vorher  subfebrile 
Temperaturen  (s.  Kurve).  Während  des  Schweisses  hochgerötetes 
Gesicht,  gerötete  Körperhaut,  die  sich  ziemlich  warm  anfühlt.  Puls¬ 
frequenz  ein  wenig  gesteigert,  Blutdruck  (nach  Ri  va-Rocci)  steigt 
während  des  Schwitzens  nur  wenig  von  120  mm  auf  125  mm  Hg. 
Dauernd  sehr  wärmebedürftig,  liegt  genau,  wie  die  Tochter,  stets  mit 
bis  an  die  Nase  heraufgezogener  Decke  im  Bett.  Die  Menge  des 
Schweisses,  der  regelmässig  das  Hemd  und  die  Bettwäsche  total 
durchnässt,  beträgt,  nach  dem  Gewichtsverlust  zu  schliessen,  300  ccm 
und  darüber. 

27.  XI.  Unverändert  zwei  Schweisse  pro  Tag.  —  Nachdem  die 
Suggestion  mit  dem  Vierzellenbad  bei  der  Tochter  prompt  gewirkt 
hatte,  Suggerierung,  das  Schwitzen  müsse  durch  das  elektrische  Bad 
sofort  aufhören. 

28.  XI.  Prompte  Ir  Erfolg  der  Suggestion:  seit 
einem  Jahre  zum  erstenmal  frei  von  Schwitzen. 

30.  XI.  Pat.  bleibt  —  bei  täglichen  Vierzellenbädern  ■ —  frei  von 
Schweissen;  sie  ist  dauernd  ausser  Bett,  sehr  heiter  und  tätig. 

3.  XII.  Nach  zweitägigem  Aussetzen  der  Bäder  einmal  „ganz 
kleiner  Schweiss“. 

5.  XII.  Bei  Vierzellenbädern  keine  Spur  von  Schweissen;  Sug¬ 
gestion,  dass  nun  auch  ohne  die  Bäder  die  Schweisse  fortbleiben 
würden. 

7.  XII.  Keine  Schweisse  mehr  seitdem.  Völlig  wohl  und  be¬ 
schwerdefrei.  Entlassen  mit  entsprechender  Suggestion. 

Fall  II1)-  Maria  K.,  22 jährige  Näherin  (im  Hause  der  Mutter). 
Pat.  hat,  ähnlich  wie  die  Muter,  nur  entsprechend  kürzer,  seit 

10  Jahren  an  regelmässig  wiederkehrenden  „Influenzaanfällen“  ge¬ 
litten  von  kurzer  Dauer,  die  stets  mit  mehrmaligen  Schweissaus¬ 
brüchen  pro  die  einhergingen.  Im  Februar  1906  wieder  „Influenza“, 
stand  zu  früh  auf,  erlebte  einen  Rückfall  mit  heftigen  Stichen  in  der 
Seite,  auf  der  Brust  u.  dergl.  Vom  Februar  bis  Mai  täglich  drei 
Krosse  Schweissausbrüche,  morgens,  mittags,  abends,  „dabei  nie 
b  ieber“.  Vom  Juni  bis  November  täglich  zwei  Schweisse.  Sowie 
Pat.  versuchte  aufzustehen,  Verschlimmerung  der  Schweisse,  Frieren, 
Bruststiche  etc.  Infolgedesen  lag  Pat.  —  zu  jeder  Arbeit  unfähig, 
aber  bei  gutem  Appetit  und  Kräftezustand  —  seit  Februar  dauernd  im 
Bett.  Auffallend  war  ihr  die  Verminderung  der  Urinmenge.  Wie  die 
Mutter,  leidet  sie  zwar  unter  dem  Schweisse,  glaubt  aber,  um 
Schlimmeres  zu  verhüte n,  schwitzen  zu  müssen. 

Status:  Fette,  kleine,  blonde  Person,  der  Mutter  in  jeder  Be¬ 
ziehung  auffallend  ähnlich.  Helle  Haut,  gerötetes  Gesicht,  starke 
vasomotorische  Uebererregbarkeit,  Emotionserythem  etc.,  leicht 
schwitzend.  Innere  Organe  normal.  Urin  wähend  der  Schwitz¬ 
periode  spärlich,  650—900,  spez.  Gewicht  1025,  sauer,  kein  Albumen, 
kein  Zucker.  Flüssigkeitsaufnahme  pro  Tag  nur  1500  ccm.  Nerven¬ 
system  ohne  besondere  Veränderungen,  ausser  allgemeiner  Sehnen¬ 
reflexsteigerung  keine  hysterischen  Stigmata.  Psyche:  weniger 
intelligent  als  die  Mutter,  ängstlich,  schüchtern,  etwas  stupide,  sehr 
suggestibel,  aber  womöglich  noch  starrer  in  der  Idee  des  „Schwitzen- 
miissens“  befangen,  als  die  Mutter. 

Der  Verlauf  war  ganz  wie  bei  der  Mutter:  In  den  ersten  Tagen 
täglich  um  1  Uhr  und  abends  um  V28  Uhr  enormer  Schweiss  von 
F  2  Stunden  Dauer,  vorher  subfebrile  Temperaturen;  Menge  des 
Schweisses  auch  hier  ca.  300  c c m.  Pat.  würde  also  bei 
den  täglich  dreimaligen  Schweissen  fast  einen  Liter  Schweiss  pro  Tag 
sezerniert  haben.  Wie  die  Mutter  ist  die  Pat.  sehr  wärmebedürftig 
und  liegt,  diese  getreu  kopierend,  ebenfalls  mit  bis  zur  Nase  herauf¬ 
gezogener  Decke  im  Bett.  Nach  5  Tagen  —  also  vor  der  Mutter  — 
Vierzellenbad  und  eindringliche  Verbalsuggestion.  Sofort  bleiben  die 
Schweisse  weg.  Pat.  kann  von  diesem  Tage  an  dauernd  ausser  dem 
Bett  sein  und  sich  beschäftigen.  Unter  täglich  wiederholten  Sug¬ 
gestionsprozeduren  und  in  den  letzten  Tagen  auch  ohne  diese  frei 
von  Schweissen,  psj^chisch  freier,  heiter,  sehr  tätig.  Entlassung  nach 

11  tägiger  Behandlung  beschwerdefrei. 

Die  Krankengeschichte  der  Tochter  der  Patientin  bietet 
eine  getreue  Kopie  derjenigen  der  Mutter. 

Wie  Patientinnen  mir  Anfang  Januar  in  einem  dankerfüll¬ 
ten  Brief  mitteilten,  sind  sie  bisher  frei  von  Rezidiven  geblieben 
und  zu  leichterer  Arbeit  fähig. 

Epikritisch  betrachtet,  können  wir  die  Krankheitsbilder 
der  beiden  Patientinnen,  wie  folgt,  zusammenfassen;  Es  han¬ 
delte  sich  zweifellos  um  eine  seit  Jahren  (20  bei  der  Mutter) 
bestehende  und  gehegte  Tendenz  bei  Erkältungen,  „Influenzen“, 


-)  Die  Kurve  des  Falles  II  mitzuteilen,  unterlasse  ich,  da  sie  'in 
jeder  Beziehung  das  getreue  Abbild  derjenigen  des  Falles  I  ist. 


zu  schwitzen,  vielleicht  zu  Anfang  artefiziell  mittels  der  üb¬ 
lichen  Prozeduren,  später  und  während  der  jetzigen  Schwitz¬ 
neurose,  wie  die  strenge  Beobachtung  ergab,  völlig  spontan 
und  ohne  alle  Mittel  u.  dergl.  Die  Tochter  —  der  Mutter  an 
Konstitution,  vasomotorischem  Verhalten  und  Psyche  sehr 
ähnlich  —  hatte  das  Krankheitsbild  der  Mutter  getreu  imitiert. 
Beide  hatten  seit  ca.  1  Jahr,  ohne  zu  fiebern,  ohne  auch  sonst 
wesentlich  zu  leiden,  2 — 3  mal  zu  bestimmten  Tageszeiten  pro¬ 
fus  „schwitzen  müssen“;  das  fesselte  sie  seit  Jahresfrist  streng 
ans  Bett.  Die  Beobachtung  ergab  völlig  natürliche  Schweisse 
enormen  Grades,  ohne  höheres  Fieber,  aber  doch  von  regel¬ 
mässig  subfebrilen  Temperaturen  begleitet.  Die  Menge  des 
(stets  warmen)  Schweisses  betrug  bei  beiden  ca.  300  ccm. 
Während  des  Schwitzens  war  das  Gesicht  lebhaft  gerötet  und 
fühlte  sich,  gleich  der  Körperhaut,  wärmer  als  gewöhnlich  an. 
Körperlich  blieben  die  Patientinnen  dabei  völlig  ruhig,  fast 
regungslos;  die  Schweissausbrüche  waren  also  nicht  die  Folge 
tonisch-klonischer  Konvulsionen,  wie  in  einigen  Fällen  der 
Literatur.  Die  Patientinnen  glichen  vielmehr  im  Verhalten 
Leuten,  die  aus  therapeutischen  Gründen  schwitzen  müssen 
und  diese  etwas  peinliche,  aber  doch  segensreiche  Prozedur 
mit  Ergebung  ertragen.  Ihr  psychischer  Zustand  war  absolut 
ruhig;  niemals  liess  sich  während  des  Schwitzens  eine  Spur 
von  Erregung  oder  sonstiger  Veränderung  der  Seelentätigkeit 
wahrnehmen. 

Was  das  Verhalten  des  Herz-  und  Gefässystems  anbetrifft, 
so  war  deren  Tätigkeit  in  anfallsfreien  Zeiten  normal,  im  An¬ 
fall  nicht  wesentlich  alteriert.  Subjektive  kardiale  Störungen 
bestanden  ebenfalls  nicht.  Die  Pulsfrequenz  stieg  im  Schweiss¬ 
ausbruch  nur  um  4  bis  6  Schläge,  der  systolische  Blutdruck 
blieb  gleich  oder  stieg  um  wenige  Millimeter  Hg. 

Das  Nervensystem  zeigte  keinerlei  organische  Verände¬ 
rungen,  typische  hysterische  Stigmata  fehlten  ebenfalls  völlig. 
Nur  die  Psyche  beider  zeigte  —  bei  Abwesenheit  aller  aufdring¬ 
lichen  Züge  —  jenen  hysterischen  Charakter,  in  dessen  Vorder¬ 
grund  bei  unseren  ländlichen  Patientinnen  die  bescheidene 
Naivität,  die  liebenswürdige  Lenksamkeit  dem  Arzt  gegenüber 
und  dabei  doch  die  stumpfe  kritiklose  Konsequenz  im  Fest¬ 
halten,  im  Erdulden  der  „Krankheit“  vor  Eintritt  in  die  ener¬ 
gische  Behandlung  zu  stehen  pflegt. 

Neben  manchen  typischen  Zügen  der  Anamnese  und  des 
Befundes  musste  das  psychische  Verhalten  zu  der  Annahme 
einer  rein  hysterischen  Störung  führen.  Der  glückliche 
Ausfall  der  Suggestivbehandlung  vollendete  dann  den  Beweis. 
Auf  reine  Suggestivmittel  (Vierzellenbad)  verschwanden  die 
Schweisse  sofort  und  restlos.  Das  Verlassen  der  bisher  ge¬ 
übten  dauernden  Bettruhe,  das  zu  Hause  (cf.  Anamnese)  ver¬ 
stärkend  auf  die  Schweisse  gewirkt  hatte,  vermehrte  die  Wir¬ 
kung  der  Suggestion  insofern,  als  es  dadurch  sofort  gelang,  die 
Patientinnen  an  eine  bestimmte  geregelte  Tätigkeit  (Pflege 
eines  Kindes,  oder  Bedienung  einer  schwer  Kranken)  zu  ge¬ 
wöhnen.  Es  traten  auch  nicht  etwa  zurzeit  des  bisherigen 
Schweissausbruchs  psychische  oder  körperliche  Aequivalente 
auf,  wie  in  einem  Falle  von  S  i  r  e  d  e  y. 

I11  der  mir  zugänglichen  Literatur  habe  ich  eigentlich  keine 
den  meinigen  analoge  Beobachtungen  gefunden.  Ich  sehe  dabei 
ab  von  den  vielgenannten,  nicht  selten  der  plumpen  Simulation 
überführten  Fällen  von  blutigen  oder  bunt  gefärbten 
Schweissen,  der  Chromhidrosis. 

Eine  Steigerung  der  fast  physiologischen  Neigung  zu 
nächtlichen  Schweissen  hat  V  u  1  p  i  a  u  geschildert. 
Ebenso  berichtet  Binswanger  über  starke  allgemeine 
Hyperhidrosis  bei  Hysterischen  im  Gefolge  nächtlicher 
schwerer  Träume.  Siredey  schildert  einen  Fall,  bei  dem 
stark  auf  Hände  und  Füsse  sich  beschränkende  Schweisse  zu¬ 
sammen,  und  auch  ohne  andere  hysterische  Erscheinungen 
Amaurose,  spastische  Lähmungen,  Dämmerungszuständen,  auf¬ 
traten. 

Damit  ist  aber  auch  die  Zahl  der  Beobachtungen  über 
hysterische  Schweisse  erschöpft. 

Anders  scheint  es  mir  um  die  Häufigkeit  der  Schweisse  auf 
der  Basis  einer  Neurasthenie  oder  sonstigen  nicht  hyste¬ 
rischen  Neurose  zu  stehen.  Hier  ist  der  psychogene  Ursprung 
eines  Schweissausbruches,  namentlich  lokaler  Art,  nicht  unge¬ 
wöhnlich.  Von  vielen,  nervösen  mit  Hyperhidrosis  der  Hände 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1675 


behafteten  Patienten  können  wir  hören,  dass  der  Schweiss  ge¬ 
rade  dann  stets  auftritt,  wenn  sie  ihn  besonders  fürchten,  z.  B. 
in  Gesellschaft,  wenn  sie  gezwungen  sind,  anderen  Personen 
die  Hand  zu  reichen.  Hier  kann  die  Hyperhidrosis  so  gut 
zur  Phobie  werden,  wie  die  Erythrophobie,  die  nervösen 
Diarrhöen  und  der  nervöse  Harndrang.  Einen  besonders  cha¬ 
rakteristischen  Fall  dieser  Art  beobachtete  ich  in  der  Ge¬ 
stalt  eines  neurasthenischen  Rollegen,  bei  dem  stets  bald  nach 
dem  Eintritt  in  eine  Gesellschaft  bei  völliger  körperlicher  Ruhe 
eine  profuse  Hyperhidrosis  des  Kopfes  und  des  Halses  auftrat, 
die  in  wenigen  Minuten  die  gestärkte  Wäsche  aufweichte. 

Der  Circulus  vitiosus  zwischen  Schweissausbruch  und 
Phobie  war  hier  ganz  unverkennbar. 

Das  Vorkommen  «derartiger  —  gemeinhin  als  nicht  hyste¬ 
risch,  sondern  eher  als  neurasthenisch  zu  bezeichnender 

—  Schwitzneurosen  und  -phobien  gewährt  uns  auch  eine  Hand¬ 
habe  zum  Verständnis  einer  rein  hysterogenen  Hyper- 
hydrosis.  Die  grosse  Abhängigkeit  der  Schweissekretion  bei 
speziell  zum  Schwitzen  Disponierten  von  psychischen  Mo¬ 
menten  steht  fest.  Diese  psychische  Einwirkung  auf  die  zen¬ 
tralen  und  peripheren  Elemente  der  Schweissabsonderung  wird 
bei  dem  einen  durch  die  Phobie,  die  hypochondrische,  aus  der 
Erfahrung  immer  neu  schöpfende  Furcht  vor  dem  Unentrinn¬ 
baren,  ausgeübt,  bei  dem  anderen  dagegen  «durch  eine  Auto¬ 
suggestion  hysterischen  Charakters,  der  in  unserem  Fall 
vielleicht  etwas  von  der  Vorstellung  der  „Nützlichkeit“  des 
Schweisses  beigemischt  war,  die  aber  im  übrigen  den  schwer 
zu  durchschauenden  Kausalinhalt  aller  schweren  monosympto- 
matischen  (nicht  aus  Begehrungsvorstellungen  erwachsenden) 
Hysterieerscheinungen  zeigte.  Der  grobe  psychomotorische 
Mechanismus  der  Hyperhidrose  ist  derselbe,  nur  der  Inhalt  der 
psychogenen  Auslösung  unterscheidet  diese  verschiedenen 
Formen  des  nervösen  Schweisses. 

Bemerkenswert  sind  schliesslich  an  diesen  beiden  Fällen 
die  während  «der  Schwitzparoxysmen  regelmässig  subfebril  an¬ 
steigenden  Temperaturen  (s.  Kurve),  die  auch  durch  rektale 
Messung  bestätigt  wurden,  also  keine  Artefakte  sein  konnten. 
Die  leicht  fieberhaften  Temperaturanstiege  verschwanden  nun, 
wie  die  Kurve  zeigt,  ebenso  wie  «die  Schweisse  unter  der  Wir¬ 
kung  der  —  an  sich  «doch  sicher  nicht  antipyretisch  wirkenden 

—  Suggestion. 

Ich  möchte  mich  nicht  noch  auf  das  Gebiet  des  bis  zum 
Ueberdruss  diskutierten  „hysterischen  Fiebers“  begeben.  Aber 
die  obigen  Beobachtungen  scheinen  mir  -doch  recht  schlagend 
für  die  Möglichkeit  und  Realität  rein  hysterogener  Temperatur¬ 
steigerungen  zu  sprechen.  Im  übrigen  ist  die  Tatsache  «der 
„Psychogenie  des  Fiebers“  wohl  nicht  mehr  zu  diskutieren, 
seitdem  «die  zahlreichen  Erfahrungen  der  Phthiseotherapeuten 
gezeigt  haben,  «dass  auf  dem  Wege  der  Suggestion  oder  Auto¬ 
suggestion  nicht  nur  durch  die  probatorische  Tuberkulininjek¬ 
tion,  sondern  auch  «durch  die  Injektion  von  Aqua  dest.,  ja  durch 
das  blosse  Einstechen  der  Pravazkaniile  bei  sonst  absolut 
fieberfreien  Patienten  der  Heilstätten  Fieberreaktionen  vom 
Typus  des  Tuberkulinfiebers  recht  häufig  zu  erzeugen  sind 
(Fürst,  Bandelier,  Köhler  und  «B  e  h  r,  Lorenz  u.  a.). 
Diese  Temperaturen  hielten  übrigens  der  Kontrolle  durch 
Mund-  und  Analmessungen  stand. 

Demjenigen  aber,  der  trotz  dieser  Fälle  von  rein  psycho¬ 
genen  Schweissparoxysmen  und  Fiebersteigerungen  der 
Psychogenie  «derartiger,  anscheinend  rein  automatisch  ab¬ 
laufender  körperlicher  Funktionen  noch  skeptisch  gegeniiber- 
steht,  möchte  ich  auf  eine  experimentelle  Beobachtung  von 
Hamburger  und  v.  R  e  u  s  s  hinweisen,  die  —  zum  ersten 
Male  —  auch  für  die  Leukozytose  resp.  die  Blutver¬ 
teilung  den  starken,  eindeutigen  Einfluss  «der 
rein  psychischen  Einwirkung  (Schreck,  Angst  u.  a.) 
sicher  festgestellt  haben. 

Literatur: 

1.  Binswanger:  Hysterie.  Nothnagels  Handbuch.  — 
2.  V  u  1  p  i  a  u:  Clinique  med.  de  la  Charite,  zit.  nach  Binswanger. 

—  3.  L.  Ihrig:  Orvosi  Hetilap  1891.  Ref.  Neurol.  Zentralbl.  1891, 
S.  528.  —  4.  L  i  r  ed  e  y:  zit.  nach  G  o  w  e  r  s,  Handbuch  «der  Nerven¬ 
krankheiten.  1892.  Bonn.  —  5.  Ueber  Fieber  nach  scheinbaren  Tu¬ 
berkulininjektionen,  conf.  die  Arbeiten  von  Bandelier,  Köhler 
und  Behr,  Lorenz  in  Brauers  Beiträgen  zur  Klinik  der  Tuber¬ 


kulose  1906  u.  1907.  —  6.  Hamburger  und  Reuss.  Zeitschr.  f. 
Biologie,  Bid.  47,  H.  1. 


Aus  der  II.  med.  Klinik  in  München  (Direktor:  Prof.  Friedr. 

v.  Müller). 

lieber  die  Beziehungen  zwischen  Pneumonie  und  Gicht. 

Von  Dr.  Erich  Ebstein,  Assistenzarzt. 

Die  Beziehungen  zwischen  kruppöser  Pneumonie  und 
Gicht  sind  von  den  verschiedenen  Autoren  bald  mehr,  bald 
weniger  betont  worden.  R  e  n  d  u x)  hält  diese  Be¬ 
ziehungen  nur  für  eine  zufällige  Koinzidenz,  während  andere 
französische  Autoren  bestimmter  für  ein  Zusammengehören 
der  beiden  Krankheitsbilder  eintreten.  Allerdings  sind  diese 
Mitteilungen  insofern  nicht  alle  eindeutig,  als  es  sich  in  den 
Fällen  von  P  o  t  a  i  n  2)  und  D  e  b  o  u  t  d’E  s  t  r  e  e  s  3)  nicht  um 
fibrinöse  Pneumonien,  sondern  um  einen  „etat  congestif  du 
poumon“  gehandelt  hat. 

Der  erste  Autor,  der  «den  Beziehungen  zwischen  Gicht  und 
Pneumonie  seine  Aufmerksamkeit  schenkte,  war  Max.  S  t  o  1 1 
(1742 — 1787),  der  Systematiker  «der  alten  Wiener  Schule,  der 
einen  solchen  Fall  bei  einem  Greise  beobachtete  (vgl.  die  medi¬ 
zinische  Praxis.  1838.  Teil  2,  S.  69  f.).  Man  sprach  damals 
schon  von  gichtischen  Respirationskrankheiten,  die  „gewöhn¬ 
lich  bei  dazu  Disponierten“  auftritt.  „Sobald  die  Gicht  sich 
einmal  auf  die  Lungen  geworfen  hat,  kehrt  sie  selten  nach 
den  Extremitäten  zurück.“ 

Auch  T  rousseau4)  hat  die  bei  Gichtischen  auftreten¬ 
den  Pneumonien  und  Pleuritiden  als  Anfälle  von  viszeraler 
Gicht  gedeutet. 

Ferner  hat  man  insbesondere  auf  solche  Fälle  Wert  gelegt, 
in  «denen  im  Verlauf  eines  regulären  «Gichtanfalls  die  Erschei¬ 
nungen  der  Lungenaffektion  hervortraten,  während  die  Gelenk¬ 
schwellungen  zurückgingen,  oder  in  welchen  im  Anschluss  au 
eine  entzündliche  Affektion  der  Lunge  oder  Pleura  ein  Gicht¬ 
anfall  sich  einstellte.  Auch  solche  Fälle  sind  beschrieben 
worden,  in  denen  regelmässig  wiederkehrende  typische  Gicht¬ 
anfälle  ein-  oder  mehrmals  durch  pneumonische  Erkrankungen 
ersetzt  zu  sein  schienen,  so  z.  B.  in  einem  von  B  r  i  s  s  a  u  d 
mitgeteilten  Falle.  (Vgl.  Minkowski,  die  Gicht.  Wien 
1903.  S.  129.) 

In  Bezug  auf  ihren  klinischen  Verlauf  bieten  diese  Fälle 
-  so  resümiert  Minkowski  —  ebensowenig  irgendwelche 
Besonderheiten,  wie  in  Bezug  auf  die  gefundenen  anatomischen 
Veränderungen.  Auch  Ebstein  (Natur  und  Behandlung  der 
Gicht.  2.  Aufl.  Wiesbaden  1906,  S.  284  f.)  hat  einen  besonders 
ungünstigen  Verlauf  von  Pneumonien  bei  an  Gicht  leidenden 
Kranken  nicht  gesehen;  ob  sie  häufiger  als  bei  anderen  Men¬ 
schen  Vorkommen,  vermag  er  nicht  zu  sagen.  E.  Aufrecht 
gedenkt  in  seiner  Monographie  über  die  Lungenentzündungen 
(Wien  1899)  der  Beziehungen  derselben  zur  Gicht  merkwür¬ 
digerweise  nicht.  Minkowski  (1.  c.)  ist  der  Ansicht,  dass, 
so  lange  nicht  etwa  «durch  genauere  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  eine  andere  Entstehungsweise  für  derartige  Affek¬ 
tionen  nachgewiesen  sein  wird,  man  die  in  die  Rede  stehenden 
Erkrankungen  als  zufällige  Komplikationen  der  Gicht  an¬ 
sprechen  müsse,  wenn  man  nicht  für  manche  Fälle  einen  umge¬ 
kehrten  Kausalnexus  gelten  lassen  d.  h.  die  Pneumonie  als 
Gelegenheitsursache  für  die  Entstehung  des  Gichtanfalls  auf¬ 
fassen  wolle. 

Für  diese  letzte  Ansicht  möchte  ich  im  Folgenden  einige 
Belege  anführen. 

Bekanntlich  sind  die  Krankheiten,  bei  welchen  es  zur 
Harnsäureanhäufung  im  Blut  kommt,  nicht  ohne  Beziehung 
zur  Gicht.  So  wissen  wir  von  der  Bleikrankheit,  dass  sie  häu¬ 
fig  genug  zu  echter  Gicht  führt;  bei  der  Leukämie  kommt  es 


1)  Artikel  „Goutte“  in  Dechambre,  Diction.  encyclop.  des  Sciences 
medicales.  Paris  1884.  S.  112. 

2)  Des  manifestations  pulmonaires  de  la  goutte.  Semaine  medi- 
cale  1890,  S.  41  ff. 

3)  Un  fait  de  goutte  pulmonaire.  Lyon  medicale  1890,  S.  303. 
Derselbe:  Quelques  forrnes  rares  de  la  goutte;  goutte  de  poumon 
usw.  Annales  «d’hydrologi'e  et  «de  climatologie  medicales.  Bd.  36 

(1891).  Paris. 

’)  Medizinische  Klinik  des  Hotel  Dieu.  Deutsch  von  C  u  I  - 
m  a  n.  Wiirzburg  1867.  B«d.  3,  S.  264  ff. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


nicht  nur  oft  zur  Bildung  von  harnsauren  Konkretionen  in  den 
Harnwegen,  sondern  auch  bisweilen  zur  wirklichen  Gicht. 
„Auch  kenne  ich  einen  Patienten“,  schreibt  Friedrich  MüllerJ), 
„der  an  selten  auftretenden  Gichtanfällen  leidet  und  bei  dem 
unmittelbar  im  Anschluss  an  eine  Pneumonie  eine  schwere 
Attacke  eintrat.“ 

Seit  dieser  Zeit  hat  Herr  Prof.  v.  M  ü  1 1  e  r  in  seiner  Privat¬ 
praxis  einen  analogen  Fall  zu  beobachten  gehabt,  bei  welchem 
im  Stadium  der  Lösung  heftige  Gichtanfälle  ausgelöst  wurden. 

Der  Fall,  über  den  ich  genauere  Notizen  der  Freundlichkeit  des 
Herrn  Dr.  Th.  Struppler  in  München  verdanke,  betraf  einen 
69  jährigen  Herrn  v.  B.,  der  früher  Offizier  war.  Fr  leidet  seit  Jahren 
an  latenter  Gicht.  Vor  3  Jahren  machte  er  eine  Pneumonie,  angeb¬ 
lich  nach  einer  Halsentzündung  durch.  Die  letzten  Jahre  gebrauchte 
er  Kuren  in  Gastein,  Wildbad  und  Wiesbaden.  Am  26.  April  1907 
hat  sich  Patient  angeblich  beim  Nachhausegehen  erkältet;  am  27.  fühlte 
er  sich  „unbehaglich“;  am  28.  früh  morgens  Schüttelfrost  von  der 
Dauer  einer  halben  Stunde.  Beschleunigte  Atmung  und  Stechen  auf 
der  rechten  Brustseite.  Objektiv  fand  sich  über  dem  rechten  Unter¬ 
lappen  der  Schall  tympanitisch  gedämpft.  Crepitatio  indux.  Puls  98. 
Temperatur  39  °.  Respiration  38 — 44.  Am  30.  April  Herpes  labialis. 
Sputum  croceum.  Dyspnoe.  Rechts  hinten  unten  und  über  dem 
Mittellappen  Bronchialatmen  mit  feuchten,  mittelblasigen  Rassel¬ 
geräuschen.  Nun  trat  am  3.  Mai  —  also  5  Tage  nach  Beginn  der 
Erkrankung  —  ein  schwerer  Gichtanfall  im  rechten  Knie  und  rechten 
Handwurzelgelenk  und  Ellbogengelenk  auf;  dabei  bestand  Rötung, 
Schwellung'  und  Schmerz.  Ganz  akut  entstanden  zu  gleicher  Zeit 
Tophi  in  beiden  Ohrmuscheln  von  miliarer  Grösse,  die  früher  nicht 
vorhanden  waren.  Im  Verlaufe  der  rächsten  Wochen  erkrankten  all¬ 
mählich  sämtliche  Gelenke  und  Extremitäten,  ebenso  das  linke  Kiefer¬ 
gelenk;  die  Wirbelsäule  war  stets  frei.  —  Es  muss  noch  hervor¬ 
gehoben  werden,  dass  die  Lungenentzündung  in  den  ersten  Tagen 
durch  ganz  hochgradige  Infektionsdelirien  ausgezeichnet  war;  der 
Urin  enthielt  Vz  Prom.  Eiweiss,  reichlich  Urobilin  und  etwas  Gallen¬ 
farbstoff.  Weiter  sei  betont,  dass  Patient  fast  völlig  alkoholabstinent 
ist.  dass  er  aber  zu  Beginn  der  Pneumonie  reichlich  Mixt.  Stokesi 
bekam.  Die  Vermutung  ist  wohl  nicht  fernliegend,  dass  der  Alkohol¬ 
genuss  auch  mit  dazu  beigetragen  hat,  den  Gichtanfall  auszulösen. 
Bemerkenswert  ist,  dass  in  diesem  Falle  am  3.  Juni  abends  neuer¬ 
dings  Schüttelfrost  einsetzte.  Temperatur  39  °,  Puls  94,  Resp.  40. 
Es  handelte  sich  um  ein  Pneumonierezidiv  im  r.  Oberlappen. 

Einen  dritten  Fall,  in  dem  die  Lungenentzündung  als  aus¬ 
lösendes  Moment  für  den  Ausbruch  eines  Gichtanfalles  an¬ 
zusehen  ist,  konnte  ich  vor  kurzem  auf  meiner  Ab¬ 
teilung  beobachten. 

Es  handelt  sich  um  einen  56  Jahre  alten  Kutscher  J.  St.,  der  sich 
seit  dem  11.  März  1907  wegen  doppelseitiger  Pneumonie  beider  Unter¬ 
lappen  im  Krankenhause  1.  d.  Isar  befindet.  In  der  Familie  keine  Gicht; 
er  selbst  hat  keine  Kinderkrankheiten  gehabt,  als  Soldat  Typhus. 
1878  hatte  er  Gelenkrheumatismus,  später  noch  zweimal,  das  letzte 
Mal  1903.  Im  Jahre  1900  hatte  Patient  den  ersten  Gichtanfall  im 
rechten  Grosszehengelenk,  von  da  ab  öfter.  Nebenbei  bestanden 
Schmerzen,  die  sich  besonders  im  Waden  lokalisierten  und  sich 
bis  ins  Kniegelenk  erstreckten.  Vor  einem  Jahre  hatte  er  viel  an 
Wadenkrämpfen  gelitten,  die  nachts  öfters  dreimal  auftraten.  Harn 
frei  von  fremden  Bestandteilen. 

Die  beim  Krankenhauseintritt  einsetzende  Pneumonie  begann 
mit  reichlichen  Delirien.  Die  Temperatur  ging  nie  über  39,2°;  jetzt, 
nach  8  Wochen,  schwankt  sie  zwischen  36,0 — 37,5°;  links  hinten 
unten  besteht  noch  deutliches  Bronchialatmen;  auskultatorisch  feuchte 
grossblasige  Rasselgeräusche,  dabei  ziemlich  viel  schleimig-eitriger 
Auswurf.  Die  Lungenentzündung  nahm  also  einen  verschleppten 
Verlauf;  seit  dem  29.  März  ist  die  Temperatur  nicht  mehr  auf  38° 
gestiegen. 

Am  20.  April  klagte  Patient  plötzlich  über  Schmerzen  und 
Steifigkeit  in  allen  Gliedern;  Temperatur  37,5°.  Am  23.  ist  das  Gelenk 
der  rechten  grossen  Zehe  verdickt,  heiss,  stark  gerötet  und  ge¬ 
schwollen  und  bei  leichtem  Druck  und  den  geringsten  Bewegungen 
sehr  schmerzhaft.  Die  Gegend  des  Tarsometatarsalgelenkes  war 
beiderseits  intensiv  gerötet,  geschwollen,  heiss  anzufühlen  und 
schmerzhaft  auf  Druck.  —  Die  Schmerzhaftigkeit  war  so  stark,  dass 
Patient  nicht  auftreten  und  keinen  Schritt  gehen  konnte.  Am  26.  April 
waren  auf  Mesotan-Alkoholeinreibungen  und  Aspirin  die  Schmerzen 
verschwunden,  Rötung  und  Schwellung  zurückgegangen. 

Man  wird  annehmen  dürfen,  dass  der  bei  der  Pneumonie 
stattfindende  Kernzerfall  in  Beziehung  steht  zur  Auslösung 
eines  Gichtanfalls:  es  gelangt  zu  viel  Harnsäure  aus  der  zer¬ 
fallenden  Kernsubstanz  in  das  Blut  und  wird  nicht  schnell  genug 
damit  aufgeräumt.  Wissen  wir  doch,  dass  in  H.  Vogts6), 


6)  Handbuch  der  Ernährungstherapie  und  Diätetik  von  E.  v.  L  e  y- 

den.  I.  Bd.,  2.  Aufl.,  1903,  S.  238. 

°)  H.  V  o  gt:  Ein  Stoffwechselversuch  bei  akuter  Gicht.  Deutsch. 

Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  71  (1901),  S.  22—28. 


wie  auch  in  R  e  a  c  h  s  7)  Fall  nach  Thymusdarreichung  ein 
Gichtanfall  auftrat. 8) 

Derartige  Fälle  scheinen  ziemlich  selten  zu  sein,  ebenso 
wie  auch  die  Komplikation  von  Pneumonie  mit  echter  Gicht 
allzu  häufig  beobachtet  wird.  Deshalb  sei  noch  ein  Fall  an¬ 
geführt,  der  vom  31.  Juli  bis  13.  August  1904  auf  der  II.  med. 
Klinik  behandelt  wurde. 

Es  handelte  sich  um  einen  40  jährigen  Taglöhner.  Die  Mutter 
des  Patienten  leidet  seit  ihrem  20.  Jahre  an  Gicht,  der  Vater  soll  nie 
krank  gewesen  sein.  Der  Kranke  machte  während  seiner  Militär¬ 
zeit  eine  Lungenentzündung  durch.  Mit  26  Jahren  bekam  er  Gicht¬ 
schmerzen,  so  dass  er  die  Arbeit  öfters  auf  längere  Zeit  aufgeben 
musste.  Die  Schmerzen  traten  fast  an  allen  Gelenken  auf,  besonders 
klagte  er  über  Steifigkeit  im  Hand-  und  Fussgelenk.  Potatorium 
18  Halbe  pro  die. 

Bei  der  Aufnahme  waren  die  Metatarsophalangealgelenke  be¬ 
sonders  des  -ersten  und  zweiten  Fingers  beiderseits  geschwollen, 
ebenso  am  Fuss  die  Metatarsophalangealgelenke;  auch  unterhalb  des 
Malleolus  externus  dexter  bestand  eine  Schwellung.  Am  13.  VIII.  04 
wurde  der  Kranke  gebessert  entlassen;  er  klagte  noch  über  Steifig¬ 
keit  in  den  Gliedern.  —  Am  18.  I.  05  kam  er  wieder9);  einige  Tage 
zuvor  hatte  er  viele  Schüttelfröste  gehabt  und  hohes  Fieber  und 
Husten.  Temperatur  beim  Eintritt  38,2°,  die  am  20.  I.  auf  36°  fiel. 
In  dem  schleimig-eitrigen  Sputum  fanden  sich  fast  ausschliesslich 
Pneumokokken.  Die  Perkussion  der  Lungen  ergab  links  hinten  unten 
eine  relative  Dämpfung;  auskultatorisch:  am  oberen  Rand  dieser 
Dämpfung  Bronchialatmen  und  deutliches  Knisterrasseln;  am  2.  II. 
bestanden  bei  der  Entlassung  1.  h.  u.  nur  noch  einige  Rasselgeräusche. 
Dämpfung  und  Bronchialatmung  waren  verschwunden. 

In  der  Krankengeschichte  ist  nicht  notiert,  ob  bei  der  Lösung 
der  Pneumonie  ein  Gichtfall  ausgelöst  wurde. 

Die  Frage,  ob  es  eine  spezifische  Pneumonie  der  Gicht¬ 
kranken  gibt,  wird  von  den  meisten  Autoren  verneint 10).  Karl 
Grube11)  hat  indes  zwei  derartige  Fälle  beobachtet,  die 
einmal  besondere,  von  der  gewöhnlichen  Lungenentzündung 
abweichende  Züge  darboten,  andernteils  untereinander  eine 
solche  Uebereinstimmung  zeigten,  dass  er  eine  Verwandtschaft 
zwischen  ihnen  für  wahrscheinlich  hält: 

Der  erste  Kranke,  hereditär  arthritisch  belastet,  hatte  wiederholt 
typische  Gichtanfälle  durchgemacht.  Nach  einer  Influenza  stellten  sich 
Arrhythmie  der  Herztätigkeit,  sowie  Anfälle  von  Dyspnoe,  geringes 
Emphysem  usw.  ein.  Der  Patient  wurde  darauf  von  dyspnoischen 
Anfällen  befallen;  es  trat  eine  Dämpfung  an  der  hinteren  unteren  Partie 
der  linken  Lunge  auf.  Die  Auskultation  ergab  Knisterrasseln.  Fieber 
bestand  nicht.  Sputum  rostbraun.  Nach  drei  Tagen  war  die  Dämp¬ 
fung  verschwunden;  abgesehen  von  etwas  verschärftem  Atmen  bot 
die  Auskultation  normale  Verhältnisse. 

Der  zweite  Kranke,  den  Grube  beobachten  konnte,  hatte  früher 
an  typischen  Gichtanfällen  gelitten,  bekam  dann  stechende  Schmerzen 
in  der  linken  Brustseite.  Hinten  links  und  unten  leichte  Dämpfung, 
Krepitation;  oben  Bronchialatmen  und  einzelne  mittelblasige  Rhonchi. 
Abendtemperatur  38°.  Nach  2  Tagen  schwanden  die  physikalischen 
Erscheinungen  am  Thorax,  dagegen  stellte  sich  airrdritten 
Tage  ein  leichter,  jedoch  typischer  Podagraanfall 
am  linken  Fusse  ein.  In  dem  zitronenfarbenen  Sputum  konnte  Harn¬ 
säure  nachgewiesen  werden. 

Einen  ähnlichen  Fall  beschrieb  James  Grant12): 

Es  handelte  sich  um  einen  kräftigen  78  jährigen  Mann,  bei  dem 
die  Gicht  nicht  hereditär  war,  der  aber  plötzlich  unter  starken 
Schmerzen  in  der  rechten  Brust,  entsprechend  der  Stelle  des  mitt¬ 
leren  Lungenlappens,  an  allgemeinem  Unwohlsein  und  ziemlich  hef¬ 
tigem  Husten  erkrankte.  Die  Temperatur  stieg  bis  auf  39,5°.  Patient 
schied  einen  dicken,  zähen,  stellenweise  rostfarbenen  Schleim  aus. 
Oberhalb  und  über  der  schmerzhaften  Stelle  bestand  Dämpfung,  das 
Atmungsgeräusch  war  deutlich;  vereinzeltes  geringes  Rasseln. 
11  Tage  später  wurden  beide  Fiisse  schmerzhaft  und  schwollen  an, 
während  gleichzeitig  die  Lungenerscheinungen  zurückgingen. 

Zu  den  letzten  mitgeteilten  Fällen  sei  noch  bemerkt,  dass 
beide  Patienten  G  rubes  das  Jahr  zuvor  je  eine  schwere 
Influenza  durchgemacht  hatten;  ist  es  doch  bekannt,  wie  u.  a. 

7)  Felix  Reach:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Stoffwechsels 
bei  Gicht.  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  29,  S.  1215  ff. 

8)  Vergl.  auch  B.  Bloch:  Zur  Kenntnis  des  Purinstoffwechsels 
beim  Menschen.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  83  (1905),  S.  499  und 
C.  v.  No  ord  en:  Handbuch  der  Pathologie  des  Stoffwechsels, 
Bd.  II  (1907),  S.  162. 

9)  Der  Kranke  befindet  sich  zurzeit  wieder  wegen  gichtischer 
Schmerzen  in  den  Fingern  und  Ellbogen  auf  meiner  Abteilung. 

10)  Vergl.  Finkler:  Die  akuten  Lungenentzündungen  als  In¬ 
fektionskrankheiten.  Wiesbaden  1891. 

u)  Gibt  es  eine  spezifische  Pneumonie  der  Gichtischen?  D.  med. 
Wochenschr.  1893,  No.  47,  S.  1205  ff. 

12)  Rare  formes  of  gout  and  rheumatism.  New  York  medical 
Record,  XLIII,  vom  11.  November  1893,  S.  609  ff.  (Pneumonie  gout). 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1677 


A.  P  r  i  b  r  a  m 13)  hervorgehoben  hat,  dass  besonders  die  In¬ 
fluenza  prädisponierend  wirkt  für  die  Entwicklung  von  Gicht¬ 
anfällen. 

Weiter  möchte  ich  noch  des  Verhaltens  der  Temperatur 
bei  derartigen  Fällen  gedenken.  C.  Gerhardt14)  hat  drei 
Fälle  von  kruppöser  Pneumonie  mit  echter  Gicht  gesehen  bei 
vollständig  fieberfreiem  Verlauf.  Wie  A.  Doebert  des  ge¬ 
naueren  berichtet,  wurde  in  einem  dieser  drei  Fälle  die  doppel¬ 
seitige  Unterlappenpneumonie  durch  die  Autopsie  erhärtet;  das 
Fieber  schwankte  von  36,6  bis  höchstens  37,5  °.  Eine  ähnliche 
„temperaturherabsetzende“  Wirkung  der  Gicht  beobachtete, 
wie  oben  erwähnt,  auch  Grube. 

Auf  Grund  obiger  Mitteilungen  wird  man  die  bei  der  Gicht 
vorkommenden  Lungenaffektionen  von  den  bei  der  Lösung  von 
Pneumonien  auftretenden  Gichtanfällen  unterscheiden  müssen. 
Wir  können  uns  vorstellen,  dass  ein  Plus  von  zerfallender 
Nukleinsubstanz  bei  zur  Gicht  disponierten  Menschen  gelegent¬ 
lich,  aber  nicht  immer,  einen  Anfall  auszulösen  vermag,  wie 
auch  Thymusdarreichung  bei  Gichtischen  nicht  jedesmal  einen 
Ausfall  hervozurufen  braucht. 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Breslau 

(Direktor:  Geheimrat  Prof.  v.  Strümpell). 

lieber  die  Darreichung  von  Arzneimitteln  in  Rumpe  I- 
schen  Kapseln  (Kapsulae  geloduratae). 

Von  Dr.  Schlecht,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Arzneimittel  per  os  so  einzuführen,  dass  sie  nicht  im 
Magen,  sondern  erst  im  Darm  zur  Resorption  gelangen,  ist 
erwünscht:  einmal  bei  der  Verabreichung  solcher  Arzneien, 
die  durch  ihren  anhaltenden  schlechten  Geschmack  ungern  ge¬ 
nommen  werden  und  die  auch  nach  Einführung  in  den  Magen 
vermittels  der  einfachen  Gelatinekapseln  nach  Lösung  der¬ 
selben  durch  Regurgitieren  anhaltende  Geschmacksbelästi¬ 
gungen  verursachen;  zum  anderen  auch  bei  solchen,  deren 
Wirkungsort  der  Darm  sein  soll  und  die  mau  möglichst  wirk¬ 
sam  dorthin  gelangen  lassen  will,  zum  letzten  vor  allem  auch 
bei  den  Medikamenten,  die  eine  örtlich  reizende  Wirkung  auf 
die  Magenschleimhaut  ausüben.  Die  meisten  dahin  zielenden 
Versuche  gingen  von  dem  einheitlichen  Gedanken  aus,  die 
Medikamente  mit  einer  Hülle  oder  Kapsel  zu  umgeben,  die  eine 
gewisse  Widerstandskraft  gegen  die  verdauende  Kraft  des 
Magensaftes  haben  muss.  Die  ersten  brauchbaren  Ergebnisse 
führten  zu  den  Unnaschen  Dünndarmpillen  [l],  deren  wirk¬ 
sames  Prinzip  in  einer  Keratinhülle  besteht.  Verbessert  wurde 
diese  Methode  durch  C  e  p  p  i  und  Y  o  o  n  [2],  ferner  durch 
G.  V  e  d  e  r  [3]  durch  Anbringung  eines  Salolüberzuges  über 
die  Pillen.  Die  Dünndarmpillen  und  die  entsprechend  ange¬ 
fertigten  Capsulae  keratinosae  haben  sich  in  die  Praxis  wenig 
eingebürgert.  Auch  fehlt  es  nicht  an  Beobachtungen  über 
die  Unzuverlässigkeit  der  genannten  Kapseln.  Von  E  w  a  1  d  [4] 
und  Sa  h  1  i  [5]  wurden  verschiedene  grosse  Mängel  der  Kap¬ 
seln  nachgewiesen.  Versuche  mit  Jod-  und  Salizylkapseln,  die 
zugleich  mit  einem  Probefrühstück  gegeben  wurden,  ergaben, 
dass  schon  nach  %  Stunden  eine  solche  Menge  von  Jod  und 
Salizyl  im  Magen  vorhanden  war,  dass  die  Pillen  mit  Not¬ 
wendigkeit  gelöst  sein  mussten.  Sahli  [7]  stellte  dann  selbst 
Versuche  ian,  als  deren  Resultate  die  sogenannte  Glutoid- 
kapseln,  das  sind  in  wässeriger  Formaldehydlösung  gehärtete 
Gelatinekapseln,  anzusehen  sind.  Diese  Kapseln  kommen  nach 
den  ausgedehnten  Versuchen  Sahlis  mit  Sicherheit  erst  im 
Darm  zur  Lösung.  Ein  Nachteil  besteht  nach  R  u  m  p  e  1  [6] 
vor  allem  in  der  Anwendung  der  wässerigen  Formal¬ 
dehydlösung,  welche  die  Kapseln  stark  zum  Quellen  bringt, 
wodurch  die  Formalineinwirkung  eine  zu  intensive  wird.  Auch 
können  nur  die  schon  fertig  gefüllten  Kapseln,  soweit  sie  in 
Wasser  unlösliche  oder  schwer  lösliche  Substanzen  enthalten, 
gehärtet  werden.  Eine  Härtung  der  Capsulae  operculatae  ist 
nach  der  Sahli  sehen  Methode  nicht  möglich.  Soweit  die 
Glutoidkapseln  nach  obigen  Grundsätzen  Verwendung  finden 


13)  Prager  med.  Wochenschr.  1890,  No.  10  u.  11. 

14)  Fieber  bei  Gicht.  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  47, 
S.  1584  (Krankenvorstellungen)  und  Arthur  Doebert,  über  das 
gleiche  Thema  in  seiner  Inaug.-Diss.  1901,  S.  49. 


können,  erfüllen  sie  ihren  Zweck,  Arzneimittel  unbehindert  und 
unverändert  in  den  Darm  gelangen  zu  lassen,  vollständig.  In 
neuester  Zeit  sind  nun  von  Dr.  Rumpel  in  Breslau  Capsulae 
geloduratae  hergestellt  worden,  die  mit  den  Sahli  sehen  Glu¬ 
toidkapseln  das  Grundprinzip,  nämlich  die  Verwendung  von  in 
Formalin  gehärteter  Gelatine  gemeinsam  haben,  deren  Her¬ 
stellungsart  aber  von  der  Sahli  sehen  abweicht  und  ver¬ 
schiedene  Vorteile  vor  ihr  voraus  hat.  Rumpel  verwendet 
Lösung  von  Formaldehyd  in  Alkohol,  Aether  oder  überhaupt 
in  solchen  Flüssigkeiten,  welche  in  geeigneter  Konzentration 
die  Gelatine  selbst  gar  nicht  oder  nur  in  sehr  geringem  Grade 
zum  Quellen  bringen.  Es  lassen  sich  mit  dieser  Methode  auch 
die  aus  zwei  ineinander  schiebbaren  Hüllen  bestehenden  Cap¬ 
sulae  operculatae  härten.  Die  Verschliessstelle  der  nachträg¬ 
lich  mit  den  Arzneimitteln  gefüllten  Kapseln  wird  mit  Kollodium 
verschlossen.  Es  lassen  sich  hierdurch  auch  in  Wasser  leichter 
lösliche  Substanzen  in  die  Kapseln  einfüllen.  Die  erste  Her¬ 
stellung  und  Zusammenstellung  des  Härtegrades  der  Capsulae 
geloduratae  geschah  unter  Kontrolle  des  Verhaltens  der  Kap¬ 
seln  im  Magen  und  Darm  von  Hunden  mit  entsprechenden 
Fisteln,  sowie  an  Patienten  mit  Anus  praeternaturalis  (Heile) 
und  unter  gleichzeitiger  Kontrolle  im  Reagensglas  mit  künst¬ 
lichem  Magen-  und  Pankreassaft.  So  wurden  die  Kapseln  in 
dem  Härtungsgrade  hergestellt,  dass  die  Kapseln  bis  zu  8  Stun¬ 
den  im  künstlichen  Magensaft  ungelöst  blieben,  und  nach  zwei¬ 
stündiger  Vorbehandlung  mit  Magensaft  sich  in  alkalischer 
Trypsinlösung  in  10 — 20  Minuten  lösten.  Mit  gutem  Erfolg  an¬ 
gewandt  wurden  bisher  von  Heile  [8]  Isoformkapseln. 

Seit  einem  Jahre  sind  nun  die  R  u  m  p  e  1  sehen  Capsulae 
geloduratae  in  unserer  Klinik  mit  den  verschiedensten  Arznei¬ 
mitteln  in  Anwendung  gekommen.  Die  durchaus  günstigen  Re¬ 
sultate,  die  wir  während  dieser  Zeit  mit  den  Kapseln  gehabt 
haben,  haben  mich  veranlasst,  im  folgenden  über  die  Resultate 
kurz  zu  berichten. 

Es  wurden  zunächst  experimentelle  Nachuntersuchungen 
der  Löslichkeitsverhältnisse  der  von  der  Pohl  sehen  Kapsel¬ 
fabrik  in  Schönbaum  (Danzig)  nach  der  Angabe  Rumpeis 
hergestellten  Kapseln  in  vitro  mit  künstlichem  und  natürlichem 
Magensaft  angestellt. 

I.  Proben  mit  künstlichem  Magensaft  bei  37°  (0,2  Proz. 
Salzsäure  und  1  Proz.  Pepsin  enthaltend): 

1.  2  Caps,  gelod.  mit  Coffein,  pur.  0,2  halten  6  Stunden  dein 
Magensaft  stand,  2  weitere  Kapseln  je  7  und  7Vs  Stunden.  Behandelt 
man  die  Kapseln  2  Stunden  mit  dem  Magensaft  und  bringt  sie  als¬ 
dann  in  Pankreaslösung  (1  Proz.  Pankreon  und  2  Proz.  Sodalösung), 
so  öffnen  sich  die  Kapseln  in  7 — 22  Minuten.  Nach  45  Minuten  ist 
die  Kapselhülle  fast  ganz  gelöst  bis  auf  geringe  Reste. 

2.  Ovogalkapseln  zu  0,3  g  (am  29.  X.  06  hergestellt)  hielten  zwi¬ 
schen  5  und  6Va  Stunden  dem  Magensaft  stand.  Nach  zweistündiger 
Vorbehandlung  mit  dem  Magensaft  begann  der  Austritt  der  Arznei¬ 
mittel  im  Pankreassaft  nach  13 — 17  Minuten. 

3.  Digitaliskapseln,  enthaltend  0,1  Digit,  (am  31.  VII.  06  her¬ 
gestellt)  halten  5 — 6  Stunden  dem  Magensaft  und  18 — 20  Minuten  der 
Pankreatinlösung  stand. 

4.  Bismuth.  subnitr.-Kapseln  (am  17.  VII.  06  hergestellt)  halten 
4— 6 Vs  Stunden  dem  Magensaft,  12—20  Minuten  der  Pankreatinlösung 
stand. 

II.  Proben  mit  natürlichem  Magensaft  bei  37°: 

1.  Magensaft  von  einer  Gesamtazidität  —  90.  Freie  Salzsäure 
stark  +.  Milchsäure  negativ. 

Digitaliskapseln  halten  dem  Magensaft  über  4— 6Vs  Stunden 
stand;  nach  zweistündiger  Vorbehandlung  im  Magensaft  erfolgt  die 
Oeffnung  in  künstlicher  Pankreatinlösung  in  5  Minuten. 

2.  Magensaft:  Gesamtazidität  =  5.  Freie  Salzsäure  —  0.  Milch¬ 
säure  =  0. 

Capsulae  geloduratae  halten  über  6  Stunden  der  Einwirkung 
des  Magensaftes  stand,  Versuch  wird  dann  abgebrochen. 

Nach  Vorbehandlung  wie  üblich  löst  sich  die  Kapsel  in  der 
Pankreatinlösung  in  20 — 25  Minuten. 

3.  Magensaft:  Gesamtazidität  =  25.  Freie  Salzsäure  —  0.  Milch¬ 
säure  =  +. 

Capsulae  geloduratae  mit  Ovogal  0,3  halten  über  6  Stunden  dem 
Magensaft  stand,  der  Versuch  wird  alsdann  abgebrochen.  Nach 
zweistündiger  Magensafteinwirkung  erfolgt  die  Oeffnung  in  Pan¬ 
kreatinlösung  nach  2- — 3  Minuten. 

In  den  drei  natürlichen  Magensäften  lösten  sich  gewöhn¬ 
liche,  nicht  gehärtete  Gelatinekapseln  in  2 — 6  Minuten. 

Aus  den  angeführten  Versuchen  geht  hervor,  dass  die 
Capsulae  geloduratae  dem  Magensaft  genügend  lange  Zeit 


iuy  o 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Widerstand  leisten  und  dass  ihre  Lösung  resp.  Eröffnung  und 
damit  der  Austritt  der  Arzneimittel  in  den  Dünndarm  in  kürze¬ 
ster  Zeit  erfolgt.  Bemerkenswert  ist  vor  allem,  dass  die  Kap¬ 
seln  auch  schwachsaurem  oder  anazidem  Magensaft  stand¬ 
halten,  ein  Vorzug,  der  den  Keratinkapseln  abgeht.  Diese  letz¬ 
teren  kommen  in  ungenügend  saurem  Magensafte  zur  Lösung 
und  müssen  deshalb  nach  Angabe  der  Fabrik  stets  mit  Salz¬ 
säure  verabreicht  werden.  Ein  weiterer  Vorzug  der  Capsulae 
geloduratae  ist  ihre  schnelle  Löslichkeit  im  Darm.  Die  Keratin¬ 
kapseln  sind  in  dieser  Hinsicht  weniger  zuverläsig.  Bei  Ver¬ 
suchen  mit  Keratinkapseln  unter  denselben  Bedingungen  wie 
oben  entstanden  bei  verschiedenen  innerhalb  1 — 2  Stunden  im 
Magcnaft  kleine  Löcher  und  es  schwammen  von  dem  Inhalt 
(Salizyl)  kleine  Kristalle  im  Magensafte  umher.  Die  Lösung 
im  Pankreatinsaft  erfolgte  erheblich  später,  bei  einigen  nach 
30  Minuten;  bei  mehreren  blieb  unter  der  Keratinschicht  noch 
eine  andere  Hüllschicht  bestehen,  die  selbst  nach  zweistündiger 
Pankreatinbehandlung  sich  nicht  löste.  Ausserdem  kleben  die 
Kcratinkapseln  sehr  leicht  fest  aneinander,  bekommen  bei  der 
Lösung  Sprünge  und  Risse.  Erwähnt  sei  auch,  dass  die 
Keratinkapseln  doppelt  so  teuer  sind  wie  die  Geloduratkapseln. 
Sahli  sehe  Glutoidkapseln  mittlerer  Härtung  hielten  noch 
2  7  Stunden  dem  Pankreatinsaft  stand.  Aber  auch  die 
schwach  gehärteten  Glutoidkapseln  beginnen  nach  den  eigenen 
Angaben  Sahlis  erst  nach  1/4 — 2  Stunden  sich  zu  lösen. 

Aus  Versuch  I,  2 — 4  geht  hervor,  dass  auch  ältere  Kapseln, 
die  zum  Teil  1  Jahr  alt  waren,  durchaus  brauchbar  blieben. 


Von  Arzneimitteln  sind  im  Laufe  des  letzten  Jahres  an 
unserer  Klinik  folgende  in  R  u  m  p  e  1  sehen  Kapseln  verab¬ 
reicht  worden:  Digitalis.  Koffein,  Diuretin,  Natr.  salicyl., 
Aspirin,  Acid.  salicyl.,  Kodein,  Belladonna,  Bismuth.  subnitr., 
Kal.  jodat.,  Methylenblau,  Kreosot.  Leberthran,  Ol.  Tere- 
binth.,  Creosotal.  composit.,  Chinin,  Theoziin,  Thymol,  Ovogal. 
Es  würde  zu  weit  führen,  die  Krankengeschichten  der  mehrere 
hundert  Fälle,  bei  denen  die  Kapseln  bisher  erprobt  wurden, 
hier  wiederzugeben,  es  seien  jedesmal  nur  einige  Beispiele  an¬ 
geführt. 

Von  Arzneimitteln,  welche  wegen  ihres  schlechten  Ge¬ 
schmackes  ungern  genommen  werden  und  auch  nach  Verab¬ 
reichung  in  einfachen  Gelatinekapseln  nach  deren  Lösung  durch 
Regurgitation  Beschwerden  verursachen,  sind  vor  allem  zu 
nennen  die  Kreosotpräparate,  das  Terpentinöl,  ferner  das  .Tod¬ 
kalium,  das  Chinin,  die  Balsamica  z.  B.  Santalöl,  Extr.  filic. 
mar.  usw. 

Das  Kreosot  wurde  in  unserer  Klinik  bisher  in  der  Form 
einer  Mixtura  Guaiacoli  verabreicht,  die  Kal.  sulfoguaiacol. 
30.0  mit  Sir.  aurant.  zu  300,0  Wasser  enthält.  Obwohl  der 
Mixtur  ein  direkt  widerlicher  oder  unangenehmer  Geschmack 
nicht  zukommt,  wurde  doch  auf  den  Frauenstationen  nach 
kürzerer  oder  längerer  Zeit  über  starke  Geschmacksbelästi¬ 
gungen  geklagt.  An  Stelle  der  Mixtur  wurden  alsdann  Caps, 
geloduratae  mit  Creosotal.  compos.  gegeben.  Diese  Kapseln 
enthalten:  Creosot.  carbon.  0,2,  Bals.  tolul.  0,3,  Camph.  trit. 
0.05,  Dionin  0,0125.  Die  Kapseln  sind  bei  einer  grossen  Reihe 
von  Phthisen  gegeben  worden,  wurden  von  den  Patientinnen 
ohne  Widerstreben  genommen  und  vorzüglich  vertragen.  Ich 
führe  ein  Beispiel  von  vielen  an: 

M.  TL.  36  Jahre.  Diacnose:  Schwere  Phthisis  milm.  Pat.  er¬ 
hielt  gleich  zu  Anfang  der  Behandlung  Cans.  gelodurat.  creosot.  Pat. 
konnte  die  Kapseln  gut  scb.lucken.  hatte  keinen  schlechten  Geschmack, 
kein  Aufstossen.  keine  Magenbeschwerden.  Darauf  wurden  die 
Kanseln  versuchsweise  ausgesetzt  und  Mixt.  Guajacol  verabreicht: 
schon  nach  wenigen  Tagen  Klagen  über  Geschmacksbelästi$nmg. 
trotzdem  wird  die  Mixtur  auf  Zureden  weiter  genommen.  Nach 
10  Tagen  erklärt  Pat..  dass  sie  die  Arznei  nicht  mehr  nehmen  könne 
wegen  der  starken  Magenbeschwerden.  Daraufhin  wurden  wieder 
Cans.  gelodarat.  gegeben  und  seit  einem  Monat  ausgezeichnet  ver¬ 
tragen. 

Als  zweckmässig  erwiesen  sich  die  Kapseln  bei  der  Ver¬ 
abreichung  der  Balsamica  z.  B.  des  Santalöls  und  bei  Ter¬ 
pentinöl.  Das  lästige  Aufstossen,  das  bei  ersterem  trotz  der 
Einführung  in  einfachen  Gelatinekapseln,  meist  erfolgt,  fällt  bei 
den  Geloduratkapseln  vollständig  fort.  Dass  das  Terpentinöl 
innerlich  in  den  Kapseln  gut  vertragen  wird  lehrt  folgender 
Fall: 


Patient  G.  Diagnose:  Tuberculos.  pulm.  mit  fötider  Zersetzung. 
Diabetes.  Pat.  bekam  zunächst  Terpentinöl  0,5  innerlich  in  unge¬ 
härteten  Gelatinekapseln.  Bald  darauf  klagte  er  über  dauernde  starke 
Geschmacksbelästigung,  die  ihm  den  Appetit  verderbe.  Er  erhielt  da¬ 
rauf  Terpentin  0.6  in  Caps,  gelodurat.  mehrmals  täglich.  Schon  am 
nächsten  Tage  gab  er  an,  dass  die  Geschmacksbelästigung  geringer  ge¬ 
worden,  am  darauffolgenden  Tage  ganz  gering  geworden  sei  und  der 
Appetit  sich  bessere. 

Jodkalium  wurde  ebenfalls  in  Caps,  gelodurat.  verabreicht. 
Es  ist  hier  auf  die  eingangs  bereits  gemachte  Bemerkung  noch¬ 
mals  hinzuweisen,  dass  die  Füllung  mit  leicht  wasserlöslichen 
Substanzen  bei  den  Sahli  sehen  Kapseln  nicht  möglich  ist. 
Hier  bietet  die  R  u  m  p  e  1  sehe  Methode  den  grossen  Vorteil 
insofern,  als  die  aus  zwei  inaneinder  schiebbaren  Hüllen  be¬ 
stehenden  Caps,  operculatae  gehärtet,  nachträglich  mit  dem 
Arzneimittel  gefüllt  und  durch  Kollodiumüberzug  über  die  Ver¬ 
schlussstelle  geschlossen  werden  können.  Dadurch  ist  auch 
dem  Apotheker  die  Möglichkeit  gegeben,  die  Kapseln  leer  vor¬ 
rätig  halten  und  nach  Bedarf  mit  den  Arzneimitteln  in  möglichst 
frischem  Zustande  hüllen  zu  können.  Schon  R  u  m  p  e  1  hat 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  auch  bei  seinen  Kapseln  eine 
Diffusion  leicht  löslicher  Substanzen  z.  B.  des  Jods  durch  die 
Kapsel  nicht  ganz  zu  vermeiden  ist.  Dies  erfolgt,  wie  sich 
experimentell  feststellen  lässt,  schon  sehr  bald.  So  konnte  ich 
bei  einer  Patientin,  die  zugleich  mit  einem  Probefrühstück 
eine  Jodkapsel  erhalten  hatte,  in  dem  %  Stunden  später  aus- 
geheberten  Magensaft  eine  deutliche, wenn  auch  nur  geringe  Jod¬ 
reaktion  nachweisen.  Im  Reagensglas  stellte  sich  der  Versuch 
so  ein,  dass  nach  20 — 30  Minuten  in  der  Kapsel  das  Jodkalium 
sich  zu  verflüssigen  begann  und  nach  40 — 50  Minuten  ganz  ver¬ 
flüssigt  war.  Es  scheint  aber  doch  so  wenig  Jod  durch  die 
Kapsel  durchzudringen,  dass  in  praxi  diese  Menge  nicht  aus¬ 
reicht,  um  grössere  Beschwerden  zu  machen,  zumal  wenn  man 
die  Kapseln  nüchtern  gibt  und  dadurch  ihre  möglichst  schnelle 
Ueberführung  in  den  Darm  begünstigt.  In  einer  grossen  Reihe 
von  Fällen  wurden  die  Kapseln,  nachdem  vorher  eine  Mixt, 
jodat.  wegen  schlechten  Geschmackes  und  Magenbeschwerden 
abgelehnt  worden  war,  in  ausgezeichneter  Weise,  ohne  jede 
Belästigung  vertragen. 

Ms.:  E.  Sch..  Diagnose:  Taboparalyse,  erhielt  8 — 10  Tage  lang 
Mixt,  jodat.,  klagte  dann  über  den  bitteren  Geschmack,  zunehmende 
Magenbeschwerden  und  Appetitlosigkeit.  Darauf  Caps,  gelodurat. 
mit  Jodkali  gegeben:  der  Appetit  besserte  sich,  die  Kapseln  wurden 
lange  Zeit  ausgezeichnet  vertragen. 

Fr.  S.,  Diagnose:  Lues  cerebrospinalis,  hat  3  Wochen  lang  .Tod¬ 
kapseln  genommen  und  keinerlei  Beschwerden  gehabt.  Sie  gab  an, 
dass  die  Kapseln  durchaus  nicht  bitter  seien,  gar  keinen  üblen  Ge¬ 
schmack  und  keine  Beschwerden  verursachen. 

Dass  die  durch  die  Ausscheidungsvorgänge  des  Jods  her¬ 
vorgerufenen  Nebenerscheinungen  nicht  zu  vermeiden  sind, 
darf  nicht  Wunder  nehmen;  so  ging  auch  bei  einem  Patienten 
der  nach  längerer  Verabfolgung  von  Jodmixtur  einen  Jod¬ 
schnupfen  bekam,  dieser  nach  Einführung  der  Kapseln  nicht 
zurück.  Und  doch  blieben  bei  einer  Patientin,  die  früher  schon 
öfter  mit  Jod  behandelt  worden  war,  bei  der  aber  jedesmal 
die  Kur  kurz  nach  Beginn  wegen  äusserst  heftiger  Erschei¬ 
nungen  von  seiten  der  Schleimhäute  (Jodschnupfen,  Kon¬ 
junktivitis)  unterbrochen  werden  musste,  diese  Erscheinungen 
bei  Anwendung  der  Jodkapseln  trotz  langer  Behandlung  voll¬ 
ständig  aus.  Chinin  sulf.  wurde  in  mehreren  Fällen  ohne  Be¬ 
schwerden  in  Kapseln  genommen.  Eine  Beeinträchtigung  der 
Wirksamkeit  liess  sich  nicht  feststellen. 

Unter  den  Arzneimitteln,  deren  Wirkungsort  der  Darm 
sein  soll,  ist  vor  allem  der  Extract.  filic.  maris  zu  erwähnen. 
Derselbe  wurde  bisher  seines  schlechten  Geschmackes  wegen 
schon  in  Gelatinekapseln  verabreicht.  Er  macht  aber  trotzdem 
in  vielen  Fällen  starke  Beschwerden.  Vor  allem  ist  es  er¬ 
wünscht,  die  ganze  Menge  des  Extraktes  in  unveränderter 
Quantität  und  Qualität  an  seinen  Wirkungsort  den  Darm,  ge¬ 
langen  zu  lassen.  Das  erreicht  man  mit  Geloduratkapseln  vor¬ 
züglich.  Zu  diesem  Zwecke  sind  Capsulae  geloduratae  auch 
in  der  neuen  Auflage  seines  Lehrbuches  von  Professor  v. 
Strümpell  bei  der  Besprechung  der  Bandwurmkuren  aus¬ 
drücklich  empfohlen. 

Patient  B.  Taeniae  sasrinata.  Bandwurmmittel  in  Gelodurat¬ 
kapseln  ohne  Beschwerden  .vertragen.  Taenia  mit  Kopf  ab^eyantre'1 

Dass  man  allerdings  auch  mit  den  Gelodaratkapseln  einmal 
einen  Misserfolg  haben  kann,  lehrt  folgender  Fall. 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Patient  S.,  Taenia  saginata,  erhielt  morgens  nüchtern  8,0  Extr. 
fil.  mar.  in  Geloduratkapseln.  lVs — 2  Stunden  nachher  heftiges  Er¬ 
brechen.  Das  Erbrochene  enthielt  fast  nur  Extrakt. 

Ob  es  sich  hier  um  Zuriickfliessen  des  bereits  im  Darm 
befindlichen  Extraktes  gehandelt  hat,  oder  ob  eine  technisch 
nicht  einwandsfrei  hergestellte  Kapsel  zu  früh  in  Lösung  ge¬ 
gangen  ist,  muss  dahingestellt  bleiben. 

Weiter  dürften  die  Kapseln  eine  grosse  Rolle  spielen  bei 
der  Medikation  des  neuen  Darmdesinfiziens,  des  Isoforms. 
Das  Isoform  lässt  sich,  wie  auch  schon  Heile  [8]  nachge¬ 
wiesen  hat,  mit  Caps,  geloduratae  gut  einnehmen.  Bei  uns 
wurde  es  in  einigen  Fällen  von  Icterus  catarrhalis  gegeben 
und  ohne  Beschwerden  vertragen.  Nach  2  günstigen  Beob¬ 
achtungen  bei  krampfartigen  partiellen  Darmsteifungen,  wohl 
auf  Grund  peritonitischer  Verwachsungen,  sind  die  Kapseln 
auch  zweckmässig  zur  lokalen  Applikation  von  Belladonna. 
Auch  bei  Ileuserscheinungen  auf  Grund  irgend  welcher  innerer 
Einklemmungen  und  Darmtorsionen  dürfte  diese  Art  der  Dar¬ 
reichung  von  Belladonnapräparaten  empfehlenswert  sein. 

I11  die  Gruppe  der  Arzneimittel,  die  bei  längerem  Auf¬ 
enthalt  im  Magen  eine  örtlich  reizende  Wirkung  auf  die  Magen¬ 
schleimhaut  ausüben,  lallen  vor  allem  die  Salizylpräparate, 
das  Chinin,  die  Diuretika  und  Digitalis. 

Von  Salizylpräparaten  wurden  Natr.  salicyl.  und  Acid. 
salicyl.  in  Kapseln  sehr  gut  vertragen.  Auch  das  Aspirin,  das 
die  unangenehmen  Eigenschaften  der  Salizylpräparate  nicht 
haben  soll,  das  aber  in  grösseren  Dosen  sehr  oft  zu  Magen¬ 
beschwerden  führt,  wurde  in  Geloduratkapseln  besser  ver¬ 
tragen. 

Weitaus  die  wichtigste  Rolle  spielen  die  Capsulae  gelo¬ 
duratae  und  am  praktisch  wichtigsten  ist  ihre  Anwendung  bei 
den  Diuretizis  und  der  Digitalis.  Hier  sind  die  Kapseln  oft 
geradezu  unentbehrlich.  Es  ist  hinlänglich  bekannt,  wie  man 
bei  der  Verabreichung  von  Digitalis  und  Diuretin  mit  den  nur 
zu  bald  auftretenden  lästigen  Magensymptomen  immer  wieder 
zu  kämpfen  hat.  In  unserer  Klinik  sind  schon  seit  etwa  einem 
Jahre  die  Versuche  gemacht  worden,  die  genannten  Mittel  in 
Geloduratkapseln  zu  geben,  und  zwar  mit  so  günstigem  Er¬ 
folge,  dass  Digitalis  und  Diuretin  fast  ausschliesslich  in 
Rumpel  sehen  Kapseln  verordnet  werden.  Die  Kapseln 
werden  in  der  ausgezeichnetsten  Weise  vertragen;  bei  Pa¬ 
tienten,  bei  denen  vorher  bald  nach  Gebrauch  von  Digitalis  in 
Infus-  oder  Pulverform  starke  Magenbeschwerden  auftraten, 
blieben  diese  Nebenerscheinungen  auch  bei  längerer  Verab¬ 
reichung  vollständig  aus.  Es  seien  von  den  zahlreichen 
Fällen  einige  Beispiele  angeführt. 

Pat.  Fr.  D..  schweres  inkompen'Siertes  Vitium  cordis  (Mitral¬ 
insuffizienz  und  Stenose),  erhielt  Digitalis  in  Pulverform  zn  0,1,  3  mal 
tägl.;  nach  2  Tagen  starke  Uebelkeit  und  Erbrechen.  Kapseln  mit 
Digit.  0,1  bis  zum  Eintritt  der  Digitaliswirkung  gut  vertragen. 

Pat.  E.  P.,  Vitium  cordis,  erhielt  .am  Tage  der  Aufnahme  3  mal 
tägl.  0.1  Digital.  Am  nächsten  Tage  starkes  Uebelsein  mit  Erbrechen. 
Darauf  Verabfolgung  des  Digital,  in  Caps,  gelodurat.,  ohne  Beschwer¬ 
den  tagelang  vertragen. 

Ganz  entsprechend  waren  die  Resultate  bei  der  Medikation 
von  Diuretin  und  Koffein. 

Ich  möchte  hier  noch  darauf  hinweisen,  dass  Löwy  [14] 
nachgewiesen  hat,  dass  Digitalisaufguss  durch  Salzsäure  von 
der  Stärke  der  Magensalzsäure  in  allen  Fällen  geschwächt 
wird.  Es  müsste  somit  die  Digitalis  durch  ihren  Aufenthalt  im 
Magen  und  die  lange  Berührung  mit  dem  Magensaft  in  ihrer 
Wirksamkeit  Einbüsse  erleiden.  Trifft  das  tatsächlich  zu,  so 
muss  die  Anwendung  der  Geloduratkapseln  doppelt  erwünscht 
erscheinen. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  auf  die  nach  der  Rumpel  sehen 
Methode  hergestellten  Valylperlen  hingewiesen,  die  ebenfalls 
ausgezeichnet  gut  vertragen  wurden. 

Der  Einführung  der  Kapseln  stehen  mechanische  Hinder¬ 
nisse  meist  nicht  entgegen.  Mit  Ausnahme  von  2  Fällen 
konnten  alle  Patienten  die  Kapseln  mühelos  schlucken.  Das 
liegt  wohl  vor  allem  auch  an  der  Elastizität  der  Capsulae 
geloduratae,  ein  Vorzug,  der  den  herben  und  daher  schlecht  zu 
schluckenden  Keratinkapseln  abgeht. 

Lange  Zeit  hindurch  wurde  der  Stuhl  von  den  Patienten, 
die  Rumpel  sehe  Kapseln  erhalten  hatten,  sorgfältig  gesiebt. 
Es  wurden  niemals  uneröffnete  Kapseln  im  Stuhlgang  gefunden. 

Ueber  die  Verwendbarkeit  der  Rumpel  sehen  Kapseln 


1679 


zu  diagnostischen  Zwecken  sind  grössere  Versuche  noch  nicht 
gemacht  worden,  doch  werden  die  mit  Wismuth  ge¬ 
füllten  Kapseln  bei  uns  zur  Untersuchung  des  Magens 
mit  Röntgenstrahlen  mit  gutem  Erfolg  angewandt. 

Es  hat  sich  somit  in  der  Gesamtheit  der  zahlreichen  an 
unserer  Klinik  angestellten  therapeutischen  Versuche  gezeigt, 
dass  den  gehärteten  Dünndarmkapseln  eine  grosse  Bedeutung 
in  der  Arzneiverordnung  zukommt.  Leider  hat  sich  bisher  ihre 
Anwendung  nicht  in  die  Praxis  eingebürgert,  bei  den  Keratin¬ 
kapseln  wohl  hauptsächlich  wegen  ihrer  doch  zahlreichen 
Mängel;  aber  auch  die  Glutoidkapseln  Sahlis  haben,  obwohl 
sie  in  der  Grenze  ihrer  Anwendbarkeit  Vorzügliches  leisten, 
keine  rechte  Beachtung  in  der  Therapie  gefunden.  Meine  Ver¬ 
suche  dürften  dargetan  haben,  dass  die  neuen  Rumpel  sehen 
Capsulae  geloduratae,  die  ausserdem  den  Vorzug  grosser  Bil¬ 
ligkeit  besitzen,  die  Anforderungen,  die  an  die  Brauchbarkeit 
solcher  Kapseln  gestellt  werden  müssen,  in  weitestem  Masse 
erfüllen. 

Literatur: 

1.  Unna:  Verliandl.  des  III.  Kongr.  f.  innere  Med.  1884.  - 
2.  C  e  p  p  i  und  Yoon:  Ref.  in  der  Pharmazeut.  Zeitung  1891,  No.  83. 

—  3.  .Q  Veder:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1894,  No.  15.  —  4.  Ewald: 
Verdauungskrankheiten.  I.  —  5.  Sahli:  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1897.  —  6.  Rumpel:  Pharmaz.  Monatsh.,  Juli  1906.  —  7.  Sahli: 
Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  61.  Bd.  —  8.  H  e  i  1  e:  Sammlung  klinischer 
Vorträge  1905.  —  9.  Fromme:  Inauguraldissertation,  Qiessen  1901. 

—  10.  Delachaux:  These  de  Lausanne,  Neuchatel  1901.  — 
11.  Wallenfang:  Dissertation,  Bonn  1903.  —  12.  A.  Schmidt: 
Verhandl.  des  Kongr.  f.  innere  Med.  1904.  —  12.  Hoff  mann:  Mit¬ 
teilungen  a.  d.  Grenzgebieten  der  Medizin  und  Chirurgie  1905.  — 
14.  Löwy:  Wien.  klin.  Wochenschr.  1906,  No.  39. 


Aus  dem  Kinderhospital  in  Hamburg-Borgfelde. 

Zur  Kasuistik  der  angeborenen  Nabelschnurbrüche 

(Ectopia  viscerum). 

Von  Dr.  Ringel. 

Nabelbrüche  im  eigentlichen  Sinne,  wie  wir  sie  so  häufig 
im  kindlichen  Alter  zu  beobachten  Gelegenheit  haben,  sind 
stets  ein  erworbenes  Leiden.  Mit  Recht  wird  von  G  r  a  s  e  r  [1] 
hierauf  ausdrücklich  aufmerksam  gemacht,  weil  der  Nabel  sich 
erst  einige  Zeit  nach  der  Geburt  als  Narbe  an  der  Stelle  der 
abgestossenen  Nabelschnur  entwickelt.  Es  kann  also  höchstens 
die  Disposition  zu  einem  Nabelbruch  angeboren  sein,  indem  der 
Nabelring  sich  nicht  genügend  kontrahiert  hat.  Ganz  anders 
die  Nabelschnurbrüche,  bei  welchen  Baucheingeweide  aus  dem 
Nabelring  herausgetreten,  nur  von  der  Nabelschnur  bedeckt 
werden.  Sie  sind  stets  ein  angeborenes  Leiden  und  gehören 
den  echten  Hemmungsmissbildungen  an.  Bisweilen  werden 
die  Nabelschnurbrüche  denn  auch  mit  anderen  Missbildungen 
gleichzeitig  angetroffen:  Ectopia  vesicae,  Spina  bifida,  Hemi- 
cephalie,  Hasenscharte  u.  a.  m. 

Das  Zustandekommen  angeborener  Nabelschnurbrüche 
wird  von  A  h  1  f  e  1  d  so  erklärt,  dass  der  Ductus  omphalo- 
mesaraicus  nicht  rechtzeitig  zum  Schwund  kommt,  wodurch 
verhindert  wird,  dass  derjenige  Dünndarmteil,  an  welchen  er 
sich  ansetzt,  und  der  zu  einer  gewissen  Zeit  der  fötalen  Ent¬ 
wicklung  ausserhalb  der  Bauchhöhle  im  Dottersack  gelagert 
ist,  sich  nicht  in  die  Bauchhöhle  zurückziehen  kann.  Dadurch 
wird  weiterhin  der  rechtzeitige  Schluss  der  Bauchspalte  auf¬ 
gehalten,  und  es  bleibt  eine  mehr  oder  weniger  weite  Kom¬ 
munikation  zwischen  der  Bauchhöhle  und  dem  fötalen  Ansatz 
der  Nabelschnur  bestehen.  Dieser  Entstehungsursache  ent¬ 
sprechend  finden  wir  bei  kleinen  Nabelschnurbrüchen  als  In¬ 
halt  stets  Teile  aus  dem  unteren  Ileum,  mit  zunehmender 
Grösse  das  Zoekum,  grössere  Darmabschnitte,  und  schliesslich 
auch  andere  Organe  der  Bauchhöhle,  so  namentlich  die  Leber 
in  ganzer  Ausdehnung  oder  einen  Teil  derselben,  Fälle,  die 
richtiger  als  Ectopia  viscerum  zu  bezeichnen  sind. 

Die  Grösse' der  zur  Beobachtung  gelangten  Nabelschnur¬ 
brüche  schwankt  zwischen  einer  kaum  merklichen  Anschwel¬ 
lung  des  Ansatzteiles  der  Nabelschnur,  und  einer  Ausdehnung 
derselben  bis  weit  über  Kindskopfgrösse. 

Liindfors  [2]  hat  zuerst  alle  bis  zum  Jahre  1891  in  der 
Literatur  bekannt  gewordenen  Fälle  dieser  Missbildung  zu¬ 
sammengestellt.  Es  sind  dies  aus  der  Zeit  bis  zum  Jahre  1882 


1680 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


34,  und  von  da  ab  bis  1891  31  Fälle.  Knoop  [3]  berichtet  über 
weitere  46  bis  zum  Jahre  1902  veröffentlichte  Fälle  von  Nabel¬ 
schnurbruch,  worunter  sich  3  eigene  Beobachtungen  aus  der 
Werth  sehen  Klinik  befinden.  Seit  dieser  Zeit  sind  weiter 
mitgeteilt  worden  2  Fälle  von  He  dm  an  [4]  und  je  einer  von 
Z  i  1 1  m  e  r  [5]  und  von  M  o  r  a  n  [6],  welch  letzterer  über  einen 
Nabelschnurbruch  von  Fussballgrösse  berichtet. 

Bei  der  relativen  Seltenheit  der  genannten  Missbildung 
dürfte  es  von  Interesse  sein,  über  2  derartige  Fälle  Näheres 
mitzuteilen,  welche  ich  im  letzten  Jahre  zu  beobachten  und  be¬ 
handeln  Gelegenheit  hatte,  und  bei  denen  sich  ein  Befund  er¬ 
gab,  der  mir  diese  Veröffentlichung  zu  rechtfertigen  scheint. 

Kurt  H.,  geboren  am  3.  April  1906,  wurde  am  7.  April  in  das  Kin¬ 
derhospital  gebracht,  weil  er  seit  der  Geburt  noch  keine  Darment¬ 
leerung  gehabt  hatte,  und  seit  2  Tagen  nach  jeder  Nahrungsaufnahme 
(Brustkind)  sofort  erbrach.  Kräftiges  ausgetragenes  Kind.  Die  Nabel¬ 
schnur,  welche  in  ca.  7  cm  Länge  abgebunden  ist,  ist  an  ihrem  Ur¬ 
sprung  in  Walnussgrösse  halbkugelig  erweitert,  und  enthält  hier 
sichtbar  und  fühlbar  Darmschlingen.  Die  Nabelschnur  ist  an  dieser 
Stelle  grünlich  verfärbt,  während  sie  an  der  Abbindungsstelle  schon 
vollkommen  eingetrocknet  ist.  Der  Leib  des  Kindes  ist  nicht  wesent¬ 
lich  aufgetrieben  und  ziemlich  weich.  —  An  beiden  Corneae  mehrere 
Trübungen,  sonst  keinerlei  Missbildungen. 

Es  wird  sofort  —  ohne  Narkose  —  die  Nabelschnur  etwas  ausser¬ 
halb  der  Demarkationszone  Umschnitten  und  der  Bruchsack  eröffnet, 
nachdem  die  Nabelgefässe  unterbunden  sind.  Es  entleert  sich  sofort 
reichlicher  Darminhalt,  und  zwar  aus  einer  linsengrossen  Perfora¬ 
tionsöffnung,  welche  auf  einem  in  Gangrän  begriffenen,  bleistiftdicken, 
3  cm  langen  Meckel  sehen  Divertikel  sass,  welches  mit  der  Spitze 
im  Bruchsack  verlötet  war.  Neben  diesem  befanden  sich  2  weitere 
Dünndarmschlingen,  wodurch  der  Nabelring  vollkommen  abge¬ 
schlossen  und  das  Hineinfliessen  von  Darminhalt  in  die  Bauchhöhle 
verhindert  wurde.  Reinigung  der  Darmschlingen,  Reposition  der  ge¬ 
sunden  Därme.  Das  Meckel  sehe  Divertikel  wird  vorgezogen  und 
seitlich  am  Ileum  reseziert.  Querverlaufende  Etagennaht  am  lleum, 
Reposition  des  Darmes.  Hierauf  wird  das  Peritoneum  geschlossen 
und  ebenso  der  ganze  Nabelring  mit  durch  die  Haut  durchgreifenden 
Seidenknopfnähten. 

Am  Tage  nach  der  Operation  befand  sich  das  Kind  ganz  wohl, 
hatte  kein  Fieber  und  hatte  mehrfach  Darmentleerungen  gehabt,  bei 
guter  Nahrungsaufnahme. 

Am  8.  Tage  konnten  die  Nähte  entfernt  werden,  die  Wunde  war 
per  primam  verheilt.  Das  Befinden  des  Kindes  blieb  andauernd  gut. 

Nach  14  Tagen  trat  insofern  eine  Störung  ein,  als  sich  beiderseits 
in  der  Tunica  vaginalis  der  Hoden  eine  zunehmende  Anschwellung 
unter  Fieber  herausbildete,  die  inzidiert  wenden  musste,  wobei  sich 
Eiter  entleerte.  Ich  glaube,  dass  es  sich  hier  um  vereiterte  Häma¬ 
tome  gehandelt  hat,  die  dadurch  entstanden  waren,  dass  bei  der 
Operation  Blut  in  die  Bauchhöhle  gelaufen  war,  welches  sich  durch 
den  noch  offenen  Processus  vaginalis  peritonei  nach  dem  Skrotum 
gesenkt  hatte.  Auch  hier  trat  sehr  schnell  Heilung  ein.  Das  Kind 
ist  jetzt,  1  Jahr  nach  der  Operation,  ganz  gesund  —  mit  Ausnahme 
der  Störung  an  den  Augen  —  und  hat  sich  sehr  gut  entwickelt.  Die 
Narbe  in  der  Gegend  des  Nabels  ist  fest  und  ohne  Hernienbildung. 

Es  ist  nun  in  erster  Linie  die  Frage  zu  beantworten,  wo¬ 
durch  in  diesem  Falle  die  Perforation  des  Me  ekel  sehen  Di¬ 
vertikels  veranlasst  worden  ist.  Man  könnte  zunächst  daran 
denken,  dass  hier  eine  Inkarzeration  Vorgelegen  hätte,  die  zur 
Gangrän  geführt  hat.  Diese  Möglichkeit  ist  jedoch  zu  ver¬ 
neinen.  Die  Darmschlingen,  welche  neben  dem  Divertikel  in 
dem  Bruchsack  lagen,  waren  absolut  gesund  und  zeigten  keine 
Spur  von  Verfärbung  durch  Abschnürung.  Es  bleibt  hier  viel¬ 
mehr  nur  die  eine  Erklärung,  dass  der  gangräneszierende  Pro¬ 
zess  sich  von  der  Nabelschnur  direkt  auf  das  an  ihr  mit  der 
Spitze  verlötete  Me  ekel  sehe  Divertikel  fortgepflanzt  hat, 
und  die  Perforation  später  herbeiführte.  Es  ist  dies  eine  Tat¬ 
sache,  die  für  unser  therapeutisches  Vorgehen  von  entscheiden¬ 
der  Bedeutung  ist,  und  worauf  ich  weiter  unten  noch  zurück¬ 
komme.  Die  zweifellos  vorhanden  gewesenen  Ileuserschei- 
nungen  sind  durch  Darmparalyse  zu  erklären.  Interessant  ist 
dieser  Fall  weiterhin  dadurch,  dass  er  eine  Illustration  zu  der 
A  h  1  f  e  1  d  sehen  Theorie  der  Entstehung  der  Nabelschnur¬ 
brüche  bildet. 

Ich  lasse  nun  zunächst  den  zweiten  Fall  folgen: 

Kind  S.,  geboren  am,  26.  April  1906,  wurde  am  27.  April  in  das 
Kinderhospital  gebracht.  Ausgetragenes,  kräftiges  männliches  Kind 
von  3200  g  Gewicht.  6  Geschwister  leben  und  sind  gesund  zur  Welt 
gekommen. 

Der  Ansatzteil  der  Nabelschnur  ist  zu  einem  nahezu  kindskopf¬ 
grossen  äusserst  dünnwandigen  Sack  ausgedehnt,  in  welchem  zahl¬ 
reiche  Darmschlingen  deutlich  erkennbar  sind.  Die  Basis  dieses 
Sackes  hat  dem  Nabelring  entsprechend  einen  Durchmesser  von 
ca.  4  cm.  Hier  befindet  sich  die  scharf  ausgeprägte  Demarkationslinie 


der  Nabelschnur.  Von  letzterer  hängt  noch  ein  6  cm  langes  Stück 
an  der  Kuppe  des  Sackes  von  normaler  Dicke.  Das  Abdomen  des 
Kindes  ist  ziemlich  flach  und  gespannt.  Weitere  Abnormitäten  sind 
nicht  erkennbar. 

Die  Operation  wird  unverzüglich  vorgenommen  (ohne  Narkose): 
Umschneidung  des  ganzen  Bruchsackes  etwas  ausserhalb  der  De¬ 
markationslinie  der  Nabelschnur.  (Eröffnung  des  Bruchsackes.  In 
demselben  befindet  sich  fast  der  ganze  Dünndarm,  ein  grosser  Teil 
des  Kolons  mit  dem  Zoekum  und  nahezu  die  ganze  Leber  mit  ihrem 
Hilus.  Nur  ein  kleiner  Teil  des  rechten  Leberlappens  ragt  durch  den 
Nabelring  in  die  Bauchhöhle  hinein.  Wiederum  ist  eine  Ileumschlinge 
mit  einem  kurzen,  straffen  und  offenbar  obliterierten  Ductus  omphalo- 
mesentericus  am  Bruchsack  fixiert,  und  muss  dort  gelöst  werden. 
Weiterhin  zeigt  sich,  dass  die  ganze  Konvexität  der  eventerierten 
Leber  mit  dem  Bruchsack  flächenförmig  verwachsen  ist.  Bei  der 
Lösung  entsteht  eine  ziemlich  starke  Flächenblutung  des  Organs,  die 
jedoch  auf  Kompression  zum  Stehen  kommt.  Die  Reposition  des  - 
Darmes  gelingt  mit  einiger  Mühe,  allein  bei  dem  darauffolgenden 
Versuch,  die  Leber  zu  reponieren,  ergibt  sich  die  absolute  Unmöglich- 
lichkeit  hierzu,  da  der  Umfang  der  Leber  zu  gross  ist,  um  durch  den 
4  cm  weiten  Nabelring  hindurchgepresst  zu  werden.  Es  wird  deshalb 
der  Nabelring  nach  oben  in  der  Linea  alba  gespalten,  und  nunmehr 
kann  die  Reposition,  wenngleich  unter  grossen  Schwierigkeiten,  aus¬ 
geführt  werden,  da  das  Volumen  der  bis  dahin  fast  leeren  Bauchhöhle 
nur  eben  zur  Aufnahme  der  Intestina  ausreicht.  Naht  des  Peritoneums 
mit  Katgut.  Durchgreifende  Seidenknopfnähte  durch  Haut  und  Faszie, 
die  sich  enorm  spannen. 

In  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation  erholte  sich  das  Kind 
in  zufriedenstellender  Weise.  Vom  2.  Tage  ab  war  täglich  mehrfach 
normale  Stuhlentleerung:  das  Kind  trank  genügend  und  erbrach  nur 
vereinzelt.  —  Die  Wunde  war  bis  zum  10.  Tage  verheilt;  nur  aus 
einem  Stichkanal  entleerte  sich  etwas  dünnflüssiges  Sekret.  Allein 
schon  am  14.  Tage  bildete  sich  an  dieser  Stelle  eine  Dünndarmfistel 
aus.  Es  hatte  offenbar  die  eine  Seidennaht  unglücklicherweise  den 
Darm  mitgefasst,  wohl  veranlasst  durch  die  sehr  dünnen  Bauchdecken, 
und  die  enorme  Spannung,  die  überwunden  werden  musste.' 

Da  das  Kind  von  nun  an  sehr  schnell  verfiel,  musste  am  17.  Tage 
nach  der  ersten  Operation  ein  Versuch  gemacht  werden,  die  Fistel  zu 
schliessen.  Dies  geschah  durch  seitliche  Resektion  der  freigelegten 
Dünndarmschlinge. 

Diesem  zweiten  Eingriff  erlag  das  Kind  am  folgenden  Tage. 

Die  Sektion  ergab  eine  zirkumskripte  Peritonitis  in  der  Um¬ 
gebung  der  verletzten  Darmschlinge,  sonst  keine  Besonderheiten. 
Die  Leber  lag  in  nahezu  normaler  Stellung  im  rechten  Hypochondrium. 

Auch  in  diesem  zweiten  Falle  war,  wie  wir  gesehen  haben, 
eine  Ileumschlinge  mit  einem  kurzen  straffen  Ductus  omphalo- 
mesentericus  in  dem  Nabelschnurbruchsack  fixiert,  was  wir 
wiederum  als  ein  ätiologisches  Moment  zum  Zustandekommen 
der  Missbildung  heranziehen  können.  Die  Leber  muss  hier 
ebenfalls  schon  längere  Zeit  vor  der  Geburt  des  Kindes  im 
Bruchsack  gelegen  haben,  denn  sie  war  so  gross  entwickelt,' 
dass  sie  den  Nabelring  nicht  passieren  konnte. 

Ich  glaube  nicht  fehlzugehen  in  der  Annahme,  dass  auch 
in  diesem  Falle  Heilung  eingetreten  wäre,  wenn  nicht  bei  der 
Operation  die  geschilderte  Darmverletzung  stattgefunden  hätte. 
Gestützt  wird  diese  Annahme  durch  den  guten  Verlauf  in  den 
ersten  8  Tagen  nach  der  Operation,  denn  erst  nachdem  sich  die 
Dünndarmfistel  ausgebildet  hatte,  verfiel  das  Kind  schnell. 

Die  Folgen  der  geschilderten  Missbildung  sind  nun,  falls 
sie  nicht  rechtzeitig  behandelt  wird,  die,  dass  nach  Eintrock¬ 
nung  und  Abstossung  der  Nabelschnur  die  Darmschlingen  aus 
dem  Nabelring  herausfallen  oder,  was  noch  häufiger  eintritt, 
der  gangräneszierende  Prozess  geht  von  der  Nabelschnur  auf 
die  Baucheingeweide  über,  und  es  entsteht  gleichzeitig  mit  der 
Eventeration  oder  schon  früher  eine  septische  Peritonitis,  an 
welcher  die  Kinder  binnen  Kurzem  zugrunde  gehen.  So  war 
ja  auch  in  meinem  ersten  Falle  die  Gangrän  des  Meckel- 
schen  Divertikels  zustande  gekommen.  Von  Rothe  [7]  wird 
ein  Fall  beschrieben,  bei  welchem  die  Gangrän  auf  einen  im 
Nabelschnurbruchsack  befindlichen  Leberlappen  übergegriffen 
hatte.  Der  erkrankte  Teil  des  Organs  wurde  bei  der  Operation 
reseziert,  worauf  Heilung  eintrat.  Ueber  einen  ähnlichen  Fall 
berichtet  Zillmer,  bei  dem  es  ebenfalls  nach  I^eberresektion 
zur  Heilung  kam. 

Bei  der  Behandlung  der  angeborenen  Nabelschnurbrüche 
kommen  im  wesentlichen  3  Methoden  in  Betracht.  Die  erste 
und  einfachste,  welche  nur  bei  kleinen,  leicht  reponiblen  Brü¬ 
chen  ausgeführt  werden  kann,  besteht  in  der  Reposition  und 
Anlegung  eines  Druckverbandes,  welcher  das  Austreten  von 
Eingeweiden  aus  dem  Nabelring  verhindert.  Diese  Methode 
wurde  namentlich  in  der  vorantiseptischen  Zeit,  häufig  mit 
gutem  Erfolge,  angewandt.  Natürlich  ist  sie  nur  bei  leichten 


20.  August  190?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Fällen  möglich,  weshalb  in  jener  Zeit  Rinder  mit  grosser 
Ectopia  viscerum  von  vornherein  als  verloren  galten.  Als  eine 
Modifikation  dieser  ersten  Methode  können  wir  die  Abbindung 
der  Nabelschnur  an  ihrer  Ansatzstelle  und  die  sog.  perkutane 
Ligatur  ansprechen. 

Bei  der  zweiten,  von  Olshausen  angegebenen  Methode 
wird  das  Amnion  der  Nabelschnur  und  die  W  a  r  t  h  o  n  sehe 
Sülze  von  dem  peritonealen  Bruchsack  abpräpariert,  der  un- 
eröffnete  Bruchsack  mit  seinem  Inhalt  reponiert,  und  die  Haut 
darüber  mit  Nähten  vereinigt. 

Die  dritte  Methode  endlich,  die  auch  in  meinen  Fällen  zur 
Anwendung  kam,  besteht  in  der  Radikaloperation  mit  Eröff¬ 
nung  des  Bruchsackes  und  Reposition  des  Inhalts,  wenn  nötig 
nach  Spaltung  des  Nabelringes  (Laparotomie). 

Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  die  beiden  ersteren 
Methoden  Vorzüge  haben,  die  vor  allem  in  der  grösseren  Ein¬ 
fachheit  zu  suchen  sind,  und  sind  ja  auch  mit  ihnen  eine 
Reihe  guter  Resultate  erzielt  worden.  Andererseits  haben 
sie  jedoch  auch  ihre  Gefahren.  So  kann  es  bei  der  einfachen 
Abbindung  begegnen,  dass  eine  Darmschlinge  in  die  Ligatur 
gerät,  besonders,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  dass  in  so 
vielen  Fällen  eine  Ileumschlinge  im  Bruchsack  fixiert  ist. 
Weiterhin  sollte  man  von  dieser  sowie  von  der  Olshausen- 
schen  Methode  Abstand  nehmen,  wenn  es  sich  nicht  um  Fälle 
handelt,  die  unmittelbar  nach  der  Geburt  zur  Behandlung 
kommen,  da  durch  mehrfache  Beobachtungen  —  so  meinen 
ersten  Fall  —  erwiesen  ist,  wie  schnell  der  Bruchsackinhalt 
von  der  Nabelschnurgangrän  mitergriffen  wird.  Ueber  diese 
Verhältnisse  bekommen  wir  aber  erst  einen  sicheren  Einblick 
nach  vollständiger  Eröffnung  des  Bruchsackes.  Endlich  muss 
es  als  dringend  ratsam  erscheinen,  den  wohl  in  der  grössten 
Mehrzahl  der  Fälle  vorhandenen  Ductus  omphalomesentericus 
zu  durchtrennen,  da  derartige  Stränge  bekanntlich  häufig  im 
späteren  Leben  Anlass  zu  schwerem  Strangulationsileus  geben. 

Ich  fasse  mich  dahin  zusammen,  dass  bei  grossen  ange¬ 
borenen  Nabelschnurbrüchen  (Ectopia  viscerum),  die  nicht  re- 
ponibel  sind,  die  Radikaloperation  mit  freier  Eröffnung  des 
Bruchsackes  die  einzige  zum  Ziele  führende  Methode  ist,  und 
dass  sie  auch  in  leichteren  Fällen  vor  den  einfacheren  Ver¬ 
fahren  den  Vorzug  verdient,  weil  sie  Komplikationen  mit 
grösserer  Sicherheit  erkennen  lässt,  und  die  Möglichkeit  zu 
ihrer  Beseitigung  gibt. 

Literatur: 

1.  Graser:  Die  Lehre  von  den  Hernien.  Handbuch  der  prakt. 
Chirurgie  von  Bergmann,  Bruns,  Mikulicz.  —  2.  Lindfors: 
Zur  Lehre  vom  Nabelschnurbruch  etc.  Volkm.  Vortr.  N.  F.  No.  63.  — 
3.  Knoop:  Beitrag  zur  Therapie  der  Nabelschnurbrüche.  Volkm. 
Vortr.  N.  F.  No.  348.  —  4.  Hedman:  Zwei  operierte  Fälle  von 
Hernia  funiculi  umbilic.  cong.  Finska  läkaresellskapets  Handlingar, 
Bd.  XLIV,  p.  265.  —  5.  Zillmer:  Ueber  Operation  einer  Nabel¬ 
schnurhernie  etc.  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäk.,  Bd.  LI,  H.  2.  — 
6.  Mo  ran:  Umbilic.  cord,  hernia.  Amer.  journ.  of  surg.  Dez.  1905. 
—  7.  Rothe:  Ein  nach  Leberresektion  geheilter  Fall  von  Nabel¬ 
schnurbruch.  Beiträge  z.  klin.  Chir.,  Bd.  XXXIII,  H.  1. 


Aus  der  Universitäts-Ohren-  und  Kehlkopfklinik  zu  Rostock 
(Direktor:  Prof.  Dr.  Körner). 

Zur  Jod-  und  Quecksilberbehandlung  der  Tuberkulose 
in  Nase,  Schlund  und  Kehlkopf. 

Von  Dr.  K-  Grünberg,  II.  Assistent. 

Vor  kurzem  habe  ich  Q  über  die  günstigen  Erfolge  be¬ 
richtet,  welche  an  unserer  Klinik  bei  der  primären  (aszen- 
dierenden)  Tuberkulose  der  oberen  Luftwege  durch  inneren 
Gebrauch  von  Jodkali  erzielt  werden  konnten.  Ich  habe  mich 
über  unsere  diesbezüglichen  Erfahrungen  zusammenfassend 
dahin  geäussert: 

1.  Die  primäre  (aszendierende)  Schleimhauttuberkulose  der 
oberen  Luftwege  lässt  sich  in  vielen  (nicht  in  allen)  Fällen 
durch  innere  Darreichung  von  Jodkalium  günstig  beeinflussen 
und  zur  Heilung  bringen,  mit  oder  ohne  gleichzeitige  lokale  Be¬ 
handlung. 

2.  Da  die  in  Rede  stehende  Tuberkulose  auch  spontan  aus¬ 
heilen  kann,  so  ist  die  günstige  Wirkung  der  Therapie  nicht 

D  Zeitschr.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  53,  H.  4. 

No.  34. 


iböi 


mit  absoluter  Sicherheit  nur  auf  das  Jodkaliuni  zurückzuführen. 
Da  diese  günstige  Wirkung  aber  häufig  sehr  schnell  und  auch 
in  Fällen  auftritt,  die  anderen  therapeutischen  Massnahmen 
trotzen,  so  ist  an  ihrem  Vorhandensein  kaum  zu  zweifeln. 

3.  Jedenfalls  darf  in  differentialdia¬ 
gnostisch  zweifelhaften  Fällen  aus  der  gün¬ 
stigen  Wirkung  des  Jodkaliums  auf  den 
Krankheitsprozess  nicht  mehr  ohne  weiteres 
die  Diagnose  auf  Lues  gestellt  werden. 

Um  Missverständnissen  vorzubeugen,  möchte  ich,  ehe  ich 
auf  das  Thema  der  vorliegenden  Veröffentlichung  eingehe,  dar¬ 
auf  hinweisen,  dass  wir  mit  „aszendierend“  diejenige  Tuber¬ 
kulose  der  oberen  Luftwege  bezeichnet  haben,  welche  von  der 
Nase  oder  dem  Schlunde  auf  den  Kehlkopf  und  schliesslich  auch 
auf  die  Lungen  fortschreitet.  Wir  sind  hierbei  dem  Beispiel 
Holländers  gefolgt,  der  in  seiner  letzten  Arbeit 2)  in  Ana¬ 
logie  mit  der  Tuberkulose  des  Genitaltraktus  auch  bei  der 
Tuberkulose  der  oberen  Luftwege  von  einer  aszendierenden 
Form  dann  spricht,  wenn  der  Prozess  von  aussen  nach  innen, 
umgekehrt  von  einer  deszendierenden,  wenn  er  von  innen  nach 
aussen  seinen  Weg  nimmt  Die  aszendierende  Tuberkulose 
der  oberen  Luftwege  deckt  sich  also  mit  der  primären,  d.  h. 
nicht  von  den  Lungen  aus  induzierten.  Nur  diese  Form  —  das 
möchte  ich  hier  nochmals  hervorheben  —  bei  der,  wie  auch 
Holländer  betont,  die  Lunge  selten  und  erst  relativ  spät 
ergriffen  wird  und  die  pulmonären  Erscheinungen  gewöhnlich 
ziemlich  ephemerer  Art  und  prognostisch  günstig  zu  beurteilen 
sind,  nur  diese  Form  ist  es,  bei  der  ein  Erfolg 
von  der  Jodkalitherapie  zu  erwarten  ist.  Das 
Gleiche  trifft  zu  auf  die  zum  Gegenstand  der 
folgenden  Veröffentlichung  gemachte  thera¬ 
peutische  Erfahrung  mit  Quecksilber.  Ich  wies 
schon  in  meiner  ersterwähnten  Publikation  auf  die  günstigen 
Erfolge  hin,  die  von  anderer  Seite  3)  bei  der  Tuberkulose  resp. 
dem  Lupus  der  oberen  Luftwege  durch  Quecksilberbehandlung 
erzielt  worden  sind  und  glaubte  sie  der  Beachtung  empfehlen 
zu  können,  wenngleich  bei  den  publizierten  Fällen  nur  einmal 
die  Diagnose  durch  die  histologische  Untersuchung  gesichert 
wurde.  Da  die  in  Rede  stehende  Arbeit  nur  den  wenigsten  zu¬ 
gänglich  sein  dürfte,  ihr  Gegenstand  aber  weitergehendes  Inter¬ 
esse  beanspruchen  kann,  möchte  ich  zunächst  die  vom  Ver¬ 
fasser  beobachteten,  hierher  gehörigen  Fälle  in  gekürzter  Form 
mitteilen. 

Herr  B.,  25  Jahre.  Infektion  negiert.  Bruder  starb  an  Tuber¬ 
kulose.  Pat.  kommt  aphonisch  und  mit  starken  Schluckbeschwerden 
in  Behandlung.  Epiglottis  fischschnauzförmig,  teilweise  ulzeriert. 
1  aschenbänder  infiltriert.  Zweifellos  handelte  es  sich  um  einen  tuber¬ 
kulösen  Prozess.  Pinselungen  mit  Milchsäure  und  Formol  ganz  ohne 
Erfolg.  Auf  Quecksilberinjektionen  bereits  am  4.  Tage  Linderung  der 
Schluckbeschwerden,  besseres  Aussehen  der  Ulzeration.  Bei  Fort¬ 
setzung  der  Kur  in  kurzer  Zeit  Rückgang  der  Infiltrationen,  Vernar¬ 
bung  der  Ulzera. 

Herr  LI.,  28  Jahre.  Typus  scrophulosus,  Infektion  negiert.  Seit 
einem  Jahr  zunehmende  Schluckbeschwerden.  Infiltration  des 
Gaumensegels,  das  allmählich  ulzerös  zerfällt.  Der  Prozess  schreitet 
langsam  auf  die  hintere  Pharynxwand,  Gaumenbögen,  Mandeln, 
Nasopharynx  und  Epiglottis  fort.  Alle  Mittel:  Exzision,  Galvano¬ 
kaustik,  Ausschabung,  Aetzung  etc.  beeinflussen  sein  Fortschreiten 
nur  in  geringem  Masse.  Die  histologische  Untersuchung 
bestätigt  die  Diagnose  Tuberkulose.  Trotzdem  werden 
zur  Ableitung  Quecksilbereinreibungen  in  der  Submaxillargegend  an¬ 
gewandt.  Vom  Beginn  dieser  Einreibungen  an  hatte  die  fortgesetzte 
lokale  Behandlung  überraschenden  Erfolg  mit  dem  Endresultate,  dass 
in  zv/ei  Monaten  eine  völlige  Heilung  erzielt  wurde. 

Dr.  med.  N.  Tuberkulöse  Ulzeration  im  Pharynx,  welche  vom 
rechten  Gaumenbogen  sich  auf  das  ganze  Gaumensegel  ausbreitete 
und  schliesslich  völlige  Unfähigkeit  zum  Schlucken  bewirkte.  Im 
weiteren  Verlauf  wurde  auch  die  Nase  ergriffen,  das  ganze  knorplige 
(nicht  knöcherne)  Septum  und  schliesslich  auch  die  Nasenflügel  zer¬ 
stört.  Lokale  Behandlung  ohne  Erfolg.  Auf  energische  spezifische 
Medikation  schnelle  Heilung.  Der  durchaus  glaubwürdige  Kollege 
hatte  von  Anfang  an  jede  luetische  Infektion  negiert. 

Herr  S.,  45  Jahre.  Infektion  negiert.  Schwere  ulzeröse  Zer¬ 
störung  der  knorpeligen  äusseren  Nase  durch  klinisch  als  Lupus  an¬ 
zusprechenden  Prozess,  der  auch  weit  auf  das  Naseninnere  übergreift. 
Vergeblich  von  verschiedenen  Aerzten  behandelt;  von  Prof.  Unna 
durch  intensive  Quecksilberkur  nach  anfänglicher  Verschlimmerung 
in  weniger  als  5  Wochen  geheilt. 


2)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1906,  No.  23. 

3)  Avelino  Martin:  Gaceta  Medica  Catalana,  30.  IX.  06. 

3 


108Z 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Verfasser  teilt  des  ferneren  aus  der  Literatur  noch  einige 
Beobachtungen  von  durch  Quecksilberbehandlung  geheiltem 
Lupus  der  Haut  mit,  von  denen  ich  einen  wegen  der  starken 
Mitbeteiligung  der  Schleimhäute  hier  noch  kurz  erwähnen 
möchte: 

Ulzeröser  Lupus  eines  grossen  Teiles  des  Gesichtes,  tief  in  Mund- 
und  Nasenhöhle  sich  hinein  erstreckend,  insbesondere  Knötchen  am 
Gaumen  und  Gaumensegel.  Kerner  Lupus  conjunctivae  am  oberen, 
pseudotrachomatöser  Prozess  am  unteren  Lid.  Der  Prozess  trotzte 
jeglicher  Lokalbehandlung.  12  Injektionen  von  je  5  cg  Kalomel 
genügten,  um  völlige  Heilung  zu  erzielen.  (Mitgeteilt  von  B  r  o  u  sse 
in  der  Soc.  de  Sc.  med.  de  Montpellier.  Februar  1899.) 

Es  muss  zugegeben  werden,  dass  die  beschriebenen  Fälle 
mit  Ausnahme  eines,  so  sehr  sie  auch  klinisch  als  Tuberkulose 
imponieren  mögen,  einer  ganz  strengen  Kritik  gegenüber  als 
Beweis  für  die  Wirksamkeit  des  Quecksilbers  auf  tuberkulöse 
Prozesse  nicht  herangezogen  werden  können,  weil  die  Siche¬ 
rung  der  Diagnose  durch  das  Mikroskop  fehlt. 

Wir  haben  nun  an  unserer  Klinik  in  jüngster  Zeit  einen 
Fall  von  absolut  sicherer  schwerer  Tuberku¬ 
lose  des  Gaumens,  des  Pharynx  und  nament¬ 
lich  des  Kehlkopfs  beobachtet,  bei  dem  die 
Quecksilberbehandlung  einen  geradezu 
überraschenden  Erfolg  ergab  und  der  daher  als 
Stütze  der  erwähnten  Beobachtungen  von  Avelino  Martin 
herangezogen  werden  kann. 

Frau  S.  F.,  33  Jahre  alt,  wurde  uns  am  18.  I.  07  vom  behandelnden 
Arzt,  Herrn  Dr.  W  a  1  d  o  w  -  Güstrow,  zugeführt.  Sie  klagt  seit  etwa 
4  Monaten  über  Schluckschmerzen,  Heiserkeit  bestand  nie,  ebenso 
wenig  Husten  oder  Auswurf.  Seit  3  Monaten  wird  sie  mit  Milch¬ 
säurepinselungen  behandelt,  hat  in  der  ersten  Zeit  auch  Jodkali  ohne 
Erfolg  genommen.  Sie  hat  4  gesunde  Kinder,  keine  Fehlgeburten. 

Pat.  ist  in  leidlichem  Ernährungszustand.  Gewicht  131  Pfund 
400  g;  innere  Organe,  namentlich  Lungen,  gesund;  für  überstandene 
Lues  wurden  bei  genauer  Untersuchung  auf  der  hiesigen  Hautklinik 
durch  Herrn  Prof.  Wolters  nicht  die  geringsten  Zeichen  gefunden. 

Auf  der  Vorderseite  der  verbreiterten,  infiltrierten  Uvula  findet 
sich  eine  Geschwürsfläche  von  ca.  lVz  cm  Höhe  und  1  cm  Breite  mit 
nicht  sehr  scharfem  Rand,  aber  ziemlich  tief  zerklüftetem  Grunde. 
An  der  rechten  seitlichen  Schlundwand  in  der  Gegend  der  Plica  sal- 
pingo-pharyngea  und  etwa  dem  Lauf  derselben  folgend  höckerige 
Granulationswucherungen.  An  der  hinteren  Schlundwand  weissliche 
sträng-  und  netzförmige  Narben.  Die  Epiglottis  ist  ausserordentlich 
stark  turbanartig  verdickt,  zeigt  höckerige  Oberfläche,  anscheinend  be¬ 
dingt  durch  subepithelial  gelegene,  mohnkorngrosse  Knötchen;  an  ein¬ 
zelnen  Stellen,  namentlich  auf  der  Kehlkopfseite,  finden  sich  auch 
Ulzerationen.  Links  greift  eine  ulzerierte  Partie  auf  den  Zungen¬ 
grund  über.  Sehr  stark  ist  auch  die  linke  ary-epiglottische  Falte 
infiltriert.  Der  Einblick  in  den  Kehlkopf  ist  zwar  beschränkt  durch 
die  geschwollene  Epiglottis,  doch  lässt  sich  erkennen,  dass  die  Stimm- 
und  Taschenbänder,  soweit  übersichtlich,  normal  sind,  auch  an  der 
Hinterwand  besteht  jedenfalls  keine  ausgedehnte  Erkrankung.  Die 
Stimme  ist  auch  vollständig  klar. 

Zu  diagnostischen  Zwecken  wurden  Stücke  der  Epiglottis  ent¬ 
fernt,  von  denen  ein  Teil  zur  mikroskopischen  Untersuchung  ver¬ 
wandt,  ein  anderer  zwei  Meerschweinchen  intraperitoneal  verimpft 
wurde.  Die  Untersuchung  ergab,  um  dies  vorweg  zu  nehmen,  im 
infiltrierten  Gewebe  teilweise  dicht  unter  der  Oberfläche  gelegene, 
typische  Tuberkelknötchen  mit  reichlichen  Riesenzellen  und  ausser¬ 
ordentlich  spärlichen  Bazillen.  Von  den  geimpften  Meerschweinchen 
starb  das  eine  am  11.  Tage  an  interkurrenter  Erkrankung.  Die  Sektion 
ergab  keine  Zeichen  von  Tuberkulose.  Das  zweite  verendete  nach 
72  Tagen  unter  extremer  Abmagerung.  Die  Sektion  ergab  auf  dem 
Peritoneum  an  der  Impfungsstelle  einen  erbsengrossen  verkästen 
l'hmof,  zahlreiche  Knötchen  im  Omentum  majus,  verkäste  Drüsen 
in  der  Umgebung  der  Milz,  der  Leber  und  des  Magens.  Ausgedehnte 
Tuberkulose  der  Milz  und  Leber.  Peritoneum  parietale  frei,  Bron¬ 
chialdrüsen  teilweise  verkäst,  Lungen  intakt.  In  den  mikroskopisch 
untersuchten  Mesenterialdrüsen  wurden  spärliche  Tuberkelbazillen 
gefunden. 

Da  bei  der  Ausdehnung  des  tuberkulösen  Prozesses  eine  rein 
chirurgische  Behandlung  wenig  aussichtsvoll  erschien,  begannen  wir 
am  21.  1.  zunächst  mit  der  oft  erprobten  Jodkalimedikation,  in 
wenigen  Tagen  bis  zu  einer  Dosis  von  2  g  pro  die  steigend. 

Der  Verlauf  gestaltete  sich  wie  folgt: 

23.  I.  Seit  gestern  Abend  Schluckschmerzen  geringer. 

27.  I.  Schluckschmerzen  ganz  geschwunden.  Infiltration  der 
Uvula  entschieden  geringer.  Die  Geschwürsfläche  am  weichen  Gau¬ 
men  und  die  Granulationen  an  der  seitlichen  Schlundwand  haben  sich 
gereinigt,  auch  die  Infiltration  der  Epiglottis  und  des  Kehlkopfeingangs 
erscheint  geringer,  so  dass  die  Stimmbänder  übersichtlicher  sind. 

5.  II.  Patientin  ist  dauernd  beschwerdefrei;  ihr  Allgemeinbefin¬ 
den  hat  sich  sichtlich  gehoben.  Gew.  135  Pfd.  100  g.  Der  lokale  Pro¬ 
zess  hat  sich  weiter  gebessert,  namentlich  ist  die  Schwellung  an  der 
Epiglottis  und  der  aryepiglottischen  Falte  weiterhin  geringer  ge¬ 


worden.  Die  Teile  zeigen  die  Neigung,  sich  unter  Rückgang  der 
Granulationen  an  der  Oberfläche  zu  glätterl. 

Patientin  wird  vorläufig  nach  Hause  entlassen  mit  der  Weisung, 
Jodkali  2  g  pro  die  weiter  zu  nehmen. 

15.  II.  Pat.  stellt  sich  wieder  vor,  sieht  wohl  aus.  Gew. 
138  Pfd.  400  g.  Der  lokale  Prozess  an  Gaumen  und  Kehlkopf  hat 
sich  nicht  wesentlich  geändert,  doch  scheinen  die  Stimmbänder  in¬ 
folge  etwas  geringerer  Schwellung  der  Epiglottis  vielleicht  noch 
besser  übersichtlich.  Die  Infiltration  ist  namentlich  noch  stark  in  der 
Aryknorpelgegend  links. 

1.  III.  Sehr  gutes  Allgemeinbefinden.  Gew.  142  Pfd.  Am  Gau¬ 
men  und  der  seitlichen  Rachenwand  ist  der  Prozess  stationär  ge¬ 
blieben,  das  Ulcus  auf  der  Uvula  ist  sogar  flacher  und  ebener  ge¬ 
worden.  Dagegen  hat  die  Infiltration  des  Kehlkopfeingangs  ent¬ 
schieden  wieder  zugenommen,  namentlich  ist  die  Arygegend  links  viel 
stärker  geschwollen.  Wir  entschlossen  uns  nun,  neben  dem  Jod¬ 
kali  Quecksilber  zu  verabfolgen.  Dasselbe  wurde  in  Gestalt  von 
Hydrargyrum  chloratum  (lOproz.  Lösung  in  Oleum  Vaselini),  mit 
einer  Dosis  von  0,02  beginnend,  wöchentlich  2  mal  in  die  Glutäal- 
muskulatur  injiziert4). 

18.  III.  Weitere  Gewichtszunahme  auf  143  Pfd.  300  g,  dauernd 
gutes  Allgemeinbefinden.  Pat.  hat  bisher  4  Injektionen  mit  im  gan¬ 
zen  0,2  Hydrargyr.  chlorat.  erhalten. 

Der  lokale  Prozess  ist  trotzdem  progredient,  geht  jetzt  auch  auf 
die  rechte  aryepiglottische  Falte  und  das  linke  Taschenband  über. 

25.  III.  Heute  die  6.  Injektion  (im  ganzen  bisher  0,36  Hydrargyr. 
chlorat.).  Pat.  hat  an  Gewicht  abgenommen  (141  Pfd.  100  g).  All¬ 
gemeinbefinden  und  Aussehen  sehr  gut. 

Jetzt  ist  eine  ganz  erhebliche  Beserung  zu  erkennen.  Die  In¬ 
filtration  des  Kehlkopfeinganges  hat  sich  so  verringert,  dass  man  das 
ganze  rechte  und  den  vorderen  Teil  der  linken  Stimmbandes  über¬ 
sieht.  An  der  Uvula  nur  noch  leicht  höckerige  Unebenheit. 

8.  IV.  Pat.  ist  14  Tage  fortgeblieben,  weil  sich  nach  der  letzten 
Injektion  am  25.  III.  eine  Entzündung  an  der  Injektionsstelle  mit 
Fieber  einstellte,  die  spontan  zurückging.  Sie  klagt  über  Appetit¬ 
losigkeit.  Starke  Jodakne. 

Die  Infiltration  des  Kehlkopfs  ist  weiter  zuriiekgegangen.  Das 
Jodkali,  welches  bisher  dauernd  genommen  wurde,  wird  fortgelassen, 
die  Quecksilberinjektionen  nicht  wieder  aufgenommen. 

22.  IV.  Gew.  142  Pfd.  Sehr  gutes  Befinden.  Appetit  gebessert. 
Ganz  erhebliche  Besserung  des  lokalen  Prozesses.  Der  höckerige 
Charakter  der  befallenen  Partien  ist  überall  verloren  gegangen.  Die 
Epiglottis,  'der  linke  Aryknorpel  und  das  linke  Stimmband  sind  zwar 
noch  geschwollen,  doch  ist  die  Schwellung  so  viel  geringer,  dass 
die  Ligg.  glosso-epiglotticum  med.  und  glosso-epiglottica  lateralia  in 
ihrer  Konfiguration  zu  erkennen  sind.  Das  rechte  Stimmband  ist 
völlig  zu  sehen  und  intakt,  das  linke  zu  gut  4/r>  ebenfalls  intakt.  Das 
Ulcus  am  Zungengrund  ist  nicht  mehr  sichtbar,  auch  an  der  Uvula 
und  der  seitlichen  Rachenwand  ist  der  Prozess  fast  geheilt. 

6.  V.  Gew.  145  Pfd.  300  g.  Weitere  deutliche  Besserung  des  Pro¬ 
zesses  an  der  Epiglottis.  An  Uvula  und  Rachenwand  ist  überhaupt 
etwas  Krankhaftes  nicht  mehr  zu  erkennen. 

13.  V.  Jetzt  ist  auch  die  Schwellung  am  linken  Aryknorpel 
fast  ganz  verschwunden  und  das  linke  Stimmband  in  ganzer  Aus¬ 
dehnung  sichtbar.  Bei  dem  überall  deutlichen  Hervortreten  der  Kon¬ 
turen  der  Epiglottis  sieht  man,  dass  ein  grosser  Teil  ihres  Randes  bei 
der  Vornahme  der  Probeexzision  entfernt  ist.  An  Stelle  des  Ulcus 
auf  dem  Zungengrunde  strahlige  weisse  Narben. 

25.  V.  Der  Befund  hat  sich  nicht  wesentlich  geändert.  Die 
Injektionskur  wird  noch  einmal  wieder  aufgenommen.  (Diesmal  mit 
Hydrargyr.  salicyl.) 

8.  VI.  Blühendes  Aussehen.  Gew.  148  Pfd.  Der  Prozess  ist  als 
abgelaufen  zu  bezeichnen.  Ausser  einer  ganz  leichten  Verdickung  des 
linken  Taschenbandes  und  der  linken  aryepiglottischen  Falte  ist  der 
Kehlkopf  normal,  die  Schleimhaut  überall  glatt. 

Abbruch  der  Injektionskur.  (Pat.  hat  bei  der  2.  Kur  4  Injektionen 
mit  im  ganzen  0,30  Hydrargyr.  salicyl.  erhalten.) 

Während  der  ganzen  Beobachtungszeit  wurden,  die  Lungen, 
abgesehen  von  etwas  verschärftem  'Atlnen  aufJ1det  Keehttin' 'Spitze, 
stets  ganz  normal  befunden.* *) 

Epikrise.  Betrachten  wir  kurz  die  Ergebnisse  der 
Therapie  in  unserem  Falle,  so  sehen  wir  bei  einer  im  übrigen 
gesunden  Frau  von  33  Jahren  mit  ausgedehnter  primärer  (as- 
zendierender),  bakteriologisch  sichergestellter  Tuberkulose  des 
Schlundes  und  Kehlkopfs  völlige  Heilung  eintreten  unter  alleini¬ 
ger  interner  Behandlung  mit  Jodkalium  und  Quecksilber,  und 
zwar  in  der  sehr  kurzen  Zeit  von  4 K>  Monaten. 

Um  beurteilen  zu  können,  wie  weit  der  Erfolg  der  Thera¬ 
pie  dem  JK,  wie  weit  dem  Hg  zuzuschreiben  ist,  scheint  es 
zweckmässig,  in  dem  Krankheitsverlauf  4  Perioden  zu  unter- 


4)  Die  Injektionen  sind  in  der  hiesigen  Hautklinik  von  den  Herren 
Dr.  v.  K nobloch  und  Dr.  Pflanz  vorgenommen  worden. 

*)  Nachtrag  bei  der  Korrektur:  3.  VII.  Andauernd 
vorzügliches  Allgemeinbefinden.  Gewicht  150  Pfund.  Die  leichte 
Verdickung,  des  linken  Taschenbandes  und  der  linken  ary-epiglotti- 
schen  Falte  ist  noch  geringer  geworden. 


20.  August  1 007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1683 


scheiden.  Während  sämtlicher  Perioden  —  das  verdient  zu¬ 
nächst  hervorgehoben  zu  werden  —  konnte  eine  ständige  Ge¬ 
wichtszunahme  konstatiert  werden,  trotzdem  Patientin  mit 
Ausnahme  der  ersten  3  Wochen  poliklinisch  unter  den  gewohn¬ 
ten  häuslichen  Verhältnissen  behandelt  wurde;  nur  ganz  vor¬ 
übergehend  gegen  Mitte  und  Ende  der  2.  Periode  nahm  das 
Gewicht  um  ein  Geringes  ab.  Eine  gesonderte  Betrachtung 
der  einzelnen  therapeutischen  Perioden  ergibt  nun  folgendes: 

1.  Periode:  Die  Medikation  besteht  nur  in 
de  r  Darreic  h  u  ngvon  JK  (21.  I.  bis  1.  III).  Es  tritt  zu¬ 
nächst  eine  ganz  entschiedene  Besserung  des  Krankheitspro¬ 
zesses  auf.  Nicht  allein  schwinden  die  subjektiven  Beschwer¬ 
den  völlig  und  dauernd  bereits  nach  wenigen  Tagen,  sondern 
auch  im  objektiven  Befund  ist  nach  einer  Woche  eine  deut¬ 
liche  Besserung  zu  konstatieren.  Diese  macht  zunächst  gute 
Fortschritte,  um  aber  nach  etwa  3  Wochen  zum  Stillstand  zu 
kommen  und  wenig  später  einer  Verschlimmerung  Platz  zu 
machen. 

2.  Periode:  Neben  dem  JK  wird  Hydra  r- 
gyrum  chlorat.  intramuskulär  verabfolgt 
(1.  III.  bis  8.  IV.).  Die  Verschlimmerung  schreitet  auch  im  An¬ 
fang  dieser  Periode  noch  fort,  erst  nach  der  4.  Kalomelinjektion 
macht  sich  ein  ganz  eklatanter  Umschwung  zum  Bessern  gel¬ 
tend.  Zeitlich  fällt  mit  dieser  günstigen  Wendung  im  lokalen 
Krankheitsprozess  die  einzige  während  der  ganzen  Behand¬ 
lung  notierte  Gewichtsabnahme  zusammen.  Gerade  diese  Art 
des  Verlaufes  stimmt  unserer  Meinung  nach  mit  der  Annahme, 
dass  wirklich  dem  Quecksilber  der  therapeutische  Erfolg  zuzu¬ 
schreiben  ist,  gut  überein.  Die  Resorption  des  Hg  aus  den  ge¬ 
setzten  kleinen  intramuskulären  Depots  geht  ja  offenbar  nur 
sehr  langsam  vor  sich  und  es  bedarf  einer  gewissen  Zeit,  bis 
die  zur  Hervorrufung  eines  therapeutischen  Effekts  notwendige 
Kumulation  des  Mittels  erreicht  ist.  Erst  mit  diesem  Zeitpunkt 
setzt  die  günstige  Wirkung  auf  den  lokalen  Prozess  ein,  wäh¬ 
rend  der  Organismus  mit  einer  leichten  Gewichtsabnahme  re¬ 
agiert. 

3.  Periode:  Es  wird  keinerlei  Medikation 
angewandt  (8.  IV.  bis  25.  V.).  Trotz  Aussetzung  der  JK- 
und  Hg-Medikation  schreitet  die  Besserung  ständig  fort  unter 
erneutem  schnellen  Ansteigen  des  Körpergewichtes.  Aus  den 
eben  dargelegten  Gründen  können  wir  wohl,  wenigstens  im 
Anfang  dieser  Periode,  noch  eine  Fortdauer  der  Quecksilber¬ 
wirkung  von  den  noch  nicht  resorbierten  Depots  aus  annehmen. 

4.  Periode:  Zweite  Quecksilberinjektions¬ 
kur  (23.  V.  bis  8.  VI.).  Der  Prozess,  der  bereits  am  Ende  der 
vorigen  Periode  als  fast  geheilt  zu  bezeichnen  war,  geht  unter 
nochmaliger  kurzer  Anwendung  von  Hg  völlig  zurück.  Aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  wären  die  leichten  letzten  Verände¬ 
rungen  auch  ohne  Anwendung  des  Mittels  geschwunden. 

Alles  in  allem  kann  wohl  nicht  bestritten  werden,  dass  dem 
Quecksilber  der  Haupterfolg  in  unserem  Falle  zuzuschreiben 
ist,  wenngleich  auch  vom  JK  anfangs  eine  entschieden  gün¬ 
stige  Wirkung  zu  beobachten  war.  Der  Einwurf,  dass  es  sich 
um  eine  bei  der  in  Rede  stehenden  aszendierenden  Tuberkulose 
nicht  ganz  seltene  Spontanheilung  gehandelt  haben  könnte, 
dürfte  angesichts  der  Kürze  der  Zeit,  in  der  der  ausgedehnte 
Piozess  zur  Heilung  kam  und  des  mehr  als  zufälligen  Zu¬ 
sammentreffens  .der  .zur  Heilung  führenden  Vorgänge  mit  der 
Anwendung  der  therapeutischen  Mittel  nicht  aufrecht  zu  er¬ 
halten  sein. 

Ich  glaube  also  berechtigt  zu  sein,  unsere 
in  meiner  ersten  Arbeit  geäusserte  Ansicht 
über  die  günstige  Wirkung  des  JK  a  u  f  d  i  e  p  r  i  - 
uiare  Schleimhauttuberkulose  der  oberen 
Luftwege  dahin  zu  erweitern,  dass  auch  dem 
Quecksilber  eine  solche  günstige  Wirkung 
unter  Umständen  zugeschrieben  werden  muss 
u  n  d  d  a  s  s  es  in  Fällen,  wo  das  JK  versagt,  allein 
o  d  er  mit  ihm  zusammen  noch  zur  Heilung  zu 
führen  vermag. 

Meine  Beobachtungen  über  die  günstige  Wirkung  von  JK 
und  Hg  auf  tuberkulöse  Prozesse  überhaupt  stehen  nicht  ver¬ 
einzelt  da.  Namentlich  der  Lupus  der  äusseren  Haut  ist  ver¬ 
schiedentlich  Gegenstand  einer  sog.  spezifischen  Behandlung 
gewesen,  wie  ich  schon  oben  bei  Besprechung  der  Publikation 


von  Avelino  Martin  andeutete,  und  eine  Reihe  französischer 
und  italienischer  Autoren  haben  über  günstige  Erfolge  dieser 
Therapie  berichtet  [Asselberg5),  Fournier °),  Creut- 
zer7),  Pavie8),  Truffi9),  Cabrol19),  Brousse11)]. 

L  e  n  g  1  e  t  fasst  in  La  Prätique  dermatologique  von  Bes¬ 
nier,  Brocq  und  Jacquet,  Bd.  III  die  mit  Quecksilber 
beim  Lupus  der  Haut  gewonnenen  Erfahrungen  wie  folgt  zu¬ 
sammen  : 

„Unter  allen  chemischen  Substanzen,  über  deren  Wirkung 
(sc.  auf  den  Lupus)  am  meisten  diskutiert  und  experimentiert 
ist,  steht  das  Kalomel  sicherlich  an  erster  Stelle.  Seit  dem 
Jahre  1897  infolge  einer  Publikation  von  A  s  s  e  l(b  e  r  g 5) 
wurde  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Kalomel  gelenkt....  Der 
Autor  schloss  auf  Grund  einer  Reihe  von  22  Beobachtungen, 
darunter  14  Fälle  von  Lupus,  dass  das  Kalomel  auf  den  Lupus 
einwirkt  und  dieser  unter  seinem  Einfluss  eine  Veränderung 
eingeht,  die  schwankt  von  einfacher  Rückbildung  bis  zum 
völligen  Verschwinden  der  lupösen  Elemente. 

Er  konstatierte  ferner,  dass  die  Infiltrations-  und  Ulze- 
rationsprozesse  am  ersten  und  intensivsten  beeinflusst  werden, 
gibt  aber  auch  zu,  dass  das  Tuberkelknötchen  häufig  Wider¬ 
stand  leistet.  Die  besten  Erfolge  wurden  erzielt  in  veralteten 
ulzerösen  Fällen  mit  tiefreichender  Hautinfiltration. 

Aus  zahlreichen,  in  dieser  Beziehung  gemachten  Ver¬ 
suchen,  in  Frankreich  von  Brocq,  Du  Castel,  Four¬ 
nier,  in  Italien  von  Verotti,  Bertareil  i,  erhellt,  dass 
der  wahre  Lupus,  ohne  Verbindung  mit  Syphilis,  günstig  durch 
Kalomelinjektionen  beeinflusst  werden  kann,  dass  die  Infil¬ 
tration  und  Ulzeration  bald  schneller,  bald  langsamer  ver¬ 
schwinden  können,  dass  das  Lupusknötchen  niemals  durch 
das  Kalomel  beeinflusst  wird,  dass  seine  Eruption  vielmehr 
nach  wie  vor  andauert.  Ferner  geht  noch  daraus  hervor,  dass 
die  geheilten  Fälle  wahrscheinlich  solche  von  lupusähnlicher 
Syphilis  (Syphilis  lupoides)  waren  und  dass  die  schnellste 
Besserung  zweifellos  bei  tuberkulös-syphilitischen  Misch¬ 
formen  (hybrides  syphilitico-tuberculeux)  erzielt  wurde.  In 
einigen  Fällen  wirkte  das  Kalomel  nicht,  in  anderen,  allerdings 
seltenen,  ist  es  schädlich  und  beschleunigt  den  Ausbruch  des 
Lupus.“ 

Sehr  interessante,  hierhergehörige  Beobachtungen  sind 
ferner  auf  ophthalmologischem  Gebiete  von  A  x  e  n  f  e  1  d  und 
P  e  p  p  m  ii  1 1  e  r iL’)  an  einem  eigentümlichen  tuberkulösen  Tu¬ 
mor  des  Bulbus  gemacht.  Ich  zitiere  die  darüber  von  Axen- 
feld:  Bakteriologie  und  Parasiten  des  Auges,  Suplementband 
zu  Lubarsch  und  Ostertag:  Ergebnisse  der  allgemeinen 
Pathologie  etc.  VI.  Jahrgang  gemachten  Aeusserungen: 

„Bei  einer  ca.  60  jährigen  Frau  bestanden  seit  ca.  20  Jahren 
ausgedehnte  Ulzerationen  in  der  Haut  des  rechten  Armes,  die  zwar  z.T. 
spontan  vernarbt,  in  der  Peripherie  aber  bisher  progressiv  waren. 
Ferner  war  eine  apfelgrosse,  retropharyngeale  Geschwulst  vorhan¬ 
den  und  seit  einiger  Zeit  hatte  sich  auf  dem  linken  Bulbus  eine  aus¬ 
gedehnte,  nicht  verschiebliche,  flach  höckerige  Geschwulst  gebildet, 
welche  bis  ins  Oberlid  reichte.  Auf  Tuberkulin  keine  Reaktion, 
Uebertragung  exzidierten  Materials  auf  Kaninchen  blieb  negativ. 
Histologisch  aber  waren  zahlreiche,  zentral  verkäste  Tuberkel  nach¬ 
weisbar,  so  dass  der  pathologische  Anatom  bestimmt  „Tuberkulose“ 
diagnostizierte.  Später,  aber  erst  nach  zahlreichen  vergeblichen 
Präparaten,  haben  sich  auch  eine  Anzahl  Bazillen  von  der  Form  und 
Färbbarkeit  der  Tuberkelbazillen  gefunden. 

Trotzdem  gingen  die  gesamten  Erscheinungen  .auf  .Quecksilbfer 
und  Jodkalium  rapide  zurück.  Nach  14  Tagen  war  die  Augen¬ 
geschwulst  völlig  verschwunden,  nach  4  Wochen  auch  der  retro¬ 
pharyngeale  Tumor,  während  die  Hautulzerationen  vollkommen  und 
dauernd  vernarbten. 


5)  De  l’action  des  injections  de  calomel  dans  le  lupus  et  les 
affections  non  syphilitiques.  Ann.  de  dermatol.  1898. 

6)  Soc.  de  Dermatologie,  20.  Mai  1897. 

7)  Lupus  tuberculeux  traite  par  le  mercure  et  l’iodure  etc. 
These  de  Lille  1898. 

8)  Action  curative  des  injections  intramusculaires  profondes  de 
calomel  dans  la  tuberculose  cutanee.  These  de  Paris  1897. 

9)  La  cura  del  lupus  colle  iniezioni  di  calomelano.  Gazzetta 
lombarda  1897. 

10)  Contribution  ä  Petude  du  traitement  du  lupus  par  les  pre- 
parations  mercurielles  et  en  particulier  par  les  injections  de  calomel. 
These  de  Montpellier  1899. 

“)  Soc.  de  Science  med.  de  Montpellier,  Febr.  1899  (bereits  oben 
zitiert). 

12)  Peppmüller:  Ein  bulbärer  syphilitischer  Pseudotumor 
von  typisch  tuberkulöser  Struktur.  Archiv  f.  Ophthalmol.,  Bd.  49. 

3* 


1684 


MUFNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Dieser  Einfluss  der  antispezifischen  Therapie  war  so  eklatant, 
wie  er  auch  bei  den  gutartigen  Augentuberkulosen  nie  beobachtet 
S  und  wie  man  ihn  sonst  als  für  Lues  charakteristisch  ansieht. 
Hat  es  sich  um  reine  Tuberkulose  gehandelt,  so  liegt  das  eiste 
staunliche  Faktum  einer  rapiden  Dauerheilung  durch  Hg  und  JK, 
ausserdem  eine  bisher  unbekannte  Form  der  Bulbustuberkulose  vor 
Da  aber  auf  dem  Gebiet  der  Tuberkulose  dieser  Verlauf  bisher  ganz 
unerhört  ist,  muss  nach  Ansicht  des  Referenten  auch  die  Moghch- 
keit  offengelassen  werden,  dass  es  sich  doch  um  Lues  handelte  mit 
gleichzeitiger  Einstreuung  tuberkulöser  Herdehen,  wenn  man  nie 
etwa  annehmen  wollte,  die  gefundenen  Bazillen  gehörten  zu  den  von 
Möller,  Lubarsch  u.  a.  neuerdings  beschriebenen  Doppelgän¬ 
gern  der  Tuberkelbazillen.“  .....  , 

Ein  zweiter  Fall,  der  für  die  uns  beschäftigende  Fiage 

bemerkenswert  ist,  wurde  von  A  x  e  n  f  e  1  d  auf  der  26.  oph- 
thalmologischen  Versammlung  zu  Heidelberg  1897  als  tertiäre 
Lidsyphilis  mit  tuberkelartiger  Struktur  demonstriert. 

Es  handelte  sich  um  einen  40  jährigen  Mann,  der  neben  zahl¬ 
reichen  Geschwüren  im  Mund,  Rachen  und  Kehlkopf  eine  derbe  n- 
filtration  und  Geschwürsbildung  von  zirka  Fünfpfennigstiickgiosse  in 
der  Haut  des  rechten  oberen  Lides  hatte,  welche  auf  äussere  Mittel 
nicht  heilen  wollte.  Ein  kleines  exzidiertes  Stückchen  wurde  vom 
pathologischen  Anatomen  für  Tuberkulose  erklärt,  aber  die  Dermato¬ 
logen  behaupteten,  dass  die  Geschwüre  im  Gaumen  und  Rachen  giosse 
Aehnlichkeit  mit  Syphilis  hätten.  Die  darauf  eingeleitete  ausschliess¬ 
liche  Quecksilber-  und  Jodkaliumkur  führten  zur  sofoitigen  Besse¬ 
rung  und  in  ca.  14  Tagen  zur  völligen  Heilung  der  Lid-  und  Rachen¬ 
veränderungen.“  (Zitiert  nach  Peppmiiller:  Syphilis  des  Auges, 
in  Lubarsch  und  Ost  er  tag:  Ergebnisse  etc.,  Bericht  über  die 
Jahre  1897,  93,  99,  S.  241.) 

Aus  den  eben  zitierten  ebensowie  aus  vielen  anderen  Be¬ 


merkungen  über  die  uns  interessierende  Frage  geht  immer 
wieder  hervor,  wie  fest  eingewurzelt  die  Anschauung  von  der 
alleinigen  Wirkung  des  Jk  und  Hg  auf  luetische  Prozesse 
ist.  Dieses  Vorurteil  geht  soweit,  dass  man  nicht  allein  dem 
klinischen  Bild,  sondern  auch  der  für  Tuberkulose  sprechenden 
pathologisch  anatomischen  Untersuchung  zu  misstrauen  geneigt 
ist,  wenn  auf  Jodkali-Quecksilbertherapie  eine  Besserung 
oder  gar  Heilung  des  Krankheitsprozesses  zu  verzeichnen  ist 
und  dass  man  eher  bereit  ist,  eine  Mischform  von  Syphilis  und 
Tuberkulose  anzunehmen  als  zuzugestehen,  dass  auch  ein 
tuberkulöser  Prozess  an  und  für  sich  durch  JK  und  Hg  günstig 


beeinflusst  werden  kann. 

Wenn  bei  einer,  wie  in  unserem  Falle  bakteriologisch 
sicher  gestellten  Tuberkulose  noch  eine  gleichzeitige  Lues  an¬ 
genommen  werden  soll,  so  bestehen  meiner  Ansicht  nach  drei 
Möglichkeiten  für  die  Vergesellschaftung  beider  Krankheiten. 
Einmal  könnten  Syphilis  und  Tuberkulose  gleichzeitig  und  am 
gleichen  Orte  manifeste  Erscheinungen  hervorgerufen  haben, 
ein  Zusammentreffen,  das  zum  mindesten  sehr  selten  sein 
dürfte  bei  zwei  Krankheiten,  die  über  so  lange  Lebensepochen 
und  an  so  vielen  Lokalitäten  sich  zu  dokumentieren  vermögen. 
Aber  selbst  einen  solchen  Fall  angenommen,  würde  es  nicht  er¬ 
sichtlich  sein,  wie  JK  und  Hg,  wenn  sie  nur  auf  luetische  Pro¬ 
zesse  einwirkten,  dann  eine  völlige  Heilung  bewirken  könnten. 
Es  würde  doch  nur  der  syphilitische  Anteil  des  Prozesses  ge¬ 
heilt  werden,  der  tuberkulöse  aber  weiter  bestehen. 

Zweitens  könnte  ein  syphilitisches  Ulcus  tuberkulös  infi¬ 
ziert  werden;  solche  Fälle  sind  ebenfalls  nicht  häufig,  aber 
in  der  Literatur  beschrieben  (B.  F  r  ä  n  k  e  1,  Berliner  klin. 
Wochenschr.  1884,  No.  13,  M  u  c  k:  Archiv  für  Laryngol.  19.  Bd. 
u.  a.).  Gegen  JK  und  Hg  müssten  sie  sich  ebenso  verhalten, 
wie  die  erste  Gruppe.  Ja  Moritz  Schmidt  hat  dies  Ver¬ 
halten  direkt  beobachtet,  wenn  er  schreibt:13)  „Um  eine  solche 
direkte  Infektion  eines  syphilitischen  Geschwürs  mit  Tuberkel¬ 
bazillen  handelte  es  sich  wahrscheinlich  bei  einem  jungen  Mann 
mit  notorisch  tertiären  Geschwüren  im  Kehlkopf.  Dieselben 
heilten  unter  dem  Gebrauch  von  Jodkali  bis  auf  eine  kleine 
Stelle.  Da  diese  sich  nicht  schliessen  wollte,  wurde  die  Ab¬ 
sonderung  des  Kehlkopfes  untersucht  und  es  fanden  sich 
Tuberkelbazillen.“ 

Drittens  ist  es  möglich,  dass,  trotzdem  wie  in  unserem 
Falle  weder  die  Anamnese  noch  die  Untersuchung  des  Körpers 
Anhaltspunkte  für  Lues  ergibt,  doch  eine  latente  akquirierte 
oder  hereditäre  Syphilis  besteht  und  unabhängig  von  ihr  eine 
tuberkulöse  Infektion  zustande  kommt.  Solche  Fälle  sind 
zweifellos  nicht  selten.  Dass  bei  ihnen  aber  der  tuberkulöse 


Prozess  nur  darum  günstig  durch  JK  und  Hg  beeinflusst 
werden  sollte,  weil  eine  latente  Syphilis  nebenher  vorhanden 
ist,  wie  dies  M.  Schmidt  anzunehmen  scheint  (1.  c.  S.  391), 
ist  eine  durch  nichts  bewiesene  Hypothese. 

Ich  glaube,  dass  es  weit  natürlicher  ist,  endlich  mit  der 
Anschauung  zu  brechen,  dass  die  Lues  die  alleinige  Domäne 
für  die  Jodkali-Quecksilbertherapie  abgibt  und  zuzugestehen, 
dass  es  auch  tuberkulöse  Prozesse  gibt,  welche  durch  die 
gleichen  Mittel  günstig  beeinflusst  und  zur  Heilung  geführt 
werden  können  und  dass  damit  gerade  in  vielen  (durchaus 
nicht  in  allen)  Fällen  von  primärer  (aszendierender)  'I  uber- 
kulose  der  oberen  Luftwege  Erfolge  zu  erzielen  sind.  Bei 
regelmässiger  genauer  Kontrolle  des  lokalen  und  allgemeinen 
Zustandes  während  der  Behandlung  brauchen  wir  auch  nicht 
die  mögliche  den  Körper  schwächende  Wirkung  unserer  Medi¬ 
kation  zu  fürchten  und  vollends  nicht  dem  Pessimismus  Zar- 
nikos  zu  verfallen,  welcher  meint:  „zu  den  depotenzierenden 
Einflüssen  gehört  auch  die  Hg-Inunktionskur  und  sie  darf  des¬ 
halb  prinzipiell  nie  zu  diagnostischen  Zwecken  für  zweifelhafte 
Nasenaffektionen  verwandt  werden.“14) 


Aus  der  Universitätskinderklinik  zu  Leipzig  (Direktor:  Geheim¬ 
rat  Prof.  Dr.  0.  S  oltmann). 

Ein  Beitrag  zur  Statistik  der  Säuglingsmorbidität  *) 

Von  Dr.  Hans  R  i  s  e  1. 

Die  folgenden  Tabellen  bilden  eine  Erweiterung  jener,  die 
Soltmannin  No.  1  und  2  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907 
für  die  Krankenbewegung  auf  der  Säuglingsstation  des  Kinder¬ 
krankenhauses  Leipzig  für  die  Jahre  1900 — 05  gibt.  Sie  sind 
für  die  Kinder  des  ersten  Lebensjahres  berechnet,  die  während 
des  gleichen  Zeitraumes  auf  der  Infektionsabteilung  und  der 
chirurgischen  Station  des  Hauses  verpflegt  wurden.  Der  Ver¬ 
gleich  der  neuen  und  alten  Werte  soll  zeigen,  dass  die  Säug¬ 
linge  der  beiden  Aufstellungen  sich  nicht  nur  im  jeweiligen 
Krankheitsprozess  von  einander  unterscheiden,  sondern  sich 


14)  Krankheiten  der  Nase  und  ,des  Nasenrachenraumes,  II.  Aufl., 
S.  408. 

*)  Nach  einem  in  der  Leipziger  medizinischen  Gesellschaft  am 
25.  VI.  07  gehaltenen  Vortrag. 


13)  Krankheiten  der  oberen  Luftwege,  111.  Aufl.,  S.  388. 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1685 


auch  in  arideren  wesentlichen  Punkten  verschieden  verhalten. 

Die  Zahlen  der  Aufnahmen  und  Toten  auf  der  Säuglings¬ 
station  sind  ganz  unzweideutig  abhängig  von  der  hohen 
Sommermorbidität.  Ganz  anders  gestaltet  sich  die  Verteilung 
der  Säuglingsaufnahmen  auf  den  anderen  Abteilungen.  Statt 
des  Sommergipfels  verläuft  die  Kurve  ihrer  Monatsprozent¬ 
sätze  unbeeinflusst  durch  die  Jahreszeiten  fast  horizontal,  das 
gleiche  gilt  für  die  der  Toten  (Kurve  und  Tabelle  I).  Die  Klein- 


Tabelle  I. 

Auf  der  Säuglingsabteilung  (I)  und  den  übrigen  Abteilungen  (II)  wurden 

1900—1905 


im 

Prozent  aller  Auf¬ 
nahmen  eingeliefert 

starben  Prozent  aller 
Toten 

I 

II 

I 

II 

Januar  . 

6,7 

8,7 

5,9 

8,1 

Februar  . 

7,1 

7,98 

6,8 

6,4 

März . 

8,5 

10,3 

7,9 

13,1 

April . 

7,6 

9,5 

7,2 

9.3 

Mai . 

8,1 

8,7 

8,7 

9,3 

Juni  . 

8,1 

9,9 

6,4 

8,5 

Juli . 

13,5 

8,1 

12,2 

10,7 

August . 

13,7 

7,7 

18,98 

6,0 

September  .... 

7,6 

6,1 

8,7 

4,6 

Oktober . 

7,4 

8,7 

6,9 

8,5 

November . 

6,0 

7,7 

4,8 

8,5 

Dezember  ..... 

5,9 

6,4 

5,6 

8,5 

heit  der  absoluten  Zahlen  lässt  für  die  neue  Serie  keine  Schlüsse 
zu.  Tabelle  II  gibt  sie  für  die  einzelnen  Stationen  getrennt 


Tabelle  II 

Säuglingsaufnahmen  in  den  Jahren  1900 — 1905  nach  Stationen  und 
*  Monaten  geordnet. 


auf 

Januar 

Februar 

März 

April 

S 

C 

3 

August 

Septbr. 

Oktobr. 

Novbr. 

Dezbr. 

Summe 

Chirurg.  Station 

44 

43 

60 

61 

51 

56 

47 

44 

30 

42 

37 

37 

552 

Diphtherie  „ 

10 

i-r 

J 

11 

10 

8 

7 

4 

7 

3 

9 

9 

7 

92 

Scharlach  „ 

— 

1 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

5 

Keuchhusten  „ 

6 

4 

7 

3 

7 

6 

10 

2 

9 

5 

5 

5 

70 

Masern  „ 

2 

2 

1 

— 

— 

3 

2 

2 

1 

2 

2 

1 

16 

Beobachtung  „ 

8 

7 

4 

1 

3 

7 

2 

7 

6 

9 

9 

67 

802 

Tote  im  Säuglingsalter  nach  Stationen  und  Monaten  geordnet. 

Chirurg.  Station 

10 

9 

22 

19 

17 

15 

19 

12 

8 

10 

11 

16 

168 

Diphtherie  „ 

6 

3 

7 

5 

4 

3 

3 

2 

1 

5 

5 

5 

49 

Keuchhusten  „ 

2 

3 

2 

2 

4 

2 

6 

1 

3 

4 

2 

2 

33 

Masern  „ 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

2 

1 

6 

Beobachtung  „ 

5 

2 

— 

— 

1 

4 

2 

1 

1 

5 

4 

' 

25 

281 

wieder.  Doch  verdient  die  Gesamtzahl  von  802  Aufnahmen 
mit  281  Toten  Beachtung.  Zusammen  mit  den  Kranken  der 
Säuglingsstation  stehen  danach  rund  28  Proz.  der  Gesamtauf¬ 
nahmen  des  Hauses  im  ersten  Lebensjahr.  Die  prozentuale 
Sterblichkeit  beträgt  für  die  neue  Gruppe  35,0  Proz.  Sie  ist 
also  ein  gut  Teil  niedriger  als  die  der  Säuglingsstation  mit 
55,2  Proz.  Dies  ist  hervorzuheben,  da  ihre  durchschnittliche 
Verpflegungsdauer  (Tabelle  III)  pro  Kind  20,34  Tage  gegen 
11,99  der  früheren  Aufstellung  beträgt  und  gemäss  dem  Er¬ 
gebnis  einer  Umfrage  nach  dem  Schicksal  der  Aufnahmen  auf 
der  Säuglingsstation  im  Jahre  1905  eine  um  so  höhere  Sterb¬ 
lichkeit  erwartet  werden  konnte,  je  länger  die  Kinder  in  Be¬ 
obachtung  sind.  Auch  die  neuen  Zahlen  stehen  unter  dem  Ein¬ 
fluss  der  rein  künstlichen  Ernährung.  Ihre  Höhe  (Tabelle  III) 
wechselt  auf  den  einzelnen  Stationen.  Auf  den  Abteilungen 
für  Keuchhusten-  und  für  Diphtheriekranke  steigt  sie  auf  47,1 
und  53,3  Proz.,  sinkt  aber  auf  der  chirurgischen  Station  auf 
30,4  Proz.  Sie  fällt  hier  noch,  trotzdem  sie  nach  der  ungünsti¬ 
gen  Seite  beeinflusst  wird,  durch  die  von  der  Säuglings¬ 
abteilung  verlegten  Kinder  mit  einer  Mortalität  von  69,2  Proz. 
und  durch  den  höheren  Prozentsatz  an  jungen  Kindern. 
30,97  Proz.  der  Aufnahmen  dieser  Abteilung  stehen  in  der 
1. — 2.  Lebenswoche  und  26,2  Proz.  aller  ihrer  Toten  im  ersten 
Monat. 

Interessante  Zahlen  gibt  die  Berechnung  des  Prozentsatzes 
der  Toten  nach  der  Aufenthaltsdauer  geordnet  (Tabelle  III). 


Tabelle  III. 


Säuglingsmortalität  nach '  Stationen  und  Aufenthaltsdauer  geordnet. 


auf 

Prozent  aller 
Aufnahmen 

Prozent  aller  Toten  sterben  während 

des  1  Tap-es  1  der  ersten  i  der  ersten 
aes  1.  lages  |  3  Tage  |  7  Tage 

Chirurg.  Station 

30,4 

14,3 

27,97 

42,3 

Diphtherie  „ 

53,3 

27,8 

53,1 

65,3 

Keuchhusten  „ 

47,1 

11,8 

21,2 

30,3 

Masern  „ 

37,5 

16,7 

16,7 

33,3 

Beobachtung  „ 

37,3 

20,8 

40,0 

48,0 

insgesamt 

35,04 

17,44 

33,09 

45,55 

Säuglingsstation 

55,2 

16,39 

31,6 

51,0 

Verpflegungsdauer : 


Chirurg.  Station  ........  18,74 

Diphtherie  „  18,08 

Keuchhusten  „  .  41,98 

Masern  „  .  20,6 

Beobachtung  „  .  14,1 

Scharlach  „  .  37,6 


Insgesamt  .  20,34 

Auf  Säuglingstation .  11,99 


Danach  sterben  ausserhalb  der  Säuglingsstation  im  Hause 
ein  grösserer  Prozentsatz  der  im  ersten  Lebensjahr 
stehenden  Toten  kurz  nach  ihrer  Einlieferung,  als  auf  der¬ 
selben.  Wesentlich  beeinflusst  werden  diese  Zahlen  durch 
die  Sterblichkeit  der  Diphtheriekranken.  Dass  die  Krankheits¬ 
prozesse  dieser  Kinder  zum  Teil  noch  akuter  zum  Tode  führen, 
als  die  Magendarmerkrankungen  des  übrigen  Säuglings¬ 
materials,  scheint  aus  ihrem  Durchschnittskörpergewicht  her¬ 
vorzugehen.  Es  ist  wesentlich  höher  als  das  der  Säuglings¬ 
station.  Allerdings  konnte  von  29  Proz.  aller  Aufnahmen  und 
von  35,2  Proz.  aller  Toten  zur  Berechnung  das  Gewicht  nicht 
herbeigezogen  werden.  Bei  Darstellung  des  Durchschnitts¬ 
körpergewichts  in  Kurven  (Kurve  2,  Tabelle  IV)  liegt  das  der 


Säuglingsstation  am  tiefsten,  über  ihr  das  der  übrigen  Ab¬ 
teilungen,  beide  bleiben  aber  weit  hinter  der  am  höchsten 
laufenden  Normalkurve  zurück. 

Endlich  verteilt  sich  für  die  zwei  Serien  der  Prozentsatz 
der  Alterklassen  ganz  wesentlich  verschieden  ( I  abeile  IV  und 


1ÜÖU 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Tabelle  IV. 

Altersprozentsatz  und  Durchschnittsgewicht  der  Säuglingsaufnahmen 
j900 — 1905  auf  der  Säuglingstation  (Serie  I)  auf  den  anderen  Ab¬ 
teilungen  (Serie  II). 


Alte 

Woche 

rsprozentsatz 

Serie  I  Serie  II 

Dun 

Serie  I 

:hschnittsgewicht 

Normales 

Serie  II  !  (nach  Camerer- 
Finkelstein) 

1—4 

16,3 

12,97 

2850 

4124 

3580 

5-8 

14,6 

5,99 

2966 

3371 

4000 

9-12 

15,4 

6,7 

3360 

3718 

4606 

13—16 

10,5 

6,5 

3737 

4704 

5219 

17—20 

8,9 

5,7 

3884 

4457 

5878 

21—24 

7,8 

6,7 

4177 

5200 

,  6561 

25— 28 

6,4 

9,4 

4660 

5427 

7091 

29-32 

4,2 

6,7 

4975 

5969 

7506 

33—36 

4,5 

7,9 

5331 

6183 

7926 

37—40 

3,5 

7,2 

5257 

5675 

8225 

41—44 

3,2 

7,7 

6046 

6760 

8512 

45—48 

2,1 

7,98 

8432 

7078 

8854 

49—52 

2,7 

8,6 

6730  . 

7519 

9071 

Kurve  3).  Auf  der  Säuglingsstation  überwiegen  die  in  den 
ersten  Lebensmonaten  stehenden  Kinder,  auf  den  anderen  Ab¬ 
teilungen  dagegen  die  älteren  Säuglinge.  Nur  für  den  ersten 
Monat  zeigt  auch  die  neue  Aufstellung  einen  höheren  Prozent¬ 
satz.  Von  diesen  104  Kindern  gehören  95  der  chirurgischen 
Station  zu.  Sie  entsprechen  den  mit  Missbildungen  behafteten 
Kranken. 


Kasuistischer  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Symptoma¬ 
tologie  der  Pankreaszyste. 

Von 

Dr.  L  i  1  i  e  n  s  t  e  i  n,  früherem  Assistenzarzt  am  Fiirstl.  Land¬ 
krankenhaus  zu  Detmold  (Leiter:  Sanitätsrat  Dr.  Schemmel). 

Ich  möchte  mir  in  folgendem  erlauben,  kurz  einen  im 
hiesigen  Landkrankenhaus  beobachteten  Fall  von  Pankreas¬ 
zyste  zu  erwähnen,  der  infolge  seiner  Aetiologie  und  der  dar¬ 
gebotenen  Symptome  eines  allgemeinen  Interesses  als  Schul¬ 
fall  nicht  entbehrt. 

Am  10.  November  1906  wurde  der  32  jährige  Knecht  Wilhelm 
Sch.  von  seinem  Wagen  überfahren,  wobei  ihm  ein  Rad  quer  über 
den  Leib  ging.  Er  trug  infolge  dieses  Unfalls  einen  Bruch  mehrerer 
Rippen  der  linken  Seite  davon  und  wurde  noch  am  selben  Tage  im 
Krankenhaus  aufgenommen.  Die  Heilung  erfolgte  ungestört,  sodass 
Patient  am  12.  Januar  1907. zur  Entlassung  kam.  Trotzdem  fühlte  er 
sich  nach  seinen  Angaben  noch  nicht  vollständig  wohl.  Jede  Er¬ 
schütterung  verursachte  ihm  grosse  Schmerzen  auf  der  linken  Seite; 
er  war  deshalb  auch  verhindert,  auf  seinem  Wagen  zu  fahren.  Der 
Appetit  war  gering,  und  sofort  nach  der  Nahrungsaufnahme  traten 
heftige  Schmerzen  auf,  die  Patient  als  Magenkrampf  deutete.  Er¬ 
brochen  hat  er  während  der  ganzen  Zeit  nicht.  Allmählich  wurde  auch 
das  Gehen  erschwert,  die  Arbeit  musste  zeitweise  eingestellt  werden: 
Sch.  war  schliesslich  überhaupt  nicht  mehr  beschwerdefrei.  Als  er 


am  9.  II.  07  mit  dem  Aufladen  von  Steinen  beschäftigt  war  und 
sich  dabei  in  gebückter  Stellung  befand,  setzten  plötzlich  so  starke 
Leibschmerzen  ein,  dass  er  gezwungen  war,  die  Arbeit  zu  unter¬ 
brechen  und  Aufnahme  im  Krankenhaus  zu  suchen. 

Bei  der  ersten  Untersuchung  klagt  Pat.  über  Schmerzen  beim 
tiefen  Atmen  in  der  linken  Seite  und  über  ein  Druckgefühl  auf  dem 
Magen,  sodass  er  nichts  essen  könne. 

Es  handelt  sich  um  einen  schmächtigen  Mann  von  kleiner  Statur 
und  leidlichem  Ernährungszustand.  Der  Aufforderung,  tief  Luft  zu 
holen,  kommt  er  nur  unvollkommen  nach  und  verzerrt  dabei  schmerz¬ 
haft  das  Gesicht.  Temperaturerhöhung  besteht  zur  Zeit  nicht. 
(Während  der  Beobachtungszeit  wurden  öfters  subfebrile  Temperatur¬ 
steigerungen  notiert.)  Die  Untersuchung  der  Lungen  bietet  nichts 
Pathologisches.  Der  Spitzenstoss  des  Herzens  liegt  im  4.  Interkostal¬ 
raum,  überhaupt  erscheinen  dessen  Grenzen  nach  oben  verschoben, 
im  übrigen  liegen  auch  hier  normale  Verhältnisse  vor.  Die  Gegend 
unter  dem  linken  Rippenbogen  erscheint  durch  eine  prall-elastische 
Geschwulst  vorgetrieben,  über  welcher  in  Ausdehnung  eines  Hand¬ 
tellers  absolute,  die  Mittellinie  nicht  überschreitende  Dämpfung  be¬ 
steht.  Die  Haut  darüber  zeigt  keine  Veränderungen.  Die  Geschwulst, 
welche  bei  der  Atmung  sowohl  wie  überhaupt  unverschieblich  ist 
und  auf  Druck  schmerzt,  ist  nicht  abzugrenzen,  sie  verliert  sich  viel¬ 
mehr  in  der  Tiefe  unter  dem  linken  Rippenbogen  und  nach  dem  Rück¬ 
grat  hin.  Oberhalb  der  Dämpfung  herrscht  tieftympanitischer  Per¬ 
kussionsschall,  der  dem  Magen  angehört,  unterhalb  derselben  wird 
helle  Tympanie  erzeugt,  die  von  der  Erschütterung  des  Kolons  her- 
rührt.  Bei  Lagewechsel  tritt  keine  deutliche  Veränderung  des  Be¬ 
fundes  ein.  Der  Urin  enthält  weder  Zucker  noch  Eiweiss,  ebenso¬ 
wenig  zeigt  sich  eine  Abnormität  in  Konsistenz,  Farbe  und  Geruch  der 
Fäzes.  Durch  Probepunktion  wird  eine  dunkle,  braunrote  Flüssig¬ 
keit  gewonnen,  die  reichlich  unveränderte  und  geschrumpfte  Blut¬ 
körperchen  enthält;  eine  diastatische  Wirkung  wird  damit  nicht  erzielt. 

Die  Vorgeschichte  des  Falles,  die  merkwürdige  Lagerung  der 
Geschwulst  zwischen  Kolon  und  Magen,  der  von  ihr  in  die  Höhe  ge¬ 
drängt  wurde,  sodass  auch  das  Herz  nach  oben  verschoben  war,  so¬ 
wie  die  sonstige  Beschaffenheit  der  Geschwulst,  vor  allem  auch  ihr 
charakteristischer  Inhalt,  Hessen  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  oine 
Pankreaszyste  erkennen  und  zwar  eine  traumatische,  eine  Diagnose, 
welche  durch  die  am  19.  II.  07  vorgenommene  Operation  bestätigt 
wurde. 

Die  Operation  selbst  gestaltete  sich  relativ  einfach.  Nach  Er¬ 
öffnung  des  Abdomens  in  der  Medianlinie  lag  das  sulzig  verdickte 
Ligamentum  gastrocolicum  vor,  mit  dem  die  Zyste  verklebt  war.  Es 
wurde  stumpf  durchtrennt,  die  derbe  Zystenwand  mit  dem  Peritoneum 
parietale  vernäht  und  inzidiert.  Aus  der  Zyste  entleerten  sich  mehrere 
Liter  der  oben  beschriebenen  Flüssigkeit.  Der  bis  zur  Wirbelsäule 
reichende  Sack  wurde  sorgfältig  ausgetupft  und  drainiert.  Die  Hei¬ 
lung  erfolgte  per  granulationem  in  7  Wochen. 

Es  geht  also  aus  der  Betrachtung  unseres  Falles  unzweifel¬ 
haft  hervor,  dass  das  Trauma  die  unmittelbare  Ursache  der 
Zystenbildung  gewesen  ist,  indem  ein  grösserer  Teil  des  Pan¬ 
kreas  durch  die  Quetschung  zertrümmert  wurde.  Immerhin 
muss  noch  ein  Teil  des  Organs  funktionstüchtig  geblieben  sein, 
da  ja  Störungen  der  Verdauung  oder  sonstige  Ausfallserschei¬ 
nungen  nicht  beobachtet  wurden. 

Die  Therapie  der  Pankreaszyste  kann  natürlich  nur  eine 
chirurgische  sein,  da  die  Aufsaugung  so  grosser  Fliissigkeits- 
ansammlungen  nicht  erwartet  werden  darf,  andererseits  aber 
die  Ruptur  der  gespannten  Zyste  zu  befürchten  ist.  Ob  die 
Exstirpation  oder  Inzision  und  Drainage  als  Operationsmethode 
zu  wählen  ist,  hängt  in  erster  Linie  davon  ab,  ob  eine  wahre 
Zyste,  deren  Wand  ein  Epithel  besitzt,  oder  eine  falsche  (trau¬ 
matische)  Zyste,  ein  Zystoid,  vorliegt,  wie  in  unserem  Falle, 
das  keine  Epithelauskleidung  besitzt,  sondern  nur  eine  grosse 
intrakapsuläre  Quetschwunde  des  Organs  darstellt.  Im  letz¬ 
teren  Falle  kann  nur  die  Annähung  und  Drainage  der  Zyste 
nach  Gussenbauer  als  schonendste  und  doch  zum  Ziele 
führende  Operation  in  Frage  kommen.  Im  ersteren  Fall,  also 
bei  einer  wahren  Zyste,  konkurriert  mit  der  Gussen¬ 
bauer  sehen  Methode  die  Exstirpation  der  Zyste,  welcher  der 
Vorzug  zu  geben  ist,  wenn  ihrer  Ausführung  sich  nicht  unüber¬ 
windliche  Schwierigkeiten  entgegenstellen.  Auch  G  ö  b  e  1  - 
Kiel  hat  auf  dem  Chirurgenkongress  vor  kurzem  dieselben 
Grundsätze  aufgestellt. 

Zur  Nachbehandlung  sei  noch  erwähnt,  dass  der  Operierte, 
wie  das  von  anderer  Seite  bei  verzögerter  Ausheilung  von 
Pankreaszysten  vorgeschlagen  ist,  von  vornherein  unter  anti¬ 
diabetische  Diät  gesetzt  worden  ist. 


20.  August  1907.  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Enchondrom  des  Larynx. 

Von  Dr.  H  a  r  1 1  e  i  b,  Assistent  der  ehir.  Abt.  im  Marienhospital 
am  Venusberg,  Bonn  (dirig.  Arzt:  Prof.  Dr.  Graff). 

Die  Enchondrome  des  Larynx  sind,  wie  M.  Schmidt  in 
seinen  „Krankheiten  der  oberen  Luftwege“  erwähnt,  seltene 
Vorkommnisse.  Tatsächlich  zählt  er  an  dieser  Stelle  nur  10 
vereinzelte  Fälle  auf,  und  v.  Bruns  bestätigt  in  dem  „Hand¬ 
buch  der  praktischen  Chirurgie“  dieses  seltene  Vorkommen 
der  Enchondrome  des  Larynx,  wenn  er  schreibt,  dass  bis  jetzt 
erst  26  Fälle  als  sicher  nachgewiesen  seien.  Diese  Seltenheit 
der  Larynxenchondrome  wird  die  Veröffentlichung  folgenden 
Falles,  wie  er  in  dem  hiesigen  Krankenhaus  zur  Beobachtung 
kam,  als  gerechtfertigt  erscheinen  lassen. 

Patient  H.,  45  Jahre  alt,  Lagerarbeiter,  klagt  seit  mehreren  Mo¬ 
naten  über  stets  zunehmende,  jetzt  hochgradige  Atembeschwerden, 
besonders  bei  Anstrengungen  wie- Treppensteigen  etc.  Die  laryngo- 
skopische  Untersuchung  ergibt  einen  nussgrossen,  zapfenförmigen 
Tumor,  -der  mit  breiter  Basis  auf  der  linken  und  hinteren  Wand  des 
Kehlkopfes  aufsitzt  und  zwar  auf  der  Cartilago  thyreoidea  sich  hin¬ 
ziehend  über  die  Cartilago  cricoidea.  Der  Tumor  füllt  zum  grössten 
Teil  das  Querlumen  des  Kehlkopfes  aus,  und  reicht  mit  seiner  Spitze 
bis  zu  einer  Entfernung  von  etwa  1  cm  an  die  Stimmbänder  heran. 
Die  Oberfläche  des  Tumors  ist  glatt,  mit  normaler  Schleimhaut  über¬ 
zogen  und  lässt  makroskopisch  schon  erkennen,  dass  es  sich  um  keine 
maligne  Neubildung  handelt.  Beim  Sondieren  mit  der  Kehlkopfsonde 
fühlt  sich  der  Tumor  hart,  nicht  eindrückbar  an;  die  Schleimhaut 
darüber  ist  nicht  verschieblich. 

Klinische  Diagnose:  Subchordales  Larynxenchondrom. 

Dass  der  Tumor  auf  endolaryngealem  Wege  nicht  entfernt  werden 
konnte,  war  von  vornherein  klar.  Dagegen  sprach  die  Grosse  des 
Tumors,  die  breite  Insertion  desselben»  und  die  hochgradigen  Stenosen¬ 
erscheinungen.  Nach  v.  Bruns  „erfordern  die  subchordalen  Ge¬ 
schwülste  mit  breiter  Basis  und  von  grösserem  Umfange  entschieden 
die  Laryngotomie“.  Aber  selbst  für  die  Laryngotomie  war  der  Tu¬ 
mor  im  vorliegenden  Falle  zu  ausgedehnt.  Hätte  man  nach  partieller 
Spaltung  des  Kehlkopfs  —  nur  diese  und  nicht  die  totale  Laryngotomie 
wäre  wegen  des  Sitzes  des  Tumors  in  Frage  gekommen  —  den  Tumor 
entfernt,  dann  wäre  nach  der  Ausheilung  ohne  Zweifel  eine  grössere 
Narbe  entstanden,  'die  vielleicht  eben  solche,  wenn  nicht  stärkere 
Beschwerden  'durch  ihre  Kontraktur  hervorgerufen  hätte,  als  der 
Tumor  selbst.  Deshalb  wählte  Herr  Prof.  Graff,  trotz  der  Gefahr, 
mit  dem  Nervus  recurrens  in  Konflikt  zu  geraten,  den  von  v.  Bruns 
als  ein  Unikum  bezeichneten  Weg  „der  submukösen  Ausschälung  von 
aussen  ohne  Eröffnung  der  Kehlkopfhöhle“. 

Operation  am  2.  II  07.  Morphiumäthernarkose.  Etwa  6  cm 
langer  Hautschnitt  fingerbreit  vor  der  Karotis,  längs  des  hinteren 
Randes  des  Musculus  sternohyoideus,  beginnend  am  Zungenbein. 
Eindringen  in  die  Tiefe  zwischen  Muse,  omohyoideus  und  sterno¬ 
hyoideus:  Freilegen  des  Oesophagus.  Letzterer  ist  ausserordentlich 
fest  mit  dem  Kehlkopf  verwachsen,  sodass  das  Lospräparieren  (des¬ 
selben  von  dem  Kehlkopf  nur  unter  den  grössten  Schwierigkeiten 
gelingt.  Die  hintere  Wand  des  Kehlkopfes  musste  aber  freigelegt 
werden,  weil  ja  der  Tumor  zum  grössten  Teil  an  der  hinteren  Wand 
sass.  Jetzt  ist  der  Tumor  deutlich  zu  fühlen.  Derselbe  wird  mit  dem 
scharfen  Löffel  exkochleiert,  bis  man  auf  die  ihn  überziehende  Schleim¬ 
haut  des  Kehlkopfes  kommt.  Die  digitale  Untersuchung  der  Tumor¬ 
höhle  ergab  die  Grösse  einer  Nuss.  Die  Blutung  war  ziemlich  heftig; 
dieselbe  liess  sich  besonders  in  der  Tiefe  nur  durch  Umstechungen 
stillen.  In  die  Tumorhöhle  wird  ein  Tampon  eingeführt,  der  an  dem 
untern  Wundwinkel  nach  aussen  geleitet  wird.  Schluss  der  Wunde. 

Am  Tage  der  Operation  sowie  die  beiden  folgenden  Tage  noch 
hochgradige  Dyspnoe,  die  offenbar  bedingt  war  durch  den  Tampon, 
die  geringe  Hämatombildung  und  entzündliche  Reaktion  im  Operations¬ 
gebiete.  Am  dritten  Tage  wird  der  Tampon  entfernt,  Nachlassen  der 
dyspnoischen  Erscheinungen.  14  Tage  post  operationem  ist  die 
Wunde  vollständig  verheilt. 

Die  laryngoskopische  Untersuchung  4  Wochen  post  operationem 
ergibt,  dass  der  Tumor  zwar  nicht  vollständig  verschwunden,  wohl 
aber  um  2U  kleiner  geworden  ist.  Die  rings  um  das  Enchondrom 
bestehenden  Bindegewebswucherungen  konnten  und  brauchten  ja 
nicht  entfernt  zu  werden.  Ausserdem  ist  leider  eine  Postikuslähmung 
nachzuweisen,  bedingt  durch  die  Verletzung  des  Nervus  recurrens, 
der  an  dieser  Stelle  zwirnsfadendiinn  ist.  Infolge  dieser  Postikus¬ 
lähmung  bestehen  natürlich  noch  dypsnoische  Beschwerden,  jedoch 
sind  dieselben  bei  weitem  nicht  mehr  so  hochgradig  wie  vor  der 
Operation.  Der  Patient  vermag  wieder  seine  Arbeit  zu  verrichten. 

Es  wäre  nun  noch  die  Frage  zu  erörtern,  ob  man  nicht 
doch  hätte  die  Gefahr  der  Rekurrensverletzung  umgehen 
können,  wenn  man  nach  partieller  Laryngotomie  versucht 
hätte,  die  Schleimhaut  über  dem  Tumor  abzupräparieren  und 
dann  den  Tumor  zu  entfernen.  Das  war  aber,  nachdem  man 
mit  der  Sonde  festgestellt  hatte,  dass  die  Schleimhaut  fest  mit 
ihrer  Unterlage,  dem  Tumor  verwachsen  war,  als  ein  Ding  der 
Unmöglichkeit  anzunehmen.  Die  entzündliche  Reaktion  rund 


1687 


um  den  Tumor  herum  hatte  ein  festes  Verwachsensein  mit  der 
Umgebung  bedingt,  wie  sich  das  durch  die  Verwachsung  des 
Larynx  mit  dem  Oesophagus  bei  der  Operation  bestätigt  fand. 
Gerade  auch  infolge  des  letzteren  Umstandes  wäre  eine  Ver¬ 
letzung  des  Oesophagus  nicht  zu  vermeiden  gewesen,  hätte 
man  den  Tumor  nach  vorhergehender  Laryngotomie  vom  Kehl- 
kopfinnern  aus  entfernen  wollen.  Eine  Verletzung  des  Oeso¬ 
phagus  aber  musste  notwendigerweise  alle  möglichen  Kompli¬ 
kationen,  wie  Kommunikation  mit  dem  Larynx,  Oesophagus- 
Larynxfistel  etc.,  im  Gefolge  haben,  denen  gegenüber  die  Posti¬ 
kuslähmung  als  das  kleinste  Uebel  anzusehen  ist. 

Es  war  also  die  submuköse  Ausschälung  des  Tumors  von 
aussen  ohne  Eröffnung  des  Kehlkopfinnern  in  diesem  Falle  der 
einzig  richtige  Weg,  wenn  auch  durch  diese  Art  der  Operation 
kein  voller  Erfolg  erzielt  wurde,  sondern  dem  Patienten  nur 
so  weit  geholfen  wurde,  dass  er  wieder  wie  früher  seine  Arbeit 
verrichten  kann. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Tumors  bestätigte 
die  klinische  Diagnose. 


Ueber  Onychoatrophie  bei  Färbern. 

Von  Dr.  Willy  Gotthilf,  Kassel. 

Unter  Onychoatrophie  verstehen  wir  einen  Nagelschwund,  bei 
dem  einmal  die  Nägel  sehr  dünn  und  leicht  brüchig  werden,  anderer¬ 
seits  völlig  verschwinden  können.  Als  Ursache  dieser  Affektion  ist 
Heredität  angesprochen  worden,  'dann  insbesondere  erschöpfende 
Krankheiten  wie  Lues,  Typhus,  Tuberkulose,  Diabetes  mellitus,  Tabes, 
auch  Hauterkrankungen,  sowie  dauernde  Einwirkung  von  Chemikalien 
können  die  Ursache  dieser  Anomalie  abgeben.  In  letzte  Gruppe 
möchte  ich  meine  Beobachtung  einreihen,  dass  ganz  besonders  in 
Eärbereibetrieben  beschäftigte  Arbeiter  unter  Nagelschwund  zu  lei¬ 
den  haben.  Es  ist  bei  diesen  eine  Gewerbekrankheit  im  besten  Sinne 
des  Wortes.  Die  zur  Behandlung  kommenden  Fälle  wiesen  ausser¬ 
ordentlich  dünne,  atrophische,  bläulich  verfärbte  Nägel  auf,  die  sich 
leicht  umbiegen  können  und  dadurch  deformieren  oder  sich  häufig 
ganz  abstossen,  um  sich  wieder  als  zarte,  .dünne  Nägel  bald  neu  zu 
bilden.  Zu  einem  festen,  gesunden  und  kompakten  Nagel  kommt 
es  selten. 

Eine  interessante  Beobachtung,  die  ich  noch  gemacht  habe,  be¬ 
steht  darin,  dass  mir  einige  Fälle  bekannt  sind,  in  denen  mit  dieser 
Atrophie  der  Nägel  ein  ganz  bedeutender  Handschweiss  verbunden 
war.  Unter  anderm  konsultierte  mich  am  21.  VII.  07  Färber  A.  D„ 
ca.  25  Jahre  alt,  ein  kräftiger  und  sonst  gesunder  Mann.  Er  zeigte 
den  typischen  Nagelschwund  und  klagte  über  geradezu  fürchterlichen 
Handschweiss.  Die  Innenfläche  der  Hände  waren  auch  so  nass,  als 
ob  sie  eben  aus  dem  Wasser  gezogen  seien.  Nachdem  sie  von  mir 
gehörig  getrocknet  waren,  dauerte  es  bei  geballter  Faust  kaum  1  bis 
2  Minuten  und  das  Wasser  triefte  wieder  förmlich  aus  den  Händen. 
Auch  der  Vater,  der  ebenfalls  Färber  war,  litt  an  Nagelschwund  und 
an  starkem  Handschweiss.  Inwieweit  in  diesem  Falle  Heredität  eine 
Rolle  spielt,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Therapeutisch  dürfte  nicht  viel  erreicht  werden,  solange  der 
Arbeiter  nicht-  seine  Beschäftigung  wechselt.  Die  Handschweisse 
lassen  sich  durch  die  üblichen  Mittel  etwas  lindern.  Ich  halte  eine 
Veröffentlichung  meiner  Beobachtung  für  wünschenswert,  da  ich  in 
der  Literatur  diesbezügliche  Angaben  nicht  gefunden  habe. 

Zur  Kasuistik  der  Vergiftung  durch  Käse. 

Von  Dr.  Fed  er  Schmidt,  Kgl.  Bezirksarzt  in  Dinkelsbiihl. 

Vergiftungen  durch  Käse  gehören  im  allgemeinen  zu  den  seltenen 
Vorkommnissen.  In  den  Sachregistern  der  Münch,  med.  Wochenschr., 
die  doch  den  verschiedensten  Interessen  ihres  grossen  Leserkreises 
gerecht  zu  werden  sucht,  findet  sich  diese  Erkrankung  in  den  Jahr¬ 
gängen  1890 — 1906  nur  einmal  verzeichnet  und  zwar  handelt  es  sich 
auch  hier  nicht  um  eine  Originalarbeit,  sondern  um  ein  Referat  aus 
der  holländischen  Literatur. 

Bei  dieser  Sachlage  dürften  die  nachstehenden  kurzen  Mit¬ 
teilungen  nicht  ganz  ohne  Interesse  sein. 

Am  15.  August  1906  kam  zu  dem  Berichterstatter  der  Schreiner¬ 
geselle  R.  aus  W„  19  Jahre  alt,  mit  der  Klage,  dass  er  seit  einigen 
Tagen  an  hochgradiger  Körperschwäche,  Trockenheit  des  Mundes 

und  an  Sehstörungen  leide.  .  . 

Die  Untersuchung  ergab  folgendes:  Die  Pupillen  sind  hochgradig 
erweitert,  reagieren  nicht  auf  Lichteinfall.  Patient  ist  nicht  imstande, 
Gedrucktes  oder  Geschriebenes  zu  lesen. 

Die  Schleimhaut  des  Mundes,  namentlich  die.  Schleimhaut  da 
hinteren  Rachenwand,  des  weichen  Gaumen,  sowie  die  Oberfläche 
der  Zunge  sind  vollständig  trocken,  hie  und  da  mit  bräunlichen  Krusten 

bedeckt.  ,  _  ..  ,  .  ,  n,  , 

Patient  klagte  über  grosses  Durstgefühl,  Geräusche  in  den  Dinen, 

sowie  über  Schlaflosigkeit. 


1688 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


Bei  den  vorhandenen  Symptomen,  der  Erweiterung  und  Re- 
aktionslosigkeit  der  Pupillen,  der  Trockenheit  der  Schleimhäute  des 
Mundes,  dachte  man  zunächst  daran,  dass  es  sich  um  einen  hall  von 
Atropin  Vergiftung  handele. 

In  dieser  Hinsicht  ergab  aber  die  Anamnese  keinerlei  Anhalts¬ 
punkte,  Patient  war  nicht  mit  Augentropfen  in  Berührung  gekommen; 
er  hatte  auch  keine  Tollkirschen  gegessen,  was  ja  bei  dem  Alter  des 
Patienten  von  vornherein  ausgeschlossen  werden  konnte. 

Bei  näherem  Befragen  erfuhr  man  nun  folgendes;  Patient 
arbeitete  am  10.  August  bei  dem  Bauern  L.  in  R.  und  erhielt  nach¬ 
mittags  3  Uhr  zur  Vespermahlzeit  Backsteinkäs  mit  Bier  und  Brot. 

Der  Käse  soll  sehr  weich  und  schmierig  gewesen  sein,  machte 
aber  auf  R.  keinen  ekelhaften  Eindruck.  Bereits  %  Stunde  nach  dem 
Genuss  des  Käses  stellte  sich  Uebelkeit  und  Erbrechen  ein.  Das  Er¬ 
brechen  wiederholte  sich  im  Laufe  des  Nachmittags  mehrmals.  Als 
Patient  abends  zu  Hause,  um  seinen  Zustand  zu  bessern,  warme  Milch 
trank,  trat  wieder  Erbrechen  ein. 

Während  der  folgenden  Nacht  erbrach  Patient  verschiedene 
Male,  auch  traten  Leibschmerzen  auf. 

Am  11.  August  stellten  sich  Diarrhöen  ein,  die  ein  paar  Tage 
anhielten. 

Als  Patient  am  11.  August  abends  die  Zeitung  lesen  wollte,  war 
er  dazu  nicht  imstande,  da  sein  Sehvermögen  gelitten  hatte. 

In  den  nächsten  Tagen  stellte  sich  allmählich  Trockenheit  des 
Mundes  und  des  Halses  ein,  so  dass  Patient  nicht  mehr  imstande  war, 
feste  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen.  Er  musste  sich  bei  der  Nahrungs¬ 
aufnahme  auf  Trinken  von  Milch,  Kaffee,  Wasser  beschränken. 

Sobald  sich  Patient  bewegte,  stellten  sich  in  den  Ohren  Ge¬ 
räusche  ein,  „es  schellte,  ratschte“. 

Der  Geschmackssinn  war  alteriert,  so  dass  Patient  den  Ge¬ 
schmack  der  verschiedenen  Flüssigkeiten,  die  er  zu  sich  nahm,  nicht 
unterscheiden  konnte. 

In  der  Nierengegend  hatte  Patient  über  heftige,  bohrende 
Schmerzen  zu  klagen.  Nach  den  Diarrhöen  der  ersten  zwei  Tage 
stellte  sich  hartnäckige  Verstopfung  ein. 

Patient  war  sehr  hinfällig,  konnte  das  Bett  kaum  verlassen. 
Auf  Grund  dieser  Anamnese  durfte  man  mit  Sicherheit  annehmen, 
dass  es  sich  um  einen  Fall  von  Käsevergiftung  handele. 

Therapie:  Der  Obstipation  wegen  gab  man  Karlsbader  Salz. 
Ausserdem  erhielt  Patient  Jodkali,  weil  Jod  einmal  als  Antidot  gegen 
Alkaloidvergiftung  empfohlen  worden  war. 

Die  Sehstörung,  die  Trockenheit  des  Mundes,  die  Obstipation,  die 
körperliche  Schwäche  hielten  ca.  6  Wochen  an  und  zog  sich  das  Re¬ 
konvaleszenzstadium  sehr  in  die  Länge. 

Zur  selben  Zeit  wie  R.  erkrankte  der  54  jährige  Arbeitgeber  des 
R.,  dessen  21jährige  Tochter,  sowie  eine  25  jährige  Magd,  die  eben¬ 
falls  von  dem  Backsteinkäse  gegessen  hatten. 

Die  Symptome  waren  bei  diesen  Personen  die  gleichen  wie  bei 
R.  und  ging  auch  hier  die  Erkrankung  sehr  langsam  in  die  Genesung 
über. 

Nach  Husemann  (in  Eulenburgs  Realenzyklopädie)  cha¬ 
rakterisieren  sich  die  Symptome  der  Käsevergiftung  „stets  als  Brech¬ 
durchfall,  in  schweren  Fällen  mit  Blutbrechen  und  Tenesmus,  auch 
von  Kollapserscheinungen  begleitet“. 

Die  bei  unseren  Fällen  beobachteten  Symptome,  die  eine  Atropin¬ 
vergiftung  vortäuschten,  erwähnt  Husemann  nicht. 

v.  J  a  k  s  c  h  sagt  aber  im  Handbuch  der  speziellen  Pathologie 
und  Therapie  von  Nothnagel:  „Neue  Untersuchungen  machen  es 
wahrscheinlich,  dass  verschiedene  Gifte,  welche  sich  im  Käse  ent¬ 
wickeln,  existieren,  darunter  auch  eines,  welches  Symptome  der 
Atropinvergiftung  veranlasst.“ 

(Aus  dem  städt.  Krankenhause  zu  Karlsruhe,  Chirurg.  Abteilung. 
Direktor:  Prof.  Dr.  von  Beck). 

Vereinfachtes  Extensionsverfahren.  *) 

(Letzte  Mitteilung.) 

Von  Dr.  Arthur  Hofmann,  I.  Assistenten. 

Meine  vorhergehenden  Mitteilungen  betrafen  den  Ersatz  des 
Rollensystems  bei  Extensionsverbänden. 

Es  stellte  sich  ein  Missstand  heraus,  der  darin  bestand,  dass  die 
Schnüre,  welche  nach  der  Seite  zogen,  tief  in  die  Matratzen  ein- 
sclmitten  und  infolge  dessen  eine  zu  grosse  Reibung  verursachten. 
Selbst  im  Falle  man  die  Schnüre  über  einen  runden  Gegenstand 
gleiten  liess,  wurde  dieser  in  die  Matratze  eingedrückt  und  dadurch 
zwecklos.  Diesem  Uebelstand  ist  aber  leicht  zu  begegnen: 

Man  lässt  die  seitwärts  ziehenden  Schnüre  über  eine  Fadenrolle 
laufen,  wie  das  Fig.  I  veranschaulicht.  Damit  aber  diese  Fadenrolle 
wirklich  als  Rolle  funktioniert,  muss  die  Schnur,  welche  durch  ihre 
Achse  läuft,  gespannt  sein.  Dieses  wird  dadurch  erreicht,  dass  man 
von  einem  Bettende  zum  anderen  parallel  dem  Bettrande  eine  dop¬ 
pelte  Schnur  ohne  Ende  legt,  über  welche  die  Fadenrolle  gestülpt 
wird,  sodass  die  zweifache  Schnur  durch  die  Achse  der  Fadenrolle 
hindurchzieht.  Bei  Betten,  welche  keine  Bügel  an  ihren  Enden  haben, 
muss  die  Doppelschnur,  wie  Fig.  I  zeigt,  um  das  ganze  Bett  herum¬ 


*)  Nach  einem  Vortrage  auf  dem  oberrheinischen  Aerztetag. 


geführt  werden.  Nun  wird  mittelst  eines  zwischen  neide  Schnüre 
eingesteckten  Stabes  die  Doppelschnur  durch  Aufwinden  (wie  bei 
einer  Säge)  gespannt.  Der  Stab  bleibt  stecken  und  findet  seinen 
Rückhalt  an  der  Bettkante.  Bei  Nachlassen  der  Spannung  kann  die 
Schnur  immer  wieder  von  neuem  durch  Umdrehen  des  Stabes  ange¬ 
spannt  werden.  Als  Stab  kann  ein  Stock  oder  ein  abgebrochener 
Besenstiel  am  besten  bemitzt  werden. 

Auf  diese  Weise  ist  es 
möglich,  die  umständlichen 
und  teueren  Rollen  mit  ihren 
Stativen  und  Schrauben 
durch  das  Einfachste  dieser 
Art  zu  ersetzen. 

Die  vertikale  Ex¬ 
tension  nach  Schede 
lässt  sich  auf  folgende  Weisp 
vereinfachen: 

Den  Galgen  stellt  man 
aus  3  Stangen  (Besenstielen) 
her,  die  man  in  der  Fig.  II 
skizzierten  Weise  zusam¬ 
mennagelt.  Die  Extension 
wird  dann,  wie  das  am  besten  aus  der  Fig.  II  ersichtlich  ist,  nach 
meiner  zweiten  Modifikation  der  Umsetzung  von  Längsextension  in 
querem  Zug  ausgeführt.  Es  ist  dabei  zu  berücksichtigen,  dass  nach 
der  Theorie  des  Fla¬ 
schenzuges  mit  be¬ 
deutend  mehr  Kraft 
abwärts  gezogen 
wird,  als  Gewicht  an¬ 
gehängt  ist. 

Die  Extension  mit  der 
Glisson  sehen  Schwinge 
kann  ohne  Rollenträger  nach 
der  in  Fig.  III  skizzierten 
Weise  ausgeführt  werden. 

Die  Fadenrolle,  um  welche 
die  Schnur,  die  (das  Gewicht 
trägt,  lauft,  muss  beweglich 
sein.  Zu  diesem  Zwecke 
wird  die  Schnur,  welche  die 
Fadenrolle  trägt,  in  (der  eben 
beschriebenen  Weise  ge¬ 
spannt. 

Der  Vollständigkeit  halber  muss  erwähnt  werden,  dass  man 
eine  nur  einfach  gelegte  Schnur  auch  anspannen  kann.  Man  führt 
sie  nur  ganz  locker  von  einem  Bettende  zum  anderen.  Darauf  macht 
man  mit  einem  Stabe  eine 
Schlinge  in  die  Schnur, 
wendet  dann  den  Stab,  so¬ 
dass  er  parallel  der  Schnur 
zu  liegen  kommt  und  dreht 
ihn  dann  in  dieser  Lage  so 
lange,  bis  die  Schnur  die  ge¬ 
wünschte  Spannung  erhält. 

Der  Stab  muss  dann  an  der 
Schnur  befestigt  werden. 

Zusammenfassend  kann 
man  behaupten,  dass  die 
Einführung  der  ein¬ 
fachen  Faden  rolle  in 
die  Technik  des  Extensions¬ 
verbandes  nicht  blos  eine  Extension  zu  improvisieren  im  stände  ist, 
sondern  dass  man  auf  diese  Art  Dauerverbände  mit  allem  Raffinement 
einer  Barden  heuer  sehen  Extensionstechnik  ohne  Stangen,  ohne 
Rollen  und  ohne  Schrauben  in  der  einfachsten  Hütte  bewerkstelligen 
kann. 

Seit  meiner  ersten  Mitteilung  werden  in  unserem  Krankenhause 
sämtliche  Extensionsverbände  nach  der  Methode  der  Um¬ 
setzung  ausgeführt. 

Anmerkung:  Die  früheren  Veröffentlichungen  finden  sich  in 
No.  6  und  No.  29  des  Jahrganges  1906  und  in  No.  9  d.  Jahrg.  1907. 


Die  „Freie  Vereinigung  von  Freunden  der  spezifischen 
Tuberkulosetherapie“  und  ihre  Gegner. 

In  No.  26  dieser  Wochenschrift  vom  25.  VI.  1907  bespricht  Herr 
Dr.  Köhler,  Chefarzt  der  Heilstätte  Holsterhausen  die  in  der  „Zeit¬ 
schrift  für  ärztliche  Fortbildung“  erwähnte  Begründung  einer  freien 
Vereinigung  von  Freunden  der  spezifischen  Tuberkulosetherapie, 
welche  das  Ziel  verfolgt,  die  Tuberkulinbehandlung  wissenschaftlich 
weiter  auszubauen  und  das  reiche  Material,  welches  bereits  über  die 
Erfolge  dieser  Therapie  gesammelt  ist,  auch  anderen  Aerzten  mög¬ 
lichst  geschlossen  und  übersichtlich  zugänglich  zu  machen. 

Herr  Dr.  Köhler  knüpft  daran  einige  abfällige  Bemerkungen 
über  die  „höchst  überflüssige  Sondervereinigung“. 

Kaum  also  ist  die  erste  Kunde  über  die  in  aller  Stille  erfolgte 
Vereinigung  gleichstrebender  Männer,  die  sich  bisher  zum  Teil  nur 


Fig.  I. 


Fig.  III. 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1689 


aus  ihren  Schriften  kannten,  in  einer  Fachzeitschrift  bekannt  gegeben, 
so  setzt  bereits  die  Opposition  ein;  die  Opposition,  der  gegenüber  bis¬ 
her  die  einzelnen  Mutigen,  welche  ihre  Ueberzeugung  zu  vertreten 
wagten,  wie  isolierte  Felsen  in  brandender  Meeresflut  standen.  Wie 
bitter,  dieser  immer  erneute  Kampf  gegenüber  Anfechtungen  von 
„Kollegen“  war,  bei  denen  Mangel  an  eigenen  Erfahrungen  und  oft 
erstaunliche  Unkenntnis  des  bereits  literarisch  vorliegenden  grossen 
Tatsachenmaterais  ersetzt  wurde  durch  ein  urteilsgewaltiges  Selbst¬ 
gefühl,  habe  ich  nicht  nur  in  meinem  Wirkungskreise,  sondern  auch 
durch  die  Korrespondenz  mit  anderen  Vertretern  der  gleichen  Sache 
erfahren. 

Nun  soll  dieser  Kampf  gemeinsam  geführt  werden,  rein  mit 
den  Waffen  des  Geistes,  indem  das  grosse  Erfahrungsmaterial  zu 
Gunsten  der  Tuberkulintherapie  möglichst  übersichtlich  allen  denen 
zur  Verfügung  gestellt  wird,  die  sich  dafür  interessieren,  sodass  viel¬ 
beschäftigte  Kollegen  nicht  erst  in  zahllosen  Zeitschriften  umhersuchen 
müssen,  Zeitschriften,  'die  nicht  jeder  alle  halten  kann,  die  den  meisten 
schwer,  vielen  gar  nicht  zugänglich  sind. 

Wer  sollte  gegen  einen  solchen  Zusammenschluss  zu  gemein¬ 
samer  Arbeit  etwas  einzuwenden  haben?  Hätten  wir  unsere  Herren 
„Gegner“  erst  um  Erlaubnis  fragen  sollen?  Oder  hätten  wir  den 
Kampf  um  längst  abgetane  Einwürfe  in  das  eigene  Lager  mit  hinüber¬ 
nehmen  sollen?  An  Kontroversen  und  Fragen,  welche  noch  der  Auf¬ 
klärung  bedürfen,  wird  es  auch  unter  uns  sicher  nicht  fehlen,  für  die 
Förderung  dieser  wichtigen  Erörterungen  gewinnen  wir  Zeit  und 
Kraft,  wenn  wir  die  nutzlose  Diskussion  mit  Gegnern,  die  sich 
nicht  überzeugen  lassen  wollen,  ausschalten. 

Wer  würde  —  um  ein  Beispiel  aus  anderem  Gebiete  zu  wählen 
—  einer  Vereinigung  von  Freunden  der  klassischen  Bildung  vor- 
werfen,  dass  sie  die  prinzipiellen  Gegner  der  klassischen  Bildung  nicht 
mit  aufnehme?  Gegner,  die,  nebenbei  gesagt,  zahlreicher  und  gewiss 
beachtenswerter  sind,  als  gegenwärtig  die  offenen  I  uberkulingegner, 
deren  Zahl  nach  den  Erfahrungen  der  letzten  Berliner  Versammlung 
erstaunlich  abgenommen  zu  haben  scheint. 

Warum  hat  Herr  Dr.  Köhler,  der  in  Berlin  anwesend  war, 
nicht  dort  das  Wort  ergriffen,  wo  jedem  Gelegenheit  zu  freier  Aus¬ 
sprache  gegeben  war?  Nun,  er  war  wohl  überrascht,  zu  erleben,  in 
wie  unerwarteter  Weise  sich  die  Zahl  'der  Tuberkulintherapeuten  und 
das  von  ihnen  beigebrachte  Erfahrungsmaterial  vermehrt  hatte. 

Herr  Dr.  Köhler  hat  neuerdings  eine  Schrift  verfasst,  welche 
den  stolzen  Titel  führt  „Grundlagen  zur  Wertung  des 
therapeutischen  Effektes  des  Tuberkulin  s“,  in  Wirk¬ 
lichkeit  aber  nur  eine  Kritik  von  Hypothesen  über  die  mögliche,  oder 
nach  Ansicht  des  Verfassers  unmögliche  Heilwirkung  des  Tuberkulins 
enthält.  Herr  Dr.  Köhler  sollte  die  Wahrheit  beherzigen,  dass 
„Grundlagen“  nur  der  legen  kann,  der  a  u  f  b  a  u  t,  nicht  der, 
welcher  zu  zerstören  sucht.  Das  reiche  Erfahrungsmaterial,  welches 
der  Referent  der  Berliner  Versammlung  Herr  Dr.  Bandelier  mit 
grossem  Fleiss  gesammelt  und  bearbeitet  hatte,  das  könnte  man 
a  1  s  „G  rundlagen  zur  Bewertung  der  Tuberkulin- 
therapie“  bezeichnen.  Herrn  Köhlers  „Grundlagen“  sind 
keine  Grundlagen,  es  sind  Seifenblasen,  die  in  der  Luft 
schweben  und  an  dem  festen  Fundament  der  Tatsachen  zerplatzen 
müssen.  Nicht  anders  steht  es  mit  seinem  Angriffe  gegen  die 
neue  Vereinigung. 

Schon  wenn  die  Vereinigung  keine  andere  Wirkung  hätte*  als 
die  Herren  Gegner  mehr  zur  Vorsicht  und  Sachlichkeit  zu 
veranlassen,  zur  Vorsicht  und  Sachlichkeit  namentlich  auch 
gegenüber  der  um  Rat  bittenden  Patientenschaft,  schon  dann  hätte  sie 
einen  grossen  Erfolg  errungen  und  sich  als  keineswegs  „überflüssig“ 
erwiesen.  Werden  doch  heute  noch  zahllose  Tuberkulöse  von  selbst 
nur  mangelhaft  orientierten  Aerzten  über  die  Frage  der  spezifischen 
Behandlung  in  unverantwortlich  unzutreffender  und  unvor¬ 
sichtiger  Weise  „belehrt“.  Tausenden  kostet  dies  das  Leben! 
Hier  richtet  die  Vereinigung  vor  allem  ihren  Appell  „ad  collegas 
melius  informandos“. 

Ein  weiteres  Ziel  will  die  Vereinigung  zu  erreichen  suchen  durch 
den  Versuch,  solche  Patienten,  die  den  Wohnort  wechseln,  unter 
dauernder  sachkundiger  Kontrolle  zu  erhalten.  Erst  hierdurch  wird 
eine  wirklich  einwandsfreie  Statistik  der  Dauererfolge  möglich 
werden.  Wie  mancher  durch  Tuberkulin  gebesserte  Tuberkulöse 
wird  bis  jetzt  dadurch,  dass  er  beim  Ortswechsel  in  die  Hand  eines 
Arztes  gerät,  der  „ganz  anderer  Ansicht  ist“,  irre  gemacht,  oft  zu 
Kurpfuschern  getrieben,  und  erliegt  Rückfällen,  die  hätten  verhütet 
werden  können,  wenn  sachkundiger  Rat  ihn  weiter  begleitet 
hätte. 

Aber  nicht  nur  gegen  die  „Belehrung“  durch  unzureichend  orien¬ 
tierte  Gegner  will  die  Vereinigung  sich  wenden,  sondern  auch  gegen 
die  Tätigkeit  unzureichend  orientierter  und  darum  gefährlicher 
„Freund  e“  soll  versucht  werden,  vorbeugend  zu  wirken.  Denn 
wenn  wieder  einmal  „das  Spritzen  modern  wir  d“,  so  besteht 
die  nicht  zu  unterschätzende  Gefahr,  dass  Kollegen  mit  ganz  unge¬ 
nügender  Vorbereitung  sich  der  spezifischen  Tuberkulosetherapie 
annehmen  und  „optima  fide“  alle  jene  kleinen  und  grossen  Fehler  in 
der  Tuberkulinanwendung  und  namentlich  in  der  Beurteilung  der  Er¬ 
gebnisse  wiederholen,  welche  in  der  Literatur  bereits  vielfach  hervor- 
gehoben,  aber  noch  lange  nicht  allgemein  bekannt  sind.  So  liegt 
immer  wieder  die  Gefahr  nahe,  dass  diese  „Freunde“  nach  kurzem 
„Versuchsstadium“  in  verbitterte  Gegner  sich  verwandeln  und  so 


neue  Hemmschuhe  für  eine  stetige  Weiterentwicklung  der  spezifischen 
Therapie  bilden. 

Die  ersten  Vorkämpfer  der  Tuberkulintherapie,  die  notgedrungen 
Autodidakten  sein  mussten,  haben  eine  lange  Reihe  von  Jahren  ge¬ 
braucht,  um  auf  einen  gesicherten  Standpunkt  zu  gelangen.  So  be¬ 
kenne  ich  gern,  dass  ich  erst  nach  etwa  sechsjähriger  Hand¬ 
habung  des  Tuberkulins  von  der  Möglichkeit,  Dauerheilungen  damit 
zu  erzielen,  eine  durch  Erfahrungen  gefestigte  Ueberzeugung  ge¬ 
wonnen  hatte.  T  h  o  r  n  e  r,  Krause,  G  o  e  t  s  c  h  u.  a.  ist  es  ähnlich 
gegangen.  Heute  kann  nicht  genug  betont  werden,  dass  die  Hand¬ 
habung  der  Tuberkulosetherapie  nicht  anders  gelernt  werden  sollte, 
als  jede  medizinische  Sondertherapie  (Gynäkologie,  Ophthalmologie 
etc.):  zunächst  Beobachtung  und  Literaturstudium,  dann  Ausführung 
unter  Aufsicht  bereits  eingearbeiteter  Kollegen,  schliesslich  Sammlung 
eigener  Erfahrungen.  Schon  seit  längerer  Zeit  betrachtet  man  für 
die  Ausübung  der  Augen-,  Ohrenheilkunde  etc.  eine  etwa  2  jährige 
Vorbereitungszeit  als  Assistent  oder  Volontär  an  geeigneten  Instituten 
als  unerlässlich.  Eine  Vorbereitungszeit  von  etwa  gleicher  Dauer 
sollte  auch  derjenige  Arzt  durchmachen,  der  sich  der  Tuberkulose¬ 
therapie  einschliesslich  der  Handhabung  spezifischer  Mittel  widmen 
will.  Nach  gründlicher  bakteriologischer  Vorbil¬ 
dung  in  der  Untersuchung  des  Auswurfs  auf  Tuberkelbazillen,  auf 
Erreger  von  Sekundärinfektionen  und  alles,  was  sonst  zu  beachten 
ist,  kommt  das  Arbeiten  in  einem  Sanatorium  oder  einer  Heilstätte 
in  Betracht,  wo  die  spezifische  Therapie  von  sachkundiger  Hand  als 
reguläres  Glied  des  Kurplanes  gepflegt  wird.  Dann  aber 
ist  eine  besondere  Einarbeitung  in  die  ambulatorische  Hand¬ 
habung  der  Tuberkulindiagnostik,  -behandlung  und  -nachprüfung,  in 
die  Beurteilung  „geheilter“  Fälle  usw.  durchaus  erforder¬ 
lich,  weil  gerade  die  poliklinische  Behandlung  der  in  der  ärztlichen 
Praxis  geübten  am  nächsten  kommt. 

In  derart  gründlicher  Weise  vorbereitete  Kollegen  werden  zu- 
v  e  r  1  ä  s  s  i  g  e  Förderer  der  spezifischen  Behandlung  werden  und 
bleiben 1). 

Ich  gebe  zu,  dass  es  auf  diese  Weise  nicht  ganz  schnell  gehen 
wird,  die  Tuberkulinbehandlung  „in  die  Praxis  einzubürgern“,  ich 
bekenne  aber  auch  frei,  dass  ich  nach  wie  vor  ein  Gegner  der  all¬ 
gemeinen  Einbürgerung  bin;  ich  halte  es,  wie  ich  früher  bereits 
ausführte 2),  für  viel  richtiger,  wenn  eine  Anzahl  von  Zentral¬ 
stellen  für  spezifische  Therapie  sich  bilden,  an  welche  die  Inter¬ 
essenten  von  ihren  Aerzten  ebenso  verwiesen  werden,  wie  bisher 
fast  ausschliesslich  an  Heilstätten  und  Sanatorien;  ein  besonderer 
Verlust  wird  sich  für  die  praktischen  Aerzte  daraus  kaum  ergeben, 
im  Gegenteil  wird  ihr  Vertrauen  in  der  Klientel  wachsen,  während 
sie  durch  eigene  un  zweckmässige  Behandlungsversuche  leicht 
Gefahr  laufen,  sich  den  Ast  des  Vertrauens,  auf  dem  sie  sitzen, 
selber  abzusägen.  Das  gleiche  dürften  diejenigen  Kollegen  ris¬ 
kieren,  welche  ihre  Klientel  über  die  Tuberkulintherapie  in  einer 
Weise  aufklären,  welche  mit  den  literarisch  fesT:gelegten  Erfahrungen 
der  Kenner  dieser  Behandlung  in  Widerspruch  steht. 

Die  Freie  Vereinigung  will  also  vorläufig  nur  den  Kollegen 
Gelegenheit  zur  Orientierung  geben,  jeder  „B 1  u  f  f“  durch 
aufsehenerregende  Vorträge,  jede  „Agitation“  in  der  Oeffentlichkeit 
öder  durch  Tageszeitungen  soll  vermieden  werden,  damit  ja  nicht 
wieder  eine  „Tuberkulinära“  wie  1891  hereinbreche  mit  allen  ihren 
unschönen  Nebenerscheinungen.  Es  werden  also  die  Herren  Kollegen 
Zeit  gewinnen,  sich  mit  der  vorliegenden  Literatur  zu  beschäftigen 
und  sich,  wenn  sie  Neigung  und  Zeit  dazu  haben,  selbst  auf  die  spe¬ 
zifische  Behandlung  einzuarbeiten.  Auch  diejenigen  klinischen  Autori¬ 
täten,  welche  der  Tuberkulinfrage  bisher  mit  stolzer  Ablehnung  oder 
wenigstens  kühlster  Reserve  gegenüber  gestanden  haben,  werden 
Zeit  gewinnen,  ihren  Kurs  etwas  zu  ändern.  Immerhin  wird  es  nach 
wie  vor  schwierig  sein,  bei  klinischer  Beobachtung  allein  die 
Heilung  Tuberkulöser  abzuwarten,  da  Jahre  hierzu  erforderlich 
sind.  Nur  die  Verbindung  der  Klinik  mit  der  Poliklinik  wird 
geeignet  sein,  ein  einwandfreies  Beobachtungsmaterial  auf  lange  Zeit 
zu  sichern. 

Nichts  liegt  unserer  Vereinigung  ferner,  als  uns  isolieren  und  ab¬ 
sondern  zu  wollen.  Im  Gegenteil!  Wir  wollen  unsere  bisherige 
Isolierung  aufgeben  und  überall  Fühlung  behalten.  Mit  dem  Zen¬ 
tralkomitee  verbindet  uns  schon  die  Mitgliedschaft  des  Herrn 
Generalsekretärs,  wie  bekannt  eines  Koch  sehen  Schülers;  den 
Landesversicherungsanstalten  suchen  wir  möglichst 
zuverlässige  Tuberkulintherapeuten  zur  Verfügung  zu  stellen.  Allen 
Aerzten  aber,  die  sich  für  die  spezifische  Therapie  interessieren, 
wollen  wir  Gelegenheit  bieten,  sich  systematisch  an  geeigneten  Stel¬ 
len  einzuarbeiten. 

Ob  wir  für  unsere  weiteren  Publikationen  bereits  bestehende 
Zeitschriften  wählen  oder  ob  wir  genötigt  .sein  werden,  besondere 

_  I 

1)  Man  verzeihe  mir,  wenn  ich  nicht  alle  brieflichen  Anfragen 

von  Kollegen,  die  gerne  „spritzen“  möchten,  und  nach  dem  „besten 
Präparat“  und  .seiner  Dosierung  fragen,  einzeln  beantworten  kann. 
Diese  Dinge  erfordern  eben  ein  Studium.  Darum  halte  ich  auch 
die  ..Gebrauchsanweisungen“,  die  den  Tuberkulinpräparaten  beigelegt 
werden,  für  nicht  unbedenklich.  . 

2)  Vorträge  zur  Tuberkulosebekämpfung,  No.  I,  pag.  T-.  Leip¬ 
zig,  Leineweber,  1900. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


1W0 


Hefte  erscheinen  zu  lassen,  das  ist  vorläufig  noch  unentschieden, 
darüber  braucht  Herr  Dr.  Köhler  sich  unsere  Köpfe  nicht  zu  zer¬ 
brechen!  Ein  Verzeichnis  der  Mitglieder  der  Vereinigung  und  ihrer 
bisherigen  wissenschaftlichen  Publikationen  wird  jedenfalls  dem¬ 
nächst  in  bekannten  Fachzeitschriften  mitgeteilt  werden.  Eine 
„öffentliche  Proklamation“  (die  Herr  Köhler  vermisst) 
wird  aus  den  bereits  hervorgehobenen  Gründen  überhaupt  nicht  statt¬ 
finden.  Es  werden  aber  alle  diejenigen  Kollegen  in  der  Vereinigung 
willkommen  sein,  welche  durch  eigene  erfolgreiche 
Arbeit  auf  dem  Gebiete  der  spezifischen  Tuber¬ 
kulosetherapie  zu  Freunden  derselben  geworden 
sind.  So  hofft  denn  unsere  Vereinigung  keinem  Kollegen  etwas  zu 
leide  zu  tun  —  es  sei  denn  in  gerechter  Abwehr  ungerechter  Gegner 
—  sondern  mit  den  bewährten  Mitteln  und  in  dem  ru  h  i  g  e  n  Fahr¬ 
wasser  wissenschaftlicher  Beobachtung  die  Seg¬ 
nungen  der  spezifischen  Therapie  allmählich  weiteren  und  weiteren 
Kreisen  zugänglich  zu  machen.  Dem  Antagonismus  der  bisherigen 
Gegner  stehen  wir  um  so  ruhigeren  Gemüts  gegenüber,  als  nicht  mehr 
jeder  von  uns  einzeln  den  Kampf  mit  Unkenntnis  und  Uebelwollen  zu 
führen  braucht,  sondern  jedem  in  der  Vereinigung  ein  Rückhalt  zu 
Gebote  steht,  auf  den  er  sich  ohne  weiteres  berufen  kann.  Auch  aus 
den  Arbeiten  der  Gegner  wird  jeder  von  uns  zu  lernen  suchen;  es 
ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  wir  selbst  einmal  eine  Sammlung  gegne¬ 
rischer  Arbeiten  veranlassen  im  Sinne  von  „Grundlagen  zur 
Wertung  der  Angriffe  der  Tuberkulingegner“. 

Prof,  Dr.  Petruschky  -  Danzig. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

W.  K  o  1 1  e  und  A.  Wassermann:  Handbuch  der  pa¬ 
thogenen  Mikroorganismen.  Ergänzungsband.  655  Seiten.  Mit 
vielen  Tafeln.  Jena,  Gustav  Fischer.  28  Mk. 

Die  ausführlichen  und  für  den  Moment  abschliessenden 
Darstellungen  des  trefflichen  Kolle-Wassermann  sehen 
Handbuches  können  bei  dem  raschen  Fortschritt  und  der  rast¬ 
losen  Arbeit  dem  Schicksal  des  allmähligen  Veraltens  nicht 
entgehen,  zudem  bringt  ja  jedes  Jahr  ganz  neue  Forschungs¬ 
ergebnisse.  Die  Ergänzungsbände  werden  deshalb  jedem,  der 
die  Einzelheiten  des  allerneuesten  Standes  der  Forschung  ken¬ 
nen  muss,  unentbehrlich  sein,  wenn  er  nicht  selbst  die  Riesen- 
miihc  auf  sich  nehmen  kann,  die  Literatur  im  einzelnen  zu  ver¬ 
folgen.  In  15  Artikeln  wird  von  Spezialforschern  berichtet 
über:  Trypanosomen,  Piroplasmosen,  Tuberkulose,  Lepra,  Ab¬ 
dominaltyphus  und  Paratyphus,  spindelförmige  Bazillen,  Bak¬ 
terienhämotoxine,  Amoebendysenterie,  Malaria,  Geschwülste, 
Genickstarre,  Spirillosen,  Maltafieber  und  Lyssa,  die  meisten 
Artikel  sind  mit  Tafeln  und  Textfiguren  reich  illustriert.  Der 
Ergängzungsband  reiht  sich  würdig  an  das  Hauptwerk  an. 

_____  _____  K.  B.  Lehmann. 

<  -vs*  i 

Konrad  Hel  ly:  Die  hämatopoetischen  Organe  in  ihren 
Beziehungen  zur  Pathologie  des  Blutes.  Verlag  von  Alfred 
Holder,  Wien  1906,  Preis  Mk.  5.20. 

Es  ist  mit  besonderer  Anerkennung  zu  begriissen,  dass  die 
im  Titel  gekennzeichneten  Kapitel  der  pathologischen  Ana¬ 
tomie  im  Nothnagel  sehen  Handbuche  eine  Bearbeitung  von 
einem  Histologen  erfahren  haben.  Auf  Grund  sehr  sorgfältiger 
Literaturstudien  und  eigener  Untersuchungen  gibt  der  Verfasser 
besonders  in  den  Abschnitten  der  normalen  Anatomie  und  Phy¬ 
siologie  der  blutzellenbereitenden  Organe  eine  vorzügliche  Dar¬ 
stellung  unserer  heutigen  Anschauungen.  Etwas  zu  kurz  weg¬ 
gekommen  sind  jedoch  die  Kapitel  der  pathologischen  Ana¬ 
tomie,  die  wohl  etwas  eingehender  hätten  berücksichtigt  wer¬ 
den  müssen.  Es  hat  hier  den  Anschein,  als  ob  der  Verfasser 
wohl  nicht  ganz  den  Ueberblick  und  die  notwendigen  Er¬ 
fahrungen  auf  diesem  schwierigen  Gebiete  besessen  hätte. 

Die  205  Seiten  umfassende  Abhandlung  gliedert  sich  in 
zwei  Hauptabschnitte:  Lymphdrüsen  und  Milz  und  ferner  Kno¬ 
chenmark.  Besonders  gut  ist  die  Histologie  der  Lymphknoten 
geschildert.  Nicht  ganz  anerkennen  kann  ich  den  Satz,  dass 
„die  Milz  in  ihren  feineren  histologischen  Verhältnissen  schon 
seit  geraumer  Zeit  als  im  allgemeinen  gut  erkannt  gelten  kann“. 
Meiner  Ansicht  nach  ist  gerade  die  Milz  eines  derjenigen 
menschlichen  Organe,  von  denen  wir,  wenn  wir  ehrlich  sein 
wollen,  sowohl  in  bezug  auf  ihre  Anatomie  wie  Physiologie 
noch  herzlich  wenig  wissen. 

Ungefähr  drei  Viertel  des  Werkes  nehmen  die  Ausfüh¬ 
rungen  über  das  Knochenmark  ein.  Die  Schilderung  seiner 
Histologie  stellt  wohl  das  beste  dar,  was  uns  heute  zu  Gebote 


steht.  Als  unrichtig  muss  ich  es  jedoch  bezeichnen,  wenn 
H  e  1 1  y  behauptet,  dass  die  Lymphozyten  im  Knochenmarks¬ 
parenchym  einen  regelmässigen  Befund  bilden  und  sich 
gleichmässig  unter  die  übrigen  Elemente  verteilt  finden.  Nach 
meinen,  auf  einem  grossen  Materiale  beruhenden  Unter¬ 
suchungen  sind  vielmehr  diese  Elemente  im  normalen  Knochen¬ 
mark  ein  ganz  besonders  seltener  Befund.  Man  kann  oft  viele 
Schnitte  durchmustern,  ohne  auch  nur  einen  einzigen  Lympho¬ 
zyten  anzutreffen.  Die  Zellen,  die  der  Verf.  als  Lymphozyten 
anspricht,  sind  sicherlich  Myeloblasten.  Doch  ist  hier  nicht  der 
Raum,  nochmals  auf  diese  Frage,  die  ich  schon  anlässlich  des 
Referates  von  Grawitz’  Lehrbuch  diskutiert  habe,  einzu¬ 
gehen.  Ich  muss  daher  auf  meine  früheren  Ausführungen  (diese 
Wochenschrift  1907,  No.  16)  verweisen. 

Am  Schlüsse  der  H  e  1 1  y  sehen  Abhandlung,  die,  wie  schon 
gesagt,  zu  dem  Vorzüglichsten  gehört,  was  wir  zur  Zeit  be¬ 
sonders  über  die  normale  Histologie  der  blutzellenbereitendcn 
Organe  besitzen,  findet  sich  ein  sehr  sorgfältiges  Literaturver¬ 
zeichnis  von  38  Seiten  Umfang,  das  alle  in  Betracht  kommenden 
Arbeiten  des  vorliegenden  Gebietes  enthält. 

Schridde  -  Freiburg. 

H.  Chiari:  Pathologisch-anatomische  Sektionstechnik. 

2.  Auflage.  Berlin,  Fischers  Medizinische  Buchhandlung, 

1907.  107  Seiten.  3  M. 

Die  zweite  Auflage  dieser  bisher  nicht  genügend  ver¬ 
breiteten  Anleitung  zur  Ausführung  von  Sektionen  ist  natur- 
gemäss  gegenüber  der  ersten  Auflage  nicht  wesentlich  ver¬ 
ändert.  Zu  bessern  war  ja  wenig  an  der  Methode  und  nichts  an 
der  ausgezeichneten  Darstellung.  Wo  jedoch  Neuerungen  vor¬ 
liegen,  sind  sie  berücksichtigt;  so  wurde  eine  neue  sehr  brauch¬ 
bare  Methode  der  Nasensektion  aufgenommen  und  der  Gebrauch 
von  Handschuhen  wird  warm  empfohlen.  Nur  die  Simmonds- 
scheu  Vorschläge  (abgerundete  Messer,  Metallgriffe  an  den 
Instrumenten,  Metallblöcke  usw.)  werden  nach  Meinung  des 
Ref.  zu  wenig  gewürdigt.  Zugespitzte  Messer  sind  allerdings, 
wenn  man  sich  streng  an  die  C  h  i  a  r  i  sehen  Sektionsvorschrif¬ 
ten  hält,  nicht  zu  entbehren,  weil  manche  Organe,  die  sonst 
mit  der  Schere  eröffnet  werden,  nach  Chiari  mit  dem  Messer 
geschlitzt  werden  (Herz,  Trachea),  eine  für  den  Ungeübten 
jedenfalls  nicht  so  einfache  und  ungefährliche  Manipulation. 
Das  Grundprinzip  der  Rokitansky-Chiari  sehen  Sek¬ 
tionsmethode,  dasselbe,  welches  auch  Zenker  und  Heller 
befolgen,  kann  nie  genug  gerühmt  werden,  die  Belass, ung  der 
Organe  in  ihren  natürlichen  Zusammenhängen;  die  topo¬ 
graphische  Sektionsmethode  ist  die  einzige,  die  man  nie  bereut. 

Robert  R  ö  s  s  1  e  -  München. 

F.  v.  Winckel:  Handbuch  der  Geburtshilfe.  3.  Band, 

3.  Teil.  Verlag  von  J.  F.  Bergmann.  Wiesbaden  1907. 
Preis  25  Mk. 

So  läge  denn  der  Schlussband  des  in  diesen  Blättern  schon 
des  öfteren  besprochenen  Standard-work  vor  und  mit  ihm  ein 
echtes  Dokument  deutschen  Gelehrtenfleisses.  Winckel 
schliesst  den  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Gynäkologie 
bis  zum  Ende  des  20.  Jahrhunderts  ab.  Den  ganzen  Wert 
dieser  mühsam  zusammengetragenen  Daten  wird  erst  ein  spä¬ 
terer  Bearbeiter  dieser  Frage  zu  schätzen  wissen. 

In  die  einzelnen  Kapitel  der  Pathologie  des  Neugeborenen 
haben  sich  geteilt  Ludwig  Seitz,  H.  Meyer-Ruegg  und 
Karl  B  a  i  s  c  h.  Von  diesen  scheint  mir  das  wichtigste,  nämlich 
das  über  den  Scheintod,  auch  das  beste  zu  sein.  Das  was 
iibcrMelacna  neonatorum,  Tetanus  etc.  gesagt  wird,  ist  eine  ge¬ 
wissenhafte  Zusammenstellung  dessen,  was  wir  wissen  oder 
noch  öfter  nicht  wissen. 

Den  grössten  Teil  des  Bandes  füllt  Max  Stu  in  p  f  s  Arbeit 
über  die  gerichtsärztliche  Geburtshilfe.  F  r  i  t  s  c  h  s  Werk  über 
diesen  Gegenstand  ist  noch  immer  vorbildlich  und  da  gerade  bei 
diesem  Gebiet  die  durch  die  stabile  Gesetzgebung  Vorgesetzten 
Schranken  ziemlich  konstant  sind,  ist  es  naturgemäss  schwer, 
dem  alten  Stoff  neue  Seiten  abzugewinnen.  Das  kann  weniger 
der  Inhalt  als  die  Art  der  Darstellung.  Stumpf  hat  das  wohl 
auch  selbst  gefühlt  und  sich  deswegen  bemüht,  das  allent¬ 
halben  zerstreute  kasuistische  Material  möglichst  reichlich  zu 
sammeln.  Und  diese  grosse  Tatsachensamrnlung  ist  cntschie- 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1691 


den  von  grossem  Wert,  denn  nur  sie  kann  dem  Rat  Suchenden 
und  vor  das  juristische  Forum  Gerufenen  die  fehlende  eigene 
Erfahrung  ersetzen.  Dass  alles  zur  Diagnose  dieses  unerquick¬ 
lichsten  Abschnittes  der  Medizin  Erforderliche  nicht  fehlt,  das 
ist  bei  einer  Arbeit  in  einem  Buche,  welches  das  Prägzeichen 
„Franz  v.  Wincke  1“  trägt,  selbstverständlich. 

Für  das  offizielle  Ende  einer  vorbildlich  reichen  und  frucht¬ 
baren  Lehrtätigkeit  konnte  unser  Lehrer  sich  kein  würdigeres 
Denkmal  setzen  als  dieses  Werk:  es  wird  seinen  Namen  fest- 
halten  zu  seiner  Ehre  und  zu  der  der  deutschen  Geburtshilfe. 

F  1  a  t  a  u  -  Nürnberg. 

Die  krankhaften  Geschlechtsempfindungen  auf  dissoziativer 
Grundlage  von  Havelock  E  1 1  i  s.  Deutsch  von  Dr.  Ernst 

Jentsch.  Würzburg  1907.  A.  S  t  u  b  e  r  s  Verlag  (Curt  K  a  - 
bitzsch).  316  Seiten.  Preis  4  M.,  geb.  5  M. 

Die  Psychologie  des  Sexuallebens,  diese  umfangreiche 
Disziplin  der  mittelalterlichen  Kirchenväter,  hat  erst  in  den 
letzten  Jahren  an  dem  gewaltigen  Aufschwung  aller  Wissen¬ 
schaften  teilgenommen,  nachdem  Kr  afft -Ebing  die  For¬ 
schung  wieder  auf  dieses  Gebiet  gelenkt  hatte.  Zu  den  be¬ 
deutendsten  neueren  Schriften,  welche  diesen  Gegenstand  be¬ 
handeln,  gehören  die  Sexualpsychologischen  Studien  von 
Havelock  E  1 1  i  s.  Der  vorliegende  Band  ist  die  Fortsetzung 
eines  früheren,  betitelt:  „Das  Geschlechtsgefühl“,  in  welchem 
eine  eingehende  Analyse  des  Geschlechtstriebes,  des  Zustande¬ 
kommens  der  „Tumeszenz“,  gegeben  ist.  Der  vorliegende 
Band  selbst  behandelt  die  Erscheinungen  der  normalen  „De- 
tumeszenz“  in  ebenso  ausführlicher  wie  glänzender  Darstel¬ 
lung.  Hieran  schliesst  sich  eine  Darstellung  derjenigen  krank¬ 
haften  Betätigungen  des  Geschlechtstriebes,  welche  als  ero¬ 
tischer  Symbolismus  bezeichnet  werden.  Ausführliche  Unter¬ 
suchungen  an  Hand  zahlloser  Beispiele  legen  z.  B.  das  Wesen 
und  die  Ursachen  des  Fuss-,  Schuh-,  Stoff-,  Haarfetischismus, 
der  Bestialität,  des  Exhibitionismus  usw.  klar. 

Verschiedene  Ursachen  haben  zusammengewirkt  in 
unserer  Zeit,  um  sexuelle  Fragen  sozusagen  zum  Tages¬ 
gespräch  zu  machen.  Der  Kampf  gegen  die  Unsittlichkeit  und 
die  Aufklärung  der  Jugend  über  die  ihr  drohenden  Gefahren 
sind  an  der  Tagesordnung.  Und  doch  fährt  mancher  eifrige 
Sittenprediger  noch  nutzlos  mit  der  Stange  im  Nebel  herum, 
weil  er  in  manchen  Verirrungen  des  Geschlechtslebens  nur 
Laster,  aber  nicht  Krankheit  erkennen  will  und  kann.  Ohne 
gründliche  Kenntnis  der  Physiologie,  Psychologie  und  Patho¬ 
logie  des  Geschlechtslebens  aber  wird  auch  eine  Therapie  des¬ 
selben  nie  besonderen  Erfolg  versprechen  und  eine  Art  von 
Kurpfuscherei  bleiben. 

Die  ausgezeichneten  Studien  von  Hav eilock  E 11  i  s  verdienen 
darum  weiteste  Verbreitung,  'denn  in  übersichtlicher  Weise 
ist  ein  ungeheures  Material  verwendet,  um  Licht  zu  verbreiten 
über  viele  bisher  in  Dunkel  gehüllte  Gebiete.  Die  Sprache  ist 
fliessend  und  gewandt,  so  dass  auch  der  Uebersetzer  Lob  ver¬ 
dient.  Niemand,  der  am  Kampfe  gegen  die  Unsittlichkeit  wirk¬ 
lich  regen  Anteil  nimmt,  darf  darum  die  sexualpsychologischen 
Studien  von  Havelock  E  1 1  i  s  ausser  acht  lassen. 

Dr.  Keller. 

Hancock  und  Katsukuma  Higashi,  das  Kano  Jiu-Jitsu,  mit 

einer  Einführung  von  Geh.  Hofrat  Dr.  B  a  e  1  z.  526  Seiten  mit 
mehr  als  500  Abbildungen  nach  dem  Leben  und  4  anatomischen 
Tafeln.  Julius  Hoffman  n,  Verlag,  Stuttgart. 

Der  grösste  Teil  des  Buches  (500  Seiten  mit  487  vorzüg¬ 
lichen  Photographien)  interessiert  nur  diejenigen,  welche  die 
japanische  Art  des  Ringens  kennen  lernen  wollen.  Bei  u  n  - 
se^n  Ringkämpfen  wird  in  der  Hauptsache  Kraft  gegen 
Kraft  gesetzt.  Bei  den  Japanern  wird  der  Sieg  durch  alle 
möglichen  Kniffe  und  Schliche  errungen.  Dem  andrängenden 
Gegner  gibt  man  plötzlich  nach,  dass  er  zu  Fall  kommt  oder 
man  stösst  den  Fuss  des  Gegners  zur  Seite,  dass  er  das  Gleich¬ 
gewicht  verliert  und  dergleichen  mehr.  Daneben  werden  aber 
auch  Griffe  angewandt,  die  für  ein  Kampfspiel,  das  in  erster 
Linie  der  körperlichen  Ausbildung  der  Jugend  dienen  soll,  recht 
bedenklich  erscheinen.  So  spielen  z.  B.  das  Ueberstrecken 
des  Ellenbogens,  der  Hand  und  der  Fingergelenke,  um  starke 
Schmerzen  durch  Zerrung  der  Gelenkkapseln  auszulösen, 


Stösse  gegen  die  Magen-  und  Nierengegend,  Schläge  auf  den 
Nervus  ulnaris  am  Ellbogengelenk,  Würgen  des  Halses,  um  die 
Luftzufuhr  abzuschileiden,  u.  a.  eine  grosse  Rolle. 

Prof.  B  a  e  1  z  versichert  in  seinem  Vorwort,  dass  in  K  a  - 
n  o  s  Schule  die  gefährlichen  Griffe  mit  ausserordentlicher  Mäs- 
sigung,  Ruhe  und  Würde  angewandt  werden. 

Er  berichtet,  dass  der  Jiu-Jitsu  nicht  nur  in  der  höheren 
Töchterschule  Japans,  sondern  auch  in  englischen  und  japani¬ 
schen  Schulen  für  junge  Mädchen  eingeführt  ist  und  mit  grosser 
Begeisterung  geübt  wird.  Trotzdem  möchten  wir  das  Jiu-Jitsu, 
obwohl  es  zweifellos  eine  ausgezeichnete  Schule  bildet,  um 
körperliche  Gewandtheit  zu  erringen,  nicht  für  unsere  Jugend 
empfehlen,  denn  die  Gefahr,  dass  durch  rohe  Anwendung  der 
Griffe  schwere  Verletzungen  entstehen,  ist  sehr  gross. 

Für  den  Arzt  weit  interessanter  als  die  ersten  500  Seiten 
sind  die  letzten  26.  Es  werden  dort  Körperstellen  angegeben, 
an  denen  kraftvoll  und  rasch  geführte  Stösse  den  I  od  des 
Gegners,  sanft  ausgeübte  nur  Bewusstlosigkeit  herbeiführen. 
Solche  kritische  Stellen  am  Körper  sind  die  Nasenwurzel,  die 
Herz-  und  Magengegend,  die  Hoden,  der  erste  Halswirbel,  die 
Lumbalgegend.  Bei  der  gleichen  Art  von  Stössen  gegen  andere 
Körperstellen,  z.  B.  die  Kiefergelenksgegend,  den  Kehlkopf,  die 
Axillargegend,  die  unteren  Brustwirbel  u.  a.  tritt  nur  Bewusst¬ 
losigkeit  ein. 

Sodann  wird  das  sog.  Kuatsu,  die  Kunst  der  Wiederbele¬ 
bung  besprochen  und  es  werden  Methoden  angegeben,  wie 
je  nachdem  durch  Streichen,  Erschütterungsmassage,  leichtere 
oder  stärkere  Stösse  gegen  gewisse  Körperstellen  die  Wieder¬ 
belebungsversuche  angestellt  werden.  Solche  Körperstellen 
sind  die  Magengegend,  die  oberen  Brustwirbel  bis  zum  7.  Hals¬ 
wirbel,  der  obere  Teil  des  Kreuzbeins  mit  den  letzten  Lenden¬ 
wirbeln  usw.  Die  Zeichnungen  stimmen  nicht  überall  mit  dem 
Text  überein,  so  wird  z.  B.  auf  den  7.  Halswirbel  verwiesen, 
während  auf  der  Zeichnung  der  3.  Brustwirbel  angegeben  ist. 

Da  diese  Beobachtungen  zweifellos  auf  vieljähriger  Er¬ 
fahrung  beruhen,  sind  sie  gewiss  der  Nachprüfung  wert  und 
könnten  möglicherweise  auch  bei  uns  in  Fällen  von  Gehirn¬ 
oder  Rückenmarkserschütterung,  bei  Asphyxie  in  der  Narkose 
usw.  gute  Dienste  leisten. 

Es  wäre  dankenswert,  wenn  ein  japanischer  Kollege  durch 
das  Referat  veranlasst  würde,  uns  an  dieser  Stelle  noch  weitere 
Aufschlüsse  über  ein  so  interessantes  Kapitel  zu  geben. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  vorzüglich;  die  505  Photo¬ 
graphien  sind  ausgezeichnet  wiedergegeben. 

F.  Lange-  München. 

Goethe  als  Naturforscher  von  Rudolf  Magnus,  a.  o. 

Professor  für  Pharmakologie.  Mit  Abbildungen  im  Text  und 
auf  8  Tafeln.  Leipzig  1906.  Verlag  von  Johann  Ambrosius 
Barth.  336  Seiten.  Preis  7  Mk. 

Den  Inhalt  des  schönen  Buches  bilden  10  Vorlesungen,  die 
der  Verfasser  an  der  Heidelberger  Universität  hielt.  Magnus 
durfte  in  W  e  i  m  a  r  im  Goethehause  mit  des  Dichters  eigenen, 
noch  wohlerhaltenen,  Apparaten  dessen  naturwissenschaftliche 
Versuche  wiederholen.  Auf  Grund  derselben  werden  die  bo¬ 
tanischen  Arbeiten,  die  osteologischen  und  vergleichend  ana¬ 
tomischen  Werke  Goethes,  ferner  seine  Farbenlehre,  seine 
Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Mineralogie,  Geologie  und  Me¬ 
teorologie  ausführlich  behandelt. 

Es  ist  erstaunlich,  zu  erfahren,  in  welch  tiefgründiger  Weise 
Goethe  sich  in  diese  Zweige  der  Naturwissenschaft  zu  ver¬ 
tiefen  gewusst  hatte.  „Der  Dichter  hat  auf  fast  allen  Gebieten, 
die  er  bearbeitete,  zunächst  seine  Forschungen  selbständig  be¬ 
gonnen;  war  er  aber  zu  wichtigen  Ergebnissen  gelangt,  so 
suchte  er  den  Anschluss  an  die  gleichzeitigen  Fachgelehrten 
und  es  hat  ihn  nichts  so  gekränkt  und  erbittert,  als  dass  er  last 
jedesmal  von  diesen  nicht  anerkannt  und  zurückgewiesen 
wurde.  Später  drangen  dann  in  den  meisten  Fällen  die 
Goethe  sehen  Ideen  durch.  Es  kam  schliesslich  dazu,  dass 
die  Fäden  fast  der  ganzen  naturwissenschaftlichen  Welt  in 
Weimar  zusammenliefen“.  Mit  grosser  Liebe  und  Begeiste¬ 
rung  sucht  der  Verfasser  die  hervorragende  Bedeutung  der 
G  o  e  t  h  e  sehen  Forschungen  uns  näher  zu  bringen.  «_n  ei  ¬ 
fahren  auch,  dass  die  Zahl  der  naturwissenchaftlichen  Aufzcicli- 


1692 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


nungen  Goethes  als  2.  Abteilung  der  grossen  Weimarer 
Goetheausgabe  13  stattliche  Bände  füllt! 

Helmholtz  sagt,  dass  jeder  Naturforscher  etwas  von 
der  schöpferischen  Phantasie  des  Künstlers  haben  müsse.  Möge 
unsere  naturwissenschaftliche  Zeit  einen  Hauch  von  Goethe¬ 
scher  Phantasie  erhalten!  Möge  jeder  einzelne  naturwissen¬ 
schaftliche  Leser  des  verdienstvollen  Buches  von  Goethe- 
schem  Geiste  etwas  in  sich  aufnehmen:  das  Buch  ist  imstande, 
dem  Leser  diesen  Vorteil  zu  bringen. 

Max  Nassauer  -  München. 

A.  Rabe -Berlin:  Aerztliche  Wirtschaftskunde,  mit  be¬ 
sonderer  Rücksicht  auf  Buchführung,  Gebührenwesen  und 
soziale  Gesetzgebung.  Leipzig  1907.  Verlag  von  W.  Klink- 
h  a  r  d  L  356  Seiten.  Preis  6  M. 

Unter  den  in  den  letzten  Jahren  erschienenen  Büchern, 
die  sich  mit  der  Einführung  in  die  wirtschaftliche  und  sozial¬ 
ärztliche  Seite  der  Praxis  beschäftigen,  dürfte  das  vorliegende 
Werk  wohl  am  umfassendsten  alle  hier  zu  erörternden  Fragen 
behandeln. 

Schon  die  einleitenden  Ausführungen  über  die  ärztliche 
Wirtschaft,  über  die  seelischen  Grundlagen  des  ärztlichen  Be¬ 
rufes  und  der  sozialärztlichen  Wirtschaft,  über  die  Stellung 
des  Arztes  im  gesamten  Staats-  und  Wirtschaftsleben  verraten 
eine  für  einen  Arzt  ungewöhnliche  Vertrautheit  mit  der  Be¬ 
handlung  volkswirtschaftlicher  Probleme. 

Die  Rolle  des  Arztes  in  der  Versicherungsgesetzgebung 
wird  in  den  drei  Kapiteln,  die  den  Hauptteil  des  Buches  aus¬ 
machen:  ,, Kassenärztliche  Oekonomie,  die  ärztliche  Unfallfür¬ 
sorge,  die  Invalidenversicherung  und  die  ärztlichen  Wirt¬ 
schaften“  eingehend  und  kritisch  beleuchtet.  Daran  reihen  sich 
die  Abschnitte:  „Gebühr  und  Dienstvertrag  des  Arztes  (Ge- 
bührenpflichtigkeit  und  Gebührenverfolgung),  ärztliche  Buch¬ 
führung  und  Registratur  und  Unterstützungs-  und  Versiche¬ 
rungswesen  der  Aerzte“. 

Neben  den  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen  sind 
eine  Reihe  richterlicher  Entscheidungen  angeführt  und  hat  die 
Literatur  der  einzelnen  Gebiete  genaue  Berücksichtigung  ge¬ 
funden. 

Das  Buch  ist  sowohl  für  Studierende  und  Aerzte,  wie  auch 
für  Volkswirte  und  Verwaltungsbeamte  bestimmt.  Unter  den 
Aerzten  werden  es  vor  allem  diejenigen,  die  sich  mit  Standes- 
und  wirtschaftlichen  Fragen  intensiver  beschäftigen,  als  ein 
willkommenes  Hand-  und  Nachschlagebuch  schätzen. 

F.  P  e  r  u  t  z  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  86.  Band,  5. — 6.  Hetf 

Leipzig,  Vogel,  1907. 

21)  Sultan:  Erfahrungen  über  Rektoskopie.  (Krankenhaus 
Rixdorf-Berlin.) 

S.  betont  den  grossen  Wert  des  S  t  r  a  u  s  s  sehen  Sigmoskopes, 
das  sich  auch  mit  Vorteil  von  einem  Anus  praeternaturalis  aus  ver¬ 
wenden  lässt.  Das  Instrument  ist  aber  nicht  ungefährlich.  Bei  einer 
Kranken  war  der  Tubus  ohne  Anstand  20  cm  tief  eingeführt  worden. 
Als  nun  etwas  Luft  eingeblasen  wurde,  klagte  die  Patientin  plötzlich 
über  heftigen  Schmerz  und  im  selben  Augenblick  sah  man  im  Tubus 
mit  aller  Deutlichkeit  Darmserosa.  Sofortige  Laparotomie.  Ueber- 
nähung  der  Perforationsöffnung  mit  doppelter  Nahtreihe.  Trotzdem 
ungünstiger  Verlauf.  Peritonitis.  Pleuraempyem.  Exitus. 

Es  handelte  sich  bei  der  Kranken  um  einen  chronischen  Dick¬ 
darmkatarrh  mit  reichlicher  Schleimabsonderung.  Anämische  und 
elende  Kranke,  bei  denen  ausgedehnte  entzündliche  Veränderungen 
der  Darmwand  vermutet  werden,  müssen  von  der  Rektoskopie  aus¬ 
geschlossen  werden. 

22)  P  r  u  t  z- Königsberg:  Die  angeborenen  und  (nicht  operativ) 
erworbenen  Lücken  und  Spalten  des  Mesenterium  und  ihre  Bedeu¬ 
tung  als  Ursachen  des  Dannverschlusses. 

Zusammenstellung  der  sämtlichen  in  der  Literatur  auffindbaren 
Fälle.  Auffallend  bevorzugt  ist  das  untere  Ende  des  Diinndarmmesen- 
teriums.  In  der  grossen  Mehrzahl  handelte  es  sich  um  angeborene 
Anomalien.  Für  den  kongenitalen  Ursprung  spricht  das  gleichzeitige 
Vorhandensein  von  anderen  als  kongenital  anerkannten  Störungen: 
Meckelsches  Divertikel,  Volvulus  duodeni.  Mesenterium  ileocoeci 
commune,  2  Löcher,  angeborene  Hernien,  Hernia  foraminis  Wins- 
lowii. 

23)  Pels-Leusden:  Klinische,  pathologisch-anatomische  und 
radiologische  Studien  über  Exostosis  cartilaginea  multiplex.  (Chirurg. 

Kliniken  zu  Qöttingen  und  Berlin.) 


Ein  ausserordentlich  reichhaltiges  Material  von  10  sehr  sorgfältig 
beobachteten  Fällen.  Von  den  mannigfachen  beschriebenen  Wachs¬ 
tumsstörungen  sei  hier  nur  auf  die  abnormen  Handstellungen,  die 
partiellen  und  vollständigen  Luxationen  des  Capitulum  radii  hin¬ 
gewiesen,  die  aus  der  Wachstumsverkürzung  der  Ulna  sich  ergeben. 

24)  Jacobsthal:  Ueber  die  in  der  Adoleszenz  auftretende 
Verdickung  der  Tuberositas  tibiae.  (Chirurg.  Poliklinik  Jena.) 

Die  Verdickungen  der  Tuberositas  tibiae  sind  häufig  bedingt 
durch  eine  Rissfraktur  des  schnabelförmigen  Fortsatzes  der  oberen 
Tibiaepiphyse.  Ausserdem  gibt  es  aber  schmerzhafte  Schwellungen 
der  Tuberositas  tibiae,  die  als  Störungen  in  der  normalen  Knochen¬ 
entwicklung  aufgefasst  werden  können.  Weder  die  Anamnese,  noch 
der  Verlauf,  noch  das  Röntgenbild  rechtfertigen  die  Annahme  einer  . 
Fraktur.  Verf.  berichtet  über  3  derartige  Beobachtungen. 

Ausserdem  beschreibt  er  3  Fälle  von  Knochenverdickung,  welche 
oberhalb  der  Ansatzstelle  des  Ligamentum  patellae  ihren  Sitz  hatte. 

Es  handelte  sich  um  exostosenartige  Bildungen,  welche  den  epiphy-  - 
sären  Exostosen  analog  sind. 

25)  Martens:  Ueber  mechanischen  Ileus  bei  akut-entzündlichen 
Abdominalerkrankungen.  (Bethanien,  Berlin.) 

4  Fälle  von  Ileus  nach  der  Operation  einer  akuten  Perityphlitis, 

2  mal  Drehung  einer  Darmschlinge.  Im  Fall  3  Ursache  nicht  klar¬ 
gestellt  (Darmfistel),  Fall  4  unoperiert  geheilt  . 

3  Fälle  von  Ileus  im  Verlaufe  nicht  operierter  Appendizitis,  1  mal 
Einklemmung  einer  Dannschlinge,  1  mal  Volvulus,  1  mal  doppelter 
Volvulus. 

In  einem  8.  Falle  war  der  Ileus  durch  perimetritische  Verkle¬ 
bungen  verursacht. 

Alle  Fälle  bis  auf  den  vorletzten,  sehr  komplizierten,  wurden 
geheilt. 

26)  O.  Hildebrand:  Tendovaginitis  chronica  deformans  und 
Luxation  der  Peronealsehnen.  (Charite  Berlin.) 

Bei  einem  Offizier  ergab  die  Operation  der  luxierten  Peroneus- 
sehnen  folgenden  Befund:  Die  Innenfläche  der  Sehnenscheide  zeigt  un¬ 
regelmässige  Verdickungen,  Verdünnungen,  Auffaserungen:  mikro¬ 
skopisch  Auffaserung  des  Sehnenscheidengewebes,  Quellung  der 
Fasern.  Die  Sehne  selbst  unverändert.  Wegen  der  Aehnlichkeit  mit 
dem  Befund  bei  Arthritis  deformans  möchte  H.  den  Prozess  als  Tendo¬ 
vaginitis  chronica  deformans  bezeichnen,  hervorgerufen  durch  die 
starke  Inanspruchnahme  der  Peronealsehnen  (der  Patient  war  KaVal- 

leriSt).  r-  .  ,  „  , 

Die  Exstirpation  der  kranken  Teile  und  die  Fixierung  der  Sehne 
durch  einen  König  sehen  Knochenlappen  hatte  einen  vorzüglichen 

Erfolg.  . 

27)  Ritter:  Die  Neubildung  von  Lymphdrüsen  beim  Karzinom 

und  Sarkom.  (Chirurg.  Klinik  Greifswald.)  ^ 

R.  hat  bekanntlich  beim  Mammakarzinom  in  der  Achselhöhle  Ge¬ 
bilde  nachgewiesen,  die  den  Eindruck  von  entzündlich  geschwollenen 
Lymphdrüsen  machen  und  die  nur  zum  Teil  Lymphdriisengewebe 
enthalten,  sonst  aus  Fettgewebe  bestehen.  R.  hält  diese  Gebilde  für 
in  Bildung  begriffene  Lymphdrüsen,  für  eine  Neubildung  von  Lymph¬ 
drüsen  im  Fettgewebe. 

Verf.  stützt  seine  früheren  Ausführungen  durch  neue,  sehr  über¬ 
zeugende  Präparate.  Er  beobachtete  diese  Lymphdrüsen  nicht  nur 
beim  Mammakarzinom,  sondern  auch  beim  Plattenepithel-  und 
Schleimhautkarzinom  und  beim  Sarkom. 

R.  widerlegt  die  von  Schiefferdecker  gegen  'seine  Auf¬ 
fassung  geltend  gemachten  Einwände  und  bleibt  dabei,  dass  die  neu¬ 
gebildeten  Lvmphdrüsen  die  erste  Reaktion  des  Körpers  auf  das  Kar¬ 
zinom  und  Sarkom  darstellen.  Wenn  sich  beim  Karzinom  im  Fett¬ 
gewebe  Lymphdrüsen  neu  bilden,  so  braucht  sich  das  Karzinom  nicht 
auf  vorgezeichneten  Bahnen  auszubreiten.  Daraus  ergibt  sich  'die 
Ueberschätzung  des  Wertes  der  Injektionsoräparate.  Mit  Noetzel 
spricht  sich  R.  gegen  die  Annahme  einer  Schutzwirkung  der  Lymph¬ 
drüsen  gegen  die  Allgemeininfektion  des  Körpers  aus. 

28)  Sehr  eck  er:  Die  Heilungsresultate  der  Unterschenkel¬ 
brüche  bei  Anwendung  der  Bardenheuer  sehen  Extensions¬ 
methode.  (Akademie  zu  Köln.) 

Von  im  ganzen  229  Unterschenkelbrüchen  (einschliesslich  Mal- 
leolenbrüche)  wurden,  wie  sich  aus  den  Nachforschungen  bei  den 
Berufsgenossenschaften  ergab,  220  —  96.1  Proz.  wieder  völlig  er¬ 
werbsfähig.  und  nur  9  blieben  Dauerrentner.  Aehnliche  Statistiken 
von  Zottkowitz  und  Sauer  ergaben  eine  völlige  Wiederher¬ 
stellung  der  Erwerbsfähigkeit  nur  in  84,5  und  76.6  Proz.  der  Fälle. 
Auch  die  Dauer  der  Erwerbsunfähigkeit  war  in  Köln  eine  wesentlich 


kürzere. 

Ursache: 


die  in  Köln  geübte  Extensionsbehandlung,  deren  Tech¬ 


nik  geschildert  wird. 

29)  A.  Hildebrandt:  Nierenbecken-  und  Ureterzerreissung 
mit  nachfolgender  paranephritischer  Zyste.  Operation,  Heilung. 

(Charite,  Berlin.)  Krecke. 


Archiv  für  Hygiene.  62.  Bd.  1.  Heft.  1907. 

1)  Jaromir  Bulir-Prag:  Bedeutung  und  Nachweis  des  Bac- 
terium  coli  im  Wasser  und  eine  neue  Modifikation  der  E  i  i  k  m  a  n  ri¬ 
schen  Methode. 

Um  „echtes“  Bacterium  coli  commune  aus  dem  W asser 
sicher  zu  isolieren,  empfiehlt  Verf.  eine  von  ihm  verbesserte  Eijk- 
m  a  n  n  sehe  Methode.  Zu  1  Liter  Nährbouillon  werden  30  g  Mannit 


20.  August  191)7. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1693 


hinzugefügt,  alsdann  zu  2  Teilen  des  zu  untersuchenden  Wassers 
1  Teil  der  Mannitbouillon  gegeben,  die  Mischung  in  Gährröhrchen,  in 
die  ausserdem  noch  wässerige  Neutralrotlösung  kam,  gefüllt  und  bei 
einer  Temperatur  von  45 — 46  Proz.  12—24  Stunden  aufbewahrt.  Dar¬ 
auf  versetzt  man  10  ccm  dieser  Mischung  mit  1  ccm  Lakmustinktur. 
Bei  Anwesenheit  von  Koli  wird  Gas  gebildet,  die  Lakmustinktur  rot 
gefärbt,  das  Neutralrot  reduziert  und  Säure  gebildet. 

2)  Oskar  Axamit-Prag:  Ueberempfindlichkeitserscheinun^en 
nach  Hefeiniektion. 

3)  Max  Rubner -Berlin:  Zur  Kenntnis  des  Sielwassers. 

Durch  registrierende  Thermometer  und  Hygrometer  wurde  die 

Temperatur  in  2  Berliner  grossen  Kanälen  gemessen,  ln  einem  fanden 
sich  —  während  die  Aussentemperatur  —  8 — 10°  betrug,  +  12  bis 
15  0  C.,  in  dem  anderen  bis  zu  25  0  C.  Es  ist  daraus  ersichtlich,  dass 
ausserordentlich  grosse  Mengen  von  Wärme  unbenutzt  veiloren 
gehen.  Eine  Untersuchung  der  „Sielhäute“  ergab  eine  gallertige 
Masse  aus  Schimmelpilzen  und  Bakterien,  mit  10,84  proz.  Asche  und 


Chemische  und  biologische  Klärung  der 


8,5  proz.  Stickstoff. 

4)  Max  Rubner 

Abwässer. 

Rubner  bespricht  eine  Reihe  wichtiger  Fragen  für  die  Beurteilung 
der  Abwässer,  die  zum  Teil  noch  nicht  in  den  Kreis  der  Unter¬ 
suchungen  gezogen  sind.  Mit  den  chemischen  Kläranlagen  ist  man 
noch  nicht  zu  befriedigenden  Resultaten  gelangt.  Geeigneter  er¬ 
wiesen  sich  die  biologischen  Kläranlagen;  doch  ist  die  Ueberwachung 
deren  Betriebsergebnisse  dringend  nötig.  Die  Beurteilung  wird  am 
besten  gefördert  durch  Ermittelung  des  S  1 1  c  k  s  t  o  f  f  s  und 
der  Verbrennungswärme  der  organischen  Substanz,  wahrend 
die  „Faulfähigkeit“  keine  ganz  sicheren  Anhaltspunkte  gibt.  Durch 
beigebrachtes  Zahlenmaterial  wird  das  Gesagte  bestätigt. 

5)  Max  Rubner:  Elementaranalytische  Bestimmung  des  Stick¬ 
stoffs  im  Wasser. 

Unter  dem  Hinweis  auf  die  grosse  Bedeutung 
der  Beurteilung  der  Abwässer  hat  Verf.  unter 
K  j  e  ld  a  h  1  sehen  Methode  eine  kolorimetrische 
Stimmung  des  Stickstoffs  angegeben,  die  von 
gehend  auf  ihre  praktische  Durchführung  geprüft 

6)  S  Ko  rschun -Berlin:  Ueber  eine  Methode  zur  Bestim¬ 
mung  geringer  Stickstoffmengen  und  die  Verwendung  dieser  Methode 
für  die  Untersuchung  der  Verunreinigung  des  Wassers  durch  orga- 

nische iSubstanz^en.r  §  c  h  u  n  ausge, arbeitete  Rubner  sehe  Methode 

wurde  auf  Berliner  Leitungs-  und  Flusswasser  angewendet,  wobei 
sich  ergab,  dass  die  Flüsse  Spree  und  Pauke  einen  vier-  bis  fünfmal 
grösseren  Stickstoffgehalt  in  Form  von  Ammoniak  aufweisen,  als  das 
Leitungswasser.  Im  Brunnenwasser  ist  der  Stickstoff  fast  aus¬ 
schliesslich  als  Ammoniak  vorhanden.  Die  Fehlergrenzen  der  Me¬ 
thode,  die  darin  besteht,  den  Stickstoff  in  Ammoniak  uberzufuhren  und 
kolorimetrisch  zu  bestimmen,  sind  nur  sehr  gering.  Die  Ausfuhrungen 
der  Methode  sind  im  Original  genauer  beschrieben. 

R.  0.  Neumannn  - Heidelberg. 


des  Stickstoffs  bei 
Umgestaltung  der 
Methode  zur  Be- 
Korschun  ein¬ 
worden  ist. 


Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  57.  Bd. 

1.  Heft.  1907. 

1)  Hans  Reichenbach  und  Bruno  H  e  y  m  a  n  n  -  Breslau: 

Untersuchungen  über  die  Wirkungen  klimatischer  Faktoren  auf  den 

Menschen.  .  ,  .  ,  „  ,  ,  T 

In  2  Abhandlungen  a)  Beziehungen  zwischen  Haut-  und  Luft¬ 
temperatur  und  b)  Beeinflussung  der  Körperwärme  duich  Arbeit  und 
Beschränkung  der  Wärmeabgabe  werden  durch  Experimentaluntei- 
suchungen  und  Beobachtungen  an  Arbeitern  verschiedener  Klassen 
eine  Reihe  wichtiger  Gesichtspunkte  zur  Beurteilung  dieser  zum  I  eil 
der  Aufklärung  harrenden  Fragen  beigebracht.  Die  vielen  interes¬ 
santen  Einzelbeobachtungen  lassen  sich  kurz  nicht  wiedergeben. 

2)  H.  Z  i  e  s  c  h  e  -  Breslau:  Ueber  die  quantitativen  Verhältnisse 
der  Tröpfchenausstreuung  durch  hustende  Phthisiker. 

Quantitative  Untersuchungen  ergaben,  dass  sich  bei  Sputum 
aushustenden  Phthisikern  nur  30—40  Proz.  befinden,  welche  Tröpfchen 
verstreuen.  Binnen  %  Stunde  auf  einer  Glasplatte  in  40—80  cm 
Entfernung  von  dem  Hustenden  aufgefangene  Tröpfchen  enthalten 
in  etwa  20  Proz.  der  Untersuchungen  über  400 — 20  000  1  uberkel- 
bazillen,  in  80  Proz.  der  Fälle  keine  oder  weniger  als  400  Bazillen. 
Wenn  man  mit  Gebhard,  Preyss,  Findel  annimmt,  dass  min¬ 
destens  200 — 400  Tuberkelbazillen  erforderlich  sind,  um  beim  Men¬ 
schen  eine  Infektion  hervorzurufen,  würde  eine  Infektion  durch 
Tröpfchenzerstreuung  bei  kurz  dauerndem  Zusammensein  mit  eurem 
Phthisiker  nicht  erfolgen.  Auch  nicht,  wenn  der  Gesunde  den  Be¬ 
reich  der  Hustenstösse  auf  einen  Meter  hin  vermeidet.  Dagegen 
führt  dauerndes  Zusammensein  häufig  zur  Infektion. 

3)  F  i  nd  e  1  -  Breslau:  Desinfektion  von  Büchern,  militärischen 
Ausrüstungsgegenständen,  Pelzen  usw.  mit  heisser  Luft. 

Tuberkelbazillen  im  Sputum  in  nicht  zu  dicker  Schicht  auf 
Buchblättern  eingetrocknet  konnten  bei  einer  Einwirkungsdauer  von 
24  Stunden  durch  heisse  Luft  von  78—80 0  abgetötet  werdem  In 
dicken  aufeinandergelagerten  Büchern  drang  die  Hitze  von  70  bei 
25—30  Proz.  relativer  Feuchtigkeit  erst  nach  11  Stunden  ein.  Fine 
Schädigung  der  Bücher,  mit  Ausnahme  einer  leichten  Bräunung  konnte 
Dicht  konstatiert  werden.  Ledersachen  und  allerlei  Militäreffekten, 


die  absichtlich  mit  Staphylokokken  und  Sputum  verunreinigt  waren, 
konnten  nach  48  Stunden  als  steril  angesehen  werden.  Auch  eine 
8  tägige  Einwirkung  auf  neue  Sachen  z  B.  neuen  Helm,  schädigte  die 
Gegenstände  nicht.  Ganz  dasselbe  gilt  auch  für  Pelze.  Wahrschein¬ 
lich  würde  durch  Erhöhung  der  relativen  Feuchtigkeit  die  Dauer  der 
Desinfektion  eine  Abkürzung  erfahren  können,  doch  soll  die  Feuchtig¬ 
keit  absichtlich  so  niedrig  bemessen  bleiben. 

4)  H.  F  i  n  d  e  1  -  Breslau:  Vergleichende  Untersuchungen  über 
Inhalalations-  und  Fütterungstuberkulose. 

Die  Versuche  wurden  an  83  erwachsenen  Meerschweinchen  an¬ 
gestellt,  welche  Dosen  von  20—290  000  Bazillen  eingeatmet  hatten 
Die  tödliche  Inhalationsdosis  betrug  für  das  erwachsene  Meer¬ 
schweinchen  62  Bazillen,  kleinere  Dosen  gaben  keine  völlig  sicheren 
Resultate.  Alle  infizierten  Tiere  zeigten  makroskopisch  sichtbare 
Tuberkulose  nach  50  Tagen  in  allen  Organen.  Bei  den  Verfiitterungs- 
versuchen  kamen  19  100  bis  382  000  Bazillen  zur  Verwendung,  aber 
bei  keinem  Tier  (14  Stück)  konnte  Tuberkulose  selbst  nach  174 
Tagen  konstatiert  werden.  Demnach  würde  zur  Erzielung  einer 
Fütterungstuberkulose  eine  6  Millionen  mal  so  grosse  Menge  Tuberkel¬ 
bazillen  notwendig  sein  als  zur  Erzielung  der  Inhalationsdosis.  Da¬ 
mit  soll  gezeigt  werden,  dass  die  Inhalationsgefährlichkeit  zweifellos, 
trotz  vieler  Gegenmeinungen  unzweifelhaft  festgestellt  ist. 

5)  E.  Zettnow  - Berlin :  Ueber  Froschlaichbildungen  in  Saccha¬ 
rose  enthaltenden  Flüssigkeiten. 

Die  Untersuchung  eines  seit  langer  Zeit  aufbewahrten  Materials 
ergab,  dass  andere  Stämme  von  Froschlaichstreptokokken  Vorlagen, 
wie  sie  Liesenberg  und  Zopf  beschrieben  haben.  Die  Kulturen 
sind  in  2  photographischen  Tafeln  reproduziert. 

R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg. 


Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  26.  Band, 
2.  Heft.  1907. 


1)  Theodor  Paul  und  Friedrich  Prall:  Die  Wertbestimmung 
von  Desinfektionsmitteln  mit  Staphylokokken,  die  bei  der  Temperatur 
der  flüssigen  Luft  aufbewahrt  wurden. 

Die  ausführlichen  Versuche  zeigen,  dass  es  möglich  ist,  auch 
nicht  sporentragende  Organismen  als  Testobjekte  —  an  Granaten  an¬ 
getrocknet  —  zu  verwenden,  wenn  sie  in  geeigneter  Weise  bei  der 
Temperatur  der  flüssigen  Luft  aufbewahrt  werden.  Sie  halten  sich 
monatelang  gleichmässig  keimfähig  und  zeigen  keine  merkliche  Ver¬ 
änderung  in  Bezug  auf  ihre  Widerstandsfähigkeit  gegen  Desinfektions¬ 
mittel.  Die  Brauchbarkeit  dieser  Methode  erwies  sich  bei  Versuchen 
mit  Sublimat,  Karbolsäure,  Kalkwasser,  Kalkmilch,  Kresolen,  Formal¬ 
dehyd  und  Rohkresol. 

2)  A.  Kraus:  Untersuchungen  über  Desinfektionsmittel.  I.  Mit¬ 


teilung. 

Die  Untersuchungen  beziehen  sich  auf  hydrindensulfosaures 
Natrium,  welches  zwar  an  sich  eine  sehr  geringe  Desinfektions¬ 
wirkung  besitzt,  jedoch  aber  durch  Zusatz  zu  Kresollösungen  letztere 
bedeutend  löslicher  zu  machen  imstande  ist.  Diese  Lösungen  be¬ 
sitzen  alsdann  infolge  ihres  hohen  Kresolgehaltes  erhebliche  Des¬ 
infektionskraft,  die  bedeutender  ist,  als  die  Verdünnungen  der  Kresol- 
seifenlösungen  mit  gleichem  Kresolgehalt  aufweisen.  Kresolschwefel- 
säurelösungen  sind  aber  noch  wirksamer,  doch  verlieren  sie  allmählich 
an  Desinfektionskraft.  Die  Giftwirkung  des  hydrindensulfosauren 
Natrium  ist  gering. 


3)  A.  Kraus:  Ueber  die  Wirkung  einiger  Desinfektionsmittel  bei 
niederer  Temperatur  (Frostwetter.) 

Setzt  man  der  Kresolschwefelsäure  Glyzerin,  Kochsalz  oder 
Magnesiumchlorid  zu,  so  lässt  sich  der  Gefrierpunkt  wesentlich  herab¬ 
setzen  und  auch  gleichzeitig  die  Desinfektionskraft  der  Kresol- 
schwefelsäurelösung  erhöhen.  Es  empfiehlt  sich  der  Billigkeit  wegen, 
5 — 10  Proz.  Kochsalz  zu  verwenden.  Die  Wirkung  ist  besser  als  mit 
10  Proz.  Kresolseifenlösung,  5  Proz.  Rohkresol  und  7,5  Proz.  hyd- 
rindensulfosaurem  Natrium. 


4)  Bickel  und  A.  Kraus:  Versuche  über  die  desinfizierende 
Wirkung  von  Saprol-,  Leinöl-,  Kresol-  und  Petroleumkresol-Prä- 
paraten  auf  flüssiges,  infektiöses  Material. 

Die  Desinfektionswirkung  des  Saprols,  Leinölkresols  und  1  etro- 
leumkresols  war  bei  allen  drei  Mitteln  fast  die  gleiche,  de  höher  der 
Kresolgehalt  der  Präparate,  desto  grösser  die  Desinfektionskraft. 
Die  Diffusionsgeschwindigkeit  erhöht  sich  mit  'dem  steigenden  Pro¬ 
zentgehalt  des  überschichteten  Desinfektionsmittels,  wenn  auch  nicht 
in  demselben  Verhältnis. 


5)  Xyl  ander:  Desinfektionsversuche  mit  zwei  neueren  For¬ 
maldehydpräparaten:  Festoform  und  Formobor. 

Die  Desinfektionsversuche  mit  Festoform  stehen  an  Wirkung 
denen  mit  Formaldehyd  nicht  nach.  Die  Haltbarkeit  des  Festoforms 
ist  eine  unbegrenzte.  Die  Auslagen  für  die  Desinfektion  sind  aller¬ 
dings  höher  wie  beim  Formaldehyd,  doch  braucht  man  keine  Apparate. 

Das  Formobor  eignet  sich  wegen  seiner  nicht  unerheblichen 
Tiefenwirkung  und  relativen  Ungiftigkeit  zur  Desinfektion  dei  im 
Friseurgewerbe  gebräuchlichen  Gegenstände;  dagegen  rst  es  als 
Händedesinfiziens  ungeeignet,  trotzdem  der  Zusatz  von  Borax  die 
gerbende  Wirkung  des  Formalins  etwas  aufhebt. 

6)  Hüne:  Untersuchungen  über  Bakterizidie  im  Reagen 

glase. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


169  4 


7)  Walter  Qaehtgens:  Erfahrungen  über  den  Wert  der 
G  r  u  b  e  r  -  VV  i  d  a  I  sehen  Reaktion  für  die  Typhusdiagnose. 

Aus  den  in  der  Strassburger  Typhusstation  gemachten  Beob¬ 
achtungen  wird  die  auch  anderwärts  gemachte  Erfahrung  mit¬ 
geteilt.  dass  die  Reaktion  in  der  3.  Woche  ihren  Höhepunkt  erreicht, 
etw  a  95  Rroz.  In  der  2.  Woche  ist  sic  bei  90  Proz.,  in  der  1.  Woche 
bei  75  Proz.  vorhanden.  Nach  der  3.  Woche  nimmt  sie  wieder  ab, 
so  dass  in  der  9.  bis  10.  Woche  nur  noch  in  60  Proz.  der  Fälle  die 
Reaktion  auftritt. 

8)  W.  Kerp  und  E.  Bauer:  Zur  Kenntnis  der  gebundenen 
schwefligen  Säuren. 

9)  W.  K  e  r  p  und  E.  Bauer:  lieber  die  elektrolytische  Dissozia¬ 
tionskonstante  der  schwefligen  Säure. 

R.  O.  Neumann  -  Heidelberg. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  32. 

1)  B.  H  e  i  n  e  -  Königsberg:  Ueber  Labyrintheiterungen. 

Belehrender  Vortrag  über  die  sekundären,  vom  Mittelohr  fort¬ 
geleiteten  Eiterungen  im  Labyrinth,  ihre  Erkennung  und  Behandlung. 
Auf  die  Streitfragen,  betreffend  die  Bedeutung  der  Bogengangsdefekte 
als  Einbruchsstellen  der  Eiterung,  ferner  den  Nystagmus,  geht  Verf. 
etwas  näher  ein. 

2)  H  a  1  b  e  rs  t  ä  d  t  e  r  -  Berlin  und  Prowazek-Hamburg: 

Zur  Aetiologie  des  Trachoms. 

Verf.  beschreiben  die  von  ihnen  in  den  Epithelzellen  der  Kon- 
junktiva  bei  Trachom  beobachteten  Zelleinschlüsse  (abgebildet).  Die 
parasitäre  Natur  dieser  nach  Giemsa  distinkt  rot  färbbaren  Körper¬ 
chen  ergab  sich  aus  ihrer  Vermehrungsfähigkeit  und  ihrer  Uebertrag- 
barkeit  auf  Orang-Utans.  Kontrolluntersuchungen  an  normalen  und 
andersartig  erkrankten  menschlichen  und  tierischen  Konjunktiven 
waren  negativ.  Verf.  zählen  das  beschriebene  korpuskuläre  Virus 
zusammen  mit  den  Erregern  der  Variola,  Vakzine,  des  Scharlachs, 
Epithelioms  der  Hühner,  Molluscum  contagiosum,  der  Lyssa  u.  a.  zu 
einer  besonderen  Gruppe  von  Mikroorganismen,  die  sie  „Chlamydo- 
zoen“  nennen.  Sie  leben  intrazellulär  und  veranlassen  die  Zellen  zur 
Bildung  jeweils  spezifischer,  teils  chromatischer,  teils  nukleolarer 
Einschlussgebilde  (G  u  a  r  n  i  e  r  i  sehe  Körper,  N  e  g  r  i  sehe  Ein¬ 
schlüsse,  Molluskumkörperchen).  Auch  die  Trachomparasiten  sind 
von  derartigen  Reaktionsprodukten  der  Zellen  umgeben;  diese  un¬ 
regelmässigen  Produkte  sind  ohne  typische  Gestalt  und  färbten  sich 
blau  im  Giemsapräparat. 

.  3)  Michael  Wassermann  und  Georg  Meier-  Berlin :  Zur 
klinischen  Verwertung  der  Serumdiagnostik  bei  Lues. 

Verf.  prüften  die  Komplementbindungsmethode  an  klinischen 
Fällen  und  erhielten  häufig  ein  positives  Resultat;  es  gelang  der  Nach¬ 
weis  luetischer  Antikörper  u.  a.  in  der  Milch  von  Wöchnerinnen,  im 
Serum  eines  hereditär  luetischen  Säuglings,  im  Serum  von  Aneu- 
rysmakranken. 

4)  Fr.  Nagelschmidt  -  Berlin :  Zur  Indikation  der  Behand¬ 
lung  mit  Hochfrequenzströmen.  Vortr.  im  Verein  f.  innere  Med.  am 
3.  VI.  07,  ref.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  24,  S.  1203. 

5)  F.  F  r  a  n  k  e -Braunschweig:  Diagnose  und  Behandlung  der 
chronischen  Gelenkerkrankungen  (Schluss).  Klinischer  Vortrag. 

.6)  P.  K  r  o  e  m  e  r  -  Giessen :  Klinische  Beobachtungen  über  die 
Aetiologie  und  Therapie  des  Chorionepithelioms,  insbesondere  über 
die  Behandlung  der  Blasenmole  (Schluss  folgt). 

7)  Karl  S  c  h  i  n  d  1  e  r  -  Berlin :  Eine  kleine  praktische  Ver¬ 
besserung  des  N  e  i  s  s  e  r  sehen  Suspensoriums. 

Anbringung  der  beim  Teufel  sehen  Suspensorium  vorhandenen 
Klappe  zur  Aufnahme  des  Penis. 

8)  De  mos  then  -Bukarest:  Das  Militärsanitätswesen  in  Ru¬ 
mänien.  R.  Grashey  -  München. 

Englische  Literatur. 

(Schluss.) 

Henri  Hart  mann:  Die  chirurgischen  Formen  der  Ileozoekal- 
tuberkulose.  (Brit.  Med.  Journ.,  13.  April  1907.) 

Die  entero-peritoneale  Form  ergreift  ausser ‘dem  Zoekum  oft  den 
unteren  1  eil  des  Ileums.  Es  kommt  zu  ausgedehnten  Verwachsungen 
zu  Abszessen  und  Fistelbildung.  Wichtiger  als  diese  seltenere  Form 
ist  die  viel  häufigere  hyperplastische  Form,  die  im  Zoekum  selbst 
nahe  der  Klappe  beginnt.  Meist  kommt  es  zu  Geschwürsbildungen 
ausgedehnter  Natur.  Meist  erkranken  Personen  zwischen  20  und  40 
Jahren,  die  Lungen  sind  gesund  oder  nur  wenig  erkrankt.  Am  häu¬ 
figsten  wird  die  Krankheit  mit  Appendizitis  oder  mit  einer  Neu¬ 
bildung  verwechselt.  Nach  einer  Zeit,  in  der  Verstopfung  mit  Durch¬ 
fallen  abwechselt,  kommt  es  zur  Ausbildung  einer  stärkeren  Stenose- 
die  Krankheit  verschlimmert  sich  stetig  und  führt  unbehandelt  in  2Vs 
bis  3  Jahren  zum  Tode.  Diagnostisch  ist  von  Wichtigkeit  das  lang¬ 
same  Entstehen  (ein  Tumor  führt  rascher  zur  Stenose)-  ein  Kar¬ 
zinom  ist  höckeriger  und  behält  nicht  so  sehr  die  Form  des  Zoekums 
bei  wie  die  hyperplastische  Tuberkulose.  Tuberkelbazillen  im  Stuhl 
sind  nur  selten  gefunden  worden.  Die  Behandlung  besteht  in  der 
möglichst  frühzeitigen  Operation.  Man  entfernt  das  Zoekum  mit  den 
ileozoekalen  Drüsen;  dann  verschliesst  man  die  beiden  Stümpfe  und 
legt  eine  seitliche  Anastomose  an.  Bei  der  entero-peritonealen  Form 
ist  eine  Resektion  meist  unmöglich  und  beschränke  man  sich  auf 
eine  Ausschaltung  der  erkrankten  Teile  durch  Einpflanzen  des  Ileums 


in  das  Kolon.  Von  7  resezierten  Fällen  des  Verfassers  genasen  6; 
der  erste  starb.  Die  Arbeit  ist  mit  zahlreichen,  sehr  guten  Ab¬ 
bildungen  illustriert. 

F.  J.  Steward:  Die  Behandlung  der  chirurgischen  Tuber¬ 
kulose.  (Ibidem.) 

Verf.  verwirft  die  Punktion  kalter  Abszesse.  Es  ist  viel  besser, 
sie  aseptisch  zu  inzidieren.  Man  mache  den  Einschnitt  niemals  an' 
der  Stelle  der  verdünnten  Haut,  sondern  stets  durch  dickes  Ge¬ 
webe  und  zwar  so,  dass  die  verschiedenen  Gewebsschichten  an  ver¬ 
schiedenen,  sich  nicht  deckenden  Stellen  getrennt  werden.  Niemals 
führe  man  den  Finger  in  die  Abszesshöhle  ein.  Nach  vorsichtiger 
Ausschabung  der  Abszessmembran  bringe  man  etwas  steriles  Jodo¬ 
formpulver  in  die  Höhle  und  nähe  dann  die  darüber  liegenden  Gewebe 
in  verschiedenen  Etagen  mit  Katgut  zu.  Niemals  darf  drainiert  wer¬ 
den.  Bei  der  Tuberkulose  des  Hüftgelenkes  verfährt  Verf.  so  kon¬ 
servativ  als  möglich.  Er  sucht  die  Resektion  wenn  irgend  möglich 
zu  vermeiden.  Beim  Kniegelenk  macht  er  dagegen  ziemlich  frühzeitig 
die  Arthrektomie.  Lange  Nachbehandlung  ist  stets  sehr  wichtig. 
Das  Knie  stellt  er  mindestens  18  Monate  ruhig.  Seit  längerer  Zeit 
behandelt  er  alle  Fälle  mit  Tuberkulin  und  glaubt  zuweilen  einen 
grossen  Nutzen  davon  gesehen  zu  haben;  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  hatte  er  den  Eindruck,  als  sei  die  Tuberkulinbehandlung  vor¬ 
teilhaft.  Bei  allen  Tuberkulosen  der  Harnorgane  hat  das  Tuberkulin 
sich  ausserordentlich  gut  bewährt. 

Clive  Ri  viere:  Die  Tuberkulinbehandlung  der  kindlichen 

Tuberkulose.  (Ibidem.) 

Der  Zweck  der  Tuberkulinbehandnlung  besteht  in  der  Erhöhung 
des  opsonischen  Index;  man  kann  also  nur  dann  gute  Erfolge  er¬ 
zielen,  wenn  man  den  opsonischen  Index  vor  der  Behandlung  be¬ 
stimmt  und  ihn  regelmässig  kontrolliert.  Verf.  betont  das  regel¬ 
mässige  Vorkommen  einer  negativen  Phase  nach  den  Tuberkulinein¬ 
spritzungen,  wie  sie  von  W  right  und  anderen  beschrieben  wurde. 
In  der  Mehrzahl  der  Fälle  fand  man  vor  der  Behandlung  einen  nie¬ 
drigen  Index  von  0,6  bis  0,7.  Zuweilen  aber  war  der  Index  erhöht. 
Dies  soll  dann  Vorkommen,  wenn  die  Infektion  nicht  mehr  streng  , lokal 
ist,  sondern  wenn  von  Zeit  zu  Zeit  Bazillen  in  den  Blutstrom  ge¬ 
langen,  so  dass  es  also  zu  einer  Autoinokulation  kommt.  Merk¬ 
würdigerweise  sollen  auch  diese  Fälle  durch  Tuberkulineinspritzungen 
günstig  beeinflusst  werden.  Verf.  betrachtet  Vsooo  mg  Tuberkulin  als 
Durchschnittsdose  für  den  Erwachsenen;  für  Kinder  müssen  ent¬ 
sprechend  kleinere  Mengen  verwendet  werden  (V12000  für  1jährige, 
’/imuo  für  5  jährige  etc.)  Im  allgemeinen  macht  er  alle  14  Tage  eine 
Einspritzung.  Verf.  hat  selbst  bei  sehr  schweren  Fällen  noch  gute 
Erfolge  gehabt.  Die  Besserung  ging  immer  Hand  in  Hand  mit  der 
Erhöhung  des  opsonischen  Index.  Die  Tuberkulinbehandlung  kann 
die  chirurgische  Behandlung  nicht  ersetzen,  sondern  muss  mit  ihr 
verbunden  werden.  Bei  Mischinfektionen  kommen  Impfungen  mit 
verschiedenen  Vakzinen  zur  Anwendung.  Es  folgen  Kranken¬ 
geschichten. 

W.  Cecil  Bosauquet  und  R.  E.  F  r  e  n  c  h:  Der  Einfluss  anti¬ 
tuberkulösen  Serums  auf  den  opsonischen  Index.  (Ibid.) 

Die  Verfasser  haben  eine  Anzahl  von  Kranken  mit  Marmo¬ 
re  k  schem  Tuberkuloseserum  behandelt  und  gefunden,  dass  rektale 
Einverleibung  desselben  regelmässig  den  opsonischen  Index  erhöht; 
die  Steigerung  beginnt  nach  3  bis  4  Einverleibungen  und  erreicht  bald 
ihren  Höhepunkt,  den  sie  dann  3—4  Wochen  beibehält;  erst  etwa 
eine  Woche  nach  der  letzten  Einspritzung  beginnt  der  Index  wieder 
zu  fallen.  Hand  in  Hand  mit  der  Steigerung  des  Index  verringerte 
sich  die  I  emperatur  und  das  Allgemeinbefinden  des  Kranken  besserte 
sich.  Subkutane  Einspritzung  hatte  nicht  so  guten  Einfluss.  Ein¬ 
spritzungen  von  antidiphtherischem  Serum  wirkten  ebenso  auf  den 
tuberkulosoopsonischen  Index  wie  Marmoreksches  Serum. 
Antistreptokokkenserum  hatte  dagegen  keinen  Einfluss.  Der  Einfluss 
des  Marmorek  sehen  Serums  auf  den  opsonischen  Index  beruht, 
wie  Versuche  zeigten,  nicht  etwa  darauf,  dass  das  Serum  selbst  reich 
an  Opsoninen  ist. 

Edward  I  urton  und  Roy  Appleton:  Die  opsonische  Kraft 
des  Blutes  und  der  Milch.  (Ibid.) 

Die  Verfasser  haben  durch  Versuche  festgestellt,  dass,  wenn  das 
Blut  einen  normalen  Index  gegen  Tuberkelbazillen  und  Staphylo¬ 
kokken  zeigt,  die  Milch  derselben  Frau  sehr  arm  an  Opsoninen  sein 
kann.  Ebenso  fanden  sie,  dass  das  Blut  saugender  Kinder  viel  ärmer 
an  Opsoninen  ist  als  das  der  Mutter. 

R.  D.  Campbell:  Zur  Bestimmung  des  opsonischen  Index  bei 
Tuberkulose.  (Ibid.) 

Verf.  empfiehlt,  die  zur  Bestimmung  des  Index  benutzten  Tuber¬ 
kelbazillen  schon  vorher  zu  färben  (24  Stunden  in  der  Kälte  mit  Kar- 
bolfuchsin  gefärbt).  Die  ausgewaschenen,  gefärbten  Bazillen  wer¬ 
den  wie  die  sonst  benutzten  in  Emulsion  gebracht.  Nachdem  der  Ver¬ 
such  bis  zur  Anfertigung  eines  Ausstrichpräparates  gediehen  ist.  wird 
dieses  nicht  wie  sonst  mit  Karbolfuchsin  und  einer  Gegenfärbung, 
sondern  einfach  mit  dem  J  e  n  n  e  r  sehen  Blutfärbemittel  behandelt. 
Die  gefärbten  Bazillen  werden  ebensogut  von  den  Phagozyten  auf¬ 
genommen  wie  die  ungefärbten. 

David  Orr  und  R.  G.  Rows:  Experimentell  erzeugte  Schädi¬ 
gungen  spinaler  und  Gehirnnerven  durch  Toxine.  (Brit.  med.  Journ., 
27.  April  1907.) 

Die  Verff.  haben  gefunden,  dass  Toxine  sehr  rasch  sich  entlang 
den  Rückenmarks-  und  Gehirnnerven  zum  zentralen  Nervensystem 


20.  August  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1695 


erstrecken.  Während  diese  Nerven  in  ihrem  extramedullären  Ab¬ 
schnitt  eine  Neurilemmascheide  besitzen  und  durch  ihre  Lebenstätig¬ 
keit  geschützt  sind,  verlieren  sie  das  Neurilemma  in  ihrem  intramedul¬ 
lären  Abschnitt  und  verfallen  dann  rasch  der  Degeneration  durch  die 
Wirkung  der  Toxine.  Die  erste  Veränderung  ist  eine  primäre  De¬ 
generation  des  Myelins;  Achsenzylinder  und  Nervenzellen  werden 
erst  später  ergriffen.  Die  Verfasser  stellen  die  Vermutung  auf,  dass 
bei  Tabes  und  ähnlichen  Erkrankungen  die  Toxine  durch  den  Lymph- 
strom  an  die  intramedullären  Nervenabschnitte  gelangen  und  hier 
ihre  Zerstörung  beginnen.  Sie  haben  auch  Fälle  von  chronischer 
Mittelohreiterung  untersucht,  bei  denen  der  8.  Hirnnerv  in  seinem 
intramedullären  Teile  stark  degeneriert  war;  ebenso  war  der  rechts¬ 
seitige  11.  Hirnnerv  in  seinem  intramedullären  Abschnitt  degeneriert 
bei  einem  Falle  von  multiplen  Abszessen  des  rechten  Trapezius. 

Basil  K  i  1  vington:  Ein  Beitrag  zur  Regeneration  der  Nerven. 
(Ibid.) 

Verf.  hat  gefunden,  dass  es  gelingt,  die  Beckenorgane  durch 
höher  oben  entspringende  Nerven  genügend  zu  innervieren.  Man 
kann  beim  Menschen  den  11.,  den  12.  und  wahrscheinlich  sogar  den 
10.  Dorsalnerv  direkt  mit  dem  2.,  3.  und  4.  Sakralnerven  vernähen. 
Bei  Benutzung  einer  Nerventransplantation  kann  man  sogar  noch 
höher  entspringende  Nerven  verwenden.  Man  könnte  dazu  den 
N.  popliteus  internus  verwenden,  da  er  Muskeln  versorgt,  die  in  den 
in  Frage  kommenden  Fällen  doch  schon  gelähmt  sind.  Die  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  haben  ihre  Rückenmarksdurchtrennung  etwas  unter¬ 
halb  der  Stelle,  wo  der  12.  Dorsalnerv  entspringt.  Verf.  beschreibt 
eine  von  ihm  vorgenommene  Operation  am  Menschen  und  eine  Reihe 
von  Tierversuchen.  Am  Menschen  sollte  der  12.  Dorsalnerv  links  mit 
dem  2.,  3.  und  4.  Sakralnerven  vernäht  werden;  die  Operation  wurde 
zweizeitig  gemacht  und  betrachtet  der  Verf.  dies  als  einen  Fehler, 
da  es  ihm  bei  der  zweiten  Operation  nicht  gelang,  sich  in  dem  Nar¬ 
bengewebe  zurecht  zu  finden  und  er  die  Operation  unvollendet  auf¬ 
geben  musste. 

Sir  James  Barr:  Der  Einfluss  der  Atmung  auf  den  Blutkreislauf. 
Pulsus  paradoxus  etc.  (Brit.  Med.  Journ.,  20.  April  1907.) 

Verf.  wendet  sich  gegen  die  zuerst  von  Ku^smaul  auf¬ 
gestellte  Behauptung,  dass  ein  Pulsus  paradoxus  pathognomonisch 
für  ausgedehnte  perikardiale  Verwachsungen  sei.  Ganz  besonders 
wendet  er  sich  gegen  die  von  Kussmaul  gegebene  Erklärung, 
dass  der  Pulsus  paradoxus  zustande  komme  durch  eine  Abknickung 
der  Aorta  resp.  der  anderen  grossen  Gefässe  durch  die  Einatmung. 
Ebenso  falsch  ist  seiner  Meinung  nach  die  Ansicht,  dass  das  Herz 
durch  die  Verwachsungen  beeinflusst  wird  und  dass  die  Adhäsionen 
die  Brustwand  nach  innen  ziehen.  Er  beschreibt  dann  eine  Anzahl 
von  Versuchen,  die  beweisen  sollen,  dass  das  Zustandekommen  des 
Pulsus  paradoxus  entweder  auf  mangelhafter  Füllung  oder  auf  zu 
rascher  Entleerung  der  Arterien  beruht.  Im  ersteren  Falle  ist  ein 
schwaches  rechtes  Herz  und  ein  grosses  Lungenreservoir  die  Ur¬ 
sache,  im  anderen  ist  die  Ursache  in  einem  kräftigen  Atmungsmecha- 
nismus  und  niedrigem  Blutdruck  zu  suchen.  Die  Arbeit  ist  durch 
Pulskurven  illustriert. 

Thomas  Lewis:  Ueber  den  Pulsus  bisferiens.  (Ibid.) 

Dieser  Puls  wurde  zuerst  von  Broadbent  beschrieben. 
Verf.  gibt  eine  genaue  Beschreibung  und  Pulskurven.  Er  findet  sich 
bei  stark  erweitertem  und  hypertrophischem  linken  Ventrikel  mit 
oder  ohne  Arteriosklerose. 

Fentön  B.  Tu  rck:  Zur  Aetiologie  und  Pathologie  des  runden 
Magengeschwürs.  (Ibid.) 

Verf.  berichtet  über  seine  Versuche,  bei  Hunden  durch  fort¬ 
gesetzte  Fütterung  mit  Kolibazillen  Magengeschwüre  zu  erzeugen. 
Er  gelang  dies  in  jedem  Falle.  Viele  Hunde  starben  an  den  Folgen 
der  Perforation  oder  der  Magenblutung,  bei  anderen,  bei  denen  so¬ 
fort  nach  Auftreten  der  Symptome  des  Geschwüres  die  Fütterung  mit 
Kolibazillen  ausgesetzt  wurde,  konnte  die  Heilung  des  Geschwürs 
genau  studiert  werden. 

T.  C.  Lucas:  Ueber  die  H  a  f  f  k  i  n  e  sehe  Pestvakzine.  (Ibid.) 

In  Kirkee  (Indien)  wurden  1300  Einwohner  mit  der  Vakzine  ge¬ 
impft,  es  erkrankten  5  (0,33  Proz.);  von  5595  Nichtgeimpften  er¬ 
krankten  383  (6,8  Proz.).  Von  den  5  Geimpften,  die  erkrankt  waren, 
starb  1  (20  Proz.);  von  12  Nichtgeimpften,  die  Hospital  behandelt 
wurden,  starben  5  (41  Proz.);  von  383  Ungeimpften,  die  nicht  ins 
Krankenhaus  kamen,  starben  260  (66  Proz.).  Die  Vakzine  besteht 
aus  einer  durch  Hitze  getöteten  Kultur  des  Bacillus  pestis,  der  etwas 
Karbol  zugesetzt  ist.  Man  spritzt  etwa  0,5  ccm  ein.  Nach  4  Stun¬ 
den  treten  meistens  Schmerzen,  geringes  Fieber  und  lokale  Schwel¬ 
lung  auf.  Nach  30  Stunden  sind  diese  Symptome  meist  verschwun¬ 
den.  Pestfälle  wurden  mi£  Nutzen  mit  Strychnin  behandelt. 

J.  Kay  J  a  m  ie  s  o  n  und  J.  F.  Dobson;  Das  Lymphsystem  des 
Zoekums  und  des  Wurmfortsatzes.  (Lancet,  27.  April  1907.) 

Sehr  schöne,  mit  guten  Abbildungen  illustrierte  Arbeit,  die  im 
Original  studiert  werden  muss.  Die  Verff.  geben  dann  eine  genaue 
Beschreibung  einer  Operationsmethode,  mit  der  es  gelingt,  Tumoren 
dieser  Gegend  im  Zusammenhang  mit  den  etwa  befallenen  Drüsen 
zu  entfernen. 

J.  Lynn  Thomas:  Die  Entfernung  des  Kropfes  unter  lokaler 
Anästhesie.  (Ibid.) 

Verf.  empfiehlt  im  allgemeinen  die  von  Kocher  ausgearbeite¬ 
ten  Methoden  zur  Entfernung  der  Kröpfe.  Er  gibt  ein  kleines  In¬ 
strument  an,  das  die  zahlreichen  Unterbindungen  rascher  ausführbar 


macht.  Es  handelt  sich  um  eine  drehbare  Spule,  die  das  Unter¬ 
bindungsmaterial  trägt  und  welche  mittelst  eines  Ringes  am  kleinen 
Finger  der  linken  Hand  befestigt  wird.  (Abbildung.) 

B.  Mayhew  Bo  ne:  Zur  Behandlung  der  allgemeinen  Peritonitis. 
(Ibid.) 

Die  Hauptpunkte  in  der  Behandlung  der  Peritonitis  suppurativa 
sind:  Entfernung  der  Ursache,  Entfernung  des  Eiters  durch  trockenes 
Tuofen,  ausgedehnte  Drainage  mit  Drainröhren  und  Gazestreifen. 
Rasches  und  schonendes  Operieren.  Vor  und  nach  der  Operation 
gibt  er  Strychnin  und  Kognak.  Bei  Erbrechen  wird  der  Magen  ge¬ 
spült.  Bald  nach  der  Operation  beginnt  er  per  rectum  grössere 
Mengen  Kochsalzlösung  (alle  4  Stunden),  zuweilen  mit  Kognak  ver¬ 
mischt,  einzugiessen.  Per  os  wird  für  24  Stunden  nichts  gegeben. 
Sehr  wichtig  ist  es,  durch  Terpentinklysmen  frühzeitig  für  Stuhl¬ 
entleerung  zu  sorgen  und  den  Kranken  halbaufgerichtet  im  Bett 
sitzen  zu  lassen.  Diese  Lagerung  befördert  ausserordentlich  die 
Drainage  und  die  Resorption  durch  das  Peritoneum. 

Charles  J.  Heath:  Die  Behandlung  der  chronischen  Mittel¬ 
ohreiterung  ohne  Entfernung  des  Trommelfells.  (Ibid.) 

Die  vom  Verf.  beschriebene  und  vielfach  ausgefiihrte  Radikal¬ 
operation  lässt  das  Trommelfell  und  die  Gehörknöchelchen  unberührt. 
Der  hintere  Teil  des  knöchernen  Gehörgangs  und  sein  Boden  werden 
entfernt,  das  Antrum  und  der  Aditus  werden  ganz  freigemeisselt. 
Mehr  als  100  Operationen  gaben  die  besten  Erfolge. 

G.  H.  Sa  vage:  Ueber  die  Zunahme  der  Geisteskrankheiten. 

(Lancet,  30.  März,  6.  und  13.  April  1907.) 

Die  interessante  Arbeit  des  bekannten  englischen  Psychiaters 
lässt  sich  nicht  gut  referieren,  sondern  muss  im  Original  studiert  wer¬ 
den.  Verf.  glaubt,  dass  es  nicht  berechtigt  ist,  wegen  der  bestehen¬ 
den  Zunahme  der  Geisteskrankheiten  die  Alarmglocke  zu  rühren.  Es 
gibt  jetzt  allerdings  mehr  Fälle  von  Dementia  paralytica  und  De¬ 
mentia  senilis,  und  zwar  haben  die  Influenzaepidemien  der  letzten 
20  Jahre  das  Nervensystem  vieler  Personen  geschädigt  und  dadurch 
den  Boden  für  die  Entwicklung  mancher  späteren  Psychose  ge¬ 
schaffen.  Es  ist  aber  andererseits  durchaus  unerwiesen,  dass  alko¬ 
holische  Exzesse  zu  einer  Vermehrung  der  Geisteskrankheiten  ge¬ 
führt  haben.  Therapeutisch  ist  am  meisten  von  einer  möglichst  früh¬ 
zeitig  begonnenen  sachgemässen  Behandlung  der  Geisteskrankheiten 
zu  erwarten. 

W.  Sampson  Handley:  Die  Pathologie  der  melanotischen  Ge¬ 
schwülste  und  ihre  Behandlung.  (Lancet,  6.  und  13.  April  1907.) 

Sehr  schöne  pathologische  Studie,  die  mit  guten  Abbildungen 
versehen  ist.  Verf.  rät,  jede  Warze,  jeden  Nävus  und  jedes  Pigment¬ 
mal,  das  blutet,  ulzeriert  oder  wächst  zu  entfernen  und  gleich¬ 
zeitig  die  regionären  Drüsen  zu  entfernen.  Mikroskopische  Unter¬ 
suchung  des  Males  allein  gibt  nicht  immer  Aufschluss  über  die  Bös¬ 
artigkeit.  Man  muss  vielmehr  das  ganze  entfernte  Hautmuskelstück, 
in  dessen  Mitte  das  Mal  lag,  genau  untersuchen;  man  findet  dann 
oft  fern  vom  Male  schwarze  Stränge  oder  Punkte,  die  die  Bösartig¬ 
keit  der  Wucherung  mit  Sicherheit  beweisen.  Nur  frühzeitige,  aus¬ 
gedehnte  Entfernung  kann  Heilung  bringen. 

Charles  Higgens:  130  konsekutive  glatt  geheilte  Starextrak¬ 
tionen.  (Lancet,  13.  April  1907.) 

In  83  Fällen  von  130  operierte  Verf.  ohne  Iridektomie.  Verf. 
rät  niemals  zur  Operation  eines  Auges,  wenn  die  Sehkraft  des 
anderen  den  Bedürfnissen  des  Kranken  völlig  genügt.  Ebenso  ope¬ 
riert  er  nicht  das  andere  Auge,  wenn  die  Staroperation  auf  dem 
einen  völlig  befriedigend  verlief.  Ausnahmen  von  dieser 
Regel  macht  er  nur  aus  besonderen  Gründen,  z.  B.  wenn 
der  Kranke  es  aus  sozialen  (kosmetischen)  Gründen  ver¬ 
langt.  Er  operiert  mit  Kokain  und  wendet  eine  nach  unseren  Be¬ 
griffen  ziemlich  unvollkommene  Antisepsis  an.  Er  fixiert  die  Kon- 
junktiva  mit  einer  Seidennaht  und  wendet  weder  Lidsperre  noch 
Fixationspinzette  an.  Mit  einem  Gräfe  sehen  Messer  macht  er 
eine  Inzision  am  Hornhautrande  und  bildet  einen  Lappen,  der  einem 
Drittel  der  Hornhaut  entspricht.  Nach  Zerreissung  der  Kapsel  drückt 
er  die  Linse  mit  dem  Daumen  heraus.  Nach  Entfernung  der  Linse 
und  Zuru'ckbr'ingen  der  Iris  exponiert  er  das  Auge  einige  Sekunden 
dem  Lichte,  um  die  Iris  zur  Kontraktion  zu  bringen.  Er  bandagiert 
beide  Augen  und  hält  sie  8  Tage  unter  dem  Verbände,  der  täglich  ge¬ 
wechselt  wird,  ohne  dass  die  Augen  dabei  geöffnet  werden.  Grössere 
Irisprolapse  entfernt  er,  sobald  er  sie  findet,  kleinere  lässt  er  in 
Ruhe. 

G.  H.  Colt:  Zur  Behandlung  des  Bubo  inguinalis.  (Ibid.) 

Die  Arbeit,  die  aus  dem  St.  Bartholomews  Hospital  stammt, 
empfiehlt  die  frühzeitige  ausgedehnte  Entfernung  aller  Drüsen  der 
Leistengegend  mit  Fortnahme  eines  eliptischen  Hautstückes.  (Refer. 
hat  dies  früher  auch  getan,  ist  aber  davon  zurückgekommen,  nach¬ 
dem  er  mehrmals  elephantiastische  Verdickungen  des  Oberschenkels 
resp.  des  Penis  und  Skrotums  sah,  die  durch  keinerlei  Behandlung 
zu  beseitigen  waren.) 

Joseph  iS.  Bolton:  Die  Behandlung  der  Prostatakongestionen 
mittels  der  Elektrizität.  (Ibid.) 

Verf.  glaubt,  dass  die  Urinbeschwerden  der  Prostatiker  vor¬ 
wiegend  auf  Kongestionen  der  Drüse  zurückzuführen  sind.  Diese 
bekämpft  man  am  besten  durch  elektrische  Ströme  hoher  Frequenz. 
Er  hatte  bei  2  Fällen  sehr  guten  Erfolg  mit  dieser  Therapie. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


George  A.  Crace-Calvert:  Amylnitrit  bei  Hämoptoe. 

(Lancet,  6.  April  1907.) 

Das  beste  Mittel  bei  Hämoptoe  ist  die  Einatmung  von  Amyl¬ 
nitrit.  Durch  Erweiterung  der  Gefässe  sinkt  der  Blutdruck  am  Orte 
der  Blutung  und  es  komt  zur  Gerinnung.  Die  Blutung  steht  meist 
sofort.  Dabei  verhindert  das  Amylnitrit  nicht  den  Husten,  der  Kranke 
kann  also  das  noch  in  den  Bronchien  befindliche  Blut  aushusten.  Es 
folgen  Krankengeschichten. 

Agnes  E.  Savill:  Die  Behandlung  der  Lipome  mit  Natrium- 
ethy!.  (Ibid.) 

Es  gelang  der  Verfasserin  bei  einem  Falle  multipler  Lipome 
dadurch  das  Verschwinden  der  Tumoren  herbeizuführen,  dass  sie 
dieselben  mit  Natriumethyl  pinselte  (2 — 3  mal  wöchentlich  bis  zur 
Hautrötung)  und  ausserdem  heisse  Duschen  und  Massage  anwendete. 

J.  Kay  Jamieson  und  J.  T.  Dobson:  Das  Lymphsystem 
des  Magens.  (Lancet,  20.  April  1907.) 

Nachuntersuchung  der  Arbeiten  von  Cuneo  und  seinen  Nach¬ 
folgern.  Die  Verff.  haben  dabei  gefunden,  dass  Cuneo  und  andere 
vollkommen  die  Möglichkeit  einer  Verbreitung  des  Krebses  in  den 
die  A.  pylorica  begleitenden  Lymphgefässen  übersehen  haben.  Diese 
Gefässe,  die  ziemlich  zahlreich  sind,  münden  in  die  suprapankrea- 
tischen  Drüsen,  die  am  Stamme  der  A.  hepatica  liegen.  Zuweilen 
findet  man  auch  eine  kleine  suprapyloriscbe  Drüse.  Eines  der  Ge¬ 
fässe  mündet  gewöhnlich  hinter  dem  Duodenum  in  eine  der  das 
Gallensystem  begleitenden  Drüsen.  Ferner  haben  die  Verff.  gefunden, 
dass  Lymphgefässe,  die  vom  Pylorus  kommen,  nicht  wie  Cuneo 
meint,  in  die  Gland.  coronar.  inferiores  einmünden  müssen,  sondern 
dass  sie  zuweilen  an  diesen  Drüsen  vorbeilaufen  und  in  die  oberen 
Koronardrüsen  münden.  Es  ist  also  nicht  möglich,  wie  Cuneo 
meint,  durch  die  von  ihm  und  Hartmann  ausgearbeitete  Opera¬ 
tion  mit  einiger  Sicherheit  alle  verdächtigen  Drüsen  zu  entfernen. 
Die  Arbeit  enthält  viel  Interessantes  und  gute  Bilder. 

A.  E.  Johnson:  Zur  Frage  der  versenkten  Fäden.  (Ibid.) 

Verf.  gibt  folgende  Methode  als  sicher  und  billig  an.  Man  nimmt 
1  cm  im  Durchmesser  messende  und  1  mm  dicke  Glasröhren  von 

Fuss  Länge.  Die  Röhren  werden  mit  Alkohol  gewaschen  und 
dann  getrocknet.  Die  Röhre  wird  in  der  Mitte  zugeschmolzen. 
Dann  führt  man  mit  reinen  trockenen  Händen  5  Fuss  Katgut  in  die 
Röhre  ein,  das  man  vorher  auf  2  wenig  gespreizten  Fingern  auf¬ 
gerollt  hatte.  Dann  giesst  man  genügend  Xylol  ein,  um  das  Katgut 
völlig  zu  bedecken.  Nachdem  man  eine  Anzahl  Röhren  beschickt  hat, 
schmilzt  man  die  Röhre  IV2  Zoll  jenseits  des  Xylols  zu.  Dies  ist 
ungefährlich,  wenn  auch  eine  kleine  Explosion  erfolgt.  Die  Röhren 
werden  dann  in  einem  Wasserkessel  an  zwei  aufeinanderfolgenden 
Tagen  je  20  Minuten  lang  auf  212°  F  erhitzt.  Die  Kosten  einer 
solchen  Röhre  betragen  je  nach  der  Stärke  des  Katguts  12 — 20  Pf. 
Das  Katgut  ist  sicher  keimfrei.  J.  P.  zum  Busch  - London. 

Ophthalmologie. 

Schiek:  Beitrag  zur  Pathologie  und  pathologischen  Anatomie 
des  Frühjahrskatarrhs.  (Klinische  Monatsbl.  f.  Augenheilk.,  Mai — Juni 
1907,  S.  449—466.) 

Nach  den  bisherigen  Forschungen  über  das  Wesen  des  sog. 
„Frühjahrskatarrhs“  konnte  man  zwar  annehmen,  dass  infektiöse  Ein¬ 
flüsse  beim  Zustandekommen  des  Leidens  auszuschliessen  und  even¬ 
tuell  chemische  Reize  anzunehmen  seien,  doch  blieb  bis  in  die 
neueste  Zeit  die  eigentliche  Ursache  der  Erkrankung  in  Dunkel  ge¬ 
hüllt.  Nun  scheint  endlich  Licht  in  die  Sache  zu  kommen.  Der  Bahn¬ 
brecher  in  vorliegender  Frage  ist  Kreibich  durch  seine  Arbeit: 
„Die  Wirkung  des  Sonnenlichtes  auf  Haut  und  Konjunktiva“  (Wiener 
klin.  Wochenschr.  1904,  S.  673).  Kreibich  ging  davon  aus,  dass  als 
Ursache  der  unter  dem  Namen  Hydroea  vacciniforme  bekannten  Er¬ 
krankung  unbedeckter  Hautstellen  die  Einwirkung  des  Sonnen¬ 
lichtes  zweifellos  zu  gelten  habe.  Diese  Erkrankung  stellt  sich 
bei  einer  gewissen  Disposition  der  Kutis  im  Frühjahr  und  Sommer  ein, 
In  ähnlicher  Weise  kommt  eine  andere  Hautaffektion  „Sommerpru¬ 
rigo“  zustande,  die  ebenfalls  im  Frühjahr  rezidiviert  und  sich  nur 
auf  die  unbedeckten  Hautgebiete  erstreckt.  Sie  unterscheidet  sich 
von  der  Hydroea  vacciniforme  dadurch,  dass  deutliche  Lichenifika¬ 
tion  der  Haut  dabei  Platz  greift.  Hierbei  wird  nicht  die  Haut  in  ihrer 
ganzen  Dicke,  sondern  nur  im  oberen  Teil  betroffen  und  eine  Quadril- 
lierung  der  Oberfläche  hervorgerufen.  Da  nun  in  manchen  Fällen 
von  den  sicher  auf  Sonnenlichtwirkung  beruhenden  Hauterkran¬ 
kungen  auch  Frühjahrskatarrh  der  Konjunktiva  in  Gestalt  von  knöt¬ 
chenförmigen  Wucherungen  auf  dem  Limbus  zugleich  beobachtet 
wurde,  kam  Kreibich  auf  den  Gedanken,  dass  hier  eine  für  beide 
Prozesse  gemeinsame  Ursache  massgebend  sein  müsse.  Um  dies 
festzustellen  bedeckte  K.  die  Augen  der  Patienten  mit  einer  schwar¬ 
zen  Binde  und  sah  darauf  prompte  Besserung  eintreten,  die  sofort 
nachliess  und  einem  Rezidiv  Platz  machte,  wenn  die  Augen  wieder 
dem  Sonnenlichte  ausgesetzt  wurden.  Kreibich  kommt  daher  zu 
folgendem  bemerkenswerten  Schlüsse: 

„Auch  die  konjunktivalen  Veränderungen  sind 
mit  aller  Bestimmtheit  auf  Sonnenlichtwirkung 
zur  iickzu  führen  und  der  Frühjahrskatarrh  wird, 
wenn  anders  derselbe  eine  einheitliche  Erkran¬ 
kung  darstellt,  vom  Sonnenlicht  hervorgerufe n.“ 


Hierdurch  wird  nun  auch  erklärt,  warum  die  Erkrankung  in  den 
Jahreszeiten  mit  den  langen  Tagen  relativ  häufig  aultritt  und  re¬ 
zidiviert  und  mit  der  Abnahme  der  Tageslänge  wieder  abnimmt  und 
verschwindet,  und  ebenso,  warum  gerade  die  Lidspaltenzone  der 
Konjunktiva  mit  Vorliebe  heimgesucht  wird. 

Da  nun  experimentell  nachgewiesen  ist,  dass  chemisch  wirk¬ 
same  Strahlen  eine  Membran  von  der  Dicke  des  Lides  leicht  durch¬ 
dringen  können,  so  sind  auch  jene  Fälle  erklärt,  in  denen  die  C011- 
junctiva  tarsi  entweder  gleichzeitig  mit  der  Bindehaut  am  Limbus 
oder  isoliert  erkrankt.  Schliesslich  erörtert  Kreibich  auch  noch 
die  feststehende  Tatsache,  dass  anämische  Individuen  mit  Poly¬ 
adenitis  vor  allem  von  dem  Frühjahrskatarrh  heimgesucht  werden 
und  zwar  in  dem  Sinne,  dass  die  Anämie  wahrscheinlich  eine  dis¬ 
ponierende  Rolle  spielt,  andererseits  aber  die  allgemeine  Drüsen¬ 
schwellung  eine  Folge  der  Sonnenstrahlen  sein  kann.  —  Den  günstigen 
Einfluss  des  Lichtabschlusses  auf  die  Veränderungen  des  Frühjahrs¬ 
katarrhs  hat  auch  Dimmer  beobachtet  und  bestätigt.  S  c  h  i  e  c  k 
schliesst  sich  diesem  durch  eigene  Beobachtungen  an.  Nach  letz¬ 
teren  dürfte  die  Therapie  bei  ambulanter  Behandlung  schwer  durch¬ 
führbar  sein,  da  das  Tragen  einer  gewöhnlichen  rauchgrauen  Schutz¬ 
brille  nicht  ausreicht,  sondern  ein  permanentes  Tragen  eines  dunklen 
Verbandes  nötig  erscheint.  Dimmer  hat  indes  durch  eine  sich  gut 
anschmiegende  rote  Zelluloidbrille  ebenfalls  Heilung  erreicht.  —  Im 
pathologisch-anatomischen  Teil  erläutert  S  c  h  i  e  c  k,  dass  das  Wesen 
des  Prozesses  nicht  in  der  Bildung  der  Epithelunregelmässigkeiten 
und  Epithelzapfen  besteht,  sondern  in  einer  Wucherung  des  subepi¬ 
thelialen  Gewebes,  resp.  der  unter  der  Konjunktiva  an  bestimmten 
Stellen  vorhandenen  Lagen  elastischen  Fasergewebes.  Schi  eck 
kommt  auf  Grund  der  Ergebnisse  seiner  Untersuchung  zu  folgenden 
Schlüssen: 

In  dem  sogen.  Frühjahrskatarrh  der  Konjunktiva  spielt  die 
Wucherung  und  glasige  Degeneration  des  Bindegewebes  eine  Haupt¬ 
rolle,  vor  allen  Dingen  desjenigen  der  Unterlage,  auf  der  die  Kon¬ 
junktiva  aufliegt.  Eine  starke  Mitbeteiligung  der  dort  befindlichen 
elastischen  Elemente  ist  evident,  doch  geht  der  Elastingehalt  in  dem 
stärker  gequollenen  und  unveränderten  Zwischengewebe  bald  zu¬ 
grunde,  wie  auch  der  Tarsus  selbst  an  elastischer  Substanz  einzu- 
biissen  scheint.  Die  Lokalisation  des  Prozesses  ist  davon  abhängig, 
dass  die  Bindehaut  einem  Gewebe  aufliegt,  das  elastisc'ne  Fasern  ent¬ 
hält. 

„Das  neugebildete  und  gequollene  Zwischengewebe  legt  sich  in 
den  Kuppen  der  Prominenzen  zu  mehreren  Lagen  zusammen,  die 
hyaline  Säume  und  Inseln  bilden,  wie  dies  vornehmlich  an  den 
jüngeren  Wucherungen  deutlich  zu  sehen  ist.“ 

Bumke:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Läsionen  des  Hals- 
inarkes  und  reflektorischer  Pupillenstarre.  (Klin.  Monatsbl.  f.  Augen¬ 
heilkunde,  März/April  1907,  S.  257 — 296.) 

In  den  letzten  Jahren  ist  eine  Reihe  von  Arbeiten  über  die  patho¬ 
logisch-anatomischen  Grundlagen  der  reflektorischen  Pupillenstarre 
erschienen,  deren  Ergebnisse  sich  häufig  widersprechen.  Die  haupt¬ 
sächlichsten  dieser  Arbeiten  unterwirft  B.  einer  streng  sachlichen 
Kritik  und  setzt  sich  in  seinen  eigenen  Untersuchungen  die  Aufgabe, 
festzustellen,  ob  die  materielle  Ursache  der  reflek¬ 
torischen  Pupillen  starre  im  Rückenmark  und  spe¬ 
ziell,  ob  sie  im  Hals  mark  zu  suchen  ist.  Alle  Autoren 
stimmen  in  der  Annahme  eines  Pupillenreflexbogens  überein,  der  in 
der  Vierhügelgegend  geschlossen  wird.  Fraglich  ist  nur,  ob  wir  die 
pathologischen  Veränderungen  der  Lichtstarre  innerhalb  dieses  Re¬ 
ilexbogens  suchen  sollen  oder  in  tiefer  gelegenen  Abschnitten  des  Ge¬ 
hirns  oder  sogar  im  Rückenmark.  B.  fasst  das  Gesamtergebnis  seiner 
Untersuchungen  in  folgende  Sätze  zusammen: 

1.  Die  theoretischen  Voraussetzungen  der  zuerst  von  Rieger 
und  v.  Förster  vertretenen  Anschauung:  die  pathologisch-anatomi¬ 
schen  Voraussetzungen  der  reflektorischen  Pupillenstarre  müssten  mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit  im  Rückenmark  liegen,  haben  sich  in¬ 
zwischen  fast  alle  als  nicht  zutreffend  erwiesen.  Richtig  ist  die  von 
Gau  sch  und  Woif  entdeckte  Tatsache,  dass  die  isolierte  Licht¬ 
starre  bei  den  rein  spastischen  Formen  der  Paralyse  selten  und  viel¬ 
leicht  nur  ganz  ausnahmsweise  vorkommt.  Sie  stellt  also  möglicher¬ 
weise  ein  spezifisch-tabisches  Symptom  dar.  Für  einen  ursächlichen 
Zusammenhang  zwischen  Hinterstrangsklerose  und  Robertson- 
schem  Zeichen  lässt  sich  diese  Feststellung  aber  schon  deshalb  nicht 
verwerten,  weil  die  Tabes  keine  reine  Rückenmarkskrankheit  ist 
(Optikusatrophie). 

2.  Die  experimentellen  Untersuchungen  von  B  a  c  h  u.  a.  sprechen 
in  ihren  rein  tatsächlichen  Ergebnissen,  sofern  diese  auf  die  mensch¬ 
liche  Pathologie  überhaupt  übertragen  werden  dürfen,  gegen  die  Ab¬ 
hängigkeit  der  Lichtstarre  von  Veränderungen  des  Halsmarkes.  Die 
totale  Trennung  des  gesamten  Rückenmarkes  vom  Nachhirn  bleibt 
nach  diesen  Versuchen  ohne  jede  Wirkung  auf  die  Pupillenbewegung. 

3.  Die  Ansicht  von  Reich  a  r  d  f ,  nach  der  eine  Erkrankung 
innerhalb  der  Bechterew  sehen  Zwischenzone  in  der  Höhe  des 
2.  bis  6.  Zervikalsegmentes  dem  Robertson  sehen  Zeichen  zu¬ 
grunde  liegen  sollte,  war  schon  durch  die  eigenen  Befunde  dieses 
Autors  nicht  hinreichend  begründet;  sie  ist  durch  die  Nachunter¬ 
suchungen  von  Kinischi  Naka  und  dem  Verfasser,  sowie  durch 
andere  in  ganz  eindeutiger  Weise  widerlegt  worden. 

4.  Die  aus  der  älteren  Literatur  zusammengesteilten,  sowie  die 
neueren  in  diesem  Zusammenhänge  mitgeteilten  Fälle,  in  denen  eine 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1697 


Halsmarkläsion  irgendwelcher  Art  reflektorische  Pupillenstarre  zur 
Folge  haben  sollte,  halten  insgesamt  einer  genaueren  Kritik  nicht 
stand. 

B.  hält  die  Halsmarktheorie  nicht  nur  für  unbewiesen,  sondern  für 
widerlegt.  Eine  unbefangene  Prüfung  des  allmählich  stark  ange¬ 
wachsenen  Tatsachenmaterials  lässt  nach  Anschauungs  B.s  nicht 
einmal  mehr  die  Vermutung  zu,  dass  spinale  Veränderungen  für  die 
Entstehung  der  Lichtstarre  irgendwie  in  Frage  kommen  könnten.  — 
Freilich  darf  die  Möglichkeit,  dass  eine  einheitliche  Ursache  des 
Robertson  sehen  Zeichens  überhaupt  nicht  existiert,  nicht  ganz 
unberücksichtigt  bleiben. 

Hirschberg:  Der  umschriebene  Schwund  im  kleinen  Kreis 
der  Iris  bei  Drucksteigerung.  (Zentralbl.  für  Augenheilk.,  Juni  1907, 
S.  162.) 

H.  hat  häufig  nach  einem  akuten  Anfall  von  Drucksteigerung, 
auch  wenn  derselbe  nur  1 — 2  Tage  gedauert  hatte,  an  vorher  gesund 
befundenen  Augen,  einen  umschriebenen  Schwund  der  Regenbogen¬ 
haut  beobachtet,  der  sich  in  Gestalt  von  länglichen,  blaugrauen  Fleck¬ 
chen  im  kleinen  Kreis  präsentiert. 

Seinen  durch  regelmässige  Anwendung  der  Lupe  bei  einer 
grossen  Anzahl  von  Glaukomfällen  hierbei  gewonnenen  Anschau¬ 
ungen  hat  H..  in  folgenden  Sätzen  Ausdruck  verliehen: 

I.  Dauernde,  umschriebene  Pupillenerweiterung  kommt  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  des  leicht  entzündlichen  Glaukoms  vor,  das  dem  Eserin 
noch  nachgibt  und  völlig  normale  Sehkraft  und  Gesichtsfeldaus¬ 
dehnung  zulässt.  Die  Ursache  ist  ein  entsprechend  umschrie¬ 
bener  Gewebsschwund  im  kleinen  Kreis  der  Regen¬ 
bogenhaut,  d.  h.  in  der  Sphinktergegend. 

2.  Wenn  ein  gut  sehendes  und  (abgesehen  von  Vorläuferanfällen 
und  einer  gewissen  Härte)  gesundes  Auge  von  einem  heftigen  Glau¬ 
komanfall  heimgesucht  und  sofort  kunstgerecht  mit  gutem  Erfolg 
operiert  worden,  so  beobachtet  man  recht  häufig  bläuliche,  ver¬ 
tiefte  Flecke  im  kleinen  Kreis  der  Regenbogenhaut,  deren 
Pupillenspiel  darum  nicht  aufgehoben  ist. 

3.  In  allen  Fällen  des  entzündlichen  Glaukoms,  wo  die  Operation 
ein  leidliches  Sehvermögen  und  Gesichtsfeld  entweder  erhalten  oder 
wiederhergestellt  hat,  dann  aber  nach  einigen  Jahren  eine 
dauernde  Erweiterung  der  ausgeschweiften  Pupille  hervor- 
tritt  —  ein  immerhin  weniger  günstiges  Zeichen,  das  aber  doch  nicht 
immer  den  baldigen  Verlust  der  Sehkraft  vorher  ankündigt  —  findet 
sich  ein  umschriebener  Schwund  in  der  Gegend  des 
kleinen  Kreises  der  Regenbogenhaut. 

4.  Bei  Druckentartung  des  Augapfels  sieht  man  Schwund- 
flecke  sowohl  im  kleinen  als  auch  im  grossen  Kreis  der  Iris. 
Verfasser  erläutert  diese  Befunde  durch  einige  Krankengeschichten 
mit  Abbildung  der  Veränderungen. 

Zur  Nedden:  Zur  Aetiologie  und  Therapie  der  Kalk-  und 
Bleitrübungen  der  Hornhaut.  (Arch.  f.  Augenheilk.,  Bd.  LVII,  Heft  1.) 

Die  Kalktrübungen  beruhen  im  wesentlichen  auf  einer  Lösung, 
die  Bleitrübungen  auf  einer  Fällung  des  Hornhautmukoids 
durch  die  betreffende  chemische  Noxe.  Bei  Kalkverätzung  der  Horn¬ 
haut  hat  Verfasser  durch  Anwendung  von  weinsaurem  Am¬ 
monium  guten  Erfolg  in  der  Aufhellung  der  Trübung  erzielt.  In 
Anwendung  kam  eine  10  proz.  Lösung  von  Ammonium  tartaricum. 
Da  das  käufliche  Salz  vielfach  leicht  sauer  reagiert,  ist  die  Neutrali¬ 
sation  mit  einigen  Tropfen  Liquor  ammonii  caustici  erforderlich,  wo¬ 
durch  das  Brennen  bei  Applikation  der  Lösung  gemildert  wird.  Es 
empfiehlt  sich  auch  eine  Kokaineinträufelung  voranzuschicken.  Die 
Applikation  erfolgt  in  Form  von  Augenbädern  mit  Hilfe  einer  kleinen 
gläsernen  Augenbadewanne  3  mal  täglich  Vz — %  Stunden  lang,  wobei 
alle  5  Minuten  eine  kleine  Unterbrechung  gemacht  wird.  Von  Wich¬ 
tigkeit  ist,  dass  die  Patienten  lernen,  das  Auge  in  der  leicht  ange¬ 
wärmten  Lösung  offen  zu  halten,  damit  die  Hornhautoberfläche  mög¬ 
lichst  lange  mit  dem  Mittel  in  Kontakt  bleibt.  In  den  ersten  Wochen 
nimmt  die  Trübung  nur  langsam  ab,  nach  mehreren  Monaten  (2 — 4) 
aber  erheblich.  Selbst  an  den  dichtest  getrübt  gewesenen  Partien 
trat  eine  fast  völlige  Aufhellung  ein. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Aufhellungsfähigkeit  der  Blei- 
t  r  ii  b  u  n  g  e  n  der  Hornhaut  durch  das  Mittel.  Hier  konnte  trotz  früh¬ 
zeitiger  Applikation  des  Ammoniumtartrats  nur  eine  geringe  Auf¬ 
hellung  erzielt  werden.  Es  bleibt  daher  die  mechanische  Entfernung 
der  Bleiinkrustation  durch  Abschaben  immer  noch  die  zweckmässigste 
Therapie. 

Clemens:  Errors  of  Vision  as  a  Factor  in  Motor  Car  Ac- 

cidents.  (British  Medical  Journal,  8.  Dezember  1906.) 

Verfasser  hat  bei  verschiedenen  Chauffeuren,  die  Automobil- 
unfälle  verschuldet  hatten,  Refraktionsanomalien  konstatiert,  in  denen 
er  die  Ursache  für  die  Unfälle  erblickt.  Besonders  ist  Hypermetropie 
imstande,  bei  ermüdenden  Fahrten  durch  Nachlassen  der  Akkommo¬ 
dation  undeutliches  Sehen  herbeizuführen. 

Po  Lack:  OphthalmoskoDierlinse.  (Sitzungsbericht  der  Pariser 
ophthalmoskopischen  Gesellschaft.  Die  ophthalmoskopische  Klinik 
No.  11/12,  1907,  S.  337.) 

Die  Ophthalmoskopierlinse  nach  Polack  gibt  starke  Ver- 
grösserung  und  stellt  eine  plankonvexe  Linse  von  8,0  D.  in  metallischer 
Fassung  dar.  Bringt  man,  was  ohne  weiteres  gelingt,  den  Haupt¬ 
brennpunkt  der  Linse  in  den  vorderen  Brennpunkt  des  untersuchten 
Auges,  so  erhält  man  eine  gute  Beleuchtung  des  Augenhintergrundes: 
8  fache  Vergrösserung,  Gesichtsfeld  nur  2— 3  mal  grösser  als  beim 


aufrechten  Bild,  ein  Uebelstand,  dem  sich  leicht  durch  parallaktische 
Verschiebungen  der  Linse  abhelfen  lässt.  Der  Gebrauch  dieser  Linse 
ergibt  für  die  Untersuchung  im  umgekehrten  Bilde  dieselben  Vorteile, 
wie  sie  das  aufrechte  Bild  bietet,  ohne  dessen  Nachteile. 

A  n  t  o  n  e  1 1  i :  Die  Spätfolgen  des  Lähmungsschielens.  Betrach¬ 
tungen  über  das  Schielen  im  allgemeinen.  (Ibidem  S.  343.) 

Die  Spätfolgen  des  Lähmungsschielens  nehmen  oft  eine  dem 
konkomitierenden  völlig  gleiche  Gestalt  an.  Insbesondere  lässt  die 
Abduzenslähmung,  wenn  sie  nicht  völlig  heilt,  einen  Strabismus  con- 
vergens  zurück,  der  in  seinen  funktionellen  Merkmalen  dem  sogen, 
konkomitierenden  Schielen  heranwachsender  Kinder  gänzlich 
identisch  ist.  Das  abgelenkte  Auge  fixiert  in  korrekter  Weise,  sowie 
man  das  andere  verdeckt,  und  vollführt  ohne  Schwierigkeit  oder 
falsche  Projektion  selbst  extreme  Auswärtswendung,  d.  h.  in  anderen 
Worten,  es  bleibt  eine  einfache  Parese  der  assoziierten  Abduktion 
zurück,  während  die  Motilität,  für  sich  betrachtet,  wieder  vollständig 
sich  herstellt.  Es  sind  also  wohl  manche  Fälle  des  sogen,  kon¬ 
komitierenden  Schielens  als  Spätfolgen  eines  in  der  ersten  Kindheit 
entstandenen  paralytischen,  resp.  paretischen  Schielens  aufzufassen. 
Die  klassische  Theorie  der  Sekundärkontraktion  erscheint  weniger 
gerechtfertigt  als  die  Theorie,  welche  das  Schielen  als  den  Ausdruck 
einer  habituellen  Parese  der  assoziierten  Motilität  auffasst.  Für  eine 
solche  Auffassung  sprechen  auch  die  guten  Resultate  der  Muskel- 
vorlagerung,  welcher  Eingriff  als  Spätbehandlung  des  per¬ 
sistierenden  paralytischen  Strabismus  weit  befriedigendere  Erfolge 
zeitigt  als  die  gewohnte  Tenotomie.  Rhein. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Kiel.  April  bis  Juni  1907. 

5.  Lehmann  Carl:  Das  Röntgenverfahren  und  sein  Wert  für  den 
praktischen  Arzt. 

6.  Hunaeus  Georg:  Ueber  einen  Fall  von  Bauchdeckenaktino- 
mykose. 

7.  Schür  mann  Walter:  Zur  Kasuistik  des  Milzbrandes.  Die  in 
den  Jahren  1903 — 1906  in  der  Kieler  Chirurg.  Klinik  beobachteten 
Fälle. 

8.  Tiedemann  Ernst:  Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Neuritis 
multiplex  alcoholica  mit  K  o  r  s  a  k  o  w  scher  Psychose. 

9.  Hennecke  Friedr. :  Ein  Fall  von  Schüttelbewegung  des  Kopfes 
bei  Hysterie. 

10.  Hartmann  Rudolf:  Die  Frakturen  und  Distorsionen  der  unteren 
Extremität  aus  den  Jahren  1899 — 1900  und  1900 — 1901,  mit  Be¬ 
rücksichtigung  der  wirtschaftlichen  Bedeutung. 

11.  Wollburg  Georg:  Ueber  Dementia  paralytica  im  jugendlichen 
Lebensalter. 

12.  Becker  Theodor:  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Simulation  und 
Aggravation  bei  traumatischer  Neurose. 

13.  Schoemann  Johannes:  Zur  Lehre  von  der  inneren  Einklem¬ 
mung.  3  Fälle  von  Defekten  im  Mesenterium. 

14.  Orland  Fritz:  Ein  Fall  von  grossem  Fibromyxosarkom  der 
Rektusscheide. 

15.  Klinge  Fritz:  Ueber  einen  Fall  von  Tumor  des  Kleinhirn¬ 
brückenwinkels. 

16.  B  o  1 1  e  Hermann:  Ueber  Kochsalzausscheidung  bei  Nieren¬ 
erkrankungen. 

17.  Köpke  Ernst:  Zur  Lehre  von  der  traumatischen  Tabes. 

18.  Kock  Heinrich:  Zur  Kasuistik  der  Radikaloperation  der  Pro¬ 
statahypertrophie. 

19.  Mathies  Alfred:  Zur  Behandlung  der  Arthritis  gonorrhoica. 

20.  Luckow  Ernst:  Zur  Lehre  von  der  Hydronephrose  im  Kindes¬ 
alter. 

21.  Wolff  Joseph:  Ueber  Hernia  epigastrica. 

22.  Werner  Karl:  Zur  Symptomatologie  und  Pathologie  der  Tu¬ 
moren  der  Kleinhirnhemisphären. 

23.  B  e  s  e  n  b  r  u  c  h  Peter:  Ein  Fall  von  Plattenepithelkrebs  des 
Nierenbeckens  mit  Riesenzellen. 

24.  Wolff son  Ernst:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  nosologischen 
Stellung  der  Hypochondrie. 

25.  Pfeiffer  Wilh.:  Synthese  und  Abbau  der  Harnsäure  beim 
Menschen  und  Säugetier.  (Hab.-Schr.) 

26.  Baum  E.  W.:  Knochenbrüche  bei  Tabes  und  deren  ätiologische 
Stellung.  (Hab.-Schr.) 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Moskau. 

(Eigener  Bericht.) 

Allgemeine  Lage  in  Russland.  —  Zwei  feindliche  Lager.  — 
Der  Pirogowkongress.  —  Die  Kardinalfrage  des  Kongresses. 
—  Ein  Blick  in  die  Zukunft. 

Seit  der  Auflösung  der  zweiten  Reichsduma  beherrscht 
Russland  eine  unheilschwangere,  politische  Stille.  Kein  Mensch 
weiss,  wie  lange  diese  Uebergangsperiode  dauern  wird,  doch 
niemand  zweifelt  daran,  dass  über  kurz  oder  lang  die  Befrei¬ 
ungsbewegung  wieder  Oberhand  gewinnen  muss. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


l(->9fr 

Die  verhältnismässig  freie  Zeit,  frei  im  Vergleich  zur  Will¬ 
kür,  die  vor  dem  17.  Oktober  1905  das  russische  Reich  be¬ 
herrschte,  und  die  Tagungen  der  ersten  und  zweiten  Reichs¬ 
duma  konnten  nicht  ohne  bedeutenden  Einfluss  aut  die  ganze 
Bevölkerung  Russlands  bleiben.  Einerseits  wurden  dem  Volk, 
das  bis  dahin,  dank  der  strengen  Zensur,  keinen  eigentlichen 
Begriff  von  den  Sünden  und  Vergehen  der  höchsten  bureau- 
kratischen  Kreise  bekommen  konnte,  die  Augen  geöffnet  und 
ein  Einblick  in  das  Tun  und  I  reiben  derjenigen  Gesellschafts¬ 
schicht  gewährt,  die  von  dem  russischen  Zaren  berufen  w  ird, 
de  facto  den  Staat  zu  regieren. 

Andererseits  konnte  es  den  Augen  des  nach  tausendjähri¬ 
gem  Schlaf  erwachenden  russischen  Volkes  nicht  entgehen, 
dass  die  kaiserliche  Gewalt  alles  daran  setzt,  um  die  verfaulte 
Bureaukratie  an  ihrer  Ehrenstellc  zu  erhalten  und  mit  Grausam¬ 
keit  gegen  diejenigen  auftritt,  die  anderer  Meinung  sind.  So 
haben  sich  die  zwei  feindlichen  Lager  gebildet,  die  nicht  eher 
ruhen  werden,  als  bis  der  eine  Kämpfer  zu  den  Füssen  des 
anderen  liegt.  Auf  der  einen  Seite  die  russische  Kaiserkrone, 
gestützt  auf  die  demoralisierte  Bureaukratie,  auf  der  anderen 
Seite  das  ganze,  140  Millionen  zählende  Volk,  das  in  seiner 
Masse,  trotz  aller  geistigen  und  physischen  Verfolgungen,  ge¬ 
nügend  gesunde  Kräfte  besitzen  muss,  um  mit  Hoffnung  auf  Er¬ 
folg  den  Befreiungskampf  fortzusetzen. 

Die  russische  Aerztewelt  hat  sich  stets  durch  demokra¬ 
tische  Weltanschauung  vorteilhaft  von  den  anderen  Kreisen  der 
russischen  Intelligenz  unterschieden.  Nicht  zum  geringsten 
Teil  ist  das  darauf  zurückzuführen,  dass  die  russische  medi¬ 
zinische  Welt  viele  fremdländische  Elemente,  besonders 
Hebräer,  beherbergt,  die  in  der  wenig  organisierten  Masse, 
dank  ihrem  geistigen  Uebergewicht  die  politische  Stimmung 
der  ganzen  Aerztewelt  beeinflussen.  Dieser  Umstand  lässt  die 
russische  Regierung  in  jedem  Arzt  eine  staatsgefährliche  Per¬ 
son  erblicken,  die  nicht  aus  den  Augen  der  Polizei  gelassen 
werden  darf. 

Begreiflich  ist  es  daher,  dass  alles  Mögliche  von  der  Re¬ 
gierung  daran  gesetzt  wird,  um  etwaige  medizinische  Ver¬ 
sammlungen  und  Kongresse  zu  vereiteln.  So  war  auch  die 
Einberufung  des  letzten  Pirogow-Aerzte -Kongresses  mit 
grossen  Schwierigkeiten  verbunden  und  dennoch  kann  man 
noch  von  Glück  reden,  dass  dieser  Kongress  in  die  Zeit  vor 
der  Auflösung  der  zweiten  Reichsduma  gefallen  ist,  da  er  sonst 
von  der  Regierung  entweder  gar  nicht  gestattet  worden  wäre 
oder  aber  sicherlich  seine  Arbeiten  nicht  hätte  zum  Abschluss 
bringen  können. 

Der  10.  allrussische  Pirogow-Aerzte^Kongress  tagte  in 
Moskau  vom  7.  bis  zum  14.  Mai  und  das  Schicksal  hatte  es  ge¬ 
fügt,  dass  zur  selben  Zeit  das  sog.  „schwarze  Hundert“,  die 
Vertreter  der  äussersten  Reaktion,  an  derselben  Stelle  ihren 
4.  Kongress  abhielten.  Mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  konn¬ 
ten  aus  begreiflichen  Gründen  etwaige  Zusammenstösse  dieser 
zwei  feindlichen  Lager,  der  Monarchisten  und  Demokraten,  in 
Moskau  erwartet  werden,  um  so  mehr  als  noch  lange  vor  Er¬ 
öffnung  des  Kongresses  in  der  rechten  Presse  eine  förmliche 
Hetzjagd  gegen  die  Mediziner,  insbesondere  solche  jüdischer 
Herkunft,  inszeniert  worden  war. 

Wider  Erwarten  ist  aber  alles  ruhig  verlaufen.  Der  Aerzte- 
kongress  konnte  ohne  besondere  Zwischenfälle  zu  Ende  ge¬ 
bracht  werden  und  das.  „schwarze  Hundert“,  das  statt  der 
I  ausende  von  Mitgliedern,  die  zum  Kongress  erwartet  wurden, 
nur  einige  hundert  Analphabeten  versammelt  hatte,  war  über¬ 
all  dem  Spott  der  Bevölkerung  preisgegeben. 

Eine  politische  Demonstration,  die  von  den  Monarchisten 
unter  Mitwirkung  der  obersten  Geistlichkeit  Moskaus  sowie 
vieler  Würdenträger  und  einiger  gleichgesinnter  Mitglieder  der 
2.  Reichsduma  inszeniert  worden  war,  fiel  ebenso  ins  Wasser 
wie  der  ganze  Kongress.  Das  unanständige,  aufdringliche  Be¬ 
tragen,  die  zur  Niedermetzelung  der  Juden  aufwiegelnden 
Reden  und  andere  Attribute  dieser  von  der  Regierung  so  gerne 
gesehenen  und  subsidierten  Partei,  haben  vielen,  die  früher 
keinen  Begriff  von  ihrem  wahren  inneren  Wert  gehabt  hatten, 
die  Augen  geöffnet.  Von  diesem  Standpunkt  aus  kann  man  den 
Monarchistenkongress  in  Moskau  allerdings  für  sehr  gelungen 
ansehen.  Mit  Genugtuung  kann  konstatiert  werden,  dass  die 
breiheitsbewegung  tiefe  Wurzeln  im  russischen  Volk  gefasst 


hat  und  dass  an  ein  andauerndes  Zurück  in  das  Joch  der  ver¬ 
faulten  Bureaukratie  und  der  unbeschränkten  Despotie  nicht 
mehr  zu  denken  ist. 

Dem  Monarchistenkongress  diametral  entgegengesetzte 
Gefühle  rief  im  Gros  der  Moskauer  Gesellschaft  der  Pirogow- 
Aerzte-Kongress  hervor,  der  eine  der  Zeit  und  dem  russischen 
Volk  mehr  angepasste  politische  Stimmung  zur  Schau  brachte. 

Die  Pirogowkongresse  gelten  von  jeher  als  politisch  an¬ 
rüchig,  und  das  ist  zu  verstehen,  wenn  man  sich  die  Entwick¬ 
lung  derselben  vergegenwärtigt. 

Die  Pirogowkongresse  entstanden  vor  20  Jahren,  zu  einer 
Zeit,  als  am  politischen  Horizont  Russlands  der  letzte  Schein 
von  Freiheit  geschwunden  war,  als  eine  riesige  schwarze 
Wolke  der  I^eaktion  unsere  ganze  Heimat  bedeckte.  Aeusser- 
lich  herrschte,  dank  dem  erbarmungslosen  Druck  der  Reaktion, 
eine  seltsame,  'unheimliche  Ruhe,  aber  in  den  verstecktesten 
Schlupfwinkeln  des  russischen  Lebens  begann  langsam  der  un¬ 
zerstörbare  Prozess  der  Befreiungsbewegung.  Leise  und 
ängstlich  erheben  sich  hie  und  da  vereinzelte  Stimmen,  die  eine 
Besserung  der  Lebensbedingungen  fordern. 

In  der  Aerzteschaft,  die  mit  der  leidenden  Menschheit  in 
nächster  Berührung  steht,  erwacht  das  Interesse  für  sanitäre 
Fragen  und  die  Bedeutung  derselben  wird  immer  mehr  in  den 
Vordergrund  geschoben. 

Im  unmittelbaren  Zusammenhang  damit  steigt  das  Inter¬ 
esse  für  die  ökonomische  Lage  des  russischen  Volkes.  Die 
entsetzliche  Armut  der  Bauern,  sein  rasch  fortschreitender  Ruin, 
sein  systematisches  Hungern  wendet  die  Aufmerksamkeit  der 
Aerztewelt  auf  diese  Missstände;  die  schwere  Lage  des  Stadt¬ 
proletariats,  gegen  dessen  gewissenlose  Exploitation  von  seiten 
der  Regierung  nichts  getan  wird  —  alles  das  steht  in  direktem 
Zusammenhang  mit  dem  unmöglichen  sanitären  Zustande  der 
Bevölkerung,  der  noch  verschlimmert  wird  durch  die  künstlich 
aufrecht  erhaltene  Unbildung  und  Unkultur. 

Selbstverständlich  konnte  dieser  unnormale  Zustand  von 
den  Aerzten  nicht  unbemerkt  bleiben,  und  das  Resultat  war, 
dass  sie  die  Ueberzeugung  gewannen,  nur  bei  einer  radikalen 
Aenderung  des  Kurses  der  inneren  Politik  Erfolge  in  ihrer 
Tätigkeit  erwarten  zu  können. 

Es  ist  deshalb  auch  nicht  zu  verwundern,  dass  alle  früheren 
Kongresse  unwillkürlich  ihr  Hauptinteresse  auf  politische  Fra¬ 
gen  konzentrierten,  in  der  Hoffnung,  die  ersehnte  politische 
Freiheit,  die  neue  Horizonte  für  sie  versprach,  auf  diesem  Um¬ 
wege  zu  erringen,  und  man  muss  gestehen,  dass  die  Pirogow- 
,  kongresse,  die  von  unserer  bureaukratischen  Regierung  sehr 
!  ungern  gesehen  wurden,  viel  Feuer  in  die  russische  Freiheits¬ 
bewegung  gebracht  haben. 

Besonders  der  vorletzte  Kongress,  der  vor  3  Jahren  in 
Petersburg  stattfand,  hat  viel  dazu  beigetragen,  die  Bewegung, 
deren  erster  Akt  mit  dem  Manifest  des  17.  Oktober  abschloss, 
zu  beschleunigen.  Dieses  kaiserliche  Manifest,  das  vom  russi¬ 
schen  Volk  durch  sein  solidarisches  und  entschiedenes  Auf¬ 
treten  in  den  historisch  gewordenen  Oktobertagen  des  Jahres 
1905  im  wahren  Sinne  des  Wortes  erzwungen  war  und  durch 
einen  Federstrich  des  Selbstherrschers  dem  russischen  Volke 
alle  konstitutionellen  Freiheiten  versprach  (ohne  Absicht,  das 
Versprechen  später  zu  halten),  musste  eine  radikale  Aenderung 
des  Charakters  der  späteren  Kongresse  hervorrufen  und  so 
sehen  wir  denn  den  letzten  Pirogowkongress  absolut  keine 
politische  Rolle  mehr  spielen. 

Der  10.  Pirogowkongress  wurde  am  Mittwoch  den  7.  Mai 
im  Theatersaal  eines  grossen  Moskauer  Varietes,  dem  sog. 
Wintertheater  „Bouffes“  eröffnet,  was  gleichfalls  höchst  cha¬ 
rakteristisch  für  die  jetzige  Zeit  ist.  Der  Kongressverwaltung 
war  es,  trotz  aller  Mühe,  nicht  gelungen,  ein  passenderes  Lokal 
ausfindig  zu  machen,  da  die  politische  Färbung  der  Mitglieder 
des  Kongresses  die  Moskauer  Stadtverwaltung  bewogen  hatte, 
die  Stadtsäle  für  die  allgemeinen  Sitzungen  des  Kongresses  zu 
verweigern.  Eine  ganz  sonderbare  Schicksalsfügung  sehen  wir 
darin,  dass  das  Theater  „Bouffes“  jenes  Lokal  ist,  das  sich  in 
der  letzten  Zeit,  dank  den  Herren  Gurko  und  L  i  d  v  a  1,  einen 
ganz  besonderen  Namen  gemacht  hat.  Bekanntlich  hatte  sich 
der  Klosettfabrikant  Lidval  erboten,  die  Versorgung  der 
Hungergegenden  Russlands  mit  Brot  zu  organisieren.  Gurko, 
der  damals  Gehilfe  des  Ministers  für  innere  Angelegenheiten 
■  war,  schloss  mit  L  i  d  v  a  1  einen  Kontrakt  ab,  laut  welchem 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1699 


letzterer  sich  verpflichtete,  im  Verlaufe  einer  gewissen  Zeit 
10  Millionen  Pud  Getreide  in  die  Hungergegenden  Russlands 
abzufertigen  und  als  Avance  800  000  Rubel  bares  Geld  er¬ 
hielt.  Bald  baute  er  sich  das  prunkvoll  und  verschwenderisch 
angelegte  Variete,  in  dem  der  Pirogowkongress  eröffnet  wurde, 
während  das  Volk  ohne  Brot  blieb  oder  statt  der  10  Millionen 

_ einige  Waggonladungen  verfaulten  Getreides  erhielt.  Diese 

Skandalaffaire,  die  reich  an  charakteristischen,  unsere  höchste 
Bureaukratie  stark  kompromittierenden  Einzelheiten  ist,  hat 
vor  einiger  Zeit  insofern  einen  Abschluss  gefunden,  als  der 
frühere  Ministergehilfe  Gur  ko,  auf  kaiserlichen  Befehl,  zur 
gerichtlichen  Verantwortung  gezogen  werden  soll.  Allerdings 
•scheint  dieser  kaiserliche  Befehl  dem  Manifest  vom  17.  Oktober 
•  nahe  verwandt  zu  sein,  denn  der  auf  frischer  Tat  ertappte 
Dieb  Gurko  erhält  bis  jetzt  sein  Ministergehalt  und  hat  vor 
ganz  kurzer  Zeit  eine  Urlaubsreise  auf  2  Monate  zur  Wieder¬ 
herstellung  der  zerrütteten  Gesundheit  auf  allerhöchste  Erlaub¬ 
nis  hin  angetreten. 

Die  feierliche  Eröffnung  des  10.  Pirogowkongresses  im 
Theatersaal,  dessen  Entstehung  Moskau  den  freundschaftlichen 
Beziehungen  zwischen  dem  kaiserlichen  Günstling  Gurko 
und  dem  Klosettfabrikanten  L  i  d  v  a  1  zu  verdanken  hat,  hatte 
eine  vieltausendköpfige  Menschenmenge  versammelt,  worunter 
sich  viele  Neugierige  befanden,  die,  sensationslüstern,  einen 
Skandal  auf  politischer  Basis  erwarteten. 

Nachdem  Prof.  S  s  a  1  a  s  k  i  n,  der  Direktor  des  St.  Peters¬ 
burger  weiblichen  medizinischen  Instituts,  einstimmig  zum 
Ehrenpräsidenten  gewählt  war,  hielten  die  Herren  Jako- 
wenko  und  Prof.  Sabolotny  aus  Petersburg  die  Fest¬ 
reden.  Ohne  Zwischenfall  wurde  die  Sitzung  gegen  5  Uhr 
nachmittags  geschlossen  und  am  nächsten  Morgen  begannen 
die  Arbeiten  in  den  28  Sektionen  des  Kongresses. 

Trotz  der  Vielseitigkeit  der  Vorträge,  die  zum  Kongress 
angemeldet  waren,  und  deren  Zahl  200  überstieg,  konnte  man 
eine  Konzentration  des  Interesses  auf  bestimmte  Fragen  kon¬ 
statieren,  die  sich  um  folgende  Themen  gruppierten:  die  Hun¬ 
gersnot  in  Russland  und  ihre  Bekämpfung,  die  sanitäre  Lage 
der  Fabrikarbeiter  und  des  Stadtproletariats,  die  Kindersterb¬ 
lichkeit,  die  russische  medizinische  Bildung  und  die  Therapie 
und  Prophylaxe  des  Scharlach. 

Die  meisten  dieser  Fragen  wurden  in  der  Sektion  für 
öffentliche  Gesundheitspflege  besprochen,  deren  Sitzungen  stets 
brechend  voll  waren.  Ein  Ausländer  hätte  hier  Gelegenheit 
gehabt,  durch  die  Geduld,  die  der  Russe  an  den  Tag  legen 
kann,  in  Erstaunen  versetzt  zu  werden.  Obwohl  für  jeden  Vor¬ 
trag  statutgemäss  eine  Zeitspanne  von  20  Minuten  gegeben  ist, 
dehnen  sich  viele  derselben  über  eine  Stunde  aus.  Der  Russe 
ist  nicht  imstande,  sich  der  Zeit  anzupassen,  und  im  Laufe  der 
ersten  20  Minuten  kommt  er  kaum  über  die  Einleitung  zu 
seinem  Thema  hinaus.  Nichtsdestoweniger  lauscht  die  Menge 
aufmerksam,  oft  stehenden  Fusses  und  in  der  drückendsten 
Atmosphäre,  dem  nicht  enden  wollenden  Vortrag,  der  dabei 
nicht  immer  etwas  Originelles,  Eigenes  bringt,  sondern  gar 
nicht  selten  aus  allgemeinen  Stellen  zusammengestapelt  ist. 

Die  Debatten  nahmen  meist  einen  leidenschaftlichen  Cha¬ 
rakter  an,  wobei  es  nicht  selten  den  Eindruck  machte,  dass  der 
Vortragende,  der  noch  soeben  ein  andächtig  lauschendes  Audi¬ 
torium  vor  sich  hatte,  plötzlich  von  Feinden  umringt  worden 
sei,  die  kein  heiles  Haar  an  ihm  lassen  wollen.  Auch  die  poli¬ 
tische  Stimmung  der  Versammelten  trat  während  der  Debatten 
scharf  zum  Vorschein.  Ganz  gründlich  wurde  das  Zentrum  der 
2.  Reichsduma,  die  konstitutionell-demokratische  Partei,  in 
Russland  „die  Kadetten“  genannt,  angegriffen.  Der  Prozent¬ 
satz  der  zu  den  Kadetten  haltenden  war  auf  den  Versamm¬ 
lungen  ein  sehr  geringer  und  manch  bitteres  Wort  musste  diese 
Partei  über  sich  ergehen  lassen,  da  die  Taktik  der  Kadetten  in 
der  Reichsduma  nicht  zum  mindesten  die  Schuld  daran  trug, 
dass  sich  die  Regierung  noch  stark  genug  fühlte,  um  die 
2.  Reichsduma  aus  dem  Taurischen  Palais  auszuweisen. 

Trotz  der  schweren  Atmosphäre,  in  der  es  dem  10.  Piro¬ 
gowkongress  beschieden  war.  zu  arbeiten,  muss  konstatiert 
werden,  dass  er  eine  grosse  Arbeitskraft  gezeigt  hat  und  mit 
Genugtuung  auf  die  getane  Arbeit  zurückschauen  kann.  Die 
feierliche  Schlussitzung  des  Kongresses  fand  gleichfalls  in 
Lidvals  Theater  statt,  wobei  der  Festredner,  Privatdozent 
Tarasse witsch,  in  seinem  Vortrage  „über  das  Hungern“ 


furchtbare  Bilder  des  Elends  entrollte,  in  das  das  russische 
Volk  dank  solchen  Würdenträgern  wie  G  u  rko  und  dank  dem 
ganzen  bureaukratischen  Regierungssystem,  geraten  ist.  Die 
Mitglieder  der  2.  Reichsduma,  die  als  Acrzte  den  Kongress  mit¬ 
gemacht  hatten,  beeilten  sich  nach  Petersburg  zurück  und 
ahnten  nicht,  dass  noch  vor  Monatsfrist  ihre  Arbeit  zum  Wohlc 
des  russischen  Volkes,  das  sie  gewählt  hatte,  um  seine  Inter¬ 
essen  zu  schützen,  ein  jähes  Ende  finden  würde. 

Nun  sieht  es  wieder  trostloser  denn  je  bei  uns  aus.  Die 
Regierung  versucht  alles,  was  das  Volk  im  Laufe  der  letzten 
Jahre  mit  grossem  Blutverlust  erreicht  hat,  wieder  zuriiek- 
zunehmen.  Vor  allem  wird  der  Presse  der  Mund  geschlossen. 
Auf  administrativem  Wege  wird  ein  Blatt  nach  dem  anderen, 
ohne  nähere  Erklärung  der  Gründe,  mit  schweren  Geldstrafen 
belegt  oder  vollkommen  sistiert.  Täglich  werden  Hunderte 
von  Menschen,  die  es  wagen,  unvorsichtig  ihre  Meinung  zu 
äussern  und  Unwillen  über  das'  jetzt  herrschende  Regime  aus¬ 
zusprechen,  gleichfalls  auf  administrativem  Wege,  ohne  jede 
gerichtliche  Prozedur,  verbannt,  in  die  Gefängnisse  gepfercht 
oder  materiell  durch  grosse  Abstandssummen  geschädigt. 

Das  Polizeiregime  hat  den  Höhepunkt  seiner  Entwicklung 
erreicht  und  dem  ungebildeten,  rohen  russischen  Schutzmann 
ist  die  Macht  gegeben,  ungestraft  jedem  Menschen,  der  ihm  aus 
irgend  einem  Grunde  nicht  passt  oder  der  nicht  darauf  eingeht, 
sich  durch  Geld  von  Unannehmlichkeiten  loszukaufen,  einen 
wilden  Schabernack  zu  spielen. 

Die  Erkrankung  des  russischen  Reiches  hat  riesige  Dimen¬ 
sionen  angenommen.  Es  gibt  hier  zurzeit  kaum  eine  Familie, 
die  nicht  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  schwer  ge¬ 
schädigt  worden  ist.  Die  letzten  3  Jahre  haben  unzählige, 
früher  wohlhabende  Leute  total  ruiniert.  Viele  Tausende  von 
Familien  sind  ihrer  Mitglieder  beraubt  worden.  Die  Anarchie 
im  Lande,  die  eher  noch  im  Steigen  begriffen  ist,  hat  den  Preis 
eines  Menschenlebens  dermassen  erniedrigt,  dass  der  Verlust 
von  Familienmitgliedern  als  etwas  vom  Schicksal  Bestimmtes 
und  Unabwendbares  angesehen  wird.  Der  Fatalismus  be¬ 
mächtigt  sich  immer  mehr  und  mehr  der  russischen  Gesell¬ 
schaft  nnd  Vorkommnisse,  die  früher  ganze  Gesellschaftski  eise 
in  Aufregung  versetzt  hätten,  werden  jetzt  stillschweigend 
übergangen  oder  machen  gar  keinen  Eindruck. 

Täglich  werden  an  verschiedenen  Stellen  des  Reiches 
15—20  Personen,  oft  auf  greuliche  Weise,  ermordet,  ebenso 
viele  verwundet.  Täglich  werden  Unsummen  durch  Brand¬ 
stiftung  oder  durch  Raub  verloren.  Die  Tagesblätter  sind  voll 
von  Schauergeschichten,  wie  sie  sich  die  Phantasie  eines 
Romanschriftstellers  nicht  besser  ausmalen  könnte,  und  Jas 
Resultat  davon  ist  eine  allgemeine  Uebersättigung  und  eine  Ab¬ 
stumpfung  gegen  alle  Schrecknisse,  die  die  Revolution  mit  sich 
bringt. 

Die  Auflösung  der  2.  Reichsduma  wurde  dementsprechend 
mit  einer  Gleichgültigkeit  aufgenommen,  die  ein  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen  lebender  Mensch  absolut  nicht  begreifen 
könnte.  Das  Interesse  für  die  Politik  schwindet  in  breiten  Ge¬ 
sellschaftskreisen  zusehends  und  droht  die  russische  Freiheits¬ 
bewegung  für  längere  Zeit  zu  begraben.  Jedenfalls  sind  die¬ 
jenigen  Gesellschaftsschichten,  die  bis  jetzt  die  Freiheits¬ 
bewegung  geleitet  haben,  nicht  mehr  revolutionslüstern  und 
man  muss  die  Zeit  abwarten,  bis  die  untersten  Volksschichten, 
die  Arbeiter  und  die  Banern,  die  notwendige  Entwicklung  und 
Selbständigkeit  erlangt  haben,  um  das  grosse  Befreiungswerk 
allein  zu  Ende  zu  bringen.  M.  G. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Fränkische  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Frauen¬ 
heilkunde 

(Of f izi el Le s  P r o toikol  1 . ) 

XVI.  Sitzung  am  30.  J  u  n  i  1907  i  n  W  ü  r  z  b  u  r  g. 

Vorsitzender:  Herr  Meng  e. 

Schriftführer:  Herr  Zacharias. 

Herr  Holmeier:  Ueber  die  Verwendung  von  Chlorzink¬ 
lösungen  bei  der  Behandlung  der  Endometritis. 

Vortragender  berichtet  im  Anschluss  an  einen  bereits 
früher  von  ihm  beschriebenen  Fall  von  plötzlichem  Fod  durch 
die  intrauterine  Verwendung  von  50  proz.  Chlorzinklösung  über 


1700 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


eine  neue  derartige  Erfahrung,  die  gleichfalls  zur  gerichtlichen 
Anklage  des  betreffenden  Arztes  führte. 

Es  sollten  angeblich  zur  Beseitigung  von  Fluor  mit  der  Braun- 
schen  Spritze  2  g  einer  50  proz.  Chlorzinklüsung  in  den  Uterus  ge¬ 
spritzt  werden.  In  Wahrheit  waren  sie  nach  Ausweis  der  Obduktion 
überhaupt  nicht  in  den  Uterus  gekommen,  sondern  entweder  direkt 
oder  indirekt  durch  Zuriickfliessen  aus  der  Zervix  in  das  hintere 
Scheidengewölbes  gelangt  und  hatten  sich  hier  in  einem  zurückge¬ 
lassenen  Wattebausch  gesammelt.  Ausserdem  war,  angeblich  durch 
ein  versehentliches  Umkippen  des  Fläschchens,  gleichfalls  eine  nicht 
näher  bestimmte  Menge  Flüssigkeit  (vielleicht  einige  Kubikzentimeter) 
in  die  Scheide  gekommen.  Es  stellten  sich  sehr  bald  heftige  perito- 
nitische  Reizerscheinungen  und  zunehmender  Kollaps  ein;  trotz  aller 
angewendeten  Mittel  war  die  Patientin,  ein  junges  22  jähriges  ge¬ 
sundes  Mädchen,  nach  21  Stunden  tot.  Die  sehr  sorgfältige  Obduktion 
ergab  eine  heftige  Pelveoperitonitis,  aber  weder  eine  Perforation  am 
Uterus  oder  Scheidengewölbe,  noch  eine  Verätzung  des  Uterusinnern 
oder  der  Tuben.  Nebenbei  war  Patientin  etwa  6  Wochen  schwanger. 
Die  chemische  Analyse  der  Organe  ergab  einen  relativ  sehr  hohen 
Zinkgehalt,  der  mehreren  Gramm  Chlorzink  entsprach.  Um  den  in 
der  Scheide  liegenden  Tampon  war  das  Gewebe,  besonders  nach 
hinten  hin,  tief  verätzt. 

Es  kann  sich  also  nach  Ausweis  des  Obduktionsprotokolls 
nur  um  eine  Resorption  von  Chlorzink  resp.  Zink  von  hier  aus 
gehandelt  haben.  Die  Wirkung  erscheint  aber  eine  so  fou- 
droyante,  dass  sie  ebenso  wie  in  dem  früher  beobachteten  Falle 
nur  eine  toxische  sein  kann.  Nach  Ansicht  des  Vertreters  der 
Pharmakologie  in  Würzburg,  Prof.  Straub,  handelt  es  sich 
hierbei  um  eine  intensiv  giftige  Zinkalbuminatverbindung.  Ex¬ 
perimentelle  Untersuchungen  bei  Kaninchen  ergaben  nun  in  der 
Tat,  dass  Serum,  versetzt  mit  einigen  Tropfen  einer  1,3  proz. 
Chlorzinklösung  bei  intravenöser  oder  intraperitonealer  Ein¬ 
spritzung,  intensiv  giftig  wirkt  und  unter  Umständen  in  weni¬ 
gen  Minuten  den  Tod  des  Versuchstieres  herbeiführt.  Vor¬ 
tragender  nimmt  aus  dieser  neuen  Erfahrung  und  diesen  Ex¬ 
perimenten  heraus  von  neuem  Veranlassung,  vor  dem  Ge¬ 
brauch  dieser  ganz  unnötig  starken  und  gefährlichen  Chlorzink¬ 
lösungen  bei  intrauteriner  Anwendung  zu  warnen,  wie  über¬ 
haupt  zur  Vorsicht  bei  dem  Gebrauch  derartiger  Lösungen 
auch  bei  anderer  Anwendungsweise  zu  mahnen. 

Diskussion:  Herr  Straub  (a.  G.)  bemerkt  zur’  Theorie 
der  von  Herrn  H  o  f  m  e  i  e  r  mitgeteilten  akuten  Chlorzinkvergiftung 
folgendes: 

Das  Zink  gilt  wie  das  Aluminium,  Silber  etc.  als  ein  relativ 
ungiftiges  Metall,  mit  Unrecht  aber  deshalb,  weil  es  bei  der  gewöhn¬ 
lichen  Art  der  Applikation  seine  giftigen  Eigenschaften  nicht  ent¬ 
falten  kann.  Jedes  Schwermetallsalz  setzt  sich  mit  Eiweisskörpern 
zu  salzartigen  Metallalbuminaten  um.  Diese  Salzbildung  ist  eine 
revisible  im  Sinne  des  Massenwirkungsgesetzes;  denn  ganz  allgemein 
wird  ein  primär  durch  Metallüberschuss  gebildetes,  als  fester  Nieder¬ 
schlag  ausfallendes  Metallalbuminat  von  überschüssigem  Eiweiss  ge¬ 
löst.  Zur  Wiederauflösung  festen  Metallalbuminates  sind  je  nach  der 
Natur  des  Metallions  verschiedene  Mengen  Albumen  nötig.  Das 
Quecksilberalbuminat  braucht  verhältnismässig  wenig,  das  Alu- 
miniumalbuminat  ausserordentlich  viel,  soviel  als  der  menschliche 
Organismus  überhaupt  nicht  aufbringt.  Zinkalbuminat  steht  in  der 
Mitte  zwischen  beiden.  Wird  Zinksalz  z.  B.  in  den  sehr  gefässreichen 
Uterus  gebracht,  so  kann  durch  das  überschüssige  Eiweiss  z.  B.  des 
Blutes  eine  zur  akuten  Vergiftung  genügende  Menge  festen,  primären 
Zinkalbuminates  gelöst  und  resorbiert  werden;  wird  es  dagegen  an 
Stellen  gebracht,  die  für  die  Wiederauflösung  des  Albuminates  un¬ 
günstig  sind,  so  bleibt  es  als  unlösliches  festes  Albuminat  liegn.  In 
Bestätigung  dieser  Ueberlegung  gelang  es  Herrn  Hof  m -ei  er  so¬ 
wohl  wie  dem  Vortragenden  leicht,  mit  4  mg  Zink  in  Form  seines  in 
Mcnschenblutserum  gelösten  Albuminates  ein  ausgewachsenes  Ka¬ 
ninchen  in  wenigen  Minuten  nach  intravenöser  Applikation  zu  töten. 
Die  Erscheinungen  der  Vergiftung  sind  je  nach  der  Menge  ein  in 
Minuten  bis  Stunden  sich  vollziehendes  Hinsterben  im  tiefsten  Kol¬ 
laps,  unter  gleichzeitig  zunehmender  Abschwächung  aller  Organ¬ 
funktionen.  Das  gilt  im  Wesentlichen  für  akute  Vergiftungen  mit 
beliebigen  Schwermetallen. 

Herr  Moch  -H  o  f  h  e  i  m  erinnert  sich  einer  Zinkvergiftung,  die 
durch  eine  Salbenbehandlung  der  äusseren  Haut  entstanden  war. 

Herr  Simon  bekennt  sich  als  grossen  Anhänger  von  Chlorzink¬ 
ätzungen.  Er  bedient  sich  allerdings  nur  einer  20 — 25  proz.  Lösung 
und  niemals  der  Braun  sehen  Spritze.  Unter  Benützung  der 
M  e  n  g  e  sehen  Stäbchen  hat  er  in  langjähriger  Anwendung  niemals 
eine  üble  Erfahrung  gemacht.  Auch  die  Formalinätzung  nach  Menge 
hat  er  vielfach  durchgeführt;  jedoch  schienen  ihm  stärkere  Uterus¬ 
koliken  danach  aufzutreten. 

Herr  Bure  k  h  a  rd  glaubt,  dass  bei  den  beiden  Todesfällen  nach 
Chlorzinkätzung  besondere  Verhältnisse  mitgewirkt  haben  müssen, 
da  man  doch  früher  unbedenklich  und  ohne  schlimme  Erfahrung  zu 


machen,  Chlorzinkstifte  sogar  einlegte,  die  einer  Konzentration  des 
Aetzmittels  von  33V3  Proz.  entsprachen. 

Herr  Hofmeier:  Das  Besondere  war  eben  in  beiden  Fällen, 
dass  relativ  viel  Flüssigkeit  eingespritzt  wurde  bezw.  in  der  Vagina 
resorbiert  werden  konnte. 

Herr  v.  Rosthorn  (a.  G.)  weist  auf  eine  aus  seiner  Klinik 
hervorgegangenc  Arbeit  von  Meng  es  hin.  M  enges  hat  in  einer 
Dissertation  die  Ergebnisse  von  Untersuchungen  darüber,  in  welcher 
Zeit  Stoffe  von  der  Scheide  aus  aufgenommen  werden,  niedergelegt, 
ln  dem  vorgetragenen  Falle  war  die  Schwangerschaft  gewiss  einer 
schnellen  und  ausgiebigen  Resorption  des  Aetzmittels  günstig. 

Herr  Menge  protestiert  dagegen,  dass  die  Formalinätzung 
stärkere  Uteruskoliken  als  'die  Chlorzinkätzung  hervorrufen  soll.  Eine 
Schmerzwirkung  kommt  nur  durch  den  Formalinüberschuss  zu  stände, 
der  die  äusseren  Genitalien  netzt.  Er  warnt  nachdrücklich  vor  der* 
Braun  sehen  Spritze;  sie  ist  nicht  aseptisch  zu  machen.  25  nach - 
deren  Anwendung  bekannt  gewordene  Todesfälle  genügen  hin¬ 
reichend,  dieses  Instrument  zu  diskreditieren.  Eigentümlich  ist,  dass 
ein  so  starkes  Aetzmittel  wie  das  Chlorzink  es  ist,  so  geringe  bak¬ 
terizide  Eigenschaften  hat.  So  z.  B.  keimen  Milzbrandsporen,  die 
Tage  lang  in  Chlorzinklösung  gelegen  haben,  auf  Nährböden  gebracht, 
wieder  aus. 

Er  möchte  von  Herrn  Straub  wissen,  wie  diese  Erscheinung 
zu  erklären  sei. 

Herr  Straub  (a.  G.).  Hier  gilt  dieselbe  Theorie  wie  für  den 
vielzelligen  Organismus  nur  mit  der  äusseren  Einschränkung,  dass 
ein  Bakterienindividuum  nicht  die  Menge  Albumin  hat,  um  das  feste, 
primäre  Zinkalbuminat  aufzulösen;  dieses  bleibt  daher  als  indifferenter 
Fremdkörper  liegen. 

Herr  Hofmeier  benützt  seit  20  Jahren  die  Braun  sehe 
Spritze,  er  hat  niemals  etwas  Schlimmes  damit  erlebt.  Im  Uterus  sei 
keine  Wunde,  daher  schade  eine  mangelhafte  Aseptik  der  Spritze 
nichts;  überdies  werden  ja  auch  bei  jeder  Sondierung  Keime  aus  der 
Zervix  in  die  Uterushöhle  hineingeschleppt. 

Herr  Menge  fürchtet  sich  vor  Keimen  in  der  Zervix  nicht, 
da  dort  entweder  keine  oder  nur  Gonokokken  vorhanden  sind;  da¬ 
gegen  fürchtet  er  sich  vor  den  der  B  raun  sehen  Spritze  anhaftenden 
Keimen. 

Herr  Polano  hält  es  nicht  für  richtig,  wenn  man  immer  die 
widerstandsfähigsten  Organismen,  z.  B.  Milzbrandsporen,  als  Test¬ 
objekt  für  die  Leistungsfähigkeit  eines  Antiseptikums  benutzt.  Man 
soll  solche  Keime  wählen,  die  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  in  der 
Klinik  Vorkommen.  Da  es  jetzt  die  gut  sterilisierbaren  Rekord¬ 
spritzen  gibt,  werde  der  Einwand  M enges  hinfällig. 

Herr  Fla  tau  verwendet  auch  die  B  r  a  u  n  sehe  Spritze,  deren 
Ansatz  er  in  einer  Formalinatmosphäre  und  deren  gläsernen  Teil  er 
dauernd  in  Lysollösung  aufbewahrt.  Bezüglich  des  Auftretens  der 
Uteruskrämpfe  muss  er  Menge  Recht  geben;  er  hat  gefunden,  dass 
die  Formalinätzung  von  den  Kranken  viel  weniger  schmerzhaft  wie 
die  Chlorzinkätzung  empfunden  wird. 

Demonstrationen: 

Herr  Hofmeier  demonstriert:  1.  ein  neugeborenes  Kind  mit 
fast  totalem  Uterusprolaps,  Rektumprolaps  und  Meningozele.  2.  einen 
Uterus  mit  Andeutung  von  Bikornität,  Hämatometra  und  linksseitiger 
Häniatosalpinx;  da  niemals  Molimina  bestanden  hatten,  war  der 
Tumor  für  ein  Fibromyom  gehalten  worden.  Die  Blutansammlung  in 
der  linken  Tube  muss  in  dem  Falle  in  der  Tube  selbst  entstanden  und 
nicht  durch  Rückstauung  erfolgt  sein,  da  sich  die  Verbindung  zwischen 
Tube  und  Uterus  als  verschlossen  erwies. 

Herr  Polano  zeigt:  1.  ein  Sektionspräparat:  Uterus  gravidus 
im  7.  Monat  mit  Zwillingen  und  Placenta  praevia.  2.  Uterus  mit  Ad¬ 
nexen,  entfernt  in  einem  Fall  von  Pseudomyoma  peritonei.  Orga¬ 
nische  Verbindung  der  pseudomuzinösen  Massen  mit  der  Serosa  uteri. 
Die  Operation  liegt  3  Monate  zurück,  Der  Pat.  geht  es  gut. 

Herr  Menge  zeigt  1.  ein  Präparat  von  Schwangerschaft  im 
rudimentären  Nebenhorn  mit  Steinkindbildung.  Da  die  Patientin  eine 

Katastrophe  mit  peritonitischen  Symptomen  durchgemacht  hatte, 
wurde  eine  geborstene  Tubarschwangerschaft  angenommen.  Das 
Nebenhorn  ist  in  der  Funduspartie  geborsten.  Der  etwa  5  Monate 
alte  Fötus  ist  innerhalb  der  Eihäute  durch  die  Rupturstelle  aus¬ 
getreten.  2.  berichtet  er  über  einen  Fall  von  Vagina  duplex  und 
Uterus  duplex  bicornis.  Die  Patientin  machte  im  Anschluss  an  einen 
Abort  ein  mehrwöchiges  fieberhaftes  Puerperium  durch  und  litt  in 
der  Folgezeit  unter  beständigen  Schmerzen  in  der  linken  Seite.  Wäh¬ 
rend  man  den  rechten  Uterus  schlank  und  beweglich  fühlte,  war  der 
linke  Uterus  in  einen  knolligen  empfindlichen  Tumor  verwandelt.  Es 
wurde  angenommen,  dass  der  Tumor  dem  linken  Uterus  mit  dem  ad- 
härenten  entzündlich  veränderten  Ovarium  entspreche.  Die  Operation 
bestätigte  die  Diagnose:  Die  linke  Tube  war  ganz  normal,  das  linke 
Ovarium  war  in  einen  Eitersack  verwandelt,  der  bei  der  Operation 
platzte.  Im  Ausstrichpräparat  wurden  Streptokokken  nachgewiesen. 
Entfernung  des  Tumors  durch  supravaginale  Amputation  des  linken 
Uterus.  Keine  Drainage.  Die  Rekonvaleszenz  verlief  bis  auf  eine 
Eiterung  in  den  Bauchdecken  ungestört. 

Herr  Schwab  zeigt  mikroskopische  Präparate  und  Zeich¬ 
nungen  von  einem  Adenoinyom,  dessen  Drüsen  karzinomatös  entartet 
sind.  Das  grösste  Myom  lag  retrozervikal,  von  4  kleinen  Myomen, 
die  im  Fundus  uteri  lagen,  zeigten  2  dasselbe  histologische  Bild  wie 


20.  August  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1701 


das  retrozervikale  Myom,  während  die  beiden  anderen  die  Struktur 
eines  gewöhnlichen  Fibromyoms  erkennen  Hessen. 

Herr  Simon  zeigt:  1.  ein  kindskopf grosses  Fibromyom  der 
Scheide,  welches  er  während  der  Gravidität  entfernte.  2.  einen 
etwa  13  cm  langen  und  5  cm  dicken  fibromatösen  wiirstförmigen 
Tumor,  welcher  von  der  hinteren  Muttermundslippe  ausging  und  der 
merkwürdigerweise  ganz  plötzlich  der  Kranken  bemerkbar  wurde. 
3.  einen  etwa  enteneigrossen  Ovarialtumor  mit  Stieldrehung,  der 
starke  Beschwerden,  vor  allen  Dingen  Blasentenesmus,  hervorgerufen 
hatte.  4.  einen  gänseeigrossen  Ovarialtumor  maligner  Natur.  5.  eine 
gänseeigrosse  Parovarialzyste. 

Herr  Polano:  Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe.  (Der 
Vortrag  erscheint  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Simo n  kennt  eine  Patientin,  die  seit 
ihrer  letzten  Entbindung  vor  3  Vs  Jahren  eine  starke  Brustdrüsen- 
.  Sekretion  hat,  wiewohl  sie  nicht  stillt.  3  Jahre  nach  der  letzten  Ent¬ 
bindung  entstand  noch  eine  Mastitis,  welche  inzidiert  werden  musste. 
Seit  dieser  Zeit  ist  sie  auch  amenorrhoisch. 

Herr  Raether  -  Kissingen  teilt  mit,  dass  er  bei  der  Dysmenor¬ 
rhöe  vorzügliche  Erfolge  mit  Moorhalbbädern  erzielt,  die  aber  viel¬ 
fach  nur  vorübergehend  sind.  Es  fragt  sich  sehr,  ob  die  von  Polano 
angegebene  Methode  vor  Rezidiven  schützt. 

Herr  Menge  berichtet  über  eine  jugendliche  Patientin,  die 
er  schon  seit  geraumer  Zeit  wegen  starker  Dysmenorrhöen  mit  allen 
erdenklichen  Mitteln  ohne  jeden  Erfolg  behandelt.  Interessant  an 
dem  Fall  ist,  dass  zur  Zeit  der  Menses  bei  dem  jungen  Mädchen  im 
Gesicht  rote  Male  auftreten  und  dass  es  hier  zu  Blutaustritten 
kommt;  er  will  hier  die  von  Polano  empfohlene  Methode  ver¬ 
suchen 

Herr  Zacharias:  Kurze  Mitteilung  über  einen  Fall  von 
Kolpitis  emphysematosa.  (Mit  Demonstration  von  mikro¬ 
skopischen  Präparaten. 

Der  Vortragende  macht  zunächst  darauf  aufmerksam,  dass 
in  den  meisten  Lehr-  und  Handbüchern  v.  W  i  n  c  k  e  1  als  Ent¬ 
decker  dieser  Erkrankung  genannt  wird.  Das  ist  nicht  richtig, 
v.  W  i  n  c  k  e  1  hat  allerdings  diese  Affektion  anfangs  der  70  er 
Jahre  genauer  studiert  und  beschrieben;  es  existieren  jedoch 
Berichte  von  Ritgen  aus  den  30er  Jahren,  von  Hu  gier 
(1847)  und  C.  Braun  (1867),  die  mit  Deutlichkeit  erkennen 
lassen,  dass  die  Krankheit  bereits  viel  früher  bekannt  war. 
Nach  einer  kurzen  Skizzierung  des  Krankheitsbildes  der  Kolpitis 
emphysematosa  und  Mitteilung  der  verschiedenen  Theorien, 
welche  über  den  Sitz  der  Zysten  sowohl  wie  über  die  Art  und 
Entstehung  des  gasförmigen  Zysteninhaltes  aufgestellt  worden 
sind,  macht  er  darauf  aufmerksam,  dass  Qaszysten  nicht  allein 
in  der  Scheide  Vorkommen,  sondern  dass  die  pathologischen 
Anatomen x) 2)  auch  eine  Enteritis  cystica  und  analoge  Affek¬ 
tionen  in  der  Harnblase  und  in  der  Gallenblase  kennen. 

Dass  Mikroorganismen  als  Krankheitserreger  bei  der  Kol¬ 
pitis  emphysematosa  in  Betracht  kommen,  ist  durch  Eisen- 
lohr1),  Klein3),  Strauss4)  und  Lindenthal5)  nach¬ 
gewiesen  worden.  Es  gelang  diesen  Autoren  regelmässig,  sehr 
kleine  Kurzstäbchen,  die  bei  Luftabschluss  besser  gediehen  oder 
auch  obligat  anaerob  wuchsen  und  die  Gas  produzierten,  aus 
den  Zysten  zu  züchten.  Derselbe  Organismus  wurde  auch  im 
Schnittpräparat  nachgewiesen. 

Bei  dem  Fall  den  der  Vortragende  beobachten  konnte,  handelte 
es  sich  um  eine  22  jährige  II.  Gebärende  im  9.  Schwangerschafts¬ 
monat,  die  sich  vollständig  beschwerdefrei  fühlte.  Die  Untersuchung 
ergab:  Leichte  Entzündungserscheinungen  im  Introitus,  eine  deutliche 
schaumige,  vermehrte  Sekretion,  zahlreiche  einzeln  und  in  Gruppen 
stehende  stecknadelkopfgrosse  bis  erbsengrosse  Zysten  in  den  hin¬ 
teren  zwei  Dritteln  der  Scheide;  hier  waren  die  Zysten  beson¬ 
ders  an  der  hinteren  und  an  den  seitlichen  Scheidewänden  lokalisiert, 
während  die  Vorderwand  ziemlich  frei  blieb.  Es  wurden  zahlreiche 
bakteriologische  Untersuchungen  angestellt,  sowohl  mit  dem  Vaginal¬ 
sekret  als  auch  mit  Material,  welches  von  der  Innenwand  der  Zyste 
gewonnen  wurde.  Die  Zysten  wurden  teils  unter  entsprechenden 
Kautelen  in  situ  eröffnet,  teils  uneröffnet  exzidiert,  um  sie  im  Labora¬ 
torium  einwandsfreier  zu  bakteriologischen  Zwecken  zu  verwenden. 
Im  Scheidensekret  wurde  ein  gasbildender  Organismus  nachgewiesen, 
ein  kurzes  Stäbchen,  welches  Bakterium  coli  nicht  sein  konnte,  da 
gleichzeitig  angelegte  Bouillonkulturen  eine  negative  Indolreaktion 
ergaben.  Aus  den  Zysten  gelang  es  regelmässig  im  hochgeschichte¬ 
ten  Traubenzuckeragar  2  Organismen  zu  züchten,  und  zwar  solche,  die 
in  kleinen  Kolonien  in  der  Tiefe  wuchsen  und  welche  sich  im  Mikroskop 
als  aus  plumpen  Stäbchen  bestehend  erwiesen;  diese  Stäbchen  traten 


0  Eisenlohr:  Zieglers  Beiträge  1888,  Bd.  3,  S.  103. 

2)  Winands:  Zieglers  Beiträge  1895,  Bd.  17,  S.  38. 

3)  Klein:  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1891,  No.  31. 

4)  Strauss:  Inaug.-Dissert.,  Würzburg  1891. 

6)  Lindenthal:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1897,  H.  1  u.  2. 


teils  isoliert,  teils  in  Gruppen  zu  zweien  auf.  In  Stichkulturen  bilde¬ 
ten  sie  Ketten;  eine  Gasproduktion  wurde  hier  allerdings  niemals  be¬ 
obachtet.  Die  grösseren  oberflächlichen  Kolonien  bestanden  aus 
grossen  Kokken.  Material  aus  den  Zysten  auf  Bouillon  verimpft, 
zeigte  Bakterienwachstum  unter  Säurebildung.  Die  mikroskopische 
Betrachtung  des  Schnittes  durch  eine  Zyste  zeigt,  dass  dieselbe  nicht 
vollständig  subepithelial  liegt  und  dass  sie  keinen  eigenen  zelligen 
Wandbelag  hat.  In  der  Umgebung  der  Zyste,  vornehmlich  nach  dem 
Papillarkörper  zu,  ist  eine  mässige  kleinzellige  Infiltration  zu  be¬ 
merken.  In  den  kleineren  Zysten  sieht  man  wandständig  geronnene 
Massen,  die  wohl  als  entzündliches  Produkt  oder  als  Lymphe  auf¬ 
zufassen  sind.  Riesenzellen,  welche  nach  allen  in  der  Literatur  vor¬ 
liegenden  Mitteilungen,  und  zwar  massenhaft  in  der  Umgebung  der 
Zysten  Vorkommen  sollen  und  welche  in  dem  Präparat  von  Enteritis 
cystica,  welches  unter  dem  Mikroskop  aufgestellt  ist  und  dessen 
Ueberlassung  der  Vortragende  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 
Dr.  M  e  r  k  e  1  -  Erlangen  verdankt,  sehr  schön  zu  sehen  sind,  finden 
sich  nirgends.  An  den  Schnittpräparaten  wurden  zahlreiche  Fär¬ 
bungen  zur  Darstellung  von  Bakterien  ausgeführt,  und  zwar  nach 
Gram,  mit  L  ö  f  f  1  e  r  schem  Methylenblau,  mit  polychromem  Me¬ 
thylenblau,  mit  Säurefuchsin  und  Gentianaviolett.  Nach  keiner  dieser 
Methoden  gelang  es,  Bakterien  nachzuweisen.  Vielleicht  darf  man 
das  Fehlen  der  sonst  konstant  vorhandenen  Riesenzellen  als  Bestäti¬ 
gung  für  den  negativen  bakteriologischen  Befund  am  Schnittpräparat 
auffassen,  d.  h.  da  in  der  Umgebung  dieser  Zyste  Mikroorganismen 
nicht  oder  nicht  mehr  vorhanden  waren,  ein  Fremdkörperreiz  also 
fehlte,  kam  es  nicht  zur  Ansammlung  von  Riesenzellen. 

Als  Versammlungsort  für  die  nächste  Sitzung  wird  Bam¬ 
berg  bestimmt. 


Verein  Freiburger  Aerzte. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  April  1907. 

Herr  W.  Brünings:  Ueber  Technik  und  Instrumentarium  der 
Tracheo-bronchoskopie  und  der  Oesophagoskopie.  (Mit  Demon¬ 
strationen.) 

Vortragender  hat  in  dem  Instrumentarium  der  Killianschen 
Methode  zur  direkten  Untersuchung  der  oberen  Luftwege  und  der 
Oesophagoskopie  eine  Reihe  von  Neuerungen  eingeführt,  welche  eine 
Ei leichterung  der  Technik  und  eine  Vereinfachung  des  erforderlichen 
Instrumentariums  bezwecken.  Die  Verbesserungsversuche  erstrecken 
sich:  1.  auf  die  Konstruktion  und  Handhabung  der  endoskopischen 
Rohre,  2.  die  Konstruktion  und  Handhabung  der  Operationsinstru- 
mente,  3.  den  Beleuchtungsapparat. 

Ad  1.  Die  Hauptschwierigkeit  bei  der  Einführung  broncho- 
skopischer  Rohre,  welche  in  der  Passage  des  Larynx  gelegen  ist, 
wurde  von  Killian  gelegentlich  in  der  Weise  überwunden,  dass  er 
zueist  den  kurzen  abgeschrägten  Röhrenspatel  —  welcher  erfahrungs- 
gemäss  die  Glottis  leicht  passiert  —  in  die  Luftröhre  einführte  und 
dann  ein  dünneres  bronchoskopisches  Rohr  hindurchschob.  Vor¬ 
tragender  konnte  dieses  zur  Ueberwindung  schwieriger  Fälle  heran¬ 
gezogene  Verfahren  durch  Konstruktion  eines  neuen  zusammenge¬ 
setzten  und  verlängerbaren  Bronchoskops  zur  Normalmethode 
machen. 

Das  Eigenartige  des  neuen  Tubus  besteht  darin,  dass  in  dem  ab¬ 
geschrägten  Röhrenspatel  ein  gerade  endigendes  Innenrohr  gleitet, 
welches  nach  Einführung  des  Spatels  in  die  Luftröhre  mittels  einer  an 
dem  Innenrohr  befestigten  Uhrfeder  bis  zu  der  gewünschten  Tiefe  in 
den  Bronchialbaum  vorgeschoben  werden  kann.  Die  Uhrfeder  läuft 
dabei  in  einer  Ausfräsung  der  Spatelwand,  so  dass  das  Gesichtsfeld 
vollständig  frei  bleibt.  Da  sich  der  ausserhalb  des  Spatels  befindliche 
mehr  oder  weniger  lange  Teil  der  Uhrfeder  spiralig  aufrollt,  ist  auch 
die  nötige  Annäherung  von  Auge  und  Instrumenten  bei  jeder  Rohr¬ 
länge  ermöglicht.  Die  Uhrfeder  und  der  Röhrenspatel  tragen  Tei¬ 
lungen,  an  welchen  sich  die  Länge,  bis  zu  welcher  der  Tubus  ein¬ 
geführt  ist,  ablesen  lässt. 

Die  Bronchoskopie  gestaltet  .sich  bei  Verwendung  des  verlänger¬ 
baren  Tubus  wesentlich  einfacher  und  sicherer.  Das  gilt  nicht  nur 
für  die  Einführungstechnik,  sondern  auch  für  die  bronchoskopische 
Diagnose  und  Operation.  Die  erleichterte  Einführbarkeit  und  die 
Anpassung  an  die  anatomischen  Verhältnisse  —  der  weitere  Röhren¬ 
spatel  entspricht  der  weiteren  Trachea,  das  dünnere  Innenrohr  dem 
Bronchus  —  gestatten  nämlich  die  Anwendung  weit  dickerer  Rohre 
als  es  früher  möglich  war,  vergrössern  also  Gesichtsfeld,  Arbeitsraum 
und  Helligkeit.  In  demselben  Sinne  wirkt  die  mittels  der  Uhrfeder¬ 
verschiebung  für  jeden  Fall  einstellbare  optimale  d.  h.  minimale  Rohr¬ 
länge,  da  die  Grösse  des  Gesichtsfeldes  dieser  umgekehrt  propor¬ 
tional  ist. 

Das  zweite  Ziel  der  Verbesserungsversuche,  die  Vereinfachung 
des  erforderlichen  Instrumentariums,  ist  ebenfalls  in  weitgehendem 
Masse  erreicht.  Die  früheren  Bronchoskope  mussten  in  mindestens 
4  Weiten  und  in  je  3  Längen  vorhanden  sein,  wenn  man  allen  vor¬ 
kommenden  Fällen  vom  Säugling  bis  zum  erwachsenen  Mann  ge¬ 
recht  werden  wollte.  Dazu  kamen  die  verschiedenen  Röhrenspatel, 
die  teilbaren  Einführungsspatel,  die  Verlängerungstrichter.  Das  jetzige 
Instrumentarium  enthält  nur  4  Doppelrohre  in  den  Weiten  12,  10, 
8,5,  7  mm.  Die  Längen  der  Röhrenspatel  und  der  zusammengesetzten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


X.  u2 

— 

Tuben  sind  s.o  bemessen,  dass  auch  alle  vorkommenden  Fälle  von 
Oesophagoskopia,  Tracimoskopie,  unterer  Bronchoskopie,  direkter 
Hypopharyngoskopie  mit  den  4  Grössen  bewältigt  werden  können, 
kür  Üesophagoskopie  beim  Erwachsenen  ist  nocli  ein  Tubus  von 
14  mm  vorgesehen. 

Ad  2.  An  den  Operationsinstrumenten  hat  Vortragender  eine 
Reihe  von  Verbesserungen  ausgetiiiirt,  deren  wesentlichste  in  einem 
Verlängerungsmechanismus  besteht.  Die  eigenartige  Vorrichtung  er¬ 
möglicht  es,  während  der  Arbeit  die  Länge  der  Pinzette,  Kürette  etc. 
auf  die  jeweilige  Bronchoskoplänge  einzustellen.  Weitere  Vorzüge 
des  neuen  Instrumentes  liegen  in  der  Konstruktion  des  Griffes,  wel¬ 
cher  ohne  merklichen  Kraitauiwand  sowohl  ein  Schliessen  wie  ein 
aktives  Oeffnen  —  ein  Spreizen  —  der  Branchen  des  Instrumentes 
gestattet. 

Eine  Erleichterung  der  Handhabung  und  eine  Sicherung  des  Er¬ 
folges  wird  bei  der  jetzigen  Konstruktion  in  erster  Linie  durch  die 
Veränderlichkeit  der  Länge  erreicht,  da  sie  das  Arbeiten  mit  mög¬ 
lichst  kurzen  Instrumenten  und  vollständige  Annäherung  des  Auges 
an  das  Rohrende  ermöglicht.  Auch  der  Dilatationsmechanismus,  der 
zur  Lösung  eingekeilter  und  zum  Umfassen  obturierender  Fremdkör¬ 
per  dient,  sichert  im  Verein  mit  den  hier  nicht  näher  zu  beschreiben¬ 
den  neuen  Eassorganen  die  erfolgreiche  Behandlung  aspirierter  und 
verschluckter  Fremdkörper. 

Der  Verlängerungsmechanismus  vereinfacht  die  Ausrüstung  an 
Operationsinstrumenten  ähnlich  wie  bei  den  bronchoskopischen 
Röhren:  Eine  verlängerbare  Zange  ersetzt  3 — 4  Längen  des  älteren 
Modells.  Man  kann  mit  3  Instrumenten  (Krallenzange,  Löffelzange, 
Doppelkürette)  den  meisten  Aufgaben  gerecht  werden,  was  bei  der 
Kostspieligkeit  dieser  Instrumente  von  besonderer  Bedeutung  ist. 

Ad  3.  Die  nach  Ansicht  des  Vortragenden  bedeutungsvollste 
Neuerung  betrifft  die  Beleuchtungsfrage.  Die  Erfahrung  hat  gelehrt, 
dass  die  erfolgreiche  Handhabung  der  bisher  besten  Lichtquelle,  der 
K  i  r  s  t  e  i  n  sehen  Stirnlampe  dem  Anfänger  Schwierigkeiten  bereitet 
und  auch  später  fortgesetzter  Uebung  bedarf.  Das  ebenfalls  zur 
Bronchoskopie  verwendete  Casper  sehe  Panelektroskop  liefert  zu 
wenig  Licht,  hindert  bei  instrumenteilen  Arbeiten  und  macht  das  Ein¬ 
führen  starrer  Bougies  oder  Vorschieberohre  unmöglich.  Es  galt  also 
ein  Elektroskop  zu  bauen,  welches  die  Vorteile  der  mit  dem  Rohr 
verbundenen  Beleuchtung  —  dauernd  gute  Einstellung  des  Lichtes 
und  der  Stirnlampe,  unbehinderte  Führung  der  Instrumente  —  mit¬ 
einander  verbindet. 

Die  genaue  Konstruktion  dieses  Elektroskops  kann  im  Referat 
nicht  wiedergegeben  werden.  Die  hauptsächlichsten  Eigentümlich¬ 
keiten  sind:  1.  Die  Erzeugung  parallelstrahligen,  mit  der  Rohrachse 
genau  zusammenfallenden  Lichtes.  Erreicht  ist  dies  durch  Konstruk¬ 
tion  einer  Kohlenfaden-Glühlampe,  deren  Brennerform  der  Nernst- 
Projektionslampe  nachgebildet  ist,  durch  Anwendung  optisch  richtiger 
Kondensatoren,  welche  von  dem  Kreuzungspunkt  der  Glühstäbe  nahe¬ 
zu  parallelstrahliges  Licht  liefern,  und  durch  doppelte  Verstellbarkeit 
des  die  Lichtstrahlen  in  den  Tubus  reflektierenden,  zentral  durchbohr¬ 
ten  Planspiegels.  2.  Das  Durchstecken  von  Vorschieberohren  etc.  ist 
dadurch  ermöglicht,  dass  man  den  Reflexionsspiegel  zur  Seite  klap¬ 
pen  kann,  wonach  er  genau  in  die  alte  Lage  wieder  einschnappt. 
3.  Die  freie  Handhabung  der  Instrumente  bei  operativen  Arbeiten  er¬ 
forderte  einen  Mechanismus,  mit  dem  man  die  Lampe  genau  in  der 
Verlängerung  der  Rohrachse  von  dessen  oberem  Ende  entfernen 
kann.  Dieser  Mechanismus  war  technisch  gut  ausführbar:  die  Lampe 
kann  mit  einem  Griff  hochgezogen  werden  bis  zu  mehr  als  10  cm  Ab¬ 
stand  vom  oberen  Rohrende.  Dieser  Abstand  gibt  dem  Griff  der  ver¬ 
längerbaren  Instrumente  selbst  dann  noch  freien  Spielraum,  wenn  .sie 
um  10  cm  falsch  eingestellt  sind. 

Das  neue  Elektroskop  hat  die  Form  des  vom  Vortragenden  an¬ 
gegebenen  Bronchoskophandgriffes.  Es  gestattet  freie  Führung  der 
Instrumente  und  bringt  mehr  Licht  an  das  Rohrende  als  die  bisherigen 
Beleuchtungsmethoden.  Die  Einfachheit  der  Handhabung  macht  eine 
besondere  Uebung  unnötig. 

(Vorführung  einer  Bronchoskopie  am  .sitzenden  Patienten  mit 
dem  neuen  Instrumentarium.) 

Herr  v.  Eicken:  a)  Meine  Kasuistik  der  Bronchoskopie, 
b)  Ueber  Hypopharyngoskopie.  (Mit  Demonstrationen.)  (Die 
Vorträge  erscheinen  in  den  Berichten  des  Vereins  süddeutscher 
Laryngologen.) 

Herr  Killian:  a)  Ueber  den  Mund  der  Speiseröhre. 

Die  Speiseröhre  besitzt  an  ihrem  oberen  Ende  im  Bereiche 
des  Musculus  cricopharyngeus  und  eine  kurze  Strecke  nach  ab¬ 
wärts  davon  eine  Einrichtung,  welche  sich  ganz  ähnlich  ver¬ 
hält  wie  die  Cardia  des  Magens.  Die  Speiseröhre  wird  hier 
durch  tonische  Kontraktion  dauernd  geschlossen  gehalten  und 
öffnet  sich  nur  beim  Schlucken,  Würgen  und  Erbrechen,  durch 
Hemmung  der  tonischen  Innervation  der  Schliessmuskulatur. 
■Sehr  bemerkenswert  ist,  dass  der  Mund  der  Speiseröhre,  wenn 
er  klafft,  eine  halbmondförmige  Falte  zeigt,  die  dem  Beginne 
des  unteren  Drittels  der  Ringknorpelplatte  entspricht,  quer  über 
die  hintere  Rachenwand  zieht  und  sich  beiderseits  nach  vorn 
zu  der  genannten  Platte  hin  erstreckt.  Die  Falte  stellt  ein  Ana¬ 


logon  des  Passava  n  t  sehen  Wulstes  dar,  der  sich  am 
oberen  Ende  des  Constrictor  superior,  gegenüber  dem  Gaumen¬ 
segel,  bildet  und  den  Nasenrachen  abschliessen  hilft. 

Eine  Reihe  von  klinischen  Erscheinungen  finden  auf  Grund 
der  neuen  Beobachtungen  Killians  eine  einfache  Erklärung, 
und  ganz  besonders  gewinnt  die  Lehre  von  der  Entstehung 
der  Pulsionsdivertikel  der  Speiseröhre  an  Klarheit.  Es  er¬ 
gibt  sich  zugleich,  dass  diese  Divertikel  von  jetzt  an  als  Hypo¬ 
pharynxdivertikel  bezeichnet  werden  müssen,  weil  sie  über 
dem  Munde  bezw.  der  Lippe  dieses  Mundes  (d.  h.  der  genann¬ 
ten  halbmondförmigen  Falte)  gelegen  sind.  Die  Lippe  ist  iden¬ 
tisch  mit  dem,  was  Killian  früher  als  Schwelle  des  Diver¬ 
tikels  bezeichnet  hat. 

Die  K'i  1 1  i  an  sehen  Beobachtungen  sind  mit  Hilfe  ver¬ 
schiedener  Methoden  der  Hypopharyngoskopie  sowie  mit  der 
Oesophagoskopie  angestellt  und  werden  demnächst  ausführlich 
veröffentlicht. 

b)  Ueber  perineurale  Injektionen  anästhesierender  Lösun¬ 
gen  innerhalb  der  Nasenhöhlen. 

Die  Verteilung  der  Nervenäste  innerhalb  der  Nasenhöhlen 
ist  eine  verhältnismässig  einfache,  auch  sind  die  Hauptstämme 
leicht  zu  finden.  Am  Septum  sowohl  wie  an  der  lateralen 
Nasenwand  haben  wir  ein  vorderes  Gebiet,  welches  von  einem 
Aste  des  Nervus  ethmoidalis  versorgt  wird  und  ein  hinteres 
Gebiet,  das  seine  Nerven  aus  dem  Ganglion  spheno-palatinum 
erhält.  Der  Septumast  dieses  Ganglions  ist  der  bekannte  Ner¬ 
vus  nasopalatinus  Scarpae.  An  der  lateralen  Nasenwand  er¬ 
hält  jeder  einzelne  Teil  von  hinten  her  einen  besonderen  Ner¬ 
venast.  Vermittels  einer  Spritze,  die  mit  einer  langen  Nadel 
versehen  ist,  gelingt  es  leicht,  an  die  genannten  Nervenstämm- 
chen  einige  Tropfen  einer  leichten  Adrenalin-Kokainlösung  zu 
injizieren  und  so  die  bezüglichen  Versorgungsgebiete  unemp¬ 
findlich  zu  machen.  Diese  Art  der  Anästhesierung  hat  sich  sein- 
nützlich  erwiesen  bei  der  Killian  sehen  subinukösen  Septum¬ 
resektion  und  zur  Anästhesierung  der  Kieferhöhlenschleimhaut 
vor  der  Radikaloperation. 

c)  Die  Aetzung  der  4  Punkte. 

Bei  denjenigen  nasalen  Reflexneurosen,  die  unter  dem 
Namen  Rhinitis  vasomotorica  zusammengefasst  werden,  ein¬ 
schliesslich  des  Heuschnupfens  und  des  Asthma  bronchiale  na¬ 
salen  Ursprungs  lässt  sich  eine  Hyperästhesie,  insbesondere  der 
vorderen  Abschnitte  der  Nasenhöhlenschleimhaut  (insoweit  sie 
vom  Nervus  ethmoidalis  versorgt  wird)  nachweisen.  Dabei 
findet  man  eine  Stelle  im  Bereiche  des  vorderen  Endes  der 
mittleren  Muschel  und  eine  zweite  am  Tuberculum  septi  be¬ 
sonders  empfindlich.  Es  scheint,  dass  jederseits  von 
diesen  beiden  Stellen  aus  die  Reflexe  hauptsächlich  ausgelöst 
werden.  Aetzt  man  in  einer  Sitzung  alle  4  Punkte  auf 
einmal  mit  Trichloressigsäure,  so  erhält  man  in  vielen  Fällen 
inr  kürzere  oder  längere  Zeit  wesentliche  Besserungen  und 
selbst  Heilungen.  Killian  empfiehlt  dieses  Verfahren  auf  das 
wärmste. 

Sitzung  vom  17.  Mai  1907. 

Herr  Kraske:  Von  welchem  Einfluss  sind  die  neuen 
pathologisch-anatomischen  Untersuchungen  des  Wurmfort¬ 
satzes  auf  das  Verhalten  des  Arztes  bei  der  Epityphlitis. 

Di  kussion:  Herren  B  ä  u  m  1  e  r,  Br  i't  n  i  n  g,  R  o  o  s, 
W.  Hildebrandt,  A  s  c  h  o  f  f,  K  r  ö  n  i  g,  Kraske. 


Medizinischer  Verein  Greifswald. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  4.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Bleib  treu. 

Schriftführer:  Herr  Ritter. 

Herr  Sauerbruch:  a)  Ueberblick  über  die  Technik  der 
Operation  hochsitzender  Rektum-  und  Flexurkarzinoine. 

S.  bevorzugt  den  sakralen  Weg,  der  einen  ausreichenden 
Zugang  verschafft.  Die  Idealmethode  ist  die  von  Höchen- 
e  g  g  angegebene  sogen.  Dnrchziehmethode  mit  Erhaltung  des 
Sphinkter.  Letztere  hält  S.  für  so  wichtig  für  die  Kranken, 
dass  man  sie  nur  aus  ganz  zwingenden  Gründen  opfern  sollte. 
Nur  in  den  Fällen  hält  Vortr.  die  Laparotomie  für  indiziert, 
wo  Unklarheit  über  Grösse,  Sitz  und  Ausdehnung  des  Tumors 


1703 


besteht,  also  Orientierungslaparotomie,  event.  zur  Anlegung 

eineSb)AResektion' Darm  (1  m  Dünn-,  20  cm  Dickdarm) 
wegen  multipler  Darmfisteln  nach  Perityphlitis,  platte  Heilung. 

"  c)  Demonstration  einer  von  schwerer  Trigeminusneuralgie  durch 
F\stiroation  des  Ganglion  Gasseri  geheilten  Frau. 

E  Operation  nach  L  e  x  e  r  -  T  u  s  c  h  i  n  g  mit  temporarer  Resektion 
des  Jochbeins,  welche  eine  sehr  gute  Uebersicht  gewählt.  In  einem 
anderen  von  S.  operierten  Fall  genügte  dieser  Zugang  zur  Freilegung 

dU  ^He r r bp eY pe'r : 6 Ueber  Militärtauglichkeit  und  Säuglings¬ 
sterblichkeit.  , 

Die  Behauptung,  hohe  Sterblichkeit  wirke  im  Sinne  dei 

Darwinschen  Auslese,  wird  an  der  Hand  der  von  Prin¬ 
zin  g  hervorgehobenen  statistischen  Beläge  zurückgewiesen. 
Vortr  hat  für  den  Kreis  Greifswald  nachgewiesen,  dass  in  den 
Städten  des  Kreises  mit  hoher  Säuglings-  und  Kindersterb¬ 
lichkeit  die  Militärtauglichkeit  eine  geringere  ist,  als  auf  dem 
Lande,  wo  die  umgekehrten  Verhältnisse  vorliegen,  (erscheint 
in  der’ Deutsch,  militärärztl.  Zeitschr.) 

Herr  Mangold:  Physiologische  Beobachtungen  und 
Versuche  an  Echinodermen,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
des  Nervensystems. 

Bei  See-  und  Schlangensternen  können  abgetrennte  Arme 
sich  noch  bewegen,  ausdehnen,  ja  Fressbewegungen  machen, 
doch  beteiligen  sich  Arme,  deren  Nerv  an  der  Basis  durch¬ 
schnitten  ist,  nicht  an  den  Bewegungen  des  übrigen  Tieres, 
da  durch  die  Neurotomie  der  operierte  Arm  isoliert  wird. 
Nervenleitung  durch  die  Haut  existiert  nicht.  Die  Koordination 
der  Bewegungen  durch  die  Amelolakralfüsschen  wird  allein 
durch  den  zentralen  Nervenring  und  die  Radialnerven  ver¬ 
mittelt  und  geht  so  weit,  dass  sämtliche  Fiisschen  in  der 
gleichen  Richtung  schlagen,  auch  die,  welche  den  Boden  nicht 
berühren.  An  einigen  Seesternen  ruft  Reizung  stets  Er¬ 
schlaffung  der  Muskulatur  hervor,  während  sich  dieselbe  in  der 
Ruhe  langsam  kontrahiert. 

Sitzung  vom  1.  Juni  1907. 

Vorsitzender :  Herr  B  1  e  i  b  t  r  e  u. 

Schriftführer:  Herr  J  u  n  g. 

Herr  Ritter:  Ueber  Prostatektomie. 

Vortr.  berichtet  über  die  von  ihm  operierten  Fälle  von  Prostata¬ 
hypertrophie,  bei  denen  er  stets  die  perineale  Methode  anwandte. 
Er  stellt  einen  69  jährigen  und  einen  75  jährigen  geheilten  Patienten 
vor,  bei  denen  beiden  die  Urinentleerung  vollkommen  normal  vor  sich 
geht. 

Psychische  Störungen  nach  der  Operation  wurden  me  be¬ 
obachtet. 

Der  Eingriff  wurde  stets  unter  Lumbalanästhesie  ausgeführt  und 
die  Prostata  wenn  möglich  in  t  o  t  o  stumpf  ausgelöst.  Die  Blase 
wird  stets  breit  eröffnet  und  für  einen  Tag  drainiert.  Am  2.  1  age 
nach  der  Operation  sollen  die  Patienten  aufstehen.  Sobald  die  Wunde 
granuliert,  wird  die  Urethra  bougiert. 

Es  ist  fraglich,  ob  es  richtig  ist,  die  ganze  Drüse  zu  entfernen, 
vielleicht  sollte  man  nur  die  Seitenlappen  exstirpieren  und  den  Rest 
kauterisieren. 

Herr  Wittmaack:  Ueber  Schädigung  des  Gehörs  durch 
Schalleinwirkung. 

Bericht  über  eine  grössere  Zahl  von  Experimenten,  bei  denen 
es  ihm  sowohl  durch  länger  fortgesetzte  kontinuierliche  Schallein¬ 
wirkung  bei  gleichzeitiger  Knochenschallzuleitung,  als  auch  durch 
einmalige  bezw.  wiederholte  kurzdauernde  Schallwirkung  gelang,  bei 
Meerschweinchen  Gehörorganschädigungen  hervorzurufen.  Diese  be¬ 
stehen  in  Alteration  des  peripheren  Neurons  (Sinneszellen,  Nerven¬ 
zellen,  Ganglienzellen)  und  in  regressiven  Prozessen  in  der  Stützsub¬ 
stanz  des  C  o  r  t  i  sehen  Organs.  Bei  analogen  Erkrankungen  beim 
Menschen  handelt  es  sich  wahrscheinlich  um  eine  professionelle  bezw. 
Detonationsneuritis. 

(Erscheint  in  der  Zeitschr.  i.  Ohrenheilk.) 

Herr  L  a  n  d  o  i  s  zeigt: 

1.  Präparat  von  —  wahrscheinlich  syphilitischer  —  schwerer 
Leberzirrhose  mit  einem  hühnereigrossen  malignen  Leberadenom,  das 
von  den  Leberzellen  selbst  ausgegangen  ist. 

2.  Neuroma  myelinicum  gangliocellulare  der  Submukosa  des 
Magens,  haselnussgross  (zufälliger  Sektionsbefund). 

Herr  Runge  zeigt  einen  Acardius  acephalus  (Zwilling). 

Sitzung  vom  6.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Bleib  treu. 

Schriftführer:  Herr  Jung. 

Herr  P  ei  per:  Ueber  Pneumokokkenperitonitis  bei  Kindern. 

Bericht  über  einen  Fall  aus  der  Greifswalder  Kinderklinik. 
4  jähriges  Mädchen  erkrankte  unter  Fieber  und  heftigen  abdominalen 


Symptomen.  Eitererguss  in  der  Bauchhöhle  durch  Probepunktion 
festgestellt.  Im  Eiter  wurden  nur  Pneumokokken  konstatiert.  Breite 
Eröffnung  "und  Drainage  des  Abszesses,  Exitus  an  allgemeiner  Peri¬ 
tonitis.  Bei  der  Sektion  ergab  sich  als  Ausgangspunkt  eine  alte 
Pleuro-Pneumonie,  welche  zu  einem  subphrenischen  Abszess  und 
konsekutiv  zu  der  Pneumokokkenperitonitis  geführt  hatte. 

Herr  E.  Schul  tze:  Ueber  Dementia  praecox.  (Mit  Kranken¬ 
vorstellungen  und  Demonstrationen.) 

Vortr.  bespricht  den  heutigen  Stand  der  Lehre  der  Dementia 
praecox  und  belegt  seine  Ausführungen  durch  Voi  Stellung  verschie¬ 
dener  Kranker  und  Projektion  von  charakteristischen  Schriftstücken. 

Herr  Ritter:  Experimentelle  Untersuchungen  über  Ein¬ 
klemmung  von  Brüchen. 

Da  über  die  Entstehung  der  Brucheinklemmung  bisher  ge¬ 
nügend  klare  Anschauungen  nicht  bestehen,  hat  R.  an  Hunden 
Versuche  angestellt.  Wurde  eine  Darmschlinge  durch  einen 
engen  Ring  gesteckt  und  dann  durch  mechanische,  elektrische 
Reizung,  Adrenalin  oder  Umschnürung  ein  kräftiger  Kontrak¬ 
tionsring  hervorgerufen,  so  machte  die  Anämie  eine  Lähmung 
der  Darmwand,  die  dann  mehr  in  sich  aufnehmen  kann,  bald 
darauf  tritt  Hyperämie  und  Stauung  ein.  Auch  bei  Durch¬ 
pressen  einer  Schlinge  durch  einen  engen  Spalt  sieht  man  der 
Anämie  bald  eine  Stauungshyperämie  folgen,  die  dann  zur 
dauernden  Behinderung  der  weiter  gewordenen  Schlinge  führt. 
Die  Versuche  werden  am  lebenden  Hund  demonstriert  und 
zahlreiche  Präparate  vorgelegt. 


Köln. 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu 

(Bericht  des  Vereins.) 

VIII.  Sitzung  vom  29.  April  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Horn:  Diagnose  und  Therapie  der  Ovarialtumoren  in  der 
Schwangerschaft. 

Herr  Horn  berichtet  zunächst  über  2  Fälle: 

1.  30  jährige  Frau,  die  2  normale  Geburten  und  2  Aborte  durch¬ 
machte.  Gerufen  am  8.  XII.  03.  Letzte  Menstruation  am  8.  X.,  aber 
schwächer  als  sonst.  Seit  4  Wochen  heftige,  krampfartige  Schmerzen 
im  Leibe  links  unten,  so  dass  sie  kaum  stehen  kann.  Uterus  ver- 
grössert,  nach  rechts  gedrängt  durch  eine  linksseitige,  das  Scheiden¬ 
gewölbe  etwas  vorbuchtende,  weiche  Geschwulst  von  Kinderfaust¬ 
grösse.  Der  Befund  wird  in  Chloroformnarkose  anderen  Tages  be¬ 
stätigt,  daher  in  selber  Narkose  Laparotomie.  Differentialdiagnose 
schwankt  zwischen  linker  Tubargravidität  und  linke  m 
Ovarialtumor  in  graviditate  mit  Stieldrehung. 
Links  von  dem  etwas  nach  rechts  verlagerten  Uterus  liegt  unter  der 
normalen  Tube  eine  multilokuläre,  in  das  kleine  Becken  eingekeilte 
Ovarialzyste  in  Verwachsungen  eingebettet.  Abtragung  des  Tumors 
nach  Losschälung  aus  den  Verwachsungen,  extraperitoneale  Lagerung 
des  Stumpfes  soweit  möglich.  Etagennaht,  Verband.  Verlauf  gut, 
Heilung  per  primam.  Nach  8  Tagen  stellt  sich  Blutung  ein,  die  sich 
allmählich  so  verstärkt,  dass  am  30.  XII.  in  Chloroformnarkose  der 
Abort  manuell  entfernt  wird;  leichte  Ausschabung,  intrauterine  Spü¬ 
lung  und  Tamponade.  11.  1.  gesund  entlassen.  Pat.  ist  seit  Mitte 
November  1906  wieder  in  graviditate. 

Sehr  ungemütlich  war  die  kurz  nach  der  Laparotomie  nötige 
Ausräumung  des  Uterus.  Hätte  die  Diagnose  sicher  Tubargravidität 
einerseits,  andererseits  Stieldrehung  des  Ovarialtumors  —  der  Tumor 
war  eingekeilt  ins  Becken  und  adhärent,  daher  die  Schmerzen  — 
ausschliessen  können,  so  hätte  man  natürlich  abwarten  dürfen,  dann 
später  bei  beginnendem  Abort  ausräumen  und  nach  einiger  Zeit  die 
Laparotomie  anschliessen  können.  In  Anbetracht  der  Sachlage  und 
der  gestellten  Diagnose  musste  sofort  laparotomiert  werden. 

2.  20  jährige  Kaufmannsfrau,  am  29.  VII.  04  vom  Kollegen  über¬ 

wiesen.  Am  5.  III.  Zangenentbindung,  stillte  2  Monate.  15.  V.  letzte 
Menstruation,  8  tägig,  stark;  scharfer,  gelber  Fluor.  Gleich  hinter 
der  Symphyse  liegt  der  vergrösserte  Uterus  (II.  mens.),  hinter  ihm 
im  Douglas  eine  längliche,  birnenförmige  Geschwulst;  rechtes 
Ovarium  normal.  Different. ialdiagnose:  linke  Tubar¬ 
gravidität  oder  linker’  Ovarialtumor  in  gravidi¬ 
tate  mit  grosser  Beweglichkeit  des  Stieles  (also 
Torsionsgefahr).  13.  VIII.:  In  Chloroform-Aethernarkose  Laparotomie. 
Der  Tumor  liegt  in  Mannsfaustgrösse  (Wachstum  in  graviditate  hier 
sicher!)  vor  dem  vergrösserten,  weichen  (II.  mens.)  Uterus  au 
langem,  leicht  beweglichem  Stiel.  Ueber  der  Ovarialzyste  war  die 
Tube  lang  und  posthornartig  ausgezogen.  Exstirpation  leicht;  extra¬ 
peritoneale  Versenkung  des  Stieles  durch  Uebernähung  mit  Peri¬ 
toneum.  3  fache  Etagennaht,  Verband.  Verlauf  tadellos.  Normale 
Entbindung  ohne  meine  Hilfe,  weil  ich  den  Abort  nicht  eingeleitet 
hatte  (Pat.  hatte  sich,  wie  ich  nachträglich  hörte,  nur  zu  dem 
Eingriffe  entschlossen,  weil  sie  annahm,  die  Frucht  würde  mitent¬ 
fernt).  ,  .... 

Während  in  Fall  1  heftige  Schmerzen  die  Frau  zum  Arzt  fuhren 
und  die  Operation  infolge  der  Diagnose  erfordern,  nach  der  Laparo¬ 
tomie  der  Abort  auftritt,  hat  die  2.  Patientin  keinerlei  Beschwerden, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


die  Gravidität  bleibt  post  laparotomiam  bestehen.  Trotzdem  war 
im  Falle  2  die  Operation  rücksichtlich  des  langgestielten  Tumors, 
der  bei  der  ersten  Untersuchung  im  Douglas  und  bei  der  Operation 
anteuterin  lag,  absolut  nötig  in  Hinblick  auf  Gefahr  der  Torsion  in 
gravid,  weniger  als  in  puerperio.  Dass  in  Fall  1  die  Frucht  nicht  zu 
halten  war,  ist  wohl  nicht  dem  Eingriffe  zuzuschreiben.  Pat.  hatte 
schon  2  Aborte,  die  jedenfalls  prädisponierend  wirkten.  Hinzu  kam 
die  Einklemmung  des  adhärenten  Ovarialtumors,  die  sehr  oft  Abort 
herbeiführen  soll.  Vielleicht  waren  die  Schmerzen  ante  opera- 
tionem  schon  teilweise  auf  Kosten  des  beginnenden  Aborts  zu  setzen. 

Diagnose,  vor  allem  die  Differentialdiagnose  und  Therapie  — 
unter  allen  Umständen  die  Operation  —  wird  besprochen.  Die  vor¬ 
dere  Kolpotomie  wird  verworfen,  die  hintere  für  geeignete  Fälle 
empfohlen,  die  Laparotomie  bevorzugt.  Erwähnt  werden  2  Fälle  von 
Follikel-Lutein-Zysten  bei  Blasenmole,  die  in  beiden  Fällen  nach 
Ausräumung  des  Uterus  unter  genauer  Beobachtung  zurückgingen, 
ohne  weitere  Erscheinungen  und  somit  ihre  Harmlosigkeit  bewiesen. 
Mau  wartet  deshalb  bei  ihnen  mit  der  Operation,  bezw.  hat  sie  nicht 
nötig,  im  Gegensatz  zu  den  Ovarialtumoren  bei  normaler  Gravidität, 
die  sofort  zu  operieren  sind. 

Diskussion:  Herr  Füth:  Ich  stehe  gleichfalls  auf  dem 
Standpunkte,  dass  ein  Ovarialtumor  in  der  Schwangerschaft  die 
Laparotomie  indiziert  und  möchte  kurz  von  einem  Falle  berichten, 
in  welchem  ich  eine  Schwangerschaft  des  2.  bis  3.  Monats  und  links 
neben  dem  Uterus  einen  kleinen  Ovarialtumor  diagnostiziert  hatte. 
Ich  beschloss,  den  Tumor  einige  Zeit  zu  beobachten,  aber  8  Tage 
später  kam  die  Frau  in  die  Klinik  und  musste  sofort  wegen  ge¬ 
platzter  Tubargravidität  operiert  werden.  Selbst  bei  offener  Bauch¬ 
höhle  war  der  Uterus  noch  so  gross,  dass  eine  gleichzeitige  intra¬ 
uterine  Gravidität  angenommen  wurde;'  später  ging  aber  nur  eine 
Dezidua  ab.  Wie  auch  der  Vortragende  schon  ausführte,  ist  eben  die 
Differentialdiagnose  zwischen  intrauteriner  Gravidität  mit  Ovarial¬ 
tumor  und  Tubargravidität  mit  sekundärer  Vergrösserung  des  Uterus 
oft  nicht  leicht. 

Der  Standpunkt,  dass  ein  Ovarialtumor  in  der  Gravidität  die 
Entfernung  bedinge,  wird  nicht  überall  geteilt,  aber  ich  bin  darauf 
angesichts  der  verhältnismässig  zahlreich  miterlebten  Fälle,  in  denen 
intra  partum  Uterusruptur  wegen  Einkeilung  des  Ovarialtumors  ein¬ 
getreten  war,  immer  wieder  zurückgekommen.  Und  was  die  Aborte 
nach  der  Operation  angeht,  so  ist  ja  mit  Recht  darauf  hingewiesen, 
dass  eben  in  einem  bestimmten  Prozentverhältnis  auch  sonst  Unter¬ 
brechung  der  Schwangerschaft  beobachtet  wird.  Dann  möchte  ich 
an  den  Herrn  Vortragenden  noch  eine  Frage  richten,  die  das  recht¬ 
liche  Verhältnis  zwischen  Arzt  und  Patientin  betrifft.  Er  sprach  da¬ 
von,  dass  er  oft  in  Narkose  untersucht  und  daran  unter  Umständen 
sofort  einen  Eingriff  angeschlossen  hat.  Ich  möchte  fragen,  ob  er 
sich  vorher  stets  die  Einwilligung  geben  lässt  oder  welche  Vorsichts- 
massregeln  er  sonst  trifft. 


Medizinische  ^Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Juni  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Curschtnann, 
Schriftführer;  Herr  Ri  ecke. 

Herr  M  a  r  c  h  a  n  d  demonstriert  folgende  Geschwulstpräparate: 

1.  Grosses  doppelseitiges  Ovarialkystom  mit  ungewöhnlich  aus¬ 
gedehntem  Pseudomyxoma  peritonei. 

Die  jetzt  62  Jahre  alte  Frau  hatte  vor  10  Jahren  Stärkerwerden 
des  Leibes  bemerkt;  seit  Weihnachten  1906  trat  sehr  viel  stärkere 
Zunahme  ein,  die  sich  bald  so  steigerte,  dass  die  Frau  unfähig  zu 
gehen  war,  sich  auch  nicht  mehr  selbst  im  Bett  umdrehen  und 
schliesslich  kaum  noch  etwas  gemessen  konnte.  Sie  starb  wenige 
läge  nach  ihrer  Aufnahme  in  das  Krankenhaus  unter  zunehmenden 
Stauungserscheinungen.  Trotz  der  im  Laufe  der  letzten  Monate  er¬ 
folgten  Abmagerung  des  Körpers  betrug  das  Gewicht  der  Leiche 
noch  129  kg  bei  einer  Körperlänge  von  157  cm  und  einem  Leibes¬ 
umfang  von  153  cm.  Die  enorme  Auftreibung  des  Bauches  erhielt 
noch  ein  besonders  eigentümliches  Aussehen  durch  einen  dicken 
russelartigen  Vorsprung  von  11  cm  Länge  und  etwa  Faustdicke  am 
Nabel,  einen  stark  vorgetriebenen  Nabelbruch.  Der  Abstand  des 
Proc.  xiphoideus^  bis  zum  oberen  Rande  dieses  Nabelbruches  betrug 
5J  cm,  bis  zur  Symphyse  85  cm.  Es  bestand  ziemlich  hochgradiger 
Exophthalmus;  die  Haut  des  Gesichts  war  dunkel  gerötet.  Bei  der 
durch  Dr.  Verse  ausgeführten  Sektion  am  6.  VI.  07  (No.  776)  ent¬ 
leerte  sich  aus  der  Bauchhöhle  eine  dunkel  blutig  gefärbte,  mit  vielen 
gallertigen  Massen  gemischte  Flüssigkeit,  im  ganzen  20  Liter.  Die 
untere  Brustapertur  war.  sehr  weit,  so  dass  die  Interkostalräume 
stark  zusammengeschoben  waren,  und  die  5.  Rippe  rechts  über  die 
4.  Rippe  gedrängt  war.  Der  grösste  Teil  der  Bauchhöhle  war  durch 
zwei  kolossale,  den  Ovarien  .  angehörige  zystische  Tumoren  von 
20  kg  Gewicht  eingenommen;  die  Länge  des  rechten  Ovarialtumors 
war  30  cm,  die  Breite  19,5,  die  grösste  Dicke  12  cm.  Die  Masse  des 
sehr  viel  grösseren  linken  Tumors  waren  50  cm,  30  cm  und  28  cm. 

Die  beiden  hier  vorliegenden  Tumoren  haben  im  ganzen  noch 
die  Form  der  Ovarien,  ihre  Oberfläche  ist  grösstenteils  glatt  und 
glanzend;  sie  sind  sehr  dünnwandig,  so  dass  sie  bei  der  Herausnahme 
leicht  einrissen.  Sie  bestehen  aus  einer  grossen  Anzahl  ebenfalls 


dünnwandiger  Zysten  von  sehr  verschiedenem,  meist  beträchtlichem 
Umfang.  Ihre  Konsistenz  ist  fluktuierend,  doch  entleert  sich  aus  den 
eröffneten  Zysten  nur  zäher  gallertiger  Inhalt,  keine  Flüssigkeit.  Auch 
auf  einem  später  angelegten  Durchschnitt  zeigen  beide  Tumoren 
eine  sehr  gleichmässige  Zusammensetzung  aus  meist  grossen,  dünn¬ 
wandigen  Zysten,  zwischen  denen  nur  stellenweise  kleinere,  zum  Teil 
auch  dickwandige  Zystchen  Vorkommen. 

Der  zwischen  beiden  Tumoren  gelegene,  mit  dem  linken  ziemlich 
fest  verwachsene  Uterus  ist  vergrössert,  besonders  verlängert  (13  cm 
lang),  auch  beide  Tuben  sind  sehr  lang  ausgezogen. 

Besonders  eigentümliche  Verhältnisse  bietet  das  gesamte  Peri¬ 
toneum;  das  grosse  und  kleine  Netz  ist  sehr  dick  und  vollständig  mit 
durchsichtigen,  gelblichen,  gallertigen  Klumpen  durchsetzt,  die  wie 
grosse  Beeren  überall  vorspringen;  ein  dicker  Netzstrang  ist  in 
dem  Nabelbruchsack  fixiert,  den  er  zum  Teil  ausfüllt;  ebenso  ist  auch 
dessen  Innenfläche  mit  ähnlich  durchscheinenden  gallertigen  Massen 
besetzt.  Gleiche  Massen  haften  an  der  Oberfläche  des  Peritoneum 
in  der  Excavatio  utero-vesicalis  und  retrouterina  und  erstrecken  sich 
weiter  aufwäfts  auf  die  Oberfläche  des  Uterus  und  die  Ligamenta 
lata.  Die  Leber  ist  mit  der  unteren  Fläche  des  Zwerchfells  durch 
eine  Schicht  durchscheinender  gallertiger  Massen  verbunden,  die  auch 
die  noch  freien  Teile  der  Oberfläche,  zum  Teil  in  Gestalt  einzelner 
von  einer  glatten  Membran  überzogener,  flachrundlicher,  durchschei¬ 
nender  Knoten  bedecken,  und  sich  auch  besonders  in  der  Nachbar¬ 
schaft  der  Gallenblase  vorwölben.  Auch  die  Milz  ist  durch  eine  ähn¬ 
liche  gelatinöse  Schichte  mit  dem  Zwerchfell  und  der  Nachbarschaft 
verwachsen;  die  Innenfläche  der  Bauchwand  ist  mit  einer  festhaften¬ 
den,  teils  gallertigen,  teils  hämorrhagischen  Schicht  überzogen.  Am 
Colon  descendens  hängen  durchscheinende,  gelbliche,  gallertige 
Knoten,  wie  vergrösserte  Appendices  epiploicae,  denen  sie  auch  tat¬ 
sächlich  entsprechen. 

Die  Affektion  macht  zunächst  den  Eindruck  einer  sehr  ausge¬ 
dehnten  Metastasenbildung  eines  Gallertkarzinoms,  doch  unterschei¬ 
den  sich  die  grösseren  durchsichtigen,  weichen  Knoten  von  solchen 
schon  durch  ihr  homogenes,  gleichmässiges  Aussehen  und  die  feine 
membranöse  Umhüllung;  beim  Durchschneiden  zeigen  diese  Massen 
einen  homogenen  geleeartigen  Inhalt,  der  an  vielen  Stellen  zum  Teil 
am  Netz  frei  hervorquillt,  bei  etwas  derberen  Knoten  aber  von 
feinen  Fasern  und  Gefässen  durchzogen  ist. 

Dementsprechend  izeigt  auch  die  mikroskopische  Untersuchung 
nirgends  grössere  Mengen  epithelialer  Zellen,  die  den  Eindruck  einer 
selbständigen  Wucherung  machen;  meist  finden  sich  in  dem  galler¬ 
tig.611  Gewebe  der  Knoten  feine  Bindegewebsfasern  und  dichtere 
Bündel  von  solchen,  die  in  radiärer  Richtung  von  der  Basis  gegen 
die  Oberfläche  ziehen  und  hier  mit  der  begrenzenden  Membran  Zu¬ 
sammenhängen  oder  ein  unregelmässiges  Fachwerk  bilden.  Mit  den 
basern  verlaufen  feine  Blutgefässe,  die  sich  auch  oft  an  der  Ober¬ 
fläche  verbreiten.  Dazwischen  liegen  grössere,  stark  fettig  ent¬ 
artete  Zellen  von  länglicher  oder  rundlicher  Form,  ohne  bestimmtem 
Charakter.  In  den  weichen  Gallertmassen  fehlen  die  Bindegewebs¬ 
fasern. 

Die  dünnwandigen  Zysten  der  beiden  Kystome  sind  mit  einem 
einschichtigen  Epithel  bekleidet,  dessen  Zellen  teils  platt,  teils  zylin¬ 
drisch  und,  von  der  Fläche  gesehen,  sehr  polymorph  sind.  Diese 
Zellen  sind  eigentümlich  körnig,  nicht  durch  Fetttröpfchen,  sondern 
duich  mattglänzende  undeutlich  abgegrenzte  Sekretklümpchen  aus¬ 
gefüllt.  Bemerkenswert  ist  die  sehr  zähe,  gallertige,  überall  gleich- 
massig  durchscheinende,  gelbliche  Inhaltsmasse,  die  sich  von  dem 
gewöhnlichen  Verhalten  des  Pseudomuzin  der  Ovarialkystome  durch 
eine  sehr  starke  Muzinreaktion,  vollständige  Fällung  durch 
Essigsäure  auszeichnete;  die  in  destilliertem  Wasser  flockig  verteilte 
Gallerte  gibt  beim  Kochen  fast  keine  Trübung  der  Flüssigkeit,  bei  Zu- 
satz  von  Essigsäure  ballen  sich  diese  Flocken  zu  weissen,  festeren 
Massen  zusammen.  Ebenso  tritt  unter  dem  Deckglas  eine  vollständig 
streifige  Ausfällung  durch  Essigsäure  ein  (Paramuzin). 

Aus  dem  ganzen  makro-  und  mikroskopischen  Verhalten  der 
gallertigen  Massen  am  Peritoneum  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dass 
es  sich  um  ein  ungewöhnlich  umfangreiches  Beispiel  von  Pseudo¬ 
myxom  handelt,  wie  es  zuerst  von  Werth  so  treffend  geschildert  ist. 
Dei  Austritt  der  gallertigen  Massen  aus  den  Kystomen,  die  sich  teil— 

\\  eise  noch  frei  in  der  Peritonealhöhle  fanden,  hat  wahrscheinlich 
mehrfach  statgefunden,  wodurch  sich  die  stärkere  Zunahme  des  Um¬ 
fangs  im  Laufe  des  letzten  halben  Jahres  erklärt.  Frische  und  ältere 
Einrisse  der  Zystenwände  waren  bei  der  Sektion  nicht  sicher  zu 
unterscheiden,  da  auch  bei  der  Herausnahme  der  sehr  dünnwandigen 
Geschwülste  leicht  Rupturen  eintraten,  aus  denen  sich  reichliche 
Gallertmassen  entleerten. 

2.  Melanotische  Geschwulst  an  der  Plantarfläche  der  4.  Zehe  des 
rechten  Fusses  mit  verbreiteten  Metastasen  auf  dem  Lymphwege. 

Die  Geschwulst  hatte  sich  bei  der  jetzt  60  jährigen  Frau  aus 
einem  Pigmentfleck  entwickelt.  In  der  rechten  Leistengegend  hatte 
sich  ein  grosser  Drüsentumor  gebildet,  so  dass  eine  Operation  aus¬ 
sichtslos  erschien.  Der  Tod  erfolgte  plötzlich  an  Lungenembolie  am 
10.  Juni  vorm.  Die  Sektion  ergab  folgenden  Befund: 

Die  Geschwulst  an  der  4.  Zehe,  4,5  cm  lang,  3  cm  breit,  hat 
etwas  pilzförmig  überhängende  Ränder  und  ist  oberflächlich  ulze- 
riert,  ziemlich  derb  und  tiefschwarz  pigmentiert.  An  der  Basis  der 
Zehe  finden  sich  in  der  Nachbarschaft  mehrere  Gruppen  schwarzer, 
an  der  Oberfläche  hervortretender  Knötchen.  Von  hier  aus  ziehen 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1705 


nach  aufwärts  bis  etwa  zur  Mitte  des  Fussrückens  mehrere  variköse 
Stränge,  -die  etwas  bläulich  -durch  die  Haut  hindurchschimmern  und 
am  meisten  an  kleine  variköse,  thrombosierte  Hautvenen  erinnern. 
Grössere  variköse  Venen  finden  sich  an  beiden  Unterschenkeln  zu¬ 
gleich  mit  rötlichbraun  pigmentierten  Narben.  An  der  Innenfläche 
des  rechten  Unterschenkels  kommen  sehr  zahlreiche  intensiv 
schwarze  Knötchen  und  Punkte  in  der  Haut  zm  Vorschein,  ähnliche 
sehr  kleine,  wie  eingesprengte  Pulverkörner  aussehende  schwarze 
Punkte  an  der  Innenfläche  des  Oberschenkels.  Beim  Ablösen  der 
Haut  des  Fussrückens  erweisen  sich  die  varikösen  Stränge  augen¬ 
scheinlich  als  sehr  ungleichmässig  ausgedehnte,  mit  intensiv  schwarzer 
Masse  gefüllte  Lymphgefässe,  deren  Dicke  bis  zu  5 — 8  mm  beträgt: 
die  stärkeren  Anschwellungen  hängen  zum  Teil  nur  durch  ganz  feine 
schwarze  Fäden  zusammen.  Von  hier  aus  lassen  sich  mehrere  stark 
verdickte  und  intensiv  schwarze  Lymphgefässe  an  der  medialen  Seite 
des  Unterschenkels  und  des  Oberschenkels  bis  zu  den  stark  ge¬ 
schwollenen  Inguinaldrüsen  verfolgen;  an  der  Innenfläche  der  Haut, 
in  der  Gegend  der  kleinen  schwarzen  Knötchen,  sind  ebenfalls  zahl¬ 
reiche  kleine  schwarze  Lymphgefässe  erkennbar.  Die  Dicke  des 
Hauptstranges  beträgt  stellenweise  mehrere  Millimeter.  Die  bis  zum 
Umfange  von  Walnüssen  und  mehr  vergrösserten  Drüsen  erstrecken 
sich,  nach  aufwärts  allmählich  abnehmend,  an  der  hinteren  Bauchwand 
nach  aufwärts  zu  beiden  Seiten  der  Aorta;  links  finden  sich  ebenfalls 
mehrere  Drüsen  'derselben  Beschaffenheit;  alle  sind  tiefschwarz  und 
so  weich,  -dass  sich  beim  Durchschneiden  eine  teerartige  Masse  ent¬ 
leert.  Beide  Schenkelvenen  sind  nach  aufwärts  bis  zur  Iliaca  com¬ 
munis  mit  teils  frischeren,  teils  älteren  bräunlichroten  Thromben  ge¬ 
füllt,  ganz  frei  von  Geschwulstmassen,  doch  kommen  stellenweise 
neben  den  grossen  Gefässen  feine  schwarze  Lymphgefässe  zum  Vor¬ 
schein.  Die  Mesenterialdrüsen  sind  frei  von  Pigment;  dagegen  sind 
einige  Bronchialdrüsen  stark  geschwollen,  tief  schwarz  und  weich, 
auch  im  vorderen  Mediastinum  treten  einige  kleine  schwarze  Lymph¬ 
knötchen  hervor;  ferner  sind  die  linken  Axillardrüsen  grösstenteils 
stark  bohnengross  und  schwarz,  von  den  rechten  nur  einige.  Der 
Ductus  thoracicus  ist  frei. 

Trotz  'dieser  ausserordentlich  weiten  Verbreitung  der  Ge¬ 
schwulstmasse  auf  dem  Lymphwege  sind  nirgends  Metastasen  in  den 
Organen,  die  auf  eine  Verbreitung  durch  Blutgefässe  zurückzuführen 
wären,  vorhanden. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  weichen 
schwarzen  Masse  zeigt  überall  gut  erhaltene  polygonale,  durchaus 
epithelartig  aussehende  Zellen  mit  mehr  oder  weniger  dunkelbraun 
oder  schwärzlich  pigmentiertem  Zellkörper  und  hellem  Kerne  mit 
grossen  Nukleolen.  Aus  denselben  Elementen  besteht  die  Fullungs- 
masse  -der  Lymphgefässe.  Ein  gefärbter  Schnitt  aus  der  primären 
Geschwulst  der  Zehe  zeigt  ein  unpigmentiertes  bindegewebiges 
Stroma  mit  zahlreichen  kleinen  Bindegewebszellen,  hie  und  da 
stärkere  Anhäufung  kleiner  Rundzellen  und  reichliche  staik  ge¬ 
füllte  geschlängelte  Gefässe,  besonders  in  der  Nähe  der  ulzeiieiten 
Oberfläche.  Das  bindegewebige  Gerüst  schliesst  sehr  zahlreiche, 
scharf  abgegrenzte  rundliche  und  längliche  Hohlräume  ein,  die  die¬ 
selben  polygonalen,  teilweise  pigmentlosen,  meist  aber  dunkel  pig¬ 
mentierten  Zellen  enthalten,  welche  die  Räume  in  dei  Regel  ganz 
ausfüllen,  stellenweise  aber  in  einer  Reihe  der  Wand  autsitzen, 
während  sie  im  Innern  locker  angehäuft  sind.  Die  Räume  bilden  ein 
zusammenhängendes  Kanalsystem,  das  augenscheinlich  den  Lympli- 
bahnen  entspricht.  Die  Anordnung  der  Zellen  ist  vollständig  die 
eines  epithelialen  Tumors,  den  man  also  als  typisches  Melano¬ 
karzinom  bezeichnen  kann.  Die  ganz  ungewöhnlich  verbreitete 
Füllung  der  Lymphgefässe  mit  pigmentierten  Zellen  erinnert  an  die 
bekannte  Karzinose  der  subpleuralen  Lymphbahnen  bei  Karzinom  des 
Magens. 

Herr  Eber:  Ueber  die  im  Veterinärinstitute  mit  dem 

v.  Behringschen  Tuberkuloseimmunisierungsverfahren  bis 

jetzt  erzielten  Erfolge. 

Nach  den  klassischen  Untersuchungen  v.  Behrings  und 
seiner  Mitarbeiter,  die  inzwischen  durch  zahlreiche  andeie 
Autoren  (H  u  t  y  r  a,  V  a  1 1  e  e,  R.  Koch  und  Schütz, 
v.  Baumgarten  etc.)  bestätigt  worden  sind,  kann  es  kei¬ 
nem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Widerstandskraft  junger  Rin¬ 
der  gegen  eine  künstliche  (subkutane  oder  intravenöse)  Infek¬ 
tion  mit  virulentem  tuberkulösen  Materiale  durch  Vorbehand¬ 
lung  mit  Tuberkeilbazillen  der  verschiedensten  Herkunft  nicht 
unwesentlich  erhöht  werden  kann.  Fraglich  ist  es  nur,  ob  der 
so  erlangte  Impfschutz  von  genügender  Stärke  und  hinreichen¬ 
der  Dauer  ist,  um  auch  bei  der  zwar  langsam  wirkenden,  aber 
darum  nicht  minder  gefährlichen  natürlichen  Infektion  wirksam 
zu  bleiben.  Bekanntlich  hat  v.  Behring  diese  F'rage  bejaht 
und  bereits  Ende  1903  einen  Impfstoff  (menschliche  Tuberkel¬ 
bazillen  von  bestimmter  Herkunft  in  Pulverform,  später 
Bovo vakzin  genannt)  für  die  Schutzimpfung  der  Kälber 
in  der  Praxis  zur  Verfügung  gestellt. 

Um  ein  Urteil  über  die  Wirksamkeit  des  v.  Behring¬ 
schen  Tuberkulose-Schutzimpfungsverfahrens  gegenüber  der 


natürlichen  Infektion  zu  erlangen,  standen  uns  zwei  Wege 
offen:  1.  der  durch  die  Praxis  selbst  gewiesene  Weg  der  Kon¬ 
trolle  möglichst  zahlreicher  sorgfältig  ausgewählter  und  unter 
den  verschiedenartigsten  Verhältnissen  in  der  Praxis  aufge¬ 
zogener  Impflinge  vermittels  der  Tuberkulinprobe,  sowie  durch 
Sektion  bezw.  Schlachtung;  2.  der  an  sich  zwar  kürzere,  aber 
kostspieligere  Weg  des  verstärkten  natürlichen  Infektionsver¬ 
suches  durch  Verbringung  einer  Anzahl  immunisierter  und 
nicht  immunisierter  Rinder  in  Verhältnisse,  unter  denen  sie 
wiederholt  und  jedesmal  hinreichend  lange  Zeit  hindurch  in 
verstärktem  Masse  der  natürlichen  Tuberkuloseansteckung 
ausgesetzt  werden,  und  Abschlachtung  des  gesamten  Bestan¬ 
des  nach  einer  nicht  zu  kurz  bemessenen  Beobachtungszeit. 

Da  der  zuletzt  genannte  verstärkte  natürliche 
Infektionsversuch  gegenwärtig  abgeschlossen  vorliegt 
und  ein  ziemlich  eindeutiges  Ergebnis  gehabt  hat,  so  sei  er  an 
erster  Stelle  mitgeteilt. 

Es  standen  zu  diesem  Versuche  4  immunisierte  Rinder 
und  3  nicht  immunisierte  Kontrollrinder  zur  Verfügung,  welche, 
in  zwei  Gruppen  eingeteilt,  in  die  Versuchsstallungen  des  Insti¬ 
tuts  eingestellt  und  im  Verlaufe  dreier  Versuchsperioden  mit 
zahlreichen  durch  subkutane  Einimpfung  tuberkulösen  Mate¬ 
rials  tuberkulös  gemachten  Rindern  in  möglichst  innige  Be¬ 
rührung  gebracht  wurden.  Durch  regelmässiges  Umstellen  der 
Versuchstiere  wurde  dafür  gesorgt,  dass  alle  Tiere  der  Reihe 
nach  annähernd  die  gleiche  Zeit  hindurch  in  unmittelbarer  Nähe 
der  meist  mit  grossen  tuberkulösen  Abszessen  behafteten  Infek¬ 
tionstiere  zu  stehen  kamen. 

Die  erste  Infektionsperiode  währte  von  Anfang 
Mai  bis  Ende  November  1905.  Als  Infektionstiere  dienten  nach¬ 
einander  6  Rinder,  von  denen  3  mitten  zwischen  den  Versuchs¬ 
rindern  verendeten  und  2  schwer  krank  getötet  wurden. .  Ein 
Infektionsrind  überstand  die  wiederholten  schweren  Infektionen 
mit  virulentem,  vom  Rinde  stammenden  Materiale  und  erwies 
sich  auch  später  immun  gegen  künstliche  Einverleibung  tubei  - 
kulösen  Materials.  Ende  November  1905  reagierten  die  3  nicht 
immunisierten  Kontrollrinder  auf  Tuberkulin  typisch,  während 
die  4  immunisierten  Rinder  keine  Reaktion  zeigten.  Sämtliche 
Rinder  wurden  zur  bequemeren  Ueberwinterung  auf  ein  Ritter¬ 
gut  bei  Leipzig  übergeführt  und  in  einem  besonderen  Stalle 

verpflegt.  _  .  J  ....  . 

Die  zweite  Infektionsperiode  wählte  von  An¬ 
fang  April  bis  Mitte  Dezember  1906.  Bei  der  Rückkehr  nach 
Leipzig  reagierte  nur  noch  1  Kontrollrind.  Es  standen  nach¬ 
einander  wiederum  6  Infektionstiere  zur  Verfügung,  von  denen 
3  im  Laufe  des  Versuchs  verendeten  und  3  für  die  dritte  Infek¬ 
tionsperiode  reserviert  wurden.  Mitte  Dezember  1906  reagier¬ 
ten  von  den  Kontrollrindern  2  positiv  und  von  den  immunisiei- 
ten  1  zweifelhaft. 

Es  wurde  daher  sofort  ein  dritter  Infektions- 
versuch  angeschlossen,  welcher  von  Mitte  Dezember  1906 
bis  Ende  Februar  1907  dauerte  und  sich  dadurch  von  den  frühe¬ 
ren  Versuchen  unterschied,  dass  nunmehr  alle  7  Versuchs¬ 
rinder  nebst  den  inzwischen  geborenen  4  Kälbern  zusammen 
mit  3  Tnfektionstieren  in  einem  gemeinsamen,  höchstens  für  6 
bis  8  Rinder  ausreichenden  Stalle  unangebunden  sich  selbst 
überlassen  wurden.  Der  Stall  musste  nach  Beendigung  des 
Versuches  völlig  neu  hergerichtet  werden,  so  sehr  war  alles 
durch  den  hohen  Feuchtigkeits-  und  Ammoniakgehalt  der  Luft 
verquollen  und  angegriffen.  Wir  wollten  durch  diese  Ver¬ 
suchsanordnung  eine  Verschlimmerung  älterer  tuberkulöser 
Herde  und  günstige  Bedingungen  für  erneute  Infektionen  her¬ 
beiführen.  Bei  der  Mitte  Februar  vorgenommenen  .  Tuber¬ 
kulinprobe  reagierte  ein  immunisiertes  Rind  und  ein  nicht  im¬ 
munisiertes  Kontrollrind.  Von  den  4  Kälbern,  welche  vor  Ein¬ 
stellung  in  den  gemeinsamen  Versuchsstall  reaktionsfrei  be¬ 
funden  waren,  reagierte  eines.  Zur  Feststellung  des  Ergeb¬ 
nisses  wurden  sämtliche  Versuchstiere  Ende  Februar  bezw. 

Anfang  März  1907  geschlachtet. 

Das  Ergebnis  der  Schlachtung  lässt  sich  dahin 
zusammenfassen,  dass  s  ä  m  m  1 1  i  c  h  e  Versuchstiere, 
immunisierte  und  nicht  immunisierte,  tuber- 
kulöse  Veränderungen  auf  wiesen.  Von  den  3  nicht 
immunisierten  Kontrollieren  zeigte  eines  nur  eine  umschrie¬ 
bene  tuberkulöse  Hyperplasie  einer  Mesenteriallymphdruse; 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


zwei  zeigten  ausser  tuberkulöser  Hyperplasie  der  bronchialen 
bezw.  mediastinalen  Lymphdriisen  noch  tuberkulöse  Lungen¬ 
herde  (in  einem  Falle  einen  walnussgrossen,  im  anderen  Falle 
5  erbsen-  bis  haselnussgrosse  Knoten),  eines  ausserdem  noch 
geringgradige  Tuberkulose  der  Mesenteriallymphdrüsen.  Von 
den  4  immunisierten  Rindern  zeigten  zwei  nur  tuberkulöse  Ver¬ 
änderungen  in  den  bronchialen  bezw.  mediastinalen  Lymph- 
driisen  und  zwei  ausserdem  noch  je  einen  hühnereigrossen 
tuberkulösen  Herd  in  der  Lunge. 

Ein  durchgreifender  Unterschied  in  dem 
Verhalten  der  immunisierten  und  nicht  im¬ 
munisierten  Rinder  konnte  somit  bei  diesem 
verstärkten  natürlichen  Infektionsherd  nicht 
konstatiert  werden. 

Der  Vortragende  wendet  sich  nunmehr  den  Ergeb¬ 
nissen  z  u,  we  1  c  h  e  in  der  Praxis  selbst  durch 
Kontrolle  möglichst  zahlreicher,  sorgfältig 
ausgewählter  Impflinge  vermittels  der  Tu¬ 
berkulinprobe  oder  durch  Sektion  bezw. 
Schlachtung  festgestellt  worden  sind.  Auch 
hier  ist  ein  auffallendes  Missverhältnis  zwischen  den  erwarteten 
und  den  tatsächlich  festzustellenden  Erfolgen  schon  jetzt  her¬ 
vorgetreten. 

Die  praktischen  Immunisierungsversuche  wurden  auf  zwei 
grösseren  Zuchtwirtschaften  in  der  Altmark  im  Januar  1904 
begonnen  und  allmählich  auf  8  Güter  mit  den  verschieden¬ 
artigsten  wirtschaftlichen  Verhältnissen  ausgedehnt.  Auf 
7  Gütern  war  es  möglich,  die  Tuberkuloseverseuchung  vor  Be¬ 
ginn  der  Schutzimpfung  genau  zahlenmässig  festzulegen.  Die 
ermittelten  Tuberkuloseziffern  schwankten  zwischen  43,8  Proz. 
und  100  Proz. 


In  den  3  Berichtsjahren  (1904 — 1906)  wurden  insgesamt 
213  Rinder  mit  Bovovakzin  genau  nach  Vorschrift  schutz¬ 
geimpft.  10  Rinder  starben  vor  Ausführung  der  zweiten,  be¬ 
kanntlich  3  Monate  nach  der  ersten  vorzunehmenden  Impfung. 
Von  diesen  wurden  6  seziert.  Die  Sektion  ergab  3  mal  Darm¬ 
entzündung,  2  mal  Lungenentzündung  und  1  mal  Leukämie. 
1  uberkulöse  Veränderungen  wurden  bei  keinem  Tiere  fest¬ 
gestellt.  In  den  4  nicht  sezierten  Fällen  gaben  die  Besitzer 
Darmentzündung  als  Todesursache  an.  Bei  203  Tieren  wurde 
die  Schutzimpfung  vorschriftmässig  zu  Ende  geführt.  Die  Ent¬ 
wicklung  der  Impflinge  nach  der  Schutzimpfung  war  fast  aus¬ 
nahmslos  eine  gute. 

Um  ein  Urteil  über  die  Wirksamkeit  der 
Schutzimpfung  zu  erlangen,  wurden  Ende  1906  bezw.  An¬ 
fang  1907  auf  den  Versuchsgütern  Tuberkulinprüfungen  bei  den 
noch  vorhandenen  vorschriftsmässig  immunisierten  Rindern 
ausgeführt.  Es  wurden  insgesamt  148  Rinder  mit  Tuberkulin 
geprüft.  Von  diesen  reagierten  56  =  37,8  Proz.  Auf  die  ver¬ 
schiedenen  Altersklassen  verteilen  sich  die  reagierenden  Tiere 
wie  folgt: 


von  70  Rindern  im  Alter  von  V2— P/2  Jahren  reagierten  19  =  27,1  Proz 
»  49  „  „  „  P/2—2  „  „  22  =  44,9  „ 

”  *  »  -  2— 3'/2  „  „  15  =  57,7  „ 

-  3  „  „  „  „  31/2-4V2  -  „  0  =  0 


Bilden  wir  entsprechend  der  Nutzung  der  Rinder  nur 
2  Altersklassen,  nämlich  eine  für  die  Rinder  im  Alter  von  14  bis 
2  Jahren  und  eine  für  die  über  2  Jahre  alten  Rinder,  so 
reagierten  von  119  Rindern  der  ersten  Klasse  41  =  34,5  Proz. 
und  von  29  Rindern  der  zweiten  Klasse  15  =  51,7  Proz.  Bei 
81  Rindern  war  mindestens  1  Jahre  nach  der  letzten  Schutz¬ 
impfung  verflossen.  Von  .diesen  reagierten  37  =  45,7  Proz. 
Bei  67  Rindern  waren  erst  2—9  Monate  nach  der  letzten 
Schutzimpfung  verflossen.  Es  reagierten  von  ihnen  19 
:  28,4  Proz,  Diese  Zahlen  entsprechen  durchaus  den  Ver¬ 
seuchungsprozenten,  die  man  auch  ohne  Anwendung  des 
Schutzimpfungsverfahrens  in  stark  tuberkulösen  Rinder¬ 
beständen  anzutreffen  pflegt.  Es  ist  daher  die  Schutz¬ 
impfung  ohne  erkennbaren  Einfluss  auf  die 
mit  dem  Alter  und  der  gesteigerten  w  i  r  t  - 
sch  1 1 1  i  c  h  e  n  Ausnutzung  zunehmende  Tu¬ 
berkuloseverseuchung  des  Nachwuchses  ge¬ 
blieben. 

Auch  ein  Blick  auf  die  Erfolge,  welche  im  einzelnen 
auf  den  verschiedenen  Gütern  unter  Einwirkung  der  *so  ver¬ 


schiedenartigen  wirtschaftlichen  Verhältnisse  erzielt  worden 
sind,  lässt  keinen  Zweifel,  dass  auf  zwei  Gütern  ein  völ¬ 
liges  Versagen  der  Schutzimpfung  und  auf  den 
übrigen,  mit  Ausnahme  eines  einzigen,  besondere  Verhältnisse 
bietenden  Gutes,  zum  mindesten  kein  nennenswerter 
Rückgang  in  der  Tuberkuloseansteckung  des 
Nachwuchses  zu  verzeichnen  ist. 

Durch  Sektion  bezw.  Schlachtung  konnten  bis 
jetzt  im  ganzen  19  F  ä  1 1  e  kontrolliert  werden.  I  n  9  F  ä  1 1  e  n 
(47,4  Proz.)  wurden  tuberkulöse  Verände¬ 
rungen  festgestellt,  und  zwar:  5 mal  generalisierte 
I  uberkulöse,  2  mal  Bronchialdrüsentuberkulose,  1  mal  Lungen¬ 
tuberkulose,  1  mal  Mesenterialdrüsentuberkulose.  In  10  Fällen 
(52,6  Proz.)  fanden  sich  keinerlei  tuberkulöse  Veränderungen 
vor.  In  4  Fällen  war  der  Schutzimpfung  eine  Tuberkulinprobe 
vorausgegangen,  welche  negativ  ausgefallen  war.  Unter 
diesen  wurde  in  einem  Falle  generalisierte  Tuberkulose  fest¬ 
gestellt.  In  den  übrigen  3  Fällen  wurden  tuberkulöse  Ver¬ 
änderungen  nicht  ermittelt. 

Der  Vortragende  bespricht  dann  eingehend  die  9  Fälle, 
in  denen  durch  die  Sektion  tuberkulöse  Veränderungen,  zum 
J  eil  sogar  von  erheblicher  Ausdehnung  (Demonstration)  fest¬ 
gestellt  wurden.  Wenn  auch  zuzugeben  ist,  dass  bei  einer  nicht 
geringen  Anzahl  von  Fällen  der  Verdacht  bestehen  bleibt,  dass 
bereits  zur  Zeit  der  Schutzimpfung  tuberkulöse  Herderkran¬ 
kungen  bei  den  Impflingen  vorhanden  waren,  so  bleiben  doch 
selbst  bei  peinlichster  Ausscheidung  aller  dieser  Fälle  minde¬ 
stens  2  Fälle  übrig,  bei  denen  ein  Versagen  der 
rechtzeitig  und  vorschriftsmässig  ausge¬ 
führten  Schutzimpfung  einwandsfrei  auch 
durch  die  Obduktion  bestätigt  worden  ist.  Die 
Obduktionsbefunde  ergeben  weiterhin  die  Tatsache,  dass  eim 
allerdings  erst  im  Alter  von  8  Monaten  schntzgeimpftes,  aber 
auf  Tuberkulin  nicht  reagierendes  Rind  trotz  der  Schutz¬ 
impfung  an  ausgebreiteter  generalisierter  Tuberkulose  zu¬ 
grunde  gegangen  ist,  und  endlich  die  Erfahrung,  dass  bei  Aus¬ 
führung  deb  Schutzimpfung  bereits  vorhandene  tuberkulöse 
Herderkrankungen  sicher  nicht  immer  im  Sinne  einer  Heilung 
günstig,  eventuell  sogar  im  Sinne  einer  Beschleunigung  des 
tuberkulösen  Prozesses,  d.  h.  ungünstig  beeinflusst  werden. 

Der  Vortragende  schliesst  seine  Darlegungen  mit  folgender 
Schlussbetrachtung : 

Weder  die  Ergebnisse  des  verstärkten  natürlichen  Infek¬ 
tionsversuches,  noch  die  Erfahrungen  bei  der  Kontrolle  der  in 
der  Praxis  zur  Durchführung  gelangten  Immunisierungen  be¬ 
rechtigen  zu  der  Annahme,  dass  den  Rindern  durch  das 
v.  Behring  sehe  Tuberkulose-Schutzimpfungsverfahren  ein 
ausreichender  Schutz  gegen  die  natürliche  Tuberknlose- 
ansteckung  verliehen  wird. 

Es  ist  möglich,  dass  bei  den  schutzgeimpften  Tieren  eine 
gewisse  Zeit  hindurch  eine  erhöhte  Widerstandsfähigkeit  auch 
gegenüber  der  natürlichen  Ansteckung  besteht  (vergl.  die  Tu¬ 
berkulinprobe  am  Ende  der  ersten  Infektionsperiode  im  ver¬ 
stärkten  natürlichen  Infektionsversuch).  Zweifellos  aber  reicht 
dieser  Impfschutz  in  der  überwiegenden  Zahl  der  Fälle  bei  fort¬ 
gesetzter  oder  in  längeren  Pausen  wiederholt  eintretender 
natürlichen  Infektionsgefahr  nicht  aus,  um  die  Impflinge  vor 
den  Folgen  der  Ansteckung  zu  bewahren. 

Es  erscheint  daher  aussichtslos,  mit  Hilfe 
des  Schutzimpfungsverfahrens  allein  die 
Rindertuberkulose  in  stark  verseuchten  Be¬ 
ständen  zu  bekämpfen. 

Weitere  Beobachtungen  in  der  Praxis  müssen  lehren,  in 
wie  weit  das  Schutzimpfungsverfahren  als  Hilfsmittel 
im  Verein  mit  anderen  auf  die  Verminderung  der  Ansteckungs¬ 
gefahr  hinzielenden  Massnahmen  (Ausmerzung  der  mit  offener 
Tuberkulose  behafteten  Tiere,  Aufzucht  der  Kälber  mit 
pasteurisierter  Milch  oder  mit  der  Milch  notorisch  gesunder 
Kühe  (Ammenmilch),  Wiedereinführung  des  Weideganges  zum 
mindesten  für  das  Jungvieh  etc.)  imstande  ist,  in  dem  schweren 
und  mühseligen  Kampfe  gegen  die  Rindertuberkulose  gute 
Dienste  zu  leisten. 

Die  ausführliche  Veröffentlichung  der  Versuchsergebnisse 
wird  im  Zentralblatt  für  Bakteriologie,  Bd.  44,  erfolgen. 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1707 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Magdeburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  April  1907. 
Vorsitzender :  Herr  Un verricht. 


Herr  Wendel.  1.  Demonstrationen  aus  ider  Gelenkchirurgie. 

Vorstellung  eines  Palles  von  dreifacher  Fraktur  der  Patella  durch 
Hufschlag,  welcher  unblutig  mit  Heftpflasterverband  behänden  wurde. 
Wie  das  Röntgenbild  beweist,  erfolgte  knöcherne  Heilung.  Die  Punk¬ 
tion  des  Kniegelenkes  ist  vollkommen  normal.  Der  Patient  bezieht 
von  der  14.  Woche  nach  dem  Unfall  eine  Uebergangsrente  von  zehn 
Prozent  wegen  geringer  Atrophie  des  Quadrizeps.  Die  gi  osste  Dif¬ 
ferenz  des  Oberschenkelumfangs  an  entsprechenden  Stellen  betragt 
4  Monate  nach  der  Verletzung  2  cm.  Der  vorgestellte  Patient  steigt 
mit  dem  verletzten  Bein  voran  mühelos  auf  einen  Stuhl,  steigt  lang¬ 
sam  und  ohne  Unterstützung  mit  dem  nichtverletzten  Bein  voiau 

"'^Vorstellung  eines  Falles  von  Querfraktur  des  rechten  Olekranon 
an  jer  Basis.  Auch  hier  unblutige  Behandlung  mit  Heftpflaster.  Der 
Patient  bezieht  überhaupt  keine  Rente,  weil  er  alle  Arbeiten  wie  voi 
der  Verletzung  seit  der  11.  Woche  nach  dem  Unfälle  verachtet.  Pi 
ist  Schlosser  im  Krupp-Gruson-Werke.  Die  vollkommen  normale 
Punktion  des  Gelenkes  und  die  nach  dem  Röntgenbilde  ideale, 
knöcherne  Heilung  ohne  Dislokation  werden  demonstriert. 

In  beiden  Fällen  'ist  frühzeitig  massiert  und  nach  der  Konsoli¬ 
dation  energisch  mit  Massage,  Heissluft  (B  i  e  r),  Bewegungsubungen 

nachbehandelt  worden.  ,  ,  , 

Ein  Fall  von  veralteter  Querfraktur  des  rechten  Olekranon,  dicht 
über  der  Basis,  ist  blutig  behandelt  worden.  Hier  war  die  Fraktur, 
welche  8  Monate  zurückliegt,  nicht  erkannt  worden.  Das  obere 
Fragment  hatte  sich  um  90°  gedreht  und  .war  mit  dei  Bruch¬ 
fläche  in  der  Fossa  olecrani  des  Oberarmbeins  fest  geworden.  Am 
18  Februar  1907  wurde  es  blutig  losgelöst  und  nach  Anfrischung  die 
Bruchstücke  durch  2  Silbernähte  vereinigt.  Heilung  p.  p.  Verband 
zuerst  in  Streckstellung,  nach  14  Tagen  in  immer  stärkerer  Beugung. 
Gleichzeitig  Massage  und  Bewegungsübungen.  I  atient  verliess 
genau  4  Wochen  nach  der  Operation,  am  18.  März,  gegen  ärztlichen 
Rat  das  Krankenhaus  und  nahm  seine  Arbeit  als  Maurer  wieder  auf. 

Er  stellt  sich  zum  ersten  Mal  für  diese  Demonstration  wieder  vor. 
Das  Röntgenbild  ergibt  knöcherne  Heilung  ohne  Dislokation.  Das 
rechte  Ellenbogengelenk  bleibt  bei  maximaler  Streckung  15  tmit 
Winkelmesser  gemessen)  hinter  der  anderen  Seite  zurück,  doch  tragt 
der  Patient  ohne  Schwierigkeiten  gefüllte  Wassereimer  mit  dem 
rechten  Arme.  Alle  übrigen  Bewegungen  sind  ganz  normal  (Demon¬ 
stration).  Uebergangsrente  zehn  Prozent.  .  ,  . 

Pathologische  Luxation  des  linken  Ellenhogengelenkes  infolge 
von  Syringomyelie.  Aus  der  Vorgeschichte  ist  von  Interesse.  I  aticn  , 
ein  Mann  von  66  Jahren,  ist  erblich  nicht  belastet.  In  seinem  18. 
Jahre  Verletzung  des  linken  Ellenbogengelenkes  durch  eine  Brunnen¬ 
winde.  Seitdem  ist  die  Bewegungsfähigkeit  behindert.  Im  20.  Jahre 
Phlegmone  des  linken  Vorderarmes.  Im  23.  Jahre  Verbrennung  des 
linken  Oberarmes.  Im  28.  Jahre  Panaritium  am  linken  Mittelfinger 
mit  Nekrose  der  Endphalanx  und  Verkrüppelung  des  Fingers  geheilt. 
Im  30.  Jahre  Pneumonie.  Im  51.  Jahre  nach  Sturz  in  der  Scheune 
Kyphoskoliose.  3  Wochen  vor  der  Operation  entstand  spontan  ein 
Ulcus  am  linken  Ellenbogen,  welches  Eiter  und  Synovia  in  grosser 
Menge  entleerte.  Die  Untersuchung  ergibt  Rigidität,  Verkürzung  und 
Verkrüppelung  fast  sämtlicher  Finger.  Dextrokonvexe  Kyphoskoliose 
der  Brustwirbelsäule.  Luxation  des  linken  Vorderarmes  nach  hinten 
mit  starker  Verdickung  und  Deformation  der  Gelenkenden,  zahl¬ 
reichen  freien  Gelenkkörpern.  Am  Olekranon  ein  bran¬ 
diges  Geschwür,  dessen  Umgebung  vollkommen  anästhetisch  ist.  L  le 
Muskeln  beider  Hände,  besonders  der  Daumenballen,  und  die  Vor  dei  - 
muskeln  sind  hochgradig  atrophisch.  Bei  erhaltener  Tastempfindung 
deutliche  Hyperalgesie  und  Thermanästhesie. 

Es  wurde  die  Resektion  ausgeführt.  Heilung  mit  aktivem 

Schlottergelenk.  .  .  n 

Bemerkenswert  ist  besonders  die  grosse  Anzahl  (einige  dreissig) 
freier  Gelenkkörper  von  Erbsen-  bis  Walnussgrösse,  welche  man  b.el 
den  tabischen  Arthropathien,  besonders  des  Kniegelenkes,  häutig 
findet,  welche  aber  bei  Syringomyelie  eine  grosse  Seltenheit  sind. 

2.  Demonstrationen  aus  der  Nierenchirurgie.  _ 

Kongenitaler  rechtsseitiger  Nierentumor  bei  einem  3  jährigen 
Mädchen,  ein  sogenanntes  Adenosarkom  (B  i  r  c  h  -  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  . 
Der  Tumor  sass  der  Niere  auf  und  hatte  diese  durch  Druck  stark 
verkleinert,  war  aber  durch  eine  Kapsel  von  ihr  geschieden.  Dahei 
keine  Urinveränderungen,  aber  typischer  Palpationsbefund.  I  ei 
Tumor  wurde  mit  der  Niere  durch  Lendenschnitt  entfernt.  Glatte 
Operation.  Das  Kind  wurde  in  der  4.  Woche  nach  der  Operation 
mit  völlig  geheilter  Wunde  entlassen.  Es  ist  über  ein  Jahr  lang  in 
Kontrolle  gewesen  und  ist  bisher  völlig  gesund.  Demonstration  des 
Präparates  und  mikroskopischer  Schnitte.  Kurzes  Referat  über  den 
jetzigen  Standpunkt  über  die  Genese  dieser  Mischgeschwülste 
(W  i  1  m  s,  R  i  b  b  e  r  t). 

Ein  Fall  von  Grawitzschem  Tumor  der  rechten  Niere  bei 
einem  45  jährigen  Manne.  Die  Krankheit  bestand  seit  einem  Jahre; 
sie  war,  wie  gewöhnlich,  durch  starke  Hämaturien  ausgezeichnet.  Die 
Zystoskopie,  Ureterenkatheterismus  und  besonders  die  Chrotno- 


zystoskopie  ergaben  eine  sichere  Diagnose  der  Geschwulst,  der  Seite 
und  der  Funktionsverhältnisse  der  anderen  Niere.  Die^  Operation 
wurde  gleichfalls  vom  Lendensclmitt  aus  gemacht.  Der  Tumor  infil¬ 
trierte  die  obere  Hälfte  der  Niere,  die  untere  Nierenhälfte  war  un¬ 
verändert  und  deshalb  die  Palpation  negativ  gewesen.  Der  sehr  her- 
untergekommene  Patient  hat  sich  ausserordentlich  geki  ciftijrt*  Pi  hat 
innerhalb  von  3  Monaten  nach  der  Ooeiatiou  22  Pfund  zugenommen. 

Demonstration  des  Patienten  und  des  Präparates. 

Rechtsseitige  eitrige  Sackniere,  entstanden  nach  Verletzung  des 
Harnleiters  bei'  Gelegenheit  einer  gynäkologischen  Operation  vor 
2  Jahren.  Die  Stenose  im  Ureter  sass  10  cm  oberhalb  der  Blase.  Del¬ 
his  zu  ihr  vorgeschobene  Katheter  entleeitc  reinen  F.iter.  Intiamus- 
kulär  injiziertes  Indigkarmin  wurde  nur  von  der  linken  Nieie  aus- 
geschieden.  Da  die  normale  Funktion  diesei  Niere  aus  dem  duich 
Katheter  aufgefangenen  Urin  festgestellt  wurde,  wurde  die  primäre 
Nephrektomie  der  rechten  Sackniere  ausgeführt.  Glatte  Heilung 
innerhalb  von  vier  Wochen. 

Demonstration  des  Präparates.  . 

Linksseitige  Steinniere,  besteht  seit  20  Jahren.  Auch  lnci  ist 
die  Diagnose  durch  Zvstoskopie  usw.  bis  in  alle  Feinheiten  gestellt 
worden.  Der  rechte  Ureter  hatte  eine  normalgestaltete  und  funktio¬ 
nierende  Blasenmündung  und  entleerte  normalen  Urin.  Links  wai  an 
Stelle  des  Ureters  eine  kraterförmige  Vertiefung  mit  unregelmassigen, 
weit  klaffenden  Rändern.  Keine  rhythmische  Funktion,  sondern  un¬ 
regelmässiges.  nicht  im  Strahle  erfolgendes  Abf  Hessen  von  Eiter,  det 
auch  nach  Indigkarmininjektion  rein  weiss  blieb.  Der  Kathetei  trat 
schon  nach  1 — 2  cm  auf  ein  Hindernis  im  Ureter.  Narbe  durch  zahl¬ 
reiche  unter  Koliken  abgegangene  Steinchen.  Seit  3  Jahren  waren 
keine  Steine  mehr  abgegangen.  Urin  blieb  aber  stark  eiterhaltig  und 
enthielt  mikroskopische  Mengen  von  Blut.  Es  musste  also  noch  ein, 
jetzt  ruhender.  Stein  vorhanden  sein.  Da  trotz  der  Stenose  des  linken 
Ureters  und  der  linksseitigen  Entleerung  von  Eiter  keine  Sackniere 
nalpabel  war.  musste  eine  Schrumtifniere  angenommen  werden.  Dei 
Patient  entschloss  sich  ietzt  endlich  zur  Operation,  weil  eine  rechts¬ 
seitige  metastatische  Augenentzündung  und  Neuritis  optica  dazu 
zwangen.  Die  Operation  bestätigte  vollkommen  die  Diagnose. 
Grosser  Korallenstein  im  Becken  und  den  Kelchen  einei  hochgiadig 
geschrumpften  Niere.  Lumbale  Nephrektomie. 

Demonstration  des  Präparates.  _  ,, 

3.  Bericht  über  einen  durch  Operation  geheilten  Fall  von  Pan- 

kreasabszess  mit  Fettgewebsnekrose.  . 

Operation  wurde  unter  der  Diagnose  der  eitrigen  Cholezystitis 
austreführt.  da  Gallensteinanfälle  vorangegangen  und  zwei  halb- 
pfefferkorngrosse.  nicht  fazettierte  Steine  abgegangen  waren.  Es 
fand  sich  eine  auf  das  Lig.  gastrocolicum  und  das  Mesokolon  be¬ 
schränkte.  hier  aber  sehr  ausgedehnte  Fettgewebsnekrose  und  ein 
mit  nekrotischen  Massen  gefüllter  Abszess  im  Pankreaskopfe.  Er¬ 
öffnung  und  Tamponade  der  Abszesshöhle.  Heilung. 

Demonstration  mikroskopischer  Präparate  einer  exzidieiten 

Stelle  mit  Fettgewebsnekrose. 

Herr  Voeckler:  Kontusionsverletzungen  des  Abdomen. 
(Erschien  in  No.  33  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  Germer:  Ueber  die  H  i  r  s  c  h  s  p  r  u  n  g  sehe 
Krankheit.  (Erscheint  in  extenso  anderen  Orts.) 


Gynäkologische  Gesellschaft  in  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  18.  Juli  1907. 

Vor  der  Tagesordnung:  .  . 

Herr  Ludwig  Seitz  demonstiiert  eine  26jahnge  Patientin,  bei 
der  er  ein  mannskopfgrosses  retroperitoneales  Dermoid  entfernt  hatte. 
Ulcus  und  Ovarien  waren  regulär. 

Diskussion;  Herr  Amann. 

Tagesordnung: 

Herr  Wiener  demonstriert:  5  operativ  geheilte  Falle  von 
Extrauteringravidität  und  zwar  2  Fälle  von  schwerer  sekundarei 
Blutung  nach  schon  ausgebildeter  Hämatozele,  1  Fall  von  primärer 
schwerer  innerer  Blutung  mit  äusserer  Ueberwanderung  des  Lies 
(das  Corpus  luteum  befand  sich  im  Ovar  der  anderen  Seite).  1  Fall 
von  ungeplatztem  tubarem  Hämatom  und  1  Fall  einer  39  jährigen 
Frau,  die,  obgleich  im  15.  Jahr  verheiratet,  noch  me  geboren  odei 

abortiert  hatte. 

Herr  Oberndorfer  demonstriert;  . 

a)  Uterus  einer  alten  Frau  mit  inoperablem  Zervixkarzinom, 
totaler  Obliteration  des  inneren  Muttermundes,  daran  anschliessend 
Pyometra  mit  spontanem  Durchbruch  in  die  freie  Bauchhöhle.  I  ei- 

fo'ätjonspentonitis^  T^b^lhlberkulose  Tuberkulose  des  Peritoneums, 

sekundäre  Abszesse  zwischen  den  Därmen,  Abszesse  in  der  Le  jei, 
perforiert  auf  die  Leberkapsel,  dann  Durchbruch  in  den  10.  Intel  kost 
raum;  also  den  seltenen  Fall  von  Leberabszess  als  direkte  Folge  einer 

Genitaltuberkulose.  .  , 

Diskussion:  die  Herren  Amann,  Mnabeau. 

Herr  l udwig  Seitz  demonstriert: 

a)  die  mikroskopischen  Bilder  der  in  der  letzten  Sitzung  demon¬ 
strierten  Ureterennekrose.  o 


1708 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


b)  Uterus  myomatosus  einer  älteren  Frau  mit  Prolaps  der  Vagina 
und  der  Portio.  An  letzterer  eine  schnittförmige  Ulzeration,  die 
mikroskopisch  sich  als  beginnendes  Karzinom  erweist. 

c)  Abszess  einer  Corpus  luteum-Zyste.  I  rotzdem  der  Inhalt  sehr 
stinkend  war,  war  die  bakteriologische  Untersuchung  (auch  Kultur- 
verfahren)  absolut  negativ. 

Diskussion:  die  Herren  Oberndorfer,  Albrecht, 
Aman  n,  Ludwig  S  e  i  t  z. 

Herr  Mirabeau:  Pathologie  der  Urinentleerung  bei  der  Frau. 

Der  Vortragende  gibt  einleitend  einen  kurzen  üeberblick  über 
die  Physiologie  der  Urinentleerung  in  den  verschiedenen  Lebens¬ 
epochen  der  Frau  und  bespricht  dann  unter  besonderer  Berücksichti¬ 
gung  der  speziell  gynäkologischen  Verhältnisse  die  Abweichungen  und 
Störungen  des  normalen  Typus. 

Es  werden  4  Gruppen  von  Störungen  unterschieden  und  im  ein¬ 
zelnen  besprochen: 

1.  Pathologische  Veränderungen  in  der  Frequenz  der  Urinent¬ 
leerungen. 

2.  Störungen  der  normalen  Empfindung. 

3.  Störungen  der  Kontinenz. 

4.  Veränderungen  in  der  Form  der  Miktion. 

In  der  ersten  Gruppe  werden  hauptsächlich  die  verschieden¬ 
artigen  Erkrankungsformen  besprochen,  die  zu  einem  vermehrten 
Urindrang  führen.  Es  kommen  hier  die  verschiedenartigsten  Er¬ 
krankungen  in  Betracht,  die  teils  allgemeinen  Ursprungs  sind  (Er¬ 
krankungen  des  Zentralnervensystems,  Neurosen  usw.),  zum  anderen 
Teil  auf  lokale  Anomalien  und  Erkrankungen  zurückzuführen  sind. 
An  erster  Stelle  stehen  hier  die  Erkrankungen  des  Harnsystems  selbst, 
die  im  einzelnen  besprochen  und  durch  Kasuistik  belegt  werden.  In 
zweiter  Linie  spielen  hier  Erkrankungen  des  Genitales  eine  Rolle,  die 
deshalb  besonders  eingehend  besprochen  werden,  weil  ihre  Be¬ 
ziehungen  zum  Harnsystem  vielfach  nicht  entsprechend  beachtet 
werden.  Neben  der  Einwirkung  der  Menstruation  und  Schwanger¬ 
schaft  werden  eingehend  die  entzündlichen  Erkrankungen  der  Becken¬ 
organe,  die  Lageveränderungen  und  die  Geschwulstbildungen  in  ihrer 
Wirkung  auf  die  Frequenz  der  Miktion  besprochen. 

Bei  der  zweiten  Gruppe  (der  veränderten  Empfindung  bei  der 
Miktion)  interessieren  den  Gynäkologen  in  erster  Linie  die  Fälle  von 
schmerzhafter  Miktion,  die  vielfach  mit  den  Erkrankungsgruppen  bei 
gesteigerter  Miktionsfrequenz  zusammenfallen.  Im  wesentlichen 
kommen  hier  alle  akut-  und  chronisch-entzündlichen  Erkrankungen  des 
gesamten  Urogenitalsystems  in  Betracht,  ferner  alle  Erkrankungen, 
die  zur  mechanischen  Behinderung  des  Harnabflusses  führen  (Ge¬ 
schwülste,  Fremdkörper,  Lageveränderungen). 

In  der  dritten  GruDpe  —  den  Störungen  in  der  Kontinenz  — 
kommen  für  den  Gynäkologen  neben  gewissen  nervösen  Erkran¬ 
kungen  (Hysterie,  Enuresis)  in  erster  Linie  die  verschiedenen  Formen 
der  Urinfisteln  in  Frage,  die  im  einzelnen  besprochen  werden.  Weiter¬ 
hin  alle  die  Zustände,  die  die  Funktion  des  Sphinkters  stören  (Miss¬ 
bildungen,  Traumen,  Geschwulstbildungen,  Lageveränderungen  der 
Genitalien,  Zirkulationsstörungen). 

Bei  den  krankhaften  Veränderungen  in  der  Form  der  Miktion 
bespricht  Vortragender  erstens:  den  erschwerten  Beginn  (Atonie  der 
Blase,  Hindernisse  in  der  Harnröhre,  Ausschaltung  der  Bauchpresse); 
zweitens:  Diskontinuität  des  Strahles  (Blasenkrampf,  Fremdkörper, 
polypöse  Tumoren  usw.);  drittens:  werden  die  Formen  der  Miktion 
in  verschiedener  Stellung,  viertens:  die  Pneumaturie  besprochen 
(Aspiration  von  Luft  durch  negativen  Druck;  Gasbildung  durch  Bak¬ 
terien;  Kommunikation  von  Blase  und  Darm).  Anhangsweise  werden 
dann  noch  die  Urinentleerungen  auf  unnatürlichem  Wege  infolge  von 
Missbildung  erwähnt.  (Autoreferat.) 

Diskussion:  Die  Herren  Brauser,  Amann,  Mirabeau. 

G.  Wiener-  München. 


Medizinisch-Naturwissenschaftlicher  Verein  Tübingen. 

(Medizinische  Abteilung.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  24.  Juni  1907. 

Herr  Baisch:  Ueber  die  Dauerresultate  der  Behandlung 
der  Peritoneal-  und  Genitaltuberkulose. 

Redner  bespricht  an  der  Hand  des  Materials  der  Tübinger 
Frauenklinik  mit  110  Fällen  die  Erfolge,  die  mit  interner  und 
chirurgischer  Behandlung  dieser  Erkrankungen  erzielt  worden 
sind.  Die  Fälle  sind  bis  zu  10  Jahren  nachbeobachtet  und  es 
geht  aus  den  Nachuntersuchungen  hervor,  dass  für  die  defini¬ 
tive  Beurteilung  des  Erfolges  eine  Nachbeobachtung  von 
4  Jahren  notwendig  ist. 

Baisch  unterscheidet  3  Gruppen : 

1.  Die  reine  exsudative  Form  der  Peri¬ 
tonealtuberkulose.  Von  38  Kranken  wurden  34  ope¬ 
riert,  und  davon  22  dauernd  geheilt.  12  Operierte  sind  teils 
im  1.  Vierteljahr  nach  der  Operation,  teils  im  Verlauf  der 
nächsten  4  Jahre  gestorben.  Wesentlich  für  den  günstigen 
Erfolg  der  Laparotomie  ist  das  Fehlen  schwerer  Lokalisation 


der  Tuberkulose  in  anderen  Organen,  wenn  auch  geringe  chro¬ 
nische  Spitzenaffektionen  keine  Kontraindikation  bilden,  und 
zweitens  ein  Freisein  von  Fieber.  In  11  Fällen  wurde  mittels 
Kolpotomie  der  Aszites  entleert,  doch  wurde  häufig  fieberhafte 
Rekonvaleszenz  beobachtet. 

2.  Die  tro  kene  adhäsive  Peritonealtuber¬ 
kulose  ist  mit  c2,  Fällen  vertreten.  11  wurden  operiert  und 
1 1  exspektativ  behandelt.  Der  Erfolg  der  Laparotomie  ist  hier 
noch  schwerer  zu  beurteilen  als  bei  der  aszitischen  Form,  da 
die  Laparotomie  hier  lediglich  in  einer  Probeinzision  bestand. 
Von  11  Operierten  sind  8  gesund  geworden,  einige  allerdings 
erst  nach  längerem  Krankenlager;  und  2  haben  nach  der  Opera¬ 
tion  Kotfisteln  bekommen,  die  sich  jedoch  im  Laufe  der  näch¬ 
sten  Monate  wieder  geschlossen  haben. 

3.  Die  tuberkulösen  Adnexerkrankungen 
sind  mit  45  Fällen  vertreten.  Hier  hat  die  operative  Behand¬ 
lung,  die  in  32  Fällen  vorgenommen  wurde,  sehr  günstige  Re¬ 
sultate  aufzuweisen.  23  Patienten  wurden  geheilt,  und  zwar 
18  vollkommen.  Die  5  nicht  vollkommen  Geheilten,  bei  denen 
sich  wieder  Adnextumoren  ausgebildet  haben,  sind  solche, 
bei  denen  bei  der  Operation  eine  Tube  zurückgelassen  worden 
war.  Daraus  folgt,  dass  man  stets  auch  bei  scheinbarer  Ge¬ 
sundheit  einer  Seite  beide  Tuben  entfernen  soll.  Dagegen  hat 
Baisch  aus  einer  Zurücklassung  des  Uterus  und  eines 
Ovariums  keine  Nachteile  gesehen;  und  besonders  bei  jüngeren 
Personen  ist  wenigstens  das  Zurücklassen  einer  Keimdrüse 
wegen  der  Schwere  der  bei  diesem  Alter  auf  die  Kastration 
folgenden  Ausfallserscheinungen  sehr  erwünscht. 

Baisch  resümiert  seine  Eindrücke,  die  er  bei  der  Nach¬ 
untersuchung  gewonnen  hat.  dahin,  dass  zwar  bei  der  tuber¬ 
kulösen  Adnexerkrankung  die  Laparotomie  durchaus  indiziert 
ist,  dagegen  bei  der  trockenen  Form  der  Peritonealtuberkulose 
ihr  Vorteil  sehr  fraglich  ist,  während  bei  der  aszitischen  Form 
die  Entfernung  des  Aszites  durch  eine  Inzision  günstige  Re¬ 
sultate  zu  ergeben  scheint. 

Herr  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  demonstriert : 

1.  Drei  geheilte  Kranke,  die  wegen  Tubarabort  operiert 
worden  waren,  und  bespricht  den  gegenwärtigen  Stand  der 
Diagnose  und  Behandlungsgrundsätze  der  ektopischen 
Schwangerschaft.  Unsere  Anschauungen  haben  hierin  in  dem 
letzten  Jahrzehnt  eine  vollkommene  Wandlung  erfahren  und 
zwar  einmal  dadurch,  dass  durch  anatomische  Untersuchungen 
Verlauf  und  Ausgang  der  Tubenschwangerschaft  in  ein  ganz 
anderes  Licht  gerückt  wurden  und  sodann,  weil  die  durch  die 
Operation  ermöglichte  Verfeinerung  der  Beobachtung  unsere 
klinischen  Kenntnisse  wesentlich  bereichert  hat.  Es  hat  sich 
gezeigt,  dass  weitaus  die  häufigste  Form  der  ektopischen 
Schwangerschaft  die  tubare  Insertion  des  Eies  ist,  während  die 
ovarielle  und  peritoneale  dagegen  zu  den  grössten  Seltenheiten 
gerechnet  werden  muss,  so  dass  ihr  Vorkommen  längere  Zeit 
überhaupt  bezweifelt  wurde.  Die  Häufigkeit  der  tubaren  Ei¬ 
insertion  ist  aber  nicht  bloss  eine  relative,  sondern  man  hat 
erfahren,  dass  sie  auch  absolut  viel  häufiger  ist,  als  man  das 
früher  angenommen  hat,  denn  die  autoptischen  Operations¬ 
befunde  ergeben  mit  immer  mehr  zunehmender  Klarheit,  dass  in 
vielen  Fällen  Tubenschwangerschaft  mit  Ausgang  in  Abortus 
vorliegt,  wo  man  bisher  ohne  diesen  Befund  anderweite  Er¬ 
krankungen  diagnostiziert  hatte. 

Als  der  typische  Verlauf  einer  Tubenschwangerschaft  muss 
nach  unseren  heutigen  Kenntnissen  das  frühzeitige  Absterben 
des  Embryo  mit  der  sekundären  Molenbildung  in  der  Tube 
und  intraperitonealen  Blutungen  angesehen  werden.  Dem¬ 
gegenüber  tritt  der  Ausgang  in  Tubenruptur  bei  lebender 
Frucht,  oder  das  Fortschreiten  der  Schwangerschaft  bis  in  die 
2.  Hälfte  der  Entwicklung  oder  gar  bis  zum  Ende  der  Häufig¬ 
keit  des  Vorkommens  noch  ganz  in  den  Hintergrund.  Für  das 
therapeutische  Handeln  ist  die  Erkenntnis  von  ganz  besonderer 
Bedeutung,  dass  mit  dem  Absterben  des  Embryo  die  Dignität 
dieses  pathologischen  Vorganges  keineswegs  abgeschlossen 
ist,  sondern  im  Gegenteil,  dass  damit  in  der  Regel  der  Krank¬ 
heitsprozess  erst  beginnt  und  die  deletären  Folgen  auftreten. 
Die  nach  dem  Untergang  des  Embryo  beginnenden  Ver¬ 
änderungen  im  Ei,  die  zu  seiner  Durchblutung  führen,  und 
gleichzeitig  auch  mehr  oder  weniger  profuse  Blutergüsse  in 
die  Bauchhöhle  veranlassen,  leiten  zwar  die  Rückbildung  des 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1709 


20.  August  1907. 


Schwangerschaftsproduktes  ein,  in  der  ersten  Zeit  dieser 
Metamorphose  aber  drohen  der  Frau  aus  diesem  Prozess  so 
grosse  Gefahren,  und  in  ihr  treten  so  bedrohliche  Symptome 
auf,  dass  gerade  diese  auf  Wochen  bis  Monate  zu  bemessende 
Krankheitsperiode  die  sorgfältigste  Beachtung  in  der  Behand¬ 
lung  erfordert.  Werth  und  F  ü  t  h  haben  uns  durch  ana¬ 
tomische  Studien  belehrt,  dass  innerer  oder  äusserer  Frucht¬ 
kapselaufbruch  auch  bei  abgestorbener  Frucht  katastrophale 
innere  Blutungen  zur  Folge  haben  kann. 

Für  die  Behandlung  der  Tubenschwangerschaften  stehen 
uns  2  verschiedene  Richtungen  zur  Verfügung,  einmal  eine 
exspektative,  symptomatische  Therapie,  und  andererseits  die 
operative.  Auf  Grund  von  135  während  meiner  hiesigen  Tätig¬ 
keit  beobachteten  Fällen  muss  ich  der  Ueberzeugung  Ausdruck 
geben,  dass  die  Anschauung  keineswegs  zu  Recht  bestehen 
kann,  dass  die  exspektative  Behandlung  an  Gefahren  hinter 
der  operativen  zurücksteht.  Unter  24  so  behandelten  Fällen 
haben  wir  2  Todesfälle  zu  verzeichnen,  das  ist  eine  Mortalität 
von  8  Prozent,  in  denen  die  Frauen,  die  in  der  Klinik  unter 
allen  Vorsichtsmassregeln  exspektativ  behandelt  worden  waren, 
plötzlich  schwere  intraperitoneale  Blutungen  bekamen,  sodass 
die  augenblicklich  ausgeführte  Operation  nicht  mehr  imstande 
war,  den  Verblutungstod  aufzuhalten.  Demgegenüber  sind  von 
den  111  operativ  behandelten  Frauen  nur  4  gestorben,  sodass 
die  rechtzeitige  operative  Beendigung  der  Tubenschwanger¬ 
schaft  zweifellos  geringere  Gefahren  in  sich  birgt,  als  das  ein¬ 
fache  Zuwarten.  Darüber  darf  aber  kein  Zweifel  bestehen, 
dass  bei  Ausbleiben  solcher  schweren  Blutungen,  was  aber 
mehr  oder  weniger  dem  Zufall  anheimgestellt  wird  und  worauf 
wir  keine  Einwirkung  haben,  eine  spontane  Ausheilung  des 
Prozesses  bis  zur  vollständigen  restitutio  ad  integrum  möglich 
ist.  Freilich  vergehen  darüber  viele  Monate,  bis  die  Frauen 
wieder  vollständig  arbeitsfähig  sind,  und  in  der  ersten  Zeit 
droht  ihnen  immer  die  Katastrophe  der  inneren  Verblutung. 
Je  weniger  ausgebildet  in  der  ersten  Zeit  die  peritubaren  und 
retrouterinen  Bluttumoren  sind,  um  so  gefährlicher  erscheint 

der  Zustand.  • 

2.  werden  2  durch  Hebosteotomie  entbundene  Frauen 

demonstriert,  die  wie  alle  26  von  ihm  operierten  genesen  sind. 
Redner  bespricht  an  der  Hand  dieser  Fälle  die  von  ihm  ge- 
handhabte  Technik  dieser  beckenerweiternden  Operationen, 
bezüglich  deren  er  hier  auf  seine  eingehenden  Darlegungen 
auf  dem  diesjährigen  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für 
Gynäkologie  in  Dresden  verweist. 

Für  die  praktische  Geburtshilfe  ergibt  sich  aus  dem  all¬ 
seitig  ausgezeichneten  Resultate  dieser  subkutanen  Operation 
eine  Reform  in  der  Behandlung  der  Geburten  bei  engem 
Becken,  die  aber  keineswegs,  wie  vielfach  irrtümlicherweise 
gedacht  wird,  die  operative  Richtung  in  der  Geburtshilfe  för¬ 
dert,  sondern  ganz  im  Gegenteil  unter  Zurückdrängen  der 
prophylaktischen  Eingriffe  der  spontanen  Gebärmöglichkeit  bei 
engem  Becken  bis  zu  einer  Conjugata  vera  von  7,5  cm  weit¬ 
gehender  als  bisher  Rechnung  trägt.  Es  wird  die  Zukunft 
zeigen,  dass  wir  in  dieser  Beziehung  einer  gesunden  Reaktion 
entgegen  gehen,  die  einer  unheilvollen  Polypragmasie  Einhalt 
tut,  und  unter  selbstverständlicher  Voranstellung  des  Interesses 
für  die  Mutter  doch  dasjenige  des  Kindes  mehr  als  bisher  zu 
wahren  imstande  ist. 


Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 

XII.  wissenschaftliche  Versammlung  am  29.  Mai  1907 
im  Hörsaale  der  deutschen  Augenklinik  zu  Prag. 

Herr  R.  S  a  1  u  s  stellt  einen  Fall  von  Oedema  malignum  (Anthrax) 
des  linken  Ober-  und  Unterlides  vor.  Aus  der  Anamnese  kein  An¬ 
haltspunkt  für  die  Infektionsquelle.  Die  Untersuchung  des  Blutes  auf 
Bazillen  blieb  negativ,  hingegen  waren  massenhafte  tierisch  hoch¬ 
virulente  Milzbrandbazillen  auf  der  Oberfläche  der  gangränösen  Partie 
vorhanden.  Anfangs  hohe  Temperaturen,  dann  unter  lokaler  anti¬ 
septischer  Behandlung  rasche  Besserung.  Heilung  mit  ausgedehnter 
Gangrän  des  Oberlides,  teilweiser  Gangrän  des  Unterlides. 

Herr  R.  Hölzl  stellt  einen  Fall  von  Vakzineerkrankung  des 
linken  Auges  bei  einem  neunjährigen  Knaben  vor,  der  sich  von  seiner 
frisch  vakzinierten  Schwester  infiziert  hatte.  Es  handelte  sich  um 
Eruption  der  Vakzine  am  Lidrand  und  der  Lidhaut.  Bei  Behandlung 
mit  indifferenten  Mitteln  heilte  die  Erkrankung  nach  12  Tagen  ohne 
Folgen  ab. 


Herr  F.  Schenk:  Schwangerschaft  und  Myoin.  (Erscheint  als 
Originalmitteilung  in  der  Prager  med.  Wochenschr.) 

;  Herr  v.  Franque:  Zur  Nekrose  und  Vereiterung  der  Myome. 

Grosses  gangränöses  interstitielles  Myom,  in  die  Uterushöhle  und 
Scheide  durchgebrochen.  Abdominale  Totalexstirpation  mit  Heilung. 

Zwei  nekrotische  Myome,  welche  ohne  Verjauchung  und  Ver¬ 
eiterung,  allein  durch  die  ausgelösten  Uteruskontraktionen,  in  die 
freie  Bauchhöhle  und  in  das  Parametrium  durchgebrochen  sind. 

Interstitielles  Myom,  ein  Jahr  nach  der  Menopause  durch  In¬ 
fektion  auf  dem  Blutwege  vereitert.  Abdominale  Totalestirpation. 
Heilung.  (Erscheint  ausführlich  in  der  Zeitschrift  für  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie.) 


XIII.  wissenschaftliche  Sitzung  am  5.  Juni  1907  im 
Hörsaale  der  II.  medizinischen  Klinik. 

Herr  Hoke:  Ein  Fall  von  akuter  Rotzinfektion. 

Ein  38  jähriger  Tierarzt,  der  mit  Rotz  arbeitete,  infizierte  seine 
Finger  mit  rotzigem  Eiter.  Nach  viertägiger  Inkubationszeit  tritt  ein 
Stadium  invasionis  auf,  welches  ganz  dem  Typhus  abdominalis  ent¬ 
spricht.  Frühzeitig  treten  Schmerzen  in  der  Lebergegend  auf,  eine 
Akneeruption  erscheint,  verschwindet  aber  bald  wieder.  Keine  Leu¬ 
kozytose.  Weder  im  Blute  noch  im  Stuhle  finden  sich  jemals 
Typhusbazillen.  Der  positive  Widal  ist  wegen  der  Seruminjektion 
(Antityphusserum  Meyer  und  B  e  r  g  e  i  1)  nicht  beweisend.  Ein 
Furunkel  am  Penis  tritt  auf,  der  wieder  nur  Staphylokokken  enthält. 
Das  Fieber  zeigt  Neigung  in  eine  Kontinua  überzugehen.  Es  be¬ 
stehen  Milztumor,  Roseola,  diarrhoische  Stühle.  Schüttelfröste  fehlen. 
Plötzlich  bricht  das  Bild  des  akuten  Rotzes  herein.  Am  linken  Ober¬ 
schenkel  und  linken  Orbitalrand  entstehen  nussgrosse  Furunkel,  die 
rasch  an  Grösse  zunehmen;  es  tritt  ferner  am  rechten  Stirnbein  ein 
kirschgrosser,  hämorrhagisch  verfärbter  Abszess  auf,  der  bald  spontan 
aufbricht  und  ein  zirka  zweikronenstückgrosses,  tief  hämorrhagisch 
gefärbtes  Geschwür  bildet,  welches  blutig-eitriges  Sekret  sezerniert, 
und  an  seinen  Rändern  mit  zahllosen  pustulösen  Effloreszenzen  be¬ 
deckt  ist.  Starkes  Gesichtsödem,  linksseitige  Fazialislähmung.  Wei¬ 
terhin  entwickeln  sich  an  der  linken  Schulter,  am  rechten  Unteiarm, 
am  Abdomen,  am  linken  Unterschenkel  grössere  druckschmerzhafte 
Infiltrate.  Der  Schädel,  das  Gesicht  und  der  ganze  Körper  mit  erbsen¬ 
grossen  Pusteln  übersät,  ferner  bestehen  teils  punktförmige,  teils  aus¬ 
gebreitete  Hämorrhagien.  Haut  subikterisch  verfärbt.  Exitus.  Im 
Eiter  konnten  keine  Rotzbazillen  nachgewiesen  werden.  Patho¬ 
logisch-anatomische  Diagnose:  Malleus  acutus.  (Erscheint  ausfiiln- 
lich  in  der  Prager  medizinischen  Wochenschrift.) 

Herr  R.  v.  Jaksch:  Aus  dem  Gebiete  der  Radiotherapie. 

'  R.  v.  Jaksch  teilt  eine  Reihe  von  Versuchen  mit,  welche  er  über 
die  Permeabilität  der  Röntgenstrahlen  durch  verschiedene  Metalle, 
als  Blei,  Silber,  Gold,  Platin  gemacht  hat,  um  eventuell  ein  Ver¬ 
fahren  zu  finden,  welches,  ohne  die  Wirkungen  der  Röntgenstrahlen 
auf  innere  Organe  aufzuheben,  die  schädigende  Wirkung  derselben 
auf  die  Haut  zu  eliminieren  vermag,  und  kommt  zu  dem  Resultate, 
dass  eine  0,02  mm  dicke  Silberplatte  diese  Bedingung  erfüllt.  Bei 
einem  Falle  von  Leukämie  ging  die  Zahl  der  Leukozyten  von  250  000 
auf  8200  herunter,  dabei  erreichten  die  polynukleären  neutrophilen 
Elemente  75  Proz.,  während  die  pathologischen  Leukozytenformen 
stark  abgenommen  hatten.  Gleichzeitig  war  eine  bedeutende  Ab¬ 
nahme  des  kolossalen  Milztumors  zu  konstatieren.  Die  Patientin 
wurde  durch  3  Wochen  Tag  für  Tag  durch  25  Minuten  bestrahlt,  im 
ganzen  10  Stunden  und  25  Minuten  in  25  Sitzungen.  Trotzdem  trat 
bis  auf  ein  leichtes  Röntgenekzem,  das  nach  sechsstündiger  Be¬ 
strahlung  auftrat  und  in  wenigen  Tagen  ausgeheilt  war,  bis  auf  eine 
leichte  Rötung,  etwas  Schuppung,  und  Pigmentation  keine  Ver¬ 
änderung  an  der  Haut  bis  jetzt  auf.  Auch  bei  anderen  Fallen,  die  mit 
dieser  Methode  behandelt  wurden  (Karzinome),  trat  auch  bei  halb¬ 
stündiger  Bestrahlung  niemals  eine  erhebliche  Hautveränderung  aut, 
insbesondere  blieb  Dermatitis  in  allen  Fällen  bis  jetzt  aus.  Der  Vor¬ 
tragende  spricht  die  Vermutung  aus,  dass  eventuell  durch  Verwendung 
verschiedener  Metalle  sich  eine  verschiedene  Einwirkung  auf  die  ver¬ 
schiedenen  Organe  des  Körpers  ergeben  dürfte,  und  sich  auf  Grund 
dieser  Erfahrungen  früher  oder  später  eine  ganz  spezinsche  Röntgen¬ 
therapie  werde  ausarbeiten  lassen. 

Herr  Löwenstein:  Kurze  Mitteilung  über  Versuche  an 

Seeigeleiern. 

Der  Vortragende  erhielt  bei  einer  Nachprüfung  der  W  i  n  k  1  e  r  - 
sehen  Versuche  (Furchung  des  unbefruchteten  Seeigeleies  nach  Zu¬ 
satz  von  Seeigelspermatozoenextrakt)  in  17  Versuchsreihen  ein  nega¬ 
tives  Resultat;  doch  ergaben  sich  interessante  Beziehungen  im  Ver¬ 
hältnis  von  lebenden  Seeigeleiern  und  toten  Spermatozoen. 

R  o  t  ky  -  Prag. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Societe  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  7.  und  14.  Juni  1907. 

Chronischer  Rheumatismus  und  Tuberkulose. , 
Soucques  hat  25  mit  chronischem,  deformierendem  Rheumatis¬ 
mus  behaftete  Kranke  klinisch  und  mit  Tuberkulin  genau  untersucht; 
ein  einziger  Kranker  hatte  hereditäre  Antezedentien  und  keiner  b 


1710 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


klinisch  Zeichen  von  Tuberkulose.  Nur  2  haben  auf  Injektion  von 
-’/io  mg  Tuberkulin  reagiert,  6  von  11  injizierten  Kranken  haben  auf 
6/io  mg  reagiert;  S.  schliesst  daraus,  dass  .das  Tuberkulin  auch  bei 
mit  anderen  Krankheiten  behafteten  Leuten  Reaktion  hervorruft,  daher 
bei  Tuberkulose  kein  sicheres  diagnostisches  Mittel  ist  und  die  kli¬ 
nische  Untersuchung  ihren  vollen  Wert  hat.  Die  Theorie  von  Pon¬ 
cet  und  seinen  Schülern  sei  also  nicht  bestätigt. 

M  i  1  i  a  n  hingegen  ist  der  Ansicht,  dass  die  lokale  Reaktion 
von  grosser  Wichtigkeit  sei.  Er  hat  6  Kranken  mit  chronischem 
Rheumatismus  Tuberkulin  injiziert  und  alle  haben  reagiert,  womit 
die  Theorie  Poncets  über  den  tuberkulösen  Ursprung  des  dhro- 
nischen  Rheumatismus  bestätigt  erscheint.  Damit  diese  Injektionen 
von  diagnostischer  Bedeutung  sind,  muss  man  mit  ganz  kleinen  Dosen 
beginnen  und  allmählich  mit  denselben  steigen  (Via — lVs  mg)  mit  ent¬ 
sprechenden  Zwischenpausen;  man  muss  dabei  nicht  nur  die  be¬ 
deutenden  Temperatursteigerungen,  sondern  auch  die  kleinen  Er¬ 
höhungen,  die  nur  einige  Stunden  anhalten,  berücksichtigen.  Die 
Tuberkulinprobe  ist  immer  ohne  Gefahr,  ausser  bei  Nephritikern. 

Soucques  lässt  nicht  zu,  dass  jedes  Individuum,  welches  auf 
Tuberkulin  reagiert,  tuberkulös  ist;  er  hat  z.  B.  3  klinisch  ganz  ge¬ 
sunde  Leute  injiziert  und  einer  davon  hat  reagiert. 

Barth  wünschte,  dass  man  das  Tuberkulin  auch  Rheumatikern, 
bei  welchen  Blennorrhoe  als  Ursache  feststeht,  injiziere.  Diese 
Kganken  reagierten  vielleicht  auf  stets  zunehmende  Dosen  Tuber¬ 
kulin,  ohne  desshalb  tuberkulös  zu  sein.  Das  ist  jedenfalls  fest¬ 
stehend,  dass  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Leuten  histologisch  tuber¬ 
kulös  ist,  d.  h.  bei  der  Autopsie  wenige  Tuberkeln  zeigen,  ohne  jemals 
klinisch  Tuberkulose  zu  haben.  Man  müsste  beweisen,  dass  diese 
geringen  histologischen  Veränderungen  die  groben  Gelenksverände¬ 
rungen  des  chronischen  Rheumatismus  bewirken  können. 

B  a  r  b  i  er  erinnert  daran,  dass  die  deutschen  Kliniker  die  In¬ 
jektionen  in  progressivem  Masse  wiederholen  und  bis  zu  0,01  Tuber¬ 
kulin  steigern.  Vor  diesem  Experiment  muss  man  die  normale  Tem¬ 
peraturkurve,  wobei  alle  3  Stunden  gemessen  wird,  aufnehmen  und 
dann  jede  Temperaturerhöhung,  selbst  wenn  sie  nur  einige  Zehntel¬ 
grade  erreicht,  verzeichnen.  B.  konnte  nach  seiner  Erfahrung  die 
tuberkulöse  Natur  des  chronischen  Rheumatismus  beim  Kinde  fest¬ 
stellen. 

Sitzung  vom  21.  und  28.  Juni  1907. 

Die  Kutireaktion  auf  Tuberkulin  bei  Kindern,  v.  Pirquets  Methode. 

H.  Dufour  hat  an  20  Kindern  Versuche  gemacht,  um  die  Me¬ 
thode  v.  Pirquets,  welcher  erklärte,  diese  Hautreaktion  habe  nur 
bei  Säuglingen  und  Kindern  unter  2  Jahren  Bedeutung,  ältere  Kinder 
und  Erwachsene  reagierten,  wenn  auch  nicht  tuberkulös,  zuweilen 
auf  die  in  skarifizierte  Haut  ausgeführte  Impfung,  nachzukontrollieren. 
Wenn  auch  in  einigen  Fällen  diese  Reaktion  bei  leichter  und  zweifel¬ 
hafter  Erkrankung  positiv  ausfiel,  so  gab  sie  auch  bei  Rindern  im 
Alter  von  10 — 14  Jahren  (resp.  3 — 5  Jahren)  in  Fällen  von  Tuber¬ 
kulose  mit  Kavernen  negative  Resultate.  Es  scheint  also,  dass  damit 
die  Resultate  Pirquets  bestätigt  seien  und  wir  noch  weit  davon  ent¬ 
fernt  seien,  in  der  Kutireaktion  ein  sicheres  diagnostisches  Mittel  zu 
haben. 

Paul  C  La  i  s  s  e  wendet  seit  2  Jahren  die  Methode  an,  wieder¬ 
holte  kleine  Dosen  Tuberkulins  zu  injizieren  und  hat  da¬ 
mit  sehr  sichere  diagnostische  Resultate  erzielt.  Wenn  man  einem 
gesunden  Erwachsenen  2 ho  mg  Tuberkulins  alle  3  Tage  injiziert, 
so  fängt  er  erst  bei  der  7.  Injektion  an  zu  reagieren.  Handelt  es  sich 
um  einen  tuberkulös  Erkrankten,  so  reagiert  er  (Temperaturerhöhung, 
Auskultationszeichen,  spezielles  Uebelbefinden)  zuweilen  bei  der 
ersten,  bei  der  zweiten,  dritten  oder  spätestens  4.  Injektion.  Diese 
Methode  hat  CI.  in  mehreren  sehr  zweifelhaften  Fällen  schon  vor  dem 
Auftreten  genauer  klinischer  Erscheinungen  eine  präzise  Diagnose  er¬ 
möglicht.  Sie  ist  jedoch  kontraindiziert  bei  fiebernden  Kranken  und 
muss  auf  Fälle  von  latenter  oder  larvierter  Tuberkulose  reserviert 
bleiben. 

Souques  kann  die  Argumentierung  von  C  1  a  i  s  s  e  nicht  ak¬ 
zeptieren;  er  hat  10  nicht  tuberkulöse  Nervenkranke  injiziert  und  da¬ 
von  haben  7  hochgradig  reagiert. 

S  i  c  a  r  d  und  Des-comps  erklären  die  subkutane  Injektion 
und  die  Kutisreaktion  für  wenig  sicher,  erstere  noch  dazu  für  sehr 
schmerzhaft.  Im  Gegensatz  hierzu  ist  die  Ophthalmoreaktion  (ein 
Tropfen  =  5/io  mg  Tuberkulinlösung)  leicht  anzuwenden  und  scheint 
in  ihren  Gesamtresultaten  mit  den  klinischen  Lehren  übereinzu¬ 
stimmen. 

Besangon  führt  die  widersprechenden  Resultate  auf  ver¬ 
schiedene  Bedingungen  und  verschiedene  Präparate  Tuberkulins  zu¬ 
rück.  Dasselbe  ist  ein  Gift,  wofür  Tuberkulöse  und  Nichttuberkulöse 
empfänglich  sind,  diese  aber  erst  auf  stärkere  Dosen.  Man  muss  also 
schwache  Dosen  und  zwar  nur  an  Fieberlosen  anwenden  und  dann 
w  ird  die  Reaktion  eine  wichtige  Probe.  Das  Tuberkulin  verrät  das 
Bestehen  anatomischer  Herde  von  Tuberkulose,  deren  Bedeutung 
die  klinische  Untersuchung  dann  feststellen  muss. 

Labbe  glaubt,  dass  Temperatursteigerung  um  Vio  Grad  nicht 
genügend  und  nur  eine  solche  um  einen  ganzen  Grad  von  Bedeu¬ 
tung  ist. 

Comby  wendet  die  Tuberkulininjektionen  seit  10  Jahren  mit 
gutem  Erfolge  an:  Er  injizierte  in  dieser  Zeit  74  Kinder,  wovon  36 


reagiert  haben.  Von  diesen  kamen  12  zur  Sektion  und  alle  hatten 
tuberkulöse  Veränderungen.  Von  den  38,  welche  nicht  reagiert  haben, 
kamen  6  zur  Autopsie  und  keines  davon  war  tuberkulös.  Die  Tuber¬ 
kulininjektion,  in  der  klassischen  Weise  ausgeführt,  leistet  also  bei 
Kindern  gute  Dienste  und  bietet  keinerlei  Gefahren. 

Mosny  wendet  das  Tuberkulin  seit  1891  an,  hat  niemals  Miss¬ 
erfolg  und  niemals  bei  Nichtuberkulösen  eine  Reaktion  damit  erlebt. 

Dufour  bemerkt,  dass  bei  kachektischen  Individuen  und  bei 
Tuberkulösen  in  ihrem  Endstadium  das  Tuberkulin,  welches  auch 
seine  Anwendungsweise  sei,  keine  Resultate  mehr  gibt. 

Chauffard  hebt  die  Bedeutung  negativer  Resultate  hervor 
(Beobachtung  eines  Kranken  mit  Pneumothorax,  der  nicht  -reagiert 
hat  und  sehr  rasch  genesen  ist). 

Letulle  hat  die  Ophthalmoreaktion  bei  75  Tuberkulösen  seines 
Dienstes  angewandt  und  nur  3  haben  nicht  reagiert:  2  waren  mori¬ 
bund  und  der  dritte  von  seiner  Tuberkulose  geheilt.  St. 


Vereinigung  Süddeutscher  Lungenheilanstaltsärzte. 

E  i  n  1  a  d  u  n  g  zu  der  am  7. — 9.  September  ids.  Js.  in  Baden- 
Baden  stattfindenden  Versammlung. 

Programm. 

Samstag,  7.  Sept.  8  Uhr  abends:  Zwanglose  Zusammenkunft  mit 
Damen  im  Holländischen  Hof. 

Sonntag,  8.  Sept.  10  Uhr  vormittags:  Sitzung,  a)  Geschäftliche 
Mitteilungen,  Dr.  N  a  h  m  -  Ruppertshain,  b)  Vorträge:  1.  Ueber  die 
graphische  Darstellung  des  Lungenbefundes  (Ref.:  Dr.  Krebs), 
2.  Nach  welchen  einheitlichen  Gesichtspunkten  sollen  die  Jahres¬ 
berichte  der  Heilstätten  abgefasst  werden?  (Ref.:  Dr.  Cursch- 
mann),  3.  Die  Assistentenfrage  in  den  Heilstätten  (Ref.:  Dr. 
Schmidt),  4.  Die  verschiedenen  Aufnahmeformulare  der  Heilstätten 
(Ref.:  Dr.  Pischinger),  5.  Therapeutische  Mitteilungen.  — 
Während,  der  Sitzung:  Ausflug  -der  Damen  auf  den  Fremersberg.  — 
Abends:  Besuch  des  Kurkonzertes. 

Montag,  9.  Sept.  10  Uhr  vormittags:  Weiterführung  der  wissen¬ 
schaftlichen  Sitzung,  dann  Besichtigung  der  Kureinrichtungen  Baden- 
Badens.  —  2  Uhr:  Ausflug  mit  Damen  auf  das  alte  Schloss  Hohen- 
baden,  daselbst  Kaffee  (Gastgeber:  Herr  Dr.  Rumpf),  dann  Spazier¬ 
gang  nach  Ebersteinburg  zur  Besichtigung  des  Dr.  Rumpf  sehen 
Sanatoriums.  ■ —  Abends:  Rückkehr  nach  Baden-Baden. 


Deutscher  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege. 

32.  Versammlung  in  Bre  m  e  n  am  11.,  12.,  13.  und  14.  September  1907. 

T  a  g  ,e  s  o  r  d  n  u  n  g. 

Dienstag,  den  10.  September  7  Uhr  abends:  Gesellige  Vereinigung 
zur  Begriissung  im  Künstlerverein. 

Mittwoch,  den  11.  September  9  Uhr  vormittags:  Erste  Sitzung 
im  Künstlerverein.  Öröffnung  der  Versammlung.  Rechenschaftsbericht 
und  geschäftliche  Mitteilungen.  1.  Die  Verbreitungsweise  und  Be¬ 
kämpfung  der  epidemischen  Genickstarre  (Ref.:  Geh.  Medizinalrat  Prof, 
Dr.  F  1  ii  g  g  e  -  Breslau  ).  2.  Wie  hat  sich  auf  Grund  der  neueren 

Forschungen  die  Praxis  der  Desinfektion  gestaltet?  (Ref.:  Professor 
Dr.  T  j  a  d  e  n  -  Bremen).  3  Uhr  nachmittags:  Besichtigungen  unter 
sachkundiger  Führung.  (Näheres  siehe  Spezialprogramm.)  8  Uhr 
abends:  Begriissung  der  Teilnehmer  durch  den  Senat  im  Ratskeller. 

Donnerstag,  den  12.  September  9  Uhr  vormittags:  Zweite  Sitzung. 
3.  Die  Mitwirkung  der  Krankenversicherung  auf  dem  Gebiete  der 
öffentlichen  Gesundheitspflege  (Ref.:  Sanitätsrat  Dr.  Mugdan- 
Berlin.  4.  Die  Gartenstadt  (Ref.:  Professor  Dr.  C.  J.  Fuchs -Frei¬ 
burg  i.  B.).  3  Uhr  nachmittags:  Besichtigungen  unter  sachkundiger 
Führung.  (Näheres  siehe  Spezialprogramm.)  8  Uhr  abends:  Fest¬ 
essen  mit  Damen  im  Parkhaus  (Preis  des  Gedecks  ohne  Getränk  5  M.) 

Freitag,  den  13.  September  9  Uhr  vormittags:  Dritte  Sitzung  im 
kleinen  Saal  der  Union  (Wachtstr.  9/13).  5.  Der  moderne  Kranken¬ 
hausbau  vom  hygienischen  und  wirtschaftlichen  Standpunkte  (Ref.: 
Professor  Dr.  Lenhartz  -  Hamburg,  Baurat  F.  R  u  p  p  e  1  -  Ham¬ 
burg).  3  Uhr  nachmittags:  Abfahrt  vom  Hafen  I  zur  Besichtigung  der 
Häfen  und  der  Werft  der  Aktiengesellschaft  „Weser“. 

Samstag,  den  14.  September:  Gemeinsamer  Ausflug  nach  Helgo¬ 
land  mittels  eines  vom  Norddeutschen  Lloyd  zur  Verfügung  gestellten 
Dampfers.  (Näheres  siehe  Spezialprogramm.) 


Gesellschaft  für  experimentelle  Psychologie. 

Der  nächste  Kongress  für'experimentellePsychologie 
findet  am  22.  bis  25.  April  1908  zu  Frankfurt  a.  M.  statt. 

Folgende  Referate  werden  erstattet  werden:  E.  Claparede: 
Die  Methoden  der  tierpsychologischen  Beobachtungen  und  Versuche. 
L.  E  dinge  r:  Die  Beziehungen  der  vergleichenden  Anatomie  des 
Nervensystemes  zur  Psychologie.  Wege  und  Aufgaben  einer  ver¬ 
gleichenden  Psychologie.  K-  B  ü  h  1  e  r:  Ueber  das  Sprachverständnis 
vom  Standpunkte  der  Normalpsychologie  aus.  A.  Pick:  Ueber  das 
Sprachverständnis  vom  Standpunkte  der  Pathologie  aus.  W.  W  i  r  t  h: 
Ueber  die  experimentelle  Untersuchung  der  Aufmerksamkeit.  W. 
Specht:  Ueber  das  pathologische  Verhalten  der  Aufmerksamkeit. 


20.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1711 


Mit  dem  Kongresse  wird  eine  Ausstellung  von  Apparaten  ver¬ 
bunden. 

Für  die  Mitglieder  der  Gesellschaft  ist  die  Teilnahme  unentgelt¬ 
lich;  die  von  den  übrigen  Teilnehmern  zu  entrichtende  Gebühr  ist 
auf  10  Mark  festgesetzt.  Persönliche  Einladungen  an  solche,  die  nicht 
Mitglieder  unserer  Gesellschaft  sind,  werden  nicht  erlassen.  Es 
wird  gebeten,  Anmeldungen  betreffend  Teilnahme,  Vorträge  u.  dgl. 
an  den  Vorsitzenden  des  Lokalkomitees,  Herrn  Professor  Dr.  K. 
Marbe  zu  Frankfurt  a.  M.  (Jordanstr.  17 — 21)  zu  richten. 

I.  A.:  Prof.  Dr.  G.  E.  Mülle  r. 


Verschiedenes. 

Hebammenschule  für  Frauen  gebildeter  Stände. 

Im  Mannheimer  Wöchnerinnenasyl  soll  am  1.  Ok¬ 
tober  ds.  Js.  der  erste  Ausbildungskurs  eröffnet  werden.  Lieber  Ziel 
und  Einrichtung  dieser  neuartigen  Institution  gibt  der  Direktor  der 
Anstalt,  Herr  Medizinalrat  Dr.  Mermann,  in  einer  Festrede  zur 
Eröffnung  der  neugebauten  Frauenklinik  im  Jahre  1903  in  grossen 
Umrissen  folgende  Gesichtspunkte.  Aus  äusseren  Gründen  musste 
das  tatsächliche  ins  Lebenrufen  bis  jetzt  verschoben  werden.  „Die 
Anstalt  will  eine  Hebammenschule  für  Frauen  gebildeter  Stände  mit 
absolvierter  Töchterschulbildung  schaffen.  In  beschränkter  Zahl  und 
einem  mindestens  neunmonatlichen  Kurs  sollen  Frauen  oder  Töchter 
aus  gebildeten  Ständen  zum  lohnenden  und  innerlich  befriedigenden 
Berufe  einer  Geburtshelferin  herangebildet  werden,  und  diese  werden 
in  Süddeutschland  und  namentlich  den  rheinischen  Städten,  wo  bisher 
vielfach  der  Gebrauch  besteht,  dass  Aerzte  ohne  Hebammen  Geburten 
in  wohlhabenden  Familien  leiten,  ein  reiches  Arbeitsfeld  finden.  Man 
spricht  so  viel  von  Hineindrängen  der  Frauen  in  männliche  Arbeits¬ 
gebiete,  hier  ist  ein  Arbeitsfeld,  wo  der  Mann  das  Weib  aus  seiner 
ureigensten  Berufssphärc  verdrängt  hat.  In  dem  Milieu  einer  gewöhn¬ 
lichen  Hebammenschule  können  die  Damen  aus  vielerlei  Gründen 
nicht  herangebildet  werden,  sie  müssen  in  eigenen,  nur  ihnen  zu¬ 
gängigen  Lehranstalten  ausgebildet  werden,  und  dazu  sind  die  Wöch¬ 
nerinnenasyle  berufen.  Unsere  ersten  Professoren  der  Geburtshilfe 
stellen  diese  Forderungen  in  der  schärfsten  Weise  auf,  und  sie  alle 
halten  Wöchnerinnenasyle  für  die  prädestinierten  Anstalten,  Diese 
so  ausgebildeten  Hebammen  sollen  nicht  ein  Jota  mehr  staatliche 
Berufsberechtigung  haben  wie  die  jetzigen  Hebammen,  sie  werden 
aber  vermöge  ihrer  allgemeinen  Vorbildung,  vermöge  ihrer  Berufs¬ 
bildung,  die  viel  länger  währt  wie  die  der  jetzigen  Hebammen, 
und  durch  das  um  das  Vielfache  grössere  praktische  Lehrmaterial, 
das  ihnen  hier  im  Gegensatz  zu  den  anderen  Lehranstalten  zur  Ver¬ 
fügung  stehen  wird,  sich  den  Weg  in  Kreise  öffnen,  der  den  jetzigen 
Hebammen  trotz  ihres  guten  Strebens  und  bei  dem  besten  Berufs¬ 
und  Pflichteifer  niemals  zugängig  werden  wird;  eine  Konkurrenz 
wird  diesen  nicht  entstehen,  im  Gegenteil  der  ganze  Stand  der 
Hebammen  wird  gehoben,  und  auf  ein  höheres  soziales  Niveau  ge¬ 
bracht  werden.“  Nähere  Auskunft  über  Aufnahmebedingungen  etc. 
an  Aerzte  oder  sich  Anmeldende  gibt  die  Anstaltsdirektion. 

Therapeutische  Notizen. 

Mit  Antithyreoidin-Möbius  wurden  drei  Fälle  von 
Geisteskrankheiten  mit  einzelnen  Zeichen  der  Basedow  sehen 
Krankheit  behandelt,  über  die  Arthur  Ketz  in  seiner  Dissertation 
(München  1906)  berichtet.  Er  fand  in  Uebereinstimmung  mit  An¬ 
gaben  von  anderer  Seite,  dass  das  Basedow  serum  keine  unan¬ 
genehmen  Störungen,  abgesehen  von  den  nur  im  Anfang  aufgetretenen 
Diarrhöen  und  einmaligem  Erbrechen,  hervorruft.  Es  übt  keinen 
wesentlichen  Einfluss  auf  die  Temperatur  aus,  fördert  den  Eintritt  der 
Menstruation  und  zeigt  eine  deutliche  beruhigende  Einwirkung. 
Weiter  wurde  beobachtet,  dass  der  Umfang  des  Halses  geringer  wird 
durch  Kleinerwerden  der  Struma  und  geringere  Füllung  der  Ge- 
Tässe.  F.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  19.  August  1907. 

—  Der  ständige  Ausschuss  der  mittelfränkischen  Aerztekammer 
hat  an  Herrn  Hofrat  May  er -Fürth,  der  am  14.  ds.  seinen  60.  Ge¬ 
burtstag  feierte,  nachstehende  Adresse  gerichtet:  Hochverehiter  Heu 
Hofrat!  Sehr  verehrter  Freund!  Du  begehst  heute  die  1  eiei  des 
vollendeten  60.  Lebensjahres.  Diese  bedeutsame  Zahl  bringt  uns  in 
lebhafte  Erinnerung,  wie  viel  bis  zum  heutigen  1  age  Du  fiii  unseren 
ärztlichen  Stand  geleistet!  Als  langjähriger  Vorsitzender  des  Nach¬ 
barvereins  der  Fürther  Aerzte,  als  Mitglied  der  mittelfränkischen 
Aerztekammer  durch  bald  ein  Menschenalter,  als  Vorsitzender  dieser 
Aerztekammer  durch  mehr  als  ein  Lustrum,  als  viel'jähriges  Mitglied 
des  Geschäftsabschlusses  des  deutschen  Aerztevereinsbundes  hast 
Du  durch  ernste  Arbeit  Dir  die  grössten  Verdienste  um  unsern  Stand 
erworben  und  es  drängt  uns,  für  Dein  Wirken  im  Namen  der  mittel- 
fränkischen  Aerztekammer  Dir  unsern  wärmsten  Dank  auszusprechen . 
Das  Volk  nennt  das  60.  Lebensjahr  die  Schwelle  des  Alters.  Doch 
das  Alter  beginnt  noch  nicht  um  diese  Zeit,  wenn  man  nicht  alt  sein 
will,  wenn  man  sich  nicht  der  Lebenspflicht  entzieht,  nach  seinem 
Teil  jugendfrisch  mitzuschaffen  an  allem  Guten,  Edlen  und  für  die 


Allgemeinheit  Erspriesslichen,  zu  dessen  Förderung  man  berufen  wird. 
Von  Dir  haben  wir  die  feste  Zuversicht,  dass  Du  wie  bisher  ausharren 
wirst  auf  Deinem  vorgeschobenen,  manchem  Angriff  ausgesetzten 
Posten  als  einer  der  besten  Führer  der  deutschen  und  besonders  der 
bayerischen  und  fränkischen  Aerzte.  Wir  wünschen  und  hoffen,  dass 
Dein  besonnenes,  zielbewusstes  Fortschreiten  auf  dem  Wege  zur 
Förderung  der  ethischen  und  wirtschaftlichen  Interessen  des  ärzt¬ 
lichen  Standes  sich  mehr  und  mehr  die  allgemeine  Zustimmung  er¬ 
wirbt.  Und  in  diesem  Sinne  begrüssen  wir  Dich  zu  Deinem  60.  Ge¬ 
burtstage  auf  das  herzlichste  und  wünschen  Dir  die  bisherige  unge¬ 
schwächte  Kraft  und  aufopfernde  Gesinnung  ad  multos  annos.  Möge 
es  Dir  und  Deiner  hochgeschätzten  Gattin  vergönnt  sein,  noch  recht 
oft  und  froh  und  gesund  Dein  Geburtsfest  zu  begehen! 

In  Namen  der  mittelfränkischen  Aerztekammer  mit  ausgezeichneter 
Hochachtung  der  ständige  Ausschuss 
Dr.  G.  Merkel.  Dr.  W.  Beckh.  Dr.  L.  Schuh. 


Den  Glückwünschen  der  mittelfränkischen  Kollegen  an  Dr. 
Mayer  werden  sich  weite  Kreise  der  bayerischen  und  deutschen 
Aerzte  anschliessen,  die  die  grosse  Arbeitsleistung  Mayers  im  In¬ 
teresse  des  Standes  anerkennen.  Auch  die  Münch,  men.  Wochenschr., 
die  M  ay  e  r  zu  ihren  treuen  Freunden  zählt,  sendet  ihm  zum  Geburts¬ 
tag  nachträglich  die  besten  Wünsche.  __ 

—  Für  die  Zulassung  zur  Prüfung  für  den  ärztlichen 
Staats  dienstin  Bayern  im  Jahre  1908  sind  die  Gesuche  unter 
Vorlage  der  Originale  des  Approbationszeugnisses  und  des  Doktor¬ 
diploms  der  medizinischen  Fakultät  einer  Universität  des  Deutschen 
Reiches  bei  Vermeidung  des  Ausschlusses  von  der  Prüfung  spätestens 
bis  30.  September  1.  Js.  bei  jener  Kreisregierung,  Kammer  des  Innern, 
einzureichen,  in  deren  Bezirk  der  dermalige  Wohnsitz  des  Gesuch¬ 
stellers  sich  befindet.  Im  Gesuche  ist  zugleich  die  Adresse  für  die 
seinerzeitige  Zustellung  des  Zulassungsdekretes  genau  anzugeben. 

—  Nach  §  24  der  Prüfungsordnung  für  Aerzte  vom  28.  Mai  1901 
wird  das  Halbjahr,  in  dem  die  Aerztliche  Vorprüfung  mit 
Erfolg  beendet  ist,  auf  die  vier  Halbjahre,  welche  nach  vollständig 
bestandener  Vorprüfung  bis  zur  Meldung  zui  Aeiztlichen  I  lirfung 
mindestens  zurückzulegen  sind,  nur  dann  angerechnet,  wenn  die 
Vorprüfung  innerhalb  der  ersten  sechs  Wochen  nach  dem  vorge¬ 
schriebenen  Semesteranfange  vollständig  bestanden  ist.  In  einem  vor 
einiger  Zeit  zur  Sprache  gekommenen  Falle  hat  die  Anrechnung  des 
betreffenden  Semesters  auf  jene  4  Semester  abgelehnt  werden  müssen, 
weil  die  Vorprüfung  ohne  V  erschulden  des  E  x  a  m  i  n  an  de  n 
erst  einige  Tage  nach  Ablauf  der  angegebenen  Frist  von  6  Wochen 
beendet  worden  war.  Zur  Vermeidung  derartiger  Fälle  hat  der  Kultus¬ 
minister  bestimmt,  es  möchte  seitens  der  Vorsitzenden  der  Piiifungs- 
kommissionen  darauf  geachtet  werden,  dass  für  die  bereits  im  sechsten 
oder  siebenten  Semester  stehenden  Studierenden,  vorausgesetzt,  dass 
die  Meldung  rechtzeitig  erfolgt  ist.  die  Prüfungstermine  stets 
innerhalb  der  ersten  sechs  Wochen  nach  dem  Semester¬ 


anfange  angesetzt  werden.  ~  n  „ 

—  Dem  Privatdozenten  der  Physiologie  in  Erlangen  Dr.  R.  F. 
Fuchs  wurde  einer  der  beiden  Arbeitsplätze  des  Deutschen  Reiches 
im  internationalen  Höhenlaboratorium  auf  dem 
Monte  Rosa  zuerkannt.  Dr.  Fuchs  wird  dort  Untersuchungen 
über  die  Einwirkung  des  Hochgebirgs  auf  den  menschlichen  Organis- 
rous  anstellen.  Zu  diesen  Arbeiten  haben  die  Herausgeber  du 
, Münch  med.  Wochenschr.  eine  Beihilfe  von  1500  Mark  bewilligt. 

—  In  ähnlichem  Sinne  wie  wir  (in  No.  32),  schreibt  über  die  von 
der  Stadt  Dresden  gelegentlich  der  Naturforscherver- 
Sammlung  beabsichtigten  Festlichkeiten  die  Berl.  klm.  Wochen¬ 
schrift:  „Wir  haben  uns  sehr  oft  dafür  ausgesprochen,  dass  nicht  bloss 
bei  den  Kongressen  die  Festlichkeiten  überhaupt  etwas  mehr  in  den 
Hintergrund  treten  möchten,  sondern  dass  namentlich  den  Städten, 
welche  als  Kongressorte  auserse'lien  sind,  keinerlei  empfindliche  Opfer 
auferlegt  werden  dürften.  Nachdem  nun  diesmal  im  Schosse  .der 
Stadtverwaltung  selbst  die  erwähnten  Bedenken  aulgetaucht  sind, 
wäre  es  unseres  Erachtens  Sache  des  Vorstandes  der  Gesellschaft 
Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte,  die  Stadt  Dresden  um  Zurück¬ 
nahme  der  geplanten  Einladung  und  Verwendung  der  hierfür  aus¬ 
geworfenen  Gelder  zu  einem  gemeinnützigen  Zwecke  zu  bitten;  de i 
Fortfall  der  angebotenen  Festlichkeit  wird  sicherlich  keine  Ver¬ 
minderung  des  Besuches  der  Versammlung  im  Gefolge  haben,  die 
Versammlung  selber  aber  würde,  von  den  Bürgern  der  Stadt  um  so 

herzlicher  bewillkommnet  werden!“  ,  0  n 

_  Der  in  Dresden  lebende  preussische  Oberstabsarzt  a.  L). 

Dr.  Mattersdorf  feierte  am  10.  VIII.  1.  J.  in  der  Sommertnsche 

Ovbin  seinen  98.  Geburtstag.  , 

_  Von  den  6  Assistenzärzten  der  städtischen  Heil-  und 

Pflegeanstalt  zu  Dresden  haben  5  Herren  wegen  dauernder  Dit- 
ferenzen  mit  der  Verwaltung  ihre  Entlassung  eingereicht  und  sehenden 
am  1.  November  ds.  Js.  aus  ihren  Stellungen  aus.  ... 

_ Cholera.  Russland.  In  der  Stadt  Samara  wai  am  17.  Juli 

von  2  unter  choleraverdächtigen  Erscheinungen  in  das  ^ouverne- 
mentskrankenhaus  aufgenommenen  Personen  die  eine  gestorbe  , 
worauf  bald  nachher  unter  gleichen  Erscheinungen  eine  Au{se  ieni 
und  ein  Wärter  desselben  Krankenhauses  erkrankten.  Als  dann  bis 
zum  30.  Juli  noch  7  weitere  choleraverdächtige  Falle  in ^amara  beob¬ 
achtet  worden  waren,  ist  am  2.  August  die  Stadt  Samara  benora 
licherseits  für"  choleraverseucht  erlclärt  worden.  Bis  zum  .  jj^i 
sind  in  der  Stadt  35  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  (und  10  ge 


1712 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  34. 


storben),  davon  allein  am  4.  August  8  (2).  Bis  zum  5.  August  war 
die  Gesamtzahl  der  im  Gouvernement  Samara  an  Cholera  erkrankten 
Personen  aut  50,  der  Choleratodesfälle  auf  14  gestiegen.  Zufolge  einer 
Mitteilung  vom  8.  August  wurden  choleraverdächtige  Fälle  auch  aus 
dem  nördlichen  'Feile  des  Gouvernements  Simbirsk  und  aus  dem 
Kreise  Laischew  des  Gouvernements  Kasan  gemeldet.  Im  Kreise 
Stawropol  (Gouvernements  Stawropol)  waren  am  5.  August  zufolge 
amtlicher  Bekanntmachung  3  Cholerafälle  vorgekommen. 

—  Pest.  Russland.  In  Odessa  sind  seit  dem  17.  Juli  keine 
weiteren  Erkrankungen  an  der  Pest  vorgekommen;  der  am  17.  Juli 
erkrankte  Wärter  des  Stadtkrankenhauses  befand  sich  auf  dem  Wege 
der  Besserung.  —  Aegypten.  Vom  27.  Juli  bis  3.  August  wurden  25 
neue  Erkrankungen  (und  16  Todesfälle)  an  der  Pest  festgestellt.  — 
Britisch-Ostindien  In  Moulmein  starben  vom  23.  Juni  bis  6.  Juli 
21  Personen  an  der  Pest.  In  Kalkutta  starben  vom  30.  Juni  bis 
6.  Juli  18  Personen  an  der  Pest.  —  Straits  Settlements.  Am  5.  Juli 
wunde  in  Singapore  wieder  ein  Pestfall  festgestellt.  —  Zanzibar.  Zu¬ 
folge  einer  Mitteilung  vom  20.  Juli  waren  in  Zanzibar  von  den  seit 
dem  10.  Juni  beobachteten  Todesfällen  bei  Indiern  4  sicher  als  Pest¬ 
todesfälle  erkannt,  während  6  als  pestverdächtig  bezeichnet  werden. 

—  Britisch-Siidafrika.  Während  der  am  6.  Juli  abgelaufenen  Woche 
sind  in  King  Williams  Town  2  Personen  an  der  Pest  erkrankt. 

. —  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  28.  Juli 
bis  3.  August  sind  35  Erkrankungen  (und  14  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  31.  Jahreswoohe,  vom  28.  Juli  bis  3.  August  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Thorn  mit  32,8,  die  geringste  Crefeld  mit  7,5  Todesfällen  pro  Jahr 
und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen  starb 
an  Masern  und  Röteln  in  Bremen,  Colmar,  an  Diphtherie  und  Krupp 
in  Borbeck,  Hannover,  an  Unterleibstyphus  in  Crefeld. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichte  n.) 

Düsseldorf.  Der  erste  Fortbildungskursus  für  praktische 
Aerzte  an  der  Düsseldorfer  Akademie  für  praktische  Medizin  wird 
aus  sachlichen  Gründen  im  Oktober  dieses  Jahres  nicht  stattfinden. 

Greifswald.  Der  ausserordentl.  Honorarprofessor  in  der 
hiesigen  med.  Fakultät  Dr.  Karl  Peter  ist  zum  ausserordentlichen 
Professor  in  derselben  Fakultät  ernannt.  —  Als  Privatdozent  für 
Chirurgie  habilitierte  sich  der  Assistent  der  chirurgischen  Klinik  Dr. 
Rudolf  H  a  e  c  k  e  r.  Seine  Probevorlesung  handelt  über  die  Fort¬ 
schritte  der  chirurgischen  Diagnostik  durch  die  Röntgenstrahlen. 

Köln.  Zum  ordentlichen  Mitgliede  der  Akademie  für  praktische 
Medizin  in  Köln  und  Professor  für  Chirurgie  an  derselben  wurde  an 
Stelle  des  Geheimen  Medizinalrats  Prof.  Bier  der  o.  Professor  und 
Direktor  der  chirurgischen  Klinik  an  der  Universität  Bonn  Geh.  Med.- 
Rat  Dr.  Karl  Garre  ernannt,  (hc.) 

W  ii  r  z  b  u  r  g.  Als  Privatdozent  wurde  an  der  Universität 
Wiirzburg  Dr.  med.  Alexander  Schmincke,  Prosektor  am  patho¬ 
logischen  Institut,  für  das  Fach  der  allgemeinen  Pathologie  und  patho¬ 
logischen  Anatomie  aufgenommen,  (hc.) 

Cagliari.  Der  ausserordentliche  Professor  der  gerichtlichen 
Medizin  Dr.  C.  B  i  o  n  d  i  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

—  Dr.  O.  Casagrandi  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor 
der  experimentellen  Hygiene  ernannt. 

Charkow.  Der  a.  o.  Professor  der  medizinischen  Chemie 
Dr.  D.  K  u  r  a  j  e  w  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Chicago.  Zu  Professoren  am  Rush  Medical  College  wurden 
ernannt  Dr.  R.  R.  B  e  n  s  1  e  y  (Anatomie)  und  Dr.  E.  O.  Jordan 
(pathologische  Anatomie  und  Bakteriologie). 

Cincinnati.  Dr.  M.  A.  Tate  wurde  zum  Professor  der 
Geburtshilfe  am  Miami  Medical  College  ernannt. 

Kiew.  Der  a.  o.  Professor  der  Chirurgie  Dr.  N.  Wolko- 
witsch  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Klausenburg.  Dr.  B.  Gaman  habilitierte  sich  als  Privat¬ 
dozent  für  innere  Medizin. 

Neapel.  Dr.  A.  Gatti  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
Augenheilkunde. 

New-Haven.  Der  Professor  an  der  kalifornischen  Univer¬ 
sität  zu  San  Franzisko  Dr.  J.  M.  Flint  wurde  zum  Professor  der 
Chirurgie  an  der  Yale  Medical  School  ernannt. 

New-York.  Zu  Professoren  am  College  of  Physicians  and 
Surgeons  wunden  ernannt  DDr.  F.  Huber  (Medizin)  und  Fr. 
Peters on  (Psychiatrie). 

Padua.  Habilitiert:  Dr.  G.  Astolfoni  für  Materia  medica 
und  Pharmakologie. 

Palermo.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Augenheil¬ 
kunde  Dr.  G.  C  i  r  i  n  c  i  o  n  e  wurde  zum  ordentlichen  Professor 
ernannt. 

Prag.  Dr.  O.  Fischer  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
Psychiatrie  an  der  deutschen  med.  Fakultät. 

Wien.  Dr.  C.  F.  Grosz  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
Dermatologie  und  Syphilis. 

(Todesfälle.) 

ln  Weinsberg  starb  am  11.  ds.,  90  Jahre  alt,  der  Arzt  und  Dichter 
Dr.  Theobald  Kerner,  Sohn  von  Justinus  Kerner. 

Berichtigung.  In  No.  33  ist  im  Kölner  Sitzungsbericht  auf 
S.  1657,  Sp.  2,  Z.  34  v.  o.  zu  lesen:  Widerstandsunfähigkeit  statt 
Widerstandfähigkeit. 

jC-  -  '  ■■  'i.l..'--  .  ■  I  ■  ^ - 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Wolfgang  Prutz,  appr.  1892  in 
München,  bisher  Privat-Doz.  in  Königsberg. 

Auszeichnungen:  dem  prakt.  Arzt  Dr.  F ranz  Glaser 
in  München  der  Verdienstorden  vom  Heil.  Michael  IV.  Klasse. 

Die  Bewilligung  zur  Annahme  und  zum  Tragen 
erteilt:  dem  Stabsarzt  der  Landwehr  I.  Dr.  med.  Hermann  Atten- 
s  a  m  e  r,  für  das  Ritterkreuz  I.  Klasse  des  Grossherzoglich  Hessischen 
Verdienstordens  Philipps  des  Grossmiitigen. 

Gestorben:  Dr.  Heinrich  Schröder  in  Feuchtwangen. 
Dr.  Friedrich  Kummer,  freiresign.  k.  Bezirksarzt  in  Bad  Aibling, 
im  98.  Lebensjahr. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  Juni  1907. 


Iststärke  des  Heeres: 

66104  Mann,  167  Kadetten,  149  Unteroffiziersvorschüler. 


1.  Bestand  waren 

am  31.  Mai  1907: 


2.  Zugang: 


im  Lazarett: 
im  Revier: 
in  Summa: 


Mann 


Kadetten 


Unteroffiz. - 
vorschüler 


1250 


947 

1263 

2210 


1 

4 

5 


5 

5 


Im  ganzen  sind  behandelt: 

°/ö o  der  Iststärke: 


3460 

52,3 


3.  Abgang: 


dienstfähig: 

°/oo  der  Erkrankten: 
gestorben: 
u/oo  der  Erkrankten : 
dienstunbrauchbar : 
mit  Versorgung: 
ohne  „ 

Auf  Grund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär- 

dlonet  irnrliotirloti  rronrACP. 


2229 

641,3 

8 

2,3 

50 

6 


5 

29,9 


5 

1000,0 


11 

73,8 

8 

727,3 


4.  Bestand 
bleiben 
31.  Mai  1907 


ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 


anderweitig: 
in  Summa: 


16 

83 

2392 


5 


8 


in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 
davon  im  Lazarett 
davon  im  Revier: 


1068 

16,2 

815 

253 


3 

20,1 

3 


Von  den  ln  Ziff.  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Knochen-  und  Lungentuberkulose  1,  Brustfellentzündung  2,  Brech¬ 
durchfall  1,  Blinddarmentzündung  1  und  Schädelbruch  3. 

Ausserhalb  der  ärztlichen  Behandlung  starben  4  Mann  und  zwar 
1  durch  Ersticken  infolge  Eindringens  von  Speiseteilen  in  Kehlkopf 
und  Luftröhre  beim  Erbrechen,  1  infolge  Schädelbruchs  und  Leber- 
zerreissung,  2  Mann  endeten  durch  Selbstmord  (1  Erhängen,  1  Ueber- 
fahrenlassen). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  Juni  12  Mann. 


Uebersichf  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  31.  Jahreswoche  vom  28.  Juli  bis  3.  August  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  11  (6*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  3  (6),  Kindbettfieber  —  ( — ),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  (— ),  Scharlach  —  (2),  Masern  u.  Röteln  2  (2),  Diphth.  u. 
Krupp  1(— ),  Keuchhusten  —  (— ),  Typhus  —  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (3),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  —  (3),  Tuberkul.  d.  Lungen  21  (11),  Tuberkul.  and. 
Org.  4(12),  Miliartuberkul.  —  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  4  (10), 
Influenza  —  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  5  (— ),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  5  (2),  sonst.  Krankh.  derselb.  1  (— ),  organ.  Herzleid.  17  (7), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  4  (15),  Gehirnschlag 
7  (9),  Geisteskrankh.  1  (6),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  2  (3),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3  (— ),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  31  (31),  Krankh.  d.  Leber  4  (2),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (2),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (6),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  5  (5),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  20  (11), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  1  (1),  Selbstmord  2  (1),  Tod  durch 
fremde  Hand  2  (1),  Unglücksfälle  5  (2),  alle  übrig.  Krankh.  1  (4). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  167  (163).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  15,8  (15,5),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,0  (11,2). 


*0  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche, 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  ln  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


fve  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

yt  6,_,  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  *  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0. ¥. Änoerer,  Ch. Bäumler, ''0. t. Bollinger,  H. Carsehmann,  B. Helierich,  W.  v.  Leute,  G. Merkel,  J. v, Michel,  F.PmoMI,  H. v  flanke, 

---  -  ...  1 -  ‘t--1 -  d~-i:-  München. 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen. 


o.  35.  27.  August  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


B.  Spatz,  F.vJinckel, 

München.  München. 

54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  ersten  medizinischen  Klinik  der  Kgl.  Charite,  Berlin 
(Direktor:  Exz.  Wirkl.  Geh.  Rat  Proi.  Dr.  E.  v.  Leyden). 

Die  Vermehrung  der  roten  und  weissen  Blutkörperchen 
und  des  Hämoglobins  durch  die  Lungensaugmaske1) 
und  ihre  Beziehung  zum  Höhenklima. 

Von  Stabsarzt  Dr.  E.  Kuhn,  Assistent  der  Klinik. 


Wie  ich  in  No.  16  dieser  Wochenschrift  mitteilte,  tritt 
schon  bei  einer  mässigen  Einatmungserschwerung  unter  der 
Saugmaske  bereits  nach  einer  Stunde  eine  Vermehrung  der 
roten  Blutkörperchen  um  zirka  eine  Million  unter  gleichzeitiger 
Vermehrung  des  Hämoglobins  und  eine  Vermehrung  der 
weissen  Blutkörperchen  um  zirka  1000  im  peripheren  Kreislauf 
ein.  Bei  täglich  ungefähr  zweistündiger  Anwendung  der  Saug¬ 
maske  2)  kommt  dann  nach  diesen  anfänglichen  relativen  Blut¬ 
schwankungen  oft  schon  nach,  mehreren  Tagen 
oder  einigen  Wochen  eine  erhebliche  absolute 
Vermehrungder  Blutelemente  zustande,  welche 
ebenso  wie  bei  längerem  Aufenthalt  in  der  Höhe  unter  weiterer 
Anwendung  der  Maske  dauernd  bestehen  bleibt  und  sich  später 
ebenso  wie  beim  Abstieg  nach  einem  Höhenaufenthalt  mehr 
oder  minder  langsam  wieder  ausgleicht.  Es  seien  hier  zu¬ 
nächst  einige  Kurven  eingefügt,  welche  ein  Bild  von  der  Ver¬ 
mehrung  der  Blutelemente  bei  zwei  Stunden  täglicher  An¬ 
wendung  der  Saugmaske  geben  können.  Hervorgehoben  sei 
dabei,  dass  diese  Blutkurven  meist  von  tuberkulösen  oder 
anderen  schwächlichen  und  anämischen  Personen  stammen  und 

dass  nur  eine  mittlere  Einat- 


Kurve  I. 


tim- 

fhbn 

Biut 

Krankheitslage: 

nre 

...  • 

f|2|a|4|f|«|7 

fl 

9 

10 

11 

12 

13 

100 . 

90 

6 

8 

Saugmaske  täglich  •• 
?S/r&2St<i2Skf\2ötd2a<tän}P5td 

Sn 

35fc 

Sie 

m 

2&d 

_5_ 

4 

_7_ 

6 

Nor 

1 

na 

~ 

jrJ 

1 

rote 

1 

"t 

1 

url 

HOj^utdr 

11  OJ  Blutdruck 

/  1  l 

JCk 

5* 

80 

10 

60 

50 

4 

3 

5 

\ 

'' 

V 

1 

/N 

trmö 

tgrenze  d.m 
(nachArneth 

5S.ß> 

Utk: 

2 

4 

/ 

' 

1 

3 

/ 

i 

' 

2 

— 

V 

r 

1 

nur  eine 
mungserschwerung  zu  thera¬ 
peutischen  Zwecken  angewandt 
wurde.  Die  Zählungen  wurden 
stets  nüchtern  vor  oder  längere 
Zeit  nach  dem  Essen  vorge¬ 
nommen.  Die  Entnahme  des 

Kurve  II. 


.  rote  Blutkörperchen. 

-  Hämoglobin. 

Frau  M.,  27  Jahre. 

Kurven  der  roten  Blutkörperchen 
und  des  Hämoglobins  bei  2  Std. 

täglicher  Maskenatmung. 
(Phthisis  pulm.  I,  Chlorose.  Pat. 
verreiste,  jetziges  Befinden  un¬ 
bekannt.  Während  der  Atmung 
subjektives  Befinden  gut.) 


rote  Blutkörperchen 
weisse  „ 


Unterarzt  B., 24  J. Phthisis pulm.I. 
(Verreist,  laut  brieflicher  Mit¬ 
teilung  Befinden  gut.) 


D  Näheres  s.  E.  Kuhn,  Lungensaugmaske  zur  Erzeugung  von 
Stauungshyperämfe  in  den  Lungen.  Deutsche  med.  Wochenschr. 
No.  37,  1906  und  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  16,  1907. 

2)  Eine  2 — 3  mal  täglich  je  1  Stunde  währende  Anwendung  der 
Saugmaske  halte  ich  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  für  alle 
therapeutischen  Zwecke  für  völlig  ausreichend. 

No.  35. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Blutes  geschah  aus  den  Ohren,  Fingern,  Zehen  oder  der 
Vena  mediana  cubiti. 

Die  Zählungen  sind  von  ca.  20  verschiedenen  Zählern  vor¬ 
genommen,  wobei  die  Einzelnen  in  der  Regel  dieselben  Patien¬ 
ten  zählten.  Allen  diesen  Mitarbeiteren  sage  ich  an  dieser 
Stelle  meinen  Dank  für  den  Eifer  und  die  Ausdauer  bei  diesen 
mühevollen  Untersuchungen. 

Kurve  III. 


Krankhellslage 


rote 

<17|JU|5|6|7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

19 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 

22 

23 

24 

25 

26 

27 

28 

29 

2Std 

30 

31 

32 

7 

bustnd 

9 

,5 

Mit 

dUC 

mp 

ma 

m 

fl 

m 

Igl 

m 

Ch: 

*btd 

m 

töB 

iStd 

,o;c 

UG 

m 

m 

IM 

m 

IStd. 

m 

IStd 

2Std 

2Sld 

Tsm 

U7 

jsw 

?Sld 

2Sid 

V>M 

EM 

2Std 

m 

5 

ß 

_ 

__5_ 

4 

3 

2_ 

6 

l 

(' 

** 

>y. 

No 

mc 

L. 

Igr 

drt 

t-- 

ten 

Blu 

~ 

ikpgh. 

r 

* 

— 

- 

— 

- 

t 

4— 

J 

5 

Normalgrenze  d  weiss  BlutkJnAmethj 

1  j  Geringes  Heber  |  | 

Pne 

bro 

umo 

nchit 

me 

A3 

Seti 

not 

ark 

_ 

Mt 

_ 

nses 

1 

Subjektives  Wohlbefinden, 
bessere  Oesichtsfarbe  \ 

. rote  Blutkörperchen.  -  weisse  Blutkörperchen. 

Frau  M.,  32  Jahre  (Phthisis  III). 

Anfangs  Fieber.  Viel  Auswurf.  Am  14.  Tage  dazu  Influenza  mit 
Bronchopneumonie.  Am  31.  Tage  mit  21/a  Pfd.  Gewichtszunahme 
entlassen.  Jetzt  nach  Wiedervorstellung  nach  ca.  2  Monaten  7  Pfd. 
Gewichtszunahme,  blühendes  Aussehen. 

Kurve  IV. 


Harro 

giobm 

Blut- 

Krankheilslage 

rote 

weis# 

1  l?|3  Uläl«  |7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

19 

15 

16 

17118 

19 

20 

21 

22 

23 

29 

25 

26 

27 

28 

29 

30 

31\32\33 

Hi, um 

9 

11 

5c 

ug 

IStd1 

ma 

ske 

IStiL 

tä 

?f)d 

glic 

?M 

h 

?M 

PStd 

P: 

7'ü 

ßSq 

>1 

Z:d 

2Sti 

ffitl 

Ob 

2Sd 

M 

Tg 

■ 

Std 

Xd 

2Srd 

26ihsu 

sn 

?StJl2M 

ß 

10 

/ 

/ 

1 

I 

§ 

8 

5 

7 

Q 

/ 

6 

fl 

j 

L 

100 

5 

7 

No 

rm 

ilq 

".dt 

ote 

nß 

utk 

och 

h 

... 

Q0 

4 

6 

-- 

T 

J 

v-- 

— 

- 

- 

-- 

** 

80 

3 

5 

No 

ma 

/grenze  d  weiss 

[nachArneth) 

tun 

. 

70 

? 

4 

/ 

— 

60 

1 

3 

/ 

60 

P 

— 

3 

- 

/ 

40 

1 

. rote  Blutkörperchen.  -  weisse  Blutkörperchen. 

-  Hämoglobin. 

Frau  W .,  42  Jahre  (Phthisis  pulm.  III,  Kavernen,  Pleuritis.). 
Anfangs  ca.  1  Liter  eitrig-geballtes  Sputum.  Pat.  konnte  vor  Schwäche 
und  Atmennot  nicht  stehen.  Jetzt  Auswurf  nur  noch  unerheblich. 
11  Pfd.  Gewichtszunahme  seit  der  Maskenatmung,  Pat.  geht  täglich 
zweimal  2  Treppen  in  den  Garten. 

Kurve  V. 


----  rote  Blutkörperchen, 
-  weisse  „ 

Frl.  Z.  17  Jahre  (Phthisis 
pulm.  1). 

Subjektives  Wohlbefinden. 
3  Pfd.  Gewichtszunahme  in 
11  Tagen.  (Zählungen  an¬ 
fangs  zweimal  tägl.,  später 
viermal  täglich,  immer  un¬ 
mittelbar  vor  und  nach  der 
Maskenatmung.) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1714 


Hinzugefügt  sei  noch,  dass  die  in  den  obigen  Kurven  dar¬ 
gestellten  Befunde  in  ähnlicher  W  eise  bei  a  1 1  e n  Pa¬ 
tienten  f  e  s  t  g  e  s  t  e  1 1 1  werden  konnten,  welche 
die  Saugmaske  längere  Zeit  gebrauchten  und 
bei  denen  Blutzählungen  .vorgenommen  wurden,  mit  Ausnahme 
eines  alten  64  jährigen,  an  schwerer  Anämie  mit  Darm¬ 
blutungen  leidenden  Mannes,  welcher  aber  nur  11  Tage  täglich 
eine  Stunde  die  Maske  anwandte,  und  eines  jungen  Mädchens, 
welches  an  lange  dauernden  profusen  Menses  litt  (s.  u.). 

Dass  die  dauernd  ansteigende  Vermehrung  der  roten  Blut¬ 
körperchen  nicht  vorübergehend  ist,  oder  gar  nui  scheinbar 
durch  andere  Blutverteilung  oder  durch  Eindickung  des  Blutes 
oder  dergl.  vorgetäuscht  wird,  dürfte  aus  folgenden  Kurven 
hervorgehen. 


J  a  k  o  b  j  -  Göttingen  3)  zog  aus  seinen  Versuchen  den 
Schluss,  dass  in  der  verdünnten  Luft  des  Höhenklimas  das 
Blut  in  den  Lungen,  Venen  und  Kapillaren  länger  verweilt  und 
dass  der  Körper  nun  die  dem  grossen  Kreislauf  entzogene  Blut¬ 
menge  durch  Neubildung  zu  ersetzen  sucht.  Da  unter  der 
Saugmaske  das  Blut  noch  viel  mehr  in  den  Lungen  gestaut 
wird,  wie  dieses  nach  Jakobj,  Kronecker  u.  a.  im 
Höhenklima  der  Fall  sein  soll,  so  lässt  sich  diese  Frage  durch 
die  Saugmaske  leicht  experimentell  untersuchen.  Wir  liessen 
zu  diesem  Zwecke  Patienten  unter  der  Saugmaske  gleichzeitig 
Sauerstoff  einatmen  und  fanden,  dass  bei  gleichzeitiger  Sauer¬ 
stoffzufuhr  die  Einatmungserschwerung  keine  Vermehrung  der 
Blutelemente,  sondern  regelmässig  sogar  eine  Verringerung' 
derselben  zur  Folge  hatte.  (Auch  bei  reiner  Ch-Atmung  ohne 


Kurve  VI. 


Kurve  VII. 


. rote  Blutkörperchen. 

-  weisse  „ 

[Herr  Fr.,  20  Jahre  (Pleuritis  tuberculosa). 
Anfangs  starkes,  durch  die  Kleidung  fühlbares 
pleuritisches  Reiben  (Schwarten),  Zwerchfell¬ 
hochstand.  Bei  der  Entlassung  Reibegeräusche 
fast  völlig  geschwunden.  Zwerchfell  erheblich 
besser  beweglich. '  [ Gewichtszunahme  5  Pfd.j 
Subjektives  Wohlbefinden. 


Hämo 

ijioöm 

Blut- 

l 

28] 

29l 

0 

1 

3  2 

% 

35|Jc|37|J8Ü9|*fl| 

.M 

93  W 

w 

1  \2\3\**\5\6\7\8\9\10 

1 

1? 

13  IM 

b\16 

7 

iö 

9 

’O 

21 

22 

23 

24 

2b 

2b 

17 

'(Jlitjner 

in 

lusend 

1? 

So 

m 

5g 

So 

5# 

W 

i 

5 

augma 

5  Hi 

rag 

tcr 

■ 

V 

So 

m 

w 

so 

’So 

\ 

Saugmashe  aus  gesetzt 

ge 

\ 

V 

JO 

<Ü> 

CO 

\ 

c: 

:■ 

— 

\ 

j 

n 

— 1 

« 

\ 

(6 

ß 

\ 

100 

0 

7 

L 

... 

£ 

/ 

r 

\ 

s 

Z- 

r 

* 

:r 

— 

" 

— 

£. 

00 

/, 

f) 

k 

/ 

1 

1 

1 

- 

- 

/ 

/ 

r 

\ 

N 

s 

z'3 

f— 

s 

/ 

S\ 

— 

A 

— 

4  1  i'i  l  1  1 L 

00 

3 

# 

\ 

t 

* 

y 

' 

1 — 

- 

• 

V 

•v 

NC 

rm 

m 

r 

Wi 

nac 

eo 

b  Ar 

wei 

net 

S5.fi 

h) 

. 

/ 

/ 

V 

fiO 

'f 

3 

r 

7 

L 

Uö 

i 

L 

_ 

L 

[ 

_ rote  Blutkörperchen.  -  weisse  Blutkörperchen.  Hämoglobin. 

Frau  Z.,  40  Jahre  (Pleuritis). 

Subjektives  Wohlbefinden.  Erhebliche  Besserung  der  pleuritischen  Schmerzen  unter 
der  Maske.  Aufhebung  der  pleuritischen  Reibegeräusche.  Erheblich  bessere  Gesichts¬ 
farbe.  Gewichtszunahme  5  Pfd. 


Kurve  VIII. 


rote  Blutkörperchen. 


weisse  Blutkörperchen. 


Herr  A,  48  Jahre  (Herzfehler,  Anämie).  . 

Subjektives  Wohlbefinden.  Erhebliche  Besserung  der  Gesichtsfarbe.  (Da  zweistündige  Maskenatmung  nicht  gut  vertragen  wurde,  winde 
später  stündlich  10  Minuten  geatmet.)  Am  64.  und  80.  Tage  hatten  zwei  isolierte  Zahlungen  von  anderer  Seite  2,7  Mill  bzw.  3,4  M  l. 
Frvthrozvten,  jedoch  90  bzw.  100  Hämoglobin  ergeben.  Infolgedessen  vorgenommene  zahlreiche  Nachprüfungen  durch  /  Herren  am  80., 

81.,  82.  und  83.  Tage  ergaben  aber  stets  wieder  4,8— 5,4  Ervtrozyten  und  90  —  100  Hämoglobin. 


Man  sieht  aus  diesen  Kurven,  wie  auch  nach  mehrtägigem 
bezw.  mehrwöchigem  Aussetzen  der  Maske  die  Zahl  der  Blut¬ 
körperchen  noch  auf  derselben  Höhe  geblieben  oder  nur  wenig 
gesunken  ist. 

Fragen  wir  uns  nun  zunächst,  was  bewirkt 
die  Anlockung  resp.  Vermehrung  der  Blut¬ 
elemente? 

Da  unter  der  Saugmaske  ebenso  wie  im  Höhenklima  ‘die 
Sauerstoffzufuhr  eine  gewisse  Erschwerung  erfährt,  so  liegt 
es  nahe,  in  beiden  Fällen  den  Reiz,  welcher  durch  die  ver¬ 
minderte  Sauerstoffspannung  infolge  der  erschwerten  Ein¬ 
atmung  unter  der  Saugmaske  bezw.  der  verdünnten  Luft  in 
der  Höhe  auf  die  blutbildenden  Organe  des  Knochenmarks  aus¬ 
geübt  wird,  für  die  Anlockung  der  Blutelemente  verantwort¬ 
lich  zu  machen. 


Einatmungshindernis  kommt  eine  Verringerung  zustande,  siehe 
Kurve  XI.) 

Aehnliche  Erfahrungen  machte  Bence4)  im  Höhenklima. 
Er  führt  an,  dass  auch  in  der  Hohen  Tatra  die  Höhenpolyglobulie 
nach  Sauerstoffatmungen  verschwand.  Bence  berichtet 
ferner  in  der  genannten  Arbeit,  dass  nach  Koväcs  und 
K  o  r  ä  n  y  i  entsprechend  auch  die  Polyglobulie  bei  Herz¬ 
fehlern  und  die  genuine  Polyglobulie  mit  Milztumor  durch 
Sauerstoffatmungen  verringert  werden  kann. 


3)  Jakobj:  Zur  Frage  der  mechanischen  Luftdruckver- 
mindernug  auf  den  Organismus.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1907, 
No.  1. 

4)  Bence:  3  Fälle  von  Polyglobulie  mit  Milztumor.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  No.  37,  1906. 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1715 


Es  muss  demnach  wohl  an  der  bisher  allgemein  angenom¬ 
menen  und  auch  nächstliegenden  Erklärung  festgehalten 
werden,  dass  auch  im  Höhenklima  (ebenso  wie  unter  der  Saug¬ 
maske)  die  Vermehrung  der  Blutelemente  i  n  d  e  r 
Hauptsache  durch  die  verminderte  Sauer¬ 
stoffspannung  hervor  gerufen  wird. 

Auch  die  Polyglobulie  bei  Herzfehlern  mit  Mischungs¬ 
zyanose  (bei  welchen  Weil  das  Knochenmark  hyperplastisch 
fand)  und  bei  Herzfehlern  mit  Lungenblutstauung* * 5 *),  ferner  bei 
CO-Vergiftung,  bei  der  Polyglobulie  mit  Milztumor  usw.  ist 
nach  Limbeck,  Koväcs,  Koränyi,  Mohr,  Lommel 
u.  a.  durch  Verminderung  der  Os-Spannung  in  den  Geweben 
bedingt  (weitere  Literatur  siehe  bei  B  e  n  c  e  4). 

Desgleichen  führt  Raybaud“)  eine  von  ihm  bei  einem 
alten  tuberkulösen  Pneumothorax  gefundene  Polyglobulie 
(6,6  Millionen  Erythrozyten)  ebenso  wie  Auscher  und 
L  a  p  i  q  u  e°)  eine  bei  künstlichem  Pneumothorax  gefundene  Po¬ 
lyglobulie  auf  Oa-Mangel  infolge  des  Atemhindernisses  zurück. 
Auch  konnte  ich  bei  Asthma  bronchiale  nach  einer  längeren 
Periode  täglicher  schwererer  Anfälle  Polyglobulie  konstatieren, 
für  welche  dieselbe  Ursache  anzunehmen  naheliegt,  da  dieselbe 
nach  Beseitigung  der  respiratorischen  Stenoseanfälle  ver¬ 
schwand.  Auch  S  c  h  lo  s  s  e  r  7)  fand  bei  2  Fällen  von  Pneumo¬ 
thorax  Polyglobulie  (7,4  Milk),  desgl.  Grawitz  bei  Emphyse- 
matikern  und  Schröder  und  Kündig7)  bei  Pleuritikern ; 
und  ich  glaube,  dass  auch  die  Polyglobulie,  welche  man  bei 
schlecht  atmenden  Phthisikern  mit  paralytischem  Thorax 
oder  stärkerer  Lungenverödung  überraschenderweise  öfter 
findet,  in  diesem  Zusammenhänge  verständlich  und  er¬ 
klärlich  wird. 

Die  Frage  nach  der  Vermehrung  der  Blutelemente  bei  der 
verminderten  Sauerstoffspannung  im  Höhenklima  ist  durch  die 
Untersuchungen  von  Bert,  Müntz,  Miese  her7),  Veil- 
Ion,  Egger,  Suter,  K  a  r  c  h  e  r,  J  a  q  u  e  t 8),  Z  u  n  t  z 10), 
Loewy,  Kolmer,  Caspary,  Müller,  V  i  a  u  1 1,  S  e  1  - 
1  i  e  r,  R  e  g  n  a  r  d8 12),  Schaumann-Rosenquist8),  Law- 
r  i  n  o  w  i  t  s  c  h  8),  Abderhalden9)  u.  a.  nun  zweifellos 
ebenfalls  dahin  entschieden,  dass  eine  wirkliche  Vermehrung 
der  roten  Blutkörperchen  im  Höhenklima  stattfindet,  welche 
proportional  der  Luftverdünnung  ansteigt  und  um  so  länger 
anhält,  je  länger  der  Höhenaufenthalt  gedauert  hat.  Eine  Dif¬ 
ferenz  der  Meinungen  besteht  hauptsächlich  nur  noch  bezüglich 
der  Erklärung  der  schnell  eintretenden  Schwankungen  im 
Blutbilde  sofort  nach  der  Ankunft  in  der  Höhe,  bei  Ballon¬ 
fahrten  usw.  Einige  Autoren,  z.  B.  Abderhalden,  halten 
allerdings  auch  daran  fest,  dass  auch  die  dauernde  Ver¬ 
mehrung  der  Blutelemente  nach  längerem  Höhenaufenthalt 
wenigstens  zu  einem  Teile  durch  ungleichmässige 
Füllungszustände  der  Blutgefässe  u.  dgl.  zu  erklären  sei. 
Durch  die  Blutbefunde,  welche  sich  bei  der  Anwendung  der 
Saugmaske  an  unseren  Kranken  ergeben,  und  welche  zweifel¬ 
los  in  der  Hauptsache  als  identisch  denen  des  Höhenklimas  an¬ 
gesehen  werden  können,  gewinnt  nun  diese  wichtige  Frage  so¬ 
wohl  in  physiologischer  wie  klinisch-therapeutischer  Hinsicht 
nach  verschiedenen  Richtungen  eine  erhöhte  Bedeutung  und 
neue  Beleuchtung. 

Die  Annahme  von  Sahli  und  Grawitz,  dass  die  ge¬ 
samte  Blutvermehrung  bei  vermindertem  Os-Druck  in  der  Höhe 
nur  durch  Eindickung  des  'Blutes  infolge  Wasserverdunstnng 
durch  Sonnenbestrahlung,  Schweissabgabe  etc.  zustande  käme, 
ist  schon  durch  Miescher 31),  J  a  q  u  e  t 8)  u.  a.  und  besonders 
durch  Z  u  n  t  z 1!)  widerlegt,  denn  es  liess  sich  im  Höhenklima 
weder  eine  höhere  spezifische  Schwere  des  Blutplasmas  noch 
ein  höherer  Gewichtsverlust,  welcher  bei  so  erheblicher  Ein¬ 
dickung  des  Blutes  dann  sicher  stattfinden  müsste,  feststellen. 


°)  Krehl:  Pathologische  Physiologie,  1904. 

°)  Ref.  Internationales  Zentralblatt  für  die  ges.  Tuberkulose- 

Literatur  1907.  No.  7.  S.  165. 

')  Miesche  r  s  Arbeiten  1897  und  Korrespondenzblatt  für 

Schweizer  Aerzte  1898. 

8)  0.  Schrötter:  Luftdruckerkrankungen  etc. 

lJ)  Medizinische  Klinik  1905,  No.  9. 

“)  Zuntz  usw.:  Höhenklima  S.  197  (1906). 

’)  Miese  hers  Arbeiten  und  Korrespondenzbl.  f.  Schweizer 
Aerzte,  1898. 

12)  Zuntz:  Höhenklima  S.  183. 


Natürlich  ist  auch  unter  der  Saugmaske  an  grössere  Anstren¬ 
gungen  oder  Schweissabgabe  ebensowenig  zu  denken,  wie  an 
Wasserverlust  durch  klimatische  Einflüsse  oder  dgl. 

Bunge  stellte  dann  die  Theorie  auf,  dass  die  Blutkörper¬ 
chenvermehrung  überhaupt  nur  dadurch  zustande  käme,  dass 
bei  Sauerstoffmangel  infolge  eines  allgemein  erhöhten  Tonus 
der  Gefässe  das  Plasma  z.  T.  aus  der  Blutbahn  austräte,  wo¬ 
durch  in  der  Zeiteinheit  mehr  Erythrozyten  die  Lunge  pas¬ 
sieren  und  den  Sauerstoff  besser  ausnützen  könnten. 

Demgegenüber  wiesen  Jaquet  und  Suter7)  daraufhin, 
dass  bei  Berücksichtigung  des  Gesamtgewichtes  und  Trocken¬ 
rückstandes  der  Versuchstiere  (welche  Bunges  Schüler 
W  e  i  s  s  und  auch  Grawitz  bei  ihren  Versuchen  ausser  acht 
gelassen  hatten),  die  Gesamthämoglobinmenge  bei  gleichartigen 
Tieren  in  der  Höhe  (Davos)  um  20  Proz.  grösser  war  als 
bei  den  Tieren  in  Basel,  und  später  fand  Jaquet  auch  bei 
Kaninchen,  welche  4  Wochen  im  künstlich  luftverdünnten 
Raume  gelebt  hatten,  das  Gesamthämoglobin  um  mehr  als 
20  Proz.  höher  als  bei  den  Kontrolltieren.  Ebenso  fand 
Zuntz10)  und  seine  Mitarbeiter  (Loewy,  Müller,  Kol¬ 
mer,  Caspary)  den  Hämoglobingehalt  der  Rothorntiere  um 
20,5  Proz.  höher  als  den  der  Berner  Tiere,  wobei  besonders 
das  Knochenmark  erheblich  höhere  Hämoglobinwerte  aufwies. 
Desgleichen  fand  Abderhalden9)  durch  Bestimmung  des 
Eiweissgehaltes  und  Trockenrückstandes  des  Blutes  und  Se¬ 
rums  entsprechender  Tiere,  dass  das  Serum  der  1  iere  in  der 
Höhe  (St.  Moritz)  einen  höheren  Trockenrückstand  und  Ei¬ 
weissgehalt  besass,  wie  das  der  1  iere  in  Basel.  Das  Gesamt¬ 
hämoglobin  fand  Abderhalden  bei  seinen  zahlreichen  Ver¬ 
suchstieren  ebenfalls  um  ca.  17 — 19  Proz.  im  Höhenklima  ver¬ 
mehrt.  Als  weiteren  ausschlaggebenden  Beweis  konstatierten 
Zuntz10)  und  seine  Mitarbeiter,  dass  bei  vergleichenden  Un¬ 
tersuchungen  (nicht  zu  alte)  Versuchstiere  auf  dem  Rothorn 
nach  mehreren  Wochen  gegenüber  gleichartigen  Berner  Tieren 
vorwiegend  rotes,  tätiges  Knochenmark  aufwiesen.13)  Diese 
Untersuchungen  beweisen  mit  Sicherheit  eine  Blutvermehrung 
in  der  Höhe,  doch  sind  die  in  Betracht  kommenden  Methoden 
nicht  exakt  genug,  um  die  wirkliche  Grösse  der  Erythrozyten¬ 
vermehrung  mit  Genauigkeit  zu  bestimmen  und  den  Einwand, 
dass  die  Vermehrung  des  Blutes  wenigstens  zum  Teil 
nur  eine  scheinbare  sei,  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  Die 
Bunge  sehe  Theorie  könnte  immerhin  wenigstens  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  Geltung  haben,  ebenso  wie  eine  dritte  Theorie, 
welche  von  Zuntz  zur  Erklärung  der  schnellen  Schwan¬ 
kungen  im  Blutbilde  aufgestellt  worden  ist.  Zuntz1 0  wies 
durch  zahlreiche  Experimente  nach,  dass  unter  dem  Einfluss 
wechselnder  Kontraktionszustände  der  kleinsten  Gefässe  bei 
Durchschneidung  des  Rückenmarkes,  bei  Sauerstoffmangel, 
Kälte,  Fieber,  venösen  Stauungen  usw.  das  Mischungsverhältnis 
zwischen  Blutkörperchen  und  Plasma  in  verschiedenen  mehr 
oder  minder  begrenzten  Gefässgebieten  sich  innerhalb  weiter 
Grenzen  sehr  rasch  ändern  kann.  Dass  also  eine  ungleich¬ 
mässige  Verteilung  der  Blutelemente  beispielsweise  den  Haut¬ 
kapillaren  mehr  Erythrozyten  zuführen  kann,  als  dem  Splanch- 
nikusgebiete  der  Baucheingeweide,  deren  Blutgefässe  sich  z.  B. 
bei  Os-Mange1  *tark  kontrahieren.  Da  sich  bei  Oa-Mangei 
nun  auch  andere  Gefässgebiete  und  besonders  die  Hautkapil¬ 
laren  kontrahieren  (Z  untz  15),  so  erklären  sich  wohl  auch  die 
paradoxen  Befunde,  welche  man  zuweilen  bei  stär¬ 
kerer  forcierter  Einatmungsbehinderung  findet,  bei 
welcher  bei  Entnahme  des  Blutes  aus  den  Hautkapillaren 
manchmal  sogar,  ebenso  wie  bei  schnellem  Anstiege  in  die 
Höhe  (Zuntz,  Schumberg,  Gaule10)  R  e  d  u  k  t  i  o  n  e  n 
der  Blutzahlen  gefunden  werden  (welche  dann  aber  einige  Zeit 
später  wieder  höheren  Zahlen  weichen). 

Unter  den  bei  Anwendung  der  Saugmaske  gewonnenen 
Befunden  ergeben  sich  nun  weitere  Stützen  für  eine  wirkliche 
Neubildung  von  Blutkörperchen  bei  verminderter  Sauerstoff¬ 
spannung.  Wichtig  ist  zunächst  die  Tatsache,  dass  in  der 
Karotis  bei  Tieren  in  der  Höhe  dieselbe  Blutvermehrung  festge¬ 
stellt  werden  konnte  wie  im  Kapillargebiet  der  Haut  (Z  u  n  t  z. 


13)  Zuntz:  Höhenklima  1906,  S.  200. 

14)  Zuntz  und  C  o  h  n  s  t  e  i  n :  Pflügers  Archiv  1888. 
,?)  P  f  1  fi  g  e  r  s  Archiv  1878. 

16)  Siehe  Anmerkung  9. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


1716 


Abderhalden).  Auch  wir  konnten  bei  der  Entnahme  des 
Blutes  aus  der  Vena  mediana  cubiti  keine  wesentlichen  Ab¬ 
weichungen  gegenüber  den  Hautkapillaren  des  Ohres,  Fingers 
und  der  Zehe  feststellen. 

Dass  aber  überhaupt  weder  unregelmässige  Verteilung 
noch  Plasmaaustritt  des  Blutes  aus  den  Gefässen  eine  ent¬ 
scheidende  Bedeutung  für  die  vorliegende  Frage  haben 
kann,  dürfte  schon  aus  den  oben  angeführten  Blutkurven  mit 
Wahrscheinlichkeit  hervorgehen,  denn  es  wäre  nicht  einzu¬ 
sehen  warum,  wenn  der  Körper  sich  nur  während  einiger  Stun¬ 
den  des  Tages  durch  Eindickung  des  Blutes  oder  durch  Tonus¬ 
schwankungen  gegen  02-Mangel  schützen  müsste,  überhaupt 
eine  so  starke,  dauernd  ansteigende  und  nachher 
längere  Zeit  anhaltende  Vermehrung  zustande  kommen 
sollte,  denn  die  verminderte  Sauerstoffspannung  entfaltet  hier 
ihre  Wirkung  auf  den  Gefässtonus  immer  nur  so  kurze  Zeit, 
dass  hierdurch  allein  die  von  Tag  zu  Tag  immer  höhere  Zahlen 
ergebende  Vermehrung  der  Blutelemente  oder  gar  erst  eine 
so  lange  anhaltende  ungleichmässige  Verteilung  oder  Ein¬ 
dickung  des  Blutes  nicht  erklärt  werden  kann. 

Da  jedoch  schon  nach  einer  Stunde  unter  der  Saugmaske 
anfangs  sich  gewöhnlich  17)  die  roten  Blutkörperchen  um  eine 
bis  mehrere  Millionen  und  die  weissen  oft  um  mehrere  Tausend 


Blutkörperchen  in  die  Blutbahn  zu  stände.  Hierdurch 
wird  dann  ein  neuer  und  verstärkter  Reiz  auf 
die  blutbildenden  Zellen  ausgeübt,  welcher 
die  Bildung  neuer  Reservevorräte  und  zwar 
im  Ueber  schuss  anregt. 

Ich  möchte  des  weiteren  annehmen,  dass  wenn  das  Sauer¬ 
stoffbedürfnis  des  Körpers  dann  wieder  durch  eine  kleinere 
Blutkörperchenmenge  gedeckt  werden  kann,  ein  Teil  der  hervor¬ 
gelockten  Blutkörperchen  vielleicht  wieder  in  das  Knochen¬ 
mark  und  besonders  wohl  in  die  Milz,  Leber  und  andere  innere 
Organe  zurücktritt,  so  dass  anfangs  im  Kreislauf  sehr  rasch 
die  frühere  Blutmenge  wieder  auftritt,  sobald  die  absolute  Blut¬ 
körperchenvermehrung  noch  keine  erheblichere  geworden  ist. 

Ein  fernerer  und  zwar  indirekter  Beweis,  dass  in 
der  Tat  stets  ein  sofort  einsetzender  Reiz  auf  das 
Knoche  n  mark  bezw.  die  blutbildenden  Organe  stattfindet, 
ist  die  Erfahrung,  dass  z.  ß.  bei  alten  Leuten  (s.  o.)  und 
schweren  Anämien  oder  sehr  kachektischen  Kranken  (nach 
Grober  auch  bei  Karzinomkranken),  bei  denen  das  Knochen¬ 
mark  weniger  leistungsfähig  ist,  die  Schwankungen  im  Blut¬ 
bilde  unter  Anwendung  der  Saugmaske  (ebenso  wie  im  Höhen¬ 
klima)  ganz  au  sb  leiben  bezw.  viel  geringer  sind.  Zur  Er¬ 
läuterung  mögen  folgende  Kurven  dienen. 


. rote  Blutkörperchen. 

-  weisse  „ 

-  Hämoglobin. 

Frau  St.,  43  Jahre  (Phthisis  III). 

Nach  zwei  Wochen  lang  beobachtetem  hektischen 
Fieber  bis  40°  Anwendung  der  Saugmaske.  Danach 
am  dritten  Tage  fieberfrei.  Anfangs  ca.  2  Liter 
eiterigen  gebähten  Sputums  tägl.,  schwere  Kachexie. 
Nach  3—4  Wochen  Auswurf  völlig  geschwunden. 
Klinische  Erscheinungen  ganz  erheblich  gebessert. 
(Auswurf  und  Husten  bestand  seit  mehreren  Jahren 
trotz  wiederholter  Krankenhausbehandlung.)  Kein 
Husten  mehr,  subjektiv  völliges  Wohlbefinden.  Ge¬ 
wichtszunahme  seit  der  Maskenatmung  22  Pfd.  in 
ca.  7  Wochen.  (Nach  zweitägigem  Maskengebrauch 
trat  eine  ausserordentliche  Steigerung  des  Appetits 
ein.  Allmähliche  Rötung  des  Gesichtes  und  der 

Nägel.) 

Kurve  X. 


Kurve  IX. 


. rote  Blutkörperchen.  -  weisse  Blutkörperchen. 

Herr  K.,  40  Jahre.  (Starke  Leber-  und  Milzschwellung)  Ban  tische  Krankheit. 

Gesichtsfarbe  anfangs  fahl,  blassgrün;  Nägel  gelblichweiss.  Jetzt  Wangen  leicht  gerötet,  Fingernägel  rosa.  Der  anfangs 

völlig  bettlägerige  Pat.  geht  jetzt  seiner  dienstlichen  Beschäftigung  wieder  nach. 


im  Kubikmillimeter  vermehren,  so  ist  allerdings  nicht  anzu¬ 
nehmen,  dass  diese  grossen  im  peripheren  Kreisläufe  erschei¬ 
nenden  Blutmengen  nun  sofort  binnen  einer  Stunde  neu  ge¬ 
bildet  werden,  sondern  es  ist  zweifellos,  dass  diese  anfäng¬ 
lichen  Schwankungen,  welche  analog  denen  zu  setzen  sind, 
welche  man  bei  Luftschiffern  oder  nach  schnellem  Anstieg 
auf  die  Höhe  oder  bei  Tieren  nach  kurzem  Aufenthalt  in  der 
Vakuumglocke  findet,  zum  grössten  Teil  durch  Tonus¬ 
schwankungen  zu  erklären  sind.  Zu  einem  Teile  aber 
glaube  ich,  kommen  sie  durch  Eintreten  von  bereits  fer¬ 
tiggebildeten,  zur  Reserve  im  Knochenmark  vorhandenen 


17)  Bei  sehr  forcierter  Inspirationsbehinderung  findet,  wie  er¬ 
wähnt.  auch  öfter  eine  Abnahme  statt,  welche  zweifellos  durch  Tonus 
der  Hautkapillaren  infolge  Os  Mangels  bedingt  ist.  Entsprechend 
fand  auch  Z  u  n  t  z  u.  a.  bei  schnellem  Anstieg  in  grössere  Höhen  oder 
Ballonfahrten  öfter  erheblich  abweichende  Resultate,  welche  m.  E. 
in  gleicher  Weise  zu  erklären  sind. 


Man  sieht  aus  den  Kurven  dass  bei  diesen  Patienten  durch 
den  Reiz  aufdasweniger  leistungsfähigeKno- 
chenmark  erst  eine  ganz  allmähliche  Vermeh¬ 
rung  der  Blutelemente  stattfindet.  Auch  die  grossen 
anfänglichen  Schwankungen  welche  man  besonders  bei  anä¬ 
mischen  Individuen  mit  leistungsfähigem  Knochenmark  sieht, 
fallen  hier  grösstenteils  fort,  ein  weiterer  Beweis,  dass  das  rein 
mechanische  Moment  einer  unregelmässigen  Blutverteilung 
auch  bei  den  anfänglichen ,  starken  Vermehrungen  nicht  die 
alleinige  Ursache  sein  kann,  denn  es  wäre  nicht  einzusehen, 
warum  denn  sonst  hier  diese  Veränderungen  ausbleiben  sollten. 
Uebrigens  stellten  Zuntz  und  seine  Mitarbeiter  fest,  dass  auch 
im  Höhenklima  die  Zunahme  der  Erythrozyten  bei  alten 
Versuchstieren  weniger  intensiv  und  nicht  so  regelmässig  auf¬ 
tritt  als  bei  jungen.  Auch  ist  es  bekannt,  dass  bei  schwer 
anämischen  oder  kachektischen  Patienten  ein  zu  therapeutischen 
Zwecken  gewählter  Höhenaufenthalt  sehr  oft  seine  Wirkung 
versagt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1717 


27.  August  1907. 

Ein  fernerer  Beweis,  dass  ein  die  blutbildenden  Organe 
anregender  und  zwar  vorwiegend  auf  das  Knochenmark  ge¬ 
richteter  Reiz  auch  schon  bei  den  anfänglichen  Vermehrungen 
seine  Wirkung  entfaltet,  ist  auch  darin  zu  sehen,  dass  auch  die 
schon  nach  einstündiger  Maskenatmung  eintretende  V  e  r  - 
me  hrung  der  weissen  Blutkörperchen  haupt¬ 
sächlich  in  einer  Vermehrung  der  neutrophi¬ 
len,  polymorphkernigen  Leukozyten  besteht, 
deren  Bildungsstätte  das  Knochenmark  ist,  während  die  Lym¬ 
phozyten,  welche  zum  grossen  Teil  auch  in  der  Milz  und  den 
Lymphdrüsen  entstehen,  in  viel  weniger  vermehrter  Zahl  auf- 
treten.  Ueber  die  einzelnen  Arten  der  unter  der  Saugmaske 
sich  vermehrenden  neutrophilen  Leukozyten  im  Arneth- 
schen  Sinne  wird  Herr  Zillmer  in  einer  Dissertation  dem¬ 
nächst  noch  nähere  und  ausführlichere  Angaben  machen. 

Wenn  die  anfänglichen  Schwankungen  im  Blutbilde  nur 
durch  ungleichmässige  Blutverteilung  zustande  kämen,  müsste 
dann  wohl  wenigstens  bezüglich  der  weissen  Blutkörperchen 
eine  annähernd  der  früheren  gleiche  Zusammensetzung  nach 
Anwendung  der  Saugmaske  zu  erwarten  sein,  was^aber  nach 
unseren  Befunden  durchaus  nicht  der  Fall  ist.38) 

Ich  glaube  also  daran  festhalten  zu  müssen,  dass  auch  die 
anfänglichen  Vermehrungen  der  Erythro¬ 
zyten  und  Leukozyten  nach  einstündiger  Mas¬ 
kenatmung  teilweise  schon  als  durch  einen  di¬ 
rekten  Reiz  aus  dem  Knochenmark  bezw.  an  - 

dereninnerenOrganenhervorgelockterklärt 

werdenmüssen. 

Dass  die  Leukozyten  überhaupt  in  ihrer  Gesamtheit  ebenso 
wie  die  Erythrozyten  unter  der  Sangmaske  wirklich  vermehrt 
werden,  geht  aus  den  angeführten  Kurven  und  unseren  zahl¬ 
reichen  Einzeluntersuchungen  hervor,  und  ich  glaube,  man 
wird  eine  solche  Leukozytenvermehrung  auch  im  Höhenklima 
feststellen  können,  wenn  man  entsprechende  Zählungen  vor¬ 
nimmt. 

Es  fällt  dabei  nun  sofort  auf,  dass  meistens  das  Prozent¬ 
verhältnis  zwischen  Erythrozyten  und  Leukozyten  ein  ziemlich 
konstantes  bleibt.  Diese  Beobachtung  gibt  uns  vielleicht  auch 
einen  Fingerzeig  zur  Erklärung  der  gewöhnlich  zugleich  mit 
der  Erythrozytenvermehrung  auftretenden  Leukozytose.  Ich 
glaube  daraus  den  naheliegenden  Schluss  ziehen  zu  dürfen, 
dass  der  Körper,  auch  wenn  durch  verminderte 
Oa-  Spannung  nur  die  Vermehrung  der  Ery¬ 
throzyten  geboten  ist,  in  der  Zusammen¬ 
setzung  des  Gesamtblutes  im  Kreislauf  an 
einem  bestimmten,  auch  sonst  vorhandenen 
Prozentverhältnis  im  allgemeinen  festzu- 
halten  sucht. 

Dass  ein  Reiz,  welcher  die  Neubildung  der  Erythrozyten 
im  Knochenmark  anregt,  auch  den  Leukozytenapparat  des 
Knochenmarks  zu  erhöhter  Tätigkeit  anspornt,  findet  sein 
Gegenstück  in  der  Vermehrung  der  polymorphkernigen  Leuko¬ 
zyten,  welche  gewöhnlich  die  regenerative  Neubildung  der 
Erythrozyten  nach  Blutverlusten  begleitet.  Nach  Sahli111) 
gibt  sogar  die  Zahl  der  im  Blute  vorhandenen  polymorphkerni¬ 
gen  Leukozyten  einen  ziemlich  sicheren  Massstab  für  die  Leb¬ 
haftigkeit  der  regenerativen  Tätigkeit  des  Knochenmarks  ab. 

Und  im  Gegensatz  hierzu  kommt  bei  der  perniziösen 
Anämie  entsprechend  dem  Darniederliegen  der  Knochenmarks¬ 
funktionen,  auf  Kosten  der  polymorphkernigen  Leukozyten 
meist  eine  erhebliche  relative  Vermehrung  der  Lymphozyten 
zustande,  welche  zur  Zeit  der  Besserung  dann  wieder  einer 
stärkeren  polymorphkernigen  Leukozytose  weichen  kann  19). 

Dass  bei  unseren  tuberkulösen  Kranken  in  einigen  Kurven 
Ausnahmen  dieser  Leukozytenzahlen  im  Verhältnis  zu  den 
Erythrozyten  gefunden  wurden,  ist  durch  die  bei  diesen  Kran¬ 
ken  vorhandenen  Kavernen  und  Eiterhöhlen  in  den  Lungen 
bezw.  durch  phagozytische  oder  antitoxische  Inanspruch¬ 
nahme  der  Leukozyten  erklärlich. 

Interessant  ist  auch  die  Kurve  No.  VIII,  in  der  anfangs  ein 
gewisser  paraleukämischer  Zustand  bestand,  bei  dem  die 


18)  Auch  Raybaud  fand  bei  der  erwähnten  Polyglobulie  in¬ 
folge  Pneumothorax  eine  gleichzeitige  Leukozytose,  nämlich  12  140 
Leukozyten,  von  denen  8570  polymorphkernige  waren. 

in)  Sahli:  Klinische  Untersuchungsmethoden  1905  S.  705. 


Leukozyten  wohl  „ex  vacuo“  vermehrt  waren,  dann  aber  mit 
dem  Ansteigen  der  Erythrozyten,  auf  das  Normale  zurück¬ 
gingen,  um  später  ähnlich  wie  bei  normalen  Individuen  im  all¬ 
gemeinen  mitzusteigen  20). 

Eine  besondere  Besprechung  bedarf  nun  weiter  die  Hämo¬ 
globinvermehrung. 

Das  Hämoglobin  vermehrt  sich  unter  der  Saugmaske  ge¬ 
wöhnlich  nicht  so  schnell  wie  die  Erythrozyten.  Die  roten 
Blutkörperchen  sind  anfangs  blasser  und  oft  kleiner.  Der 
Hämoglobingehalt  des  Blutes  steigt  zwar  ebenfalls  dauernd, 
aber  gewöhnlich  zunächst  nicht  entsprechend  der  Erythro¬ 
zytenzahl.  Ich  halte  diese  Erscheinung  für  sehr  erklärlich, 
denn  der  Körper  kann  kaum  solche  Eisenvorräte  verfügbar 
haben,  wie  zur  Sättigung  der  in  so  kurzer  Zeit  angelockten 
jungen  bezw.  neugebildeten  Erythrozyten  mit  Hämoglobin 
nötig  sind,  diese  müssen  erst  allmählich  aus  der  Nahrung  zu¬ 
rückgehalten  werden,  und  es  scheint,  als  ob  dementsprechend 
unter  gleichzeitiger  Eisendarreichung 21)  die  Hämoglobin¬ 
zunahme  in  der  Tat  manchmal  auch  etwas  schneller  von  statten 
ginge  22). 

Uebrigens  stellten  auch  Otto,  Bizozzero  und  Sal- 
v  i  o  1  i 23)  ferner  auch  Ott  und  L  a  a  c  h  e 24)  die  analoge  Er¬ 
scheinung  fest,  dass  bei  der  regenerativen  Neubildung  der 
Erythrozyten  nach  Aderlässen  oder  Blutverlusten  anfangs  der 
Hämoglobingehalt  verhältnismässig  geringer  bleibt.  Auch  in 
der  Höhenluft  (Davos)  fanden  J  a  q  u  e  t  und  Suter  ebenso 
wie  M  i  e  s  c  h  e  r  7)  und  neuerdings  Z  u  n  t  z 10)  den  Hämo¬ 
globingehalt  teilweise  nicht  ganz  entsprechend  der  Blutkörper¬ 
chenvermehrung  gesteigert  und  auch  Lawrinowitsch23) 
stellte  nach  der  Ankunft  auf  den  Pamirhöhen  Erythrozyten¬ 
zunahmen  von  57 — 60  Proz.  fest,  während  der  Hämoglobin¬ 
gehalt  nur  um  10,5 — 15,7  Proz.  zugenommen  hatte.  Dieser 
Umstand  ist  ein  weiterer  Beweis  für  eine  wirkliche  Neubildung 
von  Blutkörperchen  bei  verminderter  Sauerstoffspannung,  und 
auch  dafür,  dass  sehr  rasch  junge  Blutkörperchen  aus  dem 
Knochenmark  angelockt  werden,  denn  wären  die  Blutkörper¬ 
chen  nur  ungleich  verteilt  oder  das  Blut  eingedickt,  würde  es 
schwer  zu  erklären  sein,  warum  dann  der  Eisengehalt  der 
Blutkörperchen  so  plötzlich  verringert  sein  sollte  2ß). 

Diese  anfangs  nicht  gleichen  Schritt  mit  der  Erythro¬ 
zytenvermehrung  haltende  Hämoglobinvermehrung  gibt  uns 
vielleicht  auch  den  Schlüssel,  warum  die  vergleichenden  Re¬ 
sultate  der  Untersucher  im  Höhenklima  zu  verschiedenen  Er¬ 
gebnissen  führen  können,  wenn  sie  die  Blutkörperchenver¬ 
mehrung  aus  der  Bestimmung  des  Gesamthämoglobins  oder 
des  Eisengehaltes  der  Versuchstiere  zu  ermitteln  suchen.  Denn 
Tiere,  welche  kürzere  Zeit  in  der  Höhe  verweilen,  werden  trotz 
hoher  Blutkörperchenzahlen  geringere  Hämoglobinmengen  auf- 
weisen,  als  Tiere  nach  längerem  Höhenaufenthalt.  Dasselbe 
gilt  natürlich  auch  für  kürzeren  oder  längeren  Gebrauch  der 
Saugmaske. 

Zuntz  gibt  dabei  auch  der  Erwägung  Raum 27),  dass  der 
geringere  Hämoglobingehalt  eventuell  darauf  zurückzuführen 
sein  könne,  dass  bei  vermehrtem  Gefässtonus  die  kleineren 
Erythrozyten  aus  den  Kapillaren  gepresst  würden.  Demgegen¬ 
über  möchte  ich  aber  darauf  hinweisen,  dass  wir  (ebenfalls  ana¬ 
log  der  regenerativen  Neubildung  nach  Blutverlusten)  gewöhn¬ 
lich  gerade  auffällig  viele  kleine  Erythrozyten  nach  der 
Maskenatmung  gefunden  haben;  und  auch  das  verhältnis¬ 
mässig  langsame  aber  stetige  Ansteigen  der  Hämoglobinwerte 


20)  Derartige  ausgleichende  Schwankungen  zwischen  Erythro¬ 
zyten  und  Leukozyten  haben  wir  auch  sonst  öfter  gesehen. 

21 )  Vielleicht  lassen  sich  auf  diese  Weise  Untersuchungen  an¬ 
stellen,  welche  Eisenpräparate  für  die  Hämoglobinvermehrung  am 
günstigsten  sind. 

22)  Umgekehrt  scheint  das  Blut  beim  Zugrundegehen  von  Ery¬ 
throzyten  längere  Zeit  einen  konzentrierteren  Blutfarbstoff  zu  be¬ 
wahren  (s.  a.  Kurve  XI). 

23)  s.  Landois:  Physiologie  1905,  S.  75. 

24)  s.  S  a  h  1  i  S.  707. 

25)  v.  Sehr  öfter:  Luftdruckerkrankungen  1900,  S.  729. 

26)  Da  die  Hämoglobinwerte  kolorimetrisch  bestimmt  wurden, 
hätte  nach  den  Untersuchungen  Arons  das  Hämoglobin  infolge  O2- 
Mangel  durch  Umbildung  von  Methämoglobin  eher  zu  hohen  Wert 
liefern  müssen.  (Vgl.  Aron:  Ueber  die  Luftabsorption  und  den  Eisen¬ 
gehalt  des  Blutfarbstoffs.  Biochemische  Zeitschrift,  III.  Bd.  Heft  1.) 

27)  Nach  einer  mündlichen  Mitteilung, 


1718 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


in  unseren  Blutkurven,  kann  ebensowenig  wie  das  länger  dau¬ 
ernde  Bestehenbleiben  der  niedrigen  Hämoglobinwerte  bei 
u  n  verhältnismässig  hohen  Erythrozyten  zahlen 
durch  vorübergehende  Schwankungen  im  Gefässtonus 
erklärt  werden. 

Grawitz  hatte  nun  gegen  das  Zustandekommen  einer 
Vermehrung  der  Blutelemente  im  Höhenklima  u.  a.  auch  den 
Einwand  gemacht,  dass  man  bei  der  schnellen  Neubildung  der 
Knochenmarkelemente  erwarten  müsste,  nun  auch  öfter  un¬ 
fertige  Gebilde,  besonders  kernhaltige  Erythrozyten  im  Blute 

zu  finden.  „  .  ,  , , 

Kernhaltige  Erythrozyten  haben  wir  allerdings  trotz  zahl¬ 
reicher  Untersuchungen  bisher  nur  bei  3  Patienten  ganz  ver¬ 
einzelt  feststellen  können.  Ebenso  wurden  sie  auch  im  Höhen¬ 
klima  meist  vermisst,  doch  haben  beim  Uebergang  in  die.  Höhe 
Gaule  28),  ferner  auch  Schaumann  und  Rosenquist) 
bei  Tieren  nach  längerem  Verweilen  unter  der  Vakuumglocke 
Erythroblasten  gefunden.  Ich  glaube,  dass  bei  forciert  er  ei 
Anwendung  der  Saugmaske  und  vielleicht  besonders  bei  nicht 
ganz  intaktem  Knochenmarke  sich  noch  öfter  solche  Gebilde 
finden  werden.  . 

Bei  normal  funktionierendem  Knochenmark  scheinen  aller¬ 
dings  kernhaltige  Blutzellen  nur  äusserst  selten  in  den  Kreis¬ 
lauf  zu  gelangen,  wenn  nicht  (wie  bei  starken  Blutvei lüsten)  die 
dringendste  Not  die  vorzeitige  Abgabe  aller  nur  irgend  verfüg¬ 
baren  Elemente  erheischt.  Dem  gegenüber  mochte  ich  aber 
noch  einmal  hervorheben,  dass  unsere  Befunde  nur  gelegent¬ 
lich  therapeutischer  Anwendung  der  Saugmaske  an  .  meist 
tuberkulösen  Kranken  bei  niemals  forcierter,  sondern  in  der 
Regel  nur  2  mal  1  Stunde  täglich  angewandter  massiger  Ein¬ 
atmungserschwerung  als  Nebenbefunde  erhoben  worden  sind, 
und  dass  daher  ebenso  wie  beim  Anstieg  in  nicht  allzu  grosse 
Höhen  die  Ansprüche  an  die  blutbildenden  Organe  deien  nor¬ 
male  Leistungsfähigkeit  wohl  nicht  so  weit  in  Anspruch 
nehmen,  als  eine  vorzeitige  Abgabe  unfertiger  Gebilde  bei  in¬ 
taktem  Knochenmark  stattfinden  musste.  Ausserdem  zeigt  sich 
in  allen  diesen  und  auch  aus  unseren  anderen  (hier  nicht  in 
Kurven  dargestellten)  Untersuchungen,  dass  die  Neubildung  der 
Blutelemente  bei  dieser  Art  der  Anwendung  der  Saugmaske 
nicht  ins  Ungemessene  steigt,  sondern  je  nach  der  individuellen 
Leistungsfähigkeit  der  Kranken  bei  einer  gewissen  Grenze 
Halt  macht.  Unsere  im  tierphysiologischen  Institut  der  land¬ 
wirtschaftlichen  Hochschule  auf  Anregung  des  Herrn  Geh.  Rat 
Zuntz  in  Angriff  genommenen  Experimente  an  Versuchstieren, 
bei  denen  wir  die  Inspirationsbehinderung  stärker  forcieren 
können,  werden  über  diese  Frage  weitere  Aufklärung  bringen; 
denn  aus  den  Versuchen  F.  Müllers30),  welcher  durch 
Unterbindung  der  zum  Knochen  führenden  Arterie  die  Blut- 
und  Sauerstoffzufuhr  erschwerte  und  danach  in  den  abführenden 
Knochenvenen  schon  nach  3 — 4  Minuten  zahlreiche  Erythro¬ 
blasten  fand,  scheint  hervorzugehen,  dass  das  Knochenmark 
bei  stärkerem  Oa-Mangel  sehr  rasch  auch  unfertige  Gebilde 
in  den  Kreislauf  schickt.  (Auch  nach  Kompression  der  Trachea 
sah  Müller  Erythroblasten  in  der  Knochenvene!) 

Sehr  wichtig  ist  nun  die  Frage  nach  dem  Verbleib  der 
Blutkörperchen.  Ein  akuter  Zerfall  der  neugebildeten  Erythro¬ 
zyten  scheint  nicht  einzutreten.  Dagegen  spricht  schon  die 
Dauer  des  Bestehens  der  Vermehrung  der  Blutkörperchen, 
welche  aus  den  Kurven  auch  nach  Aussetzen  der  Masken¬ 
atmung  ersichtlich  ist!  Dass  die  Blutkörperchenvermehrung 
nicht  rasch  vorüber  geht,  konnten  wir  auch  bei  vielen  anderen 
Patienten  feststellen  und  Grober  berichtete  auf  dem  letzten 
Kongress  in  Wiesbaden,  dass  er  bei  anämischen  und  chloro- 
tischen  Patienten,  bei  denen  er  die  Sauemaske  therapeutisch 
angewandt  hatte,  ebenfalls  nach  einer  Reihe  von  Wochen  noch 
die  Erythrozytenvermehrung  feststellen  konnte. 

Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  dass  wir  Anzeichen 
eines  akuten  Zerfalls  der  Erythrozyten,  Urobilin  oder  Gallen¬ 
säuren  im  Harn,  Ikterus  oder  dergl.  bei  unseren  Patienten  nicht 
gesehen  haben. 

Nach  Karelier,  Veillon  und  Suter7),  Lawri- 
n  o  w  i  t  s  c  h  31)  u.  a.  gehen  auch  die  Zahlen  nach  dem  Abstieg 

28)  Pflügers  Archiv  89,  S.  119. 

S9)  Archiv  für  die  ges.  Phvsiologie.  Bd.  68. 

30)  Deutsche  Medizinalzeitung  1907. 


aus  der  Höhe  manchmal  erst  nach  4—10  Wochen  ganz  wieder 
zur  Norm  zurück  und  bleiben  öfter  sogar  noch  längere  Zeit 
erhöht,  daraus  erhellt,  dass  auch  hier  der  normale  Abbau  der 
Erythrozyten  ohne  sichtbare  Symptome  von  statten  gehen 
kann.  Selbst  bei  der  Transfusion  grosser  Mengen  Blut  tritt 
ja  nach  L  e  s  s  e  r  32),  Panum,  Worm -  Müller,  1  s  c  h  i  r  - 
j  e  w,  L  a  n  d  o  i  s  33)  u.  a.  gewöhnlich  kein  akuter  Zerfall  der 
vielen  iiberfliisigen  Erythrozyten  und  hierauf  deutende  sicht¬ 
bare  Erscheinungen  ein,  da  sogar  die  eingeführten  fremden 
Blutzellen  so  langsam  zerfallen,  dass  selbst  nach  Wochen  noch 
eine  Vermehrung  der  Blutelemente  bei  den  Versuchstieren  nach 
einer  Bluttransfusion  festzustellen  ist.  Es  ist  daher  auch  nicht 
berechtigt,  aus  dem  Fehlen  der  Anzeichen  eines  akuten  Ery¬ 
throzytenzerfalles  nach  dem  Abstieg  aus  der  Höhe,  oder  nach 
Aussetzen  der  Maske  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  die  Ver¬ 
mehrung  des  Blutes  nur  eine  scheinbare  sein  müsse.  Die 
Lebensdauer  der  Erythrozyten  berechnet  man  ohnehin  nur  auf 
2—3  Wochen,  indem  man  die  Menge  der  aus  zerfallenen  Ery¬ 
throzyten  bereiteten  Galle  der  Schätzung  zugrunde  legt.  Stellt 
man  sich  nun  vor,  dass  bei  unseren  anämischen  Patienten  in¬ 
folge  der  reichlichen  Erythrozytenmengen  nach  Anwendung 
der  Saugmaske  die  Galle  und  andere  aus  dem  Blute  bereitete 
Verdauungssäfte  reichlicher  fliessen  und  dass  bei  vollblütigen 
Individuen  nach  Aussetzen  der  Maske  (oder  nach  einem 
Höhenaufenthalt)  die  Neubildung  der  Erythrozyten  bezw.  die 
Assimilation  von  Eisen  aus  der  Nahrung  einige  Zeit  sistiert,  so 
erklärt  sich  ohne  weiteres  das  Fehlen  gröberer  Anzeichen 
eines  Erythrozytenzerfalles. 

Bezüglich  der  schon  nach  einstündiger  Maskenatmung  ge¬ 
wöhnlich  schnell  eintretenden  und  nach  12 — 24  Stunden  (wenn 
auch  nicht  ganz)  zurückgehenden  Schwankungen  im  Blutbilde, 
welche  in  gleicher  Weise  bei  Luftschiffern  nach  kurzem  Höhen¬ 
aufenthalt  oder  bei  Versuchstieren  in  der  Vakuumsglocke  ein- 
treten  und  welche  sicherlich  zu  einem  grossen  Teile  durch 
Tonuschwankungen  bedingt  sind,  möchte  ich  aber  auch  an¬ 
nehmen.  dass  ebenso  wie  die  als  Reserve  im  Knochenmark 
vorhandenen  Erythrozyten  nötigen  Falles  rasch  in  den  Blut¬ 
kreislauf  eintreten  können,  die  nachher  überflüssigen  Blutzellen 
dann  wieder  teilweise  in  das  Knochenmark  und  hauptsächlich 
wohl  (ohne  gleich  zu  zerfallen)  in  die  Milz,  Leber  usw..  ein¬ 
gelagert  werden  können,  das  also  der  Kreislauf  sich  der  über¬ 
flüssigen  Blutelemente  möglichst  rasch  wieder  entledigt,  bezw. 
sie  als  Reservematerial  dort  deponiert,  wo  dieses  Material  zum 
Abbau  gebraucht  wird.  Bei  den  Leukozyten  sind  uns  ia  solche 
Vorgänge  ganz  geläufig,  ich  erinnere  besonders  an  das  regel¬ 
mässig  vermehrte  Auftreten  und  Wiederverschwinden  der 
Leukozyten  nach  der  Mahlzeit,  welche  durch  einen  ähnlichen 
Regulativvorgang  zustande  kommen  muss,  dessen  Zweck  und 
Wesen  uns  allerdings  auch  noch  wenig  bekannt  ist  und  welche 
nach  unseren  (frühere  Annahmen  bestätigenden)  Unter¬ 
suchungen  gewöhnlich  auch  mit  einer  periodischen  Erythro- 
zytenvermehrung  vergesellschaftet  ist. 

Mit  diesen  Resultaten  steht  nun  auch  das  Ergebnis,  welches 
unsere  Versuche  mit  Sauerstoffatmungen  gezeigt  haben,  im 
Einklang.  Sowohl  bei  gleichzeitiger  Oa-Zufuhr  unter  der  Saug- 
makse,  als  auch  bei  unbehinderter  Oa-Atmung  treten  jedes 
Mal  starke  Reduktionen  in  der  Zahl  der  Blutelemente  ein. 
(Siehe  Kurve  XI.) 

Aus  dem  ersten  Teil  dieser  Kurve,  welcher  bei  1—2  stän¬ 
diger  täglicher  Oa-Atmung  gewonnen  wurde,  ergibt  sich,  ge- 
wissermassen  als  Probe  aufs  Exempel,  dass  fast  jedesmal  nach 
einstündiger  Oa-Atmung  eine  Verminderung  der  roten  und  der 
weissen  Blutkörperchen  im  peripheren  Kreislauf  eintritt  und  ei' 
scheint,  dass  ganz  langsam  auch  eine  absolute  Vermin¬ 
derung  der  Blutelcmente  zustande  kommt  (s.  Anm.  21).  Ko- 
väcs,  Hollid  ay  und  Crooni  konnten  auch  bei  ange¬ 
borenen  Herzfehlern  ebenso  wie  B  e  n  c  e  im  Höhenklima  und 
Koränyi  bei  der  Polyglobulie  mit  Milztumor  die  Erythro¬ 
zyten  um  eine  bis  mehrere  Millionen  durch  dauernde  Oa-At¬ 
mung  verringern  34). 


31)  v.  Sehr  öfter:  a.  a.  O. 

3S)  s.  K  r  e  h  1  S.  205. 

33)  s.  Landois  S.  72. 

34)  Bekanntlich  bekommen  die  Caissonarbeiter,  welche  unter 
hohem  Druck  in  Taucherglocken  usw.  arbeiten,  sehr  bald  eine  blasse 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1719 


Eine  analoge  Beobachtung  machte  ferner  R  egna  r  d  33), 
welcher  Tauben  9—10  Tage  unter  erhöhtem  Druck  leben  hess. 

Regnard  zog  aus  seinen  Beobachtungen  den  Schluss, 
dass  das  Leben  in  einer  sauerstoffreichen  Atmosphäre  eine  Re¬ 
sorption  der  Blutkörperchen  bedingt,  welche  aber  viel  lang¬ 
samer  und  weniger  intensiv  ist,  als  die  durch  Abnahme  des 
Druckes  gleichsam  als  Kompensationserscheinung  seitens  der 
Blutbildung  bedingte  Explosion  der  Mikrozyten“. 

Aus  diesen  Beobachtungen,  welche  im  übrigen  ebenfalls 
den  langsamen  Zerfall  der  Erythrozyten  erweisen,  ergibt  sich 
auch  indirekt  ein  Beweis,  dass  durch  verringerten  Os- 
Druck  eine  sofortige  Anlockung  junger  Blutkörperchen  aus  dem 
Knochenmark  und  auch  eine  rasche  und  starke  Neubildung 
neuer  Blutelemente  stattfinden  muss,  denn  durch  rein  mecha¬ 
nische,  nur  durch  veränderten  Tonus  der  Gesamtblutgefässe 
oder  einzelner  Gefässgebiete  bedingte  Schwankungen  wäre  es 
sonst  durchaus  nicht  zu  erklären,  warum  sich  die  Schwan¬ 
kungen,  welche  unter  CL-Atmung  (infolge  des  langsamen  Zer¬ 
falls  der  Blutelemente)  lange  Zeit  in  ziemlich  gleichen 
Grenzen  bleiben,  unter  der  Anwendung  der  Saugmaske  (bei 


Auch  bezüglich  der  Wirkung  der  Einatmungserschwerung 
bei  gesunden,  vollblütigen  Individuen  können  erst  die  in  An¬ 
griff  genommenen  Tierexperimente  weitere  Aufklärung  bringen, 
denn  ich  halte  es  nach  vereinzelten  Untersuchungen  für  wahr¬ 
scheinlich,  dass  die  Vermehrung  der  Blutelemente  bei  sehr 
vollblütigen  Individuen  gewöhnlich  noch  schneller  von  statten 
geht,  dass  aber  auch  die  Zahlen  rascher  zur  Norm  zurück¬ 
gehen,  jedenfalls  rascher  als  bei  unseren  meist  anämischen 
Kranken,  welche  lange  Zeit  und  infolge  der  Ausbildung  der 
Atmungsmuskulatur  und  daraus  resultierender  Besserung  der 
Atmung  und  des  gesamten  Blutumlaufes  vielleicht  dauernd  ihre 
gegen  früher  erhöhten  (und  nun  normalen)  Blutzahlen  beizu¬ 
behalten  scheinen. 

Das  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  in 
klinisch-therapeutischer  Hinsicht  sei  nun  in 
folgendem  nur  kurz  angedeutet.  Angesichts  der  verhältnis¬ 
mässig  raschen  Vermehrung  der  Blutelemente,  wie  wir  sie 
schon  bei  mässiger  Einatmungserschwerung  unter  der  Saug¬ 
maske  bei  1—2  Stunden  täglicher  Anwendung  häufig  gefunden 
I  haben,  scheint  hier  ein  Mittel  gegeben,  welches 


Kurve  XI. 


. -  rote  Blutkörperchen. 

-  weisse 

-  Hämoglobin. 

Frau  Kl.,  50  Jahre  alt.  (Chronische  Nephritis,  Herz¬ 
hypertrophie.) 

Pat.  wurde  vor  Beginn  der  Ch-Atmungen  scho  ). 
lange  Zeit  auf  der  Station  behandelt  (Bettruhe,  Diät 
Patientin  fühlt  sich  unter  Sauers  toffatmung  leidlic 
wohl.  1  Pfd.  Gewichtszunahme. '  Gesichtsfarbe  blass 
Unter  der  Saugmaske  Gesichtsfarbe  sehr  viel 
frischer.  (Diät  unverändert.)  Die  Kurve  bildet 
zugleich  ein  Beispiel  für  die  langsamere  Ver¬ 
mehrung  der  Blutelemente  unter  der  Saugmaske 
bei  älteren  Personen. 


verringertem  02-Druck)  sich  gewöhnlich  schon  nach  kurzer 
Zeit  in  immer  höheren  Grenzen  abspielen  und  nachher  längere 
Zeit  auch  ohne  Maskenatmung  bestehen  bleiben  sollten.  Auch 
haben  wir  meist  gesehen,  dass  mit  steigenden  Blut¬ 
körperchenzahlen  diese  Schwankungen  gewöhnlich  in  ge¬ 
ringeren  Grenzen  bleiben;  wären  diese  Vorgänge  nur 
durch  Tonuschwankungen  zu  erklären,  dann  müssten  bei 
steigenden  Blutkörperchenzahlen  diese  Schwankungen  so¬ 
gar  noch  grössere  Ausschläge  zeigen. 

Erwähnen  muss  ich  schliesslich,  dass  mit  diesen  Ergeb¬ 
nissen  auch  die  klinischen  Erscheinungen  vollkommen  überein- 
stimmen,  indem  die  Kranken  unter  der  Saugmaske 
fast  stets  sehr  bald  eine  auffällig  frische  Ge¬ 
sichtsfarbe  bekommen. 

Es  dürfte  somit  nicht  zweifelhaft  sein, 
dass  unter  der  Saugmaske  ebenso  wie  im 
Höhenklima  eine  wirkliche  und  oft  schnell 
ansteigende  dauernde  Vermehrung  der  Voten 
und  weissen  Blutkörperchen  und  eine  etwas 
langsamere,  aber  auch  stetige  Vermehrung 
des  Hämoglobins  stattfindet. 

Und  wenn  diese  Resultate  auch  an  Kranken  und  meist 
anämischen  Personen  gewonnen  sind,  so  ist  doch  infolge  der 
gleichen  einwirkenden  Ursachen  aus  diesen  Ergebnissen  sicher¬ 
lich  auch  der  Rückschluss  zulässig,  dass  die  Blutverhältnisse 
bei  Gesunden  und  im  Höhenklima  den  gleichen  oder  ganz  ähn¬ 
lichen  Gesetzen  unterliegen! 

Ueber  das  Verhalten  anderer  Blutelemente  kann  ich  vor¬ 
läufig  nur  soviel  sagen,  dass  wir  gewöhnlich  auch  eine  auf¬ 
fällige  Vermehrung  der  Blutkörperchen  (welche  wahrscheinlich 
ebenfalls  als  ein  Zeichen  vermehrter  Blutneubildung  aufgefasst 
werden  muss)  konstatieren  konnten.  Nähere  Zahlenangaben 
hierüber,  sowie  genauere  Bestimmungen  der  Leukozytenarten 
werden  folgen. 


Hautfarbe,  doch  sind  bei  denselben  Blutuntersuchungen  m.  W.  noch 
nicht  vorgenommen. 

35)  v.  Sehr ötter:  Luftdruckerkrankungen  S.  729. 


an  Einfachheit  und  Schnelligkeit  der  Wirkung 
die  bisher  bekannten  therapeutischen  Me¬ 
thoden  zur  Vermehrung  der  roten  Blutkörper¬ 
chen  und  des  Hämoglobins  bei  Zuständen  von 

AnämieundChlorosebeiweitem  übertrifft. 33*) 

Eine  Verdoppelung  der  Blutkörperchen  innerhalb  einer  oder 
weniger  Wochen,  wie  wir  sie  öfter  gesehen  haben,  dürfte  durch 
kein  anderes  Mittel  (ausser  dem  Aufenthalt  in  grösseren  Höhen) 
erreichbar  sein.  Die  Blutvermehrung  unter  der  Saugmaske  ist 
bei  noch  leistungsfähigem  Knochenmark  gewöhnlich  eine  so 
prompte,  dass  ein  Ausbleiben  derselben  im  Verlauf  einer 
längeren  Anwendung  der  Saugmaske  nach  unseren  Erfahrungen 
bei  anämischen  Personen  sogar  zu  der  diagnostischen 
Schlussfolgerung  berechtigt,  dass  das  Knochen¬ 
mark  leist  ungs  unfähig  resp.  erkrankt  ist, 
oder  dass  innere  Blutverluste,  wie  Darm-  oder 
Magenblutungen  oder  dergl.,  v  0  r  1  i  e  g  e  n.  In  einigen  Fällen, 
in  denen  uns  das  Ausbleiben  der  Blutkörperchenvermehrung 
anfangs  rätselhaft  erschien,  waren  länger  dauernde  profuse 
Menses  die  Ursache,  nach  deren  Aufhören  die  Blutvermehrung 
dann  prompt  erfolgte. 

Ich  glaube  daher,  man  kann  nach  diesen  Erfahrungen  den 
Schluss  ziehen,  dass,  wenn  bei  anämischen  Patien¬ 
ten  mittels  einer  sachgemässen  Anwen¬ 
dung  der  Saugmaske  keine  Vermehrung  der 
Blutelemente  erzielt  wird,  eine  Besserung 
durch  einfache  Mittel  überhaupt  ausge¬ 
schlossen  ist,  und  dass  der  Anämie  dann  eine 
kompliziertere  Ursache  zu  Grunde  liegen 
m  u  s  s. 

Auch  bei  Behandlung  der  Lungentuberkulose, 
bei  welcher  vermittels  der  Saugmaske  haupt- 


35*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Die  Neubildung 
durch  Arsen  soll  nach  Jakob  j3)  durch  Blutkörperchenzerfall  und 
die  Neubildung  durch  Aderlässe  nach  F.  Müller 30)  durch  den  dabei 
entstehenden  Os-Mangel  bedingt  sein,  wonach  auch  bei  diesen  Mit¬ 
teln  hauptsächlich  die  verminderte  Os-Spannung  als  Reiz  in  Betracht 
käme. 


1720 


■MITENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


sächlich  ja  durch  stärk«  reBlutfü  Ile  b  e  z  \v. 
Blutstauung  unter  gleichzeitiger  Beförderung  des  Lympli- 
strcmes 36)  der  Lungen  eine  Unschädlichmachung 
der  Bakterien  und  durch  bessere  Ernährung  des 
Lungengewebes  raschere  Vernarbung,  ferner  durc 
die  Widerstandsgymnastik  bei  möglichst  ruhig  ge¬ 
stellten  Lungen  Kräftigung  und  Ausbildung  er 
gesamten  Brustorgane  usw.  erstrebt  wird,  ka  n  n  d  1  e 
Vermehrung  der  Blutelemente  nur  eine  will¬ 
kommene  Begleiterscheinung  di  e  s  e  r  Behand¬ 
lungsmethode  sein.  Die  T uberkulösen  sind  ja  meist 
sehr  anämisch  und  es  ist  daher  ohne  weiteres  verständlich, 
dass  auch  der  bei  diesen  Kranken  so  häufig  vorhandene  Appetit¬ 
mangel  bei  der  Möglichkeit  reichlicherer  Bereitung  von  Galle 
und  anderen  Verdauungssäften  aus  den  vermehrten  Blutele¬ 
menten  unter  Umständen  gut  beeinflusst  werden  kann,  wie  wir 
das  öfters  in  ganz  eklatanter  Weise  gesehen  haben. 

Gegenüber  dem  Höhenklima  hat  die  Erythro¬ 
zytenvermehrung  unter  der  Saugmaske  dann  noch  den  Vor 
zu ig  dass  die  Kranken  in  der  Ebene  einerseits  der  Schwie¬ 
rigkeiten  der  Akklimatisation  überhoben  sind 
und  anderseits  durch  die  zahlreichen  Erythrozyten  die  sauer¬ 
stoffreichere  Luft  der  Ebene  viel  b  esse  1a  un¬ 
nützen  können.  Dadurch  verlangsamt  sich  dann  die  At¬ 
mung37)  und  es  resultiert,  was  für  Tuberkulöse  besonders 
wichtig  ist.  eine  Schonung  und  , .Ruhigstellung  der  Lungen, 
wie  sie  in  der  dünnen  Luft  des  Höhenklimas  natürlich  nicht  ei- 
reichbar  ist 

Zum  Schluss  sei  noch  die  Vermehrung  der 
weissen  Blutkörperchen  hervorgehoben.  Unsere 
fortschreitende  Erkenntnis  von  dem  Wesen  der  immunisieren¬ 
den  und  antitoxischen  Schutzkräfte  des  Körpers  teilen  den 
Leukozyten  bei  diesen  Vorgängen  eine  immer  grössere  Rolle 
zu.  Es  dürfte  daher  dieses  Training  des  Leuko¬ 
zytenapparates,  resp.  die  unter  der  Saugmaske  erfol¬ 
gende  Vermehrung  der  weissen  Blutkörperchen  sicherlich  an 
den  Erfolgen,  welche  durch  die  Hyperämiebehandlung  der 
Lungen  durch  die  Saugmaske  erzielt  werden,  mitbeteiligt  sein, 
und  ich  vermute,  dass  auch  die  Heilwirkung  des  sonnenreichen, 
trockenen  Höhenklimas  durch  die  dort  zweifellos  ebenfalls  ein¬ 
tretende  Leukozytose  wirkungsvoll  unterstützt  wird. 


Zum  Schluss  erfülle  ich  die  Pflicht,  Sr.  Exzellenz  Herrn 
Geheimrat  v.  L  e  v  d  e  n  für  das  wohlwollende  Interesse  und 
die  mannigfaltige  Förderung  meiner  Arbeiten  herzlichen  Dank 
zu  sagen. 


Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.  (Direktor:  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  P.  E  h  r  1  i  c  h). 

Ueber  experimentell  erzeugten  Rückschlaq  von  Mäuse¬ 
karzinom  in  den  histologischen  Typus  des  Adenoms. 

Von  Professor  Dr.  H.  A  p  o  1  a  n  t. 

In  meiner  ausführlichen  Publikation  über  die  epithelialen 
Geschwülste  der  Maus  7)  hatte  ich  bereits  auf  die  ausserordent¬ 
liche  Polymorphie  der  spontan  entstandenen  Tumoren  hinge¬ 
wiesen.  Für  die  Häufigkeit, mit  der  man  sowohl  Uebergänge  von 
reinem  Adenom  in  Karzinom  als  auch  verschiedene  Typen  der 
letzteren  Geschwulstform  in  derselben  Neubildung  antrifft,  be¬ 
steht  nur  ein  Analogon  in  dem  von  Pick  beschriebenen  Thy- 


38)  Die  Lymphzirkulation  in  den  Lungen  wird  unter  der  Saug- 
niaske  durch  zwei  Momente  befördert.  Einmal  durch  den  stärkeren 
Druck  des  vermehrt  angesogenen  Blutes.  Da  ferner  das  Blut  aus  den 
Venen  angesogen  wird,  muss  zugleich  auf  den  in  den  linken  Angulus 
venosus  mündenden  Ductus  thoracicus  eine  starke  SaugWirkung  aus- 
geübt  und  damit  die  gesamte  Lymphzirkulation  und  auch  der  Lymph- 
strom  der  Lunge  befördert  werden. 

37)  S.  a.  Stol  zenburg:  Ueber  die  mit  der  K  u  h  n  sehen 
Lungensaugmaske  in  der  Heilstätte  Slawentzitz  gemachten  Er¬ 
fahrungen.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  16,  1900. 

38)  Auch  während  der  Anwendung  der  Saugmaske  bleiben 
die  Lungen  nach  Möglichkeit  ruhiggestellt,  da  das  Zwerchfell  nach 
oben  gesaugt  wird  und  da  infolgedessen  trotz  kostaler  Atmung  und 
Weitung  der  oberen  Brustkorbteile  der  für  die  Aus¬ 
dehnung  der  Lungen  verfügbare  Raum  geringer  ist,  als  bei  unbehin¬ 
derter  Atmung. 


reoicleakrebs  der  Salmoniden.  Trotzdem  hatte  ich  aber  betont, 
„dass  die  besprochenen  Mäusetumoren  eine  nicht  nur  genetisch, 
sondern  auch  strukturell  einheitliche  Geschwulstgruppe  bilden. 
Weit  davon  entfernt,  scharf  begrenzt  zu  sein,  fliessen  die  ein¬ 
zelnen  Typen  vielmehr  unmerklich  in  einander  über  und  machen 
so  jede  für  eine  übersichtliche  Darstellung  notwendige  syste¬ 
matische  Einteilung  mehr  oder  weniger  illusorisch.  Der  grosse 
Formenreichtum  beweist  nicht  eine  Vielheit  scharf  geschiedener 
Typen,  sondern  ist  im  Gegenteil  der  Ausdruck  einer  geradezu 
erstaunlichen  Variabilität  etc.“ 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Strukturverhältnissen  der  spon¬ 
tan  entstandenen  Geschwülste  ist  im  allgemeinen  die  Einheit¬ 
lichkeit  des  Baus  der  Impftumoren  bemerkenswert.  Durch' 
den  Umstand,  dass  rein  azinöse  Neubildungen  fast  me  zu  trans¬ 
plantieren  sind,  wird  die  Zahl  der  in  Betracht  kommenden 
Typen  schon  wesentlich  beschränkt.  Die  Stämme  behalten 
meist  denjenigen  Typus  bei,  der  in  der  Ausgangsgeschwulst 
vorherrschte.  So  haben  wir  den  betreffenden  Primärtumoren 
entsprechende  papilläre,  alveoläre  und  spaltenbildende  Formen 
in  vielen  Generationen  fortgezüchtet,  ohne  dass  zunächst,  we¬ 
sentliche  Aenderungen  des  histologischen  Baus  zu  konstatieren 
waren.  Zeigte  schon  der  Ausgangstumor  Mischungen  verschie¬ 
dener  Typen,  so  boten  auch  die  Impfgeschwülste  längere  Zeit 
hindurch  entsprechende  Kombinationen  dar.  Allmählich  ten¬ 
dieren  jedoch  alle  Impftumoren,  sobald  eine  höhere  Genera¬ 
tionszahl  erreicht  ist,  zu  der  Form  des  Carcinoma  solidum 
reticulatum,  bei  der  grosse,  mit  einander  anastomosierende 
Zellbalken  gebildet  werden,  die  nur  gelegentlich  hier  und  da 
Andeutungen  einer  azinösen  Zellanordnung  erkennen  lassen. 
Ich  hatte  seinerzeit  das  Wachstumstempo  als  ein  wichtiges 
und  damals  allein  greifbares  formbestimmendes  Moment  hin¬ 
gestellt,  da  augenscheinlich  der  napilläre  Bau  den  langsam 
wachsenden,  der  solid  retikuläre  den  schnell  wuchernden  Ge¬ 
schwülsten  entsprach,  und  in  der  vielfach  konstanten  Virulenz¬ 
steigerung  eine  Erklärung  für  die  Typenänderung  gegeben  war. 
Inzwischen  habe  ich  eine  Anzahl  Beobachtungen  gemacht, 
welche  die  Abhängigkeit  des  histologischen  Geschwulstbans 
von  gewissen  biologischen  Veränderungen  im  Organismus  des 
Wirtstieres  deutlich  erkennen  lassen,  ja  die  geradezu  als  in 
dem  Wachstumsmodus  sich  kundgebende  Reaktionserschei¬ 
nungen  der  transplantierten  Zellen  auf  diese  abgestimmten  Ver¬ 
änderungen  des  Wirts  angesehen  werden  müssen. 

Die  Beobachtungen,  über  welche  ich  im  Folgenden  be¬ 
richte,  betreffen  eine  Anzahl  Geschwülste  eines  Stammes,  der 
durch  über  50  Generationen  stets  das  gleiche  Bild  eines 
solid  retikulär  gebauten  Karzinoms  dargeboten  hat.  und  der 
auch  heute  noch  in  der  gleichen  Form  bis  zur  64.  Generation 
weiter  gezüchtet  worden  ist.  Bei  mehreren  Geschwülsten 
dieses  Stammes  begegnete  ich  nun  einer  ausgespVochen  adeno¬ 
matösen  Struktur,  die  sich  entweder  gleichmässig  über  die 
ganze  Neubildung,  soweit  dieselbe  untersucht  wurde,  erstreckte 
oder  nur  partienweise  auftrat.  Die  gleichmässige  Verteilung 
von  einzelnen,  durch  feinste  Bindegewebssepten  von  einander 
getrennten  Azinis  wird  nach  unseren  Erfahrungen  bei  Mäusen 
sonst  nur  in  spontan  entstandenen  Adenomen  gefunden.  Die 
beifolgdnden  Abbildungen,  welche  nach  Präparaten  desselben 
Tumorstammes  und  der  gleichen  Generation  gezeichnet  sind, 
lassen  die  Baudifferenzen  auf  das  deutlichste  erkennen.  In  den 
weniger  ausgesprochenen  Fällen,  die  gleichsam  als  Uebergänge 
von  einem  Extrem  in  das  andere  angesehen  werden  dürfen, 
ist  die  karzinomatöse  Balkenstruktur  noch  vorhanden,  während 
die  Zellen  selbst  in  deutlichen  Azinis  angeordnet  sind. 

Dieser  merkwürdige  und,  wie  ich  hinzu¬ 
fügen  muss,  plötzliche  Umschlag  eines  ma¬ 
lignen  Karzinoms  in  die  histologische  Form 
eines  gutartigen  Adenoms  wurde  nun  auffal¬ 
lenderweise  lediglich  bei  solchen  Tieren  be¬ 
obachtet,  welche  auf  irgend  einem  Wege  par¬ 
tiell  immunisiert  worden  waren.  Bekanntlich  ist, 
nachdem  Ehrlich  die  Immunisierung  mit  Spontantumoren 
bei  Mäusen  zuerst  nachgewiesen  hat,  ein  partieller  Schutz  von 
B  a  s  h  f  o  rd  mit  Blutinlektionen  und  unabhängig  von  Schöne 
mit  Einspritzungen  embryonaler  Organe  erzielt  worden.  Meine 

U  Arbeiten  aus  dem  kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu 
Frankfurt  a.  M.,  1906,  Heft  1. 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1721 


histologischen  Erfahrungen  beziehen  sich  auf  Tumoren  von  : 
Tierserien,  die  sowohl  nach  dem  Ehrlich  sehen  als  nach  dem 
Bashf  o  rd sehen  Verfahren  vorbehandelt  waren.  Speziell 
die  ersteren  Versuchsreihen  wurden  zu  anderem  Zwecke  von 
Herrn  Dr.  Schöne  angelegt,  der  mir  sowohl  Protokolle  wie 
Präparate  in  liebenswürdiger  Weise  zur  Verfügung  stellte. 

A.  Immunisierung  mit  Spontantumore  n. 

Unter  den  zahlreichen  Tumoren  der  Schön  eschen  Ver¬ 
suchsreihen  fand  ich  3  mal  einen  adenomatösen  Bau.  Leider 
vermag  ich  das  prozentuale  Verhältnis  nicht  genau  anzugeben, 
weil  ein  grosser  Teil  dieser  Geschwülste  lediglich  für  makro¬ 
skopische  Zwecke  konserviert  war  und  daher  keine  zur  Entschei¬ 


dung  der  uns  interessierenden  Frage  genügend  scharfen  Bilder 
darbot.  Da  die  Vorbehandlung  dieser  3  Fälle  eine  verschiedene 
war,  so  ist  es  notwendig,  die  Protokolle  einzeln  zu  betrachten. 

Fall  1.  Die  Maus  wurde  am  10.  IX.  mit  virulentem  Karzinom 
geimpft.  Am  folgenden  Tage  sowie  am  24.  IX.  erhält  sie  je  eine 
immunisierende  Injektion  eines  avirulenten  Spontantumors.  Der  trotz¬ 


dem  zu  beträchtlicher  Grosse  heranwachsende,  primär  geimpfte  rumor 
wird  am  1.  X.  exstirpiert  und  zeigt  keinen  azinösen  Bau.  cs 
entwickelt  sich  langsam  ein  kleines  lokales  Rezidiv,  das  am  20.  X.  be¬ 
merkt  wird.  An  demselben  Tage  erfolgt  eine  2.  Impfung  mit  viru¬ 
lentem  Material,  die  ebenfalls  zu  einem  langsam  wachsenden  1  umor 
führt.  Dieser  sowohl  wie  das  lokale  Rezidiv  lassen  einen  deutlich 
adenomatösen  Bau  erkennen. 

Die  Deutung  dieses  Falles  ist  ungemein  einfach.  Der  erste 
schnell  wachsende  Tumor  stand  noch  nicht  unter  dem  Einfluss 
der  sich  erst  allmählich  ausbildenden  Immunität,  deren  Wir¬ 
kung  jedoch  auf  das  lokale  Rezidiv  und  den  nachgeimpften 
Tumor  sowohl  im  Wachstum  wie  im  histologischen  Bilde  klar 
erkennbar  ist. 

Fall  2.  Die  Maus  wird  am  10.  IX.  mit  virulentem  Karzinom 
geimpft  und  am  11.  und  24.  IX.  mit  je  einer  Spontantumorinjektion 

No.  35. 


immunisiert.  Es  entwickelte  sich  aus  der  ersten  Impiung  sehr  lang¬ 
sam  ein  kleiner  Tumor  mit  überaus  deutlich  azinösem  Bau.  Da  das 
Tier  bereits  am  26.  IX.  starb,  so  kann  für  die  immunisierende  Wirkung 
wohl  nur  die  erste  am  11.  IX.  vorgenommene  Spontantumorinjektion 
in  Betracht  kommen 

F  a  1 1  3.  Das  Tier  wird  am  10.  IX.  mit  virulentem  Karzinom  ge¬ 
impft  und  erhält  am  22.  IX.  eine  immunisierende  Primärtumorinjektion. 
Der  am  2.  X.  operierte  mittelgrosse  Tumor  zeigt  keineSpur  eines 
azinösen  Baus,  wie  es  bei  dem  Zeitintervall  zwischen  Impfung 
und  Injektion  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Am  20.  X.  wird  das  Tier 
mit  virulentem  Material  nachgeimpft  und  stirbt  am  27.  XI.  Der  zur 
Mittelgrösse  herangewachsene  2.  Tumor  ist  deutlich  adenoma¬ 
tös  gebaut. 


B.  Blutimmunisiierungen. 


Aus  mehreren  grösseren  Versuchsreihen,  die  zur  Bestim¬ 
mung  des  Wertes  der  'Blutimmunisierungen  angelegt  wurden, 
kamen  27  Tumoren  zur  Untersuchung,  die  nach  dem  ma¬ 
kroskopischen  Verhalten  die  Möglichkeit  einer  partiellen 
Immunisierung  zuliessen.  Von  den  betreffenden  Tieren  waren 
2  mit  Kaninchen-,  4  mit  Ratten-,  5  mit  Meerschweinchen- 
und  16  mit  Mäuseblut  vorbehandelt  worden.  Nach  der 
Injektion  artfremden  Blutes  sah  ich  niemals  eine  Ab¬ 
weichung  von  dem  normalen  Typus  des  Geschwulstwachs¬ 
tums.  Dagegen  zeigten  von  den  16  Tumoren  der  mit  Mäuse¬ 
blut  immunisierten  Tiere  4  einen  ausgesprochen  azi¬ 
nösen  Bau,  der  sich  bei  2  auf 'das  ganze  unter¬ 
suchte  Stück  erstreckte,  während  er  bei  den 
anderen  nur  partienweise  auftrat.  Dieser  Pro¬ 
zentsatz  ist  ein  relativ  hoher,  zumal  wenigstens  nach  unseren 
Erfahrungen  Blutinjektionen  nur  in  einem  geringen  und  pro¬ 
zentual  schwer  bestimmbaren  Grade  immunisieren.  Das  Re¬ 
sultat  wird  aber  noch  interessanter,  wenn  wir  die  Verteilung 
der  4  Adenomfälle  auf  die  einzelnen  Impfserien  betrachten. 
Die  16  Tumoren  gehören  nämlich  4  verschiedenen  Serien  an, 
und  zwar  8  der  ersten,  3  der  zweiten,  3  der  dritten  und  2  der 
vierten  Serie.  Wie  aus  der  beifolgenden  Tabelle  ersichtlich  ist, 
wurde  in  der  1.  Reihe  1,  in  der  zweiten  0,  in  der  dritten 
2  und  in  der  vierten  1  Adenom  beobachtet. 


Zahl  der  unter¬ 
suchten  Tumoren 

Zahl 

der  Adenome 

Serie  1 

8 

I 

„  2 

3 

0 

„  3 

3 

2 

„  4 

2 

1 

Der  Prozentsatz  ist  also  in  den  letzten  beiden  Reihen  ein 
unverhältnismässig  hoher.  Erwähnt  sei  ferner,  dass  2  Adenome 
sehr  langsam,  2  mässig  schnell  wuchsen. 

Den  geschilderten  Tatsachen  kommt  in  mehrfacher  Be¬ 
ziehung  vom  allgemein  pathologischen  Standpunkt  aus  ein 
grosses  Interesse  zu.  Vor  allem  lassen  sie  eine  Abhängigkeit 
des  Geschwulstwachstums  von  den  experimentell  abgestimmten 
biologischen  Verhältnissen  des  Organismus  erkennen.  Be¬ 
kanntlich  hatte  Eh  r  1  i  c  h  auf  Grund  theoretischer  Erwägungen 
und  in  Uebereinstimmung  mit  Anschauungen,  die  in  der  klini¬ 
schen  Medizin  von  jeher  weit  verbreitet  waren,  die  Ansicht 
vertreten,  dass  der  erste  Anstoss  zur  1  umorbildung  auf  einei 
konstitutionellen  Schwächung  des  üesaintorganismus  beiuht. 
Es  ist  durchaus  verständlich,  dass  mit  dem  weiteren  suk¬ 
zessiven  Fortfall  von  Hemmungen,  die  wir  als  Resistenz  des 
Organismus  bezeichnen,  der  Tumor  unter  anaplastischei  ^Ver- 
änderung  seiner  zelligen  Elemente  die  Malignitätsgienze  iibei- 
schreitet  und  aus  dem  Adenom  zum  Karzinom  sich  umwandelt. 
Bisher  konnte  stets  nur  diese  progressive  Entwicklung  be¬ 
obachtet  und  hypothetisch  auf  Konstitutionsveränderungen  be¬ 
zogen  werden.  Nunmehr  ist  aber  der  experimentelle  Nachweis 
erbracht,  dass  die  verloren  gegangenen  Hemmungen  durch 
künstliche  Immunisierung  auch  wieder  ersetzt  resp.  die  nor¬ 
malen  Hemmungen  des  Organismus  gesteigert  werden  können, 
wodurch  die  fessellos  wuchernde  Karzinomzelle  wieder  in  die 
geordnetere  Bahn  des  regulären  Adenoms  geleitet  v  ird.  )  l  as 


2)  Ob  mit  dem  Rückschlag  in  die  adenomatöse  Form  die  1 1  ans- 
tationsfähigkeit  des  Tumors  verloren  geht,  ist  bisher  noch  nicht 
rsucht  worden,  soll  aber  an  geeignetem  Material  demnächst  ge- 

t  werden.  0 


1722 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Fumorwachstuin  ist  mithin  in  feiner  Weise  auf  die  Resistenz 
les  Organismus  abgestimmt. 

Man  kann  sich  diese  Verhältnisse  unter  dem  Bilde  eines 
Stromes  vorstellen,  der  so  lange  in  dem  vorgezeichneten  Bett 
dahinfliesst,  als  die  Ufer  den  andrängenden  Fluten  Widerstand 
leisten.  Werden  jedoch  durch  Anschwellen  der  Wassermassen 
—  was  der  aktiven  Aviditätssteigerung  der  Tumorzelle  ent¬ 
spräche  —  oder  durch  Zerstörung  der  Ufer  —  was  der  Schwä¬ 
chung  des  Organismus  entspräche  —  die  natürlichen  Hem¬ 
mungen  durchbrochen,  so  können  nur  durch  Dämme  und  ähn¬ 
liches,  also  durch  künstliche  Vermehrung  der  Widerstände  die 
verheerenden  Wirkungen  der  Ueberschwemmung  eliminiert 
werden. 

Gleichzeitig  geht  aber  aus  unseren  Beobachtungen  her¬ 
vor,  wie  falsch  es  ist,  eine  trennende  Scheidewand  zwischen 
Adenom  und  Karzinom  zu  ziehen.  Das  Karzinom,  das  sich  aus 
einem  Adenom  entwickelt  hat,  ist  nicht  etwas  total  neues  ge¬ 
worden,  denn  es  ist  ihm,  wie  wir  gezeigt  haben,  die  Möglichkeit 
gegeben,  unter  Abänderung  seiner  Wachstumsbedingungen  in 
die  alte  Form  zurückzukehren.  Die  doppelte  Brücke  von  der 
gutartigen  zur  bösartigen  und  wieder  zurück  von  der  bös¬ 
artigen  zur  gutartigen  Form  lässt  die  ganze  Geschwulstgruppe 
als  etwas  Einheitliches  erscheinen,  wenn  auch  ein  weiter  Spiel¬ 
raum  für  die  histologischen  und  biologischen  Differenzen  ge¬ 
zogen  ist.3)  Bei  den  biologischen  Zellveränderungen,  welche 
wir  nach  dem  Vorgänge  v.  Hanse  m  a  nns  als  anaplastische 
bezeichnen,  handelt  es  sich  also  nicht  um  einen  definitiven  un¬ 
wiederbringlichen  Verlust  bestimmter  Zelleigenschaften,  son¬ 
dern  lediglich  um  eine  Kaschierung  derselben  durch  neu  er¬ 
worbene,  in  den  Vordergrund  tretende  Qualitäten.  Werden 
die  von  dem  Wirtstiere  mitbestimmten  Wachstumsbedingungen 
in  geeigneter  Weise  modifiziert,  so  können  diese  verdeckt 
gewesenen  Eigenschaften  wieder  auftauchen,  mithin  die  ana- 
plastischen  Zellen  wieder  zu  ihrem  ursprünglichen  Typus  zu¬ 
rückkehren. 


Die  Züchtung  der  Typhusbaziilen  aus  dem  Blute  auf 

Gallenagar. 

Von  Dr.  W.  Schüffner,  Chefarzt  der  Senembah  My.  Deli- 

Sumatra  O.K. 

Die  Verwendung  der  Galle  bei  Züchtungen  aus  dem  Blute, 
deren  Einführung  wir  Conradi  verdanken,  bedeutet  für  die 
Frühdiagnose  des  Typhus  einen  wesentlichen  Fortschritt.  Schon 
mit  relativ  kleinen  Blutmengen  gelingt  es  in  vielen  Fällen 
mittels  des  Gallenröhrchens,  den  Typhusbazillus  aus  dem  Blute 
zu  züchten  und  binnen  30  Stunden  zu  bestimmen.  So  hatte 
Conradi  mit  0,05—0,2  ccm  Blut  50  Proz.,  K  a  y  s  e  r  bei  Pa¬ 
tienten  der  ersten  Woche  mit  2,5  ccm  Blut  100  Proz.  Erfolge. 
Gegenüber  den  älteren  Verfahren  hat  also  das  neue  den  Vorzug 
grösserer  Sicherheit  und  der  Ersparnis  an  Zeit  und  Blut.  Der 
Grund  für  diese  Ueberlegenheit  wurde  wohl  nicht  von  Anfang 
an  richtig  erkannt.  Conradi  meinte  sie  zuerst  auf  die  Fähig¬ 
keit  der  Galle,  die  Gerinnung  zu  verhindern,  zurückführen  zu 
müssen.  Kayser  sah  in  der  Galle  mehr  ein  die  Entwicklung 
der  Bazillen  beförderndes  Mittel.  Des  weiteren  jedoch  zeigte 
Conradi  selbst  durch  klare  Experimente,  dass  die  Galle  im 
stände  war,  die  bakteriziden  Kräfte  des  Blutes  zu  paralysieren. 
Er  fügte  zu  einer  bestimmten  Anzahl  Typhusbazillen  bakteri¬ 
zides  Serum,  das  innerhalb  2  Stunden  die  Einsaat  vollkommen 
abtotete.  Wiederholte  er  den  Versuch,  und  setzte  er  gleich¬ 
zeitig  ein  Quantum  Galle  zu,  so  wuchsen  die  Typhusbazillen 
ohne  die  geringste  Hemmung  aus.  Der  Versuch  ist  einleuch¬ 
tend.  Die  Galle  bindet  die  im  Körper  vorhandenen  Immun¬ 
substanzen.  Damit  sind  aber  auch  unsere  Kenntnisse  über  den 
\  organg  erschöpft.  Ob  diese  Hemmung  wirklich  mit  der  Bak- 
tcrizidic  des  Blutes  identisch  ist,  muss  noch  bewiesen  werden. 
Abgetötet  werden  ja  die  Bazillen  im  Blute  nicht,  sonst  könnte 
sie  auch  die  Galle  nicht  mehr  zum  Leben  erwecken.  Man  tut 
tahci  gut,  so  lange  man  noch  nichts  bestimmteres  weiss,  bei 

3)  Die  gleiche  Auffassung  vertritt  auf  Grund  eines  grossen 
Materials  aus  der  menschlichen  Pathologie  Cathcart  in  seinem 
jüngst  erschienenen  Werk  „The  essential  similarity  of  innocent  and 
malignant  tumours“,  Bristol  1907. 


den  allgemeinen  Ausdrücken  wie  Hemmung  des  Immunkörpers, 
die  nichts  präjudizieren,  zu  bleiben. 

Das  Experiment  C  o  n  r  a  d  i  s  liess  sich  nun  in  einfacher 
Weise  am  Krankenbette  weiter  verfolgen.  Man  hatte  nichts 
anderes  zu  tun  als  Paralleluntersuchungen  anzustellen,  d.  h. 
Blut  von  Typhuskranken  zur  Hälfte  unverändert,  also  m  i  t,  zur 
anderen  Hälfte  nach  Gallenzusatz  ohne  seine  hemmenden 
Kräfte  auszusäen.  Aus  den  Differenzen,  die  sich  bei  dem  Aus¬ 
wachsen  der  Kolonien  herausstellten,  konnte  man  unmittelbar 
über  die  im  Blute  etwa  vorhandene  Hemmung  Aufschluss  er¬ 
halten,  in  welcher  Stärke  sie  auftrat,  ob  sie  wechselte,  ob  sie 
mit  der  Schwere  der  Krankheit  in  Verbindung  stand  oder  mit 
der  Zahl  der  Leukozyten  u.  a.  m.  Auf  diese  Fragen  vermochte 
natürlich  die  Gallenröhre,  bei  der  sich  alle  graduellen  Unter¬ 
schiede  durch  die  Anreicherung  verwischen,  keine  Antwort  zu 
geben.  Man  musste  die  Galle  zu  einem  festen  Nährboden  ver¬ 
arbeiten.  Ihre  Wirkung  brauchte  darin  bei  den  lebhaften  Dif¬ 
fusionsvorgängen,  die  auch  in  festen  Nährsubstraten  erhalten 
bleiben,  nicht  weniger  kräftig  zur  Geltung  zu  kommen.  Der 
feste  Nährboden  aber  brachte  die  Typhusbazillen  kolonien¬ 
weise  zum  Wachsen,  man  konnte  sie  zählen,  und  die  gewon¬ 
nen  Zahlen  mit  denen  des  einfachen  (Schottmüller- 
schen)  Agars  in  ein  Verhältnis  setzen.  Ausserdem  hatte  das 
Aussäen  des  Blutes  ohne  Anreicherung  den  Vorzug,  ein  rich¬ 
tiges  Bild  von  dem  Grade  der  Bakteriämie  zu  geben. 

icn  benutze  den  gewöhnlichen  Agar,  den  wir  uns  hier  aus 
Affenfleisch,  das  man  immer  leicht  haben  kann,  bereiten.  Einige 
Zusätze,  vor  allem  den  von  Zucker,  machte  ich,  um  das  Wachs¬ 
tum  der  Typhusbazillen  zu  begünstigen.  Bouillon  und  Rinder¬ 
galle  (von  dem  indischen  Zebu)  zu  gleichen  Teilen  wird  ver¬ 
setzt  mit  2  Proz.  Agar,  1)4  Proz.  Gelatine,  um  das  Kondens- 
wasser  aufzunehmen,  je  1  Proz.  Pepton,  Nutrose,  Trauben¬ 
zucker  und  34  Proz.  Kochsalz;  Reaktion  schwach  alkalisch. 
In  Röhrchen  von  15  ccm  abgefüilt  war  er  sehr  lange  haltbar. 
Auf  eine  Blutuntersuchung,  für  die  ein  Röhrchen  berechnet  war, 
kam  so  734  ccm  Galle.  Die  Menge  des  Blutes,  die  ich  ohne 
Schwierigkeit  von  meinen  Patienten  erhalten  konnte,  beträgt 
3  ccm.  Die  eine  Hälfte,  134  ccm,  wurde  also  mit  dem  fünf¬ 
fachen  an  Galle  verdünnt,  in  der  Annahme,  dass  die  grössere 
Verdünnung  (Conradi  und  nach  ihm  auch  Kayser  wählten 
das  Verhältnis  1:2)  die  Wirkung  der  Galle  nur  erleichtern 
könne.  Neuerdings  ist  Conradi  auch  zu  einer  höheren  Do¬ 
sierung  der  Galle  übergegangen:  1  oder  2  :  10.  Blutgallenagar 
und  Blutagar  wurden  dann  in  Platten  gegossen  und  bei  37° 
gehalten. 

Das  Blut  entnehme  ich  stets  einer  Vene,  so  aseptisch  als  nur 
möglich.  Die  Gelegenheit  zu  Verunreinigungen  mit  alles  über¬ 
wuchernden  Mikroben  ist  an  Ohrläppchen  oder  Fingerbeere  zu 
gross,  als  dass  es  hier  gelänge  Blut  in  genügender  Reinheit 
zu  gewinnen. 

Ich  punktiere  die  Vene  mittelst  Glasröhren,  die  an  beiden 
Seiten  in  Spitzen  ausgezogen  sind.  Derartige  Röhren  von 
3  ccm  halte  ich  sterilisiert  im  Vorrat.  Beim  Gebrauch  bricht 
man  die  zugeschmolzenen  Spitzen,  ohne  sie  zu  verunreinigen 
ab;  von  den  feinen  Bruchenden  ist  gewöhnlich  eine  scharf 
genug,  um  sich  mit  einem  leichten  Ruck  durch  die  Haut,  mit 
einem  zweiten  in  die  Vene  stossen  zu  lassen. 

In  der  Tabelle,  die  ich  nun  folgen  lasse,  habe  ich  nur  die 
positiven  Befunde  aufgenommen.  Für  das,  was  ich  hier 
zeigen  möchte,  kommen  sie  allein  in  Betracht.  Ich  bemerke 
nur  nebenbei,  dass  die  Zahl  der  negativen  Züchtungen  aus  dem 
Blute  bei  Erkrankungen,  die  klinisch  Typhus  genannt  zu  wer¬ 
den  verdienten,  4 — 6  mal  so  hoch  ist.  Ich  werde  darauf,  sowie 
auf  Details  der  vorliegenden  Krankheit  an  anderem  Orte  ein- 
gehen. 

(Tabelle  siehe  nächste  Seite.) 

Wie  voraus  zu  erwarten  war,  lieferte  der  Gallenagar 
bei  den  Typhusfällen  durchgehends  höhere  Kolonienzahlen  als 
der  Schottmüller  sehe.  6  mal  blieb  der  letztere  ganz 
steril,  während  auf  Gallenagar  noch  1—18  Kolonien  aus¬ 
wuchsen.  Das  günstigste  Verhältnis  für  den  Gallenagar  wurde 
mit  458  Kolonien  gegen  10  auf  Agar  erreicht,  am  nächsten 
kamen  sich  die  beiden  Nährböden  mit  4  : 2.  Die  Differenzen 
können  also  schwanken  zwischen  dem  2—45  fachen.  Wäre 
die  Galle  ausschliesslich  ein  besserer  Nährboden,  so  dürfte 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1722 


Lfde.  No. 

Name 

Kranken- 

No. 

Ausgang 

der 

Krankheit 

Datum 

der 

Unter¬ 

suchung 

Krankheits¬ 

tage 

Leukozyten¬ 

zahl 

Zahl 

Kolo 

c  V- 
C  Cö 

£  =  bß 

’~Ö  * 

der 

niett 

U 
r-  CS 

£  bfl 

1 

Lim  Kang  Tjui 

3475 

Toxisch.  Tod 

7.  XI.  06 

5 

2200 

211 

9.  XI. 

7 

2800 

603 

— 

10.  XI. 

8 

4000 

872 

228 

tll.XI. 

2 

Koh  Nai  Tie 

732 

Heilung 

6.  II.  07 

7 

3000 

9 

3 

8.  II. 

9 

4000 

4 

0 

19.  II. 

20 

6200 

0 

0 

3 

Sarminah 

807 

Perf.  Periton 

16.  II. 

9 

2200 

9 

0 

20.  II. 

13 

3200 

14 

4 

+26.  II. 

19 

4 

Irodikromo 

1083 

Darmblutung 

5.  III. 

10 

— 

14 

3 

6.  III. 

11 

— 

18 

0 

8.  III. 

13 

5000 

4 

2 

13.  III. 

18 

6800 

0 

0 

+16.111. 

21 

5 

Loh  Toan  Seng 

939 

Heilung 

8.  IV. 

6 

1600 

1 

0 

10.  IV. 

8 

1600 

0 

0 

6 

Tan  Mah  Chia 

962 

Meningitis 

25.  II. 

? 

3600 

1 

0 

+29.  II. 

7 

Krankenschwester 

— 

Toxisch.  Tod 

+  18.  IV. 

8 

8400 

238 

— 

8 

Law  ah  Bok 

1775 

Toxisch.  Tod 

5.  V. 

4 

6400 

220 

35 

7.  V.  rnitt. 

6 

3400 

120 

8 

abd. 

6 

458 

10 

8.  V. 

7 

2800 

180 

11 

10.  V. 

9 

2200 

286 

? 

+  11.  V. 

10 

9 

Loh  ah  Sak 

1700 

Heilung 

5.  V. 

12 

6200 

19 

2 

7.  V. 

14 

7000 

15 

3 

10.  V. 

17 

8200 

1 

0 

13.  V. 

20 

9200 

0 

0 

10 

Tan  ah  Wan 

1788 

? 

8.  V. 

4 

6400 

40 

4 

10.  V. 

6 

7200 

120 

? 

11.  V. 

7 

8000 

84 

18 

14.  V. 

10 

8800 

43 

14 

16.  V. 

12 

8600 

24 

15 

21.  V. 

17 

7800 

4 

2 

23.  V. 

19 

4VOO 

0 

0 

Paratyphus 

B. 

11 

Siti 

1649 

Heilung 

24.  IV. 

? 

3400 

42 

11 

25.  IV. 

4600 

9 

1 

27.  IV. 

8600 

28 

1 

28.  IV. 

9000 

2 

0 

7.  V. 

— 

0 

0 

Paratyphus 

A. 

12 

Loh  ah  Hok 

7 

Heilung 

9.  III. 

4 

1200 

11 

13 

11.  III. 

6 

1400 

1 

2 

16.  III. 

11 

— 

0 

0 

man  erwarten,  dass  der  Index,  mit  dem  sie  den  einfachen  Agar 
übertraf,  bei  gleicher  Zusammensetzung  des  Nährbodens  an¬ 
nähernd  derselbe  bleiben  werde.  Das  geschieht  aber  nicht, 
der  Index  wechselt,  und  zwar  in  ziemlich  bedeutender  Breite. 
Der  Grund  hiefür  kann  nur  in  wechselnden  Zuständen  des 
Blutes  liegen,  die  von  der  Galle  ausgeglichen  werden:  wieder 
ein  Beweis  dafür,  dass  die  Ueberlegenheit  der  Galle  auf  ihrer 
aktiven  Wirksamkeit  den  Immunkörpern  des  Blutes 
gegenüber  beruht. 

Von  den  beiden  Paratyphen  schliesst  sich  der  eine,  von 
dem  Typus  B  ganz  dem  Typhus  an.  Die  Kolonienzahlen  auf 
dem  Gallenagar  überwiegen  bei  weitem.  Bemerkenswert  ist 
hier  allein,  wie  stark  der  Gehalt  des  Blutes  an  Bazillen  auf- 
und  niedergeht,  bevor  er  definitiv  auf  0  sinkt. 

Der  andere  Paratyphus,  der  seinem  kulturellem  Ver¬ 
halten  nach  zum  Typus  A  gerechnet  werden  muss,  weicht  je¬ 
doch  von  dem  Schema  der  beiden  anderen  entschieden  ab. 
Auf  Gallenagar  und  Schottmüller  gingen  von  ihm  bis  auf  kleine 
Differenzen,  die  als  Versuchsfehler  gedeutet  werden  können,  die 
gleichen  Kolonienzahlen  auf.  Noch  in  anderer  Beziehung 
nahm  er  eine  Sonderstellung  ein.  Während  die  Kolonien  der 
beiden  anderen  Typen  auf  Schottmülleragar  selten  vor  48  Stun¬ 
den,  bisweilen  erst  nach  72  Stunden  sichtbar  werden,  waren 
die  in  Frage  stehenden  schon  nach  24  Stunden  gut  aus¬ 
gebildet.  Das  sind  zwei  Unterschiede  prinzipieller  Art, 
die  sich  bei  den  beiden  Untersuchungen  des  Blutes  am  9.  und 
11.  März  gleichartig  ergaben:  Es  werden  keine  Kolonien 
unterdrückt  und  das  Wachstum  der  au  f  kom¬ 


mende  n  wird  nichtverzögert.  Beide  Erscheinungen 
lassen  sich  gut  miteinander  in  Einklang  bringen,  mag  man  sie 
nun  erklären  wollen  mit  dem  Ausfall  jeglicher  Hemmung  oder 
einer  besonderen  Resistenz  der  Bazillen  gegenüber  den  hem¬ 
menden  Kräften.  Ich  gebe  diese  Andeutungen  einer  Erklärung 
mit  aller  der  Reserve,  die  eine  noch  vereinzelt  stehende  Be¬ 
obachtung  verlangt.  Andererseits  darf  der  Fad  auf  eine  Be¬ 
rücksichtigung  Anspruch  machen,  da  es  sieh  um  eine  w  i  e  d  e  r- 
holte  Züchtung  aus  dem  Blute  handelt.  Nachprü¬ 
fungen,  die  allerdings  bei  der  Seltenheit  des  Paratyphus  A  ihre 
Schwierigkeiten  haben,  werden  zeigen  müssen,  ob  man  es 
mit  einer  dauernden  Eigenschaft,  oder  nur  einer  hier  be¬ 
obachteten  Abweichung  zu  tun  hat.  Die  Feststellung  der  A't, 
sowie  die  noch  nicht  abgeschlossene  genaue  Bearbeitung  des 
Bazillus  hat  zuvorkommender  Weise  Dr.  Kucnen,  der  Leiter 
des  neuen  Pathologischen  Institutes  in  Medan,  übernommen  x). 

Aus  der  Tabelle  kann  man  auch  eine  Handhabe  gewinnen 
für  die  Blutmenge,  welche  für  die  Züchtung  nötig,  resp.  aus¬ 
reichend  ist,  ein  Kapitel,  das  in  der  Literatur  verschiedentlich 
behandelt  wurde.  Bei  den  schweren  Bakteriämien,  wie  wir  sie 
in  No.  1,  7,  8  vor  uns  haben,  mussten  schon  in  0,01  ccm  Blut 
ein  oder  selbst  mehrere  Typhusbazillen,  also  genügend  für  die 
Diagnose,  enthalten  sein *  2).  In  No.  5  und  6  dagegen  würde  man 
wahrscheinlich  nicht  zum  Ziele  gekommen  sein,  hätte  man 
weniger  als  1,5  ccm  verbraucht.  Man  geht  also  sicherer,  be¬ 
sonders  in  Ländern  wie  hier,  mit  noch  so  wenig  aufgeklärter 
Pathologie,  wenn  man  das  zu  untersuchende  Blutquantum  lie¬ 
ber  reichlich  bemisst. 

Die  Hemmung  erreichte  auch  im  Verlaufe  eines  und  des¬ 
selben  Krankheitsfalles  verschiedene  Grade.  Man  vergleiche 
die  Befunde  bei  No.  3,  4,  8  und  besonders  No.  10.  Eine  auf¬ 
fallende  Gesetzmässigkeit  konnte  ich  aber  nicht  ableiten. 

Sagen  die  Kolonienzahlen  etwas  über  die  Prognose  aus? 
Wenn  der  Typhus  wirklich  im  Anfang  eine  septikämische 
Krankheit  ist,  so  wäre  es  theoretisch  durchaus  berechtigt,  in 
dem  Grade  der  Bakterienüberschwemmung  einen  der  Fak¬ 
toren  zu  sehen,  welche  für  die  Schwere  eines  Falles  mass¬ 
gebend  sind.  Schottmüller  hat  meines  Wissens  als  erster 
die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die  Fälle,  aus  deren  Blute 
reichlich  Kolonien  aufgingen,  prognostisch  ungünstig  zu  be¬ 
urteilen  seien,  während  man  bei  Fällen  mit  wenig  Keimen  auf 
einen  raschen  Fieberabfall  rechnen  dürfe.  K  a  y  s  e  r  wiederum 
meint,  dass  „im  Typhusanfang  aus  der  Anwesenheit  grosser 
Bazillenmengen  im  Blute  keine  Rückschlüsse  auf  die  Prognose 
gemacht  werden  dürfen“.  Er  gründet  sich  dabei  allerdings  nur 
auf  Untersuchungsreihen,  bei  denen  er  das  Anreicherungsver¬ 
fahren  verwertete.  Dass  dabei  die  eigentliche  Bazillen- 
menge  der  Beobachtung  entgehen  muss,  wurde  schon  oben 
bemerkt.  Aber  auch  andere  Autoren  hielten  die  Schlüsse  aus 
den  Kolonienzahlen  für  unzuverlässig  und  legten  darum  nur 
Wert  darauf,  zu  erfahren,  ob  Typhusbazillen  und  welche  Art 
der  Typhusbazillengruppe  im  Spiele  waren.  Damit  schoss  man 
in  beiden  Lagern  über  das  Ziel  hinaus.  Man  darf  nicht  ohne 
weiteres  das  Züchtungsresultat  heranziehen,  um  über  den 
späteren  Verlauf  des  Typhus  mit  seinen  mannigfachen 
Komplikationen  etwas  vorauszusagen.  Weiss  man  doch,  dass 
Darmblutung  und  Perforation  oft  gerade  den  leichtesten  Infek¬ 
tionen  folgen.  Das  lehrt  schon  ein  Blick  auf  die  Tabelle. 
Zwischen  den  geheilten  Fällen: 

No.  2,  5,  9  mit  ihren  9,4  oder  1,  oder  19,  15,1  Kolonien,  und 

„  3,  6,  4  „  „  9,14  „  1,  „  14,  18,4 


4)  Ueber  die  Häufigkeit  von  Paratyphen  hier  zu  Lande  erhielt 
ich  im  Jahre  1904  durch  eine  Serie  von  88  Blutuntersuchungen  Ein¬ 
sicht.  In  24  Fällen  züchtete  ich  ein  positives  Resultat  auf  dem 
S  c  h  o  1 1  m  ü  1  le  r  sehen  Agar,  und  zwar  20  mal  Typhus,  3  mal  Para¬ 
typhus  B  und  1  mal  Paratyphus  A. 

2)  Mikroskopisches  Absuchen  selbst  so  hochgradig  bakterien¬ 
haltigen  Blutes  nach  phagozytotischen  Prozessen  hatte  kein  Ergebnis. 
Noch  viel  weniger  fand  ich  freiliegende  Bazillen.  Man  kann  das  auch 
nicht  verlangen.  Für  ein  Ausstrichpräparat  wird  selten  mehr  als 
0,001  cbm  Blut  verbraucht.  Darin  würden  nach  obiger  Tabelle  gün¬ 
stigsten  Falles  ein  bis  zwei  Bazillen  enthalten  sein  können.  Jene 
beiden  Bazillen  im  Präparate  finden  und  als  Typhusbazillen  erkennen 
zu  wollen,  scheint  doch  wohl  in  das  Bereich  des  Zufalls  zu  gehören. 
Dies  nur  gegenüber  den  ab  und  zu  auftauchenden  Empfehlungen  einer 
mikroskopischen  Diagnose  des  Typhus  aus  dem  Blute. 


2* 


1724 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


welche  3  letzteren  an  Komplikationen  tödlich  verliefen,  be¬ 
steht  kein  Unterschied.  Anders  die  frühen  Todesfälle,  die 
Curschma  n  n  als  die  foudroyante  Form  des  Typhus 
bezeichnet.  Diese  muss  man  als  reine  Vergiftung  auffassen. 
Sie  stehen  mit  dem  Typhusbazillus  in  direkter  Beziehung  und 
es  ist  daher  wohl  denkbar,  dass  sie  sich  durch  eine  besonders 
hohe  Bakteriämie  oder  wenn  man  will  Septikämie  schon 
f  r  ii  h  e  verraten.  Unter  meinen  Fällen  befinden  sich  drei,  die 
hierfür  als  Beleg  dienen  können,  No.  1,  7  und  8,  welche  ich  mit 
„toxischer  Tod“  näher  bezeichnete.  Bei  der  Autopsie  von 
No.  1  und  8  (No.  7  wurde  nicht  nekroskopiert)  standen  die  Pla¬ 
ques  in  den  Anfängen  der  Verschorfung.  In  allen  drei  Fällen 
deckte  der  Gallenagar  eine  riesige  Ueberschwemmung  des  Blu¬ 
tes  mit  Typhusbazillen  auf,  bis  zu  872  Keimen  in  dem  ersten, 
238  im  zweiten  und  458  in  dem  dritten  Falle  aus  1/4  ccm  Blut! 
Die  Prognose  wurde  daraufhin  sehr  ernst  gestellt,  und  erfüllte 
sich  binnen  wenigen  Tagen.  Hier  gab  also  der  Gallenagar  ein 
durchaus  eindeutiges  Resultat,  das  sich  auch  in  seinen  Kon¬ 
sequenzen  bewahrheitete. 

Wie  verhielt  sich  dazu  nun  die  Kultur  auf  dem  Schott- 
m  ü  1  1  e  r  sehen  Agar?  In  No.  1  zeigte  auch  e  r  die  hohe  Keim¬ 
zahl  und  damit  den  gefährlichen  Zustand  prompt  an  —  No.  7 
fiel  für  die  Kontrolle  aus  — ,  aber  beiNo.  8  versagte  er 
v  o  1 1  k  o  m  m  e  n.  Infolge  der  starken  Hemmung,  wie  wir  an- 
nahmen,  kam  nur  ein  sehr  geringer  Prozentsatz  der  im  Blute 
befindlichen  Bazillen  zur  Entwicklung.  Zahlen  wie  228  und 
auf  der  anderen  Seite  35,  8,  10  und  11  kann  man  nicht  mehr 
unter  einheitliche  Gesichtspunkte  stellen.  Die  Schott- 
m  üllerschen  Blutplatten  gaben  also  ein  total  ver¬ 
kehrtes  und  für  die  Beurteilung  der  Schwere  des 
Falles  unbrauchbares  Bild.  Auf  diese  bisher  nicht  be¬ 
rücksichtigte  Fehlerquelle  ist  gewiss  ein  Teil  der  Meinungs¬ 
verschiedenheiten  über  die  Bedeutung  der  Kolonienzahl  zu¬ 
rückzuführen.  Die  Benutzung  des  Gallenagars,  der  den  un¬ 
berechenbaren  Faktor  der  hemmenden  Kräfte  auszuschalten 
gestattet,  wäre  wohl  geeignet,  um  über  den  strittigen  Punkt 
neue  und  jedenfalls  einwandsfreiere  Unterlagen  zu  sammeln. 

Aus  den  Leukozytenzählungen  lässt  sich,  so  weit  ich  es 
übersehen  kann,  nichts  entnehmen,  was  für  einen  Zusammen¬ 
hang  mit  der  Menge  der  Bakterien  oder  mit  der  Stärke  der 
Hemmung  spräche.  Ich  muss  allerdings  hinzufügen,  dass  die 
richtige  Wertung  der  Leukozyten  hier  ihre  besonderen  Schwie¬ 
rigkeiten  hat.  Ein  grosser  Prozentsatz  der  Kranken  leidet 
gleichzeitig  an  Ankylostomen  und  chronischer  Malaria,  Zu¬ 
stände,  die  auf  die  weissen  Blutkörperchen  auch  von  Einfluss 
sein  können.  Solange  man  den  Anteil  dieser  Komplikationen 
nicht  genau  berechnen  kann,  haben  die  Zählungen  nur  beding¬ 
ten  Wert.  Ich  gebe  sie  darum  auch  allein  der  Vollständigkeit 
halber. 

Die  Zeiten,  die  das  Züchten  auf  Galleagar  bis  zur  völli¬ 
gen  Rekognoszierung  der  Stämme  erfordert,  stehen  hinter 
denen,  die  mit  der  Gallenröhre  erreichbar  sind,  nicht  zurück. 
Das  erste  Wachstum  kann  man  bereits  nach  11  Stunden  wahr¬ 
nehmen,  nach  13  Stunden  sind  die  Kolonien  in  jedem  Falle 
schon  gross  genug,  um  bequem  abgestochen  zu  werden,  und 
nach  16  bis  18  Stunden  hat  man  an  den  nun  stecknadelknopf¬ 
grossen  Kolonien  schon  reichlich  Material  zur  •  vorläufigen 
Agglutination.  Nach  Verlauf  von  36  Stunden  kann  die  volle 
Serie  der  diagnostischen  Spezialnährboden  fertig  sein.  Das 
kann  das  Galleröhrchen  erst  nach  höchstens  48  Stunden  leisten. 
Dieser  Vorsprung  an  Zeit  wiegt  aber  nicht  den  Vorteil  der 
Einfachheit  auf,  welchen  flüssige  Nährböden,  die  zuerst  R  o  1 1  y 
mit  seiner  Zucker-Pepton-Lösnng  am  Typhuskrankenbett  ein¬ 
führte,  oder  die  Züchtung  aus  dem  Blutkuchen  von  Müller 
und  Gräf,  voraus  haben.  Das  Platten  verfahren  ist  ohne  La¬ 
boratorium  und  Spital  nicht  durchzuführen. 

Die  Kolonien  der  Typhusbazillen  erscheinen  in  dem  klaren, 
braunroten  Nährboden  zuerst  als  kleine  schwarze  Punkte,  die 
sich  rasch  mit  einem  trüben  Hof  umgeben.  Nach  16  Stunden 
haben  viele  die  Form  einer  Linse  angenommen,  der  man  ja 
auch  auf  dem  Schottmülleragar  häufig  begegne.  Mit  ihrem 
dichten  Hof  verleihen  sie  der  Platte  ein  ganz  charakteristisches 
Gepräge  (s.  Fig.  1  a).  Die  Linsen,  die  ein  ziemlich  festes  Ge¬ 
füge  haben,  lassen  sich  mit  der  Impfnadel  leicht  in  toto  heraus¬ 
stechen.  Zerquetscht  man  sie  unter  dem  Deckglase,  so  findet 


man,  dass  sie  aus  reichlichen,  dichten  Bazillenmassen,  die 
zwischen  gelben  Pigmentschollen  liegen,  bestehen. 


CL 


Fig.  1  (trat.  Grosse). 

Gallenagarplatte  mit  einer  Aussaat  von  Typhusblut  nach  17  Stunden. 

(Bei  schräg  durchfallendem  Licht  photographiert.) 

Bei  a:  die  Typhusbazillenkolonien  in  bekannter  Form. 

Bei  b:  die  grossen  „ausgelaufenen“  Typhusbazillenkolonien. 

Ausser  diesen  Kolonien,  die  dem  bekannten  Bilde  ent¬ 
sprechen,  findet  man  nun  in  den  meisten  Platten  solche,  die 
sich  durch  weniger  kompakten  Bau,  aber  durch  eine 
enorme  Grösse  auszeichnen.  Derartige  Kolonien  können 
schon  nach  13  Stunden  2  mm  im  Durchmesser  haben,  nach 
16  Stunden  7—8,  und  nach  24  Stunden  ist  häufig  schon  der 
grössere  Teil  der  Platte  durchwachsen  (s.  Fiig.  1  b).  Sie 
kommen  in  jeder  Tiefe  des  Agars  vor,  also  nicht  etwa  allein 
auf  der  Oberfläche.  Auch  sie  schwärzen  den  Nährboden  und 
umgeben  sich  mit  einem  trüb-gelblichen  Hof.  Eine  über¬ 
wachsene  Platte  wird  völlig  undurchsichtig.  In  der  Aufsicht 
erscheinen  die  geschwärzten  Flächen  wie  gekocht. 

Die  erste  und  natürliche  Vermutung,  es  handle  sich  hier  um 
Mischinfektionen  oder  Verunreinigungen,  wurde  durch  die  ge¬ 
naue  bakteriologische  Analyse,  ich  darf  wohl  sagen  zu  meinem 
eigenen  Erstaunen  widerlegt.  Stämme  aus  beiden  Formen  der 
Kolonien  verhielten  sich  kulturell  absolut  gleich  (Gelatine, 
Milchzuckeragar,  Rothberger-Oldecop,  Lackmusmolke,  die 
Barsiekow  sehen  Lösungen,  bezügl.  der  Indolreaktion  etc.). 
Zur  Agglutination  stand  mir  ein  Patientenserum  zu  Gebote,  das 
durch  die  Sektion  gesicherte  Typhusstämme  in  Verdünnungen 
bis  1 : 3000  agglutinierte.  Auch  hier  erhielt  ich  mit  beiden 
Stämmen  den  gleichen  Ausschlag.  An  der  Identi¬ 
tät  der  beiden  Formen  glaubte  ich  darnach  nicht  länger  zwei¬ 
feln  zu  dürfen. 

Nur  einen  Unterschied  zwischen  beiden  Arten  der  Kolonien 
fand  ich  regelmässig;  er  kann  vielleicht  als  Schlüssel  zur  Er¬ 
klärung  des  Phänomens  dienen.  Während  die  Bazillen  aus 
den  linsenförmigen  Kolonien  nur  vereinzelt  beweglich  waren, 
wie  man  das  bei  frisch  rein  gezüchteten  Typhusbazillen  mehr 
sehen  kann,  fielen  die  aus  den  grossen  „ausge¬ 
laufenen“  Kolonien  durch  ihre  Beweglichkeit 
geradezu  auf.  Das  zeigte  sich  besonders  deutlich,  wenn 
man  Stücke  des  getrübten  Hofes  unter  dem  Deckglas  zer¬ 
drückte  und  mikroskopierte.  Die  Bazillen  häufen  sich  nicht  so 
massig  zusammen,  als  in  den  linsenförmigen  Kolonien,  sie 
schwärmen  aus,  durchziehen  den  Agar  und  bestreichen  so 
grosse  Gebiete.  Daher  die  ausgelaufenen  Kolonien. 

Diesen  besonderen  Charakter  behalten  die  aus  den  be¬ 
schriebenen  Kolonien  hervorgegangenen  Stämme  nicht  bei, 
schon  nach  der  ersten  Umzüchtung  auf  einfachen  Agar  sind  alle 
Unterschiede  in  der  Beweglichkeit  ausgeglichen.  Darnach 
möchte  man  wohl  'annehmen,  dass  es  sich  hier  um  eine  beson¬ 
dere  Anlage  handelt,  die  einzelne  Keime  unmittelbar  aus  dem 
Blute  mitbringen.  Der  Zahl  nach  standen  die  ausgelaufenen 
Kolonien  immer  erheblich  hinter  den  kleinen,  kompakten  zu- 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1725 


rück,  etwa  in  dem  Verhältnis  von  1:6  bis  1:20.  Bisweilen 
war  es  wohl  auffallend,  wie  genau  sich  die  Zahl  der  ausge¬ 
laufenen  Kolonien  mit  jener  deckte,  die  auf  dem  Sch  o  1 1  - 
m  ü  1 1  e  r  sehen  Agar  gewachsen  waren.  Das  kann  rein  zufällig 
sein,  ich  unterlasse  es  darum  lieber,  Hypothesen,  die  ja  sehr 
nahe  lägen,  daran  zu  knüpfen.  Es  sei  genug,  hier  mitgeteilt  zu 
haben,  dass  auf  Gallenagar  die  Typhusbazillen  aus 
dem  Blute  in  zwei  Formen  wachsen,  von  denen  die 
eine  der  bekannten  Form  entspricht,  die  andere,  neue,  durch 
ein  ausserordentlich  rasches  Wachstum  und  eine  be¬ 
sonders  lebhafte  Beweglichkeit  ihrer  Bazillen  gekenn¬ 
zeichnet  ist. 

Mit  dem  Niederschreiben  dieser  Arbeit  beschäftigt,  erhielt 
ich  den  Artikel  von  Rosen-Runge  „Ueber  die  Verwen¬ 
dung  des  Natrium  glycocholicum  für  Blutuntersuchungen  bei 
Typhuskranken“,  die  in  Europa  im  März  d.  J.  erschien.  Er  ist 
auf  gleichem  Wege  gegangen,  wie  ich,  nur  verwendete  er 
statt  der  Galle  das  von  Meyerstein  empfohlene  Gallensalz. 
Auch  er  findet,  dass  sein  Nährboden  viel  mehr  Typhusbazillen 
als  der  Schottmüllersche  zur  Auskeimung  bringt,  und  dass 
bereits  nach  16,  ja  13  Stunden  ein  Abstechen  der  Kolonien  mög¬ 
lich  ist.  Meine  Arbeit  darf  ihm  dafür  als  Bestätigung  dienen. 

T  a  n  d  j  o  n  g  M  o  r  a  w  a,  23.  Mai  1907. 

Aus  dem  Institute  für  allgemeine  Pathologie  der  Universität 

in  Genua. 

Die  innere  Reibung  (»?)  des  Blutserums  in  morph?ni- 

sierten  Tieren. 

Von  Dr.  Mario  S  egale,  Privatdozent  und  Assistent. 

Einige  Kontrollversuche  über  die  neueste  Veröffentlichung 
Cesanas1)  führten  mich  dazu,  das  Verhalten  der  inneren 
Reibung  des  Blutserums  in  Hunden  festzustellen,  welchen  eine 
zur  Narkose  hinreichende  Gabe  Morphium  muriaticum  ein¬ 
gespritzt  worden  war. 

Die  Technik  der  Entnahme  und  der  Prüfung  des  Serums 
habe  ich  weitläufig  in  vorausgegangenen  Erläuterungen  ')  dar¬ 
gestellt;  sie  ist  jene,  welche  am  physikalisch-chemischen  Insti¬ 
tute  in  Leipzig  im  Gebrauche  ist. 

Den  mit  Morph,  muriat.  —  die  Dose  0,01  g  zu  1  kg  Körper¬ 
gewicht  —  eingespritzten  Tieren  wurde  an  der  Drosselvene 
vor  der  Einspritzung,  Yi  Stunde  darnach  und  den  nächsten  1  ag 
mit  der  Methode  Ferrai  zur  Ader  gelassen. 

Durch  ausreichende  Kontrollversuche  habe  ich  mich  ver¬ 
gewissert,  dass  die  geringste  Quantität  des  in  diesen  ver¬ 
schiedenen  Zeitpunkten  abgenommenen  Blutes  keinerlei  Wir¬ 
kung  auf  die  innere  Reibung  des  Serums  hat;  es  muss  eine  be¬ 
deutend  grössere  Quantität  abgezogen  werden,  um  jene  Ver¬ 
änderungen  zu  bemerken,  welche  wir  aus  den  Untersuchungen 
verschiedener  Autoren  kennen. 

Bei  allen  mit  Morph,  muriat.  geimpften  Tieren  konnte  eine 
auffallende  Abnahme  der  inneren  Reibung  des  Serums  fest¬ 
gestellt  werden,  welche  in  den  meisten  Fällen  von  der  ersten 
halben  Stunde  an,  jedoch  manchmal  auch  erst  beim  dritten 
Aderlass  bemerkbar  war;  stets  fand  sie  sich  aber  im  Verhält¬ 
nisse  zur  pharmakologischen  Wirkung  des  Produktes.  Man¬ 
ches  Tier  bedurfte  einer  grösseren  Quantität  Morphins  zur  Nar¬ 
kose,  und  in  solchen  zeigte  sich  die  Abnahme  der  inneren  Rei¬ 
bung,  welche  nach  der  erstmaligen  Verabreichung  kaum  be¬ 
merkbar  war,  bei  der  zweiten  sehr  deutlich. 

Am  folgenden  Tage  kehrten  die  Werte  wieder  zur  Norm 

zurück. 

Bei  Wiederholung  der  Morphinverabreichung  an  einige 
dieser  Tiere  in  verschiedenen  Zeiträumen,  von  7  I  agen  bis  zu 
1  Monat,  wurde  an  manchen  .eine  fortschreitende  Verminde- 

U  Cesana  (Arch.  di  Fisiol.,  Bd.  IV.,  Heft  2)  gelangte  bei  der  Unter¬ 
suchung  der  inneren  Reibung  des  Serums  beiSplenektomie  zu  Resultaten, 
die  in  vollem  Widerspruche  zu  den  von  mir  veröffentlichten  stehen.  Es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  in  einigen  Fällen  der  Irrtum  davon  ab¬ 
hängt,  dass  der  erste  Aderlass  vor  dem  Eingriffe  an  Hunden  gemacht 
wurde,  welche  morphinisiert  waren.  Der  zweite  an  wachen  Hunden 
zeigt  natürlich  eine  Erhöhung  der  inneren  Reibung,  welche  indes  nur 
scheinbar  ist 

2)  S  egale:  Su  alcuni  valori  fisico-chimici  del  siero  di  sangue. 
Nota  LTecnica  di  esame  e  limite  dei  valori  normali.  Nota  II:  Anuria 
soerimentale.  Nota  III:  Tiroidectomia  e  Paratiroidectoinia.  Nota  V. 
Capsulectomia  surrenale.  Nota  VI:  Splenectomia.  (Atti  della 
R.  Accad.  med.  di  Genova  1906 — 1907.) 


rung  der  Abnahme  der  inneren  Reibung  beobachtet,  wie  wenn 
der  Organismus  oder  die  vermuteten  ausgleiehendcn  Kräfte  der 
inneren  Reibung  selbst  sich  an  die  wiederholte  Einführung 
dieses  Alkaloids  gewöhnten,  obgleich  noch  nie  eine  vollständige 
Unempfindlichkeit  beobachtet  werden  konnte. 

Bei  Tieren,  welche  längere  Zeit  ohne  Nahrung  gehalten 
wurden,  fehlte  die  Reaktion  gänzlich. 

Nachdem  die  wirkliche  Bedeutung  dieser  physikalisch¬ 
chemischen  Eigentümlichkeit  des  Serums  noch  sehr  im  Dunkeln 
schwebt,  obgleich  sie  nicht  bedeutungslos  hinsichtlich  des  or¬ 
ganischen  Auflösungsvermögens  sein  kann,  wie  es  übrigens 
die  klaren  und  beständigen  Veränderungen  je  nach  den  ver¬ 
schiedenen  experimentellen  Verwendungen  beweisen,  glaube 
ich  die  Mitteilung  dieser  Tatsache  angemessen,  um  so  mehr, 
als  sie  noch  nicht  beachtet  zu  sein  scheint. 

Diese  Resultate  können,  unabhängig  von  der  genauen  Be¬ 
deutung,  welche  ihnen  nach  bestimmter  Festlegung  unserer 
Kenntnisse  über  die  innere  Reibung  beigelegt  werden  x\  i r d , 
schon  jetzt  zur  Auslegung  einiger  pharmakologischer  und 
therapeutischer  Wirkungen  dieses  Alkaloids  dienen. 


Aus  der  chemischen  Abteilung  des  Pathologischen  Instituts 

der  Universität  Berlin. 

Lipolyse,  Agglutination  und  Hämolyse. 

Dritte  Mitteilung. 

Von  C.  Neuberg  und  K-  Reicher. 

Vor  einiger  Zeit  haben  C.  Neuberg  und  E.  Rosen- 
berg1)  mitgeteilt,  dass  eine  Reihe  von  Hämolysinen  wie 
Bienengift  und  die  Toxine  der  Kobra-,  der  Krotalus-  und  der 
Mokassinschlange  ein  ausgesprochenes  Fettspaltungsveirmögen 
haben  und  dass  man  dieser  Erscheinung  auch  bei  edichen 
Agglutininen  wie  Krotin  und  Rizin  begegnet  Da  nun 
nach  unseren  heutigen  Vorstellungen  die  roten  Blutkörpei  clien 
mit  einer  Lipoidschicht  umgeben  sind,  liegt  es  nahe,  das  rett- 
spaltnn.gsvermögen  der  Hämolysine  und  Agglutmine  mit  deren 
Wirkung  auf  Blutkörperchen  in  Verbindung  zu  bringen  dm ich 
die  Annahme,  dass  die  Lipase  in  irgend  einer  Weise  die  Li¬ 
poidschicht  verändert.  Es  erhebe”  sl<jh  nun  tol2ende 
Fragen:  Ist  die  Fettspaltung  als  solche  d  l  r  e  k  t  ein  Teil  des  hä¬ 
molytischen  Vorganges,  oder  ermöglicht  sie  indirekt  den  Ein¬ 
tritt  oder  Fortschritt  der  Hämolyse,  oder  ist  sie  drittens  eine 
zufällige  Begleiterscheinung?  Um  weiteres  Material  in  dicsei 
Frage  zu  sammeln,  haben  wir  jüngst 2)  eine  Reihe  anderer 
hämolytisch  wirkender  Prinzipien  von  Toxincharakter  auf  rett- 
spaltungsvermögen  untersucht  und  umgekehrt  bekannte  fett- 
SDaltende  Fermente  auf  hämolytische  Eigenschaften  gepru  . 
Nim  ist  aber  die  Immunisierung  gegen  rote  Blutkörperchen,  Del 
der  Hämolysine  gebildet  werden,  ein  spezieller  Fall  der  immuni¬ 
satorischen  Erzeugung  zytolytischer  Sera  sodass  man  die 
Untersuchung  auch  auf  bakteriolytische  Sera  (R.)  zweck- 
massig  ausdehnte,  umsomehr,  als  wir  wissen,  dass  zahl¬ 
reiche  Bakterien  gleich  den  roten  Blutkörperchen  eine  dichte 
Lipoidhülle  besitzen.  Die  entsprechenden  Versuche  wurden 
einerseits  mit  Schweinerotlauf-  und  Streptokokkensernm  (auch 
mit  antitoxischem  Diphtherieserum)  angestellt,  anderersei  s 
mit  den  fettspaltenden  Fermenten  des  Magens  und  des  Pan¬ 
kreas.3)  Sie  ergaben  übereinstimmend  das  Vorkommen  hpo- 
lytischer  Enzyme  in  den  Immunseris  und  eine  hämolytische 
Wirkung  der  genannten  Verdauungssäfte.  Wir  haben  jetzt 
noch  einige  bakterielle  Hämolysine  untersucht  wie  Cholera¬ 
hämolysin  (K  r  a  u  s)  und  Staphylokokkenhämolysin  (Krau  sh 

1)  Lipolyse,  Agglutination  und  Hämolyse  I.  Orth-Nummer  der 

Berl.  klin.  Wochenschr..  Januar  1907.  .  ,  . 

2)  C.  Neuberg  und  K.  Reicher:  Lipolyse,  Hämolyse  unc 

Agglutination  II.  Biochemische  Zeitschr.,  Bd.  4,  S.  281.  190/. 

3)  Bezüglich  .des  letzteren  sind  unabhängig  von  uns  zum 
gleichen  Resultate  U.  Friedemann  und  J.  W  oh  1  g  e  m  u  t  h  ge¬ 
langt.  —  Es  liegt  in  der  Natur  des  Isolierungsverfahrens  dass  die  n 
Form  von  Lezithiden  erhaltenen  Hämolysine  das  fettspaltende 
Enzym  einschliessen;  vielleicht  beruht  deshalb  auch  hier  die  Hä¬ 
molyse  auf  nichts  anderem,  als  auf  einer  direkten  oder  indirekten 
1  inasewirkung  d.  h.  auf  der  Spaltung  von  Lipoiden  der  Blut¬ 
körperchen  oder  auf  deren  Lösung  ^durch  dem  Lezithin  entstammende 

Fe‘“  pSrdlsUns  freundlich».  vom  Kd  Institute  für  In- 
fektionskrankheiten  in  Berlin  zur  Verfügung  gestellt  worden. 


1726 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Tabelle  I. 

1  ccm  Cholera-Hämolysin,  Azidität  .  —  0,2  ccm  n/10  NaOH. 

1  ccm  Staphylolysin,  Azidität  .  .  .  =  0,2  ccm  n/10  NaOH. 

1  ccm  Meningokokkenserum,  Azidität  =  0,05  ccm  n/10  NaOH. 

5  g  Lezithin  in  60  ccm  Aqu.  dest.,  da¬ 
von  5  ccm,  Azidität . =  1,2  ccm  n/10  NaOH. 

5  ccm  Olivenöl,  Azidität . =  2,25  ccm  n/10  NaOH. 

5  ccm  Rizinusöl,  Azidität . =  0,85  ccm  n/10  NaOH. 

20  ccm  Aether  -f-  20  ccm  Alkohol  (zur 

Titration  zugesetzt),  Azidität  .  .  =  0,05  ccm  n/10  NaOH  (bei  den 

ausgegebenen  Zahlenbereits 
abgerechnet). 

Mangansulfatlös.  von  0,5  Proz.  hier  u.  in  allen  folgenden  Fällen  neutral. 


Azidität 

- 

Angewendet 

vor  der 

nach  der 

Differenz 

Spaltung 

Spaltung 

1  ccm  Cholerahämolysin 

5  „  Olivenöl  .....  . 

}  2,45 

2,6 

0,15 

1 

79 

Cholerahämolysin 

1 

5 

V 

Olivenöl . 

2,45 

2,65 

0,2 

1 

79 

M11SO4  ....... 

1 

5 

79 

79 

Staphylolysin  .... 
Olivenöl  ' . 

}  2,45 

2,65 

0,2 

1 

V 

Staphylolysin  .... 

) 

5 

79 

Olivenöl . 

2,45 

2,65 

0,2 

1 

V 

M11SO4 . 

1 

79 

Meningokokkenserum 

}  2.3 

2,3 

0 

5 

V 

Olivenöl . 

1 

V 

Meningokokkenserum 

1 

5 

V 

Olivenöl  .... 

2,3 

2,5 

0,2 

1 

V 

MnSOi . 

1 

79 

Cholerahämolysin 

}  M 

3,1 

1,7 

5 

79 

Lezithinlsg . 

1 

79 

Cholerahämolysin 

5 

79 

Lezithinlsg.  .  .  . 

I  M 

3,1 

1,7 

1 

79 

M11SO4  .  .  . 

1 

r> 

Staphylolvsin  .... 

j  1,4 

3,2 

1,8 

5 

V 

Lezithinlsg . 

1 

V 

Staphylolysin  .  , 

5 

yn 

Lezithinlsg.  . 

1  M 

4,3 

2,9 

1 

79 

M11SO4  . 

1 

79 

Meningokokkenserum 

}  1,25 

2,75 

1,5 

5 

79 

Lezithinlsg.  .  . 

1 

79 

Meningokokkenserum 

5 

V 

Lezithinlsg. 

1,25 

3,5 

2,25 

1 

79 

M11SO4  . 

1 

V 

Cholerahämolvsin 

1,05 

2,35 

1,3 

5 

V 

Rizinusöl  . 

1 

79 

Cholerahämolvsin 

5 

r> 

Rizinusöl  .  . ‘ 

1,05 

2,25 

1,2 

1 

V 

M11SO4  . 

1 

V 

Staphylolysin  .  .  . 

1,05 

2,05 

5 

79 

Rizinusöl 

1,0 

1 

79 

Staphylolysin  . 

5 

79 

Rizinusöl  . 

1,05 

2,7 

1,65 

1 

79 

M11SO4  . 

1 

77 

Meningokokkenserum 

■  0,9 

1,4 

0,5 

5 

79 

Rizinusöl  . 

1 

V 

Meningokokkenserum 

5 

V 

Rizinusöl  , 

0,9 

1,9 

1,0 

1 

79 

M11SO4  .  . 

die  bekanntermassen  aus  den  Filtraten  der  Bakterien¬ 
kulturen  gewonnen  werden.  (Tabelle  I  und  II.)  Beide 
erwiesen  sich  als  lipoly  tisch,  und  zwar  richtet  sich 
das  Fettspaltungsvermögen  aller  der  untersuchten  Körper 
sowohl  gegen  gewöhnliches  Fett  wie  auch  gegen  Li¬ 
poide  vom  Charakter  des  Lezithins.  Manganosulfat  ver¬ 
stärkte  öfter  auch  in  diesen  Fällen,  wie  schon  früher 
N  e  u  b  e  r  g  und  Rosen  b  erg  (1.  c.)  bei  den  fettspaltenden 
Prinzipien  der  Schlangengifte  gefunden  haben,  deutlich  die 
Fettspaltung.  Meningokokkenserum4)  zeigte  leichte  Lipolyse, 
Pyozyanase  (L  i  n  g  e  r)  dagegen,  der  man  energische  Wirkung 
gegen  Meningokokken  (E  s  c  h  e  r  i  c  h)  und  Diphtheriebazillen 
zuschreibt,  eine  sehr  ausgeprägte  Fettspaltung  (Tabelle  III.) 

Ganz  deutliche  lipolytische  Fähigkeit  entwickelte  auch  ein 
inaktiviertes  Immunserum  eines  Kaninchens,  das  mit  Ziegen- 


T  a  b  e  1  1  e  II. 


5  ccm  Olivenöl,  Azidität . =  1,5  ccm  n/10  NaOH. 

5  ccm  Rizinusöl,  Azidität . =  1,4  ccm  n/10  NaAH. 

5  g  Lezithin  in  60  ccm  Aqu.  dest.,  da¬ 
von  5  ccm,  Azidität . =  1,5  ccm  n/10  NaOH. 

1  ccm  Cholerahämolysin,  Azidität  .  =  0,2  ccm  n/10  NaOH. 

1  ccm  Staphylolysin,  Azidität  .  .  .  =  0,2  ccm  n/10  NaOH. 


20  ccm  Aether  -f-  20  ccm  Alkohol  s.  Tabelle  I  (bereits  abgerechnet.) 


A  z  i  c 

1  i  t  ä  t 

— 

Angewendet 

vor  der 

nach  der 

Differenz 

Spaltung 

Spaltung 

1 

5 

ccrn 

V 

Cholerahämolysin 
Olivenöl  .... 

1  1  7 

1  1,7 

2,4 

0,7 

1 

V 

Cholerahämolvsin 

5 

V 

Olivenöl  ...  . 

!  *'7 

2,7 

1,0 

1 

79 

M11SO4 . 

1 

V 

Staphylolysin  .  . 

}  >>7 

2,3 

0,6 

5 

79 

Olivenöl  .  .  . 

1 

79 

Staphylolysin  .  . 

1 

5 

79 

Olivenöl  .... 

1,7 

2,7 

1,0 

1 

V 

MnSOi . 

1 

1 

V 

Cholerahämolysin 

!  1)7 

3,0 

1,3 

5 

79 

Lezithinlsg.  .  .  . 

1 

97 

Cholerahämolvsin 

1 

5 

79 

Lezithinlsg.  .  .  . 

1  17 

1  • 

3,1 

1,4 

1 

79 

MnS04 . 

1 

99 

Staphylolysin  .  . 

1  1 7 

1  1,7 

3,3 

1,6 

5 

V 

Lezithinlsg.  .  .  . 

1 

79 

Staphylolysin  .  . 

i 

5 

99 

Lezithinlsg.  .  .  . 

1,7 

3,5 

1,8 

1 

V 

MnSO<  . 

1 

Cholerahämolysin 

}  1,6 

1,9 

0,3 

5 

79 

Rizinusöl  .  .’ 

1 

79 

Cholerahämolysin 

1 

5 

V 

Rizinusöl  .... 

1,6 

2,0 

0,4 

1 

79 

MnS04  . 

1 

99 

Staphylolysin  .  . 

}  1,6 

2,2 

0,6 

5 

7) 

Rizinusöl  .... 

1 

79 

Staphylolysin  .  . 

1 

5 

79 

Rizinusöl  .... 

j  1,6 

2,6 

1,0 

1 

79 

MnSÜ4 . 

T 

a 

belle  III. 

5  ccm  Olivenöl,  Azidität . =  1,25  ccm  n/10  NaOH. 

5  ccm  Rizinusöl,  Azidität  . =  1,05  ccm  n/10  NaOH. 

5  g  Lezithin  in  60  ccm  Aqu.  dest.,  da¬ 
von  5  ccm  Azidität . =  1,6  ccm  n/10  NaOH. 

1  ccm  Pyozyanase,  Azidität  .  .  .  .  =  1,4  ccm  n/10  NaOH. 

20  ccm  Aether  -f-  20  ccm  Alkohol, 

Azidität  . =  0,45  ccm  n/10  NaOH  (bereits 

abgerechnet). 


...  . 

Azidität 

Angewendet 

vor  der 

nach  der 

Differenz 

Spaltung 

Spaltung 

5  ccm 

Olivenöl . 

)  2,65 

4,55 

1,90 

1 

79 

Pyozyanase  .... 

5 

79 

Olivenöl . 

1 

l 

79 

Pyozyanase  .... 

2,65 

6,5 

3,85 

1 

79 

MnSÖ4  . 

5 

Lezithinlsg . 

|  3,0 

4,1 

U 

1 

79 

Pyocyanase  . 

5 

V 

Lezithinlsg . 

I 

1 

V 

Pyozyanase  ..... 

3,0 

6,6 

3,6 

1 

V 

MnSOi  . 

5 

1 

79 

V 

Rizinusöl . 

Pyocyanase . 

}  2,45 

6,8 

4,35 

5 

V 

Rizinusöl . 

I 

1 

V 

Pyozyanase . 

2,45 

8,95 

6,5 

1 

79 

MnSOi  . 

serum  vorbehandelt  worden  war,  im  Verein  mit  Meerschwein¬ 
chenserum  als  Komplement  (Tabelle  IV).  Benutzten  wir  als 
Kontrolle  bloss  Komplement  ohne  Ambozeptor,  so  blieb  die  Fett¬ 
spaltung  beinahe  gänzlich  aus. 


Die  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  lipolytischen  zur  hämo¬ 
lytischen  resp.  agglutinierenden  Funktion  liesse  sich  ent- 


Ol  Cn  Ol 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1727 


T  a  b  e  1  1  e  IV. 

Das  Immunserum  Z.  K.  (Ziege,  Kaninchen)  löste  in  der  Menge  von 
0,02  ccm  noch  komplett  1  ccm  5  proz.  Ziegenblutes  bei  Ver¬ 
wendung  von  0,1  Meerschweinchenserum  als  Komplement.  Wir 
nahmen  davon  die  zehnfache  Menge,  also  0,2  Z.  K-  und 
1,0  Komplement  vom  Meerschweinchen. 

0,2  ccm  Z.  K.,  Azidität . =  °'\ccm  n/,!S  Ka2& 

1,0  Kompl.,  Azidität . =  0,4  ccm  n/10  NaOH. 

ccm  Olivenöl,  Azidität . =  1,4  ccm  n/10  NaOH. 

ccm  Rizinusöl,  Azidität . =  1,4  ccm  n/10  NaOH. 

ccm  Lezithinlsg,  Azidität . =  2,0  ccm  n/10  NaOH. 

20  ccm  Alkohol  -R  20  ccm  Aetlier, 

Azidität . =  0,4  ccm  n/10  NaOH  (bereits 

abgerechnet). 


Angewendet 

A  z  i  c 
vor  der 
Spaltung 

i  t  ä  t 
nach  der 
Spaltung 

Differenz 

5  ccm  Olivenöl  . 

0,2  „  Z.  K . 

1  1,9 

3,7 

1,8 

1,0  „  Kompl . 

5  „  Olivenöl . 

1 

}  1,8 

2,0 

0,2 

1,0  „  Kompl . 

5  „  Lezithinlsg . 

0,2  „  Z.  K . 

2,5 

4,2 

1,7 

1,0  „  Kompl . 

5  „  Lezithinlsg . 

1 

}  2,4 

1  1,9 

2,5 

0,1 

1,0  „  Kompl . 

5  „  Rizinusöl . 

0,2  „  Z.  K . 

2,6 

0,7 

1,0  „  Kompl . 

5  „  Rizinusöl . 

1 

}  1,8 

1,9 

0,1 

1,0  „  Kompl . 

scheiden,  wenn  man  bei  einer  der  genannten  toxinähnlichen 
Substanzen  eine  Trennung  der  beiden  Prinzipien  erreichen 
könnte.  Das  ist  aber  bisher  nicht  möglich  gewesen.  Wir  führen 
einen  am  Rizin  angestellten  Versuch  an.  Falls  es  gelänge, 
durch  das  Serum  eines  mit  Rizin  vorbehandelten  Tieres 
die  agglutinierende  Komponente  des  Rizins  aufzuheben, 
während  die  lipolytische  erhalten  bliebe,  so  wäre  dadurch 
jedenfalls  der  Beweis  erbracht,  dass  die  beiden  fraglichen  Vor¬ 
gänge  durch  verschiedene  Gruppen  ausgelöst  würden.  Es 
zeigte  sich  jedoch,  dass  Antirizinserum  auch  die  Fettspaltung 
vollkommen  aufhebt.  (Tabelle  V.) 

Dieses  Resultat  beweist  natürlich  nicht  die  Identität  der 
beiden  Prozesse,  sondern  kann  dadurch  zustande  kommen, 
dass  das  rizinfeste  Tier  durch  die  Vorbehandlung  mit  Rizin 
gleichzeitig  gegen  die  in  diesem  Präparate  vorhandene  Lipase 

immunisiert  ist.  ,  .  „  . 

Eine  Entscheidung  der  oben  erwähnten  drei  Fragen  konnte 
also  bisher  nicht  erbracht  werden  und  wird  auch  nur  schwer 
herbeizuführen  sein.  Immerhin  ist  überhaupt  die  Konstatierung 
eines  lipolytischen  Prozesses  bei  den  genannten  Vorgängen  für 
die  Theorie  und  auch  für  die  Therapie  von  Bedeutung.  .  Wir 
erwähnen  bloss  Metallnikoffs  Lipasenbefund  bei  dei 
Bienenmotte,  welchen  er  mit  der  Immunität  dieses  Insektes 
gegen  Tuberkulose  in  Zusammenhang  bringt,  sowie  Deycke- 
Paschas  und  Reschad  Beys  angeblich  erfolgreiche  Be¬ 
handlung  von  Leprösen  mit  dem  Bakterienfett  Nastin.  Die  ge¬ 
nannten  Forscher  nehmen  an,  dass  durch  die  gesteigeite  Eett- 
zufuhr  der  Organismus  ein  erhöhtes  Eettspaltungsvermögen 
für  Nastin  und  das  nahe  verwandte  Fett  der  Leprabazillen  ge¬ 
winnt.  Ohne  weiteres  abzuweisen  ist  eine  derartige  Erklärungs- 
möglichkeit  nicht,  denn  die  Stärkung  vorhandener  resp.  der  Er¬ 
werb  neuer  fermentativer  Fähigkeiten  ist  des  öfteren  beobachtet. 
Erinnert  sei  nur  an  die  Möglichkeit.  Heferassen  durch  aus¬ 
schliessliche  Ernährung  mit  einer  bestimmten  Zuckerait  zur 
Bildung  von  Enzymen,  die  auf  diese  Kohlehydrate  eingestellt 
sind,  zu  zwingen ;  ferner  an  das  Auftreten  abnormer,  feimen- 
tativer  Prozesse  in  karzinomatösen  Wucherungen,  wie  sie  zu¬ 
erst  von  Neuberg5)  beschrieben  sind  u.  a.  m. 

Momentan  steht  die  Lipoidchemie  im  Vordergründe  des 
Interesses  bei  sehr  vielen  immunisatorischen  Prozessen  fvergl. 


•  5)  Ueber  anomale  fermentative  Vorgänge  beim  Krebs.  Berliner 

klin.  Wochenschr.  1905,  No.  5. 


T  a  b  e  1  1  e  V. 

1,0  ccm  Antirizin  (Kaninchen)  neutralisiert  0,01  g  Rizin. 

0,02  g  Rizin  (R)  gelöst  in  2  ccm  10  proz.  NaCl  -R  3  ccm  Antirizin 
(A.  R.)  -R  15  ccm  Aqu.  dest.  wurden  2  Stunden  in  den  Brut¬ 
schrank  und  14  Stunden  in  den  Eisschrank  gestellt  und  dieses 
Gemisch  (R  -R  AR)  das  nicht  mehr  agglutiniert,  verwendet, 

2  ccm  R  -R  AR,  Azidität . =  0,15  ccm  n/10  NaOH. 

5  ccm  Olivenöl,  Azidität  =  1,95  ccm  n/10  NaOH. 

5  ccm  Rizinusöl,  Azidität . =  1,55  ccm  n/10  NaOH. 

5!ccm  Lezithinlsg.,  Azidität  .  .  .  .  —  1,4  ccm  n/10  NaOH. 

20  ccm  Aether  -R  20  ccm  Alkohol, 

Azidität . =  0,15  ccm  n/10  NaOH  (bereits 

abgerechnet). 


Angewendet 

A  z  i  c 
vor  der 
Spaltung 

i  t  ä  t 
nach  der 
Spaltung 

Differenz 

5  ccm  Olivenöl . 

}  2,1 

1 

2,1 

0 

2  „  R  -R  AR . 

5  „  Olivenöl . 

2  „  R  4-  AR . 

1  „  MtiSOi . 

1  2,1 

2,2 

0,1 

5  „  Olivenöl . 

}  1,95 

}  1,55 

1 

1,9 

2  „  Aqu.  dest . 

5  „  Lezithinlsg . 

0,05 

2  „  R  -R  AR . 

5  „  Lecithinlsg . 

1,6 

2  „  R  -R  AR . 

1  „  MnSO* . 

1,55 

1,6 

0,05 

5  „  Lezithinlsg . 

}  1,4 

1,4 

0 

2  „  Aqu.  dest . 

5  „  Ricinusöl . 

}  >-7 

1 

1,7 

0 

2  „  R  -R  AR . 

5  „  Rizinusöl . 

0 

2  „  R  -R  AR . 

1  „  M11SO4 . 

|  ,,7 

1,7 

5  „  Rizinusöl . 

2  „  Aqu.  dest . 

}  1,55 

1,55 

0 

Bang  und  Forssmann6)  sowie  L  a  n  d  s  t  e  i  n  er  und 
D  a  u  t  w  i  t  z  7)].  Da  nun  Lipoide  und  Lipasen  zwei  einander 
entsprechende  Faktoren  sind,  wird  man  dem  Auftreten  und  den 
Wirkungen  dieser  Fermente  eine  erhöhte  Beachtung  schenken 
müssen.  L.  v.  L  i  e  b  e  r  m  a  n  n  8)  hat  jüngst,  z.  T.  in  Gemein¬ 
schaft  mit  B.  v.  Fenyvessy,  in  einer  Reihe  interessanter 
Untersuchungen  die  Bedeutung  der  Eettseifen  für.  das  Zu¬ 
standekommen  der  Hämolyse  dargetan9),  und  da  die  Lipasen  ge¬ 
radezu  Seifenbildner  sind,  so  ist  es  denkbar,  dass  ihre  Be¬ 
teiligung  an  den  hämolytischen  Vorgängen  sich  zum  Ted  auf 
solchem  Wege  vollzieht.  Auf  einen  weiteren  Zusammenhang 
deutet  eine  vor  kurzem  erschienene  Arbeit  von  G  o  1 1 1  i  e  b 
und  Lefmann10)  hin,  die  geradezu  den  Lipoidsubstanzen  der 
roten  Blutkörperchen  den  wesentlichsten  Anteil  bei  der  Er¬ 
zeugung  spezifischer  Hämolysine  zuschreiben.  Ueberhaupt 
steht  die  Spezifität  der  Hämolyse  —  und  das  gilt  auch  viel¬ 
leicht  für  gewisse  Formen  der  Agglutination  —  in  gutem  Ein¬ 
klänge  mit  der  hohen  Spezifität  der  Lipasen,  die  je  nach  ihiei 
Herkunft  auf  ganz  verschiedene  Fette  und  Lipoide  eingestellt 
sind.  Jedenfalls  ist  das  bisher  vorliegende  Material  bereits  ein 
derartiges,  dass  die  von  uns  zuerst  betonten  mannigfachen  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Hämolyse  und  Fettspaltung  in  Zukunft 
nicht  unbeachtet  bleiben  können.  Nicht  allein  das  Pankreas, 
sondern  viele  andere  tierische  und  menschliche  Organe  ent¬ 
halten  fettspaltende  Fermente,  deren  mögliche  Beteiligung  an 
den  verschiedensten  hämolytischen  Vorgängen  und  deren  Be¬ 
deutung  namentlich  unter  pathologischen  Bedingungen  in  Be¬ 
tracht  zu  ziehen  sein  wird. 

Zum  Schlüsse  erlauben  wir  uns,  dem  Herrn  Geh.  Ober¬ 
medizinalrat  Gaffky  sowie  den  Herren  Professoren  J  a - 
koby,  Kraus  und  Morgenrot h  für  die  freundhchst 
überlassenen  Sera  verbindlichsten  Dank  zu  sagen. 


G)  Beiträge  z.  ehern.  Physiol.  u.  Pathol.,  Bä.  VIII,  S.  233,  1906. 

7)  Beiträge  z.  chem.  Physiol.  u.  Pathol.,  Bd.  IX,  b.  431,  ja/. 

n)  Vergl.  auch  H.  Noguchi,  zit.  bei  v.  Lieber  man  n. 

s)  Biochemische  Zeitschr..  Bd.  IV,  25;  Bd.  V,  99;  Bd.  V  114,  19  /. 

10)  Medizinische  Klinik  1907,  No.  15. 


1728 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Aus  der  internen  Abteilung  des  Spitales  der  Barmherzigen 

Brüder  in  Prag. 

Die  Erkrankungen  des  Magens  bei  der  chronischen 

Bleivergiftung. 

Von  Privatdozent  Dr.  Karl  W  a  1  k  o,  Primarius. 

Eine  Reihe  von  Fällen  chronischer  Bleivergiftung,  die  ich 
in  den  letzten  Jahren  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  gab  mir 
Veranlassung,  auch  das  Verhalten  der  Funktionen  des  Magens 
bei  dieser  Vergiftung  genauer  zu  untersuchen.  Es  ist  eigentlich 
selbstverständlich,  dass  Magen  und  Darm  an  erster  Stelle 
durch  ein  Gift  geschädigt  werden,  das  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  Fälle  per  os  aufgenommen,  andererseits  durch  die 
Drüsen  oder  Epithelien  dieser  Organe  ausgeschieden  wird. 

Soviel  nun  auch  über  die  durch  das  Blei  veranlassten 
sekundären  Erkrankungen  des  Darmes,  des  Blutes,  des  Nerven¬ 
systems,  Stoffwechsels  etc.  bekannt  wurde,  so  spärlich  sind  die 
Beobachtungen  über  die  gleichzeitigen  Affektionen  des  Magens 
und  doch  sind  fast  in  allen  Fällen  chronischer  Bleivergiftung 
mehr  oder  minder  schwere  Störungen  der  Magenfunktionen, 
die  sich  in  ihrem  Symptomenbild  ziemlich  gleichartig  ver¬ 
halten,  eine  ganz  konstante  Erscheinung,  welche  eine  nicht  zu 
unterschätzende  Bedeutung  auch  bezüglich  des  Verlaufs  der 
Allgemeinerkrankung  besitzen,  da  die  vorhandenen  Verdau¬ 
ungsstörungen  eine  schwere  Beeinträchtigung  der  Ernährung 
herbeiführen  können. 

In  der  Literatur  sind  über  dieselben  nur  wenige  Angaben  ver¬ 
zeichnet,  die  sich  mit  ihnen  nur  als  gelegentlichen  Nebenbefund  be¬ 
schäftigen.  R.  v.  J  a  k  s  c  h  0  hebt  hervor,  dass  als  erste  Symptome 
der  chronischen  Bleivergiftung  noch  vor  den  Koliken  unbestimmte 
Verdauungsstörungen,  wie  der  Druck  in  der  Magengegend,  Auf- 
stossen  nach  dem  Essen,  Verlust  des  Appetites,  metallischer  Ge¬ 
schmack  im  Munde  auftreten,  meist  konmbiniert  mit  den  Erschei¬ 
nungen  der  Anämie. 

Bei  Robert1*)  sind  von  pathologisch-anatomischen  Veränder¬ 
ungen  des  Verdauungsapparates  angeführt:  Die  Gastritis  glandularis 
mit  völligem  Schwund  der  Drüsen,  Verdickungen  der  Submukosa  des 
Magens  und  Darmes  durch  Bindegewebswucherungen  und  Ver¬ 
dickungen  der  Gefässscheiden,  Endarteriitis,  Atrophie  der  Drüsen, 
Plaques  und  Follikel  im  Jejunum,  Ileum  und  oberen  Kolon. 

Galvagni2)  fand  bei  einem  54  jährigen  Manne  mit  chro¬ 
nischem  Saturnismus  Perihepatitis,  Perisplenitis,  Verwachsungen  des 
Magens,  der  Leber  und  Milz,  totale  Sklerose  des  ganzen  Netzes, 
sklerosierende  chronische  Peritonitis  des  Därme,  Mesenteritis  sa- 
turnina,  Retraktion  aller  Darmschlingen  und  sklerosierende  Ent¬ 
zündung  des  Plexus  solaris.  Alvazzi-Delfrate2*)  beschreibt 
zwei  Fälle  von  Duodenalulcus. 

Ich  konnte  mich  in  meinen  Fällen,  deren  Zahl  43  beträgt, 
nur  auf  das  klinische  Bild  der  Erkrankung  beschränken.  Die 
einzelnen  Fälle  kamen  in  verschiedenen  Stadien  der  Vergiftung, 
d.  h.  nach  verschieden  langer  Beschäftigungsdauer  mit  Blei  in 
meine  Behandlung  und  betrafen  ausschliesslich  Männer,  die  in 
chemischen  Fabriken  mit  der  Verarbeitung  metallischen  Bleis 
oder  der  Herstellung  von  Bleifarben  (Bleiweiss,  Minium)  in 
reichlich  bleistaubhaltiger  Atmosphäre  beschäftigt  waren  und 
vor  der  Aufnahme  in  die  Fabrik  ärztlich  untersucht  und  gesund 
befunden  wurden.  Bei  dreiviertel  aller  Fälle  bestanden  die 
Vergiftungserscheinungen  erst  einige  Wochen  nach  einer  höch¬ 
stens  zwei-  bis  dreimonatlichen  Beschäftigung  mit  Blei  und 
charakterisierten  sich  durchwegs  als  schwere.  Das  rasche 
Auftreten  derselben  in  so  kurzer  Zeit  bei  früher  gesunden 
Menschen  ist  ein  Beweis,  dass  ziemlich  grosse  Mengen  des 
Giftes  in  den  Körper  gelangten,  was  zum  Teil  auf  die  mangel¬ 
haften  gewerbehygienischen  Einrichtungen,  zum  Teil  gewiss 
auch  auf  die  Sorglosigkeit  und  Nachlässigkeit  der  Arbeiter  zu¬ 
rückzuführen  ist. 

Die  Krankheitserscheinungen,  welche  die  chronische  Blei¬ 
vergiftung  verursacht,  besitzen  in  ihrem  Auftreten  eine  ge¬ 
wisse  Gleichartigkeit,  die  bezüglich  der  Entwicklung,  der 
Reihenfolge  und  Intensität  der  Symptome  nur  durch  die  ver¬ 
schiedene  Menge  des  eingeführten  Giftes,  sowie  durch  früher 
schon  vorhandene  anderweitige  Erkrankung,  als  Tuberkulose, 
Nephritis  etc.,  ferner  durch  die  Einwirkung  gewisser  Schäd¬ 
lichkeiten  wie  Alkohol,  Tabak,  schlechte  Lebensweise,  mangel¬ 
hafte  Ernährung  geändert  wurden.  Andererseits  mag  auch 

P  B.  Jaksch:  Die  Vergiftungen.  Holder.  Wien.  1897,  o.  202. 

L)  Robert:  Lehrbuch  der  Intoxikationen.  Stuttgart  1906 

2)  Galvagni:  zit.  bei  Robert. 

2*)  Alvazzi-Delfrate:  zit.  bei  Robert. 


eine  verschiedene  Resistenz  des  Körpers  dem  Gifte  gegenüber 
bestehen. 

Das  Auftreten  der  Krankheitserscheinungen  der  einzelnen 
Organe  ist  von  der  Art  und  Dauer  der  Aufnahme  des  Giftes 
in  den  Körper  abhängig.  So  traten  die  Symptome  der  Er¬ 
krankung  des  Verdauungstraktus  und  des  Blutes  viel  rascher 
und  intensiver  auf,  wenn  der  Arbeiter  in  einer  mit  Bleistaub 
geschwängerten  Luft  arbeitete,  während  bei  Arbeitern,  die  nur 
mit  metallischem  Blei  beschäftigt  waren,  sich  zuerst  die  für 
diese  Vergiftung  charakteristischen  Blutveränderungen  ein¬ 
stellten  und  erst  später  Magen-  und  Darmbeschwerden  hinzu¬ 
traten. 

In  den  beobachteten  Fällen  standen  die  Zeichen  gestörter 
Magen-  und  Darmtätigkeit,  namentlich  aber  erstere,  anfangs 
durchwegs  im  Vordergrund  des  Krankheitbildes.  Dieselben 
äussersten  sich  als  Verdauungsbeschwerden,  Verlust  des  Appe¬ 
tits,  schlechter  Geschmack,  Uebligkeit,  Erbrechen,  Magen¬ 
schmerzen,  Stuhlverstopfung,  allgemeine  Schwäche  und  Un¬ 
lustgefühle  und  entwickelten  sich  nach  einer  3— 4  wöchent¬ 
lichen  Beschäftigungsdauer  sehr  rasch.  Der  Höhepunkt  der 
Erkrankung  fiel  gewöhnlich  in  die  erste  Woche  des  Spitals¬ 
aufenthaltes,  in  welcher  Zeit  die  anfänglichen  Erscheinungen 
an  Intensität  bedeutend  zugenommen  und  sich  zu  einem  Krank¬ 
heitsbild  mit  kollapsähnlichen  und  kachektischen  Zuständen, 
völligem  Darniederliegung  der  Verdauung,  sowie  heftigen 
Schmerzen  und  Erbrechen  gesteigert  hatten. 

Die  Schmerzen  waren  kontinuierlich  und  hauptsächlich  in 
der  Magen-  und  Nabelgegend  ausgesprochen;  typische  Koliken 
bestanden  nur  bei  einem  Drittel  der  Fälle,  was  bei  der  Häufig¬ 
keit  derselben  insofern  von  Wichtigkeit  ist,  als  angenommen 
werden  muss,  dass  die  Affektionen  des  Magens  denen  des 
Darmes  zeitlich  vorangehen.  Wohl  treten  sie  im  späteren  Ver¬ 
laufe  gegenüber  denen  des  Blutes,  des  Nervensystemes  etc. 
zurück  oder  sind  durch  die  gleichzeitige  Erkrankung  anderer 
Organe  verdeckt,  in  der  Tat  fehlen  sie  weder  zu  Be¬ 
ginn,  noch  im  späteren  Krankheitsverlaufe 
vollständig. 

Von  gleichzeitig  vorhandenen  anderen 
Krankheitssy  m  ptomen  sind  bisher  in  erster  Linie  die 
Veränderungen  des  Blutes  zu  erwähnen.  Die 
Blässe  gehört  wohl  mit  zu  den  ersten  Zeichen  der  Vergiftung, 
doch  ist  die  Anämie  im  Beginne  derselben  keine  so  bedeutende, 
als  allgemein  angenommen  wird  und  erklärt  sich  zum  Teil  aus 
der  schon  anfangs  der  Krankheit  auftretenden  erhöhten  Gefäss- 
spannung.  Vielfach  sind  Veränderungen  des  Blutes  sehr  früh 
nachweisbar  und  nehmen  oft  an  Intensität  noch  zu,  wenn  be¬ 
reits  der  Höhepunkt  der  Erkrankung  der  Verdauungsorgane 
vorüber  ist.  Sie  leiten  sich  mit  einer  Oligochromämie  ein,  zu 
welcher  der  Schwere  des  Falles  entsprechend  noch  Poikilo¬ 
zytose  und  Degenerationserscheiungen  der  Erythrozyten  hin¬ 
zutreten,  vor  allem  die  körnige  Degeneration,  die  ich  fast  in 
allen  Fällen  fand.  Nur  bei  den  schwersten  Fällen  waren  kern¬ 
haltige  rote  Blutkörperchen,  Oligozythämie  und  hie  und  da 
Leukozytose  vorhanden.  Auf  die  Beziehungen  der  Erkran¬ 
kungen  des  Blutes  und  der  Verdauungsorgane  werde  ich  noch 
später  zurückkommen.  Von  gleichzeitigen  nervösen  Sym¬ 
ptomen  bestanden  nur  Tremores,  lanzinierende  Schmerzen  in 
den  Armen  und  Beinen.  In  allen  Fällen  war  ein  starker  Blei- 
saum  am  Zahnfleisch,  oft  auch  an  der  der  Zahnreihe  ent¬ 
sprechenden  Wangenschleimhaut  vorhanden. 

Die  Prüfung  der  einzelnen  Funktions¬ 
störungen  des  Magens  ergab  bei  der  chronischen  Blei¬ 
vergiftung  ein  gleichartiges  Verhalten.  Die  nach  Probefriih- 
stiiek  und  Probemahlzeiten  ausgeheberten  Mengen  des  Magen¬ 
saftes  waren  meist  gering  und  betrugen  durchschnittlich  50 
bis  100  ccm.  Der  ausgeheberte  Speisebrei  sah  gewöhnlich  noch 
unverdaut  aus  und  zeigte  eine  reichliche  Beimengung  von 
glasig  gequollenen  Schleimmassen.  Die  Schleimproduktion 
zeigte  ein  umgekehrt  proportioniertes  Verhalten  zur  Abnahme 
der  Salzsäurebildung  im  Magen.  Anzeichen  einer  Hvper- 
sekretion  waren  nicht  vorhanden  und  aus  dem  nüchternen 
Magen  konnte  bei  wiederholter  Untersuchung  kein  salzsäure¬ 
haltiger  Magensaft  gewonnen  werden.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  erwies  gelegentlich  das  Vorhandensein  von  Blut¬ 
spuren,  kernhaltiger  Epithelien,  Drüsenteilchen  und  Schleim¬ 
fäden.  Auf  die  Störungen  der  Sekretion  wurde  ich 
gelegentlich  der  Untersuchung  zweier  karzinomverdächtiger 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1729 


Fälle  aufmerksam,  die  sich  bei  genauer  Beobachtung  als  chro¬ 
nische  Bleivergiftung  herausstellten.  Die  bei  allen  weiteren 
Fällen  angestellten  Untersuchungen  ergaben  ein  gleiches  Re¬ 
sultat  bei  jenen  Arbeitern,  die  mit  pulverförmigen  Bleiprä¬ 
paraten  beschäftigt  waren  und  reichlich  Staub  durch  Mund 
und  Nase  aufnahmen.  In  der  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Fälle  fehlte  die  freie  Salzsäure  vom  Beginne 
der  Erkrankung  an  entweder  vollkommen 
oder  zeigte  nur  geringe  Werte.  Die  niedrigen 

Zahlen  der  Qesamtazidität,  die  selten  10  ccm  "o  NaOH  mehr 
als  die  Werte  für  die  freie  Salzsäure  betrugen,  machten  auch 
das  Vorhandensein  einer  grösseren  Menge  von  gebundener 
Salzsäure  unwahrscheinlich.  Die  leichteren  Fälle  kenn¬ 
zeichneten  sich  nur  durch  Hypazidität  mit  Werten  von  10  bis 

30  ccm  ^  NaOH  nach  Probefrühstück  resp.  Probemahlzeit. 
In  den  Fällen,  wo  die  Arbeiter  nur  mit  metallischem  Blei  zu  tun 
hatten,  wie  bei  Schriftsetzern  oder  Schriftgiessern,  bestand  hie 
und  da  eine  Hyperazidität,  die  mit  eintretender  Besserung  zur 
Norm  oder  unter  die  Norm  absank. 

Die  Fermentbildung  zeigte  kein  der  Säuresekretion 
analoges  Verhalten.  In  den  leichteren  Fällen  von  Hyper¬ 
azidität  war  die  Menge  i  on  Pepsin  und  Lab  normal  oder  nur 
unwesentlich  vermindert.  In  den  meisten  Fällen  von  Anazidität 
fehlten  zwar  freies  Pepsin  und  Lab,  jedoch  gelang  der  Nach¬ 
weis  von  Pepsinogen  und  Labzymogen  mit  geringer  Ausnahme 
immer  und  nur  bei  einer  kleinen  Anzahl  fehlten  auch  die  Pro¬ 
fermente. 

Die  Amylolyse  zeigte  keine  besonderen  Störungen. 

Von  organischen  Säuren  wurden  nur  in  einem 
Falle  mit  stärkerer  Gastrektasie  und  Stagnation  des  Magen¬ 
inhaltes  grössere  Mengen  von  Milchsäure  gefunden,  in  einem 
Falle  von  Anazidität  anfangs  geringe  Mengen,  die  bald  ver¬ 
schwanden,  in  mehreren  Fällen  auch  Buttersäure. 

Die  Prüfung  der  Resorptionsfähigkeit  des  Ma¬ 
gens  mittels  der  Penzoldt-Faber  sehen  Methode  und  der 
Salizylprobe  ergab  mehrmals  eine  nicht  unbeträchtliche  Ver¬ 
zögerung  der  Jod-  und  Salizylausscheidung  durch  den  Harn 
und  Speichel,  erwies  sich  jedoch  in  der  Mehrzahl  auch  der 
schweren  Fälle,  die  ohne  Erweiterung  des  Magens  einher¬ 
gingen,  als  ungestört. 

Auch  die  motorische  Tätigkeit  des  Magens  war 
häufig  mitbetroffen.  So  sind  die  im  Anfänge  der  Erkrankung 
stürmisch  einsetzenden  Verdauungsbeschwerden  wohl  mehr 
der  mechanischen  Behinderung  der  Verdauung  infolge  kiiizer 
oder  länger  dauernder  Kontraktion  des  Pylorus  als  der  sekre¬ 
torischen  Insuffizienz  zuzuschreiben,  wie  ja  überhaupt  in  der 
Magenpathologie  die  motorischen  Störungen  eine  grössere 
Rolle  spielen  als  die  sekretorischen.  Bei  schwereren  Fällen 
kamen  auch  atonische  Zustände  zur  Beobachtung,  doch  waren 
dauernde  Motilitätsstörungen  im  allgemeinen  ein  seltener  Be¬ 
fund.  Bei  der  Aufblähung  des  Magens  mit  Luft  zeigte  sich 
zwar  oft  ein  Tiefstand  der  unteren  Magengrenze,  was  jedoch 
mehr  auf  eine  Abnahme  seines  Spannungsgrades,  als  auf  eine 
Erweiterung  bezogen  werden  muss,  da  die  Fortschaffung  der 
Speisen  aus  dem  Magen  selbst  bei  Fällen  von  Hyposekretion 
oder  Achylie  sich  unwesentlich  oder  vorübergehend  behindert 
erwies.  Bei  einigen  schweren  Fällen  bestand  zwar  auch  eine 
stärkere,  oft  monatelang  anhaltende  Dilatation,  aber  ohne  voll¬ 
ständige  Erschlaffung  der  Muskulatur. 

Die  bei  diesen  Fällen  vorhandene  Druckschmerzhaftigkeit 
der  Pylorusgegend,  das  Erbrechen,  sowie  der  wiederholte 
Nachweis  von  Blut  (in  einem  Falle  Hämatemesis)  im  Er¬ 
brochenen  und  Stuhl  lässt  es  als  wahrscheinlich  gelten,  dass  es 
sich  hier  um  Erosionen  oder  Ulzerationen  am  Pylorus  handelte. 

Durch  die  verschiedene  Stärke  und  Kombination  der  ge¬ 
nannten  subjektiven  und  objektiven  Zeichen  ergaben  sich  die 
verschiedensten  Krankheitsbilder,  die  bald  denen  einei  Ga¬ 
stritis  anacida  oder  subacida,  der  Gastritis  mucosa,  ja  selbst  der 
Achylie  und  des  Magenkrebses  glichen.  Wie  überhaupt  jede 
schärfere  Abgrenzung  der  Funktionsstörungen  des  Magens, 
d.  h.  bestimmte  Krankheitsformen  unmöglich  ist,  so  gilt  dies 
auch  in  diesem  Falle.  Die  einzelnen  Formen  gingen  ineinander 
über  und  verhielten  sich  im  allgemeinen  analog  der  Schwei  e 
der  Vergiftung. 

No.  35. 


Interessant  waren  mir  besonders  jene  Fälle,  die  eine 
Atrophie  der  Magenschleimhaut  oder  ein  Karzinom  vor¬ 
täuschten. 

Der  bestehende  Symptomenkomplex,  die  zunehmende 
Anämie  und  Kachexie,  das  Auftreten  von  Oedemen,  die 
Magenatonie  mit  Erweiterung,  der  Nachweis  kleinerer  oder 
grösserer  Mengen  Blutes  im  Erbrochenen  oder  Stuhle  (mittels 
der  Benzidinprobe),  das  Vorkommen  von  Milchsäure  liessen  um¬ 
somehr  an  ein  Karzinom  denken,  da  das  Fehlen  der  Salzsäure 
und  der  peptischen  Kraft  gewöhnlich  ein  Frühsymptom  des 
Krebses  und  ein  Spätsymptom  der  chronischen  Gastritis  ist, 
andererseits  die  Patienten,  die  früher  gesund  waren,  angaben, 
erst  einige  Wochen  krank  zu  sein.  Die  vorhandenen  Krank¬ 
heitserscheinungen  hätten  auch  unbedingt  den  begründeten 
Verdacht  eines  Magenkrebses  erwecken  müssen,  wenn  an¬ 
dererseits  nicht  die  Zeichen  einer  Bleivergiftung  vorhanden  ge¬ 
wesen  wären;  zu  letzteren  rechne  ich  den  Bleisaum  und  die 
körnige  Degeneration  der  Erythrozyten,  deren  positiver  Nach¬ 
weis  in  allen  Fällen  gelang. 

Was  den  Verlauf  derMagenaffektionen  bei  der 
chronischen  Bleivergiftung  anbelangt,  so  zeigte  sich  bei  den 
meisten  Erkrankten  nach  mehrwöchentlicher  Spitalbehandlung 
eine  allmählig  fortschreitende  Besserung  zum  mindestens  der 
subjektiven  Beschwerden,  die  je  nach  der  Schwere  der  Ver¬ 
giftung  bald  früher  oder  später  eintrat,  und  zwar  umso  eher,  je 
weniger  die  Motilität  des  Magens  gestört  war.  Im  Gegensatz  zu 
dieser  Besserung  und  dem  subjektiven  Wohlbefinden  blieben  bei 
einzelnen  schweren  Vergiftungsfällen  die  Zeichen  der  sekre¬ 
torischen  Insuffizienz  sogar  durch  viele  Monate  bestehen,  wie¬ 
wohl  sich  die  Patienten  des  besten  Appetites  und  Aussehens 
erfreuten  und  an  Gewicht  Zunahmen.  Dieser  Umstand  lässt  es 
als  sicher  erscheinen,  dass  der  Darm  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  kompensatorisch  für  den  Magen  eintritt,  wenn  dessen 
Motilität  nicht  erheblich  gestört  ist.  Ein  ganz  gleiches  Ver¬ 
halten  beschreibt  Riegel3)  bei  den  Fällen  von  Atrophie  der 
Magenschleimhaut,  die  unter  dem  Bilde  der  perniziösen  Anämie 
verliefen.  Auch  da  hob  sich  der  Appetit,  die  Kranken  ver¬ 
trugen  fast  alle  Speisen,  ihr  Aussehen  besserte  sich,  doch  er¬ 
wies  sich  die  peptische  Kraft  des  Magens  nach  wie  vor  als 
nahezu  aufgehoben,  und  die  Azidität  schwankte  zwischen  zwei 
und  sechs.  Auffallend  war  bei  einigen  Patienten  die  Erschei¬ 
nung,  dass  einige  Zeit  nach  dem  anscheinend 
völligen  Verschwinden  jeglicher  Vergif¬ 
tungssymptome  sich  dieselben  plötzlich 
wieder  einstellten  zu  einer  Zeit,  wo  die 
Kranken  schon  lange  ihre  Beschäftigung  mit 
Bleiaufgegeben  hatten  und  der  Blutbefund  keine  Ano¬ 
malien  mehr  aufwies.  Es  spricht  dies  dafür,  dass  im  Körper, 
wahrscheinlich  in  der  Leber  und  im  Nervensystem  Auf¬ 
speicherungen  von  Blei  stattfinden,  und  diese  Depots  plötzlich 
durch  unbekannte  Ursachen  in  die  Zirkulation  gelangen  und 
die  typischen  Zeichen  der  Bleivergiftung  hervorrufen,  wenn 
der  Patient  längst  nichts  mehr  mit  dem  Blei  zu  tun  hat,  worauf 
auch  Grawitz4)  hinweist.  G  r  a  w  i  t  z  fand  in  diesen  Spät¬ 
anfällen  regelmässig  die  typisch  degenerierten  Erythrozyten  im 
Blute.  Bei  zwei  Fällen  mit  wiederholten  Spätanfällen  konnte 
ich  nicht  allein  diesen  Befund  erheben,  sondern  gleichzeitig 
auch  Störungen  der  Sekretion  des  Magens  und  leichte  kolik¬ 
artige  Schmerzen  beobachten.  In  einem  Falle  kam  es  dabei  zu 
einer  ausgesprochenen  Heterochylie. 

Die  Prognose  stellt  sich  bezüglich  der  Magen-  und 
Darmaffektionen  auch  bei  schweren  Fällen  günstig,  doch  ist 
es  nicht  ausgeschlossen,  dass  sich  später  noch  andere  Ver¬ 
giftungserscheinungen  wie  die  einer  Enzephalitis  entwickeln. 

Bezüglich  der  Genese  der  Störungen  sind  einige 
Momente  in  Betracht  zu  ziehen.  Vor  allem  ist  die  Frage  zu 
entscheiden,  ob  die  Störungen  nur  funktioneller  Natui  sind 
oder  ob  aus  dem  länger  dauernden  Darniederliegen  det  Satt¬ 
sekretion  auf  Veränderungen  der  Magenschleim¬ 
haut  geschlossen  werden  kann.  In  vorgeschrittenen  Stadien 
ähnelt  das  Krankheitsbild  durchaus  dem  der  Achylia  gastrica. 

3)  Riegel:  Die  Erkrankungen  des  Magens.  Holder,  Wien, 

1987’4f Grawitz:  Klinische  Pathologie  des  Blutes.  Thieme, 
Leipzig,  1906,  S.  537. 


1730 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Riegel5)  erwähnt,  dass  die  Atrophie  der  Magenschleimhaut 
als  Folge  einer  direkten  Schädigung  des  Magens  durch  toxische 
Substanzen  eintreten  kann  und  teilt  einen  Fall  mit,  wo  eine  aus¬ 
gedehnte  Atrophie  der  Magenschleimhaut  mit  Narbenbildung 
bei  intra  vitam  nahezu  völlig  aufgehobener  peptischer  Kraft 
des  Magens  nach  einer  Schefelsäurevergiftung  eingetreten 
war.  Nach  den  Angaben  Roberts  kann  auch  durch  das  Blei 
eine  Atrophie  der  Schleimhaut  erfolgen,  was  mir  jedoch  bei  der 
Kürze  der  Giftwirkung  in  meinen  Fällen  unwahrscheinlich  ist. 
Einhorn  u.  a.  wiesen  auf  Grund  mikroskopischer  Unter¬ 
suchungen  nach,  das  trotz  Achylie  noch  normale  Drüsen  vor¬ 
handen  sein  können  und  dass  das  klinische  Bild  der  Achylia 
gastrica  noch  keineswegs  die  vollständige  Zerstörung  der  Drü- 
senschichte  voraussetzte.  Auch  mir  zeigte  die  mikroskopische 
Untersuchung  der  im  Ausgeheberten  gefundenen  Schleimhaut¬ 
teilchen  gerade  bei  den  Fällen,  die  einer  Achylie  oder  einem 
Karzinom  glichen  und  wo  eine  sehr  leichte  Verletzbarkeit  der 
Schleimhaut  bestand,  wiederholt  das  Vorhandensein  von  nor¬ 
malen  Drüsenschläuchen  und  Zellen.  Gegen  einen  stärkeren 
Grad  der  Veränderungen  der  Schleimhaut  sprach  ferner  der 
gelegentliche  Nachweis  der  Fermente  nach  Salzsäuredar¬ 
reichung,  die  frühere  oder  spätere  Wiederkehr  der  Salzsäure¬ 
sekretion  selbst  und  die  eintretende  Besserung.  Allerdings 
kann  eine  auffallende  Besserung  oder  scheinbare  Heilung  ohne 
die  geringste  Ernährungsstörung  auch  bei  fortdauerndem 
Fehlen  der  Salzsäure  und  der  peptischen  Kraft  des  Magens 
eintreten,  wie  ich  dies  bei  zwei  Fällen  beobachtete,  eine  Er¬ 
scheinung,  welche  von  v.  N  o  o  r  d  e  n,6)  Ewald7)  und  Ein¬ 
horn8)  beschrieben  wurde.  Es  setzt  dies,  wie  schon  gesagt, 
eine  normale  motorische  Kraft  des  Magens  und  der  Darmtätig¬ 
keit  voraus. 

Im  allgemeinen  lässt  sich  sagen,  dass  es  sich  auch  bei 
der  langdauernden  Verdauungsschwäche  infolge  chro¬ 
nischer  Bleivergiftung  gewöhnlich  nicht  um 
eine  stärkere  Parenchymdegeneration,  son¬ 
dern  eher  um  eine  vorübergehende  gering¬ 
gradige  Schleimhautveränderung  handelt.  In 
zweiter  Linie  kämen  bei  der  Frage  der  Genese  der  sekundäre 
Einfluss  der  Erkrankungen  des  Blutes,  des  Nervensystemes 
und  des  Darmes  in  Betracht. 

Der  Gedanke  eines  kausalen  Zusammenhanges 
der  beschriebenen  Verdauungsstörungen  und 
Veränderungen  des  Blutes  liegt  immerhin  nahe,  da 
letztere  den  hauptsächlich  hervortretenden  Verdauungs¬ 
beschwerden  parallel  gingen  und  es  andererseits  nach  den  viel¬ 
fach  darauf  gerichteten  Untersuchungen  erwiesen  ist,  dass  eine 
Wechselbeziehung  zwischen  beiden  besteht.  So  kommt  es  bei 
schwerer  Anämie  nicht  selten  zu  atonischen  Zuständen  des 
Magens  mit  kürzer  oder  länger  dauernder  Hyp-  oder  Ana¬ 
zidität  ohne  wesentliche  Störung  der  Motilität.  F  e  n  w  i  c  k 9) 
und  nach  ihm  noch  viele  andere  haben  unter  dem  Bilde  einer 
perniziösen  Anämie  Drüsendegeneration  gefunden  und  letztere 
meist  als  Folge  der  hochgradigen  Blutalteration  aufgefasst. 
Der  Verlauf  der  Erscheinungen  lässt  über  ihre  Abhängig¬ 
keit  von  den  Blutveränderungen  gewöhnlich  keinen  Zweifel. 

Bei  der  chronischen  Bleivergiftung  verhält  sich  die  Sach¬ 
lage  aber  doch  wesentlich  anders  und  ich  kann  mich  auf  Grund 
meiner  Beobachtungen  dahin  äussern,  dass  dieser  Zusammen¬ 
hang  gewiss  nicht  die  alleinige  Ursache  ist,  soweit  dies  aus 
den  gleichzeitigen  Untersuchungen  des  Blutes  und  der  Magen- 
funktionen  zu  den  verschiedenen  Zeiten  der  Vergiftung  hervor¬ 
geht.  Im  Beginne  der  Erkrankung  während  des  Auftretens 
der  gastrischen  Beschwerden  und  Koliken  bestand  meist  eine 
sehr  bedeutende  Hyposekretion  oder  Anazidität,  während 
der  Blutbefund  vielfach  noch  normal  war  oder  verhältnis¬ 
mässig  eine  nur  geringe  Oligochromämie  und  körnige  Dege¬ 
neration  aufwies.  Die  scheinbar  vorhandene  Blässe  zu  dieser 
Zeit  erklärt  sich  zum  Teile  auch  aus  der  schon  zu  Beginne  der 
Erkrankung  auftretenden  erhöhten  Gefässkontraktion.  Im 
weiteren  Verlaufe  trat  gewöhnlich  ein  umgekehrtes  Verhältnis 


°)  Riegel:  Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  XI.  Bd. 

“)  v.  Noorden:  Zeitschrift  für  klin.  Medizin.  XVII.  Bd. 

7)  Ewald:  Berliner  klin.  Wochenschr.,  1892,  No.  26  u.  27. 

8)  Einhorn:  Medical  Record.  Juni  1892. 

9)  Zitiert  nach  Riegel.  1.  c.  S.  607. 


ein.  Die  Magenbeschwerden,  die  sekretorischen  und  mo¬ 
torischen  Störungen  nahmen  ab,  die  Anämie  steigerte  sich. 
In  einzelnen  Fällen  blieb  umgekehrt  trotz  des  subjektiven 
Wohlbefindens  die  Störung  der  Magensekretion,  auch  bei  auf¬ 
fallender  Besserung  des  Blutbefundes  (Zunahme  des  Hämo¬ 
globins  und  der  roten  Blutzellen,  Verschwinden  der  Poikilo- 
zyten  und  der  Degenerationsformen  und  völlige  Wiederkehr 
zu  normalen  Verhältnissen)  noch  lange  Zeit  bestehen.  Der  Um¬ 
stand  also,  dass  sich  die  subjektiven  und  objektiven  Zeichen 
einer  gestörten  Magenverdauung  nicht  immer  gleichsinnig, 
,  sondern  vielfach  entgegengesetzt  zu  den  Aenderungen  des 
Blutbefundes  verhielten,  wiederspricht  daher  der  Annahme,  die 
Ursache  ersterer  in  der  anämischen  Blutbeschaffenheit  zu 
suchen. 

Ein  weiteres  Moment  in  der  Wirkungsweise  scheint  mir 
in  Berücksichtigung  der  Affinität  des  Bleis  zum  Nervensystem 
in  der  Erkrankung  des  nervösen  Apparates  des 
Magensund  Darmesgele  gen  zu  sein.  Veränderungen 
der  Zellen  des  Ganglion  coeliacum  sind  bei  Bleivergiftung 
schon  wiederholt  gefunden  worden.  M  o  s  s  e 10)  nimmt  sogar 
an,  dass  das  Blei  auf  dem  Wege  des  Sympathikus  in  das  Zen¬ 
tralnervensystem  gelange.  Es  ist  wohl  sicher  anzunehmen, 
dass  durch  das  Blei  gleiche  Veränderungen  des  gastrointe¬ 
stinalen  Nervensystemes  entstehen,  wie  später  auch  in  den 
peripheren  Nerven  und  dass  viele  Erscheinungen  motorischer 
sekretorischer  oder  sensilber  Natur  als  Folge  dieser  Nerven- 
affektionen  zu  betrachten  sind.  Die  Wirkung  auf  den  Sym¬ 
pathikus  äussert  sich  in  einer  vom  Beginne  der  Erkrankung 
an  bestehenden  Gefässspannung,  die  vielfach  mit  einer  grös¬ 
seren  Blutdrucksteigerung  einhergeht,  worauf  schon  Riegel 
hinwies,  ferner  in  ausgesprochenen  Störungen  der  Motilität. 
Wir  finden  nicht  allein  eine  erhöhte  Spannung  des  Magens, 
schmerzhafte  Kontraktionen  des  Magens  (Pylorus),  sondern 
auch  des  Darmes.  Daraus  erklären  sich  eine  Reihe  von  Er¬ 
scheinungen  wie  die  Uebligkeiten,  das  heftige  Erbrechen,  Auf- 
stossen  und  die  hartnäckige  Obstipation. 

Weiter  kommt  für  die  Entstehung  der  Magenbeschwerden 
die  Obstipation  in  Betracht.  Wir  wissen  aus  zahlreichen 
Beobachtungen,  dass  dieselbe  die  Veranlassung  für  eine  Reihe 
von  Verdauungsbeschwerden  ist,  die  ohne  nachweisbare  or¬ 
ganische  Magenveränderungen  verlaufen  und  durch  die  Be¬ 
seitigung  der  Koprostase  eine  weitgehende  Besserung  und 
Heilung  erfahren.  Auch  hier  übten  die  systematischen  Darm¬ 
ausspülungen,  die  Verabreichung  von  Atropin  und  Opium  nicht 
allein  auf  die  Stuhlverstopfung,  sondern  auch  die  Magenbe¬ 
schwerden  einen  günstigen  Einfluss  aus,  der  sich  andererseits 
auch  durch  die  raschere  Beseitigung  der  in  den  Magen  und 
Darm  ausgeschiedenen  Bleimengen  erklärt. 

Anschliessend  an  das  Verhalten  des  Magens  möchte  ich 
noch  einige  Beobachtungen  über  das  des  Darmes  erwähnen, 
in  besonderer  Berücksichtigung  der  Koliken. 

Ob  die  Koliken  als  alleinige  Folge  der  Darmkontraktionen 
aufzufassen  sind,  wie  Nothnagel  annahm,  ist  nach  den 
neueren  Untersuchungen  von  Lennander  wohl  zweifelhaft 
und  auch  ich  konnte  in  meinen  Fällen  wiederholt  feststellen, 
dass  bei  den  Koliken  nicht  regelmässig  spastische  Kontrak¬ 
tionen  des  Darmes,  sondern  hie  und  da  auch  sogar  eine  deut¬ 
liche  Atonie  bestand.  Die  Annahme  einer  Neuralgie  des  Plexus 
mesentericus  hat  in  Hinsicht  auf  meist  gleichzeitige  intensive 
Schmerzen  in  den  Nerven  der  Arme  und  Beine  beim  chro¬ 
nischen  Saturnismus  auch  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit. 
Gleichen  doch  die  Koliken  mit  dem  unstillbaren  Erbrechen  und 
den  quälenden  Schmerzen  ganz  den  tabischen  Krisen. 

Eine  andere  Erklärung  für  die  Entstehung  der  Koliken  gibt 
P  a  1 11).  Ausgehend  von  der  erhöhten  Gefässspannung  bei  der 
Bleivergiftung  nimmt  er  eine  spezifische  Erregung  der  Vaso¬ 
motoren  im  Bauchsympathikus,  bezw.  die  Kontraktion  der 
Darmwandgefässe  als  das  charakteristische  Moment  der  Blei¬ 
kolik  an.  Man  findet  nun  in  der  Tat  sehr  häufig  eine  allge¬ 
meine  Blutdrucksteigerung  als  Begleiterscheinung  der  Blei¬ 
kolik,  die  beide  bei  Anwendung  von  Amylnitrit  zurück¬ 
gehen.  Andererseits  fand  ich  den  Blutdruck  nach  Gaertner 
und  Riva  R  o  c  c  i  gemessen  in  ausgesprochenen  Kolikanfällen 


10)  Mosse:  Zeitschrift  für  klin.  Medizin.  50.  Bd.,  S.  62,  1903. 
u)  Pal:  Wiener  med.  Presse,  1903,  No.  2. 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1731 


bei  einigen  herabgekommenen  Patienten  sogar  unter  die  Norm 
100  bis  85  mm  Hg  herabgesetzt,  was  natürlich  einen  partiellen 
Vasospasmus  im  Bereich  des  Bauchsympathikus  nicht  aus- 

schliesst.  ^  , 

Die  Funktionsprüfung  des  Darmes  ergab 
hauptsächlich  nur  das  Bestehen  von  motorischen  Störungen. 
Der  Darm  war  sowohl  während  -der  Koliken  als  auch  in  der 
Zwischenzeit  meist  spastisch  kontrahiert,  -doch  waren  atonische 
Zustände  nicht  gerade  selten.  Diel  durch  die  motorischen 
Störungen  des  Darmes  verursachten  klinischen  Erscheinungen 
glichen  oft  einem  Darmverschluss  oder  einer  Perityphlitis. 
Die  Sekretion  und  Resorption,  namentlich  die  Aufnahme  von 
Fett  und  Eiweiss  war  in  erheblichem  Qrade  nicht  gestört,  wie 
mir  fortlaufende  Stuhluntersuchungen  zeigten.  Da  kurz  nach 
dem  Aufhören  der  Koliken  trotz  Fortbestehens  der  sekre¬ 
torischen  Insuffizienz  des  Magens  die  Nahrung  voll  ausgenützt 
wurde,  so  kann  dies  als  Beweis  gelten,  dass  die  Tätigkeit  des 
Darmes  durch  -die  Koliken  nicht  wesentlich  geschädigt  wird. 
Acholische  Stühle  waren  trotz  des  bestehenden  Ikterus  nie 
vorhanden,  da  bei  der  hämatogenen  Form  des  letzteren  bei 
der  Bleivergiftung  der  Gallenabfluss  nicht  behindert  ist. 

Wenn  wir  das  Gesagte  zusammenfassen  so  ergibt  sich 
Folgendes:  Bei  der  chronischen  Bleivergiftung 
kommt  es  bereits  im  Beginne  der  Erkrankung 
zu  Funktionsstörungen  des  Magens,  -die  sich 
durch  eine  Abnahme,  oder  vollständiges 
Fehlen  der  Salzsäure  und  der  Fermentsekre¬ 
tion,  ferner  durch  anfängliche  Steigerung  m  i  t 
nachfolgender  Herabsetzung  der  Motilität 
äussern.  Die  Erkrankungen  des  Magens  n  eh¬ 
meneinen  sehr  protrahiertenVerlauf  und  sind 

zum  Teil  funktioneller  Natur,  seltener  durch 
Parenchymveränderungen  der  Schleimh  au  t, 
zum  Teil  durch  die  Obstipation  und  die  Er¬ 
krankung  des  gastrointestinalen  Nerve nge- 
flechtes  bedingt. 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Würzburg. 

Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe.*) 

Von  Dr.  Oscar  Polano,  Privatdozent  und  Oberarzt. 

Die  Behandlung  der  Dysmenorrhöe  gehört  wegen  der 
Häufigkeit  dieses  Leidens  zu  den  praktisch  wichtigsten  Kapite  n 
der  sogen,  kleinen  Gynäkologie.  Wie  so  oft  steht  die  Zahl  der 
hierbei  empfohlenen  Methoden  im  direkten  Gegensatz  zu  ihrer 
Zuverlässigkeit.  Von  vornherein  müssen  wir  die  rein  symp  o- 
matische  Behandlung,  -die  sich  mit  der  vorübergehenden  Linde¬ 
rung  der  einzelnen  Schmerzattacken  begnügt,  von  der  ratio¬ 
nellen  Therapie  scheiden,  -die  durch  Beseitigung  der  Ursachen 
eine  länger  dauernde  Heilung  anstrebt.  Leider  liegen  in  dieser 
Hinsicht  die  Verhältnisse  bei  der  Dysmenorrhoe  vielfach  un¬ 
günstig  da  wir  in  zahlreichen  Fällen  über  das  eigentliche 
Wesen  dieser  Erkrankung  ebenso  wenig  wissen,  wie  über  den 
zu  Grunde  liegenden  physiologischen  Vorgang  der  Men¬ 
struation.  ,  .  _  ,  0 

Man  unterscheidet  in  der  Regel  vier  bormen  der  Dys 
menorrhöe,  von  denen  die  erste  auf  mechanischen  Abiluss- 
behinderungen  des  Menstrualblutes  beruht,  die  zweite  eine 
Folge  von  entzündlichen  Vorgängen  im  Endometrium  ist,  die 
dritte  reflektorisch  vom  Eierstock,  unter  Umständen  auch  von 
extragenitalen  Organen  (Nasenmuscheln)  .ausgelöst  wird,  una 
endlich  die  vierte  Teilerscheinung  einer  rein  nervoshyste- 
rischen  Allgemeinerkrankung  ist.  In  der  Praxis  ist  eine 
derartige  Unterscheidung  vielfach  unmöglich.  Die  lein 
mechanische  Abflussbehinderung  lässt  sich,  abgese  en  von 
den  sehr  seltenen  wirklichen  Zervixstenosen,  meistens  aus- 
schliessen.  In  einem  kürzlich  gehaltenen,  sehi  lesensv  er  en 
Vortrage  will  der  bekannte  Hamburger  Gynäkologe  L  o  me  r 
von  dieser  Form  alle  die  Fälle  ausscheiden,  in  denen  ie 
Stärke  der  Beschwerden  in  den  verschiedenen  Menstiua- 
terminen  stark  variiert  (vergl.  Referat  Zentralbl.  f.  Gynak.  19  , 

H.  13  u.  15);  denn  -es  sei  nicht  einzusehen,  warum  bei  mecha¬ 
nischer  Behinderung  (Lageanomalie,  Stenose)  die  Periode  z.  ß. 

*)  Nach  einem  am  30.  Juni  >d.  J.  in  der  fränk.  Gesellschaft  für 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie  gehaltenen  Vortrag. 


in  der  Schweiz  beschwerdefrei  sein  soll,  während  sie  in  Ham¬ 
burg  äuserst  schmerzhaft  ist.  Hierbei  wird  unseres  Erachtens 
nach  ein  Moment  nicht  berücksichtigt,  das  allerdings  durch 
äussere  Verhältnisse  starken  Schwankungen  unterliegen  kann, 
die  Stärke  und  Gerinnbarkeit  -des  Menstrualblutes,  die  mecha¬ 
nisch  ebenso  für  den  Verlauf  -der  Menstruation  den  Ausschlag 
geben  kann,  wie  beim  engen  Becken  wesentlich  die  Grösse 
des  Kindes  den  Geburtsverlauf  entscheidet. 

Für  die  zweite  auf  Endometritis  beruhende  Form  der  Dys¬ 
menorrhöe  glaubte  man  bisher  in  den  Veränderungen  der 
Uterusschleimhaut  ein  anatomisches  Substrat  gefunden  zu 
haben;  ausserdem  lässt  eine  keineswegs  konstante  Ueber- 
empfindlichkeit  des  Endometriums  angeblich  entzündliche  Ver¬ 
änderungen  annehmen  (Endometritis  dolorosa).  Für  -die  sogen. 
Endometritis  exfoliativa  ist  der  innere  Zusammenhang  zwi¬ 
schen  Dysmenorrhöe  und  dem  Ausstossen  der  erkrankten 
Schleimhautfetzen  äusserst  wahrscheinlich;  anders  steht  es 
aber  mit  den  viel  häufiger  vorkommenden  sogen,  glandulären 
Endometritiden,  die  nach  den  neuesten  Untersuchungen 
(Hitschmann)  nur  den  physiologischen  Variationen  im 
monatlichen  An-  und  Abbau  der  Uterusschleimhaut  entsprechen. 
Noch  viel  inkonstanter  liegen  die  Verhältnisse  bei  der  reflek¬ 
torischen  Dysmenorrhöe,  insbesondere  bei  der  nasalen  Form, 
die  trotz  der  exakten  Beobachtungen  mehrerer  Autoren 
(F  1  i  e  s  s,  K  o  b  1  a  n  c  k)  nicht  allgemein  anerkannt  wird. 

Es  besteht  heute  entschieden  vielfach  die  Neigung,  die 
allermeisten  Formen  der  Dysmenorrhöe  als  rein  hysterische 
Erkrankung  aufzufassen.  In  der  Tat  ist  der  Gegenbeweis 
äusserst  schwierig.  Stellt  doch  der  Schmerz  das  einzige  Sym¬ 
ptom  -dar,  dessen  Stärke  und  Wirklichkeit  sich  objektiv  nie¬ 
mals  nachweisen  lassen.  Aehnlich  wie  in  der  modernen  Lehre 
von  -den  Rückwärtsverlagerungen  der  Gebärmutter  kann  jede 
anatomische  Anomalie  auch  bei  der  Dymenorrhöe  einen  Zu¬ 
fälligkeitsbefund  darstellen.  Und  auch  -die  Diagnose  ex  juvanti- 
bus,  mag  kürettiert,  dilatiert,  kokainisiert  und  selbst  kastriert 
sein,  ist  nie  einwandsfrei,  da  -die  Möglichkeit  einer  Suggestion 
nie  auszuschliessen  ist.  In  der  Tat  bieten  viele  Dysmenor- 
hoische  hysterische  Stigmata  und  müssen  als  dementsprechend 
behandelt  werden  (vergl.  Lomer  1.  c.). 


Trotzdem  bleibt,  wie  jeder  Praktiker  weiss,  der  über  ein 
grösseres,  vor  allem  poliklinisches  Sprechstundenmaterial  ver- 
ügt,  eine  nicht  geringe  Zahl  von  Fällen  übrig,  in  denen  alle  in- 
ernen  und  kleineren  chirurgischen  Eingriffe  nicht  zum  Ziele 
ü-hren.  Für  diese  Kranken  möchte  ich  eine  neue  Behandlungs- 
irt  empfehlen,  die  nicht  beansprucht,  eine  Panacee  gegen  je  e 
Dysmenorrhöe  darzustellen,  sich  uns  aber  in  mehreren  Fällen 
m  Gegensatz  zur  Erfolglosigkeit  anderer  Verfahren  gut  be¬ 
währt  hat  und  vor  allem  äusserst  harmlos  und  einfach  ist. 
rheoretische  Ueberlegung  und  klinische  Beobachtung  legen 
ms  die  Annahme  von  einem  Antagonismus  zwischen  der 
)hysiologischen  Funktion  von  Ovarium  und  Brustdrüse  nahe. 
Die  Mehrleistung  eines  dieser  beiden  Organe  beeinträchtigt  die 
Dhysiologische  Leistungsfähigkeit  des  anderen  längere  oder 
sürzere  Zeit,  wie  -dies  die  bekannten  Verhältnisse  in  der 
Schwangerschaft  und  im  Wochenbett  beweisen.  Da  wir  nun 
lie  Menstruation  als  einen  Vorgang  auffassen  müssen,  der 
iurch  die  biologischen  Kräfte  des  Eierstocks  ausgelöst  wird, 
ag  es  nahe,  die  krankhaften  Formen  der  Menstruation,  vor 
illem  die  IDysmenorrhöe,  durch  künstliche  Anregung  dei 
Brustdrüse  in  ihrer  Intensität  herabzusetzen.  Jede  physio- 
ogische  Arbeit  eines  Organs  ist  abhängig  von  der  Hlutver- 
lorgung.  Die  künstliche  Hyperämie  ermöglicht  am  einfachsten 
iine  Mehrleistung.  .  . 

Ich  habe  aus  diesem  Grund  in  dem  letzten  Jahr  eine 
grössere  Anzahl  von  Frauen  und  Mädchen,  die  an  Dysmenor¬ 
rhöe  litten,  in  unserer  poliklinischen  Sprechstunde  nach  diesen 
jrundsätzen  behandelt  und  mehrfach  gute  Erfolge  gesehen. 
Das  Verfahren  ist  sehr  einfach.  Einige  Tage  vor  erwartete 
Eintritt  -der  Periode  wird  den  Patienten  auf  jede  Brnstdius 
las  von  der  B  i  e  r  sehen  Mastitisbehandlung  her  allgemein  be¬ 
kannte  Klapp  sehe  Saugglas  gesetzt  .dessen  Rand,z^ 
besseren  Abschluss  eingefettet  wird  Die  .Luft  wird  durch  An 
saugen  mit  einer  Spritze  unter  Verwendung  des  bekannten 
Doppelhahns  so  lange  verdünnt,  bis  die  Mamma  stark 
quillt  und  -die  Patientin  ein  stärkeres  Ziehen  verspürt  das  sich 


1732  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  _____ _ No.  35. 


aber  nicht  bis  zur  Schmerzempfindung  steigern  darf.  Die  Glas¬ 
glocken  bleiben  am  besten  eine  halbe  Stunde  unter  einmaligem 
Ab-  und  Neuaufsetzen  liegen,  häufig  genügt  auch  eine  Viertel¬ 
stunde.  Dies  Verfahren  wird,  wie  gesagt,  einige  Tage  vor  Be¬ 
ginn  der  Periode  begonnen  und  möglichst  bis  zum  letzten  Tage 
der  Menstruation  durchgeführt.  Die  Brustdrüse  behält  noch 
stundenlang  hinterher  eine  deutliche  Hyperämie  und  eine 
eigentümliche  Fülle,  die  besonders  zutage  tritt,  wenn  man  nur 
eine  Mamma  staut.  Diese  letzte  Erscheinung  dauert  nach  Ab¬ 
bruch  einer  längeren  Behandlung  noch  tagelang  an.  Der  Ein¬ 
wand,  dass  es  sich  bei  diesem  Verfahren  um  reine  Suggestion 
handelt,  läge  auf  der  Hand,  wenn  nicht  ein  anderes  objektiv 
nachweisbares  Symptom  häufiger  zur  Beobachtung  käme,  das 
den  Einfluss  der  Brustdrüsenstauung  auf  die  Menstruation  wohl 
unzweifelhaft  macht  und  das  sich  in  den  drei  Kranken¬ 
geschichten,  die  ich  im  folgenden  zur  Illustration  der  Wirk¬ 
samkeit  dieser  Methode  im  Auszug  kurz  wiedergebe,  ebenfalls 
findet. 

Frl.  Anna  L.,  24  Jahre,  wurde  vor  drei  Jahren  wegen  Dysme¬ 
norrhöe  an  unserer  Klinik  kürettiert.  Geringe  Besserung.  Periode 
wurde  bald  wieder  stark  und  schmerzhaft.  Vor  2%  Jahren  wegen 
Blinddarmentzündung  operiert.  Periode  hierauf  regelmässig,  mit 
Schmerzen.  Wegen  Abszess  des  rechten  Eierstocks  rechtsseitige 
Ovariotomie.  Nach  dieser  Operation  die  stärksten  dysmenorrhoischen 
Beschwerden,  die  einige  Tage  vor  Beginn  der  Periode  begannen,  und 
die  ganze  Zeit  über  (4 — 5  Tage)  anhielten,  sodass  sie  seit  zwei  Jahren 
jedesmal  5  Tage  im  Bett  lag,  mit  stärksten  Schmerzen  bei  Tag  und 
Nacht,  die  den  behandelnden  Kollegen  jedesmal  zur  Morphindar¬ 
reichung  zwangen.  Objektiv  lässt  sich  eine  leichte  Fixation  der 
rechten  Uteruskante  (alte  Operationsnarbe)  nachweisen;  keine 
Druckempfindlichkeit,  auch  Sondierung  ohne  Schmerzen.  Patientin 
wird  seit  %  Jahren  regelmässig  in  der  angegebenen  Weise  gestaut, 
ist  jetzt  zur  Zeit  der  Periode  völlig  arbeitsfähig,  nimmt  kein  Mor¬ 
phium,  ist  nicht  mehr  bettlägerig.  Versuchsweises  Aussetzen  der 
Stauung  lässt  jetzt  die  Dysmenorrhöe  in  sehr  viel  milderer  Form 
wiederkehren,  um  schon  nach  einmaliger  Stauung  zu  schwinden.  Auch 
der  früher  bestehende  Mittelschmerz  ist  völlig  geschwunden.  Die 
Periode  selber  war  viel  weniger  intensiv  als  früher  und  tritt  bei 
systematischer  Stauung  oft  5 — 6  Tage  nach  dem  erwarteten  Ter¬ 
min  ein. 

2.  Frl.  Betty  L.,  18  Jahre,  leidet  seit  %  Jahren  an  Dysmenorrhöe 
und  vor  allem  an  Menorrhagien,  die  alle  14  Tage  eintreten  und  acht 
Tage  dauern.  (Bestätigung  durch  begleitende  Mutter.)  Wurde 
ausserhalb  mit  Styptizis  ohne  Erfolg  behandelt.  Virgineller  Befund, 
keine  Anomalien.  Kürettage  wird  abgelehnt.  Nach  erster  Stauungs¬ 
periode  (8  Tage  lang  vor  Eintritt)  Menstruation  nach  drei  Wochen 
schwächer  als  sonst  eingetreten.  Nach  drei  Wochen  wiederbestellt; 

8  Tage  lang  gestaut.  Periode  tritt  erst  nach  8  Tagen,  also  4  Wochen 
nach  letzter  Menstruation  ein,  dauert  nur  4  Tage,  schwach.  Nächste 
Periode  ebenso.  Das  nächste  Mal  wird  nicht  gestaut.  Periode  tritt 
jetzt  nach  3  Wochen  wieder  ein,  dauert  6  Tage. 

Fr.  Lorchen  F.,  24  Jahre,  Schriftsetzersfrau,  Nullipara.  Uterus 
völlig  beweglich,  Anhänge  frei,  Sondierung  ohne  Schmerzen. 

Periode  kommt  alle  4  Wochen,  dauert  6—7  Tage,  sehr  stark, 
verbunden  mit  äusserst  starken  Schmerzen  an  den  ersten  beiden 
lagen.  Liegt  seit  einem  Jahr  dann  im  Bett.  Nach  achttägiger  Stau¬ 
ung  tritt  Periode  vier  Tage  nach  erwarteter  Zeit  ohne  Schmerzen  ein, 
die  nur  am  zweiten  Tag  vorübergehnd  auftreten.  Blutung  viel 
schwächer  als  früher.  Kommt  nach  drei  Wochen  wieder  zur  täg¬ 
lichen  Stauung.  Die  Periode  tritt  erst  10  Tage  nach  dem  sonst  regel¬ 
mässigen  I  ermin  ein  mit  kurzen  vorübergehenden  Schmerzen  am 
ersten  Tag,  die  nach  Stauung  alsbald  schwinden. 

In  diesen  Krankengeschichten,  die  ich  noch  um  ähnlich 
lautende  vermehren  könnte,  tritt  ausser  der  günstigen  Beein¬ 
flussung  der  Dysmenorrhöe  die  Retardation  der  menstruellen 
Blutung  als  objektiv  nachweisbares  Symptom  für  die  Beein¬ 
flussung  der  Menstruation  durch  das  angegebene  Verfahren  in 
die  Erscheinung.  Einen  völligen  Versager  habe  ich  bei  dieser 
Methode  bisher  nie  erlebt;  nur  ist  der  Erfolg  nicht  in  allen 
Fällen  gleichbedeutend  mit  völliger  Beschwerdefreiheit.  In 
dieser  Hinsicht  kommen  auch  bei  derselben  Patientin  gewisse 
Schwankungen  bei  den  einzelnen  Menstruationen  bei  gleicher 
Methode  bisweilen  vor.  Dass  wir  bei  der  Behandlung  auf  jede 
andere  gleichzeitige  Therapie  verzichtet  haben,  ist  selbstver¬ 
ständlich.  Das  Verfahren  ist  so  einfach,  dass  es  bei  uns  die 
Wärterin  durchführt.  Entsprechend  grosse  Sauggläser,  mit 
Gummiballon  armiert,  könnten  den  Frauen  sogar  zur  Selbst- 
behandlung  in  die  Hand  gegeben  werden.3) 

)  Zum  Gebrauch  in  der  Praxis,  insbesondere  zur  Selbstanwen¬ 
dung  durch  die  Patientin  eignet  sich  am  besten  ein  etwas  grösseres 
rormat  der  von  Prof.  Klapp  beschriebenen  Saugglocken  mit  aus¬ 
geschnittenem  Rand;  sie  werden  mit  einer  „Ventilpumpe“  armiert,  die 


Im  Anschluss  an  diese  mitgeteilte  Behandlungsart  der  Dys¬ 
menorrhöe  möchte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  noch  auf  die  ent¬ 
schieden  günstige  Beeinflussung  der  Laktationsfähigkeit  durch 
das  gleiche  Saugverfahren  lenken.  Bei  meinen  diesbezüglichen 
Versuchen  haben  mich  ebenfalls  theoretische  Vorstellungen  ge¬ 
leitet.  Ueber  das  eigentliche  Wesen  der  Laktation  wissen  wir 
so  gut  wie  nichts.  Der  bereits  betonte  Antagonismus  zwischen 
Mamma  und  Ovarien  findet  nicht  nur  im  Wochenbett  und  der 
anschliessenden  Laktationszeit  seinen  Ausdruck  in  der  vielfach 
zu  beobachtenden  Amenorrhoe,  wir  wissen  auch,  dass  ka¬ 
strierte  Kühe  während  ungefähr  zweier  Jahre  ebenso  viel  Milch 
produzieren,  wie  Kühe,  die  gekalbt  haben  (J  e  n  t  z  e  r  und 
B  e  u  1 1  n  e  r,  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  GynäkoL,  Bd.  42).  Das 
Eigentümliche  der  Laktation  liegt  wohl  weniger  in  der  spär¬ 
lichen  Kolostrumsekretion,  die  auch  ausserhalb  der  Schwanger¬ 
schaft  beobachtet  wird  und  mit  den  sekretorischen  Vorgängen 
in  anderen  drüsigen  Organen  auf  der  gleichen  Höhe  steht,  als 
viel  mehr  in  dem  plötzlichen  Einsetzen  der  veränderten  Se¬ 
kretion  (Einschiessen  der  Milch)  2 — 3  Tage  post  partum.  Eine 
derartig  plötzliche  und  veränderte  Sekretbildung  findet  unseres 
Wissens  nach  nur  ihr  biologisches  Analogon  in  der  ebenso  akut 
einsetzenden  Bildung  von  Antikörpern  nach  Einführung  diffe¬ 
renter  Stoffe,  wie  Eiweisse,  Bakterien  u.  a.,  in  den  Organismus, 
eine  Antikörperbildung,  die  nach  den  Ehrlichschen  An¬ 
schauungen  gleichbedeutend  ist  mit  der  vermehrten  Sekretion 
von  Stoffen,  die  bereits  in  den  sezernierenden  Körperzellen 
vorhanden  waren.  Wie  v.  Leube  nachweisen  konnte,  ruft 
die  künstliche  Hyperämie  eine  Mehrproduktion  der  Antikörper 
hervor.  Auch  bei  der  Brustdrüse  scheint  durch  die  Stauung 
mittels  des  Saugverfahrens  eine  Mehrleistung  des  Organs  viel¬ 
fach  angeregt  zu  werden,  wie  ich  aus  mehrfachen  Beob¬ 
achtungen  bei  Wöchnerinnen  zu  entnehmen  glaube.  Vor  allem 
hat  sich  aber  das  Verfahren  bei  plötzlichem  Versiegen  der 
Ammenmilch  gut  bewährt.  In  einem  Fall,  in  dem  sich  dies  Vor¬ 
kommnis  7  mal  in  einem  halben  Jahre  ereignete,  konnte  ich 
jedesmal  durch  4  malige  Stauung  in  2  Tagen  die  alte  Leistungs¬ 
fähigkeit  des  Organs  auf  längere  Zeit  wieder  hersteilen. 
Eigentlich  ist  ja  diese  Methode  nur  eine  andere  Form  für  die 
weniger  intensiv  wirkenden  Milchpumpen  und  für  das  beliebte 
Anlegen  eines  kräftigen  fremden  Säuglings  zur  Anregung  der 
Laktation,  wie  dies  ja  an  den  meisten  Gebäranstalten  üblich 
ist.  Jedenfalls  lässt  sich  diese  angegebene  Methode  auch 
ausserhalb  der  Klinik  bequem  durchführen.  Sie  ermöglicht 
also,  eine  schwach  sezernierende  Brustdrüse  in  ihrer  Leistungs¬ 
fähigkeit  anzu regen. 

Als  ich  mit  den  beschriebenen  Versuchen  bereits  beschäf¬ 
tigt  war,  kam  mir  durch  Zufall  eine  Schrift  von  C.  Butten¬ 
ste  d  t  -  Berlin  in  die  Hand,  die  sich  „die  Glücksehe“  betitelt. 
B.  empfiehlt  ein  Präventivverfahren,  das  darauf  hinauskommt, 
dass  der  Mann  am  besten  3 mal  täglich!  an  den  weiblichen 
Brüsten  saugt.  Aus  den  mitgeteilten  Berichten  von  Anhängern 
dieser  Methode  geht  für  die  uns  beschäftigende  Frage  hervor: 
1.  dass  bei  selbst  virginellen  Personen  durch  Saugen  an  den 
Brustwarzen  beträchtliche  Milchsekretion  hervorgerufen  wer¬ 
den  kann,  2.  dass  diese  Personen  lange  Zeit  ihre  Periode  ver¬ 
lieren  können,  ohne  gravid  zu  sein,  3.  dass  Dysmenorrhöe  hier¬ 
bei  schwindet.  Wie  man  sieht,  eine  Methode,  die  mechanisch 
auf  das  Gleiche  wie  unser  Verfahren  herauskommt  und  auch 
klinisch  eine  ähnliche  Wirkung  zu  haben  scheint. 


Aus  dem  städt.  Krankenhaus  zu  Altona,  Chirurg.  Abteilung, 

Prof.  König. 

Ueber  Siebbeinzelleneiterung. 

Von  Oberarzt  Dr.  E.  Köhler,  jetzt  Spezialarzt  für  Ohren-, 
Nasen-  und  Halskrankheiten  in  Magdeburg. 

M.  H. !  Aus  dem  Material  der  Poliklinik  des  städt. 
Krankenhauses  möchte  ich  mir  erlauben,  Ihnen  3  Fälle  von 
Siebbeinzelleneiterung  vorzutragen,  die  durch  einige  Besonder¬ 
heiten  interessant  sind.  Gleichzeitig  möchte  ich  hiebei  Ihre 
Aufmerksamkeit  in  Fällen  von  hartnäckigen  Kopfschmerzen 


ein  bequemes  und  schnelles  Evakuieren  des  Glases  durch  Arzt  oder 
Patientin  ermöglicht.  Die  Gläser  werden  in  dieser  Form  von  der 
Firma  F.  A.  Eschbaum  - Bonn  geliefert. 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1733 


auf  Nasennebenhöhlenerkrankungen  lenken,  da  dies  Symptom 
bei  den  vorliegenden  Krankheiten  fast  nie  zu  fehlen  pflegt. 
Man  begnügt  sich  leider  häufig  mit  der  nichtssagenden  Dia¬ 
gnose  „nervöser  Kopfschmerz“  und  muss  dann  die  Patienten 
nach  vergeblichen  Kurversuchen  der  verschiedensten  Art  un- 
geheilt  entlassen,  während  bei  einer  geeigneten  Spezialbehand¬ 
lung  in  hierher  gehörenden  Fällen  dieser  Quälgeist  in  Kürze 
beseitigt  werden  kann.  Allerdings  ist  zu  bemerken,  dass  der 
Kopfschmerz  keine  für  die  Lokalisation  der  Nebenhöhlener¬ 
krankung  spezifische  Eigentümlichkeiten  aufweist,  er  kann 
neurologische  Form  aufweisen  oder  auch  diffus,  ohne  dem 
Verbreitungsbezirk  bestimmter  Nerven  zu  entsprechen,  auf- 
treten.  Meist  handelt  es  sich  bei  Siebbeinzellenerkrankungen 
um  einen  unbestimmten  Schmerz  in  der  Stirngegend. 

Neben  dem  Kopfschmerz  weist  die  erschwerte  Nasen¬ 
atmung  auf  eine  Erkrankung  dieses  Organs.  Und  geiade  bei 
den  Siebbeinzellenerkrankungen  kommen  die  höchsten  Grade 
von  Luftmangel  durch  die  Nase  vor  und  zwar  hauptsächlich 
durch  das  Auftreten  von  Nasenpolypen.  Erst  vor  einigen 
Tagen  hatte  ich  wieder  einmal  Gelegenheit  bei  einem  Patienten 
zu  beobachten,  welche  Ausdehnung  im  Lauf  der  Jahre  die 
Polypen  einnehmen  können.  Sie  reichten  beiderseits  vom 
Naseneingang  her  bis  in  die  Choanen  hinein.  Einige  konnte 
man  bei  Hochheben  des  Gaumensegels  aus  dem  Nasenrachen¬ 
raum  ohne  Spiegel  hervorragen  sehen.  Die  Polypen  stellen 
einfache  entzündliche  Hypertrophien  der  Schleimhaut  der  Sieb¬ 
beinzellen  dar,  die  dadurch  zu  Stande  kommen,  dass  die  öde- 
matös  durchtränkten  Schleimhautpartien  durch  ihre  Schwere 
herabhängen  und  sich  aus  den  mancherlei  Kanten  und  Vor¬ 
sprüngen  des  Labyrinths  hervordrängen  (Hajek).  Ueber  den 
Zusammenhang  zwischen  Polypen  und  Nebenhöhlenaffektionen 
gehen  die  Meinungen  der  Autoren  auseinander.  G  r  ii  n  w  a  1  d 
stellte  den  Satz  auf:  Kein  Nasenpolyp  ohne  Nebenhöhlen¬ 
affektion.  Dagegen  sind  von  Zuckerkandl  und  Wert¬ 
heim  Obduktionsbefunde  veröffentlicht,  bei  denen  die  Neben¬ 
höhlen  intakt  waren  und  es  sich  nur  um  eine  chronische  Ent¬ 
zündung  der  Nasenschleimhaut  gehandelt  hat.  Doch  will  ich 
nicht  näher  auf  diese  Diskussion  eingehen.  Jedenfalls  gehört 
die  Polypenbildung  zu  den  besonderen  Kennzeichen  der  Sieb¬ 
beinzellenerkrankung. 

Zum  Verständnis  des  Folgenden  sei  ein  kurzer  Blick  in  die 
Anatomie  des  Siebbeins  gestattet.  Das  Siebbein  beginnt  oben 
bei  der  Crista  galli  und  Lamina  cribrosa  und  beteiligt  sich  mit 
der  Lamina  perpendicularis  an  der  Bildung  des  Nasenseptums. 
Der  uns  heute  am  meisten  interessierende  Teil,  das  Siebbein¬ 
labyrinth  erstreckt  sich  zwischen  mittlerer  Muschel  und  der 
Lamina  papyracea  und  der  medialen  Wand  der  Orbita.  Das 
Siebbeinlabyrinth,  ein  durch  zahlreiche  Scheidewände  in  viele 
Abschnitte  geteilter  Raum,  zeigt  in  Grösse  und  Ausdehnung 
die  mannigfachste  Anordnung  bei  verschiedenen  Individuen. 

Es  erhellt  aus  dieser  kurzen  Schilderung,  mit  welchen 
Schwierigkeiten  wir  bei  einem  operativen  Vorgehen  in  diesem 
Gebiet  zu  kämpfen  haben.  Nach  oben  hat  man  sich  zu  hüten 
vor  einem  Eindringen  in  die  Schädelhöhle  und  lateral  abwärts 
trennt  uns  nur  die  Lamina  papyracea  von  der  Orbita  und  doch 
muss  man  häufig  je  nach  der  Ausdehnung  der  erkrankten 
Zellen  bis  dicht  an  die  gefürchteten  Gegenden  herangehen. 

Ich  will,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  das  operative 
Vorgehen  gemeinsam  besprechen  und  Abweichungen  davon  bei 
dem  einzelnen  Fall  selbst  erwähnen.  Eine  Vorbedingung  für 
ruhiges  und  sicheres  Operieren  ist  eine  gute  Anästhesie  und 
Blutleere,  die  ich  durch  Einlegen  von  Wattetampons  erzielen 
konnte,  die  in  10  proz.  Kokainlösung,  der  Suprareninlösung 
(Merck)  1 : 4000  zugesetzt  war,  eingetaucht  waren.  Zuerst 
werden  alle  Polypen  entfernt.  Um  nun  an  die  Siebbeinzellen 
herankommen  zu  können,  wird  zunächst  das  vordere  Ende  der 
mittleren  Muschel  abgetragen.  Ich  bediene  mich  hierzu  der 
kalten  Schlinge.  Nun  hat  man  freien  Ueberblick  und  kann  vor 
allen  Dingen  >den  Hiatus  semilunaris  übersehen,  in  den  der  Aus¬ 
führungsgang  der  Oberkieferhöhle,  Stirnhöhle  und  der  vor¬ 
deren  Siebbeinzellen  einmünden.  Dann  muss  man  weiter  jede 
einzelne  Zelle,  die  erkrankt  ist,  freilegen  und  erkrankte 
Schleimhaut  und  Knochen  entfernen.  Dazu  bedient  man  sich 
der  verschiedensten  Instrumente,  wie  Konchotome,  schnei¬ 
dende  Zangen,  Haken,  scharfe  Löffel  etc.  Es  gehören  natür¬ 


lich  viele  Sitzungen  dazu,  um  endlich  zum  Ziel  zu  kommen  und 
viel  Geduld  von  Seiten  des  Aerztes  und  des  Patienten.  Eine 
Tamponade  der  Nase  habe  ich  meist  vermieden.  Zur  Stillung 
der  Blutung,  die  nach  Aufhören  der  Suprareninwirkung  meist 
ziemlich  heftig  eintrat,  und  zur  Desinfektion  benutzte  ich  1  proz. 
Lösung  von  Wasserstoffsuperoxyd  und  liess  die  Patienten 
immer  noch  einige  Stunden  im  Krankenhaus  warten.  Das 
Hydr.  perox.  hat  mir  auch  bei  der  weiteren  Behandlung  sehr 
gute  Dienste  geleistet,  indem  dadurch  die  Borken  ohne  erheb¬ 
liche  Blutung  gelöst  werden  konnten. 

Ich  komme  nun  zur  Besprechung  meiner  Fälle. 


1.  C.  A.,  42  Jahre  alter  Arbeiter,  will  früher  immer  gesund 
gewesen  sein  und  niemals  Beschwerden  von  Seiten  der  Nase  gehabt 
haben.  Am  13.  Oktober  v.  Js.  rutschte  beim  Aufheben  eines  Ballens 
der  dazu  dienende  Haken  ab  und  Patient  schlug  sich  mit  der  Faust 
gegen  die  rechte  Nasenseite.  Am  16.  Oktober  traten  Schmerzen 
über  dem  linken  Auge  auf,  die  täglich  Zunahmen  und  besonders  beim 
Bücken  in  Erscheinung  traten.  Am  23.  Oktober  wurden  die  Be¬ 
schwerden  so  unerträglich,  dass  er  die  Arbeit  einstellen  musste.  Bis 
zum  7.  November  wurde  er  vom  Kassenarzt  behandelt  mit  feuchten 
Umschlägen  und  Ungt.  Kal.  jodat.  Da  keine  Besserung  eintrat,  wurde 
er  dem  Krankenhaus  überwiesen. 

Status  praesens:  Grosser  kräftiger  Mann  mit  blasser  Ge¬ 
sichtsfarbe  und  leidendem  Gesichtsausdruck.  An  der  rechten  Nasen¬ 
seite  ist  von  einem  Trauma  nichts  mehr  zu  konstatieren.  Die  rechte 
Nasenhöhle  zeigt  normalen  Befund.  In  der  Gegend  der  linken  Stirn¬ 
höhle  besteht  Druckempfindlichkeit,  der  N.  supraorbitalis  ist  nicht 
druckempfindlicher  wie  die  Umgebung.  In  der  linken  Nasenhälfte  ist 
die  untere  Muschel  mässig  hypertrophisch  und  mit  Borken  bedeckt, 
die  mittlere  Muschel  ist  stark  hypertrophisch  und  liegt  dem  Septum 
an,  die  Schleimhaut  ist  sulzig  geschwollen  und  mit  Eiter  und  Borken 
bedeckt.  Aus  dieser  Nasenhöhle  macht  sich  ein  ozänaartiger  Geruch 
bemerkbar.  Aus  dem  mittleren  Nasengang  ragen  zahlreiche  kleine 
Polypen  hervor.  Die  Schleimhaut  der  hinteren  Rachenwand  ist  ge¬ 
rötet  und  mit  Follikeln  besetzt,  im  Nasenrachenraum  findet  sich  bei 
der  Rhinoscopia  post,  schleimig-eitriger  Belag  und  staike  Borken¬ 
bildung,  die  scheinbar  auf  der  linken  Seite  mehr  hervortritt 

Es  wurde  nun  bei  dem  Patienten  die  vorher  beschriebene  Be- 
handlung  eingeleitet.  Bei  Abtragung  des  vorderen  Endes  der  mitt¬ 
leren  Muschel  löste  sich  ein  1,5  cm  langes  und  1  cm  breites,  der  medi¬ 
alen  Siebbeinzellenwand  zugehöriges  kariöses  Knochenstück  ab  und 
es  floss  eine  beträchtliche  Menge  fötiden  Eiters  ab. 

Wegen  zu  starker  Blutung  tamponierte  ich  mit  Vioformgaze 
und  steckte  ein  mit  Ferripyrin  getränktes  Wattestück  davor.  Es 
trat  danach  auch  eine  weitere  Blutung  nicht  mehi  auf,  abei  1  atient 
hatte  am  anderen  Morgen  über  heftige  Kopfschmerzen  zu  klagen,  die 
aber  bald  nach  Entfernung  des  Tampons  wieder  aufhörten. 

In  zahlreichen  Sitzungen  wurde  das  ganze  Siebbemlabyrinth 


allmählich  ausgeräumt.  _  ,  rr  ,  .  _ 

Zu  gleicher  Zeit  konnten  nun  nach  Schaffung  freien  Zuganges 
auch  die  übrigen  Nebenhöhlen  der  Nase,  vor  allem  die  Stirnhöhle,  auf 
die  die  Beschwerden  des  Patienten  zuerst  hinzuweisen  schienen, 
einer  genauen  Untersuchung  unterzogen  werden.  Stirn-  und  Kiefer¬ 
höhle  Hessen  sich  gut  sondieren,  die  eingeführte  Spülflüssigkeit  floss 
klar  ab.  Eine  noch  zur  Kontrolle  ausgeführte  Durchleuchtung  dieser 
Höhlen  ergab  ebenfalls  ein  negatives  Resultat,  sodass  ich  mit  Be¬ 
stimmtheit  diese  Höhlen  für  gesund  erklären  konnte. 

Es  blieb  nun  noch  die  Keilbeinhöhle  übrig,  auf  deien  Erkrankung 
folgender  Vorgang  hindeutete.  Morgens  beim  Aufstehen  floss  dem 
Patienten  wiederholt  Eiter  in  den  Hals,  der  ihm  von  oben  zu  kommen 
schien,  gleichzeitig  machte  sich  dabei  ein  fauliger  Geruch  bemerkbai, 
der  nach  einiger  Zeit  wieder  verschwand.  Es  ist  dies  so  zu  erklären 
dass  beim  Liegen  die  Oeffnung  der  Keilbeinhöhle  den  höchsten  Punk 
einnimmt  und  sich  dadurch  Sekret  ansammeln  kann.  Beim  Aufstehen 
tritt  die  Oeffnung  tiefer  und  das  Sekret  fliesst  ab.  Ich  konnte  mir  das 
Ostium  sphenoidale  nach  Verdrängung  des  Restes  der  mittleren 
Muschel  sichtbar  machen.  Nach  Beseitigung  einiger  Granulationen, 
die  den  Eingang  verengten,  gelang  es  leicht,  ein  Spülröhrchen  einzu¬ 
führen  und  die  Höhle  gründlich  auszuspülen,  wobei  die  Spülflüssigkeit 
mit  Eiter  vermischt  war.  Dies  Verfahren  setzte  ich  mehrere  Wochen 
hindurch  fort  und  die  Höhle  ist  auf  diese  Weise  zur  Ausheilung  ge- 

kommen^h  ^  monatHcher  Behandlung  ist  auch  die  Siebbeinzellen- 
eiterung  völlig  ausgeheilt.  Wenn  man  die  normal  aussehende  unteie 
Muschel  links  zurückgedrängt  hat,  erscheint  die  Nasenhöhle  ge¬ 
räumiger  wie  sonst.  Von  dem  Stumpf  der  mittleren  Muschel  aus  hat 
eine  kräftige  Neubildung  von  Schleimhaut  eingesetzt  und  die  Wun 
höhle  überkleidet.  Die  Schleimhaut  ist  etwas  f U”CJ , 1  -  ' 

trophisch  und  gibt  noch  zu  geringer  Borkenbildung  Veranlassung. 

Die  Eiterung  hat  völlig  aufgehört.  .  ,,  R 

Patient  ist  nach  seinen  eigenen  Angaben  jetzt  frei  von  ahen 
schwerden  und  hat  seine  frühere  schwere  Arbeit  im  Hafen  in  voHem 
Umfang  wieder  aufgenommen.  Es  kommt  daher  in  dieser 

Rentenfrage  nicht  in  Betracht.  .  F 

Wie  würde  sich  aber  die  Sache  verhalten,  wenn  eine  Erwerbs¬ 
beeinträchtigung  eingetreten  wäre?  In  welchem  Zusammenhalt 
stehen  Unfall  und  Nasenerkrankung?  Der  Patient  ist  von 


1734 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


zeitlichen  Zusammentreffen  dieser  beiden  Momente  überzeugt,  da  seine 
Beschwerden  vom  Tage  des  Unfalls  datieren.  Wie  aber  hat  sich  der 
Arzt  als  Begutachter  in  einem  solchen  Fall  zu  verhalten? 

Beim  ersten  Blick  in  die  erkrankte  linke  Nasenhälfte  war  es 
wahrscheinlich,  dass  es  sich  um  einen  chronischen  Zustand  handle, 
dessen  Entstehung  weit  hinter  dem  vor  3  Wochen  erlittenen  Unfall 
zurücklag,  eine  Annahme,  die  durch  die  weitere  Untersuchung  zur 
Sicherheit  'wurde.  Denn  es  ist  ausgeschlossen,  dass  sich  in  den 
3  Wochen,  die  zwischen  dem  Unfall  und  der  ersten  von  mir  vor¬ 
genommenen  Untersuchung  verstrichen  waren,  eine  derartige  Destruk¬ 
tion  des  Siebbeinlabyrinths  entwickelt  haben  sollte  und  noch  dazu  auf 
der  entgegengesetzten  Seite.  Also  die  Krankheit  hat  schon  lange  vor 
dem  Unfall  bestanden,  aber  sie  ist  erst  durch  den  Unfall  dem  Patienten 
zum  Bewusstsein  gekommen  und  hat  ihm  jetzt  erst  Beschwerden 
gemacht  oder  mit  anderen  Worten,  das  latente  Empyem,  dessen  Exi¬ 
stenz  dem  Patienten  nicht  zum  Bewusstsein  gekommen  ist,  ist  durch 
den  Unfall  manifest  geworden  und  hat  zu  einer  Beeinträchtigung  der 
Erwerbsfähigkeit  geführt. 

Ich  bin  daher  der  Meinung,  dass  in  jedem  derartigen  Falle  dem 
Verletzten  bei  Verminderung  der  Erwerbsfähigkeit  eine  Rente  zuzu¬ 
billigen  wäre. 

Was  nun  die  Erkrankung  selbst  anlangt,  so  handelt  es  sich  um 
ein  chronisches  Empyem  des  ganzen  linken  Siebbeinlabyrinths  mit 
Knochenkaries  und  Polypenbildung.  Die  Keilbeinhöhle  war  sekun¬ 
där  infiziert,  denn  nach  Beseitigung  der  Siebbeinzelleneiterung,  Er¬ 
weiterung  des  Ostium  sphenoidale  und  Spülungen  kam  die  Keilbein¬ 
höhleneiterung  zum  Stillstand. 

Bei  den  beiden  folgenden  Fällen  kann  ich  mich  kürzer  fassen: 

2.  Martha  M.,  33  Jahre,  Ehefrau.  Patientin  bemerkte  vor  5  bis 
6  Jahren,  angeblich  nach  einem  Wochenbett,  allmähliges  Verschwinden 
des  Geruches  und  Geschmackes.  Zeitweise  wurde  sie  von  heftigen 
Stirnkopfschmerzen  heimgesucht.  Sie  hatte  immer  ein  trockenes  Ge¬ 
fühl  in  der  Nase,  Ausfluss  bestand  nicht.  Sie  litt  ausserordentlich 
unter  diesem  Zustand.  Von  ihren  Angehörigen  wurde  ihr  kein 
rechtes  Verständnis  entgegengebracht,  sodass  sie  auf  Selbsmord- 
gedanken  kam.  Unter  der  Diagnose  Nervosität,  Neurasthenie,  Blut¬ 
armut  etc.  machte  sie  ohne  jeden  Erfolg  die  verschiedensten  Kuren 
durch.  In  letzter  Zeit  bekam  sie  Nasenspülungen  und  Pinselungen 
der  Nase  mit  Höllensteinlösung.  Da  keine  Besserung  eintrat,  reiste 
sie  hierher  und  suchte  die  Poliklinik  auf. 

Status:  Grosse,  sehr  blasse  Frau  in  massigem  Ernährungs¬ 
zustand. 

Innere  Organe  gesund.  Gesteigerte  Reflextätigkeit.  Die  Nase 
bietet  von  Aussen  betrachtet  keine  Abweichungen  dar.  Nirgends  ist 
eine  besondere  Druckempfindlichkeit  zu  konstatieren.  Die  rechte 
Nasenhöhle  ist  von  normalem  Aussehen.  Die  linke  untere  Muschel 
ist  mässig  hypertrophisch.  Die  mittlere  Muschel  ist  stark  hyper¬ 
trophisch  und  berührt  das  Septum,  sodass  die  Fissura  olfactoria  ganz 
verdeckt  ist.  Die  Schleimhaut  ist  stark  gerötet  und  sulzig  aufge- 
uuollen,  von  einigen  Borken  bedeckt.  Die  Rachenschieimhaut  ist 
blass  und  mit  zähem  Sekret  bedeckt. 

Nach  Abtragung  des  vorderen  Endes  der  mittleren  Muschel  zeigt 
sich  eine  bohnengrosse  Knochenhöhle  eröffnet,  aus  der  sich  riechender 
Eiter  entleert.  Die  Umrandung  dieser  Höhle  wird  entfernt  und  die 
sulzige  Schleimhaut  ausgekratzt. 

Am  nächsten  Tage  bereits  erhebliche  Besserung  des  subjektiven 
Befindens.  Nach  4  wöchentlicher  Behandlung  hatte  sich  neue  Schleim¬ 
haut  gebildet,  die  anfangs  noch  etwas  granulierte. 

Im  Januar  sah  ich  die  Patientin  wieder.  Die  Schleimhaut  zeigte 
nun  normales  Aussehen.  Die  mittlere  Muschel  war  retrahiert  und  an 
Stelle  der  entfernten  Bulla  ethm.  zeigte  sich  eine  Einziehung. 

Patientin  hat  sich  ausserordentlich  erholt,  sie  fühlt  sich,  wie  sie 
angibt,  wie  neugeboren,  Geruch  und  Geschmack  sind  wieder  vor¬ 
handen,  Kopfschmerzen  sind  nicht  wieder  aufgetreten.  Auch  die 
Pharyngitis  ist  erheblich  besser  geworden. 

Es  handelte  sich  in  diesem  Falle  um  ein  isoliertes  latentes 
Empyem  der  Bulla  ethm.  sin.,  das  durch  Verdrängung  der  mittleren 
Muschel  an  das  Septum  und  Verschluss  der  Fissura  olfactoria  zu 
einem  völligen  Schwund  der  Geruchs-  und  Geschmacksempfindung 
geführt  hat.  Es  ist  dieser  Vorgang  nicht  leicht  zu  erklären,  da  doch 
die  rechte  Nasenhälfte  völlig  intakt  war.  Man  kann  dabei  an  sym¬ 
pathische  oder  reflektorische  Erscheinungen  denken  oder  aber  an 
Hysterie.  Letzteres  halte  ich  bei  dem  ganzen  Wesen  der  Patientin 
und  der  gesteigerten  Reflexerregbarkeit  für  das  wahrscheinlichste. 

3.  Minna  T.,  34  Jahre  b.  Ktizer.  Seit  der  Kindheit  leidet  Pa¬ 
tientin  an  einer  rechtsseitigen  tuberkulösen  Coxitis,  die  zur  Resektion 
des  Hüftgelenks  geführt  hat.  Als  12  jähriges  Kind  linksseitige  Mittel¬ 
ohrentzündung.  Seit  Jahren  hat  Patientin  über  Kopfschmerzen  zu 
klagen,  die  besonders  über  dem  linken  Auge  lokalisiert  sind  und  nach 
der  Nase  zu  ausstrahlen.  Sehr  häufig  habe  sie  an  Gesichtserysipel 
zu  leiden. 

Status:  Kleine,  schwache  Patientin  in  dürftigem  Ernährungs¬ 
zustand. 

Phthisis  pulmonum.  Rechtes  Hüftgelenk  reseziert.  Die  Sprache 
hat  nasalen  Beiklang.  Die  rechte  Nasenhöhle  ist  gesund.  Die  mittlere 
Muschel  links  ist  hypertrophisch.  Aus  dem  mittleren  Nasengang  fliesst 
dicker  Eiter,  auch  ragen  hier  mehrere  kleine  polypöse  Granulationen 
hervor. 


Auch  hier  wird  das  vordere  Ende  der  mittleren  Muschel  ab¬ 
getragen  und  die  vorderen  Siebbeinzellen  ausgeräumt.  An  Bakterien 
fanden  sich  neben  zahlreichen  anderen  besonders  Streptokokken. 
Diesen  Befund  halte  ich  für  besonders  bemerkenswert,  weil  nach 
meiner  Meinung,  wie  dies  auch  von  verschiedenen  anderen  Autoren 
mehrfach  beobachtet  wurde,  von  diesem  Herd  aus  die  Gesichtsery¬ 
sipele,  von  denen  die  Patientin  nach  ihrer  Angabe  so  häufig  heim¬ 
gesucht  wurde,  ihren  Ausgang  genommen  haben.  Bewiesen  scheint 
mir  diese  Ansicht  dadurch,  dass  nach  Entfernung  des  Empyems  ein 
Rezidiv  des  Gesichtserysipels  in  5  Monaten  nicht  wieder  einge¬ 
treten  ist. 

Eine  Ausheilung  dieses  Falles  ist  leider  noch  nicht  zu  konsta¬ 
tieren.  Es  hat  dies  einmal  darin  seinen  Grund,  dass  bei  der 
sehr  geschwächten  Patientin  nur  langsam  vorgegangen  werden 
konnte,  und  zweitens  darin,  dass  eine  Ueberhäutung  der  Wunden  mit 
gesunder  Schleimhaut  infolge  des  dürftigen  Körperzustandes  nur 
zögernd  von  statten  geht.  Aber  es  ist  auch  in  diesem  Falle  die  er¬ 
freuliche  Tatsache  zu  konstatieren,  dass  Patientin  nunmehr  frei  von 
Kopfschmerzen  ist. 

Der  Druckverband  in  der  Therapie  der  Netzhaut¬ 
ablösung. 

Von  Dr.  med.  Gustav  Freytag  in  München. 

Bei  dem  Dunkel,  das  über  der  Pathogenese  der  meisten 
Fälle  spontaner  Netzhautablösung  noch  schwebt,  ist  es  ja  nicht 
verwunderlich,  dass  wir  mit  unserer  Therapie  noch  sehr  weit 
zurück  sind  und  uns  vielfach  noch  im  Stadium  roher  Empirie 
befinden. 

Da  muss  es  ja  natürlich  mehr  oder  weniger  Zufall  sein, 
wenn  wir  Erfolge  erzielen;  ja  es  ist  trotz  der  vorhandenen 
Statistiken  noch  die  Frage,  ob  unsere  Methoden  überhaupt 
positive  Momente  enthalten  und  ob  nicht  das  beste,  was  einige 
von  ihnen  zu  leisten  scheinen,  in  der  Fernhaltung  weiterer 
Schädlichkeiten  liegt,  so  dass  der  etwa  vorhandenen  natür¬ 
lichen  Heiltendenz  nichts  in  den  Weg  gelegt  wird.  Denn  dass 
nicht  wenige  Ablösungen  spontan  zu  heilen  bestrebt  sind  und 
auch  heilen,  kann  nicht  bestritten  werden. 

Von  den  zahlreichen  operativen  und  nicht  operativen  Mass¬ 
nahmen,  die  die  Literatur  aufweist,  sind  nicht  wenige,  deren 
theoretische  Grundlagen  als  recht  mangelhaft  zu  bezeichnen 
sind. 

Eine  etwas  eingehendere  Kritik  ist  m.  E.  unter  anderen 
auch  einem  Verfahren  gegenüber  erforderlich,  das  bereits  über 
30  Jahre  bei  Netzhautablösung  gehandhabt  wird,  ich  meine  den 
Druckverband. 

Dieser  ist  ja  bekanntlich  zuerst  von  Samelsohn  [l] 
warm  empfohlen  worden,  nachdem  er  VA  jährige  Erfahrungen 
an  12  Fällen  damit  gemacht  hatte.  Später  schränkte  S.  sein 
Urteil  darüber  in  einem  offenen  Briefe  an  Ho  sch  nicht  un¬ 
wesentlich  ein  [2], 

S.  ging  von  der  Anschauung  aus,  dass  der  Netzhaut¬ 
ablösung  eine  vorübergehende  Druckverminderung  im  Augen- 
innern  zugrunde  liege.  Diese  Periode  der  negativen  Druck¬ 
schwankung  gelte  es  mit  dem  Druckverband  durchzuhalten, 
man  dürfe  ihn  deshalb  nicht  zu  kurze  Zeit  hindurch  anwenden; 
während  seiner  Anwendung  sei  er  indessen  täglich  2  mal  zu 
wechseln. 

Diese  Auffassung  des  Druckverbandes  als  eines  vorüber¬ 
gehenden  Ersatzes  des  Glaskörperdruckes  ist,  wie  ich  glaube, 
falsch  und  beruht  auf  nicht  hinreichender  Würdigung  eines  ein¬ 
fachen  hydrostatischen  Gesetzes. 

Für  in  Gefässe  oder  Hohlräume  eingeschlossene  Flüssig¬ 
keiten  gilt  das  Gesetz,  dass  ihre  unter  Druck  gesetzten  Teil¬ 
chen  nach  allen  Seiten  den  gleichen  Druck  ausüben  und  nicht 
nur  das,  sondern  es  herrscht  auch  innerhalb  der  Flüssigkeit  an 
allen  Stellen  der  gleiche  Druck. 

Nun  haben  wir  physikalisch  in  dem  Bulbus  mit  seinem  In¬ 
halt  im  wesentlichen  doch  eine  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
elastische  Hohlkugel  vor  uns,  die  mit  einer  etwas  zähen  Flüs¬ 
sigkeit  bis  zu  leichtem  Spannungszustande  der  Wandung  ge¬ 
füllt  ist.  Sie  ist  jedoch  nicht  allseitig  geschlossen,  sondern  hat 
zahlreiche  Zu-  und  Abflussbahnen.  Zunächst  aber  soll  ein¬ 
mal  angenommen  werden,  dass  diese  fehlen,  wozu  man  be¬ 
rechtigt  ist,  wenn  man  die  Wirkung  eines  nur  ganz  kurze  Zeit 
anhaltenden  Druckes  sich  vergegenwärtigen  will. 

Uebe  ich  auf  den  normalen  Bulbus  also  einen  solchen 
Druck  aus,  so  wird  sich  derselbe  an  allen  Stellen  innerhalb 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1735 


der  Bulbusflüssigkeit  in  gleichem  Masse  geltend  machen  und 
auch  auf  alle  Stellen  der  inneren  Wandung  gleichmassig 
drücken.  Die  Netzhaut  wird  dadurch  gleichmassig,  fester  als 
vorher,  an  die  Chorioidea  bezw.  Sklera  angepresst. 

Inwiefern  haben  sich  nun  die  Verhältnisse  geändeit,  w  enn 
die  Netzhaut  an  einer  Stelle  abgelöst  ist? 

Wir  haben  dann  ebenfalls  eine  mit  Flüssigkeit  gefüllte 
Kugel  vor  uns,  in  deren  Innerem  eine  dünne  Membran  flottiert, 
denn  unter,  d.  h.  ausserhalb  der  Netzhaut  ist  ja  kein  Hohl- 
raum,  sondern  ebenfalls  Flüssigkeit.  Wird  nun  der  Bulbus¬ 
druck  durch  den  Verband  erhöht,  so  steht  sowohl  die  präreti¬ 
nale  wie  die  subretinale  Flüssigkeit  unter  dem  erhöhten  Druck, 
und  zwar  unter  ganz  gleichem  Druck.  Auch  die  Netzhaut  steht 
von  beiden  Seiten  unter  dem  gleichen  erhöhten  Druck,  wie  sie 
vorher  unter  dem  von  beiden  Seiten  wirkenden  nicht  erhöhten 
Druck  gestanden  hat.  Es  ist  somit  eine  Aenderung  in  der  Lage 
der  Netzhaut  n  i  c  h  t  zu  erwarten.  Diese  wäre  nur  dann  zu  er¬ 
warten,  wenn  es  gelänge,  lediglich  den  Druck  im  Glaskörper¬ 
raum  zu  heben  und  nicht  auch  gleichzeitig  den  im  subretinalen 
Raum,  das  ist  aber  durch  den  auf  den  ganzen  Bulbusinhalt  wir¬ 
kenden  Druckverband  nicht  möglich. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  der  oben  gewählte  Vergleich  mit 
der  gefüllten  Hohlkugel  nicht  ganz  zutreffend.  Die  Flüssigkeit 
innerhalb  des  Augapfels  ist  nicht  in  sich  abgeschlossen,  sondern 
unterliegt  einem  beständigen,  durch  Zu-  und  Abflusswege  ge¬ 
regelten  Wechsel.  Es  wird  also,  sobald  durch  einen  von 
aussen  wirkenden  Druck  die  Spannung  im  Innern  erhöht  wird, 
die  eingeschlossene  Flüssigkeit  die  Tendenz  zu  vermehrtem 
Abfluss  haben  und  bei  anhaltendem  Druck  auch  abfliessen,  bis 
wieder  ein  normales  Verhältnis  zwischen  Wandspannung  und 
Flüssigkeitsmenge  hergestellt  ist.  Auch  wird  durch  Rückstau- 
ung  der  Zufluss  verringert  werden.  Kurz,  es  werden  sich  die 
Zirkulationsverhältnisse  dem  geringeren  Volumen  des  Bulbus 
anpassen.  Es  ist  nun  die  Hoffnung  durchaus  unbegründet,  dass 
von  der  intraokularen  Flüssigkeit  gerade  die  subretinale  den 
Bulbus  eher  verlassen  werde  als  die  präretinale,  d.  h.  die  des 
Glaskörperraums,  vielmehr  ist  zufolge  des  erwähnten  Gesetzes 
zu  erwarten,  dass  sämtliche  Abflusswege  des  Bulbus  sich  in 
annähernd  gleicher  Weise  dabei  beteiligen  werden,  da  ja  auf 
ihnen  allen  der  gleiche  Druck  ruht.  Was  nutzt  es  aber,  dass 
die  subretinale  Flüssigkeit  abnimmt,  wenn  die  des  Glaskörpers 

es  ebenfalls  tut?  ,  XT  .  i  .  u  • 

Es  liegen  also  für  die  Wiederanlegung  der  Netzhaut  bei 

länger  dauerndem  Druck  auf  den  Bulbus  die  Verhältnisse  eben¬ 
so  ungünstig  wie  bei  nur  momentan  einwirkendem. 

Man  könnte  nun  den  Druckverband  am  Auge  vielleicht  in 
Vergleich  setzen  mit  dem,  der  z.  B.  bei  Gelenksergüssen  mit 
Erfolg  angewendet  wird.  Das  ist  jedoch  nicht  zulässig,  da  dort 
die  Verhältnisse  ganz  anders  liegen,  indem  es  sich  dabei  darum 
handelt,  die  gesamte  Flüssigkeitsmenge,  die  in  dem,  physio¬ 
logisch  ja  nur  spaltförmigen,  Gelenkraum  sich  angesammelt 
hat,  herauszupressen  bezw.  deren  Neubildung  zu  verhindern. 
Hierzu  ist  der  Verband  durchaus  geeignet,  weil  er  (bei  öfterem 
Nachziehen)  in  der  Tat  einen  konstanten,  recht  erheblichen 
Druck  ausüben  kann  und  direkt  auf  die  Flüssigkeit  wirkt,  die 
entfernt  werden  soll.  Beim  Auge  jedoch,  wo  es  sich  um  Ein¬ 
wirkung  auf  einen  speziellen  Teil  der  intraokularen  Flüssigkeit 
handelt,  steht,  auch  wenn  ein  konstanter  Druck  erzielbar  wäre, 
eine  solche  Wirkung  aus  den  oben  auseinander  gesetzten  Giiin- 
den  nicht  zu  erwarten.  Gelänge  es,  beständig  einen  starken 
Druck  auf  dem  Bulbusinhalt  lasten  zu  lassen,  so  würde  mit  dem 
letzten  Tropfen  subretinaler  Flüssigkeit  wahrscheinlich  auch 
der  letzte  Rest  des  Glaskörpers  das  zu  eng  gewordene  Gehäuse 
verlassen. 

Ist  nun  nach  diesen  kurzen  theoretischen  Erörterungen  ein 
wohltätiger  Einfluss  des  Druckverbandes  auf  die  Ablösung 
ganz  unwahrscheinlich,  so  liegt  die  Erwägung  nahe,  ob  und  in¬ 
wieweit  etwa  nachteilige  Folgen  eintreten  können. 

M.  E.  liegt  in  den  Druckschwankunge  n,  denen  wir 
den  Bulbus  beim  Wechseln  und  Abnehmen  des  Verbandes 
unterwerfen  müssen,  eine  direkte  Gefahr.  Mag  das 
Wechseln  noch  so  vorsichtig  geschehen,  eines  steht  fest,  dass 
nach  Entfernen  eines  einige  Zeit  liegenden  wirklichen  Druck- 
verbandes  der  Bulbus  weich  ist.  Er  muss  es  sein,  da  nach  Auf¬ 
hören  des  Druckes  der  Bulbus  wieder  Kugelgestalt  und  damit 


ein  grösseres  Volumen  anzunehmen  bestrebt  ist  (vergl.  die  Ver¬ 
suche  W  e  s  s  e  1  y  s  [3]).  Erst  nach  und  nach  wird  sich  der 
Druck  wieder  dem  grösseren  Raume  anpassen;  es  muss  also 
eine  vermehrte  Flüssigkeitsabgabe  in  das  Innere  des  Bulbus 

erfolgen.  . 

Wir  können  nun  absolut  nicht  beurteilen,  woher  ein  Bul¬ 
bus,  in  welchem  die  Netzhaut  abgelöst  ist,  der  also  in  hohem 
Grade  im  Verdachte  stehen  muss,  anomale  Sekretionsverhält¬ 
nisse  zu  haben,  diese  Flüssigkeitsmenge  bezieht.  Ist  es  nicht 
ganz  naheliegend,  zu  vermuten,  dass  ebendieselbe  Quelle,  die 
so  geschäftig  war,  sich  unter  der  Netzhaut  ein  Absatzgebiet 
zu  suchen,  dass  eben  diese  nun  auch  die  fehlende  Flüssigkeit 
in  der  Hauptsache  spenden  werde?  Wenn  aber  auch  keine 
Neigung  zu  vermehrter  Abgabe  unter  die  Netzhaut  besteht,  so 
gilt  doch  nunmehr  die  Umkehr  unseres  Gesetzes:  Die  Ab¬ 
nahme  des  Druckes  wird,  ebenso  wie  anfänglich  die  Zu¬ 
nahme,  an  allen  Stellen  des  Inneren  die  gleiche  sein  und  so 
die  Handhabe  vermehrten  Affluxes  über  u  n  d  u  n  t  e  r  die  Netz¬ 


haut  bieten. 

Schädliche  Wirkungen  des  Druckverbandes  können  sich 
weiter  unter  Umständen  an  der  Hornhaut  zeigen,  wie  die  Er¬ 
fahrung  mehrfach  gelehrt  hat.  Die  Druckwirkung  auf  die  Lidei 
und  die  Haut  der  Augengegend  wird  dagegen  wohl  kaum 
ernstere  Folgen  haben,  durch  event.  Schmerzhaftigkeit  aber 
dem  Patienten  das  so  wie  so  unangenehme  Verfahren  erst  recht 

verleiden  können.  . 

Allen  noch  so  überzeugenden  Erwägungen  kann  der  Khm- 
'ker  nun  aber  unter  Umständen  entgegensetzen:  Ich  habe  aber 
doch  mit  dem  Druckverband  Erfolge  erzielt. 


Ich  möchte  es  sehr  bezweifeln,  dass  auch  nur  einer  dei- 
jenigen,  die  den  Druckverband  lieben,  einigermassen  sicher 
nachweisen  kann,  dass  es  wirklich  dieser  war,  der  im  ge¬ 
gebenen  Falle  geholfen  hat.  Wenn  selbst  U  h  t  h  o  f  f,  der  neuer¬ 
dings  wieder  besonders  denDruckverband  empfohlen  hat  [4],  in 
seiner  Statistik  anführt,  dass  50  Proz.  aller  geheilten  Ab¬ 
lösungen  solche  Fälle  betrafen,  die  gar  nicht  behandelt  wur¬ 
den  Q,  so  kann  man  nur  wenig  Vertrauen  in  die  Wirksamkeit 
der  Therapie  bei  den  übrigen  50  Proz.  setzen,  da  niemand  zu 
sagen  in  der  Lage  ist,  ob  nicht  auch  hiervon  eine  Anzahl  ohne 
Behandlung  geheilt  wäre,  wobei  auch  nicht  zu  entscheiden  ge¬ 
wesen  wäre,  ob  die  Spontanheilung  mehr  die  Fälle  betroffen 
hätte,  die  friedlich,  oder  diejenigen,  die  operativ  behandelt 

WUrden-  ,  ,T  ,  j  , 

Ausserdem  würde  über  den  Wert  oder  Unwert  des  Druck¬ 
verbandes  auf  dem  Wege  der  Statistik  nur  dann  zu  entscheiden 
sein,  wenn  er  einmal  in  einer  grösseren  Anzahl  von  Fällen  die 
einzige  therapeutische  Massnahme  bildete.  Das  ist  aber  wohl 
kaum  bisher  der  Fall  gewesen,  da  kein  Augenarzt  bei  der  rela¬ 
tiven  Hilflosigkeit  gegenüber  der  Netzhautablösung  sich  so 
leicht  auf  ein  einziges  Verfahren  beschränken  wird.  Die  beiden 
verbreitetsten  Hilfsmittel  des  Druckverbandes  sind  ja  die  Ruhe¬ 
lage  des  Patienten  und  die  Punktion  der  subretinalen  Flüssig¬ 
keit.  Es  soll  hier  nicht  näher  darauf  eingegangen  werden,  aber 
soviel  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  einerseits  nach  Entfernung 
der  pathologischen  Flüssigkeitsansammlung  die  Verhältnisse 
für  den  Druckverband  verschoben  sind  und  dass  andererseits 
durch  möglichste  Ausschaltung  von  Bewegungen,  namentlich 
der  des  Bulbus,  ein  Faktor  in  Wegfall  kommt,  der  wohl  ge¬ 
eignet  erscheinen  kann,  ungünstig  auf  die  Erkrankung  einzu- 

Ich  komme  also  zu  dem  Schluss,  dass  der  Druckverband 
aus  der  Therapie  der  Netzhautablösung  im  allgemeinen  zu 
streichen  ist,  da  für  seine  Anwendung  die  nötigen  theoretischen 
und  durch  die  Praxis  gewonnenen  Grundlagen  fehlen  und  eine 
crUiUHlirtip  Wirkung  nicht  auszuschliessen  ist. 


Literatur: 

1.  Ueber  mechanische  Behandlung  der  Netzhautablösung.  Zen¬ 
tralblatt  f.  d.  rned.  Wissenschaften  1875,  No.  49,  S.  833.  —  2.  Zentralbl. 
f.  prakt.  Augenheilkunde  von  Hirschberg,  1887,  S.T51.  —  3.  Be¬ 
richt  über  d.  33.  Vers.  d.  Heidelberger  ophtli.  Ges.  1906.  —  4.  Ueber 
die  Behandlung  .der  Netzhautablösung.  Nach  einem  in  Lissabon  1906 


i)  Uhthoff  sah  von  422  Fällen  36  dauernd  heilen  (8,5  Proz./. 
Hiervon  heilten  18  (d.  h.  die  Hälfte)  ohne  jede  Behandlung.  Die  Be¬ 
handlung  der  übrigen  18  war  in  10  Fällen  eine  friedliche  unc  in 
8  Fällen  eine  operative  gewesen. 


1736 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


gehaltenen  Referate.  Sammlung  zwangloser  Abhandlungen  aus  dem 
(iebiete  der  Augenheilkunde,  herausg.  v.  V  o  s  s  i  u  s,  VI.  Bd.,  H.  8. 
Halle  1907. 


Schwere  Hirnstörung  nach  Unterbindung  einer  A.  carotis 
communis  und  Vena  jugularis  int.  mit  Ausgang  in  völlige 

Heilung. 

Von  Dr.  E  min,  chirurgischem  Assistenten  am  Lehrkranken¬ 
hause  Gülhane  zu  Konstantinopel  (Chefarzt:  Prof.  Wieting). 


Die  Gefahren,  die  durch  Unterbindung  der  A.  carotis  com¬ 
munis  entstehen  können,  sind  hinreichend  bekannt.  Jordan 
rechnet  nach  den  ihm  vorliegenden  Statistiken  (im  Handbuch 
der  praktischen  Chirurgie)  in  einem  Drittel  aller  Fälle  auf  einen 
ungünstigen  Ausgang;  es  sind  dabei  aber  die  sehr  erheblichen 
Unterschiede,  die  Alter  der  Operierten,  Zustand  des  Zirkula¬ 
tionsapparates  und  Indikation  zur  Operation  bedingen,  wohl  in 
Erwägung  zu  ziehen.  Die  Unterbindung  der  Vena  jugul.  int. 
allein  hatte  in  91  Fällen,  welche  Rohrbach  zusammenstellte, 
nur  1  mal  einen  tödlichen  Ausgang  zur  Folge,  als  dessen  Grund 
sich  eine  Gefässanomalie  ergab;  7 mal  traten  leichte,  rasch 
vorübergehende  Störungen  auf  in  Form  von  Zyanose,  Oedem, 
Kopfschmerzen  und  Pupillenverengerung.  Unlängst  sind  2 
weitere  Beobachtungen  von  Linser  (Beitr.  z.  klin.  Chir., 
Bd.  28)  und  von  Kummer  (ref.  Zentralbl.  f.  Chir.  1899  und 
1901)  mitgeteilt,  die  beide  mit  dem  Tode  endeten  und  damit 
die  Harmlosigkeit  dieser  Operation  etwas  fragwürdig  erscheinen 
lassen.  Linser  hat  durch  genauere  anatomische  Unter¬ 
suchungen  festgestellt,  dass  jene  Anomalien  in  der  Ausbildung 
der  Vena  jugul.  int.  gar  nicht  so  selten  seien,  dass  das  eine 
For.  jugulare,  und  zwar  meistens  das  linke,  bedeutende  Ver¬ 
engerungen  aufweisen  kann.  Die  Todesursache  war  in  akutem 
Hirnödem,  venöser  Hyperämie  und  beginnender  Erweichung 
zu  suchen. 


In  meinem  unten  mitgeteilten  Falle  handelt  es  sich  um  die 
gleichzeitige  Unterbindung  der  Art.  carotis  communis  und  der 
Vena  jug.  int.;  die  plötzliche  Unterbindung  der  beiden  grossen 
Gefässe  stellt  jedenfalls  einen  gefährlicheren  Eingriff  dar,  als 
die  eines  derselben  allein. 


Die  häufigste  Indikation  zu  der  doppelten  Unterbindung 
resp.  Kontinuitätsunterbrechung  durch  Resektion  stellen  ma¬ 
ligne  Geschwülste  der  Halsgegend  dar;  dabei  muss  nicht  sel¬ 
ten  der  N.  vagus  fallen.  Da  die  Patienten  mit  malignen  Tu¬ 
moren,  wenigstens  mit  Karzinomen,  nicht  mehr  im  jugendlichen 
Alter  stehen  und  ihre  Gefässe  nicht  mehr  sehr  anpassungsfähig 
sind,  so  müsste  von  vornherein  jener  Eingriff  eine  durchaus 


ungünstige  Prognose  haben;  doch  fällt  der  Umstand  bisweilen 
günstig  ins  Gewicht,  dass  in  diesen  Fällen  die  langsam  wach¬ 
senden  Tumoren  langsam  die  Gefässe  komprimierten  und  da¬ 
durch  ein  langsamer  Ausgleich  der  Zirkulationsstörung  durch 
Kollateralbahnen  ermöglicht  ist.  Mir  stehen  2  (von  Prof. 

Wieting  operierte)  Fälle  zur  Verfügung,  die  beide  tödlich 
endeten. 

In  dem  ersten,  einen  40  jährigen  Mann  betreffenden  Falle  musste 
während  der  Exstirpation  eines  mächtigen,  in  das  Mediastinum 
reichenden  Rundzellensarkoms  die  Arterie,  die  Vene  und  der  Nerv 
reseziert  werden,  was  glatt  vor  sich  ging.  Am  Ende  der  Operation, 
als  Patient  schon  wieder  auf  Reize  reagierte  und  die  Wunde  ge¬ 
schlossen  werden  sollte,  wurde,  während  die  Tampons  aus  dem 
unteren  Wundwinkel  entfernt  wurden,  plötzlich  an  den  Venen  unter 
schlurrendem  Geräusch  Luftaspiration  bemerkt;  der  Puls  setzte  aus 
die  Herzdämpfung  verschwand  und  trotz  raschester  Freilegung  des 
Herzens  durch  Rippenresektion  und  direkter  manueller  Massage  trat 
der  I  od  ein,  ohne  dass  Kontraktionen  auszulösen  waren.  Ob  ein 
Absaugen  der  Luft  mit  Aspirationsspritze  Erfolg  gehabt  hätte,  bleibe 
dahingestellt. 

rr.  .  hi  dem  zweiten  Falle,  ausgedehnte  Karzinommetastasen  bei  einem 
60  jährigen  Mann,  mussten  ebenfalls  Arterie,  Vene  und  Nerv  geopfert 
werden,  es  trat  Koma  ein  und  nach  2  Tagen  Exitus:  die  Sektion 
musste  aus  ausseren  Gründen  unterbleiben. 


Es  wäre  von  Wichtigkeit,  eine  umfangreiche  Statistik  die¬ 
ser  Gefäss-  und  Nervendurchtrennungen,  die  ja  häufig  genug 
ausgeführt  werden,  zu  besitzen,  um  ihre  Gefahren  bei  opera¬ 
tiven  Massnahmen  besser  abschätzen  zu  können.  Freilich 
dürfte  selbst  eine  sehr  ungünstige  Statistik  gegebenen  Falles 
die  Radikalität  des  operativen  Vorgehens  gegen  maligne  Tn- 
moren  nicht  einschränken,  da  wir  über  das  Vorhandensein  eines 


genügenden  Kollateralkreislaufes  nicht  vorher  unterrichtet 
sind:  Wenn  auch  nur  wenige  Prozente  durch  die  radikale 
Operation  gerettet  werden  können,  bleibt  sie  gerechtfertigt. 

Die  Unterbindung  beider  Gefässe  wegen  Verletzung  — 
wenn  es  irgend  angeht,  hat  natürlich  an  die  Stelle  der  Unter¬ 
bindung  die  seitliche  oder  zirkuläre  Naht  zu  treten  —  ist  da¬ 
durch  so  gefährlich,  dass  die  Unterbrechung  der  Blutzu-  und 
-abfuhr  plötzlich  geschieht  und  an  den  Kollateralkreislauf 
plötzlich  hohe  Anforderungen  gestellt  werden.  Je  jünger  das 
Individuum  ist.  d.  h.  je  weniger  Neigung  zu  angiosklerotischen 
Veränderungen  an  den  Arterien  besteht,  desto  günstiger  wird 
die  Prognose.  Bei  meinem  Patienten  hat  das  jugendliche  Alter 
den  entscheidenden  Ausschlag  in  günstigem  Sinne  gegeben  und 
die  tiefe  Ernährungsstörung  des  Gehirns  schliesslich  doch  über¬ 
wunden. 

Es  dürfte  von  einigem  Interesse  sein,  zu  verfolgen,  in 
welcher  Weise  diese  Funktionsstörung  des  Gehirns  sich  ent¬ 
wickelte  und  wie  sie  im  Laufe  mehrerer  Monate  vollständig 
sich  ausglich. 

Der  12  Jahre  alte  Knabe  Mustafa  wurde  vor  4  Tagen  mit  einem 
Messer  in  die  linke  Halsseite  gestochen,  und  zwar  schräg  von  oben 
aussen  nach  unten  innen.  Das  Ohrläppchen  ist  in  dieser  Richtung 
durchschnitten  und  der  Einstich  in  den  Hals  sitzt  in  Form  einer  1  cm 
langen  Wunde  4  cm  unterhalb  des  Ohrläppchens,  am  vorderen  Rande 
des  Kopfnickers.  Die  Wunde  soll  zuerst  stark  geblutet  haben,  doch 
wurde  die  Blutung  durch  Kompressivverband  gestillt.  Bei  der  Auf¬ 
nahme  (5.  II.  06)  am  4.  Tage  nach  der  Verletzung  ist  die  Stichwunde 
verklebt,  aber  schmierigieitrig.  Nach  innen  von  ihr,  zwischen  Kopf¬ 
nicker,  Kehlkopf  und  Trachea,  nach  oben  bis  an  den  Unterkieferrand, 
nach  unten  bis  nahe  an  die  Klavikula  reichend,  sitzt  eine  grosse, 
pulsierende  Geschwulst,  die  Atem-  und  Schluckbeschwerden  ver¬ 
ursacht.  Der  Knabe  ist  blass  und  hat  Temperatursteigerungen  bis 
38,8  °. 

Da  eine  Ruptur  an  der  bläulich  durchscheinenden  Umgebung  der 
Wunde  droht  und  somit  der  Versuch  einer  temporären  Kompression 
zwecks  Herstellung  eines  besseren  Kollateralkreislaufes  nicht  rat¬ 
sam  erscheint,  soll  versucht  werden,  die  Car.  comm.  diesseits  des 
Aneurysma  temporär  abzuklemmen  und  sich  'dann  an  die  Verletzungs¬ 
stelle  heranzuarbeiten.  In  der  Tiefe  aber  reicht  der  Bluterguss 
zu  weit  nach  unten  und  der  Sack  zerreisst,  so  dass  es  zu  einer 
profusen  Blutung  kommt.  Trotz  digitaler  Kompression  der  Karotis 
blutet  es  stark  venös  weiter,  nach  rascher  Erweiterung  der  Wunde 
bleibt,  da  der  Puls  sehr  klein  wird  und  jeder  weitere  Blutverlust  zu 
vermeiden  ist,  nichts  anderes  übrig,  als  die  grosse  Höhle  mit  Jodo¬ 
formgaze  fest  zu  tamponieren  und  darüber  die  Haut  temporär  fest  zu 
vernähen.  Darnach  treten  nervöse  Störungen  nicht  ein.  Der  Urin 
ist  stets  frei  von  Zucker. 

Am  dritten  Tage  kompliziert  eine  schwere  Bronchopneumonie 
mit  41  0  bieber  den  Wundverlauf.  Die  Wunde  selbst  wird  eiterig.  Am 
achten  Tage  wird  zuerst  der  oberflächliche  Tampon  entfernt  und 
die  Wunde  ausgespült.  Nach  Entfernung  des  tiefen  Tampons  kommt 
es  wieder  zu  einer  profusen  Blutung.  Unter  fester  Tamponade  des 
oberen  Wundwinkels  wird  zuerst  die  Car.  comm.,  in  deren  vorderen 
Wandung  sich  eine  schmierige,  schräge  Wunde  von  5—6  mm  Länge 
findet,  abgeklemmt  und  dann  doppelt  unterbunden.  Es  blutet  aber 
aus  dem  oberen  Wundwinkel  profus  venös  weiter,  und  es  bleibt 
nichts  anderes  übrig,  als  die  Jugularis  int.  doppelt  abzuklemmen 
und  die  Klemmen  liegen  zu  lassen,  da  wegen  der  Wundeiterung  die 
Ligatur  nicht  zuverlässig  genug  erscheint. 

Der  Wundverlauf  selber  ist  nun  derart,  'dass  nach  Entfernung 
der  Klemmen  am  vierten  Tage  und  nachheriger  Tamponadebehand¬ 
lung  die  Wunde  sich  langsam  schliesst  und  schliesslich  gut  verheilt. 

Nachdem  anfangs  an  dem  kleinen  Patienten  besondere  Erschei¬ 
nungen,  ausser  der  Neigung  wieiter  zu  schlafen,  nach  der  Narkose 
nicht  bemerkt  wurden,  entwickelte  sich  in  der  Nacht  ein  schweres 
Krankheitsbild: 

12  Stunden  nach  der  Unterbindung  besteht  eine  vollkommen 
rechtsseitige,  schlaffe  Paralyse  des  rechten  Armes,  eine  hochgradige 
Parese  des  rechten  Beines  und  des  rechten  Fazialis.  Die  Reflexe 
fehlen  rechts  vollkommen,  die  Sensibilität  scheint  nicht  aufgehoben, 
denn  Patient  zieht  auf  Nadelstich  ganz  leicht  das  rechte  Bein  zurück 
und  es  prägt  sich  in  seinem  Gesicht  Schmerzempfindung  aus.  Die 
rechte  Pupille  ist  weit  und  reagiert  nicht  auf  Licht.  Die  Augen  sind 
dauernd  nach  links  gedreht,  doch  folgen  sie  dem  Finger  nach  rechts 
herüber.  Auf  Zuruf  öffnet  der  Patient  den  Mund.  Die  Sprache  fehlt, 
doch  lautes  Weinen  wird  vernommen.  Das  Schlucken  von  Milch  ist 
erschwert.  Stuhl  und  Urin  lässt  er  unter  sich.  Puls  120.  Nach 
weiteren  12  Stunden  hat  die  Somnolenz  noch  zugenommen,  der  Pa¬ 
tient  öffnet  nicht  mehr  auf  Zuruf  den  Mund.  Nadelstiche  in  beiden 
Extremitäten  werden  mit  Verziehen  des  Gesichtes  beantwortet.  Am 
dritten  Tage  kehrt  der  Knie-  und  der  Kremasterreflex  ein  wenig  zu¬ 
rück.  Links  ist  er  entschieden  gesteigert.  Auch  der  Bauchdecken¬ 
reflex  ist  links  stärker  wie  rechts.  Die  Somnolenz  bleibt  8  Tage 
lang  ziemlich  gleichmässig  bestehen,  auch  weint  der  Kleine  nicht 
mehr.  Am  achten  Tage  sind  die  Reflexe  beiderseits  gleichmässig. 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1737 


nicht  gesteigert.  Das  rechte  Bein  wird  zur  Abwehr  stäiker  zuiiick- 
gezogen  wie  früher,  doch  besteht  die  Lähmung  des  Fazialis  und  des 
Armes,  die  Erweiterung  der  Pupille  und  die  Aphasie  fort. 

Am  15.  Tage  sind  die  Pupillen  gleich,  doch  kehrt  nach  weiteren 
2  Tagen  die  Dilatation  plötzlich  zurück,  um  dann  ganz  langsam  bis 
zum  35.  Tage  sich  auszugleichen.  Vom  20.  l  äge  an  kehrt  langsam 
die  Erkenntnis  der  Aussenwelt  zurück;  bis  dahin  erkannte  er  mit 
offenen  Augen  selbst  seinen  Vater  nicht.  Da  im  Laufe  der  ersten 
2  Wochen  das  Schlucken  nicht  ausgeführt  wurde  aus  Mangel  an 
Verständnis  für  den  Akt,  musste  er  mit  der  Sonde  genährt  werden. 
Die  Bewegungsfähigkeit  des  rechten  Beines  bessert  sich  immer  mehr. 

Am  40.  Tage  wird  die  erste  Bewegung  im  rechten  Arm  bemerkt, 
und  5  Tage  später  kann  er  ihn  schon  bis  zum  Kopf  erheben.  Jetzt 
ist  auch  das  Verständnis  für  die  Umgebung  heller  geworden;  er  ver¬ 
steht  was  man  zu  ihm  sagt,  ohne  zu  antworten,  ohne  zu  lachen  od 
fönst  Töne  von  sich  zu  geben.  Am  Ende  des  2.  Monats  kann  e 
schon  mit  wenig  Schwierigkeiten  gehen;  nur  die  Bewegungen  d 
Finger  sind  noch  sehr  mühsam  und  ungeschickt;  der  Fazialis  noch 
leicht  paretisch.  In  diesem  Zustande  verlässt  der  Kranke  da 

H°SPAm  8.  IV.  läuft  die  Nachricht  ein,  dass  auch  die  Sprache  langsam 
wiederkehrt.  Am  15.  X.  stellt  Patient  sich  selbst,  vollkommen  gesund, 
im  Vollbesitz  seiner  Sprache,  wieder  vor. 

Ueber  die  Verwendung  des  Seidenpapiers  in  der 
Krankenpflege  bei  ansteckenden  Krankheiten. 

Von  Kreisarzt  Dr.  Hillenberg  in  Springe. 

Mit  den  folgenden  Zeilen  wollte  ich  mir  gestatten,  auf  einen  Punkt 
in  der  Krankenpflege  aufmerksam  zu  machen,  der  meiner  Ueber- 
zeugung  nach  notwendig  einer  Aenderung  bedarf,  das  ist  auf  den 
Gebrauch  von  Zeugtaschentüchern  und  -Servietten  seitens  solcher 
und  bei  solchen  Personen,  welche  an  ansteckenden  Krankheiten 
leiden  Wer  nur  einen  Augenblick  darüber  nachdenkt,  welch  mfek 
tiöses'  Material  namentlich  den  Taschentüchern  bei  einer  Anzahl  von 
Infektionskrankheiten  überliefert  wird,  wie  wenig  vorsichtig  m  der 
Familie  aber  auch  in  manchen  Krankenhäusern  mit  derartigen 
Tüchern  umgegangen  wird,  der  wird  mir  ohne  weiteres  zugeben,  dass 
wir  in  diesem  Punkte  hinter  den  Anforderungen  der  Hygiene  noch 
recht  weit  Zurückbleiben.  Ich  denke  hierbei  z.  B.  an  die  T  aschentucher 
der  bettlägerigen  Tuberkulösen,  die  nach  jedesmaligem 
unter  das  Kopfkissen  gesteckt  werden  und  hier  Gelegenheit  haben 
dieses  mit  Bazillen  zu  infizieren,  welche  beim  Autmachen  des  Bettes 
in  die  Umgebung  verstäubt  werden.  Aber  auch  bei  Scharlach,  Diph 
therie,  Influenza,  Genickstarre  wird  das  Taschentuch  immer  wieder 
zur  Reinigung  von  Mund,  Nase  und  Gesicht  benutzt  und  irgendwo 
in  der  Nähe  deponiert,  bis  es  nach  kürzerer  oder  langeier  Zeit  ent¬ 
weder  bestenfalls  in  einem  Lysoleimer  oder  in  einem  Winkel  des 
Hauses  strandet,  der  zur  Aufnahme  der  schmutzigen  Wasche  dient. 

Wie  manches  Mal  ferner  erlebt  der  Arzt  in  der  Praxis  bei  emlachen 
Leuten,  dass  die  Mutter  einem  keuchhustenkranken  Kind  den  zähen 
Schleim  vom  Munde  mit  einem  Tuche  entfernt,  welches  sie  aus  ihrer 
Tasche  gezogen  und  wieder  in  dieselbe  zurückbefordert,  um  bald 
darauf  einem  gesunden  Sprössling  damit  die  Nase  zu  putzen.  Ich  habe 
es  wiederholt  gesehen,  wie  Kindern,  die  an  schwerer  Nasendiphtherie 
litten,  das  eitrige  Sekret  mit  einem  Taschentuch  entfernt  wurde,  das 
dann  die  Mutter  auf  die  Fensterbank  legte,  ohne  dass  die  Garantie 
bestand,  dass  sich  nicht  ein  anderes  Familienmitglied  sogleich  seinei 
bediente.  Ja,  manchmal  wird  überhaupt  kein  I  uch  benutzt  zui  1  e- 
seitigung  des  zähen,  an  den  Lippen  haftenden  Schleimes,  sondern 
dieser  wird  z.  B.  seitens  eines  Pneumoniekranken  direkt  mit  den 
Fingern  vom  Munde  entfernt,  wenn  er  sich  nicht  durch  Husten,  z.B.  bei 
alten  Leuten,  in  das  Spuckgefäss  hineinbefördern  lasst.  Darf  ich 
schliesslich  an  die  zahlreichen  Taschentücher  erinnern,  die  eine  recht 
häufige,  aber  glücklicherweise  harmlose  Krankheit  erfordert,  dei 
Schnupfen!  Die  während  seiner  Dauer  benutzten  Tücher  sind  vom 
hygienisch-ästhetischen  Standpunkte  nicht  immer  so  einwandfrei,  wie 
gefordert  werden  müsste. 

Ich  glaube,  dass  mir  jeder  Arzt  ohne  weiteres  zugeben  wird, 
dass  die  Zahl  der  Möglichkeiten,  durch  infizierte  Taschentücher  eine 
ansteckende  Krankheit  auf  die  verschiedensten  Personen  direkt  oder 
indirekt  zu  übertragen,  eine  recht  mannigfache  ist,  und  es  lst  wohl 
mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  manche  Infektion  auf  diesem  Wege 
ihre  Verbreitung  gefunden  hat.  Dieser  Weg  kann  aber  absolut  sicher 
eliminiert  werden,  wenn  der  behandelnde  Arzt  in  jedem  entsprechen¬ 
den  Krankheitsfalle  bei  den  Angehörigen  darauf  dringt,  von  dem 
Gebrauch  eines  Taschentuches  bei  dem  Kinken  ganz  abzusehen  und 
statt  seiner  sich  ausschliesslich  des  Seide  npapiei  es  zu 
bedienen.  Darf  ich  kurz  folgendes  Bild  skizzieren:  Im  Kranken¬ 
zimmer  steht  neben  dem  Bett  auf  einem  I  ischchen  ein  einfaches  Bast¬ 
körbchen,  das  angefüllt  ist  mit  Seidenpapierblättchen,  welche  die 
Mutter  oder  die  Pflegerin  aus  einer  Anzahl  Bogen  Seidenpapier,  das 
für  wenige  Groschen  erstanden  wird,  in  der  Grösse  von  20:  14  cm 
etwa  (Grösse  eines  Achtelbogens)  zurecht  geschnitten  hat.  M  e  hre  re 
Blättchen,  3  bis  5,  werden  zu  gleicher  Zeit  ergriffen,  Mund, 
Nase,  Finger  oder  was  nötig  ist,  gereinigt  und  die  Bäuschchen  im 
Winter  sofort  in  den  Ofen  oder,  wie  auch  im  Sommer,  in  einen  am 


Bett  stehenden  Eimer  geworfen,  der  Lysollösung  enthält  und  von 
Zeit  zu  Zeit  in  das  Klosett  hinein  entleert  wird.  Es  findet  keine 
Beschmutzung  der  Finger  des  Kranken  oder  der  Pflegerin  statt, 
es  braucht  nicht  gewaschen  zu  werden,  und  ist  somit  die  Möglichkeit 
so  gut  wie  ausgeschlossen,  dass  sich  Wäscherinnen  infizieren,  und 
die  Hygiene,  ja  auch  die  Aesthetik  ist  gewahrt.  Gibt  es  etwas 
gesünderes,  einfacheres,  zweckmässigeres?  Ich  rede  nicht  aus 
Theorie,  sondern  aus  praktischer  Erfahrung,  und  ich  wünschte  nur, 
ich  könnte  die  aufrichtige  Dankbarkeit  so  mancher  Mutter  zu  Papier 
bringen,  die  dieses  einfache  Verfahren  kennen  gelernt  hat.  Der  Arzt 
soll  sich  nur  nicht  die  kleine  Mühe  verdriessen  lassen,  wenn  ei  bei 
seinem  nächsten  Besuch  das  Papier  vorfindet,  dasselbe  höchsteigen¬ 
händig  sauber  und  ordnungsmässig  zu  zerschneiden,  dem  Kranken 
hinzulegen  und  seine  Verwendung  zu  demonstrieren.  Welche  Be¬ 
deutung  die  Benutzung  des  Seidenpapieres  bei  Tuberkulösen 
besitzt,  darauf  mit  einigen  kurzen  Worten  hinzuweisen,  sei  mir  noch 
gestattet.  Ich  wurde  jüngst  zu  einer  jungen  fieberndem  tuberkulösen 
Frau  gerufen,  die  dem  Arbeiterkreise  angehörte.  Nach  einigen  ein¬ 
leitenden  Fragen  hinsichtlich  des  Befindens  erkundigte  ich  mich,  wo¬ 
hin  sie  ihren  Auswurf  entleere.  Die  Frau  lag  in  Kleidern  in  der  Wohn¬ 
stube  auf  dem  Sofa  und  hatte  um  sich  herum  —  sie  hatte  Schüttel¬ 
frost  —  eine  Anzahl  von  Kleidungsstücken  ihrer  Angehörigen  ge¬ 
stopft,  um  warm  zu  werden.  Sie  fing  nun  an,  zwischen  diesen  Sachen 
zu  wühlen,  und  holte  schliesslich  ein  zusammengeballtes  „Tischtuch 
hervor,  das  über  und  über  von  angetrockneten  grau-gelblichen 
Borken  starrte.  Dieses  Tuch  benützte  sie  seit  Wochen  (!)  zur  Unter¬ 
bringung  ihres  Auswurfes.  Ich  empfahl  sofort  für  einige  Groschen 
Seidenpapier  holen  zu  lassen,  schnitt  am  nächsten  1  age  dasselbe  zu¬ 
recht,  Hess  einen  Eimer  mit  Lysollösung  für  die  benutzten  Blättchen 
an  das  Lager  stellen,  und  die  Frau  war  mir  über  alles  dankbar.  — 
Wie  in  diesem,  so  wird  in  jedem  Falle  von  Lungentuberkulose, 
selbst  da,  wo  Spuckfläschchen  zur  Aufnahme  des  Sputums  gebraucht 
werden,  zum  nachfolgenden  Reinigen  des  Mundes  am  zweckmassig- 
sten  Seidenpapier  benutzt.  Dieses  kann  auch  untei  w  e  g  s  die 
Spuckfläschchen  vollständig  für  denjenigen  ersetzen,  dem  es  un¬ 
sympathisch  ist,  erstere  zu  gebrauchen,  wenn  er  sich  eine  desinfizier- 
bare,  abknöpfbare  Tasche  aus  wasserdichtem  Stoff  in  seiner  Kleidung 
zur  Aufnahme  der  gebrauchten  Papierblättchen  anbringen  lasst. 
Damen  könnten  auch  desinfizierbare  Handtäschchen  zu  ihrei  Untei - 

bringung  verwenden.  ,  .  ,  ,  .  .  ,  .  , 

Ich  weiss  ja,  dass  es  nicht  so  ganz  leicht  sein  wird,  in  der 
Familie  die  Verdrängung  des  Zeugtaschentuches  durch  Seidenpapier 
—  wohlgemerkt  spreche  ich  nicht  von  Seidenpapiertaschentüchern, 
wie  sie  von  Japan  auch  zu  uns  gekommen  sind;  diese  düiften  wohl 
kaum  populär  werden  —  zu  erreichen.  Vielen  wird  die  Angelegenheit 
eine  zu  grosse  Bagatelle  dünken,  als  dass  sie  sich  ernstlich  bemühen 
sollten,  derselben  ihr  Interesse  zu  schenken.  Anderen  wird  es  zu 
schwer  fallen,  von  dem  alt  Gewohnten  zu  lassen.  Nach  meiner  An¬ 
sicht  sollte  jedoch  jeder  Arzt  aus  hygienischen  und  ästhetischen 
Gründen  der  kleinen  Angelegenheit  seine  Beachtung  zuteil  werden 
lassen  und,  wenn  er  sich  von  ihrem  Nutzen  überzeugt,  sich  bemühen, 
ihre  praktische  Durchführung  in  der  Familie  zu  ermöglichen.  Auch 
die  Tuberkulosefürsorgestellen  könnten  sich  der  Angelegenheit  zweck¬ 
mässig  annehmen  und  neben  der  Lieferung  von  Spuckfläschchen  auch 
dafür  Sorge  tragen,  dass  jeder  Tuberkulöse  statt  des  1  aschentuches 
nur  Seidenpapier  benutzt,  das  womöglich  in  jedem  Falle  anfänglich 
von  den  Fürsorgestellen  zu  liefern  wäre,  bis  der  Kranke  seinen  Nutzen 
einsehen  gelernt  hat  und  es  sich  dann  selbst  beschafft. 

Wesentlich  einfacher  gestaltet  sich  die  Sache  für  öffentliche  An¬ 
stalten;  hier  stehen  ihrer  Durchführung  besondere  Schranken  nicht 
entgegen,  und  es  ist  daher  dringend  zu  fordern,  dass  die  Zeugtaschen¬ 
tücher  aus  allen  Krankenhäusern,  Sanatorien,  Lazaretten  usw.  voll¬ 
ständig  verschwinden;  sie  können  voll  und  ganz  durch  Seidenpapier 
ersetzt  werden.  Den  Forderungen  der  Hygiene  kann  durch  sie  allem 
am  besten  entsprochen  werden;  dabei  ist  ein  Vorzug  nicht  zu  ver¬ 
gessen:  ihre  Billigkeit.  Es  müssten  an  jedem  Krankentischchen 
seitlich  eine  hinreichend  grosse  Menge  besagten  Papiers,  aut  Drait 
gezogen,  hängen,  das  den  Kranken  zur  beliebigen  Verwendung  zui 
Verfügung  steht.  Diese  würden  sich  sehr  bald  an  die  Aenderung 
gewöhnen,  ihre  Zweckmässigkeit  einsehen  und  in  die  Familie  mit- 
zurücknehmen 

Was  von  den  Taschentüchern  gesagt  ist,  gilt  auch  von  den 
Servietten,  soweit  solche  von  Kranken,  die  mit  ansteckenden 
Krankheiten  behaftet  sind,  benutzt  werden.  In  erster  Lime  kommen 
hier  wieder  Tuberkulöse  in  Betracht,  sodann  alle  sonstigen  an¬ 
steckenden  Kranke,  .auch  solche,  die  an  einer  übertragbaren  Haut¬ 
krankheit  an  Händen  oder  im  Gesicht  leiden.  Man  verwendet  hier 
die  Seidenpapierblättchen  in  derselben  Grösse,  wie  sie  als  Lrsatz  der 
Taschentücher  angegeben  sind.  —  Beiläufig  möchte  ich  noch  anfugen, 
dass  erstere  nicht  nur  bei  Kranken  als  Servietten  sehr  nützlich  sind, 
sondern  dass  sie  in  jeder  Familie  auf  jedem  Lisch  stets  zu  finden 
sein  sollten.  Zum  schnellen  Reinigen  von  Fingern  usw.  sind  sie  durcn 
nichts  zu  ersetzen;  die  manchmal  recht  wenig  emwandfreien  Zeug¬ 
servietten,  namentlich  von  Kindern,  werden  durch  sie  im  Intuess 
der  Reinlichkeit  wesentlich  entlastet,  und  ich  bin  fest  uberzeugt,  dass 
derjenige,  der  sie  einmal  bei  Tisch  gebraucht  hat,  sie  nicht 

wieder  wird  missen  wollen.  ,  ,  „  ,. 

In  der  Krankenpflege  vermag  jedenfalls  die  Verwendung  des 
Seidenpapiers,  das  fast  wertlos  und  zu  jeder  Zeit  in  jeder  beliebigen 


1738 


MUENÜHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Menge  zu  beschaffen  ist,  von  ausserordentlichem  Nutzen  überall  dort 
zu  sein,  wo  es  sich  darum  handelt,  einen  der  Wege,  auf  dem  eine 
ansteckende  Krankheit  verschleppt  werden  kann,  auf  einfache  Weise 
/u  beseitigen.  Dieser  Weg  dürfte  bislang  kaum  überall  genügende 
Beachtung  gefunden  haben;  die  Tatsache  jedoch,  dass  er  gelegentlich 
in  Betracht  kommen  kann,  was  wohl  nicht  zu  leugnen  ist,  muss  uns 
auch  daran  denken  lassen,  ihn  nach  Kräften  auszuschalten;  eine  An¬ 
regung  hierzu  möchten  die  vorstehenden  Zeilen  geben. 


Kasuistischer  Beitrag  zu  den  Oberschenkelluxationen. 

Von  Dr.  M.  Karehnke,  prakt.  Arzt  in  Alpirsbach,  Württem¬ 
berg. 


Die  Seltenheit  der  Luxationen  des  Oberschenkelknochens  lässt 
die  Veröffentlichung  jedes  Falles  gerechtfertigt  erscheinen. 

Einem  im  Jahre  1904  (Münch,  med.  Wochenschr.  No.  39)  be¬ 
kannt  gegebenen  Falle  von  Luxatio  femoris  nach  vorn  kann  ich 
heute  einen  solchen  von  Luxation  des  Femur  nach  hinten  hinzufügen. 

Am  18.  VII.  07  zu  dem  13  Jahre  alten  Schulknaben  W.  O.  gerufen, 
erhob  ich  folgende  Anamnese:  Patient  war  mit  Kirschenpflücken  be¬ 
schäftigt  gewesen  und  hatte  sich  zu  'diesem  Zwecke  bis  in  den  Gipfel 
des  Baumes  begeben.  Der  ihn  tragende  Ast  brach  .ab,  Patient  fiel 
7  m  hoch  vom  Baum  herunter,  überschlug  sich,  kam  aber  auf  die 
Füsse  zu  Fall,  brach  zusammen  und  musste  nach  Hause  getragen 
werden. 

Etwa  lVz  Stunde  nach  der  Verletzung  sah  ich  den  Kranken; 
derselbe  klagte  in  seinem  linken  Bein  über  starke  Schmerzen  und 
über  die  Unfähigkeit,  dasselbe  zu  strecken. 

Der  objektive  Befund,  welcher  sich  erst  in  Aethernarkose  voll¬ 
ständig  erheben  Hess,  war  folgender: 

Ziemlich  kräftiger  Junge  mit  schmerzhaftem  Gesichtsausdruck. 
Das  linke  Bein  steht  einwärts  gerollt,  adduziert,  gebeugt  und  ver¬ 
kürzt,  so  dass  der  Fuss  dieser  Extremität  oberhalb  des  gesunden 
steht. 


Bei  rechtwinkeliger  Beugung  beider  unteren  Extremitäten  im 
Kniegelenke  steht  das  Knie  des  kranken  Beines  deutlich  tiefer  als  das 
des  rechten  Beines. 

Der  Nachweis  des  Femurkopfes  an  seiner  abnormen  Stelle  unter 
der  massigen  Glutäalmuskulatur  gelang  erst  in  der  Narkose. 

Die  Diagnose  lautete:  Luxatio  femor.  sin.  ischiadica. 

Aktive  Bewegungen  waren  völlig  aufgehoben.  Passiv  konnte 
unter  starken  Schmerzäusserungen  des  Patienten  eine  geringe  Stei¬ 
gerung  der  perversen  Stellung  im  Sinne  von  Adduktion  und  Einwärts¬ 
rotation  erzeugt  werden. 

^Cr  \  wurde  auf  den  Erdboden  gelegt  (auf  eine 

Matratze);  in  Adduktionsstellung  wurde  an  dem  kranken  Beine  kräf¬ 
tig  gezogen,  während  die  Assistenz  den  Kranken  unter  den  Armen 
fixierte  und  dann  nach  innen  rotiert.  Unter  lautem  Schnappen  er¬ 
folgte  das  Zurückgehen  des  Femurkopfes  in  die  Pfanne  und  das  Ge¬ 
lenk  war  wieder  aktiv  und  passiv  frei  beweglich. 

Der  angewandte  Aetherrausch  (Verbrauch  40  g),  wie  ,ihn  Kütt- 
ner  für  kurzdauernde  Eingriffe  in  Tübingen  seinerzeit  den  zum  Fort¬ 
bildungskurs  versammelten  Aerzten  warm  empfahl,  bewährte  sich 
auch  in  diesem  Falle  vorzüglich. 


Aus  der  Klinik  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  der  städt 
Krankenanstalten  Düsseldorf  (Direktor;  Dr.  Carl  Stern). 

Zur  Tiefenwirkung  des  Quarzlampenlichtes. 

Von  Dr.  Emil  Hesse,  Oberarzt  an  der  Abteilung. 


Wich  mann  berichtet  in  No.  28  dieser  Wochenschrift  über  die 
»efenwH-kung  des  Lichtes  der  Quarzlampe  und  des  Finsenapparates 
auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen  an  Kaninchenohren.  Er 
kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  das  Licht  der  Quarzlampe 
we  n  n  e  l  n  I  eil  des  Ultravioletts  durch  Blaufärbung 
de  sK  u  h  .  w  a  ss  e  r  s  ausgeschaltet  wird,  in  derselben 
iefe,ein,e  stärkere  photochemische  Lichte  ntzün- 
d  un  g  her  b  e  i  f  u  h  r  t  als  das  Finsenlicht.  Wir  haben  be- 
icits  voi  längerer  Zeit  die  Frage  der  Tiefenwirkung  beider  Licht¬ 
quellen  experimentell  und  klinisch  geprüft  und  werden  demnächst  an 
anderer  Stelle  darüber  ausführlich  berichten.  Hier  sei  nur  erwähnt 
dass  die  damals  angestellten  ähnlichen  Versuche  zu  einem  wesentlich 
anderen  Resultate  führten,  wenigstens  was  das  Quarzblaulicht  angeht. 
,  °  ?' 1  11  Jc  1  ^er  Veröffentlichung  der  Wichmann sehen  Unter¬ 
suchungen  nahm  ich  daher  die  Versuche  wieder  auf  und  zwar  in 
der  von  diesem  Autor  angegebenen  Weise.  Ich  presste  die  Innenseite 
eines  rasierten  entfetteten  Kaninchenohres  (Albino,  6  Wochen  alt) 
ru.  n  heilster  der  durch  Methylenblaulösung  1:10  000  ge¬ 
kühlten  Quarzlampe,  220  Volt,  gegen  die  Wade  eines  10  jährigen 
Knaben  und  bestrahlte  unter  ständigem  Druck  35  Minuten  lang.  Das 
gleiche  wurde  dann  mit  der  Drucklinse  (plankonvex)  und  dem  Ori- 
gmal-Finsen-Reyn- Apparat  durch  Aufpressen  des  anderen  Ohres  auf 
die  entsprechende  Stelle  des  anderen  Beines  wiederholt.  In  beiden 
Versuchen,  die  ohne  jegliche  Störung  (Kühlung,  Druck)  verliefen,  trat 
keinerlei  Lichtreaktion  auf  der  menschlichen  Haut  auf.  Auf  den  Ohren 
kam  es  zu  der  dem  Quarzlampenlicht  eigenen  starken  oberflächlichen 


Reizung,  bei  dem  Finsenlicht  zu  dem  bekannten  entzündlichen  Oedem 
mit  äusserst  geringer  Oberflächenschädigung. 

Wichmann  fand  bei  seinem  entsprechenden  Versuche  am 
menschlichen  Vorderarm  „eine  im  Verlaufe  weniger  Stunden  ein¬ 
setzende  mässige  typische  spezifische  Lichtentzündung,  die  tagelang 
anhielt“,  und  beim  Finsenlicht  eine  „im  Vergleich  zur  obigen  sehr 
geringe  spezifische  Lichtentzündung“.  Ausserdem  entwickelte  sich 
in  der  Mitte  der  belichteten  Zone  eine  kleinerbsengrosse  Brandblase, 
nachdem  daselbst  die  Haut  von  Anfang  an  lebhaft  gerötet  war;  es 
wurde  an  dieser  Stelle  über  lebhaftes  Hitzegefühl  während  der  letzten 
10  Minuten  der  Belichtung  geklagt.  Diese  letzte  Erscheinung  ist  um  so 
auffallender,  als  bei  den  gewöhnlichen,  doppelt  so  lange  dauernden 
Finsenbestrahlungen  eine  Brennwirkung  nur  dann  auftritt,  wenn  das 
Druckglas  nicht  gut  angedrückt  oder  ein  .anderer  Fehler  in  der  Technik 
vorliegt.  Ich  wiederholte  nun  den  Versuch  nochmals  mit  peinlichster 
Befolgung  der  technischen  Vorschriften  an  meinem  eigenen,  sonst  auf 
Licht  sehr  leicht  reagierenden  Vorderarm  (Volarseite).  Aber  .auch 
dieses  Mal  ohne  Erfolg.  Weder  konnte  ich  ein  Hitzegefühl  während 
oder  direkt  nach  der  Bestrahlung  wahrnehmen,  noch  trat  irgend¬ 
welche  spezifische  Lichtentzündung  auf.  Ka¬ 
ninchenohr,  wiebestrahlteHautstelle  fühlten  sich  nach 
Absetzen  des  Quarzfensters  bezw.  der  Drucklinse  vollständig 
kalt  an. 

Diese  Resultate  stehen  übrigens  .auch  ganz  im  Einklänge  mit 
den  Untersuchungen  Zielers1).  Zieler  prüfte  die  Einwirkung 
des  Finsenlichtes  auf  die  Haut  auch  an  Kaninchenohren,  die  er  mit 
der  Drucklinse  fest  gegen  den  Oberkörper  des  Tieres  presste  und 
dann  75  Minuten  lang  bestrahlte.  Trotz  dieser  mehr  wie  das  Dop¬ 
pelte  betragenden  Bestrahlungsdauer  sagt  er:  „Veränderungen  an  der 
Haut  des  Rückens,  auf  der  die  bestrahlte  Stelle  angedrückt  war, 
habe  ich  nie  beobachtet.  Das  scheint  mir  auch  dagegen  zu  sprechen, 
dass  in  der  Tiefe  der  Gewebe  eine  Wärmewirkung  zustande  käme! 
die  an  der  Oberfläche  durch  die  Kontaktkühlung  verhindert  wird.“' 

Die  Ansicht  Wichmanns,  dass  „die  starke  Lichtentzündung, 
die  das  kurzwellige  Ultraviolett  an  der  Oberfläche  hervorruft,  viel¬ 
leicht  die  Passage  der  tiefergehenden  Strahlen  verhindert“,  ist  wohl 
theoretisch  ebenso  anfechtbar,  wie  sie  praktisch  nicht  erwiesen  ist. 
Der  mitgeteilte  Pall  von  geheiltem  chronischen  Ekzem  durch  Quarz- 
hchtbestrahlung  mit  Anwendung  von  einem  Lichtfilter  nach  erfolgloser 
Quarzweisslichtbehandlung  dürfte  sich  auch  anders  erklären  lassen 
Aus  den  Untersuchungen  von  Hans  Jansen2)  im  Finsen  sehen 
Lichtinstitut  geht  vielmehr  hervor,  dass  das  Vorhandensein  der 
äusseren  ultravioletten  Strahlen  bei  Einwirkung  des  Lichtes  wenig¬ 
stens  auf  Bakterien  nach  Durchtritt  durch  0,8  mm  dicke  Haut  keinerlei 
Einfluss  auf  die  Tötungszeit  hat  (Versuch  No.  45).  Jansen  be¬ 
strahlte  Prodigiosuskulturen  durch  Quarzfilter  und  Glasfilter  (Glas  lässt 
die  äusseren  ultravioletten  Strahlen  nicht  passieren);  hätte  die  An¬ 
wesenheit  der  kurzwelligen  Strahlen  bei  dem  Versuch  mit  dem  Quarz- 
filter  den  tiefer  wirkenden  Strahlen  die  Passage  durch  die  zwischen 
Lichtquelle  und  Bakterien  ausgespannte  0,8  mm  dicke  menschliche 
Haut  erschwert,  so  würde  die  Abtötung  der  Kulturen  nicht  in  derselben 
Zeit  ei  folgt  sein.  Dass  schliesslich  die  bei  der  lebenden  Haut  nach 
einigen  Stunden  einsetzende  oberflächliche  Reizung  (Lichterythem) 
den  gleichzeitig  mit  den  kurzwelligen  Strahlen  einwirkenden  tiefer¬ 
wirkenden  die  Passage  erschweren  sollte,  ist  billigerweise  nicht  an¬ 
zunehmen. 

Gei  ade  diese  starke  Oberflächenreizung,  die  auch  bei  Anwendung 
des  Blaufilters  noch  viel  stärker  ist,  als  die  nach  Finsenbestrahlungen, 
ist  uns  ein  zweiter  Beweis  dafür,  dass  die  Quarzlampe  (ganz  abge¬ 
sehen  von  ihren  sonstigen  Vorzügen)  nicht  „dem  Finsenapparate  in 
jedei  Beziehung  vorzuziehen  ist“,  wenn  anders  wir  die  bequeme 
Handhabung  der  Lampe  nicht  durch  die  Unsicherheit  und  Schmerz¬ 
haftigkeit  der  Behandlung  erkaufen  wollen. 

Die  ausführliche  Mitteilung  unserer  diesbezüglichen  Versuche 
und  Erfahrungen  erfolgt  in  der  Dermatologischen  Zeitschrift 3),  worauf 
ich  verweise. 


Eine  neue  Milchpumpe. 

In  seiner  Arbeit  „Ueber  die  Behandlung  der  angeborenen  Le¬ 
bensschwäche“  unterzieht  Herr  Prof.  Pfaundler  auch  die  von  mir 
angegebene *  *)  Milchpumpe  einer  Besprechung,  die  ich  nicht  un¬ 
erwidert  lassen  möchte. 

Herr  Prof.  Pfaundler  hält  mein  Modell  weder  für  nötig, 
noch  für  zweckimässig.  Die  Gründe  aber,  die  ihn  zu  diesem  Urteile 
veranlassen,  kann  ich  als  stichhaltig  deshalb  nicht  anerkennen,  weil 
aus  dem  Aufsatze  hervorzugehen  scheint,  dass  Herr  Prof.  Pfau  nd  - 
ler  die  Pumpe  überhaupt  nicht  kennt,  und,  wenn  dies  der  Fall,  die 
Abbildung  der  Pumpe  (nebst  Text)  missverstanden  hat.  Wenn  die 
Milch  nach  Herrn  Prof.  Pfaundler  bei  meinem  Modell  „aus  dem 
Rezipienten  durch  eine  mit  Gummistopfen  verschlossene  Ocffuung 
direkt“  entleert  werden  soll,  so  bedauere  ich  lebhaft,  Herrn  Prof. 


G  Ueber  die  Wirkung  des  Finsenlichtes  auf  die  normale  Haut 
Dermatol.  Zeitschr.,  Bd.  XIII. 

G  Mitteilungen  aus  Finsens  Lichtinstitut.  Bd.  IV. 

•’)  Inzwischen  erschienen  (August-Nummer). 

*)  s.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  H.  3. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1739 


Pfaundler  darauf  aufmerksam  machen  zu  müssen,  dass  in  meiner 
Mitteilung  von  einer  mit  Gummistopfen  versehenen  Ausfluss- 

öffnung  überhaupt  nicht  die  Rede  ist.  , . 

Ich  hob  vielmehr  besonders  hervor,  dass  der  Abfluss  1  e  d  i  g  - 
lieh  durch  Lockerung  eines  Glasstabs  geschehe.  Dieser,  wie  ich  be¬ 
tonte,  „schliessende  Glasstab“  (Gummi  hat  an  dieser  Stelle  gar  keine 
Verwendung  gefunden),  ist  nur  durch  gegenseitigen  Mattschliff  mit 
der  Ausflussöffnung  (in  der  Figur  bei  d)  derart  verbunden,  dass  me 

vollkommen  dichter  Abschluss  erzielt  wird. 

Wie  Herr  Prof.  Pfaundler  den  Zweck  meiner  Pumpe  (mit  dei 
lieh  vermeiden  will,  dass  die  dem  aus  irgend  einem  Grunde  saug¬ 
unfähigen  Kinde  zuzuführende  Muttermilch  nicht  durch  Ausgiessen 
über  das  Brustansatzstück  hinweg  eventuell  bakteriell  verunreinigt 
werde)  „viel  einfacher  und  praktischer  durch  eine  stärkere  Ausbuch¬ 
tung  des  Rezipienten  selbst“  erreichen  will,  ^gonn' 


Theobald  Kerner  +. 

In  der  Deutschen  Literaturgeschichte  sind  die  Beispiele 
nicht  gerade  selten,  dass  Dichtergabe  und  Arztberuf  sich  in 
einer  Person  vereinigen.  Es  mag  der  klare  Einblick  dei  Aeizte 
in  die  realen  Verhältnisse  des  Lebens  die  Flucht  in  die  Arme  des 
Reiches  der  Dichter  befördern;  gerne  ruht  der  im  Haine  der 
Poeten  aus,  dem  die  Natur  den  Sinn  für  die  Kunst  verliehen 
und  in  ihr  das  vollwertige  Gegengewicht  gefunden  gegen¬ 
über  den  Mühen  und  Sorgen  des  Alltagslebens.  Ein  solcher 
Poet  und  Arzt  zugleich  ging  am  11.  August  ds.  Js.  nach  einem 
neunzigjährigen  Leben  zur  ewigen  Ruhe,  der  weit  über  die 
Grenzen  seines  engsten  Heimatlandes,  Schwaben,  hinaus  bc- 
kannt  und  verehrt  war,  1  heobald  Kerner  in  Weinsberg, 
der  Sohn  des  bekannten  Justin  us  Kerner,  dem  das 
deutsche  Volk  so  manche  tiefempfundene  Dichtergabe  ver¬ 
dankt  und  der  ebenfalls  ein  Arzt  war.  Bekanntlich  war  Ju- 
stinus  einer  der  besten  der  schwäbischen  Dichterschule,  zu 
der  U  h  1  a  n  d,  S  c  h  w  a  b,  Anastasius  Grün,  der  schwermütige 
Nikolaus  Lenau  und  Graf  Alexander  von  Württemberg 
gehörten,  jener  Kreis  von  Dichtern,  die  dem  deutschen  Volke 
so  eigenartige,  heute  kaum  mehr  begreifbare  Gefühlswerte 
schufen,  auf  denen  das  deutsche  Volkslied  basiert  und  sich  eine 
unvergängliche  Existenz  sicherte. 

In  dieser  Umgebung  wuchs  Theobald  Kerner  als  der 
Sohn  des  geistvollen,  wenn  auch  vielleicht  zu  schwärmerisch¬ 
mystisch  angelegten  Poeten  und  Arztes  Justinus  und.  seiner 
treuen  Lebensgefährtin,  dem  „Rickele“,  auf.  Schon  frühzeitig 
nahm  den  aufgeweckten  Jungen  der  Vater  mit  auf  die  Land¬ 
praxis  und  die  Neigungen  seines  Vaters,  die  Liebe  zum  Arzt¬ 
beruf  und  die  Gabe  der  Dichtkunst  gingen  auf  den  Jüngling 
über.  In  dem  Schlafzimmer  des  traulichen  Dichterheimes,  des 
Kernerhauses,  das  griinumrankt  in  dem  lieblichen  Weinsberg 
mit  seiner  sagenumwobenen  „Weibertreu“  idyllisch  dem  W  an¬ 
derer  entgegengrüsst,  lebte  lange  die  bekannte,  vielumstrittene 
Seherin  von  Prevorst“,  hier  übte  Justinus  Kerner  seine 
hypnotischen  Künste  aus,  an  der  Tafelrunde  sah  der  junge 
Theobald  neben  den  oben  erwähnten  Vertretern  der  schwä¬ 
bischen  Dichterschule  Ludwig  T  i  e  c  k,  Eduard  M  ö  r  i  c  k  e  und 
den  grossen  Theologen  David  Friedrich  St  raus  s,  sodass  in 
der  Seele  des  aufwachsenden  Jünglings  schon  mancherlei  an 
geistigen  Eindrücken  und  nie  verwelkenden  Gedanken  sich 
festgesetzt  hatte,  als  er  achtzehnjährig  die  Universität  Tübingen 
und  bald  darauf  München  aufsuchte,  um  Medizin  zu  studieien. 
Hier  pflegte  er  den  kranken  Clemens  Brentano.  Nach 
einem  längeren  Aufenthalt  in  Wien  und  Würzburg  liess  sich 
dann  Theobald  Kerner  in  seinem  Heimatsorte  Weinsberg 
nieder,  wo  er  seinen  Vater  in  der  ausgedehnten  Praxis  unter¬ 
stützte.  _  ,  ,  , 

Die  politischen  Verhältnisse  von  1848  zogen  alsdann  den 

lebhaften  jungen  Arzt  in  ihren  Strudel.  K  e  r  n  e  r  war  ein 
eifriger  Demokrat.  Er  nahm  an  den  politischen  Wirren  einen 
so  aktiven  Anteil,  dass  bald  seines  Bleibens  in  der  schwäbischen 
Stadt  nicht  mehr  war.  Kerner  musste  nach  Strassburg 
flüchten.  Zwei  Jahre,  später  hatte  er  zehn  Monate  Festungs¬ 
haft  auf  dem  Hohenasperg  zu  verbüssen,  die  er  seiner  Unvor¬ 
sichtigkeit  verdankte,  mit  der  er  1850  ins  Kernerhaus  zuruck - 
zukehren  wagte,  als  er  die  Nachricht  von  einei  schweren  ,  r- 
krankung  seiner  Schwester  in  Strassburg  erhalten  hatte.  Kurz 
darauf  ging  er  nach  Stuttgart  und  begründete  hier  eine  galvano¬ 
magnetische  Heilanstalt.  Die  Nervenkrankheiten  und  ihre  Be¬ 


handlung  mittelst  Hypnose  und  Suggestion  waren  seine  be¬ 
sondere  Liebhaberei.  Durch  die  Macht  seiner  gewinnenden 
Persönlichkeit  wirkte  er  in  weiten  Kreisen  ausserordentlich 
segensreich,  und  nicht  nur  in  Stuttgart,  sondern  auch  in  Weins- 
berg,  wohin  er  1863  zurückkehrte,  schuf  er  sich  einen  Wir¬ 
kungskreis  von  grosser  Ausdehnung.  Die  Landbevölkciung 
in  und  um  Weinsberg  verehrte  in  ihm  einen  stets  bereiten,  sach¬ 
kundigen  und  von  reichen  Erfolgen  begleiteten  Arzt. 

Er  war  nicht  ein  lehrender  Arzt,  der  einen  grossen  Kreis 
von  Schülern  um  sich  gesammelt  hätte,  sondern  ein  Helfer  in 
der  Not  im  wahren  Sinne  des  Wortes,  ein  Mann  von  umfassen¬ 
den  Kenntnissen,  die  ihm  in  der  Praxis  der  inneren  und  Nerven¬ 
krankheiten  in  erster  Linie,  in  der  Behandlung  der  Geistes¬ 
störungen,  aber  auch  in  Geburtshilfe  und  dei  kleinen  Chirurgie 
sehr  zu  statten  kamen.  Ein  Arzt,  der  gleichzeitig  Dichtei  ist, 
verfügt  über  besondere  Fähigkeiten  auf  dem  Gebiete  des  Ge¬ 
fühlslebens,  und  gerade  dieses  Können  verleiht  ihm  oft  da  be¬ 
sonderen  Erfolg,  wo  mancher  nüchterne  Philister  trotz  der 
besten  wissenschaftlichen  Kenntnisse  versagt.  So  wirkte  er 
aufrichtend  und  tröstend  bei  zahlreichen  Kranken,  die  nicht  so¬ 
wohl  die  Krankheit  selbst  als  auch  die  weltverzagende  Lebens- 
anschauung  zu  einem  Opfer  der  Härten  des  Lebens  gestempelt 
hatte.  Die  Allgewalt  der  Natur  war  in  Kerners  Gedanken¬ 
kreis  der  beste  Helfer  des  Arztes. 

„Wer  von  den  Aerzten  ist  verlassen, 

O  'der  ist  darum  nicht  allein, 

Er  darf  nur  liebend  dann  umfassen 
Natur,  das  treue  Mütterlein. 

Wo  nicht  mehr  helfen  Pulver,  Pillen, 

Essenzen,  Salben  und  Mixtur, 

Da  heilt,  vereint  mit  festem  Willen, 

Die  Kraft  der  lebenden  Natur.“ 

Das  sind  Worte  eines  Arztes,  der  gegenüber  Seelen¬ 
kranken  und  Verzagenden  mit  einer  gesunden  Lebensphilo- 
sophie  zu  Werke  ging  und  dann  seines  Erfolges  sicher  war, 
aber  auch  eines  Menschen,  der  in  dem  Studium  und  in  dem 
offenen  Blick  für  das  Reale  des  Lebens  seinen  Charakter  bildete 
und  seine  wohlbegründete  Lebensanschauung,  sodass  ei  singen 

konnte:  „ 

„Was  ist  der  Mensch?  Ein  welkes  Blatt, 

Vom  Fatum  hin  und  her  getrieben. 

Ein  Blatt,  das  in  den  Staub  zerfällt 
Mit  seinem  Hoffen,  Hassen.  «JLieben. 

O  armes,  kleines  Menschenherz. 

Wozu  Dein  unruhvolles  Schlagen? 

Wie  kurz  noch  wird  es  sein  —  und  kalt 
Und  starr  wirst  Du  hinaus  getragen. 

Viel  Bäume  stehn  im  Kirchhofraum  . 

Der  Herbstwind  spielt  in  ihren  Zweigen  — : 

Wie  Blatt  für  Blatt  herniederfällt, 

So  muss  zur  Erd  sich  alles  neigen.“ 

Ich  lernte  den  Dichter  im  Jahre  1880  in  Stuttgart  kennen 
und  führte  bis  zum  Beginne  meiner  Studienzeit  einen  Brie  - 
Wechsel  mit  ihm,  der  mir  manche  Freude  bereitete.  Im  Jahre 
1893  besuchte  ich  den  damals  76  jährigen  Dichter  und  verlebte 
im  traulichen  Kernerhause  mit  Theobald  und  Frau  Else 
einen  unvergesslichen  Tag.  Ein  Bild  eines  poetischen,  glue '- 
liehen  Hauslebens  zeigte  mir  der  herz-  und  gemiiterfreuendc 
Aufenthalt.  Der  greise  Dichter  und  Arzt  zeigte  mir  die  eigen¬ 
artigen  zahlreichen  Heiligtümer  der  historischen  Statte,  lange 
standen  wir,  von  mancherlei  Rätseln  des  Lebens  plaudernd  vor 
dem  herrlichen  Bilde  der  Seherin  von  Gabriel  M  a  x,  er  nihrte 
mich  durch  die  finsteren,  von  vergangenen  Zeiten  raunenden 
Gänge  des  Geisterturmes  der  „Weibertreu“,  in  dem  einst 

Nikolaus  Lenau  seine  Geige  schwermütig-leidenschaftlich  et - 

klingen  liess,  wir  vertieften  uns  in  so  manchen  Spruch,  der  a 
jener  Burg  in  die  Mauern  von  bekannten  Poeten  der  langst 
dahingegangenen  Zeit  der  Wanderpoesie  und  Burgromaiiük  ein- 
gemeisselt  steht,  wir  plauderten  von  der  glücklichen  Ver¬ 
einigung  des  Dichtergemütes  und  der  Arztseele  und  fühlten  uns 
eins  in  dem  Gedanken,  dass  nur  der  vollkommen  ein  Mens 
sein  kann,  dessen  Seele  nicht  nur  Leid  und  Freude  des  Berntes, 
sondern  auch  das  Leben  und  die  Welt  umtasst. 

Ein  Leben  von  90  Jahren  fand  am  11.  August  seinen  Ab¬ 
schluss,  als  Theobald  K  e  r  n  e  r  für  immer  che  t^,ger>  sec.h 
ein  Leben  reich  an  Erfahrungen  und  Betätigung.  Kern  c 
ragte  mit  seinem  Denken  und  Empfinden  hinein  in  eine  Zeit, 


1740 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


die  sich  in  ihren  geistigen  Emanationen  weit  von  dem  Ge¬ 
dankenkreise  unterscheidet,  der  den  Dichtern  und  Denkern  der 
schwäbischen  Dichterschule  Leben  und  Kraft  gab,  sodass  auch 
Kerner  dem  Zuge  der  geistigen  Entwicklung  in  den  beiden 
letzten  Jahrzehnten  seines  Lebens  nicht  mehr  zu  folgen  im¬ 
stande  war.  Auch  er  war  ein  Kind  seiner  Zeit,  aber  einer 
Zeit,  die  an  Gemütstiefe  und  seelischem  Gehalt  ausserordent¬ 
lich  hoch  einzuschätzen  ist.  Er  war  als  Arzt  ein  Mann,  der 
gewirkt  und  gewaltet  weit  über  das  Mass  des  Alltäglichen  hin- 
ausgehend,  er  war  ein  Mensch,  der,  frei  von  einengender 
Dogmatik,  seine  Lebensanschauung  verfocht  im  Sinne  eines  be¬ 
freienden  Idealismus.  Wenn  er  dabei  von  Fehlern,  von  Ueber- 
treibungen  und  Zeitungemässem  nicht  frei  blieb,  wer  will  darum 
das  Gesamtbild  herabsetzen  wollen?  — 

An  poetischen  Werken  gab  Theobald  Kerner  einen  um¬ 
fangreichen  Gedichtband  1879  heraus,  1852  erschien  ein  reizen¬ 
des  Kinderbuch  „Prinzessin  Klatschrose“,  später  folgten  „Der 
Einsiedler  in  der  Weibertreu“,  das  Lustspiel  „Der  neue 
Ahasver"  und  das  literaturhistorisch  hochbedeutsame  Buch: 
„Das  Kernerhaus  und  seine  Gäste“.  Ausserdem  gab  er  Justinus 
Keiners  „Klecksographien“,  eine  höchst  amüsante  Schrift 
heraus.  F.  Köhler,  Holsterhausen-Werden  (Ruhr). 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Die  Anatomie  der  Taubstummheit.  Herausgegeben  im 
Aufträge  der  Deutschen  otologischen  Gesellschaft  von  Prof. 
Dr.  Denker.  Vierte  Lieferung.  Wiesbaden,  Verlag  von 
J.  F.  Bergmann,  1907. 

Die  vorliegende  vierte  Lieferung  enthält  die  eingehende 
histologische  Untersuchung  der  beiden  Gehörorgane  an  Serien¬ 
schnitten  von  zwei  erwachsenen  Taubstummen,  über  welche 
Denker-  Erlangen  und  Schwabach  -  Berlin  berichten. 

Leider  konnte  in  beiden  Fällen  eine  genauere  Anamnese 
nachträglich  nicht  mehr  erlangt  werden,  und  fehlt  auch  eine 
Gehörsprüfung.  Trotzdem  kommt  denselben  unser  volles  In¬ 
teresse  zu.  In  beiden  Fällen  konnte  schon  aus  dein  patho¬ 
logisch-anatomischen  Befund  allein  mit  Sicherheit  geschlossen 
werden,  dass  eine  angeborene  Form  von  Taubstummheit 
vorlag.  Frischere,  gleichzeitig  vorhandene  Prozesse  konnten 
mit  Leichtigkeit  von  den  der  Taubheit  zu  gründe  liegenden 
Veränderungen  geschieden  werden,  so  in  dem  Denker  sehen 
Falle,  der  an  Apoplexie  zu  gründe  gegangen  war,  ein  Blut¬ 
extravasat  in  die  Akustikusscheide,  welches  bis  in  die  Lamina 
spiralis  ossea  der  Schnecke  vorgedrungen  war,  ferner  in  dem 
Schwabach  sehen  Falle  eine  Krebsmetastase  im  Stamm  des 
Nervus  acusticus  (der  Kranke  war  einem  Carcinoma  ventriculi 
erlegen)  und  endlich  die  Veränderungen  am  Nervus  acusticus, 
welche  früher  als  Neuritis  aufgefasst  wurden  und  neuerdings 
von  Nager  als  postmortale  Artefakte  gedeutet  worden  sind. 

Die  der  I  aubstummheit  zu  gründe  liegenden  Anomalien 
betreffen  in  beiden  Fällen  nur  den  Ramus  inferior  des  Nervus 
acusticus  und  lassen  den  Ramus  vestibularis  frei.  Im  Schwa- 
b  a  c  h  sehen  Falle  beschränken  sie  sich  auf  die  nervösen  Ele¬ 
mente  der  Schnecke  und  des  Sacculus,  im  D  e  n  k  e  r  sehen 
ausschliessli  c  h  auf  die  Schnecke;  Akustikusstamm 
und  auch  der  Sacculus  sind  normal.  Wir  haben 
so  in)  t  h  i.e  r  den  ersten  Fall,  in  welchem  die  ana- 
tomischeVeränderu  n  g  genau  und  ausschliess- 
a  u  i  dieStelle  lokalisiert  ist,  welcher  nach  der 
I  heorie  von  H  e  1  m  h  o  1 1  z  die  Gehörsfunktion 
z  u  h  o  m  m  t.  Die  Anomalien  am  C  o  r  t  i  sehen  Organ,  an  der 
Stiia  \  ascularis  und  das  Fehlen,  resp.  die  interessante  Form 
\  on  rudimentärer  Entwicklung  der  Membrana  tectoria,  wie  sie 
zuerst  von  Scheibe  bei  Taubstummen  beschrieben  worden 
ist,  charakterisieren  beide  Fälle  als  angeborene  Form  von 
I  aubstummheit.  Stellenweise  fand  sich  in  beiden  Fällen  das 
an  anderer  Stelle  der  Schneckenskala  fehlende  oder  rudi¬ 
mentäre  C  o  r  t  i  sehe  Organ  so  gut  entwickelt,  dass  der  Schluss 
auf  noch  vorhanden  gewesene  Hörreste  bei  den  beiden  Taub¬ 
stummen  wohl  berechtigt  erscheint. 

Diese  Fälle  zeigen,  welche  hohe  Bedeutung  einer  bei  allen 
raubstummen  durchgeführten  genauen  Hörprüfung  mit  der 
kontinuierlichen  Tonreihe  zukommt,  wie  sie  vom  Deutschen 
Reichsgesundheitsamt  verlangt  wird,  und  legen  den  Wunsch 


nahe,  dass  diese  Funktionsprüfung  in  die  Hände  von  fachkun¬ 
digen  Ohrenärzten  gelegt  wird.  Wäre  eine  solche  Prüfung 
bei  den  obigen  beiden  Fällen  während  des  Lebens  vorausge¬ 
gangen,  so  hätten  sie  einen  zwingenden  Beweis  für  die  Richtig¬ 
keit  der  H  e  1  m  h  o  1 1  z  sehen  Theorie  liefern  können. 

B  e  z  o  1  d. 

E.  Korschelt:  Regeneration  und  Transplantation.  Jena, 

G.  Fischer,  1907.  286  Seiten.  M.  7. — . 

Das  äuserst  sorgfältig  und  übersichtlich  abgefasste  Werk 
aus  der  Feder  des  bekannten  Marburger  Zoologen  ist  die  aus¬ 
führliche  Veröffentlichung  eines  auf  der  letzten  Stuttgarter 
Naturforscherversammlung  gehaltenen  Vortrags.  Im  ersten 
und  grösseren  Hauptteil  des  Buches  wird  die  Regeneration  auf 
breitester  Grundlage  behandelt.  Selbst  auf  die  Regeneration 
der  Pflanzen  und  der  Kristalle  wird  zurückgegriffen,  dann  die 
Regeneration  der  einzelligen  Tiere,  schliesslich  die  der  Meta¬ 
zoen  behandelt.  Ausführlich  werden  die  verschiedenen  For¬ 
men  der  Regeneration  besprochen  und  sämtlicher  biologischer 
mit  dem  Prozess  der  Regeneration  verbundener  Vorgänge  ge¬ 
dacht.  Ein  kleineres  zweites  Kapitel  behandelt  die  Transplan¬ 
tation,  aber  gerade  dieses  dürfte  für  den  Mediziner  von  grösse¬ 
rem  Interesse  sein,  da  die  verschiedenen,  auch  für  die  prak¬ 
tische  Chirurgie  bedeutungsvollen  Transplantationen  (Haut, 
Knochen,  etc.)  besprochen  werden.  Jedoch  wird  auch  hier 
weit  ausgegriffen  und  ebensowohl  die  in  neuerer  Zeit  so  oft 
geübte  embryonale  Transplantation  wie  die  Transplantation 
an  Protozoen  und  Wirbellosen  behandelt. 

S-obotta  -  Würzburg. 

FL  Krohn,  Nervenarzt,  Berlin:  Nervenkrankheiten  in 
ihren  Beziehungen  zu  Zahn-  und  Mundleiden.  Berlin  1907. 
L.  Marcus. 

Der  Verfasser  hat  es  verstanden,  in  klaren  und  übersicht¬ 
lichen  Bildern  auch  den  Nichtneurologen  in  die  wichtigen 
Grenzgebiete  zwischen  Stomatologie  und  Neurologie  einzu¬ 
führen.  Ein  Eingehen  auf  den  Inhalt  im  Einzelnen  würde  den 
Rahmen  des  kurzen  Referates  überschreiten.  Nur  soviel  sei 
betont,  dass  die  einzelnen  Krankheitsformen  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zur  Stomatologie  durch  klassische  Beispiele  aus  der 
Literatur  und  aus  eigener  Praxis  vorzüglich  beleuchtet  sind. 
Die  Lehre  von  He  ad  wird  ausführlich  besprochen;  die  ein¬ 
zelnen  Phasen  der  Trigeminuserkrankung  erfahren  eine  ebenso 
eingehende  Würdigung,  wie  die  wichtigen  Kapitel  der  Epilepsie. 
Hysterie  und  Neurasthenie;  Tabes  dorsalis,  Diabetes  und 
Urämie  sind  nicht  vergessen.  Die  Beziehungen  zwischen 
Mund  und  Auge  resp.  Ohr  werden  kritisch  durchgesprochen. 
Hypnotismus,  Suggestion  und  Psychotherapie  schliessen  den 
Reigen  der  zwölf  Vorträge,  die  nach  Form  und  Inhalt  unser 
Interesse  bis  zuletzt  wachhalten.  Ein  reichhaltiges  Literatur¬ 
verzeichnis  hebt  den  Wert  des  Buches.  Ein  eingehendes  Stu¬ 
dium  desselben  ist  nur  zu  empfehlen.  F.  K  e  h  r  -  Stettin. 

Die  Begutachtung  der  Unfallverletzungen.  Leitfaden  zur 
Untersuchung  und  Beurteilung  Unfallverletzter,  riebst  Zusam¬ 
menstellung  der  häufigsten  Verletzungen  und  deren  Folgezu¬ 
ständen.  Von  Prof.  Dr.  Eduard  Pietrzikowski,  Privat¬ 
dozent  an  der  k.  k.  deutschen  Universität  und  ärztlicher  Sach¬ 
verständiger  des  Schiedsgerichts  der  Arbeiterunfallversiche¬ 
rungsanstalt  in  Prag.  Besonderer  Teil.  706  Seiten. 
Berlin  1907.  Fischers  medizin.  Buchhandlung  H.  Korn- 
f  e  1  d.  Preis  13  Mk. 

Seitdem  der  allgemeine  Teil  dieses  Werkes  erschienen  ist, 
sind  fast  3  Jahre  vergangen.  Die  damals  ausgesprochenen  Er¬ 
wartungen  sind  in  jeder  Hinsicht  in  Erfüllung  gegangen,  so  dass 
die  Wahrheit  des  Satzes  „was  lange  währt,  wird  gut“  sich  hier 
vollauf  bestätigt.  Nach  Körperabschnitten  geordnet  werden  die 
einzelnen  Verletzungen,  die  durch  sie  hervorgerufenen  Schä¬ 
den,  die  funktionellen  Berufsstörungen  und  deren  Folgezustände 
detailliert  erörtert,  sowie  unter  Beifügung  wertvoller  ana¬ 
tomisch-physiologischer,  klinisch-semiotischer  und  chirurgi¬ 
scher  Vorbemerkungen  und  an  der  Hand  typischer  Beispiele 
aus  der  reichen  Erfahrung  des  Verfassers  eine  spezielle  An¬ 
leitung  für  die  Begutachtung  der  traumatischen  Folgezustände 
in  extenso  entworfen.  Dem  geht  die  Besprechung  der  Unter¬ 
suchung  und  der  Sicherstellung  des  Befundes  nach  der  Ver- 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


letzurig,  im  Anschluss  hieran  zusammengefasst  die  Begutach¬ 
tung  im  allgemeinen,  und  die  verschiedenen  Arten  der  dabei 
in  Betracht  kommenden  Sachverständigentätigkeit  voraus. 

Die  Bedeutung  der  Röntgenstrahlen  im  allgemeinen  und 
im  besonderen  hätte  stärker  betont  werden  können ;  auch  ist  die 
Myositis  ossif.  träum,  etwas  kurz  behandelt.  S.  163  wären 
noch  die  Mitteilungen  von  Nonne  über  die  Gewöhnung  nicht- 
versicherter  Verletzter  an  ihre  Defekte,  S.  222  die  Arbeit  von 
M  a  r  t  i  n  e  k  „Die  Geistesstörungen  infolge  von  Kopftraumen  in 
gerichtlich-medizinischer  Beziehung“,  Dtsch.  Med.-Ztg.  1905, 

No.  28 _ 32),  bei  dem  Kapitel  traumatische  Erkrankungen  des 

Herzens  und  des  Herzbeutels  die  Bernstein  sehe  Kompi¬ 
lation:  „Ueber  Verletzungen  und  Erkrankungen  des  Herzens 
durch  stumpfe  Gewalteinwirkung  auf  den  Brustkorb  und  ihre 
Begutachtung“  (Vierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Med.  1905,  H.  4)  zu 
erwähnen,  auch  die  funktionelle  Herzdiagnostik  und  die  wich¬ 
tigeren  Arbeiten  hierüber  sind  nicht  genügend  gewürdigt. 

Doch  vermögen  diese  kleinen  Mängel  gegenüber  den  gros¬ 
sen  Vorzügen  das  Urteil,  dass  das  Ganze  ein  wertvolles  Werk 
zum  systematischen  Studium  und  ein  zuverlässiger  Ratgeber 
in  strittigen  Fällen  der  Unfallbegutachtung  ist,  nicht  zu  be¬ 
einträchtigen.  Schwab-  Berlin-Schöneberg. 

Dr.  Hermann  Pfeifer:  Die  Vorschule  der  gerichtlichen 
Medizin.  Dargestellt  für  Juristen.  Mit  62  Abbildungen  im 
Text.  Leipzig,  Verlag  von  F.  C.  W.  V  o  g  e  1,  1907.  294  Seiten. 
Preis  8  M. 

Zwei  Momente  sind  es,  denen  das  vorliegende  Buch  seine 
Entstehung  verdankt:  Einmal  geht  der  Verfasser  von  der 
Schwierigkeit  aus,  die  der  Lehrer  der  gerichtlichen  Medizin 
bei  der  Darstellung  seines  Stoffes  zu  überwinden  hat,  wenn  er 
vor  einem  zum  Teil  aus  Juristen  bestehenden  Auditorium  vor¬ 
tragen  soll;  da  er  infolgedessen  bei  vielen  seiner  Zuhörer  nicht 
die  Kenntnis  der  wichtigsten  seiner  Materie  zugrunde  hegenden 
naturwissenschaftlichen  Tatsachen  voraussetzen  kann,  so  ist  er 
deshalb  auf  Schritt  und  Tritt  genötigt,  diesen  Aufklärungen  eine 
beim  Umfang  des  zu  bewältigenden  Stoffes  nur  allzugrosse 
Breite  einzuräumen! 

Zweitens  glaubt  Verfasser  mit  Recht,  dass  es  für  einen 
dem  Richterstand  zustrebenden  Juristen  recht  wünschenswert 
wäre,  ja  unerlässlich  sei,  über  ein  gewisses  Mass  von  natur¬ 
wissenschaftlichem  Verstehen  zu  verfügen,  das  in  überaus 
nützlicher  Weise  sein  wissenschaftliches  Denken  und  sein  rich¬ 
terliches  Handeln  zu  beeinflussen  imstande  sein  müsste. 

Auf  Grund  dieser  beiden  Erwägungen  hat  Verfasser  den 
vorliegenden  Leitfaden  geschrieben,  in  dem  er  dem  Juristen  in 
meist  knapper  und  präziser,  fasslicher  Form  und  unter  Bezug¬ 
nahme  auf  seine  Interessensphäre  die  wichtigsten  naturwissen¬ 
schaftlichen  Grundphänomene  darzustellen  sucht;  in  Form  von 
10  Vorlesungen  werden  die  wichtigsten  allgemeinen  biologi¬ 
schen  Tatsachen,  die  Anatomie  und  Physiologie  sowie  einzelne 
Kapitel  aus  der  Pathologie  des  menschlichen  Organismus  er¬ 
läutert,  wobei  überall  kurz  auf  die  einschlägigen  gerichtlich¬ 
medizinischen  Gesichtspunkte  hingewiesen  wird,  da  sich  ja 
der  Leitfaden  an  das  Kolleg  über  forensische  Medizin  eng  an¬ 
schmiegen  soll. 

Zweifellos  sind  die  oben  geschilderten  Voraussetzungen 
für  die  Abfassung  eines  derartigen  Buches  vollauf  richtige;  der 
Lehrer  für  gerichtliche  Medizin  kann  es  daher  nur  mit  Freude 
begrüssen,  wenn  damit  dem  naturwissenschaftlich  nicht  vor¬ 
gebildeten  Zuhörer  ein  Leitfaden  in  die  Hand  gegeben  wird, 
der  dem  Vortragenden  gewiss  seine  Aufgabe  erleichtert,  indem 
er  ihn,  wie  erwähnt,  wesentlich  entlastet,  und  so  wäre  es  nur 
zu  wünschen,  dass  sich  die  Studierenden  auch  mit  dem 
Buch  recht  befreunden.  Andererseits  wird  es  sicher  auch  wegen 
seiner  knappen,  dem  Zweck  angepassten  Darstellung  und  sei¬ 
ner  Handlichkeit  dem-  b  e  a  m  t  e  t  e  n  Juristen  ein  will¬ 
kommenes  Nachschlagebuch  werden. 

H.  Merkel-  Erlangen. 

Handbuch  der  ärztlichen  Sachverständigentätigkeit.  He¬ 
rausgegeben  von  Prof.  Dr.  Paul  D  i  1 1  r  i  c  h  -  Prag.  Liefe¬ 
rungen  5—11.  Verlag  von  Wilhelm  Braumüller,  Wien  und 
Leipzig  1906  und  1907.  Preis  der  Lieferung  5  Mark  —  6  Kronen. 

Von  dem  gross  angelegten  Werke,  dessen  erste  Lieferungen 
bereits  in  dieser  Wochenschrift  (1906,  S.  1480)  besprochen  sind, 
sind  einige  weitere  erschienen. 


1741 


Prof.  Dr.  C  h  i  a  r  i  -  Prag  bearbeitete  „Die  Leichen- 
erschein  ungen  und  die  Leichenscha  u“  (344  Sei¬ 
ten)  und  fügte  der  ausführlichen  Besprechung  der  ersteren, 
deren  Kenntnis  für  den  Gerichtsarzt  noch  weit  wichtiger  ist 
als  für  den  pathologischen  Anatomen,  die  gesetzlichen  Bestim¬ 
mungen  über  die  Leichenbeschau  an,  für  die  österreichiscnen 
Kronländer  im  Wortlaute,  für  die  deutschen  Bundesstaaten  nach 
einer  übersichtlichen  Darstellung  v.  Boltensterns. 

In  dem  Kapitel  „Behördliche  Obduktionen“ 
(354  Seiten)  gibt  Prof.  Dr.  Haberda  -Wien  aus  seiner  reichen 
fachmännischen  Erfahrung  heraus  unter  Beifügung  praktischer 
Beispiele  detaillierte  sachkundige  Erläuterungen  für  die  Vorbe¬ 
reitung  und  Durchführung  der  Sektion,  die  Erhebung,  Deutung 
und  Protokollierung  des  Befundes,  sowie  für  die  Abfassung  des 
Sektionsgutachtens.  Den  Nutzen  der  Sektionsregulative  schätzt 
H.  nicht  sehr  hoch  ein,  speziell  hält  er  ganz  bestimmte  und 
bindende  Vorschriften  für  ungut;  welcher  Technik  sich  die 
Obduzenten  bedienen,  darauf  soll  es  gar  nicht  ankommen, 
Jeder  mag  sezieren  wie  er  es  gelernt  hat.  Um  so  mehr  aber 
fordert  H.  eine  gründliche  Ausbildung  der  Gerichtsärzte,  auch 
der  Obduzenten,  damit  sie  den  gestellten  Anforderungen  ge¬ 
wachsen  sind. 

Statthaltereirat  und  Landessanitätsreferent  Dr.  Neto- 
1  i  t  z  k  y  -  Wien  bearbeitete,  in  17  Abschnitten  übersichtlich  ge¬ 
ordnet  (552  Seiten),  die  „Oesterreichischen  Sani¬ 
tät  s  g  e  s  e  t  z  e“,  die  zu  manchem  interessanten  Vergleiche 
mit  der  reichsdeutschen  Gesetzgebung  Veranlassung  geben; 
sehr  beachtenswert,  weil  den  hygienischen  Forderungen  weit¬ 
gehend  Rechnung  tragend,  ist  die  österreichische  Schul-  und 
Unterrichtsordnung  für  Volks-  und  Bürgerschulen  vom  29.  Sep¬ 
tember  1905.  Ein  eigenes  Sachregister  für  diesen  Abschnitt 
oder  mindestens  einelnhaltsiibersicht  könnten  dasNachschlagen 
erleichtern.  Dr.  Karl  B  e  c  k  e  l  -  München. 

Spyrsdow  C.  Zavitzianos:  Die  Hygiene  der  Heere. 

(Griechisch  geschrieben.)  Corfu.  253  Seiten.  1906.  Preis 
5  Drachmen. 

Verfasser  bespricht  sehr  ausführlich  die  Hygiene  der 
Heere  des  Altertums,  des  Mittelalters  und  besonders  der  jetzi¬ 
gen  Zeit.  Das  sehr  interessante  Buch  füllt  eine  Lücke  in  der 
militärmedizinischen  Literatur.  K.-Paris. 

Franciscus  de  Boe  Sylvius:  De  Phthisi.  Neu  heraus¬ 
gegeben  und  zum  ersten  Mal  in  das  Deutsche  übersetzt  von 
Dr.  Oskar  Seyffert,  Stabsarzt  a.  D.  Berlin  1907.  Verlag 
von  Julius  Springer.  89  S.  Preis  M.  3.—. 

Lob  der  Heilkunst.  Ein  Vortrag  des  Desiderius 
Erasmusvon  Rotterdam.  Aus  dem  Lateinischen  über¬ 
tragen  und  erläutert  von  Prof.  Dr.  Ludwig  Enthoven. 
Strassburg  1907.  Verlag  J.  H.  Ed.  H  e  i  t  z  (H  e  i  t  z  &  Mun- 
d  e  1).  71  S.  Preis  M.  2.—. 

Es  ist  aus  mehreren  Gründen  auf  das  Freudigste  zu  be¬ 
grüssen,  dass  in  der  allerletzten  Zeit  die  Pflege  und  das  Stu¬ 
dium  der  Geschichte  der  Medizin  mehr  Freunde  finden  und  dass 
die  Möglichkeit  sich  mit  dieser  zu  beschäftigen  durch  Ueber- 
setzungen  wertvoller  historisch-medizinischer  Arbeiten  grösser 
geworden  ist.  In  diesem  Sinne  haben  sich  auch  die  Verfasser 
resp.  Uebersetzer  vorstehender  Werke  ein  nicht  geringes  Ver¬ 
dienst  erworben.  Wer  nicht  in  der  Lage  ist,  sich  Originalaus¬ 
gaben  solcher  Bücher  zu  beschaffen,  der  möge  es  nicht  ver- 
säumen,  seine  Bibliothek  mit  solchen  Uebersetzungen^  die 
.hoffentlich  immer  zahlreicher  werden  —  zu  zieren.  "  Er  wird 
in  Mussestunden  viel  Genuss  und  gewiss  auch  manchen  Ge¬ 
winn  daraus  ziehen.  Fritz  L  o  e  b. 


Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin,  Bd.  90.  5.  u.  6.  Heft. 

24)  M.  Otten:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Staphylomykosen. 

Aus  der  Direktorialabteilung  des  Eppendorfer  Krankenhauses.) 

Den  bekannten  33  Fällen  von  Lenhartz  fugt  die  Albert  -- 
leue  an  mit  folgender  Eintrittspforte:  5  mal  hurunkel  (davon  ^  +), 
»mal  Hautverletzungen  oder  Panaritien  (davon  5  i  ),  4maKc 
lauterkrankungen  (Rachen,  Blase,  Endometrium,  davon  2- F),  6  mal 
Dsteomyelitis  (davon  4  +),  1  mal  unbekannte  fcinti  ttsp  . 
(okken  fanden  sich  meist  im  Blute,  aber  auch  im  Liquor  ter*!’  Pn. 
lalis,  im  Harn  und  in  den  meist  zahlreichen  metastatischen  Abszessen, 
18  mal  fand  sich  Staphyloc.  aurens,  4  mal  albus.  Ei  gab  d 
»uchung  steriles  Blut,  war  die  Zahl  der  Metastasen  beschrankt,  so 


1 742 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


w  ar  die  Prognose  günstiger.  Häufig  fand  sich  ulzeröse  Endokarditis 
(die  7 mal  von  den  Harnwegen  ausging),  jedenfalls  häufiger  als  bei 
den  Streptomykosen.  Bei  ausgedehnter  Bakteriämie  und  reichlichen 
Metastasen  ist  die  Therapie  ohnmächtig;  sonst  kann  nur  rasches, 
energisches  chirurgisches  Vorgehen  (Osteomyelitis,  Leber-,  Gehirn¬ 
abszess)  Hilfe  bringen.  Von  den  insgesamt  55  Fällen  sind  11,  also 
20  Proz.  mit  dem  Leben  davongekommen  und  geheilt  entlassen 
worden. 

25)  H.  Gerhartz:  Zur  Frage  des  Stethoskopes. 

Es  gibt  keine  brauchbare  Methode,  Töne  oder  Geräusche  ohne 
Veränderung  ihres  Charakters  zu  verstärken; 
Phonendoskop.  Membranstethoskop,  Mikrophon  bedingen  eine  Reihe 
von  Fehlern.  Die  Hauptsache  ist  vielmehr,  die  Geräusche  mög¬ 
lichst  verlustfrei  fortzuleiten,  indem  man  die  allseitige  Aus¬ 
breitung  der  Schallwellen  in  die  Luft  verhindert;  das  geschieht  durch 
das  gewöhnliche  Stethoskop  oder  durch  das  Parabelstethoskop,  das 
Verf.  angegeben.  Wenn  beide  auch  nicht  immer  allen  Anforderungen 
genügen,  so  reichen  sie  doch  für  die  Praxis  aus,  besonders  wenn  man 
die  unmittelbare,  event.  die  ösophageale  Auskultation  damit  verbindet. 

26)  M.  Käppis:  Die  Perforation  eines  Aortenaneurysmas  in 
die  Pulmonalarterie.  (Aus  der  med.  Klinik  Freiburg.)  (Mit  4  Abbil¬ 
dungen.) 

Auf  Grund  einer  eigenen  Beobachtung  werden  zunächst  die 
Schwierigkeiten  der  Diagnose  beleuchtet,  dann  die  übrigen  32  in  der 
Literatur  niedergelegten  Fälle  klinisch  gewürdigt,  insbesondere  die 
Differentialdiagnose  ausführlich  besprochen. 

27)  H.  Stursberg:  Ueber  das  Verhalten  des  systolischen  und 
diastolischen  Blutdrucks  nach  Körperarbeit,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  seiner  Bedeutung  für  die  Funktionsprüfung  des  Herzens. 
(Aus  der  med.  Klinik  zu  Bonn.) 

Bei  normalen  Personen  war  unmittelbar  nach  Schluss  einei 
Arbeitsleistung  stets  eine  Steigerung  der  in  der  Zeiteinheit  geleisteten 
Herzarbeit  nachweisbar.  Nur  1  mal  hatte  diese  ihren  Grund  in  aus¬ 
schliesslicher  Vermehrung  der  Zahl  der  Kontraktionen,  in  allen  ande¬ 
ren  Fällen  war  eine  Vergrösserung  der  vom  Herzen  durch  einmalige 
Zusammenziehung  geleisteten  Arbeit  anzunehmen.  In  der  Mehrzahl 
der  Fälle  war  eine  Vermehrung  des  Schlagvolumens  erkennbar.  Ein 
Zusammengehen  von  Puls  und  Blutdruck,  d.  h.  ein  gleichmässiges 
Steigen  und  Fallen  beider,  war  nicht  festzustellen. 

Bei  Neurasthenischen,  besonders  bei  solchen  mit  Erscheinungen 
seitens  des  Zirkulationsapparates,  ist  meist  schon  in  der  Ruhe 
die  Herzarbeit  erhöht.  Nicht  nur  der  systolische  Druck, 
sondern  ganz  besonders  der  Pulsdruck  und  somit  das  Schlagvolumen 
ist  gesteigert.  Nach  körperlicher  Arbeit  zeigen  sie 
qualitativ  zwar  meist  etwa  die  gleichen  Verände¬ 
rungen  der  Blutdruckwerte  wie  Gesunde,  quanti¬ 
tativ  i  s  t  aber  die  Zunahme  der  Herzleistung  durch¬ 
schnittlich  grösser  als  in  der  Norm,  in  einzelnen 
Fällen  ganz  beträchtlich  erhöht.  Diese  Erscheinung  ge¬ 
winnt  noch  an  Bedeutung  durch  die  Tatsache,  dass  die  Steigerung 
der  Fierzarbeit  bei  Neurasthenikern  sich  meist  schon  auf  einer  höhe¬ 
ren  Ordinate  aufbaut  als  bei  Gesunden.  Bei  Herzklappenfehlern  folgt 
das  Verhalten  des  Zirkulationsapparates  nicht  so  einfachen  Gesetzen 
wie  bei  Herzgesunden;  hier  scheint  der  Aenderung  des  Gefässtonus 
eine  grössere  Bedeutung  zuzukommen;  durch  Zunahme  der  Gefäss- 
spannung  kann  bei  Herzinsuffizienz  Blutdrucksenkung  verhütet,  in 
anderen  Fällen  kann  durch  Nachlass  der  Spannung  Drucksteigerung 
vermieden  werden.  Aehnliche  Vorgänge  können  vielleicht  auch  durch 
Ueberanstrengung  des  gesunden  Herzens  hervorgerufen  werden. 
Schliesslich  werden  noch  die  Verhältnisse  des  Herzens  bei  einigen 
Nierenkranken,  Morb.  Basedowii,  Addisonii  etc.  besprochen. 

28)  W.  Pfeiffer:  Ueber  akute  Sublimat-  und  Oxalsäurevergif¬ 
tung.  (Aus  der  med.  Klinik  zu  Kiel.) 

Kasuistische  Mitteilung  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Nierenschädigung. 

29)  R.  Geigel- Würzburg:  Der  tympanitische  und  der  nicht 
tympanitische  Schall.’.  (Mit  4  Abbildungen.) 

Im  tympanitischen  Schall  herrscht  der  Grundton  bei  weitem 
gegen  die  zurücktretenden  Obertöne  vor,  deswegen  ist  seine  musi¬ 
kalische  Höhe  so  leicht  und  sicher  zu  bestimmen.  Beim  nicht  tym¬ 
panitischen  Schall  findet  ein  deutliches  Vorherrschen  des  Grundtones 
nicht  mehr  statt,  wenn  man  -auch  gelegentlich  einen  höheren  und 
tieferen  tympanitischen  Schall  unterscheiden  kann.  Der  nicht  tym¬ 
panitische  Schall  wird  durch  diskontinuierliche  Schwingungen  er¬ 
zeugt,  wie  sie  nur  bei  gespannter  elastischer  Wand  des  perkutierten 
schwingungsfähigen  Gewebes  der  Lunge,  der  Luft  eines  Hohlraumes 
entstehen  können.  Noch  höherer  Grad  der  Diskontinuität  der 
Schwingungen,  wie  es  bei  Hohlräumen  mit  prallgespannter  Wand 
Vorkommen  kann,  erzeugt  zum  nicht  tympanitischen  Schall  noch  den 
Metallklang  durch  Verstärkung  der  weit  abliegenden  Obertöne. 
Wenn  auch  ohne  scharfe  Grenze,  lässt  sich  folgende  Stufenleiter  auf¬ 
stellen: 

Kontinuierliche  Schwingungen:  tympanitischer  Schall. 

Diskontinuierliche  Schwingungen:  nicht  tympanitischer  Schall. 

Höherer  Grad  von  Diskontinuität:  Metallklang.  , 

30)  Kleinere  und  kasuistische  Mitteilungen. 

W.  Pfeiffer:  Ein  Fall  von  Polyzythämie  ohne  Milztumor. 

(Aus  der  med.  Klinik  zu  Kiel.) 

Kasuistik. 

31)  Besprechungen.  B  a  m  b  e  r  g  e  r  -  Kronach. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  87.  Band,  1. — 3.  Heft, 

Leipzig,  Vogel,  1907. 

1)  B  o  r  c  h  a  r  d  -  Posen:  Die  Verletzungen  des  Nervus  radialis 
und  ihre  Behandlung. 

B.  berichtet  über  12  Radialisverletzungen,  von  denen  10  opera¬ 
tiv  behandelt  wurden.  In  den  2  nicht  operierten  Fällen  handelte  es 
sich  um  eine  sog.  indirekte  Radialislähmung  (Stoss  gegen  die  Schippe 
eines  Mitarbeiters,  Stoss  beim  Hobeln  gegen  eine  harte  Stelle  im 
Holz);  beide  Fälle  gingen  in  Heilung  über. 

2  mal  machte  B.  die  Naht  des  durchtrennten  Nerven,  1  mal  mit 
Exstirpation  eines  Aneurysmas.  3  mal  genügte  die  einfache  Nerven¬ 
lösung,  3  mal  musste  die  Entfernung  des  Narbengewebes,  der 
Knochenmassen  und  Einbettung  in  Muskelgewebe  gemacht  werden. 

1  mal  war  die  Resektion  des  laxierten  Radiusköpfchens  erforderlich, 
und  im  letzten  Falle  mussten  zur  Ueberbriickung  des  12  cm  langen 
Defektes  die  beiden  Nervenenden  in  den  Musculo-cutaneus  einge¬ 
pflanzt  werden. 

B.  empfiehlt  bei  scharfer  Kontinuitätstrennung  sofort  zu  ope¬ 
rieren,  bei  Kontinuitätstrennungen  durch  stumpfe  Gewalt  dann  zu 
operieren,  wenn  die  durch  die  Quetschung  verursachten  Blutergüsse 
sich  resorbiert  haben.  Ist  die  Entscheidung,  ob  Durchtrennung  des 
Nerven  oder  Kompression  unsicher,  so  wartet  Verf.  6 — 8  Wochen  ab 
und  operiert  dann,  wenn  keine  Besserung  eingetreten  ist.  Bei  gleich¬ 
zeitiger  subkutaner  Fraktur  wartet  Verf.  die  Heilung  des  Bruches  ab 
und  entfernt  dann  etwaige  drückende  Kallusmassen.  Der  Nerv  muss 
auch  in  Weichteile  eingebettet  werden.  Bei  verunreinigter  äusserer 
Wunde  wartet  B.  die  vollständige  Reinigung  der  Wunde  ab. 

2)  Doering:  Beiträge  zur  Nierenchirurgie.  (Chirurg.  Klinik 

|  Göttingen.) 

1.  13  Hydronephrosen,  mit  einer  Ausnahme  alle  operiert:  7  pri¬ 
märe  Nephrektomien,  2  sekundäre,  2  Nephrotomien,  1  Nephropexie. 
Gestorben  ist  eine  Patientin,  bei  der  eine  transperitoneale  Nephrek¬ 
tomie  gemacht  war.  D.  erklärt  die  primäre  lumbale  Nephrektomie 
für  das  ungefährlichste,  sicherste  und  schnellste  Mittel  zur  radikalen 
Heilung  der  Hydronephrose.  Die  prinzipielle  Nephrotomie  ist  zu 
verwerfen. 

2.  11  Pyonephrosen,  alle  operiert:  3  Nephrotomien,  5  Nephro¬ 
tomien  mit  sekundärer  Nephrektomie,  1  primäre  Nephrektomie, 

2  Nephrektomien  wegen  Nierenfisteln.  Unmittelbar  nach  der  Opera¬ 
tion  ist  ein  Patient  gestorben.  Bei  Pyonephrose  ist,  wenn  irgend 
möglich,  die  primäre  Exstirpation  der  Niere  vorzunehmen. 

3.  17  Fälle  von  Steinniere:  3  Pyonephrosen,  1  Hydronephrose, 

4  Fälle  von  Anurie,  3  aseptische,  5  infizierte  Steinnieren.  Bei  Hydro- 
und  Pyonephrosen  ist  das  beste  Verfahren  die  Nephrektomie.'  Bei 
Anurie  ist  die  doppelseitige  Nephrotomie  und  Extraktion  des  Steines 
geboten.  Zur  Extraktion  der  Steine  ist  die  Spaltung  durch  den  Sek¬ 
tionsschnitt  das  schonendste  Verfahren. 

3.  F  e  r  t  i  g  -  Hanau:  Traumatische  Leberrupturen  mit  späterer 
Ausstossung  grosser  Lebersequester. 

Das  ausgestossene  Leberstück  war  in  dem  einen  Falle  hühnerei¬ 
gross,  in  dem  anderen  Falle  wurde  der  ganze  linke  Leberlappen  aus- 
gestossen  (8,5:  8:  3  cm).  Beide  Patienten  wurden  geheilt. 

4)  Zenikel:  Beitrag  zur  Pathologie  des  Alveolarechinokokkus. 

(Chirurg.  Klinik  Göttingen.) 

Der  grosse  multilokuläre  Echinokokkus  des  rechten  Leberlappens 
hatte  der  Diagnose  grosse  Schwierigkeiten  gemacht.  Verf.  beschreibt 
genau  den  pathologischen  Befund.  Makroskopisch  hatte  der  Tumor 
ein  honigwabenähnliches  Aussehen.  Seine  Hauptmasse  war  der  Koa¬ 
gulationsnekrose  verfallen,  nur  in  der  Randzone  zeigte  sich  noch  gut 
färbbares  Granulationsgewebe. 

Die  weiteren  Untersuchungen  des  Verfassers  galten  besonders 
den  Beziehungen  des  Echinococcus  multilocularis  zu  dem  E.  hydati- 
dosus.  Das  histologische  Verhalten  beider  Formen  lässt  auf  die  Ab¬ 
stammung  von  ein  und  derselben  Taenie  (Siebold)  schliessen. 
Zwischen  den  beiden  Formen  gibt  es  alle  möglichen  Uebergangs- 
formen,  sowohl  was  das  Wachstum  des  Parasiten  wie  die  Reaktions¬ 
erscheinungen  im  Gewebe  des  Wirts  anbetrifft.  Die  von  P  o  s  s  e  1 1 
gezüchtete  Taenia  alveolaris  ist  identisch  mit  der  gewöhnlichen  Taenia 
echinococcus  von  S  i  e  b  o  1  d. 

5)  Braun:  Zur  Freilegung  der  zentralen  Teile  der  mittleren 
Schädelgrube  (Ganglion  Gasseri  und  Sinus  cavernosus)  und  der  Hypo¬ 
physe.  (Friedrichshain  Berlin.) 

Verf.  hält  das  temporale  Verfahren  Krauses  für  zweckmässi¬ 
ge1"  und  weniger  eingreifend  als  das  zvgomatiko-temporale 
(Ushing,  L  e x  e  r).  Empfehlenswert  scheint  ihm  dabei  die  Preis¬ 
gabe  des  Knochens,  ferner  die  Unterbindung  der  Carotis  externa  am 
Halse  und  die  Hochlagerung  des  Kranken.  Der  Weg  durch  die  mitt¬ 
lere  Schädelgrube  verdient  auch  für  die  Operationen  an  der  Hypo¬ 
physe  Beachtung.  Mitteilung  von  3  einschlägigen  Operationen. 

6)  A  1  d  e  h  o  f  f  -  Halle  a.  S.:  Appendizitis  und  Ikterus. 

A.  hat  ähnlich  wie  Reichel  im  Anschluss  an  Appendizektomie 
unter  147  Fällen  14  mal  Ikterus  gesehen.  3  der  Kranken  starben.  Es 
handelt  sich  um  einen  septischen  Allgemeinzustand,  der  sich  im  An¬ 
schluss  an  die  Operation  wegen  Appendizitis  ohne  jegliche  Erschei¬ 
nung  von  Peritonitis  ausbildet,  und  dessen  hervorragendstes  Sym¬ 
ptom  der  Ikterus  ist.  Die  Prognose  ist  zweifelhaft.  Der  Zustand 
kann  sich  in  2—3  Tagen  zurückbilden,  aber  ebenso  rasch  den  Tod 
des  Kranken  unter  Delirien  herbeiführen. 


27.  August  19Ö7. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1743 


7)  Haeckel -Stettin:  Ileus  bei  Appendizitis. 

Ileus  kann  sich  in  allen  Stadien  der  Appendizitis  entwickeln. 

1  im  akuten  Anfall  durch  lokale  Darmlähmung,  2.  durch  einen  wach¬ 
senden  Abszess,  3.  durch  Verklebungen  von  Darmschhngen,  die  die 
Wand  eines  Abszesses  bilden,  4.  durch  Stränge  nach  Heilung  der 

Appendizhis^htet  über  mehrere  einschlägige  Fälle.  Bei  Ileus  infolge 
von  Verwachsung  der  Dannschlingen  mit  der  Abszesswand  warnt 
H.  die  Verwachsungen  zu  lösen.  Man  soll  lieber  eine  Enteioanasto- 
mose  anlegen  und  den  Abszess  später  eröffnen.  Die  Lösung  der  Ver¬ 
wachsungen  bringt  die  Gefahr,  dass  man  den  Darm  anreisst  und  dass 
man  die  Bauchhöhle  infiziert.  In  einem  derartigen  von  Verf.  mit  Lo¬ 
sung  der  Adhäsionen  behandelten  Falle  trat  der  Exitus  an  Peritonitis 
ein,  in  einem  anderen  mit  Enteroanastomo.se  behandelten  ralle  er¬ 
folgte  völlige  Heilung.  WT  ,  . 

8)  J  ä  c  k  h:  Das  Meckel  sehe  Divertikel  als  Ursache  des  Darm- 

verschlusses.  (Landkrankenhaus  Kassel.) 

5  Fälle  von  Divertikelileus,  die  das  verschiedenartige 
Zustandekommen  des  Ileus  erläutern.  J. .  unterscheidet  den 
Darmverschluss  durch  den  offen  gebliebenen  Dottergang,  den 
Ileus  durch  das  ädhärente  und  den  durch  das  freie  M  e  c  k  e  1  - 
sehe  Divertikel.  Bei  jeder  der  letzten  Gruppen  unterscheidet 
er  wieder  verschiedene  Unterarten,  so  dass  im  ganzen  13  Formen 
aufgezählt  werden.  Am  häufigsten  ist  der  Darmverschluss  durch  das 
ädhärente  Divertikel  und  zwar  häufiger  durch  das  ringbildende  als 
durch  das  strangbildende.  Unter  den  5  Fällen  von  J.  waren  4 

ädhärente  Divertikel.  F. 

9)  Evers:  Ein  Fall  von  Spontangangran  der  einzelnen  ringer- 

kuppen  der  linken  Hand.  (Chirurg.  Klinik  Göttingen.) 

Neben  der  genannten  Gangrän  bestanden  die  Erscheinungen 
der  allgemeinen  Sepsis.  Für  die  wahrscheinlichste  Ursache  halt  E. 

eine  autochthone  Thrombenbildung.  n  .  ...  . 

10)  Rosenberger:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Geschwülste 

des  Hodensackes.  Haemo-Lymphangioma  cavernosum  partim  cy- 
stoides  scroti.  (Chirurg.  Klinik  Göttingen.)  .  ,  ,  , 

In  der  Literatur  ist  nur  ein  einziger  ähnlicher  Fall  beobachtet. 

11)  Linkenheld:  Doppelseitige  Rissfraktur  der  Tuberositas 

tibiae.  (Chirurg.  Klinik  Göttingen.) . 

Wahre  Rissfrakturen  der  Tuberositas  tibiae  sind  sehr  selten.  Line 
doppelseitige  ist  bisher  nicht  beschrieben  worden.  Sie  entstehen  meist 
durch  indirekte  Gewalt  und  bevorzugen  das  jugendliche  Alter  wenn 
Diaphyse  und  Epiphyse  noch  nicht  fest  miteinander  vereinigt  sind. 

In  des  Verfassers  Fall  wurde  auf  beiden  Seiten  die  blutige  Re¬ 
position  gemacht,  das  Fragment  auf  der  einen  Seite  mit  Katgut  ange¬ 
näht,  auf  der  anderen  Seite  angenagelt.  . 

Die  von  Schlatt  er  beschriebene  Absprengung  des  Epiphysen¬ 
fortsatzes  kann  L.  als  Fraktur  nicht  anerkennen.  .  _ 

12)  Matthiolius- Yokohama:  Seekriegschirurgie  (nach  Er¬ 
fahrungen  des  russisch-japanischen  Krieges). 

Auf  Grund  der  ihm  bekannt  gewordenen  Erfahrungen  aus  dem 
russisch-japanischen  Kriege  weist  M.  auf  einige  Besonderheiten  der 
Seeschlachtverletzungen  hin  und  erhebt  eine  Reihe  von  wichtigen 
Forderungen.  Häufig  ist  die  Vereiterung  der  Wunden,  recht  se  ten 
sind  arterielle  Blutungen.  In  der  Seeschlacht  kommen  im  Verlauf 
weniger  Stunden  zahlreiche  schwere  Verletzungen  auf  engem  Raum 
zusammen.  Es  müssen  darum  alle  Vorbereitungen  gut  getroffen  sein. 
Der  Verbandplatz  muss  beim  Bau  des  Schiffes  gut  eingerichtet  sein: 
geschützte  Lage,  Geräumigkeit,  gute  Beleuchtung  und  Lüftung.  Eigene 
Krankenträger  müssen  zur  Verfügung  stehen.  Die  Mannschaften  sind 
vor  der  Seeschlacht  zu  baden  und  mit  frischen  Kleidern  zu^ versehen. 
Die  Mannschaften  sind  über  die  Wichtigkeit  des  ersten  Verbandes 
zu  belehren.  Der  Schiffsarzt  darf  während  der  Schlacht  nur  die  aller¬ 
notwendigsten  Eingriffe  vornehmen:  Unterbindungen,  Anlegung  von 
Schienen,  Reinigen  der  Weichteilwunden,  Anlegen  steriler  Gaze. 

13)  C  r  e  i  t  e:  Beiträge  zur  Chirurgie  des  Magenkarzinoms.  (Chi¬ 
rurgische  Klinik  Göttingen.)  ...  , 

Von  50  resezierten  Kranken  starben  19  an  der  Operation,  wahrend 
31  genasen.  Von  den  31  starben  später  24,  7  leben  heute  noch.  Be- 
merkenswert  ist  ein  Fall,  bei  dem  ausser  dem  Magen  ein  30  cm  langes 
Stück  Kolon  transversum  mit  Erfolg  entfernt  wurde. 

Von  den  19  Todesfällen  entfallen  4  auf  Herzschwäche,  4  auf  Pneu¬ 
monie,  8  auf  Peritonitis,  3  auf  Circulus  vitiosus. 

Länger  als  3  Jahre  nach  der  Operation  lebt  nur  1  Patientin,  und 
zwar  14  Jahre  und  5  Monate.  K  r  e  c  k  e. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  XVIII.  Bd.  1.  u. 
2.  Heft. 

1)  L  a  n  g  e  -  München:  Die  Behandlung  der  habituellen  Skoliose 
durch  aktive  und  passive  Ueberkorrektur. 

Die  Muskelinsuffizienz  als  Ursache  der  Skoliose  muss  mehr  als 

bisher  beachtet  werden.  . 

Da  der  konvexseitige  lange  Rückenmuskel  die  einzige  im  Orga¬ 
nismus  selbst  ruhende  Kraft  bildet,  welche  die  skoliotische  Wirbel¬ 
säule  in  heilendem  Sinne  umzubiegen  vermag,  da  ferner  gerade  diese 
konvexseitige  Muskulatur  bei  Monaten  oder  Jahre  bestehenden 
Skoliosen  an  Leistungsfähigkeit  gegenüber  der  konkavseitigen  Mus¬ 
kulatur  zurücksteht,  so  bildet  bei  jeder  Skoliose  die  e  i  n  s  e  i  t  i  ge 
Stärkung  der  konvexseitigen  Muskulatur  durch  Gymnastik  '  die 


wichtigste  Aufgabe  der  Behandlung  —  aktive  Ueberkorrektur  nennt 
L.  diese  einseitige  Gymnastik,  welcher  eine  Reihe  einfacher  Apparate 

dleIltBesteht  bereits  eine  Versteifung  der  skoliotischen  Wirbelsäule, 
so  müssen  die  konkavseitigen  Weichteile  zunächst  gedehnt  werden 
—  diese  wohl  überall  angewendete  Mobilisierung  nennt  L.  passive 
Ueberkorrektur,  ihr  dienen  Gurtapparate  und  das  Gipsbett,  welches 

L.  in  Zelluloid  herstellt.  _  ,  .  i 

Ein  orthopädisches  Stützkorsett  wird  während  der  Schulstunde 

getragen. 

L.  will  es  erreichen,  dass  der  Hauptteil  der  Skoliosenbehandlung 
von  Schule  und  Familie  geleitet  wird. 

2)  Spi  sic-  Graz:  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  des  kon¬ 
genitalen  Femurdefektes. 

Wahrscheinlich  entstanden  durch  amniotische  Schädigung  am 
Ende  des  2.  Embryonalmonates.  Durch  Osteotomie  wurde  die 

Stellung  gebessert.  ,  ,  ...  . 

3)  Motta-Turin:  Spätere  Resultate  der  Kalkaneusplastik  in 
einigen  Formen  des  angebornen  Klumpfusses  bei  Kindern. 

Da  nach  dem  unblutigen  Klumpfussredressement  der  Kalkaneus 
bekanntlich  oft  in  Equinustellung  verharrt,  indem  sein  Processus 
posterior  an  der  Hinterfläche  der  Unterschenkelknochen  fixieit  steht, 
hat  M.  eine  plastische  Operation  versucht:  Er  klappte  einen  hinteren 
Knochenlappen  aus  idem  Proc.  posterior  calcanei  um  seine  plantare 
Basis  um  und  in  die  Fersenweichteile  hinein. 

Nach  4  Jahren  hatte  sich  ein  Kalkaneus  von  tadelloser  borm 
hergestellt,  wie  das  Röntgenbild  zeigt. 

4)  Chlumsky  -  Krakau :  Zur  Aetiologie  und  Therapie  der 

Skoliose.  ^  x  ,  , 

Dass  der  Einfluss  der  Schule  auf  die  Entstehung  dei 
Skoliose  vorsichtig  beurteilt  werden  muss,  beweist  die  Beobachtung 
von  Ch.,  dass  50  Proz.  seiner  Skoliosen  vor  bezw.  ohne  Schulbesuch 
entstanden.  Er  glaubt,  dass  es  sich  um  eine  hereditäre  Beanlagung 
handelt,  dass  die  Entwicklung  der  Skoliose  dann  durch  äussere  Mo¬ 
mente  gehemmt  oder  gefördert  werden  könnte. 

Bei  schweren  Skoliosen  konstatierte  er  oft  psychische  Abnor¬ 
mitäten.  Differenzen  der  Beinlängen  fand  er  in  80  Proz. 

5)  K  o  p  i  t  s  -  Ofen-Pest:  Ein  neues  Instrument  zur  Anlegung 

des  Gipsverbandes  beim  Klumpfuss. 

Der  durch  Redressement  mobilisierte  Klumpfuss  wird  bei  ge¬ 
beugtem  Knie  auf  eine  in  der  Grösse  der  Fussohle  entsprechende 
Stahlsohle  aufgesetzt  und  samt  dieser  in  Gipsverband  gelegt.  Die 
Stahlsohle  wird  nachträglich  entfernt. 

Die  Fixation  des  Fusses  in  korrigierter  Stellung  gelingt  auf  diese 

Weise  K.  leichter  als  mit  der  Hand.  . 

6)  Pr  eis  er -Hamburg:  Ein  Fall  von  doppelseitiger  „schnap¬ 
pender  Hüfte“.  ^  e 

Die  Subluxation  war  wohl  durch  angeborene  Defektbildung  des 
Labium  glenoidale  bedingt.  Die  Verschiebung  liess  sich  im  Röntgen¬ 
bild  kontrollieren. 

7)  D  r  e  i  f  u  s  s  -  Hamburg:  Kasuistischer  Beitrag  zu  den  durch 
mechanische  Einwirkung  entstandenen  angeborenen  Missbildungen. 

2  Beobachtungen  von  FingeAkontrakturen,  deren  Entstehung 
durch  die  eigentümliche  Art  der  Faustbildung  in  utero  deutlich  er¬ 
kennbar  war.  ,  , 

8)  K  o  f  m  a  n  n  -  Odessa:  Eine  einfache  Methode  der  Pes  varus 

Daralitycus-Operation. 

Die  äussere  Hälfte  der  Achillessehne  wird  mit  den  Sehnen  des 
Extens.  digit.  communis  vernäht' und  zwar  distal  vom  Lig.  cruciatum. 
Der  Zehehstrecker  wird  ausserdem  durch  Raffnaht  verkürzt. 

In  6  Fällen  war  der  Erfolg  ein  guter. 

9)  Grönberg  -  Wiborg:  Ueber  das  Vorkommen  von  Haltungs¬ 
fehlern  und  Deformitäten  bei  Schulkindern. 

Interessante  Ergebnise  hatte  die  Untersuchung  von  ca.  8000 
Schulkindern,  Knaben  und  Mädchen,  in  Volks-  und  Mittelschulen. 

Die  Skoliose  fand  sich  in  Volksschulen  bei  Knaben  in  8,1,  bei 
Mädchen  !in  13,8  Proz.,  in  Mittelschulen  bei  Knaben  in  18,8  Proz.,  bei 
Mädchen  in  38,1  Proz.  Die  Skoliosenfrequenz  steigerte  sich  von 
Klasse  zu  Klasse,  ein  skoliosierender  Einfluss  der  Schule  besteht  also. 
Die  linkskonvexe  Totalskoliose  ist  die  häufigste  Form  bei  Schülern. 
Plattfuss  wurde  bei  17,4  Proz.  der  Schüler  festgestellt,  meist  doppe  - 
seitig.  Von  den  Plattfüssigen  hatte  23,1  Proz.  auch  eine  Skoliose, 
von  den  Skoliotischen  23,7  Proz.  auch  einen  Plattfuss. 

10)  v.  Modlinsky  -  Moskau :  Zur  Frage  des  Gipsgebrauches 

in  der  Orthopädie.  .. 

Beschreibung  und  Abbildungen  eines  zum  vielfachen  Verstellen 
und  zum  Zerlegen  eingerichteten  Gestelles,  welches  das  Anlegen  dei 
verschiedenartigsten  Gipsverbände  in  vertikaler  Position  der  Pa¬ 
tienten  gestattet. 

11)  Ghiulamila  -  Bukarest :  Kasuistische  Mitteilungen. 

1.  Angeborener  Mangel  eines  Rückenwirbels  mit  nachfolgende i 
Kyphose.  2.  Angeborne  Coxa  vara  und  tuberkulöse  Koxitis.  3.  An- 
geborne  Pfannenerweiterung  am  Hüftgelenk.  4.  Bruch  des  zentrat 
Endes  des  1.  Metakarpalknochens  und  des  Os  trapezium. 

12)  L  a  n  g  e  m  a  k  -  Erfurt:  Zur  Frage  der  Beckenstutze. 

13)  Rath-Köln:  Ein  Fall  von  Spätrachitis 

Bei  einem  13  jährigen  Mädchen  begann  ein  Erweichungsproze 
des  gesamten  Rumpf-  und  Extremitätenskeletts,  der  zu  vielfachen 


1744 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Frakturen  und  Verbiegungen  führte.  Die  Röntgenbilder  zeigen  u.  a. 
die  hochgradige  Verdünnung  der  Kortikalis. 

Die  Diagnose  schwankt  zwischen  infantiler  Osteomalazie  und 
Spätrachitis.  Eine  Phosphorkur  führte  nach  6  Jahren  zu  überraschen¬ 
der  Ausheilung. 

14)  L  i  1  i  e  n  f  e  1  d  -  Leipzig:  Lieber  d|e  sogenannten  Tarsalia  des 
Fusses  und  ihre  Beziehungen  zu  den  Frakturen. 

Die  wesentlichen  Ergebnisse  der  ungemein  interessanten  Rönt¬ 
genuntersuchungen  und  literarischen  Forschungen  sind  folgende: 

Die  Tarsalia,  die  inkonstanten  akzessorischen  Skelettstücke  des 
Fusses  sind  relativ  häufige  Erscheinungen  (bis  zu  10  Proz.l):  be¬ 
sonders  gilt  dies  für  Tibiale  externum,  Trigonum  und  Peroneum. 

Die  Kenntnis  der  Tarsalia  ist  nicht  nur  von  anatomischem  und 
entwicklungsgeschichtlichem  Interesse,  sondern  für  den  Chirurgen 
von  grosser  praktischer  Wichtigkeit  wegen  der  Möglichkeit  ihrer 
Verwechslung  mit  Frakturen.  Die  Tarsalia  haben  mit  den  Sesam¬ 
beinen  nichts  zu  tun.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 


Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd.  XXV, 
Heft  5. 

l)  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Jena:  Spätgeburt. 

Die  Möglichkeit  der  Uebertragung  eines  Kindes  weit  über  die 
normale  mittlere  Zeit  besteht  zwar,  der  Beweis  aber,  dass  ein  Kind 
über  300  Tage  sich  fortentwickelnd  im  Uterus  getragen  worden  sei, 
fehlt  bis  heute.  Die  der  Rechnung  nach  über  280  Tage  dauernden 
Schwangerschaften  stammen  zumeist  von  der  Menstrualperiode  her, 
deren  Blutung  ausblieb.  Von  diesen  Kindern  erreicht  eine  grössere 
Anzahl  ein  die  mittleren  Werte  übersteigendes  Gewicht  als  von  denen, 
die  dem  Ei  der  blutig  verlaufenden  Menstruationsperiode  entstammen. 
Verf.  bespricht  sodann  die  im  Bürgerlichen  Gesetzbuch  befindlichen 
§§  1592  und  1593,  für  die  es  erforderlich  erschien.  Grenzen  der  Emp¬ 
fängniszeit  festzulegen  und  äussert  sich  zusammenfassend  dahin,  dass 
für  die  Sicherung  der  Ehelichkeit  spätgeborener  Kinder  das  Gesetz 
in  der  heutigen  Fassung  völlige  Gewähr  bietet.  Für  die  Ermittlung 
des  natürlichen  Vaters  des  unehelichen  Kindes  würde  jede  Verlänge¬ 
rung  der  gesetzlich  fixierten  Empfängniszeit  den  Zweck  des  Gesetzes, 
in  möglichst  vielen  Fällen  dem  Kinde  den  wirklichen  Vater  zu  sichern, 
verfehlen. 

2)  C  o  h  n  -  Heidelberg:  Ueberblick  über  die  Leistungen  auf  dem 
Gebiete  der  Händedesinfektion. 

Historischer  Ueberblick  über  die  Entwicklung  und  Erfolge  der 
Händedesinfektion,  nebst  einer  ausführlichen  Literaturangabe. 

3)  P  r  e  1 1  e  r  -  Mannheim:  13  Fälle  von  Pubiotomie. 

Mitteilung  der  Krankengeschichte.  Operation  nach  Döder- 

1  ein.  Schutz  der  Blase  durch  Zurückschieben  von  der  Vagina  aus, 
bis  die  Säge  im  Knochen  verschwunden  war.  Im  Anschluss  an  die 
mehr  laterale  Durchsägung  sofortige  Entbindung.  Gehfähigkeit  in 
allen  Fällen  gut;  Vereinigung  der  Knochenenden  befriedigend. 

4)  R  e  t  z  1  a  f  f  -  Stettin :  Zur  Ovariotomie  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  während  der  Geburt  und  im  Wochenbett. 

In  3  Fällen  wurde  die  Schwangerschaft  nach  vaginaler  und  ab¬ 
dominaler  Entfernung  von  Ovarialtumoren  nicht  gestört.  Einen  prin¬ 
zipiellen  Weg  für  die  Operation  gibt  es  nicht.  Das  Vorgehen  richtet 
sich  nach  der  Dauer  der  Schwangerschaft,  der  Grösse,  Lage  und  Be¬ 
schaffenheit  des  Tumors.  Ungünstiger  liegen  die  Verhältnisse,  wenn 
die  1  iimoren  erst  während  der  Geburt  Erscheinungen  hervorrufen 
und  ein  Geburtshindernis  bilden.  Hier  kann  man  zunächst  die  Re¬ 
position  versuchen.  Misslingt  dies,  dann  Operation.  Durch  Quet¬ 
schungen  unter  der  Geburt  neigen  die  Tumoren  im  Wochenbett  zu 
Ernährungsstörungen  und  bilden  dadurch  für  Infektionen  einen  guten 
Boden. 

5)  H  a  u  p  t  -  Greifswald :  Ueber  Geburten  nach  Vaginifixur. 

Auf  Grund  der  Resultate  aus  der  Greifswalder  Klinik  —  27  Ge¬ 
burten  nach  Vaginifixur  ohne  nennenswerte  Störungen  —  nennt 
Veit,  die  schulgerecht  ausgeführte  Vaginifixur  für  die  Geburt  unge¬ 
fährlich. 

b)  Lange-  Posen:  Zur  Retroflexio  uteri  in  den  letzten  Schwan¬ 
gerschaftsmonaten. 

31  jährige  III.  Para  mit  Retroflexio  uteri  gravidi  am  normalen 
Lnde  der  Schwangerschaft.  Repositionsversuch  vergeblich.  Laparo¬ 
tomie,  iimdaler  Querschnitt  und  supravaginale  Absetzung  des  Uterus 
wegen  starker  Nachgeburtsblutung.  Die  Ausdehnung  des  Uterus  war 
1,111  ^ut  Kosten  der  vorderen  W  and  erfolgt,  während  die  ganze  hin¬ 
tere  nn  kleinen  Becken  durch  Verwachsungen  fixiert  war.  Inkarzera- 
tionserscheinungen  traten  nicht  ein.  Vaginal  vorzugehen  verbot  sich 
Beckens^1161'  ^e’cbzed's  vorhandenen  Verengerung  des  knöchernen 

")  \Vol.ff- Heidelberg:  Uebersicht  über  die  Fortschritte  der 
Hämatologie  in  den  letzten  10  Jahren.  (Schluss  des  Berichtes.) 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 


Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  32. 

M.  Samuel  -  Posen :  Ueber  den  Toporski  sehen  Uterus¬ 
katheter. 

S.  hat  den  von  I  oporski  im  Jahre  1883  angegebenen  Utern*!- 
katheter  statt  aus  Glas  aus  Metall  anfertigen  lassen,  u.  z.  in  2  Grössen 
iur  puerperale  und  nichtpuerperale  Uteri.  Verfertiger  ist  die  A  -G' 
iur  Feinmechanik,  vorm.  J  etter  und  Scheerer  in  Tuttlingen. 


A.  M  u  el  1  e  r  -  München:  Ueber  das  Vorkommen  von  Deflexious- 
Iagenhabitus  und  Deflexionslagenkopfform  bei  Beckenendlagen. 

Die  gewöhnliche  Ansicht,  dass  die  Beckenendlagen  mit  einem  den 
Flexionslagen  (Hinterhauptslagen)  entsprechenden  Habitus  des  Frucht¬ 
körpers  verbunden  seien,  trifft  nicht  immer  zu.  M.  konnte  in  4  Fällen 
die  entgegengesetzten  Deflexionshaltungen,  entsprechend  der  Ge¬ 
sichtslage  und  Stirnlage,  beobachten.  Als  Ursache  für  die  abnorme 
Haltung  nimmt  M.  geringe  Fruchtwassermenge  an. 

Camillo  Für  st- Graz:  Sterile  Wendungsschlinge  aus  hydro¬ 
philem  Mullstoff. 

Die  sterile  Schlinge,  welche  die  gewöhnliche  aus  Seidengeflecht 
ersetzen  soll,  kommt  in  steriler  Packung  verschlossen  in  den  Handel. 
Zu  beziehen  durch  H  e  i  n  i  s  c  h,  Instrumentenmacher  in  Graz. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und  all¬ 
gemeinen  Pathologie.  Jahrgang  1907.  4L  Band.  3.  Heft. 

12)  T.Cavazzani-  Intra:  Ueber  die  Entstehung  der  Teratoide 
des  Hodens.  Bemerkungen  über  eine  angeborne  Geschwulst  des 
Hodens.  (Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Pisa.) 

Der  beschriebene  Tumor  wurde  bei  einem  noch  nicht  1  Jahr 
alten  Kind  beobachtet,  er  war  gutartiger  Natur  und  enthielt  Derivate 
aller  dreiei  Keimblätter,  ganz  besonders  reichlich  embryonales 
Nervengewebe;  Verf.  stellt  seine  Beobachtung  den  4  bisher  be- 
schi  iebenen  ähnlichen  Fällen  an  die  Seite  und  wendet  sich  hinsicht¬ 
lich  der  Pathogenese  des  Tumors  gegen  die  Marchand-Bonnet- 
sche  Blastomerentheorie. 

13)  G.  Cagnetto  und  Ad.  Zaneau:  Anatomische  und  ex¬ 
perimentelle  Untersuchungen  über  die  typhöse  Nephritis.  (Aus  dem 

path.-anat.  Institut  zu  Padua.) 

In  der  vorliegenden  Arbeit  nimmt  der  bakteriologische  Teil,  der 
sich  mit  der  diagnostischen  Sicherstellung  .der  aus  den  Leichen  ge- 
züchteten  Typhusbazillenstämme  beschäftigt,  einen  grossen  Raum 
ein.  Was  die  experimentellen  Untersuchungen  betrifft,  so  wurden 
Meei  schweinchen  intraperitoneal  mit  der  von  den  Bazillen  abfiltrierten 
Peptonbouillonkulturen  behandelt  und  zwar  zwischen  5  und  71  Tagen. 
Beim  Menschen  unterscheiden  die  Verf.  3  Formen  von  Nierenver¬ 
änderungen:  Die  grosse  rosenfarbene,  die  grosse  gestreifte  und  die 
grosse  hämorrhagische  Niere.  Sogenannte  Typhuslymphome  haben 
sie  in  der  Menschenniere  nur  ausnahmsweise  gefunden,  doch  konnten 
solche  auch  bei  den  toxisch  geschädigten  Tieren  beobachtet  werden; 
sie  sind  mithin  nicht  abhängig  von  der  Anwesenheit  der  Bazillen. 
Das  maki  oskopische  Bild  der  experimentellen  toxischen  Typhus- 
nephritis  ist  parallel  zu  stellen  der  grossen  gestreiften  Niere  des 
Menschen.  Mikroskopisch  lassen  sich  degenerative  Prozesse  (be¬ 
sonders  im  Gebiet  der  I  ubuli  contorti),  neben  Exsudation  und  Proli- 
feiation  nachweisen,  zudem  noch  Neigung  zu  Blutungen  ins  Inter- 
stitium. 

.14)  E.  M  a  g  n  u  s  -  Aisleben:  Zur  Histologie  der  Myodegeneratio 
cordis.  (Aus  dem  pathol.  Institut  des  Augustahospitals  zu  Köln.) 

Verf.  beschreibt  zwei  Fälle  von  disseminierter,  in  der  ersten 
Beobachtung  besonders  stark  ausgedehnter  Schwielenbildung  im  Be¬ 
reich  des  linken  Ventrikels  ohne  stärkere  sklerotische  Prozesse  an  den 
Koronararterien.  Nach  dem  eigentümlichen  histologischen  Bild  glaubt 
Verf  an  eine  primäre  hyalinschollige  Muskelerkrankung  (Alkohol? 
Nikotin?)  als  Anfangsstadium  der  Veränderung.  In  beiden  Fällen 
zeigte  sich  makroskopisch  in  dem  hypertrophischen  Herz¬ 
muskel  nichts  Abnormes. 


,  ,,  oz:  Ueber  zwei  Fälle  von  fötaler  Bronchiektasie. 

(Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Bern.) 

Die  beschriebenen  Beobachtungen  betrafen  ein  Zwillings¬ 
schwesternpaar,  die  im  Alter  von  I6V2  be zw.  18  Jahren  unter  ganz 
gleichen  klinischen  Erscheinungen  starben;  in  beiden  Fällen  fanden 
sich  eigenartige  Lungenveränderungen,  die  teils  Verdichtungen  teils 
zystische  glattwandige  Höhlenbildungen  darstellten.  S.  glaubt  die 
Veränderungen  als  Residuen  kongenitaler  Lues  ansprechen  zu  müssen 
was  nach  dem  ganzen  Befund  wie  den  klinischen  Angaben  wenigstens 
sehr  wahrscheinlich  sein  dürfte. 

MaJ( *’  *d  r:  *,r  F5age  des  Pseudomyxoma  peritonei  beim 

>lann.  (Aus  der  I  rosektyr  des  städt.  Krankenhauses  zu  Altona.) 

.  WahrfLnd  das  sonst  als  Pseudomyxoma  peritonei  (Werth)  be¬ 
zeichn  ete  Zustandsbild  durch  die  Berstung  eines  pseudomuzinösen 
vai  lalkystoms  bedingt  ist,  handelt  es  sich  in  vorliegender  Beob¬ 
achtung  um  einen  primären  Hydrops  spurius  des  Processus  vermi- 
“  (beJ  einem  3f]dhr;  Mann),  durch  dessen  (allerdings  hier  nicht 
aChm  "Ifi  )are  1  Perforatlon  *)  der  sterile  schleimige  Inhalt  in  die 
fieie  Bauchhöhle  gelangt  war  und  hier  ganz  ähnliche  pathologische 
Veränderungen  wie  bei  der  geschilderten  Erkrankung  des  Weibes 

f4nePtZrFha"teT  LiS  W^rnn  ^\sher  nur  zwei  dera‘rtige  sicher  gestellte 
l  D  kr+aHn  ke  Uud  beschrieben,  doch  vermutet  H.  gewiss 

i  PcRpCht’ •  ?aSS  aUCh  ei?  Teu  -der  als  zystische  Lymphangiome 
es  Peritoneums  beschriebenen  Fälle  hierher  zu  zählen  seien 
worauf  Ref.  bereits  früher  aufmerksam  machte. 


w  u  c 1  nuui  1 e  1 


^  ,,  ,  r  - x-  -  -  *  liaL  uei  emmgarter  1  agune  der  ü  nath 

Gesellschaft  (1906)  über  den  histologischen  Befund  bei  solchen 
subakuten  I  erforationen  des  zystisch  entarteten  Wurmfortsatzes  recht 
bemerkenswertes  berichtet.  Ref. 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1745 


17)  A.  F  i  s  ch  e  1  -  Prag:  Ueber  Anomalien  des  zentralen  Nerven¬ 
systems  bei  jungen  menschlichen  Embryonen.  (Aus  dem  anatom. 

Die  Mitteilung  betrifft  1.  eine  Verdoppelung  des  Zenti  alkanals 
bei  einem  ca.  38  tägigen  und  2.  eine  Hydromyelie  bei  einem  ca.  31 
tägigen  menschlichen  Embryo. 

18)  H.  Assmann:  Beiträge  zur  osteosklerotischen  Anämie. 

(Aus  dem  pathol.  Institut  zu  Genf.)  .  . 

Unter  den  5  beschriebenen  Fällen  von  allgemeiner  Osteosklei  ose 
waren  zwei  mit  pseudoleukämischen  Veränderungen,  einer  mit  lym¬ 
phatischer  Leukämie  verbunden,  in  den  beiden  letzten  ballen  waren 
primäre  Knochenmarkschädigungen  nicht  niehr  nachzuweisen,  doch 
nimmt  auch  hier  Verf.  an,  dass  es  sich  um  sekundäre,  auf  abgelaufene 
Wucherungsprozesse  folgende  Vernarbungsvorgänge  hande.te. 

19)  Ch.  Devaux:  Beiträge  zur  Glykogenfrage.  (Aus  dem 

pathol.  Institut  zu  Freiburg  i.  B.)  .  * 

Bei  menschlicher  wie  bei  experimenteller  (Meerschweinchen) 
Tuberkulose  war  Glykogen  nie  jn  jungen  Tuberkeln,  in  späteren 
Stadien  häufig  nachzuweisen,  besonders  in  der  Umgebung  von 
^  gJd*oscn 

Bei  Mastfütterung  zeigte  sich  wieder  ein  gewisser  Parallelismus 
zwischen  Fett-  und  Glykogenablagerung;  bei  Gewichtsstillstand  oder 
-abnahme  dagegen  verschwindet  das  Glykogen.  Vielleicht  bildet  die 

Zelle  ihr  Fett  aus  Glykogen?  ,  , .  .  m 

20)  W  Carl-  Beitrag  zur  Tuberkulose  der  Plazenta.  (Aus  dem 
pathol.  Institut  des  städt.  Krankenhauses  Charlottenburg-Westend.) 

Bei  einer  an  Lungen-  und  Meningealtuberkulose  verstorbenen 
Graviden  fanden  sich  in  der  Placenta  materna  und  foetalis  käsig  tuber¬ 
kulöse  Prozesse:  im  fötalen  Organismus  (7.  Monat)  Hessen  sich  weder 
tinktoriell  noch  experimentell  Tuberkelbazillen  nachweisen. 

H.  Merkel-  Erlangen. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  32  u.  33,  1907. 

1)  P.  K-  P  e  1  -  Amsterdam:  Ist  Opium  nützlich  oder  schädlich 
bei  akuter  Perityphlitis? 

P.  bekennt  sich  auf  grund  ca.  30  jähr.  reicher  Erfahrung  als  über¬ 
zeugten  Anhänger  einer  zweckmässigen,  kleindosigen  Opiumtherapie 
und  hält  die  dagegen  erhobenen  Bedenken  für  grösstenteils  theoretisch 
konstruiert.  Er  gibt  Erwachsenen  z.  B.  2  stündlich  je  5  Tropfen 
Opiumtinktur,  auch  bei  event.  Obstipation.  Laxierende  Behandlung 
verwirft  P.  dagegen  völlig.  Mit  Opium  richtig  behandelte  Fälle  der 
Praxis  verlaufen  in  ca.  90  Proz.  günstig. 

2)  E.  Seligmann  - Berlin :  Beiträge  zur  Frage  der  sogen. 
Komplementbindung. 

Die  mitgeteilten  Versuche  beweisen,  dass  durch  den  Vorgang 
chemischer  Niederschlagsbildung  sowohl  wie  duich  den  einer  kol¬ 
loidalen  Reaktion  ohne  Niederschlagsbildung  Komplement  absorbiert 

werden  kann.  .  .  . 

3)  H.  E  y  s  b  r  o  e  k  -  Utrecht:  Ueber  die  Spezihzitat  der  Ambo¬ 
zeptoren.  ,  ,  . 

Sowohl  aus  den  Versuchen  von  G  e  n  g  o  u,  wie  aus  den  hier 
mitgeteilten  Untersuchungen  ist  zu  folgern,  dass  die  Methode  der 
Komplementbindung  von  Bordet-Gengou  zum  Nachweis  der 
Identität  von  Mikroben  nicht  zu  verwerten  ist.  Von  einer  absoluten 
Spezifizität  der  Ambozeptoren  kann  nicht  gesprochen  werden. 

3)  Frz.  Fink -Karlsbad:  Leitende  Grundsätze  für  den  Kurge¬ 
brauch  Gallensteinkranker  in  Karlsbad. 

F.  unterscheidet  je  nach  klinischem  Bilde,  bezw.  Verlaufsstadium 
der  Gallensteinkrankheit  7  Gruppen  dieser  Kranken  und  postuliert 
demgemäss  eingehende  Spezialisierung  im  Gebrauche  der  Thermal¬ 
wässer,  Moorapplikationen,  Massage.  Bewegung  und  Ruhe  u.  dgl. 
und  vor  allem  ärztliche  Beratung  im  Gebrauche  der  Kur. 

4)  F.  Hey  mann-  Charlottenburg:  Zur  instrumenteilen  Per¬ 
foration  des  nicht  schwangeren  Uterus.  ,  ,  .  . 

In  dem  von  H.  mitgeteilten  Falle  (34  jähr.  Frau)  fand  bei  einer 
lege  artis  vorgenommenen  Ausschabung  am  Fundus  eine  Perforation 
durch  die  S  i  m  s  sehe  Kürette  statt.  Die  gelegentlich  angeschlossener 
Operation  sofort  vorgenommene  Inspektion  zeigte  die  Perforation  und 
erhärtete  die  besonders  aus  dem  Versinken  des  Instrumentes  gestellte 
Diagnose.  In  der  epikritischen  Besprechung  von  62  Perforationsfällen 
aus  der  Literatur  bekämpft  Verf.  besonders  die  von  Kossmann 
vertretene  Ansicht,  dass  sehr  viele  angenommene  Perforationen  in 
Wirklichkeit  eben  keine  wären.  Er  geht  dann  noch  auf  den  Verlauf 
und  die  Folgen  der  sicheren  Perforationen  ein,  sowie  auf  die  Indi¬ 
kationen  der  konservativen  oder  operativen  Behandlung.  Erstere 
kommt  wohl  häufiger  in  Frage.  Bei  Perforationen  durch  Spülinstru¬ 
mente  ist  fast  immer  sofortiges  Eingreifen  unbedingt  erforderlich. 

No.  33.  1)  A.  B  i  c  k  e  1  -  Berlin:  Untersuchungen  über  den  Ein¬ 

fluss  von  Metallen  auf  die  Magenschleimhaut. 

Vergleiche  Referat  S.  1507  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

2)  J.  Kentzler  -  Ofen-Pest:  Die  Rolle  der  Salzsäure  bei  der 

Magenverdauung.  ,  ,. 

Die  erste  Reihe  der  mitgeteilten  Versuche  stellt  fest,  dass  die 
Artänderung  der  im  Körper  zur  Resorption  gelangenden  Eiweiss¬ 
stoffe  im  Magen  stattfindet.  Weitere  Versuche  zeigten,  dass  es  die 
Salzsäure  und  zwar  in  einem  ganz  bestimmten  Konzentrationsgrade 
ist,  welche  diese  Umwandlung  hervorruft  und  dass  das  Pepsin  dabei 


keine  Rolle  spielt.  Auch  Milchsäure  in  1  proz.  Lösung  ist  imstande, 
die  Umwandlung  des  artfremden  Eiweisses  herbeizuführen. 

3)  E.  Weil  und  K.  Tsuda-Prag:  Ueber  Behinderung  der 
Reagenzglasphagozytose. 

Die  Ergebnisse  der  mitgeteilten  Versuche  werden  in  folgenden 
Sätzen  zusammengefasst:  Das  Dysenterieaggressin  behindert  die 
Phagozytose  der  Dysenteriebazillen  durch  Meerschweinchenleuko¬ 
zyten.  Die  Phagozytosenbehinderung  ist  spezifisch,  denn  Heubazillen 
und  Staphylokokken  werden  im  Aggressin  phagozytiert.  Die  Phago¬ 
zytosehemmung  kann  deshalb  nicht  dadurch  zustande  kommen,  dass 
das  Aggressin  durch  Giftigkeit  die  Leukozyten  schädigt.  Die  Phago¬ 
zytoseunterdrückung  beruht  nicht  auf  dem  Opsoninverlust  des  Aggies- 
sins,  denn  sie  tritt  auch  auf,  wenn  man  mit  Opsonin  beladene  Bak¬ 
terien  der  Wirkung  des  Aggressins  aussetzt.  Die  Phagozytose¬ 
behinderung  ist  ein  aktiver  Vorgang  durch  das  Aggressin,  welches 
wahrscheinlich  ähnlich  wie  die  Kapsel  den  Milzbi  andbazillus,  die  Bak¬ 
terien  vor  der  Phagozytose  schützt. 

4)  Martini -Tsingtau:  Kala-azar  (fieberhafte  tropische  Sple¬ 
nomegalie)  bei  einem  Schantung-Chinesen. 

Wiedergabe  der  Krankengeschichte  und  Abbildung  des  mikro¬ 
skopischen  Blutbefundes  der  auch  in  Asien  und  Afrika  vorkommen¬ 
den  im  Titel  bezeichneten  Krankheit.  Die  beiden  Fälle  stammten  aus 
Schantung.  Das  klinische  Bild  ist  charakterisiert  durch  langsamen 
Verlauf,  Anämie,  Leukopenie,  starke  Milzschwellung  und  Oedem  Die 
Uebertragung  der  Erreger,  welche  ihren  Ausdruck  finden  durch  die 
in  den  Organen  vorhandenen  sogenannten  Leishman-Donovan-Kor- 
perchen,  geschieht  auf  dem  Wege  des  Verdauungskanales,  vielleich 
ist  der  Wirt  der  Parasiten  eine  bestimmte  Fischart. 

5)  R.  Lipschitz -Berlin:  Ueber  aberrierende  Bündel  bei 

Fazialislähmung.  .  .  ,  ,  .  , 

Unter  Wiedergabe  von  6  Krankengeschichten  weist  Verf.  aut 
jene  Fälle  hin,  wo  bei  Fazialislähmung  durch  den  faradischen  Strom 
von  bestimmten  Stellen  des  Verbreitungsgebietes  aus  Muskelzuk- 
kungen  in  weit  entfernten  Bezirken  des  Fazialisgebietes  hervorgeiufen 
werden  können,  z.  B.  bei  Reizung  oberer  Aeste  Zuckungen  am  Rinn 
erscheinen.  Diese  klinischen  Beobachtungen  sprechen  zu  Gunsten  der 
Theorie  der  „Auswachsung“  im  Prozess  der  Nervenregeneration. 

6)  W.  N.  C 1  e  m  m  -  Ballenstedt  a.  H.:  Ueber  ein  neues  Blut- 

präpVerf.  verj3rejtet  gjch  über  die  Nachteile  der  bisherigen  Eisen- 
präparate,  welche  zum  Teil  massenhaft  Bakterien  enthalten  und  auc  i 
dadurch  ungünstig  zusammengesetzt  sind,  dass  sie  nur  an  Eiweiss  ge¬ 
bundenes  Eisen  enthalten  und  dem  Körper  keine  Kohlehydrate  dar- 
bieten.  Letzterem  Postulat  leistet  das  Hämatopan  Genüge,  ein  Prä¬ 
parat,  in  welchem  das  Eisen  an  Malz  gebunden  ist  Es  soll  sehr 
gut  ertragen  werden,  gut  schmecken  und  wirken  und  überhaupt  ein 

einwandfreies  Eisenpräparat  darstellen.  ....  , 

Grass  mann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  33. 

1)  L.  W.  W  e  b  e  r  -  Göttingen:  Fortschritte  in  der  Diagnostik 

der  Nervenkrankheiten.  (Schluss  folgt.)  .  . 

2)  Paul  Krause- Berlin:  Ueber  doppelseitige  Nephrolithiasis. 

In  jeder  der  immens  (eine  zehnfach)  vergrösserten  Nieren  fand 
sich  ein  kleinwalnussgrosser  Stein,  der  eine  im  Nierenbecken,  der 
andere  in  der  blutreichen  Nierensubstanz,  nahe  dem  unteren  Pol.  Die 
Steine  bestanden  aus  phosphorsaurem  Kalk  mit  geringen  Mengen  von 
Harnsäure.  Bemerkungen  zur  Röntgentechnik.  __ 

3)  Doeb  bei  in -Berlin:  Fall  von  sequestrierendem  Milz- 

^bszess 

Plötzliche  Erkrankung  eines  bisher  gesunden  Soldaten  mit  hohem 
Fieber,  Schmerz  in  der  Magengegend,  leichtem  Ikterus.  Unregel¬ 
mässiges  Fieber;  nach  3  Wochen  Probelaparotomie,  grosse  glatte, 
gleichmässig  derbe  Milz.  Nach  weiteren  3  Wochen  seröses, 
linksseitiges  Pleuraexsudat.  Oedem  um  die  Narbe.  Re- 
laparotomie:  grosser  Abszess,  stinkender  Eiter;  Drainage.  Darnach 
noch  mehrere  Milzabszesse  mit  grösseren  Sequestern.  Aetiologie 

unklar.  ^  ^roemer_  Giessen:  Klinische  Beobachtungen  über  Aetio¬ 
logie  und  Therapie  des  Chorionepithelioms,  insbesondere  über  die  Be¬ 
handlung  der  Blasenmole.  (Schluss.) 

Kritische  Besprechung  von  17  Fällen  von  Blasenmole;  meist 
Mehrgebärende;  bei  9  erhebliche  Nierenstörungen;  1  mal  frühzeitige 
Intoxikation  (Nephritis,  totale  Amaurose)  und  Eklampsie  im  4.  Monat, 
nach  5  Wochen  Radikaloperation  nötig  wegen  Chorionepitheliom- 
wucherung,  Ovarialtumoren.  Ovarialtumoren  wurden  10  mal  beob¬ 
achtet,  davon  3  operiert,  Chorionepitheliomwucherungen  wurden  in 
7  von  den  17  Fällen  gesehen.  Das  histologische  Bild  der  Probe 
abrasio  gab  keine  sichere  Differenzierung  zwischen  gut-  und  bös¬ 
artigen  Fällen,  weshalb  Verfasser  dem  klinischen  Gesamtbild  den  Vor¬ 
rang  .einräumt.  In  4  Fällen  genügte  2— 3  malige  Abrasio  zur  Heilung. 
Ausser  den  7  Fällen  von  malignem  Chorionepithehom  nach  £ 

sah  Verf.  3  mal  den  Tumor  im  Anschluss  an  Abort  oder  aussetia 

Schwangerschaft;  die  Fälle  kamen  erst  spat  zur  Behandlung  bezw. 
Diagnose  und  verliefen  rapid,  auf  Lymph-  und  Blutbahnen  (Lungen; 
metastasierend.  An  den  Bildern  einer  tiefen  mtramuralen  Einbettu  g 
im  Uterus  erwägt  Verf.  die  Möglichkeit,  dass  darin  ein  Vorstadium 
einer  Chorionepitheliombildung  vorliegen  könne. 


1746 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


5)  M.  Ogata  und  K.  I sh  i  w  a  r  a -Tokio:  Zweite  Mitteilung 
ii her  die  Aetiologie  der  Tsutsugamushikrankheit  (Ueberschwemmungs- 
fieber  von  B  a  e  1  z.) 

Weitere  Untersuchungen  über  die  Hauptentwicklungsstadien  der 
Tsutsugamushisporozoa,  abgebildet.  Die  Geschwürsmasse  der  Kran¬ 
ken  liess  sich  direkt  auf  Kaninchen  und  Ziegen  übertragen.  Das  Serum 
geheilter  Versuchstiere  zeigte  gewisse  schützende  und  heilende  Wir¬ 
kungen  gegen  die  Impfung  der  Tsutsugamushisporozoa. 

6)  Q.  .1.  Müller-  Berlin:  Ueber  den  derzeitigen  Stand  und  die 
Aussichten  der  Aktinotherapie.  (Schluss  folgt.) 

7)  Artur  L  i  s  s  a  u  e  r  -  Holsterhausen :  Tuberkulinsuppositorien. 

Das  in  Oel  u.  a.  suspendierte  Alttuberkulin  wird  in  Hohlsupposi- 

torien  eingeschlossen.  Die  Wirkung  ist  langsamer  und  milder  als  bei 
subkutaner  Anwendung,  dabei  auffallend  diffus. 

8)  Alfons  F  i  s  c  h  e  r  -  Karlsruhe:  Staatliche  und  private  Mutter- 
schaftsversicherung. 

9)  E.  S  o  b  o  1 1  a  -  Reiboldsgrün :  Das  Militärsanitätswesen  in 

Spanien.  R.  Qrashey  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 
No.  15.  1907. 

F.  S  u  t  e  r:  Ueber  den  Wert  der  Indigokarminprobe  zur  Diagnose 
chirurgischer  Nierenaffektionen  an  Hand  von  37  operativ  behandelten 
Fällen.  (Aus  der  Chirurg.  Privatklinik  von  Dr.  F.  Suter  und  Dr. 
E.  Hagenbach  [früher  von  Prof.  E.  Burckhardtt]  in  Basel.) 

4  ccm  4  proz.  I.K. -Lösung  werden  intramuskulär  injiziert,  dann 
der  Harn  mit  L  u  y  s  schem  Harnscheider  aufgefangen.  Die  gesunde 
Niere  beginnt  mit  der  Farbausscheidung  in  6 — 15  Minuten,  die  kranke 
scheidet  später  und  nicht  so  viel  oder  gar  keine  Farbe  aus.  Zwischen 
dieser  veränderten  Ausscheidung  und  der  Ausdehnung  der  Erkrankung 
besteht  Parallelismus.  Der  Erfolg  bei  den  (mit  Nachtrag)  44  Fällen 
(32  Nephrektomien,  2  Todesfälle)  und  ebenso  das  Schicksal  der  als 
inoperabel  bezeichneten  Kranken  beweist  die  Verlässlichkeit  der 
I.K. -Probe  und  des  Harnscheiders. 

A.  Si  eg  r  i  s  t  -  Bern:  Ueber  die  Notwendigkeit,  die  Augen  der 
schulpflichtigen  Kinder  vor  dem  Schuleintritt  untersuchen  zu  lassen 
und  über  die  Beziehungen  des  Astigmatismus  zur  Myopie.  (Schluss.) 

Von  860  in  die  Schule  eintretenden  Kindern  in  Basel-Stadt  zeigten 
29,1  Proz.  ungenügende  (unkorrigierte)  Sehschärfe  <  1,0;  die  wich¬ 
tigsten  Ursachen  waren  (in  22,7  Proz.)  Hypermetropie  und  besonders 
(in  50,5  Proz.)  pathologischer  Astigmatismus.  Dieser  letztere  spielt 
eine  wichtige  Rolle  in  der  Pathogenese  der  Myopie,  was  durch  sta¬ 
tistische  Zusammenstellungen  dargelegt  wird.  Es  ist  Pflicht  der 
Humanität  und  der  Hygiene,  dass  der  Staat  die  Augen  der  Kinder 
untersuchen  lässt  und  eventuell  eine  Gläserbehandlung  empfiehlt. 
Ueber  zahlreiche  Einzelheiten  siehe  das  Original! 

H  ii  r  1  i  m  a  n  n  -  Unterägeri:  Zur  Behandlung  des  Heuschnupfens. 

Verf.  empfiehlt  nach  zwei  günstigen  Erfahrungen  in  einem  Korbe 
mit  elektrischen  Rotlichtlampen  die  trockene  heisse  Luft  durch  die 
Nase  einatmen  zu  lassen.  Pischinger. 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  32.  E.  v.  H  i  b  1  e  r  -  Innsbruck:  Bakteriologischer  Bericht 
über  drei  Fälle  von  Zerebrospinalmeningitis. 

Die  eingehenden  bakteriologischen  Erörterungen  (in  einem  Falle 
liess  sich  der  Weichselbaum  sehe  Meningokokkus,  in  dem  an¬ 
deren  zwei  polymorphe  Bakterienformen  nachweisen)  eignen  sich  nicht 
zur  kurzen  Wiedergabe. 

P.  D  e  i  a  c  o  -  Persen :  Ueber  Lokalisation  und  Natur  der  pel- 
lagrösen  Hautsymptome. 

5  Krankengeschichten,  welche  neuerlich  die  frühere  Annahme 
widerlegen,  dass  das  Pellagraexanthem  nur  an  den  unbekleidet  .ge¬ 
tragenen  Körperteilen  zur  Entwicklung  gelange.  Diese  sind  aller¬ 
dings  in  der  Regel  allein  befallen  und  die  Hautaffektionen  an  den 
bedeckten  Stellen  scheinen  vorzugsweise  bei  schweren,  fortgeschrit¬ 
tenen  Fällen  aus  belasteten  Familien  vorzukommen. 

M.  Oppenheim:  Ueber  Hautveränderungen  Erwachsener  im 
Anschlüsse  an  die  Pirquet  sehe  Reaktion. 

5  Krankenbeobachtungen,  welche  im  Sinne  der  von  Pirquet, 
I  a  u  n  d  1  e  r,  M  o  r  o  und  Doganoff  gemachten  Mitteilungen 
sprechen.  Kranke  mit  ausgesprochenen  skrofulösen  Hauterschei¬ 
nungen  (Lichen,  Skroohuloderma)  zeigten  eine  verstärkte  Eruption 
derselben  nach  der  Tuberkulinimpfung,  Kranke  mit  ganz  •vorge¬ 
schrittener  Tuberkulose  zeigten  nur  die  einfache  Quaddelbildung. 

ükuniewski  - Pola:  Kasuistische  Beiträge. 

Aus  dem  Marine  spitale: 

a)  Fremdkörper  im  Oesophagus.  Chronische  Striktur.  Stecken- 
ilciben  eines  Bissens.  Vor  der  in  Aussicht  genommenen  Oesophago- 
tomie  spontanes  Passieren  des  Bissens  Fleisch  nach  Behandlung  mit 
Pepsin  und  Salzsäure. 

b)  Spondylitis  ex  lue.  Weitgehende  Besserung  unter  spezifischer 
Bella  ..iiing. 

c)  Fraktur  des  os  zygomaticum;  Fraktur  des  Oberkiefers  Läh¬ 
mung  des  Nervus  infraorbitalis. 

d)  ( ii anatensplitter  in  der  Highmorshöhle  nach  Explosion  einer 
Granate.  Extraktion. 

e)  Zyste  des  Oberkiefers. 


L.  Zupnik:  Ueber  die  Spezifität  der  Bakterienpräzipitine. 

Erwiderung  an  v.  Eisler. 

No.  33.  M.  W  e  i  s  s  -  Alland:  Ueber  das  Prinzip  und  die  Be¬ 
deutung  der  E  h  r  I  i  c  h  sehen  Diazoreaktion. 

Die  Darstellung  eines  Körpers,  welcher  die  reine  Diazoreaktion 
gibt,  ist  bisher  nicht  gelungen,  theoretische  Erwägungen  und  experi¬ 
mentelle  Erfahrung  weisen  darauf  hin,  dass  das  Prinzip  der  Diazo¬ 
reaktion  in  nahen  Beziehungen  zu  dem  normalen  Urochrom  steht, 
das  als  eine  höhere  Oxydationsstufe  dieses  „Urochromogens“  aufge¬ 
fasst  werden  kann.  Für  die  prognostische  Bedeutung  der  Reaktion 
sind  jedenfalls  die  nahen  Beziehungen  wichtig,  welche  sie  zu  dem 
Blutbild  einer  Reihe  von  Krankheiten  hat,  in  welchem  die  Zahl  der 
roten  Blutkörperchen  und  des  Hämoglobingehaltes  hervortritt:  die 
Reaktion  bildet  ein  Kriterium  für  die  Schädigung  der  Erythrozyten 
und  es  lässt  sich  annehmen,  dass  die  wirksame  Substanz  bei  der 
Diazoreaktion  sich  aus  dem  Blutfarbstoffe  ableitet.  In  diesem  Sinne 
ist  speziell  bei  der  4  uberkulose  der  positive  Ausfall  der  Diazoreaktion 
ein  prognostisch  ernstes,  wenn  auch  nicht  durchaus  ungünstiges 
Zeichen. 

L.  Kürt- Wien:  Ueber  mehrere  klinische  Symptome  der  Hy¬ 
pertrophie  des  rechten  Ventrikels. 

Veif.  fasst  selbst  das  Resultat  seiner  Arbeit  dahin  zusammen, 
dass  für  die  Beurteilung  der  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels  vor 
allem  die  Resultate  der  Palpation  massgebend  sind.  Durch  indirekte 
Palpation  ist  bisweilen  der  hebende  Charakter  der  Systole  dann  noch 
nachweisbar,  wo  das  bei  direkter  Betastung  nicht  gelingt.  Ein  ausge¬ 
sprochen  fühlbarer  Klappenschluss  über  der  Pulmonalis  wird  zumal 
in  der  Pubertätszeit  auch  bei  Gesunden  beobachtet.  Eine  im  Vergleich 
zum  Spitzenton  ganz  beträchtliche  Verstärkung  des  I.  Tones  über 
dem  unteren  Teil  des  rechten  Herzens  ist  für  die  Diagnose  der 
Hypertrophie  desselben  ein  beachtenswertes  Moment. 

W.  E 1 1  i  n  g  e  r  -  Warschau:  Auskultatorische  Methode  der  Blut¬ 
druckbestimmung  und  ihr  praktischer  Wert. 

Bericht  über  235  Untersuchungen  zum  Vergleiche  der  palpatori- 
schen  Blutdruckbestimmung  Strasburgers  und  der  graphischen 
Sahlis  mit  der  auskultatorischen  Korotkows.  Das  zusammen¬ 
fassende  Urteil  über  die  Methode  Korotkows  lautet  dahin,  dass 
sie  sich  zur  Bestimmung  _  des  systolischen  Blutdruckes  sehr  gut 
eignet  und  durch  ihre  Empfindlichkeit  allen  anderen  Methoden  voran¬ 
steht;  den  diastolischen  Druck  scheint  sie  genauer  als  andere  Me¬ 
thoden  zu  bestimmen,  bei  einem  Teil  der  Fälle  aber  ebenso  unsicher 
zu  sein;  am  wenigstens  geeignet  ist  sie  für  die  fortgeschrittene  Aorten¬ 
insuffizienz.  Bezüglich  der  vielen  Einzelheiten  muss  auf  das  Original 
verwiesen  werden. 

G.  Mann  -  Triest:  Ein  Fall  von  spontaner  Magenfistel  nach  Ulcus 
ventriculi. 

Der  Fall,  eine  40  jährige  Frau  betreffend,  war  dahin  zu  er¬ 
klären,  dass  bei  einem  in  der  Mitte  der  vorderen  Magenwand  sitzen¬ 
den  Geschwür  sich  Verlötungen  mit  der  Bauchwand,  später  eine  nach 
aussen  durchbrechende  phlegmonöse  Perigastritis  entstanden  war. 
Die  starke  Narbenbildung  liess  von  einer  Operation  absehen,  die  sehr 
geschwächte  Kranke  erholte  sich  bei  exspektativer  Behandlung  sehr 
gut.  Die  durch  den  Reiz  des  saueren  Mageninhaltes  fortwährend  ge¬ 
reizte  und  offen  gehaltene  Fistel  kam  fast  vollständig  zum  Verschluss, 
als  durch  fortgesetztes  Aufträgen  eines  alkalischen  Pulvers  auf  die 
Fistel  eine  Neutralisation  des  Mageninhaltes  herbeigeführt  wurde. 

Bergeat  -  München. 

Belgische  Literatur. 

M.  Funck:  Ueber  Immunität  gegen  Gonokokken.  (Journal 
medical  de  Bruxelles,  7.  Februar  1907.) 

Bisher  wurde  die  Immunitätsfrage  wenig  in  Bezug  auf  den  Gono¬ 
kokkus  untersucht,  hauptsächlich  weil  die  Kultur  so  schwierig  ist, 
und  auch  deshalb,  weil  eine  erste  Infektion  gegen  eine  zweite  nicht 
immunisiert.  Der  Verf.  hat  Pferde  durch  intravenöse  Einspritzung 
gonokokkenhaltiger  Emulsion  zu  immunisieren  versucht.  Bis  jetzt 
hat  er  noch  kein  Heilserum  bekommen,  jedoch  sind  seine  Resultate 
schon  wichtig  und  interessant.  In  dieser  Arbeit  werden  die  Kultur¬ 
methoden  und  die  Eigenschaften  des  Toxins  auseinandergesetzt,  so¬ 
wie  die  Art  und  Weise  der  Immunisierung  zweier  Pferde,  welche  ein 
aktives  Serum  lieferten.  Verf.  wird  bald  die  Eigenschaften  dieses 
Serums,  an  Laboratoriumtieren  untersucht,  veröffentlichen. 

E.  van  Campen  h  out:  Behandlung  der  Schlafkrankheit  in 
ihrer  letzten  Periode.  (Academie  de  medecine  de  Belgique, 
Januar  1907.) 

Van  Campenhout,  Arzt  der  Kolonialvilla  in  Watermaal  bei 
Brüssel,  hat  dort  fünf  Kranke  behandelt,  welche  im  Kongostaat  die 
Schlafkrankheit  bekommen  hatten;  sogar  ganz  verzweifelte  Fälle. 
Die  Einspritzungen  von  steigenden  Atoxylgaben,  zugleich  mit  Strych¬ 
nin,  und  kalten  Duschen  wirkten  lebensrettend.  Der  Zustand  der 
Patienten  ist  jetzt  befriedigend,  obwohl  ein  Rückfall  nicht  ganz  aus¬ 
geschlossen  sei.  Voll  Anerkennung  für  die  schönen  Untersuchungen 
der  deutschen  Viktoriameerexpedition  wünscht  Verf  .jedoch  die  Auf¬ 
merksamkeit  auf  den  vorherigen  Gebrauch  des  Atoxyls  von  seiten  der 
Aerzte  im  Kongostaat  zu  lenken. 

J-  Verhoogen:  Die  Entfernung  der  Harnblase.  (Journal 
medical  de  Bruxelles,  21.  März  1907.) 

Die  Behandlung  von  bösartigen  Tumoren  der  Gallenblase  ist 
derjenigen  anderer  bösartigen  Tumoren  ähnlich;  die  Entfernung  der 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1747 


Harnblase  ist  notwendig.  Metastasen  sind  bei  Harnblasenkrebs  selten 
und  kommen  jedenfalls  spät  vor.  In  1905  waren  (Raf in)  bloss  30 
Fälle  von  gänzlicher  Zystektomie  bekannt.  Die  grösste  Sclnviei  igkcit 
machen  bei  der  Operation  die  Uretcren.  Entweder  kann  man  sie  in 
situ  lassen,  sodass  aus  der  Bauchwunde  eine  breite  Fistel  entsteht. 
Dieses  Vorgehen  macht  für  den  Patienten  das  Leben  sehr  unan¬ 
genehm.  Dieselben  Nachteile  macht  die  Einnähung  des  Ureters  in 
die  Bauchhaut.  P  a  w  1  i  k  nähte  sie  in  die  Vagina,  was  m  den  meisten 
Fällen  nicht  durchführbar  ist.  Die  Einnähung  in  den  Mastdaim  ist 
wegen  der  Möglichkeit  einer  aufsteigenden  Infektion  nicht  ratsam. 
Kompliziertere  Methoden  wurden  von  Krynski,  Duval,  öoari 
und  anderen  empfohlen.  Verf.  hat,  ähnlich  wie  D  e  p  a  g  e,  die  Ureteren 
in  das  Kolon,  rechts  in  den  Blinddarm,  links  in  das  Colon  descendens, 
eingenäht.  Hierauf  ist  es  leicht,  die  Harnblase  gänzlich  zu  ent¬ 
fernen.  Verf.  hat  mit  dieser  Methode  günstige  Erfahrungen  gemacht. 

J.  De  Keersmaeker  -  Antwerpen :  Nierentuberkulose,  ihre 
verschiedene  Formen  und  ihre  Diagnose.  (Acad.  royale  de  medecine 

de  Belgique,  Mai  1907.)  ,  .  , 

Die  Diagnose  der  tuberkulösen  Nephritis  stützt  sich  auf  4  wich¬ 
tige  Symptome:  1.  ein  atypischer  Schmerz;  2.  unregelmässige  Tem¬ 
peraturerhöhungen;  3.  unregelmässige  Schwankungen  des  Harnei- 
weisses,  4.  lokale  und  allgemeine  Reaktion  nach  Tubeikulinein- 
spritzungen. 

A.  Delhaye -Brüssel:  Die  lokalanästhesiernde  Wirkung  der 

Substanzen  aus  der  Digitalisgruppe. 

K  o  r  i  t  z  k  i  fand,  dass  die  Glukoside  aus  der  Digitalisgruppe  'eine 
anästhesierende  Wirkung  entfalten,  wenn  sie  lokal  auf  eine  Schleim¬ 
haut  appliziert,  oder  unter  die  Haut  eingespritzt  werden.  D.  konnte 
diese  Wirkung  feststellen,  hebt  aber  die  stark  reizende  Wirkung  des 
Digitales  auf  die  Konjunktiva  hervor,  während  Strophanthin,  Conval- 
lamarin,  Adonidin,  Helleborein  reizlos  sind  Hyperämie  ist  immer 
vorhanden.  Die  Pupille  ist  während  der  Anästhesie  verengt,  das 
Auge  etwas  härter.  Auf  der  Haut  des  Frosches  entsteht  auch  eine 
deutliche  Anästhesie.  Unmittelbar  auf  Nerven  appliziert,  vermindern 
genannte  Glukosiden  die  Reizbarkeit  und  die  Leitfähigkeit  derselben. 

Bordet  und  Gengou:  Der  Erreger  des  Keuchhustens. 
(Bulletin  de  la  Societe  de  Sciences  naturelles  et  medicales  de 
Bruxelles  IVIcii  1907.) 

Verf.'  haben  ihre  Untersuchungen  fortgesetzt  und  konnten  ihre 
ersten  Angaben  vollkommen  bestätigen  (siehe  1906,  S.  2552).  Dei  neu 
gefundene  Bazillus  ist  von  den  Influenzabazillen  ganz  verschieden, 
denn  das  Aussehen  der  Kulturen  auf  Blutagar  ist  nicht  dasselbe.  Der 
Keuchhustenbazillus  entwickelt  sich  langsam,  sodass  eine  giosse 
Reinheit  in  dem  Aufnehmen  des  Auswurfs  nötig  ist.  Aut  Pepton¬ 
bouillon  gelingt  das  Wachstum  leicht,  aber  bloss  in  breiten  und 
flachen  Behältern,  da  der  Mikrob  stark  aerob  zu  sein  scheint.  Die 
Kultur  auf  Blutagar  ist  für  Meerschweinchen  bald  tödlich,  Bazillen 
entwickeln  sich  im  Peritoneum  verhältnismässig  wenig,  das  Blut  ist 
steril  Nur  sind  die  Toxine  sehr  wirksam,  sodass  in  der  Bauchhöhle 
in  der  Pleura,  Exsudate  und  Blutextravasate  gefunden  werden.  Mit 
flüssiger  (Bouillon)  Kultur  bekommt  man  beim  Pferd  leicht  ein  agglu¬ 
tinierendes  Serum.  Ebenfalls  ist  das  Serum  geheilter  Kinder  reich 
an  Komplementen  (Substance  sensibilisatrice).  Das  agglutinierende 
Pferdeserum  ist  wenig  antitoxisch,  so  dass  vorläufig  die  Hoffnung, 
ein  wirksames  Antikeuchhustenserum  auf  diesem  Weg  zu  finden,  nicht 
berechtigt  zu  sein  scheint.  W  y  b  a  u  w  -  Bad  Spa. 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten. 

Max  Glogner  (früher  Niederländisch-Indien) :  Ueber  den  Sitz 
der  Ursache  der  Beriberi.  (Archiv  f.  Schiffs-  u.  Tropenhygiene, 

Bd’  Nachdem  die  Bemühungen  der  Beriberiforscher,  die  Ursache  der 
Beriberi  zu  finden,  bis  dahin  stets  fruchtlos  waren  und  alle  Fukla- 
rungen  kritischer  Nachprüfung  nicht  Stand  hielten,  sucht  veil,  au 
neuen  Wegen  das  Problem  zu  lösen.  Ihm  war  aufgefallen,  dass  bei 
einem  grossen  Prozentsatz  seiner  Beriberikranken  das  Hautodem 
an  den  Unterschenkeln  seinen  Sitz  hat,  und  zwar  vor  der  lbia. 
Besonders  in  den  allerersten  Tagen  der  Erkrankung  fand  sich  die 
prätibiale  Gegend  bevorzugt.  Hier  zu  weit  führende  Erwägungen 
lassen  ihn  annehmen,  dass  die  Ursache  der  Oedeme  weder  Kreislauf¬ 
störungen,  noch  von  Zentralpunkten  verursachte  Endothelschadi- 
gungen  wie  bei  Nierenentzündungen,  noch  neuritischer  Natur  seien, 
sondern  wie  bei  Phlegmonen  aus  lokaler  schädigender  Ursache  ent¬ 
stünden.  Ausser  Oedemen  sind  auch  die  anderen  Kardinalsymptome 
der  Phlegmonen  vorhanden,  Schmerz  und  örtliche  Temperatursteige¬ 
rung  Abgesehen  von  diesen  entzündlichen  Erscheinungen,  fanden 
sich  bei  allen  Beriberikranken,  die  Verf.  sah  (insgesamt  348)  klinische 
Erscheinungen  an  den  unteren  Extremitäten,  während  nur  106  ausser¬ 
dem  Erscheinungen  an  den  oberen  Extremitäten  zeigten.  Die  MorbKh- 
tätskurve  der  Beriberi  geht  Hand  in  Hand  mit  der  Regenhohe;  ein 
Zusammenhang  der  Beriberinoxe  mit  dem  Regenwasser  —  nicht  als 
Trinkwasser  —  ist  wahrscheinlich;  gerade  bei  den  Berufsarten,  die 
viel  in  Schlamm  und  Wasser  arbeiten,  findet  sich  Beriberi  am  meisten 
(Soldaten  im  Felde,  Gefangene  und  Kulis  als  Erdarbeiter)  Wiederum 
die  Soldaten,  die  mit  nackten  Füssen  gehen  (Eingeborene),  erkianken 
reichlicher  als  die  mit  bekleideten  Füssen  und  Unterschenkeln  (Euro¬ 
päer).  —  Die  vom  Verf.  gestellte  Frage,  ob  die  Russen,  die  nicht  an 


Beriberi  litten,  im  russisch-japanischen  Krieg  mit  bekleideten  Beinen 
und  die  vielfach  an  Beriberi  erkrankten  Japaner  mit  unbekleideten 
gingen,  kann  ich  nach  in  Japan  eingezogenen  Erkundigungen  dahin 
beantworten,  dass  zwar  von  der  japanischen  Heeiesleitung  auf  c- 
kleidung  der  Fiisse  gehalten  wurde,  aber  bei  dem  Widerwillen  der 
Japaner  gegen  dieselbe  zeitweiliges  Ablegen,  besonders  im  Sommer, 
als  wahrscheinlich  angenommen  werden  muss.  Der  Ref.  Das 
Oedem  der  Unterschenkel  sitzt  meist  intermuskular.  Aus  allen  diesen 
Gründen  glaubt  Verfasser,  dass  es  sich  um  eine  Noxe  handelt,  die  an 
den  unteren  Extremitäten,  sei  es  durch  unverletzte,  sei  es  dm  c  i  NC1~ 
letzte  Haut  eindringt  und  dort  ihren  Sitz  hat.  Zu  Untersuchungen 
der  durch  Punktion  gewonnenen  Oedemfliissigkeiten,  die  verfasset 
aus  äusseren  Gründen  unmöglich  sind,  chemisch,  mit  dem  Mikro¬ 
skop,  kulturell  und  mit  Tierversuchen  fordert  Verf.  auf.  Des  Veit. 
Arbeit  weist  neue  Wege;  gewisse  Erfahrungen,  z  B.  Erkrankungen 
an  Bord,  machen  dem  Ref.  immerhin  auch  diesen  Infektionsweg  nie  i 

wahrscheinlich.  .  „  .  .  ,  .  ,  \ 

Aldo  Cast  eil  ani  (Colombo):  Framboesia  tropica  (englisch). 

(Daselbst  Bd.  XI,  H.  1.) 

Nachdem  Verf.  zunächst  über  Namen,  geographische  Verbreitung 
und  Verlauf  der  Krankheit  —  bemerkenswert  sind  2  von  ihm  be¬ 
obachteten  Fälle  mit  Tertiärsymptomen  —  gesprochen  hat,  geht  er 
auf  die  Aetiologie  ein.  Noch  bevor  Schaudin  n  seine  Entdeckung 
der  Syphilisnoxe  veröffentlicht  hatte,  fand  Verf.  in  Framboesieprä- 
paraten  ein  der  Spirochaete  pallida  sehr  ähnliches  Gebilde.  Im  ganzen 
untersuchte  Verf.  59  Framboesiefälle  und  erzielte  positive  Resultate 
in  56  (94,9  Proz.)  Fällen:  zur  Untersuchung  dienten  nicht  ulzerierte 
Papeln;  in  ulzerierten  fanden  sich  neben  der  Spirochaete  pallida  noch 
andere  Spirochätenarten.  Auch  in  Drüsen  fand  sich  die  Spirochaete 
pallida,  nicht  dagegen  im  Blut,  ebensowenig  in  den  oben  erwähnten 
tertiären  Affektionen.  Verf.  hält  Framboesie  und  Syphilis,  obschon 
sie  gewisse  Aehnlichkeiten  haben,  nicht  für  identisch;  geographische 
Verbreitung,  klinische  Symptome  und  histopathologische  Verschie¬ 
denheiten  begründen  zunächst  seine  Ansicht.  Die  bis  dahin  nicht  ge¬ 
lungene  Unterscheidung  der  Ueberträger  der  beiden  Krankheiten  ist 
ebensowenig  ein  Beweis  für  die  Identität  derselben,  als  die  Gleich¬ 
heit  der  Trypanosomen  eine  Identität  der  von  ihnen  hervorgerufenen 
Krankheit  beweist.  Aehnlich  werden  die  Identitätsschlüsse  aus  den 
bei  beiden  mit  Jod  hervorgerufenen  therapeutischen  Erfolgen  wider¬ 
legt.  Affen  und  Menschen  mit  Syphilis  sind  nicht  für  Framboesie 
immun  und  umgekehrt.  Es  folgen  diagnostische,  prophylaktische  und 
therapeutische  Bemerkungen. 

Paul  G.  Woollev  (Phrapatoom  Siam):  Klimatische  Bubonen 
(englisch).  (Daselbst  Bd.  XI,  H.  2.) 

Verf.  untersuchte  2  Fälle  von  klimatischen  Bubonen  auf  die  ver¬ 
ursachende  Noxe:  kulturelle  und  Impfversuche  der  exstiipierten  Drüsen 
blieben  ohne  Erfolg;  er  schliesst  sich  der  Ansicht  an,  dass  die  Bubonen 
aus  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesener  Noxe  ent¬ 
stehen,  denen  die  besonderen  Bedingungen  der  Tropen  besondere 
Aeusserungsformen  verleihen,  seien  es  bis  jetzt  unbekannte  Enegei 
(Scheube),  seien  es  die  gewöhnlichen  Eiterkokken  (Manson, 

Plehn,  zur  Verth).  ^  , 

Dansauer  ('Südwestafrika) :  Erfahrungen  und  Beobachtungen 
über  Ruhr  in  Südwestafrika.  (Daselbst  Bd.  XI,  H.  2.  3  und  4.) 

Die  Arbeit,  die  die  Erfahrungen  von  413  Ruhrfällen  (Deutsche, 
Herero  und  Hottentotten)  berücksichtigt,  gewährt  Einblick  in  die 
Wehrlosigkeit,  mit  der  der  beste  Wille  unter  ungünstigen  Verhält¬ 
nissen  zur  kriegerischen  Zeit  der  Ruhr  gegenübersteht.  Von  etwa 
10  000  kriegsgefangenen  Hereros  und  Hottentotten  in  Windhuk  starben 
in  Vs  Jahr  fast  900,  also  etwa  9  Proz.,  davon  die  Hälfte  an  Ruhr; 
da  bei  den  Weissen  die  Todesgefahr  sich  zur  Erkrankungsziffer  ver¬ 
hielt  wie  1:25,  hätten  bei  Zugrundelegung  dieser  Ziffern  sämtliche 
Kriegsgefangenen  Ruhr  gehabt.  Verf.  glaubt  jedoch,  dass  das  Vei- 
hältnis  bei  den  Kriegsgefangenen  ungünstiger  war,  sodass  er  eine 
Ruhrmorbidität  von  50 — 25  Proz.  unter  den  Gefangenen,  auf  .icdeii 
Fall  sehr  hohe  Zahlen  annimmt.  Traurig  stimmt,  dass  die  Ruhr  der 
ersten  Gruppe  des  Verf.,  der  im  Felde  stehenden  im  Feldlazarett  kli¬ 
nisch  beobachteten  Fälle,  die  ausschliesslich  deutsche  Soldaten  be¬ 
trafen,  etwa  zur  Hälfte  im  Lazarett  erworben  ist;  ursächlich  dafür 
waren  die  ausserordentlich  schwierigen  und  den  Forderungen  etc i 
Krankenhaushygiene  nicht  entsprechenden  Verhältnisse  der  Feld¬ 
lazarette.  Die  Ruhr  ist  im  Damaraland  endemisch,  wahrscheinlich 
auch  in  Namaland;  die  wärmeren  Monate  zur  Regenzeit  lieferten 
mehr  Ruhrerkrankungen  als  die  besonders  zur  Nachtzeit  kühleren, 
trockenen  Monate:  vielleicht  waren  daran  die  zur  Regenzeit  vei- 
mehrten  Fliegenschwärme  nicht  schuldlos.  Als  Ursache  konnten  so¬ 
wohl  Amöben  als  auch  Kruse-Shiga  sehe  Bazillen  nachgewiesen 
werden  (wenige  Untersuchungen).  Besonders  gutartig  ist  die  Rum 
Südwestafrikas  nicht,  obschon  sie  bei  den  jugendlichen,  widerstands¬ 
fähigen  Individuen  oft  leicht  verlief.  Häufig  wurde  die  Ruht  lnVei- 
bindung  mit  Typhus  angetroffen,  meist  als  Nachkrankheit  °der  Ruck¬ 
fall  einer  früheren  Ruhrerkrankung,  mehrfach  wurde  beobachtet,  dass 
vorhandene  Ruhrerscheinungen  beim  Einsetzen  des  lyphus  yo  g 
zurücktraten,  um  sich  in  der  Typhusrekonvaleszenz  wieder  einzu- 
s teilen.  Auch  Komplikation  mit  Skorbut  war  häufig-  Komphkaüon 
mit  Leberabszess  war  selten.  Ruhr  trat  in  allen  Foimen 
einfachen  katarrhalischen  bis  zur  diphtherisch-brandigen l  au  , 
selten  lag  eine  Beteiligung  des  Dünndarms  vor.  Die  Hauptfoim  der 
schweren  Fälle  war  die  diphtherische  Schleimhautentzundung  mit 


1748 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


zwar  häufiger,  aber  oberflächlicher  Geschwiirsbildung.  Statistik, 
Einzelheiten  und  zahlreiche  Sektionsprotokollauszüge  im  Original. 

A.  Broden  und  J.  Rodhain  (jetzt  Leopoldville  Kongostaat): 
Behandlung  der  Schlafkrankheit  (französisch).  (Daselbst  Bd.  XI,  H.  3.) 

Dem  ersten  der  drei  bei  der  ersten  Mitteilung  (Ref.  s.  d.  Wochen¬ 
schrift  No.  18,  1907)  erwähnten  Fälle  geht  es  vorzüglich,  sodass  er  als 
wiederhergestellt  angesehen  werden  kann;  dem  zweiten  geht  es  bis 
auf  3  kurze  Temperatursteigerungen  recht  gut,  Trypanosomen  wurden 
auch  in  der  Rückenmarksflüssigkeit  nicht  mehr  nachgewiesen.  Der 
dritte  hat  keine  günstige  Einwirkung  der  Behandlung  gezeigt,  es 
wurden  bei  ihm  wiederholt  Trypanosomen  in  Blut  gefunden.  Ein 
vierter  Fall,  bei  dem  das  Atoxyl  in  hohen  Dosen  gegeben  wurde,  hat 
sich  sehr  gut  gebessert  —  Fieber  verschwunden.  Gewichtszunahme, 
Trypanosomen  nicht  mehr  nachweisbar,  Rückbildung  der  geschwol¬ 
lenen  Lymphdriisen.  —  Entgegen  Kopkes  Meinung  glauben  die 
Verf.  nicht,  dass  sich  die  Trypanosomen  in  die  Rückenmarksflüssigkeit 
zurückziehen,  wenn  sie  durch  Atoxyl  bekämpft  werden.  Während 
Koch  hohe  Dosen  jeden  9.  und  10.  Tag  gibt,  haben  die  Verf.  täglicn 
meist  geringe  Dosen  angewendet. 

Otto  (Hamburg):  Ueber  Gelbfieber  in  Afrika.  (Daselbst 
Bd.  XI,  H.  5.) 

Verf.  machte  im  Aufträge  des  auswärtigen  Amtes  eine  Studien¬ 
reise  zur  Erforschung  des  Gelbfiebers  in  Togo  und  Kamerun.  Er  hält 
an  der  Ansicht  fest,  dass  das  Gelbfieber  von  Amerika  nach  Afrika 
eingeschleppt  ist;  endemische  Herde  bestehen  zwischen  Elfenbein¬ 
küste  und  Goldküste  und  im  Inneren  bis  in  das  Gebiet  des  oberen 
Senegal  und  Niger.  Im  deutschen  Gebiet  endemische  Herde  zu  ent¬ 
decken,  gelang  Verf.  nicht.  Ueber  die  Immunität  der  Neger  kam  Ver¬ 
fasser  nicht  zu  sicheren  Aufschlüssen,  doch  ist  völlige  Immunität 
unwahrscheinlich.  Forterhaltung  des  Infektionsstoffes  durch  die  Ein¬ 
geborenen  ist  nicht  zu  bezweifeln.  In  Kamerun  sind  bis  jetzt  Gelb¬ 
fieberanfälle  nicht  beobachtet.  Bei  der  Entfernung  Kameruns  von 
den  endemischen  Herden  und  gewissen  Differenzen  in  den  Hilfsmitteln 
des  Haushaltes  der  Eingeborenen  hält  Verf.  eine  Einschleppung  von 
Gelbfieber  nach  Kamerun  für  nicht  gefahrdrohend.  Als  erste  Gelb¬ 
fieberfälle  in  Togo  wurde  die  1896  in  Sebbe  dicht  bei  Anecho  (damals 
Klein  Popo)  aufgetretene  Epidemie  mit  40  Fällen  bekannt.  Eine 
zweite  kleine  Epidemie,  5  Erkrankungen  mit  4  Todesfällen,  trat  1905 
in  Anecho  auf.  Ausgangspunkt  war  die  katholische  Mission;  die 
Epidemie  scheint  grösseren  Umfang  gehabt  zu  haben;  sie  verbreitete 
sich  nach  Dohomey.  In  Togo  erkrankten  1906  bei  Badja  an  der  Eisen¬ 
bahn  Lome-Palime  wiederum  5  Europäer  an  Gelbfieber,  von  denen 
4  starben:  in  Dahomey  waren  einige  Erkrankungen  vorausgegangen; 
die  Einschleppung  war  wahrscheinlich  auf  dem  Landwege  aus  der 
Goldküstenkolonie  erfolgt.  Bei  allen  Fällen  konnte  die  Anwesenheit 
reichlicher  Stegomyien  nachgewiesen  werden;  die  Beschränkung  der 
Epidemien  Togos  auf  ihre  Herde  ist  der  energisch  betriebenen 
Mückenvertilgung  zu  danken.  Da  nur  die  Stegomyien,  auch  die  Brut 
der  infizierten  Mutter,  imstande  sind,  Gelbfieber  zu  übertragen,  ist 
Mückenvertilgung  das  einzige  und  sicherste  Mittel  zur  Fernhaltung 
der  Seuche.  Verhiitungsmassregeln  gegen  weitere  Ausbreitung  sind 
mückensichere  Isolierung  der  Kranken,  Ausräuchern  der  Häuser  mit 
Schwefel,  Vernichtung  der  Stegomyien  in  der  ganzen  Umgebung, 
13  tägige  Beobachtung  der  Infektionsverdächtigen.  Unterschiede 
zwischen  der  afrikanischen  Stegomyia,  die  Verf.  an  keinem  der  be¬ 
suchten  Plätze  vermisste,  und  ihrer  brasilianischen  Schwester  ver¬ 
mochte  Verf.  bis  auf  geringes  Zurückbleiben  der  ersteren  in  ihrer 
Grösse  nicht  zu  entdecken  .  Larven  kommen  auch  in  schwer  zu¬ 
gänglichen  Wasserbehältern  (abgedichtete  Brunnen,  Wasserbehälter 
eines  Schleifsteines)  vor.  Im  Brackwasser,  das  Anopheleslarven  als 
Aufenthalt  diente,  geht  die  Stegomyialarve  zu  Grunde,  ihre  Bekämpfung 
verlangt  daher  nicht  Zuschüttung  grosser  Tümpel  und  Petrolierung 
grosser  Wasserflächen,  vielmehr  nur  gründliche  Inspektion  der  Wohn¬ 
stätten  und  ihrer  Umgebung.  Für  persönlichen  Mückenschutz  durch 
Moskitonetze  und  mückensichere  Häuser  sollte  jeder  Europäer  Sorge 
tragen. 

Eysell  (Kassel):  Beiträge  zur  Biologie  der  Stechmücken. 

(Daselbst  Bd.  XI,  H.  6.) 

Der  Verf.  beobachtete,  dass  Tümpel  zuweilen  gleich  nach  dem 
Auftauen  der  lückenlosen  Eisdecke  von  mehr  oder  minder  erwach¬ 
senen  Stechmückenlarven  wimmeln;  er  wurde  dadurch  zu  Versuchen 
über  die  Abtötung  der  Stechmückenlarven  in  mit  Petroleum  oder 
Gelen  übergossenem  Wasser  veranlasst  und  schliesst  aus  den  mit 
Kulex  und  Anopheleslarven  in  gleicher  Weise  angestellten  Versuchen, 
dass  Stechmückenlarven  in  dem  kühlen  sauerstoffreichen  Wasser 
von  Tümpeln,  die  durch  eine  lückenlose  Eisdecke  absolut  von  der 
atmosphärischen  Luft  abgeschlossen  sind,  viele  Tage  lang  haut-, 
kiemen-  und  darmatmend  ihr  Leben  fristen  können;  Puppen  gehen 
wegen  mangelnder  Haut-  und  Darmatmung  viel  schneller  zu  Grunde. 
Werden  Puppen  und  Larven  durch  indifferente  Flüssigkeiten,  wie 
Oliven-  und  Erdnussöl,  an  der  physiologischen  Atmung  gehindert,  so 
befinden  sie  sich  unter  ähnlichen  Verhältnissen,  wie  sie  in  einem  zu¬ 
gefrorenen  Tümpel  gegeben  sind.  Sie  Überstehen  deshalb  diesen  Ein¬ 
griff  in  ihre  Lebensbedingungen  ausserordentlich  viel  besser  und 
länger,  als  wenn  der  Luftabschluss  durch  ölartige  Flüssigkeiten  be¬ 
wirkt  wird,  welche  giftige  Bestandteile  enthalten.  Auch  hier  erliegen 
Puppen  wesentlich  früher  als  Larven,  während  bei  Anwendung  ver¬ 
gifteten  Wassers  gerade  das  Gegenteil  der  Fall  ist.  Der  Grund  dafür 
ist  die  Mangelhaftigkeit  der  Haut-  und  Kiemenatmung  der  Puppen, 


während  sie  andererseits  durch  eine  doppelte  in  ihrem  äusseren 
Blatte  lückenlose  Chitinhülle  gegen  das  Eindringen  der  im  Wasser  ge¬ 
lösten  Gifte  von  der  äusseren  Körperfläche  aus  wirksam  geschützt 
sind.  Die  Larven  hingegen,  die  durch  Haut-,  Kiemen-  und  Darm¬ 
atmung  dem  Erstickungstode  wesentlich  besser  widerstehen,  fallen 
dem  durch  wasserlösliche  differente  Stoffe  hervorgerufenen  Ver¬ 
giftungstode  viel  leichter  zum  Opfer  als  die  Puppen,  da  die  gelösten 
Gifte  bei  den  Larven  durch  den  Mund,  die  Afteröffnung  und  die  dünne 
Oberhaut  rasch  und  leicht  in  die  Säftemasse  gelangen. 

B  r  i  e  g  e  r  und  Krause  (Berlin) :  Kann  man  durch  Einspritzung 
von  Chemikalien,  wie  übermangansaures  Kali  und  Chlorkalk,  den 
menschlichen  und  tierischen  Organismus  gegen  die  Wirkung  des 
Schlangengiftes  schützen?  (Daselbst  Bd.  XI,  H.  6.) 

Verfasser  stellten  an  mit  Kolubridengift,  Krotalusgift  und  Vipern¬ 
gift  vergifteten  Meerschweinchen  Rettungsversuche  durch  Ein¬ 
spritzung  von  übermangansaurem  Kali  und  Chlorkalk  an.  Irgend  eine 
Beeinflussung  trat,  wie  Verfasser  von  vornherein  erwartet  hatten, 
nicht  auf.  Die  Versuche  wurden  angestellt,  um  den  immer  wieder 
aufgestellten  Behauptungen,  dass  durch  diese  Mittel  eine  Schutz¬ 
wirkung  erzielt  würde,  entgegenzutreten. 

H  o  1 1  h  u  s  e  n  -  Hamburg:  Das  Hamburger  Staatsschiff  „Desin¬ 
fektor“.  (Schiffbau,  Jahrg.  VII,  No.  22  und  23.) 

Die  Masse  des  Schiffes,  das  nicht  durch  eigene  Kraft  fortbewegt 
wird,  sind:  Länge  18  m,  grösste  Breite  7  m,  Tiefgang  0,45  m,  Be¬ 
satzung  6  Mann.  Hinten  steht  der  Generatorgasapparat  (von  Julius 
Pintsch,  Berlin),  vorn  der  Desinfektionsapparat  (von  Boy  und 
Rath,  Düsseldorf).  Die  Leistung  des  Generatorgasapparates  be¬ 
trägt  3000  cbm  Gas  pro  Stunde;  aus  10  kg  Koks  werden  ca.  75  cbm 
Gas  erzeugt;  es  genügt  zur  sicheren  Tötung  der  Ratten,  dass  50  Proz. 
des  zu  desinfizierenden  Schiffsrauminhaltes  Gas  zugeführt  wird.  Als 
Kosten  für  Rattenvernichtung  werden  die  dem  Staat  erwachsenden 
'Selbstkosten  berechnet,  nämlich  etwa  1  Pfg.  pro  1  cbm  Schiffs¬ 
raum.  Das  Gas  wirkt  etwa  2  Stunden  ein,  wird  dann  durch  frische 
Luft  ausgeblasen.  Vor  dem  Wiederbetreten  dienen  zum  Nachweis 
der  genügenden  Lüftung  Versuchstiere. 

Der  Desinfektionsapparat  arbeitet  mit  Vorerwärmung  und  Luft- 
verdünnung. 

Maschinelle  Details  usw.  siehe  im  Original. 

Elliott:  Natal-Beulen.  (Journal  of  tropical  Medicine  and 
Hygiene.  1.  Jan.  07.  S.  1.) 

Verf.  macht  für  die  Entstehung  und  Hartnäckigkeit  der  tropischen 
Furunkulose  Abnahme  des  Blutes  an  kampffähigen  Stoffen  infolge 
langen  Tropenaufenthalts  verantwortlich.  Eigentümlicherweise  schiebt 
er  dem  Wasser  (Regenwasser  und  gekochtes  Wasser),  dem  es  an 
Salzen  —  Eisen  und  Kalk  —  mangele,  die  Hauptschuld  zu.  Die  ört¬ 
lichen  Veränderungen  in  der  Haut  durch  die  hohe  Aussentemperatur 
sind  ihm  zu  sehr  entgangen.  Als  einziges  und  sicher  wirkendes  Mittel 
hat  sich  ihm  Chinin  erwiesen. 

Bagshawe:  Ueber  Bihimbo-Krankheit  (Uganda).  (Daselbst, 

15.  Januar  1907,  S.  18.) 

Im  Chakadistrikt  Ugandas  fand  Verfasser  eine  nach  Aussage  der 
Eingeborenen  seit  2  Jahren  heimische,  chronisch  verlaufende,  beriberi- 
ähnliche  Erkrankung.  Die  25  vom  Verfasser  beobachteten  Fälle  stam¬ 
men  aus  zusammenliegenden  Dörfern  beiderseits  der  von  Kakumiro 
nach  Mbarara  führenden  Strasse.  Der  Verdacht,  dass  es  sich  um 
Beriberi  handelt,  wird  durch  die  mitgeteilten  Symptome  bestätigt. 
Bei  der  unserem  Schutzgebiet  in  Ostafrika  benachbarten  Lage 
Ugandas  ist  die  Mitteilung  der  Beobachtung  und  aufmerksamer  Ver¬ 
folgung  wert. 

Pfihl:  Drei  tropische  Leberabszesse  aus  dem  Marinehospital 
Brest.  (Archives  de  medecine  navale,  Bd.  86,  H.  12.) 

Die  Untersuchungen  des  Verf.  an  drei  nach  längerem  Tropen¬ 
aufenthalt  entstandenen  Leberabszessen  bestätigen  die  Beobach¬ 
tungen  Bertrands  und  Fon  tan  s,  dass  die  Urin-  und  Harnstoff¬ 
ausscheidung  bis  zur  Eröffnung  des  Abszesses  stark  vermindert  ist, 
nach  Eröffnung  jedoch  fast  plötzlich  und  stark  zunimmt.  Im  übrigen 
hat  die  Arbeit  nur  kasuistisches  Interesse. 

Cazamian:  Das  krepitierende  Hygrom  (Ai  douloureuse)  der 
Bootsgäste  als  Berufskrankheit.  (Daselbst,  Bd.  86,  No.  12.) 

Verf.  sah  das  in  Deutschland  gewöhnlich  als  Tendovaginitis  cre- 
pitans  bezeichnete  Krankheitsbild  auf  dem  französischen  Panzerkreu¬ 
zer  „Gloire“  im  Verlauf  von  2  Monaten  bei  4  Bootsgästen  auftreten, 
nachdem  sie  bei  schlechtem  Wetter  anhaltend  gerudert  hatten;  3  Er¬ 
krankungen  infolge  ähnlicher  Ursache  werden  von  der  „Melpomene“ 
berichtet.  Der  genaue  Vorgang  bei  der  Riemenhaltung  wird  analy¬ 
siert  und  mit  einem  achten  Fall  verglichen,  bei  dem  dieselbe  Krankheit 
infolge  einer  Verletzung  auftrat.  Den  Sitz  der  Entzündung  verlegt 
Verf.  nicht  in  die  Sehnenscheiden,  sondern  in  einen  konstanten 
Schleimbeutel,  der  sich  zwischen  den  Extensoren  der  Hand  und  den 
Abduktoren  des  Daumens  findet  (Extensor  brevis  und  Abductor  lon- 
gus).  Die  Erkrankung  fand  sich  stets  an  dem  Arm,  der  der  Boots¬ 
mitte  am  nächsten  ist,  der  also  den  grössten  Bogen  beschreibt  beim 
Gebrauch  des  Riemens. 

Chastang,  Medicin  Principal  de  la  Marine  francaise:  Die 
Tendovaginitis  crepitans  in  der  Marine.  (Daselbst,  Bd.  87,  S.  176.) 

Die  Tendovaginitis  crepitans  ist  in  der  Marine  häufig;  sie  ist 
Folge  einer  Ueberanstrengung  der  Muskeln  oder  einer  Gewalteinwir¬ 
kung.  Kälte  ist  zu  ihrem  Zustandekommen  wesentlich.  Sie  befällt 
häufig  Spezialisten,  die  sich  mit  besonderen  Manövern  oder  mit  der 


MUENCttENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


27.  August  1907. _ _ 

Artillerie  abgeben;  sie  kann  nicht  als  Spezia'krankheit  der  ßootsgaste 
angesehen  werden.  Barthelemy  hat  sie  im  Jahre  1865  als 
Berufskrankheit  der  Artilleristen  ansprechen^  wollen^  ^  _Berljn 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Halle.  Juli  und  August  1907. 

13.  Ackermann  H.  D.  Max:  Ein  seltener  Fall  von  Tubenschwanger- 

14.  Aueck-Hahn  Hellmuth:  Beitrag  zur  Aetiologie  der  vaginalen 

15.  Balthasar  Paul:  Ueber  die  Behandlung  traumatischer  Schädel- 

16.  Emmerling  Valentin:  Ueber  das  Sarkom  als  Unfallfolge  beim 

17.  QreuT  Max1;  Ueber  Arthritis  deformans  bei  kongenitaler  Hüft- 

18.  Or? szUOyuia:  65  Fälle  von  Einleitung  der  künstlichen  Früh¬ 
geburt  wegen  Beckenenge  1896 — 1905  inkl.  aus  der  Halleschen 

Universitätsfrauenklinik.  .  ,  D  , 

19.  Jagemann  Ernst  v.:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Rachitis 

und  Epilepsie  mit  statistischen  Belegen. 

Universität  Jena.  Juli  und  August  1907. 

21.  Toepolt  Friedrich  Rudolf:  Zur  Kenntnis  der  von  den  Neben¬ 
höhlen  ausgehenden  Orbitalentzündung.  . 

22.  B  a  u  m  g  a  r  t  e  n  Georg:  Zur  Kenntnis  der  Retinitis  pigmentosa 
und  ihrer  Komplikationen  mit  Glaukom  und  Makulaveränderungen. 

23.  Leitner  Artur:  Erfahrungen  mit  der  Pubiotomie  in  der  Frauen¬ 
klinik  zu  Jena  seit  Oktober  1904. 

24.  R  ö  s  s  1  e  r  Ernst:  Zur  Kenntnis  der  Magnetoperation  und  Siderosis 
bulbi. 


1749 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

14.  Versammlung  des  Vereins  Süddeutscher  Laryngo- 

logen  zu  Heidelberg. 

Pfingsten,  20.  Mai  1907. 

(Offizieller  Bericht  des  Schriftführers  Dr.  Felix  Blumenfeld- 

Wiesbaden.) 

II. 


Herr  S  t  a  r  c  k  -  Karlsruhe:  Oesophagoskopische  Diagnostik  von 
Erkrankungen  im  oberen  Speiseröhrenabschnitt.  Die  Oesophago- 
skopie,  welche  bei  jedem  normal  gebauten  Kinde  und  Erwachsenen 
ausführbar  ist,  erfordert  ein  gutes  Instrumentarium,  insbesondere  ist 
darauf  zu  achten,  dass  der  Mandrin  gut  in  das  Rohr  passe,  damit 
nicht  Schleimhautfalten  sich  zwischen  Mandrin  und  rubus  fangen. 
Besondere  Vorsicht  ist  bei  Untersuchung  der  Speiseröhre  in  Kehl¬ 
kopfhöhe  geboten.  Bei  Verdacht  auf  Karzinom  dieser  Gegend  ist 
eine  intraösophagale  arobeexzision  vorzunehmen.  Das  Zenker- 
sche  Pulsionsdivertikel  kann  unter  Umständen  sondieit  werden,  in 
anderen  Fällen  ist  eine  Oeffnung  nicht  aufzufinden.  St.  weist  be¬ 
sonders  auf  eine  bisher  nicht  beschriebene  Erkrankung  des  obeisten 
Oesophagusabschnittes  hin,  deren  Diagnose  nur  vermittelst  des  Oeso- 
phagoskops  gestellt  werden  kann.  Die  Klagen  der  Kranken,  jugend¬ 
liche  Individuen,  meist  weiblichen  Geschlechts,  bestehen  m  Unbe¬ 
hagen,  Reizgefühl  im  Halse,  oder  leichtem  Schmerz  und  etwas 
Stechen  besonders  beim  Schlucken  grosser,  heisser  Bissen  etc.  Die 
bisherige  Therapie  war  häufig  die  beim  Rachenkatarrh  übliche,  diese 
versagt  ganz.  Wenn  alsdann  die  empfindliche  Stelle  von  dem  I  a- 
tienten  in  die  Speiseröhre  verlegt  wird,  was  meist  eist  spatei  ge¬ 
schieht,  gibt  das  Oesophagoskop  Auskunft,  während  die  Sondierung 
keinerlei  Aufschluss  gibt.  Beim  Absuchen  des  obersten  Abschnittes 
der  Speiseröhre  konstatierte  St.  zweierlei  Veränderungen.  Einmal 
ganz  umschriebene  Wandveränderungen,  die  wie  Infiltrate  der  Wan¬ 
dungen  imponierten  und  zweitens  kleine  umschriebene  Ausbuchtungen 
der  Wand  mit  entzündlichen  Veränderungen  der  Schleimhaut.  Die 
ersteren  waren  linsen-  bis  pfennigstückgross,  die  deckende  Schleim¬ 
haut  nicht  glatt,  sondern  leicht  höckerig  und  teils  blasser  als  die  Um¬ 
gebung,  teils  intensiv  gerötet;  bei  genauer  zentraler  Lage  des  lubus 
ergab  sich  eine  entsprechende  Unregelmässigkeit  des  Schleimhaut- 
trichters  und  bei  Sondieren  mit  der  geknöpften  oder  Divertikelsonde 
wurde  die  Stelle  als  der  Schmerzpunkt  geäussert. 

In  anderen  Fällen  konnte  man  jedoch  eine  ganz  deutliche  kleine 
unregelmässige  Ausbuchtung  des  im  Uebrigen  normalen  Lumens  fest¬ 
stellen;  .eine  flache  Grube,  in  der  etwa  zwei  Linsen  aufgenommen 
werden  konnten.  Eine  divertikelartige  Gestalt  hatten  sie  nicht  ins¬ 
besondere  war  keine  Andeutung  einer  Schwelle  'zu  sehen.  Der  Grund 
dieser  Grübchen  war  stets  entzündet,  hochrot,  bis  hoch  blaurot  und 
diese  Entzündung  erstreckte  sich  auch  nach  oben.  Speisen  fand  ^  . 
nie  in  den  Gruben,  vermutet  aber,  dass  trotzdem  etwa  unter  dem 
Druck  eines  Bissens  Speisereste  darin  hängen  bleiben  konnten. 

Herr  v.  E  i  c  k  e  n  -  Freiburg  i.  Br.:  Weitere  Mitteilungen  über 
Hypopharyngoskopie.  Der  Hypopharynx  kann  ausser  mit  'dem  \  on 
Killian  verwandten,  von  Vortragendem  beschriebenen  Rohren¬ 


spatel,  im  Spiegelbild  untersucht  werden;  der  ersteren  Methode  ver¬ 
mittelst  Röhrenspatel  haften  zweifellos  gewisse  Nachteile  an  (Gefahr 
der  Blutung  bei  Karzinom  etc.).  Für  die  Untersuchung  im  Spiegel¬ 
bild  gibt  es  drei  Möglichkeiten: 

1  Vorziehen  des  Kehlkopfs  mit  der  Hand  von  aussen. 

2  Man  kann  den  Kehlkopf  mit  einem  gebogenen  Instrument  von 
hinten  angreifen  und  nach  vorne  ziehen  (Verfahren  von  Blumen- 

f  C  1  d3  1  Es C l^es te h f '  d R 6 Mö g  1 L h k e i t ,  den  Angriffspunkt  in  das  Kehl¬ 
kopfinnere  zu  verlegen,  wobei  selbstredend  eine  vorherige  Koka- 
inisierung  des  Larynx  erforderlich  ist.  Man  kann  nun  entweder  mit 
einem  U-förmig  gebogenen  Haken  oder  mit  einem  den  Kehlkopfsonden 
nachgebildeten  Instrument,  das  v.  E.  als  Larynxhebel  bezeichnet,  den 
Kehlkopf  von  der  Wirbelsäule  abheben  und  aut  diese  Weise  mit  dem 
Kehlkopfspiegel  einen  Einblick  in  den  Hypopharynx  gewinnen.  Diese 
Methode  hat  den  grossen  Vorzug,  dass  wir  in  schonendster  Weise 
den  Hypopharynx  aufdecken  können,  ohne  ein  Instrument  in  ihn  ein- 

fUhreBronchoskopische  Mitteilungen.  Die  in  extenso  mitgeteilten  Fälle 

können  hier  nur  kurz  aufgezählt  werden.  ...  , 

Fall  1  3L2  jähriger  Knabe,  durch  obere  Bronchoskopie  stück¬ 

weise  eine  gequollene' Bohne  aus  linkem  Hauptbronchus,  den  sie  ganz 
verlegte,  entfernt,  dann  Dyspnoe.  Tags  darauf  untere  Bronchoskopie; 
in  beiden  Bronchialbäumen  nichts  gefunden.  Bronchitis,  dann  Wohl¬ 
befinden.  Nach  einigen  Tagen  Dyspnoe,  Wiedereröffnung  der 
Trachealwunde,  Expektoration  eines  Stückchens  Bohnenhaut,  Hei- 

^  Fall  2.  Kieselstein -im  rechten  Hauptbronchus  eines  5  jährigen 
Mädchens,  entschlüpft  bei  Extraktion,  v.  E.  findet  ihn  im  rechten  Bron- 

ChUSFaUt3ak9<jähdgeesUKhid,  das  nach  Genuss  von  Wellfleisch  heftige 
Atemnot  bekommt,  der  Fremdkörper  zuerst  subglottisch,  gerat  bei 
erstem  Extraktionsversuch  in  die  Tiefe;  Tracheotomie;  das  ganze 
Fleischstück  wird  dabei  ausgehustet,  später  erbrochen. 

Fall  4.  14  monatliches  Kind,  unter  Zeichen  schwerei  Dyspnoe 

in  die  Klinik  gebracht;  physikalischer  Befund  gibt  keinerlei  Anhalts¬ 
punkt  für  Lokalisation  im  rechten  oder  linken  Bronchialbaum,  der  linke 
Hauptbronchus  konnte  nur  in  seinem  Anfangstell  ubersehen  werden, 
dort  ebenso  wie  rechts  negativer  Befund.  Hautemphysem,  T  racheo- 
tornie  Exitus.  Sektionsbefund:  keinerlei  Verletzung  im  Rachen, 
Trachea  etc.  Interstitielles  Emphysem  beider  Lungen;  ein  Stückchen 
Nusskern  im  linken  Bronchus,  ein  weiterer  tiefer,  .dort  die  Ursache 
des  Emphysems.  Ob  eine  vermittels  unterer  Bronchoskopie  yor ge¬ 
nommene  Extraktion  unter  diesen  Umständen  noch  Heilung  gebiacht 

^t^pall  5 _ 8  Weiterer  Fremdkörperfälle  mit  Ausgang  in  Heilung. 

Fall  9.  Membranöse  Tracheitis  mit  Diphtheriebazillen,  Serum¬ 
behandlung,  Tracheotomie.  Wegen  eintretender  Atemnot  wurden 
durch  ein  kurzes,  in  die  Trachealwunde  eingeführtes  Rohrcl|?n  U1^ 
vermittels  stumpfer  Zangen  die  die  Atmung  v^rh'n^ern^^ l 
und  Membranen  entfernt,  wodurch  verschiedentlich  die  Dyspnoe  ge 
hoben  werden  konnte.  Die  Entfernung  von  Krusten  aus  der  Trachea 
empfiehlt  sich,  wie  auch  Pieniazek  zeigte,  in  ähnlich  liegenden 
Fällen  von  Verlegung  der  Kanüle  und  der  Trachea  durch  Krusten  ui 

Me^irain0en-  41jährige  Pflegeschwester  mit  periodischem  Auswurf, 
Atemnot,  "Verdichtungserscheinungen  im  linken  Unterlappen,  keine 
Tuberkelbazillen;  früher  wurde  einmal  ein  abgebrochenei  Schneide¬ 
zahn  verschluckt,  auch  besteht  eine  Struma  mit  leichter  Deformität  der 
Trachea  Obere  Bronchoskopie:  aus  dem  linken  Bronchus  kommt 
blutig  tingierter  Eiter.  4—5  cm  von  der  Bifurkation  entfernt  eine  fest- 
weiche  Masse,  die  der  hinteren  Zirkumferenz  des  Bronchus  bi  eit  aui- 
sass-  von  einem  Fremdkörper  fand  sich  nichts.  Exzision  des  Tumors 
unter  sehr  geringer  Blutung.  Nach  Entfernung  fühlte  sich  Patientin 

S°f0r[)ier  makroskopische  Betrachtung  der  exzidierten  Masse  ergibt, 
dass  es  sich  um  ein  1,3  cm  langes  6  mm  dickes  polypöses p%h'  ^ 
handelt,  das  der  Unterfläche  ziemlich  breitbasig  aufsass.  Wo  der  !  oly  p 
abgetragen  ist,  findet  sich  eine  unregelmässige,  höckerige,  3  mm  Durch¬ 
messer  grosse,  gelbliche  Masse,  die  die  Konsistenz  von  Knorpel  hat. 
Am  Stiel  des  Polypen  und  an  einer  Stelle  seiner  Kuppe  ist  die  Schleim 
haut  defekt  und  auch  hier  finden  sich  kleinere  Knorpelperlen.  Es  han¬ 
delt  sich,  wie  die  histologische  Untersuchung  bestätigt,  um  Ekchon- 
drom  des  Bronchus.  Später  noch  Exzision  eines  kleinen  Restes  dei 
Geschwulst.  Seitdem  Wohlbefinden,  kein  Rezidiv. 

Herr  W.  Brünings  -  Freiburg  i.  Br.:  Zur  Technik  der  Broncho¬ 
skopie.^  gebräuchlichen  Instrumentarium  für  T  racheo-  und 

Bronchoskopie  und  Oesophagoskopie  hat  B.  Verbesserungen  ange¬ 
bracht,  die  die  Handhabung  dieser  Methoden  erleichtern  und  das  In¬ 
strumentarium  einfacher  und  wohlfeiler  gestalten.  - 1  c 

drei  Duf  'Konstruktion  und  Handhabung  der  Beobachtungsrohre. 
Um  die  Passage  des  Kehlkopfes  der  schwierigsten  Ste  le  bet  Ein- 
führung  des  bronchoskopischen  Rohres,  zu  erleichtern,  n s  - 

sehenswert  dieses  zu  verkürzen,  so  dass  mit  kurzem  Hebelarm  g 
wirkt' wird,"  endlich  ist  die  Einführung  de« s  Roh  res  über  die ^Epiglc >  tu 

hinweg,  die  wie  überall  unter  Kontrolle  des  Aug. 2S.  i?i  l  i  an¬ 

wesentlich  erleichtert,  wenn  das  untere  Rohrende  beim  Killian 


1750 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


sehen  Röhrenspatel  schräg  abgeschnitten  ist.  Diesen  Erfordernissen 
genügt  B.  dadurch,  dass  er  den  Handgriff  senkrecht  zum  Rohre  stellt 
und  weiter,  dass  er  in  das  in  gedachter  Weise  abgeschrägte  Rohr  unter 
extremer  Raumersparnis  ein  engeres  einfügt,  das  nach  Passieren  der 
Kehlkopfenge  nach  Bedarf  weiter  in  Trachea  bezw.  Bronchus  vor¬ 
zuschieben  und  auf  jeder  Länge  einzustellen  ist.  Die  technischen  Ein¬ 
zelheiten  sind  ohne  Abbildung  in  Kürze  nicht  zu  schildern.  Es  ist  ein 
weiterer  Vorteil  dieser  Konstruktion,  dass  stets  nur  so  viel  Rohrlänge 
entwickelt  wird,  als  der  betreffende  Eall  erfordert,  was  das  Operieren 
in  der  Tiefe  erleichtert  und  eine  bessere  Ausnützung  des  Lichtes  ge¬ 
stattet;  endlich  ist  die  Zahl  der  Rohre,  die  für  die  verschiedenen 
Lebensalter  etc.  nötig  sind,  beschränkt. 

2.  Die  Veränderungen  an  den  Operationsinstrumenten  beruhen  auf 
dem  gleichen  Prinzipe  der  Verschieblichkeit  in  der  Längsrichtung  und 
gewähren  analoge  Vorteile  der  besseren  Anpassung  an  die  im  ein¬ 
zelnen  Eall  benötigte  Länge  und  des  geringeren  Preises  der  Instru¬ 
mente.  Sie  sind  mit  festem  Griff  (K  i  1 1  i  a  n)  so  konstruiert,  dass  das 
untere  Ende  abzuschrauben  ist,  so  dass  auf  denselben  Führungsstab 
verschiedene  Zangen,  Häkchen  etc.  aufg;eschraubt  werden  können. 
Auch  diese  Neuerung  bedeutet  eine  Vereinfachung  in  Bezug  auf  die 
Ausrüstung.  Die  auszuwechselnden  Endorgane  sind  ebenfalls  ab¬ 
geändert;  so  hat  B.  eine  Krallenzange  mit  nach  Art  der  Schlangen¬ 
zähne  rückwärts  gerichtetem  nähnadelscharfem  Häkchen  konstruiert, 
die  K  i  1 1  i  a  n  sehe  „Bohnenzange“  wird  durch  kleine,  scharfe  Häkchen, 
die  am  Rahmen  dieser  Fensterzange  sitzen,  zum  Fassen  von  dicken 
Gegenständen  geeigneter  gemacht  etc.  3.  Die  dritte  Modifikation  be- 
trifft  die  Beleuchtung.  B.  verwendet  an  Stelle  der  Stirnlampe  eine 
mit  dem  Bronchoskop  verbundene  Lampe,  hält  jedoch  an  dem  der 
K  i  r  s  t  e  i  n  sehen  Lampe  zu  gründe  liegenden  Prinzip  im  Ganzen 
fest;  seine  Lampe  enthält  drei  sich  in  einem  Punkte  kreuzende  Kohlen¬ 
fäden  und  ein  optisch  richtig  konstruierter  Kondensator  richtet  einen 
hohen  Prozentsatz  der  vom  Kreuzungspunkt  ausgehenden  Licht¬ 
strahlen  parallel  in  das  Untersuchungsrohr;  eine  Verschieblichkeit  des 
optischen  Systems  dieser  Lampe  ermöglicht  es,  die  grösste  Helligkeit 
je  nach  Lage  des  Falles,  d.  h.  nach  der  benötigten  Rohrlänge  optimal 
einzustellen,  sodass  eine  von  keinem  anderen  Beleuchtungssystem 
ei  reichte  Helligkeit  am  Rohrende  erzeugt  wird.  Um  Verschiebrohre 
etc.  in  das  eingeführte  Rohr  einführen  zu  können  und  behufs  Säu¬ 
berung  wenn  der  Spiegel  angehustet  ist,  kann  der  ganze  Beleuchtungs- 
appai  at  zurückgeklappt  werden.  Um  den  Gebrauch  von  Instrumenten 
zu  ei  möglichen,  ist  der  Beleuchtungskörper  10  cm  vom  Rohrende  zu 
entfernen,  ohne  dass  ein  nennenswerter  Helligkeitsverlust  entstände. 
Bei  Anwendung  der  in  der  Längsrichtung  verschieblichen  Instrumente 
(s.  oben  ad  2)  genügt  der  Raum  zu  ihrer  Handhabung. 

Diskussion:  Herr  V  o  h  s  e  n.  Schlusswort. 


Herr  Fr.  Nag  er -Basel:  Bronchoskopische  Mitteilungen.  Zu¬ 
nächst  sieben  Fälle  von  Fremdkörpern,  die  bis  auf  einen  durch  obere 
I  racheobronchoskopie  entfernt  werden  konnten,  doch  neigt  N.  der 
Ansicht  zu,  bei  Kindern  in  den  ersten  Lebensjahren  eher  zu  tracheoto- 
mieren.  Diagnostisch  bewährte  sich  die  Tracheobronchoskopie  be¬ 
sonders  bei  Strumen;  es  konnte  der  Sitz  der  komprimierenden  Tumors 
festgestellt  werden,  ferner  bei  Diphtherie.  Bei  postdiphtherischen 
1  rachealstenosen  wurde  durch  sorgfältiges  Einführen  und  Liegen¬ 
lassen  der  I  üben  Besserung  erzielt.  Bemerkenswert  ist  ein  Fall  von 
Kompression  der  Trachea  und  der  Bronchien  infolge  von  spondy- 
htischem  Senkungsabszess.  Derselbe  hatte  eine  Kompression  der 
lfui  kationsgegend  bewirkt.  Auffallend  war  die  bedeutende  Bes¬ 
serung  der  Atmung  bei  liegender  Röhre.  In  der  Annahme,  die  Ver¬ 
enget  ung  der  Luftwege  könnte  doch  in  Zusammenhang  stehen  mit 
einer  Vergrosserung  der  Thymus,  wurde  sie  durch  Prof.  Enderlen 
exstirpiert;  sie  erwies  sich  mässig  vergrössert;  das  Kind  verstarb 
einige  Zeit  darauf. 

Die  Obduktion  ergab  den  interessanten  Befund  eines  Senkungs¬ 
abszesses  bei  tuberkulöser  Karies  des  4.  Brustwirbels;  die  Kuppe 
des  Abszesses  entsprach  ziemlich  genau  der  Bifurkationsstelle.  Nun 
waren  die  Symptome  und  das  tracheoskopische  Bild  erklärt.  Bron- 
chialtumoren  können  auf  bronchoskopischem  Wege  frühzeitig  diagno- 

zeTgte1  Wer'den’  wie  em  Fal1  von  Karzinom  im  rechten  Hauptbronchus 

Endlich  erwähnt  N.  9  Fälle  von  Fremdkörpern  der  Speiseröhre 
die  auf  osophagoskopischem  .Wege  erfolgreich  behandelt  wurden 

Auch  hier  hantle  t  es  sich  mit  Ausnahme  von  Fall  VIII  um  lauter 
f  Fremdkorpe Halle,  von  denen  6  bei  Stenose  der  Speiseröhre  vor- 

trlauhf  ÄS*  der  gut,!fn  Resultate  mit  obiger  direkten  Methode 
glaubt  N.  derselben  vor  jedem  anderen  Verfahren  den  Vorzug  geben 
zu  müssen.  Das  gewaltsame  Hinabstossen  der  Fremdkörper  ist  wen 
Natur  und  Gestalt  der  Stenose  und  des  Fremdkörpers  nicht  genau  be¬ 
kannt  sind  zum  mindesten  als  eine  gefährliche  Methode  zu  bezeichnen. 

xuls,  on:  Herr  Siebenmann:  Der  von  Dr  Nager 
geschilderte  Fall  zeigt,  wie  wenig  die  Hoffnung  der  Chirurgen  auf 
eine  wirksame  gefahrlose  Entfernung  des  Lungenkarzinoms selbst 
fin  die  ersten  Stadien  desselben  gerechtfertigt  ist. 


Herr  K  a  n  d  e  r  -  Karlsruhe:  Meningitis  beiin  Keilbeinhöhlen¬ 
empyem  mit  Ausgang  in  Heilung.  Im  Anschluss  an  einen  früher  be¬ 
schriebenen  Fall  von  Keilbeinhöhlenempyem,  der  durch  Vermittelung 
einer  eiterigen  Meningitis  zum  Exitus  kam  (Beitr.  z.  klin.  Chir.  Bd.  35) 
berichtet  K-  von  einem  solchen,  der  durch  Behandlung  des  Emyems 
geheilt  wurde. 


Es  handelt  sich  hier  um  einen  Fall,  in  dem  ausgehend  von  einem 
Empyem  der  linken  Keilbeinhöhle  eine  Infektion  der  Meningen,  eine 
eitrige  Meningitis  entstanden  ist.  Sie  ist  direkt  nachgewiesen  durch 
das  positive  Ergebnis  der  Lumbalpunkton.  (Eiter  und  Kokken  im 
Liquor  zerebrospinalis).  Als  Ausdruck  der  Meningitis  fand  sich  aus¬ 
gesprochene  Nackenstarre,  rasender  Kopfschmerz,  Muskelhyper¬ 
ästhesie,  Bewusstseinsstörungen,  Lähmungszustände  bald  des  rechten, 
bald  des  linken  Fazialis,  Erbrechen,  Pupillendifferenz,  ophthal¬ 
moskopisch  Neuritis  optica  und  schliesslich  Fieber  mit  unregel¬ 
mässigem  Verlauf. 

Mit  der  Beseitigung  des  Empyems  der  Keilbeinhöhle  ver¬ 
schwanden  diese  sämtlichen  Erscheinungen.  Es  war  also  die  Keil¬ 
beinhöhle  die  einzige  Stelle,  von  der  aus  die  Infektion  der  Meningen 
statt  hatte. 

Herr  Georg  A  v  e  1 1  i  s  -  Frankfurt  a.  M.:  Oertliche  seröse 
Meningitis  bei  akuter  Keilbeineiterung  mit  Spontanheilung.  25  Jahre 

alte  Kranke  nach  Influenza  mit  hohem  Fieber  und  starken  Kopf¬ 
schmerzen  bietet  die  Erscheinungen  eines  akuten  Keilbeinempyems 
links,  übrige  Höhlen  frei.  Augenerscheinungen:  Temporale  Seiten 
beider  Pupillen  verwachsen,  die  Papillen  hochrot,  die  Venen  hy- 
perämisch,  weiterhin  Abduzensschwäche  links,  Okulomotorius,  Pu¬ 
pillenreaktion  intakt.  Heilung  mit  sehr  langer  Rekonvaleszenz.  Die 
Diagnose:  Seröse  Meningitis  begründet  A.  Zu  der  sicher  festge¬ 
stellten  Keilbeinhöhleneiterung  links  kommen  folgende  Begleit¬ 
symptome:  Oederri  der  linken  Augenlider,  Hyperämie  der  temporalen 
Papillenhälfte  beiderseits,  Anschwellung  der  Venen  des  Augenhinter¬ 
grundes,  Abduzensparese  bei  Ausfall  eines  Fixierpunktes,  ber  Oku¬ 
lomotorius  wird  frei  geblieben  sein,  da  die  Pupillenreaktion  nicht  ge¬ 
stört  war.  De  spätere  Unmöglichkeit  zu  lesen  und  zu  schreiben  kann 
auf  die  Entkräftung  zurückgeführt  werden.  Alle  diese  Erscheinungen 
können  nur  durch  die  Annahme  einer  zirkumskripten  Meningitis  in 
der  Gegend  des  Sinus  cavernosus  erklärt  werden. 

Herr  Theophil  Hug- Luzern:  Ueber  einen  Fall  von  akuter 
Leukämie  mit  Exitus  nach  Adenotomie.  Das  dreijährige  schwächlich 
aussehende  Kind  hatte  erheblich  vergrösserte  Rachen-  und  Gaumen¬ 
mandeln,  deren  Aussehen  nichts  Besonderes  bot,  Entfernung  der 
Adenoiden  ohne  Narkose,  keine  Nachblutung,  etwa  8  Tage  später 
grosse  Schwäche,  Vergrosserung  von  Leber  und  Milz,  hier  und  da 
kleine  Petechien.  Nach  weiteren  8  Tagen  Exitus,  eine  16  Stunden 
vorher  gemachte  Blutuntersuchung  ergab  einen  für  akute  Leukämie 
t3q?ischen  Befund,  der  auch  durch  die  Sektion  bestätigt  wurde.  Es 
ist  wahrscheinlich,  dass  eine  latente  Leukämie  schon  vorher  bestand. 
Auffällig  ist,  dass  eine  stärkere  Blutung  nach  der  Adenotomie  fehlte. 

Herr  D  ü  n  g  e  s  -  Schömberg:  a)  Zur  laryngologischen  Kasuistik. 

Eine  37  Jahre  alte  Ehefrau  mit  gleichzeitigem  Katarrh  beider  Lungen¬ 
spitzen  zeigte  an  beiden  Stimmbändern  an  der  Grenze  zwischen  vor¬ 
derem  und  mittlerem  Drittel  ein  stecknadelknopfgrosses  Blutbläschen, 
das  als  doppelseitiges  symmetrisches  Angiom  angesprochen  wird. 

Der  zweite  Larynxfall  betrifft  eine  hereditär  belastete  37  jährige 
Ehefrau,  die  sowohl  von  der  Vorderwand  unter  den  Stimmbändern 
her,  wie  auch  an  der  Hinterwand  des  Kehlkopfes  tuberkulöse  Wuche- 
rungen  zeigte.  Die  Therapie  bestand  lediglich  in  der  physikalisch- 
diätetischen  Allgemeinbehandlung  mit  nicht  ganz  strenge  innege¬ 
haltenem  Schweigegebot.  Die  Wucherungen  gingen  ohne  alle  lokale 
Therapie  bis  auf  leichte  Erhabenheiten  zurück.  Es  können  also  tuber¬ 
kulöse  Kehlkopfaffektionen  auch  ohne  lokale  Therapie  heilen. 

b)  Zur  Theorie  des  Asthmas. 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 


Physiologischer  Verein  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  17.  Juni  1907. 

Herr  Schade:  1.  Ueber  Reproduzierbarkeit  der 
Gärungen  durch  anorganische  Katalyse.  2.  Diabetes  und  Kata¬ 
lyse.  (Erscheint  in  der-Münch.  med.  Wochenschr.) 

Sitzung  vom  1.  Juli  1907. 

Herr  Graf:  Ueber  den  Einfluss  der  Gastroenterostomie 
auf  Motilität  und  Sekretion  des  Magens.  (Erscheint  in  der 
D.  Zeitschr.  f.  Chir.) 

Herr  Holzapfel: 

a)  junges  Ei,  mit  der  Dezidua  ausgestossen,  von  der  Decidua  ba- 
salis  und  capsularis  völlig  umhüllt;  Länge  der  Eihöhle  etwa  6—8  mm. 
Ein  kleiner  Teil  des  Eies  ist  in  Reihenschnitte  zerlegt,  und  die  fötalen 
und  maternen  Elemente  in  der  Dezidua  werden  gezeigt  und  be¬ 
sprochen. 

b)  ein  Fötus  von  5,6  cm  Länge,  künstlicher  Abort  wegen  Tuber¬ 
kulose. 

c)  Abortivei  mit  Fötus  von  15—16  mm  Länge.  Im  Amnion  findet 
sich  beim  Durchtritt  des  Bauchstiels  ein  kleines,  scharfrandiges, 
rundes,  intrauterin  entstandenes  Loch,  durch  welches  eine  hintere 
Extremität  des  Fötus  in  den  Raum  zwischen  Amnion  und  Chorion 
ragt.  H.  bespricht  die  Entstehungsursachen  dieser  Anomalie  und  die 
Folgen,  die  sich  daran  anschliessen  können. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1751 


Sitzung  v  o  in  15.  Juli  1907. 

Herr  Hensen:  Die  Tondämpfung  im  menschlichen  Ohr. 

(Erscheint  in  Pflügers  Archiv.) 

Sitzung  vom  29.  Juli  1907. 

Herr  Friedrich:  Hörstörungen  nach  Schalleinwirkung. 

E.  berichtete  über  die  Untersuchungsbefunde  bei  19  Ma- 
rineartilleristen,  die  durch  Schiessen  eine  Gehörschädigung  er¬ 
litten  hatten.  Die  Befunde  lassen  sich  durch  die  anatomischen 
Veränderungen,  welche  Wittmaack  in  seiner  tieiexpeii- 
mentellen  Arbeit  „Ueber  die  Schädigung  des  Gehörs  durch 
Schalleinwirkung“  beschrieben  hat,  sehr  wohl  erklären. 

Eine  ausführlichere  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  wird  in 
der  „Festschrift  für  S  c  h  w  a  r  t  z  e“  erscheinen. 

Herr  Holzapfel:  a)  Fruchtachsendruck. 

H.  spricht  über  die  Untersuchungen  und  Versuche  über  den 
Fruchtachsendruck  und  den  allgemeinen  Inhaltsdruck.  Das 
Wesentliche  für  die  Fortbewegung  der  Frucht  ist  der  allge¬ 
meine  Inhaltsdruck.  Einen  wichtigen  Nachweis  hierfür  sieht  H. 
in  einer  in  dieser  Beziehung  wenig  gewürdigten  Beobachtung: 
beim  Vorrücken  des  Kopfes  im  Beckenausgang  fühlt  man  öfters 
auf  dem  vordrängenden  Kopf  die  Galea  gefaltet.  Diese  Faltung 
am  vordringenden  (nicht  zurückgegangenen)  Kopf  lässt  sich  nur 
durch  die  Wirkung  des  allgemeinen  Inhaltsdruckes  erklären, 
indem  der  auch  die  Galea  unmittelbar  treffende  Wehendruck 
bei  engem  Geburtskanal  die  weiche  verschiebliche  Galea 
schneller  vorschiebt  als  den  Schädel.  Bei  der  Vorwärtsbewe¬ 
gung  durch  Fruchtwirbelsäulendruck  müsste  die  Galea  infolge 
des  Reibungswiderstandes  an  der  Beckenwand  während  der 
Wehe  Zurückbleiben, 
b)  Abnabelungszeit. 

Für  den  Blutaustausch  zwischen  Nachgeburt  und  Neu¬ 
geborenem  sind  am  wichtigsten  die  Verschiedenheit  des 
Druckes,  unter  dem  Nachgeburt  und  Neugeborenes  stehjen, 
und  die  Lungenatmung  des  Kindes,  eine  geringere  Rolle  spielt 
der  Druck  von  seiten  des  Herzens,  die  Zusammenziehungs¬ 
fähigkeit  der  Nabelarterien.  Der  rasche  Blutübergang  in  das 
Kind  gleich  nach  der  Geburt  hängt  teils  ab  von  einem  noch 
bestehenden  Wehendruck,  teils  von  dem  Nachlassen  des  stär¬ 
keren  Druckes,  unter  dem  sich  das  Kind  im  Geburtskanal  kurz 
vor  dem  Austritt  befunden  hat.  Es  soll,  wenn  irgend  möglich, 
abgenabelt  werden:  1  .nachdem  das  Kind  ausgiebig  geschrien 
hat,  2.  auf  der  Höhe  einer  Wehe.  Auf  letzteres  ist  besonders 
zu  achten,  wenn  vor  dem  Schreien  des  Kindes  abgenabelt  wer¬ 
den  muss.  Ungeeignet  und  nicht  unmittelbar  verständlich  ist 
die  Vorschrift,  nach  dem  Aufhören  des  Nabelschnurpulses  ab¬ 
zunabeln.  Bei  der  Vorschrift,  bei  schlaffer  Nabelvene  abzu¬ 
nabeln,  wird  übersehen,  dass  die  Nabelvene  auch  durch  Schlaff¬ 
heit  des  Uterus  leer  werden  kann,  ohne  dass  das  Kind  die  ihm 
zukommende  Blutmenge  besitzt. 

Herr  Fischer:  Ueber  rasche  spontane  Entbräunnng  und 
Enteisenung  bei  einem  Grundwasser.  (Erscheint  in  der  hy¬ 
gienischen  Rundschau.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Kein. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  13.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Dreyer:  Demonstration  eines  Falles  von  Lichen  syphi¬ 
liticus. 

Dreyer  zeigt  eine  Frau,  die  seit  3  Monaten  an  einem  äusserst 
heftig  juckenden  Hautausschlag  leidet.  An  der  Haut  des  Gesässes,  der 
Oberschenkel  und  Unterschenkel,  hier  vorwiegend  an  den  Beuge¬ 
seiten,  finden  sich  entsprechend  den  Follikeln  im  allgemeinen  ange¬ 
ordnet  eine  grosse  Anzahl  dicht  gedrängter  runder,  hier  und  da  reihen¬ 
förmig  angeordneter,  auch  einzelstehender  hirsekorn-  bis  Unsen- 
grosser,  meist  blaurot  gefärbter,  derber  Knötchen.  Dieselben  tragen 
an  der  Oberfläche  eine  fest  anhaftende  Hornschuppe,  nach  deren  Ent¬ 
fernung  eine  Delle  zurückbleibt.  An  der  Haut  beider  Ellenbogen  sind 
Gruppen  von  etwas  erhabenen,  wachsartig  transparenten  Knötchen 
vorhanden,  ebenso  in  den  Kniebeugen.  In  der  rechten  inneren 
Malleolargegend  findet  sich  ein  kaum  infiltrierter,  leicht  schuppender, 
ovaler,  zweimarkstiiekgrosser  Plaque,  der  besonders  stark  juckt. 
In  der  rechten  Hohlhand  fünfzigpfennigstückgrosse  Verdickung  der 
Hornschicht  auf  blaugefärbtem  Grund.  Schleimhäute  frei,  ebenso 


Kopf,  Anus  und  Genitalien.  Jedoch  soll  ein  Geschwür  an  letzteren 
vor  3  Monaten  bestanden  haben.  Erbsengrosse  allgemeine  Driisen- 
scbwellungen.  Der  Ehemann  soll  gesund  sein.  Trotz  der  täuschenden 
Aehnlichkeit  des  Exanthems  mit  Lichen-ruber-Formen  —  namentlich 
glichen  die  Effloreszenzen  an  den  Nates  denen  des  Lichen  ruber 
acuminatus  völlig  —  trotz  des  starken  Juckens,  der  negativen  Anam¬ 
nese  und  der  mangelnden  anderweitigen  Symptome,  sowie,  der  An¬ 
ordnung  musste  die  Diagnose  auf  einen  Lichen  syphiliticus  ge¬ 
stellt  werden,  da  sich  im  Gewebssaft  nach  Abkratzung  der  Schuppen 
neben  einer  Anzahl  Sp.  refringentes  deutliche  typische  Pallidae  fanden. 

Herr  F.  C  allen:  Ueber  einen  Fall  von  Magenresektion. 

MH'  Bei  dem  38  jähr.  Manne,  den  ich  Ihnen  heute  in  blühender 
Gesundheit  vorführe,  habe  ich  am  5.  VI.  05,  also  vor  ungefähr  2  Jahren, 
eine  ausgedehnte  Magenresektion  ausgeführt.  Er  kam  zu  uns  in  sehr 
elendem  Zustand.  Während  jener  U/s  jährigen  Krankheit  war  er  durch 
die  Hände  einer  Reihe  von  Aerzten  hindurchgegangen;  er  erbrach 
täglich  mehrere  Male  fast  alle  aufgenommene  Nahrung  und  hatte 
23,5  kg  an  Gewicht  verloren. 

Bei  der  Untersuchung  fanden  wir  bei  dem  äusserst  abgemagerten, 
hohläugigen  Manne  eine  hühnereigrosse  Resistenz,  2  Finger  breit 
nach  rechts  vom  Nabel.  Die  Sonde  gelangte  glatt  in  den  Magen  und 
entleerte  grosse  Mengen  dunkelgefärbter  Speisereste;  nui  nach  langem 
Spülen  wurde  das  Spülwasser  klar.  In  dem  nach  Probefrühstück  aus¬ 
geheberten  Magensaft  Hess  sich  bei  wiederholten  Untersuchungen 
keine  HCl,  dagegen  reichlich  Milchsäure  nachweisen. 

In  der  Annahme  eines  Karzinoms  am  Pylorus  schritten  wir  zur 
Operation.  Als  der  unter  dem  vergrösserten  linken  Leberlappen 
liegende  Magen  vorgezogen  wurde,  fühlten  sich  Pylorus  und  die  an¬ 
grenzenden  Teile  hart  an,  Hessen  aber  äusserlich  keinen  Iumor  er¬ 
kennen.  Der  Magen  wurde  darauf  nahe  dem  Pylorus  an  der  V  order¬ 
wand  eröffnet;  der  eindringende  Finger  traf  auf  ein  grosses  zer¬ 
klüftetes,  einen  grossen  Teil  des  Magens  einnehmendes  Geschwür. 
Dementsprechend  erfolgte  eine  Resektion  des  Magens,  die  ungefähr 
die  Hälfte  seines  Längsdurchmessers  umfasste,  Verschluss  der  Magen- 
und  Duodenalöffnung  und  vordere  Gastroenterostomie. 

Der  Heilungsverlauf  war  anfangs  ungestört;  am  15.  Tage  setzte 
eine  linksseitige  Pleuritis  ein,  die  langsam  zurückging,  so  dass  der 
Kranke  nach  5  Wochen  entlassen  werden  konnte.  Als  Ursache  dieser 
Pleuritis  zeigte  sich  eine  Woche  später  ein  kleiner,  offenbar  sub¬ 
phrenisch  gelegener  Abszess,  der  in  die  Bauchnarbe  durchbrach  und 
2  Seidenfäden  zutage  förderte. 

Unsere  Annahme,  dass  es  sich  um  ein  Karzinom  handelte,  konnte 
bei  näherer  Untersuchung  nicht  aufrecht  erhalten  werden.  Sie  sehen 
hier  an  dem  Präparate  ein  zirkuläres  Geschwür  von  ungefähr  9  cm 
Längs-  und  12  cm  Breitendurchmesser.  Das  Zentrum  desselben  be¬ 
steht  aus  weissen,  strahligen  Narbenmassen,  die  Ränder  sind  wallartig 
.aufgeworfen  und  tragen  kleine  papilläre  Auswüchse;  auch  im  Bei  eich 
,der  Narbe  finden  sich  vereinzelte  kleine  knopfförmige  Auswüchse.  Die 
mikroskopischen  Präparate  zeigen  nirgendwo  eine  Andeutung  von 
Krebs,  sondern  entzündliche  Veränderungen.  Die  Mukosa  ist  fast 
völlig  zugrunde  gegangen  und  durch  Narben  oder  Granulationsgewebe 
ersetzt.  Submukosa  und  Muskularis  sind  mächtig  verdickt  und 
stellenweise  kleinzellig  infiltriert. 

Die  zirkuläre  Anordnung  des  Geschwüres  ist  eine  ungewöhnliche 
und  da  Patient  vor  13  Jahren  eine  Lues  durchgemacht  hat,  so  liegt 
der  Gedanke  eines  Zusammenhanges  damit  sehr  nahe;  allerdings  hat 
uns  die  mikroskopische  Untersuchung  bisher  keine  bestimmten  An¬ 
haltspunkte  für  diese  Annahme  geliefert. 

Herr  Jores:  Ueber  Leberzirrhosen,  insbesondere  über 
nicht  granulierte  Formen  mit  okkultem  Verlauf  und  über  die 


Cirrhose  cardiaque. 

Vortragender  demonstriert  und  bespricht  die  pathologische 
Anatomie  der  Leberzirrhose  und  berücksichtigt  insbesondere 
die  neueren  Ergebnisse  betreffend  den  „Umbau“  der  cirrho- 
tischen  Leber  und  die  Beziehungen  der  Leberaffektion  zu  Alte¬ 


rationen  des  Blutes.  Bezüglich  der  verschiedenen  Formen  der 
Leberzirrhose  stellt  sich  Vortragender  auf  den  Standpunkt, 
dass  eine  einheitliche  Auffassung  der  Leberzirrhose  vom  ana¬ 
tomisch-histologischen  Standpunkt  aus  vorderhand  gerecht¬ 
fertigt  erscheint.  Indessen  erleichtere  die  Einteilung  in  For¬ 
men  die  Uebersicht  über  die  mannigfachen  Erscheinungen  und 
gerade  das  Studium  abweichender  Fälle  werfe  nicht  selten  ein 

Licht  auf  die  eine  oder  andere  Streitfrage. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  geht  Vortragender  dann  auf  drei 
Beobachtungen  ein  von  glatter  Zirrhose,  -bei  denen  weder  Vergrösse- 
rung,  noch  Verkleinerung  der  Leber  vorhanden  war.  Zunächst  ver¬ 
riet  die  derbe  Konsistenz  beim  Einschneiden  eine  fibröse  Hepatitis. 
Die  Farbe  des  Organs  war  weisslichgelb.  Auf  der  Schnittfläche  sah 
man  auf  hellgelbem  Grunde  kleine  rote  verwaschene  Flecke.  Es  wai 
also  weder  auf  der  Ober-  noch  auf  der  Schnittfläche  die  Granuliei  ung 
und  Inselbildung  erkennbar.  Dementsprechend  war  mikroskopisch 
die  Verteilung  des  Bindegewebes  vorwiegend  eine  intralobulare.  Re¬ 
generationserscheinung  seitens  des  Lebergewebes  war  unverkennbai , 
doch  hatte  ein  Umbau  im  Sinne  von  K  r  e  t  z  noch  nicht  stattgefunden. 
Auffallend  reichlich  traten  dagegen  Erscheinungen  der  Atrophie  an 
den  Leberzellen'  zutage  und  zwar  auch  dort,  wo  noch  keine  Binde- 


1752 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


gewebswucherung  eingesetzt  hatte.  Aszites  fehlte  oder  war  gering. 
Ikterus  war  gleichfalls  gar  nicht  oder  nur  in  Spuren  vorhanden.  Die 
Milz  war  weich,  einmal  von  normaler  Grösse,  zweimal  leicht  ge¬ 
schwellt. 

Die  Fälle  waren  sämtlich  mit  anderen  pathologischen  Verände¬ 
rungen  kombiniert,  Bronchitis,  Emphysem  und  in  2  Fällen  mit  gering¬ 
fügiger  Tuberkulose.  Indessen  lag  nur  in  einem  Falle  die  Möglichkeit 
vor,  dass  das  Individuum  an  interkurrenter  tuberkulöser  Pleuritis  zu¬ 
grunde  gegangen  sein  konnte;  in  den  anderen  war  nach  dem  ganzen 
Sektionsergebnis  die  Leberzirrhose  als  die  Todesursache  anzu¬ 
sprechen.  Klinisch  zeigten  die  Fälle  das  Bemerkenswerte,  dass  bei 
vorwiegend  toxischen  Symptomen  die  Erscheinungen  der  Zirrhose 
nicht  ausgeprägt  waren  und  eine  bestimmte  Diagnose  nicht  zuliessen. 
Aetiologisch  war  in  allen  Fällen  starkes  Potatorium  nachweisbar 

Die  besprochene  Form  der  Leberzirrhose,  die  sich  von  der 
hypertrophischen  Form  durch  mangelnde  Vergrösserung  der 
Leber  und  Fehlen  des  Ikterus  unterscheidet,  von  der  atrophi¬ 
schen  Leberzirrhose  durch  die  Verteilung  des  Bindegewebes 
und  das  Fehlen  der  regeneratorisch  gebildeten  Leberinseln,  ist, 
wenn  auch  selten,  in  der  Literatur  als  besondere  Art  der  Zir¬ 
rhose  erwähnt.  So  bei  Simmonds  als  „diffuse  fibröse. 
Hepatitis“,  bei  O  r  t  h  als  „Induration“  resp.  „glatte  zirrhotische 
Atrophie“.  Vortragender  meint,  dass  die  besondere  Erschei¬ 
nungsweise  dieser  Form  durch  das  nachweislich  stärkere  Her¬ 
vortreten  der  atrophischen  Prozesse  in  der  Leber  bedingt  sei, 
womit  gleichzeitig  wohl  ein  mehr  subakuter  Verlauf  verknüpft 
sein  mag.  Es  würde  auf  diese  Weise  verständlich  sein,  dass 
infolge  des  lebhafter  um  sich  greifenden  Unterganges  von 
Lebergewebe  die  Bindegewebswucherung  eine  diffusere  Ver¬ 
breitung  erfährt  und  die  regenerativen  Erscheinungen  nicht  in 
dem  Masse  zur  Ausbildung  gelangen,  wie  bei  der  granulierten 
Zirrhose. 

Bezüglich  der  Cirrhose  cardiaque  stimmen  die  Erfah¬ 
rungen  des  Vortragenden  mit  dem  von  v.  Eisenmenger 
eingenommenen  Standpunkt  überein.  Dem  Befund,  den  er  in 
solchen  Fällen  erheben  konnte,  in  denen  die  Erscheinungen  der 
Cirrhose  cardiaque  klinisch  zutage  getreten  waren,  ent¬ 
sprachen  hochgradiger  Stauungsatrophie  mit  erheblicher,  re¬ 
generativer  Neubildung  von  Leberparenchym,  aber  ohne 
wesentliche  Wucherung  des  interstitiellen  Bindegewebes. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  25.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Bahrdt. 

Schriftführer:  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  H.  R  i  s  e  1  demonstriert  Kurven,  welche  zeigen,  dass  im 
Leipziger  Kinderkrankenhaus  die  auf  der  Säuglingsstation  aufge¬ 
nommenen  Kinder  des  ersten  Lebensjahres  und  die  auf  den  übrigen 
Abteilungen  des  Hauses  verpflegten  Säuglinge  sich  nicht  allein  durch 
den  jeweiligen  Krankheitsprozess  unterscheiden,  sondern  dass  auch 
die  Verteilung  ihrer  Aufnahmen  und  Toten  auf  die  Jahreszeiten,  ihr 
Durchschnittskörpergewicht  und  ihre  Altersprozentzahl  wesentlich 
verschieden  sind.  Ausführlicheres  siehe  diese  Wochenschrift  No.  34, 
1907. 

Herr  Zweifel  bringt  neue  Ansichten  über  Geburtsbehandlung 
bei  engem  Becken.  Siehe  Referat  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
No.  23  vom  4.  Juni  1907,  p.  1149  sq.  (Verh.  d.  deutsch.  Gesellsch. 
für  Gynäkologie.) 

Herr  T  h  i  e  s  demonstriert  zwei  Patientinnen,  bei  denen  die 
subkutane  Symphysiotomie  ausgeführt  wurde.  Bei  beiden  Patien¬ 
tinnen  ist  4  Wochen  nach  der  Operation  Arbeitsfähigkeit  wieder  vor¬ 
handen  gewesen;  Entlassung  schon  am  21.  bezw.  19.  Tage  aus  der 
Klinik.  Die  eine  Patientin  hatte  vor  einem  Jahr  eine  Conj.  vera 
von  7,6  cm  (nach  Zweifel  gemessen).  Da  die  Geburt  nicht  spontan 
ei  folgte,  wurde  am  14.  V.  06  die  subkutane  Symphysiotomie  ausge- 
fiihrt,  das  Kind  wog  3760  g.  Am  12.  VI.  07  wurde  die  Frau  zum 
zweiten  Mal  in  der  Klinik  entbunden.  Es  bestand  eine  II.  dorso 
post.  Ouerlage.  Es  wurde  die  innere  Wendung  und  ganze  Extraktion 
eines  3390  g  schweren  lebenden  Kindes  ausgeführt.  Das  Kind  zeigte 
eine  Impression  des  rechten  Os  parietale,  ist  aber  ohne  Störungen. 
Nach  fieberfreien  Wochenbett  verliess  die  Patientin  am  9.  Tage 
die  Klinik. 

Im  Anschluss  an  die  Demonstration  bespricht  der  Redner  die 
Piognose  der  späteren  Geburten  nach  den  beckenerweiternden 
Operationen  und  über  die  Ursachen  der  so  häutig  nach  Sym¬ 
physiotomie  beschriebenen  Spontangeburten. 

Herr  Zweifel  gibt  Bemerkungen  zur  Röntgenphotographie  der 
Symphyse. 


Sitzung  vom  9.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Curschmann. 

Schriftführer:  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Quensel  demonstriert  einen  Fall  von  Worttaubheit. 
46  jähriger  Tischler  hat  vor  lVs  Jahren  einen  Anfall  vorübergehenden 
Sprachverlustes  gehabt.  Seit  einem  zweiten  Anfalle  am  18.  V.  07  „redet 
er  irre“  und  versteht  nicht  mehr,  was  man  zu  ihm  sagt. 

Es  besteht  ein  geradezu  absoluter  Verlust  des  Wortsinnverständ¬ 
nisses  bei  hinreichend  erhaltenem  Hörvermögen,  Fähigkeit  Objekte 
nach  dem  Klange  zu  erkenen,  erhaltenem  Wortlautverständnis,  we¬ 
nigstens  vermochte  er  kurze  Worte  korrekt,  lange  paraphasisch  nach¬ 
zusprechen.  Es  besteht  eine  nicht  komplette  sensorische  Amnesie 
und  Unfähigkeit  nachzusingen. 

Die  Spontansprache  zeigte  Logorrhöe,  verbale  Amnesie,  Para¬ 
phasie. 

Patient  vermag  auch  längere  Sätze  laut  richtig  vorzulesen,  aber 
fast  ohne  jedes  Verständnis.  Er  schreibt  spontan  fast  nur  seinen 
Namen,  auf  Diktat  kürzere  Worte  vollkommen  richtig,  die  Fähigkeit 
zu  kopieren  ist  nicht  beschränkt. 

Es  finden  sich  keine  Zeichen  von  Seelenblindheit,  keine  Hemi¬ 
anopsie,  keine  Tastlähmung.  Bewegungen  werden  gut  nachgeahmt, 
mit  Objekten  hantiert  Pat.  richtig  und  geschickt. 

Der  Fall  entspricht  in  weitgehendem  Masse  dem  Bilde  der  so¬ 
genannten  transkortikalen  sensorischen  Aphasie.  Vortr.  deutet  ihn 
als  eine  partielle  zentrale  oder  besser  assoziative  Worttaubheit  durch 
relativ  reinen  Schläfenlappenherd  mit  Erhaltensein  eines  Teiles  der 
temporalen  Querwindung.  Auffallend  ist  die  Stabilität  der  Er¬ 
scheinungen. 

Herr  Perthes:  Die  chirurgische  Behandlung  der 
Nephrolithiasis  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Indikations¬ 
stellung. 

Bei  der  Indikationsstellung  zu  Nierensteinoperationen 
stehen  sich  zwei  Anschauungen  gegenüber,  von  denen  die  eine 
nur  bei  bestimmten  gefährlichen  Komplikationen  die  Operation 
für  indiziert  hält,  die  andere  dagegen  sie  empfiehlt,  sobald  die 
Diagnose  des  Nierensteines  gestellt  ist.  Der  erstere  Stand¬ 
punkt  wurde  besonders  präzis  z.  B.  von  Klemperer 
( Therapie  d.  Gegenwart  1902,  1903,  1904),  der  letztere  von 
Morris,  von  Rovsing  1896,  Israel  1900  (mit  einer  ge¬ 
wissen  Einschränkung  s.  u.),  Garre  1907  u.  a.  vertreten. 

Es  steht  fest,  dass  die  Operation  des  Nierensteines  bezw. 
Uretersteines  indiziert  ist:  1.  bei  Anurie  durch  Nierenstein- 
einklemmung  im  Ureter  nach  Ablauf  von  höchstens  48  Stun¬ 
den,  2.  bei  eitriger  Infektion  des  Nierenbeckens,  akuter  und 
chronischer  Pyelitis  und  Pyelonephritis,  3.  bei  Retentionszii- 
ständen  durch  Nieren-  und  Uretersteine  (Hydronephrosen  und 
Pyonephrosen),  4.  bei  Blutungen  von  erschöpfender  Intensität. 
Die  Operation  der  Wahl  ist  im  allgemeinen  die  Nephrolitho¬ 
tomie,  ausnahmsweise  Pyelolithotomie.  Bei  fortgeschrittener 
Pyelonephritis  und  nachgewiesener  Gesundheit  der  anderen 
Niere,  sowie  in  den  Fällen  von  Hydronephrose  und  Pyo- 
nephrose  mit  relativ  dünner  Wandung  wird  man  die  Nieren¬ 
exstirpation  der  Nephrolithotomie  vorziehen. 

Für  die  aseptischen  und  unkomplizierten  Fälle  von  Nieren¬ 
steinen  ist  die  Indikationsstellung  umstritten.  P.  empfiehlt 
Entscheidung  auf  Grund  des  Röntgenbildes. 
Steine  von  Erbsengrösse  und  darüber,  also  die  Steine,  die 
wir  mit  der  heutigen  Röntgentechnik  mit  Sicherheit  nach- 
weisen,  können  den  Ureter  nicht  oder  nicht  ohne  Gefahren 
passieren.  Ihr  Verweilen  im  Nierenbecken  bedingt  die  Ge¬ 
fahren  späterer  Komplikationen,  Gefahren,  die  grösser  zu  ver¬ 
anschlagen  sind  als  die  Gefahr  einer  aseptischen  Nephrolitho¬ 
tomie.  Es  empfiehlt  sich  beim  Nierenstein,  ebenso  wie  beim 
Blasenstein  die  Operation,  wenn  irgend  möglich,  im  asep¬ 
tischen  Stadium  auszuführen,  und  nicht  auf  den  Eintritt 
dringenderer  Indikation  durch  Komplikationen  zu  warten. 
Denn  nach  Eintritt  von  Infektion  des  Nierenbeckens  ist  die 
Mortalität  der  Nephrolithotomie  mindestens  doppelt  so  hoch 
als  im  aseptischen  Stadium,  es  kann  dann  nur  noch  in  einem 
Teil  der  Fälle  mit  Erhaltung  der  Niere  operiert  werden,  und 
auch,  wo  das  noch  möglich  ist,  muss  eine  Nierenbeckenfistel 
angelegt  werden,  die  Monate  zur  Heilung  braucht,  während  die 
Heilungsdauer  einer  aseptischen  Nephrolithotomie  14  Tage  bis 
3  Wochen  beträgt.  P.  rät,  weniger  mit  Rücksicht  auf  die  durch 
das  Konkrement  augenblicklich  hervorgerufenen  Beschwerden, 
als  auf  die  dadurch  für  die  Zukunft  des  Patienten  bedingte 
Gefahr,  zur  Operation  in  jedem  Falle,  in  dem  die  Röntgenauf¬ 
nahme  einen  Nierenstein  oder  Ureterstein  von  Erbsengrösse 


27.  August  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1753 


und  darüber  zeigt,  vorausgesetzt,  dass  der  Allgemeinzustand 
günstigen  Verlauf  der  Operation  wahrscheinlich  ^erscheinen 
läSSt 

Als  Beispiele  werden  folgende  Fälle  vorgestellt  bezw.  referiert. 

1.  Nephrolithotomie  bei  einer  28  jährigen  Patientin  wegen  eines 
Oxalatsteines  von  unter  Haselnussgrösse,  der  ausser  massigen 
Blutungen  und  Gefühls  von  Druck  in  der  Lendengegend  keine  Er- 
scheinungen  machte.  Heilung  in  14  Tagen. 

2.  Nephrolithotomie  bei  einem  40  jährigen  Herrn  mit  Pyelitis 

calculosa.  Heilung  in  4  Monaten.  .  ... 

3.  Nephrolithotomie  wegen  grosser  Zystinsteine  bei  einem 
38  jähr.  Herrn.  5  Kolikanfälle  mit  Abgang  von  Zystinsteinen  waren 
seit  dem  23.  Lebensjahr  eingetreten;  die  letzten  jedesmal  nach  längerer 
Eisenbahnfahrt.  Es  bestand  gleichzeitig  Zystinurie,  ohne  dass  sie 

sonst  in  der  Familie  aufgetreten  wäre.  ,  ,  ,  , 

Der  Urin  war  dauernd  aseptisch,  bis  der  Patient  ohne  bekannte 
Ursache  plötzlich  an  Pyelitis  (Bacterium  coli)  mit  komplizierender 
Epididymitis  und  Prostataabszess  erkrankte.  Das  Röntgenbild  (Dr. 
Heineke)  zeigte,  dass  das  ganze  Nierenbecken  der  einen  Seite  mit 
Konkrementen  erfüllt  war.  Die  Nephrolithotomie  in  fieberfreiei  Zeit 
verlief  glatt.  Da  das  Nierenparenchym  makroskopisch  völlig  normal 
erschien,  wurde  auf  Exstirpation  der  Niere  verzichtet,  das  Nieren- 
Becken  drainiert.  Doch  führte  eine  von  der  Nierenwunde  ausgehende 
eitrige  Infektion  des  Nierenparenchyms  mit  septischer  Allgemein- 
infektion  in  5  Tagen  zum  Tode.  Die  aus  Zystin  mit  nur  ganz 
geringen  Spuren  von  Phosphaten  bestehenden  Konkremente  konnten 
bei  dem  recht  fetten  Patienten  sehr  gut  mit  Röntgen  nachgewiesen 
werden. 

4.  Nephrektomie  wegen  einer  grossen  Pyonephrose,  die 
durch  einen  Ureterstein  von  Walnussgrösse  bedingt 
war.  Der  Ureterstein  lag  in  enorm  dicken  Schwarten  eingebettet 
(neben  dem  Ureter  oder  in  einem  Divertikel  desselben)  etwas  unter¬ 
halb  der  Höhe  der  Crista  ilei.  Glatte  Heilung. 

Diskussion:  Herr  Heineke  bespricht  die  an  dem  Materiale 
der  chirurgischen  Klinik  gesammelten  Erfahrungen.  Es  sind  aus¬ 
geführt  worden:  16  Operationen  bei  ififizierten  Nieren  mit  6  Todes¬ 
fällen  (grösstenteils  desolate  Fälle  mit  doppelseitiger  eitriger  Pyelo¬ 
nephritis)  und  9  Operationen  bei  nicht  infizierten  Harnwegen:  dar¬ 
unter  1  Todesfall  bei  einem  Manne,  der  bereits  mit  dreitägiger  Anurie 
in  Behandlung  kam. 

Vortr.  bespricht  ferner  die  Röntgendiagnose  der  Nierensteine 
und  weist  darauf  hin,  dass  man  auf  einem  guten  Bilde  nicht  nur  sehen 
kann,  dass  Steine  vorhanden  sind,  sondern  auch  genau  die  Lage  der 
Steine  innerhalb  der  Niere  erkennen  kann.  Das  ist  unter  Umständen 
recht  wichtig,  da  sehr  kleine  Steine,  die  schon  hochgradige  Be¬ 
schwerden  hervorrufen  können,  manchmal  auch  bei  der  Operation 
in  der  herausgeholten  Niere  sehr  schwer  zu  finden  sind,  wenn  sie  in 
den  Kelchen  versteckt  sind.  Trendelenburg  hat  sich  in 
mehreren  derartigen  Fällen  so  geholfen,  dass  er  den  narkotisierten 
Patienten  während  der  Operation  ins  Röntgenzimmer  fahren  Hess  und 
die  herausluxierte  Niere  durchleuchtete.  Eine  kleine  Platte  wurde  in 
sterilisierten  wasserdichten  Stoff  eingeschlagen,  in  die  Wunde  ge¬ 
bracht  und  die  Niere  daraufgelegt.  Auf  der  Platte  war  die  Orien¬ 
tierung  über  die  Lage  der  Steine  dann  sehr  leicht  möglich.  Diese 
Methode  ist  für  kleine  Steine  also  sehr  zu  empfehlen:  sie  schützt  auch 
vor  dem  Uebersehen  von  Steinen, 

Endlich  bespricht  Vortr.  noch  die  bei  der  Röntgenaufnahme 
möglichen  Täuschungen  und  erwähnt  besonders  zwei  Fälle,  die  mit 
allen  klinischen  Erscheinungen  der  Nephrolithiasis  (Blutungen,  Ko¬ 
liken)  in  Behandlung  kamen  und  auf  dem  Röntgenbilde  deutlich  kleine 
Steine  erkennen  Hessen.  Bei  der  Operation  fanden  sich  aber  keine 
Steine.  In  dem  einen  Falle  lagen  offenbar  Verkalkungen  in  der  Pleura 
vor,  in  dem  andern  fand  sich  eine  verkalkte,  von  einer  früheren 
Ovariotomie  herrührende  und  dem  Ureter  aufliegende  Seidenligatur. 

Herr  Curschmann:  Bezüglich  der  Indikationsstellung  zur 
chirurgischen  Behandlung  schliesst  sich  C.  im  grossen  ganzen  den 
Ausführungen  des  Herrn  Perthes  an  und  steht  darin  im  strikten 
Gegensatz  zu  der  Ansicht  mancher  inneren  Kliniker.  Ein  Nieren¬ 
stein,  dessen  Diagnose  sicher  ist,  ist  stets  eine  mehr  oder  weniger 
grosse  Gefahr  für  ihren  Träger.  Die  Diagnose  ist  aber  selbst  bei 
Röntgenuntersuchung  bisweilen  schwierig,  ja  kaum  möglich,  auch 
wenn  es  sich  um  relativ  grosse  Steine  handelt.  Sie  können  auch  im 
übrigen  lange  Zeit  völlig  latent  bleiben,  um  zuweilen  ganz  plötzlich 
die  ersten  Erscheinungen  zu  machen.  (Blutung,  Kolik  etc.) 

In  Bezug  auf  Bade-  und  Trinkkuren  steht  C.  auf  dem  Standpunkt, 
dass  kein  Wasser  imstande  ist,  einen  Nierenstein  zu  lösen  oder  seinen 
Zerfall  zu  fördern.  Die  Aerzte  sollten  diesem  Glauben  der  Laien  mit 
mehr  Energie  entgegentreten,  sie  würden  dadurch  manche  Ver¬ 
schleppung  verhüten.  Wenn  überhaupt,  lässt  C.  die  Nierenstein¬ 
kranken  nach  solchen  Orten  gehen,  an  denen  neben  in  manchen  Be¬ 
ziehungen  gewiss  nützlichen  Trink-  und  Badekuren  auch  auf  sofortige 
chirurgische  Hilfe  zu  rechnen  sein  würde  (Karlsbad,  Wildungen  etc.). 

Ausser  bei  Sepsis,  Pyelitis,  Anurie  und  Blutungen  empfiehlt  C. 
die  Operationen  auch  dann,  wenn  heftige  Schmerzen  vorhanden  und 
kleine  Konkretionen  häufiger  abgegangen  sind.  Speziell  sollte  man 
auch  bei  Blutungen  eher  frühzeitig  operieren.  Ist  erst  einmal  infolge 
öfterer  Blutung  schwere  Anämie  entstanden,  dann  verhindert  oder 


erschwert  die  konsekutive  Herzschwäche  die  Operation.  Daher 
lieber  frühzeitige  Operation. 

Herr  B  a  h  r  d  t  weist  darauf  hin,  dass  es  nicht  selten  vorkommt, 
dass  einer  oder  mehrere  Anfälle  von  Nierenkoliken  und  Steinab¬ 
gängen  auftreten  und  dann  plötzlich  aufhören,  was  namentlich  der 
Familienarzt  beobachten  kann,  der  Jahrzehnte  lang  solche  Fälle  im 
Auge  behält.  Diese  Wahrnehmungen  haben  ihn  auch  veranlasst, 
Fälle  von  Nierenkoliken,  selbst  mit  Abgang  von  kleinen  Steinen,  in  die 
Lebensversicherung  (allerdings  erschwert)  aufzunehmen,  wenn  sie 

3 _ 5  Jahre  keine  Anfälle  mehr  gehabt  haben  und  ganz  normalen  Urin 

zeigen.  In  diesen  Fällen  sind  gewiss  auch  die  Brunnenkuren  nicht 
ohne  Nutzen  gewesen.  An  eine  Auflösung  schon  bestehender  Steine 
durch  solche  Kuren  glaubt  er  ebensowenig  als  Professor  Cursch¬ 
mann. 

Herr  Heineke  weist  darauf  hin,  dass  die  Diagnose  mit  Röntgen 
nicht  immer  angängig  sei;  er  fragt,  ob  Steine  lange  latent  bleiben 
können  und  ob  die  Steine  verschiedener  Zusammensetzung  auf 
Röntgenbildern  sehr  verschiedene  Resultate  ergeben. 

Herr  Sick  bemerkt,  es  gehört  zum  Arztberuf,  nicht  wie  K  1  e  m  - 
per  er  die  Verantwortung  für  eine  —  nicht  rein  kosmetische  —  Opera¬ 
tion  dem  Patienten  zuzuschieben,  der  sich  fast  stets  zu  einem  ungünsti¬ 
gen  Zeitpunkt  erst  entsohliessen  wird  und  bei  ungünstigem  Verlauf  nun 
auch  andere,  unter  ihnen  nicht  selten  den  internen  Arzt,  abschreckt. 
Nach  den  Erfahrungen  der  letzten  Jahre  liegt  ohne  Zweifel  die 
kleinere  Gefahr  in  der  Operation,  sobald  mit  Röntgen  sicht¬ 
bare  Nierensteine  als  Ursache  schwerer  Beschwerden  festgestellt 
sind.  Bestand  längere  Zeit  schon  Fieber  und  geht  es  nicht,  ähnlich 
wie  z.  B.  bei  Perityphlitis,  eine  mehrwöchentliche  Fieberpause  ab¬ 
zuwarten,  so  würde  ich  nach  meinen  Erfahrungen,  falls  die  Erkrankung 
einseitig  ist,  gleich  die  Exstirpation  vornehmen,  um  einen  Verlust,  wie 
Prof.  Perthes  ihn  hatte,  zu  vermeiden.  Uebrigens  sah  ich  auch 
schon  Heilung,  wenn  die  -Niere  mit  ihren  Eiter-  und  Nekroseherden 
nach  2  oder  3  Tagen  zunehmender  pyämischer  Erscheinungen  entfernt 
wurde. 

Zur  Beurteilung  der  Rezidive  ist  eine  Röntgenaufnahme  bei  der 
Entlassung  zu  empfehlen,  ob  nicht  doch  ein  Stein  übersehen  wurde. 
In  einem  hier  operierten  Fall  fand  ich  eine  gelappte  Niere  und  zwei 
mehr  oder  weniger  getrennte  Nierenbecken;  in  der  oberen,  erst  er- 
öffneten  Hälfte  war  kein  Stein,  dieser  war  nur  mit  den  Fingern  zu 
fühlen;  er  konnte  erst  durch  Inzision  der  unteren  Nierenhälfte  heraus¬ 
befördert  werden.  In  solchen  angeborenen  oder  pyelitischen  1  aschen 
kann  leicht  ein  Stein  Zurückbleiben. 

Herr  Curschmann  demonstriert  zunächst  noch  einige  ge¬ 
lungene  Photographien  von  Nierensteinen  und  Ureter¬ 
fisteln. 

Sodann  bemerkt  er  Herrn  Sick  gegenüber,  dass  er  nicht  so  ver¬ 
standen  sein  wolle,  als  ob  er  dem  Patienten  die  Entscheidung  und 
Verantwortung  für  die  Indikationsstellung  zur  Operation  anheimstelle. 

Herrn  Heineke  gegenüber  erwidert  Herr  C.,  dass  in  der  lat 
auch  grosse  Nierensteine  lange  Jahre  hindurch  latent  bleiben  könnten. 

Herrn  B  a  h  r  d  t  gegenüber  betont  Herr  C.  noch  einmal,  dass 
selbstverständlich  nur  bei  sicherer,  besonders  auch  durch  Röntgen¬ 
untersuchung  gesicherter  Diagnose  zu  operieren  sei;  dass  man  im 
übrigen  Diät-  und  Brunnenkuren  verordne,  dagegen  sei  natürlich  nichts 
einzuwenden. 

Differentialdiagnostisch  weist  C.  auf  adhäsive  Pleuritis,  Ent¬ 
zündungen  des  Zwerchfellüberzuges  und  Gallensteine  hin.  Endlich 
sei  eine  wenig  beachtete  Affektion  in  differential-diagnostischer.  Hin¬ 
sicht,  die  auf  multiple  Nierenembolie  zu  beziehende  chronische, 
schwielige  Paranephritis.  Dieser  vor  längerer  Zeit  von  Cursch¬ 
mann  beschriebene  Zustand  komme  besonders  bei  Aortenfehlern 
zustande.  Die  starken  ausstrahlenden  Lumbalschmerzen  seien  be¬ 
sonders  geeignet,  zur  Verwechslung  mit  Nierensteinen  zu  führen. 

Herr  Perthes:  Das  Bedenken  des  Rezidivs  kann  gegen  die 
operative  Entfernung  des  Nierensteines  ebensowenig  ins  Gewicht  fal¬ 
len,  wie  gegen  die  Operation  des  Blasensteines.  Auch  wird  der  Neu¬ 
bildung  von  Nierensteinen  nach  der  Operation  entgegenzuarbeiten  sein 
durch  die  medikamentös-diätetische  Therapie,  von  der  eine  Wirkung 
im  vorbeugenden  Sinne  mit  grösserer  Bestimmtheit  erwartet  werden 
darf,  als  eine  entscheidende  Wirkung  gegenüber  ausgebildeten  grossen 
Konkrementen. 

Die  von  Herrn  Bahr-dt  erwähnten  Fälle  von  häufiger  Nieren¬ 
kolik  mit  Abgang  kleiner  Konkremente  wollte  Israel  bei  der  Dis¬ 
kussion  des  Chirurgenkongresses  1900  von  der  Operation  aus- 
schliessen;  -doch  rät  Perthes  auch  für  diese  Fälle  zur  Herstellung 
des  Röntgenbildes.  Fehlen  Nierensteine  von  radiographisch  nach¬ 
weisbarer  Grösse,  so  unterbleibt  die  Operation.  Zeigt  sich  ein 
Steinschatten,  so  würde  P.,  auch  wenn  derselbe  durch  eine  Vielheit 
kleiner  Konkremente  bedingt  sein  sollte,  operieren,  um  dem  Patienten 
die  Beschwerden  und  Gefahren  des  Steinabganges  durch  den  Uieter 
zu  ersparen.  —  Die  von  Herrn  Heineke  aufgeworfene  krage,  ob 
Nierensteine  verschiedener  chemischer  Beschaffenheit  sich  in  Bezug 
auf  Nachweisbarkeit  mit  Röntgenstrahlen  wesentlich  verschieden  ver¬ 
halten,  hat  Perthes  experimentell  zu  beantworten  gesucht,  cs 
wurden  Serien  verschieden  grosser  Oxalatsteine,  Uratsteine  und 
Phosphatsteine  auf  dem  Bauche  von  Patienten  liegend,  wie  auch  in 
Wasser,  das  fast  die  gleiche  Durchlässigkeit  für  Röntgenstiahlen  hat, 
I  wie  Muskulatur,  röntgenographiert.  Oxalatsteine  waren  bis  zu  einem 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Durchmesser  von  2 — 3  mm  herab,  Uratsteine  und  Phosphatsteine  nur 
bis  zu  Erbsengrösse  (6 — 7  mm)  herab  nachweisbar. 

Wünschenswert  wäre  die  Wiederholung  dieser  Versuche  in  der 
Weise,  dass  die  Serien  der  Nierensteine  in  das  Nierenbecken  von 
Leichen  gebracht  und  durchleuchtet  werden. 


Aerztlicher  Verein  zu  Marburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  19.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Herr  T  u  c  z  e  k. 

Schriftführer:  Herr  Sardemann. 

Herr  Beneke  demonstriert  vor  der  Tagesordnung: 

1.  Tödliche  Oesophagusblutung  bei  Leberzirrhose  bei  einem 
38  jährigen  Mann  (S.-B.  117,  1907).  Derselbe  war  mit  linksseitiger 
eitriger  Pleuritis  und  Pneumonie  in  der  Klinik  aufgenommen.;  notori¬ 
scher  Säufer;  keine  sicheren  Symptome  von  Leberzirrhose.  Ganz 
kurz  vor  dem  Tode  entleerte  der  Patient  einige  Blutballen  per  os 
und  sehr  reichliche  Blutstühle,  nachdem  vorher  mehrere  Tage  Obsti¬ 
pation  bestanden  hatte.  Die  Blutung  war  aus  einer  minimalen  Vene 
unmittelbar  über  der  Kardia  erfolgt;  der  Darm  vom  Jejunum  bis  Rek¬ 
tum  mit  Blut  gefüllt;  im  Magen  grosse  Blutmengen,  vorwiegend  flüssig, 
desgleichen  im  Oesophagus,  sowie  in  der  Trachea  und  den  schleim¬ 
reichen  Bronchien  der  rechten  Lunge,  während  die  atelektatische 
linke  Lunge  blutfrei  geblieben  war.  Der  Leichenbefund  erwies  die 
Erstickung  als  Todesursache.  Die  Ruptur  der  Vene  war  offen¬ 
bar,  im  Verhältnis  zur  Entwicklung  der  Zirrhose,  besonders  frühzeitig, 
anscheinend  im  Anschluss  an  die  durch  das  Empyem  veranlasste 
Stauung  (oder  einen  Hustenstoss)  erfolgt;  die  Zirrhose  war  aus¬ 
geprägt,  aber  doch  immer  noch  im  Frühstadium  (Laennecsche 
Form),  hatte  auch  noch  keinen  Aszites  veranlasst  und  die  Ausbildung 
kollateraler  Blutbahnen  war  ganz  unbedeutend.  Die  Milz  zeigte  die 
typische  Form  des  „spodogenen“  Tumors  und  enthielt  neben  weiten 
Gefässen  sehr  reichliche  myeloide  Zellen. 

2.  Symptomlos  verlaufene  Leberzirrhose  siit  hochgradiger 
Splenomegalie  bei  einem  12  jährigen  Mädchen  (C.  756,  1907),  welches 
an  epidemischer  Zerebrospinalmeningitis  gestorben  war.  Die  Leber 
ist  hochgradig  geschrumpft,  enthält  aber  zwischen  den  dichten  rot¬ 
grauen  Schwielen  sehr  zahlreiche  und  besonders  grosse,  stark  vor¬ 
springende  „Adenom“herde,  d.  h.  Regenerate  von  Leberzellen  ohne 
Degenerationserscheinungen;  im  wuchernden  zellreichen  Binde¬ 
gewebe  sehr  reichliche  Gallenkapillaren.  Wahrscheinlich  ist  die 
Leberveränderung  die  Folge  einer  ehemals  erfolgten  hoch¬ 
gradigen  einmaligen  Schädigung  des  Leberparenchyms  durch  einen 
Infektionsprozess  nach  Art  der  akuten  gelben  Leberatrophie.  Lues 
congenita  war  auszuschliessen;  vor  einigen  Monaten  hatte  das  Kind 
eine  Pneumonie,  seitdem  aber  war  das  Befinden  bis  zu  der  töd¬ 
lichen  Meningitis  immer  vollkommen  ungestört. 

3.  Totale  Thrombose  der  Art.  mesent.  sup.  bei  einer  alten  Frau 
(S.  118,  1907);  hochgradige  Stase  im  ganzen  Dünndarm  und  im  Colon 
ascendens;  das  Gebiet  der  Mesent.  inferior  war  normal.  Beginnende 
Nekrose  der  Schleimhaut  im  Colon  ascend.,  dementsprechende  be¬ 
ginnende  Peritonitis.  Die  Thrombose  war  wohl  durch  eine  starke 
Arteriosklerose  bedingt;  Nieren  sehr  hochgradig  durch  alte  tiefe 
Narben  (Eklampsie?)  geschrumpft,  Herz  stark  atrophisch;  mehrere 
hämorrhagische  Lungeninfarkte  durch  Embolie  kleiner  Venenklappen¬ 
thromben,  wie  sie  noch  mehrfach  locker  in  den  Klappentaschen  der 
V.  femoral.  aufgefunden  wurden. 

4.  Kolossaler  Riesenwuchs  der  Patella  (C.  603.  1907).  sowie  der 
ganzen  Extremität  mit  eigentümlichen  Deformationen  der  Knochen, 
auch  einiger  Weichteilgebiete  (Zehen);  vollkommene  Syndesmose 
des  Kniegelenks.  Luxation  der  Oberschenkelkondvlen  geven  die  Pa¬ 
tella  und  den  Unterschenkel  unter  Achsendrehung  des  letzteren  um 
ö0  nach  aussen.  Das  Bein  war  wegen  eitriger  Entzündungen  im 
Bereich  des  Knies  in  der  Mitte  des  Femur  amputiert  worden;  das 
andere  Bein  und  die  oberen  Extremitäten  sollen  gleichermaßen  er¬ 
krankt  sein  (17 jähriger  Mann).  Die  Patella  hat  annähernd  normale 
Gestalt  und  einfachen  Spongiosabau  mit  Fettmark,  sie  misst  von 
oben  nach  unten  20  cm,  von  vorn  nach  hinten  12  cm.  von  links  nach 
rechts  15  cm.  Länge  der  ‘Fibula  43  cm.  Erhaltene  Epiphvsen. 
Knorpellinien  mit  mässigen  Unregelmässigkeiten  und  Knorpelkeim¬ 
versprengungen.  Zum  Vergleich  wird  ein  durch  Riesenwuchs  ver- 
grosserter  Finger  einer  alten  Dame  demonstriert;  an  ihm  fand  sich 
die  seltene  und  interessante  Kombination,  dass  in  dem  hvnerplasti- 
schen  Bindegewebe  der  dritten  Phalanx  ein  echtes  B  1  a  s  t  o  m, 
nämlich  ein  kirschkerngrosses  hartes,  scharf  begrenztes 
Fibrom  ausgebildet  war. 

Hierauf  spricht  Herr  Beneke: 

1.  Ueber  Trachealabplattung  bei  Neugeborenen  und  Kindern  der 
ersten  Lebensjahre  im  Zusammenhang  mit  dem  sogen.  Thvmustod. 

Vor  einer  Reihe  von  Jahren  hat  Vortr.  durch  Flügge1)  einige 
Beobachtungen  über  hochgradige  Abplattung  der  Trachea  bei  stark 
entwickelter  Thymusdrüse  veröffentlichen  lassen  und  seitdem  noch 
zahlreiche  \\  eitere  derartige  Fälle  sammeln  können.  Das  anatomische 
Bild  ist  sehr  einfach:  Die  Trachea  zeigt  unterhalb  der  sie  schräg 


U  Vierteljahresschr.  f.  gerichtl.  Med.,  3.  F.,  XVII,  1. 


kreuzenden  Art.  carotis,  dextr.  und  event.  auch  des  Trunc.  anon.  eine 
tiefe  Delle,  welche  in  einer  allgemeinen  Abplattung  des  unteren  Drit¬ 
tels  der  Trachea  ausklingt.  Die  Trachea  zeigt  dann  statt  der  nor¬ 
malen  ringförmigen  Wölbung  ihrer  Knorpel  eine  scharfe  Knickung  der¬ 
selben,  so  dass  das  Lumen  schmal,  spaltförmig  ist;  liegen  die  vordere 
und  hintere  Fläche  der  Schleimhaut  nicht  schon  von  selbst  völlig 
aneinander  (was,  wie  durch  Formalinhärtung  der  Organe  in  situ  er¬ 
wiesen  wurde,  bisweilen  vorkommt)  so  genügt  der  leiseste  Druck 
von  vorn,  oder  eine  geringe  Rückwärtsbiegung  des  Kopfes  nach 
hinten  (Spannung  der  Trachea),  um  das  enge  Lumen  zu  verschliessen. 
Die  Abplattung  ist,  wie  aus  dem  histologischen  Bau  der  betr.  Knorpel¬ 
winkel  zu  erkennen  ist,  offenbar  schon  längst  ante  partum  ausgebildet; 
sie  ist  meist  mit  Vergrösserung  oder  wenigstens  mit  starker  Ent¬ 
wicklung  der  Thymusdrüse  kombiniert  und  findet  sich  demgemäss 
vorwiegend  bei  fetten  Kindern  (Korrelation  der  Thymusgrösse  zur 
Entwicklung  des  Körperfettgewebes).  Die  Spitze  der  Thymus  ist 
zwischen  den  oberen  Rand  des  Manubrium  und  der  Wirbelsäule  ein¬ 
gepresst,  hinter  ihr  liegen  im  Isthmus  die  Arterie  und  Vene,  die 
Iiachea,  der  Oesophagus;  in  diesem,  oft  nur  1  cm  breiten  Engpass 
entsteht  die  Knickung  der  I  rachealknorpel,  offenbar  aus  mechanischen 
Gründen,  sehr  leicht. 

Dieser  Zustand  spielt  klinisch  offenbar  eine  grosse  Rolle,  zu¬ 
nächst  für  die  Neugeborenen:  dieselben  können,  selbst  nach 
ganz  normalen  Geburten,  nicht  zu  ausreichender  Atmung  gelangen 
und  gehen,  auch  bei  Anwendung  künstlicher  Atmung,  in  kürzerer  oder 
längerer  Zeit  asphyktisch  zugrunde;  die  Sektion  ergibt  dann  ausser 
dem  genannten  Befunde  gar  keine  Todesursache;  die  Trachea  ist  bis¬ 
weilen  an  der  hezeichneten  Stelle  durch  eine  ganz  unbedeutende 
Menge  von  Schleim  vollkommen  verlegt.  (Demonstration  eines 
jüngst  beobachteten  Falles;  das  kräftige,  unter  Geh.-Rat  Ahlfelds 
Leitung  entwickelte  Kind  starb  kurz  nach  der  Geburt  trotz  sofort  an- 
gestellter  intensiver  Wiederbelebungsversuche;  die  Geburt  war 
wegen  Placenta  praevia  durch  künstlichen  Blasensprung  beschleunigt 
worden  und  rasch  erfolgt.  S.  107,  1907.)  Offenbar  sind  Kinder, 
welche  schon  durch  eine  protrahierte  Geburt  oder  ähnl.  stärker  as¬ 
phyktisch  zur  Welt  kommen  und  in  demjenigen  Stadium  der  Asphyxie 
sich  befinden,  in  welchem  nur'  noch  schwache  jappende  Atembewe¬ 
gungen  ausgeführt  werden,  besonders  gefährdet.  Es  leuchtet  ein, 
das  bei  der  eigenartigen  Form  der  Trachea  und  der  durch  die  Er¬ 
stickungshyperämie  sich  steigernden  Thymusschwellung  selbst  eine 
relativ  günstige  Kopfhaltung  nicht  ausreicht,  um  genügende  Mengen 
Luft  passiern  zu  lassen:  geringes  Zurücksinken  des  Kopfes  kann 
sofort  zum  vollkommenen  Trachealverschluss  führen.  Zweitens  er¬ 
hebt  man  den  gleichen  Befund  bisweilen  an  Kindern,  welche  an¬ 
scheinend  ganz  normal  einige  Stunden  oder  Tage  gelebt  haben,  dann 
aber  plötzlich  unter  dem  jähen  Bilde  des  sogen.  Thymustodes  ein¬ 
gegangen  sind.  Die  platte  Trachea  ist  auch  in  solchen  Fällen  wohl 
meist  durch  eine  unglückliche  Lage  des  Kopfes  oder  eine  geringe  Ver¬ 
stopfung  durch  Schleim  verschlossen  worden.  Endlich  fand  Vortr. 
noch  selbst  bei  mehrjährigen  Kindern  eine  auffallend  platte  Trachea 
resp.  Abplattung  der  beiden  Hauptbronchi  unter  der  stark  ent¬ 
wickelten  Thymusdrüse;  auch  hierbei  handelt  es  sich  um  fettreiche 
Kinder.  In  einem  solchen  Falle  war  der  ..Thymustod“  evident  infolge 
einer  Schleimverstopfung  durch  Katarrh  eingetreten:  Die  Mutter, 
welche  das  Kind  scheinbar  in  vollster  Gesundheit  einen  Augenblick 
unbewacht  gelassen  hatte,  fand  es  eine  Minute  später  tot;  das  dicke, 
etwas  rachitischschwache  Kind  hatte  offenbar  nicht  die  Kraft  gehabt, 
den  anscheinend  nach  hinten  gesunkenen  Kopf  unter  der  Einwirkung 
der  einsetzenden  Atemnot  aufzurichten  und  ausreichend  den  Schleim 
zu  exDektorieren. 

Derartige  Beobachtungen  sind  neuerdings  auch  von  H  e  d  i  n  - 
ger2)  in  grösserer  Zahl  veröffentlicht  worden.  Sie  erklären  keines¬ 
wegs  alle,  aber  anscheinend  doch  einen  Teil  der  Fälle  rätselhafter 
Asphyxie  post  partum  oder  der  Fälle  von  „Thymustod“  bei  älteren 
Kindern  in  ausreichender  Weise;  dass  in  anderen  Fällen  der  „Status 
lvmphaticus“  eine  Rolle  spielt,  soll  deshalb  nicht  geleugnet  werden. 
Die  nraktische  Schlussfolgerung  würde  in  dem  Ratschlag  bestehen, 
bei  Kindern  mit  starkem  Pannikulus,  welche  immer  eine  dicke 
1  hymusdriise  und  demgemäss  oft  auch  mit  geradezu  physiologischer 
Regelmässigkeit  eine  Trachealabplattung  haben,  mit  besonderer  Sorg¬ 
falt  ein  etwaiges  Rückwärt  «sinken  des  Kopfes  zu  ver¬ 
hindern;  auch  bei  den  Wiederbelebungsversuchen  asphvktischer 
kräftiger  Neugeborener  würde  der  Kopfhaltung  besondere  Rücksicht 
zu  zollen  sein.  Die  Fälle,  in  welchen  es  nicht  zum  Tode,  sondern 
nur  zu  Stenosen  mit  Stridor  usw.  kommt,  sind  wahrscheinlich  häufiger. 
Dass  bei  solchen  die  heftigsten  Atembeschwerden  durch  die  Ex¬ 
stirpation  d  e  r  1  h  y  m  u  s  geheilt  werden  können,  haben  Rehn- 
Siegel.  König  und  Ehrhardt3 4)  bewiesen. 

2.  Ueber  Darmperforation  durch  Meteorismus. 

Vortr.  beobachtete  vor  2  Jahren  in  Königsberg  einen  inzwischen 
von  Ebner'1)  veröffentlichten  Fall,  bei  welchem  ein  an  luetischen 
und  typhösen  Darmgeschwüren  erkrankter  junger  Mann  plötzlich 
schwere  Symptome  bekommen  hatte,  so  dass  eine  Laparotomie 


2)  Jahresb.  f.  Kinderheilk.,  N.  F.,  LXIII,  3,  1907. 

3)  Arch.  f.  klin.  Chir.  78,  3.  Dieser  Arbeit  ist  eine  Abbildung 
eines  vom  Vortragenden  beobachteten,  schon  durch  Flügge  be¬ 
schriebenen  Falles  totaler  Abplattung  beigegeben. 

4)  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie  81,  1906. 


1755 


(L  c  x  e  r)  ausgeführt  wurde.  Dieselbe  deckte  einen  eigenartigen  Kot¬ 
durchbruch  aus  zahlreichen  grossen  und  kleinen  Lochern  des  Zoekum 
auf-  die  Operation  wurde  wegen  der  augenscheinlichen  Hoffnu  i g  - 
losigkeit  abgebrochen,  der  To'd  erfolgte  ca.  24  Stunden  nachhei.  Die 
Sektion  ergab  ausser  jenen  Darmgeschwüren  eine  hochgiadig 
Durchlöcherung  des  Colon  ascendens,  von  dessen  Wanden  stellen¬ 
weise  nur  schmale  Brücken  und  Fetzen  stehen  geblieben  waren 
die  Risse  waren  in  der  Hauptsache  quergestellt  und  an  den  Randein 
fast  reaktionslos.  Jenseits  dieser  Zerreißungen,  an  der  Flexura 
dextra  lag  ein  besonderes,  zirka  markstückgrosses  Geschwür  als 
Grenze  zwischen  dem  hochgradig  dilatierten  Colon  ascendens  und 
dem  normal  weiten  Colon  transversum.  Ebne  r,  der  diesen  Fall  be¬ 
schrieben  hat,  fasst  die  Zerreissung  als  eine  Folge  von  Koprostase  auf, 
Vortr  neigt  zu  der  Ansicht,  das  es  sich  in  demselben  ebenso  wie  in 
einem  jüngst  von  ihm  beobachteten  ähnlichen  Fall  und  wie  m  den  von 
Anschütz5)  neuerdings  in  vivo  bei  Kolonkarzinom  mein  fach  be¬ 
obachteten  Fällen  um  akuten  Meteorismus  des  Dickdarms  gehandelt 
habe,  durch  welchen  die  ungeschützte  Vorderwand  bis  zum  1  latzen 

gedehiit  wurde^  Vortr.  betraf  ein  in  der  Marburger  med.  Klinik 

längere  Zeit  wegen  Ruhr  (Krusesche  Bazillen  trotz  _  wiederholter 
Untersuchungen  nicht  nachweisbar!)  behandeltes  l^  jahriges  ^hen 
fc:  qö  ion7j  Die  Frkrankung  war  plötzlich  verschlimmeit  uviexto 
)Lus/periISfs)fei„enwe|e„  vermuteter 
vorgeschlagene  Laparotomie  aber  von  chirurgischer  Seite  a  g 
worden  weil  der  Sitz  der  Erkrankung  nicht  erkennbar  war.  L  e 
Sektion'  des  bald  nachher  verstorbenen  Kindes  ergab  einen  über¬ 
raschenden  Befund:  Nach  der  Eröffnung  der  Bauchhöhle 
im  Gebiet  des  Colon  ascendens  und  namentlich .  ^nsversum  ®  n®^®_ 
waltige  Höhle,  welche  breiigen  Kot  und  Gas  enthielt  undsich  al ^  Diel 
darmrohr  erwies,  dessen  Wand  in  umfänglichster  Weise  an  wahllosen 
Stellen  geplatzt  und  hierdurch  auf  ganz  schmale  fetzige  Brucken 
reduziert  war;  dieselben  waren  vorne  leicht  an  der  vorderen  Bauch- 
wand  verklebt.  Diese  Höhle,  d.  h.  also  das  offene  Darmlumen,  war 
gegen  die  übrige  Bauchhöhle  durch  dünne,  weiche  Fibrinlagen  in 
ganz  schmaler  Ausdehnung  abgeschlossen;  trotzdem  war  keine  P £  - 
foration  keine  freie  Peritonitis  zustande  gekommen,  weil  die  samt 
liehen  Dünndarmschlingen  hochgradig  meteonstisch  ge  a  ^egesn 
zerrissene  Dünndarmwand  bezw.  den  gashaltigen  Raum  , 

Seiten  herandrängten  und  dem  Austritt  von  Kot  oder  Gas  eine  p  * 
len,  ausreichenden  Widerstand  entgegensetzten. 

Die  Ursache  der  grossen  Darmzerreissung  fand  sich  in  der  Nahe 
der  Flex  coli  sinistra.  Hier  bildete  das  Kolon  eine  ziemlich  starke 
Knickung  mit  klappeniörmigem  Verschluss;  die  Perforat.onen  s°w,e 
die  begleitende  Peritonitis  reichten  genau  bis  an  diesen  Punkt.  Der 
weitere  Rest  des  Dickdarms  zeigte  starke  Ruhrgeschwure  von 

typischer  Form;  nirgends  zeigten  diese  T7de"z...zum  Säht’ 
auch  war  der  Dickdarm  in  diesen  unteren  Abschnitten  nicht  gebläht, 
er  enthielt  nur  geringe  Mengen  breiigen  Kotes  sowie  Schleim. 

Nach  diesem  Befund  konnte  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  schon 
intra  vitam  eine  Abknickung  des  Colon  transversum  zu  einem  lokal 
begrenzten  Meteorismus  geführt  hatte;  der.  klappenformige  Ver 
Schluss  hatte  offenbar  mit  Zunahme  des  Meteorismus  selbst  an  Festig¬ 
keit  zugenommen,  gleichzeitig  hatte  ein  starker  Meteorismus  des 
Dünndarms  eingesetzt.  Unter  dieser  mächtigen  SPat;n^nJ^'d^ 
bereits  durch  die  starke  Ruhrerkrankung  sehr  zerreisshch  gewordene 
Darmwand  in  so  vollkommener  Weise  zerfetzt  worden ,  geiac.e 
Zerstörung  der  Mukosa,  welche  ja  der  dehnungsfestes  e  Teil  der 
Darmwandung  ist,  durch  die  Ruhr  spielte  für  die  Entwicklung  der 
Totalzerreissung  auch  der  Muskularis  und  der  Seiosa  sic ier  e'l 
grosse  Rolle  und  macht  das  Bild  verständlich  im  Gegensatz  zu  den 
ia  nicht  so  seltenen  Fällen  stärkster  meteoritischer  Auftreibung  des 
Dickdarms  in  der  Leiche  ohne  jede  Andeutung  von  Zerreissung. 
Welche  Rolle  unregelmässige,  durch  die  Dehnung  veranlasst^  Kon¬ 
traktionen  der  Darmmuskulatur  bei  dem  Vorgang  spielen  ist  einst¬ 
weilen  noch  nicht  zu  übersehen;  anscheinend  sind  dieselben  zu  der 
Entstehung  der  Zerreissungen  nicht  erforderlich.  ..  ... 

Diskussion:  Herr  A  n  s  c  h  ü  t  z  -  Breslau.  Geschwursbil- 
dungen  und  Perforationen  des  Dickdarms  kommen  gar  nicht  selten 
vor  bei  Verengerungen  resp.  Verschliessungen  desselben  und  zwar 
finden  sich  diese  Zerstörungen  der  Darmwand  gewöhnlich  nicht  m 
nächster  Nähe  des  Hindernisses,  sondern  mit  Vorliebe  im  Zökum, 
gleichgültig  ob  die  Verschliessung  im  Rektum,  der  Flexura  henalis 
oder  sonst  wo  bestand.  Der  Blinddarm  wird  übermässig  ausgedehnt, 
es  kommt  zu  Veränderungen  der  Darmwand  und  schliesslich  zur 
Perforation.  Diese  Ueberdehnung  kann  sich  nur  ausbilden  bei  einer 
Steigerung  des  Innendruckes  in  dem  oberhalb  der  Verengerung  ge¬ 
legenen  Dickdarmabschnitte  und  zwar  nur  dann,  wenn  die  I  eozokal- 
klappe  dem  Innendruck  einen  gewissen  Widerstand  bietet  oder  wenn 
was  seltener  vorkommt,  durch  abnorme  Lage  des  Dickdarms  Klappen¬ 
bildungen  an  anderer  Stelle  eintreten.  (Kreut  Der.)  —  Wie  kommt 
die  Blähung  des  Zökums  zu  stände?  Die  geringe  Dicke  seiner  Wan¬ 
dung  kommt  sicherlich  in  Betracht:  Vorbedingung  ist  fernei  für  den 
ganzen  Vorgang  eine  widerstandsfähige  Klappe.  Den  Ausschlag  gibt 
aber  nach  Ansicht  des  Vortragenden  das  im  Vergleich  zu  den  anderen 
Dickdarmabschnitten  grössere  Volumen  des  Zökums.  Man  kann  sich 

5)  Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten.  III.  Suppl.  (Mikulicz¬ 
gedenkband)  1907. 


leicht  an  der  Leiche  überzeugen,  dass  das  Volumen  des  Dickdarms 
sehr  verschiedene  Weiten  zeigt.  Bläht  man  den  Dickdarm  vom  Rek¬ 
tum  aus  mit  Luft  auf,  so  wird  sich,  vorausgesetzt,  dass  die  Zokal- 
klanoe  einer  Steigerung  des  Innendruckes  Widerstand  leistet  dei 
BUnddarm  ganz  efheblich  mehr  ausdehnen  als  der  übrige  Dickdarm 
und  wird  event.  platzen,  ehe  Luft  in  den  Dünndarm  entweicht  also 
bevor  eine  Entlastung  eintritt.  Man  kann  an  einem  Modell  den  Me- 

chan!smus  des  Vor/anSes  demonstrieren  iudem  man  a„  emT-Roh 

2  Gummiballons  (Fingerlinge  von  gleiche,  Wandstarke,  abe 

ÄÄÄSS'  s  s 

cresctzmässiß^  verlaufenden  Vor^ian^.  .  .  ,  -p 

sifssiHsIIMs 

kraft  dei  Ileozokalklaop  vprscv1;e(jenartig  Am  seltensten  sind 

Blh.dd.nn  Platzt 

Ä  ÄÄÄ  S--ÄS! 

Irans:  in  der  ZSka  gegend  vorhanden  Be.  de™  Xetae  veremrerune 
demonstrierten  interessanten  Praoarat  lag  eben  Qeschwttre„  ,,„d 

des  Dickdarms  vor  infolge  von  durch  eine  Ab- 

Narbenbildungen;  vielleicht  hat  sic  1  jnnerhalb  des  Colon  trans- 

knickung  der  Flexura  hepatica  d  erkrankte  Darmwand  an  den 

ÄÄ  - 

|  C|  Herr  Much:  Die  neuesten  Erfahrungen  Uber  Perhydrase- 

milC  Auf  der  am  16.  XII.  06  in  Marburg  abgehaltenen  Versamm- 
Inner  von  Kinderärzten  wurde  von  verschiedenen  Seiten  gegei. 
die  Perhvdrasemilch  der  Vorwand  geltend  gemacht,  diese  sei 
noch v el  wen  g  in  der  Praxis  erprobt,  um  dem  Kinderärzte 
Sbetopt  die  genügenden  Grundlagen  geben  zu  können  s.e 
einer  Prüfung  zu  unterziehen.  Inzwischen  hat  man  sich  nun 
im  Auslande  bereit  erklärt,  Herstellung  und  Versand Uder  P  ■ 

hydrasemilch  im  Grossbetriebe  zu  prüfen  HrlJXzte  zur 
Gleichzeitig  erklärten  sich  vier  osterreichtsche  Kinderärzte  zur 
Prüfung  dieser  im  Orossbetriebe  hergestellten  Milch  bereit. 
Die  Herstellung  der  Milch  geschah  in  Ungarn  au  den  Oute 
des  Prinzen  Ludwig  von  Bayern  unter  Leitung  von  Br.  St  re 
li  n  ge?  Die  Ergebnisse  der  S  t  r  e  1  i  n  g  e  r  sehen  Arbeit  sind 

kürZDie  mTcI?  wird  in  grüne  Flaschen  gemolken  und  in  diesen 
verschickt.  Sie  bleibt  in  Berührung  mit  dem  Wasserstoff- 
Superoxyd  (als  Perhydrolmilch)  und  kann  d  u  r  ch  v  1  e  I  e  M  o- 
nate  aufbewahrt  werden.  Sie  kann  nach  Monaten  von  dem 
Wasserstoffsuperoxyd  befreit  werden,  und  ist  < 1: *enso 
unverändert  und  wohlschmeckend,  wie  eine  frische  gemolkene 
Rohmilch.  Die  Zersetzung  des  Wasserstoffsuperoxyds  ge¬ 
schieht  durch  die  von  Much  und  Römer  gefundene  Kata¬ 
lase  die  in  kleinen  Fläschchen  der  Sendung  von  Perhydrol¬ 
milch  mitgegeben  wird.  Die  Milch  wurde  an  verschiedene 
hervorragende  Hygieniker  gesandt  Die  Prüfungen  ergaben 
insgesamt,  dass  die  Milch  nach  Wochen  überall  sich  von 
tadellosem  Rohmilchgeschmack  und  keimfrei  erwies.  m  - 
achten  liegen  vor  von  A.  v.  F  a  y  (Ungarisches  Ministerium  des 
Innern),  der  seinen  Bericht  schliesst:  Wir  haben  das  Peihy- 
drasemilchverfahren  unter  allen  die  Milch  konservierenden 
Verfahren  als  das  Beste  gefunden.  Ferner  von  Prof.  Joest- 
Dresden,  von  Hutyra-  Ofen-Pest,  Prof.  P  rau  s  n  1 1  z  - 
Graz  Prof.  G  r  u  b  e  r  -  München,  Dr.  Dettre  (Jenner-Pa- 
steursches  Institut  Ofen-Pest).  Dieser  sagt  zum  Schluss:  Wir 
stehen  vor  einem  idealen  vollkommenen  Veifahien. 

An  Säuglingen  wurde  die  Milch  geprüft  von  Deutsc  - 
Ofen-Pest,  Escherich  -  Wien,  v.  Bokay-  Ofen-Pest. 
Lang  er- Graz  und  von  Strelinger  in  seiner  Pma- 

praxis,  überall  mit  günstigem  Erfolge.  _ 

Es  muss  immer  wieder  betont  werden,  dass  vom  V  ~ 
enischen  Standpunkte  aus  aufs  Nachdrücklichste  gefor  Ll 
werden  muss,  dass  eine  in  jeder  Weise  einwandfreie  tadellose 


1756 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


R  o  h  m  i  1  c  h  zur  Verfügung  steht.  Das  Problem,  eine  solche 
in  absolut  einwandsfreier  und  billiger  Weise  zu  gewinnen,  und 
sie  durch  Monate  unverändert  zu  erhalten,  ist  somit  gelöst. 
Die  vorliegenden  Tatsachen  entkräften  alle  Einwände. 

Zum  Schluss  Demonstration  einer  10  Wochen  alten,  von 
Ungarn  nach  Marburg  geschickten  Milch,  die  sich  in  ihrem  Ge¬ 
schmack  in  nichts  von  einer  frischgemolkenen  (2  Stunden  alten) 
Milch  unterscheiden  lässt. 

Herr  A  n  s  c  h  ü  t  z  -  Breslau  (als  Gast):  Die  Heilungsaus¬ 
sichten  der  Magen-  und  Darmkarzinome. 

Der  Vortrag  wird  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift  ver¬ 
öffentlicht. 

Herr  L.  Bach:  Einfluss  des  verlängerten  Markes  und  des 
Grosshirns  auf  die  Weite  und  Lichtreaktion  der  Pupille. 

Bach  hat  unter  Mitwirkung  von  A.  L  o  h  m  a  n  n  seine  vor 
einigen  Jahren  gemeinsam  mit  H.  Meyer  angestellten  Unter¬ 
suchungen  über  die  Beeinflussung  der  Pupille  von  der  Medulla 
oblongata  aus  fortgesetzt. 

Die  früheren  Resultate  werden  bestätigt  d.  h.  es  gelang 
wiederum  bei  Katzen  durch  einen  Schnitt  am  spinalen  Ende 
der  Rautengrube  sofortige  Lichtstarre  bei  mässiger  Mydriasis, 
sowie  während  oder  einige  Zeit  nach  der  Freilegung  der  Me¬ 
dulla  oblongata  Miosis  und  hochgradigste  Herabsetzung  der 
Lichtreaktion  hervorzu rufen.  Letztere  Erscheinungen  werden 
momentan  und  dauernd  durch  einen  Frontalschnitt  in  der  Mitte 
der  Rautengrube  behoben. 

Aus  dem  Umstande,  dass  Miosis  und  Lichtstarre  nur  vor¬ 
handen  sind,  wenn  das  Versuchstier  ruhig  daliegt  und  ver¬ 
schwinden,  sobald  ein  Erregungszustand  auftritt,  aus  der  Tat¬ 
sache,  dass  gewisse  Beeinflussungen  des  Grosshirns  auch 
Miosis  und  Lichtstarre  zur  Folge  haben  können,  dass  ferner 
diese  Erscheinungen  an  der  Pupille  in  der  Regel  später  auf- 
treten  bei  der  Freilegung  der  Medulla  vom  Halsmark  her,  als 
bei  der  Freilegung  vom  Hinterhaupt  her,  wird  geschlossen,  dass 
Einwirkungen  auf  das  Grosshirn  selbst  oder  auf  Bahnen,  die 
vom  Grosshirn  zur  Medulla  oblongata  ziehen,  bei  dem  Zu¬ 
standekommen  der  Miosis  und  Lichtstarre  eine  Rolle  spielen. 

Würde  die  Beeinflussung  der  Pupille  nur  vom  Grosshirn 
aus  und  lediglich  auf  dem  oberen  Lichtreflexbogen  erfolgen,  so 
würde  es  kaum  zu  verstehen  sein,  weshalb  ein  Schnitt  in  der 
Mitte  der  Rautengrube  den  Lichtreflex  wieder  auftreten  und 
die  Miosis  geringer  werden  lässt,  da  durch  einen  solchen 
Schnitt  die  direkten  Verbindungen  zwischen  Grosshirn  und 
Vierhügel  nicht  berührt  werden. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  A  p  r  i  1  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Frankenburger. 

Herr  Kirste  demonstriert  eine  5  malige  Fraktur  der  Ulna  und 
des  Radius  nebst  komplizierter  Luxation  des  Radiusköpfchens.  Die 
Röntgenaufnahmen  werden  vorgelegt.  Das  funktionelle  Resultat  ist 
nach  jeder  Richtung  ein  vorzügliches. 

Herr  Weigel  berichtet  über  einige  merkwürdige  Fälle  aus  der 
Unfallpraxis: 

1.  Diabetes  nach  Trauma.  40  Jahre  alter  Müller.  Frühjahr  1903 
doppelseitiger  Unterschenkelbruch,  links  glatt  geheilt,  rechts  Nekrosen 
an  dei  libia,  die  zur  Abstossung  von  Sequestern  führten  und  im 
Januar  1904  eine  Sequestroiomie  nötig  machten.  Darauf  Heilung. 
Ftwa  Mitte  1904  war  alles  geheilt,  Knochen  fest.  Narbe  nie  mehr  auf¬ 
gebrochen.  Die  Gebrauchsfähigkeit  der  Beine  wurden  immer  besser, 
die  Rente  schliesslich  bis  auf  20  Proz.  gemindert.  Ausser  Schmerzen 
an  den  Beinen  und  einer  raschen  Ermüdbarkeit  ist  in  dem  Gutachten 
nichts  besonderes  bemerkt.  Februar  1907  Tod  im  Coma  diabeticum. 
Im  Dezember  1906  zum  erstenmal  Zucker  im  Urin  nachgewiesen.  Fs 
ward  für  nicht  wahrscheinlich  erklärt,  dass  der  Unfall  eine  wesentliche 
Rolle  beim  Verlauf  des  Diabetes  gespielt  hat,  da  die  Erscheinungen 
derselben  zu  lange  Zeit  nach  dem  Trauma  und  auch  nach  dem  Ablauf 
der  komplizierenden  Knochennekrosen  aufgetreten  rcsp.  nachge¬ 
wiesen  sind. 

...  .  2-  31  Jahr®  alter  Bierbrauer.  Leberzirrhose  durch  Unfall  be- 
fordert?  Mai  1905  beiderseitiger  komplizierter  Unterschenkelbruch. 
Rechts  glatte  Heilung,  links  Knochennekrose,  Abstossung  von  Se¬ 
questern.  Oktober  1905  Sequestrotomie.  Eine  Fistel  blieb  bestehen, 
die  sich  me  schloss  und  auf  rauhen  Knochen  führte.  Bruchstellen 
£  CHSei1S*  SvVerh1eilt'  Erwerbsfähigkeit  hochgradig  beeinträchtigt. 
Bis  Herbst  1906  gutes  Allgemeinbefinden,  blühendes  Aussehen,  dann 


plötzlich  rapide  Abnahme  der  Kräfte,  Magenstörungen,  unstillbares 
Erbrechen,  Ikterus.  Tod  am  3.  Januar  07. 

Sektion  ergibt  nach  Angabe  des  behandelnden  Arztes  Leber¬ 
zirrhose,  Gallengangsverschluss,  Herzdegeneration. 

Nach  der  Ansicht  des  behandelnden  Arztes  hat  der  Unfall  durch 
Nötigung  zu  sitzender  Lebensweise  u.  dgl.  beschleunigend  und  ver¬ 
schlimmernd  auf  das  zum  Tod  führende  Leiden  eingewirkt. 

Das  Schiedsgericht  lehnte  den  Anspruch  auf  Hinterbliebenenrente 
ab.  Der  Tod  ist  weder  direkt  noch  indirekt  durch  den  Unfall  bedingt. 

3.  32  Jahre  alter  Taglöhner.  Unfallfolge,  konstitutionelle  Er¬ 
krankung  oder  Selbstverletzung?  August  1905  kleine  Verletzung  am 
Unterschenkel  durch  Anstossen;  in  mehrfacher  Wiederholung  geheilt 
und  immer  kurze  Zeit  nach  Entlassung  aus  ärztlicher  Behandlung  rasch 
aus  dem  Krankenhaus  wieder  aufgebrochen.  Bis  Ende  Februar  1906 
Vollrente,  dann  nichts  mehr,  da  alles  fest  vernarbt,  Umgebung  nicht  - 
entzündet.  Anfang  März  06  angeblich  neuer  Unfall  in  anderem  Be¬ 
trieb  durch  Anstossen  an  Schienen.  Das  alte  Spiel  wiederholt  sich  von 
neuem.  Die  alte  Narbe  brach  angeblich  wieder  auf,  heilte  fast  zu,  dann 
wieder  Verschlimmerung,  mehrfache  operative  Eingriffe,  Verdacht  auf 
Fremdkörper.  Tuberkulose,  Exzision  der  Fistel  resp.  des  Geschwürs. 
Im  Herbst  1906  wurde  in  der  Fistel  eine  abgebrochene  Nadelspitze  ge¬ 
funden,  über  deren  Herkunft  nichts  zu  eruieren  war.  Die  Sache  ver¬ 
schlimmert  jetzt  sich  mehr  und  mehr.  Es  entstanden  grössere  Abs¬ 
zesse,  die  gespalten  werden,  dann  beinahe  heilen,  dann  sich  wieder 
verschlimmern.  Der  Mann  ist  noch  in  Behandlung  und  erwerbsunfähig. 

Das  Krankheitsbild  wird  als  ein  einheitliches  seit  dem  angeblichen 
ersten  Unfall  bezeichnet.  Der  2.  Unfall  ist  irrelevant. 

4.  42  Jahre  alter  Arbeiter.  Dezember  1889  komplizierter  Arm¬ 
bruch  links  mit  folgender  Exartikulation  im  Schultergelenk.  Ent¬ 
sprechende  Rente.  Keine  Komplikationen,  ausser  in  den  ersten  Jahren 
stärkere  Schmerzen  in  der  Narbe,  die  sich  aber  dann  verlieren.  Ok¬ 
tober  1906,  also  nach  fast  17  Jahren.  Tod  an  Lungenphthise,  nach  An¬ 
gabe  des  behandelnden  Arztes  „zweifellos  Unfallfolge“.  Die  durch  den 
Unfall  nebenbei  gesetzte  „Kontusion  der  Brust,  der  Blutverlust  infolge 
der  Verletzung,  die  Operationen“  bereiteten  den  Boden  für  die  Phthise. 

Der  Zusammenhang  ist  nicht  wahrscheinlich.  Von  irgend  welchen 
krankhaften  Erscheinungen  von  seiten  der  Brust  im  Anschluss  an  den 
Unfall  findet  sich  in  den  Akten  nichts.  Er  selbst  gibt  kurz  vor  seinem 
Tode  im  Krankenhaus  an,  dass  er  seit  dem  letzten  Winter  an  Husten 
leide.  Seitdem  sei  er  stark  abgemagert.  Seit  14  Tagen  habe  er  Blut¬ 
husten. 

Die  Lungenerkrankung  ist  also  entweder  erst  in  den  letzten  Jahren 
selbständig  aufgetreten,  oder  aber,  wenn  schon  lange  vorhanden,  ist  sie 
durch  den  Unfall  in  ihrem  Verlauf  nicht  beschleunigt  worden. 

5.  Tuberculosis  verrucosa  der  Haut  an  Handrücken  und  Vorder¬ 
arm.  49  Jahre  alter  Erdarbeiter.  Angeblich  durch  eine  kleine  Ver¬ 
letzung  entstanden.  Es  stellte  sich  heraus,  dass  der  Mann  schon  seit 
vielen  Jahren  an  der  gleichen  Affektion  im  Nacken  leidet  und  ebenfalls 
an  derselben  Affektion  am  Handrücken  und  dass  die  Erkrankung  offen¬ 
bar  kontinuierlich  von  der  Hand  auf  den  Vorderarm  sich  verbreitet 
hat.  Die  Angaben  über  den  Unfall  sind  sehr  unbestimmt,  bald  wird 
dies,  bald  das  für  das  Leiden  verantwortlich  gemacht. 

Das  Leiden  am  Arm  ist  eine  Spontanerkrankung  und  keine  Folge 
eines  bestimmten  Betriebsunfalls. 

6.  Tod  an  Pneumonie  und  Meningitis  im  August  1906,  angeblich 
infolge  einer  Kopfverletzung  im  November  1893! 

Der  Unfall  war  geringfügig  —  Anstossen  des  Kopfes  an  eine 
Schraube,  arbeitet  zunächst  bis  Sommer  1894  ununterbrochen  weiter. 
Von  da  an  Anfälle  von  Kopfschmerz  und  Schwindel,  wegen  deren  er 
Rentenansprüche  stellt,  die  aber  in  allen  Instanzen  abgelehnt  werden. 

Im  August  1906  Tod  am  6.  Tage  einer  kruppösen  Pneumonie.  Der 
behandelnde  Arzt  behauptet  Zusammenhang  mit  dem  Unfall.  Die 
Pneumonie  sei  kompliziert  gewesen  durch  akute  Meningitis,  welche 
den  Tod  herbeigeführt  habe.  Die  Entstehung  der  Meninigits  aber  sei 
begünstigt  gewesen  durch  Veränderungen  der  Hirnhäute,  welche  das 
Trauma  im  Jahre  1893  hinterlassen  habe.  Folglich  sei  der  Tod  diesem 
Unfall  zur  Last  zu  legen. 

Der  Anspruch  auf  Hinterbliebenenrente  wird  abgelehnt,  da  der 
Zusammenhang  der  tödlichen  Erkrankung  mit  dem  Unfall  unwahr¬ 
scheinlich. 


Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 

XIV.  V  e  r  s  a  m  m  lung  vom  12.  J  u  n  i  1907  im  Hörsaale 

der  deutschen  gynäkologischen  Klinik. 

Herr  Gross:  Ueber  multiple  gutartige  Geschwülste  der  Vulva. 

G.  demonstriert  mikroskopische  Präparate  von  multiplen  Tu¬ 
moren  der  Vulva,  welche  als  gutartige  Adenome  von  schweiss- 
di  üsenäbnlichem  Aufbau  aufgefasst  wurden.  Ein  Zusammenhang  mit 
normalen  Schweissdrüsen  oder  -ausführungsgängen  besteht  nicht,  der 
Zusammenhang  mit  der  Epidermis  ist  durch  Einsenkungen  derselben 
(Krypten)  oder  der  M  a  1  p  i  g  h  i  sehen  Schicht  in  Form  von  Strän¬ 
gen  und  Röhren  dargestellt.  (Erscheint  ausführlich  an  anderer  Stelle.) 

Herr  G  a  r  k  i  s  c  h  demonstriert  ein  makroskopisches  Präparat 
von  einem  Fall  von  interstitiellem  Uterusfibrom  bei  gleichzeitig  be¬ 
stehendem  primären  Adenokarzinom  des  Corpus  uteri  und  sekun- 


MUENCnENER  MEDIZIN  lbiu^  - - 


därem  Tuben-  und  Nebentubenkarzinom.  Er  .demonstriert  ferner  von 
demselben  Falle  histologische  Präparate,  m  welchen  sich  sarkom¬ 
ähnliche  Stellen  sowohl  im  Korpuskarzinom  als  auch  im  Fibiom  fin¬ 
den;  diese  pseudosarkomatösen  Bilder  entstehen  durch  eine  diffuse 
Ausbreitung  der  Karzinomzellen  infolge  von  ödematoser  Durchtra 
kung  des  Gewebes. 

Herr  v.  Franque:  Zur  Statistik  und  Methodik  der  Myom¬ 
operationen.  (Erscheint  ausführlich  in  der  Prager  n>ed.  Wochen¬ 
schrift.)  _ Rotky-Prag. 

Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  25.  Juni  1907. 

Die  Darminvagination  bei  kleinen  Kindern. 

E.  Kirmissotn  zeigt  die  Notwendigkeit  einer  prompten  Dia¬ 
gnose  und  eines  raschen  Eingreifens  bei  der  Darminvagination  kleiner 
Kinder  und  berichtet  über  eine  Anzahl  von  Fällen,  wo  die  Verschie¬ 
bung  der  Operation  die  schwersten  Komplikationen  und  schliesslich 
den  Tod  verursacht  hat.  Die  Operation,  in  der  1-.  Stunde  ausgefuhi  t, 
gibt  14  Proz.,  in  der  24.  Stunde  39,  am  3.  Tage  54  Proz.  Mortalltat  usf. 
Die  operativen  Erfolge,  so  selten  in  Frankreich,  sind  an  England  nach 
den  von  G  r  i  s  e  1  und  C  1  u  b  b  e  veröffentlichten  Berichten  dank  früh¬ 
zeitiger  Operation  die  Regel  geworden.  Die  Diagnose  der! ['nYa®! JPJ 
bietet  für  den  Arzt,  der  überhaupt  nur  an  diese  Komplikation  denkt, 
keinerlei  Schwierigkeit.  Alle  Statistiken  zeigen  übereinstimmend, 
dass  die  Darminvagination  eine  Krankheit  des  KmdesaUers ;  und  &e- 
sonders  des  ersten  Kindesalters  ist.  Neben  dem  Aiter  bildet  (nach 
Cruv  eil  hier)  das  Vorhandensein  sanguinolenter  Stuhle  ein  fast 
nie  versagendes  Merkmal.  Wenn  also  ein  kleines  Kind  blutige  Stuhle 

hat  und  gleichzeitig  heftige  Kolikanfälle  so  m.u^^ntSr3fuXng  pw 
Möglichkeit  einer  Darminvagination  denken  und  die  Untersuchung  pe 
anum  vornehmen,  ebenso  die  Palpation  des  Leibes  um  die  Stelle  der 
Invagination  zu  finden.  Man  wird  besonders  an  der  rechten  Fossa 
iliaca  die  Untersuchung  vornehmen,  dessen  eingedenk,  dass  die 
meisten  Fälle  von  Invagination  in  der  Nähe  des  Zoekums  Vorkommen 
und  dass  es  sich  primär  um  eine  Invaginatio  lleo-coecalis  odei 
lileo-coHca  handelt.  K.  führt  die  schlechten  Erfolge  an,  welche  durch 
Verschiebung  der  Operation  bei  inkarzerlerter  Hernie  und  bei  Appen¬ 
dizitis  die  Regel  sind  und  zeigt,  dass  die  Resultate  um  so  besser 
sind  je  früher  die  Operation  ausgeführt  wird.  Im  Notfälle  kann  man 
bei  der  Invagination  zuerst  den  Versuch  mit  hohen  Einlaufen  machen, 
die  besonders  in  Kombination  mit  Anästhesie  gute  Resultate  geben. 
Sind  aber  die  Einläufe  ohne  Erfolg,  so  muss  man  sofort  die  blutige 

Operation  vornehmen,  kurz  in  Fällen  von  Darminvagination  sidi  ver¬ 
halten  wie  bei  einer  inkarzenerten  Hernie,  d.  h.  den  Kranken  nicht 
eher  verlassen,  als  das  Hindernis  beseitigt  ist. 

Societe  de  biologie. 

Sitzung  vom  22.  Juni  1907. 

Die  Hautreaktion  auf  Tuberkulin. 

Fernand  Arloing  hat  an  einer  Anzahl  von  verschiedenen 
Tieren,  wovon  ein  Teil  (9)  mit  experimenteller  Tuberkulose  behaftet, 
ein  Teil  (19)  gesund  war,  die  Hautreaktion  auf  Tuberkulin  nach  Skari- 
fikation  geprüft.  Alle  infizierten  Tiere  hatten  auf  die  subkutane  I  u - 
berkulinprobe  positiv  reagiert.  Arloing  fand  nun  sowohl  bei 
tuberkulösen  wie  Kontrolltoren  eine  ausgesprochene  Reaktion  also 
keine  spezifische  Reaktion  bei  ersteren,  so  dass  er  zum  Schlüsse 
kommt,  diese  Hautreaktion  auf  Tuberkulin  sei  keine  konstante  Er¬ 
scheinung  und  könne  nicht  zur  Diagnose  verwettet  werden. 

Durchgang  der  Tuberkelbazillen  durch  die  Haut. 

Courmont  und  L  e  s  i  e  r  haben  an  Kälbern,  Meerschweinchen, 
Kaninchen  etwa  100  Experimente  mit  Einreibung  von  tuberkulösem 
Auswurf  oder  Reinkulturen  auf  die  intakte,  enthaarte  oder  lasieite 
Haut  ausgeführt.  Er  ergaben  sich  dabei  folgende  Resultate:  L  Dei 
Tuberkelbazillus  kann  durch  die,  selbst  unversehrte,  Haut  hindurch 
gelangen;  ist  sie  der  Haare  beraubt  oder  rasiert,  so  ist  dies  fas  imme 
der  Fall  2.  Er  kann  lokale  Hautveränderungen  verursachen  oder  auch 
keine  solche  Spur  des  Bazillendurchgangs  hinterlassen  und  doch  eine 
mehr  weniger  hochgradige  Allgemeininfektion  bewirken.  3.  Diese 
Hautveränderungen  haben  Aehnlichkeit  mit  Lupus  und  die  Drusen¬ 
veränderungen  ohne  solche  der  Haut  (Meerschweinchen,  Ka  ei 
mit  Skrofulöse,  was  die  Pathogenese  dieser  Affektion  aufkiaren  konnte. 
4.  Die  Experimente  an  Kaninchen  (Lungentuberkulose  ohne  Spur  der 
Eingangs-  oder  Durchgangsstelle)  sprechen  zu  Gunsten  des  extra- 
pulmonären  Ursprungs  der  Lungenphthise. 

Anaesthesie  mit  Injektionen  in  den  Wirbelkanal. 

Paul  R  a  v  a  u  t  erzielt  mit  einer  sehr  konzentrierten  Kokain-  oder 
Stovainlösung  (50  proz.),  wovon  er  nur  einen  I  ropfen  oder  2  mg  in 
das  Rückenmark  injiziert,  eine  nur  auf  die  genito-ano-perineale  Gegenü 
beschränkte  komplette  Anästhesie.  Er  wendet  isotomische  oder  durch 
Beisatz  von  NaCl  hypertonisch  gemachte  Lösungen  zur  intralumbalen 


Injektion  an;  die  Zufälle,  welche  dabei  Vorkommen  können,  meist 
gleich  Null  sind  nicht  schlimmer  als  jene  nach  einfacher  Lumbal¬ 
punktion.  An  mehr  als  150  auf  diese  Weise  Operierten  erlebte  R. 
nie  eine  ernstliche  Folgeerscheinung  und  es  besteht  dabei  der  grosse 
Vorteil  dass  die  Anästhesie  auf  das  genannte  Operationsfeld  be¬ 
schränkt  bleiben  kann.  Diese  Methode  ist  also  für  alle  kleinen  Opera¬ 
tionen  an  der  Geschlechts-After-Gegend  zu  empfenlen.  bt. 

Gesellschaft  Deutscher  Nervenärzte  in  Dresden. 

I.  Jahresversammlung  am  14.  und  15.  September  1907. 

Programm: 

I.  Eröffnung  und  Begrüssung  der  Versammlung 

am  Sonnabend,  den  14.  September  früh  9  Uhr  durch  Herrn  Oppen- 
heim-  Berlin.  Wahl  der  Vorsitzenden  und  des  Vorstandes.  De¬ 
finitive  Festsetzung  der  Statuten.  .  . ... 

II.  Referate:  Chirurgische  Therapie  der  Gehiinkrankheiten 
mit  Ausschluss  der  Tumoren.  Ref. :  F.  K  r  a  u  s  e  -  Berlin.  Die  Hirn¬ 
punktion.  Ref. :  E.  Neisser-  Stettin.  Chirurgische  Behandlung  der 
Rückenmarkshautgeschwülste.  Ref.:  L.  B  r  un  s  -  Hannover.  The¬ 
rapie  der  Erkrankungen  der  Cauda  equina.  Ref.:  R.  Cassirei- 

Nachmittagssitzung  um  3 14  Uhr:  Fortsetzung  der  Re¬ 
ferate  und  Diskussion  derselben. 

III  Vorträge:  N  o  n  n  e  -  Hamburg:  Differentialdiagnose  des 
Tumor  ’  cerebri.  S  c  h  ü  1 1  e  r  -  Wien :  Schädel-Röntgenographie  mit 
Demonstrationen.  Hartmann- Graz :  Beiträge  zur  Diagnostik 
operabler  Hirnerkrankungen.  Saenger  -  Hamburg :  Ueber  Herd- 
symptome  bei  diffusen  Hirnerkrankungen.  A.  Pick -Prag:  Thema 
Vorbehalten,  v.  Eis  e'lsbe  r  g-  Wien  und  v.  F  ran  kl -Hoch - 
wart- Wien:  Ueber  operative  Behandlung  der  Hypophysistumoren. 

Dritte  Sitzung  am  15.  September  um  914  Uhr:  Aschaf- 
fenburg- Köln:  Die  Bedeutung  der  Angst  für  das  Zustandekommen 
der  Zwangsvorstellungen.  K  ü  h  n  e  -  Kottbus:  Die  kontinuierliche 
Bezold -Edelmann  sehe  Tonreihe  als  Untersuchungsmethode  für 
den  Nervenarzt.  L.  R.  M  ii  1 1  e  r  -  Augsburg:  Uebei  die  Empfindungen 
in  unseren  inneren  Organen.  Kohnstamm  -  Königstein  und 
W  a  r  n  k  e  -  Berlin:  Demonstrationen  zur  physiologischen  Anatomie 
der  Medulla  oblongata.  O  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin:  Allgemeines  und 
Spezielles  zur  Prognose  der  Nervenkrankheiten.  Veragut  h- 
Ziirich:  Die  Bedeutung  des  psycho-galvanischen  Reflexphanomens. 
E.  M  ii  1 1  e  r  -  Breslau  (a.  G.):  Ueber  die  Symptomatologie  der  mul¬ 
tiplen  Sklerose.  K.  Re  ich  er- Wien  (a.  G.):  Kinematographie  in 
der  Neurologie.  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Halle  (a.  G.):  Cysticercus  ceiebn  mit 
dem  klinischen  Bilde  einer  kortikalen  sensorischen  Aphasie,  durch 
Hirnpunktion  diagnostiziert.  E.  S  c  h  w  a  r  z  -  Riga:  a)  Ueber  akute 
Ataxie  b)  Ueber  die  segmentale  Versorgung  des  M.  rectus  ab- 
dominis.  Friedländer  -  Oberursel :  Sexualität  und  Neurosen  nebst 
therapeutischen  Bemerkungen.  A.  S  c-h  an  z -Dresden:  Demonstra¬ 
tion  chirurgisch-orthopädisch  behandelter  Lähmungen.  Mingaz- 
z  i  n  i  -  Rom:  Ueber  einen  Fall  von  transzentraler  sensorischer  Aphasie. 
Schuster-Berlin:  Ueber  die  antisyphilitische  Behandlung  in  der 
Anamnese  der  an  metasyphilitischen  und  syphilitischen  Nervenkrank¬ 
heiten  Leidenden.  W  a  n  k  e  -  Friedrichroda:  Die  Heilung  der  Neur¬ 
asthenie,  ein  ärztlich-pädagogisches  Problem.  Erben- Wien.  Be¬ 
obachtungen  bei  ataktischen  Tabikern.  L  a  u  d  e  n  he  l  m  e  r -Als¬ 
bach:  Ueber  Korsakowsche  Psychose  in  der  Schwangerschalt. 
F  1  a  t  a  u  -  Berlin:  Ueber  das  Fehlen  des  Achillessehnenphänomens. 
Osann-  Hannover :  Ueber  den  Bechterew-MendcG  sehen 
Fussrückenreflex. 

Verschiedenes. 

Gerichtliche  Entscheidungen. 

Kann  die  gesetzlich  vorgeschriebene  Impfung 

durch  wiederholte  Bestrafung  erzwungen  werdend 

Ueber  die  in  der  Rechtsprechung  streitige  Frage,  ob  bei  Ueber- 
tretung  gegen  §  14  Abs.  2  des  Impfgesetzes,  welcher  Eltern  und  Vor¬ 
mündern  zur  Pflicht  macht,  ihre  Kinder  und  Pflegebefohlene  im  impf- 
pflichtigen  Alter  impfen  zu  lassen,  mehr  als  einmalige  Bestrafung 
wegen  ein  und  derselben  Uebertretung  stattfinden  kann  hat  nunmehr 
das  Kölner  Oberlandesgericht  in  der  Revisionsinstanz  (Entscheidung 
des  Strafsenats  vom  30.  Juli  d.  Js.)  eine  Flntscheidung  geta  . 
handelt  sich  um  folgenden  Fall:  Ein  Kaufmann  war  wegen  Feber  - 
tretung  gegen  §  14  Abs.  2  des  Impfpflichtgesetzes,  weil  er  trotz  be¬ 
hördlicher  Aufforderung  und  ohne  gesetzlichen  Grund  ^  Kmder 
der  gesetzlichen  Impfung  entzogen  hatte,  vom  Schöffengerichte  z 
einer  Geldstrafe  verurteilt  worden.  Dieses  Urteil  wurde  von  d 
Strafkammer  des  Landgerichts  in  der  Berufungsinstanz  bestätig  . 
Die  von  dem  Angeklagten  gegen  das  landgerichthche  Urteil  einge leg  e 
Revision  rügt  u.  a.  Verletzung  des  §  14  Abs.  2  des  ImPf^se^es,0  , 
wegen  desselben  Deliktes  —  Uebertretung  gegen  §14  Abs-  2 
Impfgesetzes  —  bereits  durch  polizeiliche  Strafverfügung  c 

worden  wäre,  sei  nach  dem  herrschenden  Rechtsgrundsatze ■  ne _  b  s 
in  idem“  eine  abermalige  Verurteilung  unzulässig.  Das »  Kolne -  Ober 
landesgericht  verwarf  durch  Eingangs  genannte  Entscheidung  die  ein 


1758 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


gelegte  Revision,  und  führt  dabei  zur  Begründung  folgendes  aus:  Die 
weitaus  grösste  Anzahl  von  Oberlandesgerichten,  welche  über  vor¬ 
stehende  Frage  zu  entscheiden  hatten,  stellen  sich  auf  den  Stand¬ 
punkt,  dass,  wenn  nach  der  früheren  Bestrafung  Aufforderung  zur 
Impfung  ergangen  sei,  und  diese  wiederum  unbeachtet  gelassen  ist, 
also  bei  einem  Sachverhalt  wie  der  vorliegende,  auch  die  erneute 
Bestrafung  zulässig  sei,  weil  der  §  14  Abs.  2  mehrmals  verletzt  werden 
könne.  Die  Rechtsprechung  hat  sich  also  fast  ausnahmslos  für  die 
Zulässigkeit  mehrmaliger  Bestrafung  nach  §  14  Abs.  2  ausgesprochen. 
Begründet  wird  diese  Ansicht,  dass  nach  dem  ganzen  Inhalt  des 
Impfgesetzes  der  Gesetzgeber  im  öffentlichen  Interesse  den  Impf¬ 
zwang  der  Kinder  wollte,  wie  er  auch  in  §  13  des  Impfgesetzes  aus¬ 
drücklich  von  Impfzwang  spreche,  dass  hiermit  aber  unvereinbar  sei, 
die  Bestimmung  des  §  14  Abs.  2  dahin  auszulegen,  es  solle  durch  eine 
einmalige  Bestrafung  das  Nichtbefolgen  der  Impfpflicht  ein  für  alle¬ 
mal  gesühnt  sein,  dass  im  Gesetze,  wenn  es  auch  die  Zulässigkeit 
mehrmaliger  Bestrafung  nach  §  14  nicht  ausdrücklich  ausspreche, 
doch  auch  keineswegs  das  Gegenteil  —  es  dürfe  nur  einmal  gestraft 
werden  —  gesagt  sei.  Das  erkennende  Gericht  schliesse  sich  dieser 
Auffassung  an.  Das  Impfgesetz  habe  nicht  den  Charakter  einer  lex 
imperfecta.  Sowohl  nach  der  Natur  des  Deliktes  als  auch  dem  Wort¬ 
laut  des  Gesetzes  ist  eine  wiederholte  Verletzung  des  §  14  Abs.  2 
möglich,  ebenso  wie  aus  der  Entstehungsgeschichte  des  Gesetzes 
und  dem  Gesetze  selbst  kein  Grund  zu  entnehmen  ist,  dass  die  mehr¬ 
malige  Bestrafung  des  Deliktes  bei  wiederholter  Verletzung  nach 
Ansicht  des  Gestzgebers  ausgeschlossen  sein  soll.  Z. 

Das  Unterstützungswesen  der  Preussischen  Aerztekammern  im 

Jahre  1906. 

In  Ergänzung  des  in  No.  32  dieser  Wochenschrift  erschienenen 
Artikels  von  Dr.  Neuberger  „Aus  den  preussischen  Aerzte¬ 
kammern“  tragen  wir  hier  noch  einige  nähere  Angaben  über  das 
Unterstützungswesen  dieser  Kammern  nach. 

Von  den  Aerztekammern  Berlin -Brandenburg  wurden 
im  Jahre  1906  im  ganzen  tür  Unterstützungen  41  131.05  Mk.  veraus¬ 
gabt;  hievon  wurden  27  Aerzte,  63  Arztwitwen,  21  Arztwaisen  unter¬ 
stützt  und  zwar  erhielten  34  lautende  Unterstützungen.  Unter  den 
Unterstützten  befand  sich  die  Witwe  eines  beamteten  Arztes  und 
die  Tochter  eines  Kreisphysikus,  ferner  die  Witwe  eines  früheren 
Militärarztes.  Das  Vermögen  der  ärztlichen  Unterstützungskasse  be¬ 
trug  am  31.  Dezember  1906  322  965.60  Mk. 

_Die  Aerztekammer  Dannover  unterstützte  mit  im  ganzen 
25  6/0  Mk.  4  Aerzte  und  94  Witwen  und  Waisen.  Das  Vermögen 
betrug  am  31.  März  1906  220  900  Mk. 

Die  Aerztekammer  Hessen-Nassau  zahlte  3200  Mk.  an 
2  Aerzte,  6  Witwen  und  2  Waisen.  Ihr  Kapitalgrundstock  betrug 
am  Schlüsse  des  Jahres  52  000  Mk. 

Die  Aerztekammer  von  Schleswig-Holstein,  die  keine 
eigene  Unterstützungskasse  besitzt,  verausgabte  im  Jahre  1906 
1450  Mk.  an  Unterstützungsgeldern,  der  Verein  der  Schleswig-hol¬ 
steinischen  Aerzte  6200  Mk.  Die  Aerztekammer  von  Ostpreus- 
s  e  n,  me  ebenfalls  noch  keine  eigene  Unterstützungskasse  hat,  ver¬ 
ausgabte  5159  Mk. 

Die  Unterstützungskasse  der  Aerztekammern  von  Pommern 
hatte  21  083.28  Mk.  zur  Verfügung  und  verwendete  auf  Unter¬ 
stützungen  3293.90  Mk.;  unterstützt  wurden  9  Witwen,  1  Tochter 
eines  Arztes  und  1  Arzt.  Die  Runge  Stiftung  in  Stettin  hatte 
einen  Bestand  von  36  909.40  Mk.  und  unterstützte  5  Empfängerinnen 
mit  zusammen  1100  Mk. 

Die  Aerztekammer  von  Posen  leistete  11  Unterstützungen  zu 
je  150  Mk.,  zusammen  1650  Mk. 

Die  Aerztekammer  derR  h  e  i  n  p  r  o  v  i  n  z  überwies  ihrer  Unter¬ 
stützungskasse  „Hilfskasse  der  Aerztekammer  für  die  Rheinprovinz 
und  die  Hohenzollerschen  Lande“  im  Jahre  1906  44  000  Mk.  und  hatte 
an  Unterstützungen  9192  Mk.  zu  zahlen.  Der  Kassenbestand  zu 
Ende  1906  betrug  227  956.27  Mk. 

Die  Aerztekammer  von  Sachsen  bewilligte  im  Jahre  1906 
4000  Mk.  für  Unterstützungen  und  warf  für  das  Jahr  1907  6000  Mk 
für  Unterstützungen  und  9600  Mk.  für  den  Unterstzüungsfonds  aus! 

Die  Aerztekammer  von  Schlesien  unterstützte  im  letzten 
Jahre  2  Aerzte^  18  Arztwitwen  und  7  Hinterbliebene  von  Aerzten 
mit  zusammen  7900  Mk.  Das  Gesamtvermögen  der  Unterstützungs¬ 
kasse,  die  seit  1903  besteht,  beträgt  22  961.65  Mk.  Für  das  Jahr  1907 
wurden  10  000  Mk.  für  Unterstützungszwecke  bewilligt. 

Die  Aerztekammer  von  Westfalen  verausgabte  3150  Mk 
für  Unterstützungen;  für  das  Jahr  1907  sind  3000  Mk.  vorgesehen.  Der 
Kapitalgrundstock  der  Unterstützungskasse  wird  Ende  1907  rund 
98  000  Mk.  betragen. 

Die  Aerztekammer  von  Westpreussen  gewährte  19  Unter¬ 
stützungen  mit  zusammen  1950  Mk. ;  die  Unterstützungskasse  hat  ein 
Stammvermögen  von  10700  Mk.  und  einen  Reservefonds  von  1200  Mk. 

Als  Beitrag  für  das  Jahr  1907  wurde  in  Berlin-Brandenburg 
eine  Grundgebühr  von  10  Mk.,  sowie  5  Proz.  Zuschlag  des  Ein¬ 
kommensteuersatzes  bei  Gesamteinkommen  über  5000  Mk.  be¬ 
stimmt;  Schleswig-Holstein  erhebt  2Vz  pro  Mille  des  Einkommens 
aus  ärztlicher  Tätigkeit;  in  Ostpreussen,  Posen  und  Schlesien  wer¬ 
den  10  Mk.,  in  Westpreussen  12  Mk.,  in  Pommern  15  Mk.,  in  Hessen- 


Nassau,  Rheinprovinz,  Sachsen  und  Westfalen  20  Mk..  in  Hannover 
20.05  Mk.  erhoben;  für  verschiedene  Kategorien,  wie  für  die  Amts¬ 
ärzte,  die  erst  seit  kurzer  Zeit  approbierten  Aerzte,  die  Assistenz¬ 
ärzte,  Dozenten,  die  nicht  praktizierenden  und  die  nicht  dem  Ehren¬ 
gericht  unterstehenden  Aerzte  sind  Ermässigungen  in  verschieden¬ 
artiger  Abstufung  vorgesehen.  (Berliner  Aerzte-Korresp.  1907,  No. 
32  und  33.) 

Therapeutische  Notizen. 

Untersuchungen  über  die  Bedeutung  des  Niko¬ 
tins  für  die  Stärke  der  Rauchwirkung  hat  Ludwig 
Bitter  unter  der  Leitung  von  Prof.  K-  B.  Lehmann  im  hygi¬ 
enischen  Institut  in  Wiirzburg  angestellt.  Er  fasst  seine  Resultate  in 
folgenden  Sätzen  zusammen:  1.  Die  Stärke  der  untersuchten  ein-  ' 
heimischen  Zigarrensorten  ist  unabhängig  von  dem  Nikotingehalt. 

2.  Rauchtabake  enthalten  wesentlich  weniger  Nikotin  wie  Zigarren. 

3.  Die  Stummel  schwerer  Zigarren  enthalten  nicht  unwesentlich  mehr 

Nikotin  als  die  Stummel  leichter  von  ursprünglich  gleichem  Nikotin¬ 
gehalt.  4.  Beim  Rauchen  leichter  und  schwerer  Zigarren  von  gleichem 
Nikotingehalt  wird  aus  dem  Rauch  der  ersteren  weniger  Nikotin  in 
der  Mundhöhle  absorbiert,  als  aus  dem  der  letzteren.  Die  absorbierte 
Nikotinmenge  steigt  aber  nicht  proportional  der  Zahl  der  unmittelbar 
hintereinander  gerauchten  Zigarren.  5.  Die  Erfahrung,  dass  feuchte 
Zigarren  schwer  zu  vertragen  sind,  wird  durch  die  Tatsache  be¬ 
stätigt,  dass  aus  dem  Rauche  einer  feuchten  mehr  Nikotin  in  der 
Mundhöhle  absorbiert  wird  als  aus  dem  Rauche  derselben  trocken 
gerauchten.  F.  L. 

Einer  Arbeit  von  Rudolf  Kirchhoff  über  die  Behand¬ 
lung  der  Tuberkulose  nach  Bier  liegen  34  Fälle  aus  der 
Privatklinik  von  Dr.  Krecke  in  München  zu  gründe.  Die  erzielten 
Resultate  waren  sehr  gute.  Die  grösste  Aussicht  auf 
Heilung  haben  im  allgemeinen  die  geschlossenen  Tuberkulosen. 
Die  Stauungshyperämie  stellt  bei  der  Behandlung  der  Tuber¬ 
kulose  einen  mächtigen  Heilfaktor  dar  und  steht  der  immobilisierenden 
Behandlung  nicht  nur  nicht  nach,  sondern  sie  übertrifft  sie  sogar  in 
der  Verhütung  der  Gelenksteifigkeiten.  Gegenüber  der  blutigen  Be¬ 
handlung  hat  sie  den  grossen  Vorzug,  dass  sie  die  Glieder  nicht 
verstümmelt  und  die  volle  Funktionsfähigkeit  sichert.  Auch 
in  den  Fällen,  wo  sie  eine  vollkommene  Heilung  nicht  herbeiführt, 
wirkt  sie  oft  in  hohem  Grade  schmerzstillend  und  ermöglicht 
so  den  Patienten,  sich  in  der  frischen  Luft  zu  bewegen  oder  gar  ihrem 
Berufe  nachzugehen.  Ausserdem  kommt  in  Betracht,  dass  sie  ausser¬ 
ordentlich  bequem  durchzuführen  ist  und  keinerlei  An¬ 
sprüche  an  finanzielle  Leistungen  der  Patienten  stellt.  (Diss.  Mün¬ 
chen  1906,  64  S.)  F.  L. 

Ueber  Totalanästhesie  mittelst  Rachisto- 
vainisation  berichtet  Ch.aput  in  der  Pariser  Societe  de 
Biologie  (Sitzung  vom  6.  Juli  1907).  Er  hat  bereits  mehr  wie  100 
Fälle  von  Laparotomie  mittelst  Lumbalinjektion  von  Stovain  operiert 
und  nur  in  einem  einzigen  dieser  Fälle  blieb  die  Anästhesie  aus,  was 
er  auf  ein  schlechtes  Skopolaminpräparat  zurückführt.  Er  injiziert 
(1  Stunde)  zuvor  14  mg  Skopolamin  und  dann  eine  isotonische  Stovo- 
kokainlösung  (%  Stovain,  3/4  Kokain).  Die  Kranken  haben  im  Ma¬ 
ximum  8  mg  Stovokokain  erhalten.  In  allen  Fällen  hat  sich  die 
Anästhesie  über  den  ganzen  Körper  verbreitet,  dieselbe  ist  so  regel¬ 
mässig  und  so  wenig  von  Nebenerscheinungen  begleitet,  dass  Ch. 
in  dieser  Methode  bald  eine  Rivalin  der  Allgemeinnarkose  sieht.  Die 
tötlichen  Zufälle  und  Lähmungen,  welche  aus  Deutschland  berichtet 
worden  seien,  führt  Ch.  teilweise  auf  ungenügende  Sterilisation  des 
Injektionsmaterials,  teilweise  auf  den  Zusatz  von  Adrenalin  oder  die 
Unkenntnis  der  Gegenindikationen  des  Stovains,  seine  eigenen  guten 
Erfolge  auf  sehr  genau  dosierte  und  vollkommen  sterilisierte  Lö¬ 
sungen  und  auf  die  Anwendung  des  Stovokokains  zurück,  welches 
viel  wirksamer  und  gutartiger  als  das  reine  Stovain  ist.  Folgende 
Arten  chirurgischer  Erkrankungen  wurden  von  Ch.  operiert:  Ver¬ 
eiterter  Tumor,  Adenom,  sehr  ausgedehntes  Karzinom  der  Brust,  Re¬ 
sektion  des  Ellbogens,  Amputation  des  Vorderarms,  Osteomyelitis  des 
Radius,  tuberkulöse  Drüsen  des  Halses,  Geschwülste  der  Parotis 
u.  a.  m.  St. 

Wirkung  des  Thiosinamins  bei  Herzgefäss- 
fibrose.  Renon  hat  seit  mehreren  Jahren  die  Eigenschaften  des 
Thiosinamins  (Erweichung  von  Narbengewebe)  bei  Arteriosklerose, 
bei  fibrösen  Auflagerungen  an  Herz-  und  Gefässintima,  bei  Klappen¬ 
affektionen  studiert.  Bei  Mitralaffektion  (Stenose  und  Insuffizienz) 
wurde  der  Zustand  in  keiner  Weise  modifiziert,  hingegen  bei  Affektion 
der  Aorta  wurden  die  funktionellen  Symptome  günstig  beeinflusst,  wie¬ 
wohl  die  physikalischen  Zeichen  (Geräusche)  sich  nicht  veränderten. 

Bei  Arteriosklerose  ist  die  Wirkung  des  Thiosinamins  weniger  aus¬ 
gesprochen,  in  manchen  Fällen  jedoch  hat  die  Dyspnoe  ebenso  wie 
die  arterielle  Spannung  nachgelassen.  Es  wird  eine  4  proz.  Lösung 
(Thiosinamin  1,0  :  Aqu.  dest.  25,0)  in  täglichen  Injektionen  von  5  ccm 
und  zwar  25 — 30  Tage  hindurch  angewandt  (5 — 6  g  Thiosinamin  im 
ganzen).  Die  Injektionen,  welche  man  unter  die  Haiir  des  Bauches 
oder  Gefässes  macht,  sind  nicht  'schmdrzhaft,  wenn 'die  Lösung  gut 


27.  August  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1759 


präpariert  ist  (sterilisiertes  W,asser,  Auflösung  in  der  Kälte  usw.). 
Kurz,  diese  Medikation  hat  sich  immer  als  unschädlich  bei  Sklerosen 
im  Herzgefässystem  gezeigt,  oft  die  Dyspnoe  bei  Aortaerkrankung 
gebessert  und  den  Blutdruck  bei  Arteriosklerose  herabgesetzt. 
(Societe  .de  Therapeutique,  Sitzung  vom  25.  Juni  1907.)  St. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

M  ii  n  c  h  e  n,  26.  August  1907. 

—  An  anderer  Stelle  dieser  Nummer  veröffentlichen  wir  eine 
Protesterklärung  11  bayerischer  Bahnärzte  gegen 
das  ebenfalls  weiter  unten  abgedruckte  Rundschreiben  der  Vorstand¬ 
schaft  des  Vereins  bayerischer  Bahnärzte  vom  20.  Juli  1907,  durch 
welches  von  allen  bayerischen  Bahnärzten,  auch  von  denen,  die  in 
der  Krage  der  freien  Arztwahl  anderer  Meinung  sind,  als  die  Mehr¬ 
heit,  solidarisches  Festhalten  an  den  Beschlüssen  der  Generalver¬ 
sammlungen  von  1904  und  1906  verlangt  wird.  Man  braucht  nicht 
mit  allem  einverstanden  zu  sein,  was  in  den  letzten  Jahren  zum 
Zwecke  der  Durchsetzung  der  freien  Arztwahl  bei  den  Bahnkassen 
unternommen  wurde,  und  wird  doch  diesen  Protest  durchaus  be¬ 
rechtigt  finden  müssen.  Eine  Solidarität  der  bayerischen  Bahn¬ 
ärzte  in  d#r  freien  Arztwahlfrage  hat  nie  bestanden;  es  hat  viel¬ 
mehr  stets  eine  Minderheit  von  Bahnärzten  gegeben,  die  rückhaltlos 
für  die  freie  Arztwahl  einzutreten  geneigt  waren.  Die  nach  Ver¬ 
hängung  der  Sperre  über  die  Münchener  Bahnarztstellen  erzielte 
Einigkeit  richtete  sich  nicht  gegen  die  freie  Arztwahl,  sondern  ledig¬ 
lich  gegen  die  zum  Zweck  ihrer  Durchführung  ergriffenen  Mittel.  Es 
kann  also  von  der  Minderheit  billigerweise  nicht  verlangt  werden, 
dass  isie,  um  den  Schein  einer  tatsächlich  nicht  bestehenden  Soli¬ 
darität  zu  wahren,  mit  ihrer  Ueberzeugung  zu  gunsten  der  freien 
Arztwahl  zurückhalten  soll.  Darin  erblicken  wir,  die  wir  gewalt¬ 
samen  Massregeln  zur  Erzwingung  der  freien  Arztwahl  Kollegen 
gegenüber  abhold  sind,  den  natürlichen  Weg  ihrer  allmählichen  Ein¬ 
führung,  dass,  entsprechend  dem  stetigen  Vordringen  der  Idee  der 
freien  Arztwahl  überhaupt  auch  die  Zahl  ihrer  Anhänger  unter  den 
Bahnärzten  stetig  sich  vergrössert  und  so  mit  der  Zeit  die  jetzige 
Minderheit  in  eine  Mehrheit  sich  verwandelt.  Dass  eine  solche  Um¬ 
wandlung  sich  vollziehen  wird,  wird  wohl  auch  in  den  Kreisen  der 
Vorstandschaft  des  V.  b.  B.  angenommen;  sagte  doch  der  unter  dem 
Rundschreiben  mitunterzeichnete  Dr.  W  e  t  z  1  e  r  vor  nicht  langer 
Zeit  in  einer  Sitzung  der  Sektion  München  des  L.  V.,  dass,  wenn 
man  nur  etwas  Geduld  haben  wolle,  „die  freie  Arztwahl  den  Kollegen 
von  selbst  als  reife  Frucht  in  den  Schoss  fallen  werde“.  Dieser 
Umwandlungsprozess  wäre  schon  viel  weiter  gediehen,  wenn  nicht  die 
Bahnärzte  durch  verkehrte  Massnahmen  immer  wieder  zusammen¬ 
getrieben  worden  wären.  Ihn  zu  befördern  bedarf  es  der  fortge¬ 
setzten  Agitation  der  fr.  A.-W.-freundlichen  Bahnärzte  unter  ihren 
bahnärztlichen  Kollegen.  Und  darum  haben  die  protestierenden  Bahn¬ 
ärzte  sich  mit  Recht  gegen  die  versuchte  Beschränkung  ihrer  Be  ^ 
wegungsfreiheit  gewehrt. 

—  Der  Vorstand  des  Vereins  der  Bahn-  und  Bahn- 
kassenärzte  im  Bezirk  der  Kgl.  Eisenbahn  direktion 
Essen  hat  bei  den  Vereinsmitgliedern  eine  Umfrage  gehalten  be¬ 
züglich  ihrer  Stellung  zur  gesetzlichen  Einführung  der 
freien  Arztwahl.  Das  Ergebnis  war,  dass  von  170  Vereins¬ 
mitgliedern  104,  d.  i.  etwa  2la  gegen  die  gesetzliche  Einführung  der 
freien  Arztwahl  stimmten.  33  stimmten  dafür,  die  übrigen  haben 
teils  gar  nicht,  teils  ausweichend  geantwortet.  (Rhein.  Ae.  Korr.) 

—  Nachdem  der  Aerztetag  in  Münster  beschlossen  hat,  für  h  aus-’ 
ärztliche  Atteste  für  Lebensversicherungsgesell¬ 
schaften  ein  Honorar  von  10  Mk.  zu  verlangen,  ist  die  Frage  ent¬ 
standen,  ob  zur  Zeit  die  genannten  Zeugnisse  noch  zum  bisherigen 
Satze  von  5  Mk.  auszustellen  seien.  Die  Frage  ist  zu  bejahen.  So¬ 
lange  die  vom  Aerztevereinsbund  mit  dem  Verbände  deutscher  Lebens¬ 
versicherungsgesellschaften  getroffenen  Vereinbarungen  noch  in  Kraft 
sind,  müssen  auch  die  durch  diese  festgesetzten  Honorarsätze  einge¬ 
halten  werden.  Erst  nach  Ablauf  der  (z.  Z.  noch  gar  nicht  gekün¬ 
digten)  Vereinbarungen  wird  der  Geschäftsausschuss  auf  grund  der 
Beschlüsse  des  Aerztetags  eine  neue  Parole  bezüglich  der  zu  liqui¬ 
dierenden  Honorare  ausgeben  können. 

—  Am  19.  ds.  fand  in  Mannheim  die  Jahresversa  m  m  1  u  n  g 
des  Zentralverbandes  von  Ortskrankenkassen  im 
Deutschen  Reiche  unter  dem  Vorsitze  von  Frässdorf- 
Dresden  statt.  Aus  dem  Jahresbericht  ist  hervorzuheben,  dass  der 
Zentralverband  jetzt  235  Kassen  mit  mehr  als  4  Millionen  Ver¬ 
sicherten  umfasst.  Da  im  ganzen  Reich  etwa  12  Millionen  gegen 
Krankheit  versichert  sind,  so  vertritt  der  Zentralverband  annähernd 
ein  Drittel  der  Versicherten.  Von  den  Gegenständen  der  Tages¬ 
ordnung  sind  hier  zu  nennen :  das  Verhältnis  der  Aerzte 
z  u  den  Krankenkassen.  Es  ist  wohl  selbstverständlich,  dass 
eine  Resolution  gegen  die  freie  Arztwahl  angenommen  wurde.  Der 
Entwurf  des  Reichsapothekengesetzes  fand  sodann  eine  sehr  ab¬ 
fällige  Beurteilung.  Eine  von  der  Versammlung  angenommene  Re¬ 
solution  erblickt  in  der  Kommunalapotheke  die  einzige  der  Allge¬ 
meinheit  dienende  Form  des  Apothekenmonopols. 

—  Der  bisherige  ärztliche  Hilfsarbeiter  am  Hamburger  Medizinal¬ 
amt,  Herr  Dr.  M.  Fürst,  ist  als  Leiter  des  Medizinalwesens  nach 
Mülhausen  i.  Eis.  berufen  worden.  Dr.  F.  hat  sich  durch  eine  Reihe 


sozialmedizinischer  und  sozialhygienischer  Arbeiten  einen  Namen  ge¬ 
macht,  und  ist  weiteren  Kreisen  auch  durch  sein  mit  Windscheid 
herausgegebenes  Handbuch  der  Sozialen  Medizin,  sowie 
die  gemeinschaftlich  mit  K.  J  a  f  f  e  redigierte  Monatsschrift  „S  o  - 
z  i  a  1  e  Medizin  und  Hygiene“  bekannt. 

—  In  Frankfurt  hat  sich  auf  Veranlassung  des  wissenschaftlichen 
Ausschusses  der  Heimarbeitausstellung  ein  besonderer  hygienischer 
Ausschuss  zur  genaueren  Untersuchung  der  sanitären 
Verhältnisse  der  Heimarbeit  unter  Vorsitz  von  Prof. 

N  e  is  s  e  r  gebildet. 

—  Die  Leitung  des  internationalen  Hygiene-Kon¬ 
gresses  hat  Seine  Durchlaucht  Heinrich  Prinz  zu  Schön- 
aich-Carolath  übernommen.  Als  Vizepräsidenten  werden  tätig 
sein:  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Rubner,  Professor  der  Hygiene  an  der 
Kgl.  Universität  Berlin  und  Unterstaatssekretär  z.  Di  Prof.  Dr. 
v.  M  a  y  r  -  München.  Das  bayerische  Staatsministerium  des  Innern 
hat  die  Herren  Unterstaatssekretär  z.  D.  Prof.  Dr.  v.  Mayr,  ferner 
die  Vorstände  der  hygienischen  Institute  der  Landesuniversitäten, 
Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  Gruber  -  München,  Prof.  Dr.  Leh¬ 
mann-  Würzburg  und  Prof.  Dr.  Heim-  Erlangen  zum  Kongress 
delegiert.  Der  Senat  der  Stadt  Hamburg  hat  den  Kongress  zu  einer 
Besichtigung  der  hygienischen  Anstalten  Hamburgs  eingeladen.  Der 
Ausflug  dahin  findet  nach  Schluss  des  Kongresses  für  500  Teilnehmer, 
auch  Damen,  statt.  Die  Stadt  Hamburg  lässt  eine  grössere  Denk¬ 
schrift,  welche  als  Führer  für  die  Besichtigungen  dienen  soll,  her- 
stellen  und  plant  einen  festlichen  Empfang  im  Rathause.  Ein  Orts¬ 
komitee  bereitet  den  Empfang  und  die  Führung  der  Gäste  vor.  Die 
Wohnungsbeschaffung  hat  das  Reisebureau  der  Hamburg-Amerika 
Linie,  Berlin  W  64,  Unter  den  Linden  8,  übernommen. 

—  Cholera.  Russland.  In  der  Stadt  Samara  sind  in  den  fünf 
Tagen  vom  7.  bis  einschl.  11.  August  59  Personen  an  der  Cholera  er¬ 
krankt;  im  ganzen  waren  laut  amtlicher  Bekanntmachung  vom 
14.  ds.  Mts.  seit  dem  ersten  diesjährigen  Auftreten  der  Seuche  bis 
zum  11.  August  114  Cholerafälle  in  Samara  festgestellt,  darunter  28 
mit  tödlichem  Ausgang.  Ausser  diesen  in  der  Stadt  selbst  erkrankten 
Personen  ist  am  12.  August  ein  aus  dem  westlich  von  Samara  ge¬ 
legenen  Kreise  Sysran  zugereister  Mann  im  städtischen  Kranken¬ 
hause  zu  Samara  der  Cholera  erlegen.  In  der  Stadt  Astrachan  war 
laut  amtlicher  Bekanntmachung  am  1.  August  auf  einem  eben  ein¬ 
getroffenen  Wolgadampfer  bei  einem  Bauern  aus  dem  Gouv.  Samara 
eine  Erkrankung  beobachtet,  welche  bakteriologisch  als  Cholera  fest¬ 
gestellt  wurde. 

—  Pest.  Türkei.  In  Beirut  ist  ein  Pesttodesfall  amtlich  fest¬ 
gestellt  worden.  —  Aegypten.  Vom  3,  bis  10.  August  wurden  nur  15 
neue  Erkrankungen  (und  9  Todesfälle)  an  der  Pest  in  ganz  Aegypten 
festgestellt.  —  Japan.  Auf  Formosa  wurden  im  Mai  741  Erkrankungen 
(und  616  Todesfälle)  an  der  Pest  angezeigt,  davon  in  den  Bezirken 
Taipeh  259  (225),  Kagi  256  (199),  Ensuiko  89  (74).  —  Mauritius.  In 
den  beiden  Wochen  vom  21.  Juni  bis  4.  Juli  wurden  noch  3  Erkran¬ 
kungen  an  der  Pest  angezeigt,  welche  alle  tödlich  verlaufen  sind.  — 
Zanzibar.  Vom  19.  bis  24.  Juli  sind  in  Zanzibar  weitere  5  Indier  an 
der  Pest  gestorben.  Zahlreiche  Personen,  namentlich  in  dem  am 
meisten  be_drohten  Stadtteile  wurden  mit  Haffkinescher,  aus  Bombay 
bezogener  Lymphe  geimpft.  . 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  4.  bis 
10.  August  sind  50  Erkrankungen  (und  17  Todesfälle)  angezeigt 
worden...  davon  12  (1)  im  Reg.-Bez.  Köln  und  12  (9)  im  Reg.-Bez. 
Düsseldorf. 

—  In  der  32.  Jahreswoche,  vom  4.— 10.  August  1907,  hatten  von 
deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Ludwigshafen  mit  37,2,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  7,7 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Masern  und  Röteln  in  Kolmar  i.  E.,  an 
Diphtherie  und  Krupp  in  Plauen  i.  V.,  an  Unterleibstyphus  in  Brom¬ 
berg.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Zum  ordentlichen  Honorarprofessor  in  der  medizini¬ 
schen  Fakultät  der  hiesigen  Universität  wurde  der  a.  o.  Professor 
für  spezielle  Pathologie  und  Therapie  daselbst,  dirigierender  Arzt  am 
Städtischen  Rudolf  Virchow-Krankenhause,  Geh.  Med.-Rat  Dr.  med. 
Alfred  Goldscheider,  ernannt.  Prof.  Dr.  med.  Robert  Oster- 
tag,  Ordinarius  der  Hygiene  an  der  hiesigen  tierärztlichen  Hoch¬ 
schule,  der  unter  Verleihung  des  Charakters  als  Geheimer  Regierungs¬ 
rat  zum  Mitgliede  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamts  ernannt  wurde, 
gibt  sein  Lehramt  an  genannter  Hochschule  zum^  1.  Oktober  d.  J. 
auf,  um  die  Leitung  der  Veterinärabteilung  im  Gesundheitsamt  zu 
übernehmen.  Den  Privatdozenten  Dr.  med.  Peter  B  e  r  g  e  1 1  (Physio¬ 
logie),  Assistent  am  Institut  für  Krebsforschung,  und  Dr.  med.  Victor 
Schmieden  (Chirurgie),  Assistenzarzt  am  Klinischen  Institut  für 
Chirurgie,  wurde  der  Professortitel  verliehen,  (hc.) 

Breslau.  Der  Oberarzt  der  chirurgischen  Klinik,  Dr.  med. 
Alfred  Machol  wird  mit  Beginn  des  Wintersemesters  1907,08  an 
die  chirurgische  Klinik  in  Bonn  in  gleicher  Eigenschaft,  als  Oberarzt 

der  Poliklinik,  übersiedeln,  (hc.) 

Dresden.  Dem  ordentlichen  Professor  und  Vorstand  des  pa- 
thologisch-anatomischen  Instituts  der  hiesigen  tierärztlichen  Hoch¬ 
schule,  Dr.  phil.  Ernst  J  o  e  s  t  wurde  der  Titel  Medizinalrat  ver¬ 
liehen.  (hc.) 


1760 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  35. 


Göttingen.  Wie  in  hiesigen  medizinischen  Kreisen  verlautet, 
kommt  für  die  Nachfolge  des  Prof.  Dr.  H  i  s,  Direktors  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  in  Göttingen  (jetzt  v.  Leydens  Nachfolger  in 
Berlin),  vornehmlich  der  Direktor  der  medizinischen  Poliklinik  an  der 
Universität  Freiburg  i.  Br.,  ord.  Prof.  Dr.  Karl  Hirsch,  in  Be¬ 
tracht.  (hc.) 

Königsberg  i.  Pr.  Drei  neue  Privatdozenten  haben  sich 
in  der  medizinischen  Fakultät  der  hiesigen  Universität  niedergelassen. 
Dr.  med.  Arthur  Brückner  (geb.  1877  zu  Dorpat)  bisher  Privat¬ 
dozent  und  Assistent  bei  Prof.  Hess  an  der  Augenklinik  der'  Uni¬ 
versität  Würzburg,  für  das  Fach  der  Augenheilkunde,  Dr.  med.  Kurt 
Gol  dstein  (geb.  1878  zu  Kattowitz  in  Schlesien),  Assistenzarzt  bei 
Prof.  F.  Meyer  an  der  Königsberger  psychiatrischen  Klinik  für 
das  Lehrfach  Psychiatrie  und  angrenzende  Gebiete,  und  Dr.  med. 
Ernst  Laqueur  (geb.  1880  zu  Obernigk  in  Schlesien)  z.  Z.  Ober- 
assistent  bei  Geheimrat  Prof.  Roux  am  anatomischen  Institut  der 
Universität  Halle  a.  S.,  für  das  Fach  der  Physiologie,  (hc.) 

Marburg.  Dem  ordentlichen  Professor  der  Chirurgie,  Dr. 
med.  Paul  Friedrich  (bisher  in  Greifswald),  der  erst  vor  kurzem 
als  Nachfolger  Küttners  an  die  Universität  Marburg  berufen 
wurde,  ist  der  Charakter  als  Geheimer  Medizinalrat  verliehen  wor¬ 
den.  (hc.) 

Strass  bürg  i.  E.  Dem  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  meid. 
Philipp  Biedert,  der  von  der  Stelle  als  Medizinalreferent  am  Mini¬ 
sterium  für  Elsass-Lothringen  zurücktritt,  wurde  der  Charakter  als 
Kaiserlicher  Geheimer  Obermedizinalrat  verliehen,  (hc.) 

Tübingen.  An  Stelle  des  im  Mai  1907  verstorbenen  Pro¬ 
fessors  Dr.  Theodor  v.  Jürgensen  wurde  der  Privatdozent  und 
erste  Assistenzarzt  bei  Prof.  R  o  m  b  e  r  g  an  der  medizinischen  Klinik, 
Dr.  med.  Otfried  Müller,  zum  Vorstand  der  medizinischen  Poli¬ 
klinik  unter  Verleihung  des  Titels  und  Rangs  eines  ausserordentlichen 
Professors  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Am  20.  ds.  starb  in  St.  Blasien  der  ausgezeichnete  Psychiater 
Eduard  Hitzig  im  Alter  von  69  Jahren.  Ein  Nekrolog  folgt. 


Protesterklärung. 

Die  Vorstandschaft  des  Vereins  bayerischer  Bahn¬ 
ärzte  hat  am  20.  Juli  1907  an  sämtliche  bayerische  Bahnärzte 
folgendes  Anschreiben  ergehen  lassen: 

Sehr  geehrter  Herr  Kollege! 

Unterfertigter  Vorstandschaft  des  Vereins  bayer.  Bahnärzte  sind 
Anzeichen  bekannt  geworden,  dass  im  Anschlüsse  an  den  letzten 
Deutschen  Aerztetag  in  Münster  die  Bewegung  auf  Einführung  der 
freien  Aerztewahl  bei  der  bayer.  Eisenbahn-  und  Postkrankenkasse 
neuerdings  einsetzen  wird  und  zwar  diesmal  in  der  Weise,  dass  man 
die  Solidarität  der  bayer.  Bahnärzte  zu  durchbrechen  sucht. 

Es  wird  in  absehbarer  Zeit  an  verschiedenen  Orten,  vielleicht 
auch  bei  den  betreffenden  Kollegen  einzeln  eine  Aussprache  herbei¬ 
zuführen  gesucht  werden  und  die  Bahnärzte  werden  zur  aktiven 
Beteiligung  an  den  Bestrebungen  zur  Einführung  der  freien  Arzt¬ 
wahl  aufgefordert  werden. 

Die  lokale  Einführung  der  freien  Arztwahl  bei  der  Bahn-  und 
Postkrankenkasse  ist  ohne  Benachteiligung  der  Mehrzahl  der  Kassen¬ 
mitglieder  nicht  möglich,  sie  würde  auch  bei  einer  über  das  ganze 
Königreich  verbreiteten  Krankenkasse  ungemeine  Schwierigkeiten  in 
der  Ausführung  mit  sich  bringen. 

Der  Zeitpunkt  für  eine  neuerliche  Erregung  ist  ausserdem  jetzt 
ein  ganz  ungeeigneter  und  ungerechtfertigter,  da  die  gesetzliche 
Festlegung  der  freien  Arztwahl  angestrebt  wird  und  der  deutsche 
Reichstag  sich  in  weniger  als  Vs  Jahre  zu  der  Sache  äussern  wird. 
Bis  dahin  sollte  man  doch  vor  Allem  zuwarten. 

.  Abgesehen  davon  ist  die  Stellung  der  bayer.  Bahnärzte  zur  freien 
Arztwahl  bei  den  B.  u.  W.  Krankenkassen,  sowie  der  Post-K.-K- 
durch  die  Beschlüsse  der  Generalversammlungen  von  1904  und  be¬ 
sonders  1906  .klar  ausgesprochen:  „Die  Generalversammlung  des  V. 
b.  B.  Ä.  vom  11.  XII.  06  erklärt  hiermit  ausdrücklich,  an  den  in  der 
a.  o.  Generalversammlung  vom  25.  IX.  04  angenommenen  Schluss¬ 
sätzen  1  und  2  auch  weiterhin  festzuhalten  —  sie  erklärt  ferner,  dass 
sie  sich  dem  mehrfach  gestellten  Ansinnen  gegenüber,  bei  der  Vor¬ 
gesetzten  Stelle  und  überhaupt  befürwortend  für  die  Einführung  der 
freien  Arztwahl  bei  der  Eisenbahn  und  Postkrankenkasse  einzutreten, 
ablehnend  verhalten  muss. 

Demgemäss  muss  auch  das  Verhalten  sämtlicher  bayer.  Bahn¬ 
ärzte  —  denn  auch  die  Kollegen,  welche  eine  andere  persönliche 
Anschauung  haben,  sind  durch  diese  Beschlüsse  gebunden  —  ein 
solidarisches  und  einheitliches  sein,  und  wenigstens  bis  zur  Klar¬ 
legung  der  Angelegenheit  im  Reichstage  darf  keine  irgendwie  bin¬ 
dende  Zusage  gemacht  werden. 

I.  A.  der  Vorstandschaft  des  Vereins  bayerischer  Bahnärzte: 

Dr.  Schmidt,  I.  Vorsitznder.  Dr.  Wetzler,  I.  Schriftführer. 

Die  Unterzeichneten  bayerischen  Bahnärzte  erheben  mit  aller 
Entschiedenheit  öffentlich  Protest  gegen  die  in  obigem 
Schreiben  an  sie  gestellte  Zumutung,  jeglicher  „bindenden  Zusage“ 
im  Sinne  der  Einführung  der  freien  Arztwahl  bei  den  bayer.  Eisen¬ 


bahn-  und  Postkrankenkassen  sich  zu  enthalten,  sowie  gegen  die 
Behauptung,  „dass  auch  die  Kollegen,  welche  eine  andere  persönliche 
Anschauung  haben,  durch  die  üeneralversammlungsbeschliisse  von 
1904  und  1906  gebunden  seien“. 

Höher  als  die  von  der  Vorstandschaft  des  Vereins  bayerischer 
Bahnärzte  verlangte  Solidarität  der  kleinen  Gruppe  bayerischer  Bahn¬ 
ärzte  steht  den  Unterzeichneten  die  Solidarität  der  im 
deutschen  Aerztevereinsbunde  geeinigten  Aerzte, 
die  auch  auf  dem  diesjährigen  Aerztetage  zu  Münster  nahezu  ein¬ 
stimmig  (mit  257  gegen  8  Stimmen)  sich  wieder  „für  die  Zulassung 
jedes  approbierten  Arztes  zur  Kassenpraxis  bei  jeder  Kasse“ 
ausgesprochen  haben,  und  der  Beschluss  der  bayer.  Aerztekammern 
vom  Jahre  1903,  „dass  auch  bei  den  Staatskassen  die  freie  Arztwahl 
in  Aussicht  zu  nehmen  sei“. 

Die  bayer.  Bahnärzte: 

Dr.  B  i  s  c  h  o  f  f  -  Gunzenhausen,  Dr.  D  o  e  r  f  1  e  r  -  Weissenburg, 
Bez.-Arzt  Dr.  Eidam-  Gunzenhausen,  Dr.  Eisenstaedt-  Pappen¬ 
heim,  Hofrat  Dr.  A.  Frank-Hof,  Dr.  G  e  s  s  e  1  e  -  Traunstein,  Dr. 
H  a  f  n  e  r  -  Pleinfeld,  Dr.  H  e  c  k  e  1  -  Triesdorf,  Dr.  Höf  er -Schwa¬ 
bach,  Dr.  R  e  i  c  h  o  1  d  -  Lauf,  Hofrat  Dr.  Scheiding  -  Hof. 


Personalnachrichten.  * 

(Bayern.) 

Militärsanitätswesen. 

Abschied  bewilligt:  dem  Oberstabsarzt  z.  D.  Dr.  Ross¬ 
bach,  diensttuenden  Sanitätsoffizier  beim  Bezirkskommando  Nürn¬ 
berg,  unter  Fortgewährung  der  Pension  und  mit  der  Erlaubnis  zum 
Forttragen  der  Uniform  mit  den  für  Verabschiedete  vorgeschriebenen 
Abzeichen;  den  Stabsärzten  Dr.  Heinrich  Kurzak  (Kaiserslautern) 
und  Dr.  Adolf  Neidhardt  (Aschaffenburg)  von  der  Reserve,  dem 
Stabsarzt  Dr.  Johann  Schmid  (Dillingen)  und  dem  Oberarzt  Ernst 
P  ii  h  1  e  r  (Hof)  von  der  Landwehr  1.  Aufgebots,  sämtlichen  mit  der 
Erlaubnis  zum  Forttragen  der  bisherigen  Uniform  mit  den  für  Verab¬ 
schiedete  vorgeschriebenen  Abzeichen,  dann  dem  Stabsarzt  Dr.  Rein¬ 
hard  S  t  r  i  1 1  e  r  (Kaiserslautern)  von  der  Landwehr  2.  Aufgebots, 
den  Oberärzten  Dr.  Franz  Hausmann  (Aschaffenburg)  und  Dr. 
Ewald  Schäfer  (I.  München)  von  der  Reserve,  Dr.  Franz  Linder 
(Regensburg)  von  der  Landwehr  1.  Aufgebots  und  Dr.  Emil  Ein¬ 
stein  (Aschaffenburg)  von  der  Landwehr  2.  Aufgebots. 

Befördert:  zu  Assistenzärzten  die  Unterärzte  Astinet  im 
3.  Chev.-Reg.,  Bausenwein  im  16.  Inf.-Reg.  und  Hemmer  im 
8.  Feld. -Art. -Reg.;  Dr.  Rudolf  Seitz  (I.  München),  Dr.  Walter 
Gellhorn  (Erlangen),  Ernst  Richter  und  Dr.  Ferdinand  Fi¬ 
scher  (Würzburg),  Dr.  Ludwig  Essinger  (I.  München),  Dr. 
Karl  Körfgen  (Wiirzburg),  Dr.  Ferdinand  Pfannmüller,  Dr. 
Georg  Becker,  Dr.  Theobald  Fürst,  Dr.  Theodor  Jouck  und 
Dr.  Emil  Weil  (I.  München),  German  Siebenhaar  (Erlangen), 
Dr.  Robert  Dax  (I.  München),  Dr.  Rudolf  Kirchhof f  (Hof),  Dr. 
Ludwig  Obermeyer  (Nürnberg),  Willy  Sklarek  (I.  München), 
Dr.  Hermann  Simon  (Nürnberg),  Dr.  August  Pöhlmann,  Dr. 
Georg  Brommer,  Dr.  Hugo  Wallersteiner,  Dr.  Ludwig 
Kaumheime  r  und  Dr.  Hermann  Pagenstecher  (I.  München) 
und  Dr.  Ernst  Stark  (Regensburg),  sämtliche  in  der  Reserve,  Dr. 
Friedrich  Grimbach  (Würzburg),  Dr.  Hermann  W  i  r  t  h  (f.  Mün¬ 
chen)  und  Julius  Mö  gelin  (Erlangen)  in  der  Landwehr  1.  Auf¬ 
gebots. 

Wieder  angestellt:  der  Oberarzt  a.  D.  Professor  Dr. 
Eugen  E  n  d  e  r  1  e  n,  zuletzt  in  der  Landwehr  2.  Aufgebots,  als  Ge¬ 
neraloberarzt  ä  la  suite  des  Sanitätskorps. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  32.  Jahreswoche  vom  4.  bis  10.  August  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  14  (11*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  3  (3),  Kindbettfieber  —  (— ),  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (— ),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  4  (2),  Diphth.  u. 
Krupp  —(1),  Keuchhusten  —  (— ),  Typhus  2  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (1),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  2  (— ),  Tuberkul.  d.  Lungen  24  (21),  Tuberkul.  and. 
Org.  2  (4),  Miliartuberkul.  2  (— ),  Lungenentziind.  (Pneumon.)  8  (4), 
Influenza  —  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  4  (5),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  3  (5),  sonst.  Krankh.  derselb.  3  (1),  organ.  Herzleid.  15  (17), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  3  (4),  Gehirnschlag 
3  (7),  Geisteskrankh.  3  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  4  (2),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  4  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  39  (31),  Krankh.  d.  Leber  3  (4),  Krankh.  des 
Bauchfells  2  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  6  (5),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  13  (20), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  6  (1),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (2),  Unglücksfälle  6  (5),  alle  übrig.  Krankh.  5  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  191  (167).  Verhältniszal^  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,1  (15,8),  für*die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,4  (11,0). 


)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 

Verlag  von  J.  F.  Leb  mann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München.  " 


ftie  Münchener  Medizinische  Wochensc'nrirt  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  *  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

0?.  innerer,  CUäumler.  'lUBollinner,  H.  Curschmann,  H.  Helierich,  W.v.Lenbe,  G.  Merkel,  J.  t.  Michel,  F.  Penzoldl,  l\  Banke,  B.  Spatz,  F,  v.linckel, 

1  öl  •  _  ,  tirr«  1  »t-  1 _  n _ K—  Mm»,  «lioti  Miinelion 

München.  Freiburg  i.  B.  München. _ Lmp^g- 

No.  36.  3.  September  1907. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Kgl-  Universitäts  -  Augenklinik  in  Berlin  (Qeh.  Rat 

v.  Michel). 

Erfahrungen  mit  den  Behringschen  Tu  läse  Präpa¬ 
raten  bei  der  Behandlung  tuberkulöser  Augenerkran¬ 
kungen.*) 

Von  Stabsarzt  Dr.  R.  C  o  1 1  i  n,  Assistent  der  Klinik. 

Es  dürfte  in  ärztlichen  Kreisen  allgemein  bekannt  sein,  dass 
Behring  seit  einer  Reihe  von  Jahren  mit  ausgedehnten  tiei- 
experimentellen  Untersuchungen  beschäftigt  ist,  deren  Aufgabe 
und  Ziel  die  wirksame  Bekämpfung  der  T  uberkulose  des  Men¬ 
schen  und  seiner  wertvollen  Haustiere  ist.  Diese  Arbeiten 
haben  bereits  im  Jahre  1901  zur  Entdeckung  der  wichtigen, 
bis  dahin  allgemein  bezweifelten  Tatsache  geführt,  dass  man 
Rinder  tuberkuloseimmun  machen  kann,  und  zwar  hat  sich 
hierfür  in  praxi  am  meisten  die  Methode  bewährt,  nach  wel¬ 
cher  die  Schutzimpfung  mit  abgeschwächten  lebenden  mensch¬ 
lichen  Tuberkelbazillen  intravenös  ausgeführt  und  frühzeitig 
an  gesunden  jungen  Kälbern  vorgenommen  wird.  Es  hat  sich 
weiter  gezeigt,  dass  diese  Behring  sehe  Bovovakzi- 
n  a  t  i  o  n  ein  zuverlässiges,  billiges  und  ungefährliches  Im¬ 
munisierungsverfahren  ist,  dessen  praktische  Durchführbarkeit 
in  den  verschiedensten  Gegenden  und  unter  den  verschieden¬ 
sten  Verhältnissen,  insbesondere  auch  im  landwirtschaftlichen 
Kleinbetriebe,  erprobt  und  dessen  Leistungsfähigkeit  wissen¬ 
schaftlich  von  hervorragenden  Autoritäten  nachgeprüft  und  an¬ 
erkannt  worden  ist.  Die  einzige  Frage,  die  in  dieser  Sache 
überhaupt  noch  zur  Diskussion  steht,  ist  die  nach  der  Dauer 
der  durch  die  Bovovakzination  geschaffenen  Immunität,  näm¬ 
lich  ob  —  eventuell  wie  oft  —  die  Schutzimpfung  wird  wieder¬ 
holt  werden  müssen.  Dessenungeachtet  dürfen  wir  jetzt  jeden¬ 
falls  die  zuversichtliche  Hoffnung  hegen,  dass  es  mit  Hilfe  der 
Bovovakzination  in  nicht  zu  ferner  Zeit  gelingen  wird,  der  Rin¬ 
dertuberkulose  Herr  zu  werden.  Es  liegt  auf  der  Hand,  von 
welcher  Bedeutung  sich  die  Verwirklichung  dieses  Problems 
nicht  nur  für  die  ökonomische  Seite  der  Landwirt¬ 
schaft  erweisen  würde,  indem  der  Schaden,  der  alljährlich 
durch  die  Rinderperlsucht  dem  Nationalvermögen  erwächst, 
ein  ganz  gewaltiger  ist  und  allein  für  Deutschland  auf  rund 
25  Millionen  Mark  im  Jahr  veranschlagt  worden  ist,  sondern 
von  welch  eminenter  Bedeutung  sie  vor  allen  Dingen  auch  für 
die  Bekämpfung  der  dem  Menschengeschlecht  drohen¬ 
den  Tuberkulosegefahr  sein  würde,  insofern  die  Beherrschung 
der  Rindertuberkulose  Voraussetzung  und  Bedingung  ist  für 
die  Gewinnung  einer  gesundheitsgemässen  Säuglingsmilch  als 
Ersatz  für  die  Muttermilch. 

Die  günstigen  Erfahrungen,  die  Behring  mit  der  Bovo¬ 
vakzination  in  der  landwirtschaftlichen  Praxis  gemacht,  muss¬ 
ten  den  Gedanken  nahelegen,  dass  das,  was  beim  Rinde  durch 
aktive  Immunisierung  zu  erreichen  war,  sich  auch  beim  Men¬ 
schen  würde  verwirklichen  lassen  und  dass  es  auf  diesem 
Wege  gelingen  müsse,  auch  gegen  menschliche  Tuberkulose 
aktiv  zu  immunisieren.  Die  Schwierigkeit  der  direkten  Ueber- 
tragung  dieser  Immunisierungsmethode  auf  die  menschliche 


*)  Nach  einem  auf  dem  diesjährigen  Ophthalmologenkongress 
in  Heidelberg  am  7.  August  gehaltenen  Vortrage. 

No.  36. 


Tuberkulose  lag  jedoch  darin,  dass  sich  die  Anwendung  leben¬ 
der  und  vermehrungsfähiger  Tuberkelbazillen,  wie  sie  bei  der 
Bovovakzination  benutzt  wurden,  beim  Menschen  im  allge¬ 
meinen  von  selbst  verbot,  da  immerhin  recht  erhebliche  Be¬ 
denken  dagegen  zu  erheben  waren,  einem  menschlichen  Säug¬ 
ling  zum  Zwecke  der  Tuberkuloseverhütung  lebende  Tuberkel¬ 
bazillen  in  die  Blutbahn  einzuspritzen.  Erst  als  es  Behring 
gelungen  war,  aus  den  Tuberkelbazillen  eine  —  von  ihm  T.C, 
genannte  —  Substanz  zu  gewinnen,  die  frei  von  lebenden 
Bazillen  ist,  welche  aber  trotzdem  durch  die  Umwandlung, 
die  sie  in  der  lebenden  animalischen  Körperzelle  erfährt,  den 
lebenden  Tuberkelbazillen  an  Schutz-  und  Heilwirkung  weit 
überlegen  gemacht  werden  kann,  erst  da  konnte  der  genannte 
Forscher  mit  einem  zur  Bekämpfung  der  menschlichen  Tuber¬ 
kulose  geeigneten  Mittel  ernstlich  rechnen  und  seine  thera¬ 
peutische  Wirksamkeit  experimentell  erproben.  Die  T.C.-Sub- 
stanz  wurde  von  Behring  in  der  Weise  gewonnen,  dass  die 
Tuberkelbazillen  zunächst  von  den  in  Wasser,  in  10  proz.  Koch¬ 
salzlösung  sowie  von  den  in  Alkohol  und  Aether  löslichen 
Substanzen  befreit  werden  und  dann  durch  weitere  sehr  feine 
Emulsionierung  dieses  Rückstandes  —  Behring  nennt  ihn 
Restbazillen  —  in  eine  amorphe  Masse  verwandelt  werden, 
welche  frei  von  virulenten  Tuberkelbazillen  ist,  welche  aber 
trotzdem  die  Fähigkeit  besitzt,  Rinder  und  Kaninchen  tuber¬ 
kuloseimmun  zu  machen. 

An  Stelle  dieser  ursprünglichen  T.C.-üewhniungsmethode, 
deren  technische  Ausführung  sehr  kompliziert  und  zeitraubend 
ist,  hat  Behring  zur  Herstellung  eines  dem  T.C.  analogen 
Präparates,  das  er  C  -  T  u  1  a  s  e  nennt,  folgende  Präparation 
der  Tuberkelbazillen  eingeführt:  Die  aus  Bouillonkulturen  ge¬ 
wonnenen,  durch  Filtration  von  der  Kulturflüssigkeit  befreiten 
Tuberkelbazillen  werden  mit  Chloralhydrat  zu  einer  Paste 
(Tuberkulase)  verrieben,  aus  der  sich  nach  wochenlangem 
Stehen  eine  vollkommen  klare  Flüssigkeit  (V-Tulase)  ab¬ 
scheidet  von  einem  wachsähnlichen  Rückstand,  der  C-Tulase. 
Durch  sorgfältiges  Verreiben  mit  Wasser  wird  dann  diese 
C-Tulase  in  eine  gleichmässige  Daueremulsion  verwandelt,  die 
von  ihrem  milchartigen  Aussehen  die  Bezeichnung  T  u  1  a  s  e  - 
1  aktin  erhalten  hat.  Durch  dieses  Tulaselaktin  lassen  sich 
nun  bei  Rindern  und  Kaninchen  immunisatorische  Wirkungen 
in  ähnlicher  Weise  erreichen  wie  durch  die  lebenden  Tuberkel¬ 
bazillen,  und  zwar  nicht  nur  von  der  Blutbahn  aus,  sondern 
auch  vom  Unterhautzellgewebe  aus  wie  bei  stomachaler  Ver¬ 
abreichung.  Die  günstigen  therapeutischen  Beobach¬ 
tungen,  die  Behring  mit  dem  Tulaselaktin  an  einer  grossen 
Reihe  von  Tierversuchen *)  gemacht  und  die  gezeigt  haben, 
dass  solche  Tiere,  welche  an  lokalisierter  Tuberkulose 
leiden,  geheilt  werden  können,  wenn  ihr  Allgemeinbefinden 
noch  befriedigend  ist,  haben  den  genannten  Forscher  dann  da¬ 
zu  übergehen  lassen,  das  Mittel  auch  für  die  menschen¬ 
ärztliche  Tuberkulosetherapie  klinisch  systematisch  erproben 
zu  lassen.  Bisher  sind  damit  mehrere  hundert  tuberkulöse  und 
tuberkuloseverdächtige  Individuen  behandelt  worden  und  die 
hierbei  gewonnenen  Beobachtungsergebnisse  sind  schon  aus¬ 
reichend  gewesen  für  die  Ausarbeitung  einer  Gebrauchsanwei¬ 
sung,  nachdem  die  unschädliche  Tulaseiaktindosierung  für  die 

U  Hierüber  ist  von  Behring  auf  der  diesjährigen  Tagung  des 
Deutschen  Landwirtschaftsrats  am  14.  März  eingehend  berichtet 
worden. 


1762 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  26. 


menschlichen  Patienten  klinisch  ausfindig  gemacht  worden  ist. 
Hierbei  hat  sich  ergeben,  dass,  ähnlich  wie  im  Rinderversuch, 
auch  beim  Menschen  die  lokalisierten  tuberkulösen  Pro¬ 
zesse  günstig  therapeutisch  beeinflusst  werden  können,  w  äh¬ 
rend  es  zum  mindesten  sehr  zweifelhaft  ist, 
ob  die  Fälle  von 'allgemeiner  fortschreiten¬ 
der  Lungentuberkulose  von  de  in  Mittel  Vor¬ 
teil  haben,  so  dass  bis  auf  weiteres  in  erster  Linie  nur  die 
lokalisierten  tuberkulösen  Erkrankungsformen,  als  Augen¬ 
tuberkulose,  Hauttuberkulose  und  chirurgische  Tuberkulose 
Gegenstand  der  Tulasebehandlung  bleiben  sollen. 

Bei  den  tierexperimentellen  Prüfungen  des  Tulaselaktin 
hat  sich  dann  weiter  ergeben,  dass  bei  sämtlichen  Tieren, 
deren  tuberkulöse  Herderkrankungen  unter  dem  Einfluss  der 
Tulaseiaktinbehandlung  verschwinden,  sich  antituberku¬ 
löse  Körper  im  Blut  wie  in  den  Organsäften  nachweisen 
lassen,  die  nach  Behring  von  zweierlei  Art  sind.  Die  eine 
Art  ist  befähigt  zur  Auflösung  der  Tuberkelbazillen  oder  rich¬ 
tiger  gesagt  zur  Herauslösung  von  Fettsubstanz  aus  der  Lei¬ 
bessubstanz  der  Bazillen,  womit  die  Vorbedingung  für  die 
Verdauung  und  Vernichtung  des  Tuberkulosevirus  im  Organis¬ 
mus  der  infizierten  Individuen  geschaffen  wird;  die  andere 
Art  ist  zur  Unschädlichmachung  des  in  den  Tuberkelbazillen 
aufgespeicherten  Giftes  geeignet.  Durch  Hochimmunisierung 
von  Pferden  gegen  Tulaselaktin  lassen  sich  diese  antituberku¬ 
lösen  Körper,  denen  v.  Behring  den  Namen  A  n  t  i  t  u  1  a  s  e 
gegeben  hat,  künstlich  in  grösseren  Mengen  gewinnen,  so  dass 
sie  sich  für  die  Behandlung  der  Tuberkulose  praktisch  ver¬ 
werten  lassen. 


Es  wird  dem  Leser  aus  meinen  bisherigen  Ausführungen 
klar  geworden  sein,  dass  es  sich  bei  dem  Tulaselaktin  und  bei 
der  Antitulase  um  2  Präparate  handelt,  die  in  ihrer  biologischen 
Wirkungsweise  prinzipiell  voneinander  verschieden  sind.  Das 
I  u  las  el  aktin  soll  wie  jedes  aktiv  immunisierende  Bak¬ 
terienpräparat  aktive  Immunität  verleihen,  es  braucht 
mithin  längere  Zeit  zur  Entfaltung  seiner  immunisatorischen 
Heilwirkung,  gibt  dann  aber  auch  einen  länger  andauernden 
Schutz  gegen  erneute  Infektion;  die  Antitulase  dagegen  ist 
ein  fertiges,  vom  aktiv  Immunisierten  bereitetes  Serum,  das 
bereits  kurze  Zeit  nach  seiner  Aufnahme  in  die  Blutbahn  auf 
die  im  Erkrankungsherd  wirksamen  Tuberkelbazillen  in  spe¬ 
zifischer  Weise  im  Sinne  einer  Bakteriolyse  einwirken  soll; 
es  handelt  sich  also  hierbei  um  eine  Art  passiver  Im¬ 
mun  i  s  i  e  r  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e,  um  eine  serumtherapeutische 
Behandlung  der  Tuberkulose. 

Ich  habe  nun  an  der  Berliner  Universitäts-Augenklinik  Ge¬ 
legenheit  gehabt,  eingehende  klinische  Versuche  so¬ 
wohl  mit  dem  Tulaselaktin  wie  mit  der  Antitulase  anzustellen, 
da  uns  beide  Präparate  von  Exz.  v.  Behring  in  dankens¬ 
werter  Weise  kostenlos  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  nach¬ 
dem  ich  im  Aufträge  meines  verehrten  Chefs,  Herrn  Geheim- 
rats  v.  Michel,  im  Herbst  vergangenen  Jahres  mehrere 
Wochen  in  Marburg  geweilt,  um  dort  im  v.  B  e  h  r  i  n  g  sehen 
Institut  eigene  tuberkulosetherapeutische  Studien  und  Beobach- 
tiingen  an  I  ulase  zu  machen.  Meine  Versuche  erstrecken  sich 
bisher  auf  ein  Krankenmaterial  von  25  Fällen  von  Augen- 
tuberkuloSe,  die  mit  Ausnahme  eines  Privatpatienten  sämtlich 
der  Universitäts-Augenklinik  entstammten  und  daselbst  in  der 
Zeit  vom  1.  Dezember  1906  bis  Ende  Mai  1907  von  mir  mit 

I  ulase  behandelt  und  weiter  fortlaufend  klinisch  beobachtet 
wurden. 

Von  den  25  Patienten  sind  12  mit  Tulaselaktin.  13  mit  Anti- 
Oilase  und  6  rrnt  beiden  Präparaten  mittels  kombinierter 
Methode  behandelt  worden,  auf  welche  ich  später  noch  zurück¬ 
komme.  Beide  Mittel  wurden  ausschliesslich  subkutan 

X  do1;  XZn  amU?!er  des  Rückens  injiziert,  unter- 

llnt  oU  Schul  erblattwmkel  unter  sorgfältiger  Berücksichti- 
g  mg  aller  aseptischen  Kautelen.  Während  die  Einspritzungen 
des  An  i  ulasepraparats  sich  absolut  schmerzlos  ausführen 
hessen  klagte  bd  der  Injektion  des  Tulaselaktin  eine  Anzahl 
von  Patienten  über  heftiges  Brennen  unmittelbar  nach  der  In- 

rnnd028ndTniPi!Krdlngn  n,ach  kurzer  Zeit  aufhörte.  Unter  den 
d  -SO  Injektionen  ~),  die  ich  gemacht  habe,  ist  es  nur  ein- 

n  .  ^  Sämtüche  Injektionen  wurden  mit  Hilfe  einer  1  ccm  fassenden 
vcknrdspntze  (Glaszylinder  mit  eingeschliffenem  Metallkolben)  aus- 
gefuhrt,  die  sich  mir  dabei  aufs  beste  bewährt  hat. 


mal  zur  Abszessbildung  an  der  Injektionsstelle  gekommen,  und 
zwar  hat  es  sich  hier,  wie  die  bakteriologische  Untersuchung 
des  Abszesseiters  ergeben  hatte,  um  eine  zufällige  Infektion  mit 
Staphylococcus  aureus  gehandelt.  Im  übrigen  haben  sämt¬ 
liche  Patienten  die  Injektionen  gut  vertragen,  abgesehen  hin 
und  wieder  vom  Auftreten  leichter  Druckempfindlichkeit  an 
den  Injektionsstellen  1 — 2  Tage  nach  der  Einspritzung,  wie  sie 
schliesslich  auch  nach  einer  einfachen  Morphiuminjektion  bei 
empfindlichen  Leuten  beobachtet  werden  kann. 

Was  die  Dosierung  der  Präparate  .anbetrifft,  so  habe 
ich  beim  Tulaselaktin  in  der  Regel  mit  einer  Anfangsdosis  von 
Vioo  mg  begonnen  und  bin  bei  täglicher  Verdoppelung  der  Dosis 
—  auch  bei  allgemeiner  und  lokaler  Reaktion  —  bis  zu  8  mg 
pro  dosi  gestiegen,  so  dass  also  eine  Behandlungsperiode 
10  Tage  dauert.  Wenn  während  einer  solchen  Dekaden¬ 
behandlung  eine  toxische  Tulasewirkung,  insbesondere  man¬ 
gelnde  Gewichtszunahme,  Appetitstörung  oder  lokale  Entzün¬ 
dung  sich  bemerkbar  macht,  soll  auf  eine  Dekadenkur  eine 
mindestens  20  Tage  dauernde  Ruhepause  folgen.  Ueberhaupt 
ist  der  Grundsatz  zu  beachten,  dass  die  Ruhepausen  um  so 
länger  sein  müssen,  je  stärker  die  Reaktion  gewesen  war. 
Die  kürzeste  Dauer  für  eine  Ruheperiode  betrug  bei  unse¬ 
ren  Patienten  14  Tage,  nach  sehr  starker  Reaktion  haben  wir 
die  Ruhepause  auf  6  Wochen  und  noch  länger  ausgedehnt. 
Ueber  die  stomachale  Tulaseiaktinanwendung  habe  ich 
bisher  keine  eigenen  Erfahrungen  gesammelt,  jedoch  soll  sie 
demnächst  auch  bei  uns  versucht  werden.  Im  Gegensatz  zum 
J  ulaselaktin  wird  die  Antitulas  ein  wesentlich  höherer 
Dosis  gegeben,  und  zwar  habe  ich  in  der  Regel  mit  100  mg 
begonnen  und  bin  bei  ebenfalls  täglicher  Verdoppelung  bis  auf 
2000  mg  gestiegen,  womit  dann  die  einmalige  Knr  meist  be¬ 
endet  ist. 

Während  der  Tulasebandlung  sind  nun  sowohl  Erschei¬ 
nungen  allgemeiner  Reaktion  seitens  des  Gesamt¬ 
organismus  als  auch  manifeste  Herdreaktionen  von  sei¬ 
ten  des  erkrankten  Auges  von  uns  beobachtet  worden,  und 
zwar  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle.  Dabei  hat 
sich  ergeben,  dass  die  mit  Tulaselaktin  Behandelten 
hauptsächlich  allgemein  reagierten,  nur  in  einigen  Fällen 
sichtbai  lokal,  während  bei  den  mit  Antitulase  behandelten 
Patienten  die  Herdreaktion  am  erkrankten  Auge  über¬ 
wog.  Es  hängt  dies  wohl  zweifellos  mit  der  bereits  vorhin 
besprochenen,  prinzipiell  verschiedenen  Wirkungsweise  beider 
Präparate  zusammen,  indem  beim  Tulaselaktin  die  A 1 1  ge¬ 
rn  e  i  n  reaktion  Bedingung  für  das  Zustandekommen  eines 
wirksamen  und  heilbringenden  immunisatorischen  Effektes  ist, 
wahrend  die  Antitulase  ja  in  erster  Linie  auf  den  lokalen 
tuberkulösen  Erkrankungsherd  einwirkt  und  höchstens  von 
hier  aus  durch  die  bei  der  Bakteriolyse  freigewordenen  und  ins 
Gut  gelangenden  Proteinsubstanzen  eventuell  eine  toxische 
Allgemeinwirkung  auslösen  kann.  Im  einzelnen  ist  bezüglich 
dei  Allgemeinreaktionen  zu  bemerken,  dass  gerade  bei  den 
grosseren  Dosen  —  es  handelt  sich  hierbei  fast  ausschliesslich 
um  tulaselaktin  Temperatursteigerungen  nicht  selten  voll-  > 
kommen  ausgebheben  sind,  während  im  Beginn  der  Behand¬ 
lung  bei  den  kleinen  Dosen  sich  ein  deutlicher  Einfluss  auf  die 
1  emperaturkurve  im  Sinne  einer  Steigerung  vorübergehend 
geltend  machte,  und  zwar  nicht  sofort  nach  der  ersten  oder 
zweiten  Dosis,  sondern  erst  im  weiteren  Verlauf  der  sub- 
kutanen  Behandlung.  Als  besonders  wichtig  und  interessant 
mochte  ich  hervorheben,  dass  dassubjektiveBefinden 
bei  keinem  der  Patienten,  die  gefiebert  haben  —  und  die  Tem¬ 
pel  atu i  Steigerungen  waren  zum  Teil  nicht  unerheblich  _  in 

nennenswerter  oder  gar  schwerer  Weise  beeinträchtigt  wor¬ 
den  ist,  die  meisten  waren  sehr  erstaunt,  als  sie  von  der  Fieber¬ 
steigerung  erfuhren  und  wollten  sie  nicht  wahr  haben ;  jauch 
konnte  bei  fast  allen  Behandelten  während  der  Kur  eine  er¬ 
hebliche  Gewichtszunahme  konstatiert  werden.  Ein 
I  atient  mit  schwerer  tuberkulöser  Sklerokeratitis,  der  vor 
mehreren  Jahren  seines  Augenleidens  wiegen  mit  Tuberkulin 
behandelt  worden  war,  die  damalige  Kur  aber  sehr  bald  hatte 
abbrechen  müssen,  weil  sein  Allgemeinbefinden  unter  dem 
1  uberkulin  stark  litt,  vertrug  die  Tulaseiaktininjektionen  aus¬ 
gezeichnet,  trotz  erheblicher  Temperatursteigerungen  Bei 
einem  Patienten  mit  Aderhauttuberkulose  kam  es  nach  der  In¬ 
jektion  von  1600  mg  Antitulase  zu  einem  urtikariaähnlichen 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1763 


Exanthem  an  Hals,  Armen  und  Rücken,  das  nach  einigen  I  agen 
wieder  verschwand,  ohne  irgendwelche  Beschweiden  zu  vei- 
ursachen;  ähnliche  Erscheinungen  sind  ja  auch  bei  anderen 
Serumpräparaten  als  nicht  spezifische  Wirkung  des  Serum- 
eiweisses  beobachtet  worden.  Es  sind  übrigens  zurzeit  Unter¬ 
suchungen  darüber  im  Gange,  ob  sich  vielleicht  duich  Er¬ 
hitzung  des  Antitulaseserums  auf  55—60°  derartige  Neben¬ 
wirkungen  in  Zukunft  vermeiden  lassen  werden. 

Ausgesprochene  lokale  Reaktionen  am  Auge  selbst 
haben  wir,  wie  bereits  erwähnt,  hauptsächlich  bei  den  mit 
Antitulase  behandelten  Patienten  beobachtet,  und  auch  nur  in 
denjenigen  Fällen,  in  denen  es  sich  um  einen  frischen  tuber¬ 
kulösen  Prozess  am  Auge  handelte.  Schon  längere  Zeit  be¬ 
stehende  oder  bereits  in  Abheilung  begriffene  tuberkulöse  Er¬ 
krankungsherde  haben  nur  geringtügige  Reaktion  gezeigt,  alte 
abgeheilte  Prozesse  am  Auge  sind  überhaupt  nicht  beeintlusst 
worden.  Es  scheint,  als  ob  die  antituberkulösen  Körper,  die 
in  der  Antitulase  enthalten  sind  oder  die  durch  die  aktive  Im¬ 
munisierung  mittels  1  ulaselaktin  durch  den  Organismus  ge¬ 
bildet  werden,  nur  dort  ihre  spezifische  Wirkung  aut  den  tuber¬ 
kulösen  Herd  entfalten  können,  wo  die  feineren  Diffusions¬ 
und  Resorptionsverhältnisse  in  der  Umgebung  des  krankhaften 
Prozesses  durch  reaktive  entzündliche  Vorgänge  noch  nicht 
zu  sehr  gelitten  haben  und  wo  es  vor  allen  Dingen  noch  nicht 
zu  einer  Umgrenzung  des  Erkrankungsherdes  durch  Binde¬ 
oder  Narbengewebe  gekommen  ist.  Als  sicheren  Ausdruck 
lokaler  Reaktionen  konnten  wir  das  Auftreten  von  ziliarer  In¬ 
jektion  bei  Iridozyklitis  und  Aderhauttuberkulose,  die  ausge¬ 
sprochene  Steigerung  bereits  vorhandener  perikornealer  In¬ 
jektion  sowie  Hyperämie  und  mässige  entzündliche  Schwel¬ 
lung  des  angrenzenden  Gewebes  beobachten.  In  einigen  Fällen 
kam  es  zum  Aufschiessen  neuer  tuberkulöser  Ruötchen,  die 
bereits  vorher,  wenn  auch  nicht  sichtbar,  so  doch  zweifellos 
vorhanden  gewesen  sein  müssen  und  die  erst  unter  dein  Ein¬ 
fluss  der  spezifischen  entzündlichen  Reaktion  in  Erscheinung 
traten.  Die  Höhe  der  Tulasedosis,  welche  im  Einzelfall  die 
lokale  Reaktion  auslöste,  schwankte  bei  den  verschiedenen 
Patienten  recht  erheblich,  so  dass  sich  bestimmte  Anhalts¬ 
punkte  für  diese  Verhältnisse  zurzeit  noch  nicht  geben  lassen; 
es  scheint,  als  ob  hierbei  nicht  nur  die  individuelle  Empfindlich¬ 
keit  des  Kranken,  sondern  auch  der  Sitz  der  tuberkulösen  In¬ 
fektion  am  Auge  von  Bedeutung  ist.  Jedenfalls  hat  sich  in 
allen  Fällen  —  und  das  möchte  ich  besonders  hervorheben  — 
die  entzündliche  Reaktion  in  mässigen  Grenzen  gehalten,  un¬ 
günstig  ist  kein  einziger  Fall  nachweislich  beeinflusst  worden, 
ebensowenig  haben  hierdurch  die  subjektiven  Beschwerden 
der  Kranken  am  Auge  eine  nennenswerte  Steigerung  erfahren. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  und  nach  welcher  Richtung  hin  der 
natürliche  Heilungsverlauf  der  tuberkulösen  Augenerkran¬ 
kungen  bei  unseren  Patienten  —  bei  Beibehaltung  der  üblichen 
symptomatischen  Therapie  mit  Kokain,  Atropin  etc.  durch 
die  Tulasebehandlung  therapeutisch  günstig  beeintlusst 
worden  ist,  sowie  ob  bestimmte  Erkrankungsformen  von 
Augentuberkulose  in  dieser  Beziehung  eine  Sonderstellung  ein¬ 
nehmen.  Ich  möchte  diese  Frage  mit  einer  gewissen  Reserve 
bejahen,  mit  Reserve  insofern,  als  unsere  bisherigen  kli¬ 
nischen  Erfahrungen  selbstverständlich  noch  nicht  dazu  be¬ 
rechtigen,  schon  jetzt  ein  definitives  Urteil  über  den  Heilweit 
der  Tulase  abzugeben.  Denn  man  darf  nicht  vergessen,  dass 
auch  schwere  Fälle  von  Augentuberkulose  spontan  aus¬ 
heilen  können,  und  man  wird  daher  bei  der  Bewertung  eines 
Heilmittels  gerade  bei  dieser  Form  der  Augenerkrankungen 
mit  der  Schlussfolgerung  post  hoc  ergo  propter  hoc  nicht 
vorsichtig  genug  sein  können.  Immerhin  haben  wir  den  Ein¬ 
druck  gewonnen,  als  ob  diejenigen  Fälle,  welche  auf  die  1  u- 
lasebehandlung  in  spezifischer  Weise,  sei  es  in  Form  einer  all¬ 
gemeinen  oder  einer  lokalen  Reaktion  deutlich  antworteten,  in 
kürzerer  Zeit  zur  Abheilung  gelangten,  als  wir  es  sonst 
bei  derartigen  Erkrankungen  zu  sehen  gewohnt  waren.  Dies 
gilt  ganz  besonders  von  den  frischen  schweren  tuberku¬ 
lösen  Erkrankungsformen,  die  wir  mit  Antitulase  behandelt 
haben  und  die  unter  dem  Einfluss  der  zustande  gekommenen 
spezifischen  Herdreaktion  in 'rolativy  d.  h.  im  Verhältnis  zui 
Schwere  der  Erkrankung,  kurzer  Zeit  mit  brauchbarem  Seh¬ 
vermögen  ausheilten.  jj. 


Keinerlei  Einwirkung  hat  die  Tulasebehandlung  bei  der 
Bindehauituberkutose  ergeben  und  es  wäre  immerhin  denkbar, 
dass  diese  Art  von  Augentuberkulose,  wenn  sie  auf  ektogenem 
Wege  ohne  Infektion  ües  Gesamtorganismus,  zustande  kommt 
und  ein  rein  lokaler  Prozess  bleibt,  der  Spezifischen  Behand¬ 
lung  überhaupt  nicht  zugänglich  ist.  _ 

Die  günstigen  Ergebnisse,  die  wir  bei  einigen  rauen  von 
chronisch  verlaufender,  auf  Grund  allgemeine  i  konsti¬ 
tutioneller  Tuberkulose  entstandenen  Augentuberkulose  (Irido¬ 
zyklitis,  Keratitis  parenchymatosa)  mit  der  kombinierten  An¬ 
wendungsweise  beider  1  ulasepräparate  erzielt  haben,  ver¬ 
anlassen  uns,  in  Zukunft  diese  kombinierte  Methode 
stets  anzuwenden,  weil  wir  den  Eindruck  gewonnen  haben, 
als  ob  die  aktive  Immunisierung  mittels  1  ulaselaktin  bei  einer 
vorausgegangenen  Einverleibung  serumtherapeutisch  wirk¬ 
samer  Antikörper  von  weniger  toxischen  Nebenwirkungen  be¬ 
gleitet  ist  und  sich  daher  ungefährlicher  gestalten  lässt.  VV  u 
gehen  deshalb  jetzt  in  der  Weise  vor,  dass  wir  zunächst  vi¬ 
suellen,  den  Erkrankungsherd  lokal  durch  eine  einmalige 
Behandlung  mit  Antitulase  in  spezifischer  Weise  zu  beein¬ 
flussen;  ist  uns  dies  gelungen,  so  erfolgt  später  nach  delinitivei 
Abheilung  des  tuberkulösen  Prozesses  am  Auge  die  übliche 
Dekadenbehandlung  mit  Tulaselaktin. 

Wenn  es  auch  mithin  auf  Grund  unserer  bisheugen  kli¬ 
nischen  Versuche  noch  nicht  möglich  ist,  ein  abschliessendes 
Urteil  über  den  Heilwert  der  Tulasebehandlung  bei  Augen¬ 
tuberkulose  zu  fällen,  so  haben  unsere  Versuche  das  eine  doch 
immerhin  ergeben,  dass  die  Tulasepräparate  in  geeigneten 
Fällen  eine  spezifische  Wirkung  auf  den  tuberkulösen 
Prozess  am  Auge  ausiiben,  und  dass  sich  diese  Einwirkung 
ohne  nachhaltige  Schädigung  des  Gesamtorganismus  wie  des 
erkrankten  Auges  vollzieht.  Damit  ist  zweifellos  schon  eine 
wertvolle  Grundlage  geschaffen,  auf  der  sich  weiter  thera¬ 
peutisch  arbeiten  lässt.  Im  Einverständnis  mit  meinem 
Chef,  Herrn  Geheimrat  v.Miche  1,  dem  ich  für  die  wertvolle 
Förderung  und  Unterstützung  meiner  klinischen  Versuche  zu 
aufrichtigem  Dank  verpflichtet  bin,  kann  ich  daher  nur  emp¬ 
fehlen,  auf  dem  bisher  betretenen  Wege  fortzufahren  und  neue 
Erfahrungen  zu  sammeln.  Es  wird  die  Aufgabe  weiterer  Ver¬ 
suche  und  einer  vorurteilsfreien  Prüfung  sein,  an  der  Hand 
eines  möglichst  reichen  klinischen  Materials  mit  Sicherheit 
festzustellen,  ob  und  inwieweit  man  imstande  sein  wird,  tuber- 
kulöse  Augenerkrankungen  durch  die  spezifische  Behandlung 
mit  Tulase  zur  dauernden  Ausheilung  zu  bringen. 

Ueber  die  Verwendung  kleinerer  Dosen  von  Röntgen- 
strahlen  in  der  Therapie. 

Von  Professor  H.  Rieder  (München). 

Die  Röntgentherapie  hat  sich  trotz  mancher  Anfeindungen, 
welche  sie  erfahren  hat,  weiter  entwickelt;  ja  es  ist  ihr  ge¬ 
lungen,  die  ihr  nahe  verwandte  Phototherapie  vielfach  zu  yei- 
drängen  und  zu  ersetzen  —  so  bei  der  Behandlung  des  Ulcus 
rodens,  aber,  auch  des  Lupus  und  anderer  Hautkrankheiten. 

Wie  alle  medizinischen  Heilungkbestrebungen,  so  hat  auch 
dieser  Zweig  der  modernen  Therapie  seinen  Entwicklungs¬ 
gang  durchzumachen  und  noch  heute  —  nach  fast  lO  jahnger 
Arbeit  -  stehen  wir  vielfach  auf  schwankendem  Boden,  wenn 
es  gilt,  den  einen  oder  andern  Krankheitsprozess  der  Röntgen¬ 
behandlung  zu  unterwerfen.  Das  darf  und  wird  uns  aber  n  c 
abhalten,  von  diesem  wichtigen  therapeutischen  Hilfsmittel 
geeigneten  Fällen  ausgiebigen  Gebrauch  zu  machen. 

Die  Erfahrung  hat  uns  nicht  blos  gelehrt,  welche  Krank¬ 
heiten  der  Röntgentherapie  zugänglich  sind;  sie  hat  uns  auch 
gezeigt,  dass  die  Strahlendosis  sorgfältig  erwogen  und 
bestimmt,  bezw.  abgeschätzt  werden  muss. 

Man  ist  eigentlich  allerorts  im  Laufe  der  Zeit  mit  der  Dosis 
zurückgegangen,  um  unliebsame  Wirkungen  der  Röntgen- 
strahlen  zu  vermeiden  und  wohl  jeder  Röntgenologe  hat  m 

dieser  Hinsicht  Konzessionen  machen  müssen. 

Die  früher  vielfach  übliche  Methode,  die  für  die  betreffende 
Krankheit  (Lupus,  Psoriasis,  Kankroid  usw.)  ohne  Schädigung 
des  normalen  Gewebes  verwendbare  Maximaldosis  zu  ver  - 
reichen,  wird  mit  Recht  mehr  und  mehr  verlassen^  da  man 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1764 


No.  36. 


gesehen  hat,  dass  die  Röntgenstrahlcn  oft  schon  in  einer  so 
kleinen  Dosis,  dass  gar  keine  oder  nur  eine  geringe  Haut¬ 
reaktion  hervorgerufen  wird,  eine  Heilwirkung  entfalten. 

Nicht  die  Maximaldosis,  sondern  die  Minimaldosis 
spielt  meines  Erachtens  jetzt  die  Hauptrolle  in  der  Röntgen¬ 
therapie.  Der  Umstand,  dass  früher  vielfach  eine  zu  grosse 
Dose  gewählt  wurde,  war  häufig  Ursache,  dass  da  und  dort 
Misserfolge  erzielt  wurden. 

Die  Anwendung  grosser,  aber  die  Haut  nicht  gefährdender 
Dosen  Röntgenstrahlen  ist  nur  bei  der  Bekämpfung  bös¬ 
artiger  Neubildungen  geboten ;  hingegen  bei  anderen 
Krankheiten,  namentlich  bei  verschiedenen  Haut-  und  Blut¬ 
krankheiten,  ist  eine  grössere  Strahlendosis  durchaus  nicht  im¬ 
mer  erforderlich,  ja  oft  direkt  schädlich. 

Eine  öfters  wiederholte  schriftliche  oder  mündliche  Aus¬ 
sprache  über  persönliche  Erfahrungen  in  der  sozusagen  noch  in 
den  Kinderschuhen  steckenden  Röntgentherapie  ist  im  Interesse 
der  jn  Betracht  kommenden  Kranken  wünschenswert.  Deshalb 
dürfte  die  Besprechung  einiger  Erkrankungen,  welche  durch 
Röntgenbestrahlung  günstig  beeinflusst  werden,  und  zwar  be¬ 
sonders  solcher,  welche  nur  eine  kleine  Strahlendosis  benötigen, 
auch  mir  gestattet  sein,  der  ich  schon  gemeinschaftlich  mit 
v.  Ziem  ss  en  therapeutische  Versuche  angestellt  habe  und 
seither  in  dieser  Richtung  tätig  war. 


Was  zunächst  die  Krankheiten  des  Blutes  und 
des  lymphatischen  Systems  anlangt,  so  leisten  uns 
die  Röntgenstrahlen  bei  ihrer  Bekämpfung  gute  Dienste. 
Doch  ist  hier  eine  strenge  Individualisierung,  besonders 
bei  der  Behandlung  von  Leukämikern  und  Pseudo- 
leukämikern,  dringend  geboten.  Es  ist  bekannt,  dass 
namentlich  bei  der  Leukämie  intensive  und  lang  fort¬ 
gesetzte  Bestrahlungen  oft  deletär  wirken,  selbst  wenn  sie 
eine  Heilung  im  hämatologischen  Sinne  herbeiführen.  Früher, 
als  man  darauf  ausging,  die  Leukämie  vollständig  zu  beseitigen 
und  die  blutbereitenden  Organe  rasch  zur  Rückbildung  zu  brin¬ 
gen,  hat  man  manchmal  die  zulässige  Dosis  überschritten. 

Man  hört  mit  der  Bestrahlung  auf,  sobald  stärkere  Ver¬ 
minderung  der  Leukozyten  eintritt;  jedenfalls  ist  bei  eingetre¬ 
tener  Leukopenie  eine  weitere  Anwendung  der  Röntgenbestrah¬ 
lung  kontraindiziert. 

Das  Verfahren,  im  Beginn  der  Behandlung  unter  fortlaufen¬ 
der  Kontrolle  der  Blutbeschaffenheit  —  besonders  der  Leuko¬ 
zytenzahl  —  und  des  Subjektivbefindens,  unter  Benutzung 
einer  mittelharten  Röhre,  einzelne  intensive  Bestrahlungen 
und  dann  in  ein-  oder  mehrwöchentlichen  Zwischenräumen  ein¬ 
zelne  Nachbestrahlungen  vorzunehmen,  hat  sich  uns  als  be¬ 
sonders  nutzbringend  erwiesen. 

In  möglichster  Kürze  soll  zum  Beweis  des  eben  Gesagten 
ein  Beispiel  hier  folgen! 


84  jährige  Dame  (ambulant).  Seit  einigen  Monaten  zunehmende 
Blasse  und  Hinfälligkeit.  Leber  und  Milz  enorm  vergrössert.  Lymph- 
driisen  in  verschiedenen  Körperregionen  geschwellt.  Hb-Qehalt  des 
Dl utes  30  Proz.,  Erythrozytenzahl  2  170  000,  Leukozytenzahl:  199  000 
darunter  ca.  70  Proz.  Lymphozyten. 

Diagnose:  Chronische,  lymphatische  Leu- 

kami  e. 


_3.,  _6.,  28.,  31.  III.  und  2.,  4.  IV.  1906  Bestrahlung  der  Milz  und 
cei  Lebei  (abwechselnd)  je  6  Minuten  mit  ziemlich  harter  Polyphos- 
lölne  (parallele  Eunkenstrecke  14 — 12  cm),  elektrolytischer  Unter¬ 
brecher,  10  Amperes  Stromstärke,  bei  mittelstarker'  Belastung  der 
Rohre. 

Subjektivbefinden  bessert  sich  auffallend  rasch,  Schlaf  und 
j  n P c 1 1 1  nehmen  zu,  Leber  und  Milz  etwas  weicher,  kaum  verkleinert, 
Lymplidrüsen  entschieden  kleiner.  Leukozytenzahl  nimmt  ab,  Ery¬ 
throzytenzahl  und  Hämoglobingehalt  nehmen  zu. 

23.  und  25.  IV.  Bestrahlung  der  Milz  in  der  bisher  üblichen  Weise 
Leukozytenzahl  beträgt  nur  noch  33  000;  der  Hämogiobingehalt  ist  auf 
(>.  1  i  oz.  gestiegen.  Erhebliche  Zunahme  des  Körpergewichtes. 

2.,  8.,  15.,  22.,  29.  V.  Bestrahlung  der  Milz  und  Leber  (ab¬ 
wechselnd). 


70  o8-  IV-nLeukozyte^.ahl:  46  000;  29.  IV.  Hämoglobingehali 

/0  1  roz.  Allgemeinbefinden  sehr  gut.  Die  blutbereitenden  Organe 
soweit  sie  palpabel  sind,  haben  an  Grösse  nur  wenig  abgenommen. 

1_.  und  19.  VI.  je  eine  Milzbestrahlung. 

3.  VII.  18  000  Leukozyten,  10.  VII.  24  000  Leukozyten.  Be- 
tinden  sehr  gut  Patientin  vermag  wieder  allein  ohne  Unterstützung 
spazieren  zu  gehen.  Sie  nimmt  6  wöchentlichen  Landaufenthalt.  In 
dieser  Zeit  keine  Bestrahlung. 


28.  IX.  Hämoglobingehalt  90  Proz.,  Leukozytenzahl  32  000,  Ery- 
throzytenzahl  4  400  000. 

29.  IX.  Bestrahlung  des  Abdomens  in  der  Dauer  von  5  Minuten. 

5.  X.  Leukozytenzahl  11  000,  13.  X.  26  000. 

16.  X.  Milzbestrahlung  in  der  Dauer  von  5  Minuten. 

23.  X.  31  000  Leukozyten.  Befinden  weniger  gut;  Verdauungs¬ 
störungen. 

27.  X.  Leukozytenzahl  26  000. 

Am  3.  und  31.  XI.  je  eine  Milzbestrahlung. 

1.  XII.  Leukozytenzahl  30  000. 

Am  1.  und  7.  XII.  je  eine  Milzbestrahlung. 

13.  XII.  27  000  Leukozyten. 

29.  XII.  Stets  Wohlbefinden.  Leber  und  Milz  unverändert 
gross.  Lymphdriisen  nur  wenig  geschwellt.  Einmalige  Bestrahlung 
des  Abdomens. 

4.  I.  07.  Leukozytenzahl  19  000.  Am  10.  I.  16  000. 

30.  I.  Leukozytenzahl  22  000.  Eine  Milzbestrahlung. 

6.  II.  Leukozytenzahl  14  000. 

21.  II.  Leukozytenzahl  22  000.  Eine  Milzbestrahlung. 

2.  III.  Leukozytenzahl  14  000. 

21.  III.  Leukozytenzahl  24  000.  Eine  Milzbestrahlung. 

4.  IV.  Leukozytenzahl  15  000. 

17.  IV.  Leukozytenzahl  24  000.  Eine  Milzbestrahlung. 

2.  V.  Leukozytenzahl  18  000. 

6.  V.  Leukozytenzahl  20  000. 

6.  VI.  Leukozytenzahl  22  000. 

Seit  17.  IV.  wurde  von  weiteren  Bestrahlungen  bei  dem  guten 
Allgemeinbefinden  der  Patientin  Abstand  genommen. 

20.  VI.  Leukozytenzahl  24  000.  Einmalige  Bestrahlung  der 
Milzgegend  in  der  Dauer  von  3  Minuten.  Pat.  nimmt  Landaufenthalt. 

Die  Kranke  wurde,  wie  aus  obiger  Aufstellung  ersichtlich  ist,  in 
den  letzten  Monaten  nur  dann  und  zwar  nur  einer  einmaligen  Be¬ 
strahlung  von  3 — 5  Minuten  Dauer  unterworfen,  wenn  mehr  als 
20  000  Leukozyten  (pro  Kubikmillimeter)  im  Blute  nachzuweisen 
waren. 

Insgesamt  hat  die  Patientin  also  im  Zeitraum  von  ca.  IV2  Jahren 
27  Bestrahlungen  in  der  Gesamtdauer  von  148  Minuten  erhalten. 

Ein  gleich  günstiger,  hier  sogar  auf  Jahre  sich  erstreckender 
Erfolg  ist  bei  einem  ähnlich  behandelten  Falle  von  Pseudo- 
1  e  u  k  ä  m  i  e  (enorm  vergrösserte  Milz,  normaler  Blutbefund) 
zu  verzeichnen.  Der  betreffende  Patient  wird  auch  jetzt  noch 
in  regelmässigen  Zwischenräumen  bestrahlt  und  befindet  sich 
—  im  Gegensätze  zu  den  vor  der  Röntgenbehandlung  be¬ 
standenen  schweren  Krankheitserscheinungen  —  vollkommen 
wohl,  obschon  die  Milzgrösse  jetzt  nicht  mehr  wie  anfangs 
durch  die  Strahlen  beeinflusst  wird  - —  wie  ja  im  allgemeinen 
pseudoleukämische  Milztumoren  durch  die  Bestrahlung  nicht 
so  stark  reduziert  werden  wie  leukämische.  — 

Leider  ist  nicht  in  allen  Fällen  von  Leukämie,  Pseudo¬ 
leukämie  und  anderen  Blutkrankheiten  ein  solch  günstiges  Be¬ 
handlungsresultat  wie  in  den  oben  aufgeführten  beiden  Fällen 
zu  erzielen.  Aber  doch  beobachtet  man  auch  dort,  wo  die 
Leukozytenzahl  nicht  oder  nur  wenig  durch  die  Röntgen¬ 
behandlung  zu  beeinflussen  ist,  dass  vorsichtig  durchgeführte 
periodische  Bestrahlungen  das  Allgemeinbefinden  derartiger 
Kianken  sehr  günstig  beeinflussen  und  ihre  Lebensdauer  zu 
verlängern  vermögen. 

Es  kommen  eben  bei  der  therapeutischen  Verwendung  der 
Röntgenstrahlen  neben  der  zellulären  noch  andere,  sekundäre, 
hinsichtlich  ihrer  Zeitdauer  schwer  bestimmbare  Wirkungen 
auf  den  Organismus  (Stoffwechselvorgänge  usw.)  in  Betracht, 
auf  die  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kaVin. 

Uebrigens  erstreckt  sich  die  Strahlenwirkung  bei  Blut- 
kranheiten  wahrscheinlich  nicht  blos  auf  die  Blutzellen  der  Bil¬ 
dungsstätten,  sondern  auch  auf  die  des  strömenden  Blutes. 

Auch  bei  der  Struma  (d.  h.  wenn  eine  weiche,  auch 
durch  Jod  beeinflussbare  Form  vorliegt)  und  bei  M  0  r  b  u  s 
Bas  e  d  o  w  i  i,  wo  übrigens  die  Bestrahlungserfolge  nicht  ganz 
den  früher  gehegten  Erwartungen  entsprechen,  scheinen  wö¬ 
chentlich  1  2  Bestrahlungen  in  der  Dauer  von  5  Minuten  be¬ 
hufs  Erzielung  eines  therapeutischen  Erfolges  —  ohne  dass  hier 
wie  bei  Jodgebrauch  Herzstörungen  auftreten  —  zu  genügen. 

Das  gleiche  Vorgehen  hat  sich  bewährt  bei  hartnäckigen 
Neuralgien  des  Trigeminus  und  Ischiadikus, 
welche  oft  auffallend  rasch  durch  die  Bestrahlung^  gebessert 
werden.  * 

Bei  den  Prostata  - Erkrankungen,  wo  etwas  Skep¬ 
sis  in  bezug  auf  objektive  Besserung  berechtigt  ist,  kann  eine 
endorektale,  direkte  Bestrahlung  des  Erkrankungsherdes  län¬ 
gere  Zeit  fortgesetzt  werden,  ohne  dass  Verbrennung  zu  be¬ 
fürchten  ist,  weil  die  Schleimhaut  erfahrungsgemäss  viel  grös- 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1765 


sere  Widerstandsfähigkeit  gegen  Röntgenstrahlen  besitzt  als 
die  Haut. 

Eine  grosse  Gruppe  von  Krankheiten,  bei  dei  statt  dei 
früher  üblichen  intensiveren  Bestrahlung  die  schwache,  abei 
öfters  wiederholte  Bestrahlung  unter  Vermeid  u  n  g 
stärkerer  Hautreaktion  sich  vorzüglich  bewährt  hat, 

sind  die  Hautkrankheiten1 2 3). 

Bei  der  H  y  p  e  r  t  r  i  c  h  o  s  i  s  ist  die  Dosis  nur  so  gross 
7,1  nehmen  dass  sie  zur  temporären,  möglichst  reaktionslosen 
Epilation  hinreicht.  Natürlich  ist  dann  öftere  Wiederholung 
der  Prozedur,  d.  h.  nach  Wiederwachsen  der  Haaie,  notig. 
Trotzdem  ist  dieses  Verfahren  einem  forcierten  Vorgehen  bei 
dem  neben  definitivem  Haarausfall  auch  Hautatrophie,  Te  - 
angiektasien  usw.  sich  einstellen,  vorzuziehen.  Wer  sich  mit 
temporärem  Haarausfall  (der  nach  Kienbock-)  erst  nach 
1X>  Jahren  zu  einem  dauernden  wird)  nicht  begnügt,  muss  sich 
eben  der  (leider  auch  nicht  idealen)  elektrolytischen  Behand¬ 
lung  zuwenden.  ,  ,  .  ,  „  „  •  „ 

Auch  bei  Sykosis  Simplex  und  parasitaria, 

Herpes  ton  s  urans,  Favus  und  anderen  Haarkiank- 
heiten  genügt  temporäre,  mit  gleichzeitiger  Entfernung  der 
Pilze  einhergehende  Epilierung  (in  2-3  Sitzungen),  um  die 
Pusteln  zur  Eintrocknung  zu  bringen  bezw.  die  Abstossung  der 
Scutulae  zu  bewirken  und  der  Haut  ihre  normale  glatte  Be¬ 
schaffenheit  wieder  zu  geben.  ,  , 

Für  Behandlung  der  behaarten  Kopfhaut  (abge¬ 
sehen  von  Favus  und  solchen  Erkrankungen,  welche  die  Haar¬ 
wurzel  bereits  zerstört  haben)  sind  übrigens  wegen  des  bei 
Röntgenbestrahlung  oft  unvermeidlichen  Haarausfalles,  im  all¬ 
gemeinen  die  Lichtstrahlen  wegen  ihrer  anregenden  Wirkung 
auf  die  Funktion  der  Haarpapillen  den  Röntgenstrahlen  vorzu- 


Während  für  akute  Formen  von  Ekzem  die  Röntgen¬ 
behandlung  sich  weniger  eignet,  sind  beim  Eczema  chro¬ 
nicum,  vielleicht  nur  abgesehen  von  Unterschenkelekzemen, 
die  auf  varikösen  Veränderungen  beruhen  sowie  von  Kopf¬ 
ekzemen,  die  therapeutischen  Erfolge  geradezu  vorzüglich  — 
selbst  bei  Formen,  die  jeder  anderen  Behand¬ 
lung  T  r  o  t  z  b  i  e  t  e  n. 

Zirkumskripte  bezw.  lokalisierte  Ekzeme  sind  natui- 
lich  geeigneter  .  für  die  Röntgenbehandlung  als  univer¬ 
selle.  Eine  oder  zwei  bis  drei  Sitzungen  von  5  Mi¬ 
nuten  Dauer  (hier  in  achttägigen  Zwischenräumen)  ge¬ 
nügen  oft,  das  Ekzem  vollständig  zu  beseitigen.  Die  Rba- 
gaden  heilen  glatt,  Hyperkeratosen  schwinden,  nässende  Flä- 
chen  überhäuten  sich.  Schon  nach  der  ersten  Sitzung  hört 
gewöhnlich  das  Nässen  auf  und  der  Juckreiz  schwindet,  nach 
weiterer,  wöchentlich  einmal  auszuführender  Bestrahlung 
sistiert  auch  die  Bläschenbildung,  die  Rhagaden  heilen  und  die 
Rückbildung  des  Krankheitsprozesses  geht  weiterhin  schritt¬ 
weise  aber  sicher  von  statten.  . 

Ueber  derartige  Beobachtungen  hat  schon  H.  E.  Schmidt  ) 
berichtet.  Derselbe  fordert  für  die  Ekzembehandlung,  dass 
nur  leichtes  Erythem  durch  die  Bestrahlung  hervorgerufen 
werde  und  spricht  so  von  einer  „Erythemdosis“. 

Auch  bei  hartnäckigen  Formen  von  Ekzem  be¬ 
obachtet  man  meistens  prompte  Abheilung  und  die  besonders 
hartnäckigen  Gewerbeekzeme  sind  oft  nur  durch  Rönt¬ 
genbestrahlung  zu  beseitigen. 

Selbst  bei  langdauerndem  Eczema  Intertrigo  ist  das  Resul¬ 
tat  der  Röntgenbestrahlung  meist  ein  vollständig  befriedi¬ 
gendes. 

Die  Röntgenbehandlung  ist  nicht  bloss  bequemer  und 
sauberer,  sondern  sie  führt  in  der  Regel  auch  rascher  zum  Ziele 
als  die  Salbenbehandlung. 

Ueberraschend  gute  Erfolge  —  allerdings  für  gewöhnlich 
keine  Dauererfolge  —  sieht  man  meist  auch  bei  der  Behand¬ 


*)  Prof.  R.  B  a  r  1  o  w  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  einige  seiner 
Privatpatienten  zur  Röntgenbehandlung  zu  überweisen  und  auch  das 
Heilresultat  zu  kontrollieren. 

2)  R.  Kienböck:  Ueber  Radiotherapie  der  Haarerkrankungen. 
Archiv  für  Dermatologie  und  Svphilis.  13.  Band,  1.  Heft  1906. 

3)  H.  E.  Schmidt:  Die  Röntgenbehandlung  der  Psoriasis  und 
des  Ekzems.  Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie. 
10.  Band.  3.  Heft  1906. 


lung  der  Psoriasis,  wenn  man  zirkumskripte  Hautflächen 
in  achttägigen  Intervallen  in  der  beschriebenen  Weise  bestrahlt. 
Die  Schuppung  hört  allmählich  auf,  es  kommt  zu  Abflachung 
und  zum  Rückgang  der  Infiltrate  und  die  auftretenden  Pigmen¬ 
tierungen  schwinden  bald.  Doch  scheinen  merkwürdigei  - 
weise  ältere  Herde  der  Bestrahlung  zugänglicher  zu  sein  als 
frische.  Rezidive  sind  allerdings  auch  bei  älteren  Herden 
nicht  zu  vermeiden.  Jedenfalls  sollte  in  solchen  Fällen,  wo  die 
Chrysarobinbehandlung  nicht  vertragen  wird,  die  Röntgen¬ 
bestrahlung  vorgenommen  werden! 

Selbst  bei  dem  wegen  seiner  Hartnäckigkeit  so  gefürchteten 
Lichen  ruber  erreicht  man  durch  wöchentlich  einmalige, 

4 _ 5  Minuten  dauernde  Bestrahlung  ein  Schwinden  des  lästigen 

Juckreizes  und  —  entsprechend  dem  Rückgang  des  Veihoi- 
nungsprozesses  —  eine  Abnahme  des  Spannungsgefühles.  Ge¬ 
rade  hier  wurde  früher  durch  grosse  Dosen  der  Juckreiz  nur 
vorübergehend  beseitigt  und  der  örtliche  Krankheitsprozess 
selbst,  wegen  zu  starker  reaktiver  Hautentzündung  (Dermatitis), 
ungünstig  beeinflusst. 

Auch  bei  ulzerösen  und  verrukösen  Formen  des  Lupus 
vulgaris  und  bei  Lupus  erythematodes  haben 
sich  öfters,  d.  h.  in  mehrtägigen  Zwischenräumen  wiederholte 
kurzdauernde  Bestrahlungen  (3 — 5  Minuten)  mit  mittelweicher 
Röhre  (parallele  Funkenstrecke  =  8— 12  cm)  besser  bewährt 
als  intensivere  Bestrahlungen  mit  weichen  Röhren.  Beim 
Lupus  vulgaris  tritt  übrigens  auch  die  kombinierte  Behandlung 
in  ihre  Rechte,  d.  h.  neben  regelmässigen  (täglichen)  Bestrah¬ 
lungen  der  einzelnen  Lupusherde  mit  konzentriertem  elektri¬ 
schem  Bogenlicht  die  zeitweilige  Röntgenbestrahlung  des  ge¬ 
samten  Krankheitsgebietes  (etwa  alle  14  Tage  eine  5  Minuten 
dauernde  Sitzung).  Dass  aber  bei  Lupus  zuweilen  auch  ausser 
der  Bestrahlungstherapie  oder  neben  derselben  noch  andere 
Behandlungsmethoden  Platz  greifen  müssen,  wird  von  der¬ 
matologischer  Seite  mit  Recht  hervorgehoben. 

Bei  der  Behandlung  von  hartnäckiger  Akne  und  N  a  r  - 
benkeloiden  sowie  bei  chronischer  Für  unk  u  1  o  s  e 
erzielt  man  gewöhnlich  gute  Resultate  durch  einmal  pro  Woche 
ausgeführte,  nur  schwache  Reaktion  hervorrufende  Bestrah¬ 
lungen  von  5  Minuten  Dauer,  wobei  das  Verfahren  unbedenk¬ 
lich  längere  Zeit  hindurch  fortgesetzt  werden  kann.  Ja  bei 
Keloiden  ist  das  Röntgenverfahren  jeder  anderen  Behandlungs¬ 
methode  überlegen.  ,  ~  .. 

Bei  Pruritus  werden  namentlich  seitens  der  Gynä¬ 
kologen  schon  seit  einigen  Jahren  periodische  kurzdauernde 
Bestrahlungen  in  Anwendung  gezogen.  Hingegen  sind  hin¬ 
sichtlich  der  Myom-  und  Ovarienbestrahlung  die  Akten  noch 
nicht  geschlossen. 

In  der  Ophthalmologie  hat  man  gute  Erfolge  bei  der  Rönt¬ 
genbehandlung  des  T  rachoma  erzielt.  . 

Bei  Skrofuloderma  und  bei  D  r  ii  s  e  n  tuber¬ 
kulöse,  besonders  bei  Fistel-  und  Geschwürsbildung, 
wo  Geschwürsheilung  bezw.  Schwund  des  Drusen- 
gewebe-s  durch  die  Bestrahlung  erzielt  wird,  wird  wohl  m 
Zukunft  das  Röntgenverfahren  noch  häufigere  Anwendung  fin¬ 
den  als  bisher.  Besonders  im  Gebiet  des  Halses  und  des  Ge¬ 
sichtes  ist  aus  kosmetischen  Rücksichten  (ideale  Benarbung.) 
die  Röntgenbestrahlung  anderen  Behandlungsmethoden  vorzu- 

Zieh  Tu  venile  Warzen  sowie  multiple  papillomatöse  Wu¬ 
cherungen  können  rasch  und  sicher  durch  Röntgenbestrah¬ 
lungen  zum  Verschwinden  gebracht  werden,  während  halte, 
ältereWarzen  öfters  und  länger  bestrahlt  werden  müssen. 

Beim  Hautkrebs  (Kankroid,  Ulcus  molle)  schätzen  wir 
die  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  besonders  hoch  ein,  weil  das 
kosmetische  Resultat  nach  durchgeführter  Bestrahlung  ein  ganz 
ausgezeichnetes,  auch  von  chirurgischer  Seite  anerkann  es  is  . 
Die  Röntgentherapie  verdient  als  konservative, 

d  h  das  normale  Gewebe  schonende  Behaue  - 

lungsmethode  mit  Recht  bei  allen  oberflächlichen  d.  h. 
nur  in  der  Haut  liegenden  bösartigen  Geschwülsten  den  Vorzug 
vor  anderen  therapeutischen  Massnahmen,  zumal  sie  keineilei 
Schmerzen  verursacht  und  auch  bei  alten  Leuten  aus¬ 
führbar  ist.  Man  beobachtet  ein  stetiges  Schwinden  der  In- 
'  filtration,  Verminderung  der  Sekretion.  Aufhören  dei  Blutung 
und  zentralwärts  fortschreitende  Benarbung.  Sowohl  das  pro¬ 
longierte  Verfahren  wie  das  forcierte,  d.  h.  die  Ausführung 


1766 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


starker  Bestrahlungen  in  kurzen  Zwischenräumen,  führen  meist 
sicher  zum  Ziele  —  es  sei  denn,  dass  der  Krankheitsprozess 
sehr  alt  und  auf  viele  Jahre  zurück  sich  erstreckt.  R  e  z  i  d  i  v  e 
treten  nicht  häufiger  auf  als  nach  chirurgischen  Eingriffen; 
gegen  sie  gewähren  präventive,  zeitweilige  Bestrahlungen  guten 

Schutz.  .  XT  . 

Bei  tieferliegenden  bösartigen  Neubil¬ 
dungen  ist  behufs  Erzielung  einer  durchschlagenden  Wir¬ 
kung  kräftige  Bestrahlung,  womöglich  in  verschiedenen 
Durchleuchtungsrichtungen,  vermittelst  harter  Röhren 
direkt  indiziert.  Hier  ist  die  Wirkung  der  Röntgen¬ 
strahlen  bekanntlich  dann  eine  ^  besonders  gute,  wenn 
die  Geschwulst  aus  jungen  Zellen  mit  stark  pro¬ 
duktiver  Tätigkeit  besteht,  während  bei  fibröser  Beschaffenheit 
der  Geschwulst  kein  grosser  Erfolg  zu  erwarten  ist.  In  erster 
Linie  bei  inoperablen  Fällen  (besonders  Hautsarkomen,  My- 
kosis  fungoides,  Lymphosarkomen  und  bei  Karzinomen,  die  ge- 
sch wiirigen  Zerfall  zeigen,  namentlich  Lippenkarzinomen  und 
rezidivierenden  Mammakarzinomen)  können  die  Röntgenstrah¬ 
len  dem  Arzte  oft  gute  Dienste  leisten.  Eine  vorzügliche  Wir¬ 
kung  sehen  wir  oft  bei  Mediastinaltumoren  (Sarkomen 
usw.),  während  die  Erfolge  der  Röntgenbehandlung  ma¬ 
ligner  Lymphome  bislang  ziemlich  unbefriedigend  war. 

Abgesehen  von  der  lokalen,  auf  Zellschrumpfung  und 
Zelldegeneration  beruhenden  Wirkung  ist  die  Bestrahlung  der 
Neoplasmen  oft  schmerzlindernd  und  wirkt  hiedurch  auf  Schlaf 
und  Kräftezustand  des  Patienten  günstig  ein.  Wenn  auch  im 
allgemeinen  bei  tieferliegenden  Neoplasmen  keine  Dauer¬ 
heilung  erzielt  wird  durch  die  Röntgenbestrahlung,  so  erreicht 
man  doch  Vernarbung  der  Ulzerationen,  häufig  auch  Schrump¬ 
fung  der  Geschwulst  —  und  dies  ist  doch  auch  ein  nicht  zu 
unterschätzender  therapeutischer  Erfolg,  der  durch  medika¬ 
mentöse  und  andere  Kuren  gewiss  nur  sehr  selten  erreicht 
wird.  Allerdings  eine  definitive  Beseitigung  ist  nur  bei  ein¬ 
zelnen  Sarkomformen  zu  erwarten;  auch  steht  man  öfters 
machtlos  dem  Vorkommnis  gegenüber,  dass  ein  Neoplasma, 
während  es  nach  aussen  zu  durch  die  Röntgenbestrahlung  ver¬ 
kleinert  wird,  nach  innen  zu  weiter  wächst.  Die  therapeuti¬ 
schen  Resultate  würden  noch  besser  werden,  wenn  die  Tech¬ 
niker  uns  Röntgenröhren  liefern  könnten,  deren  Strahlen,  nach 
Art  der  sogen.  Glasstrahlen,  tiefer  in  das  Gewebe  eindringen, 
ohne  das  Hautgewebe  zu  schädigen.  Mit  derartigen  Apparaten 
ausgerüstet  könnten  wir  auch  mit  grösserer  Aussicht  auf  Erfolg 
an  die  Behandlung  von  Neubildungen  innerer  Organe  heran¬ 
treten. 

Was  endlich  noch  die  nachoperative  Bestrahlung  bei 
bösartigen  Neubildungen  betrifft,  so  scheint  die  Röntgentherapie 
wohl  die  richtigste  Nachbehandlung  für  Operierte  zu  sein. 
Nach  eigenen  Erfahrungen  ist  sie  höchst  wertvoll  und  meines 
Erachtens  noch  viel  zu  wenig  seitens  der  meisten  Chirurgen 
gewürdigt  .  Das  Auftreten  von  Rezidiven  scheint  dann,  wenn 
baldmöglich  nach  der  Exstirpation  das  Operationsgebiet 
mit  harter  Röhre  mehrmals  bestrahlt  (höchstzulässige 
Strahlendosis!)  und  diese  Bestrahlung  nach  mehrwöchent¬ 
lichen  Intervallen  einige  Male  wiederholt  wird,  verhütet 
werden  zu  können.  Ueber  die  voroperative  Be¬ 
strahlung,  welche  auch  von  einigen  Seiten  empfohlen  wird, 
fehlen  uns  eigene  Erfahrungen. 

In  der  Hand  eines  erfahrenen,  vorsichtig  abwägenden 
Arztes  sind  die  Röntgen  strahlen  hauptsächlich  wegen 
ihrer  direkten  Wirkung  auf  das  Zellprotoplasma  zweifellos 
ein  ausgezeichnetes  therapeutisches  Hilfs¬ 
mittel.  Die  Röntgentherapie  führt  bei  den  meisten  der  oben 
genannten  Krankheiten  nicht  bloss  rasch  und  sicher  zum  Ziele, 
sic  hat  auch  den  Vorzug,  dass  sie  da,  wo  andere  therapeutische 
Massnahmen,  z.  B.  die  medikamentöse  Behandlung,  versagen, 
noch  eine  Wirkung  entfaltet.  Eine  unabweisliche  Forderung 
ist  und  bleibt  aber,  dass  nicht  bloss  die  diagnostische,  sondern 
auch  die  therapeutische  Anwendung  der  Röntgenstrahlen  aus¬ 
schliesslich  durch  den  Arzt  selbst  erfolgen  muss. 

Eolgt  man  den  oben  kurz  skizzierten  Bestrahlungsdirek¬ 
tiven,  d.  h.  der  Verwendung  möglichst  kleiner  Strahlendosen, 
so  setzt  man  die  Kranken  nicht  unnötig  der  Gefahr  einer  Rönt¬ 
genverbrennung  aus  und  findet  sich  leichter  und  geduldiger  mit 
der  Tatsache  ab,  dass  eine  absolut  sichere  Dosierung  der  Rönt¬ 


genstrahlen  noch  nicht  existiert.  Man  wird  dann  auch  im  all¬ 
gemeinen  mit  der  einfachen,  während  einer  Sitzung  oftmals 
wiederholten  Kontrolle  der  parallelen  Funkenstrecke,  unter 
peinlicher  Berücksichtigung  der  Bestrahlungsdauer  und  der 
Fokusdistanz,  auskommen  und  auf  komplizierte,  zur  Bestim¬ 
mung  der  absorbierten  Strahlenmenge  dienende  Messmethoden, 
die  bislang  auch  noch  der  absoluten  Sicherheit  entbehren,  ver¬ 
zichten  können. 


Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  der  Universität  München 
(Direktor:  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  v.  Bauer). 

Ueber  den  Befund  eines  weiteren  noch  nicht  be-  ' 
schriebenen  Bakteriums  bei  klinischen  Typhusfällen. 

Von  M.  Mandelbaum. 

Betrachtet  man  die  Geschichte  des  Typhus  während  der 
letzten  100  Jahre,  so  findet  man  eine  ständige  Wandlung  in 
der  Anschauung  von  dem  Wesen  der  mit  diesem  Namen  zu¬ 
sammengefassten  Krankheiten.  Und  zwar  waren  es  die  in  der 
medizinischen  Wissenschaft  jeweilig  vorherrschenden  Rich¬ 
tungen,  welche  die  Diagnose  Typhus  bestimmten,  festigten  und 
begrenzten.  So  waren  die  alten  Aerzte,  denen  die  durch 
moderne  Forschung  und  fortgeschrittene  Technik  geschaffenen 
diagnostischen  Hilfsmittel  nicht  zu  Gebote  standen,  lediglich 
auf  die  Beobachtung  angewiesen.  Nach  den  äusseren  Sym¬ 
ptomen  also  mussten  sie  die  Diagnose  stellen.  So  kam  es,  dass 
sie  mit  Typhus  all  die  Krankheiten  bezeichneten,  während 
deren  Verlauf  sich  ein  ausgesprochener  „Status  typhosus“  kon¬ 
statieren  liess.  Dass  dabei  alle  möglichen  Krankheiten,  die  wir 
nach  den  heute  gültigen  Anschauungen  streng  vom  Typhus 
trennen  müssen,  zu  dieser  Infektionskrankheit  gerechnet  wur¬ 
den  ist  klar.  Andererseits  wurden  leichte  oder  abortiv  ver¬ 
laufende  Fälle,  die  heute  durch  den  Nachweis  des  Eberth- 
Gaffky sehen  Bazillus  zweifellos  als  echte  Typhen  erkannt 
werden,  nicht  in  die  Rubrik  Typhus  eingereiht. 

In  der  nun  folgenden  pathologisch-anatomischen  Zeit  ver¬ 
suchte  man  durch  Festlegung  von  anatomisch-pathologischen 
Veränderungen,  die  der  Typhus  in  der  Regel  hervorzurufen 
pflegt,  eine  scharfe  und  sichere  Begrenzung  der  Diagnose  her¬ 
beizuführen.  Abgesehen  davon  aber,  dass  eine  sichere  Dia¬ 
gnosestellung  auf  Grund  pathologisch-anatomischer  Verände¬ 
rungen  erst  post  mortem  möglich  war,  fiel  den  damaligen  Un¬ 
tersuchern  schon  auf,  dass  in  einer  Reihe  von  Fällen,  bei  denen 
bei  Lebzeiten  die  Diagnose  Typhus  gestellt  war,  die  für  diese 
Infektionskrankheit  als  charakteristisch  betrachteten  Verände¬ 
rungen  namentlich  im  Darme  nicht  zur  Beobachtung  kamen. 
Man  suchte  diese  Verschiedenheit  in  der  klinischen  Diagnose 
und  dem  Sektionsbefund  dadurch  in  Einklang  zu  bringen,  dass 
man  eine  verschiedene  Lokalisation  dieser  Infektionskrankheit 
annahm,  die  dann  nach  ihrem  jeweiligen  Sitz  die  charakteristi¬ 
schen  Veränderungen  hervorrufe.  Man  unterschied  deshalb 
den  Typhus  abdominalis,  den  Pneumotyphus,  den  Zerebral¬ 
typhus  und  andere. 

Ein  vollkommener  Umschwung  aber  für  die  Stellung  der 
Diagnose  Typhus  wurde  herbeigeführt  durch  den  neuesten 
Zweig  der  medizinischen  Wissenschaft,  durch  die  Bakteriologie, 
welche  die  Zugehörigkeit  zu  einer  bestimmten  Infektionskrank¬ 
heit  abhängig  macht  von  dem  Vorhandensein  eines  bestimmten 
Erregers,  der  eben  diese  Krankheit  hervorzurufen  im  stände 
ist.  Dieser  Forderung  entsprechend  werden  heute  vier  In¬ 
fektionskrankheiten,  die  mit  dem  Sammelnamen  Typhus  be¬ 
zeichnet  sind,  als  spezifisch  verschiedene,  ihrer  Aetiologie  nach 
scharf  von  einander  abzugrenzende  Krankheiten  unterschieden: 

1.  Der  Typhus  exanthematicus,  dessen  Erreger  noch  un¬ 
bekannt, 

2.  der  Rückfalltyphus,  hervorgerufen  durch  die  Ober¬ 
in  e  i  e  r  sehe  Rekurrensspirochäte, 

3.  der  Typhus  abdominalis,  dessen  Erreger  der  Eberth- 
G  aff  ky  sehe  Bazillus  ist, 

4.  der  Paratyphus,  verursacht  durch  den  Schott¬ 
in  ii  1 1  e  r  sehen  Paratyphusbazillus.  Von  diesem  unterscheidet 
man  wieder  2  Gruppen,  und  zwar:  Typus  A  (Brion-Kay- 
s  e  r).  Typus  B  (S  c  h  o  1 1  m  ü  1 1  e  r). 

Bei  meinen  differentialdiagnostischen  Studien  über  die 
typhusähnlichen  Bakterien  gelang  es  mir,  ein  Bakterium,  das 


September  1907. 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


i/67 


„ach  seinen  durch  die  heutigen  betonten  bakteriotogUcta 
Methoden  nachweisbaren  Eigenschaften  als  ec  y. 

b-ilius  anzusehen  war  schar  von  diesem  Mik o^g— s 

durchführen  müssende  ich  weiter  unten  zu  sprechen  hon, men 

n„c  in  Fräse  stehende  Bakterium  wurde  aus  Fäzes  una  mui 

£SÄ  £ 

ÄTtloff  ÄÄam„^ 

Verfügung.  ;» 

s„SÄ5 

ISer  untefzu  besihf  en^  A^aÄÄeS?  vön 
ein  Stamm  des  Herrn  D  .  ^  ^  demselben  Krankheits- 

«ÄShrin,  so  beläuft  sich  die  Zahl  Ä 

stemmeif^ron'Krankheitsffllerb  die  in  der  hiesigen  Klinik  zur 

imiisi 

lüSf^i 

Erreger  aber  scharf  zu  trennen  ist  von  dem  Eberth- 
Qaffky sehen  Bazillus. ^Den  neuen  Mikr°o«umsnms  be¬ 
zeichne  ich  als  Bakterium  bezw.  Bazillus  Meta 

4  ^  "ich  will  zunächst  die  Krankengeschichten  der  fraglichen 
FtIIp  im  Auszuge  folgen  lassen. 

„icwÄ^ 

S5  'InSSS'if  vÄlefLÄ 

tiniert  das  Serum  1.25  (Stamm  K  , .  TVn}m<;ha7illenu  ce- 

Am  5.  VI.  im  hygienischen  Institut  aus  st"h' £yKsfrz'„ben  am 
züchtet.  Dieselben  werden  von  eigenem  Serum  de  i  Kranhen  a 
8.  VI.  1:200  agglutiniert.  Patient  wird  am  7.  VII.  geheilt  entlass 
3.  Ql.  Joh.,  Bäcker.  Patient  gibt  an,  seit  14  Tagen  Fieber :zu 
haben,  phantasierte  im  Bette.  Klagt  über  Kopfweh  Durst  Trocke^ 
heit,  Brechreiz,  Verstopfung,  fühlt  sich  sehr  matt  f,  , 

Patienten  blass,  zyanotisch.  Auf  der  Haut  ver®^?e't®’  d  Ex_ 
grosse  hyperämische  Flecke,  Verschärfung  der  Insinrabon  iincl  Ex 
spiration,  zahlreiche  trockene  Rasselgeräusche.  Abdomen  laicht  auf 
getrieben,  kein  Exanthem,  bei  Druck  auf  Ueozokaigegenc  § 

Quatschen.  Die  Leberdämpfung  reicht  von  der  5.  Rippe  bis  et\ 
unterhalb  des  Rippenbogens.  Milzdämpfung  sehr  intensiv  » 
lang,  Milz  deutlich  palpabel.  Puls  beschleunigt,  weich  d.skrot. 
Leukozyten  3700.  Am  12.  VI.  Roseolen  vorhanden  D mzo^  negatiw 
Krankheit  nimmt  den  gewöhnlichen  Verlauf.  Am  12.  VI.  we  d 
dem  Blute  Bazillen  gezüchtet.  Agglutination:  1.100  eignen  bdai.im 
1-?00  Stamm  Scharl.  Am  18.  VI.  betrug  die  Morgentempera.  i 
36,9°,  die  Abendtemperatur  37.7”.  Am  19.  VI.  plötzlicher  Temperatur¬ 
anstieg,  Morgentemperatur  37,8".  Abendtemperatur  39,2  ■  Nach 
2  Tagen  Temperaturabfall,  kehrt  zur  Norm  zuruck.  Ständiges  Wohl 
befinden.  Am  17.  VII.  entlassen. 

Ich  müsste  mich  ständig  wiederholen,  wollte  ich  weiterhin  die 
Krankengeschichten  ausführlicher  anführen.  Ich  werde  deshalb  m 
ganz  kurze  Erwähnungen  bei  auffallenden  Symptomen  machen. 


4.  El.  W.,  Dienstmädchen.  Aus  Fäzes  und  Blut  Bazillen  ge- 
7 iichtet  Ist  noch  im  Krankenhaus,  fieberfrei. 

5  '  Ob  Fr  Dekorationsmaler.  Nackensteifigkeit,  Sensonum 
etwas  gestört.  Diazoreaktion  positiv.  Blutiger  Stuhl  Die  Kontinua 
währt  14  Tage,  über  40".  Aus  Fäzes  und  Blut  Bazillen  gezüchtet. 
Agglutinat.  1:400  eignen  Stamm.  Patient  ist  fiebcrfiei. 

6  Bl  Bäcker.  Patient  ziemlich  benommen,  spater  andauei  nd 
somnolent’,’  bronchitische  Erscheinungen.  Diazo :  positiv.  Leuko¬ 
zyten:  5800.  Aus  Blut  und  Fäzes  Bazillen.  Erbrechen  von  mitQalle 
vermischter  dünner  Flüssigkeit  Dauer  der  Kontinua  12.  I  age 
Temperatur  über  40°  Patient  befindet  sich  auf  dem  Wege  d 

Besserung. 

7.  Tr.,  Dienstmädchen. 

8.  Aich.,  Dienstmädchen.  „  P;. 

9.  Wth.,  Lehrmädchen.  Drei  frischere  Fälle.  Bei  allen  aus  bazes 

und  Blut  den  fraglichen  Bazillus  gezüchtet.  , 

10.  Wbg.  Aus  Blut:  Bazillen  in  Reinkultur  durch  Sturz  aus  dem 

Fenster  tödlich  verunglückt. 

11.  M.  und  12.  Sch.,  beide  aus  Freising.  Aus  bazes  beider  im 
hygienischen  Institut  „Typhusbazillus“  isoliert. 

Ueber  Verlauf  und  Symptome  der  zwei  Krankheitsfälle  in 
Freising,  bei  denen  die  Diagnose  1  yphus  abdominalis  lautete, 
kann  ich  nichts  näheres  berichten.  Das  klinische  Bild  dei  zehn 
übrigen  Fälle,  die  sämtlich  in  hiesiger  Klinik  beobachtet  win¬ 
den,  gleicht  vollkommen  dem  des  echten  1  yphus  abdominalis. 
Es  sind  leichte  und  schwere  Fälle  vorhanden.  Die  Krankheit 
beginnt  mit  Kopfschmerzen,  Mattigkeit,  Fieber.  Appetitlosigkeit, 
Brechreiz.  Das  Fieber  steigt  bis  zu  bedeutender  Flöhe  —■  über 
40°  _  hält  sich  bei  verhältnismässig  grossen  Tagesschwan¬ 

kungen  eine  Zeit  lang  —  im  Durchschnitt  9  Tage  —  auf  dieser 
Höhe,  um  nach  und  nach  abzufallen.  Auch  Rezidive  kommen 
vor.  Die  Diazoreaktion  ist  manchmal  vorhanden,  fehlt  manch¬ 
mal.  Auch  Leukopenie  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  zu  kon¬ 
statieren.  Oefters  besteht  Obstipation,  häufig  Durchfalle, 
manchmal  mit  Blut  in  den  Fäkalien.  Roseolen  zeigen  fast  alle 
Kranke.  Der  Leib  ist  meist  druckempfindlich,  Ileozoekalgurren 
ganz  deutlich  nachzuweisen.  Kurz:  kein  einziges  Symptom, 
das  bis  heute  beim  Typhus  abdominalis  zur  Beobachtung  kam, 
vermisst  man  beim  Metatyphus,  und  umgekehrt  tritt  im  klini¬ 
schen  Bild  dieser  Krankheit  eine  neue  symptomatologische  Er¬ 
scheinung,  die  etwa  beim  Typhus  fehlte,  nicht  zu  tage. 

Dagegen  weicht  der  Erreger  des  Metatyphus  in  wesent¬ 
lichen  Punkten  vom  E  b  e  r  t  h  -  O  a  f  f  k  y  sehen  Bazillus  ab. 
Das  Bacterium  metatyphi  ist  ein  lebhaft  bewegliches,  kurzes 
Stäbchen  mit  abgerundeten  Ecken.  Im  allgemeinen  erschein 
die  Form  des  Bakteriums  etwas  grösser  als  die  des  Jyphus- 
bazillus,  doch  kommen  wie  auch  bei  letzterem  bald  kleine,  bald 
grössere  Formen  vor.  Fadenbildung  ist  vorhanden.  Die  Fär¬ 
bung  gelingt  mit  den  gewöhnlichen  Anilinfarben.  Der  Bazillen¬ 
leib  färbt  sich  sowohl  in  Ausstrichen  aus  Reinkulturen  wie  un¬ 
mittelbar  aus  dem  Tierkörper  vollkommen  gleichmassig.  Nach 
Gram  ist  der  Bazillus  nicht  färbbar. 

Derselbe  gedeiht  auf  den  gewöhnlichen  Nährboden.  Sem 
Temoeraturoptimum  ist  37°.  Bei  Zimmertemperatur  is 
Wachstum  verlangsamt,  aber  immer  noch  Kräftig  Bei  Sauer¬ 
stoffabschluss  entwickeln  sich  die  Kolonien  ebensogut  wie  bei 

Anwesenheit.  .  A 

Die  Bouillon  wird  schon  nach  wenigen  Stunden  dittus 
getrübt,  der  Bodensatz  ist  gering.  Häutchenbildung  an  dei 
Oberfläche  dieses  flüssigen  Nährmediums  konnte  ich  nicht  be¬ 
obachten.  Neigt  man  dagegen  das ;  Rewnzglas^cn  nac 
einigen  Tagen  langem  Stehen  vorsichtig  zur  Seite  so  bemerkt 
man  an  den  Wandungen  des  Röhrchens  leMrt  haftend  zu- 
sammenhängende  Bazillenrasen  in  Form  feiner  durchsichtiger 

HäUtIn'dol'  konnte  ich  in  8  Tage  alten  Bouillonkulturen  nicht 

"" Gelatine  erscheinen  die  Kolonien  nach  24  Stund^^s 

weisslichgelbe  Punkte,  die  in  den  folgenden  2  braun- 

zunehmen.  Die  Kolonien  erscheinen  dann  r i  der  Mi ‘irenaus- 
gelb  gefärbt,  gegen  den  Rand  zu  hellet.  ™"f‘ac " X *- 
strich  auf  der  Gelatineplatte  erscheinen  die  Rasen  des  Meta 
typhusbazillus  massiger  und  undurchsichtiger  wie  die  des  Ei  - 


i/ÜÖ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


als  feine,  durchsichtige  Auflagerungen,  die  bei  durchfallendem 
Licht  einen  bläulichweiss  irisierenden  Ton  zeigen.  Der  Meta¬ 
typhusbazillus  dagegen  bildet  dichte,  massige,  undurchsichtige 
Rasen,  die  einen  gelblichweissen  Ton  erkennen  lassen.  So  kon¬ 
stant  sich  bisher  diese  Erscheinung  zeigte  —  es  handelte  sich 
um  12  Metatyphus-  und  15  echte  Typhusstämme  —  so  möchte 
ich  dieselbe  doch  nicht  als  unfehlbares  differentialdiagnostisches 
Hilfsmittel  zwischen  Typhus-  und  Metatyphusbazillus  aufstellen. 
Denn  ein  üppigeres  Wachstum,  wobei  die  Kolonien  ebenfalls 
undurchsichtig  und  gelb  erschienen,  ist  auch  beim  Typhus¬ 
bazillus  beobachtet  und  beschrieben  worden.  Die  Frage  muss 
aber  in  Zukunft  berücksichtigt  werden,  ob  es  sich  hiebei  wirk¬ 
lich  um  einen  echten  Typhusbazillus  oder  aber  um  einen  Meta¬ 
typhusbazillus  handelt.  Letzterer  ist  dadurch 
von  demersterenleichtzu  unterscheiden,  dass 
er  auf  Qlyzerinagar  Kristalle  von  ganz  typi¬ 
scher  Form  bildet,  eine  Erscheinung,  die  bis¬ 
her  weder  beim  Typhusbazillus  noch  beim  Er¬ 
reger  desParatyphusbeobacht  et  wurde.  Macht 
man  mit  einer  Reinkultur  des  Metatyphusbazillus  einen  Ober¬ 
flächenausstrich  auf  Qlyzerinagar,  so  bemerkt  man  meist  schon 
nach  24  Stunden  unmittelbar  unterhalb  der  Kolonie  stark  licht¬ 
brechende  feinste  Kristalle.  Es  sind  dünne  feine  Nadeln,  die 
in  ihrem  Aussehen  und  ihrer  Kristallform  an  Tyrosinkristalle 
erinnern,  ihren  chemischen  Eigenschaften  nach  aber  keine  sind. 
Oft  liegen  sie  in  kolossalen  Mengen  vereinzelt  oder  gekreuzt, 
meistens  in  kleinen  Büscheln  in  der  ganzen  Ausdehnung  des 
Impfstriches.  Häufiger  jedoch  treten  sie  nur  an  einzelnen  Stel¬ 
len  desselben  hervor,  bilden  aber  dann  mächtige  Haufen,  aus 
denen  die  Krystallbiischel  strahlen-  oder  fächerförmig  hervor- 
spriessen.  Ihre  Farbe  ist  gelbweiss,  wie  Seide  glänzend.  Eine 
genaue  chemische  Analyse  war  bisher  nicht  möglich,  da  ich 
die  dazu  erforderliche  grössere  Menge  von  Krystallen  noch 
nicht  beisammen  habe.  Nach  Dr.  Neubauer,  der  in  liebens¬ 
würdigster  Weise  die  chemische  Untersuchung  der  Krystalle 
übernommen,  sind  es  wahrscheinlich  Kalksalze  einer  organi¬ 
schen  Säure.  Die  fraglichen  Krystalle  sind  unlöslich  in  heissem 
Wasser,  Aether.  Alkohol  und  Kalilauge,  leicht  löslich  in  Säuren. 
Die  Lösung  in  Essigsäure  gibt  mit  Ammoniumoxalat  eine  feine 
Trübung.  Hervorheben  möchte  ich.  dass  ich  die  Krystallbil- 
dung  bei  keinem  der  12  Stämme  des  Metatyphus  vermisste,  dass 
dieselbe  ferner  niemals  bei  den  echten  Typhusstämmen  auf¬ 
trat.  Wodurch  wird  nun  diese  Ausscheidung  von  Krystallen 
veranlasst?  Zunächst  könnte  man  an  Austrocknungserschei¬ 
nungen  denken.  Dieser  Einwand  wird  aber  dadurch  hinfällig, 
dass  die  Krystallbildung  schon  nach  24  Stunden  sich  vollzieht, 
ferner  durch  den  Umstand,  dass  dieselbe  nur  beim  Metatyphus¬ 
bazillus  auftritt,  während  sie  beim  E  b  e  r  t  h  -  G  a  f  f  k  y  sehen 
Bazillus,  der  gleichzeitig  auf  dieselbe  Glyzerinagarplatte  aus¬ 
gestrichen  wurde,  unterbleibt.  Viel  wahrscheinlicher  ist  es, 
dass  durch  Sekretionsprodukte  des  Metatyphusbazillus  die  Kry¬ 
stalle  aus  dem  Nährboden  ausgefällt  werden.  Diese  Annahme 
wird  auch  dadurch  gestützt,  dass  die  Krystalle  auch  etwas  ent¬ 
fernt  von  den  Kolonien  des  Bazillus  im  freien,  unbewachsenen 
Agar  sich  zeigen.  Die  Sekretionsprodukte  der  Bakterien  kön¬ 
nen  ja  begünstigt  durch  den  kolloidalen  Charakter  der  Agar¬ 
platte  sehr  leicht  in  dieselbe  diffundieren.  Ueber  die  Art  dieser 
Sekretionsprodukte  kann  ich  keinen  weiteren  Aufschluss  geben 
Bemerken  will  ich  jedoch  noch,  dass  die  Kristallbil¬ 
dung  unterbleibt,  wenn  man  Typhus  -  und  Me- 

tatyphusbazillusinMischkuIturaufderAgar- 
platte  anlegt.  Typhus  -  und  Metatyphusbazil¬ 
lus  wirken  also  antagonistisch  auf  einander 
e  i  n. 

In  P  e  t  r  u  s  c  h  k  y  scher  Lackmusmolke  entspricht  das 
\  achstum  dem  des  Typhusbazillus.  Häutchenbildung  wurde 
auch  hier  nicht  beobachtet,  die  Flüssigkeit  wird  nicht  getrübt 
Milch  wird  nicht  koaguliert  (nach  14  Tagen). 

Auf  Lackmus-Milchzucker-Kristallviolettagar  nach  Con¬ 
rad  i  -  D  r  i  g  a  I  s  k  i  wächst  der  Metatyphusbazillus  in  blauen 
Kolonien. 

Auf  Traubenzucker  enthaltenden  Nährböden  wird  kein  Gas 
gebildet. 

Auf  Blutagar  dagegen  ist  das  Wachstum  des  Metatyphus¬ 
bazillus  verschieden  von  dem  der  bis  jetzt  bekannten  typhus¬ 


ähnlichen  Bakterien  und  dem  des  Typhusbazillus  selbst.  Ueber 
das  Wachstum  dieser  Mikroben  auf  diesem  Nährboden  ist  bis 
jetzt  wenig  bekannt,  ich  muss  deshalb  an  dieser  Stelle  zum 
besseren  Verständnis  der  Unterschiede  auch  die  Eigentümlich¬ 
keiten  der  letztgenannten  Mikroorganismen  schildern.  Als  be¬ 
kannt  darf  ich  wohl  die  Erscheinung  voraussetzen,  die  man 
beobachten  kann,  wenn  man  nach  den  Angaben  Schott- 
mü  Ilers  Typhusbazillen  aus  dem  Blute  Typhuskranker  zu 
züchten  versucht.  Nach  der  Mischung  des  aus  einer  Armvene 
steril  entnommenen  Blutes  mit  dem  flüssigen  Agar  erscheinen 
1  yphusbazillenkolonien,  sofern  solche  zur  Entwicklung  kom¬ 
men,  auf  der  Blutagarplatte  nach  vierundzwanzig  bezw.  zwei¬ 
mal  24  Stunden  als  schwarze  Punkte.  Diese  Eigentümlichkeit 
weisen  auch  die  Paratyphusbazillen  und  wie  ich  gleich  be¬ 
merken  will,  auch  die  Metatyphusbazillen  auf.  Dieselben  Er¬ 
scheinungen  machen  aber  alle  Bakterien,  die  im  Innern  der 
Blutagarplatte  zur  Entwicklung  kommen,  mit  Ausnahme  der¬ 
jenigen,  die  vermöge  ihrer  starken  Hämolysinbildung  einen 
hellen  kreisrunden  Hof  erkennen  lassen.  Ueber  die  Umwand¬ 
lung  des  roten  Blutfarbstoffes  bei  Oberflächenausstrich  durch 
Typhusbazillen  hat  Schottmüller  berichtet.  Dieser  Autor 
gibt  an,  dass  diese  Mikroben  eine  grünliche  Färbung  hervor- 
rufen.  Bei  meinen  Beobachtungen  der  Umwandlung  des  roten 
Blutfarbstoffes  durch  Bakterien  bei  ihrem  Wachstum  auf  der 
Blutagarplatte  (5  ccm  Agar,  2  ccm  Menschenblut)  ist  mir  nun 
folgendes  aufgefallen. 

Koli  wandelt  nach  24  Stunden  nur  die  Blutkörperchen,  die 
unmittelbar  unter  seinen  Kolonien  sich  befinden,  um.  Das  Rot 
der  Blutkörperchen  hat  einer  Färbung  von  blauviolet¬ 
tem  Tone  Platz  gemacht,  oft  vermischt  mit  grün¬ 
lichen  Streifen.  Häufig  überwiegt  die  grünlichgelbe 
Färbung,  die  dann  von  blauvioletten  Streifen  durch¬ 
setzt  ist.  Niemals  aber  geht  diese  Umwand¬ 
lung  des  roten  Blutfarbstoffes  über  die  Kolo¬ 
nien  hinaus  —  wohlgemerkt  nach  24  Stunden. 

Der  Eberth-Gaffkysche  Bazillus  wandelt 
das  Hämoglobin  in  eineVerbindungvon  grün¬ 
lichgelber  Färbung  um.  Diese  Veränderung 
setzt  sich  aber  schon  nach  24  Stunden  weit  in 
die  Umgebung  fort,  so  dass  der  Oberflächen¬ 
ausstrich  von  einem  Hof  von  grünlicher  Fär¬ 
bung  umgeben  ist.  Der  Paratyphusbazillus 
zeitigt  dieselben  Veränderungen  wie  der 
Typhus  bazillus. 

Im  direkten  Gegensatz  zu  all  diesen  steht  der  Metatyphus¬ 
bazillus.  Derselbe  ruft,  auf  die  Oberfläche  von 
Blutagar  ausgestrichen,  keine  sichtbare  Ver¬ 
änderung  in  der  Farbe  dieses  Nährbodens  her¬ 
vor. 

Der  Metatyphusbazillus  bildet  also  kein  Indol,  koaguliert 
Milch  nicht,  bildet  keine  Säure,  vergärt  Kohlehydrate  nicht 
unter  Gasbildung,  gleicht  also  in  dieser  Richtung  dem  echten 
Typhusbazillus,  unterscheidet  sich  aber  von  diesem  durch 
üppigeres,  kräftigeres  Wachstum  auf  Agar,  sowie  durch  Bil¬ 
dung  von  Krystallen  auf  Glyzerinagar,  endlich  durch  das  Un¬ 
vermögen,  den  roten  Farbstoff  der  Blutkörperchen  auf  dem 
Blutagarnährboden  in  sichtbarer  Weise  zu  verändern. 

Bei  dem  Wachstum  des  Typhus-  und  Metatyphusbazillus 
auf  dem  letztgenannten  Nährboden  ist  übrigens  wiederum  ein 
Antagonismus  dieser  beiden  Mikroben  zu  beobachten.  Macht 
man  nämlich  zwischen  den  Ausstrichen  von  echten  Typhus¬ 
bazillen  solche  von  Metatyphusbazillen,  so  bemerkt  man  nach 
einigen  Tagen,  dass  die  vorher  rot  erscheinende  Platte  durch 
die  Sekretionsprodukte  der  Typhusbazillen  vollkommen  umge¬ 
wandelt  ist.  Sie  hat  eine  grünlichgelbe  bis  braune  Farbe  ange¬ 
nommen.  Nur  da,  wo  die  Metatyphusbazillen  zur  Aussaat 
kamen,  ist  die  ursprüngliche  hellrote  Farbe  der  Platte  erhalten 
geblieben.  Die  Sekretionsprodukte  der  Metatyphusbazillen  wir¬ 
ken  also  ebenfalls  hemmend  auf  die  der  Typhusbazillen  ein. 
Nach  und  nach  aber  werden  auch  diese  roten  Inseln  durch  die 
Produkte  des  Typhusbazillus  in  ein  dunkles  Braungelb  umge¬ 
wandelt. 

Im  Tierversuch  erweist  sich  der  Metatyphusbazillus  um 
ein  geringes  weniger  pathogen  als  der  Typhusbazillus.  In¬ 
jiziert  man  0,5  ccm  einer  Maus  subkutan,  oder  einem  Meer- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


3.  September  1907. 


1769 


schweinchen  intraperitoneal,  so  gehen  die  T  iere  innerhalb  20 
Stunden  an  Sepsis  zu  Grunde. 

Fütterungsversuche  bei  weissen  Mäusen  führten  zu  einem 

negativen  Ergebnis.  . 

Es  gelingt  leicht,  weisse  Mäuse  durch  Injektion  nicht  töd¬ 
licher  Mengen  von  Metatyphusbazillen  gegen  die  mehrfach 
tödliche  Dosis  dieses  Bakteriums  zu  immunisieren.  Derartig 
immunisierte  Mäuse  zeigen  auch  einen  deutlichen  Schutz  gegen 
echte  Typhusbazillen.  Nach  der  Injektion  einer  einfach  töd¬ 
lichen  Menge  von  echten  Typhusbazillen  erkranken  zwar  die 
Versuchstiere,  bleiben  aber  am  Leben.  Durch  Verfütterung  von 
Metatyphusbazillen  vorbehandelte  Mäuse  zeigen  dagegen  keine 
erhöhte  Widerstandsfähigkeit  gegenüber  dein  Typhusbazillus. 
Dagegen  schützt  das  Serum  von  Tieren,  die  mit  Typhus-  oder 
Metatyphusbazillen  vorbehandelt  worden  waren,  sowohl  gegen 
den  Erreger  des  echten  Typhus  wie  gegen  den  des  Metatyphus. 

Genauere  Angaben  hierüber  werde  ich  später  folgen  lassen, 
wenn  meine  Versuche  über  diesen  Gegenstand  abgeschlossen 
sind. 

Weiter  wäre  noch  der  Beweis  zu  ‘erbringen,  dass  der  von 
mir  als  Metatyphus  bezeichnete  Bazillus  in  der  Tat  der  Erreger 
der  fraglichen  Krankheit  ist.  Dies  geht  schon  daraus  hervor, 
dass  es  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  mit  Leichtigkeit  gelang,  den 
Metatyphusbazillus  aus  dem  Blute  der  Erkrankten  in  Reinkultur 
zu  züchten.  Sowohl  das  Verfahren  nach  C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  wie 
das  nach  Schottmüller  führte  zu  gleich  guten  Resultaten. 
Ferner  gelang  es,  denselben  Bazillus  aus  Fäzes  zu  züchten. 
Zur  Züchtung  benützte  ich  den  Malachitgrünagarnährboden,  den 
ich  nach  den  Angaben  von  Leuchs  mir  herstellte.  Die  Re¬ 
sultate,  die  ich  mit  diesem  Nährboden  erzielte,  waren  vorzüg¬ 
lich.  Eine  weitere  Stütze  für  die  Behauptung,  das  die  Er¬ 
krankung  durch  den  Metatyphusbazillus  veranlasst  werde,  lie¬ 
fert  die  Bildung  von  Antikörpern  gegen  dieses  Bakterium  im 
Blute  der  Erkrankten.  Es  gelingt  sehr  leicht,  durch  Injektion 
geringer  Mengen  von  jRekonvaleszentenserum  Mäuse  oder 
Meerschweinchen  gegen  die  nachfolgende  Injektion  tödlicher 
Mengen  Metatyphusbazillen  zu  schützen.  Noch  einiges  über  die 
Bildung  von  Agglutininen  bei  Erkrankung  an  Metatyphus. 
Schon  Herrn  Dr.  v.  Hösslin  war  es  aufgefallen,  dass  das 
Serum  der  Kranken,  bei  denen  er  die  Diagnose  Iyphus  ab¬ 
dominalis  gestellt  hatte,  nur  geringe  Werte  in  Bezug  auf 
Agglutination  lieferte.  Die  höchste  Verdünnung  des  Serums, 
die  noch  einen  kräftigen  Ausschlag  erkennen  liess,  betrug 
1:400.  Ich  kann  diese  Beobachtung  nur  bestätigen.  Es  ist 
ganz  gleich,  ob  mit  dem  Serum  echte  Typhus-  oder  Meta¬ 
typhusbazillen  zur  Agglutination  gebracht  wurden,  die  Werte 
blieben  dieselben.  Ob  es  gelingt,  durch  ein  künstlich  her¬ 
gestelltes  hochwertiges  Serum  Differenzen  in  den  Agglutina¬ 
tionswerten  gegenüber  Typhus-  und  Metatyphusbazillen  zu  er¬ 
halten,  darüber  habe  ich  systematische  Versuche  noch  nicht  an¬ 
gestellt. 

Metatyphusbazillen  aus  den  Organen  von  Verstorbenen, 
die  diesem  Erreger  erlagen,  zu  züchten,  war  bisher  unmöglich, 
da  ein  Todesfall  durch  dieses  Bakterium  bis  jetzt  nicht  erfolgte. 
Bei  dem  einen  Fall,  der  durch  Sturz  der  Kranken  aus  dem 
Fenster  tödlich  endete,  wurde  es  leider  versäumt,  Bazillen  aus 
den  Organen  zu  züchten.  Von  einem  Unterschied  zwischen 
echtem  Typhusbazillus  und  dem  Erreger  der  Krankheit,  von 
der  die  betreffende  Patientin  (Wbg.)  befallen  war,  war  damals 
noch  nichts  bekannt. 

Fasse  ich  das  eben  Geschilderte  zusammen,  so  komme  ich 
zu  dem  Resultate,  dass  der  Metatyphusbazillus  ein  naher  Ver¬ 
wandter  des  E  b  e  r  t  h  -  G  a  f  f  k  y  sehen  Bazillus  ist,  der  aber 
durch  seine  Eigenschaften  —  Kristallbildung,  Unvermögen  den 
Blutfarbstoff  zu  verändern,  üppigeres  Wachstum  —  streng  von 
diesem  zu  trennen  ist.  Hervorheben  will  ich  noch  einmal,  dass 
all  diese  Eigentümlichkeiten  stets  zusammen  vorhanden  sind. 
Ist  Kristallbildung  vorhanden,  so  kann  man  auch  die  anderen 
charakteristischen  Merkmale  konstatieren.  Man  könnte  den 
Einwurf  machen,  es  handelte  sich  beim  Metatyphusbazillus 
nur  um  Jugenderscheinungen  des  echten  Eberth-Gaffky- 
schen  Bazillus,  die  geschilderten  Unterschiede  wären  nur  vor¬ 
übergehende  Erscheinungen,  der  Metatyphusbazillus  mithin  nur 
eine  Varietät  des  echten  Typhusbazillus.  Demgegenüber 
möchte  ich  betonen,  dass  ich  einige  Stämme  des  Metatyphus- 

No.  36. 


bazillus  schon  seit  3  Monaten  auf  allen  möglichen  Nährböden 
fortgeimpft  habe,  ohne  eine  Aenderung  ihres  Verhaltens  her¬ 
beiführen  zu  können.  Ausserdem  besitze  ich  einen  Stamm  des 
echten  Typhusbazillus,  der  ungefähr  gleichaltrig  ist  mit  einem 
des  Metatyphusbazillus,  die  geschilderten  Unterschiede  sind 
auch  hier  zu  beobachten.  Und  umgekehrt,  stehen  mir  Jahre 
alte  echte  Typhusbazillenstämme  zur  Verfügung,  die  sich  von 
dem  jüngsten,  4  Monate  alten  Stamm  in  keiner  Weise  unter¬ 
scheiden.  Ferner  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  des 
Herrn  Dr.  W  a  1  d  m  a  n  n  zwei  frische  Paratyphusbazillen- 
stämme.  Dieselben  wachsen  auf  Blutagar,  wie  ich  oben  ge¬ 
schildert,  in  gleicher  Weise  wie  die  echten  Typhusbazillen. 
Auch  diese  beiden  Stämme  rufen  auf  der  Blutagarplatte  die¬ 
selben  Veränderungen  hervor,  wie  Jahre  alte,  im  Laboratorium 
fortgezüchtete  Stämme  der  gleichen  Art. 

Wenn  aber  die  in  jüngster  Zeit  aus  allen  Krankheits¬ 
fällen,  bei  denen  die  Diagnose  auf  „Typhus  abdominalis“  lau¬ 
tete,  gezüchteten  Bazillen,  die  allein  als  Erreger  der  fraglichen 
Krankheit  in  Betracht  kommen  können,  nach  meinen  Unter¬ 
suchungen  streng  zu  trennen  sind  von  dem  Eberth- 
G  a  f  f  k  y  sehen  Bazillus,  so  finde  ich  eine  Erklärung  dieser  Er¬ 
scheinung  viel  natürlicher,  wenn  ich  als  Grund  hierfür  an¬ 
nehme,  dass  alle  diese  Erkrankungen  ein  und  derselben  Infek¬ 
tionsquelle  entspringen. 

Nachtrag  bei  der  Korrektur: 

Ausserdem  wurde  aus  dem  Blute  einer  Patientin,  die  vor  14  Ta¬ 
gen  in  die  I.  medizinische  Klinik  mit  typhuisverdächtigen  Symptomen 
eingeliefert  wurde,  ein  echter  Eberth-Qaffky scher  Bazillus 
isoliert.  Auch  dieser  jüngste  Stamm  unterscheidet  sich  in  keinem 
Punkte  von  den  übrigen  echten  Typhusstämmen,  hat  ferner  anderer¬ 
seits  die  für  den  Metatyphusbazillus  charakteristischen  Merkmale 
nicht  aufzuweisen. 

Unterdessen  konnte  eine  neue  Erscheinung,  hervorgerufen  durch 
das  Wachstum  des  Metatyphusbazillus  im  Oberflächenausstrich  im 
Agarröhrchen,  konstatiert  werden,  die,  wie  es  scheint,  als  ein  wei¬ 
teres  differentialdiagnostisches  Hilfsmittel  zwischen  Metatyphus- 
und  Typhusbazillus  verwertet  werden  kann.  Der  Agar  eines 
mit  Metatyphusbazillen  beschickten  Agarröhr¬ 
chens  färbt  sich  nämlich  nach  14  Tagen  d  u n  k  e  1  g  e  1  b 
bis  gelbbraun,  während  der  gleiche  Nährboden 
mit  echten  T  y  p  h  u  s  b  a  z  i  1 1  e  n  geimpft  seine  ur¬ 
sprüngliche  Farbe  beibehält. 


Aus  der  dermatologischen  Universitätsklinik  zu  Breslau. 

Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Wirkung  der 
Bi  er  sehen  Stauung  auf  den  Entzündungsvorgang. 

Von  Dr.  Franz  Honigmann,  Chirurg,  und  Privatdozent 

Dr.  Jean  S  c  h  äf  f  e  r. 

Der  Prüfstein  für  die  Brauchbarkeit  einer  Behandlungs¬ 
methode  ist  die  klinische  Erfahrung.  Nicht  theoretische  Er¬ 
örterungen  oder  Laboratoriumsversuche,  sondern  die  Beobach¬ 
tungen  am  Krankenbett  müssen  über  den  Wert  eines  thera¬ 
peutischen  Verfahrens  das  letzte  Wort  sprechen.  Dennoch  lehrt 
die  Geschichte  der  Medizin,  dass  die  Empirie  allein  oft  auf 
falsche  Bahnen  führt  und  keine  sicheren  Grundlagen  für  eine 
exakte  Indikationsstellung  zu  schaffen  vermag,  wenn  sie  nicht 
durch  wissenschaftliche  Kritik  geleitet  und  kontrolliert  wird. 
Gerade  bei  den  einfachsten,  alltäglich  gebrauchten  Behand¬ 
lungsmethoden,  bei  der  Verwendung  der  Hitze,  Kälte,  feuchten 
Wärme  u.  dgl.  zeigt  sich  dies  sehr  deutlich,  und  es  ist  erstaun¬ 
lich,  wie  ganz  verschieden  die  ärztlichen  Ansichten  über  die 
Zweckmässigkeit  dieser  Mittel  bis  zum  heutigen  läge  sind. 
Obgleich  seit  Jahrhunderten  diese  einfachen  Prozeduren  von 
allen  Praktikern  geübt  werden,  ist  noch  heute  die  Indikations¬ 
stellung  für  die  einzelnen  Massnahmen  schwankend,  unsicher 
und  /willkürlich.  Der  eine  behandelt  eine  akute  Entzündung 
mit  Kälte,  der  andere  mit  heissen  Applikationen;  mancher 
rühmt  die  feuchten  Verbände  als  vorzügliches  Antiphlogisti- 
kum,  mancher,  verwirft  sie,  weil  er  eine  Verschleppung  odei 
Verschlimmerung  der  Entzündung  fürchtet.  Ein  Hauptgrund 
für  die  Planlosigkeit  bei  'der  Verwendung  dieser  praktisch 
wichtigen  Behandlungsmethoden  liegt  gewiss  darin,  dass  die 
eigentliche  Art  und  Weise  ihrer  Wirkung  auf  den  Entzündungs¬ 
prozess  noch  wenig  bekannt  ist.  Gelingt  es  erst,  diese  aulzu¬ 
klären  und  die  Vorgänge  unter  dem  Einfluss  der  verschie¬ 
denen  Massnahmen  genauer  festzustellen,  so  werden  wii  ehei 

2 


1770 


MUENCHENER  MEDIZINISCEIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


lernen  sie  in  der  Praxis  systematischer,  zweckmässiger  und 
damit  erfolgreicher  auszunützen.  Von  dieser  Erwägung  aus¬ 
gehend  haben  wir  uns  die  Aufgabe  gestellt,  den  Einfluss 
der  gebräuchlichsten  Behandlungsmethoden 
auf  einen  künstlich  erregten  Entzündungs- 
vorgangbeimTierzu  untersuchen. 

Die  Ergebnisse  dieser  experimentellen  Studie  sollen  in 
kurzer  Zeit  als  Monographie  erscheinen. x) 

Nachdem  nun  die  ,,B  i  e  r  sehe  Stauung“  in  den  letzten 
Jahren  auch  für  die  Behandlung  akuter  Entzündungen  bei  den 
Praktikern  immer  mehr  an  Boden  gewonnen  hat,  haben  wir 
sie  gleichfalls  in  den  Rahmen  unserer  Untersuchungen  aufge- 
nommen  und  unsere  Befunde  ausführlich  in  der  genannten  Mo¬ 
nographie  geschildert.  Bei  dem  allgemeinen  Interesse,  das 
dieser  aktuellen  Frage  engegengebracht  wird,  halten  wir  es  für 
angezeigt,  schon  jetzt  an  dieser  Stelle  das  Wesentlichste  in 
Kürze  mitzuteilen. 

Ueber  den  Wert  der  Stauungsbehandlung  akut  entzünd¬ 
licher  Prozesse  ist  ein  abschliessendes  Urteil  noch  nicht  ge¬ 
fällt,  vor  allem  auch  nicht  über  die  Abgrenzung  der  für  diese 
Therapie  geeigneten  Fälle.  Wir  glauben  nun,  dass  es  für  die 
Klärung  mancher  noch  strittiger  Punkte  auf  diesem  Gebiet  von 
Vorteil  sein  wird,  wenn  es  gelingt  die  besondere  Wirkungs¬ 
weise  der  Stauung  auf  den  Entzündungsvorgang  festzustellen. 

Es  sind  schon  zahlreiche  Untersuchungen  vorgenommen 
worden,  um  die  Ursache  des  Heileffektes  bei  der  Bier  sehen 
Behandlungsmethode  zu  ergründen,  und  manche  Einzelfrage  ist 
schon  beantwortet,  manches  wichtige  und  fruchtbare  Ergebnis 
dabei  gezeitigt  worden.  Doch  eine  einheitliche  Auffassung  lässt 
sich  dabei  nicht  ableiten.  Während  die  einen  (vor  allem  Bier 
und  seine  Schüler)  auf  die  Veränderungen  der  Zirkula- 
tionsverhältnisse  im  Sinne  einer  Verstärkung  der  Ent¬ 
zündungserscheinungen  das  Hauptgewicht  Jegen,  gingen  andere 
von  der  Ansicht  aus,  dass  durch  die  Stauung  die  antibakteriellen 
Kräfte  des  Organismus  in  ihrer  Wirksamkeit  erhöht  werden. 

J.  H.  Hamburger  fand  die  Bakterizidie  des  Blutserums  bei 
Stauung  erhöht,  A.  Laqueur  dagegen  wenig  verändert.  Dass 
in  dem  Stauungsödem  eine  stärkere  Ansammlung  bak¬ 
terienfeindlicher  Stoffe  stattfindet,  muss  wohl  aus  den  Unter¬ 
suchungen  von  Hamburger,  Noetzel,  Colley,  Arndt, 
Baumgarten,  Gr  über  und  Futaki  geschlossen  wer¬ 
den.  2) 

Andererseits  weisen  aber  L  e  x  e  r  und  Wolff-Eisner 
daraufhin,  dass  das  Stauungsödem  durch  Bakteriolyse  die  An¬ 
sammlung  von  Endotoxinen  begünstige  und  dadurch  nament¬ 
lich  bei  schweren  Infektionen  schädigend  wirke’  wenn  es  auch  ' 
durch  Verdünnung  der  Bakterientoxine  und  Ausschwemmung 
(Joseph)  des  mit  dem  Messer  freigelegten  Entzündungs¬ 
herdes  Nutzen  bringen  kann. 

Weiterhin  sieht  L  e  x  e  r  in  der  schubweisen  Resorption 
(während  der  Stauungspause)  eine  Gefahr,  die  jedoch  von 
Bier  und  Joseph  bestritten  wird. 

Auch  über  die  Rolle  der  Leukozyten  bei  der  Stauung 
besteht  keine  Einigkeit.  Hamburger  konnte  im  Tier¬ 
experiment  keinen  wesentlichen  Einfluss  der  venösen  Stauung 
auf  Chemotaxis  und  Phagozytose  nachweisen,  N  o  e  t  z  e  1  fand 
bei  seinen  Infektionsversuchen  die  Leukozyten  im  Stauungs¬ 
gebiet  vermehrt.  Blutkörperchenzählungen,  welche  La¬ 
queur,  v.  Leyden  und  Lazarus  sowie  S  t  a  h  r  an  ge¬ 
stauten  Gliedern  bei  Menschen  Vornahmen,  ergaben  wider¬ 
sprechende  Resultate.  .Heile  endlich  nimmt  an,  dass  die 
Autolyse  der  Leukozyten  durch  die  Stauung  begünstigt  werde 
und  für  die  Einleitung  der  Heilung  von  Bedeutung  sei. 

Noch  fehlt  aber  eine  exakte  Untersuchung  darüber,  wie 
denn  die  feineren  Vorgänge  des  Entzündungsprozesses  sich 
unter  dem  Einfluss  der  Bier  sehen  Stauung  gestalten  und 


1 )  J.  S  c  h  ä  f  f  e  r :  „Der  Einfluss  thermischer  und 
anderer  therapeutischer  Massnahmen  auf  den 
Entzündung 'S  vorgan  g“.  (Experimentelle  Untersuchungen 
über:  Heisse  Umschläge.  Thermophor,  Heissluftbehandlung,  Eisblase, 
feuchte  Verbände,  P  r  i  e  s  s  n  i  t  z  sehe  Umschläge,  Spiritusverbände, 
Jodpinselung,  Pflasterbehandlung  und  die  B  i  e  r  sehe  Stauung.)  Ver¬ 
lag  von  Ferdinand  Enke,  Stuttgart. 

-)  Ein  ausführliches  Literaturverzeichnis  über  unseren  Gegen¬ 
stand  findet  sich  in  der  erwähnten  Monographie.  Wir  sehen  daher 
hier  von  genaueren  Angaben  ab. 


verändern.  Zwar  hat  N  o  e  t  z  e  1  auch  histologische  Unter¬ 
suchungen  angestellt,  aber  ohne  einen  vollständig  gleichartigen 
Entzündungsprozess  ohne  Stauung  zum  Vergleich  heranzu¬ 
ziehen.  Auch  war  seine  Versuchsanordnung  (subkutane  In¬ 
jektion  von  Bakterienkulturen)  für  die  Entscheidung  dieser 
Frage  nicht  geeignet.3) 

Um  den  Einfluss  der  Bindenstauung  auf  den  Entzündungs¬ 
prozess  zu  studieren,  haben  wir  uns  einer  Methode  bedient, 
welche  der  eine  von  uns  (Sch  äff  er)  nach  zahlreichen  Vor¬ 
versuchen  gerade  für  die  Prüfung  derartiger  Fragen  ausge¬ 
arbeitet  und  in  der  erwähnten  Monographie  genauer  be¬ 
schrieben  hat. 

Das  hier  nur  ganz  kurz  wiederzugebende  Verfahren  be¬ 
steht  darin,  Fäden,  die  mit  bestimmten  chemischen  Lösungen 
(z.  B.  Argent.  nitr.)  oder  Bakterienaufschwemmungen  impräg¬ 
niert  waren,  nach  einer  bestimmten  Methode  an  symmetrischen 
Stellen  eines  Versuchstieres  unter  die  Haut  einzuführen.  Be¬ 
handelt  man  die  eine  Seite  in  der  gewünschten  Weise,  so  kann 
man  natürlich  beurteilen,  wie  der  Entzündungsprozess  beein¬ 
flusst  wird,  da  ja  die  andere  unbehandelte  Seite  in  jedem 
Augenblick  zum  Vergleich  und  zur  Kontrolle  dient.  Die  Me¬ 
thode  bietet  den  Vorteil,  das  man  einen  ganz  bestimmten,  wohl 
graduierten  Entzündungsvorgang  auslösen  kann  (eine  Vorbe¬ 
dingung  für  alle  derartigen  experimentellen  Untersuchungen), 
dass  man  vielfache  Variationen,  wie  sie  den  klinischen  Be¬ 
dingungen  am  meisten  entsprechen,  vorzunehmen  und  damit 
verschiedene  Fragen  zu  beantworten  vermag.  Man  kann  bald 
nach  der  Einführung  der  entzündungserregenden  Fäden  die  Be¬ 
handlung  vornehmen;  dabei  erhält  man  natürlich  die  stärksten 
Ausschläge  und  gewinnt  die  beste  Vorstellung  über  die  Wir¬ 
kung  der  geprüften  Prozedur.  Oder  man  leitet  die  Behandlung 
erst  ein,  nachdem  der  Faden  schon  eine  Zeitlang  gelegen  und 
ein  bestimmtes  Infiltrat  in  seiner  Umgebung  veranlasst  hat, 
und  untersucht  so  den  Einfluss  auf  einen  schon  entwickelten 
entzündlichen  Prozess.  Endlich  kann  man  die  Behandlung 
nach  einer  gewissen  Zeit  aussetzen  und  weiter  beobachten, 
wie  jetzt  der  Entzündungsprozess  verläuft,  welche  Nachwir¬ 
kung  also  die  Behandlungsmethode  hatte.  (Gerade  dieser 
Punkt  spielt  bei  den  verschiedenen,  in  der  erwähnten  Mono¬ 
graphie  geprüften  Behandlungsmethoden  eine  sehr  grosse  Rolle.) 
Es  bietet  sich  ferner  die  Möglichkeit,  jederzeit  die  Behandlung 
zu  unterbrechen  und  von  neuem  zu  beginnen,  auch  den  Ent¬ 
zündungsreiz  in  jedem  Augenblick  zu  sistieren,  nämlich  durch 
Herausziehen  der  Fäden.  Kurz  in  mannigfacher  Weise  lässt 
sich  die  Versuchsanordnung  einer  beliebigen  Fragestellung  an¬ 
passen. 

Diese  Fadenmethode  hat  sich  nun  auch  bei 
der  Untersuchung  der  Frage,  wie  die  Stauung 
auf  akute  Entzündungen  wirkt,  als  geeignet 
erwiesen.  Die  Fäden  wurden  an  symmetrischen  Stellen 
der  beiden  (tags  vorher  rasierten)  Hinterbeine  des  Tieres  ein¬ 
geführt.  Zwar  hat  Bier  betont,  dass  es  nur  schwer  gelingen 
dürfte  den  von  ihm  geforderten  Grad  der  Stauung  am  Ka- 


3)  Ueber  die  Wirkung  der  Saugglocke  hat  Hofmann 
Untersuchungen  an  tuberkulösen  Granulationen  angestellt.  Er  fand 
nach  3U  ständiger  Saugung,  ausser  starker  Gefässerweiterung,  inner¬ 
halb  der  Gefässe  ein  fast  normales  Verhältnis  von  roten  und  weissen 
Blutkörperchen,  dagegen  im  Gewebe  fast  alle  Leukozyten  ver¬ 
schwunden,  die  Gewebsmaschen  erweitert,  mit  serösem  Gerinnsel 
erfüllt.  Da  im  Schröpfkopf  ein  leukozytenreiches  Exsudat  aufgefangen 
wurde,  so  glaubt  er,  dass  das  Granulationsgewebe  durch  die  Saugung 
förmlich  ausgewaschen  wird. 

Nach  Schluss  unserer  Untersuchungen  hat  Rosenberger 
(Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und  zur  allge¬ 
meinen  Pathologie,  Bd.  41,  Heft  2,  1907,  S.  239)  wichtige  Experimente 
publiziert:  Ueber  den  Verlauf  der  akuten  eitrigen  Ent¬ 
zündung  mit  und  ohne  Stauungshyperämie  (durch 
Saugglocken).  Er  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  durch  die  Sau¬ 
gung  nicht  nur  die  Hyperämie,  Transsudation  und  Leukozytenemigra¬ 
tion  vermehrt,  sondern  auch  die  Regenerationsvorgänge  (Gefäss-  und 
Bindegewebsneubildung)  beschleunigt  und  verstärkt  werden. 

Auch  wir  haben  einige  Versuche  mit  Saugung  durchgeführt, 
wollen  aber  die  Resultate  vorläufig  nicht  verwerten,  da  es  uns  bisher 
nicht  gelang,  die  Versuchstechnik  bei  der  grossen  Verschieblichkeit 
der  1  ierhaut  ganz  entsprechend  den  menschlichen  Verhältnissen  zu 
gestalten.  Doch  gewannen  wir  aus  den  bestgelungenen  Versuchen 
den  Eindruck,  dass  Saugung  und  Bindenstauung  nicht  in  der  gleichen 
Weise  auf  den  Entzündungsvorgang  wirken. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1771 


3.  September  1907. 

ninchenbein  zu  erzielen.  Doch  haben  ja  auch  N  o  e  t  z  e  1,  Jo¬ 
seph  und  Bau  m  garten  bei  diesem  Tier  eine  erfolgreiche 
Stauung  hervorrufen  können.  Wir  wollen  allerdings  nicht 
leugnen,  dass  manche  oft  sogar  nicht  geringe  Schwierig¬ 
keiten  bestehen,  eine  den  Verhältnissen  beim  Menschen  ent¬ 
sprechende  Stauung,  namentlich  für  lange  Dauer,  beim  Ka¬ 
ninchen  zu  erzielen.  Doch  glauben  wir,  dass  es  bei  der  Be¬ 
obachtung  gewisser  Vorsichtsmassregeln  gelingt,  auch  beim 
Kaninchen  eine  Stauung  zu  erreichen,  die  in  Analogie  zu  setzen 
ist  zu  der  beim  Menschen  (wie  auch  wir  sie  übrigens  praktisch 
in  zahlreichen  Fällen  mit  gutem  Erfolge  vorgenommen  haben). 

Die  Staubinde  —  ein  5  mm  dicker  weicher  Gummischlauch 
mit  Mull  überfüttert  —  wurde  an  der  Schenkelbeuge  eines 
Hinterbeines  angelegt,  und  der  Effekt  der  Stauung  beobachtet, 
bis  —  öfters  erst  nach  mehrfacher  Modifikation  der  Umschnii- 
rung  —  der  gewünschte  Grad  erreicht  war. 

Als  Kriterien  der  richtig  angelegten  Stauung  sahen  wir 
folgende  Erscheinungen  an: 

1 .  Deutlich  sichtbare  A  n  f  ü  1 1  u  n  g  der  Haut- 
venen,  die  meist  nach  kurzer  Zeit  als  pralle  Stränge  hervor¬ 
treten. 

2.  Erhalten  bleibe  n  des  Arterienpulses  peri¬ 
pher  von  der  Abschnürung  (bei  vielen  Tieren  wegen  der 
schlechten  Fühlbarkeit  der  Poplitea  auch  am  ungestauten  Bein 
schwer  festzustellen). 

3.  Hyperä mische  Verfärbung  der  Haut.  We¬ 
gen  der  relativen  Gefässarmut  im  Papillarkörper  der  Ka¬ 
ninchenhaut  ist  hier  die  Hyperämie  nicht  so  augenfällig  wie 
bem  Menschen;  doch  ist  bei  genauer  Beobachtung  oft  schon 
nach  kurzer  Zeit,  je  nach  dem  Stauungsgrad,  eine  rosa-  bis 
bläulichrote  Verfärbung  der  Haut  des  igestauten  Beines  zu 
konstatieren.  Oefters  sah  man  auch  kleine  Hautsuffusionen  auf- 
treten,  in  gelungenen  Versuchen  jedoch  nie  mit  dem  Charakter 
einer  Gewebsschädigung. 

4.  Warmbleiben  der  Hauttemperatur.  Ver¬ 
suche,  bei  denen  es  zur  „kalten  Stauung“  kam,  wurden  nicht 
verwertet. 


Unbehandelte  Seite. 


erhoben  haben,  so  meinen  wir  doch  —  wenn  auch  natürlich 
mit  der  bei  Tierversuchen  stets  nötigen  Vorsicht  —  diese 
experimentellen  Untersuchungen  verwerten  zu  können. 

Wir  haben  bei  unseren  Experimenten  eine  relativ  kurze  Be- 
handlungs-  und  Beobachtungszeit  gewählt,  um  festzustellen,  in 
welcher  Weisender  Entzündungsprozess'  in  der  ersten  Zeit  durch 
die  veränderten  Zirkulationsverhältnisse  modifiziert  wird. 

In  einer  Anzahl  von  Versuchen  wurde  die  Stauungsbinde 
sofort  nach  Einführung  der  Fäden  angelegt  (verschiedene 
Grade  der  Stauung:  schwach,  mittelstark  und  sehr  stark;  ver¬ 
schiedene  Zeitdauer,  bis  24  Stunden).  In  einer  zweiten  Ver¬ 
suchsreihe  begannen  wir  die  Stauungsbehandlung  erst,  nach¬ 
dem  ein  umschriebener  Entzündungsprozess  sich  entwickelt 
hatte,  und  endlich  bei  einer  dritten  Gruppe  wurde  der  Entzün¬ 
dungsvorgang  untersucht,  nachdem  die  Stauungsbinde  wieder 
entfernt  worden  war.  Als  Entzündungsreiz  dienten  Katgut 
oder  Seidenfäden,  die  imprägniert  wurden  mit  verschieden 
starken  Argentum  nitr. -Lösungen  oder  mit  reichlichen  Auf¬ 
schwemmungen  von  Staphylokokken. 

Wir  teilen  hier  nur  die  wichtigsten  Tatsachen  mit,  die  sich 
aus  unseren  Tierversuchen  —  gegen  30  an  Zahl  —  ergeben. 
Betreffs  der  genaueren  Versuchsprotokolle  und  der  ausführ¬ 
lichen  Schilderung  der  mikroskopischen  Befunde  verweisen  wir 
auf  die  erwähnte  Monographie.  Nur  ein  Versuch,  auf  den  sich 
auch  die  beigegebenen  Abbildungen  beziehen,  soll  als  Para¬ 
digma  hier  kurz  wiedergegeben  werden.  Es  handelt  sich  um 
ein  Experiment  aus  der  3.  Versuchsreihe  (Behandlung 
eines  schon  bestehenden  Infiltrates)  eine  An¬ 
ordnung,  wie  sie  also  den  praktischen  Verhältnissen  am  meisten 
entspricht. 

Einfluss  der  Stauungsbehandlung  auf  ein  ent¬ 
zündliches  Infiltrat.  Kaninchenversuch.  —  Auf  der  unb'e- 


Gestaute  Seite. 


Einfluss  der  Stauungsbehandlung  auf  ein  entzündliches  Infiltration.  Kaninchenversuch.  — -  Auf  der  unbehandelten  .  eite 
sieht  man  eine  mächtige,  den  Eadenquerschnitt  umgebende  Leukozytenansammlung.  Auf  der  gestauten  Seite  ist  diese  sehr  gering,  dagegen 
fallen  die  die  Venen  umgebenden  Infiltrate  auf.  (Siehe  die  folgende  Schilderung  des  mikroskopischen  Befundes.) 


5.  Auftreten  eines  deutlich.  enOedems.  Dasselbe  tritt 
aus  anatomischen  Gründen  beim  Kaninchen  mehr  hervor  als 
beim  Menschen,  doch  sei  betont,  dass  wir  niemals  etwa  die 
von  Bier  als  unwirksam  bezeichnete  „weisse  Stauung“  bei 
unseren  Tieren  hervorgerufen  haben. 

6.  Am  wichtigsten  blieb  der  histologische  Nach¬ 
weis,  dass  wirklich  eine  venöse  Hvnerämie  bestand,  aber 
keine  nennenswerten  Hämorrhagien  und  keine  Veränderungen 
im  Sinne  einer  Stase  oder  überhaupt  einer  Gewebsschädigung 
zu  finden  waren. 

Endlich  haben  wir  noch  absichtlich  die  Intensi¬ 
tät  der  Umschnürung  variiert,  um  dem  Einwand  zu 
begegnen,  dass  der  Grad  der  von  ums  verwandten  Stauung 
beim  Tierversuch  nicht  die  Verhältnisse  bei  der  klinischen  Be¬ 
handlung  trifft.  Da  wir  aber  auch  dabei  konstante  Befunde 


handelten  Seite  sieht  man  eine  mächtige,  den  Eadenquerschnitt  um¬ 
gebende  Leukozytenansammlung.  Auf  der  gestauten  Seite  ist  diese 
sehr  gering,  dagegen  fallen  die  die  Venen  umgebenden  Infiltrate  auf. 
(Siehe  die  folgende  Schilderung  des  mikroskopischen  Befundes.) 

Versuch: 

Einführung  eines  mit  lOproz.  Argent.  nitr. -Lösung  getränkten 
Katgutfadens  an  symmetrischen  Stellen  der  hinteren  Extremität  eines 
Kaninchens.  Nach  5  Stunden  wird  auf  der  einen  Seite  (oberhalb  der 
Eadenstelle)  eine  Stauungsbinde  angelegt,  die  19  Stunden  heget1 
bleibt.  Die  andere  Seite  bleibt  als  Kontrolle  unbehandelt.  Nach 
24  Stunden  gleichzeitig  Exzision  der  beiden  Fadenstellen.  Einbettung 

in  Zelloidin,  Schneiden  und  Färben.  ...  , 

Makroskopischer  Befund:  Nach  Anlegung  dei  Btau- 
ungsbinde  pralle  Anfüllung  der  Hautvenen  und  rosarote  Hypei  arme. 
Nach  19  Stunden  starkes  Oedem;  Haut  heiss  und  leicht  rosarot.  Bei 
der  Exzision  starke  seröse  Gewebsdurchtränkung,  keine  parenchyma¬ 
töse  Blutung;  aus  den  sichtbaren  Gefässen  blutet  es  normah 

2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


1772 


Mikroskopischer  Befund:  Epithel  etwas  schwächer 
gefärbt  als  auf  der  Kontrollseite,  sonst  aber  keinerlei  Schädigung. 

Qefässe:  Starke  venöse  Hyperämie,  gleichmässig 
in  den  verschiedenen  Schichten.  Nirgends  Andeutung  einer  Stase, 
auch  keine  Hämorrhagien.  Nur  an  einer  Stelle,  wo  das  Epithel  ver¬ 
ändert  ist  (offenbar  eine  ältere  Verletzung,  wahrscheinlich  Kratz¬ 
effekt),  ist  ein  ganz  unbedeutender  zirkumskripter  Blutaustritt  sicht¬ 
bar.  —  Auffallend  ist,  dass  gerade  in  der  Umgebung  des  Fadens,  also 
im  Entzündungsgebiet,  die  Venen  besonders  stark  —  auch  im  Ver¬ 
gleich  mit  der  Kontrollseite  —  dilatiert  sind. 

Das  O  e  d  e  m  ist  sehr  beträchtlich,  namentlich  in  der  lockeren 
supramuskulären  Schicht,  wo  die  Bindegewebsbiindel  auseinander¬ 
gedrängt  werden.  Am  meisten  ausgeprägt  ist  es  in  der  unmittelbaren 
Umgebung  des  Eadens.  Die  durch  Argentum  gelbverfärbten  Partien 
stellen  infolge  der  reichlichen  Elüsigkeitsansammluing  ein  weit¬ 
maschiges  Netzwerk  dar  (Zuströmen  der  Lymphe  nach  dem  Locus 
minoris  resistentiae).  Auch  in  der  subepithelialen  Schicht  ist  eine 
ödematöse  Durchtränkung  zu  konstatieren;  in  den  darunterliegenden 
straffer  gefüllten  Schichten  ist  sie  nur  sehr  unbedeutend. 

ln  der  Verteilung  des  Arg  ent.  nitr.  findet  sich  eine 
starke  Differenz.  Auf  der  Kontrollseite  erkennt  man  die  Argentum¬ 
niederschläge  in  Gestalt  eines  dunklen,  den  Eaden  vollständig  um- 
schliessenden  Streifens.  Auf  der  gestauten  Seite  ist  die  entsprechende 
Zone  ganz  blass,  hellgelb,  sich  diffus  in  die  Umgebung  verlierend. 
Es  hat  also  eine  deutliche  Verteilung  und  Verarbei¬ 
tung  der  schädlichen  Substanz  (Ueberführung  in  lösliche 
Verbindungen)  stattgefunden. 

Das  Verhalten  des  entzündlichen  Infiltrats  weist 
auf  beiden  Seiten  einen  ausserordentlich  starken  Unterschied  auf. 
Die  in  Gestalt  eines  mächtigen  dichten  Walles  den  Faden  um- 
schliessende  Leukozytenansammlung  auf  der  Kontrollseite  nimmt  etwa 
das  4 — 5  fache  des  Eadenquerschnittes  ein. 

Auf  der  gesunden  Seite  ist  von  einem  eigent¬ 
lichen  massigen  Infiltrat  in  keinem  Präparat  die 
Rede.  Es  finden  sich  nur  diffuse  Leukozytenzüge,  die  hier  und 
dort  zu  etwas  dichteren  aggregierten  Herden  sich  vereinigen,  nirgends 
aber  den  Faden  umschliessen.  Dagegen  fallen  Leukozytenansamm¬ 
lungen  in  und  um  die  Venen  herum  in  Gestalt  umschrie¬ 
bener,  die  Ge  fass  Wandungen  oft  ganz  überdecken¬ 
der  Infiltratstränge  sofort  auf.  Sie  finden  sich  sowohl  in 
der  Nähe  des  Eadens,  als  auch  in  weiterer  Entfernung.  Aber  auch 
mit  Einrechnung  dieser  Leukozytenansammlungen  beträgt  das  ent¬ 
zündliche  Infiltrat  nach  schätzungsweiser  Berechnung  aus  einer 
grösseren  Anzahl  von  Präparaten  noch  nicht  den  15.  Teil  von  dem 
der  nicht  gestauten  Seite. 

Da  uns  aus  unseren  Vorversuchen  bekannt  ist,  ein  wie  starkes  ent¬ 
zündliches  Infiltrat  einem  lOproz.  Argentumfaden  nach  Verlauf  von 
5  Stunden  entspricht,  so  können  wir  aus  unserem  Versuch  mit  Sicher¬ 
heit  schliessen,  dass  d  u  r  c  h  d  i  e  19  s  t  ii  n  d  i  g  e  Stauung  nicht 
nur  das  Hinzukommen  einer  stärkeren  Leuko¬ 
zytose  während  der  Behandlungszeit  verhindert, 
sondern  auch  das  bereits  vorhandene  Infiltrat  ver¬ 
teilt  und  stellenweise  zur  Resorption  gebracht 
wurde.  Dafür  sprechen  auch  die  ausserordentlich  zahl¬ 
reichen  Degenerationserscheinungen  der  Leuko¬ 
zyten,  die  sich  besonders  ausgesprochen  in  der  supramuskulären 
Schicht  mit  der  reichlichen  lymphatischen  Durchtränkung  vorfinden. 
Wir  bemerken  nämlich  ein  Abblassen  der  Kerne,  die  trotz  absichtlich 
intensiver  Hämatoxylinfärbung  einen  nur  zarten,  hellgrauen  Farbenton 
bekommen,  bei  vollständig  normalen  und  wohlerhaltenen  Konturen. 
Von  einer  Karyolyse  ist  nirgends  die  Rede.  Das  Protoplasma  zeigt 
keine  Veränderungen.  Es  bleibt  glasig  und  behält  die  scharf  um¬ 
schriebene  Randbegrenzung  vollständig  bei.  Die  Bindegewebszellen 
weisen  in  den  ödematisierten  Partien  leichte  Quellungserschei¬ 
nungen  auf.  . 

Uebersehen  wir  die  Ergebnisse  unserer  zahlreichen,  in 
der  mannigfachsten  Weise  variierten  Versuche,  so  zeigen 
sich  einige  regelmässig  immer  wieder  zu  beobachtende 
ganz  konstante  Befunde.  Sie  sind  so  überzeugend,  dass 
wir  glauben,  eine  gewisse  Gesetzmässigkeit  darin  erblicken  zu 
dürfen,  die  wohl  auch  vorsichtige  Rückschlüsse  auf  die  Vor¬ 
gänge  bei  der  Stauungstherapie  gestatten.  Unsere  Versuche  er¬ 
strecken  sich  zwar  nur  auf  relativ  kurze  Zeit,  während  die 
klinische  Staiiungsbehandlung  oft  mehrere  Tage  wiederholt 
wird.  Die  Vorgänge  in  den  Experimenten  mit  vielfach  modi¬ 
fizierter  Versuchsanordnung  sind  aber  so  charakteristisch,  die 
Art  der  Entzündung  stets  in  so  bestimmtem  Sinne  geändert, 
dass  wir  wohl  annehmen  können,  dass  auch  bei  oft  wieder¬ 
holter  Behandlung  der  Effekt  prinzipiell  sich  nicht  anders  dar¬ 
stellen  wird.  Und  so  hoffen  wir,  dass  die  Versuche  bei  rich¬ 
tiger  Verwertung  doch  einen  Teil  dazu  beitragen  werden, 
manche  noch  strittigen  Funkte  besser  aufzuklären  und  das  Ver¬ 
ständnis  der  wirksamen  Heilfaktoren  bei  der  B  i  e  r  sehen  Be¬ 
handlung  zu  erhöhen. 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  der  Blutgefässe  er¬ 
gaben  sich  die  bekannten,  namentlich  von  Bier  und  seinen 


Schülern  festgestellten  Tatsachen,  so  die  frühzeitig  auftretende 
venöse  Hyperämie,  die  natürlich  je  nach  dem  Grad  und 
der  Zeitdauer  der  Stauung  schwankte.  Die  Arterien  fanden 
wir  nicht  mitbeteiligt.  —  Beim  Vergleich  der  verschiedenen  Ver¬ 
suche  unter  einander  gewannen  wir  oft  den  Eindruck,  dass  der 
Zustand  der  Gefässe  nicht  einfach  abhängig  war  von  den  phy¬ 
sikalischen  Versuchsbedingungen,  sondern  dass  in  der  Tat  die 
von  Bier  und  Anderen  mit  Recht  betonte  Selbständigkeit  der 
peripheren  Zirkulation  eine  Rolle  spielt. 

Gleichzeitig  mit  der  venösen  Hyperämie,  nicht  immer  aber 
in  direkter  Abhängigkeit  von  dieser  war  eine  deutliche 
Lymphstauung  stets  festzustellen.  Sie  lässt  sich  gerade 
beim  Kaninchen  besonders  leicht  studieren,  weil  das  sehr 
locker  gefügte  subkutane  Gewebe  auch  die  geringsten  Erschei¬ 
nungen  der  Lymphansammlung  sehr  deutlich  zeigt.  Alle  unsere 
Untersuchungen  weisen  nun  daraufhin,  dass  gerade  die 
Veränderungen  am  Lymphgef ässapparat 
einen  wichtigen  und  massgebenden  Faktor  für 
die  physiologische  Wirkung  der  Stauung  dar¬ 
stellen.  In  engem  Zusammenhang  mit  der  veränderten 
Lymphzirkulation  stehen  auch  die  Vorgänge  der  Resorption. 

Am  wichtigsten  sind  die  Veränderungen,  die  der  entzünd¬ 
liche  Prozess,  die  Infiltratbildung  um  die  chemische 
oder  bakterielle  Reizstelle  unter  dem  Einfluss  der  Stauung 
erleidet.  In  allen  Präparaten  der  Stauungsversuche  ist  nicht 
nur  eine  quantitative,  sondern  auch  eine  qualitative  Ver¬ 
änderung  des  Entzündungsvorganges  festzustellen.  Wie  wir 
bei  nahezu  allen  daraufhin  untersuchten  therapeutischen  Mass¬ 
nahmen  eine  ganz  besondere  und  eigentümliche  Modifikation 
der  Entzündung  finden,  so  auch  unter  dem  Einfluss  der  B  i  e  r  - 
sehen  Stauung.  Zum  Verständnis  der  hierbei  sich  abspielenden 
Vorgänge  ist  es  notwendig,  eine  Beobachtung  an  den  Leuko¬ 
zyten  vorauszuschicken.  Man  bemerkt  nämlich  schon 
nach  einer  Stauung  von  nur  w e  n i g  e  n  S  t  u  n  d  e  n 
an  einer  grossen  Zahl  der  Eiterkörperchen 
deutliche  Degenerationserscheinungen.  Wäh¬ 
rend  die  Leukozyten  in  den  Venen  und  in  ihrer  unmittelbaren 
Umgebung  tinktoriell  und  morphologisch  ganz  normal  sind, 
sehen  wrir  mit  der  Zunahme  der  Entfernung  von  den  Gefässen, 
die  Zellen  unter  Beibehaltung  ihrer  morphologischen  Eigen¬ 
schaften  immer  blasser  werden.  Nach  längerer  Stauung  (z.  B. 
24  Stunden)  sind  einzelne  Exemplare  schon  so  schlecht  tingiert, 
dass  sie  selbst  bei  starker  Vergrösserung  (und  enger  Blende) 
an  der  Grenze  der  Sichtbarkeit  stehen.  Mit  überzeugender 
Deutlichkeit  weisen  die  Präparate  der  verschiedenen  Versuche 
daraufhin,  dass  diese  Leukozytendegeneration  in 
unmittelbarer  Abhängigkeit  vom  Stauungs- 
Öde  in  steht. 

Nach  unseren  Untersuchungen  über  die  Einwirkung  der 
Hitzebehandlung  und  derSpiritusverbä'nde  findet  auch  dabei  eine 
Degeneration  der  Leukozyten  statt,  aber  in  einer  ganz  anderen 
Weise  unter  vollständig  differenten  histologischen  Bildern. 
(Schon  nach  kurzer  Zeit,  z.  B.  1  Stunde  Karyolyse  und  Bildung 
von  „Leukozytenschatten“.  Vgl.  die  entsprechenden  Kapitel 
der  Monographie.)  Wir  halten  es  jedenfalls  nach  unseren  Be¬ 
funden  für  höchst  wahrscheinlich,  dass  das  Zugrundegehen  der 
Leukozyten  bei  der  Wirkung  der  Stauungsbehandlung  eine 
wichtige  Rolle  spielt,  wie  es  ja  bereits  Büchner,  Heile  u.  a. 
vermutet  haben.  Wir  werden  noch  bei  der  Besprechung  der 
Bakterienversuche  hierauf  zurückkommen. 

Was  die  histologischen  Bilder  des  Entzündungsprozesses 
selbst  betrifft,  so  ist  in  erster  Reihe  hervorzuheben,  dass  wir 
auf  der  gestauten  Seite  stets  eine  geringere  Anzahlvon 
Leukozyten  finden,  dass  aber  auch  ausser  dieser  Vermin¬ 
derung  eine  eigenartige  Verteilung  der  Entzün¬ 
dungszellen  v  o  r  1  i  e  g  t.  Während  nämlich  —  nament¬ 
lich  in  den  Versuchen  mit  frühzeitiger  Stauung  —  die  Um¬ 
gebung  des  Höllenstein-  oder  Staphylokokkenfadens  so  gut  wie 
frei  ist  von  entzündlichem  Infiltrat,  sind  die  Venen  von  Leuko¬ 
zyten  dicht  erfüllt  und  von  ihnen  stark  umscheidet. 

Wir  bekommen  dann  sehr  eigentümliche  Bilder 
von  sträng  förmigen  Infiltraten,  die  die  ü  e  - 
fässwand  vollständig  überdecken,  inmitten  eines 
sonst  ziemlich  entzündungsfreien  Gew'ebes  (vergl.  auch  die  Ab¬ 
bildung  der  gestauten  Seite  des  oben  mitgeteilten  Versuchs).  In 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1773 


der  weiteren  Entfernung  von  den  Venen  nimmt  die  Zahl  der  Zellen 
schnell  ab;  sie  zeigen  aber  immer  mehr  die  geschilderten  Merk¬ 
male  der  Degeneration.  Bei  absichtlich  schwacher  Stauung  be¬ 
kommt  man  ganz  ähnliche,  wenn  auch  nicht  so  prägnante  Bil¬ 
der  dagegen  ist  hervorzuheben,  dass  bei  absichtlich 
übertriebener  Stauung,  die  geschilderte  Wir¬ 
kung  der  Behandlung  nicht  erhöht,  sondern  l  m 
Gegenteil  geringer  wird,  wobei  zahlreiche  Hämor- 
rhagien  auftreten.  Dies  steht  in  Einklang  mit  dei  klinischen 
Erfahrung,  dass  übertriebene  Umschnürung  unzweckmässig  ist, 
worauf  auch  Bier  wiederholt  hinwies. 

Die  auffallenden  histologischen  Bilder  unter  dem  Einfluss 
der  Stauung  erinnern  auf  'den  ersten  Blick  etwas  an  die  Voi- 
tränge  bei  Kältebehandlung.  Indessen  konstatiert  man  bei  der 
genaueren  Untersuchung  prinzipielle  Unterschiede,  namentlich 
hinsichtlich  des  Verhaltens  der  Blut-  und  Lymphgefässe.  Auch 
bei  der  aktiven  Hyperämie  spielt  sich  die  Entzündung  ganz 
anders  ab  (vergleiche  die  Kapitel  der  Monographie:  Hitze, 

Heissluftbehandlung  und  Kälte.  ,  , 

Aus  der  zweiten  Versuchsreihe  geht  sicher  hervor,  dass 
die  unter  der  Stauung  einmal  eingeleiteten  Vorgänge  auch  nach 
dem  Lösen  der  Staubinde  längere  Zeit  bestehen  bleiben,  dass 
also  eine  ausgesprochene  Nachwirkung  auf 
den  Entzündungsprozess  vorliegt.  Nach  4  Stunden 
erscheint  die  Wirkung  nahezu  vollständig  erhalten,  nach  16 
Stunden  ist  sie  noch  sehr  erheblich,  und  auch  nach  24  Stunden 
noch  deutlich  erkennbar.  (Hierin  zeigt  sich  ein  ganz  ausge¬ 
sprochener  Gegensatz  zur  Kälteeinwirkung,  wo  sofort,  nach  dem 
Weglassen  der  Eisbehandlung  eine  besonders  lebhafte  Leu¬ 
kozytose  einsetzte.)  Unsere  Versuche  geben  jedenfalls  einen 
Hinweis  dafür,  dass  eine  mehrstündige  Unterbrechung  der 
Stauung,  wie  sie  ja  bekanntlich  Bier  auch  bei  der  Behandlung 
akuter  Entzündungen  empfiehlt,  den  Effekt  keineswegs  beein¬ 
trächtigt.  _  ,  , , 

Endlich  zeigen  die  Tierversuche  mit  Behandlung 
eines  schon  bestehenden  Infiltrats,  dass  die 
Stauung  auf  dieses  eine  beträchtliche  Wirkung  entfaltet;  denn 
nicht  nur  eine  weitere  Ausbreitung  des  In¬ 
filtrats  wird  gehemmt,  sondern  auch  die  um¬ 
schriebene  Eiterung  verteilt  und  unter  De¬ 
generation  der  Leukozyten  zur  Resorpti  o  n 
gebracht  (vergl.  den  oben  mitgeteilten  Versuch  und  die 

Abbildungen).  ,  .  ,  ,  . 

Dieser  Einfluss  ist,  wie  unsere  Versuche  sicher  lehren, 
schon  nach  4  ständiger  Stauung  zu  konstatieren  und  wird  mit 
zunehmender  Dauer  deutlicher.  J  e  f  r  ü  h  e  r  di  e  B  e  han 
1  u  n  g  e  i  n  s  e  t  z  t,  um  so  grösser  ist  ihr  Effekt. 

Die  auf  Grund  praktischer  Beobachtung  von  mancher 
Seite,  namentlich  von  L  e  x  e  r  betonte  1  atsache,  dass  die 
Gewebseinschmelzung  durch  die  Stauung  begünstigt  werde, 
erscheint  nach  unseren  übereinstimmenden  histologischen  Bil¬ 
dern  sehr  wohl  verständlich.  Wir  finden  nämlich  stets,  dass 
die  gestaute  Lymphe  nach  dem  Locus  m  i  n  o  r  l  s 
resistentiae  (iu  unseren  Versuchen  das  durch  Argem, 
nitr.  geschädigte  Gewebe  in  der  Umgebung  des  Fadens)  be¬ 
sonders  reichlich  zu  strömt,  und  dass  dort  in  ei  - 
höhtem  Masse  ein  Untergang  von  Leukozyten  stattfindet. 

Bemerkenswert  sind  die  Ergebnisse  der  Ver¬ 
suche  mit  Staphylokokkenseidenfäden.  Sie 

bestätigen  vor  allem  eine  auch  bei  der  Untersuchung  der  ande¬ 
ren  therapeutischen  Massnahmen  (Hitze,  Kälte,  feuchte  Wärme, 
Spiritusbehandlung,  Jodpinselung)  immer  wieder  sich  er¬ 
gebende  Tatsache,  dass  ein  entzündlicher  Prozess  in  der  glei¬ 
chen  Weise  beeinflusst  wird,  gleichviel  ob  er  chemischen  odei 
bakteriellen  Ursprungs  ist.  Unter  dem  Einfluss  der  Stauung 
zeigte  die  Staphylokokkenentzündung  wieder  alle  Modifika¬ 
tionen  der  reaktiven  Vorgänge,  wie  wir  sie  bei  den  Argent.- 
nitr.-Fäden  fanden. 

Wie  verhalten  sich  nun  die  Mikroorganismen  selbst  unter 
den  bei  der  Stauung  so  veränderten  Bedingungen  und  bei  dem 
so  eigenartig  modifizierten  Entzündungsverlauf?  Hier  bietet 
sich  eine  günstige  Gelegenheit  auch  theoretisch  die  Frage  zu 
studieren,  welche  Bedeutung  bei  der  Bekämpfung  de?  bak¬ 
teriellen  Schädlichkeit  einerseits  den  Leukozyten,  andererseits 
der  Ansammlung  von  Blut  und  Lymphe  zukommt.  Nament¬ 


lich  bei  den  Versuchen  mit  sofort  angelegter  Stauungsbinde 
tritt  der  Gegensatz  zwischen  gestauter  und  unbehandelter 
Seite  scharf  ausgeprägt  hervor.  Auf  letzterer  sehen  wir  die 
normale  intensive  Leukozytose,  während  auf  der  gestauten 
Seite  die  Leukozyten  nicht  nur  an  Zahl  sehr  viel  geringer, 
sondern  auch  geschwächt  und  unfähig  zu  einer  phagozytären 
Wirkung  sind;  ja  sie  können  nicht  einmal  den  Infektionsherd 
erreichen  (gehinderte  Motilität). 

Nun  zeigen  aber  unsere  Versuche,  dass  die  Vorgänge  an 
der  gestauten  Extremität  sich  günstiger  gestalten,  dass  hier 
die  Mikroorganismen  in  ihrer  Entwicklung  gehemmt  und  ge¬ 
schädigt  erscheinen  und  sich  auch  weniger  weit  im  Gewebe 
verbreiten.  Nach  diesem  Ergebnis  scheinen 
—  natürlich  nur  für  die  hier  gewählte 


also  —  ..  -  - ~  * -  ~  -  —  .  -  , 

Versuchsanordnung  (lokalisierte  Staphylo 
kokkeninf  ektion  beim  Kaninchen)  —  bei  der 
Bekämpfung  der  bakteriellen  Erkrankung 
Blut  und  Lymphe  wirksamer  zu  sein  als  die 
Leukozytose,  wie  wir  sie  auf  der  Kontrollseite  fanden. 

Unsere  Befunde  stehen  demnach  in  Uebereinstimmung  mit 
der  neuerdings  immer  mehr  Geltung  gewinnenden  Anschauung, 
dass  in  der  Tat  die  Gewebsflüssigkeiten  es  sind,  denen  die 
hauptsächlichste  bakterizide  Eigenschaft  zukommt.  Wii  haben 
ganz  ähnliche  Beobachtungen  bei  den  Versuchen  mit  Hitze¬ 
behandlung  und  Spiritusverbänden  gemacht,  bei  denen  eine 
starke  Blut-  und  Lymphfluxion  ausgelöst  wird,  während  die 
Leukozytose  ganz  in  den  Hintergrund  tritt. 

Die  histologischen  Bilder  unserer  Versuche  sprechen  übri¬ 
gens  durchaus  dafür,  dass  gerade  der  Anwesenheit  reichlicher 
Lymphmengen  die  grösste  Bedeutung  zukommt  und  zwar 
noch  mehr  als  der  Hyperämie,  Das  scheint  auch  verständlich 
mit  Rücksicht  auf  die  Tatsache,  dass  ja  das  Blut  selbst  die 
Schutzstoffe  nicht  direkt,  sondern  nur  auf  dem  Wege  der 
Lymphe  zu  den  im  Gewebe  verbreiteten  Krankheitskeimen 

heranschaffen  kann.  .  .....  .  , 

Gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Baktenenmfektion  ist  die 

schon  erwähnte  Leukozytendegeneration  von  besonderem 

Interesse.  Man  kann  in  dieser  Beobachtung  eine  Stutze  für  die 
von  Heile  ausgesprochene  Beobachtung  sehen,  dass  durch 
die  Stauung  die  Autolyse  der  Leukozyten  und  dadurch  das 
Freiwerden  proteolytischer  Fermente  (Büchner)  befördert 
und  damit  ein  Heilfaktor  geschaffen  wird.  (Vergl.  auch  die 
Arbeit  von  Gruber  und  F  u  t  a  k  i.)  Natürlich  ist  auch  diese 
Anschauung  zurzeit  noch  hypothetisch  und  bedarf  noch  w  ei- 
terer  Begründung  und  experimenteller  Untersuchung. 

Zum  Schluss  müssen  wir  noch  einmal  betonen,  dass  es  uns 
fernliegt,  unsere  experimentellen  Ergebnisse  etwa  direkt  aut  die 
Vorgänge  bei  der  klinischen  Stauungsbehandlung  zu  übertragen 
und  die  Resultate  zu  verallgemeinern.  Dies  wäre  unstatthaft, 
zumal  bei  den  Bakterienversuchen,  da  ja  das  Verhalten  dei  in¬ 
fektiösen  Prozesse  natürlich  von  Fall  zu  Fall  verschieden  ist  ,  je 
nach  der  Art  der  Mikroorganismen  und  dem  Körper,  in  dem  die 
Infektion  sich  abspielt  (Menschen,  verschiedene  Tierarten). 

Andererseits  wird  aber  der  Entzündungsvorgang  nach  den 
Resultaten  aller  unserer  Versuche  in  so  eigenartiger  und  kon¬ 
stanter  Weise  beeinflusst,  dass  wir  doch  glauben,  dass  aueft 
beim  Menschen  ähnliche  Vorgänge  sich  abspielen  werden. 
Wissen  wir  doch,  dass  gerade  mit  bezug  auf  den  Entzundungs- 
vorgang  allgemeine  Grundgesetze  für  die  verschiedenen  Iieie, 
insbesondere  die  Warmblüter  Geltung  haben,  ja  dass  die  ganze 
Entzündungslehre  grossenteils  auf  den  Ergebnissen  des  1  ier- 
versuches  aufgebaut  ist.  Ist  uns  aber  erst  einmal  bekannt  in 
welchem  Sinne  der  Entzündungsvorgang  durch  die  Stauung 
modifiziert  wird,  so  dürfen  wir  gewiss  erwarten  ^  Methode 
zweckentsprechender  und  mit  sichererer  Indikationsstellung 
bei  der  Behandlung  von  Entzündungsprozessen  verwenden  zu 

k°niFreilich  bleibt  das  Ausschlaggebende  doch  die  klinische 

Erfahrung  Und  damit  kommen  wir  auf  das  zuruck,  was  w  n 
in  der  Einleitung  betont  haben.  Erst  in  Verbindung  mit  dei 
Beobachtung  am  Krankenbett  können  Laboratoriumsversuc 
auch  praktischen  Nutzen  bringen.  Und  so  mochten  . wir  de 
Hauptwert  unserer  Versuche  dann  sehen,  dass  wir  unter  Z  - 
1  grundelegung  der  experimentell  gefundenen  Tatsach^  ^  e 
1  nischen  Beobachtungen  besser  verstehen  leinen.  K 


1774 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


erst  einmal  die  eigentliche  Wirkungsweise  einer  Behandlungs¬ 
methode,  so  wird  man  auch  die  mit  ihr  gemachten  praktischen 
Erfahrungen  besser  verwerten  und  therapeutisch  mehr  aus- 
niitzen  können. 


Aus  dem  hygienischen  Universitätsinstitut  zu  Halle  a.  S. 
(Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  F  r  a  e  n  k  e  1). 

Zur  Frage  der  Entstehung  der  Lungentuberkulose. 

Von  Dr.  HorstStrassner,  Assistenzarzt  an  der  Kgl.  medi¬ 
zinischen  Universitätsklinik  zu  Breslau. 

Im  Juli  1906  veröffentlichten  Schloss  mann  und 
Engel  [l]  eine  Arbeit,  die  den  Beweis  der  enterogenen 
Entstehung  der  Lungentuberkulose  bezweckte. 
Um  die  Möglichkeit  zu  umgehen,  dass  bei  Einführung  von  Tu¬ 
berkelbazillen  in  den  Magen  ein  Teil  derselben  durch  die  Be¬ 
rührung  des  bazillenhaltigen  Endstücks  der  Schlundsonde  beim 
Herausziehen  derselben  an  der  Mundschleimhaut  haften  bleibt 
und  so,  ohne  den  Magen  zu  passieren,  in  die  Lungen  geraten 
kann,  spritzten  sie  jungen  Meerschweinchen  eine  grössere 
Menge  in  Milch  verriebener  Tuberkelbazillen  in  den  freigeleg¬ 
ten  Magen  ein.  Schon  Cadeac  [2]  hatte  sich  1894  der¬ 
selben  Methode  bedient,  und  es  war  ihm  gelungen,  Meer¬ 
schweinchen  auf  diesem  Wege  tuberkulös  zu  machen.  Später 
wiesen  Nicolas  und  D  e  s  c  o  s  [3]  die  verfütterten  Bazillen 
im  Ductus  thoracicus  nach.  Schlossmann  und  Engel 
gingen  nun  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  die  Bazillen  nach 
dem  Passieren  der  Mesenterialdrüsen  in  den 
Ductus  thoracicus  und  von  dort  in  das  rechte  Herz  gelangen, 
von  wo  aus  sie  dann  die  Lungen  passieren  müssen.  Sie  impf¬ 
ten  daher  die  Lungen  der  vom  Magen  aus  infizierten  Tiere 
intraperitoneal  anderen  Meerschweinchen  ein  und  sahen  diese 
letzteren  ausnahmslos  an  Tuberkulose  erkran- 
k  e  n.  Herr  Geheimrat  Prof.  Dr.  F  r  a  e  n  k  e  1  beauftragte  mich 
mit  der  Nachprüfung  dieser  Versuche.  Die  Ausführung  der¬ 
selben  geschah  im  grossen  und  ganzen  in  der  von  Schloss- 
m  ann  angegebenen  Weise. : 

Jungen  Meerschweinchen  oder  Kaninchen,  die  vorher  6  Stunden 
kein  Futter  erhalten,  wird  in  Aethernarkose  durch  einen  Schnitt  der 
Magen  freigelegt;  dieser  wird  herausgezogen  und  mit  einer  mit 
Sublimat  befeuchteten  Wattelage  umgeben.  Mit  einer  Spritze  wird 
dann  in  den  Magen  eine  in  Milch  fein  verriebene  Tuberkelbazillen¬ 
kultur  eingespritzt  und  zwar  so,  dass  die  Möglichkeit  einer  Infizierung 
der  äusseren  Magenwand  und  des  Peritoneums  ausgeschlossen  ist. 
Die  in  den  Magen  eingeführte  Kanüle  wird  nach  Entleerung  der  Spritze 
schnell  zurückgezogen,  die  Einstichstelle  mit  dem  Glüheisen  ver¬ 
schobt  und  die  Umgebung  vorsichtig  mit  Sublimat  gereinigt.  Ein 
Vernähen  der  Einstichstelle,  wie  sie  Schlossmann 
angibt,  habe  ich  unterlassen,  da  bei  der  Dünnheit  der  Magenwandung 
so  junger  Tiere  leicht  Verletzungen  entstehen  können,  welche  ein 
Hindurchdringen  der  Bazillen  in  die  Bauchhöhle  ermöglichen  können, 
und  da  ich  mich  andererseits  von  der  guten  Haltbarkeit  und  Zuver¬ 
lässigkeit  ^einer  einfachen  Verschorfung  überzeugen  konnte.  Schon 
die  von  Schlossmann  erwähnte  Blutung  der  Randgefässe  bei 
der  Vernähung  der  Einstichstelle  macht  neue  Läsionen  der  Magen¬ 
wand  notwendig,  welche  man  besser  vermeidet.  Die  Bauchwunde 
wird,  nachdem  man  den  Magen  wieder  in  die  Bauchhöhle  zurück¬ 
gebracht  hat,  durch  Naht  geschlossen  und  durch  Kollodiumverband 
geschützt. 

Nun  fanden  Schloss  mann  und  Engel  regelmässig 
nach  einigen  Stunden  die  Tuberkelbazillen  in  der 
Lunge  der  geimpften  Tiere,  was  sie  durch  folgende  Versuchs¬ 
anordnung  bewiesen,  der.  ich  mich  ebenfalls  bediente: 

Nach  mehreren  Stunden  (6- — 9)  werden  die  Tiere,  denen  die 
Tuberkelbazillenemulsion  in  den  Magen  gespritzt  ist,  getötet,  es 
werden  ihnen  die  Lungen  vorsichtig  herausgelöst  und  anderen  Meer¬ 
schweinchen  intraperitoneal  in  möglichst  kleinen  Stückchen  ver- 
impft;  und  zwar  verwandte  ich  hierbei  stets  die  ganze  Lunge,  um 
jeden  Bazillus,  der  sich  event.  in  der  Lunge  vorfinden  sollte,  durch 
die  intraperitoneale  UeberiniDfung  nachweisen  zu  können, 

Das  Alter  der  geimpften  Tiere  Schlossmanns  betrug  bis 
zu  4  Monate1),  die  Menge  der  injizierten  Tuberkelbazillenkultur  hatte 
ungefähr  die  Grösse  eines  Stecknadelkopfes1)  (entsprechend  einer 
Menge  von  ca.  1—lVs  mg  in  meinen  Versuchen).  Auch  ich  verwandte 
durchgehends  junge  Tiere,  um  die  bei  diesen  vorhandene  grös¬ 
sere  Durchgängigkeit  des  Magendarmtraktus  für  die  Bazillen  aus- 
niitzen  zu  können.  Um  die  unterste  Grenze  der  Wirksamkeit  festzu- 
stcllen,  führte  ich  von  Anfang  an  die  Versuche  quantitativ  aus; 
cs  wurden  Bazillenmengen  von  0,001  mg  bis  0,2  g  einer  vollvirulcnten 

U  Nach  liebenswürdiger  brieflicher  Mitteilung. 


i  uberkelbazillenglyzerinagarkultur  verwandt.  Die  Uebertragung  der 
Lungenstücke  auf  andere  Meerschweinchen  erfolgte  nach  2 — 10 
Stunden.  Die  Tiere,  denen  die  Lungenstücke  eingeimpft  worden 
waren,  wurden  nach  1 — 2 — 3 — 4Vs  Monaten  getötet  und  alle  Organe 
sorgfältig  auf  tuberkulöse  Veränderungen  geprüft;  verdächtige  Organe 
wurden  mikroskopisch  untersucht  und  auf  Bazillen  gefärbt.  Die  an- 
gostellten  Versuche  sind  in  der  beigefügten  Tabelle  zusammengestellt. 


I. 

11. 

III. 

IV. 

V. 

Menge 

Alter  resp. 
Gewicht 

Übertragung 

Tötung  der  mit 
den  Lungenstücken 

Resultat 

geimpften  Tiere  nach 

1. 

0,001  mg 

210  g 

7  Stunden 

1  a)  272  Monaten 

negativ 

2. 

0,002  „ 

b)  3 

180  „ 

57»  „ 

a)  3  Monaten 

3. 

6  Tage  alt 

b)  2 

1 

7 

a)  10  Tagen 

V 

4. 

b)  374  Monaten 

1 

1  ^  V  v 

7 

a)  273  Monaten 

5. 

b)  3 

V 

1  » 

6  „  „ 

7 

a)  374  Monaten 

6. 

1 

b)  8  Tagen 

V 

8  V  V 

7 

a)  14  Tagen 

V 

7. 

b)  3  Monaten 

1 

4  n  „ 

7 

a)  2  Tagen 

44 

8. 

1 

200  g 

b)  2  Monaten 

positiv 

772  * 

a)  3  Monaten 

negativ 

9. 

b)  3 

1 

3  Wochen  alt 

9 

a)  21/ 2  Monaten 

10. 

P/*  * 

bi  6  Tagen 

200  g 

6(2 

a)  4(2  Monaten 

11. 

2 

b)  372 

150  „ 

2 

a)  2  Monaten 

12. 

b)  3 

9 

200  „ 

3 

a)  4  Monaten 

13. 

■ 

b)  4 

250  „ 

5 

a)  23/4  Monaten 

14. 

2 

V 

b)  3 

200  „ 

6 

a)  173  Monaten 

b)  U3 

v 

15. 

c)  3 

9 

w  V 

235  „ 

6 

a)  372  Monaten 

16. 

b)  4 

9 

w  V 

210  „ 

7 

a)  41/a  Monaten 

17. 

2 

14  Tage  alt 

7  '  „ 

b).  4 

a)  372  Monaten 

V 

18. 

b)  3/4 

2  „ 

180  g 

7  *  „ 

a)  10  Tagen 

v 

19. 

b)  3  Monaten 

positiv 

170  „ 

7 

a)  2V 4  Monaten 

b) 

a)  4  Monaten 

negativ 

20. 

2 

250  „ 

7 

negativ 

21. 

2 

200  „ 

7 

b)  3 

a)  3  Monaten 

V 

22. 

2 

230  „ 

9 

b)  3 

a)  4  Monaten 

V 

240  „ 

* 

b)  3 

23. 

9 

“  V 

9 

a)  3  Monaten 

24. 

b)  72  Monat 

s 

4 

14  Tage  alt 

9 

a)  472  Monaten 

25. 

8 

b)  472 

135  g 

9 

a)  472  Monaten 

26. 

8 

135  „ 

9 

b)  472 

a)  14  Tagen 

7) 

27. 

io 

b)  472  Monaten 

130  „ 

8 

a)  47/2  Monaten 

28. 

20 

b)  472. 

145  „ 

9 

a)  41 2  Monaten 

29. 

0,2  g! 

b)  472 

120  „ 

8 

a)  472  Monaten 

30. 

b)  472 

0,2  g! 

140  „ 

10 

a)  4 7*  Monaten 

V 

b)  4‘/2 


Wie  sehen,  dass  bei  den  angestellten  Versuchen,  selbst 
bei  Anwendung  grosser  Dosen  (0,2  g)  Bazillen 
fast  ausnahmslos  nicht  nachzuweisen  wäre  n.  Nur 
die  Versuche  No.  7  und  No.  18  waren  als  positiv  zu  bezeichnen. 
Hierbei  war  jedoch,  wie  im  Protokoll  besonders  bemerkt  ist, 
eine  kleine  Menge  der  Bazillenemnlsion,  bei  No.  18  infolge 
der  Anfüllung  des  Magens  mit  Futter,  aus  der  Stichöffnung  in 
die  Bauchhöhle  zurückgeflossen;  die  Ueberimpfung  wurde  je¬ 
doch  trotzdem  angeschlossen  um  ein  Verhalten  der  Bazillen  bei 
Hineingelangen  kleinster  Mengen  in  die  Bauchhöhle  zu  be¬ 
obachten. 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1775 


Es  la£  nahe,  bei  diesen  Versuchen  die  Infektiosität  der  Ba¬ 
zillenkulturen  durch  Injektion  in  den  Magen  festzustellen.  Hier¬ 
bei  fanden  sich  die  Untersuchungen  über  die  Dur  c  h  1  a  s  s  l  g- 
keitderDarmwand  für  Bakterien  ohne  Erkrankung  der¬ 
selben,  wie  sie  unter  anderen  von  0  r  t  h,  F  r  a  enke  1,  Co  i  - 
n  e  t  und  in  neuester  Zeit  von  Uff  enheime  r  [4]  testgestellt 
wurden,  vollauf  bestätigt.  Dass  Tuberkelbazillen  schon  aut 
der  Höhe  der  Verdauung  bei  Fütterungsversuchen  in  den  Me¬ 
senterialdrüsen  zu  finden  sind,  hat  in  letzter  Zeit  Bai  tel  L5J 
bewiesen.  Ueber  den  weiteren  Weg  der  Bazillen  von  diesen 
aus  konnte  ich  mich  an  der  Hand  der  folgenden  Versuche  ubei- 

ZeUSVersuch  No.  I.  8.  VIII.  06.  Meerschwein,  140  g  schwer. 
Injektion  von  2  mg  Tb.-Kultur  in  den  Magen.  Tod  nach  2  Monaten. 
Tuberkulös:  Linke  Achseldrüse,  linke  Leistendrüse,  Drusen  hintei  dem 
Sternum  Mesenterialdrüsen  stark  verkäst.  .  , 

Versuch  No.  II.  24.  VIII.  06.  Meerschwein,  145  g  schwer. 
Injektion  von  2  mg.  Tod  nach  314  Monaten.  Tuberkulös:  Leisten¬ 
drüsen  beiderseits,  1.  Achseldrtise,  Mesenterialdrüsen. 

V  e  r  such  No.  III.  31.  VII.  06.  Meerschwein,  135  g  schwer. 
Injektion  von  1  mg.  Tod  nach  314  Monaten.  Tuberkulös.  Achsel- 

drusen.gMesenterialdrusen.  3i^  m  ^  Meerschwein,  130  g  schwer. 

Injektion  von  1  mg.  Tod  nach  3Va  Monaten.  Tuberkulös:  Achsel¬ 
drüsen  Drüsen  hinter  dem  Sternum,  Mesenterialdrusen. 

Versuch  N  o.  V.  31.  VII.  06.  Meerschwein,  150  g  schwer. 
Injektion  von  1  mg.  Tod  nach  3%  Monaten.  Tuberkulös:  Mesen- 

tenaldruse^m  c  h  ^  q  yL  28.  yn  o6<  Meerschwein,  140  g  schwer. 
Injektion  von  0,2  mg.  Tod  nach  3Vz  Monaten.  Tuberkulös:  Mesen- 

terialdrüsem  c  h  ^  ^  yn  1Q  VIII.  06.  Meerschwein,  130  g  schwer. 
Injektion  von  0,2  mg.  Tötung  nach  3  Monaten.  Tuberkulös:  Line 
MesenteualdruseN  ^  ynL  3Q  ym  o6>  Meerschwein,  125  g  schwer. 

Iniektion  von  0,01  mg.  Getötet  nach  4  Monaten.  Keine  Tuberkulose. 

‘  Versuch  No.  IX.  30.  VIII.  06.  Meerschwein,  130  g  schwer. 
Iniektion  von  0,01  mg.  Getötet  nach  3V2  Monaten.  Keine  T  uberkulose. 

Versuch  No  X.  20.  VIII.  06.  Meerschwein,  145  g  schwer. 
Injektion  von  0,004  g.  Tötung  nach  4  Monaten.  Keine  tuberkulösen 

Demnach  erkrankten  bei  4  Tieren,  denen  Mengen  von  1  bis 
2  mg  in  den  Magen  injiziert  wurden,  ausser  den  Mesenterial- 
driisen,  die  stets  sehr  stark  ergriffen  waren,  auch  die  peripheren 
Drüsen  hinter  dem  Sternum,  in  de'r  Leistenbeuge  und  in  der 
Achselhöhle,  während  in  den  übrigen  Organen  mikroskopisch 
keine  tuberkulösen  Veränderungen  nachzuweisen  waren,  ein 
Beweis  für  den  lymphogenen  Charakter  dieser  Ver¬ 
suchstuberkulose,  für  den  auch  B  a  r  t  e  1  in  seiner  Arbeit  ein- 
tritt;  denn  auch  er  fand  bei  seinen  Versuchen  niemals  Bazillen 
im  Blut,  jedoch  stets  im  Lymphapparat.  Bei  kleineren  Dosen 
erkrankten  schliesslich  nur  noch  die  Mesenterialdrüsen,  und 
zwar  trat  noch  eine  Infektion  bis  zu  Dosen  von  0,02  mg  ein, 
während  Uffenheimer  bei  seinen  Fütterungsversuchen 
0  125  g  als  unterste  Grenze  annehmen  zu  müssen  glaubt.  Bei 
Dosen,  die  unter  0,02  mg  betrugen,  erkrankten  die  Tiere  nicht 
mehr,  entgegen  der  Annahme  Schloss  manns,  dass  dann 
die  Lungen  die  einzige  Ablagerungsstelle  für  die  eingedrungenen 
Bazillen  sein  müssen.  Ganz  besonders  auffällig  ist  in  den  Ver¬ 
suchen  die  Tatsache,  dass  stets  die  B  r  o  n  ch  i  a  1  lym  P  h  - 
drüsen  von  der  Infektion  verschont  blieben. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Bazillen  durch  die  Darmwand 
dringen  und  die  Mesenterialdrüsen  infizieren.  Nun  behauptet 
Schlossmann,  es  sei  eine  Eigentümlichkeit  der  letzteren, 
die  Bazillen  nicht  aufzuhalten,  sondern  passieren  zu  lassen. 
Nach  den  Arbeiten  N  0  e  t  z  e  1  s  [6]  z.  B.  ist  dies  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  zuzugeben,  und  zwar  ist  dies  nicht  eine  be¬ 
sondere  Eigentümlichkeit  der  Mesenterialdrüsen,  sondern  es 
ist  auch  bei  den  anderen  Drüsen  des  Körpers  der  Fall.  Es 
beruht  dieser  Umstand  einerseits  auf  dem  Vorhandensein  der  an 
der  Oberfläche  der  Bindegewebskapsel  der  Drüsen  verlaufen¬ 
den  Anastomosen  der  Lymphgefässe,  die  also  die  Drüse  um¬ 
gehen,  ohne  in  ein  Vas  afferens  einzutreten,  andererseits  bildet 
der  breite  Randsinus  der  Drüsen  eine  Verbindung  zwischen  den 
Vasa  afferentia  und  efferentia,  in  welcher  der  Lymphstrom  und 
die  darin  vorhandenen  Bakterien  die  Drüsen  passieren  können. 
Wenn  wir  auch  annehmen,  dass  selbst  die  Lymphv  ege  im 
Innern  der  Drüsen  für  Bakterien  durchgängig  sind,  so  müssen 
wir  uns  doch  vergegenwärtigen,  dass  bei  Einführung  von 
Fremdkörpern  und  kleinsten  korpuskulären  Elementen  wir  diese 


überall  in  den  Ly  mph  wegen  abgelagert  und  da¬ 
durch  zurückgehalten  finden  und  dies  um  so  mehr 
in  dem  Inneren  der  Lymphdrüsen,  wo  durch  die  Verlang¬ 
samung  des  Lymphstromes  die  Bedingungen  für  die  Ablage¬ 
rung  derselben  begünstigt  werden.  Wenn  wir  also  den  Drüsen 
die  Fähigkeit  einer  mechanischen  Filtration  nicht  zuerkennen 
wollen,  so  lehren  uns  doch  die  Erfahrungen  und  Versuche  über 
Ablagerung  der  korpuskulären  Elemente  in  den  Lymphwegen, 
dass  dieselben  hier  zurückgehalten  weiden. 
Auch  beweist  dies  in  meinen  Versuchen  das  isolierte  Be¬ 
fallensein  derLy  mph  drüsen;  ich  versuchte  auch  in 
5  Fällen  Kulturen  aus  dem  Blut  des  rechten  Herzens  und  der 
grösseren  Arterien  der  vom  Magen  aus  infizieiten  Iieie,  die 
nach  8,  10  und  20  Stunden  getötet  wurden,  anzulegen  und  durch 
intraperitoneale  Impfung  nachzuweisen.  In  allen  5  Fällen,  in 
denen  ich  jedesmal  diese  beiden  Methoden  des  Nachweises  an¬ 
wandte,  hatte  ich  stets  ein  negatives  Resultat,  und 
auch  Bartel  und  Uffenheimer  fanden,  wie  ich  mich  nach¬ 
träglich  überzeugte,  niemals  bei  ihren  Fütterungsversuchen  Ba¬ 
zillen  im  Blut.  Ein  Nachweis  von  Bakterien  im  Blut,  wie  er 
z.  B.  L  ü  d  k  e  [7]  bei  Phthisikern  gelang,  findet  daher  nur 
statt  wenn  dieselben  in  späteren  Stadien  der  Erkrankung  durch 
Arrosion  kleinerer  Gefässe  von  den  tuberkulösen  Heiden  in 
grösserer  Menge  direkt  in  die  Blutbahn  übertreten. 

Dass  Schlossmann  und  Engel  in  ihren  Versuchen 
bereits  nach  wenigen  Stunden  nach  der  Injektion  du  ich  die 
Uebertragung  der  Lungen  Bazillen  nachweisen  konnten,  hegt 
vielleicht  an  den  schweren  Schädigungen,  welche 
sie  durch  die  Serosanaht  und  das  Umnähen  der  Gefasse  an  dem 
Magen  des  Meerschweinchens  verursacht  haben.  Bei  dei  Liunn- 
heit  der  Magenwand  ist  es,  wie  gesagt,  leicht  möglich,  mit  der 
immerhin  für  diese  Verhältnisse  groben  Nadel  das  Lumen  des 
Magens  anzustechen  und  damit  das  Peritoneum  zu  infizieren; 
damit  würde  aus  der  intestinalen  Infektion  eine  intrapentoneale. 

Die  Resultate  meiner  Versuche  lassen  sich  also  kurz  dahin 
zusammenfassen,  dass  bei  unter  allen  Kautelen  vorgenommener 
Injektion  von  Tuberkelbazillen  in  den  Magendarmkanal  ent¬ 
gegen  den  Angaben  Schloss  manns  eine  exquisit  y  m  - 
„hogene  Infektion  der  vom  Darm  abführenden  Lymph- 
wege  und  der  Lymphdrüsen  eintritt,  und  zwar  ohne  dass 
die  Eintrittspforte,  also  die  Darmwand,  bleibende 
Veränderungen  erleidet.  Infektion  des  Peritoneums 
dagegen  führt  wahrscheinlich  auf  dem  Wege  der  peifonei en¬ 
den  Lymphgefässe  des  Zwerchfells  zu  metastatischer  Ansiede¬ 
lung  von  Tuberkelbazillen  in  der  Lunge.  Die  Schloss- 
m  a  n  n  sehen  Angaben  dürften  in  der  Mehrzahl  der  Falle  duicli 
eine  Infektion  auf  diesem  Wege  bedingt  sein. 

Zum  Schluss  erlaube  ich  mir,  Herrn  Geheimrat  Fraenkel 
für  die  liebenswürdige  Anregung  und  Unterstützung  bei  diesei 
Arbeit  meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 

Literatur: 

1.  Deutsche  med.  Wochenschr.,  Jahrg  32,  1906  No.  27  -  2-Jol1''' 
nal  de  med  veter.,  t  XLV,  1894.  -  3  Ref.  im  Zentralbl.  f.  Bak der  10h 
1903  Bd  32.  —  4.  Münch,  med.  Wochenschi.,  Jahrg.  52,_  19(5. 

5.  Klin.  Jahrbuch,  Bd.  14,  Heft  2.  —  6.  Beitr.  z.  klm  Chirurgie,  Bd.  51, 
Heft  3.  _  7.  Wien.  klin.  Wochenschr.  1906,  No.  31. 

Aus  dem  Friedrich-Wilhelms-Hospital  und  den  Siechenan- 

stalten  der  Stadt  Berlin. 

Studien  über  Tabes  dorsalis  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Kehlkopfsymptome  (221  Fälle). 

Von  Sanitätsrat  Dr.  G  r  a  e  f  f  n  e  r,  leitendem  Arzte. 

Die  Lektüre  der  Monographien  von  ßiirger1)  und  Dö¬ 
ren  dorf2)  hatte  mich  dazu  angeregt,  die  Häufigkeit  dei  La- 
rynxstörungen  an  meinem  grossen  TaWkermaterial,  welches 
fast  ausnahmslos  den  Spätstadien  angehort  festzuste  . 

neben  blieb  meine  Aufmerksamkeit  auch  der  Aeticlogie,  dei 
Pulsfrequenz,  der  Art  und  Häufigkeit  des  Auftretens  von  Krisen 
und  Komplikationen  zugewendet. 


1891. 


i)  Burger:  Die  laryngealen  Störungen  der  Tabes  dorsalis. 

’*)  Dorendorf:  Kehlkopfstörungen  bei  Tabes.  1903. 


1776 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Im  Verlaufe  dieser  334  Jahre  beanspruchenden  Unter¬ 
suchungen  haben  sowohl  die  erhobenen  Befunde,  wie  auch  in¬ 
zwischen  erfolgte  einschlägige  Publikationen,  bei  mir  den 
Wunsch  gezeitigt,  eine  noch  breitere  Basis  für  die  Beobach¬ 
tungen  zu  gewinnen.  In  die  Tat  jedoch  wurde  er  erst  zu  einer 
Zeit  umgesetzt,  wo  schon  eine  grössere  Zahl  der  zu  Anfang 
der  Reihe  Untersuchten  durch  Tod  (-40)  oder  Austritt  aus  der 
Anstalt  (53)  einem  Ergänzungsverfahren  entzogen  waren.  Der 
Vorteil,  welchen  ich  für  diesen  Ausfall  eintauschte,  bestand 
darin,  dass  ich  113  Patienten  nach  mehr  oder  minder  langer 
Pause  von  neuem  laryngoskopieren  und  dabei  eine  Reihe  -in¬ 
teressanter  Befunde  erheben  konnte. 

Bei  der  Erforschung  der  Aetiologie  hatte  ich  mit  gewissen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  deren  letzte  Gründe  wohl  in  der 
sozialen  Stellung  der  betr.  Kranken  und  dem  damit  meist  zu¬ 
sammenhängenden,  negativen  Interesse  und  Verständnis  für 
längst  iiberstandene  Uebel  wurzelte.  Ich  konnte  ermitteln,  dass 
von  118  Männern  57  Lues  zugestanden  und  bei  16  die  anam¬ 
nestischen  Angaben  wie  der  objektive  Befund  für  ein  non  liquet 
sprachen.  Auch  will  ich  nicht  übergehen,  dass  unter  den  Leug¬ 
nern  von  Lues,  also  den  45  übrigen  Patienten  14  Gonorrhoe  und 
4  Ulcus  molle  bereitwillig  Zugaben.  Bei  37  unter  88  weiblichen 
Kranken  war  Lues  eingestandenermassen  vorangegangen,  bei 
23  bestand  Verdacht.  Die  Zahl  der  geständigen  Frauen  und 
Mädchen  hatte  sich  bei  der  zweiten  Befragung,  welche  anläss¬ 
lich  der  Kehlkopfspiegelung  ohne  Zeugen  stattfand,  um 
8  erhöht. 

Demgemäss  war  Lues  nachgewiesen  bei  Männern  in  48,3 
Proz.  (Verdacht  in  13,5  Proz.),  bei  Weibern  in  42  Proz.  (Ver¬ 
dacht  in  26,1  Proz.)  resp.  auf  die  Gesamtziffer  von  206  Unter¬ 
suchten  sichere  Lues  in  94  Fällen,  darunter  ein  Ehepaar, 
=  45,6  Proz.,  Verdacht  in  39  Fällen  =  18,9  Proz. 

Die  Bestimmung  der  Sensibilität  und  der  Reflexerregbar¬ 
keit  im  Larynx  wird  immer  Schwierigkeiten  darbieten,  ein¬ 
mal  weil  schon  innerhalb  der  Norm  erhebliche  Schwankungen 
stattfinden, sodann  aber  auch  weil  bezüglich  der  Reflextätigkeit 
eine  gewisse  Abhängigkeit  von  der  Willenskraft  des  Unter¬ 
suchten  und  der  Technik  des  Untersuchers  besteht.  Man  wird 
leshalb  die  ermittelten  Werte  stets  mit  Reserve  aufnehmen 
nüssen. 

Bei  einer  grossen  Untersuchungsreihe  jedoch,  zumal  wenn 
Regelungen  bei  der  gleichen  Person  zu  wechselnden  Tages¬ 
eiten,  bei  verschiedenartiger  Allgemeindisposition,  namentlich 
Fer  auch  nach  erlangter  Gewöhnung  an  die  Manipulation 
X)rgenom,men  wurden,  ist  die  Aussonderung  einiger  extremen 
Fälle  die  Regel. 

So  habe  ich  bei  der  II.  Untersuchungsreihe  von  113  Per¬ 
sonen  eine  Hyperästhesie  nur  in  2  Fällen  (W.)  also  1,7  Proz., 
t-ine  Hypästhesie  in  15  Fällen  (4  M.  11  W.),  13.2  Proz..  gefunden.’ 
Völlige  Anästhesie,  wie  sie  M  a  s  s  e  i  in  der  Bernhard  Fraen- 
k  el -Nummer3)  der  Berl.  klin.  Wochenschr.  für  Rekurrens¬ 
lähmung  beschreibt,  habe  ich  bei  den  wenigen,  zu  meiner  Ver¬ 
fügung  stehenden  Fällen  dieser  Art  nicht  nachweisen  können. 

Hinsichtlich  der  motorischen  Anomalien  will  ich  vorweg 
bemerken,  dass  mir  kein  einziger  Fall  begegnet  ist,  weicher 
eine  Einwendung  gegen  das  Semon-Rosenbach  sehe 
Gesetz  gestattet  hätte.  Wo  ich  isolierte,  übrigens  durchweg 
unerhebliche  und,  wie  sich  nachmals  herausstellte,  nicht  pro¬ 
gressive  Störungen  der  Glottisschliesser  oder  -Spanner  fand, 
liess  sich  anamnestisch  ein  Zusammenhang  mit  früheren,  ent¬ 
zündlichen  Affektionen  feststellen.  Auch  waren  solche  Zu¬ 
stände  keineswegs  in  grösserer  Zahl  vorhanden,  als  sich  an 
einer  umfänglicheren  Reihe  sonst  klagloser  Menschen  bei  der 
Laryngoskopie  zu  ergeben  pflegen. 

\  oi  2  Jahren  noch  hätte  man  auf  solche  Bemerkungen 
entgegnen  können,  dass  ich  offene  Türen  einzurennen  trachte. 
Jedoch  die  Debatte,  welche  vor  reichlich  einem  Jahre  in  der 
Berliner  laryngologischen  Gesellschaft  anlässlich  des 
A.  k  u  1 1  n  e  r  sehen  \ortrages  über  die  Rekurrensfrage  4)  statt¬ 
fand,  wie  auch  die  Würdigung,  welche  den  Broekaert- 
schen  5)  Ansichten  und  dem  S  a  u  n  d  b  y  sehen  Falle6)  zu  teil 


3)  No.  47.  1906. 

T  Berl.  klin.  Wochenschr.  1906,  S.  1411. 

')  Referat  Berl.  klin.  Wochenschr.  S.  1519. 

")  Brit.  metl.  Journ.,  12.  III.  04. 


wurde,  lässt  es  mir  geraten  erscheinen,  für  mein  Material  die 
unerschütterte  Geltung  des  Semon-Rosenbach  sehen 
Gesetzes  zu  betonen. 

Die  motorischen  Störungen  im  Larynx  scheiden  sich  in 
Stimmbandlähmungen,  Krisen  und  Parakinesen,  unter  welchen 
perverse  Aktion,  Ataxie  und  zuckende,  zitternde,  oszillierende 
Bewegungen  —  ich  werde  sie  kurzweg  als  Tremor  bezeichnen 
—  in  Betracht  kommen. 

Dass  die  bei  meinen  Untersuchungen  sich  ergebenden  Zif¬ 
fern  die  vieler  anderen  Beobachter  nicht  unwesentlich  über¬ 
steigen,  hängt  sicherlich  mit  dem  Charakter  meiner  Anstalt 
zusammen.  Es  werden  sich  eben  an  keinem  Orte  Tabiker  so 
vorgeschrittenen  Grades  anhäufen,  wie  in  einer  Siechenanstalt. 
Des  weiteren  sei  auch  hervorgehoben,  dass  es  mir  möglich 
war,  bei  der  Nachuntersuchung  zahlreiche,  pathologische  Be¬ 
funde  in  Fällen  zu  erheben,  welche  1 — 3  Jahre  zuvor  normale 
Larynxverhältnisse  aufwiesen.  In  einem  Krankenhause,  wel¬ 
ches  von  lebenbedrohenden  Komplikationen  freie  Tabiker  aus 
äusseren  Gründen  nicht  jahrelang  festzuhalten  vermag,  hätten 
derartige  Fälle  in  der  Schaar  der  Kehlkopfgesunden  figurieren 
müssen. 

Stimmbandparesen  resp.  Paralysen  wurden  54  mal,  Kehl¬ 
kopfkrisen  26  mal,  Parakinesen  28  mal  ermittelt.  Da  jedoch 
unter  den  Krisen  sich  20  Fälle  befinden,  welche  wegen  gleich¬ 
zeitig  vorhandener  Stimmbandlähmungen  schon  dort  rubri¬ 
ziert  sind,  so  verteilen  sich  alle  genannten  Affektionen  auf  ins¬ 
gesamt  88  Individuen,  was  auf  206  der  ersten  Untersuchungs¬ 
reihe  Angehörige  berechnet,  einem  Prozentsätze  von  42,7  ent¬ 
spricht  resp.  54  Lähmungen  26,2  Proz. 

Ataxien  wurden  14  mal,  davon  5  mal  mit  Stimmbandtremor 
kombiniert  beobachtet,  ebenso  14  mal  der  letztere  allein. 

Unter  den  Lähmungszuständen,  welche  in  allen  Intensitäts¬ 
abstufungen  konstatiert  wurden,  wiegt  numerisch  vor  die  iso¬ 
lierte  Erkrankung  des  linken  Postikus  mit  28  Fällen;  daran 
schliessen  sich  linker  Postikus  mit  gleichseitiger  Internus¬ 
lähmung  7  mal,  rechter  Postikus  7  mal,  Postikus  doppelseitig 
8  mal,  linker  Rekurrens  3  mal,  Rekurrens  doppelseitig  1  mal. 

In  der  zweiten,  334  Jahre  später  begonnenen,  113  Personen 
umfassenden  Untersuchungsreihe  stellte  sich  heraus,  dass 
2  früher  als  leicht  paretisch  notierte  Fälle  normale  Stimmband¬ 
funktion  darboten,  ohne  dass  therapeutisch  eingeschritten  wor¬ 
den  war. 

Positive  Ergebnisse  waren:  42  Lähmungen  (14 mal  mit 
I  remor,  3  mal  mit  Ataxie  kombiniert),  3  mal  perverse  In¬ 
nervation,  6  mal  mit  Ataxie,  (davon  3  mal  mit  Tremor),  16  mal 
I  remor  allein,  18  mal  Larynxkrisen.  Da  von  letzteren  15  Fälle 
schon  bei  den  anderen  Störungeil  gebucht  waren,  sind  in 
Summa  70  Personen  betroffen,  was  einem  Prozentsätze  von 
61,9  entspricht  (davon  Lähmungen  37,1  Proz.).  Hier  sei  auch 
eingeschaltet,  dass  in  3  Fällen  eine  Steigerung  geringfügig  be¬ 
hinderter  Abduktion  bis  zur  festen  Medianstellung  notiert  ist. 

Als  neu  aufgetreten  sind  nach  meinen  Tabellen  in  der 
zweiten  Untersuchungsreihe  gewesen  14  mal  Lähmungen 
(1.  Postikus  7  mal,  r.  Postikus  2  mal,  beide  Postici  5  mal),  davon 
Kombination  mit  Ataxie  1  mal,  mit  Tremor  4  mal  (in  einem 
dieser  Fälle  bestand  Jahre  vorher  nur  Tremor),  3  mal  per¬ 
verse  Innervation  und  6  mal  Tremor  allein.  Mithin  zeigten 
23  Fälle  =  20  Proz.  bei  der  zweiten  Untersuchung  Störungen, 
welche  in  der  ersten  Serie  nicht  gefunden  worden  waren.  Ich 
ziehe  daraus  den  Schluss,  dass  der  Larynx  bei  Tabes 
sofern  der  Fall  nicht  durch  interkurrente 
Erkrankungen  vorzeitig  ad  exitu  m  gelangt, 
also  bei  natürlichem  Ablauf  —  in  viel  höhe- 
r  e  m  G  r  a  de,  wie  bisher  anerkannt,  ein  locus 
m  i  n  o  r  i  s  resistentiae  ist. 

^  Erhebliche  Beeinträchtigungen  der  Stimme  lagen  nur  in 
7  Fällen  von  Lähmung  vor,  zumal  wenn  der  Rekurrens  be¬ 
troffen  war. 

Es  interessierte  mich  festzustellen,  wie  oft  Stimmband¬ 
lähmungen  mit  Lues  zusammentrafen.  Von  den  in  beiden 
Untersuchungsreihen  gefundenen  68  Lähmungen  entfielen  39 
auf  erwiesen  Luetische  und  7  auf  Verdächtige,  während  die 
übrigen  22  Lähmungen  selbst  nach  Abzug  der  weiteren  32  Ver¬ 
dächtigen  von  der  Testierenden  Gesamtziffer  sich  auf  128  nicht 
als  luetisch  feststellbare  Personen  verteilen.  Ich  unterlasse, 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1777 


hieraus  schon  jetzt  zu  folgern,  dass  zwischen  Lues  und  Stimm¬ 
bandlähmung  gewisse,  kausale  Beziehungen  obwalten,  event. 
dass  bei  fraglicher  Bewertung  einer  Luesanamnese  die  Stimm¬ 
bandlähmung  affirmative  Bedeutung  beansprucht;  immerhin 
halte  ich  die  Sache  für  wichtig  genug,  um  die  Aufmerksamkeit 

der  Kollegen  darauf  zu  richten. 

Betreffs  der  Larynxkrisen  neigt  die  Mehrzahl  der  Be¬ 
obachter  zu  der  Auffassung,  dass  dieselben  zwar  in  allen  Sta¬ 
dien  der  Tabes  Vorkommen  können,  jedoch  die  Frühstadien  be¬ 
vorzugen.  Hiermit  stimmen  meine  eigenen  Wahrnehmungen 
überein.  Ich  erhalte  relativ  selten  Meldung  von  charakte¬ 
ristischen  Anfällen,  noch  seltener  sehe  ich  solche  selbst.  Es 
geschah  bei  4  Kranken.  Bei  2  davon  —  recht  dekrepiden  In¬ 
dividuen  _  wurde  der  Insult  anscheinend  durch  den  mit  der 

Einführung  des  Kehlkopfspiegels  verbundenen  Reiz  ausgelöst, 
in  einem  Falle  so  bedrohlich,  dass  bereits  die  Tracheotomie  in 
Erwägung  gezogen  wurde. 

Bei  6  von  meinen  26  mit  Larynxkrisen  Behafteten  resp. 
behaftet  Gewesenen  habe  ich  den  Oppenheim  sehen  Punkt 
(innerer  'Rand  des  Kopfnickers  in  der  Höhe  des  Ringknorpels) 
einseitig  oder  beiderseitig  auf  Druck  schmerzhaft  gefunden.*)  Im 
ganzen  sah  ich  unter  113  Fällen  31  mal  eine  vermehrte  Druck¬ 
empfindlichkeit  dieser  Stelle.  Den  beträchtlichen  Prozentsatz, 
welchen  diesbezüglich  Burger  auch  bei  Gesunden  er¬ 
mittelte,  habe  ich  bei  100  gesunden,  jugendlichen  Menschen 
(aus  dem  Dienstpersonal  meiner  Anstalt)  nicht  finden  können, 
nämlich  nur  3  Prez.  In  diesen  3  Fällen  zeigte  der  Larynx 
negativen  Befund.  Etwas  gross  scheint  ja  bei  Hysterischen 
(unter  17  Fällen  4  mal)  die  Beteiligung  dieser  Stelle  an  der 
multilokularen  Hyperalgesie  zu  sein.  Jedenfalls  aber  ergibt 
sich  aus  meinen  Erfahrungen,  dass  dem  Oppenheim  sehen 
Druckschmerz  bei  Tabes  eine  grössere  Rolle  zukommt,  als  bei 
der  Mehrzahl  anderer  Nervenleiden. 

Auch  Oppenheims  Hinweis  auf  das  Verhältnis  zwi¬ 
schen  Larynx-  und  Magenkrisen  habe  ich  zutreffen  sehen,  in¬ 
dem  unter  meinen  26  Fällen  20  mal  auch  Magenkrisen  bestan¬ 
den.  Dagegen  koinzidierten  meine  9  Fälle  von  Arthropathien 
nicht  mit  Larynxkrisen. 

Ataxie  der  Stimmbänder  habe  ich  deutlich  stets  nur  als 
abduktorische  gesehen. 

Der  Stimmbandtremor,  welchen  ich  bei  Tabischen  kon¬ 
statierte,  ist  zweifellos  identisch  mit  der  von  einigen  Beobach¬ 
tern  der  letzten  15  Jahre  beschriebenen  Erscheinung.  Während 
ich  in  seiner  Deutung  namentlich  mit  Dorendorf  über¬ 
einstimme,  schätze  ich  doch  die  Häufigkeit  des  Vorkommens 
erheblich  höher  als  andere  Autoren. 

Wohl  kann  es  sein,  dass  der  Tremor  schon  zu  Anfang  in 
einzelnen  Fällen  das  Spiegelbild  beherrscht,  aber  meistens  ge¬ 
schieht  das  nicht.  Er  wird  daher  vielen,  welche  in  eiliger 
Spiegelung  nur  die  Frage  der  Stimmbandlähmung  zum  Aus¬ 
trage  bringen  wollen,  entgehen.  Ich  selbst  möchte  mich  nicht 
davon  freisprechen,  dass  mir  unter  meinen  ersten  50  Fällen, 
ehe  meine  Aufmerksamkeit  durch  diese  Anomalie  öfter  in  An¬ 
spruch  genommen  wurde,  einzelne  entschlüpft  sind,  bei  wel¬ 
chen,  wie  einleitend  bemerkt  wurde,  eine  Nachprüfung  nicht 
mehr  ausführbar  war.  Setzt  man  jedoch  die  Spiegelung  ge¬ 
nügend  lange  fort,  hat  man  es  insbesondere  mit  eingeübten 
Patienten  zu  tun,  welche  auf  Kommando  nach  tiefer  Inspiration 
eine  längere  Atmungspause  machen  können,  besteht  somit 
seitens  der  Untersuchten  eine  auf  Ruhigstellung  der  weiten 
Glottis  abzielende  Intention,  so  sieht  man  oft  das  einwärts 
zuckende,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  an  Frequenz  und  In¬ 
tensität  allmählich  zunehmende  Spiel  der  Stimmbänder.  Meist 
zucken  beide  in  gleichrnässigem  Tempo,  hin  und  wieder  aber 
prävaliert  eines  der  beiden.  Zumal  bei  einseitiger  Prävalenz 
sah  ich  Aryknorpel,  Epiglottis,  ja  in  einem  Falle  sogar  die  Tra- 
chealringe  mitschwingen. 

Es  erwies  sich  oft  als  schwierig,  die  Patienten  zu  der 
Atmungspause  nach  tiefer  Inspiration  anzuhalten,  meist  gelang 
dies  erst  nach  einiger  Gewöhnung  an  das  Spiegeln.  Ehe  diese 


*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Die  Nichtidentität 
des  Oppenheim  sehen  Druckpunktes  mit  dem  oberen  Boen- 
n  i  n  g  h  a  u  s  sehen  Druckpunkte  ibetont  letzterer  Autor  in  seiner 
Habilitationsschrift:  „Ueber  einen  eigenartigen,  sensiblen  Reizzustand 
des  oberen  und  unteren  Kehlkopfnerven“.  Breslau  1906. 

No.  36. 


jedoch  eingetreten  war,  hatte  ich  durch  kurze,  stossweise 
Exspiration  Störungen.  Hierbei  wurde  die  Annahme  nahe 
gelegt,  dass  die  zuckenden  Einwärtsbewegungen  synchron 
seien  mit  dem  aus  Angst  und  Aufregung  zu  stände  gekommenen 
Tremolo  der  Exspiration.  Jedoch  mannigfache,  unter  Assistenz 
vorgenommene,  vergleichende  Zählungen  ergaben  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  die  Unabhängigkeit  der  Zuckungen  von  der 
Atmung. 

Die  hieraus  resultierenden  Schwierigkeiten  in  der  Beur¬ 
teilung  des  Tremors  glaubte  ich  durch  Untersuchung  zahl¬ 
reicher  Gesunder,  wie  auch  zahlreicher  Nervenkranker,  zumal 
mit  allgemeinem  Tremor  Behafteter,  einer  Erklärung  näher 
bringen  zu  können. 

Durch  diese  Untersuchungen  bin  ich  darauf  hingeführt  wor¬ 
den,  einen  Tremor  aus  funktioneller  Ursache,  einen  fortge¬ 
leiteten  und  einen  aus  organischen  Veränderungen  entstammen¬ 
den  anzu  nehmen. 

Der  erstere  kommt  auch  bei  gesunden  Individuen  vor, 
welche  mit  Angstgefühlen  an  den  Akt  des  Laryngoskopierens 
herangehen.  Erst  die  allmählig  erwachsende  Ueberzeugung, 
dass  sich  weder  Schmerzen,  noch  Erstickungsanfälle,  noch  Vo- 
mitus  daran  knüpfen,  bringt  derartigen  Tremor,  wie  dies  bereits 
S  c  h  u  1 1  z  e  n  7)  beobachtete,  zum  Schwinden.  Ebenso  möchte 
ich  auch  den  bei  Hysterie  auftretenden  Tremor  der  Stimm¬ 
bänder  auf  einen  emotionellen  Reiz  zurückführen. 

Einen  Stimmbandtremor,  dessen  Tempo  so  genau  dem  all¬ 
gemeinen  entsprach,  dass  man  hier  lediglich  von  einer  Pro¬ 
jektion  desselben  auf  die  Larynxmuskulatur  sprechen  kann, 
habe  ich  in  einer  Reihe  Fälle  von  Paralysis  agitans,  Marasmus 
senilis,  bei  essentiellem  Tremor  und  bei  chronischen  Intoxi¬ 
kationen  (Alkohol,  Blei)  gesehen.  Hierher  scheint  mir  auch 
der  Fall  Mosses8 9)  zu  gehören,  bei  welchem  das  Stimmband 
der  Seite  lebhafter  zitterte,  deren  Arm  stärkeren  Tremor  auf¬ 
wies.  Bezüglich  der  Paralysis  agitans  sei  hier  bemerkt,  dass 
ich  auch  Fälle  von  recht  intensiver  Art  mit  Beteiligung  des 
Kopfes  und  doch  absoluter  Ruhe  im  Larynx  beobachtete. 

Endlich  ist  zu  erwähnen  eine  hochfrequente,  von  der  At¬ 
mung  wie  von  allgemeinem  Tremor  durchaus  unabhängige 
Zitterbewegung,  welche  ich  in  einzelnen  Fällen  feststellte  von 
multipler  Sklerose,  von  Pseudobulbärparalyse  und  in  vielen 
Fällen  von  Tabes.  Hier  bin  ich  eben  geneigt,  eine  organische 
Ursache  anzunehmen.  Bei  multipler  Sklerose  sind  ja  Larynx- 
veränderungen  an  sich  selten,  so  dass  ich  dem  Falle  von  „In¬ 
tentionstremor  der  Stimmbänder“,  welchen  Krzywicki") 
j  aus  B.  Fraenkels  Klinik  beschrieben  hat,  nur  2  aus  meinem 
25  Fälle  umfassenden  Bestände  an  die  Seite  stellen  kann. 

Wenn  ich  nun  bezüglich  der  Tabes  auch  weit  entfernt  bin, 
den  Tremor  als  ein  pathognomonisches  Zeichen,  wie  etwa  das 
Rombergsche  oder  Argyll  R  o  b  e  r  t  s  o  n  sehe  Symptom 
zu  proklamieren,  so  kann  ich  ohne  weiteres  aussprechen,  dass 
ich  ihn  bei  keiner  anderen  organischen  Nervenkrankheit  in 
annähernd  gleicher,  prozentarischer  Häufigkeit  angetroffen 
habe,  wie  eben  bei  Tabes. 

Hiernach  läge  die  Versuchung  nahe,  sich  ein  Schema  zu¬ 
recht  zu  machen  und  in  dessen  drei  Rubris  alles  Vorkom¬ 
mende  unterzubringen.  So  einfach  aber  ist  die  Sache  nicht. 
Denn  man  begegnet  nicht  selten  Mischfällen.  Es  ist  z.  B.  gar 
kein  Grund  abzusehen,  weshalb  nicht  —  wie  bei  einem  Gesunden 
—  auch  bei  einem  heruntergekommenen  Tabiker  das  Spiegeln 
als  emotioneller  Reiz  wirken  sollte.  Andererseits  habe  ich 
unter  17  Fällen  von  Paralysis  agitans  auch  2  gefunden,  bei 
welchen  der  Tremor  der  Stimmbänder  nicht  synchron  mit  dem 
der  Gliedmassen  war.  In  solchen  Fällen  werden  bei  der 
Autopsie  die  Zentralsphären  Gegenstand  peinlichster  Unter¬ 
suchung  sein  müssen.  . 

Bei  der  Aufnahme  der  Tabiker  mit  Stimmbandtremor  in 
meine  Tabellen  war  massgebend:  Gewöhnung  ans  Spiegeln, 
Ausschluss  von  Hysterie  und  die  von  der  Atmung  differierende 
Frecjii  enz. 

Das  Zustandekommen  des  Tremors  erkläre  ich  mii  mit 
Dorendorf  u.  a.  dahin,  dass  er  als  der  erste  Ausdruck 
der  gestörten  Antagonistenharmonie,  des  beginnenden  Uebei  - 


7)  Charite-Annalen  1894. 

8)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1906  No.  10, 

9)  Berl.  laryngol.  Gesellsch.  1891. 


3 


1//8 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


gewichtes  der  Adduktoren  aufzufassen  ist.  Wie  ich  überhaupt 
meine,  dass  wer  erst  mal  das  Semon-Rosenbach  sehe 
Gesetz  als  gültig  akzeptiert  hat,  alle  kinetischen  Anomalien  im 
Larynx  als  verschiedene  Erscheinungsformen  oder  Intensitäts¬ 
grade  derselben  zentralen  Destruktion  anerkennen  muss.  So 
gelange  ich  z.  B.  dahin,  in  dem  Stimmbandtremor  die  rudi¬ 
mentäre  Form  der  Larynxkrisen  zu  vermuten.  Fortgesetzte, 
klinische  Beobachtung,  das  pathologische  Experiment  und  die 
Vervollkommnung  der  histologischen  Untersuchungsmethoden 
könnten  diesen  Satz  einmal  seines  hypothetischen  Charakters 
entkleiden. 

Bezüglich  der  Pulsfrequenz  sei  bemerkt,  dass  11  mal  unter 
80,  dagegen  86  mal  zwischen  80  und  100,  und  109  mal  über  100 
Schläge  gezählt  wurden.  Die  mit  Larynxkrisen  einhergehen¬ 
den  Fälle  zeigten  etwas  mehr  Neigung  zu  erhöhter  Puls¬ 
frequenz.  ■ 

In  den  bisherigen  Ausführungen  habe  ich  mich  auf  die  im 
Vagusgebiete  auftretenden  Störungen  beschränkt  und  gedenke 
von  den  anderen  Gehirnnerven  umsomehr  abzusehen,  als  die 
Beteiligung  des  Seh-  und  Gehörorgans  am  tabischen  Prozesse 
von  den  beiden  resp.  Konsiliarien  meiner  Anstalt  zum  Gegen¬ 
stände  einer  besonderen  Publikation  gemacht  werden  wird, 
und  ausserdem  meine  Wahrnehmungen  in  den  noch  übrigen 
Gehirnnervenprovinzen  weder  qualitativ  noch  quantitativ  be¬ 
sonders  Bemerkenswertes  darbieten. 


Von  jenem  Programm  nun  weiche  ich  nicht  ab,  wenn  ich 
—  im  Sinne  Grabowe  rs  den  Akzessorius  als  spinalen  Nerv 
auffassend  —  über  die  von  mir  beobachteten  Atrophien  des 
Sternokleidomastoideus  und  Kukullaris  berichte,  ohne  meine 
jeweiligen  Vermutungen  über  die  zentrale  oder  peripherische 
Natur  der  Affektion  zu  äussern. 

Solche  Atrophien,  wobei  allerdings  auch  geringere,  den 
Sternokleidomastoideus  vorzugsweise  in  den  unteren,  den  Ku¬ 
kullaris  in  den  oberen  Partien  betreffende  Volumensminde¬ 
rungen  mitgezählt  sind,  habe  ich  unter  113  Fällen  25  mal  ange¬ 
troffen.  11  dieser  Fälle  figurieren  auch  in  der  Reihe  der  Stimm¬ 
bandlähmungen,  4  in  der  der  Zitterbewegungen. 

Dem  Studium  der  Aortenverhältnisse  bei  Tabes  habe  ich 
stets  ein  lebhaftes  Interesse  zugewendet.  Ich  konstatierte  unter 
meinen  206  Fällen  19  mal  Klappeninsuffizienz  und  8  mal  Aneu¬ 
rysma  (davon  3  Insuffizienzen  erst  in  der  zweiten  Unter¬ 
suchungsreihe)  also  13,1  Proz. 

Als  Rosenbach  und  O.  Berger  um  die  Mitte  der 
siebziger  Jahre  saec.  pr.  auf  dieses  Syndrom  hinwiesen,  er¬ 
kannte  man  wohl  die  Tatsache  an,  vermochte  jedoch  keine 
plausible  Erklärung  dafür  zu  geben.  Man  könnte  ja  hier  die 
Aufbrauchstheorie  analogisierend  heranziehen.  Indes  nach  der 
\\  ichtigkeit,  mit  \\  elcher  die  Statistik  die  Lues-Aetiologie  der 

I  abes  betont,  wie  nach  den  Mitteilungen,,  welche  v.  Düring, 
v.  Hanseman n  und  v.  Renvers1")  auf  dem  Dermato¬ 
logen  ko  ng  ress  1904  gemacht,  muss  zunächst  auch  hier  auf  diese 
Noxe  Bezug  genommen  werden.  Immerhin  legen  mir  meine 
Ergebnisse  eine  gewisse  Reserve  auf.  Denn  die  Zahl  der  er- 
v  lesenen  Luetiker  unter  meinen  aortenkranken  Tabischen  zeigt 
knapp  dieselben  Werte,  wie  sie  nach  meiner  Statistik  die  Lues 
zur  T  abes  überhaupt  kontribuiert,  d.  h.  unter  27  Aortenleiden 

II  ma!  sichere  Lues.  Aber  ausserdem  gehören  hierzu  9  Lues- 
veidachtige,  darunter  7  Frauen.  Bei  diesen  wird  bekanntlich 
die  Lues  manchmal  bona  fide,  oft  genug  aber  trotz  inständigen, 
aiztlichen  Inquinerens  bewusstermassen  geleugnet.  In  meh¬ 
reren  der  hier  in  Frage  stehenden  Fälle  ist  durch  die  mehrere 
Aborte  autweisende,  wie  auch  den  Exitus  des  Ehemannes  in 
lugend  hohem  Alter  durch  Apoplexie  oder  progressive  Paralyse 
ei  hartende  Anamnese  der  Verdacht  wohl  als  stark  begründet 
zu  erachten  Und  wenn  von  diesen  9  Fällen  ein  wesentlicher 
!  eil,  wo  nicht  alle,  durch  nachträgliches  Geständnis  oder  son¬ 
stige  IMerk  male  der  Lues  noch  zuzurechnen  wären,  so  wäre 
damit  für  mein  Material  eine  gewisse  Prädilektion  derselben 
im  die  Aortengegend  nachgewiesen,  und  es  hätten  ähnliche 
Erwägungen  I  latz  zu  greifen,  wie  sie  von  mir  über  das  Zu- 

wurdmr1"6^11  ^  StimmbandIähmun2en  mit  Lues  angestellt 


Ba 


In  der  Societe  de  neurologie  de  Paris  hat  am  2.  Mai  1901 
b  i  n  s  k  i  die  wichtige  Tatsache  mitgeteilt,  dass  Fehlen  oder 


,n)  Kongressverhamdl.,  Bd.  II,  S.  19 4—224. 


Beeinträchtigung  des  Achillesreflexes  zu  den  Frühsymptomen 
der  Tabes  gehöre,  welches  manchmal  noch  bei  erhaltenem  Pa- 
tellarreflex  sich  nachweisen  lasse.  Bei  der  Eigenart  meines 
Materials  durfte  ich  nicht  hoffen,  grosse  Ziffern  zur  Bestätigung 
dieser  Beobachtung  beitragen  zu  können.  Es  waren  auch  nur 
3  Fälle,  in  welchen  2  mal  einseitig,  einmal  doppelseitig  das 
Phänomen  konstatiert  wurde.  Hier  war  die  Tabes  als  Neben¬ 
befund  entdeckt  worden. 

So  erwartete  ich  auch  bei  der  Nachprüfung  des  A  b  a  d  i  e  - 
sehen  J1)  Symptoms  Anodynie  der  Achillessehne  ähnliches  zu 
finden.  Von  A.  war  behauptet  worden,  dass  es  als  Früh¬ 
symptom  mit  dem  W  e  s  t  p  h  a  1  sehen  und  Argyll  Ro¬ 
bertson  sehen  Zeichen  rivalisiere,  ja  es  an  Häufigkeit  über¬ 
träfe.  Die  hierauf  gerichteten  Ermittelungen  haben  auch  dann, 
wenn  man  in  der  von  Racine12)  angegebenen  Weise  Kau- 
telen  schafft,  mit  einer  grossen  Schwierigkeit  zu  kämpfen. 
Nämlich,  dass  man  am  Ende  auf  subjektive  Angaben  der  Unter¬ 
suchten  angewiesen  ist.  Vielleicht  gleichen  sich  gelegentliche 
Irrtümer  bei  grösseren  Reihen  aus. 

Zunächst  jedenfalls  ermächtigen  mich  meine  Befunde  nicht 
zu  einer  glatten  Zustimmung.  Schon  die  drei  bei  der  B  a  - 
b  i  n  s  k  i  sehen  Areflexia  Achillea  angezogenen  Fälle  waren 
nicht  anodynisch.  Unter  den  weiteren  110  Kranken  bestand 
bei  14  die  Druckschmerzhaftigkeit,  8  mal  ausgesprochen  (7  mal 
beiderseits,  1  mal  rechts)  und  6  mal  angedeutet  (4  mal  beider¬ 
seits,  je  einmal  rechts  und  links).  Diese  12,4  Proz.  Ausnahmen 
im  Spätstadium  sind  doch  wohl  geeignet,  hinsichtlich  der  Digni¬ 
tät  der  Erscheinung  als  Frühsymptom  Bedenken  zu  erwecken 
und  rechtfertigen  es,  wenn  man  zunächst  noch  weitere  Erfah¬ 
rungen  abwartet.  Jedenfalls  darf  man  schon  heute  der  Schluss¬ 
folgerung  R  a  c  i  n  e  s  beitreten,  welcher  das  A  b  a  d  i  e  sehe 
Symptom  zwar  als  ein  wichtiges  und  interessantes  Merkmal 
betrachtet,  aber  doch  eine  Gleichstellung  mit  dem  Schwinden 
des  Patellarreflexes  oder  der  Pupillenstarre  ablehnt. 

Nicht  sehr  wesentlich  differieren  meine  Resultate  bei  der 
Prüfung  des  B  i  e  r  n  a  c  k  i  sehen  13)  Ulnarissymptoms.  Auf 
Druck  Schmerzlosigkeit  der  superfiziell  gelegenen  Stelle  des 
Nerven  zwischen  Condylus  internus  und  Olecranon.  Ich  habe 
es  unter  100  Fällen  18  mal  (7  mal  doppelseitig,  6  mal  rechts, 
5  mal  links)  vermisst. 

Ehe  ich  mich  über  die  am  Sektionstische  gemachten  Erfah¬ 
rungen  äussere,  sei  es  -mir  gestattet,  über  einige  seltenere 
Symptome,  welche  zumeist  dem  Gebiete  der  trophischen  Stö¬ 
rungen  angehören,  und  über  die  beobachteten  Komplikationen 
zu  berichten. 

Die  Arthropathien  sind  bereits  bei  den  Larynxkrisen  er¬ 
wähnt.  Es  wären  sonst  hervorzuhgben  je  ein  Fall  von  spon¬ 
taner  Fraktur  eines  Femur  und  beider  Humeri,  2  Fälle  von 
hochgradigster  Verdünnung  der  vorderen  Bauch  wand,  durch 
welche  die  Peristaltik  genau  sichtbar  war,  und  1  Fall  von 
spontaner  halbseitiger  Suggillierung  des  Trunkus,  übrigens  auf 
derselben  Seite,  wo  eine  enorme  Arthropathie  der  Schulter  be¬ 
stand.  (Lues.) 

Als  Komplikationen  seien  aufgezählt  Dementia  paralytica 
10  mal,  Hysterie  13  mal,  Phthisis  pulmonum  resp.  allgemeine 
Tuberkulose  12  mal,  Hemiplegie  3  mal,  Karzinosis  2  mal,  end¬ 
lich  Paralysis  agitans,  Saturnismus  und  perniziöse  Anämie  je 
1  mal. 

2  Fälle  jedoch,  welche  sich  aus  der  ganzen  Reihe  als  Unika 
abheben,  möchte  ich  mit  den  in  Betracht  kommenden  Sym¬ 
ptomen  in  Kürze  schildern: 

Fall  183.  A.  P.,  Kaufmannswittwe,  61  Jahre  (Beginn  der  spi¬ 
nalen  Erscheinungen  1889,  massige  Ataxie  der  Extremitäten),  klagt  fast 
andauernd  über  Schmerzen  im  Rücken,  welche  nach  einer  Sehnen¬ 
zerrung  am  linken  Beine  aufgetreten  seien.  Lässt  man  die  angeklei¬ 
dete  Patientin  auf  einen  Stuhl  derart  setzen,  dass  sie  die  Lehne  nicht 
hinter  dem  Rücken  hat,  so  ist  ein  eigentümliches  teils  wiegendes, 
teils  stossendes  Spiel  des  gesamten  Rumpfes  mit  stärkerer  Tendenz 
nach  rechts  zu  beobachten.  Werden  alle  Kleidungsstücke  entfernt 
so  gewinnen  die  Bewegungen  des  Rumpfes  an  Heftigkeit,  auch  wird 
über  beträchtliche  Zunahme  der  Rückenschmerzen  geklagt.  Man 
sieht  beiderseits  besonders  rechts,  Muskelwülste  dem  Verlaufe  des 
Erector  trunci  entsprechend  sich  vorwölben,  und  zwar  derart,  dass 


“)  Gaz.  hebdomad.  des  sc.  medic.  de  Bordeaux,  No.  38,  1905 
“)  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  20,  1906. 

g  q5(^  ^aZ’  *e*<ars*ia  No.  2,  ref.  im  Neurol.  Zentralbl.  189J, 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1779 


in  der  Längsrichtung  des  Muskels  fingerphalanxlange,  krampfhaft  kon¬ 
trahierte  Bündel  erscheinen,  zwischen  denen  in  der  ganzen  Breite 
des  Muskels  sich  breite  Depressionen  befinden,  also  ungefähr  ein  Bild, 
wie  es  die  Inscriptiones  tendineae  an  einem  tetanisierten  Rectus  ab- 
dominis  darbieten  würden  **)•  Veranlasst  man  die  Pat.  aufzustehen, 
so  macht  sie,  wie  eine  des  Gleichgewichtes  Ermangelnde,  mit  den 
flektierten  Armen  einige  Bewegungen,  welche  an  das  Hantieren  eines 
Seiltänzers  mit  der  Balanzierstange  erinnern.  Sobald  die  Arme  zur 
Ruhe  gekommen,  strahlt  die  krankhafte  Erregung  der  Muskeln  in  die 
Serrati  antici  aus.  Bei  jetzt  erfolgendem  Schliessen  der  Augen 
wiederum  Zunahme  in  der  Heftigkeit  der  Muskelerscheinungen,  gleich¬ 
gewichtserstrebende  Bewegungen  der  Arme.  Alles  das  mildert  sich 
im  Sitzen  und  schwindet,  angeblich  bis  auf  ein  massiges  Residuum 
der  Schmerzen  in  der  Bettruhe.  Die  linke  Lumbalgegend  ist  hyp- 
ästhetisch.  Dieser  Befund  wurde  bei  wohl  10  mal  wiederholten 
Untersuchungen  erhoben,  nur  dass  sich  unbeträchtliche  Schwankungen 
in  der  Intensität  der  muskulären  Ausschläge  geltend  machten. 

Meines  Erachtens  besteht  hier  eine  Kombination  von  hoch¬ 
gradiger  Ataxie  des  Rumpfes  mit  jenen  Zuständen,  welche 

Otfried  Förster14)  als 
„seltenere  Formen  von 
Krisen  bei  der  Tabes  dor- 
salis“  beschreibt. 

Fall  187.  W.  T.,  59  Jahre, 
Arbeiterswitwe  (Lues  1876) 
bietet  das  beinahe  symmetri¬ 
sche  Bild  eines  Muskel¬ 
schwundes  an  beiden  Ober¬ 
armen  derart,  dass  in  der 
Länge  von  9,5  bezw.  8  cm  der 
etwas  rauhe  Humerusknochen, 
nur  mit  der  atrophischen  Haut 
bedeckt,  gefühlt  werden  kann. 
Die  beigegebene  Abbildung 
erläutert  den  Status  am 
besten.  Jedoch  seien  auch  die 
Masse  auf  beiden  Seiten  an¬ 
gegeben. 

rechts  links 

Umfang  des  Schultergelenks . .  . 

Entfernung  der  oberen  Defektgrenze  vom  Gelenk  .  . 

Umfang  des  Oberarmes  daselbst .  25,5 

„  „  an  der  unteren  Defektgrenze 

*  „  „  an  der  Stelle  ausgeprägtesten 

Schwundes  .  .  . 

Grösste  Breite  des  Defektes . 

Der  Defekt  entspricht  rechts  einem  Halbring,  welcher  den  Arm 
von  aussen  und  hinten  umgibt.  Besonders  staik  befallen  ist  dci 
Trizeps.  Der  linksseitige  Defekt  sitzt  nach  aussen  und  vorn.  Beson¬ 
ders  stark  mitgenommen  ist  das  Caput  longum  bicipitis. 

Mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  handelt  es  sich  hier  um 
eine  mit  dem  luetischen  Prozess  zusammenhängende  Muskel- 
sk  lerose 

Es  wurden  32  Obduktionen  gemacht.  Aus  den  Protokollen 
habe  ich  dasjenige  herausgezogen,  was  neben  der  spinalen  De¬ 
struktion  im  Vordergründe  des  Interesses  stand,  das  den  Exitus 
unmittelbar  veranlassende  Moment. 

Danach  ergibt  sich  folgende  Gruppierung:  Aortenleiden 
4  mal  (darunter  3  Aneurysmen)  Tuberkulose  der  Lungen  resp. 
Urogenitaltuberkulose  4  mal,  Herzmuskeldegeneration,  Pneu¬ 
monie  und  schwere  Alterationen  des  uropoetischen  Apparats 
13  mal,  Sepsis  (Dekubitus)  7  mal,  Carcinoma  recti,  Apoplexie, 
perniziöse  Anämie  und  Peritonitis  nach  Perforation  eines 
tuberkulösen  Darmgeschwürs  je  1  mal. 

In  bezug  auf  die  Therapie  kann  ich  mich  kurz  fassen.  Für 
die  Linderung  von  Schmerzparoxysmen  standen  Aspititi  und 
Morphium  in  Vorderster  Reihe.  Auffallend  war  mir,  wie  viele 
der  au  Magenkrisen  Leidenden  sich  als  intolerant  gegen  Mor- 
phium  und  die  Ersatzpräparate  erwiesen.  Bei  einigen  dieser 
Eälle  hatte  ich  den  Eindruck,  dass  innerliche  Darreichung  von 
Anästhcsin  0,2  3  mal  täglich  und  gleichzeitiger  Spray  von 
Chloräthyl  auf  die  Magengrube  eine  günstige  Wirkung  aus¬ 
übten.  In  jüngster  Zeit  habe  ich  das  Coryfin  (Bayer),  3 mal 
täglich  6  Tropfen  auf  ein  Stück  Zucker,  angewendet  und  von 
einigen  Stellen  die  Versicherung  erhalten,  dass  man  diesem 


34,5 

35 1 

15 

14 

25,5 

24 

21,2 

21,5 

19,2 

17,5 

9,5 

10 

Mittel  eine  schnellere  Ueberwindung  und  minder  schmerzliche 
Gestaltung  der  Attacke  zu  verdanken  glaube. 

Während  ich  diese  Arbeit  schrieb,  gelangten  in  der  An¬ 
stalt  noch  15  Fälle  von  Tabes  zur  Aufnahme.  Dieselben 
vermögen  an  den  allgemeinen,  statistischen  Resultaten,  welche 
ich  mitgeteilt,  nichts  zu  ändern.  Als  Kuriosa  seien  lediglich 
hervorgehoben,  dass  ich  gerade  unter  diesen  relativ  wenigen 
Fällen  das  Mal  perforant  du  pied  und  Pharynxkrise  zum  ersten 
Male  sah.  Jedenfalls  auch  ein  Beitrag  zu  der  schon  von 
Sem  on  bei  den  Stimmbandlähmungen  erörterten  Frage  über 
den  Wert  oder  Unwert  kleinerer  Zahlenreihen  und  die  Gefahr 
derselben  für  die  prozentarische  Berechnung. 


**)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Wiederholt  vor¬ 
genommene  psychische  Ablenkung  ergab  zwar  eine  Iutensitätsmindc- 
rung  der  Muskelausschläge,  aber  keineswegs  ein  Schwinden  der- 
selben. 

11)  Monatsschr.  f.  Psychol.  u.  Ncurol.,  XI,  1902,  S.  281). 


Aus  der  Breslauer  chirurgischen  Universitätsklinik  (Direktor: 

Prof.  Dr.  K  ü  1 1  n  e  r). 

Zur  Pathologie  des  Frühstadiums  der  Appendiiztis. 

Von-Dr.  Alfred  Peiser,  Assistent  der  Klinik. 

In  der  Kenntnis  der  Pathologie  des  Peritoneums  haben  wir, 
wie  auf  vielen  anderen  Gebieten,  der  modernen  Chirurgie 
reiche  Fortschritte  zu  verdanken.  Neue  Erkenntnisse  sind  uns 
gekommen,  aber  auch  neue  Fragen,  die  der  Erklärung  harren. 
Zu  diesen  letzteren  gehört  die  gegenüber  den  früheren  An¬ 
schauungen  fast  als  Rätsel  erscheinende  latsache,  dass  wir  im 
Erühstadium  der  Appendizitis  ungestraft  durch  die  freie  Bauch¬ 
höhle  hindurch  mit  stinkendem  Eiter  gefüllte  Abszesse  eröffnen 
dürfen.  Wir  sehen  keinen  Schaden  daraus  erwachsen,  dass 
der  Eiter  mit  dem  freien  Peritoneum  in  Berührung  kommt.  Die 
Praxis  hat  uns  diese  Erfahrung  gebracht,  eine  exakte  Erklä¬ 
rung  fehlt  uns. 

Vielleicht  die  einleuchtendste  Erklärung  für  die  Möglich¬ 
keit  dieses  rücksichtslosen  Vorgehens,  das  vor  noch  nicht  lan¬ 
ger  Zeit  als  ein  schwerer  Kunstfehler  angesehen  worden  wäre, 
hat  Moszkowicz1)  gegeben.  Er  geht  auf  Grund  klinischer 
Erfahrung  von  der  Ansicht  aus,  dass  in  der  weitaus  grössten 
Zahl  der  Perityphlitiden  die  Peritonitis  zuerst  diffus  ist  und 
sich  erst  später  auf  einen  zirkumskripten  Abszess  beschränkt. 
Er  weist  darauf  hin,  dass  so  häufig  nach  den  anamnestischen 
Angaben  in  den  ersten  Tagen  stürmischere  Symptome,  diffuse 
Schmerzen,  Meteorismus,  Stuhl-  und  Windverhaltung,  Er¬ 
brechen  verzeichnet  sind,  die  für  Beteiligung  des  ganz  e  n 
Peritoneums  sprechen.  Die  diffuse  Peritonitis  oder,  wie  ich 
mich  vorsichtiger  ausdrücken  möchte,  die  diffuse  „p  eri- 
tonealeReizun  g“  ist  bei  den  schweren  Fällen  von  Appen¬ 
dizitis  sehr  häufig.  Moszkowicz  stellt  sich  den  Verlauf  dci 
Entzündung  in  der  Appendix  folgendermassen  vor:  Zunächst 
spielt  sich  die  Entzündung  an  der  Schleimhaut  der  Appendix 
ab.  Diese  ist  geschwollen,  von  kleinen  Hämorrhagien  durch¬ 
setzt.  Stellenweise  zerfallen  die  Blutungen  zu  kleinen  Ge- 
schwürchen.  Auf  dem  Lymphwege  dringen  die  Bakteriengifte 
sehr  bald  bis  an  die  Serosa.  Es  ergiessen  sich  aus  dem  mit 
Infektionsmaterial  gefüllten  Eitersäckchen,  das  die  Appendix 
darstellt,  Ströme  von  Bakteriengiften  in  die  Bauchhöhle  Diese 
reagiert  darauf  durch  Ausscheidung  jenes  klaren,  sterilen  Ex¬ 
sudates,  das  auch  Sonnenburg,  Riedel,  Sprengel 
u.  a.  bekannt  ist. ...  Ist  schon  das  normale  Peritoneum  im¬ 
stande,  eine  gewisse  Menge  von  Infektionsmaterial  unschädlich 
zu  machen,  so  wird  das  durch  die  vorher  diffundieiten  Gift¬ 
stoffe  gereizte  Peritoneum  diese  Fähigkeit  in  noch  gesteigertem 
Masse  besitzen.  Moszkowicz  meint,  die  allmählich  durch 
die  Wand  des  Wurmfortsatzes  durchfiltrierten  Bakteiiengnte 
könnten  in  gleicher  Weise  stimulierend  auf  das  Peritoneum 
wirken  wie  wir  es  aus  der  Immunitätsforschung  von  der 
physiologischen  Kochsalzlösung,  Bouillon,  Nukleinsäure  etc. 
wissen,  so  dass  sich  das  Peritoneum  in  en nein  Re izzustand  1 be¬ 
findet  wenn  die  Perforation  der  Appendix  erfolgt.  Der  Reiz 
zustand  ist  aber  gleichbedeutend  mit  der  durch  die  erwähnten 
Flüssigkeiten  erzeugbaren  Pseudoimmumtat  (I  feine  u  oc 

der  „erhöhten  Resistenz“.  .  „  or 

So  einleuchtend  diese  Ansichten  von  M  o  s  z  k  o  w  i  c  z  er¬ 
scheinen,  so  fordern  sie  doch  bei  genauerem  Zusehen  teilweise 
zum  Widerspruche  heraus  und  veranlassten  mich  Versuche  . 


U  Langenbecks  Archiv,  Bd.  72.  p.  7/3. 

2)  Sprengel:  D.  Chirurgie,  46.  Bd.:  Appendizitis, 
s)  Riedel:  Langenbecks  Archiv,  Bd.  66,  p.  1. 


3* 


1780 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


zustellen,  die  vielleicht  eine  andersartige  Erklärung  der  frag¬ 
lichen,  für  die  Pathologie  der  Appendizitis  doch  recht  wichtigen 
und  interessanten  Vorgänge  erlauben. 

In  erster  Linie  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  diese  Fälle 
mit  dem  serösen,  keimfreien  Frühexsudat  durchaus  nicht 
etwa  sehr  häufig  sind.  S  p  r  e  n  g  e  1 :)  fand  sie  unter  85  Früh¬ 
fällen  8  mal.  Zudem  ist  die  Keimfreiheit  dieses  Exsudates,  wie 
auch  Sprengel  zugibt,  noch  nicht  sicher  erwiesen.  R  i  e  - 
d  e  1 :t)  konnte  in  einem  Falle  Bazillen  von  einer  nicht  genau  be¬ 
stimmbaren  Gattung  nachweisen.  Und  ich  selbst  setze  Zweifel 
in  die  Keimfreiheit,  seitdem  ich  in  dem  mikroskopisch  von  mor¬ 
phologischen  Bestandteilen  freien,  klaren,  serösen  Exsudat 
eines  Falles,  der  allerdings,  wenn  die  anamnestischen  Angaben 
richtig  sind,  erst  am  Morgen  des  vierten  Tages  zur  Operation 
kam,  durch  Bouillonanreicherung  B.  coli  nachweisen 
konnte,  während  die  einfach  mit  mehreren  Oesen  beschickten 
Agarröhrchen  steril  blieben. 

In  einer  nicht  geringen  Anzahl  von  Frühfällen  finden  wir 
trübes,  bakterienhaltiges,  ja  sogar  eitriges  Exsudat.  Merk¬ 
würdigerweise  zeigen  die  zahlreichen  histologischen  Unter¬ 
suchungen  mit  Bakterienfärbung  in  solchen  Fällen,  dass  Bak¬ 
terien  wohl  in  der  Mukosa,  auch  in  den  Lymphbahnen  des 
Mesenteriolum,  nicht  aber  in  den  übrigen  Wandungen  der 
Appendix  nachweisbar  sind. 

Dieser  Umstand  führte  mich  zu  einer  anderen  Deduktion. 
Ich  ging  von  der  Tatsache  aus,  dass  bei  der  Appendizitis  von 
den  Geschwürsflächen  der  Schleimhaut  Bakterien  in  das  Blut 
gelangen.  Die  Zahl  der  mitgeteilten  Untersuchungen  hierüber 
in  der  Literatur  scheint  zwar  nicht  gross  zu  sein.  Canon4) 
wies  in  einem  Falle  Streptokokken  nach,  J  e  n  s  e  n  5 *)  fand  in 
10  Fällen  Pneumokokken  im  lebenden  Blute,  ich  konnte  in 
einem  Falle  Streptokokken,  in  einem  zweiten  ein  der  Koli- 
gruppe  angehörendes  Bakterium  aus  dem  Blute  züchten.  Die 
neueren  Untersuchungen  des  Blutes  haben  uns  aber  im  Gegen¬ 
satz  zu  den  früheren  Anschauungen  gezeigt,  wie  ausserordent¬ 
lich  häufig  Bakterien  im  Blute  kreisen,  dass  nur  der  Nachweis 
oft  nicht  leicht  ist  und  nicht  stets  gelingt.  Mit  weiterer  Aus¬ 
bildung  der  Untersuchungsmethoden  ist  die  Zahl  der  positiven 
Blutbefunde  bei  den  verschiedensten  Krankheiten  derart  ge¬ 
wachsen,  dass  Canon0)  in  seinem  vortrefflichen,  zusammen¬ 
fassenden  Werke  schreiben  konnte:  ,,Bei  den  verschiedensten, 
geringfügigen  Anlässen  treten  pathogene  Keime  ins  Blut 
über....  Wenn  wir  auch  daran  festhalten,  dass  bei  völlig 
normalem  Körperzustande  keine  Bakterien  ins  Blut  übertreten, 
so  müssen  wir  doch  annehmen,  dass  die  geringste  auf  Infek¬ 
tion  beruhende  Indisposition  des  Körpers,  welche  zu  lokalen 
Ansammlungen  pathogener  Bakterien  führt,  den  letzteren  Ge¬ 
legenheit  zum  Uebertritt  ins  Blut  gibt,  und  dass  es 
auch  sehr  häufig,  wahrscheinlich  sogar  immer,  bei 
solchen  Gelegenheiten  zu  einem  derartigen  Uebertritt  kommt/' 
Für  einen  direkten  Uebertritt  der  Bakterien  in  arrodierte  Blut¬ 
gefässe  bei  der  Appendizitis  liegen  auch  histologische  Befunde 
vor  [Brunn  7 8)]. 

Sollten  nun  nicht  möglicherweise  diese  von  der  ulzerierten 
Appendixschleimhaut  ins  Blut  gelangenden  Bakterien  in  Zu¬ 
sammenhang  stehen  mit  der  oben  erwähnten,  noch  einer  siche¬ 
ren  Erklärung  harrenden  Immunisierung  bezw.  erhöhten  Re¬ 
sistenz  des  Peritoneums  im  Frühstadium  der  Appendizitis? 
Ich  stellte  zur  Beantwortung  dieser  Frage  eine  grössere  Zahl 
von  Versuchen s)  am  Kaninchen  an  und  konnte  feststellen, 
dass  das  Peritoneum  im  normalen  Zustand  für 
im  Blute  kreisende  Bakterien  undurchgängig 
ist.  Eine  Invasion  der  Bakterien  setzt  erst 
ein  mit  dem  Eintritt  schwerer  Sepsis.  Ganz 
an  d  €  r  s  verhält  sich  das  im  Reizzustande  be¬ 
findliche  Peritoneum.  30 — 40  Minuten  nach  Injektion 
der  Bakterien  in  die  Blutbahn  waren  diese  in  der 
Bauchhöhle  nachzuweisen,  wenn  das  Peri- 

4)  Canon:  Bakteriologie  des  Blutes.  Verlag  Fischer.  Jena 

1906. 

5)  .1  e  n  s  e  n:  Langenbecks  Archiv,  Bd.  69  u.  70. 

°)  1.  c. 

T)  v.  Brunn:  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  Bd.  42. 

8)  Pie  ausführliche  Darstellung  der  Versuche  erfolgt  gemeinsam 

mit  den  die  anderen  serösen  Häute  betreffenden  Experimenten  in 
Bruns  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  Bd.  55. 


!  t  o  n  e  u  m  20  Minuten  vor  der  intravenösen  Injektion  der  Bak¬ 
terien  durch  Einspritzung  einiger  Kubikzentimeter  steriler 
Bouillon  —  in  einigen  Fällen  genügten  sogar  physiologische 
Kochsalzlösung  —  in  einen  geringen  Reizzustand 
versetzt  worden  war. 

Diesen  experimentellen  Nachweis  der  ausserordent¬ 
lich  raschen  Invasion  von  im  Blute  kreisen¬ 
den  Bakterien  in  die  in  einem  leichten  Reiz¬ 
zustande  befindliche  Bauchhöhle  möchte  ich  für 
die  Erklärung  der  erhöhten  Resistenz  des  Peritoneums  heran¬ 
ziehen.  Ich  stelle  mir  den  Vorgang  so  vor,  dass  von  der  ulze¬ 
rierten  Schleimhaut  der  Appendix  kontinuierlich  Bakterien  in 
die  Blutbahn  gelangen.  Lokal  führen  die  Bakterien  und  ihre 
Stoffwechselprodukte  zu  einer  Lymphangitis  im  Peritoneal¬ 
gebiet  der  Appendix  und  ihres  Mesenteriolums,  was  sich 
durch  Hyperämie,  stärkere  Gefässinjektion,  Spannung  und 
Dehnung  der  Serosa  etc.  makroskopisch  kundgibt.  Die  im 
Blute  kreisenden  Bakterien  kommen  in  der  Gegend  des  peri¬ 
tonealen  Reizes  zur  Invasion,  sie  dringen,  wie  es  nach  den 
heutigen  Anschauungen  der  allgemeinen  Pathologie  auch  ganz 
natürlich  erscheint,  an  der  Stelle  des  Reizes,  dem  locus 
minoris  resistentiae  in  die  Bauchhöhle  ein.  Sie  ver¬ 
breiten  sich,  worauf  ich  schon  in  einer  früheren  Arbeit9)  hin¬ 
gewiesen  habe,  sehr  rasch  über  die  grosse  Oberfläche  des 
Peritoneums,  das  nun  durch  Absonderung  des  serösen  Ex¬ 
sudates  oder  durch  Leukozytose  reagiert  und  zunächst  der  im 
Verhältnis  zur  weiten  Peritonealfläche  geringen  Bakterien¬ 
mengen  leicht  Herr  wird.  Das  Peritoneum  befindet 
sich  damit  im  Zustande  der  Pseudoimmunität, 
der  erhöhten  Resistenz. 

Vielleicht  lässt  sich  auf  diese  Weise  auch  die  so  häufige, 
diffuse  peritonealeReizung  im  Anfangsstadium  der  Appendizitis 
erklären.  Versucht  wäre  man  auch  dabei  an  eine  spezifische 
Immunisierung  zu  denken,  doch  lehrt  uns  die  Immunitäts¬ 
forschung,  dass,  da  der  Organismus  die  spezifischen  Schutz¬ 
stoffe  selbst  produzieren  muss,  bis  zum  Eintritt  der  spezifischen 
Immunität  immer  5 — 10  Tage  vergehen.  Ich  glaube  also,  dass 
die  Erhöhung  der  Resistenz  des  Peritoneums 
auf  hämatogenem  Wege  vor  sich  geht.  Ein  Beweis 
für  einen  derartigen  Vorgang  in  der  Pathologie  ist  in  absolut 
exakter  Weise  kaum  zu  erbringen.  Die  Anschauungen,  die 
in  dieser  Frage  bisher  Boden  gewonnen  haben,  basieren  auch 
nur  auf  theoretischen  Erwägungen  und  experimentellen  Ergeb¬ 
nissen,  die  sich  auf  die  Wirkung  von  Bakterientoxinen  be¬ 
ziehen. 

Nachdem  wir  aber  durch  die  Forschungen  der  letzten 
Jahre  wissen,  wie  fälschlicherweise  die  Bakteriologie  des 
Blutes  früher  unbeachtet  blieb  und  wie  ungeahnt  häufig  das 
Blut  als  Transportmittel  für  Infektionskeime  dient,  glaube  ich 
die  Ergebnisse  meiner  Versuche,  die  dem  Blutwege  in  der  vor¬ 
liegenden  Frage  eine  gewisse  Bedeutung  zuweisen,  zur  Er¬ 
klärung  der  Frage  verwerten  zu  dürfen. 


Aus  der  Prosektur  des  Krankenhauses  München  r.  d.  J.  (Privat¬ 
dozent  Dr.  Oberndorfer). 

Appendizitis  und  Appendixkarzinom. 

Von  Dr.  C.  E.  Brandts,  Assistent. 

Ueber  die,  Ursachen  der  Appendizitis  hat  sich  eine  ge¬ 
waltige  Literatur  angehäuft.  Neben  der  mehr  oder  weniger 
auch  heute  noch  zu  Recht  bestehenden  älteren  Anschauung, 
dass  Fremdkörper  —  ich  erinnere  nur  an  die  Perforation  der 
Appendix  durch  Nadeln  usw.  —  und  Kotstauung  die  Entzündung 
des  Wurmfortsatzes  bewirken,  ist  man  heute  der  Uefierzeu- 
gung,  dass  Infektionserreger  die  Ursache  der  Appendizitis  sind. 
Die  einen  schreiben  der  direkten  Wirkung  der  Bakterien  auf 
intestinalem  Wege  die  Schädigung  der  Schleimhaut  in  Form 
der  akuten  nekrotisierenden  Entzündung  zu  (Asch  off),  die 
anderen,  wie  Adrian,  dem  sich  neuerdings  mit  grösserem 
Material  Kretz  angeschlossen  hat,  führen  die  akute  Appen¬ 
dizitis  auf  embolische  Verschleppung  der  Bakterien  in  die  Sub¬ 
mukosa  bezw.  in  die  Follikel  bei  anderswo  im  Körper  bestehen¬ 
den  Infektionsherden,  besonders  bei  Angina,  zurück;  wieder 
andere,  wie  R  i  b  b  e  r  t  und  Oberndorfer  glauben,  dass 


9)  Peiser:  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  Bd.  51,  p.  681. 


die  Bakterien  die  intakte  Schleimhaut  passieren  und  die  Ent 
Zündung  der  Submukosa  zuerst  verursachen;  in  letzterem  ball 
handle  es  sich  hauptsächlich  um  die  chronischen  Formen. 

Auch  Parasiten  des  Darms  können  manchmal  von  einiger 
Bedeutung  sein,  so  vor  allem  Oxyuris  vermiculans  und  1  richo- 
cephalus  trichiurus.  Dieselben  können  durch  ihre  beständige 
Bewegung  einen  Reiz  hervorrufen  oder  kleine  Wunden 
schaffen,  die  dann  das  Eindringen  der  Bakterien  fordern. 
Durch  die  wohl  einwandsfreien  Arbeiten  von  O.  Wagner 
wissen  wir,  dass  die  Parasiten  in  die  Darmwand  bezw.  in  die 
Follikel  eindringen  und  eventuell  dort  verkalken  können.  Auen 
Askariseier  sind  mehrfach  als  Ursache  akuter  Wurmfortsatz- 
entzündung  beobachtet  worden.  Wir  selbst  fanden  in  -Fallen 
der  uns  von  der  chirurgischen  Abteilung  des  Krankenhauses 
r.  d.  I.  von  Herrn  Hofrat  Dr.  Brunner  im  Jahre  1905  zur 
Untersuchung  übersandten  exzidierten  Wurmfortsätze  einmal 
2  Weibchen,  und  einmal  1  Männchen  und  1  Weibchen  von 
Oxyuris  vermicularis,  wobei  die  Schleimhaut  an  ihrer  Lagei- 
stätte  gerötet  war.  Der  mikroskopische  Befund  ergab  Hyper¬ 
ämie,  Follikelschiwellung  und  oberflächlichen  Substanzverlust 
mit  leichter  Infiltration. 

Wohl  am  wenigsten  sind  die  Beziehungen  des  Karzinoms 
zur  Appendizitis  bekannt.  Sind  ja  doch  erst  relativ  wenige 
Fälle  über  das  primäre  Karzinom  des  Wurmfortsatzes  in  der 
Literatur  zu  finden.  Borst  erwähnt  in  seiner  Geschwulst  ehre, 
in  der  er  die  Häufigkeit  der  einzelnen  Organe  an  Krebserkran¬ 
kung  aufzählt,  die  Appendix  nicht.  Der  Grund  hierfür  durfte 
vielleicht  darin  zu  finden  sein,  dass  das  Karzinom  des  Wurm¬ 
fortsatzes  meist  nur  sehr  geringe  Ausdehnung  erlangt,  manch¬ 
mal  nur  in  Form  eines  kleinen  Knötchens  zu  beobachten  ist,  das 
dann  leicht  übersehen  werden  kann;  dann  aber  auch,  dass  die 
exstirpierten  Wurmfortsätze  als  exstirpiert  betrachtet  und  hau- 
fD  nicht  des  Genaueren  untersucht  werden.  Hessberg  gibt 
in  seiner  Dissertationsarbeit  über  Karzinom  des  Proc.  vermit. 
einen  Ueberblick  von  14  Fällen  aus  der  Literatur,  von  denen 
mehrere  Ursache  der  Appendizitis  waren,  während  die  übrigen 
erst  bei  der  Sektion  gefunden  wurden.  Diesen  möchte  ich  noch 
kurz  einige  neuere  Fälle  beifügen. 

Ausser  den  in  obiger  Arbeit  erwähnten  2  Fällen  von  L  c  - 
t  u  1 1  e  und  Weinberg  berichteten  diese  im  Jahre  1903  von 
2  weiteren  Fällen  von  chronischer  Appendizitis  mit  Karzinom 
des  Wurmfortsatzes.  Neri  beschreibt  ein  beginnendes  Kar¬ 
zinom  der  Schleimhaut  und  Submukosa  eines  Proc.  vermit., 
der  wegen  chronischer  Entzündung  bei  einem  29  Jahre  alten 
Patienten  entfernt  wurde;  J  e  s  s  u  p  ein  Adenokarzinom  des  bei 
einer  gynäkologischen  Operation  „gestohlenen  Wurms, 
N  o  r  r  i  s  ein  Adenokarzinom  mit  Uebergang  in  Szirrhus..  Fer¬ 
ner  stellte  Becker  im  Rostocker  Aerzteverein  1906  ein  pri¬ 
märes  Karzinom  der  Appendix  eines  18  jährigen  Mannes  vor, 
das  zufällig  in  einer  wegen  chronischer  Beschwerden  exzidier¬ 
ten  Appendix  gefunden  wurde.  Th.  Landau  erwähnt  in  der 
Berliner  med.  Geselschaft,  Sitzung  vom  14.  November  1906,  bei 
der  Vorstellung  einer  33  jährigen  Frau,  der  bei  einei  Laparo¬ 
tomie  der  am  distalen  Ende  knopfartig  verdickte,  z.  T.  ge¬ 
knickte  und  adhärente  Wurmfortsatz  mitentfernt  wuide  ■ 
mikroskopische  Untersuchung  ergab  ein  Kaizinom  — ,  noch 
weitere  58  Fälle  von  Appendixkarzinomen  aus  der  Literatur, 
die  zum  grössten  Teil  wegen  Appendizitis  entfernt  wurden. 

Das  primäre  Karzinom  des  Proz.  vermif.  ist  also  nach  der 
Literatur  durchaus  nichts  so  Seltenes  und  in  der  Mehrzahl  dei 
Fälle  waren  seine  klinischen  Erscheinungen  die  einer  Appendi¬ 
zitis.  Am  meisten  scheint  das  jugendliche  Alter  bevorzugt  zu 
sein,  wenigstens  finden  sich  unter  den  mitgeteilten  Fällen  aut- 
f allen d  viele  jugendliche  Individuen,  jedenfalls  wesentlich  mehr 
als  bei  Karzinomen  anderer  Organe;  doch  lässt  sich  fiii  die 
sog.  Altersdisposition  keine  bestimmte  Norm  aufstellen,  da 
der  jüngste  Patient  8  Jahre,  der  älteste  81  Jahre  zählte.  Was 
den  Sitz  des  Karzinoms  in  der  Appendix  anbelangt,  so  ist 
meistens  das  distale  Ende,  das  als  obliteriert  erscheint,  bevoi- 
zugt;  doch  kommt  es  auch  im  übrigen  Teil  und  am  proximalen 
Ende  vor.  In  letzteren  Fällen  liegen  die  vielfach  äusserst  klei¬ 
nen  Neubildungen  häufig  zum  grössten  T  eil  in  der  Submukosa 
und  sind  makroskopisch  in  der  Schleimhaut  entweder  gai  nicht 
zu  sehen  oder  ragen  als  kleine  Prominenz  in  das  Lumen  voi  , 
diese  ist  dann  manchmal  oberflächlich  ulzeriert.  Die  Alt  des 


Karzinoms  ist  bald  ein  Adenokarzinom,  bald  ein  Skirrhus  oder 
Gallertkrebs,  meist  ohne  zu  metastasieren. 

Zur  Kasuistik  möchte  ich  nun  in  folgendem  2  Falle  von  pri¬ 
märem  Karzinom  des  Proc.  vermif.  beifügen,  die  uns  mit  dei 
Diagnose  Appendizitis  von  Herrn  Hofrat  Dr.  Br unner  im 
Jahre  1905  überwiesen  wurden.  Sie  dürften  vielleicht  wegen 
der  Seltenheit  und  wegen  ihrer  Krankengeschichte  einiges 

Interesse  erwecken.  .  ,  ,  .  „ 

Den  Krankengeschichten  (Dr.  W  a  1  l  n  e  r)  entnehme  ich  folgen¬ 
des:  Krankenjournal  3450/1905.  Anamn.:  Z.  P.,  8  Jahre  alt.  Auf- 

!'ehe  Patient  wunde  vorm.  12  Uhr  am  28.  VI.  05  durch  die  Sanitäts- 
kolonne  mit  der  Diagnose  Appendizitis  zur  Operation  vom  Arzt 
hereingeschickt.  Gibt  an.  am  6.  IV.  05  mit  Schmerzen  in  der  rechten 
seitlichen  unteren  Bauchgegend  erkrankt  zu  sein  unter  Ficbor 
Appetitlosigkeit,  starker  Verstopfung  und  aufgetriebenem  Leib.  Nach 
sechswöchentlichem  Liegen  zu  Hause  besuchte  er  10  läge  Urig  die 
Schule  und  erkrankte  'dann  neuerdings  unter  den  gleichen  Erschei¬ 
nungen,  doch  befand  er  sich  bald  wieder  besser.  Seit  24  VI  05 
neuerdings  Rückfall  mit  Fieber,  aufgetriebenem  Leib  Erbrechen, 
starken  Schmerzen,  namentlich  in  der  rechten  seitlichen  Bauchgegend, 

Appetitlosigkeit  und  Verstopfung.  _  ‘  .  ,  .  _ 

Status  zur  Zeit  der  Aufnahme:  Kleiner,  mittelkraftig  gebauter 
Juno-e  in  mittlerem  Ernährungszustand,  mit  mittlerer  Muskulatur, 

bleicher  Haut  und  geröteter  Gesichtsfarbe.  m5++*ii,rsfti<r 

Herzfigur  nicht  verbreitert.  Töne  rein.  Puls  HO,  miLelkraftu, 
regelmässig.  Abdomen  aufgetrieben,  Druck  namentlich  in  der  lleo- 
zoekalgegend  schmerzhaft.  In  der  rechten  Unterbauchgegend  den  - 
liehe,  mehr  als  gänseeigrosse  Resistenz  zu  fühlen  Perkussionsschall 
darüber  gedämpft  An  den  Bauchdecken  keine  Schwellung  keine  ent¬ 
zündliche  Rötung.  Temperatur  38,2°.  Diagnose:  Appendicitis  sub- 

aCUtain  Chloroformnarkose  wird  inzidiert.  Es  zeigt  sich  der  Dunn- 
und  Dickdarm  untereinander  in  ganzer  Ausdehnung  in  der  Regio  ileo- 
coecalis  mit  fibrösen  Auflagerungen  bedeckt,  durch  tibrose  Spangen 
miteinander  zu  einem  Konvolut  verwachsen.  Nach  Losung  der  Ver¬ 
wachsungen  sieht  man  zwischen  den  Schlingen,  dass  Zoekurn  und 
Wurmfortsatz  fest  verbacken  sind.  Wurm,  sehr  lang,  zeigt  eine  Per¬ 
foration,  distal  von  derselben  eine  kleine  Auftreibung.  Entfernung  des 
Wurms,  Versenkung  des  Stumpfes,  Bauchetagennaht.  Verband. 

Heilungsverlauf  ungestört.  Patient  wird  am  o.  VIII.  05  ad  med. 

ext.  entlassen^ .  s  c  h  .  p  a  t  h  0 , 0  *  i  s  c  h  e  U  „  t  e  r  su  c  h .  u n  .  g :  Der 

Wurm  ist  etwa  6  cm  lang.  Das  Lumen  des  proximalen  Teiles  massig 
weit,  gut  durchgängig.  Etwa  in  der  Mitte  kommt  man  auf  eine  ktei  , 
ca.  pfefferkorngrosse,  mässig  derbe,  gelbweisse,  knötchenartige  Pro¬ 
minenz,  die  anscheinend  mit  der  Schleimhaut  im  Zusammenhang  steht 
und  das  Lumen  nahezu  vollständig  obliteriert.  Hart  hinter  dieser, 
also  distal,  findet  sich  die  Schleimhaut  etwa  3  mm  ulzeriert  von  gelb¬ 
brauner,  schmutziger  Farbe,  sämtliche  Wandschichten  perforiert. 
Weiter  distal  neben  der  Perforation  findet  sich  ein  graugelbes  ovoides 
( 7 :  2'Va  mm)  der  Längsrichtung  des  Wurms  entsprechendes,  spul¬ 
förmiges,  weiches  Konkrement  —  der  distal  gelegenen,  oben  er¬ 
wähnten  Auftreibung  entsprechend.  Das  Lumen  von  hier  ab  bis  zum 

distalen  Ende  wieder  mässig  weit.  ,,  ... 

Das  Knötchen  wurde  nach  der  makroskopischen  Betrachtung  für 
einen  Tuberkel  gehalten:  wir  waren  daher  sehr  überrascht,  als  wn 
folgenden  mikroskopischen  Befund  erhoben.  Bei  schwacher  Vei- 
grösserung  sieht  man,  dass  die  Stenose  des  Lumens  durch  eine ^ein¬ 
seitige  Verdickung  der  Submukosa  und  Mukosa  durch  Infiltration  mit 
Fpithelziigen  bedingt  ist.  Das  ganze  Knötchen  hat  die  borrn  eines  ab¬ 
gestumpften  Kegels  Die  Schleimhaut  ist  in  der  Mitte  der  Prominenz 
zu  Verlust  gegangen  und  mit  epithelialen  Zugen  infiltriert  proxima 
hiervon  ist  die  Schleimhaut  intakt,  aber  unterminiert  von  den  Krebs¬ 
massen  der  Submukosa:  die  Drüsen  der  Mukosa  hier  s<rh™f f ^ £ 
offenbar  komprimiert  durch  die  unter  ihr  hegenden  Krebsmassen  d  e 
auch  in  die  Drüsenschicht  selbst  hmeinwuchern.  Gegen  die  Per¬ 
foration  zu  an  der  distalen  Seite  fehlt  die  Schleimhaut  und  es  zeigt 
sich  neben  nicht  deutlichen  Follikeln  starke  Rundzelleninfilti  ation. 
Die  Epithelmassen  treten  bald  in  Form  zyhndrischer  Strange  vc 
ungleicher  Dicke  auf,  bald  in  Form  ovaler  oder  rundlicher  namen. 
Die  dem  Stroma  anliegenden  äussersten  Zellen  sind  zylindrisch  odei 
kubisch.  Zwischen  den  Zellmassen  finden  sich  Andeutungen  von  Fo  - 
likeln  in  Form  von  lymphoidzelhgen  Haufen  offenbar  /  ' 

Hekeln  Am  Rand  der  Neubildung  sind  deutliche,  grosse  Lympn 
follikei  deren  erweiterte  Lymphräume  von  Epithelien ‘  ausgeiuU .  smjL 
Das  zwischen  den  Epithelzügen  hegende  Stroma  besteh  aus  derbem 
Bindegewebe.  Die  Muscularis  mucosae  ist  nur  noch  in  Spuren  am 
Rande  zu  sehen,  die  Zeichnung  der  Submukosa  aufgehoben.  Nach  der 
Tiefe  und  dem  Rande  zu  nehmen  die  Epithetaassen  an  Glosse  ^  • 
Stroma  nimmt  zu,  so  dass  das  Ganze  einen  mehr  skirrhosen  Charakter 
erlangt,  während  in  den  oberen  und  zentralen  Schienten  mehr  uar 
cinoma  simplex-Typus  besteht.  Die  Kpithe'massen _sim 
inneren  Muskelschicht  durch  eine  gefassreiche  bindegewebige  fernen 
abgegrenzt,  die  mehrfach  in  die  Muskulatur  hine^,cp^rler^^ei^t 
verdrängt,  so  dass  letztere  im  allgemeinen  verschma  ert  ersehe  . 
Die  Subserosa  verdickt,  die  Serosa  grossenteds  abgesto.  - 
fibrinösen  Auflagerungen  bedeckt, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


1782 


Die  distal  gelegene  Perforationsstelle  ergibt  die  Zeichen  einer 
akuten  nekrotisierenden  Entzündung.  Das  distale  Ende,  sowie  die 
proximalen  'Feile  des  Wurms  zeigen  keine  Verwaschung  der  Sub¬ 
mukosaschichten,  keine  Sklerosierung,  keine  Zeichen  einer  perifolliku¬ 
lären  Entzündung. 

Mikroskopische  Diagnose:  Carcinoma  solidum  mit 
sekundärer  Perforation  der  Appendix  durch  nekrotisierende  Ent¬ 
zündung. 

Wir  haben  also  hier  die  klinischen  Symptome  lind  den 
grob  anatomischen  Befund  einer  perforierenden  Appendizitis, 
die  histologische  Untersuchung  ergab  proximal  der  Perfora¬ 
tionsstelle  die  Entwicklung  eines  Karzinoms,  welches  das 
Lumen  stenosiert.  Folge  dieser  Stenose  war  Sekretstauung 
(Konkrementbildung),  die  ihrerseits  die  für  einelnfektion  günsti¬ 
gen  Bedingungen  schaffen  konnte.  Somit  war  das  Karzinom 
die  Hauptursache  der  perforierenden  Appendizitis. 

Um  einen  ähnlichen  zufälligen  Befund  handelt  es  sich  im 
Fall  II. 

Krankenjournal  5171/1905.  Anamnese:  Q.  F.,  Frater,  35  Jahre. 

Bei  der  Musterung  wurde  Patient  angeblich  wegen  Leibschaden 
und  Schwerhörigkeit  untauglich  befunden. 

Bereits  vor  mehreren  Jahren  hatte  Patient  Schmerzen  im  rechten 
Hypochondrium.  Vor  2  Jahren  wurde  er  vom  Arzt  untersucht,  an¬ 
geblich  damals  Gallensteine.  Seitdem  habe  er  öfters  Schmerzanfälle 
und  die  Gelbsucht  gehabt.  Der  Stuhl  sei  weiss  gewesen.  Vor 
14  Tagen  habe  er  wieder  starken  Anfall  gehabt,  so  dass  er  die  ganze 
Woche  nicht  arbeiten  konnte.  Der  behandelnde  Arzt  verordnete  Sal. 
Carol.,  Ruhe  und  leichtverdauliche  Speisen  und  wies  ihn  zur  Operation 
ins  Krankenhaus. 

Zu  bemerken  ist,  dass  Patient  während  dieser  Jahre  auch  von 
Zeit  zu  Zeit  rechts  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend  gehabt  hat, 
die  öfters  so  stark  wurden,  dass  er  mehrmals  im  Bette  bleiben  und 
Morphium  nehmen  musste. 

Status  praesens  26.  X.  05:  Mittelkräftiger  Körper  mit 
namentlich  gut  entwickelter  Muskulatur  in  etwas  reduziertem  Er¬ 
nährungszustand  und  mit  ikterischer  Hautfarbe.  In  der  Lebergegend 
keine  Geschwulst.  Druckempfindlichkeit  der  Gallenblasengegend  und 
der  Gegend  des  Processus  vermiformis. 

Urinuntersuchung:  Gallenfarbstoff  positiv,  kein  Eiweiss,  kein 
Zucker.  Stuhl:  rahmfarben. 

31.  X.  05.  In  Chloroformnarkose  Incisio  obliqua  reg.  epigastr. 
dextr.  mit  medianer  Verschiebung  des  Muse,  rectus.  Nach  Eröffnung 
der  Bauchhöhle  liegt  die  Gallenblase  in  Taubeneigrösse  und  mässig 
gefüllt  vor.  Die  Serosa  der  Gallenblase  leicht  injiziert,  geschwellt. 
In  der  Gallenblase  und  im  Ductus  choledochus  kein  Stein  zu  fühlen. 
Subseröse  Ausschälung  der  Gallenblase  und  des  Ductus  cysticus.  Ab¬ 
bindung,  Serosanaht.  Ductus  choledochus,  soweit  zu  fühlen,  ohne 
Stein. 

Der  Processus  vermiformis  ist  ungefähr  8  cm  lang  nach  innen 
und  oben  geschlagen,  an  der  Spitze  kolbig  verdickt,  anscheinend  dort- 
selbst  narbig  induriert,  mit  vereinzelten  Spangen  bedeckt. 

Ablatio  proc.  vermif.  Einstülpung,  Bauchhautnaht. 

7.  XI.  Verbandwechsel,  Entfernung  der  Nähte.  Wunde  geheilt. 
Ikterus  geschwunden,  Stuhl  gut  gefärbt.  Urin  ohne  Gallenfarbstoff. 
Patient  verlässt  am  2.  XII.  geheilt  das  Krankenhaus. 

Anatomisch-pathologische  Untersuchung  des  Wurmfortsatzes  er¬ 
gibt:  Am  distalen  Ende  des  Wurmfortsatzes  findet  sich  ein  ca.  linsen¬ 
grosses  Knötchen  von  gelbbrauner  Farbe,  welches  der  Schleimhaut 
anzugehören  scheint  und  das  Lumen  vollständig  verschliesst.  Im 
übrigen  die  Schleimhaut  gequollen,  von  punktförmigen  Blutungen 
durchsetzt. 

Mikroskopischer  Befund:  Das  distal  gelegene  Knöt¬ 
chen  hat  ebenfalls  auf  dem  Schnitt  wie  Fall  I  die  Form  eines  ab¬ 
gestumpften  Kegels  und  infiltriert  Submukosa  und  Mukosa.  An  der 
Spitze  des  Knötchens  noch  vereinzelte  Drüsen.  Das  ganze  Knötchen 
zeigt  zahlreiche  kleinere  und  grössere  —  doch  überwiegen  die  ersteren 
—  epitheliale  Züge,  die  in  einem  derben  Stroma  liegen,  das  zum  Teil 
noch  lymphoide  Zellen,  zum  Teil  selbst  einige  Follikel  einschliesst. 
Die  Züge  sind  meist  solid,  doch  sind  in  der  Submukosa  die  Zellen 
teilweise  noch  radiär  gestellt  und  bilden  so  drüsige  Formationen  mit 
deutlichem  Lumen.  Die  äusseren  Muskelschichten  sind  wie  Sub¬ 
mukosa  und  Mukosa  nur  in  geringerer  Stärke  von  Epithelzügen  durch¬ 
setzt;  dieSuibserosa  ist  verbreitert,  mit  reichlichen  elastischen  Fasern: 
an  einer  Stelle  in  der  Nähe  grösserer,  in  die  Appendixmuskulatur 
eindringender  Gefässe  ein  ungefähr  stecknadelkopfgrosser  Knoten, 
der  sich  aus  zahlreichen  Epithelinseln  in  derbem  Stroma  zusammen¬ 
setzt. 

Stücke  aus  dem  übrigen  Teil  des  Wurms  zeigen  hochgradige 
Verdickung  der  Submukosa  und  reichliche  Wucherung  von  Fett¬ 
gewebe. 

Mikroskopische  Diagnose:  Skirrhus  mit  Andeutung 
von  Adenokarzinom,  j 

Die  Untersuchung  der  Gallenblase  ergibt  den  Zustand  der  Chole¬ 
cystitis  chronica. 

Auch  hier  war  das  Karzinom  die  Ursache  der  bestehen¬ 
den  klinisch  diagnostizierten  chronischen  Appendizitis. 


Beide  Patienten  sind  völlig  genesen.  Rezidive  oder  Meta¬ 
stasen  traten  bei  keinem  auf.  Es  dürften  wohl  diese  Befunde 
bei  der  strittigen  Frage,  ob  Operation  oder  nicht  im  appendi- 
zitischen  Anfall,  mit  ein  Beweisgrund  für  die  Vornahme  des 
operativen  Eingriffs  sein  und  auch  eine  Entfernung  der  Appen¬ 
dix  bei  Laparotomie,  die  wegen  anderer  Erkrankungen  vor- 
genommen  wird,  insofern  das  Befinden  der  Patienten  es  zu¬ 
lässt,  rätlich  erscheinen  lassen;  denn  es  kommen,  wie 
unsere  Fälle  zeigten,  und  wie  aus  der  Literatur  zu  sehen 
ist,  maligne  Neubildungen  in  der  Appendix  nicht  so  sehr  selten 
vor;  ihre  Zahl  wäre  wahrscheinlich  noch  viel  grösser,  wenn 
jede  operierte  Appendix  systematisch  untersucht  würde.  Die 
Karzinome  der  Appendix  können,  wie  aus  Vorstehendem  er¬ 
sichtlich  ist,  völlig  latent  längere  Zeit  verlaufen  und  sich  so  der 
klinischen  Beobachtung  entziehen. 

Literatur: 

E.  Peiper:  Tierische  Parasiten.  Lubarsch-Ostertag.  IX.  Jahrg. 
1903,  II.  —  Weinberg:  Russische  Literatur.  Lubarsch-Ostertag. 
X.  Jahrg.  1904/05.  —  H.  Succhanek:  Pathologie  der  Atmungs¬ 
organe.  Lubarsch-Ostertag.  X.  Jahrg.  1905.  —  Bruno  G  a  1 1  i  -  V  a  - 
lerio:  Sur  un  cas  d’appendicite  avec  Oxyuris  vermic.  et  Trichoce- 
phalus  trichiuries.  Zentralbl.  f.  Bakt.  1903.  34.  Bd.  —  O.  Wagner: 
Oxyuris  vermic.  Virchows  Archiv.  182,  Heft  I.  —  Edens:  Ueber 
Oxyuris  vermic.  Zentralbl.  f.  Bakt.  Bd.  XL.,  Heft  4.  —  Hoppe- 
Seyler:  Ueber  Erkrankungen  des  Wurmfortsatzes  bei  chronischen 
Amöbenenteritis.  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  No.  15.  — 

Schul  tes:  Ueber  Influenza,  Appendizitis  und  ihre  Beziehung  zu 
einander.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1903,  Bd.  42.  —  Referate: 
Path.  Zentralbl.  1903  Bd.  14.  1905  Bd.  15.  1906  Bd.  16.  —  R  e  f  e  r  a  t  e: 
Münch,  med.  Wochenschr.  1903:  S.  434.  S.  1008,  S.  2067.  1904:  S.  1309, 
1483,  1523,  1755,  978.  1906:  S.  370,  1942,  1383,  2326.  —  R.  Kretz: 

Untersuchungen  über  die  Aetiologie  der  ApDendizitis  (Annendizitis 
und  Angina).  Verhandl.  d.  deutschen  pathol.  Gesellsch.  1936. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  in  München  (Prof. 

M.  Pfaundler). 

Hämolysiert  die  Frauenmilch? 

Von  Dr.  Georg  Frey.  Volontärassistenten  der  Klinik. 

In  zwei  Publikationen  (,,Alcune  ricerche  sulla  emolisi  nei 
Bambini“;  Estratto  dal  volume  pubblicato  in  occasione  del  Giu- 
bileo  clinico  del  Prof.  Comm.-A.  Riva  und:  „Sul  potere  emo- 
litico  del  siero  del  latte  di  donna“;  La  Pediatria  1905,  S.  488) 
berichtet  C  a  1 1  a  n  e  o  über  Versuche  betreffend  die  hämo¬ 
lytische  Wirkung  von  menschlichem  Blutserum,  Frauenmilch 
und  anderen  Körperflüssigkeiten.  Es  schien  uns  insbesonders 
von  Bedeutung,  dass  nach  Cattaneo  die  Frauenmilch  eine 
ausgesprochene  hämolytische  Wirkung  auf  menschliche  Blut¬ 
körperchen  ausübt.  Dieses  Ergebnis  von  Cattaneos  For¬ 
schung  steht  im  Widerspruch  zu  Befunden,  welche  an  obiger 
Klinik  jüngst  erhoben  wurden  und  über  welche  Pfaundler 
und  Moro  .demnächst  an  anderem  Orte1)  zu  berichten  ge¬ 
denken.  Ich  unternahm  es  daher,  die  Versuche  Cattaneos 
nachzuprüfen. 

Der  Autor  bediente  sich,  wie  er  angibt,  zu  seinen  Llnter- 
suchungen  der  ,, klassischen  Methode  Maraglianos“  und 
hatte  die  Liebenswürdigkeit,  uns  brieflich  zu  berichten,  wel¬ 
ches  das  von  ihm  so  genannte  Vorgehen  zum  Nachweise  hämo¬ 
lytischer  Wirkung  in  Körperflüssigkeiten  war.  Es  wird  hier¬ 
bei  1  emm  frisches  Blut  mit  1  ccm  der  auf  Hämolysin  zu  prü¬ 
fenden  Flüssigkeit  versetzt  und  das  Gemenge  für  5 — 24  Stun¬ 
den  ")  in  den  Brutschrank  gebracht;  bei  der  ganzen  Prozedur 
ist  nach  Tunlichkeit  aseptisch  vorzugehen.  Cattaneo  be¬ 
stimmt  vor  und  nach  der  Bebrütung  die  Zahl  der  Erythrozyten 
im  Gemenge  und  bemisst  das  hämolytische  Vermögen  der  zu¬ 
gesetzten  Flüssigkeit  nach  der  Anzahl  der  am  Ende  des  Ver¬ 
suches  verschwundenen  (aufgelösten)  Blutkörperchen  in  Pro¬ 
zenten  der  ursprünglich  vorhandenen  Menge.  Wenn  nach  Ab¬ 
lauf  von  Stunden  oder  Tagen  eine  Verminderung  der  Erythro- 
zytenzahl  statthatte,  spricht  Cattaneo  bei  den  mit  Serum, 
Urin  etc.  angesetzten  Proben  (I.  Mitteilung)  von  „autolytischem“ 
oder  „isolytischem“  Vermögen  der  angewandten  Flüssigkeit,  je 
nachdem  Blutkörperchen  und  Zusatzflüssigkeit  von  demselben 


U  Zeitschrift  für  exper.  Pathologie  und.  Theranie  1907. 

2)  In  den  Milchversuchen  (2.  Mitteilung)  dauerte  die  Bebrütung 
6  Stunden. 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1783 


Individuum  oder  von  zwei  verschiedenen  Individuen  stamm¬ 
ten  bei  den  mit  Frauenmilch  angesetzten  Proben  Ul.  Mit¬ 
teilung)  von  „Isolyse“  oder  „Heterolyse“,  je  nachdem 
das  Blut  von  dem  eigenen  Kinde  der  milchhefernden 
Person  oder  einem  ihr  fremden  Kinde  herrührte.  Be¬ 
sonders  auffallend  erschien  uns  Cattaneos  Angabe,  dass 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  das  Blutserum  gesunder 
und  mehr  oder  weniger  schwer  erkrankter  Kinder  eine  be¬ 
trächtliche  lytische  Wirkung  auf  die  eigenen  Erythrozyten  habe, 
da  ja  ein  solches  autohämolytisches  Vermögen  des  Blutserums 
ijm  Organismus  selbst  voraussichtlich  zu  den  schwersten  Er¬ 
scheinungen  führen  müsste.  Auch  der  Umstand,  dass  Cat - 
taneo  leicht  Hämolyse  durch  Frauenmilch  erzielen  konnte, 
liess  uns  daran  denken,  dass  seine  Methodik  nicht  allen  zu 

stellenden  Anforderungen  gerecht  wird. 

In  der  Tat  entfernt  sich  die  von  Cattaneo  angewandte 
Methodik  wesentlich  von  dem  im  Pasteurschen  und  im 
Ehr  lieh  sehen  Institute  gebräuchlichen  Verfahren;  und  zwar 
erstens  dadurch,  dass  ungewaschene  Blutkörperchen  ver¬ 
wendet  werden  (also  Blutplasma  in  jedem  Falle  beigemeng 
bleibt)  ferner  dadurch,  dass  die  Beobachtung  durch  mehr  als 
zwei  ja  bis  zu  36  Stunden  in  der  Brutwärme  fortgesetzt  wird 
Es  liegt  ausserordentlich  nahe,  zu  vermuten,  dass  hiedurch 
bakterielle  Zersetzungen  und  Bakteriohämolyse  zustande  kom¬ 
men  welche  eine  echte  Biohämolyse  durch  die  Körpeiflussig- 
keiten  Vortäuschen.  Cattaneo  selbst  hatte  dieses  Bedenken 
in  Betracht  gezogen,  glaubt  aber,  dass  sein  skrupulös  asepti¬ 
sches  Vorgehen  eine  Verunreinigung  ausschhesse,  und  tum  t 
auch  an,  dass  Fäulnisprozesse  nach  Experimenten  von  P  a  n  - 
zacchi  die  Hämolyse  nicht  merklich  beeinflussen. 

Dessenungeachtet  sind  wir  der  Ansicht,  dass  das  positive 
Ergebnis  mit  dem  isohomologen  Serum,  sowie  jenes  mit  der 
Milch  in  Cattaneos  Versuchen  durchaus  auf  Bakterien¬ 
wirkung  beruht  und  glauben  dies  durch  unsere  Nach¬ 
prüfung  dartun  zu  können.  Wir  gingen  wie  folgt  vor:  Rote 
Blutkörperchen,  vom  normalen  Erwachsenen  stammend,  wur¬ 
den  in  der  üblichen  Art  mit  physiologischer  Kochsalzlosung 
wiederholt  und  sorgfältig  gewaschen  und  in  frischer  5  pro¬ 
zentiger  Emulsion  verwendet.  Die  Frauenmilch  wurde  gleich¬ 
falls  stets  in  frischestem  Zustande  (sogleich  nach  der  Ent¬ 
leerung)  angewandt.  Die  angesetzten  Proben  wurden  nach 
zweistündigem  Aufenthalte  im  Brutofen  makroskopisch  auf  Hä¬ 
molyse  geprüft. 

V  e  r  s  u  c  h  1 :  0,5  ccm  Frauenmilch  -f-  0,1  ccm  Erythro¬ 
zytenemulsion 

Versuch  II:  0.5  ccm  Frauenmilch  durch  sehr  ener¬ 
gische  Zentrifugierung  entrahmt  -j-  0,1  ccm 
Ervthrozvtenemulsion 

Versuch  III :  0,5  ccm  Frauenmilch  gekocht  -f  0,1  ccm 
Erythrozytenemulsion 

Kontrolle:  0,5 ccm  physiologischer  Kochsalzlosung 
4-  0,1  ccm  Erythrozytenemulsion 

Nach  6  stündigem  Verweilen  der  Proben  im  Brutschrank 
zeigte  sich  überall  Hämolyse,  auch  in  der  Kontrolle  die  mit 
steriler  physiologischer  Kochsalzlösung  versetzt  worden  war. 
Am  stärksten  fand  sich  die  mit  entrahmter  Milch  versetzte 
Probe  hämolysiert,  am  schwächsten  jene  mit  gekochter  Much. 

In  sämtlichen  Proben  fanden  sich  zahllose  Bakterien  ver¬ 
schiedener  Art  in  der  Flüssigkeit  trotz  des  auch  von  meiner 
Seite  befolgten  peinlich  aseptischen  Vorgehens;  dies  kann  auch 
nicht  wundernehmen,  da  die  Gewinnung  einer  vollständig  s  e- 
rilen  Frauenmilch  wie  einer  brauchbaren  Erythrozytenemulsion 
wohl  nur  ausnahmsweise  gelingen  wird,  und  auch  bei  den  ver¬ 
schiedenen  nötigen  Manipulationen  das  Hineingelangen  ein¬ 
zelner  verunreinigender  Kerne,  die  dann  in  der  Brutwärme  sic  l 
rasch  vermehren,  kaum  zu  vermeiden  ist.  Die  von  C  a  t  tan  e  o 
und  uns  gleicherweise  gemachte  Beobachtung,  dass  die  Hämo¬ 
lyse  erst  nach  Ablauf  einer  gewissen  Bebrütungsdauer  einsetzt 
und  dann  rasche  Fortschritte  macht,  ist  wohl  nur  mit  der  An¬ 
nahme  einer  Bakterienwirkung  in  Einklang  zu  bringen. 

Es  scheint  uns  durch  diese  Versuche  festgestellt,  dass 
der  Frauenmilch  entgegen  Cattaneos  Angaben  d  l  e 
Fähigkeit  zur  Hämolyse  von  Menschenblut¬ 
körperchen  (im  Sinne  B  o  r  d  e  t  s  und  E  h  r  1  i  c  h  s)  n  l  c  h  t 
z  u  k  o  m  m  t.  Zu  erwägen  bleibt,  ob  die  Hämolyse  unter  den 
angegebenen  Bedingungen  ausbleibt,  weil  die  Frauenmilch  w  e 


Nach  2  u.  3 
Stunden  in 
sämtlichen 
Proben  keine 
Spur  von 
Hämolvse 
bemerkbar. 


der  geeignete  Zwischenkörper  noch  Komplemente  enthält,  oder 
ob  es  ihr  nur  an  einem  der  beiden  wirksamen  Faktoren  fehlt, 
oder  sie  als  Medium  oder  durch  einen  besonderen  Bestandteil, 
etwa  komplexe  Antikomplemente,  eine  die  Hämolyse  hem¬ 
mende  Wirkung  entfaltet. 


Aus  der  Aussenstation  Kaiserslautern  der  Kgl.  bakterio¬ 
logischen  Untersuchungsstation  Landau  (Pfalz)  (Leiter:  Stabs¬ 
arzt  Dr.  Georg  Mayer). 

Formaldehyd-Kalkverfahren  zur  Raumdesinfektion. 

Von  Oberarzt  Dr.  Huber  und  Dr.  Bickel,  Hilfsärzten  der 

Aussenstation. 

Vorläufige  Mitteilung. 

Bei  Versuchen,  welche  auf  Veranlassung  des  Leiters  der 
Aussenstation  über  Vereinfachung  der  bestehenden  Vei  fahren 
zur  Raumdesinfektion  mit  Formaldehyd  gemacht  wurden,  er¬ 
gab  sich  als  einfachste  Methode  ein  F  o  r  m  aldehyd- 
Kalk- Verfahren,  welches  in  folgendem  kurz  geschildert 
werden  soll. 

Nach  Vorversuchen  wurden  für  50  cbm  Raum  genommen: 

3  Liter  Form  aldehyd, 

3  kg  frisch  gebrannter  Kalk, 

9  Liter  siedend  heisses  Wass  er. 

Der  zu  desinfizierende  Raum  wird  in  üblicher  Weise  ab¬ 
gedichtet. 

In  ein  Holz-  oder  Blechgefäss  von  ungefähr  80  Liter  In¬ 
halt  wird  obige  Mischung  gegeben,  und  zwar  zuerst  Kalk,  dann 
Wasser,  dann  Formaldehyd.  Nach  wenigen  Minuten  löscht  sich 
der  Kalk  unter  lebhaftem  Aufbrausen;  während  sich  ein 
Teil  des  Formaldehyd  mit  dem  Kalk  bindet,  entweicht  der 
Rest  und  dazu  Wasserdampf.  Der  Raum  füllt  sich  rasch  mit 
undurchsichtigem  Nebel,  aus  welchem  sich  alsbald  reichlich 
Feuchtigkeit  niederschlägt. 

Die  Dauer  der  Einwirkung  betrage  6  Stunden;  alsdann 
ist  nach  unseren  bisherigen  Versuchen  eine  Wirkung  vor¬ 
handen,  entsprechend  der  Wirkung  von  Autan,  von  welchem 
auch  die  an  hiesiger  Station  ausgeführten  Versuche  ergaben, 
dass  es  die  Desinfektionskraft  der  bisherigen  Sprayapparate 
noch  nicht  erreicht. 

Man  kann  nun  wie  bei  den  bisherigen  Formaldehydver¬ 
fahren  eine  Bindung  mit  Ammoniak  herbeiführen  zum  Zv  ecke 
der  rascheren  Gebrauchsfähigkeit  des  Raumes;  hiezu  schiebt 
man  in  den  desinfizierten  Raum  ein  Gefäss  von  ungefähr  25  Litei 
Inhalt,  beschickt  mit  1kg  frisch  gebranntem  Kalk,  3%  Liter 
siedend  heissem  Wasser,  Y*  Liter  Ammoniak.  Nach  14  Stunde 
kann  gelüftet  werden. 

Die  Kalkrückstände  könnten  zur  Desinfektion  von  Stühlen, 
Abortgruben,  zum  Wandanstrich  etc.  benutzt  werden. 

Zusätze  von  Kaliumpermanganat,  N  a  t  i  i  u  m  - 
Superoxyd  und  ähnlichen  sauerstoffreichen  Körpein  be¬ 
schleunigen  die  Reaktion;  ebenso  lassen  sich  mit  diesen  Ver¬ 
bindungen  Formaldehyddämpfe  entwickeln,  wie  kürzlich  für 
Kaliumpermanganat  von  Dörr  und  Raubits  chek  (Wiener 
klin.  Wochenschr.  No.  24,  1907)  beschrieben  und  an  hiesige i 
Station  für  Natriumsuperoxyd  festgestellt  wurde. 

Ueber  die  Verwendbarkeit  letzterer  Körper  für  sich  allein 
sowie  über  Kombinationen  mit  dem  Kalkverfahren  und  deren 
eventuelle  Zweckmässigkeit  wird  in  der  an  anderem  Oit  er¬ 
scheinenden  ausführlichen  Arbeit  berichtet  weiden. 

Das  angegebene  Formaldehyd -Kalk-Verf  ah  i  e  n 
würde  für  50 cbm  Raum  kosten:  31  technisches  Farmaldehyd 
Mk.  3.60,  3  kg  Kalk  9  Pf.,  in  Summa  Mk.  3.69.  Die  Ammoniak¬ 
entwicklung  ist  wie  bei  den  anderen  Verfahren  nicht  unbedingt 
nötig,  die  Mehrkosten  würden  13  Pf.  betragen. 

Das  Formaldehyd-Kalk-Verfahren  konnte 
nach  entsprechender  Anleitung  in  jeder  Art  von  Raum  ausge¬ 
führt  werden;  es  wäre  einfach,  ungefährlich  und  Verhältnis 

Statt  flüssigem  Formaldehyd  lassen  sich  auch  Formalin¬ 
pastillen  verwenden,  allerdings  mit  Verteuerung  des  Verfahrens. 

Das  Formaldehyd-Kalk-Verfahren  wurde  sich  dort  zu 
Verwendung  eignen,  wo  Sprayapparate  aus  äusseren  Grunde 
(Feuergefährlichkeit  u.  a.)  nicht  anwendbar  sind. 


1784 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Aus  der  Chirurg.  Klinik  in  Basel  (Vorsteher:  Prof.  W  i  1  m  s). 

Beitrag  zur  Herzchirurgie. 

Von  Dr.  H  a  n  s  Meerwein,  Assistenzarzt. 

In  den  ausführlichen  kasuistischen  Zusammenstellungen 
von  Stewart1),  Borchardt2 3),  Tschernia- 
c  h  o  w  s  k  i :i)  und  Guibal4 * *),  in  welchen  mit  Einschluss  der 
seither  in  der  Literatur  zerstreut  erschienenen  Mitteilungen 
(Sultan0),  Q  o  e  b  e  1 ")  u.  a.)  über  mehr  als  120  verschiedene 
Fälle  von  operativ  behandelten  Herzverletzungen  berichtet 
wird,  ist  nur  1  Fall  von  Verletzung  des  Herzohrs  erwähnt. 

Die  Versorgung  der  Herzwunde  geschah  bisher  in  allen 
Fällen  durch  die  Naht.  In  unserem  Fall,  in  dem  es  sich  um 
eine  Stichverletzung  des  linken  Herzohrs  handelte,  wurde 
die  Blutung  zum  ersten  Mal  beim  Menschen  durch  Abbin¬ 
den  des  Herzohrs  gestillt  und  dadurch  ein  voller  Erfolg  er¬ 
zielt.  Die  versteckte  Lage  der  Herzohren  und  die  flatternden 
Bewegungen  der  Vorhöfe  bringen  es  mit  sich,  dass  die  An¬ 
legung  der  Naht  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden  ist. 
Als  erschwerendes  Moment  sind  noch  die  dünnen  Wandungen 
in  Betracht  zu  ziehen,  da  die  Naht  das  Endokard  nicht  ver¬ 
letzen  soll.  Das  Abbinden  gelingt  rasch  und  leicht,  schont  das 
Endokard  und  bringt  die  Blutung  vollständig -zum  Stehen. 

Im  folgenden  gebe  ich  einen  Auszug  aus  der  Kranken¬ 
geschichte: 

Der  27  jährige  Italiener  C.  hatte  am  24.  Juni  morgens  2Vz  Uhr 
bei  einer  Rauferei  mehrere  Messerstiche  in  die  linke  Thoraxseite  er¬ 
halten.  Er  hatte  sofort  starke  Atemnot,  fiel  zu  Boden,  jedoch  ohne 
das  Bewusstsein  zu  verlieren.  Dann  wurde  er  zu  Bett  gebracht;  er 
konnte  nur  auf  der  rechten  Seite  liegen,  da  jede  andere  Lage  Atemnot 
und  Unwohlsein  verursachte. 

Der  zugezogene  Arzt  legte  einen  Deckverband  an  und  ver- 
ordnete  Bettruhe.  Als  im  Laufe  des  Nachmittags  das  Allgemein¬ 
befinden  beständig  schlechter  wurde,  brachte  man  den  Patienten  in 
einem  Wagen  in  die  chirurgische  Klinik,  wo  er  nach  mehr  als  ein- 
stiindigem  Transport  in  sehr  elendem  Zustand  ankam. 

Beim  Eintritt  abends  6/4  Uhr  war  Patient  äusserst  blass,  sehr 
ängstlich  und  aufgeregt;  die  Atmung  oberflächlich,  stark  beschleunigt 
und  angestrengt.  Die  linke  Brustseite  erschien  etwas  vorgewölbt. 
Im  3.  Interkostalraum  fingerbreit  ausserhalb  des  linken  Sternalrandes 
sah  man  eine  1  cm  lange,  wenig  klaffende,  quer  verlaufende  Stich¬ 
wunde,  aus  welcher  sich  kein  Blut  entleerte.  Im  4.  Interkostalraum 
befand  sich  eine  kleinere,  oberflächliche,  ähnliche  Wunde.  Eine 
dritte  Stichwunde  wurde  im  6.  Interkostalraum  in  der  linken  hinteren 
Axillarlinie  and  eine  vierte  etwas  unterhalb  der  linken  Spina  scapulae 
gefunden.  —  Die  Herzdämpfung  erschien  normal;  die  Töne  rein; 
abnorme  Geräusche  wurden  nicht  beobachtet.  Der  Puls  war  regel¬ 
mässig,  sehr  klein  und  weich,  zeitweise  nur  undeutlich  fühlbar;  seine 
Frequenz  betrug  120  pro  Minute.  Links  vorne  war  der  Lungenschall 
voll  und  tief,  das  Atemgeräusch  abgeschwächt,  während  hinten  links 
eine  Dämpfung  bis  zur  Mitte  der  Skapula  und  stark  abgeschwächtes 
Atemgeräusch  zu  konstatieren  war.  Die  Untersuchung  des  Abdomens 
ergab  nichts  besonderes. 

Die  Diagnose  wurde  in  Anbetracht  der  Lokalisation  des 
Stiches  im  3.  linken  Interkostalraum,  des  hochgradigen  Angstgefühls 
und  schlechten  Allgemeinzustands,  sowie  des  frequenten  und  kleinen 
Pulses  auf  eine  Verletzung  des  Herzens  gestellt;  zugleich  wurde  auch 
angenommen,  dass  der  Stich  im  6.  linken  Interkostalraum  in  der 
hinteren  Axillarlinie  die  Lunge  verletzt  und  zu  einem  Pneumo-  und 
Hämothorax  geführt  habe. 

Die  Operation  (Prof.  W  i  1  m  s)  wurde  sofort,  d.  h.  zirka 
16  Stunden  nach  der  Verletzung  in  Chloroformäthertropfnarkose  vor¬ 
genommen.  Ein  Schnitt  im  3.  Interkostalraum  parallel  den  Rippen 
ergibt  nach  Unterbindung  der  Mammargefässe  und  Resektion  eines 
4  cm  langen  Stückes  der  3.  Rippe  eine  gute  Uebersicht.  Die  Lunge 
ist  stark  kollabiert;  in  der  Pleurahöhle  finden  sich  etwa  lVz  Liter 
fliisigen  Blutes.  Das  Perikard  wird  inzidiert;  in  ihm  sind  ca.  50  ccm 
dunklen,  flüssigen  Blutes  enthalten;  auf  dem  parietalen  Blatt  sieht 
man  den  Einstich,  auf  dem  viszeralen  eine  weitere  Stichverletzung 
und  zwar  in  der  Gegend  des  linken  Herzohrs.  Aus  dieser  Wunde 
quillt  unter  geringem  Druck  Blut  in  wechselnder  Menge  heraus.  Es 
gelingt  nur  schlecht,  die  Wunde  zugänglich  zu  machen,  und  bei  den 
flatternden  Bewegungen  des  Vorhofs  wird  gar  nicht  versucht,  eine 
Naht  anzulegen,  sondern  man  zieht  das  Herzohr  mit  2  Kocher-Pinzen 
etwas  hervor  und  bindet  dann  die  untere  Hälfte  samt  der  Stichwunde 
mit  einem  dicken  Zwirnfaden  ab,  worauf  die  Blutung  steht.  Das 


M  Stewart:  Am.  journ.  of  the  med.  sc.  1904,  p.  431. 

-)  Borchardt:  Sammlung  klin.  Vorträge.  N.  f.  411/412,  1906. 

3)  Tscherniachowski:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  83’ 

18,  1906. 

‘)  Guibal:  Revue  de  chir.  1905. 

®)  Sultan:  Bruns  Beiträge,  Bd.  50,  1906. 

')  Goebel:  Archiv  für  klin.  Chirurgie.  Bd.  79,  1906. 


Blut  wird  aus  Herzbeutel  und  Pleurahöhle  soweit  .als  möglich  aus¬ 
getupft,  das  parietale  Blatt  des  Perikards  wird  offen  gelassen,  die 
Pleura  parietalis  samt  Muskulatur  über  dem  Defekt  der  Inzision  mit 
Zwirn  genäht;  fortlaufende  Hautn.aht  und  Kompressionsverband. 

Der  weitere  Verlauf  war  ein  günstiger.  An  den  2  ersten  Tagen 
betrug  die  Temperatur  39;  der  Puls  war  klein  und  weich,  130.  Am 
3.  Tag  wurden  durch  Punktion  noch  etwa  800  ccm  dunklen,  flüssigen 
Blutes  (das  sich  als  steril  erwies)  aus  der  linken  Pleurahöhle  entfernt, 
worauf  die  Atmung  freier  wurde  und  sich  Patient  wohler  fühlte.  An 
den  folgenden  Tagen  fiel  die  Temperatur  langsam  bis  auf  38°  ab; 
der  Puls  schwankte  zwischen  110  und  90;  das  Allgemeinbefinden  war 
andauernd  gut.  Am  7.  Tag  stieg  die  Morgentemperatur  auf  39,9; 
durch  Punktion  wurden  jetzt  noch  500  ccm  eines  blutigserösen, 
staphylokokkenhaltigen  Exsudates  aus  der  linken  Pleurahöhle  ent¬ 
fernt,  worauf  die  Temperatur  abends  auf  37,6  abfiel  und  nur  noch 
einmal  über  38  0  stieg.  Die  Pulsfrequenz  sank  allmählich  bis 
auf  60;  der  Puls  war  anfangs  klein  und  weich,  aber  regel¬ 
mässig.  In  der  dritten  Woche  war  Patient  vollkommen  wohl,  hatte 
einen  ruhigen  und  kräftigen  Puls,  der  sich  auch  nicht  veränderte, 
seitdem  Patient  mehrere  Stunden  pro  Tag  ausser  Bett  ist  und  um¬ 
hergeht. 

In  der  Literatur  fand  ich  nur  den  Fall  von  G  i  u  1  a  n  0  7), 
er  nähte  eine  Stichverletzung  des  linken  Herzohrs  mit  Ver¬ 
letzung  der  linken  Vena  coronaria,  worauf  Heilung  eintrat. 

Die  grosse  Seltenheit  der  Verletzungen  der  Herzohren 
beruht  einesteils  auf  ihrer  Kleinheit,  andernteils  auf  ihrer  ziem¬ 
lich  geschützten  Lage,  indem  das  rechte  in  der  Höhe  des 
3.  Interkostalraums  hinter  dem  Sternum,  das  linke  in  der  Höhe 
des  Sternalansatzes  des  3.  Rippenknorpels  liegt  (Corning8), 
Fischer9)  erwähnt  in  seiner  Kasuistik  von  319  Fällen 
mehrere  Verletzungen  der  Herzohren,  die  jedoch  meistens  mit 
anderen  Wunden  kombiniert  sind.  Die  Vorhofsverletzungen 
sind  überhaupt  relativ  selten;  so  berechnet  Fischer  8  Proz., 
Z  a  n  e  1 1  i 10)  auf  125  Fälle  10  Proz. ;  L  0  i  s  0  n  “)  auf  78  Stich¬ 
verletzungen  7,6  Proz.  des  rechten  und  2,5  Proz.  des  linken, 
auf  94  Schussverletzungen  7,6  Proz.  des  rechten  und  2,1  Proz. 
Verletzungen  des  linken  Vorhofs. 

Nach  L  e  j  a  r  s  12)  sind  die  Verletzungen  der  Herzohren 
noch  gefährlicher  als  die  der  Ventrikel,  was  wohl  darauf  be¬ 
ruht,  dass  die  Wunden  wegen  der  dünnen  Wandung  immer 
perforierend  sind.  N  a  p  a  1  k  o  w 13)  konstatierte,  dass  die 
Stichverletzungen  der  Herzohren  bei  Kaninchen  nicht  stärker 
bluten  als  die  der  Vorhöfe;  doch  ist  bekannt,  dass  Vorhofs¬ 
wunden  viel  gefährlicher  sind  als  Ventrikelwunden,  denn  wäh¬ 
rend  bei  diesen  die  Wunde  durch  Kontraktion  der  Muskulatur 
verkleinert  oder  zum  Verschluss  gebracht  werden  kann,  ist 
das  bei  Vorhofswunden  nicht  der  Fall.  Guibal14)  stellte  an 
Kaninchen  fest,  dass  die  kleinster?  Wunden  der  Vorhöfe  den 
Tod  herbeiführen,  sofern  nicht  genäht  wird. 

Es  lässt  sich  nicht  feststellen,  dass  die  Wunden  der  Herz¬ 
ohren  andere  Symptome  hervorrufen  als  Ventrikel-  oder  Vor¬ 
hofswunden.  Ueberhaupt  ist  die  Diagnose  der  Herzver¬ 
letzung  in  zahlreichen  Fällen  so  schwierig,  dass  die  speziellere 
Diagnose  nur  vermutungsweise  aus  der  Lokalisation  und  Rich¬ 
tung  des  Einstichs  resp.  Einschusses  zu  stellen  ist.  Haben 
wir  die  Anzeichen  innerer  Blutung,  Verbreiterung  der  Herz¬ 
dämpfung,  Dyspnoe,  Zyanose,  Angstzustände  und  unregel¬ 
mässigen  Puls,  alles  Zeichen  der  Herztamponade,  dazu  noch 
eigentümliche,  oft  gurgelnde,  pfeifende  oder  knisternde  Ge¬ 
räusche,  so  wird  wohl  niemand  über  die  Art  der  Verletzung  im 
Zweifel  sein.  Aber  diese  Symptome  sind  nicht  konstant;  in 
einer  grossen  Zahl  von  Fällen  ist  die  Pleura,  oft  auch  die  Lunge 
mitverletzt,  so  dass  die  innere  Blutung  der  Lungenwunde  zu¬ 
zuschreiben  ist.  Dann  kann  auch  das  durch  die  Herzwunde 
austretende  Blut  durch  das  Loch  im  Perikard  abfliessen  oder 
die  Herzdämpfung  durch  ein  Pneumoperikard  noch  verkleinert 
sein.  Es  gibt  Fälle,  bei  denen  die  physikalischen  Symptome 
am  Herzen  normal  sind  und  doch  eine  Herzverletzung  vor¬ 
liegt.  Der  Allgemeinzustand  ist  in  der  Regel  ein  schwerer, 
Fälle,  wie  die  von  Parlavecchio 15),  in  dem  der  Ver- 


7)  G  i  u  1  a  n  0 :  zit.  nach  Borchardt,  Fall  70. 

8)  Corning:  Top.  Anatomie  1907. 

fl)  Fischer:  Arch.  f.  klin.  Chir.  Bd.  9. 

10)  Zanetti:  zit.  nach  Guibal. 

“)  Loison:  Rev.  de  chir.  1899. 

12)  Lejars:  Dringl.  Operationen.  1906. 

13)  Napalkow:  zit.  nach  Zentralbl.  f.  Chir.  1900. 

14)  Guibal:  1.  c. 

15)  Parlavecchio:  zit.  nach  Borchardt. 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1785 


letzte  mit  einer  Wunde  im  linken  Ventrikel  zu  küss  in  das 
Spital  kam,  oder  von  Sultan 10),  bei  dem  sich  trotz  per¬ 
forierender  Wunde  erst  am  5.  Tag  Zeichen  der  Herztamponade 
einstellten,  sind  Ausnahmen.  Doch  tragen  gleichzeitige  Lun¬ 
gen-  und  Pleuraverletzungen  dazu  bei,  den  Allgemeinzustand 
zu  erschweren  und  die  Diagnose  unsicher  zu  machen. 

Was  den  Verlauf  anbetrifft,  so  tritt  der  Tod  in  einer 
kleinen  Zahl  von  Fällen  sofort  nach  der  Herzverletzurug  ein; 
die  Verwundeten  sterben  nicht,  sie  sind  tot.  Andere  wiedei  - 
um  etwa  ein  Drittel,  bieten  rasch  das  Bild  schwerer  Verletzung 
dar  und  gehen  vor  Eintreffen  ärztlicher  Hilfe  zu  gründe.  Eine 
dritte  Gruppe  zeigt  nach  ein  bis  mehreren  Stunden  die  Zeichen 
innerer  Blutung  und  stirbt  im  Lauf  der  ersten  Tage  an  Anämie 
oder  an  Herztamponade;  das  sind  die  Fälle,  von  denen  durch 
chirurgische  Hilfe  ein  grosser  Teil  gerettet  werden  kann. 
Spontane  Heilung  soll  in  ca.  10  Proz.  der  Fälle  eintreten. 

Die  Therapie,  die  sich  früher  auf  Kälteapplikation  und 
ausgiebige  Aderlässe  beschränkte,  ist  heutzutage  unter  allen 
Umständen  eine  chirurgische  und  auch  im  Zweifelsfalle  wird 
die  Explorativiinzision,  analog  der  Probelaparotomie,  immer 
mehr  in  ihr  Recht  treten.  Allerdings  muss  man  unter  pein¬ 
licher  Asepsis  vorgehen,  denn  nur  zu  häufig  wird  sonst  das 
günstige  Operationsresultat  durch  eitrige  Perikarditis  und  I  eu- 
ritis  wieder  illusorisch  gemacht.  Rehn  erwähnte  auf  dem 
diesjährigen  Chirurgenkongress,  dass  immer  noch  40  I  roz.  der 
Todesursachen  infektiöse  Prozesse  sind. 

Zur  Freilegung  des  Herzens  wird  am  meisten  der  Lappen¬ 
schnitt  mit  äusserem  Charnier  empfohlen;  doch  haben  wir  erst 
kürzlich  wieder  bei  einer  Probeperikardiotomie  konstatieren 
können,  dass  man  durch  den  von  Wilnas1')  bei  Herzver¬ 
letzung  zuerst  angewandten  Interkostalschilitt  einen  völligen 
Ueberblick  über  das  Herz  erhält,  wobei  die  Möglichkeit  der 
raschen  Ausführung  nicht  ausser  Betracht  gelassen  werden 
darf  Sauerbruch18)  hebt  mit  Recht  die  Vorzüge  des 
Unterdruckverfahrens  für  die  Herzchirurgie  hervor.  Die 
Pneumothoraxgefahr  fällt  weg,  durch  Erschlaffung  der  Herz¬ 
wand  wird  die  Anlegung  der  Naht  erleichtert  und  es  lasst  sich 
vor  Schluss  der  äusseren  Wunde  ein  ev.  vorhandener  T  neumo- 
thorax  durch  Erhöhung  des  Minusdruckes  beseitigen,  wodurch 
die  Infektionsgefahr  der  Pleurahöhle  wesentlich  verringert 
wird.  Auch  er  empfiehlt  den  Interkostalschnitt. 

Der  Verschluss  der  Herzwunde  geschieht  durch  Knopf¬ 
nähte  mit  Seide,  resp.  Zwirn  oder  mit  Katgut.  Die  dünnen 
Wandungen  sind  bei  Wunden  der  Herzohren  und  der  Voinote 
in  Rechnung  zu  ziehen.  So  sah  sich  auch  Giordano  ) 
genötigt,  das  parietale  Perikard  gleichzeitig  mit  öci  Voi hots¬ 
wunde  zu  nähen,  um  eine  solidere  Narbe  zu  erhalten.  Bei 
nachträglicher  Durchsicht  der  Literatur  fanden  wir  auch,  dass 
V  i  1 1  a  r  s  20)  auf  Grund  experimenteller  Studien  für  Vorhots¬ 
wunden  die  Ligatur  empfohlen  hat,  doch  wurde  dieselbe  bisher 
beim  Menschen  noch  nie  ausgeführt. 

Auch  E  1  s  b  e  r  g  21)  hat  an  Tieren  Herzohren  und  Teile  der 
Vorhöfe  mit  günstigem  Resultat  abgebunden.  In  unserem  hall 
gelang  die  Ligatur  ohne  Mühe  und  hatte  vollen  Ei  folg,  sodass 
man  sie  bei  der  leichten  Ausführung  für  ähnliche  Fälle 
empfehlen  kann. 

Das  eröffnete  Perikard  kann  offen  gelassen  oder  genäht 
werden;  Drainage  ist  nur  anzuwenden,  wenn  man  Grund  hat, 
eine  Infektion  befürchten  zu  müssen;  auch  die  Drainage  der 
Pleurahöhle  ist  bei  genügender  Blutstillung  nicht  zu  empfehlen. 

Von  den  operierten  Fällen  von  Herzverletzungen  sind  ca. 
40  Proz.  zur  Heilung  gekommen;  die  Erfolge  der  chirurgischen 
Behandlung  sind  also  derartig  günstige,  dass  sie  auffordern, 
immer  kühner  auf  dem  noch  relativ  jungen  Gebiet  vorzugehen. 


lw)  Sultan:  Bruns  Beiträge.  Bd.  50,  p.  491. 

17)  Wilms:  Zentralbl.  f.  Chir.,  1906,  p.  817. 

18)  Sauerbruch:  Arch.  f.  klin.  Chir.  Bd.  83,  p.  o36. 
i8)  Giordano:  zit.  nach  Semaine  med.  1898,  p.  407. 

20)  Villars:  Arch.  provinc.de  chir.  1901. 

21 )  Eisberg:  Bruns  Beiträge.  Bd.  25,  1899. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Giessen  (Prof.  Dr.  V  o  i  t). 

Ueber  einen  Fall  von  primärer  IVlundtuberkulose  durch 
Infektion  mit  Perlsuchtbazillen. 

Von  Dr.  A.  W  e  b  e  r,  Assistenzarzt. 

Seit  Koch  [8]  im  Jahre  1901  erklärt  hatte,  Rinder-  und 
Menschentuberkulose  würden  durch  verschiedene  Erreger  ver¬ 
ursacht  und  Rindertuberkulose  komme  bei  Menschen  jeden¬ 
falls  nur  sehr  selten  vor,  wie  auch  Menschentubeikelbazillen 
für  Rinder  nicht  pathogen  seien,  sind  von  einei  Reihe  von 
Forschern  ausgedehnte  Untersuchungen  darübei  angestellt 
worden,  ob  diese  Angaben  K  o  c  h  s  zu  Recht  beständen. ,  v  a  i- 
rend  de  J  o  n  g  [6],  Dammann  [2]  und  Eber  [3]  den  An¬ 
schauungen  Kochs  entgegen  für  hohe  Pathogenität  der  Men¬ 
schentuberkelbazillen  für  das  Rind  eintraten,  konnten  K  ar  - 
linski  [7],  Arloing  [l],  Ravenei  [13]  und  Orth  111] 
nur  mässige  Pathogenität  feststellen,  und  I  ark  UH,  Moel- 
1  e  r  [10]  sowie  Henschen,  Jundell  und  Swenss  o  n  [4J 
vermochten  Rinder  mit  Menschentuberkelbazillen  überhaupt 
nicht  tuberkulös  zu  machen. 

K  o  s  s  e  1,  W  e  b  e  r  und  H  e  u  s  s  [9]  bestätigten  nach  e  n - 
gehenden  Untersuchungen  die  Angaben  von  Ih.  Smith  [1  1 
und  Koch  von  der  Verschiedenheit  der-Rinder-  und  Menschen¬ 
tuberkelbazillen  und  stellten  den  Grund  fest,  weshalb  man  in 
einer  scheinbar  so  einfach  zu  entscheidenden  Frage  zu  so 
verschiedenen  Resultaten  kommen  konnte.  Sie  führten  den 
Nachweis,  dass  bei  Menschen  2  verschiedene  Typen  von  1  u- 
berkelbazillen  Vorkommen.  Der  eine  Typ,  von  ihnen  Typus 
humanus  genannt,  ist  sehr  häufig  und  ist  für  Rinder  nicht  pa¬ 
thogen;  der  andere,  Typus  bovinus,  wird  seltener  gefunden, 
vorzugsweise  bei  der  Intestinaltuberkulose  dci  Km  ei. 
ist  hoch  pathogen  für  Rinder,  ruft  bei  ihnen  regelrechte  T  er  - 
sucht  hervor  und  unterscheidet  sich  in  nichts  von  echten  I  eil- 

In  der  Literatur  sind  nun  sichere  Bovinusinfektionen  bei 
Menschen  bis  jetzt  nur  in  beschränkter  Anzahl  bekannt.  Der 
vorliegende  Fall  sei  ihnen  beigefügt,  zumal  der  Ort  der  In¬ 
fektion  eigenartig  ist  und  die  Ansteckungsquelle  mit  grosser 

Wahrscheinlichkeit  festzustellen  war.  .  . 

Am  10.  April  1906  suchte  eine  Frau  Aufnahme  in  der  medizinischen 
Klinik  zu  Giessen  wegen  einer  schmerzlosen  Anschwellung  des  rech¬ 
nen  LndwinkeS!  an  der  sie  nach  ihrer  Angabe  seit  4  Monaten  litt 
Sie  stand  vorher  5  Wochen  lang  in  ärztlicher  Behandlung;  es  wurde 
ihr  Gurgelwasser  und  Medizin  zum  einnehmen  verschrieben  auch 
wurde  sie  geätzt,  aber  alles  ohne  Erfolg,  eher  war  eine  Verschlech 
terung  eingetreten.  In  den  letzten  Wochen  schwollen  auch  die  Kjefer- 
drüsen  und  die  rechte  Mandel  an  und  auf  letzterer  bildete  sich  ein 
weisslicher  Belag.  Die  Frau  stammte  aus  gesunder  Familie  und  war 
bis  7u  dieser  Krankheit  immer  gesund  gewesen. 

Die  29  fahre  alte  Patientin  machte  bei  der  Aufnahme  einen 
schwer  kranken  Eindruck,  war  blass  und  in  dürftigem  Ernährungs¬ 
zustand.  Die  Gegend  des  rechten  Mundwinkels  war  stark  geschwol¬ 
len  die  äussere  Haut  im  Bereich  der  Schwellung  normal  mit  Aus¬ 
nahme  eines  kleinen  trockenen  Schorfes  genau  im  Mundwinkel.  Da¬ 
gegen  war  die  Wangenschleimhaut  da,  wo  sie  den  Zähnen  des  reckten 
Oberkiefers  anliegt,  vom  Mundwinkel  bis  Zur  Gegend  des  letzten 
Molaren  gerötet,  fest  infiltriert  und  ubersat  mit  1—2  mm  tiefen,  gan  i 
unregelmässigen,  scharfrandigen  Substanzverlusten,  die  etwa  Mohn¬ 
korn-  bis  Linsengrösse  hatten.  Die  Geschwürchen  waren  eürig  be- 
legt.  Zwischen  ihnen  lagen  zahlreiche  mohnkorngrosse  rotlicl 
Knötchen,  die  nur  wenig  über  das  Niveau  der  Schleimhaut  hervor- 
ragten  Genau  die  gleichen  Veränderungen  fanden  sich  auf  der  stark 
geschwollenen*1  rechten  Tonsille  und  dem  fest  infiltrierten ;  rech  en  vor¬ 
deren  und  hinteren  Qaumenbogen sowie  an  der  zu  1  “'  '  rechten 
geschwollenen  Uvula.  Der  weiche  Gaumen  wai  in  seiner  reenten 
Hälfte  über  und  über  mit  hellroten  Knötchen  besetzt,  aber  fr  ei  von 
Substanzverlusten.  Die  Geschwüre  nahmen  vom  Mundwinke  aus 
nach  Unten  zu  an  Tiefe  und  Zahl  ab.  Die  Drüsen  am  rechten  Unter¬ 
kieferwinkel  sowie  längs  des  Sternokleidomastoideus  wen  s  a  k 
geschwollen,  etwa  bis  zu  Bohnengrosse  sie  w^r®n ^en  Lun- 
empfindlich  und  mit  der  Umgebung  nicht  L  Im 

gen  fand  sich  nirgends  Dämpfung  uberall  ves.kulares  Atmen. 
Bereich  der  rechten  Spitze  SDarliches.  nicht  klingendes,  teinoiasiges 
Passein  Herzgrösse  und  absolute  Herzdämpfung  waren  normal, 
aifder  Spitze  ein  leises  systolisches  Geräusch  An  der J  Ba"uen 
liess  sich  nichts  Abnormes  nachweisen.  Im  Unn  war  eine  ^ou  n 
weiss.  kein  Zucker,  kein  Eiter.  Der  StuhlgaiK  letcht  angehalt  . 

Zur  Sicherung  der  Diagnose  wurde  vom  Rand 1  eines  Oeschwures 
pin  kleines  Stück  Wangenschleimhaut  exzidieit  und  in. I  _aninin  ] 

gebettet.  In  den  gewonnenen  Schnitten  konnten  zunachs  u  >ci  '  - 

bazillen  oder  Knötchen  nicht  nachgewiesen  werden  Nun  nein  wb 
eine  der  stark  vergrößerten  Halsdrusen  exstirpicrt  und  diese  zeigt 


1786 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


das  typische  Bild  der  Tuberkulose:  Knötchen  mit  zentraler  Verkäsung 
und  zahlreichen  Riesenzellen,  die  oft  mehrere  Tuberkelbazillen  ent¬ 
hielten.  Nun  wurden  nach  einigem  Suchen  auch  in  dem  eitrigen  Be¬ 
lag  der  Schleimhautgeschwüre  Tuberkelbazillen  nachgewiesen.  Nach¬ 
träglich  wurden  dann  nochmals  Schnitte  von  dem  exzidierten  Mund¬ 
schleimhautstückchen  angefertigt  und  in  diesen  ganz  oberflächlich 
in  dem  platten  Mundepithel  liegend  kleine  Rundzcllcnherde  mit 
grossen  Mengen  von  Tuberkelbazillen  gefunden.  Zwischen  den  Epi- 
thelien  fanden  sich  hie  und  da  einzelne  Rundzellen  mit  Tuberkel¬ 
bazillen  im  Innern.  Auch  in  der  Tunica  propria  fanden  sich  kleine 
Rundzellenanhäufungen  mit  reichlichen  Tuberkelbazillen.  Inzwischen 
hatte  die  Patientin,  durch  ihre  Angehörigen  darauf  aufmerksam  ge¬ 
macht,  angegeben,  dass  sie  in  den  letzten  2  Jahren  Milch  bezogen 
hätte,  die  von  einer  Kuh  stammte,  welche  bei  der  jüngst  erfolgten 
Schlachtung  als  vollkommen  tuberkulös  befunden  und  deshalb  ver¬ 
brannt  worden  war. 

Es  wurde  nun  sofort  die  Behandlung  mit  Tuberkulininjektionen 
eingeleitet  und  ausserdem  Aetzung  der  Geschwüre  mit  Milchsäure 
vorgenommen.  Aber  unter  unseren  Augen  breitete  sich  der  Prozess 
weiter  aus  und  es  trat  auch  noch  auf  der  linken  Spitze  Knister¬ 
rasseln  auf.  Mitte  Mai  wurde  zur  chirurgischen  Behandlung  ge¬ 
schritten  und  die  Exstirpation  der  geschwollenen  Drüsen  und  Aus¬ 
kratzung  und  Kauterisation  der  Geschwüre  vorgenommen.  Aber  auch 
diese  Behandlung  brachte  keinen  Stillstand  des  Leidens,  die  Frau 
wurde  ungeteilt  aus  der  chirurgischen  Klinik  in  die  Heimat  ent¬ 
lassen  und  ist  dort  nach  Angabe  der  Verwandten  wenige  Wochen 
später  gestorben.  Eine  Obduktion  ist  nicht  gemacht  worden. 

Herr  Prof.  Kessel  hat  aus  einer  exstirpierten  Halsdrüse  der 
rtau  1  uberkelbazillen  in  Reinkultur  gezüchtet  und  festgestellt,  dass 
es  sich  um  den  Rindertube  rkelbazillus  handelt. 

Wir  fassen  den  Fall  auf  als  eine  primäre  Tuberkulose  der 
Mundschleimhaut  infolge  von  Infektion  mit  perlsuchtbazillen¬ 
haltiger  Milch.  Denn  erstens  hatte  das  Leiden  nach  der  Anam¬ 
nese  und  dem  objektiven  Befund  seinen  Anfang  vom  Mund¬ 
winkel  aus  genommen,  während  die  sekundäre  Mundtuber¬ 
kulose  meist  an  den  hinteren  Partien  des  Gaumens  beginnt. 
Zudem  trat  erst  nach  monatelangem  Bestehen  der  Mund¬ 
erkrankung  Husten  auf. 

In  der  Familie  der  Frau  sind  auch  bis  heute,  über  ein  Jahr 
nach  ihrer  Erkrankung,  weitere  Tuberkulosefälle  nicht  vorge¬ 
kommen.  Der  Mann  und  2  Kinder  sind  kräftig  und  in  vorzüg¬ 
lichem  Ernährungszustand,  es  lässt  sich  an  ihnen  nichts  auf 
I  uberkulose  Verdächtiges  nachweisen,  auch  mittels  Röntgen¬ 
durchleuchtung  nicht.  Alle  übrigen  Familienmitglieder  haben 
die  fragliche  Milch  nur  in  gekochtem  Zustand  genossen,  wäh¬ 
rend  die  Frau  sie  ab  und  zu  roh  ..gekostet“  haben  soll. 

Von  hohem  Interesse  war  es  zu  erfahren,  ob  auch  andere 
Leute,  die  von  der  betreffenden  Milch  genossen  haben,  an  Tu¬ 
berkulose  erkrankt  sind.  Soweit  ich  in  Erfahrung  bringen 
konnte,  ist  das  nicht  der  Fall.  Jedoch  hatte  Herr  Dr,  Hart¬ 
man  n  aus  Diez  die  Freundlichkeit,  mir  mitzuteilen,  dass  das 
Enkelkind  des  Besitzers  der  tuberkulösen  Kuh  an  Meningitis 
tuberculosa  gestorben  sei.  Das  Kind  sei  mit  Milch  einer  an¬ 
deren,  aber  ebenfalls  tuberkulösen  Kuh  ernährt  worden.  Des 
weiteren  war  zur  gleichen  Zeit  eine  Gravida  an  Mundtuber¬ 
kulose mit  nachfolgender  Lungenphthise  erkrankt.  Da  in  bei¬ 
den  Fällen  die  Sektion  und  bakteriologische  Untersuchung 
leider  nicht  gemacht  werden  konnte,  lässt  sich  nicht  mehr  fest¬ 
stellen,  ob  Infektion  mit  Typus  bovinus  Vorgelegen  hat  oder 
nicht. 

Literatur. 

J-  A  [Ioing:  Revue 'de  la  Tuberculose.  No.  3.  Bulletin  del’Acad. 
de  Med.  No.  43.  —  2.  Damrnann:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Be¬ 
ziehungen  zwischen  tierischer  und  menschlicher  Tuberkulose.  D. 
tieiäiztl.  Wochenschr.  1904,  No.  53.  —  3.  Eber:  Experimentelle 
Uebertragung  der  Tuberkulose  vom  Menschen  auf  das  Rind.  Zeit- 
schr.  für  Fleisch-  und  Milchhyeiene,  April  1905.  Beiträge  zur  Klinik 
der  I  uberkulose,  1905,  Bd.  3.  Heft  4.  —  4.  H  e  n  s  c  h  e  n  -  .1  u  n  d.  e  1 1  - 
Svvcnsson:  La  luttc  contre  la  Tuberculose  en  Suede.  Stockholm 
1905  —  5.  Hoelzinge  r:  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Beziehungen 
zwischen  tierischer  und  menschlicher  Tuberkulose.  —  6.  De  Jong:- 
De  Esenheid  der  Zoogdiertuberculose.  Leiden  1902.  Verhandlungen 
des  XIII.  internationalen  Kongresses  für  Hygiene  und  Demographie, 
Brussel  1905.  Zur  Steigerung  der  Virulenz  des  menschlichen  Tuber¬ 
kulosebazillus  zu  der  des  Rindertuberkulosebazillus.  Zentralbl.  f 
Hakt..  I.  Abt.  1905.  Original :  Bd.  38.  Heft  2  und  3.  —  7.  Karlinski- 
Oester r.  Monatsschrift  für  Tierheilkunde.  —  8.  R.  Koch:  Die  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose  unter  Berücksichtigung  der  Erfahrungen, 
die  bei  der  erfolgreichen  Bekämpfung  anderer  Infektionskrankheiten 
gemacht  sind.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901.  No.  33.  Uebertrag- 
barkeit  der  Rindertuberkulose  auf  den  Menschen.  Deutsche  med. 

\\  ochenschr.  1902,  No.  48.  Ueber  die  Agglutination  der  Tuberkel- 
bazillcn  und  über  die  Verwertung  didsef  Agglutination.  Deutsche 


med.  Wochenschr.  1901,  No.  48.  —  9.  Kossel,  Weber  und  Heuss: 
Vergleichende  Untersuchungen  über  Tuberkelbazillen  verschiedener 
Herkunft.  Tuberkulosearbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamt, 
rieft  1  und  3,  1904  und  1905.  Kossel  und  Weber:  Wissenschaft- 
liehe  Ergebnisse  usw.  Zeitschr.  für  Tuberkulose  und  Heilstättenwesen, 
Bd.  VII.  Heft  6,  1905.  Kossel:  Vergleichende  Untersuchungen  über 
menschliche  Tuberkulose.  Bd.  VIII,  Heft  6,  1906.  —  10.  Mo  eil  er: 
Deutsche  med.  Wochenschr.  No.  40.  —  11.  O  rth:  Berl.  klin.  Wochen¬ 
schr.,  1902,  No.  34.  —  12.  P  a  r  k:  Zentralbl.  f.  Bakt.,  Ref.  Bd.  32,  No.  5. 
—  13.  Ravenei:  Lancet  1901.  University  of  Pensylv.  Mod. 
Bul.  1902,  No.  3.  —  14.  I  h.  Smith:  The  Journal  of  exper.  med.  1898. 
vol.  3.  Iransact.  of  the  Assoc.  of  Americ.  phvs.  1903,  vol.  18 
Journal  of  Med.  Research,  1905.  vol.  13. 


Aus  der  II.  inneren  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  in 
Triest  (Primarius  Dr.  V.  Liebma  n). 

Schwere  akute  Anämie  nach  Gelenkrheumatismus. 

Von  Guido  Mann. 

Seitdem  Biermer  das  klinische  Bild  der  essentiellen 
perniziösen  Anämie  aufgestellt  hat,  sind  immer  häufiger  Fälle 
beschrieben  worden,  welche  wohl  dieses  bekannte  Krankheits¬ 
bild  Wiedergaben,  aber  doch  als  sekundär  entstanden  zu  be- 
ti achten  waren.  Abgesehen  vbn  der  Helminthiasis  und  von  den 
Krankheiten  gastro-intestinalen  Ursprunges,  sind  es  hauptsäch- 
lich  Syphilis,  Karzinom,  Malaria,  Typhus  abdominalis,  die  als 
ätiologische  Faktoren  Jn  Betracht  gezogen  wurden. 

Allerdings  meint  Bloch1 2),  dass  die  perniziöse  Anämie 
immer  auf  einer  primären  asthenischen  Beschaffenheit  des  blut- 
zellenbildenden  Gewebes  beruhe  und  dass  selbst  bei  den  ,,deu- 
teropathischen“  Fällen  erst  neben  der  Konstitutionsanomalie 
noch  eine  Oiganschwäche  durch  akzidentelle  Momente  oder 
durch  bestimmte  Erkrankungen  herbeigeführt  werde.  Dagegen 
bestreiten  D  e  v  i  c  und  1'  o  1  s  t  •),  dass  die  perniziöse  Anämie 
nie  eine  klinische  Einheit,  sondern  nur  ein  Symptomenkomplex 
sei  und  dass  ihr  Bild  eben  bei  einer  Reihe  sekundär  zur  Blut¬ 
armut  führender  Zustände  wiedergefunden  werde.  Am  rich¬ 
tigsten  hat  es  wohl  Birch -  Hirschfeld  getroffen,  welcher 
schon  im  Jahre  1892  3)  den  Ausdruck  „kryptogenetische 
perniziöse  Anämie“  vorschlug  und  in  der  Tat  sind  heut¬ 
zutage  fast  alle  Autoren  darüber  einig,  dass  in  den  meisten 
Fällen  die  Ursache  der  perniziösen  Anämie  in  gewissen,  teil-, 
weise  bisher  ungekannten  Giften  zu  suchen  sei,  die  im  Blute 
dieser  Kranken  kreisen. 

Folgender  Fall  möge  ein  Beweis  sein,  wie  vorsichtig  man 
in  der  Vorgeschichte  des  Patienten  zurückzugreifen  hat,  bevor 
man  die  Diagnose  einer  essentiellen  Anämie  stellt  —  und 
soll  nebenbei  einen  Beitrag  liefern  zur  Therapie  der  akuten, 
schweren  Anämien: 

M.  L.,  18  Jaln  e  alt,  stammt  aus  gesunder  Familie,  hat  mit 
4  Jahren  gehen  gelernt,  war  nie  ernstlich  krank,  ist  noch  nicht 
menstruiert,  hat  in  einer  hiesigen  Baumwollspinnerei  gearbeitet.  Vor 
zwei  Jahren  war  sie  wegen  leichter  anämischer  Beschwerden  kurze 
Zeit  in  ärztlicher  Behandlung.  Sonst  ist  sie  nie  auffallend  blass 
gewesen. 

Am  17.  Februar  ds.  Js.  liess  sie  sich  von  einem  Arzt  untersuchen, 
weil  sie  sich  seit  einigen  Tagen  matt  fühlte  und  starke  Schmerzen 
m  den  Beinen  und  hauptsächlich  im  linken  Arm  verspürte.  Der  Arzt 
konstatierte  einen  akut_en  Gelenkrheurmatismus  des  linken  Ellbogen- 
und  Handgelenkes,  sowie  der  Interphalangealgelenke  des  2.  und  4 
Fingers,  und  verordnete  Bettruhe  und.  Salizylpräparate.  Auf  diese 
reagierte  Patientin  so  prompt,  dass  sie  nach  wenigen  Tagen  auf¬ 
stehen  und  sogar  herumgehen  konnte.  Mitte  März  wurde  der  Arzt 
wiederum  zu  derselben  Patientin  herbeigeholt  mit  der  Angabe,  dass 
das  Mädchen  wiederholte  Schüttelfröste  habe  und  an  starken  Kopf¬ 
schmerzen  leide.  Diesmal  fiel  ihm  sofort  eine  intensive  Blässe  der 
allgemeinen  Decke  auf,  er  konstatierte  nebenbei  hohes  Fieber,  ein 
rauhes  systolisches  Geräusch  an  der  Herzspitze,  eine  Akzentuation 
des  zweiten  Jones  an  der  Basis,  nahm  das  Vorhandensein  einer 
akuten  rheumatischen  Endokarditis  an  und  leitete  eine  dement¬ 
sprechende  Behandlung  ein.  Da  sich  aber  der  Zustand  tagtäglich 
verschlechterte,  da  die  Hautblässe  immer  stärker  wurde  und  die 
Patientin  an  Kräften  abnahm,  schickte  er  sie  ins  Krankenhaus,  wo 
ich  am  30.  III.  folgenden  Befund  erhob: 

Mädchen  von  kräftigem  Körperbau,  in  nicht  zu  schlechtem  Er¬ 
nährungszustand.  Extreme  Blässe  der  Haut,  sichtbare  Schleim- 


1)  D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  77. 

2)  Lyon  Medicale,  No.  10,  1904. 

3)  NI.  Kongress  für  innere  Medizin:  „Ueber  schwere  anämische 
Zustände“. 


J.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1787 


lriute  direkt  grauweis, s.  Die  Patientin  liegt  mit  geschlossenen  Augen 
auf  dem  Rücken,  hat  ein  äusserst  mattes  Aussehen,  reagiert  aut  An- 

fraS  Temperatur  39,5°;  Puls  120,  klein,  regelmässig;  Blutdruck  nach 
Riva-Rocci  142  mm.  Weder  Oedeme,  noch  Exantheme,  noch 
irgendwo  vergrösserte  Drüsen  zu  konstatieren;  nur  eine  leichte 
Hyperplasie  beider  Lappen  der  Schilddrüse.  . 

Pupillen  gleichweit,  dilatiert,  auf  Licht  nicht  reagieiend. 

Zunge  feucht  und  leicht  fuliginös  belegt. 

Lungen  ohne  Befund, 

Herz  in  normalen  Grenzen,  Spitzenstoss  im  5.  Interkostalraum 
innerhalb  der  Mammillarlinie.  Der  erste  Ton  an  der  Spitze  und 
noch  mehr  an  der  Auskultationsstelle  der  A.  pulmonahs  von  einem 
sanften  hauchenden  Geräusch  ersetzt,  der  zweite  Ton  hierselbst 
etwas  akzentuiert.  Kein  Nonnensausen  an  den  bigakuwenen. 

Abdomen  eingesunken,  gespannt,  nirgends  auf  Druck  schmerz 
haft.  Leber  und  Milz  weder  palpabel,  noch  perkutorisch  vergiosse  t. 

Im^Haxn ^Spuren  von  Eiweiss,  im  Sediment  keine  pathologischen 

Bcstandtede-eiig,  gelbbräunlichi  mikroskopisch  bei  mehrmals  wieder¬ 
holter  Untersuchung  nur  Eier  von  Trichocephalus  dispar. 

Mageninhaltsuntersuchung  auf  freie  Salzsäure  (Gunzburg,  Coi  go. 

1  °  ^ugenspSgdbefund?  Augenhintergrund  graulichweiss.  mehrere 
retinale  Blutungen  im  Zentrum  und  an  der  I  eripherie,  .  ehnci 
fnc+  weiss  mit  verschwommenen  Grenzen. 

Blutuntersuchung:  Hämoglobin  (Fleischl  und  Tallqvist).  10  1 0  •* 

Frvthrozvten:  520  000.  Leukozyten:  1200.  Im  gefärbten  Irapmat 
(Giemsa  Leishman-Romanowsky):  Poikilozytose,  Mikro-  und  Makro- 
zyten  mehrere  Normoblasten,  hie  und  da  ein  Megaloblast,  deutliche 
Polyehromatophilie.  Unter  den  weissen  Zeller i,  ^sser  polymorph- 
kernigen,  auffallende  Zahl  von  grossen 

Mastzellen,  Myelozyten  mit  basophiler  Granulation.  Fast  ganznenes 

r*Xn"«i  Bouillon  und  Agar  angelegt:  steril. 

Somit  imponierte  der  Fall  klinisch  als  eine  schwere,  akute 

ä  M  ää  |csr 1 

Famüie  iratte*' mir  Q  trotF  wiederholten^  Sr"  niSts  von  einer 

ä«  .JA- 

informiert  wuX  ^ 

Da  der  Zustand  als  ein  äusserst  bedrohlicher  zu  betrachten  war, 
i  irii  mioh  nicht  mit  den  gewöhnlichen  therapeutischen  Ei 

SHSSSslS 

pulationen  regelmässig  die  Gerinnung  kürzester  Zeit  resorbiert, 

meiden.  Das  injizierte  Blut  wui  e  i  ,  Reaktion  sondern  es 

und  nicht  nur  entstand  absolut  keine  Gesamt¬ 

fehlte  überhaupt  eine  unangenehme  Ruckwirkung 

den  Blutinjektionen  fügte  ich  noch  die  gnv^leibung  von 

kakodylsaurem  Natron  und,  nach  der  Angabe  von  Grawitz 

Salzsäuretropfen  hinzu.  T  .  «  Roscheid1 

Ueber  den  Verlauf  sagt  folgende  Tabelle  bescneiu. 


rawitz  beschriebenen  Fall0),  von  welchem  dieser  Autor 
meint  dass  es  sich  um  eine  „toxisch  entstandene  akute  Ha- 
moptise  mit  ungeschädigter  Regenerationsfähigkeit  dci  blut¬ 
bildenden  Stätten  handelt“.  Der  Unterschied  besteht  haupt¬ 
sächlich  darin,  dass  Morawitzin  seinem  Falle  eine  infektiöse 
Ursache  nur  vermute  n  konnte,  während  cs  in  unserem  Falle 
doch  naheliegend  ist,  an  den  Gelenkrheumatismus  als  veran¬ 
lassendes  Moment  zu  denken. 

Was  die  Therapie  anbelangt,  so  hat  erst  vor  Kurzem  M  o  - 
r  a  w  i  t  z 7)  die  wohltuende  Wirkung  der  jetzt  vernachlässigten 
Bluttransfusionen  durch  einige  Beispiele  wieder  lebhaft  be¬ 
wiesen  und  diese  Therapie  bei  der  Behandlung  schwerer  Anä¬ 
mien  zur  weiteren  Verbreitung  empfohlen. 

Wenn  aber  die  Meinung  richtig  ist,  dass  die  günstigen  Re¬ 
sultate  nicht  durch  die  M  e  n  g  e  des  transfundierten  Blutes  zu 
erklären  sind,  sondern  dadurch,  dass  das  Knocnenmaik  m  einen 
Reizzustand  versetzt  und  zu  vermehrter  Produktion  angeregt 
wird8),  dann  erreicht  man  doch  dasselbe  Ziel  durch  die  ein¬ 
fache  subkutane  Blutiniektion;  und  wenn  die  in 
meinem  Falle  so  auffallend  günstige  Wirkung  bei  Nachprüfung 
bestätigt  werden  sollte,  so  dürfte  es  in  Zukunft  angezeigt  sein, 
dieser  Methode  wegen  der  Einfachheit  der  Ausführung  und 
wegen  der  absoluten  Ungefährlichkeit  den  Vorzug  zu  geben. 


5.  IV. 


11.1V 

29.  IV 


832  000 
5  800 
952  000 
1 1  800 
2  540  000 
6  900 


5.  V. 


12.  V. 
21. V. 


Erythrozyten 

Leukozyten 

Erythrozyten 

Leukozyten 

Erythrozyten 

Leukozyten 


2  528  000 
4  900 
3  524  000 
7  800 
3  482  000 
7  900 


Erythrozyten 
Leukozyten 
Erythrozyten 
Leukozyten 
Erythrozyten 
Leukozyten 

uÄdm,£ 

Zustande  und  mit  folgenden,  Blutbefund:  HSb.:  65  Proz..  Erythro 
zvten:  3  810  000.  Leukozyten:  6200. 

Meiner  Meinung  nach  gehört  dieser  Fall  in  die  Rubnk 
der  schweren,  akuten  Anämien  und  reiht  sich  -  obwohl  ohne 
Ikterus  und  ohne  Milzschwellung  verlaufen  —  zu  dem  v on 

*)  M~eli  rings  Lehrbuch  der  inneren  Medizin. 

5)  D.  med.  Wochenschr.  1904,  No.  10  u.  11. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau  (Direktor: 
Geh.-Rat  Prof.  Dr.  Küstner). 

Ungewöhnliche  Eniwicklungsdifferenzen  von  Zwillingen. 

Von  Dr.  Ernst  Hart o.g,  Assistent  der  Klinik. 

Frauen*  Anspruch^enöiumYTbeid^Tp^ötzUcji'heh^^^l^^^^jg 

und  hatte  ein  sehr  interessantes  und  selten  schönes  Praparat  g 
zeitigt.  Es  besteht  dasselbe  aus  z*e'ei>se:’  Zwl!l"ypl\,fyj"ca  18 

sä 

iui^nichtdi^geringsfe'spur  vö^Mazerationserscheinungen  aufweist. 

ungefähr  eine  halbe  Stunde  nach  dem  ersten  geboien.  __ 

'  Diese  auffallende  Grössendifferenz  der  Zwillinge  konnte 
uns  nun  zu  der  Annahme  veranlassen,  dass  der  grosse  Fötus 
W  Monate  alt  sei  während  der  kleine  erst  ein  Alter  von 
zwei  Monaten  erreicht  habe;  die  Frau  müsste  somit  zweimal 

geschwängert  sein.  Eine  derartige  Anschauung  nennt  man  be¬ 
kanntlich  eine  Superfoecundatio  oder  Superfoetatio  d.  h  a 
eine  Befruchtung  auf  eine  bereits  bestehende  Graviditr  . 

Die  Hypothesen  der  Superfoecundatio  und  Sub^foc;  fa  ‘0 
haben  sich' lange  Zeit  erhalten  und  sind  immer  woeder  aufge¬ 
taucht  Ein  Punkt,  der  dieselben  wesentlich  unterstützt  un 
früher  als  Beweis  für  das  Vorkommen  der  Ueber  Richtung  an¬ 
gesehen  wurde,  ist  das  zuweilen  schon  im  Uterus 

o-ptrennte  Schicksal  der  Zwillinge.  So  kommt  es  vor,  dass  ce 
eine  Fötus  abstirbt;  die  nach  Resorption  ihres  Fra^asser, 
allmählich  in  Verschrumpfung  übergehende  Frucht  wird  du 
den  fortbestehenden  intrauterinen  Druck  an  *e  aebarmutt 
wand  gedrängt  und  man  findet  dann  nach  der  Gebuit  des  zur 
Reife  entwickelten  Kindes  an  den  Eihäuten  desselben  ausse 
anliegend  den  manchmal  bis  zu  einer  fast  papiei  dünnen  .  e 
zusammengedrückten  Embryo,  sogen.  Foetus  papyraceus. 

In  seltenen  Fällen  wird  der  abgestorbene  Zwillingsfot  vom 
Uterus  dr  ch  Abort  ausgestossen.  Der  Uterus  tntt  sodann  von 
der  Wehen  pause  in  Wehenlosigkeit  über,  die  zweite  Frucht 
bleibt  in  ihm  und  entwickelt  sich  ruhig  weiter  bis  zur  völligen 
Peife  Im  Zentralblatt  der  Gynäkologie  ist  unter  andeicn  w>n 
ü?net  o“ derartiger  Fall  beschrieben  worden  wo  we^ 
Placenta  praevia  im  vierten  Monat  ein  Abort  statttanü, 

o)  D.  Archiv  f.  klin.  Med..  Bd.  88.  H.  4—6. 

•)  S^nÄÄoi^ge^cht  fischen  Hämo¬ 
lysine  und.  Hämopoetine  (s.  Carnot  und  uetianor 
medicale  1906,  S.  429  u.  478). 


1788 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36 


Geburt  der  reifen  anderen  Frucht  erfolgte  dann  5  Monate  und 
6  Tage  später. 

Weiterhin  hat  man  die  Beobachtung  gemacht,  dass  Zwil¬ 
lingsschwangerschaften  in  verhältnismässig  weit  auseiander¬ 
liegenden  Geburtsterminen  ihr  Ende  erreichen:  Der  mehr  ent¬ 
wickelte  Zwilling  wird  rechtzeitig  geboren,  der  minder  ent¬ 
wickelte  bleibt  im  Uterus  zurück,  holt  z.  T.  wenigstens  das 
versäumte  Wachstum  nach  und  verlässt  nach  einer  Zwischen¬ 
zeit  von  mehreren  Wochen  ja  Monaten  zu  mehr  oder  minder 
vollständiger  Reife  entwickelt  die  Gebärmutter.  In  der  ..ge¬ 
richtlichen  Medizin“  von  Hoff  mann  sind  vier  derartige, 
übrigens  ausserordentlich  seltene  Fälle  angeführt,  von  denen 
Fall  T  h  i  e  1  m  a  n  n,  in  dem  der  zweite  Zwilling  52  Tage  nach 
dem  ersten  geboren  wurde  und  besonders  Fall  Eisenmann, 
in  dem  die  Geburt  der  zweiten  Frucht  434  Monate  nach  der  der 
ersten  erfolgte,  seinerzeit  berechtigtes  Aufsehen  erregten. 

Die  Grössendifferenz  auf  der  einen  Seite  und  Zeitdiffernz 
auf  der  anderen  sind  es  also,  die  die  Veranlassung  gegeben 
haben  zur  Theorie  der  Superfoecundatio  und  Superfoetatio. 

Soweit  es  sich  in  dieser  Frage  um  die  Superfoecundatio 
(Ueberschwängerung)  handelt,  d.  h.  um  die  verschiedenzeitige 
Befruchtung  mehrerer  ziemlich  gleichzeitig  ausgestossener 
Eier,  so  lässt  sich  kein  verständiger  Grund  gegen  ihre  Möglich¬ 
keit  anführen,  denn  dem  neu  eingeführten  Sperma  steht  ia  kein 
Hindernis  entgegen  um  zum  Ovulum  vorzudringen.  Ferner 
wird  ihr  Vorkommen  mit  Bestimmtheit  durch  Erfahrungen  aus 
der  Tierwelt  bewiesen;  existieren  doch  Fälle,  wo  eine  Stute 
gleichzeitig  ein  Pferde-  und  ein  Maultierfüllen  geworfen  hat. 
Indessen  würde  sie,  abgesehen  davon,  dass  sie  beim  Menschen 
noch  niemals  beobachtet  worden  ist,  niemals  die  genügende  Er¬ 
klärung  geben  für  die  Grössendifferenz  der  Zwillinge  und  die 
oft  weit  auseinanderliegenden  Geburtstermine  derselben,  da  ja, 
wie  schon  erwähnt,  der  zweite  befruchtende  Koitus  nur  kurze 
Zeit  nach  dem  ersten  erfolgen  würde. 

Man  suchte  nun  den  Grund  für  derartige  Grössenunter¬ 
schiede  in  der  Superfötation  (Ueberfruchtung),  d.  h.  also  in 
der  Befruchtung  eines  während  einer  bestehenden  Gravidität 
neu  ausgestossenen,  einer  späteren  Ovulationsperiode  ange- 
hörigen  Eies.  Die  Möglichkeit  der  Superfötation  gründet  sich 
auf  die  Annahme,  dass  unabhängig  von  einer  bestehenden  Gra¬ 
vidität  jederzeit  von  den  Ovarien  Ovula  produziert  werden 
können.  Zahlreiche  Forscher  der  Neuzeit  wie  Scanzoni, 
Depaul,  Meigs,  Brierre  de  Boismont  u.  a.  haben 
diesbezügliche  Beobachtungen  gemacht  und  auch  während  der 
Schwangerschaft  reife  und  frisch  geplatzte  Follikel  angetroffen, 
so  dass  die  Möglichkeit  der  Ovulation  während  der  Gravidität 
wohl  nicht  mehr  von  der  Hand  zu  weisen  ist.  Indessen  scheint 
physiologischer  Weise  die  Tätigkeit  der  Ovarien  während  die¬ 
ser  Zeit  zu  sistieren.  Auch  wird  die  Wahrscheinlichkeit  einer 
Superfötation  schon  in  den  ersten  zwei  Monaten  bis  auf  ein 
Minimum  hcrabgedrückt,  da  zunächst  einmal  die  deziduale 
Schwellung,  sodann  die  Grösse  des  sich  entwickelnden  Kindes 
und  schliesslich  noch  der  Schleimpfropf  in  der  Zervix  fast  un¬ 
überwindliche  Schwierigkeiten  und  Hindernisse  für  eine  neue 
Konzeption  bieten.  Einfach  unmöglich  ist  aber  die  Ueber- 
fi  uchtung  von  dem  Augenblicke  an,  wo  die  Decidua  vera  mit 
der  Reflexa  zu  Verklebung  gekommen  ist,  also  vom  Anfang 
des  dritten  Monats  an.  Das  Kavum  uteri  ist  derartig  verlegt, 
dass  das  von  aussen  eingeführte  Sperma  mit  einem  etwa  um 
diese  Zeit  den  Eierstock  verlassenden  Ei  nicht  in  Berührung 
kommen  kann.  Uebrigens  ist  die  Annahme  der  Superfötation 
die  also  somit  in  den  ersten  zwei  Monaten  allenfalls  möglich 
sein  kann,  schon  in  den  Fällen  nicht  zulässig,  wo  die  Ent¬ 
wicklungsdifferenzen  bei  in  e  i  n  e  m  Ei  entwickelten  Zwillingen 
beobachtet  werden  —  und  das  ist  sogar  eine  verhältnismässig 
häufigere  Erscheinung  als  bei  in  getrennten  Eiern  entwickelten 
kruchten  — ,  denn  niemand  wird  doch  wohl  so  absurd  sein  und 
chaupten  wollen,  dass  ein  Ei  mit  einem  mehrmonatlichen 
btus  zum  zw  eiten  Male  befruchtet  werden  könne. 

Die  Hypothesen  der  Superfoetatio  und  Superfoecundatio,  die 
uns  somit  keinen  genügenden  oder  besser  gesagt  absolut  keinen 
Aufschluss  geben  über  die  Grössen-  und  Entwicklungsdiffe- 
lenzen  \  on  Zwillingen,  haben  wir  daher  heute  verlassen  und 
nehmen  zur  Erklärung  dieser  letzteren  einen  rein  örtlichen 
Grund  an,  indem  nämlich  die  eine  Frucht  die  Entwicklung  der 


anderen  behindert.  Es  mag  dieses  dadurch  bedingt  sein,  dass 
das  eine  Ei  sich  an  einer  Stelle  des  Uterus  inseriert,  die  ihm 
bessere  Bedingungen  zum  Wachstum  bietet  und  es  gegen  den 
Druck  des  anderen  besser  schützt,  während  das  andere  unter 
ungünstigeren  Verhältnissen  heranreift,  indem  es  z.  B.  an  einer 
1  ubenecke  sich  inseriert  hat. 

Es  ist  diese  ungleiche  Entwicklung  bei  Zwillingen  eine 
häufig  beobachtet  Erscheinung,  allerdings  in  dem  Masse,  wie 
unsei  I  räparat  uns  demonstriert,  gehört  diese  schon  zu  den 
Seltenheiten.  Das  eklatanteste  Beispiel  für  Grössendifferenzen 
von  Zwillingen,  das  bis  jetzt  überhaupt  bekannt  geworden  ist, 
ist  seinerzeit  von  Schultze  in  den  V  o  1  k  m  a  n  n  sehen  Vor¬ 
trägen  beschrieben  worden,  wo  nämlich  an  der  Plazenta  eines 
vollständig  ausgewachsenen  Kindes  ein  Ei  mit  einem  Embryo 
von  der  Form  und  Grösse  eines  ca.  6  wöchentlichen  haftete. 

Auch  in  unserem  Falle  handelt  es  sich  also  um  eine  un¬ 
gewöhnliche  Entwicklungsdifferenz  von  Zwillingen;  beide  Eier 
entstammen  dei  selben  Ovulationsperiode  und  Konzeption. 

Es  sind  dies  ausserordentlich  interessante  Erscheinungen, 
die  eventuell  auch  in  forensischer  Beziehung  eine  gewisse  Rolle 
spielen  können. 


Die  „Freie  Vereinigung  von  Freunden  der  spezifischen 
Tuberkulosetherapie“  und  ihre  Gegner. 

Entgegnung  auf  Herrn  Prof.  Pet  rusch  kys  Artikel  in 
No.  34  dieser  Wochenschrift. 

Von  Chefarzt  Dr.  F.  Köhler,  Holsterhausen-Werden  (Ruhr). 

uUeberl.  Petruschkys  Artikel  in  No.  34  der  „Münch,  med. 
Wochenschr.“^  würde  ich  ohne  weiteres  hinweggehen,  wenn  ich  nicht 
an  mehreren  Stellen  desselben  durchaus  unangemessenen  persönlichen 
Angiiffen  begegnete,  die  ich  energisch  zurückzuweisen  mir  selbst 
schuldig  bin.  Wii  haben  uns  lediglich  über  eine  Sache  auseinander- 
zusetzen.  Selbst  meine  persönlichen  Anschauungen  über  die 
I uberkuhnfrage  gehören  durchaus  nicht  hierher,  sondern  es  han¬ 
delte  sich  lediglich  um  die  Frage,  ob  die  Gründung 
eines  derartigen  Vereins  zweckmässig  sei.  Herrn 
1  etruschkys  persönliche  Ansichten  über  die  Tuberkulin¬ 
trage  selbst  liess  auch  i  c  h  ganz  aus  dem  Spiele. 

Vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  sind  derartige  Sonderver- 
e  i  n  i  g  u  n  g  e  n,  die  eine  Spaltung  in  eine  Spezialdisziplin  der  inneren 
Medizin  bringen,  zu  verwerfen,  da  solche  von  vornherein  einen  fixier¬ 
ten  Standpunkt  involvieren,  der  dem'Studium  und  der  objektiven  Wür¬ 
digung  entgegen  ist,  sodass  die  Aerste,  welche  den  schweben¬ 
den  Fragen  ferner  stehen,  nicht  umfassende,  sondern  einseitige  Be¬ 
lehrung  zu  erwarten  haben,  nämlich  im  unbedingt  positiven 
Sinne.  Die  Richtlinie  und  Tendenz  ist  für  jeden  in  ihrer  einseitigen 
Schärfe  klar,  der  in  Petruschkys  Artikel  von  der  „nutz¬ 
losen  Diskussion  mit  Gegnern,  die  sich  nicht  überzeugen  lassen 
wolle  n“  liest,  wonach  von  vorneherein  denjenigen  also,  welche 
nicht  mitmachen,  in  ganz  unzulässiger  Weise  mala  fides 
untergeschoben  wird,.  So  darf  in  wissenschaftlichen  Dingen  nicht  zu 
Werke  gegangen  werden! 

Jede  organisierte  Sonderbestrebung  birgt  zudem  die  Ge¬ 
fahr  in  sich,  eine  Organisation  der  Kehrseitenvertreter  zu  veran¬ 
lassen.  Ich  würde  zu  einer  solchen  nie  die  Hand  reichen,  weil  die 
I  uberkulinfrage.  wie  jede  ähnliche  schwebende  medizinische  Streit¬ 
frage  gar  kein  Objekt  ist  für  Sondervereinigungen.  Es  sollen  meines 
Erachtens  die  Tuberkuloseärzte  einig  nebeneinander  arbeiten  und 
sich  nicht  in  getrennte  Lager  spalten,  die  sich  äusserlich  durch 
Sondervereinigungen  kennzeichnen.  Konservative  und  ra¬ 
dikale  Therapie  in  der  gleichen  Krankheit  spielen  doch  z.  B.  in  der 
Chirurgie  und  Gynäkologie  eine  grosse  Rolle.  Werden  denn  darauf 
sogleich  Vereinigungen  gegründet?  Sehe  doch  jeder  zu,  dass 
er  als  Arzt,  getreu  sich  selbst,  möglichst  segensreich  wirke,  dann 
hat  er  seine  Pflicht  getan.  Das  Corpus  medicorum  gewinnt  in  den 
Augen  des  Publikums  keinenfalls  an  Gewicht  und  Vertrauen,  durch 
solche  ad  hoc  gebildeten  Vereinigungen.  In  der  Literatur  möge  wer 
es  wünscht  seine  Erfahrungen  und  Anschauungen  niederlegen  und 
begründen,  wobei  persönliches  völlig  ausscheiden  sollte,  aber  auch 
Schlagwörter,  wie  „Seifenblasen“,  fehlen  sollten,  mit  denen  Herr 
Petruschky  meine  kritischen  Untersuchungen  über  die  „Grund¬ 
lagen  zur  Wertung  des  therapeutischen  Effektes  des  Tuberkulins“ 
in  der  Zeitschr.  f.  phys.  u.  diätet.  Therapie  wie  meine  Ansicht  über  die 
Sondervereinigungen  abtun  zu  dürfen  vermeint.  Auf  die  v  o  I  I  e  Be¬ 
rechtigung  der  Frage,  die  ich  der  genannten  Abhandlung  zu 
gründe  legte,  welche  Voraussetzungen  erforderlich  sind,  um 
einen  therapeutischen  Tuberkulineffekt  überhaupt  statuieren  zu 
können,  gehe  ich  an  dieser  Stelle  nicht  -ein.  da  diese  Dinge  ja  gar 
nicht  zu  der  vorliegenden  Frage  gehören,  die  sich  mit  der  Zweck¬ 
mässigkeit  der  Sondervereinigungen  beschäftigt,  was  Herr  Pe¬ 
truschky  im  Eifer  übersah.  Auch  über  Petruschkys  Ideen 


MUENCF1ENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


3.  September  1907. _ _ 

von  der  Ausgestaltung  des  praktischen  Tuberkulinunterrichtes  über¬ 
lasse  ich  dem  Leser  gerne  ein  eigenes  Urteil.  ,  . 

Der  Zweck  meiner  Ausführungen  ist  lediglich  der  darauf  hinzu¬ 
weisen  dass  es  im  Interesse  der  Aerzte  wie  des  Publikums  keinen- 
falls  liegt,  für  ein  bestimmtes  Mittel,  sei  es  1  uberkulin  I  u läse  Serum 
Marmorek  Styracol  oder  was  es  sein  mag,  S  o  n  d  e  1  vereim 
srungen  zu  begründen.  Darin  weiss  ich  mich  guten  Gewissens 
eins  mit  vielen  unseres  Standes,  denen  rechtes  Handeln  und  Wandeln 
atu  Herzen  liegt!  — 

Referate  und  Bücheranzeigen. 

I.  B  o  a  s:  Diagnostik  und  Therapie  der  Magenkrankheiten. 

II.  Teil.  Spezielle  Diagnostik  und  Therapie  der  Magen k ran  - 

heilen.  Mit  10  Abbildungen.  5.,  vermehrte  und  neubearbeitete 

Auflage.  Leipzig,  T  h  i  e  m  e,  1907.  397  Seiten.  Preis  • 

Es  wird  eine  immer  schwierigere  Aufgabe,  aus  der  kaum 
übersehbaren  Tagesliteratur  das  Wichtige  und  brauchbare  zu 
sondern  und  dem  bisherigen  Besitzstände  einzuverleibe  . 

So  äussert  sich  der  Verf.  in  der  Vorrede.  Ohne  eine  wirkliche 
Neubearbeitung  geht  es  bei  einem  solchen  Buche  nicht, 
solche  bietet  uns  Boas,  und  man  kann  sagen  dass  ei  d  e 
schwierige  Aufgabe  gelöst  hat.  Das  rühmlich  bekannte,  in 
dieser  Wochenschrift  wiederholt  günstig  beurteilte  Werk  halt 
auch  in  diesem  Teile  und  dieser  Auflage,  was  es  versprochen 
hat.  In  gleicher  Weise  wissenschaftlich  und  praktisch  ge¬ 
schrieben  bringt  es  dem  Forscher  wie  dem  Praktiker,  dem 
Spezialarzt  wie  dem  praktischen  Arzt  so  viel  Belehrung  und 
Anregung,  dass  es  sich  gewiss  zu  den  alten  Freunden  auch 
neue  gewinen  wird.  1  e  n  z  o 

Handbuch  der  Gynäkologie.  Herausgegeben  von  J.  V  e  i  t. 

Zweite,  völlig  umgearbeitete  Auflage.  Zweiter  B  an  d. 
Wiesbaden  1907.  Verlag  von  J.  F.  Bergmann.  1  reis 
Mk.  15.40.  602  Seiten. 

Dem  vor  wenigen  Monaten  erschienenen  ersten  Bande  des 
V  sehen  Handbuches,  den  wir  in  diesem  Blatte  besprechen 
konnten  (No.  18  d.  J.,  S.  891),  ist  der  zweite  rasch  gefolgt  Der¬ 
selbe  enthält  die  gonorrhoischen  Erkrankungen  der  weibliche) 
Harn-  und  Geschlechtsorgane  von  E.  Bumm,  sowie  die  Ent¬ 
zündungen  und  die  Atrophie  des  Uterus  von  A.  Doderlein 
bearbeitet,  während  die  Bearbeitung  der  Erkrankungen  der 
weiblichen  Harnorgane  (mit  Ausnahme  der  gonorrhoischen) 
von  W.  S  t  o  e  c  k  e  1  übernommen  worden  ist. 

106  Abbildungen  im  Text  und  5  farbige  1  afeln  zieren  den 
vorliegenden  Band,  der  sich  seinem  Vorgänger  würdig  an- 
schliesst.  Wir  behalten  uns  vor,  auf  Einzelheiten  nach  Ab¬ 
schluss  des  ganzen  Werkes,  der  hoffentlich  bald  zu  erwarten 
ist,  zurückzukommen.  J  a  f  f  e  -  Hambi  g. 

Dr.  W.  v.  Oettingen:  Studien  auf  dem  Gebif des 
Kriegssanitätswesens  im  russisch-japanischen  Kriege  1)04  . 

Mit  50  Textfiiguren.  Berlin  1907.  Verlag  von  August 
Hi  r  schwal  d.  247  S. 

Der  Verfasser  war  Chefarzt  des  livländischen  Feldlaza¬ 
retts  vom  russischen  Roten  Kreuz,  das,  jm  April  1904  hmaus- 
gesandt,  anfangs  nach  dem  mandschurischen  Dörfchen  Eho 
verschlagen  wurde,  das  halbwegs  zwischen  Charbin  und 
Wladiwostok  liegt.  Abseits  der  Hauptetappenlmie,  fast  9 '  Tag- 
reisen  von  der  Front  der  Armee  entfernt,  bot  sich  naturgemass 
hier  wenig  Gelegenheit  zu  umfangreicherer  chirurgischer 
Tätigkeit.  Im  November  jedoch  wurde  v.  Oettingen  der 
bei  Mukden  neu  eingerichtete  Sortierungspunkt  (Sbormpun  ) 
des  russischen  Roten  Kreuzes  übertragen,  den  er  mit  einer  Ab¬ 
teilung  seines  Personals  übernahm  und  einrichtete 

Nur  kurze  Zeit,  vom  3.  Dezember  1904  bis  9.  Marz  1905 
dauerte  die  Tätigkeit,  die  v.  O  e  1 1 1  n  g  e  n  hier  ausuben  durfte. 
Am  26  Februar  1905  war  die  Einrichtung  des  Lazaretts,  die 
einen  grossen  Aufwand  von  Mühe  und  Arbeit  erforderte,  voll¬ 
endet  11  Tage  später  befand  sich  der  Sortierungspunkt  in  den 
Händen  des  Feindes.  Doch  boten  die  Einrichtung  und  die 
Organisation  des  Sortierungspunktes,  namentlich  in  baulicher 
Hinsicht,  und  die  umfangreiche  chirurgische  1  atigkeit  in ^  e 
ruhigen  Zeit  bis  zur  Schlacht  von  Mukden  und  schliesslich 
diese  13  tägige  Schlacht  selbst,  in  der  aus  dem  projektierten 
Sortierungspunkt  allmählich  ein  Hauptverbandplatz  wurde, 


1789 


dem  Verfasser  reiche  Gelegenheit,  wertvolle  kriegschirur¬ 
gische  Erfahrungen  zu  sammeln. 

Im  ersten  Teil  seines  Buches  schildert  uns  der  Verfasser 
die  Einrichtung  des  livländischen  Lazaretts  in  Mukden  und 
die  Tätigkeit  desselben  während  der  Waffenruhe. 

Natiurgemäss  nimmt  den  grösseren  Raum  des  Buches  die 
Schilderung  der  Tätigkeit  während  der  Mukdener  Schlacht  ein.  . 
Den  Sortierungspunkt,  an  idem  das  livländische  Feldlazarett 
etabliert  war,  haben  nach  der  Schätzung  des  Verf.  von 
67  000  Verwundeten  etwa  40  000  passiert;  von  diesen  wurden 
ca.  2600  im  livländischen  Lazarett  behandelt.  Diese  Zahlen 
geben  einen  Begriff  von  der  angestrengten  i  ätigkeit  der  Acizte 
und  des  Personals  des  Lazarettes. 

Für  den  ersten  Verband  schlägt  Verf.,  der  wie  die  meisten 
in  diesem  Feldzuge  tätigen  Aerzte  auf  eine  Desinfektion  der 
frischen  Wunden  wegen  der  Unmöglichkeit  ihrer  exakten 
Durchführung  vollständig  verzichtet,  den  Mastix-Kollargol- 
Verband  vor,  den  er  grundsätzlich  stets  angewendet  hat  und 
mit  dem  er  sehr  zufrieden  war.  Aus  dem  umfangreichen 
Kapitel  über  die  grosse  und  die  kleine  Chirurgie  des  Haupt¬ 
verbandplatzes  und  des  Feldlazarettes  sei  nur  einiges  heraus¬ 
gegriffen.  v.  Oettingen  tritt  nach  seinen  Erfahrungen  ein 
für  die  primäre  Operation  der  Aneurysmen,  die  freilich  nur 
von  guten  Chirurgen  vorgenommen  werden  darf,  und  für  die 
primäre  Trepanation  bei  rangentialschüssen  des  Schädels,  bei 
welch  letzteren  er  die  Schwierigkeiten  der  Differentialdiagnose 
nicht  verkennt.  Bei  den  Schussfrakturen  und  den  Gelenk¬ 
schüssen  betont  Verf.  die  Wichtigkeit  der  exakten  Fixation  und 
der  konservativen  Behandlung,  bei  den  Bauchschüssen  die 
Wichtigkeit  der  Einheitstrage  und  der  Vermeidung  jeglichen 

Transportes.  . 

Dem  Wunsche  des  Verfassers  nach  Schaffung  eines  Sche¬ 
mas  das  dem  Arzte  auf  Grund  der  gesammelten  und  ver¬ 
glichenen  Erfahrungen  der  letzten  Kriege  für  sein  Verhalten 
den  verschiedenen  Verwundungen  gegenüber  auf  dem 
Schlachtfelde,  auf  dem  Verbandplätze  und  während  des  Trans¬ 
portes  gegeben  werden  sollte,  kann  Ref.  nur  beistimmen,  und 
er  kann  die  traurigen  Erfahrungen  bestätigen,  die  Verf.  infolge 
fehlerhafter  Verbände,  unangebrachter  Tamponade  und  Naht 
der  Wunden  etc.  durch  die  erstbehandelnden  Aerzte  sammelte. 

Das  Buch  ist,  wie  die  Vorrede  besagt,  Ernst  v.  Berg¬ 
mann  zum  70.  Geburtstage  gewidmet. 

C  o  1  m  e  r  s  -  Heidelberg. 

Joachimsthal:  Handbuch  der  orthopädischen  Chirurgie. 

Achte  (Schluss-)  Lieferung.  Jena,  Gustav  Fischer,  1907. 

8  Mk. 

Die  lang  ersehnte  Schlusslieferung  des  orthopädischen 
Handbuches  bringt  eine  ausgezeichnete  Bearbeitung  der  Wir¬ 
belentzündung  von  W  u  1 1  s  t  e  i  n.  Das  grosse  Mateiial  ist  in 
sehr  sorgfältiger  Weise  zusammengetragen  und  erfährt  eine 
strenge  kritische  Würdigung  von  Seiten  des  Verfassers,  der 
durch  seine  früheren  Arbeiten  über  Spondylitis  sich  bereits 
einen  Namen  gemacht  hat.  F.  L  a  n  g  e  -  München.  ^ 

.  r  i 

Arzt  und  Schulbetrieb.  Gutachten  deutscher  Aerzte,  ge 
rammelt  vom  Elternbund  für  Schulreform  in  Bremen.  Heraus¬ 
gegeben  von  Fr.  Steudel,  Pastor  an  St.  Remberti-Bremen 
Leipzig  1907.  Teutonia-Verlag.  Preis  1  Mk. 

Von  ca.  800  Aerzten  und  Dozenten  an  Universitäten 
deutscher  Zunge  liefen  auf  die  grossstilige  Umfrage  des  Bre¬ 
mer  Elternbundes  —  49  Antworten  ein!  Wir  fühlen  die  Ent¬ 
täuschung  über  dieses  klägliche  Ergebnis,  die  der  Heir  Heraus¬ 
geber  rot  anstreicht,  vollkommen  nach  und  fragen  uns,  on 
darin  wirklich  ein  Gradmesser  für  das  Interesse  der  deutschen 

Aerzte  an  Schulfragen  erblickt  werden  darf. 

Uns  zu  dem  Ergebnis  der  Umfrage  wendend,  müssen  wir 
vorweg  bemerken,  wie  wenig  wir  mit  dem  Ione  einverstanden 
sind,  den  Herr  Pastor  St.  einzelnen  Gutachtern  gegenüber  a  - 
schlägt,  deren  gutachtliche  Aeusserungen  mit  seinen  Ansichtei. 
disharmonieren.  Wäre  dieser  Abkanzlungston  gebrauch  che, 

so  würde  die  so  auffallend  geringe  Beteiligung  an  Umtragen 
allerdings  leicht  zu  erklären  sein.  Solche  Reizbarkeiten  scha  er. 
der  Sache  Mit  noch  grösserem  Bedauern  aber  muss  feste 
stellt  werden  dass  das  fllgemeine  Ergebnis  der  Umfrage,  schon 


1790 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  3e 


numerisch  so  wenig  ausschlaggebend,  von  vielen  trefflichen 
Einzelnbemerkungen  abgesehen,  dem  Gedanken  der  Schul 
reform  nicht  so  viel  neue  Nahrung  und  Freundschaft  Zubringer, 
dürfte,  als  man  hätte  erwarten  dürfen. 

9  Fragen  waren  aufgestellt,  sich  beziehend  1.  auf  Fest 
legung  des  schulpflichtigen  Alters  auf  ein  bestimmtes  Lebens- 
iahr;  2.  die  Frage  des  täglichen  Schulbeginns;  3.  den  unge 
teilten  (Vormittags-)Unterricht;  4.  Maximalzahl  der  Unterrichts 
stunden  für  den  Vormittag;  5.  die  Frist  der  Mittagspause;  6 
die  Hausaufgaben;  7.  die  Dauer  der  einzelnen  Unterrichts¬ 
stunde;  8.  den  Unterricht  im  Freien;  9.  das  Mindestmass  unc 
die  Einteilung  der  Ferien  —  also  lauter  wichtige  schulhygieni¬ 
sche  Erörterungsprobleme. 

Die  Zusammenfassung  der  Beantwortung  kommt  zu  fol¬ 
genden  Forderungen:  Verbot  der  Aufnahme  in  eine  Schule  vo- 
vollendetem  7.  Jahre;  Schulbeginn  Winter  und  Sommer  niclr 
vor  9  Uhr;  Abschaffung  des  Nachmittagsunterrichtes;  2  ganr 
schulfreie  Nachmittage;  4stündige  Mittagspause;  Maximum  de* 
Vormittagunterrichtsstunden  je  nach  Alter  2K— 4  Stunden 
giössere  Hausaufgabe  nur  für  Samstag  Nachmittag;  Kurzstunde 
mit  40  Minuten  Unterricht;  Unterricht  möglichst  im  Freien 
Feriendauer  13  Wochen. 

Fine  Reihe  ärztlicher  Gutachten  zeigt  merkwürdige  Ucber 
rorderungen  gegenüber  dem  Schulzweck  und  extreme  Ar. 
sichten,  die  scharfe  Kritik  herausfordern  würden.  Der  Her- 
Herausgeber  liebt  gerade  solche  Gutachten  am  meisten.  Z.  B 
Beginn  des  Schulunterrichts  mit  dem  10.  Lebensjahr  (derselbe 
Gutachter  wünscht  auch  nur  1 — 2  stiindige  geistige  Arbeit!,' 

4  ständige  Mittagpause,  weil  die  physiologische  Verdauung  so- 
lange  dauert  und  man  inzwischen  zum  Arbeiten  „nicht  auf¬ 
gelegt“  ist;  ein  Gutachter  lässt  unsere  Kinder  durch  die  Haus¬ 
aufgaben,  „die  mit  das  Schlechteste  sind,  was  sie  erleiden“ 
körperlich  ruiniert  werden,  der  Herr  Herausgeber  selbst  setz: 
auseinander,  dass  jeder  Schlaf,  der  geschlafen  werden  kann, 
physiologisch  notwendig  ist  u.  s.  f.  Also  vielfach  mehr  Tem-’ 
perament  als  Mässigung  und  Rücksicht  auf  das  Erreichbare. 
Ist  etwa  die  ebenfalls  aufgestellte  Forderung:  Unterricht  iir 
Freien  „unter  allen  Bedingungen“  (pag.  56)  für  unsere  Massen¬ 
verhältnisse  an  den  städtischen  Schulen  innerlich  berechtigte 
und  möglicher,  als  die  utopische  Forderung,  jeder  Staatsbürger 
müsse  unter  allen  Bedingungen  zur  Erleichterung  seiner  Fort- 
bev  egung  fliegen  können  ?  Man  kann  die  Bemerkung  nicln 
unterdrücken,  dass  Aerzte  in  Schulsachen,  bei  denen  doch  auch 
che  Seite  der  Verwaltung,  die  für  die  Praxis  nötige  Organisation 
desSchulbetriebes  eine  sehr  grosse  Rolle  spielt,  im  Urteil  zurück¬ 
haltender  sein  dürften.  Ein  Weg  zu  rascherer  Verständigung 
mit  der  Schule,  als  sie  durch  Umfragen  bei  Einzelnen  zur  Zeit 
gesucht  wird,  liegt  jedenfalls  darin,  dass  möglichst  zahlreich 
gemeinsame  Kommissionen  von  Aerzten  und  Schulmännern  ge- 
giundet  und  Umfragen  von  diesen  Kommissionen  beantwortet 
werden.  Dadurch  wird  viel  beschwerlicher  Ballast  vor  der 
Drucklegung  schon  ausgeschieden. 

Grassmann  -  München. 

Dr.  Richard  Greeff:  Reinbrandts  Darstellungen  der 
Tobiasheilung.  Mit  14  Tafeln  und  9  Textabbildungen  Ferd 
Enke  in  Stuttgart,  1907.  Preis  6  M. 

Bei  keinem  Künstler  lassen  sich  so  vielfache,  auch  so  viel¬ 
seitige  Beziehungen  zwischen  Kunst  und  Medizin  finden,  als 
geiade  bei  Rembrandt.  Seinen  Darstellungen  der  Tobias¬ 
heilung  widmet  der  Direktor  der  Berliner  Charitee-Augen- 
klinik  eine  kulturhistorische  Studie.  Greeff  hat  alle  Rem- 
b  ran  d  tsche  Skizzen  gesammelt,  mit  sonstigen  Reproduk¬ 
tionen  abgebildet  und  den  Gegenstand  von  künstlerischen, 
historischen  und  ärztlichen  Gesichtspunkten  aus  zu  einer  höchst 
interessanten  und  genussreichen  Lektüre  bearbeitet.  Während 
alle  die  anderen  zahlreichen,  bildlichen  und  plastischen  Dar¬ 
stellungen  die  Heilung  des  alten  Tobias  durch  Auflegen  der 
I  Find  aut  das  Auge,  durch  Einstreichung  oder  Einreibung  der 
Fischgallc,  augenärztlich  also  höchstens  durch  eine  Art 
„Augeiunassage“  erfolgen  lassen,  hat  Rembrandt  auf 
seinen  Skizzen  und  dem  reizvollen  Brüsseler  Bilde  künstlerisch 
schön,  sachlich  richtig  eine  Staroperation  veranschaulicht,  die 
damals  geübte  Reklination;  vermutlich  beobachtete  er  sie  bei 
dt  m  Aiigcnaiztc  Jakob  van  M  c  c  k  r  e  n,  einem  Schüler  des 


aus  dem  Anatomiegemälde  bekannten  Dr.  T  u  1  p.  Re  m  - 
b  ran  dt  hob  damit  die  Heilung  aus  dem  Mystischen  und  Ge¬ 
heimnisvollen  heraus  und  setzte  an  die  Stelle  einer  Wunder¬ 
heilung  die  schönste  Leistung  ärztlicher  Kunst,  einen  Blinde  i 
sehend  zu  machen.  Dr.  Carl  Becker. 

Richard  Schmidt:  Das  Kamasutrain  oder  die  indishe 

Liebeskunsi.  Dritte  verbesserte  Auflage.  500  Seiten.  Berlin, 
Bahrsdorf,  1907. 

Dieses  aus  dem  Sanskrit  des  Vatsyayana  übersetzte  und 
nebst  dem  Kommentare  des  Yasodhara  herausgegebene  Werk 
hat  dadurch  medizinische  Bedeutung,  weil  es  die  Anomalien  des 
Sexuallebens  in  jenem  fernen  Osten  genau  kennen  lehrt.  Für 
die  vergleichende  Völkerkunde  wird  dem  Forscher  manches 
geboten,  das  er  mit  Dank  annimmt.  Andere  können  die  Sache 
von  anderem  Standpunkt  aus  betrachten,  und  werden  die 
Schrift  als  Bereicherung  der  in  unseren  Zeiten  so  üppig  blühen¬ 
den  Pornographie  auffassen.  Der  Aesthetiker  wird  sich  an  den 
Xenienkampf  erinnern,  den  vor  hundert  und  zehn  Jahren  unsere 
Geistesheroen  gegen  literarische  Auswüchse  geführt  haben. 
Als  nämlich  der  Breslauer  Rektor  M  a  n  s  o  eine  Nachahmung 
des  Ovid  geschrieben  hatte  unter  dem  Titel  „Die  Kunst  zu 
lieben“.  Ein  Lehrgedicht  in  drei  Büchern.  Berlin  1794,  erhielt 
er  von  Schiller  folgendes  Gastgeschenk: 

„Auch  zum  Lieben  bedarfst  du  der  Kunst?  unglücklicher  Mansc 
„Dass  die  Natur  auch  nichts,  gar  nichts  noch  für  dich  getan!“ 

H  u  her-  Memmingen. 


Neueste  Journalliteratur. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Herausgeg.  von 
Prof.  L.  Brauer.  Band  VIII.  Heft  1. 

S.  Maciesca  - Jelenska:  Mitteilungen  über  den  Befund 
von  Plasniazellen  bei  tuberkulös-pneumonischen  Prozessen. 

Verf.  bespricht  an  der  Hand  eingehender  Literaturübersicht  die 
Diskussion  um  die  histiogene  (Unna,  Pappen  heim)  oder  lympho- 
zytare  (v.  Marschalk  o)  Genese  der  U  n  n  a  sehen  Plasmazellen 
und  kommt  auf  Grund  histologischer  Untersuchungen  an  dem  Material 
des  I  athol.  Instituts  zu  Zürich  zu  folgenden  Resultaten:  in  allen  12 
untersuchten  ballen  von  käsiger  (tuberkulöser)  Pneumonie  waren 
1  lasmazellen  sehr  zahlreich,  in  6  Fällen  von  fibrinöser  Pneumonie 
fehlten  sie.  Die  Plasmazellen  bevorzugen  das  perivaskuläre,  peri- 
bronchiale.  mteralveoläre  und  subpleurale  Gewebe,  die  Randzone  der 
1  uberkel,  ferner  alle  Gebiete  mit  »regeneratorischen  Auf¬ 
gaben  des  Gewebes.  Im  eigentlichen  tuberkulösen  Gewebe  und  im 
Exsudat  waren  Plasmazellen  stets  spärlich.  Plasmazellen  werden 
sowohl  aus  den  an  Ort  und  Stelle  befindlichen,  wie  ausgewanderten 
hämatogenen  Lymphozyten  gebildet.  Bei  tuberkulös-pneumonischen 
1  rozessen  entstehen  sie  grösstenteils  nach  dem  ersteren  Modus 
Nach  längerem  Verweilen  verfallen  die  Plasmazellen  einer  regres¬ 
siven  Metamorphose  oder  werden  auf  dem  Lymphwege  ■ —  auch  in 
Makrophagen  eingeschlossen  —  entfernt.  Wahrscheinlich  kommt 
den  I  lasmazellen  die  Funktion  zu,  antitoxisch  wirkende  Substanzen 
zu  bilden. 

F.  Köhler:  Die  psychophysische  Gleichgewichtsstörung  nebst 
Beobachtungen  an  Phthisikern. 

Veif.  bespricht  und  analysiert  die  bekannten  psychischen  Stig¬ 
mata  der  Phthise  meist  euphorischer,  selten  hypochondrischer  Art 
und  sucht  sie  in  psycho-physische  Gleichgewichtsstörungen  1.  auf 
1  c in  tuberkulös-toxischer  Basis,  2.  auf  rein  psychopathologischer 
Basis,  3.  auf  kombinierter  Basis  zu  scheiden. 

b.  Köhler:  Kritische  Nachlese  zur  IV.  Tuberkuloseärztever- 
sammlung  zu  Berlin  am  24.  und  25.  März  1907. 

Epikritische  Bemerkungen,  die  erstens  die  Röntgendiagnose  det 
Phthise,  dann  die  Auswahl  der  Kranken:  Heilstätte  oder  Kurort  (z.  B. 
Lippspringe)  behandeln.  Weiter  bespricht  Verf.  die  Tuberkulin- 
clebatte,  die  sich  an  den  Vortrag  von  Bandelier  anschloss  und  die 
ergab,  dass  die  Tuberkulintherapie  zwar  sicher  unter  den  Heilstätten- 
arzten  immer  an  Boden  gewinnt,  aber  noch  fern  von  allgemeiner 
Verbreitung  ist,  was  in  der  zuzugebenden  Unberechenbarkeit  des 
Leidens  seine  Ursache  findet. 

N.  A.  Michaelides:  Ueber  eine  durch  Ziehlfärbung  nicht 
darstellbare  Form  des  Tuberkelbazillus.  (Aus  dem  v.  Behring- 

schen  Institut  zu  Marburg.) 

Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlussresultaten:  Es  gibt  eine  Form 
des  tuberkulösen  Virus,  welche  durch  die  Zieh  Ische  Färbung  nicht 
darstellbar  ist.  Sie  kann  dann  durch  die  Gram  sehe  und  Löffler- 
Giemsasche  Methode  sichtbar  gemacht  werden.  Weder  durch- 
noch  nach  Gram  färbbare  Tuberkelbazillen  können  nach 
L  o  f  f  1  e  r  -  G  i  e  m  s  a  gefärbt  werden.  Nach  Z  i  e  h  1  schwach  färb¬ 
bares  Virus  kann  nach  Gram  und  etwas  weniger  gut  nach  Löff- 
1  e  r  -  (j  i  c  m  s  a  gefärbt  werden.  Es  kommt  eine  Form  des  Virus  vor, 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1791 


das  nach  Gram  und  Z  i  e  h  1,  nicht  aber  nach  L  ö  f  f  1  e  r  -  Q  i  e  m  s  a 
färbbar  ist. 

Hans  Much -Marburg:  Ueber  die  granuläre,  nach  Zielil  nicht 
färbbare  Form  des  Tuberkulosevirus. 

Die  Tatsache,  dass  man  in  menschlichem  und  tierischem  (sem- 
infektiösen)  tuberkulösen  Material  bisweilen  keinen  einzigen  säure¬ 
festen  Bazillus  findet,  veranlasste  M.  zu  seinen  Untersuchungen, 
deren  Einzelheiten  im  Original  nachzulesen  sind.  Seine  Resultate 
sind:  Es  gibt  eine  nach  Ziehl  nicht  darstellbare  granuläre  Form 
des  Tuberkulosevirus,  die  virulent  ist.  Sie  kann  in  tuberkulösen 
Organen  Vorkommen  als  einzig  färberisch  nachweisbare  Manifestation 
des  Tuberkel  verursachenden  Agens.  Sie  kann  auch  vergesell¬ 
schaftet  sein  mit  einer  feinen  Stäbchenform,  die  ebenfalls  nicht  nach 
Ziehl  darstellbar  ist.  Es  gibt  Uebergänge  von  der  nur  nach  Gram 
färbbaren  Granulaform  zu  der  feinen,  auch  nur  nach  Gram  färb¬ 
baren  Stäbchenform  und  weiter  zu  den  auch  nach  Ziehl  färbbaren 
Stäbchen  (und  Körnchen).  Verf.  betont  übrigens,  dass  Michae¬ 
li  d  e  s  seine  Resultate  (s.  o.)  mit  seiner,  d.  i.  Muchs  Methode 
gewonnen  hat  (Michaelides  erwähnt  auffallenderweise  dies 
nicht,  Ref.). 

Karl  L  ex  e  r:  Therapeutische  Versuche  mit  künstlichem  Pneumo¬ 
thorax.  (Aus  der  med.  Klinik  Königsberg.) 

Verf.  hat  nach  dem  Vorgang  von  Forlanini,  Murphy, 
B  r  a  u  e  r  u.  a.  in  4  Fällen  von  Phthise  verschiedener  Stadien  Pneumo¬ 
thorax  zu  Heilzwecken  erzeugt.  Er  bevorzugt  die  Einführung  von 
Stickstoff  in  kleinen  Mengen  in  wiederholten  Sitzungen,  ln  einem 
Fall  trat  bei  gutem  technischen  Gelingen  des  Eingriffes  sehr  erheb¬ 
liche  Besserung  ein,  in  2  Fällen  wurde  durch  interkurrente  Exazer¬ 
bationen  des  Prozesses  die  Fortsetzung  der  Kur  vereitelt,  in  einem 
Falle  misslang  die  N-Einblasung  wegen  starker  pleuraler  Verwach¬ 
sungen.  Verf.  glaubt,  dass  das  Verfahren  für  gewisse  Fälle  eine 
Zukunft  hat,  und  wird  seine  Versuche  fortsetzen. 

Hans  Curschmann  -  Mainz. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  83.  Band,  2.  Heft.  Berlin 
Hirschwald,  1907. 

19)  L  e  x  e  r  -  Königsberg:  Die  ideale  Operation  des  arteriellen 
und  des  arterielLvenösen  Aneurysma. 

21)  Stich:  Zur  Transplantation  von  Organen  mittelst  Gefäss- 
naht.  (Chirurg.  Klinik  in  Breslau.) 

23)  S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  -  Greifswald:  Die  Verwendbarkeit  des 
Unterdruckverfahrens  in  der  Herzchirurgie. 

25)  Thiemann:  Nadeistichvertetzung  des  rechten  Herz¬ 
ventrikels  und  Vorhofs.  Naht.  Heilung.  (Chirurg.  Klinik  in  Jena.) 

27)  G  1  u  c  k  -  Berlin:  Die  Entwicklung  der  Lungenchirurgie. 

29)  K  ü  s  t  e  r  -  Marburg:  Ueber  Divertikel  und  zirkuläre  Narben 
der  Speiseröhre. 

31)  W  e  ri  d  e  1  -  Magdeburg:  Beitrag  zur  endothorakalen  Oeso- 
phaguschirurgie. 

Vorträge  auf  dem  36.  Chirurgenkongress.  Referate  siehe  No. 
16— 20  dieser  Wochenschrift. 


18)  Rüge:  Zur  Pathologie  und  Therapie  der  Proctitis  purulenta 
und  ulcerosa.  (Chirurg.  Abteilung  des  Krankenhauses  am  Urban  in 
Berlin.) 

An  der  Hand  des  grossen  Materiales  der  Körte  sehen  Ab¬ 
teilung  (75  Fälle  in  17  Jahren)  bespricht  Verf.  ausführlich  die  Aetio- 
logie,  pathologische  Anatomie  und  Therapie  der  Rektumstrikturen, 
mit  besonaerer  Berücksichtigung  der  Dauererfolge  bei  den  verschie¬ 
denen  Benandlungsmethoden.  Er  kommt  zu  folgenden  Resultaten: 
Die  rein  medikamentöse  Behandlung  der  Proktitis  führt  nur  dann 
zur  heilung,  wenn  ausgebildete  Geschwüre  noch  nicht  vorhanden  sind. 
Bei  Ulzerationen  und  Strikteren  ist  auf  diese  Weise  auch  bei  Unter¬ 
stützung  durch  Bougierkuren  höchstens  eine  Besserung  zu  erzielen. 
Dasselbe  gilt  von  der  Kolostomie  in  Verbindung  mit  medikamen¬ 
töser  behanolung.  Doch  werden  hierdurch  in  seltenen  Fällen  auch 
ausgedehnte  flächenhafte  Geschwüre  geheilt.  Jedenfalls  erreicht  man 
meist  eine  wesentliche  Besserung  des  Allgemeinbefindens. 

Reichen  die  Geschwüre  sicher  nicht  höher  hinauf  als  bis  zur 
Flex.  sigm.  und  ist  diese  ausreichend  mobilisierbar,  dann  erreicht 
man  meist  eine  radikale  Dauerheilung  durch  Exstirpation  des  Rek¬ 
tums.  Bei  hochreichenden  Geschwüren  und  geschrumpftem  Mesen¬ 
terium  kann  in  Einzelfällen  noch  die  kombinierte  Methode  zum  Ziele 
führen.  Ein  weiter,  freier  Zugang  vom  Operationsfeld  ist  wegen  der 
Schwierigkeiten  der  Exstirpation  unerlässlich. 

Die  Exzision  der  Strikter  von  einem  sakralen  Schnitt  aus  mit 
nachfolgender  Querer  Darmnaht  ist  nur  bei  völligem  I  chlen  ausge¬ 
dehnter  und  tiefer  Geschwüre  anwendbar.  Die  Rectotomia  posterior 
ist  zu  versuchen,  wenn  eine  Exstirpation  unmöglich  ist,  die  Schwere 
der  Erkrankung  aber  einen  lokalen  Eingriff  erfordert.  Die  Aus¬ 
sichten  für  eine  Heilung  sind  ziemlich  gering.  Jedenfalls  muss  duicli 
Spaltung  des  Sphinkter  für  völlig  freien  Abfluss  der  Sekiete  gesoigt 

werden.  .  ,  ....... 

Die  Aetiologie  der  Proctitis  ulcerosa  sowie  der  entzündlichen 
Mastdarmstriktur  ist  meist  eine  syphilitische  Doch  kommen  auch 
tuberkulöse,  dysenterische  und  gonorrhoische  Erkrankungen  vor. 
die  klinische  Form  der  Erkrankung  ist  die  Ursache  ohne  Bedeutung, 
klinisch  kann  dieselbe  meist  nicht  erkannt  weiden. 


20)  v.  B  a  r  a  c  z  -  Lemberg:  Brucheinklemmung,  kompliziert 
durch  Thrombose  der  Vena  mesaraica  superior. 

Bei  einer  eingeklemmten  Leistenhernie  eines  75  jährigen  Man¬ 
nes  fand  sich  die  abführende  Schlinge  bis  weit  über  den  Schniir- 
ring  hinaus  infolge  Venenthrombose  gangränös.  Resektion  von  3Va  cm 
Darm;  Vorlagerung  der  Nahtstelle;  Tod  an  Erschöpfung. 

v.  B.  bespricht  im  Anschluss  die  Aetiologie,  Erscheinungen,  Dia¬ 
gnose  und  Therapie  der  Mesenterialgefässthrombose  und  Embolie, 

Die  Resektion  des  Darmes  hat  bisher  unter  47  Fällen  nur  4  mal  zur 

Heilung  geführt.  ... 

22)  Ü  f  f  e  r  g  e  1  d:  Lungenkomplikationen  nach  Aethernarkose. 

O.  hat  zahlreiche  Tierversuche  an  Meerschweinchen,  Kaninchen 
und  Katzen  ausgeführt,  um  testzustellen,  ob  die  Applikationsweise  des 
Aethers  von  wesentlichem  Einfluss  auf  die  Art  und  Schwere  der 
Lungenveränderungen  ist.  Er  prüfte  in  3  Versuchsreihen:  1.  die 
Gussmethode  (Erstickungsmethode),  2.  die  kombinierte  Aether-Sauor- 
stoffnarkose  mittels  des  R  o  t  h  -  D  r  ä  g  e  rschen  Apparates  und  3.  die 
Tropfmethode.  Die  Resultate  sind  recht  interessante:  Bei  der  Aether- 
gussmethode  in  einer  fest  anschliessenden  Maske  stellen  sich  bion- 
chopneumonische  Prozesse  ein,  welchen  ein  I  eil  der  Versuchstiere 
unter  dem  Bilde  der  lobulären  Pneumonie  erliegt.  Nach  der  Aether- 
sauerstoffnarkose  treten  wohl  auch  bronchiolitische  Verandei  ungen 
und  vereinzelte  lobulär  pneumonische  Herdchen  auf,  aber  diese  Er¬ 
scheinungen  gehen  sehr  bald  zurück  und  werden  nicht  gefähi  lieh. 
Nach  der  Aethertropfmethode  treten  gelegentlich  im  Epithel  der  Bron¬ 
chien  ganz  geringe  Verfettungen  ein,  während  das  Lungenparenchym 
und  die  Epithelien  der  Alveolen  verschont  bleiben.  Diese  geringe 
Veränderung  heilt  ohne  Schaden  in  ein  paar  Tagen  aus.  Wieder¬ 
holte  Narkosen  mit  den  verschiedenen  Methoden  wirken  in  gleicher 
Weise.  Das  Tierexperiment  zeigt  also,  dass  die  Aethertropfmethode 
allen  anderen  Methoden  —  und  zwar  auch  der  Sauersioff-Aetlmi- 
methode  —  bei  weitem  vorzuziehen  ist. 

24)  Frank:  Zur  Frage  der  Behandlung  subkutaner  Nierenvcr- 
letzungen.  (Chirurg.  Abteilung  des  Krankenhauses  am  Urban  m 

bUlF;  wendet  sich  gegen  die  Ergebnisse  der  Statistik  von  Suter, 
der  eine  geringere  Mortalität  der  Nierenrupturen  bei  operativer  als 
bei  exspektativer  Behandlung  berechnet  und  deshalb  ein  aktiveres 
Vorgehen  empfiehlt.  Verf.  hat  das  Material  der  Kort  eschen  Ab¬ 
teilung  zusammengestellt  und  berichtet  über  39  Fälle,  daiuntei  . 
isolierte  Nierenrupturen.  Davon  sind  nur  5  operiert  worden  U  wegen 
Verdacht  auf  Blasenruptur,  1  wegen  Peritonitis,  1  wegen  Urinpldeg- 
mone  1  wegen  Nierenbeckenruptur  mit  Urinphlegmone).  Gestorben 
sind  im  ganzen  6  =  15,38  Proz.  Von  den  isolierten  Rupturen  starb 
nur  einer  an  Eiterung.  Von  33  geheilt  Entlassenen  konnten  24  nach¬ 
untersucht  werden;  davon  waren  23  im  wesentlichen  gesund  1 
an  anderem  Leiden  gestorben.  Nur  3  haben  eine  dauernde  Unfall¬ 
rente  bezogen.  F.  hat  also  allen  Grund,  mit  der  exspektativen  Therapie 

der  Nierenrupturen  zufrieden  zu  sein. 

26)  M  o  s  z  k  o  w  i  c  z  -  Wien-Döbling :  Zur  Technik  der  Urano- 

PlaStM  tritt  ein  für  die  L  an  e  sehe  Operationsmethode  mit  Um- 
klappung  des  Gaumenlappens,  so.  dass  dessen  Schleimhaut  nach  der 
NasPeP  zu  gerichtet  ist.  Nach  M.s  Erfahrung  lassen  sich  breite  Spalten 
mit  der  Lan  eschen  Methode  leichter  schlossen  als  mit  der  Lan¬ 
ge  n  b  e  c  k  sehen.  Bei  sehr  breiten  Spalten  empfiehlt  er  auf  der 
einen  Seite  einen  Lane  sehen,  auf  der  anderen  Seite  einen  Lan  g  e  n- 
b  eck  sehen  Lappen  zu  bilden,  und  diese  beiden  Lappen  zum  teil 
übereinander  zu  legen,  so  dass  sich  breite  Wundflachen  berühren.  Die 
Laue  sehen  Lappen  können  sehr  gross  gemacht  werden  ;  seitlich  kan 
man  die  Schleimhaut  des  Alveolarfortsatzes  und  selbst  der  Wange  mit 
hineinnehmen,  nach  hinten  bis  in  die  Tonsille  heremeel hen  und  nach 
vorne  wenn  der  Alveolarfortsatz  gespalten  ist,  bis  in  die  Lippe 
hinein  Die  Bildung  eines  grossen  und  nach  hinten  gut  abschhessen- 
detf 'Gaumensegels  it  bei  der  Lane  sehen  Methode  besser  möglich. 

28)  G  u  1  e  k  e:  Akute  gelbe  Leberatrophie  im  Gefolge  der  Cnforo- 
fnrmnarkose.  (Chirurg.  Universitätsklinik  in  Berlin.) 

Typische  akute  Leberatrophie  nach  kurzer  ChloroformnaiTosc 
(Radikaloperation  einer  Leistenhernie)  bei  einer  23  jährigen  Frau, 
in  4  Tagen  tödlich  verlaufend. 

30)  Owtschinnikow:  Peritonitis  chronica  hbrosa  incapsu- 

lata.  (Chirurg.  Fakultätsklinik  in  Kasan.) 

2  Fälle  von  sehr  ausgedehnter  derber  fibröser  Verwachsung  dei 
Darmschlingen,  ohne  bekannte  Aetiologie.  Die  Därme  waren  wie 
eingehüllt  in  eine  derbe  Bindegewebskapsel,  das  Peritoneum  fast  ganz 
oblfteriert.  Die  Erkrankung  hat  einen  chronischen  Verlauf  und  ver¬ 
ursacht  eine  Reihe  progredienter  Störungen  in  der  Darmfunktion. 
hauDtsächlich  in  Form  von  chronischer  Darmverschliüssung  mit 
periodisch  auftretenden  Darntblähungen;  sie  führt  zu  einer  Beein¬ 
trächtigung  der  Ernährung  und  Kräfteverfall,  mitunter  zu  den  i 
scheinungen  des  Ileus.  Die  Ursache  der  Erkrankung  .st ^unklar  m  t 
Tuberkulose  scheint  sie  nichts  zu  tun  zu  haben.  ().  betrachtet  - 
als  eine  Erkrankung  sui  generis. 

32)  Kleinere  Mitteilungen.  . 

Bai  ly:  Coxa  vara  tuberculosa.  (Chirurg.  Univ.-Khmk 

BerlDie  Verbiegung  war  bedingt  durch  einen  tuberkulösen  Heid 
im  Schenkelhals. 


1792 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


S  c  h  u  1 1  z  e  -  Duisburg:  Ein  einfacher  Hebeapparat.  (Beitrag 
zur  Bauchchirurgie.) 

Praktischer  Apparat  zur  Lagerung  bei  Bauchoperationen,  dessen 
Konstruktion  im  Original  nachzusehen  ist. 

Purpura:  Mitteilung  zu  der  Arbeit  von  Prof.  Graser 
(Bd.  80).  (Chirurg.  Klinik  in  Pavia.) 

Historische  Bemerkung  zur  Radikaloperation  grosser  Nabel¬ 
hernien.  H  e  i  n  e  k  e  -  Leipzig. 


Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  88.  Band,  4. — 6.  Heft, 

Leipzig,  Vogel,  Juni  1907. 


Franz  König:  Ueber  Derangement  im  Kniegelenk  mit  beson¬ 
derer  Berücksichtigung  der  Meniskusverletzung. 

K.  bespricht  nach  historischen  und  anatomischen  Vorbemer¬ 
kungen  seine  14  wegen  Derangement  intern  gemachten  Kniegelenks¬ 
operationen.  7  mal  handelte  es  sich  um  Verletzung  des  inneren 
Meniskus,  stets  als  Resultat  indirekter  Gewalteinwirkung,  gewöhnlich 
gewaltsamer  Rotationsbewegung  nach  aussen.  Anatomisch  kann 
sich  finden:  Quetschung  des  Meniskus  ohne  Ablösung,  Ablösung  mit 
Schlingenbildung  oder  Abtrennung,  Dislokation  des  abgelösten  Menis¬ 
kus  nach  aussen  (Meniskusluxation)  oder  ins  Qelenk,  Umbildung  der 
dislozierten  Meniskusteile  zu  band-  und  strickförmigen  Gebilden  nach 
Gebrauch  von  Gelenken  mit  frischer  Meniskusablösung,  häufig 
Arthritis  deformans. 

An  2  Fälle  von  äusserer  Meniskusverletzung,  2  kompliziertere 
Fälle  und  3  Fälle  von  traumatischer  Fettgeschwulst  schliesst  K. 
klinische  und  therapeutische  Bemerkungen  an. 

Die  Art  des  Unfalls,  bei  dem  manche  Verletzte  sogar  auf  den 
Beinen  bleiben,  Steilheit  in  leichter  Beugestellung,  der  lokale  Befund 
bei  frischen  Fällen,  dazu  die  Schmerzanfälle  bei  veralteten  Fällen  sind 
diagnostisch  wesentlich. 

Die  frische  Meniskusverletzung  ist  operativ  (Reposition,  Naht 
oder  Exstirpation)  nur  anzugreifen,  wenn  es  sich  um  schwere  Ver¬ 
schiebungen  etc.  handelt.  Mit  Ruhigstellung  und  Massage  kommt 
man  in  den  meisten  Fällen  aus.  Alte  Fälle  werden  operiert.  Streck¬ 
defekte  und  Witterungsschmerzen  bleiben  meistens  auch  nach  der 
Operation,  die  K.  mittels  seitlichem  Längsschnitt,  eventuell  unter  An¬ 
wendung  eines  kleinen  elektrischen  Spiegels  ausführt. 

Martina:  Ueber  die  Dauererfolge  der  operativen  Behandlung 
der  Meniskusluxationen  im  Kniegelenk. 

Zwei  im  Jahre  1904  operierte  Patienten  mit  Meniskusluxationen, 
von  denen  ein  Fall  mit  Gelenkmaus  kompliziert  war,  hatten  es  bei 
der  ca.  2  jahre  nach  der  Operation  vorgenommenen  Nachunter¬ 
suchung  soweit  gebracht,  „dass  sie  auch  bei  stärkerer  Inanspruch¬ 
nahme  des  geschädigten  Beines  keine  störenden  Ausfallserschei¬ 
nungen  verspürten“. 

Bezüglich  der  Diagnose  der  Meniskusluxationen  bespricht  M. 
besonders  die  Verwertung  der  Röntgenbilder. 

Konservative  Behandlung  führte  nicht  zum  Ziele.  Wichtig  ist 
zur  Beurteilung  des  Resultates  Nachuntersuchung  nach  längerem  Zeit¬ 
raum  (Erfolg  kurz  nach  der  Operation  ist  nicht  massgebend),  sowie 
Berücksichtigung  des  Berufes.  Der  beste  Operationsschnitt  ist  Längs¬ 
schnitt  neben  der  Patella  (Schonung  des  Bandapparates). 

Kothe:  Ueber  die  Leukozytose  bei  der  Appendizitis.  (Mit 
32  Kurven.) 


Nach  einer  allgemeinen  Besprechung  des  Wesens  der  Leuko¬ 
zytose,  ihres  von  örtlichen  Bedingungen,  Infektionsintensität  und 
,, Reaktionsfähigkeit  des  Organismus“  (Neubildung  der  weissen  Blut¬ 
körperchen)  abhängigen  verschiedenen  Verhaltens,  ihrer  Unabhängig- 
keit  von  der  infizierenden  Bakterienart,  der  niedrigen  Leukozytose 
bei  schwerster  Infektion  prüft  K-  nach  Sonnenburgs  Vorgang 
an  der  Hand  zahlreicher  Krankengeschichten  die  Brauchbarkeit  der 
Leukozytenzählung  und  besonders  der  Leukozytenkurve  bezüglich 
der  Pro-  und  Diagnose  der  akuten  Appendizitis. 

Als  praktisch  besonders  wichtig  sei  hervorgehoben: 

»Ein  gleichmässiger  und  nicht  hoher  Anstieg  der  3  Kurven 
uls,  I emper atur,  Leukozytenzahl)  spricht  i.  a.  für  eine  gutartige 
Erkrankung  des  Wurmfortsatzes.“ 

, ,  »Durchschnittswerte  von  37,9  0  für  Temperatur,  96  für  Puls  und 
I40U0  für  Leukozytose  sprechen  für  eine  einfache  katarrhalische  Ent¬ 
zündung  des  Wurmfortsatzes.“ 

,  »HIeichmässige  Steigerung  der  3  Kurven  bei  schweren  sonstigen 
klinischen  Symptomen,  38,2°,  116,  20  000  bedeutet  schwere  patho¬ 
logische  Veränderungen  am  Wurmfortsatz.“  Bei  noch  grösserer 
Steigerung  (38,5",  122,  30  000)  „ist  meist  schon  eine  mfh?  odef 
weniger  ausgebreitete  Peritonitis  vorhanden“.  „Nach  der  Operation 
einer  akuten  Appendizitis  pflegt,  wenn  es  sich  um  einen  gutartigen 
«jinkpn^-  n  n-t  ?  ^  d!f  Leukozytose  mehr  oder  weniger  rasch  abzu- 
Eiter "vö rhanden 16  ^  °dCr  Ste‘gt  516  wieder’  so  ist  irgendwo  noch 

Bei  diffuser  Peritonitis  kann  die  Leukozytose  auch  von  Anfang 
an  niedrig  sein  und  niedrig  bleiben  (2.  Typ). 

Prognostisch  wichtig  ist  noch  die  sog.  prämortale  Leukozytose. 
,  •  Der  differentialdiagnostisch  wichtige  Vergleich  der  Leukozytose 
bei  Gallenstein-  und  -blasenerkrankungen,  bei  Bleikolik,  akuter  Pan- 
kreaftrs,  Nierenerkrankungen  und  Enteritis  mit  der  Leukozytose  bei 

interessante  ÄS"*  mi‘  32  inStr,lktiVen  K“rVe"  ausBes,attele 


Fricker:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  therapeutischen  Resultate, 
speziell  der  Resultate  der  Seruintherapie  bei  Tetanus. 

Nach  einer  Uebersicht  über  die  bisherigen  Tetanusstatistiken, 
ihre  verschiedene  Bewertung,  die  Serumbehandlung  des  Tetanus  in 
ihren  verschiedenen  Formen,  die  Lokaltherapie  gibt  Fr.  eine  lücken¬ 
lose  Beobachtungsreihe  von  40  Tetanusfällen,  von  denen  18  ohne 
Serum  mit  88,8  Proz.  Letalität,  22  mit  Serum  mit  55,5  Proz.  Letalität 
behandelt  wurden.  Das  Vorhandensein  mehr  leichter  und  mittel¬ 
schwerer  Fälle  der  2.  Rubrik,  sowie  eine  energischere  Lokalbehand¬ 
lung  dieser  Reihe  macht  die  Rubriken  bezüglich  der  Beurteilung  des 
therapeutischen  Wertes  des  Serums  ungleich. 

Aus  den  wichtigen  Schlussfolgerungen  sei  bemerkt:  Bösartigkeit 
der  Infektion,  individuelle  Disposition  zu  rascher  und  fester  Veranke¬ 
rung  des  Tetanustoxins  mit  dem  Nervensystem,  Schlingbeschwerden, 
Inkubation  spielen  prognostisch  eine  Rolle. 

Bei  energischer  Lokalbehandlung  scheinen  die  Seruminjektionen 
den  Ausgang  bezw.  Verlauf  zu  modifizieren.  Narkotika  sind  nicht 
zu  entbehren.  Tetanusbazillenbefund  in  benachbarten  Lymphdrüsen 
sind  kein  seltenes  Vorkommnis. 

Deetz:  Perforationsperitonitis  von  einem  Darmdivertikel  mit 
Magenschleimhautbau  ausgehend. 

Bei  dem  9  jährigen  unter  dem  Bilde  der  Appendizitis  erkrankten 
Patienten  fand  sich  Perforation  eines  einer  Dünndarmschlinge  auf¬ 
sitzenden  Divertikels,  das  mikroskopisch  Magenschleimhaut  und 
aussen  ein  akzessorisches  einmündendes  Pankreas  zeigte.  Bespre¬ 
ng  von  8  Literaturfällen  von  sog.  Ectopia  ventriculi  mit  Erörte¬ 
rungen  über  ihre  Genese  (Tillmanns,  Siegenbeck  van 
H  e  u  k  e  1  o  m,  F  i  s  c  h  e  1)  und  die  Literatur  des  akzessorischen  Pan¬ 
kreas.  Die  Divertikulitis  ähnelt  der  Appendizitis,  Fremdkörper 
scheinen  bei  ihrer  Genese  eine  Rolle  zu  spielen. 

O.  E.  Schulz:  Zur  Statistik  der  Gastroenterostomien  bei  be¬ 
nignen  Magenerkrankungen. 

Nach  kurzem  historischen  Ueberblick  über  die  Gastroentero¬ 
stomie,  ihre  verschiedenen  Methoden  (Circulus  vitiosus),  Nahttechnik 
bespricht  T.  die  wegen  benigner  Magenerkrankungen  (Narbenstenose 
H,nd  Dlcus  am  Pylorus;  Ulcus  callosum;  unklare,  auf  Ca  verdächtige 
Falle;  Ulcus  duodeni,  Adhäsionen)  von  1903  bis  1906  an  Hochen- 
eggs  Klinik  gemachten  Gastroenterostomien  (76  mit  5,26  Proz  Mor¬ 
talität).  Die  Dauerresultate  entsprechen  88  Proz.  Erfolgen. 

Die  Gastroenterostomie  bringt  neben  der  Behebung  der  Stenose- 
erscheinungen  auch  das  Geschwür  zum  Heilen.  Verf.  empfiehlt  die 
n  o  c  h  e  n  egg  -Pete  r  s  e  n  sehe  Methode,  die  besonders  den  Cir- 
culus  vitiosus  und  das  postoperative  Jejunalgeschwür  vermeidet 
und  die  Ausheilung  des  Magengeschwürs  zu  begünstigen  scheint. 

Mori:  Ein  Fall  von  Pneumatosis  cystoides  intestinorum 
hominis. 


Mitteilung  der  Krankengeschichte  eines  unter  dem  Bilde  der 
Magendilatation  erkrankten  37  jährigen  Patienten,  bei  dem  sich  auf 
Ileum  und  Jejunum  „zahllose  banfkorn-  bis  haselnussgrosse  Luft- 
blaschen  fanden.  Gastroenterostomie  mit  Braun  scher  Enteroana- 
stomose,  Murphyanastomos®  zweier  verschont  gebliebener  Dünn¬ 
darmschlingen. 


iZ  V ./  1 


rr  A  s  u  ^ropmsqne  iviuskuiatui,  eimumeiiuse, 

aus  straffem  Bindegewebe  bestehende  Bläschenwandung,  Kokken  in 
einzelnen  Zysten)  weicht  zum  Teil  von  dem  anderer  Autoren  (5  Fälle) 
a ).  Entstehung  vielleicht  durch  Uebertragung  vom  Schwein  auf 
den  Menschen. 

Ebner:  Ein  Fall  von  Berstungsruptur  des  Darmes  infolge  Ein¬ 
wirkens  stumpfer  Gewalt  bei  gleichzeitiger  Hernia  umbilicalis  epi- 
ploica  concreta. 

,  D®!  d®r  jährigen,  mit  einer  Hernia  umbilicalis  epipl.  behafte¬ 

ten  Patientin  fand  sich  14  Tage  nach  leichtem  Trauma  (Fall  im  Zim¬ 
mer)  I  entomtis,  4  cm  langer  Serosariss  im  Zoekum  mit  Perforations- 
o  fnungen  Verf  fasst  die  Verletzung  als  Berstungsruptur  auf,  ent¬ 
standen  durch  doppelseitigen  Darmverschluss  infolge!  Zusammen¬ 
wirkens  der  angewachsenen  Hernie  mit  der  Valvula  Bauhini. 

Kalb:  Ein  Fall  von  hoher  Plexuszerreissung. 

Der  aus  einer  Höhe  von  10—12  m  herabgestürzte,  mit  der  -Schul¬ 
ter  wahrend  des  Falles  aufgeschlagene  Patient  zeigte  bei  der  Opera¬ 
tion  eine  Abreissung  des  Plexus  vom  Phrenikuseintritt  bis  zur  Wur- 
Ph  den  h  Dorsalsegmentes;  die  Aeste  für  den  Levator  scapulae,  die 
fp°cf;id'  und  Skalem  waren  unversehrt.  Die  Nervennaht  war  ohne 
wesentlichen  Erfolg.  Literatur  und  Besprechung  der  Differential- 

Hand^fnes^Fahps  h°her  Plexuszerre'ssung  und  Hämatomyelie  an  der 
nana  eines  Falles.  Flörcken. 


Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  30— 32. 

No.  30.  Wi  1ms -Basel:  Zur  lumbalen  Ureterostomie  nach 


t  i  '  ° i  luucKung  ues  ureters  tre- 

legentlich  der  extraperitonealen  Unterbindung  der  Vena  spermat.  be 
puei  peraler  Septikamie)  die  suprainguinale  Ureterostomie  vorge 

"°“men  Und  o6i!  fm.erP  Kind,  bei  dem  früher  die  Implantation  in« 
Rektum  ausgefuhrt,  jedoch  eine  Urinkotfistel  entstanden  war,  diese 
Operation  vorgenommen,  indem  er  zuerst  rechts  den  Ureter  5  cn 
iiber  dem  Eintritt  öer  Blase  durchtrennte  und  hervorholte  und  in  dei 
ange  von  4  cm  ausserhalb  die  Hautwunde  vor  und  etwas  oberhalt 
uei  -  pina  ant.  sup.  vorlagerte  und  dann  nach  weiteren  14  Tager 


links  operierte,  wobei  er  (um  Verengerung  durch  Granulations¬ 
bildung  etc.  zu  verhüten)  den  Ureter  zunächst  in  einer  Lange  von 
4  cm  unter  die  Haut  lagerte  (ähnlich  wie  dies  mit  dem  Darm  bei  der 
v.  Hacker  sehen  Kolostomie  geschieht);  man  kann  dann  spater  den 
Ureter  durch  die  nachbarliche  Haut  umkleiden  und  rüsselfoirmg  voi- 

stehen  lassen.  Als  Hauptvorteil  führt  W.  an,  da?sA®  ^aAei*?en  als 
der  vorderen  Lage  der  Mündungen  besser  sich  rein  halten  können,  als 

bei  deren  Lage  auf  dem  Rücken.  . 

G  Marwedel;  Querer  Nierensteinschnitt. 

M  empfiehlt  für  alle  unkomplizierten  Nierensteinfalle  mit  saurem 
Urin  oder  nur  leichter  Infektion  des  Nierenbeckens  den  queren  Schnitt 
von  dessen  Vorzügen  er  sich  durch  Nachprüfung  der  Tierversuche 
von  Her  man  überzeugt  und  den  er  in  5  Fallen  erpiobt  hat,  bc 
all  diesen  Fällen  gelang  die  Entfernung  des  bis  zehnpfennigstu  - 
grossen  Steines  überraschend  leicht  und  wurde  keinerlei  Stoiung  d 
Nierenfunktion  oder  des  Heilungsverlaufs  als  Folge  der  Schmttmethode 
beobachtet.  In  einem  Falle  sekundärer  Hämaturie  nach  Nephrektomie 
erzielte  M.  durch  Aufklappung  der  Niere  und  Umstechung  des  sputz  - 
den  Gefässes  (nahe  dem  Hilus)  und  Iamponade  vollen  Erfolg.  Bei 
Verdacht  auf  miliare  oder  grössere  Abszesse  im  ] 

ist  der  alte  Schnitt  beizubehalten,  der  eine  ausgiebige  Spaltung  und 
Entleerung  der  zerstreuten  Eiterherde  ermöglicht. 

No.  31.  L  o  t  h  e  i  s  s  e  n  -  Wien :  Der  Weg  durch  das  Mesokolon 
(Cholecystojejunostomia,  Gastroenterostomia  transmesoc.) 

L.  hat  bei  keinem  seiner  betr.  Fälle  einen  Circulus  vitiosus  ge¬ 
sehen,  hält  die  G.  retrocolica  post,  für  das  Normalverfahren  und  ei- 
achtet  es  für  selbstverständlich,  dass  auch  für  die  Cholezystentero- 
stomie  nur  die  posterior  in  Betracht  kommt  und  hat  die  Methode,  ganz 
wie  Brentano  sie  angibt,  mehrfach  ausgeubt.  Er  band  den  Darm 
nur  durch  Dochte  ab;  die  Gallenblase  wurde  vor  der  Naht  nach 
sorgfältigem  Abstopfen  der  Bauchhöhle,  .durch  Punktion  und  Aus- 
tupfen  völlig  entleert  (da  man  event.  erst  danach  den  Ropt  des  Pan¬ 
kreas  genau  abtasten  und  Choledochussteine  ausschhessen  Kann). 

H.  Hans:  Eine  neue  chirurgische  Hakenpinzette. 

H.  ahmt  die  Gegenüberstellung  des  Daumens  and  Zeigefingers 
in  spitzbogenartig  abgeschrägten  Branchenenden  nach  und  sollen  diese 
Pinzetten  (s.  Abb.)  wesentlich  festeres  und  exakteres  Anfassen  er- 
möglichen,  während  durch  Aufschieben  eines  auf  jede  Pinzette  passen¬ 
den  Sperriegels  sofort  eine  Fixierpinzette  oder  Blutstillungsklemme 

daraus  hergestellt  werden  kann.  .  « 

No.  32.  Fr.  Stein  man  n  -  Bern:  Eine  neue  Extensionsmethode 

in  der  Frakturbehandlung  .  ,  ,  H 

St.  schlägt  als  Ersatz  der  immerhin  etwas  zeitraubenden  Heft- 
pflasterextension  die  Nagelextension  vor,  womit  er  alle  Nachteile 
ersterer  (Ekzem,  ischämische  Muskellahmungen,  Dekubitus  etc.)  ver¬ 
meiden  will  und  vor  allem  bei  völligem  Freibleiben  des  ganzen  peri¬ 
pheren  Abschnittes  der  Extremität  frühzeitige  gymnastische  Hebungen 
ausführbar  sind.  Die  Nagelextension  kann  fast  uberah  angewandt 
werden,  am  leichtesten  da,  wo  grosse  Knochenmassen  mit  geringer 
Weichteilbedeckung  zur  Verfügung  stehen  (unteres  Femurende)  sie 
braucht  einige  aseptische  Kautelen  und  häufig  eine  kurze  Narkose,  ist 
einfacher  und  rascher  besorgt,  als  die  Heftpflasterex  ensron  und  fu. 
den  Patienten  bei  stärkstem  Zug  schmerzlos  Z.  B.  am  Femur  schh  g 
St.  2  spitze,  schlanke,  vernickelte  Stahlnagel  von  6—8  cm  Lange  n 
breitem  Kopf  nach  entsprechendem  Sterilisieren  mit  Hai  m  e>  beide  - 
seits  am  unteren  Femurende  durch  die  desinfizierte  Haut  in  die  Kon- 
dylen  ein  (oberer  Rand  des  Kondylus  mit  gegen  den  jenseitigen  Epr- 
kondvlus  schräg  abwärts  gerichteter  Spitze).  An  die  etwa  1  cm 
herausragenden  Kopfenden  werden  mittels  Draht  beliebige  Gewichte 
angehängt  oder  man  benutzt  Anhängeapparate  m  Form  einet i  Doppel- 
hakens  mit  über  den  Nagelkopf  greifender  Kappe.  St.  vei  weist  aut 
eine  im  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte  erscheinende 

AlbCRi  edel  -Jena:  Die  Unterbindung  der  Art.  subclavia  oberhalb 
des  Schlüsselbeins  mittels  Längsschnittes  in  der  Richtung  des  Nerven 

Da  man "  bei  der  gewöhnlichen  Schnittführung  oberhalb  und 
parallel  der  Klavikula  ohne  Palpation  nicht  auskommt,  empfiehlt  R. 
einfachen  Längsschnitt  in  der  Richtung  des  Gefässes,  derselbe  beg  nn 
ungefähr  in  der  Höhe  des  Proc.  transv.  des  5.  Halswirbels  und  fuhrt 
direkt  bis  zur  Mitte  der  Klavikula.  Nach  Trennung  von  Haut  und 
Platysma  und  Unterbindung  mehrerer  Venen,  event.  Entfernung  ver- 
grösserter  Lymphdriisen,  wird  die  schon  etwas  tief  ei  liegende  A  . 
transv.  colli  doppelt  ligiert  und  nachdem  man  den  zu  oberst  gelegenen 
Nerven  gefunden  und  dadurch  genau  zwischen  Scalenus  ant.  und 
medius  unterscheidet,  geht  man  in  der  Rinne  zwischen  beiden  nach 
abwärts  und  sieht  bald  den  2.  und  3.  Nerven  und  endlich  in  grosser 
Tiefe  die  Arterie,  deren  Aufsuchen  und  Unterbinden  bei  gutem  Lichte 
leicht  gelingt.  c  11 ' 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  33  u.  34. 

No.  33.  Hammer  sch  1  a  g  -  Königsberg  i.  Pr.:  Warnung  vor 
poliklinischer  Ausführung  der  Hebosteotomie. 

H  machte  bei  einer  36  jährigen  XVI.  Para  nach  17  «fündigem 
Abwarten  die  Hebosteotomie,  worauf  4  Stunden  später  spontane  Ge¬ 
burt  erfolgte.  Am  nächsten  Tage  bekam  Pat.  eine  foudroyante 
Sepsis,  ausgehend  von  einer  Blasenverletzung  mit  konsekutiver  Urin- 
infiltration  infolge  Verstopfung  des  Dauerkatheters.  Am  selben 


Abend  erfolgte  der  Exitus.  Der  Fall  lehrt  die  Gefahren  der  poli¬ 
klinischen  Ausführung  der  Hebosteotomie;  bei  rechtzeitiger  Durch¬ 
gängigkeit  des  Dauerkatheters  wäre  es  wahrscheinlich  nicht  zur  Urin-  ( 

Infiltration  gekommen.  .  .  .  . 

G.  K  1  e  i  n  -  München:  Versenkte  Silknaht  der  Faszie  bei  ab¬ 
dominalen  Köliotomien.  ,  ,u 

Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  an  202  Laparotomien  empfiehlt 
K  als  bestes  Nahtmaterial  sowohl  zur  Faszien-  als  Hautnaht  das 
Silkwormgut.  Die  Zahl  der  primären  Heilungen  hing  nicht  von 
der  Benutzung  von  Gummihandschuhen  oder  dergleichen  ab,  son¬ 
dern  nur  vom  Nahtmaterial.  ,  ,  , 

O.  Ulrich -Erfurt:  Ein  Fall  von  intrauteriner  Leichenstarre. 

Bei  der  Zwillingsgeburt  einer  I.  Para  kam  der  1.  Zwilling  tot 
und  in  völliger  Leichenstarre  zur  Welt;  der  2.  lebte  und  gedieh  gut. 
Daneben  fand  sich  ausgesprochene  Insertio  velamentosa  der  Nabel¬ 
schnur.  Leichenstarre  ist  also  kein  Beweis  für  extrauterines  Leben 
der  Frucht. 

No.  34.  Th.  v.  W  e  n  c  z  e  1  -  Ofen-Pest:  Durch  Operationen  ent¬ 
standene  grosse  Bauchfellverluste.  „ 

Grosse  Bauchfellverluste  verschlechtern  bekanntlich  die  Pro¬ 
gnose  jeder  Laparotomie,  speziell  wegen  der  erhöhten  Infektions¬ 
gefahr  v  W.  beschreibt  2  Fälle  (grosse  Kolloidzysten).  wo  die 
Tumoren  so  fest  mit  der  Bauchwand  und  Umgebung  verwachsen 
waren,  dass  grosse  Defekte  im  Bauchfell  zuruckblieben.  Trotzdem 
verlief  beide  Male  der  Heilungsprozess  günstig.  Weitere  Besondei- 
heiten  boten  die  Fälle  nicht. 

Domenico  Tanturri:  Ein  schwerer  Fall  von  Osteomalakie,  ge- 
heilt  mit  den  Adrenalineinspritzungen  nach  der  Methode  Boss  . 

Auch  im  vorliegenden  Falle  handelt  es  sich  um  eine  fast  wunder¬ 
bar  zu  nennende  Heilung  einer  schweren  Osteomalakie  < lie  "ac  1 
Bo  ss  is  Vorschriften  (ref.  in  dieser  Wochenschrift  1907,  No.  6. 
o  278)  mit  Adrenalineinspritzungen  behandelt  worden  war.  l 
26  jährige  II.  Para  war  seit  Monaten  bettlägerig  und  ausser  Stande 
sich  zu  bewegen.  Eine  Injektionskur  mit  Phosphorol  (1 . 1000) 
brachte  keine  nennenswerte  Besserung.  Darauf  begann  1.  die  - 
renalineinspritzungen  (anfangs  1  mal  täglich,  spater  2  mal  täglich 
%  ccm  Adrenalin  1:1000).  und  nach  6  (!)  Tagen  war  PM.  volhg 
geheilt.  Näheres  s.  im  Original.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Archiv  für  Hygiene.  62.  Bd.  2.  Heft.  1907. 

1)  W.  Pi  es -Strassburg  i.  E.:  Untersuchungen  über  die  Wachs¬ 
tumsgeschwindigkeit  der  Tvphusbazillen  in  Galle.  , 

Die  Wachstumsgeschwindigkeit  in  der  C  o  n  r  ad  i  sehen  und 
Kayser  sehen  G  a  1 1  e  n  r  ö  h  r  e  ist  für  Typhus  besonders  bedeutend 
und  dürfte  auf  der  die  Entwicklung  fordernden  Wirkung  der  Galle, 
auf  der  Aufhebung  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums  und 
auf  der  Anwesenheit  von  reichlichen  Nährstoffen  beruhen.  Alleidings 
wird  auch  Koli  ebensogut  angereichert  und  deshalb  kann  man  im 
Bakteriengemisch  eine  Anreicherung  des  Typhus  allem  nicht  er- 

Zie'62)  G.  G  r  i  j  n  s  -  Weltevreden  (Java):  Ueber  Ernährungspoly¬ 
neuritis.  (Entgegnung.)  ,  ,  T.  ,  „  , 

G  r  i  j  n  s  wendet  sich  gegen  die  Resultate  der  Versuche  E  y  k  - 
man  n  s,  nach  denen  die  Entstehung  der  Hühnerpolyneuritis  an  be- 
stimmte  Sorten  von  Stärke  in  der  Nahrung  gebunden  sei.  Des  Vert. 
Versuche,  besonders  die  mit  Fleisch,  sprechen  dagegen. 

3)  R.  Schuppius  - Berlin :  Die  Milchleukozytenprobe  nach 

Trommsdorff.  ..  v  ,  •> 

Trommsdorff  hatte  angegeben,  dass  man  aus  einigen  Kubik¬ 
zentimeter  abzentrifugierter  Milch  mit  Hilfe  der  gefundenen  Leuko¬ 
zyten  auf  vorhandene  Eiterung  des  Euters  event.  Mastitis  der  Ruhe 
schlossen  könnte.  Die  Nachprüfungen  haben  nun  aber  ergeben,  dass 
die  von  Trommsdorff  angegebenen  und  im  Handel  befindlichen 
Zentrifugierröhrchen  nicht  genau  sind;  dass  zweitens  der  erhalten 
Bodensatz  nicht  nur  aus  Leukozyten  besteht,  sondern  bis  zu  50 'Proz¬ 
aus  Fett  mit  Kot,  Haaren  usw.  gemischt:  die  wenigen  Leukozyten 
rühren  auch  nicht  von  Eiterungen  her  Es  lässt  sich  andererseits 
aus  der  Menge  der  Leukozyten  im  Bodensatz  nicht  auf  die  Menge 
des  der  Milch  beigemengten  Eiters  schlossen.  da  dei  Leukozyten 
gehalt  der  verschiedenen  Eiterarten  verschieden  ist. 

4)  N  a  w  i  a  s  k  y  -  Berlin:  Das  spezifische  Gewicht  gekochter  und 

r0heEsFwtmdenrtRind-  und  Kalbfleisch,  roher  und  gekoch^r  Schm- 
ken  zu  den  Versuchen  verwendet.  Zwischen  Rind-  und  Kalbfleisch 

ist  kein  Unterschied  zu  finden.  Dagegen  z?'?‘ n^Sht ° was  mit 
gekochten  Schinken  ein  weit  grosseres  spezifisches  De  wicht,  was 

dem  Verlust  von  Wasser  beim  Einsalzen  zusammenhangt. 

Erhitzung  der  Fleischsorten  auf  100”  sind  die  Differenzen  ,m  sne- 

zifischen  Gewicht  nur  sehr  gering.  Rinintrie  des 

5)  Walter  G  a  e  h  t  g  e  n  s  -  Strassburg:  Beitrag  zur  Biolo„ 

Bacillus  faecalis  alcaligenes.  .  .  .  h  - ,  eefun_ 

Die  auffallende  Tatsache,  dass  der  von  Alt  S,CJ?  “  rp  Jf,  .en 
dpnp  Bac  alcaligenes  in  den  Typhusibazillus  sich  hal  e 
lassen  sScht  sich  Verf.  so  zu  erklären,  dass  die  Ausgangskultur  vom 
Alkaligenes  nur  einige  wenige  Tvphusbazillen  enthalten  habe  und 
nun^uf6  ungeklärte  AVeise^ derLyphusbaziltus  in  doo  Vordergrund  ge- 
treten  ist.  Die  Versuche  des  Verf.  mit  einem  Typhus- Alkaligene. 
Gemisch  ergaben  dafür  Anhaltspunkte. 


1794 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


6)  B  e  r  g  h  a  u  s  -  Berlin:  Ueber  die  Wirkung  der  Kohlensäure, 
des  Sauerstoffs  und  des  Wasserstoffs  auf  Bakterien  bei  verschiedenen 
Druckhöhen. 

Unter  den  verwendeten  Bakterien,  Cholera,  Milzbrand,  Typhus, 
Koli,  Enteritis,  Dysenterie,  Paratyphus,  Staphylokokken,  Strepto¬ 
kokken  und  Proteus  wurden  auch  die  resistentesten,  die  Koliarten. 
bei  15  Atmosphären  Druck  und  Kohlemsäureeinsickerung  abgetötet, 
konnten  eine  grössere  Anzahl  Bakterien  einen  Sauerstoffdruck  von 
75  Atmosphären  aushalten,  so  dass  sie  sich  nachträglich  noch  ver¬ 
mehrten.  Im  Wasserstoffstrom  lebten  alle  untersuchten  Bakterien 
weiter,  wenn  auch  manche  kümmerlich.  Ein  hoher  Druck  brachte 
keinerlei  störende  Wirkung.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  34. 

1)  Loeffler  und  R  ii  h  s  -  Greifswald:  Die  Heilung  der  experi¬ 
mentellen  Nagana  (Tsetsekrankheit). 

Verf.  erprobte  in  der  arsenigen  Säure  ein  spezifisches  Mittel 
gegen  die  Naganatrypanosomen  bei  Meerschweinchen.  Ratten  und 
Kaninchen.  Es  gelang,  schwerkranke  Tiere  durch  fünfmalige  Be¬ 
handlung  (per  os  oder  intravenös  oder  intraperitoneal)  zu  heilen, 
ohne  Vergiftungsgefahr,  ferner  gesunde  Tiere  vor  der  Erkrankung 
trotz  wiederholter  Infektion  zu  bewahren.  Dje  Therapie  muss  streng 
systematisch  erfolgen,  nach  Ermittlung  der  Dosis  letalis  und  der 
Dosis  efficax  (Blutkontrolle)  für  jede  Tierspezies.  Am  besten  be¬ 
währte  sich  die  Darreichung  der  Dosis  efficax  in  5  tägigen  Zwischen¬ 
räumen.  Verf.  hoffen,  dass  sich  auch  die  anderen  Trypanosomen¬ 
arten  und  Spirillen  (Lues)  in  analoger  Weise  beeinflussen  lassen. 

2)  Klapp  und  D  ö  n  i  t  z  -  Berlin:  Ueber  Chirosoter. 

Um  die  Bakterien  in  der  Haut  des  Operateurs  und  des  Opera¬ 
tionsfeldes  zu  fixieren,  imprägnieren  Verf.  die  möglichst  wasserfreie 
Haut  (hochprozentiger  Alkohol)  mit  Wachs.  Das  in  Tetrachlorkohlen¬ 
stoff  gelöste  Wachs  wird  in  dünner  Schicht  aufgesprayt.  Kultur¬ 
versuche  fielen  günstig  aus.  Die  nach  dem  Desinfizieren  zurück¬ 
bleibenden  Keime  werden  so  zum  grössten  Teil  ausgeschaltet,  ähn¬ 
lich  wie  mit  Gaudanin. 

3)  H  e  i  1  e  -  Wiesbaden:  Neues  über  Aetiologie  und  Behandlung 
der  postoperativen  Darmstörungen. 

Vortrag  auf  dem  diesjährigen  Chirurgenkongress,  ref.  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  17,  S.  857. 

4)  M.  K  a  e  h  1  e  r  -  Strassburg:  Drei  chirurgisch  behandelte  Fälle 
von  typhöser  Darmperforation  und  Perforationsperitonitis. 

In  den  3  Fällen,  welche  jugendliche  Kranke  betrafen,  trat  die 
Perforation  im  Typhusrezidiv  ein.  Einmal  wurde  die  Bauchhöhle 
nur  drainiert,  einmal  genäht,  einmal  genäht  und  drainiert.  Der  erste 
Fall  kam  durch,  der  zweite  starb  23  Tage  nach  der  Operation,  hatte 
multiple  Abszesse  zwischen  den  Darmschlingen,  der  dritte  kollabierte 
bald  nach  der  Operation.  Verf.  befürwortet  die  „früheste  Früh¬ 
operation“.  Allerdings  kann  die  Perforation  schleichend  eintreten, 
ohne  alarmierenden  Schmerz.  Im  einen  Fall  fand  man  einen  Netz¬ 
zipfel  auf  eine  Perforationsöffnung  geklebt. 

5)  L.  W.  W  e  b  e  r  -  Göttingen :  Fortschritte  in  der  Diagnostik  der 
Nervenkrankheiten.  (Schluss.) 

Belehrende  Uebersicht. 

6)  W  e  d  e  r  h  a  k  e  -  Düsseldorf :  Wie  vermeidet  man  sicher  das 
Zurücklassen  von  Kompressen  bei  Operationen  in  der  Bauchhöhle? 

Zum  Tupfen  nimmt  Verf.  Stieltupfer,  zum  Abdedken  4— 8  zipflige 
Gazeservietten. 

7)  G.  J.  M  ii  1 1  e  r  -  Berlin:  Ueber  den  derzeitigen  Stand  und  die 
Aussichten  der  Aktinotherapie.  (Schluss.) 

Kritischer  Ueberbliok  (Finsenlicht,  Hg-Lampe,  Quarzlampe, 
Röntgenlicht). 

8)  Artur  L  i  s  s  a  u  e  r  -  Holsterhausen :  Versuche  mit  Thoms 
„Ptyophagon“,  als  Beitrag  zur  Sputumhygiene. 

Verf.  lobt  den  Plan,  die  Abtötung  der  Keime  sofort  durch  auf- 
schliessende  „Verdauung“  des  Sputums  einzuleiten,  wünscht  aber 
noch  technische  Verbesserungen. 

ö)  Alfons  F  i  s  c  he  r  -  Karlsruhe:  Staatliche  und  private  Mutter¬ 
schaftsversicherung.  (Schluss  folgt.) 

1")  K  1  a  m  a  n  n  -  Berlin:  Juristische  Rundschau  für  die  ärzt¬ 
liche  Praxis. 

II)  Girard:  Das  Militärsanitätswesen  in  den  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika.  R.  Grashey-  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  34.  O.  Stoerk-Wien:  Ueber  experimentelle  Leber¬ 
zirrhose  auf  tuberkulöser  Grundlage. 

Schluss  folgt. 

E.  S  u  e  s  s  -  Alland:  Ueber  die  differentialdiagnostischen  Färbe- 
mcthoden  der  Perlsuchtbazillen  nach  Spengler. 

S.  spricht  sich  auf  grund  seiner  Untersuchungen  dahin  aus,  dass 
die  Spengler  sehe  Perlsuchtkaltfärbung  nicht  als  eine  für  Perl¬ 
sucht  charakteristische  Färbung  zu  bezeichnen  ist  und  nicht  zur 
Differenzierung  des  Typus  humanus  und  bovinus  des  Tuberkel¬ 
bazillus  geeignet  ist.  Gegenwärtig  scheint  es  noch  das  richtigere, 
die  morphologisch  und  durch  die  Färbung  erkennbaren  verschiedenen 


Formen  des  Tuberkelbazillus  bei  der  Lungenschwindsucht  nur  als 
Variationen  des  Typus  humanus  zu  betrachten. 

O.  Axamit-Prag:  Versuche  über  Stauungshyperämie  an  Ka¬ 
ninchen. 

A.s  Versuche  an  Kaninchen  bestätigen,  dass  an  demselben  Tiere 
das  Serum  der  durch  Stauung  angesammelten  Oedemfliissigkeit  an 
bakterizider  Kraft  ganz  wesentlich  überlegen  ist  und  lassen  den 
Schluss  zu,  dass  die  Heilwirkung  der  Stauungshyperämie  nicht  auf 
der  aktiven  Wirkung  des  zellfreien  Stauungsödems  beruhen  kann. 

.1.  Hofmann  -  Nauheim :  Pulsaussetzen  und  Magenblähungen. 

Bei  einem  Patienten  H.s  Hess  sich  die  zeitweilige  Herzarrhythmie 
durch  Hochstand  des  Zwerchfells,  hervorgerufen  teils  durch  Obsti¬ 
pation  und  MagenbLähungen,  teils  durch  falsches  Atmen  (ausschliess¬ 
lich  durch  den  Thorax)  erklären.  Wechselstrombäder,  Massage  und 
Atemgymnastik  führten  zur  Heilung.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Italienische  Literatur. 

Volta  bringt  aus  dem  Hospital  zu  Cremona  einen  Beitrag  zur 
Heroinchloroformnarkose.  (Gazzetta  degli  ospedali  1907,  S.  38.) 

Die  Präventivinjektion  von  5  mg  salzsauren  Heroins  /4  Stunde 
vor  der  Narkose  begünstigt  eine  ruhige  Narkose,  macht  die  Atmung 
rhythmisch  und  tief  und  ermöglicht  so  eine  gleichmässige  Aufnahme 
des  eingeführten  Chloroforms.  Es  mildert  die  Reizbarkeit  der  Luft¬ 
wege  und  schaltet  so  die  Gefahr  der  Reflexsynkope,  sowie  der  Er¬ 
stickung  aus.  Die  Exzitationsperiode  wird  gemildert  und  verkürzt. 

Die  Gefahr  der  Respirationssynkope  und  der  Herzlähmung  der 
3.  Periode  wird  geringer,  da  das  Mittel  auf  das  Gehirn  unschädlich 
wirkt  und  sehr  wenig  toxisch  ist.  Das  schnelle  Erwachen  aus  der 
Narkose  wird  begünstigt. 

Materazzi:  Differentialdiagnose:  klinische  und  bakterio¬ 
logische  zwischen  Typhus,  Paratyphus  und  Schweissfieber.  (Gazzetta 

degli  osped.,  1907.  No.  33.) 

Aus  der  Arbeit  M.s  erscheint  bemerkenswert,  dass  das  Schweiss¬ 
fieber  immer  eine  positive  Widalreaktion  geben  soll  und  zwar  erfolgt 
dieselbe  früher  als  bei  Typhus.  Im  übrigen  bietet  die  Differential¬ 
diagnose  zwischen  Miliaria  und  Typhus  resp.  Paratyphus  klinisch 
keine  Schwierigkeit. 

F  i  o  r  i  o  und  Z  a  m  b  e  1 1  i :  Klinische  und  experimentelle  Studie 
über  Maretin.  (il  Morgagni,  April  und  Mai  1907.) 

F.  und  Z.  bringen  aus  dem  Stadthospital  zu  Verona  einen  Beitrag 
zur  Wirkung  des  Maretins.  Sie  berücksichtigen  bei  ihrer  auf  eine 
über  zweijährige  Anwendung  und  Tierexperimente  sich  stützenden 
Arbeit  die  ganze  deutsche  und  italienische  Literatur  und  kommen  zu 
einem  sehr  günstigen  Ergebnis. 

Das  Mittel  soll  keinerlei  ungünstige  Wirkung  haben.  Es  soll  in 
kleinen  Dosen  (0,15 — 0,2  bei  Erwachsenen  2  stündlich)  in  langsamer 
Weise,  ohne  alle  Erscheinungen  von  Kollaps  und  Depression  die  Tem¬ 
peratur  herabsetzen  und  einen  günstigen  Einfluss  auf  den  Allgemein¬ 
zustand  und  das  Nervensystem  äussern.  Seine  Wirkung  ist  eine 
wesentlich  antifermentative,  auf  den  organischen  Chemismus  sich 
äussernde.  Die  Anwendung  von  Maretin  ist  bei  fieberhaften  Krank¬ 
heiten  der  Respirationsorgane  in  erster  Linie  zu  empfehlen.  Bei  jeder 
fieberhaften  Krankheit  kann  es  die  anderen  Antipyretika  ersetzen: 
seine  Wirkung  auf  die  Temperaturerhöhung  bleibt  eine  konstante. 

T  i  z  z  o  n  i  und  Panichi  berichten  über  weitere  Versuche  mit 
einem  Pilze,  welchen  sie  als  das  pathogene  Agens  der  Pellagra  an¬ 
sprechen  zu  müssen  glauben. 

Im  April  1906  haben  T  i  z  z  o  n  i  und  F  a  s  o  1  i  zuerst  darüber  be¬ 
richtet,  dass  sie  aus  akutesten,  schnell  tödlichen  Formen  von  Pellagra 
einen  Pilz  darstellen  konnten,  welcher  Meerschweinchen  unter  den 
charakteristischen  Erscheinung  der  Pellagra  tötete  und  welcher  sich 
auch  bei  Kaninchen  als  toxisch  erwies. 

Es  erscheint  wahrscheinlich,  dass  auch  für  die  langsamer  ver¬ 
laufenden  gewöhnlichen  Formen  von  Pellagra  dieser  Pilz  das  ätio¬ 
logische  Agens  ist. 

Bemerkenswert  namentlich  erschien  bei  diesen  Tierversuchen, 
dass  die  Entwicklung  des  Infektionsträgers  im  Magen-  und  Darm¬ 
kanal  der  betreffenden  Tiere  an  die  Mitwirkung  von  Maisnahrung  ge¬ 
bunden  zu  sein  schien.  Die  giftige  Wirkung  äusserte  sich  nur  bei  den¬ 
jenigen  Tieren,  in  welchen  zu  gleicher  Zeit  mit  den  Infektionsträgern 
Mais  in  die  Verdauungsorgane  eingeführt  wurde.  Weitere  Resultate 
bleiben  abzuwarten.  (Gazzetta  degli  osped.,  1907,  No.  34.) 

P  a  d  o  a  bringt  aus  der  med.  Klinik  zu  Florenz  einen  Beitrag 
zur  Symptomatologie  des  G  r  o  c  c  o  sehen  Dreiecks  bei  exsudativer 
Pleuritis.  (Gazetta  degli  osped.  1907,  S.  33.) 

Grocco  betonte  im  Jahre  1902  in  einer  in  der  Rivista  critica  di 
clinica  medica  erschienenen  Arbeit,  dass  bei  exsudativer  Pleuritis  in 
den  hinteren  unteren  Thoraxpartien  eine  Dämpfungszone  neben  der 
Wirbelsäule  entsteht,  in  derjenigen  Lungenpartie,  welche  der  er¬ 
krankten  Seite  entgegengesetzt  ist.  Fast  zu  gleicher  Zeit  machte 
Koranyi  (Wien.  klin.  Rundschau  1902:  Beitrag  zur  Differential¬ 
diagnostik  pleuritischer  Ergüsse)  auf  das  gleiche  Symptom  aufmerk¬ 
sam.  P.  erwähnt  dann  ferner  die  Bestätigung  dieses  Symptoms  seitens 
einer  grossen  Reihe  von  Autoren  aller  Länder.  Wenn  einige  der¬ 
selben  auch  eine  gedämpfte  Zone  der  gesunden  Seite  bei  pneumonischen 
Prozessen  gefunden  haben  wollen,  so  hält  P.  es  für  möglich,  dass  es 
sich  lin  solchen  Fällen  um  pleuropneumonische  Prozesse  gehandelt 
habe,  da  das  in  Rede  stehende  Symptom  doch  nur  eine  Verschiebung 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1795 


des  hinteren  Mediastinalraumes  nach  der  gesunden  beite  hin  sich  ei- 
kläre,  welche  nur  durch  Exsudat  erfolgen  könne. 

p  glaubt  besonders  die  dreieckige  Form  dieser  Damprungsfigui  n 
allen  Fällen  von  Exsudat  betonen  zu  müssen  und  beschreibt  als  be¬ 
sonders  interessant  Fälle  mit  doppelseitigen  Pleuraergüssen  von  vei- 
schiedenem  und  wechselndem  Niveau.  In  solchen  Fallen  kann  man 
die  merkwürdigsten  Veränderungen  des  G  r  o  c  c  o  sehen  Befundes 
konstatieren.  Der  dreieckige  Raum  kann  je  nach  dem  Steigen  um 
Fallen  der  Exsudate  von  einer  Seite  nach  der  anderen  wechseln. 

j  a  r  d  i  n  i :  lieber  den  Zusammenhang  des  Morbus  Dupuytren  mit 
Arteriosklerose  des  Rückenmarkes,  (il  Morgagni,  April  1907.) 

Unter  Morbus  Dupuytren  versteht  die  italieniscne  Schule  die 
Palmarfaszienkontraktur.  Der  Zusammenhang  dieses  Leidens  mit 
Syringomyelie  und  mit  trophischen  Nervenstörungen  ist  allgemein  an¬ 
erkannt;  nichtsdestoweniger  blieben  aber  eine  grosse  Anzahl  von 
Fällen  übrig,  in  welchen  ein  derartiges  Abhängigkeitsverhaltms  nicht 

C'S  J.  beschreibt  einen  von  ihm  beobachteten  Fall  mit  pathologisch- 
anatomischem  Befund  und  kommt  zu  einem  Schlüsse,  welchei  geneigt 
erscheint  die  Basis  der  neuropathischen  Entstehung  dieses  Leidens 
erheblich  zu  verbreitern.  Arteriosklerotische  Veränderungen  an  den 
kleinsten  Gefässen  des  Rückenmarkes,  so  meint  er,  sind  imstande, 
den  Morbus  Dupuytren  zu  erzeugen,  wenn  diese  Veränderungen  sich, 
in  der  grauen  Zentralsubstanz  des  Rückenmarkes  lokalisieren. 
Solche  Fälle  von  Morbus  Dupuytren,  welche  man  durch  gichtische 
Diathese:  Bleiintoxikation  und  Senilität  bedingt  anzusehen  pilegt, 
sind  wahrscheinlich  auch  so  zu  erklären,  dass  jene  genannten  Ur¬ 
sachen  die  Arteriosklerose  begünstigen.  Und  ferner  erscheint  es  nicht 
notwendig,  dass  es  zu  organischen  Läsionen  der  Ruckenmaikssub- 
stanz  zu  kommen  braucht,  sondern  es  genügen  zur  Erklärung  funk¬ 
tionelle,  durch  die  Arteriosklerose  gesetzte  Veränderungen.  _ 

Für  die  Amyotrophie  arteriosklerotischen  Ursprungs  ist  charak¬ 
teristisch  eine  grosse  Unregelmässigkeit  der  Verteilung  und  t  es  ei 

laufes^ie  ^rterjoskierose  kann  in  der  Medulla  Höhlenbildung  veran¬ 
lassen  analog  wie  im  Zerebrum;  diese  pathologische  Veränderung 
würde  als  lakunäre  Myelosklerose  zu  bezeichnen  sein 

Romani;  Ueber  Pylorusstenosen  bei  Tuberkulosen.  Ul  Mor- 

SaS11AufUd.em  Tuberkulosekongress  zu  Neapel  im  Jahre  1901  lenkte 
Patella  zuerst  die  Aufmerksamkeit  auf  eine  seltene  Form  von 
Pylorusstenose,  bedingt  durch  einen  Prozess  von  fibröser  I  Gorus- 
entzündung  oder  fibröser  Peripyloritis.  Er  stellte  diese  Foi  m  fest  bei  drei 
Individuen,  welche  an  unzweifelhafter  Lungentuberkulose  gelitten 

hatten,  welche  klinisch  geheilt  erschien. 

In  ähnlichen  Fällen  handelt  es  sich  nach  Patella  nicht  um  eine 
tuberkulöse  Lokalisation  am  Pylorus,  sondern  um  indirekte  Lasumen, 
bewirkt  durch  Tuberkulosetoxine.  P.  stützt  sich  hierbei  auf  die  Hypo¬ 
thesen  von  Hanot  und  Lanth  und  auf  die  Arbeiten  Aue  ans 
über  die  sklerogene  Eigenschaft  der  Tuberkeltoxine  und  er  stellt  eine 
ähnliche  Theorie  auf,  wie  sie  von  Teissier  Über  die  Endokardtum- 
läsionen  bei  Tuberkulösen  aufgestellt  worden  ist  P  0  11  f 

reine  Mitralstenose  eine  heteromorphe  Manifestation  dei  tuberku¬ 
lösen  Heredität  genannt  und  als  den  Effekt  einer  sklerogenen  Intoxi¬ 
kation  durch  benigne  Tuberkulose  erklärt.  . 

Den  drei  Fällen,  welche  Patella  beschrieben  hat,  fugt  R.  zwei 

in  der  Klinik  Sienas  beobachtete  hinzu. 

Die  Prognose  solcher  Fälle  ist  für  günstig  zu  halten  sobald  die¬ 
selben  einer  chirurgischen  Kur  unterworfen  werden  und  die  turei- 
kulösen  Symptome  seitens  der  Lungen  und  Pleuren  eine  vollständige 
Heilung  annehmen  lassen.  In  allen  Fällen  hat  die  Gastroenterostomie 

vorzügliche  Resultate  ergeben.  .  ...  „„on{oh,prn 

Ceranlo:  Ueber  Rekurrenslähmungen  bei  Mitralklappenfehlern. 

(il  Morgagni,  Juni  1907.)  .  ™  _ 

Auf  Rekurrenslähmungen  bei  Mitralstenose  ohne  Ektasie  du 
Aorta  und  ohne  Aneurysmabildung  hat  zuerst  O  r  t  n  e r  (Wienei  k lm. 
Wochenschr.  1897)  die  Aufmerksamkeit  gelenkt,  nach  ihm  Kiaus 
(Verhandlungen  für  innere  Medizin  1900)  und  Horb  au  er  (Wienei 

klin.  Wochenschr.  1902).  .  .,  Alltnrpn 

In  der  Erklärung  dieses  Phänomens  stimmten  beide  Autoren 
nicht  überein.  O  r  t  n  e  r  stellte  die  Hypothese  auf,  dass  das  ^datierte 
und  hypertrophische  linke  Herzohr  eine  Kompression  auf  den  linken 
Nervus  recurrens  ausübe.  Wenn  diese  Hypothese  für  ein  nicht  kom¬ 
pensiertes  Vitium  gilt,  bei  welchem  zu  der  Hypertrophie  des  Herz¬ 
ohrs  die  sekundäre  Dilatation  hinzutritt,  so  dass  es  zu  einer  eiheb- 
lichen  Vergrösserung  kommt,  so  ist  das  doch  nicht  dei  hal'  '  ff 
Zustand  der  Kompensation  und  der  Wiederherstellung  der  unktion. 

Kraus  hat  die  Theorie  aufgestellt,  dass  bei  Mitralklappen¬ 
fehlern  und  besonders  bei  der  Mitralstenose  das  Herz  sich  horizontal 
verlagert  durch  den  Eintritt  einer  Hypertrophie  des  rechten  Ventukels. 
Es  ist  in  hohem  Oracle  wahrscheinlich,  dass  diese  Verlagen, ns-  eine 
Erniedrigung  des  Aortenbogens  mit  sich  fuhrt  und  mit  ihr  eine  Zei- 
rung  des  Nervus  recurrens,  welcher  den  Aortenbogen  umschlingt. 

C  prüfte  die  Frage  im  Hospital  Palermos  an  einem  grosseren 
Material  von  Herzkranken.  Er  fand  an  20  Kranken,  welche  an  einem 
Mitralvitium  litten  (von  einer  Stenose  bis  zur  Stenose  md  Insuffizienz 
der  Klappen,  angeborener  und  konstitutioneller,  arteriosklerotische 

und  seniler  Art)  nur  viermal  die  Zeichen  einer  Läsion  des  Reku  ren 
und  zwar  in  zwei  Fällen  von  reiner  und  in  zwei  Fallen  von  kombi¬ 


nierter  Stenose  mit  Insuffizienz.  Er  kommt  zu  dem  Resultat,  dass 
beide  Hypothesen,  sowohl  die  von  O  r  t  n  e  r  als  die  von  Kraus  sich 
rechtfertigen.  Die  eine  schliesst  die  andere  nicht  aus,  wie  auch 
Ouadrone  (scritti  in  onore  di  C.  B  o  z  z  o  1  o,  1904)  behauptet.  Die 
eine  gilt  für  die  unkompensierten  Formen  der  Mitralklappenfehler, 

die  andere  für  die  kompensierten.  .  . 

Z  i  v  e  r  i  bringt  einen  Beitrag  zur  Albumosune  bei  Geistes¬ 
kranken.  (il  Morgagni,  Juni  1907.) 

Albumosurie  wurde  zuerst  von  Magnus-Lev  y  und  M  o  - 
teissier  bei  verschiedenen  Krankheiten  konstatiert,  so  bei  Kai  - 
zinom,  bei  schweren  Eiterungen,  bei  Septikämien,  bei  Tuberkulose,  bei 
Leukämie  und  Pseudoleukämie.  In  Abhandlungen  älterer  Autoren 
aus  der  Zeit,  wo  man  noch  keinen  Unterschied  zwischen  Albumosen 
und  Peptonen  machte,  wird  sie  als  Peptonurie  bezeichnet  Sie  deutet 
auf  schwere  Stoffwechsel-  und  Gewebsschädigung.  Von  Erkiaii- 
kungen  der  Nieren  und  Harnwege  kann  sie  unabhängig  sein,  da  Al  iu- 

mosen  im  Blute  nachgewiesn  wurden.  . .  .  • 

Zum  Nachweis  bediente  sich  Z.  der  Methode  vonSalkowski 

und  von  Aldor. 

Er  fand  Albumosurie  konstant  im  vorgerückten  Stadium  pro¬ 
gressiver  Paralyse,  nicht  konstant  und  unregelmässig  im  ersten  Sta¬ 
dium.  Sehr  deutlich  ist  sie  in  Formen  mit  rapidem  Verlaut.  Ferner 
war  sie  deutlich  und  konstant  nachzuweisen  bei  Amentia  pellagrosa. 
Bei  der  Heilung  verminderte  sie  sich  und  verschwand. 

In  allen  übrigen  Formen  von  Geisteskrankheiten  war  eine  nega¬ 
tive,  manchmal  auch  eine  leichte  Albumosenreaktion  zu  konstatieren. 
Derselben  kommt  keine  diagnostische,  aber  eine  prognostische  Be¬ 
deutung  zu.  Hager-  Magdeburg. 

Schwedische  und  finnische  Literatur.  ) 

N.  V.  Ak'erblom-Falun  (Schweden) :  Peritenitfs  (Tenalgia) 
iiitradeltohlea.  (Deutsch  erschienen  in  Nordiskt  medicinskt  Arkiv 

1906,  Abt.  I  | Chirurgie]  H.  4.)  ....  .  . 

Nach  einer  genauen  Beschreibung  der  Ursprungsverhaltnisse  des 

mittleren  Teiles  des  M.  deltoideus,  berichtet  Verf.  über  12  Falle  von 
Peritendinitis  in  den  Sehnenbändern  (3—4),  welche  diesen  Ursprung 
zum  grossen  Teil  vermitteln,  oder  von  Bursitis  in  den  (von  A.  L  ind¬ 
st  r  ö in  und  Forssell  entdeckten)  kleinen  Bursen,  welche  häufig 
dicht  an  diesen  Sehnen  vorhanden  sind.  Als  sehr  charakteristisch  fm 
diese  beiden  Affektionen  hebt  Verf.  hervor:  Der  Arm  kann  nur  sehr 
selten  mehr  als  etwa  bis  45°  gehoben  werden  (weder  nach  aussen, 
noch  nach  vorne);  dagegen  ist  die  aktive  Rotation  bei  hangendem  Aim 
unbehindert.  Diese  starke  Funktionsbeschrankung  steht  in  einem 
auffallenden  Gegensätze  zu  der  geringen  Ausdehnung  der  lokalen 
Veränderung,  welche  nur  in  einer  kleinen  Anschwellung  gleich  untc  - 
halb  des  Akromions  besteht.  Die  starke  Druckempfindlichkeit  er¬ 
klärt  aber  zur  Genüge  die  Funktionsstörung.  Als  Aetiologie  konnte 
fast  im nier  ein  akutes  oder  chronisches  Trauma  nachgewiesen  werden, 
nur  in  einem  (doppelseitigen)  Falle  wurde  ein  rheumatischer  Ursprung 
angenommen.  Behandlung:  Einspritzung  von  %— 1  ccm  2  proz.  Phenol¬ 
lösung  wirkt  rasch  schmerzstillend:  Ruhe;  Massage. 

N  V  A'kerblom  -  Falun  (Schweden) :  Eine  Methode  zum 
Sterilisieren  von  Kateut  (und  Seidel  durch  Erwärmmia  .n  Oel 

(Deutsch  erschienen  in  Nordiskt  medicinskt  arikiv,  Abt.  I  ILhirurgiei 

i9°7VNert.  ‘bedient  sich  seit  4  Jahren  einer  von  ihm  ausgea, -beiteten 
Methode,  das  Katgut  und  die  Seide  durch  tihitzung  in  Gel  am  . 
zu  sterilisieren  und  ist  von  den  Resultaten  sehr  befriedigt.  Die 
Methode  ist  durch  zahlreiche  aerobe  und  anaerobe  Kulturversuche 
genau  kontrolliert  worden.  Eine  Reihe  von  für  das  Gelingen  wichtigen 
Detailvorschriften  muss  im  Original  nachgesehen  werden.  # 

G.  Heinricius  - Helsingfors :  Ueber  die  radikale  abdominale 
Totalexstirpation  des  karzinomatösen  Uterus.  (Deutsch  erschienen, 

ibidem  1906,  H.  4  und  1907,  No.  1.) 

Die  Arbeit  enthält  eine  ausführliche  Bearbeitung  des  sehr  be¬ 
trächtlichen  Materials  der  gynäkologischen  Universitätsklinik  in 
Helsingfors;  lässt  sich  in  einem  kurzen  Referat  nicht  zusammen- 

fassenjnar  K  gy  _  stockhoim:  Zur  chirurgischen  Behandlung  des  Ulcus 
ventriculi.  (Nordiskt  medicinskt  arkiv  1907,  Abt.  I  I Chirurgie  I,  •  • 
Verf.  bringt  eine  Zusammenstellung  der  von  Prof.  Berg  und 
Prof  Akerman  in  Stockholm  (zum  grössten  Teile  in  der  chnur 

gischen  Klinik  des  Serafimerlazaretts)  bis  Ende '  ^ ^ ^^dem" weiteren 
von  Ulcus  ventriculi  mit  Folgezustanden  Verf.  ‘st.  sind  Dcncrt 
Verlauf  durch  Nachuntersuchungen  gefolgt.  11/  1  at.  : sind  )peri ; 
und  211  Operationen  ausgeführt  worden.  Einfache  Gastu  t 
stomie  lll  mal  mit  einer  Mortalität  von  4,5  Proz.;  davon  1894-1900 

45  Operationen  mit  8,8  Proz.  Mortalität.  1 90 nUt'^T  Proz 
mit  I  5  Proz  Mortalität.  Die  Resektion  wurde  25  mal  mit  _4  1  10Z- 
Mortalität  ausgeführt;  1901—1906  18  Resektionen  mit  16,6  Proz.  Mor¬ 
talität  "  Verf  erwähnt  folgende  Komplikationen  nach  Gastroentero- 
stornie Tnkarzbration  in  der  Bursa  oment.  (I  Fall),  V«en*er«»  ^ 
Gastroenterostomieöffnung  (2  Falle),  .Verengerung  dei 
enterostomie  verwendeten  Jejunalschhnge  durch  ad ^  Kompli- 

(3  Fälle),  und  geht  auf  die  Aetiologie  dei  verschiedenen  Aomp 


*)  Wenn  anders  nicht  angegeben  wird,  sind  die  referierten  Ar- 
beiden  schwedisch  erschienen. 


1796 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


kationen  näher  ein.  —  6  Fälle  von  Ulcus  pepticum  jejuni  werden  mit¬ 
geteilt.  —  Bei  der  Beurteilung  der  verschiedenen  Operationsmethoden 
muss  man  in  Betracht  ziehen  einerseits  die  verschiedene  patho¬ 
logisch-anatomische  Beschaffenheit,  die  Lokalisation,  die  Kompli¬ 
kationen  und  die  Folgezustände  der  verschiedenen  Ulcera,  anderseits 
die  direkte  Gefährlichkeit  der  verschiedenen  Operationen,  ihre  pri¬ 
märe  Wirkung  und  ihre  Prognose.  Betreffs  der  Indikationen  der  ver¬ 
schiedenen  Operationen  muss  auf  das  Original  verwiesen  werden.  — 
Verf.  hebt  hervor,  dass  die  Wirkung  der  palliativen  Operations¬ 
methoden  besonders  bei  Ventrikelkrankheiten  ohne  motorische  In¬ 
suffizienz  nicht  genügend  aufgeklärt  ist.  Durch  Röntgenunter¬ 
suchungen  über  die  Einwirkung  der  Operationen  auf  die  Entleerung 
des  Ventrikels  bei  unverändertem  oder  stenosiertem  Pylorus  und  bei 
verschiedener  Form  und  Lage  des  Ventrikels  und  durch  Unter¬ 
suchungen  über  den  Stoffwechsel  und  den  Magensaft,  dürften  wir  neue 
wichtige  Stützpunkte  für  die  Beurteilung  der  verschiedenen  Opera¬ 
tionsmethoden  gewinnen  können.  (Autoreferat.) 

John  B  e  r  g  -  Stockholm:  Ueber  die  Behandlung  der  Ectopia 
vesicae.  (Deutsch  erschienen;  ibidem  1907,  H.  1.) 

Verf.  hat  28  Fälle  von  Ectopia  vesicae  nach  verschiedenen  Me¬ 
thoden  operiert.  In  den  letzten  Jahren  hat  er  4  mal  —  und  zwar  in 
2  Fällen  mit  sehr  gutem  Resultate  —  die  Operation  wesentlich  nach 
folgenden  Prinzipien  ausgeführt:  In  einer  ersten  Sitzung  wird  ein 
Stück  des  Dünndarms  herausgelöst,  das  distale  Ende  desselben  durch 
eine  kleine  Seitenanastomose  mit  dem  Dickdarm  vereinigt,  das  proxi¬ 
male  an  die  Bauchwand  befestigt.  In  einer  zweiten  Sitzung  wird 
extraperitoneal  die  Blasenwand  exzidiert  und  das  Trigonum  mit  den 
Ureteren  losgelöst;  nach  Durchtrennung  des  Blasenperitoneums  das 
Trigonum  in  das  an  die  Bauchwand  fixierte  Ende  des  Dünndarm- 
stiiekes  implantiert.  —  Zuletzt  skizziert  Verf.  eine  weiter  verbesserte 
Methode,  die  jedoch  noch  nicht  zur  Ausführung  gelangt  ist.  - — 
Näheres  muss  im  Original  nachgesehen  werden. 

Gunnar  K  o  r  a  e  n  -  Stockholm:  Zur  Biologie  des  Erregers  des 
Darmtyphus.  (Akademische  Abhandlung.  Stockholm  1907.  Deutsch 
erschienen.) 

Schlussfolgerungen  des  Verfassers  (vom  Referenten  abgekürzt): 

1.  Die  Typhusbakterien  vermehren  sich  reichlich  in  sterilisiertem 
Düngerextrakt.  (Betreffs  gewisser  Unterschiede  zwischen  den 
Wachstumskurven  verschiedener  Typhusstämme  bezw.  der  Typhus¬ 
bakterien  einerseits,  typhusähnlicher  Bakterien  anderseits,  muss  auf 
das  Original  verwiesen  werden).  2.  In  den  Düngerextraktkulturen 
bilden  die  Typhuskulturen  nach  ein  paar  Wochen  kleinere  bewegliche 
Wachstumsformen,  die  „sporenähnlichen  Bildungen“  Almquists; 
in  neue  Extrakte  übergeführt  gehen  sie  in  die  gewöhnlichen  breiteren 
Stäbchen  über.  3.  In  Düngerextrakt  können  die  Typhusbakterien  sich 
bisweilen  mehr  als  1  Jahr  am  Leben  erhalten;  sie  scheinen  im  Extrakt 
ihre  Virulenz  etwas  länger  beibehalten  zu  können,  als  auf  künstlichen 
Nährsubstraten.  4.  Nach  ca.  1  oder  2  Wochen  Wachstum  in  sterili¬ 
siertem  Dünger  bei  14°  verlieren  gewisse,  aber  nicht  alle  Typhus¬ 
stämme  ihre  Agglutinationsfähigkeit,  können  aber  später  diese  Fähig¬ 
keit  wieder  annehmen.  (Weitere  Details  siehe  das  Original!)  5.  In 
Dünger  bei  14°  gezüchtet  erlangen  gewisse  Typhusstämme  eine  er¬ 
höhte  Resistenz  gegenüber  der  bakteriziden  Wirkung  des  Blutserums. 
Andere  Stämme  haben  unter  denselben  Verhältnissen  diesen  höheren 
biologischen  Standpunkt  nicht  erworben.  6.  Die  Möglichkeit  eines 
spontanen  Wachstums  der  Typhusbazillen  ausserhalb  des  mensch¬ 
lichen  Körpers  lässt  sich  nicht  in  Abrede  stellen.  Dabei  sollte'  unter 
gewissen  Verhältnissen  die  Resistenz  der  Bakterien  gesteigert  werden. 
7.  Das,  was  wir  seither  den  Typhuserreger  genannt  haben,  ist  viel¬ 
leicht  keine  einheitliche  Art.  sondern  eine  mehrere  konstante  Arten 
umfassende  Kollektivart. 

C.  L  i  n  d  a  h  1  -  Gefle  (Schweden) :  Zur  Kenntnis  der  bakteriziden 
Wirkung  der  Tränenflüssigkeit.  (Hygiea  1907,  H.  4.) 

In  23  Versuchen  prüfte  Verf.  die  bakteriziden  Eigenschaften  des 
Sekretes  gegenüber  den  in  der  Augenpathologie  wichtigen  Pneumo- 
und  Streptokokken.  Die  Pneumokokken  betreffend  blieb  das  Resultat 
unsicher;  auf  die  Streptokokken  wirkte  das  frische  Sekret  stärker 
als  das  vorher  erhitzte  und  als  LLO.  In  73  Versuchen  mit  Staphylo¬ 
kokken  wurden  die  Ursachen  der  bakteriziden  Wirkung  näher  unter¬ 
sucht.  Lösungen  von  den  verschiedenen  Salzen,  welche  in  einiger- 
massen  beträchtlicher  Konzentration  in  dem  Sekrete  Vorkommen, 
wirkten  bakterizid,  am  stärksten  die  NasCOs-Lösung  (14  Bestim¬ 
mungen  ergaben  eine  Alkalimenge  in  der  Tränenflüssigkeit  gleich 
0.32  Proz.  Soda);  ein  Gemisch  von  den  Salzen  übte  eine  stärkere 
Wirkung  als  das  frische  Sekret  aus.  —  Die  Bakterizidie 
durch  Tränenflüssigkeit  beruht  indessen  nicht 
auf  den  Salzen,  sondern  auf  enzymähnlichen  Sub¬ 
stanzen.  Das  bakterizide  Vermögen  wird  durch  Erhitzung  auf 
68 — 70 0  eingebüsst,  ist  von  der  Reaktion  —  eine  gewisse  Menge  von 
Alkali  muss  vorhanden  sein  — ,  von  der  Neutralsalzkonzentration 
und  von  der  Temperatur  —  Körpertemperatur  günstig  —  abhängig. 
Wahrscheinlich  sind  diese  enzymähnlichen  Körper  nicht  mit  den 
Bakteriolysinen  des  Serums  identisch.  (Autoreferat.) 

G.  Naumann  und  Gösta  G  ö  t  h  1  i  n  -  Gothenburg:  Ueber  die 
plastische  Induration  in  Tunica  albuginea  und  Corpora  cavernosa 
penis.  (Hygiea  1907,  No.  5.) 

Kasuistische  Mitteilung  von  einem  Falle  von  chronischer  Indura¬ 
tion  mit  echter  Knochenbildung  in  der  tiefen  Schicht  der  Tunica  albu¬ 


ginea  penis.  Die  Verfasser  sprechen  sich  nach  eingehender  Dis¬ 
kussion  der  verschiedenen  diesbezüglichen  Theorien  dafür  aus,  dass 
das  Knochengewebe  metaplastisch  zustande  gekommen  ist. 

.1.  F  e  1 1  ä  n  d  e  r  -  Stockholm:  Ein  Fall  von  Elephantiasis  endo- 
metrii  fibrosarcomatosa  gigantocellularis.  (Aus  dem  pathologischen 
Laboratorium  der  gynäkol.  Klinik  Prof.  Landaus  in  Berlin;  Vor¬ 
stand  Dr.  L.  Pick.)  (Ibidem  1907,  No.  5.) 

Kasuistischer  Beitrag.  Der  Verf.  nimmt  an,  dass  die  Riesenzellen 
durch  teils  mitotische,  teils  amitotische  Teilung  des  Kernes  ohne  Tei¬ 
lung  des  Protoplasmas  entstehen. 

G.  E  k  e  h  o  r  n  -  Sundsvall  (Schweden):  Die  anormalen  Nieren- 
gefässe  können  eine  entscheidende  Bedeutung  fiir  die  Entstehung  der 
Hydronephrose  haben.  (Hygiea  1907,  No.  6.) 

Verf.  teilt  einen  Fall  mit,  .in  welchem  die  Hydronephrose  von  einer 
akzessorischen  Arterie  verursacht  war,  die  hinter  dem  Ureter  zur 
vorderen  Fläche  der  Niere  transversal  nach  aussen  von  der  Aorta 
verlief.  Die  Arterie  wurde  doppelt  ligiert  und  durchschnitten:  Ge¬ 
nesung.  Durch  diesen  Fall  ist  Verf.  auf  den  Gedanken  gekommen, 
dass  eben  die  anormalen  Arterien,  welche  hinter  dem  Ureter  zur 
vorderen  Fläche  der  Niere,  oder  vor  dem  Ureter  zur  hinteren 
Fläche  gehen,  für  die  Entstehung  der  Hydronephrose  von  Bedeutung 
sind.  Verf.  hat  in  der  Literatur  24  Fälle  gefunden,  in  welchen  anor¬ 
male  Arterien  als  Ursache  der  Hydronephrose  angenommen  wurden, 
und  hat  in  allen  Fällen,  wo  die  Beschreibung  ein  Urteil  erlaubte, 
eben  den  oben  erwähnten  schiefen  Verlauf  der  Arterie,  dessen  Be¬ 
deutung  früher  nicht  beobachtet  worden  ist,  konstatieren  können. 

E.  B  o  v  i  n  -  Stockholm:  Ueber  beckenerweiternde  Operationen, 
spez.  Pubiotomie.  (Svenska  Läkartidningen  1907.) 

Verf.  teilt  einen  Fall  von  wiederholter  Pubiotomie  mit.  Der 
Kallus  nach  der  ersten  Operation  war  sehr  beträchtlich  und  trug 
wahrscheinlich  zu  dem  Geburtshindernis  bei,  welches  die  zweite 
Operation  indizierte. 

H.  F  a  b  r  i  t  i  u  s  -  Helsingfors:  Ueber  die  Gruppierung  der  mo¬ 
torischen  Bahnen  innerhalb  der  Pyramidenseitenstränge  des  Men¬ 
schen.  (Finska  läkaresällskapets  Handlingar,  Mai  1907.) 

Klinische  Beobachtungen  in  einem  Falle  von  Stichwunde  im 
Rückenmarke  und  ähnliche  Fälle,  die  der  Verf.  aus  der  Literatur  zu¬ 
sammengestellt  hat,  sollen  für  die  folgende  Auffassung  sprechen: 
L  Die  Bahnen  des  Beines  —  oder  wenigstens  die  Hauptbahnen  des¬ 
selben  —  verlaufen  hinten  und  medial,  die  des  Armes  vorn  und  lateral. 

2.  Im  Gebiete  des  Beines  liegen  die  Bahnen  zu  den  proximalen  Teilen 
medialwärts,  die  zu  den  distalen  Teilen  lateralwärts  und  die  Bahnen 
des  Armes  sind  wahrscheinlich  in  entsprechender  Weise  angeordnet. 

Carl  Tigerstedt-  Helsingfors:  Ueber  die  Einwirkung  von 
Digitalis  und  Strophanthus  auf  den  Kreislauf.  (Ibidem,  Mai  1907.) 

Der  Zweck  der  Untersuchung  ist,  zu  prüfen,  inwieweit  Digitalis 
und  Strophanthus  auf  das  wählend  der  Zeiteinheit  ausgetriebene  Blut¬ 
volumen  einwirken.  Verf.  hat'  die  Methode  von  R.  Tigerstedt 
mit  Einbindung  einer  Stromuhr  in  die  Aorta  ascendens  verwendet; 
10  Versuche  mit  Digitalis,  10  mit  Strophanthus.  Schlussfolgerungen: 
1.  Die  durch  Digitalis  resp.  Strophanthus  verursachte  Drucksteigerung 
beruht  wesentlich  auf  einer  Gefässkontraktion.  Die  Zunahme  des 
Sekundvolumens  hat  eine  entschieden  geringere  Bedeutung;  meistens 
spielt  sie  eine  Rolle  nur  während  einer  kurzen  Zeit  nach  der  Injektion, 
ehe  der  Druck  sein  Maximum  erreicht  2.  Nach  der  Injektion  stellte 
sich  in  den  meisten  Fällen  eine  —  zuweilen  eine  bedeutende  —  Ver¬ 
mehrung  der  Herzarbeit  ein;  die  Herzarbeit  nimmt  doch  gewöhn¬ 
licherweise  schon  vor  dem  Zustandekommen  des  Druckmaximums 
wieder  ab  und  ist  in  vielen  Fällen  während  desselben  ziemlich  gering. 

3.  Die  Versuche  ergaben  keinen  Unterschied  zwischen  Digitalis  und 
Strophanthus. 

Herman  v.  W  i  1 1  e  b  r  a  n  d  -  Helsingfors:  Studien  über  den 

Stoffwechsel  bei  Knaben  im  Alter  von  9 — 14  Jahren.  (Ibidem,  Juni 

1907.) 

Verf.  hat  nach  folgender  Methode  gearbeitet:  Gesunde  Knaben 
von  9 — 14  Jahren  bekamen  während  wenigstens  3  Tagen  eine  be¬ 
stimmte  Kost;  der  letzte  Tag  wurde  in  der  Respirationskammer 
(Tigerstedt)  des  physiologischen  Instituts  zugebracht;  die  Kost 
des  letzten  Tages  wurde  analysiert,  die  COa-Produktion  bei  der  Re¬ 
spiration  und  der  N-Wert  im  Harne  bestimmt,  die  Fäzes  vollständig 
analysiert.  Die  Zufuhr  war  verhältnismässig  sehr  gross;  die  Ver¬ 
brennung  geringer  als  in  den  Versuchen  anderer  Untersucher,  die 
Ablagerung  beträchtlich.  Für  nähere  Auskunft  muss  auf  das  Original, 
das  ausführliche  Versuchsprotokolle  und  zahlreiche  Tabellen  enthält, 
verwiesen  werden.  G.  Forssner  -  Stockholm. 

Laryngo-Rhinologie. 

1)  Alfred  Denker-Erlangen:  Zur  Operation  der  malignen  Nasen- 
geschwiilste.  Mit  5  Abb..  (Archiv  f.  Laryngol.  u.  Rhinol.,  Bd.  19, 
H.  3.) 

Denker  berichtet  in  extenso  über  2  Fälle  maligner  Nasen¬ 
tumoren  (Endotheliom  und  Karzinom),  die  er  nach  seiner  neuen,  in 
dieser  Wochenschrift  1906,  No.  20  mitgeteilten  Operationsmethode 
radikal  operierte.  Die  beiden  Fälle,  von  denen  der  eine  geheilt 
wurde,  der  zweite  infolge  einer  unvermeidlichen  Duraverletzung  an 
Meningitis  ad  exitum  kam,  erwiesen  wieder  aufs  neue  die  Zweck¬ 
mässigkeit  der  Operationsmethode,  die  neben  Wegfall  jeglicher  Ent¬ 
stellung  und  kurzer  Heilungsdauer  eine  gute  Uebersichtlichkeit  des 


3.  September  1907. 

Operationsfeldes  und  die  Möglichkeit  radikaler  Beseitigung  alles  Er 
krankten  gewährleistet. 

2)  Max  Sch  ei  e  r -Berlin:  Lieber  die  Krankheiten  der  Mund- 

"i>,,,ei„b?ii,1eI,aeh;“ehrende1uin.?t  ibbild^en  „nd  Kranken^scUichten 
versehenen  Abhandlung  erörtert  Scheier  obiges  'Ihema  In ^ erster 
1  inie  bespricht  er  die,  einen  grossen  Prozentsatz  bildenden,  Erweite 
rungen  des  Ductus  stenonianus  mit  konsekutiver  1  neumatozele  der 
Parotis  deren  Ursachen  eingehend  kritisch  erörtert  werden,  sodann 
die  an  Plaques  muqueuses  erinnernden  typischen  Veränderungen  ei 
Wangenschleimhaut,  die  Veränderungen  der  Zahne,  insbesondere  de 
Schneidezähne,  ferner  die  charakteristische  Veränderung  der  Backen 
der  Glasbläser  von  aussen  vor  und  nach  dem  Blasen,  sowie  des 

H a * S  An s c hf i es* send  bespricht  Autor  die  grosse,  durch  die  Technik  des 
Glasblasens  bedingte  Gefahr  einer  Uebertragung  von  Syphilis  (gemein¬ 
same  Benutzung  des  Blasrohres),  wie  solche  schon  in  zahlreichen 
PäHen  konstatiert  wurde,  in  zweiter  Linie  auch  Uebertragung  de 
Tuberkulose.  Prophylaktische,  gewierbehygienische  Betrachtungen 
bilden  den  Schluss  der  interessanten  Arbeit,  bezüglich  deren  Deta 
auf  das  Original  verwiesen  werden  muss.  . 

3)  a  Hamm  und  H.  Torhorst- Strassburg  l.  L. :  Beitrage 

zur  Pathologie  der  Keratosis  pharyngis,  mit ^ftTTaM  (TbldT 
gung  der  bakteriologischen  Verhältnisse.  Mit  1  Tafel,  (miü. 

Die  früher  als  Mycosis  benigna  pharyngis  oder  als  Mycosis 
leDtothricia  bezeichnete  Keratosis  untersuchten  Autoren  bei  drei  rallen 
eingehend  histologisch  und  bakteriologisch  und  konnten  kulturell  einen 
stark  schleimbildenden  Kapselbazillus  isolieren,  den  sm  insoferne  a  s 
snezifischen  Erreger  dieses  Krankheitsprozesses  ansprechen,  „dass  die 
Kapselbazillen  bei  irgend  einer  Gelegenheit  sich  in  den  Krypten  dei 
Tonsillen  einnisten  vermöge  ihrer  zähschleimigen  Beschaffenhei 
innig  mit  der  Epitheloberfläche  verbacken  und  vermitels  ihrer  inten¬ 
siven  Schleimproduktion  einen  spezifischen  Reiz  auf  die  Epithc  zell 
ausüben,  der  eine  gesteigerte  Zellproliferation  mit  Ausgang  in  Ver¬ 
hornung  der  oberflächlichen  Zellschichten  auslost. 

4)  J  C.  Henkes- Amsterdam:  Zur  Blutstillung  nach  Tonsillo¬ 
tomie/  Mit  5  Abbildungen.  (Monatsgehr.  f.  Ohrenheilk.  etc.  1907, 

N°'  Nach  prophylaktischen  und  therapeutischen  Erörterungen  zur 

Verhütung,  bezw.  Stillung  von  postoperativen  Blutungen  beschreibt 
Autor  ein  auch  in  der  Arbeit  abgebildetes  Instrument,  das  dazu  dient 
vermittels  kleiner  Metallklammern  die  beiden  Gaumenbogen  fest  zu 
vereinigen  und  einen  auf  die  blutende  Stelle  gebrachten  lampon 
komprimierend  festzuhalten.  Ein  zweites  Instrument  dient  zui  Ent¬ 
fernung  der  Klammern,  die  leicht  bewerkstelligt  werden  kann.  Ein 
PrfoDreich  mit  dieser  Methode  behandelter  Fall  illustriert  die  Zweck- 
mtsigkeCit  Seses  Eingdffes,  zu  dessen  Nachprüfung  Autor  auffordert. 

o)  Karl  Grünberg  -  Rostock:  Ueber  den  günstigen  Einfluss  des 
lnnerHchün  Gebrauches  von  JodkaU  auf  die  Tuberkulose  der  obere,, 

I  nftweee  (Zeitschr.  f.  Ohrenheilk.  etc.  1907,  Bd.  53,  n.  •) 

Ld!! Erfahrungen  der  K  ö  r  n  e  r  scheu  Klinik  über  obiges  Thema 
werden  von  Grünberg  an  der  Hand  von  6  zur  Illustration  in  ex- 
tenso  beigefügten  Krankengeschichten  kritisch  besprochen  und  von 
Autor  zu  folgenden  Schlussfolgerungen  zusammengefasst. 

1  Die  primäre  (aszendierende)  Schleimhauttuberkulose  dei 
oberen  Luftwege  lässt  sich  in  vielen  (nicht  in  allen)  Fallen  durch 
innere  Darreichung  von  Jodkalium  günstig  beeinflussen  und  zui  He 
lung  bringen  mit  oder  ohne  gleichzeitige  lokale  Behandlung. 

2  2  Da  die  in  Rede  stehende  Tuberkulose  auch  spontan  ausheilen 
kann  s?  ist  die  günstige  Wirkung  der  Therapie  nicht  mit  absoluter 
Sicherheit  nur  auf  das  Jodkalium  zurückzuführen;  da  diese  günstige 
Wirkung  aber  häufig  sehr  schnell  und  auch  in  Fällen  auf  tritt  .die 
andere/ therapeutischen  Massnahmen  trotzen,  so  ist  an  ihrem  \o 

ÜÜ  stammt  von  fitem  anderen  Ozänafal  oder  von  emer  Hunde- 

tene  Theorie  über  die  Aetiologie  der  Ozäna,  als  deren  Ursache  Autor 
len  von  ihm  gefundenen  Kokkobazillus  anspricht,  findet  in  diesei 
Arbeit  weheJe  Belege.  180  einschlägige  Fälle,  die  in  extenso  aus 
o-pführt  sind  bieten  durch  ihre  ätiologischen  und  anamnestischen 
Erhebungen  ein  interessantes,  auch  statistisch  verwertbares  Material. 
Aip  a  rt  der  Uebertragung,  Biologie  des  Kokkobazillus  nebst  Jiei 
snllt  sowie ^PathoK  der  ozänös  erkrankten  Nase  werden  ein¬ 
gehend  ^H  e'ym  a  n  n  -  Berlin :  Beitrag  zum  Studium  des  Heu- 
Hebers.  (Archives  internationales  de  laryngologie  etc.  1907,  Bd.  23, 

N°‘  Fin  seit  Jahren  an  Heufieber  leidender  Kollege  machte  die  Be- 

SeSsSsSi 


1797 


drüse  zu  untersuchen,  die  sich  bei  einem  auffallend  grossen  Prozent¬ 
satz  vergrössert  fand.  Die  Verabreichung  von  Thyreoidin  (1-3  Ta- 
bletten  täglich)  unter  gleichzeitiger  Beobachtung  der  bei  Heufieber 
üblichen  Schutzmassregeln,  Hess  bei  einer 

Wahrnehmung  machen,  dass  zur  einschlägigen  Zeit  Anfalle  überhaupt 
nicht  auftraten  oder  viel  milder  als  sonst  verliefen.  Autor  empfiehlt, 
diese  neue  Therapie  bei  einem  grösseren  Material  nachzuprufen  und 
gleichzeitg  —  unter  Verwendung  der  verschiedenen!  raparate  (llivre- 
oidin,  Jodothyrin,  Antithyreoidin  Moebius  etc.)  —  zu  erforschen, 
welches  das  hier  wirksamste  Schilddrusenpraparat  ist. 

s)  lacaues  - Nancy :  Aesthetische  Radikaloperation  der  chro¬ 
nischen  Stirnhöhleneiterung.  (Revue  hebdomadaire  de  laryngologie 

6tC‘  UnterNHinweis  auf  eine  im  Jahre  1903  erfolgte  Publikation  seiner 
Methode?  die  sSh  im  VerhuM  der  Jahre  bei  über  40  Fällen  aufs  beste 
hpwährte  empfiehlt  Autor  diese  Methode  aufs  neue.  Ihr  Haupt 
wert  »beruht  auf  der  Erhaltung  der  Vorderwand  der  Stirnhöhle,  wo¬ 
durch  ein  kosmetisch  besseres  Resultat  erzielt  werde,  wie  bei  dei 
Kil  Manschen  Radikaloperation,  namentlich  bei  geräumigen  und 
tiefen  Höhlen.  Der  Operationsgang  ist  in  Kürze  folgender .  1  y  pisehei 
Hautschnitt  Eröffnung  der  Stirnhöhle  von  deren  Boden  her  oberhalb 
des  medialen  Augenwinkels,  Fortnahme  des  ganzen  Stirnhohlen- 
bodens  gründliche  Ausräumung  der  Stirnhöhle  von  unten  hei,  Re¬ 
sektion  des  Processus  nasalis  des  Oberkiefers  und  gründliche  Aus¬ 
räumung  des  Siebbeines,  zum  mindesten  seiner  vorderen  Zellen,  damit 
Herstellung  einer  breiten  Kommunikation  zwischen  Stirnhöhle  und 
Cavum  nasi.  Primärnaht  der  Hautwunde. 

9)  Ludwig  Löwe-Berlin:  Rhinologische  Wünsche,  (lbid.  1907, 

Nü>  Nach  einer  entwicklungsgeschichtlichen  Erklärung  über  die  Ver¬ 
einigung1 1derieLa?yngologie,  Rhmologie  -d  Otologie  und  deren  ge¬ 
meinsame  praktische  Betätigung  verbreitet  sich  Lowe  ubu1 
weiteren  Ausbau  den  diese  drei  Spezialgebiete  in  dei  Zukunft  gerau 
in  chirurgischer  Hinsicht  erfahren  werden,  und  verlangt,  dass  wieder 
eine  Trennung  dieser  drei  Fächer,  insbesondere^ 
und  .Heren  Lehrämtern  eintreten  müsse.  Aus  praktischen  ucsicnxs 
punkten  will  Autor  die  Rhinologie  der  Otologie  angegliedert  sehen, 
während  die  Laryngologie  als  eigenes  Fach  abgespalten  werden  soll. 
Bezüglich  Details  sei  auf  das  Original  verwiese^  e  c  h  t  „  München. 


Inauguraldissertationen. 

Universität  Göttingen.  Juli  bis  August  1907. 

2o  Brandt  O.:  Ueber  traumatische  Rupturen  des  1  rommelfei  s. 

21.  Danziger  M.:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Hirschsprungschen 

22  düaBohe‘r'  C.:  Zur  Behandlung  der  habituellen  Schulterluxation. 

23.  Drake  Fr.:  Die  Zangenentbindungen  an  der  Göttinger  U 

versitäts-Frauenklinik  vom  Jahre  1888  1907. 

24.  Osten  A.:  Untersuchungen  über  die  Gerinnung  des  Blute 

*  während  der  Menstruation. 

2S  PiooW.'  Ueber  56  Fälle  von  Placenta  praevia. 

26.  Rosenbach  H.:  Beitrag  zur  Frage  der  Entstehung  der 

Schwangerschaftsödeme.  ,  •  1-lhpr  7u- 

27  Sandhoff  W.:  Statistischer  Beitrag  zui  Kenntnis  über  das  zu 
sammentreffen  von  Erkrankungen  des  Ohres  mit  solchen  d 

28.  S  c  hw  e“"edr  R0.C:hezl;f  Kasuistik  der  Anämiebehandlung  nach  E. 

Z9  ThVopold  R.:  Statistische  Erhebungen  über  die  von  KOI 1  bis 
1907  iif  der  Universitäts-Augenklinik  zu  Gottingen  behandelten 

30.  w'eTtwT  r6E.f  El/^Fall  von  kongenitaler  Choledochuszyste. 
Universität  Leipzig.  August  1907. 

76.  Feistkorn  Otto:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Lehre  vom  In¬ 
fantilismus.  „  ,  .  .  , 

77  Hein  Theodor:  Ueber  Mesenterialzysten. 

78. Paarmann  Johannes:  Ueber  Aetiologie  und  Therapie  der 

79.  ReknTar  dt  Rudolf:  .Beitrag  zur  Lehre  von  den  Puerperal- 

80.  sTalfeTsiegfried  Arthur:  Ueber  den  Einfluss  der  Kohlehydrat¬ 
entziehung  auf  die  Purinkörperausscheidung  im  Harn. 

81.  sfe  null  Heinrich:  Ueber  Bakteriämie  bei  Infekt, onskrank- 

S2  bVvc  r  Walter:  Ueber  das  häufige  Vorkommen  von  systolischen 
Herzgeräuschen  bei  Kindern;  nebst  Ben nerkung, en  ''b«  ^  ^ 
sikalische  Natur  der  Pulmonalgerausche,  ubei  Akzent,  a 
2.  Töne,  über  unreine  Töne  und  Nonnensaum  m  den  grossen 

83.  ßV  hm  e  Max:  Zwei  Fälle  von 

“Se,^«S  '|;rapie  bei  Mündung—.^  ^ 

84.  Hartung  Alench:  Die  Kennzeicnen  uci  s  gründenden 

artigen  Neubildungen  am  os  uteri  und  darum  zu  gm 

ärztlichen  Massnahmen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


1/9Ö 


85.  H  e  n  11  i  r  Gustav:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Kieferperiostitis 
dentalen  Ursprungs. 

86.  Kuttner  Paul:  Zur  Differentialdiagnose  zwischen  benigner  und 
maligner  Pylorusstenose. 

87.  Schmiiderrich  Bernhard:  Kritische  Erörterung  der  Frage, 
ob  es  gerechtfertigt  ist,  eine  Conjunctivitis  follicularis  von  einer 
Conjunctivitis  granulosa  zu  trennen,  nebst  Vorschlägen  zurBekämp- 
fung  dieser  Krankheiten,  unter  Zugrundelegung  der  Lösung  einer 
von  der  Universität  Greifswald  gestellten  Preisaufgabe. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

XXIV.  S  i  t  z  u  n  g  v  o  m  20.  April  1907. 

Vorsitzender:  Herr  F.  Haenel. 

Tagesordnung: 

Herr  Hermann  Becker:  Vorstellung  operierter  Augenkranker. 

Vorgestellt  wurden  -4  Patienten: 

1.  Ein  Patient  mit  operativ  behandeltem  Keratokonus. 

2.  Ein  7  jähriger  Knabe,  der  auf  Grund  von  doppelseitiger,  in 
frühester  .lugend  entstandener  Katarakt  blind  geworden  und  durch 
5  im  -4.  Lebensjahre  ausgeführte  Operationen  ein  gutes  Sehvermögen 
erlangte. 

3.  Zwei  Patienten,  bei  denen  vor  3  resp.  1%  Jahren  wegen  höchst- 
giadiger  Kurzsichtigkeit  die  Eukalaoperaticn  ausgeführt  worden  w.ar. 

Bei  dem  zuerst  vorgestellten  Fall  handelte  es  sich  um  einen 
18  jährigen  Kaufmann,  welcher  bereits  3  Jahre  vor  seiner  Aufnahme 
in  die  Augenabteilung  des  Stadtkrankenhauses  Dresden-Johannstadt 
an  Diplopie  des  rechten  Auges  allein  litt.  Vor  nunmehr  6  Monaten 
empfand  er  bei  Bewegungen  des  rechten  Auges  Schmerzen  in  diesem 
und  konsultierte  deswegen  den  Vortragenden.  Es  wurde  sofort  schon 
bei  Profilansicht  ein  beträchtlicher  Keratokonus  des  rechten  und  ein 
beginnender  des  linken  Auges  festgestellt.  Die  Sehschärfe  des  rechten 
Auges  betrug  2/so  der  normalen;  in  der  Nähe  konnte  keine  Schriftprobe 
gelesen  werden.  Das  eine  Auge  hatte  ein  Sehvermögen  von  4/7,s; 
Gläser  verbesserten  die  Sehschärfe  nicht.  Hier  handelte  es  sich  um 
einen  Keratokonus  im  Beginn. 

Nachdem  eine  Zeitlang,  weil  jegliche  Operation  verweigert 
wurde,  Eserin  sowie  Pilokarpin  in  das  rechte  Auge  eingeträufelt  und 
Druckverband  nebst  Bettruhe  appliziert  war,  bequemte  sich  Patient 
zur  Operation.  Es  wurde  die  totale  Durchtrennung  der  Hornhaut  des 
rechten  Auges  an  der  Spitze  des  Konus  mit  dem  Galvanokauter  in 
Kokainanästhesie  ausgeführt.  Das  linke  Auge  wurde  nicht  behandelt. 
Trotz  der  bei  der  Heilung  entstandenen  zentralen  Hornhautnarbe  hatte 
sich  das  Sehvermögen  des  rechten  Auges  bis  zur  Entlassung  so  ge¬ 
bessert,  dass  dasselbe  gleich  war.  Mit  Konvexglas  1,5  stieg  die 
Sehschärfe  auf  4/io.  Für  die  Nähe  wurde  Nieden  2  in  12  cm  gelesen. 
Die  Hornhaut  war  gleichmässig  abgeflacht.  Da  das  Sehvermögen  ein 
so  günstiges  geworden,  wurde  von  einer  Iridektomie  abgesehen. 
Vortragender  empfiehlt  die  vollständige  Durchbrennung  der  kera- 
tonisch  geformten  Hornhaut  an  der  Spitze  des  Konus  als  beste  opera¬ 
tive  Behandlung  des  Keratokonus. 

Bei  dem  zweiten  Fall  handelte  es  sich  um  einen  7  jährigen 
Knaben,  welcher  vor  3  Jahren  —  also  im  4.  Lebensjahre  —  in  das 
Johannstädter  Stadtkrankenhaus  blind  gebracht  wurde.  Nach 
5  Operationen,  welche  in  Diszisionen  der  kataraktösen  Linsen  be¬ 
standen,  ist  das  Sehvermögen  beider  Augen  ein  so  günstiges  ge¬ 
worden,  das  er  jetzt  z.  B.  die  Schule  mit  Erfolg  besucht.  Nach  der 
Angabe  der  Grosseltern  —  und  diese  ist  richtig  —  wurde  (das  Kind 
nicht  blind  geboren.  Es  ist  vielmehr  allmählich  erblindet  —  wahr¬ 
scheinlich  auf  Grund  von  Krämpfen,  welche  von  der  20.  Lebenswoche 
ab  bis  zum  Alter  von  3Vz  Jahren  regelmässig  alle  8 — 10  Wochen  auf¬ 
traten  und  wohl  die  langsam  entstehende  starige  Linsentrübung  ab- 
gaben.  Die  Grossmutter,  welcher  die  beginnende  und  fortschreitende 
Starbildung  entging,  glaubte,  weil  das  Kind  nach  der  20.  Lebenswoche 
immer  ruhiger  wurde,  ihr  Lächeln  nicht  erwiderte,  nach  vorgehaltenen 
Gegenständen  nicht  mehr  wie  früher  griff,  der  kleine  Patient  sei  auf 
Grund  der  häufig  auftretenden  Kränmfe  geisteskrank  geworden. 

Bei  der  Aufnahme  des  Knaben  am  22.  November  1904  wurde  fest¬ 
gestellt,  dass  derselbe  nur  hell  und  dunkel  zu  unterscheiden  vermochte. 
Vorgehaltene  Gegenstände  erkannte  er  absolut  nicht.  Da  ihm  die 
Räume  unbekannt  waren,  so  folgte  er  seinem  Tastsinn  nach  Gehör. 
Er  lief  häufig  gegen  die  Wand,  gegen  die  Türen  und  gegen  offen 
stehende  heilster.  Niemals  hat  das  Kind  nach  einem  Gegenstand,  auch 
wenn  derselbe  ihm  sehr  nahe  gehalten  wurde,  gegriffen.  Es  ist  das 
wiederum  ein  Beweis  für  die  bestehende  Blindheit.  An  den  Aug¬ 
äpfeln,  welche  reguläre  Grösse  hatten  und  gut  ausgebildet  waren,  fiel 
besonders  die  immerwährende  Unruhe  auf.  Es  herrschte  deutlich  das 
Bestreben  vor,  Endstellungen  extrem  nach  rechts,  nach  links  und  nach  • 
oben  weniger  nach  unten  —  einzunehmen.  In  diesen  Endstellungen 
bemerkte  man  auch  häufig  nystagmusartige  Zuckungen.  Bei  dem 
beständigen  Umherrollen  der  Bulbi  gewahrte  man  nicht  selten  rota¬ 
torischen  Nystagmus.  Die  Bewegungen  der  Augäpfel  waren  stets 
koordinierte.  \\  ährend  die  Hornhäute  und  das  Kammerwasser  voll¬ 
kommen  klar  und  durchsichtig  waren,  zeigten  sich  die  Linsen  beider 


Augen  zentral  total  grauweiss  getrübt,  sodass  eine  ophthalmoskopische 
Untersuchung  nicht  ausgeführt  werden  konnte.  Wurde  atropinisiert, 
so  sah  man,  dass  eine  schmale  äquatoriale  Zone  der  Linsen  voll¬ 
kommen  durchsichtig  war.  Eine  zweite  sich  an  diese  äquatoriale 
Zone  zentralwärts  anschliessende  ebenfalls  sehr  schmale  Zone  war 
von  bläulich-schwarzer  Farbe  und  zum  Teil  durchsichtig.  Der 
übrige  —  also  zentrale  —  Teil  der  Linse  war  gänzlich  kataraktös. 
Wenn  auch  die  sogenannten  Reiterchen  äquatorial  fehlten,  so  hatte 
die  Starbildung  doch  Aehnlichkeit  mit  dem  Schichtstar,  wie  derselbe 
bei  Kindern  mit  Rhachitis  und  Krämpfen  beobachtet  wird. 

Die  5  Diszissionen,  von  denen  3  die  Katarakt  des  rechten,  2  die 
Katarakt  des  linken  Auges  betrafen,  wurden  in  Chloroformnarkose 
ausgeführt.  Die  Linsenkapseln  zeigten  sich  dabei  stark  vendickt. 
Nachdem  die  Resorption  erfolgt  war,  ergab  die  Augenspiegelunter¬ 
suchung  im  Augenhintergrund  keine  Abnormitäten.  Bei  der  Ent¬ 
lassung  bemerkte  man  in  den  fast  kreisrunden  Pupillen  nur  links  einige 
Nachstarreste.  Nachdem  der  Knabe  sein  Sehvermögen  wiederge¬ 
wonnen  hatte,  wurden  seine  Bewegungen  sicherer  und  die  Bulbi 
rollten  nicht  unaufhaltsam  wie  bei  der  Aufnahme  umher.  Mit  Kon¬ 
vexbrille  beiderseits  +  1U,0  wurde  das  Kind  entlassen. 

Bei  diesem  4  jährigen  Kind  war  es  absolut  unmöglich,  irgend¬ 
welche  Versuche  resp.  Untersuchungen  bezüglich  des  Sehenlernens, 
wie  dieselben  bei  älteren  Blindgeborenen  und  später  Operierten 
häufig  ausgeführt  und  mitgeteilt  sind,  anzustellen.  Der  Knabe  ging  auf 
nichts  ein.  Er  sagte:  „nicht  mehr  fragen!“  und  lief  davon.  Mit  Ge¬ 
walt  war  auch  nichts  zu  erzwingen,  weil  er  alsdann  sofort  zu  schreien 
begann  und  gar  nichts  mehr  antwortete.  In  der  Familie  hat  er  all- 
mühlig  die  Gegenstände  und  Dinge,  welche  man  überall  trifft,  kennen 
gelernt.  So  sind  ihm  jetzt  Messer,  Gabel,  Schuhe,  Schiefer  etc.  etc. 
ganz  geläufig.  Er  nennt  auch  die  Farben.  Er  kenn:  seine  Bücher 
und  legt  seit  8  Tagen  den  Schulweg,  welcher  10  Minuten  lang  ist, 
allein  zurück.  Mit  seinen  Kameraden  spielt  er  auf  der  Strasse,  geht 
allein  auf  der  Strasse  umher,  kauft  ein  usw.  Dem  Schulunterricht 
vermag  der  sonst  normal  entwickelte  Knabe  zu  folgen,  nachdem  ihm 
noch  eine  Lesebrille  beiderseits  +  13,0  gegeben  worden  ist.  So  kann 
man  hoffen,  dass  der  ganz  intelligente  Knabe  ein  nützliches  Mitglied 
der  menschlichen  Gesellschaft  werden  wird. 

Zum  Schluss  wurden  eine  26  jährige  Frau  und  ein  32  Jahre  altes 
Fräulein  vorgestellt,  bei  denen  je  ein  Auge  wegen  höchstgradiger 
Kurzsichtigkeit  nach  F  u  k  a  1  a  operiert  worden  war;  bei  der  ersteren 
vor  3  Jahren,  bei  dem  Fräulein  vor  1%  Jahren. 

Die  Frau  hatte  bei  der  Aufnahme  rechts  eine  Sehschärfe  von 
4/'i5  mit  einem  Konkavglas  von  16  Dioptrien,  links  ebenfalls  mit 
—  16,0  ein  Sehvermögen  von  4/do.  In  der  Nähe  wurde  Nieden  1  in 
6—7  cm  gelesen.  Während  die  brechenden  Medien  des  rechten  Auges 
vollkommen  klar  waren,  befand  sich  auf  der  Hornhaut  des  linken 
Auges  eine  grössere  präpupillare  Makula. 

Deswegen  wurde  auch  die  Krystallinse  des  rechten  Auges 
operativ  entfernt.  Die  ophthalmfokopische  Untersuchung  ergab  beider¬ 
seits  eine  Myopie  von  20  Dioptr.  Im  Augenhintergrund  gewahrte 
man  ausser  grossen  hinteren  Staphylomen  nichts  Pathologisches. 
Nachdem  die  Diszission  der  Linse  ausgeführt  und  die  getrübten 
Linsenmassen  entfernt  waren,  wurde  der  Nachstar  zerrissen.  Die 
Sehschärfe  des  rechten  Auges  betrug  jetzt  bei  runder  Pupille  4/is  der 
normalen;  mit  einem  Konvexglas  2,0  4/io.  Mit  +  5,0  wurde  rechts  für 
die  Nähe  Nieden  1  in  20  cm  gelesen. 

Die  Fukalaoperation  wurde  bei  dieser  Patientin  ebenso  wie  bei 
der  folgenden  hauptsächlich  deswegen  ausgeführt,  weil  die  korri¬ 
gierenden  Brillen  nicht  vertragen  wurden.  Es  traten  Schwindel  und 
Uebelkeit  beim  Tragen  der  Brillen  auf.  Wäre  die  Operation  nicht 
gemacht,  so  hätte  eine  gewisse  Arbeitsunfähigkeit  resp.  Beschrän¬ 
kung  der  Arbeitsfähigkeit  bestanden.  Mit  der  Operation  wurden  die 
Patienten  erst  leistungsfähig,  zugleich  bekamen  sie  Freude  am  Leben 
und  an  der  Arbeit.  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  bei  dieser  und  der 
folgenden  Patientin  die  Kopfschmerzen,  welche  seit  Jahren  bestanden 
hatten,  mit  der  Operation  verschwanden. 

Das  32  Jahre  alte  Fräulein  war  von  frühester  Jugend  an  liöchst- 
gradig  kurzsichtig.  Als  Kind  war  sie  von  ihrem  Vater  sehr  oft  ge¬ 
schlagen  worden,  weil  sie  alle  Gegenstände  seiner  Meinung  nach,  aus 
schlechter  Angewohnheit  so  ausserordentlich  nahe  hielt. 

Das  linke  Auge,  hatte  mit  —  19,0  eine  Sehschärfe  von  s/sr,,  das 
rechte  dieselbe  Sehschärfe  mit  —20,0.  Ophthalmokopisch  wurde  eine 
Myopie  von  25  Dioptrien  bd.  festgestellt.  Stärkere  chorioiditische 
Veränderungen  bestanden  nicht.  Für  die  Nähe  wurde  Snellen  0,5  in 
5  cm  gelesen. 

Es  wurde  hier  das  linke  Auge  operiert  mit  runder  Pupille  und 
Diszission  der  Linse.  Die  Sehschärfe  beträgt  heute  noch  4/is  (Gläser 
verbessern  das  Sehvermögen  nicht).  Für  die  Nähe  wird  mit  dem 
nicht  operierten  Auge  gelesen.  Auch  diese  Patientin  ist  sehr  glück¬ 
lich,  dass  die  Operation  ausgeführt  wurde. 

Vortragender  ist  der  Ansicht,  dass,  so  lange  Brillen  das  Sehen 
genügend  gestalten  und  vertragen  werden,  die  Operation  nach 
Fukala  nicht  ausgeführt  wenden  soll.  Ergibt  sich  aber  die  Not¬ 
wendigkeit  der  operativen  Behandlung  der  höchstgradigen  Kurz¬ 
sichtigkeit,  so  operiert  er  stets  nur  e  i  n  Auge,  wenn  eine  Myopie  von 
mindestens  15  Dioptrien  besteht  und  die  makularen  Veränderungen 
nicht  allzu  hochgradige  sind. 

Diskussion:  Herr  1  reutler  wendet  sich  gegen  die  An¬ 
nahme  des  ätiologischen  Momentes  der  Krämpfe  für  die  Entstehung 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1799 


Sääää 

"IS‘  S;ÄÄ«“ÄcMe.  hat.  dass  .die 

k  eKr',5Ä  He?™  Ä  dass  das  Kind  «rüber 
j.-rpv,  Herrn  Dr  Wollmann  behandelt  ist.  Herrn  Ireutlei 
-gäüber  verwahrt  er  sich  dagegen,  einen  Opt.jmsn.us  be,  der 
Euka  laschen  Operation  an  den  Tag  gelegt  zu  haben,  fcr  hat  die 

MikHe™^e"yfae„"n:gDfeeindikationsstellnng  des  Herrn  Becker 
ist  trewiss  vorsichtig.  In  den  vorgestellten  Fällen  ist  das  bessere  Auge 
operiert.  Er  hat  das  schlechtere  operiert  und  hält  hier  die  Operation 

immHerr  T  r  e  uTl  e  r  nimmt  seinen  Vorwurf  des  Optimismus  zuiück 

Herr  v.  Pflugk  erwähnt  einen  Fall  von  22  D  Myopie  dei  nac 
der  Operation  dann  3  D  Hyperopie  aufwies,  die  sich  spater  zu  Emm  - 

tl°P1HerrA13e cker  begründet  sein  Vorgehen,  dass  er „das  ^sere 
Auge  operiert  hat,  damit  das  andere  einen  zentralen  Hornhautfleck 

''"“Herr  D  u  n  g  e  r  (als  Gast):  Das  Verhalten  der  Leukozyten 
bei  intravenösen  Kollargolinjektionen  und  ihre  klinische  De- 

Nach  kurzem  Eingehen  auf  die  bisher  vorliegende,  ziem¬ 
lich  spärliche  Literatur,  die  sich  vor  allem  auf  I  lerexperunente 
erstreckt,  berichtet  Vortr.  über  seine  eigenen  Untersuchungen 
an  16  Kranken,  bei  denen  insgesamt  31  Kollargolinjektionen  aus 
geführt  wurden.  Das  Blut  wurde  fortlaufend,  bis  zu  neunmal 
täglich,  untersucht;  die  Zahl  der  Einzeluntersuchungen  betrug 
fast  300.  Die  unmittelbare  Folge  der  Injektion  ist  regelmassig 
ein  sofortiger  Leukozytensturz  bis  zur  Hälfte  der  ursprüng¬ 
lichen  Zahl;  1  bis  2  Stunden  später  tritt  dann  eine  mehr  oder 
weniger  hochgradige  Leukozytose  ein  (130—150  Rroz  Ma¬ 
ximum  260  Proz.  des  Anfangswertes).  Spätestens  nach  20  bis 
24  Stunden  ist  der  Anfangswert  wieder  erreicht.  Bei  einer 
2.  und  3.  Injektion  wird  die  Leukozytose  immer  geringer.  A 
diesen  grossen  Schwankungen  sind  in  erster  Linie  die  neun  - 
philen  polymorphkernigen  Leukozyten  beteiligt.  Die  Lymp  - 
zyten  und  grossen  mononukleären  Leukozyten  nehmen  zugleich 
mit  dem  Anstieg  der  Neutrophilen,  relativ  und  absolut  an  Zahl 
ab,  um  am  nächsten  Tage  wieder  anzusteigen  und  noch  einige 
Zeit  leicht  erhöht  zu  bleiben.  Die  Eosinophilen  und  Mastzelle 
zeigen  nur  unerhebliche  Schwankungen.  Das  Verhalten 
einzelnen  Leukozytenarten  wird  an  einer  Reihe  von  Leuko¬ 
zytenkurven  demonstriert.  Die  Neutrophilen  wurden  m  einer 
Reihe  von  Fällen  durch  Kontrollierung  des  UA  r  "e  *h  sc^ 
Blutbildes  noch  genauer  untersucht.  Es  ergab  sich,  dass  mi 
dem  Einsetzen  der  Leukozytose  das  Blutbild  sich  stets  nach 
links  verschiebt  (imArnet  h  sehen  Sinne),  oder,  dass  die  Kern¬ 
zahl  erheblich  sinkt  (nach  dem  Wolf  i  sehen  Prinzip  'der  Ke -i  n¬ 
zahl  ausgedrückt);  zugleich  treten  im  Blute  neutrophile  Myelo¬ 
zyten  und  fast  regelmässig  Normoblasten  und  metachromatische 
rote  Blutkörperchen  auf.  Oefters  wurden  mit  Silberkornchen 

beladene  Leukozyten  angetroffen.  '  ,  7 

Das  Absinken  der  Leukozytenzahl  erklärt  Vortr.  durch  Zer¬ 
störung  eines  Teiles  der  Neutrophilen,  den  spateren  Anstieg 
durch  Ueberkompensation  dieses  Defektes  durch  das  Knochen¬ 
mark  nach  dem  Weigert  sehen  Gesetz.  ,  T  P11vn 

Vortr.  erörtert  nun  die  klinische  Bedeutung  dei  Leuko¬ 
zytenveränderungen.  Die  Kollargolleukozytose  wn  k .  ,  ganz 
wie  andere  künstlich  erzeugte  Leukozytosen  (durch  Nuklein, 
Antipyrin  u.  a.  m.).  günstig  zunächst  durch  die  Eigenschalt 
Phagozytose,  wobei  nicht  nur  Mikroorganismen  aiifgenomme 
und  vernichtet  werden  können,  sondern  auch  anorganische 
Bestandteile,  z.  B.  Silberkörnchen,  durch  auswandernde  Leu¬ 
kozyten  an  Orte  ausserhalb  des  Blutkreislaufes  (Gelenkhohlen .) 
gebracht  werden  können.  Wichtiger  aber  ist  die  durch  die 
Knochenmarksreizung  gegebene  vermehrte  Anregung  zur  Bil¬ 
dung  von  Immunkörpern.  .  .  .  .,  *  • 

Schliesslich  geht  Vortr.  noch  auf  einige  Begleiterschei¬ 
nungen  der  intravenösen  Kollargolinjektionen  ein.  1  ie  i  - 
Stunden  nach  der  Injektion  auftretende  stürmische  „Reaktion 
mit  Schüttelfrost  und  hohem  Fieber  fasst  Vortr.  als  Ausdruck 
einer  Fermentintoxikation  auf,  indem  durch  den  starken  Zerfall 
der  Leukozyten  (er  betrug  in  einem  Falle  im  GesamtDlut  45 
Milliarden  Leukozyten  binnen  15  Minuten)  das  in  ihnen  ent¬ 


haltene  Ferment  frei  wird;  dabei  kommt  sowohl  Fibrinferment 
wie  auch  proteolytisches  Ferment  (Müller  und  Joch- 
mann)  in  Betracht.  Dem  Freiwerden  dieses  letzteren  Fer¬ 
mentes  kommt  wahrscheinlich  auch  eine  grosse  praktische 
Bedeutung  zu  für  die  Lösung  und  Resorption  entzündlicher  Ex¬ 
sudate  (besonders  pneumonischer  Infiltrate),  tur  welche  A 
nähme  eine  Reihe  von  günstigen  Erfahrungen  an  Pneumome- 

kranken  kSprechem  Flimmer  fragt,  ob  der  Vortragende  ge¬ 

merkt  hat  dass  die  Leukozyten  ausserhalb  des  Körpers  durch  das 
Kollargol  direkt  im  Experiment  abgetötet  worden  sind  und  ob  lebens¬ 
fern  sre  I  eukozvten  geprüft  worden  sind. 

Herr  D  u  n  g  e  r  hat  Experimente  mit  lebensfähigen  Leukozyten 

nicht  gemacht. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  vom  17.  Juni  Abends  7  Uhr 
im  grossen  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek. 
Vorsitzender :  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer :  Herr  S  e  1  i  g  m  a  n  n. 

Herr  Alb  recht:  Demonstrationen. 

Herr  Hans  Hübner:  Demonstration  eines  mit  Röntgenstrahlen 

SÄ 

IfeSrÄSBÜ-Ä 

ArIenb?tandTUng  s"  heiterte  an  der  Idiosynkrasie  des  Patienten  gegen 

ArSC Aehnliche  günstige  Heilresultate  durch  die  Röntgentherapie  bei 
Mvcosis  fungoides  hat  der  Vortragende  im  Lichtinstitut  der  Hautklinik 
bereits  an  3  früheren  Fällen  erreichen  können,  (während  die  /  vor 
Einführung  der  Lichttherapie  behandelten  Fälle  sämtlich  ad  exitum  ge- 

k  ,ninHerrS Emil  Fromm:  Bericht  über  die  Infektionskrankheiten  des 

letzten  Vierteljahres  im  Stadtkreis  Frankfurt  a.  M.  .  ,  , 

Der  VoHragende  führt  an,  dass  in  den  letzten  2  Jahren  das 
neue  Gesetz  über  die  übertragbaren  Krankheiten  in  Wirkung  ge¬ 
treten  ist  und  dass  es  einige  wichtige  Aenderungen  gegen  früher  ge- 
bracht  hat  die  der  Vortragende  genauer  angibt.  Er  bespricht  dann 
einige  Infektionskrankheiten  und  führt  an,  dass  das  letzte  JJ®rte^ht 
gesundheitlich  günstig  gewesen  ist  und  dass  schwere  Epidean 
aiifo-etreten  sind.  Er  bespricht  dann  zunächst  die  Lepraerkrankung, 
die  seit  August  1906  im  städt.  Krankenhaus  sich  befindet  und  die  dort 
gehen  wurde  Nur  um  eine  Entlassung  des  Erkrankten  zu  bewirken, 
musste  trotzdem  eine  Latenz  angenommen  werden  und  fand  dann  am 
Juni  1907  der  Transport  nach  der  rumänischen  Grenze  untei  den  g  - 
setzlichen  Vorschriftsmassregeln  statt.  .  .  „ 

Pockenerkrankungen  traten  nicht  auf,  doch  erforderten  einige  Er¬ 
krankungen  der  Nachbarschaft  sanitäre  Vorschriftsmassregeln. 
Tvnhus  wurde  7  mal  beobachtet,  derselbe  war  an  den  meisten  Fc 

von  auslerhalb  Wer  eingeschleppt.  Redner  bespricht  hierbei  d  e 

Wichtigkeit  der  Untersuchung  auf  Bazillenträger  und  fuhrt  ein  Bei- 
sniel  an  wie  durch  solche  30  Krankheiten  mit  7  Todesfälle 
aufeetreten  sind  Auch  bei  Genickstarre  ist  die  Untersuchung  auf 
RÄ?toMehÄg.  Die  5  in  Frankfurt  beobachteten  Falle 
von  Genickstarre  verliefen  alle  tödlich  und  betrafen  zumeist  Kinder, 
bei denen  sich  die  Erkrankung  im  Anschluss  an  einen  Nasenkatarrh 

eingeste  Trachom,  die  zur  Anzeige  kamen,  betrafen  fast  aus- 

schliesSich  ostpreussiische  und  Polnische  Arbei her.  Man  tonnte  b« 
ihripn  naebweisen  dass  sie  verschiedentlich  ihre  Aibeitskamerau-n 
angesteckt  hatten.’  Scharlach  und  Diphtherie  traten  zwar  gehäuft  auf, 
S  war  hier  der  Verlauf  ein  so  günstiger,  das»  die  Sterb  tlK 
a  a  prn7  betrug.  Die  Untersuchung  auf  Diphtneriepazmen  an 
Seruminstitut  wird  in  immer  häufigerer  Weise  angewendet,  so  das 
etwa  zwei  Drittel  der  Fälle  ein  bakteriologischer  Befund  vorliegt. 
Influenza  wurde  zwar  nur  vereinzelt  beobachtet,  doch  führte  sie  u- 

sei  zu  bemerken,  wie  schwierig  sich  oft  die  Diagnose  gestalte. 


1800 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


der  sicherste  Anhaltspunkt  zur  Feststellung  der  Krankheit,  der  In¬ 
fektionsträger  selbst,  nicht  bekannt  sei,  so  laufen  vermutlich  unter 
dem  Begriff  Scharlach  eine  grosse  Anzahl  Erytheme,  die  ätiologisch 
von  Scharlach  zu  trennen  sind.  Gerade  in  den  letzten  2 — 3  Monaten 
sind  ihm  relativ  viele  derartige  zweifelhafte  scharlachähnliche 
Exantheme  zu  Gesicht  gekommen.  Solche  vielfach  beschriebene 
Formen  (vierte  Krankheit,  Erythema  scarlatiforme  recidivum)  habe 
er  vornehmlich  bei  Kindern  mit  starker  Rachenmandelentwicklung 
beobachtet. 

Herr  Hanau  fragt  den  Herrn  Vortragenden,  ob  unter  den  im 
laufenden  Quartal  zur  polizeilichen  Anmeldung  gelangten  Typhus¬ 
fällen  sich  auch  solche  befinden,  welche  auf  eine  Entstehung  durch 
Mai  n  wasser  verdächtig  sind. 

Herr  Is.  Schmidt  fragt  danach,  ob  einzelne  Stadtteile  be¬ 
sonders  befallen  waren. 

Herr  E.  Fromm  (Schlusswort):  Der  Vortragende  erwidert  auf 
die  Anfrage,  dass  zurzeit  Erkrankungen  an  Typhus  im  Anschluss  an 
Baden  im  Main  nicht  beobachtet  wurden,  dass  dagegen  im  Vorjahre 
mehrere  solcher  Fälle  auftraten,  die  vornehmlich  den  ungünstigen 
Abwässerungsverhältnissen  der  Stadt  Offenbach  zuzuschreiben  sind. 
Da  diese  Stadt  beabsichtigt,  nunmehr  genügende  Kanalisation  ein¬ 
zuführen,  dürften  die  Gefahren  des  Badens  im  Main  sich  verringern. 

Was  die  Frage  des  Fernhaltens  von  Schulkindern  bei  Masern, 
Keuchhusten  usw.  angeht,  so  sind  die  früheren  Bestimmungen  durch 
die  neue  Gesetzgebung  nicht  aufgehoben. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  19.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Schriftführer:  Herr  Herschel. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Pfeifer: 
Ueber  die  Diagnose  der  Hirntumoren  durch  Hirnpunktion. 

Herr  Hoeniger  berichtet  über  einen  weiteren  Fall  von  Hirn¬ 
punktion.  Die  Operation  erwies,  dass  der  Tumor  richtig  war,  aber  der 
Tumor  war  nicht  völlig  entfernbar.  Patientin  erlag  nach  2  Tagen 
einer  Pneumonie. 

Herr  Anton  bespricht  ausführlich  die  Schwierigkeiten,  Vorteile 
und  Nachteile  der  Methode  der  Hirnpunktion  und  charakterisiert  sie 
als  vorzüglich  in  den  für  die  Methode  geeigneten  Fällen. 

Herr  Schmidt-Rimpler  erklärt  seine  Uebereinstimmung 
mit  den  Anschauungen  der  Herren  Pfeifer  und  v.  Bramann  be¬ 
treffs  des  Nutzens  frühzeitiger  Punktionen  bezw.  Trepanationen  bei 
Hirntumoren  auch  vom  ophthalmoskopischen  Standpunkte  aus.  Selbst 
bei  vollständiger  Erblindung  bei  Stauungspapille  kann  die  Operation 
gelegentlich  noch  Besserung  schaffen.  So  war  eine  der  Kranken, 
über  die  Herr  Pfeifer  berichtet  hat,  und  die  auch  Redner  gesehen 
hatte,  bei  vorhandener  doppelseitiger  Stauungspapille  vollständig  er¬ 
blindet.  Selbst  nach  der  Exstirpation  der  Geschwulst  konnte  sie  eine 
Zeitlang  nicht  mehr  das  Licht  von  den  ihrem  Bette  gegenüber  befind¬ 
lichen  Fenstern  wahrnehmen.  Allmählich  stellte  sich  aber  wieder 
etwas  Sehvermögen  ein;  jetzt  hat  sie  auf  einem  Auge  Vis  Sehschärfe, 
m  einem  allerdings  stark  konzentrisch  eingeengten  Gesichtsfelde. 
Beide  Pupillen  sind  atrophisch.  Sicher  dürfte  durch  frühzeitige 
Schädeleröffnung  selbst  ohne  Tumorentfernung  manchen  Kranken  das 
Sehvermögen  erhalten  bleiben,  das  sonst  rettungslos  zugrunde  geht. 

Herr  v.  Bramann  berichtet  das  Nähere  über  die  operative 
Behandlung  solcher  Fälle. 

Herr  Veit:  Nach  den  Erfahrungen,  die  wir  in  der  Gynäkologie 
gemacht  haben,  ist  die  Punktion  für  die  Diagnostik  der  Äbdominal- 
tumoren  so  gut  wie  aufgegeben:  an  ihre  Stelle  ist  die  Explorativ- 
inzision  getreten,  deren  Anwendung  voraussetzt,  dass  die  Opera¬ 
tion  der  Eröffnung  des  Abdomens  an  sich  ungefährlich  ist  und  dass 
die  gewissenhafte  Anwendung  der  sonstigen  diagnostischen  Methoden 
zu  keiner  Diagnose  gelangen  konnte.  Mir  scheint  daher  die  Frage  an 
den  Herrn  Vortragenden  berechtigt,  ob  er  diesen  Zeitpunkt  nicht  auch 
schon  für  sein  Gebiet  bald  gekommen  ansieht,  in  dem  man  an  Stelle 
der  Hirnpunktion  gleich  die  Trepanation  vornimmt,  die  nach  dem 
hier  Gehörten  an  sich  nicht  bedenklich  genannt  werden  kann. 

Herr  P  f  e  i  f  f  e  r  (Schlusswort) :  Zu  den  Ausführungen  von  Herrn 
Pr.  H  ö  n  i  g  e  r  bemerke  ich  bezüglich  der  Symptomatologie  der  Stirn- 
hirngeschwülste,  dass  die  sogen.  Witzelsucht  keineswegs  als  ein 
sicheres  Symptom  eines  Hirntumors  aufgefasst  werden  kann.  Vor 
kurzem  habe  ich  die  Krankengeschichten  von  78  in  unserer  Klinik 
zur  Operation  oder  Sektion  gekommenen  Fällen,  bei  welchen  also  der 
Sitz  des  Tumors  mit  Sicherheit  feststand,  zum  Studium  der  psychi¬ 
schen  Störungen  bei  Hirntumoren  durchgesehen.  Unter  diesen  fand 
sich  das  Symptom  der  Witzelsucht  -4  mal  und  zwar  stets  als  Begleit¬ 
erscheinung  der  Korsakow  sehen  Psychose.  Dabei  war  das  Stirn¬ 
hirn  nur  einmal  allein,  ein  ander  Mal  in  Verbindung  mit  Tumoren 
anderen  Sitzes  beteiligt.  Hiernach  wird  man  wohl  kaum  berechtigt 
sein,  der  Witzelsucht  eine  besondere  lokaldiagnostische  Bedeutung 
für  den  Sitz  eines  Tumors  im  Stirnhirn  beizumessen.  Vielleicht  ist  die 
Witzelsucht  nur  als  eine  besondere  Färbung  der  Korsakow  sehen 
Psychose  zu  betrachten. 


Herr  Dr.  H  ö  n  i  g  e  r  hat  weiterhin  einen  Fall  angeführt,  bei 
welchem  die  Allgemeinsymptome  sehr  rasch  und  schwer  einsetzten 
und  bei  welchem  bald  passagere  Zustände  von  Amaurose  auftraten, 
ohne  dass  deutliche  Lokalsymptome  nachweisbar  waren.  In  einem 
solchen  Falle  wäre  jedenfalls  zunächst  eine  Ventrikelpunktion  indi¬ 
ziert,  und  zwar  am  besten  von  einem  der  sogen,  „stummen  Hirn¬ 
teile“  aus,  welche  nur  wenige  oder  gar  keine  Lokalsymptome  hervor¬ 
zubringen  pflegen.  Durch  die  Ventrikelpunktion  wäre  man  in  der 
Lage,  den  starken  Hirndruck  zu  vermindern  und  hätte  zugleich  Aus¬ 
sich,  durch  die  mikroskopische  Untersuchung  der  beim  Durchstich  ge¬ 
wonnenen  Gewebsteile  den  Sitz  des  Tumors  zu  eruieren. 

Herr  v.  Bramann  hält  in  Fällen,  wo  der  Tumor  nicht  zu  lokali¬ 
sieren  und  daher  eine  Radikaloperation  nicht  möglich  ist,  die  Palliativ¬ 
trepanation  an  indifferenter  Stelle  für  sehr  wirksam.  Er  stützt  sich 
dabei  besonders  auf  die  von  S  ä  n  g  e  r  -  Hamburg  damit  erzielten  Er¬ 
folge  und  führte  2  Fälle  an,  die  nach  Palliativtrepanation  zur  vollstän¬ 
digen  Heilung  kamen.  Der  letztere  Umstand  macht  es  zum  mindesten 
seht  wahrscheinlich,  dass  es  sich  bei  diesen  beiden  Fällen  nicht  um 
I  umoren  gehandelt  -hat.  Die  Palliativtrepanation  kann  doch  immer 
nur  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  Entlastung  schaffen.  Die  Ventrikel¬ 
punktion  ist  ein  viel  leichterer  Eingriff,  kann  bei  wieder  zunehmendem 
Hirndrucke  öfter  wiederholt  werden  und  bietet  ausserdem  die  Mög¬ 
lichkeit,  dass  der  I  umor  selbst  durch  Untersuchung  der  aspirierten 
Gewebsteile  ermittelt  werden  kann. 

Die  Ventrikelpunktion  ist  bei  nicht  lokalisierbaren  Hirntumoren 
mit  starkem  Hirndruck  auch  eine  zuverlässigere  Methode  als  die 
Spinalpunktion,  die  bei  Unterbrechung  der  Kommunikation  zwischen 
Gehirn  und  Rückenmark  versagen  kann,  und  die,  wie  eine  Reihe  von 
I  odesfällen  nach  'Spinalpunktion  gerade  bei  Hirntumoren  beweisen, 
mit  erheblicher  Geafahr  verbunden  'ist. 

Gegenüber  den  Bemerkungen  von  Herrn  Veit  betone  ich  noch¬ 
mals,  dass  die  Sicherheit  der  klinischen  Lokaldiagnose  der  Hirn¬ 
tumoren  noch  sehr  viel  zu  wünschen  übrig  lässt.  Nach  den  grossen 
Statistiken  von  Oppenheimer  und  von  Bergmann  war  -die 
klinische  Lokaldiagnose  der  zur  Operation  gekommenen  Fälle  von 
Hiintumoien  in  etwa  30  Proz.  der  Fälle  falsch.  Nach  v.  B  e  r  gm  a  n  n 
wurden  von  273  Fällen  157  unnütz  operiert.  Bei  den  Fällen  aus 
unserer  Klinik  wurde  die  klinische  Diagnose  mittels  der  Hirnpunktion 
mehrfach  inodifizieit  und  ausserdem  die  histologische  Beschaffenheit, 
Ausdehnung  und  Tiefe  des  Sitzes  der  Tumoren  festgestellt.  So  konnte 
der  Erfolg  erzielt  werden,  dass  unter  16  Fällen  von  Hirntumoren  14 
richtig  lokalisiert  wurden. 


Herr  Beuttenmüller  als  Gast:  Zur  Pathologie  der 
hypertrophischen  Leberzirrhose.  (Wird  in  der  Berliner  klin 
Wochenschrift  veröffentlicht  werden.) 


licn  munr:  lut  ratnoiogie  und  Iherapie  des  Lungen¬ 
emphysems.  (Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  der  Berliner 
klinischen  Wochenschrift.) 

Demonstration  eines  operierten  Falles  von  auf  starrer  Dilatation 

des  Thorax  beruhenden  Emphysems. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  Juni  1907. 


v uiMiztmuer .  lieir  o  u  ü  e  c  K. 

Schriftführer:  Herr  K  o  e  r  b  e  r. 

Herr  Preiser  zeigt  1.  die  Röntgenbilder  eines  Falles  von 
pseudokongemtaier  Hüftluxation.  Es  handelte  sich  um  ein  6  jähriges 
Mädchen,  das  eine  rechtsseitige  Hüftluxation  darbot,  welche  als  kon¬ 
genitale  angesprochen  wurde.  Das  Röntgenbild  zeigt  den  Kopf  ziem¬ 
lich  hoch  oben  in  einer  neugebildeten  Pfanne.  Die  Epiphysenlinie  der 

n?“e  Sch,ffe  Zacken’  die  des  Kopfes  ist  normal. 

Dieser  Befund  und  der  Umstand,  dass  sich  eine  neue  Pfanne  schon 
bei  einem  6  jährigen  Kinde  fand,  fielen  auf  und  die  Anamnese  ergab 
denn  auch,  dass  das  Kind  in  den  ersten  Lebensmonaten  das  rechte 
cm  gebeugt  gehalten  und  bei  jedem  Streckversuch  geschrieen  habe. 
Eme  Augen-,  Genital-  und  Nabeleiterung  habe  nicht  bestanden.  Zum 
Durchbruch  von  Eiter  wäre  es  nicht  gekommen;  die  Schmerzhaftig¬ 
keit  habe  sich  mit  v±  Jahren  verloren,  die  Vorliebe,  das  Bein  ge- 
ciiR;t  zu  halten,  eist  mit  2  Jahren.  Die  Hüfte  wurde  dann  eingerenkt 
uiiel  beim  letzten  Verbandwechsel  ein  neues  Röntgenbild  gemacht. 
Der  Kopi  steht  jetzt  in  der  sehr  flachen,  schlechten  Pfanne;  jetzt 
tre.i  vom  Beckenschatten,  zeigt  er  2  erbsengrosse  tiefe  Auszackungen 
seinei  Gelenkflache,  die  als  Zeichen  der  früheren  Entzündung  zu 
deuten  sind,  ebenso  wie  die  Rauhigkeit  der  Pfannenepiphyse.  Aus 
dem  Bilde  geht  hervor,  dass  der  Knochen,  dessen  Kern  im  Femur- 
kopf  sich  erst  im  10.  Lebensmonat  bildet,  während  die  Entzündung 
klinisch  hier  schon  mit  3  Monaten  abgelaufen  war,  nicht  imstande  ist. 
Naibenlöcher  im  Knorpel  auszufüllen.  P.  bespricht  dann  die  Aetio- 
logie  dieser  Deformitäten  nach  Säuglingsarthritiden,  deren  Kenntnis 
wir  besonders  Drehmann  verdanken. 


Herr  Preiser  zeigt  dann  2.  noch  das  Röntgenbild  der  klein¬ 
sten  Fraktur  des  menschlichen  Körpers,  nämlich  die  Fraktur  beider 
Daumensesainbeiue,  die  bisher  noch  nicht  beschrieben  worden  zu 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1801 


sein  scheint.  Es  handelte  sich  um  eine  Dame,  die  gefallen  war  und 
das  Bild  einer  Daumendistorsion  darbot.  An  der  grossen  Zehe  sind 
Sesambeinfrakturen  schon  beschrieben  worden,  aber  auch  Doppel¬ 
bildungen,  so  dass  man  sich  vor  Verwachsungen  hüten  muss.  P  r  e  i  - 
ser  hat  an  der  Leiche  über  die  Entstehung  des  Bruches,  den  er  zu¬ 
erst  für  eine  Rissfraktur  hielt.  Versuche  angestellt.  Es  zeigte  sich 
aber,  dass  durch  gewaltsame  Abduktion  die  Fraktur  nicht  zu  er¬ 
zeugen  war;  eher  trat  eine  Luxation  oder  Luxationsfraktur  der  Grund- 
phalange  ein.  Die  Fraktur  der  Sesambeine  kann  nur  dann  entstehen, 
wenn  der  abduzierte  Daumen  mit  seinem  Metakarpus  dorsal  ge¬ 
stützt  wird  und  dann  ein  Trauma  so  die  Sesambeine  direkt  trifft,  dass 
sie  zwar  selbst  frakturieren,  die  Phalange  und  der  Metakarpus  jedoch 
intakt  bleiben.  Zugleich  fand  P.  dann  an  einer  Leiche  3  Daumen- 
sesambeine,  nämlich  eine  Zweiteilung  des  lateralen, 
während  das  mediale  einen  dementsprechenden  Fortsatz  zeigt.  Man 
hat  sich  also  auch  hier  vor  Verwechslungen  zu  hüten.  Eine  knöcherne 
Vereinigung  der  Fragmente  erfolgte  nicht,  trotzdem  war  die  Funktion 
eine  gute. 

Beide  Demonstrationen  werden  ausführlich  veröffentlicht  werden. 

Herr  E.  Paschen  berichtet  über  einen  Fall  von  Purpura  im 
Anschluss  an  die  Impfung. 

Das  12  jährige  Mädchen  A.  W.  beobachtete  10  Tage  nach  der 
Wiederimpfung  —  am  8.  Tage  bei  der  Nachschau  wurden  2  Pusteln 
konstatiert  —  das  Auftreten  von  punktförmigen  bis  linsengrossen 
Hautblutungen,  zuerst  auf  den  Unterschenkeln,  später  an  den  Armen; 
das  Allgemeinbefinden  war  angeblich  nicht  wesentlich  gestört.  14 
Tage  nach  der  Impfung  kam  das  Mädchen  in  die  Impfanstalt.  Es 
zeigten  sich  auf  Armen  und  Beinen  sehr  dicht  stehend  nadelspitz- 
bis  linsengrosse  blutrote  Flecken,  z.  T.  papulös;  dieselben  juckten. 
Die  Impfstellen  waren  abgeheilt.  In  der  rechten  Nasolabialfalte 
punktförmige  Hautblutungen,  Brust  und  Rücken  waren  vollständig 
frei;  auch  keine  Schleimhautblutungen.  Urin  frei  von  Blut.  Die 
Untersuchung  ergab  im  Uebrigen  normale  Brustorgane;  Leber  und 
Milz  nicht  vergrössert.  Das  Blut  war  in  seiner  Zusammensetzung 
nicht  verändert;  vielleicht  waren  die  Blutplättchen  über  die  Norm 

vermehrt.  „  ,  ,  , ,  .. 

Vor  3  Tagen  —  3Vz  Wochen  nach  der  Impfung  —  traten  blutige 
Stühle  auf  bei  dem  Kinde,  das  im  übrigen  sehr  wenig  geschont  war; 
deshalb  erfolgte  heute  die  Aufnahme  ins  Krankenhaus. 

Purpura  nach  der  Impfung  gehört  zu  den  grössten  Seltenheiten; 
Ebstein,  Pfeiffer,  Gregory  und  Fickert  berichten  über 
derartige  Fälle.  Dr.  L.  Voigt  beobachtete  an  seinem  riesigen  Ma¬ 
terial  in  Hamburg  während  einer  35  jährigen  Tätigkeit  nur  einen 
Fall.  In  seiner  Pathologie  der  Impfung  möchte  Fürst  das  Auf¬ 
treten  der  Purpura  auf  Toxine  zurückführen,  die  durch  die  spe¬ 
zifischen  Vakzineerreger  hervorgerufen  seien.  Danach  bestände  eine 
Analogie  mit  Purpura  variolosa,  hämorrhagischem  Schailach  und 
Masern.  Die  Prognose  war  aber  bei  der  Purpura  nach  der  Impfung 
bis  jetzt  durchweg  günstig,  während  sie  bei  obigen  Krankheiten 
infaust  ist.  Die  Purpura  kann  natürlich  auch  ganz  unabhängig  von 
der  Impfung  aufgetreten  sein.  Projektion  von  Diapositiven. 

Herr  Tr  ö  inner:  Ueber  Abasie. 

Die  von  B  1  o  c  q  und  C  h  a  r  c  o  t  1888  geschaffene  Lehre 
von  der  Abasie  erfuhr  1890  durch  Binswanger  eine  Er¬ 
weiterung  in  dem  Sinne,  dass  auch  auf  Grund  neurasthenisch- 
hypochondrischer  Zustände  dysbasische  Störungen  auftreten 
können.  Möbius  widersprach  dem  und  wollte,  ähnlich 
Charcot,  die  Abasie  nur  der  Hysterie  reserviert  wissen  und 
bestritt  u.  a.  auch  die  Möglichkeit  einer  organischen  Entstehung 
der  Abasie,  wie  es  B  1  o  c  q,  wenn  nicht  festgestellt,  so  doch 
vermutet  hatte.  Seitdem  sind  die  Meinungen  noch  geteilt,  wenn 
gleich  die  Mehrzahl  sich  dem  von  Binswanger  und 
Ziehen  gegebenen  Standpunkte  nähert. 

Auch  die  von  T.  besprochenen  Fälle  rechtfertigen  den 
Standpunkt,  dass  Abasie  kein  exklusiv  hysterisches  Symptom 
ist.  Die  Möglichkeit  selbst  einer  organischen  Grundlage  der 
Abasie  hält  T.  aus  verschiedenen  Gründen  aufrecht.  Als  kli¬ 
nische  Beispiele  dafür  führt  er  an:  Dysbasie  in  der  Art  einer 
hysterischen  als  Anfangssymptom  der  Paralysis  agitans,  klein- 
schrittig  trippelnder  Gang  als  Residuum  einer  leichten  rechts¬ 
seitigen  Hemiplegie  infolge  Gefässthrombose,  und  endlich  die 
nicht  so  seltene  senile  Abasie,  welche  vor  allem  Petren  aus¬ 
führlich  studierte  und  von  der  T.  im  ärztlichen  Verein  ein  Bei¬ 
spiel  zeigte. 

Die  von  T.  beobachteten  Fälle  rein  funktioneller  Abasie 

bieten  auch  sonst  Beachtenswertes. 

1.  Eine  hysterische  Abasie  nach  Typhus  im  16.  Jahre.  Zuerst 
Delirien,  Mutismus,  Doppeltsehen,  beim  Versuch  wieder  aufzustehen 
Abasie  mit  allgemeiner  Hypalgesie  und  Paralysis  agitans-ähnlichem 
Tremor  des  Kopfes  und  der  rechten  Schulter  und  rechtsseitigem 
Fussklonus;  Gang  paretisch-ataktisch  mit  leichter  Peroneusparese. 
Unter  Uebungstherapie  und  Elektrisieren  langsame  Besserung. 

2.  Spastische  Form  hysterischer  Abasie,  im  7.  Jahre  ebenfalls 
nach  Typhus  aufgetreten.  Spastische  Paraparese,  hauptsächlich  beim 


Gehen;  der  Gang  breitbeinig,  tappend,  unter  harter  Spannung  aller 
Muskeln.  Wechselnder  Verlauf;  fern  vom  häuslichen  Milieu  'stets 
Besserung,  durch  Aufregungen  und  längere  Bettruhe  stets  Verschlim¬ 
merung.  Eine  Zeit  lang  tetanoide  Anfälle  nach  Aufregungen.  Bei¬ 
mischung  von  neurasthenischen  Hyperästhesien  und  Krankheitsbefürch¬ 
tungen.  Der  Fall  gehört  z.  T.  zu  der  Gruppe  der  Pseudoparesis 
spastica.  Auch  hier  langsame  remittierende  Besserung. 

3.  Hysterische  Dysbasie.  Im  24.  Jahre  nach  viermonatlicher 
Laktation' hysterische  Paraplegie  mit  totaler  Analgesie,  welche  bei 
Wiederkehr'  der  Menses  sich  allmählich  verlor.  12  Jahre  später, 
infolge  Aerger  und  Differenzen  mit  dem  Ehemann,  Wiedererkrankung 
unter  Depression  und  Steifwerden  der  Beine  beim  Gehen,  besonders 
des  linken;  trotz  verschiedener  ärztlicher  Behandlung  keine  Besse¬ 
rung.  Deutliche  Affektbeeinflussbarkeit,  spastische  Parese  des  linken 
Beines,  sehr  gering  im  Liegen,  stark  beim  Versuch  zu  gehen;  linkes 
Bein  U/s  cm  dünner  als  das  rechte.  Quantitative  Herabsetzung  der 
elektrischen  Erregbarkeit  im  Tibialis  anticus.  B  a  b  i  n  s  k  i  s  Zefien- 
phänomen,  aber  nur  in  Seitenlage  und  von  wechselnder  Intensität, 
bald  doppel-  bald  nur  einseitig.  Sonst  keine  auf  organische  Spinal¬ 
erkrankung  (multiple  Sklerose  oder  Lues)  hindeutende  Symptome. 

Gemeinsames  der  drei  Fälle;  Geringe  oder  fehlende  Be¬ 
lastung,  chronischer  Verlauf.  Ursache  in  zwei  Fällen  Typhus, 
zwei  Fälle  mit  neurasthenisch-hypochondrischen  Symptomen 
verbunden.  Ausführliche  Publikation  in  „Ziehens  Monats¬ 
schrift  für  Psychiatrie  und  Neurologie“. 

Da  von  verschiedenen  Seiten  eine  ausführliche  Diskussion  über 
den  Vortrag  Herrn  T  r  ö  m  n  e  r  s  gewünscht  wird,  wird  wegen  vor¬ 
gerückter  Zeit  die  Sitzung  geschlossen. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  2.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Frankenburger. 

Herr  Kraft  demonstriert  einen  Fall  von  Buphthalmus,  kombiniert 

mit  WehmfchB*?  geboren  am  11.  November  1906.  Geburt  verlief  nor¬ 
mal.  Mutter  litt  in  der  Zeit  an  eitrigem  Ausfluss.  Post  partum  waren 
die  beiden  Augen  des  Kindes  nach  Angabe  der  Mutter  vollständig 
normal  und  gleich.  Im  Alter  von  9  Wochen  litt  der  Knabe  an  Krump¬ 
fen.  Kurze  Zeit  bevor  die  Krämpfe  eingesetzt  haben,  soll  das  linke 
Auge  im  auffallenden  Lichte  eigenartig  gelblich  aufgeleuchtet  haben. 
Die  Mutter  bezeichnete  und  verglich  das  Aufleuchten  mit  dem  Leuchten 
eines  Katzenauges.  Nach  den  bald  verschwundenen  Krampfantallen 
wurde  das  Auge  grau  und  soll  auch  grösser  geworden  sein.  Einige 
Tage  nach  der  Geburt  hat  leichte  Konjunktivitis  bestanden. 

Status:  Stark  anämisches  schwächliches  Kind.  Rechtes  Auge 
normal.  Linkes  Auge  erheblich  vergrössert.  Bedeutende  Druck¬ 
steigerung.  Infolge  dichter  Maculae  corneae  ist  vom  Lumen  des 
Auges  nur  sehr  wenig  zu  sehen.  Aus  den  noch  durchsichtigen  Teile 
des  Pupillargebietes  der  Kornea  dringt  aus  der  Tiefe  ein  gelblicher 

Schein  (amaurotisches  Katzenauge).  .  ..  . 

Es  wurde  die  Diagnose  auf  Baiphthalmus,  vereint  mit  Glioma  ret. 

rypelpH  j" 

Unter  Buphthalmus  versteht  man  eine  vollständige  Ektasie  der 
Sklera  und  Vorwölbung  der  Kornea,  die  zu  einer  manchmal  ganz  ge¬ 
waltigen  Vergrösserung  des  Bulbus  führen  kann.  .. 

Die  Ursachen  für  diesen  Zustand  des  Auges  sind  noch  nicht  vo  - 
ständig  aufgeklärt.  Die  Hauptsache  ist  die  Drucksteigerung  im  Innern, 

die  zur  Vergrösserung  führt.  ,  , _ _ 

Prof.  Schoen  in  Leipzig  vermutet,  dass  der  Hydrophthalmus 
von  angeborenem  Fehlen  der  Meridionalfasern  des  Ziliarmuskel  ler- 
rührt,  weshalb  der  Augendruck  nicht  wie  im  normalen  Auge  von 
diesem  elastisch  aufgefangen  wird,  sondern  unmittelbar  gegen  die 
unelastische  Lederhaut  anprallt. 

Bei  Buphthalmus  spielt  die  Vererbung  eine  sehr  grosse  Rolle.  Der 
Blutsverwandtschaft  ist  besonders  ein  gewisser  Einfluss  aut  die  En 
stehung  des  Leidens  zuzuschreiben.  .  ,  .  ,  ,  .  .. 

In  unserem  Falle  war  etwas  derartiges  nicht  festzustellen. 

Gliom  findet  sich  nur  bei  Kindern;  es  kommt  ein-  und  doppelseitig 
vor.  Seine  Entwicklung  muss  oft  in  das  intrauterine  Leben  verlegt 

Differentialdiagnostisch  käme  noch  in  Betracht  die  einfache, 
eitrige  Chorioiditis,  bei  der  das  Exsudat  im  Glaskörper  einen  ähnlichen 
gelblichen  Schimmer  hervorrufen  kann  (Pseudogliome).  Der  untei- 
schied  liegt  in  den  Druckerscheinungen. 

Eine  den  Eltern  vorgeschlagene  Enukleation  wird  zuerst  an¬ 
genommen,  später  aber  verweigert,  da  Uebersiedelung  nach  Gesten¬ 
reich  erfolgen  sollte. 

Herr  Fiirnrohr  hält  einen  ausführlichen  Vortrag:  Der  Gelurn- 

Im  Anschluss  hieran  berichtet  Herr  Riegel  über  einen  Fall,  der 
durch  heftigste  Kopfschmerzen  ausgezeichnet  war  und  U°tz  ich  ad 
mortem  kam.  Die  Sektion  ergab  einen  freischwebenden  Zystizerkus 
im  IV.  Ventrikel. 


1802 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Sitzung  vom  16.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Fla  tau. 

Herr  Gerl  ach  stellt  eine  9  jährige  Patientin  vor.  welche  vor 
3  Monaten  infolge  Ueberfahrenwerdens  u.  a.  schwere  Knochenver¬ 
letzungen  der  rechten  Schulter  und  der  rechten  oberen  Extremität 
(Eract.  claviculae,  Eract.  scapul.,  Ablösung  der  oberen  Humerus- 
diaphyse  und  des  Epicondylus  int.  humeri)  erlitten  hatte.  Die  Ver¬ 
gleichung  der  Röntgenaufnahmen,  welche  kurz  nach  der  Verletzung 
und  3  Monate  später  aufgenommen  waren,  lassen  eine  vorzeitige  Ver¬ 
knöcherung  der  unteren  Humerusepiphyse  (Tuberkulose  liegt  bestimmt 
nicht  vor)  als  Eolge  der  schweren  Zertrümmerung  der  zentralwärts 
gelegenen  Knochenteile  annehmen. 

Herr  Gernert  spricht  über  rationelle  Mund-  und  Zahnpflege. 


Medizinisch-Naturwissenschaftlicher  Verein  Tübingen. 

(Medizinische  Abteilung.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  Juli  1907. 

Herr  Basier:  Ein  neues  einfaches  Gärungssaccharo- 
ineter. 

Um  den  Zuckergehalt  des  Diabetesharnes  zu  bestimmen,  ver¬ 
fährt  man  seit  langer  Zeit  in  der  Weise,  dass  man  in  dazu  geeigneten 
Apparaten,  sog.  Gärungssaccharometern,  die  bei  der  Hefegärung  ent¬ 
stehende  CO2  auffängt  und  aus  ihrer  Menge  einen  Rückschluss  macht 
auf  die  in  dem  Harn  enthaltene  Zuckermenge.  (Mehrere  solcher 
Apparate  werden  während  der  sich  in  ihnen  abspielenden  Gärung  de¬ 
monstriert.) 

Um  die  nachträgliche  Absorption  von  Kohlensäure  möglichst  ein¬ 
zuschränken,  konstruierte  der  Vortragende  einen  Apparat,  der  be¬ 
zweckt,  dass  die  entstehende  Kohlensäure  über  gesättigter  Kochsalz¬ 
lösung  aufgefangen  wird,  und  bei  dem  ausserdem  die  zu  vergärende 
Eliissigkeitsmenge  stets  gleich  bleibt. 

Diesen  Anforderungen  entsprechend,  musste  dem  Apparat  die 
im  folgenden  beschriebene  Gestalt  gegeben  werden. 

Als  Reservoir  für  5  ccm  Harn,  der  zuvor  mit  einem  Stückchen 
Hefe  geschüttelt  wird,  dient  ein  zylindrisches  Glasgefäss,  das  ver¬ 
schlossen  werden  kann  mit  einem  eingeschliffenen  Glasstöpsel,  wel¬ 
cher  in  eine  schwere  Metallplatte  eingelassen  ist,  die  als  Fuss  für 
den  ganzen  Apparat  dient. 

An  der  dem  Stöpsel  gegenüberliegenden  Seite  geht  das  Gefäss 
in  eine  2  mm  weite  Glasröhre  über.  Zwischen  Gefäss  und  Glasröhre 
ist  zur  bequemeren  Füllung  ein  Hahn  eingeschaltet.  Die  Glasröhre 
mündet  nun  ihrerseits  in  den  Teil  des  Saccharometers,  welcher  dazu 
dient,  die  abgeschiedene  CO2  aufzufangen.  Er  besteht  aus  einem  oben 
zugieschmolzenen,  etwa  1  cm  weiten  Glasrohr,  von  dessen  unter¬ 
stem  Abschnitt  ein  zweites,  nach  oben  sich  umbiegendes  und  dann 
mit  dem  ersteren  parallel  verlaufendes  Glasrohr  abzweigt,  das  die 
gleiche  Weite  und  Länge  besitzt,  aber  oben  offen  endet.  Von  hier 
aus  wird  das  oben  verschlossene  Glasrohr  des  Apparates  mit  ge¬ 
sättigter  Kochsalzlösung  gefüllt. 

Die  bei  der  Gärung  entstehenden  Kohlensäureblasen  steigen 
naturgemäss  in  'der  zuckerhaltigen  Flüssigkeit  in  die  Höhe  und  ver¬ 
mischen  sich  mit  der  zwischen  dem  Harn  und  der  Kochsalzlösung  be¬ 
findlichen  Luft.  Das  Kohlensäureluftgemisch  dehnt  sich  entsprechend 
aus;  es  treten  deshalb  beständig  Gasblasen  aus  dem  engen  Glas¬ 
rohr  und  sammeln  sich  an  der  Kuppe  des  verschlossenen  Glasrohrs 
an,  die  Kochsalzlösung  in  den  offenen  Schenkel  verdrängend. 

Aus  dem  Volumen  des  angesammelten  Gases  lässt  sich  die  vor 
der  Gärung  in  der  Flüssigkeit  enthaltene  Zuckermenge  bestimmen. 
Auf  einer  Skala  kann  der  Zuckergehalt  direkt  in  Prozenten  abgelesen 
werden. 

In  dieser  Form  ist  der  Apparat  zur  Untersuchung  von  Harnen 
eingerichtet,  welche  nicht  über  1  Proz.  Zucker  enthalten. 

Für  höhere  Konzentration  (1 — 10  proz.  Lösungen)  konstruierte 
der  Vortragende  ein  anderes  Modell,  welches  im  wesentlichen  dem 
beschriebenen  gleich  gebaut  ist,  dessen  Reservoir  aber  viel  kleiner 
und  nur  zur  Aufnahme  von  0,5  ccm  Flüssigkeit  bestimmt  ist. 

Herr  Bürker:  Ueber  Methoden  und  Probleme  der  Bluf- 
imtersuchung.  (Erscheint  später  unter  den  Originalien  dieser 
Wochenschrift.) 

Herr  Grützner  macht  eine  kurze  Mitteilung  über  die 
Tätigkeit  der  Arterien,  insonderheit  über  diejenige  der  Arterien 
im  menschlichen  Nabclstrange.  Wenn  man  durch  diese  stark 
muskulösen  Gefässe,  die  sich  in  ihrer  natürlichen  Lage  im 
Nabelstrange  in  körperwarmer  physiologischer  Kochsalzlösung 
befinden,  ernährende  Flüssigkeiten,  etwa  Ringer  sehe  Lösung 
unter  einem  Druck  von  — 1 A  m  Wasser  treibt,  so  zeigt  sich 
schon  bei  kontinuierlichem  Druck,  vor  allem  aber  bei  pulsa- 
toriseh  schwankendem  Druck  die  merkwürdige  Erfahrung,  dass 
die  lebenden  Arterien  vielfach  besser  in  ihrer  natürlichen  als  in 
entgegengesetzter  Richtung  durchströmt  werden,  obwohl  von 
Klappen  oder  klappenartigen  Einrichtungen  nichts  nachzuweisen 


ist.  Der  Vortragende  kann  sich  diese  Tatsache  vorläufig  nicht 
anders  erklären,  als  dass  eben  die  Arterien  durch  Muskel¬ 
tätigkeit  ihren  Inhalt  befördern  helfen,  während  ein  entgegen¬ 
gesetzt  gerichteter  Strom  durch  ihre  Tätigkeit  gehemmt  wird. 
Sind  die  Arterien  abgestorben,  so  ist  es  ganz  gleichgültig,  ob 
sie  rechtläufig  oder  gegenläufig  durchströmt  werden.  In  beiden 
Fällen  fliesst  gleichviel  und  überhaupt  sehr  viel  Flüssigkeit 
durch  sie  hindurch.  Weitere  Untersuchungen  müssen  diese 
eigenartigen  Tatsachen  weiter  aufklären. 


Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 

XV.  Versammlung  vom  19.  Juni  1907,  im  Hörsaale 
des  deutschen  anatomischen  Institutes. 

Herr  Fick:  Einiges  über  die  Rippenbewegungen.  (Mit  De¬ 
monstration  eines  Modelles.) 

Der  Vortragende  ging  bei  seinen  Darlegungen  von  dem  bekann¬ 
ten  Satz  von  Trend  eien  bürg  (1777)  und  Helmholtz  (1856) 
aus,  dass  die  Rippendrehungsachsen  mit  Ausnahme  der  des  ersten 
Paares  schräg  liegen  und  sich  .daraus  die  Erscheinung  erklärt,  dass 
bei  der  Rippenhebung  sich  der  Brustkorb  sowohl  in  den  antero- 
posterioren  (sagittalen)  als  auch  'in  den  queren  (frontalen)  Durch¬ 
messern  erweitert.  Herr  Fick  setzt  weiterhin  auseinander,  dass 
aus  der  Schräglage  der  Rippendrehungsachse  aber  auch  die  Not¬ 
wendigkeit  von  besonderen  Zwischenstücken  zwischen  den  Rippen 
und  dem  Brustbein,  sowie  die  Beweglichkeit  dieser  Zwischenstücke 
(der  Rippenknorpel)  gegen  das  Brustbein  und  die  Biegsamkeit  der 
„Rippenknorpelwinkel“  (vgl.  R.  Fick,  Handbuch  der  Gelenklehre, 
Jena  1904,  S.  131)  folgen.  Nur  durch  die  Stellungsänderung  der  Rip¬ 
penknorpel  wird  es  nämlich  den  vorderen  Rippenenden  ermöglicht, 
sich  bei  der  Hebung  von  der  Mittellinie  zu  entfernen.  Diese  Fol¬ 
gerung  gilt  natürlich  für  das  ganze  Tierreich.  Der  ganze  Bewegungs¬ 
vorgang  äst  ein  Beispiel  der  in  der  Technik  viel  angewandten  sog. 
„Geradführung“,  bei  der  eine  rotierende  Bewegung  unter  Vermittlung 
von  Zwischenstücken,  den  sog.  „Exzenter-  oder  Bleuelstangen“,  in 
eine  hin-  und  hergehende  Bewegung  verwandelt  wird  oder  umgekehrt 
(wie  z.  B.  bei  einer  Lokomotive).  Alle  diese  Tatsachen  lassen  sich 
an  dem  von  Prof.  R.  Fick  und  Mechaniker  Krusich  (Prag)  auf¬ 
gebauten  Modell  leicht  anschaulich  machen. 

Herr  Fischer:  Miliare  Nekrosen  mit  Wucherungen  an  den 
Neurofibrillen  als  anatomische  Grundlage  der  senilen  Demenz. 

F.  demonstriert  eiger*artige  Veränderungen  der  Hirnrinde,  die 
sich  nur  in  Fällen  der  von  Wernicke  als  Presbyophrenie  charak¬ 
terisierten  Unterform  der  senilen  Demenz  vorfinden.  Dieselben  be¬ 
stehen  in  kleinsten  Nekrosen,  um  die  die  Neurofibrillen  radiär  gestellte 
keulenförmige  Auswüchse  und  Wucherungen  bilden.  (Ausführliche 
Publikation  erfolgt  in  der  Monatsschrift  f.  Psychiatrie  u.  Neurologie.) 

Herr  Sträussler:  Demonstration  eines  Hypophysengang¬ 
tumors. 

S.  demonstriert  eine  „Hypophysenganggeschwulst“,  welche  sich 
als  mit  blutiger  Flüssigkeit  gefüllte  Zyste  von  Hühnereigrösse  an  'der 
Gehirnbasis  hinter  dem  Chiasma  optic.  präsentierte,  den  Boden  des 
III.  Hirnventrikels  nach  oben  verdrängte  und  mit  einer  Vergrösserung 
der  Hypophyse  vergesellschaftet  war.  Das  Präparat  stammt  von 
einem  39  jährigen  Offizier,  welcher  im  wesentlichen  eine  beiderseitige 
Optikusatrophie,  eine  Gesichtsfeldeinschränkung  im  Sinne  einer 
homonymen  bilateralen  Hemianopsie,  allgemeine  Tumorsymptome, 
Kopfschmerzen,  Erbrechen  und  eine  psychische  Störung  mit  dem 
Bilde  einer  K  o  r  s  a  k  o  f  f  sehen  Psychose  geboten  hatte.  Der  kli¬ 
nische  Verlauf  zeichnete  sich  durch  grosse  Schwankungen  in  den 
objektiven  und  subjektiven  Erscheinungen  aus.  Radioskopisch  war 
eine  Erweiterung  der  Sella  turcica  nachgewiesen  worden.  Die  Sym¬ 
ptome  waren  aber  zweifellos  vornehmlich  durch  die  Hypophysen¬ 
ganggeschwulst  bedingt.  Die  vorläufige  mikroskopische  Untersuchung 
eines  Teiles  der  Zystenwand  ergab  den  von  Erdheim  beschrie¬ 
benen  typischen  Befund. 

XVI.  wissenschaftliche  Sitzung  vom  26.  Juni  1907  i  m 
Hörsaale  des  deutschen  pathoJogisch-anato m i - 

sehen  Institutes. 

Herr  Hel  ly:  Demonstration  der  Präparate  eines  Falles  von 
Rotzinfektion.  H.  demonstriert  Präparate  von  einem  im  hiesigen  deut¬ 
schen  pathologisch-anatomischen  Institute  zur  Sektion  gelangten 
Falle  von  Laboratoriumsinfektion  mit  akutem  Malleus.  Die  Sektion 
wurde  von  Dr.  Verocay  in  Gemeinsamkeit  mit  dem  Vortragenden 
vorgenommen  und  bot,  gleichwie  das  klinische  Bild  die  Zeichen  einer 
ausgesprochen  bakteriämisch  verlaufenden  Infektion.  Es  fanden  sich 
typische  Rotzknoten  im  Bereiche  der  Kopfhaut,  des  Stammes,  der 
oberen  und  unteren  Extremitäten,  daneben  aber  auch  eine  Unzahl 
kleiner  frischerer  Effloreszenzen,  angefangen  von  der  eben  auf- 
schiessenden  Quaddel  bis  zur  bereits  vereiterten  Pustel.  Die  Musku¬ 
latur  war  insbesondere  im  Bereich  der  oberen  Extremitäten,  in  ge¬ 
ringerem  Grade  an  den  unteren  Extremitäten,  da  und  dort  auch  in 
anderen  Regionen  (z.  B.  M.  masseter  d.)  von  vereiterten  Knoten 


3.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


1803 


m.rpWtyt  welche  ebenso  wie  die  in  anderen  Organen  Vorgefundenen, 

t°eM 

Von  den  inneren  Organen  waren  befallen.  Die  Leber, jelcne  in  in 
der  Rotzaffektion  im  Leberartenengebiet,  .fei\ie/]iSrV,1^se  ,  Snitzen- 

Glatfs  penis  fand  sich  je  eine  der  Corona ^ teTurchRoS 

ÄSjß*  rgÄ 

stelle  der  Erkrankung  angesehen  werden  können  wed  die  z g  h  R 
inguinalen  Lymphdrüsen  der  rechten  Seite  bereits  in  verenerung 
(rriffen  waren  während  die  gesamten  regionären  Lymphdrüsen  d 
nbdgenTotzig  erkrankten  Körperstellen  nur  verhältnismassig  genüge 
Zeichen  «er  entzündliche,  Schwellung  darboten i  es  sind  sonach 
die  Veränderungen  an  erstgenannter  Stelle  berechtfgt 

jÄKÄt;  KsUs sr  ™  £ 

Herr  Verocay:  Demonstration  mehrfacher  Missbildungen  bei 

der^forn "nach’ toten  abgeplatteten  Doppelniere  qum  hinüberzog, 

£  iSSSssÄ 

Niere  zur  Vena  cava  inf.  ,  ,  .,  , 

Der  Fall  wies  noch  eine  ganze  Reihe  von  Besonderheiten  auf. 

ÄÄSLÄÄÄ 

Ä  Die  aul 

vierter  Rippe  findet  sich  ein  uberzahiger  5,o  cm  langer  Knorpel  aui 

der  rechten  Seite  des  Sternums 


Herr  Wiechowski:  Zur  Harnsäurefrage. 

Die  Ausführungen  des  Vortragenden  beschäftigen  sich  mit  dei 
Zersetzlichkeit  der  Harnsäure  durch  das  Saugetier.  Während  als 
sichergestellt  angesehen  werden  kann,  dass  Kaninchen,  Hunde  u 
Katzen  subkutan  beigebrachte  Harnsäure  zerstören,  is d  die: s  m  ^ 
Menschen  nicht  bewiesen.  Bur  l  an  und  Schur  fan  im 

kutan  verabreichter  Harnsäure  beim  Menschen  bloss  50  1  roz.  i 
Harn  wieder  Soetbeer  und  Ibrahim  dagegen  alles.  Vo  tr, 

berichtet  Übel'  eine  Selbstversuch,  bei  welchem  von  xTeen  a^s^eschfe- 
gereichter  Harnsäure  87  Proz.  m -den  folgenden  3  ragen  «'f™ 
den  wurden.  Dieser  Versuch  spricht  zu  Gunsten  der  5  oetbe  e  i 
sehen  Auffassung  der  Unzerstörbarkeit  der  Harnsaure  durch  den 
Menschen.  Die  gewöhnlichen  Laboratoriumssaugetiere  scheiden  da¬ 
gegen  von  subkutan  'gereichter  Harnsäure  fast  nichts  aus:.  ]?  • 
dukt  dieser  Zersetzung  ist  kontrovers.  Im  Anschluss  an  die  Liter atu 
dieses  Gegenstandes  berichtet  Vortr.  über  bereits  veröffentlichte  Zer¬ 
setzungsversuche  mit  überlebenden  Organen.  In  diesen  Versuchen 
wurde  als  einziges  Zersetzungsprodukt  Allantoin  gefunden.  Hi 
raus  ergab  sich  die  Notwendigkeit,  diesen  Stoff  auch  im  lebenden 
Säugetier  als  Produkt  -des  Harnsäurestoffwechsels  nachzuweisen.  Die 
bisherigen  Methoden  des  Altantoinnachweises  erwiesen  sich  als  un¬ 
geeignet  Es  wurde  eine  neue  Methode  ausgearbeitet,  welche  Allan¬ 
toin  in  allen  Quantitäten  analysenrein  abzuscheiden  gestattet.  I  e 
Anwendung  dieser  Methode  auf  die  verschiedenen  Saugetierharne 
ergab,  dass  Allantoin  in  beträchtlicher  Menge  in 
dein  Säugetierharne  bei  jeder  Ernährung  und  auch 
im  Hunger  nachzuweisen  ist  -  mit  Ausnahme  des 
Menschenharnes.  Dieser  ist  praktisch  frei  von  Allantoin. 
Einige  Versuche  über  den  Einfluss  von  Harnsäurezufuhr  ergaben  bei 
Kaninchen  und  Hunden  den  völligen  Uebergang  aer  Harnsaure  in 
Allantoin.  Subkutan  dem  Menschen  angeführtes  Allantoin  wuide 
Quantitativ  im  Harne  der  nächsten  12  Stunden  wiedergefunden,  bu 
den  Menschen  kann  man  also  als  erwiesen  betrachten,  dass  er  irgend 
erhebliche  Allantoinmengen  de  norma  nicht  bilde  für  die  übrigen 
Säugetiere  ist  Allantoin  dagegen  ein  regelmässiges  Produkt  ihres ibtott- 
wechsels.  Aus  den  mitgeteilten  Versuchen  ergibt  sich  ein  wichtige. 
Unterschied  zwischen  Mensch  und  den  übrigen  Saugern  quoadl  urm- 
stoffwechsel.  Allem  Anscheine  nach  ist  die  Harnsaure  für  den  Men 
•sehen  terminales,  für  die  übrigen  Säuger  aber  intermediäres  Stott- 
wechselprodukt.  Diese  Erkenntnis  muss  unsere  Anschauungen  über 


das  Wesen  und  die  Behandlung  der  Gicht  beeinflussen;  sie  drückt  sich 
prägnant  im  Harnbilde  aus:  beim  Menschen  viel  Harnsaure  und  kein 
Allantoin,  beim  Säugetier  wenig  oder  gar  keine  Harnsauie  und  viel 

Allantoin. 

XVII  wissenschaftliche  Versammlung  am  .1  Juli  1907, 
im  Hörsaale  der  deutschen  chirurgischen  Klinik. 

Herr  Doberauer  zeigt  eine  Frau,  welcher  er  einen  aspirierten 
Fremdkörper  mittels  oberer  Bronchoskopie  aus  dein  linken  Bronchus 
entfernte;  es  handelte  sich  um  ein  Stück  einer  Gebissplatte  (2  a  2  cm) 
mit  einem  Metallstift,  welches  einen  Tag  zuvor  aspiriert  worden  war. 

Die  Diagnose  war,  abgesehen  von  der  typischen  Anamnese,  durch 
deutlichen  Stridor  über  dem  linken  Bronchus  höchstwahrscheinlich 
und  wurde  durch  die  Bronchoskopie  bestätigt.  Die  Extraktion  gelang 
in  2  Etappen,  indem  der  unter  Leitung  des  Auges  im  Bronchus  gefasste 
und  mit  -dem  Tubus  von  dort  entfernte  Fremdkörper  im  Kehlkopf  unter 
dem  rechten  Stimmbande  sich  festhakte  und  der  Zange  entglitt,  es 
kostete  einige  Mühe  und  die  Verwendung  eines  stärkeren  T  ubus  und 
einer  kräftigeren  Zange,  um  die  Platte  aus  ihrer  jetzigen  Lage  los¬ 
zubringen  und  zu  entfernen.  Der  Vortragende  bespricht  die  ausser¬ 
ordentlichen  Vorteile,  welche  die  Bronchoskopie  speziell  fui  die 
Fremdkörper,  aber  auch  für  viele  andere  Affektionen  des  Atemrohres 

und  seiner  Umgebung  bietet,  und  betont  den un^sYcherheit 
K  i  1 1  i  a  n  mit  seiner  Methode  inbezug  auf  Exaktheit  und  bicnerneit 
in  der  Diagnose  und  Behandlung  der  einschlägigen  Erkrankungen 

inauguriert  hat.  ,  ...  , 

Herr  Doberauer:  Zur  Chirurgie  inoperabler  Geschwülste. 

Doberauer  bespricht  2  Fälle  von  sehr  grossen  malignen  u- 
moren  der  Leistengegend,  welche  mit  den  grossen  Gefassstämmen 
verwachsen  und  so  nach  bisheriger  Anschauung  inoperabel  waren. 

Er  legte  präliminar  die  Iliaca  ext.,  das  anderemal  die  Kommums  fiel, 
und  legte  um  dieselbe  -einen  elastischen  Gummischlauch.  der  nun  im 
Verlaufe  einTger  Tage  -allmählich  so  weit  durch  Torsion  zugezogen 
wurde,  bis  der  Puls  peripher  vom  Schiauch  eriosch  und  der  Blutstrom 
in  dem  Hauptstamm  unterbrochen  war.  Nach  2,  beziehungsweise 
Tagen  wurde  die  Exstirpation  des  Tumors  samt  den  grossen  Gefass- 
stämmen  und  ihren  Seitenästen,  einmal  mit  teilweise)  Resektion  des 
Schambeines  das  anderemal  der  Harnblase  gemacht;  beidemal  über- 
Pebte  die  Ext’reraftät  de,,  Eingriff  es  erfolgte  keine  Gang.™  D.e  eine 
Patientin  wird  geheilt  vorgestellt,  die  andere  ist  12  Stunden  nach  der 
Operation  an  Herzparalvse  gestorben,  doch  wai  vor  dem  Exitus  dr 
Ernährung  der  Extremität  schon  zweifellos  gewesen i  und  bei  der  Ob¬ 
duktion  fand  sich  überall  in  Arterien  und  Venen  bis  zui  I  lbialis  postica 
frisches  flüssiges  Blut.  Die  Stelle  der  temporären  Ligatur  wird,  wenn 
nur  Schlauch  verwendet  wird,  nicht  lädiert,  die  Intima  bleibt  zait  und 
das  Blu  geht  nach  Lösung  des  Schlauches  wieder  durch,  sodass  man, 
wenn  d  e8Nati”  des  Falles  nicht  eine  zu  ausgedehnte  Resektion  der 
Qefässe  erfordert,  dieselben  durch  Naht  wieder  vereinigen  kan . 

Doberauer  bespricht  kurz  -anderweitige  ‘ähnliche  versucne 
und  schliesst  mit  der  Erklärung,  dass  es  mit  seiner  Methode  der  all- 
mähligen  Gefässligatur  und  der  dadurch  ermöglichten  systematischen 
Ausbildung  eines  kollateralen  Kreislaufes  in  manchen  Fallen  möglich 
sein  wird,'  die  Kranken  einer  erfolgreichen  Operation  zuzufuhren,  ue 
man  bislang  ihrem  Schicksale  überlassen  musste.  . 

Herr  Doberauer:  Demonstration  eines  Falles  von  operierter 

Embolie  der  Arteria  axillaris.  Tn,rpn  pUip 

Demonstration  einer  Kranken,  bei  welchei  vor  1-  la^en  e 
Embolie  der  rechten  Arteria  brachialis  erfolgte.  Wegen  beginnender 
Äta  t/isSUcher  Kontraktur  wurde  der  Plan  ge  assE  das 

Arterienrohr  wieder  wegsam  zu  machen;  F  h mm hu c  •  N a  1 1 1  c r '  A r- 
yi<xinn  Ausräumung  eines  ca.  3  cm  langen  Thrombus,  Nant  oei  a 

terie-'es  erfolgte  jedoch  trotz  wiederholter  Wiedereröffnung  immer 
wieder  Thrombose  an  der  Stelle,  wo  der  Thrombus  gesessen  hatte 
( a\c\  Onpration  erfolgte  ca.  52  Stunden  nach  dem  Eintntt  des  (j  <. 
vprschbisses)  Nach  2  Tagen  wegen  Fortschreitens  der  Oangran- 
Schei  Anastomose  zwischen  Arteria  und  Vena  axillaris  um  das 
Blut  auf  dem  Wege  der  Vene  zur  Extremität  zu  leiten,  nachdem  die 
Arterie  offenbar  nicht  mehr  frei  zu  bekommen  war.  Die  Nah! ;  gelang, 
das  Blut  schoss  unter  explosionsartigem  Geräusch  in  die  Vene  ein 
und  drang  bis  zum  Handgelenke  vor;  jetzt.  8  Tage  nach  der  Operation, 
kann  durch  das  Gefühl  und  ein  mit  dem  Herzschlag  synchrones  sau¬ 
sendes  Pulsgeräusch  nachgewiesen  werden,  dass  in  de rat  dasa 
terielle  Blut  durch  die  Vene  fliesst.  Rotk>  iag. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  9.  Juli  1907. 

Die  Gefahren  der  Atoxylmedihation. 

Hallopeau  berichtet  über  einen  Zufall,  demnach 
Behandlung  mit  deutschem  Atoxyl  entstanden  ist.  De  :  h  d 

mit  alkoholischer  Neuritis  behaftete  Frau ^Tage^nac^ der 

Ändetoi  Kinken  voii  Saint-Louis  nichts  ähnliches  vorgekommen 


1804 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


ist.  Auf  der  Konferenz  (zu  London)  zur  Prophylaxe  der  Schlafkrank¬ 
heit  wurde  über  6  Fälle  von  Sehstörungen  unter  14,  dem  Mittel  unter¬ 
worfenen  Fällen  berichtet;  diese  Kranken  haben  fast  das  Doppelte 
der  Dosen,  zu  welchen  er  (H.)  geraten  habe,  bekommen  und  es  han¬ 
delte  sich  wahrscheinlich  um  das  deutsche  Atoxyl.  H.  rät,  sich  an 
folgende  Dosen  zu  halten:  1.  eine  Injektion  von  0,75  cg;  2.  zwei  Tage 
später  0,6  cg;  3.  nach  weiteren  drei  Tagen  0,5  cg;  eine  zweite  Serie 
von  3  Injektionen  wird  erst  zwei  Monate  später  gemacht.  H.  hat  bei 
dieser  Methode  immer  nach  der  vierten  Injektion  Intoleranzerschei¬ 
nungen  beobachtet.  Die  4  jährige  syphilitische  Kur  wird  in  folgender 
Weise  vorgenommen  werden:  1.  Anilarsens.  Na  in  einer  Serie  von 
4  Injektionen;  2.  10  Tage  später  Quecksilberbehandlung  in  der  Dauer 
von  2  Monaten;  3.  nach  10  tägiger  Pause  eine  neue  Serie  von  Anil- 
arsinat  und  so  fort  und  4.  in  den  letzten  (welchen?  Ref.)  Jahren  Jod. 

Sitzungen  vom  16. — 30.  Juli  1907. 

Behandlung  des  Karzinoms  mit  Hochfrequenz-  und  hochgespannten 

Strömen. 

De  Keating  Heart  bespricht  diese  Behandlungsart,  welche 
darin  besteht,  auf  die  bösartigen  Tumoren  starke  elektrische  Ströme 
von  hoher  Spannung  und  hoher  Frequenz  vermittels  eines,  Resonator 
genannten,  Apparates  einwirken  zu  lassen.  Die  Erfolge  sind  über¬ 
raschende  und  bestehen  1.  in  Unterdrückung  der  Hämorrhagien  und 
Schmerzen;  2.  in  Stillstand  oder  Verminderung  im  Wachstum  der  Tu¬ 
moren,  welche  zu-  tief  oder  schlecht  sitzen;  3.  in  elektiver  Zerstörung 
des  kranken  Gewebes  und  4.  in  Elimination  und  Vernarbung  in¬ 
operabler  und  rasch  wachsender  Tumoren,  wobei  die  Heilung  bereits 
14,  15  und  16  Monate  anhält.  Die  Zeit  allein  wird  lehren,  ob  es  sich 
um  Dauerheilungen  handelt,  aber  immerhin  sind  die  Resultate  be¬ 
achtenswert,  da  es  sich  um  verzweifelte  Fälle  handelte. 

Pozzi  kommt  nach  seinen  Erfahrungen  zu  ähnlich  günstigen 
Schlüssen  wie  K;  H.;  wir  besitzen  in  den  Hochfrequenzströmen  ein 
physikalisches  Mittel,  welches  blut-  und  schmerzstillend  wirkt,  hoch¬ 
gradig  destruierende  Wirkung  auf  das  kranke  und  vernarbende,  auf 
das  darunter  liegende  Gewebe  besitzt  und  dessen  Anwendung,  auch 
abgesehen  von  der  Krebstherapie  in  der  Medizin  glückliche  Folgen 
haben  könnte.  Wenn  auch  noch  keine  jahrelang  anhaltende  Heilung 
vorliegt,  so  möchte  P.  doch  wünschen,  dass  mit  dieser  Therapie 
weitere  Versuche  angestellt  würden. 

Die  Ophthalmodiagnose  bei  Typhus  abdominalis. 

Chantemesse  erwähnt  zuerst  die  Untersuchungen  Pir¬ 
quets  über  die  Kutireaktion  und  jene  von  Wolff-Eisner  über 
die  Ophthalmoreaktion  durch  Tuberkulin.  Die  Beobachtungen  dieser 
Autoren  wurden  in  Frankreich  von  Vallee  bei  Rindern  und  von 
Calmette  beim  Menschen  bestätigt  —  positive  Reaktion  bei  evi¬ 
denter  oder  latenter  Tuberkulose,  negative  bei  gesunden  Individuen. 
Ch.  unternahm  nun  analoge  Untersuchungen  bei  Typhuskranken  und 
hat  mit  absolutem  Alkohol  eine  starke  Lösung  eines  löslichen  Typhus¬ 
toxins  hergestellt.  Er  hat  auf  diese  Weise  ein  Pulver  erhalten,  welches 
in  einem  J  ropfen  Wasser  auf  die  Dosis  von  Vso  mg  aufgelöst  und 
unter  das  Unterlid  imstilliert,  eine  sehr  ausgesprochene  Öphthalmo- 
diagnose  des  1  yphus  zeigt.  Bei  gesunden  oder  wenigstens  typhus¬ 
freien  Personen  entsteht  nach  2 — 3  Stunden  eine  geringe  Röte.  Tränen¬ 
träufeln  und  alles  verschwindet  wieder  nach  4—5  Stunden.  Bei 
I  yphuskranken  ist  die  Reaktion  viel  ausgeprägter,  erreicht  ihr  Maxi¬ 
mum  nach  6 — 12  Stunden  und  hält  bis  zum  nächsten  Tag  an:  man  kon¬ 
statiert  Röte,  I  ränenträufeln  und  die  Bildung  eines  sero-fibrinösen 
Exsudats.  Manchmal  bleibt  auf  dem  betreffenden  Auge  die  Reaktion 
noch  nach  2  3  1  agen  sichtbar.  Diese  Reaktion  ist  übrigens  mit 
keinerlei  Nebenerscheinung  verbunden,  weder  Temperatur  noch  All¬ 
gemeinzustand  sind  verändert.  Ob  die  Ophthalmodiagnose  ein  sehr 
fiiihzeitiges  Zeichen  des  I yphus  ist,  vermag  Ch.  noch  nicht  zu  sagen; 
immerhin  weist  das  Auge  des  Kaninchens,  dem  man  48  Stunden  vorher 
Iyphusbazillen  subkutan  injiziert  hat.  eine  völlig  positive  Reaktion 
auf,  es  handelt  sich  also  um  ein  unschädliches  und  rasche  Resultate 
gebendes  diagnostisches  Mittel. 

Zur  Pathogenese  der  Wanderniere  und  der  Ptosis  im  allgemeinen. 

K  e  *  e  r  s*aub*  n>cht-  wie  Lucas-Championniere, 
c  ass  die  Nephroptose  eine  Folge  der  Enteroptose  sei,  sondern  dass 
beide  zusammen  entstehen  und  eine  gemeinsame  Ursache  haben, 

\\  eiche  in  primärer  funktioneller  Störung  des  Nervensystems  beruht. 
Dei  Tonus  der  Bauchmuskeln  wird  unter  diesem  Einfluss  erschlafft 
und  führt  die  verschiedenen  Arten  von  Ptosis  herbei.  Bei  Individuen 
mit  nervöser  —  erworbener  oder  kongenitaler  —  Disposition  be¬ 
obachtet  man  daher  besonders  die  Ptosis.  Man  darf  aus  diesem 
Grunde  nicht  erstaunt  sein,  bei  Individuen  mit  Wanderniere  Geistes¬ 
störungen  und  Schmerzerscheiinungen  zu  finden,  die  nicht  im  Ver¬ 
hältnis  zum  Grade  der  Veränderungen  stehen.  Die  chirurgische  Be¬ 
handlung  mit  Fixierung  der  Niere  gibt  zweifellos  dauernde  Resultate; 
bevor  man  aber  daran  geht,  sollte  man  den  Versuch  mit  einem  Korsett 
machen,  das  bis  zui  Scham  reicht,  den  Hüften  sich  anschmiegt  und 
mich  oben  bis  unterhalb  des  Magens  geht.  Sehr  oft  genügt  diese 
letztere  Behandlungsmethode.  '  st'. 


Society  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  12.  Juli  1907. 

Die  tuberkulöse  Augenreaktion  bei  Kindern. 

Comby  hat  die  Angaben  Calmettes  über  die  Diagnose  der 

1  uberkulose  durch  die  Ophthalmoreaktion  auf  Tuberkulin  an  16  Kin¬ 
dern,  welchen  er  je  1  Tropfen  einer  Tuberkulinlösung  (1:100)  ins 
Auge  träufelte,  nachgeprüft.  Von  diesen  reagierten  8  positiv,  8  nicht. 

2  der  letzteren  starben  einige  Tage  nach  der  Instillation  an  Mascrn- 
Lneumonie)  und  zeigten  keinerlei  tuberkulöse  Veränderung.  Bei  den 
8  Kindern  mit  positiver  Reaktion  —  mehr  weniger  intensive  Kon¬ 
gestion  der  Conjunctiva  palpebralis  und  ocularis  8  Tage  hindurch 

wai  die  Reaktion  von  keiner  Störung  des  Allgemeinbefindens  oder 
von  Fieber  begleitet.  In  zwei  Fällen  war  die  Kongestion  sehr  inten- 
siv:  I  ränenträufeln,  fibrinöseitrige  Absonderung,  entzündliches 
Uedem.  Um  solche  Stärke  der  Reaktion  zu  vermeiden,  schlägt 
Lo  mby  vor,  nur  1  I  ropfen  einer  1:200  Lösung  einzuspritzen.  Die 
C  phthalmoreaktion  scheint  ihm  ein  bequemes,  unschädliches  und  ab¬ 
solut  sicheres  Mittel  zu  sein,  um  verborgene  Tuberkulose  an  den  Tag 
zu  bringen,  und  kann  sowohl  bei  Fieberlosen  wie  Fiebernden  ange- 

Sie  übertrifft  d'e  nicht  sichere  Hautreaktion  und  die 
schmerzhafte  Subkutanreaktion. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  13.  Mai  1907. 


diiucruiere. 


H.  Mackenzie  hat  im  Krankenhause  annähernd  4000  Pa¬ 
tienten  mit  und  ohne  diesbezügliche  Symptome  auf  das  Vorhanden¬ 
sein  einei  abnormen  Beweglichkeit  der  Nieren  untersucht  Er 
unterscheidet  zwischen  einer  palpablen  Niere  und  einer  abnorm  be¬ 
weglichen.  Er  redet  von  abnormer  Beweglichkeit,  wenn  man  mit 
der  tastenden  Hand  vollständig  den  oberen  Rand  der  Niere  umgreifen 
kann  das  Ranze  Organ  somit  palpieren  kann.  Unter  einer  palpablen 
leie  versteht  er  eine  solche,  die  zwar  in  kleinerer  oder  grösserer 
Ausdehnung  befühlt  werden  kann,  aber  keine  Dislozierung  und  Um¬ 
greifen  des  oberen  Randes  zulässt.  Es  wurden  2801  weibliche 
Kranke  in  verschiedenen  Lebensaltern  und  1067  männliche  untersucht. 
Unter  ersteren  fanden  sich  449  Fälle  mit  palpabler  und  515  mit  be¬ 
weglicher  Niere.  Unter  dem  männlichen  Material  fanden  sich  nur 
^ 6  Palpable  Nieren.  Man  hatte  demnach  beim 

weiblichen  Geschlecht  18  4  Proz.  bewegliche  Nieren  und  beim  männ¬ 
lichen  nur  1  von  Hundert.  Die  Beweglichkeit  betraf  nur  einmal  die 
linke  Seite  allein,  dagegen  476  mal  bloss  die  rechte  Niere  und  49  mal 
oeide  zugleich.  Die  untersuchten  Fälle  waren  teils  wegen  Lungen- 
Jmden,  teils  wegen  Beschwerden  seitens  der  Abdominalorgane  und 
anderer  Leiden  ins  Krankenhaus  aufgenommen  worden.  Man  konnte 
v.on  feiner  Krankheit  nachweisen,  dass  sie  besonders  geeignet  sei 
eine  Nierensenkung  herbeizuführen.  Auch  konnte  der  Gravidität  ein 
Einfluss  in  dieser  Beziehung  durch  diese  Nachforschungen  nicht  nach¬ 
gewiesen  werden.  Betreffs  der  Symptomatologie  ist  zu  bemerken, 
dass  unter  526  Fällen  mit  unzweifelhaft  abnorm  beweglicher  Niere 
wenigstens  411  keinerlei  subjektive  Empfindung  davon  hatten.  Die 
gewöhnlichste  Erscheinung  ist  ein  schwerer,  ziehender  Schmerz  in 
der  Lendengegend,  welcher  durch  Ruhe  zum  Verschwinden  gebracht 
wird.  In  therapeutischer  Beziehung  ist  namentlich  irgend  eine 
^  tiitze  zu  empfehlen.  Chirurgische  Eingriffe  haben  nur  in  etwa 
57  Proz.  der  operierten  Fälle  einen  Erfolg  erzielt. 


V.  Bonney  betont  die  Zweckmässigkeit  einer  Untersuchung 
der  Kranken  in  aufrechter  Stellung.  Das  Mass  der  Beschwerden 
stehe  nicht  immer  im  Verhältnis  zu  dem  Grade  der  Beweglichkeit. 
Ausschlaggebend  sei  dabei  hauptsächlich  die  Spannung  des  Stieles" 
der  Niere.  Man  kann  sicher  auf  Spannung  schliessen,  wenn  die" Niere 
schräg  steht  und  bei  der  Exspiration  nicht  in  die  normale  Stellung 
zurückgleitet. 


F.  de  Havilland  Hall  hält  auch  eine  Operation  für  zwecklos 
bei  der  Mehrzahl  dieser  Fälle;  dagegen  kann  man  mit  .einer  zweck¬ 
mässigen  Ernährung  viel  erreichen. 

H.  W.  Wilson  hat  die  Nachgeschichte  von  60  in  St.  Bar- 
tholemews  Hospital  operierten  Fällen  verfolgt.  Bei  40  Proz.  konnte 
von  einer  Heilung  gesprochen  werden.  Seiner  Erfahrung  nach,  die 
er  durch  Experimente  an  Katzen  bestätigt  gefunden  hat,  empfiehlt  es 
sich,  die  Kapsel  von  der  Niere  abzuziehen.  Der  Erfolg  ist  dabei 
besser  als  bei  der  einfachen  Fixation. 

L.  B.  Rawling  stimmt  dem  Vorredner  zu  inbezug  auf  die 
Prognose  sowohl,  wie  betreffs  der  Nützlichkeit  der  Entkapselung. 
Man  muss  das  Organ  dann  möglichst  hoch  am  oberen  Rande  der  12. 
Rippe  annähen. 

S.  West  weist  auf  den  Wert  des  Lagewechsels  als  dia¬ 
gnostisches  Hilfsmittel  hin. 


3.  September  190?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1805 


C.  M.  Howell  hat  auch  gefunden,  dass  multiple  Graviditäten 
wenig  Bedeutung  in  der  Aetiologie  der  Affektion  zu  haben  scheinen. 
Bei  akuten  Fällen  oder  beim  Vorhandensein  von  Abnormitäten  am 
Urin  hält  er  die  Operation  für  angezeigt. 

Einige  Herzaffektionen  ohne  Nebengeräusche. 

W.  Broadbent  besprach  zu  diesem  Thema  namentlich  die 
Myokarditis,  die  trübe  Schwellung  und  die  fettige  Degeneration.  Bei 
der  erstgenannten  Affektion  findet  man  erhöhte  Pulsfrequenz,  Tem¬ 
peratursteigerung  und  etwas  Ventrikelerweiterung,  namentlich  der 
rechten  Seite.  Bei  leichter  Chorea  und  bei  Rheumatismus  wird  der 
Zustand  oftmals  unbeachtet  gelassen;  die  nötige  Bettruhe  wird  nicht 
beobachtet,  und  die  Folge  ist  eine  dauernde  Schädigung  des  Herzens. 
Die  trübe  Schwellung  ist  die  gewöhnlichste  Veränderung  am  Herz¬ 
muskel,  die  häufige  Begleiterscheinung  fieberhafter  Krankheiten,  so 
namentlich  des  Abdominaltyphus,  der  Diphtherie,  Pneumonie  etc. 
Als  wichtigste  Symptome  werden  angeführt:  eine  fortschreitende 
Abschwächung  und  Verkürzung  des  ersten  Tones,  erhöhte  Schnellig¬ 
keit  der  Herzaktion  und  Verschwinden  des  Iktus,  bei  ernsteren  Fällen 
ist  eine  Verschmelzung  oder  wenigstens  eine  Annäherung  des  ersten 
und  zweiten  Tones  wahrzunehmen.  Bei  Influenza  sieht  man  häufig 
diese  Komplikation  schnell  eintreten  und  eine  ernste  Gefahr  bilden. 
Ebenso  sieht  man  sie,  wenn  auch  jetzt  seit  Einführung  der  Antitoxin¬ 
behandlung  seltener,  bei  Diphtherie  einsetzen  und  rasch  in  fettige 
Entartung  übergehen.  Ein  intermittierender  Puls  ist  dabei  im  febrilen 
Stadium  (ebenso  wie  bei  der  Pneumonie)  ein  Zeichen  ernster  Ge¬ 
fahr.  Schon  eine  etwas  erheblichere  Ausdehnung  des  Magens  oder 
des  Querdarmes  kann  durch  Druck  gegen  das  Herz  eine  lebensgefähr¬ 
liche  Störung  in  der  Herztätigkeit  bewirken.  Das  gleiche  gilt  in  noch 
höherem  Masse  für  Fälle  von  fettiger  Entartung,  wie  solche  bei 
akuten  Erkrankungen,  Diphtherie  z.  B.  und  akuter  gelber  Leber¬ 
atrophie  eintritt.  Diese  Herzaffektion  kann  aber  auch  im  Verlauf  von 
chronischen  Leiden,  1  uberkulose,  Karzinom,  namentlich  abei  im 
höheren  Lebensalter  durch  Verlegung  der  Koronararterien  eintreten. 
Die  bekannten  Symptome  sind  Kurzluftigkeit,  Schmerz  in  der  Herz¬ 
gegend,  Schwindel,  Angstgefühl,  oder  auch  epileptiforine  Attaken  und 
Bradykardie.  Der  Puls  ist  meist  klein  und  unterdrückbar.  Iktus 
schwach,  Töne,  namentlich  der  erste,  leise.  Neben  ruhiger  Lebens¬ 
weise  empfiehlt  Redner  eine  zweckmässige  Massage  des  Abends  und 
leichte,  nicht  zn  lange  ausgedehnte  Kuren  mit  Jod,  Strychnin 
und  anderen  tonisierenden  Mitteln. 

S.  West  weist  auf  die  Bedeutung  der  Perkussion  für  die  Dia¬ 
gnose  der  Herzschwäche  hin. 

F.  J.  Poynton  hat  öfters  bei  Tieren,  welche  mit  dem  Diplo- 
coccus  rheuinaticus  infiziert  worden  waren,  Herzschwäche  und 
Dilatation  ohne  irgend  welche  Affektion  der  Klappen  eintreten  sehen. 
In  therapeutischer  Hinsicht  empfiehlt  er  Adrenalin  und  Natrium 
formal.  Ph' 

Royal  Medical  and  Chirurgical  Society. 

Sitzung  vom  14.  Mai  1907. 

Ueber  Frakturen  des  Zahnfortsatzes  des  Epistropheus  (Process. 

odontoideus). 

E.  M.  Corner  wendet  sich  zunächst  gegen  die  allgemein  ver¬ 
breitete  Ansicht,  dass  beim  Erhängen  der  Tod  infolge  von  Bruch  des 
Zahnfortsatzes  herbeigeführt  werde.  In  einer  früheren  Publikation 
hat  er  schon  nachgewiesen,  dass  dabei  eine  Stelle  weiter  unten  an 
der  Halswirbelsäule  betroffen  ist.  Um  weitere  Anhaltspunkte  zu  ge¬ 
winnen,  hat  C.  alle  in  den  verschiedenen  Museen  ihm  zu  Gebote 
stehenden  Präparate  untersucht.  Aus  diesen  Untersuchungen  und  den 
Aufzeichnungen  in  der  Literatur  sind  folgende  Schlüsse  zu  ziehen: 
es  ist  ganz  gut  möglich,  dass  der  Zahnfortsatz  frakturiert  wird,  ohne 
dem  Patienten  weitere  Beschwerden  als  Nackensteifigkeit  und  etwas 
Schmerzen  zu  verursachen.  Lähmungen,  Anästhesie  und  andere 
Symptome  seitens  des  Rückenmarks  können  vollständig  fehlen,  Lotz- 
dem  ein  durch  Röntgenstrahlen  sicher  nachzuweisender  Bruch  des 
Zahnfortsatzes  besteht.  Falls  die  Verletzung  rechtzeitig  erkannt 
und  dementsprechend  behandelt  wird,  kann  auf  Heilung  ohne  weitere 
Störungen  gerechnet  werden.  Am  besten  gelingt  die  Röntgenauf¬ 
nahme  bei  geöffnetem  Munde;  im  allgemeinen  gehört  aber  keine  ge¬ 
ringe  Uebung  in  der  Radiographie  dazu,  um  Verletzungen  der  Wirbel¬ 
säule  richtig  zu  deuten.  Am  meisten  gefährdet  sind  uaturbch  me- 
jenigen  Fälle,  bei  denen  bei  Mangel  an  spinalen  Symptomen  der  Bruch 
unerkannt  bleibt.  *  Hier  ist  der  momentan  eintretende  J  od  das  natur- 
gemässe  Resultat  noch  nach  längerem  anscheinenden  Wohlbefinden. 
Es  ergibt  sich  hieraus  die  dringende  Notwendigkeit  allen  Ver¬ 
letzungen'  dieser  Art  eine  sorgfältige  Röntgenuntersuchung  ange- 

dedien  zu  lassen.  erwähnt  2  Fälle  von  Bruch  des  Zahnfortsatzes, 

bei  denen  die  Patienten  beide  etwa  5  Monate  ohne  Beschwerden 
arbeiteten,  bis  sie  plötzlich  Lähmungserscheinungen  darboten  und 
schnell  zu  Grunde  gingen.  P  h  i  1  i  p  p  i  -  Salzschlirf. 


Aus  italienischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Medizinische  Akademie  zu  Rom. 

Sitzung  vom  27.  Januar  1907. 

Almagiä  und  Men  des:  Ueber  Behandlung  des  Tetanus  mit 
Choleistearin. 

Die  Autoren  berichten  über  2  Fälle,  in  welchen  die  Wirkung 
eine  deutliche  war.  Im  ersten  Falle  waren  5  Millionen  Immunitäts¬ 
einheiten  Tizzoni  sehen  Serums  ohne  Wirkung  geblieben.  Täg¬ 
liche  Injektionen  von  1,5  Cholestearin  15  Tage  lang  führten  Heilung 

herbei.  , 

Im  zweiten  Falle  wurden  innerhalb  19  Tagen  17  g  Cholestearin 
injiziert.  Das  Mittel  fand  seine  Anwendung  auf  grund  von  Tierver¬ 
suchen.  Weitere  Erfolge  bleiben  abzuwarten. 

Societä  Lancisiana  in  Rom. 

Sitzung  vom  6.  April  1907. 

De  Sanctis:  Ueber  Mongolismus. 

Der  Typus  mongolicus,  vom  englischen  Autor  Down  vor  40 
Jahren  festgestellt,  ist  erst  spät  von  französischen,  deutschen  unld 
italienischen  Berichterstattern  berücksichtigt.  Er  ist  eine  Form  des 
Infantilismus,  von  welchem  De  Sanctis  in  Rom  14  Fälle  beobachtet 
hat  Die  somatischen  Kennzeichen  solcher  Idioten  sind  zu  suchen  in 
erster  Linie  in  der  Kopfform,  der  Form  der  Nase,  des  Ohres,  der 
Zunge  und  der  Hand.  Man  erkennt  ihn  an  der  Gesamtphysiognomie, 
welche  den  Typus  der  mongolischen  Rasse  trägt. 

Die  Pathogenese  ist  noch  dunkel.  De  Sanctis  fand  als  ur¬ 
sächliche  Momente  hereditäre  Syphilis,  Tuberkulose,  Adenoismus, 
oft  auch  Hypothyreoidie,  aber  die  myxomatösen  Symptome  gesellen 
sich  hinzu  und  decken  sich  nicht  mit  dieser  Krankheitsform  soweit, 
dass  man  sagen  kann,  sie  sei  eine  klinische  Form  des  Hypothyreoi¬ 
dismus.  T„.  ,  „  ,, 

Die  Prognose  ist  immer  schwer.  Kinder  dieses  Typus  haben 
wenig  Lebenskraft  und  selten  werden  sie  über  25  Jahre  alt.  In¬ 
dessen  hat  sich  De  Sanctis  überzeugt,  dass  die  Schilddrüsen¬ 
behandlung  hinzugesellte  Symptome  von  Myxödem  günstig  beein¬ 
flusst  und  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  auch  das  Wachstum  des 
Körpers  fördert.  Die  vorteilhaftesten  Kuren  ausser  der  Schild¬ 
drüsenbehandlung  sind  immer  die  Jod-  und  Arsenikbehandlung. 

Medizinische  Akademie  zu  Turin. 

Sitzung  vom  19.  April  1907. 

Percival:  Ueber  Maretin. 

Er  hat  von  demselben  bei  Fieber  weitgehendsten  uebrauch  ge¬ 
macht,  namentlich  bei  Typhus.  Er  bediente  sich  einer  Dosis  von 
0  25  zwei-  bis  dreimal  am  Tage,  sobald  die  Temperatur  über  39,5 
stieg.  Die  Temperaturminderung  betrug  bisweilen  bis  3  und  hielt 
sich  5 — 12  Stunden  niedrig  ohne  Kollaps.  Desgleichen  verminderte 
sich  die  Puls-  und  Atmungsfrequenz.  ... 

Im  Gegensatz  zu  dieser  günstigen  Wirkung  berichtet  P.  über 
6  Fälle  in  welchen  er  hämolytische  Erscheinungen  nach  dem  Mittel 
mit  Auftreten  von  Ikterus  beobachtete,  von  welchen  einer  tödlich 
verlief. 

Er  schliesst  daraus,  dass  das  Maretin  eine  hämolytische,  zu 
schwerer  Anämie  führende  Wirkung  haben  kann:  deshalb  ist  es 
mit  Vorsicht  zu  gebrauchen  und  nicht  als  ein  ideales  Antipyretikum 
anzusehen. 

Battistini:  Ueber  febrile  Azetonurie. 

B.  teilt  die  Untersuchungen  Colombos  mit,  welcher  Azeton 
im  Urin  fast  aller  fieberhaften  Kranken  fand.  Die  Einfuhr  von  Kohlen¬ 
hydraten  unter  der  Form  von  Syrup.  simpl.  100  150  g  pro  die  be¬ 
seitigte  das  Azeton  in  fast  allen  Fällen.  ,  , 

B.  erörtert  die  beiden  über  das  Auftreten  von  Azeton  herrschen- 

dC11  ^Die  Azetonurie  rührt  daher,  dass  die  Kranken  gezwungen  sind 
das  Eiweiss  der  eigenen  Gewebe  zu  benutzen,  wenn  sie  sich  nicht 
mit  einem  genügenden  Ouantum  von  Kohlenhydraten  «ähren. 

2.  Die  Azetonurie  rührt  von  einer  Vergiftung  des  Protoplasmas 
her,  dessen  normale  Stoffwechselfunktionen  eine  Veränderung  er- 

leiden  ,  • 

Die  Untersuchungen  Colombos  würden  der  ersten  Theorie 

Recht  geben  und  damit  würde  der  Ernährung  von  Fieberkranken  mit 
Kohlenhydraten  ein  erhöhter  Wert  beigelegt  werden  müssen. 

Gesellschaft  für  Medizin  und  Naturwissenschaften  zu  Cagliari. 

Sitzung  vom  13.  April  1907. 

Todde  und  Mura  teilen  aus  der  Kinderpraxis  ihre  Versuche 
über  Chinin.  tannic.-Schokolade  mit:  gesammelt  bei  malaria- 
kranken  Kindern  von  1 — 8  Jahren.  Das  Chinin  in  dieser  Form  hat 

eine  heilende  Wirkung  bei  primärer  Malaria  wie..Je,i  ?e^1Vfn:  R‘- 
lamrsame  Wirkung  des  Tannats  ist  besonders  nützlich  bei  den  Ke 
ziSfven  Der  Gebrauch  dieser  Präparate  ist  niemals  von  Intoleranz 
betriebet  und  besserte  in  allen  Fällen  die  gastrointestinalen  Sto¬ 
rungen.  Die  Autoren  halten  diese  Präparate  für  ein  sehr  schatze^: 
wertes  Mittel  in  der  Malariapraxis  der  Kinder,  weh  sie  ger  g 
nommen  und  gut  resorbiert  werden.  (Chm.  ta  m,  -«trapsen 

Hungaric.  Ref.)  ö 


1806 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Verschiedenes, 

Therapeutische  Notizen. 

Das  synthetische  Suprarenin  wurde  von  B  i  b  e  r  f  e  1  d 
am  pharmakologischen  Institut  zu  Breslau  auf  seine  pharmakolo¬ 
gischen  Wirkungen  untersucht.  Es  zeigte  sich  in  seiner  Wirkung 
dem  aus  Nebennieren  gewonnenen  Präparat  identisch;  die  stärkere 
und  gleichmässigere  Wirkung  des  synthetischen  Präparates  scheint 
auf  die  absolute  chemische  Reinheit  zurückzuführen  zu  sein.  Man 
kann  dasselbe  in  der  benötigten  Menge  vor  dem  Gebrauch  auf¬ 
kochen,  ohne  dadurch  seine  Wirkung  zu  beeinträchtigen.  In  Bezug 
auf  blutdrucksteigernde,  gefässverengernde,  pupillenerweiternde,  diu- 
retische  und  toxische  Wirkung  besteht  zwischen  dem  chemischen 
und  dem  aus,  Organen  gewonnenen  Suprarenin  keine  Differenz.  An¬ 
wendung  findet  das  synthetische  Suprarenin  in  fast  allen  Zweigen 
der  Medizin.  In  der  Augenheilkunde  in  Verbindung  mit  einem 
Lokalanästhetikum  bei  Episkleritis,  Frühjahrskatarrh,  chronischer 
Konjunktivitis,  Iritis,  Glaukom,  bei  Operationen.  In  der  Oto- 
Rhino-Laryngologie  bei  Tubenkatarrh  und  blutenden  Mittel¬ 
ohrpolypen,  bei  Operationen  in  der  Nase,  bei  Nasenbluten,  Heufieber. 
Nebenhöhlenempyemen,  auch  zu  diagnostischen  Zwecken,  um  die 
tieferen  Teile  der  Nase  besser  sichtbar  zu  machen,  ferner  bei  Ope¬ 
rationen  am  Larynx.  In  der  Chirurgie  als  Zusatz  zu  Anästhetizis, 
welche  zur  Infiltrations-,  zentralen  Leitungs-  und  Medullaranästhesie 
Verwendung  finden;  dann  bei  lebensgefährlichen  Blutungen  zur  Tam¬ 
ponade.  In  der  Urologie  bei  Blasengeschwülsten,  Blutungen  und 
Strikturen.  In  der  Gynäkologie  bei  Uterusblutungen  infolge 
von  Endometritis  oder  Fibromen.  In  Fällen  von  Magen-  und 
Darmblutungen.  In  der  Ohren  -  und  Nasenheilkunde 
sowie  in  der  Chirurgie  verwendet  man  Lösungen  von  1  :  1000 
bis  1:5000;  in  den  Konjunktivalsack  braucht  man,  um  Anämie  zu 
erzeugen,  nur  einige  Tropfen  der  Lösungen  von  1  : 5000  bis  1  :  10  000 
einzubringen.  Bei  Blasenblutungen  verwendet  man  die  Lö¬ 
sung  von  1  :  10  000.  Zu  subkutanen  Injektionen  werden  als  Maximal¬ 
dosis  Vs  cem  einer  1  prom.  Lösung  genommen,  bei  Magendarm¬ 
blutungen  20 — 30  Tropfen  dieser  Lösung.  Das  synthetische  Su¬ 
prarenin  wird  von  den  Farbwerken  in  Höchst  als  salzsaures  Salz 
in  steriler  Lösung  1  :  1000  unter  der  Bezeichnung  S  o  1  u  t  i  o  Su¬ 
prarenin.  hydrochlor.  s  y  n  t  h  e  t  i  c  i  in  Fläschchen  zu  5  und 
10  ccm  in  den  Handel  gebracht.  (Pharm.  Ztg.  No.  45,  1907.)  F.  L. 

Haltbare  Adrenalinlösungen  erhält  man  nach  Fin¬ 
ne  m  o  r  e  aus  Adrenalin  0,1,  Alcohol.  trichlorbutylic.  0,5,  Natr.  chlorat. 
0,9,  Acid.  hydrochlor.  dil.  0,25,  Acid.  sulfuros.  0,25,  Aqu.  ad  100,0. 
Man  kocht  das  Wasser  2—3  Minuten  lang,  kühlt  es  ab  und  löst  in  der 
ziemlich  kalten  Flüssigkeit  den  Trichlorbutylalkohol  und  das  Chlor¬ 
natrium.  Zu  25  ccm  dieser  nunmehr  gänzlich  erkalteten  Lösung  gibt 
man  nacheinander  die  beiden  Säuren  und  das  Adrenalin,  schüttelt  bis 
zur  Lösung  gut  durch  und  fügt  den  Rest  der  Natriumchloridlösung  zu. 
(Pharm.  Ztg.  No.  42,  1907.)  F.  L. 

Ueber  das  Jothion  berichtet  Erich  Richter  in  einer 
Dissertationsarbeit  aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Kiel  (Diss., 
Kiel  1907).  Das  von  den  Elberfelder  Farbwerken  im  Jahre  1902  her¬ 
gestellte  Präparat  enthält  ca.  80  Proz.  Jod  in  organischer  Bindung 
und  stellt  eine  schwach  gelblich  gefärbte,  durchsichtige  ölartige 
Flüssigkeit  mit  schwachem  Jodgeruch  dar;  es  ist  fast  unlöslich  in 
Wasser,  löslich  in  Alkohol,  Oelen,  Glyzerin  und  den  üblichen  orga¬ 
nischen  Lösemitteln.  Am  schnellsten  wird  reines  Jothion  oder  eine 
Glyzerin-Alkohol-Lösung  resorbiert,  während  sich  bei  Anwendung 
eines  Salbengemisches  die  Resorption  verzögert.  Der  Schnelligkeit, 
mit  der  die  Resorption  des  Jothion  vor  sich -geht,  entspricht  auch  die 
Gründlichkeit,  mit  der  dies  geschieht.  Es  ist  nicht  nötig,  zur  Appli¬ 
kation  grosse  Mengen  des  Medikamentes  an^uwenden,  sondern  schon 
bei  ganz  kleinen  Mengen  erfolgt  eine  deutliche  Aufnahme  von  Jod 
in  den  Organismus.  Es  genügt  zu  einer  Jodbehandlung,  dass  man 
dem  Patienten  ca.  3 — 5  g  einer  50  proz.  Jothionlösung  alle  2  Tage 
einreibt,  womit  man  eine  gründliche  Jodüberschwemmung  des  Orga¬ 
nismus  erreichen  kann.  Es  fehlen  störende  Nebenwirkungen  bei  der 
Anwendung  des  Jothion.  Ausserdem  ist  mit  Sicherheit  festgestellt 
worden,  dass  das  Jothion  bedeutend  leichter  vertragen  wird  als  Jod- 
kali.  Da  bei  Einreibung  in  reinem  Zustande  oder  mit  Glyzerin  und 
Alkohol  verdünnt,  an  der  Einreibungsstelle  Brennen  auftreten  kann 
benützt  man  eine  Mischung  von  Jothion  und  Lanolin  zu  gleichen 
Teilen,  wodurch  alle  Reizerscheinungen  vermieden  werden.  Indi- 
zieit  ist  das  Mittel  bei;  tertiär  syphilitischen  Prozessen,  Ge¬ 
schwüren,  gummösen  Knochenaffektionen,  ebenso  auch  bei  chro¬ 
nischen  inneren  Erkrankungen,  wie  Asthma  bronchiale,  Bronchitis 
sicca,  wobei  es  günstig  wirkt,  indem  das  Sekret  sich  besser  löst  und 
der  Schwellungszustand  der  Schleimhaut  nachlässt.  Weiter  ist  auch 
iiir  die  'Iherapie  der  Arteriosklerose  mit  ihren  Folgezuständen  ein 
Erfolg  einer  Jothionbehandlung  zu  erwarten.  L 

In  einer  Arbeit  aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Kiel  berichtet 
Jakob  M  o  o  g  über  die  therapeutische  Verwendung  der 
Stauungshyperämie  bei  akuter  Osteomyelitis 
(Dissertation  Kiel  1907,  24  S.,  Druck  von  H.  F  i  e  n  c  k  c).  Vergleicht 


man  die  erzielten  Heilerfolge  mit  den  so  allgemein  befriedigenden 
bei  Panaritien,  Phlegmonen,  Furunkeln,  Karbunkeln,  Abszessen,  bei 
Mastitis  etc.,  so  ist  ersichtlich,  das  die  Stauungshyperämie 
bei  der  akuten  Osteomyelitis  nicht  die  Erwar¬ 
tungen  erfüllt,  wie  sie  es  bei  den  meisten  anderen  eitrigen 
Entzündungen  tut.  Vielleicht  reagieren  ganz  frische  Fälle  besser; 
leider  kommen  die  meisten  Fälle  aber  erst  nach  mehrtägiger,  selbst 
wochenlanger  Erkrankung  zur  Behandlung.  F.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  2.  September  1907. 

—  Die  in  vor.  Nummer  bereits  erwähnte  Resolution  des 
Zentralverbandes  von  Ortskrankenkassen  im 
Deutschen  Reiche  gegen  die  freie  Arztwahl  hat  nach 
Med.  Reform  folgenden  Wortlaut: 

„Die  14.  Jahresversammlung  von  Ortskrankenkassen  im  Deut¬ 
schen  Reich  in  Mannheim  erklärt  in  Uebereinstimmung  mit  den  Aus¬ 
führungen  ihres  Referenten  über  das  Verhältnis  der  Krankenkassen 
zu  den  Aerzten,  dass  sie  sich  nach  wie  vor  zu  den  Leitsätzen  bekennt, 
welche  in  der  Resolution  des  Allgemeinen  Kongresses  der  Kranken¬ 
kassen  Deutschlands  im  Jahre  1904  niedergelegt  sind. 

Der  grosse  Kampf,  welcher  sich  seither  in  Leipzig,  Köln,  Mün¬ 
chen,  Solingen  und  Remscheid  und  vielen  anderen  Orten  des  Deut¬ 
schen  Reiches  zwischen  den  Aerzten  und  den  Krankenkassen  ab¬ 
spielte,  liefert  der  Jahresversammlung  den  unumstösslichen  Beweis, 
dass  unter  der  gegenwärtig  gültigen  Gesetzgebung  den  Aerzten 
eine  Machtvollkommenheit  eingeräumt  ist,  durch  welche  die  Kranken¬ 
kassen  in  Streitfällen  denselben  willenlos  unterworfen  werden.  Da¬ 
durch  wird  nicht  nur  die  finanzielle  Leistungsfähigkeit  der  Ortskran¬ 
kenkassen  aufs  schwerste  erschüttert  und  die  Selbstverwaltung  in 
Frage  gestellt,  sondern  es  werden  die  Krankenkassen  auch  mehr 
und  mehr  ihren  örtlichen  sozialen  Aufgaben  entzogen.  Machen  die 
Aerzte  doch  heute  bereits  an  vielen  Orten  die  Erhöhungen  der 
Leistungen  der  Krankenkassen  von  der  vorherigen  Erfüllung  der 
ärztlichen  Forderungen  abhängig.  Die  Jahresversammlung  prote¬ 
stiert  deshalb  nicht  nur  auf  das  entschiedenste  gegen  die  Absicht, 
die  freie  Arztwahl  gesetzlich  allgemein  einzuführen  und  erachtet 
nach  wie  vor  die  Wahl  des  Systems  der  ärztlichen  Versorgung  als 
Aufgabe  der  einzelnen  Kassen  und  Verbände,  sondern  sie  fordert 
auch  eine  Aenderung  der  sich  auf  den  ärztlichen  Beruf  erstreckenden 
Bestimmungen  der  Gewerbeordnung,  so  lange  die  Krankenkassen 
zur  Gewährung  ärztlicher  Hilfeleistung  gezwungen  werden  und  so¬ 
mit  den  Aerzten  gegenüber  willenlos  gemacht  sind.  Der  Staat,  der 
den  Krankenkassen  die  Gewährung  dieser  Leistungen  direkt  aufer¬ 
legt,  muss  auch  gesetzlich  für  die  Möglichkeit  dieser  Erfüllung  da¬ 
durch  Sorge  tragen,  dass  er  die  Bezahlung  einer  staatlichen  Minimal¬ 
taxe  zur  ärztlichen  Hilfeleistung  gegenüber  den  Krankenkassenmit- 
gliedern  regelt.  Gegenüber  den  Tatsachen,  dass  Millionen  Versicher¬ 
ter  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  kann  es  nicht  verfangen,  dass 
die  Majorität  der  deutschen  Aerzteschaft  aus  dieser  Forderung  einen 
Eingriff  in  die  Gewerbefreiheit  ableitet.  Genau  wie  die  Versicherten 
müssen  sich  die  Aerzte  darüber  klar  sein,  dass  die  Rechte,  welche 
ihnen  durch  das  Krankenkassengesetz  zugesprochen  sind,  notwendi¬ 
gerweise  auch  die  Uebernahme  von  Pflichten  in  sich  schliessen.  Die 
Jahresversammlung  macht  schliesslich  den  Krankenkassenvor¬ 
ständen  wie  den  Verwaltungsbeamten  zur  Pflicht,  keine  Gelegenheit 
vorübergehen  zu  lassen,  um  das  reiche  Material,  das  sich  im  Kampfe 
mit  den  Aerzten  angesammelt  hat,  zur  Kenntnis  der  Versicherten 
zu  bringen.  Die  vorsitzfiihrende  Kasse  wird  beauftragt,  sich  mit 
den  einzelnen  Krankenkassen  bezw.  mit  den  Verbänden  deshalb  ins 
Einvernehmen  zu  setzen.  Insbesondere  sollen  die  Jahresergebnisse 
der  Krankenkassen  nach  den  verschiedenen  ärztlichen  Systemen  zu¬ 
sammengestellt  und.  nicht  nur  den  angeschlossenen  Kassen,  sondern 
auch  dem  Bundesrat  und  dem  Reichstag  unterbreitet  werden.  Die 
Jahresversammlung  erklärt  schliesslich,  dass  sie  sich  von  jeder  prin¬ 
zipiellen  Aerztefeindschaft  frei  weiss  und  anerkennt,  welche  grosse 
Aufgaben  der  Aerzteschaft  auf  dem  Gebiete  der  Arbeiterversiche¬ 
rung.  der  Schule  und  Gewerbehygiene,  bei  der  Fabrik-  und  Woh¬ 
nungskontrolle  noch  bevorstehen.  In  allen  diesen  Fragen  darf  aber 
das  Interesse  der  versicherungspflichtigen  Bevölkerung  nicht  zu¬ 
gunsten  eines  einzelnen  Standes  geschädigt  werden. 

—  Dem  Bundesrat  ist  eine  Novelle  zur  Gewerbeord¬ 
nung  zugegangen,  durch  welche  einige  wichtige  sozial-hygienische 
Forderungen  verwirklicht  werden  sollen,  nämlich  die  Beschränkung 
der  Nachtarbeit  der  Frauen,  die  Einführung  des  zehnstündigen  Arbeits¬ 
tages  für  Fabrikarbeiterinnen  und  die  Gewerbeaufsicht  über  die  Heim¬ 
arbeit. 

—  In  Schöneberg  b.  Berlin  haben  die  für  die  städtischen  Mittel¬ 
und  Volksschulen  angestellten  Schulärzte  um  Erhöhung 
ihrer  Vergütung,  die  1000  M.  jährlich  beträgt,  gebeten,  da 
diese  Vergütung  mit  den  von  ihnen  zu  leistenden  Arbeiten  nicht  im 
Einklang  stände.  Der  Magistrat  ist  nach  Prüfung  dieses  Antrages 
zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die  auf  Grund  der  bisher  gel- 
tenc^n  t>chula,fztoj'dnung  von  den  Schulärzten  ausgeübte  Tätigkeit 
ohne  Nachteil  der  Schule  sich  in  wesentlichen  Punkten  vermindern 
lässt  und  dass  dann  die  jetzt  gezahlte  Vergütung  für  die  noch  übrig 


GJ. 


September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1  so: 


bleibende  Tätigkeit  als  angemessen  angesehen  werden  kann.  In 
diesem  Sinne  soll  denn  auch  eine  Abänderung  der  bestehenden  _  chul- 

arztordnung  vorgenommen  werden.  (Voss.  Ztg.) 

—  Unter  der  in  voriger  Nummer  abgedruckten  P  r  o  t  e  s  t  - 
erklärung  bayerischer  Bahnärzte  fehlt  der  Name  des 
Herrn  Dr.  Mehler  -  Qeorgensgemiind.  Es  sind  also  12  bayerische 
Bahnärzte,  die  für  die  freie  Arztwahl  Farbe  bekannt  haben. 

_ Oie  Aeusserung,  dass,  wenn  man  aufhöre  gegen  die  Bahnarzte 

mit  Oewalt  vorzugehen,  die  freie  Arztwahl  hUde  rl  ost- 
u„d  Bahnkrankenkasse  den  Aerzten  von  selbst  als  reife 
Frucht  in  den  Schoss  fallen  werde,  wurde  in  der  ausserordentlichen 
Sitzung  der  Sektion  München  des  L.  V.  vom  30.  Januar  1.  J.  von 
Bahnarzt  Dr.  Burger  (nicht  von  Dr.  W  e  t :z .1 .t. r,  wie s  wir  m  vor. 
Nummer  schrieben)  gemacht.  Vergl.  den  Bericht  d.  W.  No.  6,  S.  3 
_  Das  deutsche  Zentralkomitee  für  Krebsfor¬ 
schung  hat  sich  an  den  Russischen  Medizinalrat  mit  dem  Vorschlag 
gewandt,  auch  in  Russland  ein  Nationales  Komitee  zur  Erforschung 
des  Krebses  zu  bilden,  welches  der  internationalen  Gesellschaft  für 
Krebsforschung  sich  angliedern  könnte.  Zur  Ausarbeitung  dieser 
Frage  wurde  eine  Kommission,  bestehend  aus  dem  Direktoi  des  In¬ 
stituts  für  Experimentalmedizin,  Prof.  Dr.  W.  P  o  d  w  y  s  s  o  t  zik  i  als 
Vorsitzendem  und  den  Mitgliedern  des  Medizinalrates  Prot.  Dr.  W. 

S  i  r  o  t  i  n  i  n  und  Dr.  A.  T  r  o  j  a  n  o  w  als  Gliedern  der  Kommission, 

niedergesetzt.  ,  „  ,  .  , 

_  Am  27.  v.  Mts.  wurde  das  biologische  Honenlabora- 

torium  auf  dem  Colle  d’Olen  (Monte  Rosa)  feierlich  eröffnet. 

_ Der  Aerztlich-hygienische  Verein  für  Eisass- 

Lothringen  hat  den  wegen  Krankheit  in  den  Ruhestand  getre¬ 
tenen  Medizinalreferenten  im  Ministerium,  Geh.  Obermedizinalrat 
Dr.  Biedert,  in  dankbarer  Anerkennung  all  seiner  Verdienste  um 
den  Verein,  insbesondere  als  langjähriges  Vorstandsmitglied  und 
Schriftführer,  zum  Ehrenvorsitzenden  ernannt. 

—  In  der  Kgl.  Frauenklinik  zu  Dresden  werden  im 
kommenden  Herbst  und  Winter  wieder  zwei  Fortbildungs- 
kursefür  Aerzte  abgehalten,  und  zwar  der  erste  vom  21.  Okto¬ 
ber  bis  29.  November,  der  zweite  vom  13.  Januar  bis  14.  Februar  1908. 

_  Hin  „Dreiwöchiger  Fortbildungskursus  für  auswärtige  prak¬ 
tische  Aerzte“  findet  an  der  Kölner  Akademie  für  praktische  Medizin 
vom  30.  September  bis  19.  Oktober  1907  statt,  (hc.) 

_ Die  Deutsche  laryngologische  Gesellschaft  halt 

ihre  Jahresversammlung  vom  15.  bis  17.  September  in  Dresden  (techn. 
Hochschule  Z.  8)  ab.  Dr.  K  u  1 1  n  e  r  wird  ein  Referat  erstatten:  Kehl¬ 
kopftuberkulose  und  Schwangerschaft. 

_ ln  Paris  (40  Boulevard  Malesherbes)  beginnt  eine  neue  chirur¬ 
gische  Monatsschrift  zu  erscheinen  unter  dem  Titel:  „Archiv  es 
generales  de  Chirurgi  e“.  Die  Redaktion  liegt  in  den  Hän¬ 
den  der  Herren  Prof.  O.  Lannelongue,  Prof,  le  Den  tu,  DDr. 
Nove-Josserand  (Lyon),  L.  Picque  und  P.  Mauclaire. 
Jede  Nummer  soll  3  Originalbeiträge,  ausserdem  Referate,  Sitzungs¬ 
berichte  etc.  enthalten.  Der  Preis  beträgt  12  fres.  für  das  Halbjahr, 

13  fres.  im  Ausland.  „  ,  .  .  ,  . 

—  Cholera.  Russland.  In  Samara  sind  vom  12.  bis  einschl. 
20.  August  weitere  64  Personen  an  der  Cholera  erkrankt;  die  Gesamt¬ 
zahl  der  Choleraerkrankungen  daselbst  wird  bis  zum  20.  August  amt¬ 
lich  auf  178,  der  Choleratodesfälle  auf  71  beziffert.  In  der  Stadt  Astra¬ 
chan  sind  vom  4.  bis  21.  August  99  Cholerafälle,  davon  38  mit  töd¬ 
lichem  Ausgang,  beobachtet  worden.  Choleraverdächtige  Erkran¬ 
kungen  sind  verschiedenen  Zeitungsnachrichten  zufolge  namentlich 
aus  dem  Eisenbahnknotenpunkte  Brest-Litewsk  des  Gouv.  Grodno 
angezeigt  worden,  doch  war  bis  zum  20.  August  durch  die  bakterio¬ 
logische  Untersuchung  Cholera  nicht  festgestellt.  Im  Gouv.  Simbirsk 
waren  laut  amtlicher  Bekanntmachung  3  choleraverdächtige  Erkran¬ 
kungen  beobachtet. 

—  Behufs-  Verhütung  der  Einschleppung  der 
Cholera  aus  Russland  hat  die  preussische  Regierung  die  ge¬ 
sundheitliche  Ueberwachung  des  Schiffahrts-  und  Flössereiverkehrs 
auf  dem  oberen  preussischen  Teile  der  Weichsel  eingeführt.  Die  ein¬ 
heitliche  Leitung  der  Massregeln  obliegt  dem  Oberpräsidenten  der 
Provinz  Westpreussen. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  11.  bis  17.  August  wurden  12  neue 
Erkrankungen  (und  5  Todesfälle)  an  der  Pest  festgestellt.  —  Hong¬ 
kong.  Vom  2.  bis  einschl.  29.  Juni  wurden  in  der  Kolonie  63  Erkran¬ 
kungen  und  58  Todesfälle  an  der  Pest,  davon  20  Krankheitsfälle  in 
der  Stadt  Viktoria,  festgestellt. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  11.  bis 
17.  August  sind  29  Erkrankungen  (und  19  Todesfälle)  angezeigt  wor¬ 
den,  davon  im  Reg.-Bez.  Köln  5  (6),  Düsseldorf  4  (2). 

—  In  der  33.  Jahreswoche  ,vom  11.  bis  17.  August  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Halle  a.  S.  mit  32,0,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit 
5,6  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Unterleibstyphus  in  Lübeck. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschuln  ach  richten.) 

Berlin.  Der  Chirurg  Prof.  Alfred  Mitscherlich  feiei te 
sein  goldenes  Doktorjubiläum.  -  Dem  Privatdozenten  für  Anatomie 
und  Assistenten  am  anatomisch-biologischen  Institut  der  Beniner  Uni¬ 
versität  Dr.  med.  Heinrich  Poll  ist  der  Professortitel  verliehen 


worden  Der  Chirurgieprofessor  an  der  Berliner  Universität  Geh. 
Med -Rat  Dr  August  Bier  (v.  Bergmanns  Nachfolger)  wurde 
zum  ordentlichen  Mitgliede  der  Königl.  Wissenschaftlichen  Deputation 
für  das  Medizinalwesen  ernannt,  (hc.)  _ 

Bonn  Den  Privatdozenten  an  der  Bonner  Universität  Dr.  med. 
Rudolf  Eschweiler  (Nasen-  und  Ohrenheilkunde)  und  Dr.  med. 
Max  zur  Nedden  (Augenheilkunde),  erster  Assistenzarzt  bei  Geh. 
Rat  K  u  h  n  t  an  der  Augenklinik  wurde  der  Professortitel  ver¬ 
liehen.  (hc.)  TI .  ,  .  ,  ,  ..  ,  n  .. 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  B.  Prof.  Dr.  Hirsch,  Direktor  der  Med.  Poli¬ 
klinik  und  der  Kinderklinik,  hat  vom  preussischen  Unterrichtsmini¬ 
sterium,  eine  Berufung  nach  Göttin  gen  zum  Direktor  der  Med. 
Klinik  erhalten,  als  Nachfolger  des  nach  Berlin  berufenen  I  rof.  H  i  s. 

G  ö  1 1  i  n  g  e  n.  Dem  Privatdozenten  für  innere  Medizin  und 
Oberarzt  an  der  medizinischen  Klinik  der  Universität  Göttingen, 

Dr  med  Rudolf  Staehelin,  wurde  der  Professortitel  Verliehen. 
Den  Roten  Adlerorden  4.  Klasse  erhielt  Prof.  Verworn  (Physio¬ 
logie).  (hc.)  Dem  Direktor  des  pharmakologischen  Institutes,  Herrn 
Prof.  Jacob  j  und  dem  Direktor  der  Klinik  und  Poliklinik  fiir 
psychische  und  Nervenkrankheiten  Herrn  Prof.  Cr  am  er,  wurde  dti 
Charakter  als  Geheimer  Medizinalrat,  den  Privatdozenten  W  a  1  d  - 
vogel  und  Schittenhelm  das  Prädikat  Professor  verliehen. 

Kiel  Der  ordentliche  Professor  der  Augenheilkunde  und  Direk¬ 
tor  der  Augenklinik  an  der  Universität  Greifsweid,  Prof.  Dr.  Leo¬ 
pold  Heine,  hat  den  Ruf  nach  Kiel  als  Nachfolger  Schirmers 

angenommen.  .  ,  .  ....  .  „ 

M  ü  n  s  t  e  r  i.  W.  Anlässlich  des  Kaiserbesuches  in  Munster 

wurde  von  dem  Lehrkörper  der  Universität  am  29.  August  vormittags 
eine  Festsitzung  abgehalten,  in  welcher  durch  den  Unterric)itsministei 
Dr  Holle  der  folgende  Allerhöchste  Erlass  bekannt  gegeben  wurde: 
Wilhelmshöhe,  22.  August  1907.  „Nachdem  Ich  durch  meinen  Erlass 
vom  1.  Juli  1902  bestimmt  habe,  dass  die  theologische  und  philo¬ 
sophische  Akademie  zu  Münster  mit  Rücksicht  auf  die  Begründung 
einer  rechts-  und  staatswissenschaftlichen  Fakultät  in  die  Reihe  der 
Universitäten  eingetreten  und  demgemäss  die  Bezeichnung  als  Uni¬ 
versität  führt,  will  Ich  dieser  Universität  in  Anerkennung  ihrer  bis¬ 
herigen  erfolgreichen  Wirksamkeit  den  Namen  Westfälische 
Wilhelms-Universität  zu  Münster  beilegen,  in  dem  Ver¬ 
trauen,  dass  sie  sich  dieser  Anerkennung  dauernd  würdig  erweist." 
Nach  dein  Festakt  fand  eine  Besichtigung  insbesondere  der  neuen  Um- 
versitätsbibliothelk  und  der  medizinischen  Universitätsinstitute  für 
Anatomie  und  Physiologie  seitens  des  Unterrichtsministers  statt.  - 
Durch  Ministerialerlass  vom  19.  August  dieses  Jahres  ist 
der  dirigierende  Arzt  der  inneren  Abteilung  am  städtischen  Clemens- 
hospital,  Dr.  med.  Joseph  Arnet'h,  zum  ausserordentlichen  Honorar¬ 
professor  in  der  philosophischen  und  naturwissenschaftlichen  Fakultät 
in  Münster  ernannt  worden.  Zugleich  hat  der  Minister  die  Erwartung 
ausgesprochen,  dass  Dr.  Arneth  sich  in  seiner  Stellung  als  aussei - 
ordentlicher  Honorarprofessor  an  der  Universität  Münster  in  den 
Wissenschaften,  welche  Gegenstand  des  lehrplanmassigen  Studiums 
sind,  durch  Vorlesungen  und  Uebungen  betätigen  wird.  In  erster 
Linie  wird  es  sich  dabei  wohl  um  medizinische  Vorlesungen  und 
Uebungen  in  der  klinischen  Propädeutik  handeln,  wie  sie  die  Medizin- 
studierenden  im  6.  Semester  hören  müssen.  Damit  wäre  der  eiste 
positive  Schritt  zur  Einrichtung  und  Weiterentwicklung  des  medi¬ 
zinischen  klinischen  Unterrichtes  getan,  nachdem  der  medi¬ 
zinisch-propädeutische  Unterricht  bis  zur  ärztlichen  Vorprüfung  ein 
schliesslich  und  eine  eigene  medizinisch-propädeutische  Abteilung  an 
der  Universität  Münster  schon  seit  2  Jahren  bestehen.  Für  die  Ab¬ 
haltung  von  Vorlesungen  und  klinischen  Demonstrationen  besitzt  das 
Clemenshospital  bereits  ein  grösseres  Auditorium. 

Bologna.  Habilitiert:  Dr.  Carlo  V  i  g  n  o  1  o  -  L  u  t  a  1 1  für  Dei  - 
matologie  und  Syphilis,  Dr.  Ugo  Biffi  Gen  tili  für  Hygiene. 

Charkow.  Dr.  P.  B  a  r  a  b  a  c  h  e  w  wurde  zum  ordentlichen 
Professor  der  Augenheilkunde  ernannt.  ,  ,,  ■  o 

Genua.  Habilitiert:  Dr.  P.  M.  S  egale  für  allgemeine  Pa¬ 
thologie,  Dr.  M.  A.  C  ä  p  u  r  r  o  für  Chirürgie.  ■ 

Manchester.  Dr.  Graham  Steel  wurde  zum  Professor  der 

Medizin  an  Stelle  Dreschfelds  ernannt. 

Oxford.  Dr.  G.  D  r  e  y  e  r  -  Kopenhagen  wurde  zum  Protessor 

der  allgemeinen  Pathologie  ernannt.  .  . 

Parma.  Der  a.  o.  Professor  der  pathologischen  Anatomie 

Dr  P.  G  u  i  z  e  1 1  i  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

Wien.  Habilitiert:  Dr.  med.  Josef  Meller  für  Augenheil¬ 
kunde.  (hc.) 

Berichtigung.  In  No.  34,  S.  1702,  K  i  1 U  a  n :  .„Aetzung  der 
vier  Punkte“,  8.  Zeile  von  oben,  muss  anstatt  „mittleren  unteren 
stehen.  Die  betreffende  Stelle  liegt  im  Bereiche  des  vorderen  Endes 

der  unteren  Muschel.  ....  ,  , 

In  No.  35,  S.  1739,  Sp.  1  (Kau  p  e,  Eine  neue  Milchpumpe)  ist 
Zeile  8/9  v.  o.  zu  lesen  „dass  ebi  vollkommen  dichter  Abschluss  ei- 

zielt  wird“  (statt  „nie  dichter  Abschluss“). 

In  No.  35,  S.  1742,  Sp.  2,  Z.  37  v.  u.  ist  statt  „Zemckel  zu 

lesen  „J  e  n  c  k  e  1“. 


1808 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  36. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Bernhard  Beyer,  approb.  1903,  als 
Oberarzt  an  der  Heilanstalt  Herzoghöhe  zu  Bayreuth.  Dr.  Eugen 
v.  Malaise,  approbiert  1900,  München.  Dr.  Offersberger  in 
Bad  Dürkheim. 

Verzogen:  Dr.  Klein  von  Waldmohr  nach  Bensheim.  Dr. 
Hellwig  von  Obermoschel  nach  Frankfurt,  Dr.  Seiler  von 
Walsheim  (Bezirk  Zweibrüchen)  nach  Gersheim  (Bezirk  St.  Ingbert). 

Ernannt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Alois  Sitzberger  in  Hauzen- 
nerg  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in  Eggenfelden  und  der  prakt.  Arzt 
Dr.  Hans  Schmid  in  Donauwörth  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in 
Altötting,  beide  ihrer  Bitte  entsprechend. 

In  den  dauernden  Ruhestand  versetzt:  Der  Be¬ 
zirksarzt  I.  Klasse  Dr.  Alfred  Riedel  in  Forchheim,  seiner  Bitte  ent¬ 
sprechend,  wegen  zurückgelegten  70.  Lebensjahres  unter  Aller¬ 
höchster  Anerkennung  seiner  langjährigen,  treuen  und  eifrigen  Dienst¬ 
leistung.  —  Der  im  zeitlichen  Ruhestand  befindliche  Bezirksarzt 
I.  Klasse  Dr.  Johann  Baptist  S  t  ö  c  k  1,  zurzeit  in  Mainburg,  wegen 
nachgewiesener  physischer  Gebrechlichkeit. 

Erledigt:  Die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse  in  Forchheim.  Be¬ 
werber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 
bei  der  ihnen  Vorgesetzten  Kgl.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis 
zum  13.  September  1.  Js.  einzureichen;  die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse 
in  Kaufbeuren.  Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig 
belegten  Gesuche  bei  der  ihnen  Vorgesetzten  Kgl.  Regierung,  Kam¬ 
mer  des  Innern,  bis  zum  16.  September  1.  Js.  einzureichen. 

Gestorben:  Dr.  Wilhelm  Goes,  Ik.  Bezirksarzt  in  Kauf¬ 
beuren,  56  Jahre  alt. 

Militärsanitätswesen. 

Ernannt:  der  Oberstabsarzt  z.  D.  Dr.  Hillenbrand  zum 
diensttuenden  Sanitätsoffizier  beim  Bezirkskommanao  Nürnberg. 

Auszeichnung:  die  Erlaubnis  zum  Tragen  bewilligt:  dem 
Oberarzt  Dr.  I  heodor  Hoffa  von  der  Reserve  (Kaiserslautern) 
für  den  Kgl.  Preuss.  Kronenorden  4.  Klasse. 


Korrespondenz. 

Zum  Fall  Hau. 

Köln,  den  27.  August  1907. 

An  die  Redaktion  der  Münch,  med.  Wochenschrift. 

Nachdem  nunmehr  auch  in  der  medizinischen  Fachpresse  auf 
grund  von  zum  Teil  sehr  lückenhaften  und  in  wichtigen  Punkten  un¬ 
zutreffenden  Zeitungsberichten  Angriffe  gegen  mich  erfolgt  sind,  bitte 
ich  die  verehrliche  Redaktion  mir  den  Raum  zu  gewähren,  um  den 
zeitlichen  Ablauf  der  Ereignisse  im  Falle  Hau,  soweit  sie  mich  be¬ 
treffen,  festzulegen: 

Ich  bin  bald  nach  der  Verhaftung  des  Rechtsanwaltes  Hau  von 
der  Verteidigung  gebeten  worden,  dem  Falle  mein  Interesse  zuzu¬ 
wenden,  da  der  Verteidiger  mich  als  Gutachter  dem  Gericht  Vor¬ 
schlägen  wolle.  Gleichzeitig  übersandte  mir  Herr  Rechtsanwalt  Dr. 
D  i  e  t  z  seine  Beweisanträge,  die  eine  grosse  Zahl  auffallender  — 
in  der  Beweiserhebung  später  meist  bestätigter  —  psychopathischer 
Züge  erkennen  Hessen.  Am  10.  April  1907  schrieb  Frau  Hau  an  mich 
einen  Brief,  in  dem  sie  mich  bat,  diejenigen  Fragen  an  sie  zu  richten, 
die  ich  im  Interesse  der  Feststellung  des  Geisteszustandes  ihres 
Mannes  für  notwendig  hielte.  Ich  halte  mich  nicht  für  berechtigt,  den 
Brief  der  unglücklichen  Frau  zu  veröffentlichen.  Meine  Antwort  auf 
den  Brief,  dessen  Veröffentlichung  durch  die  Familie  Molitor  ge¬ 
schehen  ist,  war  folgende. 

Köln,  den  12.  April  1907. 

Sehr  verehrte  gnädige  Frau! 

Zufälligerweise  hatte  ich  heute  morgen  gerade  eine  Unter¬ 
redung  mit  der  I  ante  Ihres  unglücklichen  Mannes.  Ich  würde  mich 
nicht  nur  für  den  Unglücklichen  selbst,  sondern  auch  für  Sie  freuen, 
wenn  das  Ergebnis  der  ärztlichen  Untersuchung  die  Feststellung  der 
geistigen  Erkrankung  sein  würde.  Es  würde  für  Sie  zweifellos  eine 
ausserordentliche  Erleichterung  sein,  wenn  Sie  an  Ihren  Mann  mit 
dem  Bewusstsein  zurückdenken  könnten,  dass  er  die  furchtbare  Tat 
infolge  seiner  geistigen  Erkrankung  begangen  hat.  Ich  habe  im  Mai 
einer  Gerichtssitzung  in  Oldenburg  anzuwohnen.  In  dem  Falle  würde 
ich  mii  erlauben,  Sie  um  eine  Unterredung  zu  bitten,  um  mir  die 
nir  mich  notwendigen  Unterlagen  zu  einem  Gutachten  zu  schaffen. 
Sollte  daraus  nichts  werden  oder  würde  es  für  mich  notwendig  sein 
mich  früher  zu  informieren,  so  werde  ich  mir  erlauben,  mich  schrift¬ 
lich  an  Sie  zu  wenden. 

In  vorzüglichster  Hochachtung 

ergebenst 

gez.  Prof.  Dr.  A  s  c  h  a  f  f  e  n  b  u  r  g. 

Das  ganze  Material,  das  ich  bis  dahin  gesehen  hatte,  bestand  in 
der  Abschrift  der  von  dem  Verteidiger  gestellten  Beweisanträge  und 
den  Zeitungsnotizen,  nach  denen  Hau  mehrfach  alles  zugegeben  haben 
sollte. 


Ende  Mai  erfuhr  ich,  dass  Herr  Kollege  Hoche  in  Freiburg 
Hau  für  geistig  gesund  erklärt  hatte.  Ich  bat  daraufhin  in  zwei 
Briefen  den  Verteidiger  dringeiid,  auf  meine  Vernehmung  als  Sachver¬ 
ständiger  zu  verzichten,  da  ich  überzeugt  war,  dass  ich  schwerlich 
zu  einem  von  der  Ansicht  des  Herrn  Kollegen  Hoche  in  bezug  auf 
die  Anwendbarkeit  des  §  51  abweichenden  Urteile  kommen  würde. 

Am  17.  Juni  1907  wurde  ich  durch  die  grossherzogliche  Staats¬ 
anwaltschaft  benachrichtigt,  dass  ich  auf  Anordnung  des  Vorsitzenden 
des  Schwurgerichts  zum  Sachverständigen  ernannt  worden  sei.  Ich 
bat  sofort  um  Zusendung  der  Akten  und  um  Genehmigung  zum  Besuche 
des  Angeklagten.  Bis  dahin  hatte  ich  .keinerlei  offizielle  Aktenstücke 
in  der  Hand  gehabt,  auch  nicht,  wie  ich  einzelnen  Berichten  der  Zei¬ 
tungen  nach  getan  haben  soll,  den  Angeschuldigten  schon  in  London 
besucht.  Am  22.  Juni  1907  erhielt  ich  die  Akten,  die  ich  mit  grosser' 
Sorgfalt  durchgearbeitet  habe;  am  29.  Juni  1907  habe  ich  dann  Hau 
zum  ersten  Male  gesehen. 

Die  Verhandlung  begann  am  17.  Juli;  am  20.  Juli  abends  bin  ich 
vernommen  worden.  Da  nach  meiner  und  H  o  c  h  e  s  Vernehmung 
der  Verteidiger  auf  unsere  weitere  Anwesenheit  verzichtete,  wo¬ 
durch  uns  die  Abreise  und  mir  der  Antritt  meines  Urlaubs,  dessen 
ich  dringend  bedurfte,  ermöglicht  wurde,  so  schrieb  ich  dem  Herrn 
\  eiteidiger  ein  paar  Zeilen  des  Dankes,  in  denen  ich  erwähnte,  dass 
ich  von  der  Unschuld  des  Angeschuldigten  seit  meinem  ersten  Be¬ 
suche  bei  ihm  überzeugt  gewesen  sei.  Ich  konnte  damit  insofern 
dem  Verteidiger  nichts  Neues  sagen,  als  ich  in  meinem  mündlichen 
Gutachten  vor  den  Geschworenen  auseinandergesetzt  hatte,  wo¬ 
durch  in  mir  zuerst  Zweifel  an  der  Schuld  des  Angeklagten  wach¬ 
gerufen  worden  waren.  Von  meiner  Auffassung  hatte  ich  bis  dahin 
weder  dem  Vorsitzenden  des  Schwurgerichtes,  mit  dem  ich  mich  über 
den  Fall  lange  privat  unterhalten  hatte,  noch  dem  Herrn  Verteidiger, 
noch  endlich  der  Familie  des  Angeschuldigten  eine  Mitteilung  gemacht! 
Ich  habe  auch  in  meinem  Gutachten  mich  aufs  Sorgfältigste  darauf 
beschränkt,  die  Tatsachen  sprechen  zu  lassen,  und  habe  aus¬ 
drücklich  erklärt,  dass  ich  es  nicht  für  die  Aufgabe  des  Sachverständi¬ 
gen  halte,  seine  Ansicht  über  Schuld  oder  Nichtschuld  zu  äussern.  — 

Ich  kann  nicht  einsehen,  warum  ein  Sachverständiger  sich  nicht 
ebenso  gut  wie  alle  anderen  Anwesenden  ein  Urteil  über  die  Schuld 
bilden  darf,  zumal  dann  nicht,  wenn  er  vor  den  übrigen  Beteiligten 
die  genauere  Kenntnis  der  Persönlichkeit  des  Angeschuldigten  voraus 
hat,  und  vor  den  Geschworenen  die  Kenntnis  der  Akten.  (In  diesem 
Falle  waren  die  meisten  Aussagen  bereits  vorher  unter  Eid  abge¬ 
geben.)  Das  ermöglicht  ein  leichteres  Verfolgen  der  Einzelheiten 
der  Verhandlung.  Mir  ein  selbständiges  Urteil  zu  bilden,  ist  mein 
gutes  Recht,  dagegen  bin  ich  nicht  befugt,  mein  Urteil  für  oder  gegen 
einen  Angeschuldigten  in  die  Wagschale  zu  werfen,  solange  das  Ge¬ 
richt  nicht  seine  Entscheidung  getroffen  hat.  Erst  dann,  wenn  ich 
annehmen  müsste,  dass  der  Prozess  Hau  endgültig  erledigt,  dass 
das  Wiedei  aufnahmevei  fahren  abgelehnt,  die  Revision  verworfen 
sei,  würde  ich  mich  für  berechtigt,  vielleicht  sogar  für  verpflichtet 
halten,  zu  der  Schuldfrage  Stellung  zu  nehmen.  Da  das  nicht  der 
Fall  ist,  so  muss  ich  ein  Eingehen  auf  die  Schuldfrage  in  der  Oeffent- 
lichkeit  aufs  Entschiedenste  ablehnen.  Es  ist  mir  leid  genug,  dass 
meine  Ansicht  zur  Unzeit  in  die  Oeffentlichkeit  gedrungen  ist.  Es 
\väie  aber  wohl  endlich  an  der  Zeit,  dass  die  Erörterungen  in  der 
£r«»e  aufhören  würden,  und  man  es  derjenigen  Instanz  iiberliesse, 
die  Wahrheit  festzustellen,  die  dazu  berechtigt  und  verpflichtet  ist 
dem  Gerichte. 

In  vorzüglichster  Hochachtung 

ergebenst 

Prof.  Dr.  G.  Aschaffenburg. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  33.  Jahreswoche  vom  11.  bis  17.  August  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M )  10  (14*) 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  8  (3),  Kindbettfieber  —  (— ),  and.  Folgen  der 
Geburt  4  (1),  Scharlach  ( — ),  Masern  u.  Röteln  1  (4),  Diphth.  u. 

Krupp  2(— -),  Keuchhusten  1  (— ),  Typhus  —  (2),  übertragb.  Tierkrankh. 

(~  )’  Rose  (Erysipel)  —  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  3  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  15  (24),  Tuberkul.  and. 
Org.  4  (2),  Miliartuberkul.  —  (2),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  7  (8), 
Influenza  (  ),  and.  übertragb.  Krankh.  2  (4),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  1  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  3  (3),  organ.  Herzleid.  12  (15) 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  10  (3),  Gehirnschlag 
3  (3)  Gmsteskrankh.  2  (3),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  7  (4),  and 
Krankh  d.  Nervensystems  6  (4),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  38  (39),  Krankh.  d.  Leber  —  (3),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (2),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (4),  Krankh.  d. 
^aInxTU‘  Geschlechtsorg.  5  (6),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  10  (13) 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  2  (6),  Selbstmord  2  (3),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  1  (6),  alle  übrig.  Krankh.  4  (5) 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  167  (191).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  15,8  (18,1),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  10,3  (12,4). 


)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 

Verlag  von  J.  F.  Letaro  »nn  in  München.  -  Druck  von  E.  MiiUIthaieri  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O..  München. 


»Vp  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  A-  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
{/H  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/,— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

0!  Innerer  Gh  Bäumler,  0.  v.  Bollinger,  H.  Curschmann,  E.  Heiferich,  III.  i  Leute,  6.  Merkel,  J.».  Michel,  F.  Penzoldt,  H.»  Hanke,  8.  Spatz,  F.vJinckel, 

u.  I.  nuyui  Ul,  uu.  uuum.«.,  a  ,  ...  _  _  n„..u„  Frlnncrpn.  Mim.-hen.  München.  München. 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


No.  37.  10.  September  1907. 


Würzburg.  Nürnberg. 

Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


Erlangen.  München.  München.  München. 

54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Apparat  zu  objektiver  Blutdruckmessung;  gleichzeitig 
auch  ein  Beitrag  zur  Sphygmo-Turgographie. 

Von  Privatdozent  Dr.  Egmont  Münzer. 

Im  folgenden  bringe  ich  die  Beschreibung  und  Abbildung 
zweier  Vorrichtungen,  welche  es  ermöglichen,  die  bei  der 
Blutdruckbestimmung  nach  Riva-Rocci  in  der  Arm¬ 
manschette  vor  sich  gehenden  pulsatorischen  Druckschwan¬ 
kungen  zu  sehen  (Turgoskopie)  bezw.  graphisch  festzuhalten 

(Turgographie).  ,  ,  ,.  D1  .  ,  ,  . 

v.  Basch *)  war  der  erste,  welcher  die  Blutdruckbe¬ 
stimmung  dadurch  objektiv  zu  gestalten  ti  achtete,  dass  er  den 
peripher  von  der  Kompressionsstelle  der  Arterie  liegenden,  den 
Puls  kontrollierenden  Finger  durch  ein  Sphygmoskop  ersetzte 
und  auf  diese  Weise  die  infolge  der  Qefässkompression  ein- 
tretenden  Pulsänderungen  sichtbar  machte  bezw.  deren  gra¬ 
phische  Darstellung  versuchte.  Hiedurch  wurde  die  Beur¬ 
teilung  dieser  Veränderungen  unserem  schärfsten  Sinne,  dem 
Gesichte,  unterworfen  und  gleichzeitig  das  Beobachtungs¬ 
material  der  Kritik  nicht  nur  des  Einzelnen  sondern  einer  Mehr¬ 
heit  zugänglich  gemacht. 

G  r  o  e  d  e  1  und  Kisch1)  folgten  dem  Beispiele  v.  Baschs 
und  verwendeten,  während  die  Kompression  der  Aiterie  mit 
der  Ri  va-Rocci  sehen  Manschette  vorgenommen  wurde, 
verschiedene  Kontrollapparate:  Gärtners  Pulskontroller, 
O  e  h  m  k  e  s  Turgoskop,  Jaquets  Sphygmograph.  Während 
aber  diese  Autoren  die  Apparate  hauptsächlich  zur  Kontrolle 
der  Bestimmung  des  maximalen  i.  e.  systolischen  Blutdruckes 
benützten  und  hierbei  keine  wesentlichen  Vorteile  in  der  Ver¬ 
wendung  der  angeführten  Apparate  fanden,  hat  Sahli-)  den 
Jaq  u  et  sehen  Sphygmographen  auch  zur  Feststellung  des 
diastolischen  Blutdruckes  und  damit  zur  Feststellung  des  sogen. 
Pulsdruckes  benützt  und  mit  Hilfe  desselben  den  Begriff  und 
die  Bedeutung  des  absoluten  Sphygmogramms  ent¬ 
wickelt. 

Da  es  bei  diesen  Bestimmungen  nicht  so  sehr  auf  die  ge¬ 
naue  Pulsschreibung  ankommt,  die  Verwendung  des  Sphygmo¬ 
graphen  aber  gewisse  Geschicklichkeit  und  Zeit  beansprucht, 
wurden  in  der  letzten  Zeit  zwei  Instrumente  empfohlen,  welche, 
dem  gleichen  Zwecke  dienend,  als  T  urgographen  angesehen 
werden  dürfen:  Das  sehr  nette  Sphygmoskop  von  Rhein- 
b  o  ld  t 3)  und  der  im  Prinzip  dem  Oehmke  sehen  Turgo- 
skope  entsprechende  Turgosphygmograph  von  K  o  - 
ziezkowsky4). 

Noch  einfacher  wäre  es,  die  in  der  Armmanschette  selbst 
vor  sich  gehenden  Druckschwankungen  zut  Blutdruckbestim¬ 
mung  zu  benützen.  Die  Einwände,  welche  v.  Basch  (1.  c-.) 
gegen  die  Verwertung  jener  an  der  Kompressionsstelle  im  kom¬ 
primierenden  Objekte  selbst  zu  beobachtenden  Di  uckschwan- 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

kungen  zur  Blutdruckbestimmung  erhob,  richteten  sich  wohl 
hauptsächlich  gegen  die  Versuche  Waldenburgs  und  auch 
gegen  eine  eventuelle  Benützung  seines  eigenen  geistvollen 
Kompressoriums  in  dieser  Hinsicht.  Bei  Verwendung  der 
Riva-Rocci  sehen  Manschette  dürften  diese  Bedenken 
jedenfalls  nur  in  beschränkterem  Umfange  Geltung  besitzen  und 
kaum  mehr  für  den  Fall,  als  man  nach  dem  Vorgänge  v.  Reck¬ 
linghausens5)  eine  entsprechend  breite  Manschette  zur 
Kompression  wählt. 

Dieser  eben  genannte  Autor  hat  dann  auf  Grund  eingehen¬ 
der  Ueberlegungen  den  Versuch  gemacht,  aus  den  bei  ver¬ 
schiedenem  Drucke  in  verschiedener  Höhe  geschriebenen  Puls¬ 
bildern  —  der  Treppenkurve  —  das  wahre  Pulsbild  zu  rekon¬ 
struieren  und  hat  schliesslich  vor  kurzem  ein  eigenes  Instru¬ 
ment  angegeben,  durch  welches  die  in  der  Manschette  vor  sich 
gehenden  Druckschwankungen  entsprechend  sichtbar  werden 
und  auch  verzeichnet  werden  können. 

Im  Vorjahre  hat  dann  Pal6)  ein  Sphygmoskop  be¬ 
schrieben,  durch  welches  ebenfalls  die  in  der  Arm-  bezw. 
Fingermanschette  vor  sich  gehenden  Druckschwankungen 

sichtbar  gemacht  werden.  . 

Schon  vorher  hatte  Erlanger')  eine  Einrichtung  mit¬ 
geteilt,  welche  es  gestattet,  die  in  der  Manschette  voi  sich 
gehenden  Schwankungen  graphisch  zu  registrieien.  _ 

.  Dem  gleichen  Zwecke  dienen  auch  die  folgenden  zwei  Ein¬ 
richtungen,  deren  eine  in  Eig.  1  dargestellte,  bereits  früher  von 
mir  erwähnte'*),  im  Prinzipe  jener  von  Er  langei  ange¬ 
gebenen  Einrichtung  entspricht,  in  zweckentsprechender  Ver- 


*)  v.  Basch:  Ueber  die  Messung  des  Blutdrucks  am  Menschen. 

Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  II,  S.  79. 

1)  Th.  Groe.del  II  und  Fr.  Kisch:  Ueber  den  Wert  der  Blut¬ 
druckmessung.  Münch,  med.  Wochenschr.  1903,  No.  16. 

2)  Sahli:  Ueber  das  absolute  Sphygmogramm  etc.  D.  Archiv 

f.  klin.  Med.,  81  Bd.,  S.  493.  ,  ,  .. 

3)  R  h  e  i  n  b  o  bd  t:  Ueber  ein  Sphygmoskop.  Berl.  klin. 

Wochenschr.  1907,  No.  6.  . 

4)  E.  v.  K  o  z  i  c  z  k  o  w  s  k  y:  Ueber  Turgo-Sphygmographie  etc. 

Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  13, 

No.  37. 


bindung  mit  jenem  Modelle  des  Instrumentes  RU  a  -  K  o  c  c  i  s, 
welches  ich  an  anderer  Stelle  (1.  c.)  eingehend  beschrieben 

habe : 

Fig.  1. 

«)  V.  Recklinghausen:  Ueber  Blutdruckmessung  beim 
Menschen.  Archiv  f.  experiment.  Pathol.  u.  Pharmako^, q46.  Bd., 
und:  Unblutige  Blutdruckmessung.  Ebenda,  55.  Bd.,  1906. 

o)  p.al:  Ein  Sphygmoskop  zur  Bestimmung  des  1  ulsdruckes. 

Zentralbl.  f.  innere  Med.  1906,  No.  5.  .  .  .  qrup 

7)  Erlanger:  IA  new  instrument  for  determining  etc. 

Johns  Hopkins  Hospital  Reports  1904,  XII.  Bd. 

7*)  Münzer:  Ueber  Blutdruckmessung ....  Zeitschr.  t.  exper. 

Path.  u.  Therapie,  IV.  Bd.,  1907.  ^ 


IbiÜ  • 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Die  Leitung  S,  welche  von  der  Luftpumpe  P  zur  Manschette  M 
führt,  ist  an  einer  Stelle  durch  einen  T  Hahn  h  unterbrochen,  durch 
welch  letzteren  es  möglich  ist,  in  diese  Leitung  den  Ballon  B,  welcher 
im  Glaskolben  G  eingeschlossen  ist,  einzuschalten.  Der  Glas¬ 
kolben  G  zeigt  einen  kleinen  Ansatz  t,  von  welchem  ein  dickwandiger 
( iummischlauch,  von  der  gleichen  Qualität  wie  der  Schlauch  S,  die 
Leitung  vom  Glaskolben  zum  verzeichnenden  Tambour  bildet. 

Wird  nun  die  Luft  aus  der  Pumpe  in  die  Leitung  getrieben,  so 
teilt  sie  sich  bei  entsprechender  Stellung  der  beiden  T-Hähne  gleich- 
massig  zwischen  drei  Teilen:  Steigrohr  (St),  Manschette  (M)  und 
Ballon  (B).  Der  Letztere  wird  also  aufgetrieben;  die  zwischen  B  und 
G  gelegene  Luft  wird  komprimiert  und  entweicht  durch  den  Ansatz 
t  in  die  Leitung  gegen  den  Tambour.  Die  Gummiplatte  des  letzteren 
würde  nun  vorgewölbt,  der  Schreiber  stark  in  die  Höhe  getrieben 
werden,  wenn  dieses  nicht  durch  Offenlassen  des  Hahnes  hi  während 
der  Drucksteigerung  vermieden  würde. 

Hören  wir  nun  in  einem  Momente  mit  der  weiteren  Druck¬ 
steigerung  seitens  der  Pumpe  auf  und  schliessen  den  Hahn  hi,  so 
kommen  jetzt  die  in  der  Manschette  vor  sich  gehenden  pulsatorischen 
Schwankungen  im  ganzen  System,  also  auch  im  Ballon  und  auch  am 
Schreiber  des  Tambours  zum  Ausdrucke.  Die  Ausschläge  des  Schreib¬ 
hebels  werden  nun  entweder  einfach  beobachtet  oder  graphisch  auf 
einer  berussten  Trommel  aufgenommen.  Zu  letzterem  Behufe  befindet 
sich  an  dem  Apparate,  wie  Figur  1  zeigt,  ein  K  n  o  1 1  scher  Polygraph, 
welcher  für  unsere  Zwecke  ein  wenig  adaptiert  ist,  insoferne  als 

1.  das  die  Trommel  bewegende  Uhrwerk  zwei  Gänge  besitzt  —  einen 
langsamen  für  die  Registrierung  der  Blutdruckbestimmung  und  einen 
raschen  für  die  Aufnahme  des  Sphygmo-  bezw.  Turgogrammes; 

2.  der  Hebel  'des  Zeitschreibers  aus  zwei  gegeneinander  verschieb¬ 
lichen  Teilen  besteht,  um  die  Spitze  desselben  unter  die  Spitze  des 
Schreibhebels  des  Tambours  einstellen  zu  können. 

Um  die  Verhältnisse  während  der  Oszillationsperioden  gleich- 
mässig  zu  gestalten,  und  stets  die  grösstmöglichen  Ausschläge  des 
Schreibhebels  zu  erzielen,  ist  es  nötig,  nachdem  man  den  Hahn  hi 
geschlossen  hat,  den  T-Hahn  des  Ballons  (h)  oder  jenen  der  Pumpe  so 
zu  stellen,  dass  nur  Manschette  und  Ballon  miteinander  kommuni¬ 
zieren,  die  Verbindung  gegen  die  Pumpe  und  das  Steigrohr  aber  ab¬ 
geschnitten  ist. 

Die  in  der  Manschette  vor  sich  gehenden  Schwankungen  müssen, 
wie  einfache  Ueberlegung  ergibt,  und  eine  Reihe  von  Beobachtern 
feststellen,  bei  verschiedenem  Drucke  verschieden  gross  sein. 

Aus  der  verschie denen  Grösse  der  pulsato¬ 
rischen  Ausschläge  des  Schreibhebels  bei  ver¬ 
schiedenem  Drucke  können  wir  Rückschlüsse  auf 
die  Grösse  des  Blutdruckes  im  betreffenden  G  e  - 
fässabschnitte  ziehen. 

Am  klarsten  dürften  diese  Verhältnisse  werden  bei  Beschrei¬ 
bung  einer  bestimmten  Aufnahme  selbst,  deren  Resultat  in  Figur  2 
wiedergegeben  erscheint.  Es  handelte  sich  um  einen  ca.  50  jährigen 
Mann,  Herrn  D.,  der  über  Verdauungsbeschwerden  klagte  und  bei  der 
Untersuchung  eine  leichte  Vergrösserung  seines  Herzens  nach  links 
zeigte.  Die  Vornahme  der  Blutdruckbestimmung  gestaltet  sich  nun 


Fig.  2. 


folgendermassen:  Der  Kranke  wird  auf  den  Untersuchungstisch  ge¬ 
legt,  die  Manschette  M  um  seinen  Oberarm  geschlungen,  der  Arm 
selbst  durch  ein  untergeschobenes  Kissen  in  Herzhöhe  gelagert.  Nun 
wird  der  Kranke  aufgefordert,  gleichmässig  zu  atmen  und  jede  Be¬ 
wegung  mit  Kopf  und  Arm  zu  unterlassen,  da  solche  Bewegungen  das 
Tono-Turgogramm  beeinflussen.  Es  wird  zunächst  der  Ballon  aus¬ 
geschaltet  und  die  palpatorische  Messung  vorgenommen;  sie  ergab 
im  vorliegenden  Falle  140  mm  systolischen  und  100- mm  diastolischen 
Blutdruck;  Pulsfrequenz:  88. 

Nun  stellt  man  den  Nulldruck  in  der  Manschette  her,  schaltet 
mittels  des  1  -Hahnes  h  den  Ballon  ein  und  beginnt  die  graphische 
Bestimmung.  Wie  die  Figur  ergibt,  wurde  zunächst  der  Druck  70  ein¬ 
gestellt,  die  Ausschläge  verzeichnet,  dann  von  10  zu  10  mm  mit  dem 
Drucke  in  der  Manschette  gestiegen  und  immer  wieder  bei  dem  an¬ 
geschriebenen  Drucke  die  entsprechenden  Oszillationen  des  Schreib¬ 
hebels  festgestellt,  wobei  man  nicht  vergessen  darf,  vor  jeder  Druck¬ 
steigerung  den  Hahn  hi  zu  lüften.  Zweckmässig  ist  es  auch  von  Zeit 
zu  Zeit,  am  sichersten  nach  jeder  Einzelbestimmung,  den  Druck  in 
der  Manschette  auf  Null  zu  stellen,  um  den  Einfluss  jeder  Stauung  zu 
vermeiden.  Man  sieht  wie  die  Oszillationen  im  vorliegenden  Falle 
mit  steigendem  Drucke  immer  grösser  und  grösser  werden,  bis  sie  bei 
110  die  Maximalgrösse  erreicht  zu  haben  scheinen;  gleich  grosse  Aus¬ 
schläge  zeigt  der  Schreibhebel  bei  120  und  130  mm  Druck,  während 
diese  bei  140  plötzlich  stark  abnehmen  und  bei  160  nur  noch  ganz 
kleine  Ausschläge  verzeichnet  werden  **). 

Diese  kleinen  Ausschläge,  .bedingt  durch  das  Anprallen  der 
Pulswellen  an  dem  zentral,  i.  e.  herzwärts  gelegenen  Manschetten- 


Was  lesen  wir  also  dieser  Kurve  ab?  Bei  einem  Drucke  von 
70  mm  geht  der  Puls  unter  der  Manschette  glatt  durch.  Die  pulsa¬ 
torischen  Schwankungen  der  eingeschnürten  Armpartie  kommen  in 
der  Manschette  nur  in  Teilen  zum  Ausdrucke.  Die  Schwankungen 
werden  stärker,  je  mehr  wir  den  Druck  steigern. 

Wird  der  Arm  mit  einem  Drucke,  der  dem  maximalen  Blutdrucke 
entspricht  —  hier  160  mm  —  komprimiert,  dann  ist  die  Pulswelle  nicht 
mehr  im  stände,  in  die  komprimierte  Partie  einzudringen,  der  Schrei¬ 
ber  verzeichnet  eine  mehr  weniger  gerade  Linie,  wir  haben  die  Höhe 
des  maximalen  Blutdruckes  annähernd  erreicht. 

An  welchem  Punkte  der  Kurve  haben  wir  den  diastolischen 
Druck  zu  suchen?  Hier  sind  zwei  Ansichten  zu  verzeichnen: 

Line  Reine  von  Autoren  behaupten,  dass  der  diastolische 
Druck  dort  liegt,  wo  der  Schreiber  bei  allmählicher  Druck¬ 
steigerung  die  höchsten  Ausschläge  zu  zeigen  beginnt  und  be¬ 
gründen  inre  Auffassung  folgendermassen:  In  dem  Momente, 
wo  der  Druck  in  der  Manschette  dem  diastolischen  Drucke  der 
Arterie  entspricht  oder  ihn  ein  wenig  iioerragt,  muss  während 
der  Diastole  die  Arterie  vollkommen  zusammenfallen. 

Im  Momente  der  Systole  wird  dieses  üefäss  vollkommen 
entfaltet  und  der  Puls  kommt  in  seiner  Gänze  zum  graphischen 
(auch  zum  sensatorischen)  Ausdrucke.  Für  diese  Autoren 
läge  also  der  diastolische  Druck  im  vorliegenden  Falle  bei  110. 

Pal  (1.  c.),  welcher  den  diastolischen  Druck  an  der 
gleichen  Stelle  sucht,  gibt  eine  andere  Erklärung;  er  sagt: 
sobald  der  Druck  in  der  Manschette  bei  allmählicher  Druck- 
Senkung  ein  wenig  unter  dem  diastolischen  Drucke  liegt, 
schiesst  die  Pulsweile  unterhalb  der  Manschette  vollkommen 
durch  und  die  gesehenen  bezw.  geschriebenen  Ausschläge 
müssen  nun  wesentlich  kleiner  erscheinen. 

Nach  Masings)-Strasburger9)  hätten  wir  aller¬ 
dings  den  diastolischen  Druck  im  vorliegenden  Falle  zwischen 
130—140  mm  zu  suchen,  an  jener  Stelle,  an  welcher  bei  Steige¬ 
rung  des  Manschettendruckes  die  Pulswelle  deutlich  ver¬ 
kleinert  wird,  bezw.  eine  deutliche  Verkleinerung  der  Oszil¬ 
lationen  des  Schreibers  eintritt.  Bei  diesem  Drucke  wird  eben, 
so  schliessen  diese  Autoren,  der  untere  Teil,  der  Pulswelle  ab¬ 
geschnitten  und  kann  nicht  mehr  in  die  Manschette  eintreten, 
was  sich  für  den  Finger  durch  ein  deutliches  Kleinerwerden 
des  Pulses  zu  erkennen  gibt  und  im  Tono-Turgogramm  durch 
ein  Kleinerwerden  der  Oszillationen  des  Schreibers  in  Er¬ 
scheinung  tritt.  Es  lässt  sich  gegen  die  Richtigkeit  letzterer 
Auffassung,  wie  auch  v.  Recklinghausen,  anführt,  theo¬ 
retisch  nichts  einwenden,  obwohl  man  zugeben  muss,  dass  sich 
auch  die  erstzitierte  Anschauung  vorzüglich  begründen  lässt. 

Es  wird  also  am  zweckmässigsten  sein,  vorderhand  statt 
einer  Zahl  für  den  diastolischen  Blutdruck  zwei  Zahlen  ent¬ 
sprechend  der  Breite  der  grössten  Oszillationen 
zu  setzen  (hier  110 — 130),  während  für  den  Maximaldruck  ent¬ 
sprechend  der  einheitlichen  Auffassung  seiner  Bestimmung, 
eine  Zahl  gegeben  ist. 

Bevor  ich  nun  weitergehe,  will  ich  gleich  die  zweite  Ein¬ 
richtung  schildern,  welche  noch  zweckmässiger  und  ein¬ 
facher  in  der  Art  der  Einschaltung  vielleicht  aber  auch  etwas 
sicherer  in  der  Schreibung  ist. 

Die  Schlauchleitung 
ss  (Fig.  3)  von  der 
Pumpe  zur  Manschette  ist 
an  einer  Stelle  dutch  ein 
kleines  Stückchen  dehn¬ 
baren  Gummischlauchs  b 
ersetzt,  welch  letzterer 
luftdicht  von  einem  Glas¬ 
gehäuse  g  umgeben  er¬ 
scheint. 

Dieses  ülasgehäuse 
besitzt,  ebenso  wie  G 
in  Fig.  1  einen  kleinen 
Fortsatz  (t)  zur  Fort¬ 
führung  der  Leitung  ge¬ 
gen  den  Tambour.  Die 


rande  sind  es,  welche  bei  der  angegebenen  Versuchsanordnung  die 
Bestimmung  des  maximalen  Blutdrucks  ein  wenig  unsicher  gestalten 
und  mich  veranlassten,  eine  zweckmässiger.e  Anordnung  der  re¬ 
gistrierenden  Apparate  zu  treffen;  ich  komme  hierauf  am  Schlüsse 
zurück. 

0  M  a  s  i  n  g:  Ueber  das  Verhalten  des  Blutdrucks  etc.  D.  Archiv 
f.  klin.  Med.  1902. 

ö)  Strasburger:  Ein  Verfahren  zur  Messung  des  diastoli¬ 
schen  Druckes.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  54.  Bd.  etc. 


Fi  bi  3. 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1811 


Verwendung  des  kleinen  Apparates  ist  leicht  verständlich.  Die  Vor¬ 
teile  liegen  darin,  dass  die  die  Luftschwingungen  übertragende  Mem¬ 
bran  b  an  beiden  Enden  fixiert  erscheint,  äussere  Erschütterungen  also 
weniger  auf  dieselbe  einwirken. .  Auch  ist  eine  solche  Gummimembran 
leichter  zu  ersetzen  und  billiger  im  Preise  als  der  Ballon  B  in  Figur  1. 

Sehr  eigenartig  und  gewisse  Vorteile  bietend,  ist  auch  die  Ein- 
und  Ausschaltung  dieser  Vorrichtung;  sobald  man  nur  eine  einfache 
palpatorische  Blutdruckbestimmung  vorzunehmen  wünscht,  schiebt 
man  den  Metallzylinder  m  über  das  Gummirohr  b.  Will  man  die 
Druckschwankung  graphisch  registrieren  oder  wenigstens  sehen,  dann 
zieht  man  m  aus  dem  Glasgehäuse  heraus  und  die  Einrichtung  ist 
gebrauchsfertig.  Sind  die  Ausschläge  des  Schreibhebels  zu  gross,  so 
kann  man  dieselben  hier  dämpfen,  indem  man  m  nicht  voll  heraus¬ 
zieht  und  nur  einen  Teil  von  b  zur  Registrierung  verwendet.  Natür¬ 
lich  darf  man  dann  während  der  ganzen  Bestimmung  keine  weitere 
Aenderung  mit  m  vornehmen,  sondern  muss  die  Grösse  der  die 
Schwankungen  übertragenden  Fläche  unverändert  lassen.  Die  bei  der 


zuteil  wurde,  sei  es  gestattet,  hier  eine  grössere  Zahl  dies¬ 
bezüglicher  Pulsbilder  wiederzugeben. 

Figur  6,  6  a,  6  b  sind  von  einer  Frau  B.  aufgenommen, 
welche  an  paroxysmaler  Tachykardie  und  Arrhythmie  leidet.  Die 
junge  Frau  begann  einige  Monate  nach  der  Geburt  ihres  ersten 
Kindes,  welches  sie  selbst  nährte,  über  Herzklopfen  zu  klagen,  und 
war  infolge  dessen  genötigt,  das  Kind  im  7.  Monat  abzustillen.  Seit¬ 
her  d.  i.  seit  drei  Jahren,  bestehen  die  Beschwerden,  welche  zur  Zeit 
der  Regel  besonders  heftig  sind,  wobei  das  Klopfen  bis  zum  Halse  hin¬ 
auf  gespürt  wird.  In  der  Zwischenzeit  fühlt  sich  Frau  B.  vollkommen 
wohl,  besonders  während  des  Sommers,  wo  sie  Sport  treiben  kann. 
Die  Kranke,  welche  blühend  aussieht,  zeigt  bei  der  ersten  Unter¬ 
suchung  (8.  IV.  1907)  eine  stürmische  Herzaktion  so  zwar,  dass  die 
Pulsfrequenz  anfangs  nicht  festgestellt  werden  konnte.  Die  Blutdruck¬ 
bestimmung  war  palpatorisch  unausführbar;  ihre  graphische  Durch¬ 
führung  ist  in  Figur  6  wiedergegeben. 


Fig.  6. 


turgoskopischen  bezw.  turgograp’nischen  Bestimmung  behufs  Er¬ 
zielung  gleichrnässiger  Resultate  und  grösster  Ausschläge  nötige  Aus¬ 
schaltung  der  Pumpe  und  des  Steigrohres  kann  bei  dieser  Einrichtung 
nur  mittels  des  T-Hahnes  der  Luftpumpe  selbst  vorgenommen  werden, 
während  bei  der  Balloneinrichtung  der  Hahn  h  diesem  Zwecke  diente. 
Will  man  beide  Schreibvorrichtungen  mit  einander  vergleichen,  dann 
darf  die  Ausschaltung  von  Pumpe  und  Steigrohr  für  beide  gleich- 
mässig  nur  durch  den  T-Hahn  der  Pumpe  erfolgen,  was  gegenüber  dei 
Ausschaltung  durch  den  Hahn  h  einen  kaum  nennenswerten  Nachteil 
bedeutet,  insoferne  als  jetzt  das  kurze  Schlauchstück  von  h  bis  zum 
T-Hahne  der  Pumpe  miteingeschaltet  ist. 

Die  Bedeutung  der  angeführten  Vorrichtungen  ist  mit  ihrer 
Verwendung  zur  objektiven  Blutdruckmessung  nicht  erschöpft; 
das  Sphygmo-Turgogramm  dürfte  vielmehr  für  eine  Reihe  von 
Fällen  die  Aufnahme  des  Sphygmogrammes  ersetzen  bezw. 
entbehrlich  machen. 

Zunächst  dürfte  dies  für  alle  jene  Fälle  zutreffen,  in  welchen 
eine  Pulsaufnahme  mit  Rücksicht  auf  die  ausserordentliche 
Kleinheit  des  Pulses  beschwerlich  oder  unmöglich  erscheint, 
z.  B.  bei  kleinen  Kindern,  Kyphoskoliotischen  oder  schwer 
Herzkranken.  Die  Aufnahme  des  Turgogrammes  bietet  auch 
in  diesen  Fällen  keinerlei  Schwierigkeit,  wofür  Fig.  4  und  5 
entsprechende  Belege  liefern. 

Figur  4  bringt  das  Tono-Turgogramm  eines  ca.  40  jährigen 
kyphoskoliotischen  Fräuleins  (W.),  welches  Erscheinungen  schwerer 
Kurzatmigkeit  zeigte.  Am  Herzen  hörte  man  ein  feines  1.  Geräusch,  der 
2.  Pulmonaliston  war  stark  akzentuiert;  der  Puls  kaum  zu  tasten. 
Der  Harn  enthielt  eine  Spur  Eiweiss.  Die  Tono-Turgograpbie  ergab 


Am  19.  IV.  zeigte  die  Kranke  eine  fast  vollkommen  regelmässige 
Herzaktion,  wie  die  neuerliche  Aufnahme  Figur  6  a  ergab. 

Will  man  in  einem  solchen  Falle  zu  einem  besseren  Ver¬ 
ständnis  der  Herz-  bezw.  Pulsunregelmässigkeiten  gelangen, 
dann  ist,  wie  Mackenzie,  E.  H.  Hering  und  eine  Zahl 
anderer  Autoren  zeigten,  die  Aufnahme  des  Venenpulses 
(auch  des  Kardiogramms)  neben  dem  Sphygmogramm  unbe¬ 
dingt  erforderlich.  Wir  benützen  nun  als  Ersatz  des  Sphyg- 
mogramms  das  Turgogramm,  welches  wir  in  der  Weise  ge- 


Fig.  6a. 


winnen,  dass  wir  in  der  Manschette  jenen  Druck  einstellen,  bei 
welchem  bei  der  vorangegangenen  Blutdruckmessung  die 
schönsten  Pulsbilder  gesehen  wurden.  Es  ist  dies  meist,  wie 
die  Tonogramme  zeigen,  ein  Druck,  welcher  etwas  unter  dem 
diastolischen  Blutdrucke  liegt,  so  dass  derselbe  kaum  un¬ 
angenehm  empfunden  wird  und  man  die  Pulsverzeichnung 
durch  lange  Zeit  ohne  Beschwerden  für  den  Kranken  weiter 
gehen  lassen  kann. 


Figur  5  bringt  das  Resultat  der  Blutdruckmessung  bei  einem 
sechsjährigen  Kinde  (K-),  welches  vor  zwei  Jahren  im  Anschlüsse  an 
einen  Rheumatismus  an  Endo-  und  Perikarditis  erkrankt  war  und  sicli 
seither  nicht  erholen  konnte.  Der  transversale  Durchmesser  der  Heiz- 
dämpfung  betrug  10,7  cm  bei  einem  Brustumfänge  von  58  cm;  der 
Spitzenstoss  war  im  6.  Interkostalraum  in  der  vorderen  Axillarlinie 
zu  sehen;  auskultatorisch  ein  lautes  erstes  Geräusch  am  Herzen 
nachweisbar;  der  Puls  kaum  zu  tasten.  Das  Turgogramm  zeigte, 
dass  der  systolische  Blutdruck  bei  diesem  Kinde  bei  100  mm,  der 
.diastolische  bei  70  mm  lag. 


50 


Fig.  5. 

Die  Durchführung  einer  Blutdruckmessung  bei  starker 
Arrhythmie  bietet  palpatorisch  die  grösste  Schwierigkeit; 
graphisch  wird  diese  Aufgabe  leicht  und  höchst  exakt  gelöst, 
wobei  gleichzeitig  die  Beurteilung  der  Herzunregelmässigkeit 
selbst  infolge  der  graphischen  Registrierung  wesentlich  sicherer 
erscheint.  Da  den  Pulsunregelmässigkeiten  in  den  letzten 
Jahren  besonderes  Interesse  seitens  einer  Reihe  von  Forschern 


Zu  diesem  Sphygmo-Turgogramm  nehmen  wir  den  Venenpuls  in 
,der  üblichen  Weise  mit  .dem  Trichter  auf;  so  gingen  wir  in  den  vor¬ 
zitierten  Beobachtungen  vor.  Ein  Beispiel  einer  solchen  Aufnahme 
im  vorliegenden  Falle  zeigt  Figur  6  b,  in  welcher  die  unteie  Kurve 
das  Sphygmo-Turgogramm  bei  80  mm  Hg-Druck  wiedergibt,  die  obere 
Kurve  den  Venenpuls  von  der  rechten  Halsseite  (Vena  jugularis 
dextra  =  v.  j.  d.)  darstellt. 

Handelte  es  sich  im  eben  mitgetei'lten  Falle  um  eine  junge  Frau 
von  27  Jahren  mit  vollständig  gesunden  Herzklappen,  so  bringen 
Figur  7  und  7  a  Blutdruckbestimmung  und  Pulsaufnahme,  einer  Dame 
(Frau  V.),  welche  im  60.  Lebensjahre  steht  und  ausgesprochene 
Schwächeerscheinungen  des  Herzens  darbietet.  Bei  dieser  Kranken 
ist  die  Herzdämpfung  sehr  stark  nach  links  vergrössert  und  zeigt 
einen  transversalen  Durchmesser  von  10,7  cm;  die  Herzaktion  ist 
ausserordentlich  unregelmässig,  hie  und  da  blasende  Geräusche  über 
dem  Herzen  zu  hören.  Leber  ein  wenig  geschwollen,  im  Harne  eine 
Spur  Eiweiss,  kein  Zucker.  Die  graphische  Blutdruckbestimmung 
(Fig.  7)  zeigte,  dass  der  systolische  i.  e.  maximale  Blutdruck  bei 
110  mm  Hg,  der  minimale  —  diastolische  bei  70  (  80)  mm  H°  zu 


ichen  ist.  „  ,  ,  _ _ 

Figur  7  a  zeigt  den  Venenpuls  dieser  Kranken  aufgenom 
on  der  Vena  jugularis  dextra,  während  an  Stelle  des  .p  iygti i  - 
ramms  das  bei  70  mm  Hg  Manschettendruck  geschriebene  lurgo 
ramm  verwendet  ist. 


1812 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  27. 


Die  Venenpulskurve  zeigt  vollkommen  normale  Verhältnisse  und  ohne  dass  der  Schreiber  bei  irgend  einem  Manschettendrucke  auf- 
die  Unregelmässigkeiten  der  Herzaktion  (z.  B.  bei  x)  können  also  |  fallend  hohe  Wellen  gezeichnet  hätte. 


Fig.  7. 


durch  Vergleich  des  Turgogramms  mit  dem  Venenpulse  genauer 
analysiert  werden. 


Handelte  es  sich  in 
den  letztgenannten  Fäl¬ 
len  um  Darstellungen  von 
Pulsunregelmässigkeiten 
bei  normalem  Blutdrucke, 
so  mag  Figur  8  die  Auf¬ 
nahme  einer  Blutdruck¬ 
bestimmung  bei  stark  er¬ 
höhtem  Blutdrucke  (alil- 
Fig.  7a.  gemeiner  Arteriosklerose) 

illustrieren.  Die  Figur 
bringt  das  Tono-Turgogramm  einer  Dame  (Frau  T.),  welche, 
im  69.  Lebensjahre  stehend,  im  Anschlüsse  an  eine  Grippe  seit  dem 


In  der  letzten  Zeit  hat  Sahli 10)  ausgehend  von  der 
Stärke  (Energie)  des  Pulses  bezw.  der  verschiedenen  Grösse 
der  Hg-Oszillationen  bei  verschiedenem  Drucke  in  geistvoller 
Weise  den  Arbeitswert  jeder  einzelnen  Pulswelle  festzustellen 
gesucht  und  uns  mit  einer  neuen  Untersuchungsmethode  —  der 
Sphygmobolometrie  —  beschenkt. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  Sahli  mit  seinen 
Auseinandersetzungen  die  Aufmerksamkeit  auf  einen  we¬ 
sentlichen  Faktor  lenkte,  der  bisher  gar  keine  oder 
gewiss  nicht  genügende  Berücksichtigung  gefunden  hat  und 
diesen  auch  rechnerischer  Feststellung  zugänglich  gemacht  hat. 
Da  die  hier  gebrachten  Grössen  einen  vom  benützten  Instru- 


Fig.  8. 


Februar  1907  an  Ohrensausen  und  heftigem  Schwindel  leidet.  Ueber 
die  gleichen  subjektiven  Beschwerden  klagte  in  noch  höherem  Masse 
ein  Kranker,  Herr  W.,  dessen  Blutdruckbestimmung  Fig.  9  zeigt. 


Fig.  9. 

Dieser  56  Jahre  alte  Mann  klagte  nur  über  Schwäche  und  Schwindel 
von  solcher  Heftigkeit,  dass  er  nicht  allein  auf  die  Strasse  zu  gehen 
wagte.  Objektiv  zeigte  dieser  Kranke  leichte  Röte  des  Gesichtes 
und  glänzende  Augen  wie  ein  Fiebernder;  der  Puls  war  stark  be¬ 
schleunigt,  die  Herzdämpfung  ein  wenig  nach  links  vergrössert 
(Transversaldurchmesser  der  Herzdämpfung:  8,5  cm,  Brustumfang  in 
Warzenhöhe:  97  cm);  dabei  ein  systolischer  Blutdruck  von  über 
250  mm,  so  dass  die  Bestimmung  nicht  zu  Ende  durchführbar  war. 
Gerade  aus  diesem  Grunde  schien  es  interessant,  dieses  Turgogramim 
zu  reproduzieren,  weil  eine  grosse  Reihe  von  Autoren  der  Möglich¬ 
keit  solch  hoher  Blutdruciksteigerung  skeptisch  gegenübersteht. 

Die  in  Fig.  8  und  9  wiedergegebenen  Tonogramme  zeichnen  sich 
durch  ausserordentliche  Höhe  der  Oszillationen  aus;  dass  so  grosse 


mente  abhängigen  vorzüglich  relativen  Wert  besitzen,  könnte 
der  von  Sahli  als  „relatives  A  r  b  e  i  t  s  in  a  s  s“  einer 
Pulswelle  gebrachte  Ausdruck  A  =  h  (h  +  H)  direkt  auf  unsere 
Tonogramme  übertragen  werden,  wobei  h  durch  die 
Grösse  der  Oszillationen  des  stets  gleich  langen 
Schreibers  gegeben  wäre,  während  H  dem  am  Steig¬ 
rohr  in  mm  Hg  abgelesenen  Manschettendrucke,  unter 
welchem  diese  Ausschläge  (von  der  Höhe  h)  er¬ 
folgten,  entspräche. 

An  dieser  Stelle  sei  darauf  hingewiesen,  dass  an 
meinem  Instrumente,  wie  ich  schon  in  meiner  früheren 
Arbeit  (-1.  c.  S.  142)  erwähnte,  die  pulsatorisc'hen  Oszilla¬ 
tionen  der  Hg-Oberfläche  im  Steigrohre  sehr  schön  zu  be¬ 
obachten  sind  und  ihre  Grösse  (h)  jeweils  auch  direkt 
abgelesen  werden  kann. 

Doch  genügen  die  in  der  vorliegenden  Arbeit  gebrachten 
Tonogramme  nicht  den  seitens  Sahlis  an  sphygmobolo- 
metrische  Bestimmungen  geknüpften  Bedingungen,  insoferne 
als  die  von  diesem  Autor  mit  Recht  geforderte  Abschnürung 
des  peripheren  Armabschnittes  (unterhalb  der  Riva-Rocci- 
manschette)  nicht  vorlag.  Mir  kommt  es  jedoch  an  dieser 
Stelle  nur  darauf  an,  zu  zeigen,  wie  vorzüglich  sich  der  ein¬ 
gangs  abgebildete  Apparat  zur  Ausführung  solcher  Bestim¬ 
mungen  eignet. 

Und  noch  einen  Punkt  möchte  ich  am  Schlüsse  hervor¬ 
heben:  Die  vorgeführten  Abbildungen  zeigen,  dass  der  Schrei¬ 
ber  nicht  einfache  Oszillationen  verzeichnet,  sondern  echte 


Fig.  10. 

Ausschläge  nicht  einfach  Ausdruck  der  Blutdrucksteigerung  sind, 

zeigt  ein  Vergleich  mit  Fig.  10.  Auch  in  diesem  Falle  —  es  handelte  Pulse  schreibt;  ich  verweise  zur  Stütze  des  eben  gesagten 

sich  um  ein  32  jähriges  Fräulein  K.,  welches  sonst  nichts  Patho-  noch  auf  Figur  11,  das  Tonogramm  eines  26  jährigen  stud.  jur. 

M.,  der  bis  auf  verlangsamte  Herzaktion  — 
56  Pulse  in  der  Minute  —  nichts  pathologisches 
zeigte. 

Ob  darnach  das  Turgogramm  auch  in 

anderen  als  den  angeführten  Fällen  an  Stelle 
des  Sphymogramms  wird  treten  können, 


Fig.  11. 

logisches,  insbesondere  keine  nennenswerte  Herzvergrösserung  zeigte 
—  hatte  der  maximale  Blutdruck  eine  Höhe  von  über  200  mm  Hg, 


lü)  Sahli:  Die  Sphygmobolometrie,  eine  neue  Untersuchungs¬ 
methode  der  Zirkulation.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  16  u.  17, 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1813 


müssen  noch  weitere  Untersuchungen  lehren,  welche 
jedenfalls  zunächst  den  Einfluss  der  verschiedenen  Man¬ 
schettenbreite  auf  die  Form  des  lurgogramms  feststellen 
werden;  auch  die  Aenderung  des  Turgogramms  bei  verschie¬ 
denem  Drucke  wird  eingehende  Berücksichtigung  verlangen. 
Einiges  zur  Lösung  der  zuletzt  aufgeworfenen  Frage  liegt  be¬ 
reits  in  der  vorliegenden  Mitteilung  vor,  so  das  eigentümliche 
Tiefertreten  der  Rtickstosselevation  bei  steigendem  Manschet¬ 
tendrucke  (Fig.  11),  das  Verschwinden  desselben  in  den 
Sphygmo-Turgogrammen  von  einem  gewissen  Drucke  an  und 
das  eigentümliche  Auftreten  von  nicht  dem  Pulse  angehörigen 
Zacken  bei  höherem  Drucke. 

Wie  immer  diesbezüglich  die  Entscheidung  ausfallen  möge, 
gewiss  ist,  dass  bei  Verwendung  des  geschilderten  Apparates 
die  Blutdruckbestimmung  objektiven  Charakter  bekommt  und 
in  Fällen  möglich  wird,  in  welchen  die  palpatorische  Bestim¬ 
mung  zumindest  äusserst  unsicher  wäre;  dass  der  Apparat 
gleichzeitig  die  Pulsenergie  anzeigt  und  zu  sphygmobolo- 
metrischen  Bestimmungen  vorzüglich  geeignet  ist  und  dass  das 
Studium  der  Pulsunregelmässigkeiten  durch  denselben  wesent¬ 
lich  vereinfacht  und  erleichtert  wird. 

Nachtrag.  Um  den  Apparat  in  den  verschiedenen  oben 
erwähnten  Richtungen  möglichst  vollkommen  zu  gestalten, 
wurde  in  den  letzten  Monaten  eine  etwas  andere  Anordnung 
getroffen:  Jeder  der  zwei  Balken  des  T-Hahns  der  Pumpe 
wurde  mit  einer  eigenen  Manschette  verbunden,  welche  nahe 
aneinander  am  Arme  des  zu  untersuchenden  Menschen  an¬ 
gelegt  wurden,  die  eine  am  Oberarme,  die  zweite  Manschette 
am  Vorderarme.  Beide  Manschetten  können  nun  gleichzeitig 
oder  nacheinander  mit  gleichem  oder  verschiedenem  Drucke 
von  der  Pumpe  aus  mit  Luft  gefüllt  werden  und  die  in  beiden 
Manschetten  vor  sich  gehenden  Druckschwankungen  können 
bequem  auf  der  Trommel  verzeichnet  werden.  Auf  diese 
Weise  ist  nun  der  Apparat  ebensowohl  zur  Registrierung  der 
feinsten  Pulsunregelmässigkeiten  (Verwendung  der  Oberarm¬ 
manschette),  als  zur  exakten  Bestimmung  des  maximalen  Blut¬ 
druckes  (untere  Manschette),  als  zur  sphygmobolometrischen 
Bestimmung  (Pulsschreibung  aus  der  oberen  Manschette,  nach¬ 
dem  die  untere  allein  über  den  maximalen  Blutdruck  aufge¬ 
trieben  wurde)  geeignet. 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Jena. 

Zur  Torsion  der  Appendices  epiploicae. 

Von  Dr.  Krüger. 

Die  Fettanhänge  des  Dickdarms,  die  bis  vor  kurzer  Zeit  in 
der  chirurgischen  Pathologie  keine  Rolle  zu  spielen  schienen, 
haben  an  Interesse  gewonnen,  seit,  durch  die  ersten  Mitteilungen 
Riedels  angeregt,  eine,  wenn  auch  noch  recht  kleine  Reihe 
von  Beobachtungen  in  der  Literatur  niedergelegt  ist.  Zwar 
wäre  bei  der  in  anatomischer  und  physiologischer  Hinsicht  ein¬ 
fachen  Beschaffenheit  dieser  Gebilde  a  priori  nicht  zu  erwarten, 
dass  sie  kompliziertere  pathologische  Verwicklungen  würden 
hervorrufen  können,  jedoch  hat  sich  gezeigt,  dass  Strang¬ 
bildungen,  entstanden  durch  adhärent  gewordene,  ausgezogene 
Fettanhänge,  freie  Fettkörper,  aus  abgedrehten  Appendizes  her¬ 
vorgegangen,  in  Bruchsäcken  gedrehte  oder  akut  eingeklemmte 
Appendices  epiploicae  unter  Umständen  recht  verschiedene  und 
bisweilen  recht  ernste  klinische  Erscheinungen  verursachen 
können.  Bisher  liegen  13  Fälle  in  der  Literatur  vor,  wo  Fett¬ 
anhänge  des  Dickdarmes  zu  chirurgischem  Eingreifen  nötigten. 

Die  Fälle  lassen  sich  zweckmässig  einteilen  einmal  in 
solche,  wo  die  Ereignisse  in  der  freien  Bauchhöhle,  das  andere 
Mal,  wo  sie  in  einem  Bruchsack  sich  abspielen.  Siebenmal 
wurden  die  Appendizes  im  Bruchsack  gefunden,  und  zwar  wur¬ 
den  in  der  Jenenser  Klinik  zweimal  Drehungen  derselben  be¬ 
obachtet,  während  akute  Einklemmungen  von  Bruns,  Mus- 
catello,  Lorenz  und  zuletzt  von  Mohr  berichtet  worden 
sind.  Ich  kann  jetzt  einen  weiteren  Fall  beibringen,  der  man¬ 
ches  neue  bietet,  der  mir  insbesondere  deswegen  von  Bedeutung 
zu  sein  scheint,  weil  durch  ihn  bewiesen  wird,  dass  ein  von 
der  Bauchhöhle  im  Bruchsack  abgeschlossenes  Gebilde  inner¬ 
halb  desselben  sich  torquieren  kann,  was  nach  den  geläufigen 
Vorstellungen  über  den  Torsionsmechanismus  intraabdomi¬ 
neller  Organe  zunächst  nicht  recht  wahrscheinlich  erscheint. 


Am  17.  Mai  wurde  ein  56  jähriger  Mann  in  der  Klinik  .auf¬ 
genommen  und  unter  der  Diagnose:  eingeklemmter  Netzbruch  ope¬ 
riert.  Patient  hatte  bisher  nichts  von  einem  Bruch  gemerkt.  Bei  der 
Operation  stellte  sich  heraus,  dass  eine  von  der  Zökalgegend  in  den 
rechten  Leistenkanal  verlaufende  Appendix  epiploiea  durch  einen 
fadenförmigen,  ganz  kurzen  Stiel,  welcher  durch  den  inneren  Leisten¬ 
ring  trat,  mit  dem  walnussgrossen,  klumpig  verdickten  Ende  in  Ver¬ 
bindung  stand,  und  dass  dieser  Eettklumpen  sich  um  seine  Achse  ge¬ 
dreht  und  dadurch  Entzündungserscheinungen  hervorgerufen  hatte. 
Da  es  sich  offenbar  um  einen  schon  längere  Zeit  im  Bruchsack  ver¬ 
weilenden  Fettanhang  handelte,  wurde  nach  der  Operation  eine  ge¬ 
naue  Anamnese  aufgenommen,  welche  ausserordentlich  interessante 
Einzelheiten  ergab,  wodurch  erst  eine  genaue  Erklärung  des  Ope¬ 
rationsbefundes  und  umgekehrt  der  früheren  Symptome  möglich 
wurde.  Ich  gebe  im  folgenden  die  Vorgeschichte  und  anschliessend 
den  Operationsbericht: 

Aus  gesunder  Familie  stammend,  ist  Patient  selbst  nicht  ernstlich 
krank  gewesen.  Von  einem  Bruchleiden  hat  er  bisher  nichts  bemeikt. 
Im  Jahre  1887  hatte  Patient  in  seinem  Beruf  als  Steueramtsassistent 
■sehr  viel  damit  zu  tun,  in  Bierbrauereien  die  Bräubottiche  auszu¬ 
messen,  wobei  es  viel  zu  klettern  und  zu  bücken  gab.  Während  er 
eines  Tages  aus  einem  Bräubottiche  stieg,  verspürte  er  Schmelzen 
in  der  rechten  Leistenbeuge  und  beim  Fortbewegen  des  rechten 
Beines.  Das  Allgemeinbefinden  war  nicht  weiter  gestört, .  jedoch 
nötigten  ihn  die  Schmerzen  einige  Tage  zur  Bettruhe.  In  geringerem 
Masse  hatte  er  dann  noch  mehrere  Wochen  Empfindungen.  In  der 
Folgezeit  fühlte  sich  Patient  wohl,  nur  trat  zeitweise  ein  unleidliches 
Gefühl  im  Leib  auf,  in  den  letzten  Jahren  besonders  dann,  wenn  er 
lange  gesessen  hatte.  Aus  diesem  Grunde  hatte  er  sich  gewöhnt,  am 
Stehpult  zu  arbeiten.  Vor  zwei  Jahren  hatte  er  wieder  einmal  stär¬ 
kere  Schmerzen  beim  Gehen  im  rechten  Bein,  die  aber  bald  wieder 

schwanden.  ,  .. 

Vier  Tage  vor  der  Aufnahme  in  die  Klinik  litt  er  in  den  Morgen¬ 
stunden  an  Hustenanfällen  und  beim  Aufstehen  aus  dem  Bett  fühlte 
er  Schmerzen, 'die  von  der  Harnröhre  nach  idem  Nabel  zu  ausstiahlteii. 
Am  nächsten  Tag  bemerkte  Patient  einen  festen  Knoten  in  der  Leisten¬ 
beuge,  der  druckempfindlich  war,  beim  Gehen  jedoch  nicht  schmerzte. 
Vom  Arzt  wurde  Bettruhe  verordnet  und  kalte  Umschläge.  Da  die 
Beschwerden  nicht  verschwanden,  suchte  der  Kranke  am  vierten 
Tage  abends  die  Klinik  auf. 

Befund:  Ziemlich  fettleibiger,  nicht  krank  aussehender  Mann. 
Temperatur  und  Puls  normal,  Zunge  nicht  belegt,  Leib  nicht  aufge¬ 
trieben.  Stuhlgang  soll  bis  heute  erfolgt,  Erbrechen  nicht  aufgetreten 
sein.  In  der  rechten  Leistenbeuge  ist  ein  klein-hühnereigrosser  läng¬ 
licher  Tumor  sichtbar,  der  sich  hart  anfühlt,  leicht  druckempfindlich 
ist,  und  unverschieblich  mit  seinem  oberen  Pol  im  äusseren  Leisten¬ 
ring  liegt.  Hautdecken  über  der  Geschwulst  sind  unverändert.  Die 
Diagnose  wird  auf  eingeklemmten  Netzbruch  gestellt. 

Operation:  In  Chloroformnarkose  Schnitt  über  dem  Leisten- 
kanal  von  10  cm  Länge;  sehr  dicke  Fettschicht.  Die  Geschwulst  liegt 
ganz  im  Samenstrang  eingebettet.  Spaltung  des  Kremasters  in  der 
Längsrichtung  und  stumpfe  Ablösung  nach  beiden  Seiten.  So  wird  ein 
sulzig  infiltrierter  Bruchsack  freigelegt  und  nach  Spaltung  der  Fibrae 
intercrurales  des  Externus  bis  oberhalb  des  inneren  Leistenringes 
wird  auch  sein  eng  eingeschnürter  Hals  sichtbar.  Nun  Inzision  des 
Bruchsackes,  der  nur  wenig  klares  Bruchwasser  enthält,  im  übrigen 
vollständig  durch  einen  lappigen  Netzklumpen  ausgefüllt  erscheint, 
von  dem  ein  ganz  dünner  Stiel  durch  den  Bruchring  in  die  Bauch- 


Figur  I. 


ähle  führt.  Da  das  Verhalten  des  Netzsticles  innerhalb  der  Bauch- 
ähle  klargestellt  werden  muss,  wird  der  M.  internus  stumpf  etwas 
ach  oben  gedrängt  und  das  Bauchfell  oberhalb  des  Schnurrings  ei¬ 
gnet.  Jetzt  ist  ein  bleistiftdicker,  glatter,  leicht  spiralig  gedrehter 
ettstrang  sichtbar,  welcher  sich  nicht  vorziehen  lässt,  vielmehr  nac 
ben  und  hinten  sich  breitbasig  am  Darm  (Zokum?)  und  Unterer 
arietalwand  ansetzt.  Es  unterliegt  nunmehr  keinem  Zwedel  dass 
in  Fettanhang  der  Zökalgegend  vorliegt,  welcher  offenbar  vor  lau 
erer  Zeit  sich  im  Bruchsack  eingeklemmt  hatte  und  dessen  Kuppe 
ypertrophiert  war.  Die  entzündlichen  Erscheinungen  waren  aus- 
elöst  worden  durch  die  vor  4  Tagen  erfolgte  Drehung  Der  intra- 
bdominelle  Strang  wird  ca.  3  cm  oberhalb  des  inneren  Leistennnge 
iit  Katgut  doppelt  unterbunden  und  durchschnitten,  Totalexz  s  o 
er  Appendix  samt  Bruchsack  und  Schnürrmg.  Verschluss  des  l  eri- 


1814 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


toneunis  mit  Katgutknopfnähten,  Vernähung  der  Aponeurose  des  Ex¬ 
ternus  mit  Katgut.  Hautzwirnnaht.  Dermatolverband.  Reaktions- 
loser  Wundverlauf. 

Gehen  wir  nach  diesem  Operationsbefund  die  Vorgeschichte 
des  Mannes  noch  einmal  durch,  so  wird  der  ganze  Fall  ausser¬ 
ordentlich  durchsichtig.  Der  Patient  hat  infolge  einer  körper¬ 
lichen  Anstrengung  vor  20  Jahren  eine  Einklemmung  einer 
Appendix  epiploica  der  Zoekalgegend  in  einen  rechtsseitigen 
Bruchsack  sich  zugezogen.  Ob  der  Bruchsack  präformiert  war 
oder  gleichzeitig  mit  entstand,  können  wir  nicht  wissen.  Sicher 
scheint  nur,  dass  er  nicht  gross  war,  sonst  würde  er  bei  der 
Intensität  der  Inkarzeration,  die  den  Mann  zur  Bettruhe  nötigte, 
sich  bald  prall  mit  Bruchwasser  gefüllt  und  sich  so  seinem 
Träger  bemerkbar  gemacht  haben.  Eine  Reposition  des  Fett¬ 
anhangs  in  die  Bauchhöhle  trat  seitdem  nicht  ein,  er  blieb  durch 
den  Schnürring  festgehalten  im  Bruchsack.  Daher  dauernd  die 
unangenehmen  Sensationen  in  der  rechten  Unterbauchgegend 
durch  den  Zug  des  Stranges  an  der  hinteren  Bauchwand.  Durch 
die  Beziehungen  zum  M.  ileopsoas  finden  die  Schmerzen  beim 
Bewegen  des  rechten  Schenkels  ihre  Erklärung;  in  gleicher 
Weise  fühlt  ein  Appendizitiker  Unbequemlichkeiten  beim  Gehen, 
wenn  er  durch  Anspannen  des  Ileopsoas  den  mit  diesem  ent¬ 
zündlich  verklebten  Wurmfortsatz  beunruhigt.  Die  folgenden 
Jahre  über  hat  sich  dann  langsam  die  Kuppe  der  Appendix 
epiploica  zu  dem  gegenwärtigen  taubeneigrossen  Fettklumpen 
entwickelt.  Wegen  seines  sonstigen  gut  entwickelten  Fett¬ 
polsters  wurde  der  Patient  nichts  gewahr,  nur  wurde  ihm  all¬ 
mählich  längeres  Sitzen  unangenehm,  da  er  dabei  meist  wieder 
das  dumpfe  Gefühl  im  Leibe  hatte:  offenbar  die  Folge  des 
Druckes  oder  Zuges,  die  dabei  auf  das  Fettgebilde  einwirkten. 
So  gewöhnte  er  sich  am  Stehpult  zu  arbeiten.  Als  vor  zwei 
Jahren  plötzlich  wieder  einmal  stärkere  Schmerzen  einsetzten, 
hatte  möglicherweise  eine  kleine  Achsendrehung  des  Fett¬ 
körpers  stattgefunden,  oder  derselbe  hatte  sich  entzündet,,  wie 
wir  das  bei  kleinen  Netzbrüchen,  selbst  auch  bei  leeren  Bruch¬ 
säcken,  des  öfteren  finden.  Jetzt  kam  die  zweite  Drehung.  Bei 
der  Kleinheit  des  Stieles,  dessen  Betrachtung  die  Zuhilfenahme 
einer  Lupe  erforderte,  konnte  der  Grad  der  Drehung  nicht  mit 
Sicherheit  festgestellt  werden;  er  ist  auch  nicht  so  wichtig. 
Wenn  Payr  der  Ansicht  ist,  dass  Zirkulationsstörungen  erst 
bei  Drehungen  um  180°  eintreten,  so  ist  das  wohl  nur  bei  den 
intraabdominellen  Organen  mit  relativ  grossen  Stielen  zu¬ 
treffend,  während  bei  einem  so  kurzen,  dünnen  Stiel,  wie  in 
unserem  Falle  auch  eine  Drehung  um  90 0  oder  weniger  schon 
genügen  würde,  um  Zirkulationsstörungen  hervorzurufen.  Be¬ 
sonders  interessant  war,  dass  die  Torsion  nicht  lediglich  an  dem 
dünnen,  im  Schnürring  liegenden  Stiel  stattgefunden  hatte,  son¬ 
dern  dass  auch  der  intraabdominell  gelegene  Teil  der  Appendix 
eine  deutliche  Spiralwindung  zeigte.  Trotz  des  zwanzigjährigen 
Aufenthaltes  im  Bruchsackhals  war  also  der  Stiel  nicht  adhärent 
geworden,  so  dass  sich  die  Drehung  des  im  Bruchsack  befind¬ 
lichen  Fettkörpers  auf  den  am  Darm  inserierenden  Teil  des 
Fettanhangs  in  Spiraltour  fortsetzen  konnte.  Nur  war  durch 
die  Entzündung  jetzt  eine  zarte  fibrinöse  Verklebung  am  Stiel 
eingetreten,  die  sich  aber  schnell  und  leicht  löste,  sobald  der 
Schnürring  gespalten  war.  Infolge  der  Drehung  war  es  zu  ve¬ 
nöser  Stauung  gekommen,  Stiel  und  proximales  Ende  des  Fett¬ 
körpers  waren  bläulich  verfärbt,  jedoch  war  die  Zirkulations¬ 
störung  nicht  so  hochgradig,  dass  Gangrän  eingetreten  wäre, 
obwohl  bereits  vier  Tage  seit  der  Drehung  vergangen  waren. 
Die  Möglichkeit  ist  also  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  dieses 
Mal,  wie  vor  zwanzig  und  vor  zwei  Jahren,  die  Entzündungs¬ 
erscheinungen  spontan  wieder  abgeklungen  wären.  Aber  die 
Aussicht  auf  wiederholte  Drehungen  mit  eventueller  Gangrän 
und  Uebergreifen  der  Entzündung  auf  die  Bauchhöhle  recht¬ 
fertigt  die  Radikaloperation  in  vollem  Masse. 

Wie  kam  nun  die  Drehung  des  Fettkörpers  im  Bruchsack 
zu  stände?  Payr  unterscheidet  bei  den  Torsionen  intra- 
abdomineller  Organe  die  von  aussen  einwirkenden  Ursachen 
und  die  inneren,  durch  die  Wachstumsverhältnisse  und  die  Zir¬ 
kulation  gegebenen:  durch  exzentrisches  Wachstum  entstehen 
Gleichgewichtsschwankungen,  die  sich  experimentell  durch  Im¬ 
plantation  von  Magnesiumkugeln  imitieren  liessen;  verschie¬ 
dene  Länge  der  Arterien  und  Venen  und  hochgradige  Stauung 
sollen  ebenfalls  einen  Torsionsvorgang  einleiten  können.  Für 
unseren  Fall  können  diese  beiden  Momente  nicht  in  Betracht 


kommen.  Denn  erstens  konnten  sich  bei  dem  dichten  Gefüge 
des  Fettklumpens  Schwankungen  in  der  Gefässlänge  und 
-füllung  kaum  im  Sinne  einer  Torsion  geltend  machen,  wie 
etwa  in  einem  lockeren  Netzzipfel,  und  zweitens  erschien  der 
Fettklumpen  durchaus  symmetrisch  entwickelt.  Ausserdem 
gewährte  der  enge  Bruchsack,  welcher  nur  ganz  wenig  Bruch¬ 
wasser  zwischen  sich  und  dem  Fettkörper  zur  Entwicklung  ge¬ 
langen  liess,  sehr  wenig  Spielraum,  so  dass  eine  Lageverände¬ 
rung  lediglich  durch  Gleichgewichtsstörung  schwerlich  ein¬ 
treten  konnte;  dies  ist  nur  bei  geräumigem  Bruchsack  denkbar, 
wo  mehr  ein  Hin-  und  Herpendeln  stattfinden  kann.  Es  bleibt 
somit  kaum  etwas  anderes  übrig,  als  rein  äussere  mechanische 
Momente  für  die  Entstehung  der  Torsion  heranzuziehen.  Pa¬ 
tient  hatte  in  den  Morgenstunden,  während  er  noch  zu  Bett  lag, 
mehrere  Hustenanfälle  gehabt;  dabei  hatte  er  vielleicht  gleich¬ 
zeitig  Bewegungen  der  Schenkel  ausgeführt,  sich  im  Bett 
herumgeworfen  etc.  Den  Mechanismus  der  Drehung  genauer 
anzugeben  ist  nicht  möglich. 

Bemerkenswert  erscheint  noch,  dass  es  sich  um  rechts¬ 
seitigen  Bruch  und  um  einen  Fettanhang  der  Zoekalgegend 
handelte.  Dass  Einklemmungen  der  Appendices  epiploicae  in 
linksseitige  Bruchpforten  häufiger  beobachtet  wurden  —  von 
7  Fällen  6  mal  —  ist  bei  der  Lage  und  der  Beweglichkeit  des 
S  romanum  leicht  verständlich.  Das  Zoekum  weist  allerdings 
auch  eine  ausserordentlich  verschiedene  Lage  auf,  wie  sich 
bei  der  Operation  der  Appendizitis  immer  wieder  zeigt,  indem 
es  bald  oben  unter  der  Leber,  bald  tief  im  Becken,  bald  in  grosse 
Hernien  herabgesunken  zu  finden  ist,  in  der  Regel  ist  es  aber 
an  dem  jeweiligen  Standort  fixiert,  so  dass  auch  die  ihm  zuge¬ 
hörigen  Fettanhänge  ihre  Lage  nur  innerhalb  geringer  Grenzen 
zu  wechseln  vermögen,  während  diejenigen  der  Flexur  durch 
die  Peristaltik  öfter  an  den  linksseitigen  Bruchüforten  vorbeige¬ 
führt  werden  und  so  hineinschlüpfen  können.  In  dem  Lorenz- 
schen  Falle  war  sogar  eine  Appendix  epiploica  der  Flexur  in 
einen  rechtsseitigen  Leistenbruch  verlagert  worden.  In  un¬ 
serem  Falle  stand  das  Zoekum  an  normaler  Stelle,  aber  der 
Fettanhang  war  sehr  lang,  so  dass  er  mit  seiner  Kuppe  in  den 
inneren  Leistenring  geraten  konnte. 

Der  zwanzigjährige  Aufenthalt  im  Bruchsack  hatte  in  aus¬ 
geprägtester  Weise  die  Veränderungen  hervorgerufen,  die  von 
V  i  r  c  h  o  w  als  linomatöse  Polypen  der  Fettanhänge  beschrie¬ 
ben  sind.  Nach  Eröffnung  des  Bruchsackes  glaubte  ich  in  der 
Tat  zunächst  einen  Netzbruch  vor  mir  zu  haben,  so  sehr  ähnelte 
das  Gebilde  mit  seiner  lappigen  Oberfläche  einem  Netzklumpen. 
Die  Länge  betrug  4  cm,  die  Breite  1  U>  cm. 

Im  Anschluss  hieran  möchte  ich  noch  einen  kleinen  Beitrag 
zum  Kapitel  der  intraabdominellen  Drehung  der  Fettanhänge 
liefern.  Durch  Zufall  gelangte  ich  gelegentlich  der  Sektion  einer 
aus  anderen  Ursachen  verstorbenen  Frau  in  den  Besitz  des  in 
Fig.  II  abgebildeten  Präparates.  An  der  lateralen  Seite  des 


Fig.  II. 

ziemlich  beweglichen  Colon  sigmoideum,  welches  reichlich  mit 
wohlausgebildeten  Appendizes  besetzt  war,  wurde  ein  flacher 
Fettkörper  gefunden,  von  der  Grösse  eines  Zehnpfennigstücks, 
welcher  nur  noch  an  einem  haarfeinen,  gefässführenden  Stiel 
hing.  Dieser  Stiel  war  gedreht  und  ebenso  wie  der  proximale 
Teil  des  Fettanhangs  dunkel-bläulich  gefärbt.  Der  am  Darm 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1815 


ansetzende  Teil  hatte  etwa  Bleistiftdicke.  Auch  in  diesem  Falle 
war  die  Stielbildung  offenbar  schon  älteren  Datums,  da  sich 
eine  deutliche,  herzförmige  Inzisur  ausgebildet  hatte,  von  der 
aus  derbere  Serosanarben  über  den  pendelnden  Eettkörper  aus¬ 
strahlten.  Ueber  die  ersten  Anfänge  der  Stielbildung  geben 
interessanterweise  die  beiden  benachbarten,  nach  unten  hän¬ 
genden  Appendizes  einigen  Aufschluss.  Blattartig,  unregel¬ 
mässig  geformt  zeigen  sie  eine  offenkundige  Neigung  zur  Tor- 
siom  die  sich  durch  das  exzentrische  Wachstum  im  Payr- 
sche'n  Sinne  zwanglos  erklären  lässt.  Dieses  Verhalten  der 
Appendices  epiploicae  habe  ich  seitdem  bei  Laparotomien  in 
vivo  öfter  beobachten  können.  Ist  die  Stielbildung  erst  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  gediehen,  dann  können  auch  äussere, 
mechanische  Momente,  vor  allen  Dingen  die  Peristaltik,  zur 
Drehung,  schliesslich  zur  völligen  Abdrehung  des  distalen 
Endes  führen.  Bei  der  grossen  Zahl  der  Fettanhänge  können 
sich  diese  Vorgänge  selbstverständlich  an  mehreren  Stellen 
gleichzeitig  abspielen,  und  so  wurden  in  der  Tat  mehrfache 
freie  Körper  in  der  Bauchhöhle  gefunden  und  aussei  dem  sah 
Riedel  in  seinem  Fall  III  am  Querkolon  noch  mehreie 
Appendizes,  die  nur  an  einem  fadenförmigen  Stiel  hingen  so- 
dass  also  nach  einer  Entfernung  eines  Corpus  liberum  mit  dem 
späteren  Auftreten  neuer  Torsionen  resp.  freier  Körper  ge¬ 
rechnet  werden  muss. 

Ueberblicken  wir  die  über  die  Pathologie  der  Fettanhänge 
des  Dickdarms  vorhandene  Literatur,  so  wissen  wir  bis  jetz 


also  folgendes:  .  . 

Erkrankungen  der  Fettanhänge  sind  bisher  nur  im  mittleren 
oder  späteren  Lebensalter  beobachtet  worden,  ohne  Unter¬ 
schied  des  Geschlechtes,  aber  besonders  bei  fettleibigen  Per¬ 
sonen.  Durch  Drehung  um  ihre  Längsachse,  dm  bedingt  ist 
durch  Gleichgewichtsstörungen  infolge  exzentrischen  Wachs¬ 
tums  kommt  es  allmählich  zu  Stielbildungen,  in  deren  Gefolge 
häufig  eine  klumpige  Entartung  des  distalen  Teiles  stattfindet. 
Mit  zunehmender  Dünne  des  Stieles  treten  bei  weiterer  Torsion 
Zirkulationsstörungen  auf,  die  zur  Entzündung  des  distalen 
Teiles  führen.  So  kann  Adhärenz  desselben  eintreten  mit  der 
Parietalserosa,  dem  Mesenterium  oder  Darmschlingen,  .  der 
adhärente  Fettanhang  kann  sich  weiterhin  ausziehen  zu  einem 
dünnen  Strang,  seiner  früheren  Gestalt  somit  sehr  unähnlich 
werdend.  Ileuserscheinungen  durch  Darmstrangulation  sind 
die  Folge  solcher  Stränge.  Wird  die  torquierte  Appendix  nicht 
adhärent,  so  kann  sich  ihre  distale  Kuppe  vollständig  abdrehen, 
entweder  langsam  und  unmerklich,  oder  !intor  akuten  Er¬ 
scheinungen;  in  beiden  Fällen  entstehen  freie  Fettkorper,  d  e 
entweder  nir  Schmerzanfälle  oder  Peritonitis  verursachen 
können.  Durch  Verkalkung  der  freien  Körper  kann  ihre  Her¬ 
kunft,  infolge  Einschmelzung  im  Exsudat  der  Ursprung  einer 
Peritonitis  verschleiert  werden.  Geht  die  akute  Abtrennung  in 
folge  Gangrän  des  Stieles  ohne  stärkere  Allgemeinreizung  des 
Peritoneums  vorüber,  so  kann  doch  das  proximale  Ende  des 
Fettanhangs  mit  seiner  Demarkationsstelle  adharent  werden 
und  wiederum  Bedingungen  für  Strangabklemmungen  schaffen. 
Diese  Vorgänge  spielen  sich  entweder  nur  an  einer  oder  gleic 
zeitig  an  mehreren  Appendices  epiploicae  ab;  eventuell  wieder¬ 
holen  sie  sich  auch,  sodass  der  Erfolg  der  Operation  nur  ein 
vorübergehender  ist.  Aehnlich  wie  bei  anderen  Bauchein- 
geweiden  kommen  Einklemmungen  einer  oder  mehrerer  Appen¬ 
dices  epiploicae  in  Schenkel-  und  Leistenbrüche  vor,  besonders 
in  linksseitige,  seltener  in  rechtsseitige.  Die  Einklemmung 
kann  rasch  zur  Gangrän  der  Kuppe  führen,  andererseits  können 
bei  leichteren  Graden  die  akuten  Erscheinungen  langsam  zu¬ 
rückgehen.  Reposition  des  Fettanhangs  in  die  Bauchhöhle 
scheint  in  der  Regel  nicht  stattzufinden,  vielmehr  bleibt  der¬ 
selbe  im  Bruchsack  und  wird  entweder  adhärent,  später  faden¬ 
förmig  ausgezogen  oder  er  erleidet  dieselben  Veränderungen, 
wie  der  gestielte  Fettanhang  in  der  Bauchhöhle;  er  hyper- 
trophiert  klumpig,  kann  sich  drehen  und  unter  Umständen  voll¬ 
ständig  ablösen.  Nach  leichter  Einklemmung  kann  ein  ge¬ 
stielter  Fettkörper  entstehen,  der  rezidivierend  Drehungen  im 
Bruchsack  ausführen  und  dadurch  Schmerzanfälle  verursachen 
kann  Führt  die  Eniklemmung  zur  Gangrän  oder  vollständigen 
Ablösung,  so  setzt  damit  auch  eine  entsprechende  Entzündung 
des  Bruchsackes  ein.  Regelmässig  sind  die  Schmelzen  ziem¬ 
lich  bedeutend,  sodass  der  Patient  die  Arbeit  einstellen  muss. 


Dabei  strahlen  dieselben  oft  in  den  Unterbauch  aus,  bei  Ein¬ 
klemmungen  der  Zökalgegend  auch  in  den  Rücken  wegen  der 
Fixation  an  der  hinteren  Parietalwand.  Allgemeinerscheinungen 
von  Seiten  des  Bauches  fehlen  bei  den  Einklemmungen  der 
Fettanhänge  im  Bruchsack  stets;  lediglich  die  lokalen  Schmerz¬ 
symptome  charakterisieren  das  Krankheitsbild.  Durch  recht¬ 
zeitige  Operation  sind  alle  geheilt  worden,  während  bei  der 
durch  Fettkörper  verursachten  Peritonitis  mehrmals  letaler 
Ausgang  eintrat. 

Literatur. 

1.  Riedel:  Langenbecks  Archiv,  47.  —  2.  Riedel:  Ileus 
infolge  von  etwas  aussergewöhnlichen  Strangbildungen.  Verwach¬ 
sungen  und  Achsendrehungen,  sowie  von  Darmsyphilis.  Mitteilungen 
a.  d.  Grenzgebieten,  1877,  II.  —  3.  Payr:  Ueber  die  Ursachen  der 
Stieldrehung  intraperitoneal  gelegener  Organe.  Verhandlungen  d. 
Deutschen  Gesellschaft  f.  Chir..  1902.  —  4  Riedel:  Uebei  die 
Drehung  der  Appendices  epiploicae  und  ihre  Folgen  (Corpora  aliena 
und  Stränge  im  Bauch).  Münch,  med,  Wocbensoür.  1905,  No.  48.  — 
5.  L  o  r  e  n  z:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1905.  S.  1267.  —  6.  v.Bru  ns: 
Brucheinklemmung  einer  Appendix  epinloica.  Münch,  med  Wochen¬ 
schrift  1 906,  No.  1 .  —  7.  M  uscatello:  Bi  ucheinklemmung  d  ei 
Appendices  epiploicae  und  ihre  Folgen.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1906,  No.  38.  —  8.  Mohr:  Brucheinklemmung  von  Appendices  epi¬ 
ploicae.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  4. 


Aus  der  psychiatrischen  Klinik  zu  Marburg  (Geh.  Rat  Prof. 

Dr.  Tuczek). 

Zur  Pachymeningitis  interna  haemorrhagica. 

Von  Privatdozent  Dr.  Jahrmärker. 

Im  ärztlichen  Verein  zu  Marburg  zeigte  ich  vor  kurzem 
zwei  Präparate,  welche  von  Kranken  stammten,  bei  denen  wir  , 
mit  Recht  die  Annahme  einer  Pachymeningitis  interna  hämor¬ 
rhagica  gemacht  hatten;  im  Anschluss  an  diese  Demonstra¬ 
tion1)  möchte  ich  über  diese  beiden  Krankheitsfälle  nach  den 
vorhandenen  Aufzeichnungen  kurz  berichten. 

Im  Oktober  v.  .1.  kam  bei  uns  ein  63  jähriger  Mann  zur  Auf¬ 
nahme.  bei  welchem  seit  Juli  desselben  Jahres  eine  Psychose  vom 
Charakter  der  Dementia  senilis  deutlich  geworden  war:  er  trug  die 
Zeichen  der  Arteriosklerose,  den  übrigen  körperlichen  Befund  kann 
ich  übergehen:  von  früher  überstandener  Lues  wurde  nichts  bekannt, 
chronischer  Alkoholismus  war  auszuschliessen.  Im  November  sank 
Patient  eines  Tages  auf  dem  Wege  zum  Klosett  plötzlich  in  die  Knie, 
sah  erst  blass,  dann  rot  aus. musste  zum  Bett  zurück  geführt  werden; 
die  letzten  zwei  Wochen  etwa  vorher  hatte  er  sich  in  einem  Zustand 
deliranter  Erregung  befunden,  hatte  fortwährend  geredet,  mit  den 
Händen  in  der  Luft  herumgegriffen,  triebartig  aus  dem  Bett  ge¬ 
drängt  usw.  Jetzt  blieb  er  ruhig  liegen,  war  etwas  benommen,  gab 
aber  auf  Anrede  noch  kurze  Antworten,  zeigte  auch  auf  w unsen  die 
Zunge:  es  war  die  linke  Hand  gelähmt,  die  Finger  derselben  wurden 
nicht  bewegt.  In  der  folgenden  Nacht  und  am  anderen  Tage  winde 
Patient  noch  benommener,  schon  am  Morgen  wurde  beim  Ausatmen 
die  linke  Backe  vorgeblasen,  die  eingeflösste  Nahrung  floss  aus  dem 
linken  Mundwinkel  wieder  heraus.  Zuckungen  in  der  linksseitigen 
Gesichtsmuskulatur  traten  auf  und  rhvthmische  Kau-  und  bchlucK- 
bewegungen:  die  linke  Hand  war  ödematös  geschwollen  und  fühlte 
sich  kälter  an  als  die  rechte,  der  linke  Arm  fiel,  wenn  man  ihn  er¬ 
hoben  hatte,  schlaff  herunter:  bisweilen  wurde  er  mit  schlaff  herunter¬ 
hängender  Hand  spontan  erhaben,  in  seinen  Gelenken  fühlt,  man  bei 
passiven  Bewegungen  einen  Widerstand:  die  unteren  Extremitäten 
Hessen  Bewegungsstörungen  nicht  erkennen,  es  verhess  der  Kranke 
einmal  von  selbst  das  Bett  und  legte  sich  auf  Aufforderung  allein 
wieder  nieder:  einmal  fing  er  auch  spontan  an  zu  srechen:  ..Bm  von 
N.  ..Sie  haben  geschrieben  für  mich,  zeigen  §ie  mal  das  vei.se 
Papier“  und  machte  dabei  Handbewegungen  (rechts)  nach  dem  Note¬ 
buch  des  Arztes.  Die  Pulsfreauenz  betrug  am  Abend  54  Schlage  in 

der  Minute,  während  He  früher  nicht  verlangsamt  gewesen  war,  die 

Körpertemperatur  36.9.  während  sie  am  Morgen  die  Hohe  von  37  4 
gezeigt  hatte:  die  Atmung  bekam  einen  veränderten  lyp.  war  zen- 
weise  geräuschvoll,  schnarchend,  ohne  dass  man  einen  regelmassig 
Wechsel  von  flacherem  und  tieferem  Atmen  hätte  erkennen  können: 
die  Augäpfel  waren  zeitweise  nach  rechts,  zeitweise  auch  nach  links 
gestellt  Am  dritten  Tage  war  der  Kranke  vollkommen  benommen 
und  reagierte  nicht  mehr  auf  Anrufen:  Zuckungen  im  linksseitigen 
Fazialrsgebiet,  Kau-  und  Schluckbewegungen  ^sta^5"  ,f( °£ 
zuckten  auch  die  leicht  geschlossenen  Lider,  die  Augap  el  ginge 
zeitweise  hin  und  her.  der  Kopf  wurde  zeitw  se  1 in  iR Gh tuschen 
Ruckbewegungen  nach  links  gedreht:  der  ganze  linke  A’n  , 

kälter  an  als  der  rechte,  nach  passiven  Bewegungen  traten  in  ihm 
leichte  Zuckungen  auf.  aktive  Bewegungen 

sehen  geringe  Spannung  in  dein  Gelenken  war  noch  vorhanden,  aucn 
_ _ ;  1  i  n  i  3  i> 

rfl)  VergL  diese  Wochenschr.,  1907,  S.  295. 


1816 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


das  linke  Bein  wurde  jetzt  im  Gegensatz  zu  dem  rechten  nicht  mehr 
bewegt  und  war  kühler  als  das  rechte;  es  fand  sich  beiderseits 
Stauungspapille,  und  rechts  waren  mehrere  kleine  Blutungen  in  der 
Nähe  der  Papille  sichtbar;  die  Pulsfrequenz  war  wieder  auf  72  Schläge 
gestiegen,  die  Körpertemperatur  betrug  morgens  36,4,  abends  37,1. 
Am  vierten  Tage  sah  Patient  verfallen  und  zyanotisch  aus,  stöhnte 
laut  mit  halbgeöffnetem  Munde,  atmete  nicht  mehr  in  der  oben  ge¬ 
schilderten  Weise;  der  rechte  Arm  machte  vielfach  Greifbewegungen, 
hielt  die  Bettdecke  fest,  zog  an  derselben  usw.;  in  dem  linken  Arm 
traten  nach  passiven  Bewegungen  noch  Zuckungen  auf,  zeitweise 
wurde  derselbe  langsam  angehoben,  im  Uebrigen  erschien  er  ebenso 
wie  das  linke  Bein  gelähmt;  die  Zuckungen  im  linken  Fazialisgebiet 
waren  Tag  und  Nacht  in  kurzen  Zwischenräumen  gehäuft  wiederge¬ 
kehrt,  der  Kopf  wurde  krampfartig  nach  links  gedreht;  der  Urin 
wurde  nicht  mehr  gehalten,  die  Kornealreflexe  waren  nicht  mehr  aus¬ 
lösbar,  der  Patellarreflex  erschien  links  erloschen,  während  er  hier 
anfangs  gesteigert  gewesen  war:  auch  B  a  b  i  n  s  k  i  war  links  vorüber¬ 
gehend  vorhanden  gewesen.  Am  nächsten  Tage  war  die  Körper¬ 
temperatur  erhöht,  der  Puls  beschleunigt,  der  Kranke  verfiel,  und 
es  erfolgte  der  Exitus. 

Der  apoplektiforme  Beginn,  mit  welchem  bei  unserem 
Kranken  der  zum  Ende  führende  Zustand  einsetzte,  konnte  über 
dessen  wahre  Natur  nicht  hinwegtäuschen;  die  von  einem  Glied 
auf  die  ganze  Körperhälfte  gradatim  übergreifenden  Lähmungs¬ 
erscheinungen  und  die  sie  begleitenden  Reizerscheinungen 
Hessen  ihrem  Gesamtcharakter  nach  den  kortikalen  Ursprung 
und  die  Art  desselben  unschwer  erkennen,  ein  raumbeengendes, 
der  schnellen  Zunahme  fähiges  Moment  musste  nach  allen  son¬ 
stigen  Befunden  im  Schädelinnern  plötzlich  aufgetreten  sein, 
wir  mussten  zur  Annahme  einer  ausgedehnten  Blutung  über 
der  rechten  Hemisphäre  kommen;  ein  Trauma  hatte  nicht  statt¬ 
gehabt,  es  konnte  sich  nach  Lage  der  Verhältnisse  kaum  um 
etwas  anderes  handeln,  als  um  ein  sogen.  Durhämatom;  die 
.  Vorbedingungen  für  das  Auftreten  einer  Pachymeningitis  in¬ 
terna  haemorrhagica  waren  in  der  Dementia  senilis  gegeben, 
der  Zustand  deliranter  Erregung,  welcher  dem  Insult  voraus¬ 
gegangen  war,  konnte  die  Diagnose  nur  stützen;  die  Reiz¬ 
erscheinungen,  welche  sich  rechts  eingestellt  hatten,  fanden  un¬ 
schwer  ihre  Erklärung  als  Erscheinungen  sekundärer  Art.  Bei 
Gelegenheit  einer  klinischen  Vorstellung  zeigte  ich  ein  altes 
Präparat  von  Durhämatom,  an  welchem  eine  erhebliche  Im¬ 
pression  der  betr.  Hemisphäre  zu  sehen  war,  und  stellte  für 
den  Fall  der  Sektion  einen  ähnlichen  Befund  in  Aussicht.  Eine 
Punktion  wurde  in  Erwägung  gezogen,  aber  aus  bestimmten 
Gründen  nicht  ausgeführt.  Die  Sektion  bestätigte  unsere  An¬ 
nahme  vollkommen,  neben  einer  allgemeinen  Pachymeningitis 
int.  häm.  fand  sich  ein  von  pachymeningitischen  Membranen 
gebildeter  Sack,  welcher  fast  über  die  ganze  rechte  Konvexität 
hinreichte,  mit  teils  flüssigem,  teils  geronnenem  Blut  gefüllt 
war  und  besonders  in  der  Gegend  der  vorderen  Zentralwindung 
und  des  Stirnhirns  eine  ausgesprochene  Impression  zurück¬ 
gelassen  hatte;  in  der  Lunge  fanden  sich  frische  pneumo¬ 
nische  Herde,  eine  allgemeine  Arteriosklerose  war  deutlich. 

In  mancher  Hinsicht  anders  als  in  diesem  ersten  Falle 
lagen  die  Verhältnisse  in  dem  zweiten,  über  welchen  ich  be¬ 
richten  wollte. 

Es  handelte  sich  hier  um  eine  60  jährige  Frau,  die  Anfang  August 
1905  aufgenommen  wurde,  nachdem  sie  seit  einem  Jahre  geistige 
Veränderungen  gezeigt  hatte  und  etwa  14  Tage  vorher  in  einen 
Erregungszustand  geraten  war;  mit  46  Jahren  hatte  sie  sich  in  ihrem 
Beruf  als  Hebamme  Syphilis  zugezogen  und  hatte  damals  eine  In¬ 
jektionskur  durchgemacht.  Ihre  Psychose  charakterisierte  sich  als 
eine  Dementia  senilis,  Zeiten  bald  heftigerer,  bald  geringerer  Er¬ 
regung  wechselten  zuerst  ab  mit  schlafsüchtigen  Zuständen  und 
machten  allmählich  einem  im  allgemeinen  ruhigeren  Verhalten  Platz; 
die  Pupillen  waren  eng  und  reagierten  träge  auf  Lichteinfall  (Licht, 
Linse),  die  Temporales  waren  geschlängelt,  im  übrigen  bot  die  stark 
gealterte  Frau  keine  erwähnenswerten  körperlichen  Besonderheiten. 
Von  Anfang  an  kehrten  Klagen  über  Schmerzen  in  der  Stirn  und  im 
Hinterkopf  immer  wieder,  und  es  war  eine  gewisse  Ueberempfindlich- 
keit  gegen  Lärm  unverkennbar.  Am  22.  September  1905  wurde  die 
Kranke  nach  einer  unruhigeren  Nacht  auf  einmal  eigenartig  be¬ 
nommen,  sah  dabei  etwas  verfallen  aus  und  zeigte  am  Abend  eine 
Körpertemperatur  von  39,2  °;  sie  lag  auch  am  nächsten  Morgen  be¬ 
nommen  da,  reagierte  nur  langsam  auf  Anruf,  nannte  den  Arzt  wie 
früher  „Herr  Pfarrer“,  bejahte  die  Frage,  ob  sie  Kopfschmerzen  habe, 
und  führte  die  Hand  des  Arztes  nach  ihrer  Stirn,  sprach  sehr  undeut¬ 
lich,  so,  als  wenn  sie  etwas  im  Munde  hätte,  innervierte  die  Mund¬ 
muskulatur  nur  schwach,  atmete  etwas  schwer  und  blies  dabei  die 
Backen  auf,  zeigte  eine  Pulsfrequenz  von  90  Schlägen  und  eine  Tem¬ 
peratur  von  38,6°;  es  nahm  die  Benommenheit  am  Vormittag  an 
Intensität  noch  zu,  sie  erkannte  aber  den  Arzt  noch,  zog  auf  Nadel¬ 


stiche  die  Beine  zurück;  der  linke  Fazialis  wurde  weniger  stark 
innerviert  als  der  rechte,  der  Mund  war  nach  rechts  verzogen,  die 
Pupillen  waren  über  mittelweit  und  reagierten  nicht  auf  Lichteinfall, 
die  rechte  Hand  fuhr  öfters  nach  dem  Hinterkopf,  machte  dann  wieder 
allerhand  spielende  Bewegungen,  in  Unruhe  befand  sich  auch  das 
rechte  Bein;  der  linke  Arm  war  in  so  fester  Beugestellung,  dass  man 
ihn  nur  unter  Kraftaufwand  strecken  konnte,  der  Patellarsehnen- 
reflex  zeigte  sich  links  bis  zu  starkem  Klonus  gesteigert.  Schlucken 
war  unmöglich,  der  Urin  ging  ins  Bett,  die  Körpertemperatur  stieg 
auf  38,9,  die  Benommenheit  Hess  am  Abend  etwas  nach.  Am  nächsten 
Tage,  am  24.,  zeigte  die  Kranke  zunächst  in  der  Hauptsache  dasselbe 
Bild,  nur  war  die  Differenz  in  der  Fazialisinnervation  noch  viel  deut¬ 
licher,  betrug  die  Pulsfrequenz  bei  einer  Temperatur  von  38 — 39° 
nur  60 — 64  Schläge,  war  die  Benommenheit  im  ganzen  etwas  in¬ 
tensiver,  am  Abend  lag  Pat.  aber  vollkommen  benommen  da, 
reagierte  weder  auf  Anruf  noch  auf  Nadelstiche,  knirschte  mit  den 
Zähnen;  es  sahen  die  Bulbi  nach  links  oben,  der  linke  viel  mehr  als 
der  rechte,  und  machten  ständig  nystagmusartige  Bewegungen,  in 
allen  Aesten  des  linken  Fazialis  bestand  lebhaftes  Zucken,  das  linke 
Augenlid  klappte  fortwährend  auf  und  zu;  es  machte  jetzt  die  linke 
Hand  allerlei  Beschäftigungsbewegungen,  während  der  rechte  Arm 
spastisch  gebeugt  war  und  nur  einige  unwillkürliche  langsame 
drehende  Bewegungen  ausführte;  die  Beine  lagen  ruhig,  der  Patellar¬ 
reflex  war  beiderseits  gesteigert,  wenn  auch  links  mehr  wie  rechts; 
nach  einiger  Zeit  trat  im  linksseitigen  Fazialisgebiet  an  die  Stelle 
des  Zuckens  wieder  die  frühere  Schwäche,  die  Beschäftigungsbewe¬ 
gungen  ergriffen  wieder  den  rechten  Arm,  und  der  linke  zeigte 
wieder  Kontrakturen,  es  war  jetzt  links  Babimski  auslösbar;  nach  und 
nach  stellte  sich  vollkommene  Ruhe  ein,  und  die  Kranke  schien  ruhig 
zu  schlafen.  Es  war  dieselbe  am  anderen  Tage  wieder  viel  freier  und 
munterer,  begriisste  den  Arzt  in  der  alten  Weise,  klagte  über  Schmer¬ 
zen  im  Hinterkopf:  die  Antworten  erfolgten  langsam  und  so,  als  wenn 
sie  etwas  im  Munde  hätte,  nach  wenigem  Sprechen  ermüdete  sie  zu¬ 
sehends;  mit  dem  Schlucken  ging  es  zuerst  gar  nicht,  später  nur 
schwer,  man  sah.  wie  sie  verschiedene  Muskelgebiete  des  Mundes 
innervierte,  bis  ihr  schliesslich  die  richtige  Bewegung  gelang:  die 
Pupillen  waren  wieder  ziemlich  eng.  erschienen  lichtstarr,  der  Patel¬ 
larreflex  zeigte  sich  links  noch  weit  lebhafter  als  rechts.  Babinski 
liess  sich  nicht  mehr  auslösen;  die  Parese  im  linken  Fazialisgebiet 
war  sehr  ausgesnrochen.  Arme  und  Beine  waren  zunächst  frei  von 
Lähmungs-  und  Reizerscheinungen,  am  Abend  hing  aber  der  linke 
Arm  schlaff,  während  der  rechte  normale  Bewegungen  ausführte;  die 
Körpertemperatur  war  nicht  mehr  erhöht.  Am  Morgen  des  26.  hatte 
Pat.  einen  ähnlichen  Anfall  wie  am  24.  abends,  war  hinterher  noch 
eine  Zeitlanig  benommen,  dann  aber  wieder  verhältnismässig  sehr 
frei;  es  kehrten  im  Laufe  des  Tages  noch  zwei  derartige,  nur  kurz 
währende  Insulte  wieder,  in  deren  Verlaufe  wieder  Zuckungen  in 
den  gelähmten  Gebieten  (linker  Fazialis.  linker  Arm)  auftraten:  die 
Körpertemperatur  war  nur  leicht  erhöht  (morgens  37,5,  abends  37,4). 
In  der  Folge  war  Pat.  nur  hier  und  da  leicht  benommen  und  klagte 
über  Kopfschmerzen,  nur  gelegentlich  zeigte  sie  leichte  Temperatur¬ 
steigerungen:  die  Lähmungserscheinimgen  schwanden  schnell,  nur 
war  Pat.  sehr  oft  nass  und  öfters  auch  mit  Stuhl  unrein;  die  Patellar- 
sehnenreflexe  waren  nicht  mehr  gesteigert,  erschienen  gelegentlich 
different  in  ihrer  Stärke,  trotz  verhältnismässig  leidlicher  Rüstigkeit 
taumelte  Pat.  beim  Gehen  und  drohte  zu  fallen.  Am  19.  Oktober  war 
sie  abends  wieder  stärker  benommen  (Temperatur:  37,8°),  hatte 
Schmerzen  im  Hinterkopf;  am  20.  drehte  sie  morgens  den  Kopf 
öfters  hin  und  her.  geriet  am  Vormittag  in  einen  Zustand  von  Be¬ 
nommenheit,  in  welchem  sie  wie  eine  Träumende  dalag  und  auf  alle 
Fragen  nur  schwerfällig  mit  ja  antwortete;  es  drehte  sich  der  Kopf 
fortwährend  von  einer  Seite  zur  anderen,  die  Extremitäten  machten 
ständig  Beschäftigungsbewegungen,  auch  die  Gesichtsmuskulatur  be¬ 
fand  sich  in  fortwährender  unwillkürlicher  Bewegung,  das  Gesicht 
erschien  bald  verzerrt,  bald  grimassierend.,  selbst  der  Ausdruck 
starren  Lachens  trat  zutage;  bei  passiven  Bewegungen  geriet  die 
Muskulatur  überall  in  Spannung,  das  Schlucken  war  erschwert,  die 
Pupillen  waren  eng  und  lichtstarr:  nach  etwa  2 — 3  Stunden  Hessen 
die  Reizerscheinungen  allmählich  nach,  die  Benommenheit  blieb  für 
den  Tag  bestehen;  der  Puls  hatte  am  Abend  bei  einer  Temperatur 
von  37,9°  eine  Freauenz  von  60 — 64  Schlägen,  während  diese  vorher 
im  Durchschnitt  90  betragen  hatte.  Nachdem  sich  dann  in  den  näch¬ 
sten  Tagen  etwas  Besonderes  nicht  ereignet  hatte,  stellten  sich 
am  24.  die  am  20.  in  die  Erscheinung  getretenen  Reizsvmptome  von 
neuem  ein,  es  blieb  aber  dieses  Mal  die  Benommenheit 
aus,  und  während  Extremitäten.  Nacken,  Gesicht  in  ständiger  Be¬ 
wegung-;;.  /aren,  beantwortete  Pat.  Fragen  sinngemäss,  fiel,  als  der 
Arzt  die  Oberpflegerin  nach  der  Temperatur  fragte,  einmal  selbst 
mit  der  richtigen  Auskunft  ein  (morgens:  36,5°.  abends:  39.2°).  An 
den  beiden  folgenden  Tagen  klagte  sie  über  starke  Nackenschmerzen, 
hielt  den  Nacken  aber  nicht  steif;  die  Temperatur  war  abends  er¬ 
heblich  gesteigert,  der  Puls  wurde  kleiner,  zeigte  bei  39,2° 
110  Schläge.  Von  dem  27.  ab  war  die  Kranke  dann  tief  benommen 
und  reagierte  nicht  mehr  auf  Anruf:  die  Muskulatur  war  in  hohem 
Grade  hvpertonisch,  der  Patellarreflex  nicht  auszulösen,  der  Fuss- 
sohlenreflex  indessen  noch  sehr  lebhaft,  öfters  zeigten  sich  spielende 
Bewegungen  in  den  Fingern  und  Zehen;  katarrhalische  Erscheinungen 
wurden  über  den  Lungen  bemerkbar,  das  Schlucken  ging  immer 


schlechter,  die  Temperatur  war  andauernd  erhöht,  der  Puls  stark  be 
schleunigt;  es  begann  Trachealrasseln,  und  am  31.  Oktobei  19  d 

erf0' Aufiafl en^mussten  in  diesem  Falle  von  vorneherein  die 
ständigen  Klagen  der  Kranken  über  Kopfschmerz  und  d  e 
Ueberempfindlichkeit  der  senil  Dementen  gegen  Lärm;  die  bald 
leichtere,  bald  tiefere  Benommenheit,  die  Reiz-  und  Lahmungs- 
erscheinungen,  welche  sich  dann  anfallsweise  oder,  wenn  man 
will,  schubweise  einstellten,  waren  ihrer  Eigenart,  ihrem  Qe- 
samtcharakter  nach  durch  die  Annahme  seniler  Hirnverande- 
, ungen  nicht  zu  erklären;  dass  es  sich  nur  um  kortikal  bedingte 
Störungen  handeln  konnte,  lag  auf  der  Hand,  bei  dei  Flüchtig¬ 
keit  dem  wechselvollen  Verhalten  der  Erscheinungen  musste 
der’ Reiz  ein  oberflächlicher  und  ausgedehnter  zugleich  sein, 
die  —  gelegentlich  weitestgehende  —  Inkongruenz  zwischen 
motorischen  Störungen  und  Bewusstseinsveränderungen  wies 
darauf  hin,  dass  sich  das  reizabgebende  Moment  wohl  ausser- 
halbe  der  Rinde  befinden  musste;  die  Fieberattacken  konnten 
der  bei  dem  Vorliegen  einer  Dementia  senilis  sich  auf d langen- 
den  Annahme  einer  ausgedehnten  Pachymemng.tis  hamorrh. 
int  nur  zur  Stütze  dienen;  nicht  unwichtig  erschienen  u  a. 
auch  das  wechselvolle  Verhalten  des  Pulses,  das  Taumeln, 
welches  Pat.  bei  verhältnismässig  gutem  Befinden  zu  zeigen 
begann.  -  Die  Leichenöffnung  (es  wurde  nur  die  Hirnsektion 
gestattet)  bestätigte  unsere  Annahme  m  jeder  Hinsicht '  es  and 
sich  eine  ausgebreitete  Pachymemngitis  mt.  hamorrh.,  über 
beiden  Hemisphären  bildeten  schichtweise  angeordnete  pachy- 
menSt  che  Membranen  eine  mit  leichten  teils  älteren,  teils 
frischeren  Blutungen  durchsetzte  Kappe;  das  Gehirn  war  in 
töto  atropldsch,  die  Gefässe  zeigten  arteriosklerotische  Ver- 

ändTu?  dien'Erschein„ugen,  welche  unsere  Kranken  boten  noch 
im  einzelnen  einzugehen,  verzichte  ich,  unsere  diffeicntial- 
diaenostischen  Erwägungen  im  einzelnen  wiederzugeben,  habe 
ich  unterlassen,  weil  ihre  Erörterung  Erhebliches  kaum  er¬ 
geben  hätte. 

Zur  Pathogenese  der  Hirschsprung  sehen  Krankheit. 

Von  Dr.  Eugen  Neter  in  Mannheim. 

Trotz  der  mannigfachen  Modifikationen,  .welche  die  Be¬ 
zeichnung  „Hirschsprung  sehe  Krankheit  in  den  letzten 
Jahren  erfahren  hat,  kann  diese  Affektion  doch  kurz  dahin  defi¬ 
niert  werden:  Es  handelt  sich  um  eine  im  frühesten  Kindesalter, 
meist  gleich  schon  in  den  ersten  Lebenstagen  auftretende  Stuhl¬ 
verstopfung,  die  ausserordentlich  hartnäckig  ist,  nicht  selten 
Sal  endigt,  aber  in  einer  Reihe  von  Fällen  einen  günstigen 
Ausgang  nimmt.  Anatomisch  handelt  es  sich  ste.s  um  eine 
starke  Dilatation  des  unteren  Kolonabschnittes,  hauptsächlich 
des  S  romanum,  gleichzeitig  auch,  in  der  Mehrzahl  der  zui 
Sektion  gekommenen  Fälle,  um  eine  abnorme  Verlängerung 

der  KeXAnsichten‘üeber  das  Wesen  der  Hirschsprungschen 
Krankheit  sind  sehr  verschieden;  und  es  scheint  in  du  la 
recht  schwierig,  die  in  der  Literatur  als  H 1  r  s  c  h  s  p  1  u  n  g - 
sehe  Krankheit  beschriebenen  Fälle  in  ein  und  demselben  pa- 
•  thogenetischen  Sinne  zu  deuten.  Hirsch  s  p  r  u  n  g  hatte  an¬ 
genommen,  dass  die  Dilatation  (und  Hypertrophie)  des  S  ro- 
manum  angeboren  sei;  eine  Reihe  von  Autoren  hjbenwrter 
noch  diese  Ansicht  geteilt.  Andere  Beobachtei  glaubten,  in 
einer  kongenitalen  Ektasie  des  unteren  Kolontedes  mit  Aplasie 
der  Muskulatur,  wieder  andere  in  einer  idiopathischen  Dila 
tation  des  Kolon  oder  in  einem  durch  mangelhafte  Innervation 
hervorgerufenen  schwachen  Tonus  der  an  sich  nor™a1^ .  " 

darmmuskulatur  das  Primäre  der  vorheg  enden  Aktion  zu 
erblicken.  In  einer  1901  erschienenen  Arbeit  )  hatte  ich  die 
besonders  von  Marfan  vertretene  Anschauung  zu  begnin  de 
versucht,  die  dahin  geht,  in  einer  abnormen  Lange  der  Flexura 
sigmoidea  die  wesentlichste  Ursache  zur  Entwicklung  der 
Hirschsprungschen  Krankheit  zu  erkennen  die  damals 
angefügten  Schlussfolgerungen  lauteten:  1  Bei  Ne^e^Pre”en 
zeigt  die  Flexura  sigmoidea  eine  im  Verhältnis  zu  der  des  Er¬ 
wachsenen  grössere  Länge;  diese  infantile  hinge  ,ze  g 

nicht  selten  mehr  oder  weniger  reichliche  Schhngenbildung, 

0  Arch.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  32.  — _  - 

No.  37. 


die  ohne  pathologisch-klinische  Erscheinungen  bestehen  kann. 

2  Es  gibt  eine  angeborene  abnorme  Vergrösserung  des 
S  romanum  in  seiner  Längenausdehnung,  gleichsam  eine 
Uebertreibung  des  infantilen  Zustandes.  Diese  pathologische 
Beschaffenheit  der  Flexur  (im  Verein  mit  gleichzeitiger  Schlin- 
genbildung,  sekundärer  Dilatation  und  dadurch  oft  \ciui- 
sachte  relative  Stenose)  kann  nur  Veranlassung  zu  den 
Symptomen  der  Hirschsprungschen  Krankheit  geben 
Es  bedarf  zur  Erklärung  des  ganzen  Bildes  der  Erkrankung  und 
des  pathologisch-anatomischen  Befundes  nicht  dei  gleich¬ 
zeitigen  Annahme  eines  kongenitalen  Ursprungs  der  Dilatation 

und  Hypertrophie.  v  , ,  ., 

3  Es  wäre  somit  die  H  i  r  s  c  h  s  p  r  u  n  g  sehe  Krankheit 

pathologisch-anatomisch  als  eine  angeborene  Verlängerung  des 
untersten  Dickdarmabschnittes,  insbesondere  der  Flexura  sig¬ 
moidea  zu  präzisieren. 

Die  seitdem  erschienenen  zahlreichen  Arbeiten  haben 
keinerlei  Beweis  für  einen  kongenitalen  Ursprung  der  Dilatation 
des  Kolons  erbringen  können;  fast  ausnahmslos  bestätigen  sie 
direkt  oder  indirekt  die  Auffassung  von  Marfan;  einige  ganz 
wenige  der  beschriebenen  Fälle  bedürfen  allerdings  einer 

anderen  Erklärung.  .  ....  ..  ,  ,. 

In  meiner  oben  zitierten  Arbeit  hatte  ich  ausführlich  die 

Verschiedenheit  besprochen,  die  zwischen  den  anatomischen 
Verhältnissen  der  kindlichen  Flexur  und  den  beim  Erwachsenen 
bestehen.  Als  die  drei  wichtigsten  Momente  wurden  hierbei 
betont-  Die  grössere  relative  Länge  des  Dickdarms,  insbe¬ 
sondere  des  S  romanum,  das  lange  Mesosigmoideum,  welches 
der  Flexur  eine  ausgiebige  Beweglichkeit  gestattet,  und  die 
im  Kindesalter  etwas  ungünstigeren  Raumverhaltnisse  des 
Beckens  und  der  ganzen  Bauchhöhle.  Das  Zusammenwirken 
dieser  drei  Faktoren  lässt  es  begreifen,  wenn  gerade  im  Saug- 
lingsalter,  wo  sie  am  ausgesprochensten  bestehen,  eine  auf¬ 
fallende  Neigung  zu  Stuhlträgheit  so  häufig  beobachtet  wird. 
Kommt  nun  zu  diesen  physiologischen  Bedingungen  noch  eine 
pathologische  Veränderung  im  Sinne  einer  Uebertreibung  jet  e 
an  sich  normalen  Eigenschaften  der  kindlichen  Flexur  hinzu, 
so  resultiert  ein  Zustand,  der  an  sich  schon  oder  erstach  das 
Hinzutreten  noch  äusserer,  zum  Teil  uns  bekannter  Schädlich¬ 
keiten  (Entwöhnung  von  der  Brust,  unzweckmassige  Nahrung 
etc.)  das  Symptomenbild  der  Hirschsprung  sehen  Krank¬ 
heit  zeigen  kann.  Liegt  hierbei  dann  den  anfänglichen  klini¬ 
schen  Erscheinungen  noch  nicht  das  volle  anatomische  Bild  de 
Hirschsprungschen  Krankheit  zu  Grunde,  fehlt  zi  e 
sicherlich  fast  stets  die  Dilatation  und  Hypertrophie  so  ent¬ 
wickeln  sich  diese  mehr  oder  weniger  rasch  wahrend  des  Be 
Stehens  der  krankhaften  Vorgänge  in  der  leicht  verständlichen 

sekundären  Weise.  „ 

Bei  dieser  Auffassung  der  Pathogenese  lasst  sich  nun  eine 

scharfe  klinische  Scheidung  der  schweren  Formen  von  kind¬ 
licher  Obstipation  —  soweit  keine  bestimmte  anderweitige 
organische  Veränderung,  eine  Striktur  u.  a.  vorhegt  —  nicht 
leicht  ausführen,  ebenso  wie  ja  auch  die  anatomischen  Grund¬ 
lagen  Uebergänge  zeigen  von  der  eben  noch  physiologischen 
Gestalt  der  Flexur  hinüber  bis  zu  den  schwersten  Formen 
der  Kolondilatation.  Und  wir  müssen  ferner  annehmen,  dass 
pathologische  Abweichungen  in  den  Verhältnissen  des  S  roma- 
n um  bestehen  können,  ohne  dass  sie  klinische  Erscheinungen 
hervorzurufen  brauchen.  Die  Literatur  weist  eine  Reihe  von 
Fällen  auf,  wo  erst  spät,  im  2.  Lebenshalbjahr,  plötzlich  die 
Symptome  der  Hirschsprung  sehen  Krankheit  eingesetzt 
haben  und  der  anatomische  Befund  es  rätselhaft  erscheinen 
Hess,  dass  nicht  schon  früher  krankhafte  Symptome  aufgetreten 

WareAnis  Assistent  am  Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus  in 
Berlin  (Prof.  Baginsky)  hatte  ich  Gelegenheit,  an  einem  sein 
grossen  Sektionsmaterial  die  topographischen  Verhältnisse  des 
Dickdarms  zu  untersuchen.  Und  ich  konnte  hier  die  zuti  eff en¬ 
den  Worte  von  Engel  nur  bestätigen:  „Es  gibt  von  du 
Oberbauchgegend  angefangen  keine  Stelle  der  Bauchhöhle,  wo 
man  die  Flexur  nicht  antreffen  kann“;  gleichzeitig  uberzeug  c 
ich  mich  von  der  so  häufigen  Schlingenbildung  der  kindliche 
Flexur  und  von  ihrer  grösseren  Beweglichkeit,  ermöglicht  d  u 
das  lange,  freie  Mesosigmoideum.  Oft  reichte  das  S  romanum 
mit  der  Kuppe  einer  seiner  Schlingen  hinauf  bis  zur  Lebu, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


sehr  häufig  lag  die  Flexur  mit  ihrer  grössten  Partie  in  der  rech¬ 
ten  Fossa  iliaca ;  nur  selten  verlief  sie,  vom  Colon  descendens 
beginnend,  direkt  hinab  zum  Becken,  um  dort  ins  Rektum  über¬ 
zugehen,  sondern  kehrte  meist' mit  einer  oder  mehreren  Schlin¬ 
gen  wieder  nach  oben  zurück.  Durch  Messungen  hatte  ich 
weiter  die  bereits  mehrfach  beschriebene  (relativ)  grössere 
Länge  des  Dickdarms  beim  Rinde  gegenüber  der  beim  Er¬ 
wachsenen  nachwcisen  können. 

Diese  anatomischen  Untersuchungen  hatten  mich  in  meiner 
Auffassung  bestärkt,  dass  die  Länge  und  Form  der  kindlichen 
Flexur  wohl  die  wichtigste  Rolle  in  der  Aetiologie  der 
Hirschsprung  sehen  Krankheit  spielen ;  sie  gaben  mir 
auch  eine  Erklärung  dafür,  wie  bei  frühzeitiger  und  geeigneter 
Therapie  die  krankhaften  Erscheinungen  allmählich  schwinden, 
und  lediglich  dadurch,  dass  die  spezifisch  infantilen  Verhältnisse 
der  Flexur  den  günstigeren  des  Erwachsenen  weichen. 

Im  folgenden  möchte  ich  über  einen  Fall  berichten,  der 
einen  Uebergang  zu  bilden  scheint  zwischen  den  einfacheren 
Formen  hartnäckiger  Obstipation  und  dem  typischen  Bild  der 
Hirschsprung  sehen  Krankheit. 

Fritz  P.,  Beamtenskin,d,  9  Monate  alt.  Anamnese  ohne  Belang. 
Ernährung  mit  der  Flasche  (Kindermehl).  Noch  nicht  krank  gewesen; 
Stuhlgang  stets  regelmässig. 

3.  II.  06.  Seit  1-4  Tagen  absolute  Stuhlverhaltung  (trotz  ärzt¬ 
licher  Behandlung).  Aenderung  der  Nahrung,  Drastika  und  Einläufe 
ohne  Erfolg.  Leib  stark  angeschwollen.  Seit  gestern  Laryngo- 
spasmen  und  Konvulsionen.  Kein  Erbrechen.  Keine  Urinverhaltung. 
Die  Untersuchung  ergab  folgenden  Befund:  Normal  grosser,  leidlich 
gut  genährter  Säugling;  schwer  krankes  Aussehen.  Leichte,  allge¬ 
meine  Konvulsionen.  Kraniotabes;  Fontanelle  3X21/ b  cm.  Ge¬ 
ringer  Rosenkranz.  Mundhöhle,  Brustorgane  ohne  Abweichungen. 

Abdomen  sehr  stark  aufgetrieben;  grösster  Umfang  (oberhalb 
des  Nabels)  57  cm;  Venenzeichnung  der  prall  gespannten  Bauchhaut. 
Palpation  wegen  des  sehr  beträchtlichen  Meteorismus  unmöglich.  Die 
Perkussion  Hess  folgende  Dämpfung  erkennen:  Die  obere  Begrenzung 
der  absoluten  Dämpfung  reicht  fast  bis  zum  rechtsseitigen  Rippen¬ 
bogen  und  ist  nach  oben  konvex;  in  breiter  Zone  zieht  sich  die 
Dämpfung  nach  abwärts,  leicht  schräg  gegen  die  Medianlinie  zu, 
überschreitet  mit  ihrer  linksseitigen  Begrenzung  diese  in  Nabelhöhe 
und  wendet  sich  dann  gegen  die  linke  Fossa  iliaca  zu;  in  der  Unter¬ 
bauchgegend  reicht  die  Dämpfung,  die  sich  hier  wesentlich  ver¬ 
breitert,  ziemlich  weit  auch  nach  rechts  über  die  Mittellinie  hinaus. 

Abdomen  nicht  druckempfindlich;  kein  Aszites  nachweisbar.  Im 
Rektum  lässt  sich  bei  digitaler  Palpation  nichts  Pathologisches  fest¬ 
stellen;  Mastdarm  frei  von  Fäzes.  Eine  Magensonde  dringt  30  bis 
40  cm  hoch  ins  Kolon  hinauf,  ohne  auf  Widerstand  (im  Sinne  einer 
Stenose  oder  Knickung)  zu  stossen.  Bei  der  Oeleingiessung  läuft  die 
Flüssigkeit  nicht  abnorm  rasch  ab;  auch  keine  auffallend  grosse 
Menge.  Die  Diagnose  musste  in  suspenso  gelassen  werden;  die 
Dämpfung  wurde  als  Kottumor  gedeutet,  wahrscheinlich  bedingt 
durch  das  prall  gefüllte,  lange  S  romanum. 

Die  Therapie  beschränkte  sich  auf  sofortiges  Aussetzen  der 
Milch  (bes.  mit  Rücksicht  auf  den  Laryngospasmus)  und  hohe,  reich¬ 
liche  Oeleinläufe;  innerlich  wurde  Karlsbader  Wasser  verabreicht. 
Erst  bei  der  3.  Oeleingiessung  wurden  geringe  Mengen  von  dünnem, 
stinkendem  Stuhl  entleert.  Flatus  gingen  schon  beim  Einführen  der 
langen  Sonde  ab. 

4.  II.  Laryngospasmen,  Konvulsionen  sind  seit  gestern  nicht 
mehr  aufgetreten.  Kind  trinkt  wieder  besser. 

Abdomen  noch  gross,  aber  weich.  Deutliche  Peristaltik.  Im  Be¬ 
reich  der  gestern  nachgewiesenen  Dämpfung  fühlt  man  heute  einen, 
selbst  mit  dem  Auge  schon  abgrenzbaren  Tumor,  dessen  Kuppe  nach 
oben  konvex  ist.  Die  Resistenz  ist  hart,  nicht  fluktuierend,  wenig 
beweglich  und  bei  Lagewechsel  nicht  verschieblich.  Der  Tumor  ist 
sehr  leicht  abzutasten  und  lässt  sich  nach  abwärts  bis  gegen  das 
kleine  Becken  zu  deutlich  verfolgen. 

19.  II.  Trotz  14  tägiger  Behandlung  mit  Laxantien  und  Ein¬ 
läufen  keine  wesentliche  Veränderung  des  Zustandes.  Abgang  von 
viel  Flatus,  doch  von  nur  sehr  spärlichen,  harten  Fäzes.  '  Der  ab¬ 
dominale  Befund  ist  derselbe,  die  Resistenz  unverändert.  Allgemein¬ 
befinden  hat  sich  nicht  verschlimmert.  Ein  hinzugezogener  Chirurg 
schlägt  die  Operation  vor. 

18.  III  Seit  dem  19.  II.  hatte  ich  das  Kind  nicht  mehr  gesehen. 
Das  Krankheitsbild  hat  sich  unterdessen  ganz  verändert.  Nach  Aus¬ 
sage  der  Mutter  blieb  zuerst  der  Zustand  unverändert;  die  Mutter 
machte  täglich  mehrere  Wasse’Feinläufe,  «die  fast  immer  ohne  Fäzes- 
beimischungen  blieben;  hingegen  gingen  beim  Einführen  des  Gummi¬ 
rohrs  stets  sehr  viel  Flatus  ab;  digital  oder  mit  der  Haarnadel  ent¬ 
fernte  die  Mutter  die  ins  Rektum  eingetretenen  Kotstiicke  Es  er¬ 
folgten  nun  bald  spontan  Entleerungen,  wie  die  Frau  meinte  von  ganz 
unglaublich  grossen  Kotmassen,  die  nicht  verbrannt  ausgesehen  haben 
sollen,  beit  über  8  lagen  regelmässig  täglich  Stuhlgang. 

Befund  am  18.  111:  Allgemeinzustand  wesentlich  besser.  Ab¬ 
domen  weich,  noch  etwas  gross.  Weder  die  Perkussion  noch  die  Pal¬ 
pation  ergibt  einen  von  der  Norm  abweichenden  Befund. 


Seitdem  hatte  ich  öfters  Gelegenheit,  den  kleinen  Patienten  zu 
untersuchen;  zuletzt  am  6.  VI.  1907.  Der  Knabe  hatte  sich  sehr  gut 
entwickelt,  lief  mit  s/ 4  .lahren  und  zeigte  niemals  mehr  eine  Ver¬ 
dauungsstörung  im  Sinne  einer  Stuhlträgheit. 

Die  epikritische  Betrachtung  des  geschilderten  Falles  lässt 
wohl  kaum  eine  andere  Deutung  des  Befundes  zu  als  die  ge¬ 
gebene.  Der  ausgedehnte  Tumor  muss  als  die  mit  Fäkalmassen 
angefüllte  Flexura  sigmeidea  aufgefasst  werden.  Das,  was 
der  vorliegenden  Beobachtung  ein  gewisses  Interesse  verleiht, 
ist  der  eigentümliche  Verlauf  der  Erkrankung.  Bei  einem  Säug¬ 
ling,  der  nie  an  Stuhlverstopfung  gelitten,  tritt  plötzlich  —  im 
10.  Lebensmonate  —  eine  6  Wochen  lang  andauernde,  fast 
absolute  Obstipation  auf,  nach  deren  Verschwinden  die  Ver¬ 
dauung  wieder  —  seit  nun  über  einem  Jahr  —  völlig  normales 
Verhalten  zeigt. 

Aetiologisch  kann  —  auf  Grund  des  objektiven  Befundes  — 
nichts  anderes  in  Betracht  kommen  als  die  in  der  nach¬ 
gewiesenen  grossen  Länge  und  nicht  gewöhnlichen  Lagerung 
des  S  romanum  gegebene  Disposition  zu  Stuhlverhaltung. 
Diese  in  den  anatomischen  Verhältnissen  bedingte  Neigung  zu 
Obstipation  kann  bestehen,  ohne  klinische  Erscheinungen  her¬ 
vorzurufen;  in  meiner  früheren  Arbeit  habe  ich  gerade  dieses 
Moment  ausführlich  besprochen  und  darauf  hingewiesen,  wie 
durch  das  Hinzutreten  auslösender  Faktoren  eine  bis  dahin 
latent  gebliebene  Abnormität  der  Flexur  plötzlich  pathologische 
Symptome  hervorzurufen  vermag.  Ich  hatte  damals  eine 
eigene  Beobachtung  bei  einem  2X>  jährigen  Kind  beschrieben, 
das  erst  bei  der  Entwöhnung  —  im  9.  Monat  —  zum  ersten  Mal 
Erscheinungen  der  Obstipation  zeigte  und  sehr  bald  die  typi¬ 
schen  Symptome  der  Hirschsprung  sehen  Krankheit  auf¬ 
wies;  in  diesem  Falle  war  die  Aenderung  in  der  Ernährung  das 
auslösende  Moment. 

Der  Verlauf  der  Affektion  in  unserem  vorliegenden  Falle 
ist  ein  etwas  ungewöhnlicher;  so  ausserordentlich  schwer  und 
hartnäckig  die  Stuhlverhaltung  sich  zeigte  —  die  weitere,  über 
ein  Jahr  hinaus  sich  ausdehnende  Beobachtung  berechtigt  dazu, 
von  einer  völligen  Heilung  zu  sprechen.  Eine  solche  hat  des¬ 
halb  nichts  überraschendes,  weil  es  sich  bei  unserem  kleinen 
Patienten  um  eine  wesentliche  (sekundäre)  Dilatation  des 
S  romanum  nicht  handeln  konnte;  die  Therapie  hatte  sehr  früh¬ 
zeitig  eingesetzt  und  durch  Beseitigung  des  akuten  Obstipa¬ 
tionsanfalles  das  Entstehen  einer  Ektasie  der  Flexur  hintan¬ 
gehalten. 

Die  sehr  wichtige  Frage,  was  als  auslösende  Ursache  die 
bis  dahin  latent  gebliebene  abnorme  Länge  und  Lagerung  des 
S  romanum  nun  plötzlich  so  bedrohliche  Erscheinungen  hervor- 
rufen  liess,  kann  leider  nicht  beantwortet  werden.  Die  objek¬ 
tive  Untersuchung  gab  keinen  Anhaltspunkt  nach  dieser  Rich¬ 
tung  hin.  Bei  den  meisten  bisher  beschriebenen  ähnlichen  Fäl¬ 
len  handelte  es  sich  um  eine  relative  Stenose,  in  der  Regel  an 
jener  Stelle,  wo  die  Flexur  in  das  Rektum  übergeht;  eine 
solche  Stenose  kommt  sehr  leicht  dadurch  zustande,  dass  eine 
von  den  Schlingen  des  S  romanum  ins  kleine  Becken  hinab¬ 
sinkt,  mit  Fäzesmassen  sich  anfüllt  und  entweder  sich  nun  nicht 
mehr  leicht  aufzurichten  vermag  oder  auf  das  Rektum  drückt 
und  dieses  verengert.  Solche  Stenosen  lassen  sich  meist  nicht 
unschwer  feststellen.  Bei  unserem  Falle  konnte  eine  solche 
relative  Stenose  nicht  nachgewiesen  werden;  und  doch  musste 
etwas  Aehnliches  Vorgelegen  haben.  Wie  solche  Störungen  in 
der  Passage  vom  Darm  selber  überwunden  werden  können, 
also  das  Hindernis  spontan  beseitigt  werden  und  dann  der 
Stuhlgang  wieder  regelmässig  erfolgen  kann,  habe  ich  früher 
bereits  ausführlich  dargelegt.  Um  eine  solche  Spontanheilung 
handelt  es  sich  auch  in  dem  beschriebenen  Falle;  die  an¬ 
gewandte  I  herapie  kam  wohl  nur  unterstützend  —  aber 
immerhin  unumgänglich  notwendig  —  hinzu. 

Wenn  ich  das  Gesagte  noch  einmal  kurz  zusammenfasse, 
möchte  ich  das  Bemerkenswerte  an  unserer  Beobachtung 
darin  erklicken,  dass  es  sich  hier  wohl  nur  um  eine  abnorme 
Verlängerung  und  Verlagerung  der  Flexura  sigmoidea  ohne 
nennenswerte  Dilatation  handelte;  vielleicht  gibt  dieser  Fall 
eine  weitere  Stütze  ab  für  jene  Auffassung  ^des  Hirsch- 
s  p  r  u  n  g sehen  Knankheitsbildes,  nach  welcher  das  Wesentliche 
dieser  Affektion  in  einer  abnormen  Verlängerung  des  S  roma¬ 
num  zu  erkennen,  und  die  Dilatation  (und  Hypertrophie)  als  se¬ 
kundäre  (nicht  kongenitale)  Veränderung  zu  betrachten  ist. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1819 


iü.  September  1907. 

Eine  neue  Methode  der  Bubonenbehandlung. 

Von  Dr.  Gustav  Fei  gl,  k.  k.  Polizeiarzt  in  Prag. 

Vereiterte  Bubonen  behandeln  wir  bisher  operativ;  daran 
werden  wohl  auch  die  neueren  Methoden  der  Behandlung  mit 
Saugapparaten  nicht  viel  ändern. 

Der  ursprünglichste  und  zugleich  radikalste  Eingriff  ist  die 
Exkochleation  der  vereiterten  Drüsenmassen,  bei  strumösen 
Bubonen  die  Exstirpation  aller  affizierten  Drüsen.  Selbstver¬ 
ständlich  lässt  sich  der  letztgenannte  Eingriff  nur  in  Narkose 
und  im  Krankenhause  (Sanatorium)  vornehmen;  ist  ja  doch 
schon  die  blosse  Exkochleation  sehr  schmerzhaft.  Ausserdem 
geschieht  es  sehr  häufig,  dass  im  Verlaufe  der  postoperativen 
Behandlung  sich  tiefe  Fistelgänge  entwickeln,  derentwegen 
der  Operateur  wiederholt  chirurgisch  eingreifen  muss. 

Ziehen  wir  nun  die  zahlreichen  Uebelstände  einer  grösseren 
Operation  in  Erwägung  —  bei  einer  Erkrankung,  die  häufig 
junge  und  event.  auf  ihren  Erwerb  angewiesene  Leute  betrifft, 
welche  überdies  diese  Affektion  gern  vor  ihrer  Umgebung  ge¬ 
heim  halten  möchten  — ,  d.  i.  die  lange  Dauer  der  postopera¬ 
tiven  Behandlung  (6 — 10  Wochen),  Aufenthalt  im  Spital,  Bett- 
ruhe  (2 — 5  Wochen),  Erwerbsverlust,  und  nicht  zuletzt  die  in¬ 
diskrete  grosse  verdickte  Narbe,  dann  begreifen  wir,  warum 
in  den  letzten  Jahren  so  viel  neue  Vorschläge  zur  Behandlung 
der  Bubonen  erstattet  wurden. 

W  eiander  empfahl  Injektionen  mit  Hg  benzoicum; 
Ph.  J.  Pick  benützte  seinerzeit  eine  Modifikation  dieser  Me¬ 
thode.  Später  erfreute  sich  auch  auf  der  Klinik  des  Professor 
Janovsky  in  Prag  einer  grossen  Beliebtheit  die  allgemein 
geübte  Methode  nach  Prof.  Lang  mit  1  proz.  AgNOs.  Ein 
guter  Erfolg  war  jedoch  damit  nur  bei  kleineren  Bubonen  zu 
erreichen.  Oft  mussten  wir  an  eine  event.  zweiwöchentliche 
Behandlung  nach  Lang  Diszission  und  Erkochleation  der 
Drüsen  anschliessen.  W  a  e  1  s  c  h  injizierte  mit  gutem  Erfolge 
0,6—5  proz.  NaCl  in  ausgesuchten  Fällen.  G  r  ü  n  f  e  1  d  emp¬ 
fahl  das  Aufsaugen  der  vereiterten  Drüsenmassen  mit  einer 
nach  P  r  a  v  a  z  konstruierten  Spritze  und  neuerdings  werden 
die  Bi  ersehen  Saugapparate  in  Verwendung  gezogen;  mit 
welchem  Erfolge,  ist  mir  nicht  bekannt. 

Auch  ich  stellte  Versuche  an,  in  der  Absicht,  den  opera¬ 
tiven  Eingriff  hauptsächlich  bei  grossen  s  t  r  u  m  ö  s  e  n 
Bubonen  zu  vereinfachen  und  dadurch  in  die  Möglichkeit  ver¬ 
setzt  zu  werden,  ohne  Assistenz  und  ohne  Narkose  in  der 
Ordination  solcher  Fälle  ambulatorisch  behandeln  zu  können; 
ich  versuchte,  von  der  Methode  Prof.  Längs  ausgehend,  ver¬ 
schiedene  Modifikationen.  Bei  meinen  ersten  Fällen  machte 
ich  kleine  Inzisionen  und  injizierte  AgN03  oder  spülte  die 
Wundhöhle  mit  Sublimat  aus  und  tamponierte  mit  Airol-  oder 
Jodoformgaze.  Später  machte  ich  Spülungen  mit  2  proz. 
wässerigem  Lysol  und  tamponierte  mit  Hydrophilstreifen,  die 
mit  2  proz.  Lysol  durchtränkt  waren,  mit  auffallend  besserem 
Erfolge. 

Da  ich  mich  bei  gewissen  Fällen,  abgesehen  von  der 
starken  antiseptischen  Wirkung  des  Formalins,  von  einer  Art 
„Fernwirkung“  desselben  auf  entzündete,  entfernter  liegende 
Partien  überzeugt  hatte,  zog  ich  dasselbe  in  Verbindung  mit 
Lysol  in  Verwendung. 

Bei  meinen  letzten  4  auffallend  grossen  stru¬ 
mösen  Bubonen  ging  ich  nun  folgendermassen  vor:  Ich  be¬ 
handelte  die  Drüsenschwellung  in  gewöhnlicher  Weise  mit 
essigsauren  Tonerdepackungen  so  lange,  bis  ich  mit  Sicheiheit 
im  Tumor  eine  erweichte,  auffallend  schmerzhafte,  eindrück- 
bare  Stelle,  also  kurz  vereiterte  Partie,  nachweisen  konnte; 
nun  wartete  ich  nicht  etwa,  bis  die  Fluktuation  eine  grösseie 
Ausdehnung  erreichte  oder  bis  die  bedeckende  Haut  entzünd¬ 
lich  rot  sich  verändert  oder  gar  schon  verdünnt  haben  würde. 
Bei  Vorhandensein  mehrerer  auf  Eiter  verdächtiger  Drüsen¬ 
partien  wählte  ich  trotzdem  nur  eine,  womöglich  zentral 
gelegene,  zur  Inzision.  Nach  vorausgegangener  Reinigung  des 
Terrains  machte  ich  mit  dem  Bistouri  eine  Inzision  in  die  er¬ 
weichte  Drüsenpartie,  parallel  zum  P  o  u  p  a  r  t  sehen  Bande; 
den  Einstich  erweiterte  ich  rasch  auf  8—10  mm  Länge.  Mit 
einem  kleinen  Löffel,  der  eben  durch  die  Wimdöffnung  durch¬ 
ging,  setzte  ich  die  erweichten,  vereiterten  Massen  in  Be¬ 
wegung,  liess  sie  teils  abfliessen,  teils  hob  ich  sie  mit  dem  In¬ 


strument  heraus,  jedoch  ohne  zu  schaben;  gleichzeitig  orien¬ 
tierte  ich  mich  über  die  Ausdehnung  der  Wundhöhle  und  über 
eventuell  vorhandene  tiefe  Taschen.  Die  Blutung  war  immer 
minimal.  Darauf  spülte  ich  mit  einer  100  g  fassenden  Wund- 
spritze  unter  stärkerem  Druck  die  Wundhöhle  mit  2  proz. 
wässeriger  Lysollösung  aus,  drückte  nachher  den  in  der  Höhle 
zurückgebliebenen  Flüssigkeitsrest  leicht  ohne  Gewaltanwen¬ 
dung  aus  und  tamponierte  nun  nicht  gar  zu  fest  (aber  bis  an 
den  Boden  der  Höhlung)  mit  einem  nassen  schmalen  (ca. 

3 — 4  cm  breiten)  Gazestreifen,  den  ich  tüchtig  durchtränkt  hatte 
mit  einer  Lösung  von  Lysolformalin  folgender  Zusammen¬ 
setzung: 

50  g  wässerige  2  proz.  Lysollösung  (Orig.  Raupenstrauch), 
6—8 — 10  Tropfen  konzentriertes  Formalin  (40  proz.). 

Auf  die  Wunde  legte  ich  einen  trockenen  Gazebauschen, 
sodann  eine  Lage  feuchter  essigsaurer  Tonerdewatte,  Billroth- 
battist  und  einen  gewöhnlichen  Calicotverband. 

Die  Operation  selbst  dauert  höchstens- 2 — 3  Minuten;  die 
Inzision  nahm  ich  in  Lokalanästhesie  mit  Aethylenchlorid  vor; 
die  Einführung  des  Löffels  ist  wohl  etwas  schmerzhaft,  aber 
bei  der  Kürze  des  Eingriffes  erträglich.  Auch  die  Tamponade 
mit  Lysolformalin  ist  etwas  schmerzhaft,  doch  dauert  das 
Brennen  in  der  Wunde  nur  2- — 3  Minuten.  Die  Blutung  hört 
darnach  fast  sofort  auf. 

Der  Verbandwechsel  muss  in  der  1.  Woche  täglich  statt¬ 
finden,  da  sonst  Druckschmerzen  in  der  Wunde  auftreten;  in 
der  2.  Woche  jeden  2.  Tag,  in  der  3.  Woche  jeden  3.  Tag. 
Gleich  beim  ersten  Verbandwechsel  konnte  ich  immer  das 
Fehlen  jeglicher  stärkerer  Eiterung  Konstatieren  und  nur  eine 
sehr  geringe  Menge  blutig  tingierten,  dicklichen  Wundsekretes; 
Beim  zweiten  Verbandwechsel  war  selbst  dieser  nur  minimal 
nachweisbar  und  die  Wundhöhle  bot  ein  auffallend  reines, 
trockenes  Aussehen.  Die  affizierten  Drüsen,  vordem  so  emp¬ 
findlich  und  schmerzhaft,  teilweise  auch  schon  erweicht,  ver¬ 
kleinerten  sich  äusserst  rasch,  wurden  selbst  gegen  kräftigen 
Druck  unempfindlich;  die  über  ihnen  befindliche  Hautdecke, 
vordem  livid  gerötet  und  geschwollen,  bekam  sehr  bald  ihr 
natürliches  Aussehen  wieder.  Die  Wundgranulation  war  sehr 
energisch,  so  dass  in  meinen  Fällen,  bei  welchen  sehr  geräumige 
Wundhöhlen  vorhanden  waren,  die  Ausheilung  in  3  Wochen 
vollendet  war. 

Diese  Methode  wandte  ich  ausser  bei  2  kleineren  Bubonen 
auch  bei  4  grossen  strumösen  an,  welch  letztere  ich  kurz  in 
folgendem  beschreiben  will.  Dieses  Verfahren  führte  ich  kon¬ 
sequent  durch  ohne  Rücksicht  auf  die  Grösse  des 
Tumors,  auf  eine  grössere  Anzahl  von  Er  w  e  i  c  h  - 
ungsli  erden  und  ohne  Rücksicht  auf  Fistel¬ 
gänge.  Alle  diese  Patienten  wurden  ambulatorisch  in  der 
Ordinationsstunde  operiert,  pflegten  auch  nicht  einen  Tag  der 
Bettruhe  und  unterbrachen  nicht  ihren  Erwerb,  trotzdem  unter 
ihnen  ein  Monteur  und  ein  Feldwebel  war. 

I.  32  jähr.  Rechnungsfeldwebel.  Ulcera  mollia,  Bubo  strumosus 
lat.  sin.  von  Faustgrösse,  mit  Drüsenschwellung  über  und  unter 
dem  P  o  u  p  a  r  t  sehen  Bande  (femoral).  Zentral  ist  die  livid-rot  ge¬ 
färbte  Haut  verdünnt  und  an  einigen  Stellen  fistulös  mit  eitrigem  Aus¬ 
flusse.  Temperatur  38°.  (Patient  behandelte  sich  durch  3  Wochen 
selbst.)  Die  Fistelöffnungen  vereinigte  ich  durch  einen  ovalen 
Schnitt,  wodurch  ein  Hautdefekt  von  Kronengrösse  entstand;  den 
eitrigen  Detritus  entfernte  ich,  ohne  Gewalt  anzuwenden,  mit  dem 
Löffel;  im  Wundhöhlengrunde  fand  ich  einige  in  die  Tiefe  führende 
Fistelgänge.  Ausspülung  der  Wundhöhle  und  Tamponade  mit  Lysol¬ 
formalinstreifen.  Dies  geschah  am  1.  V.  05.  Täglicher  Verband¬ 
wechsel.  Am  7.  V.  akutes  Ekzem  rings  um  die  Wunde;  mit  Dymal¬ 
pulver  eingestreut.  11.  V.  Das  Ekzem  geheilt.  Verbandwechsel  alle 
2  Tage,  später  alle  3  Tage.  23.  V.  Die  Wundhöhle  duich  granu¬ 
liertes  Gewebe  ausgefüllt,  die  umgebenden  Drüsenschwellungen  ge¬ 
schwunden;  der  Hautdefekt  verkleinert;  die  Wundränder  mit  Lapis 
bestrichen.  27.  V.  kam  der  Patient  zum  letzten  Male.  Der  Defekt 
gut  epidermisierend.  Pflasterverband. 

II.  25  jähriger  Monteur  und  Kupferschmied.  Ulcus  molle  Bubo 
strum.  lat.  sin.  von  Faustgrösse.  Operation  15.  IV.  06.  22.  IV.  Die 
Wundhöhle  um  2U  verkleinert,  keine  Sekretion,  die  umgebenden  in¬ 
filtrierten  und  schmerzhaften  Drüsen  grösstenteils  geschwunden.  Am 
selben  Tage,  d.  i.  1  Woche  nach  der  Operation,  musste  Pat.  auts  Land 
verreisen,  wo  er  Montierungsarbeiten  durchzuführen  hatte.  Et 
wurde  von  mir  unterrichtet,  die  WTndhöhle  mit  Airolgaze  zu  tam¬ 
ponieren.  Am  4.  V.  stellte  er  sich  wieder  vor.  Die  W  undhöhle  aus¬ 
granuliert;  Die  etwas  klaffenden  verdickten  Wundränder  betupfte  len 
mit  Lapis.  Wie  er  mir  schriftlich  mitteilte,  ist  auch  die  W  unde  bald 
darauf  verheilt. 


J820 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


III.  21  jähr.  Jurist.  Ulcus  molle  (6  Wochen  dauernd).  Bubo 
strumos.  lat.  dextri  von  mehr  als  Faustgrösse  über  und  unter  dem 
Po  upart  sehen  Bande.  Der  Schanker  heilte  in  1  Woche,  während 
welcher  Zeit  Pat.  Umschläge  auf  den  Drüsentumor  machte. 

5.  XII.  06.  Operation.  Eine  einzige  Inzision  zentral  über  dem 
P  o  u  p  a  r  t  sehen  Bande,  obzwar  auch  die  femoralen  Drüsen  affiziert 
und  zum  Teil  erweicht  waren.  Die  Wundhöhle  hatte  eine  Tiefe  von 
ca.  8  cm.  11.  XII.  Die  Drüsen  in  der  Umgebung  der  Wunde  grössten¬ 
teils  geschwunden,  die  Wundhöhle  um  verkleinert,  keine  Se¬ 
kretion.  Verbandwechsel  nunmehr  alle  2  Tage,  Burowverband  weg¬ 
gelassen.  17.  XII.  Statt  Lysolformalineinlage  trockene  Airolgaze. 
21.  XII.  Die  Wundhöhle  durch  neugebildetes  Gewebe  ausgefüllt,  die 
etwas  klaffenden,  verdickten,  ca.  7  mm  langen  Wundränder  mit  Lapis 
bestrichen.  23.  XII.  Die  Wundränder  verklebt,  keine  Infiltration  der 
Drüsen.  Patient  verreiste  nach  Hause.  Wie  ich  nach  dem  Neuen 
Jahre  persönlich  von  ihm  erfuhr,  war  die  völlige  Heilung  einige 
Tage  nach  seinem  letzten  Besuch  erfolgt. 

IV.  27  jähr.  Privatbeamter.  25.  IV.  07.  stellte  er  sich  vor  mit 
doppelseitigem  (fast  bis  zur  Höhe  des  Darmbeinkammes 
reichenden)  weit  über  Faustgrösse  fassendem  Bubo  strumos. 
(auch  femorale  Drüsen  betreffend).  Die  Haut  rotglänzend,  die  Drüsen 
zum  Teil  erweicht,  zentral  beiderseits  eine  eingeschmolzene  Drüsen¬ 
partie  von  Kronengrösse  mit  verdünnter  Hautdecke.  Die  Driisen- 
tumoren  dauerten  7  Wochen.  Pat.  war  so  lange  in  Berlin  mit 
Jodkali  innerlich  und  Jodvasogen  behandelt  worden  (Pat.  ist  syphi¬ 
litisch).  Grosse  Schmerzhaftigkeit,  Fieber;  Pat.  stark  herunterge¬ 
kommen.  26.  IV.  Operation  auf  beiden  Seiten.  Blosse  Inzision,  rechts 
etwas  grösser  (10mm),  links  ca.  8mm.  Der  Eiter  floss  spontan  ab; 
tiefliegendere  Reste  wurden  ohne  Gewalt  mit  dem  Löffel  ent¬ 
fernt;  tiefe  lange  Fistelgänge  nachweisbar,  Lysolausspülung,  Lysol¬ 
formalintampon.  Täglicher  Verbandwechsel  bis  2.  V.  Die  Wund¬ 
höhlen  bedeutend  verkleinert.  Fistelgänge  in  der  Tiefe  noch  vor¬ 
handen.  Keine  Sekretion.  Die  Wandungen  trocken,  rein:  an  ein¬ 
zelnen  Stellen  werden  kleine  nekrotische  Gewebspartien  abgestossen. 
Von  da  bis  14.  V.  Verbandwechsel  alle  2  Tage.  Die  Wundhöhle 
links  ausgranuliert;  die  Wundränder  mit  Lapis  bestrichen  und  mit 
Airolgaze  und  Pflaster  versehen.  Rechts  ist  die  ursprünglich  sehr 
grosse  Wundhöhle  bis  auf  2  cm  Tiefe  ausgefüllt.  Die  vergrösserten, 
infiltrierten,  fast  bis  zur  Symphyse  reichenden,  teilweise  schon  er¬ 
weicht  gewesenen  Drüsen  fast  alle  geschwunden.  Die  Wunde  und 
ihre  Umgebung  auch  für  Druck  schmerzlos.  Verbandwechsel  mit 
Airolgaze  alle  3  Tage.  20.  V.  Links  Wunde  verklebt;  die  Drüsen 
vollkommen  geschwunden,  rechts  ist  die  Wundhöhle  kaum  1  cm  tief. 
23.  V.  Lapis;  die  Wunde  mit  Airolgaze  und  Pflaster  gedeckt.  Der 
Patient  aus  der  Behandlung  entlassen. 

V.  26  jähr.  Beamter.  In  diesem  Falle  handelte  es  sich  um  mäch¬ 
tige  Lymphome  tuberkulöser  Natur.  Die  Krankheitsdauer  erstreckte 
sich  auf  einige  Jahre.  Zuerst  entwickelte  sich  auf  der  rechten  Hals¬ 
seite  ein  grosses  Paket  von  Lymphomen,  welches  chirurgisch  im 
Krankenhause  exstirpiert  wurde.  Bald  darauf  traten  neue  Drüsen¬ 
schwellungen  auf  von  Bohnengrösse  bis  Faustgrösse;  letztere  unter¬ 
halb  der  Achselhöhle  (Lin.  axil.  ant.),  auf  der  rechten  Halsseite,  unter 
dem  Kinne,  zahlreiche  kleine  links  am  Halse.  Die  grösseren  Lym¬ 
phome  erweichten  zeitweise,  es  bildeten  sich  Fisteln,  aus  denen  ein 
kriimmliger  Eiter  ausfloss.  Die  Umgebung  der  Fistelöffnungen  war 
entzündlich  infiltriert,  schmerzhaft.  Dabei  ging  es  dem  Patienten 
schlecht,  Abendtemperaturen  gesteigert.  Lange  behandelte  ich  diese 
Affektionen  mit  Jodoformemulsion  bei  entsprechender  innerer  The¬ 
rapie.  Als  das  Leiden  sich  nicht  besserte  und  der  Pat.  eine  schwere 
Hämoptoe  üiberstanden  hatte,  versuchte  ich  bei  ihm  Lysolformalin, 
da  er  zu  einer  Operation  sich  nicht  verstehen  wollte.  Die  Drüsen¬ 
höhlungen,  die  durch  Fistelgänge  untereinander  und  nach  aussen 
kommunizierten,  spülte  ich  mit  100 — 200  g  2  proz.  Lysol  alle  3 — 4 
Tage  aus,  spritzte  das  obengenannte  Lysolformalin,  ca.  V2 — 1  ccm, 
durch  die  Fistelöffnungen  ein  oder  machte  frische  Inzisionen  und 
tamponierte  wie  bei  Bubonen.  Die  Eiterung  ging  rapid  zurück,  die 
Lymphome  verkleinerten  sich,  die  Fisteln  schlossen  sich,  die  Ent¬ 
zündungserscheinungen  schwanden;  die  kleineren  Drüsen  verloren 
sich  vollkommen,  der  Allgemeinzustand  besserte  sich  auffallend  und 
dauert  noch  heute,  nach  %  Jahren,  an. 

Gleich  gute  und  rasche  Erfolge  mit  Lysolformalin  hatte 
ich  bei  einer  ganzen  Reihe  von  phlegmonösen  Prozessen  und 
Furunkeln.  Die  letzteren  eröffne  ich  bloss  durch  einen  ca.  5  mm 
langen  Einstich,  ziehe  dabei  rasch  und  ohne  Gewaltanwendung 
einen  kleinen  Löffel  in  Verwendung  und  tamponiere.  Des¬ 
gleichen  verfahre  ich  bei  Abszessen.  Auch  hier  mache  ich  die 
Inzisionsöffnung  nur  so  gross  (ca.  7  mm),  dass  ich  einen 
schmalen  Gazestreifen  durchbringe.  Die  Dauer  der  Heilung 
bei  2  Perinealabszessen  betrug  keine  ganze  Woche.  Die  Zahl 
der  beschriebenen  Fälle  ist  klein,  doch  ist  aus  ihnen  ersichtlich, 
dass  der  Eingriff  als  solcher  im  Verhältnisse  zur  Grösse  der 
operierten  Drüsentumoren  ein  geringfügiger  ist,  dement¬ 
sprechend  auch  die  Schmerzhaftigkeit  desselben;  weiter  die 
kurze  unkomplizierte  Behandlungsdauer  (21 — 24  Tage)  und 
eine  kaum  bemerkbare  Narbe.  Ausser  mässigem,  doch  er- 


No.37. 

träglichem  Schmerz  durch  die  Formalinwirkung  (ca.  3  Minuten) 
begegneten  mir  niemals  irgend  welche  unangenehme  Kompli¬ 
kationen. 


Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Rixdorf  (Berlin) 
(Direktor:  Prof.  Dr.  Sultan). 

Ueber  sogenannte  erworbene  Lymphangiome  des  Halses. 

Von  Dr.  G.  D  e  n  c  k  s,  Assistenzarzt. 

Kavernöse  Lymphangiome  am  Halse  werden  als  kon¬ 
genitale  Geschwülste  nicht  besonders  selten  beobachtet.  Eine 
grosse  Zahl  ist  veröffentlicht  und  zum  Teil  genau  beschrieben. 
Als  Neubildung,  die  im  späteren  Leben  erworben,  findet  sich 
das  kavernöse  Lymphangiom  am  Hals  sehr  selten.  Unter  der 
grossen  Zahl  der  veröffentlichten  Fälle  finden  sich  in  der 
Literatur,  soweit  ich  diese  übersehe,  nur  6,  in  denen  die  Ge¬ 
schwulst  erst  im  späteren  Alter  zur  Entwicklung  gelangte, 
während  sie  in  den  übrigen  Fällen  regelmässig  angeboren  oder 
doch  in  der  allerersten  Lebenszeit  entstanden  war,  resp.  be¬ 
merkt  wurde.  Deshalb  führen  tatsächlich  eine  Reihe  von 
Autoren  die  kongenitalen  und  erworbenen  Lymphangiome  des 
Halses  gesondert  von  einander  an. 

Ob  eine  solche  Trennung  berechtigt  ist  oder  nicht,  möchte 
ich  an  der  Hand  zweier  selbstbeobachteter  Fälle  zu  entscheiden 
versuchen.  Berechtigt  wäre  die  Trennung  nur  dann,  wenn  für 
die  eine  Form  ein  besonderer  Entstehungsmodus  angenommen 
werden  müsste,  oder  wenn  sie  sonstige  wesentliche  morpho¬ 
logische  Unterschiede  zeigte. 

Zunächst  seien  die  von  uns  beobachteten  Fälle  kurz 
wiedergegeben.  Der  eine  davon  wurde  im  städtischen 
Krankenhause  zu  Rixdorf,  der  andere  in  der  Privatklinik  von 
Prof.  Sultan  operiert. 

Fall  1.  Anna  N.,  26  Jahre  alt,  hat  seit  etwa  10  Jahren  eine 
kleine  Anschwellung  an  der  rechten  Halsseite,  die  im  Laufe  des 
letzten  Jahres  erheblich  grösser  geworden  ist.  Kongenitale  Anlage 
wird  in  Abrede  gestellt.  Wesentliche  Beschwerden  verursacht  die 
Geschwulst  nicht,  doch  da  sie  infolge  ihrer  Grössenzunahme  lästig 
wird,  wünscht  Pat.  die  Exstirpation. 

Im  übrigen  war  Pat.  stets  gesund. 

Status  praesens  19.  IX.  06.  Grosses  kräftiges  Mädchen 
in  gutem  Ernährungszustand.  Keine  Drüsenschwellungen.  An  der 
rechten  Halsseite  findet  sich  eine  faustgrosse,  weiche,  fluktuierende 
Geschwulst  von  annähernd  halbkugeliger  Gestalt,  die  unmittelbar  über 
der  Klavikula  gelegen  ist,  nach 
oben  bis  zum  ireien  Rand  des 
Kukullaris  und  median  bis  fast 
zum  Sternokleidomastoideus 
reicht.  Die  genauere  Lage  und 
Gestalt  aus  nebenstehendem 
Bilde  gut  ersichtlich.  Auf  der 
Unterlage  ist  die  Geschwulst  ver¬ 
schieblich;  durch  Druck  nicht  zu 
verkleinern;  Palpation  nicht 
schmerzhaft.  Die  Haut  darüber 
verschieblich,  nicht  verändert. 

Geringe  Vergrösserung  der 
Glandula  thyreoidea. 

Innere  Organe  0.  B. 

20.  IX.  06.  Exstirpation  der 
ausserordentlich  dünnwandigen, 
mehrkammerigen,  mit  hellem, 
klarem  Inhalt  gefüllten  Zyste. 

Nach  der  Entleerung  fällt  die  Geschwulst  ganz  in  sich  zusammen; 
eine  derbere  epitheliale  Auskleidung  an  keiner  Stelle  der  Innenwand 
sichtbar. 

28.  IX.  06.  Pat.  geheilt  entlassen. 

F  a  1 1  2.  E.  P.,  30  Jahre  altes  Mädchen. 

Seit  etwa  6  Monaten  hat  sie  die  Geschwulst  am  Halse  bemerkt, 
die  auffallend  schnell  grösser  geworden  ist.  Besondere  Beschwer¬ 
den  hat  sie  nicht  durch  die  Geschwulst;  sie  wünscht  nur  wegen  der 
Grössenzunahme,  die  ihr  unbequem  wird,  die  Exstirpation. 

Kongenitale  Anlage  in  Abrede  gestellt. 

Sonst  war  Pat.  immer  gesund. 

Status  praesens  13.  X.  06:  Mittelgrosses,  grazil  gebautes 
Mädchen. 

Innere  Organe  0.  B. 

An  der  linken  Halsseite  findet  sich  ein  apfelgrosser,  prall  ge¬ 
spannter,  elastischer  Tumor,  der  medial  bis  dicht  an  den  Kehlkopf 
heranreicht,  sich  aber  beim  Schlucken  nicht  mitbewegt.  Die  laterale 
Abgrenzung  nicht  scharf  ausgeprägt,  da  der  Tumor  augenscheinlich 
noch  zum  Teil  von  Halsmuskeln  bedeckt  ist.  Durch  Druck  ist  eine 
Verkleinerung  nicht  zu  erzielen. 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1821 


15.  X.  06.  Operation.  Bei  der  Exstirpation  erweist  sich  der 
Tumor  als  durchsichtig  dünnwandige  Zyste,  die  dicht  neben  der 
Schilddrüse  sitzt,  diese  aber  unberührt  gelassen  hat.  Die  Mm.  omo- 
und  sterno-hyoidei  ziehen  über  die  Geschwulst  hinweg;  sie  werden 
durchschnitten  und  nach  der  Exstirpation  durch  Katgutnaht  wieder 
vereinigt. 

Auffallend  ist,  dass  die  Zyste  sich  hinter  den  grossen  Hals- 
gefässen,  und  zwar  zwischen  diesen  und  dem  Vagus  ausgebreitet 
hat,  so  dass  die  Gefässe  vor,  der  Vagus  hinter  dem  oberen  Ausläufer 
der  Zyste  liegen. 

Kurz  vor  vollständiger  Auslösung  reisst  die  Zyste  ein  und  zeigt 
dabei  kavernösen  Bau.  Es  entleert  sich  eine  weissliche,  leicht  mil¬ 
chige  Flüssigkeit.  Ein  Zipfel  reicht  ziemlich  tief  in  das  Mediastinum . 
hinein,  lässt  sich  aber  zusammen  mit  einer  anhaftenden  Lymphdriise 
stumpf  herausheben.  An  keiner  Stelle  der  Innenwand  eine  epitheliale 
Auskleidung  wahrnehmbar.  Aseptischer  Verlauf,  glatte  Heilung. 

Nach  dem  Gesagten  handelte  es  sich  also  um  typische, 
kavernöse  resp.  zystische  Lymphangiome.  Die  Operations¬ 
befunde  decken  sich  im  wesentlichen  mit  dem,  was  über  ihre 
Fälle  die  anderen  Autoren  berichten.  Es  sind  das  Buss  e, 
der  in  Hufelands  Journal  aus  dem  Jahre  1839  einen  Fall 
(3)  veröffentlicht  hat,  Koni  g,  der  in  seinem  Lehrbuch  der  spe¬ 
ziellen  Chirurgie  einen  von  ihm  selbst  operierten,  dem  vorigen 
ganz  analogen  Fall  (4)  wiedergibt,  W  e  g  n  e  r,  der  aus  der  Ber¬ 
liner  Klinik  unter  v.  Langenbeck  einen  Fall  (5)  anführt, 
Nasse,  der  aus  der  Berliner  Klinik  unter  v.  Bergmann 
zwei  Fälle  (6  u.  7)  veröffentlicht  und  Pätz  old,  der  über 
einen  Fall  (8)  aus  der  Königsberger  Chirurgischen  Klinik  unter 
Oarre  berichtet. 

Ein  Fall  von  Busch  (wiedergegeben  bei  Vladan  Gjor- 
g  j  e  w  i  c)  ist  so  ungenau  und  nicht  eindeutig  beschrieben,  dass 
es  mir  richtig  erscheint,  ihn  unberücksichtigt  zu  lassen. 

In  Fall  3  handelt  es  sich  um  ein  Mädchen  Mitte  der  20er  Jahre, 
das  seit  einiger  Zeit  mit  kaum  merklich  steigender  Vermehrung  ein 
gewisses  Hindernis  bei  seitlichen  Bewegungen  des  Kopfes  und  ein 
Gefühl  von  Druck  links  neben  dem  Kehlkopf  in  der  Tiefe  empfunden 
hatte.  Im  ganzen  waren  die  Beschwerden  nicht  grosse,  doch  da 
Pat.  beim  Befühlen  der  linken  Halsseite  eine  Geschwulst  wahrnahm 
und  eine  allmähliche  Vergrösserung  zu  erkennen  glaubte,  beunruhigte 
sie  das  und  sie  wünschte  deshalb  die  operative  Beseitigung  jener. 

Status:  Links  neben  dem  Kehlkopf,  zwischen  diesem  und  dem 
Sternokleidomastoideus,  äusserlich  wenig  sichtbar,  aber  durch  das 
Gefühl  deutlich  wahrzunehmen,  zeigt  sich  eine  kugelige,  prall  ela¬ 
stische,  schmerzlose  Geschwulst  von  der  Grösse  einer  Haselnuss. 
Auf  Druck  lässt  sich  der  Tumor  etwas  nach  der  Tiefe  zu  kompji- 
mieren,  kehrt  aber  sofort  wieder  zu  seiner  vorigen  Stelle  zurück,  so¬ 
bald  der  Druck  aufgehoben  wird.  Fluktuation  sicher  vorhanden. 

Operation:  Nach  Anlegen  eines  grossen  Hautschnittes  Er¬ 
öffnung  der  Geschwulst,  worauf  sich  aus  dieser  wässrige  Flüssigkeit 
entleert.  Hierauf  zeigt  sich,  dass  es  sich  um  ein  ganzes  Konglomerat 
solcher  haselnussgrosser,  traubenförmig  verbundener  Zysten  handelt, 
die  die  Interstitien  zwischen  den  Halsmuskeln  ausfüllen.  Ein  Teil 
wird  exstirpiert  und  dann  die  Operation  „wegen  der  Gefahr,  in  der 
Tiefe  Gefässe  und  Nerven  zu  verletzen“  abgebrochen.  Nachdem  der 
Rest  des  Tumors  durch  Eiterung  zerstört  war,  wurde  völlige  Heilung 
erzielt. 

Fall  4.  In  dem  Falle  von  König  handelte  es  sich  um  eine 
in  der  Regio  supraclavicularis  gelegene  Geschwulst,  die  mit  Leichtig¬ 
keit  exstirpiert  wurde  und  aus  etwa  30  dünnwandigen,  mit  blutig¬ 
serösem  Inhalt  gefüllten  Zysten  bestand,  „welche  wie  die  Trauben 
am  Stiel  auf  einem  starken  Ast  der  Art.  thyreoidea  inf.  aufsassen“. 
Das  genaue  Alter  der  Pat.  gibt  König  nicht  an,  doch  ist  aus  seinen 
Ausführungen  zu  ersehen,  dass  der  Tumor  bei  einem  Erwachsenen 
entstanden  war,  ohne  dass  bei  der  Geburt  oder  in  der  ersten  Lebens¬ 
zeit  eine  Geschwulst  bemerkt  war. 

Fall  5  betrifft  einen  25jährigen  Arbeiter,  der  im  Alter  von 
23  Jahren  in  der  Regio  supraclavicular.  sinistra  eine  kirschgrosse, 
nicht  schmerzhafte  Geschwulst  bemerkte.  Eine  kongenitale  Anlage 
wurde  sicher  in  Abrede  gestellt.  Die  Geschwulst  wuchs  langsam 
weiter;  erst  in  der  jüngsten  Zeit  hat  sie  sich  schnell  zu  einer  erheb¬ 
lichen  Grösse  entwickelt. 

Behufs  Verkleinerung  des  Tumors  wurden  mehrfach  Punktionen 
vorgenommen,  die  aber  ohne  nachhaltigen  Erfolg  blieben. 

Bei  der  Aufnahme  in  die  Klinik  findet  sich  in  der  Regio  supra¬ 
clavicularis  sinistra  eine  etwa  orangengrosse,  flache  Geschwulst.  Sie 
erscheint  von  weicher,  leicht  kompressibler  Konsistenz,  etwa  wie 
ein  weiches  Lipom.  Nach  oben  und  hinten  geht  der  I  umor  bis  zum 
Rande  des  Kukullaris,  nach  unten  gegen  die  Clavicula  sinistra  ist  er 
nur  unschwer  abzugrenzen;  medianwärts  erstreckt  er  sich  unter  dem 
M.  sternocleidomast.  hindurch,  ein  Fortsatz  nach  dem  Jugulum  hin. 
Die  Halsbewegungen  nach  links  waren  behindert. 

In  der  Diagnose  war  man  schwankend.  Am  wahrscheinlichsten 
schien  es,  ein  Lipom  anzunehmen,  ausgehend  vom  subkutanen  Fett¬ 
gewebe.  Erst  die  Operation  brachte  Klarheit. 

Exstirpation,  glatte  Heilung. 


In  F  a  1 1  6  kam  die  Patientin  im  Alter  von  25  Jahren  zur  Opera¬ 
tion.  3  Jahre  vorher  hatte  sie  eine  Anschwellung  der  linken  Hals¬ 
seite  bemerkt.  Die  Geschwulst  vergrösserte  sich  ständig,  aber  lang¬ 
sam;  erst  in  den  letzten  4  Wochen  bemerkte  sie  ein  plötzliches  schnel¬ 
leres  Wachstum. 

Es  findet  sich  in  der  linken  seitlichen  Halsgegend  eine  grosse, 
elastische,  fluktuierende  Geschwulst,  die  von  der  Klavikula  bis  zur 
Unterkiefergegend  und  von  der  Medianlinie  bis  zum  Rande  des  Kukul¬ 
laris  reicht  und  unter  dem  M.  sternocleidomastoideus  liegt.  Die  Haut 
über  ihr  ist  normal.  Schluckbewegungen  haben  keine  Lageverände¬ 
rung  zur  Folge. 

Operation,  glatte  Heilung. 

In  Fall  7  bemerkten  die  Eltern  bei  einem  11  Jahre  alten  Jungen 
vor  etwa  7  Monaten  eine  apfelgrosse  Geschwulst  am  Hals.  Sie  führ¬ 
ten  die  Entstehung  derselben  auf  sehr  starkes  Turnen  urzück,  da 
vorher  keine  Geschwulst  gewesen  sein  soll.  Die  Geschwulst  wuchs 
allmählich  bis  zur  Aufnahme  in  die  Klinik. 

Ueber  der  linken  Klavikula  wölbt  sich  hinter  dem  M.  sterno¬ 
cleidomastoideus  eine  bis  zum  M.  cucullaris  reichende  runde,  deutlich 
fluktuierende  Geschwulst  vor.  Sie  lässt  sich  leicht  abgrenzen,  ist 
verschiebbar  und  mit  der  Haut  nicht  verwachsen. 

Operation,  glatte  Heilung. 

Fall  8  betrifft  ein  37 jähriges  Mädchen,  das  seit  3  Jahren  in  der 
oberen  Schlüsselbeingrube  ein  haselnussgrosses  Knötchen,  das  keine 
Beschwerden  verursacht,  bemerkt  hatte.  Allmähliches  Wachstum. 

In  der  rechten  seitlichen  Halsgegend  findet  sich  über  den  media¬ 
len  2U  der  Klavikula  eine  kleinfaustgrosse,  glatte,  bewegliche,  fluk¬ 
tuierende,  weichelastische  Schwellung,  über  der  die  Haut  von  nor¬ 
malem  Aussehen  und  gut  verschieblich  ist.  Medial  reicht  die  Ge¬ 
schwulst  bis  zum  Sternokleidomastoideus  und  nach  oben  bis  zum 
Rand  des  Trapezius.  Ueber  den  Tumor  verläuft  die  Vena  jugularis 
externa. 

Exstirpation,  Heilung. 

In  allen  angeführten  Fällen,  die  von  uns  beobachteten 
miteingerechnet,  sass  die  Geschwulst  durchaus  analog  in  der 
seitlichen  Halsgegend,  d.  h.  in  dem  Dreieck  zwischen  Klavikula, 
Sternokleidomastoideus  und  freiem  Rand  des  Kukullaris.  In 
einzelnen  Fällen  erstreckten  sich  wohl  Ausläufer  des  Tumors 
bis  in  die  vordere  Halsgegend  hinein,  doch  wurde  das  be¬ 
ginnende  Wachstum  der  Geschwulst  niemals  hier  beobachtet. 
Auch  die  Operationsbefunde  stimmen  im  wesentlichen  überein. 
Es  fand  sich  entweder  eine  dünnwandige  Zyste  mit  balken- 
artigen  Vorsprüngen  an  der  Innenwand  oder  der  Tumor  be¬ 
stand  aus  einem  Konglomerat  von  kleineren  und  grösseren 
Zysten,  die  miteinander  meist  kommunizierten.  Der  Inhalt 
war  eine  weissliche,  milchartige  oder  auch  dünne,  gelbliche 
Flüssigkeit  mit  den  Charakteristicis  der  Lymphe. 

In  Fall  4  und  7  hatte  der  Zysteninhalt  eine  mehr  bräunliche 
Farbe;  hier  war  es  jedenfalls  zu  Blutung  in  den  Tumor  ge¬ 
kommen,  was  ja  öfter  bei  Lymphangiomen  beobachtet  wird. 

Bemerkenswert  war  die  Lage  des  Tumors  in  unserem 
zweiten  Fall,  in  dem  die  grossen  Halsgefässe  und  der  N.  vagus 
weit  auseinandergedrängt  waren,  sodass  die  Gefässe  vor  und 
der  Nerv  hinter  der  Geschwulst  lagen.  Es  ist  dieses  aus  den 
an  dieser  Stelle  bestehenden  anatomischen  Verhältnissen  leicht 
verständlich,  da  der  Vagus  hinter  dem  die  Arterie  umgeben¬ 
den  Spaltraum  liegt,  sodass  Gefäss  und  Nerv  durch  lockeres 
Bindegewebe  voneinander  getrennt  sind,  so  nahe  sie  auch  zu¬ 
sammenliegen. 

In  allen  Fällen  mit  Ausnahme  von  Fall  3  wurde  der  Tumor 
radikal  entfernt  und  glatte  Heilung  erzielt,  wenn  sich  auch  die 
Exstirpation  nicht  immer  ganz  leicht  gestaltete.  Dass  in  Fall  3 
die  Entfernung  der  Geschwulst  nicht  radikal  ausgeführt  wurde, 
ist  vielleicht  weniger  den  sich  darbietenden  Schwierigkeiten, 
als  der  damals  (im  Jahre  1839)  weniger  vollkommenen  Ope¬ 
rationstechnik  zuzuschreiben.  Dass  eine  radikale  Exstirpation 
unter  Umständen  schwer  sein  kann,  ist  bei  der  Lage  der  Ge¬ 
schwulst  natürlich,  zumal,  wenn  festere  Verwachsungen  mit 
den  grösseren  Gefässen  oder  nach  dem  Plexus  brachialis  hin 
bestehen,  oder  Ausläufer  des  Tumors  bis  weit  in  das  Media¬ 
stinum  hinein  Vordringen.  In  unseren  beiden  Fällen  machte 
die  Exstirpation  keine  besonderen  Schwierigkeiten. 

Aus  einem  Vergleich  der  Operationsbefunde  dieser  Fälle, 
in  denen  die  Geschwülste  erst  im  späteren  Alter  beobachtet 
wurden,  und  jener,  in  denen  sie  kongenital  bestand,  ergibt  sich, 
dass  letztere  im  allgemeinen  erheblich  schwerer  radikal  zu 
entfernen  waren,  weil  meist  ein  viel  innigeres  Verwachsensein 
der  Geschwulst  mit  dem  umgebenden  Gewebe  und  vor  allem 
mit  den  Gefässen  beobachtet  wurde.  Der  Grund  hierfür  ist 
leicht  ersichtlich,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  dass  die 


1822 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


kongenitalen  Lymphangiome  in  einem  frühen  Stadium  des 
intrauterinen  Lebens  vorhanden  sind  und  bei  der  Geburt  des 
Fötus  bereits  eine  stattliche  Geschwulst  darstellen  können,  so- 
dass  bei  dem  gleichzeitigen  Wachstum  des  Tumors  und  seiner 
benachbarten  Organe  ein  Ineinandergreifen  und  inniges  Ver¬ 
wachsensein  zwischen  beiden  natürlich  scheint.  Entwickelt 
sich  die  Geschwulst  dagegen  im  späteren  Alter,  in  dem  das 
Wachstum  der  Organe  beendet  ist,  so  wird  die  Neubildung 
diese  im  wesentlichen  auseinanderdrängen,  ohne  so  feste  Ver¬ 
bindungen  mit  ihnen  einzugehen. 

Ein  erschwerendes  Moment  bei  der  radikalen  Entfernung 
der  Geschwulst  ist  oft  dadurch  bedingt,  dass  die  meist  sehr 
dünne  Zystenwand  im  Laufe  der  Operation  einreisst  und  der 
ganze  Tumor  oder  grosse  Teile  desselben  kollabieren,  so  dass 
es  schwieriger  wird,  sie  von  dem  umgebenden  Gewebe  zu 
unterscheiden. 

Schwierigkeit  kann  auch  die  Diagnose  machen  und  Ver¬ 
wechslungen  mit  Lipomen,  Echinokokken  und  anderen  sehr 
weichen  Tumoren  sind  berichtet.  Vor  Verwechslungen  mit 
Struma  schützt  im  allgemeinen  die  fehlende  Lageveränderung 
beim  Schluckakt,  doch  kann  dieses  Kriterium  bei  Adhärenz 
der  Geschwulst  an  einen  Schilddrüsenlappen  im  Stich  lassen. 
Die  Probepunktion  wird  in  den  meisten  Fällen  Klarheit 
schaffen. 

Was  nun  Genese  und  Wachstum  der  Lymphangiome  im 
allgemeinen  und  unserer  besonderen  Form  am  Halse  anlangt, 
so  ist  völlige  Uebereinstimmung  in  allen  Punkten  bis  heute 
noch  nicht  erzielt. 

Ursprünglich  spielte  die  Stauungstheorie  in  der  Ent¬ 
stehungsdeutung  der  Lymphangiome  eine  grosse  Rolle.  Durch 
behinderten  Abfluss  der  Lymphe  aus  einem  bestimmten  Be¬ 
zirk  des  Lymphgefässystems  sollte  es  zu  ausgedehnter  Ektasie 
und  Hyperplasie  der  Lymphgefässe  kommen  und  eine  tumor- 
artige  Neubildung  entstehen  können.  Im  Gegensatz  dazu 
fassen  die  neueren  Autoren  die  Lymphangiome  als  wahre 
Neubildungen  auf.  Langhans  und  Ribbert  haben  klar 
gezeigt,  dass  Stauung  allein  unmöglich  die  fraglichen  Ge¬ 
schwulstformen  hervorbringen  könne  und  dass  primäre 
Wucherung  des  Endothels  samt  dem  Bindegewebe  die  Bildung 
der  Hohlräume  zum  Tumor  bedingte.  Einzelne  Forscher 
messen  der  Stauung  bei  grösseren  Geschwülsten  noch  eine  ge¬ 
wisse  Bedeutung  bei,  die  aber  immer  nur  sekundärer  Natur  sein 
soll.  Wie  nun  das  Wachstum  von  Bindegewebe  und  Endothel 
zustande  kommt  und  sich  weiter  vollzieht,  ist  noch  immer 
nicht  übereinstimmend  erklärt.  Die  beiden  fraglichen  Ent¬ 
stehungsarten  sind  die  von  W  e  g  n  e  r  so  genannte  homo¬ 
plastische  und  heteroplastische  Neoplasie.  Hiernach  soll  die 
Geschwulst  also  einmal  aus  vorgebildeten  kapillären  Lymph¬ 
spalten  durch  Sprossung  der  Endothelien  und  Bildung  neuer 
Lymphgefässe  entstehen,  während  das  andere  Mal  neue 
Lymphräume  aus  lymphoidem  Gewebe  und  Bindesubstanz  her¬ 
vorgehen  können.  Bis  in  die  neueste  Zeit  verfechten  einige 
Autoren  diesen  und  andere  jenen  Entwicklungsmodus,  je  nach¬ 
dem  sie  in  ihren  Präparaten  eine  aktive  Proliferation  von 
Lymphgefäs'sendothelien  und  Bildung  neuer  Lymphgefässe 
nachwiesen  oder  diese  Bilder  fehlten  und  dafür  reichlich  lym- 
pihoides  Gewebe  und  Bindesubstanz  vorhanden  war.  Einige 
Autoren  neigen  zu  der  Ansicht,  dass  wahrscheinlich  beide  Ent¬ 
stehungsarten  nebeneinander  Vorkommen. 

Was  den  ersten  Anlass  zum  Aufbau  der  Geschwulst  an¬ 
langt,  so  schliessen  sich  die  Autoren  der  neueren  Zeit  fast  aus¬ 
nahmslos  den  Anschauungen  Ribberts  an,  der  eine  Keim- 
absprengung,  einen  selbständigen  Geschwulstkeim  annimmt. 
Ribbert  formuliert  seinen  Standpunkt  folgendermassen : 
„Das  Lymphangiom  entsteht  aus  einem  während  des  intra- 
oder  extrauterinen  Lebens  selbständig  gewordenen,  aus  Binde¬ 
gewebe  und  Lymphgefässen  aufgebauten  Gewebskeim,  an 
dessen  Vergrösserung  alle  Bestandteile  gleichmässig  beteiligt 
sind.  Es  bildet  einen  in  sich  abgeschlossenen,  als  Ganzes 
gegen  die  Umgebung  gut  begrenzten  Bezirk.“ 

Erwähnenswert  ist  noch  die  Auffassung  von  S  a  m  t  e  r, 
der  in  einem  Falle  Kiemengangs-  und  Lyrnphzysten  neben¬ 
einander  fand  und  daraus  den  Schluss  zieht,  1.  dass  die  Zysten¬ 
hygrome  des  Halses,  abgesehen  von  den  Fällen,  in  denen  sich 
Abnormitäten  der  gröberen  Lymph-  und  Blutgefässe  finden, 


Kiemengangsgeschwülste  sind,  und  2.  dass  ihre  erste  Anlage 
Lymphdrüsengewebe  ist.  Da  aber  Samt  er  in  seinem  Fall 
neben  Endothel  echtes  epitheliales  Gewebe  fand,  das  in  allen 
anderen  Fällen  fehlte,  so  dürfte  eine  Verallgemeinerung  seiner 
Anschauungen  wohl  nicht  statthaft  sein. 

Bezüglich  noch  anderer,  zum  Teil  komplizierter  Ent- 
stehungs-  und  Wachstumstheorien  über  Lymphangiome  ver¬ 
weise  ich  auf  die  jüngste  zusammenfassende  Arbeit  über 
Lymphangiome  von  P  a  e  t  z  o  1  d. 

Der  durch  die  Autorität  Ribberts  gestützten  Anschau¬ 
ung,  nach  der  eine  Keimabsprengung  als  Ursprung  der  Lymph¬ 
angiome  vorliegt,  pflichten  auch  wir  bei.  Eine  andere  Ent¬ 
stehungsart  ist  gerade  in  unserem  besonderen  Fall  mit  dem 
Sitz  der  Geschwulst  am  Halse  kaum  verständlich. 

Auf  Grund  unserer  eigenen  und  der  übrigen  6  in  der  Litera¬ 
tur  mitgeteilten  Fälle  von  sogen,  erworbenen  Lymphangiomen 
komme  ich  zu  dem  Schluss,  dass  die  von  manchen  Autoren 
noch  durchgeführte  Trennung  zwischen  angeborenen  und  er¬ 
worbenen  Lymphangiomen  des  Halses  nicht  aufrecht  erhalten 
werden  kann,  dass  es  sich  vielmehr  genetisch  wie  morpho¬ 
logisch  um  eine  und  dieselbe  Geschwulstform  handelt.  In 
jedem  Fall  ist  ein  Geschwulstkeim  als  kongenital  vorhanden 
anzunehmen  und  nur  das  Selbständigwerden,  die  weitere  Ent¬ 
wicklung  zur  Geschwulst  ist  in  beiden  Formen  zeitlich  ver¬ 
schieden.  Während  in  der  Mehrzahl  der  Lymphangiome  am 
Hals  dieser  Entwicklungsvorgang  während  des  intrauterinen 
Lebens  stattfindet,  so  dass  schon  bei  der  Geburt  des  Fötus 
ein  beträchtlicher  Tumor  vorliegt,  entwickelt  sich  in  seltenen 
Fällen  erst  im  späteren  Lebensalter  aus  dem  latenten  Keim 
die  Geschwulst.  Was  diesen  ungewöhnlichen  Verlauf  be¬ 
dingt,  ist  mit  Sicherheit  natürlich  schwer  zu  sagen.  Es  scheint, 
als  ob  die  Pubertätszeit  —  ähnlich  wie  es  bei  Kiemengangs¬ 
zysten  angenommen  wird  —  auch  bei  Entwicklung  der  Lymph¬ 
angiome  eine  gewisse  Rolle  spielt. 

Literatur. 

1.  Burow:  Zur  Lehre  von  den  serösen  Halszysten.  Archiv 
f.  klin.  Chir.,  Bd.  12,  1871.  —  2.  Busse:  Ueber  Balggeschwülste. 
Hufelands  Journal,  Bd.  89,  1839.  —  3.  G  j  o  r  g  j  e  v  i  c:  Ueber  Lymphor- 
rhöe  und  Lymphangiome.  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  12,  1871.  — 
4.  Langhans:  Zur  Lehre  von  den  Gefässgeschwiilsten.  Virchows 
Archiv,  Bd.  75.  —  5.  König:  Lehrbuch  d.  spez.  Chir.,  VIII.  Aufl., 
Bd.  1,  1904.  —  6.  Lücke:  Ueber  Atheromzysten  der  Lymphdrüsen. 
Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  1,  1861.  —  7.  Nasse:  Ueber  Lymphangiome. 
Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  38,  1889.  —  8.  Nast-Kolb:  Lymphangioma 
cyst.  colli  congenitum.  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  Bd.  52,  1906.  — 
9.  Paetzold:  Ueber  oberflächliche  Lymphangiome,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  zystischen  Formen  des  Halses.  Beitr.  z.  klin. 
Chir.,  Bd.  51,  1906.  —  10.  Reichel:  Angeborenes  Lymphangioma 
cavernos.  cyst.  Virchows  Archiv,  Bd.  46.  —  11.  Rheindorf: 
Lymphangioma  cavernosum  congenitum:  in  Orth:  Arbeiten  a.  d. 
Patholog.  Institut  zu  Berlin.  —  12.  Ribbert:  Bau,  Wachstum  und 
Genese  der  Angiome.  Virchows  Archiv  151.  —  13.  Samt  er:  Ueber 
Lymphangiome  der  Mundhöhle.  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  41,  1891.  — 
14.  Schmieden:  Hygroma  colli  cyst.  congenit.  D.  Zeitschr.  f, 
Chir.,  Bd.  64,  1902.  —  15.  Sick:  Bau  und  Wachstum  der  Lymph¬ 
angiome.  Virchows  Archiv,  Bd.  170.  —  16.  Derselbe:  Lymph¬ 
angiome.  Ibid.,  Bd.  172.  —  17.  Sultan:  Zur  Kenntnis  der  Halszysten 
und  Fisteln.  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  48,  1898.  —  18.  T  r  e  n  d  e  1  e  n  - 
bürg:  4  Fälle  von  kongenitalen  Halszysten.  Archiv  f.  klin.  Chir., 
Bd.  13,  1872.  —  19.  Wegner:  Ueber  Lymphangiome.  Archiv  f. 
klin.  Chir.,  Bd.  20,  1876.  —  20.  Winiwarter:  Ein  Fall  von  ange¬ 
borener  Makroglossie,  kombiniert  mit  Hygroma  colli  cyst.  congenit. 
Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  16,  1874. 


Aus  der  Provinzial-Heil-  und  Pflegeanstalt  in  Göttingen 
(Geheim.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Gramer). 

Ein  unter  dem  Bilde  der  W ei  Ischen  Krankheit  ver¬ 
laufender  Fall  von  Typhus  abdominalis,  entstanden 
durch  Autoinfektion  von  der  Gallenblase  her. 

Von  Dr.  Grimme,  Abteilungsarzt  an  der  Anstalt. 

Krankengeschichte.  Die  52 jährige  Patientin  Meta  B. 
bricht  plöitzlich  bei  der  Arbeit  zusammen,  wird  kurze  Zeit  bewusstlos, 
bekommt  epileptiforme  Zuckungen  und  hat  eine  Temperatur  von  38°. 
Die  Untersuchung  ergibt  kleinblasiges  Rasseln  auf  der  Lunge  rechts 
hinten  unten  und  Dämpfung,  Kavernensymptome  oben  links  hinten. 
Schwellung  und  Druckempfindlichkeit  der  Leber  und  geringe  Schwel¬ 
lung  der  Milz.  Während  der  Untersuchung  tritt  Erbrechen  auf.  Es 
entwickelt  sich  jetzt  folgendes  Krankheitsbild.  Die  Schwellung  der 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1823 


Leber  und  Milz  nimmt  stark  zu.  Die  Leber  überragt  schliesslich 
um  mehr  als  eine  Hand  breit  -den  Rippenbogen,  fühlt  sich  glatt  an. 
Die  Milz  erreicht  nicht  ganz  den  Rippenbogen, _  ist  leicht  und  deutlich 
zu  fühlen.  Vom  zweiten  Tage  an  entwickelt  sich  Ikterus,  der  immer 
mehr  an  Intensität  zunimmt.  Die  Fäzes  werden  farblos;  im  Urin 
Gallenfarbstoff  und  Eiweiss.  Die  Stühle  sind  anfangs  breiig  und 
werden  schliesslich  ganz  wässrig;  ihre  Farbe  ist  später  gelegentlich 
von  kleinen  Blutungen  dunkler.  Roseolen  treten  nicht  auf.  Es 
besteht  geringe  Tympanie  des  Abdomens.  Auf  den  Lungen  ent¬ 
wickeln  sich  pneumonische  Herde.  Der  Puls  ist  stets  weich,  leicht 
unterdrückbar;  die  Pulszahl  immer  hoch,  zwischen  120  und  140.  Die 
Herztöne  leise.  Dilatation  des  Herzens  nach  rechts  und  links.  Die 
Temperatur  ist  zwischen  39  und.  40°.  Am  5.,  6.,  8.  und  10.  Krank¬ 
heitstage  ist  des  Morgens  ein  starker  Temperaturabfall  bis  unter 
35°  eingetreten,  doch  steigt  die  Temperatur  im  Laufe  des  Tages 
mit  Ausnahme  vom  6.  Krankheitstag,  bei  dem  sie  des  abends  nur 
36°  beträgt,  wieder  zu  39,5  an. 

Puls  und.  Atmung  ist  bei  diesen  Abfällen  nur  einmal  entsprechend 
verändert.  Die  Zahl  der  Atemzüge  schwankt  während  des  ganzen 
Verlaufes  zwischen  20  und  30.  An  den  Waden  und  den  seitlichen 
Gesässpartien  treten  diffuse  Hautblutungen  auf. 

Am  5.  Tage  wird  die  W  i  d  a  1  sehe  Reaktion  gemacht.1)  Die 
Agglutination  ist  bis  1  ;  800  positiv.  Später  werden  im  Blut  und 
Stuhlgang  Tvphusbazillen  nachgewiesen.  Unter  zunehmender  Herz¬ 
schwäche  -tritt  der  Exitus  am  12.  Krankheitstage  ein.  Das  Sensorium 
war  bis  zum  Schluss  frei;  Patient  klagte  mehrmals  über  Schmelzen 
in  den  Waden. 

Die  Diagnose  wurde  zunächst  auf  fieberhaften  Ikterus  ge¬ 
stellt;  erst  der  Ausfall  der  W  i  d  a  1  sehen  Reaktion  und  der 
Bazillenbefund  im  Blut  und  Stuhl  Hess  die  Krankheit  erkennen. 
Dafür  war  aber  jetzt  zunächst  der  anormale  Verlauf  des  Typhus 
nicht  erklärt  und  zweitens  nicht  die  Herkunft  der  Infektion.  Das 
Auftreten  von  Ikterus  bei  Typhus  gehört  immerhin  nicht  zu  den 
alltäglichen  Vorkommnissen.  Die  Erkrankungen  der  Gallen¬ 
wege  sollen  nach  Riedel2)  allerdings  weit  häufiger  sein,  als 
sie  diagnostiziert  werden,  da  95  Proz.  von  ihnen  ohne  Ikterus 
verliefen;  und  speziell  vom  Typhus  nehmen  Förster3)  und 
seine  Schüler,  gestützt  auf  bakteriologische  Befunde  an,  dass  die 
Erkrankungen  der  Gallenwege  sehr  viel  häufiger  auftreten,  als 
sie  erkannt  werden.  Immerhin,  wenn  es  zu  Erkrankungen  der 
Gallenwege  beim  Typhus  kommt,  bilden  sie  einen  mehr  neben¬ 
sächlichen  Befund  und  beherrschen  nicht  wie  in  diesem  Fall 
das  ganze  Krankheitsbild,  so  dass  nach  ihnen  zunächst  die  Dia¬ 
gnose  gestellt  wird. 

Das  Auftreten  der  Agglutination  in  so  starker  Verdünnung 
von  1:800  gab  Veranlassung,  sofort  weiter  auf  Typhusbazillen 
zu  untersuchen.  Denn  bei  diesem  hohen  Titer  konnte  die  In¬ 
fektion,  um  die  es  sich  nach  dem  ganzen  Verlauf  handelt,  nur 
durch  den  spezifischen  Bazillus  bedingt  sein.  Die  gelegentlich 
bei  dem  fieberhaften  Ikterus  auftretende  Agglutination  konnte 
bis  vor  Kurzem  noch  nicht  erklärt  werden.  Es  wurde  daran 
gedacht,  sie  der  Galle  oder  einzelnen  ihrer  Bestandteile  zu¬ 
zuschreiben,  doch  ist  bewiesen,  dass  der  Galle  keine  aggluti¬ 
nierenden  Eigenschaften  zukommen4).  Andere  Autoren  schoben 
sie  auf  eine  unbekannte  chemische  Veränderung  des  Blutes  resp. 
des  ganzen  Stoffwechsels,  die  durch  eine  pathologische  Ver¬ 
änderung  der  Leberfunktion  bedingt  sei.  Jetzt  bestätigt  sich 
die  Anschauung  immer  mehr,  dass  man  es  beim  Auftreten  von 
höheren  Agglutinationswerten  beim  Ikterus  allemal  mit  einer 
allgemeinen  Infektion  mit  Typhusbazillen  zu  tun  hat.  Der 
gegen  früher  erleichterte  Nachweis  der  Bazillen  im  Blut  und  im 
Stuhl  trägt  zur  Klärung  der  Anschauungen  immer  mehr  bei. 
Ist  die  Agglutination  nur  in  geringeren  Verdünnungen  nach¬ 
zuweisen,  so  braucht  sie  nicht  weiter  von  Bedeutung  zu  sein. 
Denn  da  es  sich  einerseits  bei  dem  fieberhaften  Ikterus  immer 
um  eine  Infektion  handelt,  die  meistens  von  den  J  yphusbazillen 
nahestehenden  Bakterien  (Fleischvergiftung,  Infektion  durch 
Wasser)  erzeugt  wird,  und  anderseits  dieGruber-Widal- 
sche  Reaktion  nicht  eine  artspezifische,  sondern  eine  gattungs¬ 
spezifische  ist,  so  braucht  es  sich  bei  der  Agglutination  der 

Q  Die  bakteriologischen  Untersuchungen  wurden  im  hiesigen, 
unter  der  Leitung  des  Herrn  Prof.  Dr.  v.  Esmarch  stehenden 
Kgil.  Untersuchungisamt  ausgeführt. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  17. 

3)  Ueber  das  Vorkommen  von  Typhusbazillen  in  der  Galle  bei 
Tvphuskranken  und  Typhusbazillenträgern.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1905,  No.  31. 

4)  Blumenthal;  Ueber  die  Bedeutung  der  Gruber-Wi- 
d  a  1  sehen  Reaktion  bei  Erkrankungen  der  Leber  und  der  Gallen¬ 
wege.  Medizinische  Klinik  1905,  No.  48. 


Typhusbazillen  in  nur  geringerer  Verdünnung  nur  um  eine  Mit- 
agglutination  der  Typhusbazillen  zu  handeln. 

In  diesem  Falle  aber  bestätigte  der  Bazillenbefund  im  Blut 
und  Stuhl,  dass  eine  Infektion  mit  dem  E  b  e  r  t  h  sehen  Bazillus 
vorlag  und  es  kam  darauf  an,  die  Quelle  dieser  Infektion  nach¬ 
zuweisen.  Es  war  dies  aber  weder  zur  Zeit  der  Erkrankung 
möglich,  noch  hat  sich  bis  jetzt  —  4  Wochen  nach  dem  Tode 
der  Patientin  —  irgend  ein  Anhaltspunkt  dafür  ergeben,  dass 
die  Infektion  von  aussen  kam,  ihre  Quelle  in  der  Umgebung  der 
Patientin  zu  suchen  war.  Die  Frau  lebte  mit  den  übrigen 
Kranken  zusammen  auf  der  Abteilung  und  beteiligte  sich 
bis  zu  dem  plötzlichen  Zusammenbruch  regelmässig  an  der  ge¬ 
meinsamen  Arbeit.  Ihre  Lebensbedingungen  waren  genau  die¬ 
selben,  wie  für  jede  andere  Kranke  der  Anstalt,  und  wenn 
irgendwo  ein  Infektionsherd  bestanden  hätte,  dann  wäre  er  un¬ 
bedingt  auch  für  andere  Kranke  zugänglich  gewesen.  Es  ist 
aber  in  der  ganzen  Zeit  nicht  eine  typhusverdächtige  Erkran¬ 
kung  aufgetreten.  Es  wurden  sämtliche  Kranke  mit  der  aller¬ 
grössten  Sorgfalt  beobachtet  und  bei  dem  geringsten  Tem¬ 
peraturanstieg  Blut  und  Stuhl  bakteriologisch  untersucht.  Die 
Anstalt  beherbergt  allerdings  3  Bazillenträger,  doch  sind  diese 
auf  einer  besonderen  Infektionsabteilung  so  gut  isoliert,  dass 
von  ihnen  eine  Infektion  nicht  erfolgen  kann  und  auch  tat¬ 
sächlich  seit  der  Entdeckung  der  Bazillenträger  2  Jahre  nicht 
erfolgt  ist.  Es  kann  demnach  eine  von  aussen  stammende 
Infektion  ausgeschlossen  werden.  Erst  die  Sektion  gab  über 
die  Art  der  Erkrankung  und  die  Quelle  der  Infektion  eine 
Auskunft. 

Es  fand  sich  folgendes: 

Starke  Schwellung  der  Leber,  die  nach  links  bis  in  die  Mammillar- 
li-nie  reichte,  -sehr  brüchig  war,  aber  scharfe  Ränder  hatte.  Die  Ge- 
fässe  im  Peritoneum  der  Darmschlingen  waren  injiziert.  Die  Mesen- 
terialdrüsen  waren  nicht  geschwollen.  Sonst  war  das  Peritoneum 
normal.  Das  grosse  Netz  war  mit  dem  unteren  Leberrand  ver¬ 
wachsen,  so  dass  die  Gallenblase  nicht  frei  lag;  doch  konnte  man  sie 
als  einen  prall  gefüllten  Sack  durchfühlen.  Sie  lag  in  einem  Gewebs- 
knäuel,  der  gebildet  war  von  dem  fest  miteinander  verwachsenen 
Netz,  dem  unteren  Leberrand,  dem  Magen,  dem  Querkolon,  dem 
Duodenum  und  tumorartig  verdickten  Lymphdriisen.  Die  weitere 
Sektion  ergab,  dass  es  sich  bei  diesen  Verwachsungen  um  eine 
maligne  Neubildung  handelte,  die,  soweit  dies  makroskopisch  festzu¬ 
stellen  war,  von  der  Gallenblase  ausging.  Diese  enthielt  einen  über 
walnuissgrossen  Stein,  der  an  der  Grenze  zwischen  Duot.  cysticus  und 
der  Gallenblase  in  einer  ampullenartigen  Erweiterung  sass.  Ihre 
Wand  war  in  eine  ganz  derbe,  schwielige  und  verdickte  Membran 
verwandelt.  Der  Duct.  hepatic.  war  verschlossen,  während  der  Duct. 
choled.  noch  durchgängig  war.  Die  Gallengänge  der  Leber  waren 
am  Hilus  sämtlich  stark  erweitert  und  entleerten  beim  Durchschneiden 
viel  Galle.  Das  Pankreas  zeigte  einzelne  nekrotische  Herde,  war 
aber  sonst  intakt.  Die  Schleimhaut  des  Duodenums  zeigte  nur  einen 
geringen  schleimigen  Belag  und  stellenweise  kleine  Hämorihagien. 
Geschwüre  fanden  sich  im  Duodenum  nicht.  Die  Pe  y  e  r  sehen 
Plaques  im  unteren  Teil  des  Ileum  waren  dagegen  schiefrig  ver¬ 
färbt  und  die  Darmwand  in  ihrem  Bereich  deutlich  etwas  atrophisch. 
Im  Anfangsteil  des  Zoekum  in  der  Nähe  der  Ileozoekalklappe  fand 
sich  ein  kleines  erbsengrosses  Geschwür  mit  schlaffen,  nicht  infil¬ 
trierten  Rändern  und  gelblichem  Belag. 

Nach  diesem  Befund  war  also  das  Primäre  der  Erkrankung 
ein  von  der  Gallenblase  ausgehendes  Karzinom,  das  zum  Ver¬ 
schluss  der  abführenden  Gallenwege  und  damit  zur  Stauung  der 
Galle  und  zum  Ikterus  mit  seinen  klinischen  Symptomen  ge¬ 
führt  hatte.  Hiermit  war  aber  die  allgemeine  Infektion  mit 
Typhusbazillen  noch  nicht  erklärt;  diese  war  klinisch  einwands- 
frei  festgestellt  und  konnte  auch  post  mortem  durch  den  Nach¬ 
weis  der  Typhusbazillen  in  der  Milz,  der  Galle  und  dem  Ex¬ 
sudat  in  der  Bauchhöhle  bewiesen  werden.  Die  Erklärung 
hierfür  brachte  dagegen  der  Befund  an  den  P  e  y  e  r  sehen 
Plaques,  die  nicht  nur  nicht  geschwollen,  sondern  etwas  atro¬ 
phisch  und  bläulich  pigmentiert  waren,  also  die  Residuen  einer 
früheren  Erkrankung  aufwiesen.  Die  Patientin  musste  also 
früher  einen  Typhus  durchgemacht  haben.  Dieser  konnte  nun 
auch  in  der  Anamnese  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  fest¬ 
gestellt  werden,  denn  die  Patientin  war  ausserhalb  der  Anstalt 
im  Jahre  1904  mit  Fieber,  Durchfällen  und  einer  geringen  Milz- 
schwellung  und  allerdings  etwas  fraglich  gebliebenen  Roseolen 
erkrankt.  Das  Fieber  fiel  alsbald  nach  Feststellung  der  Krank¬ 
heit  lytisch  ab.  Es  ist  möglich,  dass  im  Beginn  die  Krankheit 
längere  Zeit  unbemerkt  geblieben  ist,  denn  die  Patientin 
war  schon  1904  stark  verblödet  und  nicht  mehr  fähig,  eine 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1824 


leichte  Verschlechterung  ihres  Befindens  zu  beurteilen  und 
spontan  darüber  Auskunft  zu  geben.  Das  Fieber  hielt  damals 
nur  10  Tage  an.  Eine  Diagnose  wurde  damals  nicht  gestellt, 
doch  kann  sie  jetzt  durch  die  bei  der  Sektion  gefundenen  Ver¬ 
änderungen  an  den  P  e  y  e  r  sehen  Plaques  nachgeholt  werden. 
Es  ist  nun  nach  der  von  Förster  festgestellten  Bedeutung 
der  Gallenblase  als  letzten  Ausscheidungsort  der  1  yphus- 
bazillen  aus  dem  Körper  und  als  Lokalisationsstätte  bei  den 
Bazillenträgern  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Patientin  von 
dieser  Infektion  her  Typhusbazillen  zurückbehalten  hat.  Frei¬ 
lich  der  exakte  Beweis  hierfür  kann  nicht  erbracht  werden. 
Er  wäre  gegeben,  wenn  die  Patientin  vorher  schon  als  Bazillen¬ 
trägerin  erkannt  wäre,  oder  wenn  sich  in  dem  Gallenstein 
Typhusbazillen  vorgefunden  hätten.  Dies  war  nicht  der  Fall; 
doch  kann  dieser  negative  Befund  vielleicht  damit  erklärt 
werden,  dass  nach  seiner  Grösse  zu  schliessen  bei  der  jetzt 
2 Vi  Jahre  zurückliegenden  Infektion  der  Stein  schon  fertig  ge¬ 
bildet  war.  Hat  aber  schon  damals  eine  Entzündung  der  Gallen¬ 
blase  und  eine  Stauung  der  Galle  durch  den  Stein  bestanden, 
so  kann  erst  recht  angenommen  werden,  dass  Typhusbazilien 
in  der  Gallenblase  zurückgeblieben  sind.  Gerade  die  Gegen¬ 
wart  von  Steinen  erleichtert  wegen  der  mehr  oder  weniger 
durch  sie  bedingten  Gallenstauung  die  Ansiedelung  und  das 
Fortwuchern  der  Typhusbazillen  5).  Bei  dem  jetzt  durch  das 
Karzinom  plötzlich  bedingten  Verschluss  der  Ausführungsgänge 
der  Galle  sind  nun  die  Bazillen  zugleich  mit  der  Galle  in  den 
Blutkreislauf  eingetreten  und  haben  die  Allgemeininfektion  be¬ 
dingt.  DamithättenwireinenFallvonRe-Auto- 
infektion  mit  Typhusbazillen  aus  der  Gallen¬ 
blase. 

Einen  Typhusfall  derselben  Aetiologie  haben  L  e  v  y  und 
Kayser  in  No,  50  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1906  ver¬ 
öffentlicht.  Die  klinischen  Symptome  waren  hier  mehr  allge¬ 
meiner  Natur,  sie  bestanden  in  Magenbeschwerden  und  psychi¬ 
schen  und  nervösen  Symptomen,  konnten  aber  durch  den 
Typhusbazillenbefund  in  Leber,  Milz,  Galle  und  Gallenblasen¬ 
wand  nachtiäglich  noch  als  typhös  erkannt  werden. 

Diese  Patientin  hatte  im  Jahre  1903  einen  Typhus  gehabt 
und  war  Bazillenträgerin  geblieben.  In  einem  bei  ihr  Vor¬ 
gefundenen  Stein  konnten  die  Bazillen  nachgewiesen  werden. 
L  e  v  y  und  Kayser  nehmen  an,  dass  von  den  Bazillen  in  der 
Galle  von  neuem  die  Allgemeininfektion,  die  sie  als  Typhus- 
sepsis  bezeichnen,  ausgegangen  ist.  Wie  schon  erwähnt,  fehlt 
dies  Beweisstück  in  dem  von  mir  beschriebenen  Fall.  Doch 
stehe  ich  in  Anbetracht  des  trotz  sorgfältigen  Nachforschens 
nicht  geglückten  Nachweises  einer  äusseren  Infektionsquelle 
und  der  pathologisch-anatomisch  und  anamnestisch  bewiesenen 
früheren  Typhuserkrankung,  der  durch  Förster  und  seine 
Schüler  bewiesenen  Prädisposition  krankhaft  veränderter 
Gallenblasen  zum  Zurückhalten  der  Typhusbazillen  und  end¬ 
lich  in  Anbetracht  des  Ausbruchs  der  Erkrankung  beim  Ueber- 
tritt  der  Galle  in  das  Blut  nicht  davon  ab,  die  allgemeine  In¬ 
fektion  gleichfalls  mit  dem  Uebertritt  der  Typhusbazillen  aus 
der  Gallenblase  in  das  Blut  zu  erklären. 

Weiter  hat  einen  ähnlichen  Fall,  soweit  ich  die  Literatur 
überschaue,  Ehrlich'1)  in  Stettin  unter  dem  Namen  „biliöser 
Typhus“  beschrieben.  Auch  hier  trat  mit  dem  Uebertritt  von 
Galle  in  das  Blut  eine  unregelmässige  fieberhafte  Erkrankung 
auf,  die  durch  die  positive  W  i  d  a  1  sehe  Reaktion  und  den 
Nachweis  der  Typhusbazillen  im  Blut  als  typhös  gekenn¬ 
zeichnet  wurde. 

Klinisch  ist  in  dem  von  mir  erwähnten  und  den  fremden 
Fällen  auffällig  die  geringe  Beteiligung  des  Darmkanals.  In 
dem  Fall  von  Ehrlich  war  bei  15  tägiger  Krankheitsdauer 
nur  eine  leichte  Follikelschwellung,  kein  Geschwür  und  auch 
keine  Schwellung  der  Mesenteriallymphdrüsen  vorhanden.  In 
dem  Falle  von  L  e  v  y  und  Kayser  sind  gleichfalls  keine 
typhösen  Veränderungen  erwähnt.  Das  in  dem  hier  beschrie¬ 
benen  Falle  Vorgefundene  kleine  Geschwür  war  durchaus  nicht 
für  ein  Typhusgeschwür  charakteristisch.  Es  sass  auf  der  Höhe 
der  Schleimhautfalte  und  hatte  keine  verdickten  Ränder.  Man 
konnte  es  ebensogut  für  ein  cholämisches  Geschwür  halten. 


5)  Förster:  1.  c. 

ü)  D.  med.  Wochenschr.  1906,  No.  42. 


Die  zahlreichen  kleinen  Blutungen  in  der  Darmschleimhaut 
machten  dies  wahrscheinlich,  während  andererseits  der  Sitz 
jenseits  der  Ileozoekalklappe  und  das  Fehlen  anderer  Verände¬ 
rungen  im  Darm  gegen  die  typhöse  Natur  des  Geschwürs 
sprachen. 

Worauf  dieser  immerhin  eigentümliche  Befund  zurück¬ 
zuführen  ist,  weiss  ich  nicht.  Die  Immunität  kann  bei  den 
schweren  septischen  Erscheinungen,  die  in  allen  drei  Fällen 
bestanden,  nicht  in  Betracht  kommen.  Vielleicht  spielt  dabei 
einerseits  die  Eingangspforte  des  Virus  eine  Rolle  und  andcrcr- 
seit  die  von  Wassermann  betonte  lokale  Immunität  des 
Darmes. 

In  anderen  Fällen,  die  speziell  mit  schweren  nervösen 
Symptomen  verliefen,  hat  man  eine  Mischinfektion  zur  Er¬ 
klärung  angenommen  (E  b  s  t  e  i  n  7). 

Praktisch  wichtig  sind  diese  Fälle  deshalb,  weil  durch  sie 
der  fieberhafte  Ikterus  eine  besondere  Bedeutung  gewinnt.  Bei 
der  immer  mehr  zunehmenden  Zahl  von  Bazillenträgern,  von 
denen  eine  frühere  Typhuserkrankung  nicht  bekannt  ist,  wird 
man  geradezu  gezwungen,  bei  jedem  Fall  von  Ikterus  mit 
Fieber,  auch  wenn  dies  nur  gering  ist,  die  W  i  d  a  1  sehe  Re¬ 
aktion  anzustellen  und  nach  einer  spezifischen  Aetiologie  zu 
forschen..  Aber  auch  wenn  das  Fieber  nicht  vorhanden  ist, 
sollte  man  in  Anbetracht  der  grossen  Verbreitung  der  Bazillen¬ 
träger  und  den  Zufälligkeiten  ihrer  Entdeckung  wenigstens 
dort,  wo  grössere  Menschenmengen  in  einer  Behausung  mit 
einander  leben  müssen,  bei  dieser  Gelegenheit  auf  Bazillen 
untersuchen. 

Die  Heil-  und  Pflegeanstalten  wenigstens  mit  ihrem  sess¬ 
haften  Material  könnten  sich  sehr  damit  dienen. 

Meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Geheim.  Medizinalrat 
Prof.  Dr.  Cramer,  sage  ich  für  die  Ueberlassung  des  Ma¬ 
terials  und  der  Anregung  zu  dieser  Arbeit  meinen  verbind¬ 
lichsten  Dank. 

Schwere  Geburtsstörung  infolge  Spontanfixation  im 
letzten  Wochenbett  —  Kaiserschnitt. 

Von  Dr.  Brink,  Frauenarzt  in  Braunschweig. 

Sehr  bald  nachdem  man  durch  Fixation  des  Uterus  an 
der  Bauch-,  Scheiden-  oder  Blasenwand  die  Prolapse  und 
Lageanomalien  zu  behandeln  begonnen  hatte,  wurden  zahl¬ 
reiche  Stimmen  laut,  die  wegen  der  danach  beobachteten 
ausserordentlich  schweren  Geburtsstörungen  diesen  Methoden 
prinzipiell  die  Berechtigung  absprachen.  Damals  entstand 
eine  zahlreiche  Literatur  über  dieses  Thema,  man  sprach  von 
Ventrifixations-  und  Vaginifixationsgeburten  mit  ebenso  cha¬ 
rakteristischem  Geburtstypus,  wie  man  ihn  beispielsweise  für 
das  allgemein  verengte  oder  platte  Becken  unterschied.  In  den 
letzten  Jahren  sind  nun  diese  Publikationen  sehr  spärlich  ge¬ 
worden,  weil  man  sich  hatte  angelegen  sein  lassen,  derartige 
Vorkommnisse  nach  Möglichkeit  auszuschalten.  Während  dies 
bei  der  Vaginifixur  durch  Modifikationen  in  der  Technik  vollauf 
gelungen  und  so  eine  unserer  leistungsfähigsten  Pro¬ 
lapsoperationen  auch  bei  Frauen  im  konzeptionsfähigen  Alter 
für  die  operative  Gynäkologie  erhalten  ist,  tauchen  über  Ventri- 
fixationsgeburten  mit  mehr  oder  weniger  grossen  Störungen 
immer  noch  vereinzelte  Mitteilungen  auf.  Noch  weit  seltener 
sind  trotz  der  zahlreichen  entzündlichen  Adnexerkrankungen 
die  Fälle  von  Geburtsstörungen  nach  diesen. 

Wenn  nun  auch  in  dem  Falle,  über  den  hier  berichtet 
werden  soll,  kein  derartiger  Eingriff  voraufgegangen,  son¬ 
dern  im  letzten  Wochenbett  eine  Spontanfixation  infolge  von 
Adhäsionsbildung  erfolgt  ist,  so  ist  doch  der  Befund  und  Ver¬ 
lauf  ein  derartig  charakteristischer,  dass  ich  diese  Geburt  unter 
allen  Umständen  zu  den  sogen.  Fixationsgeburten  rechnen 
möchte. 

Die  normalen  Verhältnisse  gestatten  bekanntlich  dem  gra¬ 
viden  Uterus,  sich  unbehindert  aus  dem  kleinen  Becken  nach 
der  Bauchhöhle  hin  zu  entwickeln,  und  zwar  ist  die  Oberflächen- 
vergrösserung  auf  allen  Punkten,  die  gleich  weit  von  einem  der 


7)  Ebstein:  Ueber  das  Wechselverhältnis  zwischen  den  ver¬ 
schiedenen  Symptomenkomplexen  des  Abdominaltyphus.  Deutsches 
Archiv  für  klinische  Medizin,  88.  Bd.,  1907. 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1825 


Uteruspole  entfernt  sind,  gleich,  nimmt  aber  nach  dem  Fundus 
hin  ganz  erheblich  zu.  Während  sie  in  der  Gegend  der  Zervix 
fast  gleich  Null  ist,  hat  man  sie  auf  dem  Fundus  etwa  =  100 
berechnet.  Die  Entwicklung  ist  also  eine  symmetrische.  Die 
Stellung  des  Uterus  zum  Becken  ist  am  Ende  der  Schwanger¬ 
schaft  so,  dass  die  Uterusachse  auf  der  Beckeneingangsebene 
senkrecht  steht,  die  Uterus-  und  Beckenachse  fallen 
also  physiologisch  zusammen.  Ist  nun  die  Uteruswand  an 
irgend  einem  Punkte  fixiert  und  in  ihrer  Entwicklung  be¬ 
hindert,  so  resultieren  daraus  Veränderungen  der  verschieden¬ 
sten  Art.  ,  „  , 

Zunächst  ist  das  Verhältnis  der  Uterusachse  zur  Becken¬ 
achse  stets  ein  anderes.  Beide  schneiden  sich  unter  einem 
mehr  oder  weniger  grossen  Winkel.  Der  Fruchtachsendruck 
erfolgt  also  nicht  senkrecht  auf  die  Beckeneingangsebene  und 
die  Wirkung  der  Wehentätigkeit  wird  stets  eine  mangelhafte 
sein.  Die  fixierte  Stelle  der  Uterusoberfläche  kann  sich  nicht 
entfalten  und  es  müssen  andere  Teile  kompensatorisch  durch 
Ueberdelinung  eintreten.  Der  Fundus  bildet  dann  nicht  mein 
den  höchsten  Punkt  des  schwangeren  Uterus.  Die  Portio  ist 
nach  der  der  Fixationsstelle  entgegengesetzten  Seite  verlagert, 
also  bei  Fixation  nach  vorn  Hochstand  und  Retroposition,  oft 
weit  über  dem  Promontorium,  und  im  vorderen  Scheiden¬ 
gewölbe  tastet  man  eventuell  den  unteren  Pol  des  Uterus. 
Durch  Zug  des  überdehnten  Uterusabschnittes  ist  also  eine 
Rotation  in  entgegengesetzter  Richtung  der  Fixation  eingetreten. 
Infolge  des  nämlichen  Zuges  ist  die  hintere  Muttermundslippe 
frühzeitig  entfaltet,  während  dies  bei  der  vorderen  nur  zögernd 
und  mangelhaft  eintritt.  Bei  den  Vaginifixationsfällen  ist  das 
besonders  auffallend,  wo  sich  dann  beim  Anziehen  dei  vordeien 
Muttermundslippe  die  vordere  Wand  des  Muttermundes  „wie 
ein  eisenfester  Ring“  anspannt,  „alle  geburtshilflichen  Eingriffe, 
sowie  Durchtritt  selbst  des  zerstückelten  Rindes  auf  das 
höchste  erschwerend  oder  gar  unmöglich  machend.“  Dass  bei 
derartigen  Veränderungen  Geburtsstörungen  allerschwerster 
Natur  eintreten  können,  ist  wohl  mehr  wie  erklärlich. 

Am  11.  I.  07  wurde  ich  zu  einer  angeblichen  Querlage  bei  einer 
V.  Para  gerufen,  die  schon  vor  genau  4  Wochen  ihre  Niederkunft  er¬ 
wartet,  aber  nach  12  ständiger,  mässiger  Wehentätigkeit  das  Kreiss- 
bett  wieder  verlassen  hatte.  Die  früheren  Geburten  waren  sämt¬ 
lich  ohne  erwähnenswerte  Störungen  vor  sich  gegangen.  Das  letzte 
Wochenbett  hatte  sich  infolge  leichterer  Temperatursteigerungen 
etwas  länger  hingezogen,  ohne  dass  Pat.  indessen  ärztliche  nute 
nötig  gehabt  hätte.  Die  letzte  Schwangerschaft  war  ohne  Besonder¬ 
heiten  und  Beschwerden  verlaufen.  Auffallend  war  nur,  dass  die 
charakteristische  Senkung  des  Fundus  am  Ende  des  9.  Monats  aus¬ 
geblieben  war.  Ausser  einem  nicht  geheilten,  totalen  Dammrisse, 
von  der  ersten  Geburt  stammend,  und  einem  nicht  unerheblichen 
Vitium  cordis  bot  der  Allgemeinbefund  nichts  Besonderes. 

Das  Abdomen  war  nicht  besonders  ausgedehnt,  mässiger  Hoch¬ 
stand  des  Fundus.  Durch  Palpation  war  bei  dem  tetanisch  kontra¬ 
hierten,  stark  druckempfindlichen  Uterus  jedenfalls  keine  Querlage  zu 
konstatieren.  Die  kindlichen  Herztöne  in  der  Mitte  dicht  unter  dem 
Nabel  gut  zu  hören.  Seit  einigen  Stunden  ausserordentlich  reichlicher 
Abgang  von  Mekonium.  Der  vaginale  Befund  stellte  sich  folgendei- 
massen  dar:  Die  Scheide  war  hart  gegen  die  Symphyse  resp.  etwas 
extramedian  gepresst,  lang  ausgezogen,  so  dass  selbst  bei  de,r 
Untersuchung  mit  der  ganzen  Hand  der  Muttermund  nicht  erreicht 
werden  konnte.  Die  hintere  Scheidenwand  wurde  durch  einen  etwa 
kindskopfgrossen  Tumor,  der  ganz  den  Eindruck  eines  im  kleinen 
Becken  eingekeilten  resp.  dort  adhärenten  Dermoids  machte,  nach  vorn 
gedrängt.  Ein  vorsichtiger  Repositionsversuch  misslang,  eine  Punk¬ 
tion  sprach  gegen  diese  Annahme.  Bei  dem  im  unmittelbaren  An¬ 
schluss  vorgenommenen  Kaiserschnitt  —  bei  dem  reichlich  unklaren 
öefunde  wählte  ich  den  abdominalen  Weg  —  klärte  sich  die  ganze 
Lage  der  Dinge  folgendermassen  auf:  Durch  zahlreiche  Adhäsionen 
mit  Netz,  Darm  und  hinterer  Beckenwand  war  der  Uterus  an  seiner 
hinteren  Fläche  fest  fixiert,  die  Ligamentansätze  weit  nach  hinten 
verlagert,  die  Vorderfläche  des  Uterus  enorm  kompensatorisch  aus¬ 
gedehnt.  ’  Entleerung  des  Uterus  durch  queren  Fundalschnitt,  mässig 
asphyktisches  Rind  in  Schädellage  mit  dem  Rücken  nach  vorn.  Ent¬ 
fernung  der  Nachgeburt,  Schluss  des  entleerten  Uterus  in  typischer 
Weise  und  ohne  Störung.  Bei  der  Inspektion  der  Bauchhöhle  und 
des  Beckens  klärte  sich  der  rätselhafte  Befund  nun  folgendermassen 
auf:  Adnexe  und  vordere  Utemsfläche  ganz  frei.  Auf  der  hinteren 
Seite  teilweise  ausserordentlich  feste  Fixationen,  vor  allen  Dingen 
nach  der  Hinterwand  des  Beckens,  die  folgende  Entwicklungshem¬ 
mung  des  gravid  sich  vergrössernden  Uterus  bewirkt  hatten:  I  unc- 
tum  fixum  etwa  in  der  Gegend  des  Promontorium,  Entfaltungshem¬ 
mung  fast  der  ganzen  hinteren  Uteruswand.  Ein  nicht  unerhebliches 
Segment  unterhalb  der  Fixation  ist  frei  und  hat  sich  nach  dein  kleinen 
Becken  zu  entwickelt,  wo  es  den  obenerwähnten  Tumor  vortauschte. 

No.  37. 


Enorme  Entwicklung  und  Ueberdehnung  der  vorderen  Uteruswand. 
Weiter  eine  Rotation  des  ganzen  Uterus  mit  dem  ganzen  Zervikal¬ 
teil  bis  weit  über  die  Symphyse.  Die  vom  Abdomen  aus  noch  enorm 
ausgezogen  zu  tastende  Scheide  wie  die  physiologischen  Befesti¬ 
gungen  des  Uterus  hatten  eine  weitere  Rotation,  die  ich  auf  minde¬ 
stens  60 0  taxiere,  verhindert. 

Also  Hochstand  und  Anteposition  der  Portio,  Rotation  des  Uterus 
nach  der  der  Fixationsstelle  entgegengesetzten  Seite,  mangelhafte 
Entfaltung  der  fixierten  Partien  und  Ueberdehnung  der  anderen, 
höchst  unwirksame  Wehentätigkeit,  die  bereits  4  Wochen  vorher  die 
Geburt  auf  physiologischem  Wege  nicht  hatte  herbeiführen  können, 
ferner  die  früheren  Erfahrungen  bei  den  sog.  Fixationsgeburten 
charakterisieren  diesen  Fall  als  eine  absolute  Geburtsunmöglichkeit. 

Die  Patientin  überstand  den  Eingriff  ohne  Störung  und  verliess 
nach  3  Wochen  die  Klinik.  Von  seiten  des  Herzens  trat  keine  Kompli¬ 
kation  ein.  Das  Kind  war,  offenbar  infolge  der  Narkose,  leicht 
asphyktisch,  erholte  sich  aber  sehr  bald.  Abgesehen  von  den  Daten 
der  Mutter  —  letzte  Periode,  erste  Kindsbewegungen,  Einsetzen  der 
Wehen  am  normalen  Niederkunftstermin  —  deuten  auch  das  Gewicht 
und  die  Körperlänge  im  Vergleich  zu  den  früheren  Kindern,  sowie 
die  Kopfdurchmesser  darauf  hin,  dass  in  diesem  Falle  eine  Ueber- 
tragung  des  Kindes  stattgefunden  hat,  und  zwar  infolge  obiger 
Komplikation  als  Beweis  einer  absoluten  Geburtsunmöglichkeit. 


Ueber  Methylatropinum  bromatum  bei  Kindereklampsie. 

Von  Dr.  B  o  e  s  1  in  Oberstdorf. 


Am  26.  Mai  1907  spät  abends  wurde  ich  zu  dem  2  jährigen  Kinde 
des  Herrn  R.  gerufen,  das  plötzlich  an  Krämpfen  erkrankt  war.  Ich 
fand  ein  kräftig  entwickeltes  Kind  vor,  das  bisher  keine  nennens¬ 
werten  Erkrankungen  durchgemacht  hatte.  Die  klonischen  und  toni¬ 
schen  Krämpfe  waren  überaus  heftig  und  erstreckten  sich  über  die 
Gesamtmuskulatur  des  Körpers  und  Gesichts;  die  Pupillenreaktion 
war  vorhanden,  der  Puls  äusserst  frequent,  die  Lippen  staik  zya¬ 
notisch  gefärbt.  Auf  ein  heisses  Bad,  das  vor  meiner  Ankunft  auf 
Veranlassung  zweier  bereits  vorhandener  Aerzte  verabreicht  woiden 
war,  war  vorübergehend  Stillstand  der  Zuckungen  eingetreten;  die¬ 
selben  kamen  aber  bald  darauf  mit  um  so  grösserer  Intensität  wieder. 
Temperaturaufnahme  39,2 u  in  Achselhöhle.  Mit  Uebereinstimmung 
der  beiden  Kollegen  wandte  ich  nun  bei  dem  Kinde  eine  subkutane 
Injektion  von  0,0002  Methylatropinum  bromat.  an,  das  mir  zu  Ver¬ 
suchszwecken  von  der  chemischen  Fabrik  E.  Meick  in  Darmstadt 
in  liebenswürdiger  Weise  zur  Verfügung  gestellt  woiden  wai.  Nach 
etwa  3  Minuten  lassen  die  Konvulsionen  nach,  die  gesamte  Muskulatur 
wird  ruhig,  die  Atmung  ist  noch  unregelmässig.  Indessen  kehren  die 
Krämpfe  nach  einiger  Zeit  in  schwächerem  Grade  wieder. 

Hierauf  wird  eine  neuerliche  Injektion  von  0,0002  Methylatropin, 
brom.  appliziert. 

Nach  Verlauf  von  etwa  5  Minuten  setzen  die  Konvulsionen  mi¬ 


die  ganze  Folgezeit  aus.  „  ,  A  , 

Auf  meine  Empfehlung  wird  nun  das  Kind  zur  Herabsetzung  der 
hohen  Temperatur  in  ein  Bad  von  27 u  R  gebracht,  das  allmählich 
auf  24°  abgekühlt  wird.  Darauf  wird  es  ins  Bett  gelegt. 

Bis  zum  Morgen  ruhiger  Schlaf.  Aftertemperatur  am  Morgen 
36,6°.  Nahrung  wird  anstandslos  angenommen. 

Seit  dieser  Zeit  kam  .kein  Anfall  mehr;  das  Kind  wurde  nach 
Mitteilung  des  behandelnden  Arztes  nach  einigen  Tagen  als  völlig  ge¬ 
sund  entlassen.  .  ,  ±  „ 

Ueber  die  Anwendung  von  Methylatropinum  bromatum  bei  Kon¬ 
vulsionen  der  Kinder  existiert  bisher  keine  Veröffentlichung,  so  dass 
die  Bekanntgabe  obigen  Falles  gerechtfertigt  erscheinen  dürfte.  Aller¬ 
dings  ist  es  ja  im  allgemeinen  immer  ein  etwas  gewagtes  Beginnen, 
aus  einer  einzelnen  Beobachtung  weitere  Folgerungen  zu  ziehen; 
hier  aber  war  die  Wirkung  der  Methylatropinum-bromatum-lnjektion 
so  klar  und  sicher,  dass  man  getrost  zu  weiterer  Anwendung  in 
ähnlich  gelagerten  Fällen  aufmuntern  darf,  um  so  mehr,  als  das  reld 
der  therapeutischen  Möglichkeiten  in  solchen  akuten  Anfällen  von 
Kindereklampsie  ohnehin  begrenzt  ist. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  herzoglichen  Land- 
crankenhauses  zu  Gotha  (Chefarzt:  Geh.  Med. -Rat  1  io  .  r. 

E.  M  e  u  s  e  1). 

Ein  Fall  von  Spina  bifida  occulta. 

Von  Dr.  W.  Binder,  Assistenzarzt. 

In  der  Literatur  sind  nur  relativ  wenige  Fälle  von  Spina 
bifida  occulta  bekannt.  T  i  1 1  m  a  n  n  s  hat  in der  „Deutsc  ich 
Chirurgie,  Verletzungen  und  chirurgische  Krankheiten  des 
Beckens“  im  ganzen  nur  42  sichere  Fälle  aus  der  Literatu 

sammeln  können.  .  .  • 

Es  dürfte  daher  von  Interesse  sein,  einen  weiteren  typi¬ 
schen  Fall  von  Spina  bifida  occulta  kennen  zu  leinen. 

Nur  kurz  sei  auf  das  anatomische  Verhalten  und  auf  die 
Symptome  dieser  Erkrankung  hingewiesen.  Wahrend  bei  der 

3 


1826 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


gewöhnlichen  Spina  bifida  an  dem  Rückgrat  aussen  meist  eine 
zystenartige  Geschwulst  hängt,  die  durch  einen  deutlichen  Spalt 
in  der  Wirbelsäule  mit  dem  Spinalkanal  kommuniziert,  ist  bei 
der  Spina  bifida  occulta  weder  eine  zystische  Her.vorbuchtung, 
noch  eine  deutliche  Wirbelspalte  äusserlich  zu  bemerken.  Nur 
bei  ganz  genauer  Betastung  kann  man  an  der  betroffenen  Stelle 
zuweilen  eine  Lücke  in  einem  oder  mehreren  Wirbelbögen  der 
Lendenwirbel  oder  des  Kreuzbeines  nachweisen.  Es  können 
ausnahmsweise  äusserlich  aufsitzende  Geschwülste  Vorkom¬ 
men.  Fast  regelmässig  dagegen  ist  ein  auffallender  Haarwuchs 
im  Bereiche  der  Rückenmarksanomalie  zu  beobachten. 

Nach  v.  Recklinghausen,  Marchand  u.  a.  ist 
meist  das  Rückenmark  nach  unten  verlängert,  das  untere  Ende 
reicht  bis  in  den  Kreuzbeinkanal  hinab  und  geht  hier  in  Form 
einer  geschwulstartigen  fibromyolipomatösen  Masse  in  die 
äusseren  Weichteile  und  Haut  über.  Durch  diese  indirekte 
Verwachsung  des  Rückenmarks  mit  dem  Unterhautzellgewebe 
und  der  Haut  wird  nach  Katzenstein  bei  dem  Körper¬ 
wachstum  durch  einen  von  der  Haut  auf  das  Rückenmark  aus¬ 
geübten  Zug  dieses  in  die  Länge  gezogen.  So  kommt  es,  dass 
die  sekundären,  weiter  unten  zu  besprechenden  Erscheinungen 
an  den  unteren  Extremitäten  meist  erst  in  der  Zeit  des  schnell¬ 
sten  Körperwachstums,  nämlich  zwischen  dem  9.  und  17.  Le¬ 
bensjahre,  auftreten.  Durch  den  obenerwähnten  Zug  kann 
nebenbei  auch  die  äussere  Haut  eingezogen  werden.  An  der 
Stelle  der  geschwulstartigen  Masse  entsteht  meistens  eine  Er¬ 
weiterung  des  Spinalkanals. 

Was  den  Sitz  der  Spina  bifida  occulta  anbelangt,  so  war 
er  bei  den  bisher  bekannten  Fällen  bis  auf  wenige  Ausnahmen 
die  Regio  lumbosacralis  resp.  sacralis. 

Infolge  der  eigentümlichen  Verbildung  am  Rückenmarks¬ 
ende  treten  meist  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  trophische, 
sensible  und  motorische  Störungen  in  einem  oder  in  beiden 
Extremitäten  auf.  Ferner  sind  Störungen  der  Blase  und  des 
Mastdarmes,  z.  B.  Incontinentia  urinae  et  alvi,  nicht  selten. 

Als  Folgezustände  der  Sensibilitätsverminderung  sind 
Phlegmonen  und  Geschwüre,  z.  B.  in  Form  des  sogen.  Mal 
perforant  du  pied,  von  grosser  Bedeutung,  denn  durch  diese 
ist  das  Leben  des  Betroffenen  wegen  der  Gefahr  der  Sepsis 
stets  bedroht.  Diese  peripher  auftretenden,  sekundären  Stö¬ 
rungen  treten,  wie  schon  oben  gesagt,  meist  erst  im  zweiten 
Dezennium  des  Lebens  in  Erscheinung. 

Bei  dem  auf  der  chirurgischen  Abteilung  des  Landkrankenhauses 
zu  Gotha  kürzlich  beobachteten  Falle  handelt  es  sich  um  eine 
26jährige  Frau  H.  aus  Fr,  angeblich  aus  gesunder  und  normaler 
Familie  stammend.  Die  Frau  wird  geschickt  wegen  phlegmonenarti¬ 
ger  Entzündung  des  linken  Fusses,  ausgehend  von  einem  an  der 
unteren  Fläche  der  grossen  Zehe  sitzenden,  runden  Geschwüre,  einem 
Mal  perforant  du  pied.  Aus  diesem  ergiesst  sich  Eiter  und  man  stösst 
mit  der  Sonde  auf  rauhen  Knochen.  Auffallend  ist,  dass  gar  nicht, 
auch  nicht  bei  den  vorgenommenen  lokalen  Untersuchungsmanipu¬ 
lationen,  über  Schmerzen  an  der  Zehe  geklagt  wird.  Die  Fnau  gibt 
an,  seit  ihrem  12.  Lebensjahre  weder  an  der  grossen,  noch  an  den 
anderen  Zehen  jemals  schmerzempfindlich  gewesen  zu  sein.  Sie 
erklärt  dies  dadurch,  dass  sie  damals  wahrscheinlich  den  Fuss  er¬ 
froren  habe.  Sie  habe  von  da  an  auch  nie  mit  dem  vorderen  Teile 
des  Fusses  fühlen  können,  ob  das  Badewasser  warm  oder  kalt  war, 
während  sie  mit  der  Hacke  die  Temperatur  gut  unterscheiden  konnte. 

Im  Laufe  der  Jahre  habe  sie  schon  öfters  eine  schlimme  linke 
Grosszehe  gehabt,  der  Arzt  habe  ihr  auch  schon  kleinere,  abge- 
stossene  Knochenstückchen  entfernt;  niemals  aber  sei  dies  schmerz¬ 
haft  gewesen. 

Die  genauere  Sensibilitätsprüfung  ergibt  völlige  Analgesie  der 
5  Zehen  bis  an  das  Phalango-Metatarsalgelenk.  Fussriicken  und 
Fussohle  zeigen  bis  etwa  an  die  Lisfrancsche  Gelenklinie  Ver¬ 
minderung  des  Schmerzgefühls  und  Erloschensein  des  Temperatur¬ 
sinns. 

Sämtliche  Zehen  sind  mehr  oder  weniger  verkümmert  und  ver¬ 
krüppelt  (s.  Abbild.)  Auf  dem  Röntgenbilde  sind  ebenfalls  neben  Zer¬ 
störung  der  Phalangen  und  des  Metatarsusköpfchens  der  Grosszehe 
trophische  Veränderungen  der  Phalangen  der  übrigen  Zehen  im  Sinne 
der  Verkümmerung  zu  erkennen.  Die  Nägel  sind  gleichfalls 
atrophisch. 

Die  Beweglichkeit  der  Zehen  ist  aufgehoben;  der  Fuss  als  solcher 
dagegen  wird  normal  bewegt.  Die  eigentlichen  Fussreflexe  sind  er¬ 
loschen. 

Am  rechten  Fusse  ist  keine  anormale  Erscheinung  festzustellen. 

Betreffs  der  Blase  wird  von  der  Patientin  angegeben,  dass  sie 
den  Urin  nie  lange  habe  halten  können.  Seitens  des  Mastdarmes  sind 
keine  Störungen  vorhanden. 


Auf  die  Diagnose  der  Sp.  bif.  occulta  führte  uns  erst  die  Hyper- 
trichosis  im  Gebiete  des  3.  bis  5.  Lendenwirbels.  Die  Haare  stehen 
mässig  dicht  und  sind  bis  6  cm  lang.  Eine  Wirbelspalte  ist  nicht 


nachzuweisen,  dagegen  besteht  ein  deutliches,  wenn  auch  geringes 
Hervorspringen  der  Dornfortsätze  der  2  letzten  Lendenwirbel.  Dies 
dürfte  auf  eine  bestehende  Erweiterung  des  Spinalkanals  an  dieser 
Stelle  hindeuten. 


Ein  Fall  von  rapid  verlaufenem  Magenkarzinom  mit 
Metastasen  in  den  Femur. 

Von  Dr.  Rahner,  Gaggenau. 

In  der  Literatur  sind  eine  Reihe  von  Fällen  beschrieben,  in 
welchen  sich  ein  primäres  oder  sekundäres  Karzinom  in  den 
Knochen  der  Extremitäten  entwickelt  hat  und  dürfte  auch  fol¬ 
gender  Fall  mit  Rücksicht  auf  seinen  Verlauf  ein  gewisses  In¬ 
teresse  für  eine  kurze  Veröffentlichung  bieten. 

Am  14.  März  1907  wurde  ich  zu  der  48  Jahre  alten  Frau  M.  W. 
in  S.  gerufen,  welche  über  allgemeine  Mattigkeit  und  Unlust  zum 
Essen  klagte.  Die  Anamnese  ergab,  dass  Pat.  bisher  immer  gesund 
war  und  erst  seit  14  Tagen  etwas  zu  kränkeln  anfing.  Die  Unter¬ 
suchung  der  etwas  abgemagerten  und  anämischen  Patientin  ergab 
einen  vollständig  negativen  Befund.  Am  Magen  konnte  nichts  Patho¬ 
logisches  nachgewiesen  werden.  Rektum  und  Uterus  waren  sicher 
frei  von  einer  bösartigen  Neubildung.  Am  25.  März  bekam  Patien¬ 
tin  täglich  6 — 7  mal  Erbrechen,  dem  Erbrochenen  war  Blut  bei¬ 
gemischt,  so  dass  ich,  obwohl  kein  Tumor  palpabel  war,  unter  Be¬ 
rücksichtigung  des  allgemeinen  Zustandes  der  Patientin  die  Dia¬ 
gnose  auf  „Carcinoma  ventriculi“  stellte.  Bereits  am  5.  Mai  war  das 
Karzinom  als  mannsfaustgrosser  Tumor  in  der  Mitte  der  grossen 
Kurvatur  nachweisbar.  2  Tage  später  klagte  die  Frau  über  Schmer¬ 
zen  in  der  Gegend  des  linken  Oberschenkels.  Objektiv  nichts  nach¬ 
weisbar.  Am  13.  Mai  begann  der  Oberschenkel  in  der  Mitte  sich 
spindelförmig  aufzutreiben.  Bis  zum  20.  Mai  hatte  die  Geschwulst, 
welche  von  mir  als  eine  Karzinommetastase  aufgefasst  wurde,  die 
Grösse  eines  Gänseeies.  Am  22.  Mai  erlitt  die  Frau  beim  sich  Heben 
im  Bette  an  der  Stelle  dieser  Geschwulst  eine  Spontanfraktur 
in  der  Mitte  des  linken  Femur  und  am  23.  Mai  trat  unter  dem  Bilde 
der  Krebskachexie  der  Exitus  ein. 

Die  pathologisch-anatomische  Untersuchung  der  Knochen¬ 
geschwulst  ergab  ein  Adenokarzinom.  Die  übrige  Sektion  der 
Leiche  wurde  verweigert,  doch  dürfte  aus  dem  Krankheitsbilde 
mit  Sicherheit  zu  erschliessen  sein,  dass  es  sich  hier  um  ein 
sekundäres  Adenokarzinom  im  Knochen  gehandelt  hat,  welches 
durch  Metastase  vom  primären  Karzinom  des  Magens  aus  ent¬ 
standen  ist.  Besonders  auffallend  ist  in  diesem  Falle  die  rapide 
Entwicklung  des  Krebses  sowohl  am  Magen  als  auch  die  des 
sekundären  Knochenkarzinoms. 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1827 


Schutz  des  Arztes  und  des  Patienten  gegen  Schädigung 
durch  Röntgen-  und  Radiumstrahlen. 

Von  Ingenieur  Friedrich  Dessauer. 

In  einer  kleinen  Arbeit  habe  ich  kürzlich  aui  Einladung  des 
Herausgebers  der  Deutschen  Revue  darzustellen  versucht, 
worin  eigentlich  die  Gefahren  der  Röntgenstrahlen  für  Aerzte 
und  Patienten  bestehen  und  inwieweit  man  überhaupt  von  Ge¬ 
fahr  sprechen  darf.  ,  . 

Diese  Arbeit  wendet  sich  an  die  gebildeten  Laien.  Sie  ver¬ 
folgt  den  zweifachen  Zweck,  die  übertriebene  Vorstellung, 
welche  gerade  oft  in  diesen  Kreisen  von  den  Gefahren  der 
Röntgenuntersuchung  und  Röntgenbehandlung  besteht,  zu  koi- 
rigieren,  andererseits  aber  mit  besonderem  Nachdruck  daraut 
hinzuweisen,  dass  nur  der  Fachkundige,  nur  der  röntgeno-| 
logisch  gut  vorgebildete  Arzt  die  Methode  anwenden  daif  und 
soll.  So  wollte  ich  auch  der  Kurpfuscherei,  die  sich  hie  und  daj. 
auf  diesem  Gebiet  versucht,  entgegenarbeiten.  1 1 

Die  Fragestellung  in  unserer  nachfolgenden  kleinen  Unter-  • 
suchung  ist  eine  andere,  beschäftigt  sich  mit  den  Schutzmitteln 
für  den  Arzt  und  den  Patienten  bei  der  Ausübung  des  Ver¬ 
fahrens.  Kann  doch  bestimmt  die  Röntgenologie  bei  rationeller 
Ausübung  nicht  nur  als  eine  der  dankbarsten,  sondern  auch  als 
eine  der  gefahrlosesten  medizinischen  Methoden  bezeichnet 

werden.  ,  .  , 

Bei  diagnostischen  Versuchen  kann  nur  bei  Verwendung 
ganz  weicher  Röhren,  bei  sehr  langer  Durchleuchtung  oder 
mehrmals  wiederholter  Aufnahme  derselben  Stelle  eine  Haut¬ 
reizung  zustande  kommen.  Abgesehen  davon,  dass  die  Not¬ 
wendigkeit  einer  sehr  oft  und  kurze  Zeit  hintereinander  wieder¬ 
holten  Aufnahme  in  der  Praxis  fast  nie  vorkommt,  wäre  es  hier 
sehr  leicht,  zu  schützen.  Gefährlich  sind  bei  solchen  immerhin 
recht  kurz  dauernden  Bestrahlungen  nur  die  weichen,  wenig 
penetrierenden  Strahlen,  denen  die  höchste  chemische  Wirk¬ 
samkeit  zukommt.  Man  kann  sie  zum  grössten  Teile  daduich 
eliminieren,  dass  man  über  die  Haut  eine  oder  mehrere  Lagen 
Leinwand  oder  besser  ein  dünnes  Ledertuch  legt,  welches  die 
gefährliche  Strahlung  hinreichend  absorbiert. 

Die  Expositionszeit  und  auch  die  wirklich  notwendigen  Be¬ 
leuchtungszeiten  beschränken  sich  ja  in  der  Regel  auf  eine  oder 
zwei  Minuten.  Das  ist,  wenn  die  Röhre  nicht  geradezu  un¬ 
verständig  überlastet  wird  oder  wenn  sie  nicht  gerade  un¬ 
tauglich  weich  ist,  eine  viel  zu  kurze  Zeit,  als  dass  eine  Schädi¬ 
gung  eintreten  könnte.  Nur  allenfalls  beim  Absuchen  nach 
Steinen  kommt  es  zu  wiederholt  länger  dauernden  Bestrah¬ 
lungen  derselben  Gegend.  Eine  geringe  Aufmerksamkeit  be¬ 
seitigt  die  minimale  Gefahr. 

Ein  wenig  grösser  ist  die  Gefahr  für  den  Patienten  untei 
Umständen  in  der  Therapie.  Ein  exaktes  Mass  für  die  Dosie¬ 
rung  der  Strahlung  ist  zwar  da.  Das  neue  Holzknecht- 
sche  Chromoradiometer,  das  von  Bordier  oder  das  von 
Sabouraud  und  Noire  sind,  richtig  angewendet,  Indika¬ 
toren  für  die  Strahlendosis.  Man  kann  die  applizierte  „physio¬ 
logische  Energie“  damit  einigermassen  messen  —  indessen  sind 
sie  ungenau,  und  die  Farbunterschiede  sind  so  gering,  dass 
Irrtümer  nicht  ausgeschlossen  bleiben. 

Lässt  man  sie  hinweg,  dann  gehört  für  den  Therapeuten 
Uebung  dazu,  um  in  der  einen  Richtung  durch  zu  vorsichtige 
Dosierung  sich  nicht  die  Erfolge  zu  verderben  und  nach  der 
anderen  Richtung  nicht  zu  schaden. 

Wenn  man  kräftige  Einheitsdosen  gibt,  dazwischen  aber 
die  Latenzzeit  verstreichen  lässt,  wird  man  nicht  leicht  fehl¬ 
gehen.  Im  übrigen  muss  man  sich  immer  das  Grundgesetz  vor 
Augen  halten,  dass  mit  wachsender  Durchdringungskraft  der 
X-Strahlen,  mit  wachsender  Härte  der  Röntgenröhre  die  phy¬ 
siologisch-chemische  Energie  der  X-Strahlen  sehr  lasch  ab¬ 
nimmt  und  damit  auch  die  Gefahr.  Gefahr  besteht  also  im 
wesentlichen  nur  bei  weicher  oder  doch  einigermassen  weicher 
Röhre.  Um  mit  mittelharter  oder  harter  Röhre  zu  verbrennen, 

muss  man  schon  sehr  lange  dosieren. 

Um  die  Umgebung  der  bestrahlten  Partien  zu  schützen,  hat  man 
zwei  Wege  eingeschlagen.  Der  eine  bedeckte  diese  Partien  mit  un¬ 
durchlässigem  Stoff,  in  dem  die  Strahlung  absorbiert  und  undurch¬ 
lässig  gemacht  wird.  Die  andere  Methode  hüllt  die  Röhre  derartig  ein, 
dass  von  ihr  nur  noch  ein  kleines  Strahlenbündel  durch  einen  Blei- 
glastubus  oder  einen  Metalltubus  entweicht.  Dann  braucht  man  die 


gesunden  Körperstellen  nicht  zu  bedecken;  das  Strahlenbündel  reicht 
nur  für  die  erkrankte  Stelle  aus. 

Der  erste  Weg  führte  zur  Gewinnung  der  mit  undurchlässiger 
Masse  (imprägnierten  Schutzstoffe.  Insbesondere  die  Gummistoffe 
von  T  r  a  u  n  und  Müller  finden  weit  verbreitete  Anwendung.  Der 
andere  Weg  führte  zur  Schaffung  der  Röhrenüberdeckung,  zu  den  so¬ 
genannten  Blendenkästchen,  die  aber  meiner  Ansicht  nach  wegen 
ihrer  Schwere,  Umständlichkeit  und  wegen  der  in  ihnen  auftretenden 
elektrischen  Entladung  wenig  zweckmässig  sind.  Ausserdem  aber 
führte  er  zur  Konstruktion  der  Bleiglashauben  und  diese  halte  ich  für 
die  zweifellos  günstigste  Lösung.  Eine  Halbkugel  aus  Bleiglas  nimmt 
die  Röhre  auf.  Auf  der  Höhe  der  Wölbung  ist  ein  Ausschnitt,  durch 
den  die  Strahlung  herausdringen  kann,  und  an  den  man  Bleiglastuben 
oder  Metalltuben  beliebiger  Form,  wie  es  eben  das  zu  bestrahlende 
Feld  erheischt,  ansetzt.  Ich  verweise  auf  die  diesbezüglichen  Publi¬ 
kationen  von  Dr.  Wiesner  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  und 
in  dem  Archiv  für  physikalische  Medizin.  (Abb.  1.) 

Was  übnig  bleibt,  ist  ein  Rest  von  Fällen,  bei  denen  man  mit 
aller  Energie  bestrahlt,  um  zu  retten  oder  zu  bessern,  was  noch  zu 
retten  oder  zu  bessern  ist.  Inoperable  Karzinome  und  Sarkome  kann 
man  gründlich  bestrahlen,  man  riskiert  ja  auch  im  Verhältnisse  nicht 
viel  und  erzielt  recht  oft  eine  Besserung. 


Abbildung  1. 

Unvergleichlich  wichtiger  als  der  Schutz  des  Patienten  ist  der 
Schutz  des  Arztes,  denn  für  ihn  ist  die  Gefahr  unvergleichlich 
grösser.  Er  setzt  sich  der  Schädlichkeit  immer  und  immer  wieder 
aus.  Der  Patient  unterliegt  ihr  ja  nur  einmal  oder  einige  Male.  Und 
wenn  dem  unvorsichtigen  Röntgenologen  auch  eine  einmalige,  auch 
eine  mehrmalige  Bestrahlung  nichts  schadet;  die  Wirkung  akkumu¬ 
liert  sich  fortwährend  und  nach  einem  Jahre  oder  später  tritt  sie  in 
jenen  Formen  hervor,  von  denen  man  bis  jetzt  weiss,  dass  sie  v  ohl 
schlimmer,  aber  nicht,  dass  sie  besser  werden  können  Chronische 
Dermatitis  ist  therapeutisch  eine  der  undankbarsten  Erkrankungen, 

die  man  kennt.  . 

Aber  sie  ist  ebenso,  nach  dem  heutigen  Stande  der  Technik,  eine 
unnotwendige  Erkrankung.  Ein  gewisses  Mass  von  Aufmerksamkeit, 
und  der  Arzt  kann  sich  dauernd  dem  schädigenden  Einfluss  entziehen. 
Dazu  ist  aber  eine  gewisse  Selbstbeherrschung  in  erster  Lime  und 
gewisse  technische  Hilfsmittel  sind  in  zweiter  Linie  unbedingte  Vor- 
3  ussetzung. 

Die  erste  Voraussetzung  ist  leicht  dargetan.  Der  Arzt  soll  sich 
nie  und  nimmer  ohne  dringende  Notwendigkeit  dem  Strahlenfeld  aus¬ 
setzen.  Vor  allen  Dingen  soll  er  nie  seine  eigenen  Hände,  oder  all¬ 
gemein  seinen  Körper  zur  Durchleuchtung  hergeben,  me,  wenn  er 
Freunden  den  Apparat  demonstriert,  nie  als  Prüfobjekt  für  die  Duali¬ 
tät  seiner  Strahlen.  Will  er  an  einem  durchleuchteten  Körperteile  die 
Qualität  der  Strahlen  feststellen,  dann  ist  der  Körper  des  Patienten, 
dann  ist  insbesondere  die  Hand  des  Patienten  dafür  da.  Dem  schadet 
es  nichts,  denn  er  setzt  sich  nur  ein  oder  nur  einige  Male  den 

Strahlen  aus.  ,  , ,  ,  . ,  . _ . 

Dass  der  Arzt  aber  ,im  übrigen  nicht  in  das  Strahlenfeld  kommt, 
dafür  hat  die  neuere  Technik  ihm  genügende  Hilfsmittel  gegeben. 

Wendet  man  die  oben  erwähnte  Bleiglaskappe  an,  dann  ist  der 
Raum  des  Zimmers  nicht  stark  durchstrahlt.  Hält  der  Untersucher 
sich  so  im  Raume  auf,  dass  die  Wand  der  Bleiglaskappe  zwischen  ihm 
und  der  Röhre  liegt,  und  tritt  er  nie  in  den  eigentlichen  btrahlenkegel 
—  es  sei  denn  er  durchleuchte  und  dann  muss  sich  der  Körper  des 
Patienten  zwischen  ihm  und  der  Röhre  befinden  —  so  darf  er  sich  als 

ziemlich  gut  beschützt  betrachten. 

Arbeitet  der  Arzt  aber  mit  unbedeckter  Rohre,  dann  soll  ei 
keinen  Augenblick  vergessen,  dass  der  ganze  Untersucliungsraum  nun¬ 
mehr  ein  Feld  schädigender  Strahlen  geworden  ist.  Denn  die  dittus 
reflektierten  X-Strahlen,  die  Sekundärstrahlen  dringen  überall  hin. 
Alle  Körper  im  Untersuchungsraum  —  die  Luft  des  Raumes,  sein 
Fussboden,  seine  Decke  —  sind  Ausgangsorte  schädlicher  und  aut  die 
Dauer  gefährlicher  Sekundärstrahlung.  Hiervor  heisst  es  sicn 
schützen. 


1828 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Bei  allen  Aufnahmen  sei  deshalb  der  Platz  des  Arztes  möglichst 
weit  entfernt  von  der  Röhre.  Die  Konstruktion  der  Apparate  soll  dem 
Rechnung  tragen.  Der  Reguliermechanismus  des  Röntgeninstrumen¬ 
tariums  soll  getrennt  sein  vom  Induktorium,  zweckmässig  auf  einem 
separaten  Reguliertisch  angeordnet  sein,  sodass  nur  eine  lange  ela¬ 
stische  Kabelleitung  Reguliertisch  und  Induktor  verbindet.  (Siehe 
Abb.  2.)  Dann  stellt  der  Arzt  den  Patienten  zur  Aufnahme  und  Be¬ 
strahlung  sorgfältig  unter  die  Röhre,  geht  nachher  an  seinen  Regulier¬ 
tisch  in  eine  andere  Ecke  des  Zimmers  und  schaltet  von  da  ein  und 
aus.  Auch  die  Bedienung  des  ganzen  Reguliermechanismus,  soweit 
er  während  einer  Aufnahme  zur  Bedienung  der  Röhre  in  Frage  kommt, 
sollte  von  dieser  getrennten  Stelle  aus  geschehen. 

Aber  damit  nicht  genug,  soll  zwischen  Reguliertisch  und  Röhre 
noch  eine  undurchlässige,  oder  sagen  wir  richtiger,  wenig  durch¬ 
lässige  Beobachtungswand  aufgestellt  werden.  Dazu  eignet  sich  das 
von  Qundelach  und  von  S  i  e  b  e  r  t  in  den  Handel  gebrachte 
Bleiglas,  aus  dem  man  fahrbare  Beobachtungsgestelle  macht.  Sehr 
zweckmässig  ist  es,  die  fahrbare  Bleiglaswand  mit  drehbaren  Flügeln 
rechts  und  links  auszugestalten,  sodass  sie  den  Beobachter  vorn  und 
von  beiden  Seiten  schützt. 

Die  Benützung  dieser  fahrbaren  Bleiglaswand,  hinter  der  der 
Arzt  mit  dem  Reguliertisch  seinen  Platz  findet,  macht  meines  Er¬ 
achtens  die  in  einzelnen  Instituten  angeordneten  Schalthäuschen  über¬ 
flüssig.  Solche  Schalthäuschen  (Abb.  3)  sind  allseitig  mit  schwer 
durchlässigen  Stoffen  beschlagen  und  mit  Beobachtungsfenstern  aus¬ 
gestattet,  hinter  die  sich  der  Untersucher  vor  Einschalten  des  Appa¬ 
rates  zurückzieht.  Abgesehen  von  der  Umständlichkeit  und  der 
Preiserhöhung  eines  solchen  grossen  Möbels  versperrt  ein  solches 
Schalthäuschen  sehr  viel  Platz,  ist  ein  Staubfänger  mit  seinen  vielen 
Winkeln  und  Ecken  und  macht  auch  wohl  auf  die  Patienten  kaum 
einen  übermässig  günstigen  Eindruck.  Fahrbare  grosse  Bleiglaswände 


Abbildung  3. 


Abbildung  2. 


Abbildung  5. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1829 


und  fahrbare  Reguliertische,  die  man  nach  Belieben  in  jede  Ecke  des 
Zimmers  bringen  kann,  sind  nach  meiner  Ansicht  aus  diesem  Eirunde 

Nun  gibt  es  aber  eine  Reihe  von  Fällen,  bei  denen  dei  Arzt 
nicht  hinter  der  Schutzwand  oder  in  seinem  Schalthäuschen  bleiben 
kann  Bei  therapeutischen  Behandlungen  und  bei  Aufnahmen  kann  ei 
ruhig  sich  aus  dem  Strahlenfeld  zurückziehen.  Wenn  er  aber  durch¬ 
leuchtet,  kann  er  das  nicht.  Dann  findet  sich  sein  Gesicht  voi  dem 
Leuchtschirm,  seine  Hand  hält  oft  den  Leuchtschirm  und  er  wird 

nicht  immer  ganz  geschützt  sein.  ..  ..  n„  r  rh 

Zunächst  möchte  ich  auch  hier  raten,  man  möge  die  Du  r  c  h- 
Eeuchtungis'd'auer  ab  kürzen,  soweit  dies  vernünftig  und 
möglich  ist.  Und  es  ist  in  sehr  vielen  Fällen  in  weitgehendem  Masse 
möglich.  Wer  mit  ausgeruhtem,  an  die  Dunkelheit  gewohntem  Auge 
an  den  Leuchtschirm  herantritt  und  die  Bildhelligkeit  ganz  langsam 
verstärkt,  der  sieht  viel  mehr  Details  und  erkennt  viel  rascher  die 
Konturen  der  Schatten  als  der  hastige  Beobachter,  der  mit  vom  1  ages- 
ücht  oder  vom  künstlichen  Licht  abgestumpften  Auge  an  den  Schirm 
herantritt.  Deshalb  empfehle  ich  immer,  sofort  beim  Eintritt  in  das 
Untersuchungszimmer  zu  verdunkeln  und  zunächst  den  Uebergang  m 
künstliches  (elektrisches)  Licht  herbei  zu  führen,  dann  dieses  künst¬ 
liche  Licht  durch  einen  zweiten  Uebergang  vom  weissen  zum  gelben 
oder  roten  Licht  fortzusetzen,  was  man  ganz  gewohnheitsmassig 
während  der  Vorbereitung  tun  soll.  Und  endlich  sollte  man  vor  der 
Durchleuchtung  das  Auge  eine  halbe  Minute  im  Dunkeln  geöffnet 
halten,  dann  erst  einschalten. 

Wer  so  beobachtet  sieht  rasch  und  deutlich,  was  er  sehen  will. 
Er  kürzt  dadurch  die  Dauer  der  auf  ihn  wirkenden  Bestrahlung  ab  und 

redU  Ausserdem  gibt  es  aber  auch  hier  eine  Reihe  von  technischen 

HllfSZunächst,  bei  Thorax-  und  Abdominaluntersuchungen,  schützt  den 
Arzt  zum  Teil  der  Körper  des  Patienten.  Man  verwende  die  Durch¬ 
leuchtungsblenden  mit  grossen  undurchlässigen  Flachen,  die  nur  das 
Untersuchungsfeld  frei  lassen.  Das  Trochoskop  schützt  nach  allen 
Richtungen  mit  Ausnahme  der  Untersuchungsstelle  Den  Duich- 
leuchtungsschirm  hält  man,  wenn  man  mit  der  Blende  untersucht, 
nicht  mit  der  Hand,  weil  die  Hand  genötigt  ist,  um  ihn  hei  um  zu 
greifen  und  dadurch  sich  der  Schädlichkeit  aussetzt.  Der  Leucht¬ 
schirm  soll  vielmehr  vom  Blendenapparat  selbst  getragen  werden  und 
sich  gleichzeitig  und  gleichmässig  mit  der  Blendenebene  versc hieb en. 
wie  dies  bei  der  abgebildeten  Konstruktion  der  Fall  ist.  (Abb.  4.) 

Ueberdeckt  man  die  fluoreszierende  Seite  des  Durchleuchtungs¬ 
schirms  mit  Bleiglas,  so  ist  das  Gesicht  geschützt.  Aber  der  Durch¬ 
leuchtungsschirm  wird  so 
schwer,  dass  man  ihn  auf  die 
Dauer  nicht  gut  mit  der 
Hand  halten  kann.  Wenn  er 
an  der  Blende  befestigt  ist, 
schadet  dies  nichts. 

Will  man  wirklich  ohne 
Blende  —  man  sollte  dies  nie 
tun  —  durchleuchten,  dann 
muss  die  Hand,  die  den 
Leuchtschirm  hält,  ge¬ 
schützt  sein.  Entweder  in¬ 
dem  man  rechts  und  links  an 
den  Leuchtschirm  Metallar¬ 
maturen  befestigt,  welche 
die  haltende  Hand  über¬ 
decken  (siehe  Abb.  5).  Oder 
indem  man  den  Handrücken 
mit  den  sehr  zweckmässigen, 
aus  elastischen  Schutzstoffen 
hergestellten  Protektoren 
überzieht,  die  ähnlich  wie 
früher  die  Fechthandschuhe 
die  ganze  Innenfläche  der 
Hand  zum  Greifen  frei 
lassen. 

Vor  den  undurchlässi¬ 
gen  Handschuhen  muss  ich 
warnen.  Sie  sind  schwer 
oder  durchlässig.  Die 
durchlässigen  schützen  nicht 
sehr  gut.  mit  den  schweren, 
groben,  undurchlässigen  kann 
man  nichts  angreifen. 

Eine  unter  gewissen 
Umständen  brauchbare  und 
empfehlenswerte  Schutzvor¬ 
richtung  ist  die  Schutz¬ 
schürze  aus  elastischem 
Schutzstoff.  (Siehe  Abbil¬ 
dung  6.)  Was  den  Schutz  der  Augen  anlangt,  so  muss  ich  ge¬ 
stehen,  dass  mir  aus  meiner  tausendfältigen  Erfahrung  heraus  die 
Augen  als  ein  sehr  wenig  gegen  Rontgenstrahlen  empfindliches  Organ 
erscheinen.  Die  Uebermüdung  der  Augen  verbunden  mit  leichten 


Reizungen  stammen  sicher  überwiegend  nicht  von  der  Röntgenstrah¬ 
lung  sondern  von  der  ausserordentlichen  Anstrengung  bei  der  Durch¬ 
leuchtung  und  dem  häufigen  und  raschen  Uebergang  zwischen  Dun¬ 
kel  und  Licht  im  Laboratorium.  Dort  wird  eben  tatsächlich  den 
Au^en  sehr  viel  zugemutet.  Will  man  die  Augen  schützen,  so  kann 
man  die  Bleiglasbrillen  verwenden.  Für  notwendig  erachte  ich  sie 

'^'^Durchleuchtungen  mit  offener  unbedeckter  Röhre  ohne  Blende 
soll  man  aber  immer  vermeiden.  Wenn  man  durchleuchtet  soll  man 
entweder  die  Blende  benutzen,  oder  die  Röhre  in  eine  Glas¬ 
haube  einspannen  oder  ein  1  rochoskop  zu  Hilfe  nehmen.  A  on  cinei 
offen  arbeitenden  Röhre  gehen  allseitig  Strahlen  aus;  ist  man  nicht 
selbst  durch  eine  Blendenebene  gedeckt,  dann  wirken  die  Stiahlen 
auf  alle  Körperteile  und  daraus  kann  auf  die  Dauer  eine  .  chadigung 
entstellen. 

Das  Eine  aber  ist  zum  Schluss  mit  Bestimmtheit  auszu¬ 
sagen:  bei  'dem  vorsichtig  arbeitenden  Arzte  ist  heute,  nach¬ 
dem  wir  die  Gefahren  kennen,  eine  Verletzung  durch  Röntgen¬ 
strahlen  durch  einige  Vorsicht  und  Selbstzucht  mit  Bestimmt¬ 
heit  und  auf  die  Dauer  zu  vermeiden.  Wer  nicht  schon  aus 
früherer  Zeit  geschädigt  ist,  der  kann  nach  meinem  Erachten 
ein  Lebensalter  Röntgenologe  sein,  ohne  die  schädigenden 
Hautwirkungen  der  X-Strahlen  auch  nur  einigermassen  erheb¬ 
lich  an  sich  konstatieren  zu  müssen. 


Eine  neue  Nadel. 

Von  Prof.  Dr.  A.  Zeller  in  Stuttgart. 

Die  unendlich  grosse  Anzahl  von  Modellen  von  Nadelhaltern  be¬ 
weist,  dass  es  bis  jetzt  noch  keines  gibt,  das  für  alle  balle  Befriedi¬ 
gendes  leistet.  Eine  einfache  Ueberlegung  zeigt  auch  die  Schwierig¬ 
keit  die  es  haben  dürfte,  ein  Instrument  zu  konstruieren,  das  eine 
dünne  Dannnadel  in  gleicher  Weise  festhalten  konnte  wie  eine 
dicke  Nadel,  wie  man  sie  zur  Naht  von  Bauchdecken  braucht.  I  mtz- 
dem  werden  immer  wieder  neue  Nadelhalter  angepriesen,  denen  zur 
Empfehlung  die  Versicherung  mitgegeben  wird,  dass  sie  jede  Nade 
unverrückbar  festhalten.  Ich  habe  mehrere  derselben  geprüft  und 
mich  überzeugt,  dass  sie  diese  Eigenschaft,  wenn  überhaupt  nur 
ganz  kurze  Zeit  beibehalten.  Sehr  bald  beginnt  die  Nadel  sich  im 
Maul  des  Halters  zu  drehen.  Wenn  dies  auch  tur  Nahte  an  der  Koi- 
peroberfläche  von  geringerer  Bedeutung  ist,  so  ist  es  beim  Nahen 
in  tiefen  Wundhöhlen  um  so  unangenehmer.  Ich  bin  daher  für  die 
gewöhnlichen  Nähte  längst  zu  dem  alten  D  i  eff  e  nb  ach  sehen 
Nadelhalter  zurückgekehrt,  der  für  die  meisten  Falle  ausreicht.  E 
bleiben  aber  dann  noch  die  Nähte  in  tiefen  Korperhohlen  übrig,  die 
sich  auch  mit  'ihm  nur  unter  grossen  Schwierigkeiten  oder  gar  nicht 
anlegen  lassen,  weil  man  bei  der  Länge,  die  das  Instrument  dann 
haben  muss,  die  Nadel  nicht  so  fest  halten  kann,  als  es  notig  ist,  um 
das  Ä  Drehen  derselben  zu  vermeiden.  Offenbar  haben  auch 
andere  Chirurgen  das  Bedürfnis  gehabt,  für  solche  Falle  em  siel  ei 
wirkendes  Instrument  zur  Verfügung  zu  haben,  aber  alle  diese  In¬ 
strumente  dienen  mehr  zur  Unterbindung  und  Umstechung  als  zu 
eigentlichen  Naht.  So  auch  der  vortreffliche  Nadelhalter  von  Edgar 
Kurz,  den  ich  oft  mit  grossem  Nutzen  verwendet  habe.  -  eine 
kurze  dicke  Nadel  würde  aber  bei  der  Naht  feiner  Kanäle,  z.  B.  dei 
Gallengänge,  viel  zu  grosse  Löcher  machen,  als  dass  man  sie  luci- 

bEine  absolut  feststehende  Nadel  konnte  man  nur  erhalten,  wenn 
dieselbe  aus  einem  Stück  bestand,  also  eine  gestielte  Nadel  dar- 
stellte  Es  lag  dann  nahe,  auf  das  Prinzip  der  D  e  c  h  a  m  o  s  Sehen 
Unterbindungsnadel  zurückzukommen  und  ich  habe  mn  darnach  die 
in  der  nebenstehenden  Zeichnung  abgebildete  Nadel  anfertigen  lassen. 


Abbildung  6. 


Ein  20  cm  langer  Stiel  verjüngt  sich  nach  unten  und  geht  in  eine 
Nadel  über,  die  ungefähr  die  Krümmung  der  Decha  mp  s.  sehen  Nadel 
hat  die  Stärke  einer  gewöhnlichen  Nadel  aber  nicht  überschreitet. 
Dicht  unter  der  scharfen  Spitze  sitzt  das  Oehr.  Mit  einer  solchen 
Nadel  kann  man  in  jeder  Tiefe  absolut  sicher  und  beciuem  nahen. 
Ich  habe  sie  mir  für  die  verschiedenen  Bedürfnisse  in  3  ( 
fertigen  lassen,  deren  halbkreisförmiges  Ende  einen  Pjj^messer  v 
2  5  15  und  1  cm  hat.  Mit  diesen  3  Grossen  bin  ich  bis  jetzt  aus 
gekommen,  es  steht  aber  natürlich  nichts  im  Wege,  der  Nadel  jeden 
anderen  gewünschten  Durchmesser  zu  geben.  '  , 

Anwendung  findet  die  Nadel  bei  der  Naht  d|s  D«ct.  cysticüs  und 
choledochus,  ferner  im  Rektum  der  Vagina  und  dem  Douglas ;  z.  K 
nach  Adnexexstirpationen,  bei  Magenoperationen  in  der 
Kardia  usw.  So  habe  ich  kürzlich  eine  für  2  Finger  durchgängige, 

*)  Zu”  beziehen  ist  die  Nadel  von  Instrumentenmacher 
J.  H  a  n  k  h,  Stuttgart,  Marktstr.  9. 


1830 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


ungünstig  gelegene  Blasenscheidenfistel  mit  ihr  genäht  und  völlige 
prima  intentio  erzielt.  Bei  der  Uranoplastik  habe  ich  noch  keine  Ge¬ 
legenheit  gehabt,  sie  zu  versuchen,  ich  zweifle  aber  nicht,  dass  sich 
die  Nadel  auch  hierfür  gut  eignet  und  sie  dürfte  wegen  ihrer  Schlank¬ 
heit  einen  Vorzug  vor  der  Langenbeck  sehen  Nadel  haben.  — 
Nachdem  sich  mir  die  Nadel  seit  Jahr  und  Tag  bei  allen  möglichen 
Operationen  in  der  Tiefe  der  Körperhöhlen  bewährt  hat,  glaube  ich, 
sie  den  Fachgenossen  empfehlen  zu  dürfen. 


Mentholdampfapparat  zur  Behandlung  des  Katarrhs  der 

Tuba  Eustachii.*) 

Von  L.  M  a  d  e  r  -  München. 

M.  H.l  Ich  zeige  Ihnen  hier  einen  nach  meinen  Angaben  her¬ 
gestellten  Mentholdampfapparat  speziell  zur  Behandlung  des  Katarrhs 
der  Tuba  Eustachii.  Ein  solcher  existiert  meines  Wissens  bis  jetzt 
nicht.  Derselbe  hat  sich  mir  seit  mehr  als  %  Jahren  so  gut  bewährt, 
dass  ich  glaube,  Ihnen  denselben  und  das  in  ihm  vertretene  Prinzip 
(das  zwar  nicht  neu  ist,  aber  sich  wahrscheinlich  mangels  geeigneter 
Applikationsweise  nicht  eingebürgert  hat)  empfehlen  zu  dürfen. 


Die  Konstruktion  des  Apparates  ist  sehr  einfach:  Ein  Glaskolben, 
welcher  etwa  50  g  einer  mentholhaltigen  Flüssigkeit  enthält,  ist 
(leicht  abnehmbar)  auf  einem  mit  einer  Handhabe  versehenen  Ge¬ 
stell  befestigt.  Unter  dem  Glaskolben  befindet  sich  eine  Spiritus¬ 
lampe;  beide  sind,  um  das  Zerspringen  des  Glaskolbens  zu  verhüten, 
durch  eine  Asbestplatte  getrennt.  Der  Kolben  ist  mit  einem  Gummi- 
stopsel  luftdicht  verschlossen.  Durch  diesen  hindurch  führen  zwei 
dünne,  aussen  rechtwinklig  gebogene  Glasröhrchen  ins  Innere.  An 
dem  einen  dieser  Röhrchen  ist  ein  kurzer  Gummischlauch  angesteckt, 
der  an  seinem  freien  Ende  ein  kleines,  konisches,  hohles  Hartgummi¬ 
stück,  passend  in  die  Mündung  eines  Ohrkatheters,  besitzt,  an  dem 
andern  ein  Ventilgebläse,  versehen  mit  einem  Quetschhahn. 

Soll  nun  der  Apparat  benützt  werden,  so  wird  die  Spirituslampe 
angezündet  und  der  Glaskolben  leicht  erwärmt.  Sobald  derselbe  an¬ 
fängt,  sich  warm  anzufühlen,  findet  eine  lebhafte  Entwicklung  von 
Mentholdämpfen  in  seinem  Innern  statt;  dann  muss,  um  die  Dämpfe 
nicht  zu  heiss  werden  zu  lassen,  die  Flamme  ausgelöscht  werden. 
Man  führt  jetzt  den  Ohrkatheter  ein,  verbindet  denselben  mit  Hilfe 
des  einen,  zu  diesem  Zwecke  mit  dem  erwähnten  Hartgummiausatz 
versehenen  Gummischlauches  mit  dem  Kolben  und  lässt  nun  durch 
einen  Gehilfen,  welcher  den  Apparat  hält  und  mittlerweile  das  Gebläse 
aufgeblasen  hat,  den  Quetschhahn  öffnen.  Sofort  strömt  der  Men¬ 
tholdampf  in  den  Katheter  und  die  Tuba,  resp.  das  Mittelohr  ein. 

Diese  Prozedur  muss  einigemale  wiederholt  werden  und  zwar 
hat  es  sich  mir  als  besonders  günstig  erwiesen,  zwischen  den  ein¬ 
zelnen  Einblasungen  kleine  Pausen  von  ein  paar  Minuten  zu  machen, 
sodass  ich  bitten  möchte,  diesen  Punkt  wohl  zu  beachten.  Auch  ist 
cs  von  Vorteil,  während  des  Einströmens  des  Dampfes  in  den  Ka¬ 
theter  schlucken  zu  lassen. 

Der  Effekt  ist  fast  immer  ein  guter,  manchmal  sogar  ein  über¬ 
raschender.  Gegenüber  der  gewöhnlichen  Luftdusche  ist  ein  wesent¬ 
licher  Unterschied  vorhanden,  wie  ich  von  Patienten,  denen  auf 
dem  einen  Ohr  Luft,  auf  dem  andern  Mentholdämpfe  eingeblasen 
wurden,  oft  habe  hören  können.  Manchmal  sind  die  Mentholdämpfe 
noch  wirksam,  wo  Einspritzungen  oder  Bougierung  nicht  mehr  oder 
unvollständig  gelingen.  Das  ist  ja  leicht  erklärlich.  Dazu  kommt, 
dass  die  Behandlung  mit  Mentholdämpfen  viel  angenehmer  ist,  als 
z.  B.  die  Bougierung. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  bemerken,  dass  mir  der  Apparat 
nicht  bloss  beim  akuten  und  chronischen  Tubenkatarrh  und  seinen 


*)  Demonstration  in  der  laryngo-otol.  Gesellschaft  München 
am  25.  II.  07. 


Folgen  gute  Dienste  geleistet  hat,  sondern  auch  in  der  Regel  bei 
akuten  schmerzhaften  Otitiden.  Häufig  ist  es  gelungen,  nach  einigen 
Einblasungen  Erleichterung  und  Besserung  zu  erzielen,  nur  habe  ich 
in  diesem  Falle  gewöhnlich  nicht  katheterisiert,  sondern,  besonders 
bei  Kindern,  den  Mentholdampf  in  einen  Gummiballon  eingesaugt  und 
mittels  des  P  o  1  i  t  z  e  r  sehen  Verfahrens  in  das  Mittelohr  gebracht. 

Es  erübrigt  noch,  das  Rezept  für  die  mentholhaltige  Flüssigkeit 
mitzuteilen.  Herr  Dr.  König  (Ludwigsapotheke)  hatte  die  Freund¬ 
lichkeit,  auf  mein  Ersuchen  verschiedene  diesbezügliche  Versuche 
anzustellen.  Am  besten  hat  sich  bewährt: 

Rp. :  Menthol.,  Ol.  pini  pumilionis  aa  25,0. 


Zur  Sterilisation. 

Von  Dr.  Langemak,  Spezialarzt  für  Chirurgie  in  Erfurt. 

Um  die  Vereinfachung  und  die  einheitliche  Gestaltung  des  Sterili¬ 
sationsverfahrens  hat  sich  in  letzter  Zeit  besonders  Grosse1)  Ver¬ 
dienste  erworben,  welcher  den  exakten  Nachweis  erbrachte,  dass 
wir  im  Wasserdampf  ein  Sterilisationsmittel  besitzen,  dem  allein 
sämtliche  Objekte,  deren  wir  zu  aseptischen  Operationen  in  keim¬ 
freiem  Zustande  bedürfen,  exponiert  werden  können. 

G.  schreibt:  „Wir  bedürfen  keiner  „präformierten“  Apparate, 
sondern  können  uns  einen  Dampfsterilisator  an  Ort  und  Stelle  der 
Operation  aus  dort  sicher  vorhandenem  Material  im  Handumdrehen 
zusammenstellen.  Es  ist  dazu  weiter  nichts  erforderlich  als  zwei 
Kochtöpfe,  deren  einer  in  den  anderen  hineingestellt  werden  kann. 
Auf  den  Boden  des  grösseren  Topfes  wird  ein  Glas  Wasser  ge¬ 
gossen,  der  kleinere  nimmt  das  zu  sterilisierende  Material  auf  — 
Instrumente,  Verbandstoffe,  Katheter,  Spritzen,  Gummihandschuhe, 
oder  was  man  sonst  zu  einer  Operation,  einem  Verbandwechsel,  einem 
Katheterismus,  einer  Infusion  etc.  braucht.“ 

Da  eine  so  kleine  Quantität  Wasser  in  wenigen  Minuten  zum 
Sieden  kommt,  und  da  eine  10  Minuten  währende  Dampfdurchströ- 
mung  durchaus  hinreicht,  ein  einwandsfreies  aseptisches  Material  zu 
schaffen,  so  erfordert  die  ganze  Sterilisationsprozedur  höchstens  eine 
Viertelstunde. 

Ich  möchte  im  Folgenden  die  Kollegen  auf  einen  Apparat  hin- 
weisen,  der  sich  zu  der  Sterilisation  nach  Grosse  vorzüglich  eignet, 
den  viele  wold  schon  in  der  Küche  gesehen  haben.  Es  ist  der 
Kartoffelkocher 2),  auch  sächsischer  Kartoffelkocher  oder  Kartoffel¬ 
dämpfer  genannt.  Es  stehen  hier  nicht  zwei  Töpfe  in-, 
sondern  übereinander,  was  die  Sache  noch  vereinfacht. 
(Der  Boden  des  Oberteiles  ist  gelocht,  in  den  Unterteil  kommt 
das  Wasser.)  Für  die  ärztliche  Sprechstunde  genügt  dieser  Kocher 
bei  genügender  Grösse  als  Universalsterilisator,  aber  auch  im  grossen 
Betriebe  wird  man  gerne  einen  oder  mehrere  solcher  Kocher  in 
Benutzung  nehmen,  weil  man  nicht  nur  Trichter,  Schlauch  und  Nadel 
zur  Kochsalzinfusion  oder  Gummihandschuhe,  Flaschen  mit  Inhalt, 
Gläser,  Spritzen  etc.  sterilisieren,  sondern  diese  Gegenstände  auch 
steril  darin  aufbewahren  kann. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Eine  Festsetzung  der  Vergütungen  für  ärztliche  Dienst¬ 
leistungen  auf  dem  Verordnungswege. 

Der  Vorstand  der  Kgl.  Postagentur  X.  liess  mir  jüngsit  nach¬ 
folgendes  Schreiben  zugehen: 

Vergütungen  für  ärztliche  Dienstleistungen. 

a)  Für  den  ersten  Besuch  bei  Tag  in  der  Wohnung  des  Kranken, 
soferne  dieser  nicht  weiter  als  2  Kilometer  vom  Wohnorte  des 
Arztes  entfernt  wohnt,  2  Mk.  (zwei  Mark),  für  jeden  folgenden  Tag¬ 
besuch  1  Mk.  (eine  Mark),  zur  Nachtzeit  das  Doppelte,  wobei  für 
Zeitaufwand  und  für  Fahrtkosten  nichts  berechnet  wird. 

Sind  in  derselben  Wohnung  gleichzeitig  mehrere  anspruchs¬ 
berechtigte  Kranke  zu  behandeln,  so  kommt  für  die  zweite  und  die 
weiteren  Personen  je  die  Hälfte  der  Gebühr  in  Ansatz; 

b)  für  Beratungen  des  Kranken  in  der  Wohnung  des  Arztes  bei 
Tag  50  Pf  (fünfzig  Pfennig),  zur  Nachtzeit  das  Doppelte; 

c)  für  Besuch  in  der  Wohnung  von  Kranken,  welche  weiter  als 
2  Kilometer  vom  Wohnorte  des  Arztes  entfernt  wohnen,  neben  der 
Gebühr  unter  a)  eine  Vergütung  für  Zeitaufwand  und  Fahrt-  oder 
Reisekosten  von  50  Pf.  (fünfzig  Pfennig),  für  jeden  vollen  Kilometer 


1 )  Grosse:  Eine  neue  Methode  der  Sterilisation  chirurgischer 
Messer.  Ein  chirurgischer  Universalsterilisator.  Arch.  f.  klin.  Chir. 
1905,  Bd.  77,  H.  2.  Ueber  Kathetersterilisation.  Monatsberichte  für 
Urologie  1903,  Bd.  8,  H.  7  und  Bd.  10,  H.  8.  Neues  über  Sterili¬ 
sation.  Med.  Blätter  1905,  No.  37 — 39.  Improvisierte  Asepsis.  Berl. 
klin.  Wochenschr.  1907,  No.  28. 

")  Zu  erhalten  in  jedem  Küchengeschäfte.  Es  empfiehlt  sich, 
die  als  gut  bekannten  Fabrikate  der  Amberger  Emaillier-  und  Stanz¬ 
werke  (Fa.  Joh.  Baumanns  Wwe.)  zu  verlangen,  und  zwar  das  hohe 
Modell,  welches  in  Weiten  von  12 — 30  cm  Durchmesser  geliefert  wird 
Preis  bei  einem  Durchmesser  von  22— 24  cm  5—6  Mk, 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1831 


,>Pc  /urüokeelegten  Hinweges  und  Rückweges  (also  1  Mark  für 
icden  vollen  Kilometer  Ortsentfernung);  besucht  der  Arzt  auf  dem¬ 
selben  Wege  mehrere  Kranke  an  verschiedenen  Stellen,  so  darf  er  für 
jeden  weiteren  Besuch  die  Gebühr  unter  a),  jedoch  die  vorstehende 
EntschldS  für  Zeitaufwand  und  Fahrt-  oder  Reisekosten  nur 

ei,,fad)  äs"ScheTenichtunee„  können  nur  soweit  in  An- 

V°n  e3)  mr  ärzmehe  “shZbTwdbifohen  « 

TJXZ  Gebühren  betr ehe lfd, 

UnteV?r"lb  Äh  "die  pekuniäre  ^age'der  Kasse  bessern 
sollte  ist  eine  Neuregelung  der  Vergütungen  in  Aussicht  genommen. 

S  Die  nach  Art Zeit  und  Zahl  der  einzelnen  Hilfeleistungen  zer¬ 
gliederte  Rechnung  wäre  an  den  Kassenvorstand  einzusenden.  _ 
Auffallend  an  der  Festsetzung“  ist  vor  allem,  dass  man  sicn 

die  Behörde^welohe r  dieselbe  erlassen  hat.  0“  isTdie 

dass  die  Kgl.  Postagembur  die  Festsetzung  zustellte.  Offenbar  ist  die 
Behörde  die  Betriebskrankenkasse  der  Kgl.  bayer.  Posten-  und  " 
^ranhen  Die  Festsetzung“  war  offenbar  einem  anderen  amtlichen 
lÄückbeiS  wie  aus  den  Anheftmerkmalen  ersichtlich:  es 
fehl  e  auch  fedes  Begleitschreiben  und,  was  man  weiter  erwarte 
Mt te  es  war  auch  keine  Erklärung  verlangt  welche  sich  auf  das 
Finverständnis  mit  dieser  „Festsetzung“  erstreckt.  )  Ob  auch  Aerzte 
bei  dieser  Festsetzung  mitgewirkt,  darüber  schweigt  sich  der  - 

Hut  der  Festsetzung  völlig  aus.  In  welchem  Masse  diese  .Test 
se  zung“  die  Vergütungen  des  Arztes,  welche  ihm  nach  der  Kg  . 
AUerh  Verordnung  vom  17.  Oktober  1901  zustehen  beschneidet 
wolle  sich  der  Leser  an  der  Hand  eben  dieser  Kgl.  Allerh.  Verordnung 

k°nSDieeFenstsetzung  unter  e)  leistet  geradezu  Erstaunliches.  Hier 
sind  dem  Arzte  die  Hilfeleistungen  geradezu  vorgeschrieben,  welche 

ihm  zustehen.  Was  soll  der  Arzt  tun  wenn /ÄeSef] Festsitzung 
andere  Hilfeleistungen  nötig  sind,  welche  unter  e)  dieser  hestsetzui  s 

nicht  benannt  sind?  .  Q 

Die  Bewertung  der  ärztlichen  Dienstleistungen  im  Sinne  der 
IC  tri  Allerh  Verordnung  vom  17.  Oktober  1901  kann  auch  im  Eitizel- 
fal le  e  ne  recht  "n  e  sein,  obwohl  kein  Tarif  vorhegt  Unter 
welche  Rubrik  dir  Gebühren  Bll  (Wundärztliche  Verrichtungen) 
o-ehören  die  Verbände  einer  komplizierten,  eitrig  infizierten  Knochei 
fraktur?  Die  nötigen  gefensterten  festen  Verbände  scbe^®n  £“s’. 
handelt  sich  ausschliesslich  um  die  nötigen  Verbände  etc.  der  m 
fizierten  Wunde,  deren  Ausheilung  einige  Monate ^  ine 

liabe  die  Wunde  unter  diesen  Umstanden  im  Sinne  Ziffer  6  alseme 
J  össere  angesehen,  die  Verrichtungen  und  ^ Sch=kerter .  hiebe 
berechtigen  doch  offenbar  zu  dieser  Annahme.  Anders  daef de  d ler 
Amtsarzt,  welcher  die  Liquidation  für  eine  öffentliche  Kasse 

llltl'[ier  Verband  der  bezeichneten  Wunde  wurde  unter  Ziffer  5 
(Verband  einer  kleinen  Wunde)  gebracht .welcher  im  Wiederholung- 
failp  mit  1  Mk  in  Worten  einer  Mark,  bewertet  ist.  Aut  meine 
fruchtlosen  Dar'ie  “ungen  der  Umstände,  welche  nur  die  Annahme 
einer  grösseren  Wunde  im  Sinne  Ziffer  6  zulassen,  erhob  ich i  Be- 
schwerde  zur  Kgl.  Regierung  gegen  diese  Festsetzung  nach  Ziffer  5. 
Das  Kgl.  Kreismedizinalreferat  gab  meinen  Darlegungen  insofern 
recht  als  es  begutachtete,  dass  mir  die  Wohltat  des  §  2  Absatz  2 
zitierter  Allerh.  Verordnung  zukomme  (id  est,  dass  ein  höherer  -atz 
gerechtfertigt  erscheint,  dieser  höhere  Satz  ist  eben  in  Ziffer  6 
festgelegt),  und  setzte  die  Gebühr  von  einer  Mark  auf  zwei  Mai  k 
hinauf.  Mein  Antrag,  diese  Sachverständigenfrage  einem  Univer¬ 
sitätslehrer  der  Konsequenzen  wegen  zur  Lösung  vorzulegen,  winde 
abschlägig  beschieden;  das  angerufene  Ministerium  beschied  ohne 
Sachverständigenanhörung  die  Sache  als  formell  richtig.  Einen  an¬ 
deren  Rechtsweg  gibt  es  nicht.  Deshalb  unterbreite  ich  die  Ange¬ 
legenheit  wegen  ihrer  prinzipiellen  Bedeutung  der  öffentlichen  Dis- 

kussiom  A]lerh-  Verordnung  vom  18.  Dezember  1875  enthielt  für 
de  in  Frage  stehenden  wundärztlichen  Hilfeleistungen  keinerlei  Norm. 
Diesem  Uebelstande  hilft  die  zur  Zeit  geltende  Gebührenordnung  unter 
B II  5  und  6  auf.  Man  sollte  meinen,  es  könne  keinem  Sachver¬ 
ständigen  ein  Zweifel  kommen,  welche  von  den  Ziffern  5  und  6  m 
konkretem  Falle  anzuwenden  ist  Ziffer  5  bewertet  diese  Leistung 
im  Wiederholungsfälle  mit  einer  Mark  =  mit  der  Gelbuhr  für  1  Kon¬ 
sultation  oder  für  eine  subkutane  Einspritzung.  Unmöglich  kann  der 
Gesetzgeber  im  Auge  gehabt  haben,  dass  die  in  Frage  stehenden 
wundärztlichen  Verrichtungen  finanziell  gleich  bewertet  werden  mit 
einer  Konsultation.  Das  Kreismedizinalreferat  hat  sich  auch  von 
diesem  meinem  Standpunkt  überzeugt  und  die  Anwendung  des  9  2, 
Abs.  2  begutachtet.  Wenn  nach  §  2,  Abs.  2  ein  höherer  Satz  gerecht- 

*)  Nachträglich  wurde  mir  der  Tarif  mit  einem  Begleitschreiben 
zur  Anerkennung,  bezw.  Aeusserung  vom  Postagenten  noch^f1^Jor" 
gelegt  Ich  erklärte  jedoch,  dass  ich  ihn  nicht  anerkenne.  Nur  wenn 
auclf  Aerzte  bei  der  Bearbeitung  mitgewirkt  hatten,  konnte  ich  zu¬ 
stimmen. 


fertigt  erscheint,  so  ist  doch  sinngemäss  die  Schlussfolgerung  richtig, 
dass  es  sich  im  konkreten  Falle  gar  nicht  um  eine  einfache  Wunde 
handelt  im  Sinne  der  Ziffer  5,  sondern  um  eine  Wunde  im  Sinne  von 
Ziffer  6  welche  Hilfeleistung  eben  im  Wiederholungsfälle  mit  fünf 
Mark  zu  bewerten  ist;  wenn  das  Kgl.  Kreismedizinalreferat  die  Be¬ 
gutachtung  im  Sinne  §  2  Abs.  2  vornahm,  dann  musste  folgerichtig 
die  Feststellung  erfolgen,  dass  Ziffer  6  massgebend  ist. 

Es  ist  mir  bisher  in  keinem  einzigen  Falle  eine  derartige  Herab¬ 
setzung  ärztlicher  Leistungen  auf  ein  solch  niederes  Niveau  vorge¬ 
kommen.  Bisher  wurde  die  Anwendung  der  Ziffer  6  bei  derartigen 
Hilfeleistungen,  wie  sie  im  vorliegenden  Falle  notig  waren,  ohne  Be¬ 
denken  von  der  amtlichen  Revision  gutgeheissen.  .  .  .  , 

Die  Sache  ist  von  zu  grosser  Tragweite,  als  dass  sie  einfach 
unter  den  alten  Akten  vergraben  bleiben  sollte  und  der  Geschichte 

anheimgegeben  werden  könnte.  iDr.  w  e  b  e  r  .  Burghaslach. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Dr  med.  M.  Löhlein:  lieber  die  entzündlichen  Ver¬ 
änderungen  der  Glomeruli  der  menschlichen  Nieren  und  ihre 
Bedeutung  für  die  Nephritis.  (Arbeiten  aus  dem  pathologischen 
Institute  zu  Leipzig,  herausgegeben  von  F.  Marchand. 
Heft  4.)  Leipzig,  S.  H  i  r  z  e  1,  1907.  98  S.  M.  4. 

Die  vorliegende  Arbeit  verfolgt  ein  doppeltes  Ziel:  in  erster 
Linie  soll  nach  einer  genauen  Analyse  der  Morphologie  der 
menschlichen  Niere  im  ersten  Stadium  der  akuten  Glomerulo¬ 
nephritis  der  Versuch  unternommen  werden,  die  vielfältigen 
Veränderungen  des  Organs  zu  verfolgen,  die  sich  entwickeln 
können,  wenn  das  akute  Stadium  von  dem  erkrankten  Indivi¬ 
duum  überlebt  wird.  Als  zweites  wesentliches  Ziel  gilt  der 
Versuch  einer  Beantwortung  der  Frage  nach  der  Stellung,  die 
der  akuten  Glomerulonephritis  —  im  Sinne  der  Darlegung 
Friedrich  Müllers  auf  der  Meraner  Tagung  der  Deutschen 
pathologischen  Gesellschaft  —  in  dem  Gesamtgebiete  der 
Nephritis  zukommt. 

Zum  Bilde  der  frischen  Stadien  der  akuten  Glomerulo¬ 
nephritis  gehören  nach  L.  folgende  histologische  Merkmale. 

Volumzunahme  der  M  a  1  p  i  g  h  i  sehen  Knäuel,  abnorme 
Beschaffenheit  des  Inhaltes  der  Schlingen,  deren  stark  erwei¬ 
terte  Kapillaren  wenig  Blut  und  mehr  zellige  Elemente  von 
teils  leukozytärem  und  teils  endothelialem  Typus  enthalten. 

Veränderungen  am  Knäuelepithel  von  Schwellung  bis  zu 

Proliferation  und  Degeneration.  _  ,  „ 

Degenerative  Veränderungen  am  Epithel  der  lubuli  con- 
torti  erster  Ordnung.  Im  Lumen  der  lubuli  contorti  zweiter 
Ordnung  hyaline  Zylinder  und  Konglomerate  von  roten  Blut¬ 
körperchen. 

Die  Verödung  der  Glomeruli  bei  den  subakuten  und  chro¬ 
nischen  Glomerulonephritiden  kommt  zustande  entweder  nach 
Desquamation  des  Knäuelepithels  und  Verklebung  der  Schlingen 
mit  der  in  Auffaserung  begriffenen  B  o  w  m  a  n  sehen  Kapsel, 
welche  die  Hauptquelle  des  später  den  Kapselraum  erfüllenden 
Bindegewebes  bildet,  oder  deren  Thrombose  und  Nekrose  ein¬ 
zelner  Glomerulusschlingen  oder  ganzer  Knäuel  mit  nachfolgen¬ 
der  bindegewebiger  Homogenisierung,  oder  endlich  bei  ausge¬ 
sprochen  chronischen  Prozessen  von  sekundärer  Schrumpf¬ 
niere  durch  hyaline  Umwandlung  einzelner  Schlingen,  die 
event.  unter  Epitheldesquamation  mit  der  verdickten  Kapsel 
verschmelzen. 

Aus  seinem  Material  hat  L.  die  bemerkenswerte  Auf¬ 
fassung  gewonnen,  dass  für  den  Untergang  des  Parenchyms 
bei  derNephritis  in  ganz  überwiegendem  Masse  die  Glomerulus- 
veränderungen  massgebend  sind,  dass  gerade  die  chronische 
parenchymatösen  Nephritiden  Weigerts,  bei  denen  dieser 
primäre  degenerative  Prozesse  am  Parenchym  angenommen 
hatte,  Glomerulonephritiden  sind  mit  sekundärer  Paren¬ 
chymdegeneration. 

Die  rein  degenerativen  Erkrankungen  der  Niere  Uubhnit  , 
Cholera,  Diphtherie,  Schwangerschaftsniere)  we Ich« ^  vor¬ 
wiegend  das  Parenchym  betreffen  und  sich  durch  eine  auf  der 
grossen  Regenerationsfähigkeit  des  Epithels  beruhenden  g- 
fichkeit  einer  raschen  und  vollständigen  Heilung  auszeichnen, 
rechnet  L.  nicht  zu  den  Entzündungen. 

Die  eigentlichen  entzündlichen  Erkrankungen  der  Niere 
sind  am  häufigsten  Glomerulonephritiden.  Aetiologisch  kommt 


iöOü 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


in  ganz  überwiegendem  Masse  eine  Streptokokkeninfektiön  in 
Betracht. 

Im  Anfang  beherrscht  die  Glomerulitis  das  histologische 
Bild,  die  Parenchymveränderungen  scheinen  wesentlich  von 
der  Dauer  und  Schwere  der  Glomeruluserkrankung  abzu¬ 
hängen. 

Die  akuten  hämorrhagischen  Nephritiden  sind  häufig  iden¬ 
tisch  mit  abklingender,  aber  nicht  völlig  ausgeheilter  Glome¬ 
rulonephritis.  Verhältnismässig  selten  ist  daneben  die  andere 
Hauptfonn  der  akuten  entzündlichen  Nierenerkrankungen,  die 
akute  „interstitielle“  Nephritis,  der  eine  selbständige  Stellung 
zukommt. 

Die  chronisch  „parenchymatöse“  Nephritis  mit  Hydrops, 
die  grosse  weisse  Niere  ist  so  gut  wie  regelmässig  ein  schwere, 
nicht  abgeheilte  Glomerulonephritis  mit  sekundärer  Paren- 
chymdegeneration. 

Sehr  interessant  ist  die  Angabe  L.s,  dass  in  allen  seinen 
Fällen  von  chronischer  Nephritis  mit  Hydrops  Herzhypertrophie 
bestand,  mit  einer  einzigen  Ausnahme,  die  durch  einen  Fall 
von  anscheinend  „reiner“  parenchymatöser  (vielleicht  besser 
tubulärer)  Nephritis  gebildet  wird,  in  welchem  die  M  a  1  p  i  g  h  i- 
schen  Körperchen  auffallend  intakt  gefunden  wurden.  Die 
Knäuel  waren  von  gewöhnlicher  Grösse,  ihre  Schlingen  zart, 
hie  und  da  etwas  kernreicher,  aber  fast  durchweg  mit  roten 
Blutkörperchen  erfüllt.  In  diesem  einzigen  Falle,  in  welchem 
also  unzweifelhaft  die  Blutzirkulation  in  den  Glomerulis  intakt 
war,  fehlte  jede  Spur  einer  Herzhypertrophie,  eine  treffliche 
Bestätigung  der  vom  Referenten  wie  von  M.  B.  Schmidt 
in  Meran  vertretenen  Auffassung,  dass  die  Herzhypertrophie 
hauptsächlich  abhängig  sei  von  der  Erkrankung  der  Glomeruli, 
unabhängig  von  der  der  Tubuli. 

Die  sorgfältige  Arbeit  Löh  1  eins,  welche  über  ein  sehr 
wertvolles  Material  von  34  Fällen  so  eingehende  morpho¬ 
logische  Untersuchungen  bringt,  zeichnet  sich  u.  a.  auch  da¬ 
durch  vorteilhaft  aus,  dass  auch  der  klinische  Verlauf  der  Er¬ 
krankung  mit  berücksichtigt  und  kurz  erwähnt  worden  ist. 
Für  das  Verständnis  der  Nierenkrankheiten  und  ihre  Beurteilung 
am  Krankenbett  ist  diese  Art  der  Bearbeitung  von  grossem 
Werte  und  von  einer  sorgfältigen  klinischen  und  anatomischen 
Analyse  der  einzelnen  Fälle  mit  Vergleich  der  anatomischen 
und  der  funktionellen  Störungen  sind  sicher  noch  weitere 
wichtige  Aufschlüsse  zu  erwarten.  S  c  h  r  i  d  d  e. 

Dr.  M.  L  e  w  a  n  d  o  w  s  k  y,  Nervenarzt  und  Privatdozent 
der  Physiologie  in  Berlin:  Die  Funktionen  des  zentralen  Ner¬ 
vensystems.  Ein  Lehrbuch.  Mit  1  Tafel  und  81  Abbildungen. 
Jena,  Verlag  von  S.  Fischer,  1907.  (420  S. ;  11  M.) 

Das  Buch  will  die  Lehre  von  den  Funktionen  des  Zentral¬ 
nervensystems  von  Anfang  an  und  von  den  einfachsten  Voraus¬ 
setzungen  beginnend  darstellen  bis  zu  dem  Punkt,  wo  die 
Psychologie  weiterzuarbeiten  hat.  Vor  allem  legt  es  Nach¬ 
druck  auf  eine  Verschmelzung  der  Ergebnisse  des  Experiments 
und  der  Klinik.  Mit  den  einleitenden  Bemerkungen,  in  denen 
u:e  psychischen  Vorgänge  als  die  materiellen  Vorgänge  in  den 
Molekülen  des  zentralen  Nervensystems  selbst  bezeichnet  wer¬ 
den  und  das  Psychische  als  aus  dem  Physischen  entwickelt, 
wie  das  Organische  aus  dem  Anorganischen,  hingestellt  wird! 
wollen  wir  an  dieser  Stelle  nicht  rechten,  so  wenig  sie  auch 
vom  erkenntnistheoretischen  Standpunkt  aus  haltbar  sind. 

Nach  einer  kurzen  Darstellung  der  Phylogenese  des  Ner- 
\  stems  werden  die  einfachen  Elemente  nach  Struktur 
und  Funktion  besprochen  unter  einer  präzisen  Wiedergabe  und 
überzeugenden  Ablehnung  der  Neuronentheorie.  Eingehend 
sind  die  Tatsachen  und  Theorien  der  Reflexe  abgehandelt,  vor 
Allem  wird  auch  dem  Gesichtspunkt  der  Hemmung  gebührende 
Beachtung  geschenkt.  Es  folgt  die  Darstellung  des  Rücken¬ 
mai  ks  als  Zentralorgan  und  seiner  Gliederung,  dann  die  aus¬ 
giebige  Schilderung  des  Sympathikussystems  und  darauf  die 
Besprechung  der  trophischen  Funktionen  des  Nervensystems. 
Die  Ei öite Hing  der  Funktionen  des  Hirnstammes  führt  zu  einer 
gründlichen  kritischen  Würdigung  der  Versuche  mit  gross¬ 
hirnlosen  Tieren.  Das  besonders  ausführlich  behandelte  Cere- 
bellum  wird  vorzugsweise  aufgefasst  als  ein  subkortikales 
sensomotoi  isches  Zentralorgan.  Der  Autor  verhält  sich  ab¬ 
lehnend  gegen  die  Flechsig  sehe  Lehre  von  der  Myelo- 


genese  und  ihrer  Bedeutung.  Weiterhin  berührt  L.  die  noch 
nicht  ausreichend  begründeten  Bemühungen  um  eine  teilweise 
Rehabilitation  der  Lokalisationslehre  von  Gail,  dessen  Auf¬ 
fassung  der  Geistesstörungen  als  Erkrankungen  der  grauen 
Rinde  jedoch  als  Zeichen  einer  genialen  Intuition  bezeichnet 
wird.  Treffend  werden  die  mannigfachen  verfrühten  Schlaf¬ 
theorien  zurückgewiesen. 

An  eine  Besprechung  der  Grosshirnrindenreizung  und  des 
epileptischen  Krampfes  schliessen  sich  die  experimentellen  Er¬ 
fahrungen  über  die  Grosshirnlokalisation.  Es  wird  betont, 
dass,  je  isolierter  eine  Bewegung  erscheint,  um  so  grössere  Rin¬ 
dengebiete  zu  dieser  Isolierung  mitgewirkt  haben  müssen.  Die 
Mehrzahl  der  Versuche  scheint  zu  bestätigen,  dass  zwar  inner¬ 
halb  der  sensomotorischen  Region  bestimmte  Felder  bestehen, 
deren  Zerstörung  die  Sensibilität  und  die  Motilität  eines  Gliedes 
besonders  stark  schädigt,  dass  aber  im  allgemeinen  diese  Gren¬ 
zen  sich  mehr  oder  weniger  stark  überlagern.  Der  scharfen 
Trennung  wenigstens  der  grossen  Sphären,  Sehsphäre,  Hör¬ 
sphäre,  sensomotorische  Sphäre  nach  H.  Munk  schliesst  sich 
L.  auf  Grund  von  20  eigenen  Versuchen  an. 

Nach  der  Besprechung  der  zerebralen  Lähmungen  und  Be¬ 
wegungsstörungen  des  Menschen  werden  die  motorischen  Lei¬ 
tungsbahnen  erörtert.  Als  Weg  der  durch  den  Hirnschenkelfuss 
über  den  roten  Kern  zum  Monakowbündel  ziehenden  Impulse 
kommen  folgende  Etappen  in  Betracht:  Rinde,  innere  Kapsel, 
Hirnschenkel,  Brückengrau  (kreuzend),  Brückenarm,  Kleinhirn¬ 
rinde,  Corpus  dentatum,  Bindearm  (kreuzend),  roter  Kern, 
Monakow  sches  Bündel  (kreuzend). 

Anschaulich  werden  die  Fragen  der  Sprache  und  Aphasie, 
sowie  später  die  der  Apraxie  aufgerollt.  Ein  Kapitel  ist  der 
kortikalen  Vertretung  der  Sensibilität  und  der  Sinne  beim  Men¬ 
schen  gewidmet.  Als  Anhang  findet  sich  ein  Kapitel  über  die 
Zerebrospinalflüssigkeit.  Eine  reichhaltige  Literaturübersicht, 
die  sich  naturgemäss  auf  die  wichtigsten  Arbeiten  beschrän¬ 
ken  muss,  schliesst  das  grosszügig  angelegte  Werk,  das  mit 
seiner  klaren  Diktion,  seiner  geschickten  Berücksichtigung  der 
veischiedenartigsten  Ansichten  und  seiner  präzisen  Kritik  eine 
'ortreffliche  Einführung  in  das  komplizierte  Gebiet  darbietet. 

Weygand  t. 

Carl  v.  Noorden:  Die  Zuckerkrankheit  und  ihre  Be¬ 
handlung.  IV.  Auflage.  Berlin  1907.  A.  Hirschwald. 

Das  Noorden  sehe  Buch,  das  nun  in  vierter  Auflage 
erschienen  ist,  ist  für  den  praktischen  Arzt  geschrieben.  Die 
ausgedehnte  Erfahrung  des  Verfassers  auf  dem  Gebiete,  die 
sich  in  dem  ganzen  Buch  wiederspiegelt,  die  knappe  und  klare 
Ausdrncksweise  machen  es  zum  sicheren  Wegweiser  für  den 
Praktiker.  Das  Buch  hat  ein  durchaus  subjektives  Gepräge. 
Denn  wenn  auch  überall  die  Anschauungen  anderer  gebührend 
Berücksichtigung  finden,  so  gibt  speziell  das  grosse  Kapitel 
über  die  Therapie  des  Diabetes  ein  Bild,  wie  sich  dem  Ver¬ 
fasser  nach  seiner  reichen  Erfahrung  die  Behandlung  am  ratio¬ 
nellsten  erwiesen  hat.  F.  V  o  i  t. 

A.  Döderlein:  Leitfaden  für  den  geburtshilflichen 

Operationskurs.  7.  Aufl.  Leipzig  1907.  Georg  Thieme.  Geb. 
M.  4. — . 

Die  neue  Auflage  des  bekannten  D. sehen  Leitfadens,  der 
ein  unentbehrliches  Vademekum  für  jeden  Studierenden  der 
Medizin  geworden  sein  dürfte,  unterscheidet  sich  nur  wenig 
von  der  letzten,  6.  Auflage,  die  vor  2  Jahren  hier  besprochen 
wurde  (cf.  diese  Wochenschr.  1905,  No.  2,  p.  84).  Neu  hinzu¬ 
gekommen  sind  kurze  historische  Abrisse  bei  den 
einzelnen  Operationen  und  eigene  Kapitel  über  die  G  e  f  a  h  r  e  n 
der  Wendung.  Zange  und  manuellen  Extraktion.  Mit  diesen 
Abschnitten  kommt  D.  einem  vielfach  gefühlten  Bedürfnis  ent¬ 
gegen,  da  der  Anfänger  von  den  mannigfaltigen  Gefahren,  die 
mit  geburtshilflichen  Operationen  an  der  Lebenden  verbunden 
sind,  gewöhnlich  gar  keine  Vorstellung  hat. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Klapp:  Funktionelle  Behandlung  der  Skoliose.  95  Seiten 
mit  44  Abbildungen  im  Text.  Jena,  Gustav  Fischer,  1907. 
Preis  3  M. 

Der  Verfasser  gibt  in  dem  kleinen  Buche  eine  ausführliche 
Darstellung  seiner  Skoliosentherapie.  Der  Leser  sieht  daraus, 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1833 


dass  Klapp  nicht  nur  die  von  ihm  eingeführte  Kriechbehand¬ 
lung,  sondern  auch  andere  altbewährte  Methoden,  z.  B.  das 
Loren  z  sehe  Qipstbett,  gleichseitige  Freiübungen  zur  Stär¬ 
kung  der  Rückenmuskulatur  im  Stehen,  Gehen,  Liegen  und 
Sitzen,  sowie  die  Heissluftbehandlung  des  Rückens  anwendet. 

Die  Kriechübungen  lässt  Klapp  auf  2  Arten  machen.  Bei 
der  ersten  Uebung  kriechen  die  Kinder  gerade  aus.  Die  Wir¬ 
belsäule  wird  also  bei  dem  einen  Schritt  in  stark  rechts-kon- 
vexern,  bei  dem  andern  in  einem  ebenso  starken  links-kon- 
vexen  Bogen  eingestellt. 

Die  zweite  Kriechübung  wird  am  Ort  ausgeführt.  Wenn 
ich  den  Verfasser  richtig  verstehe,  wird  dabei  auch  die  Wirbel¬ 
säule  abwechselnd  bald  in  links-,  bald  in  rechtskonvexem 
Bogen  eingestellt,  die  einzelne  Uebung  aber  forciert,  so  dass  der 
Patient  länger  in  der  seitlichen  Abbiegung  verharrt,  als  bei  der 
ersten  Knechübung.  Es  finden  also  ebensoviele  Uebungen 
statt,  welche  die  Krümmung  der  skoliotischen  Wirbelsäule 
vorübergehend  vermehren,  als  solche,  welche  dieselbe  ver¬ 
mindern.  Darin  liegt  m.  E.  die  eine  Schwäche  der  ganzen 
Methode.  Wir  sollen  Uebungen  machen  lassen,  die  eine  Ab¬ 
flachung  des  skoliotischen  Bogens  bewirken,  aber  wir  dürfen 
mit  unserer  Therapie  nie  eine  Verstärkung  des  Bogens  ver¬ 
anlassen. 

Den  anderen  Nachteil  der  Kriechmethode  sehe  ich  darin, 
dass  es  z.  B.  auf  diese  Weise  nicht  möglich  ist,  die  Korrektur 
auf  einen  bestimmten  Abschnitt  der  Wirbelsäule  zu  beschrän¬ 
ken,  wie  es  bei  der  doppelten  oder  dreifachen  Krümmung  der 
Wirbelsäule  notwendig  ist.  Klapp  hofft,  durch  den  Passgang 
eine  rationelle  Bekämpfung  der  S-förmigen  Skoliose  zu  ermög¬ 
lichen,  aber  er  selbst  empfiehlt,  von  dieser  Uebung  zunächst  ab¬ 
zusehen,  da  noch  zu  wenig  Erfahrungen  vorliegen. 

Wir  werden  es  mit  aufrichtiger  Freude  begrüssen,  wenn 
es  dem  geschätzten  Verfasser  gelingen  wird,  die  Bedenken, 
die  wir  zurzeit  noch  gegen  seine  Methode  haben  müssen,  durch 
weitere  Verbesserungen  zu  beseitigen,  denn  seine  Bestre¬ 
bungen,  eine  erfolgreiche  Behandlung  einer  Volkskrankheit  wie 
der  Skoliose  den  weitesten  Bevölkerungsschichten  zugänglich 
zu  machen,  verdienen  die  wärmste  Sympathie.  Das  Buch 
enthält  so  viel  gut  Beobachtungen  und  neue  Gedanken,  dass  es 
auch  denjenigen,  welche  die  Kriechmethode  nicht  anwenden 
wollen,  wärmstens  zum  Studium  empfohlen  werden  kann. 

F.  Lange-  München. 

Dr.  Karl  Oetker:  Die  Negerseele  und  die  Deutschen  in 
Afrika.  Ein  Kampf  gegen  Missionen,  Sittlichkeitsfanatismus 
und  Bürokratie  vom  Standpunkt  moderner  Psychologie.  Mün¬ 
chen  1907.  J.  F.  Lehmanns  Verlag.  46  S.  Preis  M.  1.20. 

Die  kleine  Broschüre  bringt  einen  Versuch  der  Rassen¬ 
psychologie,  und  zwar  beschäftigt  sie  sich  vorzüglich  mit  dem 
Einfluss  der  christlichen  Lehre  auf  den  Neger  und  der  Frage, 
ob  dieser  vermöge  seiner  Veranlagung  überhaupt  die  Möglich¬ 
keit  hat,  in  absehbarer  Zeit  die  abendländische  Kultur  mit  ihren 
komplizierten  individuellen  und  sozialen  Bestrebungen  zur 
seinigen  zu  machen.  Von  dem  Einfluss  der  christlichen  Lehre 
auf  den  Neger  verspricht  sich  der  Verf.  keine  guten  Erfolge; 
die  Frage  nach  der  Möglichkeit  der  Gewinnung  des  Negers  für 
abendländische  Kultur  beantwortet  er  im  wesentlichen  negativ. 
Viele  durch  lange  Erfahrung  gewonnene  und  ohne  Voreinge¬ 
nommenheit  gefällte  Urteile  werden  den  Leser  mit  der  Art  der 
Darstellung,  die  nicht  jedem  sympathisch  sein  wird,  aussöhnen. 

zur  Verth  -  Berlin. 

Einführung  in  die  Versicherungsmedizin.  Vorlesungen  für 
Studierende  und  Aerzte  von  Dr.  J.  Grober,  a.  o.  Professor 
an  der  Universität  Jena.  gr.  8°,  187  S.  Jena  1907.  Gustav 
Fischer.  Preis  3.50  Mk. 

„Ein  Arzt  ohne  die  Kenntnis  der  Versicherungsmedizin 
kann  heute  nicht  mehr  seinem  Beruf  in  vollem  Masse  vor¬ 
stehen“.  Das  von  diesem  Gedanken  aus  eine  Einführung  in  das 
Gesamtgebiet  der  Versicherungsmedizin  darstellende  Buch 
bringt  alles  das,  was  zum  Verständnis  versicherungsmedi¬ 
zinischer  Fragen  auf  dem  Gebiet  aer  Kranken-,  Alters-  und 
Invaliden-,  staatlichen  Unfall-,  privaten  Unfall-,  Haftpflicht- 
und  Lebensversicherung  Wissens-  und  beachtenswert  ist,  in 
grosszügiger,  allgemein  orientierender  Darlegung  mit  kritischer 


Beleuchtung  wichtiger  Einzelheiten  und  in  flüssiger,  den  (ja  nur 
scheinbar  trockenen)  Stoff  geschickt  belebender,  fesselnder 
Vortragsform.  Mit  Recht  wird  neben  anderen  gewichtigeren 
Gründen  auch  die  Notwendigkeit  versicherungsmedizinischcr 
Kenntnisse  aus  der  Tatsache  heraus  betont,  dass  der  Arzt  von 
seinen  Klienten  häufig  über  diese  Dinge  und  über  die  rein 
äusserlichen  Fragen  dabei  angegangen  wird. 

Die  Ansicht  des  Verf.,  dass  die  freie  Arztwahl 
bei  der  Krankenversicherung  zweifellos  im 
Interesse  der  Versicherten  liege,  sei  auch  an 
dieser  Stelle  mit  Nachdruck  hervorgehoben.  Wenn  aber  Gr. 
meint,  dass  früher  bei  Bewerbungen  um  Kassenarztstellen  bei 
den  Vorständen  der  Krankenkassen  und  bei  einflussreichen  Mit¬ 
gliedern  ihrer  Generalversammlungen  oft  eigenartige  Mittel  an¬ 
gewandt  worden  seien,  wir  aber  allen  Grund  hätten  anzu¬ 
nehmen,  dass  sie  jetzt  nicht  mehr  angewandt  werden,  so  macht 
dies  seinem  Optimismus  alle  Ehre;  als  allgemein  gültiger  Satz 
aber  ist  es  ein  Irrtum :  eswerden  noch  solche  „eigen¬ 
artige“  Mittel  angewandt!  — 

Einzelne  Berichtigungen  betreffend  sei  bemerkt,  dass  der 
Satz:  „Die  direkte  Erzeugung  von  Herzklappenfehlern  durch 
Unfall  ist  ganz  ausgeschlossen“,  in  seiner  strikten  Negation  zu 
weit  geht  (es  sind  solche  Fälle  beobachtet  worden);  ebenso 
würde  es  in  dem  Passus:  „Hernien  dürfen  als  Unfall  nicht  ent¬ 
schädigt  werden“  besser  heissen:  „nur  ganz  ausnahms¬ 
weise“.  Dass  weibliche  Personen  von  der  Lebensversicherung 
ausgeschlossen  sind,  ist  nicht  zutreffend,  auch  gilt  die  Be¬ 
hauptung,  im  Kriegsfall  ruhe  die  Lebensversicherung  nicht, 
mindestens  nicht  für  jede  Gesellschaft.  S.  61  (Z.  21  v.  o.)  wäre 
„Aufgabe“  der  Behandlung  (im  Sinne  von:  die  Behandlung  wird 
aufgegeben)  durch  „Einstellung“  oder  dergl.  zu  ersetzen. 

Das  Buch  kann,  auch  im  Hinblick  auf  seinen  billigen  Preis, 
jedem  Arzte  wärmstens  empfohlen  werden. 

Schwab-  Berlin  (Schöneberg). 

Warum  kommen  die  Kinder  in  der  Schule  nicht  vorwärts? 

2  Vorträge  vor  der  Schulkommission  des  ärztlichen  Vereins 
in  München  von  Dr.  Alb.  Uffenheimer,  Privatdozent  für 
Kinderheilkunde  in  München  und  Dr.  Otto  S  t  ä  h  1  i  n,  Professor 
am  k.  Maxgymnasium  in  München.  Verlag  der  „Aerztl.  Rund¬ 
schau“  (Otto  Gmelin,  München).  Der  Arzt  als  Erzieher. 
Heft  28.  Preis  1.40  M. 

Die  eingehende  Beantwortung  dieser  so  sehr  aktuellen 
Frage  von  einem  Kinderarzt  und  von  einem  Gymnasial¬ 
professor  wird  gewiss  allgemeines  Interesse  erwecken.  Es  ist 
erfreulich,  dass  weder  der  Arzt  noch  der  Schulmann  in  das  jetzt 
so  gebräuchliche,  sentimentale  Gejammer  über  die  Ueber- 
biirdung  unserer  Schule  mit  einstimmen.  Der  Arzt  beantwortet 
die  Frage  —  wie  uns  scheinen  möchte,  doch  etwas  einseitig  — 
damit,  dass  die  meisten  Kinder  in  der  Schule  nicht  vorwärts 
kommen,  weil  sie  nicht  ganz  normal  sind;  fast  %  des  ganzen 
Vortrages  beschäftigt  sich  mit  den  psychopathischen  Kindern, 
deren  Prozentsatz  doch  kein  dem  entsprechender  sein  dürfte 
und  für  deren  Fortkommen  ein  gesundes  Schulsystem  auch 
nicht  eingerichtet  werden  kann.  Auch  dass  die  Schule  auf  vor¬ 
übergehende  Störungen  z.  B.  im  Pubertätsalter  Rücksicht 
nehme,  scheint  uns  mit  Prof.  S  t  ä  h  1  i  n  zu  viel  gefordert,  da  die 
Schüler  derselben  Klasse  an  Alter  und  Entwicklung  viel  zu  ver¬ 
schieden  sind.  Beherzigenswert  erscheint  uns  in  dem  Vortrag 
hauptsächlich  die  Erwähnung,  in  wie  weit  die  häuslichen  Ver¬ 
hältnisse  an  den  psychischen  Störungen  der  Kinder  Schuld 
tragen;  auf  der  einen  Seite  durch  ungenügende  Ernährung, 
Mangel  an  Schlaf  etc.,  auf  der  andern  durch  allzu  grosse  Ver¬ 
wöhnung,  ängstliches  Fernhalten  namentlich  der  einzigen  Kin¬ 
der  von  gleichaltrigen  Kameraden,  Genuss  von  Alkohol  und 
Nikotin,  Besuch  von  abendlichen  Vergnügungen,  aufregende 
Privatlektüre  etc. 

Der  2.  Vortragende,  Prof.  S  t  ä  h  1  i  n,  der  zu  dem  nicht  er¬ 
freulichen  Resultat  kommt,  dass  nur  %  der  Schüler  die  Mittel¬ 
schule  ganz  glatt  und  ohne  zu  grosse  Anstrengung  absolviert, 
beantwortet  die  gestellte  Frage  damit:  an  den  schlechten  Lei¬ 
stungen  kann  der  Schüler,  die  Einrichtung  der  Schule  und  end¬ 
lich  der  Lehrer  selbst  die  Schuld  tragen;  der  Schüler  durch 
Mangel  an  Begabung,  Fleiss  und  Aufmerksamkeit;  die  Schule 
durch  schlechte  Räume,  Mangel  an  Spielplätzen,  zu  grosses 


1834 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Vielerlei  der  Unterrichtsgegenstände,  vor  allem  durch  zu  grosse 
Schülerzahl;  die  Lehrer  endlich  dadurch,  dass  sie  das  Interesse 
der  Schüler  nicht  zu  fesseln  vermögen  und  deren  Liebe  durch 
verletzende  Behandlung  verlieren.  Vortragender  betont  mit 
Recht,  welch  grosses  Interesse  gerade  Eltern  und  Aerzte 
daran  hätten,  den  Lehrerstand  zu  heben  durch  höhere  soziale 
Wertschätzung  und  bessere  Besoldung.  Es  würde  zu  weit 
führen,  auf  die  Einzelheiten  des  trefflichen  Vortrages  hier  näher 
einzugehen;  die  Lektüre  beider  Vorträge  kann  Eltern  und 
Aerzten  aufs  Wärmste  empfohlen  werden. 

A.  Gr  assmann  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin,  Bd.  91.  l.u.2.  Heft 

l)  A.  Pdehn:  Die  Wasserbilanz  des  Blutes.  Mit  3  Kurven. 

Ein  direkter  Einfluss  von  Wasseraufnahme  und  Wasserabgabe, 
wie  er  als  „Verwässerung“  oder  „Eindickung“  des  Blutes,  speziell 
des  Blutserums  sich  bekunden  soll,  existiert  beim  Gesunden  nicht:  das 
gleiche  gilt  für  verschiedene  Erkrankungen  des  Herzens,  der  Nieren 
und  des  Blutes,  sowie  für  die  Rekonvaleszenz.  Das  Blut  besitzt 
vielmehr  in  ausserordentlichem  Grade  die  Fähig¬ 
keit,  seinen  Wassergehalt  bei  dem  gleichen  Indi¬ 
viduum  konstant  zu  erhalten.  Bei  Flüssigkejtszufuhr  in 
den  Verdauungskanal  gelangt  das  Wasser  nicht  sofort  in  die  Blutbahn¬ 
kapillaren,  sondern  zunächst  durch  Imbibition  und  Diffusion  von  den 
Zellen  oder  den  Interzellularräumen  der  Darmschleimhaut  aus  in  das 
Zellzwischengewebe  und  die  Lymphspalten,  um  von  hier  aus  erst 
später  seitens  der  Blutkapillarzellen  (Endothelien)  aufgenommen  zu 
werden,  oder  zum  Teil  auch  allmählich  durch  Vermittlung  des  Lymph- 
gefässystems  in'  die  Blutbahn  überzugehen.  Diese  Flüssigkeitsauf¬ 
nahme  aus  dem  Zellzwischengewebe  in  das  Blut  kann  man  nicht  durch 
Filtrationsvorgänge  erklären;  es  ist  anzunehmen,  dass  eine  aktiv 
sekretorische  bezw.  resorptive  Tätigkeit  der  Blutkapillarendothelien 
den  Stoffaustausch  zwischen  Körpergewebe  und  Blutflüssigkeit  ver¬ 
mittelt.  'Das  Blutgefässystem  besitzt  offenbar  die 
Fähigkeit,  den  Wasseranteil  seines  Inhalts  unab¬ 
hängig  von  seiner  Umgebung  zu  regulieren.  Diese 
Regulierung  kann  man  sich  vielleicht  in  der  Weise  vorstellen,  dass 
die  aktiv  sekretorische  Tätigkeit  der  Blutkapillarwandzellen  an  den 
Stätten  der  Wasserabgabe,  also  in  den  Nieren  (Glomerulusschlingen) 
und  der  Haut  (Schweissdrüsen)  direkt  vom  Nervensystem  abhängig 
ist,  indem  diese  Zellen  bei  reichlicher  Flüssigkeitsaufnahme  in  den 
Magen  reflektorisch  von  diesem  aus  die  Anregung  erhalten,  das  Blut 
von  jenem  Zuviel  an  Wasser  zu  befreien,  welches  sich  mangels 
eines  die  Abscheidung  auslösenden  derartigen  Reizes  vorher  ins 
Blut  gewissermassen  „eingeschlichen“  hatte.  Diese  Vorstellungen 
gelten  in  gewissem  Umfange  auch  für  andere  Blutbestandteile,  z.  B. 
NaCl,  Na2S04,  Harnstoff  und  Zucker. 

2)  H.  Boruttau  und  E.  Stadeil  mann:  Ueber  Kreosot-  und 
Lysolvergiftung.  (Aus  der  I.  medizin.  Abteilung  und  dem  chemischen 
Laboratorium  des  städtischen  Krankenhauses  Friedrichshain  in  Berlin.) 

Krankengeschichte  und  Autopsiebefund  unter  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Harnuntersuchung. 

3)  Schlayer,  Hedinger  und  Takayasu:  Ueber  ne- 
phritisches  Oedem.  (Aus  der  Tübinger  medizin.  Klinik.)  (Mit 
Tafel  I  und  II.) 

Wie  bei  der  menschlichen  Nephritis  mit  Oedem  kann  auch  bei 
der  einzigen  von  spontanem  Oedem  begleiteten  toxischen  Nephritis, 
der  Urannephritis,  weder  das  anatomische  Bild  noch  die  Unter¬ 
suchung  des  Urins  Aufschluss  über  die  Ursache  der  Oedembildung 
geben.  Die  Uranniere,  die  ihren  Anfangs-  wie  Endstadien  nach  zu 
den  tubulären  zu  rechnen  ist,  die,  wie  z.  B.  Chrom-  und  Sublimat¬ 
niere,  ohne  spontanes  Oedem  verlaufen,  unterscheidet  sich  von  diesen 
durch  ein  auffallendes  funktionelles  Verhalten.  Nach  einer  Dauer 
der  Vergiftung,  nach  welcher  die  anderen  tubulären  ödemlosen  Ne¬ 
phritiden  noch  starke  Polyurie  auf  erhöhte  Zufuhr  aufweisen,  ver¬ 
sagt  bei  Uran  unter  gleichen  Bedingungen,  namentlich  gleichem  Ver¬ 
halten  der  Nierengefässe,  die  Ausscheidung  plötzlich.  Dieses  Ver¬ 
sagen  auf  Mehrbeanspruchung  ist  nicht  durch  extrarenale  Momente 
bedingt,  sondern  eine  Folge  der  vom  Uran  erzeugten  Nierenschädi- 
gung.  Dadurch  werden  die  Nierengefässe  für  Wasser  und  NaCl  un¬ 
durchlässig,  ohne  dass  diese  schweren  Störungen  der  Nierengefäss- 
tätigkcit  anatomisch  erkennbar  wären;  letzteres  dürfte  wohl  auch 
für  die  von  Oedem  begleitete  Nephritis  beim  Menschen  zutreffen. 
Das  frühzeitige  Undurchlässigwerden  der  Nierengefässe  bei  der 
Urannephritis  und  die  dadurch  bedingte  Retention  von  Wasser  und 
NaCl  in  Verbindung  mit  einer  geschädigten  Kontraktions-  und  Dila¬ 
tationsfähigkeit  der  Nierengefässe  führen  zur  Oedembildung,  indem 
im  Sinne  einer  fortschreitenden  Schädigung  des  Gefässystems  durch 
das  Uran  die  Hautgefässe  unter  Bildung  von  Oedem  durchlässig  wer¬ 
den.  Zum  Auftreten  des  Oedems  bei  der  Urannephritis  sind  also  2 
zusammenwirkende  Faktoren  nötig:  eine  starke  Kochsalz-  und  Was¬ 
serretention  infolge  Nierenstörung  und  eine  Schädigung  der  Haut¬ 
gefässe. 

4)  E.  Stadler:  Experimentelle  und  histologische  Beiträge  zur 
Herzhypertrophie.  (Aus  der  medizin.  Klinik  zu  Leipzig.)  (Mit  Tafel 

III  und  IV.) 


Bei  experimentell  an  Kaninchen  erzeugten  Klappenfehlern  fand 
sich  neben  der  Hypertrophie  der  Muskelfasern  im  rechten  Vorhofe, 
bisweilen  im  rechten  Ventrikel,  sowie  in  den  Papillarmuskeln  eine 
mehr  weniger  hochgradige  diffuse  Vermehrung  des  Bindegewebes, 
die  jedoch  nicht  als  ein  entzündlicher  Vorgang  oder  als  Ernährungs¬ 
störung  aufzufassen  ist.  Lokalisation  und  das  Mass  der  Bindegewebs¬ 
vermehrung  wiesen  vielmehr  auf  die  mechanischen  Verhältnisse  der 
Klappenfehler  als  Entstehungsursache  hin.  Muskulatur  und 
Bindegewebe  hypertrophieren  entsprechend  den 
gesteigerten  Anforderungen  und  bestätigen  die 
Auffassung  von  der  mechanischen  Entstehungs¬ 
weise  der  „Myofibrosis  cordi s“.  In  den  ersten  Stadien 
ihrer  Entwicklung  kann  der  Myofibrose  wohl  ein  gewisser  Schutz 
gegen  stärkere  Ueberdehnung  der  Herzwand  zugeschrieben  werden; 
bei  weiterer  Entwickelung  wird  sie  jedoch  infolge  Veränderung  der 
Herzwand  zu  einer  Verminderung  des  Nutzeffektes  der  Herzarbeit 
führen.  Neben  den  mechanisch  bedingten  Veränderungen  können 
natürlich  z.  B.  bei  Nephritikerherzen  auch  echte  Entzündungsherde 
Vorkommen. 

5)  E.  Hessdörfer:  Zur  Pathologie  und  Physiologie  der  spi¬ 
nalen  Temperatursinnesstörung.  (Mit  5  Abbildungen.) 

Es  gibt  Temperaturempfindungslähmungen  für  einen  kleinen  Um¬ 
fang  von  Temperaturen  bei  im  übrigen  erhaltenem  Wärme-  und 
Kälteempfinden.  Sowohl  die  Erfahrung  am  Krankenbett  als  das  Ex¬ 
periment  zeigen,  dass  infolge  rein  zentraler  Einflüsse  ein  Temperatur¬ 
reiz  als  warm  empfunden  werden  kann,  der  unter  anderen  zen¬ 
tralen  Verhältnissen  als  kalt  empfunden  wird.  Wir  schliessen  daraus, 
dass  es  peripher  getrennte  Leitungen  für  die  einzelnen  Temperaturen 
gibt,  und  dass  erst  zentral  diese  Empfindungen  von  Temperaturen 
mit  ihrem  bestimmten  Oualitätscharakter  belegt  werden. 

6)  A.  N  i  c  o  1  a  i  e  r  und  M.  D  o  h  r  n :  Ueber  den  Wert  der  H  i  s  - 
sehen  Methode  zur  Harnsäurebestimmung. 

Die  Hissche  Methode  ist  zur  quantitativen  Bestimmung  der 
Harnsäure  im  Urin  nicht  brauchbar. 

7)  E.  Bruck:  Ueber  den  Blutdruck  bei  plötzlichen  starken  An¬ 
strengungen  und  beim  V  a  1  s  a  1  v  a  sehen  Versuch  nebst  Unter¬ 
suchungen  über  die  hierbei  eintretenden  Veränderungen  der  Herz¬ 
grösse.  (Aus  der  medizin.  Universitätspoliklinik  in  Breslau.)  (Mit 
5  Kurven.) 

Die  in  allen  Fällen  vorhandene  Drucksteigerung  am  Anfang  des 
Versuches  schwankt  zwischen  20  und  etwa  70  mm;  sie  beträgt  im 
Durchschnitt  30— 40  mm.  Die  in  sämtlichen  Fällen  darauffolgende 
Drucksenkung  reicht  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  bis  unter  den  Normal¬ 
druck  herab.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  tritt  eine  2.  Drucksteigerung 
ein,  die  in  der  Regel  das  ursprüngliche  Druckniveau  überschreitet, 
das  Anfangsmaximum  jedoch  oft  nicht  erreicht.  Das  Herz  kann  durch 
den  Mechanismus  plötzlicher  Anstrengung  in  doppelter  Weise  ge¬ 
schädigt  werden:  einmal  durch  Kompression,  die  mit  mangelhafter 
Blutzufuhr  einhergeht,  andererseits  durch  die  plötzliche  Dehnung 
nach  Aufhören  der  Anstrengung. 

8)  E.  Gottstein:  Ueber  Polymyositis.  (Aus  der  inneren  Ab¬ 
teilung  der  Akademie  für  praktische  Medizin.)  (Mit  3  Abbildungen.) 

Die  Untersuchung  exzidierter  Muskelstückchen  ergab  rein 
parenchymatöse  Veränderungen,  zum  Teil  fand  sich  ödematöse  Durch¬ 
tränkung  der  Muskelfasern,  in  schwerer  veränderten  Partien  waren 
fast  gar  keine  Kerne  mehr  zu  sehen;  das  interstitielle  Gewebe  zeigte 
keinerlei  Veränderungen.  Die  erwähnten  Erscheinungen  der  Mus¬ 
kulatur  gingen  allmählich,  aber  völlig  zurück,  ohne  Atrophien  zu 
hinterlassen.  Das  Blut  des  Kranken  war  steril.  Salizylpräparate 
waren  erfolglos,  dagegen  erwies  sich  das  permanente  Bad  sehr 

wirksam.  , 

9)  A.  Bittorf:  Ueber  die  Verteilung  des  proteolytischen  Leu¬ 
kozytenferments  und  seines  Antiferments  in  Harn,  Blut  und  Auswurf 
im  Verlaufe  der  kruppösen  Pneumonie.  (Aus  der  medizin.  Univer¬ 
sitätsklinik  Breslau.)  (Mit  5  Kurven.) 

Zur  Zeit  der  Krise  resp.  Lösung  der  Pneumonie  besitzt  der 
Harn  ein  gesteigertes  Lösungsvermögen  für  Fibrin,  da  das  bei  der 
Lösung  der  Lungenentzündung  wirksame,  das  fibrinöse  Exsudat  auf¬ 
lösende  Ferment  teilweise  resorbiert  wird.  Es  handelt  sich  dabei 
um  ein  tryptisch  wirkendes,  neu  auftretendes  Harnferment,  das  von 
den  Leukozyten  stammend  aus  dem  Pneumonieexsudat  ins  Blut  über¬ 
geht.  Da  tatsächlich  ein  Teil  des  zur  Autolyse  des  pneumonischen 
Infiltrates  führenden  proteolytischen  Leukozytenferments  resorbiert 
wird,  sinkt  der  normale  Antifermentgehalt  des  Blutes;  in  lytisch 
endenden  Fällen  oder  bei  sehr  rasch  verlaufenden  Krisen  ist  dieser 
Nachweis  schwerer  zu  führen.  Das  typische  Pneumoniesputum  zeigt 
im  Beginne  der  Erkrankung  trotz  reichen  Leukozytengehaltes  keine 
proteolytische  Wirkung,  die  erst  im  Beginne  der  Lösung  in  Erschei¬ 
nung  tritt;  dieser  Uebergang  erfolgt  plötzlich.  Atypische  Pneumonien 
zeigen  natürlich  auch  Abweichungen  von  diesem  Verhalten  des  Spu¬ 
tums.  Bamberger-  Kronach. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  83.  Bd.  3.  Heft.  Hirsch- 
wald,  1907. 

34)  R  e  h  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Chirurgie  des  Herzens  und  des 
Herzbeutels. 

36)  Göbell:  Zur  Totalexstirpation  von  Pankreaszysten. 

(Chirurg.  Klinik  in  Kiel.) 

38)  G  1  u  c  k  -  Berlin:  Zur  Chirurgie  des  Herzbeutels. 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1835 


40)  Stettiner-  Berlin :  Ueber  Atresia  ani  et  coinmunicatio 
recti  cum  parte  prostatica  urethrae  (Atresia  ani  urethralis)  und  über 
multiple  Darmatresien  und  Stenosen. 

42)  Haas  ler:  Die  rechtsseitige  Hernia  duodeiio-jejunalis. 

(Chirurg.  Klinik  in  Halle.) 

Vorträge  auf  dem  36.  Chirurgen-Kongress.  Referate  siehe  No. 
16 — 20  dieser  Wochenschrift. 

33)  Klein:  Ueber  abdominale  Radikaloperation  bei  eitrigen 
Adnexerkrankungen.  (Chirurg.  Abteilung  des  Kaiser  Franz-Joseph- 
Krankenhauses  in  Mährisch-Ostrau.) 

K.  berichtet  über  48  operierte  Fälle  von  eitrigen  Adnexerkran¬ 
kungen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Dauerresultate.  Er 
verwirft  auf  grund  seiner  Erfahrungen  sowohl  die  isolierte  Tuben¬ 
exstirpationen  wie  die  Inzisionen  von  Abszessen  und  alles  vaginale 
Operieren  bei  diesem  Leiden.  Wenn  es  überhaupt  einmal  zur  Ope¬ 
ration  kommt,  soll  radikal  vorgegangen  und  der  Uterus  samt  den 
Adnexen  entfernt  werden:  auch  die  Zurücklassung  der  Zervix  ist 
wegen  der  häufigen  Stumpfexsudate  nicht  zu  empfehlen. 

K.  bespricht  ausführlich  Befund,  Diagnose  und  Operationsme¬ 
thode  bei  seinen  Fällen  und  schildert  die  häufigen  durch  Verwachsung 
entstehenden  Schwierigkeiten  und  daraus  resultierenden  Komplika¬ 
tionen,  Darmfisteln,  Blasenverletzung  etc.  Die  Mortalität  betrug 
6,25  Proz.  Die  Dauerresultate  waren  recht  gute,  die  Ausfallerschei¬ 
nungen  im  allgemeinen  sehr  gering;  allerdings  war  in  56  Proz. 
der  Fälle  ein  Ovarium  zurückgelassen  worden.  Die  Krankenge¬ 
schichten  sind  ausführlich  wiedergegeben. 

35)  V  i  1 1  i  n  g  e  r  -  Altona:  Ueber  Versuche  mit  einem  neuen 
Mittel  für  Inhalationsnarkose  (Dioform). 

V.  hat  das  Mittel  —  Azetylendichlorid  —  zunächst  an  Hunden 
versucht  und  festgestellt,  dass  sich  damit  sehr  gute  Narkosen  ohne 
schädliche  Neben-  und  Nachwirkungen  erzielen  lassen.  Beim  Menschen 
hat  er  das  Dioform  5  mal  zu  Narkosen  verwendet:  diese  Narkosen 
verliefen  sehr  gut  und  ohne  jede  Störung.  Das  Mittel  dürfte  also 
der  weiteren  Prüfung  wert  sein. 

37)  P  o  u  1  s  e  n  -  Kopenhagen:  Luxatio  ossis  iunati. 

Im  Anschluss  an  drei  selbstbeobachtete  Fälle  bespricht  P.  die 
Literatur  und  den  Mechanismus  der  Verletzung.  Die  Symptome  sind 
ausser  der  Stellungsveränderung  und  der  Schwellung  des  Handgelenkes 
vor  allem  Schmerzen  und  Sensibilitätsstörungen  im  Medianusgebiete 
und  Einschränkung  der  Funktion,  vor  allem  der  Volarflexion.  In 
älteren  Fällen  sind  die  Erscheinungen  wohl  mehr  durch  die  be¬ 
gleitende  chronische  Arthritis  des  Handgelenkes,  als  durch  das  lu- 
xierte  Lunatum  bedingt. 

Die  unblutige  Reposition  glückt  nur  selten,  die  blutige  Reposition 
kann  in  frischen  Fällen  manchmal  mit  gutem  Erfolg  gemacht  werden. 
Meist  ist  aber  die  Exstirpation  das  beste  Verfahren  und  zwar  wird 
sie  am  zweckmässigsten  bald  nach  der  Verletzung  ausgeführt.  Auch 
in  älteren  Fällen,  wo  Schmerzen  und  Paresen  den  Gebrauch  der 
Hand  unmöglich  machen,  ist  die  Exstirpation  indiziert.  Findet  sich 
nur  Steifigkeit  des  Handgelenkes  und  ist  der  Fall  sehr  alt,  dann  ist 
von  der  Entfernung  des  Mondbeines  kein  Erfolg  mehr  zu  erwarten. 

39)  Guleke:  Zwergwuchs  infolge  prämaturer  Synostose.  (Chi¬ 
rurgische  Universitätsklinik  in  Berlin.) 

G.  beschreibt  drei  interessante  Fälle.  Der  erste  betrifft  ein 
19  jähriges  Mädchen,  das  in  seiner  Jugend  an  schwerer  Rachitis  ge¬ 
litten  hatte  und  noch  deutliche  Zeichen  derselben  aufwies.  Die 
Kranke,  die  132  cm  gross  war,  war  bis  zu  ihrem  13.  Jahre  ge¬ 
wachsen,  dann  hatte  jedes  Wachstum  aufgehört:  das  Röntgenbild 
ergab  eine  völlige  Verknöcherung  sämtlicher  Epiphysen,  sowohl  der 
langen  Röhrenknochen,  als  auch  des  Handskeletts.  Ganz  ähnliche 
Verhältnisse  fanden  sich  auch  bei  der  15  jährigen,  nur  123  cm  grossen 
Schwester  der  Patientin,  die  ebenfalls  seit  ihrem  13.  Jahre  nicht  mehr 
gewachsen  war  und  auch  eine  fast  vollständige  Verknöcherung  der 
Knorpelfugen  neben  alten  rachitischen  Veränderungen  aufwies.  End¬ 
lich  führt  G.  noch  einen  dritten  Fall  der  gleichen  Art  an:  1 9 jäh r . 
Mädchen,  134  cm  gross,  seit  dem  9.  Jahre  Wachstumsstillstand,  Ver¬ 
knöcherung  aller  Epiphysenfugen.  Da  alle  3  Patientinnen  Rachitis 
gehabt  haben,  ist  die  vorzeitige  Synostose  wohl  damit  in  Beziehung 
zu  bringen,  ohne  dass  aber  etwas  genaueres  über  den  Zusammen¬ 
hang  des  Leidens  gesagt  werden  könnte. 

41)  Hen  sehen:  Ueber  Schiefhalsbildung  und  Wirbelsäulever- 
krüinmungen  bei  dyspnoischen  Strumen.  (Chirurg.  Klinik  in  Zürich.) 

Wie  K  r  ö  n  1  e  i  n  gezeigt  hat,  ist  die  Dyspnoe  der  Struma¬ 
kranken  in  der  Hauptsache  durch  forcierte  Muskelaktion  der  auxiliären 
Atemmuskeln  am  Halse  bedingt,  die  den  Kopf  wie  eine  Druckpelotte 
gegen  die  Trachea  andrücken.  Bei  einseitigen  Kröpfen  spielt  der 
Sternokleidomastoideus  in  dieser  Beziehung  die  Hauptrolle.  Aus 
diesem  Verhalten  erklären  sich  gewisse  stereotype  Haltungsanomalien 
und  Zwangsstellungen  des  Kopfes,  durch  die  der  Kropfige  instinktiv 
und  automatisch  einmal  diese  Druckwirkung  der  überlagernden 
Muskeln  auszuschalten  sucht,  andererseits  mittelst  der  Umbiegung  der 
Wirbelsäule  ein  Ausweichen  der  Luftröhre,  eine  skoliotische  Tracheal- 
deviation  begünstigt.  Bei  medianer  symmetrischer  Struma  mit  retro¬ 
sternaler  Lagerung  begegnet  man  einer  Anteflexion  des  Kopfes,  bei 
suprasternalen  Medianstrumen  oft  einer  Retroflexion  des  Kopfes;  bei 
einseitigen  Kompressionsstrumen  kommt  es  zur  Schiefhalsstellung  mit 
Neigung  des  Kopfes  nach  der  kranken  und  Drehung  nach  der  ge¬ 
sunden  Seite. 


Bei  Erwachsenen  gleichen  sich  diese  Haltungsanomalien  nach 
Entfernung  des  Kropfes  sofort  wieder  aus;  bei  jugendlichen  Indi¬ 
viduen  mit  dyspnoischen  Strumen  kann  sich  durch  funktionelle  An¬ 
passung  des  Muskels  aber  ein  reeller  myogener  Schiefhals  mit  allen 
Folgeerscheinungen  am  Kopfe  und  Thoraxskelett  entwickeln. 

H.  führt  mehrere  Beobachtungen  dieser  Art  an  und  geht  dann 
noch  genauer  ein  auf  die  Mechanik  und  die  verschiedenen  Formen 
der  Wirbelsäuledeviationen  bei  Kropfträgern. 

43)  Kleinere  Mitteilungen. 

G  r  ü  n  e  i  s  e  n  -  Weissenfels:  Zur  Kasuistik  der  Hernia  obtura- 
toria  incarcerata. 

Operation  vom  Bauch  aus.  Der  Darm  war  intakt.  Heilung. 

H  e  i  n  e  k  e  -  Leipzig. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  35. 

A.  R  i  e  c  k  -  Altona:  Ein  Fall  von  interstitieller  Tubenschwanger¬ 
schaft.  Perforation  durch  die  Uterus-  und  Tubensondierung. 

Der  Fall  betraf  eine  28  jähr.  II.  Para,  die  wegen  vermuteten 
Aborts  ausgekratzt  war,  wieder  Blutungen  bekam  und  nun  einen 
apfelgrossen  Tumor  links  neben  dem  Uterus  aufwies.  Sondierung  zur 
Entscheidung  der  Frage,  ob  Myom  oder  Abortreste  Vorlagen?  Hier¬ 
bei  kam  es  zur  Perforation  mit  Kollaps  und  allen  Zeichen  innerer 
Verblutung.  Bei  der  Laparotomie  erwies  sich  der  Tumor  als  inter¬ 
stitielle  Gravidität,  die  durch  die  Sonde  perforiert  worden  war.  Hei¬ 
lung  nach  24  Tagen. 

Der  Fall  lehrt  einwandsfrei  die  Möglichkeit  eines  Vordringens  der 
Sonde  in  die  Tube  bei  der  Sondierung  des  Uterus,  Dass  hierbei  eine 
Tubenschwangerschaft  perforiert  und  dadurch  eine  fast  tödlich  ver¬ 
laufende  Blutung  verursacht  wurde,  macht  den  Fall  doppelt  lehrreich. 
Die  Perforation  war  übrigens  nicht  von  R.,  sondern  vom  behandelnden 
Arzte  gemacht  worden. 

W.  S.  G  r  o  u  z  d  e  w  -  Kasan:  Zur  Frage  der  Komplikation  der 
Vesiko-Vaginalfisteln  durch  Inkarzeration  der  vorgefallenen  Blase. 

Inkarzeration  der  vorgefallenen  Blase  bei  Blasenscheidenfisteln 
ist  sehr  selten.  G.  beschreibt  einen  einschlägigen  Fall  bei  einer 
35  jähr.  VI.  Para.  Ein  Teil  der  Blasenschleimhaut  war  nekrotisch  ge¬ 
worden.  Da  die  manuelle  Reposition  nicht  gelang,  so  versuchte  G. 
dieselbe  durch  methodische  Tamponade,  was  nach  3  Tagen  Erfolg 
hatte.  17  Tage  später  schloss  G.  die  Fistel.  Die  Heilung  trat  ohne 
Störung  ein;  eine  im  Gehen  noch  vorhandene  Inkontinenz  wurde  durch 
Faradisation  der  Harnröhre  erheblich  gebessert. 

W.  R  u  b  e  s  k  a  -  Prag:  Geburten  bei  Gebärmuttermyomen. 

5  Fälle  von  Geburten,  die  durch  Myome  kompliziert  waren.  Am 
bemerkenswertesten  war  der  1.  Fall,  wo  R.  nach  Beginn  der  Geburt 
zuerst  das  Myom  durch  Laparotomie  entfernte,  dann  sofort  die  Ge¬ 
burt  durch  Wendung  und  Extraktion  beendete  und  nun  erst  die  Nähte 
in  dem  Operationsgebiete  legte.  Mutter  und  Kind  blieben  am  Leben. 
Die  übrigen  Fälle  wurden  teils  durch  Sectio  caesarea,  teils  durch 
hintere  Kolpotomie,  Morcellement  oder  Enukleation  vom  inneren 
Muttermund  aus  beendet. 

E.  Jaeggy-Bern:  Ueber  den  Eiweissabbau  im  Fötus. 

J.  konnte  das  Erepsin,  ein  für  den  Eiweissabbau  wichtiges 
Ferment,  schon  vom  5.  Monat  an  im  fötalen  Darme  nachweisen,  nicht 
aber  im  Pankreas.  J.  schliesst  daraus,  dass  dem  fötalen  Darm,  ganz 
abgesehen  von  der  Verdauung,  eine  besondere  Rolle  im  Eiweiss¬ 
abbau  zukommt.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Bd.  66,  Heft  1. 

1)  H.  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  -  Berlin:  Ueber  alimentäre  Intoxikation. 

In  dem  vorliegenden  Aufsatz  entwickelt  Verf.  seine  Auffassung 
von  der  Einheitlichkeit  der  Ernährungsstörung,  von  der  es 
wohl  verschiedene  Abarten  und  Entwicklungsstufen  gäbe,  die  aber 
stets  eine  Wesenseinheit  sei,  nicht  aber  verschiedene  Krankheitstypen 
darstelle.  Die  Intoxikation,  welche  stets  ihre  Vorgeschichte  hat, 
ist  nach  Finkeistein  nur  der  höchste  Grad  dieser  einheitlichen 
Störung,  die,  wie  schon  früher  ausgeführt  wurde,  lediglich  alimentären 
Ursprunges  ist.  Die  Untersuchungsmethodik  hat  sich  dabei  auf  die 
Feststellung  der  Funktionsstörung  zu  erstrecken,  die  sich  in  einem 
mehr  weniger  abnormen  Ablauf  in  der  Erledigung  des  Ernährungs¬ 
vorganges  zu  erkennen  gibt.  So  beispielsweise  die  „paradoxe  Re¬ 
aktion“,  welche  auf  Erhöhung  der  Nahrungszufuhr  eine  Schädigung 
des  Organismus  (Gewichtsabnahme)  erkennen  lässt.  Neben  den  1  eil- 
erscheinungen  der  „Ernährungsreaktion“  an  Magen  und  Darm,  sind 
die  anderen  Symptome  —  Gewicht,  Temperatur,  Herztätigkeit, 
Atmung,  der  Bewegungen,  der  psychischen  und  nervösen  Vorgänge, 
die  Beschaffenheit  des  Urins  u.  a.  m.  —  von  Bedeutung.  Verf.  schil¬ 
dert  weiter  die  Kennzeichen  der  Gesundheit,  die  sich  neben  anderem 
in  einer  gewissen  Toleranzbreite  der  Ernährungsfunktion  kenn¬ 
zeichnet,  während  bei  der  Ernährungsstörung  eine  kianlkhafte  Be¬ 
einflussung  aller  jener  Merkmale  zu  erwarten  ist,  deren  untadelige 
Gestaltung  das  Korrelat  der  Gesundheit  bildet.  Minderwertigkeit 
des  Ernährungszustandes  und  krankhafter  Ablauf  des  Ernährungsvoi - 
ganges,  besonders  aber  Herabsetzung  der  Toleranzbreite  m  Quali¬ 
tativer  und  quantitativer  Hinsicht  gegen  Abänderungen  in  der  ni- 
nährungsweise  sind  die  Anzeichen  bestehender  Erkrankung.  I 
k  eist  ein  unterscheidet  innerhalb  der  einheitlichen  Ernährungs¬ 
störung  vier  durch  Ueber gänge  innig  verknüpfte  Stadien.  Stadium 
der  „Bilanzstörung“,  „Stadium  dyspepticum“,  dem  diejenigen  sclnve- 


1836 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


rer  Art,  „Stadium  der  Dekomposition“  und  der  „Intoxikation“  folgen 
können;  nähere  Charakteristik  derselben  und  Illustration  durch  Dia¬ 
gramme  und  Krankengeschichten  bilden  den  Schluss. 

2)  F.  K  e  r  m  a  u  n  e  r  -  Heidelberg:  Das  Gedeihen  der  Brust¬ 
kinder  in  Gehäranstalten  und  der  Einfluss  des  Fiebers  der  Wöch¬ 
nerinnen  auf  dieselben. 

Verf.  leitet  aus  seinen  sorgfältigen  Beobachtungen  den  Satz  ab, 
dass  zweifellos  in  dem  Fieber  der  Mutter  ein  äusserliches,  eines 
von  den  hygienischen  Momenten  gefunden  sei,  welches  das  Gedeihen 
der  Brustkinder  in  den  ersten  Tagen  in  entschiedener  und  ganz  auf¬ 
fälliger  Weise  beeinflusst;  dies  rein  äusserliche  Moment  ist  durch 
gewissenhafte  Sorgfalt  in  der  Pflege  wenigstens  bis  zu  einem  ge¬ 
wissen  Grade  auszuschalten.  Die  vorliegende  Arbeit  sei  besonders 
den  Leitern  von  Gebäranstalten  und  den  Geburtshelfern  überhaupt  zur 
Lektüre  wärmstens  empfohlen. 

3)  L.  T  o  b  1  e  r  -  Heidelberg:  Ueber  kongenitale  Muskelatonie 
(Myatonia  congenita  Oppenheim).  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik 
zu  Heidelberg.) 

Kasuistische  Mitteilung.  Hierzu  2  Tafeln. 

4)  H.  K  o  e  p  p  e  -  Giessen :  Die  Ernährung  mit  „Holländischer 
Säuglingsnahrung“,  ein  Buttermilchgemisch-Dauerpräparat. 

Verf.  gibt  im  ersten  Teil  seiner  Mitteilung  die  auf  Grund  vier¬ 
jähriger  Erfahrung  gegründeten  Indikationen  für  die  Buttermilch¬ 
ernährung  bekannt,  im  zweiten  Teil  verbreitet  er  sich  über  die 
Chemie  des  „Buttermilchgemisches“  und  über  das  Verhalten  der  H.  S. 
(Holländischen  Säuglingsnahrung)  im  Säuglingsmagen. 

5)  O.  R  o  t  h  b  e  r  g  -  Dorpat:  Ueber  den  Einfluss  der  organischen 
Nahrungskomponenten  (Eiweiss,  Fett,  Kohlehydrate)  auf  den  Kalk- 
umsatz  künstlich  genährter  Säuglinge.  (Aus  der  Universitäts-Kinder¬ 
klinik  zu  Breslau.) 

Die  Versuchsergebnisse  lassen  erkennen,  dass  der  Kalkstoff¬ 
wechsel  in  erheblichem  Grade  von  der  Art  der  Ernährung  abhängig 
ist  —  so  bewirkt  eine  an  Milchfett  reiche  Nahrung  bei  einer  Reihe  von 
künstlich  genährten  Säuglingen  eine  negative  Kalkbilanz.  Das¬ 
selbe  kann  auch  eine  kohlehvdratreiche  Nahrung  bewirken,  aber 
wahrscheinlich  in  weit  geringerem  Masse.  Die  Grösse  der  Kalkzufuhr 
(kommt  nach  dem  Verf.  beim  Umsatz  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht. 
N-  und  Ca-Bilanz  zeigten  in  den  untersuchten  Fällen  keine  Ueber- 
einstimmung.  Die  Retention  des  Kalkes  hängt  nach  Rothberg 
offenbar  von  dem  Verhalten  des  Organismus  bezw.  den  Vorgängen  im 
intermediären  Stoffwechsel  und  weiter  von  den  Vorgängen  im  Darm- 
traktus  ab  (wie  Ref.  auch  schon  früher  betont  hat).  Zum  Schlüsse 
wird  im  Hinblick  auf  die  negative  Kalkbilanz  der  Versuchskinder  bei 
Vollmilch  auf  die  klinische  Erfahrungstatsache  hingewiesen,  dass  bei 
Vollmilchernährung  bei  einer  grossen  Reihe  von  Kindern  schwere 
Rachitis  beobachtet  wird  (Ad.  Czerny). 

Vereinsberichte.  Literaturbericht  von  L.  Langstein. 

•  *  O.  R  o  m  m  e  1  -  München. 

Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  psychisch-ge¬ 
richtliche  Medizin.  Band  64,  Heft  2  u.  3.  1907. 

v.  V  1  e  u  te  n -Dalldorf:  Linksseitige  motorische  Apraxie.  Ein 
Beitrag  zur  Physiologie  des  Balkens. 

Ein  bis  dahin  gesunder.  55  jähriger  Mann  erkrankte  mit  psychi¬ 
schen  Symptomen.  Bei  der  Aufnahme:  Intelligenz  im  ganzen  gut. 
Störung  der  Wortfindung  mit  Paraphasie.  Apraktische  Störungen  der 
linksseitigen,  Reizerscheinungen  in  der  rechtsseitigen  Muskulatur. 
Später  auch  rechtshändig  dyspraktisch.  Zum  Schluss  eine  Art  Be¬ 
nommenheit.  Die  Sektion  ergab  einen  zentralen,  linkssitzenden 
Tumor,  welcher  Teile  <des  Markes  vom  Gvrus  limbicus,  des  Stirnhirn¬ 
markes  und  namentlich  des  Balkens  zerstört  hatte.  Die  Apraxie  wird 
auf  Unterbrechung  der  Balkenleitung  bezogen. 

G  o  1  ds  t  e  iln  -  Königsberg:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den 
Alkoholpsychosen.  Nebst  einigen  Bemerkungen  über  die  Entstehung 
von  Halluzinationen. 

Mitteilung  von  11  Krankengeschichten.  Sie  betreffen  zum  Teil 
Mischzustände  zwischen  der  akuten  Alkoholhalluzinose  und  dem  De¬ 
lirium  tremens  alkoholicum,  zum  Teil  chronisch-alkoholistische 
Psvchosen.  —  Wenn  optische  Halluzinationen  vorwiegen,  ist  eine 
stärkere  Bewusstseinstrübung  vorhanden,  während  bei  akusti¬ 
schen  Halluzinationen  die  Kranken  viel  besonnener  sind. 

Awtokratow:  Die  Geisteskranken  im  russischen  Heere 
während  des  japanischen  Krieges. 

In  einem  kurzen  Referat  nicht  gut  wiederzugeben.  Verf.,  Be¬ 
vollmächtigter  des  Roten  Kreuzes  für  Verpflegungs-.  Behandlungs¬ 
und  Evakuationswesen  Geisteskranker  im  Felde,  schildert  namentlich 
die  Organisation  der  Verpflegung,  Behandlung  und  Evakuation  Geistes¬ 
kranker  am  Kriegsschauplätze  und  bringt  dann  eine  Uebersicht  über 
die  aufgetretenen  Psychosen.  Unter  den  Erkrankungen  der  Offiziere 
nimmt  der  chronische  Alkoholismus  die  erste  Stelle  ein,  bei  den  Sol¬ 
daten  die  epileptischen  Psychosen. 

H  o  p  p  e  -  Allenberg  (Ostpreussen) :  Psychiatrisches  aus  Nord- 
Amerika. 

Der  interessante  Aufsatz  muss  im  Original  nachgelesen  werden. 
Er  behandelt  u.  a.  die  Irrenfürsorge,  die  Stellung  der  Aerzte  an  den 
Irrenanstalten  (welche  keine  wesentlichen  Unterschiede  zu  deutschen 
Verhältnissen  zeigt),  das  Pflegepersonal  (das  in  den  New  Yorker  An¬ 


stalten  sozial  besser  gestellt  ist,  wie  bei  uns),  die  Verpflegung  und 
ärztliche  Behandlung  der  Kranken,  den  Modus  der  Einlieferung  Kran¬ 
ker,  die  innere  Einrichtung  der  Anstalten,  die  Fürsorge  für  Epilep¬ 
tische  und  Schwachsinnige. 

W  o  1  f  s  o  h  n  -  Zürich:  Die  Heredität  bei  Dementia  praecox. 

Sorgfältige  statistische  Arbeit.  Ca.  90  Proz.  aller  Fälle  von 
Dementia  praecox  waren  hereditär  belastet.  Von  den  Belastungs¬ 
faktoren  ist  Geisteskrankheit  mit  64  Proz.  am  häufigsten  vertreten; 
sodann  folgen  Nervenkrankheiten,  Alkoholismus,  sonderbare  Charak¬ 
tere.  Die  Heredität  war  in  34  Proz.  kombiniert;  namentlich  Geistes¬ 
krankheit  mit  Alkoholismus,  Geisteskrankheit  mit  Nervenkrank¬ 
heiten.  Der  Einfluss  der  Belastung  hat  keine  ausschlaggebende  Be¬ 
deutung  für  den  Ausgang  des  ersten  Schubes  der  Dementia  praecox. 

B  i  r  n  b  a  u  m  -  Herzberge  (Berlin):  Ueber  degenerative  Phan¬ 
tasten. 

Unter  den  „degenerativen  Phantasten“  wird  eine  Unterabteilung 
der  „psychopathischen  Persönlichkeiten“  verstanden,  bei  denen  eine 
„Ungleichmässigkeit  in  der  Ausbildung  der  Vorstellungselemente,  ein 
Ueberwiegen  des  Phantasiespieles  im  Vorstellungsleben“  das  hervor¬ 
stechendste  Merkmal  ist.  Dem  entsprechend  ist  bei  solchen  Kranken 
auch  die  Lebensführung  abnorm.  —  Uebergänge  zu  den  pathologischen 
Schwindlern  und  anderen  Degenerierten.  Aehnlichkeit  mit  bestimm¬ 
ten  Aeusserungen  des  angeborenen  Schwachsinns,  der  Dementia 
paranoides,  der  Paranoia. 

Verhandlungen  psychiatrischer  Vereine. 

Psychiatrischer  Verein  zu  Berlin.  120.  (15.  Dezember  1906)  bis 
122.  Sitzung.  —  Jahresversammlung  des  Deutschen  Vereins  für 
Psychiatrie  am  26.  bis  28.  April  1907  in  Frankfurt  a.  M.  und  Giessen. 

- —  Verein  der  Irrenärzte  Niedersachsens  und  Westfalens,  4.  Mai  1907, 
Hannover. 

Kleinere  Mitteilungen.  M.  R  e  i  c  h  a  r  d  t  -  Wiirzburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  34  u.  35,  1907. 

No.  34.  l)  H  ö  1  k  e  r  -  Berlin:  Ueber  sporadische  Meningitis  cere¬ 
brospinalis  epidemica  und  ihre  diagnostische  Abgrenzung  von  anderen 
meningealen  Erkrankungen. 

Verf.  gibt  eine  Besprechung,  zum  Teil  mit  Wiedergabe  der  Kran¬ 
kengeschichten  von  neun  Fällen,  in  welchen  das  Bild  einer  Genick¬ 
starreerkrankung  bestand  und  die  Diagnose  grössere  Schwierigkeiten 
machte.  In  zwei  Fällen  liess  sich  der  Erreger  der  Krankheit  erst  im 
späteren  Verlaufe  [2.  und  5.  Woche)  feststellen,  was  für  die  Pro¬ 
phylaxe  der  Seuche  von  praktischer  Bedeutung  ist.  In  anderen  Fällen 
handelte  es  sich  um  eine  eitrige  tuberkulöse  Meningitis;  bei  6  Fällen 
bestand  Verdacht  auf  epidemische  Genickstarre,  während  die  Lumbal¬ 
punktionen  immer  einen  negativen  Befund  ergaben  (einmal  Syphilis, 
einmal  Tumor,  einmal  hämorrhagische  Diathese  mit  Blutungen,  zwei¬ 
mal  Tuberkulose).  Das  Symptom  der  Lymphozytose  erwies  sich 
betreff  der  Differentialdiagnose  als  nicht  sehr  zuverlässig. 

2)  E.  Benjamin  und  E.  S  1  u  k  a  -  Wien :  Ueber  eine  chro¬ 
nische,  mit  Ikterus  einhergehende  Erkrankung  des  Blutes. 

Die  Verfasser  bringen  die  Krankheitsgeschichte  von  Grossvater, 
Vater  und  Kind.  Ersterer  erkrankte  mit  25  Jahren,  letztere  waren 
schon  bei  der  Geburt  ikterisch.  Lues  bestand  nicht.  Bei  allen  Kran¬ 
ken  fand  sich  Urobilin  im  Harn,  sowie  gallehaltige  Stühle,  auch  erwies 
sich  das  Blutbild  als  ähnlich.  Beim  Grossvater  bestand  kein  Milz¬ 
tumor,  dagegen  bei  den  2  anderen  Patienten  eine  mächtige  Milz¬ 
schwellung.  Die  Form  der  Erkrankung  wird  von  den  Verfassern  mit 
dem  hämatopoetischen  System  in  Zusammenhang  gebracht  und  zwar 
handelt  es  sich  entweder  um  eine  Bildungsanomalie  des  letzteren 
oder  um  eine  die  roten  Blutkörperchen  schädigende  Noxe. 

3)  F.  P  r  o  s  k  au  e  r  -  Berlin:  Ueber  die  Anwendung  von  Gua- 
jakolpräparaten  bei  anämischen  Zuständen  (Sorisin-Ferrarsenat  und 
Eisen=Sorisin). 

Es  wurden  8  Fälle  von  Anämien  mit  den  genannten  Präparaten 
behandelt  und  bei  allen  Erfolge  erzielt,  mit  Ausnahme  eines  Falles 
von  perniziöser  Anämie. 

4)  E.  R  e  h  f  i  s  c  h  -  Berlin:  Ueber  die  Ursprungsstelle  der  Ven¬ 
trikelkontraktion. 

Bekanntlich  wird  der  Kontraktionsreiz  von  der  Vorkammer  mit¬ 
telst  des  H  i  s  sehen  Bündels  nach  der  Herzkammer  hingeleitet.  Verf. 
hat  nun  darüber  Experimente  an  Hunden  angestellt,  an  welcher  Stelle 
des  Ventrikels  die  Kontraktion  ihren  Ausgang  nimmt.  Er  setzte  eine 
Vagusreizung,  liess  die  Kontraktion  sowohl  der  Herzbasis  als  der 
Spitze  auf  eine  Trommel  aufschreiben  und  fand,  dass  der  Beginn  der 
Systole  der  Basis  später  einsetzt  als  jene  der  Spitze,  woraus  zu 
folgern  ist.  dass  der  Impuls  zur  Kontraktion  zuerst  nach  der  Spitze 
hingeht.  Die  anatomischen  Untersuchungen  von  A  1  b  r  e  c  h  t  und 
T  a  w  a  r  a  sprechen  auch  dafür,  dass  der  Papillarmuskel  den  Reiz 
zur  Kontraktion  zuerst  empfängt:  es  wird  also  der  untere  Herzab¬ 
schnitt  zuerst  in  Kontraktion  versetzt. 

5)  E.  B  r  a-n  d  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  das  Verhalten  der  Kom¬ 
plemente  bei  der  Dyalvse. 

Zu  einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

6)  O.  B.  M  e  y  e  r  -  Pankow:  Zur  Kenntnis  des  Fussriicken- 
reflexes. 

Nach  K.  Mendel  verursacht  Beklopfen  des  Fussriickens  bei 
Gesunden  eine  Dorsalflexion  der  2. — 5.  Zehe,  bei  bestimmten  organi¬ 
schen  Nervenkrankheiten  dagegen  eine  Plantarflexion.  M.  berichtet 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1837 


über  10  Fälle,  wo  der  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Reflex  entweder  gar  nicht 
oder  nur  undeutlich  gefunden  wurde,  während  die  Mendel  sehe 
Plantarflexion  auftrat.  Diese  Beobachtungen  widersprechen  den  An¬ 
gaben  von  L  i  s  s  m  a  n  n. 

7)  Q.  Glücksmann  - Berlin :  Kongestive  Zustände  in  der 
weiblichen  Sexualsphäre  und  Appendizitis. 

Vergleiche  das  Referat  Seite  1309  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
1907.  Mitteilung  zweier  Krankengeschichten  mit  Epikrise. 

8)  E.  Barth:  Ueber  funktionelle  Stimmstörungen  und  ihre  Be¬ 
handlung. 

Nach  Darlegung  der  Bedingungen  für  das  Zustandekommen  der 
normalen  Stimme  bespricht  Verf.  das  Wesen  und  die  verschiedenen 
Erscheinungsformen  der  funktionellen  Stimmstörungen,  wie  der  hy¬ 
sterischen  Stummheit,  der  spastischenAphonie.  Funktionelle  Stö¬ 
rungen  müssen  auch  funktionell  behandelt  werden.  Erörtert  wird 
ferner  die  Aphonie  nach  katarrhalischen  Erkrankungen,  dann  die  Stö¬ 
rung  der  sogenannten  persistierenden  Fistelstimme,  ferner  der  Mogi- 
phonie  und  der  Phonasthenie. 

9)  A.  L  a  q  u  e  u  r  -  Berlin:  Neuere  Anschauungen  über  die  Wir¬ 
kungsweise  der  Hydrotherapie. 

Kurzdauernde  heisse  Bäder  wirken  günstig  bei  Erschöpfungszu¬ 
ständen,  ferner  zur  Anregung  der  Herztätigkeit,  zur  Steigerung  der 
Muskelleistung,  zur  Behandlung  mancher  Fälle  von  Bleichsucht.  Hin¬ 
sichtlich  der  indifferenten  Temperaturen  der  Thermalquellen 
haben  die  neueren  Forschungen  bekanntlich  ergeben,  dass 
ihre  Wirkung  zum  Teil  mit  der  Radiumemanation  zusammen¬ 
hängt.  Indifferent  warme  Bäder  steigern  die  Funktion  der 
Niere  als  Ausscheidungsorgan,  besonders  des  Kochsalzes. 
Es  ist  unrichtig,  bei  allen  Formen  von  Nierenentzündungen 
immer  heisse  Vollbäder  zu  geben,  da  die  indifferent  warmen  Bäder 
zur  Anregung  der  Nierentätigkeit  oft  zweckmässiger  sind.  Verf. 
fand  nach  Kälteanwendung  keine  Verminderung  der  natürlichen  bak¬ 
teriziden  Eigenschaften  des  Blutserums. 

No.  35.  1)  Hans  Käthe-  Halle  a.  S.:  Die  Lungenschwimmprobe 
und  ihre  Beurteilung. 

Vergl.  d.  Referat  in  No.  31,  S.  1554. 

2)  L.  M  i  c  h  a  e  1  i  s  -  Berlin :  Die  Wassermann  sehe  Syphilis¬ 
reaktion. 

Darstellung  der  Wassermann  sehen  Versuchsanordnung  und 
Deutung  derselben.  Verf.  stellte  zur  Kritik  dieser  Deutung  eine  An¬ 
zahl  eigener  Versuche  an,  über  deren  Einzelheiten  und  die  daraus 
gezogenen  Folgerungen  das  Original  zu  vergleichen  ist.  Aus  den 
Schlussätzen  ist  hervorzuheben,  dass  gewisse  Beobachtungen  dieser 
Versuche  berechtigten  Zweifel  erwecken,  ob  die  Reaktion  wirklich 
das  Vorhandensein  eines  Antikörpers  gegen  den  Syphiliserreger  oder 
seine  Gifte  anzeigt. 

3)  O.  W  a  t  e  r  m  a  n  n  -  Berlin:  Zur  Behandlung  zentraler  Augen¬ 
nervenleiden  luetischen  Ursprungs  mit  Atoxyl. 

W.  berichtet  über  die  mit  der  Atoxylbehandlung  an  1U  Fällen 
zerebraler  Lues  und  tabischer  Atrophie  gemachten  Erfahrungen.  Die 
Versuche  —  Krankengeschichten  sind  beigefügt  —  enttäuschten  völlig. 
Verf.  warnt  vor  dem  Atoxylgebrauch  gegenüber  diesen  Leiden. 

4)  F.  Fleischer  -  Berlin :  Ueber  turgo-tonographische  Puls¬ 
druckbestimmung. 

Nachdem  Verf.  ein  Referat  über  alle  bisherigen  Methoden  zur 
Bestimmung  des  Pulsdruckes  gegeben,  berichtet  er  über  die  von  ihm 
mittels  des  S  t  r  a  u  s  s  sehen  Turgosphygmographen  angestellten 
Untersuchungen,  unter  genauer  Beschreibung  des  Instrumentes  und 
der  Versuchsanordnung. 

5)  J.  Seil  ei  und  H.  U  n  t  e  r  b  e  r  g  -  Ofen-Pest:  Beiträge  zur 
Pathologie  und  Therapie  der  gonorrhoischen  Pyelitis. 

Die  Verf.  teilen  die  Krankengeschichten  von  5  Pyelitiskranken 
gonorrhoischen  Ursprungs  mit.  Darnach  ist  der  Gonokokkus  zwar 
im  stände,  für  sich  direkt  eine  Pyelitis  zu  verursachen,  meistens  je¬ 
doch  sind  dabei  noch  andere  Bakterien  mit  tätig,  so  dass  es  sich  bei 
der  sog.  gonorrhoischen  Pyelitis  meist  um  Mischinfektionen  handelt. 

6)  R.  E.  Achert-Bad  Nauheim:  Ueber  die  protrahierte  Dar¬ 
reichung  der  Digitalisdroge. 

Verf.  hat  bei  Gebrauch  von  Digalen  keine  kumulativen  Wirkungen 
gesehen.  Er  erörtert  die  Indikationen  protrahierter  Digitalisdar- 
reichung  in  Kürze  und  erklärt  sie  für  besonders  angezeigt  bei  chroni¬ 
schen  Erkrankungen  des  Herzmuskels.  Das  Mastfettherz  verträgt  die 
Digitalis  gewöhnlich  schlecht,  bei  den  nervösen  Herzleiden  sieht  man 
davon  selten  Erfolge.  Hinsichtlich  der  Dosis  empfiehlt  A  c  h  e  r  t, 
täglich  ein  bis  zweimal  7 — 14  Tropfen  Digalen  zu  geben. 

7)  L  ö  w  e  n  t  h  a  1  -  Braunschweig:  Ueber  die  Wirkung  der  Ra¬ 
diumemanation  auf  den  Menschen. 

L.  hat  Kranken  mit  Ischias,  chronischen  Gelenkleiden  Kohlen¬ 
säurebäder  mit  Zusatz  von  emanationshaltigem  Wasser  gegeben  und 
konnte  dabei  bemerken,  dass  bei  Fällen,  welche  nach  längerer  An¬ 
wendung  in  Heilung  ausgingen,  zuerst  immer  eine  „Reaktion“,  d.  h. 
eine  Zunahme  der  Schmerzen  eintrat.  Rückfälle  wurden  mit  einer 
Trinkkur  von  Emanationswasser  behandelt,  welche  wiederholt  zur 
Heilung  führte.  Auch  bei  Fällen  chronischer  Neuritis  sah  Verf.  Er¬ 
folge.  Grassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  35. 

1)  K  ö  r  te  -  Berlin:  Zur  Behandlung  des  Angioma  arteriale  race- 
mosum. 

Zusammenstellung  von  8,  teils  früher  schon  besprochenen  Fällen 
von  Rankenangiom.  Exstirpation  ist  dringend  geboten,  aber  tech¬ 
nisch  wegen  der  Blutung  nicht  einfach.  Am  besten  kam  K.  am  Schä¬ 
del  zureent  mit  einem  auch  von  Krause  geübten  Verfahren:  Unter¬ 
bindung  der  grössten  zuführenden  Aeste,  dann  ein  Kranz  von  Um¬ 
stechungsnähten,  mit  Ausnahme  einer  Brücke,  welche  die  Basis  des 
auszuschneidenden  Lappens  bildet  und  digital  komprimiert  wird.  Der 
Lappen  wird  bis  auf  das  Periost  geschnitten  und  rasch  samt  der  Ge- 
scnwulst  vom  Periost  abgelöst,  dann  unter  Tamponade  der  Wund¬ 
höhle  die  Geschwulst  vom  Lappen  abgeschält. 

2)  M.  Ge  n  t  z  e  n -Königsberg:  Ueber  die  Saftabscheidung  des 
Magens  im  nüchternen  Zustande. 

Versuche  mit  den  Sahli  sehen  Desmoidpillen  sprachen  für  die 
Schreiber  sehe  Ansicht,  dass  der  nüchterne  Magen  des  gesunden 
Menschen  Magensaft  vorrätig  enthält.  Seine  Sekretion  wird,  wie  G. 
annimmt,  angeregt  durch  die  im  Magen  stets  vorhandenen,  aus  der 
Luft  mit  dem  Mund-,  Nasen-  und  Rachenschleim  verschluckten  an¬ 
organischen  und  organischen,  eiweisshaltigen  Substanzen. 

3)  H.  S  c  h  i  r  o  k  a  u  e  r  -  Berlin:  Magenatonie  und  Chlorose. 

Verf.  erörtert  die  nahe  Beziehung  der  Chlorose  zur  St  Gier¬ 
schen  Asthenia  universalis,  die  diagnostische  Bedeutung  des 
Plätschergeräusches  („nicht  immer  ein  Zeichen  von  Atonie,  aber  bei 
Atonie  stets  vorhanden“);  die  diätetische  (roborierend),  medikamen¬ 
töse  (Eisen,  Arsen,  Atoxyl)  und  physikalische  Therapie. 

4)  B.  G  o  1  d  b  e  r  g  -  Wildungen:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  ner¬ 
vösen  Blasenerkrankungen. 

G.  bespricht  Fälle  von  nervöser  Pollakiurie,  welche  teilweise  vom 
Sexualleben  abhängig  waren,  dann  Fälle  von  postenuretischer  Pollaki¬ 
urie  nicht  neurasthenischen  Ursprungs,  ferner  2  Fälle  der  seltenen 
neurasthenischen  Retentio  urinae  completa. 

5)  Leo  Cohn-Posen:  Versuche  mit  Theophorin. 

Das  Mittel,  ein  Doppelsalz  des  Theobrominnatrium  mit  Natrium 
formicicum,  bewährte  sich  als  nachhaltig  wirksames  Diuretikum,  be¬ 
sonders  bei  kardialem  Hydrops. 

6)  E.  P  o  r  t  -  Chemnitz:  Ueber  Maretinvergiftung. 

Warnung  vor  dem  inzwischen  aus  dem  Handel  zurückgezogenen 
Mittel. 

7)  N  e  u  b  e  r  g  -  Magdeburg:  Ueber  die  Kontagiosität  der  spitzen 
Kondylome. 

Mitteilung  einer  für  Kontagiosität  sprechenden  Beobachtung  des 
Leidens  bei  einem  Brautpaar. 

8)  Alfons  F  i  s  c  h  e  r  -  Karlsruhe:  Staatliche  und  private  Mutter¬ 
schaftsversicherung.  (Schluss.) 

Eingehende  Besprechung  der  Frage.  F.  ist  für  das  private  Insti¬ 
tut,  das  sich  aber  frei  Von  politischen  und  religiösen  Nebenabsichten 
zu  halten  hat  und  das  von  Gemeinde  und  Staat  unterstützt  wer¬ 
den  soll. 

9)  A.  K  ö  h  1  e  r  -  Berlin:  Neuere  Vorschläge  für  die  Kriegs¬ 
chirurgie. 

Verf.  erklärt  die  Lumbalanästhesie  für  unbrauchbar  in  der  Kriegs¬ 
chirurgie.  i 

P.  S  c  h  Ob  e  r  -  Paris:  Die  deutschen  Hospitäler  im  Ausland. 

R.  Grashey  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 
No.  16.  1907. 

Hans  I  sei  in:  Kasuistischer  Beitrag  zu  den  irreponiblen  und 
veralteten  Kniegelenksluxationen.  (Aus  der  Chirurg.  Klinik  Basel.) 
Mit  4  Fig.  i.  T.) 

Besprechung  zweier  Fälle  und  der  Literatur. 

H.  Z  i  e  g  1  er  :  Aus  der  Unfallversicherung  der  Aerzte. 

Bringt  einige  Daten  aus  den  Zählkarten  der  Unfallversicherungen 
über  Unfälle  der  Aerzte.  P  i  s  c  h  i  n  g  e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  35.  A.  M  o  1  e  k  -  Wien:  Ueber  Zoekumblähung  infolge  karzi- 
nomatöser  Striktur  des  Dickdarmes. 

Drei  Krankengeschichten;  zwei  Fälle  endeten  nach  der  Lapa¬ 
rotomie  wegen  Entkräftung  tödlich,  bei  dem  anderen,  zunächst  als 
Appendizitis  angesehen,  wurde  -das  Karzinom  bei  der  zweiten  Lapa¬ 
rotomie  erkannt  und  trat  nach  Anlegung  eines  Anus  praeternaturalis 
eine  wesentliche  Erholung  ein.  Die  Disposition  gerade  des  Zoekums 
zu  der  Ueberdehnung  ist  wohl  in  dem  Mangel  eines  vollkommenen 
Peritonealüberzuges  zu  suchen,  wodurch  mitunter  das  Zoekum  und 
ein  Teil  des  Kolons  gleichsam  extraperitoneal  gelagert  und  an  diesen 
Stellen  besonders  ausdehnungsfähig  sind. 

R.  Bachrach  und  .1.  Bartel- Wien:  Ueber  den  Einfluss  der 
Hefenukleinsäure  auf  die  Virulenz  menschlicher  Tuberkelbazillen. 

Das  Ergebnis  der  an  Meerschweinchen  durchgeführten  Versuche 
war,  dass  durch  den  Zusatz  von  Nukleinsäure  von  1  :  100  und  1  : 100Q 
•die  die  Virulenz  in  kurzer  Zeit  aufhebende  Wirkung  des  destillierten 
Wassers  eine  Verzögerung  erfährt,  d.  h.  die  Virulenz  gestärkt  wird. 


1838 


MUENCHENER  MEDIZINISCEIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Dagegen  wurde  in  Eiweisslösungen,  in  welchen  die  Virulenz  lange 
erhalten  bleibt,  bei  Zusatz  von  Nukleinsäure  (lü  :  100  und  1  :  1000) 
die  Virulenz  nach  einiger  Zeit  vernichtet. 

O.  Axamit  und  K.  Tsuda-Prag:  Versuche  über  die  Spe¬ 
zifität  der  opsonischen  Wirkung  des  Normalserums. 

Die  Versuche  sprechen  nicht  für  eine  Spezifität;  „es  gelingt  zwar 
die  Opsonine  des  normalen  Meerschweinchens  durch  Bakterien  zu  er¬ 
schöpfen,  es  besteht  jedoch  kein  Grund,  im  Serum  nicht  vorbe¬ 
handelter  Tiere  eine  Vielheit  eigener  Opsonine  anzunehmen,  wenig¬ 
stens  mit  Bezug  auf  die  untersuchten  Bakterienarten  (Staphylokokken, 
Bacillus  subtilis,  Bacter.  dysenteriae).“ 

O.  Stoerk-Wien:  Ueber  experimentelle  Leberzirrhose  auf 
tuberkulöser  Grundlage.  (Schluss.) 

Sehr  eingehende  Schilderung  der  an  der  Leber  des  Meerschwein¬ 
chens  nach  tuberkulöser  Infektion  erhobenen  Befunde,  welche  bestä¬ 
tigen,  dass  sich  auf  experimentellem  Wege  Veränderungen  erzielen 
lassen,  welche  mit  der  menschlichen  Leberzirrhose  eine  weitgehende 
Uebereinstimmung  zeigen.  Beim  Meerschweinchen  setzt  aber  im 
weiteren  Verlauf  eine  eigenartige  reparatorische  Gallengangprolifera¬ 
tion  ein,  welche  durch  junges  Parenchym  die  fibrös-zirrhotischen  Ge¬ 
webe  durchsetzt  und  so  das  Bild  der  am  Menschen  beobachteten 
Zirrhose  modifiziert.  Es  scheint  nicht  zweifelhaft,  dass  zu  den  ver¬ 
schiedenen  Schädlichkeiten,  welche  die  menschliche  Leberzirrhose 
verursachen,  auch  die  Tuberkulose  gehört.  Zum  genaueren  Studium 
dieser  tuberkulösen  Zirrhose  eignet  sich  aber  nicht  das  voll  ausge¬ 
bildete  chronische  Stadium,  sondern  es  müssten  die  früheren  Perioden 
der  Erkrankung,  in  denen  nach  der  Erfahrung  St.s  eine  weitgehende 
Uebereinstimmung  mit  der  experimentellen  Erkrankung  der  Leber 
beim  Meerschweinchen  zu  bestehen  scheint,  genauer  verfolgt  wer¬ 
den.  Zu  diesen  übereinstimmenden  Befunden  rechnet  Verfasser 
vor  allem  die  in  die  Verzweigung  der  Glisson  sehen  Kapsel  sich 
erstreckenden  Tuberkel  mit  Verkäsung,  die  Portalverschlüsse,  die 
Wucherung  des  G  1  i  s  s  o  n  sehen  Bindegewebes  im  Bereiche  der  spe¬ 
zifischen  Erkrankungsstellen.  Bergeat  -  München. 

Englische  Literatur. 

G.  Oliver:  Die  Kontrolle  des  übernormalen  arteriellen  Druckes. 

(Lancet,  18.  Mai  1907.) 

Verf.  versucht  in  dieser  Arbeit  zu  zeigen,  wie  es  durch  prak¬ 
tische  Anwendung  festgestellter  physiologischer  Tatsachen  gelingt, 
den  dauernd  erhöhten  Blutdruck  günstig  zu  beeinflussen.  Der  Tactus 
eruditus  'des  Arztes  genügt  heute  nicht  mehr,  sondern  ein  Hämo¬ 
manometer  gehört  zur  Ausrüstung  des  Arztes.  Temporäre  Er¬ 
höhungen  des  Blutdrucks  beruhen  meist  auf  nervösen  Einflüssen, 
dauernde  dagegen  auf  Veränderungen  des  Chemismus  des  Blutes  oder 
auf  organischen  Störungen  im  Zirkulationssystem.  Da  die  Diät  des 
Kranken  vielfach  eine  grosse  Rolle  bei  dem  Zustandekommen  des 
erhöhten  Blutdrucks  spielt,  so  legt  Oliver  grosses  Gewicht  auf  die 
Besprechung  einer  passenden  Diät.  Man  soll  einerseits  die  Gesamt¬ 
menge  der  einzelnen  Mahlzeit  beträchtlich  reduzieren,  dann  aber  vor 
allem  alles  vermeiden,  was  den  kardiovaskulären  Apparat  stimulieren 
kann.  Hierzu  gehören  vor  allem  die  Salze,  die  löslichen  Extraktiv¬ 
stoffe,  und  der  Alkohol,  die  gleichzeitig  das  Herz  und  die  Kapillaren 
stimulieren.  Er  empfiehlt  im  allgemeinen  Verminderung  der  ani¬ 
malischen  und  Uebergehen  zu  mehr  vegetabilischer  Nahrung.  Er 
bekämpft  die  in  England  sonst  so  verbreitete  Ansicht,  dass  gewisse 
(rote)  Fleischarten  gefährlicher  sind  als  andere  (weisse).  Viel 
wichtiger  ist  die  Art  der  Zubereitung;  gekochtes  Fleisch  oder  Fisch 
sind  viel  harmloser  als  gebratenes;  vor  allem  zu  vermeiden  sind 
Fleischsäfte,  Saucen  und  Fleischsuppen.  Die  Menge  der  Flüssigkeits¬ 
aufnahme  bei  den  Mahlzeiten  ist  zu  beschränken,  am  besten  ist 
weiches,  destilliertes,  kohlensäurefreies  Wasser  oder  schwach  alka¬ 
lische  Wasser.  Dieselben  sind  leicht  gewärmt  und  womöglich  nicht 
mit  den  Mahlzeiten  zu  nehmen.  Thee  und  Kaffee  in  massigen  Mengen 
ist  zu  erlauben.  Alkohol  und  Tabak  werden  am  besten  ganz  ver¬ 
boten.  Ob  eine  salzfreie  Diät  zu  empfehlen  ist,  ist  noch  unentschieden, 
jedenfalls  können  die  Kranken  nur  sehr  kurze  Zeit  ohne  Salz  auo- 
koinmen,  da  ihnen  eine  salzfreie  Nahrung  bald  widerlich  wird.  Häufig 
wirkt  eine  Milchdiät  mit  wenig  Brot  und  Käse  sehr  günstig.  Abso¬ 
lute  Ruhe  ist  von  der  allergrössten  Bedeutung.  Für  manche  Fälle 
genügt  es,  wenn  sie  1  bis  2  Tage  in  der  Woche  vollkommen  ruhig 
liegen,  für  andere  sind  Liegekuren  von  8  bis  4  Wochen  nötig.  Stets 
sorge  man,  dass  nach  der  Ruhe  die  Kranken  nur  sehr  langsam  wieder 
mit  der  Körperbewegung  beginnen.  Daneben  sind  wohl  regulierte 
Bewegungen,  Gehen  oder  Radfahren  auf  ebener  Erde  sehr  zu 
empfehlen.  Die  Bäderbehandlung  ist  ein  gutes  Hilfsmittel,  ist  aber 
ohne  Diät  etc.  nicht  genügend.  Am  besten  ist  die  Massagedusche 
von  Aix-les-Bains,  gefolgt  von  Nadelbädern  mit  wechselnder  Tem¬ 
peratur  und  warmen  Packungen  am  Schluss.  Auch  tägliche  Behand¬ 
lung  mit  d’Arsonvalströmen  scheint  manchmal  von  Nutzen  zu  sein. 
Man  sorge  für  warme  Kleider  und  schicke  wohlhabende  Kranke  im 
Winter  nach  Aegypten.  Zuweilen  wirkt  ein  Aderlass  sehr  günstig. 
Die  arzneiliche  Behandlung  sorge  für  gute  Entleerungen  und  Darm¬ 
antisepsis.  Die  Herzdepressoren  sind  zu  vermeiden,  manchmal  wirkt 
aber  Thyreoidin,  das  vorsichtig  gegeben  wird,  sehr  günstig.  Gut 
wirken  zuweilen  auch  die  Nitrate,  die  Nitrite  und  die  Ammoniumsalze 
der  Hippur-  und  Benzoesäure.  Auch  länger  fortgesetzter  Gebrauch 
kleiner  Jodkalimengen  wird  warm  empfohlen. 


J.  Liddell:  Leber  Colitis  muco-membranacea.  (Ibid.) 

Verf.  glaubt,  dass  die  beste  Behandlung  in  kopiösen  Ausspülungen 
des  Darmes  mit  dem  Sclrwefelwasser  von  Harrogate  besteht.  Un¬ 
mittelbar  nach  der  Ausspülung  erhält  Patient  ein  Schwefelbad  und 
wird  der  Bauch,  während  er  im  Bade  sitzt  geduscht.  Näheres  im 
Original. 

J.  Herbert  Par  sons:  Ueber  Verletzungen  des  Trigeminus. 

(Lancet,  25.  Mai  1907.) 

Verf.  bespricht  in  dieser  Arbeit  den  Herpes  zoster  der  Kornea, 
als  dessen  Ursache  er  eine  Erkrankung  des  Ganglion  Gasseri  an¬ 
sieht,  das  morphologisch  als  ein  Ganglion  einer  Spinalwurzel  an¬ 
gesehen  werden  muss.  Dann  spricht  er  über  die  Kornealerkran- 
kungen,  die  zuweilen  nach  Entfernung  des  Ganglion  Gasseri  be¬ 
obachtet  werden.  Er  glaubt,  dass  es  nur  dann  zu  einer  besonderen 
Vulnerabilität  der  Hornhaut  kommt,  wenn  die  durchschnittenen  Enden 
des  Trigeminus  einer  abnormen  Reizung  durch  Blutgerinnsel,  Eiter 
etc.  ausgesetzt  werden. 

Hugh  M.  Rigby:  Die  Torsion  des  Hodens.  (Ibid.) 

Die  Arbeit  des  Verf.  stützt  sich  auf  9  genau  beobachtete  und 
beschriebene  Fälle.  Die  Affektion  kann  in  jedem  Lebensalter  und 
sowohl  am  nicht  herabgestiegenen  als  am  normal  gelegenen  Hoden 
Vorkommen.  Als  prädisponierende  Ursache  ist  eine  angeborene 
Missbildung  anzusehen,  die  darin  besteht,  dass  das  gemeinsame  Me¬ 
senterium  und  die  Gefässe  am  unteren  Pole  des  Corpus  testis  und 
des  Globus  minor  befestigt  ist,  so  dass  der  Hoden  statt  an  einem 
breiten  Bande  an  einem  dünnen  Stiele  hängt.  Dabei  .ist  der  Globus 
minor  verlängert,  und  die  abnorme  Weite  und  Schlaffheit  der  Tunica 
vaginalis  befördert  ebenfalls  das  Zustandekommen  der  Torsion. 
Ferner  weist  Verf.  «darauf  hin,  dass  der  Hoden  schon  vor  dem  Zu¬ 
standekommen  der  Torsion  bestand,  wie  man  durch  den  operativen 
Befund  feststellen  konnte.  Die  Diagnose  ist  zuweilen  schwierig, 
bei  nicht  herabgestiegenem  Hoden  ist  die  Verwechslung  mit  einer 
eingeklemmten  Hernie  nahe,  bei  herabgestiegenem  mit  einer  akuten 
Orchitis  und  Epididymitis.  Wichtig  ist  das  sehr  frühzeitige  Auftreten 
von  Oedem  und  Rötung  des  Hodensacks.  Die  Behandlung  ist  ver¬ 
schieden  bei  Torsion  des  nicht  herabgestiegenen  Hodens.  Im  ersteren 
Falle  entferne  man  sobald  wie  möglich  den  torquierten  Hoden,  der 
ja  doch  nicht  viel  wert  ist.  Im  letzteren  Falle  versuche  man,  falls 
man  den  Fall  sehr  frühzeitig  sieht,  den  Hoden  zurückzudrehen,  was 
zuweilen  gelingt.  Siebt  man  den  Fall  erst  später,  so  schlage  man 
womöglich  ein  abwartendes  Verfahren  ein.  Vereiterung  oder  son¬ 
stige  schwere  Komplikationen  sind  selten,  bei  Kindern  kommt  es  leicht 
zu  Atrophie  des  Hodens,  aber  selbst  in  diesem  Falle  behält  der  Kranke 
•einen  Ueberrest  des  Hodens  im  Skrotum,  was  psychisch  immer  noch 
besser  ist,  als  wenn  der  Hoden  entfernt  wurde.  Häufiger  rezidi¬ 
vierende  Fälle,  die  auch  beobachtet  wurden,  werden  am  besten 
kastriert.  Die  Arbeit  enthält  eine  Reihe  guter  Abbildungen,  die  die 
bei  der  Aetiologie  wichtigen  anatomischen  Momente  gut  veranschau¬ 
lichen.  Bei  der  abwartenden  Behandlung  lege  man  den  Hoden  hoch, 
halte  den  Kranken  im  Bett  und  mache  Bleiwasserumschläge.  Die 
Schmerzen  verschwinden  unter  dieser  Behandlung  meist  nach  ein 
bis  zwei  Tagen. 

Saint  Rene  Bonnet:  Die  medizinische  oder  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  Appendixschmerzen.  (Ibid.) 

Verf.,  der  in  Chatel  Guyon  les  Bains,  einem  vielfach  von  an 
chronischer  Appendizitis  leidenden  Kranken  aufgesuchtem  Badeorte 
praktiziert,  glaubt,  dass  man  in  Frankreich  neuerdings  zu  zurück¬ 
haltend  mit  der  Operation  dieser  Fälle  geworden  ist.  Wenn  auch 
eine  Anzahl  von  Fällen  ohne  Operation  ausheilen,  ,so  empfiehlt  er 
doch  bei  Kranken,  die  andauernd  oder  in  häufigen  Zwischenräumen 
an  Schmerzen  in  der  Zoekalgegend  leiden  die  Operation  ä  froid. 
Er  hat  selbst  dann  sehr  gute  Erfolge  gesehen,  wenn  die  Operation 
einen  nur  wenig  veränderten  Wurm  ergab,  da  die  Schmerzen  häu¬ 
fig  rein  reflektorischer  Natur  sind.  Auch  bei  der  Colitis  muco-mem¬ 
branacea  bringt  die  Entfernung  des  Wurms  oft  Nutzen. 

P.  Tetens  Haid:  Die  Hypopharyngoskopie.  (Ibid.) 

W.rf,  berichtet  üb°<  die  Erfahrungen,  die  er  mit  der  von 
v.  Eicken  angegebenen  Methode  der  Untersuchung  des  unteren 
Pharynxabschnitts  erzielt  hat  und  spricht  sich  sehr  lobend  über  die¬ 
selbe  aus. 

W.  D,  Halliburton:  Die  Degeneration  und  Regeneration  der 
Nerven.  (Lancet,  4.  u.  11.  Mai  1907.) 

Verf.  hat  aus  seinen  Versuchen  die  Ueberzeugung  gewonnen, 
dass  die  alte  Waller  sehe  Lehre  von  der  Regeneration  der  Nerven 
vom  zentralen  Ende  des  durchtrennten  Nerven  die  richtige  ist.  Die 
neuerdings  von  Bet  he,  Kennedy  und  anderen  vertretene  Lehre 
von  der  Regeneration  der  Nerven  vom  peripheren  Ende  aus  ist  falsch, 
und  es  handelt  sich  bei  Fällen,  in  denen  eine  periphere  Regeneration 
angeblich  beobachtet  wurde,  wahrscheinlich  um  zufällige  und  un¬ 
beachtete  Verbindungen  des  peripheren  Endes  mit  dem  Zentral¬ 
nervensystem.  Wenn  derartige  Verbindungen  mit  anderen  bei  der 
Operation  durchtrennten  Nerven  erfolgreich  verhindert  werden,  so 
wird  nie  eine  Regeneration  im  peripheren  Ende  beobachtet.  Die  re¬ 
generierten  Fasern  degenerieren  übrigens  stets  in  peripherer  Rich¬ 
tung  und  nur  in  dieser,  wenn  die  zum  Zentralnervensystem  führende 
Verbindung  wieder  durchtrennt  wird.  Die  Markscheide  der  neu- 
gebildeten  Nerven  erscheint  zuerst  dort,  wo  die  Nervenstümpfe  ver¬ 
einigt  werden,  sie  wächst  dann  allmählich  nach  der  Peripherie  zu.  Im 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1839 


peripheren  Segmente  eines  durchschnittenen  Nerven  kommt  es  zu 
einer  Vermehrung,  Verlängerung  und  kettenförmigen  Vereinigung  von 
Neurilemmzellen.  Derselbe  Vorgang,  nur  in  verstärktem  Masse,  wird 
am  zentralen  Ende  beobachtet  und  es  scheint,  als  ob  dem  Neurilemm 
wichtige  phagozytische  und  nutritive  Bedeutung  zukäme.  Am  zen¬ 
tralen  Ende  ist  diese  nutritive  Tätigkeit  erfolgreich  und  besorgt  die 
Ernährung  der  wachsenden  Achsenzylinder.  Am  peripheren  Ende 
tritt  'das  Neurilemm  erst  dann  in  wirksame  Tätigkeit,  wenn  die 
Achsenzylinder  in  dasselbe  einwachsen,  dann  sorgt  auch  hier  das 
Neurilemm  für  Stützte  und  Ernährung  derselben.  Die  Tätigkeit  der 
Neurilemmzellen  ist  unbedingt  nötig,  ohne  dieselbe  regenerieren  sich 
die  Nerven  nicht. 

W.  Arbuthnot  La  ne:  Die  Behandlung  der  Frakturen  in  der 
Nähe  der  Gelenke.  (Ibid.) 

Verf.  empfiehlt  warm  die  Naht  der  gebrochenen  Knochenenden 
oder  ihre  Vernagelung  und  Verschraubung.  Röntgenbilder  illu¬ 
strieren  das  Gesagte. 

C.  S.  Shaw:  Der  opsonische  Index  gegen  verschiedene  Bak¬ 
terien  bei  Geisteskranken.  (Ibid.) 

Verf.  glaubt,  aus  dem  Vergleiche  des  tuberkuloopsonischen  In¬ 
dex  bei  Gesunden  und  Geisteskranken  schliessen  zu  können,  dass 
man  die  Bestimmung  des  opsonischen  Index  prophylaktisch  verwerten 
kann.  Ein  niedriger  opsonischer  Index  gegen  Tuberkelbazillen  geht 
der  Infektion  mit  Tuberkulose  oft  lange  voraus  und  ist  'deshalb  bei 
Geisteskrankheiten,  die  ja  so  oft  an  Tuberkulose  erkranken,  von 
grosser  prophylaktischer  und  prognostischer  Bedeutung.  Injektionen 
kleiner  Mengen  von  Tuberkulin  (T.R.)  rufen  bei  Gesunden  keine 
negative  Phase  des  opsonischen  Index  hervor,  wohl  aber  bei  Tuber¬ 
kulösen.  Die  opsonischen  Indices  gegen  verschiedene  Organismen 
variieren  nur  unbedeutend  bei  gesunden  Individuen.  Injektion  einer 
grösseren  Menge  von  Tuberkulin  ruft  bei  gesunden  Menschen  einen 
Fall  in  der  Höhe  des  opsonischen  Index  nicht  nur  gegen  Tuberkel¬ 
bazillen,  sondern  auch  gegen  andere  Mikroorganismen  hervor.  Dies 
erklärt  die  Leichtigkeit,  mit  der  tuberkulöse  Herde  sekundär  mit 
anderen  Organismen  infiziert  werden. 

A.  Lewin  Sheppard:  Die  Perforation  bei  Typhus  und  der 
Blutdruck.  (Ibid.) 

Unter  den  Zeichen  der  Perforation  beim  Typhus  nimmt  die  Stei¬ 
gerung  des  Blutdrucks  einen  wichtigen  Platz  ein.  Sie  ist  ebenso  be¬ 
deutsam,  wie  'die  Leukozytosis  und  leichter  zu  bestimmen.  Ein 
Stationärbleiben  des  Blutdrucks  beweist  nicht,  dass  keine  Perfora¬ 
tion  eingetreten  ist. 

Robert  Saundby:  Die  chronische  Splenomegalie  und  Poly¬ 
zythämie.  (Brit.  Med.  Journ.,  18.  Mai  1907.) 

Verf.  glaubt  nicht,  dass  es  sich  bei  dieser  in  den  letzten  Jahren 
häufiger  studierten  Krankheit  um  eine  primäre  Erkrankung  des  Kno¬ 
chenmarkes  oder  der  Milz  handelt  oder  dass,  wie  von  anderer  Seite 
behauptet  wurde,  die  letzte  Ursache  in  einer  Erkrankung  des  Herzens 
zu  suchen  ist.  Seiner  Meinung  nach  sind  die  Arterien  mittleren  Kali¬ 
bers  und  die  Arteriolen  durch  einen  vasomotorischen  Spasmus  ver¬ 
engt;  allmählich  bildet  sich  eine  organische  Verengerung  durch  Ver¬ 
dickung  der  fibrösen  und  der  muskulären  Schichten  aus.  Hierdurch 
kommt  es  zu  einer  Behinderung  der  Zirkulation,  zu  Splenomegalie 
und  Polyzythämie.  Häufig  gehen  diesem  Gefässspasmus  Infektionen, 
vor  allem  Influenza  voraus. 

J.  W.  Pare:  Die  lokale  Anästhesie  mit  Novokain.  (Ibid.) 

Novokain  erzeugt  eine  vollkommene  Anästhesie,  die  länger  an¬ 
hält,  als  die  durch  Ko'kain  hervorgerufene.  Selbst  starke  Lösungen 
reizen  die  Gewiebe  nicht.  Während  es  mindestens  so  stark  an¬ 
ästhesierend  wirkt  wie  Kokain,  ist  es  viel  weniger  giftig,  sehr  kon¬ 
stant  und  ruft  weder  Schock  noch  Nachschmerzen  oder  Zirkulations¬ 
und  Atmungsstörungen  hervor.  Es  ist  im  Verhältnis  zu  den  meisten 
anderen  Anästhetizis  billig. 

J.  C.  Bond:  Beitrag  zur  Chirurgie  gewisser  Lähmungen. 

(Ibid.)  . 

Verf.  legte  bei  einem  46  jährigen  Manne  20  Tage  nach  einer  Wir¬ 
belsäulenverletzung,  die  zu  kompletter  Paraplegie  geführt  hatte,  das 
Rückenmark  frei.  Dann  durchtrennte  er  beiderseits  die  letzten 
Dorsalwurzeln,  die  oberhalb  der  Verletzung  noch  intakt  schienen 
innerhalb  der  Theka,  die  zentralen  Enden  derselben  vernähte  er 
mit  den  gleichfalls  intrathekal  durchtrennten  ersten  Lumbalwurzeln. 
Er  hoffte  auf  diese  Weise  einen  neuen  Weg  für  die  Nervenleitung,  die 
durch  die  Zerquetschung  des  Markes  ganz  aufgehoben  war,  zu 
schaffen.  Patient  überstand  die  Operation,  zeigte  aber  keine  Bes¬ 
serung  (starb  3  Monate  später).  Immerhin  glaubt  Verf.,  dass  es  in  ge¬ 
eigneten  Fällen  gelingen  könnte,  auf  diese  Weise  die  Leitung  wieder 
herzustellen. 

M.  J.  G  i  b  s  o  n:  Zur  Frage  der  Pubiotomie.  (Journal  of  Obstetrics 
and  Gynaecology.  Mai  1907.) 

Verf.  gibt  3  eigene  Fälle,  die  er  als  Assistent  im  Dubliner  Kran¬ 
kenhause  mit  Erfolg  für  Mutter  und  Kind  ausgeführt  hat.  Seine  wei¬ 
teren  Bemerkungen  über  Indikation  und  Technik  der  Operation  stützen 
sich  auf  weitere  12  Fälle  aus  dem  Krankenhause.  Er  hält  die  Opera¬ 
tion  für  sehr  gefährlich,  wenn  schon  vorher  Sepsis  besteht. 

John  Malcolm:  Die  Vorzüge  der  totalen  Hysterektomie. 
(Ibidem.) 

Verf.  empfiehlt  jedes  grössere  Fibrom  zu  entfernen,  ebenso  jedes 
andere,  das  Beschwerden  macht.  Wenn  irgend  möglich  führe  man  die 


Panhysterektomie  aus,  die  in  jeder  Beziehung  der  supravaginalen  Ab¬ 
tragung  vorzuziehen  ist. 

R.  G.  McKerron:  Die  Einleitung  der  Geburt  bei  verlängerter 
Schwangerschaft.  (Ibidem.) 

Verf.  glaubt,  dass  in  etwa  8  Prozent  aller  Fälle  die  Schwanger¬ 
schaft  über  die  normale  Zeitdauer  .hinaus  verlängert  ist.  ln  diesen 
Fällen  ist  das  Kind  gefährdet  einerseits  durch  Veränderungen  in  der 
Plazenta  und  andererseits  durch  eine  lange  Dauer  oder  Schwere  der 
Geburt.  Die  Mutter  ist  gefährdet  durch  übermässige  Dehnung  und 
nachfolgende  Atonie  der  Bauchmuskeln,  durch  eine  schwierige  Ent¬ 
bindung  und  durch  Trägheit  des  Uterus  mit  Neigung  zu  post  partum- 
Blutung.  Die  Gefahren  für  Mutter  und  Kind  sollte  man  durch  recht¬ 
zeitige  Einleitung  der  Geburt  zu  verhindern  suchen,  wenn  man  sicher 
ist,  dass  die  Schwangerschaft  zu  lange  dauert. 

E.  Hastings  Tweedy:  Zur  Frage  der  Pubiotomie.  (Ibidem.) 

Genauerer  Bericht  über  einen  komplizierten  und  2  glatt  ver¬ 
laufende  Fälle  von  Pubiotomie;  bei  allen  3  Fällen  wurden  Mutter 
und  Kind  gerettet.  Im  ersten  Falle  musste  gleichzeitig  gewendet 
werden. 

James  M.  Anders:  Die  Freiluftbehandlung  akuter  Krank¬ 
heiten  der  Atmungsorgane.  (Journal  of  Balneology  and  Climatology, 
Mai  1907.) 

Verf.  empfiehlt  vor  allem  die  Pneumonie  in  frischer  Luft  zu  be¬ 
handeln;  wo  es  unmöglich  ist,  den  Kranken  im  Freien  zu  halten, 
sollte  wenigstens  für  häufige  Durchlüftung  des  Zimmers  gesorgt  wer¬ 
den.  Auch  für  Bronchitiker  eignet  sich  die  frische  Luft  besser  als  das 
warme,  schlecht  ventilierte  Krankenzimmer. 

Albert  Carless:  Frakturen  in  der  Nähe  des  Ellbogengelenkes. 
(Practitioner.  Mai  1907.) 

Verf.  spricht  zuerst  über  die  häufigen  Epiphysenlösungen  des 
unteren  Humerusendes.  Sieht  man  den  Fall  frühzeitig,  ehe  noch 
starke  Schwellung  aufgetreten  ist,  so  ist  es  meist  leicht,  durch  Zug 
am  Vorderarm  und  allmähliche  Beugung  desselben  die  Dislokation  zu 
beseitigen.  Dann  beugt  man  den  supinierten  Vorderarm  so  gegen 
den  Oberarm,  dass  die  Hand  der  Schulter  genähert  wird,  ln  dieser 
Stellung  wird  er  12  bis  14  Tage  lang  fixiert  gehalten.  Sieht  man 
den  Fall  erst,  wenn  starke  Schwellung  besteht,  so  genügt  es  meist, 
beiderseits  einen  Hautschnitt  zu  machen,  dann  stumpf  das  Periost 
zu  eröffnen  und  den  Bluterguss  zu  entleeren.  Dann  gelingt  es  meist 
leicht,  die  Fragmente  richtig  zu  stellen.  Die  Brüche  der  Kondylen 
werden  am  besten,  ebenso  wie  die  Frakturen  des  Olekranon  sofort 
mit  Silberdraht  genäht.  Dasselbe  gilt  vom  Bruche  des  Radius¬ 
köpfchens. 

Newman  N  e  i  1  d:  Opium  als  Heilmittel  bei  der  Hypertrophie  des 
Pylorus.  (Ibidem.) 

Verf.  bespricht  zuerst  die  motorische  Neurose  der  Erwachsenen, 
die  zu  Hypertrophie  des  Pylorus  führt  und  die  ebenso  wie  die  später 
besprochene  kongenitale  Pylorusstenose  durch  Opium  heilbar  ist.  Bei 
beiden  Erkrankungen  scheint  ein  operativer  Eingriff  dem  Verf.  voll¬ 
kommen  verwerflich. 

P.  Lockhart  Mummery:  Der  Pruritus  ani.  (Ibidem.) 

Verf.  betont,  dass  in  jedem  Falle  von  Pruritus  ani  eine  lokale  Ur¬ 
sache  zu  gründe  liegt,  die  meist  im  Anfangsteil  des  Rektums  resp. 
im  Analkanal  zu  finden  ist.  Oft  sind  es  kleine  Geschwüre  oder  Fisteln, 
die  im  Gebiete  einer  der  V  a  1  s  a  1  v  a  sehen  Klappen  liegen.,  in  an¬ 
deren  Fällen  findet  man  Fissuren  oder  kleine  Polypen.  Häufig  führen 
Hämorrhoiden  zu  Pruritus,  indem  sie  den  kompleten  Sphinkterschluss 
hindern;  es  entleert  sich  fortwährend  etwas  Schleim  aus  dem  Anus, 
die  Analgegend  ist  immer  feucht  und  dies  verursacht  das  Jucken.  Sehr 
häufig  handelt  es  sich  um  die  katarrhalische  hypertrophische  Proktitis; 
diese  führt  zu  einer  Hypersekretion  und  der  stark  ätzende  Schleim  er¬ 
zeugt  den  Pruritus.  Alle  diese  Ursachen  sind  zu  beseitigen;  dann  muss 
man  versuchen,  die  geschwollene  und  durchtränkte  Haut  der  Anal¬ 
gegend  wieder  normal  zu  machen.  Dies  gelingt  am  besten  durch  häu¬ 
figes  Pinseln  mit  Karbol  und  durch  häufige  Karbolumschläge. 

S.  Moritz:  Die  Frühdiagnose  der  Lungentuberkulose.  (Me¬ 
dical  Chronicle.  Mai  1907.) 

Verf.,  der  als  Chefarzt  des  Tuberkulosekrankenhauses  in  Man¬ 
chester  und  des  Crossley-Sanatoriums  über  eine  grosse  klinische  Er¬ 
fahrung  verfügt,  bespricht  in  dieser  Arbeit  genau  die  verschiedenen 
Untersuchungsmethoden  und  die  durch  sie  mögliche  Frühdiagnose. 
Durch  Laboratoriumsarbeit  gelingt  es  sehr  häufig  nicht,  eine  Diagnose 
zu  stellen,  ganz  besonders  spricht  er  den  Tuberkulininjektionen  und 
der  Bestimmung  des  opsonischen  Index  jede  Bedeutung  ab.  Am  wert¬ 
vollsten  sind  immer  noch  die  physikalischen  Methoden,  die  durch  den 
Bazillenbefund  und  manchmal  durch  die  Skiagraphie  wesentlich  unter¬ 
stützt  werden.  „  ,,  , 

Jan  S.  Stewart  und  L.  C.  Peel  Ritchie:  Der  diagnostische 
Wert  des  opsonischen  Index  bei  Tuberkulose.  (Edinb.  Med.  Journ. 

Mai  1907.)  „  ,, 

Die  beiden  Verfasser  haben  bei  einer  grossen  Zahl  von  an  chi¬ 
rurgischer  Tuberkulose  leidenden  Kranken  häufige  Bestimmungen  des 
opsonischen  Index  vorgenommen.  Sie  haben  dabei  gefunden,  dass 
eine  einmalige  Bestimmung  des  Index  völlig  wertlos  ist,  da  sowohl 
tuberkulöse  wie  nichttuberkulöse  Fälle  innerhalb  und  ausserhalb  der 
Norm  fallen  können.  Sehr  wichtig  ist  das  Auftreten  einer  negativen 
Phase  nach  der  Injektion,  tritt  dieselbe  ein,  so  handelt  es  sich  sicher 
um  Tuberkulose,  im  anderen  Falle  kann  man  Tuberkulose  aus- 
schliessen.  Sehr  wichtig  ist  die  Bestimmung  des  opsonischen  linlex 


1840 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


auch  zur  Entscheidung  der  Erage,  ob  ein  tuberkulös  gewesener  Kran¬ 
ker  von  'der  Krankheit  befreit  ist.  Auch  hier  entscheidet  das  Auftreten 
oder  Ausbleiben  der  negativen  Phase  die  ausgebliebene  oder  voll¬ 
zogene  Heilung. 

Gerichtliche  Medizin. 

P  u  p  p  e  -  Königsberg:  Zur  Eröffnung  des  Institutes  für  gericht¬ 
liche  Medizin  der  Kgl.  Albertus-Universität  zu  Königsberg  i.  Pr. 

(Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  1906,  Supplementheft.) 

P.  schildert  den  Entwicklungsgang  der  gerichtlichen  Medizin  in 
Königsberg  während  der  letzten  hundert  Jahre,  die  Einrichtung  des 
neuen  Institutes,  die  Beschaffung  und  Verwertung  des  Unterrichts¬ 
materiales.  „Das  öffentliche  Rechtsbewusstsein  hat  ein  Interesse  daran, 
dass  Pflegestätten  der  ärztlichen  Sachverständigentätigkeit  vorhanden 
sind,  welche  die  für  eine  gute  Erledigung  straf-  und  zivilrechtlicher 
Eragen  nötigen  Grundlagen  schaffen  helfen.“  P.  betont  die  Bedeutung 
und  Notwendigkeit  eines  gehörigen  Unterrichtes  in  der  gerichtlichen 
Medizin  und  sozialen  Gesetzgebung  und  hält  nicht  nur  das  Hören 
eines  Kollegs,  sondern  auch  die  Teilnahme  an  einem  gerichtlich-medi¬ 
zinischen  Praktikum  für  erforderlich. 

Pfeiffer-  Graz:  Weitere  Beiträge  zur  Herzbeuteltamponade. 
(Vierteljahrsschr.  f.  ger.  Med.,  1906,  Heft  4.) 

Bei  plötzlichem  Tod  infolge  spontaner  Ruptur  eines  Aorten¬ 
aneurysmas  fanden  sich  im  Herzbeutel  ca.  300  ccm  locker  geronnenen 
Blutes;  nach  einer  traumatischen  Ruptur  des  rechten  Vorhofes  und 
der  rechten  Kammer  trat  zwar  sofort  Bewusstlosigkeit,  der  Tod  aber 
erst  nach  Vz  Stunde  ein,  der  Herzbeutel  enthielt  ca.  100  ccm  flüssiges 
Blut.  Komplette  „Tamponade“  des  Herzbeutels  liegt  nur  im  ersten 
Ealle  vor,  im  zweiten  werden  für  das  Ausbleiben  derselben  und  des 
raschen  Todeseintrittes  der  geringere  Druck,  unter  dem  das  aus¬ 
strömende  Blut  stand  und  die  Möglichkeit  des  Rückfliessens  von 
Blut  in  die  Herzhöhle  während  der  Ventrikeldiastole  geltend  gemacht. 

S  tu  b  e  n  r  a  t  h  -  Würzburg:  Ueber  Ohrenblutung  beim  Er- 
hängungstod.  (Friedreichs  Bl.,  1906,  Heft  3.) 

Eine  ungewöhnlich  starke  und  noch  nach  dem  Tode  andauernde 
Blutung  aus  den  Ohren  war  veranlasst  durch  Einrisse  in  den  hinteren 
unteren  Quadranten  beider  Trommelfelle.  Für  die  Entstehung  dieser 
Verletzung  wirkte  eine  Steigerung  des  Blutdruckes  und  des  Luft¬ 
druckes  im  Mittelohrraume  zusammen,  bestehende  vitale  Kongestion, 
Blutstauung  durch  den  umschnürenden  Strang,  rasche  Verlegung  der 
Rachenmündung  der  Ohrtrompete  mit  Erhöhung  des  intratympaniti- 
schen  Druckes. 

Martini- Breslau:  Ueber  einen  Fäll  von  epiduralem  Bluterguss 
in  einer  verbrannten  Leiche.  (Vierteljahrsschr.  f.  ger.  Med.,  1906, 
Heft  4.) 

An  der  stark  verkohlten  Leiche  einer  Frau,  die  nach  vorausge¬ 
gangener  Brandlegung  sich  erhängt  hatte,  fand  sich  zwischen  Schädel 
und  harter  Hirnhaut  eine  ausgebreitete,  4 — 5  mm  dicke  Schicht  einer 
ziegelroten  weichen  Masse,  die  das  Aussehen  von  gekochtem  Blut 
hatte,  entsprechend  der  stärkeren  Verbrennung  der  linken  Körper¬ 
seite  links.  Das  Schädeldach  bildete  eine  schwärzliche,  trockene 
und  sich  abschilfernde  Masse  und  zeigte  keine  penetrierende  Ver¬ 
letzung,  die  stark  gespannte  Dura  war  unversehrt,  *das  Gehirn  ent¬ 
sprechend  der  Auflagerung  abgeplattet,  trocken.  Das  Blutextravasat 
war  postmortal  durch  die  Hitzewirkung  entstanden,  die  Frage  nach 
der  näheren  Genese  wird  offen  gelassen. 

v.  Horvskiewicz  und  Leeris:  Ueber  die  Entstehungs¬ 
weise  des  epiduralen  Blutextravasates  in  verbrannten  Leichen. 
(Ibidem.) 

Nach  den  in  der  Unterrichtsanstalt  für  Staatsarzneikunde  in 
Berlin  gemachten  Versuchen  findet  unter  der  Einwirkung  der  Hitze 
eine  Aenderung  der  Blutverteilung  am  Schädelknochen  ln  der  Weise 
statt,  dass  das  Blut  von  der  erhitzten  Stelle  wegdrängt,  unter  Blasen- 
und  Schaumbildung  sich  einen  Ausweg  aus  dem  Knochen  sucht  und 
dabei  die  Dura  abhebt.  Erst  längere  und  intensivere  Hitzewirkung 
bringt  auch  die  Dura  zur  Schrumpfung  und  Retraktion,  in  welchem 
Momente  ihre  Gefässe  Ausgüsse  von  trockenem,  geronnenem  Blute 
enthalten.  Als  das  Primäre  erscheint  demnach  die  Blutverdrängung, 
nicht  die  Schrumpfung  der  Dura. 

K  1  a  r  e  -  Königsberg:  Ueber  einen  merkwürdigen  Fall  von 
Rückenmarkstichverletzung.  (Zeitschr.  f.  Med.-Beamte  1906,  No.  24.) 

Obwohl  das  Rückenmark  am  4.  Brustwirbel  in  der  Längsrichtung 
durchstochen  und  die  abgebrochene  Messerklinge  stecken  geblieben 
war,  hatte  der  .Verletzte  keine  Lähmungs-  oder  Reizerscheinungen 
und  konnte  nach  der  Tat  nach  Hause  gehen.  Am  7.  Tage  suchte  er 
wegen  meningitischer  Erscheinungen  das  Krankenhaus  auf,  wo  die 
Messerklinge  entfernt  wurde.  Tod  an  Meningitis. 

Z  e  1 1  e  -  Muskau:  Tod  durch  Venenverletzung  und  verhängnis¬ 
volle  Laienhilfe.  (Zeitschr.  f.  Med. -Beamte,  1906,  No.  19.) 

Isolierte  Stichverletzung  der  linken  Achselvene.  Obwohl  ein 
Krankenhaus  und  vier  Aerzte  in  nächster  Nähe  waren,  versuchte  ein 
Mitglied  der  Sanitätskolonne  2  Stunden  lang  allein  die  vermeintliche 
arterielle  Blutung  durch  Umschnürung  oberhalb  der  Verletzung  zu 
stillen,  doch  rutschte  dieselbe  immer  ab.  Da  hierdurch  die  arterielle 
Blutzufuhr  nicht,  wohl  aber  der  Rückfluss  des  Venenblutes  zum  Kör¬ 
per  behindert  war,  trug  die  fehlerhafte  Kunsthilfe  zum  letalen  Aus¬ 
gange  mit  bei.  Uebrigens  ein  Beitrag  für  die  Gefährlichkeit  selb¬ 
ständigen  Eingreifens  des  Hilfspersonals. 


L  e  e  r  s  -  Berlin:  Zur  Aetiologie  plötzlicher  Todesfälle  im 
Kindesalter  in  gerichtsärztlicher  Beziehung.  (Zeitschr.  f.  Med.- 

Beamte,  1906,  No.  18.) 

Die  Obduktion  unvermutet  gestorbener  Kinder  ergibt  haupt¬ 
sächlich  zwei  Gruppen  von  Krankheiten,  solche  der  Bronchien  und 
Lungen  und  des  Darmtraktus,  sehr  oft  vergesellschaftet.  Für  die 
lobulären  katarrhalischen  Bronchopneumonien,  die  sich  auffallend 
rasch  entwickeln  und  bei  dem  geschilderten  mikroskopischen  Bilde 
den  plötzlichen  natürlichen  Tod  hinreichend  erklären,  liegt  die  bron- 
chogene  Entstehung  näher  als  die  hämatogene;  sie  wird  durch  allge¬ 
meine  äussere  und  innere  Schädlichkeiten  begünstigt,  unter  denen 
das  Darmleiden  insofern  indirekt  beteiligt  ist,  als  es  ganz  besonders 
den  Organismus  schwächt. 

S  c  h  o  1  z  -  Görlitz:  Tod  durch  Erhängen  am  Bauche.  (Zeitschr. 

f.  Med. -Beamte,  1906,  No.  19.) 

Bei  der  seltsamen,  vielleicht  zur  Beseitigung  von  Magenbe¬ 
schwerden  gewählten  Erhängung  —  der  Betreffende  hatte  sich  früher 
einmal  an  den  Füssen  aufgehängt,  um  das  stockende  Blut  zu  ver¬ 
treiben  —  wurden  äusserlich  keine  Strangmarke,  innerlich  Sugillationen 
der  Magen-  und  Darmwand,  Erstickungserscheinungen  und  ein  chro¬ 
nisches  Herzleiden  konstatiert,  als  eigentliche  Todesursache  Herz¬ 
lähmung. 

R  o  t  h  -  Frankfurt  a.  M.:  Fast  völlige  Luftleere  der  Lungen  nach 
24  ständigem  Leben.  (Zeitschr.  f.  Med.-Beamte,  1906,  No.  20.) 

Ein  spontan  geborenes,  ausgetragenes  und  kräftiges  Kind  schrie 
laut  nach  der  Geburt,  atmete  auch  in  den  ersten  Stunden  ruhig,  später 
wimmerte  es  und  wurde  immer  mehr  zyanotisch.  Obwohl  das  Leben 
über  einen  Tag  gedauert,  waren  die  Lungen  nur  in  einzelnen  kleinen 
Inseln  der  Oberlappen  und  der  vorderen  Ränder  lufthaltig,  sonst 
leberartig  derb  und  luftleer;  dagegen  waren  Magen  und  Dünndarm 
schwimmfähig. 

S  e  i  f  e  r  t  -  Sonnenstein:  Ueber  die  forensische  Beurteilung  von 
Kleiderschüssen.  (Zeitschr.  f.  Med. -Beamte  1906,  No.  12.) 

In  einem  gerichtlichen  Falle  gingen  die  Ansichten  der  ärztlichen 
Sachverständigen  darüber  auseinander,  ob  die  ’ Verletzung  am  Beine 
bezw.  das  Loch  in  der  Hose  durch  -einen  Revolverschuss  oder  durch 
Werfen  eines  kantigen,  mit  einem  Nagel  versehenen  Brettes  ent¬ 
standen  sei.  Angestellte  Schiessversuche  ergaben,  dass  die  Schuss- 
löcher  in  Kleidern  in  gleicher  Weise  wie  die  Schussöffnungen  am 
Körper  durch  Vorbuchtung  nach  Art  eines  Kegelmantels  und  Durch¬ 
bohrung  an  der  Spitze  dieser  Ausstülpung  erfolgen.  Je  elastischer  ein 
Gewebe  ist,  um  so  kleiner  ist  das  Loch;  seine  Form  wird  ausserdem 
von  der  Richtung  des  Schusses,  dem  Faserverlauf  des  Gewebes  und 
etwaigen  Falten  beeinflusst;  es  können  dabei  auch  wirkliche  Einrisse 
in  den  Kleidern  entstehen.  Auf  das  Kaliber  des  Geschosses  lassen 
sich  keine  sicheren  Schlüsse  ziehen;  Nahschüsse  kennzeichnen  sich 
durch  die  Wirkung  des  Feuerstrahles  und  Einstreuung  von  Pulver¬ 
körnchen. 

D  o  e  b  e  r  t  -  Berlin:  Die  pathologische  Anatomie  des  Abdominal¬ 
typhus  bei  Erwachsenen  und  Kindern  vom  Standpunkt  der  gericht¬ 
lichen  Medizin.  (Friedreichs  Bl.  1906,  H.  5  u.  6.) 

Plötzliche  Todesfälle  mit  Verdacht  auf  eine  strafbare  Handlung 
oder  Selbstmord  finden  zuweilen  ihre  Aufklärung  durch  den  Nach¬ 
weis  von  Abdominaltyphus;  als  nächste  Todesursache  lassen  sich 
hiebei  feststellen;  Degeneration  des  Herzens,  Perforationsperitonitis, 
Milzruptur,  auch  Embolie  der  Lungen  und  Hirnarterien  und  sonstige 
seltenere  Vorkommnisse.  Septische  Erkrankungen  nach  Verletzungen 
und  Geburten  können  ähnlich  wie  Typhus  verlaufen  und  umgekehrt, 
es  kommen  auch  Mischinfektionen  von  Sepsis  und  Typhus  vor;  kli¬ 
nisch  und  anatomisch  kann  die  Differentialdiagnose  Schwierigkeiten 
begegnen.  Wegen  der  Frage  des  Verschuldens  des  Urhebers  der 
Verletzung  oder  der  bei  der  Entbindung  zugezogenen  Hebamme  be¬ 
darf  es  bei  der  Begutachtung  solcher  Fälle  sorgfältiger  Erwägung. 
Auch  Fleischvergiftungen  können  tvphusähnliche  Erkrankungen  her- 
vorrufen.  In  der  Unfallversicherungspraxis  kann  Typhus  besondere 
Wichtigkeit  erlangen,  wenn  er  nach  Hineingeraten  in  ein  mit  Fäkalien 
verunreinigtes  Flusswasser  eintrat  —  es  wurde  dies  auch  wiederholt 
als  Betriebsunfall  anerkannt  —  oder  wenn  nach  abgelaufenem  Typhus 
ein  Trauma  die  Gelegenheitsursache  zur  Entstehung  eines  post¬ 
typhösen  Abszesses  abgibt. 

A  s  c  a  r  e  1 1  i  -  Rom:  Histologische  Studien  und  bakteriologische 
Versuche  über  Adipocire.  (Vierteljahrsschr.  f.  prakt.  Med.  1906,  H.  4.) 

Die  Saponifikation  tritt  nach  vorausgegangener,  mehr  oder  min¬ 
der  vorgeschrittener  Fäulnis  auf  und  verbreitet  sich  von  der  Ober¬ 
fläche  nach  der  Tiefe;  am  meisten  widerstandsfähig  sind  Binde¬ 
gewebe,  elastische  Fasern  und  Knorpeln.  Die  beigefügten  9  Tafeln 
veranschaulichen  die  Uebergangsstufen  des  Prozesses  an  den  ein¬ 
zelnen  Geweben,  deren  gröbere  anatomische  Struktur  noch  kenntlich 
ist.  Die  Verseifung  entwickelt  sich  in  Gegenwart  einer  zahlreichen 
Bakterienflora,  die  der  des  Wassers  und  der  gewöhnlichen  Fäulnis 
entspricht.  Hinsichtlich  der  Genesis  nimmt  A.  eine  Mittelstellung 
ein;  ohne  triftige  Gründe  für  seine  Meinung  anzuführen,  lässt  er  die 
verseifte  Substanz  sowohl  aus  den  präexistierenden  Fetten  als  auch 
und  grösstenteils  aus  den  Albuminoiden  entstehen. 

Hoffmann  - Berlin :  Defloration  einer  Schlafenden?  (Zeitschr. 
f.  Med.-Beamte  1906,  No.  23.) 

Bei  dem  allgemein  gebotenen  Skepticismus  in  solchen  Fragen 
verdient  es  gerichtsärztliches  Interesse,  dass  nach  dem  Zugeständ- 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1841 


nisse  des  Angeklagten  eine  durch  ungewohnten  reichlichen  Alkohol- 
genuss  in  tiefen  Schlaf  versunkene  Dienstmagd  nichts  davon  merkte, 
wie  sie  vom  Tische,  an  dem  sie  eingeschlafen  wai,  weggetiagen  und 
ins  Bett  hineingelegt  wurde,  und  erst  durch  den  Schmerz  beim  Ein¬ 
dringen  des  männlichen  Gliedes  in  die  Scheide  erwachte. 

Schwabe-Hannover:  Versuchte  Notzucht  an  einem  im  Zu¬ 
stande  von  oberflächlicher  Hypnose  (Hypotaxie)  befindlichen  jungen 
Mädchen  durch  einen  sog.  Magnetopathen.  (Zeitschr.  1.  Med. -Beamte 

191  ^Eingehende  Darlegung  des  Falles,  bei  dem  insbesondere  die 
Glaubwürdigkeit  der  Zeugin  ärztliche  Beobachtung  und  Begutachtung 
erforderte.  Bei  der  Gemeingefährlichkeit  der  Magnetopathen  wird 
als  dringend  notwendig  bezeichnet,  das  Verbot  der  hypnotischen 
Schaustellungen  durch  Laien  auch  auf  die  Laienkuiiereiei  mittels 
Hypnose  (Magnetismus)  auszudehnen. 

Best-  Hirschhorn  a.  N. :  Ein  Fall  von  Purgenvergiftung.  (Zeit¬ 
schr.  f.  Med.-Beamte  1906,  No.  12.)  . 

Zwei  Tabletten  Purgen  „für  Bettlägerige“,  das  „selbst  in  grössten 
Dosen  unschädlich“  sein  soll,  verursachte  ausser  überaus  häufigen 
wässerigen  Stühlen  stundenlange  grosse  Unruhe,  Beängstigung, 
Athemnot,  gerötetes  Gesicht,  starkes  Herzklopfen  und  Pulsbeschleum- 


SU11RRoth -Braunschweig:  Ein  Fall  von  tödlicher  Benzinvergiftung. 

(Zeitschr.  f.  Med.-Beamte  1906,  No.  24.)  . 

Ein  U/s  jähriger  Knabe  trank  aus  einer  Benzinflasche  eine  ganz 
geringe  Menge  und  starb  nach  1  Stunde.  Im  Verdauungstraktus  fan¬ 
den  sich  Leine  Aetzungs-  oder  Reizungserscheinungen  unter  dem 
Ueberzuge  der  Leber,  der  Milz  und  der  Nieren  waren  zahlreiche  Blut¬ 
austritte  sichtbar,  das  Lungengewebe  war  von  kleineien  Blutungen 
durchsetzt.  Chemisch  liess  sich  das  Benzin  im  Magen  und  Darm 
nicht  mehr,  jedoch  noch  in  den  Organen  nachweisen. 

Mucha-Wien:  Zwei  Fälle  von  Vergiftungen  mit  Chrompräpa- 

rateiZdar  ek-Wien:  Ueber  die  Verteilung  des  Chroms  im  mensch¬ 
lichen  Organismus  bei  Vergiftung  mit  Chromsäure  bezw.  Kalium- 
dichromat.  (Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  1906,  H.  4.) 

In  dem  ersten  Falle  erfolgte  nach  Einnahme  von  ca.  80  g  einer 
gesättigten  Kaliumdichromatlösung  wiederholt  Erbrechen:  nach  Aut- 
liahme  in  das  Krankenhaus  wurde  der  Magen  aiisgespült  und  Magnes. 
carbon  verabreicht.  Tod  nach  12  Stunden.  Anatomisch  (Dr.  Mucha) 
fanden  sich  im  Munde  und  Rachen  keine  Veränderungen  im  Magen 
Schwellung  der  Schleimhaut  mit  Ekchymosen,  im  Duodenum  und 
oberen  Jejunum  desquamativer  Katarrh;  im  oberen  Ileum  war  die 
Schleimhaut  noch  rosafarben,  weiter  abwärts  blassgrau.  Die  Leber 
zeigte  gleichmässige  fettige  Degeneration  der  Zellen,  die  Nieren  Ne¬ 
krose  und  parenchymatöse  Degeneration  der  Epithelien,  vorwiegend 
in  den  gewundenen  Harnkanälchen.  Bei  der  chemischen  Untei- 
suchung  (Dr.  Zdarek)  war  die  Menge  des  im  Körper  Vorgefun¬ 
denen  Chroms  eine  auffallend  geringe,  wenn  es  sich  auch  noch  in  a  len 
Organen  nachweisen  liess;  dieses  rasche  Verschwinden  aus  dem 
Organismus  und  die  verhältnismässig  grosse  Menge  im  Harn  sprechen 
wohl  entschieden  für  eine  rasche  Elimination  durch  die  Nieren;  nachst- 

dem  enthielt  am  meisten  die  Leber. 

Im  zweiten  Falle  wurden  6  g  Chromsäurelösung  genommen; 
kein  Erbrechen,  aber  flüssige  Stühle;  Magenausspülung  wegen  hoch¬ 
gradiger  Kyphose  unmöglich,  als  Gegenmittel  Magnesia  usta.;  lod 
nach' 4  Stunden.  Die  stark  alkalische  Reaktion  des  Magen-  und 
oberen  Darminhaltes,  sowie  die  Erweichung  und  Quellung  der 
Schleimhaut  waren  durch  das  Gegenmittel  bedingt,  nur  an  der  vor¬ 
deren  Magenwand  war  die  Schleimhaut  starr,  die  bis  in  den  obeien 
Teil  des  Dünndarmes  graugrün  verfärbt  war.  Auffällig  war  die  In¬ 
tensität  der  entzündlichen  Veränderungen  im  unteren  Ileum,  wo  der 
stark  geröteten  Schleimhaut  kruppähnliche  Membranen  auflagerten 
und  die  Ausdehnung  über  den  ganzen  Dickdarm,  bedingt  durch  die 
Ausscheidung  des  Giftes ;  Z.  schreibt  die  schädigende  Wirkung  haupt- 
sächlich  dem  Magnesiumchromat  zu.  Chemisch  wurde,  beinahe  die 
Gesamtmenge  des  eingenommenen  Chroms  im  Oiganismus  aufge 
funden,  die  Leber  enthielt  nahezu  1  g. 

Hoff  mann -Berlin:  Mord-  und  Selbstmord  durch  Chloroform. 

(Zeitschr.  f.  Med.-Beamte  1906,  No.  23.) 

Nach  vorgängiger  Tötung  des  4  jährigen  Kindes  mittels  Chloio- 
forminhalation  banden  sich  die  Eltern  behufs  gemeinsamen  Selbst¬ 
mordes  mit  Chloroform  gefüllte  Tropfflaschen  derart  an  die  Stirne, 
dass  dasselbe  selbständig  auf  die  vor  Mund  und  Nase  gelegte  Watte 
träufelte  Der  Mann  erwachte  wieder,  wahrscheinlich  weil  sich  die 
Flasche  verschob  und  das  Chloroform  daneben  tropfte,  und  brachte 
sich  dann  2  nicht-tödliche  Schüsse  bei.  Abgesehen  von  der  lokalen 
Reizwirkung  des  teilweise  verschluckten  Chloroforms  —  Rötung  dei 
Schleimhaut  des  Rachens,  der  Luftröhre  und  des  Magens,  teilweise 
Abschilferung  des  Speiseröhrenepithels  —  fand  sich  kein  spezifischer 
Obduktionsbefund,  Chloroform  machte  sich  nicht  durch  den  Geruch 
bemerkbar,  liess  sich  aber  chemisch  in  den  Leichenteden  nachweisen. 

Wachholz-Krakau:  Zur  Kohlenoxydvergiftung.  (Viertel¬ 
jahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  1906,  Supplementheft.) 

Aus  einzelnen  Beobachtungen  von  Vergiftungen  bei  Menschen 
und  mehreren  Tierversuchen  wird  gefolgert,  dass  das  CO  im  Körper 
nicht  zerstört  bezw.  zu  CO2  oxydiert  wird  und  im  Blute  überlebender 
Individuen  trotz  ihrer  Atmung  in  reiner  Luft  noch  lange  nachgewiesen 


werden  kann,  bedeutend  länger,  als  man  bisher  annahm;  dei  Nacli- 
weiss  lässt  sich  aber  nur  mit  den  empfindlichsten  Proben,  der  modi¬ 
fizierten  Tannin-  oder  der  Palladiumchloriirprobe  erbringen.  Es  ist 
anzunehmen,  dass  das  nach  längerer  Zeit  im  Blute  überlebender  In¬ 
dividuen  noch  nachweisbare  CO  von  jener  seiner  Menge  herrührt, 
welche  von  den  Geweben,  besonders  den  Muskeln  aufgenommen  und 
sodann  allmählich  wieder,  an  das  kreisende,  zuvor  in  den  Lungen  von 
seinem  eigenen  CO-Gehalt  befreite  Blut  abgegeben  worden  ist.  Das 
CO  scheint  direkt  auf  das  Muskelgewebe  einzuwirken,  d.  i.  seine  Er- 
regbarkeit  zu  steigern  und  dadurch  mehr  oder  wenigei  heftige 
Krämpfe  leichter  auszulösen.  Es  beeinflusst  den  Blutkreislauf  schäd¬ 
lich,  indem  es  Gefässerweiterung,  rasches  Sinken  des  Blutdruckes, 
Blutstase  und  Thrombenbildung  herbeiführt,  die  des  weiteren  Embo¬ 
lien  mit  nachfolgenden  Erweichungsherden  in  den  Organen  des  zen¬ 
tralen  Nervensystems,  Nekrosen  des  Herzmuskels  und  massige 
Pleuraexsudate  veranlassen  können. 

Peter  sen-Bor  st  e  1  -  Plagwitz  a.  B.:  Gutachten  über  den 
Zusammenhang  zwischen  Gasvergiftung  und  Geisteskrankheit.  (Vier¬ 
teljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  1906,  H.  3.) 

Infolge  Gasausströmung  aus  einem  Wassergasregenerator  er¬ 
krankten  gleichzeitig  mehrere  Arbeiter  an  Vergiftungserscheinungen, 
genasen  jedoch  wieder  bis  auf  einen  17  jährigen  Hiittenai  beiter,  in 
dessen  Vorleben  keine  wesentlichen,  Geisteskrankheit  voi  bereitende 
oder  veranlassende  Momente  bemerkbar  waren.  Er  klagte  über  Kopf¬ 
schmerzen  und  Uebelkeit,  war  ganz  irre,  musste  nach  Haus  gefüllt  t 
und  am  nächsten  Tage  wegen  Delirien  dem  Krankenhause  überwiesen 
werden,  wo  Zustände  von  Somnolenz  und  Apathie  mit  Eiregungs- 
zuständen  abwechselten.  P.  stellte  einige  Monate  später  das  typische 
Bild  der  Manie  fest  und  bejahte  den  Kausalzusammenhang  mit  der 

Gasvergiftung.  .  .  ,  .  , 

Näc'ke- Hubertusburg:  Sind  die  Degenerationszeichen  wirk¬ 
lich  wertlos?  (Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  1906,  H.  3.) 

N.  polemisiert  gegen  die  Abhandlung  von  D  0  h  r  n  und 
Scheele  und  vertritt  seinen  bisher  eingenommenen  Standpunkt. 
Darnach  besteht  im  allgemeinen  ganz  entschieden  ein  Zusammenhang 
zwischen  Zahl,  Wichtigkeit  und  Verbreitung  der  Stigmata  und  dem 
Zustande  des  Zentralnervensystems.  Die  physiologisch-psycho¬ 
logischen  Entartungserscheinungen  sind  entschieden  viel  wichtiger 
als  die  äusseren  Stigmen.  Letztere  sollen  nur  ein  Signal  sein,  eine 
Aufforderung,  das  betreffende  Individuum  näher  zu  uutei suchen. 
Während  ein  einzelnes  Stigma  oder  nur  wenige  unwichtige  ohne 
Wert  sind,  steigt  ihre  Bedeutung  mit  der  Zahl,  Wichtigkeit  und  Aus¬ 
breitung  am  Körper. 

Dan  11  emann-  Giessen:  Die  Wahl  des  Vormundes  im,  Ent¬ 
mündigungsverfahren  vom  psychiatrischen  Standpunkte.  (Fried¬ 
reichs  Bl.  1907,  H.  4.)  J  J  ..  . 

Der  Vormund  hat  für  die  Person  und  das  Vermögen  des 
Mündels  zu  sorgen.  Die  Bestellung  des  Vormundes  wesentlich  nach 
dem  Gesichtspunkte  der  Vermögensverwaltung  kann  stattfinden  bei 
allen  Fällen  von  Geisteskrankheiten,  in  welchen  das  Interesse  an  der 
Wahrnehmung  der  eigenen  Angelegenheiten  erloschen  oder  zeitweilig 
aufgehoben  ist.  In  den  sonstigen  Fällen  beanspruchen  die  besonderen 
Eigenschaften  des  Mündels  und  seine  Beziehungen  zum  Vormund  Be¬ 
rücksichtigung.  Die  Tätigkeit  des  ärztlichen  Sachverständigen  soll 
nicht  mit  der  Abgabe  des  Entmündigungsgutachtens  enden;  er  sollte 
sich  auch  über  die  von  einem  Vormund  zu  beachtenden  charakte¬ 
ristischen  Züge  des  Kranken  aussprechen,  den  Richter  bei  der  Wahl 
des  Vormundes  beraten.  Ungeeignet  als  solche  sind  Personen,  die 
das  Vorliegen  einer  Geistesstörung  und  die  Notwendigkeit  einer 
Kuratel  nicht  anerkennen,  von  dem  Kranken  in  den  Kieis  seinei 
falschen  Vorstellungen  als  Gegner  miteinbezogen  werden,  unter  dem 
Einflüsse  des  Kranken  stehen  (Ehefrauen)  oder  kein  Verständnis  für 
das  Wesen  des  Kranken  zeigen.  Dr.  Carl  Beckei. 


Inauguraldissertationen. 

Universität  Freiburg  i.  Br.  August  1907. 


34. 


35. 


36. 


37. 


38. 

39. 


den 

Br. 


Gruber  Friedrich :  Beitrag  zur  Kasuistik  der  sexuellen  Per¬ 
versionen.  ,  .  ,  ,  .  , 

Schuster  Paul :  Statistische  und  klinische  Analyse  der  111 
Jahren  1852—1906  auf  der  medizinischen  Klinik  zu  Freiburg  1. 
beobachteten  Fälle  von  Erysipelas. 

Dessl  er  Bernhard:  Zur  Aetiologie  der  Todesfälle  und  der 
schweren  Zufälle  bei  der  Lumbalanästhesie. 

Obermiller  Richard:  Ueber  Sandkörperchen.  (Einschliess¬ 
lich  Corpora  libera  tunicae  vaginalis  testis.)  Nebst  einem  hall 
von  Fibrom  des  Hodens  mit  Sandkörnern. 

Hof  stein  Hermann:  Ueber  Scoliosis  ischiadica. 
Gerschmann  Josef:  Aspiration  von  Mageninhalt  bei  Opc- 

rcitinnpn  WPCPll  TleilS. 


21. 

22. 

23. 

24. 


Universität  Rostock.  Juli — August  1907. 

Liessie  Walter:  Beitrag  zur  Untersuchung  der  Merkfähigkeit 

im  hohen  Greisenalter.  . 

Go  sh  i  da  Schutos:  Ueber  Leucoderma  psoriaticum. 

Konow  Wilhelm:  Pseudotabes  arsemcalis  P^rIPh^rlcV,,F-np 
Hinrichsen  Richard:  Bericht  über  34  operativ  behandelte  alle 
von  gutartigen  Magenerkrankungen. 


1842 


MUFNCHFNFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


25.  Müller  Johann:  Ueber  die  Reaktion  der  normalen  Säuglings¬ 
fäzes. 

26.  Wi  Icke  Ulrich:  Beiträge  zur  Kenntnis  metastatischer  renaler 
und  perirenaler  Abszesse. 

27.  Erd  mann  Paul:  Ueber  experimentelles  Glaukom  nebst  Unter¬ 
suchungen  am  glaukomatösen  Tierauge.  (Habilitionsschrift.) 

28.  Neu  mann  Walther:  Die  Behandlung  der  Stomatitis  mercurialis 
mit  Wasserstoffsuperoxyd. 

29.  Bartz  Johannes:  Ueber  die  Diplobazillenkonjunktivitis  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  Hornhautkomplikationen. 

30.  Reitz  Bruno:  Zur  Kasuistik  der  Verletzungen  des  Ductus  thora- 
cicus,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  operativen. 

31.  Lüsing  Kuno:  Ein  Beitrag  zur  Frage:  Appendizitis  oder  Appen¬ 
dixeinklemmung  im  Bruchsack? 

32.  Böttcher  Alfred:  Ein  Beitrag  zur  forensen  Medizin.  I.  Mutter¬ 
mord ;  II.  Mord  des  Kindes  vom  Dienstherrn. 

33.  Meyer  Karl:  Die  Behandlung  der  Beclkenenölagen  durch  die 
äussere  Wendung. 

34.  Voll  mann  Otto:  Ueber  einen  Fall  von  multiplen  Zottenge¬ 
schwülsten  der  Harnblase. 

Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Blatternfälle  und  Impfrummel  in  Wien.  —  Mangel  an 
Kälberlymphe.  —  Die  passive  Resistenz  der  niederöster¬ 
reichischen  Gemeindeärzte  hält  an.  —  Vom  XII.  österreichischen 
Aerztekammertag.  —  Honorierung  der  Sanitätsanzeigen.  — 
Der  Gatte  muss  die  zahnärztliche  Behandlung  seiner  Gattin 
bezahlen. 

Die  Wiener  haben  in  den  letzten  zwei  Wochen  infolge 
zahlreicheren  Auftretens  von  Erkrankungs-  und  Todesfällen  an 
Blattern  einen  argen  Impfrummel  erlebt.  Seit  dem  Jahre  1895 
sind  die  Blattern  in  Wien  nur  mehr  sporadisch  aufgetreten. 
Unrichtig  ist  freilich  die  offizielle  Mitteilung,  dass  Wien  und  das 
ganze  Land  Niederösterreich  seit  mehr  als  10  Jahren  „ganz 
blatternfrei“  gewesen  seien.  In  dem  1905  erschienenen  „Be¬ 
richt  des  Wiener  Stadtphysikates“  lesen  wir,  dass  in  den  Jahren 
1897 — 1899  nur  2,  7  und  3  Fälle  zu  verzeichnen  waren,  in  den 
drei  Berichtjahren  1900 — 1902  nur  3  und  6  (sämtlich  auswärtige 
[Provenienzen)  vorgekommen  sind,  während  das  Jahr  1902 
blatternfrei  blieb.  Das  war  freilich  eine  starke  Verminderung 
dieser  Fälle,  denn  noch  im  Jahre  1891  zählte  Wien  2038  (!), 
im  Jahre  1892  noch  52,  1893  noch  immer  183,  1894  noch  66  Fälle. 
Im  heurigen  Jahre  trat  im  April  ein  Blatternfall  auf,  „der 
erwiesenermassen  durch  Verbreitung  offenbar  infizierter 
Gänsefedern  galizischer  oder  russischer  Provenienz  ver¬ 
anlasst  wurde“.  Von  Anfang  Mai  bis  Mitte  Juni  wurden  im 
10.  Wiener  Bezirke  12  Fälle  konstatiert,  sodann  im  12.  Bezirke 
2  neue  schwere  Blatternfälle  bei  ungeimpften  Personen,  die 
auch  tödlich  verliefen.  Nunmehr  kamen  in  verschiedenen  Be¬ 
zirken  Blatternfälle  zur  Beobachtung,  auch  3  Fälle  von  Haus¬ 
infektion  im  Franz-Joseph-Spitale,  wohin  alle  Blatternkranke 
abgegeben  wurden.  Die  unmittelbaren  Wohnungsgenossen  der 
Erkrankten  mussten  sich  in  die  Hospitäler  der  Gemeinde  Wien 
behufs  14  tägiger  Kontumaz  begeben.  Ende  August  zählte  man 
schon  einige  70  Erkrankungen  mit  7  Todesfällen. 

Das  gab  Veranlassung  zu  intensiven  prophylaktischen 
Massnahmen  seitens  der  staatlichen  und  städtischen  Sanitäts¬ 
behörden.  Am  23.  August  leitete  das  Ministerium  des  Innern 
das  sogen.  Epidemieverfahren  ein.  Danach  muss  jeder  Er¬ 
krankungs-  und  jeder  blatternverdächtige  Fall  sofort  zur  An¬ 
zeige  gebracht  werden,  ungeimpfte  Personen  „sollen“  sofort 
der  Erstimpfung  und  Personen,  die  schon  vor  6  oder  mehr 
Jahren  geimpft  wurden,  „sollen“  der  Wiederimpfung  unter¬ 
zogen  werden.  (In  Oesterreich  gibt  es  keinen  gesetzlichen 
Impfzwang!)  Diese  Verlautbarung  wirkte  wie  eine  Bombe,  sie 
beunruhigte  die  Bevölkerung  in  ungeahnter  Weise,  es  entstand 
ein  Impfrummel  sondergleichen.  Die  anfangs  in  zu  geringer 
Zahl  und  mit  wenig  Impfärzten  ausgestatteten  öffentlichen 

Impfstationen,  an  welchen  Jedermann  —  Gross  und  Klein  _ 

unentgeltlich  der  Erstimpfung  resp.  der  Revakzination  unter¬ 
zogen  wurde,  wurden  in  lebensgefährlicher  Weise  bestürmt; 
man  sah  sich  gezwungen,  allmählich  24  solche  öffentliche  Impf¬ 
stellen  zu  errichten  und  in  den  meisten  derselben  waren  mehrere 
Impfärzte  stundenlang  zugleich  tätig.  Dabei  mussten  die  Imp¬ 


fungen  oft  abgebrochen  werden,  weil  die  k.  k.  Impfstoffgewin¬ 
nungsanstalt  keinen  Stoff  mehr  zur  Verfügung  stellen  konnte. 
Arbeiter  und  Frauen  mit  ungeimpften  Kindern  hatten  sich 
stundenlang  halbtot  drücken  lassen,  um  dann  ungeimpft,  mit 
dem  Tröste,  am  nächsten  Tage  wieder  zu  kommen,  nach  Hause 
zu  gehen.  Das  gab  Stürme  der  Entrüstung  an  Ort  und  Stelle 
und  später  auch  in  den  politischen  Zeitungen. 

Aber  auch  die  Privatärzte  wurden  stark  bedrängt,  alle 
Welt  wollte  sofort  geimpft  werden.  Dabei  bekamen  die 
Aerzte  an  manchen  Tagen  keinen,  an  anderen  Tagen  zu  wenig 
Impfstoff,  um  ihre  Klientel  zu  befriedigen.  Das  gab  auch  zu 
argen  Reibereien  Anlass,  es  regnete  in  den  politischen  Zei¬ 
tungen  ärztliche  Zuschriften,  die  Not  an  Impfstoff  wurde 
Tagesgespräch.  Der  Direktor  der  Impfstoffgewinnungsanstalt 
warf  den  praktischen  Aerzten  vor,  dass  sie  den  Impfstoff  ver¬ 
schwenden  und  riet  ihnen,  mit  demselben  sparsamer  umzu¬ 
gehen.  Mit  einer  Phiole  könne  man  10  Erstimpfungen  resp. 
20  Revakzinationen  vornehmen,  was  —  nebenbei  gesagt  — 
absolut  nicht  zutrifft,  zumal  wenn  die  zu  Impfenden  nicht  alle 
gleichzeitig  beim  Arzte  erscheinen.  Auch  war  es  nicht  schön, 
dass  die  k.  k.  Anstalt  die  Konjunktur  benützte  und  sich  für  eine 
Phiole  mit  Kälberlymphe  100  Heller  =  1  Krone  bezahlen  liess, 
nachdem  sie  die  Phiole  früher  für  60  Heller  verkauft  hatte.  Und 
die  offiziöse  „Wiener  Abendpost“  führte  in  einer  amtlichen 
Mitteilung  aus,  dass  die  Vorräte  an  Kälberlymphe  voll¬ 
kommen  ausreichen  würden,  „wenn  die  öffentlichen,  gleichwie 
die  privaten  Impfungen  nicht  mehr  in  dem  Tempo  vorgenom¬ 
men  werden,  wie  es  der  impetuöse  Zudrang  der  Bevölkerung 
in  der  letzten  Zeit  mit  sich  brachte.“  Das  heisst:  die  Leutchen 
sollten  sich  schön  Zeit  lassen  und  sich  nach  und  nach  impfen 
lassen.  Die  Not  lehrt  aber  bekanntlich  beten.  Wenn  Gefahr 
droht,  dann  will  jeder  der  Erste  sein,  der  sich  und  die  Seinen 
zu  schützen  sucht;  da  nützen  keine  guten  Lehren  und  keine 
Ermahnungen  zur  Geduld.  Auch  so  mancher  brave  Mann,  der, 
irregeführt  durch  die  Reden  und  Schriften  der  Naturheiler, 
Impf-  und  Vivisektionsgegner,  noch  vor  einigen  Tagen  die 
Schutzimpfung  gegen  Blattern  als  wissenschaftlichen  Schwin¬ 
del  und  als  Vergiftung  der  Menschheit  ausgeschrien  hatte, 
war  jetzt  mit  einem  Male  selbst  einer  jener,  die  sich  sofort 
revakzinieren  lassen  wollten,  oder  der  seine  Hausgenossen  der 
Erstimpfung  zuführte.  Zur  rechten  Zeit  erinnerte  ein  Blatt 
daran,  dass  im  Wiener  Gemeinderate  während  der  Budget¬ 
debatte  am  7.  Dezember  1904  der  Arzt  und  Gemeinderat 
Dr.  K  1  o  t  z  b  e  r  g  gegen  die  Impfung  gesprochen  und  beantragt 
habe,  4150  Kronen,  die  für  die  öffentliche  Impfung  im  Budget 
angesetzt  waren,  zu  streichen,  worauf  die  christlich-soziale 
Majorität  den  Antrag  Klotzberg  annahm.  Man  erinnerte 
sich  auch,  dass  vor  2  Jahren  der  Landesausschuss  Dr. 
Scheicher  im  niederösterreichischen  Landtage  in  öffent¬ 
licher  Sitzung  die  Impfärzte  dieses  Kronlandes  beleidigte,  indem 
er  ihnen  insinuierte,  sie  impften  bloss,  weil  es  einträglich  sei; 
wenn  sie  nichts  dafür  bezahlt  bekämen,  würden  vielleicht  auch 
Gutachten  der  Aerzte  in  dem  Sinne  einlaufen,  dass  die  Schutz¬ 
impfung  gegen  Blattern  wertlos  sei.  Die  dagegen  erhobenen 
Proteste  der  Aerzte,  aber  auch  die  Lehren  der  ärztlichen  und 
Laienimpfgegner  waren  jetzt  vergessen,  es  gab  kein  politisches 
Blatt,  welcher  Richtung  immer,  welches  den  Mut  gehabt  hätte, 
jetzt  gegen  die  Impfung  aufzutreten;  Blattern  und  Impfung 
füllte  Tag  für  Tag  die  Spalten  aller  Blätter. 

Es  wurden  auch  30  Epidemieärzte  angestellt,  die  vom 
Staate  bezahlt  werden,  aber  dem  Stadtphysikate  unterstellt 
sind.  Weitere  Massnahmen  —  um  nur  einiges  zu  erwähnen  — 
waren  folgende:  In  infizierten  Häusern  (sie  werden  offiziell  be¬ 
kannt  gemacht)  werden  Briefe  von  den  Postboten  nicht  ad 
manus  zugestellt,  sondern  beim  Hausbesorger  deponiert.  Die 
Knabenhorte,  Kindergärten  und  ähnliche  Anstalten  wurden  in 
den  gefährdeten  Bezirken  geschlossen,  die  Schuleröffnung  in 
diesen  Stadtteilen  bis  auf  weiteres  verschoben.  Die  Wagen  der 
städtischen  Strassenbalmen  wurden  besonders  gereinigt  und 
desinfiziert  und  die  Holzgitter  von  den  Fussböden  entfernt.  Die 
k.  k.  Impfstoffgewinnungsanstalt  vergrösserte  das  Feld  ihrer 
Tätigkeit,  aus  österreichischen  Provinzstädten,  aber  auch  aus 
Ofen-Pest,  München,  Berlin,  Weimar  etc.  wurde  Impfstoff  von 
Privat-  und  Kassenärzten  in  grossen  Mengen  bezogen.  Die 
Gemeinde  Wien  iibcrüess  das  städtische  Notspital  im  XX.  Be- 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1843 


zirke  dem  k.  k.  Krankenanstaltenfonds  für  Zwecke  der  etwaigen 
Unterbringung  Blatternkranker  und  die  Errichtung  und  Inbe¬ 
triebsetzung  eines  Barackenspitales  wurde  im  Prinzipe  ge¬ 
nehmigt.  Das  Eisenbahnministerium  hatte  für  den  Dienst¬ 
bereich  der  Staatseisenbahnverwaltungen  mehrere  Impfstellen 
errichtet,  in  welchen  das  dem  genannten  Ministerium  unter¬ 
stehende  Personal  unentgeltlich  geimpft  wurde.  Der  Verband 
der  Genossenschaftskrankenkassen,  dem  auch  die  allgemeine 
Arbeiterkrankenkasse  angehört,  errichtete  ebenfalls  zahlreiche 
Impfstellen,  in  welchen  alle  Abende  und  am  Sonntag  vormittags 
von  ihren  angestellten  Aerzten  unentgeltlich  geimpft  wurde. 
Alle  Kranken  der  grossen  Spitäler  Wiens,  die  Angestellten  und 
Arbeiter  der  Fabriken  in  und  um  Wien,  die  Angestellten  der 
Grossbetriebe  aller  Art  etc.  wurden  unentgeltlich  geimpft. 

Die  Wiener  Aerztekammer  hat  im  Vereine  mit  der  wirt¬ 
schaftlichen  Organisation  der  Aerzte  Wiens  beschlossen,  ihren 
Mitgliedern  die  Annahme  von  Stellen  als  Epidemieärzte  gegen 
ein  monatliches  Honorar  von  600 — 900  Kronen  freizugeben, 
„behält  sich  aber  vor,  die  bekannten  alten  Forderungen  des 
ärztlichen  Standes  (Einführung  des  Impfzwanges,  eines  Epi¬ 
demiegesetzes  etc.)  mit  allem  Nachdruck  bei  der  Regierung 
geltend  zu  machen“.  Dagegen  hat  die  wirtschaftliche  Organi¬ 
sation  der  Aerzte  Niederösterreichs  einstimmig  beschlossen, 
in  der  passiven  Resistenz  zu  verharren  und  demnach  die  Vor¬ 
nahme  der  öffentlichen  Impfungen  insolange  abzulehnen,  als 
nicht  vom  niederösterreichischen  Landesausschuss  die  ge¬ 
rechten  Forderungen  der  Gemeindeärzte  erfüllt  werden.  Pri¬ 
vate  Impfungen  werden  nach  wie  vor  von  allen  Aerzten  vor¬ 
genommen  werden.  Da  bereits  in  einigen  Orten  Niederöster¬ 
reichs  einzelne  Blatternfälle  aufgetreten  sind  und  die  Gefahr 
der  weiteren  Verschleppung  der  Krankheit  aus  Wien  naheliegt, 
kann  dieser  Beschluss  von  folgenschwerer  Bedeutung  sein. 
Die  Gemeindeärzte  Niederösterreichs  verlangen  aber  nichts 
anderes,  als  eine  standesgemässe  Honorierung  dieser  öffent¬ 
lichen  Impfungen  und  diese  müsste  ihnen  jetzt  zugestanden 
werden,  da  die  Landesbehörden  unmöglich  die  schwere  Ver¬ 
antwortung  für  etwaige  krasse  Unterlassungen  und  deren 
Folgen  übernehmen  werden. 

Der  XII.  österreichische  Aerztekammertag  wird  am  19.  und 
20.  September  1.  J.  in  Troppau,  dem  Sitze  der  geschäfts¬ 
führenden  schlesischen  Aerztekammer,  abgehalten  werden. 
Auf  der  Tagesordnung  befindet  sich  u.  a.  auch  der  Antrag  der 
böhmischen  Kammer,  es  möge  eine  Eingabe  an  das  k.  k.  Eisen¬ 
bahnministerium  betr.  die  Erhöhung  des  Honorars  für  Unfall¬ 
anzeigen  von  2  Kronen  auf  6  Kronen  gerichtet  werden.  Die 
niederösterreichische  Kammer  urgiert  in  einem  Anträge  die 
gesetzliche  Einführung  einer  ärztlichen  Standesordnung,  die 
böhmische  Kammer  wieder,  dass  den  Aerzten  für  jede  richtig 
ausgefüllte  und  erstattete  Anzeige  einer  Infektionskrankheit  ein 
Honorar  von  1  Krone  zuerkannt  werde.  In  der  Regelung  der 
Orthopädensache  hat  die  steiermärkische  Aerztekammer  das 
Referat,  ebenso  in  der  Regelung  der  Honorarangelegenheiten 
mit  den  Versicherungsanstalten.  Die  Wiener  Aerztekammer 
stellt  die  Frage  über  den  Abschluss  von  Lebensversicherungen 
der  Aerzte  und  die  Anwendung  des  Gesetzes  der  Privat¬ 
beamtenversicherung  auf  Aerzte  zur  Diskussion. 

In  der  oben  erwähnten  Angelegenheit  der  Honorierung 
jeder  Anzeige  einer  Infektionskrankheit  mit  1  Krone  haben 
54  Grazer  Aerzte  an  die  steiermärkische  Aerztekammer  eine 
Eingabe  gerichtet,  in  welcher  die  Richtigkeit  der  Forderung 
anerkannt  und  eingehend  begründet,  gleichzeitig  aber  betont 
wird,  man  möge  der  Regierung  gegenüber  aussprechen,  dass 
wir  Aerzte  die  Honorierung  der  Sanitätsanzeigen  vor  ailern 
deshalb  verlangen,  weil  wir  uns  auf  diesem  Wege  die  Mittel  zur 
Gründung  und  Ausgestaltung  unserer  Wohlfahrtseinrichtungen 
(Kranken-,  Invaliden-,  Witwen-  und  Waisenkassen)  verschaffen 
wollen.  Das  Honorar  für  jede  einzelne  Sanitätsanzeige  solle 
nicht  dem  die  Anzeige  erstattenden  Arzte,  sondern  seiner 
Kammer  zugewiesen  werden,  welche  es  ausschliesslich  zur 
Stärkung  schon  bestehender  oder  zur  Gründung  neuer  ärzt¬ 
licher  Wohlfahrtsinstitute  verwendet.  In  Steiermark  würden 
alljährlich  ca.  12  000  Sanitätsanzeigen,  die  alljährlich  auf  dieses 
Land  allein  entfallende  Stimme  von  12  000  Kronen  also  den 
Aerzten  zugute  kommen.  Der  Kammervorstand  beschloss, 
den  Kammertag  zu  ersuchen,  eine  Petition  abzufassen,  es 


möge  in  dem  neuen  Epidemiegesetze  eine  Bestimmung  auf- 
genommen  werden,  dass  die  praktischen  Aerzte  für  jede  solche 
Anzeige  vom  Staate  eine  entsprechende  Entschädigung  be¬ 
kommen  mögen.  In  der  Begründung  möge  u.  a.  auch  darauf 
hingewiesen  werden,  dass  in  England  den  Aerzten  für  solche 
Anzeigen  eine  Gebühr  von  2  M.  50  Pf.  gesetzlich  gewährt 
werde. 

Die  Reichsorganisation  der  Aerzte  Oesterreichs  teilt  eine 
interessante  Entscheidung  des  obersten  Gerichtshofes  mit.  Ein 
Zahnarzt  klagte  den  Gatten  einer  Frau,  die  er  über  ihren 
Auftrag  behandelt  hatte,  auf  Bezahlung  des  Honorars.  Der 
Gatte  hatte  behauptet,  er  habe  keinen  Auftrag  zur  Behandlung 
seiner  Frau  erteilt,  sei  daher  nicht  ersatzpflichtig.  Das  Be¬ 
zirksgericht  verurteilte  den  Gatten,  welcher  beim  Landgerichte 
berief,  das  den  Zahnarzt  abwies.  Der  beim  Landgericht  mit 
seiner  Forderung  abgewiesene  Zahnarzt  verlangte  eine  Re¬ 
vision  beim  Obersten  Gerichtshöfe,  welcher  das  Urteil  des 
ersten  Gerichtes  wieder  herstellte.  Auf  Grund  des  §  91  des 
Landesgesetzes  obliegt  dem  Gatten  die  Bestreitung  des  „Unter¬ 
haltes“,  zu  dem  nach  Ansicht  des  Obersten  Gerichtshofes  auch 
die  Kosten  der  zahnärztlichen  Behandlung  gehören.  Die  Or¬ 
ganisation  fügt  bei:  Es  wird  sich  in  allen  unklaren  Gerichts¬ 
fällen  von  Aerzten  und  gegen  Aerzte  empfehlen,  den  In¬ 
stanzenweg  zu  betreten.  Die  auf  diesem  Wege  gesammelten 
Erkenntnisse  dienen  als  Präjudizfälle,  dem  ganzen  ärztlichen 
Stande  nur  zum  Nutzen.  Jeder  standesbewusste  Kollege  ist 
verpflichtet,  auch  in  dieser  Hinsicht  eifrigst  tätig  zu  sein  und 
ähnliche  Angelegenheiten  der  Oeffentlichkeit  zu  übergeben. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  NI. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzungvom  1.  Juli  1907,  abends  7  Uhr 
im  grossen  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek. 

Vorsitzender:  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer:  Herr  Seligmann. 

Herr  A  1  b  r  e  c  h  t  demonstriert  3  Fälle  von  Verschluss  der  Koro- 
nararterien  • 

a)  bei' luetischer  Aortitis  (ca.  35  jähriger  Mann)  linke  Arteria 
coronaria  fast  vollkommen  verschlossen,  mit  frischen  Qerinnseln  an 
der  Abgangsstelle  bei  oberflächlicher  geschwiiriger  Zerstörung  der 

Plaques  der  Aorta;  .  .  . 

b)  fast  vollständiger  Verschluss  der  linken  Koronararterie  durch 
einengende  Verdickung  der  Aortenwand  (kombinierte  Aortitis  tho¬ 
racica  und  Endaortitis  deformans  bei  60  jähriger  kinderloser  Frau) 
vollkommener  Verschluss  der  Abgangsstelle  der  rechten  Arteria 
coronaria  durch  Kalkplatten  der  Aortenwand  und  Kranzarterien; 

c)  hochgradige  Verengerung  der  Arteria  coronaria  sinistra  durch 
in  Organisation  begriffenen  Thrombus  an  der  gewöhnlichen  Stelle 
Ramus  circumflexus  dexter,  ca.  3  cm  von  der  Abgangsstelle  ent- 
frischer  Verschluss  durch  abgelöste  Griitzbreimasse  von  atheroma- 
tösem  Geschwür  der  Kranzarterienwand.  Auch  hier  bestand  im 
Ramus  circumflexus  dexter,  ca.  3  cm  von  der  Abgangsstelle  ent¬ 
fernt,  fast  vollständiger  Verschluss  durch  einen  in  Organisation  be¬ 
griffenen  Thrombus  auf  einem  atheromatösen  Geschwür  (ca.  40  jährige 

Frau)-  „  ,  .  ,  ,  , 

Im  ersten  Falle  bestand  disseminierte  Schwielenbildung  in  der 
ganzen  Muskulatur  des  linken  Ventrikels  (Narbenherz),  offenbar  ent¬ 
sprechend  der  Abreissung  der  reichlich  vorhandenen  feinen  atheroma¬ 
tösen  Auflagerungen  auf  den  oberflächlich  erodierten  Plaques;  mi 
zweiten  Falle  waren  im  rechten  Ventrikel  nur  zwei  kleine  Schwielen 
in  der  Hinterrwand  des  linken  Ventrikels  oberhalb  der  Spitze,  giosse 
subendokardiale  alte  Schwiele  entlang  der  Seitenlkante,  subakute,  in 
Abheilung  begriffene  Schwiele  in  den  mittleren,  frische  Nekrose  in 
den  äusseren  Wandarterien  entlang  der  linken  Kante;  kleine  Schwie¬ 
len  in  der  Vorderwand.  Im  dritten  Falle  war  vor  etwa  8  Wochen  der 
letzte  schwere  stenokardische  Anfall  eingetreten;  der  lod  erfolgte 
ca.  24  Stunden  nach  einer  heftigen  Aufregung.  . 

Der  Vortragende  bespricht  im  Anschluss  daran  in  Kürze  den 
gegenwärtigen  Stand  der  Frage  nach  den  Ursachen  der  Herzinsuffi¬ 
zienz,  insbesondere  bei  Klappenfehlern  und  demonstriert  eine  ver¬ 
dickte  Chorda  aberrans  des  linken  Ventrikels,  welche  dem  hinteren 
Strange  des  Tawara  sehen  Reizbiindels  entsprechend  vom  Septum 
zu  der  Basis  des  hinteren  Papillarmuskels  verläuft. 

Diskussion:  Herr  B  e  n  a  r  i  o  erwähnt,  dass  auf  dem  dies¬ 
jährigen  Kongress  für  innere  Medizin  Fah  r  2  mikroskopische  Serien- 
schnittreihen  von  Degeneration  des  His  sehen  Bündels  demonstriei 
habe.  Die  Patienten,  von  denen  diese  Präparate  stammten,  ha  >en 
in  vivo  das  A  d  a  m  s  -  S  t  o  k  e  s  sehe  Phänomen  gezeigt,  so  dass  aus 


1844 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


dem  pathologischen  Befund  auf  die  physiologische  Bedeutung  dieses 
Bündels  geschlossen  werden  kann. 

Herr  Lüthje:  Wenn  ich  Herrn  Prof.  Alb  recht  recht  ver¬ 
standen  habe,  so  hielt  er  den  Beweis  für  die  physiologische  Funk¬ 
tion  des  H  i  s  sehen  Uebergangsbiindels  noch  nicht  erbracht.  Ich 
glaube,  dass  man  die  Heringschen  Versuche  doch  als  Beweis  gel¬ 
ten  lassen  darf.  Hering  gelang  es,  das  Uebergangsibiindel  zu 
durchschneiden;  er  sah  dann  Vorhof  und  Ventrikel  unabhängig  von¬ 
einander  schlagen:  die  Ueberleitung  des  Reizes  vom  Vorhof  auf  den 
Ventrikel  hatte  aufgehört. 

Herr  Julius  Friedländer  spricht  über  habituellen  Chloro¬ 
formmissbrauch,  indem  er  zunächst  aus  der  Literatur  der  letzten 
50  Jahre  die  wenigen  Fälle  zusammenstellt,  in  denen  Chloroform 
gewolmheitsmässig  zur  Beseitigung  von  Schmerzen  oder  Erzielung 
von  Schlaf  inhaliert  wurde  und  sodann  über  eine  eigene  Beobachtung 
berichtet,  die  sich  sowohl  durch  die  ungemein  lange  Dauer  des  ge¬ 
übten  Abusus  auszeichnet,  wie  auch  durch  seine  eigenartigen  Folgen, 
die  nicht,  wie  sonst  in  psychischer  Alteration  bestanden:  es  handelte 
sich  um  eine  im  allgemeinen  gesunde  und  sehr  kräftige  Dame,  die  im 
Alter  von  51  Jahren  wegen  nervöser  Schlaflosigkeit  heimlich  damit 
begann,  sich  durch  Einatmung  kleiner  Mengen  von  Chloroform  mit 
Aether  (ana)  zu  betäuben  und  diese  Selbstnarkotisierung  einge- 
standenermassen  14  Jahre  lang  fast  allabendlich  betrieb.  Mit 
59  Jahren  erlitt  sie.  ohne  irgend  ein  greifbares  ätiologisches  Moment, 
eine  rechtsseitige  Hirnapoplexie  und  6  Jahre  später  erlag  sie  einer 
zweiten  schweren  Hirnblutung,  die  die  linke  Hemisphäre  betraf. 
F.  ist  geneigt,  die  den  Hämorrhagien  zu  gründe  liegende  Arterio¬ 
sklerose  der  Qehirngefässe.  um  so  mehr,  als  sonstige  Ursachen  da¬ 
für  bei  der  sehr  rüstigen  Frau  fehlten,  auf  den  chronischen  Chloro¬ 
formmissbrauch  zurückzuführen,  indem  er  einerseits  auf  die  spezifisch 
toxische  Wirkung  des  Chloroforms  (bezw.  Aethers)  auf  das  Gehirn 
hinweist,  andererseits  seinen  zirkulationsschädigenden  Einfluss  be¬ 
tont.  der.  ähnlich  wie  beim  Alkohol-  und  Tabakmissbrauch,  die  vor¬ 
zeitige  Degeneration  der  Gefässe  begünstigen  müsse. 

Herr  Jac.  Meyer:  Ein  früher  Kokainist  gewesener  Kollege  hat 
Monate  lang  Chloroform  —  1  ..Schuss“  auf  Maske  —  in  Verbindung 
mit  Morphium  per  inj.  genommen.  Die  Folge  war  stärkste  Neur¬ 
asthenie  und  Arbeitsunfähigkeit.  Heilung  durch  Ruhe.  Exzitation 
nie  beobachtet,  dagegen  typischer  Rauschzustand.  Vielleicht  steht 
mit  dem  Chloroformismus  ein  chronischer  Magenkatarrh  in  Verbin¬ 
dung. 

Herr  E.  Cohn:  Bericht  über  den  Aerztetag  zu  Münster. 

Dem  anregenden  Bericht  des  Vereinsdelegierten,  der  sich  im 
wesentlichen  mit  dem  offiziellen  Bericht  im  Vereinsblatt  deckt,  folgt 
einstimmiger  Beifall  der  Anwesenden. 

Alsdann  gedenikt  der  Vorsitzende  in  einigen  Abschieds¬ 
worten  angesichts  der  heutigen  letzten  Sitzung  im  alten  Bau  der  lang¬ 
jährigen  Tätigkeit  des  Vereins  in  diesem  Saale. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  3.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Herr  Kleist:  Ueber  nachdauernde  Muskelkontraktionen. 

(Mit  Krankenvorstellung.) 

Vortr.  stellt  einen  Fall  vor,  .der  folgenden  Symptomenkomplex 
bietet:  Nachdauer  willkürlicher  Muskelkontraktionen,  mechanische 
und  elektrische  myotonische  Reaktion,  vorwiegend  in  den  langen 
Fingerbeugern,  den  kleinen  Handmuskeln,  nächstdem  in  den  anderen 
Beugern  .am  Vorderarm  (rechts  mehr  wie  links).  An  den  unteren 
Extremitäten  dieselben  Symptome,  vorwiegend  in  den  M.  peroneis  und 
den  Muskeln  des  Gross-  und  Kleinzehenballens.  Kontraktionsnach- 
dauer  in  den  Muskeln  des  Kehlkopfes  und  den  Kaumuskeln.  Gelegent¬ 
liche  choreaartige,  unwillkürliche  Muskelzuckungen  in  den  gleichen 
Muskeln,  aber  auch  in  anderen  Muskelgebieten.  Erschwerung  ab¬ 
wechselnder  antagonistischer  Bewegungen  infolge  der  Kontraktions- 
nachdauer  (Diadochokinesie).  Langsamkeit  und  Ungeschicklichkeit 
feinerer  Bewegungen  der  Hände,  die  mindestens  hauptsächlich  auf 
dem  erschwerten  Wechsel  antagonistischer  Bewegungen  beruhen. 
Schwäche  der  gesamten  Muskulatur  und  grosse  Ermüdbarkeit. 
Stärkere  Paresen,  zum  Teil  mit  nichtdegenerativer  Atrophie,  in  den 
dorsalen  Vorderarmmuskeln  (besonders  rechts)  den  Dorsalflexoren 
der  Füsse,  den  Bauchmuskeln,  den  Sternokleidomastoideis;  Parese 
des  rechten  Mundfazialis.  Muskelverkürzungen  (Schrumpfungen) 
und  Skelettverbildungen  (Kyphoskoliose,  Pes  equinovarus,  Flexions¬ 
und  Pronationskontraktur  geringen  Grades  der  Arme,  Hände  und 
Finger  mit  leichter  Hohlhandbildung  rechts),  die  sich  .aus  den  Pa¬ 
resen,  bezw.  dem  Zusammenwirken  von  Paresen  bestimmter  Muskeln 
und  der  Neigung  zu  tonischen  Erscheinungen  in  den  ihnen  anta¬ 
gonistischen  Muskeln  erklären. 

Andeutungen  von  Nystagmus  beim  Blick  nach  rechts  und  von 
Intentionstremor  der  rechten  Hand,  sowie  von  Schwanken  nach 
rechts  (bei  Rumpfdrehungen  und  bei  gelegentlichen  Schwindelan¬ 
wandlungen).  Hypotonie  (genauer  Verminderung  der  reflektorischen 
Muskelspannung  bei  passiver  Dehnung).  Aufhebung  sämtlicher 
Sehnenreflexe.  Geringfügige  Sensibilitätsstörungen  (Verlangsamung 


der  Temperaturempfindung  an  der  Aussenseite  der  Unterschenkel, 
Hyperalgesie  der  Bauchhaut,  seltene  Parästhesien  an  der  Rückseite 
der  Unterschenkel  und  sehr  seltene  Schmerzen  in  Armen  und  Beinen.) 
Oefter  Blähungen,  Durchfälle  und  vasomotorische  Störungen  (Hitze¬ 
wallungen).  Degenerationssymptome:  Infantiler  Habitus,  kongeni¬ 
tale  Ptosis,  Hutchinson  sehe  Zähne. 

Das  Leiden  begann  bei  der  jetzt  29  jährigen  Pat.  im  7.  Lebens¬ 
jahre  im  Anschluss  an  eine  infektiöse  Chorea.  Langsamer  Fortschritt 
der  Krankheit  unter  zeitweiligen  stärkeren  Verschlimmerungen  (in 
der  Pubertät,  vor  3  Jahren  und  jetzt).  Keine  nervöse  Heredität  und 
Familiarität.  Verdacht  auf  kongenitale  Lues.  (2  Aborte  der  Mutter.) 

Eine  typische  Thomson  sehe  Krankheit  in  zufälliger  Verbin¬ 
dung  mit  anderen  nervösen  Störungen  kann  nicht  vorliegen,  da  die 
Kontraktionsnaohdauer  mit  wiederholten  Bewegungen  nicht  ver¬ 
schwindet.  Es  könnte  sich  nur  um  eine  sogen,  atypische  Myotonie 
handeln.  Möglicherweise  sind  aber  die  myotonieartigen  Symptome 
hier  nicht  muskulären,  sondern  nervösen  Ürsprungs:  Die  myotonie- 
artigen  Erscheinungen  sind  nicht  identisch  mit  Krampis;  sie  hängen 
auch  nicht  mit  Reizerscheinungen  innerhalb  der  spinalen  Reflexbögen 
zusammen.  Die  myotonieartigen  Erscheinungen  können  auch  nicht 
von  einer  Erkrankung  der  Pyramidenbahnen  abgeleitet  werden,  da  bei 
Hemiplegien  ähnliche  Erscheinungen  nur  selten  und  nie  in  dem  Masse 
Vorkommen.  Es  handelt  sich  hier  um  die  pathologische  Steigerung 
der  reflektorischen  Mitspannung  der  Muskeln,  während  der  Dehnungs¬ 
reflex  sehr  herabgesetzt  ist.  Bei  Hemiplegien  ist  im  Gegenteil  der 
Dehnungsreflex  weit  mehr  gesteigert  als  der  Mitspannungsreflex.  Die 
fraglichen  Symptome  können  vielleicht  durch  die  Erkran¬ 
kung  absteigender  Kleinhirnbahnen,  erklärt  werden.  Für 
diese  Auffassung  spricht  ein,  dem  vorgestellten  ähnlicher  Fall  von 
K  1  i  p  p  e  1  -  D  u  r  a  n  t  e,  bei  dessen  Sektion  Thomas-Roux  in¬ 
takte  Pyramidenhahnen  bei  schwerer  Erkrankung  der  Gowers- 
schen  Stränge,  der  direkten  Kleinhirnbahnen  und  der  G  o  1 1  sehen 
Stränge  fanden.  Im  Vergleich  mit  den  gewöhnlichen  Fällen  Fried- 
reich  scher  Ataxie,  welche  keine  myotonieartigen  Symptome  zeigen, 
muss  man  annehmen,  dass  die  in  dem  zitierten  Falle  degeneriert  ge¬ 
fundenen  Bahnen  mehr  darstellten  als  nur  aufsteigende  Kleinhirn¬ 
bahnen.  Kontraktionsnaehdauer  fand  sich  auch  in  N  o  n  n  e  s  zweitem 
Fall  St  üben:  Kleinhirnatrophie  bei  intaktem  Rückenmark,  und  in 
einem  zweiten  Falle  K  1  i  P  P  e  1  -  D  u  r  a  n  t  e  s:  Kleinhirnatrophie  und 
Erkrankung  von  Rückenmarksbahnen  mit  Ausschluss  der  Pyramiden¬ 
bahnen.  Von  besonderem  Interesse  ist  die  Beobachtung  von  Kon- 
traktionsnachdauer  bei  der  von  D  e  j  e  r  i  n  e  und  Thomas  aufge¬ 
stellten  „Atrophie  olivo-ponto-cerebelleuse“.  In  diesen  Fällen  ist  ein 
bestimmtes  Kleinhirnsystem  erkrankt,  das  zusammen  mit  den  vom 
Kleinhirn  zum  Rückenmark  absteigenden  Bahnen  und  den  vom  Gross¬ 
hirn  (Stirnhirn)  zu  den  Brückenkernen  verlaufenden  Bahnen  die 
grössere  funktionelle  Einheit  einer  über  das  Kleinhirn  verlaufenden 
Nebenschliessung  der  Pyramidenbahn  darstellt.  Myotonieartige  Er¬ 
scheinungen  sind  danach  möglicherweise  die  Folgeerscheinungen 
einer  Unterbrechung  dieser  zweiten  motorischen  Bahn  überhaupt. 
Die  klinischen  Unterschiede  der  einzelnen  Beobachtungen  könnten  auf 
die  Unterbrechung  dieser  Bahn  in  jeweils  verschiedenen  Strecken 
ihres  Verlaufes  zurückgeführt  werden.  (Ausführliche  Veröffentlichung 
im  Journal  für  Psvchologie  unö  Neurologie.) 

Herr  Kauff mann:  Ueber  Kohlenhydraturie  beim  Al- 
koholdelirium.  (Wird  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift  pu¬ 
bliziert  werden.) 

Diskussion:  Herr  W  i  n  t  e  r  n  i  t  z :  Ich  möchte  an  den  Herrn 
Kollegen  Kauff  mann  die  Frage  richten,  ob  er  in  seinen  Fällen  den 
Harn  auf  die  Anwesenheit  von  Azeton  bezw.  Azetessigsäure  unter¬ 
sucht  hat.  Ich  werde  zu  dieser  Frage  durch  den  Hinweis  des  Vor¬ 
tragenden  veranlasst,  dass  das  Auftreten  des  Delirs  durch  voraus¬ 
gegangene  Inanition  begünstigt  wird.  Ich  habe  nun  bei  Inanition, 
speziell  bei  unstillbarem  Erbrechen  Hysterischer  und  Schwangerer, 
dann  aber  auch  bei  Männern  mit  Erbrechen  häufig  —  und  das  ist  ja 
wohl  auch  sonst  genügend  bekannt  —  im  Harn  Azetessigsäure  und 
zwar  in  recht  erheblicher  Menge  nachweisen  können.  Ganz  besonders 
aber  ist  es  mir  aufgefallen,  dass  speziell  bei  Potatoren,  die  mit 
Magenstörungen  —  Erbrechen  und  Appetitlosigkeit  —  gewöhnlich  im 
Zustand  weitgehender  Unterernährung  zur  Aufnahme  kommen, 
Azetessigsäure  oft  in  ganz  erheblicher  Menge  nachweisbar  ist.  Es 
liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  es  sich  dabei  um  einen  vielleicht  durch 
den  Alkoholmissbrauch  und.  die  dadurch  veranlasste  Schädigung  der 
Gewebe  begünstigten  toxogenen  Stoffzerfall  handelt.  In  einem  Fall 
habe  ich  neben  geringen  vorübergehend  nachweisbaren  Zucker¬ 
mengen  Azetessigsäure  und  Oxybuttersäure  —  ca.  Vz  Proz.  Links¬ 
drehung  —  nachweisen  können. 

Herr  Kohlhardt:  Bericht  über  den  Aerztetag  in 
Münster. 


Naturwissenschaftl.-medizinische  Gesellschaft  zu  Jena. 

(Sektion  für  Heilkunde.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  Juli  1907. 

Herr  Ben  necke  berichtet  über  3  Fälle  sporadischer  epidemi¬ 
scher  Genickstarre,  die  im  Laufe  eines  Jahres  in  der  medizinischen 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1845 


Klinik  zur  Beobachtung  kamen  und-  vom  klinischen  und  bakterio¬ 
logischen  Standpunkte  einiges  Interesse  boten. 

(Der  Vortrag  erscheint  in  extenso  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  Stroh  in  ayer  teilt  2  Fälle  von  tabischen  Symptombüdern 
auf  erblich-degenerativer  Grundlage  mit.  Es  handelt  sich  um 
2  Schwestern  im  Alter  von  33  und  24  Jahren,  bei  denen  doppelseitige 
reflektorische  Pupillenstarre  und  Fehlen  des  Kniephänomens  be¬ 
steht  Bei  der  älteren  Schwester  wurde  der  Befund  im  November 
v.  J.,  bei  der  jüngeren  bereits  im  Jahre  1899  erhoben.  Bei  ihr  be¬ 
stand  damals  auch  Bewegungsataxie  der  Beine  und  Blasenschwäche. 
Die  erstere  ist  jetzt  verschwunden,  die  letztere  noch  vorhanden. 
Andere  tabische  Symptome  zeigten  sich  bei  beiden  Schwestern 
nicht.  Die  syphilitische  Aetiologie  war  weder  anamnestisch,  noch 
durch  persönliche  Untersuchung  nachzuweisen.  Dagegen  ergab  das 
Studium  der  Familiengeschichte  der  beiden  Schwestern,  dass  es  sich 
um  einen  Stamm  mit  schwerer  konvergenter  erblicher  Belastung  han¬ 
delt.  Vater  und  Grossmutter  väterlicherseits  litten  an  Diabetes. 
Vortr.  ist  geneigt  anzunehmen,  dass  seine  Fälle  in  die  aus  der  Char- 
c  o  t  sehen  Schule  mitgeteilte  Gruppe  (Guiiion  und  Fouques)  ge¬ 
hören,  wo  im  Erbgange  schwer  neuropathischer  Familien  der  Dia¬ 
betes  mit  der  Tabes  alterniert. 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  23.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Curschmann. 

Schriftführer:  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  Milner  stellt  einen  32  Jahre  alten  Patienten  mit  Ostitis 
deformans  vor,  bei  dem  sich  das  Leiden  vollständig  beschwerdelos 
im  Lauf  von  mindestens  5  Jahren  entwickelt  hat.  Femora,  Patellae, 
Tibiae  beiderseits,'  rechte  Schädelhälfte,  linker  Humerus  und  linke 
Ulna  und  rechte  Klavikula  sind  verdickt  und  teilweise  verbogen, 
ihr  innerer  Bau  ganz  unregelmässig  verändert,  Zysten  nicht  nach¬ 
zuweisen.  Hierin  und  in  der  Verbiegung  und  beginnenden  Steifheit 
der  Wirbelsäule  gleicht  das  Krankheitsbild  des  Falles  sehr  dem  von 
Paget  geschilderten.  Die  verschiedenen  Formen  der  Ostitis  de¬ 
formans  gegeneinander  und  gegen  die  Osteomalazie  abgrenzen  zu 
wollen,  ist  wegen  vorkommenüer  Uebergänge  unmöglich  und  un¬ 
richtig,  solange  wir  über  die  Ursachen  gar  nichts  wissen.  Bei  dem 
vorgestellten  Patienten  ist  auffallend  eine  seit  vielen  Jahren  von  ihm 
selbst  bemerkte  hochgradige  Schlängelung  und  Verdickung  der  Tem¬ 
poralarterien;  auch  die  peripheren  Arterien  der  Extremitäten  scheinen 
verdickt,  auf  den  Röntgenbildern  sind  aber  Kalkablagerungen  in  den 
Gefässen  nicht  erkennbar. 

Zur  Behandlung  ist  ein  Versuch  mit  Röntgenstrahlen  angezeigt, 
da  nach  inneren  Mitteln  nur  in  zwei  Fällen  angeblich  Besserung 
oder  Heilung  eingetreten  ist. 

(Ausführliche  Veröffentlichung  erscheint  in  den  Fortschritten  auf 
dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen.) 

Herr  Soltmann  demonstriert  die  Organe  eines  3  Monate 
alten  Kindes  (SVz  Pfund  Gewicht)  das  an  generalisierter,  käsiger 
Tuberkulose,  die  latent  verlief,  verstarb.  Aufgenommen  mit  Enteritis, 
Soor  und  Krämpfen,  ergab  die  Abimpfung  des  profusen  Nasensekretes 
Löfflerbazillen  (typische  Nasendiphtherie).  Nach  Seruminjektion 
prompter  Temperaturabfall,  Stühle  normal,  Appetit  rege.  10  Tage  dar¬ 
nach  erneuter  Temperaturanstieg,  intermittierender  Typus.  Furunku¬ 
lose,  Ohrekzem,  rapide  Abmagerung.  Gewichtsabsturz,  Verfall,  Herz¬ 
paralyse,  Exitus.  An  der  Basis  des  Gehirns  und  der  Pia  einzelne 
verkäste  Knötchen.  Tonsillen  und  Schlundring  frei.  Glandulae  retro¬ 
sternales,  interkostales,  interbronchiales  total  verkäst.  Der  Zentral¬ 
stock  der  Bronchialdrüsen  umklammert  die  Bifurkation,  in  bohnen¬ 
grosse  käsige  Pakete  verwandelt.  Eines  innen  mit  dem  Oberlappen 
fast  verklebt,  diesen  durch  die  ganze  Dicke  mit  einem  keilförmigen 
gelben  Herd  durchsetzend,  der  zentral  eine  mit  breiiger  Masse  er¬ 
füllte  Höhle  birgt,  die  bei  Lösung  der  mit  grauen  Knötchen  be¬ 
schütteten  Pleuraverwachsungen  eröffnet  wurde.  Auf  Oberfläche  und 
Schnittfläche  der  Lungen  massenhafte  Aussaat  verkäster  hirsekorn¬ 
grosser  Knötchen  bis  erbsengrosser  Konglomerate,  das  gleiche  in  der 
höckerigen  vergrösserten  Milz,  an  den  Nieren  und  der  Leber,  bei 
welcher  am  Hilus  eine  erbsengrosse  verkäste  Portaldrüse  vorspringt. 
Ein  verkäster  Herd  auch  in  der  Nebenniere.  Im  Magen  und  Harn¬ 
blase  vereinzelte  Schleimhautgeschwüre,  zahlreichere  grössere  im 
Dickdarm.  Mesenterialdrüsen  durchweg  verkäst.  (Mesenterium  mit 
dem  noch  nicht  eröffneten  Dünndarm  belassen).  Im  Herzen  über  dem 
Endokard  des  Septums  ein  hirsekorngrosses  Knötchen  vorspringend; 
mehrere  kleine  und  eine  grosser  in  Verkäsung  begriffener  Herd  im 
Mark  des  linken  Femur.  Infektionsquelle  war  die  phthisische  Mutter. 
Sie  hat  7  Tage  gestillt,  8  Wochen  das  Kind  bei  künstlicher  Ernährung 
bei  sich  gehabt.  Beweisend  für  die  intrauterine  Infektion  ist  nichts. 
Auch  den  alimentären  Infektionsweg  lehnt  S.  ab  bei  den  geringen 
Veränderungen  im  Darm  gegenüber  den  hochgradigen  der  Bronchial¬ 
drüsen.  Der  Dunstkreis  der  mütterlichen  Atmosphäre  umgibt  den 
Säugling  wie  ein  Bazillenspray.  S.  bespricht  die  Unterschiede  der 
primären,  meist  in  der  Spitze  der  Lungen  beginnenden  Tuberkulose 
beim  Erwachsenen  gegenüber  der  sekundären  im  Unterlappen  bei 
Säuglingen  und  die  Gründe  für  das  abweichende  Verhalten  im  vor¬ 


liegenden  Falle.  Die  Lokalisation  der  Tuberkulose  in  den  Bronchial¬ 
drüsen  beherrscht  das  ganze  Säuglingsalter  und  erklärt  den  meist 
latenten  Verlauf  unter  dem  Bilde  der  Atrophie.  Auch  später  be¬ 
herrscht  die  Bronchialdrüsentuberkulose  das  ganze  Kindesalter,  bildet 
ein  geheimes  Depot,  von  wo  plötzlich  nach  Masern,  Keuchhusten,  In¬ 
fluenza  oder  wie  hier  nach  Diphtherie  das  keimfähige  Material  in  den 
Organismus  ausgesät  wird.  Wenn  auch  zugestanden  werden  muss, 
dass  die  intrauterine  Entstehung  der  Tuberkulose  nicht  so  ganz  selten 
ist,  als  man  annahm,  und  die  Zahl  der  enterogenen  Infektionen  sich 
gemehrt  hat,  so  behauptet  doch  der  Häufigkeit  nach  bei  der  Säng- 
lingstuberkulose  die  aerogene  Entstehung,  durch  ihr  reiches  Beweis¬ 
material  siegreich  das  Feld. 

Herr  K  r  i  t  z  gibt  an  der  Hand  der  Literatur  eine  kurze  Ueber- 
sicht  der  bei  der  Impfung  eventuell  zur  Beobachtung  kommenden 
Allgemeineruptionen.  Veranlassung  dazu  gab  folgender  Fall:  Am  17. 
Juni  dieses  Jahres  kam  ein  vollkommen  verfallener  7Vs  Monat  alter 
Knabe  im  Kinderkrankenhaus  zur  Aufnahme  mit  äusserst  reduziertem 
Körpergewicht  und  hohen  Temperaturen.  Am  rechten  Arm  finden 
sich  4,  der  Vorschrift  entsprechende  Impfschnitte,  die  offenbar  nach 
Verlust  der  Pusteln  infolge  Kratzens  in  kraterförmige,  mit  schmie¬ 
rigen  Belägen  bedeckte  Geschwüre  verwandelt  sind.  Eine  tiefe. 
3  cm  breite  Geschwürsfläche  zieht  sich  von  hier  nach  innen  und 
unten  den  Arm  halb  umkreisend,  wie  auf  der  Abbildung  deutlich 


zu  sehen  ist.  An  Stirn,  Wange  und  Augenlider  zahlreiche  inkrustierte 
Pusteln,  die  gleichen,  teils  völlig  isoliert,  teils  noch  konfluierend 
an  Handgelenken,  auf  Brust,  Bauch  und  Oberschenkeln.  An  den  ein¬ 
zelstehenden,  nicht  durch  Kratzeffekte  zerstörten  Effloreszenzen  ist 
der  Charakter  der  Impfpusteln  ein  unverkennbarer. 

Anamnese:  4  Geschwister,  jetzt  gesund,  bis  zum  2.  Lebens¬ 
jahr  mit  skrofulösen  Hautausschlägen  und  Drüsenschwellungen  be¬ 
haftet.  Knabe  litt  seit  9.  Lebenswoche  an  teils  trockenem,  teils  • 
stark  nässendem  Ekzem.  14  Tage  vor  der  Impfung  war  die  Haut  bis 
auf  leichte  Schuppung  und  Sprödigkeit  völlig  normal,  so  dass  die 
Impfung  vorgenommen  werden  konnte,  in  deren  Verlauf  nicht  nur  am 
Arm,  sondern  auch  am  Ort  des  früheren  Ekzems  massenhafte  Vak- 
zineeffloreszenzen  auftraten.  4  Tage  nach  der  Aufnahme  unter  hyper- 
pyretischen  Temperaturen  und  schwerster  Herzparalyse  Exitus  letalis. 
Sektion  und  histologische  Untersuchung  ohne  bemerkenswerten  Be¬ 
fund,  insonderheit  keine  Beteiligung  des  Digestionstraktus  an  dem 
pustulösen  Prozess. 

Verimpfung  auf  vakzineempfängliches  Tier  war  nicht  möglich, 
dieselbe  am  Menschen  vorzunehmen  verbot  der  schwer  infektiöse 
Zustand  des  Knaben.  Der  zeitliche  Zusammenhang  mit  der  Vakzina¬ 
tion,  das  Aussehen  der  Effloreszenzen,  das  gleichzeitige  Abklingen 
des  ganzen  Prozesses  gemäss  dem  von  v.  Pirquet  gefundenen  Ge¬ 
setz  der  Frühreaktion  lassen  Zweifel  an  der  Vakzinenatur  des  Aus¬ 
schlages  nicht  aufkommen.  Vaccine  generalisee  im  Sinne  der  Fran¬ 
zosen  kommt  wegen  des  zweifellosen  Zusammenhanges  mit  Ekzem 
und  dem  letalen  Ausgang,  der  bei  Vaccine  generalisee  niemals  ver¬ 
zeichnet  ist,  nicht  in  Frage.  Die  zerkratzten,  ulzerierten  Flachen 
am  Arm  lassen  annehmen,  dass  das  Kind,  von  heftigem  Juckreiz 
geplagt,  die  Ueberimpfung  selbst  vorgenommen  hat;  es  Hesse  sich 
auch  denken,  dass  die  bei  der  Impfung  etwa  überschüssige  und  an 
der  Haut  angetrocknete  Lymphe  verschleppt  sei. 

Herr  H  o  h  1  f  e  1  d  spricht  an  der  Hand  vergleichender  Ernah- 
rungsversuche,  die  er  an  neugeborenen  Ziegen,  Hunden  und  Meer¬ 
schweinchen  anstellte,  über  die  Bedeutung  des  Kolostrums  für  die 
Ernährung  dieser  Tiere.  (Erscheint  im  Archiv  für  Kinderheilkunde.) 

Diskussion:  Herr  Taube  hat  mit  Versuchen  für  Säuglings- 
ernährung  mittels  Milch  von  Kühen,  kurz  nach  der  Kalbung,  schlechte 
Resultate  erzielt. 

Herr  H.  Ri  sei  führt  an  der  Hand  von  7  Ernährungs- und  Körper¬ 
gewichtskurven,  deren  Beobachtungsdauer  sich  über  den  grössten 
Teil  des  ersten  Lebensjahres  erstreckt,  aus:  Im  Säuglingsalter  werden 
Kinder  beobachtet,  die  trotz  hinreichender  Grösse  der  an  der  Brust 
aufgenommenen  Nahrungsmengen  weit  hinter  dem  normalen  Anstieg 
der  Körpergewichtskurve  Zurückbleiben.  Durch  Beifütterung  kann 
eine  Besserung  des  Allgemeinzustandes  und  des  Körperansatzes  dieser 


1846 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Kinder  nicht  erzielt  werden,  so  lange  nur  Milchmischungen  ohne  we¬ 
sentlichen  Zusatz  von  Kohlehydraten  gegeben  werden.  Dagegen  tritt 
trotz  vorhergehendem  oft  monatelangem  üewichtsstillstand  erheb¬ 
liche  und  dauernde  Gewichtszunahme  ein,  sobald  der  Fettgehalt  der 
Nahrung  beschränkt  wird  und  dafür  Kohlehydrate  eingesetzt  werden. 
Diese  Störung  des  Fettstoffwechsels  wird  unter  anderem  häufig  bei 
Säuglingen  beobachtet,  die  Symptome  der  exsudativen  Diathese,  wie 
chronische  Ekzeme  und  Neigung  zu  Katarrhen  des  Respirationstraktus 
zeigen. 

Herr  Seiffert  hält  einen  Vortrag  über  die  Grundlagen 
und  Aufgaben  der  aseptischen  Milchgewinnung.  (Wird  später 
originaliter  publiziert.) 


Aerztiicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  am  10.  April  1907. 

Herr  Rommel:  Ueber  Reformgymnasien  und  hygie¬ 
nische  Forderungen  der  Aerzte.*) 

M.  H.!  Zur  Frage  des  Reformgymnasiums  erstattete  in  der 
letzten  Sitzung  der  Schulkommission  des  Aerztlichen  Vereins  Herr 
Dr.  B  e  r  g  e  a  t  ausführlich  Bericht.  In  Abwesenheit  des  Kollegen 
habe  ich  es  übernommen,  Ihnen  über  dieses  Thema  in  etwas  er¬ 
weiterter  Fassung  zu  referieren.  Die  Frage  zerfällt,  wie  leicht  er¬ 
sichtlich,  in  zwei  Teile  —  einen  schultechnischen  und  einen  hygi¬ 
enischen.  Die  schultechnische  Seite  —  betrachtet  vom 
Standpunkt  des  Arztes  —  wurde  vom  Kollegen  Bergeat  in  so  aus¬ 
gezeichneter  Weise  behandelt,  dass  ich  gern  den  Ausführungen  des 
Herrn  Kollegen  folge,  welcher  sagte:  „Von  Reformen  an  unseren 
Gymnasien  und  von  Reformgymnasien  wird  seit  Jahren  so  viel  ge¬ 
sprochen,  dass  es  sich  wohl  einmal  verlohnt,  sich  darüber  klar  zu 
werden,  inwieweit  das  Reformgymnasium  den  weit  verbreiteten  Re¬ 
formhoffnungen  und  -Ideen  gerecht  geworden  ist  oder  gerecht  zu 
werden  verspricht.  Diese  Hoffnungen  und  Wünsche  werden  ver¬ 
schiedene  sein  bei  den  Eltern,  bei  den  Schulmännern  und  bei  den 
Aerzten. 

Den  Eltern  wird  es  wohl  am  meisten  am  Herzen  liegen,  dass 
zwischen  Schule  und  Haus  in  bezug  auf  pädagogische  Fragen  eine 
möglichste  Harmonie  erzielt  und  namentlich  alles,  was  wir  unter  dem 
Begriffe  Pedanterie  und  Schuldespotismus  zusammenfassen,  mehr  und 
mehr  gemildert  und  ausgeschaltet  werde.  Solche  Fortschritte  lassen 
sich  am  wenigsten  dekretieren,  hier  kommt  es  auf  Persönlichkeiten 
und  den  Geist  an,  in  dem  das  Lehrpersonal  herangebildet  und  von  den 
Rektoren  geleitet  wird.  Es  lässt  sich  gewiss  nicht  bestreiten,  dass 
viele  Erfahrungen  der  älteren  Generation  auf  den  modernen  Betrieb 
in  grossstädtischen  Gymnasien  nicht  mehr  zutreffen  und  wir  haben  ja 
gerade  im  persönlichen  Gedankenaustausch  und  Zusammenarbeiten 
mit  den  Führern  der  Münchener  Gymnasiallehrerschaft  die  erfreu¬ 
lichsten  Eindrücke  von  dem  in  ihr  lebendigen  fortschrittlichen,  mo¬ 
dernen  und  wohlwollenden  Geiste  empfangen.  Aber  besonders  aus 
kleineren  Städten  dringen  doch  auch  heute  noch  manche  merkwürdige 
Dinge  zu  uns  und  heute  noch  kann  mancher  deutsche  Vater  von  sich 
sagen,  „ich  fürchte  den  Professor  meines  Buben  und  sonst  nichts  auf 
der  Welt“. 

In  dieser  Richtung  eine  Besserung  der  Verhältnisse  zu  schaffen, 
ist  gewiss  eine  dankbare  Aufgabe  und  so  darf  man  wohl  der  in  erster 
Linie  auf  Initiative  des  Herrn  Hofrat  Crämer  jüngst  ins  Leben  ge¬ 
rufenen  Elternvereinigung,  wenn  sie  mit  der  Schulbehörde  in  ein  ver¬ 
trauensvolles  Verhältnis  eintritt,  ein  segensreiches  Wirken  prophe¬ 
zeien,  umsomehr,  wenn  sie,  woran  nicht  zu  zweifeln  ist,  auch  mit  den 
ärztlich  hygienischen  Bestrebungen  sich  verbündet. 

M.  H.  Die  Bestrebungen  zur  Begründung  von  Reformgymnasien 
in  Preussen  sind  hervorgegangen  aus  der  zunehmenden  Ueber- 
lastung  der  humanistischen  Gymnasien  und  aus  dem  immer  komplizier¬ 
teren  Berechtigungswesen.  Es  war  gewiss  (kein  gesunder  und  halt¬ 
barer  Zustand  mehr,  dass  von  100  Schülern,  welche  in  ein  Gymnasium 
eintraten,  nur  20  das  Ziel  der  Gymnasialbildung  erreichten,  während 
40  Prozent  das  Gymnasium  mit  der  Berechtigung  zum  Einjährigen 
verliessen  und  die  übrigen  40  Prozent  schon  vorher  aus  der  Anstalt 
ausschieden.  Die  Berechtigungsfrage  Hess  ein  immer  grösseres  Miss¬ 
verhältnis  zwischen  den  Anforderungen  der  Berufe  und  der  bei  teil¬ 
weiser  oder  vollständiger  Absolvierung  des  Gymnasiums  erlangten 
Ausbildung  zutage  treten.  Der  grosse  Unterschied  zwischen  dem 
Lehrgang  des  humanistischen  und  des  Realgymnasiums  erschwerte 
mit  jedem  Jahre  mehr  den  Uebergang  aus  einer  Anstalt  in  die  andere. 
Daraus  entstand  das  Bestreben,  die  Trennung  des  Lehrganges  und 
die  Entscheidung  der  Berufswahl  möglichst  hinauszuschieben:  man 
gab  daher  den  höheren  Lehranstalten  (Gymnasium,  Realgymnasium 
und  Oberrealschule)  sozusagen  eine  neutrale  Vorschule,  den  soge¬ 
nannten  lateinlosen  Unterbau,  d.  h.  in  den  drei  untersten  Klassen  der 
genannten  Schulen  wird  das  Latein  vollständig  beiseite  gelassen;  an 
seine  Stelle  tritt  eine  ausgiebige  Pflege  des  Französischen  mit  wö- 


;  )  Referat  im  Aufträge  der  Schulkommission  des  Aerztlichen 
Vereins  München,  unter  Benützung  eines  Manuskriptes  von  H. 
Bergeat. 


chentiich  sechs  Stunden.  Es  ist  gewiss  sehr  erwünscht,  dass  auf  diese 
Weise  die  Berufswahl  um  3  Jahre  hinausgeschoben  wird  und  für  viele 
Schüler  ein  um  so  längerer  Aufenthalt  im  Elternhaus  ermöglicht  wird. 
In  der  4.  Klasse  beginnt  im  Gymnasium  und  Realgymnasium  der 
lateinische,  in  der  auf  jede  alte  Sprache  verzichtenden  Oberreal¬ 
schule  der  englische  Unterricht,  und  erst  in  der  6.  Klasse  kommt  im 
Gymnasium  der  griechische,  im  Realgymnasium  der  englische  Unter¬ 
richt  hinzu.  Aus  dieser  ganz  kurzen  Beschreibung  ergibt  sich,  dass 
die  einschneidendsten  Aenderungen  das  humanistische  Gymnasium 
betreffen,  indem  es  erst  von  der  4.  Klasse  an  das  Lateinische  und  von 
der  6.  Klasse  an  das  Griechische  aufnimmt,  was  früher  wohl  kein 
Philologe  für  möglich  gehalten  hätte;  und  doch  sollen  nach  dem  Ur¬ 
teile  altphilologischer  Schulmänner  die  erzielten  Resultate  ganz  be¬ 
friedigend  ausgefallen  sein. 

80  höhere  Schulen  im  deutschen  Reich  waren  bereits  im  Jahre 
1905  nach  diesem  System,  das  für  das  humanistische  Gymnasium  zum 
erstenmale  in  Frankfurt  a.  ,M.  verwirklicht  wturde,  eingerichtet;  in 
Bayern  existiert  meines  Wissens  erst  eine  solche  Anstalt  in  dem 
Realgymnasium  zu  Nürnberg.  Die  Hälfte  des  Realgymnasiums  in 
Nürnberg  ist  nach  dem  Frankfurter  Muster  eingerichtet:  3  jähriger 
Unterbau  mit  Französisch,  erst  im  vierten  beginnt  das  Latein. 
Betrieb  im  Uebrigen  ganz  wie  bei  den  andern  Gymnasien.  In  hygi¬ 
enischer  Beziehung  finden  wir  keine  Neuerung. 

Interessant  ist  ein  näherer  Vergleich  der  Stundenpläne  des 
Reformgymnasiums  nach  Frankfurter  Muster  und  des  baye¬ 
rischen  Gymnasiums  bisheriger  Ordnung.  Während  bei  ersterem  für 
alle  Jahrgänge  zusammen  eine  Stundenzahl  von  286  vorgesehen  ist, 
nach  einem  Vorschlag  sogar  von  303,  beträgt  sie  in  Bayern  nur  246, 
das  bedeutet  also  ein  für  Bayern  jedenfalls  sehr  günstiges  Ergebnis 
und  es  wird  bei  gleicher  häuslicher  Arbeit  einer  so  bedeutenden  Mehr¬ 
belastung  der  Schüler  (um  ein  Sechstel  oder  gar  ein  Viertel)  mit 
Unterrichtsstunden  nicht  das  Wort  geredet  werden  können.  Für  die 
einzelnen  Klassen  beträgt  das  Verhältnis  beispielsweise  30:25,  31:26, 
33:28,  35:29.  Dieses  Mehr  an  Stunden  nach  dem  Frankfurter  Plan 
trifft  nur  zum  kleinen  Teil  auf  Turn-  und  Singstunden,  im  Uebrigen 
auf  Gegenstände  mit  starker  geistiger  Beanspruchung  der  Schüler. 
Dagegen  müssen  wir,  meiner  Ansicht  nach,  entschieden  Stellung 
nehmen  —  nicht  eine  Vermehrung,  sondern  eine  Verminderung  der 
Stundenzahl  muss  das  Reformgymnasium  bringen,  wenn  anders  es 
auf  diesen  Titel  Anspruch  erheben  will. 

Aus  unserer  bisherigen  Betrachtung  ergibt  sich,  dass  in  der 
Frage  des  „Re-formgymnasiums“  schultechnische  Rücksichten  aus¬ 
schliesslich  oder  nahezu  ausschliesslich  massgebend  gewesen  sind, 
und  wo  immer  die  Frage  weiterdiskutiert  wird,  geschieht  es  auch 
jetzt  noch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus;  die  Hauptrolle  spielt  der 
Lehrplan,  das  Mehr  oder  Weniger  an  deutschen,  lateinischen  und 
griechischen  Stunden. 

So  aussichtsreich  und  zweckmässig  diese  Umgestaltung  unseres 
höheren  Bildungswesens  zu  sein  scheint,  so  bietet  sie  auf  dem  Ge¬ 
biete,  das  die  Schulhygiene  angeht,  doch  zu  wenig. 

Seit  die  Aerzte  ihre  Aufmerksamkeit  dem  Mittelschulwesen  zu¬ 
gewendet  haben,  und  seit  gerade  in  München  eine  eifrige  Bewegung 
zu  Gunsten  einer  hygienischen  Reform  unserer  Gymnasien  ins  Leben 
getreten  ist,  kann  eine  Schulreform  in  dem  bisherigen  rein  schul¬ 
technischen  Sinne  nicht  mehr  als  zureichend  anerkannt  werden. 
Schon  in  dem  berühmt  gewordenen  Erlass  des  Kaisers  vom  26.  XI.  00, 
der  die  Gesichtspunkte  für  die  Reform  der  höheren  Schulen  in 
Preussen  in  grundlegenden  Sätzen  niedergelegt  hat,  findet  sich  der 
Satz: 

Ausser  den  körperlichen  Uebungen,  die  in  ausgiebiger  Weise 
zu  betreiben  sind,  hat  auch  die  Anordnung  des  Stundenplanes  mehr 
der  Gesundheit  Rechnung  zu  tragen,  insbesondere  durch  ange¬ 
messene  Lage  und  wesentliche  Verstärkung  der  bisher  zu  kurz  be¬ 
messenen  Pausen. 

Mit  Ausnahme  einer  weiteren  Turnstunde  macht  sich  die  Wir¬ 
kung  der  hier  gegebenen  Direktive  in  den  Reformlehrplänen  nicht 
geltend.  Wir  Aerzte  dürfen  hoffen  und  erwarten,  dass  die  Rücksicht 
auf  die  gesundheitliche  Entwicklung  der  Schüler  mehr  als  je  in  der 
Diskussion  über  Reformen  des  Schulwesens  gewürdigt  und  in  die 
Tat  übergeführt  wird,  wo  eine  Schulverwaltung  an  Reformen  heran¬ 
tritt,  Letzteres  scheint  in  Bayern  zur  Zeit  der  Fall  zu  sein  und  des¬ 
halb  besteht  für  uns  die  Pflicht,  die  gegebene  Gelegenheit  nicht  zu 
versäumen.  Mannigfach  sind  die  Fragen,  die  in  Betracht  kommen  und 
gerade  jetzt  sind  in  unserer  Kommission  nach  gemeinsamer  Arbeit  mit 
Schulmännern  Vorschläge,  zur  Reife  gelangt,  deren  Durchführung 
unserem  Schulwesen  zur  inneren  Förderung  und  gewiss  auch  zu 
äusserem  Ansehen  dienen  wird. 

Zur  Förderung  der  körperlichen  Ausbildung 
unserer  Gymnasiasten  wurden  durch  die  Schulkommission 
des  Münchener  Aerztlichen  Vereins  wie  bekannt  die  folgenden  Leit¬ 
sätze  aufgestellt. 

Leitsätze  für  die  körperliche  Ausbildung  un¬ 
serer  Mittelschüler,  abgefasst  von  der  Schulkommission  des 
Aerztlichen  Vereins  München  unter  Redaktion  des  Herrn  Dr.  Neu¬ 
st  ä  1 1  e  r. 

Durch  den  Ministerialerlass,  der  die  Förderung  der  Jugendturn¬ 
spiele  empfiehlt,  ist  eine  neue  Aera  in  der  körperlichen  Ausbildung  der 
Mittelschüler  eingeleitet.  Damit  dieser  Erlass  aber  tatsächlich  die 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


wünschenswerte  Wirkung  erzielt,  sind  folgende  Forderungen  (für 
beide  Geschlechter)  zu  erfüllen: 

1.  Die  körperliche  Ausbildung  unserer  Mittelschüler  soll  er¬ 
folgen  durch  Turnen/T Umspiele,  Wanderungen, Eislauf, ‘Schwimmen  etc. 

2.  Der  körperlichen  Ausbildung  ist  als  Mindestmass  täglich  eine 
Stunde,  wenn  irgend  angängig  im  Freien/  zu  widmen.  Auch  im 
Winter  soll  keine  Unterbrechung  stattfinden.  Für  ausreichende 
Turn-  und  Spielplätze  muss  baldigst  von  Seite  des  Ministeriums  ge¬ 
sorgt  werden. 

3.  Die  körperliche  Betätigung  stellt  nur  unter  gewissen  Be¬ 
dingungen  eine  Erholung  und  Kräftigung  dar.  Auch  sie  nimmt  Körper 
und  Geist  in  Anspruch.  Die  Stunden  für  die  körperliche  Ausbildung 
dürfen  daher  nicht  einfach  in  den  bisherigen  Stundenplan  eingefügt 
werden.  Das  würde  eine  Neubelastung  der  Schüler  bedeuten,  die 
absolut  unzulässig  ist.  Die  nötige  Zeit  muss  vielmehr  durch  Ein¬ 
schränkung  anderweitger  Anforderungen  gewonnen  werden.  Nach 
dem  Turnen  und  den  Turnspielen  dürfen  geistige  Anstrengungen 
durch  den  Unterricht  oder  Hausaufgaben  nicht  ohne  genügende  Pause 
verlangt  werden. 

4.  Am  besten  wird  der  gesamte  Unterricht  auf  den  Vormittag  ver¬ 
legt.  Jedenfalls  müssen  die  anstrengenden  Lehrgegenstände  vor¬ 
mittags  erledigt  werden,  den  leichteren  Fächern  und  der  körperlichen 
Ausbildung  soll  der  Nachmittag  gewidmet  sein.  Hausaufgaben  sollten 
nach  Möglichkeit  eingeschränkt  werden. 

5.  Die  Beteiligung  an  den  Turnspielen  usw.  ist  obligatorisch  zu 
machen.  Die  Wahl  der  Spiele  soll  den  Schülern  freigestellt  werden. 

6.  Beaufsichtigung  durch  Fachlehrer  ist  nur  zur  Verhütung  ge¬ 
sundheitlicher  Schäden  bezw.  zur  Einführung  in  die  Spiele  wünschens¬ 
wert. 

7.  Der  von  obligatorischen  Stunden  freizuhaltende  Sonntag  soll 
ausschliesslich  der  körperlichen  und  geistigen  Erholung  gewidmet 
werden. 

Die  Schulkommission  trat  dann  in  Unterhandlungen  zunächst  mit 
Professoren  der  humanistischen  Gymnasien,  da  ja  diese  die  grösste 
Zahl  der  Mittelschüler  umfassen.  Zu  ihrer  grossen  Befriedigung  zeigte 
sich,  dass  auch  in  deren  Kreisen  der  Wunsch  eines  Zusammengehens 
mit  der  Schulkommission  des  Aerztlichen  Vereins  bestand.  Von  seiten 
der  aus  den  Kreisen  der  Gymnasialprofessoren  gewählten  Kommission 
wurden  dann  im  Anschluss  an  die  ärztlichen  Leitsätze  schultech¬ 
nische  aufgestellt,  die  hier  ohne  die  ihnen  angefügte  Begründung 
wiedergegeben  sind. 

Schultechnische  Leitsätze,  zu  den  ärztlichen  Re¬ 
formvorschlägen  der  Schulkommission  des  Aerzt¬ 
lichen  Vereins  München  (für  die  humanistischen 

Gymnasien) 

ausgearbeitet  von  der  Schulkommission  des  Aerztlichen  Vereins 
München  in  Gemeinschaft  mit  Professoren  der  humanistischen 

Gymnasien. 

Die  körperliche  Ausbildung  der  Schüler  an  den  humanistischen 
Gymnasien  kann  in  der  von  den  Aerzten  als  unbedingt  notwendig  er¬ 
kannten  und  von  den  Schulmännern  vollkommen  gebilligten  Art  und 
Ausdehnung  nur  betätigt  werden,  wenn  die  Inanspruchnahme  der 
Schüler  durch  Beschränkung  der  häuslichen  Arbeiten  und  durch  öko¬ 
nomische  Anordnung  des  Stundenplanes  vermindert  wird.  Dies  setzt 
eine  den  Forderungen  der  modernen  Didaktik  und  der  Hygiene  ent¬ 
sprechende  Umänderung  der  Schulordnung  und  besonders  eine 
Herabsetzung  der  Schülerzahl  (in  den  einzelnen  Klassen 
voraus. 

I.  Die  häuslichen  Arbeiten  können  beschränkt  werden: 

a)  durch  erhebliche  Verminderung  der  deutschen 
Hausaufgaben  und  durch  deren  Einlieferung  gegen  Ende  der 
Woche  (um  den  Sonntag  freiizuhalten); 

b)  durch  Einschränkung  der  täglichen  Präparation  bG  ver¬ 
änderter  Behandlung  der  Klassikerlektüre; 

c)  durch  Beschränkung  der  häuslichen  Uebersetzungen  und 

d)  durch  Beschränkung  der  häuslichen  Arbeiten  in  den  mathe¬ 
matischen  Fächern. 

II.  Der  Stundenplan  ist  nach  Massgabe  der  örtlichen  Verhält¬ 
nisse  einzurichten  auf  der  Grundlage  des  „Vormittagsunter¬ 
richtes“.  Es  lässt  sich  ein  Stundenplan  aufstelien,  bei  dem  in  den 
ersten  5  Klassen  der  Unterricht  in  den  obligatorischen  wissenschaft¬ 
lichen  Fächern  in  allen  Tagen  auf  den  Vormittag  beschränkt  bleibt, 
während  in  den  4  oberen  Klassen  wenigstens  4  Nachmittage  von 
diesen  Fächern  frei  sind  und  auf  die  übrigen  2  Nachmittagsstunden 
fallen. 

Für  die  Wahlfächer  muss  eventuell  der  Nachmittag  herangezogen 
werden. 

III.  Dabei  sind  entsprechende  Erholungspausen  und  zwar  lin  der 
Weise,  dass  im  Sommer  von  8 — 8,50,  von  9 — 9,50,  von  10,10 — 11,  von 
11,15 — 12  und  von  12,15 — 1  Uhr,  im  Winter  von  8,15 — 9,  von  9,5 — 10, 
von  10,15 — 11,  von  11,10 — 12  und  von  12,15 — 1  Uhr  Unterricht  erteilt 
wird.  Etwa  nötiger  Nachmittagsunterricht  soll  mit  einer  viertel¬ 
stündigen  Zwischenpause  von  3 — 5  Uhr  stattfinden,  soweit  dies  die 
Lichtverhältnisse  zulassen.  An  Tagen,  an  welchen  der  Unterricht 
Morgens  bis  1  Uhr  dauert,  muss  der  Nachmittag  frei  sein. 

IV.  An  den  freien  Nachmittagen  sollen  Jugendspiele,  Turnen  etc. 
Stattfinden,  in  der  Weise,  wie  dies  in  den  Leitsätzen  der  Schulkom¬ 


1847 


mission  des  ärztlichen  Vereins  festgelegt  ist.  Für  das  Pflichtturnen 
und  für  die  Turnspiele  müssen  geeignete  Plätze  geschaffen  werden. 
Die  Leitung  der  Spiele  soll  eigens  vorgebildeten  Lehrkräften  über¬ 
tragen  werden.  Die  Haftofllcht  für  den  Lehrer  muss  natürlich  der 
Staat  übernehmen  auf  Grund  des  §  823  des  BGB. 

V.  Der  Sonntag  muss  von  allen  obligatorischen  Stunden  frei 
bleiben  und  der  körperlichen  und  geistigen  Erholung  gewidmet  sein. 

Wir  werden  teilweise  auf  die  Leitsätze  zum  Schluss  noch  zu¬ 
rückkommen. 

Vieles  wäre  mit  Genehmigung  dieser  Vorschläge  schon  ge¬ 
wonnen,  worüber  seit  Jahr  und  Tag  gesprochen,  aber  nur  gesprochen 
wird:  die  Frage  der  Ueberbürdung,  die  geschlossene  Unterrichtszeit, 
die  Regelung  der  Pausen  und  vor  allem  die  körperliche  Ausbildung 
der  heranwachsenden  Jugend  muss  nach  unserer  Meinung  endlich  in 
lebhafteren  Fluss  gebracht  werden;  niemand  verlangt  eine  Lösung 
dieser  Aufgabe  mit  einem  Schlag,  aber  dem  Fortschritt  müssen  sie 
zugeführt  werden  und  sie  können  es,  ohne  dass  ein  Lehrer  versetzt, 
ohne  dass  ein  neuer  Schuilpalast  errichtet  wird. 

Damit  ist  die  Reihe  der  hygienischen  Probleme  für  die  Mittel¬ 
schulen  erschöpft,  für  das  Reformgymnasium  im  beson¬ 
deren  müssen  wir  mit  Fug  und  Recht  eine  Reihe  hygienischer 
Forderungen  stellen,  welche  wiederholt  auch  schon  anderenorts  ge¬ 
stellt  wurden,  die  aber  leider  stets  ein  pium  desiderium  geblieben 
sind. 

1 .  Zur  Errichtung  des  Schulhauses. 

Das  Schulgebäude  sollte  nicht  nur  allen  schulhygienischen  An¬ 
sprüchen  gerecht  werden,  sondern  es  sollte  auch  (bei  guter  Ver¬ 
bindung)  möglichst  an  die  Peripherie  der  Grossstadt,  in  eine  Lage 
mit  gesunder  Luft  und  Waldnähe  (z.  B.  Holzapfelkreuth)  verlegt 
werden,  um  dem  Ideal  der  „Freiluftschule“  wenigstens  teilweise  ge¬ 
recht  zu  werden.  Für  die  Bereithaltung  von  Turnsälen  und  Schul¬ 
bädern  —  womöglich  mit  Schwimmbassin  —  grössere  Schulhöfe  bezw. 
Spielplätze  für  die  Abhaltung  der  Jugendspiele  müsste  natürlich  Sorge 
getragen  sein. 

2.  Was  den  Unterricht  selbst  anbetrifft,  so  ist  für  das  Re¬ 
formgymnasium  die  erste  unerlässliche  hygienische  Forderung  der 
ungeteilte  Vormittagsunterricht  mit  „40  Minuten-Stunden“  —  wobei 
also  6  Unterrichtsstunden  ä  40  Minuten  mit  je  10  Minuten  Pause  in 
300  Minuten  =  5  Stunden  absolviert  werden  könnten.  Eine  Ver¬ 
minderung  der  Unterrichtsstunden  und  der  häus¬ 
lichen  Aufgaben  ist  —  wie  Sie  oben  gesehen  haben  —  auch 
nach  Ansicht  der  Schulmänner  wohl  durchführbar.  Wenn  das  nur 
durch  ökonomischere  Zeiteinteilung  und  Verkleinerung  der  Klassen 
durchführbar  ist,  ist  das  vom  hygienischen  Standpunkte  aus  nur  zu 
begriissen.  Auch  offizielle  Nachhilfe  für  Minderbegabte  muss 
verlangt  werden.  Ganz  besondere  Berücksichtigung  aber  und  Ver¬ 
meidung  von  Ueberlastung  verlangt  das  Pubertätsalter,  worauf  bisher 
nicht  genügend  geachtet  wurde.  Mehr  als  bisher  werde  der  Unter¬ 
richt  einiger  dazu  geeigneter  Fächer  (wie  Zeichnen,  Naturkunde  etc.) 
ins  Freie  verlegt  oder  Schulexkursionen  zu  Lehrzwecken  unter¬ 
nommen.  Neben  einheitlichen  Ferien  mit  den  anderen  Lehranstalten  sind 
für  das  Reformgymnasium  besonders  eine  Verminderung  des  Unter¬ 
richts  im  Sommer  und  eine  völlige  Freihaltung  des  Sonn¬ 
tags  eine  hygienische  Forderung,  an  der  nicht  zu  deuteln  ist. 

3.  Die  Hebung  der  körperlichen  Ausbildung  und 
J  u  g  e  n  d  s  p  i  e  1  e,  welche  wir  Aerzte  für  die  Mittelschulen  überhaupt 
anstreben  —  ich  erinnere  an  die  verlesenen  Leitsätze  —  gilt  im  be¬ 
sonderen  und  im  verstärkten  Masse  für  die  Reformgymnasien  unter 
Vermeidung  jeden  Uebermasses  und  Schablonenhaften. 

4.  Eine  wichtige  und  unerlässliche  hygienische  Forderung  ist  die 
Anstellung  eines  entsprechend  vorgebildeten  praktischen 
Arztes  im  V  o  1 1  a  m  t  als  Schularzt.  Ohne  des  näheren  auf  eine 
Dienstanweisung  desselben  einzugehen,  müsste  dem  Schulärzte  ob¬ 
liegen: 

a)  die  Beaufsichtigung  der  Hygiene  des  Schulbaues  und  eines 
hygienisch  einwandfreien  Betriebes  (Reinigung,  Lüftung,  Bäder  etc.). 

b)  fortlaufende  Beaufsichtigung  des  Gesundheitszustandes 
der  Schüler  (Gesundheitsbögen). 

c)  Erteilung  von  Unterricht  in  der  Hygiene  als  obligatorischem 
Lehrfache  an  höheren  Schulen  (aus  den  Gebieten  der  Ernährungs¬ 
lehre,  Abhärtung,  körperliche  Ausbildung,  Nerven,  Zähne,  Alkohol, 
Tabak,  geschlechtliche  Fragen  etc.) 

d)  Vornahme  experimenteller  und  statistischer  Untersuchungen 
und  Messungen  an  Schülern  (deren  Ergebnisse  festere  Grundlagen 
für  Reorganisationen  im  Schulbetriebe  abgeben  würden). 

e)  Sitz  und  Stimme  im  Schulkuratorium. 

5)  Die  Herstellung  guter  und  innigerer  Beziehungen  zwischen 
Schule  und  Elternhaus  ist  eine  Forderung,  die  gewiss  nicht  nur  von 
uns  Aerzten,  sondern  ebenso  auch  von  einsichtigen  Schulmännern 
erhoben  wird.  Vom  hygienischen  Standpunkt  ist  eine  Annäherung 
und  Belehrung  (Elternabende)  erwünscht,  damit  die  S  c  h  ä  d  e  n, 
welche  so  häufig  der  Schule  zur  Last  gelegt  werden  und  die  beim 
Reformgymuasiium  auf  das  erreichbare  Minimum  herabgedrückt 
■werden  sollen,  auch  im  Elternhause  nach  Möglichkeit  ver¬ 
mieden  werden. 

Zum  Schlüsse  zitiere  ich  mit  Ihrer  Erlaubnis  nochmal  Kollegen 
B  e  r  g  e  a  t,  welcher  sagt : 

„Eine  gewisse  Scheu  vor  der  ärztlichen  Mitarbeit  auf  einem  Ge¬ 
biet,  das  ihr  bisher  gänzlich  verschlossen  war,  ist  nur  zu  begreifen. 


1848 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Aber  vielleicht  ist  die  Zeit  nicht  fern,  wo  unsere  Mittelschulen  dem 
ärztlichen  Einfluss  ebenso  zugänglich  werden,  wie  das  in  zunehmen¬ 
dem  Masse  unsere  Rechtspflege  und  die  Armee  geworden  ist  bei 
aller  Wahrung  ihrer  Strenge,  nicht  zum  Schaden  ihres  Ansehens. 

Ein  erster  nicht  zu  unterschätzender  Schritt  wäre  auch  die  von 
dem  Herrn  Kultusminister  bereits  in  Aussicht  genommene  Einberufung 
eines  erfahrenen  Mannes  aus  den  Reihen  der  praktischen  Aerzte  in 
den  obersten  Schulrat.  .  . 

Dieses  Beispiel  könnte  vorbildlich  wirken,  wie  es  ein  Ruhmes¬ 
titel  unseres  bayerischen  Schulwesens  werden  könnte,  wenn  unser 
Reformgymnasdum,  das  ja  gewiss  nicht  ausbleiben  wird,  nicht  nur  in 
schultechnischer  Hinsicht  auf  der  Höhe  der  Zeit  stünde,  sondern  auch 
in  überlegener  Weise  allen  Forderungen  der  modernen  Schulhygiene 
entsprechen  würde.“ 

Hoffen  wir  —  möchte  ich  mit  Schubert  schlossen  — ,  dass 
wir  nach  mancher  mühevollen  Vorarbeit  der  Mitarbeit  des  Staates, 
der  bisher  als  wohlwollender  Beobachter  seitwärts  stand,  nicht  länger 
entraten  müssen. 

Diskussion:  HerrCrämer:  M.  H.l  Damit  Sie  sehen,  dass 
wir  nicht  allein  stehen  mit  unseren  Vorschlägen,  teile  ich  Ihnen  mit, 
dass  der  Vorstand  des  Vereines  für  Schulgesundheitspflege  in  Berlin 
die  gleichen  Forderungen  wie  wir  an  das  preussische  Kultusmini¬ 
sterium  gestellt  hat.  Es  liegt  dieser  Gedanke  gewissermassen  in  der 
Luft  und  wird  überall  in  Deutschland  in  die  Tat  umzusetzen  versucht. 

Wenn  man  sich  frägt,  ob  man  mit  diesen  Reformvorschlägen 
etwas  erreichen  wird,  so  bin  ich  der  Ueberzeugung,  dass  dieses  aller¬ 
dings  der  Fall  ist.  Bei  meinem  Besuche  im  Ministerium  wurde  mir 
eröffnet,  dass  der  Herr  Kultusminister  in  schultechnischen  Fragen 
soweit  als  möglich  entgegenkommen  wird. 

Wenn  man  auch  derartige  Aeusserungen  mit  Vorsicht  auffassen 
muss,  weil  man  nie  wissen  kann,  was  das  „möglich“  heisst,  so  dürften 
wir  doch  die  Aussicht  haben,  mit  unseren  Reformvorschlägen  etwas 
zu  erreichen.  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  die  Frage  be¬ 
rühren,  die  mir  sehr  wichtiig  erscheint:  Man  könnte  der  Meinung 
sein,  dass  der  ärztliche  Verein  nicht  dazu  da  ist,  sich  an  derartigen 
hygienischen  Fragen  des  Allgemeinwohls  zu  beteiligen;  ja  ich  weiss, 
dass  so  manches  der  Mitglieder  das  nicht  gerne  sieht.  Ich  bin  aber 
der  Ueberzeugung,  dass  der  ärztliche  Verein  nicht  bloss  das  Recht, 
sondern  auch  die  Pflicht  hat,  in  diesen  wichtigen  Fragen  Stellung  zu 
nehmen.  Ich  möchte  daher  die  Bitte  an  den  ärztlichen  Verein  richten, 
uns  bei  unseren  Bestrebungen  den  Rücken  zu  decken;  denn  davon 
darf  man  überzeugt  sein,  wenn  der  ärztliche  Verein  hinter  uns  steht, 
so  wird  die  Tätigkeit  der  Schulkommission  eine  viel  fruchtbringendere 
sein,  als  wenn  nur  wenige  Kollegen  für  eine  Sache  eintreten. 

Herr  Pfaundler:  Ich  kann  nicht  umhin,  trotz  des  anscheinend 
günstigen  Urteiles  der  Herren  Vorredner  Bedenken  gegen  den  6  Kurz¬ 
stunden  oder  5  Zeitstunden  währenden  Vormittagsunterricht  zu 
äussern.  Ich  glaube  nämlich  nicht,  dass  der  Unterricht  in  der  5.  oder 
6.  Stunde  für  das  Gros  der  Schüler  ein  so  erspriessl'icher  und  erfolg¬ 
reicher  sein  kann,  wie  nach  4  stündiger  Pause  in  den  Nachmittags¬ 
stunden  ab  3  Uhr.  Meines  Wissens  liegen  auch  von  schulärztlicher 
Seite  zahle  nmässige  Bestimmungen  des  Aufmerk¬ 
samkeitswertes  bezw.  der  Fehlerhäufigkeit  vor, 
welche  sehr  zu  Gunsten  eines  höchstens  3  Stunden  währenden  Unter¬ 
richtes  sprechen.  Dazu  kommt  noch,  dass  nach  5  stündigem  Aufent¬ 
halte  einer  grösseren  Schülerzahl  in  einem  Klassenzimmer  die  Atmo¬ 
sphäre  in  demselben  sehr  viel  zu  wünschen  übrig  lässt,  wenn  die 
Ventilationsverhältnisse  nicht  ausnahmsweise  günstige  sind.  Es  ist 
mir  sehr  wohl  bekannt,  dass  nach  der  Aussage  verschiedener  Schul¬ 
männer  der  Vormittagsunterricht  gut  bewährt  befunden  worden  ist. 
Doch  möchte  ich  zu  bedenken  geben,  dass  hier  materielle  Interessen 
der  Lehrerschaft  einen  suggestiven  Einfluss  auf  das  Urteil  haben 
können.  Wenn  der  Lehrer  nur  einmal  des  Tages  den  Weg  nach 
und  von  der  Schule  zurücklegen  muss,  so  kann  er  leicht  in  billigen 
Vorstädten  wohnen  und  wenn  er  den  Nachmittag  völlig  frei  hat,  dann 
ist  ihm  auch  Gelegenheit  geboten,  sich  iin  Privatschulen  oder  sonstwie 
nachmittags  einen  Nebenverdienst  zu  schaffen,  ein  Bestreben,  das  ja 
bei  der  ungünstigen  materiellen  Lage  vieler  Lehrer  sehr  begreiflich 
erscheinen  muss.  Der  Einwand,  dass  in  grossen  Städten  der  zwei¬ 
malige  Schulweg  zu  viel  Zeit  für  die  Kinder  in  Anspruch  nimmt,  kann 
nicht  als  stichhaltig  erachtet  werden,  wenn  in  den  einzelnen  Schulen 
die  Frequenz  ein  gewisses  Maximum  nicht  übersteigt,  somit  jeder 
einzelne  Schulbezirk  nicht  allzu  gross  wird. 

Der  Nachmittagsunterricht  kann  aber  die  körperliche  Ausbildung 
der  Kinder  wohl  nicht  behindern,  wenn  den  Schülern  3  Nachmittage 
der  Woche  vollkommen  frei  bleiben  und  wenn  es  Ihnen  ermöglicht 
ist,  die  namentlich  in  der  dealten  Jahreszeit  dem  Aufenthalte  im  Freien 
günstigsten  Stunden  zwischen  11  und  3  Uhr  zweckmässig  auszunützen. 

Ich  möchte  mir  somit  an  unsere  sachverständigen  Vereinsmit¬ 
glieder  die  Anfrage  erlauben,  ob  die  Erfolge  des  6  stünidiigen  Vor¬ 
mittagsunterrichtes  neuerdings  in  exakter,  objektiverWeise 
geprüft  und  wirklich  so  günstig  befunden  worden  sind. 

Herr  Nenstätter  verweist  auf  das  Interesse,  das  die  Aerzte 
auch  auf  Seite  der  Schulmänner  gefunden  haben.  Er  habe  von  An¬ 
fang  an  auf  die  Notwendigkeit  eines  Zusammenarbeitens  mit  ihnen 
hingewiesen  und  habe  mit  besonderer  Freude,  wie  wohl  alle  Be¬ 
teiligten  gesehen,  dass  die  Gedanken  der  Schulkommission  auf  schon 
vorbereiteten  Boden  fielen. 


Gegenüber  Pfaundler:  Ich  bin  nicht  der  Ansicht,  dass  man 
aus  den  Beobachtungen  hier  in  München  schon  definitive  Schlüsse 
ziehen  kann.  Es  heisst  in  den  Berichten,  dass  die  Schüler  nicht  stärker 
ermüden,  im  Gegenteil  beim  geschlossenen  Vormittagsunterricht 
frischer  sind.  Jedenfalls  .aber  könne  man  daraus  schliessen,  dass  die 
Ermüdung  keine  besondere  sei.  Natürlich  seien  Voraussetzungen 
richtige  Pausen  und  richtige  Folge  der  Lehrstoffe.  Man  könnte  in  die 
späteren  Stunden  geistig  weniger  Anstrengendes  verlegen.  Es  ist 
schon  ein  derartiger  Schulplan  ausgearbeitet  worden.  Wesentlich  ist 
schliesslich,  dass  man  den  geschlossenen  Vormittagsunterricht  nicht 
vom  absoluten  Standpunkt  ansieht,  sondern  mit  Rücksicht  darauf,  dass 
er  eben  das  relativ  Bessere  ist.  Dass  der  Vormittagsunterricht  nicht  aus 
dem  Grund  der  Bequemlichkeit  oder  materiellen  Gründen  von  den  Pro¬ 
fessoren  propagiert  worden  ist,  dafür  sprechen  eine  Reihe  von  Tat¬ 
sachen.  Es  hat  die  Einführung  im  Anfang  mit  viel  Bedenken  zu 
kämpfen  gehabt.  Im  übrigen  wäre  es  auch  für  die  Lehrer  —  und  in-  * 
direkt  wieder  die  Schüler  —  gut,  wenn  sie  den  Nachmittag  für  sich 
hätten,  dadurch  weiter  draussen  wohnen,  sich  besser  erholen  usw. 

In  der  Grossstadt  sei.  der  Vormittagsunterricht  von  so  weittragender 
Bedeutung,  dass  er  durchgeführt  werden  muss.  Etwaige  Schäden 
sollten  nicht  zur  Wiederbesetzung  des  Nachmittags,  sondern  zu 
weiteren  Reformen  führen. 

Herr  Grassmann:  Da  in  der  Frage  der  besseren  körperlichen 
Ausbildung  unserer  Mittelschüler  unzweifelhaft  eine  neue,  kräftige 
Strömung  besteht,  so  haben  die  Aerzte  die  dringende  Pflicht,  sich  an 
den  Neuerungen  mit  energisch  zu  vertretenden  hygienischen  Forde¬ 
rungen  zu  beteiligen.  Der  jetzige  Zeitpunkt  darf  nicht  verpasst 
werden.  Die  Frage,  ob  unbeschadet  des  Bildungsniveaus  mehr  Zeit 
für  die  systematische  Körperpflege  in  den  Mittelschulen  zur  Ver¬ 
fügung  gestellt  werden  kann,  wird  von  den  Schulmännern  bejaht,  so 
dass  hygienische  Forderungen  tatsächlich  ventiliert  werden  können. 
Bezüglich  des  Reformgymnasiums  sei  jetzt  der  rechte  Zeitpunkt, 
solche  Forderungen  zu  stellen.  Unsere  Gymnasien  hätten  zurzeit 
unter  den  übrigen  deutschen  Bildungsanstalten  ihrer  Art  die  geringste 
Zahl  von  Lehrstunden.  Dieses  Reservatrecht  müsse  auch  bei  der  Er¬ 
richtung  des  Reformgymnasiums  zur  Geltung  kommen.  Der  ärztliche 
Verein  möge  die  von  seiner  Schulkommission  formulierten  Forde¬ 
rungen  kräftig,  etwa  durch  eine  Resolution,  unterstützen. 

Herr  E  r  d  t  erwähnt  eine  Mutter,  welche  über  den  ausschliess¬ 
lichen  Vormittagsunterricht  klagte,  weil  „ihr  Sohn  so  viele  freie  Zeit 
habe“.  Das  sei  gewiss  ein  unparteiisches  Lob! 

Die  geistige  Ermüdung  gegen  Ende  des  Vormittagsunterrichtes 
könne  durch  geeignete  Verteilung  der  Fächer  vermieden  werden; 
auch  wäre  in  dieser  Hinsicht  eine  öftere  Besprechung  und  ein  geeig¬ 
netes  Einvernehmen  der  einzelnen  Lehrer  untereinander  wünschens¬ 
wert.  Die  Frankfurter  Reformschule  eigne  sich  nicht  zum  Vorbilde. 
Denn  an  ihr  befände  sich  nur  auserlesenes  Lehrer-  und  Schülermaterial. 
Man  müsse  aber  bei  Reformschulen  auf  die  durchschnittliche  Lei¬ 
stungsfähigkeit  Rücksicht  nehmen.  Keinesfalls  dürfen,  wie  dort,  die 
Unterrichtsstunden  noch  vermehrt  werden. 

E.  hat  (ausserhalb  Münchens)  häufig  die  Turnspiele  an  „freien“ 
Mittwoch-  und  Samstagnachmittagen  beobachtet.  Die  Schüler  durften 
ohne  Krankheitsnachwefs  nicht  fern  bleiben;  ein  kleinerer  Teil  der 
Schüler  spielte  und  erhitzte  sich  stundenlang  mit  Schleuderball, 
Faustball  u.  a.,  der  grössere  Teil  sah  untätig  zu.  Abends  kamen  dann 
die  Spielenden  müde  und  abgespannt  heim  und  mussten  die  treffenden 
Hausaufgaben  erledigen,  die  auch  darnach  entsprechend  ausfielen. 

An  diesen  „halbfreien  Tagen“  wurden  also  viele  Schüler  körper¬ 
lich  und  geistig  mehr  angestrengt,  als  an  anderen. 

Mit  Recht  versuche  die  Schulkommission  diesen  Misständcn 
zu  begegnen. 

Herr  Doernberger:  Das  Referat  Rommels  fusst  nicht 
nur  auf  den  Beratüngen  der  Schulkommission,  sondern  auch  aut  der 
Ansicht  der  Majorität  der  Schulmänner,  Hygieniker  und  Aerzte  in  der 
ganzen  Welt,  welche  sich  mit  den  einschlägigen  Fragen  befasst  haben. 
Mag  wie  ausserhalb  so  auch  innerhalb  unseres  Vereins  eine  Minorität 
in  verschiedenen  Dingen  andere  Meinung  haben  z.  B.  bezüglich  des 
Vormittagsunterrichts,  der  Unterrichtspausen,  des  obligatorischen 
Zwanges  zur  Beteiligung  an  den  Turnspielen  usw.,  so  möge  sich  doch 
der  ärztliche  Verein  als  solcher  dem  Sinne  des  Referates,  welches 
wohlerwogen  und  durch  Erfahrungen  gestützt  ist,  anschliessen. 

Herr  Rommel  (Schlusswort)  spricht  sich  nochmals  entschieden 
für  den  ungeteilten  Vormittagsunterricht  aus. .  Er  bemerkt  zugleich, 
dass  über  Schulschädigungen  noch  weitere  exakte  Untersuchungen 
angestellt  werden  sollen  nach  Methoden,  die  erst  noch  ausgearbeitet 
werden  müssten,  da  die  bisherigen  zum  grossen  Teil  einer  ernsten 
Kritik  nicht  Stand  hielten.  Es  sei  dies  eine  der  Aufgaben  der  Schul¬ 
ärzte,  wie  schon  iim  Referat  angedeutet  worden  sei. 

Es  wird  hierauf  eine  Resolution  gefasst,  in  welcher  der  Aerzt- 
liche  Verein  sein  Einverständnis  mit  den  Ausführungen  des  Herrn 
Rommel  erklärt  und  die  Schulkommission  beauftragt,  dessen  For¬ 
derungen  nach  Kräften  zu  unterstützen. 

Herr  R.  Grashey:  Seltene  und  schwer  nachweisbare 
Frakturen  (Projektionsvortrag).  Die  Mitteilungen  bilden  einen 
Teil  eines  in  den  „Fortschr.  a.  d.  Geb.  der  Röntgenstrahlen“ 
(XI.  3)  erschienenen  Aufsatzes  über  Frakturdiagnostik. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1849 


Herr  Grosse:  Ueber  improvisierte  Asepsis,  mit  De¬ 
monstrationen. 

Eine  vollkommen  einwandfreie  Asepsis  ist  entgegen  immei 
noch  bestehenden  Vorurteilen  —  unter  den  primitivsten  Verhältnissen 
und  mit  überall  zu  beschaffenden  Hilfsmitteln  durchführbar  Wie 
Vortr.  bereits  1905  im  Archiv  für  klinische  Chirurgie  (Bd.  77,  Heft  d) 

|  siehe  auch  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  No.  31]  nachgewiesen, 
besitzen  wir  im  Wasserdampf,  dem  überhaupt  zuverlässigsten  bak¬ 
teriziden  Agens,  ein  Sterilisationsmittel,  dem  allein  sämtliche 
Objekte,  deren  wir  zu  aseptischen  Operationen  in  keimfi  eiern  Zu¬ 
stande  bedürfen,  exponiert  werden  können.  Stellt  schon  die  hie i  - 
durch  ermöglichte  Einheitlichkeit  des  Verfahi ens  eme  ei ■ 
hebliche  Vereinfachung  der  Sterilisationsprozeduren  dar,  so  ist  die 
Wasserdampfsterilisation  auch  deshalb  als  die  denkbar  einfachste 
Methode  zu  bezeichnen,  weil  man  sich  einen  Dampfsterilisator  an  Ort 
und  Stelle  der  Operation  im  Handumdrehen  improvisieren  kann.  Es 
bedarf  hierzu  —  Vortr.  demonstriert  als  Beispiel  den  ganzen  Gang 
der  aseptischen  Vorbereitungen  zu  einer  Herniotomie  —  lediglich 
zweier  Kochtöpfe,  deren  einer  in  den  andern  hineingestellt 
werden  kann.  Auf  den  Boden  des  grösseren  Topfes  wird  ein 
Wasserglas  (200  g)  Wasser  gegossen,  der  kleinere,  auch 
durch  eine  Obertasse,  Porzellanschale  oder  dergl.  ersetzbare,  nimmt 
das  zu  sterilisierende  Material,  Instrumente  (die  Messer  sind  zur  Er¬ 
haltung  ihrer  Schärfe  und  ihres  Glanzes  in  korkverschlossenem  Rea- 
gensrohr  unterzubringen,  desgl.  die  Kanülen  zur  Spinalanasthesie  1, 
Verbandstoffe.,  kleine  Tücher,  Katheter,  Spritzen,  Gummihandschuhe 
oder  was  man  sonst  zu  einer  Operation,  einem  Verbandwechsel,  einem 
Katheterismus,  einer  Infusion  etc.  gebraucht,  auf.  Wird  nun  das 
Wasser  in  dem  grösseren,  zugedeckten,  Topfe  zum  Sieden  gebracht, 
so  stellt  sein  ganzer  Innenraum  den  Dampfraum  eines  Wassei  darnpt- 
sterilisators  dar,  in  dem  durch  die  Einwirkung  des  Wasseidampfes 
in  wenigen  Minuten  eine  unbedingt  sichere  Sterilisation  zu  stände 
kommt.  Als  Wärmequelle  dient  Herdfeuer  oder  irgend  ein  Koch¬ 
apparat;  einen  Spirituskocher  improvisiert  Vortr.  aus  einem  tiefen 
Teller,  über  den,  sich  kreuzend,  zwei  Blechlöffel  gelegt  werden. 
Aus  der  Verschiedenheit  des  jeweilen  benötigten  Instrumental  iutns 
und  Verbandmaterials  sowie  aus  der  Verschiedenheit  des  hier  oder 
dort  zur  Verfügung  stehenden  Inventars  ergeben  sich  unendlich  viel¬ 
fache  Modifikationen,  sodass  dem  Verfahren  neben  ausserordentlicher 
Leichtigkeit  der  Durchführung  auch  der  Vorzug  weitgehender  An¬ 
passungsfähigkeit  an  die  differentesten  Verhältnisse  zukommt; 
mehrere  angeführte  Beispiele  erläutern  dies.  Eine  10  Minuten 
währende  Dampfdurchströmung  ist  für  alle  Objekte  zu  sicherei 
Sterilisation  ausreichend,  auch,  wie  Vortr.  bakteriologisch  nachge¬ 
wiesen,  für  kleine,  zu  den  in  Rede  stehenden  Operationen  ei  forder¬ 
liche  Mengen  nicht  zu  fest  gepackter  Verbandstoffe.  Mit  schema¬ 
tischem  Vorgehen  bei  Sterilisation  der  letzteren  ist  zu  brechen,  eben¬ 
so  wie  mit  schablonenmässiger  Auffassung  der  Asepsis  überhaupt. 
Die  zur  Zeit  speziell  in  der  Landpraxis  übliche  Handhabung  der 
Asepsis  ist  bei  aller  Umständlichkeit  zumeist  doch  mangelhaft; 
grösstenteils  herrscht  hier  trotz  hundertfach  nachgewiesenei  Unzu¬ 
länglichkeit  noch  immer  die  Antisepsis,  und  zwar  recht  oft  in 
einer  Form,  die  man  geradezu  gewissenlos  nennen  muss.  Vorti. 
zeigt  die,  nach  nunmehr  beendeter  Sterilisation  dem  improvisierten 
Dampfsterilisator  entnommenen  Instrumente,  die  tadellos  glänzend 
und  von  Belag  oder  Flecken,  wie  solche  beim  Kochverfahren  aut- 
treten,  gänzlich  frei  sind;  sie  werden  .albald  durch  ihre  eigene  Hitze 
vollkommen  trocken.  Auch  die  Verbandstoffe  enthalten  nur  ganz  ge¬ 
ringe  Feuchtigkeit.  Die  gesamte  Sterilisation  nimmt,  da.  die  erforder¬ 
liche  minimale  Wassermenge  in  wenigen  Minuten  zum  Sieden  kommt, 
nur  e  i  n  e  V  i  e  r  t  e  1  s  t  u  n  d  e  in  Anspruch,  die  durch  sonstige  Vor¬ 
bereitungen  so  vollauf  ausgefüllt  wird,  dass  sich  jeder  Zeitveilust 
—  NB.  auch  v  o  r  dem  Aufbruch  des  Arztes  zum  Patienten  —  ver¬ 
meiden  lässt.  Auch  für  die  Desinfektion  der  Hände  und  des  Ope¬ 
rationsfeldes  besitzen  wir  in  der  von  Schumburg  1906  (Archiv 
f.  klin.  Chirurgie,  Bd.  79,- Heft  l)  |s.  auch  Münch,  med.  Wochenschi, 
1906,  No.  19]  angegebenen  Desinfektion  mittels  Brennspiritus  ein 
Verfahren,  das  bei  grösster  erreichbarer  Zuverlässigkeit  (Entfernung 
von  99  Proz.  der  an  der  Hand  befindlichen  Bakterien)  ohne  jede  Vor¬ 
bereitung  überall  anwendbar  ist.  Vortr.  empfiehlt,  direkt  aus  einer 
mitgebrachten  Halbliterflasche  rriit  Brennspiritus,  der  ja  sowieso 
eventuell  als  Heizmaterial  gebraucht  wird,  etwa  1ls  des  Inhaltes  sich 
nach  und  nach  auf  ca.  10  Wattebäusche  giessen  zu  lassen,  mit  denen 
man  Hände  und  Arme,  selbstverständlich  nach  gründlicher  mecha¬ 
nischer  Nagelreinigung,  aber  ohne  voraufgehende  Anwendung  von 
Bürste  und  Seife,  3  Minuten  sorgfältig  abreibt;  ebenso  wird  das 
Operationsfeld  behandelt.  Man  erreicht  auf  diese  Weise  dieselbe  fast 
vollkommene  Keimfreiheit  wie  mit  der  F  ü  r  b  r  i  n  g  e  r  sehen  oder 
A  h  1  f  e  1  d  sehen  Methode.  Gleichwohl  ist  dem  vielbeschäftigten 
Landarzt  zu  eigenem  wie  zu  seiner  Patienten  Schutz  das  Anlegen  von 
Gummihandschuhen  zur  Operation  anzuraten,  die  ebenfalls  im  Dampf 
schnell,  sicher  und  ohne  Schädigung  zu  sterilisieren  sind.  Wenn  auch 
das  angegebene  Verfahren  seine  Grenzen  in  allzugiossem  Umfange 


I 


*)  Zu  letzterem  Zweck  werden  neuerdings  —  für  den  stän- 
di  gen  Gebrauch  —  „Kanülensterilisationsrohre“  analog  den  „Mes¬ 
sersterilisationsrohren“  von  der  Firma  C.  Stiefenhofer,  München, 
angefertigt. 


der  Operation  einerseits  und  in  allzugrosser  Unzulänglichkeit  der  Ver¬ 
hältnisse  andererseits  findet,  so  ist  es  doch  vermöge  seiner  wohl  kaum 
noch  zu  übertreffenden  Einfachheit  in  der  überwiegenden  Mehrzahl 
der  Fälle  wo  Operationen  überhaupt  im  Privathause  vorgenommen 
werden  können,  anwendbar.  Vortr.  hofft,  dass  es  dazu  beitragt,  eine 
tad  e  1 1  o  s  e  A  s  e  p  s  i s  e  n  dl i  ch  —  auch  in  der  Praxis!  —  zum 
Gemeingut  aller  Aerzte  werden  zu  assen.  -  Der  Vortrag  ist 
in  extenso  in  der  Berliner  klinischen  Wochenschrift  No.  28,  1907, 
erschienen. 

Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  F  1  a  t  a  u. 

Herr  Helbing  demonstriert  einen  Fall  von  Sattelnase  infolge 
Ozäna. 

Herr  Kraus  demonstriert  einen  6  jährigen  Knaben,  der  seit  etwas 
über  einem  Jahr  in  Behandlung  der  Poliklinik  steht.  Die  Augenerkran¬ 
kung  begann  als  eine  beiderseitige  Iridozyklitis,  zu  der  sich  nach 
kurzer  Zeit  beiderseits  2  grosse,  dichte,  tief  gelegene  Hornhautinfil¬ 
trate  gesellten,  denen  dann  eine  geringe  diffuse  Trübung  in  den 
oberen  Parenchymschichten  folgte.  Rechts  sieht  man  jetzt  im  unteren 
Kammerwinkel  ein  gelbbräunliches  Granulationsgewebe,  zwischen 
diesem  und  der  Iris  ein  klein-stecknadelkopfgrosses  Knötchen  von 
grauweisser  Farbe,  ein  gleiches  nasal  von  ersterem.  Anamnestisch 
keine  Anhaltspunkte  für  hereditäre  Lues  —  Jodkali  ohne  jeglichen  Ein¬ 
fluss  auf  den  Krankheitsprozess  — ,  für  Tuberkulose  ebenfalls  nicht. 
Herr  Kraus  hält  die  Erkrankung  für  tuberkulöser  Natur  und  will 
nun  Hetolinstillationen  machen,  von  denen  Paul  Cohn  bei  Keratitis 
parenchymatosa  tuberculosa  gute  Erfolge  sah  (Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1906,  No.  25).  Später  soll  wieder  über  den  Fall  berichtet 
werden. 

Des  ferneren  demonstriert  Herr  Kraus  einen  jungen  Mann,  dem 
am  27.  März  1905  ein  Eisensplitter  ins  rechte  Auge  geflogen  war.  Der 
Splitter  hatte  die  Kornea  ca.  2  mm  vom  temporalen  Rand  perforiert, 
hatte  die  Iris  im  Pupillarrand  und  die  Linse  durchbohrt  und  war 
hinten  in  der  Netzhaut  stecken  geblieben.  Linse  war  entlang  der  Per¬ 
forationswunde  getrübt.  Ophthalmoskopisch  war  eine  Blutung  auf  der 
Netzhaut  zu  sehen,  in  die  der  Splitter  eingehüllt  war.  Das  Sideroskop 
gab  trotz  vorheriger  Magnetisierung  nur  einen  ganz  geringen  Aus¬ 
schlag.  28.  III.  05  Skleralschnitt  in  meridionaler  Richtung,  Einführung 
des  Handmagneten.  Extraktion  eines  kleinen  Eisensplitters.  Heilungs¬ 
verlauf  glatt.  Sehvermögen  bei  der  Entlassung  mit  +  cyl.  1,5  D.  Achse 
wagrecht  S  =  Vs—1 Vs.  Heute  ist  der  Visus  noch  der  gleiche. 

Herr  G  ö  r  I  demonstriert  eine  12  jährige  Patientin  mit  atypischem 
Lupus  erythematodes  am  rechten  Supraorbitalrand,  mitten  auf  dem 
Kopf  und  im  Nacken. 

Herr  Kraus  demonstriert  die  gleiche  Patientin  wegen  beider¬ 
seitiger  abgelaufener  Keratitis  parenchymatosa.  Während  die  Rand¬ 
zone  vollkommen  durchsichtig,  zeigt  die  Mitte  eine  grosse  Zahl 
grösserer  und  kleiner  Trübungen,  die  ganz  bizarre  können  auf- 
weisen,  die  bei  makroskopischer  Betrachtung  am  besten  mit  Knochen¬ 
körperchen  verglichen  wenden  können,  bei  Lupenbetrachtung  sieht  man 
zwischen  den  mit  unbewaffnetem  Auge  sichtbaren  Infiltraten  kleineie 
punktförmige.  Eine  Prominenz  der  Hornhautflecke  besteht  nicht. 
Eltern  leben  und  sind  gesund,  desgleichen  der  einzige  Bruder. 

Herr  G  e  s  s  n  e  r  spricht  über  Morbus  Basedowii. 

Diskussion:  Herr  Hofrat  H  e  i  n  1  e  i  n  glaubt,  dass  das  von 
dem  Herrn  Vortragenden  erwähnte  Symptom  des  Schwirrens,  welches 
bei  Basedowkröpfen  nicht  selten  gefühlt  und  gehört  wird,  dann  ent¬ 
steht,  wenn  bei  gesteigerter  Herztätigkeit  die  arterielle  Blutwelle 
gegen  das  der  Arterie  unmittelbar  anliegende  erweiterte,  äusserst 
zarte  und  dünnwandige  venöse  Gefässohr,  wie  es  sich  namentlich 
am  oberen  Pol  der  Schilddrüse  darstellt,  geschleudert  wird  und  das 
im  Varix  der  V.  thyr.  sup.  zirkulierende  Blut  in  Wirbelströnuiug  vei- 
setzt.  Die  physikalische  Entstehung  des  Schwirrens  ist  völlig  analog 
dem  Entstehen  des  gleichen  Phänomens  bei  arteriovenösen  Aneurys- 
men,  nur  fehlt  in  jenem  Fall  die  freie  Kommunikation  beider  Gefässe, 
die  ausserordentliche  Diinnwandigkeit  der  Basedowkropfvenen  be¬ 
günstigt  hier  die  Entstehung  des  in  beiden  Fällen  völlig  gleichen 
Effektes.  In  einem  Falle  eigener  Beobachtung  konnte  das  Geräusch 
deutlich  vom  aufgelegten  Finger  gefühlt,  aber  auch  deutlich,  namentlich 
nachdem  Haut  und  Platysma  durchtrennt  und  zurückpräpariert  waren, 
vom  nicht  angelegten  Öhr  vernommen  werden;  es  verschwand  somit 
mit  dem  Knotenschluss  des  um  den  zuführenden  Abschnitt  der  Alt. 
thyr.  sup.  herumgeführten  Unterbindungsfadens. 

In  einem  im  Verein  mit  Herrn  K  r  a  p  f  beobachteten  mittel- 
schweren  Fall  von  Mort).  Based.  sah  H.  dauernden  Erfolg  von  einer 
mehrere  Wochen  hindurch  fortgesetzten  Darreichung  von  Glyzenn- 

Beziiglich  der  Exothvreopexie  bemerkt  H.,  dass  urn  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  ein  Arzt  in  Lyon,  Bonett, 
lagerung  zuerst  ausgeführt  habe;  laboulay  habe  die  F..\ot  > 
pexie  zur  Methode  erhoben.  Letztere  sei  scharf  zu  trennen  von  i  u 
durch  W  ö  1  f  1  e  r  in  Aufnahme  gekommenen  K  r  o  p  f  v  erläget  u  g, 
wobei  der  Kropf  nicht  zwischen  die  Wundrander,  sondern  meist 


1850 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


«regen  die  oberen  Halsbezirke  hin,  jedoch  unter  die  Haut,  verlagert 
werde.  Bezüglich  der  Exothyreopexie  sei  mit  .1  a  b  o  u  1  a  y  daran  fest¬ 
zuhalten,  dass  die  im  Anschluss  an  den  Akt  aus  dem  Kropfgewebe  — 
offenbar  den  oberflächlichen  Drüsenbläschen  —  sich  einstellende  ziem¬ 
lich  reichliche,  wie  Tauperlen  erscheinende  Absonderung,  welche  nicht 
den  Charakter  einer  entzündlichen  Ausschwitzung  trägt,  und  welche 
sonst  von  dem  den  Kropf  einhiillenden  lockeren  Bindegewebe  auf¬ 
genommen  wird,  nunmehr  frei  nach  aussen  treten  kann  und  so  eine 
Veränderung  der  Lymphzirkulation  im  Gefolge  hat,  welche  wahr¬ 
scheinlich  die  Besserung  einleitet.  Die  sich  anschliessende  Kropfver¬ 
kleinerung  wird  vielleicht  auch  noch  begünstigt  durch  die  nach  dem 
Eingriff  entstehende  venöse  Stauung  mit  Gefässverschlüssen,  welche 
zunächst  eine  Schwellung  des  Kropfgewebes  bedingt,  der  später  die 
Schrumpfung  folgt.  Jaboulay  konnte  in  einem  Falle  eine  Rück¬ 
fälligwerden  des  durch  den  Eingriff  gebesserten  Leidens  feststellen, 
als  zum  Zweck  der  Beschleunigung  der  Heilung  die  Haut  über  dem 
Kropf  wieder  vereinigt,  das  aussickernde  Fluidum  nicht  mehr  nach 
aussen  geleitet,  sondern  wieder  von  den  lockeren  Kropfhüllen  auf¬ 
genommen  und  so  wieder  dem  Blut  zugeführt  wurde.  Nach  bald  be¬ 
werkstelligter  wiederholter  Entblössung  des  Kropfes  wurden  die 
schweren  Erscheinungen  in  Kurzem  wieder  rückgängig. 

H.  hat  im  eigenen  Falle  nach  Kropffreilegung,  einseitiger  Unter¬ 
bindung  der  oberen,  doppelseitiger  Ligatur  der  unteren  Schilddrüsen- 
gefässe,  als  nach  2Vz  stündiger  Dauer  der  ohne  Inhalationsnarkose 
betätigten  Operation  die  Pat.  den  Abschluss  des  Eingriffes  dringend 
wünschte,  auch  die  Pulsbeschaffenheit  zu  wünschen  übrig  liess,  die 
Exothyreopexie  als  „Notbehelf1  ausgeführt  und  konnte  in  der  Folge 
die  oben  erwähnte  reichliche,  klare  Absonderung  deutlich  beob¬ 
achten.  Sehr  langsam,  aber  stetig  bildeten  sich  die  schweren  Erschei¬ 
nungen  bis  auf  einen  geringen  bleibenden  Exophthalmus  zurück.  Dass 
die  Exothyreopexie  zu  Unrecht  verworfen  wird,  und  die  Indikation  be¬ 
sonders  dann,  wenn  man  nicht  den  Luftröhrenschnitt  ausfiihren  will, 
zu  Recht  besteht,  beweisen  u.  a.  zwei  aus  der  von  Bruns  sehen 
Klinik  hervorgegangenen  Beobachtungen  von  B  1  a  u  e  1  (Beitr.  z.  klin. 
Chir.,  Bd.  50,  H.  1). 

•j  Bezüglich  der  Durchschneidung  des  Sympathikus  wird  im  Auge 
behalten  werden  müssen,  dass  demselben  die  Exstirpation  des  unteren 
Halsganglion  zu  folgen  hätte.  Unterlässt  man  das  letztere,  so  würde 
Herzklopfen  und  Zittern  unter  Umständen  sich  einige  Zeit  nach  dem 
Eingriff  wieder  einstellen.  Denn  der  Acceler.  cordis  erhält  seine 
Fasern  nicht  nur  aus  dem  Sympathikus,  sondern  auch  durch  das 
untere  Halsganglion  aus  den  Ramis  communic. 


Rostocker  Aerzteverem. 

Sitzung  vom  11.  Mai  1907. 

Herr  Körner:  Die  Behandlung  der  Kehlkopftuberkulose. 

Nachdem  Vortragender  die  verschiedenen  anatomischen 
und  klinischen  Bilder,  unter  denen  die  Kehlkopftuberkulose  auf- 
tritt,  eingehend  geschildert  hat,  bespricht  er  die  intra-  und 
extralaryngealen  Operationsmethoden  eingehend  und  wendet 
sich  dann  zu  denjenigen  Formen  der  Erkrankung,  bei  welchen 
wir  von  vornherein  gute  Aussicht  haben,  ein  langjähriges 
Latentwerden  des  Prozesses  oder  gar  eine  vollständige  Heilung 
zu  erzielen. 

Die  besten  Erfolge  erzielt  man  nach  seiner  Erfahrung  bei 
der  aszendierenden  Tuberkulose,  das  ist  bei  der  Tuber¬ 
kulose,  die  in  Nase  und  Schlund  beginnt  und  dann  den  Kehlkopf 
ergreift,  aber  nur  in  geringem  Masse  oder  gar  nicht  auf  die 
Lungen  übergeht.  Die  Bezeichnung  aszendierende  Tuber¬ 
kulose  ist  von  Holländer  in  diesem  Sinne  angewendet 
worden  in  Analogie  mit  der  von  aussen  beginnenden  und  bis 
auf  die  Nieren  sich  verbreitenden  Form  der  Urogenitaltuber¬ 
kulose.  Die  in  den  Lungen  beginnende  und  dann  den  Kehlkopf 
ergreifende  Tuberkulose  muss  demgemäss  als  deszendierend 
bezeichnet  werden,  wenngleich  es  manchem  anfangs  schwer 
sein  wird,  hier  von  dem  Oben  und  Unten  am  aufrechten  Körper 
abzusehen  und  den  von  aussen  nach  innen  fortschreitenden 
Prozess  stets  als  absteigend,  und  den  von  innen  nach  aussen 
als  aufsteigend  zu  bezeichnen.  Manche  Formen  der  Kehlkopf¬ 
tuberkulose,  die  man  bisher  als  primär  bezeichnet  hat,  gehören 
in  die  Gruppe  der  aszendierenden  Formen.  Eine  wahre  primäre 
Kehlkopftuberkulose,  d.  h.  eine  tuberkulöse  Erkrankung  des 
Kehlkopfs  allein,  gehört  zu  den  allergrössten  Seltenheiten  und 
kommt  praktisch  kaum  in  Betracht. 

Redner  schildert  ausführlich  zwei  Beispiele  der  aszendierenden 
Tuberkulose  in  den  Luftwegen.  Der  erste  Fall  betraf  einen  13  jähr. 
Knaben,  der  aus  einer  tuberkulösen  Familie  stammte  und  wegen 
Heiserkeit  der  Klinik  zugeführt  wurde.  Der  Befund  war:  sehr  guter 
Ernährungszustand,  kein  Fieber,  Lunge  normal,  Rachenmandel  ge- 
schwiirig  zerfallen,  Epiglottis  gerötet  und  geschwollen,  in  der  vor¬ 
deren  Kommissur  der  Stimmbänder  blassrote,  klein-erbsengrosse  Ge¬ 
schwulst.  Sowohl  die  geschwürige  Rachenmandel  als  auch  die  Kehl¬ 


kopfgeschwulst  wurden  entfernt  und  erwiesen  sich  als  mit  typischen 
Tuberkeln  durchsetzt.  Auf  die  Behandlung  wird  später  eingegangen 

Der  zweite  Fall  betraf  eine  zirka  30  jährige  Frau  mit  Ulzera- 
tionen  am  weichen  Gaumen  und  an  der  rechten  seitlichen  Rachen¬ 
wand.  Die  Epiglottis  war  turbanförmig  geschwollen,  zeigte  eine  klein¬ 
höckerige,  stellenweise  ulzerierte  Oberfläche  und  verhinderte  den 
Einblick  in  den  Kehlkopf  fast  völlig.  Das  rechte  Ligamentum  glosso- 
epiglotticum  laterale  war  ebenfalls  ulzeriert.  Die  Temperatur  war 
normal  und  die  Lungen  ohne  Befund.  Aus  der  Epiglottis  exzidierte 
Stücke  enthielten  typische  Tuberkel  mit  Bazillen;  zwei  mit  exzidierten 
Stückchen  intraperitoneal  infizierte  Meerschweinchen  gingen  an  Tuber¬ 
kulose  zugrunde. 

In  beiden  Fällen  wurde  ausser  den  erwähnten,  zunächst 
aus  diagnostischen  Gründen  vorgenommenen,  operativen  Ein¬ 
griffen  keine  weitere  Lokalbehandlung,  sondern  nur  eine  interne 
vorgenommen.  Der  erste  Fall  heilte  vollständig,  ja  ein  unter 
dem  entfernten  Kehlkopftumor  zum  Vorschein  gekommener 
zweiter  ebenso  grosser  Tumor  verschwand  unter  der  internen 
Anwendung  von  Jodkali,  wie  sie  aus  der  Klinik  des  Vor¬ 
tragenden  von  Grünberg  im  53.  Bande  der  Zeitschrift  für 
Ohrenheilkunde  ausführlich  besprochen  und  mit  weiteren  Bei¬ 
spielen  belegt  ist.  Vier  Jahre  lang  erwies  sich  die  Heilung  als 
völlig  und  dauernd,  bis  der  Patient  durch  einen  Unglücksfall 
starb.  In  dieser  ganzen  Zeit  wurde  die  Lunge  sehr  häufig  unter¬ 
sucht  und  stets  normal  gefunden. 

Indessen  gibt  es  Fälle  von  aszendierender  Kehlkopftuber¬ 
kulose,  die  sich  auf  Jodkali  nur  wenig  bessern.  Hierher  gehört 
der  oben  geschilderte  zweite  Fall.  In  diesem  wirkten  dagegen 
4  intramuskuläre  Injektionen  von  Hydragyrum  salicylicum  so 
günstig,  dass  alle  Ulzerationen  mit  Hinterlassung  weisslicher 
Narben  vollständig  abheilten  und  der  Epiglottisrest  so  ab¬ 
schwoll,  dass  man  jetzt  das  ganze  Kehlkopfinnere  völlig  über¬ 
sehen  kann  und  kaum  mehr  ein  Zweifel  an  der  schliesslich 
yölligen  Heilung  besteht.  Dass  es  sich  in  solchen  Fällen,  die 
durch  Jodkali  oder  Quecksilber  heilen,  um  eine  Kombination 
von  Lues  und  Tuberkulose  gehandelt  haben  könnte,  ist  bereits 
von  Grünberg  widerlegt. 

Drei  ähnliche  Fälle,  die  Kinder  betrafen  und  bei  denen  das 
Jodkali  ebenfalls  nur  eine  geringe  Wirkung  zeigte,  heilten  voll¬ 
ständig  nach  Ruhigstellung  des  Kehlkopfs  durch  die  Trache¬ 
otomie.  Sie  sind  von  H  e  n  r  i  c  i  im  15.  und  18.  Bande  des  Ar¬ 
chivs  für  Laryngologie  ausführlich  beschrieben  worden. 

Viel  ungünstiger  gestaltet  sich  die  Prognose  der  deszen¬ 
dierenden  Tuberkulose.  Von  den  Ausführungen  des  Vor¬ 
tragenden  sei  hier  nur  einiges  hervorgehoben.  Geschlossene 
Infiltrate  dürfen  nicht  durch  intralaryngeale  Eingriffe  in  offene 
verwandelt  werden.  Man  darf  sie  nur  operativ  angreifen, 
wenn  man  auch  die  Aussicht  hat,  sie  vollständig  zu  entfernen. 
Ulzerierende  Teile  sollen  nicht  mit  der  einfachen  Kürette  an¬ 
geschabt,  sondern  mit  der  Doppelkurette  möglichst  vollständig 
exzidiert  werden.  Weiter  finden  bei  den  Ulzerationen  Milch¬ 
säureätzungen  und  die  Galvanokaustik  ausgedehnte  Anwen¬ 
dung,  falls  es  der  Allgemeinzustand,  der  vor  der  Indikations- 
stellung  und  während  der  Behandlung  auf  das  sorgfältigste  be¬ 
rücksichtigt  werden  muss,  erlaubt.  Die  günstigste  Prognose 
geben  hier  die  stationären  Fälle  von  Lungenphthise,  bei  denen 
der  Vortragende,  wie  z.  B.  auch  Moritz  Schmidt  und  Krieg 
sehr  gute  Dauererfolge  (in  einem  Falle  seit  11  Jahren  kontrol¬ 
liert)  erzielen  konnte.  Es  handelte  sich  dabei  meist  um  Ulze¬ 
rationen  an  der  Kehlkopfhinterwand. 

Eine  weitere,  prognostisch  günstige  Form  der  deszen¬ 
dierenden  Kehlkopftuberkulose  ist  die  neben  stationärer 
Lungenphthise  auftretende  isolierte  Erkrankung  der  Epi- 
g  1  o  1 1  i  s.  Hier  hat  die  Abtragung  der  Epiglottis  bei  zwei,  in 
einer  Rostocker  Dissertation  von  B  o  1  d  t  beschriebenen  Fällen, 
die  kräftige  Männer  betrafen,  zu  einer  seit  mehreren  Jahren 
bestehenden  Heilung  geführt.  Dagegen  hat  der  Vortragende 
mit  der  Amputation  der  Epiglottis  in  Fällen,  bei  welchen  auch 
andere  Teile  des  Kehlkopfes  erkrankt  waren,  die  Tuberkulose 
stets  am  Epiglottisreste  rezidivieren  sehen. 

Von  den  äusseren  Operationen  wird  die  Tracheotomie 
zur  Ruhigstellung  des  Kehlkopfs  ausführlich  besprochen.  So 
gut  die  Resultate  derselben  bei  dertaszendierenden  Tuberkulose 
im  Kindesalter  sind,  so  schlecht  waren  sie  nach  der  Erfahrung 
des  Vortragenden  bei  der  deszendierenden  Tuberkulose  der  Er¬ 
wachsenen.  Indessen  sind  auch  hier  von  Moritz  Schmidt- 
einige  sehr  gute  Erfolge  erzielt  jworden.  ,  V  -:!l  „  ' 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1851 


Schliesslich  fordert  der  Vortragende  die  Errichtung  von 
Sanatorien  für  Kehlkopftuberkulose,  da  in  manchen  der  Lungen¬ 
sanatorien  die  Behandlung  des  Kehlkopfs  keine  genügende  Be¬ 
rücksichtigung  findet.  Bezeichnend  für  die  geringe  Bewertung 
der  Kehlkopfbehandlung  ist  das  dem  Vortragenden  wiederholt 
gestellte  Ansinnen  von  Lungen-Sanatoriumsärzten,  2  bis  3 
Wochen  in  der  Klinik  hospitieren  zu  wollen,  um  die  Kehlkopf¬ 
behandlung  zu  lernen.  Endlich  fordert  der  Vortragende  die 
Behandlung  der  unheilbaren  Fälle  in  besonderen  Heimstätten, 
zur  Herbeiführung  der  Euphorie  und  Euthanasie  und  zur  Si¬ 
cherung  der  Familienmitglieder  gegen  die  gerade  in  solchen 
Fällen  grosse  Gefahr  der  Infektion. 

Diskussion:  Die  Herren  Müller,  Peters,  D  u  g  g  e, 
Körner. 


75.  Jahresversammlung  der  British  Medical  Association. 

Die  75.  Jahresversammlung  der  British  Medical  Association 
wurde  am  27.  Juli  in  Exeter  durch  'den  Vorsitzenden  Dr.  Henry  D  a  v  y 
mit  einer  Rede  eröffnet,  in  welcher  er  den  Einfluss  beleuchtete,  den 
die  wissenschaftliche  Forschung  der  letzten  Dezennien  auf  die  Volks¬ 
gesundheit  gehabt  hatte.  Er  trat  warm  für  die  Schaffung  von  Schul¬ 
ärzten  ein  und  zeigte  an  zahlreichen  Beispielen,  was  wissenschaftliche 
Forschung  und  die  praktische  Anwendung  ihrer  Ergebnisse  zur 
Besserung  des  Volkswohles,  zur  Verhütung  epidemischer  Krank¬ 
heiten  etc.  getan  hat. 

Die  medizinische  Abteilung  wurde  eröffnet  von  Haie  White- 
London  mit  einer  Rede  über  genaues  Denken  in  der  Medizin.  In 
meisterhafter  Rede  geisselte  der  Vortragende  die  unter  Aerzten  so 
häufige  Untugend,  alles  das,  was  sich  nicht  erklären  lässt,  mit  iigend 
einem  passenden  oder  unpassenden  Namen  zu  bezeichnen  und  nicht 
nur  haltlose  Diagnosen  zu  stellen,  sondern  auch  ganz  törichte  Ver- 
haltungsmassregeln  zu  geben.  So  zeigt  er,  wie  in  England,  alles 
mögliche  als  Gicht  und  besonders  als  irreguläre  Gicht  bezeichnet 
wird,  wie1  ohne  jeden  wissenschaftlichen  Beweis  alle  möglichen 
Symptome  auf  einen  Ueberschuss  von  Säure  im  Blute  zurückgeführt 
werden  und  wie  dann  weiter  mit  ebensowenig  Berechtigung  weisses 
Fleisch  erlaubt  und  rotes  verboten  wird.  Er  zeigt,  wie  das  andere 
Refugium  der  englischen  Aerzte,  „die  Leberstorungen  ebenfalls 
mehr  in  der  Phantasie  der  Aerzte  und  des  Publikums  bestehen, 
als  in  der  Verwertung  pathologischer  und  klinischer  Li  Kenntnis, 
und  er  zeigt  weiter,  wie  dieselben  Irrtümer  von  Autor  zu  Autor  und 
von  Lehrbuch  zu  Lehrbuch  weiterwandern  resp.  abgeschrieben  wer¬ 
den  und  wie  der  blinde  Autoritätsglaube  immer  noch  dem  bort¬ 
schritt  den  Weg  versperrt.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  in  der 
Plethora  der  ärztlichen  Kongresse,  deren  Vorträge  oft  ebenso  über¬ 
flüssig  wie  langweilig  sind,  häufiger  ein  Redner  aufstehe,  dei  es 
versteht,  in  ebenso  geistreichen  wie  wahren  Worten  seinen  Hörern 
auseinanderzusetzen,  dass  sowohl  unten  wie  oben  in  unserem  Stande 
manches  faul  und  verbesserungsbedürftig  ist.  .  . 

Dann  eröffnete  Risien  Russell-  London  eine  Diskussion  ubei 
die  Indikationen  der  Operationen  bei  Hirntumoren.  Er  bedauert  die 
grosse  Skepsis,  die  viele  Aerzte  noch  diesen  Operationen  entgegen¬ 
bringen.  Die  schlechten  Erfolge  sind  m  vielen  Fallen  darauf  zu¬ 
rückzuführen,  dass  der  Chirurg  zu  spät  zugezogen  wird  Er  be¬ 
spricht  die  Diagnose  und  die  möglichen  Irrtümer  bei  derselben. 
Die  Operationen  werden  eingeteilt  in  solche,  die  kurativen  und  solche, 
die  nur  palliativen  Zwecken  dienen.  Ehe  man  eine  Operation  emp¬ 
fiehlt,  muss  der  genaue  Sitz  des  Tumors  bekannt  sein;  günstig  für 
die  Operation  liegen  Tumoren  an  der  Oberfläche  des  Orosshirns, 
Tumoren  der  seitlichen  Rezesse  und  der  Seitenlappen  des  Kleinhirns. 
Tumoren  des  Mittelhirns  und  tiefliegende  Tumoren  der  Grotsshirn- 
hemisphären  sollten  der  Radikaloperation  nicht  unterworfen  wer¬ 
den  Auch  ist  Gewicht  auf  die  voraussichtliche  Natur  des  Tumors 
und  auf  eventuelle  Multiplizität  zu  legen.  Syphilitische  Tumoren 
müssen  häufig  operiert  werden,  man  verlieie  nicht  zu  viel  Z^it  nn 
der  spezifischen  Behandlung.  Die  Gefahr  der  Operation  ist  keine 
Gegenindikation,  ebensowenig  das  wahrscheinliche  Zurückbleiben 
von  Lähmungen.  (Nur  wenn  voraussichtlich  Aphasie  Zurückbleiben 
würde,  rät  Redner  von  der  Operation  ab.)  Ist  die  Radikaloperation 
unmöglich,  so  trepaniere  man,  um  die  Kopfschmerzen  zu  beseitigen 
und  die  Optikusatrophie  zu  verhindern.  Die  Lumbalpunktion  bringt 
nur  ganz  vorübergehenden  Nutzen  und  kann  die  1  repanation  ment 
ersetzen.  Sie  sollte  häufiger  zu  diagnostischen  Zwecken  verwandt 
werden,  auch  kann  man  durch  sie  dringende  Drucksymptome  für 

kUr/ M  a^e  w  e^-^Glasgow  glaubt,  dass  grosse  verkäste  Gummen 
nur  operativ  zu  heilen  sind.  Wenn  möglich  operiert  er  Hirntumoren 
in  einer  Sitzung.  Wenn  er  fest  davon  überzeugt  ist  dass  nach  der 
Operation  dauernde  Hemiplegie  oder  Aphasie  zurückbleibt,  empfiehlt 
er  die  Operation  nicht.  Allerdings  kann  man  sich  dabei  tauschen, 
denn  die  Lähmung  geht  später  zuweilen  völlig  zuruck. 

Michel!  C  1  a  r  k  e  -  Bristol  sprach  über  die  Diagnose  der  sog. 
Pseudotumoren.  Er  rät  zur  frühzeitigen  Operation  der  syphilitischen 
Tumoi'en.  -Die  Operatioii  soll  womöglich  einzeitig  gemacht  werden. 
Man  bestimme  während  der  Operation  den  Blutdruck,  bleibt  derselbe 


gut,  so  kann  man  sie  einzeitig  beenden.  Er  spricht  sich  warm  für  die 
palliative  Trepanation  aus. 

Marcus  Gunn  - London  spricht  über  den  Erfolg  der  Operation 
auf  das  Sehvermögen.  Neuritis  optica  und  gutes  Sehvermögen 
können  zusammen  Vorkommen;  auch  kommt  Neuritis  optica  ohne 
ophthalmoskopischen  Befund  vor.  Gunn  glaubt,  dass  es  sich  bei 
der  sog.  Stauungspapille  nicht  um  Entzündungsvorgänge,  sondern 
um  ein  mechanisch  erzeugtes  Oedem  handelt.  Er  beschreibt  5  Sta¬ 
dien  der  Stauungspapille  und  zeigt,  welche  eine  gute  Prognose  für 
die  Wiederherstellung  durch  die  Operation  geben.  Ist  die  Papille 
schon  blass  geworden  und  zeigt  sie  weniger  Gefässe,  so  ist  es 
nutzlos,  zu  operieren,  um  die  Sehschärfe  zu  bessern.  Retinablutungen 
sind  keine  Gegenanzeige.  Die  einfache  Trepanation  mit  breiter  Spal¬ 
tung  der  Dura  wirkt  ebenso  günstig  auf  die  Papillitis,  wie  die  Ent¬ 
fernung  des  Tumors.  Es  ist  zweifelhaft  ob  häufig  wiederholte  Lum¬ 
balpunktionen  die  Trepanation  ersetzen  können. 

A  r  m  o  u  r  -  London  empfiehlt,  die  palliativen  Operationen  über 
einem  „unwichtigen“  Hirnabschnitt  vorzunehmen  und  nach  Möglich¬ 
keit  die  Bildung  grösserer  Hernien  zu  vermeiden. 

O  s  1  e  r  -  Oxford  wünscht  die  Schaffung  besonderer  Hirnspezia¬ 
listen,  die  die  interne  und  chirurgische  Behandlung  der  Hirntumoren 
übernehmen  können.  Der  allgemeine  Chirurg  hat  zu  wenig  Er  fahl  ung 
auf  diesem  Gebiete.  Er  hält  die  Operation  von  Syphilomen  fiii  un- 

Lee  s  -  London  sah  zuweilen  vorübergehende  Erleichterung  nach 
der  Punktion  eines  Ventrikels. 

Gordon- Exeter  sah  in  zwei  Fällen  keinerlei  Besserung  nach 
wiederholten  Ventrikelpunktionen,  beide  wurden  gebessert  durch 

subtentorische  Trepanation.  .  .  , 

Gardner  R  o  b  b  -  Belfast  sprach  über  die  Meningitisepidemie  in 

Belfast.  ,  ,  .  _  ....  , 

Die  Krankheit  begann  Ende  Dezember  bei  5  Mitgliedern  einer 
Familie,  von  denen  3  genasen  und  2  starben.  Am  24.  .Tanuai  eikiank- 
teil  5  Mitglieder  einer  anderen  Familie,  von  denen  4  innerhalb  von 
30  Stunden  starben.  Im  ganzen  kamen  230  Fälle  zur  Beobachtung. 
Redner  spricht  über  mild  verlaufende  Fälle,  die  leicht  übersehen 
werden.  162  Fälle  endeten  tödlich.  3  verschiedene  Arten  von 
Serum  wurden  ohne  jeden  Erfolg  angewendet.  Phenazetin  wirkte 
günstiger  auf  die  Kopfschmerzen  als  Morphium  und  Opium.  Die 
Bestimmung  des  opsonischen  Index  und  die  Agglutinierungsprobe 
gaben  besonders  nach  dem  6  Krankheitstage  bessere  diagnostische 
Resultate  als  die  Lumbalpunktion.  Direkte  Infektion  wurde  nicht  be- . 
obachtet 

Osler  und  Povnton  glauben,  dass  die  sog.  postbasische 
(sporadische)  Meningitis  denselben  Erreger  hat  wie  die  epidemische 

^  1  HjVl  c  K  i  s  a  c  k  -  Belfast  bestreitet  dies,  ebenso  wie  Robb  s,  der 
zahlreiche  darauf  bezügliche  Versuche  mit  Opsoninen  etc.  ge- 
macht  hat 

Cleve  R  i  v  i  e  r  e  -  London  sprach  über  die  Tuberkulinbehandlung 
der  Tuberkulose  im  Kindesalter.  Am  besten  geeignet  für  die  Be¬ 
handlung  sind  streng  lokalisierte  Fälle.  Schlechte  Erfolge  beruhen 
meist  auf  Ueberdosierung.  Kinder  bis  zu  einem  Jahi  ei  halten 

Ä  -  8^0  m§’  bis  ZU  5  Jahren  iööo  ältere  Kinder  3000- 

Dann  eröffnete  O  s  1  e  r  -  Oxford  eine  Diskussion  über  die  akute 
Pankreatitis. 

Er  unterscheidet  2  grosse  Gruppen,  die  hämorrhagische  und  die 
eitrige,  die  zur  Nekrose  oder  Gangrän  führt  Die  Ursachen  sind 
mechanische  (Stein  im  Duktus),  chemische  (Galle  und  Magensaft) 
und  bakterielle.  45  von  105  Fällen  waren  mit  Gallensteinen  ver¬ 
gesellschaftet.  Bei  32  Fällen  bestand  Gastroenteritis  (meist  alko¬ 
holischen  Ursprungs).  In  11  Fällen  bestand  Mumps  (10  wurden  ge¬ 
heilt,  1  starb  durch  Eiterung).  Es  gibt  akute  Falle,  die  schwer  zu 
erkennen  sind,  und  subakute,  bei  denen  die  Untersuchung  des  Urins 
und  des  Stuhls  die  Diagnose  stützen  kann.  Therapeutisch  kommt 
nur  die  rasche  Operation  in  Frage:  90  Proz  der  Nichtoperierten 
sterben  gegen  52,8  Proz.  der  Operierten.  (Statistik  von  Ebner 

HÜ a m m i  d  g  e  -London  betont  die  Seltenheit,  mit  der  die  rich¬ 
tige  Diagnose  gestellt  wird.  Er  glaubt,  dass  das  Vorhandensein 
von  Urobilin  im  Urin  für  Pankreatitis  spricht  Er  bespricht  dann 
die  von  ihm  angegebene  Pankreasreaktion,  nach  der  /  akute  raue 
untersucht  wurden.  In  allen  Fällen  war  die  Reaktion  positiv  während 
des  Anfalls  und  positiv  nach  demselben.  (Refer.  hat  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  mehrfach  über  diese  Reaktion  referieit.)  ...  ,  ,  v . 

Die  Diskussion,  an  der  sich  zahlreiche  Aerzte  beteiligten  brachte 
leider  nichts  Neues,  sondern  bestand  hauptsächlich  in  dei  Aut- 
zählung  einer  Reihe  von  Krankengeschichten. 

Dann  sprach  N  o  r  t  h  r  u  o  -  New  York  über  die  Freiluftbehand¬ 
lung  akuter  Krankheiten.  Er  hat  in  seinem  Hospitale  eine Re he ;  von 
Schutzhütten  auf  dem  Dache  bauen  lassen,  die  nach  Süden  vo  g 
offen  sind  und  in  denen  Fälle  von  Pneumonie  und  anderen  akuten 
Krankheiten  behandelt  werden.  Selbst  ltn  Winter  kamen  me  . 
kältungen  vor,  die  Erfolge  waren  sehr  gute.  (Omncke  De 
handelte  schon  in  den  80  er  Jahren  in  Kiel  viele  akute  Kranke  nn 

Garten  seines  Hospitals.  Refer.) 

Watson  Williams-  Bristol  und  Sir  Sydney  Jones-  Sydney 

bestätigen  die  guten  Erfolge  dieser  Methode. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1852 


Michell  Clarke-  Bristol  berichtet  über  einen  Knaben,  der 
an  Lymphadenomen  litt;  unter  Röntgenbestrahlung  verschwanden 
die  Drüsentumoren.  Der  Knabe  starb,  und  es  zeigte  sich,  dass  die 
Metastasen  in  der  Milz  und  Leber  unbeeinflusst  geblieben  waren. 

Samuel  West-  London  sprach  über  die  Diagnose  und  Behand¬ 
lung  der  Perikarditis.  Auch  bei  Fällen  ohne  Erguss  ist  die  Herz¬ 
dämpfung  vergrössert.  Schmerzen  und  Reibegeräusche  fehlen  oft. 
Pulsus  paradoxus  findet  sich  nur  bei  Mediastino-Perikarditis.  Er 
empfiehlt  warm  Opium.  Eine  etwaige  Parazentese  oder  Inzision 
wird  am  besten  nach  aussen  von  der  Mammilla  gemacht;  Rippen¬ 
resektionen  sind  unnötig.  Die  Perforation  der  Pleura  schadet  nichts. 

W.  Hunter-  London  sprach  über  Scharlach  und  Mundsepsis. 
Letztere  ist  eine  häufige  und  sehr  gefährliche  Komplikation  des 
Scharlachs  und  kann  durch  sorgfältige  Mundpflege  vermieden 
werden. 

Tyson-  Folkestone  sprach  über  die  Prophylaxe  der  Appendi¬ 
zitis.  Er  führt  die  Zunahme  dieser  Krankheit  auf  übermässiges  Essen, 
auf  das  Essen  gefrorener  Speisen  und  auf  fehlerhafte  Stellung  des 
Körpers  bei  der  Stuhlentleerung  zurück. 

Dann  eröffnete  L  u  f  f  -  London  eine  Diskussion  über  Arthritis 
rheumatica.  Er  hält  die  Krankheit  für  eine  klinische  Einheit  und 
führt  sie  auf  eine  Bakterieninvasion  zurück.  Die  monoartikuläre 
Form  ist  traumatischer  Natur.  Die  akute  Form  befällt  vor  allem  die 
Synovia,  bei  der  chronischen  kommt  es  zu  Zerstörungen  des  Knorpels 
und  zu  Osteophytenbildung.  Harnsäure  hat  nichts  mit  dieser  Er¬ 
krankung  zu  tun.  Frühzeitige  und  lange  fortgesetzte  Behandlung 
mit  guter  Ernährung,  Guajakolkarbonat,  Jodkali,  Salzbädern,  heisser 
Luft  und  Massage  kann  die  Krankheit  zur  Heilung  bringen. 

Strang  eways  -  Cambridge  bestreitet  die  Existenz  der  sog. 
„rheumatoid  arthritis“  überhaupt;  auch  Davy  glaubt,  dass- unter 
diesem  Namen  die  verschiedensten  Gelenkerkrankungen  zusammen¬ 
gefasst  werden. 

■  ii  McCrae  glaubt  an  die  Einheit  der  Erkrankung,  die  vom  Ge¬ 
lenkrheumatismus  sich  durch  die  bleibenden  Knochenverände¬ 
rungen  unterscheidet.  Er  empfiehlt  Bier  sehe  Stauung  und  eine 
der  Phthisisbehandlung  ähnliche  Hygiene. 

Preston  King  glaubt,  dass  viele  Fälle  gichtischen  Ursprungs 
sind,  auch  die  gonorrhoischen  Arthritiden  machen  die  gleichen  Sym¬ 
ptome. 

Michael  F  o  s  t  e  r  verwirft  jede  medikamentöse  Behandlung  und 
empfiehlt  Freiluftbehandlung  in  warmem  Klima. 

Povmton  und  Sykes  sprechen  sich  für  die  gichtische  Natur 
vieler  Fälle  aus. 

Greenyer  empfiehlt  die  chirurgische  Eröffnung  der  Gelenke, 
Thomas  die  forcierte  Sprengung  von  Adhäsionen  in  der  Narkose. 
O  d  e  1 1  hat  von  Ichthyol,  G  o  r  d  o  n  von  Guajakolkarbonat  grossen 
Nutzen  gesehen. 

Abteilung  für  Chirurgie:  B  u  1 1  i  n,  der  die  Eröffnungsrede  hielt, 
sprach  über  Kontagiosität  des  menschlichen  Krebses,  und  zwar  be¬ 
sonders  über  die  Autoinokulation.  Uebertragungen  von  einem  auf 
den  anderen  Menschen  sind  so  .selten,  dass  man  den  Krebs  für  nicht 
kontagiös  erklären  würde,  wenn  nicht  die  sichergestellten  Fälle  von 
Autoinokulation  vorhanden  wären.  Gibt  es  aber  einen  absoluten  Be¬ 
weis  für  das  Vorkommen  dieser  Autoinfektion,  so  kann  man  die  Kon¬ 
tagiosität  nicht  mehr  leugnen.  Redner  geht  dann  des  Näheren  auf 
derartige  Fälle  ein,  er  zeigt,  wie  Kontaktkrebse  an  den  Labien  der 
Vulva,  an  den  Stimmbändern  und,  wenn  auch  sehr  selten,  an  den 
Lippen  Vorkommen.  Er  hält  das  Vorkommen  dieser  Autoinokulation 
für  sicher  erwiesen  und.  betont  seine  grosse  Bedeutung  für  die  Chirur¬ 
gie  und  besonders  die  Technik  der  Krebsoperationen.  Der  Vor¬ 
trag  enthielt  eine  Anzahl  recht  interessanter  Krankengeschichten, 
der  Frage  nach  der  Kontagiosität  des  Krebses  ist  er  aber,  wie  es 
dem  Refer.  scheint,  nicht  näher  gekommen. 

Dann  eröffnete  iSampson  -  London  in  der  Abwesenheit  von 
Dean-  London  eine  Diskussion  über  die  Vorzüge  der  verschiedenen 
Anästhesierungsmethoden. 

Dean  betont  die  geringe  Verbreitung,  die  die  Spinalanästhesie 
bisher  in  England  gefunden  hat.  Er  selbst  verwendet  sie  besonders 
bei  Fällen  von  akuter  Peritonitis.  Am  besten  hat  sich  ihm  eine 
Lösung  von  Stovain  (Stovain,  Natr.  chlor,  ana  0,1  Aqu.  dest.  1,0) 
bewährt.  Er  injiziert  0,6  bis  1,2  ccm  dieser  Lösung.  Der  grösste 
Nutzen  der  Spinalanästhesie  besteht  in  dem  völligen  Fehlen  des 
Schocks. 

Ward  Cousins-  Portsmouth  betont  die  ziemlich  häufigen 
Todesfälle  nach  der  Spinalanästhesie. 

L  e  e  d  h  a  m  -  G  r  e  e  n  -  Birmingham  verwendet  die  spinale 
Methode  bei  allen  grösseren  Operationen  unterhalb  des  Nabels.  Er 
benutzt  nur  noch  Tropakokain  und  verwirft  den  Zusatz  von  Adrena¬ 
lin.  Er  injiziert  zwischen  2.  und  3..  resp.  zwischen  1.  und  2.  Lumbal¬ 
wirbel,  er  bringt  den  Kranken  nicht  in  Beckenhochlage.  Er  injiziert 
1,0  einer  5  proz.  Lösung.  Er  hält  die  Lumbalanästhesie  für  kontra¬ 
indiziert  bei  akuter  Peritonitis,  bei  langen  und  schweren  Operationen 
in  der  Nabelgegend,  bei  septischen  Prozessen  der  Haut  und  bei  Kin¬ 
dern  unter  12  Jahren. 

Le  vy- London  tritt  warm  für  die  Aethernarkose  ein;  man 
muss  allerdings  den  Aether  mit  einer  gewöhnlichen  (offenen)  Maske 

geben. 


R  o  d  m  a  n  -  Philadelphia  will  die  Lumbalanästhesie  nur  in  Aus¬ 
nahmefällen,  bei  bestimmter  Indikation,  wie  Bronchitis,  Nephritis, 
Herzkrankheit  und  Alkoholismus  anwenden. 

Ryall-London  benutzt  zur  Lumbalanästhesie  Novokain.  Vor 
der  Operation  gibt  man  Rizinusöl  mit  0,2  Pyramidon,  dadurch  ver¬ 
meidet  man  Kopfweh. 

Dann  sprach  P  a  r  d  o  e  -  London  über  die  Indikationen  zur 
Prostatektomie.  Operiert  werden  soll  in  allen  Fällen  (selbst  bei 
sehr  alten,  kranken  Leuten)  von  adenomatöser  Vergrösserung  der 
Drüse.  Bei  der  fibrösen  Form  kommt  der  Bottini  in  Frage; 
maligne  Tumoren  sind  nach  Möglichkeit  auszuschliessen.  Der  beste 
Weg  für  die  Prostatektomie  ist  der  suprapubische. 

F  r  e  y  e  r  -  London  berichtet  über  eine  neue  Serie  von  107  Fällen 
von  Prostatektomie  mit  7  Todesfällen.  9  Kranke  waren  mehr  als 
80  Jahre  alt.  Bei  urämischen  (septischen?  Refer.).  Kranken  ope¬ 
riert  er  zweizeitig.  Zuerst  eröffnet  er  die  Blase,  in  einer  zweiten 
Sitzung  enukleiert  er  die  Prostata.  Er  hat  bis  jetzt  432  Fälle  mit 
7  Proz.  Mortalität  operiert. 

Ward  Cousins  zeigt  ein  zusammengesetztes  Odontom,  das  er 
von  dem  Kiefer  eines  10  jährigen  Knaben  entfernte. 

C  h  i  1  d  e  -  Southsea  berichtet  über  die  glücklich  gelungene  Re¬ 
sektion  von  9/4  Fuss  Dünndarm  wegen  Gangrän  bei  einer  59  jähri¬ 
gen  Frau. 

Bland  S  u  t  t  o  n  eröffnet  eine  Diskussion  über  die  Cholezyst¬ 
ektomie. 

75  Proz.  aller  Gallensteine  entstehen  in  der  völlig  überflüssi¬ 
gen  Gallenblase,  die  deshalb  bei  Steinen,  bei  Verletzungen,  Chole¬ 
zystitis,  Ulzerationen,  Empyem,  Fistel  und  maligner  Entartung  ent¬ 
fernt  werden  muss.  Die  bei  den  verschiedenen  Krankheiten  des 
Gallensystems  oft  notwendige  Drainage  kann  am  besten  nach  der 
Entfernung  der  Gallenblase  ausgeführt  werden. 

M  a  y  1  a  r  d  will  nur  bei  strenger  Indikation  die  Gallenblase  ent¬ 
fernen. 

Symons  hat  bei  23  Exzisionen  3,  bei  16  Inzisionen  2  Todes¬ 
fälle  erlebt.  Er  hält  die  Exzision  bei  Männern  für  schwierig,  glaubt 
aber  doch,  dass  die  Exzision  die  einfache  Cholezystotomie  all¬ 
mählich  verdrängen  wird. 

Stanmore  B  i  s  h  o  p  und  Malcolm  glauben,  dass  die  Chole¬ 
zystotomie  bei  einfacher  Cholelithiasis  genügt,  die  sog.  Nachteile 
derselben  beruhen  meistens  auf  fehlerhafter  Technik. 

Ward  Cousins  empfiehlt  für  alle  komplizierten  Fälle  die 
Cholezystektomie. 

Sinclair  White,  Cameron  und  N  e  w  b  o  1 1  sprechen  gegen 
die  Vornahme  der  Cholezystektomie  als  Operation  der  Wahl,  während 
R  o  d  m  a  n  -  Philadelphia  auf  dem  Standpunkt  von  Bland  Sutton 
steht. 

Dann  sprach  Mummery- London  über  Verletzungen  der  Fie- 
xura  sigmoidea  als  Ursachen  von  chronischer  Kolitis.  Andere  Redner 

machten  kasuistische  Mitteilungen. 

Der  dritte  Sitzungstag  brachte  eine  Vortrag  von  Maylard 
über  die  beste  Inzision  bei  Bauchoperationen.  Er  bevorzugt  bei 
Beckenoperationen  einen  Ouerschnitt,  der  beide  Rekti  durchtrennt. 

Stanmore  B  i  s  h  o  p  berichtet  über  eine  neue  Operation  zur 
Heilung  der  Wanderniere.  Er  legt  die  Niere  transperitoneal  frei  und 
bildet  am  unteren  Pole  der  Niere  eine  Kansellappen,  den  er  um 
den  unteren  Nierenabschnitt  legt  und  mit  die  hintere  Bauchwand 
durchgreifenden  Nähten  befestigt.  Er  sucht  auf  diese  Weise  ein 
neues  Aufhängeband  für  die  Niere  zu  schaffen. 

Murray  berichtet  über  200  Sektionen  an  Personen,  die  an¬ 
geblich  nie  an  Hernien  gelitten  hatten.  Er  fand  bei  47  einen  Bruch¬ 
sack.  Er  schliesst  aus  diesem  Befunde  sowie  aus  den  bei  zahlreichen 
Operationen  gemachten  Beobachtungen,  dass  der  präformierte  Sack 
(Ausstülpungen  des  Peritoneums)  die  Hauptursache  der  Entstehung 
der  Hernien  ist.  Die  Beseitigung  des  Sackes  ist  deshalb  auch  der 
Hauptpunkt  für  eine  erfolgreiche  Radikaloperation. 

Zum  Schlüsse  beschrieb  V  e  r  n  o  n  eine  Modifikation  der 
W  h  i  t  e  h  e  a  d  sehen  Operation  für  Hämorrhoiden. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie:  J  a  r  d  i  n  e  -  Glas¬ 
gow  eröffnete  eine  Diskussion  über  die  beste  Methode  der  Zervix¬ 
dilatation  zur  Beschleunigung  der  Geburt  am  Ende  der  Schwanger¬ 
schaft. 

Bei  strenger  Indikationsstellung  kann  über  die  Berechtigung  der 
Dilatation  kein  Zweifel  herrschen.  Redner  besprach  dann  sehr  gründ¬ 
lich  die  Vor-  und  Nachteile  der  verschiedenen  Methoden  und  rät  dem 
praktischen  Arzte  nur  die  einfacheren  Methoden  wie  die  von  Bar¬ 
nes  und  Champetier  de  Ribes  zu  versuchen;  die  Dilatatoren 
von  B  o  z  z  i  etc.  sind  nur  in  der  Hand  des  Geübten  verwendbar 
und  auch  von  ihm  nur  mit  grosser  Vorsicht.  Für  den  Gynäkologen 
von  Fach  kommen  vor  allem  die  Inzisionen  und  der  vaginale  Kaiser¬ 
schnitt  in  Frage;  letzterer  ist  durchaus  nicht  so  ungefährlich  wie  viel¬ 
fach  behauptet  wird.  Bei  Placenta  praevia  sollte  er  nie  zur  An¬ 
wendung  kommen,  da  genügen  schonendere  Methoden. 

S  t  r  a  s  s  m  a  n  n -Berlin  stimmt  im  allgemeinen  mit  Jardine 
überein;  auch  er  hält  die  Methode  von  Champetier  de  Ribes 
für  die  beste  für  den  praktischen  Arzt.  Nach  der  Anwendung  des 
B  o  z  z  i  sehen  Instrumentes  hat  er  schwere  Verletzungen  gesehen. 
Bei  sehr  engem  Zervikalkanal  dilatiert  er  zuerst  mit  4  Nummern 
Hegar  und  tamponiert  dann  Zervix  und  Scheide  mit  Jodoform.  Bei 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


10.  September  1907. 


1853 


der  Notwendigkeit,  sehr  rasch  zu  entbinden,  würde  er  im  Hause 
der  Schwangeren  seitliche  Inzisionen  machen,  in  der  IKinik  den  vagi¬ 
nalen  Kaiserschnitt. 

G  a  1  a  b  i  n  -  London  empfiehlt  vor  allem  die  manuelle  Erweite¬ 
rung  event.  mit  der  teilweisen  Lösung  der  Membranen.  Bei  uner¬ 
weiterter  Zervix  beginnt  er  mit  dem  Instrument  von  Bozzi  und 
legt  dann  einen  Kolpeurynter  ein. 

Munro  K  e  r  r  -  Glasgow  betont,  dass  für  das  Kind  die  am 
schnellsten  wirkenden,  für  die  Mutter  dagegen  die  langsamsten  Me¬ 
thoden  am  besten  sind.  Den  vaginalen  Kaiserschnitt  halt  er  für 
die  allergefährlichste  Methode;  er  darf  nur  selten  und  nur  in  Kranken¬ 
häusern  zur  Anwendung  kommen.  Bozzis  Instrument  macht  auch 
bei  langsamster  Anwendung  Zerreißungen;  nur  bei  schon  teilweise 
eröffneter  Zervix  ist  es  anzuwenden,  ln  den  späteren  Monaten  der 
Schwangerschaft  rät  Redner  zum  abdominalen  Kaiserschnitt. 

Auch  E  d  g  e  -  Birmingham  warnt  vor  dem  B  o  s  s  i  sehen  Instru¬ 
ment  und  empfiehlt  in  der  Privatpraxis  die  Dilatation  mit  der  Hand. 

Johnston  -  Belfast  hält  das  Bozzi  sehe  Instrument  für  unge¬ 
fährlich,  wenn  es  richtig  angewendet  wird., 

C  a  m  e  r  o  n  -  Belfast  warnt  vor  seiner  Anwendung  bei  der  sogen, 
akzidentellen  Blutung;  für  viele  Fälle  ist  es  aber  ein  brauchbares 

Instrument.  . 

Swayne-  Bristol  hat  das  Instrument  vielfach  mit  Ertolg  ange¬ 
wendet. 

T  w  e  e  dy- Dublin,  der  etwa  4000  Geburten  im  Jahre  leitet,  er¬ 
weitert  niemals  die  starre  Zervix. 

Par  so  ns -London  und  T  e  m  p  1  e  -  Toronto  ziehen  den  ab¬ 
dominalen  dem  vaginalen  Kaiserschnitt  vor. 

Dann  sprach  Swayne-  Bristol  über  das  Chorionepitheliom. 

Er  hält  auf  grund  eigener  Beobachtungen  Lungenmetastasen  nicht 
für  eine  Gegenindikation  zur  Operation.  Diese  Metastasen  können 
schrumpfen. 

Strassmann  fordert  die  längere  Ueberwachung  von  Frauen, 
bei  denen  Blasenmolen  entfernt  wurden,  da  diese  Kranken  später 
nicht  selten  an  Chorionepitheliom  erkranken. 

Auch  Cameron  berichtet  über  retrograde  Veränderungen  in 
Lungenmetastasen. 

McCann  -  London  sah  Vaginalmetastasen  nach  der  Radikal¬ 
operation  verschwinden. 

Edge  verlangt  in  allen  Fällen  die  Entfernung  der  Vagina  mit 
dem  Uterus. 

Dann  eröffnete  S  p  e  n  ce  r  -  London  eine  Diskussion  über  die 

Massnahmen,  die  zu  ergreifen  wären,  um  den  Uteruskrebs  früher  zu 
erkennen. 

Er  glaubt,  dass  die  hohe  Amputation  der  Zervix  in  vielen  Fällen 
Dauerheilung  herbeiführt.  Er  möchte  alle  Frauen  über  25  Jahre  über 
die  Gefahren  des  Uteruskrebses  aufklären  und  darüber,  dass  nur  eine 
genaue  innere  Untersuchung  die  Diagnose  sichern  kann.  Dann  sollen 
alle  praktischen  Aerzte  aufgefordert  werden,  in  allen  verdächtigen 
Fällen  genau  zu  untersuchen  (Probeexzision).  Die  Studenten  sollen 
gründlicher  in  der  Gynäkologie  ausgebildet  werden.  Schliesslich 
weist  Redner  daraufhin,  dass  Dilatation  der  Zervix  und  manuelle 
Austastung  des  Korpus  ebenso  wichtig  sind  wie  Probekiirettements. 

Mrs.  S  c  h  a  r  1  i  e  b  -  London  fordert  ebenfalls  zu  häufigerem  Un¬ 
tersuchen  auf. 

Galabin  bedauert  die  Indolenz  so  vieler  praktischen  Aerzte. 
die  diese  Kranken  nie  untersuchen.  Er  verlangt  die  vaginale  Hy¬ 
sterektomie  in  Fällen  von  Blutungen  nach  der  Menopause,  in  denen 
das  Kürettement  die  Symptome  nicht  beseitigt,  auch  wenn  kein  Krebs 
nachgewiesen  werden  kann.  Er  will  allen  Frauen,  die  in  die  Poli¬ 
kliniken  kommen,  sowie  Hebammen,  Krankenpflegerinnen  und  Aerzten 
Zettel  geben,  auf  denen  auf  die  ersten  Symptome,  sowie  auf  die  Wich¬ 
tigkeit  frühzeitiger  Untersuchung  und  Operation  hingeiwiesen  wird. 

Strassmann  macht  Mitteilungen  über  diesbezügliche  Mass¬ 
nahmen  in  Berlin  und  Königsberg. 

Wilson  glaubt,  dass  man  den  Arzt  nicht  nur  warnen,  sondern 
auch  unterrichten  müsse,  da  die  meisten  Aerzte  nicht  im  stände  seien, 
einen  beginnenden  Uteruskrebs  zu  erkennen.  Er  verwirft  die  Be¬ 
unruhigung  des  Publikums  durch  Flugblätter. 

R  y  a  1 1  -  London  verlangt  besseren  Unterricht  für  die  Studenten 
und  die  Aufklärung  des  Publikums,  besonders  auch  darüber,  dass 
der  Krebs  oft  ganz  ohne  Schmerzen  verläuft. 

Cameron  bestätigt  dies  und  fordert  unter  anderem  die  Ein¬ 
richtung  öffentlicher  Laboratorien,  in  denen  von  den  Aerzten  ge¬ 
schickte  Probestückchen  etc.  umsonst  untersucht  werden. 

Rice-Derby  glaubt,  dass  das  neue  Hebammengesetz  viele 
Frauen  den  Aerzten  fortgenommen  hat  und  dass  seither  weniger 
Krebse  erkannt  werden.  Er  verlangt  bessere  Ausbildung  der  He¬ 
bammen,  die  jetzt  nur  3  Monate  beträgt. 

Tweedy  glaubt,  dass  der  Fehler  weder  am  Publikum  noch  an 
den  Hebammen  liegt,  sondern  allein  an  den  vielen  Aerzten,  die  Krebs 
nicht  diagnostizieren  können.  Er  verlangt  bessere  Ausbildung 
der  Studenten  in  der  Gynäkologie. 

Die  Versammlung  beschliesst  ein  Komitee  zum  Studium  dieser 


Fragen  einzusetzen.  ,  ,  „  , 

Dann  sprach  Lockyer  über  die  Werthei  in  sehe  Radikal¬ 
operation,  die  er  allein  für  gerechtfertigt  hält,  da  nur  'bei  ihr  Impf- 
metastasen  vermieden  werden  können.  Seit  er  diese  Methode  ubt, 
operiert  er  70,5  Proz.  statt  18,5  Proz.  der  krebskranken  Frauen, 


Mrs.  B  o  v  d  und  M  a  1  c  o  1  m  stimmen  L  ockyer  bei,  während 
Spencer  den  abdominalen  Weg  nur  bei  besonders  schwierigen 
Fällen  betreten  will. 

Wilson,  der  die  W  e  r  t  h  e  i  m  sehe  Operation  bei  vorgeschrit¬ 
tenen  Fällen  macht,  hat  dabei  über  40  Prozent  Mortalität  gegenüber 
2  Prozent  bei  der  vaginalen  Methode. 

Dann  sprach  Strassmann  -  Berlin  über  die  Indikationen  und 
Methoden  der  Operation  bei  Myomen.  Er  legt  grosses  Gewicht  auf 
den  schädlichen  Einfluss  der  Myome  auf  das  Herz  und  auf  die 
Adnexe.  Er  empfiehlt  den  vaginalen  Weg;  die  Blutstillung  ist  leicht 
und  häufig  genügt  die  Enukleation. 

Es  folgte  ein  Vortrag  von  Edge  über  abdominale  Hysterektomie, 
von  Cameron  über  ungewöhnlich  gelagerte  Myome,  von  K  e  r  r 
über  Ruptur  des  Uterus  und  von  Parsons  über  100  konsekutive 
Laparotomien. 


Abteilung  für  Hygiene:  N  e  w  s  h  o  1  m  e  -  Brighton  eröffnete  ein'e 
Diskussion  über  die  Notwendigkeit  der  Koordination  des  ärztlichen 

Dienstes.  Heutzutage  werden  die  Krankheiten  mit  ganz  ungenügenden 
Waffen  bekämpft,  Armenärzte  und  Kassenärzte,  freiwillige  Hospitäler 
und  staatliche  Anstalten  sind  nicht  genügend  organisiert,  arbeiten  oft 
direkt  gegeneinander  und  sind  meist  überbürdet.  Die  Aerzte  sind 
ungenügend  bezahlt  und  die  Kranken  werden  ungenügend  behandelt. 
Er  verlangt  staatliche  ärztliche  Hilfe  nach  Art  der  freien  Erziehung. 
Zahlreiche  Aerzte  nahmen  an  der  Diskussion  teil  und  sprachen  sich 
in  der  Mehrzahl  für  die  Schaffung  eines  freien,  vom  Staate  bezahlten 
ärztlichen  Dienstes  aus. 

Nachdem  H  o  r  d  e  r  einen  nur  für  englische  Hörer  interessanten 
Vortrag  über  Impfung  gehalten  hatte,  sprach  G  i  1  c  h  r  i  s  t  -  Nizza 
über  die  Notwendigkeit,  die  Immunität  gegen  Pocken  zu  erhöhen. 
Redner  sprach  über  die  Geschichte  der  Pocken,  über  ihre  Beziehungen 
zu  Kriegen  und  über  die  zunehmende  Indolenz  der  englichen  Re¬ 
gierung  gegen  diese  Fragen.  Unter  diesen  Umständen  muss  der  ein¬ 
zelne  darauf  bedacht  sein,  durch  mehrfache  Revakzinationen  mit 
guter  Lymphe  seinen  eigenen  Schutz  gegen  die  Erkrankung  zu  er¬ 
höhen. 

Die  Diskussion  beschäftigt  sich  besonders  mit  der  Stellung  und 
Bezahlung  des  öffentlichen  Impfarztes  in  England. 

Dann  sprach  Kenwood  -  London  über  Kindersterblichkeit  und 
Milchversorgung. 

Redner  verlangt,  dass  die  Milch  an  der  Ursprungsstelle 
rein  ist;  er  erwartet  nicht  viel  von  staatlicher  Beaufsichtigung, 
sondern  nur  von  dem  Druck,  den  der  Konsument  auf  den  Produ¬ 
zenten  ausüben  kann.  Städtische  Milchdepots  haben  nur  dann  einen 
Nutzen,  wenn  sie  mit  Konsultationen  für  Säuglinge  verbunden  sind. 
Alle  Plätze,  in  denen  Milch  aufbewahrt  und  verkauft  wird,  müssen 
jährlich  registriert  werden  und  sollen  unter  ständiger  Aufsicht  stehen; 
Milchkühe"  sollen  ebenfalls  beaufsichtigt  werden;  tuberkulöse  Kühe 
sollen  gegen  angemessene  Entschädigung  geschlachtet  werden.  Er 
glaubt,  dass  sterilisierte  Milch  nicht  so  schädlich  ist,  wie  vielfach 
behauptet  wird. 

R  o  u  1 1  e  y  sprach  über  die  Verunreinigung  der  Milch  im  Hause. 

In  Aldershot,  dem  Lagerplatz  der  englischen  Armee  gibt  es  eine 
militärische  Bevölkerung  von  19  000  und  eine  Zivilbevölkerung  von 
15  000.  Beide  erhalten  ihre  Milch  von  derselben  Ouelle.  Trotzdem 
ist  die  Kindersterblichkeit  (namentlich  an  Durchfall)  viel  geringer 
beim  Militär,  was  Redner  auf  die  gesunderen  Wohnungsverhältnisse 
'zurückführt.  Er  glaubt,  dass  die  Milch  (soweit  nicht  Tuberkulose  in 
Frage  kommt)  meist  erst  im  Hause  des  Konsumenten  verunreinigt 
wird. 

S  t  a  r  k  e  y  -  Montreal  sprach  über  die  ökonomische  Behandlung 
der  Fäkalien  in  ländlichen  Bezirken.  Er  verwirft  die  einzelnen  Abort- 
gruben  und  die  Trennung  der  flüssigen  und  festen  Fäkalien  und  be¬ 
schreibt  die  Erdbehandlung  'der  Fäkalien,  wie  er  sie  auf  dem  Lande 

in  Kanada  eingeführt  hat.  .  _ 

Dann  sprach  T  i  d  s  w  e  1 1  -  Torquay  über  die  Gefahren  des  la- 
bakrauchens  und  -Kauens.  Er  glaubt,  dass  die  ganze  Volksmenge 
durch  den  Tabakmissbrauch  (besonders  auch  das  Zigarettenrauchen 
der  Kinder)  degeneriert  und  verlangt,  Knaben  und  Mädchen  sollen 
schon  frühzeitig  das  Versprechen  geben,  nie  zu  rauchen,  da  ein 
Mensch,  der  das  Rauchen  einmal  angefangen  hat.  es  doch  nur  sehr 
schwer  wieder  lassen  kann.  Andere  Redner  traten  für  den  massigen 

Gebrauch  des  Tabaks  ein.  , .  T 

McWalter  glaubt  sogar,  dass  das  Rauchen  gegen  die  In¬ 
fektion  mit  Tuberkulose  schütze.  .  ,.  ,. 

Derselbe  Redner  sprach  über  'die  Verwesung,  er  verwirft  die 
jetzigen  Methoden  der  Bestattung  und  empfiehlt,  alle  Leichen  vor 
der  Beerdigung  mit  Formalin  zu  desinfizieren. 


Abteilung  für  Psychologie:  Claye  Shaw,  der  Vorsitzende,  ei- 
iffnete  die  Sitzung  mit  einem  Vortrag,  in  dein  er  die 
n  der  Behandlung  der  Geisteskrankheiten  beleuchtete.  Er 'verla ngt 
lie  Schaffung  von  Krankenhäusern  für  Geisteskranke  an  SteUe  der 
\svle-  ebenso  die  Schaffung  von  Polikliniken.  Ei  spncht  dann 
iber  die  mit  diesen  Anstalten  verbundenen  Lab,^at°^  U^e„ 
lie  notwendige  Abänderung  der  Gesetze  über  die  Beliaiu  te 
dnnender  Geisteskrankheiten.  Er  bedauert.  dass  ,1IPni,epr.,n^hw‘ • 

3 eginn  Narkotika  und  Sedativa  gegeben  werden  und  fordert  zu  wei- 


1854 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


teren  Studien  über  den  Einfluss  des  Alkohols  auf  die  Geisteskrank¬ 
heiten  auf. 

Dann  sprach  Mott  über  Irrsinn  und  Alkohol.  Redner  hat  bei 
seinen  sehr  zahlreichen  Sektionen  an  Geisteskranken  nur  1  mal  einen 
Fall  von  alkoholischer  Leberzirrhose  gefunden.  Er  zeigt,  dass  die 
Statistiken  der  Irrenhäuser  in  Bezug  auf  den  Zusammenhang  zwischen 
Alkoholismus  und  Irrsinn  wenig  zuverlässig  sind.  Delirium  tremens, 
mania  a  potu  und  polyneuritische  Psychose  werden  in  Irrenhäusern 
nicht  sehr  häufig  gesehen.  Alkoholische  Psychosen  kann  man  ein¬ 
teilen  in  solche  mit  einem  Locus  minoris  resistentiae  im  Nerven¬ 
system  und  in  solche,  in  denen  chronischer  Alkoholismus  mit  Sy¬ 
philis,  Toxämie,  Arteriosklerose,  Verletzungen  oder  organischen  Er¬ 
krankungen  des  Gehirns  zusammen  besteht.  Mott  glaubt,  dass  Al- 
Kohol  als  Ursache  des  Irrsinns  lange  nicht  so  häufig  ist  als  nach  den 
Statistiken  behauptet  wird.  Die  ländlichen  Bevölkerungen  haben  die. 
grösste  Armut  und  die  meisten  Irren,  dabei  aber  viel  weniger  Al¬ 
koholiker  als  die  Bevölkerung  die  in  Fabriken,  Minen  und  auf  dem 
Meere  lebt,  bei  der  aber  die  Verhältnisse  gerade  umgekehrt  liegen. 

M  e  r* c  i  e  r  -  London  glaubt,  dass  es  nicht  die  Menge  des  Al¬ 
kohols  ist,  sondern  der  kräftigere  oder  schwächere  Organismus  auf 
den  er  wirkt. 

White-  London  glaubt,  dass  Alkoholismus  oft  das  erste  Zeichen 
beginnender  Psychose  ist. 

Auch  Macdonald  -  Dorchester  bestreitet  die  grosse  Bedeu¬ 
tung  des  Alkohols  für  die  Entstehung  der  Geisteskranken. 

Andere  Redner,  wie  Robertson,  Yellowless,  Oswald, 
betonen  dagegen  die  grosse  Rolle,  die  der  Alkohol  in  der  Entstehung 
des  Irrsinns  spielt. 

Anderson-  Galway  und  E  1  d  r  i  d  g  e  -  Green  bezeichnen  den 
Alkohol  als  eines  der  besten  therapeutischen  Hilfsmittel  bei  Er¬ 
müdungszuständen  des  Gehirns  und  der  Muskeln. 

Auch  der  Physiologe  Halliburton  tritt  für  den  Alkohol  ein 
und  wendet  sich  gegen  die  Uebertreibungen  der  Abstinenzler,  von 
dienen  S  c  h  o  f  i  e  1  d  behauptet,  dass  sie  alle  Fanatiker  seien. 

Rivers-  Cambridge  befürwortet  den  mässigen  Gebrauch  des 
Alkohols,  den  er  besonders  bei  geistiger  Ermüdung  anwenden  will. 

Dann  sprach  M  e  r  c  i  e  r  über  Periodische  Demenz.  Er  betont 
den  Zusammenhang  zwischen  periodischem  Verlust  der  Psyche  (De¬ 
mentia)  mit  doppeltem  resp.  wechselndem  Bewusstsein  und  epilepti¬ 
schen  Zuständen.  Diese  Fälle  werden  durch  antiepileptische  Be¬ 
handlung  gebessert. 

Y  e  1 1  o  w  1  e  s  s  und  andere  Redner  verwerfen  die  Ausdehnung, 
die  Mercier  dem  Begriffe  Demenz  gibt. 

Dann  sprach  P  e  t  e  r  s  o  n  -  NewYork  über  den  Galvanometer 
als  Messer  für  die  Gemütsbewegungen.  Er  berichtet  ausführlich  über 
Versuche,  die  er  im  Züricher  Laboratorium  angestellt  hat  und  aus 
welchen  hervorzugehen  scheint,  dass  der  Galvanometer  unabhängig 
vom  Willen  des  Untersuchten  den  Tonus  der  Gemütsbewegungen 
anzeigt. 

Dann  berichtete  Robertson  noch  über  seine  bakteriologischen 
Untersuchungen  bei  Dementia  paralytica.  Er  und  seine  Kollegen 
glauben  in  einem  dem  Diphtheriebazillus  ähnlichen  Organismus,  den 
sie  aus  Blut  und  Zerebrospinalflüssigkeit  von  Paralytikern  rein  züchten 
konnten,  die  Ursache  der  Erkrankung  gefunden  zu  haben. 

Candler,  der  die  Versuche  nachgeprüft  hat,  ist  dagegen  zu 
absolut  negativen  Resultaten  gekommen. 

Die  letzte  Sitzung  brachte  eine  Diskussion  über  Hypnotismus. 

Woods  hat  sich  seit  1892  mit  Hypnotismus  beschäftigt  und 
2076  Kranke  damit  behandelt.  1578  wurden  geheilt.  293  gebessert, 
205  blieben  unbeeinflusst.  881  Fälle  waren  Geisteskranke  (mit  Ein¬ 
schluss  der  Grenzfälle  von  Neurasthenie,  Hysterie  etc.).  118  Fälle 
von  Melancholie  ergaben  80  Heilungen,  44  Fälle  von  Manie  20;  28 
Fälle  von  „Lampenfieber“  23  Heilungen.  Redner  beschreibt  genauer 
seine  Methode,  den  hypnotischen  Schlaf  wendet  er  fast  nie  an;  meist 
genügen  Wachsuggestionen.  Von  10  Fällen  von  Schreibkrampf  ge¬ 
nasen  6,  von  65  Fällen  von  Dyspepsie  59,  von  41  Fällen  von  Neuritis 
27;  von  10  Fällen  von  Gicht  7  und  von  140  Fällen  von  Neuralgie  114. 

Die  Mehrzahl  der  Redner,  die  sich  an  der  Diskussion  beteiligten, 
betonen  den  Nutzen  des  Hypnotismus  in  der  Therapie. 

Robertson  ist  von  der  Anwendung  der  Hypnose  mehr  und 
mehr  bei  Irrsinnigen  zurückgekommen. 

Dann  sprach  S  c  h  o  f  i  e  1  d  über  den  Unterricht  in  der  Psy¬ 
chiatrie,  der  sehr  verbesserungsbedürftig  ist. 

Schluss  folgt.  J.  P.  zum  Busch  - London. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

SocietS  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  19.  Juli  1907. 

Comby  bringt  53  weitere  Beobachtungen,  welche  er  an 
Kindern  seiner  Abteilung  mit  Roux  schem  und  C  a  1  in  e  1 1  e  schem 
Tuberkulin  in  der  Lösung  von  1:200  gemacht  hat.  Eine  Anzahl  aus¬ 
geführter  Autopsien  ermöglichen  die  Bestätigung  des  diagnostischen 
Wertes  der  Augenreaktion,  welche  ein  sicheres  und  unschädliches 
Mittel  zur  Aufdeckung  latenter  Tuberkulose  ist. 

Henri  D  u  f  o  u  r  und  Brusle  haben  bei  Kindern  die  Augen- 
und  Hautreaktion  angewandt  und  vollkommene  Uebereinstimmung 


zwischen  diesen  beiden  klinischen  Beweismitteln  konstatiert.  Sie 
stellen  den  diagnostischen  Wert  beider  Verfahren  und  deren  Un¬ 
schädlichkeit  ausdrücklich  fest.  Mit  der  Dosis  von  2  Tropfen  haben 
sie  bei  gesunden  Personen  keinerlei  Reaktion  beobachtet. 

Sitzung  vom  26.  Juli  1907. 

Q  u  e  y  r  a  t  bespricht  die  Behandlung  der  Arthritis 
blennorrhagica  und  schlägt  folgenden  Modus  vor:  Punktion 
des  Gelenks,  Pointes  de  feu-  frühzeitige  passive  Bewegung,  weicne 
im  Allgemeinen  vier  läge  nach  der  Punktion  und  mittelst  eines 
speziellen  Apparates  ausgetührt  wird.  Qu.  hat  durch  Punktion  aus 
dem  Kniegelenk  den  Gonokokkus  gewonnen.  St. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Abteilung  für  freie  Arztwahl  des  ärztlichen  Bezirksvereins 

München. 

Sitzung  v  o  m  6.  September  1907. 

Der  Vorsitzende,  HeVr  F.  Bauer,  eröffnet  um  8Vz  Uhr  die 
Sitzung.  Eingelaufen  ist  ein  Gesuch  von  Dr.  Stöger  in  Planegg 
um  teilweise  Erlassung  der  Karenzzeit.  Der  Vorsitzende  will  sich 
entsprechend  einem  Beschluss  der  Abteilung  erkundigen,  ob  in  Planegg 
ein  Bedürfnis  nach  sofortiger  Einführung  eines  Mitgliedes  der  Ab¬ 
teilung  besteht.  Ferner  stellt  Dr.  Rascher,  der  als  angestellter 
Arzt  des  Naturheilvereins  nicht  Mitglied  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
sein  kann,  das  Ersuchen  um  Aufnahme  in  die  Abteilung.  Gleichzeitig 
hat  der  Naturheilverein  dieses  Gesuch  durch  ein  Scnreiben  an  die 
Ortskrankenkasse  unterstützt,  in  dem  die  Bedürfnisfrage  bejaht  wird. 
Herr  Küster  mann  betont,  dass  jener  Verein  seinen  Mitgliedern 
unentgeltlich  ärztlicheHilfe  durch  den  Vereinsarzt  gewähre,  dieser  also 
fest  angestellter  Arzt  sei.  Herr  Höflmayr  hebt  hervor,  dass  es 
eine  Naturheilmethode  ausserhalb  des  Rahmens  der  mit  physikalisch- 
diätetischen  Heilmethoden  arbeitenden  Medizin  nicht  gibt.  Demnach 
bestehe  keine  Bedürfnisfrage.  Er  beantragt  Uebergang  zur  Tages¬ 
ordnung,  was  geschieht.  Ein  Zusatzvertrag  der  Militärkranken¬ 
kasse,  der  auf  der  Mindesttaxe  basiert  und  sich  auf  die  Behandlung 
der  kamilien  der  Kassenmitglieder  bezieht,  wird  angenommen.  Die 
Krankenkasse  des  Kaufmännischen  Vereins  Frank¬ 
furt  a.  M.  hat  laut  Mitteilung  eines  Kollegen  die  Bezahlung  von 
Liquidationen  abgelehnt,  die  höher  lauten  als  die  Mindesttaxe.  Sie 
hat  ferner  in  solchen  Fällen  die  Patienten  angewiesen  einen  anderen 
Arzt  aufzusuchen,  der  bil'iger  sei.  Herr  Scholl  betont,  dass  man 
bei  solchen  Kassen,  die  keinen  Vertrag  mit  der  Abteilung  haben,  nicht 
zur  Minimaltaxe  liquidieren  soll,  ferner  dass  mit  der  neuzugründenden 
Kranken-  und  Sterbekasse  München  Verträge  von  Mitgliedern  der 
Abteilung  selbstverständlich  nicht  abgeschlossen  werden  dürfen. 
Der  Vorsitzende  berichtet  über  Besprechungen,  die  mit 
der  Vorstandschaft  der  Ortskrankenkasse  stattgefunden  haben.  Diese 
Kasse  will  nunmehr  für  Benützung  von  Operationssälen  in  Privat¬ 
kliniken  5 — 10  Mk.  zahlen.  Als  Delegierte  der  Abteilung  zum  Zwölfer¬ 
ausschuss  wurden  die  Herren  Bauer  und  Schwertfeiner,  als 
Ersatzmänner  die  Herren  Cohn  und  Einhorn  gewählt.  Herr 
Stern  feld  bringt  eine  von  7  Kollegen  Unterzeichnete  Inter¬ 
pellation  betreffend  die  Stellungnahme  der  Abteilung  zur  kürzlich 
erschienenen  Erklärung  der  Bahnärzte,  durch  die  Mitglieder  der  Ab¬ 
teilung  für  freie  Arztwahl  zur  Stellungnahme  gegen  deren  Ein¬ 
führung  veranlasst  werden.  Die  Interpellation  wird  vorläufig  zurück¬ 
gestellt  und  am  Schluss  der  Sitzung  auf  die  nächste  vertagt.  Herr 
Scholl  lenkt  die  Aufmerksamkeit  der  Mitglieder  auf  die  am  24.  Sep¬ 
tember  stattfindende  Alkoholausstellung  im  Arbeitermuseum,  in  der 
Führungsvorträge  durch  Aerzte  gehalten  werden  sollen.  Herr  Höfl¬ 
mayr  beschwert  sich  darüber,  dass  der  Vertrauensarzt  der  Ge¬ 
meindekrankenversicherung  durch  Kontrolle  von  Moorbäderverord¬ 
nungen  sich  Eingriffe  in  seine  Therapie  erlaube,  ferner  dass  er  eine 
Patientin  als  arbeitsunfähig  ins  Krankenhaus  eingewiesen  habe,  was 
zu  den  Kompetenzen  des  behandelnden  Arztes  gehöre.  Im  Verlauf 
der  Diskussion,  an  der  sich  die  Herren  Bauer,  Kustermann. 
Einhorn  und  Höflmayr  beteiligen,  wird  der  Briefwechsel  zwi¬ 
schen  Herrn  Höflmayr  und  der  Vorstandschaft,  sowie  der  Ver¬ 
waltung  der  Gemeindekrankenversicherung,  an  die  sich  Herr  Höfl¬ 
mayr  direkt  gewandt  hat,  verlesen.  Letzterer  bestreitet  der  Kasse 
das  Recht,  Bäderverordnungen  begutachten  zu  lassen,  die  sie  nur 
abzustempeln  habe.  Die  Kassenbeamten  dagegen  suchen  die  Begut¬ 
achtung  des  Vertrauensarztes  bisweilen  als  Deckung,  um  nicht  per¬ 
sönlich  zur  Begleichung  von  Unkosten  herangezogen  zu  werden.  Be¬ 
züglich  der  Kontrolle  kann  die  Kassenverwaltung  die  Beschlüsse 
der  Abteilung  ignorieren.  JJerr  Höflmayr  verlangt  eine  Aeusse- 
rung  der  Versammlung  wegen  der  Kompetenzüberschreitung,  die  sich 
der  Vertrauensarzt  durch  die  Krankschreibung  der  Patientin  zu 
Schulden  kommen  liess.  Er  verlässt  aber,  bevor  eine  solche  zu¬ 
stande  kommt,  demonstrativ  den  Saal,  nachdem  die  Diskussion  be¬ 
dauerlicherweise  einen  persönlichen  Charakter  angenommen  hat.  Herr 
P  e  r  u  t  z  wünscht,  dass  die  Vorstandschaft  die  Angelegenheit  weiter 
verfolge. 

Als  Punkt  2  der  Tagesordnung  wurde  die  Berufung  eines 
Kollegen  gegen  die  von  der  Vorstandschaft  über  ihn  verhängte  vier¬ 
monatliche  Suspension  behandelt.  Ueber  die  Verfehlungen  erstattet 


10.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Herr  Scholl  das  Referat.  Er  führt  aus,,  dass  der  Kollege  im  ersten 
jahr  seiner  Niederlassung  die  grösste  Kassenpraxis  unter  den  hiesigen 
Aerzten  erreicht  hat.  Seine  Krankenlisten  sind  aber  seit  Einführung 
der  Bezahlung  nach  Kopfzahl  so  ungenau  geführt,  dass  der  Eindruck 
entsteht,  es  werde  infolge  dieses  Bezahlungssystems  die  Behandlung 
der  Kranken  vernachlässigt,  da  Einzelleistungen  nicht  eingetragen 
sind.  Dagegen  wurden  die  letzteren  bei  Innungskassen,  welche  sie 
bezahlen,  genau  gebucht.  Auffallend  ist  ferner  die  grosse  Zahl  der 
Ueberschreibungen  von  einem  Quartal  ins  andere  mit  nur  einer'  Einzel¬ 
leistung.  Bei  Nachuntersuchungen  angeblich  Arbeitsunfähiger  wur¬ 
den  von  der  Krankenkontrolle  78  Proz.  der  Patienten  (gegenüber  68 
Proz.  aus  der  Praxis  der  übrigen  Aerzte)  abgeschrieben.  Die  Arznei¬ 
mittelkommission  sah  sich  schon  einmal  zur  Verhängung  einer  Strafe 
veranlasst,  da  die  Rezeptkosten  des  Kollegen  die  Durchschnittskosten 
um  Mk.  1.05  pro  Rezept  übersteigen.  Der  Grund  hierfür  liegt  in 
ungeschickter  Verordnungsweise  und  unnötiger  Verwendung  teurer 
Arzneimittel  oder  grosser  Quantitäten,  z.  B.  erhielt  eine  Patientin  in 
6  Tagen  1,5  Liter  Liquor  ferri.  Eine  Kasse  beschwerte  sich  über 
die  Verdoppelung  ihrer  Arzneikosten  durch  dieses  Vorgehen.  Aus  den 
Darlegungen  des  Kollegen,  der  seine  Fehler  im  allgemeinen  zugibt, 
geht  "hervor,  dass  seine  Buchführung  aus  verschiedenen  privaten 
Gründen  im  Anfang  dieses  Jahres  eine  sehr  unordentliche  gewesen 
ist,  wodurch  sich  die  obigen  Erscheinungen  in  den  Listen  erklären. 
Der  betreffende  Kollege  ist  durch  Erkrankung  und  Wegzug  mehrerer 
Aerzte  plötzlich  zu  einer  Praxis  gekommen,  die  ihm  über  den  Kopf 
wuchs.  Seine  mangelnde  Erfahrung  in  kassenärztlichen  Angelegen¬ 
heiten,  besonders  auch  bezüglich  der  Arzneikosten,  hat  die  Ver¬ 
fehlungen  grösstenteils  verschuldet.  An  der  Diskussion  über  diese 
Angelegenheit  beteiligen  sich  die  Herren  Krecke,  F.Loeb.Kre  s  s, 
Einhorn,  Lukas,  Neusta  dt,  S  te  r  n  f  e  1  d,  Ludwig  Fi  i- 
scher,  der  Vorsitzende  sowie  Frau  Dr.  Adams-Lehmann. 
Obwohl  alle  Diskussionsredner  den  Verfehlungen  des  Kollegen  gegen¬ 
über  gerne  Milde  walten  lassen  möchten,  so  ist  man  doch  nicht  ge¬ 
neigt,  den  einstimmigen  Beschluss  der  Vorstandschaft  zu  desavouieren. 
Eine 'bedingte  Verurteilung  ist  leider  statutarisch  unmöglich:  Durch 
Verschwendung  des  Kassenvermögens  aber  wird  das  System  der 
freien  Arztwahl  so  geschädigt,  dass  man  ein  Einschreiten  für  nötig 
erachtet  —  insbesondere  einem  Arzt  gegenüber,  der  seine  Praxis  ganz 
diesem  System  zu  danken  hat  — ,  nachdem  eine  Regresspflicht  nicht 
besteht.  Die  Berufung  wurde  am  Schlüsse  der  Diskussion  zurück¬ 
gezogen.  Der  Vorsitzende  hebt  die  Verantwortlichkeit  der  Vor¬ 
standschaft  besonders  hervor  und  betont,  dass  er  in  seinen  Bestre¬ 
bungen  für  die  freie  Arztwahl  vorsichtiger  geworden  sei,  seit  er  an 
verantwortlicher  Stelle  stehe. 

Zum  Schlüsse  wurde  ein  Vortrag  genehmigt,  laut  welchem  die 
Abteilung  das  Eigentumsrecht  auf  die  „Anleitung  zu  ökonomischer 
Verordnungsweise“  von  den  Herren  Carl,  Einhorn,  Götz  und 
Kustermann  erwirbt,  die  ihrerseits  Herrn  Oberapotheker  Dr. 
Rapp  für  seine  liebenswürdige  Mithilfe  entschädigen.  Schluss  der 
Sitzung  11%  Uhr.  Anwesend:  82  Mitglieder  und  1  Gast. 

Nadoleczny. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  9.  September  1907. 

—  In  der  wiederholt  in  .dieser  Wochenschrift  besprochenen  Frage, 
ob  der  praktische  Arzt  ohne  zahnärztliche  Appro¬ 
bation  sich  „Spezialarzt  für  Zahn  -  und  Mundkrank¬ 
heit  e  n“  nennen  darf,  liegt  jetzt  ein  reichsgerichtliches  Urteil 
vor.  Bekanntlich  hat  der  Verein  approbierter  Zahnärzte  in  Dresden 
gegen  den  Arzt  Dr.  Breitbach,  der  ohne  als  Zahnarzt  approbieit 
zu  sein,  in  Dresden  eine  umfangreiche  zahnärztliche  Praxis  ausübt, 
Klage  aus  §  1  des  Gesetzes  zur  Bekämpfung  des  unlauteren  Wett¬ 
bewerbes  erhoben  und  beantragt,  den  Beklagten  zu  verurteilen,  die 
Führung  des  Titels  „Spezialarzt  für  Zahn-  und  Mundkrankheiten“  zu 
unterlassen.  Das  Landgericht  in  Dresden  hatte  Dr.  Breitbach 
in  diesem  Sinne  verurteilt,  das  Oberlandesgericht  in  Dresden  wies  auf 
Berufung  des  Beklagten  die  Klage  unter  Abänderung  des  landgericht¬ 
lichen  Urteils  kostenfällig  ab  und  das  vom  Kläger  nunmehr  ange¬ 
rufene  Reichsgericht  hob  das  Urteil  des  Oberlandesgerichts  auf  und 
verwies  die  Sache  zur  anderweiten  Verhandlung  und  Entscheidung  an 
einen  anderen  Senat  des  Berufungsgerichtes.  Das  Reichsgericht  nimmt 
bei  der  Zulassung  der  Revision  mangelhafte  Begründung  des  Be¬ 
rufungsurteils  an.  Es  sei  aus  der  Begründung  nicht  zu  ersehen,  ob 
der  vom  Landgericht  geltend  gemachte  Tatbestand,  dass  der  Beklagte 
die  Zahnheilkunde  in  ihrem  ganzen  Umfange  ausübe,  dass  er  eine  Poli¬ 
klinik  für  Zahn-  und  Mundkrankheiten  betreibe,  dass  er  Aerzte,  Zahn¬ 
ärzte  und  Studenten  in  der  Zahnheilkunde  ausbilde  u.  dgl.,  genügend 
gewürdigt  worden  sei.  Diese  Tatsachen  könnten  von  Bedeutung  sein 
für  den  Sinn,  in  welchem  das  Publikum  die  Bezeichnung  „Spezial¬ 
arzt  für  Zahn-  und  Mundkrankheiten“  auslege.  Mit  dem  reichsge¬ 
richtlichen  Urteil  ist  eine  Entscheidung  der  strittigen  Frage  noch  nicht 
getroffen;  diese  liegt  vielmehr  wieder  beim  Oberlandesgericht,  das 
den  Fall  von  neuem  frei  zu  würdigen  hat.  Das  Reichsgericht  scheint 
aber  doch  der  Ansicht  gewesen  zu  sein,  dass  die  Art  des  Betriebes 
des  Beklagten,  die  Unterhaltung  einer  Poliklinik,  die  Ausbildung  von 
Schülern,  die  Beschäftigung  von  Hilfskräften  etc.  von  Bedeutung  für 
die  Beurteilung  sei,  da  aus  diesen  Umständen  das  Publikum  vielleicht 


1855 


schliessen  könne,  die  streitige  Angabe  besage,  der  Beklagte  sei 
approbierter  Zahnarzt.  Wenn  dies  die  Auffassung  des  Reichsgerichtes 
ist,  so  muss  ihr  ärztlicherseits  widersprochen  werden.  Für  den  ge- 
danken-  und  urteilslosen  Teil  des  Publikums  ist  jeder,  der  sich  mit 
der  Behandlung  von  Zähnen  befasst,  ein  Zahnarzt;  dieser  Teil  des 
Publikums  unterscheidet  auch  nicht  zwischen  Zahn  techniker  und 
Zahnarzt.  Wenn  die  Meinung  dieses  Teiles  des  Publikums  aus¬ 
schlaggebend  sein  soll,  dann  müsste  auch  die  Bezeichnung  Zahn¬ 
techniker,  ja  das  blosse  Aushängen  eines  Kästchens  mit  Zahnersatz¬ 
stücken  untersagt  werden,  weil  auch  dadurch  bei  manchen  der  Glaube 
erweckt  werden  kann,  dass  da  ein  Zahnarzt  wohne.  Tatsächlich 
würde  nach  obiger  Auffassung  ein  Zahjiheilkunde  ausübender  Arzt 
schlechter  gestellt  sein  als  jeder  Zahntechniker,  der  sich  ungehindert 
dem  Publikum  für  die  Behandlung  seiner  Zähne  anbieten  kann,  wäh¬ 
rend  dies  dem  Arzt  in  Zukunft  fast  unmöglich  gemacht  würde,  wenn 
Dr.  B  r  e  i  t  b  a  c  h  in  seinem  Rechtsstreit  unterläge.  Damit  aber 
würde  der  Sinn  des  Gesetzes  in  sein  gerades  Gegenteil  verkehrt 
werden.  Denn  der  Zweck  der  betreffenden  Bestimmungen  der  Ge¬ 
werbeordnung  ist  offenbar  nicht  der,  die  Zahnheilkunde  von  der  durch 
die  ärztliche  Approbation  gewährten  Berechtigung  zur  Ausübung  der 
Heilkunde  im  weitesten  Umfange  auszunehmen,  was  doch  keinen  Sinn 
hätte,  da  die  Zahnheilkunde  gerade  der  mit  der  geringsten  Verant¬ 
wortlichkeit  verbundene  Zweig  der  ärztlichen  Tätigkeit  ist,  sondern 
vielmehr  der,  der  Bevölkerung  durch  Schaffung  besonderer  Zahnärzte 
Gelegenheit  zu  ausreichender  zahnärztlicher  Hilfe  zu  gewähren  und 
sie  gleichzeitig  gegen  das  Pfuschertum  auf  diesem  Gebiete  zu  schützen. 
Wenn  schon  der  Wortlaut  der  Gewerbeordnung  dem  Arzte  die 
Führung  des  Titels  Zahnarzt  verwehrt,  so  sollten  im  Hinblick  auf  den 
unzweifelhaften  Sinn  des  Gesetzes  die  einschränkenden  Bestim¬ 
mungen  den  Aerzten  gegenüber  eine  liberale  Auslegung  finden,  wie 
dies  auch  seitens  des  10.  Zivilsenats  des  Dresdener  Oberlandesge¬ 
richtes  geschehen  ist.  Den  zahnärztlichen  Vereinigungen  aber  würde 
es  besser  anstehen,  sich  gegen  das  üppig  wuchernde  Zahntechniker- 
tum  zu  wenden,  als  die  durchaus  legitime  Ausübung  der  Zahnbeil¬ 
kunde  durch  approbierte  Aerzte  als  „unlauteren  Wettbewerb“  zu  be¬ 
kämpfen. 

—  Die  Geschäftsordnung  der  preussischem 
Aerztekammern  hat  durch  Verordnung  vom  8.  Juli  1.  J.  eine 
Abänderung  dahin  erfahren,  dass  „die  Wahl  durch  Zuruf  erfolgen  kann, 
wenn  von  keiner  Seite  Widerspruch  erhoben  wird". 

—  Wie  uns  aus  Dresden  geschrieben  wird,  sind  die  Differenzen 
der  Assistenzärzte  der  städtischen  Heil-  und  Pflegeanstait  mit  der 
Verwaltung  (s.  No.  34  d.  W.)  durch  die  entgegenkommende  Inter¬ 
vention  des  Rates  der  Stadt  beseitigt  worden.  Daraufhin  haben  die 
beteiligten  Herren  sämtlich  ihre  Entlassungsgesuche  wieder  zurück¬ 
gezogen. 

—  Im  September  1907  sind  4  Jahrzehnte  verflossen,  seitdem 
A.  K  u  s  s  m  a  u  1  die  Sonde  in  die  Therapie  der  Magenkrankheiten 
eingeführt  hat  (4L  Naturforscherversammlung  1867  zu  Frankfurt  a.  M.). 
Wie  wir  hören,  beabsichtigt  die  innere  Klinik  zu  Freiburg  i.  Br.  (Gell. 
Rat  B  ä  u  m  1  e  r)  diese  für  die  Therapie  wie  für  die  Diagnostik  gleich 
bedeutsame  Tat  zu  feiern  durch  die  Errichtung  eines  Denkmals 
von  Kussmaul  vor  dem  klinischen  Hospital.  Ein  Aufruf  zur 
Anteilnahme  an  diesem  Werke  wird  Mitte  Oktober  erfolgen. 

—  Einer  Anregung  der  Deutschen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung 
der  Geschlechtskrankheiten  folgend,  sollen  an  den  Berliner  und  Char¬ 
lottenburger  Gymnasien  in  Zukunft  regelmässig  für  die  zur  Entlassung 
kommenden  Abiturienten  Vorträge  über  Hygiene,  insbesondere  sexuelle 
Hygiene  von  Aerzten  gehalten  werden.  Auch  vor  Fortbildungsschülern 
sollen  auf  Grund  des  Erlasses  des  Handelsministers  Belehrungen  über 
die  Gefahren  des  Geschlechtslebens  und  der  Geschlechtskrankheiten 
stattfinden. 

—  Ueber  die  Osiris-Erbschaft  des  Institus  Pa¬ 
steur  enthält  die  Internationale  Wochenschrift  für  Wissenschaft, 
Kunst  und  Technik  einige  nähere  Mitteilungen.  Danach  hat  der 
kürzlich  im  Alter  von  82  Jahren  verstorbene  Bankier  Osiris  ein 
Vermögen  von  46  Millionen  Fr.  hinterlassen,  die  Erbschaftssteuer  wird 
etwa  6  Millionen  Fr.  betragen,  das  Pasteurinstitut  ist  zum  Universal¬ 
erben  eingesetzt  und  wird  nach  Abzug  einer  Reihe  von  Legaten  in 
etwa  zwei  Jahren  —  so  lange  dürfte  die  Abwicklung  dauern  in 
den  Besitz  von  etwa  30  Millionen  Fr.  gelangen.  Die  Zuwendung' 
ist  ein  besonderes  Verdienst  des  Direktors,  des  berühmten  Bak¬ 
teriologen  E.  Roux.  Osiris  gehörte  nicht,  wie  der  Fernstehende 
glauben  möchte,  zur  Hochfinanz.  Er  entstammte  einer  sehr  beschei¬ 
denen  jüdischen  Familie  in  Bordeaux,  hatte  als  Angestellter  eines  Bank¬ 
hauses  in  den  letzten  Jahren  des  zweiten  Kaiserreiches  durch  ge¬ 
schickte  Börsengeschäfte  sein  Vermögen  erworben  und  als  reicher 
Mann  die  einfache  Lebenshaltung  beibehalten;  sein  Kapital  hat  sich 
in  den  letzten  Jahren  verfünffacht.  Er  war  lange  als  Philanthrop 
und  Mäzen  bekannt.  Der  Staat  verdankte  ihm  das  in  ein  napoleoni- 
sches  Museum  umgewandelte  Schloss  Josephinens  La  Malmaison, 
Paris  die  Musset-Statue  von  Mercie,  seine  Glaubensgenossen  die 
Synagoge  in  der  Rue  Buffault.  Für  die  Wissenschaft  stiftete  er  den 
alle  drei  Jahre  zu  verteilenden  100  000  Fr.-Preis  für  eine  wichtige 
Entdeckung  oder  ein  hervorragendes  Werk.  Es  haben  ihn  u.  a.  Albei  t 
Sorel,  Frau  Curie  zusammen  mit  dem  Ingenieur  Br  au  ly  und 
auch  E.  R  o  u  x  erhalten.  Dieser,  der  in  den  einfachsten  Verhältnissen 
lebt,  hatte  die  ganze  Summe  seinem  Institut  überwnesen  zum  Aii\aui 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


1856 


von  Menschenaffen  für  das  Studium  der  Syphilis.  Es  ist  auf  diese 
Weise  die  Ucbertragbarkeit  der  Syphilis  auf  den  Affen  entdeckt  wor¬ 
den.  Die  uneigennützige  Verwendung  des  Preises  durch  Roux  ver- 
anlasste  Osiris,  das  Institut  zum  Universalerben  einzusetzen,  nicht 
den  Staat,  wie  er  zuerst  wollte.  Der  Staat  erbt  die  Kunstsamm¬ 
lungen  des  Verstorbenen.  Osiris,  dem  man  es  nicht  verzeihen 
wollte,  dass  er  bei  seiner  früheren  schlichten  Lebensweise  blieb,  hat 
oft  Vorwürfe  und  Spöttereien  über  seinen  Geiz  gehört.  Auf  solche 
Angriffe  bemerkte  er:  „Es  erfüllt  mich  mit  Befriedigung,  dass  dieser 
Geiz  den  Unglücklichen  zu  Gute  kommt,  und  dass  ich  für  Arme  und 
Elende  gearbeitet  habe“. 

—  Die  Landesversammlung  pro  1907  des  Bayerischen  Me¬ 
dizinalbeamtenvereins,  deren  diesjähriges  Hauptberatungs¬ 
thema  die  Reform  des  bayerischen  Medizinalwesens,  Vorbildung  und 
dienstliche  Stellung  der  Amtsärzte  betrifft,  findet  am  13.  Oktober  in 
München  statt. 

—  Der  IV.  Kongress  für  Klimatotherapie  und 
Städtehygiene  wird  in  Biarritz  vom  20. —  25.  April  1908  (Oster¬ 
woche)  unter  dem  Präsidium  des  Prof.  P  i  t  r  e  s  (Dekan  der  med. 
Fakultät  von  Bordeaux)  stattfinden. 

—  Ein  Dr.  James  Silberstein  in  Wien  sucht  für  ein  von 
ihm  herauszugebendes  Lexikon  der  Kurorte  und  Heil¬ 
anstalten  Annoncenaufräge  zu  erhalten.  Wie  von  der  Firma 
Anton  A.  Salzger  in  Wien,  Herausgeberin  eines  Illustrierten  Lexi¬ 
kons  der  Bade-,  Brunnen-  und  Luftkurorte  etc.  festgestellt  wurde,  ist 
ein  Dr.  James  Silberstein  in  Wien  nicht  gemeldet,  Bestellungen 
auf  das  Lexikon  blieben  unbeantwortet.  Es  scheint  daher  Vorsicht 
dem  genannten  Unternehmen  gegenüber  am  Platze  zu  sein.  Vermut¬ 
lich  handelt  es  sich  um  denselben  James  Silberstein,  der  be¬ 
kannt  dafür  ist,  dass  er  gegen  Bezahlung  die  Empfehlung  von  Arznei¬ 
mitteln  und  Nährpräparaten  in  scheinbar  wissenschaftlichen  Artikeln 
übernimmt. 

—  Dem  dirigierenden  Arzt  der  chirurgischen  Abteilung  am  städti¬ 
schen  Krankenhause  zu  Wiesbaden,  Dr.  Max  Landow,  dem  Stabs¬ 
arzt  ä  la  suite  der  Schutztruppe  für  Deutsch-Ostafrika,  Dr.  med. 

F  ii  1 1  e  b  o  r  n  in  Berlin,  dem  Spezialarzt  für  Hautkrankheiten,  Dr. 
Karl  To  u  ton  in  Wiesbaden  und  dem  praktischen  Arzt  Dr.  med. 
Waldemar  Ammann  in  Wilmersdorf  bei  Berlin  ist  der  Professor¬ 
titel  verliehen  worden,  (hc.) 

—  Dem  Gründer  der  Eichsfeldischen  medizinischen  Gesellschaft, 
Kreisarzt,  Geheimen  Medizinalrat  Dr.  Koppen  in  Heiligenstadt, 
wurde  anlässlich  seines  goldenen  Doktorjubiläums  der  Rote  Adler¬ 
orden  dritter  Klasse  mit  der  Schleife  verliehen,  (hc.) 

—  Medizinalrat  Dr.  Burkard  in  Bamberg,  langjähriger  Vor¬ 
stand  der  Kgl.  Hebammenschule  und  Entbindungsanstalt,  feierte  am 
5.  dieses  Monats  seinen  80.  Geburtstag. 

—  Von  Prof.  Forels  gemeinsam  mit  A.  Mahaim  heraus¬ 
gegebenen  Schrift  „Crimes  et  anomalies  mentales  constitutionelles“ 
(Genf  1901,  bei  H.  Kündig)  ist  jetzt  eine  deutsche  Uebersetzung 
im  Verlage  von  Ernst  Reinhardt  in  München  erschienen  (Ver¬ 
brechen  und  konstitutionelle  Seelenabnormi¬ 
täten,  übersetzt  von  F.  Jahn). 

—  Cholera.  Russland.  In  der  Stadt  Astrachan  sind  am  22., 
23.,  24.  und  25.  August  an  der  Cholera  213  Personen  erkrankt  und  61 
gestorben;  seit  Beginn  der  Seuche  kamen  im  ganzen  354  Erkrankungen 
und  123  Todesfälle  dort  vor.  Die  Gesamtzahl  der  in  der  Stadt  Samara 
bis  zum  25.  August  festgestellten  Choleraerkrankungen  war  aut  202, 
der  Todesfälle  auf  92  gestiegen.  Zufolge  einer  Drahtnachricht  vom 
31.  August  ist  in  Moskau  ein  Fall  von  Cholera  bei  einem  von  auswärts 
—  angeblich  aus  Saratow  —  gekommenen  Kranken  bakteriologisch 
festgestellt  worden. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  17.  bis  24.  August  wurden  7  neue 
Erkrankungen  (und  4  Todesfälle)  an  der  Pest  festgestellt.  —  Britisch- 
Ostindien.  In  Moulmein  sind  vom  7.  bis  27.  Juli  42  Personen  der 
Pest  erlegen. 

-  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  18.  bis 
24.  August  sind  25  Erkrankungen  (und  14  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  34.  Jahreswoche,  vom  18.— 24.  August  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Zabrze  mit  35,9,  die  geringste  Remscheid  mit  6,3  Todesfällen  pro 
Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Masern  und  Röteln  in  Kolmar,  an  Diphtherie  und  Krupp  in 
Altenessen,  an  'Unterleibstyphus  in  Halberstadt.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Der  Charakter  als  „Geheimer  Medizinalrat“  wurde 
den  ordentlichen  Professoren  an  der  hiesigen  Universität  Dr.  med. 
Otto  Hildebrand,  Direktor  der  chirurgischen  Klinik  und  Poli¬ 
klinik  im  Charitekrankenhause  und  Dr.  med.  Wilhelm  H  i  s,  Direktor 
der  ersten  medizinischen  Klinik,  verliehen,  (hc.)  —  Privatdozent 
Dr.  Schittenhelm,  Assistent  der  Klinik  Kraus,  wurde  zum  Pro¬ 
fessor  ernannt.  —  Dem  Direktor  der  chirurgischen  Abteilung  am  Ru- 
dorf-Virchow-Krankenhause  in  Berlin,  Dr.  med.  Otto  Hermes  wurde 
der  Professortitel  verliehen,  (hc.) 

Göttingen.  Der  Privatdozent  für  innere  Medizin  und  Ober¬ 
arzt  an  der  medizinischen  Klinik,  Dr.  med.  Rudolf  S  t  a  e  h  e  1  i  n,  dem 
erst  dieser  Tage  das  Prädikat  Professor  verliehen  wurde,  folgt  zum 
1.  Oktober  d.  J.  seinem  Chef,  Prof.  H  i  s,  in  gleicher  Eigenschaft 

Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von 


an  die  erste  medizinische  (v.  Leyde  n  sehe)  Klinik  im  Charite¬ 
krankenhause  in  Berlin;  er  tritt  hier  an  Stelle  von  Prof.  Dr.  A.  La¬ 
zarus.  (hc.)  Prof.  Dr.  Hirsch,  Direktor  der  medizinischen  Poli¬ 
klinik  in  Freiburg  hat  den  Ruf  als  Ordinarius  für  innere  Medizin 
und  Direktor  der  medizinischen  Poliklinik  angenommen. 

Greifswald.  Der  a.  o.  Professor  und  erste  Assistent  bei 
Prof.  Hess  an  der  Würzburger  Augenklinik,  Dr.  med.  Paul  Römer 
hat  einen  Ruf  als  ausserordentlicher  Professor  und  Direktor  der 
Augenklinik  an  der  hiesigen  Universität  an  Stelle  von  Prof.  L.  Heine 
erhalten  und  wird  demselben  zum  bevorstehenden  Wintersemester 
folgen,  (hc.) 

Halle  a.  S.  Seinen  70.  Geburtstag  feierte  am  7.  September  der 
ordentliche  Professor  und  Direktor  der  Ohrenklinik  und  Poliklinik 
an  der  hiesigen  Universität,  Geh.  Med.-Rat  Dr.  med.  Hermann 
Schwartze.  (hc.) 

München.  Seinen  70.  Geburtstag  feierte  am  8.  September  der 
a.  o.  Professor  für  Dermatologie  und  Syphilidologie  an  der  hiesigen 
Universität  Oberarzt  der  Abteilung  für  Haut-  und  syphilitische  Krank¬ 
heiten  am  städtischen  Krankenhause  1.  J.,  Dr.  Karl  P  o  s  s  e  1 1.  (hc.) 

Tübingen.  Amtlich  wird  die  Ernennung  des  Direktors  der 
Klinik  für  Frauenheilkunde  und  Geburtshilfe  an  den  städtischen  Kran¬ 
kenanstalten  und  ordentliches  Mitglied  an  der  Akademie  für  praktische 
Medizin  in  Düsseldorf,  Prof.  Dr.  Hugo  SeLlheim,  zum  ordent¬ 
lichen  Professor  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  an  der  hiesigen 
Universität  als  Nachfolger  Döderleins  bestätigt,  (hc.)  —  Privat¬ 
dozent  Dr.  J.  F  i  n  c  k  h,  I.  Assistenzarzt  der  psychiatrischen  Klinik, 
ist  als  Oberarzt  an  die  Irrenanstalt  Niederschönhausen  bei  Berlin 
übergesiedelt. 

Charkow.  Habilitiert:  Dr.  Petine  für  Histologie. 

Modena.  Habilitiert:  Dr.  Lombardo  für  Dermatologie  und 
Syphilis;  Dr.  V  a  1  e  n  t  i  für  Bakteriologie. 

Montreal.  Zu  Professoren  wurden  ernannt:  Dr.  Todd  (Pa¬ 
rasitologie)  ;  Andrew  M  a  c  P  h  a  i  1  (Geschichte  der  Medizin). 

Padua.  Habilitiert:  Dr.  Messedaglia  für  innere  Medizin. 

Parma.  Habilitiert:  Dr.  Pelicelli  und  Dr.  Cordero  für 
Chirurgie. 

Pa  via.  Habilitiert:  Dr.  Fornaroli  für  innere  Medizin;  Dr. 
Acconci  und  Dr.  Pinto  für  Geburtshilfe. 

Pisa.  Habilitiert:  Dr.  Marrassini  für  allgemeine  Patho¬ 
logie;  Dr.  H.  Torri  für  innere  Medizin;  Dr.  Ferrarini  für  Chi¬ 
rurgie. 

Rom.  Habilitiert:  Dr.  Giulio  Galli  für  innere  Medizin;  Dr. 
Fossataro  für  Unfallheilkunde. 

Berichtigung.  In  No.  35  (Kuh  n,  Vermehrung  der  roten 
und  weissen  Blutkörperchen  durch  die  Lungensaugmaske  etc.)  ist 
auf  S.  1719,  Sp.  1,  Z.  8  v.  u.  statt  „Blutkörperchen“  zu  lesen  „Blut- 
p  1  ä  1 1  c  h  e  n“. 

In  das  Referat  über  die  Arbeit  von  Dr.  v.  Brunn:  „Ueber  neuere 
Methoden  der  Hautdesinfektion  des  Operationsfeldes“  (No.  32, 
S.  1601)  hat  sich  ein  sinnstörender  Irrtum  eingeschlichen,  insofern 
es  heisst:  „5 — 10  Minuten  lange  Abreibung  mit  lOprom.  Jodbenzin“, 
anstatt  „1  p  r  o  m.  Jodbenzin“.  Wir  bitten  den  Druckfehler  zu  be¬ 
richtigen. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Heinrich  Staedtler,  appr.  1906,  in 
Feuchtwangen. 

Gestorben:  Dr.  Heinr.  Schroeder  in  Feuchtwangen, 
60  Jahre  alt. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  34.  Jahreswoche  vom  18.  bis  24.  August  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  13  (10*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  4  (8),  Kindbettfieber  —  (— ),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  (4),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  —  (1),  Diphth.  u. 
Krupp  3  (2),  Keuchhusten  2  (lj,  Typhus  1  (— ),  iibertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  1  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  3  (3),  Tuberkul.  d.  Lungen  23  (15),  Tuberkul.  and. 
Org.  8  (4),  Miliartuberkul.  2  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneutnon.)  7  (7), 
Influenza  —  (— ),  and.  iibertragb.  Krankh.  1  (2),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  1  (1),  sonst.  Krankh.  derselb.  2  (3),  organ.  Herzleid.  16  (12), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  4  (10),  Gehirnschlag 
8  (3),  Geisteskrankh.  1  (2),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  2  (7),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3(6),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  32  (38),  Krankh.  d.  Leber  2  (— ),  Krankh.  des 
Bauchfells  2  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  4  (5),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  15  (10), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  4  (2),  Selbstmord  2  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  3  (1),  alle  übrig.  Krankh.  2  (4). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  173  (167).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  16,4  (15,8),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,4  (10,3). 


_ *)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 

E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


f\ie  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6“-7  Bogen.  #  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

M  6.—.  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/, — 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


No.  38.  17.  September  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26.  54,  Jahrgang. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. _ * _ 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  I.  inneren  Abteilung  (Prof.  Dr.  Pässler)  und  der 
I.  äusseren  Abteilung  (Geh.  Rat  Dr.  L  i  n  d  n  e  r)  des  Stadt¬ 
krankenhauses  Friedrichstadt  zu  Dresden. 

Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  des  alveolären 

Lungenemphysems. 

Von  Prof.  H.  P  ä  s  s  1  e  r,  Vorstand  der  I.  inneren  Abteilung  und 

Dr.  H.  Seidel,  II.  Arzt  der  I.  äusseren  Abteilung. 

Beim  Emphysem  stehen  zwei  Symptome  im  Vordergrund 
der  klinischen  Erscheinungen:  1.  die  Zunahme  des  Lungen- 
volumens  und  2.  die  Veränderung  der  Thoraxform  (fassförmiger 
Thorax).  Als  krankhafte  Veränderung  hat  man  lange  Zeit  nur 
die  erste  Erscheinung,  die  Ueberausdehnung  des  Lungen¬ 
gewebes,  angesehen,  indem  man  gleichzeitig  dazu  neigte,  die 
Veränderungen  am  Thorax  mehr  nur  als  sekundäre  Folge¬ 
erscheinungen  oder  zum  Teil  auch  als  zufällige  Begleiterschei¬ 
nungen  aufzufassen. 

Diese  heute  noch  landläufige  Auffassung  von  der  Patho¬ 
logie  des  Lungenemphysems  hat  W.  A.  Freund1)  schon  vor 
'etwa  50  Jahren  bekämpft.  Auf  Grund  eingehender  Unter¬ 
suchungen  über  das  anatomische  Verhalten  der  oberen  Brust¬ 
apertur  bei  verschiedenen  Lungenkrankheiten  kam  er  zu  der 
Ansicht,  dass  teils  angeborene,  teils  erworbene  Anomalien  der 
Rippenknorpel  sehr  häufig  die  Ursache  einer  abnormen  Archi¬ 
tektur  der  oberen  Brustkorböffnung  sind,  und  dass  diese  Ab¬ 
weichungen  wieder  bei  der  Entstehung  der  gewöhnlichsten 
Lungenkrankheiten,  der  Tuberkulose  und  des  Emphysems,  eine 
hervorragende  Rolle  spielen.  In  den  letzten  Jahren  hat 
Freund  seine  anatomischen  Untersuchungen  über  das  Ver¬ 
halten  der  oberen  Thoraxapertur  und  des  Brustkorbs  überhaupt 
wieder  aufgenommen;  er  konnte  seine  alten  Befunde  und 
Schlussfolgerungen  durchaus  bestätigen,  teilweise  erweitern 
und  besser  stützen  besonders  auch  durch  eingehende  Unter¬ 
suchungen  C.  Harts.  Die  Resultate  F  reunds  sind  zu¬ 
nächst  theoretisch  in  hohem  Masse  interessant,  versprechen 
jedoch  auch  praktisch  bedeutungsvoll  zu  werden.  In 
letzterer  Beziehung  eröffnen  sie  uns  die  Aussicht,  in  gemein¬ 
samer  Arbeit  des  internen  Klinikers  und  des  Chirurgen  die 
beiden  verbreitetsten  schweren  Lungenkrankheiten  mit  neuer 
Methode  und  vielleicht  mit  Erfolg  therapeutisch  in  Angriff  zu 
nehmen. 

Was  zunächst  die  Lungentuberkulose  betrifft  — 
bei  der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  und  bei  der  sogleich  zu 
erwähnenden  Bedeutung  unserer  eigenen  Beobachtung  auch  flii 
die  (Inangriffnahme  d  i  e  s  e'  r  Krankheit  sei  uns  die  Abschweifung 
gestattet  — ,  so  hält  Freund  eine  Verkürzung  des 
ersten  Rippenknorpels  und  die  dadurch  be¬ 
dingte  Stenose  der  oberen  Brustapertur  in 
vielen  Fällen  bei  der  Entwicklung  der  tuberku¬ 
lösen  Spitzenaffekt i.on  für  ätiologisch  be¬ 
deutungsvoll.  Die  Verkürzung  des  ersten  Rippenknorpels 


i)  Beiträge  zur  Histologie  der  Rippenknorpel  im  normalen  und 
pathologischen  Zustande.  Breslau  1858,  und:  Der  Zusammenhang  ge¬ 
wisser  Lungenkrankheiten  mit  primären  Rippenknorpelanomalien. 
Erlangen  1859.  Beides  nach  Freund:  Ueber  primäre  Thorax 
anomalien,  Berlin  1906. 

No.  38.  -  . 


führt  nach  F  r  e  u  n  d  zu  Schwerbeweglichkeit,  ja  selbst  zu  voll¬ 
kommener  Starre  des  ersten  Rippenringes.  Infolgedessen 
werden  die  Lungenspitzen,  welche  bei  vollendetem  Wachstum 
die  Schlüsselbeine  weit  überragen,  eingeengt.  Diese  Einengung 
kann,  worauf  neuerdings  besonders  Schmorl2)  hingewiesen 
hat,  bis  zu  einer  deutlichen  Furchenbildung  an  der  Lungenober¬ 
fläche  führen.  Aus  dieser  Einengüng  resultiert  aber  weiter  eine 
geringere  respiratorische  Ausdehnbarkeit  und  damit  eine  ver¬ 
schlechterte  Blut-  und  Luftzirkulation  in  den  Lungenspitzen. 
Dadurch  wird  nach  Freund  der  locus  minoris  resistentiae 
für  die  Entwicklung  der  tuberkulösen  Spitzenaffektion  ge¬ 
schaffen.  Im  Sinne  dieser  Annahme  verwertet  Freund 
weiter  den  Umstand,  dass  er  narbige  Ausheilung  von 
Spitzentuberkulosen  in  solchen  Fällen  konstatieren  konnte,  wo 
die  ursprünglich  vorhandene  Stenose  des  ersten  Rippenringes 
eine  Art  Kompensierung  erfahren  hatte,  so  durch  eine  besonders 
starke  Knickung  des  Angulus  Ludovici,  oder  durch  eine  be¬ 
sonders  günstige  Entwicklung  und  erhöhte  Beweglich¬ 
keit  des  zweiten  Rippenringes,  oder  schliesslich 
durch  eine  Pseudarthrosenbildung  in  dem  durch 
die  Skalenuswirkung  frakturierten  1.  Rippen¬ 
knorpel.  Wie  also  durch  die  Stenose  des  1.  Rippen¬ 
ringes  eine  Prädisposition  für  die  Entwicklung  einer  Spitzen¬ 
tuberkulose  gegeben  sein  soll,  so  soll  die  „kompen¬ 
satorisch“  erhöhte  Beweglichkeit  des  zweiten  Rippenringes 
oder  die  Pseudarthrosenbildung  an  der  ersten  Rippe  die  Aus¬ 
heilung  einer  Spitzeninfektion  begünstigen.  Auf  Grund  dieser 
Schlussfolgerung  fordert  F  reund  logischerweise  die  ein¬ 
seitige  oder  doppelseitige  Durchschneidung  des  ersten  Rippen¬ 
knorpels,  sobald  sich  bei  einer  auf  die  Lungenspitzen  be¬ 
schränkten  Tuberkulose  gleichzeitig  Stenose  und  Unbeweglich¬ 
keit  der  oberen  Brustapertur  findet.  Ausgeführt  worden  ist 
diese  von  Freund  geforderte  Operation  unseres  Wissens 
bisher  nicht.  Dass  sie  aber  technisch  möglich  und  durchaus 
nicht  eingreifend  ist,  soll  unten  gezeigt  werden.  Ob  und  wie 
sich  das  Prinzip  der  Mobilisierung  der  Lunge  mit  der  neuer¬ 
dings  von  verschiedenen  Seiten  (Murphy,  Brauer,  Ad. 
Schmidt)  versuchten  Ruhigstellung  und  Kompression  der 
erkrankten  Lunge  durch  Gaseinblasungen  und  Oelinjektionen 
in  den  Pleuraraum  vereinigen  lässt,  mag  dahingestellt  bleiben. 

Im  Gegensatz  zu  der  die  Prädisposition  für  die  Spitzen¬ 
tuberkulose  schaffenden  Verkürzung  des  ersten  Rippenknorpels 
handelt  es  sich  beim  Emphysem  um  Veränderungen,  welche 
in  der  Regel,  und  zwar  meist  erst  vom  erwachsenen  Indivi- 


iuum,  erworben  werden. 

Freund  konnte  in  vielen  Fällen  beim  alveolaren  Lm- 
ihysem  Veränderungen  der  Rippenknorpel  feststellen,  welche 
n  Zerfaserung,  Höhlenbildung,  Kalkeinlagerung  und  damit  em- 
lergehender  Volumenszunahme  bestehen.  Die  Rippenknorpe 
lehmen  dabei  auf  dem  Durchschnitt  eine  schmutzigge  e  ai  e 
m,  werden  dicker  und  deform,  spröde,  unelastisch,  rigide  und 
assen  sich  schwerer  als  in  der  Norm  schneiden.  ie  _  ei  - 
Änderungen  können  sich  verschieden  entwickeln.  Bei  der 
ersten  Form  tritt  die  Entartung  lokal,  zunächst  am  2.  und 
T  Rippenknorpel,  und  zwar oft  auch  «ur^einseittig  auL  il 


2)  Zur  Frage  der  beginnenden  Lungentuberkulose.  Münch,  med 
Wochenschr.  1Ö.  Dez.  1901. 


1858 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


ganzen  Thorax  oder  kann  auch  auf  einzelne  Partien  desselben 
beschränkt  bleiben.  Bei  der  zweiten  Form  werden  alle  Rippen¬ 
knorpel  fast  gleichzeitig  befallen.  Beide  Male  scheint  der 
erste  Rippenknorpel  zuletzt  zu  erkranken  (Freu  n  d,  S.  10). 
Die  zweite  Form  beobachtet  man  namentlich  im  späteren 
Lebensalter,  während  die  erste  Form  hauptsächlich  jugend¬ 
lichere  Individuen  betrifft. 

Die  Folgezustände  dieser  Erkrankung  der  Rippenknorpel 
sind  markant.  J»  nachdem  die  Knorpel  gleichzeitig  oder  nach¬ 
einander  und  in  verschiedener  Reihenfolge  erkranken,  drängen 
sie  durch  ihre  Volumenszunahme  Rippen  und  Brustbein  gleich- 
mässig  (allgemeine  starre  Dilatation  des  Tho- 
r  ax)  oder  in  verschiedenem  Masse  und  verschiedener  Richtung 
(partiell  fortschreitende  starre  Thoraxdila¬ 
tation)  nach  aussen.  Hat  die  dadurch  gegebene  Inspira¬ 
tionsstellung  von  Rippe  und  Sternum  die  mögliche  Grenze 
erlangt,  so  wird  der  sich  weiter  vergrössernde  Knorpel  einen 
dauernden  Spannungszustand  am  ganzen  Thoraxgebäude  her- 
vorrufen  und  sich  endlich  über  einen  kürzeren  Radius  stärker 
nach  aussen  beugen.  Dies  ist  nach  Fr  e  u  n  d  der  Entstehungs¬ 
modus  des  beim  Lungenemphysem  beobachteten  fassförmigen 
Thorax  und  der  häufig  dafei  festzustellenden  Verdickungen 
und  Verbiegungen  der  Rippenknorpel.  Erklärt  wird  dadurch 
auch  die  von  F  r  eund  an  der  Leiche  gemachte  Beobachtung, 
dass  nach  Durchschneidung  eines  solchen  Rippenknorpels  die 
freigewordene  Rippe  nach  unten  und  innen,  also  in  Exspira¬ 
tionsstellung,  zurückfedert. 

Als  weiteren  Folgezustand  der  Thoraxstarre  betrachtet 
Freund  die  Degeneration  des  Diaphragmas,  das  durch  die 
gedehnte  untere  Thoraxapertur  in  dauernder  Spannung  ge¬ 
halten  wii;d  und  zunächst  einfacher  Atrophie,  in  vorgeschrit¬ 
tenen  Fällen  aber  brauner,  fettiger  Degeneration  anheimfällt. 

Als  klinisch  wichtigste  Folge  resultiert  aus  der  Thorax¬ 
starre  in  Verbindung  mit  den  oben  geschilderten  Veränderungen 
aber  ein  alveoläres  Emphysem  —  nicht  jedes  Em¬ 
physem,  wie  Freund  ausdrücklich  hervorhebt. 

Man  kann  diese  Form  des  Emphysems  aus  der  geschil¬ 
derten  charakteristischen  Thoraxveränderung  und  aus  dem 
Mangel  einer  anderen  Entstehungsursache  (vergl  unten)  genau 
klinisch  differenzieren.  Der  Vorschlag  Freunds,  durch 
Exzision  von  Rippenknorpelstücken  den  Spannungszustand  der 
Thoraxwandungen  aufzuheben,  die  extreme  Inspirationsstel¬ 
lung  so  zu  beseitigen  und  damit  wieder  ausgiebige  Respirations¬ 
bewegungen  des  Thorax  zu  ermöglichen,  erscheint  demnach, 
wenn  man  die  Richtigkeit  der  ätiologischen  Deduktionen  zu¬ 
gibt,  durchaus  gerechtfertigt. 

Unseres  Wissens  ist  diese  Operation  bisher  zweimal  vor¬ 
genommen  worden.  Die  erzielten  Erfolge  waren,  obwohl 
unseres  Erachtens  beide  Fälle  durchaus  nicht  besonders  günstig 
lagen,  entschieden  gute.  Die  beiden  Fälle  seien  hier  kurz 
wiedergegeben. 

1.  Fall  Kraus  - Hildebrand,  referiert  von  W.  A.  Freund 3). 
46  jähriger  Mann.  1895  Pneumonie,  seitdem  zunehmende  Atemnot 
mit  Anfällen  von  Herzklopfen.  Bei  der  Aufnahme  in  die  Charitee 
am  6.  Februar  1906  starke  Beschwerden.  Fassförmiger  Thorax. 
Kurzer  Hals.  Unterer  Rippenbogen  kolossal  ausgedehnt.  Starke 
Beteiligung  der  Hilfsmuskulatur  bei  der  Atmung.  Trotzdem  Differenz 
des  Thoraxumfanges  in  Höhe  der  Mammillarlinie  bei  Ein-  und  Aus¬ 
atmung  nur  2  cm.  Lungen  ad  maximum  gedehnt;  .bronchitische  Ge¬ 
räusche.  Vitale  Lungenkapazität  800.  Herz  dilatiert.  Aktion  arrhyth- 
misch.  Arteriosklerose.  Albuminurie  und  Zylindrurie.  Fussödeme. 
Leber  und  Milz  herabgedrängt. 

8.  III.  06.  Operation  (Hildebrand).  Schl  eich  sehe 
Anästhesie.  Flachbogenförmiger  Schnitt  über  zweite  und  dritte  rechte 
Rippe.  Peiktoralis  wird  abpräpariert.  Aus  dem  2.  und  3.  rechten 
Rippenknorpel  wird  je  ein  etwa  lVz  cm  breites  Stück,  nach  unten  zu 
keilförmig  verjüngt,  ausgeschnitten.  Sofort  nach  Durchschneidung 
des  Knorpels  fallen  die  befreiten  Rippen  nach  ab-  und  einwärts  in 
Exspirationsstellung  und  bewegen  sich  bei  der  Atmung  in  normaler 
Weise.  Blutung  aus  den  gestauten  Venen  bei  Durchtrennung  der 
Weichteile  nicht  unbeträchtlich.  Am  9.  III.  behauptet  der  Operierte 
bedeutend  leichter  Atem  holen  zu  können.  Oedeme,  Aszites,  Herz¬ 
beschwerden  treten  zunächst  noch  stark  hervor.  Auf  ausdrücklichen 
Wunsch  des  Patienten  am  24.  IV.  Durchschneidung  der  2.,  3.  und 


3)  Zur  operativen  Behandlung  gewisser  Lungenkrankheiten,  ins- 
besomlers  des  »auf  -starrer  Thoraxdilatation  beruhenden  alveolären 
Emphysems.  Zeitschr.  f.  experiment.  Pahtologie  und  Therapie,  II.,  3., 

1906.  *  .  _ _ ;  _  ...... 


4.  Rippe  auf  der  linken  Seite.  Pektoralis  nicht  mehr  abpräpariert, 
sondern  über  den  Rippenknorpeln  gespalten.  Mechanischer  Effekt 
nicht  so  eklatant  wie  rechts,  wegen  der  festen  Unterlage  des  stark 
dilatietten  Herzens.  In  der  Folge  wesentliche  Besserung  des  Zu¬ 
standes.  Nach  dem  16.  V.  auf  der  inneren  Station  (Prof.  Kraus) 
Feststellung  einer  inspiratorischen  Erweiterungsfähigkeit  des  Thorax 
von  95  auf  100  cm,  einer  vitalen  Kapazität  von  1250,  die  sich  weiter¬ 
hin  auf  1400  hebt.  Der  Kranke  rühmt  die  freie  Atmung,  wird  aber 
durch  Herzklopfen,  Leberschmerzhaftigkeit,  Bauchauftreibung  (As¬ 
zites)  gequält.  Befund  am  Herzen  unverändert. 

2.  Fall.  Mohr-Bramann.4)  46 jähriger  Glasermeister,  der 
seinen  früheren  Beruf  als  Kassenbote  wegen  starker  Atembeschwer¬ 
den  seit  5  Jahren  nicht  mehr  ausüben  kann. 

11.  I.  07.  Starke  Dyspnoe.  Thorax  völlig  starr.  Atemexkur¬ 
sionen  ausserordentlich  gering.  Rippenknorpel  beiderseits  vom  2.  ab¬ 
wärts  bis  5.  verdickt  und  aufgetrieben,  besonders  der  rechte  2. 
und  3,  Rippenknorpel.  Tiefstand  der  unteren  Lungengrenzen  bei 
leidlicher  respiratorischer  Verschieblichkeit.  Bronchitis.  Herz  von 
Lunge  überlagert.  Abdomen  eingezogen.  Bauchmuskeln  kontrahiert. 

15.  IV.  07.  Exzision  eines  Wz  cm  langen  Stückes  aus  2.  und 

3.  Rippenknorpel  und  angrenzender  Rippe  (Haas  ler).  Atmung  da¬ 
nach  subjektiv  freier.  Anhaltende  Besserung  bis  Ende  Mai,  dann 
Wiederkehr  von  Husten  und  Atemnot.  Der  Kranke  wünscht  selbst 
die  Durchschneidung  der  anderen  Thoraxseite. 

29.  V.  07.  Exzision  von  2  cm  langen  Stücken  aus  2.  bis  5. 
linken  (in  der  Mohr  sehen  Arbeit  rechten,  wahrscheinlich  Druck¬ 
fehler)  Rippenknorpel  und  angrenzender  Rippe  (Braman n).  Rippen 
sinken  sofort  in  Exspirationsstellung  zurück,  Lungenrand  verschiebt 
sich  normal.  Sofortige  Erleichterung  der  Atmung.  Am  19.  VI.  07. 
beträgt  die  inspiratorische  Ausdehnung  des  Thorax  5  cm,  die  hintere 
untere  Lungengrenze  hat  sich  etwas  gehoben,  die  Bronchitis  ist  ver¬ 
ringert. 

Diesen  beiden  Fällen  können  wir  einen  dritten  eigenen 
Fall  hinzufügen. 

Der  Patient  G.  ist  der  50  jährige  Werkmeister  einer  Ofen¬ 
fabrik.  Bis  zum  19.  Jahre  litt  er  wiederholt  an  Rheumatismus,  mit 
42  Jahren  will  er  zweimal  Diphtherie  mit  Herzmuskelentzündung  ge¬ 
habt  haben,  die  aber  wieder  ausheilte.  Niemals  Neigung  zu  Katarrhen. 
Seit  5  Jahren  bekommt  G.  bei  seiner  durchaus  leichten  Arbeit  Atem¬ 
not.  In  der  Ruhe  ist  er  noch  heute  vollkommen  frei  von  subjektiver 
Dyspnoe,  dagegen  vermag  jetzt  schon  die  geringste  Anstrengung, 
ein  kurzes  Treppensteigen,  ja  selbst  ein  kurzer  Gang  von  5 — 10 
Minuten  Dauer  so  schwere  Atemnot  zu  erzeugen,  dass  Patient  sich 
alsbald  hinlegen  muss.  In  der  Ruhelage  schwindet  die  Atemnot  all¬ 
mählich,  nach  spätestens  einer  Viertelstunde  ist  sie  stets  vollkommen 
vorüber.  Die  Arbeitsfähigkeit  G.s  erscheint  durch  das  Leiden  nahezu 
völlig  aufgehoben,  obwohl  er  im  wesentlichen  nur  als  Aufseher  tätig 
ist.  Es  handelt  sich  darum,  den  Mann  zu  invalidisieren.  Der  be¬ 
handelnde  Arzt  wünscht  vorher  noch  den  Versuch  eines  Heilver¬ 
fahrens  in  Gestalt  einer  Luft-  und  Ruhekur  zu  machen.  G.  wird  des¬ 
halb  von  der  Landesversicherungsanstalt  zur  weiteren  Begutachtung 
in  das  Krankenhaus  (innere  Station)  geschickt. 

Der  Befund  war  folgender:  Kaum  mittelgrosser,  mittelkräftig  ge¬ 
bauter  Mann.  Körpergewicht  64,5  ikg.  Gesichtsfarbe  etwas  blass, 
nicht  zyanotisch.  Atmung  bei  Bettruhe  leicht  beschleunigt,  kaum 
eine  Spur  angestrengt,  nicht  vertieft.  Der  Thorax  ‘ist  ausge¬ 
sprochen  fassförmig  und  erscheint  absolut  starr.  Brust¬ 
umfang  in  der  Höhe  der  Brustwarzen  bei  tiefster  Exspiration  90  cm, 
bei  tiefster  Inspiration  92  cm.  Rippenknorpel  nach  aussen  konvex 
gebogen,  etwas  verbreitert,  starr,  nicht  elastisch.  Der  Hals  ist  sehr 
kurz.  Die  untere  Thoraxapertur  ist  stark  erweitert,  und  der  Thorax 
ist  vorn  dauernd  so  stark  gehoben,  dass  selbst  forcierte  Inspiration 
kaum  noch  eine  Spur  weiterer  Hebung  hervorzurufen  vermag. 
Die  Atmung  erfolgt  also  rein  a  b  d  o  m  i  p  a  1.,,  Bei  geringer  körper¬ 
licher  Anstrengung  (kurzem  Treppensteigen,  schnellerem  Gehen)  tritt 
sofort  Dyspnoe  auf.  Der  Gesichtsausdruck  wird  gespannt,  die 
Schleimhäute  werden  zyanotisch.  Die  forcierte  Atmung  zeigt  sich 
namentlich  in  einer  starken  exspiratorischen  Anspannung  der  Bauch- 
decken.  Der  LungehschalUisf 'hibefsonöt.  Lurtg'engrenzen  in  der 
rechten  Mammillarlinie  auf  der  7.  Rippe,  links  oberer  Rand  der 
7.  Rippe.  Hintere  untere  Grenzen  beiderseits  in  der  Höhe  des  12. 
Brustwirbels.  Respiratorische  Verschieblichkeit  vorn  knapp  1  cm. 
Herzdämpfung  überlagert.  Das  Atemgeräusch  ist  überall  rein  vesi¬ 
kulär  mit  stark  verlängertem  Exspirium.  Ab  und  zu  findet  sich  hier 
und  da  ein  vereinzelter  Rhonchus;  im  allgemeinen  keine  Bronchitis. 
Kein  Husten.  Kein  Auswurf.  Vitale  Lungenkapazität  2000  ccm.  Herz 
und  Herztätigkeit  normal.  Das  Abdomen  zeigt,  abgesehen  vom  Tief¬ 
stand  der  Leber,  keine  Besonderheiten.  Urinausscheidung  normal. 
Keine  Oedeme. 

Der  geschilderte  Befund  lässt  ohne  weiteres  erkennen, 
dass  der  Kranke  von  der  vorgeschlagenen  Luft-  und  Ruhekur 
keinen  Nutzen  zu  erwarten  hatte.  Es  bestand  weder  eine  Bron¬ 
chitis  oder  ein  Asthma  bronchiale,  die  durch  Luftwechsel  ge¬ 
hoben  werden  konnten,  noch  eine  Herzinsuffizienz,  die  sich 
durch  Ruhe  hätte  beseitigen  lassen.  Die  Bedingupgpn(  fänden 

4)  Berliner  klinische  Wochenschrift  1907,  No.  27. 


17.  September  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


1859 


pathologischen  Zustand  des  Patienten  waren  durch  eine  Luftkur 
offenkundig  nicht  zu  beeinflussen.  Dagegen  erschien  der  Fall 
zu  einem  Versuch  mit  der  von  Freund  vorgeschlagenen 
Operation  überaus  geeignet.  Sind  die  Deduktionen  Fr  eunds 
richtig,  so  mussten  die  Bedingungen  für  einen  vollen  Erfolg  der 
Operation  hier  sehr  günstige  sein:  Wir  vermissten  vor  allem 
im  Gegensatz  zu  den  Fällen  von  Kraus-Hildebrand  und 
von  Mohr-Bramann  jede  schwerere  Folgeerscheinung, 
deren  Ausgleich  durch  die  Mobilisierung  von  vornherein  nicht 
zu  erwarten  sein  konnte.  Aus  diesen  Erwägungen  heraus 

wurde  die  Operation  vorgenommen. 

7.  VI.  07.  Operation  (Seidel).  Chloroformnarkose.  Schnitt 
parallel  und  dicht  neben  dem  rechten  Sternalrand  von  der  Klavikula 
bis  zum  oberen  Rand  des  6.  Rippenknorpels.  Durchtrennung:  der  auf 
den  Knorpeln  I— III  liegenden  Pektoralisfasern.  Die  auf  Knorpel  IV 
und  V  liegenden  Rasern  werden  stumpf  auseinander  gezogen.  Der 
erste  Rippenknorpel  ist  absolut  verkalkt,  knochenhart.  Schrittweise 
Durchtrennung  mit  L  u  e  r  scher  Zange.  Lücke  etwa  1 14  cm  breit. 
Sofort  nach  Fortnahme  der  letzten  dünnen  Spange  macht  die  vorher 
unbewegliche  Rippe  die  Atembewegungen  in  ausgiebiger  Weise  mit. 
Rippenknorpel  II — V  werden  subperichondral  in  2  cm  Ausdehnung 
reseziert  und  zwar  mühelos  unter  Durchtrennung  mittels  Giglisäge. 
Die  durchtrennten  Rippen  federn  sofort  nach  innen  und  unten,  be¬ 
wegen  sich  in-  und  exspiratorisch  ausserordentlich  stark,  was  im 
Gegensatz  zu  den  nicht  durchtrennten  Rippen  besonders  auffällt.  In 
der  durch  Fortnahme  des  2.  Rippenknorpels  entstandenen  Lücke  sieht 
man  unter  der  freigelegten  Pleura  die  normal  gefärbte  Lunge  sich 
bei  der  Atmung  verschieben.  Naht  der  wenigen  durchtrennten 
Pektoralispartien.  Gazestreifen  in  den  2.  und  4.  breit  klaffenden 
Resektionsspalt.  Hautnaht. 

Die  resezierten  Knorpelstücke  lassen  sich  mit  dem  Messer 
schneiden,  aber  schwerer  als  gewöhnlich.  Ihr  Durchschnitt  ist  bräun¬ 
lich.  In  dem  4.  Rippenknorpel  bohnengrosse  Kalkplatte.  Mikro¬ 
skopisch  Zerfaserung  und  Auflockerung  der  Knorpelfasern,  Kalkein- 
lageruhg  an  sämtlichen  Stücken. 

Wundverlauf  reaktionslos.  Am  1.  Tage  handtellergrosses 
Hautemphysem  ;im  oberen  Wundgebiet.  Keine  Atemnot.  Nur  bei 
tiefer  Respiration  Schmerzen  in  der  operierten  Seite.  Vitale  Ka¬ 
pazität  am  4.  Tage  post  Operation  em  1200,  steigt  in 
der  Folge  bis  zu  2700  bei  der  Entlassung. 

Entlassungsbefund  am  13.  VII.  07 :  Rechte  rhoraxhälfte 
deutlich  flacher  als  die  linke.  An  Resektionsstelle  2  und  3  neben 
dem  Sternum  deutliche  Lücke  zu  fühlen.  Der  ganze  Thorax  weitet 
sich  inspiratorisch  bedeutend,  besonders  in  seinen  oberen  Partien. 
Inspiratorische  Ausdehnung  in  Brustwarzenhöhe  5  cm  (90—95).  Das 
Jugulum  steigt  bei  forcierter  Atmung  bis  an  den  Kehlkopf.  Die  linke, 
nicht  durchschnittene  Seite  geht  bei  der  Respiration  eben¬ 
falls  stärker  mit  als  vor  der  Operation,  aber  schwächer 
als  die  rechte  Seite.  Die  automatische  Atmung  hat  einen  auffallend 
stark  kostalen  Typus  angenommen.  Indessen  ist  auch  Zwerchfell¬ 
atmung  allein  oder  zusammen  mit  kostaler  Atmung  möglich.  Lungen¬ 
grenzen  vorn  beiderseits  in  der  Mammillarlinie  oberer  Rand  der  7. 
Rippe,  hinten  an  der  Wirbelsäule  11.  Brustwirbel.  Respiratorische 
Verschieblichkeit  1  Vz  cm.  Herz  noch  von  Lunge  überlagert.  Am 
Herzen  öfter  Extrasystolen,  sonst  nichts  Besonderes. 

Patient  hat  seit  der  Operation  nie  mehr  Atemnot  gehabt,  steigt 
3  Stockwerke  mühelos,  legt  300  Meter  im  Dauerlauf  zurück,  unter¬ 
hält  sich  danach  sofort  ohne  Zeichen  von  Atemnot,  kann  auch  ange¬ 
strengte  körperliche  Arbeit  (im  mediko-mechanischen  Institut,  Sand¬ 
schaufeln)  leisten.  Nimmt  seine  Berufstätigkeit  wieder  auf. 


Der  Erfolg  in  unserem  Falle  ist,- wie  die  Gegenüberstellung 
des  Aufnahme-  und  Entlassungsbefundes  zeigt,  einwandsfrei. 
Subjektiv  sind  die  Beschwerden  des  Patienten  so  weit  gehoben, 
dass  er  sich  wieder  arbeitsfähig  fühlt.  Objektiv  ist  festzu¬ 
stellen:  Abflachung  der  vorher  fassförmigen  Thoraxhälfte, 
grosse  respiratorische  Beweglichkeit  der  operierten  Seite,  Zu¬ 
nahme  der  Beweglichkeit  auch  auf  der  nichtoperierten  Seite, 
geringes  Höhertreten  des  Zwerchfelles,  Hebung  der  inspira¬ 
torischen  Ausdehnung  des  Thorax  von  2  auf  5  cm,  Vergrös- 
serung  der  vitalen  Kapazität  um  700  ccm  (von  2000  auf  2700). 

Es  ist  damit,  was  ja  auch  von  sozialer  Bedeutung  ist,  ge¬ 
lungen,  die  Invalidisierung  des  Patienten  unnötig  zu  machen. 
Ob  die  an  Heilung  grenzende  Besserung  eine  dauernde  sein 
wird,  muss  noch  abgewartet  werden;  sollte  es  nicht  der  Fall 
sein,  so  wird  die  entsprechende  Operation  auf  der  linken  Seite 
vorgenommen  werden. 

Unter  allen  Umständen  ist  unser  Fall  dazu  angetan,  die 
beiden  bisher  publizierten  günstigen  Erfahrungen  zu  bestätigen 
und  in  gewissen  Punkten  zu  ergänzen.  Da  die  chirurgische 
Technik  keine  schwierige  und  bei  einiger  Vorsicht  gefahrlose 
ist,  die  Indikationsstellung  zur  Operation  bei  genauer  Beob¬ 


achtung  und  Untersuchung  des  Patienten  keinen  erheblichen 
Schwierigkeiten  begegnen  dürfte,  so  erscheint  es  berechtigt, 
das  Verfahren  auch  weiteren  Kreisen  zu  empfehlen. 

Während  der  Kraus-Hildebrand  sehe  Fall  schon 
die  schwersten  Folgezustände  des  Emphysems  aufwies,  war  der 
Fall  von  Mohr-Bramann  zwar  ebenfalls  hochgradig  aus¬ 
gebildet,  zeigte  aber  noch  keine  wesentlichen  Komplikationen. 
(J  n  s  e  r  F  a  1 1  ist  ein  klinisch  und  anatomisch  vollkommen  aus- 
gebildetes  Emphysem,  aber  noch  nicht  von  sehr  langer  Dauer 
(5  Jahre)  und  ohne  jegliche  Komplikationen,  —  ein 
reiner  Fall  von  Lungenemphysem  bei  primärer  starrer  Dila¬ 
tation  des  Thorax.  Es  ist  demnach  nicht  unangebracht,  ihn  im 
Vergleich  zu  den  beiden  anderen  Fällen  als  Beispiel  für  eine 
Frühoperation  des  Emphysems  zu  bezeichnen,  wie  sie  von 
Freund  empfohlen  wurde. 

Hervorheben  möchten  wir  ausserdem,  dass  hier  zum  ersten 
Male  der  Beweis  geliefert  wurde,  dass  auch  die  erste  Rippe 
ohne  wesentliche  Schwierigkeiten  gefahrlos  durchtrennt  wer¬ 
den  kann.  Dies  erscheint  uns  wichtig  im  Hinblick  auf  den  von 
F  r  e  u  n  d  gemachten,  bisher  aber  noch  nicht  ausgeführten  Vor¬ 
schlag,  bei  tuberkulösem  Spitzenkatarrh  und  Enge  des  ersten 
Rippenringes  letzteren  zu  durchschneiden.  Es  ist  dazu  nicht 
nötig,  auf  Hildebrands  Vorschlag  zurückzukommen,  nach 
welchem  zur  besseren  Freilegung  der  ersten  Rippe  ein  Stück 
vom  unteren  Rande  der  Klavikula  fortgenommen  werden  soll. 
Man  kann,  wie  S  e  i  d  e  1  im  vorliegenden  Falle  zeigte,  ohne  jede 
Nebenverletzung  auskommen,  wenn  man  es  nicht  darauf  ab¬ 
sieht,  wie  gewöhnlich  bei  der  Rippenresektion  etwa  mit  der 
Rippenschere  vorzugehen,  sondern  wenn  man  vielmehr  mit  der 
Euer  sehen  Zange  Stück  für  Stück  von  der  Rippe  abträgt. 
Letztere  war  in  unserem  Falle  ausserordentlich  dick,  sodass 
die  entstehende  Lücke  in  ihr  sehr  tief  war.  Nimmt  man  in 
solchem  Falle  für  die  tieferen  Schichten  kleinere  Zangen,  wie 
sie  in  der  otiatrischen  Technik  üblich  sind,  so  hat  man  auch 
hier  ein  bequemes  Operieren.  Es  ist  auf  diese  Weise  sogar 
möglich,  sich  bis  ziemlich  weit  unter  die  Klavikula  durchzu¬ 
arbeiten.  Interessant  war  die  Beobachtung,  dass  sich  keine 
Bewegung  der  ersten  Rippe  zeigte,  solange  auch  nur  noch  eine 
schmale,  etwa  2  mm  dicke  Spange  an  ihrer  pleuralen  Seite 
stand,  dass  aber  sofort  die  ausgiebigsten  respiratorischen  Be¬ 
wegungen  eirisetzten,  sowie  diese  letzte  Spange  durch¬ 
trennt  war. 

Ganz  kurz  sei  noch  auf  die  bei  der  Resektion  der  übrigen 
Rippenknorpel  beobachtete  Technik  hingewiesen.  Da  wir  es 
in  den  Fällen  von  Lungenemphysem  in  der  Regel  durchaus 
nicht  mit  einer  verdickten  Pleura  costalis  zu  tun  haben,,  so  ist 
eine  gewisse  Vorsicht  bei  der  Operation  angebracht,  um  nicht 
unnötig  einen  Pneumothorax  zu  erzeugen.  Hat  man  letzteren 
aber  doch  nicht  vermeiden  können,  so  schadet  er,  wenn  die 
Pleuraöffnung  nur  klein  ist  und  man  schnell  eine  Kompresse 
fest  und  möglichst  luftdicht  aufdrückt,  bei  leidlich  kräftigen 
Individuen  allerdings  kaum.  Bei  versehentlich  gesetzten 
grösseren  Oeffnungen  käme  die  Ausschaltung  des  Pneumo¬ 
thorax  mit  Unterdrück-  oder  Ueberdruckapparat  in  Frage,  wie 
denn  auch  in  unserem  Falle  der  Ueberdruckapparat  zum  Ge¬ 
brauch  bereit  stand.  Bei  normalem  Operationsverlauf  muss 
sich  aber  jede  Komplikation  durch  den  Pneumothorax  ver¬ 
meiden  lassen.  Man  braucht  nur  vorsichtig  das  Perichondrium 
mit  dem  Raspatorium  abzuschieben,  was  auch  auf  der  Rück¬ 
seite  ohne  allzu  grosse  Schwierigkeiten  gelingt.  Im  Interesse 
der  subtileren  Technik  empfiehlt  es  sich  dann,  nicht  mit  den 
gewöhnlichen  schweren  Rippenscheren  oder  gar  einem  Messe: 
die  Knorpel  zu  durchtrennen,  wie  man  es  etw^a  an  de i  Leiche 
gewöhnt  ist.  Nebenverletzungen  sind  dann  wohl  nie  auszu- 
schliessen.  Man  geht  vielmehr  am  besten  mit  stumpfer,  halb¬ 
kreisförmig  gebogener  Führungsnadel,  an  welcher  eine  Gigli¬ 
säge  befestigt  ist,  um  den  Rippenknorpel  herum  und  durchsägt 
denselben  nun  von  hinten  nach  vorn;  üble  Zufälle  sind  dabei 
ganz  ausgeschlossen.  Es  ist  übrigens  zunächst  nicht  nötig,  den 
Rippenknorpel  an  der  Hinterfläche  in  der  ganzen  für  die  Re¬ 
sektion  gewünschten  Ausdehnung  vom  Perichondrium  zu  ent- 
blössen.  Man  braucht  nur  an  der  Rückseite  so  viel  Platz, 
um  die  Giglisäge  bequem  durchführen  zu  können.  Ist  die  Rippe 
dann  lineär  durchtrennt,  so  kann  man  die  beiden  ungleichen 
Stücke  mit  einem  in  jede  Schnittfläche  eingesetzten  Haken  aus- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1860 


einanderziehen  und  nun  bequem  an  der  Rückfläche  der  Rippen¬ 
knorpel  arbeiten. 

Wir  haben  die  Technik  etwas  ausführlicher  geschildert, 
weil  die  Schwierigkeiten  der  Operation  selbst  von  chirurgischer 
Seite  häufig  überschätzt  werden. 

In  dem  Mohr-Bramann  sehen  Falle  wurden  Stücke 
vom  Knorpel  und  dem  angrenzenden  knöchernen  I  eil  der  Rippe 
reseziert;  besser  beschränkt  man  sich  wohl,  wie  im  K  rau  s- 
Hildebrand  sehen  und  in  unsere  m  Falle  geschehen  ist, 
auf  Resektion  des  Knorpels  allein.  Nach  F  reund  setzt  sich 
der  Muscul.  triangul.  sterni,  der  namentlich  beim  Emphysem 
infolge  seiner  Hypertrophie  eine  kräftige  exspiratorische  Wir¬ 
kung  entfalten  kann,  mit  seinem  oberen  Ende  gerade  an  der 
Knorpelknochengrenze  an.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die 
Schonung  dieser  Ansatzpunkte  sehr  erwünscht  ist. 

Die  Gestalt  der  resezierten  Knorpelstücke  war  im  Falle 
Kraus -  Hildebrand  „keilförmig“,  besser  gesagt  wohl  ab¬ 
gestumpft  pyramidenförmig,  wie  nebenstehend  ^ _ J .  In 

unserem  Falle  hatten  die  Stücke  ebenfalls  die  Form  einer  ab¬ 
gestumpften  Pyramide,  aber  mit  breiteren  Grundflächen: 

\  7 

Die  Resektion  ist  stets  subperichondral  ausgeführt, 
nur  die  vordere  Partie  des  Perichondriums  ist  teilweise  ent¬ 
fernt  worden.  Man  brhucht  aus  Furcht  vor  Regeneration  des 
Knorpels  bei  stehen  gebliebenem  Perichondrium  auf  totale  Mit¬ 
nahme  des  letzteren  keinen  allzu  grossen  Wert  zu  legen,  wie 
auch  aus  den  jüngsten  Mitteilungen  von  Fritz  König5)  und 
B  1  a  u  e  1 6)  für  die  Kardiolyse  hervorgeht. 

Als  Operarionsschnitt  empfiehlt  sich  am  besten  ein  Para¬ 
sternalschnitt  in  nicht  zu  geringer  Ausdehnung.  Man  kann 
sich  dann  mühelos  durch  Verziehen  der  Haut  breiten  Zugang 
für  Gesicht  und  Hand  zu  allen  notwendigen  Punkten  ver¬ 
schaffen.  Nur  für  die  event.  Durchschneidung  des  ersten 
Rippenknorpels  allein,  wie  sie  bei  Spitzentuberkulose  in  Frage 
kommt,  würde  sich  ein  Schrägschnitt,  bei  doppelseitiger  Durch¬ 
schneidung  ein  Bogenschnitt  quer  über  das  Manubrium  sterni 
empfehlen. 

Ablösung  oder  Durchtrennung  von  Muskeln,  wie  sie  von 
Hildebrand  einseitig  und  auch  in  unserem  Falle  bei  den 
drei  ersten  Rippen  ausgeführt  wurde,  ist  unnötig.  Stumpfe 
Durchtrennung  und  Auseinanderzichen  der  Pektoralisfasern 
über  jeder  Rippe  gibt  genügend  Raum  für  das  operative  Vor¬ 
gehen. 

Stärkere  Blutung  bei  der  Operation  kann  im  wesentlichen 
nur  aus  durchrissenen  Rami  perforantes  der  Mammaria  interna 
erfolgen.  Dieselbe  steht  wohl  meist  auf  Tamponade.  Bei 
etwaiger  Unterbindung  muss  auf  die  Pleura  Rücksicht  ge¬ 
nommen  werden. 

Die  Rekonvaleszenz  verlief  in  unserem  Falle  ganz  un¬ 
gestört.  Ein  handtellergrosses  Hautemphysem,  das  durch 
Luftaspiration  von  der  Resektionsstelle  der  zweiten  Rippe  aus 
entstanden  war,  resorbierte  sich  in  kürzester  Frist.  Hervor¬ 
heben  möchten  wir  die  Tatsache,  dass  die  vitale  Kapazität 
unmittelbar  nach  der  Operation  bedeutend 
verringert  (von  2000  auf  1200  ccm)  war  und  erst  all¬ 
mählich  wieder  an  stieg.  Das  erscheint  natürlich, 
wenn  wir  bedenken,  dass  wir  es  in  jedem  solchen  Falle  gleich¬ 
sam  mit  komplizierten  Rippenfrakturen  zu  tun  haben,  bei  denen 
wir  immer  eine  Schonung  der  erkrankten  Seite  und  dement¬ 
sprechend  Abnahme  der  Vitalkapazität  bemerken  können.  Mit 
fortschreitender  Rekonvaleszenz  nahm  auch  die  Vitalkapazität 
wieder  zu  und  stieg  zum  Schluss,  wie  wir  bereits  gesehen 
haben,  bis  2700  ccm. 

Dass  bei  schwächlichen  Patienten  Lungen-  und  Herztätig¬ 
keit  rechtzeitig  durch  unsere  bekannten  Mittel  unterstützt 
werden  muss,  braucht  wohl  nur  erwähnt  zu  werden. 


Bevor  wir  nun  dazu  übergehen,  die  Indikations- 
Stellung  zur  Operation  zu  erörtern,  wird  es  gut  sein,  noch 


r>)  Zentralblatt  für  Chirurgie  1907,  No.  27. 
u)  Zentralblatt  für  Chirurgie  1907,  No.  33. 


kurz  einige  theoretische  Fragen  und  Schlussfolgerungen  zu 
streifen. 

Was  die  Pathologie  des  alveolären  Em¬ 
physems  anlangt,  so  wurde  schon  eingangs  erwähnt,  dass 
bisher  die  Freund  sehen  Ansichten  von  der  Bedeutung  der 
starren  Thoraxdilatation  keine  durchgreifende  Anerkennung  ge¬ 
funden  hätten.  Um  nur  die  massgebendsten  Autoren  zu  zitieren, 
so  meint  F.  A.Hoffmann  7),  die  einseitige  Thoraxtheorie  des 
Emphysem  sei  ebenso  falsch,  wie  die  einseitige  Lungentheorie. 
Die  Lungen  drängen  zwar  nicht  den  Brustkorb  auseinander  und 
bilden  so  das  Emphysem,  aber  sie  widerstehen  dem  exspira- 
torischen  Zusammenfallen  des  Thorax,  bezw.  der  exspiratori- 
schen  Erschlaffung  des  Zwerchfells,  und  das  genüge  schon,  um 
das  Zwerchfell  zu  hindern,  in  seine  natürliche  Erschlaffungs- 
Stellung  zurückzukehren. 

Auch  K  r  e  h  1 8)  hält  zwar  die  starre  Thoraxdilatation  nicht 
für  gleichgültig,  schätzt  aber  ihre  Bedeutung  gering  ein,  da  er 
sie  durch  verstärkte  Aktion  des  Zwerchfelles  und  der  Thorax¬ 
inspiration  für  ausgleichbar  hält.  Wie  Freund  ausführlich 
und  überzeugend  auseinandersetzt,  wird  die  Möglichkeit  ge¬ 
rade  dieser  von  K  r  e  h  1  angenommenen  Kompensation  bei 
höheren  Graden  von  starrer  Thoraxdilatation  sehr  bald  illu¬ 
sorisch. 

In  ganz  eklatanter  Weise  illustriert  aber  der  Erfolg  unserer 
Operation  die  essentielle  Bedeutung  der  starren  Thoraxdila¬ 
tation  für  das  klinische  Krankheitsbild  „Emphysem“.  Vor 
der  Operation  bei  starr  dilatiertem  Thorax:  hochgradige 
Beschränkung  der  kostalen  Atmung,  infolgedessen  völlige  In¬ 
suffizienz  der  Zw  erchfellatmung  bei  der  geringsten  Steigerung 
der  Anforderungen  durch  körperliche  Bewegung  usw.,  starke 
Herabsetzung  der  vitalen  Kapazität.  Nach  der  Opera¬ 
tion  bei  mobilem  Thorax:  Die  automatische  Atmung  findet 
fast  ausschliesslich  kostal  statt;  das  vorher  übermässig  ge¬ 
spannte  und  angestrengte  Zwerchfell  wird  geschont,  kann  aber 
willkürlich  in  Anspruch  genommen  werden.  Die  Atmung  wird 
selbst  bei  beträchtlichen  körperlichen  Anstrengungen  nicht 
mehr  insuffizient.  Die  vitale  Kapazität  ist  bis  zum  Ende  des 
Krankenhausaufenthaltes  um  700  ccm  gestiegen.  Theoretisch 
interessant  ist  ferner  das  auch  von  Mohr  beobachtete  Herauf¬ 
steigen  der  unteren  Lungengrenzen  und  ihre,  wenn  auch  mässig 
erhöhte  Verschieblichkeit  nach  der  Operation.  Wird  dieser  Be¬ 
fund  durch  weitere  Beobachtungen  bestätigt,  so  bildet  er  eine 
ganzbesondersgewichtigeStützederFreund- 
schen  Emphysemtheorie. 

Selbstverständlich  stimmen  wir  mit  Freund  überein, 
dass  nicht  jedes  Emphysem  seine  Ursache  in  einer 
primären  starren  Thoraxdilatation  hat.  Ueberall,  wo  die  Ex¬ 
spiration  im  Verhältnis  zur  Inspiration  eine  Er¬ 
schwerung  erfährt,  sind  Verhältnisse  gegeben,  welche 
zur  intraalveolären  Drucksteigerung  und  damit  zu  einer  pas¬ 
siven  Lungendehnung  führen  können,  ohne  dass  der  Thorax 
starr  dilatiert  ist.  Wie  man  leicht  einsieht,  wird  für  alle  diese 
Fälle  auch  die  Verminderung  der  Widerstands¬ 
fähigkeit  des  Lungengewebes,  auf  welche  manche 
Autoren  bei  allen  Emphysemarten  ohne  Unterschied  grosses 
Gewicht  legen,  eine  wichtige  Rolle  spielen  können,  während 
wir  sie  für  die  allmähliche  Atrophie  der  elastischen  Elemente 
der  Lunge  bei  starrer  Thoraxdilatation  zum  mindesten  nicht 
in  Anspruch  zu  nehmen  brauchen.  Ob  aber  ausser  diesen 
beiden  Möglichkeiten,  der  starren  Thoraxdilatation  und  der 
intraalveolären  Drucksteigerung  bei  relativ  behinderter  Ex¬ 
spiration,  noch  weitere  Möglichkeiten  primär  für  die  Entstehung 
des  Emphysems  überhaupt  in  Betracht  kommen,  scheint  in 
hohem  Masse  zweifelhaft.  Allenfalls  wird  man  zugeben 
können,  dass  die  normale  oder  prämature  Invo¬ 
lution  der  elastischen  Elemente  des  Lungenparenchyms  zu 
einer  Art  Emphysem  führt;  vielleicht  sind  hierher  manche 
Fälle  von  Altersemphysem  zu  rechnen.  Dagegen  erscheint  es 
uns  ganz  unverständlich  und  unnötig,  wenn  man  der  for- 
zierten  Inspiration  noch  immer  die  Rolle  eines  ätio¬ 
logischen  Faktors  bei  der  Entstehung  des  Emphysems  zu¬ 
schreiben  will.  Zunächst  kennen  wir,  im  Gegensatz  zu  den 


7)  Nothnagels  Handbuch  XIV,  Seite  37. 

8)  Pathologische  Physiologie,  3.  Auflage,  1904,  Seite  244. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1861 


Verhältnissen  bei  der  Exspiration,  feinen  pathologisch 
verstärkten  Inspirationsdruck  auf  die  Alveolenwandungen 
überhaupt  nicht.  Die  tiefste,  durch  die  Leistungsfähigkeit 
der  Inspirationsmuskeln  übrigens  physiologisch  begrenzte 
aktive  Inspiration  vermag  den  Druck  in  den 
Alveolen  nicht  über  den  auch  sonst  herr¬ 
schenden  atmosphärischen  Druck  zu  stei¬ 
gern,  und  eine  passive  Verstärkung  der  In¬ 
spiration  (Insufflation  von  Luft  unter  höherem  als  dem 
atmosphärischen  Druck)  kommt  für  die  spontane,  nicht  trau¬ 
matische  Krankheitsentstehung  praktisch  nicht  in  Betracht. 
Man  könnte  wohl  auf  die  Idee  kommen,  das  Emphysem 
bei  primärer  starrer  Dilatation  des  Thorax  als  ein 
„inspiratorisches“  bezeichnen  zu  wollen,  weil  hier  die  Ver¬ 
änderungen  in  der  Lunge,  die  Abnahme  der  elastischen  Eigen¬ 
schaften  und  der  partielle  Schwund  der  Alveolarsepten,  als  eine 
Folge  der  dauernden  Inspirationsstellung  des  Thorax  gedacht 
werden  müssen.  Wenn  aber  somit  dieses  Emphysem  auch 
inspiratorisch  bedingt  wird,  so  würde  seine  Bezeichnung  als 
inspiratorisches  Emphysem  doch  ein  falsches  Bild  von  dem 
wirklichen  Vorgänge  geben,  denn  die  Schädigung  des 
Lungenparenchyms  geschieht  auch  hier 
keinesfalls  durch  eine  inspiratorischeüeber- 
dehnung,  sondern  offenkundig  nur  durch  das 
Ausbleiben  der  normalerweise  den  Span¬ 
nungszustand  des  Lungengewebes  rhyth¬ 
misch  unterbrechenden  Exspiration.  Man 
könnte  hier  also  eher  an  eine  Art  Inaktivitätsatrophie  der 
elastischen  Elemente  des  Lungengewebes  denken,  als  dass  man 
den  bekannten  Vergleich  von  dem  überdehnten  Gummiband 
heranziehen  dürfte. 

Auch  das  vikariierende  Emphysem  darf,  wie 
schon-  Hoffmann9)  andeutet,  nicht  als  Beweis  für 
die  Existenz  eines  inspiratorisch  entstan¬ 
denen  Emphysems  herangezogen  werden,  weil 
sich  seine  Entstehung  stets  durch  andere  Faktoren  erklären 
lässt.  Entweder  sind  die  zuführenden  Luftwege  durch  die  Er¬ 
krankung  der  benachbarten  Lungenpartien  derart  verändert, 
dass  die  Exspiration  behindert  ist,  oder  das  vom  Emphysem 
betroffene  Lungengewebe  ist  selbst  krankhaft  verändert. 

Bei  dem  Mangel  an  ausgedehnterer  praktischer  Erfahrung 
über  die  Wirkung  der  Rippenknorpelresektionen  beim  Emphy¬ 
sem  müssen  für  die  Indikationsstellung  für  die  Opera  - 
tion  unsere  theoretischen  Anschauungen  von  der  Aetiologie  und 
Pathologie  der  Krankheit  natürlich  von  grösster  Bedeutung 
sein.  Nach  unseren  Ausführungen  kommen  von  vornherein  nur 
solche  Fälle  von  Emphysem  für  die  F  r  e  u  n  d  sehe  Operation 
nicht  in  Betracht,  bei  denen  entweder  überhaupt  keine 
Thoraxdilatation  besteht  (meist  handelt  es  sich  dann  wohl  um 
einfachen  Altersschwund  der  Lunge,  bei  dem  das  typische  kli¬ 
nische  Bild  des  Emphysems  überhaupt  nicht  voll  entwickelt  ist), 
oder  wo  als  Ursache  der  mit  Thoraxdilatation  einhergehenden 
Erkrankung  Exspirationshindernisse  (Bronchialasthma,  chro¬ 
nische  Bronchitis,  Herzleiden  mit  Insuffizienz  des  linken  Ven¬ 
trikels)  nachgewiesen  werden  können.  Gewiss  sind  diese  Fälle 
zahlreich,  ob  sie  aber  die  Mehrzahl  bilden,  erscheint  doch  sehr 
zweifelhaft. 

In  allen  anderen  Fällen  halten  wir  die  vorhandene  Thorax¬ 
dilatation  mit  denkbar  grösster  Wahrscheinlichkeit  für  die  Ur¬ 
sache  des  Emphysems  und  damit  an  sich  einen  Angriffs¬ 
punkt  für  die  operative  Therapie  für  gegeben. 

Indessen  führen  uns  eine  Reihe  von  Erwägungen  zu  dem 
Rate,  einstweilen  noch  nicht  jeden  dieser  Fälle  an  den  Chirurgen 
zu  empfehlen.  Der  Hauptgrund  dafür  liegt  darin,  das  der 
theoretisch  zu  erwartende  Nutzen  nur  dann 
ein  vollkommener  sein  kann,  wenn  die  durch 
den  Bestand  der  starren  Thoraxdilatation 
bedingten  sekundären  Veränderungen  als 
solche  noch  eines  Ausgleiches  fähig  sind.  Ist 
der  Gesamtquerschnitt  der  Lungenkapillaren  durch  das  Schwin¬ 
den  der  letzteren  so  weit  verringert,  dass  dem  rechten  Herzen 
eine  auf  die  Dauer  nicht  mehr  zu  leistende  Arbeit  zugemutet 
wird,  so  kann  dafür  durch  die  Mobilisierung  des  Thorax  kein 
Ausgleich  geschaffen  werden.  Schon  aus  diesem  Grunde 


würden  wir  einstweilen  abraten,  Fälle  mit  schwerer  Herz¬ 
insuffizienz  noch  zu  operieren:  Die  Methode  könnte  dadurch 
leicht  in  Misskredit  geraten. 

Wie  unsere  eigene  Beobachtung  gezeigt  hat,  folgt  der 
Operation  unmittelbar  eine  Periode  mit  Herabsetzung  der  vi¬ 
talen  Kapazität  der  Lunge.  Hierin  liegt  eine  weitere  Warnung 
vor  Operationen  bei  Emphysematikern  mit  ausgesprochener 
Herzinsuffizienz. 

Will  man  aber  doch  noch  vorgeschrittenere  Fälle  ope¬ 
rieren,  so  wäre  zum  mindesten  zu  raten,  die  Operation  zu¬ 
nächst  nicht  zu  eingreifend  zu  gestalten,  sondern  höchstens  die 
Resektion  eines  oder  zweier  Rippenknorpel  auf  einmal  vor¬ 
zunehmen  und  dieses  Vorgehen  dann  in  verschiedenen 
Sitzungen  zu  wiederholen.  Spätere  Erfahrung  muss  lehren, 
in  welchem  Verhältnisse  die  Operationsgefahr  zu  dem  allen¬ 
falls  auch  hier  noch  zu  erwartenden  Nutzen  steht. 

Schon  der  Umstand,  dass  bei  allzu  langem  Abwarten  Kom¬ 
plikationen  zu  erwarten  sind,  die  nach  dem  Gesagten  von  der 
Operation  abraten  und  die  zum  mindesten  den  Operationserfolg 
beeinträchtigen,  muss  uns  dazu  führen,  die  Freund  sehe 
Forderung  einer  frühzeitigen  Operation  zu  unterstützen. 
Wann  ist  aber  der  Zeitpunkt  der  Wahl?  In 
unserem  eigenen  Falle  haben  wir  den  Zeitpunkt  zur  Operation 
für  gegeben  erachtet,  als  der  Patient  in  der  Ruhe  noch  aus¬ 
reichend  atmete,  während  jede  körperliche  Leistung  zu  At- 
rnungsinsuffizienz  führte.  Wir  glauben,  dass  dieser  Zeitpunkt 
der  späteste  sein  sollte,  an  dem  die  Operation  vom  Arzt  vor¬ 
geschlagen  werden  soll.  Wir  halten  den  Vorschlag  der  Opera¬ 
tion  also  bereits  dann  für  gerechtfertigt,  wenn  nicht  schon  die 
kleinsten,  sondern  wenn  erst  mittlere  körperliche  Anstreng¬ 
ungen  (Treppensteigen,  leichte  Arbeit)  Dyspnoe  hervorrufen, 
die  durch  nicht  anderes  als  das  Emphysem  bedingt  sein  kann. 
Wir  geben  zu,  dass  sich  die  Patienten  vorläufig  noch  nicht  leicht 
in  diesem  Stadium  zur  Operation  entschliessen  werden.  Der 
Nutzen,  welchen  die  Operation  bringen  kann,  muss  aber  in 
solchen  Fällen  ein  nahezu  absoluter  sein,  während  er  natur- 
gemäss  in  späteren  Stadien  der  Krankheit  ein  relativer  bleiben 
wird. 

Zum  Schlüsse  seien  die  Ergebnisse  der  Arbeit  nochmals 
kurz  zusammengefasst: 

1.  DieFreundsche  Operation  bei  Emphysem 
mit  starrer  Thoraxdilatation  ist  von  unver¬ 
kennbarem  Nutzen. 

2.  Die  Operation  kann  einseitig  ausgeführt 
bereits  bedeutenden  Erfolg  haben. 

3.  Die  Operation  ist  technisch  nicht  be¬ 
sonders  schwierig  und  für  den  Patienten 
nicht  allzu  eingreifend. 

4.  Es  dürfte  sich  empfehlen,  den  miter¬ 
krankten  Knorpel  auch  der  ersten  Rippe  zu 
resezieren. 

5.  Zeitpunkt  der  Wahl  ist  das  Auftreten  von 

Dyspnoe  bei  mittleren,  spätestens  das  Auf¬ 
treten  von  Dypsnoe  bei  ganz  leichten  An¬ 
strengungen. 

6.  Ein  Nutzen  ist  auch  dann  nicht  ausge¬ 
schlossen,  wenn  bereits  sekundäre  He  r  z  i  n  - 
suffizienz  besteht.  Einstweilen  ist  jedoch 
von  der  Operation  so  vorgeschrittener  Fälle 
abzuraten. 

7.  Was  die  Aetiologie  und  Pathologie  des 
alveolären  Emphysems  anlangt,  so  ergeben 
sich  aus  dem  Erfolg  der  Freundschen  Ope¬ 
ration  wesentliche  Stützen  auch  für  die 
Freundsche  Theorie  von  der  Bedeutung  der 
starren  Dilatation  des  Thorax. 

8.  Die  Ausführung  der  Resektion  auch  des 
ersten  Rippenknorpels  durch  Seidel  liefert 
den  Beweis,  dass  die  von  Freund  für  die  Spit¬ 
zentuberkulose  geforderte  Operation  (Mobi¬ 
lisierung  und  Erweiterung  der  starren  Ste¬ 
nose  der  oberen  Thoraxaper  tu  r)  e  b  e  n  t  a  1 1  s 
keine  erheblichen  Schwierigkeiten  erwaiten 
lässt. 


9)  1.  c.  Seite  116. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1862 


Diabetes  und  Katalyse.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  H.  Schade  in  Kiel. 

Als  ich  1905  in  dieser  Zeitschrift  (No.  23  u.  36)  meine  Ver¬ 
suche  über  die  katalytische  Beeinflussbarkeit  der  Zuckerver¬ 
brennung  mitteilte,  war  das  Ziel,  dem  diese  Versuche  zu¬ 
strebten,  noch  verschwommen  und  wenig  scharf  zu  präzisieren; 
es  fehlte  eben  noch,  wie  auch  v.  Noorden1)  mit  Recht  her¬ 
vorgehoben  hat,  „die  Brücke  zwischen  jenen  physikalischen 
Erscheinungen  und  den  biochemischen  Prozessen“.  Weitere 
Untersuchungen,  welche  ich  in  den  Zwischenjahren  zum  Teil 
im  physikochemischen  Institut  der  Universität  Leipzig  an¬ 
gestellt  habe,  scheinen  mir  nun  geeignet,  diesen  Zusammen¬ 
hang  herzustellen:  sie  geben,  wie  ich  glaube,  von  einer  neuen 
Seite  eine  Beleuchtung  der  Probleme  des  intermediären  Kohle¬ 
hydratstoffwechsels  und  eröffnen  speziell  für  eine  therapeuti¬ 
sche  Beeinflussung  des  Diabetes  Perspektiven,  deren  weitere 
Verfolgung  ein  allgemeineres  Interesse  beanspruchen  darf. 

Da  die  Eigenart  des  Stoffes  wegen  des  zum  Teil  aus¬ 
gesprochen  chemischen,  resp.  physikalisch-chemischen  Cha¬ 
rakters  in  der  hier  wünschenwerten  Kürze  eine  experimentell 
belegte  Wiedergabe  nicht  möglich  macht,  so  ist  es  mir  rätlich 
erschienen,  das  eigentliche  Beweismaterial  in  einer  Mono¬ 
graphie  (Schade:  Die  Bedeutung  der  Katalyse  für  die 
Medizin,  1907,  Kiel,  Verlag  W.  Q.  Müh  lau  [Kapitel  III, 
pag.  86 — 134])  niederzulegen  und  hier  in  erster  Linie  die  Re¬ 
sultate  in  ihrer  Bewertung  für  die  Probleme  des  Diabetes  zu 
besprechen. 

Bekanntlich  hat  die  erst  in  den  letzten  Jahren  wissenschaft¬ 
lich  ausgebaute  Lehre  von  der  Katalyse  die  Geschwindigkeit 
des  Ablaufes  chemischer  Reaktionen  zum  Gegenstand.  Sie 
umfasst  insbesondere  die  gesetzmässige  Regelung  der  Einflüsse, 
welche  auf  den  zeitlichen  Verlauf  der  chemischen  Prozesse 
modifizierend,  sei  es  nun  beschleunigend  oder  hemmend,  ein¬ 
wirken.  Durch  das  grosse  Material  physikochemischer  Einzel¬ 
messungen  hat  sich  die  wichtige  Tatsache  ergeben,  dass  die 
Geschwindigkeit  sehr  vieler  (wenn  nicht  gar  aller)  Reaktionen 
in  hohem  Grade  von  Umständen  abhängig  ist,  die  anscheinend 
ohne  direkte  Beziehung  zu  der  beobachteten  Reaktion  stehen. 
Vor  allem  zeitigten  sie  das  überraschende  Ergebnis,  dass  unter 
Umständen  schon  minimale  Zusätze  scheinbar  indifferenter 
Stoffe  zur  Hervorbringung  intensiver  Abänderungen  in  der 
Grösse  der  Reaktionsgeschwindigkeit  befähigt  sind.  Bedeutet 
diese  Aenderung  eine  Beschleunigung  der  Reaktion,  so  heisst 
man  die  Zusatzstoffe  positive  Katalysatoren;  im  anderen  Falle 
nennt  man  sie  negativ.  Nach  der  bekannten  0  s  t  w  a  1  d  sehen 
Definition  sind  unter  diesen  „Katalysatoren“  nur  solche  Stoffe 
zu  verstehen,  welche  durch  ihre  blosse  Anwesenheit,  d.  h.  ohne 
in  den  Endprodukten  der  Reaktion  zu  erscheinen  und  daher 
ohne  während  der  Reaktion  aufgebraucht  zu  werden,  die  Ge¬ 
schwindigkeit  des  Reaktionsablaufes  ändern. 

Dass  diese  Art  der  katalytischen  Reaktionsbeeinflussung, 
deren  Zustandekommen  im  Einzelfall  wenn  überhaupt  vor¬ 
liegend  nicht  an  irgend  welche  besondere  Voraussetzungen  ge¬ 
knüpft  ist,  auch  für  die  chemischen  Vorgänge  innerhalb  des 
Organismus  Gültigkeit  besitzt  und  dass  ihr  bei  diesen  eine 
grosse  Wichtigkeit  zukommen  kann,  habe  ich  in  früheren  Ar¬ 
beiten  •)  an  der  katalytischen  Wirkung  der  therapeutisch  be¬ 
nutzten  Schwermetalle,  des  Eisens,  Silbers  und  Quecksilbers 
und  deren  Verbindungen  nachgewiesen  und  letzthin  in  meiner 
Habilitationsschrift* 3)  zusammenfassend  dargelegt. 

Wenn  es  aber  möglich  ist,  Reaktionen,  welche  sich  im 
Körperinnern  abspielen,  durch  künstliche  medikamentöse  Zu- 


*)  Nach  einem  Doppel  vortrag  im  Physiologischen  Verein  zu 
Kiel  am  17.  Juni  1907,  dessen  Themata  lauteten:  1.  Ueber  die  Re¬ 
produzierbarkeit  der  Gärungen  durch  anorganische  Katalysotoren 
und  2.  Diabetes  und  Katalyse. 

‘)  Zitiert  nach  v.  N  o  o  r  d  e  n,  Handb.  d.  Pathol.  d.  Stoffwechsels 
1907,  Bd.  II,  pag.  63. 

-)  Vergl.  namentlich  Zeitschr.  f.  exper.  Pathologie  und  Therapie, 
Bd.  1,  Heft  3  (Ueber  Metall-  und  Jodionenkatalyse). 

3)  Medizinisch-katalytische  Studien.  Habilitionsschrift  1907.  (Im 
Handel  als  unveränderter  Abdruck  in  der  Monographie:  Schade: 
Die  Bedeutung  der  Katalyse  für  die  Medizin,  1907,  Kiel,  Verlag  W.  Q. 
M  ii  h  1  a  u.) 


fuhr  von  Katalysatoren  in  ihrem  Ablauf  zu  beschleunigen,  so 
muss  diese  Forschungsrichtung  für  die  Frage  der  diabetischen 
Stoffwechselstörung  ein  ganz  besonderes  Interesse  ^  bean¬ 
spruchen.  Denn  beim  Diabetes  handelt  es  sich  um  Erkran¬ 
kungen,  deren  wesentlichstes  gemeinsames  Symptom  in  dem 
Ausbleiben  einer  bestimmten  Gruppe  vonZersetzungsreaktionen 
besteht:  für  eine  grosse  Zahl  der  hierher  gehörigen  Krankheits¬ 
fälle  ist  dem  Organismus  die  Fähigkeit  verloren  gegangen,  den 
Zucker,  speziell  die  Dextrose,  in  dem  normalen  Umfange  ab¬ 
zubauen. 

In  Fortsetzung  meiner  früheren  Untersuchungen  habe  ich 
mir  daher  zur  Aufgabe  gestellt,  die  Frage  zu  prüfen,  ob  und  in 
wie  weit  künstlich  zugeführte  Katalysatoren 
in  Betracht  ko  rn  m  e  n  können,  um  die  beim  Dia¬ 
betes  pathologisch  ausfallenden  Reaktionen 
wieder  in  Gang  zu  setzen. 

Die  ersten  experimentellen  Untersuchungen  hatten  sich 
naturgemäss  mit  der  Beantwortung  der  Frage  zu  be¬ 
schäftigen,  ob  es  überhaupt  möglich  ist,  die 
Zersetzungsreaktionen  des  Zuckers  kata¬ 
lytisch  zu  beschleunigen. 

Diese  Frage  konnte  bereits  in  meiner  schon  oben  er¬ 
wähnten  Arbeit  „über  die  katalytische  Beeinflussung  der 
Zuckerverbrennung“  (s.  d.  Wochenschr.  1905  No.  23  u.  36) 
auf  Grund  einer  nicht  geringen  Zahl  von  Versuchen  in  bejahen¬ 
dem  Sinne  beantwortet  werden.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Ge¬ 
schwindigkeit  der  Oxydationsvorgänge  bei  der  Saccharose  und 
ebenso  der  Dextrose  (in  gleicher  Weise  auch  Fruktose!)  durch 
eine  Reihe  von  Substanzen,  wie  z.  B.  durch  die  Anwesenheit 
von  Alkalien  (Kalilauge,  Natronlauge,  Soda,  Natr.  bicarbonic. 
usw.),  von  Kupfer-,  Eisen-  und  manchen  anderen  Salzen,  von 
einigen  Metallen  wie  Kupfer  etc.  etc.  eine  beträchtliche  Stei¬ 
gerung  erfuhr.  Die  Beschleunigung  der  Oxydationsreaktionen 
bezog  sich  einmal  auf  Versuche  in  der  Trockne  (cf.  nament¬ 
lich  meine  „Flammenbrennbarkeitsprobe“  des  Zuckers!);  sie 
zeigte  sich  aber  in  gleich  ausgedehnter  Weise,  wenn  der  Zucker 
in  wässerigen  Lösungen  unter  der  katalytischen  Beeinflussung 
der  genannten  Substanzen  der  Einwirkung  des  Luftsauerstoffes 
überlassen  wurde.  Derartige  Beobachtungen,  die  ich  in  syste¬ 
matischer  Weise  anzustellen  mich  bemüht  habe,  sind  jedoch 
nur  für  die  Trockne  von  mir  als  erstem  erhoben  worden.  Für 
Lösungen  finden  sich  in  der  chemischen  Literatur,  wie  ich  nach¬ 
träglich  habe  feststellen  können,  von  den  verschiedensten 
Autoren  gelegentlich  ähnliche  Befunde  über  beschleunigte 
Oxydierung  registriert.  So  möchte  ich  z.  B.  an  Bourquelot4) 
erinnern,  der  Indigo  als  katalytischen  Sauerstoffüberträger  für 
Traubenzuckerlösungen  erkannte,  oder  an  Job’),  der  das 
gleiche  für  die  Cersalze  feststellte.  In  einer  ausführlichen  Ab¬ 
handlung  sind  jüngst  auch  Bendix  und  Bickel1')  für  die 
Einwirkung  der  Alkalien  auf  den  Zucker  zu  dem  Resultat  ge¬ 
langt,  dass  es  sich  hierbei  nur  um  eine  katalytische  Wirkung 
nach  der  Art  einer  Sauerstoffübertragung  handeln  könne. 

An  die  hiermit  gegebene  Bejahung  der  ersten  Frage  schloss 
sich  die  weitere  Fragestellung:  Ist  es  möglich,  mit 
Hilfe  von  Katalysatoren  Zersetzungen  des 
Zuckers  von  der  Art  der  physiologisch  vor 
sich  gehenden  Zuckerabbaureaktionen  zu  er¬ 
halten,  resp.  solche  zu  beschleunigen? 

Es  ist  leicht  verständlich,  dass  an  eine  direkte  Beant¬ 
wortung  dieser  Frage  bei  dem  heutigen  Stande  unseres  Wissens 
nicht  gedacht  werden  konnte;  denn  die  wesentlichste  Voraus¬ 
setzung  derselben,  die  Kenntnis  der  physiologischen  Wege  des 
Zuckerabbaues,  fehlt  noch  so  gut  wie  vollständig.  Was  von 
dem  ganzen  Abbau  der  Dextrose  im  menschlichen  Körper  als 
feststehend  bekannt  ist,  betrifft  eigentlich  nur  die  letzte  Stufe 
jenes  sicherlich  kompliziert  verlaufenden  Prozesses.  Wir 
kennen  als  die  Endprodukte  Kohlensäure  und  Wasser  und 
wissen,  dass  diese  Produkte  durch  Oxydation  entstehen. 
Unklar  bleibt  es  aber  vorläufig  noch,  über  welche  Zwischen¬ 
stufen  der  Weg  von  der  Dextrose  zu  diesen  letzten  Endstadien 
der  Verbrennung  führt.  Durch  die  erfolgreichen  Unter- 


4)  Bull,  de  la  societe  chimique  III,  17,  669. 

3)  Compt.  rend.  134,  1349. 

“)  Zeitschr.  f.  iklin.  Medizin.  48,  Heft  1  und  2. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1863 


suchüngen  der  letzten  Jahre,  so  namentlich  durch  die  Arbeiten 
Cohnheims,  S  t  o  k  1  a  s  a  s  u.  a.  ist  jedoch  diese  Lücke 
insofern  in  etwas  ausgefüllt,  als  wir  annehmen  dürfen,  d^ss  es 
sich  hier  um  fermentativ-bedingte  Prozesse  handelt,  für  die 
eine  mehr  oder  weniger  grosse  Verwandtschaft  mit  den  Gä¬ 
rungsvorgängen  wahrscheinlich  ist.  Ich  habe  daher,  um  vor¬ 
erst  wenigstens  in  einem  gewissen  allgemeinen  Sinne  eine 
Beantwortung  meiner  obigen  Frage  anstreben  zu  können,  mir 
als  Ziel  gesetzt,  die  Möglichkeit  zu  prüfen,  mit  Hilfe  von  Kata¬ 
lysatoren  gärungsähnliche  Zuckerzersetzungen  zu  erhalten. 
Auch  hier  möchte  ich  unter  Hinweis  auf  meine  bereits  ver¬ 
öffentlichten  Experimentalarbeiten7),  die  zum  grössten  Teil  im 
physikochemischen  Institut  der  Universität  Leipzig  ausge¬ 
arbeitet  worden  sind,  unter  Verzicht  auf  Einzelheiten  nur  die 
Resultate  selber  anführen,  insoweit  als  sie  mit  der  hier  be¬ 
handelten  Frage  in  direktem  Zusammenhang  stehen. 

Diese  meine  Versuche  nehmen  ihren  Ausgang  von  der 
„Milchsäu  regärung“  des  Zuckers.  Es  ist  bekannt, 
dass  dieser  Prozess,  der  sowohl  durch  lebende  Gärungs¬ 
erreger  (Bact.  acidi.  lactici  etc.),  als  auch  durch  ein  Ferment, 
die  „Milchsäurebakterienzymase“  (Büchner)  ausgelöst 
wird,  sich  durch  eine  einfache  Spaltung  des  Zuckermoleküls 
vollzieht,  nach  der  Gleichung: 

CoHisOe  =  2  C3H0O3 
Dextrose  =  2  Milchsäure. 

Aber  auch  auf  rein  chemischem  Wege  ist  die  Milchsäure¬ 
bildung  aus  der  Dextrose  und  den  andern  Hexosen  zu  er¬ 
halten.  Schon  F.  Hoppe-Seyler  und  Kiliani  sowie 
andere  haben  die  Beobachtung  festgelegt,  dass  die  Dextrose 
unter  der  Einwirkung  des  Alkalis  Milchsäure  entstehen  lässt. 
D  u  c  1  a  u  x  und  Schützenberger  ist  es  sodann  unab¬ 
hängig  von  einander  gelungen,  diese  Milchsäurebildung  durch 
Auswahl  geeigneter  Reaktionsbedingungen,  namentlich  durch 
Verwendung  konz.  Alkalis  bis  zu  solcher  Höhe  zu  steigein, 
dass  die  gebildete  Menge  bis  zu  60  Proz.  vom  zersetzten 
Zucker  betrug.  Bewiesen  schon  die  ersten  Beobachtungen  die 
rein  chemische  Entstehungsmöglichkeit  der  Milchsäure,  so 
lieferte  die  Tatsache,  dass  mehr  als  das  halbe  Gewicht  des 
Zuckers  sich  in  Milchsäure  umzusetzen  vermochte,  dazu  den 
weiteren  Nachweis,  das  auch  hier  —  durch  die  Einwirkung  des 
Alkalis  bedingt  —  ein  Spaltungsprozess  des  Zuckers  vorlag, 
bei  dem  jede  der  entstehenden  Hälften  als  Milchsäure  aufticten 
konnte.  Es  darf  daher  als  feststehend  betrachtet  werden,  dass 
auch  rein  chemisch  unter  der  katalytischen  Einv  irkung  des 
Alkalis  aus  der  Dextrose  sich  durch  Spaltung  Milchsäure  zu 
bilden  vermag,  dass  mithin  diese  Gärungsart  des  Zuckers  eine 
rein  chemische  Parallele  besitzt. 

Es  ist  ferner  bekannt,  dass  die  Milchsäure  unter  dem  Ein¬ 
fluss  eines  Zusatzes  von  verdünnter  Schwefelsäure  beim  Er¬ 
wärmen  einen  weiteren  Spaltungsprozess  erleidet:  es  entsteht 
aus  ihr  Azetaldehyd  und  Ameisensäure  nach  der  Gleichung 
CHsCHO/HCOOH  =  CHsCHO  +  HCOOH.  Auch  diese  Re¬ 
aktion  ist  fraglos  nach  der  Ostwald  sehen  Definition  eine 
katalytische;  denn  die  Schwefelsäure  beschleunigt  den  Zer¬ 
setzungsprozess  der  Milchsäure,  sie  geht  dabei  aber  nicht  in 
die  Endprodukte  der  Zersetzung  ein,  sondern  verbleibt  unver¬ 
braucht  und  unverändert  im  Rückstand.  Von  diesen  beiden 
Produkten,  dem  Azetaldehyd  und  der  Ameisensäure  aus  aber 
ist  es  mir  gelungen,  durch  weitere  katalytische  Beeinflussung 
die  Brücke  zum  Alkohol  und  zur  Kohlensäure  zu  schlagen  und 
damit  aus  dem  Zucker  katalytisch  die  gleichen  Endprodukte 
entstehen  zu  lassen,  die  für  die  alkoholische  Gärung 
charakteristisch  sind.  Denn  wie  ich8)  zeigen  konnte,  bewirkt 
Rhodium  9)  als  Katalysator  in  dem  Gemenge  der  erstgenannten 
Stoffe  eine  Spaltung  der  Ameisensäure  in  Kohlensäure  und 


Wasserstoff,  wobei  der  letztere  in  statu  nascendi  sofort  die 
Reduktion  des  Aldehyds  zu  Alkohol  besorgt.  Die  Gleichung 
ist  die  folgende: 

CHsCHO  +  H[COO]H  =  CHsCIfeOH  +  CO2. 

Wir  sehen  somit,  wie  unter  fortgesetzter,  ausgewählter 
katalytischer  Beeinflussung  der  Zucker  (Dextrose)  sich  rein 
chemisch  bis  zu  Alkohol  und  Kohlensäure  abbaut  über  die 
Stufen : 

Dextrose 

v  (Alkali  als  Katalysator) 

Milchsäure 

(Schwefelsäure  als  Katalysator) 

Acetaldehyd  +  Ameisensäuere 
(Rhodium  als  Katalysator) 

Alkohol  -f-  Kohlensäure. 

Das  Ergebnis  dieser  Versuche  beweist,  dass  sowohl  die 
Milchsäuregärung  als  auch  die  alkoholische  Gärung,  deren 
Zustandekommen  wir  bisher  an  die  Wirkung  der  in  den  Zellen 
enthaltenen  Gärungsenzyme  gebunden  hielten,  auch  rein  che¬ 
misch  unter  der  Einwirkung  von  Katalysatoren  —  jedenfalls 
was  das  Entstehen  der  jeweiligen  Gärungsendprodukte  an¬ 
langt  —  reproduzierbar  sind.  Es  ist  somit  der  Nach- 
weis  geliefert,  dass  es  m  ö  glich  ist,  durch  ein- 
facheanorganischeKatalysatoren  den  Zucker 
in  die  gleichen  Produkte  aufzuspalten,  wie 
sie  uns  von  den  Gärungsvorgängen  her  be¬ 
kannt  sind  und  wie  wir  sie  in  verwandter  Art 
auch  für  den  menschlichen  Körper  vermuten 
dürfen. 

Allerdings  wäre  es  verfehlt,  ans  der  Uebereinstimmung 
der  Endprodukte  bei  der  enzymatischen  Gärung  und  der  kata¬ 
lytischen  Spaltung  den  Schluss  herleiten  zu  wollen,  dass  den 
gleichen  Endstufen  auch  ein  gleicher  Entstehungsweg  zu 
Grunde  liegen  müsste.  Aber  eine  grössere  Zahl  von  Einzel¬ 
momenten,  speziell  die  Art  der  bei  den  Gärungen  entstehenden 
Nebenprodukte,  die  Umwandelbarkeit  der  alkoholischen  Gärung 
in  eine  solche  mit  Ameisensäurebildung,  die  eigenartige  Ver¬ 
knüpfung  der  Zymasewirkung  mit  einer  Rednktionswirkung 
und  andres  mehr  drängen,  wie  hier  nur  kurz  bemerkt  sein 
möge,10)  zu  der  Anschauung,  dass  auch  in  den  Wegen  eine  Ver¬ 
wandtschaft  vorliegt.  Denn  das  dem  katalytischen  Abbau  ent¬ 
lehnte,  nur  leicht  modifizierte  Schema,  welches  beistehend 
wiedergegeben  ist,  vermag  in  einer  weitgehenden  Weise  den 

Dextrose 


1 


Milchsäure 
Azetaldehyd  -f-  Ameisensäure 


Wasserstoff 


7)  Zeitschr.  f.  physik.  Chemie,  Bd.  57,  pag.  1—46,  vergl.  „Be¬ 

richtigung  und  Nachtrag“  ebendort  (September  1907).  Es  sei  be¬ 
merkt,  dass  ich  demnächst  nochmals  zusammenfassend  in  der  Bio¬ 
chemischen  Zeitschr.  (Bd.  1907)  auf  diese  Fragen  einzugehen  be¬ 
absichtige.  ,  ...  ,  , 

8)  Zeitschr.  f.  physik.  Chemie,  Bd.  57,  pag.  1—46,  vergl.  auch 

Anmerkung  7. 

«)  Rhodium  wurde  deswegen  gewählt,  weil  von  ihm  bereits  eine 
katalytische  spaltende  Wirkung  aut"  die  Ameisensäure  beobachte 
worden  war  (D  e  b  r  a  y  und  Deville,  F.  Hoppe-Seylei). 


4-  Sauerstoff 

Je'  t 

Essigsäure  Alkohol  — j-  Kohlensäure 

biologischen  Gärungserscheinungen  gerecht  zu  werden;  vor 
allem  scheint  es  geeignet,  die  Beziehungen  der  einzelnen 
Gärungen  zu  einander  unserem  Verständnis  näher  zu  bringen, 
so  namentlich  auch  die  „Essigsäuregärung  und  die  „Ameisen¬ 
säuregärung“,  deren  Verwandtschaft  mit  der  alkoholischen 
Gärung  durch  biologische  Beobachtungen  nahegelegt  wird, 
dem  Kreis  der  gemeinschaftlichen  Betrachtung  einzufügen. 

Um  nach  diesen  Vorarbeiten  den  Versuch  zu  machen,  die 
katalytischen  Parallelbefunde  zur  biologischen  Gärung  für  die 
Physiologie  des  Kohlehydratumsatzes  im  menschlichen  Korpei 
zu  verwerten,  möchte  ich  zunächst  in  kurzer  Zusammenstellung 
einen  Ueberblick  der  wesentlichen  Teilvorgänge  geben, 
welche  uns  vom  intermediären  Kohlehydratstotr Wechsel  bisliei 
bekannt  geworden  sind.  Sie  lassen  sich  unter  folgende 
Gruppen  zusammenfassen: 


10)  Näheres  siehe  Zeitschr.  f.  physikal.  Chemie,  o7,  Pa^-  n;  ‘ 
Vergl.  dabei  diese  Arbeit,  Anmerkung  7;  cf.  auch  S  ch  a  d  . 
Bedeutung' der  Katalyse  ff.,  pag.  86—10/. 


1864 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1.  Vorbereitende  Vorgänge  im  Intestinal  traktus: 

Hydrolytische  Spaltung  der  Stärke  durch  diastatische  Fermente 
über  Dextrine  bis  zur  Maltose. 

Hydrolytische  Spaltung  der  Maltose  durch  ein  Ferment  (Malto- 
dextrase)  in  2  Traubenzuckermoleküle. 

Hydrolytische  Spaltung  der  Saccharose  durch  ein  Ferment  (In¬ 
vertin)  in  Dextrose  und  Fruktose. 

Hydrolytische  Spaltung  der  Laktose  durch  ein  Ferment  (Lakto- 
dextrase)  in  Dextrose  und  Galaktose. 

„Das  wichtigste  Ergebnis  des  gesamten  Abbaues  der  Kohle¬ 
hydrate  im  Verdauungsikanal  ist,  dass  durch  hydrolytische  Spaltung 
unter  dem  Einfluss  der  Fermente  das  eine  Ziel  angestrebt  wird,  die 
einfachsten  Bausteine,  vor  allem  Hexosen,  herzustellen  und  so  dem 
Organismus  ein  einheitliches  Baumaterial  zum  Aufbau  seiner  Körper¬ 
substanz  zu  bieten.  Mit  dem  Aufbau  wird  das  dem  tierischen  Orga¬ 
nismus  fremde  Molekül  zerstört,  in  ein  einheitliches  „indifferentes“ 
Material  verwandelt,  aus  dem  der  tierische  Organismus  seine  eigenen 
Kohlehydrate  aufibauen  kann“  (Abderhalden 11). 

II.  Umbildung  in  Reservestoffe: 

A.  Bildung  des  Glykogens  „durch  die  Tätigkeit  der  Leber¬ 
zellen  12)“  etc.  aus  Dextrose,  vielleicht  auch  in  gleicher  Weise  aus 
Fruktose  13). 

Hydrolytische  Spaltung  des  Glykogens  durch  ein  Ferment 14)  in 
Traubenzuckermoleküle,  vielleicht  ähnlich  wie  bei  der  diastatischen 
Spaltung  der  Stärke  über  Dextrine  und  Maltose15). 

B.  Bildung  von  Fett,  vielleicht  über  die  Zwischenstufe  von  Fett¬ 
säuren16). 

III.  Umwandlung  unter  Beibehaltung  der  Hexosen- 

struktur: 

Umwandlung  der  Fruktose  in  Dextrose17). 

Umwandlung  der  1-Mannose  in  1-Dextrose 18). 

Auch  für  die  Galaktose  ist  eine  ähnliche  Umlagerungsfähigkeit 
mit  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen19). 

IV.  Abbau  und  Verbrennung  der  Hexosen: 

„Wir  kennen  zwar  die  Endprodukte:  Kohlensäure  und  Wasser, 
und  wissen,  dass  eine  Oxydation  stattfindet;  unklar  bleibt  jedoch  vor¬ 
läufig,  über  welche  Produkte  diese  führt“  (Abderhalden 20). 

Ich  habe  mich  bemüht,  aus  der  Literatur  dasjenige  zu¬ 
sammenzustellen,  was  über  rein  chemische  Parallelvorgänge 
beobachtet  werden  konnte.  Für  einzelne  dieser  Fermentpro¬ 
zesse,  speziell  für  die  hydrolytischen  Zuckerspaltungen,  ist  der 
Eintritt  der  gleichen  Reaktion  unter  der  Einwirkung  von 
Säuren  allbekannt.  Dass  hierbei  die  Säuren,  resp.  deren 
H-Ionen  als  Katalysatoren  wirken,  kann  keinem  Zweifel  unter¬ 
liegen  und  ist  zum  grossen  Teil  auch  durch  Messungen  physiko¬ 
chemischer  Art  (O  s  t  w  a  1  d  u.  a.)  zahlenmässig  belegt  worden. 
Da  aber  die  Katalyse  bisher  noch  nicht  in  die  medizinischen 
Arbeitsmethoden  Eingang  gefunden  hat,  so  erklärt  es  sich,  dass 
diesen  Parallelen  nicht  die  gebührende  Beachtung  zu  Teil  ge¬ 
worden  ist.  Die  folgenden  Zusammenstellungen,  welche  das 
verstreut  und  unbeachtet  gelegene  Material  wertvoller  Einzel¬ 
beobachtungen  in  sich  vereinigen,  scheinen  mir  nun  in  geradezu 
überraschender  Weise  den  ganz  auffälligen  Parallelismus  dar¬ 
zutun  zwischen  dem,  was  Fermente  an  Umsetzungen  „hervor¬ 
zubringen“  vermögen  und  demjenigen,  was  die  spontane,  nur 
durch  einfache  Katalysatoren  beschleunigte  Zersetzung  der 
Stoffe  zutage  treten  lässt. 

Die  erste  Gruppe  der  genannten  Reaktionen  betraf  die  zu¬ 
meist  im  Darmkanal  sich  abspielenden,  vorbereitenden  Fer¬ 
mentprozesse.  Es  sind  die  hydrolytischen  Spaltungen  der  zu¬ 
sammengesetzten  Zuckerarten  und  der  Stärke.  Sie  sind  sämt¬ 
lich  —  wenigstens  in  ähnlicher  Form  —  auch  als  rein  anorga¬ 
nisch  reproduzierbare  Katalysen  bekannt: 


11 )  Abderhalden:  Physiol.  Chemie  1906,  pag.  66. 

'"’)  Abderhalden:  l.c.  pag.  70.  Der  gleiche  Prozess  ist  auch 
anderen  Zellen,  z.  B.  den  Muskelzellen,  Leukozyten  etc.  möglich. 

13)  cf.  N  a  u  n  y  n  in  Nothnagels  Spez.  Pathol.  u.  Therapie  1900, 
VII,  I,  pag.  428;  cf.  auch  Abderhalden,  1.  c.  pag.  71,  72. 

“)  cf.  Pflügers  Archiv  7,  28  (v.  Witt  ich)  etc. 

15)  Aus  Glykogen  spaltet  Diastase  Maltose  ab  (Zeitschr.  f.  phy¬ 
siol.  Chemie,  2,  413;  4,  93,  Musculus  und  v.  M  e  r  i  n  g),  vielleicht 
auch  Dextrin  (cf.  Abderhalden,  1.  c.  p.  78). 

16 )  cf.  Abderhalden:  1.  c.  pag.  335. 

17)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  19,  137  (John  Haycraft)  etc. 
)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  37,  530  (N  e  u  b  e  r  g  u.  Mayer). 
)  cf.  Nothnagels  Spez.  Pathol.  u.  Therapie  1900,  VII,  I.  pag.  89. 
)  Abderhalden:  1.  c.  pag.  78. 


Substanz 

Art  der  hydrolyti¬ 
schen  Spaltung 

Ferment 

Katalysator 

Auto.on*) 

Kirchhoff 

Stärke 

über  Dextrine 
in  Zucker 

Diastase 

H-Ionen 

Musculus  u. 
v.  Mering 

Lintner 

Maltose 

in  Dextrose 

Maltodex- 

trase 

H-Ionen 

Melssl 

Sigmond 

Saccharose 

in  Dextrose  und 
Fruktose 

Invertin 

H-Ionen, 
Platin  etc. 

Ostwald 

Arrhenius 

Hoffmann 

Laktose 

in  Dextrose  und 
Galaktose 

Laktodex- 

trase 

H-Ionen 

(  Pasteur 
Tollens  u. 
Kent. 

Betreffs  der  zweiten  Gruppe  der  Kohlehydratreaktionen, 
durch  die  eine  Umbildung  in  Reservestoffe  des  Körpers  be¬ 
werkstelligt  wird,  ist  chemisch  zwar  weniger  bekannt;  immer¬ 
hin  aber  fehlt  es  auch  hier  nicht  an  Fingerzeigen,  dass  diese 
Vorgänge  sich  auf  Wegen  vollziehen,  wie  sie  ähnlich  rein 
chemische  Parallelprozesse  unter  dem  Einfluss  von  Katalysa¬ 
toren  benutzen: 


Reaktion 

Ferment 

Katalysator 

Autoren*) 

Synthese  der  Hexosen  zu 

? 

? 

• 

Glykogen 

Hydrolytische  Spaltung 

Diastase- 

H-Ionen 

cf.  Abderhal- 

desGlykogens  in  Dextrose 

ähnliches 

Ferment 

den 

Umbildung  von  Dextrose 

„durch  Zell- 

Platin 

Loew 

in  Fett,  resp.  Fettsäuren 

thätigkeit“ 

(lässt  Fettsäure  aus 
Dextrose  enstehen) 

Für  die  dritte  der  obigen  Gruppen,  für  jene  eigenartigen 
Umwandlungen  der  Hexosen,  von  denen  die  Umbildung  der 
Fruktose  und  der  Mannose  in  die  Dextrose  am  besten  unter¬ 
sucht  sind,  haben  die  Arbeiten  von  Lobry  de  Bruyn  und 
Alberda  van  Ek enstein  in  hohem  Masse  aufklärend  gewirkt. 
Denn  aus  ihnen  hat  sich  ergeben,  dass  auch  rein  chemisch,  und 
zwar  unter  der  katalytischen  Einwirkung  der  Hydroxylionen, 
artähnliche  Umwandlungen  statthaben.  Wir  wissen,  dass  sich 
unter  dem  Einfluss  von  Alkalien  und  alkalischen  Salzen  zwi¬ 
schen  der  Dextrose,  der  Fruktose  und  der  Mannose  ein  gleich¬ 
gewichtsähnlicher  Zustand  einstellt,  dass  mithin  jede  der  ge¬ 
nannten  Zuckerarten  in  alkalischer  Lösung  bis  zu  bestimmten 
Bruchteilen  ihrer  Menge  —  die  Umwandlungsfähigkeit  ist 
wechselseitig  nach  dem  Schema  Dextrose  Fruktose 
Manose  —  in  die  beiden  anderen  der  genannten  Zuckerarten 
übergeht.  Es  tritt  somit  auch  hier  wiederum  deutlich  hervor, dass 
die  Bahnen,  in  denen  sich  die  fermentartigen  Stoffwechsel¬ 
reaktionen  des  Organismus  vollziehen,  im  wesentlichen  ähnlich 
sind  wie  diejenigen,  auf  denen  die  chemischen  Umsetzungen 
unter  der  Einwirkung  von  Katalysatoren  erfolgen: 


Reaktion  im  Körper 

Katalysator 

Reaktion  bei 
Katalyse 

Autoren*) 

Fruktose  Dextrose 

1-Mannose  1-Dextrose 

j  OH-Ionen 

[Fruktose  y^tDex- 
trose  f^Mannose 

[  Lobry  de  Bruyn 
u.  Alberda  van 
[  Ekenstein 

Sprechender  noch  als  diese  Tabellen  zeigt  sich  die  weit¬ 
gehende  Uebereinstimmung  der  Wege  bei  der  Fermentwirkung 
und  der  Katalyse  in  dem  folgenden  Schema,  welches  die  ex¬ 
perimentell  nachgewiesenen  katalytischen  Umsetzungen  sum¬ 
marisch  vereinigt: 


*)  Es  sind  hier  nur  die  Autorennamen  verzeichnet;  ausführliche 
Literaturangaben  siehe  S'chade:  Die  Bedeutung  der  Katalyse  für 
die  Medizin,  Kiel  1907  (Verlag  W.  G.  Miihlau),  pag.  110—111. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1865 


A  m  y  1  u  m 


Saccharose 


Ma 


tose 


Laktose 


1 — i 


Yt  f 


+ 


Fruktose  Dextrose  Mannose  Galaktose 


Ä 

1 

1 

Y 

Glykogen  > 

f  Fettsäuren 

Ah 

bau. 

Es  bedarf  nur  geringer  Aenderungen  oder  Zusätze,  um 
dieses  Schema  der  anorganisch-katalyti¬ 
schen  Umsetzungen  mit  dem  in  Einklang  zu  bringen, 
was  wir  vom  Kohlehydratstoffwechsel  des  menschlichen  Kör¬ 
pers  wissen.  Diese  Aenderungen  beziehen  sich  auf  die  folgen¬ 
den  Punkte: 

1.  Die  Reaktion  Fruktose  i-«  Dextrose  Mannose  ist 
bisher  im  Körper  nur  in  dem  beschränkten  Sinne  der  Glei¬ 
chung  Fruktose  Dextrose  -<-ä  Mannose  beobacht  worden, 

2.  Neben  der  hydrolytischen  Spaltung  des  Glykogens 
findet  im  Körper  auch  dessen  Synthese  statt;  die  letztere  ist 
katalytisch  nicht  reproduzierbar  gewesen  2i). 

3.  Die  Umbildung  der  Dextrose  zu  Fett  hat  keine  kata¬ 
lytische  Parallele  gefunden;  dafür  ist  allerdings  auch  beim 
Zucker  katalytisch  das  Entstehen  von  Fettsäuren  beobachtet 
worden,  doch  ist  zweifelhaft,  ob  diese  Reaktion  mit  der  Fett¬ 
bildung  im  Körper  in  einen  Zusammenhang  gesetzt  werden 


4  Ueber  den  physiologischen  Abbau  der  Dextrose  herrscht 
noch  eine  grosse  Unsicherheit.  Eine  ähnliche  vergleichende 
Gegenüberstellung  mit  den  katalytischen  Befunden  ist  daher 
zurzeit  nicht  möglich.  Immerhin  aber  sei  erwähnt,  dass  die 
Analogie  des  sonst  vorliegenden  Parallelismus  auch  hie i  eine 
Verwandtschaft  möglich  erscheinen  lassen  muss  und  dass  in 
der  Tat  die  bisher  gemachten,  allerdings  noch  nicht  allgemein 
anerkannten  Befunde  des  fermentativen  Dextroseabbaues  im 
Körper  (S  t  o  k  1  a  s  a  etc.)  durch  eine  weitgehende  Anlehnung 
an  meine  katalytischen  Beobachtungen  charakterisiert  sind"). 

So  sehr  auch  nach  allem  die  Abbauwege  der  Kohlehydrate 
bei  der  Fermentwirkung  und  bei  der  Katalyse  sich  gleichen, 
so  entschieden  muss  doch  andererseits  betont  werden,  dass  die 
Enzyme  und  die  Katalysatoren,  die  beide  hie i  als  Mittel  zu  dem 
gleichen  Zweck  erscheinen,  an  und  für  sich  nichts  weiter  als 
eben  die  ähnliche  Wirkung  gemeinsam  haben.  Es  kann  nicht 
daran  gedacht  werden,  hier  ernstlich  eine  Parallele  zwischen 
den  Katalysatoren  und  den  Enzymen  des  Körpers  ziehen  zu 
wollen.  Dagegen  spricht  neben  anderen  vor  allem  die  unge¬ 
mein  hoch  entwickelte  Spezifität  der  Wirkung  aller  Körper¬ 
enzyme.  Während  z.  B.  die  Wasserstoffionen,  resp.  die 
Hydroxylionen  bei  diesen  Vorgängen  jede  eine  ganze  Gruppe 
von  Vorgängen  unterschiedslos  katalysieren,  entspricht  im 
Körper  jeder  einzelnen  Substanz  aus  der  langen  Kette  der  Ab¬ 
baustoffe  ein  besonderes  Ferment  und  die  Wirkung  desselben 
pflegt  sich  selbst  bei  dem  adäquaten  Stoff  nur  auf  eine  kleine 
Teilreaktion  zu  beschränken.  Bei  den  Fermenten  ist,  um  mich 
eines  vielgebrauchten  Bildes  zu  bedienen,  die  Annahme  einet 
Einrichtung  unerlässlich,  die  wie  der  Schlüssel  beim  Schloss 
eine  ganz  spezifische  Auslese  gestattet.  Nur  die  ,,z\\  eite 
Phase  der  fermentativen  Prozesse,  der  eigentliche  Zerfall  des 
Substrates“  (Oppenheimer)  vollzieht  sich,  wie  auch  hier 
gezeigt  werden  konnte,  im  wesentlichen  unter  den  Bedingungen 

der  Katalyse.  . 

Wenn  wir  uns  nunmehr  zu  der  rein  praktischen  Seite  dieser 

Forschungsrichtung  wenden,  so  muss  zunächst  gesagt  werden, 
dass  die  bei  den  obigen  Versuchen  zur  Anwendung  gelangenden 
Katalysatoren  ihrem  allgemeinen  Charakter  nach  wenig  physio¬ 
logisch  anmuten.  Denn  es  erscheint  ausgeschlossen,  im  Körpei 
durch  stärkere  Säuren  und  Alkalien  oder  auf  ähnlichem  Wege 


21 )  An  sich  sind  auch  Synthesen  vermittels  Katalysatoren  er¬ 
reichbar,  vergl.  z.  B.  die  Synthese  der  Maltose,  resp.  Isomaltose  aus 
Dextrose.  Croft  Hill,  Journ.  of  chem.  Soc.,  73,  634. 

“)  Näheres  siehe  bei  Schade:  Die  Bedeutung  der  Katalyse 
für  die  Medizin  1907,  pag.  112 — 117. 

^  33 


den  Abbau  gewisser  Stufen  des  Kohlehydratstoffwechsels  kata¬ 
lytisch  beschleunigen  zu  wollen.  Ueberhaupt  ist  bei  der  ausser¬ 
ordentlichen  Kompliziertheit  und  dem  so  mannigfachen  In- 
einandergeifen  der  Zuckerabbauprozesse  —  wenigstens  vor¬ 
erst,  wo  die  katalytische  Forschung  sich  noch  ganz  in  ihrem 
Anfangsstadium  befindet  —  nicht  daran  zu  denken,  irgend  eines 
der  hier  wirkamen  Fermente  vikariierend  durch  einen  künstlich 
dem  Körper  zugeführten  anorganischen  oder  organischen  Kata¬ 
lysator  ersetzen  zu  wollen. 

Trotzdem  aber  stehen,  wie  ich  glaube,  der 
Katalyse  indirekte  Wege  zur  Verfügung,  auch 
im  Körper  auf  Fermentprozesse  beschleuni¬ 
gend  e  i  n  z  u  w  i  r  k  e  n.  Durch  eine  nicht  mehr  geringe  Zahl 
von  Untersuchungen  wissen  wir,  dass  die  Intensität  einer 
Fermentwirkung  nicht  allein  von  der  Menge  und  der  Be¬ 
schaffenheit  des  Fermentes,  sondern  in  hohem  Masse  auch  von 
dem  „Milieu“,  in  dem  sich  der  Prozess  abspielt,  abhängig  ist. 
Diese  Art  der  Mediumbeeinflussung  erscheint  mir  nun  wegen 
ihrer  Beziehungen  zu  der  antidiabetischen  1  herapie  derartig 
wichtig,  dass  ein  kurzes  Eingehen  auf  dieselbe  hier  unerläss¬ 


lich  ist. 

Der  Einfluss  des  Mediums  kann  sich,  wie  die  quantitativen 
Messungen  von  Fermentprozessen  in  Reagenzglasversuchen 
ergeben  haben,  auf  verschiedenen  Wegen  geltend  machen. 

I.  Die  Fermente  sind  wie  alle  anderen  in  kolloidaler  Lö¬ 
sung  befindlichen  Substanzen  in  ihrer  Oberflächenentwicklung 
und  damit  auch  in  ihrer  spezifischen  Funktion  von  der  quanti¬ 
tativen  und  qualitativen  Beschaffenheit  der  Lösungsflüssigkeit, 
speziell  von  dem  Gehalt  an  Salzen,  abhängig. 

II.  Für  eine  grosse  Anzahl  von  Fermenten  sind  Stoffe  be¬ 
kannt,  die  —  wenn  auch  nur  in  minimaler  Menge  beigegeben  — 
die  Fermentwirksamkeit  in  auffälliger  Weise  vermehren;  diese 
Substanzen,  die  an  und  für  sich  mit  der  Fermentwirkung  nichts 
zu  tun  haben  brauchen,  oft  auch  als  alleinige  Zusatzstoffe  bei 
den  Reaktionen  nichts  von  einer  katalytischen  Parallelwirkung 
erkennen  lassen,  werden  als  „Zymoexzitatoren“  bezeichnet. 

III.  Schliesslich  können  diejenigen  Stoffe,  welche  rein  che¬ 
misch  vermittels  der  Katalyse  einen  dem  Fermentprozess 
gleichsinnigen  Vorgang  entstehen  lassen,  auch  bei  der  fer¬ 
mentativen  Auslösung  des  Prozesses  noch  unterstützend  wirk¬ 
sam  werden,  wie  u.  a.  für  die  Hydroxylionen  (Alkali)  am  Bei¬ 
spiel  der  Hämase  von  S  enter  und  von  der  Milchsäure- 
bakterienzymase  von  Büchner  gezeigt  worden  ist. 

Sind  aber  jene  in  extrazellulären  Experimenten  erhobenen 
Befunde  auf  den  Chemismus  der  lebenden  Zellen  übertragbar  ? 
Gibt  es  Belege  dafür,  dass  der  intermediäre 
Kohlehydrat  st  offwechsel  der  Zelle  in  vivo 
durch  künstliche  Zufuhr  katalytischer  Stoffe 
zu  steigern  ist?  In  der  Beantwortung  dieser  Satze 
scheint  mir  der  Kernpunkt  der  ganzen  Frage  nach  der  prak¬ 
tischen  Bewertung  der  Katalyse  für  Diabetes  zu  liegen. 


Die  Antwort  aber  ist  eine  günstige.  Der  Nachwei  s, 
den  wir  als  Grundlage  einer  weiteren  Forschung  in  piaktischei 
Richtung  brauchen,  scheint  mir  durch  die  U  n  t  c  i  - 
suchungen  Effronts23)  im  Prinzip  geliefert  zu 
sein.  Diesem  Forscher  gelang  es,  in  lebenden  riefezellen 
durch  allmähliche  Gewöhnung  an  fluorammoniumhaltige 
Nährböden  das  Gärvertnögen  anhaltend  um  sehr  erhebliche  Be¬ 
träge,  bis  zum  10  fachen  des  ursprünglichen  Wertes,  zu  stei¬ 
gern.  Dass  hierbei  im  eigentlichen  Sinne  eine  intrazellu  nie 
Förderung  des  enzymatischen  Zuckerabbaues  (hier  in  der  Form 
der  alkoholischen  Gärung)  erreicht  wurde,  liess  der  Umstand 
erkennen,  dass  der  Zucker  schneller  aus  der  Lösung  ver¬ 
schwand  und  dass  dabei,  wie  quantitativ  nachgewiesen  wurde, 
mehr  Alkohol,  aber  nur  eine  verhältnismässig  viel  kleineie 
Menge  von  Nebenprodukten  entstand.  Ausserdem  liess  sich 
zeigen,  dass  die  Beeinflussung  eine  elektive  war;  denn  v  ie 
namentlich  die  Versuche  mit  noch  nicht  voll  an  Fluor  ge¬ 
wöhnten  Heferassen  ergeben,  entsprach  die  Erhöhung  der  Gar¬ 
leistung  nicht  einer  allgemeinen  Steigerung  der  Lebensvoi- 
gänge,  da  beobachtet  werden  konnte,  dass  gleichzeitig  mit  o^m 
Anstieg  der  Gärtätigkeit  die  Vermehrungsfähigkeit  dei  Huc 


2a)  Compt.  rend. 
6,  786. 


17,  559.  Bull.  Soc.  chim.  63)  4,  148,  476,  /31; 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


I«66 


zurückging.  Diese  auffallenden  und,  wie  mir  scheint,  für  die 
Oesamtbeurteilung  der  Frage  hochbedeutsamen  Beobachtungen 
sind  auch  von  anderer  Seite,  so  z.  B.  von  S  o  r  e  1 24)  nach¬ 
geprüft  worden  und  bestätigt  gefunden.  Zur  Erklärung  dieser 
Beeinflussung  des  intrazellulären  Kohlehydratumsatzes  ist  es 
von  Wichtigkeit,  darauf  hinzuweisen,  dass  obwohl  systema¬ 
tische  Untersuchungen  auf  diesem  Gebiet  noch  so  gut  wie  ganz 
fehlen,  doch  gerade  vom  Fluor  bereits  mehrere  Beobachtungen 
über  Fermentaktivierungen  in  vitro  gemacht  worden  sind.  So 
konstatierte  z.  B.  Herissey  25),  dass  ein  Zusatz  von  Natrium¬ 
fluorid  die  hydrolytische  Spaltung  der  Mannane  (zusammen¬ 
gesetzte  Zuckerarten)  durch  die  „Seminase“  (spez.  Enzyme  des 
Johannisbrodes)  beschleunigte;  derselbe  Erfolg  der  Aktivierung 
zeigte  sich  auch  bei  der  Hydrolyse  der  Reservekohlehydrate 
durch  die  „Zytase“  der  Leguminosen28);  und  schliesslich  sei 
erwähnt,  dass  von  Loevenhart  und  P  e  i  r  c  e 27)  ein 
gleicher  beschleunigender  Einfluss  minimaler  Mengen  Fluor¬ 
natriums  (z.  B.  1 :  5  000  000)  auch  noch  bei  der  „Lipase“,  dem 
fettspaltenden  Ferment  aus  dem  Pankreas  des  Rindes,  fest¬ 
gestellt  worden  ist.  Mit  einer  hohen  Wahrscheinlichkeit  ergibt 
sich  daher  auch  für  die  E  f  f  r  o  n  t  sehen  Versuche  die  Annahme, 
eine  katalytisch-aktivierende  Beeinflussung  als  die  Ursache  der 
dauernden  spezifischen  Steigerung  des  Zuckerumsatzes  in  der 
Zelle  anzusehen,  wenn  es  auch  erst  Aufgabe  der  Zukunft  ist, 
diese  Verhältnisse  im  einzelnen  klar  zu  legen. 

Der  Wert  aber,  den  diese  Befunde  trotz  der  noch  überall 
bestehenden  Lücken  auch  jetzt  schon  für  unsere  Diabetes¬ 
therapie  besitzen,  besteht  vor  allem  in  dem  in  ihnen  enthaltenen 
N  ach  weis,  dass  selbst  Vorgänge,  welche  wie 
diejenigen  des  Kohlehydratstoffwechsels 
aufs  innigste  mit  dem  „Zelleben“  verknüpft 
scheinen,  innerhalb  der  intakten  Zelle  durch 
Zufuhr  geringer  Mengen  von  chemischen 
Substanzen  in  der  Geschwindigkeit  ihres  Ab¬ 
laufes  modifiziert  werden  können.  Sie  die¬ 
nen  daher  als  eine  Stütze  für  die  Aussicht, 
dass  auch  im  menschlichen  Körper  eine  Be¬ 
einflussung  des  Kohlehydratstoffwechsels 
durch  chemische  Mittel  statthaben  kann.  Ent¬ 
gegen  unseren  jetzigen  Anschauungen  werden  deshalb  die  Ver¬ 
suche,  die  Toleranz  für  Kohlehydrate  beim  Diabetes  auf  medi¬ 
kamentösem  Wege  zu  steigern,  nicht  mehr  als  vornherein  aus¬ 
sichtslos  vernachlässigt  werden  dürfen. 

Wie  mir  scheint,  haben  gerade  in  jüngster  Zeit  die  Erfolge 
der  v.  N  o  o  r  d  e  n  sehen  Haferkuren  28)  durch  ihre  paradoxe 
Wirkungsart  gezeigt,  dass  auch  beim  Diabetes  chemische  Diffe¬ 
renzen  in  der  Nahrung,  selbst  solche,  die  unseren  analytischen 
Methoden  noch  nicht  einmal  zugängig  sind,  von  der  ein- 
schneidensten  Bedeutung  für  den  praktischen  Erfolg  werden 
können.  Ebenso  ist  die  unterschiedliche  Wirkung,  welche  die 
Verabreichung  der  verschiedenen  Eiweisspräparate  als  Beikost 
zu  den  Kohlehydraten  auf  eine  bestehende  Glykosurie  ausübt 
(cf.  Skala  nach  v.  N  o  o  r  d  e  n :  für  Kohlenhydrattoleranz  am 
günstigsten  Beikost  von  Eierklar,  sodann  von  Pflanzeneiweiss, 
Kasein  und  der  natürlichen  Mischung  von  Eierklar  und  Eigelb, 
weniger  günstig  von  Muskeleiweiss),  geeignet,  die  Aufmerk¬ 
samkeit  auf  die  chemische  Beschaffenheit  der  neben  den  Kohle¬ 
hydraten  verabreichten  Stoffe,  seien  es  nun  natürliche  Nah¬ 
rungsmittel  oder  medikamentöse  Substanzen,  zu  lenken. 

Dass  auch  im  menschlichen  Körper  gewisse  —  allerdings 
ihrer  chemischen  Natur  nach  noch  nicht  fixierte  —  Stoffe  vor¬ 
handen  sind,  welche  in  einer  mit  der  Katalyse  verwandten  Art 
den  Kohlehydratstoffwechsel,  speziell  den  Abbau  der  Dextrose 
beeinflussen,  ergibt  sich  aus  den  bekannten  Untersuchungen, 
welche  sich  auf  die  „innere  Sekretion“  des  Pankreas  er- 


24 )  Compt.  rend.,  118,  253. 

25)  Compt.  rend.,  133,  49. 

2e)  Compt.  rend.,  138,  1003. 

27 )  Journ.  of  biological  Chemistry,  Vol.  II,  No.  5,  März  1907. 

2S)  Bekanntlich  hat  S.  L  i  p  e  t  z  (Zeitschr.  f.  klin.  Med.  56,  188) 
diese  Sonderstellung  des  Hafermehls  bestritten  und  auf  eine  ver¬ 
ringerte  Resorption  infolge  vermehrter  Darmgärung  zurückführen 
wollen.  „Die  Verminderung  der  Azetonurie  widerlegt  diesen  Ein¬ 
wand  sofort“  (v.  No  orden:  Handbuch  der  Pathol.  d.  Stoffwechsels, 
1907,  Bd.  II,  pag.  63). 


strecken.  „Für  das  Pankreas  darf  es  als  sicher  gelten,  dass 
in  dem  Organe  das  Blut  eine  Veränderung  erfährt,  welche  für 
den  normalen  Ablauf  des  Zuckerstoffwechsels  unerlässlich  ist 
und  deren  Ausbleiben  bei  bestimmten  Erkrankungen  dieses 
Organs  sich  im  Auftreten  des  Diabetes  äussert“  (Naunyn). 
„Fassen  wir  alles  zusammen,  was  wir  Positives  über  die  Ur¬ 
sachen  der  Hyperglykämie  nach  der  Pankreasexstirpation 
wissen,  so  können  wir  sagen,  dass  eine  Störung  der  Regu¬ 
lation  des  Zuckerumsatzes  vorliegt  und  dass  offenbar  normaler 
Weise  die  Pankreasdrüse  an  die  Blutbahn  einen  Stoff  abgibt, 
der  den  Kohlehydratstoffwechsel  regelt“  (Abderhalde  n). 

Da  nun  bei  einer  nicht  gerade  kleinen  Zahl  jener  unter  dem 
Sammelbegriff  des  Diabetes  mellitus  zusammengefassten  Er¬ 
krankungen  auch  pathologische  Veränderungen  des  Pankreas, 
speziell  solche  in  den  Langerhans  sehen  Zellgruppen,  die 
besonders  als  an  der  inneren  Sekretion  beteiligt  angesprochen 
werden,  zu  finden  sind,  so  scheint  mir  für  diese  Fälle  der  Weg 
zu  einer  kausalen  katalytischen  Therapie  vorgezeichnet,  und 
es  sollte  die  weitere  Verfolgung  dieses  ersten,  aussichtsreich 
erscheinenden  Weges  nicht  durch  das  negative  Ergebnis  der 
bisherigen  therapeutischen  Versuche  (Darreichung  von  Pan¬ 
kreaspräparaten  per  os  und  ähnlichem)  eine  Hemmung  erfahren. 
Allerdings  darf  man  nicht  zu  viel  von  einer  einzelnen  Art  der 
Beeinflussung  erwarten:  sie  wird  bei  der  sicher  vorhandenen 
Mannigfaltigkeit  der  beim  Diabetes  vorliegenden  Störungen 
immer  nur  eine  gewisse  Gruppe  der  Fälle  betreffen  können. 
Für  andere  wird  man  event.  nach  sonstigen  katalytischen  Be¬ 
einflussungen  suchen  müssen. 

Auch  das  Alkali,  dessen  günstiger  Einfluss  auf  den  Diabetes 
in  manchen  Fällen  (auch  solchen  ohne  Azidosis!)  sicher  gestellt 
zu  sein  scheint,  verdient  in  Rückblick  auf  die  oben  sub  III 
genannten  Ergebnisse  von  diesen  neuen  Gesichtspunkten  aus 
betrachtet  zu  werden. 

Dass  über  diesen  Versuchen  die  bewährte  diätetische  Be¬ 
handlung  des  Diabetikers  nicht  vernachlässigt  werden  darf, 
ist  selbstverständlich.  Den  neuen  und  wichtigen 
Fortschritt  aber,  den  wir  der  Heranziehung 
der  Katalyse  verdanken,  sehe  ich  darin,  dass 
sie  mitdemz  urZeitherrsche  n  denmedikame  n- 
tosen  Nihilismus  bricht  und  uns  hilft,  schär¬ 
fer  präzisierte  Aufgaben  zu  finden,  um  das, 
was  bislang  wie  z.  B.  bei  der  v.  Noordenschen 
Haferkur  unerkannt  wirksam  geworden  ist, 
bewusst  und  systematisch  für  die  Therapie 
zu  verwerte  n. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br. 

(Direktor:  Prof.  Dr.  Asch  off). 

Bakteriologische  Untersuchungen  bei  Cholelithiasis. 

Von  Dr.  Bacmeister,  Assistent  am  pathologischen  Institut. 

Seit  Naunyns  grundlegenden  Arbeiten  über  die  Chole¬ 
lithiasis  haben  namentlich  die  Bakteriologen  sich  vielfach  mit 
der  Galle  und  den  Gallensteinen  beschäftigt.  Besonders  die 
Franzosen  haben  auf  Grund  bakteriologischer  Untersuchungen 
des  Gallenblaseninhalts  und  experimentellen  Versuchen  die 
Entstehung  von  Gallensteinen  auf  den  Einfluss  von  Bazillen  zu¬ 
rückzuführen  versucht.  Dass  die  Galle  des  lebenden  Menschen 
unter  den  verschiedensten  pathologischen  Zuständen  Bakterien 
enthalten  kann,  ist  jetzt  allgemein  bekannt  und  durch  eine  aus¬ 
gedehnte  Literatur  bezeugt.  Spärlicher  sind  die  Mitteilungen 
über  den  Bakteriengehalt  der  Gallensteine.  Systematisch  haben 
sich  nur  Gilbert  und  seine  Mitarbeiter  damit  beschäftigt, 
die  eine  Anzahl  von  70  Steinen  untersuchten.  Es  wurden  in 
einem  Drittel  der  untersuchten  Fälle  Mikroorganismen  lebend 
oder  abgestorben  gefunden,  hauptsächlich  das  Bacterium  coli 
Escherich.  Gilbert  gibt  an,  in  den  klinisch  frischeren  Fällen 
der  Cholelithiasis  stets  auf  lebende  Bakterien  in  den  Steinen 
gestossen  zu  sein,  während  bei  länger  zurückliegenden 
Attacken  und  bei  den  als  Zufallsbefund  gefundenen  Steinen  bei 
den  Autopsien  älterer  Leute  die  Steine  keinen  bakteriellen  In¬ 
halt  bargen. 

Die  Frage,  ob  Bakterien  wirklich  das  auslösende  oder  ein 
mitwirkendes  Moment  bei  der  Gallensteinbildung  sind, 
schwankt  immer  noch  hin  und  her.  Die  bei  weitem  grössere 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1867 


17.  September  1907. 

Zahl  von  Forschern  neigt  jetzt  der  Ansicht  zu,  dass  neben  an¬ 
deren  pathologischen  Veränderungen  Infektionserregern  ein  An¬ 
teil  an  der  Steinbildung  zufällt.  Ob  allerdings  alle  Steinarten 
der  Mitwirkung  von  Bakterien  zu  ihrer  Entstehung  bedürfen  und 
unter  welchen  Bedingungen  der  verschiedene  Aufbau  der  ein¬ 
zelnen  Steinarten  zu  stände  kommt,  darüber  fehlen  die  Unter¬ 
suchungen  noch  völlig.  Vielleicht  können  in  der  Gallenblase 
reine  Cholesterinsteine  abakteriell  entstehen,  während  bei  den 
mit  Kalk  und  Pigment  gemischten  die  bazilläre  Einwirkung  nötig 
sein  mag.  Wenn  aber  wirklich  in  allen  frischen  Fällen  von 
Cholelithiasis  Bazillen  im  Innern  des  Steines  nachgewiesen  wer¬ 
den  können,  in  den  älteren  aber  solche  fehlen,  so  ist  damit  der 
bakteriellen  Entstehung  eine  wichtige  Stütze  gegeben. 

Um  dieser  Frage  näherzukommen,  habe  ich  zunächst  alle 
Fälle  von  Cholelithiasis  der  letzten  Zeit,  die  im  hiesigen  In¬ 
stitut  zur  Sektion  kamen,  auf  den  Keimgehalt  ihrer  Steine  mit 
folgender  Methode  untersucht.  Die  Oberfläche  eines  Steines 
wurde  vorsichtig  in  kleiner  Flamme  abgesengt.  Bei  Steinen 
mit  facettierten  glatten  Flächen  gelang  es  ohne  Schwierigkeiten 
eine  sterile  Oberfläche  zu  erhalten,  ohne  eine  Tiefenwirkung 
der  Hitze  fürchten  zu  müssen.  Bei  grösseren  rauhen  Steinen 
musste  sehr  sorgfältig  gearbeitet  werden,  um  alle  Buchten  zu 
sterilisieren,  was  durch  mehrfaches  kurzes  Erhitzen  erreicht 
wurde.  Nur  bei  ganz  grossen  Steinen  wurde  die  Oberfläche 
abgeschmolzen.  Die  so  behandelten  Steine  wurden  in  steriler 
Bouillon  völlig  untergetaucht  und  hin  und  her  bewegt.  Blieb 
diese  Bouillon  steril,  war  die  Keimfreiheit  der  Steinoberfläche 
eine  absolute.  Dann  wurde  der  Stein  steril  eröffnet  und  aus 
dem  Zentrum,  stets  möglichst  vom  Rande  entfernt,  mehrere 
Bouillonkulturen  angelegt. 

Es  wurden  im  ganzen  Steine  von  20  Fällen  untersucht. 
Unter  diesen  befanden  sich  alle  gewöhnlichen  Steine  vom  reinen 
Cholesterinsteine  bis  zum  weichen  Pigmentstein.  Von  diesen 
20  Fällen  erwiesen  sich  16  als  steril,  während  in  4  Fällen  Bak¬ 
terien  im  Zentrum  gefunden  wurden. 

In  den  etwa  kirschgrossen,  facettierten  Pigmentkalksteinen 
einer  50  jährigen  Frau  wurden  Kolibazillen  nachgewiesen,  des¬ 
gleichen  fanden  sich  in  einem  über  kirschgrossen  reinen  Chole¬ 
sterinstein,  um  den,  die  nur  wenig  Galle  enthaltende,  narbig 
geschrumpfte  Gallenblase  stark  kontrahiert  war,  Kolibazillen. 
ln  beiden  Fällen  wurde  derselbe  Bazillus  aus  der  Galle  ge¬ 
züchtet.  Ein  weicher  Pigmentstein  aus  einem  erweiterten 
Gallengang  bei  Choledochenverschluss  enthielt  denselben  Mi¬ 
kroorganismus,  während  andere  Steine  derselben  Art  steril  ge¬ 
funden  wurden.  Zuletzt  gelang  es,  aus  zwei  facettierten  Steinen 
einer  34  jährigen  Frau,  die  in  der  4.  Woche  einem  Typhus 
erlag,  typische  (agglutinierte)  Typhusbazillen  zu  kultivieren,  die 
sich  ebenfalls  in  der  Galle  fanden. 

Nach  Gilberts  Angaben  müssten  diese  vier  Fälle  von 
Cholelithiasis  jüngeren  Datums  sein,  da  sie  lebende  Bakterien 
beherbergen.  Schon  auf  den  ersten  Fall  trifft  es  nicht  zu.  Kli¬ 
nisch  war  bei  der  Frau  von  Kolikanfällen  nichts  in  Erfahrung 
zu  bringen,  wenn  solche  bestanden  haben,  müssen  sie  schon 
lange  zurückliegen.  Der  anatomische  Befund  spricht  für  einen 
alten  Zustand;  dass  in  der  Galle  das  Bacterium  coli  noch  zu 
finden  war,  ist  kein  Gegenbeweis,  da  die  einmal  infizierte  Galle 
lange  Zeit  die  Bakterien  symptomlos  beherbergen  kann  — 
Droba  hat  sogar  Typhusbazillen  17  Jahre  nach  der  Erkran¬ 
kung  in  der  Galle  gefunden. 

Bei  dem  reinen  Cholesterinstein  handelte  es  sich  um  einen 
74  jährigen  Mann,  mit  alten  narbigen  Schrumpfungen,  also 
sicher  ein  ganz  alter  Prozess. 

Besonders  hinweisen  möchte  ich  aber  auf  die  mit  Typhus 
behafteten  Steine.  Ein  etwa  früher  durchgemachter  Typhus  ist 
klinisch  ausgeschlossen.  Die  Steine  waren  gut  kirschkerngross 
mit  harter  geschichteter  Schale  und  weichem  Kern.  Dass  in 
3  Wochen  ein  solcher  Stein  um  die  Typhusbazillen  entstehen 
könnte,  ist  sehr  unwahrscheinlich.  Wir  sind  allerdings  über 
die  Entstehungszeit  solcher  grösserer  Steine  noch  sehr  im 
Dunkeln,  da  wir  auf  zufällige  Rezidivoperationsbefunde  ange¬ 
wiesen  sind.  v.  Hansemann  fand  nach  7  Monaten  zwei 
Gallensteine  mit  fester  Schale  im  Duodenum  neben  der  Papille 
um  einen  Seidenfaden  (nach  Ausschaltung  des  Duodenums  durch 
Gastroenterostomie).  Naunyn  demonstrierte  einmal  15  win¬ 
zige,  offenbar  ganz  junge  Steine  als  Sektionsbefiind  bei  einem 


15  jährigen  Knaben,  der  typhösen  profusen  Darmblutungen  er¬ 
lag,  ein  Fall  wo  der  Typhus  wohl  ebenso  alt  ist  wie  mein  an¬ 
geführter.  Auch  hier  waren  nur  winzige  Steine  vorhanden. 
M  i  y  a  k  e  und  M  i  g  n  o  t  fanden  bei  experimentellen  Versuchen 
erst  nach  34 — 1  Jahre  strukturierte  Konkremente  in  der  Hunde¬ 
galle,  ein  schnelleres  Entstehen  ist  damit  zwar  nicht  ausge¬ 
schlossen,  doch  liegt  eine  andere  Erklärung  für  die  Anwesen¬ 
heit  von  Bakterien  näher,  auf  die  ich  unten  zurückkommen 
•werde. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  bei  Sektionen  gewonnenen  Steinen 
hatte  ich  Gelegenheit  in  4  Fällen  Gallensteine  zu  untersuchen, 
die  operativ  von  Professor  Kehr  in  Halberstadt  entfernt 
waren,  und  bei  denen  die  klinischen  Erscheinungen  innerhalb 
der  letzten  Jahre  lagen.  Die  ersten  Anfälle  waren  vor  6,  2  mal 
vor  4  und  einmal  vor  134  Jahren  aufgetreten.  Bei  dem  letzten, 
134  Jahre  zurückliegenden,  Fall  schlossen  sich  die  klinischen 
Erscheinungen  unmittelbar  an  einen  Typhus  an.  Gerade  Ty¬ 
phusbazillen  sind  in  der  letzten  Zeit  mehrfach  und  noch  nach 
Jahren  post  infectionem  in  den  Gallensteinen  gefunden  worden 
—  wenn  die  Galle  ebenfalls  diese  Bakterien  enthielt.  In  diesem 
Falle  wurden  in  den  facettierten  Pigmentkalksteinen,  die  ein 
weiches  Zentrum  hatten  und  von  denen  eine  grössere  Zahl 
untersucht  wurde,  keine  Bakterien  gefunden.  Auch  in  den  3 
anderen  Fällen  erwiesen  sich  sämtliche  Steine  als  steril. 
Schliesslich  konnten  auch  in  den  grösseren  Gallensteinen  eines 

16  jährigen  Mädchens  keine  Mikroorganismen  gefunden  wer¬ 
den,  ebenfalls  ein  Fall,  wo  die  Steinbildung  nicht  lange  zuriick- 
iie'gen  kann. 

Es  ist  also  durch  meine  Untersuchungen  festgestellt,  dass 
in  Fällen,  die  klinisch  jüngeren  Datums  sind,  keine  Mikro¬ 
organismen  im  Zentrum  nachweisbar  zu  sein  brauchen,  während 
im  höheren  Alter,  auch  wenn  seit  langer  Zeit  keine  Krank¬ 
heitserscheinungen  von  der  Gallenblase  aus  Vorlagen,  Zufalls¬ 
befund  bei  der  Sektion,  Bakterien  im  Innern  der  Steine  ge¬ 
funden  wurden. 

Schon  diese  Untersuchungen  sprechen  dafür,  dass  in  den 
älteren  Fällen  die  Keime  eingewandert  sind.  Gilbert  ist 
es  gelungen  beim  reinen  Cholesterinstein  eine  Einwanderung 
von  Kolibazillen  durch  Einbringen  des  Steines  in  eine  Bouillon¬ 
kultur  zu  erzielen.  Da  bei  den  anderen  Steinen  ihm  dies  nicht 
gelungen  ist,  hält  er  sie  für  uneinnehmbar  für  eine  sekundäre 
Bazilleninvasion.  Er  schliesst  daraus,  dass  alle  mit  Pigment 
gemischten  Steine  die  Bakterien,  denen  sie  ihre  Entstehung 
verdanken  sollen,  bei  der  Genese  einschliessen. 

Es  wurde  nun  eine  grössere  Reihe  Steine  aller  Art  von 
mir  in  Bouillon  und  menschlicher  Galle  fraktioniert  sterilisiert 
_ ausgenommen  die  reinen  Cholesterinsteine,  für  deren  Durch¬ 
dringbarkeit  ausser  Gilberts  Versuchen  auch  mein  oben  an¬ 
geführter  Fall  spricht  —  und  mit  den  verschiedensten  Bakterien 
beschickt.  Während  die  grössere  Zahl  der  Steine  steril  blieb, 
gelang  es  in  zwei  Fällen,  in  einer  8  tägigen  und  einer  24  tägigen 
Typhus-Bouiilon-Steinkultur  die  Typhusbazillen  aus  der  Mitte 
des  Steines  zu  kultivieren,  bei  absoluter  Sterilität  der  abge¬ 
sengten  Steinoberfläche,  wie  das  Kontrollröhrchen  zeigte.  Es 
handelte  sich  um  einen  maulbeerartigen,  haselnussgrossen 
Cholesterinkalkstein  von  einer  38  jährigen  Frau  und  einen 
kirschkerngrossen  gewöhnlichen,  facettierten  Stein  mit  glatter 
Oberfläche  von  einer  82  jährigen  Frau. 

Damit  ist  wohl  der  Beweis  geliefert,  dass  in  alle  Arten 
von  Gallensteinen  Bakterien  sekundär  einwandern  können.  Wie 
häufig  die  Einwanderung  vorkommt,  lässt  sich  nach  diesen 
Untersuchungen  natürlich  noch  nicht  entscheiden,  doch  scheint 
der  Bakterienbefund  in  den  Steinen  (4  unter  24)  zu  den  Fin- 
wanderungsversuchen  (2  unter  11)  in  einem  gewissen  Verhältnis 
zu  stehen.  Die  Fähigkeit  Bakterien  den  Eintritt  zu  gestatten, 
liegt  jedenfalls  in  einer  besonderen  Beschaffenheit  des  Steines, 
nach  der  sich  auch  die  Zeit  des  Eindringens  richtet,  vielleicht 
auch  in  der  Beweglichkeit  des  Bazillus.  Zu  erwähnen  ist  noch, 
dass  eine  Einwanderung  in  Steine,  die  in  die  infizierte  Bauch¬ 
höhle  eines  Kaninchens  gebracht  wurden,  nicht  erfolgte,  ein 
Umstand,  der  wohl  darauf  zurückzuführen  ist,  dass  bei  viru¬ 
lenten  Stämmen  der  Tod  schon  nach  ein  paar  Stunden  ein¬ 
trat,  während  bei  schwachvirulenten  keine  genügende  Exsu¬ 
dation  erfolgte.  _ 


1868 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Durch  diese  Untersuchungen  ist  natürlich  die  Möglichkeit, 
dass  Bakterien  bei  der  Bildung  von  Steinen  im  Innern  einge¬ 
schlossen  werden  und  sich  dort  lebend  erhalten,  nicht  auszu- 
schliessen.  Aber  der  Umstand,  dass  eine  sekundäre  Einwande¬ 
rung  in  Steine  jeder  Art  und  jeden  Alters  möglich  ist,  zeigt 
ebenso  wie  die  Keimfreiheit  jüngerer  Steine,  dass  man  das  Vor¬ 
kommen  der  Bazillen  im  Zentrum  allein  nicht  zur  Stütze  der 
bazillären  Genese  der  Steine  heranziehen  darf. 

Literatur. 

Naunyn:  Klinik  der  Cholelithiasis.  —  Naunyn:  Einige  sel¬ 
tenere  Vorkommnisse  bei  der  Cholelithiasis.  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  No.  4,  1900.  —  Gilbert  und  Fournier:  Du  röle  des 
Microbes  dans  la  genese  des  calcules  biliaires.  Comptes  rendus  des 
seances  et  Memoires  de  la  Societe  de  biologie,  48,  1896.  —  Gilbert 
und  Domin  ici:  La  lithiase  biliaire  est-elle  de  nature  microbienne?  j 
Comptes  rendus  etc.  1894.  —  Gilbert:  Note  pour  servir  ä  l’histoire 
de  la  theorie  microbienne  de  la  lithiase  biliaire.  Comptes  rendus  etc. 

J 898.  —  Mignot:  L’origine  microbienne  de  la  lithiase  biliaire. 
Comptes  rendus  etc.  1898.  —  Mignot:  Cholecystite  calculeuses  ex¬ 
perimentales.  Bull  de  la  soc.  anatom.  de  Paris  1898,  No.  12.  — 
Miyake:  Zur  experimentellen  Erzeugung  von  Gallensteinen.  Mitt. 
aus  den  Grenzgeb.  der  Med.  u.  Chir.,  6.,  1900.  —  Hart  mann:  Bak¬ 
teriologische  Studien  an  der  Hand  von  46  Gallensteinoperationen. 

D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  68,  1903.  —  v.  Hansemann:  Ein  Beitrag  zur 
Entstehung  von  Gallensteinen.  Virchows  Archiv,  154,  Folge  XV, 
Bd.  IV.  —  Levy  und  Kays  er:  Bakteriologischer  Befund  bei  der 
Autopsie  eines  Typhusbazillenträgers.  Münch,  med.  Wochenschr. 
No.  50,  1906.  —  Droba:  Der  Zusammenhang  zwischen  Typhus¬ 
infektion  und  Cholelithiasis  auf  Grund  eines  in  der  Klinik  operierten 
Falles.  Wiener  klin.  Wochenschr.  No.  46,  1899. 


lieber  das  Vorkommen  von  Spirochaeten  bei  pseudo¬ 
leukämischer  Lymphdrüsenhyperplasie. 

Von 

Dr.  Proescher,  und  Dr.  C.  White, 

Prosektor  am  Allegheny-General-Hospital  Chefarzt  des  Pittsburger  Tuberkulose¬ 

sanatoriums. 

Pittsburg  Pa.  U.  S.  A. 

Vorläufige  Mitteilung. 

Pathologisch-anatomische  sowie  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  über  das  unter  dem  Sammelnamen  „Pseudoleu¬ 
kämie“  zusammengefasste  Krankheitsbild  generalisierter 
Lymphomatosis,  haben  uns  noch  keinen  befriedigenden  Auf¬ 
schluss  über  das  die  Lymphdrüsenhyperplasie  bedingende 
Gift  gegeben. 

Nach  der  zur  Zeit  akzeptierten  Auffassung  unterscheiden 
wir  histologisch  und  ätiologisch  drei  verschiedene  Lymph- 
drtisenerkrankungen,  die  als  anatomische  Substrate  der 
Pseudoleukämie  angesehen  werden:  1.  das  Lymphoma  Simplex, 
2.  das  Lymphoma  tuberculosum,  3.  das  Lymphoma  syphiliticum 
oder  gummosum. 

Alle  drei  Formen  zeigen  dasselbe  klinische  Krankheitsbild. 
Rationeller  ist  es,  nur  die  beiden  ersten  Formen  hierher  zu 
rechnen,  das  Lymphoma  gummosum  auszuscheiden,  da  es 
keine  primäre  Erkrankung  der  Lymphdrüsen  darstellt. 

Ueber  das  ätiologische  Agens,  das  die  primäre  maligne 
Lymphdrüsenhyperplasie  bedingt,  wissen  wir  nichts. 

Alle  exakten  und  mit  einwandsfreien  Methoden  vorge¬ 
nommenen  bakteriologischen  Untersuchungen  haben  gezeigt, 
dass  bakterielle  Infektionen  keine  Rolle  spielen. 

Die  von  einer  Reihe  Untersucher  wie  Maffucci  und 
Traber  s  a,  Majocchi  und  Picchini,  Klein  sowie 
R  o  u  x  und  Lannois  gefundenen  Bakterien  sind  nur  als  se¬ 
kundär  invasierte  Keime  aufzufassen. 

Möglicherweise  ist  das  unter  dem  klinischen  Bilde  einer 
Pseudoleukämie  verlaufende  generalisierte  Lymphoma  tuber¬ 
culosum  nur  sekundär  mit  Tuberkelbazillen  infiziert,  die  pri¬ 
märe  toxische  Noxe  aber  dieselbe  wie  beim  Lymphoma  Simplex. 

Nach  allen  klinischen  Erfahrungen  kann  gar  nicht  daran 
gezweifelt  werden,  dass  die  lymphdrüsenhyperplasierende 
Noxe  ein  infektiöses  Agens  ist. 

Die  unter  allgemeiner  Abmagerung,  Fieber,  Albuminurie 
und  hämorrhagischer  Diathese  verlaufende  Krankheit  macht 
den  Eindruck  einer  schweren  Allgemeininfektion. 


Da  alle  einwandfreien  bakteriologischen  Untersuchungen 
negativ  ausgefallen  sind,  so  drängte  sich  uns  die  Annahme  auf, 
ob  es  sich  nicht  um  eine  Protozoeninfektion  handeln  könnte. 

Haben  wir  doch  durch  die  Untersuchungen  der  letzten 
Jahre  für  eine  Reihe  von  Krankheiten  Protozoen  als  deren 
Erreger  kennen  gelernt  (Syphilis,  Schlafkrankheit,  Kalaazar, 
Framboesia  etc.). 

Wir  untersuchten  daher  die  Lymphdrüsen  zweier  typischer 
Fälle  von  generalisierter  maligner  Lymphomatosis,  die  uns  von 
Dr.  M  c  C  a  1 1  u  m  in  Baltimore  gütigst  überlassen  wurden,  auf 
Spirochäten. 

Die  eine  Drüse  wurde  nach  der  L  e  v  a  d  i  t  i  sehen  Silber¬ 
methode  behandelt,  die  andere  nach  Formalinhärtung  direkt  in 
Paraffin  eingebettet. 

Beide  Drüsen  zeigten  mikroskopisch  das  typische  Bild 
einer  hyperplastischen  Lymphadenitis  mit  vereinzelten  Riesen¬ 
zellen  und  mononukleären  Eosinophilen,  ohne  irgend  welche 
regressiven  Veränderungen. 

Die  nach  Levaditi  behandelte  Lymphdriise  zeigte  eine 
enorme  Menge  Spirochäten,  die  in  ihrem  Aussehen  an  die 
Spirochaeta  pallida  erinnerten. 

Ebenso  Hessen  sich  mittelst  Giemsafärbung  in  der  anderen 
Lymphdriise  eine  grosse  Anzahl  zarter  Spirochäten  nachweisen. 
Da  wir  bis  jetzt  noch  nicht  über  frisches  Material  verfügten, 
um  Ausstrichpräparate  anzufertigen,  die  eine  bessere  Diffe¬ 
rentialdiagnose  gestatten,  so  bleibt  vorläufig  die  Frage  nach 
der  Art  der  Spirochäten  eine  offene. 

Es  wäre  verfrüht,  aus  den  ersten  orientierenden  Unter¬ 
suchungen  irgend  welche  bindenden  Schlüsse  zu  ziehen. 

Weitere  Untersuchungen  an  typischen  Fällen  generali¬ 
sierender  Lymphomatosis,  über  die  wir  später  berichten 
werden,  werden  uns  zeigen,  ob  der  Befund  ein  konstanter  ist 
oder  nicht  und  ob  wir  die  Spirochäten  als  die  langgesuchten 
Erreger  der  idopathischen  Lymphdrüsenhyperplasie  anzusehen 
haben. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Johann¬ 
stadt  in  Dresden  (Direktor:  Geh.  Medizinalrat  Dr.  Schmaltz). 

Ueber  die  Wechselbeziehungen  zwischen  dem  Ovulations¬ 
vorgang  inkl.  der  Menstruation  und  inneren  Krankheiten.*) 

Von  Dr.  med.  Georg  R  Leb  old. 

Die  M  e  n  s  t  r  u  a  t  i  on  stellt  im  Leben  des  Weibes  zwei¬ 
fellos  eine  kritische  Periode  dar,  in  welcher  selbst  dann,  wenn 
die  damit  verbundenen  Erscheinungen  sich  durchaus  in  den 
Grenzen  des  Normalen  halten,  häufig  gewisse  Störungen  der 
Gesundheit  und  des  Allgemeinbefindens  auftreten  oder  doch 
mindestens  die  allgemeine  Widerstandsfähigkeit  herabgesetzt 
wird. 

Man  ist  deshalb  wohl  berechtigt,  auch  die  Menstruation  als 
ein  physiologisches  Leiden  anzusehen,  in  demselben 
Sinne,  in  dem  schon  Soranus  von  Ephesus  die  Schwan¬ 
gerschaft,  Geburt  und  Laktation  als  Karo,  yvaiv  nex^rj  be- 
zeichnete. 

Wird  schon  der  gesunde  Organismus  zur  Zeit  der  Men¬ 
struation  mitunter  schwer  in  Mitleidenschaft  gezogen,  so  gilt 
dies  unter  gewissen  Bedingungen  in  noch  weit  höherem  Grade 
von  einem  kranken.  Zahlreiche  Krankheiten  des  weiblichen 
Geschlechts  stehen  in  nahen  Wechselbeziehungen  zu  den  Ge¬ 
schlechtsfunktionen,  speziell  zur  Menstruation.  Wenn 
auch  viele  Einzelheiten  über  diese  Beziehungen  längst  bekannt 
und  auch  schon  zusammenfassend  in  Monographien  dargestellt 
worden  sind,  so  ist  doch  gerade  der  Einfluss,  den  die  Men¬ 
struation  auf  die  Entstehung  und  den  Verlauf  einer  ganzen 
Anzahl  innerer  Krankheiten  ausübt,  bisher  nur  sehr  wenig  be¬ 
rücksichtigt  worden. 

Es  soll  versucht  werden,  einen  Ueberblick  der  wichtigsten, 
hierbei  in  Frage  kommenden  Punkte  zu  geben. 

Zunächst  muss  auf  einige,  für  unsere  Betrachtungen  wich¬ 
tige  Tatsachen  aus  der  Physiologie  der  Menstruation  einge¬ 
gangen  werden.  Bei  jeder  Menstruation  kommt  es  neben  den 
lokalen  Veränderungen  in  den  Genitalien  und  den  daraus 


*)  Nach  cirem  Vortrag  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil¬ 
kunde  zu  Dresden.  . 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1869 


resultierenden  Beschwerden,  wie  Kreuzschmerzen,  Abwärts¬ 
drängen  im  Unterleib,  Urindrang  usw.  zu  gewissen  A 1 1  - 
gemeinerscheinungen. 

Ich  übergehe  die  mannigfachen  nervösen  Beschwer¬ 
den,  die  Steigerung  der  nervösen  und  psychi¬ 
schen  Reizbarkeit,  u.  a.  wie  sie  bei  vielen  Frauen  mehr 
oder  weniger  kurz  vor  und  während  jeder  Menstruation  zu 
bemerken  sind,  und  wende  mich  zu  Beobachtungen,  auf  die 
zuerst  Goodman  im  Jahre  1878  aufmerksam  gemacht  hat. 

Er  stellte  eine  Theorie  auf,  nach  der  sich  alle  Lebenspro¬ 
zesse  des  Weibes  wellenförmig  abspielen  und  wie  Ebbe  und 
Flut  verlaufen.  Die  Dauer  einer  solchen  Welle  entspricht  einer 
Menstruationsepoche. 

Zur  Zeit  der  Flut  hat  eine  Steigerung  aller  Lebensfunk¬ 
tionen  statt,  während  der  Ebbe  hingegen  eine  Verminderung  in 
der  Intensität  derselben.  Meistens  fällt  die  Menstruation  auf 
den  Uebergang  der  ersten  in  die  2.  Hälfte,  auf  den  Beginn  der 
Ebbe.  Der  Höhepunkt  der  Flut  fällt  demnach  in 
die  Prämenstrualzeit. 

Die  Goodman  sehe  Lehre  ist  in  der  Folgezeit  durch 
eine  ganze  Reihe  exakter  Untersuchungen  gestützt  worden, 
und  darf  wohl  nunmehr  als  ein  wissenschaftlich  begründetes, 
physiologisches  Gesetz  angesehen  werden. 

Die  einzelnen  Untersuchungen,  die  in  dieser  Richtung  aus¬ 
geführt  wurden,  erstrecken  sich  auf  Stoffwechsel,  Muskelkraft, 
Lungenkapazität,  Temperatur,  Pulsfrequenz,  Blutdruck  u.  a. 
(cf.  meine  Arbeit  ,,Ueber  prämenstruelle  Temperatursteige¬ 
rungen“,  D.  med.  Wochenschr.  1906.  No.  11  u.  12). 

Was  den  Blutdruck  betrifft,  so  sei,  ohne  dass  ich  an  dieser 
Stelle  auf  die  Befunde  von  Mary  Jacob y,  Wiessner,  v.  Ott, 
Schichareff,  Siredey  und  Francillon  u.  a.  eingehe,  nur 
erwähnt,  dass  ich  selbst  in  fast  vollkommener  Uebereinstiinmung 
mit  den  genannten  Autoren  und  mit  der  G  o  o  d  m  a  n  sehen  Lehre 
unter  35  Fällen  32 mal  einen  prämenstruellen  Anstieg  des 
Blutdrucks  über  das  Mittel  aus  der  Intermenstrualzeit  konstatieren 
konnte.  7  mal  betrug  derselbe  20 — 30  mm,  14  mal  10 — 20  mm  und 
11  mal  3 — 10  mm.  Das  Maximum  der  Drucksteigerung  fiel  8  mal  auf 
den  3.,  10  mal  auf  den  2.,  9  mal  auf  den  1.  Tag  vor  der  Menstruation, 
4  mal  endlich  auf  den  1.  Tag  der  Menstruation  und  1  mal  auf  den 
2.  Menstruationstag.  Das  Ansteigen  des  Blutdrucks  erfolgte  meist 
allmählich,  innerhalb  weniger  Tage,  manchmal  aber  auch  ganz  un¬ 
vermittelt.  Während  oder  unmittelbar  nach  der  Menstruation  sah 
ich  26  mal  ein  Absinken  des  Blutdruckes  auf  oder  häufig  unter  das 
Mittel,  3  mal  sogar  bis  zu  20  mm  unter  das  Mittel.  Der  niedrigste 
Wert  wurde  11  mal  am  letzten  Menstruationstag,  15  mal  an  dem  der 
Menstruation  folgenden  Tage  erreicht.  (Apparat  von  Riva-Rocci- 
Recklinghausen.) 

Die  erwähnten  periodischen  Schwankungen  der  Lebens¬ 
funktionen  beim  weiblichen  Geschlecht  fanden  sich  nicht  bei 
kleinen  Mädchen,  die  noch  nicht  menstruiert  waren,  und  bei 
Frauen,  die  jenseits  des  Klimakteriums  standen  (v.  Ott),  sie 
mussten  also  in  direkte  Abhängigkeit  von  der  Tätigkeit  der 
Keimdrüsen  gebracht  werden.  Und  während  man  sich 
früher  dachte,  dass  alle  die  Erscheinungen,  die  mit  der  Ovu¬ 
lation  einhergehen,  durch  den  Reiz  des  heranreifenden  Follikels 
ausgelöst  würden  und  reflektorisch  bedingt  wären  (Pflüger), 
neigt  man  jetzt  zu  der  Ansicht  (F  r  e  u  n  d),  dass  aus  der 
ovulierenden,  tätigen  Keimdrüse  Stoffe  in  die 
Blut  bahn  gelangen,  welche  alle  diese  Veränderungen, 
die  Steigerung  der  vitalen  Leistungen  und  der  nervösen  und 
psychischen  Erregbarkeit,  herbeizuführen  imstande  sind.  Mit 
der  Follikelberstung  ist  wahrscheinlich  die  Akme  in 
der  Intensität  dieser  Veränderungen  erreicht,  d.  h.  zu  diesem 
Zeitpunkt  ist  die  prämenstruelle  Flut  auf  ihrem 
Gipfel  angelangt. 

Bei  meinen  Blutdruckuntersuchungen  fand  ich,  dass  die 
Akme  der  Drucksteigerung  meist  auf  einen  der  3  der  Menstrua¬ 
tion  vorausgehenden  Tage  fiel. 

Danach  scheint  es,  dass  die  Menstruation,  deren 
kausale  Abhängigkeit  von  der  Ovulation  heute  allgemein  an¬ 
erkannt  ist,  zeitlich  gewöhnlich  der  Ovulation 
folgt.  Diese  Annahme  stimmt  mit  Untersuchungen  Leo¬ 
polds  überein,  und  die  meisten  Autoren  pflichten  jetzt  dieser 
Ansicht  bei  (Archiv  f.  Gynäkologie,  XXI). 

Es  muss  aber  betont  werden,  dass  der  zeitliche  Zu¬ 
sammenhang  von  Ovulation  und  Menstruation  ein  lok- 
k  e  r  e  r  ist  und  innerhalb  weiter  Grenzen  schwankt. 


Bei  der  Auslösung  der  menstruellen  Blutung  spielen  fie¬ 
berhafte  Krankheiten  und  ganz  besonders  psychi¬ 
sche  Momente  eine  grosse  Rolle.  Eine  Periode  kann  da¬ 
durch  wesentlich  früher  oder  später  eintreten,  als  die  Frauen 
nach  den  Erfahrungen  aus  der  vorangehenden  Zeit  erwartet 
haben,  oder  sie  kann  auch  gänzlich  ausbleiben. 

Hochinteressant  ist  nun  die  Beobachtung,  dass  die 
nächstfolgende  Periode  immer  wieder  den  ur¬ 
sprünglichen  Termin  einhält.  Auch  in  den  Fällen, 
in  denen  die  Periode  habituell  unregelmässig  auftritt,  scheint, 
wie  Fliess  angedeutet  hat,  gleichwohl  immer  ein  be¬ 
stimmter,  individuell  schwankender  Zeitabschnitt  eingehalten 
zu  werden.  Auf  eine  verfrühte  folgt  meist  eine  annähernd  ent¬ 
sprechend  verspätete  Menstruation  oder  umgekehrt.  Die 
kleinen  Abweichungen  von  wenigen  Tagen  heben  sich  in  grös¬ 
seren  Reihen  schliesslich  ganz  auf.  Fast  immer  wird  ein 
bestimmter  Menstruationstermin,  der  individuell 
verschieden  ist,  und  14 — 31,  in  den  meisten  Fällen  etwa  28  Tage 
beträgt,  streng  eingehalten  (cf.  die  Anmerkung  bei  der 
Korrektur). 

Ich  verfüge  über  Fälle,  in  denen  der  Menstruationstermin  im 
Verlauf  von  mehreren  Jahren,  abgesehen  von  kleinen  Schwan¬ 
kungen,  die  sich  wieder  ausglichen,  immer  derselbe  blieb.  Besonders 
beweisend  ist  ein  Fall,  in  dem  Aufzeichnungen  von  ziemlich  5  Jahren 
vorliegen,  und  in  dem  immer  ein  Termin  von  27,3  Jagen  beibehalten 
wurde,  wenn  auch  die  Periode  bald  mehrere  Tage  veifiüht,  bald 
entsprechend  verspätet  eintrat1). 

Für  diese  Beobachtungen  gebe  ich  die  Erklärung,  dass  die 
Ovulation,  und  nicht  die  Menstruation,  derjenige  Vorgang 
ist,  der  streng  periodisch  verläuft  und  an  den  die 
Periodizität  in  den  Lebensprozessen  der 
Frau  geknüpft  ist.  Die  Frage  freilich,  ob  die  Eigenschaft 
der  Periodizität  den  tätigen  Ovarien  selbst  innewohnt  ' oder 
ob  da  äussere,  speziell  kosmische  Einflüsse  eine  Rolle  spie¬ 
len,  was  S  c  h  a  t  z  in  einer  kürzlich  erschienenen,  sehr  ausführ¬ 
lichen  Arbeit  nachzuweisen  versucht  (Archiv  f.  Gynäkol. 
Bd.  72  u.  80),  muss  vorläufig  noch  unbeantwortet  bleiben  2). 

Da  die  Ovulation  der  Menstruation  meist  um 
einen  oder  mehrere  Tage  vorausgeht,  werden  wir  erwai- 
ten,  dass  alle  Erscheinungen,  die  mit  der  Ovulation  Zusammen¬ 
hängen,  meist  prämenstruell  auftreten. 

Da  eine  Menstruation  auch  einmal  ganz  ausbleiben  kann, 
ist  es  verständlich,  dass  die  von  der  Menstruation,  d.  h. 
der  Uterusblutung  unabhängigen,  nur  durch  die  Ovulation 
bedingten  Vorgänge  auch  auftreten  können,  ohne  dass  ihnen 
eine  menstruelle  Blutung  folgte.  Es  ist  nur  nötig,  dass  man  den 
aus  einer  ganzen  Reihe  von  Menstruationen  leicht 
zu  bestimmenden  Menstruations-  oder  besser  Ov  ula- 
tionstermin  kennt,  wenn  man  irgendwelche  Erscheinungen  auf 
die  Ovulation  beziehen  will.  Unser  Standpunkt  ist  nach  alle¬ 
dem  folgender:  Mit  der  streng  periodisch  sich 
vollziehenden  Ovulation  gelangen  gewisse 
Sekrete  in  den  Kreislauf,  die  unter  physio¬ 
logischen  Verhältnissen  einmal  eine  Steige¬ 
rung  der  nervösen  und  psychischen  Reizbar.- 
keitund  dann  eine  Steigerung  des  Blutdrucks 
und  der  vitalen  Energie,  eine  allgemeine  Er¬ 
höhung  der  Stoffwechselvorgänge,  eine  da¬ 
mit  einhergehende,  stärkere  Hyperämisie- 
rung  der  inneren  Organe  und  einen  regeren 
Säfteaustausch  bedingen. 

M  e  i  s  t  f  o  1  g  t  die  Menstruation  jenen  m  1 1  d  e  r 
Ovulation  einhergehenden  Vorgängen  ^  um 
einen  oder  mehrere  Tage  nach;  alle  jene  \  o  i  ■ 
gänge  a  b  e  r,  d  i  e  mit  derUterusblutung  als  s  o  1  - 


U  Die  Mitteilung  einer  ausführlichen  Kasuistik  hierher ceT  rigei 
und  ebenso  zahlreicher  anderer  Fälle,  die  meiner  heutigen  Wittcihim* 
zu  gründe  liegen,  muss  ich  mir  auf  spätere  Publikationen  versparen. 

2)  Ich  halte  es  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  durch  periodisch 
sich  vollziehende  Schwankungen  der  Luftelektrizität  und  an 
elektrischer  Frscheinungen  in  der  Atmosphäre,  deren  Lxisu  i / 
wiesen  ist  (cf.  Schatz  1.  c.),  die  Keimdruse  des  Ge¬ 
schlechtsreifen  Weibes  zur  Sekretion  angeregt  wird,  dass 
diese  also  gewissermassen  ein  Reagens  dafür  abgibt.  So  vnte  ns 
verständlich,  dass  eine  ev.  von  kosmischen  Einflüssen  anhängige 
Periodizität  der  Lebensprozesse  bisher  nur  beim  geschlechtsi  eiten 
Weibe  sicher  nachgewiesen  ist. 


1870 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


eher  gar  nichts  zu  tun  haben,  können  auch 
gänzlich  unabhängig  von  ihr  auftrete  n. 

Welche  pathologische  Erscheinungen  kann 
nun  eine  ganz  normal  sich  vollziehende  Ovulation  im  Gefolge 
haben  ? 

Ich  wende  mich  zunächst  dem  Zirkulationsappa¬ 
rate  zu.  Die  prämenstruelle,  normalerweise  nur  unbedeu¬ 
tende  Pulssteigerung  tritt  manchmal  bei  nervösen  Per¬ 
sonen,  ohne  dass  am  Herzen  etwas  Krankhaftes 
nachweisbar  wäre,  besonders  deutlich  in  die  Erscheinung  und 
äussert  sich  subjektiv  durch  starkes  Herzklopfen,  objektiv 
durch  eine  enorm  leichte  Erregbarkeit  und  Labilität  der  Herz¬ 
tätigkeit. 

In  diesen  Fällen  hat  man  es  entweder  mit  einer,  mehrere 
Tage  währenden  Tachykardie  zu  tun  oder  es  kommt  nur  ge¬ 
legentlich,  namentlich  am  Abend  zu  Paroxysmen  von  Herz¬ 
klopfen.  Die  Erregbarkeit  der  Herztätigkeit  tritt  öfter  schon 
1  oder  2  Tage  vor  Beginn,  manchmal  erst  während  der  Periode 
auf,  sie  hält  meistens  während  der  Periode  noch  an,  und  kann 
dieselbe  auch  noch  um  einen  oder  2  Tage  überdauern. 

Häufiger  finden  sich  Störungen  der  Herztätigkeit  zur  Zeit 
der  Ovulation  bei  H  e  r  z  k  r  a  n  k  e  n,  die  in  diesen  Tagen  unge¬ 
mein  oft  unter  sehr  heftigem  und  quälenden  Herzklopfen  zu 
leiden  haben.  Aber  ebenso  können  in  diesen  Tagen  die  schwer¬ 
sten  Kompensationsstörungen  auftreten,  und  ganz 
besonders  oft  findet  man,  dass  Kranke  mit  Mitralsteno¬ 
sen  oder  chronischer  Myokarditis  kurz  vor  oder 
während  der  Menstruation  dekompensiert  werden.  Am  häu¬ 
figsten  sieht  man  prämenstruelle  Kompensationsstörungen  bei 
Frauen,  die  im  Klimakterium  stehen.  Ich  erlebte  es,  dass  Herz¬ 
kranke  regelmässig  immer  wieder  mit  Eintritt  der  Menstruation 
dekompensiert  wurden,  kaum  dass  sie  sich  in  der  Zwischenzeit 
einigermassen  erholt  hatten. 

In  gleicher  Weise  kommen  auch  nicht  selten  Embolien 
in  den  Tagen  der  Ovulation,  also  meist  prämenstruell, 
zur  Beobachtung  und  wiederum  stellen  hierbei  Kranke  mit 
einer  Mitralstenose  oder  chronischer  Myokar¬ 
ditis  das  grösste  Kontingent. 

Endlich  muss  hervorgehoben  werden,  dass  eine  akute 
Myokarditis  nach  Infektionskrankheiten  häufig  in  der  Prä- 
menstrualzeit  erstmalig  objektive  Symptome  macht  (Dilatation. 
Steigerung  der  Pulsfrequenz,  Auftreten  von  Geräuschen  usw.) 

Die  erwähnten  Herzstörungen  treten  nicht  selten  an 
einem  bekannten  Ovulationstermin  auf,  während  die  men¬ 
struelle  Blutung  ganz  ausbleibt.  Dies  ist  verständlich,  denn 
sie  haben  ja  nach  meiner  Theorie  mit  der  Uterusblutung  als 
solcher  gar  nichts  zu  tun;  sie  sind  vielmehr  lediglich  auf  die 
streng  periodisch  sich  vollziehende  sekretorische  Tätigkeit  der 
Ovarien  zurückzuführen.  Die  in  diesen  Tagen  phvsiologischer- 
weise  auftretende  Blutdrucksteigerung  (die  im  Klimakterium 
besonders  hochgradig  zu  sein  scheint),  die  in  dieser  Zeit  ganz 
gewöhnliche  nervöse  Erregung  sind  genügend  Grund  dafür, 
dass  kranke  Herzen  in  diesen  Tagen  nach  verschiedenen  Rich¬ 
tungen  hin  versagen  können. 

Eine  ziemlich  bekannte  •  und  durchaus  verständliche 
Erscheinung  ist  die  Neigung  zu  Blutungen  wäh¬ 
rend  der  Menstruation.  Eine  grosse  Rolle  bei 
ihrem  Zustandekommen  mag  die  prämenstruelle  Hyperämie 
der  inneren  Organe  und  die  Erregbarkeit  der  Herz¬ 
tätigkeit  spielen,  eine  noch  grössere  die  prämenstruelle 
Blutdrucksteigerung.  Man  sieht  derartige  Blutungen  dem¬ 
entsprechend  auch  besonders  häufig  prämenstruell  auftreten; 
aber  auch  während  des  ganzen  Verlaufes  und  namentlich  am 
Ende  der  Menstruation  sind  sie  nicht  selten.  Beim  Auftreten 
derartiger  Blutungen  ist  die  eigentliche  uterine  Blutung  bis¬ 
weilen  auffallend  schwach.  Tch  sah  einigeinale,  dass  die  eine 
Blutung  durch  die  andere  gleichsam  abgelöst  wurde.  In  man¬ 
chen  Fällen  bleibt  die  uterine  Blutung  auch  ganz  aus,  und  man 
hat  es  dann  mit  einer  wirklichen  vikariierenden  Blu¬ 
tung  zu  tun,  die  an  einem  bekannten  Menstrnationstermin  an 
Stelle  der  Uterusblutung  auftritt.  Viel  häufiger  sind  die  erstge¬ 
nannten  Blutungen,  die  ich  Mitblutungen  nenne. 

Am  häufigsten  beobachtet  man  während  der  Menstruation 
vikariierende  oder  Mitblutungen  aus  erkrankten  Organen, 
in  erster  Linie  Lungenblutungen  aus  phthisischen  Ka¬ 


vernen.  Besonders  interessant  sind  solche  Fälle,  in  denen 
wiederholt  bei  vielen  Menstruationen  Hämoptysen  auftreten. 
Nächst  den  Lungenblutungen  kommen  während  der  Menstrua¬ 
tion  Magenblutungen  aus  Magengeschwüren  zur  Be¬ 
obachtung.  Ich  sah  ferner  bei  Typhuskranken  kurz  vor  Ein¬ 
tritt  der  Menstruation  Darmblutunge  n,  endlich  bei  einem 
Mädchen  mit  tertiärer  Lues  fast  gleichzeitig  mit  dem  Einsetzen 
der  sehr  profusen  Menses  eine  starke  Blutung  aus  einem 
G  u  m  m  a  am  rechten  Bein,  und  gleichzeitig  Blutbrechen 
und  blutige  Stühle  auftreten. 

Es  ist  aber  auch  möglich,  dass  zur  Zeit  der  Menstruation 
vikariierende  und  Mitblutungen  (per  diapedesin)  aus  vollständig 
gesunden  Organen,  aus  einer  unverletzten  Schleimhaut,  bei 
ganz  gesunden  Individuen  auftreten  können.  Am  bekanntesten 
ist  das  Nasenbluten,  das  bei  vielen  Mädchen  geradezu  eine 
Begleiterscheinung  der  Menstruation  ist,  oder,  wie  man  sicher 
beobachtet  hat,  vikariierend  für  eine  solche  eintreten  kann. 

Nächsthäufig  sind  menstruelle  Zahnfleischblu- 
t  u  n.g  e  n. 

Sehr  selten  sind  menstruelle  Blutungen  aus  dem  äusseren 
Gehörgang,  ferner  Glaskörperblutungen,  die  be¬ 
sonders  zur  Zeit  der  Pubertät  beobachtet  werden. 

Nicht  einwandfrei  sind  die  Mitteilungen  über  vikariierende 
menstruelle  Blasenblutungen  oder  über  Magenblu- 
t  u  n  g  e  n  aus  einer  ganz  intakten  Schleimhaut,  denn  es  lässt 
sich  meistens  weder  durch  die  Anamnese,  noch  durch  die  kli¬ 
nische  Untersuchung,  noch  durch  die  Sektion,  eir.  kleiner 
Schleimhautdefekt  sicher  ausschliessen.  Auffallend  sind  manche 
Mitteilungen  über  vikariierende  menstruelle  Lungenblu¬ 
tungen  aus  gesunden  Lungen. 

W  i  n  d  m  ii  1 1  e  r  beschreibt  z.  B.  einen  derartigen  Fall  bei  einer 
42  jährigen  Frau,  die  seit  13  Jahren  amenorrhoisch  war  und  alle 
4  Wochen  vikariierende  Lungenblutungen  bekam.  Auf  den  Lungen 
war  nichts  nachweisbar.  Es  erscheint  doch  ziemlich  unwahrschein¬ 
lich,  dass  eine  Lungentuberkulose,  die  regelmässig  alle  4  Wochen 
Lungenblutungen  verursacht,  13  Jahre  ganz  vollständig  latent  ver¬ 
laufen  sollte. 

Folgender  Fall  gehört  vielleicht  hierher:  Eine  33jährige  Erau 
gab  an,  seit  längerer  Zeit  regelmässig  in  der  Mitte  zwischen 
2  Menstruationen,  alle  4  Wochen  Bluthusten  zu  haben.  Die  Men¬ 
struation  selbst  trat  immer  regelmässig  4  wöchentlich  ein.  Im  Kran¬ 
kenhaus  wurde  einmal  an  einem,  den  Angaben  der  Kranken  ent¬ 
sprechenden  Termin  eine  Lungenblutung  beobachtet.  Die  Kranke 
hustete  an  2  aufeinander  folgenden  Tagen  ie  1 — 2  Esslöffel  schau¬ 
migen  Blutes  aus.  Danach  war  weder  Uu.sten  noch  Auswurf 
vorhanden.  Die  Kranke  ging  an  einer  tuberkulösen  Meningitis  zu 
gründe.  Auf  der  rechten  Spitze  war  das  Atemgeräusch  nicht  ganz 
normal,  es  waren  aber  keinerlei  sichere  Zeichen  von  Lungentuber¬ 
kulose  vorhanden.  Die  Sektion  wurde  leider  verweigert,  deshalb 
bleibt  der  Eall  unaufgeklärt  und  die  Möglichkeit,  dass  eine  latente 
Lungentuberkulose  als  Ursache  der  Blutungen  vorlag,  kann  nicht  von 
der  Hand  gewiesen  werden. 

In  einem  weiteren  Eall,  auf  den  ich  hier  nicht  näher  eingehen 
kann,  lag  vielleicht  ebenfalls  eine  menstruelle  parenchymatöse 
Mitblutung  der  Lungen  vor.  Es  handelte  sich  um  ein  21  jähriges  Mäd¬ 
chen.  das  an  einer  die  menstruelle  Blutung  ablösenden,  d.  h.  gegen 
das  Ende  derselben  auftretenden,  ganz  profusen  Lungenblutung  inner¬ 
halb  von  12  Stunden  zu  gründe  ging.  Bei  der  durch  Prosektor 
Dr.  G  e  i  n  e  1  ausgeführten  Sektion  fand  sich  nicht  die  geringste  Er¬ 
klärung  für  die  Blutung.  Beide  Lungen  waren  gleichmässig  mit  Blut 
durchsetzt,  waren  aber  sonst  völlig  intakt,  ebenso  wie  die 
Bronchien,  die  Pulmonalgefässe  und  die  Bronchialdrüsen.  Die 
Art  der  Blutung  war  durchaus  absonderlich,  indem  ganz  kontinuier¬ 
lich  hellrotes,  dicht  mit  Luftbläschen  durchsetztes, 
schaumiges  Blut  entleert  wurde,  das  eine  ähnliche  Beschaffenheit 
wie  beim  Lungenödem  hatte. 

Ganz  anders  sind  doch  die  Hämoptysen,  denen  eine  Arrosion 
eines  Gefäses  zu  gründe  liegt,  bei  denen  gewöhnlich  grössere  Mengen 
Blutes  stoss-  oder  schubweise  ausgehustet  werden,  und  bei  denen 
man,  falls  sie  zur  Autopsie  kommen,  auch  nicht  beide  Lungen  ganz 
gleichmässig  mit  Blut  durchtränkt  findet,  wie  in  unserem  Falle. 

Eine  Anzahl  sekretorisch  er  Störungen,  die  wäh¬ 
rend  der  Menstruation  bisweilen  Vorkommen,  wurden  früher 
immer  als  reflektorisch  bedingt  aufgefasst,  erklären  sich  aber 
vielleicht  auch  durch  eine  Reizwirkung  von  ovariellen  Se¬ 
kreten  auf  die  in  Frage  kommenden  Organe. 

P  e  y  e  r  beschreibt  einen  am  Beginn  der  Menstruation  auf¬ 
tretenden,  ganz  flüchtigen,  oft  nur  wenige  Stunden  anhalten¬ 
den  nervösen  Schnupfen.  Ferner  ist  hier  zu  erwähnen, 
dass  man  in  den  Tagen  der  Menstruation  nicht  selten  einen 
starken  Speichelfluss  und  eine  vermehrte  Schweiss- 
Sekretion  beobachten  kann.  Endlich  sei  darauf  hinge- 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1871 


wiesen,  dass  eine  Anzahl  von  H  au  t  af  f  ek  t  i  o  n  e  n,  wie 
Erytheme,  Urtikaria,  Pigmentanomalien  u.  a.  gelegentlich  zu 
Beginn  und  während  der  Menstruation  auftreten  und  vielleicht 
ebenso,  d.  h.  durch  eine  Reizwirkung  ovarieller  Sekrete  auf 
die  Haut  erklärt  werden  kann.  Recht  häufig  klagen  die  Frauen 
in  der  Prämenstrualzeit  über  Neuralgien,  namentlich  un 
Bereich  des  Trigeminus  und  Ischiadikus  und  über  rheuma¬ 
toide  Schmerzen  in  den  Muskeln  und  Gelenken.  Häufig 
treten  in  Organen,  die  früher  einmal  erkrankt  waren,  oder 
die  noch  krank  sind,  kurz  vor  Eintritt  der  Menstruation  regel¬ 
mässig  wieder  Schmerzen  auf  (Zahnschmerzen  bei  kariösen 
Zähnen,  Schmerzen  im  Ohr  bei  einer  früher  überstandenen 
Otitis  media,  Schmerzen  in  einer  früher  einmal  fraktuierten 
Extremität,  Gelenkschmerzen  nach  Polyarthritis,  Rücken¬ 
schmerzen  bei  früher  überstandener  Pleuritis,  Schmerzen  in 
der  Nierengegend  bei  Pyelitis,  Blinddarmschmerzen  bei  aa-e^ 
Perityphlitis,  Schmerzen  im  Unterleib  (Dysmenorrhöen)  bei 
gynäkologischen  Krankheiten  (Endometritis  etc.) 

Die  Deutung  der  mannigfachen  Schmerzen,  die  in  den 
Tagen  der  Menstruation  auftreten  können,  ist  nicht  immer 
leicht.  Oft  mögen  sie  psychisch  bedingt  sein,  oft  mag  die  prä¬ 
menstruelle  Hyperämie  bei  ihrem  Zustandekommen  eine  Rolle 
spielen  (z.  B.  bei  kariösen  Zähnen  durch  Druck  auf  die  Nerven), 
oft  handelt  es  sich  auch  wahrscheinlich  dabei  um  leichteste 
toxische  Neuritiden,  namentlich  wenn  die  Schmerzen  erst  gegen 
das  Ende  einer  menstruellen  Blutung  eintreten  (cf.  meine  Arbeit 
„Ueber  Menstruationsfieber“,  D.  med.  Wochenschr.  1906, 

No.  28  u.  29).  .  .  J  . .  . . 

Schmerzen,  die  während  der  Menstruation  in  der  Milz¬ 
gegend  auftreten,  werden  auf  eine  kongestive  Hyperämie 
der  Milz  zurückgeführt,  ebenso  Kopfschmerzen  unter 
Umständen  auf  eine  Hyperämie  des  Gehirns.  Veränderungen 
der  Stimme  zur  Zeit  der  Menses  erklären  sich  durch  Hyper¬ 
ämie  der  Stimmbänder. 

Menstrueller  Ikterus  beruht  nach  der  Ansicht 
Senators  auf  vikariierender  Leberhyperämie. 

In  einem  kürzlich  von  Metzger  mitgeteilten,  äusseist  leht- 
reichen  Falle  (Münch.  me,d.  Wochenschr.  1905,  No.  24)  beruhte  der 
fast  regelmässig  zu  Beginn  der  Menstruation  auftretende  Ikterus,  wie 
die  Sektion  ergab,  auf  einer  jedesmaligen  Einklemmung  eines  Gallen¬ 
steins.  In  der  Intermenstrualzeit  lag  der  Stein  beweglich  im  Zystikus 
und  Anfangsteil  des  Choledochus,  ohne  den  Gallenabfluss  wesentlich 
zu  hindern:  zu  Beginn  der  Menstruation  wurde  er,  wahrscheinlich  in- 
folge  der  Hyperämie  un<d  Schwellung  der  Qallengangswandung  regel- 
massig  eingekeilt,  so  dass  er  den  Choledochus  völlig  verspente. 

Ich  habe  einigemale  Gallenstein-  und  Nieren- 
steinkoliken  in  der  Prämenstrualzeit  auftreten  sehen,  die 
vielleicht  auf  ähnliche  Vorgänge  zurückzuführen  waren. 

Sehr  häufig  beobachtet  man  kurz  vor  Eintritt  und  während 
der  Menstruation  Verdauungsstörungen.  Die 
psychische  Erregung,  die  Steigerung  der  Stoffwechselvorgänge 
in  der  Prämenstrualzeit  mögen  ätiologische  Momente  hierfür 
abgeben.  Appetitlosigkeit,  Uebelkeit,  die  manchmal  bis  zum 
Erbrechen  führt,  sind  namentlich  im  Beginn  der  Menstruation 
nicht  selten.  Recht  oft  sieht  man  prämenstruelle  Durchfälle, 
noch  häufiger  Verstopfung.  30  Proz.  der  Menstruierenden  sind 
nach  Krieger  obstipiert.  Die  menstruelle  Verstopfung  kann 
zu  den  schwersten  und  bedrohlichsten  Erscheinungen  führen. 
In  vielen  Fällen  sind  die  dysmenorrhoischen  Beschwerden  auf 
chronische  Obstipation  zurückzuführen,  und  werden  durch 
Regelung  des  Stuhlgangs  beseitigt. 

Wir  behandelten  3  ausgesprochen  hysterische  Mädchen, 
bei  denen  wahrscheinlich  durch  eine  einfache  Obstipation  kurz 
vor  und  zu  Beginn  der  Menstruation  das  vollständige  Bild  einer 
schweren  Perityphlitis  vorgetäuscht  wurde.  Mit  dem 
Augenblick,  wo  Stuhlgang  erfolgte,  waren  alle  Erscheinungen 
wie  mit  einem  Schlag  spurlos  geschwunden. 

Bei  der  Beurteilung  solcher  Fälle  muss  man  vorsichtig 
sein.  Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  Kranke,  die  früher  einmal 
eine  Perityphlitis  durchgemacht  haben,  nicht  selten  prämen¬ 
struelle  Blinddarmschmerzen  bekommen.  Ebenso  kommen 
aber  auch  echte  Rezidive  einer  Perityphlitis  prämenstruell  zum 
Ausbruch.  Endlich  können  ähnliche  Bilder  wahrscheinlich  bei 
Neuropathischen  allein  schon  durch  die  Hyperämie  eines  Ova- 
riums,  namentlich  dann,  wenn  es  entzündliche  Veränderungen 
aufweist,  vorgetäuscht  werden. 


Nur  wenn,  wie  in  den  erwähnten  Fällen,  die  schweren  Er¬ 
scheinungen  nach  einer  Darmentleerung  momen- 
t  a  n  schwinden,  darf  man  sie  wohl  auf  eine  einfache  Obstipa¬ 
tion  beziehen. 

Es  ist  verständlich,  dass  die  nervöse  und  psychi¬ 
sche  Reizbarkeit,  die  sich  schon  bei  ganz  normalen  In¬ 
dividuen  so  häufig  zur  Zeit  der  Menstruation  findet,  nament¬ 
lich  bei  Neuropathischen  und  Psychopathischen 
in  die  Erscheinung  tritt.  Die  schweren  Depressionszustände, 
die  sich  bei  psvchisch  sonst  scheinbar  ganz  intakten  Personen 
manchmal  zur  Zeit  der  Menses  einstellen,  grenzen  oft  schon  ans 
Psychotische.  T  entamina  suicidii  werden  besonders  oft 
zur  Zeit  der  Menstruation  vorgenommen. 

In  der  Psychiatrie  ist  es  eine  ganz  bekannte  Erscheinung, 
dass  bei  zahlreichen  chronischen  und  namentlich  akuten 
Psychosen  das  Eintreten  der  Menstruation  gelegentlich  mit 
einer  stärkeren  Erregung  verbunden  ist.  Derartige  Erregungs¬ 
zustände  treten  oft  schon  1  oder  2  Tage  vor  der  Menstiuation, 
manchmal  förmlich  explosionsartig  auf.  Es  gibt  Fälle  perio¬ 
discher  Tobsucht,  die  sich  so  eng  an  die  Menses  anschliessen, 
dass  man  geradezu  von  einem  menstruellen  Irresein 
reden  kann.  Von  diesen  menstruellen  Psvchosen  berichtet 
Mendel,  dass  sie  meist  prämenstruell  auftreten.  Diese 
Beobachtung  ist  wieder  ganz  im  Sinne  unserer  bisherigen  Dar¬ 
legungen  zu  verwerten,  dass  nämlich  das  auslösende  Moment 
nicht  die  uterine  Blutung,  sondern  vielmehr  die  ihr  meist 
vorausgehende  Ovulation  abgibt.  So  erklärt  es  sich  auch, 
dass  Psychosen  zur  Zeit  der  fälligen,  aber  nicht  eintretenden 
Menstruation  exazerbieren  können  (Schröter),  dass  auch  im 
Klimakterium  nach  Verschwinden  der  Menstruation  Fälle  perio¬ 
dischen  Irreseins  mit  menstruellem  Typus  Vorkommen,  und 
endlich,  dass  gewisse  psychische  Störungen  —  es  handelt  sich 
dabei  um  meist  kurzdauernde  Verwirrungs-  und  Erregungs¬ 
zustände,  wahrscheinlich  auf  epileptischer  Basis  —  auch  schon 
vor  Eintritt  der  Menstruation  in  regelmässigen  Zwischenzeiten, 
streng  periodisch  auftreten  können. 

In  allen  diesen  Fällen  handelt  es  sich  um  das  Ausbleiben 
der  uterinen  Blutung  trotz  regelmässig  wiederkehrender  Ovu¬ 
lation  resp.  periodischer  sekretorischer  Tätigkeit  der  Ovarien. 

Dass  die  periodischen  Wellenbewegungen  der  Lebensfunktionen 
bei  jungen  Mädchen  schon  eine  Zeitlang  vor  Eintritt  der  eigent¬ 
lichen  Menstruation,  und  ebenso  bei  klimakterischen  Frauen  noch  eine 
Zeitlang  nach  Ausbleiben  der  Menstruation  fortbestehen  können,  dafur 
stehen  mir  selbst  mehrere  Beispiele  zur  Verfügung,  auf  die  ich  hier 
nicht  eingehen  kann.  Einen  Beweis  für  das  Vorkommen  von  Ovula¬ 
tion  ohne  Menstruation  geben  die  Fälle  ab,  in  denen  Amenori hoische 
konzipierten. 

Sehr  bekannt  ist  es,  dass  alle  möglichen  hysterischen 
Symptome  sich  zur  Zeit  der  Menstruation  verschlimmern 
können,  ferner,  dass  die  intensivsten  Formen  der  C  h  o  r  e  a 
während  der  Menstruation,  namentlich  zur  Zeit  der  Pubertät 
auftreten,  dass  epileptische  Zustände  zur  Zeit  der 
Pubertätsentwicklung  erstmalig  sich  zeigen,  und  bei  der  jedes¬ 
maligen  Menstruation  (nach  eigenen  Beobachtungen  namentlich 
in  der  Prämenstrualzeit)  rezidivieren  können,  dass 
M  i  g  r  ä  n  e  a  n  f  ä  1 1  e,  die  in  den  Entwicklungsiahren  erstmalig 
auftreten,  periodisch  mit  der  Menstruation  oder  auch  zu i  Zeit 
der  erwarteten  und  nicht  eintretenden  Blutung  sich  einstellen. 
Auch  tabische  gastrische  Krisen  kommen  nach 
meiner  Erfahrung  nicht  selten  kurz  vor  Eintritt  der  Menstiua¬ 
tion  zur  Beobachtung.  Auf  den  Verlauf  der  Basedow  sehen 
Krankheit  übt  der  Eintritt  der  Menses  zweifellos  in  man¬ 
chen  Fällen  einen  ungünstigen  Einfluss  aus.  Die  subjektiven 
Beschwerden  der  Basedowkranken  sind  zur  Zeit  dei  Men¬ 
struation  oft  viel  stärker,  als  in  der  Zwischenzeit  und  auch 
objektiv  kann  man  nicht  selten  (ebenso  manchmal  bei  Gesun¬ 
den)  ein  deutliches  Anschwellen  der  Schilddrüse  in  diesen 
Tagen  nachweisen.  Ganz  bedeutende  Strumen  wurden  ge¬ 
legentlich  bei  einem  völligen  Ausbleiben  der  Menses  beobachtet. 

(Schluss  folgt.) 


1872 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  Würzburg. 

Ueber  Jod-Benzin-Desinfektion. 

Von  Prof.  E  n  d  e  r  1  e  n. 

Heusner  beschrieb  im  vergangenen  Jahre  eine 
neue  Art  der  Haut-  und  Händedesinfektion.  Die  zuletzt  emp¬ 
fohlene  Flüssigkeit  bestand  aus:  Jodtinktur  10,0;  Benzin  750,0; 
Paraffinöl  250,0.  Von  dieser  wird  pro  Person  K  Liter  in  eine 
Porzellanschüssel  gegossen,  die  Hände  werden  mit  Bürste  und 
rauhem  Handtuchlappen  5  Minuten  abgerieben.  Bei  dem 
Operationsfeld  ist  es  besser,  die  Bürste  beiseite  zu  lassen  und 
nur  den  Lappen  zu  verwenden.  Eine  vorhergehende  Waschung 
mit  Wasser  empfiehlt  sich  nicht,  weil  die  Flüssigkeit  in  die 
durchfeuchtete  Oberhaut  nicht  gut  eindringt.  Wegen  der 
Schlüpfrigkeit  der  Hände  empfahl  Heusner  Leinenhand¬ 
schuhe  zu  tragen;  Gummihandschuhe  eignen  sich  weniger,  weil 
sie  infolge  der  Berührung  mit  Benzin  brüchig  werden. 

Heusner  rühmt  die  Zeitersparnis,  das  wohlg'epflegte 
Aussehen  der  Hände;  Gesundheitsschädigungen  infolge  der  Auf¬ 
nahme  von  Jod  durch  Haut  oder  Lungen  wurden  nicht  beob¬ 
achtet.  „Die  einzige  wesentliche  Unannehmlichkeit  besteht 
in  einer  leichten  Braunfärbung  der  Hände,  welche  auf  der 
Attraktion  des  Epitheleiweisses  auf  das  Jod  beruht  und  sich 
übrigens  nach  einer  Reihe  von  Stunden  von  selbst  wieder  ver¬ 
liert  Da  sie  ein  sichtbares  Zeichen  für  die  Tiefenwirkung  der 
Desinfektion  bildet  und  den  Chirurgen  nötigt,  sich  am  Ende 
der  Operation  noch  einmal  gründlich  zu  waschen,  so  hat  die 
Färbung  auch  ihr  Gutes.“ 

Heusner  verwendet  Jodbenzin  auch  zur  Bereitung  des 
Näh-  und  Unterbindungsmateriales.  Rohkatgut  und  Seide 
kommen  für  14  Tage  in  eine  2  prom.  jodhaltige  Benzinlösung 
und  werden  in  einer  2  prom.  „Jodparaffinlösung“  aufbewahrt. 

Die  Erfahrungen  mit  der  Wundheilung  waren  günstige, 
„wobei  das  Urteil  sich  allerdings  mehr  auf  den  subjektiven  Ein¬ 
druck  stützt.“  Die  Resultate  waren  mindestens  so  gut,  wie  bei 
der  Heisswasser-Alkohol-Sublimatdesinfektion ;  die  Anzahl  der 
Stichkanaleiterungen  nahm  erheblich  ab.  Auch  v.  Brunn 
äusserte  sich  günstig. 

Mit  der  ausgedehnten  gründlichen  Heisswasser-Alkohol- 
Lysoldesinfektion  (20  Minuten  heisses  Wasser,  Alkohol  und 
Lysol  je  5  Minuten),  dem  Tragen  von  häufig  gewechselten 
Zwirnhandschuhen,  Seide  zur  Unterbindung,  So  eins  Draht 
zur  Hautnaht  (bei  aseptischen  Operationen)  hatte  ich  in  Basel 
einwandsfreie  Resultate  (insbesondere  bei  Strumen,  welche  nach 
Kocher  das  beste  Kriterium  für  Wundheilung  sind).  —  (Anm. : 
Alle  übrigen  Operationen  werden  mit  Gummihandschuhen  aus¬ 
geführt.) 

Die  Gründe,  zur  Jodbenzindesinfektion,  deren  Autor  das 
vollste  Vertrauen  verdient,  überzeugen,  waren  die  Zeiterspar¬ 
nis;  das  lange  Bürsten  ist  ausserdem  sicher  keine  geistreiche 
Beschäftigung  (Bier);  ferner  war  massgebend,  dass  in  der 
hiesigen  Klinik  das  gleichmässig  strömende  heisse  Wasser 
neben  manchem  anderen  ein  pium  desiderium  ist. 

Das  Jodbenzinparaffin  fand  ausgedehnte  Anwendung  bei 
Hernien-,  Nieren-,  Magen-,  Darm-,  Drüsen-  und  Gelenkopera¬ 
tionen  (nur  die  Strumen  blieben  dem  alten  Verfahren  reser¬ 
viert). 

Was  nun  die  Resultate  anlangt,  so  stehen  sie  hinter  denen 
der  langen  Waschung  zurück.  Rötung  der  Stichkanäle  war  fast 
regelmässig  (sie  ging  allerdings  unter  dem  Kocher  sehen 
Wismutsublimatbrei  nach  Entfernung  der  Drahtnähte  rasch  zu¬ 
rück).  Die  Mündungen  der  Stichkanäle  bleiben  länger  sichtbar. 
An  bedeckten  Stellen  hat  dies  wenig  zu  sagen,  ist  vielleicht  nur 
ein  kleiner  Schönheitsfehler;  bei  Operationen,  die  der  Kosmetik 
halber  unternommen  werden,  muss  man  aber  mit  ihm  rechnen. 

Die  Braunfärbung  der  Hände,  welche  sich  bei  vielem  Ope¬ 
rieren  nicht  völlig  verliert,  hat  wenig  zu  bedeuten;  wirklich 
unangenehm  ist  aber,  dass  sich  nach  intensivem  Gebrauch  trotz 
Handpflege,  doch  Ekzem  einstellen  kann,  das  erst  nach  Aufgabe 
des  Jodbenzins  schwindet. 

Ein  weiterer  Uebelstand  ist,  dass  die  Gummischürzen  und 
die  teuren  Gummischuhe  stark  geschädigt  werden. 

All  dies  hat  die  Veranlassung  gegeben,  die  Anwendung  des 
Jodbenzins  stark  einzuschränken;  sie  stellt  eine  brauchbare 
Methode  dar,  aber  nicht  das  Ideal  der  Händedesinfektion. 


Aus  der  Königsberger  chirurgischen  Klinik  des  Professor 

Erich  L  e  x  e  r. 

Vereinfachung- des  Verbandes  nach  Mammaamputation 
und  anderen  Operationen  in  der  Achselhöhle. 

Von  Dr.  Ad.  Ebner. 

Die  bisher  allgemein  übliche  Feststellung  des  Armes  im 
Verband  nach  Amputation  der  Mamma  oder  nach  sonstigen  be¬ 
liebigen  Operationen  in  der  Achselhöhle  hat  den  Uebelstand, 
dass  die  Beweglichkeit  des  Schultergelenkes  darunter  leidet 
und  z.  B.  nach  einer  gut  verlaufenen  Mammaamputation  noch  „ 
mindestens  2  Wochen  zur  Beweglichmachung  des  Schulter¬ 
gelenkes  erforderlich  sind,  wenn  die  Wunde  bereits  geheilt  ist. 
Zum  Teil  wurde  nach  Mammaamputation  die  Beschränkung  der 
Elevation  des  Armes  darauf  zurückgeführt,  dass  die  Narbe  in 
der  Achselhöhle,  wenn  sie  in  dieser  wie  zur  Unterbindung  der 
Art.  axillaris  ausläuft,  sich  stark  zusammenzieht  und  auf  diese 
Weise  ein  Hindernis  für  die  spätere  Beweglichkeit  des  Armes 
bildet. 

Eine  Reihe  von  Schnittführungen  ist  infolgedessen  emp¬ 
fohlen  worden,  um  diese  Narbenbildung  zu  vermeiden.  Ich  er¬ 
innere  nur  an  die  bekannte  Schnittführung  von  Kocher. 
Dieser  legt  bekanntlich  den  Hautschnitt  von  der  Klavikula  ab¬ 
wärts  bis  zur  vorderen  Axillarfalte  nahe  dem  Armansatz  des 
Muse,  pectoral.  maj.  an  und  ist  von  der  Narbenbildung  sehr 
befriedigt.  Die  Umschneidung  der  Mamma  erfolgt  dann  von 
dem  ersten  Schnitt  aus  in  der  gewöhnlichen  Weise. 

Der  von  Bardenheuer  gemachte  Vorschlag,  nach  Re¬ 
sektion  des  Schultergelenkes  den  Arm  in  steiler  Erhebung  mit 
einem  Streckverband  zu  versehen,  hat  L  e  x  e  r  vor  3 K  Jahren 
zu  dem  Versuch  bewogen,  einen  Streckverband  auch  nach  der 
Mammaamputation  anzulegen.  Ein  ganz  ähnliches  Verfahren 
ist  dann  später  im  April  1907  von  C.  Ewald  empfohlen 
worden,  der  an  einem  in  der  umwickelten  Faust  gehaltenen 
Holzstab  den  Arm  aufhängt  oder  sich  der  üblichen,  in  der 
Längsrichtung  angelegten  Heftpflasterstreifen  zur  Erhebung  des 
Armes  bedient. 

Es  hat  aber  der  Heftpflasterstreckverband  doch  einige  Un¬ 
annehmlichkeiten,  weshalb  an  der  hiesigen  Klinik  folgende  Ver¬ 
einfachung  erprobt  worden  ist,  die  ich  hier  kurz  mitteilen  will. 

Die  Elevation  des  Armes  wird  in  überaus  einfacher  und 
bequemer  Weise  durch  einen  über  den  Arm  bis  zur  Mitte  des  Ober¬ 
armes  gezogenen  Trikotschlauch  erreicht,  der  mit  seinem  freien  Ende 
vermittelst  einer  anzuknüpfenden  Mullbinde  leicht  an  dem  oberen 
Kopfstück  des  Bettgestelles  befestigt  werden  kann.  Der  Grad  der 
Elevation  lässt  sich  in  einfacher  Weise  durch  Verkürzung  oder  Ver¬ 
längerung  des  befestigenden  Bindenendes  verändern.  In  der  Regel 
wird  bei  uns  die  Elevation  so  weit  getrieben,  dass  der  Oberarm  in 
einem  stumpfen,  mindestens  aber  in  einem  rechten  Winkel  vom 
Körper  absteht.  Das  Abgleiten  des  Trikotschlauches  wird  verhindert 
durch  eine  Mullbinde,  welche  am  unteren  Ende  des  Schlauches  durch 
zwei  eingeschnittene  Löcher  befestigt  und  dann  unter  dem  gesunden 
Arm  um  die  Brust  herum  vereinigt  wird.  Es  empfiehlt  sich  jedoch 
vor  dem  Einschneiden  der  Löcher  das  untere  Ende  des  Schlauches 
1 — 2  mal  nach  oben  umzulegen,  da  so  ein  Ausreissen  der  Binde  bei 
dem  dünnen  Gewebe  des  Trikotschlauches  leicht  vermieden  werden 
kann. 


Abbildung  I. 


Bei  der  Versorgung  der  Wunde  kann  der  den  Thorax  umfassende, 
namentlich  dicken  Patienten  unbequeme  Verband,  wie  ihn  auch 
Ewald  nach  der  Zeichnung  in  seiner  Publikation  zu  gebrauchen 
scheint,  vermieden  werden  mit  Hilfe  eines  einfachen  Heftpflasterver¬ 
bandes.  Bei  diesem  ist  jedoch  zu  berücksichtigen,  dass  man  nicht 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1873 


nur  in  der  Achselhöhle,  sondern  auch  am  untersten  Wundwinkel, 
wo  häufig  die  Haut  etwas  reichlich  vorhanden  ist  und  leicht  Re¬ 
tentionen  entstehen  können,  dicke  Bäusche  von  Krüllgase  verwendet 
und  diese  fest  mit  Heftpflaster  andrückt.  Gerade  an  der  letzteren 
Stelle  ist  es  deshalb  auch  empfehlenswert,  die  Nähte  nicht  nur  durch 
die  Haut  zu  legen,  sondern  auch  die  Muskulatur  mitzufassen,  um 
so  noch  sicherer  diese  Retentionen  zu  vermeiden. 

Der  Heftpflasterstreifen  1  in  der  Abbildung  I  hat  den  Zweck,  die 
Haut  fest  in  die  Achselhöhle  zu  pressen,  die  2  anderen  Streifen  2  und 
3  die  Haut  am  Thorax  mit  einiger  Gasepolsterung  anzulegen.  Da¬ 
rüber  kommen  noch  Heftpflasterstreifen  nach  Belieben,  um  die  Ver¬ 
bandstoffe  genügend  fest  zu  halten.  Das  Drainrohr,  das  stets  in  die 
Achselhöhle  zu  liegen  kommt,  wird  am  5.  oder  6.  Tage  entfernt. 

Die  Patienten  dürfen  durchschnittlich  nach  einer  Woche  auf¬ 
stehen.  Es  empfiehlt  sich  aber,  sie  in  der  nächsten  Woche  darauf 
wenigstens  in  der  Nacht  diesen  Trikotschlauch  noch  tragen  zu  lassen 
mit  entsprechender  Erhebung  des  Armes. 


Abbildung  II.  Abbildung  III. 


Die  Abbildung  II  und  III  zeigt  die  Bewegungsfähigkeit  einer 
Patientin  am  7.  Tage  nach  der  Operation,  nachdem  soeben  die 
Fäden  herausgenommen  sind.  Es  lässt  sich  somit 
durch  dieses  einfache  Verfahren  eine  aus¬ 
gezeichnete  Beweglichkeit  des  Schulterge¬ 
lenkes  erzielen.  Dasselbe  hat  weiterhin  auch  den  Vor¬ 
teil,  dass  bei  notwendiger  Unterbindung  der  Vena  axillaris  das 
übliche  Stauungsödem  vermieden  wird. 

Es  ist  dabei  gleichgültig,  welche  Schnittführung  man  wählt. 
Muss  bei  ausgedehnten  und  tiefsitzenden  Mammakarzinomen 
die  Pektoralismuskulatur  weggenommen  werden,  so  bevorzugt 
L  e  x  e  r  den  Kocher  sehen  Schnitt.  Andernfalls  wird  die 
Operation  in  der  bekannten  typischen  Weise  so  ausgeführt, 
dass  die  beiden  die  Mamma  spindelförmig  umgreifenden 
Schnitte  in  der  Achselhöhle  wie  zur  Unterbindung  der  Art. 
axillaris  auslaufen. 

Eine  hypertrophische  Narbe,  welche  in  der 
Achselhöhle  spannend  und  hemmend  wirkt,  ist  bei  diesem 
Verfahren  nicht  beobachtet  w  o  r  de  n.  Es  ist  leicht 
einzusehen,  dass  die  Narbe  der  Achselhöhle  viel  eher  der  Nei¬ 
gung  zu  einer  hypertrophischen  Wucherung  unterliegen  muss, 
wenn  nach  dem  älteren  Verfahren  der  Arm  am  Thorax  fest¬ 
gestellt  war  und  nun  erst  nach  der  Heilung  der  Wunde  mit 
aktiven  und  passiven  Bewegungen  eine  Dehnung  des  Narben¬ 
gewebes  bewirkt  wird.  Dass  dann  das  so  gereizte  Gewebe 
der  Narbe  in  Wucherung  gerät,  sich  später  zusammenzieht  und 
zu  einem  Hindernis  für  die  Beweglichkeit  wird,  ist  nicht  zu 
verwundern. 

Der  Vorteil  des  Verbandes  besteht  in  ausserordentlicher 
Einfachheit  und  Leichtigkeit  der  Anlegung,  die  mir  auch  der 
Elevation  des  Armes  an  der  eingewickelten  Faust  bei  dem 
Ewald  sehen  Verbände  überlegen  zu  sein  scheint,  bei  gleich¬ 
zeitiger  Erhaltung  einer  normalen  Beweglichkeit  im  Schulter¬ 
gelenk.  Als  einziger  Nachteil  dieses  einfachen  Verfahrens  ist 
anzuführen,  dass  bei  manchen  Kranken  am  ersten  Tage  nach 
der  Operation  über  die  Lage  des  Armes  geklagt  worden  ist. 
Doch  haben  sich  sämtliche  Kranke  schnell  an  diese  Lage  ge¬ 
wöhnt  und  weiter  keine  Beschwerden  mehr  davon  gehabt. 
Ein  besonderer  Vorteil  des  von  uns  angewendeten  Trikot¬ 
schlauches  gegenüber  der  Befestigung  nach  Ewald  an  einem 

No.  38 


in  der  umwickelten  Faust  gehaltenen  Stabe  scheint  mir  durch 
die  Möglichkeit  gegeben,  dass  es  im  letzteren  Falle  leicht  zu 
erheblichen  Druckbeschwerden  für  die  Hand  des  Kranken 
kommen  kann,  was  bei  dem  von  uns  angewendeten  Verfahren 
von  vornherein  ausgeschlossen  ist. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  besonders  hervorheben,  dass 
sämtliche  mit  dem  Verbände  behandelten  Patientinnen  bei  der 
Entlassung  bereits  imstande  waren,  sich  ohne  Beschwerden 
selbst  die  haare  zu  machen. 


Ueber  die  Heilungsaussichten  beim  Magen-  und  Darm¬ 
karzinom.*) 

Von  Professor  Dr.  Willy  An  schütz,  z.  Z.  in  Marburg. 

Von  1891-  1906  wurden  über  800  Karzinome  des  Magens 
und  etwa  150  des  Darmes  an  der  Breslauer  Chirurgischen 
Klinik  beobachtet.  Dies  Material  ist  gross  genug,  um  über  die 
Heilungsaussichten  zu  urteilen.  Bei  der  grossen  Mehrzahl  der 
Fälle  wurden  die  genauen  Untersuchungen  ante  operationem 
alsbald  durch  die  Laparotomie  kontrolliert,  und  auch  das 
spätere  Schicksal  der  Patienten  verfolgt.  Wir  haben  danach 
eine  gewisse  Verpflichtung,  dieses  Material  für  die  Allgemein¬ 
heit  der  Aerzte  öffentlich  zu  verwerten,  von  unseren  Resultaten 
divergierenden  Ansichten  entgegen  zu  treten  und  zu  versuchen, 
einen  Austausch  der  Meinungen  herbeizuführen.1) 

Ich  werde  mich  in  folgendem  nur  an  die  Erfahrungen  der 
Breslauer  Klinik  halten,  wie  sie  unter  M  i  k  u  1  i  c  z  s  und  später 
unter  Gar  res  Leitung  erworben  wurden. 

Der  Krebs  ist  in  seinem  Beginn  ein  lokales  Leiden  und  kann 
lokal  geheilt  werden.  Dieser  alte  Satz  Virchows  sollte  uns 
immer  leiten.  Es  folgt  daraus,  dass  jedes  Karzinom,  so  lange 
es  operabel  ist,  dem  Chirurgen  zugewiesen  werden  muss;  aus¬ 
genommen  vielleicht  manche  Formen  der  Hautkarzinome.  Die¬ 
ser  Leitsatz  wird  wohl  in  seiner  Allgemeinheit  kaum  Wider¬ 
spruch  erfahren,  und  doch  wird  er  so  oft  nicht  befolgt,  gerade 
wenn  es  sich  um  Magendarmkarzinome  handelt.  Warum? 

In  allererste  Linie  stelle  ich  nicht  die  schlechten 
augenblicklichen  und  dauernden  operativen  Erfolge,  die  zur 
Zeit  den  Arzt  noch  abhalten  könnten  zur  Operation  zu  raten. 
Nein,  die  Hauptursache  ist,  dass  die  Aerzte  noch  immer  n  i  c  h  t 
streng  genug  die  Parallele  zwischen  innerem 
und  äusserem  Krebs  ziehen.  Falsches  Mitleid,  Fata¬ 
lismus,  Furcht  durch  eine  gewagte  Operation  in  den  Gang  der 
Dinge  einzugreifen,  spielen  beim  Zögern  des  Arztes  eine  grosse 
Rolle.  Es  wird  aber  noch  die  Zeit  kommen,  wo  die  Kranken 
oder  ihre  Angehörigen  für  eine  verspätete  Karzinomdiagnose, 
resp.  Operation  den  Arzt  ebenso  verantwortlich  machen  wer¬ 
den,  wie  beim  Brustkrebs  z.  B.  —  und  das  in  der  grösseren  Zahl 
der  Fälle  mit  Recht. 

Gleich  eingangs  will  ich  erwähnen,  dass  ich  von  dem  Wider¬ 
stand  des  Publikums  gegen  derartige  Operationen  nicht  spre¬ 
chen  will.  Ich  weiss  recht  wohl,  welche  sehr  grosse  Rolle  dieser 
Widerstand  in  der  Praxis  spielt  und  wie  oft  die  Patienten  dem  Rat 
des  Arztes,  sich  operieren  zu  lassen,  nicht  folgen.  Diesen  Faktor  will 
ich  ausser  Acht  lassen.  Er  ist  zur  Zeit  noch  mächtig,  aber  er  ist 
sicher  abhängig  von  der  Stellungnahme  der  Aerzte  auf  diesem  Ge¬ 
biet  und  im  Laufe  der  Jahre  wohl  zu  .beeinflussen.  Das  haben  wir 
bei  den  Operationen  wegen  Appendizitis,  Gallensteinen,  Kropf  etc. 
erfahren. 

Ich  sagte,  so  lange  ein  Magen-  oder  Darmkarzinom  ope¬ 
rabel  ist,  gehört  es  dem  Chirurgen.  Nun  ist  aber  O  p  e  r  a  b  i  1  i- 


*)  Vortrag,  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  zu  Marburg  am 
19.  Juli  1907. 

H  Die  Grundlagen  zu  diesen  Ausführungen  finden  sich  in  Arbeiten 
aus  der  Breslauer  chirurgischen  Klinik  von  Makkas:  Beiträge  zur 
Chirurgie  des  Magenkarzinoms.  Die  in  den  Jahren  1891 — 190-4  in 
der  M  i  k  u  1  i  c  z  sehen  Klinik  ausgeführten  Magenresektionen.  Von 
Hoff  mann:  Haben  wir  in  Zukunft  günstigere  Resultate  von  der 
chirurgischen  Behandlung  des  Magenkarzinoms  zu  erwarten  und  be¬ 
steht  ein  Zusammenhang  zwischen  klinischer  Krankheitsdauer  und 
Radikaloperabilität?  Und  von  An  schütz:  Beiträge  zur  Klinik  des 
Dickdarmkrebses.  Sämtlich  in  dem  Gedenkband  für  J.  v.  Mikulicz, 
III.  Supplementband  zu  den  Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.  d.  Med.  u.  Cliir., 
Jena  1907.  Vergleiche  auch  Kausch:  der  Magenkrebs  und  die 
Chirurgie.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  17  u.  18. 


3 


18M 


— 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


tat  ein  recht  schwankender  Begriff.  Ich  über¬ 
gehe  die  Aerzte,  die  überhaupt  noch  nicht  an  die  Möglichkeit 
einer  erfolgreichen  radikalen  Operation  glauben:  Das  ist  ein¬ 
fach  Unkenntnis.  Ich  gebe  aber  zu,  dass  man  über  die  Grenzen 
der  Operabilität  verschiedener  Meinung  sein  kann.  Für  mich 
persönlich  gibt  es  eigentlich  nur  zwei  Punkte,  die  ohne 
Probelaparotomie  eine  sichere  Kontraindikation  gegen 
einen  Eingriff  darstellen:  erstens  der  Nachweis  entfernterer 
Metastasen,  zweitens  komplizierende  Erkrankungen,  wie 
schwere  Tuberkulose,  Nephritis  etc.  Alle  anderen  Kontra¬ 
indikationen  (höheres  Alter,  Kachexie,  Fixationen  und  Grösse 
des  Tumors  etc.)  sind  nur  relative  und  sollten  gründlichst  er¬ 
wogen  werden,  ehe  man  sie  den  Ausschlag  gegen  einen  radi¬ 
kalen  Eingriff  geben  lässt. 

Das  Verzichten  auf  die  Operation  ist  das  sichere  Todes¬ 
urteil  für  den  Patienten.  Sind  die  Aerzte  sich  über  diesen  Punkt 
so  klar,  wie  wir  das  verlangen  müssen?  Wer  wie  wir  gewöhnt 
ist,  seine  Untersuchungen  und  speziell  seine  Palpation  so  oft 
und  so  schnell  durch  die  Operation  zu  kontrollieren,  wird  seinen 
Befunden  gegenüber  skeptisch  und  möchte  sie  nicht  gerne  da¬ 
rüber  entscheiden  lassen,  ob  der  Patient  unrettbar  verloren  ist 
oder  nicht.  In  manchen  Fällen  hängt  die  Operabilität  eines 
Tumors  nicht  von  seiner  Grösse,  von  Verwachsungen  etc.  ab, 
sondern  von  anderen  technischen  Schwierigkeiten.  Dies  gilt 
besonders  von  den  Darmkarzinomen.  Ueberhaupt  entzieht  sich 
die  Entscheidung,  ob  ein  intestinales  Karzinom  noch  operabel 
ist  oder  nicht,  oft  der  Kompetenz  des  Nichtchirurgen  und  nicht 
selten  wird  auch  der  Chirurg  die  Entscheidung  dieser  schwieri¬ 
gen  technischen  Probleme  nur  nach  Prüfung  der  lokalen  Ver¬ 
hältnisse  bei  offenem  Abdomen  treffen  können.  Es  wäre  zu 
wünschen,  dass  die  Aerzte  und  Laien  den  Magen-Darmkrebsen 
gegenüber  dasselbe  verantwortliche  ängstliche  Gefühl  hätten, 
wie  dem  Brustkrebs  gegenüber,  wo  heutzutage  jeder  ver¬ 
nünftige  Arzt  und  jeder  halbwegs  intelligente  Patient  zur 
Operation  oder  mindestens  zur  Zuziehung  eines  Chirurgen 
drängt,  sobald  der  Verdacht  auf  Karzinom  auftaucht. 

Der  Leitsatz:  Das  operable  Magen-Darmkarzinom  gehört 
dem  Chirurgen,  wird  dann  bedeutungslos  in  der  Praxis,  wenn 
das  Karzinom  einfach  nicht  erkannt  wird.  Wir 
verlangen  gar  nicht  vom  vielbeschäftigten  praktischen  Arzt 
die  feineren  Untersuchungsmethoden,  auch  nicht  die  Unter¬ 
suchung  des  Mageninhaltes  oder  eine  ausgebildete  Palpations¬ 
technik,  wir  wünschen  nur,  dass  in  Fällen,  wo  sich  bei  vorher 
gesunden  fiteren  Leuten  die  typischen  Magen-  oder  Darm¬ 
beschwerden  einstellen,  so  gut  wie  möglich  untersucht  wird 
und  dass  der  Verdacht  auf  Karzinom  auftaucht,  wenn  die  Be¬ 
schwerden  anhalten.  Jeder  muss  die  Grenzen  seiner  dia¬ 
gnostischen  Fähigkeiten  kennen  und  richtig  einschätzen  lernen. 
Gelingt  es  dem  praktischen  Arzte  nicht,  den  Verdacht  auf  Kar¬ 
zinom  durch  genaueste  Untersuchung  auszuschliessen,  so  muss 
die  nächste  Instanz  zugezogen  werden,  von  der  er  denkt,  dass 
die  Diagnose  gefördert  werden  könnte.  Gelingt  es  auch  dem 
auf  diesem  Gebiete  Erfahrenen  nicht,  das  Karzinom  aus¬ 
zuschliessen,  reichen  alle  modernen  Untersuchungsmethoden 
zusammengenommen  dazu  nicht  aus,  dann  bleibt  als  letztes 
Hilfsmittel  die  diagnostische  Laparotomie, 
über  deren  Berechtigung  und  Notwendigkeit  kein  Zweifel  be¬ 
stehen  sollte. 

Führt  es  nicht  zu  einer  Ueberspannung  des  Begriffes 
der  Wissenschaftlichkeit,  wenn  man  immer  erst  die  Diagnose 
des  Magen-  oder  Darmkarzinoms  absolut  sicher  stellen  will, 
ehe  man  eine  Operation  empfiehlt?  Soll  für  unsere  mangel¬ 
haften  Untersuchungsmethoden  der  Kranke  biissen? 

Wenn  ein  so  erfahrener  Untersucher,  wie  Boas,  nur  in  10  Proz. 
der  Fälle  die  Diagnose  des  Magenkarzinoms  nicht  zu  stellen  ver¬ 
mochte  2),  so  gilt  dies  nicht  von  der  Mehrzahl  der  Aerzte,  die  nur 
durch  Abwarten  eine  unklare  Diagnose  sichern  können.  Hoff- 
mann  fand,  dass  unter  321  von  unseren  Patienten,  bei  denen  genaue 
Angaben  über  diesen  Punkt  vorhanden  waren,  213  länger  als  3  Monate 
vor  der  Aufnahme  in  ärztlicher  Behandlung  gewesen  waren,  66  Proz. 
Für  einen  grossen  Teil  dieser  Verzögerungen  ist  gewiss  das  Publikum 
selbst  verantwortlich  zu  machen,  aber  der  Arzt  muss  von  Anfang  an 
die  Operation  schärfer  ins  Auge  fassen. 

Würden  auch  nur  die  Fälle  mit  sicherer  Diagnose  (leicht 
palpabler  Tumor  mit  Stauung)  zeitiger  geschickt,  so  würden 


2)  Boas:  Welche  Aussichten  bestehen  für  eine  Frühdiagnose 
der  Intestinalkarzinome?  Mitteil.  a.  d.  Grenzgeb.,  Bd.  15. 


die  operativen  Erfolge  erheblich  bessere  werden.  Hier  wenig¬ 
stens  sollte  der  Arzt  mit  grösster  Festigkeit  zur  Konsultation 
mit  einem  Chirurgen  drängen  und  diesem  die  Entscheidung 
überlassen,  ob  das  Leiden  noch  heilbar  ist  oder  nicht. 

M.  H. !  Ich  habe  abgeschweift,  ich  wollte  nur  von  den 
Fällen  sprechen,  wo  es  nicht  gelingt,  unter  voller  Berück¬ 
sichtigung  aller  Untersuchungsmethoden  zu  einer  sicheren 
Diagnose  des  Karzinoms  zu  kommen,  wo  die  L  a  p  a  r  o  t  o  m  i  e 
als  letztes  diagnostisches  Hilfsmittel  ange¬ 
wendet  werden  muss.  M.  H.,  eine  solche  diagnostische  Laparo¬ 
tomie  ist  wirklich  nicht  gefährlich.  Ihre  Mortalität  lässt  sich 
nicht  berechnen,  ihre  Gefahr  ist  nahezu  der  der  Narkosen 
gleich  zu  setzen.  Man  darf  aber  nicht  die  diagnostische  und  die 
Probelaparotomie  verwechseln!  Die  erstere  soll  feststellen, 
ob  überhaupt  ein  Karzinom  vorhanden  ist,  die  letztere,  ob  ein 
vorgeschrittener  Tumor  eben  noch  operabel  ist  oder  nicht. 
Folgende  Verhältnisse  können  sich  bei  der  diagnostischen  La¬ 
parotomie  finden:  Es  ist  kein  Tumor  und  keine  Stenose  vor¬ 
handen;  dann  ist  die  Gefährlichkeit  des  Eingriffs  nahezu  gleich 
Null.  Findet  sich  ein  Ulcus  oder  eine  gutartige  Stenose,  so 
liegt  eine  sichere  Krankheit  vor,  welche  die  Gesundheit  beein¬ 
trächtigt.  Ist  dann  eine  Gastroenterostomie  angezeigt,  so 
handelt  es  sich  um  eine  Mortalität  von  3 — 10  Proz.  Wird  ein 
Karzinom  gefunden,  so  ist  die  radikale  Operation  das  einzige 
Hilfsmittel.  Ohne  sie  ist  der  Tod  sicher. 

Man  sagt,  die  diagnostische  Laparotomie  sei  unpopulär. 
Sie  habe  naturgemäss  einen  engen  Indikationskreis.  Dass  sie 
populär  werde,  dafür  haben  die  Aerzte  zu  kämpfen,  dass  ihr 
Indikationskreis  ein  weiter  sein  muss,  dafür  spricht  das  ge¬ 
fährliche  latente  Wachstum  der  inneren  Kar¬ 
zinome,  auf  welches  Boas3)  so  nachdrücklich  hingewiesen 
hat.  Niemanden,  der  ein  grösseres  Material  von  Intestinal¬ 
karzinomen  beobachtet,  werden  die  traurigen  Erfahrungen  er¬ 
spart  bleiben,  dass  selbst  bei  kurzer  Krankheitsdauer  die  Ope¬ 
ration  zu  spät  kommt.  Hier  war,  wenn  überhaupt,  höchstens 
durch  eine  diagnostische  Laparotomie  zu  helfen,  die  noch 
früher,  auf  den  ersten  Verdacht  hin,  zu  unternehmen  gewesen 
wäre.  Auf  Boas  Arbeit  hin  ist  an  dem  Breslauer  Material 
das  Verhältnis  zwischen  Dauer  der  Krankheit  und  Operabilität 
bei  den  Magen-Darmkarzinomen  genau  untersucht  worden. 
Es  war  für  den  Chirurgen  von  höchster  Wichtigkeit,  festzu¬ 
stellen,  wie  gross  ungefähr  die  Zahl  der  Karzinome  ist,  die  in 
der  Latenzzeit,  ohne  irgend  welche  Störungen  zu  machen, 
schon  inoperabel  werden;  derjenigen  Fälle  also,  wo  selbst  die 
frühe  oder  gar  die  früheste  Diagnose  zu  spät  kommt,  um  einen 
radikalen  Eingriff  gewährleisten  zu  können. 

Nachfolgende  Tabelle  von  Hoffmann  über  den  Magen¬ 
krebs  und  eine  von  mir  zusammengestellte  beim  Darmkrebs 
bringen  diese  Zahlen  an  unserem  Materiale. 


Magenkrebs: 


Dauer 

der  Krankheit: 

bis 

V* Jahr 

bis 

Va  Jahr 

bis 

1  Jahr 

mehr  als 
1  Jahr 

Summa 

ohne  An¬ 

gabe  un¬ 
bestimmt 

verwei¬ 

gerte 

Operat. 

Zahl  der  Fälle: 

104 

174 

179 

124 

581 

24 

49 

operabel: 

24  =  23 
Proz. 

53  =  30 
Proz. 

58  =  30 
Proz. 

26  =  20 
Proz. 

16t  =  27 
Proz. 

3  =  13 
Proz. 

? 

inoperabel: 

80  =  77 
Proz. 

121  =  70 
Proz. 

121  =70 
Proz. 

98  =  80 
Proz. 

420  =  73 
Proz. 

21  =  87 
Proz. 

? 

Darmkrebs: 


Dauer  der  Krankheit: 

bis  Vi  Jahr 

bis  V2  Jahr 

bis  1  Jahr 

mehr  als 

1  Jahr 

Summa 

Zahl  der  Fälle: 

37 

22 

45 

35 

139 

operabel : 

16  =  44  Prz. 

9  =  41  Prz. 

25  =  55  Prz. 

15  =  43  Prz. 

65  =  47  Prz. 

inoperabel : 

21  =  56  Prz. 

13  =  56  Prz. 

20  =  45  Prz. j 20  =  57  Prz.  74  =  53  Prz. 

Magenkrebs: 

Auf  681  verwertbare  Fälle  80  sicher  inoperabel  =  15  Proz.,  161  operabel  =  27  Proz. 


15  Proz. 
inoperabel 


27  Proz.  operabel 


Darmkrebs: 

Auf  139  verwertbare  Fälle  21  sicher  inoperabel  =  15  Proz.,  operabel  65  =  46  Proz. 


15  Proz. 
inoperabel 


3)  Am  angeführten  Orte. 


i7.  September  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1875 


Erschreckend  hoch,  das  muss  man  zugeben,  ist  auf  den 
ersten  Blick  die  Zahl  der  Fälle,  die  schon  nach  der  kurzen 
Frist  von  Yi  Jahr  inoperabel  waren,  77  Proz.  beim  Magen, 
56  Proz.  beim  Darm.  Im  Vergleich  zur  Gesamtziffer  ist  diese 
Zahl  aber  dennoch  keine  allzu  grosse,  15 — 20  Proz.  Vielleicht 
waren  auch  von  den  nicht  Operabein  des  zweiten  Quartals 
einige  schon  im  ersten  Quartal  der  Beschwerden  nicht  zu  rese¬ 
zieren.  Aber  es  ist  ebenfalls  nicht  ganz  unwahrscheinlich,  dass 
von  Fällen  der  ersten  3  Monate  einige  bei  früherer  Operation 
zu  retten  gewesen  wären.  Und  andererseits  waren  unter  den 
Magen-Darmkarzinomen,  trotz  Verzögerung  der  Diagnose  und 
trotz  des  Widerstandes  der  Kranken  gegen  operative  Eingriffe, 
immerhin  noch  27  Proz.  resp.  46  Proz.  aller  Fälle  resezierbar. 
Zwischen  diesen  Zahlen  der  sicher  operabeln 
und  sicher  inoperablen  Fälle  liegt  das  Gebiet 
(auf  dem  Schema  weisses  Feld)  um  das  die  ärztliche 
Kunst  zu  kämpfen  hat,  auf  dem  sie  auch  grosse 
Erfolge  noch  erringen  kann. 

Je  mehr  man  sich  mit  diesen  Fragen  beschäftigt,  um  so 
mehr  erkennt  man  das  Verdienst  von  Boas  an,  wenn  er  die 
Malignität  der  Intestinalkarzinome  hauptsächlich  in  ihrem 
latenten  Wachstum  sieht.  Um  so  energischer  muss  aber  dann 
darauf  hingewiesen  werden,  dass  man  unter  den  bekannten  Um¬ 
ständen  schon  bei  geringen  Symptomen  daran  zu  denken  hat, 
ob  nicht  etwa  ein  Karzinom  aus  seiner  Uatenz  heraustritt.  Die 
Konsequenz  ist  klar:  Die  Diagnose  muss  mit  allen  Mitteln 
schnell  gesichert  werden. 

Aber  auch  noch  etwas  anderes  haben  unsere  Tabellen 
ergeben:  Selbst  bei  längerer  Dauer  des  Leidens  sind  noch 
20  Proz.  resp.  43  Proz.  der  Fälle  operabel  gewesen.  Man 
soll  also  weder  früh  noch  spät  zögern,  zu 
operieren.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass,  je  früher 
wir  operieren,  wir  um  so  bessere  Resultate  erhalten  müssen. 
Eine  Zusammenstellung  von  Hoffmann  zeigt  das  über¬ 
zeugend:  Diejenigen  Fälle  von  Magenkrebs,  welche  sich  zur 
Resektion  eigneten,  und  besonders  die,  welche  dabei  gute  Re¬ 
sultate  ergaben,  hatten  eine  um  3 — 5  Monate  kürzere  Krank¬ 
heitsdauer  als  die  schlechten. 

Die  Heilungs möglichkeit  habe  ich  graphisch  dar¬ 
gestellt.  Sie  ist  gegeben  in  27  Proz.  resp.  46  Proz.  der  Fälle. 
Um  die  Heilungsziffer  zu  erhöhen,  bedarf  es  der  Hilfe 
auf  verschiedenen  Punkten.  Erstens  frühere  Operation,  mehr 
Mut,  mehr  Klarheit.  Je  mehr  frühere  Fälle,  um  so  mehr  Erfolge. 
Ferner  müssen  auch  die  Chirurgen  energischer  Vorgehen  und 
die  Resektion  öfter  anwenden.  Die  palliative  Operation  ist  ein 
Todesurteil,  die  Resektion  schwerer  Fälle  ist  die  bedingte  Ver¬ 
urteilung.  Keine  Chance  sollte  aufgegeben  werden. 

Die  Beweggründe  zu  einer  weiteren  Indika¬ 
tionsstellung,  spez.  bei  den  Magen  re  Sektionen, 
sind  in  folgendem  zu  erblicken:  1.  ist  die  Gefährlichkeit  der  Gastro¬ 
enterostomie  bei  Karzinom  nicht  sehr  viel  geringer,  als  bei  der 
Resektion;  2.  ist  die  Lebensdauer  durchschnittlich  erheblich  kürzer  als 
nach  der  Resektion,  selbst  wenn  das  Rezidiv  eintritt;  und  vor  allem 
ist  3.  nach  unserer  Erfahrung  das  postoperative  Leben  nach  der 
Gastroenterostomie  viel  schlechter,  weil  der  ulzerierende  Tumor  zu- 
riickbleibt.  An  der  Breslauer  Klinik  wurden  für  die  Resektion  immer 
weitere  Indikationen  gestellt.  Mikulicz  führte  sogar  in  Fällen, 
die  geeignet  schienen  (zirkumskripter  kleiner  I  umor,  unerreichbare 
Lymphdriisenmetastasen)  bewusst  die  palliative  Resektion  aus. 

Von  Makkas  sind  die  Magenresektionen  von  1890—1904 
bearbeitet  worden.  163  Resektionen  mit  57  Todesfällen, 
eine  Mortalität  von  35  Proz.!  Das  ist  eine  erschreckend  hohe 
Ziffer.  Die  Schwankungen  der  Mortalität  sind  sehr  grosse.  So 
hatten  wir  z.  B.  1904  hintereinander  22  Fälle  mit  15  Proz.  Mor¬ 
talität.  Es  hängt  eben  ganz  davon  ab,  wie  ausgedehnte  Tu¬ 
moren  man  operiert.  Wie  weit  wir  gegangen,  zeigt  sich  daran, 
dass  unter  unseren  Fällen  9  mal  das  Kolon  mitreseziert  wurde 
(l  Fall  dauernd  geheilt),  36  mal  Stücke  des  Pankreas  (5  Fälle 
dauernd  geheilt),  4  mal  Leber-  und  3  mal  Bauchwandver¬ 
wachsungen  reseziert  werden  mussten.  Ausgezeichnete  Re¬ 
sultate  haben  Kocher  und  M  a  y  o  in  den  letzten  Jahren  mit 
17  Proz.  und  16  Proz.  Mortalität  gehabt.  Man  sieht  also,  welch 
günstige  Ziffern  erreicht  werden  können. 

Die  Hälfte  unserer  Kranken  starb  an  Peritonitis,  ein 
Viertel  an  Lungenkomplikationen;  die  erstere  lässt  sich  durch 
.Verbesserung  der  Technik  vermeiden  und  wir  sind  in  dieser 


Beziehung  der  besten  Zuversicht.  Auch  die  Lungenkompli¬ 
kationen  schliessen  sich  gern  an  versteckte  peritoneale  In¬ 
fektionen  an. 

Nun  aber  zum  allerwichtigsten,  zu  den  Dauererfol¬ 
gen.  Nimmt  man  das  übliche  T  r  i  e  n  n  i  u  m  zur  Beurteilung 
des  Wertes  der  radikalen  Operation  einer  bösartigen 
Geschwulst,  so  ergibt  sich,  dass  von  119  Fällen, 
die  von  1890  b  i  s  1902  operiert  wurden,  22  E  r  - 
f  o  1  g  e  (=  18,4  Proz.)  erzielt  wurden.  Von  diesen  119  starben 
48  im  Anschluss  an  die  Operation  und  leider  nicht  bloss  die  Aus¬ 
sichtslosen.  Die  Operation  spielt  nicht  etwa  die  Rolle  der 
Selektion !  71  überlebten,  unter  diesen  sind 

22  Erfolge  über  3  Jahre,  also  30  Proz.,  darunter  10 
über  5  Jahre.  M.  H.,  das  ist  eine  sehr  hohe  Ziffer,  die  uns  zeigt, 
dass  die  Malignität  vieler  Magenkrebse  gar  keine  so  hohe  ist, 
wie  man  früher  dachte.  Eine  Statistik  der  radikal  operierten 
Mammakarzinome  aus  der  Breslauer  Klinik  4)  von  Scheu  aus 
dem  gleichen  Zeiträume  ergab  eine  dreijährige  Heilung  bei 
20  Proz. 

Ich  habe  noch  einiges  über  die  Heilungsverhält¬ 
nisse  bei  Darmkarzinom  hinzuzufügen.  Aus  der  Ta¬ 
belle  sahen  wir,  dass  die  Zahl  der  aussichtslosen  Fälle  ungefähr 
dieselbe  wie  beim  Magen  ist.  Bei  15 — 20  Proz.  aller  Fälle 
kommen  wir  auch  mit  der  frühen  Operation  zu  spät.  Aber 
bei  46  Proz.  der  Fälle  wurden  tatsächlich  operable  Karzinome 
gefunden.  Es  liegen  hier  an  sich  die  Verhältnisse  wesentlich 
günstiger  als  beim  Magenkrebs.  Die  Diagnose  ist  oft  noch  un¬ 
sicherer.  Beim  Darmkrebs  kommt  aber  noch  eines  hinzu,  was 
sehr  für  die  frühe  Operation  spricht,  das  ist  die  Ueberlegung, 
dass  fast  alle  Fälle  früher  oder  später  wegen  der  Darmstenose 
resp.  des  Ileus  doch  operiert  werden  müssen.  Die  Operation  wird 
also  nur  aufgeschoben.  In  63  Proz.  aller  Fälle  hatte  der  Tumor 
zu  Ileus  geführt.  Was  die  Operationserfolge  beim 
Darmkrebs  betrifft,  so  sind  wir  hier  auf  einer  Höhe  an¬ 
gelangt,  die  weit  über  der  bei  Magenkrebs  steht,  und  zwar 
gilt  dies  sowohl  von  den  operativen  augenblicklichen,  sowie 
von  den  Dauerresultaten.  Man  kann  beim  Darm  viel  rück¬ 
sichtsloser  ausgedehntere  Resektionen  vornehmen,  als  beim 
Magen,  ohne  die  Gefahr  allzusehr  zu  vermehren.  Durch  die 
Einführung  der  mehrzeitigen  Operationsmethoden,  speziell  der 
von  Mikulicz  empfohlenen  Vorlagerung,  ist  es  gelungen, 
die  Mortalität  auf  12  Proz.  (32  Fälle)  herabzudrücken.  Der 
Hauptvorteil  der  Vorlagerung  liegt  meines  Erachtens  darin, 
das  man  bei  grossen  Tumoren  die  ganze  Lebenskraft  des 
Patienten  dazu  in  Anspruch  nehmen  kann,  dass  die  Exstirpation 
als  solche  gut  überstanden  wird.  Der  Darm  wird  bei  offener 
Bauchhöhle  nicht  eröffnet  und  damit  fällt  die  Peritonitisgefahr, 
die  bei  den  Magenresektionen  die  Hälfte  der  Todesfälle  aus¬ 
macht,  weg.  Diese  ausschlaggebenden  Vorteile  werden  durch 
die  Nachteile,  längere  Dauer,  Anus  praeternaturalis,  nicht  ge¬ 
mindert.  Die  Indikationen  zur  Resektion  wurden  in  den  letzten 
Jahren  auch  beim  Darmkrebs  immer  weiter  gestellt,  und  trotz¬ 
dem  sind  die  Todesfälle  immer  seltener  geworden,  die  Dauer¬ 
erfolge  gute  geblieben. 

Es  wurden  operiert  von  1890 — 1906  50  Fälle;  davon  sind 
bis  jetzt  rezidivfrei  40  Proz.  Gehen-  wir  wieder  auf  das 
Triennium  der  Heilung  zurück,  so  sind  es  41  Fälle  m  i  t 
14  E  rf  olgen,  34  P  roz.  Es  sind  dabei  9  Fälle,  die  mehr 
als  6  Jahre  geheilt  sind.  Wir  haben  leider  früher  bei  den 
einzeitigen  Operationsmethoden  viele  Fälle  verloren  (50  bis 
33  Proz.).  Berechnen  wir  die  Erfolge  nur  auf  die  Fälle,  die 
die  Operation  überlebten,  so  haben  wir  auf  27  Fälle  15  H  e  i  - 
lungen,  52Proz.  Wir  haben  es -also  bei  dem  Karzinom  des 
Darmes  mit  einer  relativ  gutartigen  Form  zu  tun. 

Getrübt  wird  die  Freude  an  den  Heilungsresultaten  bei 
den  Magen-  und  Darmkarzinomen  dadurch,  dass  die  Zahl  der 
Erfolge  im  Vergleich  zur  Gesamtzahl  dieser  Krebskranken  eine 
geringe  ist.  Es  wird  eine  lohnende  Aufgabe  für  die  behandelnden 
Aerzte  sein,  immer  mehr  Patienten  frühzeitig,  oder  doch  wenig¬ 
stens  früher  als  jetzt  zu  einer  Operation  zu  bewegen,  zu  einer 
Operation,  die  von  einem  tödlichen  Leiden  befreien  und  heut¬ 
zutage  so  gestaltet  werden  kann,  dass  sie  beim  Magen  eine 
Gefährlichkeit  von  20—30  Proz.,  beim  Darm  von  10—15  Proz. 


4)  Gedenkband  für  Mikulicz. 


3* 


1876 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


hat  und,  wenn  die  Operation  überwunden,  Heilungsaussichten 
bietet  von  30  resp.  50  Proz. 


Was  ist  als  generalisierte  Vakzine  zu  bezeichnen? 

Von  Dr.  L.  Voigt,  Oberimpfarzt  in  Hamburg. 

Der  Name  generalisierte  Vakzine,  zu  deutsch  allgemeiner 
Kuhpockenausschlag,  wird  neuerdings  in  so  verwirrender 
Weise  für  ganz  verschiedene  vakzinale  Erscheinungen  ge¬ 
braucht,  dass  es  an  der  Zeit  ist,  einmal  wieder  auf  die  alt¬ 
hergebrachte  Bedeutung  dieses  Namens  hinzuweisen.  Mit 
Recht  ist  mit  dem  Namen  generalisierte  Vakzine  von  jeher 
nur  ein  auf  hämatogenem  Wege  entstandener  allgemeiner  Aus¬ 
schlag  in  Gestalt  von  mehr  oder  weniger  vollständig  ausge¬ 
bildeten  Vakzinepusteln  bezeichnet  worden,  welcher  sich  bei 
den  mit  Kuhpockenimpfstoff  Geimpften  ziemlich  selten  um  die 
Zeit  des  Aufhörens  des  Vakzinefiebers  zeigt  und  der  einfach 
abtrocknet  ohne  nennenswerte  Narben  zu  hinterlassen.  Ein 
solcher  Ausschlag  entspricht  dem  Allgemeinausschlag  der 
Variola,  der  ebenfalls  nach  dem  Abklingen  des  Eingangsfiebers 
der  Variola  ausbricht  und  die  ernsteren  Erscheinungen  dieser 
Kranken  bedingt.  An  dieser  Bedeutung  des  Namens  allgemeine 
oder  generalisierte  Vakzine  ist  durchaus  festzuhalten. 

Wie  die  K  i  r  1  a  n  d  sehen  Tafeln  dartun,  umgibt  sich  die 
Variolainokulationspustel  am  Arm  des  Menschen  mit  einem 
mehr  oder  weniger  dichten  Kranze  oder  Wall  von  Neben-  oder 
Beipocken,  noch  vor  dem  Ausbruch  des  allgemeinen  Pocken¬ 
ausschlags.  Andeutungen  hievon  sehen  wir  in  geringerem 
Masse  bei  der  Vakzineimpfpustel,  nach  Verwendung  sehr 
wirksamer  Impflymphe,  auf  empfindlicher  Haut,  manchmal  be¬ 
günstigt  durch  reizende  Behandlung  des  Impffeldes.  Solche 
Neben-  oder  Beipocken,  Pustulae  supernumerariae,  entstehen 
nicht  auf  hämatogenem  Wege,  sie  sind  keine  generalisierte 
hämatogene  Vakzine,  sondern  sie  verdanken  ihr  Dasein  dem 
Vordringen  der  Vakzine  in  den  um  die  Impfpustel  befindlichen 
Lymphespalten,  zum  Teil  auch  der  aus  zerkratzten  Impfpusteln 
aussickernden  und  sich  in  ihrer  ebenfalls  zerkratzten  Nach¬ 
barschaft  einnistenden  Impflymphe. 

Wird  Kuhpockenimpfstoff  aus  einer  verletzten  Kuhpocken¬ 
pustel  am  Arm  des  Impflings  auf  eine  andere  der  Epidermis 
beraubte  Stelle  seines  Körpers  übertragen,  sei  es  mit  dem 
kratzenden  Finger  oder  mit  dem  Wasch-  oder  Badewasser 
oder  mit  einem.  Schwamm,  Handtuch  usw.,  so  bekommt  der 
Impfling  sekundäre  Pusteln  an  dieser  oder  an  diesen  der  Epi¬ 
dermis  beraubten  Stellen,  sogen.  Vaccina  secundaria.  Wird 
in  ganz  gleicher  Weise  der  Kuhpockenimpfstoff  zufällig  auf  eine 
von  Epidermis  entblösste  Stelle  zum  Beispiel  auf  das  Gesicht 
einer  anderen  Person  übertragen,  so  handelt  es  sich  um  einen 
einfachen  unbeabsichtigten  Impfakt,  und  es  entstehen  dann  je 
nach  Art  der  Uebertragung  auf  gesundes  Hautgewebe  eine  oder 
wenige  einzelne  Pusteln.  Ist  aber  die  mit  dem  Kuhpocken¬ 
impfstoff  in  Berührung  gekommene  Stelle  ekzematös,  so  han¬ 
delt  es  sich  um  die  Impfung  eines  Ekzems,  um  Ekzema  vac- 
cinatum.  Das  Ekzem  überzieht  sich  mit  mehr  oder  weniger 
dicht  gestellten  konfluierenden  Pusteln,  weil  unter  dem  Reize 
der  Vakzine  am  Ekzem  ein  Saftstrom  ausbricht,  der  die  Vakzine 
über  die  ganze  Oberfläche  des  Ekzems  ausbreitet.  Das  Ekzema 
vaccinatum  ist  in  letzter  Zeit  oft,  ganz  unklarer  Weise,  als 
generalisierte  Vakzine  bezeichnet  worden,  obwohl  es  ein  zu¬ 
nächst  örtliches  Uebel  ist,  das  sich  nur  auf  der  Oberfläche  des 
Körpers  per  contiguitatem,  durchaus  nicht  auf  hämatogenem 
Wege  verbreitet. 

Sind  erst  die  Vakzinepusteln  des  mit  Kuhpockenimpfstoff 
in  Berührung  gekommenen  Ekzems  abgeheilt,  so  hinterlassen 
sie  in  ihrem  Träger  einen  ebenso  vollständigen  Impfschutz,  als 
ob  er  nach  den  Regeln  der  Kunst  geimpft  worden  wäre,  dann 
hat  die  Vakzine  den  Körper  durchsetzt.  Ereignen  sich  jetzt 
Nachschübe  des  vakzinalen  Ekzemausschlags,  sei  es  am  Orte 
des  erstmals  befallenen  Ekzems,  sei  es  an  anderen  Stellen,  so 
darf  man  annehmen,  dass  diese  Nachschübe  auf  hämatogenem 
Wege  entstehen.  Das  Ekzema  vaccinatum  selbst  aber  war  ein 
auf  direkte  Uebertragung  zurückzuführendes  örtliches,  ein  nicht 
allgemeines,  ein  nicht  generalisiertes  Hautübel. 

Nachschübe  eines  Ekzema  vaccinatum  müssen  den  vak¬ 
zinalen  Ausschlagsformen  an  die  Seite  gestellt  werden,  welche 


sich  gelegentlich  um  das  Ende  der  Impfwoche  oder  etwas 
später  bei  solchen  Geimpften  zeigen,  die  zwar  zur  Zeit  der 
Impfung  frei  von  anderem  Ausschlag,  die  aber  früher  an  Aus¬ 
schlag  gelitten,  oder  die  bisher  eine  latent  empfindliche  Haut 
haben.  Es  sind  das  die  vielgestaltigen  postvakzinalen  Aus¬ 
schlagsformen  rnorbillöser,  skarlatinöser  Art,  sowie  Exan¬ 
theme,  welche  als  Urticaria,  Papeln,  Bläschen  und  selten  auch 
in  Pustelform  auftreten  und  bald  nach  erreichter  Immunität 
zurückgehen.  Solche  Ausschlagsformen  sieht  man  reichlicher 
nur  während  der  heissen  Sommerwochen  und  besonders  an 
Kindern,  die  während  ihrer  Impfwoche  von  anderen  mit  Aus¬ 
schlag  verbundenen  Krankheiten  ergriffen  werden,  wie  z.  B. 
der  Stomatitis  aphthosa.  Solche  Ausschläge  segeln  zumeist 
unter  der  Flagge  der  sogen.  Impfschäden.  Man  nahm  allgemein 
an,  die  postvakzinalen  Ausschläge  entstünden  infolge  der  im 
Blute  kreisenden  Träger  der  Vakzine,  wahrscheinlich  werden 
sie  aber  in  zum  Ausschlag  geneigter  Haut  hervorgerufen  von 
den  im  Blute  kreisenden  Toxinen  des  Kontagiums,  denn  die 
hämatogenen  postvakzinalen  Ausschläge  entfalten  fast  niemals 
einen  übertragbaren  vakzinalen  Ansteckungsstoff.  Im  Gegen¬ 
satz  hiezu  wirkt  der  Inhalt  der  auf  örtliche  Einpfropfung  ent¬ 
standenen  sekundären  Pusteln  ansteckend,  die  Sekrete  des 
Ekzema  vaccinatum  und  den  Mischformen  des  Impetigo  mit 
der  Vakzine  besitzen  sogar  eine  hochgradige  Kontagiosität. 

Vom  Inhalt  der  Bläschen  des  ebenfalls  postvakzinalen  Aus¬ 
schlags  der  generalisierten  Vakzine,  dem  Analogon  des  Allge¬ 
meinausschlags  der  Variola,  hat  man  allgemein  von  jeher  an¬ 
genommen  und  verlangt,  dass  er  übertragbaren  Kuhpocken¬ 
impfstoff  enthalte.  Letzteres  Verlangen  scheint  aber  nun  sehr 
selten  erfüllt  zu  werden.  L.  Pfeiffers  Versuche,  das  Kon- 
tagium  der  generalisierten  Vakzine  zu  verimpfen,  sind  ergebnis¬ 
los  geblieben.  Seitdem  ich  in  der  Hamburger  Staatsimpfanstalt 
über  Kaninchen  verfüge,  habe  ich  zahlreiche  von  uns  beob¬ 
achtete  postvakzinale  Papeln-  und  Bläschenausschläge  auf 
ihre  vakzinale  Eigenschaft  geprüft.  In  keinem  einzigen  Falle  rief 
der  auf  das  Kaninchenauge  übertragene  Bläschen-  oder  Papel¬ 
saft  charakteristische  Zellveränderungen  hervor,  die  zum  Teil 
derben  Erosionen  der  Kaninchenhornhaut  heilten  ausnahmslos, 
ohne  eine  Trübung  des  Gewebes  der  Kornea  herbeizuführen, 
hiernach  kommt  die  generalisierte  Vakzine  entweder  äusserst 
selten  vor  oder  der  Inhalt  ihres  Bläschenausschlages  enthält 
nur  ausnahmsweise  wirksam  übertragbaren  Kuhpockenimpf¬ 
stoff. 

Der  Name  generalisierte  Vakzine  muss  aber  nach  wie  vor 
dem  auf  hämatogenemWege  entstandenen  allgemeinen  Vakzine¬ 
ausschlag  verbleiben  zur  Unterscheidung  von  den  auf  örtliche 
Uebertragung  zurückzuführenden  vakzinalen  Formen,  als  da 
sind:  Nebenpusteln,  supernumeräre  oder  sekundäre  Pusteln  und 
Ekzema  vaccinatum. 


Aus  dem  Herz-Jesu-Hospital  in  Bonn. 

Ueber  einen  Fall  von  doppelseitigem  Chylothorax 

traumaticus. 

Von  A.  Hammesfahr,  dirigierendem  Arzt  der  chirurgischen 

Abteilung. 

Der  Chylothorax  ist  bisher  noch  nicht  oft  beobachtet 
worden;  Lotheissen  zählt  in  seiner  Arbeit  (Wiener  klinische 
Rundschau  1907,  2)  23  Fälle  von  einseitigem  oder  doppel¬ 
seitigem  Chylothorax  auf;  in  allen  Fällen  handelte  es  sich  um 
echten  Chylus,  nicht  um  ein  Produkt  der  tuberkulös  oder  kar- 
zinomatös  erkrankten  Pleura.  Diese  23  Fälle  sind  in  2  Gruppen 
zu  teilen:  in  11  Fällen  hatte  eine  äussere  Gewalteinwirkung, 
ein  „Trauma“  zur  Zerreissung  des  Ductus  thoracicus  geführt, 
während  in  12  Fällen  Chylangiektasien  oder  Kompression  des 
Duktus  durch  Tumoren  Veranlassung  zum  Austritt  des  Chylus 
gewesen  waren.  Dass  es  bei  Chylangiektasien,  wo  die  an  sich' 
schon  zarte  Wandung  der  Chylusgefässe  noch  dünner  ge¬ 
worden  ist,  zu  einem  Bersten  der  Gefässwände  und  damit  zu 
einem  Austritt  von  Chylus  kommen  kann,  ist  wohl  verständ¬ 
lich;  auch  bei  Kompressionsverschlüssen  des  Duktus  durch 
Tumoren  wird  man  annehmen  müssen,  dass  die  Chylusgefässe 
vor  dem  Hindernis  sich  erweitern,  dass  es  also  zu 
Chylangiektasien  und  damit  zu  der  Möglichkeit  der  Gefäss- 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1877 


berstung  kommen  wird.  Der  Austritt  des  Chylus  im  Bereich 
seiner  Thoraxgefässe  erfolgt  natürlich  in  das  lockere  Gewebe 
des  hinteren  Mediastinums.  Wie  kommt  der  Chylus  beim 
nichttraumatischen  Chylothorax  nun  aber  in  die  Pleurahöhlen 
hinein  oder  mit  anderen  Worten:  Ist  die  intakte  Pleura  für  eine 
Flüssigkeit  wie  sie  der  Chylus  darstellt,  durchlässig?  Diese 
Frage  ist  bejahend  zu  beantworten,  wenn  es  auch  zunächst  auf¬ 
fällig  erscheint,  dass  nicht  nur  das  Serum  des  Chylus,  sondern 
auch  seine  Formelemente  wie  Lymphozyten  und  Fettzellen  die 
Pleura  passieren  können.  Für  diese  Passage  kommt  nach  den 
anatomischen  Verhältnissen  nur  die  Pleura  mediastinalis  in 
Betracht.  Die  Pleura  (ob  besonders  die  Pleura  mediastinalis?) 
hat  feine  Oeffnungen,  Stomata,  die  dadurch  gebildet  werden, 
dass  die  Zellen  sich  nicht  überall  fest  aneinander  legen,  sondern 
Lücken  zwischen  sich  lassen.  Durch  diese  Stomata  wird  der 
Chylus  in  die  unter  negativem  Druck  stehende  Pleurahöhle 
hineingesogen;  die  Stomata  sind  offenbar  gross  genug,  um 
auch  die  Lymphozyten  und  das  ja  ganz  besonders  fein  ver¬ 
teilte  Fett  passieren  zu  lassen.  Man  wird  diese  Erklärung  für 
den  Uebertritt  des  Chylus  aus  dem  Mediastinum  in  die  Pleura¬ 
höhle  zuweilen  auch  zur  Klarstellung  beim  Chylothorax  trau- 
maticus  heranziehen  müssen,  und  zwar  dann,  wenn  die  trau¬ 
matische  Entstehung  der  Gefässruptur  zweifellos  war,  eine 
Verletzung  der  Pleura  aber  bei  der  Sektion  nicht  gefunden 
wurde. 

Beim  Chylothorax  traumaticus  wird  man  im  allgemeinen 
annehmen  können,  dass  dieselbe  Gewalteinwirkung,  die  die 
Ruptur  des  Duktus  herbeigeführt  hat,  auch  eine  Pleuraver¬ 
letzung  hervorbringen  konnte.  In  den-  bisher  beobachteten 
Fällen  ist  die  Verletzung  des  Duktus  nur  einmal  durch  ein 
Geschoss,  in  den  anderen  Fällen  aber  dadurch  zustande  ge¬ 
kommen,  dass  eine  Quetschung  des  Thorax  oder  eine  Ueber- 
dehnung  der  Wirbelsäule  nach  hinten  (im  Sinne  einer  Lordose) 
stattfand.  Dabei  sind  einige  Male  Rippen  oder  Wirbelkörper 
frakturiert  worden  und  nach  dem  Sitz  der  Fraktur  war  anzu¬ 
nehmen,  dass  ein  Fragment  gleichzeitig  Duktus  und  Pleura  an- 
gespiesst  hatte.  Meist  aber  war  die  Verletzung  des  Duktus  und 
der  Pleura  nur  mit  der  Annahme  zu  erklären,  dass  eine  solche 
Gewalteinwirkung  auf  den  Thorax  oder  die  Wirbelsäule  zwar 
Duktuswand  und  Pleura  zum  Einreissen  bringen,  alle  übrigen 
Brustorgane  aber  intakt  lassen  kann. 

Ich  habe  nun  vor  Kurzem  einen  doppelseitigen  Chylothorax 
traumaticus  beobachtet  und  behandelt,  bei  dem  die  Gewaltein¬ 
wirkung  derart  war,  dass  sehr  wohl  Duktus  thoracicus  und 
linke  Pleura,  nicht  aber  die  rechte  Pleura  verletzt  sein 
konnte.  Da  der  Erguss  in  die  Pleurahöhle  aber  beiderseits 
bestand,  so  musste  die  Chylusansammlung  auf  der  rechte  n 
Seite  auf  dem  oben  beschriebenen  Wege  der  Ansaugung  zu¬ 
stande  gekommen  sein.  Es  handelte  sich  um  einen  10  jährigen 
Jungen,  der  beim  Rodeln  unter  ein  Pferd  geraten  war  und  einen 
Huftritt  in  die  Gegend  des  linken  Sternoklavikulargelenks  be¬ 
kommen  hatte.  Der  Befund,  der  am  6.  II.  07,  5  Tage  nach  dem 
Unfall,  aufgenommen  wurde,  besagt  im  Wesentlichen: 

Schlecht  genährter  und  nur  mässig  entwickelter  Junge  von 
10  Jahren;  im  Winkel  zwischen  Sternum  und  linker  Klavikula  gelbe 
und.  bläuliche  Verfärbung,  geringe  Schwellung  und  geringe  Druck- 
emofindlichkeit;  keine  Krepitation  an  Sternum,  Klavikula  oder  erster 
Rippe,  im  Röntgenbild  dieser  Gegend  keine  Fraktur  oder  Splitterung 
zu  erkennen.  Hochgradige  Zyanose  der  Lippen  und  der  Nase,  auf¬ 
fallende  Blässe  des  übrigen  Gesichtes;  Atmung  schwer  unter  An¬ 
spannung  aller  Hilfsmuskeln;  über  der  ganzen  linken  Thoraxhälfte 
absolute  Dämpfung  hinten  wie  vorn,  Herzgrenze  nach  oben  und  links 
nicht  festzustellen;  Spitzenstoss  3  Finger  breit  nach  aussen  vom 
rechten  Sternalrand;  also  sehr  starke  Verdrängung  des  Herzens 
nach  rechts.  Auf  der  rechten  Seite  handbreiter  Dämpfungsbeziik 
hinten  unten,  sonst  überall  hell;  Stimmfremitus  links  überall,  rechts 
im  Bereich  der  Dämpfung  aufgehoben;  Atemgeräusch  links  nirgendwo 
zu  hören,  rechts  hinten  unten  stark  abgeschwächt,  deutlich  nur  rechts 
hinten  oben  und  rechts  vorne.  Puls  klein,  140  in  der  Minute,  Tem¬ 
peratur  im  Rektum  Mittags  gemessen  37,4.  Die  Diagnose  konnte 
zunächst  nur  lauten:  Erguss  in  beiden  Pleurahöhlen.  Welcher  Art 
war  der  Erguss?  Ein  Empyem  konnte  es  nach  dem  Verlauf  dei  Ei- 
kratikung  und  nach  dem  Befunde  nicht  sein:  ein  Hämatothorax?  Mög¬ 
lich,  trotzdem  eine  Rippenfraktur  nicht  nachweisbar  war.  Die  Probe¬ 
punktion  war  erst  aufklärend:  Chylus  in  beiden  Pleurahöhlen.  F)ass 
es  sich  um  echten  Chylus  handelte,  sah  man  auf  den  ersten  Blick: 
die  Flüssigkeit  sah  aus  wie  Vollmilch.  Eine  Untersuchung  im  physio¬ 
logischen  Institute  stellte  einen  Fettgehalt  von  2,95  Proz.  fest.  Be¬ 
handlung:  Mit  Biiil  au  scher  Drainage  wurden  aus  der  linken  Pleura¬ 
höhle  2  Liter  Chylus,  mit  einer  Aspirationsspritze  aus  dem  rechten 


Pleuraraum  ca.  %  Liter  Chylus  entfernt.  Die  Drainage  links  liess 
ich  24  Stunden  weiter  wirken  und  es  entleerte  sich  noch  in  dieser 
Zeit  ein  Liter  Chylus  langsam  in  das  Standgefäss.  Dann  hörte  der 
Abfluss  völlig  auf,  der  Schlauch  wurde  entfernt  und  eine  neue  An¬ 
sammlung  trat  weder  in  der  rechten  noch  in  der  linken  Pleurahöhle 
ein.  Es  lag  also  wohl  keine  vollständige  quere  Durchtrennung  des 
Duktus  vor,  sondern  seine  Wandung  hatte  nur  einen  Einriss  gehabt, 
der  sich  schliessen  konnte,  so  dass  der  Chylus  wieder  in  seine  ge¬ 
wohnte  Bahn  gezwungen  wurde.  Daher  auch  der  weitere  günstige 
Verlauf:  Der  Junge  erholte  sich  schnell  und  war  nach  8  Tagen  als 
wiederhergestellt  zu  betrachten. 

Ueber  das  Zustandekommen  dieses  doppelseitigen  Chylo¬ 
thorax  habe  ich  mir  folgende  Vorstellung  gemacht:  Stumpfe, 
doch  kräftige  Gewalteinwirkung  auf  die  Gegend  des  linken 
Sternoklavikulargelenks,  infolge  dessen  Verletzung  des  hier  in 
die  Vena  subclavia  einmündenden  Duktus  nicht  weit  von  seiner 
Mündung;  gleichzeitige  Verletzung  der  linken  Pleurakuppe 
durch  dieselbe  Gewalteinwirkung;  der  Chylus  ergoss  sich  nun 
grösstenteils  in  die  linke  Pleurahöhle,  ein  Teil  aber  nahm  den 
Weg  in  das  hintere  Mediastinum  und  wurde  nun  von  hier  in 
die  rechte  Pleurahöhle  getrieben  in  der  oben  geschilderten 
Weise  durch  Ansaugung.  Diese  Vorstellung  würde  auch  die 
erhebliche  Differenz  der  Chylusmengen  zwischen  links  und 
rechts  erklären:  durch  einen  Riss  in  der  Pleura  kann  sich  na¬ 
türlich  mehr  ergiessen,  als  durch  die  feinen  Stomata  angesaugt 
werden  kann. 

Die  Diagnose  war  ohne  Probepunktion  nicht  zu  stellen; 
man  denkt  zunächst  nicht  an  eine  Duktusverletzung,  obwohl 
man  Bedenken  gegen  die  Diagnose  Empyem  oder  Häma¬ 
tothorax  hat;  in  meinem  Falle  sprach  gegen  Empyem  Ent¬ 
stehung  und  Verlauf  der  Erkrankung  und  das  Fehlen  einer 
Temperatursteigerung,  gegen  Hämatothorax  das  Fehlen  einer 
Fraktur,  gegen  beides  die  Doppelseitigkeit  des  Ergusses.  Die 
Probepunktion  wirkte  schnell  klärend:  schon  die  makro¬ 
skopische  Betrachtung  des  Ergusses  liess  keinen  Zweifel  dar¬ 
über,  dass  es  sich  um  echten  Chylus  handelte. 

Beseitigung  der  durch  Radiumstrahlen  bewirkten 
Gefässerweiterungen. 

Von  Hans  Axmann  in  Erfurt. 

Jedem  Kollegen,  welcher  sich  mit  Radium behand- 
lung  beschäftigt,  sind  die  unangenehmen  Gefässerwei¬ 
terungen  in  der  Umgebung  der  sonst  schön  weissen  und 
glatten  Radiumnarbe  bekannt.  Dieselben  pflegen  manchmal 
erst  lange  Zeit,  monatelang  nach  der  Behandlung  sichtbar  zu 
werden  und  den  glücklich  geheilten  Patienten  zu  enttäuschen. 
Bisweilen  wird  der  erzielte  Erfolg  tatsächlich  zweifelhaft. 

Schon  seit  ungefähr  3  Jahren  habe  auch  ich  mich  mit  der 
Verhütung  dieser  nachteiligen  Beigabe  be¬ 
schäftigt.  Aetzmittel  und  dergl.  pflegten  die  Sache  oft  noch 
schlimmer  zu  machen,  bis  ich  eine  andere  Art  von  Strahlen  zum 
Ausgleich  heranzog,  und  zwar  die  Uviolstrahlen.  Diese 
kurzwelligen  ultravioletten  Strahlen  stehen  in  einem 
gewissen  Antagonismus  auch  in  sonstigen  Wirkungs¬ 
weisen,  physikalisch  wie  chemisch  betrachtet,  zu  den  kor¬ 
puskularen  Strahlungen  des  Radiums,  sowie  der  Anode 
und  Kathode  überhaupt;  auch  physiologisch  scheint  es 
der  Fall  zu  sein. 

Einige  kräftige  Bestrahlungen  mittels  der  Uviol-  oder  auch 
Quarzlampe  genügten,  die  erwähnten  Teleangiektasien  dauernd 
zum  Schwinden  zu  bringen.  Znm  experimentellen 
Nachweis  dieser  Tatsache  benutzte  ich  meine  Vorderarme, 
auf  denen  infolge  meiner  vielen  Radiumversuche  reichliche 
Radiumnarben  vorhanden  sind.  Während  auf  dem  linken 
Vorderarm  nach  ein-  bis  zweimaliger  Strahleneinwirkung  die 
erwähnten  Gefässnetze  verschwanden,  bestehen  dieselben  auf 
dem  nicht  behandelten  rechten  Arm  nach  einem  halben  Jahre 
heute  noch. 

Darum  möchte  ich  allerseits  dieses  einfache  Verfahren  ge- 
wissermassen  zur  Politur  mit  Radium  behandelter  Hautstellen 
zur  Nachprüfung  empfehlen.  Der  Vorgang  hat  aber  auch  noch 
eine  theoretische  Bedeutung;  gestattet  er  doch  die  jetzt 
vielfach  in  Anwendung  gezogene  Heilung  der  Naevi  vasculosi 
mittels  ultravioletter  Strahlen  zu  studieren,  nachdem  man  sic 
auf  künstlichem  Wege  hervorgerufen  hat. 


1878 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Die  Stellung  der  Fürsorgestellen  für  Lungenkranke  im 
Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrankheit.*) 

Von  Dr.  med.  H.  Beschorner,  Arzt  der  Fürsorgestelle  für 
Lungenkranke  in  Dresden-Neustadt. 

In  der  Einleitung  des  5.  die  Tuberkulose  behandelnden  Kapitels 
seines  Werkes  „L’Hygiene  sociale“  kommt  der  Nachfolger  Pa¬ 
steurs-  Emil  Ducleaux,  darauf  zu  sprechen,  dass  diejenigen 
Perioden,  die  sich  im  Verlaufe  aller  verheerenden  Seuchen  unter¬ 
scheiden  lassen,  besonders  deutlich  bei  der  Tuberkulose  zum  Aus¬ 
druck  kämen.  Er  führt  etwa  aus: 

Wir  können  in  der  Geschichte  der  Tuberkulose  3  Entwicklungs¬ 
stufen  erkennen: 

Die  erste  ist  diejenige,  in  der  sich  der  Mensch  keine  Rechen¬ 
schaft  gibt  über  die  Gefahr,  in  welcher  er  sich  befindet.  Erst  die 
verderbenbringende  Ausbreitung  der  Tuberkulose  rüttelt  den  Träumer 
aus  seinem  Schlafe. 

In  der  zweiten  Periode  beginnt  man  der  Tuberkulose  Beachtung 
zu  schenken.  Man  erkennt  wie  furchtbar  die  Verheerungen  sind,  die 
durch  die  Seuche  angerichtet  werden. 

In  der  dritten  Periode  endlich  schreitet  man  zum  Kampfe  gegen 
die  Volksseuche.  Dieser  Kampf  wird  im  Anfänge  mit  fieberhafter 
Hast  geführt,  gewinnt  jedoch  in  der  Folge  an  Bedeutung  durch  wis¬ 
senschaftliche  Vertiefung  und  planmässige  Durchführung  der  als 
richtig  erkannten  Massregeln. 

Diese  von  Ducleaux  gekennzeichnete  Entwicklung  ist  eine 
ebenso  naturgemässe  wie  wissenschaftlich  begründete.  Ein  jeder  Kampf 
kann  nur  dann  mit  Erfolg  geführt  werden,  wenn  man  den  Gegner  sieht 
d.  h.  also  gegen  eine  verheerende  Seuche  kann  man  im  allgemeinen 
nur  dann  mit  Erfolg  Vorgehen,  wenn  man  über  das  Wesen  der 
Krankheit,  ihre  Entstehung  und  Verbreitungsweise  genau  unterrichtet 
ist.  Noch  vor  50  Jahren  waren  wenige  Gelehrte  der  Ueberzeugung, 
dass  die  Tuberkulose  eine  durch  Verschleppung  übertragbare  Krank¬ 
heit  sei.  Obwohl  K  1  e  n  c  k  e  1843,  später  V  i  1 1  e  m  i  n  Q  und  end¬ 
lich  einwandsfrei  Cohnheim2)  Tuberkulose  erfolgreich  auf  Tiere 
überimpft  hatten,  musste  Cohnheim  in  seiner  allgemeinen  Pa¬ 
thologie  dennoch  zugeben,  dass  man  sich  aus  der  Geschichte 
der  Tuberkulose  selbst  die  Entscheidung  ableiten  müsse,  ob  diese 
eine  reguläre  Infektionskrankheit  oder  aber  das  Produkt  einer  Kon¬ 
stitutionsanomalie  des  Individuums  sei. 

Alle  wissenschaftlichen  Streitfragen  auf  diesem  Gebiete  löste 
Robert  Koch  mit  einem  Schlage  durch  die  Entdeckung  des  Tuberkel¬ 
bazillus.  Es  waren  am  24.  März  dieses  Jahres  gerade  25  Jahre, 
dass  Koch  in  der  Berliner  physiologischen  Gesellschaft  die  Ent¬ 
deckung  der  Tuberkelbazillen  bekannt  gab.3)  Durch  dieselbe  wurde 
unzweifelhaft  dargetan,  dass  man  unter  Tuberkulose  nicht  mehr  den 
pathologischen  Zustand  eines  oder  des  anderen  Organes  zu  ver¬ 
stehen  habe,  sondern  eine  spezifische  Infektionskrankheit,  welche 
akut  oder  chronisch  verlaufen  und  die  verschiedensten  Organe  des 
Körpers  befallen  könne. 

Diese  einmal  gewonnene  Einsicht  in  das  Wesen  der  Krankheit 
und  die  Erkenntnis,  dass  es  in  der  Hauptsache  die  Ausscheidungs¬ 
produkte,  besonders  aber  der  Auswurf  der  Tuberkulösen  seien,  welche 
die  Weiterverbreitung  bewirkten,  Hessen  den  Versuch  aussichts¬ 
voll  erscheinen,  diejenigen  Grundsätze  auch  bei  der  Bekämpfung  der 
I  uberkulose  in  Anwendung  zu  bringen,  welche  im  Kampfe  gegen 
andere  Infektionskrankheiten  erprobt  worden  waren. 

Das  charakteristische  der  Koch  sehen  Seuchenbekämpfung,  die 
sich  gegen  Cholera,  Typhus,  Malaria  und  andere  Infektionskrank¬ 
heiten  glänzend  bewährt  hatte,  besteht  in  dem  direkten  Vorgehen 
gegen  den  Krankheitserreger  selbst.  Der  Versuch,  diese  erfolg¬ 
reichen  Methoden  auch  bei  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  anzu¬ 
wenden,  brachte  nicht  den  erhofften  Erfolg.  Das  wesentliche  Hin¬ 
dernis  lag  im  C  h  a  r  a  k  t  e  r  der  Krankheit. 

Cholera,  Typhus,  Malaria  waren  akute  Infektionskrankheiten 
die  bei  ihrem  Auftreten  die  Menschheit  mit  Furcht  und  Schrecken 
erfüllten,  bei  der  1  uberkulose  aber  hatte  man  es  mit  einer  exquisit 
chronischen  Krankheit  zu  tun,  an  die  sich  der  Mensch  bereits 
gewöhnt  hatte,  der  es  infolgedessen  gelungen  war,  sich  tief  in  die 
sozialen  Verhältnisse  einzunisten. 

Man  hat  der  Tuberkulose  nicht  mit  Unrecht  den  Namen  Pro¬ 
letarierkrankheit  gegeben,  denn  sie  ist,  wie  keine  andere  Krankheit 
die  Geissei  der  in  schlechten  Wohnungs-  und  Ernährungsverhältnissen 
lebenden  armen  Bevölkerung. 

Wie  alle  Krankheiten  an  gewisse  äussere  Verhältnisse  gebunden 
sind,  so  ist  der  innige  Zusammenhang  zwischen  Wohnungsdichtig¬ 
keit  und  Tuberkulose  unverkennbar.  Ruinier4)  erklärte  1899  auf 
dem  Tuberkulosekongress  zu  Berlin:  „Die  Tuberkulose  geht  der 


*)  Nach  einem  Vortrag  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil¬ 
kunde  zu  Dresden  gehalten  am  27.  April  1907. 

D  Etüde  sur  la  tuberculose.  Paris  1868. 

")  Allgemeine  Pathologie,  Bd.  1,  S.  609. 

3)  Veröffentlicht:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1882.  Verh.  d.  physiol. 
Gescllsch.  Berlin,  Jahrg.  VII,  65.  Arb.  d.  K.  Gesundheitsamtes,  Bd.  II. 
‘)  Bericht  über  den  Kongress  für  Tuberkulose  in  Berlin  1899, 

S.  309.. 


Wohnungsdichtigkeit  parallel“.  Diese  Tatsache  wird  durch  die  auf 
der  Fürsorgestelle  Dresden-Neustadt  gemachten  Erfahrungen  durchaus 
bestätigt.  Die  dichtbewohntesten  Strassen  weisen  die  meisten  Fiir- 
sorgestellenbesucher  auf.  Der  vom  Kaiserlichen  Gesundheitsamt  in 
seiner  Denkschrift  „Ueber  die  Tuberkulose  und  ihre  Bekämpfung“ 
ausgesprochene  Satz:  „Die  Uebertragung  der  Tuberkulose  findet  am 
häufigsten  durch  das  Zusammenleben  mit  Tuberkulösen  unter  un¬ 
günstigen  Wohnungsverhältnissen  statt“,  —  wird  durch  statistische 
Zusammenstellungen  in  verschiedenen  Städten  (so  Lübeck,  Hamburg, 
Marburg,  Mannheim,  Berlin)  bestätigt.  Auch  die  mit  Krankenbe¬ 
suchen  beauftragte  Schwester  der  Eiirsorgestelle  Dresden-Neustadt 
berichtet  mir  besonders  häufig  darüber,  dass  die  Wohnungen  der 
Kranken  eng  und  ohne  Sonne  seien,  dass  eine  zahlreiche  Familie 
in  einem  ungenügenden  Raume  zusammenlebe,  dass  mehrere  Fa¬ 
milienmitglieder  und  zwar  auffallend  häufig  Tuberkulöse  und  Ge¬ 
sunde  in  einem  Bette  schliefen. 

Einige  Male  ist  es  auch  vorgekommen,  dass  wir  Kranke,  deren 
Wohnungen  von  der  Wohlfahrtspolizei  beanstandet  worden  waren, 
in  Fürsorge  nehmen  mussten,  da  eine  tuberkulöse  Erkrankung  sich 
rasch  verschlimmerte. 

In  dieser  Beziehung  haben  sehr  interessante  Ergebnisse  und 
für  eine  zielbewusste  Tuberkulosebekämpfung  wertvolle  Aufschlüsse 
die  Häuserregister  (casiers  sanitaires  des  maisons)  geliefert,  die  in 
Paris  seit  dem  1.  Januar  1894  eingeführt  sind.5)  Dieselben  geben 
über  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  der  einzelnen  Häuser  Auf¬ 
schluss  und  ermöglichen  eine  genaue  Feststellung  derjenigen  Stras¬ 
sen  und  Häuser,  in  denen  die  meisten  Todesfälle  an  Tuberkulose 
nicht  nur  die  ältesten  und  am  meisten  bevölkerten  Häuser  Tuber¬ 
kuloseherde  waren,  sondern  häufig  diejenigen  Wohnungen  am  meisten 
Erkrankungs-  und  Todesfälle  aufwiesen,  in  die  am  wenigsten  Sonnen¬ 
schein  drang. 

Da  in  den  kleinen,  schlechten,  dunklen  und  ungesunden  Woh¬ 
nungen  fast  ausschliesslich  die  ärmeren  Schichten  der  Bevölkerung 
wohnen,  so  ist  der  Zusammenhang  zwischen  Tuberkulose  und  Armut 
nicht  zu  leugnen,  und  die  Erfahrung  gibt  dieser  Annahme  Recht.  Eine 
zahlenmässige  Darstellung  für  diesen  Zusammenhang  zu  geben  ist  z.  Z. 
noch  nicht  möglich.  Die  Untersuchungen  des  Reichsgesundheits- 
amtes  in  dieser  Frage  haben  nicht  zu  befriedigenden  Resultaten  ge¬ 
führt.  Es  fehlen  noch  die  exakten  Unterlagen  (Trennung  des  Alters, 
der  Berufe  etc. 6).  Den  Versuch,  einen  Beweis  dadurch  erbringen 
zu  wollen,  dass  man  die  Tuberkulosesterblichkeit  in  den  verschiedenen 
Steuerklassen  berechnete,  halte  ich  für  ebenso  unglücklich,  wie  den¬ 
jenigen,  den  Zusammenhang  zwischen  Tuberkulose  und  Armut  da¬ 
durch  erbringen  zu  wollen,  dass  man  die  Bevölkerung  in  3  will¬ 
kürliche  Klassen  einteilt  und  berechnet,  wie  viel  Tuberkulosetodes¬ 
fälle  bei  Selbständigen,  Angestellten  und  Arbeitern  gemeldet  wur¬ 
den.  Es  spielen  doch  hier  zu  viele  andere  Fragen  mit.  Ein  jeder 
weiss  z.  B.,  dass  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  bei  Selbständigen 
häufig  viel  schlechter  sind  wie  bei  Angestellten  und  Arbeitern. 

Die  Tuberkulose  ist  aber  nicht  nur  eine  Krankheit  der  Armen, 
sie  ist  auch  eine  der  häufigsten  Quellen  der  Armut. 

Da  die  Schwindsucht  nicht  rasch  zum  Tode  führt,  sondern  der 
Kranke  erst  nach  langem  Siechtum  der  Seuche  erliegt,  so  werden 
selbst  Familien,  die  vorher  in  guten  wirtschaftlichen  Verhältnissen 
lebten,  tatsächlich  durch  die  Tuberkulose  an  den  Bettelstab  gebracht. 
Das  schlimmste  aber  ist,  dass  der  Verstorbene  bei  den  engen  räum¬ 
lichen  Verhältnissen,  durch  Unwissenheit  über  die  Gefährlichkeit 
seines  Zustandes  oder  durch  Unvorsichtigkeit  den  Keim  der  Krankheit 
auf  die  Frau  und  besonders  auf  die  am  meisten  gefährdeten  Kinder 
übertragen  hat.  Nach  wenigen  Jahren  wiederholt  sich  in  der  Fa¬ 
milie  dasselbe  Trauerspiel,  nur  ist  es  weit  tragischer,  da  die  Familie 
durch  die  Krankheit  des  Mannes  resp.  Vaters  bereits  der  Armut  ver¬ 
fallen  war. 

Die  bisher  gemachten  Erfahrungen  haben  deutlich  gezeigt,  dass 
die  Tuberkulosebekämpfung  hauptsächlich  eine  soziale  Frage  ist. 
So  lange  nicht  jemand  ein  Mittel  ausfindig  macht,  die  soziale  Frage 
in  ihrem  ganzen  Umfange  zu  lösen,  müssen  diejenigen,  welche  sich 
für  den  Teil  dieser  Frage  interessieren,  der  als  „Die  Tuberkulose  als 
Volkskrankheit“  zu  bezeichnen  ist,  sich  damit  begnügen,  die  bisher 
als  notwendig  erachteten  Massnahmen  im  einzelnen  und  im  grossen 
durchzuführen. 

Die  Wahl  der  Abwehrmassregeln  und  die  durch  sie  erzielten 
Erfolge  sind  in  jedem  Staate  von  dem  Charakter  und  dem  Geiste 
der  betreffenden  Nation  abhängig,  richten  sich  aber,  wenn  auch  von 
verschiedenen  Gesichtspunkten  ausgehend,  alle  auf  dasselbe  Ziel. 
In  der  Organisation  des  Kampfes  gegen  die  Tuberkulose  als  Volks¬ 
krankheit  spiegelt  sich  die  wirtschaftliche  und  gesellschaftliche 
Ordnung  des  betreffenden  Landes  und  seine  sozial-ökonomische 
Lage  wieder. 

In  Frankreich  und  Belgien  führt  man  gegen  die  Tuberkulose 
fast  die  gleichen  Waffen  ins  Feld:  Verbreitung  der  antituberkulösen 
Ideen  auf  jede  mögliche  Weise  und  Beeinflussung  der  öffentlichen 


5)  Lucien-Graux:  Les  casiers  sanitaires  et  la  lutte  contre 
la  tuberculose  Tuberculosis  V.  203. 

0  Raths:  Ueber  den  Einfluss  sozialer  Verhältnisse  auf  die 
Häufigkeit  der  Schwindsuchtstodesfälle.  Bericht  über  den  Berliner 
Tuberkulosekongress  1899,  S.  162  ff. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1879 


Meinung.  Durch  beides  sucht  man  die  kommunalen  Einrichtungen, 
die  repräsentativen  Körperschaften  und  in  letzter  Linie  die  Regierung 
selbst  zu  einer  aktiven  Beteiligung  am  Kreuzzuge  gegen  die  Tuber¬ 
kulose  zu  veranlassen.  Es  wird  in  beiden  Staaten  der  Hauptwert 
auf  die  Prophylaxe,  die  Fürsorge  in  den  sogen.  Dispensaires  und 
vor  allem  auf  eine  mustergültige  Sorge  für  tuberkulöse  und  tuber¬ 
kuloseverdächtige  Kinder  gelegt. 

In  England  fasst  man  das  Uebel  mehr  an  der  Wurzel  an.  Durch 
einen  stetig  fortschreitenden,  organisch  sich  entwickelnden,  wohl- 
durchdachten  Ausbau  der  Sanitätsgesetzgebung  und  durch  eine  kon¬ 
sequente,  umsichtige,  vor  Kosten  sich  nicht  scheuende  Durchführung 
hygienisch  prophylaktischer  Massnahmen  auf  dem  Gebiete  der 
Wohnungsfürsorge  und  der  Arbeiterwohlfahrt,  sucht  man  hier  der 
Tuberkulosemorbidität  und  -mortalität  einen  wirksamen  Damm  ent¬ 
gegenzusetzen.  In  England  wurden  auch  die  ersten  Spezialkianken- 

häuser  für  Tuberkulöse  errichtet.  _  ,  ,  ,  •  r,- 

In  hoher  Blüte  steht  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  Däne¬ 
mark,  Schweden  und  Norwegen.  Auch  die  übrigen  Länder  gehen  in 
voller  Uebereinstimmung  —  nur  in  individuell  verschiedenen  Gienzen 
—  auf  gleichem  Wege  gegen  die  Tuberkulose  vor. 

Die  Grundlagen  der  Tuberkulosebekämpfung  in  Deutschland 
sind  in  der  Hauptsache: 

1.  die  hygienisch-diätetische  Behandlungsmethode  Brehmers 
und  seiner  Schüler,  besonders  D  e  1 1  w  e  i  1  e  r  s,  durch  welche  man 
zu  der  Erkenntnis  kam,  dass  die  Tuberkulose  heilbar  sei  und 

2.  die  soziale  Gesetzgebung,  welche  durch  Kaiserliche  Botschaft 
vom  17.  November  1881  als  Antwort  Kaiser  Wilhelm  I.  auf  die 
Attentate  Nobilings  und  Hödels,  zweier  dem  Arbeiterstande 
angehörenden  Männer,  dem  deutschen  Volke  verkündet  wurde  und 
von  Bismarck  in  der  obligatorischen  Arbeiterversicherung  gegen 
Krankheit  und  Invalidität  verwirklicht  und  ausgebaut  wurde. 

Man  hat  die  Art  der  Tuberkulosebekämpfung  in  Deutschland  als 
Heilstättenbewegung  bezeichnet  und  hat  damit  zum  Ausdruck  bringen 
wollen,  dass  der  Deutsche,  dank  der  hohen  Entwicklung  seiner  so¬ 
zialpolitischen  Gesetzgebung  den  Kampf  gegen  die  Tuberkulose  auf 
eine  besondere  Art  und  Weise  zu  führen  imstande  war.  Die  Be¬ 
zeichnung  trifft  auch  heute  noch  insofern  das  Richtige,  als  nach  wie 
vor  die  Heilstättenbehandlung  in  Deutschland  das  Rückgrat  der 
ganzen  gegen  die  Tuberkulose  gerichteten  Massnahmen  geblieben 
ist.  Heilstätten  gab  es  aber  in  Deutschland  auch  schon,  als  man 
noch  nicht  von  einer  Heilstättenbewegung  sprach,  dieselben  waren 
aber  nur  dem  Reichen  zugängig.  Auch  durch  die  soziale  Gesetz¬ 
gebung  kam  zunächst  eine  Heilstättenbehandlung  dem  Minder¬ 
bemittelten  und  dem  Arbeiter  nur  in  beschränktem  Masse  zu  Gute. 
Von  einer  Heilistättenbewegung  im  heutigen  Sinne  konnte 
man  erst  sprechen,  nachdem  es  dem  Scharfsinne  eines  Mannes  ge¬ 
lungen  war,  die  soziale  Gesetzgebung  so  auszulegen,  dass  sie  dei 
Gesamtheit  der  Versicherten  zu  Gute  kam. 

Das  grosse  unsterbliche  Verdienst,  die  durch  die  soziale  Gesetz¬ 
gebung  für  die  Arbeiterwohlfahrt  aufgehäuften  Mittel  den  Lungen¬ 
kranken  zugängig  gemacht  zu  haben,  gebührt  dem  am  6.  Oktober  1906 
verstorbenen  Direktor  der  hanseatischen  Versicherungsanstalt  in 
Lübeck,  Hermann  Gebhard,  der  bald  nach  Inkrafttreten  des 
Invalidengesetzes  nicht  nur  mit  weitausschauendem  Blicke  die  der 
Invalidenversicherung  drohende  Gefahr  von  Seiten  der  Tuberkulose 
erkannte,  .sondern  auch  mit  genialem  Scharfblick  einen  Ausweg  fand. 
Ihm  gebührt  das  Verdienst,  dem  §  12  des  Invalidengesetzes  vom 
22.  Juni  1889  —  es  ist  der  §  18  des  Invalidengesetzes  in  neuer 
Fassung  —  eine  Auslegung  gegeben  zu  haben,  die  es  ermöglichte, 
ein  mächtiges  Bollwerk  gegen  den  erbarmungslosesten  Feind  des 
Menschengeschlechtes  zu  errichten. 

Dem  segensreichen  Wirken  eines  Mannes  ist  es  also  zu  ver¬ 
danken,  dass  gegenwärtig  jährlich  etwa  30  000  Lungenkranke  in 
Deutschland  in  Heilstätten  verpflegt  werden  können  und  dass  infolge 
der  stetig  steigenden  Anteilnahme  der  Invalidenversicherung  am 
Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  das  In validitäts-  und  Altersver¬ 
sicherungsgesetz  eine  Erweiterung  und  Umgestaltung  erfuhr. 

Man  sah  aber  auch  in  Deutschland  bald  ein,  dass  man  zwar 
auf  dem  rechten  Wege  war,  dass  man  mit  einseitigen  Massnahmen 
aber  nicht  zum  Ziele  kommen  könne.  Man  erkannte,  dass  es  eines 
viel  komplizierteren  Apparates  bedürfe,  um  nachhaltige  Ei  folge  zu 
erzielen.  In  Deutschland  blieb  zwar  die  Heilstättenbewegung  das 
Zentrum  der  gegen  die  Tuberkulose  gerichteten  Bestrebungen,  man 
fühlte  sich  aber  doch  veranlasst,  der  sozialen  Tuberkulosebekämpfung 
grössere  Beachtung  zu  schenken. 

Nachdem  Deutschland  mit  einem  Netz  von  Heilstätten  überzogen 
und  die  Heilstättenbewegung  zu  einem  gewissen  Abschluss  gekommen 
war,  wendete  man  sich  daher  mehr  und  mehr  den  vorbeugen¬ 
den  Massnahmen  zu.  Während  bei  der  Errichtung  von  Heilstätten 
und  bei  deren  Unterhaltung  hauptsächlich  die  Reichsbehörden  sich 
beteiligten,  begannen  in  der  Folge  auch  die  Gemeinden  einzusehen, 
dass  sie  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose  sich  anschliessen  mussten. 

Auch  die  deutsche  Zentralbehörde  der  gegen  die  Tuberkulose 
gerichteten  Bestrebungen,  das  Deutsche  Zentralkomitee  zur  Er¬ 
richtung  von  Heilstätten  für  Lungenkranke  hat  sich  mit  der  Zeit  den 
vorbeugenden  Massnahmen  gegen  die  Verbreitung  der  Tuberkulose 
zugewendet  und  die  gesamte  Tuberkulosefürsor  ge  rn 
seinen  Arbeitskreis  einbezogen.  Die  Veranlassung  hierzu  gab  dei 


Bericht  einer  im  Herbst  1903,  im  Anschluss  an  den  Brüsseler  Kon¬ 
gress  für  Hygiene  und  Demographie,  vom  Deutschen  Zentralkomitee 
entsendeten' Kommission  zur  Besichtigung  der  belgischen  und  fran¬ 
zösischen  „Dispensaires  antituberculeux“  besonders  des  für  alle  der¬ 
artigen  Einrichtungen  vorbildlichen,  von  Prof.  Calmette  in  Lille 
ins  Leben  gerufenen,  Dispensaire.  Dieser  Bericht  hatte  zur  Folge 
ein  Rundschreiben  des  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medizinalangelegenheiten  vom  28.  Dezember  1903  betreffend  die  Er¬ 
richtung  von  „Wohlfahrtsstellen  für  Lungenkranke“  für  das  Gebiet 
des  deutschen  Reiches  nach  dem  Muster  der  französischen  und  bel¬ 
gischen  Dispensaires.7)  Die  Anregung  fiel  auf  fruchtbaren  Boden, 
denn  in  rascher  Folge  gliederten  sich  den  bereits  in  Halle  a.  S.  und 
Charlottenburg  bestehenden  Fürsorgestellen  ähnliche  Anstalten  in 
allen  grösseren  Städten  des  Reiches  an.  Gegenwärtig  sind  über  80 
Fürsorgestellen  für  Lungenkranke,  wie  sie  jetzt  all¬ 
gemein  genannt  werden,  im  Deutschen  Reiche  in  Tätigkeit. 

Diese  Fürsorgestellen  decken  sich  nicht  durchaus  mit  den  fran¬ 
zösischen  Dispensaires,  sie  decken  sich  noch  viel  weniger  mit  den 
Polikliniken  für  Lungenkranke,  wie  sie  in  Berlin  und  anderen  Städten 
bereits  bestanden.  Ihr  wesentlicher  Unterschied  von  derartigen  Poli¬ 
kliniken  liegt,  wie  besonders  hervorgehoben  werden  soll,  darin,  dass 
sie  jede  ärztliche  Behandlung  der  Krankheit  a  u  s  - 
schliessen,  das  Interesse  des  behandelnden  Arztes  also  in  jeder 
Weise  wahren.  Die  Fürsorgestellenärzte  sind  angewiesen,  alle  in  das 
therapeutische  Gebiet  hineinreichenden  Massnahmen,  z.  B.  Ueber- 
weisung  in  Heilstätten  nur  in  Verbindung  mit  dem  behandelnden 
Arzte,  mit  dem  sie  stets  in  engster  Fühlung  zu  bleiben  bestrebt  sind, 
vorzunehmen.  Die  Fürsorgestellen  gewähren  niemals  Medizin  — 
ausser  wenn  es  vom  behandelnden  Arzte  besonders  verlangt  wird 
—  unterstützen  aber  die  ärztliche  Behandlung  dadurch,  dass  sie,  wo 
Bedürftigkeit  vorliegt,  die  Wohnungs-  und  Ernährungsverhältnisse 
zu  bessern  bestrebt  sind. 

Wie  die  Heilstätten  sich  zum  Mittelpunkte  der  therapeu¬ 
tischen  Bestrebungen  im  Kampfe  gegen  die  Schwindsucht  heraus¬ 
gebildet  haben,  so  sind  die  Fürsorgestellen  berufen,  das  Zentrum  der 
gesamten  vorbeugenden  Tuberkulosebekämpfung  zu  werden. 
Von  der  Fürsorgestelle  aus  soll  die  systematische  Bekämptung  der 
Seuche  geleitet  werden,  die  Fürsorgestellen  sollen  im  öfienthchen 
Interesse  und  zwar  im  Interesse  des  Kranken,  wie  des  Gesunden,  die 
bestmögliche  Ausnutzung  sämtlicher  für  die  Tuberkulosebekämpfung 
als  wichtig  erkannten  Massnahmen  gewährleisten. 

Die  beiden  Dresdner  Fürsorgestellen,  welche  am  6.  Juli  1906 
eröffnet  wurden,  bestehen  zur  Zeit  je  aus  3  Räumen,  einem  Warte¬ 
zimmer,  dem  Aufnahmeraume,  in  dem  die  Schwestern  die  Perso¬ 
nalien  der  Hilfesuchenden  feststellen,  und  dem  ärztlichen  Unter- 

siichipigSjätigkeit  des  Arztes  besteht  in  der  genauen  Untersuchung 
eines  jeden  Kranken  und  Eintragung  des  Befundes  in  ein  von  den 
Schwestern  mit  den  Personalien  versehenes  Formular.  Dieser  Unter¬ 
suchung  folgt  der  Besuch  einer  Schwester  in  der  Wohnung  des  Hilfe¬ 
suchenden,  möglichst  am  nächstfolgenden  Tage.  Je  nach  dem  Ausfall 
der  ärztlichen  Untersuchung  und  den  Wahrnehmungen  der  Schwester 
wird  die  Hilfeleistung  festgesetzt,  welche  dem  Kranken  zu  teil  werden 
soll.  Ausserdem  sind  den  Fürsorgestellen  noch  eine  Anzahl  Damen 
beigegeben,  welche  in  schwierigen  Fällen  nach  Erhebungen  an  Urt 
und  Stelle,  d.  h.  in  den  Wohnungen  der  Kranken,  die  Entscheidung 
zu  treffen  haben,  in  welcher  Weise  Hilfe  zu  leisten  ist.  Das  Urteil 
dieser  Damen  ist  deshalb  häufig  wertvoll,  da  es  den  Aerztem  der 
Fürsorgestelle  grundsätzlich  untersagt  ist,  den  Kranken  resp. 
Hilfesuchenden  in  seiner  Wohnung  aufzusuchen. 

Entscheidungen  von  besonderer  Bedeutung  werden  von  dem 
Arbeitsausschuss,  welcher  sich  aus  dem  „Freien  Ausschuss  zu r  Forde¬ 
rung  der  Bekämpfung  der  Schwindsucht  in  Dresden  gebildet  hat, 

erledigt.  Auf  welche  dje  Fürsorgestellen  im  Kampfe  gegen  die 
Tuberkulose  zu  erfüllen  haben,  ist  eine  doppelte:  Sie  sollen  einmal 
durch  genaue  Untersuchung  der  Kranken,  seiner  Wohnungs¬ 
und  sonstigen  Verhältnisse  die  Infektionsträger  und  die  Seuchen¬ 
herde  feststellen, 

und  es  sollen  weiterhin:  „  ,  ...  ... 

durch  die  Hilfeleistung  die  den  Kranken  zu  teil  wild. 

1.  bestehende  Seuchenherde  assaniert  werden, 

2  die  Bildung  neuer  Seuchenherde  verhindert  werden. 
Der  wichtigste  Teil  der  den  Fürsorgestellen  obliegenden  Auf¬ 
gaben  fällt,  wie  schon  erwähnt,  der  einer  jeden  Fürsorgestelle  bei- 

Etei ^der*  Be^eu tu n g,  welche  der  Beurteilung  der ■  Wohnungs-  und 
der  sonstigen  häuslichen  Verhältnisse  zukommt,  halte :  ich  eine  k  u- 
fige  Kontrolle  für  dringend  notwendig  und  ich  haKe  daher  ae  l  c  g 
keit  nur  einer  Schwester  für  unzureichend.  Diese  Erfahrungen 
decken  sich  durchaus  mit  d  e  n  j  e  n  i  g  e  n,  die  man  m  anderen  Städ¬ 
ten  ee  macht  hat.  Pütt  er  und  Kayserling  in  Berlin  emp 
fehlen  daher,  gebildete  Damen  zu  den  Besuchen  in  den  Wohnungen 
zu  nehmen  und  entsprechend  zu  besolden.  In  Hai  e  werden  die 
Waisenpflegerinnen  zur  Fürsorgetätigkeit  verwendet,  in  Kass 


7)  Abgedruckt  in:  Kurze  Uebersicht  über  die  Tätigkeit  des  Zen- 
Ikomitees  in  den  Jahren  1896 — 1905,  S.  36. 


1880 


MUKNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


den  die  Armenpflegerinnen  und  andere  Damen  dazu  herangezogen. 
In  Frankreich  fällt  diese  Aufgabe  des  Wohnungsbesuches  dem 
„Ouvrier  enqucteur“  zu.  Meiner  Ansicht  nach  müssen  für  diesen 
wichtigsten  1  eil  der  Fürsorgetätigkeit,  die  dem  Fürsorgestellenarzt 
absolut  verschlossen  ist,  verschiedene  Faktoren  Verwendung  finden. 
Den  behandelnden  Aerzten  resp.  den  Armenärzten  kann  man  diese 
Aufgabe  nicht  zumuten,  wenn  man  sie  nicht,  wie  dies  in  Hamburg 
der  Fall  ist,  besonders  dafür  besoldet.  Ich  glaube  aber  wohl,  dass 
man  neben  den  Fürsorgeschwestern,  mehr  noch  als  dies  bisher  ge¬ 
schehen,  die  Krankenkassenkontrolleure,  die  Waisenräte,  Armen¬ 
pfleger,  die  Wohlfahrtspolizei  und  vor  allem  auch  Damen  der  gebil¬ 
deten  Stände  heranziehen  könnte.  Die  Stadt  muss,  um  eine  wirksame 
Kontrolle  der  in  Fürsorge  Genommenen  durch  alle  2—3  Wochen 
zu  wiederholende  Besuche  zu  ermöglichen,  in  kleinere  Bezirke  ein¬ 
geteilt  werden,  die  möglichst,  um  Einheitlichkeit  zu  wahren,  sich  mit 
den  Armenpflegedistrikten  decken  müssten. 

Kann  der  Fürsorgestellenarzt,  da  ihm,  wie  schon  erwähnt,  Be¬ 
suche  in  der  Wohnung  der  Kranken  grundsätzlich  verboten  sind,  bei 
der  Aufsuchung  der  Seuchenherde  nicht  mitwirken,  sondern  nur 
aus  den  ihm  überbrachten  Meldungen  die  möglichen  Schlüsse  ziehen, 
so  besteht  seine  Haupttätigkeit  in  der  Feststellung  der  Infektions- 
träger.  Hierzu  ist  eine  genaue  Untersuchung  eines  jeden  die 
hiirsorgestelle  Aufsuchenden  unbedingt  notwendig.  Die  Diagnose 
der  Tuberkulose  muss  sicher  und  möglichst  frühzeitig  ge¬ 
stellt  \\  erden.  Hierzu  bedarf  es  aller  Hilfsmittel,  die  zu  Gebote  stehen 
Neben  Mensuration,  Inspektion,  Perkussion,  Auskultation  sind  zur 
Diagnose  besonders  auch  zu  verwenden  die  Röntgenphotographie  und 
Hie  1  über  kulininjektionen.  Die  erstere  ist  besonders  zur  Feststel¬ 
lung  der  Diagno.se  bei  Kindern,  die  häufig  ganz  besonderen  Schwie¬ 
rigkeiten  begegnet,  von  hoher  Wichtigkeit,  wie  auf  dem  I.  Röntgen¬ 
kongress  in  Berlin  1905  von  Köhler-  Wiesbaden 8)  u.  a.  dar¬ 
getan  würde.  Ebensowenig  wie  Röntgenphotographien  können  wir 
auf  den  Fürsorgestellen  bis  jetzt  diagnostische  Tuberkulininjektionen 
machen.  Dass  ihre  Einführung,  der  besonders  von  Petrusch  ky- 
Danzig  das  Wort  geredet  wird,  für  die  Sache  selbst,  aber  auch  für 
die  Tätigkeit  der  praktischen  Aerzte  von  Vorteil  wäre,  liegt  ausser 
allem  Zweifel.  Die  Fürsorgestellen  würden  alsdann  in  den  Stand 
gesetzt  werden,  die  Nachuntersuchung  und  Kontrollierung  der  an¬ 
scheinend  geheilt  aus  Heilstätten  Entlassenen  auszuführen  und  die 
Nichtgeheilten  in  weitere  Beobachtung  und  ev.  in  Behandlung  mit 
luberkulin  zu  nehmen.  Weiterhin  kommen  Tuberkulininjektionen  be¬ 
sonders  m  Betracht  bei  der  Auswahl  der  in  die  Lungenheilstätten 
Aufzunehmenden.  Ich  bin  überzeugt,  dass  bei  der  sorgfältigen  Aus¬ 
wahl,  welche  die  Leiter  der  Heilstätten  bei  den  zu  einem  Heilver¬ 
fahren  Vorgeschlagenen  treffen,  nicht  immer  Kranke  Aufnahme 
fiiK  en,  bei  denen  1  uberkulose  vorliegt.  Solche  Kranke  werden  be'i 
den  vorzüglichen  Luft-  und  Verpflegeverhältnissen  natürlich  kräftig 
und  verlieren  ihre  subjektiven  Beschwerden,  kosten  aber  viel  Geld, 
das  den  anderen  Kranken  entzogen  wird. 

Dass  auf  den  Fürsorgestellen  auch  Sputumuntersuchungen  der 
in  Fürsorge  stehenden  Kranken  vorgenommen  werden,  bedarf  keiner 
besonderen  Erwähnung. 

Als  besonders  wichtig  muss  hervorgehoben  werden,  dass  sich 
die  Untersuchung  nicht  nur  auf  den  die  Fürsorgestelle  Aufsuchen- 
den,  sondern  auch  auf  dessen  gesamte  Familie  und  die  mit 
ihnen  in  räumlicher  Gemeinschaft  Lebenden  zu  erstrecken  hat. 

Der  praktische  Arzt  weiss  aus  Erfahrung,  wie  ungenau  die  An¬ 
gaben  vieler  akut  Erkrankter  bei  der  Aufnahme  der  Anamnese  sind. 
Handelt  es  sich  aber  um  eine  Krankheit,  die  mit  so  unbestimmten 
Symptomen  beginnt  und  so  chronisch  verläuft,  wie  die  Tuberkulose, 
so  werden  die  Aussagen  besonders  ungenügend.  Kann  der  Kranke 
sich  aber  schon  bei  Angaben  über  die  eigene  Person  nicht  genau 
entsinnen,  so  verlieren  die  Antworten  vielfach  jeden  Wert  bei  Fragen 
nach  Ki  ankheitserscheinungen  bei  den  Familienangehörigen.  Der 
praktische  Arzt  muss  sich  meist  auf  derartige  Fragen  beschränken  und 
den  Angaben  mehr  oder  weniger  Glauben  schenken,  Pflicht  des  Für¬ 
sorgestellenarztes  aber  ist  es,  sich  durch  die  Untersuchung  eines 
jeden  Familienmitgliedes  von  dessen  Gesundheitszustand  zu  über¬ 
zeugen. 

Wie  die  Wohnungsinspektionen  durch  die  Schwester,  haben  sich 
auch  die  körperlichen  Untersuchungen  in  bestimmten  Zeiträumen  zu 
wiederholen.  Es  hat  sich  als  zweckmässig  herausgestellt,  Gesunde 
alle  halben  Jahre,  Kranke  alle  6 — 8  Wochen  erneut  zu  untersuchen. 

Besonderen  Wert  lege  ich  auf  die  Untersuchung  der  Kinder! 
die  besonders  gefährdet  sind,  wenn  sie  mit  an  offener  Tuberkulose 
Leidenden  in  engen  räumlichen  Verhältnissen  Zusammenleben.  Solche 
Kinder  nehmen  den  Infektionsstoff  in  sich  auf  und  können  dabei  noch 
lange  gesund  aussehen  und  keinerlei  Erscheinungen  darbieten,  die 
auf  eine  Erkrankung  schliessen  lassen.  Die  Kinder  sind  in  dieser 
Beziehung  als  Bazillenträger  10)  aufzufassen  bis  zu  dem  Zeit¬ 
punkte,  da  erhöhte  Anforderungen  an  den  Körper  gestellt  werden. 


")  Verhandlungen  der  Deutschen  Röntgengesellschaft,  Bd.  I,  S.  98. 

9)  Petruschky:  Der  gegenwärtige  Stand  der  Tuberkulin¬ 
behandlung.  Leipzig  1901. 

10)  Kayserling:  Die  Organisation  der  Auskunfts-  und  Für- 
sorgestellen  für  Tuberkulöse  nach  den  Grundsätzen  der  Seuchen¬ 
bekämpfung.  Tuberkulosis  VI,  240  ff. 


d.  h.  bis  zum  Alter  der  Pubertät.  Die  statistischen  Zusammen¬ 
stellungen  der  mir  bisher  zugängigen  Städte  und  Länder  ergeben  für 
die  Häufigkeit  der  Tuberkulosesterblichkeit  nach  Alter  und  Geschlecht 
ein  auffallendes  Verhalten,  wie  es  sich  in  den  von  mir  für  Dresden  und 
fiir  England  und  Amerika  zusammengestellten  'Tabellen  ausgedrückt 
findet.  Sieht  man  ab  von  der  hohen  Mortalität  in  der  Altersklasse  von 
0 — 5  Jahren,  welche  auf  die  hohe  Säuglingssterblichkeit  am  Ende  des 
1.  Lebensjahres  zu  beziehen  ist,  so  ist  besonders  beachtenswert  dass 
die  Sterblichkeitszahlen,  die  vom  2.  bis  etwa  zum  12.  Jahre  niedrig 
waren,  rasch  in  die  Höhe  gehen  und  dass  in  der  Entwicklungszeit 
des  kindlichen  Körpers  d.  i.  im  Alter  von  10—15  Jahren  das  weibliche 
Geschlecht  wenigstens  doppelt  so  häufig  der  Tuberkulose  erliegt,  als 
das  männliche.  )  Es  scheint  dies  eine  Folge  zu  sein,  dass  die  Ent¬ 
wicklung  des  weiblichen  Organismus  in  dieser  Zeit  eine  viel  inten¬ 
sivere  ist,  als  die  des  männlichen. 

Wenn  sich  auch  die  Verhältnisse  in  der  Altersklasse  von  15 
bis  20  Jahren,  infolge  des  Eintritts  der  Knaben  in  'die  Lehrzeit,  aus- 
gleichen,  so  bleibt  doch  die  Sterblichkeit  der  Frau  bis  zum  30.  Lebens- 
jalne,  also  während  der  Zeit  ihrer  Gebärtätigkeit,  erheblich  grösser, 
als  die  des  Mannes.  Bei  letzterem  steigt  die  Mortalität  an  Tuber¬ 
kulose  vom  30.  Jahre  an  rapid  und  erreicht  ihren  Höhepunkt  im  Alter 
c0!1  1?  Jahren,  also  in  der  Zeit,  da  der  Mann  auf  der  Höhe  seines 
^  cn affen s  steht,  da  die  Sorge  um  die  Existenz  und  die  Familie  be¬ 
sonders  hohe  Anforderungen  an  seine  Leistungsfähigkeit  stellt. 

Die  Untersuchung  auf  Tuberkuloseverdächtigkeit  möchte  ich 
daher  besonders  auf  die  Schulkinder  ausgedehnt  wissen.  Auf  ein  von 
mir  erlassenes  Rundschreiben  an  die  Schuldirektoren  der  Bezirks¬ 
und  Bürgerschulen  in  Dresden-Neustadt  wurden  mir  teils  von  ‘den 
1  nektoren,  teils  von  den  Lehrern  zahlreiche  Kinder  zugeschickt. 
Ajlein  der  Direktor  und  das  Lehrerkollegium  der  II.  kath.  Bezirks¬ 
schule  Jordanstrasse  7  überwiesen  mir  80  Knaben  und  Mädchen  als 
tuberkuloseverdächtig.  Die  Untersuchung  dieser  Kinder  und  die  Be¬ 
suche,  welche  die  der  Fürsorgestelle  Dresden-Neustadt  zugewiesenen 
Damen  zur  Feststellung  der  Wohnungs-  und  Lebensverhältnisse  der 
Kinder  auszuführen  die  Liebenswürdigkeit  hatten,  lieferten  in¬ 
teressante  Resultate  und  führten  zur  Aufdeckung  manchen  Tuber¬ 
kulosenherdes,  der  uns  sonst  verborgen  geblieben  wäre.  Es  wäre 
zu  wünschen,  dass  derartige  genaue  Untersuchungen  von  den  Schul¬ 
ärzten  öfters  ausgeführt  würden  und  dass  'die  als  verdächtig  bezeich¬ 
nt611  Kinder  den  Fürsorgestellen  zur  weiteren  Beobachtung  über¬ 
wiesen  würden.  Auch  die  Impfärzte  könnten  in  dieser  Beziehung 
fordernd  wirken.  Weiterhin  könnten  zur  Feststellung  alle  diejenigen 
^'e.  ’h?  Dienste  der  öffentlichen  Armenpflege  stehen.  Die 
Wohlfahrtspolizei,  der  wir  von  jeder  den  hygienisch  zu  fordernden 
Verhältnissen  zuwiderlaufenden  Wohnung  Meldung  erstatten,  könnte 
auch  ihrerseits  die  Fürsorgestellen  auf  die  Bewohner  beanstandeter 
Wohnungen  aufmerksam  machen.  Ich  möchte  an  dieser  Stelle  noch 
besonders  hinweisen  auf  die  Wichtigkeit  der  Untersuchungen  von 
Lehrlingen  und  jugendlichen  Arbeitern.  Desgleichen  würde  es  sich 
empfehlen,  von  den  Musterungs-,  Aushebungs-  und  Einstellungs¬ 
behörden  Mitteilung  über  Tuberkulosefälle  zu  erbitten,  um  die  Fa¬ 
milien  der  krank  Befundenen  in  Fürsorge  zu  nehmen. 

Der  Feststellung  der  Seuchenherde  und  der  Infektionsträger  hat 
die  eigentliche  Fürsorge  auf  dem  Fusse  zu  folgen. 

Die  Durchführung  dieses  praktisch-sozialen  Teiles  ist  an  gewisse 
Vorbedingungen  gebunden,  deren  Erfüllung  zum  Teil  —  soweit  sie 
nicht  der  Staat,  die  Gemeinde,  die  Schule  u.  a.  übernehmen  —  als 
Aufgabe  der  Fürsorgestellen  zu  betrachten  sind. 

Um  erfolgreich  wirken  zu  können,  muss  mehr  noch  als  dies  bis- 
liei  geschehen,  die  Anschauung  ins  Volk  getragen  werden,  dass  die 
!  uberkulose  eine  ansteckende  Krankheit  ist;  alle  Schichten  der  Be¬ 
völkerung  müssen  mit  den  Ideen  der  Tuberkuloseverhütung  gleich¬ 
sam  imprägniert  werden  und  jedem  einzelnen  muss  die  Rolle  zuge¬ 
teilt  werden,  die  ihm  im  Kampf  gegen  die  J  uberkulose  zufällt. 

Unter  allen  Ländern,  aus  denen  Berichte  vorliegen,  besteht  nur 
in  Norwegen  die  behördliche  Bestimmung,  dass  in  den  höheren 
Klassen  der  Volksschulen  Vorträge  über  die  Tuberkulose  und  deren 
Verhütung  gehalten  werden,  in  Schweden  steht  die  Frage  noch  auf 
der  Tagesordnung,  in  der  Schweiz  ist  man  bemüht,  entsprechende 
Verfügungen  der  Schulbehörde  zu  erwirken.12)  In  Deutschland 
würde  die  antituberkulöse  Erziehung,  mit  der  Weckung  des  Sinnes 
fiii  Reinlichkeit  und  für  Resundheitsmassiges  Verhalten  in  und  ausser- 
halb  der  Schule  durch  die  Lehrer  zu  beginnen  haben  und  ihre  Fort¬ 
setzung  in  den  Fortbildungsschulen,  Fachschulen,  Gvmnasien  usw 
finden  und  zwar  in  Vorträgen  der  Aerzte  resp.  Schulärzte  über  die 
Ansteckungsgefahr,  die  Entstehung  und  Verbreitungsweise  der 
'Tuberkulose  usw. 

Für  die  Aufklärung  des  werktätigen  Volkes  fallen  den  Fürsorge¬ 
stellen  wichtige  Aufgaben  zu.  Sowohl  durch  Verteilung  von  allgemein 
verständlichen  Druckschriften  —  wir  verteilen  an  jeden  Besucher 
unserer  Für, Sorgesprechstunden  ein  Exemplar  des  Tuberkulosemerk¬ 
blattes,  bearbeitet  im  Kaiserlichen  Gesundheitsamte  — ,  als  auch 
durch  Belehrung  eines  jeden  Besuchers  und  durch  öffentliche  Vor¬ 
träge  kann  in  dieser  Beziehung  viel  erreicht  werden. 


")  Die  gleiche  Erfahrung  machte  Kayserling  1.  c. 

'■)  Fischer:  Internationale  Enquete  über  den  gegenwärtigen 
Stand  der  „antituberkulösen  Erziehung“.  Tuberkulosis  V,  S.  174. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


18  Öl 


17.  September  1907. 

— 

Die  Erziehung  des  Volkes  muss  aber  auch  von  anderen  Stellen 
aus  in  Angriff  genommen  werden:  Staat,  Gemeinde,  Wohlfahrts¬ 
polizeiwesen,  öffentliche  und  private  Armenpflege  müssen  hier  mit- 
wirken.  Eine  der  Triebfedern  in  der  Heilstättenbewegung  war,  von 
Anfang  an  in  den  Lungenheilstätten  eine  Institution  zu  schaffen, 
welche,  ausser  dem  Bestreben  den  Kranken  zu  heilen,  darauf  hinaus¬ 
ging,  den  Kranken  zu  belehren,  wie  er  leben  muss.  Man  hoffte  durch 
niese  Erziehung  die  Umgebung  vor  event.  noch  bazillenhaltigem  Aus¬ 
wurf  zu  schützen  und  dadurch  sowohl  dem  Entlassenen,  als  auch 
seinen  Angehörigen  zu  nützen. 

Als  Anschauungsmittel  zur  Belehrung  des  Volkes  haben  sich  die 
Tuberkulosemuseen,  wie  sie  in  Berlin  und  Karlsruhe  bereits  bestehen, 
vortrefflich  bewährt,  besonders  wenn  ihre  Räume  zur  Abhaltung  von 
Vorträgen  über  die  soziale  Bedeutung  der  Tuberkulose  verwendet 
werden  konnten. 

So  notwendig  die  Aufklärung  über  Aetiologie,  Wesen,  Heilbarkeit 
und  Ansteckungsfähigkeit  der  Tuberkulose  auch  ist,  so  hat  sie  den¬ 
noch  in  gewissen  Kreisen  zu  einer  übertriebenen  Furcht  vor  An¬ 
steckung  Veranlassung  gegeben.  Viele,  die  im  Kampfe  gegen  die 
Tuberkulose  wertvolle  Kämpfer  sein  könnten,  verweigern  ihre  Mit¬ 
arbeit  aus  unbegründeter  Furcht  vor  Ansteckung.  Diese  übertriebene 
Furcht  ist  unbegründet.  Ein  Tuberkulöser,  der  mit  seinem  Auswurfe 
vorsichtig  umgeht  und  beim  Husten  die  Hand  vor  dem  Mund  hält,  ist 
im  gewöhnlichen  Verkehr  nicht  ansteckend.  Dass  bei  richtiger  Er¬ 
ziehung  der  Lungenkranken  selbst  bei  Ueberschwemmung  eines 
Ortes  mit  Tuberkulösen,  wie  dies  in  Davos,  Arosa  und  an  anderen 
Orten  doch  der  Fall  ist,  eine  Ansteckungsgefahr  nicht  vorliegt,  zeigt 
die  Tatsache,  dass  die  Sterblichkeit  der  eingeborenen  Bevölkerung 
in  diesen  Orten,  seitdem  sie  Kurorte  für  Tuberkulöse  geworden,  von 
Jahr  zu  Jahr  zurückgeht.  Eifrigste  Nachahmung  an  allen  Orten  ver¬ 
dient  aber  jedenfalls  das  Vorgehen  der  schon  genannten  Behörden 
von  Davos,  Arosa  und  ähnlicher  Orte,  welche  jedes  auf  die  Erde  spucken 
mit  Strafe  belegen.  Das  einfache  Verbot  „Nicht  auf  die  Erde  spucken“ 
nützt  nichts  und  die  in  Dresden  auf  belebten  Strassen  in  den  Gang¬ 
bahnen  eingelassenen  Spucknäpfe  werden  ihren  Zweck  nur  mangel¬ 
haft  erfüllen,  wenn  nicht  jedes  auf  die  Erde  spucken  mit  Strafe  be¬ 
legt  wird.  Auch  in  den  Eisenbahnwagen  wäre  eine  derartige  Straf¬ 
androhung  wünschenswert,  wie  sie  in  den  Wagen  der  österreichischen 
Eisenbahnverwaltungen  sich  bereits  vorfindet. 

(Schluss  folgt.) 


Neuer  Kochsalzsterilisationsapparat  mit  Wasserkühlung 
und  Höhenverschiebung. 

Von  Stabsarzt  Dr.  Becker. 

Mehr  und  mehr  neigt  man  in  der  Chirurgie  bei  der  Behandlung 
eitriger  Prozesse  der  Bauchhöhle  der  Kochsalzspülung  zu, 
vielfach  haben  Autoren  die  trockene  Methode  des  Auswischens,  deren 
begeisterte  Verfechter  sie  waren,  zu  gunsten  der  schonenden  Spül¬ 
methode  aufgegeben.  Aber  nicht  nur  für  die  eitrige  Peritonitis,  son¬ 
dern  zur  Ausspülung  des  Leibes  bei  Perforationen  (Ulcusperforationen 
des  Magens,  Darmruptur,  Milzblasenruptur,  Leber-  und  sonstige  Ver¬ 
letzungen  der  Eingeweide,  welche  die  Laparotomie  schnell  nötig 
machen,  und  zur  Auswaschung  anderer  Abszesshöhlen,  zur  zeitweisen 
Abspülung  des  Operationsfeldes  bei  ausgedehnten  Verletzungen  und 
Operationen  ist  die  Kochsalzlösung  von  unschätzbarem  Wert,  wenn 
sie  schnell  steril  und  richtig  temperiert  zur  Hand  ist. 

Ausser  der  Verwendung  während  der  Operation  kann  sie  bei 
Blutverlusten  plötzlich  nötig  werden  und  die  lebensrettende  sub¬ 
kutane  Infusion  oder  intravenöse  Injektion  damit  in  denkbar  kürzester 
Zeit  ausgeführt  werden. 

Ihre  Anwendung  hätte  vielleicht  schon  allgemeinere  Verbreitung 
und  Sympathie  gefunden,  wenn  die  Herstellung  nicht  mit  viel  Um¬ 
ständen  oder  kostspieligen  Apparaten  verbunden  wäre.  Einerseits 
ist  man  bei  primitiver  Zurichtung  wegen  ungenügender  Asepsis  oft 
nicht  geneigt  sie  zu  gebrauchen,  andererseits  sind  die  vollkom¬ 
meneren  Apparate  so  teuer  und  zum  Teil  so  kompliziert,  dass  sie 
aus  diesen  Gründen  keinen  Zuspruch  und  Verwendung  fanden.  In 
dem  regelmässigen  Betrieb  einer  grossen  Klinik,  wo  fast  täglich  Lapa¬ 
rotomien  und  sonstige  grössere  Operationen  gemacht  werden,  ist  ja 
ihre  Anschaffung  ein  unumgängliches  Bedürfnis  und  lohnend.  Viele 
kleinere  Krankenhäuser,  Lazarette,  Privatkliniiken  aber,  bei  denen 
das  Material  nicht  so  regelmässig  einströmt,  und  die  zeitweise  keinen 
Gebrauch,  dann  unvermutet  schnell  Zugang  haben,  lohnt  sich  ein 
dauernd  unterhaltener,  grosser,  mit  allen  Regulier-  und  selbsttätigen 
Einrichtungen  komplizierter  Apparat  nicht. 

Dem  Bedürfnis  eines  Apparates,  der  jeden  Augenblick  ohne  be¬ 
sondere  Vorrichtung,  ohne  besonderes  Personal,  Monteur  etc.,  von 
jeder  Schwester  oder  Krankenwärter  bedient  weinen  kann,  und 
namentlich  bei  plötzlichen  Unglücksfällen  schnell  eine  gen  ü  g  e  n  d  e 
Menge  gebrauchsfertiger  Kochsalzlösung  liefert,  bin 
ich  zu  Hilfe  gekommen,  mit  einem  einfachen  Apparat,  der  nicht 
viel  Raum  beansprucht,  überall  leicht  angebracht  werden 
kann,  ausser  Gas-  und  Wasserleitung  keine  besondere  Anlage  nötig 


macht,  ja  auch  bei  nicht  vorhandenem  Gas  mit  Spiritusheizung  ver¬ 
wandt  werden  kann,  und  der  es  erlaubt,  die  Spülung  unter 
beliebigem  Druck  auszuführen,  indem  er  an  einer  Gleitschiene 

No.  38. 


in  die  Höhe  verschiebbar  ist.  Die  mit  Spiritusheizung  versehenen 
Apparate  werden,  da  eine  sehr  kräftige  Flamme  angebracht  ist,  nicht 
minder  schnell  eine  gebrauchsfertige  Lösung  liefern,  da  diese  Flamme 
25  Liter  in  30  Minuten  zum  Kochen  erhitzt.  Der  Apparat  ist  einfach 
zusammengesetzt,  in  allen  seinen  Teilen  leicht  zugäng¬ 
lich,  kann  gut  gereinigt  werden  und  lässt  sich  innerhalb 
und  ausserhalb  des  Operationszimmers  in  gleicher  Weise  zweck¬ 
dienlich  anbringen.  Ich  habe  seit  einem  Jahre  einen  solchen  im 
hiesigen  Lazarett  im  Gebrauch,  er  hat  sich  mir  stets  gut  bewährt  und 
ich  glaube  ihn  daher  empfehlen  zu  sollen. 

Die  Einrichtung  ist  kurz  folgende:  Ein  aus  verzinntem  Kupfer¬ 
blech  hergestellter  Topf,  dessen  Declkel  mit  einem  bis  zum  Boden 
reichenden  Thermometer,  gut  gedichtet,  versehen  ist  und  durch 
Nickelhülse  geschützt,  nimmt  die  Kochsalzlösung  auf.  Dieser  Koch¬ 
salzbehälter  ist  in  einen  weiteren  eingesetzt,  dessen  Boden  mit  ihm 
verbunden  ist.  Es  entsteht  dadurch  zwischen  beiden  ein  zylindrischer 
Raum,  in  dem  das  von  der  Wasserleitung  (W)  einströmende  und  in  ein 
Ablaufrohr  ablaufende  kalte  Wasser  zirkulieren  kann.  (Der 
weitere  Abfluss  ist  in  Figur  nicht  gezeichnet,  wird  durch  einfache 
Regenwasserröhre  den  sonstigen  Abflüssen  angeschlossen.)  Damit 


lach  Gebrauch  der  Kühlraum  leer  laufen  und  trocknen  kann,  ist  der 
Wasserleitungszulauf  (W)  mit  einem  Hahn  versehen.  Man  schliesst 
ihn  einen  Augenblick,  nimmt  den  Schlauch  ab,  und  öffnet  ihn  wieder, 
um  das  Wasser  in  einen  untergehaltenen  Eimer  ausströmen  zu  lassen 
und  lässt  den  Hahn  dann  offen  stehen.  Die  beiden  Kessel  umgibt  ein 
asbestbekleideter,  vernickelter  Heizmantel,  mit  Luftlöchern  ver¬ 
sehen,  welcher  die  Behälter  nach  unten  überragt  und  die  Hitze  duich 
die  allseitige  Umgebung  möglichst  zusammenhält  und  auf  alle  Flächen 
wirken  lässt.  Unter  dem  Kochsalzbehälter  liegt  eine  Heiz¬ 
schlange  (konzentrische  Rohrringe)  mit  sehr  zahlreichen  Bunsen- 
flämmchen,  die  eine  starke  Heizkraft  haben.  Ihre  Gaszuleitung  ist 
bei  F.  Ueber  dem  Hahn  ist  eine  drehbare  Stichflamme  angebracht, 
womit  man  sehr  bequem  und  ohne  Gefahr  die  Flämmchen  anzündet. 
Der  Ablauf  der  Kochsalzlösung  befindet  sich  bei  L  und  wird  durch 
einen  starken  Gummischlauch  zum  Operationsfeld  geleitet,  unmittel¬ 
bar,  wenn  der  Apparat  im  Ooerationszimmer  sich  befindet,  oder  zu 
einer  die  Wand  durchsetzenden  Röhre,  wenn  er  ausserhalb  ange¬ 
bracht  ist.  Diese  Röhre  wird  etwas  höher  als  der  Operationstisch  is 
angelegt  und  an  der  Mündung  nach  dem  Operationssaal  zu  mit  einem 
Verschlusskopf  V  versehen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1882 


Der  Apparat  bewegt  sich  an  zwei  Gleitschienen  G,  die 
an  der  Wand  direkt  oder  auf  Holzleisten  angebracht  werden,  auf 
und  ab  mittelst  einer  Zugkette  K,  die  über  zwei  Rollen  R  läuft. 
Er  wird  nun  so  angebracht,  dass  sein  tiefster  Stand  (—  unteres  Ende 
der  Schienen)  in  ca.  1,50  m  überm  Eussboden  ist,  und  von  da  gehen 
die  Leisten  2 — 3  m  in  die  Höhe,  so  dass  man  den  Apparat  in  solche 
Höhe  ziehen  und  entweder  bei  niedrigem  Stand  o  h  n  e,  oder  bei 
Höherem  m  i  t  entsprechendem  Druc  k  spülen  kann. 


Beim  Gebrauch  geht  man  nun  so  wor:  Zunächst  muss  der  zum 
Abfluss  bestimmte  Hahn  und  Kochsalzschlauch  L  desinfiziert  werden 
und  dazu  lässt  man  mit  dem  abgenommenen  Wasserzuleitungsschlauch 
W  etwas  Wasser  (ca.  2 — 3  Liter)  in  den  Kochsalzbehälter  und  dann 
ebenso  in  den  Kühlraum  von  oben  etwa  bis  zur  Hälfte  einströmen, 
was  jedesmal  vor  dem  Anzünden  der  Heizung  geschehen  soll,  damit 
die  Lötungen  nicht  leiden.  Dann  zündet  man  die  Heizung  an.  Sobald 
das  Wasser  kocht,  was  bei  der  geringen  Menge  und  der  starken 
Heizung  sehr  schnell  geschieht,  öffnet  man  den  Hahn  des  Kochsalz¬ 
abflusses  L  und  lässt  das  kochende  Wasser  und  Dampf  durch  den 
Schlauch  ausströmen,  dessen  Verschlusskopf  bei  V  abgenommen  ist. 
Dann  verschliesst  man  dieses  Ende  mit  einem  sterilen  Wattepfropf, 
schliesst  den  Kochsalzhahn  L  wieder  und  gibt  nun  die  bestimmte 
Menge  Kochsalzlösung  in  den  Kochsalzbehälter.  Oder  man  lässt,  was 
noch  einfacher  ist,  von  der  Wasserleitung  mit  dem  am  oberen  Hahn 
abgenommenen  Schlauch  Wasser  in  den  Kochsalzbehälter  einströmen 
und  gibt  die  entsprechende  Menge  Kochsalz  hinzu,  die  man  in  Vorrat 
abgewogen  bereit  hält  (also  z.  B.  70  g  für  10  Liter).  Alsdann  steckt 
man  den  Wasserleitungsschlauch  wieder  an  seinen  Hahn  und  zündet 
die  Heizung  mit  der  noch  brennenden  Stichflamme  an.  Nun  kann 
der  Wärter  seinen  übrigen  Vorbereitungen  zur  Operation  weiter  nach¬ 
gehen,  indem  er  ab  und  zu  einmal  nach  dem  Thermometer  sieht.  So¬ 
bald  die  Lösung  einige  Minuten  gekocht  hat,  öffnet  man  die  Wasser¬ 
leitung,  und  nun  findet  unter  der  fortwährenden  Zirkulation  des 
kühlen  Wassers  in  dem  Kühlraum  eine  rasche  Abkühlung  statt,  die 
man  bei  40  oder  42°  beschliesst,  da  während  des  Durchlaufens  durch 
den  Schlauch  die  Lösung  einige  Grade  verliert.  Ist  die  Lösung  somit 
auf  Körpertemperatur  und  gebrauchsfertig,  so  dreht  man  Wasser¬ 
leitung  und  Gas  bezw.  Spiritusheizung  ab  und  zieht  den  Apparat  zur 
gewünschten  Höhe  auf.  Indem  man  die  Kette  K  in  einen  an  der 
Gleitschiene  angebrachten  Stift  einhakt,  hält  sie  fest.  Die  Weiter¬ 
leitung  der  Lösung  von  der  Wand  bis  zum  Operationsfeld  habe  ich 
mit  einem  Schlauch  gemacht,  den  ich  vor  den  Instrumenten  im  In¬ 
strumentenkocher  sterilisiere.  Dieser  Schlauch  hat  an  einem  Ende 
einen  vernickelten  Metallkonus,  der  in  die  Mündung  des  Rohres  an 
der  Wand  passt.  Ich  ziehe  dort  den  sterilen  oben  erwähnten  Watte¬ 
bausch  ab  und  setze  den  Konus  auf.  Der  Schlauch  selbst  wird  bis 
zum  Gebrauch  in  einer  Schüssel  mit  Sublimat  oder  steriler  Borlösung 
belassen. 

Ist  die  Lösung  bei  einer  Operation  verbraucht,  so  benötigt  man 
natürlich  zur  nächsten  Operation  nicht  mehr  der  Desinfektion  des 
Schlauches  L  vom  Kochsalztopf.  Es  wird  wie  oben  der  Behälter 
wieder  aufgefüllt  und  ist  rasch  zum  Gebrauch  wieder  fertig.  Ist  der 
Apparat  im  Operationsraum  angebracht,  oder  befindet  sich  zwischen 
Vorraum  und  Operationszimmer  eine  kleines  Fenster  oder  ähnliche 
geeignete  Kommunikationsöffnung  in  passender  Höhe,  so  ist  das  Rohr 
durch  die  Wand  nicht  nötig.  Man  versieht  den  Schlauch  von  L  mit 


einem  Verschlusskopf  und  setzt  dann  das  abnehmbare  auszukochende 
Schlauchende  zur  Operation  an. 

Auf  den  ersten  Blick  sieht  das  ganze  nach  der  Beschreibung 
etwas  umständlich  aus,  aber  in  praxi  gestaltet  sich  der  Gebrauch 
sehr  einfach  und  leicht,  wie  ich  dies  hier  erprobt  habe. 

Der  Apparat  wird  von  der  Firma  Lii  scher  &  Bö  m  per, 
Neuwied,  hergestellt.  Der  Preis  beträgt  für  einen  Apparat  von  20 
Liter  200  M. 


Abreissung  von  Wirbeldornfortsätzen  durch  Muskelzug. 

Bemerkungen  zur  Arbeit  von  Dr.  Franz  Sauer  in  No.  27 

dieser  Wochenschrift. 

Von  Dr.  Karl  Henschen,  Assistenzarzt  der  chirurgischen 

Klinik  in  Zürich. 

Im  53.  Band  von  B  r  u  n  s  Beiträgen  zur  klinischen  Chirurgie 
(März  1907;  S.  687.  Referiert  in  No.  24  dieser  Wochenschr.  S.  1189) 
habe  ich  die  Muskelzugbrüche  der  W  i  r  b  e  1  d  o  r  n  e  n.  für 
welche  zufolge  ihrer  besonderen  Gestalt  und  Musikelbeziehungen  der 
7.  Hals-  u  n  d  die  2—3  obersten  Brustwirbel  ganz  be¬ 
sonders  privilegiert  sind,  in  einer  eingehenden,  monographischen 
Studie  dargestellt,  da  es  sich  hier  um  einen  hinsichtlich  seines  Ent¬ 
stehungsmechanismus  und.  des  klinischen  Bildes  wohl  charakteri¬ 
sierten  und  scharf  umzeichneten  Bruchtyp  handelt.  Unmittelbai  da¬ 
nach  oder  fast  gleichzeitig  erschien  eine  kurze  kasuistische  Mitteilung 
von  v.  Frisch  aus  der  v,  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  sehen  Klinik  über  einen 
„Fall  von  Abrissfraktur  eines  Dornfortsatzes“  (Wien.  klin.  Wochen¬ 
schrift  1907,  No.  12,  S.  348—49),  aus  der  in  wenigen  Strichen  folgendes 
entnommen  sei: 

Ein  18  jähriger  hagerer  Mann  verspürt  in  dem  Augenblick,  da 
er  mit  einer  schwer  mit  Kohlen  beladenen  Schaufel  eine  vehemente 
Drehung  des  Körpers  machte,  um  die  Kohlen  nach  links  rückwärts 
zu  werfen,  einen  stechenden  Schmerz  zwischen  den  Schulterblättern; 
Armmanipulationen,  Bücken,  Kopfbewegungen,  Rückenlage  schmerz¬ 
haft.  Der  Dornfortsatz  des  1.  Brustwirbels,  zwar  in  Reih  und  Glied 
der  übrigen  und  nicht  eingedrückt,  ist  intensiv  tastempfindlich,  lässt 
sich  unter  Krepitation  verschieben,  schnellt  aber  spontan  wieder  in 
die  Ursprungslage  zurück.  Im  Röntgenbild  erschien  .das  Dornfragment 
um  ein  weniges  nach  abwärts  verschoben.  Der  Abbruch  ist  nach 
v.  Frisch  die  Folge  eines  allzugrossen  einseitigen  Muskelzuges 
des  Rhomboideus  major,  während  die  Fragmentverlagerung  nach 
unten  in  ansprechender  und  plausibler  Weise  durch  symmetrische  se¬ 
kundäre  Verziehung  durch  die  beidseitigen  Rautenmuskeln  erklärt 
wird.  Aus  der  Literatur  werden  die  auch  in  den  Lehr-  und  Hand¬ 
büchern  zitierten  Fälle  von  Terrier  und  Schulte  angeführt. 

Die  nun  weiter  erschienene  Arbeit  von  Sauer  bestätigt  meine 
damals  nur  aprioristische  Behauptung,  dass  dieser  Frakturtypus  er¬ 
heblich  häufiger  vorkomme,  als  Literatur  und  Lehrbücher  vermuten 
lassen,  dass  er  insbesondere  als  professioneller  Bruch  bestimmten, 
mit  grober  schwerer  Muskelarbeit  betrauten  Berufszweigen,  nament¬ 
lich  Lastträgern,  Frdschauflern  etc.  eigentümlich  ist.  Aus  England 
kam  mir  von  befreundeter  Seite  die  Mitteilung,  dass  wahrscheinlich 
die  nämlichen  Verletzungen  mit  gleichem  typi¬ 
schen  und  charakteristischen  Sitz  bei  Cricket- 
Spielern  nach  übermässigen  Schleuderbewegun¬ 
gen  mit  dem  Cricketschläger  sich  ereignen,  dass  diese 
Cricketspiel erbräche  aber  auch  in  England  noch  misskannt 
sind  und  unter  allgemeineren  und  unbestimmteren  Diagnosen  wie 
Distorsionen  etc.  laufen. 

Nach  Besprechung  der  T  e  r  r  i  e  r  sehen  (ersten)  Beobachtung, 
sowie  eines  weiteren  Falles  von  May  dl  und  nach  Ausscheidung 
des  vom  Schulte  mitgeteil  ten  Lendendornbruches,  der  als  A  b  - 
knickungsbruch  im  Anschluss  an  eine  brüskierte  Hyperexten¬ 
sion  der  Wirbelsäule  zu  deuten  ist,  sprach  ich  die  Vermutung  aus, 
dass  namentlich  unter  der  in  der  französischen  Literatur  als  „Mouton“ 
bezeichneten  Affektion  der  Kognition  entgangene  Dornbriiche  dieses 
Ursprunges  mit  untergelaufen  seien:  „Bourgougnon  (These  de 
Paris,  1875,  No.  340)  skizzierte  im  Jahre  1875  eine  von  ihm  auf  eine 
Zerreissung  der  tiefen  Zervikalmuskeln  zuriickgeleitete  eigenartige 
und  typische  Verletzung,  die  von  ihm  namentlich  bei  Erdschauflern, 
die  Schaufeln  voll  Schutt  auf  Wagen  hinaufzuwerfen  hatten,  be¬ 
obachtet  wurde:  Unter  krachendem  Geräusch  tritt  ein  jäher,  heftiger 
Schmerz  tief  im  Nacken  auf,  die  Schaufel  entfällt  dem  Verletzten,  der 
seinen  Kopf  ängstlich  steif  hält,  jede  Drehung  meidet,  Schultern  und 
Arme  nicht  mehr  heben  kann,  ängstlich  die  Ellbogen  dem  Rumpf  an- 
drückt;  die  Bewegungen  der  Hände  und  Vorderarme  bleiben  unge¬ 
stört.  Der  von  den  Erdarbeitern  und  Lastträgern  in  ihrem  Jargon 
für  diese  Verletzung  gebrauchte  vulgäre  Name  „le  mouton“  bezeichnet 
in  drastischer,  treffender  Kürze  die  charakteristische  Haltungsano¬ 
malie  des  Verletzten:  der  Kopf  wird  tief  und  ängstlich  zwischen  die 
Schultern  eingezogen,  wie  wenn  der  Verunglückte  einen  Hammel  auf 
dem  Nacken  forttrüge.“  Man  erkennt  die  Aehnlichkeit  und  Ueberein- 
stinnnung  dieser  „Mouton“-Affektion  bezüglich  Hergang,  klinischem 
Bild  und  last  not  least  auch  der  Berufsart  der  Verletzten  mit  dem  von 
mir  dargestellten  Bruchtypus. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1883 


iDie  Cricketspiel Verletzung  und  jene  Dornbriiche,  die  im  An¬ 
schluss  an  „ii'berdosierte“  •Schleuderbewegungen  bei  Kohlen-  und 
Erdschauflern  auftreten,  haben  gemeinsam  die  Mitwirkung  eines  ge¬ 
wichtigen  mechanischen  Momentes,  der  Zentrifugalkraft,  wie 
ja  bei  allen  durch  brüskiertes  Muskelspiel  zu  stände  kommenden 
Knochentrennungen  wechselnde  mechanische  Faktoren  wesentlich  und 
bestimmend  mitwirken.  Neben  der  Eigenart  der  Beschäftigung  und 
des  Berufes  schien  mir  noch  von  Bedeutung,  dass  es  bei  schwei  köi- 
oerlich  arbeitenden  Berufszweigen  und  beim  sportlichen  Training  unter 
Einfluss  des  Leistungsreizes  zu  einer  exzessiven  Ausbildung  der 
Muskelmasse  kommt,  mit  der  die  Eestigkeitszunahme  am  Knochen 
nicht  Schritt  hält,  so  dass  ein  Missverhältnis  zwischen  Muskelkraft 
und  Knochenfestigkeit,  d.  h.  eine  Präponderanz  der  ersteren  ie- 

Im  übrigen  deckt  sich  Sauers  Analyse  dei  Bi uchentstehung 
mit  der  in  meiner  Arbeit  vertretenen  Auffassung:  asymmet  r  i  s  c  h  e. 
einseitige  Traktion  der  mittleren,  mit  den  kürze¬ 
sten  Muskelbündeln  versehenen  Portion  des  Kap¬ 
penmuskels  unter  Einfluss  einer  u  n  z  w  e  c  k  m  a  s  s  i - 
gen,  üh -er dosierten  „Streckaktion  .  Die  Mithilfe  des 
Rautenmuskels  und  des  hinteren  oberen  Sägemuskels  beim  Akt  der 
Abreissung  ist  selbstverständlich,  doch  dürfte  in  Analogie  zu  den 
Muskelzugbrüchen  an  anderen  Körperstellen,  w  o  n  u  r  s  e  h  r  k  r  a  t  - 
t  i  g  e  Muskeln  oder  Muskelgruppen  (Ouac  izeps  bei  der 
Patellardistraktion,  Triceps  surae  beim Abreissungsbruc  des  Achilles¬ 
sehnenansatzes  etc.)  Urheber  der  Knochentrennung  sind,  er  Trapezius 
der  Hauptbeteiligte  und  Hauptschuldige  sein. 

Die  wenig  beängstigenden  und  imponierenden  Sa  iptome.  die 
jedoch  ein  typisches,  durchaus  eigenartiges  und  anderen  erletzungei« 
nicht  zukommendes  Bild  einfassen,  sind  mit  ein  Grüne  dass  diese 
Brüche  bisher  nicht  chirurgischen  Beobachtungsstellen  zugegangen 

sind. 

Zur  Eröffnung  des  internationalen  Höhenlaboratoriums 
auf  dem  Monte  Rose  (Coile  d  Olen  3000  m) : 
„Laboratorio  scientifico  Angelo  Mosso“. 

Von  R.  F.  Fuchs  in  Erlangen. 

Mit  der  Erschliessung  der  Hochgebirge  ist  nicht  nur  der  Beig- 
sport  mächtig  erblüht,  auch  die  Wissenschaft  in  ihren  verschiedenen 
Disziplinen  hat  dieHochgebirge  mit  grossem  Eifer  und  Erfolg  erforscht. 
Allerdings  sind  die  Naturwissenschaftler  im  engeren  Sinne  des  Wortes 
schon  lange  im  Hochgebirge  erfolgreich  tätig  gewesen  bevor  die 
Physiologen  und  Mediziner  ihre  systematischen  Forschungen  be¬ 
gonnen  haben.  Wohl  haben  Forschungsreisende  vielfach  über  die 
Einwirkung  des  Hochgebirges  auf  den  menschlichen  Organismus  be¬ 
richtet,  ja  die  ersten  Aufzeichnungen  über  die  Bergkrankheit  reichen 
sogar  bis  ins  16.  Jahrhundert  zurück,  zu  welcher  Zeit  Pater  Jose 
de  Acosta  in  seiner  berühmten  Historia  natural  y  Moral  de  las 
Indias  eine  Beschreibung  seiner  Reisen  in  den  Anden  gibt.  Auch 
Saussure,  der  berühmte  Montblanc-Ersteiger,  hat  1/88  Studien 
über  Atmung  und  Puls  im  Hochgebirge  angestellt.  Dann  folgen  eine 
Reihe  von  Beobachtungen,  welche  an  die  Namen  H  u  g  1,  J.  Wood, 
Falz  Buksh  u.  a.  geknüpft  sind.  Die  Physiologie  beginnt  ver¬ 
hältnismässig  spät  ihre  Studien  im  Hochgebirge  von  Neuem,  denn 
der  berühmte  Schweizer  Arzt  und  Professor  Konrad  Ge  s  n  e  1  hatte 
schon  1540  eine  wirkliche  Hochgebirgsphysiologie  veröffentlicht.  Als 
Vorläufer  der  modernen  physiologischen  Forschung  sind  in  der  zweiten 
Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  zu  nennen  L  o  r  t  e  t,  Chauvea  u,  M  a  r- 
c  et.  Die  systematische  Forschung  setzt  aber  erst  1890  mit  den 
Arbeiten  V  i  a  u  1 1  s  und  der  M  i  e  s  c  h  e  r  sehen  Schule  über  die  Blut- 
Veränderungen  im  Hochgebirge  ein.  Daran  schliessen  sich  die  Lntei- 
suchungen  Krön  eck  er  s  über  die  Bergkrankheit.  Aber  erst  in 
Angelo  Mosso,  dem  bekannten  Vertreter  der  Physiologie  an  der 
Turiner  Universität,  einem  Schüler  Carl  Ludwigs,  ei  steht  der 
Mann  der  die  physiologische  Forschung  im  Hochgebirge  in  jene  Bahnen 
leitet,’ die  dem  jetzigen  Stande  der  Physiologie  entsprechen.  Schon  im 
Jahre  1892  weilte  er  mit  Egli-Sinclair  im  Vallot  sehen  Mont¬ 
blanc-Laboratorium,  um  physiologische  Studien  zu  betreiben  und 
führte  1894  eine  aus  12  Personen  bestehende  Expedition  auf  die  aut 
der  Punta  Guifetti  (4560 m)  gelegene  Capanna  Regina  Mar- 
gherita,  um  deren  Erbauung  er  sich  grosse  Verdienste  erworben 
hat  Die  reichen  Ergebnisse  seiner  Forschungen  hat  M  o  s  s  o  in  seinem 
Werke  „Der  Mensch  auf  den  Hochalpen“  (Deutsche  Ausgabe  1899 
und  3  italienische  Auflagen)  veröffentlicht:  damit  war  überhaupt  dem 
grossen  Publikum  zum  erstenmale  eine  zusammenfassende  Darstel¬ 
lung  der  Physiologie  des  Hochgebirges  geboten,  die  sich  den  Schriften 
Tyndalls  über  die  Alpen  würdig  an  die  Seite  stellt. 

Aber  auch  die  deutsche  Physiologie  sandte  einen  ihrer  hervor¬ 
ragendsten  Vertreter  ins  Treffen.  N.  Z  u  n  t  z  unternahm  mit  seinem 
Schüler  Schumburg  1895  eine  Forschungsreise  von  Zermatt  aus 
ins  Monte-Rosa-Gebiet,  bei  der  die  Betempshiitte  (2800  m)  das  Stand¬ 
quartier  bildete.  Dann  folgen  von  Z  u  n  t  z’  Schülern  die  Bruder 
L  o  e  w  y  mit  Leo  Zuntz  und  bald  erblüht  ein  edler  Wettkampf  um 
die  Siegespalme  zwischen  der  Turiner  Schule  Mos  so  s  und  dei  Bei- 
liner  Schule  von  Zuntz.  Nach  dem  Neubau  der  Capanna  Regina 


Margherita  (1901)  wird  daselbst  ein  internationales  Labora¬ 
torium  eingerichtet,  in  welchem  während  der  Sommer  1902  und  1903 
wiederum  Mosso  mit  seinen  Schülern  an  der  Arbeit  ist  und  wo 
während  des  Sommers  1903  auch  Zuntz  und  sein  Schüler  Durig 
arbeiten.  In  den  folgenden  Jahren  ist  W  e  n  d  t  und  besonders  Durig 
wieder  auf  dem  Monte-Rosa-Gipfel  tätig,  welch  letzterer  am  längsten, 
durch  fast  2  Monate  am  Gipfel  ausgehalten  hat.  Die  Ergebnisse  der 
Durig  sehen  Expeditionen  sind  noch  nicht  vollständig  erschienen, 
jedenfalls  bilden  auch  sie  einen  wichtigen  Markstein  in  der  Ent¬ 
wicklung  der  Hochgebirgsforsclningen.  Im  Jahre  1906  erschien  das 
grosse  Werk  von  N.  Zuntz  und  seinen  Mitarbeitern  (A.  Loewy, 
Frz.  Müller,  W.  Caspar!)  „Höhenklima  und  Bergwanderungen 
in  ihrer  Wirkung  auf  den  Menschen“,  welches  nicht  nur  die  ergebnis¬ 
reichen  Arbeiten  der  Zuntz  sehen  Schule  enthält,  sondern  eine  gross 
angelegte  Darstellung  der  gesamten  physiologischen  For¬ 
schung  im  Hochgebirge  gibt,  die  nach  jeder  Richtung  hin 
einzig  dasteht.  M  o  s  s  o  s  Buch  und  besonders  das  grosse  Werk  von 
Zuntz  und  seinen  Schülern  werden  stets  als  Standard  works  auf 
diesem  Forschungsgebiet  gelten. 

Der  letzte  grosse  Schritt  für  die  glückliche  Weiterentwicklung  der 
Hochgebirgsforschung  ist  nunmehr  getan.  Dank  der  grossen  Energie 
und  Umsicht  AngeloMos.sos,  des  Vorsitzenden  des  internationalen 
Monte-Rosa-Komitees  ist  es  gelungen,  auf  C  o  1  d  O  1  e  n  in  ca.  3000  m 
Höhe  ein  neues,  grosses  Laboratorium  zu  erbauen,  das  dei 
gesamten  Hochgebirgsforschung  als  Zentralstätte  dienen  soll. 
Es  ist  nur  eine  gerechte  Würdigung  der  grossen  Verdienste  Mossos 
um  das  Zustandekommen  dieses  Werkes,  wenn  der  diesjährige  inter¬ 
nationale  Physiologenkongress  in  Heidelberg  beschlossen  hat,  dieses 
Institut  „L  ab  o  r  a  t  o  r  i  o  scientifico  Angelo  Mosso  zu 

taufen.  .  T  ,  mm 

Die  Baugeschichte  des  Laboratoriums  reicht  bis  in  das  Jam  1903 
zurück,  wo  zum  ersten  Male  das  Projekt  eines  grossen  internationalen 
Höhenlaboratoriums  auftaucht.  Mosso  gelang  es,  tib  sein  Projekt 
die  Unterstützung  Ihrer  Majestät  der  Königin  Mutter  Margherita 
zu  gewinnen,  der  hochherzigen  und  begeisterten  Förderin  des  Alpinis¬ 
mus,  welche  ihren  Namen  für  ewige  Zeiten  mit  einer  der  höchsten 
Spitzen  des  Monte-Rosa  verknüpft  hat.  Die  Königin  Mutter  und 
S.  M.  der  König  Victor  Emanuel  III.  zeichneten  ja  5000  Frc. 
zur  Erbauung  des  Laboratoriums,  die  italienischen  Mini¬ 
sterien  für  Unterricht  und  für  Ackerbau  stellten  zusammen^  die 
Summe  von  22  000  Frc.  zur  Verfügung.  Aber  auch  von  Privater  Seite 
flössen  reichliche  Spenden:  Dr.  P.  De  Vecchi  schenkte  5000  Fic., 
C  o  m  m.  G.  B.  P  i  r  e  1 1  i  1000  Frc..  Senator  E.  de  A  n  geh 
gleichfalls  1000  Frc.  und  die  bekannten  Mäzene  der  Wissenschaft, 
E  Solvay  und  L.  Mond  je  10  000  Frc.  Nicht  ohne  Beschämung 
sieht  man  als  Deutscher  diese  Unterstützung  der  Wissenschaft  von 
privater  Seite.  Deutschlands  Finanzgrössen  haben  keinen  Sinn  tur 
die  Wissenschaft,  sie  sind  an  dem  Ansehen  und  Emporblühen  dei 
deutschen  Wissenschaft  unschuldig. 

Für  die  Erbauung  des  Laboratoriums  haben  der  Zentralausschuss 
des  Club  A  1  p  i  n  o  1 1  a  1  i  a  n  o  und  der  Club  A  lpino  Milanese 
je  5000  Frc.  zur  Verfügung  gestellt,  ferner  haben  die  Regierungen  von 
Deutschland,  Oesterreich.  Frankreich  und  S  c  h  w  e  i  z 
je  10  000  Frc.  gespendet,  wofür  jedem  der  genannten  Staaten  zwei 
Arbeitsplätze  im  Laboratorium  eingeräumt  wurden  Die  Akademie 
der  Wissenschaften  in  Washington  mit  dem  Elizabeth  1  <?  Tip' 

s  o  n  Science  F  o  u  n  d  steuerte  5000  Frc.  zum  Bau  des  Institutes 
bei,  wofür  Amerika  einen  Arbeitsplatz  erhielt  S  o  1  v  a  v  trat  seine 
beiden  Plätze  der  Universität  Brussel  ab  und  Mo  id  de 
Royal  Society  in  London  für  2  Engländer.  Di .  _P.  d  e  V  e  c  c  h 
hat  den  von  ihm  gestifteten  Arbeitsplatz  der  m  e  d  l  z  in  i  s  ch  e  n  F^- 
•kultät  Turin  zugewiesen.  Je  ein  Arbeitsplatz  wird  von  dei 
Zentralleitung  und  der  Sektion  Mailand  d  e  s  1 1  a  1  i  e  i  - 
sehen  Alpen klubs  besetzt,  sodass  Italien  im  Ganzen  diei 

^’^^Das^italienisch^'Unterrichtsministerium  hat  angeordnet,  dass  das 
neue  Institut  dem  physiologischen  Institut  der  Gmversitat  »rni  ang  - 
eliedert  wird,  wofür  es  für  die  Stelle  eines  Assistenten  am  Monte 
Rosa-Laboratorium,  der  zugleich  die  Funktion  als  ^ 

ausiibt,  eine  Summe  von  2000  frc.  und  eine  Dotation  von  1500' frc. 
in  das  jährliche  Unterrichtsbudget  emstellt.  Zum  Direktoi  des 
stitutes  wurde  der  bisherige  Assistent  Prof.  Mossos,  Dr.  Aggaz- 

Z  °  *  Das" Institut  wird  von  einer  Kommission  verwaltet,  welche  aus 
den  Professoren  der  Physiologie,  Botanik  und  Hygmne  der  Univei  si  at 
Turin,  sowie  dem  Präsidenten  und  Schatzmeister  des  Club  Alpino 
ItaUa.no  besteht.  Als  Präsident  des  Kuratoriums  fungier  A  M  o  s  o. 
als  Sekretär  der  Turiner  Botaniker  Professor. O  Mattirolo.  Irn 
fessor  L  Pa  gl  i  an  i  und  Ingenieur  Richai  d  Bianctn  . 
stent  am  hygienischen  Institut  in  Turin,  haben  die  I  Fine  zi  ^ 
sehr  zweckmässig  eingerichteten  Institut  ausgeat roei  e  ,  1 

ÄÄ  “Ach?  rÄÄ  — 

S6lC  Am  22.  Juli  1904  wurde  der  100  000  qm  grosse  Bauplatz  etwa 
%  Stunde  östlich  oberhalb  des  bekannten  Albergo ■  Col  d 
einer  von  Lawinen  geschützten  Stelle  ausgewu  Bau¬ 

messungsarbeiten  im  Terrain  begonnen.  Die  eigentlichen 


1884 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


arbeiten  begannen  unter  grossen  Schwierigkeiten 
erst  am  1.  Juli  1905,  zumal  der  Sommer  1905  einer  der  ungünstigsten 
in  den  Alpen  war.  Von  den  Schwierigkeiten,  die  bei  diesem  Bau  zu 
überwinden  waren,  kann  nur  der  ein  rechtes  Bild  gewinnen,  der  das 
Fortschreiten  der  Arbeiten  selbst  mit  angesehen  hat.  Ausser  Bruch¬ 
steinen  und  Wasser  ist  nichts  am  Bauplatz  zu  finden;  alle  anderen 
Baumaterialien  müssen  mit  Maultieren,  oder  auf  den  Schultern  der 
Menschen  von  A  1  a  g  n  a,  der  Talstation  (1191m),  zum  Bauplatz 
(3000  m)  heraufgetragen  werden.  Hiebei  konnten  geradezu  wunder¬ 
bare  Kraftleistungen  des  menschlichen  Körpers  beobachtet 
werden.  So  hat  je  ein  Bergamaskischer  Träger  einen  80  kg  schweren 
Eisenträger  auf  den  Schultern  von  Alagna  bis  zum  Bauplatz  in  der 
Zeit  von  8  Stunden  getragen.  Bei  einem  durchschnittlichen  Körper¬ 
gewicht  von  75  kg  für  diese  kräftigen  Menschen  ergibt  sich  daraus 
eine  Stundenleistung  von  rund  34  875  kgm.  Das  ist  nur  die  geleistete 
mechanische  Arbeit,  die  wirkliche  Arbeitsleistung  des  Körpers  ist 
natürlich  viel  grösser,  weil  Faktoren  wie  verlorene  Steigung  etc.  nicht 
mit  inbegriffen  sind. 

Auch  im  laufenden  Jahre  waren  die  Witterungsverhältnisse  so  un¬ 
günstige,  dass  es  unmöglich  war  das  Institut  Anfang  August  zu  er¬ 
öffnen.  Die  feierliche  Inauguration  des  Institutes  musste  vielmehr 
bis  zum  27.  August  verschoben  werden.  Wer  aber  glauben  wollte, 
dass  an  diesem  Tage  das  Institut  wirklich  fertig  war,  würde  einem 
schweren  Irrtum  verfallen.  Mit  dem  Institut  geht  es  wie  mit  den 
Ausstellungen,  die  am  Tage  der  Eröffnung  niemals  fertig  sind, 
und  es  ist  deshalb  auch  gerechtfertigt  die  Inauguration  des  In¬ 
stitutes  mit  dem  Stapellauf  eines  unserer  modernen  Schiffe  zu 
vergleichen.  Denn  nach  dem  Feste  der  Inauguration  zogen  die  Hand¬ 
werker  von  neuem  ins  Haus  ein,  um  noch  zu  vollenden,  was  noch 
fehlt,  und  das  ist  nicht  wenig.  Von  neuem  schallen  die  Hammer¬ 
schläge  der  Qas-  und  Wasserinstallateure  sowie  der  Schreiner,  so  dass 
die  Laboratorien  noch  nicht  benützbar  sind.  Zudem  fehlen  noch  die 
nötigen  Hilfsmittel  zur  Laboratoriumsarbeit,  wie  Flaschen,  Reagenzien, 
weil  der  Transport  der  in  der  Talstation  aufgestapelten  Bedarfs¬ 
gegenstände  zur  Zeit  der  Fremdensaison  nur  sehr  langsam  von  statten 
geht.  Denn  die  Maultierbesitzer  vermieten  lieber  ihre  Tiere  den 
Fremden  um  höhere  Preise,  als  dem  Institut.  Ich  habe  oft  erregte 
Szenen  mit  angesehen,  wenn  anstatt  der  versprochenen  fünf  Muli 
keiner,  oder  nur  einer  für  das  Institut  disponibel  war,  während  die 
anderen  Tiere  mit  Proviant  für  das  Albergo  beladen  waren,  oder 
den  Touristen  als  Reittiere  dienten. 

Wer  aber,  so  vorsichtig  war  wie  ich,  ein  kleines  Privatlabora¬ 
torium  mit  sich  zu  führen  (106  kg  Gepäck,  wofür  natürlich  sehr  er¬ 
hebliche  Transportkosten  erwachsen),  der  kann  in  seinem  freund¬ 
lichen,  sehr  sauber  und  nett  eingerichteten  Schlafzimmer  immerhin 
arbeiten,  so  dass  die  feierliche  Eröffnung  des  Laboratoriums  kein 
leerer  Traum  ist.  Ich  habe  sogar,  allerdings  unter  ziemlich 
schwierigen  Verhältnissen  schon  am  14.  August  im  Institut  ar¬ 
beiten  können;  nur  hätte  ich  gewünscht,  dass  ich  mir  noch  mehr 
Apparate  und  Reagenzien  von  Erlangen  mitgebracht  hätte,  das  ist 
nun  zu  spät  und,  mancher  meiner  Versuchspläne  muss  deshalb  einer 
späteren  Ausführung  Vorbehalten  bleiben.  Um  nur  ein  Beispiel 
anzuführen,  ist  es  mir  lange  unmöglich  gewesen,  Salzsäure  zu 
Hämoglobinbestimmungen  zu  bekommen,  nachdem  der  von  Erlangen 
mitgebrachte  Vorrat  aufgebraucht  worden  war.  Nach  6  Tagen  konnte 
ich  endlich  aus  der  Apotheke  von  Varallo  (2  Tagreisen  vom  Institut) 
eine  kleine  Menge  Salzsäure  bekommen. 

Die  Feierlichkeit  der  Eröffnung  des  Laboratoriums  erhielt  ihren 
besonderen  Glanz  dadurch,  dass  I.  M.  die  Königin  Mutter  Mar¬ 
sh  e  r  i  t  a  mit  Gefolge  dem  Festakte  beiwohnte.  Leider  war  das 
Wetter  nicht  freundlich,  dichte  Wolkenschleier  zogen  aus  dem  Sesia- 
tale  herauf  und  verhüllten  die  Wunderpracht  des  Gebirgspanoramas, 
das  einen  einzigartigen  Hintergrund  für  das  Institut  abgibt.  Die 
Ungunst  der  Witterung  konnte  die  allgemeine  Festesstimmung  nicht 
beeinträchtigen,  die  ihren  Höhepunkt  erreichte,  als  die  Königin  vor 
dem  Institut  eintraf.  Professor  Pagliani  begrüsst  zunächst  die 
Königin  Mutter  und  dankt  ihr  in  beredten  Worten  für  ihr  Erscheinen; 
ferner  dankt  der  Redner  den  Behörden  für  die  munifiziente  Unter¬ 
stützung  und  gibt  den  Beschluss  des  Heidelberger  internationalen 
Physiologenkongresses  bekannt,  demzufolge  das  neue  Institut  den 
Namen  Angelo  Mossos  tragen  soll.  Im  Namen  der  ausländischen 
Gelehrten  überbringt  der  berühmte  Forschungsreisende  F  r  i  t  z  S  a  r  a- 
s  i  n  -  Basel  die  Glückwünsche  für  das  Gedeihen  des  Institutes.  So¬ 
dann  spricht  der  Präsident  des  Club  Alpino  Italiano.  Com  men  da¬ 
to  re  Grober  und  endlich  erläutert  Angelo  Mosso  in  klarer 
und  präziser  Weise  die  Aufgaben  des  Institutes.  Die  Königin 
dankt  den  Herren  vom  Kuratorium,  worauf  ihr  die  ausländischen  Gäste, 
sowie  der  Direktor  des  Institutes,  Dr.  Aggazzotti,  vorgestellt 
werden.  Sodann  unternimmt  die  Königin  mit  ihrem  Gefolge  einen 
Rundgang  durch  das  Institut,  dessen  Einrichtungen  sie  mit  grossem 
Interesse  und  vieler  Gründlichkeit  besichtigt. 

Folgen  auch  wir  dem  Rundgang  durch  das  Institut,  das  seine 
Hauptfront  nach  Südosten  richtet  und  über  dem  im  Hintergrund  der 
Stola  in  b  e  r  c  und  das  ganze  Monte-Rosa-Massiv,  von 
der  Ludwigshöhe.  St.  Vincentoyramide  bis  zur  Punta  Guifetti  mit  den 
gewaltigen  Eisfeldern  des  Sesia-  und  Borsgletschcrs  majestätisch 
thront.  Das  Institut  gliedert  sich  in  einen  Mittelbau,  der  zwei 
Stockwerke  besitzt  und  zwei  anstossende  einstöckige  Seitentrakte 


von  denen  nach  Südosten  zwei  ebenerdige  Seitenflügel  vor¬ 
springen,  zwischen  denen  eine  grosse  Terrasse  sich  befindet,  von  der 
man  einen  herrlichen  Rundblick  auf  die  Ausläufer  der  Monte-Rosa- 
Gruppe  und  die  südlichen  Randgebirge  bis  weit  hinaus  in  die  ober¬ 
italienische  Ebene  hat. 

Die  zwei  vorspringenden  Seitenflügel  enthalten  je  ein  grosses 
(7,6m  X  3,3  m)  Laboratorium,  eines  für  die  Physiologie,  das 
andere  für  die  Bakteriologie  bestimmt,  ferner  ein  Wage¬ 
zimmer,  Thermostatenzimmer,  sowie  zwei  kleine  für  Spe¬ 
zialuntersuchungen  bestimmte  Zimmer.  Der  Haupttrakt  enthält  die 
Laboratorien  für  Botanik  und  Zoologie,  die  Dunkelkam¬ 
mer,  Speisesaal,  Speisekammer,  Küche,  Garderobe,  Bureau  und  einen 
grossen  Raum  für  Apparate  und  Chemikalien,  ferner  eine  zweite 
Dunkelkammer,  die  vorläufig  als  Proviantdepot  dient.  Auf  einer 
bequemen  lichten  Stiege  gelangen  wir  in  den  ersten  Stock,  welcher 
die  Bibliothek  und  15  Wohnräume  für  wissenschaftliche  Arbeiter 
sowie  ein  Duschebad  enthält.  Zunächst  sind  von  den  Räumen  nur 
wenige  besetzt.  Der  Direktor  des  Institutes.  Dr.  Aggazotti, 
Privätdozent  Dr.  W.  Magnus  -  Berlin  (Botanik),  Prof.  F  e  d  e  r  i  c  i  - 
Rom  (Meteorologe),  sowie  2  Brüsseler  Studenten,  Desguin  und 
Spehl,  und  der  Schreiber  des  Berichtes  bewohnen  je  ein  Zimmer. 
Der  zweite  Stock  enthält  das  meteorologische  und  geo¬ 
physikalische  Laboratorium  sowie  3  Wohnräume.  Das 
ganze  Institut,  ibgesehen  von  den  Wohnzimmern,  wird  mit  Benzin¬ 
gas  erleuchte'  ein  G  1  ü  h  1  i  c  h  t,  welches  dem  Auer  sehen  ganz 
ähnlich  ist,  ar  .1  für  Laboratoriums-  und  Küchenzwecke  wird  Benzin¬ 
gas  verwend  .  ebenso  werden  einige  kleine  Heizkörper  mit  diesem 
Gas  geheizt.  Für  die  grossen  Laboratorien  sind  ausserdem  noch 
eiserne  Oefe  mit  Kohlenfeuerung  vorgesehen,  weil  die  kleinen  Gas¬ 
öfen  bei  eil  germassen  kühler  Aussentemperatur  nicht  ausreichen. 
Auqh  Wassei  eitung  ist  im  Institut  vorhanden,  indem  eine  Pumpe  das 
Wasser  aus  em  unmittelbar  hinter  dem  Institut  gelegenen  Schmelz¬ 
wassersee  i  ein  grosses,  auf  dem  Dachboden  befindliches  Reservoir 
nunrnt.  Die  ganze  Einrichtung  des  Institutes  ist  in  allen  technischen 
Punkten  wohl  durchdacht  und  macht  dem  Konstrukteur  alle 
Ehre. 

Jedem  wissenschaftlichen  Arbeiter  wird  ein  Zimmer  als  Wohn- 
raum  und  ein  Arbeitsplatz  im  Laboratorium  zugewiesen,  ferner  stehen 
ihm  die  Apparate  des  Institutes  zur  freien  Benützung  zur  Verfügung, 
dagegen  hat  jeder  Arbeiter  für  mikroskopische  Untersuchungen  ein 
Mikroskop  mitzubringen.  Die  Bedarfsgegenstände,  wie  Reagentien, 
Glassachen,  werden  vom  Institut  an  die  einzelnen  Arbeiter  zum  Ein¬ 
kaufspreis  abgegeben;  ausserdem  hat  jeder  täglich  2  Fr.  für  Be¬ 
dienung  und  Beleuchtung  zu  zahlen.  Soll  ein  Wohnzimmer  geheizt 
werden,  dann  wird  der  hiefür  entfallende  Betrag  extra  berechnet. 
Alle  Bewerbungen  wegen  eines  Arbeitsplatzes  sind  vor  dem 
25.  Juli  des  laufenden  Jahres  an  den  Präsidenten  der  Kom¬ 
mission,  Prof.  Angelo  Mosso  (Corso  Raffaello  30.  Turin)  zu  rich¬ 
ten.  unter  Angabe  des  Versuchsplanes,  sowie  der  Dauer  der  Ver¬ 
suche  und  der  dazu  erforderlichen  Instrumente.  Jeder  Bewerbung 
muss  eine  Befürwortung  desjenigen  Institutes  oder 
derjenigen  Regierung  beigefügt  sein,  deren  Platz  der  Bewer¬ 
ber  einnehmen  will. 

Die  Ausstattung  des  Institutes  mit  Apparaten  ist  eine  recht  gut**, 
zumal  eine  grosse  Anzahl  insbesondere  deutscher  Firmen  dem 
Institute  ansehnliche  Schankungen  zukommen  lies>s  (Zei<=^.  Jena; 
Hcraeus.  Hanau;  Schmidt  &  Haensch.  Berlin;  Sendtner.  München; 
Elster.  Berlin:  Petzold.  Leipzig;  Hensoldt  &  Söhne.  Wetzlar;  Bu”ge, 
Hamburg;  Verdin.  Paris:  Societe  de  bains  mer.  Monaco:  Chem.  scient. 
Compagnie:  Officina  St.  Giorgio.  Turin:  Corino,  Turin). 

Nach  dieser  Schilderung  der  Einrichtungen  des  Institutes  sei  der 
,  wissenschaftlichen  Aufgaben  in  Kürze  gedacht,  die  hier 
gelöst  werden  sollen.  Wer  die  einschlägige  Literatur  verfolgt  hat, 
wird  im  grossen  und  ganzen  wohl  darüber  unterrichtet  sein,  in  wel¬ 
chen  Bahnen  sich  die  Forschungsarbeit  zu  bewegen  hat.  Ein  Blick 
in  die  Bücher  von  Z  u  n  t  z  und  Mosso,  sowie  in  die  beiden  bereits 
erschienenen  Bände  des  Archivs  „Laboratoire  scientifique 
international  du  Mont  Ros  a“,  welch  letztere  kurze  Inhalts¬ 
angaben  der  in  den  Jahren  1903 — 1907  auf  der  Capanna  Regina  Mar- 
gherita  ausgeführten  Arbeiten  enthält,  zeigt  uns  die  Errungenschaften 
der  bisherigen  rastlosen  Arbeit.  Durch  das  neue  Institut  wird  aber 
das  Bereich  der  Untersuchungen  noch  wesentlich  erweitert,  denn 
die  Capanna  Margherita  ist  als  zweites  Laboratorium  für  Versuche 
in  besonders  grossen  Höhen  (4560  m)  dem  Col-d’Olen-Laroratorium 
angegliedert. 

Beginnen  wir  mit  der  Besprechung  der  für  den  Mediziner 
besonders  wichtigen  Aufgaben,  dem  Studium  der  Einwirkung  des 
Hochgebirges  auf  den  menschlichen  Organismus.  Der  günstige 
Einfluss  der  Gebirgswanderu  n  gen  ist  schon  lange  be¬ 
kannt.  Schon  Konrad  Qesner  hat  in  seinem  Werke:  Descriptio 
montis  fracti,  sive  montis  Pilati,  ut  vulgo  nominant,  juxta  Lucernam  in 
Helvetia“  1540  eine  ausführliche,  durchaus  wissenschaftlich  begrün¬ 
dete  Physiologie  des  Alpinismus  gegeben.  Die  Heilbäder  am 
Nord-  und.  Siidrand  der  Alpen  und  in  der  Schweiz  haben  das  ganze 
Mittelalter  hindurch,  bis  in  die  neueste  Zeit  geblüht,  wenn  auch  manch 
besondere  Freuden  des  mittelalterlichen  und  modernen  Badelebens 
ihren  reichen  Besuch  rechtfertigen.  Ganz  in  Vergessenheit  sind  die 
Heilwirkungen  des  Gebirges  niemals  geraten;  so  hat  der  Schwei- 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1885 


zer  Arzt  Meyer  bereits  im  Jahre  1749  Milchkuren  im  Ge¬ 
birge  bei  Lungenkrankheiten  verordnet.  Allgemein  be¬ 
kannt  wurden  die  Höhenkuren  bei  Lungenkranken  erst  durch  den 
peruanischen  Arzt  Archibald  Smith,  dem  in  Deutschland 
Brehmer  in  Görbersdorf  und  in  der  Schweiz  Spengler-  Davos 
folgten.  Seit  diesen  Gründungen  sind  die  Höhensanatorien  wie  Pilze 
aus  der  Erde  gewachsen,  ihre  Anzahl  ist  Legion.  Aber  nicht  nur 
für  Lungenkranke,  sondern  auch  für  andere  Erkrankungen 
(Konstitutionskrankheiten  des  Blutes  und  der  blutbildenden  Organe, 
Stoffwechselkrankheiten,  Krankheiten  des  Nervensystems)  ist  der 
Gebirgsaufenthalt  mit  Erfolg  verordnet  worden. 

Welches  sind  nun  die  besonderen  Heilwirkungen 
des  Gebirges?  Darüber  herrschen  zurzeit  noch  die  unsichersten 
Ansichten;  auch  ist  die  Frage,  welche  Kranke  sind  ins  Gebirge 
zu  schicken  und  in  welche  Höhenlagen,  welche  Kranke  dürfen 
nicht  ins  Gebirge  gesandt  werden,  keineswegs  einfach  zu  beantwor¬ 
ten;  denn  das  Gebirge  bietet  dem  menschlichen  Körper  nicht  nur 
Vorteile,  sondern  auch  ernste  Gefahren  und  schwere 
Schädigungen  der  Gesundheit.  Auch  das  Ueberhand- 
nehmen  des  alpinen  Sportes  fordert  die  Aufmerksamkeit  der  Aerzte 
heraus;  aber  der  Arzt  wird  nur  dann  richtig  urteilen  können,  wenn 
ihm  die  Wirkungen  des  Hochgebirges  auf  den  menschlichen  Organis¬ 
mus  genügend  bekannt  sind.  Wer  darf  Hochtouren  machen,  wie  soll 
die  Bekleidung  und  Ernährung  im  Hochgebirge  und  auf  Touren  sein? 
Darüber  ist  viel  gestritten  und  geschrieben  worden.  Solange  aber 
alle  diese  Fragen  ohne  genügende  Spezialforschungen 
entschieden  werden  aus  einer  mehr  oder  weniger  rohen  Empirie, 
werden  schwere  Irrtiimer  nicht  vermieden  werden  können,  Irr- 
tiimer,  die  um  so  verhängnisvoller  sind,  weil  sie  im  Gebirge  mit  seinen 
mannigfachen  Gefahren  leider  nur  allzu  oft  mit  dem  T  o  d  e  gebtisst 
werden  müssen.  So  wie  die  moderne  klinische  Medizin  ohne 
Physiologie  nicht  auskommen  kann,  so  muss  auch  in  den  in 
Rede  stehenden  Spezialfragen,  die  von  so  grosser  Tragweite  sind, 
erst  eine  zuverlässige  physiologische  Basis  ge¬ 
schaffen  werden,  auf  welcher  der  Kliniker  weiterbauen  kann,  in¬ 
dem  er  die  Heilwirkungen  des  Gebirges  vorsichtig  indivi¬ 
dualisierend  ausniitzt.  Denn  die  Medizin  ist  nicht  nur  eine 
Wissenschaft,  sie  ist  auch  eine  Kunst,  und  nur  derjenige  Arzt  der 
Wissenschaftler  und  Künstler  zugleich  ist,  kann  segenbringend  wirken. 

Eine  der  wichtigsten  Aufgaben  des  neuen  Laboratoriums  ist  es, 
eine  Physiologie  des  Hochgebirges  zu  schaffen,  die  dem 
Stande  und  den  Anforderungen  der  modernen  Naturwissenschaft  ent¬ 
spricht.  Das  ist  natürlich  nur  durch  sorgfältig  ausgedachte  und  pein¬ 
lich  ausgeführte  Laboratoriumsversuche  möglich.  Freilich  darf  man 
nicht  darauf  vergessen,  dass  hier  der  Mensch  in  erster  Linie 
das  Versuchsobjekt  sein  muss.  Denn  eine  Uebertragung  der 
Erfahrungen  aus  den  Tierexperimenten,  so  nützlich  und  unerlässlich 
sie  auch  sind,  ohne  eigene  Versuche  am  Menschen,  würde  uns  in 
schwere  Irrtiimer  stürzen.  Man  muss  sich  nach  den  Ergebnissen  der 
vergleichenden  Physiologie  endlich  daran  gewöhnen,  auch  in  Fragen 
der  vegetativen  Physiologie  die  menschliche  Physiologie  nicht 
nur  aus  einer  Physiologie  des  Frosches,  Kaninchens  und  Hundes  auf¬ 
zubauen. 

Vielfach  scheint  die  Meinung  vertreten  zu  sein,  dass  eine  be¬ 
sondere  Physiologie  des  Hochgebirges  ein  Unding  sei,  denn  der 
Mensch  müsse  sich  einfach  gesetzmässig  nach  den  gegebenen  äusseren 
mechanischen  Lebensbedingungen  verhalten.  Diese  Anschauung  der 
Lebenstheoretiker  ist  ebenso  widersinnig  als  unüberlegt.  Wenn  auch 
der  Ablauf  des  organischen  Lebens  in  letzter  Instanz  chemischen  und 
physikalischen  Gesetzen  gehorchen  muss,  so  kommt  doch  noch  das 
Leben  hinzu,  eine  Summe  von  Regulationen,  die  ändernd 
und  modifizierend  in  dien  Ablauf  des  Lebensgetriebes  eingreifen.  Wie 
weit  sind  nun  diese  Regulationen  im  besonderen  für  die  speziellen 
äusseren  Lebensbedingungen  des  Hochgebirges  hinreichend  und 
welche  Regulationen  müssen  wirken,  um  den  Körper  diesen  be¬ 
sonderen  Lebensbedingungen  anzupassen?  Hier  rollt  sich  uns  mit 
einem  Schlage  ein  grosses  Forschungsgebiet,  das  der  funktio- 
nellenAnpassung,  auf.  Wir  müssen  einen  Blick  in  jene  geheim¬ 
nisvollen  Vorgänge  des  Lebensprozesses  tun,  die  wir  zusammen  als 
Akklimatisation  bezeichnen.  Alle  diese  Rätsel  sind  noch  zu 
lösen. 

Gerade  diese  Fragen  haben  eine  eminent  praktische  Be¬ 
deutung  für  den  Kliniker.  Die  zahlreichen  Arbeiten,  welche 
bisher  über  die  Einwirkung  des  Hochgebirges  auf  den  Menschen 
vorliegen,  haben  diese  Fragen  noch  keineswegs  entschieden,  sie  sind 
nur  Wegweiser  für  die  weitere  Forschung,  ohne  dass  man  sagen 
könnte,  was  von  all  den  bisherigen  Ergebnissen  einer  neuen  exakten 
Prüfung  standhalten  wird.  Vor  allem  ist  die  Zahl  der  Versuche 
undVer  suchsobjekte  noch  viel  zu  gering,  um  mit  vollstän¬ 
diger  Sicherheit  die  individuellen  Besonderheiten  auszuschalten 
und  das  allgemeingültige  Gesetz  ableiten  zu  können.  Dieser 
Mangel  der  bisherigen  Forschung  ist  durch  die  besonderen 
äusseren  Verhältnisse,  unter  denen  diese  Forschungen  be¬ 
trieben  werden  mussten,  tief  begründet.  Solange  wie  bisher 
nur  wenige  berggewandte  Forscher  unter  grossen  Mühen  und  Kosten 
eine  Lösung  dieser  Fragen  versuchten  und  versuchen  konnten, 
musste  der  Individualitätsfaktor  eine  grosse  Rolle  spielen. 
Das  neue  Institut  mit  seinen  Bequemlichkeiten  bietet  nunmehr  auch 


dem  wenig  berggewandten  Forscher  gute  Gelegenheit,  sich  an  der 
Lösung  dieser  schwierigen  Probleme  zu  beteiligen. 

Um  nur  einige  der  vielen  physiologischen  Probleme  anzuführen, 
welche  noch  im  besondereren  durchgearbeitet  werden  müssen,  sei 
vor  allem  der  Einfluss  des  Hochgebirges  auf  das  Herz 
genannt.  Die  Frage  der  akuten  Herzermüdung  ist  eine 
ausserordentlich  wichtige,  zumal  sie  für  die  Ausübung  des  Bergsportes 
von  ausschlaggebender  Bedeutung  ist.  Wie  ist  die  Herzhypertrophie 
des  Bergsteigers  zu  beurteilen,  wann  leidet  das  Herz  Schaden?  Nicht 
minder  wichtig  und  für  den  Kliniker  bedeutungsvoll  sind  die  Ver¬ 
änderungen  des  Blutdrucks,  die  Vermehrung  der  roten 
Blutkörperchen  im  Gebirge.  Auch  die  Physiologie  der 
A  t  m  u  n  g  bietet  eine  Fülle  neuer  Probleme.  In  engster  Beziehung 
zu  den  Veränderungen  des  respiratorischen  Gaswechsels  steht  die 
Bergkrankheit,  über  deren  Ursachen  die  Turiner  und  Berliner 
Schule  geradezu  entgegengesetzte  Meinungen  vertreten.  Während 
Mo  sso  und  seine  Schüler  in  der  Verarmung  des  Blutes  an  Kohlen¬ 
dioxyd  die  Ursache  der  Bergkrankheit  erblicken,  führen  Zunts  und 
seine  Schule  die  Bergkrankheit  auf  eine  Verarmung  des  Blutes,  be¬ 
ziehungsweise  des  Organismus,  an  Sauerstoff  zurück. 

Auch  die  Veränderungen  des  Stoffwechsels  im 
Hochgebirge  müssen  noch  genauer  erforscht  werden,  zumal 
nach  den  Arbeiten  der  Z  u  n  t  z  sehen  Schule  der  Eiweis  sstoff- 
Wechsel  im  Hochgebirge  wesentlich  gesteigert  er¬ 
scheint,  ja  sogar  besonders  günstige  Bedingungen  für  einen  Ei¬ 
weissansatz  vorhanden  zu  sein  scheinen.  Eine  der  wichtigsten 
Fragen,  nämlich  die  des  Alkoholgenusses  im  Hochgebirge, 
ist  besonders  durch  die  Arbeiten  von  Durig  in  den  Vordergrund 
des  Interesses  gerückt  worden,  zumal  Durig  in  seinen  Versuchen 
fand,  dass  bereits  eine  Menge  von  30  ccm  Alkohol,  der  Alkoholmenge 
eines  Liter  Bier  etwa  entsprechend,  eine  wesentliche  Herab¬ 
setzung  der  Leistungen  unseres  Muskelsystems 
bewirkt. 

Nicht  minder  wichtig  und  interessant  sind  die  Untersuchungen 
über  den  Mechanismus  der  Wärmeregulierung  des 
Körpers  im  Hochgebirge,  ein  Gebiet,  das  noch  sehr  wenig  bearbeitet 
ist;  und  doch  sind  die  äusseren  Entwärmungsfaktoren,  wie  Wasser¬ 
verdunstung,  Temperaturschwankungen,  so  ausserordentlich  ver¬ 
schieden  von  denen  des  Flachlandes,  so  dass  eine  genaue  Unter¬ 
suchung  der  Wärmeproduktion  und  Wärmeregulierung  im  Hoch¬ 
gebirge  interessante  Aufschlüsse  zu  geben  verspricht. 

Zwei  Faktoren  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit,  in  ihrer  Wir¬ 
kung  auf  den  Menschen  aber  so  gut  wie  noch  gänzlich  unerforscht, 
sind  die  Einwirkungen  der  ultravioletten  Strahlen  und  der 
enormen  Luftelektrizität,  welche  einen  starken  Gehalt  an 
positiven  Ionen,  die  sog.  „unipolare  Leitfähigkeit“  auf¬ 
weist.  Auch  eine  gesteigerte  Radioaktivität  der  Luft  ist  be¬ 
obachtet  worden.  Wie  diese  Modifikationen  der  strahlenden  Energie 
auf  den  menschlichen  Körper  wirken,  bietet  ein  reiches  Feld  für 
physiologische  und  therapeutische  Forschungen. 

Aber  auch  die  Hygiene  findet  grosse  Aufgaben  im  neuen 
Laboratorium,  denn  die  Fragen  der  zweckmässigen  Beklei¬ 
dung  des  Gebirgswanderers,  der  Gestaltung  von  Gebäu¬ 
den,  Heizung  usw.  sind  noch  vielfach  durchzuarbeiten.  Die 
Bakteriologie  des  Hochgebirges  ist,  um  ein  Wort  M  o  s  s  o  s 
zu  gebrauchen,  noch  nicht  geboren,  sie  soll  im  neuen  Institut  ihr 
erstes  Heim  finden. 

Damit  habe  ich  die  wichtigsten  den  Mediziner  interessieren¬ 
den  Aufgaben  des  neuen  Institutes  flüchtig  skizziert.  Ich  möchte  zum 
Schluss  doch  auch  mit  wenigen  Worten  auf  die  grossen  allge¬ 
mein  naturwissenschaftlichen  Aufgaben  hinweisen, 
welche  der  Botanik  und  Zoologie  hier  erblühen.  Jedem  Alpen¬ 
wanderer  sind  die  eigenartigen  Formveränderungen  der  Pflanzen  und 
Tiere  aufgefallen,  welche  uns  aus  der  Ebene  bekannte  Formen  im 
Hochgebirge  erfahren.  Aehnliche  Formveränderungen  finden  sich  auch 
in  den  Polarregionen.  Hier  wie  dort  lässt  ein  kurzer,  ikühler  Sommer 
ein  dürftiges  Leben  erstehen  und  in  dieser  kurzen  Frist  muss  die 
Blüte,  Befruchtung  und  Reifung  der  Frucht  erfolgen,  alles  in  der 
kurzen  Zeit  von  2 — 3  Monaten,  denn  während  des  übrigen  Teiles 
des  Jahres  schläft  das  Leben  unter  der  zentnerschweren  Last  des 
Schnees.  Es  ist  klar,  dass  in  diesen  Regionen  nur  solche  Lebe¬ 
wesen  sich  erhalten  können,  welche  diesen  besonderen  Existenz¬ 
bedingungen  möglichst  vollkommen  an  gepasst  sind.  Aber 
wie  ist  diese  Anpassung  zustande  gekommen?  Ist  sie  durch  Aus¬ 
lese  im  Kampfe  ums  Dasein,  also  im  Sinne  der  Darwin¬ 
schen  Selektionstheorie  entstanden  oder  ist  diese  An¬ 
passung  ein  direktes  Reizgeschehen,  eine  funktionelle 
Anpassung  im  Sinne  Laniarcks?  Diese  grossen  Fragen  auf 
Grund  experimenteller  Forschungen  zu  entscheiden,  ist  eine 
der  vornehmsten  Aufgaben  der  Pflanzenphysiologie  und 
Zoologie,  und  für  solche  Studien  wird  das  neue  Institut  in  erster 
Linie  auszugestalten  sein.  Das  ist  nur  eines  der  grossen  Probleme, 
aber  auch  viele  Fragen  der  Befruchtungs-  und  Fntwi  c  k  - 
lungslehre  werden  hier  von  Zoologen  und  Botanikern  in  An¬ 
griff  genommen  werden  können. 

Aber  zu  all  diesen  Studien  müssen  noch  die  meteoro¬ 
logischen  und  geophysikalischen  Beobachtungen  hinzu¬ 
kommen,  für  welche  das  Hochgebirge  ein  reiches  Arbeitsfeld  bietet. 


1886 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Die  elektrischen  Erscheinungen  der  Atmosphäre, 
die  Leitfähigkeit  und  Radioaktivität,  Luft  in  ihrem  Zu¬ 
sammenhang  mit  den  übrigen  Klimafaktoren  stellen  den  Geophysi- 
k  e  r  n  eine  Fülle  allgemein  interessanter  Probleme. 

So  sehen  wir,  dass  das  neue  Laboratorium  vor  einer  unge¬ 
heueren  Fülle  v  on  wissenschaftlichen  Aufgaben 
steht,  welche  fast  das  ganze  gewaltige  Reich  der 
Naturwissenschaften  umspanne  n,  Aufgaben,  die  der 
Arbeit  der  Besten  würdig  sind.  Möge  dem  neuen  Laboratorium  ein 
günstiges  Geschick  beschieden  sein,  möge  es  vor  allem  die  Hoffnungen 
erfüllen,  welche  die  Gründer  des  Institutes  und  die  gesamte  wissen¬ 
schaftliche  Welt  an  dieses  Werk  geknüpft  haben.  Die  Aufgaben  sind 
keine  leichten.  Vor  allem  ist  natürlich  die  Durchführung  einer  plan- 
mässigen  Organisation  nötig,  die  das  gedeihliche  Zusammenwirken  so 
vieler  diametraler  Interessen  ermöglicht.  Möge  die  Direktion  in  der 
Erfüllung  ihrer  schwierigen  Aufgabe  eine  glückliche  Hand  haben, 
denn  von  ihr  wird  zum  grossen  Teil  die  glückliche  Weiterentwicklung 
des  Institutes  abhängen. 

Das  „Laboratorio  seien  tifico  Angelo  Moss  o“ 
blühe,  wachse  und  gedeihe! 

Endlich  möchte  ich  dem  Herausgeberkollegium  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  für  die  überaus  munifizente  Unterstützung  meiner  Stu¬ 
dien  im  neuen  Institute  meinen  ergebensten  Dank  aussprechen. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Aus  der  Gr.  Universitäts-Ohrenklinik  Ereiburg  i.  B.  (Direktor: 

Prof.  Dr.  E.  Bloch). 

Die  Kurpfuscherei  in  der  Ohrenheilkunde. 

Von  Dr.  Julius  Heching  er,  I.  Assistenten  der  Klinik. 

Dass  in  einem  Fache,  das  so  lange  als  Stiefkind  Aeskulaps  be¬ 
handelt  wurde  wie  die  Ohrenheilkunde,  die  Kurpfuscherei  von  jeher 
den  fruchtbarsten  Boden  fand,  und  geradezu  dominierte,  ist  nicht  zu 
verwundern.  Eine  chronische  Ohreiterung  betrachtete  man  als  will¬ 
kommene  Reinigung  des-  Gehirns  oder  des  Blutes,  traten  Schmerzen 
ein,  so  wusste  schon  der  Bader,  die  Hebamme  oder  bestenfalls  der 
Apotheker  ein  Mittelchen  aufzulegen  oder  einzuträufeln.  Während 
diese  naive  Art  der  Kurpfuscherei  Gesundheit,  ja  sogar  das  Leben 
der  armen  Patienten  gefährdeten,  hat  es  die  moderne  Kurpfuscherei 
mehr  auf  den  Geldbeutel  der  leidenden  Menschheit  abgesehen.  Lei¬ 
der  hat  sie  zur  Betreibung  ihres  gewissenlosen  Geschäftes  eine  mäch¬ 
tige  Verbündete,  die  Presse.  Man  kann  heutzutage  kaum  mehr  eine 
Zeitung  in  die  Hand  nehmen,  ohne  die  Anpreisung  einer  neuen  Er¬ 
findung  zu  lesen,  die  imstande  ist,  jedes  Ohrenleiden  rasch  und  sicher 
zu  heilen:  Gehörpatronen,  Hörtroinmeln,  Schalltrompeten  —  wer 
könnte  all  die  „gesetzlich  geschützten“  Namen  aufzählen.  Mit  wel¬ 
cher  Schlauheit  zuweilen  diese  Reklame  betrieben  wird,  das  mögen 
folgende  Zeilen  beweisen. 

T. 

In  No.  47  der  „Woche“  vorigen  Jahrgangs  erschien  ein  Artikel 
„Neues  vom  Telephon“  von  Hans  Dominik,  der  unter  anderem 
scheinbar  so  ganz  nebenbei  die  Beschreibung  und  Abbildung  eines 
„Tischapparates  für  Schwerhörige“  enthielt.  Dieser  Apparat  dürfte 
nach  Ansicht  des  Verfassers  „geeignet  sein,  das  wenig  wirksame  Hör¬ 
rohr  vollkommen  zu  verdrängen.  Auch  bei  gedämpfter  Sprache 
brüllt  das  kleine  Telephon  dermassen,  dass  gesunde  Ohren  den  Ver¬ 
such  überhaupt  nicht  aushalten  und  selbst  Halbtaube  deutlich  hören“. 

Da  wir  schon  früher  mit  ähnlichen  Apparaten  Versuche  an¬ 
gestellt  und  uns  von  der  Wertlosigkeit  derselben  überzeugt  hatten,  bat 
ich  die  Redaktion  der  „Woche“,  von  der  Ueberzeugung  ausgehend, 
dass  sie  es  für  ihre  Pflicht  erachte,  ihre  Leser  vor  Schaden  zu  be¬ 
wahren.  das  von  Dominik  über  das  Telephon  für  Schwerhörige 
Mitgeteilte  berichtigen  zu  wollen. 

Die  Berichtigung  erschien  nicht.  Es  kam  auch  keine  Antwort 
von  der  Redaktion  der  „Woche“,  wohl  aber  ein  Schreiben  aus 
Berlin  W„  das  im  Auszuge  folgt: 

r*-- ***£**<»  -*  •*-.  — :■  — w *  » 

Deutsche  Akustik-Gesellschaft  m.  b.  H„  B  erlin  W.  50. 

Export.  —  Telegramme:  Akustik,  Berlin  50. 

Fernsprecher:  Amt  Wilm.  2915. 

A.  B.  C.  Code.  —  Correspondenz:  Deutsch,  franz.,  englisch. 

Ihr  wertes  Schreiben  vom  2.  d  s.,  an  die  Redak¬ 
tion  de  r  „W  o  c  h  e“  gerichtet,  wurde  uns  zur  E  r  1  e  d  i  - 
g  u  n  g  ii  b  ergebe  n.  Aus  ihrem  wr.  Schreiben  entnehmen  wir,  dass 
Sie  Versuche  mit  MikroteleDhoncn,  welche  Sie  von  einer  Berliner 
Firma  bezogen  haben,  mit  Schwerhörigen  gemacht  haben  und  dass 

diese  Versuche  negative  Resultate  gezeitigt  hätten  etc.  - - 

Wenn  sie  nun  mit  Apparaten  dieser  Provenienz  Versuche  anstellten, 
dann  sind  auch  wir  überzeugt,  dass  ihre  Versuche  nicht  zufrieden¬ 
stellende  waren,  immerhin  dürften  Sie  doch  die  ganze  Theorie  dieser- 
lialb  nicht  in  Bausch  und  Bogen  verdammen. 

Hunderte  von  Schwerhörigen  sind  glücklich, 
unsere  Akustikapparate  zu  besitzen,  eine  Reihe  nam¬ 
hafter  Spezialärzte  haben  sich  und  interessieren  sich  noch  in  hohem 
Grade  für  unsere  Apparate  etc. 


- Angesichts  dieser  Umstände  empfehlen  wir  Ihnen 

die  Anschaffung  der  Akustikapparate  und  bemerken  wir,  dass  diese 
Apparate  in  der  Type  „C“,  welche  gegen  Ende  dieser  Woche  die 
Werkstätten  verlässt,  eine  neue  Verbesserung  erfahren  haben 
etc. - 

Die  Tatsache,  dass  mein  Brief  von  der  Redaktion  der  „Woche“, 
sei  es  nun  direkt  oder  via  D  o  m  i  n  i  k  in  die  Hände  der  Deutschen 
Akustikgesellschaft  gelangte,  scheint  zu  beweisen,  dass  es  sich  um 
ein  Reiklamemanöver  handelte.  Wir  Hessen  den  Apparat  kommen. 
In  auffallendem  Gegensatz  zu  dem  vorstehenden  vielversprechenden 
Firmenkopf,  der  auf  einen  grossartigen  Geschäftsbetrieb  hinzuweisen 
scheint,  bestand  die  primitive  Verpackung  desselben,  in  einem  alten 
Zigarrenkistchen.  Wir  stellten  zahlreiche  Versuche  an  Normal¬ 
hörenden,  Schwerhörigen  und  fast  Tauben  an  und  kamen  zu  dem¬ 
selben  Ergebnis,  wie  bei  den  früheren  Versuchen  an  unserer  Klinik 
mit  ähnlichen  Apparaten :  Von  allen  Kranken  wurde  durch 
das  Telephon  schlechter  gehört  als  durch  das  von 
Dominik  geschmähte  Hörrohr.  Einzelne  Kranke 
hörten- durch  das  Telephon  überhaupt  nichts,  wohl 
aber  durch  das  H  ö  r  r  o  h  r. 

Wen  man  bedenkt,  wie  viele  Hunderte  von  Schwerhörigen  den 
Artikel  in  der  „Woche“  gelesen  haben  und  wie  sich  diese  Unglück¬ 
lichen  an  jedes  neu  angepriesene  Mittel,  wie  an  einen  letzten  Hoff¬ 
nungsstrahl  klammern  und  selbst  den  letzten  Pfennig  opfern  —  der 
Apparat  kostet  nebenbei  bemerkt  30  M.  — ,  so  kann  man  sich  eine 
Vorstellung  bilden  von  dem  Schaden,  den  derartige  Reklamen  an¬ 
zurichten  imstande  sind. 

II. 

Die  Absicht,  gegen  einen  gewissen  „Professor“  G.  Keith- 
Harvey  aus  London  vorzugehen,  der  seit  einer  Reihe  von  Mona¬ 
ten  die  Presse  des  In-  und  Auslandes  mit  riesenhaften,  marktschreie¬ 
rischen  Reklamen  erfüllt,  (konnte  aufgegeben  werden,  da  bereits  einige 
Zeitungen  vor  dem  Wunderdoktor  warnten  und  ein  grosser  Teil  der  an¬ 
ständigen  Presse  seine  Inserate  zurückweist.  Vollends  dürfte  ihm 
aber  das  Handwerk  gelegt  werden  durch  den  Antrag,  den  Hofrat 
Politzer  in  der  Märzsitzung  der  otologischen  Gesellschaft  stellte, 
es  mögen  sich  die  otologischen  Gesellschaften  des  In-  und  Aus¬ 
landes  zur  Bekämpfung  des  Londoner  „Professors“  und  zur  Warnung 
des  Publikums  vor  seinen  und  ähnlichen  anderen  Anpreisungen  ver¬ 
einigen.  Mit  Recht  hob  Politzer  hervor,  dass  gerade  die  arme 
Bevölkerung  infolge  ihrer  Leichtgläubigkeit  am  häufigsten  diesen 
Wunderdoktoren  zur  Beute  fällt. 

III. 

In  etwas  bescheidenerer  Form  tauchen  von  Zeit  zu  Zeit  in  den 
verschiedensten  Zeitungen  ähnliche  Anpreisungen  auf,  die  den  armen 
Ohrenleidenden  sichere  Heilung  versprechen,  selbst  wenn  es  bisher 
aller  ärztlichen  Kunst  nicht  gelungen  sei,  das  Leiden  zu  heilen  oder 
zu  bessern.  Als  Beispiele  mögen  genannt  sein  das  „Gehör  öl“ 
des  Oberstabsarztes*)  und  Physikus  Dr.  G.  Schmidt,  das  „schnell 
und  gründlich  temporäre  Taubheit,  Ohrenfluss.  Ohrensausen  und 
Schwerhörigkeit  selbst  in  veralteten  Fällen  heilt“**):  oder  folgendes 
Inserat:  „J.  D.  Möller  empfiehlt  erfolgreiche  Behandlung 
ca.  20  jährigen  Nasen-.  Rachen-  und  Mittelohrkatarrhs  mit  Ohren¬ 
sausen  und  starker  Schwerhörigkeit.  Preis  2  M.  Verfasser  be¬ 
schäftigt  sich  nicht  mit  Behandlungen.“  Oder  die  „für  Schwer¬ 
hörige  unentbehrliche  neuverbesserte  Hörtrommel“  von 
A.  PI  ob  n  er.  Oder  die  vom  Hygienischen  Versandhaus 
E.  O  b  e  r  1  e  angepriesenen,  patentamtlich  geschützten  „Schall- 
trompeten,  durch  die  Schwerhörigkeit  beseitigt,  nervöse  Ohren¬ 
geräusche  geheilt  werden“.  Endlich  seien  noch  die  Gehör¬ 
patronen  erwähnt,  durch  die  es  nach  Ansicht  des  „genialen  Erfin¬ 
ders“  Hans  Sieger  ..gelungen  ist.  das  voll  und  ganz  zu  erfüllen, 
was  jahrelang  vergeblich  erstrebt  wurde.  Wie  man  sich“,  so  wendet 
sich  dieser  Retter  der  leidenden  Menschheit  an  diese,  „eines  Instru¬ 
mentes,  nämlich  der  Brille  bedient,  wenn  das  Augenlicht  schwach 
ist.  so  bedarf  man  eines  geeigneten  Instruments,  wenn  das  Gehör 
defekt  wird.“  Und  dieses  Instrument  sei  die  Gehörpatrone.  Das 
Gehör  vorvollkommne  sich  beim  Gebrauch  der  Patrone  selbst  in 
hartnäckigen  Fällen  und  man  könne  deshalb  mit  Recht  behaupten,  dass 
das,  was  für  das  Augenlicht  die  Brille,  die  Gehörpatrone  für  das 
Ohr  sei. 

IV. 

Welche  Art  von  Ohrenleidenden  fällt  nun  hauptsächlich  diesen 
Kurpfuschern  zum  Opfer  ?  Es  Ikommen  hier  nur  veraltete  chronische 
Fälle  in  Frage,  und  zwar  Fälle  von  Schwerhörigkeit 


*)  Es  ist  unerklärlich,  wie  jemand,  der  das  Recht  hat,  den 
Titel  eines  Oberstabsarztes  zu  führen,  also  einem  militärärztlichen 
Ehrengericht  untersteht,  seinen  Namen  für  derartige  Schwindel¬ 
reklamen  hergeben  kann. 

**)  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Laut  einer  am 

1.  Oktober  1907  in  Kraft  tretenden  Verordnung  auf  grund  des  §  367 
No.  5  des  Strafgesetzbuches  für  das  Deutsche  Reich  wird  das  Gehöröl 
Schmidts  unter  die  Geheimmittel  gezählt,  deren  öffentliche  An¬ 
kündigung  oder  Anpreisung  verboten  ist. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


17.  September  1907. 


1.  infolge  chronischer  Ohreiterung; 

2.  infolge  von  Knochenneubildung  und  dadurch  bedingter  Un¬ 
beweglichkeit  des  Steigbügels  im  ovalen  Fenster,  ein  Krankheits¬ 
prozess,  welcher  bedauerlicherweise  neuerdings  Wieder  unter  dem 
Namen  Otosklerose  geschildert  wird,  trotzdem  schon  lange  P  o  - 
1  i  t  z  e  r  und  andere  Autoren  festgestellt  haben,  dass  es  sich  um  eine 
Knochenneubildung  in  der  Labyrinthkapsel  handelt,  die  auf  die 
Fussplatte  des  Steigbügels  übergreift  und  diese  immobilisiert; 

3.  Fälle  von  Schwerhörigkeit  infolge  von  Schwund  der  Hör¬ 
nervenfasern  und  Ganglienzellen. 

Patienten  der  Gruppe  1,  d.  h.  solchen  mit  chronischen  Ohr¬ 
eiterungen,  eines  der  obenerwähnten  Mittel  zu  empfehlen,  ist  ein 
Verbrechen,  ähnlich  demjenigen,  das  von  Kurpfuschern  so  häufig 
begangen  wird,  noch  operable  und  heilbare  Karzinome  solange  mit 
Salben  und  Pasten  zu  behandeln,  bis  sie  inoperabel  geworden  sind. 
Ohreiterungen,  die  durch  sachgemässe  konservative  oder  operative 
Behandlung  meist  geheilt  werden  können,  führen  durch  unsach- 
gemässe  Behandlung  leider  nur  zu  oft  zu  den  lebensgefährlichen 
Komplikationen:  Meningitis,  Sinnsthrombose,  Pyämie  oder  Hirn¬ 
abszess. 

Dass  die  Fälle  der  2.  Gruppe  durch  die  oben  erwähnten  Mittel 
nicht  geheilt  und  nicht  gebessert  werden  können,  d.  h.  dass  durch 
sie  ein  durch  Knochenneubildung  oder  auch  durch  Verkalkung  des 
Ringbandes  unbeweglicher  Steigbügel  nicht  mobilisiert  werden  kann, 
bedarf  wohl  kaum  der  Begründung.  Auch  lehrt  uns  die  tägliche  kli¬ 
nische  Erfahrung  auf  Grund  exakter  Funktionsprüfungen,  dass  in 
den  meisten  Fällen  der  sog.  Otosklerose  ein  zweifelloses  und  nicht 
unerhebliches  Mitergriffensein  des  nervösen,  also  des  schallperzi- 
pierenden  Apparates  zugegen  ist. 

Macht  man  dagegen  solche  Patienten,  sobald  die  fachmännische 
Funktionsprüfung  die  Diagnose  gesichert  hat,  auf  die  Unheilbarlkeit 
ihres  Leidens  aufmerksam  und.  rät  ihnen,  möglichst  frühzeitig  das  Ab¬ 
lesen  von  den  Lippen  des  Sprechenden  zu  lernen,  so  kann  man  sie  in 
den  meisten  Fällen  soweit  bringen,  dass  sie,  solange  sie  die  Be¬ 
wegungen  der  Lippen  sehen,  auch  jedes  Wort  verstehen. 

Was  endlich  die  Gruppe  3  betrifft,  nämlich  die  Patienten,  deren 
Schwerhörigkeit  oder  Taubheit  durch  Atrophie  des  Hörnerven  be¬ 
dingt  ist,  so  lässt  sich  die  absurde  Behauptung,  man  könne  diese 
durch  eines  der  erwähnten  Schwindelmittel  heilen,  nur  vergleichen 
mit  dem  Versuche,  ein  durch  Sehnervenatrophie  erblindetes  Auge 
durch  eine  Brille  wieder  sehend  machen  zu  wollen. 

Von  all  den  erwähnten  Mitteln  ist  kein  einziges 
imstande  den  Kranken  zu  helfen,  wohl  aber  ver¬ 
mögen  sie,  ihnen  pekuniären,  psychischen  und 
häufig  sogar  erheblichen  physischen  Schaden  zu- 
z  u  f  ii  g  e  n. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Archiv  für  Geschichte  der  Medizin.  Herausgegeben  von 
Karl  Sud  hoff.  Band  I.  September  1907.  Heft  1,  80  Seiten. 

Im  Oktober  1845  begann  A.  W.  E.  Th.  Henschel  die 
Veröffentlichung  seines  „Janus“,  Zeitschrift  für  Geschichte  und 
Literatur  der  Medizin  im  Vereine  mit  den  besten  Historikern 
seiner  Zeit.  Aber  die  Stürme  des  Jahres  1848  brachten  dem 
Unternehmen  einen  baldigen  Untergang.  Ermutigt  durch  in- 
und  ausländische  Gelehrte  wurde  die  Zeitschrift  unter  dem 
Titel  „Janus,  Zentralmagazin  für  Geschichte  und  Literär- 
geschichte  der  Medizin“  von  B  r  e  t  s  c  h  n  e  i  d  e  r,  H  e  n  s  c  h  e  1, 
Heusinger  und  Thierfelder  1851  wieder  in  das  Dasein 
zurückgerufen.  Auch  dieser  „Janus“  endete  1853  mit  dem 
zweiten  Bande.  Ein  Vierteljahrhundert  verfloss,  bis  die  Brüder 
Heinrich  und  Gerhard  R  o  h  1  f  s  mit  dem  „Deutschen  Archiv 
für  Geschichte  der  Medizin  und  med.  Geographie“  auf  den 
Plan  traten.  Nach  den  ersten  vier  Bänden  gab  man  sich  der 
Hoffnung  hin,  dass  das  Werk  die  Kinderkrankheiten  glücklich 
überstanden  habe,  aber  bald  erlahmte. die  Teilnahme  der  Leser 
und  die  verdienstvollen  Verfasser  mussten  mit  dem  8.  Bande 
abschliessen.  Das  sind  Erfahrungen,  die  zu  neuen  Unter¬ 
nehmungen  im  Felde  der  geschichtlichen  Journalistik  nicht  ge¬ 
rade  aufmuntern  können.  —  Wenn  man  trotzdem  der  neuen 
Zeitschrift  eine  erfreulichere  Lebensdauer  prophezeien  möchte, 
so  stützt  sich  diese  Prognose  zunächst  auf  die  Person  des 
Herausgebers,  dessen  Tatkraft,  dessen  weit-  und  tiefblickender 
Geist,  dessen  vorausgegangene  Leistungen  ihm  den  Rang  eines 
Historikers  erster  Klasse  sichern.  Ein  weiterer  günstiger  Um¬ 
stand  ist  das  in  neuester  Zeit  wachsende  Verständnis  für  die 
Bedeutung  medizin-geschichtlicher  Arbeiten. 

Das  Programm  des  Archivs  gibt  der  Herausgeber  in  einem 
einführenden  Artikel.  Wir  sehen  unter  anderm  hieraus,  dass 
die  neue  Zeitschrift,  die  in  zwanglosen  Heften  erscheint,  zu¬ 
nächst  Referate  fern  halten  will,  da  für  dieselben  das  Organ 


1887 


der  Deutschen  Gesellschaft  für  Geschichte  der  Medizin  und  der 
Naturwissenschaft,  die  rühmlich  bekannten  „Mitteilungen“  be¬ 
stimmt  sind.  —  Ausser  kleineren  Texten,  Urkunden,  Lebens¬ 
läufen,  Forschungen  über  Literaturdenkmäler  soll  besonders 
die  Geschichte  der  Krankheiten  berücksichtigt  werden.  Erster 
Grundsatz  bleibt,  nur  Originalarbeiten  zu  bringen.  —  Das  erste 
Heft  enthält  ausser  der  Vorrede  Sudhoffs  gediegene  Bei¬ 
träge  von  Felix  v.  O  e  f  e  1  e  (Papyrus  Ebers),  Rudolf  H  ö  r  n  1  e 
(Charaka-Kompendium),  Sudhoff  (Brunsehwigs  Anatomie 
und  zur  Anatomie  des  Lionardo  da  Vinci),  kleinere  Mitteilungen 
von  Wustmann  und  S  u  d  h  o  f  f.  Sämtliche  Arbeiten  tragen 
den  Stempel  der  Gediegenheit  und  Gründlichkeit.  — 

Nun  ist  der  Bauplatz  geöffnet,  die  Bauhütte  errichtet;  bald 
wird  der  vielbewährte  Meister  eine  Schar  fleissiger  Gesellen 
um  sich  sehen,  die  das  reichlich  vorhandene  Rohmaterial  mit 
emsigen  Händen  formend  gestalten.  Und  so  rufen  wir  der 
wackern  Schar  ein  freudiges  „Glückauf“  zu. 

J.  Ch.  FI  u  b  e  r,  Memmingen. 

O.  Hammarsten  -  Upsala :  Lehrbuch  der  physio¬ 
logischen  Chemie.  6.  völlig  umgearbeitete  Auflage.  836  Seiten 
mit  einer  Spektraltafel.  Verlag  von  .1.  F.  Bergma  n  n,  Wies¬ 
baden  1907.  Preis  19.60  Mk. 

Die  gewaltige  Entwicklung  der  physiologischen  Chemie  in 
den  letzten  Jahren  erschwert  schon  dem  Fachmanne,  noch  viel¬ 
mehr  demjenigen,  der  physiologische  Chemie  als  Hilfswissen¬ 
schaft  betreibt,  den  Ueberblick  über  das  ausgedehnte '  Gebiet. 
Um  so  dankbarer  muss  daher  ein  Buch  wie  das  vorliegende 
begrüsst  werden,  das  bei  aller  Beschränkung  in  gleich  ausführ¬ 
licher  wie  ausgiebiger  Weise  über  die  physiologische  Chemie 
bis  in  die  jüngste  Gegenwart  berichtet.  Den  neuen  Errungen¬ 
schaften  Rechnung  tragend,  musste  der  Verfasser  gelegentlich 
dieser  Neuauflage  eine  gründliche  Revision  sämtlicher  und  eine 
Umarbeitung  der  meisten  Kapitel  vornehmen,  was  zu  einer 
Vergrcsserung  des  Buchumfanges  führte. 

Im  ersten  Kapitel  leitet  der  Verfasser  in  das  Gebiet  ein  und 
behandelt  in  den  folgenden  siebzehn  Kapiteln  nacheinander  die 
Proteinstoffe  —  die  Kohlehydrate  —  das  Tierfett  —  die  tierische 
Zelle  —  das  Blut  —  Chylus,  Lymphe,  Transsudate  und  Exsu¬ 
date —  die  Leber  —  die  Verdauung  —  Gewebe  der  Bindesub¬ 
stanzgruppe  - —  die  Muskeln  —  Gehirn  und  Nerven  —  die  Fort¬ 
pflanzungsorgane  —  die  Milch  —  den  Harn  —  die  Haut  und  ihre 
Ausscheidungen  —  Chemie  der  Atmung  —  den  Stoffwechsel 
bei  verschiedener  Nahrung  und  den  Bedarf  des  Menschen  an 
Nahrungsstoffen. 

Mit  ausserordentlicher  Sorgfalt  hat  der  Verfasser  das  ge¬ 
waltige  Material  bearbeitet  und  sich  bemüht,  möglichst  jeden 
Autor,  in  einer  bestimmten  Frage  zum  Worte  kommen  zu 
lassen.  Leidet  darunter  auch  die  Einheitlichkeit  der  Dar¬ 
stellung,  so  gibt  sie  andererseits  ein  getreues  objektives  Bild 
von  der  Wandlung  der  Lehren  in  der  physiologischen  Chemie. 
Zahlreiche  Literaturangaben  und  ein  ausführliches  Sachregister 
ermöglichen  rasche  Orientierung,  ein  Autorenregister  hat  der 
Verfasser  auf  vielfach  ausgesprochenen  Wunsch  hin  zum  ersten 
Male  dieser  Auflage  beigegeben.  Möge  der  Verfasser,  der  im 
vergangenen  Jahre  durch  eine  von  Freunden  und  Schülern  ge¬ 
legentlich  seines  65.  Geburtstags  herausgegebene  Festschrift 
geehrt  wurde,  in  der  Lage  sein,  baldigst  die  7.  Auflage  vor¬ 
zubereiten.  K-  B  ür  k  e  r  -  Tübingen. 

J.  v.  Me  ring:  Lehrbuch  der  inneren  Medizin.  Vierte, 
teilweise  umgearbeitete  Auflage.  1.  Abt.  mit  83,  2.  Abt.  mit 
146  Abbildungen  und  6  Tafeln.  Gustav  Fischer,  Jena 
1906/07.  1228  Seiten.  Preis  12  M.  50  Pf. 

Die  Auflagen  dieses  Lehrbuchs  folgen  so  rasch  aufein¬ 
ander,  dass  der  Rez.  dieser  Tatsache  kaum  mehr  etwas  hinzu¬ 
zufügen  braucht.  Dass  es  sich  auf  der  Höhe  hält  ist  der 
Grund  der  schnellen  Folge  der  Auflagen  und  diese  ist  der 
Grund,  dass  sich  das  Buch  leicht  auf  der  Höhe  halten  kann. 
Ausser  den  eingestreuten  Zusätzen  und  den  eingefügten  mehr¬ 
fachen  neuen  Abbildungen  ist  besonders  hervorzuheben,  dass 
v.  N  o  o  r  d  e  n  an  Stelle  Klemperers  die  Bearbeitung  der 
Blutkrankheiten  übernommen  hat.  Wenn  man  die  vorzügliche 
Ausstattung  betrachtet,  so  wundert  man  sich  immer  wieder, 
was  die  Verlagshandlung  für  den  geringen  Preis  geboten  hat. 


1888 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  88. 


Dass  es  so  ist,  mus  man  dankend  anerkennen;  denn  unsere 
Studierenden  in  klinischen  Semestern  haben  jetzt  wirklich  ein 
ebenso  billiges  wie  zuverlässiges  und  anregendes  Lehrbuch 
der  inneren  Medizin.  P  e  n  z  o  1  d  t. 

R.  v.  Jaksch:  Klinische  Diagnostik  innerer  Krankheiten 
mittels  bakteriologischer,  chemischer  und  mikroskopischer 
Untersuchungsmethoden.  6.,  vollständig  umgearbeitete  Auf¬ 
lage.  Mit  174  teilweise  mehrfarbigen  Illustrationen.  Urban 
&.  Schwarzenberg,  Berlin-Wien,  1907.  640  Seiten. 

Seit  der  letzten  Ausgabe  dieses,  in  dieser  Wochenschrift 
1887  No.  19,  1892  No.  33,  1896  No.  43,  1902  No.  9  besprochenen, 
Werkes  ist  eine  etwras  längere  Zeit  verstrichen  und  die  enorme 
Arbeit  auf  dem  in  dem  Buche  behandelten  Gebiete  der  Dia¬ 
gnostik  hat  an  vielfachen  Stellen  eine  Umarbeitung  nötig  ge¬ 
macht.  So  erscheint  es  wieder  in  durchaus  modernem  Kleide. 
Wenn  auch  der  Umfang  und  die  Gründlichkeit  in  der  Schilde¬ 
rung  diagnostischer  Methoden,  die  in  der  Praxis  nicht  ohne 
Weiteres  ausführbar  sind,  das  Buch  für  den  praktischen  Arzt 
nur  als  ein  Nachschlagebuch  brauchbar  erscheinen  lässt,  so 
ist  es  ein  unentbehrlicher  Ratgeber  für  jeden,  der  in  klinischen 
oder  anderen  der  Praxis  dienenden  Untersuchungslaboratorien 
zu  arbeiten  hat.  Die  zum  grössten  Teil  vorzüglichen  Abbil¬ 
dungen  sowie  die  neu  revidierten  Literaturangaben  erleich¬ 
tern  ausserordentlich  die  praktische  wie  die  wissenschaftliche 
Laboratoriumsarbeit.  Das  vorzüglich  ausgestattete  Werk  wird 
somit  seinen  mit  Recht  erworbenen  Platz  in  der  Literatur  auch 
ferner  behaupten.  P  e  n  z  o  1  d  t. 

Carl  v.  Noorden:  Handbuch  der  Pathologie  des  Stoff¬ 
wechsels.  II.  Auflage.  II.  Band.  Berlin  1907.  A.  Hirsch- 
w  a  1  d. 

Mit  dem  zweiten  Band  ist  das  grosse  Werk  v.  Noor¬ 
dens  vollendet  und  es  hat  in  seiner  Vollendung  zum  grössten 
Teil  das  gehalten,  was  schon  der  erste  Band  versprochen  hatte. 
Es  bildet  eine  erschöpfende  Darstellung  des  Stoffwechsels  unter 
normalen  und  pathologischen  Verhältnissen.  Da  überall  die 
Literatur  in  ausgedehntestem  Masse  angeführt  und  berück¬ 
sichtigt  ist,  so  erscheint  das  Werk  als  ein  fester  Grundstock,  auf 
welchem  bei  künftigen  Arbeiten  sicher  weitergebaut  werden 
kann.  Auch  für  den  zweiten  Band  ist  es  dem  Herausgeber  ge¬ 
lungen,  die  geeigneten  Bearbeiter  für  die  einzelnen  Kapitel  zu 
gewinnen.  F.  V  o  i  t. 

E.  Meyer  und  H.  Rieder:  Atlas  der  klinischen  Mikro¬ 
skopie  des  Blutes.  Zweite  Auflage.  Verlag  von  F.  C.  W. 
Vogel.  Leipzig  1907.  Preis  15  Mk. 

Der  Atlas  enthält  16  lose  Tafeln,  denen  in  einem  besonders 
gebundenen  Hefte  die  notwendigen  Erklärungen  und  eine  kurze, 
aber  für  den  praktischen  Gebrauch  völlig  ausreichende  tech¬ 
nische  Anleitung  beigegeben  sind.  Die  Tafeln  bringen  die  ver¬ 
schiedenen  Formen  der  menschlichen  Blutzellen  unter  normalen 
wie  pathologischen  Verhältnissen,  sie  führen  ferner  die  wich¬ 
tigsten,  morphologischen  Blutveränderungen  und  zum  Schlüsse 
parasitäre  Erkrankungen,  besonders  Malaria,  vor.  Es  ist 
ausserordentlich  anzuerkennen,  dass  die  vortrefflich  gelun¬ 
genen  Abbildungen  nach  Präparaten  hergestellt  sind,  'die  mit 
den  verschiedensten  Färbungen  tingiert  sind,  und  dass  man 
daneben  in  gleich  guter  Ausführung  nach  frischen  Präparaten 
angefertigte  Zeichnungen  vorfindet.  Das  ist  meiner  Ansicht 
nach  ein  ganz  besonderer  Vorzug  dieses  Atlas,  da  allein  durch 
ein  Nebeneinanderhalten  verschieden  gefärbter  und  frischer 
Biutpräparate  ein  erfolgreiches  Studium  möglich  ist. 

Die  einzelnen  Zellbilder  sind  in  hohem  Grade  getreu 
wiedergegeben.  Davon  haben  mich  Vergleiche  mit  eigenen 
Präparaten  überzeugt.  Unter  anderem  ist  besonders  erfreu¬ 
lich,  dass  einwandsfreie  Bilder  von  Megaloblasten  geboten 
werden.  Aber  auch  die  übrigen  roten  wie  farblosen  Blut¬ 
elemente  sind  in  guten  Abbildungen  dargestellt.  Bei 
der  Deutung  und  Benennung  der  Zellen  sind  die  Autoren  mit 
rühmlicher  Objektivität  vorgegangen.  Eine  Stellungnahme  in 
genetischen  Fragen  ist  vermieden.  Persönlich  bedauere  ich  es 
allerdings,  dass  die  Lehren  über  die  Trennung  der  lympho- 
zytären  und  leukozytären  Mutterzellen,  der  Lymphoblasten  und 
Myeloblasten,  noch  keinen  Eingang  gefunden  haben.  Aber  trotz 


dieses  Umstandes  möchte  ich  den  M  e  y  e  r  -  R  i  e  d  e  r  sehen 
Atlas  auf  das  wärmste  empfehlen,  da  er  mir  aus  den  oben  ge¬ 
nannten  Gründen  sowohl  zum  Selbststudium  wie  zu  Unter¬ 
richtszwecken  in  gleichem  Masse  geeignet  erscheint.  Der 
billige  Preis  wird  seine  Verbreitung  besonders  unterstützen. 

Schridde  -  Freiburg. 

Enderlen  und  Gasser:  Stereoskopbilder  zur  Lehre 
von  den  Hernien.  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer,  1906. 

Das  vorliegende  Werk  ist  für  Aerzte  und  Studierende  be¬ 
stimmt.  Neben  den  schon  bekannten  Publikationen  stereo¬ 
skopischer  Bilder  nimmt  dieses  Werk  einen  besonderen  Cha¬ 
rakter  ein;  etwas  ähnliches  ist  mir  bis  jetzt  nicht  bekannt.  Vor¬ 
bildlich  ist  es  in  mehrfacher  Beziehung:  das  glückliche  Zu¬ 
sammenwirken  von  Chirurg  und  Anatom;  ein  Inhalt  von  sel¬ 
tener  Reichhaltigkeit;  praktische  Unterbringung  der  Bilder,  so 
dass  dieselben  sowohl  wie  ein  Atlas  als  auch  einzeln  im  Appa¬ 
rat  Verwendung  finden  können;  ein  knapper  Text  neben  den 
Fildern  mit  dem  Hinweis  auf  alles  Wesentliche.  Mit  Hingebung 
und  Geschick  ist  die  Darstellung  des  Deszensus  testiculorum, 
dann  die  Topographie  der  Leistengegend,  die  Beschreibung  der 
äusseren  und  inneren  Leistenbrüche,  dann  die  Topographie 
der  Regio  subinguinalis  und  die  Darstellung  der  Schenkel¬ 
brüche  gegeben.  Dann  folgen  die  selteneren  Bruchformen. 

Es  hat  mich  interessiert,  zu  sehen,  dass  schon  Billroth 
im  Jahre  1867  (Brief  an  Prof.  Esmarch  in  Kiel  vom  6.  Fe¬ 
bruar  1867)  stereoskopische  Abbildungen  von  chirurgischen 
Kranken  herausgegeben  hat.  Und  heute  leistet  die  Technik 
noch  erheblich  mehr  als  damals,  wofür  gerade  das  vorliegende 
Werk  der  beste  Beweis  ist.  Es  bedeutet  zum  Studium  der 
Hernien  ein  Hilfsmittel,  wie  es  bisher  nicht  vorhanden  war, 
vielleicht  nicht  einmal  gedacht  werden  konnte. 

H  e  1  f  e  r  i  c  h. 

Redard:  Technique  orthopedique.  591  Seiten  mit  492 
Figuren  im  Text.  Paris,  R  u  d  e  v  a  1,  1907. 

Das  vorliegende  Buch  gibt  Zeugnis  von  dem  Interesse,  das 
die  orthopädische  Chirurgie  in  Frankreich  findet.  Es  gibt  auf 
497  Seiten  im  ersten  Abschnitt  die  ganze  orthopädische  Technik 
der  Verbände,  Apparate,  Gipsabgüsse,  der  blutigen  und  nicht 
blutigen  Operationen  an  Weichteilen  und  Knochen.  Der  zweite 
Teil  bringt  die  spezielle  Technik,  welche  die  Behandlung  der 
einzelnen  Leiden  erfordert.  Der  Text  ist  kurz  und  knapp.  Die 
Bilder  entsprechend  dem  Format  des  Buches  klein,  aber  klar 
und  deutlich.  Das  Buch  eignet  sich  wegen  seines  ungemein 
reichen  Inhalts  und  seines  geringen  Umfangs  sehr  gut  als  Nach¬ 
schlagewerk  zur  raschen  Orientierung  über  technische  Fragen. 

F.  Lange-  München. 

Ueber  das  eheliche  Glück.  Erfahrungen,  Reflexionen  und 

Ratschläge  eines  Arztes.  Wiesbaden.  Verlag  von  J.  F.  B  e  r  g- 
mann,  1906.  Preis  4.60  Mk.  Seitenzahl  398. 

Unzweifelhaft  ist  unter  den  gegenwärtig  in  der  breiten 
Oeffentlichkeit  diskutierten  Problemen  jenes  der  Ehe  nicht  nur 
eines  der  populärsten,  sondern  wirklich  auch  wichtigsten.  Man 
mag  dem  anonymen  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes  darin 
recht  geben,  dass  für  alle  die  reformatorischen  Bestrebungen 
auf  diesem  Gebiete  etwas  notwendiges  fehlt,  nämlich  eine,  wenn 
man  sagen  will,  wissenschaftliche  Einsicht  in  die  einzelnen 
Faktoren,  welche  das  eheliche  Glück  bedingen.  Und  so  hat  es 
der  Verfasser  unternommen,  diese  systematisch  zu  analysieren. 
Aber  ist  das  nicht  ein  Unternehmen,  wie  wenn  man  die  Schöp¬ 
fung  eines  vortrefflichen  Kunstwerkes  aus  der  korrekten 
Zeichnung  der  Umrisse,  der  richtigen  Anwendung  der  Per¬ 
spektive,  dem  guten  Material  und  der  Art  der  Farbenmischung 
erklären  wollte?  Zum  Teil  wohl.  Immerhin  zeigt  die  Durch¬ 
führung  dieser  Untersuchung,  dass  die  sehr  summarische  Vor¬ 
stellung,  welche  jedem  Beobachter  seine  Erfahrung  über  die 
Voraussetzungen  ehelichen  Glückes  gestaltet,  theoretisch  wohl 
in  eine  Summe  einzelner  Leitmotive  auseinander  gelegt  werden 
kann.  Praktisch  freilich  kann  daraus  wohl  niemand  die  Sym¬ 
phonie  des  ehelichen  Glückes  sich  konstruieren.  Nach  einer 
Einleitung  über  das  Glück  im  Allgemeinen  und  das  eheliche  im 
Besonderen,  wendet  sich  Verf.  zu  der  Quellenforschung  des 
ehelichen  Glückes,  in  welcher  er  prädisponierende  Momente 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1889 


(z.  B.  Lebensalter,  Gesundheitsverhältnisse,  Vermögen,  Bil¬ 
dung,  Religion,  Beruf,  sexuelles  Vorleben,  Motive  der  Ehe- 
schliessung  u.  s.  f.)  und  sogenannte  essentielle  Momente  aus¬ 
scheidet,  unter  letzteren  die  seelischen  Eigenschaften  der 
Gatten,  den  sexuellen  Verkehr  in  der  Ehe  erörternd.  Im  3.  Ab¬ 
schnitt:  ,,Wege  zur  Förderung  des  ehelichen  Glückes“  werden 
die  Ehereformvorschläge  der  Gegenwart  durchgesprochen,  so¬ 
wie  die  staatlichen  und  individuellen  Mittel  zur  Anbahnung 
besserer  Zustände,  als  sie  heute  bestehen.  Verf.  selbst  schlägt 
u.  a.  vor,  eine  nicht  unter  6  Monate  zu  bemessende  Wartezeit 
für  Verlobte,  Einführung  ärztlicher  Untersuchung  vor  der  Ehe, 
Erleichterung  der  Ehescheidungen.  Innerhalb  dieses  Rahmens 
wird  jeder  Leser  viel  Belehrendes  und  Interessantes  finden. 
Im  ganzen  hat  das  Werk  unseres  Kollegen  Eigenschaften,  die 
es  in  einen  gewaltigen  und  im  ganzen  wohltuenden  Gegensatz 
zur  modernen  Tagesliteratur  über  diese  Frage  bringen.  Es  ist 
eine  ruhige,  stellenweise  fast  nüchterne  Erörterung,  des  schwie¬ 
rigen  Problems,  eine  so  vorsichtige  und  umsichtige  Zusammen¬ 
fassung  alles  über  unsere  Frage  zu  Sagenden,  dass  es  eigent¬ 
lich  nirgends  den  Leser  zu  ernstem  Widerspruch  reizt;  Para¬ 
doxa,  welche,  wenn  sie  auch  unrichtig  sind,  doch  beleben, 
fehlen  hier  in  voller  Absicht,  das  Werk  hält  sich  frei  von  allen 
Uebertreibungen  und  Leidenschaftlichkeiten,  es  ist  überall  rich¬ 
tig  und  klug.  Mancher  Leser  wird  das  vielleicht  nicht  span¬ 
nend  genug  finden,  er  will  mehr  schillernde  Sätze,  wie  sie  z.  B. 
Ellen  Key  in  ihren  geistreichen  Aufsätzen  so  meisterlich  ein¬ 
zuflechten  versteht.  Offenbar  geht  das  vorliegende  Werk  mehr 
nach  Wahrheit  und  Klarheit  als  nach  Erfolg.  Möge  es  die  vom 
Verf.  gewünschten  Ziele  erreichen! 

Grass  m  a  n  n  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  Heilkunde.  Herausgegeben  von  Kretz 
in  Wien.  XXVIII.  Bd.  (Neue  Folge,  VIII.  Bd.)  Jahrg.  1907. 
Heft  7. 

1)  B  rüg  sch:  Zur  Frage  der  Schwanzbildung  beim  Menschen. 

Verfasser,  der  schon  früher  auf  diesem  Gebiete  gearbeitet  hat, 
bestätigt  die  von  Konstantino  witsch  in  der  gleichnamigen 
Arbeit  (s.  Ref.  dieser  Zeitschr.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907, 
S.  532,  No.  11)  gemachten  Beobachtungen  und  Schlussfolgerungen. 
Entwicklungsgeschichtliche  Ueberlegungen  führen  ebenso  wie  die 
tatsächlichen  Beobachtungen  zu  dem  Ergebnis,  dass  echte  Schwanz¬ 
bildungen  beim  Menschen  ausserordentlich  selten  sind  und  knöcherne 
Schwänze  niemals  Vorkommen,  da  die  Rückbildung  der  embryonalen- 
Schwanzwirbel  schon  sehr  frühzeitig  erfolgt. 

2)  Fellner  und  N  e  u  m  a  n  n:  Der  Einfluss  der  Röntgenstrahlen 
auf  die  Eierstöcke  trächtiger  Kaninchen  und  auf  die  Trächtigkeit. 
(Aus  dem  Institut  für  pathologische  Histologie  von  Pal  tauf  und  der 
Heilstätte  für  Lupuskranke  von  Lang.) 

Versuche  an  14  Kaninchen  mit  Röntgenbestrahlung  ergaben  eine 
Verschmälerung  der  Rinde  der  Ovarien,  Schwund  der  Ureier  und 
der  kleinen  Follikel,  beginnende  zystische  Degeneration  der  grösse¬ 
ren  Follikel,  Schwund  des  Bindegewebes  und  Degeneration  der  Fol¬ 
likelluteinzellen.  Späterhin  scheint  eine  Neubildung  von  Ureiern 
stattzufinden,  welche  wiederum  der  Degeneration  anheimfallen. 

Der  Embryo  geht  dabei  zu  gründe,  wahrscheinlich  unter  dem 
Einfluss  der  Ovariendegeneration,  da  der  Rückgang  der  Trächtigkeit 
auch  dann  erfolgte,  wenn  der  Uterus  gegen  die  Röntgenwirkung  ge¬ 
schützt  war. 

Für  die  ärztliche  Therapie  dürfte  die  Röntgenbestrahlung  zur 
Erzielung  eines  Abortes  nicht  in  Frage  kommen,  da  wir  zuverlässigere 
und  ungefährlichere  Mittel  hierzu  besitzen.  Dagegen  kann  die  Rönt¬ 
genbestrahlung  für  den  kriminellen  Abort  von  grosser  praktischer 
Bedeutung  sein.  Sterilisierung  für  einige  Zeit  lässt  sich  auch  bei 
der  Frau  sicherlich  durchführen.  Von  der  Annahme  ausgehend,  dass 
die  Ursache  der  Osteomalazie  in  einer  Hypersekretion  des  Ovariums 
zu  suchen  sei,  empfehlen  die  Verfasser,  einmal  einen  Versuch  mit 
Röntgenbehandlung  dies'er  Erkrankung  zu  machen. 

3)  Kaufmaiyi:  Anatomisch-experimentelle  Studien  über  die 
Magenmuskulatur  (über  die  Riunenbildung  an  der  kleinen  Kurvatur). 
(Aus  dem  anatomischen  Institut  von  Zuckerkandl  in  Wien.) 
Mit  Abbildungen. 

Die  Arbeit,  welche  auf  Röntgenuntersuchungen  von  Menschen 
und  auf  Experimenten  an  Hunden  basiert,  zeigt,  dass  die  motorischen 
Vorrichtungen  des  Magens  komplizierter  und  der  Muskelapparat  fei¬ 
ner  differenziert  ist,  als  gewöhnlich  angenommen  wird.  Besondere 
Beachtung  verdient  eine  oft  wahrzunehmende  zirkuläre  Einschnü¬ 
rung,  welche  das  Antrum  pylori  von  dem  übrigen  Magen  scheidet,  so 
dass  vorübergehend  zwei  ganz  getrennte  Lumina  entstehen,  und  eine 
an  der  kleinen  Kurvatur  sich  entwickelnde  Rinne,  die  wohl  der  Fort¬ 
leitung  der  Speisen  vom  Oesophagus  her  dient. 

Bändel-  Nürnberg. 


Archiv  für  klinische  Chirurgie.  83.  Band,  4.  Heft.  Berlin, 
Hirschwald,  1907. 

45)  Sprengel-  Braunschweig :Der  relroperitoneale  Abszess  im 
Zusammenhang  m?t  den  Erkrankungen  der  Gallenwege. 

47)  Kotzenberg:  Erfahrungen  mit  der  Füllung  von  Knochen¬ 
höhlen  mit  Jodoform-Wallratgemisch.  (Chirurgische  Abteilung  des 
Krankenhauses  Hamburg-Eppendorf.) 

49)  Manasse:  Die  arterielle  Gefässversorgung  des  S.  romanuni 
in  ihrer  Bedeutung  für  die  operative  Verlagerung  desselben.  Mit¬ 
teilung  über  eine  Anastomose  bei  Mastdarmstenosen  (Sigmoideo- 
rectostomia  externa).  (Pathologisches  Institut  des  Krankenhauses 
am  Urban  in  Berlin.) 

51)  K  ö  n  i  g  -  Altona:  Ueber  die  blutige  Behandlung  subkutaner 
Frakturen  des  Oberschenkels. 

53)  Haas  ler:  Ueber  Cholezystektomie.  (Chirurgische  Klinik 
in  Halle.) 

55)  E  h  r  h  a  r  d  t  -  Königsberg:  Beiträge  zur  pathologischen  Ana¬ 
tomie  und  Klinik  des  Gallensteinleidens. 

Vorträge  auf  dem  36.  Chirurgenkongress.  Referate  siehe  No.  16 
bis  20  dieser  Wochenschrift. 

44)  M  a  r  t  i  n  a  -  Graz:  Ueber  Knorpelnekrose. 

M.  beschreibt  5  Fälle  von  Nekrose  der  Rippenknorpel:  zwei 
Fälle  entstanden  im  Anschluss  an  Typhus,  einmal  lag  eine  infizierte 
Stichverletzung,  einmal  eine  Infektion  des  Knorpels  beim  Abpräpa¬ 
rieren  einer  Krebsmetastase  vor  und  einmal  ein  vom  Sternoklavikular- 
gelenk  fortschreitender  tuberkulöser  Prozess.  Die  Heilung  der  sehr 
hartnäckigen  Fisteleiterungen  gelang  erst  nach  radikaler  Entfernung 
der  erkrankten  Knorpelteile  und  ihrer  Umgebung.  Da  es  bei  äusserer 
Betrachtung  nicht  möglich  ist,  die  Ausdehnung  und  das  Fortschreiten 
der  Veränderungen  im  Knorpel  zu  erkennen,  ist  das  radikale  Ver¬ 
fahren,  vollkommene  Exstirpation  des  erkrankten  Rippenknorpels 
samt  dem  Perichondrium  und  den  allenfalls  gebildeten  Chondrophyten, 
unter  Umständen  auch  der  verdächtig  aussehenden  benachbarten 
Knorpel,  besonders  wenn  sie  bereits  kleine,  mit  Granulationsgewebe 
ausgefüllte  Substanzverluste  zeigen,  angebracht.  Die  konservative 
Behandlung  ist  unsicher  und  ausserordentlich  langwierig. 

46)  G  a  u  g  e  1  e  -  Zwickau:  Zur  Frage  der  Knochenzysten  und  der 
Ostitis  fibrosa  v.  Recklinghausens.  (Mit  1  Tafel  und  4  Text¬ 
figuren.) 

G.  bringt  in  dieser  Arbeit  den  Sektionsbefund  und  die  genaue 
makro-  und  mikroskopische  Untersuchung  des  von  ihm  in  Band  IX 
der  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen  beschrie¬ 
benen  Falles  von  Ostitis  deformans.  Verf.  geht  dann  nochmals  ge¬ 
nauer  auf  die  Aetiologie  der  Knochenzvsten  ein,  und  fixiert  nochmals 
seinen  Standüunkt,  dass  die  grosse  Mehrzahl  der  in  der  Literatur 
mitgeteilten  Knochenzvsten  auf  einer  allgemeinen  oder  lokalisierten 
Ostitis  deformans  beruhen.  Dass  daneben  auch  Knochenhöhlen  durch 
loikale  Erweichung  von  Enchondromen  und  Sarkomen  Vorkommen,  wie 
der  kürzlich  von  L  e  x  e  r  beschriebene  Fall,  wird  nicht  geleugnet. 
Im  besonderen  bespricht  G.  endlich  noch  die  Stellung  der  sogenannten 
Riesenzellsarkome,  die  bei  der  Ostitis  deformans  meist  gefunden  wer¬ 
den  und  auch  in  seinem  eigenen  Falle  vorhanden  waren.  G.  sieht 
diese  Tumoren  nicht  als  echte  Geschwülste,  sondern  als  entzünd¬ 
liche  Neubildungen  an  und  beruft  sich  dabei  auf  das  ausführlich  mit¬ 
geteilte  Gutachten  von  Lubarsch,  der  den  Fall  von  G.  seziert  hat. 

48)  H  e  r  h  o  1  d  -  Brandenburg:  Nahschussverletzungen  der 
Knochen.  (Mti  16  Textfiguren.) 

Verf.  beschreibt  15  Fälle  von  Schussfrakturen  aus  .kurzer  Ent¬ 
fernung,  die  aus  dem  südwestafrikanischen  Kriege  stammen  und  zur 
Nachbehandlung  nach  der  Heimat  kamen.  Die  Fälle  zeigen  be¬ 
sonders,  dass  durch  das  Ausstossen  der  zahlreichen  Splitter  infolge 
von  Infektion  bei  diesen  Verletzungen  sehr  häufig  Pseudarthrosen  zu 
stände  kommen.  Die  grosse,  durch  das  Ausstossen  der  Splitter  ent¬ 
standene  Lücke  kann  in  der  Regel  nur  dadurch  ausgefüllt  werden,  dass 
sich  die  beiden  Knochenenden  aneinanderschieben:  es  ist  nicht  zweck¬ 
mässig,  dieses  Aneinanderschieben  durch  gewaltsame  Extension  zu 
verhindern.  Ein  Teil  der  beschriebenen  Fälle  von  Pseudarthrose 
wurde  durch  Knochennaht  geheilt. 

50)  Coenen:  Zur  plastischen  Behandlung  der  Unterschenkel- 
nseudarthrosen.  (Chirurgische  Klinik  v.  Bergmann  in  Berlin' 
(Mit  mehreren  Textfiguren.) 

C.  teilt  2  Fälle  von  Unterschenkeloseudarthrosen  bei  Kindern 
mit  —  nach  Osteotomie  wegen  rachitischer  Deformitäten  entstanden 
— .  die  mit  Erfolg  mit  dem  Reichel  sehen  Verfahren  der  1  ransplan- 
tation  eines  gestielten  Haut-Periost-Knochenlappens  vom  anderen  Un¬ 
terschenkel  behandelt  worden  sind.  Ferner  beschreibt  Verf.  2  erfolg¬ 
reich  mit  Drahtnaht  behandelte  Fälle,  und  endlich  einen  Fall  von 
Pseud.  am  oberen  Ende  der  Tibia  mit  3,5  cm  grossem  Defekt,  der  durch 
freie  Einpflanzung  eines  PeriosUKnochenstückes  aus  der  anderen  I  ibia 
geheilt  wurde.  Die  letztere  Operation  gewinnt  dadurch  besonderes 
Interesse,  dass  sie  die  letzte  war,  die  v.  Bergman  n  in  seiner 
Klinik  am  2.  II.  07  ausgeführt  hat. 

52)  Bircher:  Eine  Modifikation  der  Urethrotomia  externa  bei 
der  Behandlung  der  Zerreissungen  und  Strikturen  der  männlichen 
Harnröhre.  (Chirurgische  Abteilung  der  kantonalen  Krankenanstalt 
in  Aarau.)  (Mit  1  Abbildung.) 

Um  die  Nachteile  des  Dauerkatheters  nach  der  Urethrotomie, 
Urethritis  und  Zystitis,  mit  ihren  Gefahren  zu  vermeiden,  ohne  seine 


1890 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Vorteile  aufgeben  zu  müssen,  verfährt  B.  so,  dass  er  ein  etwa  7  cm 
langes  gekrümmtes  Stuck  eines  Silberkatheters  in  die  Urethra  an  der 
Operationsstelle  einlegt,  das  Stück  mit  einem  Seidenfaden  armiert 
und  nach  6 — 10  Tagen  aus  der  Urethra  nach  vorne  herauszieht.  Die 
Urethra  wird,  wenn  es  irgend  möglich  ist,  durch  Naht  vereinigt.  B. 
hat  mit  seiner  Methode  12  Fälle  von  frischer  Ruptur  der  Urethra,  5 
posttraumatische  und  6  gonorrhoische  Strikturen  behandelt  und  war 
sowohl  mit  den  Operations-  wie  den  Dauererfolgen  sehr  züfrieden. 

Die  Arbeit  bringt  eine  sehr  ausführliche  Uebersicht  über  die 
Literatur  der  verschiedenen  bei  Urethralstrikturen  zur  Verwendung 
kommenden  Methoden. 

54)  H  e  i  n  e  k  e  -  Leipzig:  Ueber  Meteorismus  nach  Bauchkon¬ 
tusionen. 

H.  hat  in  4  Fällen  nach  Kontusionen  des  Abdomens  einen  inner¬ 
halb  weniger  Stunden  entstehenden  starken  Meteorismus  beobachtet. 
Es  handelte  sich  stets  um  Verletzungen  der  Oberbauchgegend  durch 
stumpfe  Gewalt,  bei  denen  weder  eine  innere  Blutung  noch  eine  Zer- 
reissung  des  Magendarmkanals  vorlag.  2  Fälle  sind  ohne  Operation 
glatt  geheilt,  einmal  wurde  eine  ergebnislose  Probelaparotomie  ge¬ 
macht  und  einmal  fand  sich  bei  der  Operation  eine  Abreissung  der 
Darmserosa  ohne  Eröffnung  des  Lumens.  Der  Meteorismus  ging  in 
allen  Fällen  nach  wenigen  Tagen  zurück  und  es  trat  nach  kurzer  Zeit 
Heilung  ein. 

Ueber  die  Ursache  dieses  ungewöhnlichen  primären  Meteorismus 
kann  nichts  Bestimmtes  gesagt  werden.  Eine  weitere  Beobachtung 
des  Verf.,  einen  hochgradigen  primären  Meteorismus  bei  Nierenruptur 
mit  ausgedehntem  retroperitonealem  Hämatom  betreffend,  legt  aber 
die  Vermutung  nahe,  dass  der  Meteorismus  in  allen  diesen  Fällen  auf 
eine  Schädigung  der  retroperitonealen  Nervenplexus  zurückzuführen 
ist.  Meist  scheinen  dabei  grössere  Blutergüsse  im  retroperitonealen 
Bindegewebe  vorzuliegen. 

Bei  Magendarmrupturen  und  bei  inneren  Blutungen  scheint  der 
primäre  Meteorismus  so  gut  wie  niemals  vorzukommen,  weil  die  bei 
solchen  Verletzungen  fast  immer  vorhandene  Spannung  der  Bauch¬ 
decken  die  Ausbildung  des  Meteorismus  verhindert. 

H  e  i  n  e  k  e  -  Leipzig. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  Bruns. 

55.  Band,  1.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp.  Juni  1907. 

Das  1.  Heft  des  55.  Bandes  enthält  Arbeiten  aus  der  I.  chirur¬ 
gischen  Abteilung  des  allgemeinen  Krankenhauses  zu  Hamburg-Eppen¬ 
dorf.  Zunächst  bespricht  Walther  Grimm  die  mit  Skopolamin-Mor¬ 
phin  kombinierte  Inhalationsnarkose  und  ihre  günstige  Beziehung  zu 
den  Pneumonien  nach  Bauchoperationen  und  stellt  den  diesbezüglich 
mitgeteilten  mannigfachen  günstigen  Erfahrungen  die  der  betreffenden 
Abteilung  an  die  Seite,  wobei  das  Skopolamin  0,0005  mit  0,01  Morphin 
1 — U/2  Stunden  vor  der  Operation  subkutan  getrennt  injiziert  und  als 
unterstützendes  Moment  der  allgemeinen,  kombinierten  Chloroform- 
Aether-Narkose  anfangs  nur  bei  Laparotomien,  später  bei  allen  grösse¬ 
ren  Operationen  angewandt  wurde.  Die  Patienten  werden  in  som- 
nolentem  Zustand,  wobei  die  Aufregung  vor  der  Operation  wegfällt, 
ins  Vorbereitungszimmer  gelagert,  mit  Roth-Dräger  schem  Appa¬ 
rat  die  Narkose  eingeleitet,  ohne  dass  es  zu  lästigem  Erstickungsgefühl 
oder  Exzitation  (abgesehen  eventuell  bei  Potatoren)  kommt;  da  keine 
Salivation,  kaum  je  Erbrechen  oder  Brechreiz  eintritt,  so  ist  die 
Menge  des  Narkotikums  sehr  gering,  sind  die  Pneumonien  danach 
wesentlich  seltener.  Alle  2 — 3  Tage  wird  das  Skopolamin  (M  ercik) 
in  Lösung  frisch  hergestellt;  Scopolamin.  hydrobrom.  0,005:  10,0  Aqu. 
dest.,  wovon  1  Spritze  injiziert  wird,  wenn  der  volle  Erfolg  eintreten 
soll.  Von  November  1895  ab  bis  1.  April  1905  wurden  nach  1754  La¬ 
parotomien  bei  43  (2,5  Proz.)  postoperative  Pneumonien  beobachtet, 
von  denen  18  starben.  Mit  der  kombinierten  Narkose  wurden  bis 
August  1906  839  Laparotomien  vorgenommen  mit  nur  0,7  postopera¬ 
tiven  Pneumonien,  unter  denen  kein  Todesfall  zu  verzeichnen  ist. 

Fischer  berichtet  über  Extrauteringravidität  und  ihre  opera¬ 
tive  Behandlung  nach  den  auf  der  betreffenden  Abteilung  vom  Okto¬ 
ber  1895  bis  Oktober  1905  behandelten  78  Fällen.  4  mal  wurde 
2  malige  Extrauteringravidität  bei  derselben  Frau  beobachtet,  in 
68  Fällen  .konnte  die  Diagnose  vorher  gestellt  werden,  die  Hälfte  der 
Fälle  gelangte  in  schwerem  Kollaps  mit  Zeichen  innerer  Blutung  zur 
Aufnahme,  alle  Fälle  wurden  operiert,  77  mal  laparotomiert,  1  mal 
Kolpotomie  vorgenommen.  F.  bespricht  die  differentialdiagnostischen 
Momente. 

Goldammer  gibt  Beiträge  zur  Chirurgie  der  Gallenwege  und 

verwertet  dabei  228  operativ  behandelte  Fälle,  in  erster  Linie  von 
Choleli thiasis,  aus  den  Jahren  1895- — 1906  (192  aus  der  Abteilung,  die 
übrigen  aus  Prof.  K  ü  m  m  e  1 1  s  Privatpraxis)  und  vergleicht  seine 
Statistik  mit  der  K  e  h  r  s  und  Ritters,  wovon  die  letztere  (des  In¬ 
ternisten)  nur  0,046  Proz.  Mortalität  ergibt,  und  zeigt,  dass  die  Sta¬ 
tistik  über  die  Karlsbader  Patienten  ein  völlig  schiefes  Bild  von  der 
Bedeutung,  besonders  Prognose  der  Cholelithiasis  gibt,  da  sie  die  Er¬ 
krankung  nur  von  ihrer  günstigsten  Seite  zeigt,  über  den  endgültigen 
Zustand  keinen  Aufschluss  gibt  und  dass  die  ganz  schweren  akuten 
Fälle  darin  nicht  zur  Aufnahme  kommen  und  führt  die  Statistik  von 
Binder  als  massgebend  an,  der  von  96  während  der  Dauer  von 
12  Jahren  beobachteten  Gallensteinkranken  seiner  Klientel  11  der 
Krankheit  erliegen  sah.  Dem  radikalen  Standpunkt  Riedels,  jede 
manifeste  Gallensteinkrankheit  zu  operieren,  schliesst  sich  G.  nicht 


an,  stimmt  in  der  Indikationsstellung  im  wesentlichen  mit  Kehr  und 
Körte  überein,  d.  h.  operiert,  wenn  innere  Kuren  erfolglos  waren 
oder  die  Krankheit  von  Anbeginn  so  auftritt,  dass  interne,  abwartende 
Behandlung  gefährlicher  erscheint,  als  operative;  er  präzisiert  den 
Standpunkt  der  Kümmell  sehen  Abteilung  dahin,  dass  operiert  wer¬ 
den  soll:  1.  bei  der  akuten  infektiösen  Cholezystitis  in  jedem  Stadium. 
2.  bei  der  rezidivierenden  Cholezystitis,  wenn  auch  zwischen  den  An¬ 
fällen  Krankheitssymptome  vorhanden,  Erwerbsfähigkeit  und  Lebens¬ 
genuss  beeinträchtigt  sind.  3.  bei  Hydrops  und  chronischem  Empyem 
der  Gallenblase.  4.  bei  pericholezystischen  Eiterungen.  5.  bei  jedem 
chronischen  Choledochusverschluss.  6.  bei  Kombination  jeder  Form 
des  Gallensteinleidens  mit  Morphinismus  (ausgehend  von  der  Er¬ 
fahrung,  dass  die  Entwöhnung  des  Morphiums  nach  einer  Operation 
leicht,  ohne  gleichzeitige  Beseitigung  des  kausalen  Leidens  fast  un¬ 
möglich  ist).  7.  bei  sonst  unheilbaren  Folgezuständen  der  Chole¬ 
lithiasis,  Cholangitis,  Leberabszess,  Perforationsperitonitis,  sekundäre 
Veränderungen  am  Magen  und  Dannkanal.  8.  bei  Vorliegen  -beson¬ 
derer  sozialer  Verhältnisse.  Nach  der  Kehr  sehen  Einteilung  be¬ 
spricht  G.  nun  sein  Material  unter  Anführung  der  betreffenden  Kran¬ 
kengeschichten.  Von  den  Fällen  rechtzeitig  zur  Operation  kommender 
Fälle  akuter  infektiöser  Cholezystitis  gelang  es  4  von  5  zu  retten,  von 
den  im  Stadium  der  Peritonitis  operierten  7  Fällen  starben  5,  von  ins¬ 
gesamt  16  akuten  Fällen  gelang  es  10  zu  retten,  woraus  die  Berechtigung 
des  operativen  Eingriffs  ersichtlich.  Bei  der  überwiegend  häufigen 
chronischen  Cholezystitis  hält  sich  K.  für  verpflichtet,  im  Interesse  der 
Patienten  in  den  Fällen  besonders  auf  Operation  zu  dringen,  in  denen 
es  zu  Hydrops  und  chronischem  Empyem  gekommen  (da  der  stag¬ 
nierende  Zerfall  in  diesen  abgeschlossenen  Hohlräumen  erfahrungs- 
gemäss  in  hohem  Grad  zu  bakteriellen  Infektionen  disponiert  ist.  Das 
Material  wird  in  3  Gruppen  eingeteilt,  die  Cholecystitis  chron.  recidiva, 
der  Hydrops  vesicae  felleae,  das  Empyema  c.  f.  (38  Fälle)  der  Reihe 
nach  unter  Anführung  der  Fälle,  diagnostischer  Momente  etc.  be¬ 
sprochen,  sodann  wird  der  akute  und  chronische  Choledochusver¬ 
schluss  durch  Stein  und  der  chronische  Choledochusver¬ 
schluss  durch  Tumor,  die  Operation  wegen  anderweitiger  Erkran¬ 
kungen  der  Gallenwege  oder  im  Vordergrund  stehender  Komplika¬ 
tionen  (Ileus,  traumatische  Ruptur  etc.)  und  das  Karzinom  der  Gal¬ 
lenwege  besprochen  (von  letzterem  26  Fälle).  G.  gibt  an  der  Hand 
des  229  Fälle  umfassenden  Materials  statistische  Angaben  betreffs 
Alter,  Geschlecht,  Aetiologie  etc.  (von  191  Fällen  konnte  8  mal  ein 
Trauma  anamnestisch  festgestellt  werden),  bespricht  die  einzelnen 
Symptome,  speziell  u.  a.  -die  Anwendung  der  Röntgenstrahlen  in  der 
Diagnose  der  Cholelithen  resp.  deren  Ergebnisse  (Beck,  T  r  e  p  1  i  n). 
An  den  228  Fällen  wurden  310  einzelne  Eingriffe  vorgenommen  (90  mal 
einzeitige  Zystostomie,  39  mal  ideale  extraperitoneale  Cystendyse, 
53  mal  Zystektomie,  38  mal  Choledochotomia  ext.  etc.  G.  betont,  wie 
Prof.  Kümmell  bei  der  Operation  auf  möglichst  unkompliziertes 
Arbeiten  und  schweigsames  Operieren  besonderen  Wert  legt,  be¬ 
treffs  der  Schnittführung  wurde  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  pararek¬ 
taler  Längsschnitt  ausgeführt,  als  Nahtmaterial  in  Ammonium  sulfur. 
gekochtes  festes  Katgut  verwendet.  G.  bespricht  die  einzelnen  Opera¬ 
tionen  und  gibt  eine  statistische  Uebersicht  über  die  Operations¬ 
erfolge. 

Joh.  O  e  h  1  e  r  —  Unsere  Erfahrungen  bei  1000  Fällen  von 
Riickenmarksanästhesie  —  gibt  die  Erfahrungen  bei  1000  Fällen  von 
Lumbalinjektionen,  die  in  der  letzten  Zeit  zunehmend  bessere  Resul¬ 
tate  hatten,  Misserfolge  seltener  darboten,  wenn  sie  auch  nicht  die 
ideal  ruhige  Lage  erreichten,  wie  nach  kombinierten  Narkosen  nach 
vorgängiger  Skopolamin-Morohin-Injektion.  O.  schildert  die  bei  Sto- 
vain,  Novokain,  Alypin  und  Tropakokain  gemachten  Beobachtungen; 
das  letztere  Mittel  ist  das  relativ  harmloseste,  die  Wirkung  der  In¬ 
jektion  aber  relativ  kurz,  im  Mittel  %  Stunden.  Bei  148  wurden  nur 
4  mal  ungenügende  Wirkung  und  5  mal  Kollapse  beobachtet,  auch  war 
die  motorische  Lähmung  meist  keine  vollständige.  Von  frisch  be¬ 
reiteter  steriler  5  prozentiger  Tropakokainlösung  werden  1—1  der 
1  Tropfen  der  üblichen  Suprareninlösung  1:  1000  nach  der  Sterilisation 
zugemischt  wird,  injiziert.  Vor  den  in  zugeschmolzenen  Ampullen  in 
den  Handel  gebrachten  Lösungen  warnt  Oe.,  da  er  bei  ihrer  Anwen¬ 
dung  auffallend  starke  Nebenwirkungen  (Kollapszustände)  be¬ 
obachtete;  bei  alten  schwachen  Leuten  zieht  er  Skopolamin-Morphium 
mit  Lokalanästhesie  vor.  Als  absolute  Kontraindikation  für  Rücken¬ 
marksanästhesie  müssen  septische  und  pvämische  Fälle  bezeichnet 
werden;  als  warnendes  Exempel  fügt  Oe.  einen  Fall  infizierten  Abor- 
tus  incompl.  an.  in  dem  der  unter  Lumbalanästhesie  erfolgten  Opera¬ 
tion  Zerebrospinalmeningitis  mit  tödlichem  Ausgang  folgte. 

C.  Hartwig  —  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Chyluszysten  — 
bespricht  eine  bei  49  jährigem  Mann  exstirpierte  kindskopfgrosse 
Zyste  im  Mesenterium  des  Ileum. 

Kotzenberg  —  Operative  Entfernung  eines  Tumors  des 
Ductus  omphalo-mesentericus  —  die  operative  Entfernung  eines  pri¬ 
mären  Karzinoms  auf  der  Basis  des  nicht  vollständig  geschwundenen 
Dottergangs  bei  41  jähriger  Frau. 

Goldammer  —  Kasuistischer  Beitrag  zur  osteoplastischen 
Fussresektion  —  schildert  die  von  Kümmell  vor  mehr  als  20  Jahren 
beschriebene  und  seitdem  mehrfach  geübte  Operation  zur  Herstellung 
eines  Sohlenfusses  nach  ausgedehnter  Zerstörung  der  Fusswurzel 
(Tarsectomia  post,  oder  totalis)  unter  Verzicht  auf  die  sonst  allgemein 
übliche  Osteoplastik  nach  Wladimirow -  Mikulicz.  G.  zeigt 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1891 


an  den  Röntgenogrammen  etc.  den  Ansatz  des  Fussrestes  an  der  vor¬ 
deren  Tibiafläche  und  Fixation  durch  Verschraubung  und  die  günsti¬ 
gen  funktionellen  Resultate. 

H.  Denks  —  Tumor  des  Okzipitallappens  des  Gehirns  durch 
Operation  geheilt  —  gibt  die  Schilderung  eines  bei  27  jährigem  Herrn 
erfolgreich  operierten  Spindelzellensarkoms  des  Hinterhauptlappens, 
der  bei  Kopfschmerz,  Stauungspapille  und  rechtsseitiger  Hemianopsie 
gefunden  und  stumpf  ausgelöst  wurde. 

E  i  c  h  1  e  r  —  Zur  Behandlung  der  Malleolarfrakturen  —  gibt 
eine  Uebersicht  der  von  1895 — 1898  und  von  1898 — 1906  im  Eppen- 
dorfer  Krankenhaus  behandelten  Knöchelbrüche  and  schildert  die 
Vorzüge  der  in  der  letzteren  Periode  vorwiegend  angewendeten  Be¬ 
handlung  mit  Extension  in  Schultzscher  Lade,  wobei  durch 
unten  dicht  an  der  Sohle  zusammengebrachte  Heftpflasterstreifen 
die  Gegend  der  Malleolen  komprimiert,  ein  Auseinanderweichen  der 
Fussgabel  verhütet  wird,  wodurch  erhebliche  Besserung  der  Funktion 
(in  71,8  Proz.  gutes  Gehvermögen,  wie  früher),  Vermeidung  chroni¬ 
schen  Oedems  und  des  bei  Gipsverbandbehandlung  so  relativ  häufigen 
traumatischen  Plattfusses  erreicht  wird. 

T  i  1 1  m  a  n  n  gibt  die  Endresultate  von  228  Fixationen  des  Lig. 
rotunda.  (A  1  e  x  a  n  d  e  r  -  A  d  a  m  s  sehe  Operation). 

Kotzenberg:  Zur  Frage  der  operativen  Behandlung  der 
idiopathischen  Epilepsie.  K.  führt  nach  Besprechung  der  chirurgi¬ 
schen  Arbeiten  über  Epilepsie  16  in  den  Jahren  1896 — 1906  im  Eppen- 
dorfer  Krankenhaus  trepanierte  Fälle  genuiner  Epilepsie  an;  von 
diesen  13  für  die  Besprechung  in  Betracht  kommen,  von  denen  in 
2  Fällen  durch  die  Trepanation  definitive,  11  Jahre  bestehende,  Heilung 
erzielt  und  in  3  anderen  entschiedene  Besserung  (bei  1  weiteren 
ist  die  Zeit  noch  zu  kurz)  erreicht  wurde,  während  in  6  Fällen  die 
Epilepsie  durch  die  Operation  nicht  beeinflusst  wurde.  1  Fall  starb. 

Derselbe  bespricht  „unsere  Untersuchungsniethoden  bei  Nie¬ 
renkrankheiten“.  Die  hier  speziell  in  Betracht  kommenden  chemi¬ 
schen,  pathologischen,  bakteriologischen  und  radiologischen  Unter¬ 
suchungen  und  speziell  die  der  funktionellen  Nierendiagnostik  (Kryo- 
skopie  etc.). 

H.  Kümm  eil:  Das  Operationsgebäude  des  Eppendorfer  Kran¬ 
kenhauses  nach  seiner  Neugestaltung. 

K.  schildert  unter  Beigabe  zahlreicher  Abbildungen  und  Pläne 
das  vorzüglich  eingerichtete  neue  Operationsgebäude,  dessen  ganzes 
Parterre  ausschliesslich  durch  die  4  aseptischen  Operationssäle  und 
die  dazugehörigen  Narkose-  und  Untersuchungsräume  (mit  Nieder¬ 
druckdampfheizung  etc.)  in  Anspruch  genommen  wird,  von  denen 
besonders  der  neue  grosse  Operationssaal  die  Aufgabe  zu  lösen  hatte, 
gleichzeitig  als  Lehrsaal  zu  dienen  und  einer  grösseren  Zahl  von 
Studierenden  und  Aerzten  genaueren  Einblick  in  die  Details  der 
operativen  Technik  zu  gestatten.  Alle  Details,  Wände,  Boden,  Sterili¬ 
satoren  etc.  werden  besprochen  und  hat  sich  das  Operationshaus  in 
seiner  jetzigen  Gestalt  nach  jeder  Hinsicht  bewährt  (fast  4000  Ope¬ 
rationen  wurden  im  letzten  Jahre  ausgeführt  und  Gästen  und  Zu¬ 
hörern  genaueres  Beobachten  der  Einzelheiten  der  Operation  er¬ 
möglicht. 

Manuel  —  Zur  Bakteriologie  der  akuten  und  chronischen  Ap¬ 
pendizitis  —  bespricht  an  der  Hand  von  120  Fällen  37  bei  akuter 
Appendizitis  operierte  Fälle  unter  Beifügung  entsprechender  Kranken¬ 
geschichten.  Die  bakteriologischen  Befunde  hierbei,  das  Bact.  coli 
com.  allein  oder  mit  anderen  Bakterienarten  (Kokken)  bildet  das 
Hauptkontingent  der  Appendizitiserreger.  Ein  schwerer  oder  leichter 
Anfallsbeginn  lässt  keinen  definitiven  klinischen  Schluss  auf  die  Art 
der  Krankheitserreger  zu.  Auch  die  im  freien  Intervall  operierte 
Appendix  ist  nie  steril,  enthält  hauptsächlich  Bact.  coli.  Sehr. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  33 — 34. 

No.  33.  R.  K  o  t  h  e  -  Berlin :  Ueber  die  analeptische  Wirkung 
des  Nebennierenextraktes  bei  akuten,  schweren  Herzkollapsen. 

K.  bespricht  die  stark  erregende  Wirkung  von  Nebennierenextrakt 
auf  das  Säugetierherz  (Gott  lieb).  Er  schildert  an  2  Fällen  von 
schweren  Kollapsen  nach  Lumbalanästhesie  mit  vollkommenem  Aus¬ 
setzen  von  Atmung  und  Herztätigkeit,  die  bei  vollständigem  Ver¬ 
sagen  der  üblichen  Wiederbelebungsmittel  als  hoffnungslos  angesehen 
werden  mussten  und  in  denen  die  intravenöse  Injektion  von  0,0005 
bis  0,001  Epirenan  eine  ganz  vorzügliche  war,  deren  Effekt;  beidemal 
wurde  der  Puls  nach  10  Sekunden  wieder  fühlbar  und  kräftig,  wenn 
auch  der  eine  Fall  einer  Aspiration  beim  Erbrechen  erlag.  Aller¬ 
dings  ist  hier  grosse  Vorsicht  geboten,  da  bei  den  meist  in  Betracht 
kommenden  geschwächten  Individuen  eventuell  das  geschwächte  Herz 
der  gewaltigen  Anstrengung  durch  die  starke  Verengerung  der  Ge- 
fässe  und  Blutdrucksteigerung  erliegt.  Ohne  aus  den  auf  der  internen 
Abteilung  von  Moabit  gemachten  Versuchen  Schlüsse  zu  ziehen,  glaubt 
K.  doch  das  Nebennierenextrakt  für  schwere  Chloroform-  und  Kokain¬ 
kollapse  empfehlen  zu  können. 

Georg  Meyer-Gotha:  Ueber  die  Behandlung  frischer  Wunden. 

M.  hat,  in  dem  Bestreben,  den  Mull  wegen  des  Anklebens  und 
der  dadurch  oft  bewirkten  Stagnation  und  Keimentwicklung  auszu¬ 
schalten  und  einen  löslichen  hygroskopischen  Stoff  als  Wundbelag  zu 
finden,  den  ungeblauten  Zucker  in  gut  ventiliertem  Heissluftapparat 
langsam  unter  Schütteln  auf  140 0  erhitzt  und  dann  zu  je  100  g  2  g 
Salizylsäure  zugefügt,  diese  Zuckerschicht  saugt  Blut-  und  Gewebs¬ 
flüssigkeit  sehr  energisch  auf,  hindert  die  Fibrinbildung,  das  darüber¬ 


gelegte  Mull  klebt  nicht  an,  die  Zuckerreste  können  mit  Wasser¬ 
strahl  leicht  abgespült  werden.  M.  rühmt  die  rasche  gute  Heilung 
von  akzidentellen  Wunden  etc.  unter  dieser  Behandlung.  Bei  tieferen 
Wunden  legt  M.  statt  Gazedrains  entsprechend  gearbeitete  zylin¬ 
drische  Zuckerstücke,  die  mehrere  Tage  in  einer  Lösung  von  2  Proz. 
Acidum  salicylicum  in  100  Alcohol.  abs.  gelegen  haben  und  danach  in 
sterilen  Gefässen  unter  Watteabschluss  getrocknet  sind,  ein.  Für 
kontraindiziert  hält  er  die  Zuckerbehandlung  bei  grossen,  stark  ver¬ 
unreinigten  Wunden  und  solchen,  die  eine  Blutungsgefahr  in  sich 
bergen. 

B  1  a  u  e  1  -  Tübingen :  Zur  Technik  der  Kardiolysis. 

Bl.  erwähnt,  dass  das  von  König  empfohlene  Verfahren,  nur 
das  vordere  Periost  mit  den  Rippen  dabei  zu  resezieren,  auf  der 
v.  Brunsschen  Klinik  bereits  in  3  Fällen  geübt  wurde  und  in  2 
(bei  denen  schon  längere  Zeit  danach  verflossen)  guten  Erfolg  er¬ 
gab,  auch  Bl.  erkennt  die  hierdurch  sich  ergebende  wichtige  Abkürzung 
der  Operation  durch  Schonung  der  Pleura  an,  wodurch  die  Kardiolyse 
für  die  Patienten  ungefährlicher,  ihr  Anwendungsgebiet  ein  grösseres 
wird. 

No.  34.  Allen  B.  Kanavel:  Eitrige  Infektionsprozesse  der 
Hand  und  des  Unterarms. 

K.  bespricht  unter  Beigabe  entsprechender  anatomischer  rönt¬ 
genographischer  Abbildungen  speziell  die  Methoden  der  hiebei  ge¬ 
botenen  Inzisionen. 

Schlesinger:  Zur  Nachbehandlung  der  an  Mammakarzinom 
Operierten. 

Nach  Schl,  ist  die  Berücksichtigung  der  mechanischen  Wundver¬ 
hältnisse,  die  Vermeidung  auch  nur  des  kleinsten  Zwischenraumes  im 
Wundgebiete  für  eine  Reihe  von  Operationen  von  eben  so  grosser 
Bedeutung  für  den  Erfolg,  wie  die  exakte  Innehaltung  der  Asepsis, 
er  empfiehlt  deshalb  auch,  um  Steifigkeit  durch  Organisation  von 
Extravasaten  zu  verhüten,  nach  Mammaexstirpation  feste  Ausstopfung 
der  Achselhöhle  mit  einzelnen  Tupfern,  ebenso  die  Kompression  nach 
Hernienoperationen. 

K.  Lengfellner:  Ein  wissenschaftlich  orthopädischer  Schuh¬ 
leisten.  Sehr. 

Archiv  für  Orthopädie,  Mechanotherapie  und  Unfall¬ 
chirurgie.  6.  Bd.,  1.  Heft. 

Thomas-  Köln :  Zur  Prothesenfrage. 

Th.  plädiert  dafür,  dass  man  Amputierten  besonders  in  der 
ersten  Zeit  nach  der  Operation  mehr  Stelzfiisse  geben  solle,  da  der 
Pat.  wegen  des  grösseren  Gewichtes  ein  künstliches  Bein  zunächst 
nicht  dirigieren  könne  und  ausserdem  die  Stumpfatrophie  immer 
wieder  Aenderungen  nötig  mache.  Bei  Amputationen  der  oberen 
Extremität  soll  der  Arzt  auf  Beschaffung  einer  Arbeitsklaue  hinwirken 
an  Stelle  einer  nur  kosmetisch  befriedigenden  Hand.  Für  die  Be¬ 
messung  der  Rente  macht  ja  die  Art  des  Ersatzes  keinen  Unter¬ 
schied.  Die  Anfertigung  der  Prothesen  soll  häufiger  den  ärztlichen 
Instituten,  die  sich  mit  mechanischer  Chirurgie  befassen,  übertragen 
werden  und  nicht  dem  Bandagisten  ohne  Kontrolle  überlassen  bleiben. 

Landwehr  - Köln:  Winkelmesser  für  die  tägliche  Praxis  des 
Orthooäden  und  Gutachters. 

L.  beschreibt  einen  Winkelmesser,  der  mittels  zweier  Skalen  so¬ 
wohl  bei  grossen  wie  bei  kleinen  Gelenken  eine  genaue  Messung  der 
Exkursionsfähigkeit  ermöglicht.  Genauere  Beschreibung  ist  nur  an  der 
Hand  von  Abbildungen  möglich. 

B  y  s  t  r  o  w  -  Königsberg :  Ueber  die  angeborene  Trichterbrust. 

Im  Anschluss  an  einen  Fall,  den  B.  beobachtete,  bespricht  er 
die  Aetiologie  dieses  Leidens  mit  Berücksichtigung  aller  bisher  auf¬ 
gestellten  Theorien.  Bei  B.s  Pat.  war  die  Einsenkung  des  Thorax 
in  der  Weise  gebildet,  dass  der  rechte  Arm  genau  hineinpasste.  B. 
sieht  deshalb  auch  die  Ursache  der  Trichterbrust  in  der  Impression 
des  Armes  in  den  Thorax  durch  Raumbeengung  in  utero.  Das  von 
vielen  Autoren  angeführte  Vitium  primae  formationis  erscheint  Verf. 
als  allerunwahrscheinlichst  in  ätiologischer  Beziehung. 

Schultze-  Duisburg:  Das  maschinelle  modellierende  Redresse¬ 
ment  des  Plattfusses  durch  einen  Plattfussosteoklasten. 

Sch.  benutzt  eine  Modifikation  seines  Klumpfussosteoklasten,  der 
ein  Redressement  des  Plattfusses  unter  Leitung  der  Hand  ermöglicht, 
so  dass  der  Apparat  nur  die  Kraft  vermehrt  mit  der  redressiert  wird. 
Vorher  geht  eine  Verlängerung  der  Achillessehne  durch  Tenotomie. 
Mit  den  erreichten  Resultaten  ist  Sch.  sehr  zufrieden. 

S  c  h  u  1 1  z  e  -  Duisburg:  Zur  Behandlung  des  Klumpfusses. 

In  Beantwortung  des  in  der  Münch,  med.  Wochensch.  er¬ 
schienenen  Artikels  von  Lange:  Was  kann  der  praktische  Arzt 
zur  Linderung  des  Krüppelelends  tun?  stellt  Sch.  seine  Grundsätze  bei 
der  Behandlung  des  Klumpfusses  auf.  Tenotomie  der  Achillessehne 
soll  prinzipiell  in  allen  Fällen  gemacht  werden.  Das  Redressement 
soll  ausgiebig  erfolgen,  bis  der  Fuss  ganz  weich  geworden  ist.  dann 
Gipsverband  und  keine  Bandagen-  Dekubitus  ist  nur  bei  ungenügender 
Mobilisation  zu  fürchten.  Bei  Erwachsenen  muss  das  maschinelle 
Redressement  durch  den  Lorenz  sehen  und  Schultze  scheu 
Osteoklasten  dazu  kommen.  Damit  gelingt  dann  die  Korrektur  auch 
verhältnismässig  leicht  und  vollständig. 

Kof  mann -Odessa:  Ein  Fall  von  angeborener  Kmegelcnks- 
luxation  mit  Fehlen  der  Patella.  Operative  Herstellung  der  Knie¬ 
scheibe. 


1892 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Verf.  beobachtete  einen  dieser  seltenen  Fälle  von  Knieluxation 
mit  Genu  recurvatum.  Da  der  stark  gespannte  (Juadrizeps  die  Re¬ 
position  resp.  Flexion  verhinderte,  so  wurde  der  Ansatz  der  Qua- 
drizepssehne  mit  der  Tuberositas  tibiae  abgetrennt  und  letztere  am 
oberen  Rand  der  Tibia  wieder  angenäht.  Fs  wurde  damit  sowohl 
eine  ziemlich  gute  Beweglichkeit  erzielt  als  auch  eine  neue  Patella 
geschaffen. 

B  a  d  e  -  Hannover:  Ueber  das  Zusammenwirken  von  Arzt  und 
Schule  in  Krüppelheimen. 

B.  tritt  für  ein  Zusammenwirken  von  Arzt  und  Schule  bei  der 
Behandlung  der  Krüppelkinder  ein,  da  weitaus  der  grösste  Teil  (63 
Proz.)  an  Krankheiten  leidet,  für  die  ein  gemeinsames  Arbeiten  förder¬ 
lich  ist.  Besonders  in  Frage  kommt  dabei  die  spinale  Kinderlähmung, 
Klumpfuss,  Hiiftluxation,  schwere  Skoliosen  sowie  chronische  Tuber¬ 
kulosen,  in  zweiter  Linie  auch  die  zerebrale  Lähmung  und  die 
L  i  tt  1  e  sehe  Krankheit.  Ein  geringerer  Teil  eignet  sich  entweder  nur 
für  die  Schule  (15,75  Proz.)  oder  nur  für  den  Arzt  (13,3  Proz.).  Für 
beide  ungeeignet  sind  7,9  Proz.  Ferner  ergibt  sich  aus  der  Zu¬ 
sammenstellung  von  55  Krüppelheimen,  dass  davon  bereits  44  Proz. 
es  dahin  gebracht  haben,  dass  Arzt  und  Schule  Zusammenarbeiten. 

D  e  s  s  a  u  e  r  -  Aschaffenburg:  Ueber  einen  neuen  röntgenologi¬ 
schen  Untersuchungsapparat  (Trochoskop). 

D.  beschreibt  einen  Tisch  zur  Untersuchung  mittels  Röntgen¬ 
strahlen,  der  die  Durchleuchtung  des  liegenden  Pat.  gestattet.  Die 
Röhre,  die  sich  unterhalb  des  Tisches  befindet,  ist  nach  Belieben 
verschieblich,  sodass  jeder  Teil  des  Körpers  durchleuchtet  werden 
kann,  ohne  die  Lage  des  Kranken  zu  ändern.  Da  die  Röhre  voll¬ 
ständig  eingeschlossen  ist  und  die  ausgesandten  Strahlen  nach  Be¬ 
lieben  abgeblendet  werden  können,  so  ist  die  Differenzierung  auf  dem 
Leuchtschirm  eine  sehr  gute.  Auch  für  Photographie  kann  der 
Apparat  verwendet  werden. 

C  o  1  m  e  r  s  -  Heidelberg:  Die  Lokalanästhesie  als  Hilfsmittel  bei 
der  Untersuchung  von  Unfallverletzten. 

Bei  zwei  Unfallverletzten,  die  an  erheblichen  Bewegungsstörungen 
infolge  schmerzhafter  Narben  resp.  Muskelpartien  litten,  konnte  C. 
durch  Infiltration  der  schmerzempfindlichen  Partien'  mit  Novokain¬ 
lösung  eine  völlig  freie  Beweglichkeit  erzielen.  Nach  dem  Ab¬ 
klingen  der  Anästhesie  stellten  sich  die  alten  Beschwerden  wieder  ein. 
C.  schliesst  daraus,  dass  eine  tatsächlich  lokale  Erkrankung  mit  Re¬ 
flexneurose  vorlag  und  keine  Simulation.  Auch  hofft  Verf.  von  der 
operativen  Entfernung  der  erkrankten  Partien  Heilung  oder  wenig¬ 
stens  Besserung.  O  1 1  e  n  d  o  r  f  f  -  Heidelberg.' 

Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Band  60. 
Heft  2.  Stuttgart  1907,  F.  E  n  k  e. 

1)  B  ab -Berlin:  Bakteriologie  und  Biologie  der  kongenitalen 
Syphilis. 

Verf.  gibt  in  einem  mit  ausgezeichneten  Mikrophotogrammen 
versehenen  Ueberblick  eine  Darstellung  der  Spirochätenbefunde  in 
den  meisten  fötalen  Organen,  sowie  eine  Zusammenstellung  und  eine 
Kritik  der  hämolytischen  Fähigkeiten.  Die  Arbeit  ist  durch  die  Fülle 
des  untersuchten  Materiales  von  Bedeutung.  Besonders  wichtig  sind 
wohl  die  Forschungen  über  den  Infektionsmodus,  der  ein  ausschliess¬ 
lich  spermatogener  zu  sein  scheint. 

2)  M  a  e  n  n e  1 -Breslau:  Anatomische  Untersuchungen  über  den 
Bau  und  die  Aetiologie  der  Hämatozelenmembran. 

Das  Endergebnis  der  preisgekrönten  Arbeit  lässt  sich  dahin  zu¬ 
sammenfassen:  Das  Blut  kommt  nicht  flüssig  in  die  Bauchhöhle,  sondern 
geronnen  und  geformt,  in  seinen  periphersten  Schichten  durchsetzt 
mit  organisierten  Bestandteilen  aus  der  Tubenwand  stammend,  Binde- 
gewebskeimen,  Muskelfasern,  durch  die  eine  Resorption  verhindert 
wird,  und  die  Verklebungen  und  Verwachsungen  mit  der  Nachbarschaft 
eingehen.  Von  hier  schreitet  die  weitere  bindegewebige  Ausbildung 
der  Hämatozelenmembran  weiter  fort. 

3)  v.  F  r  a  n  q  u  e  -  Prag:  Leukoplakia  und  Carcinoma  vaginae 
et  uteri. 

Die  Leukoplakia  vaginae  ist  stets  als  verdächtiges  Symptom  auf- 
zufassen,  da  sich  in  fast  allen  bisher  bekannten  Fällen  Karzinom 
schliesslich  anschloss.  Daher  stets  mikroskopisch  untersuchen!  Die 
Leukoplakia  stellt  eine  auf  dem  Boden  chronischer  Entzündung  ent¬ 
stehende  atypische  Epithelwucherung  mit  starker  Tendenz  zur  ma¬ 
lignen  Degeneration  dar.  Die  weiteren  Untersuchungen  befassen  sich 
mit  der  Genese,  Histologie  und  operativen  Behandlung  des  Scheiden¬ 
karzinoms.  Besondere  Erwähnung  verdienen  die  ausgezeichneten  Ta¬ 
feln  und  Abbildungen,  die  der  Arbeit  beigefügt  sind. 

3)  Derselbe:  Zur  Nekrose  und  Vereiterung  der  Myome. 

Bei  gangränösen,  fetzig  in  die  Scheide  herabhängenden  Myomen 
ist  bei  Notwendigkeit  abdominellen  Vorgehens  die  Totalexstirpation 
des  Uterus  nach  Austamponierung  desselben  mit  Formalingaze  und 
Vernähung  der  Zervix  und  zwar  mit  primärer  Eröffnung  des  vor¬ 
deren  Scheidengewölbes  angezeigt  und  erfolgversprechend.  Nekro¬ 
tische  Myome  können  durch  Uteruskontraktionen  in  die  Bauchhöhle 
und  zwischen  die  Blätter  des  Lig.  latum  ausgestossen  werden,  womit 
im  ersteren  Falle  erhebliche  Gefahren  verbunden  sind.  Die  bei  Total¬ 
nekrose  interstitieller  Myome  nicht  selten  beobachteten  subfebrilen 
I  emperaturen  sind  Folge  von  Resorption  pyogener  Substanzen  aus 
den  nekrotischen  Massen.  Vereiterung  interstitieller  Myome  nach 


Infektion  auf  dem  Blutwege  kann  auch  in  der  Menopause  ohne 
nachweisbare  Ursachen  Vorkommen. 

Bei  allen  weichen  Myomen  ist  das  Anhaken  des  Tumors  während 
der  Operation  zu  vermeiden,  um  die  eventuell  verderbliche  Zcrreis- 
sung  des  Geschwulstmantels  sicher  zu  vermeiden. 

Werner-  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  I.  16.  Heft. 

1)  Karl  Ernst  L  a  u  b  en  b  u  r  g  -  Remscheid:  Zur  Frage  der 
Myomoperationen  in  der  Schwangerschaft. 

L.  tritt  unter  Mitteilung  eines  diesbezüglichen  Falles  für  ein  mehr 
konservatives  Verfahren  bei  den  Myomoperationen  in  der  Gravidi¬ 
tät  ein. 

2)  Bernhard  Engländer-  Krakau :  Oberflächliche  Nekrose  der 
Scheidenschleimhaut  im  Verlaufe  einer  Entzündung  des  Beckenbinde¬ 
gewebes. 

Beschreibung  eines  Falles,  bei  welchem  infolge  Einfiihrens  von 
Ichthyolkugeln  (ä  0,20)  wegen  Parametritis  posterior  die  oberfläch¬ 
liche  Scheidenschleimhaut  sich  nekrotisch  abstiess. 

3)  Karl  E  i  s  e  n  s  t  e  i  n  -  Szegedin:  Eine  Steisszange.  (Heb¬ 
ammenklinik  Szegedin.)  (Mit  2  Abbildungen.) 

E.  empfiehlt  eine  von  ihm  angegebene  dreiarmige  Steisszange. 
welche  so  anzulegen  ist,  dass  die  Blätter  je  eines  über  den  Darm¬ 
beinkämmen,  das  dritte  über  der  Symphyse  liegt.  Das  Anlegen  ist 
einfach  (?!),  Verletzungen  der  Kinder  sollen  nicht  Vorkommen  können. 

•4)  August  Rieländer  -  Marburg  a.  L. :  Ueber  Erfahrungen,  die 
mit  dem  neuen  preussischen  Hebammenlehrbuche  in  Unterricht  und 
Praxis  gemacht  worden  sind.  (Schluss  folgt.) 

Heft  17. 

1 )  Max  v.  H  o  1  s  t  -  Dresden :  Wie  operieren  wir  am  rationellsten? 
Mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Pfannen  stiel  sehen  Quer¬ 
schnittes.  (Carolakrankenhaus  Dresden.) 

Gynäkologische  Laparotomien  sollen,  wenn  irgend  die  Verhält¬ 
nisse  es  gestatten,  mittels  des  P  f  a  n  n  e  n  s  t  i  e  1  sehen  Ouerschnittes 
ausgeführt  werden.  Aufzählung  der  Vorzüge  dieser  Schnittführung 
an  der  Hand  von  143  von  v.  H.  ausgeführten  Laparotomien,  bei 
welchen  125  mal  der  Pfannenstiel  sehe  Faszienkreuzschnitt  in  An¬ 
wendung  kam. 

2)  Alois  R  o  s  e  n  b  e  r  g  e  r  -  Ofen-Pest:  Haematoma  (Thrombus) 
vulvae  als  Geburtshindernis. 

Entstehung,  Symptome,  Prognose,  Diagnose  und  Therapie  des 
Haematoma  vulvae.  Im  Anschluss  Schilderung  eines  selbst  beobach¬ 
teten  Falles. 

3)  August  R  i  e  1  ä  n  d  e  r  -  Marburg:  Ueber  Erfahrungen,  die  mit 
dem  neuen  preussischen  Hebammenlehrbuche  in  Unterricht  und 
Praxis  gemacht  worden  sind. 

Besprechung  der  letzten  Auflage  des  preussischen  Hebammen¬ 
lehrbuches  1905.  Enthält  Vorschläge  betr.  Aenderungen  und  Zusätze, 
welche  nach  den  in  der  Marburger  Hebammenlehranstalt  gemachten 
Erfahrungen  für  die  in  Aussicht  gestellte  Neuauflage  erwünscht  er¬ 
scheinen.  A.  Rieländer  -  Marburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  VI.  No.  4.  (Juli 
1907.) 

1 )  Angiola  Borrino-7  urin:  Proteolytische  Fermente  im 
Säuglingsurin.  (Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  in  Breslau.) 

Es  ist  dem  Verfasser  gelungen,  im  Urin  von  Kindern  jeden  Alters, 
auch  von  Neugeborenen,  Uropepsin  nachzuweisen.  Die  beim 
Säugling  vorhandene  Menge  ist  zusammen  mit  einer  entsprechenden 
Salzsäurelösung  im  Stande,  Fibrinflocken,  aber  nicht  abgekochtes 
Hiihnereiweiss  zu  verdauen. 

~)  F.  G  o  e  p  p  e  r  t  -  Kattowitz:  Sammelreferat  über  Arbeiten  aus 
der  oto-,  rhino-  und  laryngologischen  Literatur. 

Referate.  Albert  Uffenheimer  -  München. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  36.  1907. 

1)  H.  Oppenheim  und  M.  Borchardt-  Berlin :  Ueber  einen 
weiteren,  differentialdiagnostisch  schwierigen  Fall  von  Rückenmarks¬ 
hautgeschwulst  mit  erfolgreicher  Behandlung. 

O.  bespricht  die  klinischen  Erscheinungen  bei  dem  23  jährigen 
Patienten,  einem  Schneider,  bei  welchem  sich  besonders  eine  spa¬ 
stische  Parese  des  linken  Beines  mit  Atrophie  des  M.  quadriceps,  fer¬ 
ne’.'  rein  spastische  Erscheinungen  am  rechten  Bein,  erhebliche  Sensi¬ 
bilitätsstörungen,  sowie  leichtere  Blasenmastdarmstörungen  fanden. 
Die  von  B.  vorgenommene  Operation  ergab  ein  von  der  Höhe  des 
mittleren  Lendenmarks  bis  über  den  Konus  sich  hinab  erstreckendes 
Fibrom.  Das  Resultat  bestand  in  einer  erheblichen  Besserung  aller 
genannten  Störungen.  Auffallend  war,  dass  die  klinischen  Erschei¬ 
nungen  ausschliesslich  durch  die  Kompression  des  Markes  durch  den 
oberen  Pol  der  Geschwulst  bedingt  waren.  Herr  B.  berichtet  über 
die  chirurgisch  interessanten  Einzelheiten  des  Falles. 

2)  J.  C  i  t  r  o  n  -  Berlin :  Ueber  Tuberkuloseantikörper  und  das 
Wesen  der  Tuberkulinreaktion, 

Die  hier  mitgeteilten  ausgedehnten  Versuche  und  die  daran  ge¬ 
knüpften  Folgerungen  eignen  sich  nicht  zu  kurzem  Auszuge. 

3)  A.  G  u  t  m  a  n  n  -  Berlin :  M  i  k  u  I  i  c  z  sehe  Krankheit  in  ihrer 
Beziehung  zur  Lues, 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1893 


Die  Mikulicz  sehe  Krankheit  besteht  im  allgemeinen  in  einer 
symmetrischen  Schwellung  der  Thränen-  und  Speicheldrüsen.  Q. 
berichtet  über  eine  von  ihm  gemachte  Beobachtung  der  Art  bei  einem 
27  jährigen  Manne,  welcher  vor  3  Jahren  bestimmt  luetisch  erkrankt 
war.  Auf  Jodtherapie  und  allgemein  kräftigende  Behandlung  erfolgte 
ein  Rückgang  der  Erkrankung  der  genannten  Drüsengruppen  und 
schliesslich  völlige  Heilung.  Verf.  stellt  eine  Anzahl  ähnlicher  Be¬ 
obachtungen  aus  der  Literatur  zusammen. 

4)  J.  Glaub  er  man  n- Moskau:  Klinische  Beobachtungen  über 
die  Einwirkung  des  Atoxyls  auf  den  Verlauf  des  Rückfallfiebers. 

Die  gemachten  Mitteilungen  beziehen  sich  auf  70  mit  subkutanen 
Injektionen  einer  20  proz.  Atoxyllösung  behandelte  Rekurrenspatien- 
ten.  Alle  diese  Fälle  zeigten  keinerlei  Erscheinungen  von  Arsenintoxi¬ 
kation.  Bei  30  mit  kleineren  Dosen  behandelten  Fällen  wurde  hin¬ 
sichtlich  der  Verhütung  weiterer  Anfälle  kein  Erfolg  erzielt,  nur  dauer¬ 
ten  die  zweiten  Anfälle  kürzer.  Bei  den  anderen,  mit  hohen  Dosen  be¬ 
handelten  Fällen  kam  es  in  63  Proz.  überhaupt  nur  zu  einem  Anfall, 
auch  hier  bestand  gutes  Allgemeinbefinden  und  traten  keine  Vergif¬ 
tungserscheinungen  auf. 

5)  G.  Tugendreich  - Berlin :  Mongolenkinderfleck  bei  2  Ber¬ 
liner  Säuglingen.  ,  .  ,  4  rx  .  , 

Die  genannte  Affektion  besteht  in  dem  Auftreten  eines  oder 
mehrerer  direkt  über  der  Rima  ani  gelegener  Flecke  von  Erbsen-  bis 
Handtellergrösse  von  mattblauer  Farbe  und  kommt  speziell  bei  Mon¬ 
golen  und  Mongoloiden,  z.  B.  bei  90  Proz.  aller  Neugeborenen  in 
Japan,  vor.  Verf.  konnte  in  der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft 
2  Berliner  Säuglinge  mit  dieser  Veränderung,  welche  als  Rassenmerk¬ 
mal  bedeutsam  ist,  vorstellen. 

6)  R  o  1 1  i  n  -  Stettin:  Ueber  nutritive  Anämie. 

Verf.  hat  schon  früher  den  Nachweis  geliefert,  dass  mit  dem  Sin¬ 
ken  der  Azidität  des  Magensaftes  die  Durchmesser  der  roten  Blut¬ 
körperchen  abnehmen  und  kleinere  Formen  erscheinen.  Durch  Dar¬ 
reichung  von  Salzsäure  kann  diese  nutritive  Anämie  günstig  beein¬ 
flusst  werden.  Dieser  Zusammenhang  ist  ein  so  konstanter,  dass 
Roll  in  angibt,  aus  der  physikalischen  Körperuntersuchung  und 
Durchsicht  des  frischen  Blutpräparates  eine  ausreichende  Einsicht  in 
die  Säureverhältnisse  des  Magens  zu  bekommen.  Der  Zungenbelag 
ist  nach  R.  ein  Symptom  der  nutritiven  Anämie,  wozu  die  Disposition 
mit  der  Höhe  der  Papillen  zunimmt. 

7)  C.  B  r  u  h  n  s  -  Berlin:  Die  Lebensprognose  des  Syphilitikers. 

Bei  Abwesenheit  klinischer  Symptome  besitzen  wir  auch  heute 

noch  kein  ganz  sicheres  Zeichen,  einen  früher  luetisch  Infizierten  be¬ 
stimmt  als  geheilt  zu  bezeichnen.  Ueber  das  Schicksal  der  Syphi¬ 
litiker  wird  auch  Aufschluss  erhalten  aus  den  Papieren  der  Lebens¬ 
versicherungsanstalten,  aus  welchen  festzustellen  ist,  wie  viele  der 
Versicherten  an  Folgezuständen  ihrer  Syphilis  gestorben  sind.  Verf. 
gibt  eine  Zusammenstellung  solcher  Arbeiten  und  eine  Kritik  der  darin 
enthaltenen  Angaben,  aus  welchen  im  allgemeinen  hervorgeht,  dass 
jeder  4  bis  5.  versicherte  Syphilitische  an  den  Folgen  seiner  Infektion 
stirbt,  und  zwar  im  Mittel  etwa  20  Jahre  nach  Eintritt  derselben.  Wie 
gross’  der  Einfluss  früherer  Behandlung  auf  diese  Prozentsätze  ist. 
lässt  sich  statistisch  noch  nicht  hinreichend  erkennen  und  wünscht 
Verf.  daher  eine  wohlorganisierte  grosse  Sammelforschung,  welche 
sich  zweckmässigerweise  speziell  auch  auf  Aerzte,  welche  sich  syphi¬ 
litisch  infiziert  haben,  zu  erstrecken  hätte. 

Grass  mann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  36. 

1)  Heine-Greifswald:  Die  Diagnose  und  Therapie  der  Iritiden. 

(Klinischer  Vortrag.) 

2)  Cassirer  und  B  a  m  b  e  r  g  e  r  -  Grunewald:  Ein  Fall  von 
Polyzythämie  und  Zwangsvorstellungsneurose. 

39jähr.  Mann  aus  nervöser  Familie,  leidet  an  Zwangsvorstel¬ 
lungen  sexuell-obszönen  Inhalts,  zeitweilig  auch  an  Gesichtshalluzina- 
tionen;  daneben  Bild  der  Polyzythämie:  Vermehrung  der  roten  Blut¬ 
körperchen  bei  normalem  Leukozytengehalt,  Erhöhung  des  Hb-Gehal- 
tes,  Zyanose  ohne  Stauungserscheinungen,  Vergrösserung  der  Milz 
und  Leber.  Verf.  denken  an  möglichen  Zusammenhang  zwischen  der 
gesteigerten  Reizbarkeit  der  Sinnessphären  und  Steigerung  des  Stoff- 


Ein  Beitrag  zur  patho- 

Siehe  das  Referat  in 


Wechsels. 

3)  M.  W  e  s  t  e  n  h  oeff  e  r  -  Berlin 
logischen  Anatomie  der  Plethora  vera. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin. 

No  30,  S.  1508  dieser  Wochenschrift. 

4)  W.  V  e  i  1  -  Strassburg:  Weitere  Beobachtungen  über  Unter¬ 
suchung  des  Bluts  auf  Typhusbazillen  und  auf  Agglutination. 

Untersuchungen  an  210  Abdominaltyphusfällen  ergaben  folgendes. 
Für  die  Frühdiagnose  ist  negative  Agglutinationsreaktion  nur  sehr 
bedingt  verwertbar,  die  Blutzüchtung  überlegen;  in  der  2.  und 
3.  Krankheitswoche  gewinnt  die  Agglutinationsprobe 
Oberhand.  Paratyphusbazillen  konnten  in  3  von  13 
Blut  gezüchtet  werden. 

5)  W.  Poljakoff  und  W.  C  h  o  r  o  s  c  h  k  o  -  Moskau 

neuritis  und  Bakterium  coli. 

Vergleiche  das  Referat  auf  Seite  1895/96  dieser  Nummer. 

6)  W.  G  u  1 1  m  a  n  n  -  Freiburg  i.  B. :  Zur  Beurteilung  und  Prüfung 
des  Patellarreflexes. 


immer  mehr  die 
Fällen  aus  dem 


Poly- 


Verf.  empfiehlt,  mit  einem  Handtuch  den  Unterschenkel  zu  suspen¬ 
dieren  und  mit  einem  zweiten  Handtuch  den  Oberschenkel  etwas 
schräg  nach  oben  zu  ziehen  zwecks  Entspannung  der  Muskulatur. 

7)  Hugo  N  e  u  h  ä  u  ser  -  Berlin:  Ueber  Aktinomykose  der  weib¬ 
lichen  Genitalien. 

Mitteilung  eines  Falles  mit  dieser  seltenen  Lokalisation.  Ob  pri¬ 
märe  oder  sekundäre  Infektion  der  Genitalien  (vom  Darm  her),  konnte 
auch  die  Autopsie  nicht  entscheiden. 

8)  S  c  h  ii  r  m  a  n  n  -  Berlin:  Zerreissung  des  Halses  mit  Abreissen 
des  Kehlkopfes. 

Automobilunfall;  zunächst  Tracheotomie,  später  Annähung  des 
abgerissenen  Larynx  ans  Zungenbein. 

9)  Gustav  B  r  a  d  t  -  Berlin:  Zur  Kasuistik  der  Verbrennung  der 
Halsorgane. 

10)  £.  S  a  r  d  e  m  a  n  n  -  Marburg:  Die  Lebensversicherung  im 
Kriegsfälle. 

11)  III.  Bericht  des  Herrn  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Robert  Koch  von 
der  deutschen  Expedition  zur  Erforschung  der  Schlafkrankheit. 

Die  Expedition  begab  sich  von  Sese  aus  nach  Kisiba,  welches  zu 
dem  deutschen  Bezirk  Bukoba  gehört,  und  nach  dem  Bezirk  Shirati, 
um  die  Schlafkranken  in  einem  stehenden  Lazarett  zu  behandeln.  Die 
Zahl  der  im  nördlichen  Teil  von  Bukoba  vorhandenen  Schlafkranken 
schätzt  Koch  auf  mindestens  400.  Fast  alle  haben  sich  in. Uganda 
infiziert,  in  Kisiba  war  die  Glossina  palpalis  nicht  aufzufinden,  ln 
Shirati  sind  nur  etwa  70  Kranke  vorhanden,  wovon  etwa  die  Hälfte 
die  Krankheit  aus  englischem  Gebiet  eingeschleppt  haben.  In  Mohurru 
wurde  die  Glossina  palpalis  gefunden,  also  das  Bestehen  eines  en¬ 
demischen  Herdes  nachgewiesen.  Man  denkt  die  ca.  100  Einwohner 
weiter  im  Innern  des  Landes  anzusiedeln.  Im  Lande  Kirugu,  am  öst¬ 
lichen  Ende  der  Moribucht,  scheint  die  Seuche  in  Ausbreitung  begriffen 
zu  sein.  Sie  scheint  überhaupt  auf  deutschem  Gebiete  an  der  Küste 
fortzuschreiten,  während  im  Innern  nur  verschleppte  Fälle  Vor¬ 
kommen.  Auf  der  unterwegs  berührten  Insel  Sijawanda,  wo  vor  einem 
halben  Jahr  ein  Abholzungsversuch  gemacht  worden  war,  fanden  sich 
nur  mehr  an  den  nicht  abgeholzten  Stellen  Glossinen. 

R.  Grashey  -  München. 


*  Oesterreichische  Literatur. 


Wiener  klinische  Wochenschrift. 


No.  36.  R.  Kauf  man  n- Wien:  Ueber  Kontraktionsphänomene 
am  Magen. 

Durch  die  neueren  Untersuchungen  ist  erkannt  worden,  dass  die 
Muskelarbeit  des  Magens  nicht  eine  einfache  Peristaltik  darstellt,  son¬ 
dern  der  komplizierte  Muskelapparat  eine  Reihe  von  Bewegungs¬ 
formen  vermittelt,  welche  am  Eingänge  in  das  Antrum  rhythmische 
Bewegungen  erzielen  und  dadurch  das  Antrum  von  der  Kardia  als 
vollständig  getrennten  Hohlraum  abscheiden.  Dadurch  werden  nach 
Ansicht  des  Verfassers  die  unverdauten  Speisen  zunächst  in  die  Fun¬ 
dushöhle  geleitet,  die  Flüssigkeiten  direkt  in  das  Antrum  befördert. 
Hierzu  ist  in  erster  Linie  eine  von  der  zirkulären  Kontraktion  und 
den  Drehungen  des  Magens  zu  unterscheidende  Rinnenbildung  an  der 
kleinen  Kurvatur  geeignet,  die  von  R  e  t  z  i  u  s  und  Luschka  be¬ 
reits  beschrieben,  von  dem  Verfasser  am  kontrahierten  Hundemagen 
mit  aller  Deutlichkeit  beobachtet  wurde.  An  der  kleinen  Kurvatur 
und  der  anliegenden  kardialen  Magenpartie  wird  die  Rinne  durch  die 
Kontraktion  der  Fibrae  obliquae  gebildet;  an  der  Grenze  zwischen 
Antrum  pyloricum  und  Magenkörper  entsteht  durch  die  Kontraktion 
der  Hufeisenschlinge  eine  zentrale  Furche.  So  scheint  die  beim 
Wiederkäuer  deutlich  ausgeprägte  Teilung  des  Magens  auch  bei 
anderen  Tieren  und  dem  Menschen  durch  die  eigentümliche  Kontrak¬ 
tion  der  Muskulatur  zur  Wirkung  zu  kommen.  Das  genauere  Stu¬ 
dium  dieser  physiologischen  Bewegungen  der  Muskulatur  wird  viel¬ 
leicht  auch  bei  der  operativen  Technik  noch  Berücksichtigung  finden 
und  manche  funktionelle  Störungen  nach  Operationen  erklären  und 


'ermeiden  lassen.  .  ,  , 

F.  Hamburger  -  Wien:  Zur  Kenntnis  der  Tuberkuloseinfektion 

m  Kindesalter.  .  , 

Die  statistische  Betrachtung  von  848  obduzierten  Fallen  d^r 
Viener  Universitäts-Kinderklinik  zeigt  ein  Ansteigen  der  Tuberkulose- 
läufigkeit  bis  zum  3.  und  4.  Lebensjahr  (60  Proz.  der  Gestorbenen) 
nd  ein  zweites  Maximum  (70  Proz.)  in  der  Pubertätszeit.  Als  iodes- 
irsache  war  die  Tuberkulose  am  häufigsten  im  1.  Lebensjahre  zu 
>ezeichnen,  in  den  späteren  Jahren  nahm  die  Letalität  ab,  bis  zur 
Pubertätszeit  bereits  auf  50  Proz.  Besonders  bemerkenswert  ist  die 
lusserordentliche  Seltenheit  der  isolierten  D  a  r  m  t  u  be  r  k  u  o  s  e 
n  diesem  Wiener  Materiale,  unter  den  335  tuberkulösen  Kinderle  clien 
var  überhaupt  kein  sicher  feststellbarer  Fall  primärer  Darmerkt  an- 

[UnSj.  Bartel  und  R.  Hartl- Wien:  Zur  Biologie  des  Perlsucht- 

"  Das  Resultat  der  vorliegenden  Untersuchungen  ist,  dass  die 
ruberkelbazillen  des  Typus  bovinus,  in  derselben  Weise  wie  die  des 
I'vdus  humanus,  in  Organgeweben  —  Milz,  Mesenterialdiusen,  Lei  i, 
Sen  und  N^ren  normaler  Kaninchen  nach  intravenöse, ^  taek tion 
curze  Zeit  vor  dem  Tode  —  ängere  £eit  bei  37  steril  trocken  ein 
beschlossen/ soweit  beeinflusst  werden,  dass  sie  mit  Organgeweben  an 
Meerschweinchen  verimpft  sich  avirulent  erweisen.  Eine  ähnliche  Be- 


1694 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


einflussung  durch  die  Einwirkung  des  Blutes,  wie  dieser  abtötende 
Einfluss  des  Organgewebes  war  nicht  festzustellen. 

H.  S  c  h  1  o  f  f  e  r  -  Innsbruck:  Weiterer  Bericht  über  den  Fall  von 
operiertem  Hyponhysentumor. 

Der  in  No.  21/22  beschriebene  Kranke  lebte  nach  der  Operation 
noch  2V 2  Monate  bei  gutem  Befinden.  Nach  vorhergehenden,  innerhalb 
8  Tagen  wiederholten  Anfällen  von  Kopfschmerz,  Uebelsein,  Erbrechen 
und  Obstipation  ging  er  in  wenigen  Stunden  in  Bewusstlosigkeit  unter 
Verlangsamung  der  Atmung  und  des  Pulses  zu  gründe.  Bei  der 
Obduktion  zeigte  sich,  dass  ein  viel  grösserer  Teil  der  Geschwulst  als 
angenommen  wurde,  bei  der  Operation  zurückgelassen  worden  war. 
Die  durchgreifende  Besserung  des  Befindens  nach  der  Operation  ist 
jedenfalls  auf  die  Druckentlastung  und  die  Verkleinerung  der  Ge¬ 
schwulst  zurückzuführen.  Der  Abfluss  des  Liquor  nach  der  Operation 
war  jedenfalls  nicht  das  allein  Wirksame.  Bei  inoperabel  erscheinen¬ 
den  Fällen  wird  man  sich  demnach  auch  von  einer  'teilweisen  Ent¬ 
fernung  des  Tumors  einen  gewissen  Erfolg  versprechen  dürfen.  Und 
das  in  diesem  Falle  erreichte  Fehlen  einer  sekundären  Meningitis  wird 
auch  die  Indikation  für  die  basale  Operation  erweitern  können. 

Bergeat  -  München. 


Englische  Literatur. 

(Schluss.) 


Lawrence  G.  Fink:  Die  Radikalbehandlung  der  Hydrozele  durch 
Eversion  des  Sackes.  (Indian  Medic.  Gaz.  Mai  1907.) 

Verf.  hat  die  in  Deutschland  sogenannte  Winkelmannsche 
Hydrozelenoperation  in  Indien  21  mal  mit  bestem  Dauererfolge  ge¬ 
macht.  Er  gibt  D  o  y  n  e  die  Priorität,  da  er  die  Operation  schon 
1895  (3  Jahre  vor  Winkelmann)  beschrieben  hat.  In  einer  kurzen 
Fussnote  teilt  der  Herausgeber  der  Ind.  Med.  Gazette  mit.  dass  schon 
viele  Jahre  früher  P  r  a  1 1,  ein  anglo-indischer  Chirurg  in  der  Ind. 
Med.  Gazette  diese  Operation  als  erster  beschrieben  hat  und  dass  sie 
seit  langen  Jahren  in  Indien  erfolgreich  geübt  wird. 

A.  Mitra:  Ueber  die  Pest  in  Kashmir.  (Indian  Medic.  Gazette. 
April  1907.) 

Bericht  über  die  Pestepidemie  in  Kashmir,  die  von  November 
1903  bis  August  1904  dauerte.  In  der  Stadt  Srinagar,  wo  Verf.  sehr 
energisch  gegen  die  Weiterverbreitung  der  Krankheit  vorging,  dauerte 
sie  nur  1%  Monat,  es  kamen  56  Fälle  vor,  die  alle  tödlich  endeten. 
In  der  Umgegend  kamen  1443  Fälle  vor,  von  denen  20  geheilt  wurden. 
Die  geheilten  Fälle  betrafen  sämtlich  Fälle  von  Beulenpest  und  kamen 
gegen  das  Ende  der  Epidemie  zur  Beobachtung.  Verf.  gibt  an,  dass 
trotz  genauesten  Nachforschens  während  der  Epidemie  keine  Sterb¬ 
lichkeit  unter  den  Ratten  beobachtet  wurde.  Ferner  gibt  er  an,  dass 
während  der  Dauer  der  Pestepidemie  auffallend  viele  und  schwere 
Fälle  von  kruppöser  Pneumonie  (die  nicht  Pest  waren)  vor¬ 
kamen.  Von  8  Kulis,,  die  er  impfte,  ehe  sie  mit  der  Fortschaffung 
der  Leichen  und  mit  Desinfektionsarbeiten  beschäftigt  wurden,  er¬ 
krankte  einer  21  Tage  nach  der  Impfung  (H  a  f  f  k  i  n  e  sehe  Vakzine) 
an  Pest  und  starb. 

Alfred  Austin  Lendon:  Puerperale  Sepsis.  Ligatur  der  rechten 
Vena  spermatica.  Heilung.  (Australasian  Medic.  Gazette.  20 
März  1907.) 


34jähr.  II.  Para  wurde  am  17.  September  leicht  entbunden,  nur 
eine  vaginale  Untersuchung.  Plazenta  ging  spontan  und  ganz  ab.  Am 
19.  September  Schüttelfrost,  am  20.  hohes  Fieber  ohne  lokale  Sym¬ 
ptome.  Am  21.  und  22.  wurde  der  Uterus  ausgespült;  am  25.  wurden 
die  Lochien  übelriechend;  die  Temperatur  blieb  hoch,  am  30.  starker 
Schüttelfrost.  An  diesem  Inge  fühlte  man  deutlich  eine  schmerz- 
hafte  Resistenz  rechts  von  der  Zervix.  Die  Kranke  war  so  elend, 
dass  ein  Transport  in  ein  Krankenhaus  unmöglich  schien.  Nach  Er¬ 
öffnung  der  Bauchhöhle  von  der  Scheide  aus  fand  man  die  Venen 
des  rechten  Ligam.  latum  thrombosiert.  Verf.  machte  nun  rasch  einen 
Bauchschnitt  und  unterband  die  Vasa  spermatica  der  rechten  Seite 
Der  Douglas  wurde  von  der  Scheide  aus  mit  Gaze  drainiert.  Bis 
zum  10.  Oktober  Besserung,  dann  wieder  höhere  Temperaturen,  man 
spritzte  10  ccm  Antistreptokokkenserum  ein.  Vom  27.  Oktober  an 
rasche  Rekonvaleszenz.  (Ob  wirklich  die  Ligatur  der  Venen  die 
Kranke  gerettet  hat,  scheint  zweifelhaft.  Refer.) 

d.  Wilson  Pai  ry:  Zur  Differentialdiagnose  des  Menier eschen 
Symptomenkomplexes.  (Brit.  Med.  Journas.  11.  Mai  1907.) 

Die  Hauptarbeit  des  Verfassers  eignet  sich  nicht  zu  einem  Re- 
leiate,  sondern  ist  im  Originale  nachzulesen;  hier  sei  nur  erwähnt, 
dass  vert.  bei  Fällen  von  Ohrenschwindel  ganz  ausserordentlich  gute 
Erfolge  mit  depi  längeren  Tragen  eines  Haarseils  hatte.  Fälle,  die  ganz 
geh  esse  1 1  waren,  verschlimmerten  sich  wieder,  wenn  das  Haarseil 
fortgelassen  wurde. 


David  Wall  ace:  Zur  Frage  der  Karbolgangrän.  (Ibidem.) 

sn  inuf  rtt  vieleicTht.  ganz  gut,  dass  gerade  jetzt,  wo  durch  den 
l.  t  1  •  Je  )U1  t-stag  L  l  s  t  e  r  s  die  Karbolsäure  (die  in  England  übrigens 
immer  noch  eine  sehr  grosse  Rolle  spielt)  wieder  in  den  Vordergrund 
geruckt  wurde,  einmal  wieder  auf  die  der  Karbolsäure  anhaftenden 
Gefahren  hingewiesen  wird.  Verf.  berichtet  über  selbstbeobachtete 
Ealle  von  Gangran  nach  verhältnismässig  geringen  Verletzungen  der 
Emgei  (meist  handelt  es  sich  um  kleine  Schnittwunden).  Die  Pa¬ 
tienten  machten  Umschläge  mit  Karbol,  2  mal  wurde  wahrscheinlich 
Hiphre[f  S  uJlde{1  ..  ang  reine  Karbolsäure  gebraucht,  in  4  Fällen  war 
die  gebrauchte  Losung  sicherlich  nicht  stärker  als  5  Proz.  Niemals 


waren  schnürende  oder  impermeable  Verbände  angelegt  worden  und 
stets  war  die  ursprüngliche  Verletzung  eine  sehr  geringe  gewesen. 
In  jedem  Falle  mussten  die  gangränösen  Finger  amputiert  werden. 

Bilton  Pollard:  Das  Oesophagusdivertikel.  (Brit.  Med.  Journ. 

4.  Mai  1907.) 

Das  häufigste  Divertikel  am  Oesophagus  und  das,  welches  am 
meisten  zu  chirurgischen  Eingriffen  Anlass  gibt,  sitzt  in  der  Mittel¬ 
linie  der  hinteren  Wand,  dort,  wo  Pharynx  und  Oesophagus  zu- 
sammenstossen.  Die  Patienten  bemerken  gewöhnlich  zuerst,  dass 
Speisen  wieder  heraufkommen,  die  viele  Stunden  vorher  geschluckt 
wurden.  Ein  sehr  typisches  Symptom  ist  ein  heftiger  Husten,  der 
anfallsweise  in  der  Nacht  auftritt  und  bei  dem  grössere  Mengen 
schaumigen  Schleimes  ausgehustet  werden.  Es  handelt  sich  dabei 
hauptsächlich  um  Speichel,  der  sich  im  Divertikel  ansammelt  und  der 
in  liegender  Stellung  überfliesst.  Das  Schlucken  wird  allmählich 
schwieriger  und  es  tritt  eine  Schwellung  an  der  linken  Halsseite  auf, 
die  sich  unter  gurgelndem  Geräusch  entleeren  lässt.  Wenn  man  das 
Divertikel  mit  Wismutbrei  anfüllt,  kann  man  es  skiagraphieren.  Verf. 
beschreibt  dann  genauer  einen  von  ihm  operierten  Fall.  Es  gelang 
ohne  grosse  Mühe  von  einem  am  Rande  des  Kopfnickers  (links)  ge¬ 
führten  Schnitte  aus  auf  den  Sack  vorzudringen  und  ihn  aus  dem 
Mediastinum  herauszuheben.  Er  hatte  die  Form  und  Grösse  eines 
Wasserglases.  Der  Sack  enthielt  keine  Muskulatur,  sondern  nur 
Schleimhaut  und  Bindegewebe.  Nach  Durchtrennung  des  engen  Halses 
wurde  die  Oeffnung  im  Schlunde  mit  3  Nahtreihen  (L  e  m  b  e  r  t)  ge¬ 
schlossen.  Die  Kranke  durfte  sofort  Milch  schlucken  und  konnte  am 
6.  Jage  feste  Nahrung  schlucken.  Zwei  Jahre  nach  der  Operation 
war  sie  noch  ohne  Rezidiv  und  in  bestem  Wohlsein. 

E.  R.  Ihompson:  Tetanus  und  Serumbehandlung.  (Ibidem.) 

Am  2.  September  verletzte  sich  der  Kranke  in  der  Trunkenheit 
mit  einem  Messer  an  beiden  Ellenbogenbeugen.  Am  17.  September 
traten  Spasmen  auf,  die  am  20.  zu  schweren,  allgemeinen  Krämpfen 
wurden,  die  alle  paar  Minuten  auftraten.  Am  selben  Tage  wurde  sub¬ 
kutan  10  ccm  Serum  verabreicht;  ausserdem  4  stündlich  2,0  Chloral 
pei  os.  Am  folgenden  Morgen  waren  die  Krämpfe  geringer,  traten 
aber,  als  man  das  Chloral  aussetzte  wieder  stärker  auf.  Man  gab 
wieder  Chloral  und  auch  Morphium,  am  Abend  30  ccm  Serum.  Am 
22.  September  war  der  Zustand  sehr  schlimm,  man  gab  Morphium 
und  dann  in  Zwischenräumen  Chloroformnarkose,  diese  Behandlung 
wurde  während  der  nächsten  6  läge  beibehalten.  Am  27.  September 
begann  die  Besserung,  am  6.  Oktober  war  er  bis  auf  Steifigkeit  im 
rechten  Arm  ziemlich  wohl.  Am  23.  Oktober  wurde  er  geheilt  ent¬ 
lassen.  Verf.  hat  nicht  den  Eindruck  gewonnen,  als  ob  die  Serum¬ 
behandlung  auch  nur  den  geringsten  Nutzen  gebracht  hätte.  Die 
Krämpfe  waren  nach  den  Einspritzungen  eher  schlimmer.  Am  meisten 
Linderung  brachten  die  Chloroformeinatmungen  und  Verf.  glaubt,  dass 
der  Patient  denselben  sein  Leben  verdankt. 

Archibald  G.  H  a  y :  Die  Behandlung  der  Ischias  mit  Kochsalz- 
injektionen.  (Glasgow  Medic.  Journ.  Mai  1907.) 

.  Yerf-  sucht  den  Nerv  an  einem  Punkt  auf,  der  in  der  Mitte 
zwischen  dem  Tuber  ischii  und  dem  grossen  Trochanter  liegt-  er 

Slch  diese  stelle  auf  d«r  Haut  und  sticht  dann  die  Nadel 
emer  10  ccm  Kochsalzlosung  haltenden  Spritze  in  den  Nerv  ein-  das 
Bern  zuckt  heftig,  sobald  die  Spitze  der  Nadel  den  Nerven  berührt. 
Die  Spritze  wird  rasch  entleert  und  nachdem  die  Emstichstelle  mit 
Kol  odium  verklebt  ist  muss  der  Patient  herumgehen.  Gewöhnlich 
snid  mehrere  Injektionen  nötig,  um  Heilung  herbeizuführen.  Verf 
erklärt  den  guten  Erfolg  der  Einspritzungen  dadurch,  dass  durch  die 
Auseinanderdrangung  der  Nervenfasern  die  Lymphbahnen  wieder  ge- 
a,UCh  Wlrd.der  Stoffwechsel  am  Orte  der  Injektion  an- 
geiegt.  Nach  den  von  ihm  gegebenen  Krankengeschichten  hat  er 
gute  Dauererfolge  erzielt. 

l  i  P"  Mädeod  Neave:  Die  Wirkung  des  Digalens  auf  die  Zir¬ 
kulation.  (Scottish  Med.  and  Surgic.  Journal.  Mai  1907  ) 

Auf  Grund  eigener  Versuche  kommt  Verf.  zu  dem  Schlüsse  dass 
lgalen  die  der  Digitalis  eigentümlichen  Wirkungen  entfaltet.  Es 
ist  aber  viel  weniger  wirksam  und  bedeutend  teurer  als  die  offizielle 
Iinctura  Digitalis.  Es  ist  ebenfalls  viel  weniger  wirksam  als  ent- 
spiechende  Quantitäten  des  krystallinischen  Digitoxins  Es  ist 

Vorzüge  vifihnen  ^  genannten  Präparate>  hat  aber  keine  anderen 

-  —  *  - 

r  U  ye.rf-  hält  das  Argyrol  fiir  ein  sehr  nützliches  Mitei,  das  nament- 
I'c.h,be‘  Konjunktivitis  und  Erkrankungen  der  Tränenwege  ausge- 
lchnete  Erfolge  erzielt  und  keinerlei  üble  Nebenwirkungen  hat  Vor 

für'den  Kranket gC  Schmerzlosigkeit  Anwendung  sehr  angenehm 

(Ibidcml)ry  PCterkin:  Die  Behand,unS  der  akuten  Otitis  media. 

Tromtp]fpl|esmPfn,hplt  Fne  frühzeitige  und  ausgiebige  Inzision  des 
°  ?!  e,rung  wir,d  am  besten  mit  Spülungen  von 

Wassers  offsuperoxyd  bekämpft.  Es  ist  ganz  unzulässig,  dem  Kranken 
dm  Einblasung  von  Borsäure  oder  anderen  Pulvern  zu  überlassen 
Man  warte  nicht  zu  lange  mit  der  Aufmeisselung  des  Warzenfort¬ 
satzes,  da  sonst  das  Gehör  unrettbar  verloren  geht 

lungen.  ^(IbidemT  Behandlu^  der  Gonorrhoe  mit  Spü- 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1895 


Verf.  hat  an  Leichenversuchen  nachgewiesen,  dass  die  gewöhn¬ 
lichen  Einspritzungen,  die  mit  der  Hand  gemacht  werden,  nicht  über 
die  Urethra  membranacea  hinaufgehen.  Frische  Gonorrhoen  be¬ 
handelt  er  mit  5  proz.  Argyrollösungen,  die  4  mal  täglich  gemacht 
werden  und  mindestens  5  Minuten  lang  in  der  Harnröhre  bleiben. 
Meist  schwand  der  Ausfluss  nach  4  bis  10  Tagen;  dann  liess  er 
y2  Minute  dauernde  Einspritzungen  von  schwacher  Zinksulphatlösung 
machen.  Viele  Tripper  wurden  auf  diese  Weise  in  14  Tagen  geheilt. 
Alle  Einspritzungen  müssen  angewärmt  werden.  Man  gebe  dem 
Kranken  geschriebene  oder  gedruckte  Anweisungen,  wie  und  wann  er 
spritzen  soll.  Die  Urethritis  posterior  weicht  am  besten  den  Spü¬ 
lungen  der  hinteren  Harnröhre  und  der  Blase.  Verf.  benutzt  warme 
Kal.  permang.-Lösung,  alle  3  Tage  eine  Spülung.  Daneben  spritzt  der 
Kranke  mit  5  bis  10  proz.  Argyrol.  Von  der  Verwendung  des  Ure- 
throskopes  hat  Verf.  nicht  viel  Nutzen  gesehen.  In  hartnäckigen  Fällen 
verwendet  er  die  G  u  y  o  n  sehen  Instillationen  mit  starken  Höllen¬ 
steinlösungen. 

J.  M’Intosh:  Die  Tuberkulinbehandlung  der  chirurgischen 
Tuberkulosen  der  Kinder.  (Ibidem.) 

Verf.  hat  im  Kinderspital  zu  Aberdeen  50  Kinder  mit  Tuberkulin 
(T.  R.)  behandelt.  Stets  wurde  der  opsonische  Index  vor  und  während 
der  Dauer  der  Behandlung  bestimmt.  Es  gelang  in  allen  Fällen  diesen 
Index  zu  erhöhen;  trotzdem  waren  die  klinisch  nachweisbaren  Erfolge 
der  Tuberkulinbehandlung  äusserst  geringe  und  es  ist  durchaus 
zweifelhaft,  ob  die  Behandlung  irgend  einen  Nutzen  gebracht  hat. 

Sir  Halliday  Croom:  Basedowkrankheit  in  der  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie.  (Edinburgh  Medic.  Journal.  Mai  1907.) 

Die  Basedow  sehe  Krankheit  ist  sehr  häufig  bei  Frauen,  trotz¬ 
dem  sind  Schwangerschaft  und  Basedow  eine  recht  seltene  Kombi¬ 
nation.  Bei  15  000  Geburten  im  Hospital  sah  Verf.  die  Kombination 
nie,  in  der  Privatpraxis  sah  er  12  Fälle.  In  der  Schwangerschaft 
schwillt  die  Schilddrüse  normalerweise  an.  Der  Einfluss  der  Schwan¬ 
gerschaft  auf  den  Basedow  ist  gewöhnlich  ein  ungünstiger.  Der 
Basedow  scheint  kaum  einen  Einfluss  auf  die  Schwangerschaft  aus- 
zuiiben,  die  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  ihren  regelmässigen 
Gang  geht.  Bei  frischen  Fällen  von  Basedow  findet  man  zuweilen 
irreguläre  Menstruation,  bei  älteren  öfters  Amenorrhoe.  Es  ist  des¬ 
halb  nicht  nötig,  Kranken,  die  an  Basedow  leiden,  das  Heiraten  zu 
verbieten;  auch  kann  man  die  Schwangerschaft  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  ruhig  zu  Ende  gehen  lassen.  Es  scheint  allerdings,  als  ob  die 
Kinder  solcher  Mütter  häufig  Neuropathiker  wären. 


W.  G.  Porter:  Zur  Geschichte  und  Technik  der  submukösen 
Resektion  des  Nasenseptums.  (Ibidem.) 

Gute  Monographie  über  diesen  Gegenstand.  Verf.  rät  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  ohne  allgemeine  Narkose  zu  operieren  und  die 
Gegend  mit  Einspritzungen  einer  Vs  proz.  Kokainadrenalinlösung 
unempfindlich  zu  machen.  Auch  bei  der  allgemeinen  Narkose  muss 
man  Kokainadrenalin  lokal  injizieren,  man  erspart  sich  dadurch  die 
Tamponade  des  Nasopharynx.  Nach  Beendigung  der  Narkose  ist  es 
nur  dann  nötig  zu  nähen,  wenn  man  eine  Perforation  gemacht  hat.  Die 
'  '  '  •  mit  in  Wasserstoffsuperoxyd  getränkter  Gaze  tam- 


E.  P.  Cathcart:  Die  physiologische 
die  Zirkulation.  (Brit.  Med.  Journal. 


Nase  wird  locker 
poniert. 

F.  J.  Charteris  und 
Wirkung  des  Whiskys  auf 

18.  Mai  1907.)  „  J  , 

Die  Wirkung  des  Whisky  auf  Puls  und  Blutdruck  beruht  aus¬ 
schliesslich  auf  seinem  Gehalt  an  Alkohol  und  nicht  auf  dem  Gehalt 
an  sonstigen  überdestillierten  Substanzen. 

W.  James  Wilson:  Zur  Isolierung  des  Typhusbazillus  aus 


infiziertem  Wasser.  (Ibidem.) 

Es  handelt  sich  um  ein  Verfahren,  bei  dem  das  Wasser  unter  ge¬ 
ringem  Druck  evaporiert  wird.  Der  Apparat  wird  abgebildet,  die 
Methode  genau  beschrieben.  Der  Typhusbazillus  wird  bei  diesem 
Verfahren  nicht  zerstört,  sondern  er  vermehrt  sich  und  diese  Ver¬ 
mehrung  kann  noch  begünstigt  werden  durch  den  Zusatz  von  10  ccm 
Bouillon  zum  Liter  Wasser.  Das  Verfahren  ist  einfach  und  sicher. 

David  F  o  r  s  y  t  h:  Die  Struktur  und  Sekretion  der  Parathyreoidea 


beim  Menschen.  (Ibidem.) 

Die  Gland.  parathyreoidea  zeigt,  wie  andere  Drüsen,  die  histo¬ 
logischen  Unterschiede  des  Aktivitäts-  und  des  Ruhezustandes.  Die 
sogen,  oxyphilen  Zellen  sind  Zellen,  die  mit  dem  granulären  Sekret 
gefüllt  sind,  die  sogen.  Hauptzellen  sind  dieselben  Zellen  in  der  Ruhe. 
Die  Sekretion  gelangt  aus  den  Zellen  in  kleinste  Lymphspalten  und 
Hohlräume  zwischen  den  Zellen,  von  wo  aus  es  durch  grössere 
Lymphgänge  an  der  Oberfläche  der  Drüse  gelangt.  Physikalisch  und 
mikrochemisch  zeigt  dies  Sekret  keinen  Unterschied  von  dem  Kolloid 
der  Schilddrüse.  Die  Sekretion  beginnt  ersFvom  3.  Lebensmonat  an, 
in  manchen  Fällen  sogar  erst  viel  später. 

Edmund  Olven:  Die  Hernien  im  Kindesalter.  (Brit.  Med. 

Journal.  1.  Juni  1907.) 

Verf.  glaubt,  dass  es  in  vielen  Fällen  gelingt,  durch  sorgfältige 
Diät  und  Bandbehandlung  den  Bruch  zu  heilen.  Sehr  wichtig  ist  es, 
die  kleinen  Patienten  so  zu  lagern,  dass  der  Kopf  tief  und  das  Becken 
hoch  liegt.  Nur  hierdurch  kann  man  es  vermeiden,  dass  Netz  in  den 
Bruchsack  rutscht.  Man  kann  die  Kinder  sehr  gut  lange  Zeit  hin¬ 
durch  in  dieser  Stellung  halten.  Wenn  eine  Operation  nötig  wird,  so 
entferne  man  stets  den  Hoden,  wenn  derselbe  nicht  herabgestiegen 
War.  Die  Hauptsache  bei  der  Operation  ist  stets  die  möglichst  hohe 


Abbindung  des  Sackes,  sodass  kein  Trichter  zurückbleibt.  Die  Bas¬ 
si  n  i  sehe  Operation  ist  bei  Kindern  überflüssig.  Verf.  rät,  sich  an 
kein  bestimmtes  Lebensalter  zu  binden,  sondern  jeden  Fall  dann  zu 
operieren,  wenn  es  angezeigt  scheint. 

P.  Lockhart  Mumm  er  y:  Die  Entfernung  des  krebsigen  Mast¬ 
darms  mit  den  Drüsen.  (Ibidem.) 

Verf.  rät  in  jedem  Falle  von  stenosierendem  Mastdarmkrebs  eine 
präliminäre  Kolotomie  zu  machen,  dieselbe  darf  nur  unterbleiben, 
wenn  man  sicher  sein  kann,  den  Darm  vollkommen  entleert  zu  haben. 
Wenn  man  kolotomiert,  so  lege  man  die  Operation  möglichst  hoch 
oben  an,  um  nachher  das  Rektum  noch  genügend  nach  abwärts  ziehen 
zu  können.  In  allen  Fällen,  in  denen  die  Sphinkteren  geopfert  werden 
müssen,  mache  man  einen  Kunstafter,  der  nachher  dauernd  bleibt;  da 
ein  Inguinalafter  besser  zu  kontrollieren  ist,  als  ein  sakraler.  Verf. 
rät  in  allen  Fällen  von  Mastdarmkrebs  das  ganze  Rektum  zu  ent¬ 
fernen  und  zwar  im  Zusammenhang  mit  den  Drüsen,  die  in  der  Kreuz¬ 
beinhöhle  liegen.  Er  beschrieb  genau  seine  Operation,  die  übrigens 
mit  der  schon  lange  von  Hartmann  ausgeführten  und  beschriebenen 
perinealen  Methode  identisch  ist. 

Robert  T.  Leiper:  Ueber  zwei  neue  Genera  von  Nematoden, 
die  gelegentlich  beim  Menschen  Vorkommen.  (Ibidem.) 

Verf.  beschreibt  genau  zwei  Askariden,  die  gewöhnlich  beim 
Hunde  resp.  bei  der  Katze  Vorkommen,  die  aber  auch  zuweilen  als 
menschliche  Parasiten  gefunden  werden.  Beide  sind  gut  von  einander 
zu  unterscheiden  und  bilden  verschiedene  Genera. 

W.  Camac  Wilkinson:  Ueber  den  häufigeren  Gebrauch  des 
Tuberkulins.  (Ibidem.) 

Verf.  rät  bei  allen  Tuberkulosen  und  besonders  bei  der  Phthise 
einen  häufigeren  Gebrauch  von  der  Tuberkulinbehandlung  zu  machen. 
Namentlich  sollte  die  Sanatoriumsbehandlung  stets  mit  der  Tuber¬ 
kulinbehandlung  kombiniert  werden,  da  beide  zusammen  sehr  gute 
Erfolge  geben. 

G.  F.  Blacker:  Herzkrankheiten  bei  Schwangerschaft  und 

Geburt.  (Brit.  Med.  Journal.  25.  Mai  1907.) 

Verf.  glaubt,  dass  die  Gefahren,  die  Herzkranken  durch 
Schwangerschaft  und  Entbindung  drohen,  vielfach  überschätzt  werden. 
Ist  der  Herzmuskel  gesund  und  ein  Klappenfehler  gut  kompensiert,  so 
sind  die  Gefahren  sehr  gering.  Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  dass 
wenn  man  einen  Fall  von  Herzkrankheit  und  Schwangerschaft  hat, 
man  die  Herzkrankheit  behandeln  und  auf  die  Schwangerschaft  keine 
Rücksicht  nehmen  soll.  Wenn  die  Symptome  der  Herzkrankheit  nicht 
besser  werden,  so  muss  man  allerdings  die  Schwangerschaft  unter¬ 
brechen.  Während  der  Geburt  beobachte  man  genau  die  Herztätig¬ 
keit.  Zeigen  sich  Symptome  von  Erweiterung  der  rechten  Herzseite, 
so  begünstige  man  die  Nachblutung  oder  mache  einen  Aderlass.  In 
der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  mit  gut  kompensierten  Herzfehlern 
kann  man  den  Mädchen  ruhig  die  Ehe  erlauben. 

Malcolm  Campbell:  Der  Einfluss  der  Diät  auf  die  Entwicklung 
und  Struktur  des  Uterus.  (Ibidem.) 

Der  Gebrauch  einer  exklusiven  Fleisch-  oder  Reisnahrung  be¬ 
wirkt  eine  Veränderung  in  der  Uterusschleimhaut  und  zwar  ver¬ 
mindern  sich  die  grossen  Bindegewebszellen,  die  zu  einer  physio¬ 
logischen  Tätigkeit  der  Uterusschleimhaut  nötig  zu  sein  scheinen. 
Diese  Veränderung  ist  am  meisten  bemerkbar  bei  Tieren,  die  von  der 
Entwöhnung  an  ausschliesslich  mit  Rindfleisch  genährt  wurden.  Bei 
diesen  Tieren  entwickelt  sich  der  Uterus  überhaupt  mangelhaft. 
Solche  Tiere  sind  stets  steril.  Verf.  glaubt,  dass  die  verminderte 
Fruchtbarkeit  der  wohlhabenden  Klassen  in  England  zum  Teil  auf 
die  grosse  Zunahme  der  Fleischnahrung  zu  setzen  ist. 

E.  W.  A.  Walker:  Ueber  die  aus  dem  Gelenkrheumatismus 
isolierten  Mikroorganismen.  (Ibidem.) 

Verf.  glaubt,  dass  der  von  Poynton  und  Paine  gezüchtete 
Micrococcus  rheumaticus  der  Erreger  des  Gelenkrheumatismus  ist 
und  dass  er  als  eine  gut  unterscheidbare  Varietät  der  Streptokokken 
aufzufassen  ist.  J.  C.  zum  Busch  - London. 

Russische  Literatur. 

Fainschmidt:  Materialien  zur  Klinik  der  Fleischvergif¬ 
tungen.  (Charkowsche,s  medizinisches  Journal  1907,  No.  1 — 2,  p.  27 

und  120.)  . 

Verf.  hat  8  Fälle  von  Fleischvergiftung  in  Wladiwostok  zur 
Zeit  des  russisch-japanischen  Krieges  zu  beobachten  Gelegenheit 
gehabt,  die  er  alle  auf  die  Lebenstätigkeit  des  Bacillus  enteritidis 
Gärtner  zurückführt,,  obgleich  der  bakteriologische  Teil  der  Unter¬ 
suchung  nur  mangelhaft  ausgeführt  zu  sein  scheint.  Er  weist  dabei 
auf  einige  klinische  Merkmale  hin,  die  er  in  den  früher  beschriebenen 
Fällen  von  Fleischvergiftung  vermisst  hat.  Das  Aussehen  des.  Urins 
soll  sehr  charakteristisch  sein,  hellgelb,  schwach  getrübt,  opaleszierend. 
Die  Opaleszenz  des  Urins  schwand  erst  nach  vollständigem  Schwin¬ 
den  der  Vergiftungserscheinungen.  Endlich  weist  er  noch  auf  die 
Schmerzhaftigkeit  und  Rigidität  der  Nackenmuskeln  hin,  ein  Sym¬ 
ptom,  das  in  ihm  den  Verdacht  erweckte,  es  mit  zerebrospinaler 

Meningitis  zu  tun  zu  haben.  _  ,  ...  . 

W.  P  o  1  j  a  k  o  w  und  W.  Choroschko:  Polyneuritis  und 

Bacterium  coli  commune.  (Medizinische  Rundschau,  herausgege  >en 
von  der  Gesellschaft  russischer  Aerzte  in  Moskau.  Red.:  W.  bpri- 
m  o  n.  Bd.  LXVII,  1907,  No.  1,  p.  3.) 


18% 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Durch  Bacterium  coli  hervorgerufene  Polyneuritis  ist  bis  dato 
nicht  beobachtet  worden.  Die  Verfasser  beschreiben  einen  typischen 
ball  dieser  Erkrankung  des  Nervensystems,  bei  dem  sie  "es  für  mög¬ 
lich  halten,  dass  er  auf  die  Lebenstätigkeit  des  Bact.  coli  zurück¬ 
zuführen  ist. 

Mit  den  klinischen  Beobachtungen  verbanden  die  Verfasser  pa¬ 
thologisch-anatomische,  sowie  experimentelle  Untersuchungen.  Durch 
Toxineinspritzungen  gelang  es  ihnen,  in  den  Organen  von  Meer¬ 
schweinchen  dieselben  pathologischen  Erscheinungen  hervorzurufen, 
die  sie  bei  ihrer  Patientin  vorgefunden  hatten.  Das  Bacterium  coli 
konnte  stets  in  höchst  virulentem  Zustande  aus  dem  Urin  der  Kranken 
isoliert  werden. 

A.  Wyssotsky:  Die  Veränderungen  des  Blutes  bei  septischen 
Erkrankungen.  (Ebenda,  No.  2,  pag.  136.) 

Auf  grund  früherer  Untersuchungen,  die  der  Verfasser  zu  einem 
allgemeinen  Bilde  gruppiert,  kommt  er  zu  folgenden  Schlussätzen: 
I.  Die  Konzentration  des  Blutes  fällt  stark,  wobei  die  Energie  dieses 
Prozesses  von  der  Schwere  des  Krankheitsfalles  abhängt,  2.  die 
Quantität  des  Trockenrückstandes  und  des  Blutserums  nimmt  ab, 
3.  nur  in  seltenen  Fällen  kann  im  Serum  Hb  konstatiert  werden, 
4-  das  Blut  wird  bedeutend  ärmer  an  weissen  Blutkörperchen. 

L.  Ehrlich:  Ueber  den  Erreger  der  Syphilis.  (Russisches 
Journal  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten,  1907,  Bd  XIII 
pag.  22.) 

Die  Beobachtungen  des  Verfassers  umfassten  22  Syphilisfälle 
und  12  gesunde  Menschen,  die  zur  Kontrolle  herangezogen  waren. 
V  on  den  22  Syphilitikern,  deren  Krankheit  klinisch  unzweifelhaft 
festgestellt  war,  gaben  17  positiven  Spirochätenbefund.  Die  12  Kon- 
trol hälfe  gaben  nie  positives  Resultat  auf  das  Vorhandensein  der 
Silberspirochäte.  Was  die  Syphilitiker  anbetrifft,  so  handelte  es  sich 
in  1 1  Fällen  um  harten  Schanker,  wobei  9  mal  Spirochäten  gefunden 
wurden,  in  Schleimhautpapeln  wurden  4  mal  von  5  Fällen  die  Spiro¬ 
chäten  nachgewiesen.  Papulöse  Hautsyphiliden  wurden  nur  1  mal 
beobachtet  und  zeigten  gleichfalls  das  Vorhandensein  der  Spiro- 
chaete  pailida.  Negativen  Spirochätenbefund  gaben  ein  Fall  von  Ro¬ 
seola,  sodann  das  Blut  eines  Syphilitikers  im  zweiten  Inkubations¬ 
stadium  und  die  Hautgummen  eines  4  jährigen  Kindes. 

Auf  Grund  seiner  Beobachtungen  kommt  der  Verfasser  zu  folgen¬ 
den  Schlussätzen.  1.  Spirochaete  pailida  ist  eine  ständige  Begleiterin 
derjenigen  syphilitischen  Produkte,  deren  Kontagiosität  auch  klinisch 
leststeht,  2.  morphologisch  steht  der  Spirochaete  pailida  die  Spiro¬ 
chaete  refringens  am  nächsten,  doch  ist  die  scharfe  Unterscheidung 
dieser  zwei  Typen  auf  Grund  einiger  Merkmale  möglich  (Charakter 
der  Spiralbildung,  Geisselbildung  etc.),  3.  in  Produkten  nicht  syphi- 
li tischen  Charakters  muss  das  Vorhandensein  der  Spirochaete  pal- 
lida  als  nicht  bewiesen  betrachtet  werden.  Die  Unterscheidung 
der  banalen  Spirochätenformen,  die  wir  hier  antreffen,  von  der  Silber¬ 
spirochäte  macht  keine  Schwierigkeiten. 

Prof.  W.  Sarubin:  Ueber  aussergeschlechtliche  Syphilisan¬ 
steckung.  (Ebenda,  Febr.,  pag.  100.) 

Der  Verfasser  gibt  Daten  über  117  Fälle  aussergeschlechtlicher 
Ansteckung.  Im  ganzen  gingen  durch  seine  Hände  5305  Syphilis- 
talle  (dai unter  869  Ulcus  durum  und  4436  Lues):  davon  entfielen  1145 
(179  bezw.  966)  auf  seine  Privatpraxis  und  4160'(690  bezw.  3770)  auf 
Hospitäler. 

Das  Verhältnis  der  aussergeschlechtlichen  Fälle  zu  sämtlichen 
Syphilisfällen,  47  zu  5305,  gleicht  0,88  Proz.  Das  Verhältnis  der 
aussergeschlechtlichen  Fälle  von  Ulcus  durum  zu  den  geschlecht¬ 
lichen,  4/  zu  869,  beträgt  5,40  Proz.  Das  Verhältnis  der  ausserge¬ 
schlechtlichen  Syphilisfälle  zu  sämtlichen  Fällen  in  der  Privatpraxis, 
47  zu  1145,  beträgt  2,35  Proz.  Das  Verhältnis  des  aussergeschlecht- 
lichen  Ulcus  durum  zum  geschlechtlichen  in  der  Privatpraxis,  27  zu 
J/T  beträgt  15,08  Proz.  Das  Verhältnis  der  aussergeschlechtlichen 
Syphilis  zur  Syphilis  im  allgemeinen  jn  Hospitälern,  20  zu  4160,  be¬ 
trägt  0,47  Proz.  Das  Verhältnis  des  aussergeschlechtlichen  Ulcus 
dm  um  zu  den  geschlechtlichen  in  Hospitälern,  20  zu  690  beträgt 
2,89  Proz.  Die  einzelnen  Fälle  aussergeschlechtlicher  Ansteckung 
sind  sehr^  ausführlich  beschrieben  und  bieten  viel  Interessantes, 

Di.  S.  Bogroff:  Ein  Fall  aussergewöhnlicher  Lokalisation  der 
primären  Syphilisinfektion.  (Praktitschesky  Wratsch,  1907  No  7 
pag.  121.)  ,  1 

\  erfasser  hatte  die  Gelegenheit,  das  primäre  Geschwür  im 
Rektum  8  cm  vom  Anus  entfernt  zu  beobachten. 

Max  Grimm-  Moskau. 

Amerikanische  Literatur. 

L.  N.  D  e  n  s  1  o  w:  Eine  neue  Ansicht  über  die  Ursache  der  Tabes 
dorsalis.  (Med.  Record,  N.  Y.,  No.  24.) 

Verfasser  ist  der  Ansicht,  dass  die  pathologischen  Veränderungen 
dieser  Krankheit  durch  langanhaltenden  Reizzustand  peripherischer 
Nerven  hervorgerufen  werden.  Während  er  viele  der  von  ihm  be¬ 
obachteten  Fälle  nicht  auf  Syphilis  zurückführen  konnte,  fand  er  in 
allen  Fällen  ohne  Ausnahme  irgend  eine  Form  peripherischer  Rei¬ 
zung  vor.  1  ast  in  allen  Fällen  war  die  Reizung  im  Urogenitalsystem 
zu  suchen.  Ob  in  jenen  Fällen,  welche  von  Atrophie  des  N.  opticus 
begleitet  sind,  übermässige  Anstrengung  der  Augen  die  erregende 
Ursache  sei.  vermag  V.  nicht  zu  entscheiden.  Gestützt  auf  seine 
I  heorie  hat  er  eine  Anzahl  von  Patienten  durch  Hebung  des  Reizzu¬ 


standes  behandelt  und  hat  Heilungen  in  mehreren,  Besserung  in  allen 
Fällen  erzielt. 

L.  A.  Gönner:  Akute  Magenerweiterung  und  ihr  Verhältnis  zu 
mesenterialer  Obstruktion  des  Zwölffingerdarmes.  (Am.  Journ  of 

Med.  Sc.,  Phila.,  No.  3.) 

Die  akute  Magenerweiterung  entsteht  unter  sehr  verschiedenen 
Bedingungen,  ist  aber  besonders  häufig  nach  Operationen  unter  all¬ 
gemeiner  Narkose.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  begleitet  sie  eine 
Erweiterung  des  Duodenums.  Der  Mechanismus  der  akuten  Magen¬ 
erweiterung  ist  noch  nicht  ganz  aufgeklärt,  aber  in  einer  grossen 
Zahl  von  Fällen  (vielleicht  der  Hälfte)  geht  die  Magenerweiterung 
mit  duodenaler  Obstruktion  einher  und  scheint  die  Folge  derselben 
zu  sein.  Weitaus  die  gewöhnlichste  Ursache  dieser  Obstruktion  ist 
die  Verengerung  des  unteren  Endes  des  Zwölffingerdarmes.  Eine 
solche  Verengerung  kann  nur  statthaben  wenn  die  Mesenterialwurzel 
mit  der  Art.  mesent.  sup.  straff  über  das  Duodenum  gestreckt  wird 
und  dies  scheint  nur  möglich  zu  sein,  wenn  ein  Zug  ausgeübt  wird 
durch  den  über  den  Rand  des  kleinen  Beckens  hängenden  Dünn¬ 
darm.  Die  Entstehung  mesenterialer  Konstriktion  wird  daher  be- 
*  giinstigt  durch  irgendwelche  Umstände,  welche  den  Eintritt  des 
Dünndarmes  in  das  kleine  Becken  erleichtern  (Rückenlage,  langes 
Mesenterium  etc.).  Ein  hoher  Grad  von  MagenerWeiterung  ver¬ 
mehrt  zweifellos  die  Neigung  zu  mesenterialer  Obstruktion  dadurch, 
dass  die  Gedärme  in  das  Becken  gedrängt  werden  und  dient  dazu,  die 
Obstruktion,  wenn  sie  einmal  besteht,  vollständiger  und  permanenter 
zu  machen,  indem  sie  das  Zurückweichen  des  Darmes  au$  dem  Becken 
verhindert.  Ob  die  Magenerweiterung  oder  die  mesenteriale  Ob¬ 
struktion  den  ersten  Schritt  zu  diesem  krankhaften  Zustand  bildet,  ist 
noch  ungewiss,  aber  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  wenigstens 
in  einigen  Fällen  die  duodenale  Obstruktion  der  Magenerweiterung 
vorausgeht. 

H.  C.  Gor  dinier:  Die  Lage  des  motorischen  Gebietes  der 
menschlichen  Grosshirnrinde.  (Am.  Journ.  Med.  Sc.,  Phila.,  No.  5.) 

Verfasser  beobachtete  drei  Fälle  von  Erkrankungen  des  mo¬ 
torischen  Gebietes  (Glioma,  Abszess,  Gumma)  und  kommt  zu  folgen¬ 
den  Schlüssen:  1.  Es  gibt  ein  bestimmtes  Gebiet  in  der  Grosshirn¬ 
rinde,  welches  die  motorischen  Funktionen  regiert.  Dieses  Gebiet 
umfasst  die  präzentrale  Windung  und  ihren  parazentralen  Anhang.  Die 
Basen  der  oberen  und  mittleren  frontalen  Windungen  sollten  viel¬ 
leicht  mit  inbegriffen  werden.  2.  Die  motorischen  und  sensorischen 
Gebiete  des  Gehirns  sind  vollkommen  getrennt  von  einander,  obgleich 
sie  von  einander  abhängig  sind,  wie  dies  im  Rückenmark  der  Fall 
ist. 

G.  M.  Edebohls:  Untersuchung  und  Entkapselung  der  zweiten 
Niere  vor  der  Beendigung  einer  Nephrektomie.  (Journ.  Am.  Med. 

Ass.,  Chicago,  No.  22.) 

Die  Untersuchungsmethoden  der  funktionellen  Tätigkeit  der 
Nieren  sind  zur  Zeit  noch  unvollkommen  und  unzuverlässig.  Im 
Falle  einer  Nephrektomie  verfährt  Verfasser  daher  folgendermassen: 
1.  Einschnitt  und  genaue  Untersuchung  der  zu  entfernenden  Niere, 
wobei  Harnleiter  und  Blutgefässe  an  der  Nierenwurzel  sorgfältig  ge¬ 
schont  werden.  2.  Wenn  sich  durch  die  Untersuchung  die  Notwendig¬ 
keit  einer  Nephrektomie  ergibt,  wird  die  Niere  vorläufig  belassen  und 
ein  zweiter  Einschnitt  über  der  anderen  Niere  gemacht.  Wenn  die 
zweite  Niere  in  gesundem  Zustande  befunden  wird,  wird  die  Wunde 
einfach  geschlossen  und  die  krankhafte  Niere  entfernt.  Wenn  jedoch 
auch  die  zweite  Niere  als  krankhaft  befunden  wird,  werden  beide 
Nieren  belassen,  es  sei  denn,  dass  eine  Entkapselung  als  vorteil¬ 
haft  erkannt  wird.  Vorteile  dieses  Verfahrens:  1.  Absolut  sichere 
Feststellung  der  Existenz  einer  zweiten  Niere.  2.  Möglichkeit  einer 
genauen  Untersuchung  derselben.  3.  Möglichkeit  einer  Entkapselung 
der  verbleibenden  Niere. 

Die  letztere  auszuführen  ist  Verfasser  mehrmals  in  der  Lage 
gewesen,  um  dem  Tode  durch  Niereninsuffizienz  soviel  als  möglich 
vorzubeugen.  Nach  ihm  hat  die  Entkapselung  zwei  konstante  und 
unveränderliche  Wirkungen:  1.  Sie  vermehrt  die  tägliche  Ausschei¬ 
dung  des  Harnstoffes.  2.  Sie  setzt  die  Niere  in  den  Stand  eine 
grössere  Arbeit  als  sonst  zu  vollbringen. 

D.  Riesman:  Das  akute  Lungenödem  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  einer  wiederkehrenden  Form.  (Am.  Journ.  Med.  Sc.,  Phila 
No.  I.) 

1.  Es  gibt  eine  Form  des  akuten  Lungenödems,  die  augenscheinlich 
ohne  eine  erregende  Ursache  auftritt  und  oft  in  kurzer  Zeit  mit  Tod 
endigt.  2.  Genesung  von  einem  Anfall  ist  häufig,  aber  die  Krankheit 
hat  eine  bemerkenswerte  Neigung  wiederzukehren.  Die  Anfälle  kom¬ 
men  plötzlich,  gewöhnlich  bei  Nacht,  und  bedrohen  das  Leben  des 
Patienten.  3.  Die  klinischen  Ursachen  sind  verschieden;  Arterioskle¬ 
rose,  Herz-  und  Nierenkrankheiten  sind  die  wichtigsten.  4.  Die  Pa- 
thogenese  ist  dunkel;  vasomotorische  Störungen  und  eine  abnorme 
Tätigkeit  dei  beiden  Herzkammern  (hauptsächlich  der  rechten)  sind 
die  Hauptfaktoren.  5.  Die  hauptsächlichsten  Symptome  sind  qual¬ 
volle  Dyrspnoe,  Zy^anose.  Husten,  Auswurf  einer  eiweissartigen  Flüs¬ 
sigkeit  und  äusserste  Abmattung.  6.  Ueber  den  Lungen,  besonders 
über  den  oberen  Partien  hört  man  das  charakteristische  feuchte 
Rasseln  des  Oedems.  7.  Die  wichtigsten  Heilmittel  sind  Aderlass 
trockene  Schröpfköpfe  und  herzstärkende  Mittel. 

E  L.  Key  es:  Die  Hodentuberkulose.  (Ann.  of  Surg.,  Phila., 
No.  6.) 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1897 


1.  Die  Hodentuberkulose  ist  'klinisch  niemals  eine  isolierte  Erschei¬ 
nung.  sondern  sie  ist  nur  die  Aeusserung  einer  allgemeinen  Genital- 
tuberkulose,  denn  es  besteht  häufig  Sterilität  zur  Zeit  da  der  erste 
Hoden  angegriffen  wird  und  man  kann  deutliche  Zeichen  einer  Ent¬ 
zündung  der  inneren  Genitalien  bemerken.  2.  Die  Tuberkulose  tritt 
im  anderen  Hoden  in  weitaus  den  meisten  Fällen  innerhalb  weniger 
Jahre  auf  und  zwar  kann  dies  nicht  verhindert  oder  aufgeschoben 
werden  durch  eine  frühzeitige  Entfernung  des  krankhaften  Hodens. 

3.  In  keinem  Falle  ist  die  Heilung  eine  sichere,  wenn  der  tuberkulöse 
Nebenhoden  nicht  entfernt  wird,  und  eine  leichte  Hodentuberkulose 
wird  sicher  spontan  heilen,  wenn  der  Nebenhoden  exstirpiert  .worden 
ist.  4.  Die  Epididymektomie  ist  die  folgerichtige  Operation,  es  sei 
denn,  dass  eine  hyperakute  Epididymoorchitis  besteht  oder  dass  der 
Hoden  durch  Eiterung  zerstört  worden.  5.  Diese  Operation  hat  eine 
günstige  Wirkung  auf  das  allgemeine  Wohlbefinden  des  Kranken 
sowie  auf  die  Tuberkulose  der  inneren  Genitalorgane.  Sie  sollte  daher 
frühzeitig  ausgeführt  werden,  selbst  in  denjenigen  Fällen,  in  welchen 
die  Hodentuberkulose  nur  eine  unbedeutende  Aeusserung  einer  allge¬ 
meinen  progressiven  Tuberkulose  darstellt  oder  oft  viele  Jahre  lang 
das  einzige  äussere  Zeichen  der  Krankheit  bildet. 

F.  A.  Marshall:  Die  vergleichende  Physiologie  der  Men¬ 
struation  und  verwandter  Prozesse.  (Internat.  Clin.,  Phila.,  II.) 

Verfasser  kommt  zu  folgenden  Resultaten:  Das  Ovarium  ist  ein 
Organ,  das  ein  inneres  Sekret  absondert.  Dieses  Sekret,  welches  im 
Blut  zirkuliert,  bringt  eine  Reihe  von  Veränderungen  hervor,  welche 
dazu  beitragen,  das  Phänomen  der  „Brunst“  und  der  Menstruation 
herbeizuführen.  Nach  der  Ovulation  bildet  sich  das  Coipus  luteum 
und  dieses  Gebilde  scheidet  ein  weiteres  Sekret  aus,  das  für  die 
Veränderungen  während  der  Bildung  lind  Entwickelung  des  Embryos 
in  den  ersten  Tagen  der  Schwangerschaft  von  wesentlicher  Wichtig¬ 
keit  ist.  Hieraus  folgt,  was  pharmakologisch  wichtig  ist,  dass  die 
Wirkungen  des  Ovarialextraktes  verschieden  sein  müssen  je  nach  dem 
Zustande  der  Tiere  (brünstig,  nicht  brünstig,  trächtig),  von  welchen 
das  Extrakt  gewonnen  wird. 

G.  G  e  1 1  h  o  r  n:  Eine  neue  Behandlungsweise  des  nichtoperierten 
Uteruskarzinoms  durch  Azeton.  (Journ.  Am.  Med.  Ass.,  Chicago. 
No.  17.) 

Um  den  unausstehlichen  Geruch,  der  das  Uteruskarzinom  be¬ 
gleitet,  zu  beseitigen  und  das  Leben  der  Patientin  erträglich  zu 
machen,  gebraucht  der  Verf.  Azeton,  das  vermöge  seiner  bedeutenden 
hygroskopischen  Eigenschaft  alle  Gewebe  zum  Schrumpfen  bringt  und 
härtet.  Das  Karzinom  wird  zuerst  mit  der  Kürette  ausgekratzt  und 
die  Höhlung  mit  Watte  sorgfältig  getrocknet.  Dann  wird  etwa  eine 
Unze  Azeton  durch  ein  Rohrspekulum  in  die  Wunde  gegossen,  zu 
welchem  Zwecke  das  Becken  erhöht  wird  wie  in  der  T  r  e  n  d  e  1  e  n- 
bürg  sehen  Lage.  Die  Narkose  wird  dann  eingestellt  und  nach 
15 — 30  Minuten  lässt  man  das  Azeton  durch  das  Rohrspekulum  wieder 
abfliessen.  Bei  der  weiteren  Behandlung  ist  die  Narkose  nicht  mein 
notwendig.  Das  Azeton  wird  ohne  Kürettage  2 — 3  mal  wöchentlich 
appliziert.  Sowie  die  Höhlung  sich  verringert,  werden  kleinere 
Spekula  verwendet.  Resultate:  Verschwinden  des  unausstehlichen 
Geruches,  Verhinderung  von  Blutungen.  Abnehmen  der  Wundhöhle, 
Besserung  des  Allgemeinbefindens  der  Patientin. 

L.  K-  Baldauf:  Die  Chemie  des  Atheroma  und  der  Verkalkung. 

(Albany  Med.  Annals,  No.  1.)  „  ,  .  ,  ,  . 

1.  Die  Abwesenheit  von  Kalkseifen  in  den  Extrakten  veischie- 
dener  Aorten,  die  untersucht  wurden,  lässt  darauf  schliessen,  dass 
bei  pathologischer  Verkalkung  wenigstens  der  Aorta,  die  Bildung  von 
Kalkseife  kein  intermediärer  Prozess  ist.  2.  Die  Analysen  der  Rück¬ 
stände  scheinen  auf  die  Tatsache  hinzuweisen,  dass  in  pathologischer 
Verkalkung  die  anorganischen  Salze  in  ungefähr  demselben  Verhalt- 
niss  abgelagert  werden  wie  bei  der  normalen  Knochenbildung.  Dies 
bedeutet  jedoch  nicht  notwendigerweise,  dass  die  Prozesse,  welche 
pathologischer  Verkalkung  und  normaler  Knochenbildung  voraus¬ 
gehen,  identisch  sind.  3.  Der  bemerkenswert  hohe  Prozentsatz  des 
Lezithins  im  Anfangsstadium  der  Verkalkung  und  die  Tatsache,  dass 
mit  der  Vermehrung  des  Kalkgehaltes  eine  gleichzeitige  Verminde¬ 
rung  des  Prozentsatzes  an  Lezithin  Hand  in  Hand  geht,  fuhit  zui 
Vermutung,  dass  das  Phosphatradikal  durch  den  Zeifall  des  Lezi- 

thin  geliefert  wird.  .  „  .  ,  .  .  . 

C.  A.  H  e  r  t  e  r:  Ueber  bakterielle  Prozesse  im  Darmkanal  in  eini¬ 
gen  Formen  vorgeschrittener  Anämie,  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
die  Infektion  durch  Bacillus  aerogenes  capsulatus  (B.  Welchn). 

(Journ.  Biolog.  Chem.,  N.  Y.,  No.  1.)  . 

1.  Der  B.  aerog.  caps.  wird  in  geringer  Anzahl  öfters  im  Darme 
gesunder  Erwachsener  und  gesunder  Kinder  vorgefunden.  2.  In 
krankhaften  Zuständen  ist  dieser  Bazillus  in  grosser  Anzahl  vertreten. 
3.  Viele  diarrhoische  Erkrankungen  bei  Säuglingen  und  künstlich  er¬ 
nährten  Kindern  sowie  viele  krankhafte  Störungen  im  Darme  Er¬ 
wachsener  sind  mit  ziemlicher  Sicherheit  auf  den  B  aerog.  caps. 
zurückzuführen.  4.  Die  übermässige  Gasbildung  und  nachfolgende 
Flatulenz  in  vielen  Fällen  von  Kapsulatusinfektion  sind  auf  über¬ 
mässige  saccharobutyrische  Gärung  zurückzuführen.  5.  B.  aerog. 
caps.  wirkt  stark  hämolytisch.  6.  Viele  Fälle  primärer  perniziöser 
Anämie  sowie  Fälle  von  sekundärer  Anämie  ^weisen  deutliche  Meik- 
male  einer  übermässigen  saccharo-buty rischen  Garung  aut.  7-  * 
einigen  Fällen  vorgeschrittener  Anämie  zeigen  die  Fäzes,  sowie  das 
Blutbild  und  die  allgemeinen  Verhältnisse  sich  günstiger  gestalten. 


eine  deutliche  Verminderung  in  der  Zahl  des  B.  aerog.  caps.  8.  Die 
engen  Beziehungen  zwischen  gewissen  Anämien  und  dei  Kapsulatus 
infektion  des  Magendarmkanals  führen  zu  der  Vermutung,  dass  diese 
Infektion  in  einem  ursächlichen  Verhältnis  zu  diesen  Anämien  steht, 

obgleich  der  experimentelle  Beweis  soweit  noch  fehlt. 

Dr.  A.  Allemann. 


Otologie. 

P  Tetens  Haid:  Ueber  die  Steigerung  des  spezifischen  Ge¬ 
wichtes  des  Ohreiters  bei  Otitis  tned.  suppurativa  acuta  als  Indikation 
für  die  Eröffnung  des  Proc.  mastoideus  und  über  die  mit  der  Häm¬ 
in  e  r  s  c  h  I  a  g  sehen  Dichtebestimmungsmethode  verbundenen  Fehler. 

(Aus  der  Klinik  und  Poliklinik  für  Hals-  und  Ohrenkranke  des  Kom¬ 
munehospitals  zu  Kopenhagen.  Dir.:  Prof.  Holger  Mygind.)  (Zeit- 

schr.  f.  Ohrenheilk.,  53.  Bd..  4  Heft.)  .. 

Verf.  hält  es  für  zweifelhaft,  ob  man  überhaupt  die  Diagnose 
eines  Empyems  des  Warzenteils  mittels  Dichtebestimmungen  des  im 
äusseren  Gehörgang  gefundenen  Eiters  stellen  kann. 

F.  Voss -Riga:  Lasst  den  Thrombus  in  Ruh!  (Ibidem.) 

Verf.  warnt  vor  der  Anwendung  des  scharfen  Löffels  im  er- 
öffneten  Sinus  und  empfiehlt  Inzision  und  Abtragung  der  ausseren 
Sinuswand  fast  in  der  ganzen  Ausdehnung  des  Thrombus,  so  dass 
er  frei  zutage  liegt  und  etwa  vorhandene  infektiöse  Massen  einen 
Abfluss  nach  aussen  haben.  Der  Thrombus  bleibt  an  seinei  -Jene 

liegem  a  g  g  j  a  u  e  r .  München:  Die  Difierentialdiagnose  bei  den  endo- 
kraniellen  otogenen  Komplikationen.  (Zeitschr.  f.  ärztl.  Fortbildung, 

Unter  Anführung  mehrerer  Fälle  beleuchtet  Verf.  die  Schwiei  ig- 
keiten,  welche  sich  beim  Zusammentreffen  einer  entzündlichen  Mittel- 
ohrerkrankung  mit  einer  anderen  allgemeinen  Erkrankung  für die 
richtige  Beurteilung  namentlich  hinsichtlich  der  Vornahme  operativei 

Eingriffe  ergeben.  ..  .  ,  „  ..  ...  .  .  .  nhr 

Fritz  Scholz-Berlin:  Hyperämie  als  Heilmittel  bei  Ohr¬ 
erkrankungen.  (Sammelreferat.)  (Deutsche  militärärzthehe  Zeitschi., 

^Datfach  präzisiert  sich  der  gegenwärtige  Standpunkt  in  dieser 

Frage  folgendermassen: 

Für  die  Stauungsbehandlung  eignen  sich  _ 

].  alle  akuten  entzündlichen  Prozesse  des  äusseren  Gehoigangs, 

in  erster  Linie  die  Furunkulose,  ,  ,  „„ 

2.  von  Mittelohrerkrankungen  alle  nicht  infektiösen,  akuten,  un¬ 
komplizierten  einfachen  und  die  eitrigen,  •  . 

3.  die  akuten  Mastoitiden  mit  und  ohne  Abszessbildung. 
Auszuschliessen  von  dieser  Behandlung  sind: 

1.  alle  akut-infektiösen  Otitiden  (nach  Influenza,  Scharlach  etc.), 

2.  alle  chronischen  Mittelohrerkrankungen, 

3.  alle  Otitiden  mit  intrakraniellen  Komplikationen. 

Weitere  Kontraindikationen  für  die  Kopfstauung  sind:  Rachen¬ 
wucherungen  bei  Kindern,  grosse  Drüsenpakete  am  Halse,  tiefe ie  Ei¬ 
krankungen  von  Kehlkopf  und  Luftröhre,  Struma,  Arteriosklerose, 

Diabetes  und  Stauungskrankheiten.  ,  , 

Mit  Recht  bemerkt  Verf.  noch:  „Für  die  Sprechstunde  und 
•  Klientel  des  prakt.  Arztes  ist  die  venöse  Hyperämie  am  Kopf  leidei 
nicht  zu  gebrauchen.  Sie  muss  in  den  meisten  Fallen  auf  das  Krank ei- 
haus  beschränkt  bleiben,  wo  der  Pat.  unter  ständiger  Beobachtung 
steht ^ 

E.  U  r  bau  tschitsch- Wien:  Ueber  die  Beziehungen  der 
Nasenrachenerkranktingen  zur  Taubstummheit.  (Monatsscln.  fui 

Ohrenheilk.,  41.  .Tahrg.,  3.  Heft.)  tt  ,  ,  rptl 

Ueberblickt  man  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  nach  ihren 
Hauptpunkten,  so  findet  man,  dass  die  meisten  Taubstummen  an  chro¬ 
nisch-katarrhalischen  Mittelohrprozessen  leiden,  dass  feiner  die  Mehi- 
zahl  derselben  eine  mehr  oder  minder  heftige  chronische  1  haryngitis 
aufweist  und  dass  die  Taubstummen  fast  durchweg  Neigung  zu  Hyper¬ 
plasien  des  lymphatischen  Gewebes  im  Nasenrachenraum  aufweisen. 

D  ö  1  g  e  r  -  Frankfurt  a.  ivv. 

Inauguraldissertationen. 

Universität  Berlin.  August  1907. 

45.  Käscher  Sara:  Die  Oberflächenspannung  von  Körpersäften 
unter  normalen  und  pathologischen  Bedingungen. 

46  Drevbladt  Hermann:  Ueber  das  Pseudoadenoma  adatnan- 
tinum,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Diagnose  und 

47.  EisSmann  Arnold:  Zur  Kenntnis  des  chemischen  Verhaltens 
Hpt  Toxine 

48.  Marimön  Juan:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Darmbewegungen. 
49  Pabow  Erich:  Zur  Prognose  der  Otitis  media  im  Saughngsa  c  . 

50.  Ressel  Adolf:  Ueber  fäkale  Verunreinigungen  auf  Obst  und 

51.  Taub  mann  Judel:  Ikterus  im  Frühstadium  der  Syphilis. 
Universität  Erlangen.  Juli  August  1907. 

8.  Daxl  Gottfried:  Ein  Fall  von  Fibrom  der  grossen  Schamlippe 

9.  JtUmefer  Karl:  Ueber  eine,,  Kall  von  Thrombose  der  rechten 


1898 


Arteria  pulmonalis  und  Bildung  eines  Kollateralkreislaufes  in  den 
Lungen. 

Ui.  Miller  Eduard:  Ueber  einen  Fall  von  einem  Fremdkörper  in  den 
Luftwegen. 

11.  Rothdauscher  Anton:  Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie 
der  Ileozoekaltumoren. 

12.  Städtler  Heinrich:  Ueber  den  diagnostischen  Wert  des  Dermo¬ 
graphismus. 

Universität  Jena.  August  19D7. 

21.  der  mann  G.:  Ueber  vorzeitige  Lösung  der  normal  sitzenden 
Plazenta. 

22.  Kessel  Otmar  H.:  Zur  Kasuistik  der  hysterischen  Dämmer¬ 
zustände. 

22.  N  i  p  p  o  1  d  Otto  Ernst  Theodor:  Ueber  Verletzungen  des  Os  navi- 
culare  pedis. 

24.  Dunzelt  Hans:  Beiträge  zur  Pathologie  und  Therapie  des  Lichen 
ruber  planus  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Arsenbe¬ 
handlung. 

25.  Lehmann  Friedrich:  Ein  unter  dem  Bilde  der  amyotrophischen 
Lateralsklerose  verlaufener  Fall  von  Syringomyelie. 

26.  Serno  Otto:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Schwangerschaft, 
Wochenbett  und  Tuberkulose. 

•  Universität  Leipzig.  August  1907. 

88.  Voll  brecht  Richard:  Ueber  Arteriosklerose. 

89.  Zachen  Richard:  Ileus  bei  Schwangerschaft. 

90.  Kuttner  Ernst:  Ueber  die  Wahrnehmung  passiver  Bewegungen. 

91.  Hahlweg  Ernst  Karl:  Kasuistische  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
otogenen  serösen  Meningitis. 


Auswärtige  Briefe. 

Briefe  aus  Amerika. 

Das  Rockefeller  Institute  for  Medical  Research  in  New 
York.  —  Frau  E  d  d  y  und  Christian  Science.  —  Sanitäre  Ver¬ 
hältnisse  auf  den  Philippinen. 

Die  grossartige  industrielle  und  kommerzielle  Entwicke¬ 
lung  der  Vereinigten  Staaten  während  der  letzten  vierzig  Jahre 
hat  eine  sehr  grosse  Zahl  von  ungeheuer  reichen  Leuten  ge¬ 
schaffen.  Viele  dieser  Geldkönige  zählen  ihr  Vermögen  nach 
Hunderten  von  Millionen.  So  gewaltige  Vermögen  sind  in  den 
letzten  Zeiten  angesammelt  worden,  dass  das  Volk  in  allen 
Staaten  auf  Einschränkung  des  wuchernden  Kapitalismus  dringt, 
obschon  gegenwärtig  alle  Klassen  eines  ungewöhnlichen  Ge¬ 
deihens  und  Wohlstandes  sich  erfreuen.  Es  muss  aber  auf  der 
anderen  Seite  auch  anerkannt  werden,  dass  während  der  letzten 
fünfundzwanzig  Jahre  viele  dieser  reichen  Leute  ungeheure 
Summen  zu  gemeinnützigen  Zwecken  verwendet  haben.  Neben 
Spitälern,  Museen,  Kunst-  und  wissenschaftlichen  Instituten 
sind  namentlich  eine  grosse  Anzahl  höherer  Schulen  gegründet 
und  reichlich  dotiert  worden.  Man  denke  nur  an  die  Leland 
Stanford  Universität  in  San  Franzisko  und  an  die  Universität 
von  Chicago,  welche  beide  ihr  Vermögen  nach  vielen  Millionen 
zählen. 

Unter  den  Instituten,  welche  speziell  zur  Förderung  der 
medizinischen  Wissenschaften  gegründet  wurden,  sind  nament¬ 
lich  zu  nennen:  Das  Institute  for  the  Study,  Treatment  and 
Prevention  of  Tuberculosis,  welches  im  Jahre  1903  in  Phila¬ 
delphia  von  Henry  P  h  i  p  p  s  gegründet  wurde,  das  Memorial 
Institute  for  Infectious  Diseases  in  Chicago,  das  seine  Ent¬ 
stehung  der  Freigebigkeit  des  Herrn  McCormick  und 
dessen  Frau  verdankt  und  das  gegenwärtig  unter  Leitung  des 
Herrn  Prof.  H  e  k  t  o  e  n  steht,  dann  die  Carnegie  Institution 
in  Washington,  welche  Herr  Carnegie  mit  zehn  Millionen 
begabt  hat  und  endlich  das  Rockefeller  Institute  for  Medi¬ 
cal  Research  in  New-York,  welches  am  11.  Mai  dieses  Jahres 
eröffnet  wurde. 

Das  Rockefeller  Institut  wurde  schon  im  Jahre  1902 
organisiert.  Damals  berief  der  bekannte  Milliardär  Rocke¬ 
feller  eine  Anzahl  hervorragender  Männer,  um  den  Plan  zu 
einem  medizinischen  Institut  auszuarbeiten,  wozu  er  alle  nö¬ 
tigen  Summen  hergeben  würde.  Die  Herren  Welch,  Prud- 
<1  e  n,  11  e  r  t  e  r,  Smith,  B  i  g  g  s,  F  1  e  x  n  e  r  und  Holt 
wurden  zu  Direktoren  ernannt.  Die  Tätigkeit  des  Institutes 
\\  ährend  der  ersten  Jahre  bestand  darin,  dass  man  grössere 
Summen  an  tüchtige  junge  Forscher  abgab,  um  sie  in  ihren 
wissenschaftlichen  Arbeiten  zu  unterstützen.  Ueberdies  wurde 


No.  38. 

es  einer  Anzahl  junger  Männer  ermöglicht,  sich  an  deutschen 
Laboratorien  auszubilden. 

Um  aber  die  I  ätigkeit  des  Institutes  erspriesslicher  und 
einheitlicher  zu  gestalten  beschlossen  die  Direktoren,  für  das¬ 
selbe  ein  eigenes  Heim  zu  gründen,  und  zwar  in  New  York 
welche  Stadt  die  grössten  Vorteile  für  ein  solches  Unternehmen 
zu  ..  *e^en  schien.  So  wurden  denn  die  Gebäulichkeiten  in 
schöner  Lage,  am  East  River,  im  nördlichen  Teile  der  Stadt 
aufgefuhrt.  Das  Hauptgebäude  umfasst  die  Räumlichkeiten  für 
die  verschiedenen  Laboratorien,  Bibliothek,  Operationssaal 
usw.  Um  auch  die  praktische  Medizin  in  den  Bereich  des  In¬ 
stituts  zu  ziehen,  wird  in  nächster  Zeit  ein  Hospital  ganz  in  der 
Nahe  des  Hauptgebäudes  errichtet  werden.  Das  Institut  um- 
tasst  gegenwärtig  folgende  Abteilungen:  Pathologie,  Bak¬ 
teriologie,  physiologische  und  pathologische  Chemie,  Phy¬ 
siologie  und  vergleichende  Zoologie.  Die  Anstalt  gibt  auch  eine 
Zeitschrift  heraus,  The  Journal  of  Experimental  Medicine.  Zum 
Leiter  der  Anstalt  wurde  Herr  Dr.  Simon  Flexner,  bisher 

1  i  ofessor  der  Pathologie  an  der  Universität  von  Pennsylvanien 
berufen. 

Gegen  Frau  Mary  Baker  E  d  d  y,  die  bekannte  „Ent¬ 
deckerin  und  Gründerin“  der  Christian  Science  ist  kürzlich  vor 
dem  Gericht  von  ihrem  eigenen  Sohne  ein  Prozess  wegen  gei¬ 
stiger  Unzurechnungsfähigkeit  anhängig  gemacht  worden. 
Diese  Flau  ist  jetzt  in  ihrem  86.  Lebensjahr;  sie  zeigt  sich  in 
der  Oeffentlichkeit  nur  selten  und  lässt  sich  von  ihren  An- 
hängern  wie  eine  Heilige  verehren.  Es  wird  behauptet,  dass 
sie  völlig  geistesschwach  sei  und  dass  sie  von  einigen  schlauen 
Aposteln,  die  sie  in  ihrer  Obhut  haben,  zu  ihren  eigenen  selbst¬ 
süchtigen  Zwecken  benutzt  werde.  Es  ist  nämlich  bekannt  ge¬ 
worden,  dass  Frau  Eddy  all  ihr  Vermögen,  das  sich  auf 
mehrere  Millionen  beläuft,  mit  Uebergehung  ihres  eigenen 
Sohnes  der  Christian  Science  Church  vermacht  hat.  Dieser 
Sohn,  ein  ehrlicher  Farmer,  der  von  der  „Wissenschaft“  seiner 
Mutter  nichts  wissen  will,  hat  daher  zur  Wahrung  seiner  Rechte 
Klage  erhoben.  Der  zuständige  Gerichtshof  hat  denn  auch  eine 
Kommission  bestehend  aus  zwei  Aerzten  und  einem  Laien  er¬ 
nannt,  w  elche  die  Frau  auf  ihren  derzeitigen  Geisteszustand 
untersuchen  soll.  So  hat  die  Ironie  des  Schicksals  es  gewrollt, 
dass  die  alte  Frau,  die  in  ihren  Schriften  den  Aerztestand  so 
sehr  angefeindet  hat,  nun  von  Aerzten  auf  ihre  geistige  Zu¬ 
rechnungsfähigkeit  geprüft  werden  soll. 

Dieser  Christian  Science  Wahn  hat  in  den  letzten  Jahren 
grosse  Fortschritte  gemacht.  Die  Anhänger  sollen  sich  auf 
zwei  Millionen  belaufen.  Es  ist  jedoch  mehr  als  wahrschein¬ 
lich^  dass  nach  dem  1  ode  der  Frau  Eddy  die  ganze  Bewegung 
im  Sande  verlaufen  wird,  denn  bisher  hat  nur  die  ausserordent¬ 
liche  Pei sönlichkeit  der  Gründerin  das  Ganze  zusammen¬ 
gehalten. 

Der  Name  Christian  Science  könnte  leicht  zu  irrtümlichen 
Ansichten  über  diese  wunderlichen  Heilkünstler  führen.  Denn 
weder  Wissenschaft  noch  christlicher  Sinn  ist  darin  zu  finden. 
Nach  ihnen  war  Christus  nur  eine  Art  Heilprophet,  der  in  die 
Welt  kam,  um  die  Menschen  von  den  Krankheiten  des  Körpers 
zu  befreien  und  zu  lehren,  wie  man  die  Krankheiten  durch  die 
Einwirkung  des  Geistes  kurieren  könne.  Nachher  ging  diese 
Wissenschaft  wieder  verloren  und  erst  nach  vielen  Jahr¬ 
hunderten  gelang  es  der  Frau  Eddy,  das  Geheimnis  wieder 
aufzufinden.  Sie  gilt  daher  auch  unter  ihren  Anhängern  als 
eine  Prophetin  und  wird  als  solche  Christus  gleichgestellt.  Frau 
Eddy  hat  auch  eine^  neue  Bibel  verfasst,  nämlich  das  Buch 
„Wissenschaft  und  Gesundheit  nebst  Schlüssel  zur  heiligen 
Schrift  •  Darnach  hat  nur  der  Geist  wirkliche  Existenz,  nicht 
abei  die  Materie.  Die  Krankheiten  des  Körpers  beruhen  nur 
auf  einer  Einbildung  des  Geistes  und  sobald  der  Kranke  zur 
Ueberzeugung  dieser  Wahrheit  kommt,  wird  er  sich  gesund 
fühlen.  Zum  Beweise  dieses  neuen  Evangeliums  werden 
Hunderte  und  Tausende  von  wunderbaren  Heilungen  angeführt. 
Wie  die  Osteopathen  kurieren  auch  diese  Leute  alle  Krank¬ 
heiten,  auch  die  unheilbaren.  Die  Bakterien  sind  nach  ihnen 
eine  Einbildung,  ein  Betrug.  So  kam  es  denn,  dass  in  den 
letzten  Jahren  sehr  viele  dieser  Heilkünstler,  welche  die 
Lungenentzündung,  Diphtheritis,  Typhus  usw.  „geistig“  be¬ 
handeln  wollten,  und  wobei  die  Patienten  erlagen,  vor  den 
üeiichten  wegen  „Malpractice“  belangt  und  verurteil  wurden. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1899 


Neulich  ist  von  Herrn  Dr.  Heiser,  Direktor  des  Gesund¬ 
heitsamtes  auf  den  Philippinen  der  Jahresbericht  über  die  ge¬ 
sundheitlichen  Verhältnisse  der  Inseln  für  das  vergangene 
Fiskaljahr  (Juni  1906  bis  Juni  1907)  veröffentlicht  worden.  Dar¬ 
nach  ergibt  sich,  dass  die  Tätigkeit  der  amerikanischen  Sani¬ 
tätsbehörden  den  Inseln  zu  grossem  Vorteile  gereichen.  Die 
Cholera  trat  letztes  Jahr  zuerst  in  einem  Gefängnis  auf,  wurde 
aber  durch  geeignete  Massregeln  in  engen  Grenzen  gehalten. 
Im  Ganzen  wurden  1443  Fälle  beobachtet.  Von  Interesse  ist 
die  Erklärung  des  Herrn  Heiser,  dass  eine  gemeinverständ¬ 
liche  Aufklärung  des  Volkes  über  das  Wesen  der  Krankheit 
weit  mehr  dazu  beitrage  die  Verbreitung  derselben  zu  hindern, 
als  Zwangsmassregeln.  Es  wurden  daher  Flugblätter  mit  In¬ 
struktionen,  wie  man  sich  gegen  die  Krankheit  schützen  soll, 
unter  die  ganze  Bevölkerung  verteilt.  Gleichzeitig  wurden  an 
alle  Lehrer  Broschüren  geschickt,  welche  Instruktionen  ent¬ 
hielten,  wie  die  Schüler  über  das  Wesen  und  die  Verbreitungs¬ 
weise  der  Cholera  aufzuklären  seien.  Pestfälle  sind  während 
des  vergangenen  Jahres  nur  eine  geringe  Zahl  beobachtet 
worden.  Die  Zahl  der  Leprakranken  auf  den  Philippinen  wird 
auf  4—5000  geschätzt.  Eine  Leprakolonie  wurde  auf  einer  der 
kleineren  Inseln  angelegt,  woselbst  sich  gegenwärtig  etwa  800 
Patienten  befinden.  Während  des  Jahres  wurden  über  eine 
Million  Personen  gegen  die  Pocken  geimpft.  In  jenen  Gegenden 
wo  die  Malaria  herrscht,  wurde  das  Chinin  unentgeltlich  an  die 
Bevölkerung  abgegeben.  Flüsse,  welche  Städte  mit  J  rink¬ 
wasser  versorgen,  wurden  unter  Aufsicht  gestellt.  Auch  der 
Handel  mit  Fleisch  und  anderen  Lebensmitteln  wurde  der  Kon¬ 
trolle  des  Gesundheitsamtes  unterstellt.  Nach  dem  Bericht 
war  die  Sterblichkeit  unter  den  Amerikanern  9,4  vom  Tausend, 
unter  der  einheimischen  Bevölkerung  40,9  vom  1  ausend,  eine 
hohe  Ziffer,  aber  doch  geringer  als  in  früheren  Jahren.  Es 
muss  auch  bemerkt  werden,  dass  eine  sehr  grosse  Kinder¬ 
sterblichkeit  die  allgemeine  Mortalitätsziffer  sehr  erhöht. 

A.  A  1 1  e  m  a  n  n. 


Brasilianische  Briefe. 

R  i  o  d  e  Janeiro,-  2.  August  1907. 

Medizinschulen.  —  Aerztliche  Verhältnisse.  —  Zulassung  aus¬ 
ländischer  Aerzte. 

Wenn  man  nach  dem  Inhalt  des  feuilletonistischen  1  eiles  der 
deutschen  medizinischen  Zeitschriften  mit  Recht  auf  ein  grösseres 
Interesse  für  die  ärztlichen  Verhältnisse  im  Ausland  schliessen  daif, 
so  können  vielleicht  auch  die  folgenden  Zeilen  einige  Leser  finden. 
Für  den  Arzt  ist  ja  Brasilien  als  Ursprungsland  so  mancher  wichtiger 
Droge  und  deren  Verwendungsalt,  als  Heimat  oder  Herd  verschie¬ 
dener  Krankheiten  sowieso  von  Interesse,  ganz  abgesehen  davon,  dass 
mancher  deutsche  Arzt  europamiide  hier  sein  Arbeitsfeld  gesucht  hat. 
der  eine  mit  Qliick,  der  andere,  was  so  leicht  übersehen  wird,  ohne  den 
erträumten  Erfolg.  Himmelweit  verschieden  ist  das  Milieu  hier  selbst 
in  den  fortgeschrittensten  Zentren  von  dem  deutschen  oder  überhaupt 
mitteleuropäischen,  und  man  würde  deshalb  unrecht  tun,  an  hiesige 
ärztliche  Verhältnisse  den  dortigen  Massstab  zu  legen,  wie  es  jedoch 
bei  einer  beschreibenden  Gegenüberstellung  nötig  ist.  Keine  Fiage, 
dass  in  dieser  bunt  zusammengewürfelten  Bevölkerung  aus  einge¬ 
borenen  Indianern,  eingewanderten  Europäern  und  als  Sklaven  im- 
portierten  Negern  und  Mischlingen  aller  Schattiei  ungen  tausende 
Männer  von  feiner  Bildung  und  ernstem  Streben  sind,  ihnen  gegenübei 
aber  auch  Millionen  erwachsener  Analphabeten.  So  stossen  modern¬ 
ster  Fortschritt  und  primitive  Unkultur  allenthalben,  eng  aneinander: 
wenige  Schritte  von  dem  glänzenden  Wohnhaus,  das  jedes  europäische 
Zentrum  zieren  könnte,  trifft  man  die  elende  Bretterbude,  die  mit  ihrem 
lebenden  und  toten  Inventar  fast  an  Zentralafrika  erinnern  kann. 
Solche  Halbheit  und  Gegensätzlichkeit  in  geistiger  und  technischer 
Kultur  und  allen  Institutionen  ist  wohl  notwendig  das  wesentliche 
Charakteristikum  eines  „neuen“  Landes  mit  einer  Bevölkerung  aus 
den  heterogensten  Elementen  und  mit  die  Annalen  füllenden.  De¬ 
volutionen  rein  politischer  Natur.  Und  diese  Halbfertigkeit  spiegelt 
sich  natürlich  auch  in  dem  ärztlichen  Milieu  wieder,  von  dem  hier 
ein  paar  Zeilen  folgen  sollen,  nur  aus  der  Kenntnis  der  Landeshaupt¬ 
stadt  heraus. 

Von  den  beiden  in  Brasilien  existierenden  Medizinschulen  —  die 
eine  in  Bahia,  die  andere  in  Rio  —  ist  die  letztere  wohl  die  grössere, 
zugleich  verbunden  mit  Schulen  für  Zahnärzte,  Apotheker  und  Heb¬ 
ammen.  Die  Gebäulichkeiten  sind  ein  recht  schlichtes  altes  Haus 
mit  einer  Anzahl  ziemlich  primitiver  Hörsäle,  in  dessen  Hofe  einige 
hübsche,  moderne  Pavillons  für  Präparierübungen  stehen,  ein  neuerer 
Doppelstock  mit  Kurssälen  für  Histologie  und  Bakteriologie  und  die 
Bibliothek  mit  einer  Sammlung  meist  französischer  Bücher  und  ziem¬ 
lich  vielen,  auch  deutschen  Journalen,  deren  Jahrgänge  indes  wohl 


nicht  gerade  sorgfältig  gesammelt  werden.  Und  überall  recht  viel 
ehrwürdiger  Staub,  trotzdem  zahlreiche  Diener  überall  herumstehen 
und  mit  ihrer  entsetzlich  dürftigen  Kleidung  den  Beweis  liefern,  dass 
ihr  Gehalt  und  die  teuren  Preise  der  Lebensführung  in  argem  Miss¬ 
verhältnis  stehen. 

Die  klinischen  Institute  werden  dargestellt  durch  die  Santa  Casa 
da  Misericordia,  ein  grosses  Hospital  mit  ca.  1600  Betten,  das  interne, 
chirurgische,  gvnäkologische,  geburtshilfliche.  Augen-.  Hautkliniken 
enthält,  ausserdem  einige,  allerdings  recht  dürftige  poliklinische  Ab¬ 
teilungen.  Grosse,  helle,  luftige  Krankenzimmer,  moderne  Operations¬ 
säle  und  viele  gute  Einrichtungen  machen  einen  vorteilhaften  Eindruck. 
Beklagt  wird  indes  mit  vollstem  Recht  von  den  dort  tätigen  Aerzten, 
soweit  sie  europäische  Kliniken  kennen,  der  absolute  Mangel  eines 
geschulten  Personals!  Eine  statistische  Verarbeitung  des  inter¬ 
essanten  Krankenmaterials  fehlt  ebenfalls.  Sehr  rückständig  ist  auch 
der  Sektionsdienst,  der  weder  den  Anforderungen  eines  grossen  Kran¬ 
kenhauses,  geschweige  denn  einer  Unterrichtsanstalt  genügt;  die 
Sektion  macht  ein  Koassistent  des  betreffenden  Krankensaales  in 
Anwesenheit  seines  Assistenzarztes;  eine  gesonderte  Leitung  dieses 
wichtigsten  Kontrolldienstes  der  Klinik  fehlt  vollständig.  Unter  den 
Aerzten  des  Hospitals,  die  jeder  zum  grossen  Schaden  für  den  Unter¬ 
richt  nur  einen  Saal  von  32  Betten  zur  Verfügung  haben  und  harte 
Kämpfe  für  fortschreitende  Verbesserungen  nicht  fürchten,  finden 
sich  die  besten  Namen  der  hiesigen  Aerzteschaft,  z.  B.  die  Internen 
Sodre  und  Couto  (die  Verfasser  der  Gelbfiebermonographie  in 
der  Nothnagel  sehen  Sammlung),  die  Chirurgen  Braut  P  a  e  s 
Lerne  und  Chapöt-Prevost,  der  Ophthalmologe  Abren 
F  i  a  1  h  o  usw.  Besonders  bemerkenswert  ist  noch,  dass  dieses  grosse 
Hospital  seine  Existenz  und  Unterhaltung  vollständig  der  privaten 
Wohltätigkeit  verdankt.  Staat  und  Kommune  sind  hier  noch  weit 
entfernt  in  dieser  Beziehung  ihrer  Pflicht  genügen  zu  können:  es  tritt 
für  sie  in  einer  ganz  grossartigen  Weise  die  zwar  nicht  einem  sozialen, 
sondern  religiösen  Bedürfnis  entspringende  Wohltätigkeit  ein,  das 
innerhalb  des  Hospitals  sich  auch  in  einer  Unzahl  von  Heiligenbildern 
und  Altären  Luft  macht.. 

Die  Vorbildung  des  etwa  18  jährigen  Medizinstudenten  (auch 
weibliche  sind  zugelassen)  verlangt  Materien  der  allgemeinen  Bil¬ 
dung  inklusive  elementarer  Kenntnisse  in  den  Naturwissenschaften, 
ohne  irgendwie  den  deutschen  Ansprüchen  gleichzukommen.  Die 
Ausbildung  geschieht  schulmässig  in  6  jährigem  Kursus,  so  dass  der 
Uebergang  zum  nächsthöheren  von  einem  Examen  abhängig  ist.  Es 
wird  im  Jahr  indes  nur  etwa  5  Monate  gelesen,  während  für  die 
Examina,  die  sich  auf  die  Fächer  des  betreffenden  Kursus  beziehen, 
ungeheuer  viel  Zeit  verwendet  wird.  Ein  Staatsexamen  in  deutschem 
Sinne  fällt  daher  fort,  während  dafür  die  Doktordissertation  am  Ende 
des  6.  Jahres  den  Abschluss  der  Studienzeit  bildet.  Von  irgendwel¬ 
chem  geselligen  oder  sportlichen  Leben  innerhalb  der  Studentenschaft 
ist  keine  Spur  vorhanden.  Als  Svm'bol  der  erworbenen  Doktorwürde 
werden  hier  Ringe  getragen,  und  zwar  unterscheidet  den  Arzt  von 
den  übrigen  Fakultäten  ein  von  Brillanten  umgebener  Smaragd.  Bis 
vor  kurzem  war  es  ausserdem  rigorose  Mode,  dass  der  Arzt  schwarz 
gekleidet  ging,  eine  unserem  Klima  geradezu  hohnsprechende  Unsitte, 
gegen  die  jetzt  ein  hiesiger  geselliger  Aerzteverein  mit  Erfolg  Front 
gemacht  hat.  Die  Zahl  der  Aerzte,  die  nach  hier  vollendeten  Studien 
zu  weiterer  Ausbildung  nach  Europa  (früher  ausschliesslich  nach 
Paris,  jetzt  sehr  vielfach  auch  nach  Deutschland.  Oesterreich,  Italien, 
England)  gehen,  ist  in  ständigem  Steigen  begriffen. 

Die  Lehrbücher  sind  fast  ausschliesslich  in  französischer  Sprache. 
Originale  oder  Uebersetzungen,  in  welchem  fremden  Gewände  man 
auch  den  in  Deutschland  weitest  verbreiteten  sehr  häufig  begegnet. 
Die  Verwandtschaft  mit  der  portugiesischen  Landessprache  gestattet 
auch  leicht  das  Studium  der  spanischen  und  italienischen  Literatur, 
während  die  deutsche  durch  die  grosse  Schwierigkeit  des  Idioms 
nur  wenigen  zugänglich  ist.  Die  landessprachliche  Literatur  tritt  hin¬ 
ter  der  fremden  so  bescheiden  zurück,  dass  brasilianische  Aerzte 
grössere  Publikationen  öfter  in  französischer  Sprache  schreiben. 

Die  Einteilung  des  Unterrichtsstoffes  ist  ungefähr  wie  in  Deutsch¬ 
land,  zunächst  die  Hilfsfächer,  dann  die  Kliniken,  wenn  natürlich 
auch  nicht  mit  so  weitgehender  Spezialisierung.  Unter  den  klinischen 
Spezialfächern:  Ophthalmologie,  Psvchiatrie,  Dermatologie.  Pädiatrie 
kann  der  Student  zwei  wählen;  Otiatrie  etc.  existiert  noch  nicht  als 
besonderes  Lehrfach.  Auch  alle  nichtklinischen  Disziplinen  (Botanik 
etc.,  Anatomie  etc.)  werden  von  praktischen  Aerzten  mit  zum  I  eil 
grosser  Klientel  vertreten.  Dieses  Faktum  führt  mich  dazu,  ein  paai 
Worte  über  den  ausschliesslich  aus  Inländern  bestehenden  Lehrkörper 
zu  sagen,  woraus  man  am  besten  den  Unterschied  zwischen  dr  üben 
und  hüben  erkennen  wird,  zwischen  einer  Fakultät,  die  am  weiteren 
Fortschritt  unserer  Wissenschaft  mitarbeitet,  und  einer  Schule,  die 
dort  errungene  Resultate  einfach  weiter  zu  vermitteln  hat.  Diesei 
Unterschied  tritt  weniger  in  den  klinischen  Fächern  zutage,  wo  gewiss 
brasilianischen  Aerzten  manche  gute  Beobachtung  zu  verdanken  ist  . 


*)  Es  wird  vielleicht  interessieren,  zu  erfahren,  dass  z.  B.  jenes 
Phänomen  des  „D  u  r  o  z  i  e  z  sehen  Doppelgeräusches“  hier  unter  dem 
Namen  des  Brasilianers  Costa  A  1  v  a  r  e  n  ?  a  gelehrt  wird  (et. 
Costa  Alvarenga:  Memoire  sur  l’insuffisance  des  valvules 
aortiques  et  considerations  generales  sur  les  maladies  du  coeur. 
Paris  1856  —  und  D  u  r  o  z  i  e  z:  Du  double  Souffle  mtermittent  crural 


1900 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


als  in  den  nichtklinischen,  da  deren  Pflege  zurzeit  eben  noch  ganz 
rehlt.  Die  Institution  der  Privatdozenten  existiert  noch  nicht.  Daher 
wnd  zur  Besetzung  einer  \akanz  zum  Wettbewerb  („concurso“)  ge- 
griffen,  bei  dem  die  Kandidaten  in  mündlichen  und  praktischen  Proben 
(schriftliche  Examina  in  Klausur)  vor  dem  Lehrkörper  und  den  Stu¬ 
denten  ihre  Befähigung  nachzuweisen  haben.  So  ein  Kandidat  hat  es 
gewiss  nicht  leicht,  sich  Kenntnisse  und  Fertigkeiten  anzueignen,  da 
ja  Ausbildungsinstitute  fehlen,  und  man  kann  ihren  ausdauernden  Be¬ 
mühungen  seine  Achtung  nicht  versagen;  es  liegt  dabei  in  der  Natur 

fj®rT  u  V  ,.s  es  wohi  stets  junse  Aerzte  sind  (meist  unter 
•/u  Jahren),  die  am  „concurso“  teilnehmen,  und  denen  die  leichte  Auf¬ 
fassungsgabe  der  romanischen  Rasse,  ein  gutes  Gedächtnis  und  ora- 
to risches  Talent  sehr  zu  stattep  kommt.  Doch  wird  die  allzu  deut- 
liche  Mangelhaftigkeit  dieses  Systems  immer  allgemeiner  empfunden 
und  daher  auf  baldige  Abhilfe  gedacht. 

Noch  ein  paar  Notizen  über  allgemeine  ärztliche  Verhältnisse. 

Die  ausgesprochene  Trennung  der  Stadt  Rio  de  Janeiro  in  ein 
Geschäfts-  und  mehrere  Wohnviertel  hat  es  zuwege  gebracht,  dass 
auch  die  ärztlichen  Sprechstunden  im  Geschäftsviertel,'  fern  von  der 
eigenen  Wohnung  abgehalten  werden,  wodurch  das  Budget  des  Arztes 
mit  doppelten  Ausgaben  für  Miete  belastet  wird.  Diese  „consultorios“ 
sind  im  allgemeinen  recht  dürftige  Räume  mit  überraschend  schlichter 
Ausstattung:  der  noch  mangelnde  Sinn  der  Bevölkerung  für  modernen 
Komfort  und  die  ganz  exorbitanten  Preise  der  allgemeinen  Lebens¬ 
führung  erklären  das  wohl.  Bei  einem  Spaziergang  durch  die  Ge- 
schaftsstadt  fällt  nicht  nur  die  recht  grosse  Zahl  der  Aerzte  überhaupt 
aut  (und  Apotheken!),  sondern  besonders  das  Ueberwiegen  der  Spe¬ 
zialarzte.  Schon  die  Tatsache  indes,  dass  es  im  Lande  an  Gelegen¬ 
heiten  zu  gründlicher  spezialistischer  Schulung  vieler  Aerzte  fehlt, 
beweist,  dass  man  die  Bezeichnung  „Spezialarzt“  nicht  im  deutschen 
Sinne  aufzufassen  hat.  Charakteristisch  ist  die  unausbleibliche  Frage 
des  Publikums  bezüglich  jedes  Arztes  nach  seiner  Spezialität,  und 
es  ist  nicht  ganz  selten,  dass  die  Spezialitäten  eines  Arztes  "ganz 
merkwürdig  zusammengewürfelt  sind:  Tuberkulose  und  Syphilis 
Ohren  und  Harnwege  etc.  Eine  grosse  Rolle  spielen  hier  die  Homöo¬ 
pathen,  und  es  können  nicht  die  ärmsten  Kreise  der  Bevölkerung  sein 
die  zu  deren  Banner  schwören,  da  jene  Herren,  unter  ihnen  gewiss 
einige  tüchtige  Psychologen,  die  ihr  Publikum  verstehen,  bei  ihren 
Honorarforderungen  nicht  gerade  homöopathische  Dosen  bevorzugen. 

Bedeutend  ist  die  Rolle,  die  die  Tageszeitungen  im  Leben  des 
1  V  un(^  auch  nur  bei  genauerer  Kenntnis  des  hiesi- 

gen  Mdieus  verstehen  lässt.  Die  Zeitung  ruft  den  Kandidaten  all¬ 
jährlich  zum  Examen,  sie  veröffentlicht  deren  Resultate,  wobei  sie 
zartfühlend  genug  ist,  den  Durchgefallenen  nicht  mit  Namen  anzu¬ 
geben.  sie  bespricht  seine  Doktorarbeit  und  schliesst  kühn  aus  ihr 
auf  sein  Talent  und  seine  Aussichten  für  die  Zukunft;  sie  nimmt  regel¬ 
mässig  die  Annoncen  der  Aerzte  in  einer  eigens  dafür  bestimmten 
^  palte  auf,  sie  schildeit  die  Einrichtung  dieses  oder  jenes  neueröffne¬ 
ten  „consultorio“  und  den  regen  Betrieb  dort:  sie  beschreibt  mit 
rührender  Ausführlichkeit  mehr  oder  minder  merkwürdige  Opera¬ 
tionen,  sie  bringt  dem  Publikum  die  Dankesbezeugungen  geheilter 
atienten  zur  Kenntnis,  und  es  ist  gewiss  nur  schnöde  Missgunst 
wenn  manchmal  behauptet  wird,  der  betreffende  Doktor  hätte  das 
Inserat  selbst  bezahlt. 

P.ie,.^a^  ^er  Merzte,  denen  das  Erträgnis  der  Praxis  allein  nicht 
das  tägliche  Brot  verschafft,  soll  ziemlich  gross  sein.  Man  findet 
sie  daher  nicht  selten  mit  Nebenbeschäftigungen  (auch  aus  freier 
Neigung),  nicht  nur  in  kleineren  Sanitätsposten,  sondern  in  allen  mög- 
hchen  Fächern,  als  Lehrer  an  Schulen,  als  Journalisten  usw.  In  der 
politischen  Vertretung  des  Landes  sitzen  ziemlich  viel  Aerzte,  ohne 
dass  dies  meines  Wissens  für  die  ärztlichen  Verhältnisse  bemerkens¬ 
werte  Fortschritte  gezeitigt  hätte,  während  Aerzte  als  Minister  und 
hohe  Verwaltungsbeamte  sich  vielfach  verdient  gemacht  haben. 

Zum  Schluss  interessieren  vielleicht  noch  ein  Daar  Worte  über 
das  „exame  de  sufficiencia“.  dem  sich  der  im  Ausland  ausgebildete 
Arzt  hier  zu  unterwerfen  hat  und  das  im  Sinne  einer  schutzzöllne- 
i  ischen  Institution  wie  anderwärts  seine  Berechtigung  haben  mag. 
Dasselbe  enthält  nicht  nur  klinische  Fächer,  in  denen  äusserG  liebens¬ 
würdig  und  glimpflich  geprüft  wird,  sondern  auch  Physiologie,  topo- 
giaphiscbc  Anatomie  etc.  mit  schriftlichen,  mündlichen  und  prak¬ 
tischen  Proben  und  gerade  diese  Materien,  die  man  schon  lange  „hin¬ 
tu  sich  zu  haben  pflegt,  und  unzureichende  Kenntnis  der  Landes¬ 
sprache  und  deren  medizinische  Technizismen  pflegen  einem  recht 
grossen  Prozentsatz  der  Fremden  einen  Reinfall  zu  bereiten,  obwohl 
man  sich  das  bei  der  Existenz  von  10  positiven  Zensurgraden  nicht 
leicht  vorstellen  kann.  Es  gibt  zwar  die  Möglichkeit,  sich  durch 
Kurse  zu  diesen  Examina  vorzubereiten,  indes  sind  die  finanziellen 
Bedingungen  derart,  dass  ich  fürchte,  mit  ihrer  Angabe  bei  dem  Fern¬ 
stehenden  meine  Glaubwürdigkeit  einzubiissen,  während  man  sonst 
immerfort  Gelegenheit  hat,  in  den  hiesigen  Aerzten  Mitglieder  einer 
ausserst  liebenswürdigen,  geistig  regsamen  Nation  kennen  zu  lernen. 


No.  38. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

34.  Zusammenkunft  der  Ophthalmologischen  Gesellschaft 

in  H  e  i  d  e  1  b  e  r  g,  5.,  6.  und  7.  August  1907. 

Bericht  zum  Teil  mit  Benützung  von  Autoreferaten  erstattet 
von  Oberarzt  Dr.  v.  H  e  u  s  s  -  München. 

Bei  der  Eröffnung  des  Kongresses  am  5.  August  in  der  Aula  der 
Universität  konnte  Geh. -Rat  L  e  b  e  r  -  Heidelberg  eine  grosse  Anzahl 
voiWTeilnehmern  begrüssen.  Leber  wies  daraufhin,  dass  schon  seit 
l.So/  in  Heidelberg  Zusammenkünfte  von  Ophthalmologen  unter 
Albi  echt  v.  Gräfe  stattfanden.  Eine  dem  Kongress  von  Dr  H 
W  e  b  e  r  -  Darmstadt  überreichte  Schrift  „gewidmet  dem  fünfzigsten 
Jubeljahre  der  Konstituierung  der  Gräfe  sehen  Schule“  gab  einen 
wertvollen  Beitrag  zu  der  Geschichte  der  Gründung  der  heute  so 
blühenden  Gesellschaft. 

Es  wurden  drei  Vortragssitzungen  (Vorsitz:  A  x  e  n  f  e  1  d  -  Frei¬ 
burg,  H  ö  d  e  r  a  t  h  -  Saarbrücken,  E  1  s  c  h  n  i  g  -  Prag)  und  zwei  De¬ 
monstrationssitzungen  (Vorsitz :  Heine-  Greifswald,  Hertel-  lena) 
abgehalten. 

Ein  Festmahl  in  der  Stadthalle  vereinigte  sämtliche  Teilnehmer 
am  2.  Kongresstage.  Ein  gemütliches  Abendessen  auf  der  Stiftsmühle 
bei  Heidelberg  mit  Heimfahrt  auf  dem  Neckar  an  dem  beleuchteten 
Schloss  vorbei  beschloss  die  Tagung. 

E  1  s  c  h  n  i  g  -  Prag:  Ueber  physiologische,  atrophische  und  glau- 
komatöse  Exkavation. 

E.  bespricht  unter  Verwendung  eigener  und  fremder  Beobach¬ 
tungen  die  anatomischen  Merkmale  der  im  Titel  erwähnten  Exkava¬ 
tionen  der  Sehnervenpapille.  Er  kommt  zu  dem  Hauptschluss,  dass 
bei  einfachem  Sehnervenschwunde  das  Nervenfasergewebe  allein 
schwinde;  Glia  und  Bindegewebe  bleibe  erhalten;  daher  komme  es 
in  einem  Auge  ohne  schon  vorhandene  grössere  physiologische  Ex¬ 
kavation  niemals  zu  einer  physiologisch  wahrnehmbaren  Exkavation. 
Nm  bei  dem  sogen,  kavernösen  glaukomatösen  Sehnervenschwund 
werde  eine  wirkliche  Aushöhlung  des  Sehnerven  erzeugt. 

B  e  s  t  -  Dresden:  Der  Zusammenhang  zwischen  Naharbeit  und 
Kurzsichtigkeit. 

Die  ^.ur.c^  Naharbeit  entstehende  Kurzsichtigkeit  ist  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  als  Anpassung  des  Auges  an  den  dauernden  Ge¬ 
brauch  in  der  Nähe  aufzufassen.  Naharbeit  kann  nur  durch  Ver¬ 
mittlung  der  Akkommodation  Kurzsichtigkeit  erzeugen.  Der  Zusammen¬ 
hang  lässt  sich  durch  die  Anordnung  der  Spannkräfte  bei  der  Akkom¬ 
modation  erklären.  Bei  der  Akkommodation  ist  die  elastische  Kraft, 
die  die  Tätigkeit  des  Ciliarmuskels  reguliert  und  die  Ferneinstellung 
des  Auges  bewirkt,  der  muskulösen  Gegenkraft  gleichwertig.  Sie 
hat  ihren  Sitz  teils  zirkulär,  teils  in  der  Aderhaut,  die  auch  am 
hinteren  Pol,  nicht  allein  vorne  elastisch  in  Anspruch  genommen 
wird.  Bei  dauernder  Naharbeit  kommt  es  zu  gleichmässiger  Deh¬ 
nung  des  elastischen  Fernakkomodationsmechanismus,  die  als  Wachs¬ 
tumsreiz  für  diesen  wirkt.  Es  ist  wahrscheinlicher,  dass  das  Wachs¬ 
tum  des  Auges  von  der  Aderhaut,  die  seine  Wand  ernährt,  abhängig 
ist,  als  von  den  starren  Geweben  der  Sklera.  Bei  Myopie  mit  starker 
Dehnung  am  hinteren  Pol  ist  die  Dehnung  der  Sklera  (sofern  nicht 
angeboren)  gegenüber  derjenigen  der  Aderhaut  sekundär.  Dass  die 
Dehnung  der  elastischen  Aderhaut  gerade  am  hinteren  Pol  erfolgt, 
hängt  mit  ihrer  Unterbrechung  bezw.  mangelhaften  Ausbildung  in  und 
am  Sehnerven  zusammen.  Die  Disposition  zur  Kurzsichtigkeit  wird 
teils  durch  die  Anlage  des  Muse,  ciliaris  geschaffen  (Ueberwiegen  der 
meridionalen  Partie  gegenüber  der  zirkulären),  teils  durch  unge¬ 
nügende  Widerstandskraft  des  elastischen  Mechanismus  für  die  Fern- 
akkommodation  nach  der  Aderhaut  (Konusbildung).  Dauernde  Voll¬ 
korrektion  wirkt  günstig,  weil  sie  eine  normale  Inanspruchnahme  der 
elastischen  Akkomodationselemente,  ähnlich  wie  bet  EmmetroDie 
schafft.  ’ 

R  ö  m  e  r  -  Würzburg:  Vollendung  der  Serumtherapie  bei  Ulcus 
seroens. 

R.  berichtet  über  die  Entwicklungsphasen,  welche  die  Serum¬ 
therapie  des  Ulcus  serpens  bisher  durchlaufen  hat.  Durch  die  Aus¬ 
einandersetzung  mit  der  Aggressin-  und  Opsoninforschung  ist  jetzt 
die  Vollendung  der  Serumtherapie  erreicht  worden.  Aus  der  Ag- 
gressinforschung  wurden  2  Folgerungen  gezogen.  Zur  Herstellung 
des  Serums  müssen  hochvirulente  Pneumokokkenstämme  verwendet 
werden  und  ferner  muss-  bei  jedem  Ulcus  serpens  die  Virulenz  des 
betreffenden  Stammes  genau  bestimmt  werden.  Dabei  hat  sich  er- 
veben,  dass  der  Satz,  nach  dem  die  I  iervirulenz  keinen  bindenden 
Schluss  für  die  Menschenpathogenität  zulasse,  für  das  Ulcus  serpens 
nicht  zutrifft.  Vielmehr  entspricht  gesetzmässig  der  Schwere  des 
klinischen  Bildes  ein  höherer  Grad  von  Aggressivität  der  Pneumo¬ 
kokken.  Es  wurden  bisher  Virulenzunterschiede  von  1  :  40 — 1  :  150  000 
beim  Ulcus  serpens  gefunden.  Dadurch  ist  es  jetzt  möglich  geworden 
zu  entscheiden,  ein  wie  grosser  Prozentsatz  von  Pneumokokkenin- 
fektionen  der  menschlichen  Kornea  überhaupt  nicht  zum  Ulcus  serpens 
führt,  ein  wie  grosser  Prozentsatz  spontan  ausheilt  und  innerhalb 
welcher  Virulenzbreite  die  Serumtherapie  zum  Ziele  führt.  Der 
Vergleich  mit  der  Spontanheilung  unter  gleich- 
massiger  Virulenzkontrolle  hat  den  definitiven 
Beweis  für  eine  Heilwirkung  des  Pneumokokken- 


comme  signe  de  Tinsuffisance  aortique;  Archives  generales  de  mede- 
cine,  April  und  Mai  1861). 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1901 


serums  beim  Ulcus  serpens  erbracht.  Nachdem  so  ein 
einheitlicher  Massstab  für  die  Kontrolle  des  Krankheitserregers  ge¬ 
schaffen  war,  hat  Römer  dann  auch  die  Vollendung  des  Pneumo¬ 
kokkenserums  erreicht.  Bei  der  Heilung  des  Ulcus  serpens  spielt  die 
Phagozytose  nicht  die  Hauptrolle,  nur  Pneumokokkenindividuen  mit 
mangelhafter  Aggressivität  sind  phagozytierbar.  Phagozytose  in  der 
Kornea  ist  die  Wirkung  thermolabiler  Substanzen  des  Serums;  soll 
sie  zu  stände  kommen,  so  müssen  diese  Antikörper  von  den  Pneumo¬ 
kokken  gebunden  werden.  Diese  W  r  i  g  h  t  sehen  Opsonine  sind  keine 
neuen  Antikörper,  sondern  mit  den  hämolytischen  Komplementen 
identisch.  Durch  Absorption  des  Serums  mit  genuinen  Ulcus  serpens- 
Stämmen  wird  dem  Serum  sowohl  die  phagozytierte  wie  die  hämo¬ 
lytische  Wirkung  und  zwar  durch  Bindung  der  Komplemente  ent¬ 
zogen.  Darum  kann  auch  bei  der  aktiven  Pneumokokkenimmunität 
kehie  Vermehrung  der  Opsonine  stattfinden.  Die  virulenten  Pneumo¬ 
kokken  binden  die  Opsonine  gerade  so  gut  wie  die  avirulenten,  sind 
aber  trotzdem  für  die  Phagozyten  vollkommen  unzugänglich  ge¬ 
worden.  Das  Wesen  der  Pathogenität  steht  hiermit  in  einem  ur¬ 
sächlichen  Zusammenhang.  Heilt  daher  eine  Infektion  mit  solchen 
überhaupt  nicht  phagozytierbaren  Stämmen,  sei  es  spontan,  sei  es 
im  Tierversuch  unter  der  Serumwirkung,  so  kann  die  Pneumokokken- 
immunität  nicht  auf  'der  Phagozytose  beruhen.  Das  Pneumo¬ 
kokkenserum  ist  kein  bakteriotropes,  sondein  ein 
a  n  t  i  i  n  f  e  k  t  i  ö  s  e  s  Serum.  Zur  Herstellung  desselben  haben 
sich  jetzt  auch  die  Höchster  Farbwerke  entschlossen. 

zur  Ned  den -Bonn:  Ueber  das  Vorkommen  bakterizider  Sub¬ 
stanzen  ira  Bindehautsekret. 

Während  die  Thränenflüssigkeit  und  das  Sekret  der  n  ormale  n 
Konjunktiva  keine  bakteriziden  Eigenschaften  besitzen,  wirkt 
das  pathologische  Bindehautsekret  für  Typhusbazillen 
und  Morax-Axenfeld sehe  Diplobazillen  keimtötend.  Die  bak¬ 
terizide  Wirkung  ist  um  so  ausgesprochener,  je  stärker  die  Sekretion 
ist,  bei  den  chronischen  Konjunktivitiden  ist  sie  daher  gering.  D  l  e 
Art  der  Infektion,  ob  Gonokokken,  Pneu  m  o  k  o  k  k  e  n, 
Koch-Weeksche  Bazillen  oder  Diplobazillen,  hat 
hierauf  keinen  Einfluss,  vielmehr  hängt  die  bak¬ 
terizide  Kraft  lediglich  von  der  Intensität  dei  Se¬ 
kretion  ab;  sie  bleibt  aber  in  allen  Fällen  noch  hinter  derjenigen 
des  Blutserums  des  betreffenden  Patienten  zurück.  Durch  Erhitzen 
und  starkes  Austrocknen  verliert  das  Sekret  seine  bakteriziden 

Eigenschaften  völlig.  , 

Da  die  bakterizid  wirkenden  Bestandteile  des  Bindehautsekrets 
aus  dem  entzündeten  Kr'ijunktivalgewebe  und  in  letzter  Instanz  aus 
dem  Blut  stammen,  so  müssen  naturgemäss  die  in  dem  erkrankten 
□ewebe  sich  ansammelnden  Entzündungsprodukte  gleichfalls  bak¬ 
terizid  wirken.  ,  D.  , 

Hierauf  beruht  im  wesentlichen  der  Heilungsprozess  der  Binde- 
hautkatarrhe.  •  Dementsprechend  ist  auch  der  Heileffekt  der 
Adstringentien  in  erster  Linie  darin  zu  erblicken,  dass  sie 
eine  vermehrte  Transsudation  von  bakterizid  wirkenden  Entzün 
dungsprodukten  hervorrufen  und  hierdurch  das  Gewebe  selbst  zur 
Vernichtung  der  Krankheitserreger  anregen.  Die  diiekt  keimtötende 
Wirkung  der  Adstringentien  ist  dagegen  von  geringerer  Bedeutung, 
da  hiervon  nur  die  oberflächlich  im  Epithel  und  im  bekret  haften¬ 
den  Keime  betroffen  werden,  aber  nicht  die  tiefer  im  Gewebe  haften¬ 
den,  welche  .den  Krankheitsprozess  in  erster  Linie  unterhalten. 

A.  Leb  er -Berlin:  Klinisches  und  Experimentelles  zur  Sero¬ 
diagnostik  der  Augenerkrankungen. 

Zum  Nachweis  der  verschiedenartigen  Ursachen  spezihschei 
Augenerkrankungen,  die  wie  die  Iuberkulose  und  die  Syphilis  oft 
eine  ganz  gleichartige  Ausdrucksweise  erlangen,  hat  Vortr.  bei  einer 
Reihe  der  verschiedenartigsten  Augenerkrankungen  Blutserum  und 
Humor  aqueus  auf  ihren  Antikörpergehalt  untersucht.  Mit  der  Me 
thode  der  Komplen^ntfixation  ist  es  ihm  gelungen,  i  n  100  1  r  o  z 
der  sicher  syphilitischem  Augenerkrankungen 
eine  spezifisch  positive  Reaktion  zu  ei  zielen  (Kci  atitis 
parenchymatosa,  Iritis,  Neuritis,  Skleritis,  Augenveränderungen  bei 
Tabes,  progr.  Paralyse,  Lues  cerebri).  Ausserdem  in  einer  Reihe  von 
zweifelhaften  Fällen,  bei  denen  die  Diagnose  schwankend  und  die 
Anamnese  negativ  war,  z.  B.  Gumma  n.  optici,  konnte  er  aus  dem 
serologischen  Befund  die  Aetiologie  erklären.  Aehnlich  verhalten 
sich  die  Ergebnisse  bei  mehreren  Untersuchungen  auf  Tuberku¬ 
lose  des  Auges,  wobei  in  ersfer  Linie  der  Humor  aqueus  untersucht 
wurde.  Auch  der  Nachweis  von  tuberkulösem  Antigen  im  tuber¬ 
kulösen  Konjunktivalgewebe  gelang  unter  besonderei  Anordnung  dei 
Reaktion.  Zahlreiche  Impfungen  mit  der  vonPirquet  angegebenen 
kutanen  Tuberkulinreaktion  ergaben  bei  sicher  tuberkulösen  Erwach- 
senen  ausgesprochen  quantitative  Unterschiede  gegenüber  den  ue- 
sunden;  bei  Kindern  hat  die  Methode  anscheinend  einen  diagnosti¬ 
schen  Wert  für  die  Augenerkrankungen  tuberkulöser  Natur,  denen  die 
ekzematösen  gegenüberstehen,  die  etwa  nur  in  75  80  Proz.  der  balle 
die  positive  Reaktion  geben. 

Derselbe:  Zur  Trachomfrage.  .  .  ,  , 

Beim  Menschen  und  beim  Affen,  auf  dessen  Konjunktiva  tracho- 
matöses  Material  übertragen  worden  war,  ist  es  Vortr.  gelungen, 
eigenartige  kleine  Gebilde,  die  meist  intrazellulär  gelagert  waren, 
zu  beobachten,  die  rundlich  bis  länglich  gestaltet  sind,  manchmal 
Einschnürungen  zeigen  und  eine  eigenartige  Gruppierung  aut w  eist n, 


über  deren  Verhältnis  zu  den  Befunden  von  Prowazek  und  Hal¬ 
berstädter  Vortr.  sich  aber  noch  nicht  aussprechen  kann. 

Hertel -Jena:  Einiges  über  die  Empfindlichkeit  des  Auges 
gegen  Lichtstrahlen.  . 

Vortr.  weist  darauf  hin,  dass  zu  verschiedenen  Zwecken,  z.  B. 
zum  Studium  der  objektiven  Veränderungen  in  der  Netzhaut  infolge 
von  Belichtungen,  photometrische  Bestimmung  der  verwendeten 
Lichtstärke  nicht  genüge,  da  wir  nicht  wissen,  ob  die  mit  dem 
Photometer  gemessene  sichtbare  Energie  der  Strahlung  die  Gesamt¬ 
energie  repräsentiert,  welche  bei  einer  Belichtung  auf  die  Netzhaut 
fällt.  Vortr.  bespricht  näher  mehrere  zur  Bestimmung  dieser  Ge¬ 
samtenergie  von  ihm  angestellte  Untersuchungen  und  gefundene  Er¬ 
gebnisse.  .  ,  . . 

Bartels-Strassburg:  Ueber  Fibrillen  und  Fibrillensaure  in 

den  Nervenfasern  des  Optikus.  (Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet.) 

Birch-Hirschfeld  -  Leipzig :  Zur  Kenntnis  der  Oedeme  der 

Orbita.  ^  ,  ,  .  . 

Vortr.  berichtet  über  zwei  Fälle  von  Osteom  des  Sinus  frontal, 
und  ein  solches  der  Siebbeinhöhle.  Die  beiden  ersten  wurden  mit 
temporärer  Resektion  der  vorderen  Stirnhöhlenwand  operiert,  nach¬ 
dem  im  Röntgenbild  Sitz  und  Grösse  des  Tumors  genau  festgestellt 
worden  war.  Die  Resultate  waren  vorzügliche,  trotzdem  in 
dem  einen  Falle,  wo  der  Tumor  von  der  hinteren 
Sinuswand  ausging,  die  Dura  in  grösser  er  Aus¬ 
dehnung  f  r  e  i  g  e  1  e  g  t  wurde.  Der  dritte  Fall  von  Siebbein- 
osteom  endete  letal,  da  offenbar  von  der  Nase  her  postoperativ  eine 

Gehirnaffektion  eintrat.  .  ,  . 

Vortr.  weist  darauf  hin,  dass  durch  den  günstigen  Ausgang  des  2. 
Falles  die  Ansicht  nicht  mehr  zu  Recht  bestehe,  man  dürfe  nur  dann 
ein  Osteom  operieren,  wenn  die  obere  Sinuswand  nicht  beteiligt 
sei.  Eingehende  Röntgenuntersuchung  wird  verlangt.  Vortr.  demon¬ 
striert  ausserdem  Präparate  von  orbitalen  Osteomen  (Röntgenbilder, 
Knochenschliffe,  mikroskopische  Präparate). 

F.  Schieck -  Göttingen:  Ueber  Retinitis  albuminurica. 

In  der  Literatur  ist  vor  allem  die  Ansicht  vertreten,  dass  die 
Retinitis  albuminurica  eine  Erkrankung  sei,  deren  Ursache  in  einer 
Degeneration  der  nervösen  Elemente  infolge  von  Gefässerkrankungen 
gesucht  werden  müsse.  In  diesem  Sinne  haben  sich  Herzog  Karl 
Theodor,  Weeks,  Koppen,  H  o  f  m  a  n  n,  Wehrli  und 
v.  Michel  ausgesprochen,  während  Opin  und  Rochon-Du- 
vigneaud  ebenso  wie  Birch-Hirschfeld  Zweifel  an  dei 
ätiologischen  Rolle  der  Gefässveränderungen  hegen. 

S  c  h  i  e  c  k  konnte  nun  zwei  Krankheitsfälle  klinisch  und  patho¬ 
logisch-anatomisch  studieren,  die  entschieden  dagegen 
sprechen,  d  ä  s  s  die  Erkrankung  dei  Qefässe  die  De** 
dingung  für  das  Zustandekommen  der  Affektion  ab¬ 
gibt  In  dem  einen  Falle  handelte  es  sich  um  eine  25  jährige 
Erstgebärende  mit  Netzhautödem  und  weissen  Trübungen  in  der  Ma¬ 
kulagegend  und  im  zweiten  Falle  um  einen  35  jährigen  Mann,  welcher 
auf  beiden  Augen  die  typische  Spritzfigur  in  der  Makula,  sowie  Ver- 
waschenheit  der  Papillengrenzen  aufwies.  Beide  Kranke  litten  an 
einer  parenchymatösen  Nephritis,  die  im  ersten  Falle  in  ungefähr  drei 
Wochen,  in  dem  zweiten  in  ungefähr  einem  Vierteljahre  zum  I  ode 
führte  Die  Sektion  ergab  nirgends  im  Körper  Gefässveränderungen. 

In  beiden  Fällen,  namentlich  aber  im  zweiten  lagen  schwere 
Schädigungen  der  -nervösen  Elemente  der  Retina  vor,  ohne  dass  das 
Zentralgefässystem  irgendwie  an  einer  Sklerose  erkrankt  war.  Nur 
hie  und  da  fand  sich  im  Bereiche  der  angegriffenen  Gebiete  ein 
obliteriertes  Gefäss  kleinsten  Kalibers,  während  in  unmittelbarer  Nach¬ 
barschaft  grosser  Degenerationsherde  die  zuführenden  Gefässe  bis 
in  die  Kapillaren  hinein  intakt  gefunden  wurden. 

Auf  grund  dieser  Befunde  kommt  der  Vortragende  zu  dem 
Schlüsse,  dass  man  den  bei  Nierenleiden  auftretenden  Stoffwechsel- 
Störungen  und  den  hieraus  resultierenden  toxischen  Einflüssen  eine 
grössere  Bedeutung  beimessen  muss,  als  dies  bislang  geschehen  ist. 
Nur  unter  diesem  Gesichtspunkte  erklärt  es  sich  auch,  wieso  es  mög¬ 
lich  ist,  dass  bestimmte  Fälle  von  Retinitis  albuminurica  ausheilen 
können,  während  die  Störungen,  wenn  sie  von  Gefässerkrankungen 
ausgelöst  wären,  eine  dauernde  Schädigung  zur  Folge  haben  müssten. 
Indessen  unterschätzt  Schieck  keineswegs  die  Rolle  der  so  oft  zu 
findenden  sklerotischen  Prozesse  am  Gefässystem  der  Retina;  denn 
dieselben  erleichtern  durch  die  mangelhafte  Möglichkeit  der  Er¬ 
nährung  das  Zustandekommen  der  Intoxikation  der  nervösen  Ele¬ 
mente.  Hierauf  beruht  der  relativ  hohe  Prozentsatz,  den  die  arterio¬ 
sklerotische  Schrumpfniere  zur  Retinitis  albuminurica  stellt.  Es  ist 
aber  sicher  eine  falsche  Auslegung  der  Befunde,  wenn  man  die  Geiass¬ 
erkrankung  als  Conditio  sine  qua  'non  hinstellt.  n 

In  der  Demonstrationssitzung  erläutert  Schi  eck  seine  Um¬ 
legungen  an  seinen  Präparaten  und  an  Diapositiven  von  Mikrophoto¬ 
grammen. 

Derselbe:  IJeher  Chorioretinitis  sympath‘ca-  , 

Der  Vortragende  hatte  Gelegenheit,  einen  Fall  von  sympathischer 
Ophthalmie  zu  beobachten,  der  sich  an  die  Perforation  eines  Ul 
serpens  anschloss  und  dadurch  ausgezewhnet  yr,  dass  sich  dw 
Krankheitserscheinungen  an  dem  vorderen  Abschnitte  d  s 
traktus  so  schnell  zurückbildeten,  dass  es  möglich  war,  . 

Augenspiegel  die  Veränderungen  im  Fundus  zu  verfolgen.  Es  zeigte 
sich  zunächst  eine  Rötung  und  Verwaschenheit  der  Papille  mit  in  die 


iyu  2 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Netzhaut  ausstrahlender  streifenförmiger  Trübung,  dann  eine  milchige 
Trübung  der  ganzen  Retina  mit  leichten  Faltenbildungen  und  schliess¬ 
lich,  nach  Rückgang  der  Verschleierung  das  Bild  einer  abgelaufenen 
Chorioretinitis.  Der  Visus  war  im  Anfänge  auf  0,5  heruntergegangen, 
sank  dann  im  Stadium  der  Netzhauttrübung  auf  Fingerzählen  in  2  m 
und  hob  sich  schliesslich  wieder  auf  0,5. 

Drei  während  der  einzelnen  Stadien  vom  Vortragenden  gemalte 
lafeln  erläutern  das  Krankheitsbild. 

K  r  a  u  s  s  -  Marburg:  Ueber  die  Orbitalvenen  des  Menschen. 

Kr.  bespricht  die  Anatomie  der  Orbitalvenen  auf  ürund  einer 
Untersuchung  von  60  Augenhöhlen. 

G  r  e  e  f  -  Berlin:  Ueber  Doppelkörperchen  in  Trachomzellen. 

Ur.  berichtet  über  seit  1906  angestellte  Untersuchungen  über  das 
1  rachom.  Stets  wiederkehrend  fanden  sich  im  Sekret,  an  der  Ober¬ 
fläche  und  im  Follikelinhalt  kleinste,  eben  sichtbare  Doppelbakterien, 
die  bei  2000  facher  Vergrösserung  rund  zu  sein  schienen,  manchmal 
indes  wie  Doppelstäbchen  aussahen.  Sie  sind  von  einem  Hof  um¬ 
geben.  Sie  lassen  sich  darstellen  mit  verdünntem  Karbolfuchsin, 
Alkohol  und  gewöhnlichem  Methylenblau,  Bismarckbraun,  dagegen 
nicht  nach  Q  r  a  m. 

U  1  b  r  i  c  h  -  Prag:  Zur  Lehre  von  der  intraokularen  Flüssigkeits¬ 
strömung. 

U.  berichtet  über  ein  kongenitales,  partielles  Kolobom  der  Iris, 
das  durch  eine  bewegliche  Membran  verschlossen  ist.  Der  Fall  ist 
die  erste  unmittelbare  Beobachtung  von  Druckdifferenzen  zwischen 
vorderer  und  hinterer  Kammer  ohne  vorausgeschickten  operativen 
Eingriff.  Die  Membran  macht  folgende  Bewegungen:  1.  Ein  künst¬ 
lich  hervorzurufender  Druck  auf  die  Kornea  bewirkt  eine  Einstülpung, 
Nachlassen  desselben  eine  Ausstülpung,  Druck  auf  den  Aequator  eine 
Ausstülpung  der  Membran.  2.  Völlig  unregelmässige  Ein-  und  Aus¬ 
stülpungen  der  Membran,  die  nicht  mit  Bulbusbewegungen,  nicht  mit 
Pupillarbewegungen,  nicht  mit  der  Akkomodation  im  Zusammenhänge 
stehen.  Nach  Lidschlag  und  Lidschluss  tritt  öfters  eine  Einstülpung 
der  Membran  ein.  3.  Bei  Akkommodation  tritt  die  Membran  zurück, 
beim  Nachlassen  derselben  vor;  bei  länger  fortgesetzter  Akkommo¬ 
dationsanspannung  erfolgt  Ausstülpung  der  Membran.  Aus  den  Be¬ 
wegungen  der  Membran  zieht  der  Vortragende  folgende  Schlüsse: 
Die  Schwankungen  der  Membran  beweisen  an  und  für  sich  das  Vor¬ 
handensein  intraokularer  Druckdifferenzen.  Die  Unregelmässigkeit 
der  Membranbildung  ist  nur  durch  die  Tatsache  des  physiologischen 
Pupillenabschlusses  zu  erklären.  Die  spontane  Ausstülpung  der  Mem¬ 
bran  bei  Akkommodationsruhe  bezw.  Anspannung  spricht  für  die 
Produktion  des  Kammerwassers  in  der  hinteren  Kammer.  Der  Lid¬ 
schlag  scheint  den  physiologischen  Pupillarabschluss  zu  lösen  und 
so  den  Uebertritt  des  Kammerwassers  z-ustande  zu  bringen. 

A  x  e  n  f  e  1  d  -  Freiburg  i.  Br.:  Operative  Mitteilungen.  Re¬ 
klination  bei  Blepharitis-Ektropium. 

A.  bespricht  die  Indikation  der  Skleronyxis  anterior  und  berichtet 
über  deren  I  echnik,  wie  auch  über  2  nach  dieser  Methode  günstig 
operierte  Fälle.  Auserdem  beschreibt  A.  eine  Methode  zur  Behebung 
des  Ektropium  nach  Blepharitis. 

U  h  t  h  o  f  f  -  Breslau :  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Hypophysis- 
tumoren. 

U.  hat  schon  im  Jahre  1897  über  Sehstörungen  bei  Zwergwuchs 
und  Riesenwuchs  resp.  Akromegalie  Mitteilungen  gemacht  und  ver¬ 
weist  kurz  auf  die  damaligen  Beobachtungen.  Im  Anschluss  an  einige 
weitere  neue  Fälle  bespricht  U.  Fragen  der  allgemeinen  Wachstums¬ 
und  trop'hischen  Störungen  bei  diesen  Affektionen  und  die  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  dieser  Erscheinungen  bei  der  temporalen 
Hemianopsie. 

Bernheimer  -  Innsbruck :  Zur  Kenntnis  der  G  u  d  d  e  n  sehen 
Kommissur. 

ß.  hatte  im  vergangenen  Jahr  über  Untersuchungen  an  Gehirnen 
von  weissen  Ratten  mit  einseitigem  Anophthalmus  congenitus  be¬ 
richtet.  Auf  Grund  weiterer  Studien  vermutet  B.,  dass  die  G  u  d  d  e  n  - 
sehe  Kommissur,  weiche  dem  Chiasma  nur  anliegt,  als  eine  Art  Ge¬ 
hörkommissur  aufzufassen  ist. 

Trendelenburg  und  Burnke-  Freiburg  i.  Br. :  Zur  Frage 
der  Bach  sehen  Pupillenzentren  in  der  Medulla  oblongata. 

(Ausführliche  Veröffentlichung  erfolgt  in  den  Klinischen  Monats¬ 
blättern  für  Augenheilkunde.) 

W  e  h  r  1  i  -  Frauenfeld:  Neue  klinische  und  histologische  Unter¬ 
suchungen  über  die  Aetiologie  der  knötchenförmigen  Keratitis. 

W .  legt  die  klinischen  und  histologischen  Untersuchungsresultate, 
sich  beziehend  auf  die  Augen  zweier  Brüder  mit  chroa.  progress.' 
knötchenförmiger  Keratitis  Groenouw  vor.  Die  Summe  der  Unter¬ 
suchungen  der  Augen  und  der  Lungen  (Spitzenaffektion  R.)  lässt  an 
einen  Zusammenhang  zwischen  Augenleiden  und  Lungenaffektion  den- 
ken  und  ersteres  als  1  eilerscheinung  einer  zuweilen  allgemeinen  tuber¬ 
tuberkulösen  Infektion  auffassen. 

H  a  r  m  s  -  Tübingen :  Ueber  retinale  Bindegewebsneubildung. 

Man  muss  die  in  der  Literatur  niedergelegten  Fälle  von  Reti¬ 
nitis  proliferans  in  2  grosse  Gruppen  teilen,  in  solche,  bei 
denen  Blutungen  zu  irgend  einer  Zeit  des  Krankheitsverlaufs  be¬ 
obachtet  wurden,  und  solche,  in  denen  Blutungen  nie  gesehen  wurden. 
Die  meisten  Fälle  der  letzteren  Art  sind  nicht  beweisend  dafür,  dass 
das  Mauz  sehe  Krankheitsbild  ohne  Blutungen  entstehen  kann,  da 
sie  viel  zu  spät  zur  Untersuchung  kamen.  Beweisend  sind  vielmehr 


|  nur  die  beiden  Fälle  von  Dahrenste-dt  und  F  e  h  r,  die  einige 
läge  nach  der  ersten  plötzlich  eingetretenen  Sehstörung  in  Beobach¬ 
tung  kamen  und  das  Bild  einer  Neuro  retinitis  exsudativa 
mit  Ihrombose  eines  Arterienastes  darboten.  Diesen 
beiden  letzteren  Fällen  fügt  Vortr.  einen  ähnlichen,  dritten  Fall  hinzu 
den  er  anatomisch  untersuchen  konnte:  Ein  25  jähriger  Mann  mit  all¬ 
gemeiner  Arteriosklerose  erleidet  eine  plötzliche,  spontane  Sehstörung 
die  von  selbst  wieder  zurückgeht,  sich  aber  nach  2Vz  Wochen  wieder¬ 
holt.  Die  nun  vorgenommene  ophthalmologische  Untersuchung  er¬ 
gibt  das  Bild  einer  Neuritis  optica  mit  graubläulichem  Exsudat  unter¬ 
halb  der  Papille  ohne  Blutungen.  Später  entwickelten  sich 
Bindegewebsmassen,  welche  bogenförmig  dem  Zuge  der  grossen  Ge- 
fässe  folgten,  und  Glaukom,  weshalb  das  Auge  enukleiert  wurde  Die 
anatomische  Untersuchung  ergab:  Bindegewebsbildung  vor  der  Limi- 
tans  interna,  welche  sich  fächerförmig  nach  vorn  ausbreitet,  die  Re-„ 
tina  durch  Zug  stark  verbreitert  und  zum  Teil  abhebt,  hochgradige  Ver- ' 
änderungen  der  retinalen  Gefässe,  nur  minimale  Blutungen  und  Throm¬ 
bose  des  Zentralvenenstamms.  In  mehreren  anderen  Fällen  m  i  t 
klinisch  beobachteten  Blutungen  fand  Vortr.  ebenfalls  Verschluss  der 
Zentralvene.  Vortr.  glaubt,  dass  die  Retinitis  proliferans  fast  immer 
entstehe  infolge  von  Gefässerkrankungen  der  Retina  und  dadurch  be¬ 
dingte  Zirkulationsstörungen,  dass  aber  das  dabei  auftretende  Extra¬ 
vasat  nicht  notwendig  hämorrhagischen  Charakter  zu  haben  brauche. 

F  r  e  y  t  a  g  -  München:  Die  natürlichen  Grundlagen  für  die  Meri¬ 
dianbezeichnung  des  Bulbus. 

Für  Beginn  und  Richtung  der  Meridianbezeichnung  am  Bulbus 
sollten  in  erster  Linie  topographisch-anatomische,  d.  h.  in  der  natür¬ 
lichen  Anordnung  des  Sehorgans  gelegene  Anhaltspunkte  in  Betracht 
gezogen  werden.  Auf  Grund  solcher  Erwägungen  erscheint  der  hori¬ 
zontale  als  der  prädestinierte  Nullmeridian.  In  Berücksichtigung  der 
symmetr  ischen  Lage  der  Augen  zu  der  Medianlinie  des  Körpers  sind 
auch  die  Meridianzahlen  symmetrisch  zu  führen. 

Die  VViirdigung  aller  einschlägigen  Verhältnisse  ergibt,  dass  die 
Meridianbezeichnung  am  besten  beiderseits  nasal 
beginnt  und  von  hier  aus  in  der  oberen  Hälfte  des 
Bulbusäquators  nach  der  temporalen  Seite  ge¬ 
führt  wird.  Der  senkrechte  Meridian  wird  also  oben  mit  9ü  be¬ 
zeichnet,  das  temporale  Ende  des  horizontalen  mit  180.  Um  nicht  zu 
hohe  Zahlen  zu  erhalten,  wird  vorgeschlagen,  beim  Gesichtsfeld¬ 
schema  im  unteren  Halbkreise  die  Zählung  nicht  über  180  fortzusetzen 
sondern  die  Verlängerungen  der  oberen  Halbmeridane  nach  unten 
bloss  mit  dem  Zusatz  „u."  zu  versehen.  Der  senkrechte  untere  Halb¬ 
meridian  trägt  also  die  Bezeichnung  „90  u.“. 

Beim  Ophthalmometer  trägt  der  äussere  feststehende  Kreis¬ 
bogen  die  Gradteilung,  der  innere,  mit  den  Lichtern  drehbare  die 
Marke.  Es  kann  somit  an  einer  festen  Gradeinteilung  abgelesen  wer¬ 
den.  Diese  ist  im  oberen  Halbkreise  für  das  rechte  Auge  weiss,  im 
unteren  für  das  linke  rot.  Das  Brillengestell  trägt  natürlich  im  oberen 
iialbki  eise  die  beiderseits  von  der  Nase  ausgehende,  bis  180  reichende 
Einteilung. 

Frank  e- Hamburg:  Ueber  plastische  Operationen  an  den 
Lidern  und  der  Augenhöhle. 

Vorschläge  und  Besprechung  einschlägiger  Technicismen. 

v.  Sicherer  -  München :  Ophthalmoskopische  Untersuchung 
Neugeborener. 

Unter  200  innerhalb  der  ersten  24  Stunden  post  partum  ophthalmo¬ 
skopisch  untersuchten  Neugeborenen  fanden  sich  42  (=  21  Proz.) 
Kinder  mit  Netzhautblutungen. 

Doppelseitig  traten  dieselben  auf  bei  23  Kindern,  bei  14  nur  auf 
dem  rechten  und  bei  5  nur  auf  dem  linken  Auge;  im  ganzen  fanden 
sich  also  unter  400  Augen  65  mit  Blutungen. 

Sämtliche  pathologischen  Spiegelbefunde  wurden  zur  Abbildung 
gebracht. 

Form  und  Sitz  der  Blutungen  stimmen  im  wesentlichen  mit  den 
Befunden  von  Schleich,  Königstein  und  Paul  überein.  Sie 
finden  sich  meist  in  der  Gegend  des  hinteren  Poles,  erstrecken  sich 
abei  bisweilen  ziemlich  weit  nach  der  Peripherie  und  treten  entweder 
in  kleineren  oder  grösseren  rundlichen  Flecken  oder  mehr  radiär  ver¬ 
laufenden,  zarteren  oder  breiteren,  flammigen  Streifen,  sehr  häufig 
längs  des  Verlaufes  der  grösseren  Gefässstämme  auf.  Oft  ist  fast  der 
ganze  Fundus  mit  Blutextravasaten  förmlich  iibersät,  oft  aber  finden 
sich  nur  vereinzelte  Flecke  oder  Streifen  in  der  Nähe  der  Papille  oder 
in  der  Gegend  der  Makula.  Auf  der  Papille  selbst  treten  die  Blu¬ 
tungen  oft  in  solcher  Stärke  auf,  dass  dadurch  die  Papillengrenzen 
im  ganzen  oder  innerhalb  einzelner  Sektoren  völlig  verschwommen 
erscheinen. 

Im  Zusammenhang  mit  einer  Sehnervenscheidenblutung  steht 
wahrscheinlich  auch  die  bei  einzelnen  Kindern  sehr  deutlich  vorhan¬ 
dene,  dunkelgraue  bis  blaugraue  Verfärbung  der  Papille,  die  auch 
Jäger  und  König  stein  beobachtet  haben.  Da  bei  einzelnen  Fäl¬ 
len,  welche  diesen  grauen  Farbenton  der  Papille  aufwiesen,  gleich¬ 
zeitig  eine  Blutung  in  den  Sehnervenscheidenraum  erfolgt  war  und 
gleichzeitig  mit  der  nach  einigen  Tagen  erfolgten  Resorption  der  Blu¬ 
tung  die  graue  Farbe  mehr  oder  minder  vollständig  verschwand, 
glaubt  S.  annehmen  zu  dürfen,  dass  der  graue  Farbenton  mit  einer 
Durchblutung  des  Optikus  in  Zusammenhang  steht. 

Der  klinische  Verlauf  der  Blutungen  verhielt  sich  übereinstim¬ 
mend  mit  den  von  früheren  Untersuchern  angegebenen  Beobach- 


17.  September  19U7. 


müenchener  Medizinische  Wochenschrift. 


19U3 


tungen.  Selbst  ziemlich  grosse,  ausgedehnte  Blutungen  verschwanden 
schon  nach  wenigen  l  agen  spurlos  und  nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen 
waren  b  Tage  nach  der  (Jeburt  noch  einzelne  verwaschene,  hellrötliche 
Flecke  oder  Streiten  als  Residuen  der  Hämorrhagien  nacüzuweisen. 

Bezüglich  der  Ursache  der  Blutungen  schliesst  sich  S.  der  An¬ 
schauung  S  c  h  1  e  i  c  h  s  an,  dass  dieselbe  in  einer  hochgradigen  Stau¬ 
ung  bei  der  Geburt  besteht. 

Bestärkt  in  dieser  Annahme  wird  S.  ferner  dadurch,  dass,  wie 
aus  seinen  Untersuchungen  hervorgeht,  das  Auftreten  der  Blutungen 
mit  der  Lage  des  Kindes  in  einem  gewissen  Abhängigkeitsverhältnis 
steht.  Es  fand  sich  nämlich  in  der  Kegel,  dass  bei  1.  Schädellage  ent¬ 
weder  das  rechte  Auge  allein  oder,  bei  beiderseitigen  Blutungen, 
das  rechte  in  stärkerem  Masse  betroffen  ist,  während  wir  bei  11.  Schä¬ 
dellage  das  umgekehrte  Verhältnis  vorfinden.  Nur  in  einigen  wenigen 
Fällen  war  kein  erheblicher  Unterschied  in  der  Stärke  der  Blutung  auf 
beiden  Augen  zu  bemerken. 

Die  in  einem  ganz  bestimmten,  zirkumskripten  Gefässgebiet  des 
Kopfes  durch  den  Geburtsakt  bedingte  Zirkulationsbehinderung  und 
dadurch  hervorgerufene  Blutstauung  ist  imstande,  in  der  Regel  auf 
dem  gleichseitigen  Auge  eine  Netzhauthämorrhagie  zu  veranlassen. 

hinsichtlich  der  Bedeutung  dieser  Netzhautblutungen  für  die 
spätere  Funktion  der  Retina  schliesst  sich  S.  der  Anschauung  an,  dass 
zentral  gelegene  hämorrhagien  die  Netzhautelemente  in  ihrer  Struk¬ 
tur  und  ihrer  weiteren  Entwicklung  beträchtlich  schädigen  können. 

Die  Frage  des  Zusammenhanges  zwischen  diesen  Blutungen  und 
der  sog.  Amblyopie  ohne  Befund  kann  erst  nach  einer  abermaligen, 
nach  Jahren  erfolgenden  Untersuchung  der  Augen  der  Kinder  ent¬ 
schieden  werden. 

H  a  p  p  e  -  Giessen:  Ueber  den  Ringabszess  der  Kornea. 

happe  berichtet  über  3  klinische  Fälle  von  Kingabszess.  In 
Fall  1  und  11  entstand  letzterer  im  Anschluss  an  eine  Perforationsver¬ 
letzung,  im  Fall  111  im  Anschluss  an  ein  Ulcus  serpens. 

Im  letzten  halle,  in  dem  keine  intraokulare  Infektion  eintrat,  ge¬ 
lang  es,  das  Auge  zu  erhalten,  während  in  den  beiden  ersten  wegen 
Panophthalmie  die  Exenteration  vorgenommen  werden  musste. 

Aus  dem  Glaskörpereiter  von  Fall  1  wurde  ein  heubazillus,  aus 
dem  Glaskörpereiter  von  Fall  II  ein  Staphylokokkus  albus  und  aus 
dem  Hornhautgeschwür  von  Fall  III  der  Pyozyaneus  gezüchtet. 

Durch  Injektionen  von  Bouillonkulturen  jeder  einzelnen  Bak¬ 
terienart  in  den  Kanmchenglaskörper  konnte  wiederum  eine  Panoph¬ 
thalmie  mit  Bildung  eines  typischen,  ganz  in  der  Peripherie  am  Lim- 
bus  gelegenen  gelben  Infiltrationsringes  hervorgerufen  werden. 

Infektionen  eines  Epitheldefektes  der  Hornhaut  mit  Heubazillen 
oder  mit  Staphylococcus  albus  blieben  am  Kaninchenauge  entweder 
wirkungslos,  oder  hatten  ein  oberflächliches  Ulcus  zur  Folge,  das  aber 
auch  nach  1 — 2  Tagen  wieder  abgeheilt  war. 

Dagegen  Hess  sich  mit  dem  Pyozyaneus  ein  Ulcus  serpens  er¬ 
zeugen,  das  stets  von  einer  eitrigen  Kinginfiltration  umgeben  war. 

Die  vom  Glaskörper  aus  erzeugte  Kinginfiltration  unterscheidet 
sich  von  der  von  der  Kornea  aus  erzeugten  schon  makroskopisch 
durch  ihre  Lage.  Im  ersten  Falle,  in  dem  man  eine  Nekrose  der 
ganzen  hinteren,  der  Deszemet  aufliegenden  Hornhautschichten  findet, 
liegt  der  Infiltrationsring  ganz  peripher  am  Limbus,  während  in  dem 
letzten  Falle,  in  dem  es  sich  nur  um  eine  partielle  Nekrose  der 
Hornhaut  in  der  Umgebung  der  Infektionsstelle  handelt,  der  Infil¬ 
trationsring  mehr  zentral  gelegen  ist. 

Dimmer-Graz:  Eine  subkonjunktivale  Methode  der  Star¬ 
operation. 

Die  Methode,  deren  nähere  Beschreibung  in  den  Spezialzeit¬ 
schriften  einzusehen  ist,  hat  sich  in  einer  Reihe  von  Fällen  gut  be¬ 
währt. 

Co  Hin -Berlin:  Erfahrungen  mit  den  B  e  h  r  i  n  g  sehen  Tu- 
losepräparaten  bei  der  Behandlung  tuberkulöser  Augenerkrankungen. 

In  No.  36  d.  W.  ausfiirlich  erschienen. 

F  1  e  i  s  c  h  e  r  -  Tübingen :  Ueber  Vererbung  von  Kurzsichtigkeit. 

Der  Vortr.  berichtet  über  Untersuchung  sämtlicher  Schulkinder 
in  einem  Dorfe,  in  welchem  die  hochgradige  Kurzsichtigkeit  besonders 
häufig  ist.  Fl.  konnte  feststellen,  dass  die  hochgradige  Kurzsichtigkeit 
erst  nach  der  Schulzeit  einsetzt.  Der  Grad  derselben  nimmt 
mit  zunehmendem  Alter  zu.  Fl.  macht  aufmerksam  auf  die  relative 
Häufigkeit  von  Papillen  ohne  Sichel  und  von  Sicheln  und  Ektasie  des 
Bulbus  nach  unten.  Inzucht  soll  in  dem  untersuchten  Dorf  Vorkommen. 
Ob  dies  für  die  Aetiologie  in  Betracht  kommt,  lässt  Fl.  dahingestellt. 

H  a  1 1  a  u  e  r  -  Basel :  Einige  Gesichtspunkte  für  die  Wahl  des 
Brillenmateriales. 

Auf  Grund  eingehender  Versuche  kommt  H.  zu  folgenden 
Schlüssen: 

1.  Helle  Gläser,  wie  Crown,  Flint,  Bergkristall,  Isometropglas 
sind  für  alle  untersuchten  Lichtarten  (Tageslicht,  Nernstlampe,  Auer- 
licht,  elektrisches  Glühlich  und  Petrollicht)  stark  durchlässig. 

2.  Selbst  Bleigehalt  von  45  Proz.  (bei  Flint)  zeigt  für  die  Durch¬ 
gängigkeit  keine  auffallend  hemmende  Wirkung. 

3.  Die  bestehende  Lichtabsorption  der  hellen  Gläser  ist  in  der 
geringen  Glasstärke  von  1 — 4  mm  annähernd  dieselbe. 

4.  Blau-  und  Rauchgläser  sind  in  den  gebräuchlichen  Fabrikaten 
und  Nuancen  für  Tages-,  Nernst-  und  Auerlicht  sehr  durchgängig. 
Sie  eignen  sich  für  diese  Beleuchtungsarten  deshalb  nicht  als  Blen¬ 
dungsschutz. 


5.  Rauchgläser  schützen  in  mittleren  und  dunklen  Nuancen  gegen 
elektriscnes  Ulühlicht  und  Petrollicht. 

6.  Gegen  Licntblenaung  clurcn  lages-,  Nernst-,  Auer-,  elektrisches 
Glühlicht  und  Petrollicht  wirken  hervorragend  grüne,  rote,  gelbe, 
grau-gelbe  und  namentlich  grau-grüne  Gläser. 

7.  Als  Schutz  gegen  maximale  Lichtwirkung  empfehlen  sich  für 
allgemeine  Verwendung  nach  ihren  Eigenschaften  am  meisten  gelbe, 
grau-gelbe  und  hauptsächlich  grau-grüne  Gläser. 

II.  Demonstrationen. 

Eine  Reihe  der  Vortragenden  demonstrierten  Präparate  zu  ihrem 
Vortrag.  Ausserdem:  G  u  1 1  s  t  r  a  n  d  -  Upsala  demonstriert  Präparate 
von  Netzhäuten,  die  durch  Trocknung  gewonnen  und  auf  Glastäfel¬ 
chen  aufgezogen  sind,  und  die  keine  Spur  von  Makulapigment  zeigen. 

A  b  e  1  s  d  o  r  f  f  und  Wessely-  Berlin :  Demonstrationen  zur 
vergleichenden  Physiologie  des  intraokularen  Flüssigkeitswechsels. 

Unter  anderem  wird  von  den  Vortragenden  hervorgehoben,  dass 
bei  Amphibien,  Reptilien  und  Vögeln,  besonders  bei  letzteren,  der 
Wiederersatz  der  Augenflüssigkeiten  ein  viel  schnellerer  als  bei  Säuge¬ 
tieren  ist,  während  die  Fische  eine  äusserst  langsame  Flüssigkeits¬ 
regeneration  aufweisen. 

S  t  o  c  k  -  Freiburg:  Ueber  Sehnervenveränderungen  bei  Myopie. 

St.  fand  unter  8  exzessiv  myopischen  Augen  bei  2  Augen  aus¬ 
gesprochen  lakunär  atrophische  Stellen.  Die  Veränderungen  lagen  in 
4  Fällen  auf  der  temporalen  Seite.  St.  bringt  diese  lakunäre  Atrophie 
mit  der  Dehnung  des  Auges,  die  ja  auf  der  temporalen  Seite  am 
stärksten  ist,  in  Zusammenhang. 

Derselbe  berichtet  über  experimentelle  Veränderungen  am 
Auge  des  Kaninchens  durch  Blutinfektion  mit  pathogener  Hefe. 

Und  über  experimentelle  Veränderungen  des  Auges  durch  Try¬ 
panosomen. 

St.  konnte  sicher  feststellen,  dass  die  Trypanosomen  isoliert 
in  die  gefässlose  intakte  Kornea  eindringen  und  hier 
zu  Entzündungsvorgängen  Anlass  geben. 

W  a  g  e  m  a  n  n  -  Jena:  1.  Epithelimplantation  hinter  der  Iris  mit 
beginnender  Zystenbildung  nach  perforierender  Stichverletzung  der 
Sklera. 

2.  Perforierende  Verletzung  des  Auges  durch  Radfahrerknall¬ 
erbse  mit  zinnoberroten  Massen  im  Glaskörper  und  umschriebener 
Fremdkörperentzündung. 

3.  Ein  Fall  von  doppelseitiger  echter  Ptosis  adiposa  bei  einem 
löjähr.  jungen  Manne. 

U  h  t  h  o  f  f  -  Breslau:  Ein  seltener  Fall  von  grosser  syphilitischer 
Ulzeration  von  Kornea  und  Sklera  mit  chronischem  Verlauf  und 
schliesslicher  Enucleatio  bulbi. 

Clausen-  Berlin :  Demonstration  von  Kaninchensyphilis. 

Vertr.  gelang  bei  Kaninchen  die  Uebertragung  der  experimen¬ 
tellen  Keratitis  interstitialis  von  Tier  zu  Tier  bis  zur  12.  Generation. 
Injektion  des  Kammerwassers  bei  Iritis  und  Keratitis  interstitialis  des 
Menschen  in  die  Kornea  von  Kaninchen  rief  nach  10 — 14  Tagen  eine 
tiefe,  sich  zungenförmig  bis  zur  Hornhautmitte  vorschiebende,  von 
einem  Pannus  begleitete  Keratitis  auf,  die  nach  3—4  Wochen  langem 
Bestände  zurückging.  Impfungen  mit  Kammerwasser  in  die  vordere 
Kammer  fielen  negativ  aus  . 

A  x  e  n  f  e  1  d  -  Freiburg:  Glioma  iridis;  metastatisches  Karzinom 
der  Orbita,  besonders  der  Augenmuskeln;  episklerale  Ziliarganglien. 

G  i  1  b  e  r  t  -  München:  Präparate  von  Pannus  degenerativus. 

G.  untersuchte  ein  erblindetes  glaukomatöses  Auge,  welches  kli¬ 
nisch  das  Bild  der  rezidivierenden  Blaseneruption  geboten  hatte.  G. 
kommt  zu  folgendem  Schluss:  tritt  bei  Keratitis  bullosa  Pannusbil¬ 
dung  auf,  so  kann  man  hierin  einen  anatomischen  Heilungsvorgang 
erblicken,  indem  die  subepitheliale  Gewebslage  die  Durchtränkung  des 
Epithels  mit  Oedemflüssigkeit  erschwert. 

L.  S  c  h  r  e  i  b  e  r -  Heidelberg:  Ueber  markhaltige  Nervenfasern 
der  Hundepapille. 

Sehr,  beobachtete  einen  Hund,  bei  welchem  die  Papille  beider 
Augen  von  gleichmässig  glänzend  weisser  Farbe  erschien.  Er  dia¬ 
gnostizierte  „markhaltige  Nervenfasern“  und  fand  die  ophthalmo¬ 
skopische  Diagnose  durch  die  mikroskopische  Untersuchung  bestätigt. 
Das  Verhalten  der  Markscheiden  in  diesem  Falle  unterschied  sich 
dadurch  prinzipiell  von  dem  Befunde  bei  markhaltigen  Nervenfasern 
der  Papille  und  Netzhaut  des  Menschen,  dass  'bei  dem  Hunde  sämt¬ 
liche  Fasern  des  Optikusstammes  ihre  Markhüllen  auch  innerhalb  der 
Lamina  cribrosa  bis  zum  Rande  der  Sehnervenscheibe  hin  kontinuier¬ 
lich  beibehielten.  Ueberraschenderweise  zeigte  sich  nun  auch  bei 
12  anderen  Hunden,  deren  Papille  ophthalmoskopisch  von  gewöhn¬ 
licher  Farbe  erschien,  im  mikroskopischen  Präparate  genau  der 
gleiche  Befund  wie  bei  dem  erst  untersuchten  Tiere,  nur  dass  bei 
jenen  die  Zahl  der  markhaltigen  Nervenfasern  innerhalb  des  Sklerotico- 
chorioidealkanals  geringer  war.  Die  Lamina  cribrosa  fand  Sehr,  bei 
allen  Hunden  kräftig  ausgebildet. 

Vortr.  erblickt  in  dem  Befunde  des  physiologischen  Vorkommens 
markhaltiger  Nervenfasern  in  der  Hundepapille  bei  wohlausgebildeter 
Lamina  cribrosa  einen  strikten  Beweis  für  die  Unrichtigkeit  der  mehr¬ 
fach  vertretenen  Anschauung,  dass  diese  Membran  der  Markscheiden¬ 
entwicklung  im  Sehnerven  des  Menschen  einen  mechanischen  Wider¬ 
stand  entgegensetze. 

Relsi-Bonn:  Topische  Fehldiagnose  eines  Aderhautsarkoms. 
Präparate  von  Keratitis  profunda. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


1904 


Seefelder  -  Leipzig :  Präparate  embryonaler  menschlicher 
Augen. 

S.  demonstriert  Schnitte  und  Diapositive  menschlicher  Embry¬ 
onen  von  19,  31  (21  Scheitelsteiss-)  und  56  mm  (43  mm  Scheitel- 
steiss-)  Körperlänge. 

I  g  e  r  s  h  e  i  m  e  r  -  Heidelberg:  Zur  pathologischen  Anatomie  der 
Conjunct.  diphtheritica. 

Auf  Grund  des  bakteriologischen  Befundes  glaubt  J.,  dass  die 
Nekrose  und  das  Fortschreiten  des  diphtheritischen  Prozesses  haupt¬ 
sächlich  der  Sekundärinfektion  zur  Last  zu  legen  ist. 

Z  a  d  e  -  Leipzig:  Fruktifikationsorgane  des  Aspergillus  fumigatus 
in  Schnittpräparaten  der  Kaninchenkornea. 

Hanke- Wien:  Präparate  von  Neuritis  optica  bei  Tetanie. 

H.  fand,  ähnlich  wie  bei  Diabetes,  Quellung  und  Proliferation  der 
Zellen  des  Pigmentepithels  der  Iris,  partielle  Abhebung  und  Zysten¬ 
bildung  im  Epithelbeiag. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  17.  Juli  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Herr  Veit  demonstriert  eine  Kranke  von  25  Jahren,  virginell, 
mit  Osteomalazie  seit  ihrem  13.  Lebensjahr.  Die  Kranke  zeigt  extreme 
Abmagerung,  wiegt  nur  31  Pfund  (!)  und  bietet  neben  ver¬ 
schiedenen  Spontanfrakturen  die  typischen  Beckenveränderungen 
dar.  Veit  will  auch  hier  die  Kastration  machen. 

Herr  Frese:  Ueber  Oesophagoskopie  mit  Demonstrationen. 
Nach  einem  geschichtlichen  Ueberblick  der  Entwicklung  der  Oeso¬ 
phagoskopie  berichtet  Vortr.  über  den  gegenwärtigen  Stand  der 
ösophagoskopischen  Technik.  Wie  die  meisten  Autoren,  ist  Vortr. 
von  der  Untersuchung  der  Patienten  in  sitzender  Stellung  ganz  ab¬ 
gekommen  und  verwendet  ausschliesslich  die  Rückenlage  bei  hängen¬ 
dem  Kopf.  Exakte  Kokainisierung  des  Kehldeckels  und  des  Speise¬ 
röhreneingangs  erleichtert  zweifellos  die  Einführung  der  Röhre. 
Vortr.  benützt  vorwiegend  das  Kill Pansche  Instrumentarium;  als 
Mandrin  erwiesen  sich  ihm  die  von  S  t  a  r  c  k  empfohlenen  geknöpften 
Bougies  als  praktisch. 

Die  Oesophagoskopie  hat  unsere  Kenntnisse  von  den  normalen 
und  pathologischen  Verhältnissen  der  Speiseröhre  wesentlich  er¬ 
weitert  und  ist  therapeutisch  besonders  für  die  Extraktion  von 
Fremdkörpern  von  hervorragender  Bedeutung  geworden. 

Bei  zwei  Patienten  wird  die  Einführung  des  Oesophagoskops 
demonstriert;  bei  dem  einen  handelt  es  sich  um  einen,  seit  2  Jahren 
bestehenden  Kardiospasmus,  bei  dem  andern  um  eine  Kompression 
der  Speiseröhre  von  aussen;  26  cm  von  der  Zahnreihe  entfernt  ist  die 
vordere  Wand  des  Oesophagus,  dessen  Schleimhaut  keine  Ver¬ 
änderungen  aufweist,  stark  nach  innen  vorgewölbt.  In  Bezug  auf  die 
Ursache  der  Kompression  kann  man  an  geschwollenen  Lymphdrüsen 
oder  an  Veränderungen  der  Pleura  (Kalkplatte?)  denken,  da  Patient 
vor  Jahren  eine  eitrige  Brustfellentzündung  durchgemacht  hat. 

Herr  Käthe:  Ueber  die  anatomischen  Veränderungen  bei 
Emphysem.  Vortr.  demonstriert  unter  Hinweis  auf  die  bekannten 
Untersuchungen  A.  W.  Freunds  über  primäre  Thoraxver¬ 
änderungen  und  dadurch  bedingte  Lungenerkrankungen  mikroskopi¬ 
sche  Präparate  von  Rippenknorpeln  bei  sogen,  starrer  Dilatation 
des  Thorax.  Die  Objekte  stammten  von  einem  Patienten,  an  dem 
Herr  Geheimrat  v.  Bramann  die  Freund  sehe  Operation  der  Re¬ 
sektion  mehrerer  Rippenknorpel  mit  Erfolg  ausgeführt  hat  und  der 
von  Herrn  Mohr  in  der  vorletzten  Sitzung  vorgestellt  wurde. 

(Herr  Privatdozent  Dr.  S  t  i  e  d  a  wird  über  diesen  Fall  an 
anderer  Stelle  berichten.) 

Diskussion:  Herr  Stieda  berichtet  über  einen  neuen  von 
ihm  kürzlich  operierten  Fall  von  starrer  Dilatation  des  Thorax  und 
Lungenemphysem.  Der  Erfolg  war  ein  überaus  günstiger.  (Aus¬ 
führliche  Mitteilung  an  anderer  Stelle.) 

Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  8.  Mai  1907. 

Herr  Ach:  Ueber  Lumbalanästhesie.  (Der  Vortrag  er¬ 
schien  in  No.  33  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 

Diskussion:  Herr  A.  Schmitt:  So  sehr  ich  natürlich,  wie 
jeder  Chirurg,  ein  unschädliches  Ersatzmittel  für  Chloroform  und 
Aether  begrüsse,  muss  ich  doch  sagen,  dass  die  Riiokenmarks- 
anästhesie  für  mich  einen  vollwertigen  Ersatz  noch  nicht  darstellt. 
Ich  habe  nicht  bloss  nach  der  Injektion  von  Stovain,  sondern  auch 
nach  Tropakokain  eine  verhältnismässig  grosse  Zahl  von  so  erheb¬ 
lichen  üblen  Nachwirkungen  gesehen,  dass  ich  die  Anwendung  der 
Lumbalinjektion  wieder  eingeschränkt  habe.  Ganz  besonders  quä¬ 
lend  war  in  dem  Drittel  der  Fälle  etwa  der  längere  Zeit,  in  einigen 
Fällen  bis  14  Tage  anhaltende,  offenbar  äusserst  heftige  Kopfschmerz, 
der  sich  durch  keines  der  von  verschiedenen  Seiten  angegebenen 
Mittel  in  merklicher  Weise  beeinflussen  liess.  In  3  Fällen  habe  ich 
während  der  Operation  ausgesprochenen  Kollaps  und  bedrohlich  aus¬ 


sehende  Atmungsstörungen  beobachtet,  denen  man  nach  meinem  Ge¬ 
fühl  noch  wesentlich  wehrloser  gegenübersteht,  als  den  bei  Chloro¬ 
formnarkose  eintretenden  Zufällen.  Unangenehm  empfunden  habe  ich 
wiederholt  das  völlige  oder  teilweise  Ausbleiben  der  Anästhesie  trotz 
der  wie  ich  glaube  einwandfreien  Injektionstechnik  und  Injektions¬ 
flüssigkeit.  Mehrere  Patienten,  die  wiederholt  operiert  werden  muss¬ 
ten,  und  die  früher  in  Allgemeinnarkose  und  darnach  in  Lumbal¬ 
anästhesie  operiert  worden  waren,  weigerten  sich  ganz  entschieden, 
bei  einer  weiteren  Operation  die  letztere  anwenden  zu  lassen.  Natür¬ 
lich  habe  ich  auch  eine  Reihe  von  ideal  verlaufenen  Lumbalanästhesien 
gehabt,  bevorzuge  aber  trotzdem,  besonders  bei  länger  dauernden 
Operationen,  die  Morphium-Chloroform-Narkose  und  beschränke  die 
Lumbalanästhesie  auf  die  Fälle,  bei  denen  schlechtes  Herz  usw.  eine 
Allgemeinnarkose  allzu  gefährlich  erscheinen  Hesse. 

Herr  G.  Klein  (wird  einen  diesbezüglichen  Originalartikel  in 
dieser  Wochenschrift  veröffentlichen). 

Herr  Gilmer:  Seit  2  Jahren  verwende  ich  fast  ausschliesslich 
die  Lumbalanästhesie  für  alle  Operationen  von  den  Mammillen  an 
abwärts  und  bin  mit  der  Methode  ganz  ausserordentlich  zufrieden, 
so  dass  ich  nur  in  Ausnahmefällen  zur  Allgemeinnarkose  zurück¬ 
kehren  werde.  Zwar  sind  auch  mir,  besonders  im  Anfang,  Miss¬ 
erfolge  nicht  erspart  geblieben.  Schwerere  Nachwirkungen  habe  ich 
keine  gesehen,  ausser  in  3  Fällen  tagelang  anhaltende  heftige  Kopf¬ 
schmerzen,  von  denen  2  der  Patienten  durch  nochmals  vorgenom¬ 
mene  Lumbalpunktion  und  Entnahme  von  ca.  10  ccm  Liquor  sofort  be¬ 
freit  werden  konnten.  In  beiden  Fällen  war  der  Liquor  leicht  ge¬ 
trübt,  opaleszierend,  mit  vereinzelten  Leukozyten  im  Sediment,  bak¬ 
teriologischer  Befund  negativ.  An  mehreren  Patienten  wurde  zwei- 
und  dreimal  die  Lumbalanästhesie  ohne  Schaden  vorgenommen;  eine 
Patientin  vertrug  die  1.  und  3.  Anästhesie  vorzüglich,  nach  der  2. 
hatte  sie  3  Tage  lang  mässige  Kopfschmerzen  und  Nackensteifigkeit. 
Auch  Kinder  unter  14  Jahren  vertragen  die  Spinalanästhesie  vor¬ 
züglich.  Der  Grund  für  die  noch  immer  relativ  häufig  beschriebenen 
Versager  und  Nachwirkungen  liegt  m.  E.  zum  weitaus  grössten  Teil 
in  kleinen  Fehlern  der  Technik  und  in  der  Wahl  des  Anästhetikums. 
Die  Nadel  soll  nicht  zu  dick  sein,  da  leicht  aus  dem  dicken  Stichkanal 
der  Liquor  nebst  dem  Anästhetikum  zum  Teil  wieder  in  das  peri- 
arachnoideale  Gewebe  aussickern  ikann.  Die  Nadel  soll  ferner  mög¬ 
lichst  stumpf  abgeschrägt  sein;  bei  lang  abgeschrägten  Nadeln  kann 
es  Vorkommen,  dass  nur  ein  Teil  des  Nadellumens  im  Kanal  liegt, 
der  andere  noch  oder  schon  ausserhalb  desselben;  bei  Injektion  des 
Anästhetikums  wird  dann  ein  Teil  ausserhalb  des  Lumbalkanals  de¬ 
poniert.  Man  injiziere  möglichst  nur  dann,  wenn  vorher  der  Liquor 
im  Strahl  oder  in  rascher  Tropfenfolge  abgeflossen  ist,  wenn  also  die 
Nadelspitze  genau  in  der  Mittellinie,  dem  Filum  terminale  ent¬ 
sprechend,  sich  befindet.  Fliesst  der  Liquor  nur  in  sehr  langsamer 
Tropfenfolge  ab,  dann  hat  sich  die  Nadel  in  die  seitlichen  Fasern  der 
Kauda  verirrt  und  man  wird  dann  meistens  Versager,  oder  verspätete, 
ungenügende  oder  halbseitige  Anästhesie  bekommen.  Man  versuche 
daher  in  solchem  Falle  durch  vorsichtiges  Zurückziehen  und  Vor- 
stossen  der  Nadel  in  die  Mittellinie  zu  gelangen  und  raschen  Tropfen¬ 
fall  zu  erzielen,  was  nach  einigen  Versuchen  fast  immer  gelingt. 

Was  die  unangenehmen  Nachwirkungen  anbelangt,  so  glaube  ich, 
dass  sie  nicht  dem  Verfahren  als  solchem  oder  der  Disposition  des 
Kranken  zur  Last  gelegt  werden  dürfen,  sondern  dass  sie  in  der  Haupt¬ 
sache  durch  fehlerhafte  Technik  und  ungeeignete  Anästhetika  ver¬ 
ursacht  werden.  Alle  Autoren,  die  Serien  von  Hunderten  und  Tausen¬ 
den  von  Lumbalanästhesien  vorgenommen  haben,  berichten  über¬ 
einstimmend,  dass  sie  anfangs  sehr  viele  und  schwere,  später  nur 
noch  sehr  wenig  Nachwirkungen  zu  verzeichnen  hatten.  Interessant 
sind  die  Publikationen  von  S  1  a  j  m  e  r,  der  bei  plötzlichem  Ansteigen 
in  der  Häufigkeit  der  Nachwirkungen  stets  einen  neuen  Fehler  in 
der  Technik  nachweisen  konnte  (Verwendung  von  schlechtem  Reini¬ 
gungsalkohol,  Bespritzen  der  Injektionsstelle  mit  Chloräthyl  oder 
Betupfen  derselben  mit  Jodtinktur).  Eine  Hauptursache  für  üble 
Nachwirkungen  glaube  ich  in  der  unzweckmässigen  Behandlung  der 
Spritzen  und  besonders  der  Nadeln  gefunden  zu  haben.  Dass  das 
Auskochen  derselben  in  Sodalösung  und  ihre  Berührung  mit  des¬ 
infizierenden  Lösungen  verhütet  werden  muss,  ist  bekannt.  Aber 
auch  das  Auskochen  in  gewöhnlichem  Wasser  (Kalkgehalt!)  oder  in 
destilliertem  Wasser  oder  in  physiologischer  Kochsalzlösung  ist 
nicht  zweckmässig.  Auch  bei  gründlichster  Reinigung  vor  und  nach 
dem  Gebrauche  lässt  sich  Rostansatz  in  den  langen  Hohlnadeln  nie¬ 
mals  verhüten.  Nach  jedem  Auskochen  lässt  sich  aus  der  Nadel  eine 
Schmutzbrühe  entleeren,  und  selbst  nach  wiederholtem  Durchspritzen 
sammelt  sich  immer  wieder  eine  vom  Rost  herrührende  Verunreini¬ 
gung  an.  Dass  diese  Verunreinigung  bei  der  hochgradigen  Empfind¬ 
lichkeit  der  Rückenmarkshäute  nicht  ohne  Folgen  bleiben  kann,  ist 
klar.  Ich  habe  die  Nadeln  innen  und  aussen  vernickeln,  versilbern, 
vergolden  lassen,  doch  gelingt  es  nicht,  auf  diese  Weise  im  Innern  der 
langen  Nadeln  einen  gleichmässigen  oder  dauerhaften  Ueberzug 
herzustellen.  Am  besten  sind  Nadeln  aus  reinem  Platin-Iridium; 
leider  wird  ihr  hoher  Preis  (60 — 90  M.)  einer  allgemeinen  Verwen¬ 
dung  im  Wege  stehen.  Wir  haben  jedoch  in  dem  Verfahren  von 
Dr.  Grosse  (Sterilisation  im  Wasserdampf  in  geschlossenen  Glas¬ 
tuben)  ein  Mittel,  auch  gewöhnliche  Stahlnadeln  sicher  und  ohne  jede 
Rostentwicklung  keimfrei  zu  machen.  Ich  kann  diese  Methode 
wärmstens  empfehlen. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1905 


Als  Anästhetiikum  verwende  ich  nur  noch  das  Tropakokain,  nach-  | 
dem  ich  so  ziemlich  alle  anderen  Mittel  durchprobiert  habe.  Es 
hat  den  grossen  Vorteil,  sich  leicht  sterilisieren  zu  lassen  und  lange 
haltbar  zu  sein;  ferner  wirkt  es  nur  sehr  wenig  auf  die  motorischen 
Wurzeln  der  Nervenfasern,  vor  allem  nicht  auf  das  Atemzentrum, 
so  dass  sich  damit  gefahrlos  hohe  Anästhesien,  bis  zum  Kopf,  erzielen 
lassen.  Wichtig  ist,  dass  das  Tropakokain  in  isotonischer  Lösung 
verwandt  wird.  Einen  Zusatz  von  Nebennierenpräparaten  halte  ich 
nicht  ,für  wünschenswert,  ich  habe  keine  Verlängerung  der  Anästhesie 
damit  erreicht.  Andererseits  zersetzen  sich  die  Nebennierenprä¬ 
parate  in  Lösungen  sehr  leicht  und  geben  dann  zu  schweren  Nach¬ 
wirkungen  Anlass.  Bräunlich  gefärbte  Lösungen  dürfen  unter  keinen 
Umständen  verwandt  werden.  Zu  warnen  ist  vor  dem  englischen 
Präparat  Adrenalin,  das  Salzsäure  enthält  und  schwere  Nacherschei¬ 
nungen  verursacht.  Die  schlimmsten  Nachwirkungen,  vor  allem  Läh¬ 
mungen,  hat  man  bei  Stovain  beobachtet,  namentlich  bei  Verwendung 
der  B  i  1 1  o  n  sehen  Ampullen,  die  neben  Adrenalin  noch  Kai  boisäure 
enthalten  und  nicht  isotonisch  sind. 

Herr  Baum:  Auf  Grund  von  96  Lumbalanästhesien,  welche  in 
einem  Zeitraum  von  2  Jahren  in  der  Privatklinik  des  Herrn 
Dr.  Kr  ecke  vorgenommen  wurden,  glaube  ich  annehmen  zu  müssen, 
dass  nicht  Fehler  in  der  Technik  ausschliesslich  für  das  Auftreten 
von  üblen  Begleit-  und  Nacherscheinungen  anzuschuldigen  sind,  son¬ 
dern  die  anästhesierenden  Mittel  selber.  Unter  diesen  als  das  harm¬ 
loseste  hat  sich  auch  uns  das  Tropakokain  bewährt,  bei  dem  nur 
25,9  Proz.  schwerere  Nacherscheinungen  zur  Beobachtung  kamen 
gegen  39,3  Proz.  beim  Stovain  und  gar  53,9  Proz.  beim  Novokain. 
Weitere  Mängel  des  Verfahrens  sind  ferner  die  Beschränkung  des 
Operationsfeldes  und  der  Wirkungsdauer,  die  Unikontrollierbarkeit  der 
Wirkung  und  besonders  die  psychische  Mitleidenschaft  des  Patien¬ 
ten,  die  vielleicht  durch  das  Skopolamin  wird  ausgeschaltet  werden 
können.  Dagegen  müssen  als  schwerwiegende  Vorteile  der  Lumbal¬ 
anästhesie  bezeichnet  werden:  ihre  gefahrlose  Verwendbarkeit  bei 
Herz-  und  Lungenkranken,  bei  alten  und  bei  sehr  fetten  Leuten,  bei 
Potatoren,  die  Entbehrlichkeit  eines  Narkotiseurs,  die  vollkommenste 
Muskelerschlaffung;  hiernach  richtet  sich  unsere  Indikationsstellung. 

Herr  Grosse  fügt  den  Ausführungen  des  Herrn  Kollegen  G  i  1  - 
m  e  r  über  die  Asepsis  des  Instrumentariums  ergänzend  bei,  dass  er 
nicht  nur  die  Kanülen  zur  Spinalanästhesie,  sondern  auch  die  Spritze 
selbst  im  Wasserdampf  sterilisiert,  erstere  in  ein  ad  hoc  jetzt  her¬ 
gestelltes  „Kanülensterilisationsrohr“  eingeschlossen,  letztere  frei  im 
Wasserdampf  mit  den  sonstigen  Instrumenten  zusammen.  G.  erhält  so 
ein  von  jeglicher  Verunreinigung  —  sei  es  Rost,  seien  es 
Reste  von  Soda,  Kalksalzen,  Kochsalz  oder  Antiseptizis  —  ab¬ 
solut  freies  Instrumentarium,  welches  nach  beendeter 
Sterilisation  ohne  weitere  Reinigungsprozeduren  zur  Aspiration  und 
Injektion  gebrauchsfertig  ist.  Dass  bei  der  grossen  Empfindlichkeit 
der  nervösen  Zentralorgane  eine  solche  mit  peinlichster  Sauberkeit 
kombinierte  Asepsis  zur  Vermeidung  fataler  Nachwirkungen  unerläss¬ 
lich  ist,  steht  auch  für  G.,  der  bei  genannter  Behandlung  seines  In¬ 
strumentariums  niemals  derartige  Erscheinungen  beobachtete,  ausser 
allem  Zweifel.  Die  von  Herrn  Vorredner  berichteten  unangenehmen 
Zufälle  dürften  vielleicht  grossenteils  auf  Verwendung  von  Kochsalz¬ 
lösung  bei  der  Sterilisation  zurückzuführen  sein. 

Herr  J.  A.  Amann:  M.  H.l  Nachdem  ich  bereits  1900  in  Paris 
eine  Reihe  von  gut  verlaufenen  Lumbalanästhesien  bei  Tuffier  ge¬ 
sehen  hatte,  wandte  ich  dieselbe  mehrfach  und  mit  ganz  befriedigen¬ 
dem  Resultat  an.  Da  aber  damals  noch  Kokain  verwendet  wurde 
und  die  Gefährlichkeit  dieses  Mittels  durch  die  Publikation  verschie¬ 
dener  ungünstiger  Ausgänge  mehr  erkannt  wurde,  stand  ich  davon  wie¬ 
der  ab.  3  Jahre  später  nahm  ich  die  lumbalen  Anästhesien  mit  Tropa¬ 
kokain  wieder  auf,  hatte  aber  neben  guten  auch  manche  unge¬ 
nügende  Resultate,  offenbar,  wie  es  nunmehr  scheint,  durch  unge¬ 
eignete  Dosierung.  Erst  in  den  letzten  Jahren  liess  ich  in  meiner 
Klinik  in  systematischer  Weise  die  Lumbalanästhesien  wieder  aus¬ 
führen  und  zwar  mit  Novokain.  Ueber  eine  grössere  Reihe  dieser 
Narkosen  hat  mein  Assistent,  Herr  Dr.  Brunner,  bereits  im  vorigen 
Jahre  berichtet.  In  letzter  Zeit  sind  wir  nach  den  neueren  Emp¬ 
fehlungen  wieder  zu  Tropakokain  übergegangen. 

Die  über  100  lumbalen  Anästhesien,  welche  Im 
letzten  Jahre  mit  Novokain  und  Tropakokain  in 
meiner  Klinik  ausgeführt  wurden,  betrafen  die  verschiedenartigsten 
gynäkologischen  Operationen;  selbstverständlich  wurden  diese  Nar¬ 
kosen  besonders  bei  alten,  dekrepiden  Leuten,  bei  denen  die  allge¬ 
meine  Inhalationsnarkose  bedenklich  schien,  angewandt. 

Im  allgemeinen  war  der  Effekt  der  Analgesie  ein  sehr  guter, 
nur  bei  wenigen  Fällen  trat  keine  Unempfindlichkeit  ein.  Bei  länger 
dauernden  Operationen,  wie  komplizierteren  abdominalen  Becken¬ 
ausräumungen  bei  Uteruskarzinomen  etc.  musste  im  Verlaufe  der 
Operation  zu  Chloroform  übergegangen  werden,  aber  es  zeigte  sich 
dabei  der  grosse  Vorteil  der  Ersparung  von  Chloro¬ 
form;  einige  Gramm  genügten  meist  vollkommen  für  die  Fertig¬ 
stellung  der  in  der  Hauptsache  mit  lumbaler  Anästhesie  ausgeführten 
Operation.  Zerrungen  am  Uterus  resp.  an  den  Liga  tu.  sacro- 
uterina,  besonders  vom  Abdomen  aus,  riefen  gewöhnlich 
Schmerzensäusserungen  der  Patientin  hervor,  während  bei  vaginalen 
Totalexstirpationen  der  Zug  an  den  gleichen  Ligamenten  nach 
unten  gewöhnlich  nicht  besonders  empfunden  wurde,  ebensowenig 


wurden  ausgedehnte  Schuchardt sehe  Schnittführungen  bis  zum 
Steissbein  und  Verschiebungen  des  Rektums  etc.  als  Schmerzen  emp¬ 
funden;  eher  noch  kam  es  zu  Reaktionen  der  Patientin  bei  Lapa¬ 
rotomien,  beim  Zug  am  Mesenterium  des  Darmes.  Bei  sehr  anämi¬ 
schen  Patientinnen  habe  ich  mehrfach  zu  grossen  Eingriffen  die  lum¬ 
bale  Anästhesie  angewandt,  so  liegen  z.  B.  gegenwärtig  wieder  3  Fälle 
auf  meiner  Abteilung,  ausgeblutete  Myomkranke,  von  denen  2  von 
der  psychiatrischen  Abteilung  mir  überwiesen  wurden  mit  25  Proz., 
28  Proz.  und  32  Proz.  Hämoglobin,  bei  denen  ich  die  abdominale 
Totalexstirpation  des  myomatösen  Uterus  (in  einem  Falle  Myosarkom) 
in  lumbaler  Anästhesie  ausgeführt  habe.  (Allerdings  wird  eine  ge¬ 
schickt  und  vorsichtig  ausgeführte  Inhalationsnarkose  auch  von  sehr 
anämischen  Patientinnen  gut  vertragen;  ich  erinnere  mich  an  zahl¬ 
reiche  Totalexstirpationen  des  mvomatösen  und  karzinomatösen 
Uterus,  die  ich  an  Patientinnen  mit  Hämoglobingehalt  unter  30  Proz. 
mit  Erfolg  ausgeführt  habe  und  speziell  an  eine  Totalexstirpat'on  des 
Uterus  mit  Adnexen  bei  fortgeschrittener  Genitaltuberkulose,  wobei 
nur  mehr  ein  Hämoglobingehalt  von  16  Proz.  vorhanden  war,  die  Pat. 
hat  sich  ziemlich  schnell  wieder  erholt.  ) 

Schwere  Zufälle  habe  ich  bei  der  lumbalen  Anä¬ 
sthesie  nicht  gesehen,  dagegen  doch  in  einer  nicht  ge¬ 
ringen  Anzahl  von  Fällen  lange  dauerndes,  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  sogar  Monate  dauerndes  intensives 
Kopfweh,  das  durch  keines  der  hiefür  angegebenen 
zahlreichen  Mittel  zu  beseitigen  war.  Meist,  aber 
nicht  immer,  handelte  es  sich  dabei  um  Operationen,  die  in 
Beckenhochlagerung  ausgeführt  werden  mussten. 
Die  Beckenhochlagerung  können  wir  Gynäkologen  nicht  gut  entbehren 
und  dies  bedingt  einen  gewissen  Nachteil  für  die  Anwendung  der 
Lumbalanästhesie  in  der  Gynäkologie.  Besser  scheint  es  in  dieser 
Beziehung  zu  sein,  wenn  man  die  Beckenhochlagerung 
erst  ziemlich  spät  im  Laufe  der  Operation  zur  An¬ 
wendung  bringt.  Vielleicht  spielen  auch  Druckschwankungen  beim 
Ablassen  des  Liquor  und  bei  der  Injektion  der  Flüssigkeit  eine  Rolle, 
jedenfalls  muss  man  sehr  langsam  injizieren. 

Oft  haben  wir  Morphium  Vz  Stunde  vor  der  Operation  injiziert 
und  dies  als  zweckmässig  befunden.  Skopolamin  habe  ich  bisher  nicht 
mit  der  Lumbalanästhesie  kombiniert,  obgleich  ich  vor  Jahren  mit 
der  Skopolaminnarkose  ausgedehnte  Versuche  an  meiner  Klinik  an¬ 
stellen  Hess;  mein  damaliger  Assistent,  Dr.  Roith,  hat  darüber  be¬ 
richtet.  Einige  sehr  schwere  Zustände,  die  ich  nach  Skopolamin  ge¬ 
sehen,  besonders  enorme  Verlangsamung  der  Atmung,  1 — 2  Tage  lang, 
bleiben  mir  immer  noch  in  unangenehmer  Erinnerung,  wenn  ich  auch 
annehmen  muss,  dass  damals  die  Dosierung  keine  entsprechende  ge- 
i  wesen  ist;  später  sind  keine  derartigen  Störungen  mehr  bekannt 
geworden. 

Die  Desinfektion  der  Haut  an  der  Einstichstelle  scheint  mir  auch 
noch  nicht  ganz  einwandfrei  durchzuführen  zu  sein;  Keime,  welche 
in  den  tieferen  Schichten  der  Haut  sich  befinden  können,  könnten 
möglicherweise  mit  der  Nadel  eingeführt  werden.  Daher  scheint  mir 
der  Vorschlag,  der  von  einer  Seite  gemacht  wurde,  statt  durch  die 
Haut  einzustechen,  erst  eine  kleine  Inzision  zu  machen  und  hier  ein¬ 
zustechen,  theoretisch  wenigstens  ganz  richtig. 

Herr  G  e  b  e  1  e  wendet  sich  gegen  die  von  Klein  vorge- 
schlagene  und  empfohlene  Kombination  von  Lumbalanästhesie  und 
Allgemeinnarkose,  denn  die  Lumbalanästhesie  soll  gerade  dann  An¬ 
wendung  finden,  wenn  Kontraindikationen  gegen  die  Narkose  be¬ 
stehen.  Die  Lumbalanästhesie  ersetze  auch  die  Narkose  bei  Opera¬ 
tionen  an  den  unteren  Extremitäten,  am  Damm.  After,  an  den  Geni¬ 
talien  und  bei  Bauchoperationen.  Bei  sehr  nervösen  Leuten  erscheint 
G  e  b  e  1  e  die  Lumbalanästhesie  nicht  angezeigt,  da  hierdurch  zwar  die 
Schmerzempfindung,  nicht  aber  die  Tastempfindung  aufgehoben  werde. 
Nervöse  Leute  werden  infolgedessen  während  der  Operation  in  der 
Regel  unruhig  und  dies  umsomehr,  als  sie  alles  um  sich  hören  und 
sehen. 

Herr  Ludwig  Seitz:  Bereits  vor  mehreren  Jahren  wurde  an 
hiesiger  Universitäts-Frauenklinik  die  Lumbalanästhesie  bei  gynä¬ 
kologischen  und  geburtshilflichen  Operationen  angewendet  und  zwar 
ausschliesslich  mit  Tropakokain.  Die  Resultate  waren  im  grossen 
und  ganzen  befriedigend,  die  Anästhesie,  auch  beim  Hervorziehen  des 
Uterus,  vollständig,  doch  traten  einigemale  starke  Nacherscheinungen. 
heftige  Kopfschmerzen,  Erbrechen  und  2  mal  Temperatursteigerung 
auf  39 0  auf  (letzteres  bei  Kreissenden).  Bei  Gebärenden  ist  die 
Injektion  wegen  der  beständigen  Unruhe  häufig  erschwert. 

Herr  Perutz  berichtet  über  zwei  Fälle  von  fast  totalem  Py- 
lorusverschluss  durch  Karzinom,  die  von  Herrn  G  i  1  m  e  r  im  Skopo¬ 
lamindämmerschlaf  unter  Lumbalanästhesie  gastroenterostomiert 
wurden.  Beide  Patientinnen  kamen  durch  wochenlanges  Erbrechen 
hochgradig  entkräftet  und  wasserverarmt  in  Behandlung;  sie  ver¬ 
trugen  trotzdem  den  Eingriff  erstaunlich  gut.  Er  hat  den  Eindruck 
gewonnen,  dass  dieses  Verfahren  der  Anästhesierung  geeignet  ist, 
die  hohe  Mortalität  der  Gastroenterostomie  beim  Magenkarzinom  er¬ 
heblich  zu  verringern  und  deshalb  besonders  bei  heruntergekommenen 
Kranken  Anwendung  finden  sollte. 

Herr  Ach:  Ich  vertrete  nach  wie  vor  den  Standpunkt,  dass  die 
Nacherscheinungen  zum  grössten  Teil  auf  eine  fehlerhafte  Technik 
zurückzuführen  sind.  Es  ist  deshalb  eine  bis  ins  kleinste  Detail 
gehende,  peinliche  Befolgung  der  Technik  unbedingt  erforderlich; 


1906 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


nur  so  können  die  Nacherscheinungen,  wenn  auch  nicht  völlig  aus¬ 
geschaltet,  so  doch  auf  ein  Minimum  beschränkt  werden. 


Rostocker  Aerzteverein. 

Sitzung  vom  8.  Juni  1907. 

Privatdozent  Dr.  Brüning:  Säuglingssterblichkeit  in  Rostock. 

Unter  Hinweis  auf  die  politische,  volkswirtschaftliche  und  hu¬ 
manitäre  Bedeutung  der  grossen  Säuglingssterblichkeit  in  Deutsch¬ 
land,  berichtet  der  Vortragende  über  einschlägige,  in  Gemeinschaft 
mit  Herrn  Dr.  B  a  1  c  k  angesteilte  Erhebungen  betreffs  der  Rostocker 
Säuglingswelt.  Während  in  dem  15  jährigen  Zeitraum  von  1882  bis 
1896  in  Rostock  16,25  Proz.  der  Lebendgeborenen  bereits  vor  Ablauf 
des  ersten  Lebensjahres  wieder  abstarben,  betrug  die  Säuglings¬ 
mortalität  in  dem  10  jährigen  Zeitraum  von  1897 — 1906  laut  der  Ver¬ 
öffentlichungen  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  durchschnittlich 
16,70  Proz.  Im  Gegensatz  zu  dem  letztgenannten  Werte  belief  sich 
während  derselben  Zeitperiode  die  Sterblichkeit  der  Säuglinge,  d.  h. 
der  Kinder  im  ersten  Lebensjahre,  in  Schwerin  auf  14,02  Proz.,  in 
Güstrow  auf  15,76  Proz.  und  in  dem  zum  Vergleich  herangezogenen 
Lübeck  auf  17,09  Proz.  Was  die  genaueren  Ziffern  für  die  Stadt 
Rostock  anlangt,  so  wurde  verfolgt,  wie  viele  von  den  im  Jahre  1904 
in  Rostock  lebend  zur  Welt  gekommenen  Kindern  nachweislich  das 
erste  Lebensjahr  vollendeten.  Nach  endgültiger  Berechnung  wurden 
im  Jahre  1904  in  Rostock  1904  Lebendgeburten  standesamtlich  ge¬ 
meldet.  Von  diesen  starben  285  =  16,73  Proz.,  bevor  sie  das  zweite 
Lebensjahr  erreicht,  wieder  ab.  Von  den  Geburten  waren  1442  ehe¬ 
lich  (84,62  Proz.)  und  262  unehelich  (15,38  Proz.).  Auf  die  Lebens¬ 
quartale  berechnet,  erfolgten  von  den  285  Todesfällen  bei  Säuglingen 
130  im  ersten,  69  im  zweiten,  42  im  dritten  und  44  im  vierten  Quar¬ 
tale,  so  dass  also  fast  die  Hälfte  der  in  Betracht  kommenden  Säug¬ 
linge  (46  Proz.)  bereits  im  ersten  Lebenshalbjahr  wieder  abgestor¬ 
ben  ist.  Die  meisten  Todesfälle  —  71  —  entfielen  auf  die  Monate 
August  und  September.  Was  das  Verhältnis  der  Sterbefälle  zu  den 
Geburten  anlangt,  so  starben  von  den  1442  ehelich  geborenen  222 
15,40  Proz.,  von  den  262  unehelich  zur  Welt  gekommenen  63 
24,05  Proz.,  d.  h.  also,  das  Mortalitätsverhältnis  der  legitimen  zu 
den  illegitimen  Säuglingen  verhielt  sich  wie  2:3.  Hinsichtlich  der 
Todesursachen  sind  die  Sterblichkeitsziffern,  wie  zu  erwarten  stand, 
ausserordentlich  verschieden.  Bei  einem  Maximum  der  Todesfälle 
für  die  Störung  der  Atmungsorgane  in  der  kälteren  Jahreszeit  und 
einem  solchen  für  die  Verdauungsstörungen  in  den  heissen  Sommer¬ 
monaten  erreichten  die  letzteren  mit  48  Proz.  den  höchsten  Wert  über¬ 
haupt,  dem  gegenüber  z.  B.  die  durch  akute  Infektionskrankheiten 
bedingten  Sterbefälle  nur  6  Proz.  ausmachten.  Von  besonderem  Inter¬ 
esse  ist  die  Verteilung  der  Todesfälle  auf  die  verschiedenen  Bevöl¬ 
kerungsklassen.  Rechnet  man  die  unehelich  geborenen  Säuglinge  als 
eine  Gruppe,  so  beliefen  sich  die  Todesfälle  auf  die  zugehörigen  Ge¬ 
burten  berechnet,  bei  dieser  und  bei  den  drei  weiteren  je  nach  der 
sozialen  Lage  des  Vaters  angenommenen  Ständen  (Arbeiter,  Mittel¬ 
und  höhere  Stände)  wie  folgt:  24,05:  17,08:  10,48: 3,85,  d.  h.  also, 
anders  ausgedrückt:  es  starb  von  den  im  Jahre  1904  in  Rostock  ge¬ 
borenen  Säuglingen  jeder  4.,  6.,  10.  bezw.  erst  30.  wieder  ab,  je  nach¬ 
dem  er  unehelich  oder  aus  den  drei  vorhin  genannten  Bevölkerungs¬ 
schichten  hervorgegangen  war.  Die  Durchschnittssterblichkeitsziffer 
betrug,  wie  eingangs  erwähnt,  16,73  Proz.  Dieser  Wert  erhöht  sich 
jedoch  auf  16,95  Proz.,  wenn  die  23  als  „auswärtige“  zu  bezeichnen¬ 
den  Geburten  ausgeschaltet  werden.  Die  Säuglingssterblichkeit  in 
Rostock  ist  also  bei  den  sonst  günstigen  Lebensbedingungen  für  die 
Bevölkerung  relativ  hoch  und  hat  in  den  letzten  Jahren  zugenommen. 
Ursächlich  kommen  für  diese  betrübende  Erscheinung  verschiedene 
Punkte  in  Betracht.  Da  mehr  als  die  Hälfte  aller  Säuglinge  in 
Rostock  länger  als  3  Monate  von  der  Mutter  gestillt  werden,  ist  ein 
Hauptmoment  weniger  in  der  natürlichen  als  vielmehr  in  der  künst¬ 
lichen  Ernährung  zu  suchen.  Hierbei  spielen  Ueberfiitterung  und 
vielfach  ungeeignete  Darreichung  der  Flasche  eine  Hauptrolle,  weil 
hierdurch  erfahrungsmässig  eine  häufige  Ursache  für  akute  und  chro¬ 
nische  Verdauungsstörungen  und  damit  auch  Rhachitis  u.  dgl.  ab¬ 
gegeben  wird.  Dazu  kommt,  dass  nicht  so  ganz  selten  die  Kinder  der 
ärmeren  Volksschichten  in  ungesunden  hygienischen  Verhältnissen 
leben  müssen,  von  denen  die  Kellerwohnungen,  die  niedrigen  dumpfen 
Stübchen  in  der  Altstadt  und  die  übervölkerten  Wohnräume  des 
Kasernenviertels  besonders  in  der  heissen  Jahreszeit  gefährlich  wer¬ 
den  müssen.  Ein  weiterer  Grund  liegt  in  der  Art  der  Milchversor- 
gung  der  Flaschenkinder,  die  vieles  zu  wünschen  übrig  lässt  und  nicht 
im  entferntesten  den  Ansprüchen  genügt,  die  an  eine  zur  Säuglings¬ 
ernährung  dienende  Milch  billigerweise  gestellt  werden  müssen.  Für 
die  höhere  Sterblichkeit  der  unehelichen  Kinder  im  Verhältnis  zu 
den  ehelichen  fällt  u.  a.  die  mangelhafte  Organisation  des  Kost-  und 
Ziehkinderwesens  in  Rostock  als  begünstigender  Faktor  in  die  Wag- 
schalc.  Nach  Ansicht  wohlinformierter  Kreise  treten  gerade  hier  er¬ 
hebliche  Mängel  zutage  insofern,  als  Kostkinder  gelegentlich  gar 
nicht,  nicht  selten  aber  erst  wochenlang  nach  ihrer  Geburt  den  mit 
ihrer  Aufsicht  betrauten,  ehrenamtlich  angestellten  Waisenpflege¬ 
rinnen  gemeldet  werden.  Auch  sind  eine  ganze  Reihe  von  Fällen  be¬ 
kannt,  in  denen  8—9  Monate  alt  gewordene  Ziehkinder  4—5  mal 
ihre  Koststelle  gewechselt  haben  und  ausserdem  noch  1—2  mal  im 
Krankenhause  behandelt  worden  sind. 


Aus  seinen  Auseinandersetzungen  schliesst  der  Vortragende,  dass 
im  Interesse  der  Rostocker  Säuglinge  manche  Dinge  der  Besserung 
bedürftig  sind;  er  bittet  die  Anwesenden,  einschlägigen  Bestrebungen 
das  verdiente  Interesse  entgegenzubringen,  damit  Rostock,  als  grösste 
Stadt  des  Landes,  auf  dem  Gebiete  der  modernen  Säuglingsfürsorge 
für  ganz  Mecklenburg  vorbildlich  werden  könne. 


75.  Jahresversammlung  der  British  Medical  Association. 

(Schlussbericht.) 

Abteilung  für  Pathologie.  W.  H  u  n  t  e  r  eröffnete  eine  Diskussion 
über  perniziöse  Anämie  und  verwandte  Erkrankungen.  Redner  hat 

seit  Jahren  zu  beweisen  gesucht,  dass  diese  Krankheitsformen  die 
Folge  septischer  Prozesse  im  Gastrointestinalkanal  sind  und  auf 
hämolytischen  Vorgängen  beruhen.  Besonders  schuldig  an  der  Ent¬ 
stehung  der  Anämie  ist  die  Mundsepsis  (Pyorrhoea  alveolaris).  Man 
findet  hämolytische  Veränderungen  in  der  Leber,  den  Nieren  und  im 
Urin  und  infektiöse  Läsionen  im  Magen,  Darm  und  in  der  Zunge. 
Die  letzte  Ursache  ist  ein  Mangel  in  der  Fähigkeit  Blut  zu  bilden, 
nicht  aber  eine  völlige  Aufhebung  dieses  Prozesses.  Die  Ehrlich- 
sehe  Anschauung,  dass  es  sich  lediglich  um  eine  Blutkrankheit  (De¬ 
generation  der  Megaloblasten)  handelt,  ist  nach  Redners  Ansicht 
völlig  falsch.  Dass  Redners  Theorie  richtig  ist,  beweisen  auch  die 
Heilungserfolge  selbst  sehr  lange  bestehender  Fälle  durch  anti¬ 
septische  Behandlung  und  Antistreptokokkenserum.  Redner  schiiesst 
seine  Rede  mit  einer  Ermahnung  an  seine  Hörer,  ihre  Ohren  vor 
deutschen  Theorien  über  Erkrankungen  des  Blutes  und  des  Knochen¬ 
markes  zu  verschliessen.  (Ein  recht  naiver  Einfall.  Refer.) 

G  u  1 1  a  n  berichtet  über  gute  Erfolge  mit  der  Verabreichung 
von  Knochenmark. 

B  u  s  h  n  e  1 1  hat  von  der  Behandlung  mit  Antistreptokokken¬ 
serum  keinen  Nutzen  gesehen. 

Dann  beschrieb  Walker  Hall  eine  neue  Methode  der  Fettbestim¬ 
mung  in  den  Fäzes,  die  sich  sehr  rasch  ausführen  lässt. 

Am  zweiten  Tage  eröffnete  Dean  eine  Diskussion  über  Phago¬ 
zytose  und  bakterizide  Tätigkeit.  Redner  sprach  über  den  Einfluss 
von  Serum  auf  die  Phagozytose  und  über  die  verschiedenen  im 
Serum  gefundenen  Stoffe.  Das  Serum  wirkt  auf  Organismen  der¬ 
artig  ein,  dass  sie  zu  vorher  abgestorbenen  Leukozyten  gezogen  wer¬ 
den.  Die  Virulenz  der  Organismen  ist  ein  wichtiger  Faktor  in  der 
Phagozytose;  Leukozyten  nehmen  virulente  Bakterien  häufig  nicht 
auf,  während  sie  weniger  virulente  verschlingen.  Redner  spricht 
dann  über  seine  Versuche  mit  erhitzten  Seren. 

Buxton  sprach  über  Versuche  über  die  phagozytisch.e  Tätig¬ 
keit  der  in  der  Peritonealhöhle  befindlichen  Zellen.  Er  glaubt,  dass 
die  vermehrte  Widerstandsfähigkeit  eines  immunisierten  Tieres  fast 
ausschliesslich  auf  einer  vermehrten  phagozytischen  Kraft  beruht; 
ferner  hat  er  gefunden,  dass  das  Serum  immunisierter  Tiere  nicht 
stärker  bakteriolytisch  wirkt  als  das  normaler  Tiere.  Die  Makro¬ 
phagen  verhalten  sich  soliden  inerten  Körperchen  gegenüber  ebenso 
wie  Bakterien. 

B  r  i  s  c  o  e  glaubt,  dass  im  Blute  Opsinogene  aber  keine  Opso¬ 
nine  bestehen,  Immunkörper  werden  erst  nach  und  durch  die  Imp¬ 
fung  frei  und  werden  im  Urin  ausgeschieden. 

Houston  und  R  a  n  k  i  n  sprachen  über  den  Meningokokkus 
der  Belfaster  Epidemie.  Sie  fanden,  dass  Patienten  mit  Meningitis 
vermehrte  Agglutination  und  Phagozytose  gegen  diesen  Kokkus 
zeigten;  Kranke,  die  an  Meningitis  basilaris  posterior  (Still) 
litten,  taten  dies  nicht,  woraus  die  Verfasser  auf  die  Verschiedenheit 
beider  Erkrankungen  schliessen. 

Beattie  glaubt,  dass  die  einkernigen  Zellen  des  Netzendothels 
gewisse  antibakterielle  Substanzen  erzeugen. 

Peel  R  i  t  c  h  i  e  berichtet  über  die  Bestimmung  der  spezifischen 
Substanzen  des  Blutserums,  die  die  Phagozytose  beeinflussen  und 
über  die  Verwendbarkeit  dieser  Bestimmung  zur  Diagnose  bakteriel¬ 
ler  Erkrankungen. 

Dann  sprach  Browning  über  experimentelle  Chemotherapie 
bei  Trypanosomiasis  und  Bayon  über  das  Peritheliom  und  Endo- 
theliom. 

Am  dritten  Sitzungstage  berichteten  B  a  s  h  f  o  r  d  -  London  und 
C  I  o  w  e  s  -  Buffalo  über  neuere  Forschungen  auf  dem  Gebiete  des 
Krebses;  Forsyth  über  seine  Untersuchungen  über  die  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Thyreoidea  und  Parathyreoidea.  Nach  Redners 
Meinung  stellen  die  genannten  Organe  nur  verschiedene  Entwick¬ 
lungsstufen  desselben  Organs  vor. 

F  e  r  g  u  s  o  n  -  Aegypten  gab  eine  vorzügliche  Demonstration 
der  Bilharziaerkrankungen  des  Urogenitalsystems  und  des  Verdau¬ 
ungskanales. 

McLennan  sprach  über  die  Spirochaete  pallida  und  zeigte  an 
Silbemräparaten  sog.  Entwicklungsstadien  derselben. 

Es  wurde  dann  noch  eine  Arbeit  von  C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  -  Ceylon 
über  Framboesia  verlesen,  die  Verf.  auf  die  Spirochaete  pertenuis 
zurückführt. 

Abteilung  für  Kinderheilkunde.  D’Arcy  Power  eröffnete  eine 
Diskussion  über  die  Verlagerungen  und  Erkrankungen  der  Hoden. 

Ist  nur  ein  Hoden  im  Leistenkanal  zurückgeblieben,  der  andere  aber 
normal,  so  entferne  man  ihn;  sind  beide  Hoden  retiniert,  so  schiebe 


17.  September  1907. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1907 


man  sie  in  die  Bauchhöhle  zurück,  geschieht  dies  frühzeitig,  so 
können,  sie  sich  normal  entwickeln.  Bei  Tuberkulose  entferne  man 
den  Hoden,  sobald  Erweichung  eingetreten  ist. 

Russell  Howard  glaubt,  dass  die  Torsion  des  Samenstranges 
durch  eine  angeborene  Missbildung  des  Mesenteriolums  hervor¬ 
gerufen  wird.  Statt  am  ganzen  Nebenhoden  ist  das  Mesorchium  in 
diesen  Fällen  nur  am  Globus  minor  befestigt,  so  dass  der  Hoden  an 
einem  Stiel  hängt;  gleichzeitig  besteht  eine  voluminöse  Tunica  vagi¬ 
nalis.  Wenn  möglich  reponiere  man  den  Hoden,  sonst  entferne  man 

ihn,  da  er  doch  atrophiert.  .  '  ,  _  ,  .. 

D  i  x  o  n  sprach  über  Organotherapie,  er  spricht  der  Behandlung 
mit  Spermin  und  anderen  Hodenpräparaten  jeden  Wert  ab. 

McAdam  E  c  c  1  e  s  empfiehlt  ebenfalls  bei  doppelseitigem 
Kryptorchismus  beide  Hoden  in  die  Bauchhöhle  zurückzuschieben  und 
dort  zu  fixieren. 

Dann  eröffnete  V  ö  1  c  k  e  r  eine  Diskussion  über  akute  Nephritis. 
Er  sprach  über  die  Formen,  die  nicht  im  Anschluss  an  akute  In¬ 
fektionskrankheiten  auftreten.  Sie  sind  bei  Kindern  häufiger  als 
gewöhnlich  angenommen  wird;  meist  gehen  sie  in  Heilung  über,  zu¬ 
weilen  besteht  intermittierende  Albuminurie  für  längere  Zeit.  Chro¬ 
nische  Nephritis  ist  selten.  . 

S  i  k  e  s  betont  die  Notwendigkeit,  diese  Kranken  im  Stickstott- 
gleichgewicht  zu  erhalten.  Man  muss  eine  an  Stickstoff  reiche  Diät 
geben.  Die  Chloride  müssen  dagegen  vermieden  werden,  da  ihre 
Retention  zu  Oedemen  führt.  Man  vermeide  aus  derselben  Ursache 
reichliche  Flüssigkeitsmengen. 

Stephen  son  sprach  über  die  Augenkomplikationen.  Bei 
akuter  Nephritis  sah  er  als  einzige  Komplikation  doppelseitige  Nein  i- 
tis  optica.  Retinablutungen  und  weisse  Flecke  sind  bei  akuter 
Nephritis  äusserst  selten.  Bei  chronischer  interstitieller  Nephntis 
findet  man  bei  75,  bei  parenchymatöser  bei  14  Proz.  der  Fälle  Fundus¬ 


veränderungen.  r  .  c  ,  ~  f 

Parkinson  und  C  a  n  1 1  e  y  empfehlen  trockene  Schropt- 

köpfe  bei  Nephritis. 

Nach  dem  Vortrag  einiger  kürzerer  Arbeiten  über  Retropharyn¬ 
gealabszesse,  Purpura  und  Azetonämie  bei  Kindern  eröffnete 

Farquhar  B  u  z  z  a  r  d  eine  Diskussion  über  die  Lumbalpunktion. 
Er  empfiehlt,  nur  wenig  Flüssigkeit  zu  entfernen,  Aspiration  ist  un¬ 
nötig  und  gefährlich.  Weder  der  Flüssigkeitsdruck,  noch  die  che¬ 
mische  Untersuchung  auf  Cholin,  reduzierende  Stoffe  etc.  sind  von 
diagnostischer  Bedeutung.  Die  mikroskopische  Untersuchung  und 
die  genaue  differentielle  Zählung  der  Leukozyten  sind  wichtig.  Man 
kann  dadurch  z.  B.  feststellen,  ob  bei  Ohreneiterungen  die  Meningen 
ergriffen  sind.  Bei  Urämie  hat  die  Lumbalpunktion  kurativen  Wert, 
dagegen  ist  sie  bei  Hirntumoren,  Hydrozephalus  etc.  wertlos,  bei 

Meningitis  kann  sie  Nutzen  bringen. 

Batten  betont  den  diagnostischen  Wert  der  Lumbalpunktion 
bei  Meningitis,  bei  Poliomyelitis  anterior  ist  die  Flüssigkeit  normal. 

Halliburton  bespricht  die  physikalische  und  chemische 
Natur  der  Spinalflüssigkeit.  Die  Anwesenheit  von  Cholin  beweist  das 

Bestehen  organischer  Erkrankung.  .  . 

E  v  e  -  Hüll  empfiehlt,  die  Halsvenen  zu  komprimieren,  wenn  die 
Flüssigkeit  nicht  gleich  abfliesst.  Es  folgten  eine  Reihe  von  ge¬ 
naueren  Mitteilungen  über  Cvtodiagnose  der  Lumbalflüssigkeit. 

Zum  Schluss  sprach  Langdon  Down  über  zu  frühe  Entwicklung. 


Abteilung  für  Elektrotherapie.  Leduc -Nantes  sprach  über 
Elektrolysis  und  die  kataphoretische  Einverleibung  von  Medika- 

mentem  _  d  -  London  zeigt  ein  Kryptoskop,  das  es  ermöglicht  die 
durch  den  gewöhnlichen  Nierenschnitt  freigelegte  und  vor  die  Wunde 
taxierte  Niere  direkt  skiagraphisch  auf  Steine  7M  untersuchen. 

Wertheim  zeigt  eine  Modifikation  des  E  i  n  t  h  o  v  e  n  sehen 
Galvanometers,  das  besonders  geeignet  ist,  Schwankungen  zu  re¬ 
gistrieren,  die  durch  Muskelkontraktionen  oder  den  Herzschlag  hei  - 
vorgerufen  werden. 

Hugh  Walsham  und  Halls  Da  ly  sprachen  über  Orthodia¬ 
graphie  und  gaben  Demonstrationen  mit  dem  Instrument. 

Sommerville  -"Glasgow  berichtete  über  den  Einfluss  hoch¬ 
frequenter  Ströme  auf  die  Harnorgane.  In  vielen  Fällen  wird  eine 
Vermehrung  der  Urinausscheidung  hervorgerufen;  bei  Polyurie  wird 
sie  vermindert.  In  jedem  Falle  wird  der  Stoffwechsel  gesteigeit. 

Dann  eröffnete  Mackenzie  Davids  o  n  eine  .  Diskussion 
über  Xstrahlen  und  lichtempfindliche  Platten.  Ei  zeigt  eine  einfache 
Methode,  den  Fokus  einer  Röhre  zu  finden  und  bespricht  dann  die 
Eigenschaften  der  im  Handel  käuflichen  Platten.  Ei  vei  langt,  dass 
nur  Aerzte  sich  mit  skiagraphischer  Diagnose  und  Therapie  be¬ 
schäftigen  dürfen.  . 

O  r  t  o  n  stellt  den  Satz  auf,  dass  je  niedriger  die  Rohre  ist, 
desto  stärker  die  Wirkung  der  Strahlen  auf  die  Platte  ist. 

Salomo  n  son  spricht  über  sekundäre  Radiation  durch  Jonen, 

die  auf  die  Kathode  stossen.  , 

S  h  e  n  t  o  n  betont,  dass  es  für  chirurgische  Zwecke  durchaus 

nicht  nötig  ist,  dichte  Negative  zu  erhalten. 

Pearson  -  Bideford  spricht  über  den  praktischen  Arzt  und  die 
Skiagraphie.  Er  glaubt,  dass  die  Röntgenstrahlen  eine  grosse  Bedeu¬ 
tung  für  die  Therapie  des  Krebses  besitzen. 


S  h  e  n  t  o  n,  der  über  die  Untersuchung  des  Hüftgelenkes  durch 
Röntgenstrahlen  spricht,  hält  nur  wenig  von  der  stereoskopischen  Me¬ 
thode. 

R  i  d  d  e  1 1  -  Glasgow  glaubt,  dass  man  die  Beckendurchmesser 
am  genauesten  durch  Stereoradiographie  des  Beckeneingangs  messen 
kann. 

Tomkinson  -  Glasgow  zeigt  mit  Röntgenstrahlen  behandelte 
Fälle  von  Lupus  vulgaris.  Er  wendet  gleichzeitig  Kokain  an  und 
kann  dadurch  rascher  behandeln. 

Taylor  zeigt  einen  durch  Xstrahlen  geheilten  Fall  der  P  a  g  e  t- 
schen  Krankheit. 

P  i  r  i  e  -  London  spricht  über  die  Messung  des  umgekehrten 
Stromes  in  Röhren. 

Dann  sprach  Seoueira  -  London  über  die  Dosierung  von 
Xstrahlen.  Er  glaubt,  dass  häufige  Anwendung  sehr  kleiner  Mengen 
doch  eine  Dermatitis  hervorrufen  können. 

Bruce-London  filtriert  die  Strahlen,  indem  er  sie  durch  2  Zoll 
dicken  Filz  gehen  lässt,  der  zwischen  Röhre  und  Patient  eingeschoben 
wird. 

Shenton  glaubt,  dass  starke  Bestrahlungen  bei  malignen  Er¬ 
krankungen  das  Wachstum  beschleunigen  können. 

Harris  berichtet  über  19  Fälle  von  Ulcus  rodens,  die  er  mit 
Xstrahlen  behandelt  hat.  8  wurden  geheilt,  6  wesentlich  gebessert, 
in  1  trat  kein  Erfolg  ein. 

Morton-  London  empfiehlt  bei  Muskeldegeneration  die  An¬ 
wendung  von  Wechselströmen  von  niedriger  Frequenz. 

Es  folgten  noch  eine  Anzahl  kürzerer  Vorträge  über  elektro- 
diagnostische  Untersuchungsmethoden. 


Abteilung  für  Tropenkrankheiten.  Simpson  sprach  über  die 
Bekämpfung  und  Hans  Z  i  e  m  a  n  n  über  die  Prophylaxe  der  Malaria 
in  unbekannten  Gegenden, 

Dann  eröffnete  Havelock  Charles  eine  Diskussion  über 
den  Diabetes  in  den  Tropen.  Er  sowohl  wie  mehrere  andere  Rednei 
wiesen  auf  die  Häufigkeit  des  Diabetes  bei  den  vorwiegend  vege- 
tarianisch  lebenden  Eingeborenen  Indiens  und  Aegyptens  hin. 

Sir  Patrik  M  anson  berichtete  über  die  neue  Klassifizierung 
der  Hämoprotozoen  durch  Samtion.  Man  unterscheidet  I.  Hämo- 
gregarinidae  (1  genus):  II.  Plasmodidae.  a)  Plasmodium,  b)  Laverama; 

III.  Schaudinnidae,  a)  Leukozytoon  ,b)  Schaudinnia,  c)  Treponema, 

IV.  Hämoproteideae.  1.  Hämoproteineae,  a)  Hämoproteus,  b)  1 ßa- 
besia,  c)  Leishmania,  2.  Trypanosominae,  a)  Trypanosoma,  b)  Try- 

panoplasma.  ,  .  .  e  f 

Mott-  London  berichtet  über  Zellveränderungen  bei  Schlaf¬ 
krankheit  und  Durina. 

W  i  1 1  i  a  m  s  o  n  über  das  Vorkommen  der  Bilharzia  in  Cvpern. 
p  r  o  u  t.  der  über  Schwarzwasserfieber  spricht,  glaubt,  dass 
die  Malaria  das  prädisponierende  Element  ist,  dass  aber  eine  bishei 
noch  unbekannte  Ursache  die  Krankheit  hervorruft. 

Cantlie  berichtet  über  100  von  ihm  durch  einfache  1  rokar- 
punktion  und  Drainage  behandelte  Lebeiabszesse. 


Abteilung  für  Augenheilkunde.  L  a  n  d  o  1 1  -  Paris  eröffnete  eine 
Diskussion  über  die  Konstruktion  und  die  Handhabung  von  Augen¬ 
instrumenten.  Er  zeigt,  dass  die  Messer  meist  schlecht  bilanziert 
sind  (zu  lange  Schneiden,  zu  schwere  Griffe).  Elfenbein  ist  das  beste 
Material  für  Handgriffe,  ausserdem  kann  man  Aluminium  gebrauchen. 

Dann  sprach  S.  S  n  e  1 1  über  die  Ursache  der  Blindheit  bei  350 
Zöglingen  einer  Blindenschule.  Mehr  als  /»  waren  durch  Ophthalmia 
neonatorum  erblindet,  die  Mehrzahl  der  übrigen  durch  Optikus¬ 
atrophie,  angeborenen  Katarakt  und  sympathische  Ophthalmie.  L 
Versammlung  beschloss  die  Brit.  Med.  Assoc.  zu  ersuchen,  Mass¬ 
nahmen  zu  treffen  um  der  Ophthalmia  neonatorum  zu  steuern.  Die 
Mehrzahl  der  anwesenden  englischen  Aerzte  glaubt,  dass  die  Häufig¬ 
keit  dieser  Erkrankung  im  Zunehmen  begriffen  ist. 

Fish-  Chicago  sprach  über  Neuritis  optica  im  Gefolge  von  Si¬ 
nuseiterungen.  P 

Andere  Redner  bestätigten  die  Häufigkeit  dieser  Falle. 

Dann  eröffnete  Richardson  Cross  eine  Diskussion 
über  Iridozyklitis.  Er  empfiehlt  den  Gebrauch  von  Atropin,  in  ge¬ 
eigneten  Fällen  macht  er  die  Parazentese,  spater  die  Iridektomie. 

und  vor 


der 


Im 


Landolt  warnt  vor  subkonjunktivalen  Einspritzungen 
Vornahme  von  Operationen. 

Holmes  Spicer  spricht  sich  ebenso  aus.  .  , 

Roper  empfiehlt  in  alle,,  Fällen  Ouecksilber  und  Jod  innerlich, 
allgemeinen  warnten  die  verschiedenen  Redner  voi  subkonjunk 
tivalen  Injektionen  und  vor  operativen  Eingriffen. 

Hinshelwood  sprach  über  4  Fälle  von  angeborener  V  or 

blindheit  in  derselben  Familie.  .  ,  , 

Herbert  sprach  über  Frühlingskatarrh  und  das  pat  <  k  - 
monische  Vorkommen  von  Eosinophilen  bei  demselben.  Andere 
lische  Redner  halten  den  Frühlingskatarrh  für  sehr  selte  . 

Hill  Griffith,  Cross,  Stephenson  und  andere  sprachen 
über  Fälle  von  Orbitalthrombose  ohne  nachweisbare  Ursache. 

Dann  berichtete  Coulte  r  über  gute  Erfo  ge  die  er  bei  Strabis¬ 
mus  mit  dem  Amblioskop  von  W  o  r  t  h  erzielt  hatte. 


1908 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Am  dritten  Tage  eröffnete  Holmes  Spie  er  eine  Diskussion 
über  Vesikuläre  Kornealerkrankungen.  Bei  Keratitis  filamentaris  emp¬ 
fiehlt  er  das  Geschwür  mit  reiner  Karbolsäure  zu  berühren,  zuweilen 
benutzt  er  absoluten  Alkohol  oder  den  Galvanokauter.  Keratitis  bul¬ 
losa  recidivans  kommt  meist  nach  leichten  Verletzungen  bei  Frauen 
vor  und  widersteht  der  Behandlung  sehr  hartnäckig.  Hierbei,  wie 
bei  Keratitis  punctata  superfic.  sah  er  gute  Erfolge  mit  Dionin. 

Einige  Redner  wiesen  auf  den  häufigen  Zusammenhang  zwischen 
Keratitis  und  Malaria  hin. 

MacCallan  berichtete  über  die  Augenspitäler  in  Aegypten. 

Dann  sprach  Henderson  über  die  Wirkung  der  Iridektomie 
beim  primären  Glaukom;  er  glaubt,  dass  die  Iris  nie  heilt  und  dadurch 
als  permanentes  Drain  wirkt. 

R  o  p  e  r  sprach  über  302  Fälle  von  Kataraktextraktion.  Er  hatte 
1 1  Proz.  Prolapse.  Die  Inzision  macht  er  im  Bereiche  der  oberen 
Hornhautgrenze.  Frühe  Prolapse  exzidiert  er;  spätere  lässt  er  meist 
in  Ruhe. 

Die  meisten  Redner  sprachen  sich  für  die  Linsenextraktion  ohne 
Vorhergehende  Iridektomie  aus. 

Abteilung  für  Laryngologie,  Otologie  und  Rhinologie.  Sir  Felix 
S  e  m  o  n  sprach  über  die  Differentialdiagnose  zwischen  Syphilis,  Tu¬ 
berkulose  und  Tumoren. 

Home-  London  über  die  Diagnose  der  Larvnxtuberkulose. 

Häring  hält  frühzeitige  Unbeweglichkeit  eines  Stimmbandes 
für  pathognomonisch  für  Krebs. 

Stuart  Low  sprach  über  submuköse  Entfernung  der  Muscheln. 

Watson  Williams  beschrieb  seine  Methode  der  Eröffnung 
der  Keilbeinhöhle. 

M  i  1 1  i  g  a  n  sprach  über  die  Behandlung  der  chronischen  Mittel¬ 
ohreiterung  ohne  Radikaloperation.  Er  empfiehlt  sorgfältige  Drai¬ 
nage  und  Aspiration  durch  das  Trommelfell;  Irrigation  durch  die 
Tube  und  sorgfältige  Behandlung  der  die  Otitis  meist  verursachenden 
Nasen-  und  Nasopharynxerkrankungen.  Er  hält  viel  von  einer  ge¬ 
nauen  mikroskopischen  und  bakteriologischen  Untersuchung  des  Se- 
kretes  und  basiert  seine  Therapie  auf  dem  Befund  der  Untersuchung 
Diplokokken  und  nach  ihnen  Streptokokken  sind  die  gefährlichsten 
Bakterien. 

•  Creswell  Baber  bezweifelt  die  Wichtigkeit  der  bakterio¬ 
logischen  Untersuchung. 

Im  allgemeinen  sprachen  sich  die  zahlreichen  Redner,  die  an  der 
Diskussion  teilnahmen,  mehr  für  konservative  Methoden  aus  und 
wollen  erst  bei  Versagen  dieser  zur  Radikaloperation  schreiten. 

Y  o  n  g  e  und  andere  Redner  sprachen  über  die  Entstehung  der 
Nasenpolypen. 

o-  .  Jackson  sprach  über  den  Krebs  der  Nasenmuscheln  und  des 
Siebbeins. 

Abteilung  für  Zalinheilkunde.  Still -London  eröffnete  eine 
Diskussion  über  den  Einfluss  von  Zahnkrankheiten  auf  die  Gesundheit 
der  Kinder. 

...  ..Owen-  London,  der  über  dasselbe  Thema  sprach,  betonte  den 
hantigen  Zusammenhang  zwischen  schlechter  Entwickelung  der  Zähne 
und  Rachitis. 

Es  wird  im  allgemeinen  empfohlen,  kariöse  Milchzähne,  die  nicht 
mehr  plombiert  werden  können,  auszuziehen. 

Ben  nett  sprach  über  anatomische  Folgen  des  gründlichen 
Kauens  und  C  o  1  y  e  r  über  Zahnunregelmässigkeiten  bei  Tieren. 

Fair  bank  sprach  über  Kiefersarkom.  Er  hat  HO  Fälle  stu¬ 
diert,  die  in  jedem  Alter  (vom  Neugeborenen  bis  zum  Greise)  vor¬ 
kamen. 

Am  häufigsten  und  am  wenigsten  gefährlich  sind  die  Myelome, 
i  usen  und  allgemeine  Metastasen  sind  'bei  allen  Formen  selten. 

Abteilung  für  Heer  und  Marine.  Gaskell  sprach  über  die 
Behandlung  der  Verwundeten  in  der  Seeschlacht.  Er  verlangt  den 
Bau  spezieller  Hospitalschiffe.  Vor  der  Schlacht  sollen  alle  Mann¬ 
schaften  ein  heisses  antiseptisches  Bad.  erhalten  und  dann  einen 

t,Mr,eri  ‘  ,anel,anzug  anziehen.  Er  bespricht  im  einzelnen  die  erste 
Hilfeleistung. 

Bassett-Smith  spricht  über  die  Häufigkeit  der  Aneu¬ 
rysmen  m  der  Marine  und  behauptet,  dass  Alkohol  und  Syphilis  nichts 
damit  zu  tun  haben. 

C.  H.  Busche  spricht  über  die  Behandlung  der  Lues  zur  See. 

Er  empfiehlt  wöchentliche  intramuskuläre  Einspritzungen. 

Norris  verlangt,  dass  Hospitalschiffe  mit  Apparaten  für  draht¬ 
lose  I  elegraphie  ausgerüstet  werden. 

Es  folgten  noch  eine  Anzahl  von  Vorträgen  über  die  Wasser¬ 
versorgung  im  Biwack  und  über  die  Verhütung  ansteckender  Krank - 
lieitcn-  -L  P.  zum  Busch-  London. 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  8.  Juli  1907. 

Zur  Behandlung  der  Pellagra  mit  Atoxyl. 

Nachdem  Arsenik  gegen  Pellagra  schon  verschiedentlich  (von 
Lombroso  u.  a.)  empfohlen  worden  ist,  wandte  sich  Babes  an 


das  Atoxyl,  welches  weniger  giftig  wie  die  übrigen  Arsenverbindungen 
ist  und  in  höheren  Dosen  wie  diese  gegeben  werden  kann.  .  Er  be¬ 
handelte  eine  Anzahl  von  Pellagrakranken  mit  Atoxyl  und  kam  dabei 
zu  folgenden  Allgemeinschlüssen:  Die  Pellagrakranken  sind  sehr 
empfänglich  für  Atoxyl;  diese  Empfänglichkeit  ist  bei  Kindern  und 
jüngeren  Individuen  am  Beginn  oder  bei  voller  Entwicklung  der  akuten 
Pellagrasymptome  ausgesprochener  als  bei  älteren  Leuten,  bei 
Kachektischen  und  solchen,  die  einen  sehr  chronischen  indolenten  Zu¬ 
stand  aufweisen.  Die  Kranken  der  ersten  Kategorie  fühlen  infolge  der 
Inokulation  von  0,1  cg  Atoxyl  eine  rasche,  ganz  ausgeprägte  Besse¬ 
rung,  gleichzeitig  mit  einer  Temperaturerhöhung  auf  38 — 39°,  welche 
I — 2  Tage  anhält;  besonders  nach  dem  Verschwinden  dieser  Reaktion 
ist  die  Besserung  eine  deutliche.  Die  auch  gegen  .diese  Behandlung 
hartnäckigsten  Erscheinungen  sind  Tachykardie,  chronische  Geistes¬ 
störungen,  Demenz,  Paralyse,  Myelitis.  Die  Besserungen  und  selbst 
temporären  Heilungen  treten  bei  Kindern  am  raschesten  und  auf¬ 
fallendsten  ein.  Das  Verschwinden  der  Symptome  hat  in  den  meisten 
Fällen  über  20  Tage  (Dauer  .der  Beobachtung)  angehalten.  Bei  sehr 
schweren  Fällen  haben  sich  einige  der  Symptome  wieder  eingestellt, 
aber  unter  einer  milden  Form  (Diarrhöe,  Erytheme,  Exzitationen),  so 
dasis  der  Allgemeinzustand  immerhin  ein  sehr  gebesserter  blieb.  Er¬ 
höht  man  die  Dosis  auf  0,2  cg,  so  wird  die  Fieberreaktion  ausge¬ 
sprochener  und  länger  anhaltend;  die  Anwendung  höherer  Dosen 
scheint  jedoch  nicht  mehr  Erfolg  zu  bringen,  wie  die  von  0,1  cg. 
Wenn  es  auch  scheint,  dass  die  Besserungen  und  Heilungen,  welche 
B.  mit  Atoxyl  erzielt  hat,  nicht  anhaltend  sind,  so  hofft  er  doch,  dass 
es  durch  geeignete  Dosierung  und  geeignetes  Regime  gelingen  wird, 
eine  grosse  Anzahl  von  Pellagrakranken  zur  Heilung  zu  bringen. 

St. 

Societe  de  biologie. 

Sitzung  vom  13.  und  20.  Juli  1907. 

Vergiftungserscheinungen  bei  Genuss  von  Miessmuscheln. 

Netter  und  Ribabeau  -  Dumas  haben  an  13  Pensonen  eine 
Vergiftung  durch  Miessmuscheln,  welche  von  einer  Boje  eines  Bassins 
im  Hafen  von  Calais  stammten,  beobachtet.  Die  Erkrankung  trat  3 
bis  -4  Stunden  nach  der  Einnahme  auf  und  zwei  der  Erkrankten 
starben.  Aufregungszustände  und  abnorme  Beweglichkeit,  gefolgt 
von  Muskellähmung  waren  die  Hauptsymptome;  Katzen  und  Hühner, 
welche  von  demselben  Muscheln  bekamen,  gingen  rasch  zu  Grunde. 
Es  handelte  sich  um  den  essbaren  Mytilus  edulis.  Das  Gift  muss 
ein  dem  Kurare  ähnliches  sein,  widersteht  dem  Kochen  und  ist  in 
der  Leber  der  grösseren  Muscheln  lokalisiert.  Die  Fische  aus  dem¬ 
selben  Seebecken  waren  nicht  giftig,  aber  der  Saft  der  aus  diesen 
Stellen  entnommenen  Seesterne  hatte  denselben  Grad  von  Giftigkeit, 
welcher,  wie  bei  den  Muscheln,  nach  14  Tagen  verschwindet.  Andere 
Vergiftungen,  in  England,  Amerika,  Schottland,  Deutschland  usw.  be¬ 
obachtet,  zeigten  völlig  dieselben  Erscheinungen.  Vielleicht  dürfte 
diese  Vergiftung,  charakterisiert  durch  Muskelstörungen  und  von 
Muscheln  und  Seesternen  hervorgerufen,  auf  eine  Lebererkrankung 
dieser  Mollusken  zurückzuführen  sein. 

Die  Hautreaktion  auf  Tuberkulin  beim  Erwachsenen. 

P.  Abrami  und  Et.  Burnet  konstatierten  an  einer  ziemlich 
grossen  Anzahl  von  Fällen,  dass  bei  Erwachsenen  die  Reaktion  auf 
Tuberkulin  unregelmässig  in  ihrem  Auftreten  und  ihrer  Intensität  ist 
und,  wie  ja  auch  v.  Pirquet  festgestellt  hat,  keineswegs  zur 
Diagnose  der  Tuberkulose  zu  verwenden  ist  oder  den  klinischen 
Mitteln  gleichkommt.  Nach  den  untersuchten  47  Fällen  gibt  es  (kli¬ 
nisch  erkannte)  Tuberkulöse,  welche  nicht  reagieren,  und  Nicht- 
Tuberkulöse,  welche  reagieren;  auch  gibt  es  Erwachsene,  welche 
gar  keine  Reaktion  zeigen  und  die  .stärksten  Reaktionen  boten  Kranke, 
welche  klinisch  nicht  tuberkulös  waren.  Nach  einer  Anzahl  Beob¬ 
achtern  tritt  die  Reaktion  erst  nach  48  Stunden  auf;  mit  Ausnahme 
von  3  Fällen,  wo  die  Reaktion  am  folgenden  Tag  zweifelhaft  und 
später  ausgesprochener  war,  stellte  sich  dieselbe  in  den  Fällen  der 
Verfasser  immer  innerhalb  der  ersten  24  Stunden  ein.  St. 

• 

Society  de  Chirurgie. 

Sitzung  vom  31.  Juli  1907. 

Die  Ophthalmoreaktion  in  der  Chirurgie. 

Bazy  hat  an  20  Kranken  diese  Reaktion  versucht.  In  vier 
Fällen  (Nieren-,  Hüftgelenkstuberkulose,  tuberkulöse  Pleuritis  mit 
Arthritis)  war  die  Reaktion  sehr  intensiv,  in  den  anderen  Fällen  mässig 
und  hat  nur  eine  leichte  Kongestion  der  Konjunktiva  bewirkt.  Zwei¬ 
mal  war  die  Reaktion  verzögert  und  trat  erst  nach  18  Stunden  auf. 
Bei  einigen  Kranken  hat  man  ausgesprochene  Röte,  Kongestion  der 
Lider  und  mehr  weniger  ausgeprägtes  fibrinöses  Exsudat  beob¬ 
achtet.  Bei  einem  Kranken  mit  einer  sehr  tiefen  Mastdarmfissur 
war  die  Reaktion  negativ  und  bestätigte  so  das  durch  die  Ueber- 
impfung  erzielte  negative  Resultat.  St. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1909 


Verschiedenes. 

Geburten  und  Sterbefälle  in  deutschen  Gross-  und  Mittelstädten. 

Aus  dem  von  82  deutschen  Gross-  und  Mittelstädten  (darunter 
auch  Wien  und  Zürich)  eingelaufenen  Material  über  Geburten  und 
Sterbefälle  im  Jahre  1906  hat  das  Statistische  Amt  der  Stadt  München 
eine  Broschüre  veröffentlicht,  in  der  die  Ergebnisse  zusammenge¬ 
stellt  sind  und  mit  denen  früherer  Jahre  verglichen  werden.  Die 
Hauptergebnisse  sollen  in  den  folgenden  Zeilen  in  Kürze  einer  Be¬ 
trachtung  unterzogen  werden.  Die  82  Städte  hatten  eine  Einwohner¬ 
zahl  von  etwa  16,5  Millionen,  44  Städte  hatten  über  100  000  und  38 
50 — 100 000  Einwohner.  Die  Geburtenziffer  zeigt  zum  ersten 
Male  seit  einer  Reihe  von  Jahren  eine  geringe  Zunahme,  sie  betrug 
29  6  gegen  29,4  auf  1000  Einwohner  und  pro  Jahr  berechnet,  1893  war 
die  Geburtenziffer  noch  33,7.  In  den  einzelnen  Städten  ergeben  sich 
ausserordentlich  grosse  Verschiedenheiten.  Die  höchste  Geburten¬ 
ziffer  (Lebendgeborene)  haben  Borbeck  in  Westfalen  mit  53,0  und  Gel¬ 
senkirchen  mit  49,5,  die  niedrigste  Potsdam  mit  17,9  und  Charlotten¬ 
burg  mit  22,0,  in  Borbeck  werden  also  durchschnittlich  dreimal  so 
viel  Kinder  geboren  als  in  Potsdam.  In  Berlin  ist  die  Geburtenziffer 
für  1906:  24,9,  in  München  29,1,  in  Wien  26,4  und  in  Hamburg  25,9. 
In  der  übergrossen  Mehrzahl  der  Städte  haben  wir  in  dem  1  6  i  äh  r  i- 
gen  Zeitraum  1891—1906  einen  starken  Rückgang  der  Ge¬ 
burtenziffer  zu  verzeichnen,  so  in  Berlin  von  32,4  auf  24,9,  in  Chem¬ 
nitz  von  44,9  auf  33,5,  in  Krefeld  von  38,2  auf  24,4,  in  Hamburg  von 
36,6  auf  -25,9,  in  Leipzig  von  40,6  auf  28,9,  in  München  von  37,0  auf 
29,1,  in  Wien  von  34,0  auf  26,4.  Nur  in  einigen  wenigen  Städten  ist 
die  Geburtenziffer  gestiegen,  so  in  Bochum  von  43,8  auf  44, 3^  in  Frank¬ 
furt  a.  M.  von  28,3  auf  28,7,  in  Mannheim  von  37,6  auf  37,7,  in  Dort¬ 
mund,  Duisburg,  Essen  und  Plauen  ist  der  Rückgang  nur  ganz  unbe¬ 


deutend. 

Sehr  interessant  ist  die  Entwicklung  der  Sterblicnkeits- 
ziffer.  Im  Jahre  1893  starben  in  62  Städten  mit  10,2  Millionen 
Einwohnern  237,000  Menschen,  im  Jahre  1906  dagegen  in  82  Städten 
mit  16,5  Millionen  Einwohnern  282,500,  bei  einer  Vermehrung  der 
Einwohnerzahl  um  weit  mehr  als  die  Hälfte,  ist  die  Zahl  der  Sterbe¬ 
fälle  nur  um  etwa  1/e  gestiegen.  Das  ist  ein  sehr  erfreuliches  Ergebnis. 
Die  Sterblichkeitsziffer  betrug  für  die  Gesamtheit  der  Städte  im  Jahre 
1893  23,3  (auf  1000  Einwohner  'berechnet),  im  Jahre  1906  dagegen  nur 
noch  17,1,  das  letzte  Jahr  hat  die  niedrigste  bisher  überhaupt  be¬ 
obachtete  Sterbeziffer.  Die  einzelnen  Städte  weisen  wieder  sehr 
grosse  Unterschiede  auf.  Die  höchste  Sterbeziffer  in  1906  hatten 
Königshütte  mit  27,1  und  Beuthen  mit  23,0  die  niedrigste  Schöneberg 
mit  10,4  und  die  Schwesterstadt  Charlottenburg  mit  12,1,  in  Berlin 
war  sie  15,8,  in  München  18,0,  in  Hamburg  15,3  und  in  Wien  17,5, 
Dass  die  Sterbeziffer  der  einzelnen  Städte  durch  Kliniken,  Kranken¬ 
häuser,  Heilanstalten  beeinflusst  wird,  braucht  hier  nicht  besonders 
erwähnt  zu  werden.  Die  Sterbeziffer  für  die  ortsansässige  Be¬ 
völkerung  ist  im  allgemeinen  noch  etwas  niedriger  als  die  oben  an¬ 
gegebene  Ziffer  da  die  von  auswärts  stammenden  Verstorbenen  in 
Abzug  zu  bringen  sind.  In  wie  starkem  Masse  die  Sterblichkeit  in 
allen  unseren  Grossstädten  zurückgegangen  ist,  geht  aus  folgenden 
Zahlen  hervor:  sie  sank  von  1891 — 1906  in  Berlin  von  20,9  auf  15,8, 
in  Breslau  von  29,2  auf  21,2,  in  Köln  von  25,6  auf  19,2,  in  Dresden  von 
19,3  auf  15,4,  in  Hamburg  von  23,4  auf  15,3,  in  Leipzig  von  20,7  auf 
15,9,  in  München  von  27,6  auf  18,0  und  in  Wien  von  25,0  auf  17,5.  Nur 
Dortmund  weist  keinen  Rückgang  auf,  1891:  20,5,  1906:  20,8.  Ueber  die 
Gründe  dieses  sehr  beträchtlichen  Rückganges  der  Sterblichkeit  in 
allen  Gegenden  unseres  Vaterlandes  braucht  wohl  an  dieser  Stelle 
nichts  gesagt  zu  werden,  nur  so  viel  sei  erwähnt,  dass  sie  neben  der 
fortschreitenden  Hebung  des  Wohlstandes  in  allen  Schichten  der  Be¬ 
völkerung  nicht  zum  wenigsten  den  Fortschritten  unserer 
medizinischen  Wissenschaft  und  der  Tüchtigkeit  unserer 
Aerzte  zuzuschreiben  sind.  Bei  der  Abnahme  der  Geburtenziffer  liegt 
aber  in  dem  Rückgang  der  Sterblichkeit  die  Hauptquelle  unserer 
Bevölkerungszunahme  und  damit  ein  entscheidender  Faktor  für  die 
künftige  Entwicklung  unseres  deutschen  Volkes. 

Der  Rückgang  der  Sterblichkeit  wird  in  sehr  erheblichem  Grade 
beeinflusst  durch  die  Abnahme  der  Säuglingssterblich¬ 
keit  und  die  A'b  n  a  h-m  e  der  Sterblichkeit  an  L  u  n  g  e  n  - 
tuberkulöse.  Die  Säuglingssterblichkeit,  diese  in  jeder  Hinsicht 
so  beklagenswerte  Tatsache,  zeigt  einen  ganz  besonders  eifieulichen 
Rückgang.  Im  Jahre  1893  starben  in  62  Städten  von  343  000  lebend 
geborenen  Kindern  79  600  im  1.  Lebensjahr  oder  23,6  Proz.,  im  Jahre 
1906  dagegen  von  489  100  lebend  geborenen  Kindern  90  400  oder  nur 
18,5  Proz.  Die  höchste  Säuglingssterblichkeit  haben  Fürth  mit  26,7  und 
Bromberg  mit  26,2  Proz.,  die  niedrigste  Remscheid  mit  10,8  und  Bar¬ 
men  mit  11,9  Proz.,  in  Berlin  betrug  sie  17,7,  in  Wien  17,0,  in  Ham¬ 
burg  16,6  und  in  München  19,6.  Sehr  bedeutend  ist  der  Rückgang  der 
Sterblichkeit  der  Säuglinge  von  1891 — 1906  besonders  in  folgenden 
Städten,  sie  ging  zurück  in  Berlin  von  24,9  auf  17,7  Proz.,  in  Köln 
von  27,1  auf  22,2  Proz.,  in  Breslau  von  28,3  auf  21,3  Proz..,  in  Hamburg 
von  23,3  auf  16,6  Proz.,  in  München  von  30,9  auf  19,6  und  in  Wien 
von  22,2  auf  17,0  Proz.  Das  sind  wirklich  Zahlen,  die  zu  der  Hoffnung 
berechtigen,  dass  in  Zukunft  noch  ein  weiterer  Rückgang  eintreten 

wird.  ,  .  ,. 

Die  verheerendste  aller  Volkskrankheiten  ist  noch  immer  die 
Lungentuberkulose,  aber  auch  hier  sind  ganz  besonders  ei- 


treuliche  Fortschritte  zu  verzeichnen.  Im  Jahre  1893  starben  in  den 
genannten  Städten  30  740  an  Lungentuberkulose,  1906  dagegen  30  860, 
das  ist  eine  Zunahme  um  nur  rund  100,  während  die  Einwohnerzahl 
um  mehr  als  6  Millionen  gestiegen  ist.  Mit  anderen  Zahlen  ausge¬ 
drückt,  starben  im  Jahre  1893  von  10  000  Menschen  etwa  30  an  Lungen¬ 
tuberkulose,  1906  dagegen  nur  noch  etwa  19!  ln  allen  Grossstädten 
ist  ein  Rückgang  zu  verzeichnen.  Die  mannigfachen  Bestrebungen 
zur  Bekämpfung  der  Lungentuberkulose  sind  also  von  bestem  Erfolge 
gekrönt,  die  bereits  erzielten  Ergebnisse  spornen  aber  geradezu  zu 
weiterer,  rastloser  Tätigkeit  an  zum  Segen  der  gesamten  Bevölkerung. 


Therapeutische  Notizen. 

S  o  r  o  s  i  n  stellt  ein  neues  Guajakolpräparat  dar.  Es  ist  ein  in 
Orangensirup  gelöstes  Kalium  sulfoguajacolicum,  das  mit  Eisen  oder 
Arsenicum  verbunden  ist:  Sorosinum  ferratum  und  Sorosinum  ferrar- 
senatum.  G  ö  r  g  e  s  -  Berlin  empfiehlt  dasselbe  besonders  für  kleine 
Kinder  von  einem  halben  Jahr  bis  zu  5  Jahren,  wenn  sie  an  Rhachitis 
und  Ernährungsstörungen  mit  chronischer  Bronchitis  leiden  ( 1  her. 
Monatsh.  07,  7).  Die  Dosis  ist  für  kleine  Kinder  3—4  mal  täglich 
%  Theelöffel,  für  ältere  Kinder  3  mal  täglich  ein  Theelöffel.  Kr. 

Das  E  u  s  e  m  i  n  ist  eine  Verbindung  von  Kokain  mit  Suprarenin, 
das  von  R  o  s  e  n  b  e  r  g  -  Berlin  hergestellt  wird  und  den  Vorzug  der 
unbegrenzten  Haltbarkeit  haben  soll.  Es  kommt  in  Tablettenform  in 
sterilen  Kölbchen  in  den  Handel.  I  d  e  1  e  r  -  Königsberg  (Ther. 
Monatsh.  07,  7)  berichtet  über  100  Augenoperationen,  'bei  denen  das 
Mittel  subkutan  oder  subkonjunktival  injiziert  wurde.  Die  Erfolge 
waren  nahezu  immer  befriedigend.  Die  Anästhesie  dauert  allerdings 
nur  15  Minuten.  Kr. 

Zur  Behandlung  der  Seekrankheit  empfiehlt 
Schepelmann  (Ther.  Monatsh.  8,  07)  als  zuverlässigstes  Mittel 
das  V  e  r  o  n  a  1.  In  einer  Dosis  von  0,5  g  bewies  es  sich  prophy¬ 
laktisch  im  stände  bei  einer  Reihe  von  sonst  zur  Seekrankheit  ge¬ 
neigten  Personen  dieselbe  zu  verhüten.  Auf  der  Höhe  der  Erkran¬ 
kung  gab  Sch.  0,5— 1,0  g  per  os  oder  1,0— 1,5  g  per  rectum.  Nur 
bei  wenigen  Kranken  blieb  ein  gewisser  Erfolg  aus,  die  meisten  spür¬ 
ten  darnach  grosse  Erleichterung.  Kr. 


Das  Castoreum-Bromid  —  eine  Kombination  von  Brom¬ 
salz,  Valeriana  und  kanadischem  Bibergeil  —  bewährt  sich  nach 
D  a  e  u  b  1  e  r  besonders  bei  Neurasthenie  mit  vasomotorischen  Stö¬ 
rungen,  hohem  Blutdruck,  Unruhe  und  Insomnie.  Man  gibt  von  dem 
Mittel  nachmittags  und  abends  je  ein  Messglas  voll.  (1  her.  Monatsh. 
8,  07.)  Kr. 


Das  in  neuerer  Zeit  vielfach,  besonders  gegen  Lues  empfohlene 
Atoxyl  bedingt  nach  einer  Zusammenstellung  von  Langgaard 
so  viele  Nebenerscheinungen,  dass  bei  seiner  Anwendung  einige  Vor¬ 
sicht  dringend  am  Platze  ist.  (Ther.  Monatsh.  8,  07).  Diese  Neben¬ 
erscheinungen  treten  manchmal  in  60  Proz.  der  Fälle  auf.  Sie  be¬ 
standen  in  Magenschmerzen,  Durchfall,  Albuminurie,  Blasenreizung. 
Stenokardie,  Appetit-  und  Schlaflosigkeit,  Somnolenz,  Husten,  rieber 
u.  a.  Diese  sog.  „ungiftigere  Medikation  des  Arsens“  ist  ein  äusserst 
gefährliches  Mittel.  K>- 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  16.  September  1907. 

—  In  der  chirurgischen  Behandlung  interner  Krankheiten  stellt 
die  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer  von  P  ä  s  s  1  e  r  und  Seidel 
beschriebene  operative  Behandlung  des  Lu  n  ge  ne  mph  y- 
sems  einen  Fortschritt  von  grösster  Bedeutung  dar.  Man  verdankt 
die  Methode  (Resektion  von  Rippenknorpelstücken)  einer  Anregung 
von  W.  A.  Freund.  Es  sind  auch  bereits  nach  dieser  Methode 
erfolgreich  operierte  Fälle  itn  der  Literatur  bekannt,  in  keinem  wurde 
jedoch  ein  so  überraschendes  Resultat  erzielt,  wie  in  dem  Pä.ssler- 
Seidel  sehen.  Ein  weiterer  mit  Erfolg  operierter  Fall  wird  in  dem 
Sitzungsbericht  des  Vereins  der  Aerzte  in  Halle  vom  17.  Juli  1.  J. 
in  der  vorliegenden  Nummer  (S.  1902)  erwähnt.  Man  kann  also  mellt 
zweifeln,  dass  man  es  hier  mit  einer  in  geeigneten  Fällen  höchst  aus¬ 
sichtsreichen  chirurgischen  Behandlungsmethode  zu  tun  hat  einem 
Leiden  gegenüber,  bei  dem  man  bis  vor  kurzem  an  die  Möglichkeit 
eines  chirurgischen  Eingriffes  inicht  zu  denken  wagte. 

_  Hin  Urteil  von  weittragender  Bedeutung  hat  unterm  1-.  Marz 

1  J  das  Reichsversicherungsamt  (V.  Rekurssenat)  gefällt,  indem  es 
einen  Todesfall  an  Cholera  als  Betriebsunfa  l  aner¬ 
kannte.  Wir  entnehmen  darüber  folgendes  der  Voss.  Zig.  „Im  Herost 
1905  erkrankte  ein  Flösser  auf  der  Netze  in  Ausübung  seines  Berufes 
an  der  Cholera  und  starb.  Die  Witwe  machte  für  sich  und  ihre  Kinder 
Entschädigungsansprüche  geltend,  welche  von  der  Ostdeutschen 
Binnenschiffahrtsberufsgenossenschaft  mit  der  Begründung  zuruckge- 

wiesen  wurden,  dass  der  Tod  des  “  de[^ 

Unfall  bezw.  Folge  eines  im  Sinne  des  S.U.V.G.  erlittenen  »etrieDs 
Unfalles  angesehen  werden  könne.  Gegen  diesen  Bescheid^  'H-Hc  . 
Witwe  Berufung  beim  Schiedsgericht  für  Arbeiterversicheiung  . 


1010 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


Bromberg  ein,  welches  die  Berufung  aber  als  unbegründet  zurückwies. 
Nunmehr  legte  die  Witwe  Rekurs  beim  Reichsversicherungsamt  ein, 
welches  die  Beklagte,  d.  i.  die  Ostdeutsche  Binnenschiffahrtsberufs¬ 
genossenschaft,  verurteilte,  die  Klägerin  aus  Anlass  des  Todes  des 
Blössers  gemäss  §  15  des  S.U.V.ü.  zu  entschädigen,  ln  den  Urteils¬ 
gründen  wird  hierzu  ausgeführt:  .  .  .  Danach  war  in  Abweichung  von 
der  Auffassung  der  Berufsgenossenschaft  und  des  Schiedsgerichts 
für  festgestellt  zu  erachten,  dass  einerseits  die  Choleraerkrankung,  an 
welcher  der  Blosser  .  .  .  gestorben  ist,  wahrscheinlich  während  seines 
Aufenthaltes  auf  dem  Blosse  .  .  .  durch  mittelbare  oder  unmittelbare 
Berührung  mit  dem  verseuchten  Kanalwasser  entstanden  ist  und 
dass  anderseits  eine  einmalige  Aufnahme  der  Krankheitserreger  in  den 
Körper  zum  Hervorrufen  der  tödlichen  Krankheit  genügt  hat,  dass 
also  das  schädigende  Ereignis  in  einem  eng  begrenzten  Zeitraum 
eingeschlossen  gewesen  war  und  sich  somit  als  ein  Unfall  im  Sinne 
des  S  1  des  S.U.V.Q.  darstellt.  Der  auf  dem  Blosse  eingetretene 
Unfall  ist  aber  dem  versicherten  Betriebe  zuzurechnen,  ohne  dass  es 
darauf  ankommt,  ob  die  gefährdete  Berührung  mit  dem  verseuchten 
Wasser  gerade  während  einer  eigentlichen  Betriebstätigkeit  statt¬ 
gefunden  hat.  Denn  der  auf  dem  Wasser  befindliche  Blosser  scheidet 
auch  während  der  Arbeitspausen  nicht  aus  dem  Bereiche  der  Gefahren 
seines  Berufes  aus;  gegen  die  Gefahren  ist  er  daher  auch  bei  der 
Befriedigung  seiner  leiblichen  Bedürfnisse  versichert  (zu  vergleichen 
Handbuch  der  Unfallversicherung,  2.  Aufl.,  S.  742,  Anmerkung  10, 
auch  S.  66  a.  E.).  Ist  der  Blosser  aber  infolge  eines  bei  dem  Be¬ 
triebe  erlittenen  Unfalls  gestorben,  so  haben  die  Kläger  als  seine 
Hinterbliebenen  gemäss  §  15  S.U.V.Q.  Anspruch  auf  Entschädigung. 
Die  Beklagte  war  demgemäss  zu  verurteilen.“  —  Das  Urteil  ist  vom 
Standpunkte  der  sozialen  Bürsorge  und  insbesondere  im  Interesse 
der  öffentlichen  Gesundheitspflege  zu  begriissen;  denn  wenn  die 
Binnenschiffahrtsberufsgenossenschaft  für  die  in  ihren  Betrieben  vor¬ 
kommenden  Choleratodesfälle  haftbar  gemacht  werden  kann,  wird  sie 
mit  viel  grösserer  Energie  die  Durchführung  der  sanitären  Vorsichts- 
massregejn  auf  den  Fahrzeugen  betreiben,  als  es  bisher  der  Bali  ge¬ 
wesen  sein  mag.  Bür  die  Berufsgenossenschaften  allerdings  bedeutet 
das  Urteil  eine  Erweiterung  ihrer  Haftpflicht,  deren  Folgen  zunächst 
nicht  abzusehen  sind. 

■ —  Der  Deutsche  Medizinalbeamten  verein,  der  am 
9.  und  10.  ds.  seine  6.  Hauptversammlung  in  Bremen  abhielt,  be¬ 
schäftigte  sich  am  2.  Versammlungstag  mit  dem  Entwurf  des  Reichs¬ 
apothekengesetzes.  Nach  eingehenden  Referaten  von  Medizinalrat 
Gumprecht  -  Weimar  und  Obermedizinalrat  Hauser-  Darmstadt 
wurde  folgende  Resolution  angenommen:  „Der  vorliegende  Entwurf 
eines  Reichsapothekengesetzes  ist  annehmbar;  er  bedarf  jedoch  der 
Abänderung  verschiedener  Einzelbestimmungen  und  einer  Ergänzung 
dahin,  dass  die  Verleihung  von  Apothekenberechtigungen  auch  an 
Gemeinden,  Kreise  oder  kommunale  Zweckverbände  zulässig  ist.“ 

—  Das  badische  Ministerium  des  Innern  hat  bis  auf  weiteres  ge¬ 
stattet,  dass  in  dringenden  Bällen,  insbesondere  wenn  es  sich  um 
Abwendung  von  Lebensgefahr  handelt,  die  Bestellung  stark¬ 
wirkender  Arzneimittel  auch  mittelst  Fernspre¬ 
cher  erfolgen  darf.  Die  Bestellung  ist  jedoch  von  dem  Arzte,  Zahn¬ 
arzte  oder  Tierarzte  in  eigener  Person  durch  Ablesen  von  der  von 
ihm  geschriebenen  Anweisung  aufzugeben.  Der  Apotheker  muss  die 
Anweisung  sofort  niederschreiben  und  dem  Arzte,  Zahnarzte  oder  Tier¬ 
ärzte  vorlesen.  Die  schriftliche  Anweisung  ist  dann  dem  Apotheker 
umgehend  einzureichen. 

Vom  24.  September  bis  21.  Oktober  1.  J.  findet  im  Arbeitermuseum 
zu  München  (Pfarrstrasse  3,  zunächst  dem  Maxmonument)  eine 
Wanderausstellung  über  den  Alkoholismus  statt, 
veranstaltet  vom  Münchener  Zentralverband  zur  Bekämpfung  des 
Alkoholismus.  Sie  ist  eine  selbständige  Abteilung  der  ständigen” Aus¬ 
stellung  für  Aibeiterwohlfahrt  in  Charlottenburg,  aber  durch  Mün¬ 
chener  Material,  insbesondere  10  neue  Tabellen  der  Herren  Profes¬ 
soren  Hofrat  Dr.  Kraepelin  und  Oberrrtedizinalrat  Dr.  Gr  über 
ergänzt.  Sie  umfasst  das  ganze  Gebiet  der  Alkoholfrage  in  hygie- 
Mischer,  ethischer,  ökonomischer  Beziehung.  Der  Eintritt  ist  unent- 
seitlich.  Allgemeine  Besuchszeit  von  11—  2Uhr.  Durch  das  dankens¬ 
werte  Entgegenkommen  der  Kommission  für  Arbeite'rhvgienfe  und 
Statistik  und  des  Volkshygienevereines  sind  ärztliche  Führungsvor- 
tiäge  gesichert,  abends  von  7  Uhr  an.  Den  ersten  dieser  Vorträge 
\v  ird  Herr  Hofrat  Dr.  Kraepelin  am  24.  September  —  dem  Er¬ 
öffnungstage.  ,  abends  um  8  Uhr  für  die  Herren  Aerzte  halten.  In 
dei  allgemeinen  Besuchszeit  wird  der  Verwalter  der  Ausstellung 
Buhrung  und  Erklärung  gewähren  und  hierin  von  Mitgliedern  des 
ausstellenden  Verbandes,  Aerzten  u.  a.  unterstützt  werden. 

—  Das  internationale  Komitee  zur  Bekämpfung 
der  Chariatanerie,  gegründet  am  11.  November  1905,  ge¬ 
legentlich  des  25  jährigen  Jubiläums  der  „Vereeniging  tegen  de 
Kwakzalverij“  in  Amsterdam,  ladet  ein  zu  einer  internationalen  Zu¬ 
sammenkunft  am  Dienstag  den  24.  September  in  Berlin,  abends  7  Uhr, 

im  kleinen.  Saal  des  Langenbeckhauses,  Zieglerstrasse  No.  11 _ Id! 

um  u.  a.  Folgendes  zur  Besprechung  zu  bringen:  1.  Definitive  Auf¬ 
lösung  des  genannten  internationalen  Komitees  in  einen  internatio¬ 
nalen  Bund;  Wahl  einer  Kommission  zur  Festsetzung  der  Statuten 
dieses  Bundes..  Das  niederländische  Sjjjbkpmitee  .schlägt  "vor,  in 
diese  Statuten  folgende  Grundsätze  aufzunehmen:  Es  ist  zu  erstreben: 
a)  Gleichmässige  gesetzliche  Bestimmungen  gegen  die  Chariatanerie, 


so  weit  international  möglich;  b)  Internationale  Gesetzgebung  zur 
Bekämpfung  von  Kurpfuscher-  und  Geheimmittelinseraten  in  Zei¬ 
tungen,  Broschüren  usw.  2.  Sammlung  und  Vergleich  der  in  den 
verschiedenen  Staaten  bestehenden  gesetzlichen  Verordnungen  gegen 
Chariatanerie.  3.  Gründung  eines  internationalen  Organs. 

Lenhartz  Mikroskopie  und  Chemie  am  Kran¬ 
kenbett  ist  soeben  in  5.  wesentlich  umgearbeiteter  Auflage  er¬ 
schienen  (J.  Springer,  Berlin  1907,  Pr.  9  M.).  Die  Neubearbeitung 
berücksichtigt  alle  neuen  Untersuchungsmethoden,  die  in  den  letzten 
Jahren  Bedeutung  gewonnen  haben,  so  vor  allem  die  Untersuchung 
auf  Spirochaete  pallida  und  Trypanosomen,  denen  auch  eine  neue 
I  afel  gewidmet  ist,  neue  Blutfärbeverfahren  etc.  Das  Buch  ist  durch¬ 
aus  den  Bedürfnissen  der  Praxis  angepasst  und  als  vortreffliche  An¬ 
leitung  zu  allen  in  der  Praxis  vorkommenden  chemischen  und  mikro¬ 
skopischen  Untersuchungen  den  Kollegen  von  neuem  aufs  wärmste 
zu  empfehlen. 

—  Cholera.  Russland.  Im  Gouvernement  Astrachan  waren 
bis  zum  -4.  September  insgesamt  1231  Erkrankungen  (und  574  Todes¬ 
fälle)  an  der  Cholera  verzeichnet,  im  Gouv.  Saratow  bis  zum  3.  Sep¬ 
tember  157  (60),  im  Gouv.  Nischni-Nowgorod  bis  zum  3.  September 
60  (26),  im  Gouv.  Samara  bis  zum  3.  September  344  (237).  In  Perm 
waien  vom  24.- — 29.  August  6  Cholerafälle  vorgekommen. 

—  P  e  s  t.  Russland.  Zeitungsnachrichten  zufolge  soll  die  Pest 
im  Gouv.  Saratow  erloschen,  dagegen  in  gewissen  Teilen  des  Gouv. 
Astiachan,  besonders  im  Bezirke  der  Bukejewschen  Kirgisenhorde, 
endemisch  sein.  —  Aegypten.  Vom  24. — 31.  August  wurden  3  neue 
Erkrankungen,  sämtlich  in  Alexandrien,  festgestellt.  —  Britisch-Ost- 
indien.  Vom  21.— 27.  Juli  sind  in  ganz  Indien  an  der  Pest  3995  Per¬ 
sonen  erkrankt  und  3335  gestorben.  —  China.  Gegen  Ende  Juli  wurden 
in  der  Stadt  Amoy  täglich  etwa  10  Pesttodesfälle  festgestellt.  — 
Zanzibar.  Nach  einer  Aufstellung  des  beamteten  Arztes  in  Zanzibar 
sind  dort  bis  zum  29.  Juli  im  ganzen  7  Personen  sicher  an  der 
I  est  gestorben.  Britisch-Südafrika.  Von  King  Williams  Town 
ist  die  Pest  im  Juni  d.  J.  nach  2  benachbarten  Orten  verschleppt 
worden;  nach  den  am  3.  August  abgeschlossenen  Ermittelungen  sind 
dort  7  Personen  der  Seuche  erlegen.  —  Vereinigte  Staaten  von 
Amerika.  Vom  12.  14.  August  wurden  in  San  Franzisko  5  Pest¬ 

falle  beobachtet,  von  denen  4  alsbald  tödlich  verliefen. 

—  Pocken.  Oesterreich.  Vom  18.— 24.  August  in  Wien  42, 
sonst  in  Niederösterreich  2  Erkrankungen,  in  Mähren  und  Galizien 
je  1,  vom  25.  31.  August  in  Wien  18,  sonst  in  Niederösterreich  1,  in 
Oberösterreich  und  in  Galizien  je  1. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  25.— 31. 
August  sind  21  Erkrankungen  (und  13  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  ' 35.  Jahreswoche,  vom  25.— 31.  August  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Kolmar  i.  E.  mit  31,2,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  6,3 
I  odesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  Magdeburg,  an  Diphtherie 
und  Kiupp  in  Rostock,  an  Keuchhusten  in  Regensburg,  Thorn. 

/ YY  ,  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Düsseldorf.  An  Stelle  des  Professors  S  e  1 1  h  e  i  m,  der 
einem  Rufe  nach  Tübingen  folgt,  sind  vom  Akademischen  Rate  in 
Düsseldorf  für  die  Professur  für  Gynäkologie  und  Geburtshilfe  vor¬ 
geschlagen:  primo  loco:  Professor  O  p  i  t  z  -  Marburg,  secundo  loco* 
Irofessor  S  c  hr  ö  d  e  r  -  Dortmund  und  Professor  Kermauner- 
Heidelberg,  tertio  loco:  Privatdozent  Dr.  P  a  n  k  o  w  -  Freiburg. 

Bei  ichtigung.  Die  in  No.  37  erschienene  Besprechung  der 
Arbeit  von  Dr.  M.  L  ö  h  1  e  i  n :  Ueber  die  entzündlichen  Veränderungen 
der  Glomeruli  etc.  stammt  von  Prof.  V  o  1  h  a  r  d  -  Dortmund,  nicht 
wie  dort  angegeben  von  Prof.  S  c  h  r  i  d  d  e. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

\  ei  zogen.  Dr.  Glarus  von  Falkenstein  nach  Hauzen- 
Jierg,  jDr,  Lo  ch  per  von  Pfreimd  unbekannt  wohin. 

Gestorben.  Dr.  Anton  Beck  in  Diessen  am  Ammersee. 


Korrespondenz. 

Erwiderung  auf  den  Aufsatz  des  Herrn  Emil  Hesse:  Zur  Tiefen¬ 
wirkung  des  Quarzlampenlichtes  (No.35  der  Münch,  med.  Wochenschr.). 

Von  Dr.  Paul  Wichmann  in  Hamburg. 

Hesse  unterzieht  meine  in  No.  28  dieser  Wochenschrift  publi¬ 
zierten  experimentellen  Untersuchungen  über  die  Tiefenwirkung  des 
Quarzlampenlichtes  einer  Kritik  und  verweist  zugleich  auf  seine  ge¬ 
meinsam  mit  Carl  Stern  .in  H.  8  der  Dermatol.  Zeitschr.  veröffent¬ 
lichten  Mitteilungen.  Nach  meinen  Untersuchungen  hatte  sich  heraus¬ 
gestellt,  dass  das  Quarzlampenlicht,  wenn  der  grösste  Teil  seines  kurz¬ 
welligen  Ultravioletts  abfiltriert  wird,  in  derselben  Tiefe  eine  grössere 
photochemische  Wirkung  entfaltet  als  das  Finsenlicht.  Die  in  dieser 
Hinsicht  von  genannten  Autoren  angestellten  Untersuchungen  ergaben 
für  beide  Lichtquellen  ein  negatives  Resultat,  d.  h.  bei  beiden  Licht¬ 
quellen  blieb  jede  Reaktion  in  der  Tiefe  aus.  Es  ist  unverständlich. 


17.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1011 


warum  diesen  Untersuchungen  eine  beweisende  Kraft  gegenüber 
meinem  positiven  Ergebnis  zukommen  soll,  Hesse  kann  nach  diesen 
negativen  Resultaten  doch  nur  für  sich  ein  non  liquet  aussprechen. 
Um  zu  einem  eindeutigen  Ergebnis  zu  gelangen,  hätte  Hesse  die 
Bestrahlungsdauer  bei  beiden  Lichtquellen  so  lange  verlängern  müssen, 
bis  eine  Reaktion  aufgetreten  wäre,  merkwürdigerweise  hat  H.  diesen 
Weg  nicht  eingeschlagen. 

In  zwei  Versuchen  war  von  mir  nach  der  Finsenbelichtung  eine 
Breimwirkung  konstatiert  worden.  Vom  physikalischen  Standpunkte 
ist  es  durchaus  natürlich,  dass  die  roten  und  gelben  Strahlen,  welche 
das  Einsenlicht  ja  in  reichlicher  Menge  enthält,  nicht  unbehelligt  durch 
die  Gewebe  hindurchgehen,  sondern  eine  Absorption  erleiden  müssen, 
und  dass  da,  wo  unter  besonders  günstigen  Umständen  diese  Absorp¬ 
tion  eine  stärkere  ist,  dieselbe  in  Gestalt  einer  Brennwirkung  sich 
äussern  muss. 

Selbstverständlich  darf  man  derartige  Beobachtungen  nicht  ver¬ 
allgemeinern,  ich  selbst  habe  betont,  dass  -es  mir  nicht  erlaubt  er¬ 
scheint,  derartige  Vorkommnisse  als  massgebend  bei  der  Finsen¬ 
behandlung  anzusehen. 

Ferner  geht  H.  auf  die  von  mir  geäusserte  Meinung  ein,  dass 
eine  starke  Beeinflussung  4er  oberen  Hautschichten  durch  eine  zu 
reichliche  Beimengung  von  kurzwelligem  Ultraviolett  im  unfiltr ierten 
Licht  der  Quarzlampe  dem  Durchgang  der  tiefergehenden  Strahlung 
hinderlich  sei-  und  führt  hiergegen  ausführlich  Jansens  Unter¬ 
suchungen  an.  Er  übersieht  nur,  dass  Jansen  mit  Finsenlicht  (!!) 
gearbeitet  hat,  welches  im  Vergleich  zum  nichtfiltrierten  Quarz¬ 
lampenlicht  arm  an  kurzwelligem  Ultraviolett  ist,  ja  nach  H.s  eigenen 
Worten  noch  weniger  Oberflächenreizung  hervorzurufen  imstande 
ist,  als  selbst  das  eines  grossen  Teils  seines  Ultravioletts  •  beraubte 
Quarzblaulicht.  Wie  aus  meiner  Ausführung  deutlich  hervorgeht,  ist 
eine  mässige  Beimengung  von  Ultraviolett  der  Passage  der  tiefer¬ 
gehenden  Strahlung  durchaus  nicht  hinderlich,  eine  solche  massige 
Beimengung  („Optimum“)  ist  ja  eben  im  filtrierten  Licht  der  Quarz¬ 
lampe  (Quarzblaulicht),  natürlich  nach  dem  obigen  in  noch  geringerem 
Masse  im  Finsenlicht  gegeben.  Meine  eigenen  Ausführungen  werden 
also  durch  Jansens  Untersuchungen  nur  bestätigt. 

H.  vergisst  ferner,  dass  bereits  von  dem  Moment  an,  wo  die  Ab¬ 
sorption  des  Ultraviolett  im  lebenden  Gewebe  vor  sich  geht,  ver¬ 
änderte  Bedingungen  für  die  Passage  der  tiefergehenden  Strahlen  ge¬ 
schaffen  werden  können,  es  wird  selbstverständlich  niemandem  ein¬ 
fallen,  das  erst  nach  Stunden  einsetzende  Lichterythem  für  die  Er¬ 
schwerung  dieser  Passage  verantwortlich  zn  machen. 

Meine  Worte,  dass  die  Quarzlampe  „dem  Finsenapparate  in  jeder 
Beziehung  vorzuziehen  ist“,  sind  im  Sinne  gewisser  Voraussetzungen 
gebraucht  worden,  die  vor  allem  natürlich  die  praktische  Erfahrung 
bestätigen  muss,  —  nicht  in  der  Art,  in  welcher  H.  dieselben  aus  dem 
Zusammenhänge  genommen  anführt. 


Amtliches. 

(Preusse  n.) 

Seuchenbekämpfung. 

Erlass  vom  9.  Juli  1907,  betreffend  die  Anweisung  zur 
Verhütung  der  Verbreitung  übertragbarer  Krank¬ 
heiten  durch  die  Schulen.  —  M.  11957.  U  II.  U  III. 
Mit  dem  Zeitpunkt  des  Inkrafttretens  des  Gesetzes,  betreffend 
die  Bekämpfung  übertragbarer  Krankheiten,  vom  28.  August  1905 
(Gesetzsamml.  S.  373)  sind  die  Vorschriften  des  Regulativs  vom 
8.  August  1835  (Gesetzsamml.  S.  240)  ausser  kraft  getreten.  Die  auf 
Grund  des  Regulativs  durch  Verfügung  meines  Herrn  Amtsvorgängers 
und  des  Herrn  Ministers  des  Innern  vom  14.  Juli  1884  erlassene  „An¬ 
weisung  zur  Verhütung  der  Uebertragung  ansteckender  Krankheiten 
durch  die  Schulen  (MinBl  d.  i.  V.  198)  hebe  ich  daher  im  Einverständ¬ 
nis  mit  dem  Herrn  Minister  des  Innern  hiermit  auf.  Anstelle  dieser  An¬ 
weisung  tritt  von  jetzt  an  die  in  der  Anlage  beigefügte  „Anweisung 
zur  Verhütung  der  Verbreitung  übertragbarer  Krankheiten  durch  die 
Schulen“. 

Durch  diese  Anweisung  werden  die  Vorsteher  der  Schülern  und 
die  Schulaufsichtsbehörden  zu  einer  gesteigerten  Mitwirkung  bei  der 
Verhütung  und  Bekämpfung  übertragbarer  Krankheiten  herangezogen. 
Ich  gebe  mich  der  Erwartung  hin,  dass  sie  dieser  Aufgabe  im  Inter¬ 
esse  der  ihnen  anvertrauten  Jugend  ihre  volle  Aufmerksamkeit  wid¬ 
men  werden. 

Die  Rechte  und  Pflichten  der  Polizeibehörden  hinsichtlich  der  Be¬ 
kämpfung  übertragbarer  Krankheiten  werden  durch  diese  Anweisung 
nicht  berührt. 

Euerer  Hochwohlgeboren  stelle  ich  ergebenst  anheim,  hiernach 
das  weitere  im  Benehmen  mit  der  Schulabteilung  zu  veranlassen. 
Berlin,  den  9.  Juli  1907. 

Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medjzinalangelegen- 

heiten. 

Holle. 

An  die  Herren  Regierungspräsidenten  und  den  Herrn  Polizeipräsiden¬ 
ten  in  Berlin;  abschriftlich  den  Herren  Oberpräsidenten  und  den 
Schulkollegien. 


Anweisung  zur  Verhütung  der  Verbreitung  über¬ 
tragbarer  Krankheiten  durch  die  Schulen. 

§  1.  Die  Schulbehörden  sind  verpflichtet,  der  Verbreitung  über¬ 
tragbarer  Krankheiten  durch  die  Schule  tunlichst  entgegenzuwirken 
und  die  beim  Auftreten  dieser  Krankheiten  hinsichtlich  der  Schulen 
Und  anderen  Unterrichtsanstalten  erforderlichen  Anordnungen  nach 
Massgabe  der  nachstehenden  Vorschriften  zu  treffen. 

§  2.  Auf  die  Reinhaltung  der  Schulgrundstücke,  namentlich  der 
Umgebung  der  Brunnen  lind  der  Schulräume  einschliesslich  der  Be¬ 
dürfnisanstalten,  ist  besondere  Aufmerksamkeit  zu  richten.  Die 
Klassenzimmer  sind  täglich  auszukehren  und  wöchentlich  mindestens 
zweimal  feucht  aufzuwischen,  während  der  Schulpausen  und  der  schul¬ 
freien  Zeit  zu  lüften  und  in  der  kalten  Jahreszeit  angemessen  zu  er¬ 
wärmen.  Die  Bedürfnisanstalten  sind  regelmässig  zu  reinigen  und 
erforderlichenfalls  zu  desinfizieren.  Jährlich  mindestens  dreimal  hat 
eine  gründliche  Reinigung  der  gesamten  Schulräume  einschliesslich 
des  Schulhofs  zu  erfolgen.  Auch  empfiehlt  es  sich,  in  angemessenen 
Zwischenräumen  das  Wasser  der  Schulbrunnen  bakteriologisch  unter¬ 
suchen  zu  lassen. 

§  3.  Folgende  Krankheiten  machen  wegen  ihrer  Uebertragbar- 
keit  besondere  Anordnungen  für  die  Schulen  und  andere  Unterrichts¬ 
anstalten  erforderlich; 

a)  Aussatz  (Lepra),  Cholera  (asiatische),  Diphtherie 
(Rachenbräune),  Fleckfieber  (Flecktyphus),  Gelbfieber, 
Genickstarre  (übertragbare),  Pest  (orientalische  Beulenpest), 
Pocken  (Blattern),  Rückfallfieber  (Febris  recurrens),  Ruhr 
(übertragbare  Dysenterie),  Scharlach  (Scharlachfieber)  und 
Typhus  (Unterleibstyphus) ; 

b)  Favus  (Erbgrind).  Keuchhusten  (Stickhusten),  Kör¬ 
nerkrankheit  (Granulöse,  Trachom),  Krätze,  Lungen-  und 
Kehlkopftuberkulose,  wenn  und  solange  in  dem  Auswurf 
Tuberkelbazillen  enthalten  sind,  Masern,  Milzbrand,  Mumps 
(übertragbare  Ohrspeicheldrüsenentzündung,  Ziegenpeter),  Röteln, 
Rotz,  Tollwut  (Wasserscheu,  Lyssa)  und  Windpocken. 

§  4.  Lehrer  und  Schüler,  welche  an  einer  der  in  §  3  genannten 
Krankheiten  leiden,  bei  Körnerkrankheit  jedoch  nur,  solange  die  Kran¬ 
ken  deutliche  Eiterabsonderung  haben,  dürfen  die  Schulräume  nicht 
betreten.  Dies  gilt  auch  von  solchen  Personen,  welche  unter  Er¬ 
scheinungen  erkrankt  sind,  welche  nur  den  Verdacht  von  Aussatz, 
Cholera,  F  1  e  c  k  f  i  e  b  e  r,  Pest,  Pocken,  Rotz,  Rückfall- 
f  i  e  b  e  r  oder  Typhus  erwecken. 

Die  Ortspolizeibehörden  sind  angewiesen,  von  jeder  Erkrankung 
eines  Lehrers  oder  Schülers  an  einer  der  in  Absatz  6  bezeichneten 
Krankheiten,  welche  zu  ihrer  Kenntnis  gelangt,  dem  Vorsteher  der 
Anstalt  (Direktor,  Rektor,  Hauptlehrer,  ersten  Lehrer,  Vorsteherin 
usw.)  unverzüglich  Mitteilung  zu  machen. 

Werden  Lehrer  oder  Schüler  von  einer  der  in  Absatz  1  bezeich¬ 
neten  Krankheiten  befallen,  so  ist  dies  dem  Vorstener  der  Anstalt 
unverzüglich  zur  Kenntnis  zu  bringen. 

§  5.  Gesunde  Lehrer  und  Schüler  aus  Behausungen,  in  denen 
Erkrankungen  an  einer  der  in  §  3  a  genannten  Krankheiten  vorge¬ 
kommen  sind,  dürfen  die  Schulräume  nicht  betreten,  soweit  und  so¬ 
lange  eine  Weiterverbreitung  der  Krankheit  aus  diesen  Behausungen 
durch  sie  zu  befürchten  ist. 

Die  Ortspolizeibehörden  sind  angewiesen,  von  jeder  Fernhaltung 
einer  Person  vom  Schul-  und  Unterrichtsbesuche  dem  Vorsteher  der 
Schule  (Direktor,  Rektor,  Hauptlehrer,  ersten  Lehrer,  Vorsteherin 
usw.)  unverzüglich  Mitteilung  zu  machen. 

Es  ist  auch  seitens  der  Schule  darauf  hinzuwirken,  dass  der  Ver¬ 
kehr  der  vom  Unterricht  ferngehaltenen  Schüler  mit  anderen  Kindern, 
insbesondere  auf  öffentlichen  Strassen  und  Plätzen,  möglichst  ein¬ 
geschränkt  wird. 

Lehrer  und  Schüler  sind  davor  zu  warnen,  Behausungen  zu  be¬ 
treten,  in  denen  sich  Kranke  der  in  §  3  a  bezeichneten  Art  oder  Leichen 
von  Personen,  welche  an  einer  dieser  Krankheiten  gestorben  sind, 
befinden.  Die  Begleitung  dieser  Leichen  durch  Schulkinder  und  das 
Singen  der  Schulkinder  am  offenen  Grabe  ist  zu  verbieten. 

§  6.  Die  Wiederzulassung  zur  Schule  darf  erfolgen : 

a)  bei  den  in  §  4  genannten  Personem  wenn  entweder  eine  Wei¬ 
terverbreitung  der  Krankheit  durch  sie  nach  ärztlicher  Bescheinigung 
nicht  mehr  zu  befürchten  oder  die  für  den  Verlauf  der  Krankheit  er- 
fahrungsmässig  als  Regel  geltende  Zeit  abgelaufen  ist. 

In  der  Regel  dauern  Pocken  und  Scharlach  6,  Masern  und  Röteln 
4  Wochen.  Es  ist  darauf  zu  achten,  dass  die  erkrankt  gewesenen 
Personen  vor  ihrer  Wiederzulassung  gebadet  und  ihre  Wäsche,  Klei¬ 
dung  und  persönlichen  Gebrauchsgegenstände  vorschriftsmässig  ge¬ 
reinigt  bezw.  desinfiziert  worden  sind.  _  . 

§  7.  Kommt  in  einer  Schule  oder  anderen  Unterrichtsanstalt  eine 
Erkrankung  an  Diphtherie  vor,  so  ist  allen  Personen,  welche  in 
der  Anstalt  mit  dem  Erkrankten  in  Berührung  gekommen  sind,  drin¬ 
gend  anzuraten,  sich  unverzüglich  durch  Einspritzungen  von  Diph¬ 
therieheilserum  gegen  die  Krankheit  immunisieren  zu  lassen. 

§  8.  Kommt  in  einer  Schule  oder  anderen  Unterrichtsanstalt  eine 
Erkrankung  an  D  i  p  h  t  h  e  r  i  e,  übertragbarer  Ge  n  i  ckstarr  e  oder 
Scharlach  vor,  so  ist  allen  Personen,  welche  in  der  Anstalt  mit 
dem  Erkrankten  in  Berührung  gekommen  sind,  dringend  atizui  atui. 
in  den  nächsten  Tagöri  täglich  Rachen  und  Nase  mit  einem  des¬ 
infizierenden  Mundwasser  auszuspülen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  38. 


§  9.  Schüler,  welche  an  K  örnerkrankheit  leiden,  dürfen, 
solange  sic  keine  deutliche  Eiterabsonderung  haben,  am  Unterricht 
teilnehmen,  müssen  aber  besondere,  von  den  gesunden  Schülern  ge¬ 
nügend  weit  entfernte  Plätze  angewiesen  erhalten  und  haben  Be¬ 
rührungen  mit  den  gesunden  Schülern  tunlichst  zu  vermeiden. 

§  10.  Es  ist  darauf  zu  halten,  dass  Lehrer  und  Schüler,  welche 
unter  Erscheinungen  erkrankt  sind,  die  den  Verdacht  der  Lungen- 
und  Kehlkopftuberkulose  erwecken  —  Mattigkeit,  Abmage¬ 
rung,  Blässe,  Hüsteln,  Auswurf  usw.  — ,  einen  Arzt  befragen  und 
ihren  Auswurf  bakteriologisch  untersuchen  lassen. 

Es  ist  Sorge  dafür  zu  tragen,  dass  in  den  Schulen  an  geeigneten 
Plätzen  leicht  erreichbare,  mit  Wasser  gefüllte  Speigefässe  in  aus¬ 
reichender  Anzahl  vorhanden  sind.  Das  Spucken  auf  den  Eussboden 
der  Schulzimmer,  Korridore,  Treppen  sowie  auf  den  Schulhof  ist  zu 
untersagen  und  nötigenfalls  zu  bestrafen. 

§  11.  Kommt  in  einer  Schule  oder  anderen  Unterrichtsanstalt 
eine  Erkrankung  an  Pocken  vor,  so  ist  allen  Personen,  welche  in 
der  Anstalt  mit  dem  Erkrankten  in  Berührung  gekommen  sind,  so¬ 
weit  sie  nicht  die  Pocken  überstanden  haben  oder  innerhalb  der  letz¬ 
ten  5  Jahre  mit  Erfolg  geimpft  worden  sind,  dringend  anzuraten,  sich 
unverzüglich  der  Schutzpockenimpfung  zu  unterziehen. 

§  12.  Wenn  eine  im  Schulgebäude  selbst  wohnhafte  Person  an 
Aussatz,  Cholera,  Diphtherie,  Fleckfieber,  Gelb¬ 
fieber,  übertragbare  Genickstarre,  Keuchhusten, 
Masern,  Mumps,  Pest,  Pocken,  Röteln,  Rotz,  Rück¬ 
fall  f  i  e  b  e  r,  übertragbare  Ruhr,  Scharlach  oder  Typhus 
oder  unter  Erscheinungen  erkrankt,  welche  den  Verdacht  von 
Aussatz,  Cholera,  Fleckfieber,  Gelbfieber,  Pest, 
Pocken,  Rotz,  Rückfallfieber  oder  Typhus  erwecken, 
so  ist  die  Schule  unverzüglich  zu  schliessen,  falls  die  erkrankte  Per¬ 
son  nach  dem  Gutachten  des  Kreisarztes  weder  in  ihrer  Wohnung 
wirksam  abgesondert  noch  in  ein  Krankenhaus  oder  einen  anderen 
geeigneten  Unterkunftsraum  übergeführt  werden  kann. 

Die  Anordnung  der  Schulschliessung  trifft  bei  höheren  Lehranstal¬ 
ten  und  bei  Lehrerbildungsanstalten  der  Direktor,  im  übrigen  in  Land¬ 
kreisen  der  Landrat,  in  Stadtkreisen  der  Bürgermeister.  Vor  jeder 
Schulschliessung  ist  der  Kreisarzt  zu  hören;  auch  ist  dem  Patronat 
(Kuratorium)  in  der  Regel  schon  vor  Schliessung  der  Anstalt  von  der 
Sachlage  Kenntnis  zu  geben. 

§  13.  Kommt  eine  der  in  §  12  genannten  Krankheiten  in  Pen¬ 
sion  a  t  e  n,  Konvikten,  Alumnaten,  Internaten  u.  dergl. 
zum  Ausbruch,  so  sind  die  Erkrankten  mit  besonderer  Sorgfalt  ab¬ 
zusondern  und  erforderlichenfalls  unverzüglich  in  ein  geeignetes 
Krankenhaus  oder  in  einen  anderen  geeigneten  Unterkunftsraum  über¬ 
zuführen.  Die  Schliessung  derartiger  Anstalten  darf  nur  im  äussersten 
Notfall  geschehen,  weil  sie  die  Gefahr  einer  Verbreitung  der  Krankheit 
in  sich  schliesst. 

Während  der  Dauer  und  unmittelbar  nach  dem  Erlöschen  der 
Krankheit  empfiehlt  es  sich,  das  der  Anstaltsvorstand  nur  solche  Zög¬ 
linge  aus  der  Anstalt  vorübergehend  oder  dauernd  entlässt,  welche 
nach  ärztlichem  Gutachten  gesund,  und  in  deren  Absonderungen  die 
Erreger  der  Krankheit  bei  der  bakteriologischen  Untersuchung  nicht 
nachgewiesen  sind. 

§  14.  Für  die  Beobachtung  der  in  den  §§  2,  4  Abs.  1,  5,  Abs.  1 
und  4.,  6  bis  11  und  13  gegebenen  Vorschriften  ist  der  Vorsteher 
der  Schule  (Direktor,  Rektor,  Hauptlehrer,  erster  Lehrer,  Vor¬ 
steherin  usw.),  bei  einklassigen  Schulen  der  Lehrer  verantwort¬ 
lich.  In  den  Fällen  des  §  12  hat  der  Vorsteher  der  Schule  an  den 
zur  Schliessung  der  Schule  befugten  Beamten  unverzüglich  zu  be¬ 
richten. 

§  15.  In  Ortschaften,  in  welchen  Cholera,  Diphtherie, 
Fleckfieber,  Gelbfieber,  übertragbare  Genickstarre, 
Keuchhusten,  Masern,  Mumps,  Pest,  Pocken,  Röteln, 
Rückfallfieber,  übertragbare  Ruhr,  Scharlach  oder  Ty- 
p  h  u  s  in  epidemischer  Verbreitung  auftritt,  kann  die  Schliessung 
von  Schulen  oder  einzelnen  Schulklassen  erforderlich 
werden.  Ueber  diese  Massregel  hat  die  Schulaufsichtsbehörde  nach 
Anhörung  des  Kreisarztes  zu  entscheiden.  Bei  Gefahr  im  Verzüge 
kann  der  Vorsteher  der  Schule  (bei  höheren  Lehranstalten  und  bfei 
Lehrerbildungsanstalten  der  Direktor)  auf  Grund  eines  ärztlichen 
Gutachtens  die  Schliessung  vorläufig  anordnen,  hat  aber  hiervon  un¬ 
verzüglich  der  Schulaufsichtsbehörde  sowie  dem  Landrat  Anzeige  zu 
machen.  Auch  ist  dem  Patronat  (Kuratorium)  in  der  Regel  schon  vor 
Schliessung  der  Anstalt  von  der  Sachlage  Kenntnis  zu  geben.  Ausser¬ 
dem  ist  der  Vorsteher  der  Schule  (Direktor)  verpflichtet,  alle  gefahr¬ 
drohenden  Krankheitsverhältnisse,  welche  die  Schliessung  einer 
Schule  oder  Schulklasse  angezeigt  erscheinen  lassen,  zur  Kenntnis 
der  Schulaufsichtsbehörde  zu  bringen. 

§  16.  Die  Wiedereröffnung  einer  wegen  Krankheit  ge¬ 
schlossenen  Schule  oder  Schulklasse  kann  nur  von  der  in  §  12  Abs.  2 
bezeiclmeten  Behörde  auf  Grund  eines  Gutachtens  des  Kreisarztes  an¬ 
geordnet  werden.  Auch  muss  ihr  eine  gründliche  Reinigung  und  Des¬ 
infektion  dei  Schule  oder  Schulklasse  sowie  der  dazu  gehörigen 
Nebenräume  vorangehen. 

§  17.  Die  vorstehenden  Vorschriften  finden  auch  auf  Er¬ 
ziehungsanstalten,  Kinder b..e wahranstalten,  Spiel¬ 
schulen,  Warteschulen,  Kindergärten,  Krippen  und 
dergl.  entsprechende  Anwendung. 


§  18.  Es  empfiehlt  sich,  die  Schüler  gelegentlich  des  natur¬ 
wissenschaftlichen  Unterrichtes  und  bei  sonstigen  geeigneten  Veran¬ 
lassungen  über  die  Bedeutung,  die  Verhütung  und  Bekämpfung  der 
übertragbaren  Krankheiten  aufzuklären  und  die  Eltern  der  Schüler 
für  das  Zusammenarbeiten  mit  der  Schule  und  für  die  Unterstützung 
der  von  ihr  zu  treffenden  Masregeln  zu  gewinnen. 

Berlin,  den  9.  Juli  1907. 

Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten. 

Holle. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  Juli  1907. 


Iststärke  des  Heeres: 

66556  Mann,  70  Kadetten,  148  Unteroffiziersvorschüler. 


1.  Bestand  waren 

am  30.  Juni  1907: 

Mann 

Kadetten 

Unteroffiz. - 
vorschüler 

1069 

_ 

3 

[im  Lazarett: 

781 

, 

2.  Zugang: 

im  Revier: 

1078 

1 

_ 

.  in  Summa: 

1859 

1 

— 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

2928 

1 

3 

°/oo  der  Iststärke: 

44,0 

14,3 

20,3 

dienstfähig: 

1901 

1 

3 

°/oo  der  Erkrankten : 

649,2 

1000,0 

1000,0 

gestorben : 

8 

_ 

°/oo  der  Erkrankten : 

2,7 

____ 

dienstunbrauchbar : 

mit  Versorgung: 

51 

— 

■ 

3.  Abgang:  ^ 

ohne  „ 

7 

— 

Auf  Grund  vor  der 

Einstellung  in  den  Militär- 

dienst  vorhanden  gewese- 

ner  Leiden  als  dienstun- 

brauchbar  erkannt  und 

entlassen : 

17 

_ 

- 

anderweitig: 

101 

_ 

_ 

in  Summa: 

2085 

1 

3 

4.  Rpstanrl 

in  Summa: 

843 

— — . 

_ 

hlpihpn 

°/oo  der  Iststärke: 

12,7 

— 

. 

31.  Juni  1907 

davon  im  Lazarett: 

644 

— 

r 

davon  im  Revier: 

199 

— 

— 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Gesichtsrose  1,  Blutvergiftung  1,  Lungentuberkulose  1,  epi¬ 
demischer  Genickstarre  2,  Lungenentzündung  1,  Brustfellentzündung  1 
und  fettiger  Entartung  der  Leber  1. 

Aussei  halb  der  ärztlichen  Behandlung  starben  4  Mann  und  zwar 
1  durch  Unglücksfall  (Ertrinken),  3  durch  Selbstmord  (1  Erhängen 
1  Erschiessen,  1  Sturz  in  die  Tiefe). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  Juli  12  Mann. 

1  Unteroffiziervorschiiler  starb  im  Urlaub  ausser  ärztlicher  Be¬ 
handlung  an  Schlagfluss. 

Nachtrug  zum  Generalkrankenrapport  für  den 

Monat  Juni  1907. 

1  Mann  ist  im  Urlaub  durch  Sturz  von  einem  Baugerüst  tödlich 
verunglückt. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  35.  Jahreswoche  vom  25.  bis  31.  August  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  7  (13*J 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  4  (4),  Kindbettfieber  —  ( — ),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  (— ),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  —  (— ),  Diphth.  u. 
Krupp  1  (3),  Keuchhusten  —  (2;,  Typhus  2  (1),  übertragb.  Tierkrankh. 

(—)’  Rose  (Erysipel)  —  (1),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  titervergift.)  3  (3),  Tuberkul.  d.  Lungen  25  (23),  Tuberkul.  and, 
Org.  5  (8),  Miliartuberkul.  1  (2),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  4  (7), 
Influenza  —  and.  übertragb.  Krankh.  —  (1),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  1  (1),  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (2),  organ.  Herzleid.  22  (16), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  3  (4),  Gehirnschlag 
4  (8)  Geisteskrankh.  1  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  5  (2),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  42  (32),  Krankh.  d.  Leber  2  (2),  Krankh.  des 
Bauchfells  —  (2),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  (2),  Krankh.  d 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (4),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  8  (15), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  2  (4),  Selbstmord  2  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  7  (3),  alle  übrig.  Krankh.  3  (2). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  165  (173).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  15,7  (16,4),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  10,6  (11,4). 


)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 

Verla«  von  J.  F.  Lebm  »an  in  München.  -  Druck  von  E~  Mühithäer»  Buch-  und  Kunttdruckerei  A.Q.,  München.  '  ~J 


S^e  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6*— 7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

5  _.  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusemftri&en  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Ärrinft 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/* — 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

0  v  inoerer  Ch  Bäumler,  ''0.  v.  Bollinger,  H.  Curschmann,  H.  Helferich,  W.  v.  Lenke,  G.  Merkel,  J.  v.  Michel,  F.PenzoMt,  H.  r  Ranke,  B.  Spatz,  F.vJinckel, 

U.  V.  Hliycici,  UU.  UUU1U1UI,  u.  I.  UU.  .U9  ,  wil„uliro,  Niirnhenz.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  39.  24.  September  1907. 

Originalien. 

Ueber  Deckenluft-Ventilation  durch  Wind. 

Von  H.  Quincke  in  Kiel. 

Für  die  Ventilation  geschlossener  Räume  hat  man  sich  des 
Windes  als  bewegender  Kraft  in  der  Weise  bedient,  dass  man 
ihn  vermittelst  geeigneter  Schornsteinaufsätze  zur  Absaugung 
verbrauchter  Luft  benutzte. 

Die  Zufuhr  frischer  Luft  durch  den  Wind  geschieht  überall 
durch  Tür-  und  Fensterspalten  und  durch  die  Poren  der  Wände. 
Gewöhnlich  ist  dies  mit  mehr  oder  weniger  unangenehmer  Zug¬ 
luft  verbunden. 

Man  kann  den  Wind  aber  auch  zur  Durchwehung 
der  Deckenluft  benutzen,  indem  man  ihn  durch  ein  Rohr 
a  einströmen  und  durch  ein  Rohr  b  (Figur  l)  ausströmen  lässt, 
durch  rechtwinklige  Biegung  des  Rohres  wird  der  Luftstrom 
nach  oben  abgelenkt  und  dadurch  Zugluft  im  bewohnten  Teil 
des  Zimmers  vermieden. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Ich  habe  die  Vorrichtung  für  verschiedene  Krankenräume 
der  medizinischen  Klinik  in  Kiel  angewendet. 

1.  In  einem  kleineren  Zimmer  von  4,0  m  Breite,  5,70  m 
Länge,  3,80  m  Höhe,  wo  die  eine  Oeffnung  in  einem  Winkel  der 
Nordwand,  die  andere  in  einem  Winkel  der  Ostwand  ange¬ 
bracht  ist.  (Rohrweite  20  cm,  Maschenweite  des  Drahtnetzes 

3  mm).  (Figur  3.)  ,  _  ,  .. 

2.  In  einer  Holzbaracke  mit  Giebeldach  und  Dachreiter,  von 
20,0  m  Länge,  6,0  m  Breite,  4,0  m  Giebelhöhe.  Hier  waren  an 
jeder  Längswand  je  3  Ventilationsrohre  angebracht,  die  Wände 
standen  gegen  Westen  und  Osten.  (Rohrweite  10  cm, 
Maschenweite  des  Drahtnetzes  8  mm.) 


A  C^/V^-2/- 


Im  Einzelnen  ist  die  Vorrichtung  diese:  An  2  Aussen- 
wänden  des  Raumes,  die  entweder  einander  gegenüber  oder  im 
rechten  Winkel  zueinander  stehen,  sind  in  etwa  2,0  bis  2,5  m 
Höhe  über  dem  Fussboden  zweiOeffnungen  in  der  Mauer  von  10 
bis  20  cm  lichter  Weite  angebracht.  In  jede  dieser  Oeffnungen 
(Figur  2)  ist  ein  rechtwinklig  gebogenes  Rohr  eingelassen, 
dessen  horizontaler  und  dessen  aufwärtssteigendei  Schenkel 
je  etwa  10  bis  20  cm  lang  sind.  Die  Oeffnung  A  im  Niveau  der 
äusseren  Mauerfläche  ist  mit  einem  Drahtgitter  von  3  bis 
15  mm  Maschenweite  verschlossen,  um  Blätter,  Insekten 
u  dergl.  abzuhalten.  Die  innere,  nach  oben  gerichtete  Oeff¬ 
nung  B  kann  durclr  einen  Blechdeckel,  oder  besser  durch  eine 
um  eine  horizontale  Achse  drehbare  Klappe  verschlossen 
werden,  welche  mit  einer  Kette  K  festzustellen  ist. 

Am  zweckmässigsten  ist  es,  einander  gegenüber  liegende 
Wände  so  zu  wählen,  dass  die  am  Orte  herrschenden  Winde 
sie  senkrecht  treffen,  hier  z.  B.  West  und  Ost;  die  Luft  tritt 
dann  westlich  ein  und  östlich  aus  oder  umgekehrt.  Bei 
schrägem  Auffall  tritt  der  Wind  mit  entsprechend  geringerer 
Geschwindigkeit  und  Luftmasse  in  die  Deckenluft  ein. 

Ich  lernte  diese  Vorrichtung  vor  Jahren  bei  dem  Herrn  Guts¬ 
besitzer  Bruun  von  Neergaard  auf  Eckhof  bei  Kiel  kennen. 
Er  hatte  sie  mit  vom  Boden  aufsteigendem  Rohr  in  einer  landwirt¬ 
schaftlichen  dänischen  Zeitschrift  zur  Lüftung  von  Viehställen  emp¬ 
fohlen  gefunden  und  sie  in  obiger  Form  auch  zur  Lüftung  seines 
Schlafzimmers  verwendet. 

No.  39. 


3.‘  In  2  grösseren  Sälen  einer 
frei  stehenden  Baracke.  Jeder 
dieser  Säle  ist  14,0  m  lang,  9,0  m 
breit  und  bis  zur  Giebelhöhe  5,20  m 
hoch.  (Fig.  1  u.  4.)  An  jeder  Längs¬ 
wand  (gegen  Süden  und  Norden  ge¬ 
richtet)  finden  sich  3  Oeffnungen, 
an  der  Giebelwand  (in  dem  einen 
Raum  gegen 
Westen,  in  dem 
anderen  Raum 
gegen  Osten  ge- 
richtet)findet  sich 
je  2  Oeffnungen. 

Wegen  der 
Grösse  des  Rau 


S7o/ut- 


Oa&. 


9,o  ’r' 


[/2<w 


nies  ist  in  diesem  Fall  der  Durchmesser  der  Röhren  grösser 
(einmal  15,  das  andere  Mal  20  cm)  gewählt.  (Maschen¬ 
weite  des  Drahtgitters  15  mm.) 

Die  (für  einige  dieser  Räume  mehrjährige)  Erfahrung  zeigt 
nun,  dass  auch  im  Winter  und  bei  geschlossenen  Fenstern, 
namentlich  während  der  Nacht,  durch  die  genannte  Vorrichtung 
eine  wesentliche  Erneuerung  der  Luft  stattfindet,  die  sich  b  - 
sonders  am  Morgen  gegenüber  dem  früheren  Zustand  für  das 
Geruchsorgan  sehr  deutlich  und  angenehm  bemerkbar  macht. 
Natürlicherweise  hängt  das  Mass  des  Luftwechsels  durchaus 
von  der  Windstärke  ab.  Die  Vorrichtung  eignet  sich  daher  vor¬ 
zugsweise  für  ein  windiges  Klima  wie  das  hiesige  und  für Hre 
stehende  Gebäude.  Höchst  selten  machte  sich  bei  grosser  W ind- 
stärke  in  dem  unter  einem  Eintrittsrohr  stehenden  Bett  ein 
unangenehmer  Luftzug  (durch  Reflexion  von  der  Decke  her 
bemerkbar,  so  dass  die  betreffenden  Kianken  dieses  Ro 
schlossen.  Im  übrigen  aber  waren  die  Kranken  dei  Vent  - 
lationsvorrichtung  günstig  gesonnen,  empfanden  die  Reinheit 
der  Luft  angenehm  und  rührten  die  ihnen  ja  leicht  zugänglichen, 
offen  stehenden  Klappen  nicht  an. 

Die  genannte  Vorrichtung  lässt  wegen  der  Kürze  des 
Rohres  eine  Temperaturdifferenz  zwischen  Aussen-  lind  Innen¬ 
luft  für  die  Luftbewegung  kaum  zur  Geltung  kommen.  Sie 
kann  auch  nur  als  Hilfsmittel  neben  anderen  natürlichen  oder 
künstlichen  Ventilationsvorrichtungen  wirken,  und  dies  nament¬ 
lich  wenn,  wie  gewöhnlich  in  der  Nacht,  in  der  kälteren  Jahres¬ 
zeit  und  bei  sehr  starkem  Wind,  die  Fenster  geschlossen  ge¬ 
halten  werden.  Hier  aber  ist  sie  praktisch  entschieden 

brauchbar. 


1914 


MUENCHENER  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT. 


Durch  Papierbänder,  welche  vor  den  Oeffnungen  bei  A 
oder  über  den  Oeffnungen  bei  B  lose  angebracht  waren,  wurden 
Luftströmungen  für  das  Auge  sichtbar  gemacht.  Die  Bänder 
bewegten  sich  häufig,  auch  wenn  auf  andere  Weise  im  Freien 
Wind  kaum  wahrgenommen  wurde.  Auch  durch  erzeugten 
Pulverdampf  wurde  die  Bewegung  in  der  Deckenluft  und  ihr 
Abströmen  nach  aussen  auf  der  Leeseite  vor  Augen  geführt. 

Offenbar  senkt  sich  die  durch  den  Wind  eingeblasene 
frische  kühlere  Luft  nach  unten  und  bewirkt  so  eine  allmähliche 
Erneuerung  der  Bodenluft,  aber  ohne  Zugluft. 

Die  Vorrichtung  hat  folgende  Nachteile: 

1.  Sie  ist  nur  anwendbar  bei  Räumen  mit  zwei  Aussenwänden. 

2.  Die  Rohre  entstellen  das  Zimmer. 

3.  Sie  funktioniert  nur  bei  Wind,  dabei  wechselnd,  je  nach  seiner 
Stärke  und  Richtung. 

Ad  1.  Wo  ein  Raum  nur  eine  Aussenwand  hat,  und  mit  der 
anderen  Seite  an  einen  Korridor  grenzt,  könnte  der  horizontale  Teil 
des  Rohres  quer  unter  dem  Fussboden  des  Korridors  entlang,  der 
vertikale  Teil  in  der  Korridorwand  nach  aufwärts  führen  und  erst  in 
2,5  m  Höhe  in  den  Krankensaal  einmünden. 

Ad.  2.  Die  Entstellung  Hesse  sich  nach  einem  Vorschläge  jdes 
Herrn  v.  Neergaard  dadurch  vermeiden,  dass  man  das  Rohr  durch 
die  Aussenwand  schräg  von  unten  nach  oben  führt  und  dass  man  die 
Innenöffnung  mit  einer  Kastenklappe  versieht,  deren  dreieckige  Seiten¬ 
flächen  ein  seitliches  Ausweichen  der  Luft  verhindern,  während  ihre 
schräg  aufsteigende  Hauptfläche  den  Luftstrom  nach  oben  gegen  die 
Decke  lenkt. 


cf 


Ad.  3.  Die  Weite  und  Zahl  der  Röhren  (und  des  Drahtnetzes) 
ist  von  mir  empirisch  und  verschieden,  je  nach  der  Grösse  des  Raumes 
gewählt;  sie  muss  noch  weiter  ausgeprobt  werden.  Im  allgemeinen 
werden  weite  Rohre  vorzuziehen  sein,  da  die  Klappen  eine  Ver¬ 
minderung  der  Luftzufuhr  erlauben.  Tat¬ 
sächlich  kamen  sie  bei  mir  nur  selten  in 
Gebrauch. 

Um  Windrichtungen,  die  der  Aussen¬ 
wand  parallel  oder  im  spitzen  Winkel  zu 
ihr  laufen  zu  verwerten,  könnte  man  nach 
einem  Vorschlag  des  Herrn  v.  Neer¬ 
gaard  durch  einen  Windfang  mit  ge¬ 
bogenen  Blechen  vor  den  äusseren  Oeff¬ 
nungen  der  Rohre  (Figur  5)  den  Wind  in 
diese  hineinleiten. 

Wo  der  Wind  fehlt,  oder  wo  er  im  geschlossenen  Bau  der 
Städte  keinen  rechten  Zutritt  hat,  könnte  man  seine  Kraft  durch 
einen  bei  B  Figur  2  angebrachten  kleinen  Elektromotor  in  den 
Oeffnungen  der  einen  Wand  ersetzen.  Dies  würde  wahr¬ 
scheinlich  in  gewissen  (besonders  hohen)  Restaurationsräumen, 
Eisenbahnwartesälen  u.  dergl.  praktisch  sein. 

Wichtig  scheint  mir  bei  der  ganzen  Vorrichtung  das 
Prinzip  der  Erneuerung  der  Deckenluft  durch 
eine  Eintritts  -  und  eine  Austrittsöffnung.  Der 
Versuch  zeigt,  dass  dadurch  ohne  merkliche  Zugluft  eine  Luft¬ 
verbesserung  im  ganzen  Raum  erzielt  werden  kann. 


Aus  dem  hygienisch-bakteriologischen  Institute  der  Universität 
Erlangen  (Direktor:  Prof.  Dr.  L.  Heim). 

Weitere  Studien  mit  dem  Eiweissabspaltungsantigen  von 
Ermüdungstoxincharakter  —  Kenotoxin  —  und  seinem 
Antikörper.  Aktivierung  protoplasmatischer  Substanz. 

Von  Privatdozent  Dr.  Wolfgang  Weichardt. 

Durch  chemische  und  physikalische  Erschütterung  von 
Eiweiss  bei  Temperaturen  unter  40°  entstehen  neben  anderen 
längst  bekannten  und  gut  erforschten  Aufspaltungsprodukten 
des  Eiweisses  auch  geringe  Mengen  einer  intermediären,  hoch¬ 
molekularen  Substanz,  die  von  den  chemisch  definierbaren 
Stoffen  durch  wiederholte  Dialyse  gereinigt  und  mittels  des 
hohen  Vakuums  in  konzentrierter,  biologisch  rein  wirkender 
Form  gewonnen  werden  kann.  Ich  habe  für  dieselbe  den 
Namen  Eiweissabspaltungsantigen  von  Ermiidungstoxincha- 
rakter  eingeführt  [1- — 4]. 

Dieser  Ausdruck  ist  jedoch  allzu  umfänglich,  ich  möchte 
daher  einen  kürzeren,  an  das  ursprüngliche,  von  mir  zuerst 
aus  dem  Muskelpressaft  übermüdeter  Tiere  hergestellte  Ei¬ 
weissabspaltungsantigen,  an  das  „Ermüdungstoxin“  erinnern¬ 
den  vorschlagen,  der  von  dem  griechischen  yevoco  abgeleitet  ist: 
„Kenotoxin“. 

Dieses  Kenotoxin  immunisiert  Tiere,  denen  es  wiederholt 
injiziert  wird.  In  deren  Serum  ist  der  spezifische  Antikörper 


No.  39. 


für  das  Kenotoxin  dann  nachweisbar.  Dieser  Antikörper  ist 
dialysabel  und  weit  weniger  labil  als  sein  spezifisches  Toxin. 
Auch  er  entsteht  bei  der  chemischen  Aufspaltung  von  Eiweiss, 
aber  erst  bei  Siedhitze. 

Die  Ausbeute  hierbei  ist  allerdings  eine  sehr  geringe,  es 
gelingt  aber,  mittels  Dialyse  und  Extrahieren  mit  Azeton  immer¬ 
hin  so  wirksame,  diesen  interessanten  Antikörper  enthaltende 
Präparate  herzustellen,  dass  nunmehr  wissenschaftliche  Ver¬ 
suche  nicht  mehr  nur  au  kleineren,  sondern  auch  an  grösseren 
I  ieren,  sowie  an  Menschen  in  umfangreicherem  Masse  wie  bis¬ 
her  möglich  sind. 

Immerhin  ist  der  Mäuseversuch  [2]  das  beste  Kriterium  für 
die  biologischen  Wirkungen  des  Kenotoxins  und  seines  Antikör¬ 
pers1):  Wird  eine  muntere  Maus  mit  0,2— 0,5  einer  frisch  be¬ 
reiteten,  isotonischen  Kenotoxinlösung  injiziert,  so  tritt  allmäh¬ 
lich  erhebliche  Erniedrigung  der  Körpertemperatur  und  Verlang¬ 
samung  bezw.  Aufhören  der  Atmung  bei  ihr  ein,  während 
Mäuse,  die  vorher  mit  dem  spezifischen  Antikörper  immunisiert 
worden  sind  und  denen  die  gleiche  Menge  Kenotoxin  einver¬ 
leibt  wird,  vollkommen  intakt  bleiben. 

Den  Eindruck,  den  zwei  derartige  Mäuse  machen,  lässt  die 
beistehende  Figur  erkennen.  Beide  Tiere  sind  mit  den  gleichen 
Dosen  Kenotoxin  injiziert  worden.  Die  links  sitzende  mit  ge¬ 
sträubtem  Fell  und  geschlossenen  Augen  zeigt  die  unbehinderte 
Wirkung  des  Giftes  nach  15  Stunden.  Die  andere  mit  den 
gleichen  Giftdosen  behandelte,  vorher  aber  in  der  geschilderten 
Weise  mit  dem  Antikörper  per  os  immunisierte  ist  in  nichts 
von  einer  gesunden  Maus  zu  unterscheiden;  sie  war  nach  dem 
Photographieren  im  nächsten  Augenblick  mit  grossen  Sätzen 
entsprungen. 


Was  die  Isolierung  des  Kenotoxins  aus  den  Exkreten  der 
Niere  und  des  Darmes  anlangt,  so  habe  ich  diese  bereits  an 
anderer  Stelle  [3]  des  genaueren  beschrieben. 

Leicht  gelingt  auch  die  Darstellung  eines  recht  reinen 
Kenotoxins  aus  der  Lungenexhalationsluft. 

Da  das  Kenotoxin  durch  Erschütterung  von  Eiweiss  bei 
Temperaturen  unter  40  0  entsteht,  und  in  den  Lungen  sehr  leb¬ 
hafte  chemische  Umsetzungen  statthaben,  so  kann  man  an¬ 
nehmen,  dass  hier  die  fragliche  Abspaltung  sehr  energisch  vor 
sich  geht.  In  der  Tat  wird  mit  dem  Wasserdampf  der  Aus¬ 
atmungsluft  etwas  von  diesem  Toxin  nach  aussen  gerissen; 
denn  nach  stundenlanger  Einleitung  der  Ausatmungsluft  in 
kaltes,  sehr  schwach  angesäuertes  Wasser  gelingt  es,  nachzu¬ 
weisen,  dass  dieses  Wasser  kenotoxinhaltig  geworden  ist. 

Man  engt  das  mit  einem  Tropfen  Salzsäure  versetzte 
grössere  Quantum  Wasser,  durch  welches  Ausatmungsluft  an¬ 
haltend  geblasen  wurde,  im  hohen  Vakuum  unter  40°  bis  auf 
2  ccm  ein,  neutralisiert  vorsichtig  mit  NaOH,  zentrifugiert  die 
isotonisch  gemachte  Flüssigkeit  und  injiziert  die  eine  Hälfte 
derselben  einer  unvorbehandelten  und  die  zweite  Hälfte  einer 
gleich  grossen,  mit  dem  spezifischen  Antikörper  des  Kenotoxins 
vorher  immunisierten  Maus  in  die  Subkutis.  Die  unvorbe- 
handelte  Maus  wird  nun  unter  Herabgehen  der  Körpertem¬ 
peratur  und  Verlangsamung  der  Atmung  nach  und  nach  so¬ 
porös,  während  die  vorher  immunisierte  Maus  vollkommen 
munter  bleibt;  denn  sie  ist  gegen  das  aus  der  Ausatmungsluft 
stammende  Kenotoxin  geschützt. 

Folglich  enthält  die  Ausatmungsluft  Ei¬ 
weissabspaltungsantigen  von  Ermüdungs¬ 
toxincharakter  (Kenotoxin). 

Das  Kenotoxin  ist  nur  unter  ganz  besonderen  Umständen 
ein  giftiger  Molekularkomplex  —  nur  dann,  wenn  es  in  sehr 


')  Ueber  die  quantitativen  Bestimmungen  siehe  meine  „Serolog. 
Studien  aus  dem  Gebiete  der  experimentellen  Therapie“,  Ferdinand 
Enke,  Stuttgart  1906  und  „Jahresbericht  über  die  Ergebnisse  der  Im-1 
munitätsforschung“  ebenda. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


hohen  Dosen  einverleibt  wird,  namentlich  aber,  wenn  das  auf  ein¬ 
mal  geschieht.  Hiernach  zeigt  die  Kymographionkurve  des  so  in¬ 
jizierten  Tieres  eine  verminderte  Leistling.  Das  Gegenteil  ist 
der  Fall,  wenn  man  mehrmals  nacheinander  kleine  Dosen  des 
Kenotoxins  einspritzt.  Bei  geschickter  Ausnutzung  der  relativ 
kurzen  Latenzzeit  wird  man  dann  schon  mit  der  zweiten  Dosis 
in  die  durch  die  erste  Gabe  geschaffene  Immunität  hinein¬ 
kommen,  was  sich  in  einer  Steigerung  der  Muskelleistung  an 
der  Kymographionkurve  zu  erkennen  gibt  [2]. 

Unser  Toxin  ist  also  geeignet,  die  Zellen  in 
ganz  hervorragendem  Masse  zu  gesteigerter 
physiologischer  Leistung  an  zu  regen. 

Ein  Beispiel  hierfür  ist  auch  die  Leukozytenanlockung  sei¬ 
tens  dieses  Toxines : 

Wenn  man  kleine  Kapillaren,  wie  sieGabritschevsky 
[5]  und  später  H.  Büchner  zu  dem  gleichen  Zweck  ver¬ 
wendet  haben,  mit  der  Lösung  von  reinem  Kenotoxin  füllt  und 
unter  die  Haut  eines  Kaninchenohres  einschiebt,  so  sammeln 
sich  nach  und  nach  darin  Leukozyten  ausserordentlich  reichlich 
an  _  im  Kontrollröhrchen  mit  Kochsalzlösung  sind  fast  keine 
Leukozyten  zu  finden.  Füllt  man  das  Röhrchen  dagegen  mit 
sterilem  Hühnereiweiss,  so  ist  die  Leukozyteneinwanderung, 
wenn  das  Röhrchen  gleich  lange  unter  der  Haut  gelassen  wird, 
wie  das  Kenotoxinröhrchen,  bedeutend  geringer.  Nur  am 
offenen  Ende  des  mit  reinem  Hühnereiweiss  gefüllten  Röhr¬ 
chens  fand  sich  dann  eine  stärkere  Leukozytenansammlung. 
Mau  gewann  den  Eindruck,  als  sei  die  Einwanderung  der  Leu¬ 
kozyten  in  das  Röhrchen  in  dem  Masse  vorgeschritten,  in  dem 
das  körperfremde  Eiweiss  erschüttert  wurde. 

Gesteigerte  physiologische  Leistung  im  Körper  ist  also 
unter  Umständen  auf  eine  Vermehrung  der  Tätigkeit  des  Pro¬ 
toplasma  unter  dem  Einfluss  geringer  Mengen  von  Kenotoxin 
zurückzuführen!  Es  handelt  sich  um  eine  Aktivierung  des 
Protoplasma  durch  das  Toxin. 

Wie  die  Steigerung  der  Tätigkeit  des  motorischen  Appa¬ 
rates  durch  geeignete  Dosierung  und  Benützung  der  Latenz¬ 
zeit  des  rein  dargestellten  Eiweissabspaltungsantigens  von 
Ermüdungstoxincharakter  (Kenotoxin)  herbeigeführt  werden 
kann,  darin  glaube  ich  durch  meine  jahrelangen  Untersuchungen 
eine  gewisse  Erfahrung  gewonnen  zu  haben.  Ueber  die  ziel¬ 
bewusste  Aktivierung  anderer  Zellfunktionen  durch  reines 
Kenotoxin  fehlen  hinsichtlich  der  Dosierung  und  Latenzzeit 
aber  die  Erfahrungen  bisher  noch  vollständig.  Dass  solche 
Aktivierungen  im  Körper  stattfinden,  geht  meines  Erachtens  aus 
folgenden  Beobachtungen  bei  Stauungsödem  hervor: 

Wenn  man  Flüssigkeit  aus  einem  abgebundenen  ödema- 
tösen  Kaninchenschenkel  einer  Maus  injiziert,  so  kann  mittels 
Kymographionkurven  nach  einer  gewissen  Latenzzeit  eine 
deutliche  Steigerung  der  Leistungsfähigkeit  dieser  Maus  nach¬ 
gewiesen  werden.  Sie  wird  bedingt  durch  geringe  Mengen 
Kenotoxins,  das  nach  der  Injektion  der  Oedemfliissigkeit  die 
Versuchsmaus  aktiv  immunisiert,  wodurch  dann  deren  Lei¬ 
stungsfähigkeit  erhöht  wird.  Dass  tatsächlich  Kenotoxin  in 
einer  derartigen  Stauungsflüssigkeit  vorhanden  ist,  lässt  sich 
mittels  des  spezifischen  Antikörpers  erkennen;  denn  mit  ihm 
kann  die  Kenotoxinwirkung  der  Oedemflüssigkeit  aufgehoben 
werden.2) 

Es  ist  mir  auch  gelungen,  das  Vorhandensein  geringer 
Mengen  von  Kenotoxin  in  einem  Wattebausch  nachzuweisen, 
der  —  nach  den  Angaben  von  M.  G  r  u  b  e  r  und  E  u  t  a  k  i  - 
unter  die  Haut  eines  Kaninchens  geschoben  worden  war. 

Aktivierungen  von  Protoplasma  kommen  unter  dem  Ein¬ 
fluss  von  KenotoxUi  auch  zustande,  wenn  es  durch  Einver¬ 
leibung  chemisch  definierbarer  Stoffe  im  Tierkörper  abge¬ 
spalten  wird.  Diese  Abspaltung  ist  sehr  schön  zur  Anschauung 
zu  bringen  durch  Injektion  kolloidalen  Palladiums,  da  hierbei 
eine  sehr  lebhafte  Erschütterung  des  Organeiweisses  und  die 
Abspaltung  von  relativ  viel  Kenotoxin  stattfindet,  ohne  dass 
anderweitige  giftige  Wirkungen  stören;  denn  das  kolloidale 
Palladium  ist  vollkommen  ungiftig.  Bei  einer  mit  kolloidalem 


2)  Bekanntlich  haben  M.  Gruber  und  F  u  tafc  i  in  No.  6  dieser 
Wochenschrift  Jahrgang  1907  bezw.  der  Anregung  von  Leukozyten 
zur  Produktion  anthrakozider  Substanzen  mittels  Stauungsodem- 
fliissigkeit  ganz  ausserordentlich  interessante  Versuchsergebnisse 

mitgeteilt. 


191S 


Palladium  injizierten,  unvorbehandelten  Maus  treten  also  deut¬ 
lich  Ermüdung,  Temperaturabfall  und  Atemverlangsamung  ein; 
eine  Maus,  die  mit  dem  spezifischen  Antikörper  gegen  Keno¬ 
toxin  geschützt  ist,  wird  durch  Injektion  der  gleichen  Menge 
kolloidalen  Palladiums  dagegen  nicht  mehr  behelligt  wie  etwa 
durch  Injektion  mit  physiologischer  Kochsalzlösung.  Ihre  Kör¬ 
pertemperatur  sinkt  kaum,  ihre  Atmung  wird  nicht  ver¬ 
langsamt. 

In  ähnlicher  Weise  lässt  sich  die  Abspaltung  von  Keno¬ 
toxin  im  Organismus  von  Versuchsmäusen  verfolgen  nach  In¬ 
jektion  zahlreicher  anderer  chemischer  Substanzen.  Allerdings 
ist  hierbei  zu  beachten,  dass  ausser  der  Abspaltung  von  Keno¬ 
toxin  noch  anderweite  Giftwirkungen  eintreten  können, 
welche  derartige  Versuche  komplizieren  und  verwirren. 

Immerhin  lassen  sich,  namentlich  im  Anfänge  des  Ver¬ 
suches  und  bei  ausserordentlich  vorsichtiger  Dosierung,  in  der 
Regel  sehr  deutliche  Unterschiede  feststellen  zwischen  der 
Wirkung  der  injizierten  giftigen  Substanz  auf  die  unvorbe- 
handelte  und  auf  die  passiv  immunisierte  Maus.  Erstere  wird 
deutlich  schlaff  und  müde  und  ihre  Körpertemperatur  sinkt  er¬ 
heblich,  die  immunisierte  Maus  dagegen  bleibt  lange  voll¬ 
kommen  intakt.  Sehr  geeignet  zu  diesem  überraschenden  Ex¬ 
periment  ist  namentlich  Zyankali. 

Wenn  z.  B.  zwei  Mäusen,  einer  unvorbehandelten  und 
einer  mit  unserem  Antikörper  immunisierten  von  einer  sehr 
dünnen  Lösung  des  Zyankali  öfter  kleine  Quantitäten  subkutan 
injiziert  werden  [4],  so  treten  bei  der  nicht  vorbehandelten 
Maus  die  Erscheinungen  des  durch  das  Zyankali  vom  Organ- 
eiweiss  sich  abspaltenden  Kenotoxins  nahezu  ebensogut  in  Er¬ 
scheinung,  wie  bei  einer  mit  kolloidalem  Palladium  behandeltem 

Die  passiv  immunisierte  Gegenmaus  bleibt  nahezu  intakt, 
auch  wenn  nach  und  nach  so  vielmal  kleine  Dosen  des  Zyan¬ 
kalis  injiziert  werden,  dass  die  Summe  derselben  die  für  Mäuse 


tödliche  Menge  überschreitet. 

Die  Ursache  dieser  für  jeden,  der  sie  zum  ersten  Male  sieht, 
auffallenden  Erscheinungen  liegt  also  in  der  Bildung  von  Keno¬ 
toxin  durch  Erschütterung  von  Organeiweiss  seitens  des  ein¬ 
geführten  chemischen  Mittels. 

Werden  derartige  chemische  Substanzen  den  Versuchs¬ 
tieren  in  solchen  Dosen  injiziert,  dass  sich  nur  mässige  Keno- 
toxinmengen  abspalten,  so  treten  auch  bei  unvorbehandelten 
Mäusen  nicht  die  schweren  Erscheinungen  von  Temperatur¬ 
erniedrigung  und  Atemverlangsamung  ein;  vielmehr  bewirkt 
die  geringe  Menge  des  dann  abgespaltenen  Kenotoxins  nach 
einer  gewissen  Latenzzeit  aktive  Immunisierung  der  injizierten 
Mäuse.  Letztere  sind  nun  gegen  grössere  Dosen  injizierten 
Kenotoxins  ebenso  geschützt,  wie  die  passiv  immunisierten  in 
den  beschriebenen  Versuchen,  und  ihre  Gastroknemius- 
zuckungskurven  zeigen  an,  dass  sie  erheblich  leistungsfähiger 
geworden  sind,  wie  vor  der  Injektion. 

An  die  unter  dem  Einfluss  des  Kenotoxins  erfolgende  Akti¬ 
vierung  des  Protoplasma  ist  also  auch  da  zu  denken,  wo  man 
nach  wiederholter  Verabreichung  minimaler  Dosen  von  ge¬ 
wissen  an  und  für  sich  äusserst  giftigen  Arzneistoffen,  wie  z.  B. 
Phosphor,;-  Arsen  us-w.  erstaunliche,  scheinbar  unerklärliche 


Heilwirkungen  beobachtet. 

Bekanntlich  lässt  sich  durch  Vorbehandlung  von  Tieren 
mit  chemisch  definierbaren  Substanzen  ein  Antikörper  nicht 
erzeugen.  Trotzdem  geben  einige  Autoren  an,  eine  gewisse 
Schutzwirkung  gesehen  zu  haben,  so  z.  B.  bei  Morphium.  Sie 
beziehen  diesen  Schutz  auf  ein  Antimorphin.  Wie  ich  bereits- 
im  Zentralbl.  f.  Bakt.,  Bd.  44,  S.  72  dargetan  habe,  ist  das  ein 
Irrtum.  Es  gibt,  wie  ja  bekanntlich  Ehrlich  schon  vor 
langem  bestimmt  ausgesprochen  hat,  Antikörper  gegen  che¬ 
misch  definierbare  Substanzen  nicht,  also  auch  kein  Anti¬ 
morphin.  Antikörper  gegen  chemische  Substanzen  werden 
vielmehr  vorgetäuscht  durch  den  Gehalt  der  betreffenden  Sein 
an  Antikenotoxin. 

Andere  Autoren  trugen  sich  mit  der  Hoffnung,  neue  spe¬ 
zifische  antitoxische  Sera  durch  wiederholte  Injektionen  von 
Bakterienleibern  erhalten  zu  können.  Wenn  bei  solchen  v  ei- 
suchen,  wie  z.  B.  bei  denen  von  Macfadyen  die  Bakterien 
vor  der  Injektion  durch  Zusatz  chemisch  differenter  Mittel,  w  ie 
Kalilauge,  verändert  werden,  so  wrird  natürlich  das  Bakterien- 
eiweiss  erschüttert  und  es  spaltet  sich  Kenotoxin  ab.  Dafür. 


1916 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


spricht  auch  die  Beschreibung  der  Wirkung  solcher  neuen 
Toxine,  die  der  biologischen  Wirkung  des  Kenotoxins  ähnelt. 
Natürlich  findet  sich  dann  auch  im  Serum  der  betreffenden  In¬ 
jektionstiere  ein  dem  Antikenotoxin  entsprechender  Antikörper. 
Aehnlich  dürfte  der  Vorgang  sein  bei  Herstellung  von  Seren, 
die  mittels  Injektionen  eiweisshaltiger  Substanzen  gewonnen 
werden,  wie  z.  B.  bei  dem  durch  wiederholte  Injektion  von  Hefe 
gewonnenem  Serum.  Der  Schutz  derselben  liegt  aber  bloss 
darin,  dass  sie  gewisse  Mengen  des  für  Kenotoxin  spezifischen 
Antikörpers  enthalten. 

Es  ist  mir  mehrfach  schon  gelungen,  in  solchen  durch 
Injektion  eiweissartiger  Substanzen  gewonnenen  Seren  diesen 
Antikörper  nachzuweisen. 

Vielleicht  empfiehlt  es  sich,  alle  derartigen  Sera,  in  denen 
unser  für  Eiweissabspaltungsantigen  von  Ermüdungstoxin¬ 
charakter  (Kenotoxin)  spezifischer  Antikörper  sicher  nachge¬ 
wiesen  werden  kann,  und  die  sich  daher  gegen  recht  ver¬ 
schiedene  Infektionsstoffe  als  etwas  wirksam  erweisen,  unter 
dem  Namen  „koinomere  Sera“  zusammenzufassen,  y-oivog  = 
gemeinsam,  jutQog  =  Teil. 

Reich  sind  die  koinomeren  Sera  an  dem  betreffenden  Anti¬ 
körper  freilich  nicht;  denn  der  Organismus  der  Injektionstiere 
entledigt  sich  jedes  grösseren  Ueberschusses  dieses  Anti¬ 
körpers  durch  Ausscheidung  mittels  der  Sekretionsorgane. 

Ich  war  im  Anfang  meiner  Studien  über  Eiweissabspal¬ 
tungsantigene  sehr  bemüht,  ein  hochwertiges  Serum  durch 
Einspritzung  von  Muskelpressaft  überermüdeter  Tiere,  der  ja 
reichlich  Kenotoxin  enthält,  zu  gewinnen.  Allein  dieses  Be¬ 
streben  scheiterte  eben  an  der  Unmöglichkeit  bedeutender  An¬ 
reicherung  dieses  Antikörpers. 

Sehr  viel  wirksamere  Präparate  zu  erzielen  war  erst  dann 
möglich,  als  ich  gefunden  hatte,  dass  dieser  Antikörper  ge¬ 
gen  Eiweissabspaltungsantigen  von  Ermüdungstoxincharakter 
(Kenotoxin)  sich  auch  künstlich,  ausserhalb  des  Tierkörpers, 
in  vitro  herstellen  lässt.  Der  erste  Fall,  dass  ein  spezi¬ 
fischer  Antikörper  gegen  ein  wohl  charak¬ 
terisiertes  Toxin,  unabhängig  vom  lebenden 
Körper,  künstlich  erzeugt  wird. 

Schlussätze. 

1.  Eiweissabspaltungsantigen  von  Ermiidungstoxincharak- 
ter  (Kenotoxin)  entsteht  entweder  durch  Abspaltung  im  leben¬ 
den  Organismus  oder  in  vitro,  bei  chemischer  resp.  physi¬ 
kalischer  Erschütterung  von  Eiweiss  in  Temperaturen  unter  40°. 

2.  Wird  diese  chemische  Erschütterung  bei  Siedehitze  ver¬ 
anlasst,  so  spaltet  sich  der  für  Kenotoxin  spezifische  Anti¬ 
körper  ab. 

3.  Dieser  Antikörper  entsteht  auch  durch  Injektion  des 
Kenotoxins. 

4.  Kenotoxin  findet  sich  in  den  Exkreten,  namentlich  im 
Urin  der  Warmblüter. 

5.  Kenotoxin  wird  auch  bei  den  lebhaften  chemischen  Um¬ 
setzungen  in  der  Lunge  vom  Organeiweiss  abgespalten;  denn 

6.  wenn  Ausatmungsluft  stundenlang  durch  eisgekühltes 
Wasser  geblasen  wird,  so  kann  im  Reste  dieses  Wassers,  nach 
Einengen  im  Vakuum,  deutlich  Kenotoxin  nachgewiesen 
werden. 

7.  Versuchsmäuse,  denen  ein  Teil  dieses  Restes  injiziert 
worden  ist,  werden  soporös,  ihre  Temperatur  sinkt  erheblich, 
und  die  Atmung  wird  verlangsamt,  während  mit  dem  spe¬ 
zifischen  Antikörper  vorher  immunisierte  und  dann  mit  dem 
anderen  gleichen  Teile  des  Restes  injizierte  Kontrollmäuse 
munter  bleiben. 

8.  Reines  Kenotoxin  ist  ein  guter  Protoplasmaaktivator, 
d.  h.  Kenotoxin  regt  in  bestimmter  Dosis  und  nach  bestimmter 
Latenzzeit  die  Zelltätigkeit  nach  verschiedenen  Richtungen 
hin  an. 

9.  Kenotoxin  findet  sich  im  Stauungsödem,  es  entsteht 
auch  bei  Einführung  von  Chemikalien:  kolloidalem  Palladium, 
Zyankali,  Arsen,  Phosphor  usf.,  Stoffe,  welche  geeignet  sind, 
Organeiweiss  im  Versuchstiere  chemisch  zu  erschüttern. 

10.  Viele  Heilsera  enthalten  ausser  ihrem  spezifischen  Anti¬ 
toxin  auch  noch  den  Antikörper  gegen  das  Eiweissabspaltungs¬ 
antigen  von  Ermüdungstoxincharakter  (Kenotoxin),  sie  sind 
also  koinomer. 


No.  39. 


Literatur: 

1.  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  No.  1  und  48;  1905,  No.  26; 
1906,  No.  35.  —  2.  Serologische  Studien  auf  dem  Gebiete  der  experi¬ 
mentellen  Therapie,  Ferd.  Enke,  Stuttgart  1906.  —  3.  Zentralbl.  f. 
Bakt.,  Bd.  43,  Heft  4,  S.  312.  —  4.  Zentralbl.  f.  B'akt.,  ßd.  44,  Heft  1, 
S.  72.  —  5.  G  a  b  r  i  t  s  c  h  e  v  s  k  y:  Annales  de  l’Inst.  Pasteur,  1890. 
S.  346.  —  6.  Ehrlich  P. :  Gesammelte  Arbeiten  zur  Immunitäts¬ 
forschung,  Berlin  1904.  —  7.  Jahresbericht  über  die  Ergebnisse  der 
Immunitätsforschung,  Ferd.  Enke,  Stuttgart.  —  8.  Heim  L.:  Lehr¬ 
buch  der  Bakteriologie  etc.,  Ferd.  Enke,  Stuttgart  1906. 


Aus  der  I.  med.  Klinik  München  (Prof.  Dr.  v.  B  a  u  e  r). 

Ueber  Opsonine  und  Phagozytose  im  allgemeinen. 

Von  Dr.  Hugo  Kämmerer,  Assistenzarzt. 


Seit  der  Entdeckung  W  rights1),  dass  im  Blutserum 
Stoffe  vorhanden  sind,  die  auf  die  Phagozytose  der  Leukozyten 
fördernd  einwirken,  sind  in  der  englischen  Literatur  zahlreiche 
Arbeiten  über  die  von  dem  Entdecker  Opsonine  genannten 
Körper  erschienen.  In  Deutschland  verfügen  wir  erst  über  eine 
verhältnismässig  geringe  Anzahl  von  Publikationen  über  dieses 
Gebiet  und  insbesondere  ist  die  von  W  right  und  seinen 
Schülern  schon  so  sehr  ausgebaute  klinische  Verwertung  seiner 
Lehre  bei  uns  noch  sehr  wenig  auf  ihre  Bedeutung  nachgeprüft 
worden.  Ich  hatte  mir  zur  Aufgabe  gemacht,  die  klinisch- 
diagnostische  Verwendbarkeit  der  opsonischen  Kraft  des 
Serums  zuerst  an  Tuberkulose  und  Tuberkelbazillen  zu  unter¬ 
suchen,  stiess  aber  zunächst  auf  grosse  Schwierigkeiten,  so 
dass  ich  mich  entschloss,  als  Vorversuche  zuerst  einmal 
einige  allgemeine  Experimente  über  die  Beeinflussung  der 
Phagozytose  durch  das  normale  Serum  und  über  Phagozytose 
überhaupt  vorauszuschicken.  Ueber  diese  möchte  ich  im  nach¬ 
folgenden  kurz  berichten. 

Im  Gegensatz  zu  den  meisten  bisherigen  deutschen  Ver¬ 
öffentlichungen  arbeitete  ich  ausschliesslich  mit 
menschlichen  Seren  und  Leukozyten,  da  es  mir 
gerade  auf  die  Verhältnisse  beim  Menschen  und  auf  die  An¬ 
bahnung  praktischer  Verwertbarkeit  ankam.  Wie  es  sich  von 
selbst  versteht,  ist  bei  Untersuchungen  am  Menschen,  in  der 
Klinik,  Auskommen  mit  kleinsten  Mengen  erstes  Erfordernis. 
Ich  hielt  mich  im  grossen  und  ganzen  an  die  bereits  von 
Wright  vorzüglich  ausgebildete  Technik,  die  ich  mir  nur 
unwesentlich  modifizierte. 


uie  Austunrung  eines  Opsoninversuches  zerfällt  von  selbst 
in  4  Abschnitte:  1.  Gewinnung  des  Serums;  2.  Gewinnung  der 
Leukozyten  und  ihre  Waschung;  3.  Herstellung  einer  Bazillen¬ 
emulsion;  4.  Ausführung  des  Phagozytoseversuches. 

Zur  Gewinnung  des  Serums  genügte  mir  der  einfache  Finger¬ 
stich  mit  der  Franke  sehen  Nadel.  Ich  fing  das  Blut  mit  einer 
oben  weiten  Kapillarpipette  auf,  brachte  es  von  hier  in  ein  etwa 

cm  langes  Glasröhrchen  und  zentrifugierte.  Man  gewinnt  so  eine 
hinreichende  Menge  ganz  klaren  Serums. 

Eine  andere  gesunde  Person  liefert  die  zur  phagozytären  Tätig- 
keit  bestimmten  Leukozyten,  wobei  ebenfalls  der  Fingerstich  hin- 
reicnt.  )  Ich  füllte  mir  vorher  einen  kleinen  Glaszylinder,  wie  sie 
dem  r  i  c  k  e  r  sehen  Agglutinationsapparat  'beigegeben  werden,  zu 
/3  mit  einer  sterilen  2  proz.  Lösung  von  Natriumcitrat  in  physio¬ 
logischer  Kochsalzlosung.  In  diese  Flüssigkeit  liess  ich  dann  direkt 
aus  der  Fingerbeere  /»  Blut  tropfen,  wobei  ich  das  Gläschen  zur  Ver¬ 
hütung  von  Koagelbildung  öfter  kräftig  umschüttelte.  Ist  genügend  ein¬ 
geflossen,  wird  wieder  tüchtig  geschüttelt  und  diese  vollständig  ge- 
rinnselfreie  Blutkorperchenemulsion  in  eine  rasch  rotierende  Zentri- 

?nnn  ^  !ch  verwendete  eine  elektrische  Zentrifuge  von 

Umdrehungen  in  der  Minute.)  Hier  scheidet  sich  ein 
dichtes  Blutkorperchensediment  von  einer  klaren  Flüssigkeit  ab.  Die 
obenstehende  Flüssigkeit  wird  mit  der  Pipette  abgehoben,  physio¬ 
logische  Kochsalzlösung  auf  das  Sediment  gegossen  und  tüchtig  durch- 
geschuttelt.  Dann  wieder  zentrifugiert  und  die  Waschung  noch  zwei¬ 
mal  wiederholt.  Schliesslich  wird  die  überstehende  Kochsalzlösung 
von  dem  dicht  zentrifugierten  „Blutkörperchenbrei“  abgehoben. 

■  r  V?  *renn*  bekanntlich  die  obere,  leukozytenreichere  Schicht 
des  Sediments  von  der  unteren.  Nicht  nur  weil  es  weniger  um¬ 
ständlich  und  zeitraubend  ist,  sondern  auch  um  die  Leukozyten  mög¬ 
lichst  in  ihrem  Verhältnis  zu  den  Erythrozyten  zu  lassen,  nahm  ich 
cavon  Abstand.  Ich  schüttelte  den  dichten  Blutkörperchenbrei  nur 
gut  durch  zur  gleichmässigen  Verteilung  der  Leukozyten  und  ver¬ 
wendete  ihn  dann  direkt,  zur  Phagozytose.  Ich  hatte  auf  einem 


)  \\  right:  Proceed.  of  the  royal  soc.  Vol.  LXXII,  p.  357  u.  a. 
-)  Das  zu  den  Versuchen  notwendige  normale  Blut  entnahm  sich 
Venasser  meist  selbst  oder  geeigneten  Leichtkranken  der  Klinik, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1917 


Objektträgerausstrich  zur  Zählung  stets  mehr  als  hinreichend  Leuko- 
zy  ten» 

Die  Herstellung  der  Bakterienemulsion  ist  bei  Staphylokokken 
und  anderen  rasch  wachsenden  Bakterien,  die  nicht  die  Eigenschaft 
haben,  sich  zusammenzuklumpen,  leicht,  schwer  aber  wegen  dieser 
Eigenschaft  bei  den  Tuberkelbazillen. 

Von  einer  24  Stunden  alten  Staphylokokkenagarkultur  wurden 

3 _ 4  Oes-en  in  etwa  10  ccm  physiologische  Kochsalzlösung  gebracht 

und  gut  durchgeschüttelt,  unter  Umständen  verdünnt,  so  dass  eine 
gleichmässige,  nicht  allzu  dichte  Emulsion  entsteht.  _ 

Auf  die  Schwierigkeiten  einer  gleichmässigen,  bakterienklumpen¬ 
freien  Tuberkelbazillenemulsion  hat  W  right  genugsam  hingewiesen. 
Ich  verfuhr  in  ziemlich  enger  Anlehnung  an  seine  Angaben  folgende! - 
massen:  Ich  verbrachte  mehrere  Oesen  einer  nicht  zu  alten  Agar¬ 
kultur  in  einen  Achatmörser,  diesen  dann  in  den  Dampftopf,  wo  ich 
zuerst  bei  100°  10  Minuten  sterilisierte.  (Diese  Abtotung  der  Tu¬ 
berkelbazillen  beeinträchtigt  nach  W  r  i  g  h  t  und  wie  ich  mich  selbst 
bald  überzeugen  konnte,  die  Opsonwirkung  und  die  Phagozytose  nicht.) 
Nach  der  Sterilisierung  wurden  die  Bazilkn  im  A  c  h  a  t  morser  unt 
allmählichem  Zusatz  einer  0,5  proz.  (nicht  physiologischen  Kochsalz¬ 
lösung  ganz  fein  und  ziemlich  lange  zerrieben  und  die  Emulsion  sodann 
bis  zur  hinreichenden  Dichte  (deutliche  Opaleszenz)  mit  0,5  proz  Koch¬ 
salzlösung  verdünnt.  Leider  ist  diese  Emulsion,  die  man  sich  doch 
nicht  gut  jeden  Tag  frisch  machen  kann  wie  die  Staphytokokken- 
emulsion,  nicht  lange  haltbar  trotz  Verweilens  m  Eisschrank  Es  tritt 
Verklumpung  und  Verschimmelung  ein.  Ich  setzte  daher  spatei  /- 
Proz.  Phenol  zu,  was  die  Haltbarkeit  vermehrte,  die  Phagozytose 

aber  nicht  im  geringsten  beeinträchtigte.  . 

Leider  konnte  ich  bis  jetzt  nur  mit  Tuberkelbazillen  und  Staphylo¬ 
kokken  arbeiten.  '  ,  ,  .  ,  • 

Bei  der  Ausführung  des  Opsoninversuches  verwendete  ich  wie 
W  r  i  g  h  t  oben  weite  Kapillarpipetten,  die  man  sich  selbst  sehr  leicht 
aus  Glasröhren  mit  dem  Bunsenbrenner  ausziehen  kann.  Man  be¬ 
waffnet  das  dicke  Ende  der  Pipette  mit  einer  Gummisaugkappe  und 
macht  sich  mit  dem  Fettblaustift  an  der  Kapillare  eine  Marke.  Bis  zu 
dieser  zieht  man  zuerst  Bakterienemulsion  auf,  lasst  dann  etwas 
Luft  eintreten,  zieht  dann  bis  zur  Marke  ein  oder  zweimal  Serum 
auf  lässt  wieder  etwas  Luft  herein  und  saugt  schliesslich  ein  oaer 
zwei  Marken  „Blutkörperchenbrei“  auf.  Während  nun  Wrig  h  t  den 
Pipetteninhalt  in  ein  Gläschen  ausbläst,  durch  abwechselndes  Auf-  und 
Absaugen  mischt,  schliesslich  wieder  einsaugt  und  das  kapillare  Ende 
der  Pipette  zuschmilzt,  waren  mir  diese  Operationen  bei  dem  raschen 
Eintritt  der  Phagozytose  zu  zeitraubend.  Ich  blies  den  Pipetteninhalt 
einfach  in  einen  kleinen  Glaszylinder  (der  geeignetste  schien  mir  der 
zum  Stäubli  sehen  Agglutinometer  hergestellte)  aus,  mischte 
sodann  durch  kräftiges  Schütteln  und  versah  das  Gläschen  sofort  mit 
einem  Gummistopfen.  Die  gefüllten  Gläschen  wurden  sodann  meist 
für  eine  halbe  Stunde  in  den  Brutschrank  gebracht.  Dann  wurde 
ein  Tropfen  des  noch  einmal  gut  umgeschüttelten  Gläschens  auf  einen 
gut  gereinigten  Objektträger  gebracht,  ausgestrichen  und  getrocknet. 
Kokkenpräparate  wurden  mit  eosinsaurem  Methylenblau  nach  May- 
Grünwald  gefärbt,  Tuberkelbazillenpräparate  vorher  mit  Aether- 
alkohol  fixiert  und  dann  mit  Karbolfuchsin-Methylenblau  gefärbt 

Bei  der  Durchzählung  der  Präparate  verwendete  ich  ausschliess¬ 
lich  Z  e  i  s  s’  Objektiv  Homogen  Immersion  Apochrom.  2  mm  Apert. 
130  mit  Kompensationsokular  8  bei  intensiver  Beleuchtung  mit  Auei- 
gaslicht.  Die  Gleichmässigkeit  der  optischen  Verhältnisse  erwies  sich 
mir  im  Interesse  der  Gleichmässigkeit  der  Zählresultate  als  notwendig. 
W  r  i  g  h  t  zählt  bekanntlich  so,  dass  er  die  Anzahl  der  phagozytierten 
Bakterien  durch  die  Zahl  der  gezählten  Leukozyten  (meist  20)  dividiert 
und  den  gewonnenen  Ouotient  nennt  er  den  phagozytären  Index. 
Bäch  er3)  greift  diese  Zählmethode  an.  Er  glaubt,  dass  die  phago¬ 
zytierten  Bakterien  vielfach  rasch  ihre  Färbbarkeit  verlieren,  resp. 
intrazellulär  aufgelöst  werden.  Er  stellt  daher  einfach  den  Prozent¬ 
satz  der  phagozytierenden  Leukozyten  fest  und  zahlt  50— 100.  Nach¬ 
dem  ich  beides  versucht,  schien  mir  schliesslich  die  W  r  i  g  h  t  sehe 
Methode  doch  die  einwandsfreiere.  Verhehlen  darf  man  sich  ia  nicht, 
dass  beide  voller  Fehlerquellen  sind.  Aber  aus  vielen  Versuchen  hatte 
ich  den  Eindruck,  dass  der  Verlust  der  Färbbarkeit  keine  grosse 
Rolle  spielt,  und  dass  bei  Begünstigung  der  Phagozytose  (z.  ß.  durch 
aktives  Serum  im  Gegensatz  zum  inaktiven)  der  einzelne  Leukozyt 
durchschnittlich  eben  viel  mehr  Bakterien  aufgenommen  hat.  Dieses 
Moment  bleibt  aber  bei  der  B  ä  c  h  e  r  sehen  Zählmethode  völlig  un¬ 
berücksichtigt.  Ich  zählte  daher  schliesslich  nur  noch  nach  W  r  i  g  h  t  - 
scher  Art  und  zwar  stets  30,  oft  auch  60  und  mehr  Zellen.  V  lclitig  ist, 
dass  man  stets  mit  Normalseren  kontrolliert  und  nur  Zahlen  der 
gleichen  Versuchsreihe  miteinander  vergleicht. 

Wenn  man  viele  Phagozytosen  gesehen  hat,  fällt  vor  allem 

das  sehr  verschiedene  Verhalten dei -einzelnen 

Leukozytenindividuen  auf.  Während  im  gleichen 
Präparat  der  eine  Leukozyt  20  und  mehr  Kokken  aufgenommen 
hat,  hat  der  nächste  nur  2—3,  der  weitere  gar  nicht  phagozytiert. 
Es  mag  dies  zunächst  an  der  verschieden  starken  Schädigung 
der  Zellen  bei  der  komplizierten  Vorbehandlung  liegen,  es 


scheint  aber  doch,  dass  auch  in  vivo  die  Fresslust  —  sit  venia 
verbo  —  der  Zellen  eine  sehr  verschieden  grosse  ist. 

Bei  dei  folgenden  Ausführung  der  Versuche  ist  der  Ein¬ 
fachheit  halber  der  oben  beschriebene,  die  Leukozyten  ent¬ 
haltende  Blutkörperchenbrei  stets  als  „Leukozyten“  be¬ 
zeichnet.  Die  3  Bestandteile  des  Opsoninversuchs  wurden  in. 
ihren  kleinen  Glastuben  stets,  wo  nicht  eigens  anders  bemeikt, 
für  30  Minuten  in  den  Brutschrank  gebracht. 

Um  nun  vor  allem  den  Fundamentalsatz  W  r  i  g  h  t  s  nach¬ 
zuprüfen,  dass  im  normalen  Serum  ein  phagozytosefördernder 
Stoff  vorhanden  sei,  wurde  zunächst  das  Serum  durch  physio¬ 
logische  Kochsalzlösung  ersetzt. 

Versuch: 

I.  1.  Tube:  1  Teil  Leukozyten 

1  Teil  Normalserum 

1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion. 

Gezählt  nach  Bä  eher:  30  Proz.  phagozytierende  Leukozyten. 

2.  Tube :  1  Teil  Leukozyten 

1  Teil  physiologische  Kochsalzlosung 

1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion. 

Gezählt  nach  Bäch  er:  5  Proz.  phagozytierende  Leukozyten. 

II.  1.  Tube:  Leukozyten,  Normalserum,  Tuberkelbazmen- 

emulsion  aa.  44  Proz.  .  .  „ ,  0  .  i  - 

2.  Tube :  Leukozyten,  physiologische  Kochsalzlö¬ 
sung,  Tuberkelbazillenemulsion  aa  8  Proz. 

III.  1.  Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  Teile  Normalserum 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

Gezählt  nach  Wright  in  30  Zellen  413  Kokken. 

2.  Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  Teile  physiologischeKochsalzlosung 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

Gezählt  nach  Wright  in  30  Zellen  48  Kokken. 

Aus  diesen  Zahlen  geht  hervor,  dass  bei  Gegenwart  von 
frischem  Normalserum  die  Phagozytose  eine  nnverhaltnis- 
mässig  viel  grössere  ist.  Vollständig  vermisst  man  die  Ein¬ 
lagerung  von  Bakterien  in  Leukozyten  jedoch  auch  bei  Er- 
setzen  des  Serums  durch  physiologische  Kochsalzlosung  nicht. 
Es  mag  ja  sein,  dass  diese  „Einlagerung“  vielfach  nur  eine  zu¬ 
fällige  Auflagerung  ist,  man  kann  dies  im  gefärbten  Präparat 
manchmal  schwer  auseinanderhalten.  Von  einzelnen  Autoren 
wurde  auch  der  Rest  des  durch  Waschen  nicht  völlig  zu  be¬ 
seitigenden  Serums  als  Grund  der  spärlichen  Phagozytose  an¬ 
gesehen.  Am  meisten  wahrscheinlich  ist  mir  jedoch  die  alte 
Metschnikoff  sehe  Lehre,  dass  eben  den  Leukozyten  eo 
ipso,  auch  ohne  Serum  phagozytäre  Eigenschaften  zukommen, 
die  allerdings  durch  das  Serum  sehr  gefördert  werden.  Eine 
gewisse  Schädigung  durch  die  Kochsalzlösung  ist  wohl  auch 
anzunehmen,  man  findet  viefach  schlechter  gefärbte  Kerne. 
Ich  versuchte  es  daher  mit  der  dem  Serum  im  Salzgehalt  näher 
kommenden  Ringer  sehen  Lösung. 

Versuch: 

1.  Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  Teile  Ringersche  Lösung 

1  Teil  Staphvlokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  9  Kokken. 

2.  Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  Teile  physiologischeKochsalzlosung 

1  Teil  Staphvlokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  19  Kokken. 

Es  werden  aber,  wie  die  Zahlen  ergeben,  die  Bakterien 
in  diesem  Medium  eher  schlechter  als  in  der  physiologischen 

Kochsalzlösung  phagozytiert.  u;c 

Erhitzt  man  das  Normalserum  eine  halbe  Stunde  auf  55  bis 
60°,  so  wird  es  „inaktiviert“,  d.  h.  es  verschwindet  die 

phagozytosefördernde  Wirkung  fast  völlig. 

(Versuch  siehe  nächste  Seite.) 

Das  Opsonin“  entspricht  also  in  seinem  Verhalten  gegen 
Hitze  dem  Komplement  oder  Alexin.  Es  ist  nicht  unmöglich, 
dass  es  mit  diesem  Körper  identisch  ist,  doch  ist  dies  woh 
schwer  zu  beweisen,  so  lange  wir  so  wenig  über  die  chemische 
Natur  dieser  Schutzstoffe  wissen.  G  ruber  und  ru  taRi  ) 
lassen  es  dahingestellt,  ob  man  Identität  annehmen  solle  oder 
nicht.  Baumgarten4 5)  zieht  in  einer  Anmerkung  seines 
Jahresberichtes  über  1905  „die  Verschiedenheit  des  Opsonins 
von  den  bisher  bekannten  Antikörpern  sehr  in  Zweifel  .  a 


1907. 


3)  Zeitschr.  f.  Hygiene  und  Infektionskrankheiten,  Bd.  56.  H.  1, 


4)  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  S.  249. 

5)  Baumgartens  Jahresbericht  über  1905,  Seite  1  • 


1918 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Versuche: 


I. 

II. 

III. 

IV. 

v- 

V,. 

VII. 

Versuch 

Tube  1. 

1  Teil  Leuko¬ 
zyten 

1  „  Tuberkel¬ 

bazillen¬ 
emulsion 

1  „  aktives 

Normal¬ 
serum 

149 

, 

24 

43 

57 

54 

58 

47 

Kokken 
in  30  Zellen 

l'ube  2. 

1  Teil  Leuko¬ 
zyten 

1  „  Tuberkel¬ 

bazillen¬ 
emulsion 

1  „  inaktives 

Normal¬ 

serum 

3 

1 

8 

7 

2 

•— 

9 

8 

Kokken 
in  30  Zellen. 

sich  die  „Opsonine“  in  ihrem  chemischen  Verhalten  ganz  ähn¬ 
lich  wie  die  Alexine  verhalten,  so  meine  ich,  ist  es  schliesslich 
nur  eine  Nomenklaturfrage,  wie  man  sie  nennen  will.  Schon 
Ehrlich  und  Morgenroth6)  haben  erwiesen,  dass  sich 
in  einem  Serum  zwei  und  mehr  A 1  e  x  i  n  e  befinden 
können  und  Max  N  e  i  s  s  e  r  7)  nimmt  ebenfalls  eine  Plurali¬ 
tät  der  Alexine  an.  Nach  Ehrlich  und  Morgen¬ 
roth  kann  man  Alexine  von  einander  trennen,  von  denen  die 
einen  gegen  Blutkörperchen  verschiedener  Spezies 
abtötend  wirken,  andere  bakterizid  sind.  Warum  sollte 
nicht  einem  der  Alexine  auch  die  Rolle  der  Phagozytoseförde¬ 
rung  zugefallen  sein? 

Nach  W  r  i  g  h  t  ist  die  phagozytosefördernde  Wirkung  von 
Serum  I  uberkulöser  und  von  Tuberkuloseimmunserum  gegen 
Tuberkelbazillen  nicht  vollständig  durch  Erhitzen  zerstörbar, 
der  phagozytäre  Index  soll  noch  mindestens  50  Proz.  des  ur¬ 
sprünglichen  betragen.  Im  Immunserum  müsste  es  sich  dem¬ 
nach  um  einen  dem  spezifischen  Ambozeptor  ähnlichen  hitze¬ 
beständigen  Körper  handeln.  Ich  konnte  mich  davon  speziell 
bei  Tuberkulose  in  allerdings  noch  zu  wenigen  Versuchen  nicht 
überzeugen. 


Beispiele: 


Tuberkulöses  Serum 

I 

II 

III 

aktiv 

58 

89 

43 

Tuberkelbazillen 
in  30  Zellen 

inaktiv 

9 

11 

4 

Index  d.  inaktiv.  Serums 

16 

Proz. 

13 

Proz. 

9 

Proz. 

des  aktiven  Serums. 

Ist  die  phagozytosefördernde  Wirkung  des  Serums  fest¬ 
gestellt,  so  ist  weiterhin  zu  erweisen,  ob  die  Bakterien 
mit  dem  Schutzstoff  verbunden  und  dadurch  zur  Phagozytose 
präpariert  werden,  oder  ob  sich  die  Wirkung  auf  die  Leuko¬ 
zyten  richtet,  ob  diesen  das  Serum  „S  t  i  m  u  1  i  n  e“  zuführt. 

Versuch: 

I.  A  =  1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion  +  1  Teil  Normalserum  • 

die  Mischung  wurde  Y»  Stunde  in  den  Brutschrank 
gebracht,  dann  30  Minuten  auf  60°  erhitzt. 

B  —  Normales  inaktiviertes  Serum. 

1.  Tube:  2  Teile  A 

1  Teil  Leukozyten. 

In  30  Zellen  41  Bazillen. 

2.  Tube:  1  Teil  B 

1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion 
1  Teil  Leukozyten. 

In  30  Zellen  13  Bazillen. 

II.  1.  Tube:  2  Teile  A 

1  Teil  Leukozyten. 

In  30  Zellen  41  B  a  z  i  1 1  e  n.  ' 

2.  Tube:  1  Teil  B 

1  Teil  Tuberikelbazillenemulsion 
1  Teil  Leukozyten. 

In  30  Zellen  11  Bazillen. 

°)  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1  und  31,  1904. 

')  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1900,  49. 


III.  A  —  2  Teile  Normalserum  +  1  Teil  Staphylokokkenemulsion; 

sonst  wie  oben  behandelt. 

1.  Tube:  3  Teile  A 

2  Teile  Leukozyten. 

In  30  Zellen  82  Kokken. 

2.  Tube:  2  Teile  B 

2  Teile  Leukozyten 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  5  Kokken. 

Die  Zahlen  ergeben,  dass  wenn  man  Serum  einige  Zeit 
auf  Bakterien  einwirken  Jässt  und  dann  das  Serum  inaktiviert, 
bereits  eine  Verankerung  des  Opsonins  mit  den 
Bakterien  eingetreten  ist,  so  dass  trotz  Inaktivierung  die 
Bakterien  gut  phagozytiert  werden,  jedenfalls  viel  besser,  als  ' 
wenn  vorher  kein  aktives  Serum  auf  die  Bakterien  einwirkte. 
Danach  sind  die  Bakterien  der  Angriffspunkt  der 
O  p  s  o  n  i  n  e  und  nicht  die  Leukozyten.  Natürlich  ist  trotzdem 
auch  eine  „stimulierende“  Wirkung  möglich,  indes  schwer  mit 
Sicherheit  nachzuweisen. 

Sind  die  Bakterien,  die  man  einem  Normalserum  zusetzt, 
hinreichend  zahlreich,  so  reissen  sie  die  Opsonine  vollständig  an 
sich  und  das  Serum  ist,  wenn  man  die  Bakterien  abzentrifugiert, 
nicht  oder  wenig  phagozytosebefördernd.  In  gleicher  Weise  wie 
Bakterien  wirkt  aber  auch  ein  nicht  organisiertes  Pulver,  wie 
Karmin  oder  Tierkohle.  Diese  Eigenschaft  haben  die  opsonisch 
wirkenden  Serumbestandteile  mit  den  enzymartigen  Stoffen 
gemein. 

Versuch: 

Fein  zerriebene  Tierkohle  wurde  in  ungefähr  gleichen  Gewichts- 
verhaltmssen  einem  Normalserum  zugesetzt  und  das  Gläschen  für 
etwa  eine  Stunde  in  den  Schüttelapparat  gebracht.  Dann  wurde  die 
liei  kohle  durch  sehr  rasches  und  langes  Zentrifugieren  vollständig 
abzentrifugiert. 

1.  lube:  2  Teile  Leukozyten, 

2  Teile  Normalserum 

1  Teil  Staphvlokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  166  Kokken. 

2.  Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  T eile  Tierkohlenserum 

1  Teil  Staphvlokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  75  Kokken. 

Durch  die  teilweise  Absorption  der  Opsonine  wurde  also 
in  der  2.  Tube  weniger  als  die  Hälfte  der  Bakterien  phagozytiert. 

Wie  schon  Bächer8)  und  andere  nachwiesen,  ver¬ 
schwinden  die  Opsonine  beim  Aufbewahren  des  Serums  ver¬ 
hältnismässig  rasch;  sie  ähneln  also  auch  in  dieser  Hinsicht  an 
chemischer  Empfindlichkeit  dem  Alexin. 

Aeussere  Gründe  ermöglichten  mir  in  dieser  Hinsicht  keine 
eingehenderen  eigenen  Versuche. 

Versuch: 

1.  Tube:  1  Teil  Leukozyten 

1  Teil  frisches  Normalserum 

1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion. 

In  30  Zellen  43  Bazillen. 

2.  Tube:  1  Teil  Leukozyten 

1  Teil  48  Stunden  altes  Normalserum 

1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion. 

In  30  Zellen  27  Bazillen. 

Also  in  48  Stunden  Verringerung  schon  fast  um  die  Hälfte. 

Es  ist  erstaunlich,  wie  wenig  aktives  Serum  zur  Phago¬ 
zytoseförderung  genügt,  wie  wenig  Verdünnung  des 
Normalserums  die  opsonische  Kraft  beein¬ 
trächtigt. 


Versuch: 


* 

1  Teil  Tuberkelbazillen¬ 
emulsion 

1  Teil  Staphylokokken¬ 
emulsion 

1.  Tube: 

2  Teile  Leukozyten  .  \ 

2  „  Normalserum  .  .  .  j 

22 

413 

2.  Tube: 

2  Teile  Leukozvten  .  .  . 

2  „  von  (1  Teil  Normal¬ 

serum  -(-2  Teile  phys. 
ÜlNa  lösung)  .  .  .  .  J 

15 

354 

8)  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  Infektionskrankheiten,  Bd.  56,  H.  1. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1919 


ferner  mit  Staphylokokikenemulsion : 


2  Teile 

Normalser. 

2  Teile 

1  :  2 

V 

•  —  rt- 

V 

CM 

2  Teile 

1  :  8 

2  Teile 

1  :  12 

2  Teile 

1  :  20 

2  Teile 

1  :  100 

Serum: 

CINalösung 

2  Teile 

1  Teil 

Leukozyten  .  .  j 
Staphylokokken¬ 
emulsion  .  .  .  j 

159 

117 

118 

113 

155 

111 

82 

Kokken 
in  30  Zellen 

Die  anfängliche  geringe  Abnahme  ist  wohl  nur  eine  schein¬ 
bare,  durch  Zählfehler  bedingte,  bei  12facher  Serumverdün- 
riung  wurden  fast  ebensoviel  phagozytierte  Kokken  gezählt  wie 
bei  unverdünntem  Normalserum.  Erst  von  1:  100  an  ist  eine 
nicht  sehr  beträchtliche  Verringerung  bemerkbar. 

Die  Schädigung,  welche  die  Leukozyten  durch  stärkeres 
Waschen  erleiden,  scheint  nur  gering  zu  sein. 

Versuch: 

1  Tube:  2  Teile  3mal  gewaschene  Leukozyten 

2  Teile  Normalserum 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  123  Kokken. 

2  Tube :  2  Teile  6mal  gewaschene  Leukozyten 

2  Teile  Normalserum 

1  Teil  Staphvlokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  102  Kokken. 

Setzt  man  zu  den  Leukozyten  Serumeinerfremden 
Tierart,  so  ist  regelmässig  eine  gewisse  A  b  n  a  h  m  e  des 
phagozytären  Index  gegenüber  gleichartigem  Serum  zu  kon¬ 
statieren.  Es  ist  dies  wohl  durch  eine  Schädigung  der  Phago¬ 
zyten  durch  das  artfremde  Blut  zu  erklären.  Immerhin  ist  die 
durch  das  artfremde  Serum  beeinflusste  Phagozytose  noch  viel 
beträchtlicher  als  bei  Fehlen  des  Serums  und  Ersatz  durch 
physiologische  Kochsalzlösung.  Es  ist  dies,  \\  ie  auch  B  ä  c  h  e  t 
betont,  in  Hinblick  auf  etwaige  künftige  Immunisierungsbe¬ 
strebungen  nicht  unwichtig. 

Versuch: 

I  1  Tube:  2  Teile  menschliche  Leukozyten 

2  Teile  menschliches  Normalserum 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

In  30  Zeilen  151  Kokken. 

2.  Tube:  2  Teile  menschliche  Leukozyten 

2  Teile  Kaninchenserum 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  50  Kokken. 

II  1.  Tube:  2  Teile  menschliche  Leukozyten 

2  Teile  menschliches  Normalserum 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  244  Kokken. 

2.  Tube:  2  Teile  menschliche  Leukozyten 

2  Teile  Kaninchen serum 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

In  30  Zellen  198  Kokken. 

Nimmt  man  Enzym  natur  der  Opsonine  an  und  bedenkt 
die  Tatsache,  dass  die  Enzyme  in  der  Kälte  meist  langsamer 
wirken,  dass  ferner  die  Lebenstätigkeit  der  Zellen  durch  Kälte 
ungünstig  beeinflusst  wird,  so  sollte  man  erwarten,  dass  die 
Intensität  der  Phagozytose  mehr  oder  weniger  von  der  Aussen- 
temperatur  abhänge.  Indes,  es  ist  auffallend,  wie  wenig 
E  i  n  f  1  u  s  s  d  i  e  K  ä  1 1  e  auf  die  Quantität  der  Phagozytose  hat. 

Versuch: 


I.  2  Teile  Leukozyten 
2  Teile  NormaTserum 
1  Teil  Staphylokokkenemulsion. 

Mit  dieser  Mischung  wurden  rasch  zwei  Glastuben  gefüllt  und 
die  eine  rasch  in  den  Brutschrank  bei  37 u,  die  andere  in  den  bis¬ 


schrank  gebracht. 

In  der  1.  Tube  fanden  sich  in  30  Zellen  69  Kokken, 
in  der  2.  Tube  fanden  sich  in  30  Zellen  60  Kokken. 


II.  Das  gleiche  mit  Tuberkelbazillen. 

1.  In  30  Zellen  48  Kokken, 

2.  in  30  Zellen  27  Kokken. 


Würdigt  man  genauer  die  Beteiligung  der  ein¬ 
zelnen  Leukozytenformen  an  der  Phagozytose,  so 
findet  man  bald  die  eigentümliche  Tatsache,  dass  die  eosino¬ 
philen  Zellen  ziemlich  bedeutend  weniger 
phagozytieren  als  die  neutrophil  granulier¬ 


ten  Polynukleären.  Schon  Leyden9)  war  dies  an 
bakterienhaltigen  Geweben  aufgefallen.  Man  nimmt  dieses 
Verhalten  schon  meist  bei  oberflächlicher  Durchmusterung  der 
Präparate  wahr,  bei  genauer  Durchzählung  bestätigt  sich  der 
oberflächliche  Eindruck. 

Versuch: 

I.  2  Teile  Normalserum 

2  Teile  Leukozyten. 

1  Teil  Tuberkelbazillenemulsion. 

In  30  Neutrophilen  67  Bazillen. 

In  30  Eosinophilen  17  Bazillen. 

II.  2  Teile  Normalserum 

2  Teile  Leukozyten10) 

1  Teil  Staphylolfokkenemulsion. 

In  30  Neutrophilen  564  Kokken. 

In  30  Eosinophilen  65  Kokken. 

Ich  achtete  in  allen  meinen  Präparaten  darauf  und  fand 
die  geringe  Beteiligung  der  eosinophilen  Zellen  jedesmal  be- 

täÜUeber  die  Bedeutung  der  eosinophilen  Zellen  herrscht  noch 
grosse  Unklarheit.  Nach  Ehrlich11)  verfügen  die  Eosino¬ 
philen  über  die  wohl  am  kompliziertesten  gebauten  Zellkorne- 
1  ungen;  es  sind  Zellen,  die  ganz  spezifischen  che- 
notaktischen  Reizen  folgen.  Dabei  verhalten  sich 
iach  diesem  Autor  die  neutrophilen  und  die  eosinophilen  Leu¬ 
kozyten  ganz  verschieden  in  ihrer  chemischen  Reizempfang- 
lichkeit  Was  auf  die  einen  positiv,  wirke  auf  die  anderen 
negativ  chemotaktisch.  Ehrlich  hat  schon  betont  dass  die 
gewöhnlichen  Stoffwechselprodukte  der  Baktenen  abatossen 
auf  die  eosinophilen  Zellen  wirken.  Stäubli  *)  hat  dann 
neuerdings,  hauptsächlich  durch  Experimente  mit  Strepto¬ 
kokken  an  Meerschweinchen  die  „negative  Chemotaxis  de 
eosinophilen  Zellen  gewissen  bakteneUen  St°f,fe1I)1^e^nt‘ 
über  weiterhin  experimentell  begründet.  Klein)  bestr  ite  , 
dass  die  Ehrlichsche  Chemotaxistheorie  die  beobachteten 
Tatsachen  erklären  könne.  Er  hält  die  sogen.  Eosinophi  ie 
und  die  Gegenwart  eosinophiler  Zellen  in  entzündlichen  Heiden 
usw.  nicht  für  den  Ausdruck  einer  spezifischen  Reizl^’  s(?"" 
dern  für  die  Folge  von  Blntextravasaten  oder  von  Imbibition 
der  Gewebe  mit  mehr  oder  weniger  Hämoglobin.  Sie  sei  keine 
eigentlich  pathologische  Erscheinung,  sondern  die  Folge  einer 
rein  physiologischen  Funktion  der  Leukozyten.  Auch ^  franzö¬ 
sische  Autoren  u.  a.  halten  die  eosinophilen  Granula  für  E  3 
kretionsprodukte,  deren  sich  der  Körper  entledigen 

W01  Es  ist  noch  manch  andere  Theorie  aufgestellt  worden,  auf 
die  näher  einzugehen,  zu  weit  führen  würde.14) 

Wie  hat  man  sich  nun  die  geringe  Beteiligung  an  der 
Phagozytose  zu  erklären?  Dass  die  Eosinophilen  überhaupt 
phagozytieren,  ist  zweifellos,  auch  S 1  a  1  fie{,  £ie?  ^ 
seinen  Experimenten  auf  und  er  betont  selbst  die  Schwierig¬ 
keit,  diese  Tatsache  mit  der  negativen  Chemotaxis  in  Einklang 

Nach  meiner  Auffassung  ist  zum  Verständnis  der  eosino¬ 
philen  Zellen  eine  Verbindung  der  Chemotaxis-  und  der  Exkre¬ 
tionshypothese  notwendig,  der  Hauptnachdruck  aber  auf  ihre 
spezifische  chemotaktische  Reize  mp  Taug¬ 
lichkeit  zu  legen:  Eine  gewisse  polymorphkernige  Leuko¬ 
zytenart  hat  die  Eigenschaft,  spezifische,  meist  noch  unbekannte 
und  wahrscheinlich  auch  sehr  verschiedene  chemische  Ver¬ 
bindungen,  die  positiv  chemotaktisch  auf  sie  wirken,  als  körper- 
feindliche  Stoffe  (vgl.  Trichinosis,  Helminthiasis,  Asthma  u.  a ) 
in  sich  aufzunehmen  und  sie  als  eosinophile  Schollen  in  ihrem 
Protoplasmaleib  abzulagern.  An  den  Orten,  wo  solche  Stoffe 
in  grösseren  Mengen  vorhanden  sind,  wird  Eosinophilie  unc 
diese  sekundär  dann  auch  im  Blut  auf  treten.  Die  im  normalen 
Körper  vorhandenen  eosinophilen  Zellen  sind  durch  physio- 

10)  Diese  Leukozyten  entstammten  dem  unten  beschriebenen  Leu- 
kämikerblut. 

n)  Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol. 

Die 


ich  u.  Lazarus: 


1879,  Ehr 

Anämie,  in  Nothnagels  Handbuch  u.  a. 

12) Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  85. 

13)  Zentralbl.  f.  inn.  Med.,  XX,  1899.  _  cinnnhiip  Zellen 

“)  Ein  ausführliches  Literaturverzeichnis  über  eosinophile  Zellen 

findet  sich  bei  Karl  Meyer:  Die  klinische  Bedeutung  dei  Eosino¬ 
philie,  Berlin  1905. 


9)  Münch,  med.  Wochenschr.  1891,  29. 


1920 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


logische  Bildung  adäquater  Reizstoffe  zu  erklären.  Je  nach 
dem  Grad,  in  dem  nun  diese  Leukozyten  mit  Granulis  teilweise 
oder  ganz  gesättigt  sind,  (worüber  wir  wohl  durch  unsere 
fixierten  Präparate  gar  keinen  richtigen  Aufschluss  bekommen), 
wird  es  ihnen  möglich  sein,  noch  andere  Stoffe,  die  keine  spe¬ 
zifischen  Angriffsobjekte  für  sie  darstellen,  nach  Art  der  übrigen 
Leukozyten  in  sich  aufzimehmen  und  so  z.  B.  geformte  Be¬ 
standteile,  wie  Bakterien  zu  phagozytieren.  So  kann  man  sich 
dann  die  durchschnittlich  geringere  Phagozytose  der  Eosino¬ 
philen  erklären.  Sie  sind  sozusagen  schon  mehr  oder  weniger 
gesättigt  mit  körperfeindlichen,  spezifisch  umgewandelten 
Stoffen.  Es  sei  hier  erwähnt,  dass  auch  Sacharoff13)  sich 
die  geringe  Fresstätigkeit  durch  Ueberladung  der  Zellen  mit 
ihren  Granulationen  erklärt.  Die  chemotaktische  Beeinfluss- 
barkeit  hört  wohl  auch  nach  der  Bildung  der  Granula  nicht  auf, 
wir  wissen  ja,  wie  gesagt,  gar  nicht,  wie  viel  die  Zellen  noch  in 
sich  aufnehmen  können.  S  t  ä  u  b  1  i lö)  hat  sich  mit  Recht  vor¬ 
sichtig  ausgedrückt,  wenn  er  sagt,  dass  die  Eosinophilen  nur 
gewissen  bakteriellen  Stoffen  gegenüber  negativ  chemo¬ 
taktisch  sind;  wahrscheinlich  nicht  allen,  was  die  Zukunft  noch 
lehren  muss. 

Ich  habe  dann  weiterhin  die  Beteiligung  der  Leuko¬ 
zytenformen  eines  Leukämiekranken  an  der 
Phagozytose  von  Bakterien  untersucht,  wobei  sich  folgende 
Verhältnisse  ergaben. 


Das  Blut  des  Kranken  hatte 
Erythrozyten  3  000  000  1  Hb 
Leukozyten  500  000  j  50  Proz. 
Polynukleäre  Neutroph.  30,7  * 
Lymphozyten  3,0  „ 

Grosse  Mononukleäre  16,0  „ 


folgenden  Befund: 

Polynukl.  Eosinophile  3,4  Proz- 

Myelozyten  41,5  „ 

Eosinophile  Myelozyten  1,2  „ 

Markzellen  4,2  „ 


Ich  hatte  nun  zunächst  die  Absicht,  die  phagozytären 
Fähigkeiten  der  Leukämieleukozyten  direkt  mit  denen  eines 
Normalen  zu  vergleichen. 


Versuch: 


l.Tube:  2  Teile  Normalserum, 

2  „  Normalleukozyt., 

1  Teil  Staphylokokken¬ 
emulsion  von  d.  gewöhn- 
Dichte. 

In  30  neutrophilen  Polynu¬ 
kleären  424  Kokken. 


2.  Tube:  Das  Gleiche  mit  2  Teilen 
Leukämieleukozyten. 

In  30  neutrophilen  Polynu¬ 
kleären  62  Kokken. 


Während  mich  der  merkwürdige  Abfall  des  phagozytären 
Index  bei  der  2.  Tube  im  ersten  Moment  frappierte,  wurde  es 
mir  sofort  klar,  dass  bei  der  ungeheuren  Ueberzah!  der  Leuko¬ 
zyten  bei  Tube  2  der  Bakterienvorrat  nicht  ausgereicht  hatte; 
in  der  Tat  fand  man  bei  Tube  2  auch  in  keinem  Gesichtsfeld 
freie  Kokken,  bei  Tube  1  viele.  Es  war  also  ein  Vergleich  mit 
dem  Gesunden  so  überhaupt  nicht  möglich. 


Versuch: 

II.  1.  Tube:  2  Teile  Normalserum 

2  Teile  Leukämieleukozyten 
1  Teil  sehr  dichte  Staphylokokkenemulsion. 

2.  Tube:  Das  gleiche  mit  Leukämieserum. 

Zwischen  Tube  1  und  2  ergab  sich  kein  besonderer  Unterschied: 
bei  beiden  in  allen  Gesichtsfeldern  freie  Kokken. 

Die  Verhältnisse  bei  den  einzelnen  Zellformen  waren 
folgende: 


Von  30  Zellen  hatten  p’nagozytiert: 


Polynukl.  Neutrophile  564  Kokk.17) 
Lymphozyten  0  „ 

(irosse  Mononukleäre  0  „ 

Polynukl.  Eosinophile  65  „ 


Myelozyten  19  Kokken 

Eosinophile  Myelozyten  keine  oder 
sehr  wenige  Kokken 
Markzellen  unsicher. 


Daraus  ist  zu  ersehen,  dass  man  bei  den  u  n  r  e  i  f  e  n  Neu¬ 
trophilen,  den  Markzellen,  bedeutend  weniger 

als  bei  den  reifen  Zellen,  bei  den  unreifen 
Eosinophilen  gar  nicht  oder  fast  gar  nicht 
Phagozytosen  beobachtet.  Die  Markzellengranula  konnte 
ich  leider  nicht  mit  Sicherheit  von  den  Kokken  trennen.  (Ver¬ 
suche  mit  Tuberkelbazillen  u.  a.  waren  mir  aus  äusseren 
Gründen  nicht  mehr  möglich).  Bei  den  Zellen  der  Lympho¬ 
zytenreihe  fand  sich  keine  Phagozytose. 


“)  Archiv  f.  mikrosk.  Anatomie  1895,  Bd.  45. 

*“)  1.  c. 

*')  East  alle  Zellen  ganz  vollgepfropft  mit  Kokken. 


Nach  Metschnikoff  u.  a.  gehören  die  Alexine  zur 
Gruppe  der  Enzyme,  stehen  also  auch  in  naher  Verwandt¬ 
schaft  zum  Trypsin.  Bekanntlich  werden  die  Enzyme  durch 
Alkohol  gefällt  und  speziell  Trypsin  ist  nach  V  e  r  n  o  n 1S)  zu¬ 
mal  gegen  verdünnten  Alkohol  sehr  empfindlich.  Von 
diesem  Enzymcharakter  der  alexinähnlichen  Stoffe  ausgehend, 
suchte  ich  die  Beeinflussung  der  Opsonine  durch 
Alkohollösungen  verschiedener  Konzentration  kennen 
zu  lernen. 


Versuch: 


A  =  1  Teil  Serum  +1  Teil  Alkohollösung  in  verschiedenen  Ver¬ 
dünnungen,  die  über  den  Zahlen  des  phagozytären  Index  stehen. 

B  —  1  Teil  Normalserum  +  1  Teil  physiologische  Kochsalzlösung. 


1% 

3% 

3n/o 

3% 

3% 

6% 

12% 

20% 

1.  Tube: 

2  Teile  Leukozyten 

—  v  A 

1  Teil  Staphylokokken¬ 
emulsion 

• 

84 

327 

330 

166 

62 

267 

241 

34 

2.  Tube: 

2  Teile  Leukozyten 

2  v  B 

1  Teil  Staphylokokken¬ 
emulsion 

71 

303 

239 

185 

68 

239 

239 

135 

Wie  man  sieht,  wirkt  also  der  Alkohol  in  Verdünnungen 
unter  20  Proz.  absolut  nicht  hemmend  auf  die  Phago¬ 
zytose,  vielfach  schien  er  sie  sogar  eher  etwas  zu  fördern.  Von 
20  Proz.  bemerkt  man  den  Abfall  des  phagozytären  Index,  bei 
dieser  Konzentration  tritt  aber  wohl  schon  Zellschädigung  der 
Leukozyten  ein. 

Weiterhin  stellte  ich  mir  die  Frage,  ob  die  opsonischen 
Stoffe  des  Serums  durch  Sauerstoff  zerstörbar  seien. 


V  ersuch: 


Normalserum  wurde  bei  I.  und  II.  mit  2Vz  Proz.,  bei  III.  mit 
10  Proz.  Wasserstoffsuperoxyd  zu  gleichen  Teilen  versetzt  und  gut 
durchgeschüttelt,  lVz  Stunde  offen  im  Brutschrank  stehen  lassen.  Beim 
Zusammenbringen  des  Serums  mit  H2O2  schäumt  die  Mischung  stark 
auf,  H2O2  wird  durch  'die  Katalasen  des  Serums  in  H2O  und  O  Erlegt, 
der  frei  werdende  Sauerstoff  k^nn  einwirken.  Vor  Beginn  des  Phago¬ 
zytoseversuches  wurde  mit  Jodkaliumstänkekleister  das  Serum  auf 
das  Vorhandensein  von  Wasserstoffsuperoxyd  geprüft  und  nach  dem 
negativen  Ausfall  verwendet. 

L  II. 


1.  Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  „  Serummischung 

mit  21/2°/o  H2O2 
1  Teil  Staphylokokken¬ 
emulsion 

In  30  Zellen  22  Kokken. 

2.  Tube:  Das  gleiche  mit  2  Teilen 

Normalserum,  physiol. 
CINalösung  ää 
In  30  Zellen  25  Kokken. 


Das  gleiche  Experiment  wieder¬ 
holt:  l.Tube  20,  2.  Tube  15  Kokk. 

III. 

1. Tube:  2  Teile  Leukozyten 

2  „  Serummischung 

mit  IO0/0  H2O2 
1  Teil  Staphylokokken¬ 
emulsion. 

In  30  Zellen  66  Kokken. 

2.  Tube:  Das  Gleiche  mit  2  Teilen 

von  Normalserum  phys. 
CINalösung  äa 
In  30  Zellen  185  Kokken." 


Wie  wir  sehen,  hatte  die  2Y  proz.  Wasserstoffsuperoxyd¬ 
lösung  keinen  Einfluss,  die  10  proz.  verursachte  da¬ 
gegen  eine  deutliche  Herabsetzung  des  phago¬ 
zytären  Index  auf  fast  %  des  Normalen.  Beim  Versuch  mit 
20  proz.  Lösung  war  der  H2O2  nicht  vollständig  zerstört,  konnte 
also  bei  der  Phagozytose  die  Leukozyten  noch  ungünstig  be¬ 
einflussen,  kommt  daher  nicht  in  Betracht.  Aus  dem  ein¬ 
deutigen  Ausfall  des  Versuchs  III  ist  jedenfalls  zu  ersehen,  dass 
der  fragliche  phagozytosefördernde  Serumbestandteil  durch 
Sauerstoff  wenigstens  teilweise  zerstörbar 
ist,  wie  gewisse  Enzyme. 

Schliesslich  sei  noch  ein  Versuch  über  die  Abhängigkeit 
des  Grades  der  Phagozytose  von  derZeitderEinwir- 
k  u  n  g  angeführt. 

Versuch: 

2  Teile  Normalserum . )  .  „  ,  , 

2  „  Leukozyten .  im  Brutschrank 

1  Teil  Staphylokokkenemulsion  j  )e*  ^  ’ 


18 )  Journ.  of  Physiol.  29,  302,  1903. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1921 


Nach  bestimmten,  in  der  Tabelle  bezeichneten  Zeitabschnitten 
wurden  von  der  Mischung  Ausstriche  auf  den  Objektträger  gemacht 
und  gefärbt. 


5  Min. 

15  Min. 

30  Min. 

1  Stde. 

2  Stdn. 

4  Stdn. 

31 

48 

61 

83 

117 

161 

Kokken  in 
30  Leukoz. 

Schon  nach  5  Minuten  sieht  man  deutliche  Einlagerungen 
von  Kokken  in  die  Zellen,  obschon  zu  bemerken  ist,  dass  zu 
diesem  Versuch  24  Stunden  alte,  im  Eisschrank  auf¬ 
bewahrte  und  in  Natriumzitratlösung  aufgeschwemmte 
Leukozyten  verwendet  wurden.  Die  Lebenskraft  dieser  Zellen 
scheint  demnach  ziemlich  bedeutend  zu  sein,  wenn  man  nicht 
eine  rein  passive  Chemotaxis  zwischen  toten  Zelleibern  und 
Bakterien  annehmen  will.  Ein  aktives  Einwandern  der  Bak¬ 
terien  ist  bei  der  Unbeweglichkeit  der  Staphylokokken  wohl 
sicher  auszuschliessen. 

Wenn  auch  die  angeführten  Versuche  zweifellos  erst 
wenige  und  lückenhafte  sind,  so  erweist  sich  doch  auch  aus 
ihnen  die  Richtigkeit  der  Hauptsätze  W  r  i  g  h  t  s,  und  ich 
glaube,  es  geht  aus  den  obigen  Erörterungen  jedenfalls  das 
hervor,  dass  über  die  Bedeutung  der  weissen  Blutkörperchen 
als  Schutzeinrichtungen  gegen  körperfeindliche  Stoffe  —  all¬ 
gemein  ausgedrückt  —  unsere  Kenntnisse  noch  sehr  der  Er¬ 
weiterung  und  Vertiefung  bedürfen.  Es  ist  unzweifelhaft  ein 
grosses  Verdienst  W  r  i  g  h  t  s,  neuerdings  mit  Nachdruck  die 
Forschung  auf  die  Bedeutung  der  Phagozytose  hingewiesen 
und  durch  den  Nachweis  humoraler  Beeinflussung  der  Fress¬ 
zellen  die  Kluft  zwischen  den  Anhängern  Metschnikoffs 
und  den  Verteidigern  ausschliesslicher  Humoralimmunität  so¬ 
zusagen  überbrückt  zu  haben.  Es  ist  möglich,  dass  sich  die 
Ergebnise  W  r  i  g  h  t  s  und  seiner  Schüler  bei  ausgedehnter 
Nachprüfung  nicht  alle  bestätigen,  aber  die  allseitig  neu  ein¬ 
setzenden  Forschungen  über  Phagozytose  werden  die  Immuni¬ 
tätslehre  sicher  wesentlich  bereichern. 

Ausführliche  Literaturangaben  finden  sich  bei  Bächer: 
Zeitschr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankheiten,  56.  Bd.,  1.  H., 
1907,  Rosenthal:  Med.  Klinik  No.  15,  1907,  Massini: 
Med.  Klinik  No.  18,  1907  und  anderen. 


Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frank¬ 
furt  a/M.  (Direktor:  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  Paul  Ehrlich). 

Die  elektrische  Ladung  von  Toxin  und  Antitoxin. 

Von  Dr.  H.  B  e  c  h  h  o  1  d,  Mitglied  des  Instituts. 

Noch  immer  nimmt  die  Frage  der  Bindungsart  zwischen 
Toxin  und  Antitoxin  ein  Hauptinteresse  der  Immunitätsforscher 
in  Anspruch.  Trotzdem  in  den  letzten  Jahren  eine  Fülle  neuen 
Materials  beigebracht  wurde,  kann  man  nicht  behaupten,  dass 
eine  wesentliche  Klärung  eingetreten  ist,  und  es  lohnt  sich 
immer  wieder,  mit  neuen  Methoden  an  das  Problem  heran¬ 
zutreten. 

Vor  ca.  114  Jahren  machte  ich  mit  meinem  neuen  Ueber- 
führungsapparat  Versuche,  um  die  Wanderungsrichtung  von 
Diphtherietoxin  und  -antitoxin  im  elektrischen  Stromgefälle 
festzustellen.  Es  zeigte  sich,  wie  die  nachstehende  Tabelle  er¬ 
weist,  dass  das  Toxin  an  der  Anode  etwas  abgeschwächt  wird, 
für  das  Antitoxin  ist  die  Wanderungsrichtung  nicht  aus¬ 
gesprochen  und  das  nicht  neutrale,  überschüssiges  Toxin  ent¬ 
haltende  Toxin-Antitoxingemisch  hat  etwas  mehr  Neigung, 
nach  der  Kathode  zu  wandern. 

Da  derartige  Ueberführungsversuche  nur  bei  sehr  aus¬ 
gesprochenen  Ergebnissen  unter  Berücksichtigung  vieler 
anderer  Faktoren  Rückschlüsse  gestatten,  so  sah  ich  von  der 
Veröffentlichung  meiner  Resultate  ab;  ich  konnte  aus  ihnen 
keine  wesentlich  neuen  Gesichtspunkte  in  der  Frage  der  Toxin- 
Antitoxinbindung  gewinnen. 

Kürzlich  veröffentlichten  nun  F  i  e  1  d  und  Teague1)  eine 
Arbeit  über  die  elektrische  Ladung  von  Toxin  und  Antitoxin, 
die  mich  veranlasst,  meine  damaligen  Resultate  bekannt  zu 
geben. 

Bekanntlich  wandern  Suspensionen  und  Kolloide  im  elek¬ 
trischen  Stromgefälle  meist  nach  der  Anode,  einige  auch  nach 
der  Kathode,  während  Eiweiss  und  Gelatine  in  ganz  reinem 

No.  39. 


Zustande  überhaupt  keine  Wanderung  zeigen;  erst  wenn  man 
die  Lösung  schwach  alkalisch  macht,  werden  diese  nach  der 
Anode  überführt,  in  saurer  Lösung  aber  nach  der  Kathode. 

Schon  im  Jahre  1904  hat  Römer2)  Ueberführungsversuche 
mit  Tetanustoxin  und  -antitoxin  angestellt,  die  aber  keine  ein¬ 
deutigen  Resultate  gaben,  da  die  Prüfungsflüssigkeiten  offenbar 
an  den  Elektroden  geschädigt  bezw.  verändert  wurden.  —  Bei 
meinem  Glockenüberführungsapparat  ist  dieser  Uebelstand  aus¬ 
geschlossen,  wie  sich  aus  der  Abbildung  ergibt,  da  die  Elek- 


Glocke  napparat  für  elektrische  Ueberführungen. 

Die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  kommt  in  das  Gefäss  A  A. 
welches  aus  2  Glasglocken  besteht,  die  durch  eine  kommunizierende 
Röhre  verbunden  sind.  Die  beiden  Glocken  sind  durch  eine  Mem¬ 
bran  M  M  (Fischblase  oder  Pergament)  nach  unten  abgeschlossen. 
Jede  der  Glocken  taucht  in  eine  kleine  Schale  GG  mit  reinem  Wasser, 
in  das  die  Elektroden  E  E  eingeführt  sind.  R  ist  eine  Steigrohre  für 
den  Fall  sich  die  Flüssigkeit  in  A  A  erwärmt. 


troden  durch  eine  Membran  von  der  zu  prüfenden  Flüssigkeit 
getrennt  sind.  Die  Ueberführung  erfolgte  bei  108  bezw. 
400  Volt  und  dauerte  4/4  bis  6  Stunden  lang.  Die  Reaktion  im 
Ueberführungapparat  war  in  allen  Fällen  am  Schluss  des  Ver¬ 
suchs  nahezu  neutral.  —  Die  Originallösungen  vor  und  nach 
der  Ueberführung  wurden  in  bekannter  Weise  an  Meer¬ 
schweinchen  geprüft. 

Diphtherietoxin. 


Vor  der  Ueberführung: 

0,006  ccm  f  nach  3  Tagen,  0,004  ccm  f  nach  3V2  Tagen. 


Nach  der 
Kathodenseite. 

0,006  ccm  f  nach  3  Tagen, 

0,004  „  lokale  Erscheinungen. 


Ueberführung: 

Anodenseite. 

0,008  ccm  f  nach  2  Tagen, 

0,006  *  T  »  6  » 

0,004  „  glatt  davongekommen. 


Antitoxin  (=  175  I.-E.). 

Vor  der  Ueberführung: 

ilnb  ccm  =  (1  I.-E.)  Antitoxin  -J-  0,34  ccm  Toxin  f  nach  2  Tagen, 
»  »  »  ~h  0)34  „  „  t  »  2  „ 

»  v  7)  +  0,33  „  „  t  v  4  „ 


Nach  der  Ueberführung: 


Kathodenseite. 

1  I.-E.  Antitoxin  -j-  0,35  ccm  Toxin 
f  nach  3  Tagen, 
„  *  +  0,33  ccm  Toxin 

f  nach  3  Tagen. 


Anodenseite. 

1  I.-E.  Antitoxin  -J-  0,35  ccm  Toxin 
t  nach  3  Tagen, 
„  »  +  0,34  ccm  Toxin 

t  nach  3  Tagen, 
„  „  +  0,33  ccm  Toxin 

f  nach  4  Tagen. 


Toxin -Antitoxin,  gemischt  15  ccm  Toxin  mit  V*  ccm  Antitoxin 

(=  43,75  I.-E.). 

Verdünnung  1:  100. 

Vor  der  Ueberführung: 

2  ccm  t  nach  2  Tagen, 

1  „  örtliche  Erscheinungen, 

1  ))  ff  ff 

Sofort  nach  der  Mischung  überführt: 


Kathodenseite. 

1  ccm  f  nach  3  Tagen, 

0,5  ccm  örtl.  Erscheinungen. 


Anodenseite. 
1  ccm  glatt, 
0,5  ccm  glatt. 


24  Stunden  nach  der  Mischung  überführt: 


Kathodenseite. 

1  ccm  f  nach  3  Tagen, 
0,5  ccm  t  «  4  „ 


Anodenseite. 

1  ccm  t  nach  4  Tagen. 


p  The  electrical  Charge  of  Toxin  and  Antitoxin  by  Cyrus  W. 
Field  and  Oscar  Teague.  Journal  of  experimental  medicine,  IX, 
No.  1,  S.  86—92. 

2)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1904,  S.  209 — 213. 


1922 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Nö.  39. 


Toxin-Antitoxin,  gemischt  fast  neutral,  15  ccm  Toxin  +  12  ccm 

Antitoxin  (=  52,5  I.-E.). 

Vor  der  Ueberführung: 

3  ccm  f  nach  10  Tagen. 

Nach  der  Ueberführung: 

Kathodenseite.  Anodenseite. 

1,25  ccm  starke  lokale  Erschein.  1  ccm  massige  lokale  Erscheingn. 
0,8  „  geringe  „■ 

Das  gleiche  Gemisch  22  Stunden  vor  der  Ueberführung  mit  1  ccm 

Normal-Salzsäure  versetzt. 

Kathodenseite.  Anodenseite. 

1  ccm  f  nach  10  Tagen,  1  ccm  geringe  lokale  Erscheingn. 

0,5  ccm  fast  glatt. 

Aus  dieser  Tabelle  ergibt  sich,  dass  das  Diphtherietoxin 
an  der  Anode  etwas  abgeschwächt  wird,  das  Antitoxin  viel¬ 
leicht  die  Neigung  hat,  nach  der  Kathode  zu  wandern. 

Im  Toxin-Antitoxingemisch  wandert  der  Toxinüberschuss 
nach  der  Kathode,  besonders  wenn  die  Ueberführung  sofort 
nach  der  Mischung  erfolgt. 

Die  Field-  und  Teagueschen Versuche  sind  mit  einer  etwas 
anderen  Apparatur  ausgeführt.  Bei  ihnen  ist  die  kathodische 
Wanderung  im  allgemeinen,  und  die  des  Antitoxins  im  speziellen 
viel  ausgesprochener.  —  Gegen  die  Versuche  ist  kein  Einwand 
zu  erheben,  hingegen  kann  ich  den  Schlüsse  n,  welche 
die  Herren  Field  und  T  e  a  g  u  e  daraus  ziehen,  nicht 
folge  n. 

Da  Toxin  und  Antitoxin  sowohl  in  neutraler  als  in 
alkalischer  Lösung  kathodisch  wandern,  schliessen  sie  fol¬ 
gendes:  „Wenn  die  Kombination  von  Toxin  mit  Antitoxin  eine 
wahre  chemische  Reaktion  wäre,  so  müsste  man  erwarten,  dass 
unter  dem  Einfluss  des  elektrischen  Stromes  das  Toxin  nach  der 
einen  Seite,  das  Antitoxin  aber  nach  der  entgegengesetzten  Seite 
wanderte.  Das  war  aber  nicht  der  Fall  und  wir  glauben  daher, 
dass  diese  Verbindung  keine  wahre  chemische  Reaktion,  son¬ 
dern  ein  Adsorption  ist,  wie  es  ursprünglich  von  Bordet  und 
seitdem  auch  von  anderen  angenommen  wird.“  Im  Schluss¬ 
satz  sagen  die  Autoren  dann  noch  einmal:  „Die  Kombination 
von  Toxin  und  Antitoxin  scheint  keine  wahre  chemische  Re¬ 
aktion  darzustellen,  sondern  die  Adsorption  eines  Kolloids 
durch  ein  anderes.“ 

Die  Herren  Field  und  T  e  a  g  u  e  gehen  hierbei  offenbar 
von  einem  Missverständnis  aus:  sie  nehmen,  wie  sich  aus 
obigen  Darlegungen  ergibt,  an,  dass  nur  Substanzen  mit  ent¬ 
gegengesetzter  elektrischer  Ladung  wahre  chemische  Reaktionen 
eingehen  können.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall.  Die  meisten 
organischen  Reaktionen  gehen  zwischen  Körpern  vor  sich,  die 
elektrisch  neutral  sind;  ja,  es  können  sich  sogar  Stoffe  ver¬ 
binden,  die  gleichsinnige  elektrische  Ladung  aufweisen:  ich 
erinnere  an  die  Phosphor-Molybdänsäure  und  die  Phosphor- 
Wolframsäure.  Phosphorsäure,  Molybdänsäure  und  Wolfram¬ 
säure  haben  alle  ausgesprochen  sauren,  also  elektronegativen 
Charakter  und  doch  treten  sie  zu  wohlcharakterisierten  che¬ 
mischen  Verbindungen  zusammen;  die  Reihe  solcher  Beispiele 
liesse  sich  noch  beliebig  erweitern. 

Ehrlich  hat  im  Jahre  1897/98  die  Kurve  festgestellt,  in  der 
sich  Toxin  und  Antitoxin  absättigen.  Warum  diese  Kurve  so 
und  nicht  anders  verläuft,  darüber  sind  viele  Hypothesen  auf¬ 
gestellt  .worden  ohne  dass  für  die  eine  oder  die  andere  ent¬ 
scheidende  Beweise  beigebracht  werden  konnten.  —  Meines 
Erachtens  verdient  aber  keine  Hypothese  Beachtung,  die  nicht 
die  spezifische  Natur  der  Toxin-Antitoxin¬ 
bindung  berücksichtigt.  Handelte  es  sich  um  eine  blosse 
Adsorptionserscheinung,  so  wäre  es  nicht  verständlich,  warum 
das  Diphtherietoxin  gerade  nur  vom  Diphtherieantitoxin  und 
nicht  auch  vom  Tetanusantitoxin  oder  gar  den  Körpergeweben 
abgesättigt  wird.  Die  Auffassung  dieser  Bindung  als  Kolloid¬ 
adsorption,  somit  als  eines  rein  physikalischen  Vorgangs  leistet 
dem  keine  Genüge.  Zudem  wusste  man  bisher  über  die  gegen¬ 
seitige  Adsorption  in  Lösungen,  die  zwei  gelöste  Kolloide  ent¬ 
hält,  nichts;  erst  durch  die  vor  wenigen  Wochen  von  mir  ver¬ 
öffentlichte  Methode  der  „U  1 1  r  a  f  i  1 1  r  a  t  i  o  n“  3)  ist  es  mög- 

:)  Kolloidstudien  mit  der  Filtrationsmethode.  Zeitschr.  f.  nhysi- 
kal.  Chemie,  LX  (1907),  S.  257— 318. 


lieh,  solche  Fragen  zu  studieren;  aber  es  wäre  verfrüht  auf 
Grund  davon  heute  schon  weitgehende  Hypothesen  aufzu¬ 
stellen. 

Es  ist  wohl  möglich,  dass  bei  der  Bindung  von  Toxin  und 
Antitoxin  auch  die  Molekulargrösse  der  Stoffe  eine  Rolle  spielt, 
aber  keine  Tatsache  gibt  heute  das  Recht  zu  der  Annahme,  dass 
der  physikalische,  nämlich  kolloide  Zustand  allein  die  Toxin- 
antitoxinabsättigung  erkläre,  dass  es  auf  keinen  Fall  eine  che¬ 
mische  Bindung  sei. 

Man  darf  nie  vergessen,  dass  die  kolloiden  Eigenschaften 
die  Eigentümlichkeiten  ganzer  Gruppen  repräsentieren,  mit 
denen  sich  die  Spezifizität  nicht  begründen  lässt.  Von  allen 
Hypothesen  scheinen  mir  für  die  Toxinantitoxinbindung  immer 
noch  einige  Beispiele  aus  der  organischen  Chemie  die  besten 
Analoga  zu  bieten.  Hier  sehen  wir,  dass  schon  die  kleinsten, 
ja  selbst  sterische  Abweichungen,  wie  z.  B.  in  der  Zuckergruppe 
und  bei  den  Polypeptiden,  die  man  in  der  Spezifität  den  To¬ 
xinen  an  die  Seite  stellen  kann,  tiefgreifende  A'enderungen  im 
chemischen,  physikalischen  und  biologischen  Verhalten  zur 
Folge  haben. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  zu  Wiirzburg  (Vorstand:  Prof. 

Dr.  K.  B.  Lehman  n). 

Ueber  ein  ausgedehntes  Vorkommen  von  sauerstoff¬ 
freiem  Trinkwasser  in  Brunnen. 

Von  H.  K.  La  n  g,  I.  Assistent  am  Institut. 

Bei  eingehenden  Untersuchungen  über  den  Sauerstoff¬ 
gehalt  der  natürlichen  Wässer  in  Wiirzburg,  seiner  näheren 
und  ferneren  Umgebung,  fand  ich  im  Main  mehrfach  mit  Sauer¬ 
stoff  übersättigtes  Wasser,  dagegen  in  Brunnen  neben  dem 
theoretisch  möglichen  sehr  häufig  einen  verminderten  Sauer¬ 
stoffgehalt.  Zu  meiner  grossen  Verwunderung  fand  ich  in  dem 
Dorfe  Veitshöchheim  einen  Brunnen  mit  vollkommen  sauer¬ 
stofffreiem  Wasser  und  endlich  in  dem  Städtchen  Heidingsfeld 
eine  grosse  Anzahl  analoger  Brunnen,  ohne  dass  die  chemische 
Zusammensetzung  der  Wässer  irgend  etwas  ergeben  hätte,  was 
als  Erklärung  für  dieses  auffallende  Vorkommnis  hätte  an- 
sehen  werden  können.  Vor  allem  enthielten  die  Brunnen  weder 
Eisen,  noch  organische  Substanzen  in  Mengen,  die  über  das 
für  ein  reines  Wasser  der  hiesigen  Gegend  übliche  sehr  nie¬ 
drige  Mass  hinausgehen.  Der  Sauerstoffverbrauch  durch  die 
organische  Substanz  bei  Permanganattitrierung  war  nämlich 
pro  Liter  etwa  0,4 — 0,8  mg,  ein  bestimmbarer  Eisengehalt  war 
nicht  vorhanden.  Die  Keimzahl  war  meist  sehr  niedrig. 

Ich  habe  die  Verhältnisse  in  dem  4  km  oberhalb  Wiirzburg 
am  linken  Mainufer  gelegenen  Städtchen  Heidingsfeld  zum 
Gegenstand  eines  Spezialstudiums  gemacht  und  dabei  folgendes 
festgestellt: 

Von  den  im  Zentrum  der  etwa  150  m  vom  Main  gelegenen 
Stadt  befindlichen  Brunnen  zeigen  32  einen  Gehalt  zwischen 
0  und  0,6  ccm  Sauerstoff  im  Liter;  6  zeigen  einen  Gehalt 
von  1,6 — 2,5;  17  von  2,6 — 3,5;  31  von  3,6 — 4,5  bei  einer  Tem¬ 
peratur  von  8—10  °,  Sommer  wie  Winter  gleich.  Auch  im  Laufe 
der  Jahre  wurden  keine  wesentlichen  Aenderungen  konstatiert. 
Die  nächsten  untersuchten  Brunnen  sind  ungefähr  150  m  vom 
Main  entfernt,  näher  am  Main  ist  nur  1  Brunnen.  Der  sauer¬ 
stoffarme  Bezirk  ist  umgeben  von  anderen,  welche  Brunnen 
besitzen,  deren  Sauerstoffgehalt  von  2,6 — 6,5  ansteigt;  näheres 
wäre  nur  mit  Hilfe  einer  Karte  zu  sagen.  Die  erste  Vermutung, 
es  möchte  das  sauerstoffarme  Wasser  etwa  durchgesickertes 
Mainwaser  sein,  ist  absolut  unhaltbar,  denn  1.  ist  der  Main 
sauerstoffreich,  2.  das  sauerstoffarme  Wasser  sehr  hart,  es  zeigt 
1200—1400  mg  Rückstand  und  endlich  lässt  sich  3.  der  sauer¬ 
stofffreie  Bezirk  in  einer  Kette  von  Brunnen  bis  über  den 
Badischen  Bahnhof  hinaus  den  Berg  hinauf  verfolgen.  Es 
macht  also  den  Eindruck,  als  ob  das  harte  Wasser  sauerstoff¬ 
frei  vom  Berg  unterirdisch  herabströme  und  die  zentral  ge¬ 
legenen  Brunnen  von  Heidingsfeld  speise.  Die  sauerstoff¬ 
haltigen  Wässer  sind  zum  grossen  Teil  rückstandärmer,  haben 
nur  600 — 700  mg;  nur  an  einer  Stelle  kommt  eine  sauerstoff- 
reiche,  gleichzeitig  rückstandreiche  Brunnenzone  zur  Beob¬ 
achtung.  Wie  erklärt  sich  nun  dieser  sauerstofffreie  Grund¬ 
wasserstrom  2  In  der  Literatur  habe  ich  nur  eine  Angabe  von 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


192.1 


sauerstofffreiem  Wasser  gefunden  und  zwar  war  dies  ein  ver¬ 
unreinigtes  Wasser,  während  unsere  Wässer  alle,  wie  oben 
bemerkt,  rein  sind.  Zwei  Erklärungsmöglichkeiten  drängen 
sich  sofort  auf.  Entweder  muss  dem  Wasser  durch  unlösliche 
organische  Substanz  oder  durch  Bakterien  der  Sauerstoff  ent¬ 
zogen  worden  sein.  Bei  der  Eisenarmut  der  ganzen  Gegend 
und  speziell  des  Wassers  habe  ich  den  Gedanken,  dass  es  Eisen¬ 
verbindungen  seien,  überhaupt  nicht  weiter  verfolgt.  Dagegen 
glaube  ich  durch  folgende  Versuche  die  Heidingsfelder  Ver¬ 
hältnisse  aufgeklärt  zu  haben. 

Ich  konnte  zeigen: 

1.  Sterilisierte  Abkochungen  von  Torf,  die  man  mit  Sauer¬ 
stoff  gesättigt  hat,  verlieren  ihren  Sauerstoffgehalt  bei  Zimmer¬ 
temperatur  langsam  in  etwa  30  Tagen. 

2.  Mischungen  von  Wasser  und  Torf,  denen  man  Chloro¬ 
form  in  Ueberschuss  zugesetzt  hat,  die  entweder  keimfrei  oder 
sehr  keimarm  befunden  wurden,  zeigen  ein  langsames  Ver¬ 
schwinden  des  Sauerstoffes  in  30  Tagen. 

3.  Ein  rasches  Verschwinden  des  Sauerstoffes  erhält  man, 
wenn  man  Torf  und  Wasser  ohne  Sterilisierung  zusammen¬ 
bringt,  oderTorfabkochungen  zu  mit  Sauerstoff  gesättigtem 
nicht  sterilisiertem  Wasser  setzt.  Es  verschwindet  unter 
diesen  Umständen  der  Sauerstoff  in  24  Stunden. 

4.  Sehr  leicht  gelang  es  mir  auch,  eine  Reihe  von  Bak¬ 
terien,  am  besten  Bacillus  subtilis  und  seine  Verwandten  in 
sauerstofffreiem  Wasser  zu  erzielen  und  starke  Vermehrung  der 
Bakterien,  wenn  ich  dem  Wasser  kleine  Mengen  organischer 
Substanzen  beisetzte.  Da  nun  das  Heidingsfelder  Wasser 
organische  Substanz  nur  etwa  entsprechend  0,5  mg  Sauerstoff¬ 
verbrauch  pro  Liter  enthält,  und  die  Bakterienzahl  gewöhnlich 
um  150  herum  gefunden  wird,  so  muss  zur  Erklärung  des  Be¬ 
fundes  angenommen  werden,  dass  das  Wasser  durch  einen 
schwer  lösliche  organische  Substanz  enthaltenden  Boden  fliesst, 
darin  entweder,  ohne  Beteiligung  von  Bakterien  langsam,  oder 
mit  Beteiligung  von  Bakterien  rasch,  seinen  Sauerstoff  verliert. 
Wenn  Bakterien  dabei  beteiligt  sind,  so  werden  sie  von  den 
Sandschichten  abfiltriert. 

Ich  habe  schliesslich  zur  Prüfung  dieser  Vorstellung 
einen  Apparat  konstruiert,  indem  ich  einige  Hände  voll  Torf 
mit  Wasser  mischte,  dieses  Wasser  durch  eine  Röhre  von  4  m 
mit  natürlichem  sterilen  Heidingsfelder  Sand  aus  der  ent¬ 
sprechenden  Gegend  langsam  durchtreten  liess;  ich  erhielt  so 
nach  kurzer  Zeit  ein  Wasser,  das  sauerstofffrei,  ziemlich  keim¬ 
arm  (200 — 300  Keime)  und  sehr  arm  an  organischen  Substanzen 
war.  Ich  liess  den  Apparat  VA  Jahre  lang  ohne  etwas  daran 
zu  machen,  gehen,  das  Wasser  blieb  sauerstofffrei,  derTorf  war 
nicht  verändert.  Die  späteren  Wasserproben  enthielten  nur 
noch  Spuren  organischer  Substanzen,  nämlich  im  Liter  0,8  bis 
0,9  mg  Sauerstoffverbrauch. 

Mit  einem  Wort  mag  auch  erwähnt  sein,  dass  ich  auch  mit 
Weglassen  von  Torf  nur  unter  Verwendung  von  Heidingsfelder 
Sand  in  4  m  langer  Röhre  nach  etwa  8  Wochen  ein  fast  voll¬ 
kommen  sauerstofffreies  Wasser  erhielt.  Doch  blieb  dieses 
Wasser  nicht  sauerstofffrei,  schon  nach  weiteren  4  Wochen 
war  wieder  ein  Sauerstoffgehalt  von  3  mg  erreicht,  der  später 
noch  etwas  stieg. 

In  den  Mitteilungen  der  Würzburger  physikalisch  medi¬ 
zinischen  Gesellschaft  werde  ich  demnächst  nicht  nur  über  das 
Heidingsfelder  Wasser  sondern  über  meine  zahlreichen  anderen 
Ergebnisse  ausführlich  im  Zusammenhang  berichten,  und  dabei 
auch  eine  Reihe  merkwürdiger  Tatsachen  besprechen,  die  ich 
über  Nitritbildung  im  Wasser  erhalten  habe. 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  der  Charite  (Geheim¬ 
rat  B  u  m  m). 

Zur  Verbreitungsweise  des  Pemphigus  neonatorum. 

Von  Stabsarzt  Dr.  Ko-wnatzki,  Oberarzt  an  der  Klinik. 

Der  Pemphigus  neonatorum  acutus  benignus,  von  welchem 
in  der  Folge  allein  die  Rede  ist,  stellt,  wie  bekannt,  eine  konta- 
giöse  Erkrankung  dar,  welche  neugeborene  Kinder,  und  zwar 
meist  gesunde  und  kräftige,  gewöhnlich  zwischen  dem  4.  und 
9.  Lebenstage  befällt.  Er  ist  charakterisiert  durch  schubweises 
Auftreten  linsen-  bis  erbsengrosser  Bläschen  auf  der  Haut  des 
Kindes,  welche  später  platzen  und  eine  trübseröse  Flüssigkeit 


entleeren.  Die  Affektion,  die  mit  Lues  nichts  zu  tun  hat,  ver¬ 
läuft  ohne  nennenswerte  Störungen  im  Befinden  des  Kindes 
und  endet  in  etwa  12  bis  20  Tagen  mit  Genesung. 

In  dem  Blaseninhalte  hat  man  oft,  wenn  auch  nicht  immer, 
Staphylokokken  nachweisen  können.  Es  erscheint  daher  die 
Annahme  berechtigt,  dass  eine  Staphylokokkenart  Träger  der 
Infektion  ist,  nach  K  o  b  1  a  n  c  k  der  Staphylococcus  aureus 1). 

Die  Verbreitung  der  Krankheit  geht  in  der  Weise  vor  sich, 
dass  der  infektiöse  Blaseninhalt  durch  irgendwelche  Zwischen¬ 
personen  oder  -Gegenstände  von  einem  Kinde  auf  das  andere 
verschleppt  wird.  Als  solche  kommen  ausser  Badeschwäm¬ 
men,  die  in  der  hiesigen  Klinik  nicht  in  Gebrauch  sind,  —  die 
Kinder  werden  bis  zum  Abfallen  des  Nabels  überhaupt  nicht  ge¬ 
badet  —  in  erster  Linie  die  Hände  der  Pflegerinnen  in  Betracht. 
Zwar  deuten  einzelne  Beobachtungen  auf  die  Möglichkeit  hin, 
dass  Kinder  auch  durch  staphylokokkenhaltiges  Lochialsekret 
ihrer  Mütter,  auch  schon  innerhalb  des  Genitalschlauches,  mit 
Pemphigus  infiziert  werden  können,  doch  ist  dieser  Er¬ 
krankungsmodus,  wenn  er  überhaupt  besteht,  zweifellos  ein 
seltener.2) 

Die  Uebertragung  durch  die  Hand  der  Pflegerin  trat 
ausserordentlich  prägnant  in  einer  Endemie  hervor,  welche  in 
der  Universitäts-Frauenklinik  der  Charite  zur  Beobachtung  ge¬ 
langte.  Deshalb  und  weil  eine  ungenügende  Würdigung  dieser 
Art  der  Verschleppung  naturgemäss  eine  wirksame  Be¬ 
kämpfung  des  Pemphigus  unmöglich  machen  muss  —  gebe 
ich  dieselbe  kurz  wieder. 

Schon  im  Januar  07  fiel  eine  grössere  Zahl  von  Bläschen¬ 
kindern  auf.  Von  der  soeben  wiedergegebenen  Anschauung 
ausgehend  wurden  damals  1.  alle  erkrankten  Kinder  sofort  in 
einem  besonderen  Zimmer  einer  älteren,  erfahrenen  Schwester 
am  Tage  und  einer  besonderen  Pflegerin  in  der  Nacht  anver¬ 
traut.  Andere  Wärterinnen  kamen  mit  den  befallenen  Kindern 
nicht  in  Berührung  ebensowenig  durften  die  Mütter  derselben 
ein  gesundes  Kind  anfassen.  Die  Nachtpflegerin  durfte  selbst¬ 
verständlich  keinesfalls,  die  ältere  Schwester  nur  nach  sorg¬ 
fältigster  Desinfektion  der  Hände  sich  mit  anderen  Kindern  zu 
schaffen  machen;  2.  wurden  den  Kindern,  um  ein  Verschmieren 
des  Blaseninhaltes  durch  sie  selbst  an  ihrem  eigenen  Körper  zu 
verhindern,  die  Händchen  unter  die  Jacke  gebunden  und  3. 
wurden  alle  Blasen  möglichst  mit  Verbänden  bedeckt. 

Diese  Massregeln  führten  auch  eine  schnelle  Verminderung 
des  Pemphigus  herbei,  dessen  Frequenz  jedoch  wieder  zunahm, 
als  sie  im  nächsten  Monate  unter  anderer  Stationsleitung  nicht 
weiter  fortgesetzt  wurden,  sondern  wieder  das  gleiche  Per¬ 
sonal  kranke  und  gesunde  Kinder  durcheinander  besorgte. 
Derselbe  Wechsel  wiederholte  sich  noch  einmal  im  März  und 
im  April.  Im  März  Trennung  des  Personals,  Abnahme  des 
Pemphigus,  im  April  gemeinschaftliches  Personal,  Zunahme. 

Im  Mai  wurde  nun  mit  aller  Energie  in  der  Weise  vor¬ 
gegangen,  dass  wieder  ein  besonderes  Pemphigu’szimmer  mit 
getrenntem  Personal  eingerichtet  wurde.  In  dieses  wurden 
dieses  Mal  die  Kinder  mit  ihren  Müttern  hineingelegt.  Gleich¬ 
zeitig  wurden  die  anderen  Krankenräume,  beginnend  mit  dem 
Zimmer  der,  wie  unten  ersichtlich,  die  Infektion  in  der  Haupt¬ 
sache  tragenden  Wärterin  Emma  nach  einander  leer  gemacht. 
Die  Schwestern  bezw.  Wärterinnen  wurden  für  einige  Tage 
ausser  Funktion  gesetzt,  mussten  sich  während  dieser  Zeit  ein¬ 
gehend  und  zum  Teil  unter  Aufsicht  Hände  und  Arme  des¬ 
infizieren,  baden  und  frische  Wäsche  anlegen.  Die  Räume  selbst, 
Betten  etc.  wurden  mit  Formalin  ausgedampft.  So  gelang  es, 
bis  zum  23.  Mai  des  Pemphigus  Herr  zu  werden.  Ich  gebe 
nun  den  Gang  der  Endemie  während  des  Mai  wieder. 

Ausgangspunkt  derselben  war  ein  älteres  Kind,  Else  Müller, 
welches  schon  im  März  erkrankt  und  im  April  auf  den  Saal  der 
Wärterin  Emma  gelegt  war.  Es  wurden  nun  befallen: 


Am 

2.  Mai 

Kind  Menzel 

bei 

der 

Wärterin 

Emma. 

3.  „ 

„  Schneider 

n 

ff 

ff 

ff 

3.  „ 

„  Schumann 

v 

„  • 

ff 

ff 

ff 

5.  „ 

„  Neumann 

ff 

» 

ff 

ff 

U  Koblanck:  Ueber  Pemphigus  neonatorum.  Zeitschrift  fiir 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd.  LVII,  3. 

2)  Verhandlungen  der  Gesellschaft  fiir  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  in  Berlin,  23.  Februar  1906. 

2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


1924 


Inzwischen  wurde  die  Wärterin  Emma  behufs  Desinfektion  aus 
dem  Dienste  gezogen  und  ihre  Abteilung  zu  demselben  Zwecke  ge¬ 
schlossen. 


Es  erkrankten  weiter: 


Am  7.  Mai 

Kind  Kloss 

bei  der  Schwester  Frieda 
(von  der  Wärterin  Emma  zu 
dieser  verlegt). 

„  8.  „ 

„  Müller 

bei  der  Schwester  Ilse 
(von  der  Wärterin  Emma  zu 
dieser  verlegt). 

„  8.  „ 

„  Kreidenberg 

bei  der  Schwester  Ilse. 

„  17.  „ 

„  Lorenz 

v  v  v  Magda 

(von  der  Schwester  Frieda, 
deren  Abteilung  inzwischen  ge¬ 
schlossen,  zu  dieser  verlegt). 

*  23.  „ 

„  Kniest. 

bei  der  Schwester  Magda. 

Sieht  man  sich  diese  Zusammenstellung  an,  so  erhellt  aus 
derselben  auf  das  Deutlichste,  dass  die  Infektion  von  dem  Kinde 
Else  Müller  auf  die  Kinder  Menzel,  Schneider,  Schumann,  Neu¬ 
mann,  Kloss  und  Müller  durch  die  Wärterin  Emma,  welche  alle 
diese  Kinder  gemeinsam  besorgt  hatte,  übertragen  worden  war. 
Von  den  Kindern  Kloss  und  Müller,  welche  bei  der  Evakuierung 
des  Saales  der  Emma  zu  den  Schwestern  Frieda  und  Ilse  ge¬ 
kommen  waren,  nahmen  diese  Keime  an  ihren  Fingern  auf, 
die  sie  an  die  Kinder  Kreidenberg  und  Lorenz  Weitergaben. 
Vom  Kinde  Lorenz,  das  nach  Schluss  des  Saales  der  Frieda 
zu  Schwester  Magda  gelangt  war,  wurde  über  diese  das  Kind 
Kniest  infiziert. 

Ausser  den  obigen  9  wurden  noch  4  Kinder  befallen: 


Am  4.  Mai 

Kind  Knidzia 

bei  der  Schwester  Käte. 

„  15.  „ 

„  Seipel 

V  V  V  V 

-  4.  „ 

„  Suhr 

kam  mit  Bläschen  vom  Gebär- 

saal. 

n  15.  » 

„  Stenicka 

Kind  einer  Hausschwangeren. 

Bei  diesen  Kindern  lässt  sich  die  Erkrankung  nicht  mit 
derselben  mathematischen  Bestimmtheit  wie  bei  den  oben  auf¬ 
gezählten  auf  das  Kind  Else  Müller  zurückführen.  Da  die  Else 
Müller,  ein  älteres  Pubotomiekind,  aber  während  des  Monats 
April  im  ganzen  Hause  herumgetragen  und  von  den  ver¬ 
schiedensten  Schwestern  gehätschelt  worden  war,  unter  diesen 
auch  von  der  Hebamme,  welche  die  Mutter  des  Kindes  Suhr 
entband  und  dieses  zurecht  machte,  ebenso  auch  von  Haus¬ 
schwangeren,  so  erscheint  mir  persönlich  auch  hier  ein  Zu¬ 
sammenhang  nicht  zweifelhaft. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  zu  Kyoto 
(Direktor :  Prof.  Matsushita). 

Ueber  den  Nachweis  von  Typhusbazillen  in  den  Läusen 

Typhuskranker. 

Von  Dr.  med.  Nakao  Abe. 

Es  ist  eine  längst  bekannte  Tatsache,  dass  die  Stechmücke 
der  direkte  Vermittler  der  Malaria  ist,  und  dass  Fliegen  die 
pathogenen  Keime  aus  dem  Unrat  der  Cholera-  und  Dysenterie¬ 
kranken  auf  Nahrungsmittel  übertragen  und  dadurch  die  Krank¬ 
heit  weiter  verbreiten. 

Die  Typhusbazillen  sind  nicht  nur  im  Darm,  sondern  auch 
im  Blut,  besonders  im  Roseolablut  (ca.  93  Proz.)  nachweisbar. 
Es  ist  daher  leicht  denkbar,  dass  alle  pathogenen  Keime  im 
menschlichen  Blut  in  den  Körper  von  Hautparasiten  (Läuse  und 
Flöhe)  und  Stechmücken  übergehen,  wenn  diese  Blut  saugen. 
E 1  ü  g  g  e  u.  a.  meinen,  dass  das  Ungeziefer  für  die  Verbreitung 
der  kontagiösen  Infektionskrankheiten  nicht  ohne  Bedeutung 
ist.  Tsujitani  hat  im  Jahre  1901  aus  einem  Floh,  welcher 
sich  an  einer  an  Pest  leidenden  Maus  befand,  den  Pestbazillus 
isoliert  und  später  hat  Herzog  ähnliches  beobachtet. 

Indessen  hat  man  bisher  in  menschlichem  Ungeziefer  Er¬ 
reger  von  Infektionskrankheiten  nicht  nachgewiesen.  Da  dies 
aber  prophylaktisch  sehr  wichtig  ist,  habe  ich  mich  besonders 
mit  dieser  Frage  beschäftigt  und  versucht,  in  Flöhen  und 
Läusen,  welche  an  Typhuskranken  und  deren  Pflegerinnen 
schmarotzten,  Typhusbazillen  nachzuweisen. 

Ich  habe  zunächst  in  einem  sterilisierten  Reagenzglas  an¬ 
gesammelte  Läuse  und  Flöhe  einige  Minuten  lang  in  0,1  proz. 


Sublimatlösung  getaucht,  hernach  dieselben  mit  sterilisiertem 
Wasser  gründlich  abgespült  und  in  einem  sterilisierten  Mörser 
fein  zerrieben.  Das  so  zerriebene  Ungeziefer  habe  ich  unter 
die  Haut  einer  weissen  Maus  geimpft  und  auf  Nährböden  von 
D  r  i  g  a  1  s  k  i  und  C  o  n  r  a  d  i,  sowie  von  Endo  aufgestrichen ; 
das  Reagenzglas,  das  ich  zum  Ansammeln  des  Ungeziefers  be¬ 
nutzt  habe,  wurde  mit  ca.  10  ccm  Bouillon  gefüllt  und  24  Stun¬ 
den  lang  bei  einer  Temperatur  von  37°  C.  in  den  Brutschrank 
gestellt;  mit  dieser  Bouillon  wurden  Strichkulturen  auf  Typhus¬ 
nährböden  von  Endo,  Drigalski  und  C  o  n  r  a  d  i  angelegt. 
Die  Bakterien,  welche  wir  aus  typhusähnlichen  Kolonien  und 
aus  den  inneren  Organen  der  Versuchstiere  isolierten,  wurden 
differentialdiagnostisch  mit  allen  modernen  Methoden  unter¬ 
sucht.  Es  wurde  die  Form  der  Bakterien  berücksichtigt,  die 
Färbbarkeit  nach  Gram  geprüft;  Gelatineplatten-  und  Kar¬ 
toffelstrichkulturen  wurden  angelegt,  die  Fähigkeit  Milch  zu 
koagulieren  und  Gas  zu  bilden,  wurde  untersucht,  und  schliess¬ 
lich  wurde  mit  über  500  fach  verdünntem  Typhusiinmunserum 
ein  Agglutinationsversuch  angestellt. 

Die  durch  die  oben  erwähnten  Methoden  erzielten  Resul¬ 
tate  sind  folgende: 

I.  Name  des  Patienten:  T.  K. 

Am  31.  Mai  impfte  ich  6  zerriebene  Kleiderläuse  unter  die  Bauch¬ 
haut  einer  Maus;  die  Maus  starb  am  3.  Juni.  Die  Sektion  erfolgte 
sofort;  sie  ergab:  Milzvergrösserung  und  leichte  Pneumonie;  in  dem 
Herzblut,  der  Milz  und  der  Leber  waren  Typhusbazillen  nachweisbar. 

Auf  mit  1,  2,  3,  4  und  6  zerriebenen  Kopfläusen  bestrichenen 
Typhusnährböden  wuchsen  gleichfalls  Typhuskolonien. 

An  der  Innenwand  der  Reagenzgläser,  in  welchen  die  Läuse  an¬ 
gesammelt  wurden,  war  der  Typhusbazillus  ebenfalls  nachweisbar. 

II.  Name  der  Patientin:  F.  Y. 

Am  31.  Mai  wurden  einige  Kleiderläuse  unter  die  Rückenhaut 
einer  Maus  geimpft;  die  Maus  starb  am  1.  Juni.  Die  sofort  vorge¬ 
nommene  Sektion  ergab  folgendes:  Milz  ca.  doppelt  vergrössert; 
Hepatitis;  Lungen,  Herz  und  Nieren  normal.  Bakteriologisch  im  Herz¬ 
blut  und  in  der  Milz  Typhusbazillen  nachweisbar,  aber  nicht  in  Leber 
und  Nieren. 

Auf  den  mit  Kleiderläusen  bestrichenen  Typhusnährböden  und 
an  der  Innenwand  des  Reagenzglases  sind  Typhusbazillen  nach¬ 
weisbar. 

III.  Name  der  Patientin:  M.  S. 

Am  31.  Mai  eine  zerriebene  Kleiderlaus  unter  die  Rüokenhaut 
einer  Maus  geimpft.  Die  Maus  starb  am  1.  Juni.  Sektion  erfolgte 
sofort:  Milz  vergrössert,  die  anderen  inneren  Organe  normal.  Es 
gelang  nicht,  in  den  inneren  Organen  der  Maus  Typhusbazillen  nach¬ 
zuweisen;  Typhusnährboden,  auf  dem  eine  Kleiderlaus  ausgestrichen 
wurde,  blieb  steril,  ebenso  die  in  das  Reagenzglas  gegossene  Bouillon. 
(An  dieser  Patientin  wurden  nur  2  Läuse  gefunden.) 

IV.  Name  der  Patientin:  K.  K. 

Am  31.  Mai  impfte,  ich  unter  die  Rückenhaut  einer  Maus  2  zer¬ 
riebene  Kleiderläuse  und  unter  die  Rückenhaut  einer  zweiten  Maus 
5  Kopfläuse.  Die  letztere  starb  am  3.  Juni;  die  Sektion  erfolgte 
sofort  und  ergab  folgendes:  Pneumonie  und  Milzvergrösserung;  bak¬ 
teriologischer  Befund  im  Herzblut,  Milz  und  Leber  positiv.  Die  erste 
Maus  starb  am  2.  Juni.  Bei  der  Sektion  fand  man  nur  Milzver¬ 
grösserung;  in  Herzblut  und  Milz  waren  Typhusbazillen  nachweisbar; 
in  Leber  und  Nieren  gelang  der  Nachweis  nicht. 

Auf  Typhusnährböden  mit  2,  4  und  6  Stück  Kopfläuse  entwickelten 
sich  Typhuskolonien;  ebenso  war  der  Typhusbazillus  an  der  Innen¬ 
wand  des  Reagenzglases  nachweisbar. 

V.  Name  der  Pflegerin  eines  Typhuskranken:  O.  T. 

Am  31.  Mai  wurde  ein  Floh,  der  sich  am  Körper  der  Pflegerin 
befand,  unter  die  Rückenhaut  einer  Maus  geimpft.  Die  Maus  blieb 
gesund.  Auf  Typhusnährboden,  der  mit  einem  zerriebenen  Floh  be¬ 
strichen  wurde,  entwickelte  sich  keine  Typhuskolonie. 

VI.  Name  der  Pflegerin  eines  Typhuskranken:  O.  W. 

Die  am  31.  Mai  mit  ein  paar  Flöhen  vorgenommenen  Experimente 
verliefen  negativ  wie  bei  V. 

Aus  den  vorstehend  aufgeführten  Tatsachen  geht  hervor, 
dass  die  Kleider-  und  Kopfläuse,  welche  an 
Typhuskranken  schmarotzen,  Typhusbazil¬ 
len  (75  Proz.)  enthielten,  dass  dagegen  in  Flöhen,  die 
auf  Pflegerinnen  Typhuskranker  schmarotzen,  der  Bazillus 
nicht  nachweisbar  war.  Das  letztere  hat  seinen  Grund  darin, 
dass  immer  nur  wenig  Untersuchungsmaterial  zu  erhalten  war. 
Selbstverständlich  lässt  sich  aus  den  negativen  Resultaten  nicht 
schliessen,  dass  die  Flöhe  der  Pflegerinnen  keine  pathogenen 
Keime  enthielten. 

Aus  dem  Gesamtresultat  meiner  Experimente  ist  zu  ent¬ 
nehmen,  dass  das  Ungeziefer  am  menschlichen 
Körper  bei  der  Verbreitung  der  kontagiösen 
Infektionskrankheiten,  insbesondere  bei 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1925 


Typhus,  wahrscheinlich  eine  wichtige  Rolle 
spielt. 

Zur  Arsenikbehandlung  der  Syphilis. 

Von  Professor  Bettmann  in  Heidelberg. 

Die  aufsehenerregenden  Mitteilungen  über  die  Wirkung 
des  Atoxyl  bei  der  Syphilis  lenken  die  Aufmerksamkeit  auf 
altere  Erfahrungen  zurück,  die  bei  der  Anwendung  von  Arsenik 
in  Fällen  der  Syphilis  gewonnen  wurden.  Wenn  anders  es 
sich  bei  den  Atoxylkuren  um  eine  reine  Arsenikwirkung  oder 
wenigstens  wesentlich  um  eine  solche  handelt,  gewinnen  alle 
einschlägigen  Beobachtungen  Interesse,  auch  wenn  sie  sich 
auf  die  Wirksamkeit  anderer  Arsenikpräparate  beziehen. 

Arsenik  ist  zu  verschiedenen  Zeiten  und  in  verschiedenen 
Anwendungsformen  bei  Syphilitikern  benützt  worden;  an  ein¬ 
zelnen  deutschen  und  französischen  Kliniken  (L  e  w  i  n,  R  i  - 
c  o  r  d)  wurde  davon  ausgiebig  Gebrauch  gemacht.  Mehrere 
Präparate,  die  für  die  Syphilisbehandlung  empfohlen  wurden, 
stellen  Kombinationen  von  Quecksilber  und  Arsenik  dar;  so 
z.  B.  das  in  den  letzten  Jahren  von  manchen  vielbenutzte 
Enesol.  Aber  man  hat  dem  Arsenik  keine  spezifische  Wirk¬ 
samkeit  auf  die  Syphilis  zugeschrieben,  sondern  nur  seine 
roborierende  und  tonisierende  Kraft  in  Betracht  gezogen,  und 
in  diesem  Sinne  mancherorts  die  Arsenikpräparate  als  geeignete 
Unterstützungsmittel  der  Syphilisbehandlung  erprobt.  So  ver¬ 
wende  auch  ich  seit  Jahren  Arsenik  gerne  bei  anämischen  und 
dekrepiden  Syphilitischen  im  Sekundärstadium  zur  „Nachkur“ 
nach  der  Quecksilberbehandlung;  es  scheint  mir,  dass  gerade 
unter  der  Arsenikwirkung  bei  solchen  Patienten  der  Kräfte- 
und  Ernährungszustand  sich  hebt  und  die  Anämie  günstiger 
als  durch  Eisenpräparate  beeinflusst  wird.  Nennenswerte  Ge¬ 
wichtszunahmen  sind  dabei  nicht  selten  festzustellen.  Der¬ 
artige  Wirkungen  des  Mittels  sind  ja  auch  nicht  weiter  ver¬ 
wunderlich.  Bei  der  Darreichung  von  Arsenik  während  der 
Quecksilberkur  habe  ich  in  mehreren  Fällen  schwere  Darm¬ 
störungen  gesehen,  die  vielleicht  zur  Vorsicht  mahnen  müssen. 

Weiterhin  verordne  ich  öfter  Arsenik  im  Sekundärstadium 
der  Syphilis  bei  starken  und  persistierenden  Drüsenschwel¬ 
lungen.  In  mehreren  Fällen  erschien  die  Wirkung  des  Mittels 
ganz  auffällig  gut,  in  anderen  Fällen  befriedigend,  und  ich  halte 
sie  der  von  anderen  Seiten  empfohlenen  Jodbehandlung  jener 
Kranken  mindestens  für  gleichwertig. 

Meist  wurde  unter  den  genannten  Voraussetzungen  die 
Solutio  Fowleri  zum  innerlichen  Gebrauch  in  mittleren  Dosen 
und  in  längerdauernder,  oft  mehrmonatlicher  Anwendung  ver¬ 
schrieben.  Wenn  nun  aber  für  mich  der  Eindruck  besteht,  dass 
eine  derartige  Medikation  nach  den  angegebenen  Richtungen 
hin  für  Syphilitische  nützlich  sein  kann,  so  muss  um  so  nach¬ 
drücklicher  hervorgehoben  werden,  dass  es  durch  solche  Ar¬ 
senikkuren  nicht  gelingt,  den  Rezidiven  der  sekundären  Syphilis 
vorzubeugen.  Ich  halte  mich  nicht  einmal  für  berechtigt,  an¬ 
zunehmen,  dass  durch  sie  die  Latenzperioden  der  Krankheit 
verlängert  werden.  Zum  mindesten  beweisen  einzelne  schein¬ 
bare  Erfolge  nichts  gegenüber  der  wichtigen  Erfahrung,  dass 
auch  Wiederausbrüche  der  Krankheit  während 
der  Arsenikkur  zu  verzeichnen  waren.  Sie  traten  be¬ 
sonders  in  Form  von  Erkrankungen  der  Mundhöhle  und  von 
nässenden  Papeln  an  den  Genitalien  zutage. 

Geradezu  auffällig  günstige  Wirkungen  der  Arsenik¬ 
behandlung  habe  ich  in  3  Fällen  von  Lues  maligna  praecox 
gesehen.  Veranlassung  zur  Arsenikkur  gab  bei  den  Patienten 
eine  ausgesprochene  Intoleranz  gegen  Quecksilber,  die  Wir¬ 
kungslosigkeit  von  Jodpräparaten  und  die  Unmöglichkeit,  aus 
äusseren  Umständen  eine  Zittmannkur  durchzuführen,  die  uns 
in  der  Klinik  bei  der  Bekämpfung  der  malignen  Lues  ganz 
vortreffliche  Dienste  leistet.  Die  Patienten  bekamen  Arsenik 
teils  innerlich  in  grossen  Dosen,  teils  in  Form  von  Injektionen 
des  1  proz.  Liquor  natrii  arsenicosi.  Schwerste  Rupiaefflores- 
zenzen  und  ulzeröse  Syphilide  speziell  an  den  behaarten 
Körperstellen  bildeten  sich  prompt  zurück,  das  Allgemein¬ 
befinden  hob  sich,  das  Körpergewicht  stieg.  Zwei  dieser 
Kranken  konnten  durch  lange  Zeit  weiter  beobachtet  werden. 
Bei  beiden  kam  es  schon  wenige  Monate  nach  Beendigung  der 
Arsenikbehandlung  zu  schweren  Rezidiven  an  der  Haut,  die 


wiederum  unter  einer  Arseniktherapie  zurückgingeri.  Nach 
erzielter  Besserung  wurde  aber  jetzt  von  neuem  eine  Queck¬ 
silberkur  versucht,  deren  Durchführung  auch  gelang.  In  einem 
4.  Falle  von  Lues  maligna  praecox  hat  die  Behandlung  mit 
Injektionen  von  Liqu.  natrii  arsenicosi  keinen  Erfolg  gehabt. 

Diese  Erfahrungen  verdienen  im  Hinblick  auf  die  ausser¬ 
ordentlich  günstigen  Erfolge  mitgeteilt  zu  werden,  die  auch  mit 
dem  Atoxyl  gerade  bei  der  Lues  maligna  erzielt  worden  sind 
(Lesser,  Hoff  mann  u.  a.).  Ich  hatte  bis  jetzt  Gelegenheit, 
in  zwei  Fällen  von  Lues  maligna  das  Atoxyl  in  den  „typischen“ 
hohen  Dosen  anzuwenden.  Im  einen  Falle  trat  die  Wirkung 
überraschend  schnell  und  gründlich  zutage,  im  anderen  Falle 
war  sie  wenigstens  befriedigend.  Aus  den  bisher  vorliegenden 
Berichten  über  die  Anwendung  des  Atoxyl  geht  überein¬ 
stimmend  hervor,  dass  gerade  bei  der  malignen  Lues  das 
Atoxyl  eine  unverkennbar  günstige  Wirkung  entfaltet  und  man 
darf  sich  freuen,  hier  ein  neues,  anscheinend  zuverlässiges 
Mittel  bei  der  Bekämpfung  von  Luesformen  gewonnen  zu 
haben,  die  für  die  Patienten  eine  besonders  schwere  Plage  be¬ 
deuten  und  bei  denen  die  Quecksilbertherapie  zum  mindesten 
zeitweilig  im  Stiche  lässt  oder  gar  Schaden  bringt.  Wie  weit 
allerdings  in  solchen  Fällen  das  Atoxyl  den  alten  Arsenik¬ 
präparaten  überlegen  ist,  und  wieweit  die  erzielten  Resultate 
eine  dauernde  Heilung  bedeuten  oder  nur  einen  vorläufigen  Er¬ 
folg,  wird  noch  zu  erproben  sein.  Unter  keinen  Umständen 
aber  wird  man  bei  der  Bewertung  des  therapeutischen  Ein¬ 
flusses  des  Atoxyl  wie  der  Arsenikpräparate  überhaupt  von  der 
malignen  Lues  aus  verallgemeinernd  auf  die  typisch  verlaufende 
Syphilis  schliessen  dürfen.  Die  Voraussetzungen  der  malignen 
Lues  sind  keineswegs  restlos  geklärt;  man  hat  sich  zu  hüten, 
unter  so  komplizierten  Bedingungen  den  Effekt  einer  Arsenik¬ 
medikation  einseitig  im  Sinne  einer  spezifischen  antiluetischen 
Wirkung  zu  deuten,  so  lange  nicht  an  Durchschnittsfällen  der 
Krankheit  einwandsfrei  eine  solche  Wirkung  erwiesen  ist  und 
so  lange  ihre  günstigen  Beeinflussungen  wesentlich  auf  Rech¬ 
nung  einer  mehr  indirekten  Wirksamkeit  des  Mittels  gesetzt 
werden  können. 

Ueber  die  Frage  einer  Anwendung  der  älteren  Arsenik¬ 
präparate  bei  sekundärer  Syphilis  kann  ich  5  Fälle  an¬ 
führen,  in  denen  Patienten  zur  Beobachtung  kamen,  die  man 
anderweitig  wegen  syphilitischer  Exantheme  Arsenikkuren 
unterworfen  hatte,  weil  die  spezifische  Natur  der  Ausschläge 
verkannt  worden  war.  Leider  reichen  meine  Notizen  über 
diese  Fälle  nicht  aus,  um  jetzt  hinterher  über  alle  wünschens¬ 
werten  Details  genügende  Auskunft  zu  geben.  Deshalb  sei 
summarisch  nur  folgendes  ausgeführt. 

Es  handelte  sich  um  Luesfälle  mit  sehr  ausgedehnten 
maculo-papulösen  Exanthemen  und  den  Abarten  des  papulösen 
Effloreszenztypus  (papulo-impetiginöse,  papulo-krustöse  Ef- 
floreszenzen  u.  dergl.).  Aus  objektiven  Anhaltspunkten  oder 
vertrauenswürdigen  Angaben  der  Kranken  konnte  in  4  Fällen 
bestimmt  angenommen  werden,  dass  der  Infektionstermin  erst 
einige  Monate  zurücklag.  Auch  in  dem  5.  Fall  sprach  alles 
für  eine  frische  Erkrankung.  Eine  spezifische  Behandlung  hatte 
bei  keinem  der  Kranken  stattgefunden.  Es  war  wohl  die  Aus¬ 
dehnung  der  Hauteruption,  dazu  einzelne  ungewöhnliche  Züge 
der  Erscheinungsweise  und  vor  allem  der  fehlende  Verdacht 
einer  syphilitischen  Erkrankung  (in  3  Fällen  handelte  es  sich 
um  extragenitalen  Primäraffekt!),  endlich  aber  auch  zum  Teil 
eine  ungenügende  Untersuchung  der  Kranken,  welche  die 
falsche  oder  mangelnde  Diagnose  bedingte.  Einmal  war 
Psoriasis  guttata,  ein  zweites  Mal  Parapsoriasis  diagnostiziert 
worden,  ein  drittes  Mal  wurde  Lichen  ruber  planus  vermutet, 
zweimal  war  überhaupt  keine  bestimmte  Diagnose  gestellt 
worden.  Man  hatte  den  Patienten  längere  Zeit  (bis  zur  Dauer 
von  3  Monaten  und  darüber)  innerlich  Arsenik  in  Form  der 
asiatischen  Pillen  oder  der  Solutio  Fowleri  gereicht.  Während 
dieser  Behandlung  waren  die  Exantheme  wenigstens  teilweise 
zur  Rückbildung  gelangt  und  zwar  in  allen  Fällen  unter  Pig¬ 
mentierungen,  die  so  intensiv  waren,  dass  wohl  an  einen  Ein¬ 
fluss  der  Therapie  gedacht  werden  konnte.  Eine  der  Kranken 
gab  an,  dass  unter  der  Arsenikkur  der  Ausschlag  rasch  ver¬ 
schwunden  war,  aber  nach  Aussetzen  der  Behandlung  sich 
baldigst  wieder  eingestellt  hatte. 


1926 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Das  wichtigste  Untersuchungsergebnis  bei  allen  diesen 
Patienten  war  aber  folgendes :  Es  hatten  sich  während 
der  Arsenikbehandlung  weitere  syphiliti¬ 
sche  Manifestationen  gebildet  lind  zwar  in  Form 
der  Angina  specifica,  von  Schleimhautaffektionen  der  Mund¬ 
höhle,  von  nässenden  Papeln  an  Genitalien  und  After.  Wenn 
also  auch  angenommen  werden  konnte,  dass  die  Arsenik¬ 
behandlung  die  Rückbildung  der  syphilitischen  Manifestationen 
an  ddr  Haut  beeinflusst  hatte,  so  war  doch  die  unmittelbare 
Weiterentwicklung  der  Krankheit  nicht  gehindert  worden. 

Auch  an  tertiären  Hautsyphiliden  habe  ich  bei  der  An¬ 
wendung  von  Arsenikpräparaten  eine  ziemlich  schnelle  Rück¬ 
bildung  gesehen. 

Es  ergibt  sich  also  aus  derartigen  Erfahrungen,  dass  der 
bei  der  Atoxylbehandlung  zu  konstatierende  günstige  Einfluss 
auf  syphilitische  Manifestationen  speziell  an  der  Haut  auch  mit 
anderen  Arsenikpräparaten  zu  erzielen  ist,  ohne  dass  des¬ 
halb  die  von  mir  angeführten  Fälle  sich  ir¬ 
gendwie  im  Sinne  einer  Heilung  der  Krank¬ 
heit  selbst  verwerten  Messen.  Daraus  wräre  aber 
natürlich  kein  Recht  abzuleiten,  diesen  Schluss  auch  ohne 
weiteres  auf  die  Erfolge  der  Atoxyltherapie  zu  übertragen. 
Denn  auch  wenn  die  Atoxylwirkung  ausschliesslich  auf  dem 
Arsenikgehalt  beruhen  sollte,  so  ermöglichen  doch  die  ver¬ 
schiedenen  Präparate  mit  Rücksicht  auf  ihren  verschiedenen 
Gehalt  an  Arsenik,  auf  die  Art  seiner  Bindung,  auf  ihre  differente 
Toxizität,  die  Schnelligkeit  ihres  Abbaus  und  ihre  Remanenz 
im  Organismus  keine  einheitliche  Beurteilung.  Ein  einzelnes 
Mittel  könnte  somit  sehr  wohl  allen  anderen  Arsenikpräparaten 
wesentlich  überlegen  sein  und  vielleicht  ausschliesslich  die 
„spezifische“  Wirksamkeit  garantieren.  Aber  es  ist  doch  noch 
nicht  untersucht,  ob  die  Atoxylerfolge  sich  nicht  gerade  so  gut 
durch  eine  geeignete  Dosierung  der  älteren  Arsenikpräparate 
erzielen  lassen;  mancherlei  Intoxikationserscheinungen,  wie  sie 
sich  bei  den  Atoxylinjektionen  eingestellt  haben  und  wie  auch 
wir  sie  beobachten  mussten,  mahnen  doch  zur  Vorsicht  beim 
Gebrauch  des  Atoxyls,  namentlich  in  den  hohen  Gaben,  die  für 
die  Verwendung  gegen  Syphilis  als  erforderlich  bezeichnet 
wurden.  So  hat  denn  auch  bereits  Rosenthal  empfohlen, 
das  Atoxyl  durch  Injektionen  von  Acidum  arsenicosum  zu  er¬ 
setzen. 

Ob  nun  aber  das  Atoxyl  als  ein  spezifisches  Antisyphiliti- 
kum  betrachtet  werden  dürfte,  darüber  wäre  jede  bestimmte 
Aeusserung  verfrüht.  Die  Kritik  des  vorliegenden  Materiales, 
wie  sie  besonders  in  ruhiger  Abwägung  von  L  e  s  s  e  r  ge¬ 
geben  worden  ist,  braucht  nicht  nochmals  wiederholt  zu 
werden.  Eigene  Erfahrungen  über  die  Atoxylbehandlung  der 
sekundären  Lues  können  wir  schon  deshalb  nicht  beibringen, 
weil  wir  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Angelegenheit  uns  nicht 
für  berechtigt  halten,  das  Quecksilber  in  Fällen,  in  denen  es 
toleriert  wird,  durch  Atoxyl  zu  ersetzen.  Die  Erwägung,  dass 
in  einem  übersehbaren  Zeitraum  am  Einzelfalle  kein  ab¬ 
schliessendes  Urteil  über  das  Heilungsresultat  zu  eruieren  ist, 
wird  hier  jeden,  der  Zutrauen  zu  der  alten  Quecksilberbehand¬ 
lung  besitzt,  vor  verantwortungsvollen  therapeutischen  Experi¬ 
menten  abschrecken. 

Ueber  einen  Punkt  allerdings  liesse  sich  an  einem  grosen 
Beobachtungsmaterial  wohl  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit 
Klarheit  gewinnen,  darüber  nämlich,  wie  sich  die  Rezidive  der 
sekundären  Syphilis  in  Bezug  auf  die  Schnelligkeit  ihres  Ein¬ 
stellens,  auf  ihre  Häufigkeit  und  auf  ihre  Art  vergleichsweise 
bei  der  Atoxyl-  und  der  Quecksilberbehandlung  verhalten. 
Aber  auch  damit  wäre  noch  kein  Urteil  über  die  Möglichkeit 
einer  endgültigen  Ausheilung  der  Krankheit  durch  die  Atoxyl- 
kur  ermöglicht. 

Endlich  aber  kann  wohl  jetzt  schon  zu  der  praktisch  über¬ 
aus  wichtigen  Frage  Stellung  genommen  werden,  ob  die 
Atoxylanwendung  in  der  zweiten  Inkubationsperiode  der 
Syphilis  den  Ausbruch  der  Sekundärerscheinungen  verhindert 
oder  irgendwie  beeinflusst.  Zu  dem  Versuch  einer  solchen 
Präveiitivbehandlung  wird  man  sich  besonders  dann  gern  ent- 
schliessen,  wenn  man  grundsätzlich  von  einer  Anwendung  der 
Quecksilberkur  vor  Auftreten  der  Sekundärerscheinungen  Ab¬ 
stand  nimmt.  Nun  sind  aber  bereits  von  verschiedenen  Seiten 
Misserfolge  eines  derartigen  Eingreifens  berichtet  worden.  Ich 


selbst  habe  in  einer  Reihe  von  Fällen  Atoxylinjektionen  nach 
Feststellung  des  Primäraffektes  begonnen.  Diese  Fälle  sind 
je  nach  dem  Zeitpunkte,  der  seit  dem  Infektionstermin  ver¬ 
flossen  war,  wie  nach  der  Intensität  der  Atoxylbehandlung 
unter  einander  nicht  gleichwertig,  aber  ich  habe  doch  vorläufig 
über  8  Fälle  zu  berichten,  in  denen  die  Kur  zwischen  dem  12. 
und  25.  Tage  post  infectionem  begann  und  in  denen  mindestens 
durch  2 — 3  Wochen  dreimal  wöchentlich  bis  zu  je  0,5  g  Atoxyl 
verabreicht  wurden.  In  keinem  dieser  Fälle  trat 
eine  wesentliche  Verzögerung  des  Ausbruchs 
der  Sekundärsymptome  ein;  die  grossen  Atoxyl- 
gaben  hatten  in  dieser  Beziehung  ebensowenig  Einfluss  wie 
die  Verabreichung  von  kleineren  Dosen,  die  wir  in  anderen 
Fällen  vorgenommen  hatten.  Zweimal  hatte  das  Exanthem, 
das  sich  nach  einer  solchen  Atoxylkur  am  Ende  der  typischen 
Inkubationszeit  einstellte,  nicht  den  Charakter  der  Roseola, 
sondern  eines  schweren  papulösen  Syphilids  von  besonderer 
Hartnäckigkeit.  Darum  soll  gewiss  nicht  der  Schluss  gezogen 
werden,  dass  etwa  jene  Behandlung  ungünstig  gewirkt  hätte. 
Wohl  aber  sprechen  meine  ganzen  Ergebnisse  —  wie  die 
anderer  Beobachter  —  für  die  Nutzlosigkeit  des  Versuchs,  durch 
die  Atoxylbehandlung  dem  Ausbruch  der  sekundären  Syphilis 
vorzubeugen.  Eine  Wirksamkeit  auf  die  schnelle  Rückbildung 
des  Primäraffektes  allerdings  erschien  auch  bei  einem  Teile 
meiner  Fälle  unverkennbar.  Demnach  wäre  vielleicht  zu  einem 
Versuch  mit  Atoxyl  besonders  in  solchen  Fällen  zu  raten,  bei 
denen  es  wegen  der  Lokalisation  des  Primäraffektes  oder  an¬ 
derer  Umstände  auf  eine  möglichst  schnelle  Abheilung  des 
Schankers  ankommt. 

Aus  der  Erfahrung,  dass  es  trotz  einer  Atoxylbehandlung 
des  Schankers  zum  Ausbruch  der  Sekundärerscheinungen  der 
Syphilis  kommt,  ist  natürlich  kein  Argument  gegen  eine  „spe¬ 
zifische“  Wirkung  des  Mittels  herzuleiten.  Auch  einer  ana¬ 
logen  Quecksilberbehandlung  kommt  keine  coupierende  Wirk¬ 
samkeit  zu,  wenn  sie  auch  in  der  Regel  eine  deutlichere  Ver¬ 
zögerung  der  Sekundärsjmiptome  zur  Folge  hat.  Aber  auch 
alles  das,  was  sich  bis  jetzt  über  die  günstige  Einwirkung  des 
Atoxyl  auf  luetische  Manifestationen  hat  ermitteln  lassen,  reicht 
bei  weitem  nicht  aus,  das  Mittel  als  ein  spezifisches  Anti- 
syphilitikum  erscheinen  zu  lassen;  wohl  aber  besteht  zum 
mindesten  die  Aussicht,  dass  das  Atoxyl  mit  Vorteil  zur  Unter¬ 
stützung  antisyphilitischer  Kuren  wird  herangezogen  werden 
können. 

Die  Eingangs  mitgeteilten  Erfahrungen  sprechen  aber  da¬ 
für,  dass  in  dieser  Beziehung  andere  Arsenikpräparate  mit  dem 
Atoxyl  rivalisieren  können.  Das  mag  schon  deshalb  hervor¬ 
gehoben  werden,  weil  das  Atoxyl  durchaus  nicht  als  ein  un¬ 
giftiges  Präparat  zu  betrachten  ist. 


Aus  der  Kgl.  Universitätspoliklinik  für  Hautkrankheiten  in 
Berlin  (Direktor:  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  E.  L  e  s  s  e  r). 

Ueber  den  Wert  der  Dunkelfeldbeleuchtung  für  die 
klinische  Diagnose  der  Syphilis. 

Von  Dr.  A.  B  e  e  r,  Assistenzarzt. 

Die  Schwierigkeit,  welche  das  Aufsuchen  und  Erkennen 
der  Spirochaete  pallida  bietet,  sowie  der  relativ  grosse  Zeit¬ 
aufwand,  welchen  die  Anfertigung  und  das  Untersuchen  der 
Präparate,  erfordert,  haben  zur  Anwendung  neuer  Darstellungs- 
methoden  Veranlassung  gegeben.  Zahlreiche  neuere  Färbe¬ 
verfahren  —  ich  erinnere  nur  an  die  von  Röna-Preis, 
Marino  und  jüngst  von  G  i  e  m  s  a  selbst  angegebenen  —  er¬ 
reichen  wohl  eine  schnellere  Färbung  innerhalb  weniger  Mi¬ 
nuten,  erleichtern  jedoch  wenig  das  .Aufsuchen  dieser  feinen, 
gewöhnlich  nur  in  geringer  Zahl  im  Sekret  vorhandenen  Or¬ 
ganismen. 

Am  besten  von  allen  Methoden  zur  färberischen  Dar¬ 
stellung  der  Spirochaete  pallida  bewährt  sich  uns  noch  immer 
die  schon  von  Schaudinn  und  Hoffmann  in  ihrer  dritten 
Publikation l)  empfohlene  einstündige  Färbung  in  Giemsa- 


Q  F.  Schaudinn  und  E.  Hoffmann:  Ueber  Spirochaete 
pallida  ibei  Syphilis  und  die  Unterschiede  dieser  Form  gegenüber 
anderen  Arten  dieser  Gattung.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905,  No.  22 
bis  23. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1927 


lösung,  da  sie  besonders  durch  deutliche  Differentialfärbung 
die  Unterscheidung  der  rötlichen  Syphilisspirochäte  von  den 
sich  meist  mehr  blau  tingierenden  andern  Arten  erleichtert. 

Die  Sicherheit  der  Erkennung  der  Spirochaete  pallida  wird 
jedoch  dann  am  ehesten  gewährleistet,  wenn  wir  dieselbe  uns 
lebend  sichtbar  machen  können,  da  sie  im  Leben  neben  ihrer 
bekannten  Form  noch  durch  besondere,  nur  der  Spir.  dentium 
und  ihr  eigene  Bewegungsarten  charakterisiert  wird.  Um  nun 
dieses  zarte,  wenig  lichtbrechende  Gebilde  finden  und  lebend 
beobachten  zu  können,  bedarf  es  bei  besten  optischen  Hilfs¬ 
mitteln  (vgl.  A.  Beer,  Ueber  Beobachtungen  an  der  lebenden 
Spirochaete  pallida,  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  30) 
eines  ausserordentlich  geübten  Auges.  Deshalb  ist  es  zweck¬ 
mässig,  sich  einer  der  verschiedenen  Einrichtungen  zu  be¬ 
dienen,  welche  zur  Sichtbarmachung  ultramikroskopischer 
Teilchen  angegeben  sind.  Sie  alle  bezwecken  das  Objekt  hell 
auf  dunklem  Grunde  aufleuchten  zu  lassen,  da  hierdurch  die 
Sichtbarkeitsbedingungen  ausserordentlich  erhöht  werden. 

Am  einfachsten  wird  dies  erreicht,2)  wenn  man  unter  den 
Kondensor  des  Mikroskops  in  den  Diaphragmenträger  des 
Abbe  sehen  Beleuchtungsapparates  eine  Zentralblende  ein¬ 
legt,  zweckmässig  von  24  mm  Durchmesser.  Als  Lichtquelle 
dient  Gasglüh-  oder  besser  Azethylenlicht,3)  welches  man  ver¬ 
mittelst  einer  einfachen  Schusterkugel  so  auf  dem  Planspiegel 
des  Mikroskops  sammelt,  dass  dieser  gleichmässig  und  voll¬ 
ständig  mit  Licht  erfüllt  ist.  Das  möglichst  dünne,  wenig 
korpuskuläre  Elemente  enthaltende  Präparat  wird  auf  den  ganz 
nach  oben  gekurbelten  Kondensor  vermittelst  Zedernholzöl 
mit  Vermeidung  von  Luftblasen  aufgelegt.  Die  Einrichtung 
gestattet  nur  die  Verwendung  von  Trockensystemen,  entweder 
Apochromat  3,0/0,95  oder  Objektiv  E  der  achromatischen  Reihe 
von  Zeiss  oder  Objektiv  7  Leitz;  stärkere  Vergrösserung 
erzielt  man  durch  Anwendung  entsprechender  Kompensations¬ 
okulare. 

Erhebliche  Verbesserungen  dieses  Systems  brachten  der 
von  Sieden  topf  empfohlene  Spiegelkondensor  mit  Parabo- 
loidfläche,  sowie  das  von  A.  Cotton  und  H.  Mouton  ange¬ 
gebene  Spiegelprisma  und  der  von  der  Firma  Reichert  in 
Wien  hergestellte  Spiegelkondensor4)5)6)-  Mit  dieser  letzten 
Modifikation  haben  bereits  Landsteiner  und  Mucha  die 
Spirochaete  pallida  beobachtet  und  berichten  über  äusserst 
günstige  Ergebnisse  mit  dieser  Untersuchungsmethode. 

Im  Prinzip  erreichen  alle  diese  Apparate  dasselbe,  dass 
nämlich  nur  Lichtstrahlen  von  hoher  num.  Apertur  in  das 
Präparat  gelangen  und  von  der  oberen  an  die  Luft  grenzenden 
Fläche  des  Deckglases  total  reflektiert  werden.  Es  kommen 
nur  diejenigen  Strahlen  in  den  Tubus  des  Mikroskops  und  in 
das  Auge,  welche  an  den  im  Präparat  befindlichen  festen  Teil¬ 
chen  gebeugt  werden. 

Hieraus  ist  ersichtlich,  weshalb  eine  Verwendung  von 
Immersionssystemen  nicht  angängig  ist.  Diese  würden  eben 
die  Totalreflexion  an  der  oberen  Deckglasfläche  unmöglich 
machen. 

Um  daher  Immersionssysteme  benutzen  zu  können,  ist  es 
nötig,  im  Mikroskopobjektiv  selbst  eine  zentrale  Blende  anzu¬ 
bringen,  welche  diejenigen  Strahlen,  die  ungebeugt  das  Prä¬ 
parat  durchdringen,  ausschaltet.  Dieses  erreicht  ein  Apparat, 
welcher  nach  Siedentopf  von  der  Firma  Zeiss  ange¬ 
fertigt  ist,  und  dessen  Herr  Prof.  Hoffmann7)  und  ich  uns 


2)  H.  Sie  den  topf:  Dunkelfeldbeleuchtung  und  Ultramikro- 
skopie.  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Mikroskopie  u.  f.  mikroskop.  Tech¬ 
nik,  Bd.  XXIV,  1907,  p.  13—20. 

3)  Herr  Geheimrat  Frosch  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mich 
auf  dessen  zweckmässige  Verwendung  aufmerksam  zu  machen. 

4)  K-  Landsteiner  und  V.  Mucha:  Zur  Technik  der  Spiro¬ 
chätenuntersuchung.  Wiener  Iklin.  Wochenschr.  1906,  No.  45. 

5)  Dieselben:  Wiener  dermatol.  Gesellschaft.  Zentralbl.  f. 
Bakteriol.,  Bd.  XXXIX,  1907,  No.  17/19. 

0)  Sch  erber:  Ueber  Spirochätenerkrankungen.  Zeitschr.  f. 
Augenheilk.,  Bd.  XVII,  H.  2. 

7)  E.  Hoffmann:  Sitzungsbericht,  Verein  f.  innere  Medizin, 
3.  XII.  06.  —  Derselbe:  Berl.  med.  Gesellsch.  v.  20.  II.  07.  Berl. 
klin.  Wochenschr.  1907,  No.  9.  —  Derselbe:  Berl.  med.  Gesellsch. 
v.  27.  II.  07.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  10.  —  Derselbe: 
Berl.  med.  Gesellsch.  v.  13.  III.  07.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907, 
No.  12. 


seit  ca.  6  Monaten  bei  der  Untersuchung  des  Syphilisvirus 
bedienen. 

Auf  einer  verstellbaren  Tischplatte  ist  eine  optische  Bank 
montiert,  an  deren  einem  Ende  sich  die  Lichtquelle,  eine  selbst¬ 
regulierende  Projektionsbogenlampe,  an  derem  andern  das  auf 
einem  besonderen  Stativ  befestigte  Mikroskop  befindet.  Dieses 
ist  umgelegt,  sodass  seine  Achse  parallel  der  optischen  Bank 
liegt.  Die  Blende  des  Objektivs  ist  nach  Prof.  Abbe  dadurch 
hergestellt,  dass  seine  Frontlinse  in  ihrem  mittleren  Teile  bis  zur 
Apertur  0,3  mm  genau  abgeschliffen  und  die  so  entstehende 
Planfläche  geschwärzt  ist.  Durch  Verwendung  eines  Wechsel¬ 
kondensors  mit  Spezialobjektiv,  welches  letztere  auf  einfache 
Weise  für  den  A  b  b  e  sehen  Kondensor  eingeschaltet  wird,  ist 
es  hier  ermöglicht,  dass  nur  Strahlen  eines  Kegels  von  der 
Apertur  0  bis  0,2  in  das  Präparat  gelangen.  Diese  werden  nun¬ 
mehr  an  der  geschwärzten  Blende  absorbiert  und  nur  die¬ 
jenigen  Strahlen,  welche  an  den  feinsten  Objekten  der  Präparate 
gebeugt  werden,  dringen  in  das  Auge.  Sammellinsen  zwischen 
Mikroskop  und  Lichtquelle,  Zentrierschrauben  am  Spezialob¬ 
jektiv  ermöglichen  ein  vollkommen  schwarzes  Dunkelfeld  und 
ein  helles  Aufleuchten  der  im  Präparat  suspendierten  festen 
Teilchen. 

Die  diffuse  Erhellung  des  Gesichtsfeldes,  welche  bei  den 
andern  Arten  der  Dunkelfeldbeleuchtung  durch  Reflexe  be¬ 
stehen  bleibt,  kann  bei  richtiger  Einstellung  dieser  Anordnung 
ganz  vermieden  werden;  ebenso  ist  auch  die  Einstellung  des 
Präparats  leicht  und  schnell  möglich.  Beide  Methoden  haben 
ihre  Vorzüge.  Uns  hat.  sich  der  Apparat  von  Zeiss,  an  den 
wir  gewöhnt  sind,  gut  bewährt.  Dass  die  Präparate  auf  der 
Kante  stehen,  stört,  sofern  sie  genügend  dünn  sind,  nicht. 

Durch  Diffraktion  erscheinen  die  Objekte  von  mehreren 
hellleuchtenden  Konturen  umzogen,  weshalb  sich  die  Methode 
für  morphologische  Studien  nicht  eignet.  Bei  unseren  Unter¬ 
suchungen  jedoch  haben  wir  dies  nie  als  einen  Nachteil  emp¬ 
funden,  da  es  uns  ja  hauptsächlich  auf  einen  möglichst  schnellen 
Nachweis  der  Spirochäten  ankam.  Das  Auge  gewöhnt  sich 
bald  an  die  Diffraktionserscheinungen,  und  da  die  doppelten 
Konturen  die  Objekte  wesentlich  grösser  erscheinen  lassen, 
wird  hierdurch  naturgemäss  das  Aufsuchen  der  feinen  Gebilde 
wesentlich  erleichtert. 

Wir  haben  Material  aus  den  verschiedensten  syphilitischen 
Produkten  untersucht  und  gefunden,  dass  wir  dann,  wenn  über¬ 
haupt  Spirochäten  vorhanden  waren,  sie  mit  der  Dunkelfeld¬ 
beleuchtung  am  leichtesten  und  sichersten  nachweisen  konnten. 

Eine  möglichst  sorgfältige  Entnahme  des  Materials  ist 
Vorbedingung  für  die  Regelmässigkeit  der  Befunde.  Es  seien 
deshalb  hier  nochmals  im  Zusammenhang  die  fünf  verschiedenen 
Arten  der  Materialentnahme  vorausgeschickt,  wie  sie  von 
Hoffmann  empfohlen  worden  sind : 

1.  Die  Reizserummethode,  bei  welcher  durch  intensives 
Reiben  mit  Platinöse  oder  -spatel  von  der  Oberfläche  syphi¬ 
litischer  Manifestationen  —  nach  vorausgegangener  Reinigung 
mit  physiologischer  Kochsalzlösung  —  ein  ziemlich  klares, 
möglichst  wenig  Blut  enthaltendes  Serum  gewonnen  wird. 

2.  Die  Geschabemethode,  Entnahme  von  Material  durch 
Schaben  der  Erosion,  Papel  etc.  mit  Skalpell  oder  scharfem 
Löffel. 

3.  Die  Gewebssaftmethode,  welche  die  aus  der  Schnitt¬ 
fläche  eines  senkrecht  durchschnittenen  Stückes  hervor¬ 
quellende  Flüssigkeit  verwendet.  Besonders  gut  ist  dieses  Ver¬ 
fahren  für  die  Untersuchung  geschlossener  Primäraffekte,  nach 
deren  Exstirpation  man  von  einer  wenige  Millimeter  unter  der 
Oberfläche  liegenden,  Gefässlumina  enthaltenden  Schicht  Saft 
abstreicht. 

4.  Die  Quetschmethode,  welche  bei  exzidierteu  Stücken  von 
Papeln,  Primäraffekten,  Korneae  etc.  oder  bei  inneren  Organen 
häufig  dann  noch  ein  positives  Ergebnis  liefert,  wenn  andere 
Methoden  versagen.  Man  zerreibt  ein  Stückchen  des  zu  unter¬ 
suchenden  Materiales  im  Porzellanmörser  und  macht  mit  dem 
Zerriebenen  Ausstriche.  Diese  Quetschmethode  lässt  sich  auch 
bei  bereits  mit  Formalin  fixiertem  Gewebe  anwenden.  Es  mag 
hier  erwähnt  werden,  dass  mit  dieser  jüngst  auch  von  Zabel") 


8)  A.  Zabel:  Spirochaete  pallida  in  Ausstrichen  formalinfixierter 
Organe.  Med.  Klinik  1907,  No.  20, 


1928 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


empfohlenen  Methode  auch  von  Herrn  Professor  Hoffmann 
und  seinen  Mitarbeitern  in  bereits  jahrelang  in  Formalin  auf¬ 
bewahrten,  sicher  syphilitischen  Präparaten  Spirochaetae  pal- 
lidae  im  Ausstrich  nachgewiesen  werden  konnten,  während 
gleichzeitig  die  Imprägnation  mit  Silber  im  Schnitt  den  Befund 
bestätigte. 

5.  Die  Drüsenpunktion,  welche  hauptsächlich  bei  Fehlen 
offener  Effloreszenzen  in  Frage  kommt. 

Mit  Hilfe  einer  dieser  Methoden  wird  es  meistens  gelingen, 
die  Schaudinn-Hoffmann  sehen  Organismen  zu  finden, 
und  die  Inkonstanz  in  den  Befunden  einzelner  Autoren  ist  wohl 
zum  Teil  dem  Ausserachtlassen  obiger  Vorschriften  E.  Hoff- 
m  anns  zuzuschreiben.. 

Für  die  Dunkelfeldbeleuchtung  eignen  sich  am  besten  die 
Methoden  1,  3  und  5,  da  es  hier  darauf  ankommt,  recht  wenig 
korpuskuläre  Elemente  im  äussert  dünnen  Präparat  zu  haben. 

Da  das  native  Präparat  nur  kurze  Zeit  zu  seiner  Herstellung 
erfordert,  war  es  uns  in  klinisch  zweifelhaften  Fällen  häufig 
schon  innerhalb  weniger  Minuten  möglich,  durch  den  im 
Dunkelfeld  erhobenen  Spirochätenbefund  die  Diagnose  Syphilis 
sicherzustellen.  Wiederholt  konnten  wir  so  z.  B.  extragenitale 
Primäraffekte  (an  der  Mammilla,  den  Lippen  und  einmal  am 
Lidrande),  welche  anderenorts  nicht  als  solche  erkannt,  auch 
zum  Teil  schon  zur  Operation  als  karzinomverdächtig  dem 
Chirurgen  überwiesen  waren,  durch  den  sofort  erbrachten 
Nachweis  der  lebenden  Spirochaete  pallida  einer  geeigneten 
Therapie  zuführen.  In  einem  klinisch  kaum  zu  diagnostizieren¬ 
den  Fall  von  einer  nur  wenig  infiltrierten  Schankernarbe  mit 
nicht  besonders  deutlichen  Drüsenschwellungen,  ohne  Allge¬ 
meinerscheinungen  (Privatpatient  des  Herrn  Prof.  E.  Hoff- 
m  a  n  n)  lieferte  die  Geschabemethode  einen  positiven  Spiro¬ 
chätenbefund.  Bei  Versuchen,  durch  Exstirpation  oder  früh¬ 
zeitig  eingeleitete  Behandlung  den  grössten  Teil  des  infektiösen 
Virus  wieder  aus  dem  Organismus  zu  entfernen  oder  unschäd¬ 
lich  zu  machen,  kam  es  darauf  an,  so  früh  als  möglich  die  Er¬ 
reger  nachzuweisen.  Hier  hat  sich  uns  die  Dunkelfeldbeleuch¬ 
tung  ganz  besonders  gut  bewährt  und  uns  oft  die  zeitraubende 
Durchmusterung  gefärbter  Ausstriche  erspart. 

Erfahrungen,  welche  bereits  durch  andere  Untersuchungs¬ 
methoden  erhoben  worden  sind,  haben  wir  auch  bei  Verwen¬ 
dung  des  Dunkelfeldes  bestätigt  gefunden,  dass  nämlich,  je 
früher  ein  junger  syphilitischer  Herd  zur  Beobachtung  kommt, 
desto  leichter  und  ausgiebiger  der  Nachweis  der  Erreger  er¬ 
bracht  werden  kann.  So  war  es  manchmal  unmöglich  (zu¬ 
weilen  gelang  es  doch  noch  nach  wiederholter  Abnahme  vom 
Rande  der  Effloreszenz),  bei  alten,  in  Ueberhäutung  begriffenen 
oder  bereits  epidermisierten  Primäraffekten,  in  älteren  Riesen¬ 
sklerosen,  auch  bei  alten  hypertrophischen  Genitalpapeln 
weder  mit  dieser,  noch  mit  anderen  zu  Hilfe  gezogenen  Me¬ 
thoden  Schau  di  nn-Hoff  m  a  n  n  sehe  Spirochäten  zu 
finden. 

Andrerseits  lieferten  junge  Primäraffekte,  selbst  wenn  sie 
nur  eine  kleine,  flache,  nicht  indurierte  Erosion  darstellten, 
fast  stets  schon  bei  der  ersten  Untersuchung  positive  Resultate. 

Ueber  unsere  Spirochätenbefunde  im  Blut  zweier  kon- 
genital-syphilitischer  Rinder  ist  von  uns  schon  an  anderer 
Stelle  u)  kurz  berichtet  worden. 

Da  das  Verhalten  der  Erreger  während  des  Krankheitsver¬ 
laufs  einige  Eigentümlichkeiten  aufweist,  seien  die  Kranken¬ 
geschichten  im  Auszug  hier  mitgeteilt. 

Das  erste  Kind,  W.  S.,  wurde  im  Alter  von  6  Wochen  am  6.  III.  07 
in  der  Universitäts-Kinderklinik  der  Charitee  aufgenommen.  Die 
Krankengeschichte  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 
Geheimrats  H  e  u  b  n  e  r.  Bezüglich  einer  Krankheit  der  Eltern  ist 
nur  bekannt,  dass  die  Mutter  vor  3  Jahren  einen  Abort  im  7.  Monat 
gehabt  hat.  Das  rechtzeitig  geborene  Kind  zeigte  von  Geburt  an 
Schnupfen  und  bald  darauf  Ausschlag. 

Bei  der  Aufnahme  fand  sich  im  wesentlichen  ein  makulo-papu- 
löses  Exanthem  im  Gesicht  und  auf  den  Extremitäten,  daneben  einige 
wenige  krustöse  impetiginöse  Herde  im  Gesicht;  deutliche  Drüsen¬ 
schwellungen,  Koryza.  Die  Milz  war  gut  palpabel  und  sehr  resistent. 

Am  7.  III.  07  und  14.  III.  07  erhielt  es  je  0,002  Sublimat  intra¬ 
muskulär. 


')  Berl.  med.  Gesellsch.,  Sitzungsbericht  v.  13.  III.  07.  Berl. 

klin.  Wochenschr.  1907,  No.  12. 


Von  einem  am  11.  III.  07  sich  zeigenden  Furunkel  des  linken 
Unterarms  ausgehend  entwickelte  sich  eine  zirkumskripte,  etwa  zwei¬ 
markstückgrosse  phlegmonöse  Infiltration  des  Unterhautzellgewebes, 
welche  zu  einer  allgemeinen  Sepsis  führte. 

Am  15.  III.  07  wurden  1500  I.-E.  Diphtherieheilserum  No.  1150 
in  den  rechten  Oberschenkel  injiziert. 

Der  Tod  trat  am  17.  III.  07  ein. 

Die  Temperaturkurve  des  Kindes  zeigte  bis  zum  13.  März  nor¬ 
malen  fieberlosen  Verlauf.  An  den  beiden  letzten  Tagen  trat  Fieber 
ein,  dessen  Höhepunkt  38,2  nicht  überschritt. 

Die  am  18.  März  1907  vorgenommene  Autopsie  ergab:  Osteo¬ 
chondritis  syphilitica  an  den  Rippen,  Splenitis  interstitialis  (syphi¬ 
litica),  Bronchopneumonie  der  linken  Lunge,  partielle  Atelektase  bei¬ 
der  Lungen,  Enteritis. 

Aus  dem  steril  entnommenen  Herzblut  wurden  im  Pathologischen 
Institut  der  Charitee  Staphylokokken  in  Reinkultur  gezüchtet. 

Die  erste  mikroskopische  Untersuchung  des  Bluts  fand  am 
11.  März  statt,  also  4  Tage  nach  der  ersten  Sublimatinjektion  (von 
0,002).  Der  Fingerbeere  des  linken  Zeigefingers  wurde  nach  sorg¬ 
fältiger  Reinigung  durch  feinen  Einstich  in  die  gesunde  Haut  ein  Bluts¬ 
tropfen  entnommen.  Es  fanden  sich  ln  demselben  ca.  3—4  Spiro¬ 
chaetae  pallidae,  welche  etwa  10—12  Windungen  lang  waren.  Das 
zuerst  aufgefundene  Exemplar  hatte,  als  es  ins  Gesichtsfeld  kam,  beide 
Enden  so  einander  genähert,  dass  es  einen  rings  geschlossenen  Kreis 
bildete.  Während  der  Beobachtung  streckte  es  sich  schnellend  und 
machte  ausser  dauernden  Drehbewegungen  um  die  Längsachse  ruck¬ 
weise  ausgiebige  seitliche  Ausschläge  mit  beiden  Enden.  Es  blieb 
dann  lange  Zeit  frei  und  legte  sich  erst  nach  Verlauf  von  ca.  6  Stun¬ 
den  mit  einem  Ende  an  einen  Erythrozyten  an. 

Die  Blutuntersuchung  wurde  an  3  weiteren  Tagen,  am  13.  (De¬ 
monstration  der  im  Blut  gefundenen  Spirochäte  lebend  mit  Dunkel¬ 
feldbeleuchtung  in  der  Berl.  med.  Gesellschaft),  15.  und  16.  März 
wiederholt,  wobei  jedesmal  der  Ort  der  Entnahme  gewechselt  wurde. 
Es  wurden  stets  vereinzelte  Spirochäten  lebend  gefunden,  selbst  noch 
in  den  etwa  36  Stunden  vor  dem  Tode  verfertigten  Präparaten,  nach¬ 
dem  das  Kind  insgesamt  0,004  HgCL  erhalten  hatte.  Eine  geringe 
Verminderung  der  Menge  der  Spirochäten  war  deutlich  zu  konsta¬ 
tieren,  da  an  den  letzten  beiden  Tagen  nicht  in  allen,  sondern  zum 
Teil  erst  im  dritten  untersuchten  Präparat  wenige  Exemplare  gefun¬ 
den  wurden.  Auch  schienen  die  zuletzt  wahrgenommenen  weniger 
beweglich  zu  sein,  als  die  der  vorausgegangenen  Tage. 

In  der  Leiche  konnten  in  keinem  Organ,  auch  nicht  mehr  im  Blut, 
mit  keiner  der  bekannten  Darstellungsmethoden  weder  im  Ausstrich 
noch  im  Schnitt  Spirochäten  nachgewiesen  werden.  Auf  diesen  merk¬ 
würdigen  Befund  komme  ich  später  noch  zurück. 

Fall  II,  E.  V.,  betrifft  ein  /4  Jahr  altes  Kind.  Beide  Eltern  leiden 
an  Lues  und  zeigten,  als  das  Kind  am  21.  März  in  die  Universitäts- 
Poliklinik  kann,  deutliche  Erscheinungen  ihrer  Krankheit.  Das  Kind 
hatte  angeblich  seit  8  Wochen  Schnupfen  und  Ausschlag. 

Die  erste  Untersuchung  ergab  deutliche  klinische  Zeichen  von 
kongenitaler  Lues:  makulo-papulöses  Exanthem  im  Gesicht,  am 
Rumpf.,  an  den  Flachhänden  und  den  Fussohlen,  Korvza  und  Drüsen¬ 
schwellung.  In  den  sofort  in  gleicher  Weise  wie  bei  Fall  I  angefertig¬ 
ten  4  Blutpräparaten  fanden  sich  in  jedem  mehrere  lebhaft  bewegliche 
Spirochaetae  pallidae. 

An  demselben  Tage  Injektion  von  0,001  HgCls  und  Ueberweisung 
zwecks  besserer  Beobachtung  in  die  Klinik.  Aus  äusseren  Gründen 
fand  hier  die  Aufnahme  erst  nach  2  Tagen  statt. 

In  keinem  der  vor  mir  sowohl  am  Aufnahmetage  wie  auch  spä¬ 
ter  täglich  entnommenen  zahlreichen  Blutpräparaten  wurden  nunmehr 
noch  Spirochäten  gefunden. 

Die  Krankheitserscheinungen,  Koryza  und  Exanthem,  gingen  auf¬ 
fallend  rasch  zurück.  Das  Kind  erhielt  im  Laufe  der  nächsten  14  Tage 
noch  weitere  2  Sublimatinjektionen  und  ist  seitdem  bis  heute  ohne 
sichtbare  Symptome  seiner  Lues  geblieben. 

Bei  3  anderen *  *)  von  mir  untersuchten  Fällen  von  kongenitaler 
Lues,  bei  welchen  allerdings  die  Krankheitserscheinungen  als  sie  zur 
Beobachtung  kamen,  bereits  zurückzugehen  schienen,  wurden  nie 
Spirochäten  im  kreisenden  Blute  von  mir  gefunden.  Ebensowenig 
war  es  mir  bisher  möglich,  bei  akouirierter  Lues  Erwachsener  in 
dem  der  Fingerbeere  entnommenen  Blut  die  Erreger  lebend  nach¬ 
zuweisen. 

Dass  in  dem  ersten  Falle,  W.  S.,  die  Syphilis  durch  die 
hinzutretende  Sepsis  kompliziert  war,  ändert  nichts  an  der  Be¬ 
deutung  des  Spirochätenbefundes;  wissen  wir  ja  doch,  dass  bei 

10)  Uhlenhut  h,  Hoffmann  und  Roscher:  Unter¬ 
suchungen  über  die  Wirkung  des  Atoxyls  auf  die  Syphilis.  Schluss¬ 
bemerkung  von  Hoffmann.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  22. 

1X)  E.  Le  ss  er:  Vortrag,  gehalten  im  Verein  f.  innere  Medizin. 
Sitzungsbericht  vom  10.  VI.  07.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  27, 
p.  1079. 

*)  Anmerkung  bei  der  Korrektur.  Bei  einem  dritten 
kongenital-syphilitischen  Kind  wurden  ebenfalls  5  Tage  vor  dem 
Tode  Spirochaetae  pallidae  im  Blute  kreisend  gefunden.  Dieser  Be¬ 
fund  konnte  post  mortem  durch  Ausstriche  von  Organen  des  Kindes 
(Leber  etc.),  in  denen  sich  zahlreiche  Pallidae  fanden,  bestätigt 
werden. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1929 


kongenitaler  Lues  nicht  allzu  selten  dergleichen  Komplikationen 
vor  dem  Tode  auftreten.  Auch  sind  ja  lange  vor  Beginn  der 
Sepsis  die  Spirochäten  im  Blut  nachgewiesen  worden. 

Sehr  merkwürdig  ist  es,  dass  in  der  Leiche  keine  Spiro- 
chaete  pallida  gefunden  .  werden  konnte;  doch  negative 
Spirochätenbefunde  bei  sicher  an  Lues  verstorbenen  Kindern 
sind  bereits  des  öfteren  beobachtet  worden.  Wie  weit  die 
Therapie  auf  das  schliessliche  Verschwinden  der  Spirochäten 
von  Einfluss  gewesen  ist,  ob  die  eingetretene  Sepsis  eine  Auf¬ 
lösung  derselben  bewirkt  hat,  muss  dahingestellt  bleiben.  Doch 
beides  ist  ziemlich  unwahrscheinlich,  da  kurz  vor  dem  Tode 
noch  vereinzelte  lebende  Exemplare  im  Blut  kreisend  gefunden 
werden  konnten. 

Anders  im  Fall  II,  E.  V.,  wo  das  rasche  Verschwinden 
der  Spirochäten  aus  dem  kreisenden  Blut,  das  dem  schnellen 
Rückgang  der  klinischen  Symptome  entsprach,  wohl  als  Folge 
der  Sublimatwirkung  anzusehen  ist;  erst  weitere  Beob¬ 
achtungen  werden  lehren,  ob  aus  dem  Verbleiben  oder  Ver¬ 
schwinden  der  Parasiten  im  Blut  prognostische  Schüsse  ge¬ 
stattet  sind  12). 

Auffallend  an  den  im  Blut  gefundenen  Pallidae  war  die  Art 
ihrer  Bewegung:  Im  Allgemeinen  macht  dieser  Organismus 
unter  allen  bekannten  Spirochätenarten  die  geringsten  Ortsver¬ 
änderungen.  Während  z.  B.  die  Hühnerspirochäten,  die  Er¬ 
reger  des  Tick  fever  und  die  russische  und  amerikanische  Re- 
kurrens,  ebenso  wie  die  Spirochaetae  refringentes  und  die 
Mundspirochäten  in  schneller  Rotation  vorwärts  gleiten  oder 
sich  aalartig  schnell  durch  das  Gesichtsfeld  schlängeln,  so  dass 
es  kaum  möglich  ist,  ein  einzelnes  Exemplar  längere  Zeit  zu 
beobachten,  bewegt  sich  die  Pallida  gewöhnlich  nur  langsam 
von  der  Stelle.  Selbst  die  ihr  in  Bezug  auf  die  Bewegungen 
am  meisten  ähnelnde  Spirochaete  dentium  kommt  etwas 
schneller  vom  Platz. 

W  e  s  e  n  1 1  i  c  h  anders  verhielten  sich  die  im  Blut  ge¬ 
fundenen  Pallidae,  welche  sich  durch  lebhaft  schnellende  seit¬ 
liche  Ausschläge  beider  Enden  und  ruckweises  Krümmen  des 
sonst  weniger  flexiblen  Körpers  bemerkbar  machten.  Noch 
deutlicher  war  diese  Bewegungsart  bisweilen  an  anderen 
Exemplaren  desselben  Organismus  zu  konstatieren,  welche  aus 
der  Tiefe  eines  Primäraffektes  entstammten;  sei  es,  dass  das 
Material  von  der  Schnittfläche  eines  exzidierten  Stückes  oder 
durch  tiefes  Kratzen  von  der  Oberfläche  entnommen  war. 
Ebenso  verhielten  sich  auch  die  Spirochäten,  welche  wir  lebend 
in  der  mit  Lues  infizierten  Tierkornea  nachweisen  konnten. 

Ueber  den  Einfluss  von  Medikamenten  auf  die  Spirochaete 
pallidae  will  ich  später  ausführlich  berichten.  Hier  möchte  ich 
nur  erwähnen,  dass  ich  gemeinsam  mit  Herrn  Stabsarzt 
Roscher13)  Untersuchungen  angestellt  habe,  wie  lange  sich 
die  Spirochäten  bei  mit  Atoxyl  behandelten  Patienten  nach¬ 
weisen  lassen. 

Es  war  möglich,  im  Reizserum  nässender  Papeln  noch  nach 
Injektion  von  3.6  g  Atoxyl  zahlreiche  lebende  Spirochaetae 
pallidae  zu  finden;  ebenso  wurden  aber  auch  nach  Behandlung 
mit  5  Sublimatdoppelspritzen,  d.  i.  0,1  HgCL  positive  Befunde 
erhoben14).  Ein  direkter  Einfluss  des  Atoxyls  auf  die  Spiro¬ 
chäten  bei  Zusatz  einer  bis  1  proz.  Lösung  zum  frischen  Prä¬ 
parat  war  nicht  zu  konstatieren. 

Einige  Nebenbefunde,  welche  bei  den  Untersuchungen  im 
Dunkelfeld  erhoben  wurden,  seien  hier  in  Kürze  mitgeceilt. 
Neben  den  bereits  bekannten  lebhajt  tanzenden,  kleinen,  zum 
Teil  ultramikroskopischen  Körperchen,  welche  hauptsächlich 
wohl  als  Zerfallsprodukte  von  Zellen15),  Hämokonien,  als  feinste 
Protoplasmaklümpchen  aufzufassen  sind,  fanden  sich  im  Blut 


12)  Vgl.  Uhlenhut h,  Hoffmann  und  Roscher:  Unter¬ 
suchungen  über  die  Wirkung  des  Atoxyls  auf  die  Syphilis.  Schluss¬ 
bemerkung  Hoffmann  s.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  22. 

1S)  Auf  Veranlassung  von  Herrn  Prof.  Hoffmann. 

14)  F  ü  r  e  s  z,  Preis,  Rona  haben  bei  17  unter  24  Kranken 
während  der  Schmierkur  noch  nach  10  bis  55  Einreibungen  zu  aller¬ 
dings  nur  3  g  Ung.  einer.  Spirochaetae  pallid.  finden  können.  Ofen- 
Pester  Aerzteverein,  Dermatol.  Sektion,  17.  XII.  06.  —  E.  Füresz: 
Ueber  die  Beziehungen  der  Spirochaete  pallida  zur  antiluet'ischen  Kur. 
Med.  Klinik,  p.  1046,  1.  IX.  07. 

15)  M  ii  h  1  e  n  s  und  Hartmann:  Zur  Kenntnis  des  Vakzine¬ 
erregers.  Zentralbl.  f.  Balkteriol.,  I.  Abt.,  Bd.  XLI,  H.  1. 

No.  39. 


zuweilen  ausserordentlich  zarte,  sich  wellenartig  schlängelnde, 
nur  schwach  lichtbrechende  Fäden.  Sie  zeigen  ganz  glatte, 
nicht  gewundene  Konturen,  weshalb  sie  leicht  von  Spirochäten 
unterschieden  werden  können.  Die  Enden  des  Fadens  er¬ 
scheinen  mit  einem  kugeligen  oder  bimförmigen  Körperchen 
besetzt,  welches  stärker  lichbrechend  als  der  Faden  und  auch 
ein  wenig  dicker  ist.  Durch  eine  kleine  Einschnürung  ist  im  all¬ 
gemeinen  das  Endkörperchen  deutlich  vom  Faden  abgesetzt. 
Der  etwa  K — K>  ^  dicke  Faden  schwankt  in  seiner  Länge  zwi¬ 
schen  2  und  20  V.  Von  den  Fibrinfäden,  die  gewöhnlich  starr 
sind  und  häufig  weitmaschige,  zusammenhängende  Netze  bil¬ 
den,  unterscheiden  sich  diese  Gebilde  deutlich  durch  die  flot¬ 
tierende  Bewegung,  wie  auch  durch  etwas  stärkeres  Licht¬ 
brechungsvermögen. 

W.  Rosenthal,  welcher  im  Hühnerblute  ähnliche  Fäden, 
allerdings  ohne  die  kugeligen  Anhängegebilde  beschrieben  hat,**) 
konnte  dieselben  im  Menschenblut  nie  nachweisen.  Bezüglich 
anderer  im  Blut  beobachteter  Fadenbildungen  und  Literatur 
verweise  ich  auf  seine  ausführliche  Publikation  1<!).  Im  Men¬ 
schenblut  ist  dieser  Befund  anscheinend  noch  nicht  beschrieben 
worden.  Was  diese  Fäden  darstellen,  wage  ich  noch  nicht  zu 
entscheiden.  Wahrscheinlich  sind  auch  sie  wie  die  kleinen 
Körperchen  Zerfallprodukte  des  Zellprotoplasmas. 

Mit  den  Diploformen  und  den  hantelförmigen  Gebilden 
haben  besonders  die  kürzeren  Fäden  viel  Aehnlichkeit,  so  dass 
die  Annahme  nahe  liegt,  dass  der  Faden  durch  Ausziehen  des 
Mittelstückes  entsteht.  Ich  fand  diese  Gebilde  hauptsächlich 
im  Blut  kranker  Personen  (Syphilis,  Pemphigus  etc.),  auch  im 
üewebssaft  von  Karzinomen,  im  Reizserum  von  Primäraffek¬ 
ten  etc.,  dem  ja  immer  etwas  Blut  beigemengt  ist. 

Neben  diesen  fanden  sich  im  Blut  zuweilen  noch  andere 
aus  einer  Reihe  kettenartig  aneinander  gelagerter  Kügelchen 
gebildete  Fäden,  die  sich  ebenfalls  wellenartig  bewegten  und 
sich  durch  die  Gliederung  von  den  oben  beschriebenen  Fäden 
unterschieden. 

Abgesehen  von  diesen  Nebenbefunden,  welche  ohne  das 
Dunkelfeld  gar  nicht  oder  nur  zum  Teil  zu  erkennen  sind,  haben 
wir  dasselbe  also  für  die  Beobachtung  der  lebenden  Spiro¬ 
chaete  pallida  mit  sehr  gutem  Erfolge  benutzen  können. 

Welcher  Modifikation  man  sich  bedient,  scheint  nach  den 
günstigen  Erfahrungen  Landsteiners  und  Muchas 
mit  dem  Spiegelkondensor  unwesentlich  zu  sein.  Uns  hat  sich 
der  Ze  i  s  s  sehe  Apparat  gut  bewährt  und  ist  uns  bereits  für  die 
schnelle  Diagnose  der  Syphilis  ein  wertvolles  Hilfsmittel  ge¬ 
worden.  Wie  schon  Herr  Prof.  Dr.  E.  Hof  f  man  n  in  seinem 
Referate  auf  dem  IX.  Kongress  der  Deutschen  Dermatologi¬ 
schen  Gesellschaft  in  Bern  (cf.  Nachtrag,  p.  175)  betont  hat, 
bedeutet  die  Untersuchung  im  Dunkelfeld  einen  wesentlichen 
Fortschritt  für  die  schnelle  Prüfung  frischer  Präparate  von 
syphilitischen  Sekreten  und  Gewebssäften,  ebenso  auch  für  das 
Studium  der  Bewegungen  der  verschiedenen  Spirochätenarten. 


Aus  dem  Heiliggeist-Hospital  (mediz.  Abteilung)  zu  Frank¬ 
furt  a.  M. 

Ueber  die  medikamentöse  und  lokale  Behandlung  der 
akuten  und  chronischen  rheumatischen  und  gonorrhoi¬ 
schen  Gelenkerkrankungen. 

Von  Chefarzt  Prof.  Dr.  G.  Treupel. 

Die  Behandlung  der  akuten  und  chronischen  Gelenkerkran¬ 
kungen  „rheumatischen“  und  anderen  Ursprungs  ist  in  den 
letzten  Jahren  wiederholt  zum  Gegenstand  teils  kürzerer  Mit¬ 
teilungen,  teils  ausführlicher  monographischer  Darstellung  ge¬ 
macht  worden.  Wenn  ich  mir  erlaube,  auch  über  unsere  Er¬ 
fahrungen  hier  kurz  zu  berichten,  so  folge  ich  dabei  einer  An¬ 
regung  aus  dem  Zuhörerkreis  meiner  Fortbildungskurse,  nach¬ 
dem  sich  die  seit  4  Jahren  von  uns  im  Krankenhause  plan- 
mässig  durchgeführte  Behandlung  auch  draussen  in  der  Praxis 
bewährt  hat. 


**)  A  n  m  e  ri  u  n  g  bei  der  Korrektur.  S.  H.  F.  M  u  1 1  a  I 
beschreibt  jüngst  ähnliche  Fadenbildungen  im  Hundeblut.  1  he  Joui- 
nal  of  Hygiene,  April  1907,  Vol.  7,  No.  2,  p.  233. 

10)  W.  R  o  s  e  n  t  h  a  1 :  Beobachtungen  am  Hühnerblut  etc.  Fest¬ 
schrift  für  J.  R  o  s  e  n  t  h  a  1.  Verlag  Georg  T  h  i  e  m  e,  Leipzig  1906. 


1930 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Die  Behandlung  besteht  in  der  systematischen  und 
konsequenten  Darreichung  von  Salizylprä- 
paraten  in  Verbindung  mit  lokaler  Hyperämie. 
Bei  der  grossen  Zahl  von  Fällen,  die  wir  im  Spital  jahraus 
jahrein  sehen,  hatten  wir  reichlich  Gelegenheit,  den  Wert  ein¬ 
zelner  Salizylpräparate  und  Antineuralgika  und  der  ver¬ 
schiedenen  Methoden  lokaler  hyperämisierender  Behandlung 
gegen  einander  abzuschätzen.  Der  folgenden  Zusammen¬ 
fassung  liegt  ein  Material  von  529  Fällen  aus  den  letzten 
4  Jahren  zu  Grunde,  über  das  wir  ausführlichere  Aufzeich¬ 
nungen  und  genau  durchgeführte  Kurven  und  Tabellen  be¬ 
sitzen. 

Die  weitaus  meisten  dieser  Fälle  (471)  betreffen  den 
akuten  und  subakuten  Gelenkrheumatismus.  Davon  verliefen 
4/s  mit  mehr  weniger  hohen  Temperaturen  im  Anfang  oder  im 
Rezidiv,  nur  Vs  war  afebril.  Fast  immer  waren  mehrere  Ge¬ 
lenke  mit  deutlichen  lokalen  Erscheinungen  (Rötung,  Schwel¬ 
lung,  Schmerzhaftigkeit)  befallen,  sehr  häufig  alte  Herzklappen¬ 
fehler  vorhanden,  seltener  kamen  frische  Endokardititen  und 
Komplikationen  von  seiten  der  serösen  Häute  zur  Beobachtung. 

Alle  diese  Fälle  wurden  mit  Salizylpräparaten,  innerlich 
oder  in  Form  der  intravenösen  Injektionen,  und  mit  lokal  hyper- 
ämisierenden  Methoden  behandelt. 

Was  dabei  die  Salizyltherapie  betrifft,  so  suchten  wir  stets 
zunächst  mit  Natrium  salicylicum  auszukommen  und 
nur  wenn  dieses  innerhalb  der  ersten  4—5  Tage  vergeblich  an¬ 
gewandt  war  D  —  auch  als  intravenöse  Injektion  — ,  gingen 
wir  zu  anderen  Salizylpräparaten  über. 

Zum  Vergleich  —  soweit  ein  Vergleich  bei  einer  so 
wechselvollen  und  unberechenbaren  Krankheit  überhaupt  mög¬ 
lich  und  zulässig  ist  —  erhielten  je  6  Fälle  von  vornherein 
Aspirin,  Phenazetin  und  ein  uns  neu  zur  Verfügung  gestelltes 
Salizylpräparat,  das  Azethylsalizylamid,  das  wir  „Arthrisin“ 
nannten.  Die  durchschnittliche  Krankheitsdauer  betrug  in 
diesen  18  Fällen  je  29  Tage.  Das  „Arthrisin“  hat  sich  dabei 
ganz  wirksam  und  gut  bekömmlich  gezeigt,  doch  glaube  ich 
nicht,  dass  seine  Einführung  berechtigt  ist,  da  es  meines  Er¬ 
achtens  keine  w  esentlichen  Vorzüge  vor  den  bereits  be¬ 
kannten  Präparaten  hat.  Auf  Natrium  salicylicum 
reagierten  prompt  295  Fälle  (=  65  Proz.)  mit  einer  durch¬ 
schnittlichen  Krankheitsdauer  von  je  28  Tagen.  Die  Dar¬ 
reichung  geschah  meist  so,  dass  in  den  ersten  2  Tagen  4—6  g 
in  24  Stunden  per  os  gegeben  wurden  und,  sobald  subjektive 
und  objektive  Besserung  eintrat,  die  Dosis  auf  3  g  in  24  Stun¬ 
den  herabgesetzt  und  so  lange  beibehalten  wurde,  bis 
dauernd  Schmerzlosigkeit  und  normale  Temperaturen  er¬ 
zielt  waren. 

Dass  man  in  dieser  Weise  das  Salizylsäure  Natrium 
verwenden  darf,  haben  wir  in  recht  ausgedehnten  Ver¬ 
suchsreihen  festgestellt.  H.  Lüthje2)  war  der  erste,  der 
systematisch  die  Wirkung  der  Salizylpräparate  auf  die 
Harnwege  geprüft  und  dabei  gefunden  hat,  dass  nach  Gebrauch 
des  Salizyls  in  den  für  den  Menschen  üblichen  Dosen  regel¬ 
mässig  eine  nicht  unerhebliche  Reizung  der  ge¬ 
samten  Harnwege,  besonders  auch  der  Nieren  eintritt. 
Nach  diesen  Ergebnissen  musste  man  sich  fragen,  ob  die  Dar- 
i  eichung  von  Salizylpräparaten  in  hohen  Tagesdosen  und  für 
lange  Zeit  überhaupt  vorteilhaft  wäre.  Wir  haben  daher  im 
Jahre  1903  die  Lüthje  sehen  Befunde  nachgeprüft,  von  vorn¬ 
herein  aber  die  Fragestellung  erweitert  und  ein  Urteil  über  das 
Verhalten  des  Harns  bei  normalen  Mnschen  und  bei  rheuma¬ 
tischen  Erkrankungen  —  auch  ohne  Salizylbehandlung  —  zu 
gewinnen  versucht.  Unsere  Erfahrungen  in  dieser  Beziehung 
sind  von  C.  Küeneberger  und  R.  Oxenius3)  veröffent¬ 
licht  worden  und  ich  kann  nicht  umhin,  hier  einiges  aus  dieser 
Arbeit  zu  wiederholen,  da  mir  neuerdings  die  Eigenschaft  der 
Salizylsäure  als  „N  i  e  r  e  n  g  i  f  t“  überschätzt  zu  werden 
scheint. 

Schon  im  normalen  Harn  finden  sich  bei  genügend 
sorgfältiger  Sedimentierung  (Zentrifugierung  mit  hoher  Touren- 


P  Nicht  vertragen,  so  dass  regelmässig  Erbrechen  auftrat, 
wurde  das  Natr.  salicylic.  überhaupt  nur  in  1  Fall. 

2)  H.  Lüthje:  Ueber  die  Wirkung  von  Salizylpräparaten  auf 
die  Harnwege  usw.  D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  74,  S.  163,  Jahrg.  1902. 


zahl)  sämtliche  Elemente  der  Nieren  und  Harn¬ 
wege  in  vereinzelten  Exemplaren.  Reichlicher  wird 
dieser  Befund  und  vergesellschaftet  sich  mit  Albuminurie  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  bei  fieberhaften  rheuma¬ 
tischen  Erkrankungen  ohne  Salizylbehandlung. 
Dieser  desquamative  Katarrh  der  gesamten 
H  a  r  n  w  e  g  e,  bezw.  die  „toxische  Nephritis“  tritt  auch  b  e  i 
Salizyl  Darreichung  als  zweifellose  Folge  der 
Salizyl Wirkung  auf.  Aber  —  und  das  ist  für  unser 
heutiges  Thema  das  Wichtige  —  diese  desquamativen 
Katarrhe  heilen  unter  fortdauerndem  Salizyl- 
gebrauch  aus.  Konnten  wir  also  auf  der  einen  Seite  die 
Lüthje  sehen  Befunde  bestätigen,  so  durften  wir  doch 
andererseits  aus  unseren  weiteren  Untersuchungen  die  Be¬ 
rechtigung  der  Salizyltherapie  und  zwar  einer 
konsequent  durchgeführten  beim  Gelenkrheumatismus  ableiten. 
Zu  einer  ähnlichen  Auffassung  ist  auch  Th.  Brugsch4)  ge¬ 
kommen,  der  die  im  Altonaer  Krankenhause  gemachten  Er¬ 
fahrungen  mitgeteilt  hat.  Er  hält  die  Nierenschädigung  für  eine 
bedingte,  die  durch  bestimmte  Darreichungsverfahren  (hohe 
IJosen  nur  so  lange,  als  unbedingt  nötig;  weiterhin  3  g  als 
I  agesdose  und  gleichzeitige  Steigerung  der  Diaphorese)  ver¬ 
mieden  werden  könne. 

Wir  haben  auch  fernerhin  stets  auf  das  Verhalten  des  Harns 
bei  Salizylgebrauch  sorgfältig  geachtet  und  uns  überzeugt,  dass 
unsere  damaligen  Angaben  zutreffend  sind  und  dass  von  einer 
eigentlichen  S  c  h  ä  d  i  g  u  n  g  der  Nieren  oder  irgend  einem 
bleibenden  Nachteil  beim  Salizylgebrauch  nicht  die  Rede 
sein  kann.  Selbst  bei  chronischen  Nephritiden  haben  wir,  wenn 
eine  Polyarthritis  hinzutrat,  die  Salizyltherapie  mit  Vorteil  ver¬ 
wandt  und  konnten  feststellen,  dass  die  bei  der  Aufnahme 
relativ  schweren  Erscheinungen,  soweit  sie  sich  im  Harnbefund 
spiegelten,  unter  der  Salizylbehandlung  zurückgingen. 

In  all  den  Fällen  akuter  und  subakuter  Polyarthritis 
rheumatica,  die  auf  das  Natrium  salicylicum  in  den 
ersten  5  Tagen  nicht  prompt  reagierten  —  es  sind  das  im 
ganzen  158  (=  35  Proz.),  die  im  allgemeinen  hartnäckigeren 
und  nur  zum  kleinsten  T  eil  fieberfreien  —  kamen  m  e  h  r  e  r  e 
Medikamente  nacheinander  zur  Anwendung.  Jedes 
einzelne  wurde  aber  mindestens  4—5  Tage  gegeben.  Bis¬ 
weilen  wurde  im  weiteren  Verlauf  der  Behandlung  auch  wieder 
auf  eines  der  früher  erfolglos  gegebenen  zurückgegriffen 
und  es  hat  sich  dabei  gezeigt,  dass  manches  vorher  wirkungs¬ 
lose  Präparat  im  späteren  Verlauf  von  prompter  Wirkung  auf 
die  Temperatur  und  die  lokalen  Erscheinungen  war. 

So  haben  wir  Natrium  salicylicum  und  Aspirin 
in  102  (von  den  158)  Fällen  bei  einer  durchschnittlichen  Krank¬ 
heitsdauer  von  44  Tagen  verwandt.  Die  beiden  Medikamente 
haben  sich  dabei  so  ziemlich  die  Wage  gehalten,  5  mal  aber 
schlugen  sie  zu  gunsten  des  Natr.  salicylicum  und  12  mal  zu 
gunsten  des  Aspirins  aus. 

Natrium  salicylicum  und  Phenazetin  kamen 
m  10  Fällen  mit  durchschnittlich  43  Tagen  Krankheitsdauer, 
Natrium  salicylicum  und  „Arthrisin“  ebenfalls  in 
10  Fällen  mit  durchschnittlich  41  Krankheitstagen,  Natrium 
salicylicum,  Aspirin  undPhenazetin  in  26  Fällen 
mit  durchschnittlich  56  Tagen  und  endlich  Natrium  sali¬ 
cylicum,  Aspirin,  Phenazetin  und  Arthrisin  in 
10  Fällen  mit  durchschnittlich  60  Tagen  zur  Verwendung.  Wir 
haben  auch  gelegentlich  in  besonders  verzweifelten  Fällen 
Acidum  salicylic  um  und  neuerdings  das  Salizylsäure 
Phenetidin  5),  ein  bis  jetzt  noch  nicht  eingeführtes  Präparat,  in 
Einzeldosen  von  0,3— 0,5  g  mit  Vorteil  gegeben.  Durchaus 
empfehlenswert  ist  auch  die  Kombination  mehrerer  Mittel, 
z.  B.  Phenazetin  +  Aspirin  aa  0,5  mit  oder  ohne  Zusatz  von 
0,02  Codein.  phosph. 

Wie  bereits  erwähnt,  ging  nun  in  allen  471  Fällen  neben 
der  allgemein  medikamentösen  Behandlung  eine  Lokal¬ 
behandlung  der  befallenen  Gelenke  einher.  Diese  bestand  vor 


3)  C.  Küeneberger  und  R.  Oxenius:  Ueber  Urine  und 
Urinsedimente  bei  normalen  Personen,  bei  rheumatischen  Erkran¬ 
kungen  und  nach  der  Einwirkungen  von  Salizylpräparaten.  D  Archiv 
f.  klin.  Med.,  Bd.  80,  S.  225,  Jahrg.  1904. 

4)  Th.  B  r  u  g  s  c  h:  Salizyltherapie  und  Nieren,  Therapie  d. 

Gegenwart  1904,  S.  58. 


24.  September  190!?. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1931 


allem  in  der  R  u  h  i  g  s  t  e  1 1  u  n  g  der  Gelenke  und  in  der  Er¬ 
zeugung  einer  lokalen  Hyperämie. 

Ich  halte  die  Ruhigstellung  des  geschwollenen  und 
schmerzhaften  Gelenks  für  die  allernötigste  und  wichtigste 
Massnahme  und  ich  stimme  F.  F  r  a  n  k  e  °)  durchaus  bei,  wenn 
er  die  Scheu  vor  „zu  langer  Immobilisierung“  als  unberechtigt 
ansieht.  An  sich  ist  ja  der  Kranke  schon  durch  die  Schmerzen 
gezwungen,  sich  so  ruhig  wie  möglich  zu  halten,  aber  diese 
reflektorisch  und  willkürlich  veranlasste  Fixierung  genügt 
nicht,  sondern  es  müssen  die  Gelenke  jeweils  in  der  Stellung, 
die  dem  Patienten  am  erträglichsten  erscheint,  durch  einen 
Verband  mit  Wattepolsterung  vor  jeder  Bewegung  und  jedem 
Druck  geschützt  werden.  Am  einfachsten  ist  die  mit 
Binden  zusammen  gehaltene  Watteeinwick- 
1  u  n  g  der  befallenen  Gelenke.  Es  ist  das  auch  gleichzeitig 
die  einfachste  Art,  eine  lokale  Hyperämie  zu  erzeugen.  Wir 
sind  damit  in  198  Fällen  ausgekommen.  Im  übrigen  kamen 
Heissluft,  Stauung,  heisse  Sandsäcke  und  Verbände  nach  Appli¬ 
kation  von  Mesotan,  Ichthyolvasogen,  Kampher-,  Formol-, 
Enzian-Spiritus,  Chloroformöl  und  Jodpinselungen  zur  ver¬ 
gleichenden  systematischen  Anwendung. 

Von  all  diesen  Massnahmen  haben  sich  die  Stauungs¬ 
und  Heissluftbehandlung  am  besten  bewährt.  Die 
Stauung  ist  für  die  hartnäckigeren  und  leicht  rezidivieren¬ 
den  akuten  Fälle  die  beste  Art  lokaler  Behandlung.  Leider  ist 
sie  an  dem  Schulter-  und  Hüftgelenk  nicht  anwendbar.  Hier 
haben  wir  der  Heissluftbehandlung  den  Vorzug  gegeben.  Sonst 
aber  kam  sie  in  den  akuten  und  subakuten  Fällen  in  den  letzten 
Jahren  stets  und  mit  dem  besten  Erfolg  zur  Verwendung.  An¬ 
fangs  haben  wir  bis  zu  6  und  8  Stunden  lang  gestaut,  in  der 
letzten  Zeit  jeweils  2 — 4  Stunden  und  das  täglich  wiederholt. 
Die  Stauungsbinde  ist  so  anzulegen,  dass  heisse  rote 
Stauung  eintritt,  was  stets  im  Verlauf  der  ersten  halben 
Stunde  kontrolliert  werden  sollte. 

Was  die  Stauung  beim  akuten  Gelenkrheumatismus  zu 
leisten  vermag,  das  hat  neuerdings  G.  Klemperer5 6 7)  gezeigt, 
der  mit  Stauung  allein  (ohneSalizyl)  70  Proz. 
seiner  Fälle  zur  Heilung  gebracht  hat.  Alles  was  Klemperer 
in  seiner  Mitteilung,  die  auch  die  hierhergehörige  Literatur  be¬ 
rücksichtigt,  Gutes  von  der  Stauung  zu  sagen  weiss,  kann  ich 
bestätigen.  Wenn  ich  trotzdem  an  der  Kombination  von 
Salizylbehandlung  und  Stauung  im  akuten  Falle  festhalte,  so 
darf  ich  dafür  wohl  folgende  Gründe  anführen. 

Das  „im  Sinne  E  h  r  1  i  c  h  s  ätiotropische  Heilmittel“  des 
akuten  Gelenkrheumatismus  wäre  unter  der  Annahme,  dass  der 
akute  Gelenkrheumatismus  die  Folge  einer  wie  immer  ge¬ 
arteten  Streptokokkeninfektion  darstellt,  wohl  die  Anwendung 
eines  Antistreptokokkenserums.  Unsere  Erfah¬ 
rungen  in  dieser  Beziehung  sind  nun  keineswegs  ermutigend 
und  ich  möchte  hier  nur  einen  Fall  kurz  anführen,  der  mir  die 
ernsten  Nebenwirkungen  und  Gefahren  in  der  Anwendung  des 
Serums  gerade  bei  der  Polyarthritis  zu  illustrieren  scheint. 

Unsere  31  jährige  Badefrau  erkrankte  nach  vorausgegangener 
Angina  Mitte  Januar  1907  an  schwerer  akuter  Polyarthritis  mit  frischer 
Endokarditis.  Sie  wurde  in  der  angegebenen  Weise  mit  Na.  sali- 
cylicum,  Aspirin  und  salizylsaurem  Phenetidin  behandelt,  wobei  die 
Qelenkerscheinungen  bald,  die  Temperatur  nur  ganz  allmählich  zurück¬ 
ging.  Als  anfangs  April  ein  erneutes,  stark  remittierendes  Fieber  zu¬ 
nächst  ohne  neuen  objektiven  Befund  auftrat,  das  sich  gegenüber  den 
Antipyreticis  sehr  refraktär  verhielt,  entschlossen  wir  uns  ein  von  den 
Höchster  Farbwerken  geliefertes  Antistreptokokkenserum  zu  in¬ 
jizieren,  um  so  mehr,  als  eine  deutliche  Milzschwellung  uns  auf  den 
septischen  Charakter  der  Erkrankung  hinzuweisen  schien. 

So  erhielt  die  Pat.  am  13.  IV.  07  25  ccm  des  Serums  zu  200  I.-E. 
am  rechten  Oberschenkel  und  18.  IV.  07  25  ccm  zu  500  I.-E.  am  linken 
Oberschenkel  unter  allen  Kautelen  subkutan  einverleibt.  Am  22.  IV. 
—  also  9  Tage  nach  der  ersten  und  4  Tage  nach  der  zweiten  Injek¬ 
tion  —  trat  eine  erysipelatöse  Rötung  und  Schwellung 
um  die  Einstichstelle  rechts,  am  23.  auch  links  auf,  die  sich  rasch  nach 
oben  und  unten  ausdehnten.  Am  25.  IV.  kleine,  leicht  er¬ 
habene,  dem  Erythema  nodosum  ganz  ähnliche  rote 


5)  Von  diesem  Präparat,  das  bereits  v.  M  e  r  i  n  g,  Therap.  Mo- 
natsh.  1893,  S.  581,  erwähnt,  haben  wir  bis  jetzt  ca.  600  Einzeldosen 
ohne  Nebenwirkungen  verabreicht. 

6)  F.  Franke:  Diagnose  und  Behandlung  der  chronischen  Ge- 
lenkenkrankungen.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  29  u.  ff. 

7)  Q.  Klemperer:  Zur  Behandlung  des  akuten  Gelenkrheuma¬ 

tismus.  Therapie  der  Gegenwart  1907,  S.  255. 


Flecken  am  Rücken  und  am  27.  IV.  unter  gleichzeiti¬ 
ger  erheblicher  Verschlimmerung  des  Allgemein¬ 
befindens  schmerzhafte  teigige  Schwellung  der 
Han  di-  und  Fuss  gelenke,  aller  Fingergelenke  und 
um  schrie  bene  Rötung  der  Haut  über  den  betroffenen  Ge¬ 
lenken.  Das  hohe,  stark  remittierende  Fieber  wurde  in  keiner  Weise 
durch  die  Injektionen  beeinflusst.  Die  Störung  des  Allgemeinbefin¬ 
dens,  die  Gelenkaffektionen  und  die  lokale  Rötung  gingen  in  den  näch¬ 
sten  Tagen  allmählich  zurück. 

Die  erysipelartigen,  zum  Teil  recht  ausgedehnten  Rötungen 
und  Schwellungen  in  der  Umgebung  der  Einstichstellen  haben 
wir  auch  sonst  einige  Tage  nach  der  Injektion  dieser  Sera 
beobachtet.  Besonders  bemerkenswert  aber  ist  in  diesem  Falle 
der  Erythema  no  d  o  s  u  m  -  artige  Ausschlag  und  die 
multiple  Lokalisation  an  den  Gelenken,  die  sich 
von  denen  bei  der  vorausgegangenen  Polyarthritis  nicht  unter¬ 
schieden. 

Ich  glaube,  dass  derartige  Erfahrungen  zu  rechter  Vorsicht 
mahnen  und  wenn  ich  auch  gern  zugeben  will,  dass  bei  ganz 
schweren  septischen  Infektionen  mit  an  sich  trüber  Prognose 
die  Anwendung  der  Sera  durchaus  gerechtfertigt  ist8)  —  wir 
selbst  wenden  die  Sera  in  solchen  Fällen  an  — ,  so  möchte  ich 
doch  vorläufig  bei  der  Polyarthritis  darauf  verzichten. 

Nun  besteht  aber  meines  Erachtens  bei  der  Polyarthritis¬ 
infektion  mit  ihren  mannigfachen  Lokalisationen  an  den  serösen 
Häuten  und  dem  Endo-  und  Myokard  das  Bedürfnis  nach  einer 
Behandlung  nicht  nur  lokaler,  sondern  allgemein  bak¬ 
terizider  Art.  Und  gerade  diese  beiden,  namentlich 
auch  die  letztere  Indikation,  erfüllt  zweifellos  die  Salizylsäure, 
wobei  ihre  Nebenwirkung  auf  die  Harnwege  und  Nieren,  wie 
oben  ausgeführt,  nicht  zu  hoch  angeschlagen  werden  darf. 
Wenn  nach  den  Untersuchungen  M.  Jacobys9)  das  Blut 
der  mit  Salizylsäure  behandelten,  streptokokkeninfizierten 
Tiere  den  relativ  höchsten  Gehalt  an  Salizylsäure 
aufweist,  so  wird  sie  ihre  bakterizide  Wirkung  nicht  nur  in 
der  Umgebung  der  hyperämisierten  Gelenke,  sondern  überall 
und  namentlich  auch  im  Bereich  des  Endokards  der  Klappen 
sehr  wohl  entfalten  können.  Will  man  die  Salizylsäure  nicht 
als  „spezifisches“  Mittel  beim  Gelenkrheumatismus  bezeichnen, 
so  spricht  die  tausendfältige  Erfahrung  seit  ihrer  allgemeinen 
Einführung  in  die  Behandlung  der  Polyarthritis  —  man  arbeite 
nur  die  früheren  Krankengeschichten  aus  der  salizyllosen  Zeit 
einmal  durch  —  dafür,  dass  sie  bis  jetzt  noch  das  souveräne 
Mittel  ist.  So  sehr  ich  auch  die  Stauungsbehandlung  beim 
akuten  und  subakuten  Gelenkrheumatismus,  besonders 
den  häufigeren  mit  keinem  oder  nur  geringen  Fieber  einher¬ 
gehenden  Rezidiven  an  den  Gelenken  schätzen  gelernt  habe, 
so  möchte  ich  doch  davor  warnen,  im  Vertrauen  auf  sie  allein 
die  bewährte  Salizylbehandlung  aufzugeben. 

In  allen  mehr  chronischen  Fällen  oder  dann,  wenn 
nach  verhältnismässig  raschem  Rückgang  der  übrigen  lokalen 
Erscheinungen  e  i  n  Gelenk  noch  sehr  lang  —  oft  wochenlang  — 
geschwollen  und  schmerzhaft  bleibt,  haben  wir  die  S  t  a  u  u  n  g 
und  heisse  Luft  abwechselnd  mit  sehr  gutem  Resultat  ver¬ 
wandt.  Besonders  die  Schmerzhaftigkeit  lässt  unter 
dieser  Behandlung  bald  so  sehr  nach,  dass  man  verhältnis¬ 
mässig  rasch  mit  Massage  an  das  Gelenk  herankann.  So¬ 
bald  durch  diese  Massnahmen  die  ergriffenen  Gelenke  so 
frei  von  Schmerzhaftigkeit  und  Schwellung  geworden  waren, 
dass  passive  Bewegung  innerhalb  gewisser  Grenzen  möglich 
war,  gingen  wir  zur  B  ä  d  e  r  behandlung  über.  Im  warmen 
Bad  lassen  wir  auch  zunächst  die  aktiven  Bewegungen  aus¬ 
führen. 

Stauung,  heisse  Luft,  später  Massage  und 
Bäder  sind  auch  —  neben  der  Beseitigung  des  Grundleidens 
—  das  Hauptrüstzeug  in  der  Behandlung  der  Polyarthritis 
und  Monarthritis  gonorrhoica.  Die  meist  überaus  schmerz¬ 
haften  und  sich  recht  häufig  vorwiegend  in  einem  Gelenk 
besonders  stark  und  lang  lokalisierenden  Erkrankungen  bei 
Gonorrhöe  —  ebenso  wie  bei  Influenza,  Scharlach,  Pneumonie 
und  gelegentlich  auch  beim  Abdominaltyphus  — ,  deren  wir  im 


8)  Vergl.  hierzu  die  günstigen  Erfahrungen  Schwerins  (D. 
med.  Wochenschr.  1906,  No.  46). 

9)  M.  Jacoby:  Ueber  die  Verteilung  der  Salizylsäure  bei  nor¬ 
malen  und  infizierten  Tieren.  Hofmeisters  Beitr.  z.  ehern.  Phys.  u 

Pathol.,  Bd.  VII,  S.  514. 


3* 


1932 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


ganzen  12  in  den  letzten  4  Jahren  zu  behandeln  Gelegenheit 
hatten,  erfordern  viel  Geduld  und  Ausdauer  von  seiten  des 
Patienten  und  Arztes,  die  aber  auch  fast  stets  mit  einem  voll¬ 
ständigen  Heilerfolg  belohnt  werden. 

Dieser  letztere  bleibt  uns  leider  versagt  in  den  traurigen 
Fällen  des  chronischen  Gelenkrheumatismus,  einerlei  in 
welcher  Form  er  auftritt.  Sowohl  der  primär  e,  fast  stets 
fieberlose  chronische  Gelenkrheumatismus,  der  polyartikulär, 
meist  symmetrisch  an  den  kleinen  Gelenken  beginnend,  zur 
langsam  fortschreitenden  Versteifung  und  schliesslich  durch 
Aufzehrung  der  Knorpel,  Schwund  und  Abschleifung  an  den 
Knochen  zur  c  h  r  o  n.  deformierenden  Arthritis 
führt,  als  auch  der  sekundäre  chronische  Gelenkrheuma¬ 
tismus,  der,  aus  dem  akuten  infolge  vielfacher  Nachschübe  ent¬ 
standen,  entweder  mit  chron.  Hydrops  einhergeht  oder  häufiger 
als  „fibröse  r“  Rheumatismus  die  allmähliche  Verstei¬ 
fung  der  Gelenke  (Arthritis  ankylopoetica) 
veranlasst,  sind  beide  nicht  mehr  heilbar.  Doch  kann  auch  hier 
durch  die  lokale  Behandlung  mit  heisser  Luft,  Massage  und 
Bädern  vorübergehend  Stillstand  und  Besserung  erzielt  werden. 
Diese  haben  wir  denn  auch  —  allerdings  nach  monatelanger 
systematischer  Behandlung  —  in  den  sämtlichen  46  Fällen,  die 
ich  dieser  Arbeit  mit  zu  Grunde  gelegt  habe,  erreicht. 

Aber  gerade  auch  hierbei  hat  uns  die  Salizylthe- 
r  a  p  i  e  —  besonders  auch  in  der  Form  der  intravenösen  In¬ 
jektionen  nach  F.  Mendel lu)  —  zur  Bekämpfung  der  oft 
schwer  zu  ertragenden  und  aufreibenden  Schmerzen 
die  besten  Dienste  geleistet. 

Dass  neben  der  medikamentösen  und  lokalen  Behandlung, 
denen  hauptsächlich  diese  Zeilen  galten,  auch  eine  allgemeine 
diätetische  Behandlung  einherzugehen  hat,  versteht  sich 
von  selbst.  In  dieser  Beziehung  möchte  ich  nur  betonen,  dass 
nach  meinen  Erfahrungen  die  Älkoholabstinenz  allen 
„Rheumatikern“  von  wesentlichem  Nutzen  ist. 


Aus  der  Grossh.  Dermatologischen  Universitätsklinik  zu  Frei¬ 
burg  i.  B.  (Direktor:  Prof.  E.  J  a  c  o  b  i). 

Ein  Einreiber  zur  raschen  Ausführung  der  Schmierkur 
mit  Hand-  oder  Motorbetrieb. 

Von  Prof.  E.  J  a  c  o  b  i. 

Trotz  aller  Verbesserungen  in  der  Darreichung  des  Hg 
ist  die  Schmierkur  heute  noch  fast  unbestritten  als  die  beste 
Behandlungsmethode  der  Syphilis  anzusehen,  und  auch  die 
Injektionen  gelöster  und  ungelöster  Hg-Salze,  so  vorteilhaft  sie 
in  vielen  Fällen  sein  mögen,  haben  es  nicht  vermocht,  die 
Schmierkur,  wie  sie  nach  Sigmunds  Vorgang  ausgeführt 
wird,  zu  verdrängen.  Leider  haften  dieser  Methode  noch 
immer  eine  Anzahl  Mängel  an,  deren  Beseitigung  bisher  nicht 
gelungen  ist.  Vor  allen  Dingen  wird  die  Unsicherheit  der  Wir¬ 
kung  zum  Vorwurf  gemacht,  besonders  wenn  die  Patienten  die 
Einreibungen  selbst  machen,  was  ja  von  vielen  Syphilo- 
therapeuten  den  Einreibungen  durch  Masseure  etc.  vorgezogen 
wird.  Ueble  Erfahrungen,  die  wir  nicht  etwa  nur  an  leicht¬ 
sinnigen  jungen  Leuten,  sondern  auch  bei  gewissenhaften  zu¬ 
verlässigen  Patienten  gemacht  haben,  veranlassten  uns,  wenn 
es  die  Verhältnisse  irgenwie  gestatteten,  die  Ausführung  der 
Einreibung  durch  einen  geübten  Heildiener  vornehmen  zu 
lassen.  Um  nun  einerseits  diesen  Masseur  vor  einer  unbeab¬ 
sichtigten,  allzu  starken  Merkurialisierung  zu  schützen, 
andererseits  aber,  um  sicher  zu  sein,  dass  die  gesamte  Salben- 
menge  tatsächlich  auf  die  Haut  des  Patienten  gelangt  und  nicht 
durch  die  Hände  des  Einreibenden  wieder  abgewischt  wird, 
verwenden  wir  seit  Jahren  ein  Instrument,  einen  Einreiber 
(Fig.  1),  der  sich  uns  sehr  gut  bewährt  hat. 

Derselbe  besteht  aus  einem  pilzförmigen  Holzgestell,  das  voll¬ 
ständig  mit  einer  elastischen,  säurefesten,  glattpolierten  Masse,  wie 
sie  zur  Herstellung  der  elastischen  französischen  Bougies  und  Kathe¬ 
ter  benutzt  wird,  überzogen  ist.  Die  etwa  8  cm  breite  Reibefläche  ist 
unter  dem  Ueberzug  gepolstert  und  hat  etwa  dieselbe  Konsistenz 
wie  der  Handteller,  an  dessen  Stelle  ja  das  Instrument  treten  soll. 
In  Fällen,  wo  die  Patienten  selbst  einreiben,  wird  ein  Reiber  mit  recht- 


10)  Tlierap.  Monatsh.  1904  u.  Münch,  med.  Wochenschr.  1905, 
S.  165. 


winklig  abgebogenem  und  verlängertem  Stiel  benützt  (Fig.  2),  mit 
dessen  Hilfe  auch  der  Rücken  eingerieben  werden  kann. 


Gegenüber  den  von  anderen  Autoren  empfohlenen  Reibern 
aus  Glas,  Leder  oder  Kautschuk  hat  das  von  mir  verwandte 
Instrument  den  Vorteil,  dass  es  weich  ist,  wie  die  menschliche 
Hand,  also  beim  Reiben  keine  Schmerzen  verursacht,  dass  es 
leicht  zu  reinigen  und  zu  sterilisieren  ist,  dass  keine  Salbe  ver¬ 
loren  geht  und  dass  es  schliesslich  unverwüstlich  ist. 

Um  die  Dauer  der  einzelnen  Einreibungen  abzukürzen, 
andererseits  um  die  Kräfte  des  Masseurs  zu  schonen,  gleich¬ 
wohl  aber  ein  sehr  intensives  Einreiben  zu  garantieren,  habe 
ich  seit  langem  meinen  Reiber  mit  einem  Elektromotor1)  in 
Verbindung  gebracht.  Anfänglich  verwendete  ich  dabei  ein 
Handstück,  das  die  drehende  Bewegung  der  Welle  in  eine  hori¬ 
zontale,  sägende  umwandelte;  durch  Herrn  F.  Klingel- 
f  u  s  s  in  Basel  wurde  mir  dann  später  ein  Handgriff  konstruiert, 
mit  dessen  Hilfe  richtige  Reibebewegungen  ausgeführt  werden. 
Das  Instrumentarium  hat  jetzt  folgende  Gestalt  (Fig.  3): 

Der  Gleichstrommotor  von  Hs  P.S.  mit  einer  Umdrehungs¬ 
anzahl  von  2400  pro  Minute  ist  mit  einer  biegsamen  Welle  ver¬ 
bunden,  die  in  einem  Handstück  in  Gestalt  einer  handlichen 
Dose  endigt,  in  deren  Mitte  das  abgekröpfte  Heft  des  Reibers 
befestigt  ist.  Durch  diese  Anordnung  wird  bewirkt,  dass  der 
Reiber  dieselben  Bewegungen  macht,  wie  die  Hand  beim  Ein¬ 
reiben.  Um  mit  dem  schwachen  Motor  einen  grösseren  Druck 
ausüben  zu  können  und  um  die,  bei  der  sehr  raschen  Reibe- 
bewegung  allzugrosse  Erwärmung  der  Haut  zu  vermeiden, 
wird  die  Zahl  der  Bewegungen  durch  das  F.  Klingelfuss- 
sche  Handstück  2)  auf  etwa  800  in  der  Minute  reduziert,  doch 
lässt  sich  durch  Einschaltung  eines  Widerstandes  die  Schnellig¬ 
keit  nach  Belieben  regulieren.  Das  ganze  Instrumentarium 
ist  klein  und  handlich;  auch  lässt  sich  jeder  vorhandene  Elektro¬ 
motor  mit  der  Einrichtung  zum  Einreiben  versehen/ 

Zur  Ausführung  der  Schmierkur  mittels  des  elektrischen 
Reibers  eignet  sich  jede  nicht  zu  feste  graue  Salbe  —  wir 
verwenden  meist  das  Ungt.  Hg  einer,  c.  Resorbino,  das  von 
weicher  Konsistenz  ist  und  sich  sehr  leicht  einreiben  lässt. 

Die  Vorteile  der  Einrichtung  liegen  auf  der  Hand!  Zu¬ 
nächst  wird  jede  Einreibung  in  etwa  A — Vs  der  sonst  erforder¬ 
lichen  Zeit  ausgeführt  werden  können:  während  man  im  allge¬ 
meinen  etwa  5  Minuten  zum  gründlichen  Verreiben  eines  Gram¬ 
mes  Salbe  gebraucht,  lässt  sich  mit  dem  Elektromotor  eine 
Einreibung  von  3—4  g  in  ebenso  viel  Minuten  ausführen.  Die 
Einreibung  wird  viel  energisch'er  und  sorgfältiger  gemacht 
werden,  da  die  einreibende  Person  sich  nicht  anzustrengen 
braucht,  um  eine  gründliche  Verreibung  zu  erzielen;  dem- 


V  Die  Verwendung  der  Vibrationsmassage  zur  Ausführung  der 
Schmierkuren  hat  bereits  Ledermann  im  Jahre  1904  (Dr.  R.  L  e - 
der  mann:  Ueber  die  Verwendung  der  Vibrationsmassage  zur  Aus¬ 
führung  der  Schmierkur.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1904,  No.  42, 
pag.  1539)  empfohlen,  doch  handelt  es  sich  dabei  nicht  um  ein  wirk¬ 
liches  Ein  r  e  i  b  e  n.  L.  setzt  sein  Verfahren  auch  mehr  mit  den  Ein¬ 
klatschungen  in  Parallele. 

2)  Der  Reiber,  sowie  das  Handstück  dazu  sind  gesetzlich  ge¬ 
schützt  ;  Gebrauchsmusterschutz. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1933 


gemäss  wird  eine  Person  viel  mehr  Kranke  bedienen  können, 
als  bei  Einreibung  mit  der  Hand.  Dass  schliesslich  die  starke 
Hyperämie,  die  auf  den  mit  dem  Motor  eingeriebenen  Hant- 
partien  entsteht,  die  Resorption,  mag  sie  nun  auf  dem  Wege 
von  Einatmung  oder  durch  die  Haut  erfolgen,  sehr  begünstigt, 
ist  wohl  selbstverständlich.  Demgemäss  sind  auch  die  Re¬ 
sultate,  die  wir  bei  der  Ausführung  der  Schmierkur  mittels 
des  Motoreinreibers  erzielen,  mindestens  ebenso  gute,  wie  bei 
den  Einreibungen  mit  der  Hand,  und  ich  habe  den  Eindruck, 
dass  die  Hg-Wirkung  auffällig  rasch  und  sicher  eintritt.  Die 
Ersparnis  an  Zeit  und  Arbeitskraft  ist,  wenigstens  in  einem 
ausgedehnten  Betrieb,  nicht  zu  unterschätzen. 

A  n  me  rk  u  n  g.  Der  Reiber  für  sich  allein,  sowie  in  Verbindung 
mit  dem  Elektromotor  wird  von  dem  Instrumentenfabrikanten  F. 
Rosset  in  Freiburg  i.  B.,  sowie  von  F.  K  1  i  n  g  e  1  f  u  s  s  &  Co. 
in  Basel  geliefert. 


Aus  dem  städtischen  Krankenhause  am  Friedrichshain  in  Berlin. 

Ein  Fall  von  Kreosotalvergiftung. 

Von  E.  Stadelmann  und  H.  Boruttau. 

Wir  haben  an  anderer  Stelle1)  über  einen  Fall  von  Vergiftung 
mit  Kreosot  berichtet;  die  ausführliche  Untersuchung  des  Ver- 
giftungs-  und  Ausscheidungsmechanismus  hatte  weitgehende 
Analogien  zur  Phenol-  und  insbesondere  der  jetzt  so  häufigen 
Lysolvergiftung  ergeben.  Wir  hatten  darum  einen  Bericht  über 
die  Ausscheidungsverhältnisse  bei  einigen  Fällen  von  Lysol¬ 
vergiftung  aus  dem  hiesigen  Krankenhause  angeschlossen, 
nebst  Besprechung  einiger  durch  die  neuere  Literatur  über 
diesen  Gegenstand  dem  Interesse  besonders  nahegerückter 
Punkte. 

Wir  haben  inzwischen  Gelegenheit  gehabt,  einen  Fall  von 
Vergiftung  mit  Kreosotal  zu  beobachten  und  näher  zu  unter¬ 
suchen,  welcher  ein  Unikum  zu  sein  scheint;  wir  haben  in  der 
Literatur  einen  solchen  nicht  gefunden. 

Kreosotal  =  Kreosotum  carbonicum  wird  bekanntlich  bei 
Tuberkulose  an  Stelle  von  Kreosot  und  Guajakol  gegeben. 
Sein  besonderer  Vorzug  besteht  in  dem  Fehlen  von  örtlichen 
Reizerscheinungen.  Es  ist  eine  honigartige,  zähflüssige;  klare, 
leicht  gelbe  Masse  und  kann  pur  gegeben  werden,  in  Dosen 
von  1 — 3  Theelöffeln  pro  die,  d.  h.  5 — 15,0.  Dass  es  in  grossen 
Dosen  giftig  wirken  kann,  lehrt  die  folgende  Beobachtung. 

Frau  D.  S.,  36  Jahre  alt,  hat  am  22.  IV.  07  gegen  2  Uhr  nach¬ 
mittags  nach  dem  Mittagessen  ca.  25  g  Kreosotal,  angeblich  infolge 
einer  Verwechslung  mit  Rizinusöl,  getrunken.  Pat.  litt  an  Erschei¬ 
nungen  von  Tuberkulose  (Husten,  Auswurf,  Nachtschweisse,  Ge¬ 
wichtsabnahme).  Gegen  diese  war  ihr  ärztlicherseits  als  Medikament 
Kreosotal  verordnet.  Die  weitere  Familienanamnese  bei  der  Pat., 
die  12  mal  geboren  hat,  ist  belanglos. 

Nach  dem  Hinunterschlucken  des  Kreosotais  wurde  Pat.  be¬ 
sinnungslos  und  wurde  so  von  ihren  Angehörigen  aufgefunden.  Ein 
sofort  herbeigerufener  Arzt  gab  Cuprum.  sulfuric.  (augenscheinlich  als 
Brechmittel)  und  veranlasste  ihre  sofortige  Ueberfiihrung  ins  Kran¬ 
kenhaus.  Um  3  Uhr  30  Min.  wurde  Pat.  auf  die  Station  eingeliefert, 
die  Flasche  mit  Kreosotal,  welches  bekanntlich  sehr  wenig  nach  Kreo¬ 
sot  riecht,  wurde  mitgebracht.  Pat.  ist  benommen  und  reagiert  nicht 
auf  Anrufen.  Der  Puls  ist  regelmässig  und  etwas  beschleunigt.  Die 
Temperatur  ist  normal  und  blieb  es  auch  bis  zur  Genesung  und  Ent¬ 
lassung  der  Pat.  Die  Atmung  ist  frei,  die  Reflexe  (speziell  die  Pupil¬ 
lenreaktion)  sind  erhalten.  Sichtbare  Verätzungen  sind  nicht  vor¬ 
handen.  Ein  mässig  starker  Geruch  von  Kreosot  geht  von  ihr  aus. 
Es  wird  sofort  eine  Magenspülung  vorgenommen.  Nach  Einführen 
des  Magenschlauches  erbricht  Frau  S.  schleimige,  schwach  nach  Kreo¬ 
sot  riechende  Massen.  Die  Spülung  wird  bis  zur  völligen  Geruch¬ 
losigkeit  des  abfliessenden  Spülwassers  fortgesetzt  (20  Liter  Spül¬ 
flüssigkeit).  Während  der  Magenspülung  kehrt  das  Bewusstsein  zu¬ 
rück,  so  dass  Pat.  eigene  Angaben  machen  kann.  Atmung  und  Puls 
bleiben  regelmässig.  Gegen  5  Uhr  beginnt  Frau  S.  wieder  zu  er¬ 
brechen.  Das  Erbrochene  besteht  jetzt  in  einer  duniklen,  schmutzig- 
grünen  Flüssigkeit  von  sehr  intensivem  Kreosotgeruch.  Die  Flüssig¬ 
keit  ist  schwach  sanguinolent.  Nachdem  noch  mehrfach  Erbrechen 
der  gleichen  Art  erfolgt  ist,  wird  gegen  6Vs  Uhr  eine  neue  Magen¬ 
spülung  vorgenommen.  Das  Spülwasser  hat  jetzt,  obgleich  die  erste 
Spülung  erst  abgebrochen  war,  als  das  Spülwasser  jeden  Kreosot¬ 
geruch  verloren  hate,  einen  starken  Kreosotgeruch  und  ist  deutlich 
sanguinolent.  Die  Spülung  wird  daher  unter  geringem  Druck  mit 
leichtem  Heben  und  Senken  des  He  gar  sehen  Trichters  vorge- 
nommen  und  wieder  bis  zum  vollkommenen  Verschwinden  des  Ge¬ 
ruchs  nach  Kreosot  fortgesetzt. 

Nach  der  zweiten  Spülung  bleibt  das  Erbrechen  fort.  Die  Pat. 
fühlt  sich,  abgesehen  von  heftigen  Magenschmerzen,  wohl.  Der  im 


Laufe  des  Tages  entleerte  Urin  ist  schwarzgriinllich,  eiweissfrei,  riecht 
nicht  nach  Kreosot  und  hat  genau  das  Aussehen,  wie  der  nach  inten¬ 
siver  Lysol  Vergiftung  ausgeschiedene  Harn  zu  sein  pflegt. 

Innerhalb  von  2  Tagen,  in  denen  nur  Eismilch  gereicht  wurde, 
sind  die  Magenbeschwerden  gesdhwunden  und  ist  vollkommenes 
Wohlbefinden  aufgetreten. 

Der  am  1.  Tage  entleerte  Harn  enthält  weder  Blut  noch  Eiweiss 
und  Zucker,  er  ist,  wie  erwähnt,  geruchlos,  dagegen  tritt  nach  Kochen 
mit  Salzsäure  intensiver  Kreosotgeruch  auf. 

25.  IV.  Magenschmerzen  geschwunden,  vollkommenes  Wohl¬ 
befinden,  Sputum  schleimig-eitrig,  ohne  Tuberkelbazillen.  Stuhlgang 
von  normaler  Farbe  und  Konsistenz,  riecht  nicht  nach  Kreosot,  Blut¬ 
probe  negativ  (W  e  b  e  r  sehe  Probe). 

27.  IV.  Ungestörte  Rekonvaleszenz;  im  Urin,  der  sonst  voll¬ 
kommen  normal  aussieht,  beim  Kochen  mit  Salzsäure  immer  noch 
leichter  Kreosotgeruch. 

30.  IV.  Pat.  auf  Wunsch  entlassen. 

An  die  mitgeteilte  kurze  Krankengeschichte  haben  wir  nur 
wenige  Bemerkungen  anzuschliessen. 

Eine  Frau  von  36  Jahren  nimmt  versehentlich  ca.  25  g 
Kreosotal,  ungemischt  und  auf  einmal,  bald  nachher  verliert  sie 
das  Bewusstsein.  Beim  Magenausspületi,  das  sehr  ergiebig 
und  1K>  Stunden  nach  der  Intoxikation  ausgeführt  wird,  erhält 
man  eine  sehr  schwach  nach  Kreosot  riechende  Flüssigkeit, 
ohne  weitere  Besonderheiten.  Die  letzte  Spülflüssigkeit  ist 
geruchlos.  Während  der  Spülung  erholt  sich  die  Kranke  und 
bekommt  das  Sensorium  wieder.  Nach  weiteren  1  —  1  U  Stun¬ 
den  Erbrechen  einer  sanguinolenten,  stark  nach  Kreosot 
riechenden  Flüssigkeit,  die  blutig  ist.  Dieselbe  Flüssigkeit  wird 
bei  der  erneuten  Magenspülung,  die  wiederum  bis  zur  Geruch¬ 
losigkeit  des  Spülwassers  durchgeführt  wird,  erhalten.  Danach 
heftige  Magenschmerzen,  die  nach  ca.  48  Stunden  ge.schwunden 
sind.  Darauf  ungestörte  Rekonvaleszenz. 

Diese  Krankheitserscheinungen  sind  augenscheinlich  fol- 
genderinassen  zu  erklären.  Nach  der  genossenen  grossen 
Dosis  Kreosotal  findet,  rasche  Resorption  derselben  aus  dem 
Magen  statt,  dies  führt  zur  Giftwirkung  und  Bewusstlosigkeit. 
Reizerscheinungen  hat  das  Kreosotal  weder  im  Munde  noch  im 
Magen  ausgeübt;  letzteres  wird  durch  das  Verhalten  der  Spül¬ 
flüssigkeit  bewiesen,  durch  welche  auch  alle  noch  nicht  aus  dem 
Magen  resorbierten  Kreosotalmengen  entfernt  werden.  Von 
den  in  den  Körper  aufgenommenen  Mengen  von  Kreosotal 
werden  nun  zweifellos  mehr  minder  grosse  Mengen  von  den 
Magendrüsenwänden,  und  zwar  als  Kreosot,  ausgeschieden. 
Dies  wird  bewiesen  durch  das  Erbrechen  bluthaltiger  und  stark 
nach  Kreosot  riechender  Mengen,  die  zirka  3  Stunden  nach 
der  Intoxikation  erbrochen  und  bei  einer  neuen  Magenspülung 
erhalten  werden. 

Demnach  darf  man  wohl  den  Schluss  ziehen,  dass  Kreosotal 
nicht  so  unschuldig  ist  als  man  bisher  geglaubt  hat.  Zweifel¬ 
los  machen  die  in  der  ärztlichen  Praxis  verordneten  kleinen 
Dosen  von  Kreosotal  (1 — 3X5,0)  keine  Vergiftungserschei¬ 
nungen,  immerhin  aber  hat  man  damit  zu  rechnen,  dass  ver¬ 
schieden  grosse  und  unmessbare  Mengen  von  Kreosot  aus  dem 
in  den  Körper  aufgenommenen  Kreosotal  abgespalten  und  in 
den  Magen  hinein  sezerniert  werden,  die  dann  dort  die  be¬ 
kannte  Aetzwirkung  des  Kreosots  ausiiben.  Man  muss  daher 
auf  Grund  der  vorliegenden  Erfahrung  bei  der  von  uns  beob¬ 
achteten  Vergiftung  zur  Vorsicht  bei  der  Verordnung  von 
Kreosotal  dringend  raten.  Kreosotal  selbst  ätzt  allerdings 
nicht,  aber  aus  ihm  wird  nach  der  Resorption  ätzendes  Kreosot 
geleitet  und  in  den  Magen  hinein  sezerniert,  das  doch  wohl  ge¬ 
legentlich  bedenkliche  Erscheinungen  hervorrufen  kann.  Die 
Urinuntersuchung  bei  unserem  Falle  ergab  folgende  Resultate: 

Die  Menge  der  G e s am t Schwefelsäure  betrug  am  ersten  Tage, 


auf  das  Gesamttagesquantum  berechnet: .  9,9964  g 

diejenige  der  gepaarten  Schwefelsäure .  7,4240  g 

also  diejenige  der  freien  „  2,5724  g 

Das  Verhältnis  a :  b,  freie  zu  gepaarter  Schwefelsäure  nach 
Baumann  betrug  also  I  :  2,8. 

Am  zweiten  Tage  betrug  die  Ges.-H2SOi  ......  0,3096  g 

die  gepaarte  Schwefelsäure .  0,1788  g 

somit  die  freie  „  .  0,1308  g 

a  ;  b  hier  wie  1 : 1,35. 

Endlich  am  dritten  Tage  Ges.-H2S04  .  2,7360  g 

die  gepaarte  Schwefelsäure .  1,0944  g 

somit  die  freie  „  . 1,641 6  g 

das  Verhältnis  a:b  =  5:1. 


U  D.  Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  91,  S.  42,  1907. 


1934 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Die  Vermehrung  der  Aetherschwefelsäuren,  absolut,  wie 
im  Verhältnis  zur  freien  Schwefelsäure,  und  die  Rückkehr  zur 
Norm  entspricht  ganz  dem  bekannten  Verhalten  nach  Aufnahme 
aromatischer  Verbindungen,  wie  es  in  unserer  Veröffentlichung 
über  den  Kreosotfall  und  eine  Reihe  von  Lysolvergiftungen  der 
Fall  war. 

Etwas  auffallend  ist  nur  die  hohe  absolute  Schwefelsäure¬ 
ausscheidung  am  ersten  Tage  an  Stelle  der  sonst  regelmässigen 
Verminderung  (siehe  unsere  Arbeit  a.  a.  O.),  wogegen  der 
zweite  Tag  eine  starke  Verminderung  zeigt,  der  am  dritten 
Vermehrung  folgt. 

Etwas  ähnliches  sahen  wir  in  einem  Falle  von  Lysolver¬ 
giftung  bei  einem  chronischen  Nephritiker,  in  welchem  auch  die 
Ausscheidung  des  Ammoniaks  und  Gesamtstickstoffs  sowie  der 
Purine  denselben  Gang  aufwies. 

In  unserem  Falle  kann  dies  nur  von  der  Ammoniakaus¬ 
scheidung  gesagt  werden,  welche  ja  derjenigen  der  Schwefel¬ 
säure  stets  parallel  geht: 

Der  Gesamtammoniak  nach  Schloesing  betrug: 

am  ersten  Tage .  0,7208  g 

„  zweiten  „ .  0,3778  g 

„  dritten  „  .  0,7760  g. 

Dagegen  war  die  Harnstoffausscheidung  an  den  ersten 
beiden  Tagen  —  11,4  und  10,446  g  —  gering  gegen  den  dritten 
Tag  (29,88  g),  was  aber  wohl  mehr  auf  anfangs  geringere, 
später  vermehrte  Nahrungsaufnahme,  als  auf  Wirkung  des 
Giftes  zurückzuführen  sein  dürfte. 

Nach  den  Versuchsergebnissen  von  Seifert  und  Höl¬ 
scher2),  welche  das  Guajakolkarbonat  in  die  Therapie  ein¬ 
geführt  haben,  soll  dieses,  der  Hauptbestandteil  auch  des  Kreo¬ 
sotais,  im  Magen  nicht,  sondern  erst  durch  die  Darmfäulnis  ge¬ 
spalten  werden.  Da  die  zuerst  abgespaltenen  Guajakolmengen 
aber  fäulniswidrig  wirken,  erkläre  sich  die  nur  teilweise  und 
langsame  Resorption  des  Kreosotais.  Zu  demselben  Ergebnis 
kam  auch  Eschle3)  in  seiner  von  uns  an  anderer  Stelle  ge¬ 
nauer  herangezogenen  Experimentalarbeit:  er  fand,  dass  bei 
Tieren  von  dem  gereichten  Guajakolkarbonat  nicht  alles  im 
Darm  gespalten  wird,  sondern  %  und  darüber  mit  den  Fäzes 
abgeht. 

Nur  so  erklärt  sich  offenbar  auch  die  schon  oben  erwähnte 
Zulässigkeit  grosser  Dosen  —  Hunden  hat  man  bis  zu  75  g  des 
reinen  Guajakolkarbonats  ohne  Schaden  auf  einmal  gegeben.  — 
Dass  in  unserem  Fall  Vergiftungserscheinungen  auftraten,  zeigt 
freilich,  dass  unter  Umständen  auch  toxische  Mengen  abge¬ 
spalten  werden  können:  ausserdem  dürfte  auch  das  gereinigte 
Kreosotol  neben  Guajakolkarbonat  noch  die  anderen  Kreosot¬ 
bestandteile  —  Phenole,  Kreosol  —  vielleicht  in  weniger  fester 
Bindung  enthalten.  Die  Aetzwirkungen  im  Magen  sind  viel¬ 
leicht  auf  deren  Sekretion  in  das  Mageninnere  zu  erklären. 

In  Versuchen  mit  dem  Reste  des  verschluckten  Präparates 
gelang  uns  Abspaltung  des  durch  seinen  Geruch  auffallenden 
Guajakols  nur  durch  längere  Behandlung  mit  Aetzalkalien  oder 
Ammoniak,  nicht  aber  durch  Kochen  mit  verdünnten  Säuren. 
Der  Kreosotgeruch  des  Harns  nach  dem  Kochen  mit  Säure 
kann  also  nur  auf  das  Vorhandensein  von  Guajakolschwefel- 
säure  und  -Glukuronsäure  zurückgeführt  werden  4),  Uebergang 
unveränderten  Karbonats  in  denselben  erscheint  unwahrschein¬ 
lich.  Damit  stimmen  auch  unsere  Versuche,  den  Kreosotgehalt 
durch  Destillation  mit  Wasserdampf  nach  Ansäuern  zu  be¬ 
stimmen.  Wir  erhielten  so  auf  200  ccm  des  Harns  vom  ersten 
Tage  0,2032  g. 

Nach  14  tägigem  Stehen  des  Restes  war  der  Kreosot¬ 
geruch  deutlich  verstärkt,  daneben  Ammoniakgeruch  wahr¬ 
nehmbar  und  alkalische  Reaktion  vorhanden:  aus  200  ccm 
wurden  jetzt  0,1843  g  gewonnen,  jedenfalls  nicht  mehr  als  vor¬ 
her.  Die  Geruchsverstärkung  kann  also  nur  auf  Spaltung  von 
Guajakolschwefel-  und  -Glukuronsäure  durch  die  Fäulnis,  nicht 
aber  von  als  solches  in  den  Harn  übergegangenem  Karbonat 
beruht  haben. 


2)  Berl.  klin.  Wochenschr.,  12.  Dez.  1891;  ebenda  1892,  No.  3, 
S.  48,  und  Therap.  Monatsh.  1892,  S.  84. 

3)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.,  Bd.  29,  H.  3/4,  1896. 

4)  Der  Harn  drehte  nur  schwach  links,  gab  aber  nach  Kochen 
mit  HCl  positive  T  o  1 1  e  n  s  sehe  Reaktion. 


Aus  der  kgl.  Universitätskinderklinik  zu  Greifswald. 

Ein  Fall  von  Wismut-Intoxikation  bei  interner  Dar¬ 
reichung  von  Magisterium  Bismuti. 

Von  Dr.  A  d  o  1  f  P  r  i  o  r,  Assistent  der  ‘Klinik. 

Nach  Angabe  von  Meyer1)  wird  das  Wismut  schon  seit 
etwa  200  Jahren  therapeutisch  verwendet.  Die  ältesten  mir 
zugänglichen  Quellen  stammen  aus  dem  Anfang  des  vorigen 
Jahrhunderts.  In  denselben  werden  nicht  nur  Wismutpräpa¬ 
rate  gegen  die  verschiedenartigsten  Krankheiten  empfohlen, 
sondern  es  geht  aus  denselben  auch  hervor,  dass  man  bereits 
damals  die  gelegentlich  vorkommenden  Giftwirkungen  recht 
gut  kannte. 

Nach  M  ü  h  1  i  g  2)  haben  in  der  älteren  Literatur  Pott, 
Odier,  Traill,  Werneck  und  andere  Fälle  von  Ver¬ 
giftungen  durch  Wismutpräparate  mitgeteilt.  M  ü  h  1  i  g  meint 
jedoch,  dass  diese  auf  Verwendung  unreiner  Präparate  be¬ 
ruhten  und  glaubt,  wie  auch  andere  Autoren,  nicht  an  die  Mög¬ 
lichkeit  von  Vergiftungen  durch  reine  Wismutsalze. 

So  schreibt  z.  B.  im  Jahre  1885  Schüler3):  „Die  Gefahr  der  In¬ 
toxikation  bei  der  Wundbehandlung  mit  Bismut.  subnitr.  ist  nicht  vor¬ 
handen“.  Bardeleben  äussert  sich  im  Jahre  1892  4)  folgen'der- 
massen:  „Fest  steht  die  Beobachtung  entgegen  mehreren  namentlich 
im  Auslande  erschienenen  Publikationen,  dass  selbst  bei  den  ausge¬ 
dehntesten  Verbrennungen  Intoxikationserscheinungen  von  seiten  des 
Magisterium  Bismuti  nicht  auftreten.  Wo  dieselben  wahrgenommen 
wurden,  handelt  es  sich  meiner  Ueberzeugung  nach  um  unreines  Prä¬ 
parat.“ 

Dass  bei  äusserer  Anwendung  von  Wismutsalzen  Intoxi¬ 
kationen  Vorkommen,  ist  jetzt  jedoch  allgemein  bekannt.  Im 
Jahre  1901  berichtet  Dreesmann5)  einen  von  ihm  selbst  be¬ 
obachteten  Fall  und  erwähnt  noch  nebenbei  von  Kocher, 
Petersen,  Dalche  und  G  a  u  c  h  e  r  beobachtete  Fälle. 
Weitere  2  Fälle  sind  von  M  ü  h  1  i  g  in  seiner  bereits  oben  er¬ 
wähnten  Arbeit  niedergelegt.  Dieselben  sind  darum  von  be¬ 
sonderer  Bedeutung,  weil  durch  chemische  Untersuchung  die 
absolute  Reinheit  der  verwendeten  Präparate  festgestellt 
worden  ist  und  somit  die  aufgetretenen  Vergiftungserschei¬ 
nungen  nur  auf  das  Bismutum  bezogen  werden  können. 

Von  den  Symptomen  der  Wismutvergiftung  wird  von  allen 
Autoren  die  tief  schwarzblaue  Verfärbung  der  Mundschleim¬ 
haut,  die  oft  besonders  deutlich  am  Zahnfleischrande  ist,  als 
Hauptcharakteristikum  hervorgehoben.  Oft  kommt  es  zu  wirk¬ 
licher  Stomatitis  mit  zu  Gangrän  neigender  Geschwürsbildung 
und  erheblich  gesteigerter  Salivation.  Auch  Erscheinungen 
eines  akuten  Magendarmkatarrhs  wie  Erbrechen  und  Durch¬ 
fälle  sind  beobachtet.  Im  Darm  soll  es  zu  schwärzlichen  Pig¬ 
mentierungen  und  Ulzerationen  zuweilen  kommen.  Da  das 
Bismutum  anscheinend  durch  die  Nieren  ausgeschieden  werden 
und  infolgedessen  der  Harn  ein  anfänglich  weisses,  später  sich 
schwarz  färbendes  Sediment  aufweisen  kann,  kommt  es  auch  in 
schweren  Fällen  zu  Schädigung  der  Nieren  und  Nephritis. 
Schmerzen  der  Muskeln  und  Nerven  bei  Wismutintoxikationen 
sind  ebenfalls  beschrieben.  Doch  kann  in  leichteren  Fällen  die 
Verfärbung  der  Mundschleimhaut  das  einzige  Zeichen  der  Ver¬ 
giftung  bleiben. 

Was  die  innere  Anwendung  von  Wismut  anbelangt,  so 
scheint  dieselbe  heute  noch  ziemlich  allgemein  als  vollkommen 
ungefährlich  zu  gelten. 

v.  Jak  sch  schreibt  hierüber6):  „Es  sind  aber  trotz  der  aus¬ 
gedehnten  Verwendung  von  unlöslichen  Wismutsalzen  bei  der  Thera¬ 
pie  interner  Erkrankungen,  z.  B.  Magenaffektionen,  auch  in  hohen 
Dosen  von  8 — 10,  ja  bis  30  g  pro  die  Vergiftungen  nicht  beobachtet 
worden.“  Im  Kompendium  der  Arzneiverordnung  von  Liebreich 
und  Langgar  d,  4.  Aufl.,  ist  auf  S.  118  zu  lesen:  „Das  unlösliche 
Bismutum  subnitricum,  innerlich  genommen,  ist  unschädlich.“  Ebenso 
sagt  Böhm7)  über  dasselbe  Präparat:  „Vergiftungen  sind  nach  in¬ 
ternem  Gebrauch  auch  grosser  Dosen  kaum  beobachtet.“ 


*)  Archiv  f.  exper.  Pathol.  u.  Pharmakol.,  20.  Bd. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1901,  No.  15. 

3)  D.  Zeitschr.  f.  Chir. 

4)  D.  med.  Wochenschr.  No.  23. 

5)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1901,  No.  36. 

°)  Die  Vergiftungen,  1.  Band  von  Nothnagels  spez.  Pathol.  u. 
Therapie. 

7)  Lehrbuch  der  allgemeinen  und  speziellen  Arzneiverordnungs¬ 
lehre,  3.  Aufl.,  1903. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1935 


Dass  diese  Angaben  nicht  ganz  zutreffend  sind  und,  wenn 
auch  verschwindend  selten,  doch  gelegentlich  Intoxikationen 
auch  bei  innerer  Anwendung  von  Bismutum  subnitricum  Vor¬ 
kommen,  beweist  der  Fall' von  Cohn8),  wo  nach  Einnahme 
von  3  g  dieses  Medikamentes  innerhalb  3  Tagen  bei  einer 
tuberkulösen  Patientin  Metallgeschmack  im  Munde,  schwarz 
belegte  Zunge  und  grauer  Saum  am  Zahnfleischrande  aufge¬ 
treten  war. 

Da  dieses  der  einzige  sichere  Fall  von  Wismutvergiftung 
bei  innerer  Anwendung  von  Bismutum  subnitricum  in  der 
neueren  Literatur  ist,  dürfte  wohl  die  Mitteilung  eines  von  mir 
kürzlich  beobachteten  Falles  nicht  unberechtigt  und  ohne  In¬ 
teresse  sein. 

Am  8.  Juli  wurde  ich  am  Nachmittag  zu  einem  2t4  Wochen  alten, 
ziemlich  kräftigen  und  leidlich  gut  aussehenden  Brustkinde  gerufen, 
weil  dasselbe  so  sehr  viel  schrie.  Die  Untersuchung  ergab  nichts  Be¬ 
sonderes.  Aber  auf  eingehendes  Befragen  der  Mutter  stellte  sich 
heraus,  dass  das  Kind  fast  jede  Windel  schmutzig  machte  und  die 
Stühle  stets  braun  und  ganz  dünnflüssig  waren,  was  schon  seit  Ge¬ 
burt  so  gewesen  sein  soll.  Ich  verordnete,  dass  das  Kind  nur  6  stün- 
dig,  statt  alle  3  Stunden,  angelegt  wurde  und  dazwischen  nur  etwas 
Kamillenthee  bekam,  damit  der  Darm  genügend  Zeit  zur  Ruhe  und 
Erholung  hätte.  Ausserdem  sollte  das  Kind  3  ständig  eine  kleine 
Messerspitze  Bismutum  subnitricum  erhalten  und  verschrieb  ich  zu 
diesem  Zweck  10  g  Magisterium  Bismuti. 

Am  folgenden  Tag  war  eine  Veränderung  noch  kaum  zu  be¬ 
merken,  am  übernächsten  Tag  wurde  ich  jedoch  schon  morgens 
gerufen,  da  der  Zustand  des  Kindes  sich  verschlimmert  habe.  Bei 
meiner  Ankunft  fiel  mir  sofort  auf,  dass  die  Haut  des  Kindes  im  Ge¬ 
sicht,  am  Rumpf  und  Extremitäten  eine  blass  grünlich-graue  Farbe 
hatte  und  die  Lippen  sowie  die  ganze  Mund-  und  Gaumenschleimhaut 
intensive  blauschwarz  verfärbt  waren.  Herztätigkeit  und  Respira¬ 
tion  waren  normal. 

Den  Schlüssel  zu  der  seltsamen  Erscheinung  gab  mir  die 
Bemerkung  der  Mutter,  dass  sie  das  Pulver  regelmässig  nach 
Verordnung  gegeben  und  aber  schon  ganz  aufgebraucht  habe. 
Somit  hatte  das  Kind  innerhalb  36  Stunden  10  g  Bismutum  sub¬ 
nitricum  bekommen!  Da  die  Symptome  sich  genau  mit  den 
bei  externer  Wismutanwendung  beobachteten  Vergiftungser¬ 
scheinungen  deckten,  konnte  ein  Zweifel,  dass  hier  eine  Wis¬ 
mutintoxikation  vorlag,  kaum  bestehen.  An  diesem  und  dem 
folgenden  Tage  wurde  nur  je  1  lehmartig  aussehender  Stuhl 
entleert.  Bereits  am  übernächsten  Tag  war  von  der  Ver¬ 
färbung  der  Haut  und  Mundschleimhaut  kaum  mehr  etwas  zu 
sehen.  Dagegen  entdeckte  ich  am  harten  Gaumen  einen  ganz 
seichten  Schleimhautdefekt  ohne  jeden  Belag,  dem  sich  in  den 
nächsten  Tagen  noch  weitere  zugesellten,  die  aber  in  einigen 
Tagen  durch  Pinselungen  mit  schwacher  Höllensteinlösung 
ausheilten.  Gleichzeitig  waren  Stühle  zwar  nicht  häufiger  aber 
dünner  geworden.  Auch  fand  ich  einige  Tage  lang  Spuren  von 
Albumen  im  Harn.  Der  weitere  Verlauf  des  Darmkatarrhs  bot 
nichts  Besonderes,  ausser  dass  sich  derselbe  sehr  in  die 
Länge  zog. 

Was  nun  endlich  die  Prognose  der  Wismutintoxikationen 
anlangt,  so  wird  dieselbe  von  allen  Autoren  als  günstig  ange¬ 
nommen.  Es  ist  auch  bisher  nur  ein  einziger  Todesfall  be¬ 
richtet.  Dass  auch  mein  durch  die  ausserordentliche  Jugend 
doch  wohl  besonders  wenig  widerstandsfähiges  Kind  dieselbe 
ohne  dauernde  Schädigung  ertragen  hat,  veranlasst  auch  mich, 
die  Wismutvergiftung  als  im  allgemeinen  harmlos  aufzufassen. 

Zum  Schlüsse  erfülle  ich  noch  die  angenehme  Pflicht, 
meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Professor  Dr.  P  e  i  p  e  r 
für  das  der  Arbeit  entgegengebrachte  Interesse  meinen  herz¬ 
lichsten  Dank  auszusprechen. 

Aus  der  inneren  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Johann¬ 
stadt  in  Dresden  (Direktor:  Geh.  Medizinalrat  Dr.  Schmaltz). 

Ueber  die  Wechselbeziehungen  zwischen  dem  Ovulations¬ 
vorgang  inkl.  der  Menstruation  und  inneren  Krankheiten. 

Von  Dr.  med.  Georg  Rieb  old. 

(Schluss.) 

Ich  wende  mich  jetzt  der  Erscheinung  des  prämen- 
struellenFieberszu,  muss  aber  hier  bezüglich  aller  Ein¬ 
zelheiten  auf  meine  Arbeit  „Ueber  prämenstruelle  Temperatur¬ 
steigerungen“  (D.  med.  Wochenschr.  1906,  No.  11  u.  12)  ver¬ 


8)  Therapeut.  Monatsh.,  Jahrg.  1896. 


weisen.  Das  Vorkommen  prämenstrueller  Temperatursteige¬ 
rungen  bei  tuberkulösen  und  gynäkologisch  kran¬ 
ken  Frauen  war  schon  bekannt.  Ich  glaube  an  der  Hand  zahl¬ 
reicher  Beispiele  nachgewiesen  zu  haben,  dass  prämenstruelles 
Fieber  auch  nach  akuten  Infektionskrankheiten 
(Typhus,  Scharlach,  Diphtherie,  Influenza,  Gelenkrheumatis¬ 
mus,  Erythema  nodosum  3),  Angina  usw.)  und  überhaupt  bei 
Frauen  Vorkommen  kann,  dieirgendeinenKrankheits- 
h  e  r  d,  oder  irgend  ein  Depot,  von  dem  aus  toxische  Substanzen 
resorbiert  werden  können,  in  ihrem  Körper  bergen  (Ulcus,  Car¬ 
cinoma  ventriculi,  Perityphlitis,  chronische  Obstipation,  zer¬ 
fallende  Gummata,  Parulis,  Rachenmandel  usw.),  dass  man  es 
aber  niemals  bei  vollkommen  gesunden  Frauen 
auftreten  sieht. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  Frauen  mit  prämenstruellem 
Fieber  auch  sonst  gelegentlich  kleine  Anstiege  der  Temperatur 
darbieten  können.  Manchmal  handelt  es  sich  auch  um  beträcht¬ 
liche  prämenstruelle  Steigerungen  einer  dauernd  etwas  erhöhten 
Temperatur. 

Beim  Fortbestehen  des  alten  Krankheits¬ 
herdes  kann  das  prämenstruelle  Fieber  mehr¬ 
mals  vor  jeder  Menstruation  rezidivieren. 4) 
Ich  erkläre  das  prämenstruelle  Fieber  damit,  dass  durch  den 
regeren  Säfteaustausch  während  der  Ovulation  in  der  Prä- 
menstrualzeit  Resorptionen  aus  älteren  Krankheitsherden 
stattfinden,  oder  in  selteneren  Fällen  schon  bestehende,  fieber¬ 
hafte  Krankheiten  auch  wirklich  exazerbieren  können. 

Mit  der  eigentlichen  menstruellen  Blutung  hat  nach  meiner 
Theorie  das  prämenstruelle  Fieber,  das  man  besser  als 
ovarielles  oder  Ovulationsfieber  bezeichnet,  nichts  zu  tun.  Die 
Menstruation  steht  danach  in  dem  gleichen  kausalen  Abhängig¬ 
keitsverhältnis  von  der  Ovulation,  wie  das  Ovulationsfieber. 
Menstruation  und  Ovulationsfieber  sind  koordinierte 
Folgeerscheinungen  der  Ovulation. 

Für  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  spricht  meine  Be¬ 
obachtung,  dass  Ovulationsfieber  auch  bei  amenor- 
rhoischen  Frauen  an  den  bekannten  Ovulations¬ 
terminen  auftreten  kann.  Ich  sah  es  u.  a.  nach  Typhus,  Ge¬ 
lenkrheumatismus,  bei  tuberkulösen  Kranken  und  einer  Kranken 
mit  Pyelitis. 

Das  Ovulationsfieber  ohne  folgende  Menstruation  kann 
ebenso  wie  das  Ovulationsfieber  m  i  t  folgender  Menstruation, 
d.  h.  das  eigentlich  prämenstruelle  Fieber  in  regelmässigen 
Perioden,  die  in  den  gegebenen  Fällen  den  Menstruationsperio- 


3)  Das  gar  nicht  so  seltene  prämenstruelle  Fieber  wird  auch 
jetzt  noch  wenig  beachtet;  sein  Vorkommen  und  seine  Bedeutung 
sind  noch  wenig  bekannt.  Um  ein  Beispiel  anzuführen,  so  stellt 
H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  t  in  einem  Aufsatz  „Zur  Aetiologie  des  Erythema 
nodosum“  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  7,  5.  311  auf 
Kurve  4  einen  ganz  typischen  Fall  von  prämenstruellem  Fieber  nach 
Erythema  nodosum  graphisch  dar  und  schreibt  dazu:  Für  die  hohen 
Fiebersteigerungen  vom  28.  Mai  bis  3.  Juni  wurde  keine  Ursache  fest¬ 
gestellt. 

4)  Lenhartz  erwähnt  in  einer  in  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1907,  No.  16  publizierten  Abhandlung  „Ueber  die  akute  und 
chronische  Nierenbeckenentzündung“,  dass  ihm  ein  Zusammenhang 
zwischen  den  Fieberanfällen  der  Pyelitiskranken  und  den 
Menses  aufgefallen  sei.  Er  beschreibt  5  Fälle,  in  denen  der  Re- 
laps  des  Fiebers  2  mal  am  1.  Menstruationstag.  3  mal  2  Tage,  einmal 
3  Tage  und  einmal  4  Tage  vor  Eintritt  der  Menstruation  einsetzte.  Die 
von  Lenhartz  auf  Seite  764 — 766  abgebildeten  Kurven  entsprechen 
vollständig  den  von  mir  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde 
demonstrierten  Kurven,  die  prämenstruelles  Fieber  der  verschieden¬ 
sten  Aetiologie  darstellten.  Lenhartz  glaubt,  „dass  durch  die  mit 
den  Menses  sich  vorbereitende  Zirkulationsstörung  der  Anfall  ausge¬ 
löst  wird.  Offenbar  wird  die  Virulenz  der  schlummernden,  im  ersten 
Anfall  mattgesetzten  Bakterien  in  dieser  kongestiven  Periode  derart 
gesteigert,  dass  die  massenhaft  entwickelten  Toxine  die  oft  schwere 
Allgemeinerscheinung  hervorrufen,  bei  gleichzeitiger  erneuter  örtlicher 
Entzündung.  Ein  Uebertritt  der  Bakterien  in  die  Blutbahn  kommt  bei 
diesen  Pyelitisformen  offenbar  für  gewöhnlich  nicht  vor“.  Die  Er¬ 
klärung  seiner  Fälle  stimmt  also  mit  der  mehligen  vollkommen  über¬ 
ein.  Es  handelt  sich  um  wirkliche  Exazerbationen 
(erneute  örtliche  Entzündung)  und  um  Resorption  von  Bak¬ 
terie  n  t  o  xi  n  e  n  aus  den  Krankheitsherden.  Ich  muss  nur  Len¬ 
hartz  insofern  widersprechen,  als  nicht  die  Menses  das  auslösende 
Moment  dieser  Fieberrelapse  sind,  sondern  die  Ovulation.  Linen 
derartigen  Relaps  habe  ich  in  derselben  Weise  bei  einer  I  yehtis- 
kranken  an  einem  bekannten  Ovulationstermin  auftreten  sehen,  ohne 
dass  die  erwartete  Menstruation  eintrat. 


1936 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


den  der  betreffenden  Frau  genau  entsprechen,  rezidivieren.  Für 
die  Beurteilung  dieser  Fälle  ist  es  ganz  gleichgültig,  ob  die  Men¬ 
struation  eintritt  oder  nicht.  Viele  Frauen  werden  vorüber¬ 
gehend  amcnorrhoisch,  sobald  die  leichteste  Störung  der  Ge¬ 
sundheit  eintritt,  andere  behalten  ihre  Menstruation  auch  wäh¬ 
rend  schwerer  Krankheiten.  Die  periodisch  sich  vollziehende 
Wellenbewegung  der  vitalen  Leistungen,  deren  Ursache  ich 
in  der  Ovulation  resp.  in  einer  periodischen,  sekretorischen 
Tätigkeit  der  Ovarien  geschlechtsreifer  Frauen  suche,  geht  in 
beiden  Fällen  gleichrnässig  weiter.  In  den  Fällen,  wo  die  Men¬ 
struation  ausbleibt,  ist  nur  die  kausale  Abhängigkeit  des  Ovu¬ 
lationsfiebers,  und  ebenso  der  zahlreichen  mit  der  Ovulation 
cinhergehenden  Störungen  kranker  Organismen  von  der  Ovu¬ 
lation  viel  schwerer  zu  erkennen,  als  in  den  Fällen,  wo  die 
Menstruation  eintritt.  Man  kann  hierhergehörige  Fälle  nur  fin¬ 
den,  wenn  man  Kenntnis  von  den  dargelegten  Verhältnissen  hat 
und  wenn  man  nach  solchen  Fällen  sucht.  Mein  kasuistisches 
Material  hierhergehöriger  Fälle  ist  schon  recht  reichlich. 

Während  in  den  bisher  behandelten  Fällen  das  Ovulations- 
ficber  nur  die  Erscheinungen  einer  mehr  oder  weniger  schweren 
Intoxikation  des  Körpers  macht  (Mattigkeit,  Appetitlosigkeit, 
Kopfschmerzen,  Glieder-  und  Rückenschmerzen  usw.)  oder  in 
Fällen,  wo  es  eine  wirkliche  Exazerbation  der  Grundkrankheit 
anzeigt,  auch  mit  lokalen  Symptomen  einhergehen  kann,  wäh¬ 
rend  es  in  den  bisher  behandelten  Fällen  fast  immer  gelang,  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  die  Quelle  des  Fiebers  aufzudecken, 
gibt  es  eine  Reihe  von  Fällen,  die,  wie  mir  scheint,  ein  i  n  s  i  c  h 
abgeschlossenes  Krankheitsbild  darstellen,  und 
deren  Deutung  manchen  Schwierigkeiten  begegnet. 

Ich  muss  mich  an  dieser  Stelle  damit  begnügen,  auf  das 
Vorkommen  dieser  Krankheitsform,  die  ich  als  rekurrie¬ 
rendes  rheumatoides  Ovulationsfieber  be¬ 
zeichne,  hinzuweisen  und  eine  ganz  kurze  Beschreibung  des 
Krankheitsbildes  zu  geben,  während  ich  die  ausführliche  Wie¬ 
dergabe  der  Krankengeschichten,  die  Begründung  meiner  Er¬ 
klärung  der  Fälle  usw.  in  einer  späteren  Abhandlung  bei- 
bringen  werde. 

Es  handelt  sich  um  Fälle,  in  denen  ein  ganz  charak¬ 
teristisches,  immer  gleiches,  nur  in  der  Schwere 
wechselndes  Bild  in  gewissen  Perioden  a  n  f  a  1 1  s  - 
weise  rezidiviert.  Der  einzelne  Anfall  verläuft  folgen- 
dermassen :  Innerhalb  weniger  Tage  steigt  die  Tempe¬ 
ratur  staffelförmig  zu  oft  beträchtlicher  Höhe  (40 0  und  da¬ 
rüber)  an.  Die  Mädchen,  —  es  handelt  sich  in  meinen  Fällen 
um  jugendliche  Individuen  — ,  die  bis  dahin  bei  bester  Gesund¬ 
heit  waren,  fühlen  sich  meist  schon  am  1.  Fiebertag  ausser¬ 
ordentlich  m  a  1 1,  sie  werden  apathisch,  klagen  über  K  o  p  t- 
und  Gliederschmerzen,  oft  auch  über  Leibschmer¬ 
zen  und  verlieren  vollständig  den  Appetit,  der  Stuhl 
ist  fast  stets  angehalten,  manchmal  tritt  Erbrechen  ein. 
Die  Kranken  machen  einen  ausgesprochen  typhösen  Ein¬ 
druck,  und  in  fast  allen  meinen  Fällen  wurde  zunächst  an  Ty¬ 
phus  gedacht. 

Nun  kommt  es  aber,  manchmal  erst  auf  der  Höhe  der 
Krankheit,  manchmal  schon  im  Beginn,  zu  ausgesprochen 
r  h  e  u  m  a  t  o  i  d  e  n  Erscheinungen.  In  leichten  Fällen  treten 
nur  flüchtige  Schmerzen  in  einzelnen  Gelenken  auf,  in  schweren 
Fällen  schwellen  aber  auch  einzelne  Gelenke  an.  Mit  Vorliebe 
werden  die  k  1  e  i  n  e  n  Gelenke,  die  Fuss-  und  Zehen-,  die  Hand- 
und  Fingei gelenke  betroffen.  Nach  den  ersten  Anfällen  schwel¬ 
len  die  Gelenke  ab,  bei  v  iederholten  Anfällen  kann  aber  eine 
dauernde  Gelenkauftreibung  und  Gelenksteifigkeit  Zurückblei¬ 
ben;  eigentliche  Deformierungen  habe  ich  nicht  beobachtet. 

Weiterhin  treten  aber  auch  fast  regelmässig  bei  jedem  An¬ 
fall  Herz  erschein  ungen,  manchmal  sehr  schwerer  Art 
auf.  Die  Kranken  werden  zyanotisch  und  dyspnoisch,  am 
Herzen  findet  man  erhebliche  Dilatationen,  Irregularität,  Ge¬ 
räusche  etc.  Der  Puls  wird  klein  und  frequent  (120,  in  schweren 
Anfällen  bis  zu  200).  Von  weiteren  Komplikationen,  die  aber 
nur  bei  dem  einen  oder  anderen  Anfall  auftreten,  ist  noch  eine 
meist  doppelseitige  Parotitis  zu  nennen. 

Ausser  den  genannten  Erscheinungen  ist  der  Unter¬ 
suchungsbefund  nach  allen  Richtungen  hin  ein 
vollkommen  negativer.  Die  Dauer  eines  An¬ 
falls  beträgt  selten  mehr  als  5—8  Tage.  Das  Fieber  fällt  in 


derselben  Weise,  wie  es  angestiegen  ist,  lytisch  wieder  ab. 
Nach  der  Entfieberung  erholen  sich  die  Kranken  meist  auffallend 
rasch.  Die  Gelenkerscheinungen  schwinden,  abgesehen  von 
den  Fällen,  in  denen  chronische  Veränderungen  Zurückbleiben. 
Die  Herzdilatation  geht  zurück;  es  hinterbleiben  oft  die  Sym¬ 
ptome  eines  kompensierten  vitium  cordis.  Im  Vorder¬ 
grund  des  Krankheitsbildes  stehen  immer  die 
schweren  Allgemeinerscheinungen  und  die  be¬ 
trächtliche  Prostration  der  Kräfte;  die  rheumatoiden  Er¬ 
scheinungen  sind  wechselnd,  und  können  auch  bei 
den  schwersten  Anfällen  sehr  zurücktreten. 

Der  Anfall  tritt  regelmässig  zur  Zeit  eines 
Ovulationsterminesein,  oft  exakt  zu  dem  berechneten 
Termin,  oft  1,  2,  3  Tage  früher,  das  nächste  Mal  entsprechend 
später,  genau  wie  ich  es  bezüglich  des  Eintritts  der  Menstruation 
beschrieben  habe.  In  der  Zwischenzeit  sind  die  be¬ 
treffenden  Kranken  dauernd  vollständig  fie¬ 
berfrei  und  fühlen  sich  vollkommen  gesund. 
Manchmal  tritt  während  des  Anfalls  oder  unmittelbar  danach 
die  Menstruation  ein,  manchmal  bleibt  die  erwartete  Menstruation 
auch  aus.  Es  braucht  nicht  bei  jeder  Ovulation  ein  Anfall  von 
rekurrierendem  rheumatoiden  Ovulationsfieber  aufzutreten. 
Manchmal  gehen  ein,  zwei  oder  mehr  Ovulationstermine  (resp. 
wirkliche  Menstruationen)  ohne  Fieber  vorbei,  und  erst  beim 
nächsten  Termin  kommt  es  wieder  zu  einem  typischen  Anfall. 
Im  Laufe  der  Zeit  scheinen  die  Anfälle  an  Intensität  zu  ver¬ 
lieren.  In  2  hierhergehörigen  Fällen  wurde  je  2  derartiger 
Anfälle,  in  2  anderen  Fällen  je  5,  und  in  einem  5.  Fall,  den 
Dr.  F  ö  r  s  t  e  r  in  der  Diskussion  zu  meinem  Vortrag  gelegent¬ 
lich  der  Beschreibung  meiner  Fälle  (cf.  das  Referat  in  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  12,  S.  576)  anführte,  und 
der  nach  dessen  Tod  in  meine  Behandlung  übergegangen  ist, 
wurden  bisher  mehr  denn  20  dieser  Anfälle  beobachtet.  In 
diesem  letzteren  Falle  liegen  seit  Anfang  1903  genaue  Auf¬ 
zeichnungen  der  täglich  vorgenommenen  Temperaturbestim¬ 
mungen  und  der  Menses  vor. 

Bei  der  Erklärung  des  rekurrierenden  rheumatoiden  Ovula¬ 
tionsfiebers  sind  m.  E.  2  Möglichkeiten  gegeben. 

Ein  Zusammenhang  mit  dem  Prozesse  der 
Ovulation,  d.  h.  mit  periodisch  sich  vollziehenden  sekre¬ 
torischen  Funktionen  des  Ovariums  ist  bei  dem  regelmässigen 
prompten  Zusammentreffen  des  Fiebers  mit  dem  bekannten 
Ovulationstermin  resp.  der  Menstruation  des  betreffenden  In¬ 
dividuums  ausser  Zw  e  i  f  e  1. 

Es  liegt  einmal  die  Möglichkeit  vor,  dass  im  Sinne 
meiner  oben  gegebenen  Darlegungen  irgendwo  im  Körper  ein 
nicht  auffindbarer  Krankheitsherd  sitzt,  der  zur  Zeit  der 
Ovulation  in  die  Erscheinung  tritt.  Es  würde  sich  dann  um 
eine  der  Polyarthritis  verwandte,  unklare  infektiöse  Erkrankung 
handeln.  Auch  bei  Polyarthritis  gelingt  es  ja  nur  selten  den 
Ausgangsherd  sicher  aufzufinden. 

Die  andere  Annahme  ist  die,  dass  die  Quelle  der  Er¬ 
krankung  im  Ovarium  selbst  zu  suchen  ist,  sei  es,  dass  es 
wirklich  organisch  krank  ist,  sei  es,  dass  die  Krankheit 
durch  gewisse  krankhafte,  toxisch  wirkende  Sekrete  eines 
nicht  funktionstüchtigen  Ovariums  hervorgerufen 
wird,  die  bei  der  Ovulation  frei  werden  und  in  den  Kreislauf 
gelangen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sollen  eine  Reihe  von  Krankheiten  an¬ 
geführt  werden,  die  vielleicht  auch  auf  eine  krankhafte  innere  Sekre¬ 
tion  der  Ovarien  zu  beziehen  sind.  Sie  gehören  nicht  streng  hierher, 
weil  sie  nicht,  wie  die  bisher  aufgezählten  Störungen,  ein  periodisch 
wiederkehrendes  Abhängigkeitsverhältnis  von  der  Ovulation  er¬ 
kennen  lassen.  Es  handelt  sich  um  Zustände,  bei  denen  wahrschein¬ 
lich  während  einer  mehr  oder  weniger  langen  Zeit  dauern  d,  also 
unabhängig  von  der  Ovulation  und  nicht  periodisch 
toxische  Stoffe  in  die  Blutbahn  gelangen. 

An  erster  Stelle  ist  hier  die  Osteomalazie  zu  nennen,  die 
schon  wiederholt  durch  Kastration  geheilt  oder  doch  wesentlich  ge¬ 
bessert  worden  ist  (Fehling  u.  a.). 

Die  echte  Chlorose  ist  in  so  ausgesprochener  Weise  eine 
Erkrankung  des  weiblichen  Geschlechts  in  den  Entwicklungsjahren, 
dass  jene  Theorien,  die  sie  mit  den  Geschlechtsfunktionen  in  direkte 
Beziehung  bringen  bei  weitem  am  meisten  für  sich  haben,  v.  N  o  o  r- 
de  n  ii.  a.  schreiben  der  internen  Sekretion  der  Ovarien  bei  ihrer  Ent¬ 
stehung  die  Hauptrolle  zu. 

Man  beobachtet  bekanntermassen  oft  bei  jungen  Mädchen  zur 
Zeit  des  Eintrittes  der  üeschlechtsfunktion  und  bei  Frauen  im  Kli- 


/ 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1937 


makterium  einen  auffallenden  Fettansatz  und  es  erscheint  mir 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  hierbei  die  innere  Sekretion  der 
Ovarien  und  dadurch  hervorgerufene  Stoffwechselanomalien  eine  ge¬ 
wisse  Rolle  spielen. 

Endlich  werden  Atrophien  des  Nervus  opticus  (Cohn) 
und  des  Nervus  acusticus  (L  i  c  h  t  e  n  b  e  r  g),  die  in  seltenen 
Fällen  zur  Zeit  der  Pubertät  ohne  jede  erkennbare  Ursache  auftreten 
sollen,  auf  krankhafte  ovarielle  Sekrete  zurückgeführt. 

Ganz  kurz  sei  noch  folgende  Beobachtung  gestreift:  Bei 
manchen  Frauen  machen  sich  die  gleichen  Erscheinungen,  die 
ich  als  durch  die  Ovulation  bedingt  angesprochen  habe,  auch 
in  der  Zeit  zwischen  2  Menstruationen,  und  zwar  genau  in  der 
Intermenstrualmitte  bemerkbar. 

Zu  dieser  Zeit  werden  einmal  dysmenorrhöe-artige 
Schmerzen  beobachtet,  der  sogenannte  Mittel-  oder  I  n  - 
termenstrualschmerz  (Fehling),  ferner  bei  Gei¬ 
steskranken  eigentümliche  Veränderungen  der 
Stimmung  und  des  Bewusstseins,  so  dass  z.  B.  in 
diesen  Tagen  plötzlich  Klarheit  nach  stuporös-halluzinatonschen 
Zuständen  auftritt  (S  c  h  ü  1  e). 

Während  bei  weitem  die  meisten  Frauen  einen  Menstrua¬ 
tionsterinin  von  etwa  28  Tagen  haben,  gibt  es  Frauen,  die  ent¬ 
weder  regelmässig  oder  nur  zeitweise  in  der  Intermen¬ 
strualmitte  noch  einmal  menstruieren.  Hierher  gehört 
meine  oben  angeführte  Beobachtung  von  vikariierender 
Lungenblutung  in  der  Intermenstrualmitte.  Endlich  fand  van 
Voornveld  (Zeitschrift  für  Tuberkulose  etc.  1905)  bei 
einem  tuberkulösen  Mädchen  auch  Fieber  in  der  Inter¬ 
menstrualmitte  (Febris  intermenstrualis). 

Ich  kann  seine  Beobachtung  durchaus  bestätigen,  muss 
sie  aber  erweitern. 

Das  Intermenstrualfieber  sieht  man,  wie  es 
scheint,  unter  denselben  Bedingungen,  wie  das  prämenstruelle 
(Ovulations-)Fieber,  nur  weit  seltener,  als  dieses.  Ich  ver¬ 
füge  über  Beispiele  von  Febris  intermenstrualis  nach  Typhus, 
Gelenkrheumatismus  usw.  Es  ist  wahrscheinlich  auch  als  ein 
Ovulationsfieber  aufzufassen,  d.  h.  es  entsteht  bei  Frauen  mit 
einem  ca.  14  tägigen  Ovulationstermin  unter  der  Voraussetzung, 
dass  sie  einen  Krankheitsherd  in  ihrem  Körper  bergen,  der 
durch  jene  mit  der  Ovulation  einhergehende  Steigerung  der 
vitalen  Energie  gleichsam  aufgewühlt  wird.  Und  in  derselben 
Weise,  d.  h.  durch  die  Annahme  von  ca.  14  tägigen  Ovulations¬ 
terminen  erklärt  sich  auch  das  Vorkommen  des  Mittelschmerzes, 
der  Intermenstrualpsychosen  und  der  Intermenstrualblutungen. 

Alle  bisher  besprochenen  krankhaften  Störungen  (ausser 
der  nur  beiläufig  erwähnten  Osteomalazie,  Chlorose  usw.) 
haben  zweierlei  gemein: 

1.  Sie  sind  sämtlich  auf  die  Ovulation,  resp. 
eine  periodisch  sich  vollziehende  sekretorische  Tätigkeit  der 
Ovarien  geschlechtsreifer  weiblicher  Individuen  zu  be¬ 
ziehen.  Sie  fallen  zwar  zeitlich  häufig  mit  der  menstruellen 
Blutung  zusammen,  der  sie  meist  vorausgehen;  sie 
treten  aber  ihrer  Natur  nach  auch  bei  amenorrhoischen 
geschlechts  reifen  Individuen  auf.  Daher  mag  es  kom¬ 
men,  dass  man  ihr  Abhängigkeitsverhältnis  von  der  Ovulation 
bisher  noch  nicht  erkannt  hat. 

2.  Sie  finden  sich  nur  bei  kranken  Indivi¬ 
duen,  die  demnach  zur  Zeit  der  Ovulation,  d.  h.  meist  in 
der  Prämenstrualzeit  besonders  gefährdet,  und  des¬ 
halb  schonungsbedürftig  sind. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  erwähnen,  dass  auch  der 
Menstruation,  d.  h.  der  Uterusblutung  selbst  eine 
gewisse  Bedeutung  in  der  Pathogenese  innerer  Krankheiten 
zukommt. 

Einmal  können  wahrscheinlich  durch  Resorption 
von  toxischem  resp.  infektiösem  Material  aus 
den  menstruierenden  Genitalien  fieberhafte 
Zustände  und  einige  andere  krankhafte  Erscheinun¬ 
gen  hervorgerufen  werden  (cf.  meine  Arbeit  ,,Ueber  Men¬ 
struationsfieber  etc.  D.  med.  Wochenschr.  1906,  No.  28  und  29), 
und  dann  ist,  zweifellos  durch  den  mit  der  Menstruation  ein¬ 
hergehenden  Blutverlust  und  durch  noch  andere  Momente  be¬ 
dingt,  indenletztenTagenderMenstruationdie 
Widerstandsfähigkeit  des  weiblichen  Orga¬ 
nismus  herabgesetzt,  so  dass  die  Frauen  zu  verschie¬ 
denen  Erkrankungen  infektiöser  Natur  (Angina,  Influenza  usw.) 
mehr  disponiert  sind  als  sonst. 

No.  39. 


Die  Herabminderung  der  Widerstandsfähigkeit  gibt  sich 
schon  in  der  sehr  häufigen  Gewichtsabnahme  während 
der  Menstruation  zu  erkennen.  C  r  a  m  e  r  (Münch,  med.  Wo¬ 
chenschr.  1904,  No.  14)  sah  z.  B.  während  der  Menstruation 
häufig  Gewichtsverluste  von  2—3  Pfund,  in  seltenen  Fällen  von 
6—8  Pfund,  und  ich  selbst  fand  unter  38  Fällen  21  mal,  d.  h.  in 
55  Proz.,  in  den  4 — 6  Tagen  der  Menstruation  Gewichtsver¬ 
luste,  die  im  Mittel  etwa  1  Pfund,  in  einigen  Fällen  2—3  Pfund, 
in  einem  Fall  sogar  4L?  Pfund  betrugen. 

Ueber  den  Einfluss,  den  innere  Krankheiten 
auf  die  Ovulation  und  Menstruation  ausüben, 
ist  nicht  viel  zu  sagen. 

Die  strenge  Periodizität  der  funktions¬ 
tüchtigen  Ovarien  geschlechtsreifer  Indivi¬ 
duen  scheint  durch  irgendwelche  Störungen  der  Gesundheit 
nicht  beeinflusst  zu  werden.  Anders  verhält  es 
sich  natürlich,  wenn  die  Ovarien  selbst  funktionsunfähig 
werden,  wie  z.  B.  bei  manchen  chronischen  konsumierenden 
Krankheiten  (Phthise  u.  a.),  die  nicht  selten  eine  Dystrophie  des 
gesamten  Genitalapparats  im  Gefolge  haben. 

Die  Menstruation  kann,  wie  schon  erwähnt  wurde, 
namentlich  unter  dem  Einfluss  fieberhafter  und 
schmerzhafter  Krankheiten  ganz  ausbleibe  n, 
oder  zu  früh  ausgelöst  werden,  aber  ebenso  kann  ihr 
Eintritt  um  einige  Zeit  hinausgeschoben  werden. 

Die  Blutung  selbst  ist  während  zahlreicher  Krank¬ 
heiten  nicht  selten  schwächer  oder  stärker  als  sonst, 
sie  kann  kürzer  oder  wesentlich  länger  anhalten,  als  in 
gesunden  Tagen. 

Auf  alle  diesbezüglichen  Einzelheiten  einzugehen,  muss  ich 
mir  versagen. 

Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Mir  ist  unterdessen 
der  Nachweis  geglückt,  dass  die  Menstruation  unter  allen  Umständen 
ganz  bestimmten  Gesetzen  folgt.  Die  Publikation  dieser  Beobachtung 
wird  demnächst  im  Archiv  für  Gynäkologie  erfolgen. 


Die  Stellung  der  Fürsorgestellen  für  Lungenkranke  im 
Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrankheit. 

Von  Dr.  med.  H.  Beschorner,  Arzt  der  Fürsorgestelle  für 
Lungenkranke  in  Dresden-Neustadt. 

(Schluss.) 

Die  Durchführung  der  eigentlichen  praktischen  Tätigkeit  der 
Fürsorgestellen  für  Lungenkranke  hat  nach  den  leitenden  Grund¬ 
sätzen  der  prophylaktischen  Tuberkulosebekämpfung  zu  erfolgen.  Es 
ist  die  Aufgabe  der  Fürsorgestellen: 

1.  Leicht  Erkrankte  möglichst  frühzeitig  in  Sanatorien  unter¬ 
zubringen, 

2.  die  aus  den  Lungenheilstätten  Entlassenen  und  die  wegen 
Platzmangels  Zurückgewiesenen  oder  Zurückgestellten  in  Beob¬ 
achtung  und  Pflege  zu  nehmen;  endlich 

3.  Gesunde  oder  Gefährdete  vor  Ansteckung  zu  schützen. 

Es  wird  selten  Aufgabe  der  Fürsorgestellen  sein,  Kranke  direkt 
in  Heilanstalten  einzuweisen.  Die  Unterbringung  wird  meistens  von 
den  prakt.  Aerzten  beantragt  werden.  Auch  die  bei  den  Familien¬ 
untersuchungen  entdeckten  Tuberkulosefälle  sind,  falls  sie  sich  zur 
Heilstättenbehandlung  eignen,  den  prakt.  Aerzten  zur  Beantragung 
zu  überweisen. 

Durch  Uebereinkommen  mit  den  Lungenheilanstalten  Alberts- 
berg,  Carolagrüp,  Hohwald  werden  von  diesen  Anstalten  alle  die¬ 
jenigen  Kranken  den  Fürsorgestellen  gemeldet,  die  nach  Dresden  zur 
Entlassung  kommen.  Wir  untersuchen  diese  Kranken  in  regel¬ 
mässigen  8  wöchentlichen  Intervallen,  sorgen  für  geeignete  Wohnung, 
zureichende  Ernährung  und  möglichst  passende  Beschäftigung.  In 
gleicher  Weise  sorgen  wir  für  die  von  der  Landesversicherunganstalt 
zur  Heilstättenbehandlung  angenommenen,  aus  irgend  einem  Grunde 
aber  Zurückgestellten. 

Der  Schwerpunkt  unserer  Tätigkeit  aber  besteht  in  der  Sorge 
für  die  durch  Tuberkulose  Gefährdeten. 

Diese  müssen  vor  allen  Dingen  von  den  an  offener  Tuberkulose 
Leidenden  getrennt  werden.  Bei  den  traurigen  Lebensverhältnissen 
der  hier  in  Betracht  kommenden  Kranken  wird  es  sich  meistens  darum 
handeln,  die  Schwerkranken  aus  der  Wohnung  zu  entfernen.  Bis¬ 
her  war  es  der  einzige  Weg  —  und  in  Dresden  ist  es  heute  noch  nicht 
anders  —  di,e  Schwerkranken  in  ein  Krankenhaus  zu  überführen.  Bei 
der  Abneigung  aber  gerade  dieser  Art  von  Patienten  gegen  die 
Krankenhäuser  und  aus  anderen  Gründen  ist  es  erforderlich,  auch  in 
Dresden  Heime  für  schwer  an  Tuberkulose  Erkra  n  k  t  e 
zu  errichten,  wie  sie  anderwärts  bereits  bestehen.  In  diesen  Heimen 
muss  alles  vermieden  werden,  was  an  ein  Krankenhaus  erinnert,  sie 
müssen  in  gesunder  Lage,  wenn  möglich  im  Walde  gebaut  werden, 

4 


1938 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


durchaus  behaglich  und  den  sozialen  Verhältnissen  des  Kranken  ent¬ 
sprechend  eingerichtet  werden,  im  ganzen  also  dem  Stande  des 
Kranken  angepasst  sein.  Ist  dies  nicht  zu  erreichen,  müssen  in  den 
allgemeinen  Krankenhäusern  Abteilungen  errichtet  werden,  welche 
baulich  getrennt  und  wie  Sanatorien  eingerichtet  sind.  Ein  solches 
Luftkurhaus  wurde  in  Bremen  im  Krankenhausgarten  errichtet  und 
funktioniert  ausgezeichnet.13) 

Häufig  gelingt  es  nicht,  die  ansteckenden  Kranken  von  den  Ge¬ 
sunden  auf  diese  Weise  zu  trennen.  Es  ist  dies  besonders  der  Fall 
bei  denjenigen  offenen  Tuberkulosen,  die,  obwohl  schwer  erkrankt, 
doch  noch  arbeitsfähig  sind.  Dann  ist  es  nötig,  die  Gesunden  vom' 
Kranken  abzutrennen.  Abgesehen  von  der  stets  nötigen  Ermahnung 
und  Aufklärung  beider  Teile  über  die  Ansteckungsgefahr  machen  sich 
alsdann  weitere  Massnahmen  notwendig.  In  solchen  Fällen  stehen 
den  Dresdner  Fürsorgestellen  bis  jetzt  folgende  Mittel  zur  Verfügung: 

Hinzumieten  eines  Zimmers;  Anschaffung  von  Betten,  Bett¬ 
wäsche;  Austeilung  von  Spuckflaschen,  von  desinfizierenden  Flüssig¬ 
keiten  (wir  verwenden  meist  Rohlysoform);  getrenntes  Sammeln 
der  Wäsche  in  besonders  ausgegebenen  Wäschesäcken  und  Waschen 
der  Wäsche  durch  die  Fürsorgestellen;  Sorge  für  getrenntes  Wasch- 
und  Essgeschirr.  Häufig  machen  sich  Aufwartungen  nötig. 

Der  Haken  der  ganzen  Sache  ist  aber  der,  dass  auch  alles  so 
geschieht,  wie  es  angeordnet  worden.  Fs  ist  daher  eine  ausgedehnte 
ständige  Kontrolle  von  Seiten  der  Fürsorgestelle  durch  häufige  Be¬ 
suche  und  durch  immer  erneute  Ermahnungen  von  Seiten  des  Für¬ 
sorgestellenarztes  notwendig. 

Hat  man  die  Trennung  der  Infektiösen  von  den  nicht  Infektiösen 
und  Gesunden  erreicht,  so  gilt  es  für  die  Gefährdeten  zu  sorgen. 

Die  energischste  und  idealste  Methode  zur  Ausrottung  der  Tu¬ 
berkulose  würde  die  Anzeigepflicht  aller  Tuberkulosefälle  und  die 
zwangsweise  Unterbringung  tuberkulöser  Kranker  in  Heilanstalten 
sein.  Die  entschieden  weitgehendsten  Bestimmungen  in  dieser  Hin¬ 
sicht  hat  mit  rücksichtsloser  Energie  Norwegen  durch  das  Gesetz 
vom  8.  Mai  1900  getroffen.  Das  am  1.  Januar  1901  in  Kraft  getretene 
Gesetz  bestimmt,  dass  jeder  offene  Fall  von  Tuberkulose,  sobald  er 
in  Behandlung  eines  Arztes  kommt  und  jeder  Todesfall  an  Tuber¬ 
kulose  sofort  anzuzeigen  ist.  Meldung  bei  Wohnungs  Wechsel 
unterliegt  ortspolizeilichen  Bestimmungen.  Jeder  Gemeldete  be¬ 
kommt  vom  behandelnden  Arzte  oder  vom  öffentlichen  Arzte  Unter¬ 
weisung  über  die  wissenswerten  Fragen  und  wird  ständig  betreffs 
Befolgung  der.  gegebenen  Anweisungen  kontrolliert.  Können  die  nö¬ 
tigen  Vorsichtsmassregeln  nicht  durchgeführt  werden  oder  unterlässt 
es  der  Kranke  sie  zu  befolgen,  so  kann  zwangsweise  Unterbringung 
in  eine  Krankenanstalt  verfügt  werden.  Desinfektionen  von  Wohnung, 
Kleidung  und  Bettzeug  erfolgt  nicht  nur  bei  Ableben  oder  Wohnungs¬ 
wechsel  der  Kranken,  sondern  auch  dann,  wenn  es  die  Gesundheits¬ 
kommission  für  notwendig  erachtet.14) 

In  Sachsen  ist  die  Anzeigepflicht  geregelt  durch  die  Verordnung, 
betreffend  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose  der  Menschen  vom 
29.  September  1900.  Sachsen  hat  zuerst  unter  den  deutschen  Bundes¬ 
staaten  die  Anzeigepflicht  in  weiterem  Umfange  eingeführt. 

Ausser  Beseitigung  alles  ansteckenden  hat  eine  geordnete  Für¬ 
sorgetätigkeit  sich  auf  die  Besserung  der  Wohnungsverhältnisse  zu 
erstrecken.  Man  kann  dies  häufig  schon  dadurch  erreichen,  dass  man 
die  Mittel  gewährt  zum  Hinzumieten  eines  Zimmers.  Durch  die 
Wohnungsordnung  für  die  Stadt  Dresden  vom  25.  Januar  1898  sind 
wir  in  der  glücklichen  Lage,  für  die  Wohnungen  gewisse  Mindest¬ 
forderungen  zu  stellen.  Wir  haben  bereits  mehrfach  Gelegenheit 
gehabt,  Familien  mit  Hilfe  der  Wohlfahrt  zum  Verlassen  ihrer  sc'heuss- 
Iichen  und  ungesunden  Wohnungen  zu  veranlassen. 

Wenn  aber  Wohnungen  behördlicherseits  beanstandet  und  ge¬ 
schlossen  werden,  muss  für  bessere  Wohnungen  gesorgt  werden. 
Man  hat  diesem  Punkte  auch  bereits  die  gebührende  Beachtung  ge¬ 
schenkt.  Das  Reich  hat  mit  der  praktischen  Wohnungsfürsorge  für 
seine  Angestellten  begonnen,  in  Sachsen  und  in  anderen  Bundes¬ 
staaten  sind  Bau-  und  Wohnungsgesetze  erlassen  worden,  die  Ge¬ 
meinden,  Vereine  und  Private  tun  das  ihrige. 

Die'  Sorge  für  Verbesserung  des  Aufenthaltsortes  kommt  auch 
zum  Ausdruck  in  dem  Bestreben,  Leichterkrankte  und  Gefährdete 
möglichst  ausgiebig  in  gesunde  Luft  zu  bringen.  Als  solche  Ein¬ 
richtungen  möchte  ich  nennen:  Rekonvaleszentenheime,  ländliche 
Kolonien,  Sommerpflegkolonien,  Arbeitergärten,  Tageserholungs¬ 
stätten,  die  Haidefahrten  des  gemeinnützigen  Vereines,  die  Wald¬ 
schulen  und  besonders  die  Walderholungsstätten,  wie  sie  in  Dresden 
auch  für  Tuberkulöse  bereits  geplant  sind.  Diese  Walderholungs- 
stütten  sollen  durch  Krankheit  erwerbsunfähig  gewordenen  Männern, 
Frauen  und  Kindern  während  des  Tages  'die  Möglichkeit  bieten,  sich 
in  gesunder  Luft  aufzuhalten.  Dadurch,  dass  sie  an  geschützten 
Orten  gebaut  werden  sollen,  können  in  ihnen  auch  Liegekuren  vor¬ 
genommen  werden.  Die  Walderholungsstätten  sind  daher  als  ein  teil¬ 
weiser  Ersatz  für  die  Lungenheilstätten  anzusehen.  Dadurch,  dass 
man  sie  auch  zum  Aufenthalt  während  der  Nacht  einrichten  will,  gibt 


13)  Stoe vesandt:  Das  Luftkurhaus  in  Bremen.  Tuberku- 
losis  V,  58. 

14)  Verhandlungen  der  Internat.  Vereinigung  gegen  die  Tuber¬ 
kulose.  No.  2  der  Tagesordnung:  Anzeigepflicht. 


man  den  noch  arbeitsfähigen  Lungenkranken  Gelegenheit,  die  Nacht¬ 
stunden  in  gesunder  Luft  zu  schlafen. 

Die  dritte  wichtige  Aufgabe  der  Fürsorgestellen  ist  die  Besse¬ 
rung  der  Ernährungsverhältnisse.  Zu  diesem  Zwecke  werden  Milch-, 
Speise-,  Brot-  und  Fettmarken  ausgeteilt,  werden  den  Leuten  Frei¬ 
tische  in  Speiseanstalten,  in  Wohltätigkeitsanstalten  und  bei  Pri¬ 
vaten  verschafft. 

Endlich  ist  es  eine  Hauptaufgabe  der  Fürsorgestellen,  mitzu¬ 
wirken  an  der  Hebung  der  sozialen  Lage  der  Kranken.  Diese  ist 
anzustreben  durch  Hebung  des  allgemeinen  Wohlstandes,  durch  die 
Ausdehnung  prophylaktischer  Massnahmen  in  den  Fabriken,  Werk¬ 
stätten,  Kontoren,  Schulen  u.  a.  m. 

Wichtig  ist  die  Aufklärung  über  die  Berufswahl.  Lungenkranke, 
besser  auch  die  Verdächtigen  und  Gefährdeten,  sind 

1.  von  Berufen  fernzuhalten,  welche  besonders  zu  Schwindsucht 
disponieren.  Lungenkranke,  Gefährdete  und  Verdächtige  sind 

2.  von  solchen  Betrieben  fernzuhalten,  in  welchen  Nahrungs¬ 
und  Genussmittel  hergestellt  werden,  z.  B.  Molkereien,  Bäcke¬ 
reien,  Schokoladefabriken,  Zigarren-  und  Zigarettenfabriken  und  von 
den  dazu  gehörigen  Verkaufsstellen. 

Bei  der  schädlichen  Einwirkung  des  Alkohols  auf  das  physische 
und  psychische  Verhalten  der  Menschen  und  der  durch  Alkoholmiss¬ 
brauch  häufig  herbeigeführten  Verschlechterung  der  sozialen  Lage 
einer  ganzen  Familie,  sind  die  gegen  den  Alkoholmissbrauch  ge¬ 
richteten  Bestrebungen  naturgemäss  in  nachdrücklichster  Weise  zu 
unterstützen. 

Wertvoll  ist  es  ferner,  wenn  von  den  Fürsorgestellen  immer 
und  immer  wieder  gedrungen  wird 

auf  Reinlichkeit  der  Person,  seiner  Kleidung  und  seiner  Um¬ 
gebung, 

auf  Körperpflege,,  zweckmässige  Kleidung,  gymnastische 
Uebungen  etc. 

Sehr  wichtig  ist  es,  auf  die  Pflege  der  Zähne  und  des  Mundes 
zu  achten.  Bei  der  schon  erwähnten  Untersuchung  von  80  Schulkin¬ 
dern  konnte  ich  feststellen,  dass  nur  4  Kinder  ein  gut  gepflegtes  Ge¬ 
biss  hatten.  Ein  Gebiss  war  dann  gut  zu  nennen,  wenn  die  erkrank¬ 
ten  Zähne  entfernt  worden  waren.  Ein  untadelhaftes  Gebiss  fand 
ich  keinmal,  plombierte  Zähne  waren  nie  vorhanden.  Ein  Mädchen 
hatte  keinen  gesunden  Zahn. 

Um  die  Kranken  und  besonders  auch  die  Kinder  zu  einer  sorg¬ 
fältigen  Mundpflege  zu  erziehen,  teilen  wir  an  jeden,  welcher  der  be¬ 
suchenden  Schwester  keine  Zahnbürste  vorweisen  kann,  Zahnbürste 
und  Zahnpulver  aus.  Es  ist  zu  hoffen,  dass  das  Interesse,  welches 
von  Herrn  Geh.  Kommerzienrat  v.  L  i  n  g  n  e  r  der  geordneten  Zahn¬ 
pflege  der  Schulkinder  entgegengebracht  wird,  von  den  Aerzten  in 
weitgehendster  Weise  unterstützt  wird. 

Ausser  den  schlechten  Zähnen  muss  besondere  Beachtung  den 
Gaumenmandeln  und  besonders  der  vergrösserten  Rachenmandel  ge¬ 
schenkt  werden.  Obwohl  man  in  beiden  gelegentlich  tuberkulöse 
Herde  gefunden  hat,  ist  die  Bedeutung  dieser  Gebilde  für  die  Ent¬ 
stehung  der  Tuberkulose  doch  auf  anderem  Gebiete  zu  suchen. 
Näher  hierauf  einzugehen  verbietet  mir  die  Zelt.  Bei  der  schon 
mehrfach  erwähnten  Untersuchung  von  tuberkuloseverdächtigen 
Schulkindern  fand  ich  in  35  Proz.  eine  Vergrösserung  der  Rachen¬ 
mandel.  Diese  Zahl  dürfte  sich  noch  bedeutend  erhöhen,  wenn  man 
Spiegel-  und  Digitaluntersuchung  in  Anweffdung  zieht.  Hierzu  stand 
mir  leider  die  nötige  Zeit  nicht  zu  Gebote. 

Durch  die  vorstehenden  Erörterungen  bin  ich  auf  ein  Gebiet  ge¬ 
kommen,  welchem  meines  Erachtens  bei  weitem  die  grösste  Wichtig¬ 
keit  gebührt. 

Es  ist  dies  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  besonders  aber  der 
tuberkulösen  Disposition,  im  Kindesalter.  Diese  hat  in  Sachsen  bis¬ 
her  noch  wenig  praktische  Würdigung  gefunden,  während  man  im 
übrigen  Deutschland  schon  seit  einiger  Zeit  diesem  wichtigen  Teile 
der  Fürsorgebestrebungen  eingehendere  Beachtung  geschenkt  hat. 

Ich  halte  die  Prophylaxe  der  Tuberkulose  im  Kindesalter  für  die 
hauptsächlichste  Aufgabe  der  vorbeugenden  Tuberkulosebekämpfung 
und  somit  auch  der  Fürsorgestellen.  Ich  bitte  deshalb  auf  diesen 
Punkt  näher  eingehen  zu  dürfen. 

Die  Tuberkulose  ist,  wie  aus  den  neueren  Forschungen  hervor¬ 
geht,  meist  keine  hereditäre  oder  angeborene  Krankheit.  Die  In¬ 
fektion  erfolgt  wahrscheinlich  verhältnismässig  selten  zur  Zeit  der 
Pubertät  oder  im  erwerbsfähigen  Alter,  also  zur  Zeit  des  häufigsten 
Ausbruches  der  tuberkulösen  Erscheinungen.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  die  Infektion  weitaus  am  häufigsten  im  frühen  Kindesalter  er¬ 
folgt  und  zur  Bildung  eines  tuberkulösen  Herdes  Anlass  gibt.  Dieser 
bleibt  in  den  meisten  Fällen  latent,  übt  aber  während  der  Zeit  der 
Latenz  gewisse  Wirkungen  auf  den  Körper  aus,  die  sich  häufig  — 
aber  durchaus  nicht  immer  —  äusserlich  zu  erkennen  gibt.  Solche 
latent  tuberkulöse  Kinder  sehen  blass  und  elend  aus,  nehmen  an 
Körpergewicht  ungenügend  zu,  trotz  guten  Appetites,  essen  aber 
häufig  auch  schlecht  und  zeigen  vor  allem  häufig  den  sog.  skrofu¬ 
lösen  Habitus. 


15)  Geipel:  Ueber  Säuglingstuberkulose.  Eine  Studie.  Zeit¬ 
schrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  LIII,  1906. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1939 


Der  hohen  Säuglingssterblichkeit  in  der  zweiten  Hälfte  des 
ersten  Lebensjahres  habe  ich  bereits  Erwähnung  getan.  Die  Ur¬ 
sachen  der  Infektion  sind  noch  Gegenstand  wissenschaftlicher  Er¬ 
örterungen.  Der  Säugling  muss  eine  ausserordentlich  hohe  Emp¬ 
fänglichkeit  für  die  Tuberkuloseinfektion  haben;  die  Tuberkulose 
muss  bei  ihm  sehr  rasch  verlaufen.  Man  kann  wohl  sagen:  Erwirbt 
ein  Säugling  eine  Tuberkulose,  so  stirbt  er  auch  daran16), 
v.  Behring  führt  den  raschen  Verlauf  auf  die  grössere  Virulenz 
des  mit  der  Milch  aufgenommenen  Perlsuchtvirus  zurück.  Tuber¬ 
kulosesterblichkeit  im  Säuglingsalter  ist  eine  sehr  viel  höhere,  als 
man  bisher  geglaubt.  Schlossmann  hält  dieselbe  für  4 mal 
so  gross,  als  nach  den  Zahlen  der  offiziellen  Statistik  zu  erwarten 
.  steht16). 

Der  Prophylaxe  der  Tuberkulose  im  Säuglingsalter  kommt,  wie 
die  Untersuchungen  v.  Behrings  schon  jetzt  erkennen  lassen,  die 
grösste  Bedeutung  zu.  Bei  dem  wissenschaftlichen  Interesse,  wel¬ 
ches  dieser  Teil  der  Tuberkulosebekämpfung  beansprucht,  halte  ich 
besondere  vorbeugende  Massnahmen  für  erforderlich.  Vielleicht 
dürfte  es  sich  empfehlen,  dem  hiesigen  Säuglingsheim  eine  Für¬ 
sorgestelle  für  Säuglinge  anzugliedern,  die  hauptsächlich  durch  Ver¬ 
teilung  vorschriftsmäsig  zubereiteter  Milch  im  grossen  Massstabe, 
weiterhin  aber  auch  durch  regelmässige  Untersuchung  der  Säuglinge 
und  ihrer  Angehörigen,  .sowie  durch  Beachtung  der  äusseren  Ver¬ 
hältnisse  und  der  Umgebung  des  Säuglings,  die  Tuberkulose  in 
diesem  Alter  zu  bekämpfen  sucht. 

Stirbt  der  Säugling  nicht  an  seiner  Tuberkulose  oder  erwirbt 
das  Kind  die  Infektion  in  den  ersten  Lebensjahren,  ohne  dass  die 
Tuberkulose  —  was  selten  ist  —  schon  in  dieser  Zeit  manifest  wird, 
so  tritt  das  Kind  in  die  Entwicklungsjahre  latent  tuberkulös  ein. 
Dies  mag  nach  Schlossmann  bei  der  Hälfte  aller  Kinder  der 
Fall  sein17)-  Das  eine  Kind  hat  nun  das  Glück,  dass  es  zu  einem 
Wiederaufleben  des  tuberkulösen  Prozesses  nicht  kommt,  das 
andere  aber  erliegt  früher  oder  später  der  verderbenbringenden 
Tätigkeit  der  wieder  aktiv  gewordenen  Tuberkelbazillen.  Der 
Grund  liegt  meines  Erachtens  einmal  in  der  verschieden  hohen  Viru¬ 
lenz  der  zu  neuem  Leben  erweckten  Bazillen,  dann  aber  vor  allem 
in  der  Widerstandskraft  und  Widerstandsfähigkeit,  die  der  Körper 
dem  zu  verderbenbringender  Tätigkeit  erwachenden  Keime  entgegen¬ 
zusetzen  hat. 

Kräftigung  des  kindlichen  Körpers  ist  daher  neben  Fernhaltung 
alles  Schädlichen  die  Hauptforderung,  die  an  die  vorbeugende  Tuber¬ 
kulosebekämpfung  im  Kindesalter  gestellt  wird.  Diese  wird  am  besten 
und  sichersten  erreicht  durch  eine  möglichst  lang  dauernde  Heil¬ 
stättenbehandlung. 

Da  wir  es  als  bewiesen  betrachten,  dass  die  Behandlung  in 
einer  Heilstätte  —  wenn  sie  früh  genug  begonnen  wird  —  einen  Heil¬ 
erfolg  von  Dauer  verbürgt  und  da  die  wissenschaftliche  Forschung 
mehr  und  mehr  darauf  hinauskommt,  dass  es  sich  beim  Ausbrechen 
der  tuberkulösen  Erscheinungen  im  späteren  Alter  meist  um  eine 
Infektion  handelt,  die  von  einem  bis  dahin  latenten  Tuberkulose¬ 
herde  ausgeht,  so  muss  es  vor  allen  Dingen  einen  Erfolg  versprechen, 
den  im  kindlichen  Körper  ruhenden  abgeschlossenen  Keim  zu  ver¬ 
nichten  oder  den  Körper  des  Kindes  so  widerstandsfähig  zu  machen, 
dass  er  dem  erwachenden  Keime  und  seiner  verderbenbringenden 
Tätigkeit  nicht  zum  Opfer  fällt.  Dass  der  Körper  den  Kampf  gegen 
die  tuberkulösen  Herde  in  seinem  Inneren  häufig  siegreich  zu  Ende 
führt,  das  haben  die  Untersucnungen  Schmorls,  Burckhardts, 
Nägelis  u.  a.  bewiesen. 

Ich  halte  es  somit  nach  dem  Gesagten  für  eine  notwendige  For¬ 
derung,  der  Tuberkulosebekämpfung  im  Kindesalter  eingehende  Be¬ 
achtung  zu  schenken  und  die  Heilstättenbehandlung  in  nachdrücklich¬ 
ster  Weise  auf  die  Kinder  auszudehnen. 

Da  die  Behandlung  mit  Tuberkulininjektionen  in  den  Heilstätten 
mehr  und  mehr  Anhänger  gewinnt  und  die  Veröffentlichungen  über 
günstige  Erfolge  sich  mehren,  so  erblicke  ich  in  einer  Kombination  der 
hygienisch-diätetischen  Methode  mit  Tuberkulininjektionen  die  aus¬ 
sichtsvollste  Behandlung  für  Kinder.  Was  die  Behandlung  der  Kinder 
mit  Tulaselaktin  nach  v.  Behring  leistet,  entzieht  sich  meiner 
Beurteilung.  _ 

Da  in  Sachsen  Heilstätten  für  Kinder  nicht  bestehen,  so  muss 
deren  Errichtung  gefordert  werden.  Mehrfache  Anregungen  haben 
den  Verein  zur  Begründung  und  Erhaltung  von  Volksheilstätten  im 
Königreich  Sachsen  veranlasst,  dieser  Frage  näher  zu  treten.  Auch 
von  mir  ist  ein  Antrag  eingereicht  worden,  welcher  den  Vorschlag 
enthält,  an  die  Heilanstalt  Carolagrün  eine  Abteilung  für  Kinder 
anzugliedern. 

Für  eine  Heilstättenbehandlung  werden  in  der  Hauptsache  tuber¬ 
kulöse  und  stark  tuberkuloseverdächtige  Kinder  in  Frage  kommen. 
Bei  der  grossen  Anzahl  der  für  eine  Heilstättenbehandlung  geeigneten 
Kinder  wird  aber  nur  ein  kleiner  Bruchteil  berücksichtigt  wenden 
können. 

Deshalb  ist  es  Pflicht  der  Gemeinden,  Vereine  und  der  privaten 
Wohltätigkeit  weitere  Massnahmen  zu  treffen. 

Die  Fürsorgestellen  haben  sich  besonders  derjenigen  Kinder  an¬ 
zunehmen,  bei  denen  ein  Tuberkuloseverdacht  vorliegt  oder  bei 


18)  Bericht  über  den  5.  internat.  Tuberkulosekongress  im  Haag. 
Tuberkulosis  VI,  61  ff. 


denen  es  feststeht,  dass  sie  im  Elternhause  durch  offene  Tuberkulose 
der  Eltern  gefährdet  sind.  Dass  es  möglich  ist,  auch  solche  Kin¬ 
der  ohne  Trennung  der  Familienmitglieder  durch  eine  rationell  durch¬ 
geführte  Hygiene  im  Familienleben  vor  Erkrankung  zu  schützen,  hat 
der  schwedische  Nationalverein  gegen  die  Tuberkulose  in  umfassen¬ 
den,  allerdings  sehr  kostspieligen  und  noch  nicht  vollständig’  ab¬ 
geschlossenen  Versuchen  gezeigt18). 

Trotz  alledem  halte  ich  es  für  richtiger,  leicht  tuberkulose¬ 
verdächtige  und  tuberkulosegefährdete  Kinder  in  Heime  auf  dem 
Lande  unterzubringen  und  sie  dort  für  längere  Zeit  bei  guter  Er¬ 
nährung  festzuhalten,  bis  sie  sich  gekräftigt  haben  und  die  Verhält¬ 
nisse  sich  zu  Hause  gebessert  haben. 

Da  alle  diese  Vorschläge  ausserordentlich  kostspielig  sind  und 
ich  wiederholt  darauf  aufmerksam  gemacht  habe,  dass  man  sich  bei 
der  Tuberkulosebekämpfung  vor  einseitigen  Massnahmen  hüten 
müsse,  so  sind  alle  jene  Bestrebungen  dankbar  zu  begrüssen,  deren 
Zweck  es  ist,  den  kindlichen  Körper  zu  kräftigen. 

Gemeinnützige  Gesellschaften  und  Vereine,  die  schon  seit 
ca.  30  Jahren  bestrebt  sind,  Kinder  als  Ferienkolonien  in  Luft  und 
Licht,  aufs  Land  und  an  die  See  zu  bringen,  unterstützen  unsere  Be¬ 
strebungen  auf  das  vorteilhafteste.  Man  sollte  derartige  Vereine 
noch  viel  mehr  von  seiten  der  Stadt  und  des  Staates  aus  subventio¬ 
nieren,  damit  dieselben  durch  Gewährung  reichlicher  Mittel  in  den 
Stand  gesetzt  wären,  die  Dauer  des  Landaufenthaltes  für  das  ein¬ 
zelne  Kind  zu  verlängern.  Zu  wünschen  wäre  die  Angliederung 
einer  Ferienkolonie  für  tuberkuloseverdächtige  Kinder,  die  unter 
ständiger  Kontrolle  eines  Arztes  stände.  Eine  solche  richtete  Prof. 
P  a  n  n  w  i  t  z  angrenzend  an  die  Kinderheilstätte  Hohenlychen  in  der 
Uckermark  ein  und  erzielte  ausgezeichnete  Erfolge.  Die  Kolonie 
basierte  auf  dem  Grundgedanken,  dass  die  tuberkuloseverdächtigen 
Kinder,  abgesehen  von  einer  gründlich  durchgeführten  Erholung  und 
Bewegung  in  freier  Luft,  von  den  Aerzten  der  Lungenheilstätte  ge¬ 
nau  untersucht  und  beobachtet  werden  könnten.  Aus  diesen  Kindern 
konnten  bequem  rechtzeitig  diejenigen  ausgewählt  werden,  die  für 
eine  Heilstättenbehandlung  geeignet  waren. 

Der  Prophylaxe  der  Tuberkulose  dienen  weiterhin  die  zahl¬ 
reichen  in  den  Soolbädern  errichteten  Kinderheilstätten  für  skrofulöse 
Kinder  und  die  Kinderseehospize  an  der  deutschen  Nordseekiiste, 
in  denen  oft  glänzende  Erfolge  erzielt  werden. 

Recht  erheblich  sind  die  Dienste,  welche  die  Erholungsstätten 
für  schulpflichtige  Kinder,  sowie  die  auch  in  Dresden  bestehenden 
Waldschulen  und  die  Walderholungsstätten  für  nicht  Tuberkulöse 
geleistet  haben. 

Endlich  kann  auch  die  Privatwohltätigkeit,  obwohl  sie  vielfach 
überlastet  ist,  segensreich  wirken.  Der  Markstein  des  Kampfes 
gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrankheit  in  Frankreich,  das  „Oeuvre 
des  enfants  tuberculeux“  oder,  wie  es  häufiger  genannt  wird,  das 
„Oeuvre  d’Ormesson“  begann  damit,  dass  der  französische  Arzt 
Dr.  Leon  Petit  und  Schwester  Candide  im  Jahre  1888  im  Dorfe 
Ormesson  in  der  weiteren  Umgebung  von  Paris  ein  Häuschen  miete¬ 
ten,  in  welchem  sie  12  Pfleglinge  unterbringen  konnten.  Heute,  nach 
kaum  20  Jahren,  ist  aus  dem  budgetlosen  Unternehmen  ein  solches 
mit  einer  Jahreseinnahme  und  Ausgabe  von  rund  350  000  Franken 
geworden. 

Auch  hier,  in  der  weiteren  Umgebung  Dresdens,  hat  sich  mir 
ein  edler  Menschenfreund  erboten,  mit  dem  Bau  eines  Heimes  für 
tuberkuloseverdächtige  und  tuberkulosegefährdete  Kinder  zu  be¬ 
ginnen,  wenn  ihm  ein  sicherer  Zuschuss  von  35  M.  pro  Kind  und 
Monat  für  15 — 20  Kinder  garantiert  würde. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  kurz  2  Fragen  beantworten, 
nämlich: 

1.  Welche  kommunalen  und  staatlichen  Einrichtungen  haben  ein 
Interesse  am  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  nach  dein  komplizierten, 
viel  Kosten  und  Mühe  verursachenden  Kriegsplan,  wie  ich  ihn  im 
vorstehenden  geschildert  habe? 

2.  Rechtfertigen  die  Erfolge  die  Aufwendung  so  bedeutender 
Mittel  für  den  Kampf  gegen  die  Tuberkulose? 

Sehen  wir  von  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  der  unzweifel¬ 
haft  die  wichtigsten  Aufgaben  zufallen,  ab,  so  ist  es  in  erster  Linie 
die  öffentliche  Armenpflege,  die  am  Kampfe  beteiligt  ist.  Diese  hat 
es  ja  ihrer  Natur  gemäss  nicht  sowohl  mit  der  Verbesserung  der 
hygienischen  Verhältnisse  im  allgemeinen,  als  vielmehr  mit  den  ein¬ 
zelnen,  ihrer  Hilfe  bedürftigen  Kranken  zu  tun.  Die  Tätigkeit  darf 
sich  hier  nicht  nur  auf  das  Almosengeben  beschränken,  sondern  sie 
muss  den  Armen  auch  die  nötige  Unterstützung  gewähren,  wenn 
es  heisst,  die  Gesundheit  und  Erwerbsfähigkeit  des  Kranken  wieder 
herzustellen.  Aus  allen  Entscheidungen,  die  der  höchste  für 
Preussen  in  Frage  kommende  Gerichtshof,  das  Bundesamt  in  Berlin, 
in  derartigen  Fragen  getroffen  hat  —  die  Entscheidungen  des  Ober¬ 
verwaltungsgerichtes  in  diesen  Fragen  stehen  meist  noch  aus  — 
leuchtet  klar  der  Gedanke  durch,  dass  auch  den  erkrankten  A  r  m  e  n 
jede  Art  der  Hilfe  zu  teil  werden  müsse,  von  der  sich  die  fort¬ 
schreitende  ärztliche  Wissenschaft  einen  wesentlichen  Erfolg  ver¬ 
spreche.  So  hat  das  Bundesamt  entschieden,  dass  auch  die  Behand- 


17)  1.  c. 

18)  Buhre:  Der  schwedische 
kulose.  Tuberkulosis  V,  13. 


Nationalverein  gegen  die  Tuber- 

4* 


1940 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


lung  in  einer  Lungenheilstätte  trotz  der  Höhe  der  Aufwendungen  an 
und  für  sich  nicht  über  die  der  öffentlichen  Armenpflege  gezogenen 
Grenzen  hinausgehe.  Das  Bundesamt  hat  sich  weiterhin  in  allen 
seinen  Entscheidungen  auf  den  Standpunkt  gestellt,  dass  nicht  der 
Bezug  einer  Armenunterstützung  massgebend  sei,  wenn  ärztlicher¬ 
seits-  Heilstättenbehandlung  als  notwendig  erachtet  wird,  sondern 
dass  die  Armenbehörde  auf  Antrag  verpflichtet  ist,  auch  dort  einzu¬ 
treten,  wo  die  Mittel  eines  keine  Armenunterstützung  beziehenden 
Kranken  nicht  ausreichen,  die  kostspielige  Heilstättenbehandlung 
allein  zu  tragen.  Das  ärztliche  Urteil  hat  also  zu  entscheiden, 
nicht  der  Bezug  einer  Armenunterstützung.  Wann  Hilfsbedürf¬ 
tigkeit  vorliegt,  ist  in  jedem  einzelnen  Falle  zu  entscheiden,  das  Ge¬ 
setz  gibt  keine  Definition  dafür. 

Die  Hauptaufgabe  der  Armenpflege  im  eigensten  Interesse  ist 
es  also,  im  Kampfe  gegen  die  Schwindsucht  vorbeugend  ein¬ 
zugreifen.  Dass  sie  hierzu  Grund  hat,  beweist  die  starke  Belastung 
der  öffentlichen  Armenpflege,  die  z.  B.  die  Statistik  für  Dresden  ergibt. 

Leider  stösst  man  bei  den  Kranken  häufig  auf  Widerstand,  wenn 
man  sie  ans  Armenamt  weist,  da  sie  ja  durch  Armenunterstützung  des 
Wahlrechts  verlustig  gehen. 

Es  war  daher  dankenswert,  dass  durch  Rundschreiben  vom 
5.  April  1904  das  Reichsamt  des  Innern  darauf  aufmerksam  machte, 
dass  es  von  grösstem  Werte  sei,  wenn  von  Seiten  der  Gemeinden 
und  sonstigen  kommunalen  Verbände  Mittel  bereitgestellt  würden, 
deren  Verwendung  zur  Unterbringung  Lungenkranker  in  Heilstätten 
nicht  das  Merkmal  der  Armenunterstützung  an  sich  tragen  würde. 
Auch  in  Dresden  wurde  in  Gemässheit  einer  Anregung  der  Kreis¬ 
hauptmannschaft  ein  solcher  Fonds  gebildet  und  dem  Armenamte 
zur  Verwaltung  überwiesen. 

Neben  den  Armenbehörden  sind  es  die  Krankenkassen  —  we¬ 
niger  die  Berufsgenossenschaften  — ,  die  ein  hohes  Interesse  an  einer 
möglichst  ausgedehnten  Schwindsuchtsbekämpfung  haben.  Die  Be¬ 
lastung  der  Kassen  durch  die  Ausgaben  für  Erkrankungen  an  Schwind¬ 
sucht  sind  ganz  ungeheure.  Aus  der  Denkschrift  der  Zentralkom¬ 
mission  der  Krankenkassen  Berlins  geht  hervor,  dass  in  Berlin  bei 
den  in  der  Krankenversicherung  befindlichen  Arbeitern  jeder  zweite 
Todesfall  an  Tuberkulose  erfolgt.  Der  Bericht  der  interessanten 
Denkschrift  schliesst: 

Nach  den  angeführten  Tatsachen  ist  es  kein  Zweifel,  dass  die 
Schwindsucht  mit  den  Opfern,  die  sie  den  Krankenkassen  auferlegt, 
dieselben  grössten  Teiles  an  der  Erfüllung  ihrer  sonstigen  sozialen 
Funktionen  unfähig  macht,  dass  sie  die  Bildung  der  Reservefonds, 
die  Erhöhung  der  Unterstützungsdauer  und  der  Leistungen  über¬ 
haupt  verhindert  und  auf  diese  Weise  den  Segen  des  Krankenver¬ 
sicherungsgesetzes  nicht  zum  Durchbruch  gelangen  lässt. 

Eine  zweite  sozialpolitische  Institution,  die  Landesversiche¬ 
rungsanstalten,  werden  in  ähnlicher  Weise  durch  die  Schwindsucht 
belastet  und  zwar  in  immer  wachsendem  Masse.  Bei  allen  An¬ 
stalten  ist  der  Prozentsatz  der  Rentenzahlungen  auf  grund  der  Tuber¬ 
kulose  von  Jahr  zu  Jahr  gestiegen.  Wie  hoch  der  Anteil  der  wegen 
Tuberkulose  ausgezahlten  Renten  bereits  1898  war,  geht 
aus  den  letzten  Veröffentlichungen  des  Reichsversicherungs¬ 
amtes  hervor.  Nach  meinen  obigen  Ausführungen  über 
1  uberkulose  im  Kindesalter  halte  ich  es  für  wünschenswert,  dass 
bei  den  Landesversicherungsanstalten  eine  Institution  geschaffen 
werde,  die  es  ermöglicht,  die  Heilbehandlung  auch  auf  Kinder  auszu¬ 
dehnen.  Es  erscheint  dies  möglich,  da  durch  eine  Behandlung  der 
Tuberkulose  im  Kindesalter  dem  Ausbruche  der  Tuberkulose  im  er¬ 
wachsenen  Alter  vorgebeugt  werden  kann. 

Ein  besonderes  Interesse  an  der  Tuberkulosebekämpfung  haben 
die  Gemeinden  und  besonders  der  Staat.  Die  Schwindsucht  ist  nicht 
nur  deshalb  so  furchtbar,  weil  sie  die  grössten  Opfer  an  Menschen¬ 
leben  fordert,  sondern  hauptsächlich  deshalb,  weil  die  Tuberkulose 
die  Menschen  gerade  im  kräftigsten  Alter  dahinrafft.  In  Deutschland 
sterben  alljährlich  100  000  Menschen  an  Tuberkulose,  d.  h.  V?  aller 
Sterbefälle  sind  der  Tuberkulose  zuzuschreiben;  auf  das  erwerbs¬ 
fähige  Alter  aber  allein  kommen  Vs  aller  Todesfälle. 

Neben  der  rein  menschlichen  Seite  liegt  hier  die  Bedeutung: 

1.  auf  volkswirtschaftlichem  Gebiete.  (Jeder  Mensch  stellt, 
wenn  er  erwerbsfähig  wird  ein  Kapitel  dar,  welches  sich  zusammen¬ 
setzt  aus  dem  Grundwerte  seiner  physischen  Person  und  dem  durch 
Erziehung,  Schule  und  Lehre  angeeigneten  Masse  von  Einsicht  und 
Kenntnissen.  C  o  r  n  e  t  berechnet,  dass  die  Schwindsucht  dem 
preussischen  Staate  jährlich  86  Millionen  Mark  kostet,  d.  h.  pro  Kopf 
der  Bevölkerung  jährlich  3  Mk.  Steuer.)  Die  Schädigung  des  natio¬ 
nalen  Wohlstandes  durch  Tuberkulose  für  das  deutsche  Reich  hat  man 
sicher  nicht  zu  niedrig  auf  140—150  Millionen  Mark  berechnet.  Ein 
einfaches,  vom  früheren  Direktor  des  Reichsgesundheitsamtes,  Wirk¬ 
lichen  Geheimen  Oberregierungsrat  Dr.  Köhler,  aufgestelltes  Re¬ 
chenexempel  macht  es  klar,  dass  diese  Angaben  nicht  zu  hoch  ge¬ 
griffen  sind: 

Berechnet  man  das  Jahresverdienst  eines  erwerbsfähigen  Men¬ 
schen  nur  auf  500  Mk.,  so  ergibt  sich,  dass,  wenn  derselbe  ein  Jahr 
lang  infolge  von  Tuberkulose  arbeitsunfähig  ist,  500  Mk.  verloren 
gehen.  Ausserdem  muss  noch  hinzugerechnet  werden,  dass  in  dem 
Krankheitsjahre  für  Pflege,  Behandlung  usw.  ebenfalls  rund  we¬ 
nigstens  500  Mk.  ausgegeben  werden.  Es  ergibt  sich  dann,  dass 


No.  39. 


der  Verlust  des  Volkskapitals  bloss  durch  ein  einjähriges  Krank¬ 
sein  und  eine  einjährige  Arbeitsunfähigkeit  von  100  000  Menschen 
(d.  i.  der^  I  uberkulosesterblichkeit  im  Deutschen  Reiche)  1000  X  100  003 
Mark  —  100  Millionen  Mark  beträgt.  Hierbei  ist  noch  gar  nicht 
berechnet  die  Versorgung  der  Witw_en  und  Waisen,  die  dem  Staate 
doch  ebenfalls  bedeutende  Opfer  kostet. 

Deshalb  ist  es  Pflicht  des  Staates  und  aller  kommunalen  Be¬ 
hörden,  ausreichend  für  die  Hygiene  aller  ihrer  Aufsicht  unterstellten 
Betriebe  und  Arbeiter  Sorge  zu  tragen. 

Die  Schwindsucht  hat  aber  auch 

.  2.  eine  grosse  Bedeutung  für  die  Wehrfähigkeit  eines  Landes. 
Es  ist  nachgewiesen  worden,  dass  diejenigen  Landesteile,  in  denen  die 
grösste  Tuberkulosesterblichkeit  herrscht,  die  wenigsten  wehrfähigen 
Männer  stellt.  Besonders  aber  schwächt  die  Wehrkraft  die  Tuber¬ 
kulose  im  Heere  selbst  und  in  einzelnen  Ländern  Europas  geben  die 
häufigen  Tuberkuloseerkrankungen  im  Heere_j3en  Heeresverwaltunger. 
zu  den  ernstesten  Massnahmen  Veranlassung. 

Diese  Darlegungen,  so  kurz  und  lückenhaft  sie  im  Rahmen  eines 
Vortrages  bei  der  Fülle  des  vorliegenden  Materiales  erscheinen  müs¬ 
sen,  geben  doch  bereits  eine  klare  Antwort  auf  die  Frage,  welche 
staatlichen  und  kommunalen  Behörden  an  der  Bekämpfung  der  Tubei- 
kulose  besonders  interessiert  sind.  Die  Antwort  muss  unbedingt 
lauten : 

Soll  der  Kampf  gegen  die  „Pest  der  Neuzeit“  mit  Erfolg  durch 
geführt  werden,  so  bedarf  es  des  Zusammenarbeitens  aller  Stände 
und  Berufe,  aller  öffentlichen  und  privaten  Organisationen.  Staat, 
Gemeinde  und  jeder  Einzelne  hat  das  höchste  Interesse,  den  Feind  der 
Menschheit  zurückzudrängen  und  endlich  zu  besiegen. 

Dass  man  trotz  erschwerender  Umstände  in  der  kurzen  Zen 
von  nur  20  Jahren  bereits  viel  erreicht  hat,  beweist  die  stetige  unc 
unverkennbare  Abnahme  der  Tuberkulosesterblichkeit  in  aller 
deutschen  Staaten.  Auch  für  Dresden  und  Sachsen  lässt  Sich  dies  mit 
Deutlichkeit  nachweisen.  Wenn  die  in  der  mehrfach  erwähnten  Denk¬ 
schrift  des  Reichsgesundheitsamtes  mitgeteilten  Zahlen  zu  der  An¬ 
nahme  berechtigen,  dass  in  der  zweiten  Hälfte  des  letzten  Jahrzehnts 
von  1890—1900  bereits  38  000  Menschen  in  Deutschland  weniger 
starben,  wie  in  der  ersten  Hälfte,  so  kann  man  annehmen,  dass  be’ 
dem  andauernden  Sinken  der  Tuberkulosesterblichkeit  in  den  letzten 
5  Jahren  (1900 — 1905)  ein  Sinken  der  Sterblichkeitsziffer  um  wenig¬ 
stens  50  000  Menschen  erreicht  worden  ist.  Und  das  ist  wahrlich 
ein  schöner  Erfolg,, der  jeden  dazu  ermutigen  muss,  am  schönen  unü 
.segensreichen  Werke  mitzuarbeiten. 

Ausser  der  in  den  Fussnoten  angegebenen  Literatur  wurde  be¬ 
nutzt:  1.  Samter- Kohlhardt:  Die  Aufgaben  der  Armenpflege 
bei  der  Bekämpfung  der  Tuberkulose.  Leipzig  1904.  —  2.  Stuertz: 
Prakt.  Anleitung  zur  Organisation  von  Fürsorgestellen  für  Lungen¬ 
kranke  und  deren  Familien.  Urban  &  Schwarzenberg  1905.  — 
3.  Pütter-Kayserling:  Die  Errichtung  und  Verwaltung  von 
Auskunfts-  und  Fürsorgestellen  für  Tuberkulöse.  Berlin,  Hirschwala 
1905.  —  4.  Blumenthal:  Die  soziale  Bekämpfung  der  Tuberkulose 
als  Volkskrankheit  in  Europa  und  Amerika.  Deutsch  von  Dwo- 
retzlky.  Berlin,  Hirschwald  1905.  —  5.  Gaffky:  Nach  welche' 
Richtung  bedürfen  unsere  derzeitigen  Massnahmen  zur  Bekämpfung 
der  Tuberkulose  der  Ergänzung?  Referat  auf  der  XXVIII.  Versamm¬ 
lung  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  zu 
Dresden  am  16.  September  1903. 

- - 

Die  Gartenstadt,  die  hygienisch  beste  Siedelung. 

Von  Dr.  med.  Alfons  Fischer,  Karlsruhe. 

Von  hoher  hygienischer  Bedeutung  für  jede  Ortsgemeinde  ist  die 
Beschaffenheit  der  Siedelung.  zu  welcher  sich  die  Gemeindemitglieder 
vereinigt  haben.  Die  Niederlassungen  sind  ihrer  sanitären  Beschaffen¬ 
heit  nach  sehr  verschieden,  je  nach  ihrer  Grösse,  nach  der  geo¬ 
graphischen  und  klimatischen  Lage,  nach  dem  kulturellen  und  wirt¬ 
schaftlichen  Stande  u.  a.  m.  So  mannigfaltig  jedoch  auch  die  An¬ 
siedlungen  sein  mögen,  so  haben  sich  doch  nur  2  Haupttypen  ge¬ 
bildet:  ländliche  und  städtische  Niederlassungen. 

Nun  kann  man  natürlich  nicht  sagen,  dass  jegliche  Ansiedlung  in 
hygienischer  Beziehung  den  Charakter  entweder  eines  Dorfes  oder 
einer  Stadt,  insbesondere  einer  Grossstadt  zeigen  muss;  es  sind 
naturgemäss  Uebergänge  vorhanden,  sodass  die  Flecken,  Landstädte, 
und  manche  Kleinstädte  in  sanitärer  Hinsicht  wohl  mehr  den  Dörfern 
ähneln,  d.  h.  sie  zeigen  im  allgemeinen,  wenn  auch  nicht  in  so  präg¬ 
nanter  Weise  die  Vor-  und  Nachteile  der  ländlichen  Siedelung; 
andererseits  werden  manche  Mittelstädte  schon  den  hygienischen 
Charakter  der  Grossstadt  mit  all  ihren  Annehmlichkeiten  und  Un¬ 
annehmlichkeiten  besitzen,  ohne  dass  diese  Eigenheiten  bei  den  Mittel¬ 
städten  mit  derselben  Deutlichkeit  in  die  Erscheinung  treten. 

Die  sanitären  Zustände  sind  in  den  Städten  gänzlich  andere  wie 
auf  dem  Lande.  Eine  ländliche  Ansiedlung  ist  dadurch  charak¬ 
terisiert,  dass  sich  in  ihr  in  der  Regel  eine  höchstens  wenige  tausend 
Seelen  umfassende  Gemeinde  niedergelassen  hat;  diese  besteht  fast 
ausschliesslich  aus  ackerbau-  und  viehzuchttreibenden  Menschen, 
welche  in  kleinen,  freistehenden  Häusern  wohnen.  Die  Beschäftigung 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1941 


dieser  Menschen  ist  hygienisch  günstig,  aber  die  Löhne  sind  meist 
gering  und  oft  fehlt  es  an  Arbeitsgelegenheit.  Die  kleinen  und 
niedrigen  Wohnhäuser  (beherbergen  meist  nur  eine  oder  zwei  Familien, 
sie  sind  in  der  Regel  von  Gärten  umgeben,  Luft  und  Licht  ist  hin¬ 
reichend  vorhanden,  die  Miete  ist  gering;  aber  die  innere  Einrichtung 
lässt  meist  viel  zu  wünschen  übrig;  für  den  Zufluss  von  Wasser  ist  so 
wenig  Sorge  getragen,  wie  für  den  Abfluss  der  Abfallstoffe  und  der 
menschlichen  und  tierischen  Fäkalien.  Auch  sonst  haften  dem  Land¬ 
leben  vielerlei  Uebelstände  an;  die  Schulen  sind  meist  schlecht,  für 
ärztliche  Hilfe  und  Krankenpflege,  ebenso  für  Badegelegenheit  ist 
wenig  oder  gar  nicht  gesorgt,  an  Bildungsmöglichkeit  und  Gesellig¬ 
keit  ist  vielfach  Mangel  vorhanden.  Diametral  entgegengesetzt  hier¬ 
zu  sind  die  hygienischen  Verhältnisse  in  den  Städten,  besonders  in 
den  Grossstädten  •  hier  haben  sich  ibisweilen  hunderttausende,  ja 
Millionen  Menschen  eingefunden,  die  in  grossen  und  hohen  Häusern 
untergebracht  sind;  ihre  Tätigkeit  verrichten  sie  meist  ohne  grössere 
Muskelanstrengung,  vielfach  sitzend  in  geschlossenen  Räumen,  vor¬ 
nehmlich  in  Werkstätten  und  rauch-  und  russausspeienden  Fabriken; 
ihre  Wohnungen  sind  in  zahlreichen  Fällen  überfüllt  und  unzulänglich 
eingerichtet,  obendrein  noch  sehr  teuer;  infolge  ihrer  Tätigkeit,  die 
ohne  die  für  die  Verdauung  nötige  Bewegung  vollzogen  wird,  können 
sie  die  billige  voluminöse  Kost  nicht  vertragen  und  müssen  zu  den 
teuren  konzentrierten  Nahrungsmitteln  greifen,  die  sie  aber  aus 
pekuniären  Gründen  meist  nur  in  zu  geringen  Quantitäten  erstehen 
können,  was  dann  Unterernährung  und  sich  daran  anschliessende 
krankhafte  Erscheinungen  zur  Folge  hat.  Angesichts  der  hohen 
Mieten  und  Lebensmittelpreise  haben  sie  von  den  besseren  Löhnen 
und  der  günstigeren  Arbeitsgelegenheit,  die  die  Grossstadt  bietet,  in 
der  Regel  keinen  Vorteil. 

Für  gesundheitsgemässe  Entwässerung,  für  gutes  Trinkwasser  in 
den  Wohnungen  ist  wohl  in  jeder  Stadt  des  Deutschen  Reiches  ge¬ 
sorgt;  aber  zumeist  entbehrt  der  Städter,  insbesondere  der  gross¬ 
städtische  Industriearbeiter  des  Aufenthaltes  in  der  Natur,  der  Be¬ 
wegung  im  Freien,  der  Luft  und  des  Duftes  von  Wald  und  Wiese,  des 
hellen  Sonnenlichts  und  des  frischen  Windes. 

Mit  diesen  wenigen  Angaben,  die  ja  durchaus  nichts  Unbekanntes 
enthalten,  wird  hinreichend  daran  erinnert  worden  sein,  dass  wir 
weder  in  den  vorhandenen  ländlichen,  noch  in  den  städtischen  An¬ 
siedlungen  eine  hygienisch  ideale  Niederlassung  erblicken  können. 
Darum  geht  das  Bestreben  der  Hygieniker  darauf  aus,  sowohl  die 
Städte  zu  sanieren,  den  Städtern  wieder  eine  mehr  ländliche  Lebens¬ 
weise  zu  verschaffen,  insbesondere  ihre  Ernährungs-  und  Wohnungs¬ 
verhältnisse  zu  verbessern  (Rubner1 2),  Gruber  J),  G  r  o  t  j  a  h  n  3), 
u.  A.),  als  auch  die  ländlichen  Siedlungen  gemäss  den  sanitären  An¬ 
forderungen  zu  kolonisieren  (Roth4),  Eppstein5). 

Nun  wird  aber  neuerdings  zur  Verbesserung  der  hygienischen 
Zustände  ein  anderes  Mittel  empfohlen,  das  nicht  an  die  vorhandenen 
Niederlassungen  angreifen  soll,  sondern  darin  bestehen  wird,  ganz 
neue  Siedlungen  zu  schaffen,  Siedlungen,  die  frei  sind  von  den  Mängeln 
sowohl  des  Stadt-  wie  des  Landlebens,  und  die  die  Vorzüge  von 
Stadt  und  Land  in  sich  vereinigen  werden.  Seit  einigen  Jahren  ist 
eine  Bewegung  zu  beobachten,  die  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hat, 
solche  Ansiedlungen  ins  Leben  zu  rufen,  Landstädte,  Garten¬ 
städte  zu  gründen. 

Die  Gartenstadtbewegung  ist  durch  ein  Buch  „Garden  Cities 
of  To-Morrow“  von  Ebenezer  Howard6),  einem  englischen  volks¬ 
wirtschaftlichen  Schriftsteller,  angeregt  worden.  Howard  geht 
nicht  nur  von  hygienischen,  sondern  vorzugsweise  von  national- 
ökonomischen,  aber  auch  ethischen  und  ästhetischen  Gesichtspunkten 
aus.  Er  erblickt  in  den  vorhandenen  Zuständen  sowohl  in  den  Gross¬ 
städten,  wie  auf  dem  Lande  arge  Missstände.  Er  schlägt  darum  vor, 
neue  Städte  zu  gründen,  .wobei  die  Grundsätze  der  Boden¬ 
reformer  (Grund  und  Boden  sind  und  bleiben  im  Besitz  der 
Gemeinde,  nicht  von  Privatbesitzern),  in  erster  Linie  zu  berück¬ 
sichtigen  sind.  Howards  Plan  besteht  im  wesentlichen  darin:  auf 
einem  grossen,  von  einer  Grossstadt  mehrere  Meilen  entfernten,  aber 
mit  ihr  durch  gute  Verkehrsmittel  verbundenen  Terrain,  das  bisher 
nur  der  landwirtschaftlichen  Benützung  gedient  hat  und  daher  von 
einer  Genossenschaft  zu  einem  für  bauliche  Zwecke  sehr  geringen 
Preise  erstanden  werden  kann,  soll  eine  Siedelung  derart  geschaffen 
werden,  dass  5/o  des  Geländes  für  die  Landwirtschaft,  1/e  für  die 
eigentliche  Stadt  Vorbehalten  wird.  Um  eine  Steigerung  der  Grund¬ 
renten  zu  verhüten,  bleibt  die  Genossenschaft  alleinige  Besitzerin 
des  Geländes.  In  der  Stadt  selbst  sind  kleine  Landhäuser,  deren 
jedes  nur  einer  Familie  zur  Behausung  dient,  und  von  denen  jedes  mit 
einem  Garten  versehen  ist,  zu  errichten. 

In  allen  Häusern  muss  Wasser-  und  Gas-  (eventuell  elektrische) 
Leitung  vorhanden  sein;  für  Anschluss  an  die  Kanalisation  muss  ge¬ 
sorgt  sein.  In  der  Stadt  sind  sehr  grosse  Parks  und  Rasenplätze,  die 


1)  Rubner:  Hygienisches  von  Stadt  und  Land.  München,  Ver¬ 
lag  Oldenbourg,  1898. 

2)  Gruber:  Blätter  für  Volksgesundheitspflege  1905,  No.  17  u.  18. 

3)  Grotjahn:  Ueber  Wandlungen  in  der  Volksernährung. 
Leipzig  1902  bei  Duncker  &  H  u  m b  1  o  t. 

4)  Roth:  Deutsche  Vierteljahrschrift  für  öffentliche  Gesundheits¬ 
pflege.  1903,  Heft  I. 

5)  Eppstein:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1901,  No.  I  u.  II. 


der  Bewegung  und  dem  Spiel  im  Freien  dienen,  anzulegen;  alle  Fa¬ 
briken,  die,  wenn  irgend  möglich,  mit  Elektrizität,  statt  mit  Dampf¬ 
kraft  betrieben  werden  sollen,  müssen  am  Rande  der  Stadt  liegen  und 
zwar  so,  dass  die  durch  den  Fabrikbetrieb  entstehende  Luftver¬ 
unreinigung  durch  die  häufigsten  Winde  von  der  Stadt  abgehalten 
wird.  In  der  Stadt  selbst  sollen  alle  Strassen  mit  Bäumen  be¬ 
wachsen  sein.  Für  die  Befriedigung  der  Bedürfnisse  an  allen  Ge¬ 
brauchsgegenständen  müssen  grossstädtisch  eingerichtete  Geschäfte 
sorgen;  ebenso  sollen  sich  in  der  Stadt  Gotteshäuser,  Theater,  Mu¬ 
seen,  Konzerthallen,  Versammlungshallen,  Krankenhäuser,  Schulen, 
Badehäuser  usw.,  alle  mit  grossen  Gartenanlagen  umgeben,  befinden; 
die  ganze  Stadt  soll  von  elektrischen  Bahnen  durchquert  werden. 
Die  Bodenrente  darf  auf  höchstens  4  Proz.  fixiert  sein,  die  Ein¬ 
wohnerzahl  der  Siedelung  soll  30 — 35  000  Menschen  nicht  über¬ 
schreiten. 

Man  sieht  ohne  weiteres  den  grossen  hygienischen,  besonders 
auch  sozialhygienischen  Nutzen  der  ganzen  Neuerung.  Bewirkt  wird, 
dass  die  Mieten  gering  sind,  sowohl  für  Wohn-  als  für  Arbeitsstätten, 
da  die  Bodenpreise  sehr  gering  sind.  Wohnungsreform  beginnt  ja 
mit  Bodenreform.  H.er  ist  das  Bodenproblem  in  idealer  Weise  gelöst. 
Darum  ist  es  in  der  Gartenstadt  auch  möglich,  selbst  für  Arbeiter 
Einfamilienhäuser  mit  dazugehörigen  Gärten  zu  bauen;  die  Anbeiter 
werden  für  ein  ganzes  Häuschen  mit  Garten  nicht  mehr  zu  zahlen 
haben,  als  in  den  schlechten  Wohnungen  städtischer  Mietskasernen. 
Hinzu  kommt  noch,  dass  der  Gartenertrag  ihre  Einnahmen 
erhöhen  kann  oder  zum  mindesten  ihre  Ausgaben  für  Gemüse  und 
Obst  erheblich  verringern  kann.  Ferner  werden  die  Gartenstadt¬ 
bewohner  durch  die  Arbeit  im  Garten  und  die  Bewegungsspiele  auf 
den  städtischen  Rasenplätzen  wieder  eher  imstande  sein,  die  billigere 
Landkost  zu  verdauen;  auch  das  Halten  von  Haustieren  (Ziegen, 
Schwein,  Stallhasen,  Geflügel)  wird  ihnen  ermöglicht,  so  dass  sie 
zu  einem  grösseren  Konsum  von  Fleisch  gelangen  werden.  Sodann 
ersieht  man,  dass  die  Häuser  allen  hygienischen  Anforderungen  hin¬ 
sichtlich  der  Versorgung  mit  Wasser  und  der  Beseitigung  der  Abfall¬ 
stoffe  genügen  sollen.  Die  Lebensmittel  werden  zu  billigen  Preisen  zu 
haben  sein,  da  die  Landwirtschaft  gewissermassen  vor  ihrer  Tür  ihre 
Käufer  findet,  und  daher  alle  grösseren  Transportkosten  vermieden 
werden.  In  der  Stadt  selbst  werden  alle  Mittel,  die  der  Pflege  von 
Körper  und  Geist  dienen,  vorhanden  sein.  Die  Fabrikbetriebe  werden 
auf  dem  billigen  Boden  mit  geringeren  Unkosten  arbeiten  und  ihren 
Arbeitern  daher  eher  bessere  Löhne  zahlen  können.  —  Kurz,  der 
Plan  Howards  würde  die  denkbar  grössten  hygienischen  und  wirt¬ 
schaftlichen  Vorteile  mit  sich  bringen  —  wenn  er  ausführbar  ist. 

Die  einzelnen  Komponenten,  aus  denen  sich  der  Gartenstadt¬ 
gedanke  zusammensetzt,  sind  durchaus  nichts  neues.  Howards 
Verdienst  besteht  jedoch  darin,  die  einzelnen  Massnahmen  vereinigt 
und  dem  vorliegenden  Probleme  angepasst,  sie  bis  in  alle  Einzelheiten 
erdacht  und  für  die  praktische  Verwendung  bearbeitet  zu  haben. 
Und  selbst  die  Zusammenfassung  der  einzelnen  Teile,  aus  denen  das 
Gartenstadtproblem  entstanden  ist,  ist  kein  Novum.  Schon  vor  Ho¬ 
ward  —  aber  ohne  dass  er  es  gewusst  hat  —  sind  ähnliche  Ideen 
zum  Ausdruck  gebracht  worden,  so  von  dem  Schriftsteller  F  r  i  t  s  c  h7) 
und  Dr.  med.  F.  Oppenheim8);  indessen  ihre  Schriften  haben  zu 
praktischen  Folgen  nicht  geführt. 

Auch  gegen  die  Ausführbarkeit  des  Ho  ward  sehen  Planes 
wurden  anfangs  Zweifel  erhoben;  und  die  von  ihm  inaugurierte  Pro¬ 
pagandagesellschaft,  welche  den  Gartenstadtgedanken  verbreiten  und 
verwirklichen  soll,  hat  trotz  aller  Mühe  jahrelang  an  die  Realisierung 
ihres  Ideales  nicht  denken  können.  Inzwischen  hatten  sich  aber  so¬ 
wohl  in  England  wie  in  Amerika  mehrere  Ansiedelungen 9)  —  un¬ 
abhängig  von  Howard  —  entwickelt,  die  mit  den  Zielen  der  Garten¬ 
stadtgesellschaft  grosse  Aehnlichkeit  haben.  Diese  Niederlassungen 
sind  dadurch  entstanden,  dass  Grossindustrielle  ihre  Fabriken  aus 
den  Grossstädten  hinaus  aufs  Land  verlegten  und  dort  Siedelungen 
für  ihre  Arbeiter,  ganz  im  Sinne  Howards,  schufen. 

Vor  allem  wichtig  für  die  Weiterentwicklung  der  Gartenstadt¬ 
bewegung  waren  die  beiden  Ansiedelungen  der  weltberühmten  engli¬ 
schen  Sunlightseifenfabrik  in  Port  Sunlight  bei  Liverpool,  deren 
Besitzer  Hesketh  Lever  ist,  und  der  Kakaofabrik  von  Cad- 
b  u  r  y  in  B  o  u  r  n  v  i  1 1  e  bei  Birmingham. 

In  der  Arbeiterstadt  Port  Sunlight,  die  vor  etwa  16  Jahren  von 
Lever  ins  Leben  gerufen  wurde,  befinden  sich  3000  Bewohner,  die 
sämtlich  Angestellte  (bezw.  Familienmitglieder)  des  Hauses  Lever 
sind.  Der  hygienische  Erfolg  der  Einrichtungen  in  Port  Sunlight 
(neben  den  trefflichen  Siedelungsverhältnissen,  aber  auch  im  Zu¬ 
sammenhang  mit  ihnen,  sind  die  Arbeitsbedingungen:  hohe  Löhne, 
kurze  Arbeitszeit,  Verbot  der  Frauenarbeit  in  der  Fabrik,  sehr  gün¬ 
stig)  ist  hervorragend:  Die  Kindersterblichkeit  ist  gleich  Null,  die 


6)  Ebenezer  Howard:  Von  dem  Buche  „Garden  Cities  of 
To-Morrow,  dessen  erste  Auflagen  „To-Morrow“  betitelt  waren,  ist 
eine  deutsche  Uebersetzung  1907  bei  Eugen  Diederichs  in  Jena 
erschienen. 

7)  Fritsch:  Die  Stadt  der  Zukunft.  Leipzig  1895. 

8)  Oppenheim:  Die  Siedlungsgenossenschaft,  Berlin  1896. 

9)  Vergl.  Leopold  Kätscher:  „Die  Gartenstadtbewegung, 
Industriegartenstädte“.  (Erschienen  als  Heft  105  von  „Kultur  und 
Fortschritt“  bei  Felix  Dietrich,  Leipzig.) 


1942 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Gesamtsterblichkeit  ist  9  pro  Tausend,  gegen  21,6  in  Liverpool  und 
17,7  in  dem  benachbarten  Birkenhead.  Ueber  die  Siedelung  ist  haupt¬ 
sächlich  folgendes  mitzuteilen:  Jedes  Häuschen  (Cottage)  dient  nur 
einer  Arbeiterfamilie  zur  Wohnung;  jedes  ist  mit  einem  Vorgärtchen 
und  einem  Hinter(Gemtise)garten  versehen.  Auf  einem  Acre 
(  4U46  qm)  dürfen  nur  10  Einfamilienhäuser  stehen;  ein  Haus  ist  vom 

anderen  30  m  entfernt.  Die  Strassen  sind  7 — 12  m  breit.  Es  gibt 
Häuser,  deren  Miete  wöchentlich  3/s  bezw.  5/4  Mark  beträgt.  In 
den  billigeren  Häusern  hat  man  ein  Wohn-,  ein  Bade-,  drei  Schlaf¬ 
zimmer,  Küche,  Speisekammer,  Waschküche,  Klosett,  Keller,  Boden¬ 
raum;  in  den  teureren  Häuser  kommen  noch  ein  Salon  un.d  ein  viertes 
Schlafzimmer  hinzu.  —  Keine  Familie  mit  zwei  oder  mehr  Kindern 
darf  Aftermiete  halten.  Zur  Förderung  des  körperlichen  und  geistigen 
Wohles  der  Bewohner  der  Siedelung  hat  die  Fabrikleitung  treffliche 
Institute  geschaffen;  ferner  sind  Konsumvereine  gegründet  worden, 
die  den  Einkauf  .clsr  Lebensmittel  und  Gebrauchsgegenstände  erleich¬ 
tern  und  verbilligen. 

Diesem  hervorragenden  Unternehmen  Levers  haftet,  wenn  man 
es  mit  Howards  Plan  vergleicht,  nur  der  Mangel  an,  dass  der  Be¬ 
sitzer  des  Grund  und  Bodens  der  ganzen  Siedelung  eine  Einzelperson, 
nicht  eine  Siedelungsgenossenschaft,  eine  Gemeinde,  ist. 

Auch  in  Bournville,  der  Schöpfung  Cadburys,  war  dieser 
Uebelstand  anfangs  vorhanden.  C  a  d  b  u  r  y  hat  aber,  als  er  sah,  dass 
sich  das  Anlagekapital  der  Siedelung  in  vollkommen  normaler  Weise 
verzinse,  sein  Besitztum  einer  Genossenschaft,  zu  der  alle  Ansiedler 
gehören,  übergeben. 

Die  Entwicklung  der  Siedelung  in  Bournville  war  folgende: 
C  a  d  b  u  r  y  kaufte  in  der  Nähe  von  Birmingham  ein  ausgedehntes 
Grundstück  und  verlegte  dorthin  seine  Fabrik.  (In  dieser  sind  zurzeit 
etwa  4000  Arbeiter  beschäftigt.)  Von  dem  Gelände  sollten 
730  Morgen  der  Ansiedelung  dienen;  ein  Zehntel  des  Terrains  —  die 
Strassen  nicht  eingerechnet  —  war  für  öffentliche  Anlagen  Vor¬ 
behalten.  Jeder  Bauparzelle  wurden  550  qm  zuerteilt,  jedoch  sollte 
nur  der  vierte  Teil  hiervon  bebaut  werden.  Die  ersten  Häuser  waren 
bereits  1879  gebaut  worden,  aber  eine  intensivere  Bautätigkeit  stammt 
erst  aus  dem  Jahre  1895.  In  wenigen  Jahren  waren  in  Bourn¬ 
ville  200  Häuser  entstanden;  die  Mieten  brachten  die  Zinsen  für  das 
Anlagekapital  auf;  nun  machte  C  a  d  b  u  r  y  aus  seinem  Besitztum  eine 
öffentliche  Stiftung.  Der  Wert  der  Schenkung  beträgt  4 — 5  Millionen 
Mark.  Die  Verwaltung  der  Stiftung  liegt  in  Händen  eines  Trusts. 

Vor  einigen  Wochen  hatte  ich  Gelegenheit,  diese  Siedelung  zu  be¬ 
sichtigen.  Meine  aufs  höchste  gespannten  Erwartungen  wurden  voll¬ 
auf  befriedigt.  Ich  sah  einige  Hundert  (es  gibt  mehr  als  600)  Häuser, 
vielfach  einzeln  stehend,  oft  auch  zu  mehreren  vereinigt,  jedes  von 
Garten  umgeben;  überall  breite,  mit  Baumreihen  versehene  Strassen, 
zwischen  den  Strassen  Parks,  Rasenplätze;  auch  zwei  trefflich  ein¬ 
gerichtete  Schulen  fand  ich,  eine  religiösen  Zwecken  (dem  Quäcker- 
gottesdienst)  dienende  Versammlungshalle,  ein  Badehaus  mit 
Schwimmbad,  ein  Schwimmbad  im  Freien,  grosse  Rasenspielplätze, 
eine  geräumige  Turnhalle  u.  a.  m.  In  allen  Einrichtungen  sah  man  das 
Prinzip,  der  Gesundheit  und  Schönheit  Rechnung  zu  tragen,  gewahrt. 
Einige  von  den  Arbeiterhäusern  durfte  ich  besichtigen;  sie  bestehen 
aus  Küche  (meist  Wohnküche  mit  Nebenraum),  mehreren  Schlaf¬ 
zimmern  und  meist  auch  Badeeinrichtung.  Eine  mir  übergebene  Ta¬ 
belle  zeigte  folgende  Mietspreise; 

Es  gibt  17  Häuser,  die  wöchentlich  472  Mk.  kosten 
81  »  „  „  bis  574  „  „ 

121  „  „  6  „ 

73  7  „  ” 

58  „  8 

85  „  „  „  über  8 


Unter  den  Ansiedlern  sind  durchaus  nicht  nur  Angestellte  der 
Cadbury sehen  Fabrik.  Die  Bewohnerschaft  zeigt  vielmehr  fol¬ 
gende  Zusammenseztung:  40  Proz.  von  ihnen  sind  Arbeiter  und  Be¬ 
amte  von  Cadbury,  40  Proz.  sind  Arbeiter  und  sonstige  Leute 
aus  Birmingham  (dies  ist  mit  Bournville  durch  eine  elektrische  Bahn 
verbunden ;  Fahrzeit  etwa  (4  Stunde),  20  Proz.  sind  Arbeiter  aus  den 
nahegelegenen  Ortschaften. 

Dass  ein  so  gesundes  Wohnen  und  Leben,  zumal  bei  geringen 
Wohnungsmieten,  auch  einen  sichtbaren  hygienischen  Erfolg  zeitigen 
würde,  war  zu  erwarten.  Den  Erfolg  ersieht  man  aus  der  Statistik, 
die  die  Sterblichkeitsverhältnisse  in  Bournville  vergleicht  einerseits 
mit  denjenigen  des  übrigen  Distrikts,  von  welchem  Bournville  ein 
Feil  ist,  andererseits  mit  denjenigen  von  ganz  England  und  Wales. 
Die  Statistik  zeigt,  dass  im  Jahre  1905  pro  1000  Einwohner  starben: 
in  Bournville  ‘im  Distrikt  in  England  und  Wales 
7,3  10,5  15,7 


Die  Kindersterblichkeit  betrug  pro  1000  Geburten: 
in  Bournville  im  Distrikt  in  England  und  Wales 
72,5  100,0  ‘  134,7 

Unter  solchen  Umständen  ist  es  nur  natürlich,  dass  der  ärztliche 
Distrikts-Gesundheitsamte  (Medical  Officer  of  Health)  in  seinem 
Bericht  mit  grosser  Bewunderung  von  der  mustergültigen  Ansiedelung 
spricht. 

So  bewundernswert  indessen  die  Schöpfung  Cadburys  ist, 
auch  ihr  gegenüber  konnten  die  Gegner  der  Gartenstadtbewegung  ihre 
Zweifel  an  der  Ausführbarkeit  von  Howards  Plan  zum  Ausdruck 


bringen,  indem  sie  erklärten,  dass  ohne  den  Wohltätigkeitssinn  des 
Stifters  von  Bournville  die  „Fabrikgartenstadt“  nicht  entstanden 
wäre.  Da  aber  die  Verwaltung  von  Bournville  ausdrücklich  her¬ 
vorhob,  dass  das  Anlagekapital  der  ganzen  Siedelung  sich  durchaus 
gehörig  verzinse,  so  konnten  Howard  und  seine  Freunde  auf  die 
ebenso  in  wirtschaftlicher,  wie  in  hygienischer,  ethischer  und  ästhe¬ 
tischer  Beziehung  grossen  Erfolge  (nicht  weniger  auch  in  Port  Sun- 
light)  hinweisen;  und  nun  gelang  es  ihnen,  eine  Genossenschaft  mit 
einem  Kapital  von  6  Millionen  Mark  ins  Leben  zu  rufen.  Diese  Ge¬ 
nossenschaft  ging  nun  daran,  das  grosse  soziale  und  hygienische  Ex¬ 
periment,  nach  dem  Plane  Howards,  in  Angriff  zu  nehmen;  sie 
kaufte  für  den  Preis  von  3  Millionen  Mark  ein  3800  acres  fassendes 
Terrain,  40  englische  Meilen  von  London  und  20  von  Cambridge  ent¬ 
fernt.  (Der  Quadratmeter  kostet  also  etwa  20  Pfg.;  in  dem  Kaufpreis 
sind  die  Kosten  für  die  vorhandenen  Gebäude,  Waldungen,  Kiesgruben 
usw.  einbegriffen.)  Die  Siedelung  führt  nach  einem  auf  dem  ge¬ 
kauften  Gelände  befindlichen  Kirchspiele  den  Namen  „Letch- 
worth“.  Das  Gartenstadtterrain  wird  von  der  Eisenbahn  (Great 
Northern  Railway)  durchzogen;  die  Bahnverwaltung  hat  in  Letch- 
worth  bereits  eine  Station  „Garden  City“  errichtet. 

Auch  Letchworth  habe  ich  während  meines  erwähnten  Aufent¬ 
haltes  in  England  besucht.  Es  ist  dort  noch  alles  im  Werden  be¬ 
griffen.  Immerhin  wohnen  jetzt  schon  3 — 4000  Menschen  dort,  ihre 
Zahl  wächst  täglich,  da  sich  in  der  Gartenstadt  eine  sehr  grosse  Bau¬ 
tätigkeit  entfaltet  und  fortwährend  neue  Ansiedler  sich  dort  nieder¬ 
lassen.  Es  sind  bis  jetzt  bereits  für  5  Millionen  Mark  Gebäude  in 
Letchworth  errichtet  worden.  Plätze  sind  schon  für  720  Häuser, 
25  Geschäfte,  12  Fabriken,  eine  Kirche,  eine  Kapelle,  eine  Versamm¬ 
lungshalle,  Schulen  usw.  vergeben  worden.  Man  hat  bereits  7  engli¬ 
sche  Meilen  entlang  neue  Strassen,  15  Meilen  Wasserrohre,  9  Meilen 
Gasrohre  und  9  Meilen  Kanalisationsrohre  gelegt.  Ein  Wasser-  und 
Gaswerk  ist  schon  im  Betrieb,  ein  Elektrizitätswerk  ist  im  Bau  be¬ 
griffen.  Zwei  Postämter  mit  Telephonverbindung,  2  Hotels,  allerlei 
Geschäfte,  ein  Bankhaus  usw.  sind  bereits  vorhanden.  In  Letchworth 
haben  sich  auch  schon  zwei  Aerzte  und  eine  Aerztin  niedergelassen. 
Besonders  erwähnen  will  ich  noch  ein  Institut,  das  wohl  seines 
gleichen  nicht  hat,  die  sog.  „Open  Air  Schoo  1“,  gewissermassen 
eine  Verbindung  der  Einrichtung  einer  griechischen  oder  römischen 
Philosophenschule  mit  unserer  modernen  „Waldschule“.  Die  „Open 
Air  School“,  zu  deren  Einrichtung  die  Stifterin  des  Instituts  Vs  Million 
Mark  bis  jetzt  schon  gegeben  hat  —  die  Dame  ist,  wie  sie  mir  sagte, 
durch  das  Studium  F  0  r  e  1  scher  Schriften  zu  dem  Unternehmen  an¬ 
geregt  worden  —  soll  eine  Hochschule  für  das  Studium  der  Soziologie, 
1  heologie,  Ethik,  Physiologie,  Biologie  und  Psychologie  werden. 
Unterricht  und  Diskussionen  sollen  im  Freien  stättfinden.  Mit  der 
Schule  ist  ein  grosses  Schwimmbad  im  Freien  verbunden.  Die  Stu¬ 
dierenden  sollen  in  steter  Harmonie  mit  der  Natur  bleiben. 

Die  Häuser,  die  ich  in  Letchworth  sah,  sind  ausserordentlich 
anmutig  und  auch  im  Innern  mit  grossem  Geschmack  eingerichtet; 
jedes  dient  nur  einer  Familie  zur  Behausung  und  ist  von  Garten¬ 
anlagen  umgeben.  Alle  Strassen  sind  breit  und  mit  Reihen  von  vor¬ 
läufig  natürlich  noch  jungen  Bäumen  versehen.  Auf  dem  ganzen  Ge¬ 
lände,  das  teilweise  prachtvolle  Parkanlagen  und  schöne  Wiesen  und 
Rasenplätze  umfasst,  sollen  höchsten  35  000  Menschen  angesiedelt 
werden.  Zwei  Drittel  des  Terrains  bleiben  für  landwirtschaftliche 
Zwecke  Vorbehalten.  Die  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  soll  etwa 
23  pro  acre  auf  dem  bewohnten  Gelände,  9  pro  acre  auf  dem  ganzen 
Terrain  betragen.  Die  alleinige  Besitzerin  ist  und  bleibt  die  Garten¬ 
stadtgenossenschaft;  die  Häuser  wurden  zumeist  von  einer  gemein¬ 
nützigen  Baugesellschaft  errichtet. 

Aus  diesen  kurzen  Schilderungen  geht  schon  offensichtlich  hervor, 
dass  der  Plan  Howards  im  Prinzip,  ja  in  allen  wesentlichen  Teilen, 
zur  Ausführung  gelangt  ist,  bezw.  noch  gelangen  wird.  Es  ist  durch 
das  Experiment  in  Letchworth  bewiesen,  dass  entsprechend  der 
grossen  sozialhygienischen  Idee  von  Howard  eine  Gesundung  der 
gesamten  menschlichen  Lebensweise  herbeigeführt  werden  kann; 
dass  aber  diese  Umgestaltung  der  sanitären  Verhältnisse  im  vollen 
Masse  nur  möglich  ist,  wenn  man  zur  Gründung  neuer  Siedelungen 
im  Sinne  des  Gartenstadtgedankens  schreitet. 

Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  der  Plan  Howards  auch  nach 
Deutschland  zu  übertragen  sein  wird.  In  Deutschland  sind  ja  zurzeit 
die  Wohnungsverhältnisse  in  jeder  Hinsicht  noch  schlechter  als  in 
England.  Besonders  bezüglich  der  Wohnungsdichte  steht  Deutsch¬ 
land  England  bei  weitem  nach,  wie  man  aus  folgenden  statistischen 
Angaben10)  ersieht: 

In  England  kamen  auf  ein  bewohntes  Haus 


Bewohner 
1890  |  1891 

Haushaltungen 

1891 

in  London 

7,9 

7,6 

U7 

„  Liverpool 

6,0 

5,7 

1.2 

„  Manchester 

5,1 

5,0 

1,0 

„  Birmingham 

5,1 

5,0 

1,0 

10)  Vergl.  Jäger:  Die  Wohnungsfrage.  Berlin  1902. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1943 


In  Deutschland  trafen  auf  ein  bewohntes  Haus 


Bewohner 
1880  1890 

Haushaltungen 

1890 

in  Berlin 

44,9 

52,6 

12,3 

„  Breslau 

32,2 

35,4 

8,2 

„  München 

19,2 

22,4 

5,1 

*  Leipzig 

38,6 

25,4 

5,4 

Wie  gross  bei  uns  die  Wohnungsnot,  verursacht  besonders  durch 
die  hohen  Grundrenten,  geworden  ist,  ist  ja  hinlänglich  durch  viele 
Erhebungen  über  die  Wohnungsverhältnisse  —  ich  erinnere  nur  an  die 
Erhebungen  in  der  Stadt  München11)  1904—1907,  sowie  an  die  jähr¬ 
lichen  Enqueten  der  Ortskrankenkasse  für  die  Gewerbebetriebe  der 
Kaufleute,  Handelsleute  und  Apotheker  in  Berlin12)  —  zur  Kenntnis 
gelangt.  Wenn  man  nun  auch  zugeben  muss,  dass  in  dem  letzten 
Jahrzehnt  erhebliche  Verbesserungen  in  vielen  Städten  —  ich  er¬ 
wähne  insbesondere  Frankfurt  a.  M. 13),  München14),  UlnLO  —  vor- 
genommen  wurden,  so  sind  alle  diese  Massnahmen  wedei  in  sozialer 
noch  in  hygienischer  Beziehung  mit  den  Vorzügen,  die  eine  Garten¬ 
stadtsiedlung  bietet,  zu  vergleichen. 

Es  ist  daher  sehr  erfreulich,  dass  sich  auch  in  Deutschland  eine 
Gesellschaft  gebildet  hat,  die  den  Gartnstadtge  danken  propagieren 
und  realisieren  will;  dieser  Gesellschaft  gehören  neben  hervorragen¬ 
den  Sozialreformern,  Architekten,  Künstlern  und  Schriftstellern  auch 
unsere  bedeutendsten  Hygieniker  Flügge,  Grube  r,  R  u  b  n  e  r 
u.  A.  als  Ausschussmitglieder  an.  Der  von  der  Gesellschaft  unter¬ 
nommenen  Propaganda  ist  geglückt,  in  Karlsruhe  eine  schon  200 
Mitglieder  umfassende  Genossenschaft  zu  bilden,  die  hier  eine  Garten¬ 
stadt  —  besser  gesagt  eine  Gartenvorstadt  - Siedelung  ins 
Leben  rufen  will.  Man  steht  bereits  mit  der  Domänenverwaltung  in 
Verhandlung  wegen  Ueberlassung  des  1  errains,  die  Landesvei- 
sicherungsanstalt  hat  bereits  Leihgelder  zu  günstigen  Bedingungen 
zugesichert.  Leider  wird  der  Kaufpreis  2  Mark  pro  Quadratmeter  be¬ 
tragen,  ein  Preis,  der  entschieden  zu  hoch  ist,  wenn  es  sich  um  ein 
Baugelände,  auf  dem  Einfamilienhäuser  für  Arbeiter  errichtet  werden 
sollen,  handelt.  Die  Gartenstadtgenossenschaft  will  auch  nicht  zu 
dem  von  G  r  u  b  e  r 10,  Singer 17)  u.  A.  vorgeschlagenen  Mitteln,  die 
Arbeitereinfamilienhäuser  zum  Zwecke  der  Baukostenverminderung 
nicht  zu  unterkellern,  greifen.  So  wird  es  kommen,  dass  ein  Arbeiter¬ 
häuschen  gegen  300  Mark  Miete  pro  Jahr  kosten  wird.  Die  Möglich¬ 
keit,  dass  der  Ertrag  des  Gartens  einen  Teil  der  Miete  decken  wird, 
besteht  ja  allerdings;  aber  ich  glaube,  dass  es  trotzdem  dem  grössten 
Teil  der  hiesigen  Arbeiterschaft  aus  finanziellen  Gründen  nicht  möglich 
sein  wird,  eine  so  hohe  Miete  zu  zahlen.  Ich  glaube  überhaupt,  dass 
es  keine  gerade  besonders  glückliche  Wahl  war,  zum  ersten  Versuch 
in  Deutschland  ein  Terrain  in  der  Nähe  von  Karlsruhe  zu  nehmen: 
man  hätte  vielmehr  zunächst  eine  Siedelung  in  der  Nähe  einer  viel 
grösseren  Stadt  mit  ausgesprochen  industriellem  Charakter,  in  der 
eine  besonders  grosse  Wohnungsnot  herrscht,  schaffen  sollen  und 
zwar  auf  einem  viel  billigeren  Gelände  als  auf  dem  in  Karlsruhe  zur 
Verfügung  stehenden.  Aber  immerhin  wird  die  Karlsruher  Siedelung, 
die  für  8000  Menschen  gedacht  ist,  eine  treffliche  Wohngelegenheit 
für  den  Mittelstand,  den  unteren  Beamtenstand  und  auch  für  die 
Oberschicht  der  Arbeiterschaft  darbieten.  Für  die  breite  Masse  der 
Arbeiterschaft,  insbesondere  für  die  ungelernten  Arbeiter  ist,  wie 
Gmünd18)  mit  Recht  hervorhebt,  zur  Zeit  die  Unterbringung  in 
hygienisch  eingerichteten  grossen  Mietshäusern,  besonders  wenn  diese 
von  gemeinnützigen  Baugesellschaften  errichtet  sind,  zwar  nicht  eine 
ideale,  aber  von  dem  Erreichbaren  die  beste  Art  des  Wohnens.  Falls 
jedoch  deutsche  Grossindustrielle  sich  entschlossen  können,  ihre 
Fabrikgebäude  in  eine  Gartenstadtsiedelung  zu  verlegen,  so  könnten 
sie  hiedurch  eine  erhebliche  Produktionsverbilligung  erreichen,  wo¬ 
durch  sie  in  die  Lage  kämen,  ihren  Arbeitern  bei  geringerer  Ar¬ 
beitszeit  höhere  Löhne  zu  gewähren;  es  wäre  dann  die  Möglichkeit, 
sich  in  der  Gartenstadt  anzusiedeln  auch  für  zahlreiche  Arbeiter 

gegeben.  ,  .  .  „  ... 

Es  liegt  mithin  in  hygienischer  und  auch  in  sozialhvgiemscher 
Beziehung  ein  ausserordentlicher  Wert  in  dem  Gartenstadtgedanken. 
Es  ist  ihm  daher  die  grösste  Verbreitung  und  wo  irgend  möglich  seine 
Verwirklichung  zu  wünschen. 


41 )  Mitteilungen  des  Statistischen  Amtes  der  Stadt  München. 
Bd.  XX,  Heft  I. 

12)  Unsere  Wohnungsenquete  im  Jahre  1906,  bearbeitet  von 
Albert  K  o  h  n.  Berlin  1907. 

13)  F.  Adler:  Wohnungsverhältnisse  und  Wohnungspolitik  der 
Stadt  Frankfurt  a.  M.  Inauguraldissertation.  Heidelberg. 

14)  Die  Bauten  in  München-Sendling  1900 — 1905.  Festschrift. 

München  1905. 

15)  Wagner:  Die  Tätigkeit  der  Stadt  Ulm  auf  dem  Gebiet  der 
Wohnungsfürsorge.  Ulm  1903. 

le)  G  r  u  ib  e  r :  L  c. 

17)  Singer:  Das  Familienhaus  für  Arbeiter.  Zeitschrift  für 
Wohnungswesen  in  Bayern.  1905,  No.  7. 

18)  Gmünd:  Deutsche  Vierteljahrschrift  für  öffentl.  Gesund¬ 
heitspflege.  1906. 


Deutsche  Hospitäler  im  Auslande. 

Von  Dr.  A.  H.  S  c  h  u  h. 

Deutsche  Hospitäler  gibt  es  im  Auslande  eine  ganze  Reihe.  Im 
Folgenden  seien  einige  wenige  derselben  besprochen,  die  dem  Schrei¬ 
ber  dieser  Zeilen  teils  infolge  persönlichen  Wirkens  an  denselben,  'teils 
durch  mehrfache  Besichtigungen  bekannt  geworden  sind.  Bevor 
jedoch  auf  die  einzelnen  Hospitäler  eingegangen  werden  soll,  mögen 
noch  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  deutsche  Hospitäler  im 
Ausland  Platz  finden. 

In  ihrer  Anlage  entspringen  alle  diese  Anstalten  dem  Wunsch 
und  dem  Bedürfnis,  das  Deutschtum  im  Auslande  gegenüber  den 
anderen  fremden  Staaten  zu  betonen  und  die  Deutschen  —  leider 
hat  es  der  Deutsche  i‘m  Auslande  oft  recht  nötig  —  an  die  Seg¬ 
nungen  deutscher  Kultur  zu  erinnern.  Als  weiterer  Faktor  käme 
dann  erst  die  Möglichkeit,  in  ihrer  Muttersprache  den  vielen  Deutschen 
des  Auslandes  in  der  ihnen  gewohnten  Art  und  Weise  Hilfe  und 
Behandlung  zu  teil  werden  zu  lassen. 

Sämtliche  Krankenanstalten  sind  Wohltätigkeitsemrichtungyn, 
begründet  und  unterhalten  durch  freiwillige  Gaben,  die  die  ansässige 
deutsche  Kolonie  ev.  im  Verein  mit  der  deutschen  nahestehenden 
Nationen,  wie  Holland,  Schweden,  Norwegen  etc.  aufzubringen  hat. 
Den  Hospitälern  der  übrigen  grösseren  europäischen  Völker  im  Aus¬ 
lande  stehen  die  deutschen  an  Ansehen  gleich,  natürlich  hängt  die 
Güte  und  der  Ruf  des  Hospitals  viel  von  der  Grösse  und  Zahlungs¬ 
fähigkeit  der  entsprechenden  Kolonie  ab.  Staatliche  oder  städtische 
Zuschüsse  kommen  so  gut  wie  nie  in  Betracht.  Doch  erfreuen  sich 
manche  immerhin  namhafter  Gaben  von  Herrschern  und  Fürstlich¬ 
keiten.  So  erhält  z.  B.  das  Deutsche  Hospital  in  London  ziemlich 
beträchtliche  jährliche  Dotationen  vom  deutschen  und  österreichi¬ 
schen  Kaiserpaar,  von  verschiedenen  deutschen  Bundesfürsten.  Dass 
auch  das  englische  Königshaus  jährlich  eine  bestimmte  Subskription 
leistet,  hat  das  Hospital  dem  Gemahl  der  Königin  Viktoria  zu  ver¬ 
danken,  der  ja  deutscher  Fürst  war  und  als  solcher  viel  für  das 
Deutschtum  in  London  tat. 

Nun  zu  den  einzelnen  Hospitälern.  Ich  verfüge  über  persönliche 
Erfahrungen  über  die  deutschen  Krankenhäuser  in  London,  Dar-es- 
Salam,  Buenos  Aires,  Rosario  und  Valparaiso.  Auf  eine  Beschrei¬ 
bung  der  Anstalt  in  Dar-es-Salam  in  Deutsch-Ostafrika  kann  ich 
verzichten,  da  Treutlein  in  seinen  Reisebriefen  seinerzeit  das¬ 
selbe  bereits  erwähnt  hat. 

I.  London. 

Das  Spital,  errichtet  1845,  liegt  im  Nordosten  Londons,  in  Dals- 
ton,  auf  einem  ziemlich  grossen  Terrain,  das  aber  leider  duich  die 
Stadtbahn,  die  in  einem  Erdeinschnitt  hinführt,  in  zwei  Teile  zerlegt 
wird.  Inmitten  des  rauchgeschwärzten  Häusermeeres  ringsum  ist 
es  eine  grosse  Annehmlichkeit,  etwas  freier  atmen  zu  können  und 
im  Sommer  sich  des  hübschen  Grüns  im  Hospitalgarten  erfreuen  zu 
können.  Diese  Lage  des  Hospitals  ist  gegenüber  vielen  anderen,  in¬ 
mitten  geräuschvoller  Strassen  gelegenen  Hospitälern  Londons  eine 
ausserordentlich  günstige  zu  nennen.  Die  Gebäudeanlagen  bestehen 
in  der  Hauptsache  aus  einem  grossen  dreistöckigen  Backsteinbau, 
der  die  allgemeinen  Säle  (Wards)  in  seinen  Seitenflügeln  hat,  rechts 
chirurgisch,  links  medizinisch,  im  ersten  Stockwerk  Frauen,  im  zwei¬ 
ten  Männer.  In  der  Mitte  befindet  sich  das  Treppenhaus,  um  das 
herum  in  den  jeweiligen  Stockwerken  die  übrigen  Räume,  einige 
kleinere  Zimmer,  Operationssaal,  Wärmeküche  etc.  liegen.  Ein  Ver¬ 
bindungsgang  führt  nach  einem  kleineren  Vorbau,  wohl  eigentlich  dem 
ältesten  Teil  der  Anstalt,  der  im  Souterrain  Küche  und  sonstige  Wirt¬ 
schaftsräume,  im  Erdgeschoss  die  Verwaltung,  die  Wohnräume  der 
Hausärzte  und  Apotheker,  deren  Speisezimmer,  sowie  ein  Speise¬ 
zimmer  für  die  Schwestern,  Bibliothek  und  ein  Versammlungszimmer, 
im  ersten  Stockwerk  Zimmer  für  Privatkranke  und  Schwestern¬ 
zimmer  enthält.  Eine  weitere  Anzahl  von  Schwestern  wohnt  in 
einem  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  an  das  Hauptgebäude 
angebauten  kleinen  Pavillon.  Im  Erdgeschoss  des  Hauptbaues  endlich 
befindet  sich  ein  Saal  für  Kinder,  das  ärztliche  Laboratorium,  die 
beiden  Untersuchungszimmer  und  ein  Saal  für  Unfallkranke.  Die 
Richtung  des  Hauptbaues  ist  eine  ost-westliche,  so  dass  die  Süd¬ 
sonne  an  den  verhältnismässig  recht  wenig  zahlreichen  sonnigen 
Tagen  ihre  heilende  und  belebende  Kraft  in  den  Krankensälen  voll 
entfalten  kann.  Eine  Apotheke,  eine  Abteilung  für  ambulante  Kranke, 
Leichenhalle  und  ein  auch  für  bescheidene  Ansprüche  absolut  unzeit- 
gemässer  Sektionssaal  befindet  sich  auf  der  anderen  Bahnseite,  zu  der 

eine  Brücke  führt.  „  ,  .  „  ^ 

Die  Bettenzahl  des  Hospitals  beträgt  ca.  130  bei  voller  Be¬ 
legung,  die  eigentlich  fast  immer  erreicht  wird,  ja  aus  der  Menge 
der  ambulatorischen  Kranken  ist  gewöhnlich  eine  ganze  Reihe  für 
etwa  freiwerdende  Betten  vorgemerkt.  Die  Kranken  verteilen  sich 
ziemlich  gleichmässig  auf  beide  Stationen.  Vier  Oberärzte,  vier 
Hausärzte,  zwei  Hilfsärzte,  zwei  Augenärzte,  ein  englischer  Narkoti¬ 
seur,  ein  Zahnarzt  und  zwei  Apotheker  bilden  den  sogen.  „Medical 
staff“.  Did  Verwaltung  liegt  in  den  Händen  eines  meist  aus  Kaufleuten 
bestehenden  Komitees,  bei  dem  nur  zwei  der  Oberärzte  Zutritt  und 
Stimme  haben.  Diesem  Umstande  ist  es  zuzuschreiben,  dass  fui 
manche  rein  ärztliche  Fragen,  besonders  wenn  es  sich  um  Neuan¬ 
schaffungen  handelt,  nicht  die  Zustimmung  des  in  solchen  allen 


1944 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


immer  laienhaften  Komitees  zu  haben  ist.  Auch  vermisst  man  so 
recht  die  leitende  Hand  eines  Direktors,  wie  wir  sie  aus  unseren 
heimischen  wohlgeordneten  Hospitalbetrieben  gewohnt  sind.  Da  eine 
einzige  dem  Komitee  gegenüber  in  der  Verwaltung  verantwortliche 
Person  fehlt,  so  ist  es  begreiflich,  dass  manche  Missverständnisse 
u.  dgl.  resultieren.  Der  Sekretär  und  idie  Oberschwester  kommen 
zu  Rechten,  die  nach  deutschen  Begriffen  undenkbar  sind;  so  leitet 
beispielsweise  die  Oberschwester  eigentlich  den  ganzen  inneren  Be¬ 
trieb,  sie  versetzt  Schwestern  nach  Gutdünken  und  zwar  ohne  ärzt¬ 
liche  Einwilligung,  ja  manchmal  direkt  gegen  dieselbe.  Die  Haus¬ 
ärzte  haben  unter  diesen  Missverhältnissen  zu  leiden,  man  tut  für 
ihre  Wohnungen  und  für  ihr  Esszimmer  so  gut  wie  gar  nichts. 

Dringend  ^  kann  gefordert  werden,  dass  man  den  Haus¬ 
ärzten,  deren  Stellung  an  und  für  sich  nicht  die  idealste  ist,  auch  ein 
standeswürdiges  Honorar  bezahlt,  denn  die  bisherige  Bezahlung  ist 
die  eines  Arbeiters,  nicht  die  eines  gebildeten  Mannes  und  Arztes. 
Gerade  jetzt,  wo  von  allen  Seiten  für  Aufbesserung  des  ärztlichen 
Gehaltes,  besonders  auf  den  Schiffen  plaidiert  wird,  ist  es  Zeit,  auch 
einmal  in  dem  gleichen  Sinne  die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  auf 
das  Deutsche  Hospital  in  London  zu  lenken.  Hoffentlich  wird  der 
Leipziger  wirtschaftliche  Verband  auch  dieser  Frage  nähertreten. 

Das  Hospital  ist  finanziell  wirklich  nicht  so  schlecht  gestellt,  dass 
es  die  Ausgaben  zu  scheuen  hätte,  die  der  Schaffung  anständiger 
Lebensbedingungen  für  seine  Aerzte  dienen. 

Für  die  Krankenpflege  sind  ca.  20  Schwestern  aus  'der  B  o  d  ei¬ 
se  h  wi  n  g  sehen  Anstalt  bei  Bielefeld  vorhanden.  Die  Vor-  und 
Nachteile  der  geistlichen  Krankenpflegerinnen  sind  genugsam  be¬ 
kannt,  als  dass  darüber  noch  zu  diskutieren  wäre.  Auf  den  Sälen 
für  Männer  sind  noch  männliche  Hilfskräfte  beschäftigt,  deren  Schu¬ 
lung  allerdings  erst  im  Hospital  beginnt.  Allein  im  Auslande  kann 
man  eben  aus  Mangel  an  vorgebildetem  Personal  die  in  Deutschland 
üblichen  Forderungen  nicht  ebenso  strikt  durchführen. 

Mit  dem  Hospital  verbunden  ist  ein  sogen.  „Convalescent  home“, 
nach  englischer  Art  ein  Erholungsheim  für  Rekonvaleszenten.  Es 
befindet  sich  ganz  nahe  dem  Hospital  und  hat  Betten  für  etwa  12 
Leute.  Es  werden  dort,  natürlich  ebenfalls  unentgeltlich,  Leute  ver¬ 
pflegt,  die  nach  einer  schwereren  Erkrankung  noch  Schonung  be¬ 
dürfen,  oder  die  als  leichter  Kranke  der  Aufnahme  bedürftigen 
Schwerkranken  ihr  Bett  abtreiten  mussten. 


Den  Hauptbestandteil  der  Hospitaltätigkeit  aber  bildet  ein 
grosses  Ambulatorium,  das  beispielsweise  im  Jahre  1905  die  Zahl 
von  30  000  Besuchern  aufwies,  eine  Menge,  die  von  manchen  Londoner 
Hospitälern  noch  um  das  vier-  bis  fünffache  übertroffen  wird.  Von 
sämtlichen  Kranken  sind  mehr  als  ein  Drittel  polnische  und  russische 
Juden,  von  denen  ein  nicht  geringer  Prozentsatz  überhaupt  kein 
Deutsch  spricht,  die  anderen  beiden  Drittel  sind  Deutsche,  Engländer 
und  einige  andere  Nationen.  Die  Berechtigung  zur  Behandlung  hat 
jeder  Deutsche  oder  Deutschsprechende,  derselbe  wird  ohne  Weiteres 
zu  den  Sprechstunden  zugelassen.  Leider  werden  zu  den  Deutsch- 
spi  Gehenden  eben  auch  jene  russischen  und  polnischen  Auswanderer 
gerechnet,  von  denen  recht  viele  Deutschland  überhaupt  nicht  ge- 
sc  ien  haben,  auch  ikeine  Sprache  sprechen,  die  man  noch  mit  unserer 
schonen  deutschen  Muttersprache  identifizieren  könnte,  sondern  ein 
Gemengsel  aus  hebräisch,  russisch,  deutsch  und  englisch.  Gegen  ein 
Zusammenwerfen  unserer  Deutschen  im  Auslande  mit  solchen  Ele¬ 
menten  muss  unser  Nationalgefühl  energisch  Front  machen  und  viele 
Deutsche  in  London  wehren  sich  gegen  diese  Verquickung  dadurch 
dass  sie  lieber  ein  englisches  Hospital  aufsuchen.  Warum  soll  auch 
das  aus  deutschen  Kreisen  gesammelte  Kapital  nicht  vor  allem  un- 
seicn  deutschen  Landsleuten  zu  gute  kommen?  In  denjenigen  eng¬ 
lischen  Hospitälern,  die  rings  umwohnt  sind  von  diesen  Einwanderern 
hat  man  mit  vollem  Recht  eigene  Säle  für  sie.  Bei  uns  in  Deutsch- 
anü  hat  man  schwerlich  einen  Begriff  von  dem  starrenden  Schmutz 
dei  diesen  Leuten  anhaftet  und  von  der  unbilligen  Zumutung  die 
man  an  jemand  stellt  mit  der  Forderung  gemeinsamen  Zusammen¬ 
seins  mit  diesen  Elementen  in  dem  gleichen  Raum. 

Ausser  den  Deutschen  und  Deutschsprechenden  können  auch 
Engländer  und  andere  Ausserdeutsche  (sehr  dringenden  Fällen  wird 
unter  allen  Umständen  Behandlung  zu  teil)  behandelt  werden,  wenn 
sie  einen  Empfehlungsbrief  von  einem  Subskribenten  bringen  Je 
nach  der  Hohe  der  Subskription,  die  jemand  zeichnet,  bekommt  er 
eine  Anzahl  solcher  Briefe,  die  er  dann  an  darum  Nachsuchende  ab¬ 
geben  kann.  Lin  solcher  Brief  berechtigt  zu  dreimaligem  Besuch  der 
Sprechstunde.  Die  ganze  ärztliche  Behandlung  sowie 
die  Medikation  ist  für  alle  Patienten  frei.  Die  Saalkranken 
haben  ausserdem  auch  für  Verpflegung  nichts  zu  entrichten,  nur  die 
matkranken  bezahlen  für  Behandlung  und  Verpflegung  pro  Woche 
drei  I  fund  Sterling,  eine  nicht  sehr  hohe  Taxe. 

Die  Sprechstunden  finden  täglich,  mit  Ausnahme  von  Samstag 
und  Sonntag  nachmittags  von  2  Uhr  ab  statt.  Infolge  der  riesigen 
Zahl  von  I  atienten,  die  an  manchen  Tagen  erscheinen,  dauern  sie 
dren  vier  und  manchmal  noch  mehr  Stunden.  Zwei  Hausärzte  und 
je  ein  Hilfsarzt  halten  diese  Sprechstunden  gleichzeitig  ab  und  wech- 
seln  täglich.  Dass  trotzdem  nicht  immer  eingehende  Untersuchung 
möglich  ist,  versteht  sich  nach  der  Anzahl  der  Kranken  von  selbst 
und  auch  die  Verordnung  ist  eine  möglichst  einfache  und  billige, 
ln  der  Apotheke  finden  sich  die  am  meisten  notwendigen  Sachen  wie 
Karlsbadersalz,  Magnesia  sulfurica  etc.  in  immensen  Mengen  Der 


Einfachheit  und  Schnelligkeit  der  Zubereitung  wegen  werden  fast  alle 
Sachen  gelöst  oder  —  die  unlöslichen  —  aufgeschwemmt  abgegeben, 
da  man  für  Abwägen  von  Pulvern  etc.  mindestens  die  doppelte  An¬ 
zahl  von  Arbeitskräften  nötig  haben  würde.  Als  Ort  für  die  poli¬ 
klinischen  Stunden  dient  ein  eigenes  Gebäude,  das  früher  Betsaal 
war,  aber  durch  besondere  Einrichtungen  seiner  jetzigen  Bestim¬ 
mung  zugeführt  wurde.  Die  Massen  werden  in  Schranken  gehalten 
durch  Holzverschläge,  durch  deren  Türen  sie  nur  einzeln  in  die  Unter¬ 
suchungszimmerpassieren  dürfen.  Nach  erfolgter  Untersuchung  treten 
sie  durch  eine  andere  Türe  aus  dem  Zimmer  und  gelangen  nach  den 
Schaltern  an  der  Apotheke,  wo  sie  gegen  die  ihnen  mitgegebenen 
Zettel,  die  Diagnose  und  Rezept  enthalten,  ihre  Medizinen  in  Empfang 
nehmen. 

Eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl,  besonders  chirurgischer  Kran¬ 
ker  findet  sich  auch  an  den  Vormittagen  ein.  Zweimal  in  der 
Woche  findet  —  ebenfalls  unentgeltlich  —  Behandlung  von  Augen¬ 
krankheiten,  einmal  wöchentlich  von  Zahnkrankheiten  statt.  Die 
Untersuchung  der  Vormiftagspatienten  sowie  der  ausserhalb  der  ge¬ 
wöhnlichen  Stunden  ankommenden  dringenden  Fälle  erfolgt  in  den 
im  Hauptgebäude  gelegenen  „Consulting  Rooms“,  wo  sogleich  kleinere 
dringliche  operative  Massnahmen  sowie  eventuell  nötige  Verbände 
u.  dgl.  gemacht  werden. 

Zur  Aufnahme  ins  Hospital  können  nur  solche  Kranke  gelangen, 
die  nicht  an  akuten  Infektionskrankheiten,  wie  Diphtherie,  Masern. 
Scharlach  etc.,  leiden.  Letztere  werden  in  eines  der  zahlreichen 
Londoner  „Fever“-Hospitäler  verwiesen.  Abgesehen  von  dem  staat¬ 
lichen  Verbot  erklärt  sich  die  Nichtaufnahme  solcher  Kranken  auch 
aus  dem  Fehlen  von  Separatzimmern.  Die  vorhandenen  zwei  oder 
drei  kleineren  Zimmer  sind  meist  mit  Kranken  besonderer  Art  be¬ 
legt  und  liegen  so  wenig  abseits,  dass  eine  vollständige  Trennung 
gegen  die  grösseren  Säle  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  wäre.  Nichts¬ 
destoweniger  wird  der  Mangel  an  Separatzimmern  sehr  unangenehm 
empfunden,  z.  B.  bei  zweifelhaften  Fällen,  deswegen,  weil  die  Fieber- 
Hospitäler  nur  Fälle  mit  sicherer  Diagnose  aufnehmen.  Man  ist 
also  gegebenenfalls  im  Interesse  der  übrigen  Saalkranken  direkt  ge¬ 
zwungen,  eine  Diagnose  als  gesichert  zu  betrachten,  über  deren  Zu- 
ässigkeit  man  sonst  vielleicht  mit  Fug  und  Recht  noch  zweifel¬ 
haft  war. 

Ob  das  gerade  infolge  der  Möglichkeit  genauer  Sichtung  und 
Auswahl  recht  interessante  Material  des  Hospitals  auch  für  die 
Wissenschaft  in  entsprechender  Weise  verwertet  wird,  darüber  lässt 
sich  geteilter  Meinung  sein.  Denn  es  ist  für  die  Wissenschaft  ge- 
wiss  kein  sonderlicher  Gewinn,  wenn  einzelne  Fälle  ohne  irgend 
eine  kritische  Betrachtung  einfach  nach  Anamnese,  Krankengeschichte 
und  eventuellem  Sektionsbefund  veröffentlicht  werden,  statt  dass 
man  das  reichhaltige  Material,  z.  B.  an  den  verschiedensten  Leber¬ 
erkrankungen  u.  dgl.,  mit  den  dazu  gehörigen  Untersuchungsmethoden 
an  einer  Reihe  von  Fällen  im  Ganzen  studiert.  Dadurch  könnte 
sicher  nur  ein  Gewinn  für  den  Ruf  des  Hospitals  resultieren.  Auch 
wäre  die  Anstellung  eines  eigenen  pathologischen  Anatomen  zu 
wünschen,  da  die  hiezu  gehörigen  Detailkenntnisse  bei  einem  Nicht¬ 
spezialisten  nicht  vorhanden  sind  und  auch  nicht  erwartet  werden 
dürfen  und  gerade  bei  Veröffentlichungen  etwa  vorhandene  Zweifel 
oder  Meinungsverschiedenheiten  von  berufener  Seite  geklärt  sein 
müssen. 

II.  Buenos  Aires. 

Das  deutsche  Hospital  in  der  argentinischen  Hauptstadt  liegt  im 
Süden  in  der  breiten,  baumbepflanzten  Central  America,  jetzt  Avenida 
Pueyrredon,  inmitten  eines  hübsch  angelegten  und  gut  unterhaltenen 
Gartens,  dessen  zum  I  eil  recht  ansehnliche,  Sommer  wie  Winter 
giiine  Palmgrupoen  für  den  erst  aus  Europa  Angekommenen  einen 
ungewohnten,  aber  schönen  und  imposanten  Anblick  gewähren.  Auch 
fiii  die  heisse  Zeit  muss  man  dem  Hospitalgarten  seine  gute  Instand- 
haltung  nachrühmen.  Denn  wer  die  tropische  Hitze  kennt,  die  in 
Buenos  Aires  während  der  Monate  Dezember,  Januar,  Februar 
herrscht  und  wer  weiss,  wie  die  glühend  heisse  Sonne  auf  dem  argen¬ 
tinischen  Sandboden  während  dieser  Monate  alles  Grün  verbrennt 
der  weiss  es  zu  schätzen,  wenn  er  hier  inmitten  der  Millionenstadt! 
die,  tiotzdem  sie  nur  etwa  die  Hälfte  der  Einwohner  zählt,  doch 
eine  mindestens  ebenso  grosse  Ausdehnung  wie  Paris  hat,  sich  am 
Anblick  üppigen  Pflanzenwuchses  erfreuen  kann. 

Die  Anstalt  ist  im  Pavillonsystem  gebaut,  sie  besteht,  wenn 
auch  natürlich  anfangs  in  kleineren  Verhältnissen,  bereits  seit  eini¬ 
gen  Dezennien.  Was  das  äussere  Ansehen  anbelangt,  so  kann  unsere 
deutsche  Anstalt  nicht  mit  denen  anderer  europäischer  Staaten  in 
Buenos  Aires,  wie  z.  B.  dem  französischen  oder  italienischen  Hospi¬ 
tal,  konkurrieren.  Allein  bei  so  manchen  solchen  äusserlich  recht 
lepräsentativ  und  vornehm  aussehenden  Palästen  ist  die  äussere 
1  rächt  nur  auf  Kosten  der  inneren  Zweckmässigkeit  —  ja  sogar 
Sauberkeit  und  Reinlichkeit  erreicht  worden,  ein  für  Krankenhaus¬ 
bauten  absolut  verkehrtes  Prinzip. 

Durch  ein  Gebäude,  das  die  Portierloge,  Bibliothek,  Sprech¬ 
zimmer,  Verwaltung  und  Wohnungen  für  die  Hausärzte  enthält,  ge¬ 
langt  man  in  den  Hospitalsgarten.  wo  man  der  einzelnen  Bauten  als¬ 
bald  gewahr  wird..  Die  Belegfähigkeit  erreicht  mit  ca.  60  Kranken 
inen  durchschnittlichen  Stand,  doch  können  im  Bedarfsfälle  bis  zu 
■  Kranke  untergebracht  werden.  Das  ärztliche  Personal  besteht 
aus  einem  Oberarzt,  der  zugleich  als  Direktor  fungiert,  und  zwei 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1945 


Hausärzten.  Doch  kommen  infolge  der  Erlaubnis,  ihre  Kranken  nach 
dem  Hospital  schicken  und  dort  behandeln  zu  können,  noch  einige 
deutsche  'Aerzte  gelegentlich  in  das  Hospital.  Diese  können  auch 
Operationen  im  Hospital  ausführen,  nur  bekommt  die  Anstalt  immer 
einen  gewissen  Anteil  an  den  von  den  zahlenden  Patienten  für 
Operationen  geleisteten  Remunerationen.  Zahlende  Patienten  sind 
solche  erster  Klasse.  Sie  haben  für  Verpflegung  einen  Satz  von  etwa 
40  M.  wöchentlich  zu  entrichten,  die  allenfallsigen  Operations¬ 
gebühren  werden  in  der  Regel  vom  Operateur  extra  berechnet.  Die 
Patienten  zweiter  Klasse  werden,  wenn  sie  zahlungsunfähig  sind, 
kostenlos  verpflegt  und  behandelt,  oder  zahlen,  wenn  sie  dazu  im¬ 
stande  sind,  eine  angemessene  Gebühr.  Ein  Ambulatorium,  für  das 
mehrere  Stunden  wöchentlich  angesetzt  sind,  trägt  ebenfalls  den 
pekuniären  Verhältnissen  der  Kranken  Rechnung,  indem  bedürftige, 
arme  Deutsche  umsonst  behandelt  werden,  während  zahlungs¬ 
fähige  dem  Hospital  für  seine  Auslagen  eine  entsprechende  Geld¬ 
vergütung  entrichten.  Die  Frequenz  des  Ambulatoriums  ist  eine 
rege,  bei  einem  durchschnittlichen  Besuch  der  Poliklinik  von  etwa 
70 — 80  Kranken  wöchentlich  kommt  dieselbe  jährlich  auf  einige 
Tausend  Kranker. 

Das  Pflegepersonal  besteht  aus  Schwestern  des  Roten  Kreuzes, 
die  einer  Oberschwester  unterstellt  sind.  Ihnen  ist  auf  den  Sälen 
für  Männer  männliches  Wartepersonal  beigegeben,  an  dem  leider  so 
oft  der  Mangel  an  richtiger  Ausbildung  fühlbar  ist.  Diese  Wärter 
rekrutieren  sich,  da  andere  Kräfte  fehlen,  teilweise  aus  eingeborenen 
Argentiniern  oder  eingewanderten  Spaniern,  deren  allgemeine  Be¬ 
griffe  über  Kranksein  und  Krankenpflege  immerhin  meist  etwas 
anderer  Art  sind  als  unsere  deutschen  . 

Die  Verwaltung  liegt  auch  bei  dieser  Anstalt  in  den  Händen 
eines  Komitees,  das  zumeist  aus  Kaufleuten  besteht.  Die  Betriebs¬ 
kosten  werden  durch  freiwillige  Gaben  und  durch  die  Verpflegungs¬ 
gelder  der  Patienten  gedeckt.  Zahlende  Krankenkassen  in  unserem 
Sinn  gibt  es  eigentlich  keine.  Natürlich  herrscht  auch  hier  wie  in 
London  das  gleiche  Sparsystem,  nur  dass  in  Buenos  Aires  eine  ge¬ 
wisse  Berechtigung  dafür  vorhanden  ist,  da  man  sich  dort  nicht 
jener  reichen  Schenkungen  zu  erfreuen  hat.  Die  Folge  dieses  Spa¬ 
rens  und  Sparenmiissens  ist  natürlich,  dass  die  Ausrüstung  und  Ein¬ 
richtung  nicht  immer  auf  der  Höhe  der  Zeit  sind.  So  habe  ich  dort 
in  einem  Vorraum  zum  Operationssaal  einen  Röntgenapparat  ge¬ 
sehen,  dessen  2  oder  3  vorhandene  Röhren  zerbrochen^  mit  dem 
ebenfalls  unbrauchbaren  Induktorium  unter  einer  dicken  Staubdecke 
sich  von  überstandenen  Anstrengungen  ausruhten.  Ich  will  nicht  ver¬ 
kennen,  dass  für  solche  Vorkommnisse  nicht  allein  das  Hospital  als 
solches  verantwortlich  zu  machen  ist,  sondern  doch  zum  grössten 
Teil  das  mangelnde  Interesse  der  zuständigen  Personen.  Das  gleiche 
gilt  von  der  Ausrüstung  des  ärztlichen  Laboratoriums,  die  sich  eben 
nach  den  Wünschen  und  Anforderungen  richtet,  die  von  den  Be¬ 
teiligten  an  ein  solches  Untersuchungszimmer  gestellt  werden. 

Es  wäre  wirklich  schade,  wenn  allein  durch  solche  mangelhafte 
Institutionen,  die  sich  bei  etwas  grösserem  Verständnis  ohne  allzu 
grosse  Kosten"  leicht  ändern  Hessen,  unsere  deutschen  Hospitäler 
im  Auslande  denen  anderer  Nationen  unterlegen  wären,  während 
Deutschland  in  der  Heimat  gerade  auf  dem  Gebiete  deis  Hospital¬ 
wesens  bahnbrechend  geworden  ist.  Im  Interesse  des  deutschen  An¬ 
sehens  wäre  es  nur  wünschenswert,  wenn  das  Mutterland  (event. 
zusammen  mit  dem  Deutschtum  Oesterreichs  und  der  Schweiz)  eine 
gewisse  Aufsicht  über  unsere  Hospitäler  im  Auslande  ausüben 
könnte. 

III.  Rosario. 

Rosario,  die  Hauptstadt  der  argentinischen  Provinz  Santa  Fe. 
hat,  trotzdem  die  Stadt  nur  etwa  150  000  Einwohner  zählt,  eine  recht 
ansehnliche  deutsche  und  englische  Kolonie.  Bei  dem  regen  Schiffs¬ 
verkehr,  der  sich  in  den  letzten  Jahrzehnten  auf  dem  Parana  ent¬ 
wickelt  hat  und  zu  dem  deutsche  und  englische  Dampfer  ihr  Kon¬ 
tingent  stellen,  hat  es  sich  als  nötig  erwiesen,  ein  Hospital  für  kranke 
Seeleute  zu  bauen.  Da  nun  vor  etwa  30- Jahren,  zu  welcher  Zeit 
die  Gründung  des  Hoispitals  erfolgte,  die  beiden  Nationen  die  Kosten 
der  Anlegung  und  Unterhaltung  je  eines  eigenen  Hospitals  nicht 
tragen  konnten,  so  beschlossen  sie,  gemeinsam  ein  solches  InstituJ 
ins  Leben  zu  rufen.  Ein  solch  gemeinsames  Vorgehen  in  einer 
guten  Sache  ist  an  (sich  gewiss  lobenswert,  hat  aber  leider  gerade 
in  diesem  speziellen  Fall  hauptsächlich  durch  die  manchmal  recht 
stark  divergierenden  Charaktereigenschaften  der  beiden  Nationen 
und  ihrer  verschiedenen  Elemente  zeitweilig  nicht  gerade  die  er¬ 
quicklichsten  Verhältnisse  gezeitigt,  deren  Kenntnis  ich  meinem  halb¬ 
jährigen  Aufenthalt  als  Anstaltsarzt  an  dem  deutsch-englischen  Hoispi- 
tal  Rosarios  verdanke. 

Die  Lage  des  Hospitals  ist  keineswegs  eine  günstige  zu  nennen, 
denn  dasselbe  iist  so  abgelegen  von  allem  Verkehr  nach  der  Stadt  hin 
in  einer  nichts  weniger  wie  einladenden  Umgebung.  Die  Zufahrts¬ 
strassen  sind  in  einem  solchen  Zustande,  dass  man  bei  Regenwetter 
fusstief  im  Schlamm  und  Schmutz  einsinkt,  während  bei  dem  an¬ 
haltenden  trockenen  Wetter  im  Sommer  der  Staub  so  hoch  liegt, 
dass  jedes  vorbeifahrende  Gefährt  den  Eingang  in  eine  undurchdring¬ 
liche  Wolke  von  Staub  hüllt,  die  natürlich  für  Verschleppung  von 
Infetktionskeimen  aller  Art  die  günstigsten  Bedingungen  bietet. 
Wundern  muss  man  sich  bei  diesen  Verhältnissen  nur  darüber,  dass 


trotzdem  so  wenig  Uebertragungen  Vorkommen,  denn  an  den  rings¬ 
um  liegenden  Kadavern  von  Hunden,  Katzen  u.  dergl.,  die  nach  argen¬ 
tinischer  Manier  einfach  liegen  bleiben,  können  sich  Fliegen  und 
allerlei  anderes  Getier  mit  einer  genügenden  Menge  von  Keimen  be¬ 
laden.  Hier  gleich  noch  einen  weiteren  Verstos.s  gegen  die  Grund¬ 
prinzipien  unserer  Krankenhaushygiene:  die  sämtlichen  Abwässer 
des  Hospitals  gehen  in  Versitzgruben,  die  sich  im  Hospitalsanwesen 
befinden!  Da  nun  unter  dem  Einfluss  dieser  stetigen  Bewässerung 
das  ganze  Anwesen,  das  an  sich  schon  etwas  tief  liegt,  zu  „vei  - 
sumpfen“  drohte  ,so  hat  man  den  zur  Entwässerung  in  den  heisseren 
Ländern  vielgebrauchten  Eucalyptusbaum  in  mehreren  Exemplaren 
angepflanzt.  Dieselben  reichen  natürlich  nur  zum  Teil  aus  und  der 
stark  verunreinigte  Boden  bildet  eine  ständige  Gefahr  fiii  das  Hospi¬ 
tal  Typhusdefäkationen  und  andere  infektionstüchtige  Medien  wer¬ 
den  ja  allerdings  nach  den  „üblichen“  Methoden  desinfiziert,  aber  wie 
wenig  man  sich  auf  solche  Arbeiten,  noch  dazu  bei  einem  ungeschäl¬ 
ten  Personal  verlassen  kann,  ist  bekannt.  Der  „Garten“  besteht  aus 
einem  um  die  Gebäude  gelegenen  Stück  Land,  das  mit  den  erwähnten 
Eucalyptus-  und  noch  einigen  anderen  Bäumen  bepflanzt  ist,  sonst 
aber  zum  Bauen  der  für  den  Hospitalbeti ieb  nötigen  Gemüse  dient! 

Das  Hospital  ist  in  einer  Art  von  Korridorsystem  angelegt,  man 
kann  vom  Eingang  aus  nach  den  einzelnen  Räumen  von  einem  Gang 
zu  ebener  Erde  aus  gelangen.  Sämtliche  Räume  des  Hospitals  liegen 
zu  ebener  Erde;  es  entspricht  das  der  Bauart  der  (südlichen  Länder, 
die  gewiss  viele  Vorzüge  hat.  Es  finden  sich  also  in  dem  Koiridoi- 
bau  die  beiden  grösseren  Sülle,  neben  denen  einige  Zimmer  für  Privat- 
und  besondere  Kranke  liegen,  das  Operationszimmer,  das  Verband¬ 
zimmer.  Warte-  und  ärztliches  Sprechzimmer,  die  Wohnung  des 
einen  Arztes,  Apotheke,  Schwesternräume  und  ein  Raum  für  die 
Verwaltung.  Etwas  abseits  vom  Hauptbau  liegen  ausserhalb  des 
Korridor  Systems  'einige  Zimmer,  meist  für  Geschlechtski  anke.  die 
Küche,  einige  Lagerräume,  das  Leichenhaus  und  Wohnungen  für  das 


Personal.  „  ’  ,  T.  ,  ,  . .  ,  .  , 

In  den  Sälen,  die  beide  nur  für  männliche  Kranke  bestimmt  sind 
(für  4—5  weibliche  Patienten  ist  ein  Zimmer  vorgesehen)  liegen 
medizinische  und  chirurgische  Kranke  durcheinander  und  auch  in 
den  kleineren  Räumen  ist  eine  Trennung  nicht  durchgeführt.  Die 
Anstalt  hat  Raum  für  etwa  50  Krpnke,  die  in  2  Sälen  und  einer  Reihe 
von  Zimmern  von  2 — 4  Betten  untergebracht  werden.  Aufgenommen 
werden  alle  Kranken  deutscher,  englischer  oder  einer  nahestehenden 
Nationalität,  mit  alleiniger  Ausnahme  von  mit  leicht  übertragbaren  In¬ 
fektionskrankheiten  Behafteten  (Diphtherie.  Scharlach  usw.)  und 
von  Geisteskranken.  Auch  Argentinier  und  Spanier  werden  zu¬ 
gelassen,  soweit  sie  Angestellte  der  englischen  Eisenbahngesell¬ 
schaft  sind,  deren  Kompaeniearzt  der  eine  Arzt  des  Hospitals  ist. 
Die  grössere  Hälfte  aller  Kranken  sind  deutsche  und  englische  See¬ 
leute,  für  welche  die  betreffende  Reederei  eine  jährliche  Pauschal¬ 
summe  oder  im  Einzelfall  pro  Mann  und  Tag  3  Pesos  =  5  M,  be¬ 
zahlt.  Selbstzahlende  Patienten  oder  solche,  für  die  ein  Geschäfts¬ 
haus  aufkommt,  werden  mit  4  Pesos  täglich  verpflegt,  während  Pri¬ 
vatkranke  je  nach  dem  Zimmer  6—10  Pesos  zu  entrichten  haben. 
Unbemittelte  werden  entweder  auf  Kosten  eines  Hilfsvereins  oder 
überhaupt  frei  verpflegt.  Operationen  werden  nur  an  Seeleuten  oder 
Unbemittelten  kostenlos  vorgenommen,  die  übrigen  Kranken  haben 
dafür  einen  angemessenen  Betrag  selbst  zu  entrichten  bezw.  durch 
ihre  Arbeitgeber  entrichten  zu  lassen,  in  den  sich  das  Hospital  und 
der  Operateur  teilen. 

Das  ärztliche  Personal  besteht  aus  zwei  Aerzten,  einem  eng¬ 
lischen  und  einem  deutschen,  einer  davon  wohnt  im  Hospital,  und 
zwar  in  den  letzten  Jahren  immer  der  deutsche,  weil  er  unver¬ 
heiratet  war  und  die  vorhandene  Wohnung  nur  für  Junggesellen  aus¬ 
reichend  ist.  Der  derzeitige  englische  Arzt  ist  schon  über  20  Jahre 
am  Hospital  tätig  und  geniesst  deshalb  die  Vorzüge  dei  Anciennität. 
Jeder  der  beiden  Aerzte  hat  seine  Kranken,  bei  Operationen  unter¬ 
stützen  sie  sich  gegenseitig.  Der  im  Hospital  wohnende  Arzt,  der 
„Medico  interno“.  hat  die  ganze  Direktion  und  Verwaltung,  in  seiner 
Hand,  letztere  soweit  sie  nicht,  wie  besonders  in  finanzieller  Be¬ 
ziehung.  dem  Komitee  untersteht,  das  wieder  aus  Kaufmannskreisen 
beider  Nationalitäten  zusammengesetzt  ist.  Er  hat  Neuanstellungen 
des  Personals  vorzunehmen,  hat  für  die  Bestände  des  Hospitals  und 
der  Apotheke  zu  sorgen,  hat  demnach  ein  weites  Feld  der  I  ätigkeit. 
Die  Arzneien  werden  entweder  fertig  aus  einer  Apotheke  der  Stadt 
bezogen  oder  eventuell  auch,  wenn  es  sich  um  einfachere  Rezepturen 
handelt,  im  Hause  bereitet. 

Das  Krankenpflegepersonal  besteht  aus  Schwestern,  von  denen 
die  eine  Hälfte  deutscher,  die  andere  englischer  Abstammung  ist, 
die  aber  ihre  Vor-  und  Ausbildung  erst  im  Hospital  erhalten.  Wah¬ 
rend.  meines  Aufenthaltes  hatte  ich  nur  eine  einzige  englische 
Pflegerin,  die  entsprechend  vorgebildet  war.  Diese  Anstellung  von 
nicht  vorgebildetem  Personal' ist  im  Ausland  nicht  zu  umgehen,  sie 
hängt  erstens  überhaupt  mit  dem  Fehlen  von  Personal  für  Ki  aiucn- 
pflege  zusammen  und  zweitens  mit  dem  Mangel  an  Gelegenheit  zui 
Ausbildung.  Man  hat  in  Argentinien  eben  keine  besonderen  Schwe¬ 
sterngemeinschaften.  wenn  man  nicht  etwa  französische  odci  ita  io¬ 
nische  geistliche  Schwestern  annehmen  will,  die  abgesehen  von  den 
Rassenunterschieden  auch  wahrscheinlich  nicht  in  der  getingene  en 
Anzahl  zu  haben  wären.  So  muss  der  Arzt  sich  das  r  ersonal  sc  hs 
erziehen.  Dass  er  dabei  mit  recht  vielen  Schwierigkeiten  und  m- 


1946 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


annehmlichkeiten  zu  kämpfen  hat,  liegt  in  der  Natur  der  Sache. 
Eines  habe  ich  als  recht  vorteilhaft  empfunden,  nämlich  dass  man  die 
Schwestern  ganz  nach  englischer  Art  instruiert  und  arbeiten  lässt, 
wonach  sie  selbst,  ohne  männliche  Hilfe,  auch  die  männlichen  Kran¬ 
ken  zu  pflegen  haben.  Wie  die  englischen  „Nurses“  führen  auch 
an  dem  deutsch-englischen  Hospital  Rosarios  sämtliche  Schwestern 
alle  Handreichungen  und  ärztlichen  Verordnungen  aus,  isie  geben  und 
überwachen  die  Bäder,  sie  machen  Einläufe,  sie  dürfen  sich  auch 
nie  Vor  Ausführung  von  Verordnungen  scheuen,  die  die  Sexualorgane 
betreffen.  Es  hat  diese  Tätigkeit  niemals  zu  irgendwelchen  Be¬ 
anstandungen  geführt,  im  Gegenteil  wurde  von  den  männlichen  Pa¬ 
tienten  immer  die  dezente  Art,  mit  der  solche  Arbeiten  ausgeführt 
wurden,  gerühmt.  Während  meiner  Hausarzttätigkeit  am  Lon¬ 
donei  Deutschen  Hospital  hatte  ich  verschiedentlich  Gelegenheit.  Lon¬ 
doner  Hospitäler  zu  besuchen  und  immer  hörte  ich  die  gute' Seite 
dieser  Institution  rühmen,  niemals  sind  mir  irgendwelche  Unziem¬ 
lichkeiten  zu  Ohren  gekommen.  Vielleicht  wäre  es  zweckmässig, 
auch  in  Deutschland  mit  dem  alten  Vorurteil  zu  brechen  und  sich  mit 
t  er  Zeit  an  ein  solches  System  zu  gewöhnen;  denn  zu  der  aufopfern¬ 
den  Anspruchslosigkeit  der  Pflegerinnen  ist  unser  männliches  Pflege- 
personal  eben  nun  einmal  nicht  fähig,  von  lobenswerten  Ausnahmen 
natürlich  abgesehen. 

Rein  zur  Unterstützung  der  Schwestern  bei  schweren  Arbeiten, 
wie  Saalreinigung  etc.,  ist  denselben  männliches  Personal  beigegeben! 
doch  hat  dasselbe  mit  der  Krankenpflege  selbst  nichts  zu  tun.  Nur 
bei  Behandlung  der  eigentlichen  sexuellen  Erkrankungen  werden 
männliche  Angestellte  verwendet,  z.  B.  bei  Inunktionen  oder  In¬ 
jektionen,  doch  müssen  selbst  da  manchmal  die  Schwestern  aus¬ 
helfen,  was  sie  auch  willig  tun. 

Sämtliche  Schwestern,  ob  deutsch  oder  englisch,  müssen  die 
spanische  Sprache  sprechen,  da  es  die  Landessprache  ist  und  viele 
Patienten  nur  Spanisch  sprechen.  Ausserdem  ist  sie  die  Verständi¬ 
gungssprache  zwischen  den  deutschen  und  englischen  Schwestern 
unter  sich,  soweit  die  deutschen  nicht  etwa  noch  Englisch  dazu 
lernen,  denn  der  umgekehrte  Fall,  dass  die  englischen  Schwestern 
Deutsch  lernen,  dürfte  sich  bei  der  bekannten  englischen  Sprach- 
faulheit  nur  sehr  selten  ereignen. 

Recht  zu  bedauern  ist,  dass  auch  in  Rosario  die  ärztliche  Aus¬ 
stattung  eine  so  furchtbar  dürftige  ist;  von  Röntgenapparat  u.  dergl. 
heutzutage  selbst  für  den  praktischen  Arzt  unentbehrlich  gewordenen 
Apparaten  will  ich  schweigen,  das  Fehlen  solcher  kostspieligen 
Apparate  kann  man  noch  einigermassen  mit  Geldmangel  entschuldi¬ 
gen.  Aber  wenigstens  ein  brauchbares  Mikroskop  und  die  not¬ 
wendigsten  Reagentien  und  Flüssigkeiten  für  Urin-  und  Blutunter¬ 
suchung  muss  man  doch  eigentlich  verlangen.  Bei  dem  Kranken¬ 
material,  das  man  zu  behandeln  hat,  sind  mindestens  die  allernot¬ 
wendigsten  Ausrüstungen  erforderlich.  Allein  es  ist  immer  der  Nach¬ 
teil  der  Hospitalsverwaltungen,  die  ein  kaufmännisches  Komitee 
leitet,  dass  man  gerade  noch  für  die  Kranken  das  Notwendigste  tut, 
aber  den  Arzt  selbst  für  die  allgemein  üblichen  und  notwendigen 
wissenschaftlichen  Untersuchungen  nicht  unterstützt.  Und  es  ist 
doch  auch  eine  Pflicht  für  uns  Aerzte,  dass  wir  neben  der  aller¬ 
ersten  Forderung,  die  man  mit  Recht  an  uns  stellt,  nämlich  den 
unserer  Obhut  anvertrUuten  Kranken  nach  besten  Kräften  zu  nützen, 
weiterhin  auch  jeder  nach  seinem  Teil  dazu  beitragen,  Wesen  und 
Erscheinungen  der  Krankheiten  zu  erforschen.  Und  gerade  in  den 
tropischen  und  subtropischen  Gegenden  harren  noch  so  manche 
Krankheitsvariationen  ihrer  Lösung. 

IV.  Valparaiso. 

Unter  den  mir  aus  eigener  Anschauung  bekannt  gewordenen 
deutschen  Hospitälern  im  Auslande  ist  mir  dasjenige  in  Valparaiso 
nicht  zum  mindesten  wegen  seiner  prachtvollen  Lage  in  bester  Er¬ 
innerung.  Die  Deutschen  der  Vierhiigelstadt  haben  sich  auf  dem 
Lerro  Alegre  ein  wahres  Paradies  geschaffen.  Das  herrliche,  einzig¬ 
artige  Bild,  das  sich  von  dem  genannten  Hügel,  der  etwa  150  m 
iibei  der  Stadt  liegt,  auf  letztere  sowohl  wie  auf  die  ganze  Bucht  von 
Valparaiso  bietet,  die  im  Hintergrund  von  grösseren  Höhenzügen 
umrahmt  ist,  wird  der,  welcher  dasselbe  einmal  geschaut,  wohl  zeit¬ 
lebens  nicht  vergessen.  Selbst  durch  die  furchtbaren  Zerstörungen, 
uic  das  Erdbeben  und  die  beuersbrunst  im  vorigen  Jahre  angerichtet, 
verliert  die  herrliche  Szenerie  nicht  an  Anmut  und  Pracht,  da  die 
Zeugen  jenes  grossen  Unglücks  dem  Beschauer  weit  genug  entrückt 
sind,  dass  er  nur  die  anmutige  Seite  der  Mutter  Natur,  nicht  aber 
dir  strenges  und  unerbittliches  Antlitz  zu  sehen  bekommt.  Der  gut 
gepflegte  und  an  schönen  Pflanzen  und  buntem  Blütenschmuck  über— 
reiche  Garten  legt  Zeugnis  ab  von  dem  Verständnis  der  deutschen 
Kolonie  in  Valparaiso  für  das  psychische  Moment  der  Krankenbehand¬ 
lung.  Denn  dass  in  solch  herrlicher  Natur  auch  ein  wohltätiger  Ein- 
fluss  auf  das  Gemüt  des  Patienten  ausgeübt  wird,  ist  leicht  begreif¬ 
lich  Das  Hospital  hat  unter  dem  Erdbeben  auch  gelitten,  wenn  auch 
nicht  in  besonderem  Masse,  und  dieses  Verschontblleiben  dankt  es 
seiner  Lage  ausserhalb  des  Erdbebenzentrums,  das  gerade  hier  so 
ziemlich  seine  äusserste  Grenze  erreichte,  während  es  nach  Nord¬ 
osten  und  Osten  noch  weit  ins  Innere  des  Landes  hin  seine  verheeren¬ 
den  Wirkungen  entfaltete. 

Der  Zugang  von  Kranken  nach  dem  Hospital  erfolgt  natürlich 
meistens  pei  W  agen,  der  Zugang  ist  wohl  auch  kein  sehr  grosser. 


Die  Anstalt  hat  Platz  für  etwa  30  Kranke,  die  in  einem  hellen,  luf¬ 
tigen  Saal  von  12  Betten  und  mehreren  geräumigen  Zimmern  unter¬ 
gebracht  sind.  Es  sind  meistens  Seeleute  von  den  zahlreichen  deut¬ 
schen  Dampfern,  die  Valparaiso  besuchen.  Es  hat  mich  recht  hei¬ 
misch  angemutet,  als  am  27.  Januar  dieses  Jahres  von  den  22  im 
Hafen  liegenden  Dampfern  8  deutsche  den  Geburtstag  des  Kaisers 
durch  Beflaggen  und  Arbeitsruhe  feierten.  In  Chile  gilt  von  allen 
ausländischen  Nationen  die  deutsche  noch  immer  am  meisten  und  die 
Engländer,  die  sonst  ein  grosses  Geschick  darin  haben,  sich  bei  an¬ 
deren  Völkern  einzuführen,  haben  gerade  hier  noch  wenig  erreicht. 
Hoffen  wir,  dass  diese  Wertschätzung  und  Achtung  des  Deutschen  in 
Chile  noch  recht  lange  erhalten  bleiben  möge. 

Ausser  den  Seeleuten  und  sonstigen  Patienten  zweiter  Klasse, 
für  welche  die  betreffende  Reederei  oder  Firma  meist  eine  jährliche 
einmalige  Summe  dem  Hospital  zeichnet,  finden  auch  Privatkranke 
gegen  eine  angemessene  Summe  eine  gute  Verpflegung.  Ein  kleines 
Ambulatorium  ist  für  Behandlung  von  kleineren  Verletzungen  u.  dgl. 

Die  innere  Einrichtung  des  Hospitals  ist  eine  durchaus  zweck¬ 
mässige  und  den  Anforderungen  der  Neuzeit  entsprechende.  Die 
drei  vorher  geschilderten  Anstalten  könnten  in  dieser  Beziehung  so 
manches  von  dem  kleinen,  aber  trefflich  unterhaltenen  Hospital  in 
Valparaiso  lernen.  Saubere,  helle  Räume  sind  die  beiden  Operations¬ 
zimmer.  Zu  der  Zeit  meines  Besuches  wurden  eben  neue  geräumige 
Zimmer  für  die  Röntgeneinrichtung  und  das  ärztliche  Laboratorium 
fertiggestellt.  Eine  recht  gute  ärztliche  Bibliothek  trägt  dem  Be¬ 
dürfnis  der  Aerzte  nach  weiterer  Fortbildung  Rechnung.  Die  beiden 
ständigen  Aerzte,  von  denen  der  jüngere  als  Hausarzt  im  Hospital 
wohnt,  geben  sich  alle  Mühe,  den  guten  Ruf,  den  das  deutsche  Ho¬ 
spital  in  Valparaiso  geniesst,  nicht  nur  zu  erhalten,  sondern  auch 
zu  mehren.  In  Chile  wird  wie  in  den  meisten  Staaten  für  Ausübung 
der  ärztlichen  Praxis  ein  einheimisches  Examen  verlangt.  Deshalb 
sind  die  Aerzte  an  dem  deutschen  Hospital  meistens  in  Chile  ge¬ 
borene  Deutsche,  die  im  Lande  studiert  und  Examen  abgelegt  haben. 

Wenn  man  die  Anstalt  sieht,  so  fragt  man  sich  unwillkürlich, 
warum  und  wie  kann  man  hier  mit  denselben  Mitteln  oder  wahr¬ 
scheinlich  viel  geringeren,  —  die  deutsche  Kolonie  in  Valparaiso  ist 
bedeutend  kleiner  als  in  Buenos  Aires  oder  in  Rosario  —  so  be¬ 
deutend  mehr  erreichen  als  in  den  beiden  anderen  Städten?  Natürlich 
hängt  viel  von  dem  Verständnis  der  leitenden  und  verwaltenden  Per¬ 
sonen  für  das  Hospitalwesen  ab,  hat  ja  das  Komitee  in  Valparaiso  eine 
gleiche  Zusammensetzung  wie  in  den  anderen  Städten.  Um  so  mehr 
verwunderlich  bleibt  es  aber,  dass  man  andernorts  sich  eben  diese 
Anstalt,  die  weithin  bekannt  ist,  nicht  zum  Muster  nimmt,  wenn  man 
sieht,  dass  mässige  Mittel  in  verständiger  Hand  richtig  angewendet 
mehr  Zweckentsprechendes  leisten  können  als  selbst  grössere  Sum¬ 
men,  die  kritiklos  weggeworfen  werden. 

Auch  das  Londoner  deutsche  Hospital  könnte  der  kleinen,  aber 
musterhaften  und  mit  Verständnis  geleiteten  Anstalt  in  Valparaiso 
manches  Gute  absehen.  In  'besonders  auffälligem  Gegensatz  steht 
dazu  in  Buenos  Aires  und  Rosario  die  vollständige  Vernachlässigung 
der  wissenschaftlichen  Fortbildung  der  Aerzte,  eine  Forderung,  die 
doch  heutzutage  nicht  mehr  von  einer  sachgemässen  Krankenbehand¬ 
lung  zu  trennen  ist. 

Mögen  diese  Zeilen  dazu  beitragen,  so  manche  Uebelstände  in 
den  deutschen  Hospitälern  des  Auslandes  zu  beseitigen  und  unseren 
Landsleuten  eine  auf  wissenschaftlicher  Basis  beruhende  Behandlung 
zu  ermöglichen,  wie  sie  dieselbe  an  unseren  einheimischen  Hospi¬ 
tälern  gewohnt  sind. 

Anmerkung  bei  der  Korrektur.  In  No.  35  der  D.  med. 
Wochenschr.  bringt  Dr.  P.  S  c  h  o  b  e  r  -  Paris  einen  Artikel  über 
Deutsche  Hospitäler  im  Ausland.  Da  derselbe  aber  keine  persönlichen 
Erfahrungen  hat,  sondern  nur  aus  Jahresberichten  und  sonstigen  An¬ 
gaben  schöpft,  so  dürfte  manches  in  allzu  günstigem  Lichte  erscheinen. 

.  D.  Verf. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

*  Max  Rubner:  Lehrbuch  der  Hygiene.  8.  Auflage.  Ver¬ 
lag  von  Franz  D  e  u  t  i  k  e.  1907.  1027  Seiten/295  Abbildungen. 
25  Mark. 

Wieder  erscheint  das  in  diesen  Blättern  schon  mehrfach  ge¬ 
würdigte  und  als  das  beste  deutsche  Hygienelehrbuch  an¬ 
erkannte  Werk  in  neuer  Auflage,  mannigfach  umgearbeitet, 
erneuert  und  verbessert,  so  haben  u.  a.  die  historischen  Studien, 
denen  sich  Rubner  in  neuerer  Zeit  zugewendet  hat,  Berück¬ 
sichtigung  gefunden.  Aber  auch  in  allen  übrigen  Kapiteln  zeigt 
sich,  dass  Rubner  unendlich  an  der  Vertiefung  des  Ge¬ 
samtinhaltes  der  hygienischen  Wissenschaften  arbeitet.  Findet 
der  Lernende  in  dem  Buche  eine  gleichmässig  eingehende 
Uebersicht  des  Gesamtgebietes,  so  erhält  der  Forscher  und 
Lehrer  ausserdem  noch  eine  Menge  von  Anregungen  durch  die 
persönlich  gefärbte  und  an  eigenen  Ideen  reiche  Darstellung. 
Das  Werk  wird  weiter  dazu  beitragen,  hygienische  Wissen¬ 
schaft  und  Praxis  zu  fördern.  R.  B.  Lehmann. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1947 


E.  Sauerbeck:  Neue  Tatsachen  und  Iheorien  in  der 
immunitätsforschung.  Sonderabdruck  aus  Lubarsch- 
0  s  t  e  r  t  a  g,  Ergebnisse,  XI.  Jahrg.  Wiesbaden,  J.  F.  Berg¬ 
mann,  1907.  324  S.  Preis  M.  7.60. 

Auf  Grund  umfassender  Literaturstudien  und  experimen¬ 
teller  Untersuchungen  gibt  Verf.  eine  kritische  Uebersicht  über 
die  wichtigsten  Gebiete  aus  der  neueren  Immunitätslehre,  be¬ 
sonders  über  die  beiden  im  Vordergrund  des  Interesses  und  der 
Diskussion  stehenden  Theorien,  die  Opsonine  von  W  r  i  g  h  t 
und  die  Aggressine  von  Bail,  welch  letztere  Verf.  in  Ueber- 
einstimmung  mit  der  Mehrzahl  der  Forscher  in  der  Hauptsache 
als  freigewordene  Endotoxine  betrachtet.  In  der  neueren  Im¬ 
munitätslehre  tritt  die  Phagozytentheorie,  welche  besonders  in 
Deutschland  durch  die  hier  lange  Zeit  fast  allein  geltende  humo¬ 
rale  (bakteriolytische)  Theorie  wenig  Anerkennung  fand,  neuer¬ 
dings  immer  mehr  in  den  Vordergrund,  allerdings  nicht  in  der 
ursprünglichen  Metschnikoff  sehen  Auffassung  als  allei¬ 
nige  Ursache  der  Immunität,  sondern  als  eine  Art  von  Kom¬ 
bination  beider  Schutzstoffe,  des  Serums  und  der  Phagozyten. 
Doch  ist,  wie  Verf.  in  einem  Rückblick  und  Ausblick  erörtert, 
mit  den  herrschenden  Theorien  die  Immunitätsforschung  vom 
Ziel  noch  weit  entfernt.  Ein  ausführliches  Literaturverzeich¬ 
nis  ist  der  Arbeit  beigegeben,  die  eine  ausgezeichnete  klare 
Uebersicht  über  die  überaus  zahlreichen,  in  der  Literatur  so  zer¬ 
streuten  neueren  Arbeiten  der  Immunitätslehre  bietet. 

Dieudonne. 

E.  Marx:  Die  experimentelle  Diagnostik,  Serumtherapie 
und  Prophylaxe  der  Infektionskrankheiten.  Bibliothek  von 
Coler-Schjerning,  Bd.  XI.  2.  Auflage.  Mit  2  litho¬ 
graphischen  Tafeln.  Berlin.  A.  Hirschwald,  1907. 
398  Seiten.  Preis  M.  8. — . 

Die  neue  Auflage  ist  den  Fortschritten  der  Mikrobiologie 
entsprechend  umgearbeitet,  so  dass  das  Buch  eine  ausgezeich¬ 
nete  Uebersicht  über  den  derzeitigen  Stand  der  bakterio¬ 
logischen  Wissenschaft  gibt.  Ein  einleitendes  Kapitel  über  Im¬ 
munisierungsprodukte  und  deren  Konstitution  bringt  einen  kur- 
zen  klaren  und  leichtverständlichen  Ueberblick  über  die 
theoretischen  Grundlagen  der  Immunitätslehre.  Bei  jeder  In¬ 
fektionskrankheit  werden  zunächst  die  morphologischen,  kul¬ 
turellen  und  biologischen  Eigenschaften  der  Erreger,  dann  die 
experimentelle  Diagnostik,  die  Serumtherapie  und  die  spe¬ 
zifische  Prophylaxe  besprochen,  und  zwar  nur  das  auf  Grund 
der  reichen  eigenen  Erfahrung  des  Verf.  wirklich  Erprobte  und 
Brauchbare.  Neu  aufgenommen  ist  ein  Kapitel  über  die  wissen¬ 
schaftlich  und  praktisch  so  wichtige  Trypanomiasis  und  den 
Bacillus  fusiformis.  Ein  ausführliches  Sachregister  erleichtert 
die  Benützung  des  Buches,  das  auch  fernerhin  nicht  nur  fiii  den 
Sanitätsoffizier,  sondern  auch  für  den  beamteten  und  den  prak¬ 
tischen  Arzt  ein  zuverlässiger  Führer  und  Berater  bei  der  Be¬ 
kämpfung  der  Infektionskrankheiten  sein  wird. 

Dieudonne. 

C.  v.  Pirquet:  Klinische  Studien  über  Vakzination  und 
vakzinale  Allergie.  Franz  D  e  u  t  i  k  e.  Leipzig  und  Wien  1907. 
194  Seiten.  Preis  6  Mk. 

Diese  „klinischen  Studien“  C.  v.  Pirquets  bestehen  aus 
drei  Teilen,  einer  klinischen  Darstellung  der  I. -Vakzination, 
einer  solchen  der  Revakzination  in  ihren  verschiedenen  Modi¬ 
fikationen  und  schliesslich  in  einer  Darlegung  von  subjektiven, 
auf  die  gewonnenen  Erfahrungen  sich  stützenden  Schlussfolge¬ 
rungen  allgemein  pathologischer  Natur.  Dabei  müssen  wir 
vorwegnehmen,  dass  P.  unter  vakzinaler  Allergie  die  durch 
Kuhpockenimpfstoff  hervorgebrachte  Reaktionsveränderung  des 
Organismus,  wie  sie  einer  erneuten  Infektion  gegenübel  zu 
tage  tritt,  versteht.  Die  Beschreibung  des  klinischen  Verlaufes 
der  I.-  und  Revakzination  bringt  eine  Reihe  genauer  und 
zweifelsohne  richtiger  Beobachtungen,  die  ihren  Höhepunkt  in 
den  durch  millimetrische  Messungen  gewonnenen  graphischen 
Darstellungen  des  Ablaufes  der  lokalen  Reaktion  erreichen. 

Was  P.  aus  seinen  Versuchen  für  die  Auffassung  der  pa¬ 
thologischen  Vorgänge  folgert,  ist  sicherlich  in  manchem,  so 
der  Anwendung  des  Begriffes  der  Ueberempfindlichketit  in 
seiner  „hyperergischen“  Reaktion,  für  den,  welcher  bisher  ge¬ 
wohnt  war,  in  der  Reaktion  bei  Wiederimpfung  nur  mehr  oder 


weniger  abortive  Erscheinungen  zu  sehen,  überraschend.  Auch 
ist  die  Auffassung,  als  sei  vakzinale  Frühreaktion  oder  beschleu¬ 
nigte  Pustelreaktion  ausschliesslich  der  Ausdruck  vakzinaler 
Allergie,  für  den  nicht  akzeptabel,  der  sich  z.  B.  mit  der  Ent¬ 
wicklung  der  Vakzineeffloreszenzen  auf  Tieren  eingehender  zu 
befassen  hat.  Hier  ist  sehr  häufig  die  Frühreaktion,  d.  h.  der 
zeitlich  zusammengedrängte,  abortive  Verlauf  eine  Folge  der 
Abnahme  der  Intensität  der  Infektion,  wie  ja  auch  Variolois 
nicht  etwa  nur  eine  allergische  Modifikation  des  Blattern¬ 
prozesses  ist. 

Es  ist  jedoch  nicht  notwendig,  P.  in  allem  beizustimmen 
und  man  wird  doch  diese  „klinischen  Studien  nicht  nur  mit 
Genuss  und  Interesse  lesen,  sondern  auch  für  die  eigene  Be¬ 
urteilung  der  klinischen  Vorgänge  des  Vakzinationsprozesses 
manches  aus  ihnen  entnehmen  können.  Darum  möchte  ich  die 
Pirquet  sehe  Schrift  allen  denen,  die  sich  mit  der  Vakzination 

beschäftigen,  angelegentlich  zum  Studium  empfehlen. 

A.  G  roth. 

Prof.  Dr.  Sigmund  F  r  e  u  d:  Zur  Psychopathologie  des  All¬ 
tagslebens.  (Ueber  Vergessen,  Versprechen,  Vergreifen,  Aber¬ 
glaube  und  Irrtum.)  2.  vermehrte  Auflage.  S.  Karger, 
Berlin,  1907.  131  Seiten.  Preis  3.50  M. 

Dass  man  Namen  leichter  vergisst  als  andere  Dinge,  ist 
eine  bekannte  Tatsache.  Warum  man  aber  gerade  einen  be¬ 
stimmten  Namen  in  einem  bestimmten  Falle  nicht  nennen  kann, 
muss  eine  spezielle  Begründung  haben.  Solchen  psychischen 
Problemen  ist  F  r  e  u  d  nachgegangen,  wobei  sich  herausstellte, 
dass  in  vielen  Fällen,  wenn  nicht  regelmässig  die  Ursache  daran 
liegt,  dass  das  vergessene  Wort  mit  einem  Begriffskomplex 
in  Verbindung  steht,  an  den  man  sich  nicht  gern  erinnert,  den 
man  „verdrängt“  hat.  So  deckt  die  Analyse  den  Zusammen¬ 
hang  des  nicht  auffindbaren  „S  i  g  n  o  r  e  1 1  i“  mit  dem  trüben 
Thema  „Tod  und  Sexualität“  auf,  das  bei  dem  Vergessenden 
durch  besondere  Ereignisse  Aktualität  erlangt  hat.  Dem 
gleichen  Gesetze  folgt  anderes  Nichterinnern.  So  kann  das 
„Aliquis“  in  „exoriare  aliquis  nostris  ex  ossibus  ultor“  beharr¬ 
lich  unter  der  Schwelle  des  Bewusstseins  bleiben  wegen  seiner 
Verwandtschaft  mit  „liqui“,  einem  Wort,  das  an  einen  ver¬ 
drängten  Komplex  erinnert,  bei  dem  das  Nichtfliessen  des 
Menstrualblutes  eine  Rolle  spielt.  Dem,  der  nicht  selbst  ähn¬ 
liche  Beobachtungen  gemacht  hat,  wie  Verfasser,  müssen  solche 
Deutungen  zunächst  gezwungen  erscheinen;  schon  einleuch¬ 
tender  ist  es  aber,  wenn  ein  Mann,  der  eben  daran  denkt,  eine 
frühere  Liebe,  über  die  recht  viel  Zeit  gegangen  ist,  wieder 
aufzunehmen,  aus  der  Braut  von  Korinth  rezitiert: 

Sieh  sie  an  genau, 

Morgen  ist  sie  grau 

statt: 

Morgen  bist  du  grau. 

Wenn  aber  beim  Versprechen  jemand  von  Tatsachen  er¬ 
zählt,  die  zum  „Vorschwein“  gekommen  sind,  wird  niemand 
an  der  Unreinlichkeit  dieser  Tatsachen  zu  zweifeln  wagen. 

Manchmal  drängt  sich  ein  anderes  Gedächtnisbild  statt 
des  Unangenehmen  förmlich  auf.  Freud  spricht  dann  von 
„Deckerinnerunge  n“.  Auch  die  Vorsätze,  die  man  ver¬ 
gisst,  haben  gewöhnlich  gegen  einen  Widerstand  zu  kämpfen, 
der,  obwohl  im  Oberbewusstsein  überwunden,  aus  dem  Un¬ 
bewussten  heraus  die  Psyche  lenkt;  und  wohl  schon  jeder 
Leser  hat  gelegentlich  „aus  Vergesslichkeit“,  „aus  Ungeschick¬ 
lichkeit“  einen  Gegenstand  vernichtet,  der  ihm  zwar  nicht  wert¬ 
los  ist,  den  er  aber  doch  aus  irgend  einem  Grunde  gern  be¬ 
seitigt  hätte.  Ebenso  ist  es  nicht  nur  Freud,  der  die  Er¬ 
fahrung  gemacht  hat,  dass  eine  Frau,  die  aus  Versehen  mit 
ihrem  Mädchennamen  unterschreibt,  in  der  Ehe  nicht  glück¬ 
in  einem  letzten  Kapitel  benützt  F  r  e  u  d  den  durch  solche 
Beobachtungen  von  fundamentaler  Wichtigkeit  gewonnenen 
Standpunkt  dazu,  einige  Ausblicke  auf  andere  Gebiete  unsei es 
Geisteslebens,  namentlich  des  Aberglaubens,  zu  tun,  die,  wenn 
sie  auch  das  Gebiet  lange  nicht  erschöpfen,  doch  sehr  inte i  - 
cssänt  sind 

Es  ist  Mode,  die  Freud  sehen  Forschungen  abzulehnen, 
ohne  sie  studiert  zu  haben.  Die  „Psychopathologie  des  Alltags¬ 
lebens“,  die  nun  in  zweiter  erweiterter  Auflage  erscheint,  zeigt 


1948 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Gebiete,  die  ohne  grosse  technische  Erfahrung  von  jedem  nach¬ 
geprüft  werden  können.  Wer  das  letztere  tut,  wird  alltäglich 
bei  sich  und  bei  seinen  Bekannten  —  und  event.  bei  seinen 
Kranken  —  F  r  e  u  d  sehe  Symptome  finden,  aus  denen  er  auf 
andere  bisher  unbekannte  psychische  Vorgänge  schliessen 
kann,  die  sich  objektiv  erweisen  lassen  und  dadurch  die  Rich¬ 
tigkeit  der  Annahme  unwiderleglich  dartun. 

Bleuler-  Burghölzli. 

Realenzyklopädie  der  gesamten  Heilkunde.  Medizinisch- 
chirurgisches  Handwörterbuch  für  praktische  Aerzte.  Heraus¬ 
gegeben  von  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Albert  Eulen  bürg. 
I.  Band:  Aachen  bis  Asphyxie.  Mit  144  Abbildungen  im  Text, 
2  schwarzen  und  7  farbigen  Tafeln.  Vierte  gänzlich  umge- 
ai beitete  Auflage.  Urban  &.  Schwarzenberg,  Berlin 
und  Wien,  1907.  Preis  in  Leder  geb.  28  Mk. 

Zum  4.  Male  tritt  der  verdienstvolle  Begründer  der  Real¬ 
enzyklopädie  mit  einer  neuen  Ausgabe  seines  grossen  Werkes 
hervor.  Wenn  man  sich  die  Riesenarbeit,  die  mit  diesem 
Unternehmen  verknüpft  ist,  vergegenwärtigt,  so  erscheint  es 
als  eine  besondere  Gunst  des  Schicksals,  dass  es  einem  und 
demselben  Manne  vergönnt  war,  diese  Arbeit  innerhalb  eines 
Menschenalters  —  die  erste  Auflage  erschien  vor  27  Jahren  — 
viermal  zu  leisten.  Denn  in  einer  rasch  schaffenden  und  um¬ 
gestaltenden  Zeitperiode,  wie  es  die  letzten  drei  Dezennien 
vai  en,  kommt  die  Neuausgabe  eines  solchen  Werkes,  wenn  sie 
ihren  Zweck  erfüllen  soll,  der  Neuschaffung  nahezu  gleich. 
Wir  beglückwünschen  Herrn  Geheimrat  Eulenburg  zu 
dem  vollen  Erfolg,  mit  dem  es  ihm,  wie  ein  Blick  in  den  vor¬ 
liegenden  I.  Band  zeigt,  gelungen  ist,  auch  diesmal  seiner  Auf¬ 
gabe  gerecht  zu  werden.  Die  in  den  früheren  Auflagen  be¬ 
währten  Grundlagen  des  Werkes  sind  auch  in  der  neuen  Auf¬ 
lage  unverändert  geblieben.  Dennoch  erscheint  diese  in 
wesentlich  veränderter  Gestalt.  Das  Format  ist  grösser  die 
Bande  sind  stärker  geworden;  dafür  wurde  die  Zahl  der  Bände 
von  26  der  3.  Auflage  auf  15  reduziert.  Die  dadurch  bedingte 
grössere  Konzentration  einzelner  Artikel  und  die  Weglassung 
nebensächlichen  und  unwesentlichen  Materials  wird  nur  will¬ 
kommen  sein.  Eine  besondere  Verbesserung  haben  Papier  und 
auÜv,  erfahren-  die  geradezu  luxuriös  zu  nennen  sind.  Auch 
Abbildungen,  insbesondere  Tafeln,  sollen  in  der  neuen  Auflage 
in  grosserer  Zahl  verwendet  werden;  im  vorliegenden  I.  Band 

i  nn-JiWiA  gU!e  Tard'8e  dafein  zu  Abdominaltyphus,  Amanita 
phalloid,  Amyloidentartung,  Appendizitis  etc.  Eulenburgs 
Realenzyklopädie  gehört  zu  den  populärsten  Werken  der  medi¬ 
zinischen  Literatur;  ihre  Vorzüge  sind  allen  Aerzten  bekannt 
brn  wird  auch  in  ihrer  neuen  Gestalt  ihre  Aufgabe,  ein  nie  ver- 
sagendes  Nachschlagewerk  für  den  praktischen  Arzt  zu  bilden 
erfüllen.  Wir  wünschen  der  IV.  Auflage  den  verdienten  un¬ 
verminderten  Erfolg  bei  der  Aerzteschaft.  veraienten’  1111 

das  Über  d'eu  deutschen  Schutzgebiete  für 

uas  Jahr  1904/ 0a.  Herausgegeben  von  der  Kolonialabteilung 
des  auswärtigen  Amtes.  Berlin  1907.  Ernst  Siegfried  Mittler 
&  S  o  h  n,  Kochstr.  68-71.  269  S.  Preis  7.50  M 

Wie  im  Vorjahre  bringt  auch  heuer  der  dankbar  begrüsste 
Belicht  zuverlässige,  planmässig  zusammengestellte  Daten 
"Sr. Je  Gestaltung  des  Sanitätsdienstes  in  unsern  Schutz- 
gcbictcn,  über  die  Bestrebungen  und  Erfolge  seiner  Organe 

Mhres  1904/05en  Qesundheitszustand  während  des  Berichts- 

ripr  p1  Ostafrika  zeigt  sich  im  allgemeinen  eine  starke  Zunahme 
der  Frequenzziffern  der  Krankenhäuser,  die  zum  Teil  auf  die 
Zunahme  der  Bevölkerung,  zum  Teil  auf  das  wachsende  Zu- 
ti auen  der  Eingeborenen,  zum  Teil  jedoch  auf  höhere  Erkran- 
kungsziffern  (Malaria  der  Europäer  1903/04  51,3  Proz.,  1904/05 
Kn  ' °k'  ZUrUuCkz^uhLen, lst  Bemerkenswert  ist  der  Bericht 
n  “  1  ik  Utrr  d'e  Malaria  der  eingeborenen  Bevölkerung 
aressalams.  Die  Pestherde  im  Innern  zeigten  nachlassende 
Eikiankungsztffern.  Es  gelang  wiederum,  die  Einschleppung 
du  I  est  von  aussen  in  das  Küstengebiet  zu  verhindern  Di? 
Dürchmipfung  der  Eingeborenen  wurde  sicherer  organisiert 
Die  Eröffnung  des  Lienhardt-Sanatoriums  zu Wuguri  "n  den 
Mat  um  bi  bei  gen  bedeutete  einen  dankenswerten  Fortschritt 
fc.ne  etwas  weitgehende  Kasuistik  lässt  den  Ostafrika  ge¬ 


widmeten  Teil  ein  Drittel  des  ganzen'  Buches  einnehmen. 
Kamerun  zeigte  im  allgemeinen  eine  leichte  Abnahme  der 
Krankheits-  und  Todesziffern;  allerdings  mehrten  sich  die 
Schwarzwasserfieber  in  Duala  wieder.  Das  Sanatorium  Suel- 
laba  wurde  gern  in  Anspruch  genommen  und  wirkte  segens¬ 
reich.  Auch  in  Togo  war  der  Gesundheitszustand  günstig;  das 
erfreuliche  Bild  wurde  nur  durch  zwei  schwarze  Punkte  ge¬ 
stört,  einerseits  die  hohe  Krankheitsziffer  (Malaria,  Dysenterie 
und  Beriberi)  der  kriegsgefangenen  Hottentotten  —  wieviel 
nach  Lome  gebracht  wurden,  verschweigt  der  Bericht  —  an¬ 
dererseits  das  Auftreten  von  Gelbfieberfällen  in  Anecho,  einge¬ 
schleppt  aus  dem  benachbarten  französischen  Gebiet.  Erfreu-' 
lieh  für  den  Stand  des  deutschen  Sanitätsdienstes  ist  der  an¬ 
haltende  Zulauf,  den  das  Nachtigalkrankenhaus  aus  dem  be¬ 
nachbarten  französischen  Gebiet  geniesst.  Der  Impfdienst 
Togos,  sowie  die  Lymphgewinnung  ist  dank  den  Bemühungen 
Külz’  vorbildlich. 

Auch  in  diesem  Jahr  liegt  statt  eines  Jahresberichtes  über 
Südwestafrika  wegen  der  daselbst  noch  bestehenden  Unruhen 
nur  ein  Verzeichnis  der  im  Jahre  1904  gestorbenen  Weissen 
vor.  Die  Gefallenen  und  Ermordeten  nehmen  unter  den  152 
Todesfällen  einen  breiten  Raum  ein. 

In  Deutsch  Neuguinea  mit  den  angrenzenden  Gebieten 
waren  nach  wie  vor  die  Malariaerkrankungen  ausschlaggebend 
für  den  Gesundheitszustand.  Im  nordwestlichen  Zipfel  Neu- 
Mecklenburgs  wurde  Käwieng  zum  ersten  Mal  dauernd  mit 
einem  Arzt  besetzt;  nach  seinem  ausführlichen  Bericht  scheint 
die  Station  zu  den  gesunderen  Gegenden  des  Schutzgebietes 
zu  gehören. 

Die  Berichte  über  die  kleineren  deutschen  Inseln  der  Siid- 
sec  erwähnen  fast  überall  eine  Influenzaepidemie  mit  zum  Teil 
schweren  Eolgekrankheiten,  zeigen  im  übrigen  keine  wesent¬ 
lichen  Aenderungen  im  Gesundheitszustand. 

Die  Uebersichtlichkeit  und  damit  der  Wert  des  Jahres¬ 
berichtes  würde  sich  durch  eine  sämtlichen  Einzelberichten  zu 
gebende  gleichmässige  Anlage  und  durch  Vermeidung  der  sehr 
stark  ausgeprägten  Ungleichmässigkeit  der  Ausführlichkeit 
wesentlich  heben  lassen.  zur  V  e  r  t  h  -  Berlin. 


uas  Gesundheitswesen  des  Preussischen  Staates  im 
Jahre  1905,  bearbeitet  von  der  Medizinalabteilung  des  Mini¬ 
steriums.  Berlin  1907.  Richard  S  c  h  ö  t  z.  521  Seiten  und 
48  Seiten  Tabellen.  14  Mk. 

Der  diesjährige  vergrösserte  preussische  Sanitätsbericht 
bringt  wieder  reichhaltige  Angaben,  welche  die  weiteste  Ver¬ 
breitung  verdienen,  über  die  Gesundheitszustände  des  Landes 
und  alle  Zweige  der  Verwaltung.  In  Bezug  auf  manche  Ver¬ 
hältnisse  kann  auf  die  Besprechung  früherer  Jahrgänge  ver¬ 
wiesen  werden,  so  hinsichtlich  der  immer  noch  wenig  ge- 
besserten  Leichenschau;  in  anderen  Beziehungen  sind  auch 
dieses  Jahr  erfreuliche  Fortschritte  zu  verzeichnen 

Bewegung  der  Bevölkerung.  Auf  1000  Lebende  kamefi  36  5  Le¬ 
bendgeborene,  erheblich  weniger  als  in  den  4  Vorjahren.  Da  an- 
dTÄdLe  Sterblichkeit  höher  war,  als  im  Vorjahre,  nämlich  19,8 
aut  1000  Lebende,  so  war  der  natürliche  Zuwachs  der  Bevölkerung 
d.  h.  der  Ueberschuss  der  Zahl  der  Lebendgeborenen  über  die  der 
Gestorbenen  im  Berichtsjahre  bedeutend  geringer  als  in  den  4  Vor¬ 
jahren. 

ofr  .Auf  l00p  Kinder  im  ersten  Lebensjahre  starben  230  gegenüber 
246  im  Durchschnitte  der  Jahre  1881  bis  1900.  Auf  je  1000  Lebend- 
geborene  kamen  198  im  ersten  Lebensjahre  Gestorbene.  So  hoch  diese 

wotalahre  ?9M  25‘b  starten.^  imnKrhi"  We"iser'  a,S  in  Bavenl- 

Bezüglich  des  nun  inkraftgetretenen  Gesetzes  zur  B  e  - 
ul™P!,Ung  ubTer  tragbar  er  Krankheiten  ist  hervorzu- 
licben  dass  von  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulose  wenigstens  jeder 
Todesfall  anzuzeigen  ist,  leider  nicht,  wie  der  Entwurf  bestimmte 
auch  jeder  Wohnungswechsel  eines  Tuberkulösen.  Während  nach 
dem  Reichsgesetze  eine  Absonderung  für  kranke,  krankheits-  und 
ansteckungsverdachtige  Personen  angeordnet  werden  kann,  ist  dies 
nach  dem  preussischen  Gesetz  für  nur  ansteckungsverdächtige,  also 
z:  ’?*  Evphusbazillen  träger  nicht  vorgesehen.  Ein  bedauerlicher  so¬ 
ziale!  Mangel  des  Gesetzes  ist  es  ferner,  dass  es  den  Abgesonderten 
peJ.nJr  Entschädigung  für  entgangenen  Arbeitsverdienst,  wie  das 
ReiJisgesetz  gewahrt  und  ganz  dasselbe  ist  der  Eall  betreffs  Ent- 
sc  uidigung  bei  Verlusten  durch  die  polizeilich  angeordnete  Des- 
wiihrt00’  WC  chc  nur  die  Reichsgesetzgebung  in  liberaler  Weise  ge- 

Einzelne  Krankheiten.  Die  Wurmkrankheit  hat  infolge  der 
gegen  sie  ergriffenen  Massregeln  eine  erfreuliche  Abnahme  erfahren. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1949 


Von  Cholera  wurden  212  Erkrankungen  und  85  Todesfälle 
bekannt.  Es  ist  in  erster  Linie  der  sorgfältigen  Ueberwachung  des 
Schiffahrtsverkehrs  zu  danken,  wenn  es  nicht  zu  einer  Epidemie  ge¬ 
kommen  ist.  Der  Schwerpunkt  der  Cholerabekämpfung  sei  aller¬ 
dings  in  die  einzelnen  Orte  zu  verlegen. 

Einheimischer  Brechdurchfall.  Die  Erkrankungen 
und  Todesfälle  waren  auffallend  häufig,  besonders  in  den  östlichen 
Kreisen.  Die  Bestrebungen  der  Aerzte,  die  Mütter  der  Neugeborenen 
möglichst  zum  Selbststillen  anzuhalten,  haben  vielfach  schon  gute  Er¬ 
folge  gehabt.  In  den  Regierungsbezirken  Potsdam,  Lüneburg  und 
Aachen  ist  das  Selbststillen  (wieder?)  zur  Regel  geworden. 

Die  T  y  p  h  u  s  Sterblichkeit  scheint  seit  4  Jahren  ziemlich  gleich 
geblieben  zu  sein;  sie  erscheint  aber  nur  noch  als  ein  Drittel  oder 
Viertel  derjenigen  der  80  er  Jahre.  Im  allgemeinen  ist  sie  am  grössten 
im  Osten.  Standesamtlich  sind  2730,  sanitätspolizeilich  2060  (!)  To¬ 
desfälle  angemeldet  worden,  —  alle  diese  Zahlen  sind  recht  un¬ 
zuverlässig.  Die  Einzelberichte  wiederholen  ziemlich  die  Erfahrungen 
über  Typhusätiologie,  welche  in  früheren  Jahresberichten  veröffent¬ 
licht  worden  waren.  Aus  den  einzelnen  Berichten  sei  Folgendes 
angeführt.  Eine  Reihe  von  zweifelhaften  Fällen,  die  zum  Teil  an¬ 
fänglich  gar  nicht  einmal  den  Verdacht  auf  Typhus  erweckten,  son¬ 
dern  als  Influenza  usw.  aufgefasst  wurden,  sind  erst  durch  die  bak¬ 
teriologische  Untersuchung  erkannt  worden;  dagegen  hatten  in  Gum¬ 
binnen  von  100  Blutuntersuchungen  bei  klinisch  als  Typhus  ange¬ 
sprochenen  Erkrankungen  12  ein  negatives  Resultat.  Wiederholt 
wird  geklagt,  dass  das  negative  bakteriologische  Untersuchungs¬ 
ergebnis  nicht  mit  der  klinischen  Diagnose  übereinstimmte.  Zur 
wichtigen  Frage  der  Bazillenträger  sei  erwähnt,  dass  im  Reg.-Bez. 
Coblenz  23,  in  Trier  70  aufgefunden  wurden.  Von  den  erstgenannten 
gingen  82  weitere  Erkrankungen  aus  und  nur  2  oder  3  sind  nach 
Monaten  sicher  geheilt  worden,  die  Ausscheidung  von  Bazillen  fand 
in  2  Fällen  9  und  21  Jahre  nach  durchgemachtem  Typhus  statt.  Dass 
diese  Bazillenträger  in  vielen  Fällen  das  anhaltende  Vorkommen  von 
Typhus  in  einzelnen  Häusern  und  Orten  erklären  können,  ist  unbe¬ 
streitbar;  dass  sie  es  aber  nicht  immer  erklären,  geht  z.  B.  aus  dem 
Berichte  von  Hildesheim  hervor,  wo  vereinzelte  sogen.  Typhushäuser 
beobachtet  wurden,  chronische  Bazillenträger  aber  trotz  der  nach 
dieser  Richtung  angestellten  Untersuchungen  im  Bezirke  nicht  ent¬ 
deckt  werden  konnten,  und  die  gleiche  Erfahrung  wurde  in  den 
Kreisen  Uslar  und  Lüchow  gemacht. 

In  erster  Linie  werden  die  Ansteckungen  auf  verseuchtes  Trink¬ 
wasser  zurückgeführt,  wenn  auch  kein  Nachweis  von  Bazillen  im 
Wasser  berichtet  wurde,  ausser  dem  von  Paratyphusbazillen  in  einem 
Brunnenwasser.  Auch  das  Badewasser  wird  in  mehrfachen  Fällen 
als  Ursache  der  Werterverbreitung  angeführt.  In  der  Irrenanstalt 
Göttingen  soll  eine  Badewanne  die  Krankheit  übertragen  haben. 
Mehrfach  wird  auch  u.  a.  Fleisch  als  Ursache  vermutet,  wie  in  zwei 
Epidemien,  welche  in  Kundenkreisen  von  Schlächtereien  auftraten. 

Für  die  Weiterverbreitung  ist  zumeist  wieder  Uebertragung  durch 
Kontakt  verantwortlich  zu  machen,  so  bei  zahlreichen  Erkrankungen 
von  Pflegepersonal.  Mehrere  Erkrankungen  in  zwei  Kreisen  wurden 
auf  Ansteckung  durch  Berliner  Müll  zurückgeführt. 

Bemerkenswert  sind  sehr  zahlreiche  Erkrankungen  an  Brech¬ 
durchfall  im  Spreewalde,  die  in  ihrem  Verlaufe  vielfach  der  Cholera 
glichen  und  binnen  wenigen  Tagen,  oft  innerhalb  24  bis  48  Stunden 
nicht  nur  bei  Kindern,  sondern  auch  bei  Erwachsenen  zum  Tode 
führten  und  bei  welchen  es  sich,  wenigstens  zum  Teil  um  eine 
Epidemie  von  Paratyphus  handelte. 

Sichere  Fälle  von  El  eckfieber  wurden  24  mit  4  Todes¬ 
fällen,  von  Ruhr  (unvollständig)  849  Erkrankungen  sanitätspoli¬ 
zeilich  gemeldet.  Nach  den  standesamtlichen  Angaben,  welche  zu 
hoch  sind,  wären  282  Personen  an  Ruhr  gestorben.  Bei  Haus¬ 
epidemien,  namentlich,  in  Irrenanstalten,  wurde  der  Einfluss  von  Ba¬ 
zillenträgern  angenommen. 

So  wertvoll  die  Bekämpfung  des  Trachoms,  der  Körner¬ 
krankheit,  bisher  gewesen  ist,  lässt  doch  die  Herabminderung  der 
Krankheit  noch  viel  zu  wünschen  übrig;  so  bildet  für  den  Reg.-Bez. 
Düsseldorf  die  Granulöse  wegen  des  starken  Zugangs  von  Arbeitern 
aus  dem  Osten  eine  ständige  und  langsam  wachsende  Gefahr;  in 
manchen  Kreisen  ist  schon  eine  recht  erhebliche  Anzahl  von  Fällen 
festgestellt  worden. 

Das  Berichtsjahr  war  ausgezeichnet  durch  ein  bis  dahin  in 
Preussen  noch  nicht  beobachtetes  ausgedehntes  epidemisches  Auf¬ 
treten  der  übertragbaren  Genickstarre.  Es  war  vor  allem  der  Reg.- 
Bez.  Oppeln,  in  dem  sich  eine  sehr  umfangreiche  Epidemie  ent¬ 
wickelte.  Im  ganzen  Staate  wurden,  bei  Abzug  der  irrig  ange¬ 
meldeten,  3764  Erkrankungen,  wovon  2587  oder  "la  mit  dem  Tode 
endigten,  gegen  135  im  Vorjahre  gemeldet.  Nur  1h  der  Fälle  kam 
ausserhalb  Schlesiens  vor;  84  Proz.  der  Fälle  betrafen  Kinder  und 
2la  der  Erkrankungen  fielen  auf  die  Monate  März  bis  Mai. 

Von  Pocken  kamen  77  Erkrankungen  und  11  Todesfälle  zur 
amtlichen  Kenntnis.  Die  Entziehungen  von  der  Impfung  sind  an 
manchen  Orten  noch  recht  beträchtlich;  z.  B.  sind  in  der  Stadt  Köln 
noch  1860  Impfpflichtige  von  der  Impfung  ferngeblieben.  Vorwiegend 
waren  bei  der  Impfung  nichtbeamtete  Aerzte  tätig.  Es  werden  noch 
verschiedene  Mängel  bei  den  Impfungen,  auch  seitens  der  Aerzte, 
gerügt.  Von  den  138  Erkrankungen  an  Tetanus  endeten  94  mit 


dem  Tode.  In  einer  Krankenanstalt  in  Düsseldorf  kamen  im  An¬ 
schluss  an  einen  von  auswärts  eingelieferten  Fall  noch  6  weitere  vor. 

Syphilis.  Im  grossen  Berliner  üewerkkrankenverein  sind, 
bei  einer  Mitgliederzahl  von  152  185  am  1.  Januar  12  066  an  Tripper 
und  Syphilis,  also  7V. 2  Proz.  erkrankt.  Die  Zahl  der  Individuen, 
welche  im  Laufe  des  Jahres  Mitglieder  waren,  war  natürlich  grösser 
als  jene  Zahl  am  1.  Januar;  auf  sie  berechnet  wäre  die  Prozentzahl 
der  Erkrankungen  etwas  geringer.  Wenn  man  aber  bedenkt,  wie 
viele  von  den  anderen  92'V! 3  Proz.,  welche  in  diesem  Jahre  nicht 
erkrankten,  wohl  in  einem  früheren  oder  späteren  Lebensjahre  ange¬ 
steckt  wurden,  so  wird  man  immerhin  schliessen  müssen,  dass  die 
Zahl  der  überhaupt  einmal  während  ihres  Lebens  an  Syphilis  In¬ 
fizierten  auch  in  diesen  Berliner  Schichten  sehr  hoch  sein  muss.  (Ref.) 

K  i  n  d  b  e  1 1  f  i  e  !b  e  r.  Die  relative  Sterblichkeit  nimmt  nach 
den  standesamtlichen  Berichten  auf  dem  Lande  ab;  sie  ist  hier  31 
auf  10  000  Entbundene  gegen  48  im  Jahre  1890.  In  den  Städten  hat 
sie  aber  seit  1898  wieder  anhaltend  zugenommen,  was  wohl  mit  den 
in  den  Städten  weitaus  häufigeren  kriminellen  Aborten  Zusammen¬ 
hänge,  weshalb  auch  Berlin  an  der  Spitze  stehe. 


Diphtherie.  Die  weitere  Abnahme  der  Sterblichkeit,  jetzt 
etwa  noch  !4  der  vor  11  Jahren,  wird  direkt  auf  die  ständig  zu¬ 
nehmende  Anwendung  des  Serums  bezogen.  Auch  für  diese  Krankheit 
wird  den  Bazillenträgern  grosse  Bedeutung  zugeschrieben.  In  einer 
Ortschaft  erfolgte  die  Uebertragung  und  Weiterverbreitung  aus  einer 
Schule  durch  eine  Krankenschwester,  welche  mit  der  in  einer  Spiel¬ 
schule  wohnenden  Schulschwester  die  Wohnung  teilte.  Schutz¬ 
impfungen  wurden  häufiger  mit  Erfolg  vorgenommen  und  werden  noch 
viel  allgemeiner  empfohlen,  da  irgendwelche  Schädigungen  durch  das 
Serum  von  keinem  Berichterstatter  erwähnt  werden.  An  Diphtherie 
starben  auf  10  000  Lebende  3,3,  an  Scharlach  2,  an  Masern  1,7, 
an  Keuchhusten  3,6,  an  Tuberkulose  aber  19,1.  Die  Ab¬ 
nahme  der  Sterblichkeit  an  dieser  war  im  Berichtsjahre  gering.  Ein 
zutreffendes  Bild  ihrer  Sterblichkeit  wird  im  allgemeinen  erst  in  den 
nächsten  Jahresberichten  zu  erwarten  sein,  nach  Einführung  der  An- 
zcigepflicht  für  Todesfälle  an  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulose. 

Tollwut.  Von  368  durch  verdächtige  Hunde  Verletzten  star¬ 
ben  11,  und  davon  nur  3  nach  erfolgter  Schutzimpfung.  Die  Zahlen 
zeigen  wieder  das  hohe  Mass  von  Schutz,  welchen  die  Impfung 
nach  Pasteur  gewährt. 

Wohnungen.  Es  wird  eine  langsame,  doch  stetige  Verbesse¬ 
rung  der  Zustände  gemeldet.  Bauvereine  und  Genossenschaften  ver- 
anlassten  viele  Hausbesitzer  zu  Verbesserungen  und  infolgedessen 
sanken  die  Preise  anderer  Mietswohnungen.  Ref.  möchte  dies  be¬ 
sonders  hervorheben,  denn  neuerdings  werden  wieder  manchester- 
liche  Lehren  gerade  in  der  Wohnungsfrage  lebhaft  verkündigt,  z.  B. 
durch  Gemünd:  „ob  die  Preise  der  Kleinwohnungen  durch  irgend¬ 
welche  Massnahmen  herabgesetzt  werden  können,  sei  fraglich“. 
Uebrigens  widerlegen  schon  die  Klagen  der  Hausbesitzer  gegen  die 
Bauvereine  diese  Lehren. 

Wasserversorgung.  Es  wird  noch  Jahrzehnte  dauern, 
ehe  durchweg  zufriedenstellende  Verhältnisse  herrschen  werden, 
ln  Berlin  führt  der  grösste  Teil  der  Wasserleitung  jetzt  völlig 
zweifelfreies  enteisenetes  Grundwasser.  Nur  noch  ein  Teil  des 
Müggelseewerkes,  der  aber  auch  in  Bälde  umgearbeitet  werden  wird, 
entnimmt  sein  Wasser  dem  Müggelsee.  Oberflächenwasserleitungen 
wurden  abgesehen  von  Versorgung  mit  Talsperrenwasser  nicht  mehr 
angelegt. 

Die  Schwierigkeiten  der  tadellosen  Abfuhr  der  Exkremente 
usw.  zeigt  sich  trotz  der  stattfindenden  Verbesserungen  namentlich 
in  den  vielen  Klagen  über  mangelhaft  arbeitende  Klärbecken,  denen 
nur  wenige  Fälle  guten  Funktionierens  gegenüberstehen.  Ueber 
Müllabfuhr  wird  gesagt:  wenngleich  die  Frage  für  die  grossen 
Städte  noch  immer  nicht  gelöst  ist,  so  ermutigen  doch  die  mit  den 
Müllverbrennungsanlagen  gemachten  guten  Erfahrungen  zu  weiteren 
Versuchen.  —  Ebenso  mangelhaft  wie  die  Reinigung  menschlicher  Ab¬ 
wässer  ist  auch  an  vielen  Orten  noch  die  der  Abwässer  von  Fabriken 
und  Gewerben.  Die  wachsende  Verunreinigung  des  Mains  und 
Rheins  durch  die  Abwässer  der  zahlreichen  chemischen  Industrie¬ 
anlagen  ist  so  gross,  dass  die  Notwendigkeit  der  Beseitigung  der  un¬ 


haltbaren  Zustände  nicht  mehr  abzuweisen  sei. 

Nahrungsmittel.  Missstände  finden  sich  namentlich  noch  in  den 
Sammelmolkereien,  besonders  infolge  mangelnder  Reinlichkeit  und 
Verwendung  hygienisch  zu  verwerfenden  Wassers.  Pasteurisierungs- 
apparate  werden  in  immer  grösserer  Zahl  eingeführt,  aber  die  vor¬ 
handenen  werden  häufig  nicht  oder  ungenügend  benützt.  Selbst  in 
Sanitätsmolkereien“  diente  der  Flaschenspiilraum  nebenbei  auch  als 
Waschküche.  Die  Kontrolle  des  Milchverkehrs  müsse  noch  erheblich 
verschärft  werden.  In  den  Bäckereien  findet  sich  häufig  noch  1111- 
glaublicher  Schmutz.  —  Von  Verfälschungen  von  Nahrungsmitteln 
kommen  zahlreich  namentlich  solche  von  Kakao  und  Schokoladen, 
Fruchtsäften,  dann  von  Wein  und  sog.  Malzbieren  vor. 

Alkoholismus.  Die  Zahl  der  Sterbefälle  an  Säuferwahn¬ 
sinn  hat  noch  kaum  abgenommen;  dagegen  wird  doch  aus  der  über¬ 
wiegenden  Zahl  der  Regierungsbezirke  berichtet,  dass  die  Verhält¬ 
nisse  sich  zu  bessern  beginnen. 

Die  in  den  letzten  5  Jahren  durchgefuhrte,  nun  beendigte  Be¬ 
sichtigung  aller  Schulen  durch  die  Kreisärzte  hat  allgemein  R'9S!JL 
Fortschritte  veranlasst.  Zahllose  grössere  und  kleinere  Missstande 


1950 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  59. 


— 


wurden  behoben.  Indessen  wird  von  allen  Seiten  betont,  dass  noch 
sehr  viel  zu  tun  übrig  bleibe. 

Gewerbeaufsicht.  Uebereinstimmend  wird  von  allen  Berichten 
hervorgehoben,  dass  die  Kreisärzte  grundsätzlich  zur  Gewerbeauf¬ 
sicht  fast  nur  bei  Neukonzessionierung  von  Anlagen  herangezogen 
werden.  Ein  Zusammenarbeiten  von  Medizinal-  und  Gewerbebeamten 
ist  die  Ausnahme.  (Um  so  berechtigter  ist  das  ärztliche  Verlangen 
nach  Anstellung  von  Aerzten  als  Fabrikinspektoren.  Ref.)  Die  Zahl 
der  Kinder  unter  14  Jahren  hat  ein  wenig  abgenommen,  dagegen  die 
der  jugendlichen  Arbeiter  zwischen  14  und  16  Jahren  ansehnlich  zu¬ 
genommen.  Die  Arbeitszeit  wurde  vielfach  freiwillig  herabgesetzt, 
so  in  Berlin  in  zahlreichen  Betrieben  auf  8 — 9  Stunden,  im  R.-B. 
Potsdam  von  9 Vs  auf  8Y2  Stunden  und  man  hat  dabei  günstige  Er¬ 
fahrungen  gemacht.  Eine  Isoliermittelfabrik  hat  unter  Einhaltung 
derselben  Akkordsätze  und  bei  Gleichbleiben  der  Arbeitsleistung  die 
Zeit  sogar  von  8  auf  7  Stunden  herabgesetzt.  Sehr  schlimm  sind  da¬ 
gegen  z.  T.  die  Verhältnisse  der  Kinder,  welche  zur  Heimarbeit  be¬ 
nützt  werden.  In  Berlin  liess  sich  in  einzelnen  Fällen  nachweisen, 
dass  Kinder  unter  12,  sogar  unter  10  Jahren  täglich  8,  in  den 
„Ferien“  sogar  10  Stunden  arbeiten  mussten.  Die  Durchführung  des 
Kinderschutzgesetzes  lasse  noch  viel  zu  wünschen  übrig. 

Verhältnismässig  noch  recht  häufig  sind  Bleivergiftungen,  z.  B. 
im  R.-B.  Oppeln  unter  den  Bleihüttenarbeitern  allein  177  Fälle  von 
Bleikolik,  aber  auch  durch  fertige  Bleipräparate,  so  in  Emaillier-, 
Tonwaren-,  Ofen-  und  Akkumulatorenfabrilken  usw. 

Sehr  anerkennenswert,  aber  nicht  immer  anerkannt  sind  da¬ 
gegen  die  vielfachen  Wohlfahrtseinrichtungen  von  Arbeitgebern:  Er¬ 
holungsräume,  die  bisweilen  ganz  unentgeltliche  Verabreichung  von 
alkoholfreien  Getränken,  Haushaltungsschulen,  Büchereien,  Bäder, 
Kinderheime,  Urlaub  mit  Fortbezahlung  des  Lohnes,  Lieferung  billiger 
Nahrungsmittel  usw. 

Die  Krankenhäuser  der  kleineren  Städte  lassen  bezüglich  der 
Desinfektionsvorrichtungen  und  namentlich  der  Isolierungsmöglich¬ 
keit  noch  zu  wünschen  übrig.  (Es  ist  dies  begreiflich,  wenn  man 
noch  neulich  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  sogar  von  dem  Kran¬ 
kenhause  einer  durch  ihre  Anstalten  berühmten  Grossstadt  lesen 
konnte,  dass  im  gleichen  Krankensaale  neben  anderen  auch  2  an 
hereditärer  Syphilis  leidende  Kinder  verpflegt  wurden.)  Die  katho¬ 
lischen  Krankenschwestern  in  Cleve  leisteten  passiven  Widerstand 
gegen  die  strenge  Isolierung  übertragbarer  Krankheiten.  Die  vielen 
von  einzelnen  Konfessionen  errichteten  Anstalten  erwecken  den 
Eindruck,  als  ob  Staat  und  Gemeinde  noch  nicht  überall  ihre  volle 
Pflicht  tun.  (Ref.)  —  Die  Beaufsichtigung  der  in  Familien  untergebrachten 
Geisteskranken  scheint  noch  recht  mangelhaft  zu  sein  und  selbst  die 
Aufnahme  Geisteskranker  in  Privatirrenanstalten  erfolgte  häufig  ohne 
ein  amtsärztliches  Zeugnis,  z.  B.  in  Oppeln,  Düsseldorf.  Im  R.-B. 
Breslau  mit  über  800  evangelischen  und  katholischen  Schwestern 
wird  seitens  der  Aerzte  geklagt,  dass  diese  auf  den  Pflegestationen 
Kurpfuscherei  treiben,  so  dass  die  Kreisärzte  angewiesen  wurden, 
diese  Stationen  zu  revidieren. 

Haltekinder.  Die  nun  eingeführte  bessere  und  ausge¬ 
dehntere  Beaufsichtigung,  neben  der  früheren  durch  die  Kreisärzte 
„gelegentlich  der  Ortsbesichtigungen“,  trägt  ihre  Früchte.  In  der 
Stadt  Königsberg  ist  z.  B.  seit  Einführung  der  Aufsicht  durch 
Waisenpflegerinnen  die  Sterblichkeit  der  unehelichen  Säuglinge  um 
nahezu  Vs  gefallen.  Eine  Generalvormundschaft  für  uneheliche  Kinder 
wurde  aber  erst  in  einigen  Städten  des  R.-B.  Frankfurt  a.  O.,  dann 
in  Posen  eingeführt. 

Der  Bericht  über  die  Gefängnisse  ist  kurz;  es  sind  nicht 
einmal  die  absoluten  Zahlen  aller  Gestorbenen  angeführt,  doch 
scheinen  die  Gesundheitsverhältnisse  ziemlich  gut  zu  sein.  In  den 
Strafanstalten  starben  0,8  Proz.  (wie  berechnet?).  Berechnet  man 
auf  die  Durchschnittsbevölkerung,  so  starben  an  Tuberkulose  0,55 
der  Männer,  0,4  der  Frauen. 

Bäder.  Immer  weitere  Bevölkerungskreise  überzeugen  sich 
endlich  vom  gesundheitlichen  Nutzen  des  Badens.  Verhältnismässig 
am  meisten  Ausstellungen  waren  bei  den  Fluss-  und  Seebadeanstal¬ 
ten  zu  machen,  da  die  Flüsse  und  Seen  so  vielfach  bedenkliche  Zu¬ 
flüsse  erhalten.  Mehrere  Badeanstalten  mussten  geschlossen  werden, 
weil  I  yphuserkrankungen,  in  4  Regierungsbezirken,  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  auf  sie  zurückzuführen  waren. 

Leichenwesen.  Es  wurden  infolge  eines  Ministerialerlasses 
Erhebungen  darüber  angestellt,  in  welchem  Umfange  gewerbsmässige 
Leichenträger  eine  Nebenbeschäftigung  im  Nahrungs-  oder  Genuss¬ 
mittelverkehr  ausüben.  Diese  Zahl  ist  ziemlich  gross,  so  in  Wands¬ 
beck  24  von  39  Trägern;  doch  konnte  nur  in  1  Fälle  in  Breslau,  wo 
sich  ein  erst  15  Jahre  alter  Leichenträger  an  einer  Scharlachleiche 
infiziert  hatte,  dadurch  erfolgte  Verbreitung  einer  ansteckenden 
Krankheit  ermittelt  werden.  Immerhin  ist  diese  Doppelbeschäftigung 
gefährlich  und  die  Desinfektion  der  betreffenden  Personen  wichtig. 

Kurpfuscher  sind  6157  angemeldet  —  ohne  die  nicht  an¬ 
gemeldeten.  Wie  viel  Unheil  müssen  dieselben  noch  jahraus  jahrein 
anrichten,  bis  einmal  entschieden  gegen  diesen  Landschaden  ein¬ 
geschritten  wird?  Karl  K  0  1  b  -  München. 


Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  Heilkunde.  Herausgegeben  von  Kretz 
in  Wien.  XXVIII.  Bd.  (Neue  Folge,  VIII.  Bd.)  Jahrg.  1907. 
Heft  8. 

1)  Pal:  Paroxysmale  Hochspannungsdyspnoe.  (Schluss.) 

Hochspannungskrisen  oder  pressorische  Gefässkrisen  nennt  Ver¬ 
fasser  Zustände,  bei  denen  es  auf  der  Höhe  der  Gefässspannung  zu 
paroxysmalen  Atmungsstörungen  kommt.  Er  unterscheidet  kardiale, 
deren  Ursache  arterielle  Hochstauung  im  linken  Ventrikel  ist,  und 
solche,  zu  denen  sich  zerebrale  Symptome  (Kopfschmerzen,  Er¬ 
brechen  usw.)  mit  subjektiv  starker  Atemnot  und  sehr  frequenter 
Atmung  ohne  eigentliches  Asthma  gesellen.  Herabsetzung  der  Ge¬ 
fässspannung  hebt  beide  Arten  von  Störungen  auf.  Die  Hochspannung 
ist  also  das  Ursächliche  und  Wesentliche  in  den  Erscheinungs¬ 
komplexen. 

Auf  die  Spannungsherabsetzung  reagiert  der  Gesamtorganismus 
in  beiden  Formen  verschieden.  Die  kardialasthmatischen  Beschwer¬ 
den  sanken  nach  einem  Aderlässe  fast  zugleich  mit  der  Spannung 
im  Gefässystem.  In  den  zerebralen  Fällen  dagegen  folgte  die  Besse¬ 
rung  der  Atmungserscheinungen  erst  allmählich  nach,  während  sie 
durch  eine  Lumbalpunktion  sofort  erzielt  wurde.  Der  Blutdruck 
wurde  in  diesen  Fällen  durch  die  Herabsetzung  des  Liquordruckes 
fast  gar  nicht  beeinflusst,  isodass  die  aus  der  Hochspannung  sich  sonst 
ergebenden  Störungen  in  gleicher  Weise  fortdauerten. 

Die  gemachten  Beobachtungen  trafen  ebenso  bei  den  Gefässkrisen 
der  Nephritiker  wie  der  Arteriosklerotiker  zu.  Es  können  sich  also 
gewisse,  in  verschiedenen  Krankheiten  auftretende  gleichartige  Er¬ 
scheinungskomplexe  auf  denselben  Grundlagen  aufbauen.  Dem  als 
akut  bezeichnten  urämischen  Symptomenkomplex  liegt  eine  Hoch¬ 
spannungskrise  des  Nephritikers  zu  gründe,  wobei  die  toxische  Ge¬ 
nese  der  vasomotorischen  Erscheinungen  nicht  tangiert  wird. 

2)  Jaschke:  Ueber  die  diagnostische  und  prognostische  Be¬ 
deutung  der  Pulsdruckmessung,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Pulsdruckamplitude.  (Aus  der  M  ii  1 1  e  r  sehen  Klinik  in  München.) 

Die  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  dem  Wert,  den  die  moderne  Blut¬ 
druckuntersuchung  für  die  Klinik  gewonnen  hat.  Diese  Untersuchung 
gliedert  sich  in  die  Bestimmung  des  Pulsdruckes,  dessen  Maximum 
gleich  ist  dem  systolischen  Druck  und  dessen  Minimum  gleich  ist 
dem  diastolischen  Druck,  in  die  Bestimmung  der  Pulsdruckampli¬ 
tude,  welche  gleich  ist  der  Differenz  zwischen  Pulsdruckmaximum 
und  Pulsdruckminimum  und  in  die  Bestimmung  des  Blutdruckquotien¬ 
ten,  welcher  das  Verhältnis  des  Pulsdruckmaximums  zur  Pulsdruck¬ 
amplitude  darstellt,  sowie  in  die  Bestimmung  des  Schlagvolumens  und 
des  Sekundenvolumens. 

Die  Verhältnisse  dieser  Grössen  bei  Nephritis,  Herzkrankheiten, 
Infektionskrankheiten,  Arteriosklerose  werden  erörtert.  Sie  sind  im 
allgemeinen  kompliziert  und  es  bedarf  jedesmal  sorgfältiger  Ueber- 
legung  der  ganzen  Kreislaufphysiologie  und  -pathologie,  wenn  aus  den 
ermittelten  Zahlen  Schlüsse  gezogen  werden  sollen.  Dann  aber  ist 
die  Blutdruckmessung  oft  von  grossem  Wert  für  die  Diagnose  und 
Prognose  der  Kreislaufstörungen.  B  a  n  d  e  1  -  Nürnberg. 

Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie. 

Bd.  X,  Heft  7  u.  8. 

H.  7.  1)  G  0  1  d  s  che  i  d  e  r  -  Berlin:  Ueber  Abgrenzung  und 

Behandlung  der  Herzneurosen,  nebst  einem  Anhang:  Ueber  die  Stim¬ 
mung  und  ihre  Beziehungen  zur  Therapie.  (Nicht  vollendet.) 

2)  Hermann  P  a  u  1 1  -  Karlsruhe:  Ueber  therapeutische  Seereisen. 

(Nicht  vollendet.) 

3)  F.  Parkes  W  e  b  e  r  -  London:  Die  indurativen  Vorgänge  an 
inneren  Organen  in  ihrer  Beziehung  zur  relativen  Ueberernährung. 

Die  höher  differenzierten  Bestandteile,  wie  Parenchymzellen, 
beginnen,  wenn  das  kreisende  Medium  schädliche  Stoffe  wie  bei 
Luxuskonsumption  und  Alkoholismus  enthält,  gewöhnlich  eher  da¬ 
runter  zu  leiden,  als  das  gröbere  Zwischengewebe.  Hand  in  Hand  mit 
der  Atrophie  der  sezernierenden  Bestandteile  beginnt  das  interstitielle 
Gewebe  langsam  zuzunehmen.  Das  empfindlichere  Parenchym  ant¬ 
wortet  auf  eine  Häufung  von  Reizen,  die  für  das  gröbere  Bindegewbe 
Wachstumsförderung  bedeutet,  bereits  mit  atrophischen  Vorgängen. 
Die  Theorie  der  relativen  Ueberreizung  gibt  insbesondere  eine  Er¬ 
klärung  für  die  fibrösen  Vorgänge  im  Greisenalter.  Ueberladen  wir 
alte  oder  vorzeitig  gealterte  Personen  mit  Nahrung,  so  unterstützen 
wir  nicht  allein  das  Wachstum  fibrösen  Gewebes,  sondern  muten  auch 
den  Organzellen  noch  unnütze  Arbeit  zu. 

4)  O.  1  u  s  z  k  a  i  -  Marienbad  und  Ofen-Pest:  Bestrahlungs¬ 
behandlung  durch  Glühlicht  in  der  Frauenheilkunde. 

Verf.  hat  in  vielen  Fällen  chronischer  Exsudate,  Anämie,  Kor¬ 
pulenz  und  Obstipation  die  Lichtbäder  mit  Erfolg  verwendet. 

H.  8.  1)  van  de  W  e  v  e  r  -  Brüssel  und  Wybauw-Spa: 

Ueber  die  Wirkung  der  Stahlwässer  auf  den  Stoffwechsel.  (Aus  dem 
Institut  Solvay  für  Physiologie.) 

Die  Verfasser  kommen  zu  dem  Resultate,  dass  Stahlwässer  die 
Eiweiss-  und  Kohlehydratresorption  im  Darme  beträchtlich  erleichtern 
und  die  Zelltätigkeit  in  den  Geweben  vergrössern,  was  sich  in  der 
relativ  vermehrten  Stickstoffausscheidung  und  in  einer  verminderten 
Bildung  von  Harnsäure  zeigt.  Letztere  Feststellung  erklärt  auch  die 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1951 


tonisierende  Wirkung  von  Stahlwässern  bei  nervösen  und  ge¬ 
schwächten  nicht  anämischen  Patienten. 

G  o  l  d  s  c  h  e  i  d  e  r  -  Berlin:  Ueber  Abgrenzung  und  Behandlung 
der  Herzneurosen  nebst  einem  Anhang:  Ueber  die  Stimmung  und 
ihre  Beziehungen  zur  Therapie.  (Schluss.) 

Zuerst  wird  die  Diagnose  und  das  Wesen  der  Herzneurose  ein¬ 
gehend  erörtert.  Die  meisten  Fälle  sind  mit  einzelnen  anderen  ner¬ 
vösen  Symptomen  kombiniert  oder  finden  sich  neben  allgemeiner 
Neurasthenie;  es  gibt  jedoch  auch  isolierte  Herzneurosen,  dieselben 
sind  vorwiegend  kinetischer  Art;  im  allgemeinen  wird  die  Diagnose 
zu  häufig  gestellt,  indem  namentlich  Arteriosklerose,  besonders  Aorten- 
atheromatose  und  Herzmuskelerkrankungen  verkannt  werden. 
Arrhythmien  erheblichen  Grades  kann  man  auf  Neurasthenie  nicht 
beziehen.  Bei  den  kinetischen  Herzneurosen,  welche  mit  dem  Gefühl 
des  Herzklopfens  und  Herzaussetzens  oder  auch  ohne  dieselben  ein¬ 
hergehen,  kann  eine  Beziehung  zur  Psyche  zunächst  fehlen;  es  ist 
einfach  gesteigerter  motorischer  Erregbarkeitszustand;  es  können  sich 
aber  sekundär  psychische  Begleiterscheinungen  und  Angstzustände, 
Furcht,  herzkrank  zu  sein,  herausbilden  und  sich  Verstimmungen  an- 
schliessen  und  so  reagiert  das  Herz  mehr  und  mehr  auch  auf  seelische 
Vorgänge.  Wie  die  Furcht,  herzkrank  zu  sein,  die  bestehende  Herz¬ 
neurose  steigert,  so  kann  bei  wirklich  Herzkranken  die  Gewissheit, 
herzkrank  zu  sein,  nervöse  Symptome  zur  Folge  haben.  Aetiologie 
und  Behandlung  werden  des  weiteren  ausführlich  behandelt.  Bei 
ersterer  kommen  in  Betracht  konstitutionelle  Gefäss-  und  Herz¬ 
schwäche,  neuropathische  Veranlagung  und  organische  Herzerkran¬ 
kungen;  als  auslösende  Ursachen  sind  Traumen,  Ueberanstrengung, 
Intoxikation  (Tabak,  Kaffee),  Infektionskrankheiten,  Aufregungen,  Ex¬ 
zesse,  besonders  geschlechtliche  Erregungen  ohne  natürliche  Befriedi¬ 
gung  hervorzuheben.  Bei  der  Behandlung  ist  vor  allem  auf  die  Stim¬ 
mung  des  Patienten  günstig  einzuwirken;  denn  dem  Lustgefühl  kommt 
eine  stimulierende,  dem  Unlustgefühl  eine  depressorische  Wirkung 
auf  Muskeltätigkeit,  Gefässystem  und  Atmung  zu.  Gehobene  Stim¬ 
mung  erweckt  aber  auch  Vertrauen  zum  Arzt,  wie  umgekehrt  das 
Vertrauen  die  Stimmung  bessern  kann. 

3)  Hermann  P  a  u  1 1  -  Karlsruhe:  Ueber  therapeutische  Seereisen. 
(Schluss.) 

Die  Heilkräfte,  welche  für  die  Thalassotherapie  vornehmlich  in 
Betracht  kommen,  sind  die  Meerluft,  das  Licht  und  das  Meerwasser. 
Der  wichtigste  Faktor  ist  dabei  die  Luft  mit  ihrem  Freisein  von  Staub 
und  Keimen.  Da  jeder  Küstenbadeort  in  Bezug  auf  die  Luftbeschaffen¬ 
heit  von  der  Windrichtung  (Land-  oder  Seewind)  abhängig  ist,  ge¬ 
nügen  den  Ansprüchen  einer  vollwertigen  Therapie  nur  ganz  kleine, 
weit  von  der  Küste  entfernte  Inseln  oder  Schiffe.  Verfasser  verspricht 
sich  daher  von  der  Errichtung  von  Schiffsanatorlen  grosse  thera¬ 
peutische  Erfolge.  Als  Ersatz  dafür  sind  die  Vergnügungsreisen  der 
Hamburg-Amerikalinie  zu  erwähnen,  die  bei  hartnäckigen  Katarrhen, 
Herzleiden,  nervösem  Kopfweh  zu  empfehlen  sind.  Es  folgen  nähere 
Angaben  über  Klima,  Temperatur-  und  Windverhältnisse,  Nieder¬ 
schläge  bei  winterlichen  Mittelmeerfahrten. 

M.  Wassermann  -München 

Klinisches  Jahrbuch.  17.  Band,  2.  Heft. 

Dieses  Heft  bringt  ausschliesslich  Arbeiten  über  Typhus  und 
dessen  Bekämpfung. 

Frosch  schildert  die  Grundlagen  und  ersten  Erfahrungen  in  der 
modernen  Typhusbekämpfung  und  gibt  eine  zusammenhängende 
Uebersicht  über  die  wissenschaftlichen  Arbeiten,  die  bei  der  vom 
Kultusministerium  veranlassten  Bekämpfung  der  abnormen  Typhus¬ 
verbreitung  im  Regierungsbezirk  Trier  im  Januar  1902  sich  ergeben 
haben.  Es  ergaben  sich  folgende  Hauptmomente.  Die  Kontakt¬ 
infektion  ist  die  verbreitetste  und  gefährlichste  Form  der  Typhus¬ 
verbreitung,  neben  ihr  kommt  die  Verschleppung  mit  der  Milch  des 
Kleinhandels  in  Frage.  Die  in  4  Dörfern  durchgeführte  Koch  sehe 
Bekämpfung  des  Typhus,  deren  Wesen  in  Isolierung  und  Beseitigung 
aller  Typhusbazillenträger  bis  zum  Aufhören  der  Bazillenausscheidung 
besteht,  führte  in  den  4  Dörfern  zum  völligen  Erlöschen  des  Typhus 
und  wurde  deshalb  diese  Art  der  Bekämpfung  über  den  Regierungs¬ 
bezirk  Trier  auf  den  ganzen  Südwesten  des  Reiches  ausgedehnt. 

Die  Arbeiten  von  R  i  m  p  a  u,  Wernicke,  Thomas,  Klein, 
Jaster  bringen  teils  spezielle  Schilderungen  einzelner  Epidemien, 
teils  Berichte  über  hygienische  Untersuchungen. 

Simon  hält  auf  Grund  seiner  Erfahrungen  den  Drigalski- 
C  o  n  r  a  d  i  sehen  Lackmus-Milchzucker-Agar  zur  alleinigen  Anwendung 
in  der  Praxis  nicht  für  geeignet,  weil  er  selbst  zur  günstigsten  Unter¬ 
suchungszeit  (10. — 17.  Krankheitstag)  nur  mit  einer  Wahrscheinlich¬ 
keit  von  1:5  die  Bazillen  nachzuweisen  im  stände  ist.  Er  empfiehlt 
vielmehr  den  Malachitgrünagar  von  Lentz-Tietz  in  Verbindung 
mit  dem  Endo  sehen  Fuchsinagar. 

Kur  pju  weit  konnte  12  mal  unter  100  eingeschickten  Blut¬ 
proben  im  Blutkuchen  Typhusbazillen  nachweisen  und  zieht  daraus 
den  Schluss,  dass  allgemein  der  Blutkuchen  auf  Bazillen  untersucht 
werden  soll,  ferner  dass  alle  Manipulationen,  so  bei  der  Anstellung 
der  Wi  da  Ischen  Reaktion  mit  dem  F  i  c  k  e  r  sehen  Diagnostikum 
mit  der  grössten  Vorsicht  vorzunehmen  sind. 

Conradi  äussert  sich  zur  Frage  der  regionären  Typhus¬ 
immunität  an  der  Hand  der  kritischen  Schilderung  einer  Typhus¬ 
epidemie  in  Ottweiler.  Ein  nachhaltiger  Seuchenschutz  durch  eine 


Trinkwasserepidemie  in  den  Jahren  1891,92  wurde  hier  im  Gegen¬ 
satz  zu  anderen  Erfahrungen  vermisst. 

Der  gleiche  Autor  stellte  Untersuchungen  über  die  Kontagiosität 
des  Typhus  an.  Er  fand  vor  allem,  dass  schon  die  Inkubationszeit  des 
Typhus  ein  Eliminationsstadium  ist,  dass  also  schon  während  des 
Latenzstadiums  eine  Infektion  der  Umgebung  möglich  ist,  dass  ferner 
an  der  Verbreitung  des  Typhus  in  erster  Linie  der  Frischerkrankte 
beteiligt  ist.  Daher  ergibt  sich  die  Notwendigkeit  der  Unterdrückung 
der  Frühkontakte.  Da  ferner  jeder,  der  Typhusbazillen  absondert, 
eine  Gefahr  für  seine  Umgebung  bildet,  ist  das  Ziel  einer  rationellen 
vorbeugenden  Typhusbekämpfung,  eine  Abtötung  der  Bazillen  schon 
im  Frühstadium  im  strömenden  Blut  zu  erzielen,  bevor  es  zu  einer  In¬ 
fektion  der  Gallenblase  gekommen  ist,  nach  Analogie  der  Chinin¬ 
wirkung  bei  Malaria  und  der  Atoxylwirkung  bei  der  Schlafkrankheit. 

Conradi  berichtet  ferner  noch  über  den  gleichzeitigen  Be¬ 
fund  von  Typhus-  und  Paratyphusbazillen  im  Wasser. 

Simon  schildert  einen  Fall  von  Gallenblasenempyem,  bei  dem 
nach  der  Entfernung  der  eiter-  und  steinhaltigen  Gallenblase  eine 
Kontinua  den  Verdacht  auf  Typhus  erweckte.  Die  W  i  d  a  1  sehe  Re¬ 
aktion  bestätigte  diesen  Verdacht,  die  Frau  erwies  sich  dann  während 
einer  Beobachtung  von  11  Monaten  als  chronische  Bazillenausscheide¬ 
rin  und  infizierte  zuletzt  auch  ein  Kind,  das  sich  längere  Zeit  bei  ihr 
aufhielt. 

Kirchner  bringt,  gestützt  auf  Tabellen  und  Karten  eine  ein¬ 
gehende  Schilderung  der  Erfolge  der  Koch  sehen  Art  der  Typhus¬ 
bekämpfung  in  dem  seit  3 Vz  Jahren  einheitlich  organisierten  Süd- 
westen  des  Reiches,  umfassend  die  Regierungsbezirke  Trier  und 
Koblenz,  das  Fürstentum  Birkenfeld,  die  Bezirke  Lothringen  und 
Untereisass  der  Reichslande  und  die  bayerische  Rheinpfalz.  Der  Ver¬ 
gleich  der  Jahre  1904  und  1906  zeigt  deutlich  einen  stellenweise  sehr 
bemerkenswerten  Rückgang  der  Typhusverbreitung. 

R.  S  e  g  g  e  1  -  Geestemünde. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  89.  Band,  1. — 4.  Heft. 
Leipzig,  Vogel,  Juli  1907. 

1)  Wilh.  Baum:  Knochenbrüche  bei  Tabes  und  deren  ätio¬ 
logische  Stellung. 

Nach  Besprechung  der  Theorien  über  das  Zustandekommen  der 
sog.  tabischen  Spontanfrakturen,  der  neurotischen  (direkte  Schädi¬ 
gung  des  Knochens  als  Ursacne  der  Brüchigkeit)  und  der  mecha¬ 
nischen  (abnorme  funktionelle  Beschaffenheit  der  den  Knochen  um¬ 
gebenden  und  bewegenden  Organe  und  in  einem  solchen  Zustande 
treffende  Gewalteinwirkung  bei  normaler  Knochenstruktur)  und 
Sonderung  in  „2  grosse  Gruppen“:  Frakturen  bei  abnormer  Be¬ 
schaffenheit  des  gebrochenen  Knochens  und  solche  miit  normalem 
Knochenbefund,  kommt  Verf.  unter  kritischer  Beleuchtung  eigener 
und  fremder  mikroskopisener  Befunde  mit  Rieh.  v.  Volkmann 
zu  dem  Schlüsse,  dass  „Herabsetzung  des  Muskeltonus,  Aufhebung 
des  Musikelsinnes  und  der  Knochensensibilität  und  die  hierin  be¬ 
gründete  Unfähigkeit  der  Kranken,  die  Anspannung  der  Muskulatur, 
die  Belastung  der  Knochen  und  die  Grösse  des  Traumas  richtig  zu 
bewerten,  die  Hauptfaktoren  in  der  Aetiologie  der  sog.  tabischen 
Spontanfrakturen  bilden.“ 

Anschliessend  an  11  Fälle  der  Kieler  Klinik  hebt  Verf.  hervor, 
dass  „fast  überall  ein  gewisses  Missverhältnis  zwischen  Dignität  des 
Traumas“,  Schmerzlosigkeit  und  sogleich  oder  kurze  Zeit  nach  der 
Fraktur  sich  einstellende  Schwellung  beständen. 

Mit  Ausnahme  einer  Fingerfraktur  war  stets  die  untere  Ex¬ 
tremität  betroffen. 

„Die  Lehre  von  der  besonderen  Disposition  des  weiblichen  Ge¬ 
schlechts  zu  tabischen  Knochenbrüchen  ist  in  das  Reich  der  Fabel 
zu  verweisen.“ 

Nur  2  mal  konstatierte  Verf.  multiples  Auftreten  der  Frakturen. 

Die  Fälle  verteüen  sich  ungefähr  zur  Hälfte  auf  das  initiale,  zur 
Hälfte  auf  das  ataktische  Stadium;  kein  Fall  betrifft  die  letzte  Er¬ 
krankungsperiode. 

Mit  einigen  Nachteilen  (Dekubitus,  Schlottergelenke)  ist  auch 
für  die  tabische  Fraktur  die  Extensionsbehandlung  als  die  ideale  an.- 
zusehen. 

2  Fälle  subtrochanterer  Fraktur  zeigten  Kallushypertrophie, 
3  Fälle  ossifizierende  Periostitis  oder  Myositis  ossificans,  1  Fall 
atrophische  Prozesse  an  den  der  Pfanne  anhaftenden  Schenkelkopf¬ 
teilen. 

Eine  Steigerung  der  tabischen  Symptome  infolge  der  Verletzung, 
sowie  die  grosse  Gefahr  der  Vereiterung  trüben  die  Prognose. 

Eventuelle  grössere  Eingriffe  (Implantation  von  toten  Knochen 
etc.)  sind  jedoch  nicht  kontraindiziert. 

2)  Ali  Krogius:  Ein  Versuch,  den  Mechanismus  der  Schädel¬ 
brüche  in  einfacher  Weise  zu  demonstrieren. 

Den  in  den  meisten  Lehrbüchern  nicht  klar  geschilderten  Mecha¬ 
nismus  der  Schädelbrüche  demonstriert  Verf.  an  einem  Rotations- 
elipsoid,  dem  Otis  sehen  Urethrometer  und  besonders  anschaulich 
an  der  durch  den  Nussknacker  geöffneten  Haselnuss. 

3)  R.  S  t  i  er  1  in:  Nervus  recurrens  und  Kropfoperationen. 

Nach  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  postoperativen  Re¬ 
kurrenslähmungen,  wobei  besonders  auch  auf  die  sog.  sekundären 
postoperativen  Lähmungen  eingegangen  wird,  sowie  über  die  ana¬ 
tomischen  Verhältnisse  des  Nervus  recurrens  bespricht  St.  die  Opera- 


1952 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


tionsverfahren,  die  auf  Schonung  des  Nerven  hinzielen. 

Auch  St.  wendet  weitgehend  die  Lokalanästhesie  an.  Enukleation 
und  Resektionsenukleation  der  Struma  garantieren  die  Schonung  des 
Nerven,  sind  aber  nur  in  einzelnen  Fällen  anwendbar. 

Durch  die  Kontinuitätsligatur  der  A.  thyreoida  int..  Stehenlassen 
einer  Schicht  Drüsengewebe  parallel  der  Luftröhrenwand  erzielte 
Verf.  befriedigende  Resultate. 

Um  noch  sicherer  zu  gehen,  präpariert  St.  den  Nerven  von  der 
Kreuzungsstelle  bis  zum  M.cricophar.  frei.  Zur  sicheren  Erkennung  des 
Nerven  gibt  St.  das  „Glockenzugphänomen“  des  Nerven  (feine  von  der 
Subklavia  bezw.  dem  Arcus  aortae  fortegeleitete  Zuckungen  in  der 
Längsrichtung  des  Nerven)  an.  Mit  der  Rekurrenspräparation  nur 
I  Fall  von  Zerschneidung,  die  trotz  Naht  des  Nerven  zu  dauernder 
Lähmung  führte. 

d)  V  er  ehe  ly:  Ueher  Morphologie  der  intrathorakalen  Kröpfe. 

15  intrathorakale  und  1  rein  retroviszeraler  Kropf  waren  das 
Material  für  vorliegende  Untersuchungen.  Bezüglich  der  Nomenklatur 
des  nach  unten  verlagerten  Kropfes  hält  V.  mit  Wöhrmann  die 
Unterscheidung  in  mediane  und  laterale  Lagerung  für  das  Beste,  die 
retroviszeralen  Kröpfe  teilt  er  in  akzessorische  retrovesikale  und 
in  direkten  Zusammenhang  stehende  kontinuierliche  Kröpfe  ein. 

In  den  15  Fällen  V.s  waren  je  12  mal  die  Seitenlappen,  7  mal 
die  Mittellappen  an  der  Bildung  des  Kropfes  beteiligt.  Von  den  retro¬ 
viszeralen  Kröpfen  waren  rechtsseitig  einseitig  drei. 

Aus  den  Lagebeziehungen  zur  Aorta,  V.  cava  sup.  etc.  sei  her¬ 
vorgehoben,  dass  für  den  Nervus  recurrens  der  intrathorakale  Kropf 
in  der  Thoraxapertur  mehr  links,  weiter  unten  mehr  rechts  gefähr¬ 
lich  wird. 

Zwischen  Nervus  recurrens  und  A.  thyreoid.  inf.  fand  V.  in 
5  Fällen  keine  Beziehungen.  Die  Halsgefässe  als  einheitlicher  Strang 
waren  meistens  als  ganzes  vom  Kropf  verlagert.  Auf  grund  der 
Beziehungen  der  intrathorakalen  Kröpfe  zu  den  intrathorakalen  Ge¬ 
bilden  teilt  V.  sie  ein  in  prävenöse,  präarterielle,  prätracheobronchiale 
und  retrotracheobronchiale. 

Histologisch  unterscheiden  sich  die  intrathorakalen  Kröpfe  durch 
nichts  von  den  kollaren;  auffallend  ist  die  relative  Häufigkeit  der 
sogen,  zellreichen  Kröpfe. 

Eine  Betrachtung  über  das  Wachstum  der  intrathorakalen  Kröpfe 
(Entwicklung  und  Aquisition)  schliesst  die  Arbeit. 

5)  J.  Finsterer:  Ueber  das  Mammakarzinom  und  seine  ope¬ 
rativen  Dauerheilungen. 


E.  kommt  zu  folgenden  Schlussätzen: 

1.  Für  die  in  der  Zeit  von  1877 — 1903  operierten  Mammakarzinome 
beträgt  die  Dauerheilung  12,5  (15,3)  Proz.,  die  in  den  letzten  8  Jahren 
auf  24,64  (26,05)  Proz.  gestiegen  ist,  wobei  die  Ausdehnung  der  Ope¬ 
ration  stets  von  lokalen  Befunden  abhängig  gemacht  worden  war. 

2.  Die  beste  Operationsmethode  ist  jene,  welche  sowohl  lokai 
die  Zahl  der  Rezidive  vermindert,  als  auch  regionär  durch  die  ebenso 
wichtige  exakteste  Drüsenausräumung  die  Metastasierung  zu  verhin¬ 
dern  sucht.  Demgemäss  entsprechen  auch  dem  H  a  1  s  s  t  e  d  t  sehen 
Verfahren  bisher  die  meisten  Dauererfolge. 

3.  Der  ausgiebigsten  Entfernung  der  Haut  ist  erhöhte  Aufmerk¬ 
samkeit  zuzuwenden. 


4.  Die  Supraklavikulargrube  ist  am  besten  in  jedem  Falle  (Hals- 
stedt)  auszui äumen,  unbedingt  aber  dann,  wenn  die  intraklavi- 
Kularen  Diiisen  intra  operationem  erkrankt  oder  verdächtig  gefunden 
werden. 

5.  Die  Frage,  ob  bei  bereits  klinisch  nachweisbarer  Erkrankung 
dei  supraklavikulären  Drüsen  eine  Operation  noch  berechtigt  ist 
oder  nicht,  bedarf  einer  exakten  Nachprüfung,  da  Fälle  bekannt  sind, 
die  dem  (jesetze  der  gleichzeitigen  Erkrankung  der  supraklavikulären 
und  endothorakalen  Drüsen  und  der  Pleura  widersprechen.  Zur  Be¬ 
urteilung  des  einzelnen  Falles  muss  eine  Gegenüberstellung  der  Dauer 
i  ei  Erkrankung,  der  Grösse,  des  Sitzes  des  Tumors,  der  Grösse  und 
event.  Veiwachsung  der  supraklavikulären  Drüsen  herangezogen 
werden. 

0.  Wegen  der  Häufigkeit  der  Spätrezidive  wäre  die  Grenze  der 
Dauerheilungen  auf  5  Jahre  hinauszuschieben  und  zur  Beurteilung  der 
Resultate  stets  die  absolute  Leistungsfähigkeit  zu  berechnen. 


6)  M.  H  \\  assiljew:  Zur  Frage  der  Behandlung  von  Ver¬ 
letzungen  und  Fisteln  der  Ureteren. 

n  Nach  kurzer  Uebersicht  über  die  Behandlungsmöglichkeiten  der 
F  i  etci  enfisteln  (direkte  Schliessung  der  Fisteln  durch  die  Scheide 
transpentoneale  und.  extraperitoneale  Transplantation  des  Ureters  in 
die  Harnblase)  teilt  Verf.  einen  extraperitoneal  operierten  Fall  von 
Ureterovaginalfistel  mit. 


7)  Koerber: 

nöser  Leistenhernie 
thrombose. 


Ueber  einen  Fall  von  achsengedrehter  gangrä- 
mit  fortgesetzter  retrograder  Mesenterium- 


Resektion  von  87  cm  Darm  mit  einem  grossen  Mesenterium¬ 
sektor,  Heilung. 


8)  H.  Rittershaus:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Nabelschnur¬ 
bruches  und  der  Bauchblasengenitalspalte. 

Mitteilung  von  J  Fällen  von  Nabelschnurbruch,  von  denen  einer 
mit  Bauchblasengenitalspalte,  einer  Atresia  ani,  Anus  praeternaturalis 
und  Spina  bifida  kombiniert  mit  Myelocystocele  sacralis,  kompli¬ 
ziert  war. 


No.  39. 


Kurzes  Eingehen  auf  Theorien  (Hemmungsbildung)  und  Kasuistik 
(Bauchblasenspalte  53  Fälle,  Nabelschnurbruch  genau  beschrieben 
153  Fälle)  derartiger  Missbildungen.  Therapeutisch  ist  beim  Nabel¬ 
schnurbruch  die  Radikaloperation  mit  Eröffnung  des  Peritoneums  der 
beste  Weg. 

9)  M  Strauss:  Der  gegenwärtige  Stand  der  Spinalanalgesie 
(auf  Grund  eigener  Beobachtungen  und  der  Literatur). 

Str.  kommt  jetzt,  wo  „der  Enthusiasmus  verrauscht  ist“  zu 
folgenden  Schlussfolgerungen  : 

„Das  Tropakokain  ist  zurzeit  das  ungefährlichste  Anästhetikum 
für  spinale  Analgesierung,  obwohl  es  auch  eine  Reihe  von  Neben- 
und  Nacherscheinungen  bedingt  und  sogar  zum  Tode  führen  kann. 

Die  Dosis  des  Anästhetikums  soll  eher  zu  klein  als  zu  gross 
gewählt  werden.  0,06  g  Tropakokain  erscheint  für  alle  Fälle  aus¬ 
reichend. 

Durch  Beckenhochlagerung  und  Ansaugen  von  reichlichen  Liquor¬ 
mengen  lässt  sich  am  sichersten  und  ungefährlichsten  höher  reichende 
Analgesie  erzielen.  Zusatz  von  Adrenalin  erscheint  eher  schädlich 
als  nützlich  und  ist  daher  zu  vermeiden. 

Die  peinliche  Beachtung  der  Technik  ist  zur  Vermeidung  von 
Gefahren  und  Misserfolgen  nötig. 

Die  durchschnittliche  Dauer  der  Analgesie  beträgt  1  Stunde. 

Mit  einer  gewissen  Bestimmtheit  lässt  sich  stets  Damm,  untere 
Extremität  und  Unterbauchgegend  anästhesieren. 

Neben-  und  Nacherscheinungen  lassen  sich  durch  geeignete 
I  echnik  und  Auswahl  der  Fälle  weitgehend  verringern,  aber  nicht 
völlig  ausschalten. 

Für  die  Verwendung  der  Spinalanalgesie  gibt  es  ganz  bestimmte 
Indikationen  und  Kontraindikationen.  Indiziert  ist  die  Methode  in 
allen  Fällen  bei  alten  dekrepiden  Patienten,  bei  denen  sich  die  Narkose 
auf  andere  Weise  nicht  umgehen  lässt,  ferner  .bei  nicht  tuberkulösen 
Lungenerkrankungen,  bei  Diabetes. 

Kontraindikationen  bilden  jugendliches  Alter  bis  zu  15  Jahren, 
neuro*  und  psychopathische  Zustände,  Hirn-  und  Rückenmarkserkran¬ 
kungen,  septische  Erkrankungen,  alle  Operationen  die  sich  leicht  mit 
Lokalanästhesie  ausführen  lassen. 

Vorsicht  muss  bei  tuberkulösen  Prozessen,  bei  Lues,  bei  Nieren¬ 
erkrankungen  und  bei  vorgeschrittener  Arteriosklerose,  besonders  der 
Hirngefässe,  geübt  werden. 

In  sachgemässer  Weise  und  in  geeigneten  Fällen  verwendet, 
bietet  die  Spinalanalgesie  viele  Vorteile,  jedoch  ist  die  Methode  nie¬ 
mals  gefahrlos. 

Das  wirksamste  Mittel  zur  Verminderung  der  Gefahren  liegt 
in  einer  gewissen  Beschränkung.“ 

10)  Neuberg:  Ueber  Appendizitis  im  Kindesalter. 

Statistik  über  82  Fälle  von  Appendizitis  im  Kindesalter,  teils 

stationär  teils  auswärts  behandelt  mit  12  Proz.  Gesamtmortalität 
(38  Fälle  exspektativer,  43  Fälle  operativer  Behandlung). 

Krankengeschichten  zweier  Fälle  von  Ileus  nach  Appendizitis  mit 
Ausgang  in  Heilung. 

Kleinere  Mitteilungen, 

11)  Gerner:  Ein  Fall  von  Hirschsprung  scher  Krankheit 
durch  Enteroanastoinose  geheilt. 

12)  Luxembourg:  Zur  Kasuistik  der  traumatischen  Eoi- 
rhysenlösung  am  unteren  Femurende. 

„Totale  Lösung  der  unteren  Femurepiphyse  mit  Verschie¬ 
bung  derselben  nach  aussen  und  Abriss  eines  kleinen, 
an  der  Epiphyse  festhaftenden  Knochenstückes  des  unteren  lateralen 
Diaphysenendes.“  Extensionsverband,  glatte  Heilung  mit  tadellosem 
funktionellen  Resultate.  Flörcken  -  Wiirzburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  36. 

J.  S  c  h  a  r  p  e  n  a  c  k  -  Leipzig:  Zur  Statistik  der  Prolapsopera¬ 
tionen. 

Sch.  berichtet  über  die  Erfahrungen,  die  an  der  Leipziger  Klinik 
mit  der  Schautaschen  Prolapsoperation  (Fixation  des  Uterus  an 
die  vordere  Vaginalwand,  I  ubensterilisation  und  Dammplastik)  ge¬ 
macht  worden  sind.  Die  Rekonvaleszenz  dauerte  in  ungestört  ver¬ 
laufenden  Fällen  17 — 19  Tage,  gestorben  ist  keine  Operierte,  ernste 
Störungen  von  seiten  des  Darmes  oder  Peritoneums  kamen  nicht  vor. 
Die  Dauerresultate  trennt  Sch.  in  subjektive  und  objektive.  Für  erstere 
kamen  72  Fälle  in  Betracht,  von  denen  57  günstig  berichteten,  4  noch 
leichtere  Beschwerden  hatten  und  11  keine  Besserung  verspürten. 
Objektiv  fanden^  sich  unter  45  Fällen  5  Rezidive,  absolut  tadellos 
21  Fälle.  Nach  Sch.  lassen  sich  alle  Rezidive  durch  Verbesserung  der 
Technik  vermeiden. 

Die  S  c  h  a  u  t  a  sehe  Operation  soll  nach  Sch.  berufen  sein,  die 
Pessarbehandlung  zu  verdrängen,  abgesehen  natürlich  bei  jungen,  noch 
konzeptionsfähigen  Frauen,  weil  die  Konzeptionsfähigkeit  aufgehoben 
wird. 

A.  R  i  e  1  ä  n  de  r  -  Marburg:  Ein  Beitrag  zur  Chemie  der  Pla¬ 
zenta. 

R.  hat  grössere  Massen  frisch  ausgestossener  Plazenten  mit 
heissem  Wasser  ausgezogen  und  die  wässerigen  Extrakte  näher  unter¬ 
sucht.  Er  konnte  darin  nachweisen  Purinbasen  (Alloxurbasen),  Uracil 
(Bestandteil  der  Nukleinsäure),  Cholin  (Bestandteil  des  Lezithin), 
Neosin,  ein  noch  nicht  identifiziertes  Goldsalz  und  ätherlösliche 
Säuren;  es  fehlte  darin  Histidin  und  Lysin. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1953 


Schlüsse  hieraus  bezüglich  der  Ernährung  des  Fötus  und  patho¬ 
logischer  Zustände  in  der  Schwangerschaft  behält  sich  R.  für  eine 
spätere  ausführliche  Mitteilung  vor.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Soziale  Medizin  und  Hygiene  (vormals:  Monatsschrift 
für  soziale  Medizin).  Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 
II.  Bd.  7.  Heft.  Juli  1907. 


B  i  e  1  e  f  e  1  d  t:  Heilstätten  oder  Invalidenheime  für  Tuberkulöse? 

Gegenüber  den  Angriffen,  die  sich  gegen  die  Zweckmässigkeit 
und  die  Dauererfolge  der  Lungenheilstätten  in  jüngster  Zeit  richten, 
sucht  der  Verf.,  Direktor  der  Landesversicherungsahstalt  der  Hansa¬ 
städte,  rechnerisch  nachzuweisen,  dass  unter  Zugrundelegung  der  Heil¬ 
behandlungsstatistik  des  Reichsversicherungsamtes  die  Versiche¬ 
rungsanstalten  durch  die  Uebernahme  des  Heilverfahrens  in  den 
Jahren  1897—1906  über  4600000  M.  an  Renten  gespart  haben.  Durch  die 
in  vielen  Fällen  für  einige  Jahre  erzielte  Erhaltung  der  Erwerbs¬ 
fähigkeit  der  in  den  Anstalten  Behandelten  werden  schätzungsweise 
den  Armenbehörden  und  Krankenkassen  ca.  4Vz  Millionen  erspart 
und  erfährt  das  Nationalvermögen  einen  Zuwachs  von  ungefähr  235 
Mill.  Mark  an  Arbeitslöhnen.  Wenn  Verf.  zur  Beantwortung  der  Frage, 
was  das  Schicksal  der  Erkrankten  ohne  Anstaltsbehandlung  gewesen 
wäre,  den  weiteren  Verlauf  der  Erkrankung  bei  den  Anstaltspfleglingen 
in  Vergleich  setzt  zu  den  Heilergebnissen  bei  den  Kranken,  deren 
Antrag  abgelehnt  wurde,  so  wird  dagegen  der  Einwand  laut  werden, 
dass  die  letzteren  schon  vorgeschrittenere  und  damit  ungünstigere 
Fälle  umfassen,  also  kein  geeignetes  Vergleichsmaterial  abgeben. 

Der  Vorschlag,  an  Stelle  der  Heilstätten  Tuberkuloseheime  zu 
setzen,  um  die  Familien  vor  Ansteckung  zu  bewahren,  scheitert,  wie 
die  Praxis  zeigt,  solange  hiefür  kein  gesetzlicher  Zwang  besteht,  an 
der  begreiflichen  Abneigung  der  Rentner,  sich  von  ihrer  Familie  zu 
trennen  und  diese  Anstalten  aufzusuchen,  die  sobald  sie  grösser  an¬ 
gelegt  werden,  als  Sterbehäuser  in  Verruf  kommen. 

B  r  u  m  m  u  n  d  -  Stade:  Zur  Prophylaxe  der  übertragbaren  Ge- 
nickstsrrc 

Da  man  mit  Gurgelungen  und  Nasenspülungen  nicht  an  den  Sitz 
der  Krankheitserreger  im  oberen  Nasenrachenraum  gelangt,  empfiehlt 
B.  statt  dessen  bei  den  Angehörigen  der  an  Genickstarre  Erkrankten 
Einblasungen  von  Natrium  sozojodol.  in  den  Nasenrachenraum.  Auf 
diese  Weise  gelang  es  ihm  rasch,  wie  bakteriologische  Untersuchungen 
des  Rachenabstrichs  zeigten,  die  Keime  bei  den  Meningokokkenträgern 


abzutöten. 

L  0  c  h  t  e  -  Göttingen:  Beitrag  zur  amtsärztlichen  Beurteilung 
neurasthenischer  Zustände,  insbesondere  der  Alkoholneurasthenie. 

(Fortsetzung  und  Schluss.) 

In  der  lesenswerten  Studie  werden  die  Schwierigkeiten  erörtert, 
die  sich  für  den  Amtsarzt  bei  der  Beurteilung  ergeben,  ob  gewisse 
Zustände  neurasthenischer  Erschöpfung  Strafaufschub,  Beurlaubung, 
Pensionierung  rechtfertigen  und  welche  strafrechtliche  Beurteilung  der 
Reizbarkeit  und  den  daraus  resultierenden  Gewaltakten,  der  Ge¬ 
dächtnisschwäche  und  dem  Schwindel  der  Neurastheniker  zukcmmt. 
In  einem  guten  Teil  der  Fälle  von  Neurasthenie  liegt,  wie  an  einem 
Beispiel  erläutert  wird,  Alkoholmissbrauch  zugrunde.  Diese  Ursache 
aufzudecken  fällt  dem  Amtsarzt  manchmal  schwer,  kann  aber  unter 
Berücksichtigung  der  Personalakten,  des  allgemeinen  Habitus,  genauer 
anamnestischer  Erhebungen,  ferner  der  Augen-  und  Harnuntersuchung 
gelingen.  Schwierig  ist  die  Entscheidung  bei  Pensionierungsgesuchen, 
wenn  Arteriosklerose  und  Neurasthenie  vorliegt,  das  Gleiche  gilt  oft 
für  Invalidenrentensachen  arteriosklerotischer  Neurastheniker.  In  dei 
reinsten  Form,  wird  in  der  Unfallpraxis  die  Alkoholneurasthanie  be¬ 
obachtet.  Inwieweit  bei  all  diesen  Zuständen  Uebertreibung  oder 
Simulation  eine  Rolle  spielt,  lehrt  oft  erst  längere  Beobachtung. 

P.  Lohmar-Köln:  Unfallversicherung  und  Arzt.  (Fortsetzung 
folgt.) 

8.  Heft.’  August  1907. 

F.  Meyer -Hamburg:  Graphische  Darstellung  der  Mitglieder- 
und  Krankenbewegung  einiger  Krankenkassen  und  der  allgemeinen 


Sterblichkeit.  ,  .  . 

Mitgliederzahl  und  Krankenstand  stehen,  wie  Verf.  am  Material 
der  Ortskrankenkassen  Berlin,  Frankfurt,  Stuttgart,  München  gra¬ 
phisch  darstellen  konnte,  im  umgekehrten  Verhältnis.  Da  Steigen  der 
Mitgliederzahl  gleichbedeutend  ist  mit  guter  Arbeitsgelegenheit. 
Sinken  derselben  mit  schlechter  Konjunktur  und  Arbeitslosigkeit, 
so  erhellt  aus  dem  Ansteigen  der  Krankheitsziffer,  dass  die  Kassen 
in  diesen  Zeiten  mangelnden  Verdienstes  von  den  Arbeitslosen  in 
erhöhtem  Masse  in  Anspruch  genommen  werden.  Nur  eine  Arbeits¬ 
losenversicherung  könnte  die  Kassen  von  dieser  finanziellen  Be¬ 
lastung  befreien. 

Liebetrau-Hagen  i.  W.:  Die  soziale  Wertung  des  Aerzte- 

standes.  ,  ,  , 

Die  Gründe  dafür,  dass  die  soziale  Wertung  des  Aerztestandes 
nicht  mit  seiner  wissenschaftlichen  Entwicklung  und  seiner  gesteiger¬ 
ten  volkswirtschaftlichen  Bedeutung  gleichen  Schritt  gehalten  hat, 
liegt  an  dem  ungehinderten  Emporschiessen  des  Kurpfuschertums, 
an  der  Proletarisierung  der  Aerzte  durch  die  Folgen  des  Kranken¬ 
versicherungsgesetzes,  an  dem  Eindringen  einer  Reihe  ungeeigneter 
Elemente  in  die  Aerzteschaft,  was  sowohl  auf  die  Lebenshaltung, 
das  Niveau  der  allgemeinen  Bildung  und  die  Umgangsformen  von 


nachteiligem  Einfluss  war.  Wenn  an  manchen  Stellen  vom  Mammons¬ 
hunger  der  Aerzte  gesprochen  wird,  so  ist  dem  entgegenzuhalten, 
dass  vielfach  die  Sorge  für  sich  und  die  Angehörigen  die  Aerzte 
zwingt  bis  ans  Lebensende  angestrengt  beruflich  tätig  zu  sein.  Auch 
die  Gegenüberstellung  von  „arztenden  Praktikern“  und  den  „idealen“ 
beamteten  Aerzten.  die  für  geringe  Entschädigung  dem  Staat  und  der 
Allgemeinheit  dienen,  wäre  besser  unterblieben. 

P.  Loh  mar -Köln:  Unfallversicherung  und  Arzt.  (Fort¬ 
setzung  und  Schluss.) 

In  diesem  von  einem  Geschäftsführer  der  Berufsgenossenschaft 
vor  Aerzten  gehaltenen  Vortrag  interessieren  folgende  Punkte:  Die 
Berufsgenossenschaften  wünschen  das  Heilverfahren  sofort  nach  dem 
Unfall  zu  übernehmen,  da  die  Kassen,  denen  die  Fürsorge  jetzt  ob¬ 
liegt,  dem  Verletzten  häufig  kein  vollkommenes  Heilverfahren  an¬ 
gedeihen  lassen  (Unterbringung  in  kleinen  Krankenhäusern,  Verweige¬ 
rung  der  Röntgenaufnahmen  etc.).  Aus  dem  gleichen  Grund  streben 
sie  die  sofortige  Zuweisung  schwerer  Verletzter  an  einen  spezialistisch 
ausgebildeten  Arzt  und  die  Ueberführung  in  ein  mit  allen  Hilfsmitteln 
ausgestattetes  Krankenhaus  an.  Um  dies  zu  ermöglichen,  ist  eine 
Verschmelzung  der  Unfall-  und  Krankenversicherung  oder  Einführung 
einer  Verwaltungsgemeinschaft  notwendig.  Die  ärztliche  Begutach¬ 
tung  des  Patienten  soll  nicht  in  die  Hände  des  behandelnden  Arztes 
gelegt  werden.  Entgegen  der  von  zahlreichen  Berufsgenossen¬ 
schaften  und  Schiedsgerichten  gehandhabten  Praxis,  vom  Arzt  eine 
prozentuale  Schätzung  der  Erwerbsfähigkeit  zu  verlangen,  befür¬ 
wortet  Verf.,  dies  dem  zur  Entschädigungsfestsetzung  berufenen 
Organ  (dem  Geschäftsführer?)  zu  überlassen.  Auch  die  Tätigkeit  des 
Schiedsgerichtsarztes,  der  in  verwickelten  Fällen  nur  auf  Grund  des 
kurzen  Augenscheins,  oft  ein  vom  Vorgutachter  abweichendes  Urteil  ab¬ 
gibt,  das  dann  meist  für  das  Gericht  massgebend  ist,  scheint  nach 

seiner  Ansicht  Anlass  zu  Bedenken  zu  geben. 

F.  Perutz  -  München. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  37.  1907. 

1)  Jürgens-Berlin:  Die  Stellung  des  Paratyphus  in  der 
Typhusgruppe. 

Verf.  erörtert  die  Frage,  ob  Krankheitsformen,  welche  durch  den 
Schottmüller  sehen  Bazillus  verursacht  werden,  überhaupt  noch 
in  die  Typhusgruppe  einzubeziehen  sind.  In  dieser  Hinsicht  wird 
hervorgehoben,  dass  der  bakteriologische  Begriff  des  Paratyphus  so¬ 
wohl  verschiedene  Krankheitsbilder  als  auch  pathologisch-anatomische 
Zustände  umfasst.  Es  ist  berechtigt  und  namentlich  für  die  Zwecke 
des  Arztes  richtig,  trotz  bakteriologisch  einheitlicher  Aetiologie  doch 
nach  den  klinischen  Bildern  Trennungen  vorzunehmen.  Daher  sollen 
Erkrankungen,  welche  klinisch  zum  Bilde  des  Typhus  gehören,  auch 
der  Typhusgruppe  beigerechnet  werden,  auch  wenn  sie  durch  den 
Paratyphusbazillus  verursacht  sind.  Andererseits  sollen  Paratyphus¬ 
infekte,  welche  unter  dem  Bilde  der  Fleischvergiftung  verlaufen,  vom 
Typhus  abgetrennt  werden. 

2)  R.  R  ö  s  s  1  e  -  München:  Gibt  es  Schädigungen  durch  Kochsalz¬ 
infusionen? 

Vortrag,  gehalten  im  Aerztlichen  Verein  zu  München  am  29. 
April  1907/ 

3)  Engel  und  B  a  u  e  r  -  Düsseldorf :  Erfahrungen  mit  der 
v.  Pir  au  et  sehen  Tuberkulinreaktion. 

Von  48  mit  Tuberkulin  geimpften  Säuglingen  boten  6  eine  ein¬ 
wandfreie  positive  Hautreaktion  nach  Pirquet,  davon  aber  scheinen 
5  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  tuberkulosefrei  zu  sein.  Der  positive 
Ausfall  der  Reaktion  erscheint  den  Verfassern  nicht  ohne  weiteres 
dafür  beweisend,  dass  Tuberkulose  vorhanden  ist.  Von  280  älteren 
Kindern,  welche  geimpft  wurden,  zeigten  alle  eine  positive  Reaktion, 
welche  sich  klinisch  sicher  als  tuberkulös  erweisen  Hessen,  woraus 
zu  schliessen  ist,  dass  bei  Kindern  jenseits  des  Säuglingsalters  eine 
enge  Beziehung  zwischen  der  P  i  r  q  u  e  Eschen  Hautreaktion  und 
Tuberkulose  zugegeben  werden  kann.  Die  Impfung  scheint  im  all- 
gemeinen  für  die  Beurteilung,  ob  I  uberkulose  vorhanden  ist  o de i 
nicht,  eine  geringere  Sicherheit  zu  bieten  wie  die  probatorische 

Tuberkulininjektion.  _  ... 

4)  O.  Maas -Berlin:  Ueber  multiple  Tumoren  im  Bereich  des 

Zentralnervensystems.  Tr  ,  , 

Ausführliche  Mitteilung  des  Befundes  bei  dem  Kranken,  welcher 
einen  komplizierten  Symptomenkompiex  darbot.  in  welchem  besonders 
die  zeitlichen  Schwankungen  in  der  Intensität  der  Störungen  be¬ 
merkenswert  sind.  Ein  aus  dem  rechten  Keilbeinflügel  exzidierter 
Tumor  erwies  sich  als  ein  Rundzellensarkom.  Aus  dei  Epikrise  und 
der  Differentialdiagnose  des  Falles  ist  zu  erschlossen,  dass  der  Sitz 
der  Geschwülste  sowohl  das  Rückenmark,  wie  das  Gehiin  bettint. 

5)  J.  Ruhemann:  Zur  epidemiologischen  Bedeutung  der  In¬ 
fluenzabazillen.  ,  ,  ,  ,  T  .  .. 

Verf.  betont  die  Beobachtung,  dass  in  den  letzten  Jahien  bei 
Influenzakranken  immer  seltener  der  Pfeiffer  sehe  Influenzabazillus 
gefunden  wird  und  setzt  sich  über  diese  1  atsache  hauptsächlich  mit 
Joch  mann  auseinander.  Die  Gründe  dieser  Erscheinung  hegen 
nach  Verf.  in  einer  sich  gegenüber  Influenza  einstellenden  Immunität, 
wofür  ihm  direkte  Nachweise  aus  eigenen  Beobachtungen  und  Uiitei- 
suchungen  zu  Gebote  stehen.  Auch  ist  eine  Abschwächuug  dei  Viru 
lenz  des  Pfeiffer  sehen  Bazillus  in  Betracht  zu  ziehen.  Die  doii- 


1954 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


nenschein-  und  Lichtverhältnisse  sind  von  erheblichem  Einfluss  auf 
die  Wirksamkeit  und  die  Häufigkeit  des  Auftretens  der  Influenza¬ 
bazillen.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  37. 

1)  H  e  r  x  h  e  i  m  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Beiträge  zur  Therapie  der 
Acne  vulgaris. 

Fortbildungsvortrag. 

2)  Ed.  Arning  und  C.  K  1  e  i  n  -  Hamburg-St.  Georg:  Die 

praktische  Durchführung  des  Nachweises  der  Spirochaete  paliida  im 
grossen  Krankenhausbetrieb. 

Untersuchungen  an  einem  grossen  Material.  Die  Spirochaete 
wurde  in  Primäraffekten  und  syphilitischen  Papeln  selten,  in  nässen¬ 
den  Kondylomen  der  Genital-  und  Analgegend  nie  vermisst.  In  den 
krustösen  Papeln  der  behaarten  Kopfhaut  wurden  stets  sehr  zahl¬ 
reiche  lebende  Spirochäten  gefunden.  Dagegen  mangelte  jeder  po¬ 
sitive  Befund  bei  maligner  Lues  und  im  tertiären  Stadium.  Bei  kon¬ 
genitaler  Lues  oder  Verdacht  auf  solche  war  der  Nachweis  ebenfalls 
wertvoll.  Driisenpunktion  war  der  Diagnose  nicht  förderlich.  In 
klinisch  unsicheren  Fällen  verliess  man  sich  auf  die  Spirochäten¬ 
untersuchung.  Neuauf genommene  Kranke  soll  man  vor  Entnahme  des 
Materials  erst  einen  Tag  lang  indifferent  verbinden.  Die  P  r  e  i  s  sehe 
Schnellfärbemethode  bewährte  sich. 

3) 0.  B  o  e  1 1  k  e  -  Rixdorf :  Die  W  r  i  g  h  t  sehen  Opsonine  bei 
akuten  Infektionskrankheiten. 

Verf.  behandelte  13  Pneumonien,  eine  Sepsis  und  ein  Empyem 
nach  der  W  r  i  g  h  t  sehen  Methode,  deren  Grundsätze  erläutert  wer¬ 
den.  In  allen  Fällen  gelang  es,  durch  Inokulation  des  spezifischen 
abgetöteten  Infektionserregers  den  opsonischen  Index  zu  erhöhen  oder 
doch  auf  der  Höhe  zu  erhalten,  d.  h.  die  Schutzkräfte  des  Serums 
zu  verstärken.  Schädliche  Nebenwirkungen  wurden  nicht  beobachtet. 

4)  H.  B  o  r  u  1 1  a  u- Berlin:  Ueber  das  Verhalten  des  Jodglidines 
im  menschlichen  und  Tierkörper. 

Das  an  das  Pflanzeneiweiss  Glidine  gehundene  Jod  wird  im 
Harn  als  Jodalkali  rasch  und  in  hohem  Prozentsatz  ausgeschieden: 
in  einem  Fall  wurde  gleichzeitige  Steigerung  der  Stickstoffausschei¬ 
dung  beobachtet. 

5)  Franz  H  e  s  s  e  -  Wiesbaden :  Ueber  Komplikationen  nach 
Lumbalanästhesie. 

Infolge  der  mit  Stovain  und  Tropakokain  mehrfach  gesehenen 
üblen  Neben-  und  Nachwirkungen  (meningitische  Reizerscheinungen, 
vasomotorische  Störungen.  Sensibilitätsstörung  neben  Schmerzen  in 
je  einem  Fall)  wendet  Verf.  die  Lumbalanästhesie  nur  an,  wenn  gegen 
die  Allgemeinnarkose  eine  bestimmte  Kontraindikation  besteht  und 
die  Lokalanästhesie  nicht  genügt.  Vorsicht  empfiehlt  er  namentlich 
bei  Personen,  deren  Nervensystem  nicht  ganz  intakt  ist. 

6)  Jul.  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Habitueller  Chloro¬ 
formmissbrauch. 

59  jährige  Frau,  schläferte  sich  seit  14  Jahren  täglich  mit  20 
Tropfen  Chloroform  ein.  Litt  öfters  an  Kopfschmerz,  hatte  vor  5 
Jahren  eine  Apoplexie,  erlag  einer  zweiten. 

7)  Felix  Turan-  Berlin:  Zur  Behandlung  des  chronischen  Gebär¬ 
mutterkatarrhs. 

Intrauterine  passive  Hyperämie  mittelst  gefensterten  Metallkathe¬ 
ters,  in  welchem  eine  mit  Saugspritze  verbundene  Metallkanüle  steckt. 
Verminderung  der  Sekretion.  Besserung  der  Erosionen. 

8)  M  u  1  e  r  t  -  Meissen :  Ein  Fall  von  kompletter  Uterusruptur  in 
der  Geburt. 

Ruotur  wurde  erst  bei  der  manuellen  Lösung  der  Plazenta  er¬ 
kannt  (Kollaps  fehlte).  Porro. 

9)  G  i  e  r  t  s  e  n  -  Christiania:  Das  Sanitätswesen  der  norwegi¬ 
schen  Armee.  R.  Grashey  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 
No.  17.  1907. 

Linck-Bern:  Klinisches  und  Histologisches  über  die  Rachen¬ 
mandelhyperplasie.  (Schluss  folgt.) 

O.  Roth -Zürich:  Ueber  die  gesundheitsschädlichen  Folgen  der 
Arbeit  in  hochtemperierten  Räumen,  speziell  in  Stickereiappreturen. 

(Schluss  folgt.)  Pischinger. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  37.  D.  P  o  s  p  i  s  c  h  i  1 1  -  Wien:  Das  Scharlachherz  (Myo- 
carditis  scarlatinosa). 

P.  verbreitet  sich  sehr  eingehend  über  die  Diagnostik  der  weni¬ 
ger  typischen  Scharlachfälle  und  die  Bedeutung  des  Herzbefundes  für 
dieselbe.  Das  Herz  scharlachkranker  Kinder  erkrankt  oft  in  charak¬ 
teristischer  Weise.  Es  handelt  sich  um  eine  meist  anfangs  auftretende 
Myokarditis  mit  einer  Spaltung  des  ersten  Tones  und  einem  Reibe¬ 
geräusch  wie  bei  Perikarditis.  Auf  diese  Weise  lassen  sich  bisweilen 
rudimentäre  Scharlachfälle  erkennen. 

1\  Goldschwend  - Linz  a.  D.:  Ueber  1000  Lumbalanästhesien 
mit  Tropakokain. 

Die  Gesamterfahrung  über  die  Tropakokainanästhesie  ist  eine 
durchaus  günstige,  so  dass  dieselbe  im  Linzer  Krankenhaus  immer 


ausgedehntere  Anwendung  findet.  Von  den  Begleiterscheinungen  un¬ 
angenehmer  Art  stellte  sich  bei  8  Proz.  Erbrechen,  bei  1,1  Proz.  Kol¬ 
laps  ein,  der  in  einem  Fall  während  der  Operation  zum  Tode  führte, 
wobei  der  Anteil  des  Tropakokains  an  dem  üblen  Ausgang  noch 
zweifelhaft  ist.  Die  durchschnittlich  entsprechende  Dosis  ist  0,12. 
Ein  Misslingen  der  Anästhesie  beruht  vielfach  auf  der  Technik.  Unter 
407  grösseren  abdominalen  Operationen  versagte  sie  nur  25  mal. 

F.  Mahnert  und  E.  Schnopfhagen-Graz:  Ueber  Leu¬ 
kämie  und  Röntgenbehandlung. 

Bericht  über  2  mit  Röntgenbestrahlung  behandelte  Fälle  (eine 
Drüsenleukämie  und  eine  myelozytische  Leukämie),  welche  nach 
vorübergehender  Besserung  zum  Tode  führten.  Ein  Ueberblick  über 
die  vorliegenden  Publikationen  lässt  den  Schluss  zu,  dass  die  Rönt¬ 
genbehandlung  derzeit  immerhin  die  zweckmässigste  Therapie  der 
Leukämie  darstellt;  ähnlich  der  Digitaliswirkung  lässt  sich  auch  hier 
nur  eine  temporäre  günstige  Einwirkung  auf  das  Symptomenbild  er¬ 
warten.  Die  Rezidive  schwinden  rascher  bei  täglicher,  als  bei  der 
durch  längere  Pausen  unterbrochenen  Behandlung,  sie  lassen  sich  aber 
nicht  durch  prophylaktische  Bestrahlung  im  Intervall  der  Besserung 
vermeiden.  Die  günstigere  Prognose  bezüglich  der  Lebensdauer 
scheint  den  myelogenen  Formen  der  Leukämie  zuzukommen. 

S.  Ciechanowski-Krakau:  Pathologisch-anatomische  Be¬ 
obachtungen  über  primäre  Darmtuberkulose. 

Die  genaueren  statistischen  Angaben  über  einzelne  Formen  der 
Darmtuberkulose  im  Verhältnisse  zu  der  Tuberkulose  anderer  Organe 
und  zur  Gesamtzahl  von  Todesfällen  sind  im  Original  einzusehen. 
Unter  13  203  Autopsien  befanden  sich  36  Fälle  von  isolierter  Darm¬ 
tuberkulose  (Darm,  Peritoneum,  Mesenterialdrüsen)  und  102  solche 
von  ausgesprochener  Darmtuberkulose  neben  frischer  umschriebener 
Tuberkulose  anderer  Organe.  Diese  138  Fälle  bedeuten  1,04  Proz. 

R.  v.  K  1  e  c  k  i  -  Krakau:  Bericht  über  die  im  Institute  (für  all¬ 
gemeine  und  experimentelle  Pathologie)  angestellten  experimentellen 
Untersuchungen  über  den  Durchtritt  von  Bakterien  durch  die  intakte 
Darmschleimhaut. 

Nachdem  Rogozinski  gefunden  hatte,  dass  in  den  Mesen¬ 
terialdrüsen  normaler  Tiere  ständig  aus  dem  Darmkanale  stammende 
Bakterien  aus  der  Gruppe  des  Bacterium  coli  Vorkommen,  haben  die 
Untersuchungen  Wrzoseks  ergeben,  dass  die  in  die  inneren  Organe 
eingewanderten  Darmmikroben  grossenteils,  wenn  nicht  ausschliess¬ 
lich  durch  die  Chylusgefässe  in  den  Ductus  thoracicus  und  dann  durch 
den  Blutkreislauf  in  die  verschiedenen  Gewebe  gelangen. 

Bergeat  -  München. 

Italienische  Literatur. 

B  e  r  n  ab  ei:  Ueber  Refrakturen  der  Kniescheibe,  (il  policlinico, 

Mai  1907.) 

B.  kommt  gelegentlich  der  Erörterung  zweier  Fälle  von  Re- 
fraktur  der  Kniescheibe  zu  dem  Resultat,  dass  sich  in  allen  Fällen, 
wo  nicht  besondere  Kontraindikationen  bestehen,  der  blutige  Eingriff 
d.  h.  die  Naht  der  Kniescheibenfragmente  empfiehlt,  welche  zwar  keine 
Garantie  bietet  gegen  eine  mögliche  Refraktur  innerhalb  eines  der 
Fragmente,  aber  doch  eine  grosse  Sicherheit  gegen  eine  Trennung 
in  situ. 

Jedes  fibröse  Gewebe,  wie  jede  gewöhnliche  Narbe  ist  dehnbar 
und  diese  Dehnbarkeit  kommt  besonders  in  Betracht  bei  einem 
Knochen  wie  der  Kniescheibe,  welcher  beim  Gehen  beständig  der 
Wirkung  zweier  entgegengesetzter  Kräfte  ausgesetzt  ist. 

B.  erwähnt  eine  Statistik  von  S  t  u  m  p  f  f  (Zentralbl.  f.  Chirurgie 
1904,  No.  34)  betr.  28  Refrakturen  der  Kniescheibe;  in  17  Fällen  hatte 
der  fibröse  Kallus  nachgegeben,  in  den  übrigen  Fällen  war  der  Sitz 
der  Fraktur  in  einem  der  Fragmente. 

M  i  n  e  r  v  i  und  DeSanctis  bringen  eine  längere,  durch  Bilder 
illustrierte  Abhandlung:  Die  Körperhaltung  bei  der  Ischias,  welche 
sich  zur  auszugsweisen  Wiedergabe  schlecht  eignet. 

Die  Ischias  sei  eine  Serositis  des  Perineuriums.  Wie  für  den 
Kliniker  immer  bei  Krankheiten  die  Körperhaltung  und  -Stellung  zu 
berücksichtigen  sei,  so  sei  sie  auch  für  die  Ischias  charakteristisch. 
Die  Stellung  ist  eine  verschiedene  in  der  akuten,  subakuten  und 
chronischen  Phase.  Es  folgt  eine  Erörterung  der  Ischiaswinkel  und 
Krümmungen,  der  Ischiasskoliose.  Für  die  Differentialdiagnose  hat 
grössten  Wert  der  Angulus  pubicus.  (Gazzetta  degli  osped.  1907, 
No.  45.) 

Silvestri:  Ueber  Thörakozentese  und  Lufteintritt  in  die 
Pleurahöhle.  (Gazetta  degli  osped.  1907,  No.  51.) 

Das  Eindringen  atmosphärischer  Luft  in  die  Pleurahöhle  während 
und  nach  der  Entleerung  eines  Exsudats  ist  unschädlich;  es  wirkt  der 
brüsken  Ausdehnung  der  komprimiert  gewesenen  Lunge  entgegen  und 
hat  einen  wunderbaren  Heileffekt. 

Angesichts  der  heilenden  Wirkung,  welche  der  breite  Zutritt  at¬ 
mosphärischer  Luft  bei  Laparotomien,  die  wegen  tuberkulöser  Peri¬ 
tonitis  unternommen  wurden,  äussert,  musste  es  naheliegen,  die 
früher  allgemein  verbreitete  Ansicht  von  der  Schädlichkeit  des  Luft¬ 
eintritts  in  die  Pleurahöhle  fallen  zu  lassen.  S.  erwähnt  zwei  von 
ihm  mit  Lufteintritt  in  die  Pleurahöhle  nach  Parazentese  glücklich 
und  schnell  geheilte  Fälle.  Er  führt  die  Arbeit  des  japanischen 
Arztes  Kawakara  (Sem.  med.  1901,  pag.  327)  an,  welche  dieser 
neuen  Anschauung  zuerst  Bahn  gebrochen  hat,  ebenso  Vaquez. 
I'raitement  des  pleuresies  recidivantes  par  injections  gazeuses  intra- 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1955 


thoraciques  (Sem.  med.  1902,  pag.  182).  Dufour  (Pleuresie  chro- 
nique  traitee  par  ponction  suivie  d’une  injection  d  air.  Sem.  med.  1906, 
pag.  514).  . 

S  i  1  v  e  s  t  r  i  -  Modena  empfiehlt  intraperitoneale  Injektionen 
„ichr  filtrierter  und  nicht  sterilisierter  atmosphärischer  Luft  ver¬ 
mittels  des  Potainschen  Einblaseapparates  bei  tuberkulöser  Pen- 

t0n,tBesonders  bei  der  aszitischen  Form  sollen  diese  Einblasungen 
nach  vorheriger  Parazentese  ihre  Wirkung  entfalten.  Die  Iechmk  ist 
eine  sehr  einfache.  Die  Quantität  der  eingeblasenen  Luft  ist  so  zu  be¬ 
messen,  dass  das  Abdomen  einen  Umfang  gewinnt  wie  vor  der  i  ara- 
zentese.  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  48.) 

Carletti:  Der  Nachweis  geringer  Mengen  von  Blut  in  den 
Fäzes  von  Tuberkulösen.  (Gazetta  degli  osped.  1907,  No.  51.) 

C.  hat  unter  Leitung  Lucatellos  in  Padua  umfangreiche 
Untersuchungen  über  die  genannte  Erscheinung  angestellt  und 
kommt  zu  dem  Schlüsse:  dass  Spuren  von  Blut,  welches  vom  Darin 
herrührt  und  nur  durch  chemische  Reaktionen  (Weber  und 
Schaer-Rossel)  nachzuweisen  ist,  sich  häufig  in  den  Fäzes  von 

Lungentuberkulosen  findet.  .  ,  .,  , 

Dieser  Befund  ist  häufiger  bei  vorgerückter  Krankheit  und  bei 
Darmstörungen,  indessen  gibt  es  hiervon  zahlreiche  Ausnahmen. . 

Zeitweise  kann  man  bei  Initialformen  konstant  Blut  in  den  razes 
finden,  während  kein  anderes  Symptom  von  seiten  des  Verdauungs¬ 
apparates  vorhanden  ist.  . 

Wenn  lange  Zeit  konstant  Blut  in  den  Fäzes  nachgewiesen  wer¬ 
den  kann,  so  ist  bestimmt  die  Anwesenheit  ulzeröser  tuberkulöser 

Läsionen  im  Darm  anzunehmen.  .  ,  , 

Es  können  indessen  tuberkulöse  Geschwüre  lin  Darm  vorhanden 
sein,  ohne  dass  in  den  Fäzes  jemals  auch  die  geringsten  Spuren  mit 
den  heutigen  chemischen  Reaktionen  gefunden  werden. 

Das  Symptom  häufiger  geringer  Blutungen  hat  einen  beträcht¬ 
lichen  diagnostischen  Wert  für  Frühdiagnose:  sein  Fehlen  schliesst 
dagegen  eine  ulzeröse  Darmläsion  bei  Lungentuberkulösen  nicht  aus. 

Fragale:  Ueber  Diplokokkämie.  (il  policlinico,  Mai  1907.) 

Unter  Leitung  Ascolis  machte  F.  bei  50  Pneumonien  syste¬ 
matische  Blutuntersuchungen  auf  Diplokokken:  ferner  wurde  der 
Urin  auf  das  Vorkommen  der  gleichen  Infektionserreger  untersucht. 
Die  Untersuchungen  fanden  während  der  Fieberperiode  und  einige 

Zeit  nach  der  Krisis  statt.  u  , 

Ueber  die  Untersuchungsmethoden,  welche  die  besten  Resultate 
gaben,  verbreitet  sich  der  Autor  ausführlich;  hiei  wollen  wii  nui 
das  Resultat  der  Untersuchungen  zusammenstellen. 

F.  fand,  dass  einer  starken  Ausscheidung  ziemlich  vnulentei 
Diplokokken  durch  die  Nieren  nicht  immer  eine  bedeutende  Albu¬ 
minurie  entspricht,  sie  kann  sogar  ab  und  zu  fehlen. 

Kein  deutlicher  Zusammenhang  existiert  zwischen  Virulenz  und 
Zahl  der  Keime  im  Blute  einerseits  und  Ausdehnung  'der  Lungen- 
läsion  andererseits. 

Auch  besteht  kein  sicheres  Verhältnis  zwischen  Zahl  und  Viru¬ 
lenz  der  Diplokokken  und  dem  Ausgang  der  Krankheit.  Man  findet 
Diplokokken  im  strömenden  Blute  in  grosser  Zahl,  ohne  irgendwelche 
alarmierende  Symptome;  in  allen  Fällen  kann  normale  Heilung  er¬ 
folgen,  dafür  gibt  es  andere  Fälle  mit  spärlichem  Diplokokkenbefunde 

und  letalem  Verlauf.  , 

Dagegen  herrscht  eine  enge  Beziehung  zwischen  der  Virulenz 
der  Diplokokken  und  der  Schwere  der  Krankheit.  Spärliche  Diplo¬ 
kokken  im  Blute,  wenn  sie  sehr  virulent  sind,  führen  zu  alarmierenden 
Symptomen;  reichlicher  Befund  hochvirulenter  Diplokokken  im  Blute 
lässt  die  Prognose  infaust  erscheinen. 

In  9  Fällen  von  50  Pneumonikern  gelang  es  F.  nicht,  die  Kokken 
im  Blute  zu  finden,  in  allen  übrigen  dagegen  in  wechselnder  Quantität 
und  Virulenz.  Sie  nehmen  zu  im  präagonischen  Stadium  an  Zahl  und 
Virulenz. 

Im  Urin  gelang  es  F.  den  Diplokokkus  nur  in  27  Fällen  zu  finden 
und  zwar  nur  spärlich  bei  vorgeschrittener  Krankheit  und  niemals  bei 
Apyrexie.  In  5  Fällen  enthielt  der  Urin  die  Diplokokken,  während 
sie  im  Blute  nicht  nachgewiesen  werden  konnten. 

Vielleicht  hat  es  an  der  mangelhaften  Technik  der  Urinunter¬ 
suchung  gelegen,  dass,  während  der  Blutbefund  so  häufig  positiv  wai, 
der  Urinbefund  oft  negativ  sich  darstellte. 

Nach  längerer  Zeit,  in  einer  Periode  von  9—45  lagen  nach  der 
Apyrexie.  wurden  häufig  Diplokokken  im  Blutstrom  gefunden,  oft  von 
geringer  Virulenz  und  degeneriert  in  der  Form;  aber  wiederholte  Kul¬ 
turen  und  Tierkörperpassagen  genügten,  um  Virulenz  und  Kapselform 
wieder  hervorzubringen.  ,  , 

Pneumonierezidive  fand  F.  immer  durch  positiven  Blutbeiund 
auch  in  der  dazwischen  liegenden  Apyrexieperiode  charakterisiert. 

Valagussa  (Universitäts-Kinderklinik  Rom) :  Beitrag  zum  Stu¬ 
dium  der  Zystitis  durch  Bac.  coli  im  Kindesalter,  (il  policlinico,  Mai 

Auf  die  Infektion  der  Urinwrege  durch  Kolibazillus  hat  zuerst 
Bouchard  aufmerksam  gemacht.  Escherich  hob  1894  auf  dem 
internationalen  Kongress  in  Paris  zuerst  die  Wichtigkeit  der  Zystitis 
durch  Bact.  coli  im  Kindesalter  hervor. 

Bald  darauf  erfolgten  Mitteilungen  über  den  gleichen  Gegenstand 
von  einer  grossen  Reihe  von  Autoren,  von  welchen  wir  M  y  a,  Ba- 
stianelli,  H  u  t  i  n  e  1  und  von  deutschen  namentlich  T  r  u  m  p  p 


(Ueber  Kolizystitis  im  Kindesalter;  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  XL1V, 
pag.  268,  1907)  erwähnen. 

Verf.  hat  11  Fälle  gesammelt  und  berichtet  ausführlich  über  die¬ 
selben.  _  ,  . 

Die  Krankheit,  so  meint  er,  ist  im  Kindesalter  ziemlich  häufig, 
und  vielleicht  würde  die  Anzahl  der  beschi iebenen  halle  giössei  sein, 
wenn  man  mit  mehr  Sorgfalt  den  Urin  untersuchte. 

Die  ätiologischen  und  pathogenetischen  Bedingungen  sind  fol¬ 
gende: 

a)  konstante  Anwesenheit  des  B.  coli  in  der  Blase, 

b)  Kultur  und  Aufrechterhaltung  der  Aktivität  des  B.  coli  in  der 
13 1  as  c 

c)  mangelnder  Abfluss  des  Urins  durch  Entzündung  der  äusseren 
Genitalien,  ein  Moment,  welches  die  Urinstauung  in  der  Blase  be¬ 
günstigt. 

Die  klinischen  Symptome  gestatten  eine  Diagnose  nicht,  da  keines 
derselben  einen  speziellen  Charakter  hat.  Das  einzige  absolute  Kn- 
terium  ist  das,  welches  uns  die  mikroskopische  Urinuntersuchung 

Die  Dauer  der  Krankheit  ist  eine  wechselnde,  je  nach  dem  früh¬ 
zeitigen  Oider  späteren  Eintritt  der  Behandlung.  Der  langen  Fieber- 
da-uer  entspricht  die  Permanenz  des  Kolibazillus  in  der  Blase.  Der- 
selbe  kann  sich  auch  noch  mehrere  Monate  nach  Aufhören  des  Fie- 

bers  finden.  ,  _  ....  . 

Die  Prognose  muss  reserviert  sein,  da  die  Zystitis  immer  einen 
Eiterherd  und  deshalb  den  Ausgangspunkt  für  septische  und  septisch- 
pyämische  Prozesse  darstellt.  Die  Behandlung  ist  eine  symptoma¬ 
tische  antiputride  und  antifermentative,  die  Diurese  begünstigende. 

R  o  m  a  n  e  1 1  i:  Ueber  das  Vorkommen  und  die  Frequenz  von  de¬ 
generierten  Leukozyten  im  strömenden  Blut.  (Gazzetta  degli  osped. 

1907.  S.  60  u.  63.)  ,  A  , 

Im  Blute  von  Kranken  verschiedener  Art  von  Infektionskrank¬ 
heiten  sind  Leukozyten  mit  albuminoider  und  fettiger  Degeneration 
nachweisbar,  am  häufigsten  bei  Bakteriämie  mit  hohem  Fieber  un 
Leukozytose.  Diese  Befunde  sollen  nach  einei  Anschauung  von 
Cesaris  Demel  einen  spezifischen  Befund  bei  eitriger  Entzündung 
bieten  und  einen  diagnostischen  Schluss  gestatten  unter  Umständen 
auf  verborgene  Eiterherde  im  Körper,  welche  anderweitig  nicht  zu 
erkennen  gewesen. 

Auf  die  von  Demel  erhobenen  Befunde  hat  die  Genuesei  Schule 
in  einer  Abhandlung  von  Guvot  (Gazzetta  degli  osped.  1905,  V.  10) 
bereits  früher  aufmerksam  gemacht.  Dieselben  sind  indessen  nicht, 
wie  R.  in  einer  grossen  Versuchsreihe  nachweist,  anzusehen  als  Ele¬ 
mente,  welche  von  Eiterherden  —  auch  wenn  solche  im  Körper  exi¬ 
stieren  —  ins  Blut  aufgenommen  sind,  sondern  diese  degenerierten 
Leukozyten  bilden  sich  als  solche  im  Blute  selbst. 

Experimentell  können  Infektionen  wie  Intoxikationen  allgemeiner 
Art  leukozytäre  Degenerationen  herbeiführen,  falls  sie  das  ner  nicht 
in  schneller  Weise  töten.  Erzeugt  man  lokale  Eiterherde,  so  trifrt 
man  in  der  Regel  nicht  im  Blute  Eiterkörperchen.  Es  fehlt  also  diesem 
Befunde  die  diagnostische  Bedeutung,  welche  ihr  Cesaris  Demel 
vindizierte.  Dagegen  bestätigt  auch  das  Tierexoeriment  dass  immer 
eine  gewisse  Beziehung  besteht  zwischen  leukozytarer  Degeneration, 

Fieber  und  Leukozytose.  ,  -* ,  .  c 

Ferrari- Modena:  Ueber  Methylenblaureaktion  des  Urins. 

Sie  ist  nicht  geeignet,  wie  R  u  s  s  o  -  Catania  irrtümlich  ange¬ 
geben.  die  Ehrlich  sehe  Diazobenzoereaiktion  zu  ersetzen.  Sie  ist 
ein  ootisches  Phänomen,  beruhend  auf  Kontrastfarbenerscheinuiw  um 
hat  , keinerlei  klinische  Bedeutung.  (Gazetta  degli  osped.  1907,  No.  1.) 

Bongiovanni:  Drei  Fälle  von  Gesichtserysioel  mit  Lokal¬ 
behandlung  von  Behring  schein  Diohtheriehcilserum  geheilt. 

Die  Behandlung  bestand  in  Aufoinselung  anfangs  zweimal  und 
später  einmal  täglich  und  jedesmal  1500  U.T  und  Bedeckung  mit  Gutta¬ 
percha.  R.  glaubt  nach  seiner  genauen  Beschreibung  und  dem  Ke- 
sultat  seiner  Blutuntersuchungen  an  eine  günstige  Wirkung  dieser  ße- 
handlung.  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  48.) 

S  c  i  a  1 1  e  r  o:  Ueber  die  antikonvulsifische  Wirkung  des  Neuro- 
prin.  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  51.) 

S.,  bekannt  durch  seine  Arbeiten  auf  organotherapeutischem 
Gebiet,’  ist  es  gelungen,  aus  frischer  Nervensubstanz  ein  Präparat  zu 
gewinnen,  welches  er  durch  die  antiseptische  Wirkung  des  Broms 
haltbar  gemacht  hat.  Er  wies  an  Versuchstieren  nach,  dass  es  vom 
Magen  aus  ins  Blut  aufgenommen  wird  und  die  Tiere  gegen  eine  tui 
Kontrolliere  tödliche  Dosis  von  Strychnin  zu  schützen  vermag,  und 
dass  dieser  Schutz  längere  Zeit  vorhält. 

Von  auffallender  Wirkung  erwies  sich  das  Neuropnn  genannte 
Präparat  bisher  bei  EnileDtikern.  Es  machte  die  einzelnen  Anfälle 
milder  und  seltener.  Weitere  Erfolge  sind  abzuwarten. 

Fontana:  Atropin  bei  Diabetes  insipidus.  (Gazetta  degli 

osped.  1907.  No.  57.)  .  , 

F  teilt  einen  Fall  von  Fleilung  (wenigstens  symptomati¬ 
scher)  von  Diabetes  insipidus  aus  dem  Kinderhospital  zu 
Cremona  mit  und  glaubt,  daraufhin  das  Mittel  bei  dieser  meist  einei 
Heilung  unzugänglichen  Krankheit  empfehlen  zu  können. 

Er  stützt  sich  dabei  auf  folgende  Beobachtung: 

Das  Atropin  ist  imstande,  alle  Drüsenabsonderungen  zu 
unterdrücken,  auch  wenn  sie  durch  funktionelle  Störung  ubeitueien 
sind,  wie  in  der  Hyperhydrosis,  in  der  Hyperchlorhydne,  beim 


1956 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Speichelfluss  usw.  Diese  Wirkung  beruht  auf  einem  inhibitorischen 
Vermögen,  welches  dasselbe  auf  die  Nervenfasern  hat,  die  der  Se¬ 
kretion  vorstehen. 

Die  Tatsache,  dass  das  Atropin  diese  seine  Wirkung  auch  beim 
Diabetes  insipidus  ausiibt,  indem  es  die  übertriebene  Ausscheidung 
von  Wasser  und  von  Salzen  erniedrigt,  unterstützt  die  Annahme,  dass 
dieser  Krankheitsprozess  an  eine  Störung  der  eigentümlichen  sekre¬ 
torischen  Funktion  der  Glomeruli  gebunden  ist,  vergleichbar  der 
Hypersekretion,  welche  unter  pathologischen  Zuständen  in  anderen 
Drüsen  sich  äussert. 

Der  Ursprung  einer  solchen  Sekretionsstörung  ist  mit  aller  Wahr¬ 
scheinlichkeit  zu  suchen  weniger  in  einer  anatomischen  Veränderung, 
als  in  einem  abnormen  Reiz  der  Nervenfasern,  welche  vom  abdomi¬ 
nalen  Sympathikus  herrühren  und  von  welchen  man  annimmt,  dass 
sie  die  Glomerulusfunktion  regulieren.  So  ist  die  Hypothese,  welche 
den  Diabetes  insipidus  als  eine  Neurose  des  Sympathikus  auffasst, 
die  wahrscheinlichste. 

Var  an  in  i:  Adrenalin  in  einem  Falle  von  Diabetes  insipidus. 

(Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  60.) 

Einen  auffallenden  Erfolg  hat  V.  in  der  Klinik  Parmas  in  einem 
Falle  von  Diabetes  insipidus,  welcher  aller  bisher  angewandten 
Therapie  gegenüber  sich  negativ  erwies,  mit  Adrenalin  erzielt.  Die 
Dosis  betrug  bei  der  27  jährigen  Patientin  5 — 7  Tropfen  pro  die  von 
einer  Lösung  Adrenalin  1  : 1000  (der  Firma  Parke-Davis).  Vom 
2.  Tage  ab  verminderte  sich  der  Durst  und  die  Flüssigkeitseinfuhr; 
die  Urinquantität  sank  von  7000  auf  4500  ccm.  Auch  nach  der  Ent¬ 
lassung  aus  der  Klinik  hielt  bei  der  gewöhnlichen  Beschäftigung  und 
der  Einnahme  von  10  Tropfen  täglich  der  günstige  Erfolg  an. 

Zanoni:  Die  Opotherapie  mit  Nebennierenextrakt  bei  Blasen¬ 
inkontinenz  und  Blasenschwäche. 

Bei  der  essentiellen  Blaseninkontinenz  vermag  die  Therapie  mit 
Nebenierenextrakt  die  Urinentleerung  wieder  unter  die  Herrschaft  des 
Willens  zu  stellen.  Das  geeignetste  Alter  für  diese  Behandlung  ist  die 
erste  Kindheit.  Das  Mittel  wird  gut  vertragen,  hat  keine  unliebsamen 
Nebenwirkungen,  hebt  das  Allgemeinbefinden.  Kumulative  Wirkung 
oder  Abstumpfung  der  Wirkung  durch  Gewöhnung  wurde  nicht  be¬ 
merkt.  Schon  10 — 15  Tropfen,  2  mal  täglich  gegeben,  entfalten  bei 
4 — 5  jährigen  Kindern  sichtliche  Wirkung;  ohne  Bedenken  kann  man 
die  Dosis  steigern,  bei  Erwachsenen  bis  50 — 60  Tropfen  2 — 3  mal  täg¬ 
lich  und  höher. 

In  No.  120  der  Gazzetta  degli  osped.  1906  machte  Z.  seine  ersten 
Resultate  mit  dem  Mittel  bekannt.  Heute  ist  er  imstande,  über  das 
Resultat  von  134  Fällen  zu  berichten,  welche  zum  Teil  ihm  von 
anderen  italienischen  Kollegen  mitgeteilt  wurden.  In  der  Hälfte  dieser 
Fälle  war  das  Resultat  gleich  von  vornherein  ein  überraschend  gün¬ 
stiges;  nur  in  21  Fällen  war  es  ein  negatives,  aber  auch  in  diesen 
ist  nach  der  Meinung  des  Autors  bei  richtiger  Fortsetzung  und  Do¬ 
sierung  ein  Erfolg  nicht  ausgeschlossen.  (Gazzetta  degli  osped.  1907, 
No.  48.)  Hager-  Magdeburg. 

Physiologie. 

O.  Hammarste  n,  dem  Physiologen  in  Upsala,  haben  Freunde 
und  Schüler  zu  seinem  65.  Geburtstage  (21.  August  1906)  eine  Fest¬ 
schrift  (Verlag  von  C.  J.  Lundström  -  Upsala  und  J.  F.  B  e  r  g  - 
m  a  n  n  -  Wiesbaden)  gewidmet,  die  ein  von  S.  S  c  h  m  i  d  t  -  N  i  e  1  s  e  n 
zusammengestelltes  Verzeichnis  der  von  O.  Hammarsten  bis  jetzt 
veröffentlichten  Schriften  und  22  Arbeiten  der  Freunde  und  Schüler 
enthält. 

Vom  13. — 16.  August  fand  in  Heidelberg  und  damit  zum  ersten 
Male  in  Deutschland  der  7.  internationale  Physiologen- 
Kongress  statt.  Ein  Auszug  aus  den  Verhandlungen  ist  bisher 
im  Zentralblatt  für  Phvsiologie  erschienen  und  wird  wohl  dort  wieder 
erscheinen.")  Den  Teilnehmern  am  Kongresse  liess  Grossherzog 
Friedrich  von  Baden  eine  Helmholtz  -  Gedenkmünze  über¬ 
reichen.  Der  nächste  Kongress  findet  in  drei  Jahren  in  Wien  statt. 

Die  physiologische  Methodik  betreffen  folgende  Arbeiten:  O. 
I'  rank  und  J.  Petter  -  Giessen:  Statik  der  Membranmano¬ 
meter  und  der  L  u  f  1 1  r  a  n  s  m  i  s  iS  i  o  n  (v.  Voits  Zeitschr.  f. 
Biol.,  Bd.  48,  S.  489,  1906).  G.  F.  Nicolai- Berlin :  Die  Gestalt 
einer  deformierten  Manometermembran  experi¬ 
mentell  bestimmt.  Mit  einem  theoretischen  An¬ 
hänge  von  M.  Schlick  (Engdmanns  Archiv  f.  Physiol.  1907, 
S.  129).  S.  G  a  r  t  e  n  -  Leipzig;  Ueber  die  Anwendung  der 
Zun  gen  pfeife  zur  Registrierung  (Pflügers  Archiv  f.  d. 
ges.  Physiol.,  Bd.  118.  S.  228,  1907)  und  R.  H.  Kahn -Prag:  Ueber 
ein  einfaches  Verfahren,  Projektionsbilder  von 
Originalkurvenherz  iu  st  eilen  (Zentralbl.  f.  Physiol.,  Bd.  20. 
S.  302,  1906.) 

In  der  ersten  Arbeit  setzt  O.  Frank,  der  sich  ein  grosses  Ver¬ 
dienst  durch  genaue  Prüfung  der  Leistungsfähigkeit  der  physiologi¬ 
schen  Registrierinstrumente  erworben  hat.  seine  mathematischen  Ver¬ 
suche  fort,  entwickelt  eine  Theorie  der  Deformationen  der  Membran 
und  führt  mit  .1.  Petter  eine  experimentelle  Prüfung  der  Theorie 
durch. 

In  der  zweiten  Arbeit  leugnen  G.  F.  N  i  c  o  1  a  i  und  M.  Schlick, 
dass  die  gespannte  und  aufgeblähte  Rlembran  eines  Membranmano¬ 


meters  die  Gestalt  eines  Paraboloids  annehme,  wie  O.  Frank  be¬ 
hauptet. 

In  der  dritten  Arbeit  empfiehlt  S.  Garten  eine  gewöhnliche 
billige  Zungenpfeife  an  Stelle  der  teuren  Stimmgabel  zur  Zeitnotierung 
bei  Lichtschreibung,  ferner  als  Ersatz  des  Episkotisters,  wie  ihn  S. 
Garten  zur  Erzeugung  der  Ordinaten  bei  Aufnahme  von  Kapillar¬ 
elektrometerkurven  benutzt  hat,  und  schliesslich  zur  gleichmässigen 
Unterbrechung  konstanter  Ströme.  Die  Zungenpfeife  setzt  S.  Gar- 
t  e  n  durch  eine  Wasserstrahlpumpe  in  Gang. 

Zur  Herstellung  von  Projektionsbildern  verfährt  R.  H.  K  a  h  n 
folgendermassen:  Er  legt  im  Dunkelzimmer  eine  gewöhnliche  Dia¬ 
positivplatte  mit  der  Schichtseite  nach  oben,  auf  eine  schwarze  Unter¬ 
lage.  Auf  die  Schichtseite  der  Platte  wird  die  auf  berusstes  Papier 
aufgeschriebene  und  mit  Harzlösung  fixierte  Zeichnung  mit 
der  Schichtseite  nach  unten  gelegt  und  durch  eine  Glasplatte  glatt  an¬ 
gedrückt.  Dann  lässt  man  ein  Sturmzündhölzchen  15 — 20  cm  über  der 
Glasplatte  ausbrennen.  Durch  die  Stellen  der  Zeichnung,  welche  von 
Russ  befreit  sind,  dringt  dann  das  Licht  hindurch  auf  die  photogra¬ 
phische  Platte.  Darauf  entwickelt  man  die  Platte,  die  Zeichnung 
erscheint  schwarz  auf  glashellem  Grunde  und  kann  im  Hörsaal  bei 
Tageslicht  projiziert  werden. 

Ins  Gebiet  der  physiologischen  Chemie  und  allgemeinen  Physio¬ 
logie  gehören  folgende  Arbeiten: 

Ein  bisher  ungelöstes  Problem  ist  die  genaue  Bestimmung 
kleiner  Mengen  von  Aethylalkohol.  Der  Lösung  näher 
kommt  M.  J.  Striter  -  Wien  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem., 
Bd.  50,  S.  22,  1906/07)  der  unter  Anwendung  des  Z  e  i  s  e  1  sehen 
Jodidverfahrens1)  den  Fehler  der  Bestimmung  auf  0,5  bis  höchstens 
1  Proz.  herabdrückt,  wenn  mindestens  0,05  g  Alkohol  zur  Analyse  vor¬ 
lägen. 

Ueber  eine  neue  Reaktion  auf  Indol  nach  Isolierung 
desselben  und  zwar  mit  4  Proz.  Formaldehydlösung  und  reiner  kon¬ 
zentrierter  Schwefelsäure  berichtet  K.  Ko  n  t  o  -Kioto  in  Kossels 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  48,  S.  185,  1906.  Mit  Hilfe  der  Re¬ 
aktion  soll  1  g  reines  Indol  in  700  000  ccm  Lösung  noch  nachweis¬ 
bar  sein. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  über  die  Umwandlung 
der  Purinkörper  im  Säugetierorganismus  gibt  B. 
Bl  och -Basel  im  biochem.  Zentralbl.  Bd.  5,  S.  521,  561,  817,  873, 
1906. 

Ueber  das  geeignetste  Verfahren,  kleine  Zucker  men  gen 
im  Urin  nachzuweisen  ist  zwischen  E.  Pflüger-  Bonn  und 
O.  H  a  m  m  a  r  s  t  e  n  -  Upsala  ein  Streit  entbrannt,  worüber  in  Pflü¬ 
gers  Archiv  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  116,  S.  265,  517  und  533,  1907 
und  in  Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  50,  S.  36,  1907 
nachzusehen  ist. 

In  einer  Arbeit  über  eineneu.e  Methode  der  Glykogen¬ 
analyse  kommt  E.  Pflüger-  Bonn  in  seinem  Archiv  f.  d.  ges. 
Physiol.,  Bd.  114,  S.  247,  1906  zu  dem  Resultate,  dass  der  Wert 
für  das  Glykogen  am  sichersten  und  genauesten  festgestellt  wird,  wenn 
man  invertiert  und  den  Zucker  durch  Reduktion  bestimmt.  Sind  die 
zu  untersuchenden  Zuckermengen  sehr  klein,  so  soll  seine  gravi- 
metrische  Methode  in  Anwendung  kommen.  Wenn  aber  mit  der 
nötigen  Sorgfalt  die  Drehung  des  Glykogens  nach  der  in  der  Arbeit 
beschriebenen  Methode  bestimmt  wird,  so  kann  auf  Invertierung 
und  Bestimmung  des  Zuckers  verzichtet  werden,  wodurch  viel  Zeit 
gewonnen  wird. 

In  seinem  Archiv  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  113,  S.  465,  1906,  ver¬ 
langt  E.  P  f  1  ii  g  e  r  -  Bonn:  DieAusfiihrungsbestimmungen 
zum  Reichsfleischbeschaugesetz  vom  30.  Mai  1 902, 
betreffend  den  Nachweis  des  Pferdefleisches,  müs¬ 
sen  schleunigst  umgeändert  werden,  da  die  Voraus¬ 
setzungen  des  Gesetzes,  dass  ohne  Rücksicht  auf  das  Alter  des  Flei¬ 
sches  die  kleinsten  im  Pferdefleisch  gefundenen  Werte  die  höchsten 
bei  den  anderen  Fleischarten  erhaltenen  Werte  übertreffen,  nicht 
richtig  sind.  Der  sicherste  Nachweis  des  Pferdefleisches  wäre  wohl 
mit  Hilfe  des  biologischen  zu  treffen.  Ueber  eine  sich  anschliessende 
Diskussion  Pflügers  mit  R.  Oster  tag  siehe  ebenda  S.  538 
und  540. 

Ueber  physiko-chemische  Untersuchungen  über 
das  Glykogen  berichten  F.  B  o  1 1  a  z  i  und  G.  d  ’  E  r  r  i  c  o  -  Neapel 
in  Pf lügers  Arch.  f.  d.  ges.  Phvsiol.,  Bd.  115,  S.  359,  1906.  Unter¬ 
sucht  wurde  die  Viskosität  von  Glykogenlösungen  mit  Ostwalds 
Viskosimeter,  die  Gefrierpunktserniedrigung  mit  Beckmanns 
Apparat  und  das  elektrische  Leitvermögen  nach  Kohlrauschs 
Methode.  Geprüft  wurden  1 — 45  proz.  Lösungen.  Eine  beträchtliche 
Zunahme  der  Viskosität  zeigten  nun  Lösungen  von  15—20  Proz.  An¬ 
genommen  wird,  dass  bei  dieser  Konzentration  die  Kolloidkörnchen 
sich  zu  solchen  von  grösseren  Dimensionen  vereinigen.  Bei  der¬ 
selben  Konzentration  verschwand  die  Opaleszenz  und  die  Lösung 
wurde  leimartig,  klar.  Die  Gefrierpunktserniedrigung  stieg  mit  der 
Konzentration  stetig  an.  Das  elektrische  Leitvermögen  war  bis  25 
Proz.  vermehrt,  von  25 — 30  Proz.  plötzlich  vermindert,  und  zeigte  dann 
bei  zunehmender  Konzentration  eine  langsame  weitere  Abnahme. 
Elektrolyten  sollen  bei  der  Speichelverdauung  des  Glykogens  nicht 


*)  Siehe  die  später  referierte  Arbeit  von  F.  Tan  gl  und  S. 
Weiser. 


0  Ein  Bericht  erscheint  demnächst  in  dieser  Wochenschrift.  Red. 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1957 


entstehen.  Es  kommt  aber  dabei  zu  einer  Verminderung  der  Viskosität 
und  zwar  am  meisten  bei  Beginn  der  Diastasewirkung  und  bei  zu¬ 
nehmender  Konzentration.  Zusatz  von  gekochtem  Speichel  zur  Gly¬ 
kogenlösung  bedingt  nicht  mehr  die  charakteristische  Abnahme  der 
Viskosität,  diese  ist  also  offenbar  an  die  Wirkung  des  Ptyalins  ge¬ 
knüpft.  .... 

Einen  zusammenfassenden  Bericht  Ueber  die  einfachen 
Ei  weisskörper  liefert  A.  Rossel-  Heidelberg  im  biochem. 
Zentralbl.,  Bd.  5,  S.  1  u.  33,  1906;  einen  Bericht  Ueber  neuere 
Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Eiweisskörper  und 
ihrer  Spaltungsprodukte  P.  Bergeil  und  F.  K  n  a  d  e, 
ebenda,  Bd.  6,  S.  1  u.  33,  1907;  über  Die  neueren  Forschun¬ 
gen  auf  dem  Gebiet  der  Eiweisschemie  und  ihre  Be¬ 
deutung  für  die  Physiologie  F.  S  a  m  u  e  1  y  -Göttingen  in 
Posenthals  biol.  Zentralbl.,  Bd.  26,  S.  370  u.  430,  1906;  über  Nu¬ 
klei  n  e,  Nukleinsäuren  und  ihre  Spaltungsprodukte 
H.  S  t  e  u  d  e  1  -  Heidelberg  im  biochem.  Zentralbl.,  Bd.  6,  S.  125,  1907. 

Eine  von  Gautier  und  Morel  gemachte  Beobachtung,  dass 
Kuhmilch  nach  Zusatz  von  Vs  Volumen  40  proz.  Natron-  oder  Kalilauge 
bei  Zimmertemperatur  sich  in  24  Stunden  schön  kirschrot  färbt,  ver¬ 
anlasst  E.  Krüger-  Tomsk  in  einer  Arbeit  Ueber  eine  eigen¬ 
tümliche  Veränderung  der  Milch  durch  Natron- 
resp.  Kalilauge  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  50, 
S.  293,  1906/07)  zu  der  Konstatierung,  dass  er  diese  Beobachtung  schon 
von  mehr  als  12  Jahren  in  Dorpat  gemacht  habe.  F.  K  r  ii  g  e  r  be¬ 
richtet  noch  über  einige  diesbezügliche  Versuchsresultate,  kann  aber 
den  Grund  der  Rotfärbung  nicht  genau  angeben. 

In  einer  Arbeit  Ueber  den  Einfluss  des  Alkohols 
auf  hydrolysierende  Fermente  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges. 
Physiol.,  Bd.  116,  S.  495,  1907)  weisen  B.  Schoendorff  und 
C.  Victor  ow- Bonn  nach,  dass  Seegens  Angabe,  in  Alkohol 
aufbewahrte  Lebern  verlören  ihr  Glykogen,  nicht  richtig  ist.  Das 
diastatische  Ferment  der  Leber  wird  in  Alkohol  nur  in  seiner  Wir¬ 
kung  gehemmt,  aber  nicht  getötet,  denn  nach  dem  Auswaschen  des 
Alkohols  wirkt  es  bei  Anwesenheit  von  Chloroformwasser.  Seine 
Resistenz  wird  auch  dadurch  bewiesen,  dass  es  durch  Abkühlung  auf 
—  21°  C  während  5  Tagen  nicht  geschädigt  wird. 

Untersuchungen  über  die  Wärmetönung  von 
Enzymreaktionen  sind  im  T  a  n  g  1  sehen  Institut  in  Ofen-Pest 
angestellt  worden.  In  der  I.  Mitteilung  darüber  bringt  Tangl  Be¬ 
merkungen  über  die  biologische  Bedeutung  der 
Wärmetönung  von  Enzymreaktionen  und  Prinzip 
der  Versuchsanordnung  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol., 
Bd.  115,  S.  1,  1906).  Darnach  handelt  es  sich  bei  den  Versuchen  um 
die  Ermittlung  der  chemischen  Energie  der  zu  untersuchenden  Sub¬ 
stanz  auf  thermochemischem  Wege  mit  Hilfe  der  kalorimetrischen 
Bombe  vor  und  nach  Enzymwirkung.  In  der  II.  Mitteilung:  Einige 
Versuche  über  die  Wärmetönung  der  Pepsin  Ver¬ 
dauung  des  Eiweisses  (ebenda  S.  7),  kommt  R.  v.  Lengyel 
zu  dem  Resultate,  das  die  Reaktionswärme  der  peptischen  Eiweiss¬ 
verdauung  jedenfalls  äusserst  gering  ist.  In  der  III.  Mitteilung: 
Ueber  die  Wärmetönung  der  Trypsin  Verdauung 
des  Eiweisses  (ebenda  S.  11)  stellt  P.  H  ä  r  i  fest,  dass  auch  die 
Wärmetönung  der  tryptischen  Verdauung  gleich  Null  ist.  Des  wei¬ 
teren  wurde  gefunden,  dass  der  spezifische  Energieinhalt  (—  Ver¬ 
brennungswärme  von  1  g)  der  verdauten  Trockensubstanz  infolge  der 
hydrolytischen  (intramolekularen)  Wasseraufnahme  mit  fortschreiten¬ 
der  Verdauung  abnimmt.  Geringe  Energieverluste,  welche  bei  der 
zur  kalorimetrischen  Bestimmung  nötigen  Eintrocknung  der  ver¬ 
dauten  Substanz  beobachtet  wurden,  werden  auf  Bildung  flüchtiger 
organischer  Verbindungen  beim  Eintrocknen  zurückgeführt,  sie  treten 
auch  bei  Eindampfung  einer  unverdauten  Eiweiss-Fermentlösung  ein. 

Man  ist  geneigt  anzunehmen,  dass  die  Fermente  in  sehr  naher 
Beziehung  zur  lebenden  Substanz  stehen.  Dass  aber  doch  Differenzen 
bestehen,  geht  aus  einer  Arbeit  von  Th.  Bokorny  Ueber  die 
Trennung  von  Leben  und  Gärkraft  in  der  Hefe 
(Pflügers  Ar.ch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  114,  S.  535,  1906)  hervor,  in 
der  gezeigt  wird,  dass  Gifte,  wie  Schwefelsäure,  Formaldehyd  und 
Sublimat  bei  bestimmter  Konzentration  zwar  das  Protoplasma  der 
Hefezellen  abtöten,  die  Zymase  aus  den  Hefezellen  aber  noch  wirksam 
sein  lassen. 

Als  erweiterter  Abdruck  aus  der  Festschrift  für  J.  Rosenthal- 
Erlangen  ist  in  Rosenthals  biol.  Zentralbl.,  Bd.  26,  S.  863  u.  8S8,  1906 
eine  Arbeit  von  R.  F.  Fuchs- Erlangen  Zur  Physiologie  der 
Pigmentzellen  erschienen. 

Ueber  merkwürdige  Anpassungsfähigkeit  des  Darmes  bei  Frosch¬ 
larven  je  nach  der  Nahrung  wurde  früher  schon  an  dieser  Stelle  auf 
Grund  von  Versuchen  berichtet,  die  E.  B  u  b  e  k  -  Prag  angestellt  hat. 
Derselbe  Autor  teilt  in  einer  weiteren  Arbeit  Ueber  die  funk¬ 
tioneile  Anpassung  der  äusseren  Kiemen  beim 
Sauerstoffmangel  (Zentralbl.  f.  Physiol.,  Bd.  21,  S.  97,  1907) 
bezüglich  der  Anpassungsfähigkeit  der  respiratorischen  Oberfläche 
folgende  interessante  Tatsachen  mit: 

1.  Die  äusseren  Kiemen  der  Larven  von  Rana  fusca  wachsen  in 
sauerstoffarmem  Wasser  beträchtlich. 

2.  Bei  sauerstoffreichem  Wasser  entwickeln  sich  die  Kiemen  un¬ 
bedeutend  und  verkümmern  früher. 


3.  Ebenso  verhalten  sich  Kaulquappen  von  Rana  arvalis  und 
Larven  von  Salamandra  maculosa. 

4.  In  sauerstoffarmem,  zugleich  aber  kohlensäurereichem  Wasser 
geht  die  Entwicklung  ebenso  vor  sich  wie  ohne  den  Zusatz  der  Kohlen¬ 
säure,  d.  h.  die  Kiemen  entwickeln  sich  beträchtlich. 

Ueber  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  In¬ 
kubationszeit  und  Antitoxinbildung  nach  Ver¬ 
suchen  an  Winter  schläfern  berichtet  W.  Hausmann- 
Wien  in  Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  113,  S.  317,  1906.  Der 
Verfasser  hatte  früher  schon  beobachtet,  dass  Warmfrösche  besonders 
empfindlich  gegen  die  narkotische  Wirkung  des  Morphins,  resistent 
aber  gegen  eine  tetanisierende  Wirkung  sind,  während  Kaltfrösche 
sich  gerade  umgekehrt  verhalten.  Neuere  Versuche  des  Verfassers 
über  die  Wirkung  des  Colchicins  (von  Colchicum  autumnale)  auf 
winterschlafende  Fledermäuse  ergeben,  dass  diese  resistent  gegen 
die  chronische  Vergiftung  sind,  dass  aber  die  wachen  warmem  Tiere 
durch  den  30.  Teil  der  für  die  winterschlafenden  Tiere  noch  nicht  töd¬ 
lichen  Menge  getötet  werden.  Der  Tod  trat  nach  einer  Inkubations¬ 
zeit  ein,  als  wäre  das  Gift  den  Tieren  zu  einer  Zeit  gegeben  worden, 
zu  welcher  sie  in  die  Wärme  kamen. 

An  dieser  Stelle  wurde  früher  schon  über  desinfizierende^  Sub¬ 
stanzen  berichtet,  welche  H.  Bechhold  und  P.  E  h  r  1  i  c  h -Frank¬ 
furt  a.  M.  gefunden  hatten  und  welche  bei  geringer  Giftigkeit  schon 
in  einer  Verdünnung  von  über  einer  halben  Million  auf  Infektions¬ 
erreger  wirkten.  Die  viel  geringere  Wirkung  bei  innerer  Darreichung 
führt  H.  B  e  c  h  h  o  1  d  in  einer  Arbeit  Zur  „inneren  Anti¬ 
sepsis“  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  52,  S.  177,  1907) 
auf  eine  Bindung  des  Desinfiziens  durch  Serum  zurück. 

Versuche  und  Ueberlegungen  von  v  a  n’t  Hoff  haben  ergeben, 
dass  innerhalb  eines  ziemlich  grossen  Temperaturbereiches  die  Re¬ 
aktionsgeschwindigkeit  bei  chemischen  Prozessen  durch  Steigerung 
der  Temperatur  um  je  10°  C  jeweils  verdoppelt  bis  verdreifacht  wird. 
Bezeichnet  kt  und  kt  +io  die  Reaktionsgeschwindigkeiten  bei  10°  C 

Temperaturdifferenz,  so  soll  der  Quotient  ktk~ :  10  =  Q  10  =  2  bis  3  sein. 

Diese  sog.  RGT-Regel  (Reaktions-Geschwindigkeits-Temperatur- 
Regel)  wendet  A.  Kanitz-Bonn  in  einer  Arbeit  Der  Einfluss 
der  Temperatur  auf  die  pulsierenden  Vakuolen 
der  Infusorien  und  die  Abhängigkeit  biologischer 
Vorgänge  von  der  Temperatur  überhaupt  (Rosenthals 
biol.  Zentralbl.,  Bd.  27,  S.  11,  1907)  auf  Versuche  von  M.  J.  Ross¬ 
bach  und  von  A.  Degen  an  und  findet  die  Regel  für  die  lebende 
Substanz  im  allgemeinen  bestätigt.  Das  bei  biologischen  Vorgängen 
häufige  Temperaturoptimum  sieht  der  Verf.  als  das  Ergebnis  der 
Uebereinanderlagerung  verschiedener  chemischer  und  physikalisch- 
chemischer  Vorgänge  an,  die  gesondert  zu  betrachten  zur  Zeit  noch 
unmöglich  erscheint. 

Zu  analogen  Ergebnissen  kommt  Ch.  D.  S  n  y  d  e  r  -  Berlin  in  den 
folgenden  Arbeiten :  Der  Temperaturkoeffizient  der  Ge¬ 
schwindigkeit  der  Nervenleitung  (Engelmanns  Arch.  f. 
Physiol.  1907,  S.  113),  Der  Temperajurkoeff  izient  der 
Frequenz  des  überlebenden  Sinus  des  Frosch- 
herzens  bei  extremen  Temperaturen  und  bei  zu¬ 
nehmendem  Alter  des  Präparates  (ebenda  S.  118)  und 
Der  Temperatur  koeffizie  nt  für  die  Rhythmik  der 
Bewegung  glatter  Muskeln  (ebenda  S.  126). 

(Fortsetzung  folgt.) 

Inauguraldissertationen. 

Beiträge  zur  Lehre  von  der  Komplementablenkung  liefert  eine 
Würzburger  Dissertation  (1907)  von  Eduard  Rose.  Ergebnisse: 
1.  Die  Komplementablenkung  durch  Präzipitin  und  präzipitable  Sub¬ 
stanz  kann  zum  Blutnachweis  für  forensische  Zwecke  benutzt  wer¬ 
den.  Die  Methode  hat  vor  der  Präzipitationsmethode  den  Vorzug, 
dass  man  mit  weniger  starken  Antiseris  auskommt  und  bedeutend 
kleinere  Eiweissmengen  nachweisen  kann.  Dem  stehen  folgende 
Nachteile  gegenüber:  Präzipitin  und  präzipitable  Substanz  einerseits, 
Komplement  und  Ambozeptor  andererseits  müssen  in  bestimmten 
Mengenverhältnissen  stehen,  die  durch  eingehende  Vorversuche  erst 
festzustellen  sind.  Stets  muss  die  minimale  Ambozeptor-  und  Kom¬ 
plementmenge  von  neuem  bestimmt  werden.  Ferner  können  auch 
andere  Stoffe,  z.  B.  normale  Sera,  die  Hämolyse  aufheben  und  so  Kom¬ 
plementablenkung  Vortäuschen.  2.  Die  Antisera  dürfen  erst  dann  den 
Tieren  abgenommen  werden,  wenn  keine  präzipitable  Substanz  mehr 
im  Organismus  kreist;  noch  am  11.  Tage  nach  der  letzten  Injektion 
von  10  ccm  Serum  konnte  bei  einem  Kaninchen  präzipitable  Substanz 
nachgewiesen  werden.  3.  Natürliche  Hämolyse  kann  nur  in  Aus¬ 
nahmefällen  angewendet  werden,  sicherer  ist  es  immer,  künstlich  er¬ 
zeugten  Ambozeptor  eines  inaktivierten  Serums  mit  Komplement¬ 
zusatz  zu  benutzen.  4.  Die  Frage,  ob  die  Antisera  wirklich  Anti¬ 
komplement  enthalten  oder  solches  durch  Komplementablenkung  vor¬ 
getäuscht  wird,  ist  bisher  unentschieden.  5.  Das  Vorkommen  von 
Komplementoiden  ist  weder  durch  die  früheren  Versuche  korrekt  be¬ 
wiesen,  noch  konnte  Verfasser  solche  mittels  der  Ablenkungsmethode 
zum  Ausdruck  bringen.  6.  Dagegen  konnte  er  nachweisen,  dass  me 
Antisera  zweifellos  Antiambozeptoren  enthalten. 

Die  klinischen  Untersuchungen  von  Max  v.  Wyss  übet  Er¬ 
scheinungen  von  Agglutinationshemmung  bei  Anstellung  der  u  r  u  - 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


1958 


b  e  r  -  W  i  d  a  1  sehen  Reaktion  (als  Beitrag  zur  Methodik  dieser  Re¬ 
aktion)  haben  ergeben,  dass  bei  Anstellung  der  Reaktion  mit  dem 
Serum  Typhuskranker  eine  Hemmung  der  Agglutination  in  den  stär¬ 
keren  Konzentrationen  auftreten  kann,  und  zwar  in  allen  Stadien  der 
Erkrankung.  Diese  Hemmung  unterliegt  (ebenso  wie  die  Agglutina¬ 
tion  überhaupt)  bedeutenden  Schwankungen.  Sie  ist  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  beobachteten  Fälle  im  Verlauf  der  Krankheit  und  nament¬ 
lich  in  der  Rekonvaleszenz  zurückgegangen  und  zuletzt  ganz  aus¬ 
geblieben.  Irgend  welche  prognostische  Schlüsse  auf  den  Verlauf  der 
Erkrankung  lassen  diese  Hemmungserscheinungen  nicht  zu.  Es  muss 
aus  den  gemachten  Beobachtungen  die  praktische  Konsequenz  ge¬ 
zogen  werden,  dass  bei  Anstellung  der  Qruber-Widal  sehen 
Reaktion  zu  diagnostischen  Zwecken  sowohl  die  höheren  als  die 
niedrigeren  Verdünnungen  zu  untersuchen  sind,  da  sonst  infolge  ein¬ 
tretender  Hemmung  ein  positiver  Ausfall  leicht  übersehen  werden 
kann.  Worin  in  den  vorliegenden  Fällen  der  Qrund  liegt  für  die 
Hemmungserscheinungen,  ist  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  sagen;  er 
ist  wahrscheinlich  in  der  Art  der  Infektion  zu  suchen.  Zur  einwand¬ 
freien  quantitativen  Ausführung  der  Reaktion  gibt  Verfasser  eine  Me¬ 
thode  an,  welche  dafür  sorgt,  dass  bei  den  Proben  der  einzelnen 
Serumverdünnungen  gleiche  Bakterienmenge  und  gleiche  Bakterien¬ 
dichte  vorhanden  ist.  (Diss.  Bern.) 

A.  ten  Sande  hat  Untersuchungen  über  Tuberkelbazillen  und 
Typhusbazillen  im  Kefir  angestellt  und  berichtet  darüber  in  einer  Ber¬ 
ner  Dissertation:  Tuberkelbazillen  in  Milch  überleben  den  Prozess  der 
Kefirgärung  und  sind  nicht  nur  nach  2  tägiger,  sondern  auch  noch  nach 
4 — 5  tägiger  Dauer  dieser  Gärung  dermassen  virulent,  dass  sie,  Meer¬ 
schweinchen  eingespritzt,  zur  Entstehung  einer  heftigen  allgemeinen 
Tuberkulose  Anlass  geben.  Das  Abkochen  der  Milch,  bevor  sie  der 
Kefirgärung  ausgesetzt  wird,  ist  also  notwendig.  Typhusbazillen 
sind  in  Milch,  nachdem  diese  während  TS  Stunden  der  Kefirgärung 
ausgesetzt  worden  ist,  völlig  abgetötet. 

Fritz  Loeb. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Greifswald.  August  1907. 

13.  Zn  i  nie  wies  Johann:  Ueber  die  Primärkrebse  der  Leber  und 
ihre  Matrix. 

Universität  Tübingen.  Juli  1907. 

11.  Ensgraber  Bernhard:  Ein  weiterer  Fall  von  Kardiolyse. 

August  1907. 

12.  Bubenhofer  Alfred:  Ueber  einen  Fall  von  kongenitalem  De¬ 
fekt  (Agenesie)  der  Gallenblase. 

13.  Merzbacher  Ludwig  Dr.  med. :  Untersuchungen  über  die  Mor¬ 
phologie  und  Biologie  der  Abräumzellen  im  Zentralnervensystem. 
(Habilitationsschrift.) 

1-4.  Schlayer  Karl  Dr.  med.:  Ueber  nephritisches  Oedem.  .  (Ha¬ 
bilitationsschrift.) 

Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  18.  September  1907. 

Eröffnung  des  Cecilienheims  für  Kinder  mit  Knochen-  und 
Gelenktuberkulose  in  Hohenlyehen.  —  Körperliche  Uebungen 
in  den  Schulpausen. 

ln  den  ausgedehnten  Waldgebieten  nördlich  von  Berlin 
befindet  sich  ein  Oertchen,  Hohenlyehen,  welches  eine  ganze 
Kolonie  von  Heilstätten  für  kranke  Kinder  darstellt.  Vor  einigen 
Tagen  ist  dort  ein  neues  Haus,  das  Cecilienheim,  eine  Heilstätte 
für  Kinder  mit  Knochen-  und  Gelenktuberkulose,  feierlich  er¬ 
öffnet  und  seiner  Bestimmung  übergeben  worden.  Um  das 
Zustandekommen  dieser  neuen  Wohlfahrtseinrichtung  hatte 
sich  besonders  Prof.  H  o  f  f  a  verdient  gemacht.  Die  Keller¬ 
räume,  die  aber  nicht  eigentlich  im  Keller,  sondern  auf  ebener 
Erde  liegen,  enthalten  ausser  den  Heizungsanlagen,  sowie  den 
Eis-  und  Kühlmaschinen  eine  Werkstatt  zur  Herstellung  von 
orthopädischen  Apparaten  und  Gipsverbänden.  Den  grössten 
Teil  des  Kellergeschosses  nehmen  die  Badeeinrichtungen  ein, 
bei  denen  alle  Fortschritte  der  Wissenschaft  und  Technik  auf 
das  sorgfältigste  verwertet  sind.  Besonders  bemerkenswert  ist 
ein  Schwimmsolbad,  daran  schliessen  sich  eine  Reihe  von  Ein¬ 
zelsolbädern  an;  auch  ein  Lichtbad  fehlt  nicht.  Die  Baderäume 
haben  sowohl  vom  Hause  aus,  wie  auch  von  aussen  einen  Zu¬ 
gang,  damit  sie  auch  von  den  Pfleglingen  der  anderen  Anstalten 
in  Hohenlyehen  benutzt  werden  können,  ohne  dass  der  Betrieb 
des  Cecilienheims  eine  Störung  erleidet.  Im  Erdgeschoss  be¬ 
findet  sich  im. rechten  Flügel  ein  grosser  Speisesaal  mit  den 
dazu  gehörigen  Nebenräumen,  im  linken  Flügel  das  Aufnahme¬ 


zimmer  und  die  Wohnräumc  des  Arztes,  ferner  ein  Operations¬ 
saal,  ein  Röntgenzimmer  und  ein  Mikroskopierzimmer.  In  den 
Obergeschossen  sind  die  Krankensäle,  die  für  10,  bezw.  12  und 
14  Betten  eingerichtet  sind,  ausserdem  sind  6  Einzelzimmer 
vorhanden.  Die  ganze  Anstalt  enthält  80  Betten,  von  denen 
bereits  60  belegt  sind.  Zwischen  je  2  grösseren  Sälen  befindet 
sich  ein  Schwesternzimmer  mit  Fenstern  nach  beiden  Sälen, 
so  dass  die  Schwester  diese  von  ihrem  Zimmer  aus  gut  über¬ 
sehen  kann.  Zu  dem  Betriebe  gehört  auch  noch  ein  älteres 
Gebäude,  das  bisher  provisorisch  zur  Krankenaufnahme  be¬ 
nutzt  wurde;  es  enthält  die  Küchenanlagen  und  Wirtschafts¬ 
räume  und  im  Obergeschoss  einen  Turnsaal  zur  medikomecha- 
nischen  Behandlung.  Die  Gesamtkosten  der  Heilstätte  be¬ 
tragen  350  000  M.,  für  jedes  Bett  also  ca.  4000  M.  Dabei  ist 
jedoch  zu  berücksichtigen,  dass  der  Wert  des  Grund  und  Bo¬ 
dens  ausser  Berechnung  bleibt  und  dass  ein  Teil  der  Einrich¬ 
tung  von  Wohltätern  gestiftet  wurde.  Was  den  Kurplan  be¬ 
trifft,  so  ist  in  Aussicht  genommen,  den  Aufenthalt  der  Kinder 
in  der  Anstalt  auf  1 — 2  Jahre  auszudehnen,  weil  man  hofft,  auf 
diese  Weise  eine  völlige  Ausheilung  zu  erzielen  und  so  das 
Krüppelelend  in  Deutschland  zu  vermindern. 

Während  hier  Gemeinsinn  und  soziales  Verständnis  eine 
Einrichtung  geschaffen  haben,  durch  die  kranke  Kinder  ihre 
Gesundheit  wieder  erlangen  sollen,  wird  sich  die  Schule  immer 
mehr  ihrer  Pflicht  bewusst,  dafür  zu  sorgen,  dass  gesunde 
Kinder  gesund  und  kräftig  erhalten  werden.  So  hat  das  Be¬ 
streben,  die  schädlichen  Einwirkungen  angestrengter  geistiger 
Arbeit  und  stundenlangen  Sitzens  nach  Möglichkeit  zu  ver¬ 
hindern,  eine  Neueinrichtung  in  den  Berliner  höheren  Lehr¬ 
anstalten  gezeitigt,  durch  weiche  den  geistigen  Anstrengungen 
gegenüber  ein  Gegengewicht  in  Form  von  körperlichen 
Uebungen  geschaffen  werden  soll.  In  den  Pausen  zwischen  je 
2  Unterrichtsstunden  soll  nach  bestimmter  Methode  Gymnastik 
getrieben  werden;  man  will  die  Lungen  zu  energischer  Re¬ 
spiration,  den  Brustkasten  zu  kräftiger  Erweiterung  anregen 
und  die  gekrümmte  Wirbelsäule  gerade  richten.  Eine  gut  ein¬ 
geübte  Aufstellung  soll  dafür  sorgen,  dass  die  10  Minuten  lange 
Pause  fast  ganz  für  die  Turnübungen  ausgenützt  wird.  Der 
Gedanke,  zwischen  die  Unterrichtsstunden  Körperbewegungen 
einzuschieben,  ist  sicherlich  ein  gesunder,  in  der  geplanten  Aus¬ 
führung  scheint  aber  gar  zu  viel  Methode  zu  stecken.  Wenn 
den  Kindern  50  Minuten  lang  der  Geist  wohl  dressiert,  in  spa¬ 
nische  Stiefel  eingeschnürt  ist,  so  soll  dann  noch  das  Gleiche 
10  Minuten  lang  mit  dem  Körper  geschehen.  Sollte  man  nicht 
den  angestrebten  Zweck  besser  erreichen,  wenn  man  den 
Kindern  erlaubt,  in  den  Pausen  nach  Herzenslust  zu  spielen, 
und  sie  durch  das  Verbot,  während  der  Pausen  ein  Buch  an¬ 
zurühren,  veranlasst,  von  dieser  Erlaubnis  ausgiebigen  Ge¬ 
brauch  zu  machen?  Die  Kinder  selbst  würden  mit  dieser  Mass- 
regel  jedenfalls  mehr  zufrieden  sein  als  mit  den  Turnübungen, 
und  die  Aerzte  und  Pädagogen  vielleicht  auch.  M.  K. 


Brasilianische  Briefe. 

Die  Gelbfieberprophylaxe  und  ihre  Resultate  in  Rio  de  Janeiro  in 

den  Jahren  1904 — 1906. 

Mit  dem  Namen  der  brasilianischen  Landeshauptstadt  Rio  de 
Janeiro  ist  in  weitesten  Kreisen  der  ganzen  Welt  die  schreckliche 
Ideenassoziation  „Gelbes  Fieber“  verbunden,  derart,  dass  bei  nicht 
gerade  wenigen  die  ganzen  Kenntnisse  von  jenem  Riesenterritorium 
sich  hierauf  beschränken.  Wenn  früher  ein  Passagierdampfer  in  den 
Hafen  einlief,  wurden  wenigstens  im  Sommer  Plakate  ausgehängt, 
die  die  Durchreisenden  auf  die  Gefahr  aufmerksam  machten,  die  sie 
mit  einem  Landaufenthalt  in  Rio  riskierten.  Wen  Pflichten  und  Ge¬ 
schäfte  an  Rio  banden,  der  suchte  wenigstens,  wenn  es  irgend  seine 
Mittel  erlaubten,  die  Nacht  mit  ihrer  grossen  Infektionsgefahr  ausser¬ 
halb  zuzubringen,  besonders  in  dem  800  m  hoch  gelegenen  Petropolis, 
und  die  Zahl  derer,  die  den  damit  verbundenen  Zeitverlust  von  ca. 
5  Stunden  für  Hin-  und  Rückfahrt  nicht  scheuten,  war  recht  be¬ 
trächtlich.  Nur  zu  leicht  versteht  man  jenes  schlechte  Renommee 
des  Klimas  von  Rio,  jene  Furcht  neuankommender  Fremden,  wenn 
man  sich  die  Gelbfieberstatistiken  vergegenwärtigt,  wie  sie  dem 
deutschen  ärztlichen  Publikum  am  bequemsten  durch  die  Gelbfieber¬ 
monographie  von  Sodre  und  Conto  aus  der  Nothnagel  sehen 
Sammlung  zugänglich  sind.  So  werden  verzeichnet *)  an  Gelbficber- 


*)  Alle  hier  angeführten  Zahlen  entstammen  den  Monatsberichten 
des  brasilianischen  Gesundheitsamtes,  den  statistischen  Jahresbe- 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1959 


t  o  d  e  s  fällen  für  1873:  3659,  1876:  3476,  1891:  4456,  1892:  4312, 
1894:  4852  (davon  allein  im  März,  dem  heissesten  Monat,  2000), 
1896:  2929,  wobei  immer  wieder  zu  berücksichtigen  ist,  dass  es 
ca.  90  Proz.  Fremde*  waren,  die  der  Krankheit  zum  Opfer  fielen 
(„a  febre  amarella  e  muito  patriota“  sagt  man  hier:  das  gelbe  Fieber 
ist  sehr  patriotisch!).  Handel  und  Land  litten  furchtbar  unter  der 
Qeissel,  trotzdem  es  nicht  an  Bemühungen  fehlte,  der  Seuche  Einhalt 
zu  tun,  die  aber  erst  auf  Erfolg  rechnen  durften,  als  man  besseren 
Einbliok  in  deren  Aetiologie  gewann. 

Wenn  es  das  grosse  Verdienst  Finlays  ist,  gezeigt  zu  haben 
—  und  es  fehlte  von  verschiedenen  Seiten  auch  nicht  an  beweis¬ 
kräftigen  Versuchen  an  Menschen!  — ,  dass  es  auch  hier  Moskito¬ 
arten,  besonders  die  Stegomyia  fasciata,  sind,  die  durch  ihren  Stich 
das  noch  nicht  bekannte  Qift  des  Gelbfiebers  weiterverbreiten,  und, 
dass  man  darauf  aufbauend  durch  einen  systematischen  Vernichtungs¬ 
kampf  gegen  die  St.  fase,  die  Sanierung  des  früher  durchseuchten 
Havanna  erreichte,  so  blieb  es  in  Rio  dem  eben  (1903)  ernannten 
Direktor  der  Gesundheitsbehörde,  Dr.  Oswaldo  Gongalves  Cruz 
Vorbehalten,  die  dortigen  Erfahrungen  hier  nutzbar  zu  machen.  Dieses 
rein  praktische  Verdienst  lässt  sich  nur  würdigen,  wenn  man  sich 
einen  Begriff  von  den  Schwierigkeiten  macht,  die  im  hiesigen  Milieu 
liegen.  Zunächst  war  schon  die  Ernennung  des  Dr.  Osw.  Cruz  ein 
Ereignis,  da  sie  ausserhalb  jeder  sonst  durchaus  üblichen  politischen 
Parteiwirtschaft  dekretiert  war,  sodass  es  ihm  an  Anfeindungen  aller 
Art  nicht  fehlte.  Ausserdem  musste  Dr.  Osw.  Cruz  zur  Durchführung 
seiner  Pläne  mit  sehr  weitgehenden  Befugnissen  ausgestattet  werden, 
und  es  kann  'bei  einem  so  freiheitliebenden  Volk,  wie  es  die  Bra¬ 
silianer  sind,  nicht  wundernehmen,  dass  ihnen  z.  B.  eine  fortwährende 
Kontrolle  ihrer  Häuser  nicht  gefiel,  zumal  ihnen  im  allgemeinen  das 
Verständnis  für  den  Sinn  dieser  Massregeln  durchaus  fehlte.  Dazu 
kam,  dass  gleichzeitig  die  Stadt  Rio,  die  mit  ihren  800  000  Ein¬ 
wohnern  eine  ungewöhnlich  grosse  räumliche  Ausdehnung  hat,  an 
allen  Teilen,  besonders  im  Zentrum  ganz  riesenhafte  Umgestaltungen 
erfuhr:  hunderte  und  tausende  Häuser  und  Baracken  wurden  nieder¬ 
gerissen,  um  Platz  für  neue  breite  Strassen  zu  schaffen,  Pflasterungs¬ 
und  Kanalisationsarbeiten  an  allen  Ecken  und  Enden  vorgenom¬ 
men  usw.,  und  dazu  waren  tausende  Arbeiter  nötig,  die,  nicht  akkli¬ 
matisiert,  sonst,  besonders  unter  jenen  Umständen,  einen  guten 
Boden  für  eine  Gelbfieberepidemie  geboten  hätten. 

Mit  eiserner  Energie  setzte  Osw.  Cruz  seinen  Dienst  der  „Pro¬ 
phylaxe  des  gelben  F'ieber“  ins  Werk.  Er  organisierte  zu  dem 
Zweck  eine  Truppe  von  Sanitätspersonal,  Offiziere  und  Soldaten,  die 
das  Volk  hier  mata-mosquitos  „Moskitentöter“  nennt,  deren  gute 
Disziplin  eine  hier  durchaus  bemerkenswerte  Erscheinung  ist.  Auf  die 
einzelnen  Bezirke  der  Stadt  verteilt,  sieht  man  sie  an  der  Arbeit:  die 
einen  leiten  mit  einer  speziellen  Maschinerie  Claytongas  in  die  Ka¬ 
nalisationswege,  um  in  diesen  Hauptbrutstätten  die  St.  f.  und  ihre 
Larven  zu  vernichten,  die  anderen  sieht  man  ausgerüstet  mit  Leitern, 
grossen  Papierrollen,  Kleistertöpfen  und  Behältern  mit  Desinrizientien 
die  Wohnhäuser  besuchen,  wo  sie  die  Dächer  und  Dachrinnen  auf  De¬ 
fekte,  Verstopfungen,  nachsehen  und  ev.  sofort  ausbessern,  wo  sie 
die  Wasserbehälter,  in  die  dem  Riobewohner  seine  Tagesration  zu- 
zufliesst,  verkleistern,  Klosetts  kontrollieren  etc.  Häuser  und  Ba¬ 
racken,  die  hygienischen  Ansprüchen  nicht  genügen,  werden  einfach 
geschlossen  und  erst  nach  Ausführung  nötiger  Verbesserungen  oder 
Neuaufbau  wieder  freigegeben.  In  Fällen  von  Erkrankung  an  gelbem 
Fieber,  die  bei  hohen  Strafen  sofort  angezeigt  werden  müssen,  wird 
gegen  früher,  wo  man  den  ganzen  Apparat  der  Desinfektion  gegen 
Menschen  und  Hausrat  spielen  Hess,  jetzt  folgende.rmassen  verfahren: 
Vernichtung  der  Moskiten  durch  Räucherung  mit  Schwefel,  Schutz 
des  betreffenden  Krankenzimmers  gegen  das  Neueindringen  von  Mos¬ 
kiten  durch  eine  sehr  zweckmässige  Doppeltür  und  Drahtgeflechte 
an  den  Fenstern,  wobei  zur  Innehaltung  aller  Vorschriften  dauernd 
ein  Sanitätssoldat  an  der  Tür  des  Krankenzimmers  auf  Posten  ist; 
wo  die  Durchführung  aller  Massnahmen  auf  Schwierigkeiten  stösst,  wird 
Aufnahme  in  einem  speziellen  Isolierhospital  verlangt.  Zur  Pro¬ 
phylaxe  auf  Schiffen,  auf  denen  früher  öfter  ganze  Mannschaften  aus¬ 
starben,  gelten  ähnliche  Bestimmungen,  und  es  existieren  zu  deren 
Ausführung  zwei  schwimmende  Stationen.  Dass  die  zur  Durchführung 
solcher  Organisation  nötigen  bedeutenden  Geldaufwendungen  (jährlich 
ca.  6  Millionen  Mark)  stets  zugestanden  werden,  ist  bei  dem  nichts 
weniger  als  glänzenden  Stand  der  Finanzen  als  ein  Zeichen  für  die 
Einsicht  der  leitenden  Kreise  besonders  'erwähnenswert. 

Ein  weiteres  Verdienst  des  Dr.  Osw.  Cruz  ist  ferner  noch  die 
Förderung  der  wissenschaftlichen  Seite  des  Gelbfiebers,  das  auf  hie¬ 
sigem  Boden  bisher  besonders  von  ausländischen  Kommissionen 
(der  Hamburger  mit  Dr.  Otto  und  Prof.  Neumann  und  der  Pariser 
mit  den  Professoren  Marchoux  und  Simon  d)  studiert  wurde. 
In  dem  Instituto  de  Manguinhos,  ca.  1  Stunde  ausserhalb  der  Stadt 
gelegen,  das  allmählich  immer  mehr  zu  einem  bakteriologischen  und 


richten  des  Dr.  Bulhoes  C  a  r  v  a  1  h  o  und  einem  Referat  des  Dr. 
Oliveira  Borges  auf  dem  III.  Aerztekongress  des  lateinischen 
Amerika.  Montevideo  1907.  Bei  dem  nicht  verwunderlichen  Miss¬ 
trauen,  das  man  südamerikanischen  Zahlen  entgegenbringt,  möchte 
ich  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass  ich  die  hier  zitierten  für  der 
Wahrheit  möglichst  nahestehend  halte,  mindestens  einen  tendenziösen 
Zuschnitt  für  diesen  Fall  tusschliessen. 


serotherapeutischen  Institut  (hier  gedeiht  die  Wissenschaft  fernab 
von  der  Fakultät!)  ausgebildet  wird  und  schon  jetzt  bedeutende  Ver¬ 
dienste  aufweisen  kann,  hat  Osw.  Cruz  eine  Sammlung  von  Prä¬ 
paraten  von  Gelbfieberleichen  aufgelegt,  ferner  Kollektionen  zum  Stu¬ 
dium  der  Moskitenarten  mit  Berücksichtigung  der  verschiedenen  Ver¬ 
teilung  derselben  über  die  Stadt  und  besonders  ganz  eigenartige 
Käfige  eingerichtet,  in  denen  die  Besonderheiten  und  Lebensbe¬ 
dingungen  der  einzelnen  Moskitenarten  am  lebenden  Tier  studiert 
werden  können. 

Und  was  ist  mit  alledem  bisher  erreicht  worden? 

Vorerst  ist  zu  beachten,  dass  alle  die  übrigen  Bedingungen,  die 
nach  den  bisherigen  Annahmen  die  Entwicklung  einer  Gelbfieber¬ 
epidemie  fördern  sollten,  in  den  Jahren  1904 — 1906  die  gleichen  waren 
als  früher.  Zunächst  hat  die  Zahl  der  nicht  akklimatisierten  Zuge¬ 
wanderten  im  Verhältnis  zum  vorangehenden  Jahrviert  (in  dem  man 
bei  14 — 15  000  Einwanderern  jährlich  Sterbeziffern  von  299,  344,  584 
und  984  erreichte)  zugenommen:  20  bezw.  23  und  27  000.  Bei  der  Be¬ 
deutung,  die  ferner  Temperaturverhältnisse  für  die  Entwicklung  der 
Stegomyia  fase,  als  Krankheitsüberträger  haben,  ist  zu  beachten, 
dass  in  den  ersten  fünf  Monaten  jener  3  Jahre  das  Monatsmittel 
nicht  unter  22°  sank  und  damit  von  früheren  Jahren  nicht  abwich. 

Unter  diesen  Umständen  registriert  man  also  nach  Einführung 
der  Prophylaxe  im  Jahre  1904:  48  und  1906  nur  42  Todesfälle  (bei 
118  resp.  76  Erkrankungen)  am  gelben  Fieber,  die  kleinsten  bisher 
verzeichneten  Ziffern.  Dagegen  überrascht  das  Jahr  1905  wieder  mit  289 
Todesfällen  bei  609  zur  Kenntnis  gelangten  Erkrankungen,  wovon 
60  Proz.  auf  die  Monate  April,  Mai  und  Juni  entfallen.  Woran  lag 
das?  Soll  man  bezüglich  der  niedrigen  Ziffern  von  1904  und  1906  an 
einen  Zufall  glauben  und  keinen  ursächlichen  Zusammenhang  mit  der 
neuen  Prophylaxe  annehmen  dürfen? 

Ein  Blick  auf  die  Verteilungsart  der  Epidemie  1905  im  Verhältnis 
zu  der  letzten,  etwa  doppelt  so  grossen  vor  der  Einführung  der 
Prophylaxe  1903,  zeigt  die  bemerkenswerte  Verschiedenheit,  dass  die 
noch  1903  wie  auch  sonst  immer  stark  ergriffenen  Vororte  (Botafogo, 
Laranjeiras,  Cattete,  Sao  Christovao)  im  Jahre  1905  ganz  oder  fast 
ganz  verschont  blieben,  während  die  Seuchenherde  in  der  eigentlichen 
Stadt,  die  Bezirke  Sao  Jose,  Santo  Antonio,  Sacramento,  in 
beiden  Jahren  gleichmässig  ergriffen  waren,  dieselben  Herde, 
die  auch  in  den  Jahren  1904  und  1906  jene  kleine  Ziffer 
an  Gelbfiebertodesfällen  forderten,  dieselben,  in  denen '  all¬ 
jährlich  auch  Pest  und  Pocken  auftreten.  In  der  Tat  handelt 
es  sich  da  um  einige  scheussliche  Gegenden,  z.  T.  auf  Bergen  gelegen 
und  ohne  hygienische  Einrichtungen,  in  denen  die  ärmste  Bevölkerung, 
darunter  auch  viele  neu  Zugewanderte,  haust  und  in  die  sich  in  aller¬ 
primitivste  Buden  viele  arme  Leute  flüchteten,  die  Leinen  anderen 
Platz  fanden,  als  durch  den  kolossalen  Häuserabbruch  eine  schwere 
Wohnungsnot  eintrat.  Hier  waren  dadurch  auch  die  Schwierigkeiten 
für  die  Prophylaxe  am  grössten,  die  gerade  hier,  wie  Oliveira  Bor¬ 
ges  angibt,  am  laxesten  geübt  wurde,  indem  man  hier  schon  auf 
den  Lorbeeren  von  1904  ausruhte!  Ein  für  hiesige  Verhältnisse  un- 
gemein  charakteristischer  Zug.  Aber  selbst  innerhalb  dieser  zirkum¬ 
skripten  Epidemie  findet  sich  ein  Moment,  das  für  einen  positiven 
Wert  der  modernen  Prophylaxe  spricht:  Während  in  früheren  Epi¬ 
demien  die  einmal  befallen  gewesenen  Häuser  besonders  gefährdet 
waren,  indem  sie  oft  der  Ausgangspunkt  neuer  Erkrankungen  wurden, 
blieben  sie  diesmal  nach  gründlich  vorgenommener  Vernichtung  der 
Moskiten  verschont,  abgesehen  von  einigen  ganz  wenigen  Fällen, 
wo  sie  durch  unmittelbare  Nachbarschaft  wieder  infiziert  wurden. 
In  den  Jahren  1904  und  1906  wurde  indes  kein  einziger  solcher  Fall 
der  Reinfektion  verzeichnet. 

Wenn  man  nun  gegenwärtig  nicht  imstande  ist  den  relativ  gün¬ 
stigen  Verlauf  der  Jahre  1904—06  anderweitig  zu  erklären,  so  kann 
man  wohl  mindestens  vorläufig  darin  einen  überaus  segensreichen 
Einfluss  der  Prophylaxe  erblicken,  und  es  ist  überraschend  wahrzu¬ 
nehmen,  wie  sehr  sich  die  Meinung  des  hiesigen  Publikums  über 
Rios  Klima  geändert  hat.  Indessen  beweist  die  Epidemie  von  1905, 
dass  es  noch  dauernder  und  systematischer  Arbeit  seitens  der  Be¬ 
hörden  bedarf,  um  jene  Geissei  von  Rio  fern  zu  halten  und  man  kann 
hoffen,  dass  die  noch  erforderlichen  Arbeiten  zum  Teil  auch  den 
Kampf  gegen  Pest  und  Pocken  unterstützen  können  und  so  Rio  unter 
die  gesündesten  Städte  der  Tropen  einreihen  werden. 

Dr.  Alexander  Haue  r. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

32.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche 

Gesundheitspflege 

am  11. — 14.  September  1907  in  Bremen. 

(Eigener  Bericht.) 

I.  Die  Verbreitungsweise  und  Bekämpfung  der  epidemischen 

Genickstarre, 

Referent:  Geh.  Medizinalrat  Professor  Dr.  F  1  ii  g  g  e  -  Breslau. 

Nach  einer  Uebersicht  über  die  Ausbreitung  der  Genickstarre  in 
den  letzten  25  Jahren  kommt  Referent  auf  die  letzten  grossen  Epi¬ 
demien  in  Oppeln,  Königshütte,  Beuthen  und  Kattowitz  zu  sprechen 
(1905).  Im  darauffolgenden  Jahre  wurden  in  Preussen  besonders  die 


i960 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Regierungsbezirke  Düsseldorf  und  Arnsberg  ergriffen  neben  Oppeln, 
Posen  und  Breslau.  1907  kam  noch  der  Bezirk  Münster  hinzu.  Die 
hrequenz  der  Erkrankung«-  und  Todesfälle  ist  eine  ganz  enorme, 
besonders  in  Münster.  Die  Epidemie  hat  nicht  die  Neigung  zu  ver¬ 
schwinden,  bei  der  grossen  Mortalität  (ca.  60  Proz.)  ist  dies  sehr 
besorgniserregend,  auch  von  den  Genesenen  werden  eine  ganze  Reihe 
von  Personen  defekt,  besonders  taub.  Was  haben  uns  nun  die  bis¬ 
herigen  Epidemien  gelehrt? 

Heber  die  Verbreitungsweise  der  epidemischen  Genickstarre 
können  wir  teils  aus  den  Eigenschaften  und  den  Fundorten  der  Me¬ 
ningokokken,  teils  aus  epidemiologischen  Beobachtungen  Aufklärung 
zu  gewinnen  suchen. 

Der  Erreger  der  epidemischen  Genickstarre  ist  der  Weich  sei¬ 
lt  a  u  m  sehe  Meningokokkus.  Er  kommt  ganz  konstant  vor:  immer 
bei  den  Lumbalpunktionen,  immer  in  den  Meningen  und  immer  im 
Rachen  der  Erkrankten. 

Weitere  Untersuchungen  über  den  Meningokokkus  haben  er¬ 
geben,  dass  dieser  ausserhalb  des  menschlichen  Körpers  rasch  zu 
gründe  geht,  auch  auf  Tiere  nicht  übertragbar  ist.  Seine  Verbrei¬ 
tung  kann  daher  nur  von  Mensch  zu  Mensch  im  direkten  Verkehr 
erfolgen. 

Auffallend  ist,  dass  der  Kokkus  zwei  ganz  verschiedene  Infek¬ 
tionen  hervorrufen  kann,  eine  ganz  einfache  Pharyngitis  und  die 
oben  genannte  Erkrankung;  wie  und  unter  welchen  Umständen  der 
Durchbruch  des  Kokkus  zu  den  Meningen  stattfinden  kann,  ist  noch 
unaufgeklärt.  Zu  diesem  Durchbruch  disponieren  besonders  die 
Kinder,  die  Lymphatismuserscheinungen  haben. 

Das  regelmässige  Vorkommen  des  Meningokokkus  in  den  Me¬ 
ningen  der  Genickstarrekranken  ist,  da  er  von  dort  nicht  nach  aussen 
gelangen  kann,  für  die  Verbreitung  der  Krankheit  ohne  Bedeutung. 
Die  einzige  Ansiedelungsstätte,  von  der  aus  die  Erreger  auf  die  Um¬ 
gebung  übergehen  können,  findet  sich  im  oberen  Teile  des 
Rachens.  Hier  begegnet  man  aber  der  stärksten  Wucherung  vor 
bezw.  bei  Ausbruch  der  Meningitis;  vom  5.  Krankheitstage  ab  ver¬ 
schwinden  die  Kokken  allmählich. 

Reichliche  Meningokokken  lassen  sich  aber  ausserdem  nach- 
w eisen  im  Rachen  zahlreicher  Menschen  aus  der  näheren  Umgebung 
des  Kranken.  Bei  der  Untersuchung  von  Familienmitgliedern  und 
von  Soldaten  des  gleichen  Mannschaftszimmers  sind  bei  etwa  70 
Proz.  Meningokokken  gefunden.  Diese  „Kokkenträger“  zeigen  teils 
gar  keine  Krankheitserscheinungen,  teils  leichte  Pharyngitis.  Die 
Kokken  verbleiben  im  Mittel  3  Wochen  lang  im  Rachen  der  Befallenen. 
Zu  Zeiten  und  in  Gegenden,  wo  üenickstarreerkrankungen  fehlten, 
wurden  auch  bei  Massenuntersuchungen  Meningokokken  im  Pharynx 
nicht  gefunden. 

Die  Meningokokken  scheinen  sich  von  den  Trägern  zu  anderen 
Menschen  nur  durch  frisches,  feuchtes  Rachensekret  zu  verbreiten: 
entweder  durch  die  beim  Sprechen  oder  Husten  verspritzten  Sekret¬ 
tröpfchen,  oder  durch  gemeinsames  Ess-  und  Trinkgeschirr,  Taschen- 
und  Handtücher. 

Da  die  Kokkenträger  wohl  10— 20  mal  zahlreicher  sind,  als  die 
Genickstarrekranken;  da  die  Iräger  mit  zahlreichen  Menschen  frei 
verkehren,  während  die  Kranken  nur  mit  wenigen  Erwachsenen 
in  Verkehr  bleiben  und  auch  mit  diesen  unter  Vorsichtsmassregeln; 
da  die  Kokken  bei  den  Trägern  3  Wochen  lang  im  Rachen  haften, 
während  sie  beim  Genickstarrekranken  früh  verschwinden,  so  sind 
die  I  räger  bei  der  Ausbreitung  der  Meningokokken  weitaus  in  erster 
Linie  beteiligt.  Durch  sie  erfolgt  vorzugsweise  ebensowohl  die  Ein¬ 
schleppung  der  Kokken  an  einen  bis  dahin  verschonten  Ort,  wie  auch 
die  Verbreitung  innerhalb  einer  Ortschaft.  Aus  der  grossen  Zahl 
der  infizierten  I  räger  erkranken  stets  nur  wenige  disponierte  Indi¬ 
viduen,  namentlich  Kinder,  unter  den  Erscheinungen  der  Genick¬ 
starre. 

Der  geschilderte  auffällige  Befund,  den  somit  die  Untersuchung 
über  die  Fundorte  der  Meningokokken  ergeben  hat,  legt  den  Wunsch 
nahe,  womöglich  auch  auf  anderem  Wege,  nämlich  mittelst  epidemio¬ 
logischer  Beobachtung,  über  die  Verbreitung  der  Genickstarre  Auf¬ 
schluss  zu  bekommen. 

Epidemiologisch  ist  ermittelt,  dass  Einschleppungen  in  bisher 
genickstarrefreie  Orte  oft  durch  gesunde  Personen  erfolgt  sind,  die 
aus  Genickstarreorten  kamen.  Einschleppung  durch  leblose  Gegen¬ 
stände  ist  nicht  einwandfrei  erwiesen.  Die  besten  Beweise  hiefür 
bot  die  oberschlesische  Epidemie.  Aerzte,  Pflegepersonal  oder  andere 
Kranke  im  gleichen  Krankenhause  wurden  von  Genickstarreerkrank¬ 
ten  so  gut  wie  nie  infiziert.  Referent  konnte  auch  durch  Zahlen 
und  Pläne  nachweisen,  dass  selbst  in  stark  bewohnten  Häusern  und 
kinderreichen  Familien  fast  stets  nur  eine  Erkrankung  vorkommt. 
Die  seltenen  gehäuften  Fälle  sind  ungezwungen  auf  ausgebreitete  Dis¬ 
position  zurückzuführen.  Bei  Ketten  von  Erkrankungen  ergeben  sich 
sehr  verschiedene  zeitliche  Intervalle  von  1—47  Tagen,  kürzer  oder 
länger  als  die  Inkubationszeit,  diese  Fälle  sind  nicht  abhängig  von 
den  Kranken,  sondern  von  der  Einschiebung  der  Träger. 

Auch  die  epidemiologischen  Erfahrungen  sprechen  demnach  in 
der  Tat  dafür,  dass  der  Kranke  bei  der  Verbreitung  der  Krankheit 
ganz  in  den  Hintergrund  tritt,  während  die  gesunde  Umgebung  des 
Kranken  in  viel  grösserem  Umfang  die  Erreger  ausstreut.  Gegen 
die  Träger  muss  daher  vorgegangen  werden,  jedoch  haben  wir  bei 
der  Bekämpfung  der  Genickstarre  von  dem  bei  anderen  übertragbaren 


Krankheiten  gewohnten  Schema  wenig  zu  erwarten.  An  einer  Iso¬ 
lierung  des  Kranken  in  so  wenig  rigoroser  Weise,  wie  sie  das 
Seuchengesetz  vorsieht,  wird  man  allerdings  festhalten,  weil  die 
Ausstreuung  von  Erregern  vom  Kranken  aus  immerhin  nicht  un¬ 
möglich  ist;  die  Aufnahme  in  ein  Krankenhaus  wird  nach  wie  vor  zu 
empfehlen  sein,  schon  weil  sachgemässe  Pflege  und  Behandlung  bei 
diesei  Krankheit  meist  nur  im  Krankenhause  gewährt  werden  kann. 
Eine  Desinfektion  nach  Ablauf  der  Krankheit  ist  angesichts  der  grossen 
Widerstandslosigkeit  der  Erreger  von  geringer  Bedeutung. 

Wie  schon  oben  bemerkt,  muss  das  Hauptaugenmerk  auf  die 
Kokkenträger  gerichtet  werden.  Diese  stets  durch  bakteriologische 
Untersuchung  zu  ermitteln  empfiehlt  sich  nicht,  da  die  Kokken  in  dem 
eingesandten  Material  schon  während  des  Transportes  abzusterben 
pflegen;  man  wird  solche  Untersuchungen  auf  besondere  geeignete 
Fälle  (Kasernen,  Schulen  etc.)  beschränken  müssen,  wo  die  Unter-, 
suchung  unmittelbar  an  die  Entnahme  des  Materiales  angeschlossen 
werden  kann.  Die  Entnahme  muss  durch  eigens  hingeschickte  Assi¬ 
stenten  gemacht  werden. 

Im  übrigen  ist  es  zweckmässig,  ohne  weiteres  anzunehmen,  dass 
jeder,  der  mit  dem  Kranken  vor  dessen  Erkrankung  oder  mit  anderen 
mutmasslichen  Kokkenträgern  in  nahem  persönlichen  Verkehr  gestan¬ 
den  hat,  zu  den  Kokkenträgern  gehört. 

Bei  der  grossen  Zahl  der  Kokkenträger  sind  Freiheit«-  und 
Verkehrsbeschränkungen  für  dieselben  undurchführbar;  soviel  es  geht, 
sind  selbstverständlich  die  Träger  abzusperren,  so  Ausscheidung  von 
Arbeitern  und  Soldaten.  Wiederholte  Versuche  von  Lingelsheim 
haben  gezeigt,  dass  eine  nützliche  Wirkung  von  irgendwelchen  Gur- 
gelungen,  Pinselungen  etc.  bisher  nicht  festgestellt  werden  konnte. 

1  yozyanase  soll  durch  Auflösen  der  Bakterienleiber  gut  helfen. 
(Jähle).  Man  muss  diesen  Versuchen  immer  noch  skeptisch  gegen- 
übei  stehen  und  weitere  empfehlen.  Es  bleibt  daher  nichts  anderes 
übrig,  als  den  mutmasslichen  Kokkenträgern  kurze  Merkblätter  einzu¬ 
händigen,  in  denen  ihnen  Vorsicht  im  Verkehr  mit  anderen  Menschen 
für  die  nächsten  Wochen  dringend  empfohlen  wird.  Weiterhin  ist  die 
übrige  Bevölkerung  auf  die  Gefahr,  die  von  jenen  Trägern  ausgeht 
in  geeigneter  Weise  hinzu  weisen. 

Ganz  besonders  sind  diese  Vorsichtsmassregeln  zu  beachten 
gegenüber  den  zur  Erkrankung  stark  disponierten  Kindern.  Schul- 
kinder  aus  Häusern  mit  Genickstarreerkrankungen  sind  möglichst  für 
3  Wochen  vom  Schulbesuch  und  vom  Verkehr  mit  anderen  Kindern 
fernzuhalten.  Eine  Verschärfung  der  Vorsichtsmassregeln  empfiehlt 
sich  ferner  beim  Einbruch  der  Krankheit  in  Industriebezirke  mit 
dichtgedrängter  Arbeiterbevölkerung. 

Ob  die  moderne  Immunitätslehre  uns  bei  der  Bekämpfung  der 
epidemischen  Genickstarre  noch  unterstützt,  ist  fraglich,  dagegen 
ist  die  Behandlung  mit  Serum  aussichtsvoll,  auch  die  Diagnosen- 
stellung  ist  hierdurch  erleichtert. 

II.  Wie  hat  sich  auf  Grund  der  neueren  Forschungen  die  Praxis  der 

Desinfektion  gestaltet? 

Referent:  Professor  Dr.  T  j  a  d  e  n  -  Bremen. 

Die  Ausbildung  der  Desinfektion  ist  erst  möglich  geworden  nach 
allmählicher  Kenntnis  der  Infektion.  Erst  wenn  man  über  den  Auf¬ 
enthalt  der  Krankheitserreger  unterrichtet  ist,  kann  an  die  Keim- 
beseitigung  und  Keimvernichtung  gegangen  werden;  nur  wenn  das 
erkrankte  Individuum  der  Träger  und  Verbreiter  der  Krankheits¬ 
stoffe  ist,  ist  eine  Desinfektion  möglich,  bei  ubiquitärer  Ausbreitung 
der  Keime  könnte  sie  keinen  Zweck  haben. 

Die  Vernichtung  der  Krankheitserreger  innerhalb  des  Körpers, 
ferner  sowie  sie  den  Körper  verlassen  haben,  ist  unsere  Aufgabe.  Im 
ersteren  Falle  bedeutet  die  Vernichtung  nicht  nur  eine  Desinfek¬ 
tion,  sondern  auch  eine  Heilung,  leider  scheitert  die  Desinfektion  im 
Körper  oft  daran,  dass  der  Körper  selbst  durch  die  Desinfektion  ge¬ 
schädigt  würde.  Empirisch  ist  schon  längere  Zeit  die  innere  Des- 
infektion  bei  einer  Anzahl  von  Krankheiten  eingeführt,  so  bei  der 
Malaria  Chinin,  bei  Lues  Quecksilber,  bei  der  Schlafkrankheit  Atoxyl. 
Gelingt  die  innere  Desinfektion  nicht,  so  hat  sie  einzusetzen,  wenn 
die  Keime  in  den  Ausscheidungen  und  Absonderungen  den  Körper 
\ei lassen  haben  und  zwar  unmittelbar  am  Krankenbett:  fortlaufende 
Desinfektion,  im  Gegensatz  zu  der  Schlussdesinfektion;  letztere,  so¬ 
wie  die  Desinfektion  von  Gesamtabwässern  ist  in  ihrer  Bedeutung  zu- 
i  iickgetreten.  Neben  den  Ausscheidungen  sind  alle  die  Gegenstände 
fortlaufend  zu  behandeln,  Welche  mit  den  Kranken  in  Berührung 
kommen,  Bett-  und  Badewäsche,  Geschirre,  Bestecke  etc.  Der  Kranke 
ist  das  Zentrum  der  Krankheitsstoffe. 

Die  Art  der  Desinfektionsmittel  ist:  Auskochen,  strömende 
Dampian wendung,  chemische  Mittel.  Der  Chlorkalk  ist  wegen  seiner 
grossen  Veränderlichkeit  unzuverlässig.  Ganz  zu  verlassen  ist  die 
mechanische  Desinfektion,  so  das  Abreiben  mit  Brot,  wegen  seiner 
Unsicherheit.  Referent  bespricht  dann  die  verschiedenen  chemischen 
Desinfektionsstoffe  und  die  Art  ihrer  Anwendung. 

Die  Ausführung  der  verschiedenen  Methoden  ist  ausserhalb  der 
Spitäler  schwierig  und  muss  erst  genau  erlernt  werden.  Es  ist  nötig, 
weitere  Kreise  hiezu  heranzuziehen,  Gruber  empfiehlt  Kranken¬ 
wärter,  Sanitätsleute,  höhere  Tochterschüler  heranzuziehen  und  gut 
auszubilden. 

Was  soll  nun  die  Schlussdesinfektion  erreichen?  Vor  allem  Frei¬ 
machen  des  Krankenzimmers  von  allen  ansteckenden  Stoffen,  die 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1961 


sogenannte  Wohnungsdesinfektion  besteht  faktisch  nur  in  einer  Zim¬ 
merdesinfektion.  Referent  vertritt  bei  dieser  Gelegenheit  den  Stand¬ 
punkt,  dass  die  Isolierung  eines  Kranken  in  einer  Wohnung  kaum 
einwandfrei  durchführbar  ist.  Nötig  ist  die  Schlussdesinfektion  bei 
der  Tuberkulose  und  zwar  beim  Tode  oder  beim  Verlassen  einer 
Wohnung  seitens  eines  Erkrankten,  dagegen  ist  dieselbe  bei  Typhus, 
Scharlach,  Diphtherie  und  den  bei  diesen  Erkrankungen  noch  immer 
ansteckenden  Bazillenträgern  nahezu  wertlos.  Der  Schluss  der  Er¬ 
krankung  liegt  zeitlich  hier  nicht  mit  dem  Schluss  der  Infektions¬ 
möglichkeit  zusammen.  In  Bremen  wird  auf  eine  Schlussdesinfektion 
bei  der  Diphtherie  verzichtet,  dagegen  wird  eine  bakteriologische 
Untersuchung  sämtlicher  Beteiligter  vorgenommen.  Der  Wert  der 
Schlussdesinfektion  als  Erziehungsmittel  ist  noch  ein  derartig  hoher, 
dass  dieselbe  zur  Zeit  noch  nicht  entbehrt  werden  kann. 

Nötig  ist  die  Spezialisierung  der  einzelnen  Krankheiten  bei  der 
Desinfektion,  die  betreffenden  Ermittelungen  wären  von  einem  Ge¬ 
sundheitsaufseher  zu  machen,  dieser  hätte  dann  die  betreffenden  Mass¬ 
nahmen  vorzuschlagen,  selbstverständlich  müsste  ein  steter  Kontakt 
zwischen  den  Unterbeamten  und  der  Aufsichtsbehörde  stattfinden. 

Referent  kommt  dann  auf  die  Technik  der  Desinfektion  zu  reden: 
Prüfung  der  Dampfdesinfektionsapparate,  ihre  andauernde  Ueber- 
wachung;  Leder-  und  Pelzwaren  sind  durch  trockene  Hitze  mit  For¬ 
maldehyddämpfen  zu  desinfizieren.  Sehr  zu  empfehlen  ist,  wie  neuere 
Versuche  ergaben,  die  Anwendung  von  Rohkresol  und  Schwefel¬ 
säure  zu  gleichen  Teilen  in  den  gegebenen  Fällen.  Die  Ausgasung 
mit  Formaldehyd  hält  T  jaden  für  sehr  brauchbar  wegen  seines 
automatischen  Fortarbeitens  (Breslauer  oder  Kölner  Apparat),  er 
macht  jedoch  besonders  auf  seine  Oberflächendesinfektion  aufmerk¬ 
sam,  daher  möglichste  Ausbreitung  der  betreffenden  Gegenstände. 
Die  Autandesinfektion  ist  noch  nicht  spruchreif.  Bei  der  Formalin¬ 
desinfektion  ist  nur  die  Feuergefährlichkeit  des  Spiritus  unangenehm, 
der  E  1  b  sehe  Glühblock  hilft  diesem  Uebelstand  ab.  Die  schweflige 
Säure  kommt  nur  für  wenige  Zwecke  in  Betracht.  Im  grossen  und 
ganzen  hat  die  Desinfektion  in  ihren  Grundzügen  an  Einheitlichkeit 
gewonnen,  trotzdem  sie  in  Einzelheiten  den  besonderen  für  die  Ueber- 
tragung  in  Betracht  kommenden  Möglichkeiten  besser  angepasst  ist; 
für  die  Praxis  der  Seuchenbekämpfung  bildet  sie  auch  zur  Zeit  noch 
ein  wertvolles  Hilfsmittel,  wenngleich  ihr  eine  so  ausschlaggebende 
Bedeutung  nicht  mehr  zugemessen  werden  kann,  wie  es  früher  ge¬ 
schehen  ist. 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  11.  Juni  1907 
im  neuen  poliklinischen  Institut. 

Herr  Grund:  Krankenvorstellung. 

Der  40  jährige  Patient  erkrankte  nach  einem  mehrjährigen  Vor¬ 
stadium  unklarer  rheumatischer  Schmerzen  in  den  Beinen  im  Novem¬ 
ber  1906  mit  Schmerzen,  Steifigkeit  und  Schwäche  in  den  Beinen 
rechts  mehr  als  links.  Die  Erscheinungen  nahmen  seit  Anfang  April 
1907  stark  zu;  dazu  traten  Schmerzen  im  Kreuz,  später  im  Rücken, 
starke  Steifigkeit  des  Rückens.  Objektiv  findet  sich  atrophische 
Lähmung  der  Extensoren  der  Zehen  und  des  Tibialis  anticus  rechts, 
weniger  der  Musculi  peronei,  mit  starken  fibrillären  Zuckungen; 
fibrilläre  Zuckungen  auch  in  der  rechten  Wade  und  im  linken  Unter¬ 
schenkel,  weniger  sicher  in  beiden  Oberschenkeln.  Sehr  starke  Spas¬ 
men  mit  leichter  Parese  in  der  gesamten  Muskulatur  beider  Beine, 
ausgenommen  die  atrophisch  gelähmten  Muskeln;  Steigerung  der 
Sehnenreflexe  der  unteren  Extremitäten  rechts  mehr  als  links,  Plan¬ 
tarreflex  rechts  fehlend,  links  ganz  schwach  normal,  kein  Babinski. 
Sensibilität  in  beiden  Beinen  mässig  gestört  für  alle  Qualitäten  mit 
Ueberwiegen  der  Schmerz-  und  Temperatursinnstörung,  obere  Grenze 
etwas  unterhalb  des  Nabels.  Sphinkteren  nicht  sicher  gestört.  Wir¬ 
belsäule  etwas  skoliotisch.  im  Röntgenbilde  nicht  verändert,  voll¬ 
ständig  steif,  im  Brust-  und  Lendenteile  diffus  stark  druckempfindlich. 
Starke  Spannung  der  Bauchmuskeln;  untere  Bauchreflexe  fehlend, 
obere  schwach  erhalten.  Die  Lumbalpunktion  ergab  einen  gelb  ge¬ 
färbten  Liauor,  der  in  wenigen  Minuten  spontan  gerann,  viel  Eiweiss 
enthielt,  ohne  charakteristischen  Befund. 

Vortragender  glaubt  einen  Prozess  innerhalb  der  Medulla,  be¬ 
sonders  innerhalb  des  rechten  Vorderhorns  des  unteren  Lumbal-  und 
Sakralteiles  annehmen  zu  müssen  und  gleichzeitig  einen  Prozess  im 
Bereich  der  Leptomeningen,  der  von  unten  bis  mindestens  zur  Höhe 
des  Brustmarks  reicht.  Besonders  auch  auf  Grund  des  Lumbalpunk¬ 
tionsergebnisses  spricht  er  als  Ursache  des  Ganzen  einen  Tumor 
an,  der  jedenfalls  in  den  Meningen  ausgebreitet  ist,  wahrschein¬ 
lich  aber  seinen  primären  Sitz  in  der  grauen  Substanz 
des  Rückenmarks  an  der  oben  gekennzeichneten  Stelle  hatte, 
von  wo  aus  er  in  die  Meningen  durchgebrochen  ist. 

Herr  Fleiner:  Das  neue  poliklinische  Institut. 

Herr  Hammer:  Ueber  physikalische  Heilmethoden. 


Sitzung  vom  25.  Juni  1907. 

Herr  E.  Feer  macht  folgende  Demonstrationen. 

1.  2%  jähriges  Mädchen  mit  chronischem  Gelenkrheumatismus 
und  Luxation  des  linken  Hüftgelenkes. 

Keine  Belastung,  gute  hygienische  Verhältnisse.  Das  früher  ge¬ 
sunde  Mädchen  erkrankte  im  September  1906  mit  verbreiteten  Ge- 
lenkschwellungen  (am  stärksten  an  Händen  und  Füssen),  Nacken¬ 
steifigkeit  und  Fieber,  erholte  sich  dann  wieder  vollständig.  Im  Fe¬ 
bruar  1907  neuerdings  Anschwellung  zahlreicher  Gelenke,  Fieber, 
Abmagerung.  Seither  ans  Bett  gefesselt.  Ende  Mai  Eintritt  in  die 
Universitäts-Kinderklinik. 

Starke,  weiche,  kaum  druckempfindliche  symmetrische  Anschwel¬ 
lung  der  Gelenke  der  Hände,  Handwurzel,  der  Finger  (besonders 
1.  Interphalangealgelenk),  der  Ellbogen,  der  Schultern,  der  Fiisse, 
Zehen,  Knie,  Hüften.  Keine  merklichen  Knorpelveränderungen.  Aktive 
Beweglichkeit  der  Arme  mit  Ausnahme  der  Schultern  auffallend  wenig 
beeinträchtigt.  Passive  Bewegungen  der  Schultern,  der  Hilft-  und 
Sprunggelenke  erheblich  behindert.  Es  liegt  starke  Adduktionskon¬ 
traktur  und  Luxation  des  linken  Hüftgelenkes  vor  (der  grosse  Tro¬ 
chanter  steht  2  cm  zu  hoch),  welche  der  Vortragende  als  rheuma¬ 
tische  Distensionsluxation  auffasst,  offenbar  eine  ausser¬ 
ordentlich  seltene  Komplikation,  die  aber  kaum  anders  zu  deuten  ist, 
da  keine  sonstigen  Ursachen  eruierbar  sind.  Kongenitale  oder  tuber¬ 
kulöse  Luxation  sind  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  Das  Röntgen¬ 
bild  ergibt  auch  völlig  normale  Knochenverhältnisse  der  Pfannen¬ 
gegend  und  des  Oberschenkelkopfes,  ebenso  an  Hand  und  Knie.  Im 
Röntgenbild  der  Hände  sieht  man  deutliche  kreisförmige  Schatten  um 
die  Metakamophalangealgelenkspalten,  welche  auf  Verdickung  der 
Gelenkkapseln  hindeuten. 

Fernerhin  zu  erwähnen  sind  häufige  profuse  Schweisse.  an¬ 
haltendes  beträchtliches  Fieber,  das  jedoch  das  Allgemeinbefinden 
wenig  stört.  Harn  normal.  Die  Schwellung  der  Milz  und  der  peri¬ 
pheren  Lymphdrüsen  lassen  den  Fall  vielleicht  als  Still  sehe  Krank¬ 
heit  auffassen.  Salizvlmedikation  brachte  keine  sichere  Wirkung  und 
war  ohne  jeden  Einfluss  auf  das  Fieber. 

2.  Die  Tuberkulosediagnose  nach  v.  Pirquet  durch  Hautimp- 
fung,  welche  Feer  bis  jetzt  an  46  Patienten  der  Universitäts-Kin¬ 
derklinik  ausgeführt  hat.  Sie  scheint  berufen,  grosse  diagnostische 
Dienste  speziell  im  ersten  Kindesalter  zu  leisten.  Die  Reaktion  ver¬ 
lief  rein  lokal  (Temperatursteigerung  bei  entern  tuberkulösen 
8  Monate  alten  Säugling?).  Alle  Fälle  von  Tuberkulose  reagierten 
positiv,  fernerhin  ein  4  jähriges  Mädchen  mit  skroohulösem  Ekzem 
und  Keratitis  nach  Masern,  sodann  der  erwähnte  8  Monate  alte  Säug¬ 
ling  mit  fieberloser  chronischer  Pneumonie,  bei  dem  nachträglich 
Tuberkelbazillen  im  Auswurf  aufgefunden  wurden.  Die  Methode 
scheint  vollständig  harmlos  zu  sein,  soweit  bis  jetzt  ein  Urteil  mög¬ 
lich  ist,  und  besitzt  weiterhin  den  Vorteil,  dass  sie  auch  am  Fiebern¬ 
den  und  bei  Ambulanten  anwendbar  ist. 

Herr  Hans  Arnsoereer  stellt  eine  20jährige  Kranke  vor,  bei 
welcher  mit  Hilfe  der  Röntgendurchleuchtung  die  Diagnose  auf 
Eventratio  diaohragmatica  zu  stellen  war  und  zeigt  die  Röntgen¬ 
aufnahmen.  welche  im  Stehen  und  Liegen  ohne  Füllung  des  Magens 
und  mit  Füllung  des  Magens  mit  Wismutmilchbrei  gemacht  waren. 

Im  ganzen  sind  ungefähr  ein  Dutzend  derartiger  Fälle  bekannt; 
beim  Lebenden  wurde  die  Diagnose  nur  etwa  5  mal  gestellt,  meist  auch 
erst  in  Richtigstellung  der  anfänglich  angenommenen  Diagnose  der 
Hernia  diaohragmatica. 

Der  Fall  wird  an  anderer  Stelle  publiziert. 

Herr  B  e  1 1  m  a  n  n:  Ueber  Atoxylbehandlung  der  Syphilis. 

(Erscheint  an  anderer  Stelle  dieser  Nummer.) 

Sitzung  vom  9.  Juli  1907. 

Herr  Ernst:  Demonstration  des  Radspeichenbaues  der  Ner- 
venmarkscheide. 

Diskussion:  Herren  Arnold,  Magnus,  Schwalbe, 
Ernst. 

Herr  Lossen:  Ueber  das  Verhalten  des  Knochen¬ 
markes  bei  verschiedenen  Erkrankungen  des  Kindesalters. 

Der  Vortr.  hat  das  Mark  der  Rippen  bei  ca.  80  Kindern 
untersucht,  wobei  er  sich  zur  Bestimmung  des  Zellgehaltes 
einer  von  ihm  ausgearbeiteten  Methode,  zur  Ermittelung  des 
prozentualen  Verhältnisses  der  .einzelnen  Zellformen  des  Ehr- 
1  ich  sehen  Auszählungsverfahrens  im  gefärbten  Trocken¬ 
präparat,  bedient  hat.  Es  ergab  sich  bei  vielen  kachektischen 
Zuständen  mit  starker  Verminderung  des  Körpergewichtes,  wie 
sie  besonders  infolge  schwerer  Verdauungs-  und  Ernährungs¬ 
störungen  des  Säuglings  auftreten,  ein  geringer  Zellgehalt,  hin 
gegen  bei  pyogenen  Infektionen  häufig  eine  Steigerung  des¬ 
selben.  Die  einzelnen  Zellformen  zeigen  auch  bei  den  gleichen 
Erkrankungen  ein  sehr  wechselndes  Verhalten;  im  allgemeinen 
herrschen  bei  den  Verdauungsstörungen  des  Säuglings,  sowie 


1962 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


bei  Pleuraempyemen  und  bei  Meningitis  epidem.  meistens  die 
neutrophilen  granulierten  Zellen,  bei  Bronchopneumonie,  Tuber¬ 
kulose  und  Masern  hingegen  die  ungranulierten  lymphozyten¬ 
ähnlichen  Zellen  (N  a  e  g  e  1  i  s  Myeloblasten)  vor.  Die  poly¬ 
nukleären  Neutrophilen  sind  bei  den  meisten  Erkrankungen 
spärlich  (1 — 3  Proz.)  vorhanden,  hohe  Werte  pflegen  sie  bei 
Höhleneiterungen  (Empyema  pleurae,  Meningitis  epidemica) 
zu  erreichen;  sie  finden  sich  dabei  im  Knochenmark  oft  in 
stark  vermehrter  Menge,  ohne  dass  die  Blutuntersuchung  intra 
vitam  eine  Hyperleukozytose  ergab.  Die  kernhaltigen  Erythro¬ 
zyten  scheinen  beim  Kinde  im  allgemeinen  reichlicher  als 
beim  Erwachsenen  vorzukommen;  besonders  zahlreich  sind 
sie  beim  Neugeborenen  und  in  den  ersten  Lebensmonaten.  Bei 
schweren  marantischen  Zuständen,  z.  B.  infolge  von  Infek¬ 
tionen  sind  sie  mitunter  stark  vermindert. 


Medizinische  Gesellschaft  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  1.  Juni  1907 
in  der  Königlichen  Augenklinik. 

Herr  Schirmer:  1.  Ueber  Prognose  und  Therapie  der  perforieren¬ 
den,  infizierten  Bulbusverletzungen.  (Ist  in  der  Deutschen  med.  Wo¬ 
chenschrift,  1906,  No.  31,  erschienen). 

2.  Krankenvorstellungen:  a)  Siderosis  bulbi. 

Der  25  jährige  Patient  hat  seit  10  Jahren  einen  minimalen  Eisen¬ 
splitter  im  hinteren  Bulbusabschnitt,  vermutlich  in  der  Gegend  des 
Ziliarkörpers  sitzen.  Das  Sehvermögen  beträgt  noch  14  der  Norm, 
aber  das  Gesichtsfeld  ist  schon  merklich  eingeengt  und  das  Auge 
stark  hemeralopisch.  Die  Iris  zeigt  eine  auffallende  grün-bräunliche 
Verfärbung,  die  sehr  von  der  blauen  Farbe  des  anderen  Auges 
absticht.  Entzündliche  Erscheinungen  fehlen  bisher  völlig. 

b)  2  Fälle  von  Schussverletzung  des  Auges.  Im  ersten 
Fall  handelt  es  sich  um  einen  12  jährigen  Knaben,  der  vor  17  Tagen 
mit  einem  Revolver  einen  Schuss  von  vorn  erhalten  hatte.  Die  Kugel 
war  unter  dem  linken  oberen  Orbitalrand  eingedrungen  und  sass 
jetzt,  wie  die  Röntgenaufnahmen  zeigten,  in  der  Schuppe  des  Hinter¬ 
hauptbeines.  Anfänglich  war  starke  Protrusio,  Ptosis,  fast  völliger 
Verlust  der  Beweglichkeit,  Amaurose  und  Reflextaubheit  des  linken 
Auges  vorhanden,  während  rechts  alles  normal  war.  Alle  diese 
Erscheinungen  haben  sich  bis  zum  Tage  der  Vorstellung  schon  er¬ 
heblich  gebessert  und  sind  in  der  Folge  gänzlich  zurückgegangen; 
nur  eine  starke  Parese  des  R.  superior  ist  geblieben  und  das  Seh¬ 
vermögen  hat  bei  stets  freiem  Gesichtsfeld  nur  1/s  der  Norm  wieder 
erreicht,  während  die  temporale  Pupillenhälfte  in  den  letzten  Wochen 
leicht  abgeblasst  ist.  Die  schon  am  Tage  nach  der  Verletzung  wieder¬ 
kehrende  Pupillenreaktion  berechtigte  von  Anfang  an  zu  einer  leid¬ 
lichen  Prognose,  da  sie  bewies,  dass  es  sich  keinesfalls  um  eine 
Durchtrennung  des  Nerven  handeln  könne,  sondern  nur  um  eine 
Prellung  desselben;  die  Annahme,  dass  die  nicht  unbeträchtliche 
orbitale  Blutung  die  anfängliche  Amaurose  bedingt  habe,  scheint  mir 
sehr  unwahrscheinlich. 

Im  zweiten  Fall  handelt  es  sich  um  ein  Conamen  suicidii  mit 
totaler  Durchtrennung  des  Optikus. 

Herr  Stargardt  demonstriert  Präparate  von  Tuberkulose 
des  Auges,  darunter  solche  von  akuter  Tuberkulose,  ferner  Präparate 
von  Panophthalmie,  hervorgerufen  durch  den  Pfeifferschen 
hämophilen  Bazillus  (vergl.  die  Arbeit  von  Unna  über  diesen  Fall 
in  den  Klin.  Monatsblättern  f.  Augenheilk.  1907);  schliesslich  Präparate 
von  sog.  Hyperplasie  des  Ziliarkörperepithels  (Par- 
sons)  in  einem  Auge  mit  Gliom. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  29.  Mai  1907. 

Herr  R  ö  s  s  I  e  demonstriert  Mäuse  mit  implantierten  und  spon¬ 
tanen  Karzinomen. 

Herr  Rössle:  Gibt  es  Schädigungen  durch  Kochsalz¬ 
infusionen?  (Erschienen  in  der  Berliner  klin.  Wochenschr.) 

Diskussion:  Herr  Neubauer  und  Herr  Ad.  Schmitt. 

Herr  Fr.  Müller:  Medizinische  Reiseeindriicke. 

Sitzung  vom  12.  J  u  n i  1907. 

Herr  Heineke: 

a)  Demonstration  des  Herzens  eines  42 jähr.  Mannes,  der  in  vivo  das 
Bild  des  Adams-Stokesschen  Symptomenkomplexes  darbot.  Vor  14 
Jahr  beim  Beginn  der  Krankheit  bestand  abwechselnd  Tachykardie  und 
mittlere  Verlangsamung  der  Pulsfrequenz  durch  unvollständige  Dis¬ 
soziation.  Später  dauernde  starke  Bradykardie,  wahrscheinlich  als 
Folge  vollkommener  Dissoziation  zwischen  Vorhof  und  Ventrikel. 
Das  Herz  zeigt  eine  das  ganze  Ventrikelsystem  einnehmende  ausge¬ 


dehnte  Narbe.  Das  H  i  s  sehe  Bündel  ist  also  jedenfalls  zu  gründe 
gegangen.  Es  handelt  sich  um  eine  Herzmuskelerkrankung  nach  Lues, 
wie  anamnestisch  und  durch  den  anatomischen  Befund  anderer  Or¬ 
gane  sichergestellt  ist. 

b)  Vorstellung  einer  64  jährigen  Frau  mit  z.  Z.  10—20 
Pulsen  in  der  Minute.  Die  aufgenommenen  Kurven  beweisen, 
dass  abwechselnd  unvollständige  und  völlige  Aufhebung  der  Reiz¬ 
leitung  zwischen  Vorhof  und  Ventrikel  besteht.  Die  Aetiologie  des 
Leidens  ist  unbekannt,  die  Pat.  leidet  schon  seit  dem  30.  Lebens¬ 
jahre  an  Anfällen  von  Bewusstlosigkeit. 

c)  Demonstration  der  Karotiskurven  eines  79  jähr.  Mannes  mit 
langen,  Iris  zu  3  Sekunden  dauernden  Intervallen  zwischen  den  ein¬ 
zelnen  Systolen.  Das  Herz  ist  während  dieser  Pause  in  völliger 
Ruhe.  Durch  leichten  Druck  auf  die  Carotis  dextra  oder  sinistra  kann 
die  Bradykardie  stark  gesteigert  werden.  Während  der  Aufnahme  ' 
der  Karotiskurven  wurde  ein  längerer  und  etwas  stärkerer  Druck  auf 
die  Karotis  ausgeübt.  Hierbei  kam  es  zweimal  zu  15 — 20  Sekunden 
langem  Ventrikelstillstand  und  Bewusstseinsverlust.  Ein  mässiger 
Druck  auf  den  Nervus  vagus  vermag  also  hier  Herzstillstand  auszu¬ 
lösen.  Es  liegt  deshalb  nahe,  die  bestehende  Allorrhythmie  ebenfalls 
auf  einen  abnorm  gesteigerten  hemmenden  Einfluss  des  Nervus  vagus 
zu  beziehen. 

Bei  dem  1.  Fall  war  das  H  i  s  sehe  Bündel  zu  gründe  gegangen, 
bei  dem  letzten  Kranken  dagegen  bestanden  Störungen  seitens  eines 
Herznerven.  Beidemale  Bradykardie  und  Anfälle  von  Bewusst¬ 
losigkeit.  Die  Fälle  zeigen,  dass  es  sich,  wie  neuerdings  von  H  e  - 
r  i  n  g  wieder  betont,  bei  der  Adams -  Stokes  sehen  Krankheit  um 
einen  Symptomenkomplex  handelt,  der  durch  verschiedene  Ursachen 
bedingt  sein  kann. 

Herr  Mader:  Beiträge  zur  Killian  sehen  Radikal¬ 
operation  der  chronischen  Stirnhöhleneiterungen,  sowie  Mit¬ 
teilung  einer  neuen  Behandlungsmethode  des  Kieferhöhlen- 
empyems,  mit  Demonstrationen  und  Krankenvorstellung.  (Vor¬ 
trag  erscheint  im  Archiv  für  Laryngologie.) 

Diskussion:  Herr  Hecht  und  Herr  Mader. 

Herr  Wassermann:  Die  Bedeutung  des  Röntgenver¬ 
fahrens  für  die  Diagnose  der  Kieferhöhlen-,  Siebbein-  und 
Stirnhöhleneiterungen  mit  Demonstration  von  Röntgenbildern. 

(Vortr.  erscheint  in  den  Fortschr.  a.  d.  Geb.  d.  Röntgenstrahlen.) 

Diskussion:  Herren  Mader,  Nadoleczny,  Krecke, 
Spielman  n.  Gras  h  e  y  und  Wassermann. 

Herr  K-  E.  R  a  n  k  e:  Demonstration  des  Modelles  eines 
Tropenkrankenhauses  mit  Einrichtung  zur  Regulierung  der 
Lufttemperatur  und  Luftfeuchtigkeit. 

Sitzung  vom  26.  Juni  1907. 

Herr  v.  Bauer:  Demonstration  eines  Falles  von  Chlorom. 

Die  am  19.  VI.  verstorbene  Patientin  fühlte  sich  seit  %  Jahren 
krank.  Es  bestand  Abmagerung,  zunehmende  Blässe,  häufiges  Er¬ 
brechen.  Bei  der  Aufnahme  am  16.  VI.  zeigten  die  inneren  Organe 
der  sehr  blassen  und  stark  verfallenen  Kranken  keinen  objektiven  Be¬ 
fund.  Im  Urin  Spuren  Eiweiss.  Blutbefund:  15  Proz.  Hämoglobin, 

1  120  000  rote,  30  700  weisse,  unter  diesen  eine  grosse  Menge  myelo¬ 
zytenähnlicher,  aber  ungranulierter  Zellen,  keine  kernhaltigen  roten. 
Klinische  Wahrscheinlichkeitsdiagnose:  maligner  Tumor  unbekannten 
Sitzes  mit  Metastasen  im  Knochenmark.  Anatomische  Diagnose: 
Chlorom,  ausgedehnte  chloromatöse  Infiltration  des  Knochenmarks, 
grasgrüne  Verfärbung  der  Nieren  durch  Chlorominfiltration,  Pachy- 
meningitis  haemorrhagica  interna  der  Basis  und  Konvexität. 

Diskussion:  Herr  D  ii  r  c  k  glaubt,  dass  das  Besondere  an 
dem  Fall  darin  liegt,  dass  ein  einigermassen  umschriebener  Tumor 
überhaupt  nicht  vorhanden  war,  sondern  dass  es  sich  um  eine  diffuse 
chlorom  yelosar  komatöse  Infiltration  des  Knochenmarkes, 
der  Lymphdrüsen  und  der  Nieren  handelte.  Aber  in  den  Nieren  waren 
nicht  nur  die  Interstitiell  dicht  und  breit  mit  Myelozyten  infiltriert, 
sondern  die  Epithelicn  der  gewundenen  Harnkanälchen  zeigten  Ein¬ 
lagerungen  von  grünlich  glänzenden  Pigmentkörnchen,  welche  sich 
mit  Sudan  nicht  färben  Hessen.  Daher  rührte  wohl  hauptsächlich  die 
diffuse  Grünfärbung  des  Organes.  Es  handelte  sich  also  um  eine 
ähnliche  Pigmentinfiltration  der  Niere,  wie  sie  bei  Melanosarkom  mit 
braunem  oder  schwärzlichem  Pigment  vorkommt. 

Herr  Rössle  hat  einen  Fall  von  Chlorom  beobachtet,  in  dem  die 
klinische  Untersuchung  und  auch  zunächst  die  Obduktion  bis  zuletzt 
kein  Resultat  lieferte;  erst  die  Eröffnung  der  Röhrenknochen  ergab 
in  Form  eines  hyperplastischen,  vollständig  grasgrünen  Knochen¬ 
markes  die  Aufklärung.  Solche  Fälle  fordern  dazu  auf,  die  Unter¬ 
suchung  des  Knochenmarks  niemals  in  unklaren  Fällen  zu  unterlassen, 
und  lassen  daran  denken,  dass  vielleicht  doch  manchmal  ein  Fall  von 
Chlorom,  übersehen  wird. 

Herr  Uffenheimer  stellt  einen  Fall  von  sekundärer  Vakzine 

vor.  Das  Kind  wurde  12  Tage  geimpft,  ehe  die  ersten  Erscheinungen 
der  sekundären  Vakzine  wahrgenommen  wurden.  Eine  grosse  Reihe 
von  Pusteln  sitzen  zu  beiden  Seiten  des  Skrotums  und  an  den  gegen¬ 
überliegenden  Schenkelflächen,  sowie  in  den  Schenkelfalten,  alle  ent- 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1963 


wickelt  auf  dem  Boden  eines  I  n  t  e  r  t  r  i  g  o  s.  Einige  andere  Pusteln 
im  Gesicht  und  am  Augenlid.  Die  sekundären  Pusteln  gelangten 
ausserordentlich  schnell  zur  Entwicklung  im  Gegensatz  zu  der  einen 
primären  Pustel,  die  nach  dem  Impfakt  entstand  und  besonders  lang 
zu  ihrer  vollen  Entfaltung  brauchte.  Warnung,  bei  irgend¬ 
welchen  juckenden  A  f  f  e  k  t-i  o  n  e  n  der  Haut,  auch  wenn 
sie  nicht  ekzematöser  Natur  sind,  zu  impfen. 

Herr  Ach:  Ueber  Oesophagusstenosen  und  ihre  Be¬ 
handlung  (mit  Demonstrationen).  (Erscheint  in  der  Münch, 
med.  Wochenschr.) 

Herr  v.  Stubenrauch:  Doppelte  komplette  Narbenstriktur 
des  Oesophagus  nach  Oesoohagitis  luetica. 

Gastrostomie  und  Sondierung  ohne  Ende  von  der  Magenfistel  aus 
im  Jahre  1900.  (Damals  im  Vereine  vorgestellt.)  Prophylaktische 
Fortsetzung  der  Bougierung  nach  erfolgter  Heilung  der  Magenfistel. 
Jetzt  geheilt;  seit  3  Monaten  keine  Bougierung. 

Diskussion:  Herr  Adolf  Schmitt:  Ich  glaube,  dass  wir 
das  Verfahren,  das  uns  Herr  Ach  eben  gezeigt  hat,  als  einen  Fort¬ 
schritt  sehr  begriissen  dürfen,  da  es  bei  der  Sondierung  der  Speise¬ 
röhre  an  Stelle  der  bisherigen  Unsicherheit  ein  sicheres,  unter  Lei¬ 
tung  des  Auges  vor  sich  gehendes  Handeln  erlaubt.  Die  retrograde 
Sondierung  der  Speiseröhre  wird  sich  ja  immer  wesentlich  auf  die 
narbigen  Stenosen  beschränken,  doch  kann  ich  die  von  Herrn  v.  Stu¬ 
benrauch  ausgesprochene  Ansicht,  dass  bei  Karzinom  der  Speise¬ 
röhre  überhaupt  nicht,  weder  von  oben  noch  vom  Magen  aus,  son¬ 
diert  werden  dürfe,  als  allgemein  gültig  nicht  anerkennen.  Es  gibt 
doch  Fälle  von  Speiseröhrenkrebs,  bei  denen  eine  Sondenbehandlung 
unvermeidbar  ist,  weil  z.  B.  die  Anlegung  einer  Magenfistel  strikte 
verweigert  wird.  In  solchen  Fällen  muss  eben  trotz  der  Gefahr  einer 
Perforation  der  Speiseröhre  eine  vorsichtige  Sondenbehandlung  bei 
zunehmender  karzinomatöser  Verengerung  durchgeführt  werden. 

Herr  Krecke:  Nur  eine  kurze  Anfrage.  Soweit  ich  aus  der  Ent¬ 
fernung  habe  sehen  können,  entspricht  das  von  Herrn  Ach  benutzte 
Instrument  dem  S  t  r  a  u  s  s  sehen  Rektoskop  mit  der  Lichtquelle  vorne. 
Ich  darf  annehmen,  dass  diese  Beobachtung  richtig  ist. 

Herr  Ach:  Vor  allem  möchte  ich  nochmals  bemerken,  dass  ich 
die  Sondierung  des  Oesophagus  bei  Karzinom  wegen  der  Gefahr  der 
Sondenperforation  für  nicht  angebracht  halte.  Ausserdem  stehe  ich 
im  Gegensätze  zu  Herrn  v.  Stuben  rauch  auf  dem  Standpunkte, 
dass  die  Oesophagoskopia  superior,  von  sachkundiger  Hand  ausge¬ 
führt,  auch  bei  Karzinomkranken  keine  Gefahr  im  Gefolge  hat  und 
keinen  zu  grossen,  im  Interesse  des  Patienten  unberechtigten  Eingriff 
darstellt.  Bei  allen  Oesophagusstenosen  ist  meines  Erachtens,  schon 
zur  Vermeidung  von  Fehldiagnosen,  die  Oesophagoskopia  superior 
auszuführen,  zumal  die  einzuschlagende  Therapie  abhängig  ist  von 
dem  ösophagoskopischen  Befunde. 

Herr  Heuck:  Dermatologische  Demonstrationen. 

1.  1  Fall  von  Sarkoiden  Tumoren  der  Haut  und  Bericht  über  einen 
zweiten  kürzlich  beobachteten  Fall. 

Erster  Fall1)  —  Patientin  wird  demonstriert  —  betrifft  ein 
12  Jahre  altes,  in  der  Entwicklung  sehr  zurückgebliebenes  Mädchen 
aus  gesunder  Familie.  Seit  dem  4.  Leben^monat  bestehen  über  den 
Gelenken  der  Extremitäten,  aber  auch  an  Nase  und  Ohren  derb 
elastische,  teilweise  konglomerierte,  kirschkern-  bis  walnussgrosse 
Geschwülste.  Haut  von  normaler  bis  lividrötlicher  Färbung.  Hoch¬ 
gradige  Wachstumshemmungen  der  Knochen  und  Funktionsstörungen 
der  Gelenke.  Finger  krallenförmig  eingezogen,  in  ulnarer  Abduktion. 
Sekundäre  Atrophie  der  Muskeln.  Ein  8  jähriger*  Bruder  zeigt  die 
gleichen  Veränderungen.  Ein  Teil  der  Tumoren  ist  spontan  zurück¬ 
gegangen.  Das  histologische  Bild  zeigt  ein  bedeutendes  Infiltrat  in 
der  Tiefe  der  Kutis  aus  epitheloiden  Zellen,  keine  Abkapselung: 
ausserdem  stark  gewuchertes,  teilweise  hyalin  degeneriertes  Binde¬ 
gewebe.  Stellenweise  sehr  deutliche  Zeichen  regressiver  Metamor¬ 
phose.  Hervorragend  schöne  Diapositive  und  Röntgenphotogramme 
aus  der  Hand  von  Prof.  Rieder  erläutern  das  Krankheitsbild. 

Der  zweite  vom  Vortr.  beobachtete  Fall2)  zeigte  bei  einer  Frau 
in  mittleren  Jahren  symmetrisch  an  beiden  Schläfen  gruppiert  lokali¬ 
sierte  dunkelblaurote,  bis  kirschgrosse  Tumoren.  Die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  ergab  ein  grosses  Rundzelleninfiltrat  in  der 
Kutis,  an  einer  Stelle  tuberkelähnliche  Bildung,  keine  Bindegewebs¬ 
wucherung. 

Der  Begriff  der  sarkoiden  Tumoren  wird  besprochen,  sie  grenzen 
sich  von  den  wahren  Sarkomen  ab  1.  durch  ihr  beschränktse  Wachs¬ 
tum  und  2.  durch  die  Fähigkeit  der  Rückbildung.  Der  erste  Fall  zeigt 
im  klinischen  Aussehen  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Sarcoma  idio- 
pathicum  multiplex  haemorrhagicum,  die  Differentialdiagnose  wird 
besprochen  und  die  Abbildung  eines  ähnlichen,  von  Tandler  publi¬ 
zierten  Falles  gezeigt. 

2)  1  Fall  von  R  e  c k  1  i  n  gh  a  u  s  e  n  scher  Krankheit  (Neuro- 

übromatosis  cutis). 


1)  Patientin  befindet  sich  zurzeit  in  der  Kgl.  Zentralanstalt  für 
.  Erziehung  und  Bildung  krüppelhafter  Kinder. 

s)  Patientin  stand  in  Behandlung  von  Dr.  K  1  e  i  n  t  j  e  s  -  München, 
früherem  Assistenzarzt  der  III.  medizinischen  Abteilung,  das  aufge¬ 
stellte  Präparat  zu  diesem  Fall  ist  Vortragendem  von  Dr.  K  1  e  i  n  t  j  e  s 
überlassen. 


Hinweis  auf  die  Art  der  Tumoren  und  die  eigentümlichen  Pig¬ 
mentierungen  gerade  am  Rumpf,  die  grösstenteils  den  Spaltungsrich¬ 
tungen  der  Haut  folgen.  Der  Ausgang  der  Tumoren  von  den  Nerven¬ 
scheiden  ist  nicht  in  allen  Fällen  sichergestellt. 

3.  2  Fälle  von  Dermatitis  exfoliativa  generalisata. 

Die  beiden  Leidensgenossen  zeigen  ein  in  der  Entstehung  ver¬ 
schiedenes,  zurzeit  jedoch  sehr  ähnliches  Krankheitsbild.  Im  Gegen¬ 
satz  zu  dem  nur  bei  Neugeborenen  auftretenden  selbständigen  Bild 
der  Dermatitis  exfol.  Ritter  ist  die  Dermatitis  exfol.  Erwachsener  keine 
selbständige  Erkrankung.  Der  Begriff  der  Erythrodermies  exfoliantes 
der  Franzosen  wird  vom  Vortragenden  erklärt.  Hier  liegen  sekundäre 
Zustände  vor,  wie  sie  im  Anschluss  an  schwere  Dermatosen,  Lichen 
ruber,  Psoriasis,  universelles  Ekzem,  Pemphigus  foliaceus  häufiger 
beobachtet  worden  sind. 

Der  erste  Pat.  zeigte  bei  seinem  Eintritt  vor  3  Jahren  Erschei¬ 
nungen  von  Psoriasis  und  seborrh.  Ekzem;  es  bildete  sich  bei  reiz¬ 
loser  Behandlung  eine  unverselle  schuppende  Dermatitis  heraus,  eine 
Zeitlang  bestand  ein  dem  Pemphigus  foliaceus  sehr  ähnliches  Bild. 
Es  ist  fortschreitende  Besserung  zu  verzeichnen.  Der  andere  PW 
kam  vor  2  Jahren  mit  charakteristischen  Erscheinungen  eines  chro¬ 
nischen  Pemphigus  auf  die  Abteilung,  es  entstand  daraus  ein  Pem¬ 
phigus  foliaceus,  der  jetzt  im  Begriffe  steht  in  eine  Dermatitis  exfol. 
überzugehen.  Eosinophilie  bei  Eintritt  im  Blaseninhalt  6  Proz.,  im 
Blut  8  Proz.,  stieg  im  Blut  bis  über  15  Proz.,  zur  Zeit  (nach  Unter¬ 
suchung  des  Vortr.)  8  Proz.  Die  Hauterkrankung  ist  kompliziert 
durch  eine  multiple  Sklerose.  Die  Prognose  ist  nicht  günstig.  Beide 
Pat.  werden  von  morgens  bis  abends  im  permanenten  Wasserbad 
gehalten,  das  ihnen  am  angenehmsten  ist.  Ueber  Nacht  Applikation 
von  Ungt.  leniens  oder  Anästhesinsalbe.  3  lebensgrosse  Aquarell¬ 
bilder  erläutern  den  Verlauf  des  ersten  Falles. 

4.  Ein  Fall  von  Lues  hereditaria  (tarda?). 

22  Jahre  alte  Patientin.  Gesicht  hochgradig  entstellt  durch  ab¬ 
gelaufene  luetische  Prozesse,  stark  abgemagert  und  in  sehr  schlechtem 
Allgemeinbefinden.  Die  ersten  Erscheinungen  wurden  mit  bestimmt- 
heit  ins  9.  Lebensjahr  zurückverlegt.  Für  Lues  hereditaria  sprechen 
die  Dystrophie  (Fournier)  und  die  hohe  Mortalität  der  Ge¬ 
schwister.  Pat.  wurde  wegen  hartnäckiger  gummöser  Ulzerationen 
von  Vortr.  mit  Hydr.-salicylic.-Injektionen  ambulant  behandelt  und 
bei  der  6.  Spritze  in  beängstigender  Weise  hinfällig,  während  die  5 
ersten  Injektionen  gut  vertragen  wurden.  Gleichzeitig  prorumpier- 
ten  neue  Gummata,  während  die  bestehenden  unter  der  ersten  In¬ 
jektion  abgeheilt  waren.  Hg-Intoxikationen  sind  nie  aufgetreten.  Die 
Hypothese  Thalmanns  von  der  Ueberschwemmung  des  Körpers 
mit  überreichlichen  Mengen  von  Endotoxinen  ist  als  Erklärung  des 
akuten  Kräfteverfalls  unter  Fieberbewegung  nicht  ganz  von  der  Hand 
zu  weisen.  Aehnliche  Fälle  existieren  in  der  Literatur.  Therapeutisch 
empfiehlt  Vortr.  bei  labilen  hereditär-luetischen  Individuen  weit  klei¬ 
nere  Dosen  von  Hg  zu  verabreichen,  wie  wir  es  gewohnt  sind. 

5.  Ein  Fall  von  maligner  Syphilis  (ulcerosa  praecox). 

Vortr.  erklärt  die  Begriffe  der  malignen  Lues  und  der  galop¬ 
pierenden  Lues  oder  Lues  gravis,  die  viele  Autoren  streng  getrennt 
wissen  wollen.  Vortr.  hält  diese  Trennung  für  schwer' durchführbar, 
er  empfiehlt  im  Sinne  L  e  s  s  e  r  s,  wie  es  auch  die  Ansicht  von 
Posselt  ist,  in  dem  Begriff  der  „malignen“  Lues  beide  Formen 
zusammenzufassen. 

Infektion  des  Patienten  vor  nicht  ganz  1  Vs  Jahren,  8 — 9  Wochen 
später  ein  papulo-pustulöses  Exanthem,  6  Wochen  später  ein  neues 
papulöses  Exanthem.  Seitdem  ist  Pat.  obschon  er  fast  ununterbrochen 
mit  Hg  und  Jodmedikamentationen  verschiedenster  Art  behandelt 
worden  ist,  nie  frei  von  Erscheinungen  gewesen  und  in  seinem  Zu¬ 
stand.  immer  mehr  herabgekommen,  besonders  seit  3 — 4  Monaten,  seit¬ 
dem  unter  ständigem  Fieber  purulenter  Zerfall  der  gruppiert  papu¬ 
lösen  ausgedehnten  Infiltrate  eingetreten  ist.  Als  ursächliches  Mo¬ 
ment  spielen  hier  Potatorium  und  vor  allem  eine  Infiltration  der 
linken  Spitze  eine  Rolle.  Vortr.  bespricht  den  gegenseitigen  Einfluss 
von  Lues  und  Tuberkulös?,  er  selbst  hat  nur  stets  einen  sehr  dele¬ 
tären  Einfluss  luetischer  Infektion  auf  bestehende  Tuberkulose  be¬ 
obachten  können.  Als  Behandlung  wäre  hier  die  Z  i  1 1  m  a  n  n  sehe 
Kur  zu  eingreifend,  ebenso  Anwendung  des  schwächeren  Dekokts, 
um  bei  event.  Gewöhnung  an  Hg  eine  schnellere  Ausscheidung  des 
Hg  zu  veranlassen,  mit  nachheriger  Einleitung  einer  Hg-Kur.  Vortr. 
hat  hiervon  schon  gute  Erfolge  beobachtet.  Hervorragende  Resultate 
gibt  in  solchen  (Ausnahme-)Fällen  eine  vorsichtige  Behandlung  mit 
Kalomelinjektionen.  von  denen  Vortr.  als  Assistent  der  Lesse  r- 
schen  Klinik  geradezu  überraschende  Wirkung  gesehen  hat. 

Im  Einverständnis  und  unter  Kontrolle  von  Prof.  P  o  s  s  e  1 1  wurde 
von  Vortr.  in  diesem  Falle  die  Atoxvlbehandlung  eingeleitet.  Nach 
den  Beobachtungen  von  Uhlenhuth,  Hoff  mann  und  Roscher 
erst  an  Affen  und  nachfolgend  vorsichtigen  Versuchen  an  Menschen, 
ist  ein  Einfluss  des  Atoxyls  auf  die  Spirochaete  pallida  nicht  zu  be¬ 
zweifeln.  Vortr.  bespricht  Einzelheiten  dieser  Versuche,  die  besonders 
bei  3  Fällen  von  maligner  Lues  ein  überraschend  günstiges  Ergebnis 
lieferten.  Die  Resultate  bedürfen  noch  sorgfältiger  Nachprüfung, 
namentlich  auch  bezüglich  der  Rezidive  und  der  Art  derselben  unter 
allergenauester  Beobachtung,  wie  sie  nur  im  Krankenhaus  möglich  ist. 
Lesser  beobachtete  3  ungünstig  rasche  Rezidive.  Nach  Ansicht 
des  Vortr.  wird  das  altbewährte  Hg  durch  das  Atoxvl  kaum  ver¬ 
drängt  werden,  jedoch  ist  in  manchen  Fällen  von  Syphilis,  besonders 


1964 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


No.  39. 


bei  bestehender  Idiosynkrasie  ein  Ersatzmittel  des  Hg  sehr  will¬ 
kommen.  In  diesem  Fall  ist  zeitlich  mit  der  Atoxylbehandlung  zu¬ 
sammenfallend  —  bisher  wurden  nur  Dosen  bis  0,2  p.  d.  verabreicht 
—  eine  Besserung  nicht  zu  verkennen.  Die  Injektionen  wurden  gut 
vertragen.  Lieber  die  Ergebnisse  der  Atoxylversuche  an  der  III. 
med.  Abteilung  wird  an  dieser  Stelle  später  berichtet  werden. 

6.  Bericht  über  die  neuesten  Ergebnisse  der  experimentellen  Sy¬ 
philisforschung. 

In  Anbetracht  der  vorgerückten  Zeit  weist  Vortr.  nur  in  einigen 
Worten  auf  die  gelungenen  Uebertragungsversuche  der  Syphilis  auf 
Kaninchen  von  B  e  r  t  a  r  e  1 1  i  u.  a.  hin,  sowie  auf  die  Serienimpfungen 
von  Kaninchenauge  auf  Kaninchenauge.  H  o  f  f  m  a  n  n  und  Brüning 
ist  die  Uebertragung  auf  Hunde  einwandsfrei  gelungen.  Als  letztes 
Ergebnis  dieser  Versuche  berichtet  Vortr.  die  Tatsache,  dass  Hoff¬ 
man  n  mit  1  von  B  e  r  t  a  r  e  1 1  i  überlassenen  Kaninchen  11  Passage, 
2  Kaninchen  und  1  Schaf,  also  in  12.  Passage  zu  infizieren  vermochte. 
Die  Inkubation  betrug  beim  Schaf  16  Tage,  bei  den  Kaninchen  35 
Tage,  der  positive  Nachweis  der  Spirochaete  pallida  ist  erbracht. 

Vortr.  hat  eine  Anzahl  von  Präparaten  der  verschiedensten  Spiro¬ 
chätenarten  in  Ausstrich  und  Schnitt  zum  Vergleich  aufgestellt,  sowie 
Präparate  zu  den  beiden  besprochenen  Sarkoiden  Tumoren  und  demon¬ 
striert  eine  von  Prof.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  Berlin  ihm  auf  Wunsch  zur  Ver¬ 
fügung  gestellte  Tafel3)  mit  trefflichen  Zeichnungen  einer  Affensklerose 
mit  Spirochäten  und  1  Keratitis  von  Kaninchen  mit  Spirochäten. 

Diskussion:  Herr  S  i  e  b  e  r  t  fragt  an,  ob  der  Kranke,  der 
ursprünglich  mit  Psoriasis  behaftet  war.  mit  stark  wirkenden  Mitteln 
behandelt  worden  sei.  Die  Frage  geschieht  aus  dem  Grunde,  da  sich 
immer  mehr  die  Erfahrungen  häufen,  nach  welchen  die  Psoriasis  auf 
stark  reizende  Behandlung  hin  ihren  Charakter  änderte. 

Betreffend  des  therapeutischen  Verhaltens,  bei  gleichzeitigem  Be¬ 
stehen  von  Lues  und  Tuberkulose  lassen  sich  allgemein  gültige  Vor¬ 
schriften  nicht  geben.  Jedenfalls  ist  nicht  unbedingt  von  einer  Hg- 
Kur  abzuraten.  Redner  hat  Fälle  gesehen,  bei  welchen  Tuberkulose, 
die  schon  vor  der  Infektion  mit  Syphilis  bestanden  hat,  mit  dem  Auf¬ 
treten  der  Allgemeinerscheinungen  oder  eines  Rezidives  erhebliche 
Fortschritte  machte  und  mit  der  Hg-Kur  wieder  gebessert  wurde, 
zugleich  mit  den  syphilitischen  Erscheinungen. 

Die  Atoxylbehandlung  ist  noch  im  Stadium  des  Versuches.  Redner 
weist  auf  die  Schädlichkeit  ungeschickter  und  verfrühter  Populari¬ 
sierung  medizinischer  Arbeiten  hin.  Die  Atoxylbehandlung  ist  leider 
schon  ins  Publikum  gedrungen  und  es  werden  die  Aerzte,  die  in  der 
Praxis  stehen,  schon  mehrfach  aufgefordert  an  Stelle  des  Queck¬ 
silbers  Atoxyl  anzuwenden. 

Herr  Heuck:  Die  Behandlung  des  Pat.  mit  der  Dermatitis  ex¬ 
foliativa  generalisata,  die  nach  Psoriasis  und  seborrh.  Ekzem  auftrat, 
war  stets  eine  vollständig  indifferente,  Chrysarobin,  Teer  oder  Prä¬ 
zipitatsalbe  sind  nie  angewandt  worden.  Vor  Krankenhauseintritt 
stand  Pat.  wegen  seines  Hautleidens  angeblich  nie  in  Behandlung. 
Das  Auftreten  solch  universeller  schuppender  Erythrodermien  gerade 
nach  Apolikation  reizender  Medikamente  ist  allerdings  nicht  so 
selten.  Vortr.  empfiehlt  daher  eine  möglichst  milde  Behandlung  der 
Psoriasis,  und  besonders  das  Chrysarobin  besser  in  Verbindung  mit 
Zinkpasta  in  ganz  schwachen  Konzentrationen,  womöglich  % — 1% 
Proz.  höchstens  anzuwenden. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  3.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Alexander  demonstriert: 

a)  Mann  mit  2  erbsengrossen  serösen  Zysten  der  rechten  unteren 
Debergangsfalte  bei  sonst  normaler  Bindehaut. 

b)  Silberarbeiter  mit  starkem  Silbersaum  der  Zähne  und  Argyrose 
der  Conjunctiva  palpebr.  und  der  Uebergangsfalte.  Seit  30  Jahren 
in  der  Silberbranche  beschäftigt.  Patient  beherbergt  auch  seit 
32  Jahren  einen  Eisensplitter  in  der  rechten  Orbita  (Röntgenbild),  der 
den  Bulbus  aussen  durchschlagen  (Loch  in  der  Iris),  die  Linse,  die 
völlig  resorbiert  ist  (bei  runder  Pupille)  durchsetzt  und  den  Augapfel 
unten  wieder  verlassen  hat.  S  +  11  D  =  %. 

c)  2  bemerkenswerte  Starformen. 

Herr  Windisch  zeigt: 

1.  das  pathologisch-anatomische  Präparat  eines  Falles,  der  wegen 
Li  ttr  eschen  Darmbruches  glücklich  operiert  worden  war  und  in¬ 
folge  eines  Defektes  der  Vorhofscheidewand  zum  Tode  geführt  hatte. 

2.  das  Präparat  eines  Riesenzellensarkoms  der  Lungen,  her- 
riihrend  von  einer  Patientin,  die  wegen  Sarkom  des  Oberschenkels 
amputiert  worden  war. 

Herr  Schlesinger:  Die  Verletzungen  des  Ohrs  und 
ihre  Begutachtung. 


:i)  Aus  dem  Atlas  für  experimentelle  Syphilisforschung,  heraus¬ 
gegeben  von  Hoffman  n  im  Aufträge  der  Deutschen  dermato¬ 
logischen  Gesellschaft. 


Sitzung  vom  10.  Mai  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Lindenstein:  Zur  Behandlung  der  Patellarfrak- 
tnren. 

Vortr.  berichtet  über  das  einschlägige  Material  der  Chirurg. 
Abteilung  des  Krankenhauses.  Trotz  des  sehr  reichen  Materials 
an  Verletzungen  kamen  in  den  letzten  8  Jahren  nur  19  Fälle  zur 
Beobachtung,  darunter  2  Refraktionen.  Das  Normalverfahren 
in  der  Behandlung  bildet  die  offene  Naht  mittels  Silberdraht; 
die  in  allen  Fällen  ausgeführt  wurde.  Von  den  so  behandelten 
Fällen  konnten  8  einer  Nachuntersuchung  mit  Kontrolle  durch 
das  Röntgenbild  unterzogen  werden.  Bis  auf  einen  Fall  zeigten 
alle  Bilder  eine  gute  knöcherne  Vereinigung  der  Fragmente. 
Die  Silberdrähte  lagen  mit  Ausnahme  von  2  Fällen  vollständig 
intakt.  In  einem  Kniegelenk  hatte  sich  eine  Arthritis  deformans 
etabliert.  Das  funktionelle  Resultat  stand  in  Uebereinstimmung 
mit  der  anatomischen  Heilung  und  war  in  6  Fällen  ein  sehr 
gutes,  nur  2  mal  machte  sich  ein  geringer  Ausfall  im  freien  Ge¬ 
brauch  der  Extremitäten  geltend.  Uebereinstimmend  zeigten 
alle  Fälle  die  Unmöglichkeit  des  Kniens.  Diese  Einschränkung 
muss  der  Hautnarbe  zugeschrieben  werden,  da  der  Körper 
beim  Knien  gar  nicht  auf  die  Patella  zu  ruhen  kommt.  Es  wird 
deshalb  der  Vorschlag  gemacht,  den  Hautschnitt,  der  bisher 
senkrecht  über  die  Mitte  der  Kniescheibe  geführt  wurde,  durch 
einen  lateralen  Bogenschnitt  zu  ersetzen. 

Herr  Hahn  bespricht  einen  Fall  von  seitlicher  Luxation  des 
Ellenbogengelenks  nach  aussen  mit  Absprengung  des  Condylus  in¬ 
ternus  und  Einklemmung  desselben  zwischen  Trochlea  und  Olekranon 
unter  Demonstration  der  Röntgenbilder. 

Sitzung  vom  6.  Juni  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Herbst:  Nach  welchen  Gesichtspunkten  müssen 
die  Dauerresultate  nach  Gallensteinoperationen  betrachtet 
werden?  (Der  Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  Stein  berichtet  im  Anschluss  daran  über  einen  Fall  von 
Leberabszess,  hervorgerufen  durch  einen  im  Choledochus  gefundenen 
grossen  Gallenstein  bei  leerer,  geschrumpfter  Gallenblase.  Der  Stein 
hatte  niemals  Cholelithiasissymptome  gemacht. 

Herr  Lochner  referiert  über  eine  Epidemie  in  Nürnberg  im 
Jahre  1634  (vermutlich  Flecktyphus). 

Sitzung  vom  20.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Thorei  berichtet: 

1.  unter  Demonstration  entsprechender  Präparate  über  seine  Er¬ 
fahrungen  mit  Glyzerin-Gelatine-Konservierung  K  a  i  s  e  r  1  i  n  g  scher 
Präparate  und  empfiehlt  diese  ursprünglich  von  Eisler  angegebenen, 
aber  scheinbar  wenig  in  die  Praxis  aufgenommene  Methode,  wo¬ 
bei  die  Präparate  in  Petrischalen  mit  Glyzerin-Gelatine  luftdicht  ab¬ 
geschlossen  werden,  namentlich  für  die  Konservierung  kleiner  Präpa¬ 
rate,  da  man  sich  auf  diese  Weise  eine  nur  wenig  Raum  einnehmende 
elegante  Sammlung  von  instruktiven  Präparaten  hersteilen  kann, 
die  wegen  ihrer  Handlichkeit  für  Demonstrationszwecke  in  Kursen 
besonders  geeignet  sind. 

2.  demonstriert  Vortragender  8  Fälle  von  spontan  entstandenen 
sog.  „Mäusekarzinomen“,  die  geradezu  endemieartig  innerhalb  von 
2  Monaten  unter  seinem  Mäusebestand  aufgetreten  sind.  Der  erste 
Tumor,  der  zur  Beobachtung  kam,  nahm  seinen  Ausgangspunkt  in 
der  linken  vorderen  Mammagegend  und  wuchs  innerhalb  4  Wochen 
bis  zu  Walnusgrösse  heran,  indem  er  einerseits  über  die  seitlichen 
Teile  des  Rückens  und  andererseits  gegen  die  untere  Halsgegend 
zu  vorwucherte,  so  dass  das  Tier  schliesslich,  offenbar  infolge  mecha¬ 
nischer  Behinderung  der  Nahrungsaufnahme  zugrunde  ging.  Mikro¬ 
skopisch  besass  der  blasse,  leicht  transparente  und  oberflächlich  un¬ 
regelmässig  höckerige  Tumor  teils  eine  solide  sträng-  und  nester¬ 
förmige  Struktur  mit  reichlichen  Nekrosen,  teils  hatte  er  einen  aus¬ 
gesprochen  adenomatösen  Bau.  wobei  die  Drüsenschläuche  mit  z.  T. 
ausgesprochen  zylindrischen  Zellen  ausgekleidet  waren. 

Von  diesen  Tumoren  wurde  in  2  Serien  auf  23  Mäuse  (nach  Ab¬ 
zug  der  spontan  nach  der  Impfung  gestorbenen)  transplantiert,  wo¬ 
bei  vorläufig  nur  eine  Transplantation  gelang:  dieselbe  entwickelte 
sich  aber  ausserordentlich  rasch,  nahm  binnen  10  Tagen  Gestalt  und 
Grösse  einer  Bohne  an  und  wurde  auf  die  nächste  Serie  transplantiert, 
über  deren  Ergebnis  sich  vorläufig  noch  nichts  sagen  lässt.  Der 
zweite  Tumor  gehörte  gleichfalls  zu  den  ausserordentlich  rasch 
wachsenden  Geschwülsten  und  zeigte  mikroskopisch  einen  ausge¬ 
sprochen  alveolären  Bau;  sie  umgab  anfangs  in  Form  eines  bohnen¬ 
grossen  halbmondförmigen  Knotens  die  linke  Seite  der  Scheide,  wurde 
bisher  mit  zweimaligem  Erfolg  transplantiert  und  hat  nach  vorüber- 


24.  September  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1965 


gehendem  Wachstumsstillstand  im  Anschluss  an  die  Operation  gut 
Kirschengrösse  erreicht;  bemerkenswert  war,  dass  die  Transplan¬ 
tationen  dieser  Geschwulst  auf  jungen  Mäusen,  die  von  einer  Mutter- 
maus  mit  kleinkirschengrossem  „hämorrhagischen“  Tumor  stammten, 
weit  rascher  angingen,  als  auf  erwachsenen  Mäusen. 

Bei  der  dritten  Maus,  die  spontan  starb,  fand  sich  ein  kirschkern¬ 
grosser,  leicht  abgeplatteter,  blasser,  knolliger  und  der  Mitte  des 
rechten  Musculus  pectoralis  fest  aufsitzender  Knoten  vor,  welcher 
histologisch  eine  solide  krebsähnliche  Struktur  mit  Neigung  zur  Zysten¬ 
bildung  aufwies.  Bei  der  vierten  Maus  entwickelte  sich  binnen  14 
Tagen  aus  einem  schrotkorngrossen  Knoten  in  der  Mitte  des  Bauches 
eine  erbsengrosse,  mikroskopisch  alveolär  gebaute  Geschwulst,  die 
gleichfalls  zu  Transplantationszwecken  verwendet  wurde. 

Bei  der  5. — 6.  Maus  zeigten  sich  multipleTumoren,  nämlich 
einmal  je  ein  erbsen-  bis  bohnengrosser  (rasch  wachsender)  Ge¬ 
schwulstknoten  in  der  Gegend  der  linken  vorderen  resp.  hinteren 
Mammagegend,  während  im  anderen  Falle  ein  schrotkorn-  resp. 
stecknadelkopfgrosser  Knoten  in  der  Mitte  des  Bauches  vorhanden 
war;  diese  'beiden  Knoten,  die  sich  zweifelsohne  subkutan  und  un¬ 
abhängig  von  den  Brustdrüsen  entwickelt  haben,  wurden  für  mikro¬ 
skopische  Zwecke  exstirpiert  und  auf  Serienschnitten  untersucht,  wo¬ 
bei  man  den  Eindruck  erhielt,  dass  chronische  entzündliche  Zustände 
vielleicht  bei  der  Entstehung  dieser  sogen.  Mäusekarzinome  mit  im 
Spiele  sind,  doch  hat  sich  Vortragender  vorläufig  noch  nicht  davon 
überzeugen  können,  dass  es  sich  hier  um  echte  Karzinome  handelt. 

Im  7.  und  8.  Falle  lagen  endlich  erbsen-  resp.  kleinkirschen¬ 
grosse  „hämorrhagische“  Tumoren  in  der  Gegend  des  linken  Vorder¬ 
beines  vor. 

Spezielle  Einzelheiten  über  diese  Geschwulsttheorie,  die  Trans¬ 
plantations-  und  sonstigen  Resultate  werden  späterhin  an  anderem 
Orte  mitgeteilt. 

Herr  v.  R  a  d  berichtet  über  einen  Fall  von  Akromegalie  unter 
Demonstration  der  Röntgenbilder. 

Frau  F.,  40  Jahre  alt,  früher  stets  gesund,  hat  einmal  geboren. 
Seit  der  Entbindung  im  Jahre  1905  ist  die  Menstruation  ausgeblieben. 
Seit  2  Jahren  bestehen  Klagen  über  heftige  Kopfschmerzen  und  Dop¬ 
peltsehen,  auch  fiel  der  Patientin  auf,  dass  ihr  Kopf  und  ihre  Hände 
dicker  geworden  seien;  auch  habe  ihr  Gedächtnis  sehr  abgenommen. 
Die  Untersuchung  ergab  folgenden  Befund:  Der  Kopf  ist  gross  und 
plump;  das  Gesicht  stark  gedunsen.  Der  Unterkiefer  zeiet  keine  auf¬ 
fallenden  Veränderungen,  dagegen  stehen  die  Zähne  weit  auseinander 
(Gravessches  Zeichen).  Ohren,  Nase,  Lippen,  Zunge  und  Rachen¬ 
schleimhaut  zeigen  keine  Veränderung.  Die  Röntgenbilder  des  Schä¬ 
dels  ergeben  eine  starke  Verdickung  des  Knochens  und  eine  sehr 
deutliche  Erweiterung  und  Ausbuchtung  der  Sella  turcica.  Die  Schild¬ 
drüse  ist  deutlich  zu  fühlen,  jedoch  nicht  vergrössert.  Die  Unter¬ 
suchung  der  Augen  ergibt  links  eine  komplette  Ophthalmoplegie  mit 
Ptosis,  Optikusatrophie  und  recht  typisch  temporale  Hemianopsie. 

Die  Hände  und  Finger  sind  ungeschlacht,  die  Finger  wurstförmig, 
die  Haut  über  denselben  schwammig  und  wulstig.  Auf  dem  Röntgen¬ 
bild  zeigen  sich  an  den  Phalangen  einzelne  Exostosen,  die  Arme 
und  Füsse  sind  nicht  vergrössert.  Die  Klavizeln  sind  beiderseits 
stark  verdickt,  das  Sternum  -ist  verbreitert.  Die  Wirbelsäule  selbst 
zeigt  keine  Abnormität.  Die  inneren  Organe  sind  ohne  Befund,  auch 
ist  der  Urin  frei  von  Zucker  und  Eiweiss.  Ein  Vergleich  mit  einer 
Photographie,  die  vor  3  Jahren  gemacht  wurde,  ergibt  eine  ganz 
erhebliche  Vergrösserung  des  Kopfes  und  der  Hände. 

Herr  Neuburger  berichtet  über  den  Augenbefund  vom  28. 
Mai  1907  bei  der  Patientin: 

Seit  1  Jahre  wäre  das  Sehvermögen  immer  schlechter  geworden, 
seit  ca.  8  Monaten  links  ganz  erloschen.  Doppeltsehen  wäre  nie 
vorhanden  gewesen;  das  Oberlid  links  wäre  auch  schon  seit  Monaten 
herabgesunken;  nähere  Zeitangaben  kann  Patientin  nicht  machen. 

Objektiv  besteht  links  völlige  Ptosis,  Mydriasis  -und  absolute 
(auch  konsensuell))  Pupillenstarre.  Das  Auge  ist  nahezu  unbeweglich, 
nur  beim  Versuch  nach  unten  zu  blicken,  leichte  Raddrehung  nach 
unten  aussen  (Obliquus  superior,  bezw.  Trochlearis).  Ophthalmo¬ 
skopisch:  vollkommene  Atroph,  nerv,  optici;  keine  Zeichen 
vorausgegangener  Neuritis  optica.  S. :  völlige  Amaurose. 

Rechts:  Ophthalmoskopisch:  Abblassung  der  temporalen  Pa¬ 
pillenhälfte.  S.:  5/«.  Sn.  iVz:  25  cm  Gesichtsfeld,  fast  typische  tem¬ 
porale  Hemianopsie  (s.  Schema)  für  Weiss  und  Farben.  Aeussere 
Augenbewegungen  normal.  Die  Pupille  ist  von  normaler  Grösse;  die 
Pupillarreaktion  zeigt  folgendes  Verhalten:  wenn  mit  kleinem 
Planspiegel  in  verdunkeltem  Raum  von  kleiner  Lichtflamme  versucht 
wird  das  Licht  auf  die  nasale  Netzhauthälfte  zu  werfen,  so  bleibt 
die  Pupillarreaktion  zwar  nicht  völlig  aus,  doch  ist  sie  bedeutend 
geringer  und  langsamer,  als  wenn  versucht  wird,  das  Licht  auf  die 
temporale  Hälfte,  der  Netzhaut  zu  werfen. 

Sitzung  vom  4.  Juli  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Straus  berichtet  über  4  Fälle,  die  das  Gemeinsame  haben, 
dass  sie  differentialdiagnostische  Schwierigkeit  in  Bezug  auf  Vor¬ 
handensein  einer  Gravidität  oder  eines  Tumors  machten. 

a)  43  jähr.  I.  Para.  Bis  vor  3  Monaten  reguläre  Menstruation, 
seitdem  irreguläre,  zum  Teil  profuse  Blutungen.  Die  Untersuchung 


ergibt  kirschgrossen  Polypen  im  äusseren  Muttermund,  dessen  Ent¬ 
fernung  in  der  Sprechstunde  keine  Schwierigkeit  bereitet.  Der  Uterus 
ist  einem  mannskopfgrossen,  auffallend  weich  sich  anfühlenden  Tumor 
aufsitzend,  lässt  sich  aber  scheinbar  von  ihm  trennen.  Die  ausge¬ 
führte  Narkosenuntersuchung  scheint  den  Befund  zu  bestätigen,  die 
Sondierung  ergibt  eine  Länge  von  7  cm,  über  diese  Grenze  hinaus 
gelingt  ein  Vordringen  mit  der  Sonde  absolut  nicht.  Diagnose: 
Ovarialkystom,  vielleicht  aber  doch  erweichtes  Corpusmyom.  Die 
Laparotomie  ergibt  einen  Befund,  der  zunächst  zu  denken  gibt. 
Es  liegt  ein  kolossaler,  blauroter,  den  ganzen  Uterus  verbrauchender 
Tumor  vor,  der  einer  Intrauteringravidität  verzweifelt  ähnlich  sieht. 
Erst  ein  vorsichtiges  Einschneiden  auf  eine  der  zahlreichen  Pro¬ 
minenzen  der  Oberfläche  ergibt  erweichtes  Myomgewebe.  Hierauf 
supravaginale  Amputation  des  Uterus.  Es  handelte  sich  um  ein  er¬ 
weich  t  e  s  M  y  o  m.  Mikroskopisch  offenbar  sehr  rasch  gewachsenes 
Myom,  noch  gutartig.  Glatte  Heilung.  (Demonstration  des  Tumors.) 

b)  Der  zweite  Fall  ist  deshalb  interessant,  weil  er  absolut  das 
Bild  der  fortgeschrittenen  Gravidität  bot  und  sich  schliesslich  als 
Ovarialkystom  herausstellte.  Str.  hat  die  Diagnose  auf  Gravidität 
gestellt  und  berichtet  an  dieser  Stelle  absichtlich  über  diese  lehr¬ 
reiche  Fehldiagnose.  Die  Köliotomie  wurde,  da  Str.  gerade  zu  jener 
Zeit  verreisen  musste,  von  anderer  Seite  ausgeführt,  nachdem  durch 
Stieldrehung  peritoneale  Reizerscheinungen  aufgetreten  waren,  was 
die  Diagnose  jetzt  erleichterte.  (Demonstration  des  kolossalen 
Ovarialkystoms.)  Die  Frau,  eine  III.  Para,  gab  mit  Bestimmtheit  an 
Leben  zu  spüren,  die  Mammae  wiesen  Kollostrum  auf.  Das  Einzige, 
was  gegen  Gravidität  sprach,  war  das  nicht  völlige  Aufhören  der 
Menstruation. 

Vortr.  betont  die  Schwierigkeit  der  Diagnose  für  ihn  wegen  der 
Unzulässigkeit  der  Sondierung  für  den  Arzt,  welcher  Gravidität  vor 
sich  zu  haben  mit  Bestimmtheit  annehmen  musste. 

c)  Der  dritte  Fall  betraf  eine  32  jährige  IV.  Para.  Anamnese 
ergab  keine  Cessatio  mensium.  Str.  wird  konsultiert  wegen  kolik¬ 
artiger  Schmerzen  im  ganzen  Leib. 

Die  Untersuchung  ergab  einen  hinter  dem  Uterus  eingekeilten 
zystischen  Tumor  von  Hühnereigrösse. 

Die  am  8.  Mai  mittelst  suprasymphysären  Faszienquerschnittes 
ausgeführte  Laparotomie  ergab  eine  frisch  rupturierte  Gra- 
viditas  tubaria.  Glatte  Heilung.  Auffallend  war,  dass  die  Pa¬ 
tientin  mit  vorzüglichem  Puls  zur  Operaton  kam,  obwohl  das  Ab¬ 
domen  bereits  mit  Blut  erfüllt  war. 

d)  48  jähr.  II.  Para.  Es  handelte  sich  um  multiple  Myome,  welche 
im  Ganzen  einen  mannskopfgrossen  Tumor  darstellten  bei  einer  Frau, 
welche  seit  Jahrzehnten  an  epileptischen  Anfällen  litt.  Seit  Oktober 
1906  schwere,  unregelmässige  Blutungen.  In  letzter  Zeit  besondere 
Häufung  der  Anfälle.  Am  3.  Juni  1907  Laparotomie,  supra¬ 
vaginale  Amputation  des  durch  und  durch  von  Myomknoten  durch¬ 
setzten  Uterus.  Glatte  Heilung. 

Seit  der  Operation  ist  bis  heute  (17.  VIII.  07)  nur  noch  ein  ein¬ 
ziger  Anfall,  am  6.  Juni,  aufgetreten.  Es  erscheint  also  wahrschein¬ 
lich,  dass  durch  dieses  künstlich  geschaffene  Klimakterium  ein  dauernd 
günstiger  Einfluss  auf  die  Epilepsie  erzielt  wurde. 

Herr  A.  B  e  c  k  h  demonstriert  2  Präparate  von  gestielten 
Ovarialzysten. 

Herr  Alexander  zeigt  eine  neue  elektrische  Operations¬ 
lampe  (Wolframlampe  von  Dr.  Stocken). 


Rostocker  Aerzteverein. 

Sitzung  vom  13.  Juli  1907. 

Herr  Zabel  stellt  einen  Patienten  mit  Leukämie  vor. 

l.Myeloide  Leukämie.  Das  21  jährige  Mädchen  trat  vor 
einem  Jahre  in  sehr  desolatem  Zustande  in  die  Behandlung:  Elendes 
Allgemeinbefinden  und  -aussehen.  Gewicht  85  Pfd.  Aszites.  Oedeme 
der  Beine.  Milztumor  nimmt  das  ganze  Abdomen  ein.  Blutbild:  Ver¬ 
hältnis  der  w.  zu  den  r.  Blutkörperchen  wie  1 :  6.  Alle  therapeutischen 
Versuche  —  darunter  grosse  Arsendosen  —  hatten  eine  zunehmende 
Verschlechterung  nicht  aufhalten  können. 

Die  sofort  eingeleitete  Röntgenbestrahlung  —  ohne  andere  thera¬ 
peutische  Massnahmen  —  hatte  dagegen  nach  Eruierung  des  richtigen 
Härtegrades  der  Röhre  eine  eklatante  Wirkung: 

Heute  —  nach  115  Sitzungen  —  hervorragende  Besserung  des 
Allgemeinbefindens  und  -aussehens.  Aszites  und  Oedeme  verschwun¬ 
den.  Rückgang  des  Milztumors  auf  etwa  Vs.  Blutbild:  Verhältnis  der 
w.  zu  den  r.  Bl.  wie  1 : 50.  (Demonstration  der  gefärbten  Blutpr a- 
parate.)  In  allerletzter  Zeit  Verabfolgung  von  B  1  a  u  d  sehen  Pillen 

und  Acid.  arsenic.  „  x  , ,  , 

Bemerkenswert  ist,  dass  nach  Aussetzung  der  Bestrahlung  der 
Zeitpunkt,  wann  der  Tumor  wieder  zu  wachsen  anfängt,  anscheinend 
zusehends  hinausriiakt  und  gleichzeitig  die  Intensität  des  Wieder¬ 
wachstums  abnimmt. 

Vorstehender  betont,  dass  die  Besserung  immer  nur  sympto¬ 
matisch  ist  und  der  Fall  ständig  der  Kontrolle  des  Arztes  und  der 
Röntgentherapie  unterliegt,  dass  es  aber  andererseits  angesichts  der 
bis  zur  symptomatischen  Heilung  möglichen  Besserung  der  myeloiden 
Leukämie  durch  Röntgenbestrahlung  nach  allgemeiner  Ansicht  ein 
schwerer  Unterlassungsfehler  ist,  derartige  Kranke  —  vor  allem  bei 


1966 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Nutzlosigkeit  jeder  anderen  Therapie  —  der  Röntgenbestrahlung  nicht 
zuzuführen. 

2.  Transportabler  Röntgenapparat.  Vorstellender 
stellt  den  Apparat  dem  Rostocker  Aerzteverein  für  seine  Sitzungen 
jederzeit  gern  zur  Verfügung. 

Diskussion:  Herr  Müller. 

Herr  Büttner:  Mecklenburgs  Geburtshilfe  iin  Jahre  1904. 

(Soll  an  anderer  Stelle  veröffentlicht  werden.) 


Aus  italienischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Medizinische  Akademie  zu  Rom. 

Sitzung  vom  28.  April  1907. 

Almagiä:  Ueber  den  Einfluss  des  Cholestearins  bei  Strychnin¬ 
intoxikation. 

A.  untersuchte  an  Meerschweinchen,  ob  das  Cholestearin  die 
toxische  Eigenschaft  des  Strychnins  neutralisieren  könne,  wie  er 
solches  für  das  Tetanustoxin  bewiesen  hatte. 

Er  fand,  dass  nur  nötig  ist,  die  Strychninlösung  kurze  Zeit  mit 
Cholestearin  bei  Zimmertemperatur  zu  schütteln,  um  die  Giftwirkung 
des  Strychnins  zu  neutralisieren,  während  beim  Tetanustoxin  eine 
längere  Berührung  beider  Substanzen  bei  einer  Temperatur  von  35  0 
nötig  ist.  Es  scheint  sich  demnach  im  ersten  Falle  nur  um  einen 
mechanischen  Einfluss  zu  handeln. 

In  der  Tat  fand  A.  auch,  dass  einfaches  Pulver  animalischer 
Kohle,  wenn  es  mit  einer  Strychninlösung  geschüttelt  wird,  diese  Lö¬ 
sung  vollständig  entgiften  kann.  A.  benützt  diese  seine  experimen¬ 
tellen  Erfahrungen,  um  einige  von  anderen  Autoren  erhobene  Befunde 
bei  der  Hyperämie  durch  Bier  sehe  Stauung  zu  erklären. 

A.  spricht  ferner  über  den  Einfluss  des  Cholestearins  aui  das 
Hundswutgift.  Er  wirft  die  Frage  auf,  ob  die  Abschwächung  des¬ 
selben  durch  die  Pasteur  sehe  Methode  der  Austrocknung  bei 
20 — 25 11  in  der  Tat  durch  das  Austrock'nen  an  sich  bewirkt  wird, 
oder  ob  es  sich  nicht  vielmehr  um  Zersetzungen  des  Nervengewebes 
handelt  und  den  Einfluss  dieser  auf  das  Lyssagift.  Er  versuchte,  das 
Lyssagift  durch  Cholestearin  zu  neutralisieren  und  fand,  dass  nach 
einer  kurzen  Berührung  der  Emulsion  lyssagifthaltigen  Rücken¬ 
marks  mit  Cholestearin  bei  37 0  dies  Gift  so  geschwächt  wird,  dass 
man  grosse  Quantitäten  desselben  Kaninchen  subdural  injizieren  kann, 
ohne  dass  dieselben  Krankheitssymptome  bieten. 

Arcangeli:  Untersuchungen  und  Beobachtungen  über  Osteo¬ 
malazie.  A.  fand  gemeinsam  mit  F  i  o  c  c  a  als  Ursache  der  Krankheit 
-einen  Diplokokkus.  Experimente  an  Tieren  von  Morpurgo, 
C  h  a  r  r  i  n  und  M  o  u  s  s  u  unternommen,  sowie  die  klinischen  Be¬ 
obachtungen  sprechen  für  die  infektiöse  Ursache  der  Osteomalazie. 
Den  Diplokokkus  hat  A.  auch  aus  dem  Urin  dargestellt  und  gezüchtet. 
Fr  nimmt  an,  dass  derselbe  auch  als  Saprophyt  in  feuchten  und 
schmutzigen  Wohnungen  vorkommt  (gewisse  Gegenden  erscheinen 
bevorzugt,  wo  die  Krankheit  endemisch  herrscht). 

Die  Krankheit  ist  bei  Frauen  häufiger  als  bei  Männern;  im  Ver¬ 
hältnis  von  30:  1.  Sie  entwickelt  sich  mit  Vorliebe  gegen  Ende  des 
Herbstes.  Die  Wege,  auf  welchen  der  Keim  eindringt,  sind,  ähnlich 
wie  beim  Staphylokokkus,  Hautläsionen,  der  Intestinaltraktus,  der 
puerperale  Uterus.  Die  Infektion  kann  lange  latent  bleiben,  nach 
vielen  Jahren  rezidivieren. 

Prädisponierende  Ursachen  kann  man  zusammenfassen  mit  der 
Bezeichnung:  verminderte  Ernährung  der  Knochen;  daher  die  Wich- 
tigkeit  des  Geschlechtes  (die  Ovarien  wirken  verzögernd  auf  die 
Knochenernährung  in  höherem  Grade  als  die  Hoden),  schlechter  Er¬ 
nährung  (arm  an  Kalk),  der  Schwangerschaft,  der  Periode  des  stärk¬ 
sten  Skelettwachstums  im  1.  und  2.  Jahre  und  in  der  Pubertät. 

Der  Diplokokkus  soll  die  Veränderungen  an  den  Knochen  da¬ 
durch  bewirken,  dass  er  die  Funktion  der  Osteoblasten  verändert. 

.  fcs  lst  durchaus  wahrscheinlich,  dass  manche  Fälle  von  Rhachi'tis 
auf  einer  gleichen  Ursache  beruhen. 

In  der  Behandlung  fand  A.  am  wirksamsten  die  Kastration. 
Fr  glaubt,  dass  sie  wirkt  durch  Unterdrückung  der  inneren  Sekretion 
der  Ovarien,  welche  zur  Krankheit  disponiert.  Das  Chloroform  (tiefe 
und  protrahierte  Narkose)  hat  ihm  ebenfalls  unmittelbar  gute  Resul¬ 
tate  gegeben,  aber  oft  von  Rezidiven  gefolgt.  Er  glaubt,  dass  das 
Chloroform  die  vom  Diplokokkus  gesetzten  Toxine  neutralisiert  und 
schwächt.  Phosphor  und  Kalksalze  sind  nützlich,  oft  auch  die  ver¬ 
schiedenartigsten  Kuren.  Hager-  Magdeburg. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Das  Eston,  Subeston  und  Formeston  stellen  neue  Ton¬ 
erdepräparate  dar,  welche  eine  Anwendung  dieses  Mittels  in  trockener 
rorm  ermöglichen  sollen.  Die  Präparate  sind  Pulver,  in  welchen 
eine  oder  mehrere  Valenzen  des  Tonerdehydrates  durch  Essigsäure 
bezw.  Ameisensäure  abgesättigt  sind. 

S  a  a  1  f  e  1  d  (Ther.  Monatsh.  8,  07)  hat  mit  dem  Mittel  bei 
17n  Fällen  therapeutische  Versuche  angestellt.  Die  Präparate  kamen 
in  Verbindung  mit  indifferenten  Pulvern  oder  Salben  zur  Anwendung. 


Als  Salbengrundlage  empfiehlt  sich  am  meisten  das  Lanolin  nach  fol¬ 
genden  Zusammensetzungen : 


Eston 

Olei  olivarum 

aa 

1,0 

Aquae  destill. 
Lanolin,  anhvdrici 

ää 

2,0 

Formeston 

Olei  olivarum 

äa 

1,0 

Aquae  destill. 
Lanolin,  anhydrici 

äa 

2,0. 

Die  kühlende  und  juckstillende  Wirkung  der  Präparate  zeigte 
sich  besonders  bei  den  verschiedensten  Ekzemen  und  Dermatitiden. 
Zur  Austrocknung  empfiehlt  sich  am  meisten  die  Anwendung  in  Puder- 
forin,  zum  Kühlen  wird  man  zweckmässiger  von  der  Kühlsalbe  Ge¬ 
brauch  machen.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  23.  September  1907. 

—  Das  preussische  „Ministerialblatt  für,  Medizinal-  etc.  An- 
gelegenheiten1'  veröffentlicht  in  No.  16  vom  16,  September  d..  J.  ein 
Gutachten  der  Wissenschaftlichen  Deputation 
für  das  Medizinalwesen  über  die  Zulässigkeit 
eines  Zusatzes  von  Formaldehyd  zur  Handels¬ 
milch.  In  einem  Strafverfahren  gegen  den  Direktor  einer  Molkerei¬ 
genossenschaft,  die  ihren  Kunden  formaldehydhaltige  Milch  abge¬ 
geben  hatte,  sprach  sich  Exz.  Prof.  v.  Behring  in  Marburg  zu 
Gunsten  des  Beschuldigten  aus,  indem  er  in  einem  ausführlichen  Gut¬ 
achten  zu  dem  Schlüsse  gelangte,  dass  in  dem  Zusatz  von  Formal¬ 
dehyd  im  Verhältnis  von  1:50  000  zu  der  Milch  weder  eine  Gesund¬ 
heitsschädigung  der  Konsumenten  erblickt  werden  könne,  noch  habe 
das  Nahrungsmittel  durch  diesen  Zusatz  eine  Veränderung  erlitten, 
die  ihren  Nährwert  oder  sonstige  Eigenschaften  herabsetze.  Viel¬ 
mehr  liefere  dieser  Fall  einen  neuen  Beweis  für  die  Brauchbarkeit 
des  Formaldehyds  zur  Milchkonservierung.  Daraufhin  stellte  das 
.  Gericht  das  Verfahren  ein,  da  das  Zusetzen  von  Formaldehyd  keine 
Verschlechterung  der  Milch  bewirke,  ihr  vielmehr  die  Eigenschaften 
frischer  Milch  erhalte,  und  deshalb  nicht  als  Fälschung  zu  betrach¬ 
ten  sei. 

Dieser  Ausgang  erweckte  bei  dem  Polizeipräsidenten  von  Ber¬ 
lin  die  Befürchtung,  dass  das  v.  Behring  sehe  Gutachten  eine 
Strafverfolgung  bei  ähnlichen  Sachen  in  Zukunft  aussichtslos  zu 
machen  drohe  und  er  regte  deshalb  beim  Ministerium  die  Einholung 
eines  Gutachtens  der  Wissenschaftlichen  Deputation  über  diese  Frage 
an.  Dieses  gelangt,  hauptsächlich  auf  Grund  von  Beobachtungen,  die 
in  der  Berliner  Universitätsklinik  für  Kinderkrankheiten  angestellt 
wurden,  und  nach  Widerlegung  der  von  v.  B  e  h  r  i  n  g  in  seinem  Gut¬ 
achten  zu  Gunsten  der  Methode  angegebenen  Gründe,  zu  folgenden 
Schlussätzen: 

1.  Es  ist  weder  durch  die  Versuche  an  menschlichen  Säug¬ 
lingen,  noch  auch  durch  die  bisher  veröffentlichten  Versuche 
v.  Behrings  an  Tieren  dargetan,  dass  die  Formaldehydmilch  in 
bezug  auf  ihre  Verdaulichkeit  und  Ausniitzbarkeit  einer  in  gewöhn¬ 
licher  Weise  reinlich  gewonnenen  Kuhmilch  überlegen  ist. 

2.  Es  ist,  wenn  auch  nicht  sicher  erwiesen,  doch  auch  nicht  sicher 
auszuschliessen,  dass  ein  auch  nur  in  dem  Verhältnis  von  1:25  000 
erfolgender  Zusatz  von  Formaldehyd  zur  Säuglingsmilch  bei  wochen- 
und  monatelangem  Genuss  eine  Schädigung  des  Nierenepithels  beim 
jungen  Kind  herbeizuführen  vermag. 

3.  Die  Freigabe  eines  Formaldehydzusatzes  zur  Handelsmilch 
würde  mit  Sicherheit  dazu  führen,  dass  zersetzte,  die  Gesundheit 
schädigende  Milch  unter  der  Maske. frischer  Milch  ^n  das  Publikum 
verkauft,  und  von  diesem,  insbesondere  von  Säuglingen,  konsumiert 
würde.  Selbst  der  Deklarationszwang  würde  dagegen  nichts  helfen, 
da  das  Publikum  erfahrungsgemäss  derartige  Deklarationen  nicht  zu 
beachten  pflegt.  Eine  Kontrolle  aller  Kuhställe.  Molkereien,  Milch¬ 
läden  usw.,  die  Tag  für  Tag  ausgeübt  werden  müsste,  würde  sich  der 
Kosten  wegen  verbieten. 

Aus  diesen  Gründen  muss  der  Zusatz  von  Formaldehyd  zur  Han¬ 
delsmilch  schlechthin  als  unzulässig  bezeichnet  werden. 

—  Die  vom  Aerztetag  in  Münster  aufgestellten  Forderungen  betr. 
der  Honorierung  haus  ärztlicher  und  vertrauens¬ 
ärztlicher  Zeugnisse  für  Lebensversicherungs¬ 
gesellschaften  wurden  in  einer  Sitzung  der  erweiterten  stän¬ 
digen  Kommission  zur  Erledigung  aller  gemeinsamen  Fragen  und 
streitigen  Punkte  zwischen  Aerzten  und  Lebensversicherungsgesell¬ 
schaften  am  8.  ds.  Mts.  besprochen.  Die  Vertreter  der  Gesellschaften 
erklärten  persönlich  die  Beschlüsse  des  Aerztetages  für  nicht  an¬ 
nehmbar,  wollen  jedoch  dem  Verbände  der  Lebensversicherungs¬ 
gesellschaften  namens  der  Kommission  Vorschläge  unterbreiten, 
deren  Annahme  geeignet  wäre,  zu  einem  neuen  Vertrage  zwischen 
dem  Verband  und  dem  Deutschen  Aerztevereinsbund  zu  führen.  Im 
Laufe  des  Monats  Oktober  wird  eine  Versammlung  des  Verbandes 
stattfinden,  in  der  zu  den  Beschlüssen  des  Aerztetags  Stellung  ge¬ 
nommen  werden  soll. 

—  Die  79.  Naturforscherversammlung  in  Dresden: 
wählte  als  Ort  der  nächsten  Tagung  Köln.  Zum  Vorstand  für  1908 


24.  September  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1967 


wurde  gewühlt:  Prof.  Dr.  Wettstein  v.  W  e  st  e  r  h  e  i  m  -  Wien 
als  1.  Vorsitzender,  die  Professoren  Dr.  R  u  b  n  e  r  -  Berlin  und 
Dr.  W  i  e  n  -  Wiirzburg  als  Stellvertreter.  Die  Dresdener  Versamm¬ 
lung  war  von  etwa  2000  Teilnehmern  besucht. 

—  Am  18.  ds.  fand  vor  dem  Geschworenengericht  in  Leipa  die 
Verhandlung  der  Beleidigungsklage  des  bekannten  Geheim¬ 
mittelfabrikanten  Ludwig  Bauer  gegen  den  verdienstvollen 
Herausgeber  des  „Gesundheitslehrer“  Dr.  Kantor  in  Warnsdorf 
in  Böhmen  statt.  Dr.  Kantor  hatte  die  Reklame  des  Bauer  für 
sein  „Antidiabeticum“  als  eine  verwerfliche  bezeichnet,  die  gemacht 
werde,  „um  das  Volk  zu  täuschen“.  Daraufhin  klagte  Bauer  wegen 
Ehrenbeleidigung.  Die  Verhandlung,  in  der  von  Dr.  Kantor  ein 
reiches  Material  gegen  Bauer  vorgeführt  wurde,  nahm  einen  für 
Bauer  so  ungünstigen  Verlauf,  dass  Bauer  am  2.  Verhandlungs¬ 
tag  die  Klage  zurückzog  und  die  Kosten  des  Verfahrens  übernahm. 

—  Das  Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  in 
Preussen  veranstaltet  zum  Gedächtnis  an  Ernst  v.  Berg¬ 
mann  im  Winter  1907/08  einen  Vortragszyklus:  Ent¬ 
wicklung  und  Fortschritte  der  Chirurgie  in  den 
letzten  Dezennien  bifc  zur  Gegenwart.  An  dem  Zyklus 
beteiligen  sich  folgende  Herren  mit  Vorträgen:  Hildebrand- 
Berlin,  Schleich-  Berlin,  Graser-  Erlangen,  Küttner  -  Bres¬ 
lau,  R  e  h  n  -  Frankfurt  a.  M.,  Friedrich-  Marburg,  Körte-  Ber¬ 
lin,  K  ü  m  m  e  1 1  -  Hamburg,  Sonnenburg  -  Berlin,  v.  Angerer- 
Miinchen,  F.  Krause  -  Berlin,  Barden  heuer  -  Köln,  Helfe- 
r  ich -Kiel,  Bier-Berlin.  Näheres  durch  das  Zentralkomitee,  Ber¬ 
lin  NW.  6,  Luisenplatz  2 — 4. 

—  Ausser  diesen  Bergmann-Gedächtnis-Vorträgen  veranstaltet 
das  Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  in  Preussen 
ferner  im  Winter  1907/08  die  üblichen  unentgeltlichen  Fort¬ 
bildungskurse  für  praktische  Aerzte  in  Berlin  und  Provinz 
Brandenburg.  Beginn  der  Meldungen  am  3.  Oktober,  Schluss  am 
1.  November.  Beginn  der  Kurse  am  4.  November. 

—  Anlässlich  des  Hygienekongresses  in  Berlin  können 
sämtliche  Sammlungen  des  Kaiserin  - Friedrich-Haus  es 
während  der  Tage  vom  23.  bis  29.  September  (einschliesslich)  von 
10—3  Uhr  unentgeltlich  besichtigt  werden,  auch  diejenigen  Sonder¬ 
abteilungen,  welche  für  gewöhnlich  der  Besichtigung  nicht  zugängig 
sind.  Für  die  Mitglieder  des  Hygienekongresses  finden  ausserdem 
zwei  besondere  Führungen  am  Mittwoch  und  am  Freitag,  beide  um 
Va  6  Uhr  nachmittags,  statt.  Eigens  für  die  Kongresswoche  ver¬ 
anstaltet  ist  eine  „Sozialhygienische  Sonderausstellung  aus  den  Samm¬ 
lungen  von  Prof.  Dr.  George  M  e  y  e  r  -  Berlin“,  welche  vorwiegend 
geschichtlich  interessante  Darstellungen  aus  den  Gebieten  der  allge¬ 
meinen  Krankenversorgung,  der  Seuchenbekämpfung,  sowie  des  Ret- 
tungs-  und  Krankentransportwesens  umfasst. 

—  Auf  die  neugeschaffene  Stelle  eines  Stadtarztes  (Dezernent 
für  das  städtische  Gesundheitswesen)  in  Halle  a.  S.  wurde  der  Privat¬ 
dozent  für  Hygiene  und  Bakteriologie  an  der  technischen  Hochschule 
zu  Hannover,  Stabsarzt  und  Vorsteher  der  bakteriologischen  Ab¬ 
teilung  des  X.  Armeekorps,  Prof.  Dr.  med.  Wilhelm  v.  D  r  i  g  a  1  s  k  i 
berufen  und  wird  das  neue  Amt  im  Oktober  d.  J.  antreten.  (hc.) 

—  In  Meran  wurde  das  von  der  Stadt  mit  einem  Kostenauf¬ 
wand  von  nahezu  einer  Million  Kronen  erbaute  Kurmittelhaus 
vor  kurzem  dem  Betrieb  übergeben.  Die  neue  Anstalt  enthält  alle 
Einrichtungen,  die  für  eine  Kur  in  Meran  in  Frage  kommen,  also  alle 
Arten  von  Bädern,  Inhalatorien,  ein  mediko-mechamsches  Institut, 
Apparate  für  elektrische  Behandlung,  für  Massage,  Ataxiebehandlung 
nach  F  renkel,  etc.  Der  Bau  ist  nach  den  Plänen  des  Münchener 
Architekten  Langheinrich  ausgeführt  und  wirkt  sowohl  nach 
seiner  äusseren  Erscheinung,  wie  in  der  Inneneinrichtung  überaus 
gefällig.  Eine  genaue  Beschreibung  gibt  die  mit  vielen  Abbildungen 
ausgestattete  Broschüre:  Das  städtische  Kurmittelhaus  nebst  Bade¬ 
anstalt  in  Meran. 

—  Der  17.  Kongress  der  Italienischen  Gesell¬ 
schaft  für  innere  Medizin  findet  vom  21. — 24.  Oktober  'd.  J. 
zu  Palermo  statt.  Tagesordnung:  Serotherapie  und  intravenöse  Be¬ 
handlung;  die  Akupunktur  vom  diagnostischen  und  therapeutischen 
Standpunkt;  die  Neurasthenie. 

—  Cholera.  Russland.  Vom  5.  bis  9.  September  sind  in  der 
Stadt  Astrachan  weitere  230  Erkrankungen  (und  153  Todesfälle)  an 
der  Cholera  zur  Anzeige  gelangt.  In  der  Stadt  Samara  war  bis  zum 
9.  September  die  Zahl  der  Erkrankungen  auf  267  (der  Todesfälle 
auf  127)  gestiegen,  in  der  Stadt  Nischni-Nowgorod  auf  70  (21).  Aus 
Saratow  wurden  am  4.  und  6.  bis  9.  September  insgesamt  38  neue 
Erkrankungen  mit  9  Todesfällen  gemeldet.  In  Baku  erkrankten  zu¬ 
folge  einer  Mitteilung  vom  11.  September  4  Personen  (von  denen 
1  starb),  ausserdem  auf  einem  aus  Astrachan  gekommenen  Dampfer 
6  (3),  so  dass  Baku  regierungsseitig  für  choleraverdächtig  erklärt 
worden  ist.  Im  Gouv.  Kasan  wurden  am  9.  September  3  Cholera¬ 
fälle  gemeldet,  auch  sind  die  Städte  Saratow,  Kamyschin  und  Kasan 
für  choleraverseucht  und  die  Gouvernements  Rjäsan  und  Wjatka  für 
cholerabedroht  erklärt  worden.  Aus  Jaroslaw  wurden  vom  1.  bis 
8.  September  7  Cholerafälle  gemeldet,  vereinzelte  Fälle  auch  aus 
Simbirsk,  Sysran,  Jurino  u.  a.  Orten  bezw.  Verwaltungsgebieten  des 
Reiches.  —  Straits  Settlements.  In  Singapore  sind  vom  7.  bis 
14.  August  28  Cholerafälle  festgestellt  worden.  —  China.  In  Shanghai 
sind  unter  der  chinesischen  Bevölkerung  der  internationalen  Nieder¬ 


lassung  vom  5.  bis  11.  August  90  Choleratodesfälle  amtlich  ver¬ 
zeichnet;  doch  wird  dort  vermutet,  dass  tatsächlich  die  Zahl  der  durch 
Cholera  verursachten  Sterbefälle  weit  höher  sei.  Auch  in  der 
Chinesenstadt  von  Tientsin  soll  zufolge  einer  Mitteilung  vom 
15.  August  die  Cholera  heftig  aufgetreten  sein,  wenn  auch  die  chinesi¬ 
schen  Behörden  darüber  nichts  veröffentlicht  haben.  —  Japan.  Auf 
Formosa  ist  zufolge  einer  Mitteilung  vom  12.  September  in  Kelung 
ein  Choleratodesfall  vorgekommen. 

—  Pest.  Türkei.  In  Mytilene  sind  in  der  ersten  September¬ 
woche  3  pestverdächtige  Fälle  gemeldet.  —  Aegypten.  Vom 
31.  August  bis  7.  September  wurden  4  neue  Erkrankungen  und  3  Pest¬ 
todesfälle,  sämtlich  in  Alexandrien,  gemeldet.  —  Vereinigte  Staaten 
von  Amerika.  Bis  zum  13.  September  waren  in  San  Franzisko 
23  Pestfälle  festgestellt  worden,  davon  in  der  zweiten  September¬ 
woche  täglich  etwa  1 — 2  neue  Erkrankungen,  welche  fast  alle  im 
italienischen  Viertel  vorgekommen  sind. 

—  Pocken.  Oesterreich.  Vom  1.  bis  7.  September  sind  in 
Wien  39  Personen,  sonst  in  Niederösterreich  1  an  den  Pocken  er¬ 
krankt.  Bis  Ende  August  waren  in  Wien  während  des  laufenden 
Jahres,  und  zwar  seit  dem  18.  Mai  im  ganzen  89  Pockenfälle  fest¬ 
gestellt,  d.  i.  mehr  als  in  jedem  der  letzten  14  Jahre  (seit  1893). 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  1.  bis 
7.  September  sind  26  Erkrankungen  (und  17  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  36.  Jahreswoche,  vom  1.  bis  7.  September  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Regensburg  mit  32,5,  die  geringste  Schwerin  mit  4,9  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  an  Keuchhusten  in  Mülheim  a.  d.  R. 

V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Düsseldorf.  Die  Stadtverordneten  wählten  zum  Direktor 
der  Klinik  für  Frauenheilkunde  und  Geburtshilfe  Prof.  Dr.  Opitz- 
Marburg  an  Stelle  des  nach  Tübingen  berufenen  Dr.  Seilheim. 

Erlangen.  Der  ordentliche  Professor  der  Medizin  De  la 
Camp,  Direktor  des  hiesigen  pharmakologisch-poliklinischen  In¬ 
stitutes,  der  seit  Ostern  hier  tätig  ist,  hat  einen  Ruf  nach  Freiburg 
i.  Br.  als  Nachfolger  von  Prof.  Hirsch  angenommen.  Er  wird  zum 
Wintersemester  bereits  dahin  übersiedeln. 

Frankfurt.  Dem  Direktor  des  Neurologischen  Institutes  des 
Bürgerhospitals  der  Dr.  Senckenbergi  sehen  Stiftung  in  Frank¬ 
furt  a.  M.,  Prof.  Dr.  med.  Ludwig  E  d  i  n  g  e  r,  und  dem  Chefarzt  der 
chirurgischen  Abteilung  an  dem  genannten  Hospital,  Dr.  Friedrich 
Ebenau,  wurde  der  Rote  Adlerorden  vierter  Klasse  verliehen,  (hc.) 

Göttingen.  An  der  hiesigen  Universität  ist  ein  Institut  für 
gerichtliche  und  versicherungsrechtliche  Medizin  errichtet  worden,  mit 
dessen  Leitung  Prof.  Dr.  C.  Lochte  beauftragt  wurde. 

Baltimore.  Dr.  Ch.  W.  McElfresh  wurde  zum  Professor 
der  Medizin  an  der  University  of  Maryland  ernannt. 

Bologna.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  Dr.  A.  L  a  ti- 
zerini  (für  interne  Pathologie)  und  Dr.  A.  F.  Bonarrola  (für 
Pädiatrie).  Der  ausserordentliche  Professor  der  Kinderheilkunde 
Dr.  C.  Coinba  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 

C  a  g  1  i  a  r  i.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Dermatologie 
und  Syphiligraphie,  Dr.  P.  Colombini,  wurde  zum  ordentlichen 
Professor  ernannt. 

Chicago.  Die  DDr.  N.  M.  Harris  und  H.  T.  R  i  c  k  e  1 t  s' 
wurden  zu  ausserordentlichen  Professoren  der  pathologischen  Ana¬ 
tomie  und  Bakteriologie  am  Rush  Medical  College  ernannt. 

Innsbruck.  Ernannt  wurde  der  a.  o.  Profesor  an  der  Wiener 
Universität,  Dr.  med.  Robert  O  r  t  n  e  r,  zum  ordentlichen  Professor 
für  interne  Medizin  und  Direktor  der  medizinischen  Klinik  an  der 
hiesigen  Universität  als  Nachfolger  des  Hofrats  Prof.  Frhr.  v.  Ro¬ 
kitansky.  (hc.) 

Krakai;.  Zum  ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  ■und 
Gynäkologie  an  der  Universität  Krakau  wurde  als  Nachfolger  von 
Prof.  Dr.  H.  Jordan  der  Privatdozent  tit.  a.  o.  Professor  daselbst, 
Dr.  med.  Alexander  R  o  s  n  e  r,  ernannt,  (hc.) 

Messina.  Dr.  A.  Benedicenti  wurde  zum  ausserordent¬ 
lichen  Professor  der  Materia  medica  und  experimentellen  Pharma¬ 
kologie  ernannt. 

Modena.  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  A.  D  i  o  n  i  s  i 
wurde  zum  ordentlichen  Professor  der  pathologischen  Anatomie  er¬ 
nannt, 

Neapel.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  die  DDr.  V. 
Scaffidi  (allgemeine  Pathologie).  G.  Di  Cristina  (interne  Pa¬ 
thologie),  E.  LaPegna  (Neurologie  und  Psychiatrie),  E.  S  g  r  o  s  s  o 
(Ophthalmologie)  und  G.  C  r  i  s  t  a  1 1  i  (Geburtshilfe  und  Gynäkologie). 

Prag.  Zwei  neue  Privatdozenten  wurden  an  der  Prager 
deutschen  Universität  zugelassen  und  bestätigt:  Dr.  med.  Alfred 
Kraus  für  Dermatologie  und  Syphilis  und  Dr.  med.  Heinrich  Hil¬ 
genreiner  für  Chirurgie.  #  .  . 

Turin.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  die  DDr.  C.  F  o  a 
(experimentelle  Physiologie),  E.  A  u  d  e  n  i  n  o  und  F.  B  u  r  z  i  o  (Psy¬ 
chiatrie),  G.  P  i  c  a  r  d  i  (Dermatologie  und  Svphilis),  L.  B  o  b  b  i  o 
(externe  Pathologie),  St.  Santucci  (Ophthalmologie),  S.  Pusa- 
teri  (Oto-Rhino-Laryngologie),  C.  Palazzo  (Zahnheilkunde),  St. 
Balp  (Demographie  und  medizinische  Statistik). 


1968 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  39. 


Wien.  Als  Privatdozenten  wurden  an  der  hiesigen  Universität 
zugelassen:  ür.  med.  Paul  Alb  recht,  Dr.  Paul  C  1  a  i  r  m  o  n  t,  Dr. 
Hans  H  a  b  e  r  e  r  und  Dr.  Hans  Lorenz,  sämtlich  für  das  Fach  der 
Chirurgie. 

(Todesfälle.) 

Dr.  J.  Tillemont  Fontes,  Professor  der  Neurologie  und  Psych¬ 
iatrie  an  der  med.  Fakultät  zu  Bahia. 

Dr.  S.  D.  P  o  w  e  1 1,  Professor  der  Chirurgie  an  der  New  York 
Post-Graduate  Medical  School  and  Hospital. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Felix  Bergner,  approbiert  1902, 
München. 

Gestorben:  Dr.  Josef  Gänsbauer  in  Landsberg  a.  L.. 
42  Jahre  alt. 


Korrespondenz. 

Zwei  kleine  Punkte  in  der  Bekämpfung  endemischer  und  epidemischer 

Krankheiten. 

Von  Dr.  A.  Freudenberg  in  Berlin. 

Ich  möchte  die  Aufmerksamkeit  auf  2  Punkte  lenken,  die  für  die 
Bekämpfung  von  Infektionskrankheiten  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Be¬ 
deutung  sind;  der  erste  bei  der  Genickstarre,  aber  auch  bei  Tuber¬ 
kulose,  Influenza,  Diphtherie  etc.,  der  zweite  bei  der  Cholera. 

Der  erste  Punkt  bezieht  sich  auf  die  leider  immer  noch  fast  allgemein 
verbreitete  Unsitte  von  Verkäufern  und  Verkäuferinnen,  aber  auch  von 
anderen  Menschen,  Zeigefinger  oder  Zeigefinger  und  Mittelfinger  an 
den  Lippen  anzufeuchten,  um  das  zum  Einwickeln  bestimmte  Papier 
vom  Stapel  abzuheben,  eine  Düte  aufzumachen  oder  dergleichen.  In 
Buttergeschäften,  in  Fleisch-  und  Wurstläden,  beim  Vorkost-  und 
Grünkramhändler,  aber  auch  in  Zigarrengeschäften  und  an  zahlreichen 
anderen  Stellen  begegnet  man  dieser  Unsitte,  und  ich  glaube  nicht  zu 
viel  zu  sagen,  wenn  ich  behaupte,  dass  die  Zahl  der  Verkäufer,  die 
es  nicht  so  machen,  geringer  ist  als  die  Zahl  derjenigen,  die  so  ver¬ 
fahren.  Dass  dabei  Infektionskeime  von  der  Lippe  auf  das  Papier, 
vom  Papier  auf  die  Ware,  und  von  da  in  den  Mund  eines  anderen 
gelangen  können,  leuchtet  ohne  Weiteres  ein.  Ich  möchte  also  Vor¬ 
schlägen,  dass  diese  ebenso  ungesunde  wie  unappetitliche  Unsitte 
durch  Verbot  oder  Aufklärung,  am  'besten  wohl  durch  beides,  be¬ 
kämpft  wird.  Dass  eine  solche  Bekämpfung  gerade  bei  der  Genick-, 
starre  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Bedeutung  ist,  ergibt  sich  aus  der 
Tatsache  der  Verbreitung  der  Krankheit  durch  gesunde  „Kokken¬ 
träger“,  und  ein  Vorgehen  in  dieser  Richtung  erscheint  gewiss  ge¬ 
boten,  wenn  die  Angabe  der  Zeitungen,  dass  bei  der  rheinischen  Epi¬ 
demie  gerade  auch  Nahrungsmittelhändler  nicht  selten  von  der  Krank¬ 
heit  befallen  wurden,  zutreffend  ist. 

Der  zweite  Punkt  bezieht  sich  auf  die  Einrichtung  der  Klosetts 
in  den  Eisenbahnzügen.  Wenn  mich  meine  Beobachtung  nicht  täuscht, 
so  ist  hier  immer  noch  am  Boden  der  Klosetts  eine  Klappe  vorhanden, 
die  sich  beim  Schlüssen  des  Klosettdeckels  öffnet  und  die  erfolgte 
Entleerung  einfach  zwischen  die  Schienen  fallen  lässt.  Fährt  der  Zug 
gerade  in  diesem  Momente  über  eine  Brücke,  so  gelangt  fast  mit 
Sicherheit,  wenn  auch  nicht  gleich,  so  mindestens  beim  nächsten 
Regen,  ein  Teil  der  Entleerung  in  den  Fluss.  Enthält  die  Entleerung 
z.  B.  Cholerabazillen,  so  erscheint  eine  Verseuchung  des  betreffen¬ 
den  Flusses  auf  diesem  Wege  zweifellos  als  möglich.  Sie  erscheint 
möglich  trotz  der  „Selbstreinigung“  der  Flüsse,  die  gewiss  nicht  unter¬ 
schätzt,  aber  wie  die  letzte  Hamburger  Choleraepidemie  wieder  ge¬ 
lehrt  hat,  in  Bezug  auf  Schnelligkeit  und  Sicherheit  auch  nicht  über¬ 
schätzt  werden  darf.  Meiner  Ansicht  nach  müsste  mit  dieser  Ein¬ 
richtung  der  Klosetts  ganz  —  und  nicht  nur  für  Epidemiezeiten  — 
gebrochen  werden.  Die  Entleerung  müsste  vielmehr  in  einen  unten 
angebrachten  geschlossenen  Kasten  oder  Eimer  fallen,  auf  dessen 
Boden  ein  Desinfiziens  (Rohkresol,  Kreolin,  Lysol,  Lysoform  oder 
dergl.)  sich  befindet.^  Am  besten  wäre  dieses  Desinfiziens  wohl  in 
I  orf,  Sägespähnen,  Kohlengrus  oder  dergl.  aufzunehmen,  damit  die 
Entleerung  an  geeigneten  Stellen,  eventuell  durch  Verbrennen  (in  der 
Lokomotive?)  unschädlich  gemacht  werden  kann.  In  epidemiefreien 
Zeiten  dürften  auch  diese  Exzipientien  ohne  Zusatz  von  Desinfektions¬ 
mitteln  genügen. 

Ich  bin  weit  entfernt,  die  Wichtigkeit  dieser  beiden  Punkte  zu 
überschätzen  und  ich  habe  sie  deswegen  schon  in  meiner  Ueberschrift 
als  „kleine“  Punkte  bezeichnet.  Meiner  Ansicht  nach  muss  vielmehr 
in  der  Bekämpfung  von  epidemischen  Krankheiten  immer  der  grosse 
Gesichtspunkt  der  allgemeinen  Hebung  der  sozialen  und  kultm  eilen 
Lage  des  Volkes  im  Vordergrund  stehen.  Immerhin  verdienen  die 
beiden  Punkte  vielleicht  einige  Beachtung  seitens  der  zuständigen 
Stellen,  der  erste  auch  seitens  der  Kollegen,  welche  hierüber  ihre 
Patienten  aufklären  sollten,  und  seitens  des  Publikums,  welches  die 
Unsitte  aus  der  Welt  schaffen  kann,  indem  es  die  Geschäfte  meidet, 
in  denen  sie  herrscht.  In  letzterer  Beziehung  sollte  auch  die  Tages¬ 
presse  durch  eine  entsprechende  Belehrung  und  Aufforderung  günstig 
zu  wirken  versuchen. 


Gebühren  fiir  die  Ausstellung  ärztlicher  Zeugnisse  behufs 
Bewerbung  um  die  Invalidenrente. 

München,  den  22.  August  1907. 

Versicherungsanstalt  für  Oberbayern. 

An  den  ständigen  Ausschuss  der  Aerztekammer  für  Oberbayern 

in  München. 

Die  Vorstandschaft  der  Versicherungsanstalt  für  Oberbayern  hat 
auf  die  nebenangeführte  Zuschrift  unterm  17.  Juni  1907  beschlossen: 

„I.  Die  Versicherungsanstalt  übernimmt  bis  auf  weiteres  frei¬ 
willig  den  approbierten  Aerzten  im  Regierungsbezirke  Oberbayern 
gegenüber  die  Honorierung  der  ärztlichen  Zeugnisse 
zum  Zwecke  der  Rentenbewerbung  —  wenn  nicht  der 
Versicherte  ausdrücklich  freiwillig  die  Bezahlung  leistet  —  nach  fol¬ 
genden  näheren  Bestimmungen: 

1.  Die  Ausstellung  des  Zeugnisses  darf  nur  auf  Grund  eines  von 
der  den  Rentenantrag  entgegennehmenden  Gemeindebehörde  zu  er¬ 
teilenden  Bestellscheines  erfolgen. 

2.  Das  Zeugnis  ist  nach  Massgabe  des  jeweils  von  der  Versiche¬ 
rungsanstalt  eingeführten  Formulars  abzugeben  und  von  dem  Arzte 
verschlossen  und  frankiert  an  diejenige  Distriktsverwaltungsbehörde 
(d.  i.  Bezirksamt)  einzusenden,  welche  der  den  Antrag  aufnehmenden 
Gemeindebehörde  vorgesetzt  ist  oder  den  Antrag  selbst  aufgenonnnen 
hat  (unmittelbarer  Stadtmagistrat). 

3.  Als  Honorar  für  jedes  auf  diesem  Wege  erholte  Zeugnis  ein¬ 
schliesslich  des  Portos  bezahlt  die  Versicherungsanstalt  als  Höchst¬ 
betrag  5  M.  —  fünf  Mark  — . 

Von  der  Versicherungsanstalt  für  notwendig  erachtete  Ergän¬ 
zungen  sind  von  dem  attestierenden  Arzt  unentgeltlich  vorzunehmen. 

II.  Anträge  auf  Ue bernahme  de.s  Heilverfahrens, 
welche'  nach  dem  von  der  Versicherungsanstalt  jeweils  eingeführten 
Formulare  gestellt  werden,  werden  den  Aerzten  wie  bisher  mit  je 
2  Mark  honoriert. 

III.  Die  Auszahlung  der  Gebühren  an  die  Aerzte  erfolgt  halb¬ 
jährig  je  nach  dem  „1.  Juli  und  1.  Januar“. 

Der  Ausschuss  der  Versicherungsanstalt  für  Oberbayern  hat  dem 
Beschlüsse  der  Vorstandschaft  der  Versicherungsanstalt  unterm 
27.  Juli  1907  zugestimmt. 

Die  vorangeführten  Bestimmungen  sollen  als  ein  Ueberein- 
kommen  zwischen  der  Aerztekammer  für  Oberbayern  und  der  Ver¬ 
sicherungsanstalt  für  Oberbayern  gelten. 

Ich  ersuche  nun,  dieses  Uebereinkommen  sämtlichen  Aerzten 
Oberbayerns  zur  Kenntnis  zu  bringen  und  dahin  wirken  zu  wollen, 
dass  dasselbe  auch  entsprechend  eingehalten  wird. 

Hiebei  füge  ich  noch  an: 

a)  Das  Uebereinkommen  gilt  ab  1.  Januar  1908  bis  auf  weiteres. 

b)  Hinsichtlich  der  Ausstellung  des  Bestellscheines  durch  die  Ge¬ 
meindebehörden  werden  die  letzteren  seitens  der  Versicherungsanstalt 
(durch  Vermittlung  der  Bezirksämter)  mit  entsprechenden  Weisungen 
versehen.  Der  Bestellschein  ist  dem  ärztlichen  Zeugnisse  beizufügen. 
Ohne  Bestellschein  findet  eine  Honorierung  nicht  statt. 

c)  Den  Zeugnisformularen  werden  auch  die  Liquidationsformulare 
beigefügt.  Den  letzteren  werden  die  für  die  Gebührenliquidation 
massgebenden  Bestimmungen  des  Uebereinkommens  aufgedruckt. 

Die  Zeugnisformulare  sowie  die  Liquidationsformulare  können 
von  der  Versicherungsanstalt  für  Oberbayern  unentgeltlich  bezogen 
werden. 

Dr.  Krieg. 


Uebersicht  der  Sterbefalle  in  München 

während  der  36.  Jahreswoche  vom  1.  bis  7.  September  1907. 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  11  (7*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  4  (4),  Kindbettfieber  1  ( — ),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  (— ),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  1  (— ),  Diphth.  u. 
Krupp  4  (1),  Keuchhusten  —  ( — j,  Typhus  —  (2),  übertragb.  Tierkrankh. 
_(r")>  Rose  (Erysipel)  — (1),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  4  (3),  luberkul.  d.  Lungen  20  (25),  Tuberkul.  and. 
Org.  3(5),  Miliartuberkul.  — (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  6  (4),. 
Influenza  (  ),  and.  übertragb.  Krankh.  1  ( — ),  Entzünd,  ‘d.  Atmungs¬ 
organe  2  (1),  sonst.  Krankh.  derselb.  2  ( — ),  organ.  Herzleid.  14  (22),, 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  6  (3),  Gehirnschlag 
4  (4),  Geisteskrankh.  3  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  2  (5),  and.. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  30  (42),  Krankh.  d.  Leber  2  (2),  Krankh.  des. 
Bauchfells  —  (  ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  1  (5),  Krankh.  d.. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  1  (3),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  12  (8)r. 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  2  (2),  Selbstmord  2  (2),  Tod  durch, 
fremde  Hand  ( — ),  Unglücksfälle  6  (7),  alle  übrig.  Krankh.  1  (3). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  148  (165).  Verhältniszahl  auf  das-. 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  14,0  (15,7),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  9,8  (10,6). 


_  )  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 

Verla*  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthaler»  Buch-  und  Kun.tdmcker,i  a  n  ,  •« 


Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
in!  Umfang  von  durchschnittlich  fr— 7  Bogen.  #  Preis  der  einzelnen 
Nummer  8<>  4.  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

5#i_#  #  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren :  Für  die  Redaktion  Arnui«1- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/|— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


^  5  i-  •  übrige  Dezugsoeamgungcn  mchc  am  &  •_  _ 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Freiburg  i.  Br.  ^ 

Anatomische  und  physiologische  Beobachtungen  bei  dem 
ersten  Tausend  Rückenmarksanästhesien. 

Von  Prof.  B.  K  r  ö  n  i  g  und  Dr.  C.  J.  Gauss,  Assistent  der 

Klinik. 

Wir  gingen  in  dieser  Arbeit  von  dem  Bestieben  aus,  uns 
über  die  anatomischen  und  physiologischen  Verhältnisse  hei 
der  Rückenmarksanästhesie  Klarheit  zu  verschaffen,  um  auf 
diese  Weise  möglichst  ihre  Gefahren  und  Nachwirkungen  ein¬ 
zuschränken.  Wenn  auch  die  im  Laufe  der  tausend  Rücken¬ 
marksanästhesien  angestellten  Beobachtungen  und  Versuche 
keineswegs  dies  Ziel  ganz  erreicht  haben,  so  möchten  wir  doch 
unsere  Erfahrungen  mitteilen,  da  sie  zu  einem  gewissen  Ab¬ 
schlüsse  gekommen  sind. 

Die  Gefahren  der  Rückenmarksanästhesie  können  be¬ 
stehen  •  ,  ,  .  ,  c  . 

1.  darin,  dass  das  Anästhetikum,  welches  in  den  bub- 
arachnoidealraum  eingespritzt  wird,  so  schnell  resorbiert  wird, 
dass  dadurch  schwere  toxische  Allgemeinerscheinungen  ein- 
treten  * 

2. ’  darin,  dass  das  eingespritzte  Anästhetikum  Nerven¬ 
gebiete  und  Rückenmarkssegmente  trifft,  bei  denen  auch  eine 
vorübergehende  Funktionsaufhebung  den  T od  des  Indi¬ 
viduums  zur  Folge  hat;  es  sind  dies  vor  allem  die  höhei  ge¬ 
legenen  Segmente  der  Medulla  spinalis,  welche  die  Atmung 
beeinflussen,  die  Austrittsstelle  des  Nervus  phrenicus  aus  dem 
Rückenmark,  sowie  die  Medulla  oblongata; 

3.  darin,  dass  das  Anästhetikum  die  Nerven  der  Ganglien¬ 
zellen  nicht  blos  vorübergehend  in  ihrer  Funktion  hemmt, 
sondern  dauernde  Störungen  herbeiführt,  wodurch  auch  bei 
Lähmungen  tiefer  gelegener  Rückenmarkssegmente  z.  B.  des 
Lumbalmarks,  schliesslich  lebensgefährliche  Wirkungen  ein- 

■  treten,  z.  B.  Paraplegien  der  unteren  Extremitäten  mit  Läh¬ 
mungen  der  Blase  und  des  Mastdarms. 


Es  bliebe  dann  noch  übrig  zu  besprechen,  wie  wir  die 
Nebenwirkungen  der  Rückenmarksanästhesie,  welche  \c  ir 
mehr  als  unangenehme  denn  als  lebensgefährliche  Kompli¬ 
kationen  bezeichnen  dürfen,  z.  B.  Kopfschmerzen,  Meningismus, 
vermeiden  können;  und  schliesslich,  wie  wir  das  auch  von  uns 
früher  so  oft  beobachtete  Ausbleiben  jeder  anästhesierenden 
Wirkung  auf  das  geringste  Mass  reduzieren  können. 

Wenden  wir  uns  zunächst  zu  den  Gefahren  der  Rücken¬ 
marksanästhesie,  so  hat  der  von  uns  erwähnte  erste  Punkt, 
nämlich  übermässig  schnelle  Resorption  des  Anasthetikums 
und  dadurch  bedingte  rasche  Vergiftung  des  Körpers  schon  in 
einer  vorzüglichen  Arbeit  aus  der  T  rendelenburgsc  ich 
Klinik  von  Flein  eke  und  Läwen  eine  Beantwortung  ge¬ 
funden  Unter  der  Einwirkung  der  experimentellen  Unter¬ 
suchungen  von  K  1  a  p  p,  welcher  zu  dem  Resultate  gekommen 
war,  dass  das  intradural  injizierte  Gift  viel  toxischer  wirke  als 
das  subkutan  injizierte,  weil  die  Resorption  vom  Duralsack 
aus  blitzschnell  erfolge,  hatte  man  die  Gefahren  dei  Rucken- 
marksanästhesie  hauptsächlich  in  einer  plötzlichen  Ue  er- 
schwemmung  des  Organismus  mit  dem  Gift  des  Anasthetikums 
erblicken  zu  müssen  geglaubt.  Die  Folge  dieser  Anschauung 
40. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

war,  dass  man  alles  daran  setzte,  mit  möglichst  geringen  Dosen 
des  ’Anästhetikums  auszukommen.  Die  Forscher  Heinek  e 
und  Laewen  gelangten  aber  zu  dem  für  die  ganze  Entwick¬ 
lung  der  Lumbalanästhesie  wichtigen  Resultat,  dass  bei  der  Ein- 
spritzung  in  den  Subnruchnoidenlruuni  im  Gegenteil  ic 
Resorption  des  Anästhetikums  langsam  vor  sich  geht  und 
dass  infolgedessen  eine  zu  schnelle  Aufnahme  des  Giftes  in  den 
Gesamtorganismus  kaum  zu  befürchten  sei.  Sie  ei  kannten  in 
ihrer  experimentellen  Arbeit  schon,  dass  die  Gefahi  dei  Rücken¬ 
marksanästhesie  hauptsächlich  in  der  direkten  Beiührung  dei 
injizierten  Lösung  mit  lebenswichtigen  Zentren  des  Rücken¬ 
marks  zu  erblicken  sei. 

Da  wir  die  zahlreichen  Tierversuche  von  Heineke  und 
I,  a  e  w  e  n  wohl  als  einwandsfrei  und  auf  den  Menschen  über¬ 
tragbar  bezeichnen  dürfen,  so  folgt  aus  ihnen,  dass  es  nicht  so 
sehr  darauf  ankommt,  sehr  kleine  Dosen  zu  injizieren,  sondern 
vornehmlich  darauf,  zu  verhüten,  dass  das  Anästhetikum  zur 
Medulla  oblongata  oder  der  Abzweigungsstelle  des  I  hremkus 

(2.-3.  Halswirbel)  aufsteigt.  .  , 

Sind  wir  nun  in  der  Lage,  dieses  Aufsteigen  emes  111  den 
Lumbalsack  injizierten  Anästhetikums  bis  zur  Medulla  oblon¬ 
gata  zu  verhindern?  ,  ... 

Braun  kommt  am  Schlüsse  seiner  letzten  Arbeit  ubu 
Verwendung  des  Alypins  in  der  Rückenmarksanästhesie  zu 
dem  Resultat,  dass  dies  vorläufig  nicht  mit  der  genügenden 
Sicherheit  erreichbar  sei;  dies  war  für  ihn  Grund  Senug,  die 
weiteren  Versuche  mit  der  Medullaranästhesie  abzubrechen. 

Um  diese  Lrage  zu  klären,  müssen  wir  die  anatomischen 
und  physikalischen  Verhältnisse  im  Subarachnoidealraum  be¬ 
trachten,  und  zwar  kommt  hier  wohl  hauptsächlich  m  Betracht 

1.  das  Verhalten  der  Spinalflüssigkeit  im  Subarachnoideal¬ 
raum  bei  verschiedenen  Lagerungen  des  Körpeis, 

2.  die  Abhängigkeit  der  Ausbreitung  des  Anasthetikums 
bei  der  Lumbalanästhesie  von  dem  Verhältnis  des  spezifischen 
Gewichts  der  injizierten  Lösung  zum  spezifischen  Gewicht  dei 

Spinalflüssigkeit;  .  ,  .....  . 

3  die  Abhängigkeit  der  Ausbreitung  des  injizierten  An¬ 
ästhetikums  in  der  Spinalflüssigkeit  von  der  Diffusion  und  von 
den  Strömungsbedingungen  der  Spinahliissigkeit  im  su 

arachnoidealraum.  ..  ,  . 

Halten  wir  Umschau  in  der  Literatur,  so  müssen  wo  leidei 

bekennen,  dass  bisher  auf  alle  diese  für  die  Ruckenmarks- 
anästhesie  so  wichtigen  Fragen  nur  wenige  Antworten  vor¬ 
liegen  Es  mag  dies  vielleicht  dadurch  bedingt  sein,  dass  man 
unter  dem  Eindruck  der  Experimente  von  Quincke  und 
Jacob1)  stand,  welche  bei  Tieren  zeigten,  dass  eine  in  dei 
Gegend  der  Lendenwirbelsäule  in  den  Subarachnoidealraum 
eingespritzte  Lösung  sich  in  Bruchteilen  einer  Minute  bis  zui 
Schädelbasis  ausbreitete,  so  dass  alle  oben  angege ebenen  F  rage¬ 
stellungen  hinfällig  wären.  Heinek  e  und  La  e w e n  haben 
aber  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  diese  expe 
men, eilen  Resultate  auf  die  Verhältnisse  bei  der  Lumbal¬ 
anästhesie  des  Menschen  nicht  übertragbar  sind  weil  le 
Menge  der  Injektionsflüssigkeit  wesentlich  in  Betiacht  g 


Q  Siehe  u.  a.:  Jacob:  Klinische  und  experinienteUe  Erfahrungen 
über  die  Duralinfusion.  Deutsche  med.  Wochensc lr.  ...  ’ licll'erI 
Betreffs  aller  weiteren  Arbeiten  verweisen  wir  aut  d 
schienene  vorzügliche  Arbeit  von  Paul  Bosse. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1970 


zogen  werden  müsse.  Quincke  und  Jacob  spritzten  eine 
sehr  grosse  Menge  von  Flüssigkeit  in  den  Subarachnoidealraum 
bei  Ziegen  ein,  eine  Menge,  welche  im  Vergleich  zum  Menschen 
um  so  höher  bewertet  werden  muss,  als  der  Subarachnoideal¬ 
raum  bei  Tieren  nur  einen  engen  Spalt  darstellt,  der  nur  ge¬ 
ringe  Quantitäten  Flüssigkeit  fassen  kann.  Wird  bei  solchen 
Tieren  eine  grössere  Menge  Flüssigkeit  in  diesen  engen  Raum 
injiziert,  so  wird  rein  mechanisch  der  Subarachnoidealraum 
bis  zur  Schädelbasis  hin  mit  dieser  Flüssigkeit  angefüllt  werden 
müssen.  Bei  der  Lumbalanästhesie  des  Menschen  liegen  aber 
die  Verhältnisse  wesentlich  anders  als  bei  den  Quincke- 
schen  Tierversuchen.  Bei  der  grossen  Menge  von  Liquor, 
welche  der  relativ  weite  Subarachnoidealraum  des  Menschen 
enthält  —  nach  Axel  Key  und  R  e  t  z  i  u  s  2)  ca.  50—150  ccm 
Flüssigkeit  —  spielt  die  Injektion  von  1 — 2  ccm  Flüssigkeit  bei 
der  Lumbalanästhesie  mechanisch  kaum  eine  Rolle.  Diese 
injizierte  Flüssigkeit  hat  in  den  tieferen  Teilen  des  Sub- 
arachnoidealraums  reichlich  Platz  und  braucht  nicht,  wie  bei 
der  Injektion  grösserer  Flüssigkeitsmengen  bei  Tieren,  nach 
oben  auszuweichen. 

Für  die  Ausbreitung  des  Anästhetikums,  welches  in  den 
lumbalen  Teil  des  Subarachnoidealraums  eingespritzt  ist, 
kommen  vielmehr  beim  Menschen  ganz  andere  Faktoren  in 
Betracht. 


Um  uns  hiervon  eine  Vorstellung  zu  machen,  müssen  wir 
uns  zunächst  einmal  die  Frage  vorlegen:  Wie  ist  denn 
überhaupt  die  Flüssigkeit  im  Subarachno¬ 
idealraum  beim  Menschen  verteilt3). 

1  ragen  wir  bei  einer  in  sitzender  Stellung  befindlichen 
Leiche  die  Wirbelbögen  ab,  so  erkennen  wir,  dass  unter  der 
Arachnoidea  im  lumbalen  und  thorakalen  Anteile  des  Rücken¬ 
marks  hinauf  bis  zum  Halsteile  sich  ein  Flüssigkeitssee  befindet. 
Der  oberen  Spiegel  dieses  Sees  liegt  verschieden  hoch  bei  ver¬ 
schiedenen  Leichen,  aber  im  allgemeinen  im  oberen  Teile  des 
Brustmarks.  Oeffnen  wir  oberhalb  dieses  Flüssigkeitssees 
den  Subarachnoidealspalt,  so  fliesst  kein  Liquor  ab;  es  liegt 
also  hier  die  Arachnoidea  mehr  oder  weniger  innig  der  Pia 
ohne  grössere  Flüssigkeitsansammlung  zwischen  den  beiden 
Blättern  an;  die  Wandungen  des  Spalts  sind  mit  Flüssigkeit 
nur  eben  benetzt.  Wird  dagegen  der  Subarachnoidealsack  im 
lumbalen  Teile  des  Rückenmarks  eingeschnitten,  so  fliesst 
die  ganze  Liquormasse  ab  und  der  Flüssigkeitssee  nivelliert  sich 
bis  zur  Höhe  der  Inzisionsstelle. 

Da  durch  die  Abtragung  der  Wirbelbögen  die  anatomischen 
Verhältnisse  des  Liquors  geändert  sein  könnten,  so  müssen 
wir  noch  bei  intaktem  Wirbelkanal  prüfen.  Dies  können  wir 
iu  der  Weise  vornehmen,  dass  wir  wiederum  bei  s  i  t  z  e  n  d  e  r 
Leiche  in  der  Gegend  der  Lendenwirbelsäule  in  den  Sub¬ 
arachnoidealraum  eine  Punktionsnadel  einstechen,  diese  Nadel 
mit  einem  Steigrohr  in  Verbindung  bringen,  um  uns  so  am 
Steigrohr  über  den  Stand  des  oberen  Flüssigkeitsspiegels  im 
Subarachnoidealraum  Aufklärung  zu  verschaffen;  dies  hätte 
nur  zur  Vorausetzung,  dass  der  Flüssigkeitsspiegel  in  der 
Steigrohre  sich  nach  dem  Gesetz  der  kommunizierenden 
Röhren  mit  dem  Flüssigkeitsspiegel  im  Subarachnoidealraum 
gleichstellt. 

Um  dies  zunächst  zu  prüfen,  wurden  von  uns  weitere  Ver¬ 
suche  angestellt. 


Bei  Leichen  wurde  kurz  nach  dem  Tode  in  der  Gegend  de 
Lumbalmarks  punktiert  (s.  Abb.  1)  und  die  Steigrohre  angebrachi 
Die  Lässigkeit  steigt  'in  der  Steigrohre  —  sagen  wir  bis  zu  220  mr 
■—  an.  Es  wird  dann  3  Wirbel  höher  (120  mm  oberhalb  der  erste: 
i  unktionsstelle)  eine  zweite  Punktionsnadel  eingestossen'  das  a 
dieser  Nadel  angebrachte  Steigrohr  ergibt  eine  Druckhöhe’  von  nu 
noch  1(HJ  nun  (220  120),  stellt  sich  also  im  Flüssigkeitsspiege 

mit  dem  des  ersten  Steigrohres  ein.  Eine  dritte  Punktionsnade] 
\\  iederum  3  W  irbel  höher  (90  mm  oberhalb  der  zweiten  Punktions 
stelle)  eingestossen,  ergibt  im  Steigrohr  nur  noch  einen  Druck  voi 
.  n]n)  1-0  90),  stellt  sich  also  ebenfalls  im  Flüssigkeitsspiegel  mi 

den  beiden  anderen  Steigrohren  ein.  Wird  oberhalb  des  Fliissigkeits 


')  Axel  Key  und  R  e  t  z  i  u  s 
Nervensystems,  Stockholm  1876. 

0  Während  der  Korrektur  wurde 


Studien  über  die  Anatomie  des 


u  •  r  ,  . .  ,  .  •  —  - -  von  Gerstenberg  und 

nein  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Dresden  ein  Vortrag  und 
Demonstration  über  die  anatomischen  Verhältnisse  bei 
marksanästhesie  gehalten.  Wir  möchten 


,  ,  -  nicht 

wunderbar  instruktiven  Präparate  hinzuweisen. 


der  Riicken- 
verfehlen,  auf  die 


Spiegels  im  Steigrohr  der  Subarachnoidealraum  punktiert,  so  tritt 
bis  hinauf  zum  Foramen  magnum  überhaupt  keine  Flüssigkeit  mehr 
aus  der  Punktionsnadel  aus  —  als  Beweis,  dass  bei  der  Leiche,  abge¬ 
sehen  von  leichter  Verschiebung  durch  Kapillarattraktion  im  Glase, 
der  Flüssigkeitsstand  im  Steigrohr  den  Fliissigkeitsstand  im  Sub¬ 
arachnoidealraum  anzeigt. 


Dass  diese  Verhältnisse  an  der  Leiche  direkt  auf  die 
Lebende  übertragbar  sind,  ist  von  uns  nicht  mit  absoluter 
Sicherheit  bewiesen,  aber  doch  wenigstens  sehr  wahrscheinlich 
gemacht.  Der  Versuch  ist  an  der  Lebenden  deshalb  nicht  in 
voller  Exaktheit  durchzuführen,  weil  wir  nicht  im  Halsmark 
punktieren  dürfen.  Immerhin  sprechen  Tierversuche  und  nach¬ 
folgende  Beobachtungen  für  die  Annahme,  dass  auch  beim 
lebenden  Menschen  die  Verhältnisse  gleich  liegen. 

Zunächst  der  Tierversuch: 

Bei  einem  in  hockender  Stellung  aufrecht  gehaltenen  Kalbe, 
welches  ebenso  wie  der  Mensch  reichlich  Liquor  im  Subarachnoideal¬ 
raum  hat,  wurde  wie  bei  der  Leiche  in  verschiedenen  Höhen  des 
Rückenmarks  die  Punktionsnadel  mit  Steigrohr  versehen  einge¬ 
stossen.  Es  ergab  sich  in  völliger  Analogie  mit  der  Leiche,  dass  auch 
hier  das  Flüssigkeitsniveau  in  den  verschiedenen  Steigrohren  sich 
nivellierte.  Es  wurde  dann  die  oberste  Punktionsnadel  unter  Berück¬ 
sichtigung  der  Kapillarattraktion  einige  Zentimeter  oberhalb  des  Flüs¬ 
sigkeitsspiegels  im  Steigrohr  in  den  Subarachnoidealraum  einge¬ 
stossen.  Es  entleerte  sich  keine  Flüssigkeit.  Darauf  wurde  das 
Kalb,  welches  bis  dahin  in  hockender  Stellung  gehalten  war,  langsam 
hintenüber  geneigt;  hierauf  hob  sich  der  Flüssigkeitsspiegel  im  Steig¬ 
rohr  um  mehrere  Zentimeter  und  es  trat  dementsprechend  tropfen¬ 
weise  Liquor  aus  der  obersten  Punktionsnadel  aus;  wurde  dann  das 
Kalb  wieder  mehr  vornüber  geneigt,  so  sank  der  Flüssigkeitsspiegel 
im  Steigrohr  unter  gleichzeitigem  Versiegen  des  Tropfenfalles  aus 
der  obersten  Punktionsnadel. 

Wenn  ein  gleicher  Versuch  am  Menschen  auch  unausführ¬ 
bar  ist,  so  spricht  doch  folgende  Beobachtung  für  die  Annahme, 
dass  auch  beim  Menschen  die  Verhältnisse  gleich  liegen.  Aus 
Gründen,  welche  wir  später  anführen  werden,  sind  wir  zu¬ 
weilen  gezwungen,  bei  sitzender  Frau  gleichzeitig  zwischen 
1.  und  2.  sowie  4.  und  5.  Lumbalwirbel  zu  punktieren.  Setzen 
wir  zunächst  an  der  Punktionsnadel  zwischen  4.  und  5.  Lumbal¬ 
wirbel  das  Steigrohr  an,  so  bekommen  wir  bei  der  Lebenden, 
abgesehen  von  Schwankungen  der  Flüssigkeitssäule  im  Steig¬ 
rohr  bei  der  Atmung,  einen  Druck  —  sagen  wir  von  350  mm; 
setzen  wir  dann  das  Steigrohr  an  der  Punktionsnadel  zwischen 
1.  und  2.  Lumbal wirbel  an,  so  stellt  sich  genau  wie  bei  der 
Leiche  und  im  rierversuch  das  Flüssigkeitsniveau  in  beiden 
Steigrohren  in  gleicher  Höhe  ein.  Daraus  dürfen  wir  wohl  den 
Schluss  ziehen,  dass  wir  auch  beim  Menschen  an  einem  Null¬ 
punkt  des  Druckes  ankommen,  wenn  wir  in  der  Höhe  des 
obeien  Flüssigkeitniveaus  der  Steigröhre  den  Subarachnoideal- 
i aum  punktieren,  und  dass  wir  oberhalb  des  Flüssigkeits¬ 
spiegels  im  Steigrohr  bei  Punktion  des  Subarachnoidealraums 
keine  Flüssigkeit  mehr  bekommen. 


Aus  diesen  Versuchen  und  Beobachtungen  ziehen  wir  den 
Schluss  dass  der  Liquor  im  Subaraehnoidealraum  des  Rücken¬ 
marks  bei  s  i  t  z  e  n  d  e  r  Frau  sich  als  ein  Flüssigkeitssee  dar¬ 
stellt  dessen  oberer  Spiegel  vermittelst  eines  Steigrohrs, 
welches  an  einer  im  lumbalen  Teile  des  Rückenmarkes  em- 
gestossenen  Punktionsnadel  angebracht  ist,  leicht  zu  finden  ist. 

Eine  weitere  Beobachtung  ergibt,  dass  eine  bei  sitzender 
Frau  in  den  lumbalen  Teil  des  Subarachnoidealiaums  einge¬ 
spritzte  Flüssigkeit,  welche  spezifisch  leichter  als  die  Spinal¬ 
flüssigkeit  ist,  sich  nach  ihrem  oberen  Flüssigkeitsspiegel  hin 
begibt  und  sich  dort  ansammelt,  ohne  zunächst  weiter  nach  oben 
im  Subaraehnoidealraum  aufzusteigen;  späteres  Aufsteigen 
durch  Kapillarattraktion  im  Subarachnoidealspalt  ist  selbst¬ 
verständlich  nicht  ausgeschlossen. 

Wir  geben  einen  diesbezüglichen  Versuch  an  dei  Leiche 
wieder. 

Wir  spritzten  eine  Stovainlösung,  welche  spezifisch  leichter  als 
die  Spinalflüssigkeit  und  vorher  mit  Methylenblau  gefärbt  war  bei 
sitzender  Leiche  in  den  Subaraehnoidealraum  zwischen  2  —3.  Lumbal¬ 
wirbel  ein,  bestimmten  im  angesetzten  Steigrohr  das  obere  Flussig- 
keitsniveau,  warteten  einige  Minuten  nach  der  Injektion,  um  dam 
durch  Punktieren  in  den  verschiedensten  Höhen  des  Ruckenmarks- 
kanals  uns  über  den  Verbleib  der  blau  gefärbten  Losung  zu  in¬ 
formieren.  Das  Resultat  war,  dass  bei  der  Punktion  des  Subarach- 
noidealraums,  dicht  unterhalb  des  oberen  Flussigkeitsmveaus  im 
Steigrohr,  die  Spinalflüssigkeit  dunkelblau  gefärbt  war;  je  tiefer 

nach  dem  Lumbalteile  der  Subaraehnoidealraum  punktiert  wurde,  um 

so  weniger  blau  war  die  Spinalflüssigkeit  gefärbt;  untei  halb  der 
Injektionskanüle  war  die  Flüssigkeit  ganz  ungefärbt  (siehe  Abb.  i). 


I 


’-2-  ™ischen 5''6' 
Abbildung  2. 

Oberhalb  des  Flüssigkeitsniveaus  im  Steigrohr  konnte  keine  FlüssiE- 
keit  angesogen  werden.  Die  sofort  vorgenommene  Eröffnung  des 

Duralsackes  nach  Abtragung  der  Wirbelbögen  bei  p^1" Färbresultate 
Stellung  gehaltenen  Leiche  zeigte  entsprechend  dem  Farbresultans 
der  Punktion  eine  Blaufärbung  des  Rückenmarkes  bis  zum  Flussig- 
keitsspiegel;  am  Halsteile  fehlte  jede  Blaufärbung. 

Ein  gleicher  Versuch  ist  an  der  Lebenden  wiederum  nicht 
möglich,  weil  die  Punktionen  im  oberen  Teile  des  Halsmarks 
nicht  ungefährlich  sind,  dagegen  dürfen  wir  aus  gewissen  Be¬ 
obachtungen  schliessen,  dass  die  Verhältnisse  bei  dei  Leben 

S  Wie  wir  später  sehen  werden,  anästhesieren  wir  bei  den 
sich  aufDammundScheide  beschränkenden  Operationen 
nur  die  sakralen  Rückenmarkssegmente;  wir  machen  dies 
in  der  Weise,  dass  wir  durch  Zusatz  von  Kochsalz  die  anästhe¬ 
sierende  Stovainlösung  spezifisch  schwerer  als  die  Spma  - 
flüssigkeit  machen  und  zwischen  1.  und  2.  Lendenwirbel  in¬ 
jizieren  Bei  Laparotomien  müssen  wir  hoher  gelegene 
Rückenmarkssegmente  anästhesieren,  hier  bedienen  wir  uns 
einer  Stovainlösung,  welche  spezifisch  1  e  1  teJ 
Spinalflüssigkeit  ist.  Da  wir  eimgemale  nach  emgetretener 
Anästhesie  das  überschüssige  Stovain  sofort  wieder  aus  dt 
Subaraehnoidealraum  entfernten,  so  konnten  wir  hier  gleich¬ 
zeitig  Beobachtungen  über  den  Gehalt  des  Liquors  an  Stovain 
in  verschiedenen  Höhen  des  Lumbalmarks  bei  verschieden 
dichten  Stovainlösungen  anstellen. 

In  der  ersten  Serie  wurde  eine  Stovainlösung,  die  spezifisch 
schwerer  als  die  Spinalflüssigkeit  war,  zwischen  1.  und 
2.  Lendenwirbel  injiziert;  nach  eingetretener  Anästhesie  wurde 
zwischen  4.  und  5.  Lumbalwirbel  punktiert  und  etwas  Liquor 


abgelassen.  Die  chemische  Prüfung  dieser  Flüssigkeit  auf 
Stovain  ergab  stets  sehr  starke  Reaktion.  ) 

In  der  zweiten  Serie  wurde  ebenfalls  zwischen  1.  und 
2.  Lumbalwirbel  punktiert,  aber  eine  Stovainlösung  einge¬ 
spritzt,  die  spezifisch  leichter  als  die  Spinalflüssigkeit  \\  ai , 
auch  hier  Hessen  wir  nach  eingetretener  Anästhesie  zwischen 
4  und  5  Lumbalwirbel  etwas  Liquor  ab,  konnten  aber  jetzt 
hier  keine  oder  nur  ganz  minimale  Mengen  von  Stovain  nach- 

weisen.  ,  .  ,  ,  , 

Alle  Verhältnisse  ändern  sich  sofort,  so¬ 
bald  der  Körper  in  Beckenhochlagerung  ge¬ 
brach  t  w  i  r  d. 

Um  sich  über  die  Verschiebung  der  Spinalflüssigkeit  im 
Subaraehnoidealraum  bei  wechselnder  Lage  des  Körpers  eine 
Vorstellung  zu  machen,  bedienten  wir  uns  zunächst  des 

Leichenversuchs.  .  ,  „  ,  T  •  u 

Es  wird  der  Subaraehnoidealraum  -bei  sitzender  Stellung  der  Leiche 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Lendenwirbel  punktiert.  Das  anse¬ 
setzte  Steigrohr  zeigt  eine  Druckhöhe  sagen  wir  von  220  mm.  Wird 
dann  die  Leiche  langsam  aus  der  sitzenden  Stellung  in  die  Horizontal¬ 
lage  und  schliesslich  in  Beckenhochlagerung  ubergefuhrt,  so  sinkt  die 
Flüssigkeitssäule  im  Steigrohr  allmählich  zum  Nullpunkt,  dieser  w  t 
im  allgemeinen  erst  bei  mässiger  Beckenhochlagerung  erreicht,  wenn 
dTe  die  Leiche  tragende  Tischplatte  eine  Neigung  von  30°  gegen 
den  Horizont  zeigt.  Verstärkten  wir  die  Beckenhochlageiung  so 
weit  dass  wir  die  Leiche  mit  dem  Kopf  fast  senkrecht  nach  unten 
brachten  so  ergab  die  Punktion  des  Subarachnoidealraumes  in  den 
verschiedensten  Rückenmarkssegmenten  Folgendes:  InL ganzen  Lum¬ 
balteile  der  Wirbelsäule  trat  aus  der  eingestossenen  Punktionsnadel 
keine  Flüssigkeit  mehr  aus;  wurde  dagegen  die  Punktionsnadel  in  der 
Gegend  des  Foramen  magnum  oder  in  der  Gegend  des  Halsmarkes  ein- 
gestossen,  so  tropfte  Liquor  hervor  und  das  im  oberen  Haisteil  ein¬ 
gesetzte  Steigrohr  zeigte  eine  Flüssigkeitshöhe  von  ca.  200  mm  an. 
Es  war  also  durch  die  Beckenhochlagerung  eine  Verschiebung  des 
Liquors  eingetreten;  der  Liquor  war  weggeflossen  aus  dem  lumbalen 
Telle  des  Rückenmarkes  und  hatte,  sich  nach  dem  Halsteil  hm  begeben. 

Wie  steht  es  nun  bei  der  Lebenden?  Dass  auch  hier  ein 
gewisser  Analogieschluss  mit  den  Versuchen  an  der  Leiche  zu¬ 
lässig  ist  dafür  dienen  uns  verschiedene  Beobachtungen, 
welche  wir  im  Verlaufe  unserer  Rückenmarksanästhesien  ge¬ 
macht  haben. 

Früher  führten  wir  die  Lumbalanästhesien  in  Horizontal¬ 
lage  bezw.  in  leichter  Beckenhochlagerung  der  Frau  aus, 
während  wir  sie  jetzt  in  sitzender  Stellung  vornehmen.  Wir 
haben  dann  ferner  entsprechend  dem  Rate  mancher  Operateure 
früher  direkt  nach  der  in  sitzender  Stellung  der  Frau  ^ge¬ 
nommenen  Lumbalanästhesie  die  Frau  in  steile  Beckenhoc  - 
lagerung  gebracht.  Da  wir  bei  allen  Injektionen  gleichzeitig 
die  Kontrolle  der  Flüssigkeitshöhe  im  Steigrohr  Vornahmen  so 
haben  wir  uns  bei  den  verschiedenen  Lagerungen  der  Frau 
gleichzeitig  über  die  dabei  bestehenden  Druckverhaltnisse 

orientieren  können.  f  wir 

Aus  den  sehr  zahlreichen  Beobachtungen  dürfen  wir 

folgende  Schlüsse  ziehen;  Eine  Punktion  des  Subarachnoideal- 
raums  zwischen  1.  und  2.  Lendenwirbel  ergibt  bei  s  1 1  z  e  n  d  e  r 
Frau  im  Steigrohr  eine  durchschnittliche  D r uckhohe  von 
350  mm-  wird  die  Frau  langsam  aus  der  sitzenden  Stellung  in 
Seitenlage  auf  die  horizontal  gestellte  Operationsplatte  gelegt, 
so  sinkt  der  Druck  im  Steigrohr  auf  ca.  120  mm,-’)  um i  erst Mann 
den  Nullpunkt  zu  erreichen,  wenn  wir  die  rischplatte  gegen 
den  Horizont  um  30°  im  Beckenteile  heben.  s°bald  dann  die 
Operationsplatte  wieder  in  Horizontallage  gebracht  und  damit 
die  Beckenhochlagerung  der  Frau  aufgehoben  wird,  erschein 
allmählich  die  Flüssigkeitssäule  im  Steigrohr  und  steigt  allmäh¬ 
lich  vom  Nullpunkt  wieder  auf  120  mm  an.  W  lr  erwähnen  aber 
ausdrücklich,  dass  Ausnahmen  hiervon  dann  Vorkommen,  we 
die  Frau  bei  der  Beckenhochlagerung  gleichzeitig  angst  ic 
presst-  es  ist  dann  auch  in  Beckenhochlagerung  bis  zu  50  und 
darüber  hinaus  eine  gewisse  Höhe  der  Flüssigkei tssaule  im 
Steigrohr  nachzuweisen.  Bei  ruhig  im  Dämmerschlaf  hegender 

41  Herrn  Prof.  Gattermann  verdanken  wir  eine  schai  fe  Re¬ 
aktion  auf  Vorhandensein  von  Stovain  in  Pjof  Jodkahum-Lösung 

wir  einen  Tropfen  Stovainlösung  in  verdünnte  Jod-JoUkaiium  postum 
(Jod  1,0,  Jodkalium  2,0,  Aqu.  100,0)  einfallen,  so  entsteht  ein  starker 

Niederschlag.  M  r  n  n  i  ?  .  Rcrlin  über 

5)  Vergleiche  auch  die  Versuche  von  G.  K  r  o  n  1  g  tsernn  uoer 


Lumbalpunktion. 


1972 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


Frau  läuft  dagegen  der  Versuch  im  allgemeinen  nach  den  oben 
angegebenen  Gesetzen  ab. 

Wir  dürfen  aus  diesen  Beobachtungen  schliessen,  dass  ähn¬ 
lich  wie  bei  der  Leiche  auch  bei  der  Lebenden  die  Spinal¬ 
flüssigkeit  sich  aus  dem  lumbalen  Teile  des  Wirbelkanals  mehr 
oder  wenig  vollständig  entfernt  und  in  der  Richtung  nach  der 
Medulla  oblongata  zu  strömt;  wie  weit  sie  allerdings  bei  der 
Lebenden  nach  oben  abfliessen  kann,  ob  sie  in  jede  m  Falle 
von  steiler  Beckenhochlagerung  wirklich  die  Medulla  oblongata 
erreicht,  das  entzieht  sich  noch  unserer  Kenntnis.  Axel  Key 
und  Retzius  haben  es  zwar  sehr  wahrscheinlich  gemacht, 
dass  eine  Kommunikation  zwischen  dem  Subarachnoidealraum 
des  Gehirns  und  dem  des  Rückenmark  vorhanden  ist;  ebenso 
haben  unsere  Leichenversuche  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass 
eine  Kommunikation  des  Subarachnoidealraums  des  Rücken¬ 
marks  mit  dem  Subarachnoidealspalt  an  der  Gehirnbasis  besteht, 
indem  eine  in  den  Lumbalteil  des  Subarachnoidealraums  ein¬ 
gespritzte  gefärbte  Lösung  nach  steiler  Beckenhochlagerung 
der  Leiche  bis  an  die  Hirnbasis  abgeflossen  war  und  hier  das 
Gewebe  blau  gefärbt  hatte;  auf  der  anderen  Seite  aber  scheint 
sich  doch  der  freien  Strömung  der  Subarachnoidealflüssig- 
keit  aus  dem  Rückenmarkskanal  nach  der  Medulla  oblongata 
zu  im  oberen  Zervikalteil  ein  gewisser  Widerstand  entgegen¬ 
zustellen,  indem  im  oberen  Zervikalteil  nach  Axel  Key  und 
Retzius  von  der  Höhe  des  zweiten  Zackens  des  Ligamentum 
denticulatum  aus  sich  im  vorderen  Subarachnoidealspatium  ein 
klappenförmiges  Segel  ausspannt,  welches  nach  der  Art  der 
Aortenklappe  die  Strömung  von  dem  Gehirn  nach  dem  Rücken¬ 
markskanal  zwar  zulässt,  dagegen  die  Strömung  in  entgegen¬ 
gesetztem  Sinne  aufhält.0) 

Auf  jeden  Fall  ist  im  übrigen  Rückenmarkskanal  bis 
herauf  zum  2.  und  3.  Halswirbel  die  Spinalflüssigkeit  ganz  frei 
beweglich;  das  haben  uns  sowohl  die  oben  angegebenen,  als 
auch  nachfolgende  Versuche  gezeigt. 

Bei  horizontal  liegender  Leiche  punktierten  wir  den  Subarach- 
noidealraum  zwischen  zwölftem  Brust-  und  erstem  Lendenwirbel, 
sowie  zwischen  viertem  und  fünften  Lendenwirbel.  Die  beiderseits 
angesetzten  Steigrohren  ergaben  gleich  hohen  b'lüssigkeitsspiegel  (aa) 
(siehe  Abb.  3).  Wir  brachten  jetzt  in  eine  beiderseits  offene  Glasröhre 
mit  einem  horizontalen  und  zwei  aufsteigenden  Schenkeln  so  viel 
Flüssigkeit  herein,  dass  bei  Anlagerung  des  horizontalen  Schenkels 


Abbildung  3. 


an  die  beiden  Punktionsstellen  (bb)  der  Flüssigkeitsspiegel  in  beiden 
Glasröhren  (cc)  sich  in  ungefähr  gleicher  Höhe  mit  dem  Flüssig¬ 
keitsspiegel  in  den  beiden  Steigrohren  stellte.  Senkten  und  hoben 
wir  jetzt  die  Tischplatte,  auf  welcher  die  Leiche  lag,  so,  dass  wir  sie 
entweder  in  Beckenhochlagerung  oder  in  Kopfhochlagerung  brachten, 
so  stellte  sich  (Abb.  4)  der  Flüssigkeitsspiegel  in  den  beiden  Steig¬ 
rohren  genau  parallel  mit  den  Flüssigkeitsspiegeln  in  der  kommuni¬ 
zierenden  Röhre  ein,  womit  bewiesen  ist,  dass  in  der  Leiche  die 


°)  Vor  allem  zeigen  die  oben  schon  erwähnten  Präparate  von 
Gerstenberg  und  Hein,  dass  auch  im  Halsteil  einige  transversal 
gestellte  dünne  Gewebsspangen  den  Subarachnoidealraum  durch¬ 
ziehen,  welche  den  Flüssigkeitsstrom  aufhalten,  aber  nicht  ganz  hem¬ 
men  können.  (Anmerkung  bei  der  Korrektur.) 


Abbildung  4. 

Die  gleichen  Verhältnisse  wie  bei  der  Leiche  haben  sich 
uns  auch  aus  Beobachtungen  an  der  Lebenden  ergeben  ge¬ 
legentlich  der  aus  therapeutischen  Gründen  vorgenommenen 
Doppelpunktion  des  Lendenwirbelkanals.  Auch  hier  nivelliert 
sich  genau  so  wie  bei  den  Leichenversuchen  der  Flüssigkeits¬ 
spiegel  in  den  Steigrohren  mit  der  angesetzten  kommunizieren¬ 
den  Glasröhre;  ein  Beweis,  dass  das  Resultat  des  Leichenver¬ 
suchs  direkt  auf  die  Lebende  übertragbar  ist. 

Aus  diesen  Versuchen  und  Beobachtungen  ziehen  wir  fol¬ 
gende  Schlussfolgerungen  für  die  Lumbalanästhesie: 

L  Die  Ausbreitung  der  injizierten  anästhesierenden  Lösung 
in  der  Subarachnoidealflüssigkeit  ist  abhängig  von  dem  Dichtig¬ 
keitsverhältnis  beider  Flüssigkeiten. 

2.  Die  Ausbreitung  der  anästhesierenden  Lösung,  die 
spezifisch  leichter  als  die  Spinalflüssigkeit  ist,  findet  bei  der 
Injektion  in  den  lumbalen  Teil  des  Subarachnoidealraums  und 
bei  sitzender  Stellung  der  Frau  mit  dem  oberen  Flüssigkeits¬ 
spiegel  der  Subarachnoidealflüssigkeit  zunächst  eine  obere  Ab¬ 
grenzung;  späteres  Aufsteigen  durch  Kapillarattraktion  ist  nicht 
ausgeschlossen. 

3.  Die  Ausbreitung  der  anästhesierenden  Lösung  im  Sub¬ 
arachnoidealraum  wird  wesentlich  durch  die  Beckenhochlage- 
rung  beeinflusst. 

Wir  sind  bei  der  Lebenden  ziemlich  genau  in  der  Lage, 
aus  den  anästhesierten  Hautbezirken  einen  Rückschluss  auf  die 
Ausbreitung  der  anästhesierenden  Lösung  in  den  Rückenmarks¬ 
segmenten  zu  ziehen. 

Nehmen  wir  den  einfachsten  Fall,  dass  wir  in  sitzen¬ 
der  Stellung  injizieren  und  bei  der  in  sitzender  Stel¬ 
lung  verharrenden  Frau  die  Anästhesie  prüfen.  Es  wird  sich 
dann,  vorausgesetzt,  dass  der  Liquor  bei  sitzender  Frau 
eine  ruhende  Flüssigkeitssäule  darstellt  —  in  Wirklichkeit  ist 
ja  geringe  Bewegung  entsprechend  der  Atmung  und  dem  Pulse 
vorhanden  — ,  weiter  vorausgesetzt,  dass  die  Diffusion  zwi¬ 
schen  Injektionsflüssigkeit  und  Liquor  nur  eine  ganz  unter¬ 
geordnete  Rolle  für  die  Ausbreitung  des  Anästhetikums  spielt, 
praktisch  folgendes  Resultat  ergeben: 

Spritzen  wir  bei  sitzender  Frau  —  sagen  wir  zwischen 
1.  und  2.  Lumbalwirbel  —  eine  anästhesierende  Lösung  ein, 
so  wird  sich  sein  Ausbreitungsgebiet  richten  nach  dem 
Verhältnis  seines  spezifischen  Gewichtes 
zur  Spinalflüssigkeit. 

Ist  die  injizierte  anästhesierende  Flüssigkeit  (z.  B.  Stovain- 
lösung)  schwerer  als  die  Spinalflüssigkeit,  so  werden  nur 
diejenigen  Nervengebiete  analgetisch  werden,  welche  sich 
u  n  t  e  r  h  a  1  b  dieses  Rückenmarkssegments  befinden ;  alle 
darüber  liegenden  Nervengebiete  werden  keine  Analgesie  auf¬ 
weisen.  Ist  dagegen  die  analgesierende  Flüssigkeit  leichter 
als  die  Spinalflüssigkeit,  so  ist  das  Resultat  klinisch  nicht  ohne 
weiteres  vorauszusehen,  da  wir  noch  nicht  wissen,  ob  das  An- 
ästhetikum,  welches  in  den  Subarachnoidealraum  eingespritzt 


Subarachnoidealflüssigkeit  ebenso  strömt  wie  in  einer  offenen 
kommunizierenden  Röhre. 


Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1973 


wird,  so  wirkt,  dass  die  austretenden  Nerven  w  u  r  z  e  1  n 
leitungsunfähig  gemacht  werden,  oder  dass  eine  Leitungsunter- 
brechung  im  Rückenmark  selbst  statthat,  dort,  wo  das 
Anästhetikum  ringförmig  das  Rückenmark  umspült.  Auf  jeden 
Fall  werden  die  Verhältnisse  für  eine  Analgesierung  höher 
liegender  und  weiter  Gebietsteile  dann  günstig  liegen,  wenn 
wir  zur  Injektion  eine  Flüssigkeit  wählen,  welche  bei  Zim- 
m  e  r  t  e  m  p  e  r  a  t  u  r  (22  °)  spezifisch  etwas  schwerer  als  die 
Spinalflüssigkeit  bei  Körpertemperatur  (38 n)  ist,  bei  K  ö  r  p  e  r - 
temperatur  dagegen  etwas  leichter  als  die  Spinalflüssigkeit 
von  gleicher  Temperatur  ist.  Es  wird  sich  dann  nach  Ver¬ 
suchen  in  vitro  folgendes  abspielen: 

Ein  zylindrisches  Glasgefäss  von  der  ungefähren  Lichte  und 
Höhe  des  Rückenmarkskanals  wird  senkrecht  au^esteUt,  mit  ^pma - 
fliissigkeit  angefüllt  und  in  einem  Wasserbad  auf  38  erwärmt  Es 
wird  dann  eine  blau  gefärbte  Losung  von  22  .  welche  die  oben 
erwähnte  Bedingung  in  Bezug  auf  spezifisches  Gewicht  erfüllt,  duich 
ein  im  unteren  Drittel  des  Glasrohres  angebrachtes  Ansatzrohr  in  die 
Spinalflüssigkeit  eingespritzt.  Die  (langsam)  uumexie  I Hcif1? ,ach 
sinkt  zunächst  etwas  nach  unten,  steigt  dann  ganz  allmählich  nach 
oben  bis  zum  oberen  Flüssigkeitsspiegel  auf,  wo  sie  sich  als  blau 
gefärbter  Ring  sammelt.  ,  . 

Dieser  Versuch  auf  die  Lebende  übertragen  wurde  fol¬ 
gende  Art  der  Ausbreitung  nach  Injektion  einer  entsprechenden 
anästhesierenden  Lösung  zwischen  2.  und  3.  Lendenwirbel  er¬ 
geben:  es  wird  die  Injektionsflüssigkeit  zunächst  etwas  nach 
unten  fallen,  dann  aber  von  Rückenmarkssegment  zu  Rucken- 
markssegment  bis  zum  oberen  Spiegel  der  Spinalflussigkeit 
aufsteigen  und  auf  diesem  Wege  die  austretenden  Neiven- 

wurzeln  umspülen.  ,  ,  A.  An 

Unsere  bisherigen  klinischen  Versuche  haben  diese  An¬ 
schauungen  voll  bestätigt.  .f.  » 

Zum  Verständnis  ist  zunächst  die  Kenntnis  des  spezifischei 

Gewichts  der  Spinalflüssigkeit  sowie  der  injizierten  anasthe- 

S‘er  DifLtaalMsIgkejrzeäfbeim  Menschen  in  allen  (15)  Fällen, 
die  ür bfsher ^untersucht  haben,  eine  nur  in  der  dritten  Dezimale  um 
eins  schwankendes  spezifisches  Gewicht. 

Spezifisches  Gewicht  der  Spinalflüssigkeit  (bezogen  auf  Wasser 
von  +  4°C)  betrug  in  8  Fällen: 

bei  38°  C.  =  0,999 
„  30°  C.  =  1,002 
„  22°  C.  =  1,004. 

Spezifisches  Gewicht  der  Spinalflüssigkeit  (bezogen  auf  Wasser 
von  +  4°  C)  betrug  in  7  Fällen: 

bei  38°  C.  =  1,000 7) 

„  30°  C.  =  1,003 
„  22°  C.  =  1,005. 

Die  in  Ampullen  käufliche  Stovain-Billonlösung  (ohne  Adrena¬ 
lin),  zeigte  in  allen  Fällen  ein  stets  konstantes  bis  in  die  dritte 

Dezimale  übereinstimmendes  spezifisches  Gewicht. 

Spezifisches  Gewicht  der  käuflichen  Stovain-Billonlosung  (be¬ 
zogen  auf  Wasser  von  "F  4°  C)  beträgt. 

bei  38°  C.  =  0,998 
„  30°  C.  =  1,001 
„  22°  C.  =  1,003. 

Die  käufliche  Stovain-Billonlösung  ist  also,  verglichen  mit  der 

Spinalflüssigkeit  der  ersten  Serie:  . 

bei  22°  C.  um  0,003  schwerer  als  die  Spinalflussigkeit 

dagegen  ”  38°  C.  „  0,002  leichter  als  die  Spinalflussigkeit  bei 
Körperwärme  (38°  C.). 

Wir  haben  das  spezifische  Gewicht  bei  30°  deswegen  noch  be¬ 
sonders  angegeben,  weil  sich  die  gewöhnlich  bei  Zimmeitempeiatui 
(2?°)  gehaltene  anästhesierende  Lösung  bei  unserem  Verfahren  der 
Rückerimarksanästhesie,  bei  welchem  wir  vor  der  Sektion  zu  der 
in  der  Spritze  befindlichen  Lösung  gewöhnlich  ein  gleich  grosses 
.  Ouantum  Liquor  aspirieren,  nach  zahlreichen  Messungen  in  der  .putze 
auf  ca.  30°  erwärmt.  , 

Wir  spritzen  also  bei  Lumbalanästhesien  mit  der  käuflichen 
Stovain-Billonlösung  eine  Flüssigkeit  ein,  welche  bei  der  In¬ 
jektion  sich  etwas  schwerer  als  die  Spinalflussigkeit  veihalt, 
dann  aber  bei  der  Erwärmung  im  Subarachnoidealraum  aut 
38 0  spezifisch  leichter  als  die  Spinalflüssigkeit  wird,  also  lang¬ 
sam  nach  oben  steigt. 


Ganz  anders  werden  sich  die  Verhältnisse  sofort  gestalten, 
wenn  wir  nicht  die  im  Handel  befindliche  Stovain-Billonlösung 
einspritzen,  sondern  diese  Lösung  vorher  mit  Kochsalz  be¬ 
schweren. 

Nehmen  wir  ein  Beispiel:  Wir  versetzen  1  ccm  der  käuf¬ 
lichen  Stovain-Billonlösung  »mit  0,3  ccm  einer  10  proz. 
Kochsalzlösung  und  bekommen  dadurch  eine  Lösung  von  fol¬ 
genden  spezifischen  Gewichtsverhältnissen: 

Spezif.  Gewicht  (bezogen  auf  Wasser  von  -j-  4°  C.): 

bei  38°  C.  =  1,012 
„  30°  C.  =  1,015 
„  22°  C.  =  1,017 

Wird  diese  so  beschwerte  Stovainlösung  bei  30 0  C. 
zwischen  1.  und  2.  Lumbalwirbel  injiziert,  so  sinkt  sic  sofort 
nach  unten  und  hebt  sich  auch  nicht  wiedei,  weil  auch  bei  dei 
Erwärmung  auf  Körpertemperatur  auf  38  ihr  spezifiches  Ge¬ 
wicht  immer  noch  schwerer  als  die  Spinalf lüsigkeit  ist.  Machen 
wir  mit  einer  so  beschwerten  Stovainlösung  den  obigen  Ver¬ 
such  in  vitro,  so  sinkt  die  blau  gefärbte  Lösung,  am  Ansatzrohr 
eingespritzt,  sofort  nach  unten  und  bleibt  unten. 

Injizieren  wir  diese  nach  dem  verschiedenen  Gewicht  ver¬ 
schiedenen  Stovainlösungen,  so  bekommen  wir  ganz  ver¬ 
schiedene  Ausbreitung  der  anästhetischen  Hautbezirke. 

Der  leichteren  Uebersicht  halber  geben  wir  zwei  Zeichnungen 
nach  Seiffer  (Abb.  5  und  6)  wieder,  welche  die  Innervierung  der 


7)  Die  spezifischen  Gewichtsbestimmungen  sind  im  hiesigen 
chemischen  Institut  pyknometrisch  durch  Prof.  Gatter -mann  aus¬ 
geführt. 


Haut  der  unteren  Extremitäten  nach  den  Rüokenmarkssegmenten  dai- 
stellen  einmal  die  Vorder-,  dann  die  Rückseite.  Man  erkennt  aus 
den  Abbildungen,  wenn  wir  nur  das  für  uns  Wesentliche  heraus¬ 
greifen  dass  die  Vorderfläche  des  Oberschenkels  sowie  die  Haut  des 
Schambergs  in  das  Gebiet  des  Nervus  lumbalis  I— IH,  dass  dagegen 
die  Vorderfläche  des  Unterschenkels  und  des  Fusses  in  das  ^eGet 
des  Nervus  lumbalis  IV  und  V,  sowie  des  sacialis  I  und  II  fallen. 

Haut  der  Innenseite  des  Oberschenkels  wird  von  dem  Lumbahs  I 
versorgt  während  die  Haut  der  Innenseite  des  Unterschenkels  von 
dem  Lumbalis  IV  und  V  sensible  Fasern  enthalt.  Die  Haut  über  den 
niiitflppn  die  Haut  der  Vulva,  des  Damms,  sowie  die  Ruckilacne  ues 
Oberschenkels  und  eTnes  kleinen  Teils  des  Unterschenkels  gehört  den 
Sakralnerven  zu. 

Spritzen  wir  die  mit  Kochsalz  beschwerte  8  tovain- 
lösung  bei  sitzender  Frau  in  der  Gegend  des  2  urid  3.  Lumba  " 
Wirbels  ein  und  belassen  wir  die  Frau  in  sitzendet  -te  g, 
so  zeigt  sich  fast  stets  das  gleiche  Resultat  Alle  Hautgebic  , 
welche  von  Nervengebieten,  die  oberhalb  des  Lumbali 
liegen  versorgt  werden,  bleiben  sensibel;  die  Hautgebiete, 
welche  dem  Nervus  lumbalis  IV  und  V  vor  allem  abei  ic 
Hautgebiete,  welche  dem  Plexus  sacrahs  angehoren,  s 


1974 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


anästhetisch;  mit  andern  Worten:  die  Haut  des  Schambergs, 
die  Bauchhaut,  die  Vorder  fläche  des  Oberschenkels  ist 
schmerzempfindlich,  die  Haut  vom  Knie  ab  ist  mit  Ausnahme 
einer  kleinen  Zone  an  der  Tibia  und  der  Innenfläche  des  Fusses 
meist  schmerzunempfindlich;  stets  unempfindlich  ist  die  Haut 
der  Hinterfläche  des  Oberschenkels,  die  Haut  der  Hinterbacken, 
des  Damms  und  des  grössten  Teils  der  Vulva;  an  der  Vulva  liegt 
die  Grenze  zwischen  schmerzunempfindlicher  und  schmerz¬ 
empfindlicher  Hautzone  ungefähr  in  der  Mitte  der  Symphyse. 

Aehnlich  verhält  sich  auch  die  motorische  Funktions¬ 
störung.  Die  Muskeln,  welche  vom  Plexus  sacralis  versorgt 
werden,  sind  in  Afunktion,  meist  auch  die  Muskeln,  die  vom 
Lumbalis  IV  und  V  versorgt  werden;  dagegen  werden  stets  die 
Muskeln,  welche  von  den  oberen  Lumbalnerven  versorgt 
werden,  willkürlich  bewegt. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau  (Direktor:  Geh.- 
Rat  Prof.  Dr.  K  ü  s  t  n  e  r). 

Welche  Anforderungen  sind  an  eine  korrekte  Methode 
der  künstlichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 

zu  stellen?*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Walther  Hannes,  Oberarzt  der  Klinik. 

Da  es  vom  ärztlich  wissenschaftlichen  als  auch  vom 
ethisch  sozialen  Standpunkt  aus  statthaft  ist,  eine  Gravidität 
nur  dann  zu  unterbrechen,  wenn  aus  der  Fortdauer  der 
Schwangerschaft  Schädigungen  und  zwar  ernste  und  schwer¬ 
wiegende,  also  lebensgefährliche  Schädigungen  der  Mutter  oder 
deren  Leibesfrucht  oder  beiden  drohen,  so  werden  wir  bei 
Ausführung  dieser  Unterbrechung  unser  Augenmerk  darauf  zu 
richten  haben,  dass  der  schwangeren  Frau  durch  unser  ärzt¬ 
liches  Handeln  kein  Nachteil  für  ihre  Gesundheit,  keine  Ge¬ 
fährdung  ihres  Lebens  erwachse.  Eine  Rücksichtnahme  auf 
die  Leibesfrucht,  auf  deren  Gesundheit  wird  nur  insoweit  in¬ 
tensiv  unser  Vorgehen,  die  Wahl  der  Methode  beeinflussen 
können,  wenn  die  Geburt  künstlich  von  uns  in  Gang  gebracht 
gebracht  wird,  um  das  intrauterin  lebende  Kind  zu  behüten  vor 
ernsten  Gefahren,  welche  seinem  Leben  durch  Fortbestehen 
der  Schwangerschaft  drohen;  kurz,  wenn  wir  vorzeitig  die 
Tragezeit  unterbrechen,  weil  sonst  bis  zum  physiologischen 
Ende  derselben  oder  bei  dem  Geburtsakte  am  normalen  Ter¬ 
min  die  Frucht  zu  Grunde  gehen  könnte.  Haben  wir  somit  bei 
der  künstlichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  bis  zur 
28.  Woche,  welcher  Zeitpunkt  ja  die  Mindestgrenze  für  die 
Tragezeit  eines  menschlichen  Fötus  darstellt,  welcher  extra¬ 
uterin  weiter  am  Leben  erhalten  werden  kann,  —  haben  wir  so¬ 
mit  vor  der  28.  Schwangerschaftswoche  beim  künstlichen 
Abort  nur  unsere  ärztliche  Fürsorge  zu  richten  auf  die  Mutter, 
so  müssen  wir  bei  künstlicher  Unterbrechung  der  Schwanger¬ 
schaft  von  diesem  Zeitpunkte  ab,  bei  der  künstlichen  Früh¬ 
geburt  so  Vorgehen,  dass  möglichst  auch  das  Kind  wenigst 
geschädigt  wird  und  lebensfrisch  das  Licht  der  Welt  erblickt. 
A  priori  werden  wir  also  hoffen  dürfen,  mit  denjenigen  Mass¬ 
nahmen  am  meisten  und  das  Beste  für  die  in  Betracht  kommen¬ 
den  Menschenleben  leisten  zu  können,  welche  die  künstlich 
inszenierte  vorzeitige  bezw.  frühzeitige  Geburt  ablaufen 
machen  ganz  ähnlich  und  ganz  analog  wie  einen  spontanen, 
physiologischen  Gebärakt.  Es  wird  diejenige  Methode  die 
rationellste  sein,  mittels  deren  es  möglich  ist,  rhythmische, 
brauchbare  Wehen  auf  physiologischem  Wege  auszulösen,  die¬ 
selben  in  Gang  zu  halten  und  die  Geburtsarbeit  d.  h.  die  völlige 
Ausstossung  des  entwickelten  Eies  durch  die  angeregten 
Wehen  spontan  leisten  zu  lassen. 

Auf  Grund  der  Arbeiten  Keilmanns,  Knüppfers, 
Weidenbau  m  s  und  in  neuester  Zeit  von  Jung  sind  wir 
wohl  berechtigt  zu  sagen,  dass  die  zu  beiden  Seiten  und  hinter 
den  unteren  Partien  des  Uterus,  der  Zervix,  gelegenen 
Ganglienhaufen  es  sind,  welche  von  den  Insulten  des  bei  der 
Entfaltung  der  Zervix  immer  tiefer  herabrückenden  unteren 
Eipoles  immer  mehr  und  intensiver  und  in  immer  grösserer 
Ausdehnung  getroffen  werden,  dass  diese  Ganglien  es  sind, 


welche  gereizt,  schliesslich  die  rhythmischen  Wehen  auslösen 
und  die  Geburt  in  Gang  kommen  machen.  So  kann  es  nicht 
Wunder  nehmen,  dass  sehr  bald  alle  die  vielen  früheren,  zur 
künstlichen  Schwangerschaftsunterbrechung  ersonnenen,  meist 
recht  unsicheren,  langwierigen  und  dadurch  oft  recht  gefähr¬ 
lichen,  sowohl  medikamentösen  als  instrumenteilen  Methoden 
immer  mehr  verlassen  wurden  und  noch  verlassen  werden  zu 
Gunsten  desjenigen  Verfahrens,  welches  aufgebaut  ist  auf 
diesen,  physiologischen  Vorgängen  entnommenen  Anschau¬ 
ungen  d.  i.  die  Erregung  von  Wehen  mittelst  eines  intrauterin 
plazierten  Gummiballons,  der  sogen.  Hystereuryse  oder  Me- 
treuryse.  Zur  Technik  und  Wirkungsweise  hier  nur  soviel, 
dass  ein  gewöhnlicher  Braun  scher  Kolpeurynter  zigarren¬ 
förmig  zusammengefaltet,  in  ein  kornzangenartiges  Instrument 
geklemmt  durch  den  noch  vorhandenen  Zervixteil  hindurch  in 
das  schon  entfaltete  obere  Zervixsegment  geführt,  dann  die 
Zange  entfernt  und  nunmehr  die  Gummiblase  mit  einer  sterilen 
oder  leicht  antiseptische  Flüssigkeit  entsprechend  gefüllt  wird.1) 
Durch  einen  leichten  Zug  am  Schlauch  mittels  mässiger  Ge¬ 
wichtsbelastung  wird  der  Ballon  fest  in  seiner  Lage  fixiert  und 
drückt  nun  dauernd  auf  die  dort  gelegenen  wehenmachenden 
Organe,  auf  die  parazervikalen  Frankenhäuser  sehen 
Ganglien,  reizt  diese  durch  ständigen  Druck  und  löst  so  physio¬ 
logische  rhythmische  Wehen  aus,  welche  schliesslich  als  vis  a 
tergo  wirkend  den  Ballon  immer  tiefer  hinabtreiben,  die  Portio 
zum  Verstreichen  und  den  äusseren  Muttermund  zur  Er¬ 
öffnung  bringen  und  schliesslich  den  Ballon  austreten  machen, 
wenn  der  Muttermund  eine  der  grössten  Zirkumferenz  des  leicht 
bimförmigen  Ballons  analoge  Erweiterung  erreicht  hat.  Die 
Eröffnung  der  weichen  Geburtswege  durch  den  Ballon  erfolgt 
also  ganz  auf  physiologische  Weise  und  wird  der  Ballon 
schliesslich  durch  richtige  Geburtsvorgänge  zum  Ausstossen 
gebracht.  Dies  ist  zu  betonen  darum,  weil  mancherseits  noch 
immer  die  fehlerhafte  Anschauung  besteht,  als  werde  durch  den 
Hystereurynter  der  Muttermund  gedehnt  und  der  Ballon  selbst 
durch  die  Gewichtsbelastung  durch  die  Weichteile  hindurch¬ 
gezogen.  Je  nachdem,  zu  welcher  Zeit  der  Schwangerschaft 
diese  unterbrochen  werden  soll,  wählen  wir  die  Ballongrösse 
kleiner  oder  umfänglicher  und  variieren  dementsprechend  auch 
die  Menge  der  Füllflüssigkeit.  Ist  es  somit  auch  klar,  dass 
diese  Methode  der  Wehenerregung  —  der  Tokokinese  —  auf 
physiologischer  Basis  die  vorzeitige  bezw.  frühzeitig  künstlich 
hervorgerufene  Geburt  in  Gang  bringt,  so  ist  nun  noch  zu 
untersuchen,  ob  sie  auch  den  übrigen  billigen  Anforderungen 
genügt,  zunächst  ob  nach  Geburt  des  Ballons  auch  weiterhin 
noch  die  Bedingungen  für  einen  spontanen,  regelrechten  Ge¬ 
burtsablauf  geschaffen  werden. 

Dies  ist  sehr  wohl  der  Fall.  Auf  diesen  Punkt,  welcher  ja 
für  den  vollen  günstigen  Erfolg  unseres  ärztlichen  Handelns 
dann  recht  bedeutsam  in  Frage  kommt,  wenn  wegen  Becken¬ 
enge  frühzeitig  die  Gravidität  unterbrochen  wurde,  um  mit 
möglichst  grosser  Sicherheit  ein  lebendes  und  lebensfähiges 
Kind  zu  erzielen,  auf  diesen  Punkt  muss  ich  hier  etwas  näher 
eingehen,  weil  von  manchen  Seiten  behauptet  wird,  nach  Aus¬ 
stossung  des  Hystereurynters  könne  die  Geburt  nicht  weiter 
spontan  verlaufen,  da  Lageabweichungen  durch  den  wehen¬ 
machenden  Ballon  geschaffen  worden  seien.  Hier  nur  so  viel, 
dass  unsere  nunmehr  12  jährige  Erfahrung  mit  dieser  Methode 
an  der  Klinik  lehrt,  dass  bei  Erhaltung  der  Fruchtblase,  welche 
sehr  wohl  möglich  ist,  Lageabweichungen,  welche  sich  nach 
Geburt  des  Tokokineters  nicht  selbst  korrigierten  oder  sich 
leicht  durch  äussere  Handgriffe  nicht  korrigieren  lassen,  so 
gut  wie  gar  nicht  von  uns  beobachtet  wurden.  Das  ist  darum 
so  zu  betonen,  weil  gerade  in  neuester  Zeit  namentlich  auf 
Grund  solcher  anderwärts  beobachteter  Lageanomalien  des 
Kindes,  so  vorwiegend  durch  v.  Herff  und  seine  Schüler 
dafür  plädiert  wird,  diese  schon  vielerorts  eingebürgerte 
Wehenerregungsmethode  wieder  zu  ersetzen  durch  den  von 
Paul  Scheel  im  Jahre  1756  empfohlenen  Eihautstich. 

Ist  es  auch  zweifellos  möglich,  wie  dies  v.  Herff  ja  und 
seine  Schüler  gezeigt-  haben,1  mit  dieser  Methode  zufrieden- 


1)  Näheres  über  die  Technik  cf.  Hannes:  Beiträge  zur  An¬ 
wendungsweise  der  Hystereuryse.  Verh.  d.  'dtsoh.  Qes.  f.  Gyn., 
Kiel  1905. 


*)  Nach  einem  Vortrage. 


1975 


stellende  Resultate  zu  erzielen,  so  ist  doch  dagegen  zu  erinnern, 
vom  Standpunkt  des  exakt  physiologisch  denkenden  Geburts¬ 
helfers  dass  wir  bei  dieser  Methode  künstlich  einen  Zustand 
schaffen,  der  mit  Recht  von  jeher  in  der  Geburtshilfe  wenig 
erwünscht  war,  d.  h.  den  vorzeitigen  Wasserabfluss  mit  allen 
ihm  innewohnenden  nachteiligen  Folgen  für  Wehenstärke,  Ge¬ 
burtslänge  und  Lebensfrische  des  Kindes.  Keineswegs  erfüllt 
eine  mittels  Eihautstiches  hervorgerufene  Geburt  die  an  sie 
zu  stellenden  Anforderungen  hinsichtlich  der  Zeitdauer,  in 
welcher  sie  zu  Ende  läuft.  Während  nämlich  bei  der  Hyster- 
euryse  selbst  bei  muskelschwächsten  und  torpidesten  Uten  im 
Durchschnitt  innerhalb  22  Stunden  der  ganze  I  artiis  ablauft, 
dauert  dies  bei  dem  Blasenstich  70-80  Stunden.  Danut  er¬ 
wachsen  bezw.  können  erwachsen  für  Mutter  und  Kind  Schädi¬ 
gungen  und  Gefahren,  vor  deren  Möglichkeit  selbst  wir  beide 
bei  Einleitung  der  künstlichen  Geburt  bewahren  sollen  Wenn 
auch  in  gut  geleiteter  klinischer  Anstalt  trotz  protrahierten  Vci- 
laufes  gute  Resultate  mit  der  Eihautstichmethode  zu  erzielen 
sind,  so  ist  deswegen  meines  Erachtens  eine  Verallgemeinerung 
für  die  Praxis  doch  nicht  ohne  weiteres  statthaft. 

Wie  steht  es  nun  aber  mit  der  Hystereuryse  hinsichtlich 
der  Frage,  ob  aus  ihrer  Anwendung  Nachteile  oder  schwere 
Schädigungen  für  die  Mutter  erwachsen  können?  Uie  lat- 
sache  allein  schon,  dass  wir  an  der  hiesigen  Klinik,  wo  diesw 
Methode  seit  nunmehr  über  12  Jahren  in  systematischer,  aus¬ 
giebiger  Weise  geübt  wird,  nie  eine  einzige  schwere,  an  die 
hF'stereuryse  sich  anschliessende  Wochenbettserkrankung  ge¬ 
sehen  haben,  spricht  für  die  völlige  Ungefährlichkeit  dieser 
Methode  in  gedachter  Richtung.  Dies  ist  auch  nicht  ver¬ 
wunderlich;  ist  es  doch  vollkommen  möglich,  namentlich  bet 
Einführen  des  Ballons  im  Spekulum,  die  Methode  völlig  asep¬ 
tisch  zu  installieren,  und  da  die  Ablaufszeit  der  so  künstlich  m 
Gang  gebrachten  Geburt  mit  einer  Durchschnittsdauer  von 
2?  Stunden  völlig  im  Bereich  und  in  den  Grenzen  einer  physio¬ 
logischen  Geburtsdauer  sich  bewegt,  so  können  auch  daraus 
bezüglich  einer  möglichen  Infektion  bei  sonst  prophylaktisch 
gut  geleitetem  Partus  keinerlei  Nachteile  für  die  unserei  Obhut 
anvertrauten  Schwangeren  erwachsen;  dies  geht  zur  Genüge 
aus  den  Publikationen  aus  unserer  Klinik  von  K  e  llma  n  n, 
Deckart  Silbermann  und  mir,  welche  sich  mit  diesem 
Gebiet  beschäftigt  haben,  hervor.  Auch  für  die  Vermeidung 
von  Infektion  ist  es  nicht  unwichtig,  immer  als  Richtschnur  im 
Auge  zu  behalten,  dass  wir  mit  dem  Hystereurynter  nur  Wehen 
anregen  wollen,  dass  die  übrige  Geburtsarbeit  aber  geleistet 
werden  soll  durch  diese  so  erzeugten  Wehen,  dass  also  die 
Hystereuryse  an  sich  noch  gar  keine  operative  Beendigung 
der  Geburt  bedinge.  Künstlich  ist  nur  le  r 
regung,  die  Anbahnung  der  Geburt,  aber  die 
Geburtsbeendigung,  der  Austritt  des  Kindes 

soll  spontanerfolgen.  ,  ,  f 

Erfüllt  nun  auch  somit  die  Hystereuryse  alle  die  Anfor¬ 
derungen,  welche  wir  an  eine  Methode  zur  künstlichen  Unter- 
brechung  der  Schwangerschaft  hinsichtlich  der  Promptheit  und 
Sicherheit  und  Raschheit  der  Wirkung  und  hinsichtlich  der  Un 
gefährlichkeit  stellen;  erfüllt  sie  auch  alle  diese  billigen  For¬ 
derungen  in  hohem  Mass,  ganz  anders  als  die  übrigen  ca.  8U 
an  der  Zahl  betragenden,  im  Laufe  der  Jahrzehnte  und  Jahr¬ 
hunderte  angegebenen  Wehenerregungsmethoden,  auf  welche 
ich  hier  nicht  näher  einzugehen  brauche,  weil  sie  zum  grössten 
Teil  zurzeit  immer  mehr  verlassen  werden  und  ausser  Ge¬ 
brauch  kommen,  so  fragt  sich  noch:  kommen  wir  überall,  wo 
wir  aus  strenger  Indikation  die  Schwangerschaft  mehr  weniger 
weit  vor  ihrem  normalen  Ende  unterbrechen,  mit  dem  in ra 
uterinen  Ballon  gut  und  befriedigend  zum  Ziele,  oder  gibt  es 
doch  Verhältnisse,  unter  denen  es  eventuell  unmöglich  oder 
unzweckmässig  ist,  den  Ballon  als  Tokokineter  zu  verwenden. 
Wenn  wir  nun  auch  die  Möglichkeit  haben,  uns  derartige 
Gummiblasen  in  allen  nur  denkbaren  Glossen  anfertigen  zu 
lassen  und  diese  dann  zur  Verwendung  zu  bringen,  je  nachdem, 
in  welchem  Graviditätsmonat  wir  die  Schwangerschaft  unter¬ 
brechen  müssen,  so  möchte  ich, doch  den  Ballon  nicht  empfehlen 
für  die  ja  überaus  seltensten  Fälle,  wo  wir  schon  in  den  aller¬ 
ersten  Wochen  der  Tragezeit,  also  im  1.-2.  Schwangerschafts¬ 
monate,  gezwungen  sind,  das  Ei  zu  eliminieren,  weil  hiei  se  s 
kleinste  Ballons  —  wir  haben  welche  anfertigen  lassen,  welche 


nur  etwa  2  cm  Durchmesser  besitzen  —  für  die  in  dieser  Zeit 
ja  erst  ganz  unwesentlich  vergrösserten  Uterushöhle  einen  zu 
grossen,  einen  bedenklich  grossen  Inhaltszuwachs  darstellen 
können.  Wenn  wir  also  in  diesem  Abschnitte  der  Gravidität 
unbedingt  diese  vernichten  müssen  und  kaum  Möglichkeit  be¬ 
steht,  noch  einige  Wochen  zu  warten,  so  empfiehlt  sich  als  am 
vorteilhaftesten  eine  Verwundung  des  Eies  mit  einigen  Küiette- 
ztigen,  wobei  es  wohl  gleichgültig  ist,  ob  die  Intaktheit  der 
Eiblase  gewahrt  bleibt  oder  nicht.  So  kommt  es  zu  einer 
kleinen  Blutung  und  das  in  der  Zervix  verbleibende  und  ge¬ 
rinnende  Blut  wirkt  wehenerregend  durch  Druck  auf  die  para¬ 
zervikalen  Ganglien.  _ 

Wenn  wir  somit  auch  eigentlich  doch  immer  in  allen  in 
Betracht  kommenden  Fällen,  wo  wir  genötigt  sind,  die 
Schwangerschaft  zu  unterbrechen,  mit  der  Hysteiemysc  nus¬ 
kommen  und  damit  allen  den  Anforderungen  gerecht  werden, 
welche  hinsichtlich  prompter,  physiologischer  und  gefahrloser 
Wirkungsweise  an  eine  derartige  Methode  gestellt  werden 
müssen,  so  begegnen  wir  doch  einer  ganzen  Reihe  von  r allen, 
wo  namentlich  im  Interesse  der  höchstgradig  gefahideten 
Mutter,  gewöhnlich  nicht  mehr  fern  ab  vom  normalen  Ende 
der  Schwangerschaft,  eine  Entleerung  des  Uterus  viel  lascher 
wünschenswert  und  erforderlich  ist,  als  eine  auf  physiologi¬ 
schem  Wege  es  leisten  kann,  wo  entweder  der  Geburtsakt  an 
sich  eine  schwerste  Schädigung  für  die  Mutter  dai  stellt,  ich 
nenne  hier  nur  den  inkompensierten  Herzfehler,  oder  wo  eine 
möglichst  umgehende  Entfernung  der  Frucht  bei  noch  un- 
eröffneten  Weichteilen  höchst  wünschenswert  ist,  ich  nenne 
hier  nur  die  Eklampsie.  Bei  der  Schwangerschaftunterbrechung 
aus  diesen  strengen  Indikationen,  wo  ein  Accouchement  force 
erforderlich  ist,  konkurrieren  immer  noch  zwei  Vertahren  mit 
einander  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  wenn  auch  entschieden 
die  Wage  korrekter  Anerkennung  sich  immer  mehr  zu  Gunsten 
der  völlig  auf  chirurgischen  Prinzipien  aufgebauten  Methode 
neigt,  zu  Gunsten  des  von  Dührssen  ersonnenen  und  dann 
namentlich  von  B  u  m  m  modifizierten  vaginalen  Kaiserschnittes 
bezw.  der  Hysterostomia  anterior.  Das  andere  Verfahren, 
fussend  auf  dem  Gedanken,  mittels  eines  MetalldilaJators  den 
Muttermund  bezw.  die  Zervix  dehnen  zu  wollen  und  so  zu  er¬ 
weitern,  welches  Bossi  ersann,  und  mittels  eines  dazu  kon¬ 
struierten  Instrumentes  ausführte,  hat  die  darein  gesetzten 

Hoffnungen  keineswegs  erfüllt. 

Sehr  bald  wurde  klar,  dass  man  bei  Anwendung  dieses  Ver¬ 
fahrens  nicht  wissen  könne,  wo  die  Dehnbarkeit  der  Gewebe 
und  damit  die  Möglichkeit  sie  dehnend  zu  erweitern  aufhore 
und  demzufolge  dann  anfange  das  Gewebe  zu  reissen,  zu 
reissen  an  unerwünschten,  schlecht  übersichtlichen  und  schwer 
zugänglichen  Stellen;  diese  so  unfreiwillig  gemachten  Risse 
können  unliebsam  weit  gehen  und  stellen  mit  ihren  v on  den 
Branchen  des  Instrumentes  gequetschten,  unregelmassig 
Wundrändern  schwere,  oft  kaum  erfüllbare  Anforderungen  an 
die  chirurgische  Versorgung  dieser  Teile.  Auch  die  mehr 
armigen  und  vielarmigen,  als  Modifikation  dey.lu;spri^f ' ^ 
Bossischen  Instrumentes  anzusehenden  Dilatatoren  \on 
Frommer,  deSeigneuxu.  a.  konnten  vor  diesen  höchst 
unliebsamen  Vorkommnissen  nicht  schützen.  Alle  bei  der  - 
Stellung  dieser  oft  unübersehbaren  Verletzungen  in  Betracht 
kommenden  Faktoren  hat  v.  Barde  leben  genau  erläutert 
und  untersucht,  worauf  ich  hier  nur  andeutungsweise  eingehen 

Demgegenüber  besitzen  wir  für  die  Fälle,  wo  es  dringlich 
geboten  ist,  umgehend  den  graviden  Uterus  zu(ent'Vn  sie  zu 
vorzügliche  Methode,  welche  allen  in  s°lchef  V®  K ‘fser- 
stellenden  Anforderungen  entspricht,  in  dem  vaginalen  Kaisei 
schnitt  Schon  1889  von  Dührssen  mit  vielem  Nachdruck 
empfohlen,  hat  es  doch  einer  ganzen  Reihe  von  Jahren  bedurft, 

um  ihn  die  allgemeine  Anerkennung  und  Al™el^uJg  ^“der 
lassen  wie  dies  nunmehr  der  Fall  ist.  Durch  Inzision  a 
vorderen  und  hinteren  Zervixwand  bezw  nur  der  vorderen 
Zervixwand  wie  dies  B  u  m  m  tat,  wird  eine  Oeffnung  im 

Uterus  geschaffen,  welche  genügt,  um  ^^^^yy^odef^mit 
Kind  bequem  entwickeln  zu  können,  sei  es  mit  Zc  ^  d- 
Wondnmi  und  Extraktion.  Der  ungeheuer  grosse  Vorteil  diesei 
Methode  gegenüber  dem  Verfahren  Bo  s  s  i  s  liegt  ganz  augen¬ 
fällig  zunächst  einmal  in  der  Zeitdauer  des  Eingriffes.  a  re 


1976 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


bei  Dilatation  mit  Bossi  und  den  gleichwertigen  Instrumenten 
es  doch  immerhin  30 — 45  Minuten  dauert,  bis  das  Kind  elimi¬ 
niert  werden  kann,  so  ist  gewöhnlich  beim  vaginalen 
Kaiserschnitt  5 — 10  Minuten  nach  dem  ersten,  die  vordere 
Muttermundslippe  durchtrennenden  Scherenschlage  das  Kind 
schon  geboren,  namentlich,  wenn  man  die  Zange  der  blutigen 
Erweiterung  folgen  lassen  kann.  Ist  dann  das  Kind  entwickelt, 
so  hat  man  glatte,  ebene  Wundränder  vor  sich,  die  sich  mit 
Bequemlichkeit  exakt  durch  Naht  versorgen  lassen.  Die  in  ge¬ 
höriger  Länge  und  Ausdehnung  angelegten  Inzisionen  haben 
auch  nie  die  Tendenz  weiter  zu  reissen,  wie  das  oft  die  durch 
das  Bossi  sehe  Instrument  entstehenden  Dehnungsrisse  ins 
Ungemessene  tun.  Ist  nun  mithin  auch  die  Eröffnung  der 
Zervix  durch  Schnitt  der  Methode  Bossi  an  Raschheit  über¬ 
legen,  setzt  erstere  auch  besser  zu  versorgende  Wunden,  als 
die  durch  Bossis  Instrument  eigentlich  immer  entstehenden 
Risse  es  sind,  so  ist  doch  von  einigen  Seiten  dem  vaginalen 
Kaiserschnitt  der  Vorwurf  grosser  Blutigkeit  gemacht  worden; 
man  hat  gesagt,  dass  die  Frauen  in  kurzer  Zeit  sehr  beträcht¬ 
liche,  eventuell  sogar  zu  grosse  Mengen  Blutes  verlören.  Doch 
ist  dem  bei  korrekter  Ausführung  der  Inzision  keineswegs  so. 
Wenn  man  sich  nämlich  beim  Einschneiden  genau  in  der  Mitte 
hält,  so  blutet  es  schon  viel  weniger,  als  wenn  man  nach  links 
oder  rechts  von  der  Mittellinie  mit  dem  Schnitte  abkommt. 
Fasst  man  ferner  ganz  systematisch  schrittweise  an  den  durch¬ 
trennten  Zervixpartien  mit  Hakenzangen  nach  und  zieht  sie 
herunter,  so  wird  damit  wiederum  ein  erheblicher  Teil  Blut¬ 
stillung  geleistet,  also  auch  dieser  Vorwurf  ist  zurückzuweisen. 
Gewiss  möchte  ich  keineswegs  empfehlen,  wie  dies  manche 
taten  und  wenige  auch  noch  tun,  den  vaginalen  Kaiserschnitt 
bei  und  wegen  Placenta  praevia  zu  machen.  Hier  allerdings 
bei  dem  abnormen  Gefässreichtum  der  Zervix  infolge  der 
fehlerhaften  Plazentation  ist  die  Gefahr  sehr  abundanter  Blu¬ 
tungen  eine  grosse,  wozu  noch  die  ziemlich  grosse  Möglichkeit 
der  Luftabsorption  durch  die  grossen  eröffneten  Venen  mit 
konsekutivem  Luftherzen  kommt.  Die  Prima  intentio  ist  — 
geeignete  Asepsis  vorausgesetzt  —  bei  den  durch  Inzision  ge¬ 
setzten  Wunden  eine  vorzügliche,  während  die  durch  das 
Bossi  sehe  Instrument  gesetzten  Quetschwunden  viel  mehr 
zur  Infektion  neigen,  und  somit  oft  die  Prima  reunio  ausbleibt. 
Mag  man  nun  nach  der  ursprünglichen  Angabe  Diihrssens 
vordere  und  hintere  oder  nach  Bumms  Vorschlag  nur  die 
vordere  Zervixwand  einschneiden,  immer  kann  die  Operation 
ablaufen  ohne  Eröffnung  des  Peritoneums.  Dies  macht  den 
vaginalen  Kaiserschnitt  zu  einem  erheblich  viel  kleineren  Ein¬ 
griff,  als  es  der  klassische  Kaiserschnitt  ist,  mit  welchem  man 
ja  auch  in  wenigen  Minuten  bei  völlig  uneröffneten  Geburts¬ 
wegen  den  graviden  Uterus  entleeren  kann.  Darum  ist  auch 
in  den  letzten  Jahren  die  klassische  Sectio  caesarea  in  allen 
diesen  Fällen,  wo  bei  uneröffneten  weichen  Geburtswegen  es 
dringendst  not  tut,  umgehend  zu  entbinden,  vom  vaginalen 
Kaiserschnitt  verdrängt  worden. 

Fassen  wir  zum  Schluss  zusammen,  so  ist  zu  sagen:  Die 
Einleitung  der  künstlichen  Geburt  mittels  Hystereuryse  ent¬ 
spricht  in  allen  Punkten  den  gerechten  und  notwendigen  An¬ 
forderungen,  welche  an  eine  solche  Methode  zu  stellen  sind. 
Bei  der  Hystereuryse  kommt  es  zur  Wehenauslösung,  zur 
Wehenerregung  auf  ganz  physiologischem  Wege,  durch  Reiz 
derjenigen  Nervenelemente,  von  welchen  aus  auch  normaler¬ 
weise  die  Wehentätigkeit  und  somit  der  Gebärakt  ausgelöst 
werden.  In  allen  den  Fällen,  wo  ein  Accouchement  force  not¬ 
wendig  ist,  stellt  die  glatte  Schnittmethode  in  Gestalt  des  so¬ 
genannten  vaginalen  Kaiserschnittes  das  Verfahren  der  Wahl 
dar.  Auf  diese  Weise  ist  es  möglich,  unter  Schaffung  ausge¬ 
zeichneter  chirurgischer  Wundverhältnisse  binnen  wenigen 
Minuten  selbst  bei  ganz  uneröffneten  Weichteilen  zu  entbinden. 
Ausgerüstet  mit  diesen  zwei  gut  ausgebildeten  Methoden 
können  wir  alle  die  übrigen  Verfahren  entbehren  und  über  Bord 
werfen,  welche  angegeben  werden,  um  die  schwangere  Gebär¬ 
mutter  künstlich  und  vorzeitig  zur  Ausstossung  des  Eies  anzu¬ 
regen  bezw.  dieselbe  zu  ermöglichen. 


Aus  der  deutschen  Universitäts-Frauenklinik  (Professor 
v.  Franquein  Prag). 

Bakteriologische  Untersuchungen  von  Laparotomiewunden 
bei  verschärftem  Wundschutz,  insbesondere  bei  Gau- 

daninbehandlung.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  F.  Schenk  und  Dr.  A.  Scheib. 

Vor  ungefähr  6  Jahren  von  Schenk  und  Lichten- 
Stern  aus  der  hiesigen  Klinik  veröffentlichte  Untersuchungen 
über  den  Keimgehalt  aseptischer  Wunden  haben  in  Uebcrein- 
stimmung  mit  Bossowski,  Tavel,  Büdinger,  Lanz 
und  Flach,  Baginsky,  Schl  off  er,  D  öder  lein,. 
Brunner,  H  a  e  g  1  e  r  u.  a.  ergeben,  dass  solche  Wunden  in 
den  meisten  Fällen  verschiedenartige  Keime  enthalten.  Die 
Untersuchungen  der  Wunden  selbst  wurden  in  der  Weise  ange¬ 
stellt,  dass  nach  Desinfektion  des  Operationsterrains  ein 
Stückchen  der  Bauchhaut,  sowie  nach  Schluss  der  Faszie  ein 
exzidiertes  Fettklümpchen  auf  den  Keimgehalt  geprüft  wurden, 
wogegen  die  Untersuchung  des  Wundsekretes  in  folgender 
Weise  geschah:  Nach  Schluss  der  Faszie  wurden  je  nach  der 
Grösse  der  Wunde  zwei  bis  vier  ca.  6  cm  lange  sterilisierte 
Seidenfäden  in  die  Wunde  derart  eingelegt,  dass  zwei  Drittel 
ihrer  Länge  in  der  Wunde  lagen,  ein  Drittel  aussen  blieb.  Zu 
verschiedenen  in  den  einzelnen  Untersuchungsprotokollen  no¬ 
tierten  Zeiten  wurde  je  ein  Faden  derart  entfernt,  dass  mit  zwei 
sterilisierten  Pinzetten  die  Hautränder  voneinander  abgehalten 
wurden,  während  mit  einem  dritten  Instrument  der  Faden  an 
seinem  aussen  liegenden  Teil  erfasst  und  unter  sorgfältiger 
Vermeidung  jeder  Berührung  der  Hautränder  aus  der  Wunde 
gezogen  wurde.  Der  Faden  wurde  hierauf  entsprechend  ge¬ 
kürzt  und  nur  der  in  der  Wunde  befindliche  Teil  zur  bak¬ 
teriologischen  Untersuchung  verwendet. 

Bevor  wir  auf  die  hiebei  gewonnenen  Resultate  eingehen, 
wollen  wir  in  kurzem  die  damals  auf  der  Klinik  übliche  Des¬ 
infektion  erwähnen.  Das  Operationsterrain  wurde  in  folgender 
Weise  desinfiziert:  Vollbad  am  Vorabend  der  Operation, 
Rasieren  der  Pubes,  Waschen  mit  Mandelseife  oder  Saenger- 
scher  Sandseife,  Aether,  Alkohol,  Sublimat,  Sublimatumschlag 
über  Nacht. 

Unmittelbar  vor  der  Operation  nochmaliges  Waschen  mit 
Seife,  Aether,  Alkohol,  Sublimat.  Die  Desinfektion  der  Hände 
geschah  mittels  S  a  e  n  g  e  r  scher  Sandseife  und  Sublimat. 
Ausser  einem  sterilen  Operationsmantel,  dessen  Aermel  bis  zum 
Ellbogen  reichten  und  einer  Leinwandkappe  kamen  keine  son¬ 
stigen  aseptischen  Massnahmen,  wie  Handschuhe,  Mund¬ 
binden  u.  dgl.  zur  Anwendung. 

Die  bakteriologische  Untersuchung  ergab  folgende  Re¬ 
sultate: 

Die  vor  der  Operation  exzidierten  Hautstückchen  erwiesen 
sich  unter  38  Fällen  25  mal  steril  —  13  mal  keimhaltig.  Bei  den 
13  keimhaltigen  Fällen  fand  sich  mit  Ausnahme  eines  Falles, 
bei  dem  Bazillen  nachgewiesen  Wurden,  immer  der  Staphylo- 
coccus  albus. 

Die  nach  der  Operation,  resp.  nach  Schluss  der  Faszie 
exzidierten  Fettkliimpchen  erwiesen  sich  in  38  untersuchten 
Fällen  38  mal  als  keimhaltig. 

In  allen  diesen  Fällen  war  üppiges  Wachstum.  Es  fanden 
sich:  1  mal  Bazillen,  25  mal  Staphylococcus  albus  und  4  mal 
grosse  Doppelkokken,  7  mal  dieselben  mit  Staphylococcus 
albus. 

Was  das  Wundse^ret  anbelangt,  so  war  dasselbe  von  43 
untersuchten  Fällen  nur  11  mal  steril;  die  gefundenen  Keime 
waren  vorwiegend  der  Staphylococcus  pyogenes  albus  und 
mu  einmal  neben  diesem  der  Staphylococcus  pyogenes  aureus* 
einmal  Bazillen. 

In  klinischer  Hinsicht  konnten  wir  die  Beobachtung 
machen,  dass  bei  sonst  tadellosem  Verlauf  häufig  Anstiege  auf 
38°  und  darüber  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation 
auftraten. 

Wir  wiesen  seinerzeit  auf  das  öfter  zu  beobachtende  Miss¬ 
verhältnis  zwischen  den  Temperaturverhältnissen  und  den 
bakteriologischen  Befunden  hin.  Wir  fanden  Fälle,  bei  denen 


*)  Auszugsweise  vorgetragen  auf  dem 
Gesellschaft  für  Gynäkologie  in  Dresden. 


Kongress  der  deutschen 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1977 


ein  vollkommen  fieberfreier  Verlauf  bestand,  trotzdem  in  der 
Wunde  Staphylokokken  oder  andere  Keime  nachgewiesen 
waren,  andererseits  Fälle,  wo  trotz  des  Mangels  an  Bakterien 
in  der  Wunde  die  oft  zu  beobachtende  Temperatursteigerung 

eintrat.  ,  .  .  ~ 

Trotzdem  haben  wir  den  Zusammenhang  zwischen  lem- 

peratursteigerung  und  Bakterienbefund  nicht  von  der  Hand  ge¬ 
wiesen  und  nahmen  mit  Brunneran,  dass  es  neben  der  Re¬ 
sorption  organischer  Substanzen  die  bakteriellen  Stoffwechsel¬ 
produkte  seien,  welche  wir  als  die  Ursache  des  sogenannten 
aseptischen  Fiebers  anzusehen  haben. 

Wenn  wir  auch  keine  Ursache  hatten,  mit  unsern  Ope¬ 
rationserfolgen  unzufrieden  zu  sein,  so  wollten  wir  uns  doch 
nicht  den  modernsten  aseptischen  Reformbestrebungen  ver- 
schliessen,  besonders  dann  nicht,  als  Döderlein  auf  dem 
vorjährigen  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 
mit  positiven  Vorschlägen  hervortrat,  welche  vollständig  keim¬ 
freies  Operieren  verhiessen.  Wir  sind  in  der  Lage  über  die 
bakteriologischen  und  klinischen  Wundverhältnisse  bei  47 
Fällen,  welche  auf  der  Klinik  des  Herrn  Prof.  v.  Franque 
unter  allen  von  Döderlein  geforderten  aseptischen  Mass¬ 
nahmen  operiert  wurden,  zu  berichten. 

Ueber  die  Vorbereitung  der  Fälle  wäre  folgendes  zu  sagen: 

Am  Abend  vor  der  Operation:  Vollbad,  Rasieren  des  Ab¬ 
domens  und  äusseren  Genitales  mit  nachfolgendem  gründlichen 
Waschen  mit  Seife,  warmen  Wasser,  Aether  und  Alkohol. 

Vor  der  Operation:  Abreiben  des  Operationsterrains  mit 
warmen  Wasser  und  Sandseife  durch  mindestens  5  Minuten; 
dann  Abreiben  mit  Jodbenzin,  Aufstreichen  von  Jodtinktur  mit 
sterilen  Tupfern  auf  das  Operationsterrain.  Nach  Lufttrocken¬ 
werden  desselben  Aufträgen  des  Gaudanins  nach  D  ö  d  e  r  lein 
mit  dem  Auftragapparat.  Nach  Trocknen  des  Gaudaniniiber- 
zugs  Einpudern  des  Operaticnsterrains  mit  sterilem  Talg.  Ent¬ 
fernung  des  überschüssigen  Talgpuders  durch  leichtes  Uebei- 

streichen  mit  sterilen  Tupfern. 

Nach  der  Operation  wird  die  Umgebung  der  Wunde  ge¬ 
reinigt,  dieselbe  mit  mehrfacher  Lage  steriler  Gaze  bedeckt, 
darüber  kommt  Leukoplast. 

Die  Vorbereitung  des  Operateurs  und  der  Assistenz  ge¬ 
schieht  in  folgender  Weise: 

Waschen  der  Hände  und  Arme  bis  zum  halben  Oberarm 
mit  heissem  Wasser,  Sandseife,  Bürste,  10  Minuten  klüftiges 
Abreiben  in  50  proz.  Alkohol  durch  5  Minuten,  dann  in  1  prom. 
Sublimatlösung  durch  5  Minuten.  Es  werden  hierauf  Ope¬ 
rationsmäntel  mit  bis  zum  Handgelenk  reichenden  Aermeln  an¬ 
gezogen;  Operationshauben  aus  dickem  gewirkten  1  rikotstoff, 
welche  nur  Augen  und  anschliessende  Stirn  freilassen.  Gummi¬ 
handschuhe  und  Gummimanschetten  nach  Döderlein,  die 
den  zwischen  Handschuhe  und  Aermel  freien  Teil  des  Vorder¬ 
arms  bedecken.  Die  Gummihandschuhe  und  -manschetten  sind 
mit  sterilem  Talg  eingepudert,  mit  Mull  ausgestopft  und  im 
strömenden  Dampf  sterilisiert.  Ueber  die  Gummihandschuhe 
werden  die  gleichfalls  im  strömenden  Dampf  sterilisierten 
Zwirnhandschuhe  nach  Mikulicz  angezogen. 

Operateur  und  Assistenten  wechseln  mehrfach  je  nach  dem 
Grade  der  Verunreinigung  der  Zwirnhandschuhe  dieselben 

mehrmals  (bis  6  mal).  . 

Bei  unseren  Untersuchungen,  die  wir  in  derselben  Weise 
wie  die  früheren  anstellten,  interessierten  uns  vorwiegend  zwei 

1.  Ist  es  möglich,  beim  Operieren  unter  verschäiftem 
Wundschutz  keimfrei  zu  operieren? 

2.  Ist  der  klinische  Verlauf,  besonders  was  die  I  em- 
peratursteigerungen  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation 

anbelangt,  ein  anderer  als  früher? 

Wir  untersuchten  die  Bauchdecken  vor  und  nach  dei 
Operation  in  45  Fällen.  Die  Bauchdecken  vor  der  Operation 
waren  steril  in  23,  nicht  steril  in  22  Fällen.  Hie  Bauchdecken 
nach  der  Operation  waren  steril  in  10,  nicht  steril  in  35  Fallen. 
Von  den  eingelegten  94  Fäden  waren  steril  47,  nicht  steril  eben¬ 
falls  47. 

Von  den  47  untersuchten  Fällen  waren  2  mal  alle  ange¬ 
legten  Kulturen  (sowohl  die  Proben  aus  den  Bauchdecken  als 
die  eingelegten  Fäden)  steril;  in  4  Fällen  waren  nur  die  Proben 
aus  den  Bauchdecken,  in  12  Fällen  die  Fäden  allein  steril. 

No.  40. 


Was  die  Art  der  in  den  Kulturen  aufgegangenen  Keime  be¬ 
trifft,  so  fanden  sich: 

Streptokokken  6  mal  (sowohl  in  Proben  aus  den  Bauch¬ 
decken  am  Ende  der  Operation  als  auch  an  den  verschiedenen  Fäden). 

Staphylokokken  5  mal  (in  Proben  aus  den  Bauchdecken 

und  an  Fäden).  .  „  ,  ,  „  ,  ,  , 

Andere  Kokken  35  mal  (in  Proben  aus  den  Bauchdecken 

und  an  den  Fäden).  ,  , 

Bazillen  23  mal  (in  Proben  aus  den  Bauchdecken  und  an 

Fäden). 

Was  die  Fälle,  in  welchen  Streptokokken  gezüchtet 
werden  konnten,  anlangt,  sei  erwähnt,  dass  die  Bauchwunden 
in  2  Fällen  —  hier  handelte  es  sich  um  Gram-negative 
Streptokokken  —  reaktionslos  per  primam  heilten;  von  den 
restlichen  4  Fällen,  die  alle  letal  verliefen,  kam  es  3  mal  zur 
Eiterung  in  den  Bauchdecken  (1  Fall  starb  35  Stunden  p.  oper.). 
Als  Todesursache  fand  sich  bei  der  Sektion  3  mal  Peritonitis 
suppurativa,  1  mal  Eiterung  im  subperitonealen  Wundbett.  Im 
Eiter  wurde  in  allen  diesen  Fällen  wieder  der  Streptococcus 
pyogenes  in  Reinkultur  nachgewiesen. 

Es  muss  zur  richtigen  Beurteilung  dieser  Befunde  aber  her¬ 
vorgehoben  werden,  dass  es  sich  bei  3  von  diesen  4  letal  ver¬ 
laufenen  Fällen  um  Uteruskarzinom  —  2  mal  wurde  die  W  e  r  t  - 
heim  sehe  Operation  vorgenommen  —  und  1  mal  um  Exstir¬ 
pation  eitriger  Adnextumoren,  welche  intra  operationem 
platzten,  handelte. 

Demgemäss  ist  die  Annahme,  dass  die  Keime»  virulente 
Streptokokken,  in  diesen  Fällen  vom  Erkrankungs¬ 
herde  während  der  Operation  in  die  frischgesetzten  Wunden 
gelangten,  sehr  berechtigt,  da  wir  auch  gerade  n  u  l  in  diesen 
Fällen  Gram-positive  Streptokokken  in  den  intra  operationem 
entnommenen  Proben  und  von  den  eingelegten  Fäden  auf - 
gehen  sahen. 

Von  den  Fällen,  in  welchen  Staphylokokken  in  den 
Kulturen  gewachsen  waren,  heilten  3  per  primam ;  2  mal  trat 
Eiterung  in  den  Bauchdecken  auf.  Bei  diesen  handelte  es  sich 
1  mal  um  Myoma  uteri  (Amput.  ut.  supravag.)  und  1  mal  um 
Carcinoma  uteri  (Salp.  oophorectomia  bil.),  während  in  den 
per  primam  geheilten  Fällen  1  mal  wegen  Myom  die  Jotal- 
exstirpation  des  Uterus,  1  mal  wegen  Tubargravidität  die  Sal¬ 
pingektomie  und  1  mal  wegen  Ovarialkystom  die  Salpingo- 
oophorektomie  vorgenommen  worden  war. 

Unter  den  35  Fällen,  in  welchen  verschiedene  andere 
Kokken  teils  von  den  Bauchdeckenproben,  oder  vom  Peri¬ 
toneum,  teils  von  den  Fäden  aufgegangen  waren,  trat  31  mal 
Heilung  per  primam  ein,  2  mal  eiterte  es  im  Bereiche  der  Bauch¬ 
wunde.  2  Fälle  starben,  1  von  ihnen  an  Peritonitis  suppurativa; 
doch  fanden  sich  hier  im  peritonitischen  Exsudate  Str  epto- 
kokken  (Care,  uteri;  Wertheim  sehe  Operation;  Laesio 
recti).  Der  andere  Fall  erlag  einer  Nachblutung. 

In  23  Fällen  konnten  Bazillen  in  den  einzelnen  Proben 
gezüchtet  werden;  22  von  diesen  Fällen  zeigten  Heilung  per 
primam.  Der  eine  Fall,  welcher  Eiterung  im  Bereiche  zweier 
Stichkanäle  zeigte,  starb  an  eitriger  Peritonitis  mit  Strepto¬ 
kokken  im  Exsudate  (Care,  uteri,  Wertheim  sehe  Opera- 

Ausser  den  genannten  Proben  wurde  in  8  Fällen  auch  noch 
das  Peritoneum  auf  seinen  event.  Keimgehalt  untersucht, 
so  zwar,  dass  vor  Schluss  der  Bauchhöhle  entweder  ein  Stück¬ 
chen  Peritoneum  reseziert  oder  aber  mittels  sterilen  Tupfers 
dasselbe  abgewischt  und  dieser  dann  venmpft  wurde.  5  mal 
waren  die  Kulturen  steril  geblieben,  in  den  übrigen  fanden  sich 
vornehmlich  Kokken  (keine  pathogenen)  oder  Bazillen  Im 
Heilungsverlauf  war  keine  besondere  Komplikation  aufgetreten. 

Wiederholt  wurden  während  der  Operation  Agarplatten 
im  Operationssaal  aufgestellt,  wir  fanden  auf  denselben  des 
öfteren  dieselben  Kokken,  die  wir  im  Wundsekret  nachw  eisen 

Aus  unseren  Untersuchungsbefunden  geht  hervor,  dass 
auch  bei  verschärftem  Wundschutz  ein  keimfreies  Operieren 

Unm<Auffallend  ist  der  Umstand,  dass  wir  im  Vergleich  zu 
unseren  früheren  Resultaten  seltener  Staphylokokken  fanden, 
dn  Umstand,  der  dafür  spricht,  dass  durch  die  Handschuhe 
einerseits,  sowie  anderseits  wieder  durch  das  Gaudamr  i. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


1978 


Abgabe  von  Keimen*  dieser  Art  tatsächlich  eine  Einschränkung 
zu  erfahren  scheint. 

Was  den  klinischen  Verlauf  anbelangt,  so  ergaben  unsere 
früheren  Untersuchungen : 

Von  43  Fällen  wiesen  16  Fälle  Temperatursteigerungen 
von  38°  und  darüber  auf,  ohne  Temperatursteigerungen  ver¬ 
liefen  27  Fälle. 

Von  46  bei  verschärftem  Wundschutz  operierten  Fällen 
wiesen  17  Fälle  Temperatursteigerungen  von  38°  und  darüber 
auf;  je  ein  Fall  von  Pneumonie  und  Typhus  abdominalis  müssen 
in  Abrechnung  gebracht  werden. 

Ohne  Temperatursteigerung  verliefen  29  Fälle. 

Wir  können  somit  sagen,  dass  durch  die  Verschärfung  des 
Wundschutzes  der  klinische  Verlauf  nicht  wesentlich  anders 
geworden  ist,  als  er  ohne  dieselbe  -war. 

Damit  wollen  wir  aber  keinesfalls  die  verschärften  asep¬ 
tischen  Massnahmen  für  überflüssig  erklären,  wenigstens  so 
lange  nicht,  bis  wir  uns  in  einer  grösseren,  anders  angeordneten 
Versuchsreihe  von  deren  Nutzlosigkeit  überzeugt  haben. 

Bevor  wir  ein  abschliessendes  Urteil  insbesondere  über 
die  Beeinflussung  des  klinischen  Verlaufes  der  laparotomierten 
Fälle  durch  Verschärfung  des  Wundschutzes  fällen,  möchten 
wir  eine  grössere  Zahl  von  Fällen  in  der  Weise  beobachten, 
dass  wir  abwechselnd  einen  Fall  unter  verschärften  aseptischen 
und  den  nächsten  Fall  unter  gewöhnlichen  aseptischen  Mass¬ 
nahmen  operieren,  da  wir  es  für  wichtig  und  unerlässlich  halten, 
dass  das  zum  Vergleich  herangezogene  Material  unter  den 
gleichen  äusseren  Verhältnissen  steht  und  besonders,  dass  bei 
den  in  Betracht  kommenden  Operationen  derselbe  Operateur 
operiert  und  dieselbe  operative  Technik  zur  Anwendung 
kommt. 


Die  Saugbehandlung  in  der  Gynäkologie.  Die  Saug¬ 
massage.*) 

Von  C.  Weinbrenner  in  Magdeburg. 

Die  Mitteilungen  von  Klapp  über  die  Behandlung  ent¬ 
zündlicher  Erkrankungen  mittelst  Saugapparaten  legten  die 
Frage  nahe,  ob  die  Methode  nicht  auch  bei  den  entzündlichen 
Prozessen  des  Uterus  und  seiner  Umgebung  praktisch  zu  ver¬ 
werten  sei.  Von  verschiedenen  Seiten  wurden  auch  sehr  bald 
und  unabhängig  von  einander  Versuche  in  diesem  Sinne  an¬ 
gestellt  und  kurz  mitgeteilt  (Rudolph,  Eversmann, 
K  r  ö  m  e  r).  Das  Saugglas  wurde  an  der  Portio  angesetzt  und 
entsprach  in  seiner  Grundform  dem  gewöhnlichen  Milchglas¬ 
spekulum,  das  am  äusseren  abgedichteten  Ende  mit  einer  Saug¬ 
spritze  verbunden  wurde.  Einige  günstige  Beobachtungen  bei 
Gebärmuttererkrankungen  führten  anfangs  dazu,  die  Suktion  mit 
weiten  Indikationsgrenzen  zur  Prüfung  zu  empfehlen.  Nach¬ 
prüfungen  zogen  diese  Grenzen  enger  und  bestritten  zum  Teil 
jeden  Erfolg  der  Suktion  (L  e  w  i  t  h,  Bauer,  Frankl).  Ein 
für  den  Praktiker  brauchbares  Ergebnis,  wann  die  Suktion  an 
der  Portio  mit  Vorteil  Verwendung  findet  und  wie  sie  wirkt, 
lässt  sich  aus  den  bisherigen  widersprechenden  Mitteilungen 
schwer  herausschälen  und  bleibt  weiteren  Versuchen  Vor¬ 
behalten. 

Eine  ungelöste  Hauptfrage  ist  zunächst,  ob  wir  überhaupt 
im  Stande  sind,  mit  durch  Suktion  hervorgerufener  Hyperämie 
im  Sinne  von  Bier  und  Klapp  auch  akute  Prozesse  an  und  in 
der  Umgebung  der  Gebärmutter  ohne  Schaden  zu  behandeln 
und  zu  heilen. 

Krönier  hat  zuerst  und  meines  Wissens  bis  jetzt  als  ein¬ 
ziger  die  Suktion  auch  bei  akuten  Prozessen  im  Wochenbett 
versucht  und  empfohlen.  Er  erwähnt  einen  Fall  von  puer- 
peralei  Pyämie,  der  in  dieser  Weise  behandelt  wurde  und 
heilte ;  ob  durch  das  Verfahren,  ob  trotz  desselben,  lässt 
N  r  o  m  e  r  unentschieden.  Die  Behandlung  hat  ohne  Frage  in 
diesem  Falle  keinen  Schaden  angerichtet,  aber  es  sprechen  doch 
theoretische  Bedenken  so  sehr  gegen  eine  Anwendung  der 
Suktion  bei  puerperalen  Entzündungen,  dass  es  nicht  Wunder 
nehmen  kann,  \\  enn  der  Vorschlag  K  r  ö  m  e  r  s  bis  jetzt,  wie 
es  scheint,  keine  Lust  zur  Nachprüfung  geweckt  hat.  Krö- 


')  Nach  einem  in  der  Med.  Gesellschaft  zu  Magdeburg  am 
14.  Februar  1907  gehaltenen  Vortrag. 


m  e  r  will  mit  der  Suktion  an  der  Portio  eine  Lokalisation  der 
Entzündung  anstreben,  solange  diese  hauptsächlich  auf  den 
Uterus  beschränkt  ist.  Ob  dies  möglich  ist  und  ob  die  Suktion 
im  Sinne  von  Bier  als  eine  unschädliche  Behandlung  puer¬ 
peraler  Infektionen  je  eine  Geltung  erlangen  wird,  das  ist  bei 
der  Unsicherheit  unserer  Kenntnisse  im  Beginn  von  Fieber  im 
Wochenbett  und  der  Gefahr,  die  sich  bei  der  Suktion  noch 
weniger  wie  bei  einer  einfachen  Exploration  ganz  ausschliessen 
lässt,  nämlich  den  Infektionsherd  aufzurühren,  zunächst  noch 
eine  zweifelhafte  und  ungelöste  Frage. 

Bauer  hält  die  Suktion  bei  akuten  entzündlichen  Pro¬ 
zessen  auch  ausserhalb  des  Wochenbetts  für  kontraindiziert, 
ebenso  verwirft  F  r  a  n  k  1  und  neuerdings  Nenadovics  die 
Suktion  bei  akuten  Entzündungen  an  den  Parametrien,  Adnexen 
und  Bändern,  einmal  wegen  der  heftigen  Schmerzen,  dann 
wegen  der  Gefahr,  die  Entzündung  weiter  zu  verschleppen. 

Die  weitere  Verwendung  des  Saugverfahrens  wird  von 
ganz  anderen  Gesichtspunkten  in  Bezug  auf  die  beabsichtigte 
Wirkung  geleitet.  Es  ist  versucht  worden,  den  künstlichen 
Abort  auf  diese  Weise  in  die  Wege  zu  leiten,  in  der  Annahme, 
dass  durch  den  Reiz  an  der  Portio  wirkungsvolle  Kontraktionen 
ausgelöst  werden  würden.  Das  Resultat  ist  nicht  ermutigend, 
soweit  bis  jetzt  Mitteilungen  hierüber  vorliegen.  Einige  Er¬ 
folge  findet  man  in  der  Behandlung  der  Amenorrhoe  ver¬ 
zeichnet.  Doch  ist  auch  hier  die  Wirkung,  nach  dem,  was  ich 
selbst  gesehen,  recht  unsicher.  Die  Eigenschaft  Sekret  anzu¬ 
saugen,  lässt  weiterhin  die  Fälle  für  die  Behandlung  geeignet 
erscheinen,  in  denen  bei  Eiter-  oder  starker  Schleimsekretion 
ein  guter  Abfluss  erstrebenswert  ist. 

Das  führte  zu  Versuchen  bei  Metritis  und  Endometritis 
mit  starkem  Fluor,  über  die  günstig  berichtet  wird  (R  u  d  o  1  p  h, 
Eversmann,  Bauer). 

Die  Prüfungen,  die  ich  bis  heute  mit  dem  Saugglas  vor¬ 
genommen  habe  und  die  in  die  Zeit  der  ersten  Mitteilung  von 
Rudolph  im  Jahre  1905  zurückreichen,  umfassen  im  wesent¬ 
lichen  chronisch-entzündliche  Veränderungen  des  Uterus  und 
Beckenzellgewebes.  Ich  habe  mir  Mühe  gegeben,  in  etwa  100 
Fällen  durch  genaue  Aufzeichnungen  die  Wirkung  und  den 
Wert  der  Suktion  am  Uterus  zu  ergründen. 

Dabei  fand  ich,  dass  allgemein  die  Fälle  mit  chronischen 
Entzündungen  und  Verwachsungen  am  Beckenbauchfell  und 
den  Adnexen  die  Behandlung  nicht  vertragen.  Bei  Anwesen¬ 
heit  von  Eiter  in  den  I  üben  und  Ovarien,  bei  intraperitonealen 
und  parametranen  Abszessen  ist  die  Suktion  am  Uterus  nicht 
unbedenklich  und  zu  vermeiden;  neben  akuter  Verschlim¬ 
merung  der  Beschwerden  nach  dem  ersten  Versuch  fand  ich  in 
einigen  Fällen  bald  nachher  auch  deutlich  nachweisbare  ört¬ 
liche  Veränderungen  zum  Schlechteren. 

Einwandfreie  und  gute  Erfolge  erzielte  ich  aber  bei  chro¬ 
nischen  Veränderungen  des  Uterus  und  des  Beckenzellgewebes. 

Um  die  für  die  Behandlung  geeigneten  Fälle  etwas  näher 
zu  kennzeichnen,  seien  einmal  die  von  Einrissen  unter  der  Ge¬ 
burt  entstandenen  Narben  im  Beckenzellgewebe  erwähnt, 
ferner  die  schwieligen  Verdickungen,  die  nach  unvollkommener 
Resorption  exsudativer  Parametritiden  Zurückbleiben.  Ein 
weiteres  Feld  bietet  die  Parametritis  chronica  atrophicans  cir¬ 
cumscripta.  Wir  wissen,  dass  diese  Erkrankung  aus  oft  unbe¬ 
kannter  Ursache  sich  ohne  akutes  Vorstadium  von  Anfang  an 
chronisch  entwickelt  und  durch  Verdichtungen  und  Schrump¬ 
fungen  im  Beckenzellgewebe  charakterisiert  ist,  die  mit  be¬ 
sonderer  Vorliebe  das  Bindegewebe  ergreifen,  das  als  Liga¬ 
mentum  sacro-uterinum  in  den  Douglasfalten  von  der  Zervix 
zum  Kreuzbein  verläuft  (Parametritis  chronica  posterior 
Schultz  e).  Diese  Verhärtungen  sind  einseitig  oder  doppel¬ 
seitig  vom  hinteren  Scheidengewölbe  oder  noch  besser  vom 
Mastdarm  aus  als  zwei  von  der  Zervix  nach  hinten  diver¬ 
gierende  Stränge  zu  fühlen,  von  Fall  zu  Fall  unterschiedlich 
in  der  Dicke,  Spannung  und  Druckempfindlichkeit.  Derartige 
Veränderungen  kommen  ungemein  häufig  vor  und  treiben  die 
Frauen  mit  mannigfaltigsten  Klagen  zum  Arzt.  Das  schrump¬ 
fende  Bindegewebe  zerrt  mit  der  Zeit  die  Zervix  aus  der  Lage 
und  beschränkt  die  Beweglichkeit  des  Uterus.  Die  Frauen 
klagen  über  örtliche  Beschwerden  aller  Art,  über  Schmerzen 
im  Kreuz,  den  _  Seiten,  am  Mastdarm  usw.  Daneben  be¬ 
herrschen  oft  reflektorische  Beschwerden,  nervöse  und  hyste- 


Oktober  I0Ö7. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


1979 


rische  Erscheinungen  das  Krankheitsbild.  Dem  im  Untersuchen 
weniger  Geübten  können  die  relativ  geringen  Verändei ungen 
leicht  entgehen  und  die  Klagen  werden  dann  in  Ermangelung 
eines  Befundes  als  Hysterie  aufgefasst.  Rufen  Schrumpfungen 
im  Parametrium  die  Beschwerden,  insbesondeie  Kreuz¬ 
schmerzen,  hervor,  so  genügt  es,  die  Portio  bei  der  Unter- 
suchung  nach  vorne  anzuheben,  um  sofort  ein  schmerzhaftes 
Ziehen  nach  dem  Mastdarm  hin  auszulösen.  Die  Ursache 
dieser  zirkumskripten  Indurationen  ist  oft  unbekannt,  häufig 
spielen  aber  wohl  Darmerkrankungen  (Geschwüre,  chronische 
Obstipation)  und  Erkrankungen  der  Zervix  (Ulzera,  Katarrh, 
Hyperplasie)  eine  Rolle.  Die  Gebärmutter  kann  aber  auch 
durch  die  Dislokation  der  Zervix  infolge  von  Zerrung  des 
schrumpfenden  Gewebes  sekundär  erkranken  und  so  kommt 
es,  dass  wir  die  chronischen  umschriebenen  Beckenzellgewebs¬ 
verhärtungen  häufig  mit  Gebärmuttererkrankungen  kombiniert 
sehen  Frauen  mit  diesem  Krankheitsbild  sind  keine  Selten¬ 
heit  in  der  Sprechstunde  des  Arztes  und  jeder,  der  sich  mit 
diesen  Dingen  beschäftigt,  weiss,  wie  unangenehm  die  Behand¬ 
lung  solcher  Fälle  sein  kann. 

In  diesen  Fällen  hat  mir  die  Behandlung  mit  dem  Saug¬ 
glas  bemerkenswerte  Dienste  getan. 

Die  Erfahrung,  dass  der  beste  Effekt  der  Behandlung  dann 
eintrat,  wenn  das  Saugglas  so  weit  war,  dass  es  die  Portio  um¬ 
fasste  und  dem  Uterus  eine  Beweglichkeit  gestattete,  ihn  mehr 
weniger  tief  in  sich  hineinzog  und  mobilisierte,  bestimmten 
mich,  das  Saugglas  für  diesen  Zweck  in  nachstehender  Weise 
zu  verwenden. 

Zur  Ausführung  der  Suktion  dient,  wie  anfangs  erwähnt, 
ein  Apparat,  der  in  seiner  Grundform  dem  gewöhnlichen  Milch¬ 
glasspekulum  ähnelt.  Rudolph  dichtete  das  Spekulum  mit 
einem  Korkstopfen  aussen  ab,  durch  den  hindurch  eine  Glas¬ 
röhre  die  weitere  Verbindung  mit  der  Saugspritze  vermittelte. 
Eversmann  benutzte  ein  Spekulum  aus  Glas,  das  den  Voi- 
zug  hat,  mittelst  des  Auges  eine  Kontrolle  und  Regulierung  der 
Stauung  zu  ermöglichen.  Ein  ähnliches  gleichzeitig  von  K  r  o  - 
m  e  r  verwendetes  Glas  enthält  am  äusseren  Ende  eine  gra¬ 
duierte  Ausbuchtung  zum  Auffangen  des  abfliessenden  Sekretes. 
Das  Glasspekulum,  das  ich  von  anfang  an  verwendete  hess 
ich  am  Saugende  nicht  abschrägen,  sondern  gerade  hersteilen. 
Um  einen  möglichst  grossen  Bezirk  der  Basis  des  Parametrium 
mit  in  den  Bereich  der  zu  hyperämisierenden  und  anzusaugen¬ 
den  Stelle  ziehen  zu  können  und  damit  eine  Mobilisierung  des 
Uterus  und  Dehnung  der  Narben  und  Indurationen  im  Becken¬ 
zellgewebe  zu  ermöglichen,  gab  ich  dem  Saugende  die  Form 
eines  Trichters.  Dadurch  ist  man  in  der  Lage,  eine  grössere 

Peripherie  des  Glases  um  die  Portio 
zu  bringen,  wie  dies  bei  einer  gleich- 
mässig  weiten  Röhre  möglich  ist.  Die 
Einführung  des  Trichters,  aus  star¬ 
kem  Glas  gearbeitet,  geschieht  in 
ähnlicher  Weise  wie  etwa  die  eines 
runden  Pessars.  Der  Trichterrand 
wird  auf  der  hinteren  Scheidenwand 
schräg  aufgesetzt  und  durch  Druck 
auf  den  Damm  schräg  in  die  Vagina 
hineingedreht,  deren  Weite  gewöhn¬ 
lich  die  Einführung  bis  ins  Schei¬ 
dengewölbe  ohne  Schwierigkeit  ge¬ 
stattet,  wo  der  Trichter  die  Portio 

lutnimmt.  uass  uics  der  Fall  ist,  davon  , 
sich  mit  dem  Auge  überzeugen  Die  Entfernung  des iTnchters 
aus  dem  Introitus  geht  umgekehrt  in  der  glichen  Weise  v 
sich.  Da  die  Behandlung  zumeist  bei  Frauen  m  Anwendung 
kommt  die  geboren  haben,  so  ist  auch  gewöhnlich  die  Ein¬ 
führung  eines  Trichters  möglich,  dessen  Oeffnung  einen  dem 
Zweck  entsprechenden  Durchmesser  hat.  Die  richtige  Wahl 
in  der  Grösse  des  Trichters  und  die  schonende  Ueberwindung 
des  Introitus,  besonders  der  Harnröhrenmundung  erfordert 
einige  Uebung.  Hat  der  Trichter  die  Portio  aufgenommen,  so 
stellt  man  die  Verbindung  mit  der  Saugspritze  her. 

Dazu  ist  ein  starkes  Gummirohr  nötig,  in  das  ein  D.re^g_ 
hahn  eingeschaltet  ist  und  eine  grössere  Spritze,  etwa  eine  luft¬ 
dicht  schliessende  Glyzerin-Klystierspritze. 


S.  =  Scheide.  P.  =  Portio  vaginalis, 
P.p.  =  Parametrium  post. 


aufnimmt.  Dass  dies 


Die  ersten  Züge  mit  der  Spritze  werden  meist  unangenehm 
empfunden.  Die  Frauen  geben  einen  ziehenden  Schmerz  in 
den  Seiten  und  im  Kreuz  an,  ähnlich  wie  bei  Wehen  unter  der 
Geburt.  Man  sieht,  wie  die  Portio  dem  Zuge  folgt  und  in  den 
Trichter  hineinschlüpft.  Bei  weiterem  Ansaugen  kann  der 
Uterus  dem  Zuge  so  weit  folgen,  dass  die  Portio  in  der  Vulva 
steht.  Sie  verfärbt  sich  rot  bis  dunkel-blau-rot  (je  nachdem 
die  arterielle  oder  venöse  Stauung  vorherrscht).  Aus  dem 
Muttermund  quillt  Schleim,  Eiter,  blutig-seröse  oder  rein  blu¬ 
tige  Flüssigkeit  in  wechselnder  Menge.  Ich  bemerke  an  dieser 
Stelle,  dass  ich  nur  für  den  Zweck,  den  ich  mit  der  Suktion  bei 
den  oben  genannten  Erkrankungen  verfolge,  die  Vorschrift  von 
Bier,  in  der  Behandlung  akuter  Entzündungen  eine  mässige 
Luftverdünnung  anzuwenden,  ausser  Acht  lasse.  Dabei  kann 
man,  sofern  das  Peritoneum  und  die  Adnexe  nicht  nachweisbar 
miterkrankt  sind,  ohne  Bedenken  einen  Zug  durch  starke  Luft¬ 
verdünnung  herbeiführen.  Für  die  Grenze  der  Zugkraft  wai 
mir  im  allgemeinen  die  Schmerzempfindung  und  der  Grad  dei 
Blutabsonderung  aus  der  Zervix  massgebend.  Die  Dauer  der 
Behandlung  in  einer  Sitzung  betrug  im  Durchschnitt  20  Mi¬ 
nuten;  die  Suktion  wurde  in  dieser  Zeit  3  mal  1  Minute  lang 
durch  Zuleitung  von  Luft  mittelst  des  Dreiweghahnes  unter¬ 
brochen.  Will  man  die  Luftverdiinnung  genauer  kontrollieren, 
so  könnte  man  am  Dreiweghahn  ein  Vakuummeter  anbringen. 
Einen  praktischen  Wert  wird  das  kaum  haben. 

Wendet  man  bei  parametranen  Veränderungen  die  Suktion 
in  dieser  Weise  an,  so  wird  eine  gesunde  Gebärmutter  nicht 
nachteilig  beeinflusst.  Ist  die  Gebärmutter  miterkrankt,  und 
das  ist  sehr  häufig  der  Fall,  so  wird  sie  in  günstiger  Weise 
mitbehandelt  (Ansaugung  von  Eiter  und  Schleim,  Entlastung 
durch  Aderlass  und  Anregung  der  Zirkulation  bei  Stauungs¬ 
hyperämie).  Ich  konnte  in  verschiedenen  Fällen  eine  auf¬ 
fallende  Rückbildung  bei  Portiohypertrophie  und  eine  eklatante 
Verminderung  der  Sekretion  bei  Katarrh  feststellen. 

Die  auffallendste  Erscheinung  in  der  Behandlung  Ut  das 
Nachlassen  der  Schmerzen,  die  durch  die  parametianen  Stränge 
ausgelöst  werden.  Hat  der  Trichter  die  notwendige  Glosse, 
so  werden  die  Stränge  durch  das  Ansaugen  und  Tiefertreten 
des  Uterus  ohne  Zweifel  gedehnt.  Die  Dehnung  ist  in  dieser 
Weise  genauer  zu  regulieren  und  schonender  vorzunehmen  wie 
bei  den  sonst  üblichen  Methoden  der  Dehnungsmassage.  Da 
ein  Teil  des  parametranen  Gewebes  um  die  Zervix  direkt  mit 
im  Bereich  des  angesaugten  Gebietes  liegt,  so  ist  die  Annahme 
berechtigt,  dass  die  Stränge  gleichzeitig  durch  die  hervor¬ 
gerufene  Hyperämie  beeinflusst  werden  (auflösende  und  resoi- 
b<erende  Wirkung  der  Hyperämie  nach  Bier). 

Die  Frauen  sind  fast  ausnahmslos  unmittelbar  nach  der 
Behandlung  schmerzfrei.  Die  Schmerzen  im  Kreuz  und  Leib 
sind  verschwunden;  der  Gang  ist  wieder  frei  und  leicht  an 
Stelle  des  Gefühls  der  Völle  im  Leib  ist  ein  angenehmes  Gefühl 
betreten  als  ob  der  Leib  leer  wäre.  Frauen,  die  lange  Zeit  vor¬ 
her  in  anderer  Weise  behandelt  waren  (heisse  Spulungen, 
Glyzerinage,  Pessar)  gaben  an,  dass  sie  sich  seit  Jahren  nicht 
so  wohl  gefühlt  hätten.  Der  Erfolg  ist  in  bezug  auf  die  Dauer¬ 
wirkung  verschieden.  Oft  begannen  die  Schmerzen  nach  Stun¬ 
den  langsam  wieder,  in  anderen  Fällen  hielt  das  Wohlbefinden 
nach  der  ersten  Behandlung  8  Tage  und  länger  an.  Die  Wieder¬ 
holung  dieser  Behandlung,  die  ich  „Saugmassage  be¬ 
zeichnen  möchte,  kann  sich  nach  dem  Wiedereintritt  dei 
Schmerzen  richten.  Mitunter  genügten  nur  wenige  Sitzungen, 
um  dauernd  Beschwerdefreiheit  zu  erzielen,  in  hartnäckigeren 
Fällen  gelang  es  nach  längerer  Behandlung,  einen  betnedigen- 
den  Erfolg  zu  erzielen  oder  durch  ein  Pessar,  das  vorher  tiotz 
der  üblichen  Vorbehandlung  nicht  ohne  Schmerzen  vertragen 

wurde  den  Erfolg  zu  befestigen. 

Palpatorisch  kennzeichnete  sich  der  Einfluss  auf  d'e  paia- 

metranen  Indurationen  durch  verminderte  1  ViV Ile r “strän ee ’ 
Krossere  Beweglichkeit  des  Uterus  und  Weichheit  der  Strange, 
eine  Beobachtung,  die  ich  auch  von  E  v  e  r  s  m  a  n  n  bestätigt 

“  Einen  nachteiligen  Einfluss  aut  die  Nachbarorgane  (Blase, 

MaSjch  glL!bebUherb'dTtcsJhTldertf!saiigmassage‘‘  als  eine 

wertvolle  Bereicherung  unserer  Heilmittel  in  der  Behau d  üng 
chronischer  Beckenzellgewebsveranderungen  und  chromsü 


1980 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


üebärmuttererkrankungen  (Katarrh,  Stauungshyperämie)  zur 
Nachprüfung  empfehlen  zu  können. 

Die  Saugtrichter  liefert  in  den  verschiedenen  Grössen 
H.  H  ö  r  o  1  d,  Magdeburg.  Preis  70 — 90  Pfg. 

Literatur. 

1.  Rudolph:  Die  B  i  e  r  sehe  Stauung  in  der  gynäkologischen 
Praxis.  Zentralbl.  f.  Qynäkol.  1905,  No.  39.  —  2.  Bauer:  Die  B  i  e  r  - 
sehe  Stauung  in  der  gynäkologischen  Praxis.  Wiener  klin.  Wochen¬ 
schrift  1905,  No.  47.  —  3.  Frankl:  Diskussion.  Wiener  klin. 
Wochenschr.  1905,  No.  46.  Derselbe:  Die  physikalischen  Heilmetho¬ 
den  in  der  Gynäkologie.  1906.  —  5.  Eversmann:  Die  Bier  sehe 
Stauung  in  der  Gynäkologie.  Zentralbl.  f.  Gynäkologie  1905,  No.  48. 
—  6.  Krömer:  Das  B  i  e  r  sehe  Stauungsverfahren  in  der  Gynäko¬ 
logie.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1906,  No.  4.  —  7.  Turan:  Versuch  mit 
dem  Bier  sehen  Stauungsverfahren  bei  Endometritis  chronica.  Zen¬ 
tralbl.  f.  Gynäkol.  1906.  —  8)  Lewith:  Naturforscherversamniliing 
in  Stuttgart  1906.  —  9.  Nenadov'ics:  Die  Behandlungsweise  nach 
Bier  in  der  Gynäkologie.  Gynäkol  .Rundschau  1907,  H.  9. 


Aus  der  dermatologischen  Abteilung  Allerheiligenhospital  zu 
Breslau  (Primärarzt:  Dr.  Harttung). 

lieber  Krauselappen  bei  Ulcus  cruris. 

Von  Dr.  C  h  a  u  s  s  y,  Sekundärarzt. 

Die  Zahl  der  Ulcera  cruris,  welche  auch  heute  noch  eine 
teilweise  monate-,  ja  jahrelange  klinische  Krankenhausbehand- 
lung  erfordert,  ist  immer  noch  eine  grosse;  nur  bei  den  ganz 
frischen  Fällen  gibt  doch  eigentlich  die  übliche  Behandlung 
mit  Bädern  und  Verbänden  gute  Resultate,  und  dann  bedarf  es 
einer  unausgesetzten  Pflege  und  Sorgfalt,  wenn  nicht  binnen 
Kurzem  die  alten  Schäden  wieder  aufbrechen  sollen.  Für  die 
chronischen  Fälle  bleiben  die  chirurgischen  Behandlungs¬ 
methoden:  die  Trendelenburgsche  Unterbindung,  die  Exstir¬ 
pation  grosser  Varizen,  die  Zirkumzision  und  die  Transplan¬ 
tationen.  Wir  ziehen  die  Zirkumzision  (zirkulärer  Amputations¬ 
schnitt  ca.  3  Finger  unter  der  Kniescheibe)  den  beiden  ersten 
Methoden  vor.  Gewiss,  das  kostet  eine  Narkose  und  manch¬ 
mal  etwas  Blut,  je  nach  der  Gewandtheit  des  Operateurs,  aber 
die  Erfolge  sind  auch  zum  Teil  überraschende,  besonders  wenn 
man  noch  eine  tiefe  Umschneidung  des  Geschwürs,  ca.  1  bis 
134  cm  im  Kreise  um  dasselbe  seinen  Konturen  folgend, 
darauf  setzt  und  die  kallösen  Ränder  gründlich  abträgt.  Auch 
hier  gibt  es  bei  schlechter  Nachbehandlung  natürlich  Rezidive, 
aber  Rezidive  überhaupt  kann  man,  glaube  ich,  nur  mit  zwei 
Methoden  vermeiden,  den  grossen  Lappentransplantationen. 
Die  T  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Transplantationen  haben  wir  ganz  ver¬ 
lassen,  so  leicht  und  bequem  wir  uns  ihre  Technik  mit  der  Zeit 
gemacht  haben.  Wir  entnehmen  die  Lappen  steril  unter 
Schleich  und  stellen  sie  in  physiologischer  Kochsalzlösung  in 
den  Eisschrank,  dann  reiben  wir  die  zu  bedeckenden  Flächen 
gründlich  mit  trockenen  Tupfern  ab,  dass  es  heftig  blutet  und 
die  reine  gesunde  Granulationsfläche  erscheint.  Die  Blutung 
stillen  wir  durch  Kompression  und  legen  dann  nach  12  bis 
24  Stunden  die  Lappen  auf.  Diese  Transplantationen  sind 
wundervoll  an  Orten,  die  keinen  Insulten  ausgesetzt  sind,  am 
Körper,  im  Gesicht,  aber  an  Händen  und  Füssen  taugen  sie 
nichts,  bei  der  ersten  Ueberlastung  oder  bei  dem  ersten  Trauma 
zerfällt  das  zarte  Gewebe,  und  die  alte  Szene  etabliert  sich  von 
Neuem.  Für  die  Bedeckung  von  Geschwürsflächen  an  Händen 
und  Füssen  eignen  sich  eigentlich  nur  zwei  Methoden,  das  ist 
die  Bedeckung  mit  gestielten  Lappen  und  die  mit  Krause- 
lappen.  Wir  bevorzugen  die  letztere,  und  wie  lohnend  ihre 
Anwendung  sein  kann,  mag  der  folgende,  wie  mir  scheint  recht 
interessante,  Fall  darlegen. 

Aus  der  Krankengeschichte  seien  folgende  kurze  Daten 
wiedergegeben : 

Lorenz  W.,  44  Jahre  alt,  vagierender  Tischler. 

XI.  1896  wird  Pat.  auf  die  dermatologische  Abteilung  des  Hospi¬ 
tals  zu  Allerheiligen  mit  starker  Elephantiasis  und  einem  reichlich 
liandk  llergrossen  Ulcus  des  linken  Unterschenkels  aufgenonimen. 
Da  konservative  therapeutische  Massnahmen  aussichtlos  erscheinen 
und  da  Pat.  auch  die  Ablatio  dringend  wünscht,  wird  er  noch  den¬ 
selben  Monat  auf  die  chirurgische  Abteilung  verlegt. 

X.  1898,  also  annähernd  2  Jahre  später,  wird  Pat.  von  dort  aus 
zurück  verlegt:  die  Ablatio  ist  nicht  gemacht,  das  Ulcus  ist  nahezu 
unverändert.  Spezifische,  Augenerscheinungen  (Iritis,  Retinitis) 
t i 1 1 1 1  u  i i  dazu,  eine  Allgemeinkur  mit  Jod  und  Hydrargyrum  einzuleiten 
die  örtlich  ganz  ohne  Einfluss  bleibt.  Die  daraufhin' mehrfach  unter¬ 


nommenen  Versuche,  den  Defekt  nach  Thier  sch  zu  decken,  blei¬ 
ben  alle  erfolglos. 

I.  1900  entschlossen  wir  uns  endlich,  um  dem  Trauerspiele  ein 
Ende  zu  machen,  zu  einer  Transplantation  nach  Krause,  so  gering 
die  Aussichten  für  das  Gelingen  einer  solchen  in  dem  starren  elephan- 
tiastischen  Gewebe  erscheinen.  In  Ghloroformnarkose  wurde  das 
ganze  Geschwür  mit  seinen  starren  Rändern  vollständig  exzidiert, 
die  ziemlich  starke  Blutung  durch  Tamponade  gestillt  und  der  Defekt 
durch  einen  Krauselappen  gedeckt,  der  dem  rechten  Oberschenkel 
entnommen  war.  Er  hatte  die  Form  eines  länglichen  Reifens  und 
musste,  um  die  Geschwürsfläche  in  geeigneter  Weise  schliessen  zu 
können,  in  3  Teile  zerschnitten  aufgelegt  werden.  1  und  2  stellen  die 


Enden,  3  die  Mitte  des  längsovalen  Lappens  dar.  Einige  Hefte  fixieren 
die  einzelnen  Lappen. 

Die  Heilung  war  eine  reaktionslose.  6  Monate  später  verliess 
Patient  geheilt  unser  Hospital. 

Zweimal  haben  wir  den  Kranken  seitdem  wiedergesehen.  1903 
kam  er  mit  einem  Ekzem  des  seiner  Zeit  operierten  Unterschenkels 
herein,  einer  leicht  erklärlichen  Folgeerscheinung  der  starken  Ele¬ 
phantiasis.  Er  hatte  in  der  Zwischenzeit  seinen  Fuss  nicht  im  ge¬ 
ringsten  gepflegt.  Der  Krauselappen  sass  fest  und  straff  auf;  nach 
wenigen  Wochen  kann  er  geheilt  entlassen  werden. 

Jetzt  (I.  1907)  kommt  er  wieder.  Er  hat  diese  Jahre  hindurch 
das  Leben  eines  vagierenden  Handwerksburschen  mit  all  seinen  Müh¬ 
seligkeiten  weiter  geführt.  Zerlumpt  und  verkommen  war  er  von 
Ort  zu  Ort  gewandert,  tüchtig  dabei  trinkend  und  oft  im  Freien  über¬ 
nachtend.  Es  haben  sich  neue  Ekzeme  gebildet  und  diese  haben 
schliesslich  zur  Etablierung  zweier  neuer  Ulzera  des  Unterschenkels 
geführt.  Aber  die  Stelle,  an  der  der  Kranke  seinen  Krauselappen 
trägt,  bietet  auch  heute  eine  völlig  intakte  Haut  dar.  Die  Konturen 
sind  kaum  noch  mit  Sicherheit  festzustellen,  so  gut  ist  der  Lappen 
eingeheilt.  Nur  das  etwas  abweichende  Relief  der  Hautoberfläche 
im  Bereich  des  eingesetzten  Lappens  zeigt,  dass  hier  die  Implantation 
vorgenommen  wurde,  und  die  Kreuzlinie  im  oberen  Teil  ist  noch  an¬ 
deutungsweise  vorhanden. 

So  hat  also  der  Krauselappen  bis  jetzt  vollkommen  ge¬ 
halten,  was  man  von  ihm  verlangen  konnte.  Er  ist  unversehrt 
geblieben  inmitten  einer  Umgebung,  die  durch  diffuse  variköse 
Gefässentartung  das  Bild  hochgradiger  elephantiastischer  Ver¬ 
änderungen  darbietet,  obwohl  Pat.  zeitweise  auch  wieder 
leichterer  Arbeit  nachgegangen  ist  und  für  die  Pflege  seines 
Beines  wie  oben  geschildert  nichts  getan  hat.  Jedenfalls  in 
Anbetracht  des  damaligen  Zustandes  des  Mannes  ein  recht 
gutes  Resultat,  das  geeignet  ist,  die  Methode  gerade  für  Ulcera 
cruris  wieder  aufs  Neue  zu  empfehlen. 

Dass  der  Krauselappen  eine  derartige  Dauerhaftigkeit  be¬ 
sitzt,  erscheint  uns  natürlich,  nachdem  durch  die  Arbeiten  von 
Braun,  E  n  d  e  r  1  e,  sowie  H  e  n  1  e  und  Wagner  die  histo¬ 
logischen  Vorgänge,  die  sich  beim  Anheilen  eines  Krauselappens 
abspielen,  genauer  untersucht  worden  sind.  In  den  ersten 
lagen  nach  der  Operation  spielen  sich  in  den  transplantierten 
Lappen  eine  Menge  degenerativer  Veränderungen  ab:  Die 
Epidermis  stösst  sich  vollständig  ab,  und  die  Drüsenelemente 
erleiden  einen  teilweisen  Untergang.  Aber  schon  nach  kurzer 
Zeit  findet  man  in  der  transplantierten  Haut  wieder  den  Reich¬ 
tum  von  elastischen  Fasern,  der  seine  Beweglichkeit 
garantiert  und  den  grossen  Unterschied  gegenüber  einfachem 
Narbengewebe  ausdrückt.  Wie  im  spezielleren  die  Regenera¬ 
tion  der  einzelnen  Elemente  vor  sich  geht,  darüber  hat  sich  volle 
Klarheit  noch  nicht  schaffen  lassen,  das  Eine  aber  ist  sicher, 
dass  der  Lappen  nach  einiger  Zeit  wieder  in  allen  Teilen  die 
Funktionen  normaler  Haut  ausübt  und  dass  beispielsweise  das 
Wachstum  der  Haare  ungestört  einem  aus  behaarter  Haut  ent¬ 
nommenen  Lappen  erhalten  bleibt,  wenn  man  beim  Abprä¬ 
parieren  des  Unterhautzellgewebes  ein  Abschneiden  der  Haar¬ 
wurzelbälge  vermeidet. 

Ist  so  einerseits  die  Leistungsfähigkeit  des  gut  eingeheilten 
Krauselappens  die  denkbar  idealste,  so  ist  doch  andrerseits  bei 


3 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1981 


richtiger  Handhabung  der  Technik  die  Zahl  der  erfolglosen 
Operationen  keine  derartig  hohe,  dass  sie  entscheidend  gegen 
das  Verfahren  sprechen  könnte.  Wir  folgen  in  allen  Punkten 
den  von  Krause  selbst  angegebenen  Regeln,  der  Ge¬ 
wicht  legt 

1.  auf  möglichst  trockenes  Operieren, 

2.  auf  absolut  aseptisches  Operieren, 

3.  auf  eine  geeignete  Vorbereitung  des  Lappens. 

Wir  stillen  demnach  die  nach  Exzision  eines  derartigen 
Ulc.  crur.  auftretende,  meist  ziemlich  reichliche  Blutung  mit 
sorgfältiger  Tamponade,  indem  wir  vermeiden,  Ligaturen  zu 
legen;  alle  Antiseptika  müssen  fort,  auch  die  harmlosesten, 
nur  Wasser  und  Seife,  Seifenspiritus  wurden  verwendet,  aber 
gründlich,  und  dann  folgt  eine  gründliche  Abspülung  mit  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung,  dann  Abtrocknen  der  vorbereiteten 
Haut  sorgfältig  mit  sterilen  Tüchern.  Schliesslich  operieren 
wir  auch  mit  trockenen  Instrumenten,  exzidieren  den  Lappen, 
der  meist  der  Vorderfläche  des  Oberschenkels  entnommen 
wird,  mit  dem  Unterhautzellgewebe  und  präparieren  letzteres 
sorgfältig  so  schnell  wie  möglich  mit  der  C  o  o  p  e  r  sehen 
Schere  trocken  ab.  An  der  Erfüllung  dieser  Postulate  hängt 
alles,  der  geringste  Fehler  macht  alle  Vorbereitungen  und  alle 
Mühe  illusorisch.  Der  Lappen  wird  dann  in  toto,  oder  in  ein¬ 
zelne  Teile  zerschnitten  einfach  aufgelegt  und  durch  einen  Bor¬ 
vaselineverband  leicht  angedrückt.  Er  muss  um  ein  Drittel 
grössere  Oberfläche  darbieten  als  die  zu  transplantierende 
Stelle,  da  er  nach  Abpräparieren  des  Unterhautzellgewebes 

stark  an  Ausdehnung  verliert. 

Natürlich  muss  man  nun  auch  über  den  Wundverlaut 
orientiert  sein,  und  wenn  man  am  5.  oder  7.  Tage  (nicht  eher) 
den  Verband  abnimmt  und  die  obersten  Zellschichten  gan¬ 
gränös  findet,  darf  man  nicht  gleich  alles  abreissen  oder  mit 
Instrumenten  daran  herumwirtschaften. 

Es  will  mir  scheinen,  als  wäre  diese  K  r  a  u  s  e  sehe  Me¬ 
thode  etwas  in  Vergessenheit  geraten,  vielleicht  ihrer 
Schwierigkeit  halber,  vielleicht  auch  wegen  dei  Misserfolge, 
welche  dem  Anfänger  passieren.  Freilich  existieren  auch  einige 
gute  Berichte  aus  der  Literatur  (Wiedmann  bei  11  Opera¬ 
tionen  4  Misserfolge),  aber  der  gstielte  Lappen  mag  manchem 
doch  noch  als  sicherer  erscheinen.  Ein  so  gutes  Resultat,  wie 
es  der  referierte  Fall  darstellt,  .mag  selten  sein,  aber  gerade 
darum  erscheint  er  mir  wert,  berichtet  zu  werden,  und  gerade 
bei  ihm  mag  man  sich  der  1  reff lichkeit  der  K  i  a  u  s  e  sehen 
Methode  erinnern. 


Aus  dem  chirurgisch-poliklinischen  Institut  der  Universität 
Leipzig  (Direktor:  Prof.  Perthes). 

Ueber  Erfahrungen  bei  der  Verwendung  synthetischen 
Suprarenins  in  der  Lokalanästhesie. 

Von  Dr.  H  a  n  s  H  o  f  f  m  a  n  n. 

Die  Nebennierenpräparate,  deren  hohe  Bedeutung  für  die 
Lokalanästhesie  bekannt  ist,  wurden  bisher  ausschliesslich  aus 
tierischen  Nebennieren  gewonnen.  Naturgemäss  waren  bei 
dem  Schwanken  der  einzelnen  Organe  an  Gehalt  des  ihnen 
spezifischen  Momentes,  auch  die  in  den  Handel  kommenden 
Präparate  mehr  oder  weniger  Schwankungen  in  ihrer  Wirk¬ 
samkeit  ausgesetzt.  Andererseits  war  auch  die  leichte  Ver¬ 
derblichkeit  derartiger  Organextrakte,  die  nie  absolut  chemisch 
rein  darzustellen  waren,  und  schon  nach  kurzem  Luftzutiitt  in 
Zersetzung  übergingen,  ein  wesentlicher  Nachteil  derselben. 
Wohl  nicht  mit  Unrecht  konnte  man  die  zuweilen,  besonders 
bei  Verwendung  in  der  lumbalen  Anästhesie  auftretenden  üblen 
Nebenwirkungen  auf  diese  chemische  Unreinheit  der  Neben¬ 
nierenextrakte  zurückführen. 

Es  war  deshalb  mit  Freuden  zu  begrüssen,  dass  von  ver¬ 
schiedenen  Seiten  Versuche  gemacht  wurden,  auf  synthetischem 
Wege  Präparate  von  gleicher  Wirksamkeit,  ohne  die  den 
Organextrakten  anhaftenden  Nachteile  herzustellen. 

So  gelang  es  Stolz,  dem  Chemiker  der  Höchster  Farb¬ 
werke,  deren  „Suprarenin“  wir  in  der  Leipziger  chirurgischen 
Poliklinik  bisher  verwendeten,  und  mit  dem  wir  auch  jetzt  die 
neuen  Präparate  vergleichen  wollen,  eine  Reihe  von  che¬ 
mischen  Substanzen  synthetisch  darzustellen,  die  hinsichtlich 


Blutdrucksteigerung,  Gefässverengerung  und  anderer  spezi¬ 
fischer  Nebennierenwirkungen  qualitativ  wohl  dem  Suprarenin 
ähnliche  Wirkungen  hervorbrachten,  an  Quantität  dieser  Wir¬ 
kung  jedoch,  sowie  an  Giftigkeit  sehr  verschiedenes  Verhalten 
zeigten. 

So  wiesen  z.  B.  einige  Präparate  eine  wesentlich  geringere 
Giftigkeit  auf,  blieben  aber  dabei  quantitativ  soweit  hinter 
dem  Suprarenin  in  ihrer  Wirkung  zurück,  dass  dieser  Vorteil 
durch  die  grosse  Menge  zur  Verwendung  kommender  Sub¬ 
stanz  wieder  aufgehoben  wurde. 

Nach  Abwägen  dieser  Vorzüge  und  Nachteile  und  nach 
Erfahrungen  bei  Tierversuchen  blieben  nur  3  Präparate,  die 
für  eine  versuchsweise  Verwendung  am  Menschen  geeignet 
erschienen.  Diese  Präparate,  die  in  ihrer  chemischen  Zu¬ 
sammensetzung  dem  natürlichen  Suprarenin  sehr  nahe  stehen, 
sind  das  Dioxyphenylaethanolamin  („Arterenin“),  das  Aethyla- 
minoacetobrenzkatechin  („Homorenon“),  beide  in  Form  ihrer 
salzsauren  Salze,  sowie  schliesslich  des  mit  dem  ursprünglichen 
Suprarenin  der  Konstitution  nach  vollkommen  identische  „syn¬ 
thetische  Suprarenin“  (chemisch:  salzsaures  Dioxyphenyl- 
aethanolmethylamin). 

Die  an  Tieren  vorgenommen  Versuche,  über  die  uns  Auf¬ 
zeichnungen  von  der  Firma  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  er¬ 
gaben,  dass  das  Arterenin  bei  einer  ca.  2  mal  geringeren  Giftig¬ 
keit  quantitativ  in  seiner  Wirkung  dem  Suprarenin  nur  wenig 
nachsteht.  Das  Homorenon  dagegen  hat  eine  wesentlich 
schwächere  Wirkung  und  liess  erst  in  4 — 5  proz.  Lösung  eine 
der  1  prom.  Lösung  des  Organpräparates  gleiche  Wirkung  er¬ 
zielen.  Das  dritte  Präparat  schliesslich,  das  „synthetische 
Suprarenin“,  zeigte  in  den  Tierversuchen  eine  dem  Organ¬ 
präparat  vollkommen  gleiche  Wirksamkeit,  ja  schien  dem¬ 
selben  an  Intensität  der  spezifischen  Wirkung  sogar  noch  über¬ 
legen  zu  sein. 

Klinischen  Prüfungen  unterzogen  wurden  bisher  das 
„Homorenon“  in  der  rhinologischen  Praxis,  sowie  alle  drei 
Präparate  in  der  chirurgischen  Praxis  von  Braun  Q. 

Braun  fand,  dass  sich  das  synthetische  Suprarenin,  sowie 
das  Arterenin  in  ihrer  örtlichen  Wirkung  in  nichts  von  dem 
früheren  Organpräparat  unterschieden.  Für  das  zur  Lokal¬ 
anästhesie  geeignetste  Präparat  hält  er  das  wesentlich  un¬ 
giftigere  Homorenon. 

Wir  haben  nun  an  der  chirurgischen  Poliklinik  die  er¬ 
wähnten  drei  Präparate,  die  uns  von  den  Höchster  Farbwerken 
zur  Verfügung  gestellt  wurden,  auf  ihre  Verwendbarkeit  in  der 
chirurgischen  Praxis  geprüft. 

Die  Anwendung  geschah  stets  in  Verbindung  mit  dem  bei 
uns  seit  1)4  Jahren  für  die  Lokalanästhesie  ausschliesslich  ver¬ 
wendeten  Novokain,  und  die  Art  der  Anwendung  war  die  In¬ 
filtrationsanästhesie,  die  verschiedenen  Formen  der  Leitungs- 
unterbrechung,  mit  Ausnahme  der  Lumbalanästhesie,  sowie  die 
direkte  Schleimhautanästhesierung  in  stärker  konzentrieren 
Lösungen. 

Wir  haben  zunächst  das  Arterenin  in  ca.  50  Fällen  ange¬ 
wendet,  und  zwar  in  der  bei  subkutanen  Injektionen  üblichen 
Stärke  von  5  Tropfen  auf  50  ccm  eines  X>  proz.,  5—10  Tropfen 
auf  50  ccm  eines  lproz.  Anästhetikums,  Mengen,  wie  sie  auch  in 
den  im  Handel  erhältlichen,  gebrauchsfertigen  Tabletten  und 
Lösungen  enthalten  sind.  Der  Eintritt  der  Wirkung,  sowie  die 
Dauer  der  Anästhesie  entsprachen  unseren  Erfahrungen  mit 
dem  früheren  Präparat,  dagegen  schien  uns  die  lokale  Blutleere 
nicht  immer  so  vollkommen,  wie  bei  dem  gleichen  Quantum  des 
früheren.  Besonders  konnten  wir,  um  eine  brauchbare  Blut¬ 
leere  zu  erzielen,  nie  unter  die  angegebene  Dosis  hei  abgehen. 
Sehr  gut  wrar  die  schleimhautabschwellende  Wirkung,  aller¬ 
dings  in  wesentlich  stärkerer  Konzentration  des  _  Mittels 
(10  Tropfen  auf  10  ccm  Anästhetikum).  Blutdrucksteigerung, 
gemessen  mit  dem  R  i  v  a  -  R  o  c  c  i  sehen  Apparat,  konnten  wir 
in  gleicher  Weise,  wie  bei  dem  Organpräparat  beobachten. 
Nachteilige  Nebenwirkungen  sahen  wir  bei  Verwendung  des 

Mittels  nicht  auftreten.  .  .  .na 

Das  zweite  Präparat,  das  Homorenon,  erschien  durch  seine 
bedeutend  geringere  Giftigkeit  ganz  besonders  geeignet,  E 
satz  für  das  Organpräparat  zu  bieten.  Fs  ist  nach  den  bicr- 


4  Braun:  Lokalanästhesie.  2.  Aufl.  1907. 


1982 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


versuchen  ca.  40 — 50  mal  weniger  giftig  als  das  ursprüngliche 
Suprarenin.  Da  es  jedoch  dementsprechend  zur  Erreichung 
der  gleichen  Wirkung  in  einer  5  proz.  Lösung  in  gleicher  Do¬ 
sierung  zur  Anwendung  kommen  musste,  erreichte  es  nach 
den  Tierversuchen  relativ  für  den  Körper  wieder  die  gleiche 
Giftigkeit.  Eine  Reihe  von  Fällen,  in  denen  wir  es  anwendeten, 
liess  erkennen,  dass  eine  gute  Anästhesie  und  Blutleere  sich 
mit  dem  Präparat  erzielen  liess,  dass  jedoch  vor  allem  letztere 
nach  Sterilisation  des  Präparates  deutlich  nachzulassen  schien, 
während  die  Verfertiger  diesen  Vorzug  des  Präparates  be¬ 
sonders  rühmten.  Andererseits  ergab  der  Tierversuch,  dass 
bei  Injektion  in  den  Lumbalkanal  relativ  stärkere  Vergiftungs¬ 
erscheinungen  auftraten,  als  bei  subkutaner  Injektion.  Es 
dürfte  sich  also  verbieten,  das  Präparat  in  dieser  Hinsicht  am 
Menschen  zu  prüfen. 

Nach  Mitteilungen  aus  Wiener  rhinologischen  Kliniken  von 
Laub  und  Kahler  war  das  Homorenon  in  4 — 5  proz.  Lösung 
imstande,  die  1  prom.  Lösung  des  Suprarenins  zu  ersetzen. 
Allerdings  beobachtete  Laub  eine  Schleimhautnekrose  nach 
Anwendung  des  Präparates  (vergl.  B  i  b  e  r  f  e  1  d  2).  Braun3) 
fand,  dass  die  gefässkontrahierende  Wirkung  der  5  proz.  Homo- 
renonlösung  fast  ebenso  stark  ist,  wie  die  der  entsprechenden 
Suprareninlösung,  und  dass  beim  Menschen  intra-  und  subkutan 
injizierte  Lösungen  keine  Gewebsschädigungen  verursachen. 
Er  hält  das  Homorenon  wegen  seiner  geringeren  Giftwirkung 
und  seiner  guten  Haltbarkeit  deshalb  für  den  besten  Ersatz 
des  Organpräparates,  und  empfiehlt  dessen  Anwendung  in 
4  proz.  Lösung  in  gleicher  Dosierung  von  5  Tropfen  maximal, 
in  Verbindung  mit  Novokain.  Seine  Verwendbarkeit  zur  lum¬ 
balen  Anästhesierung  hat  auch  Braun  nicht  erprobt. 

Es  blieb  also  zur  Prüfung  noch  das  „synthetische  Supra- 
renin“,  das  nach  den  Mitteilungen  seitens  der  Firma,  sowie 
nach  den  Tierversuchen  schliesslich  das  geeignetste  Ersatz¬ 
präparat  zu  sein  schien.  Die  Tierversuche  ergaben,  dass  das¬ 
selbe  die  gleiche,  teilweise  sogar  quantitativ  stärkere  typische 
Wirkung  entfaltete,  als  das  Organpräparat,  während  seine  Gift¬ 
wirkung,  wohl  infolge  seiner  grösseren  chemischen  Reinheit, 
sich  als  geringer  herausstellte. 

Wir  haben  nun  das  synthetische  Suprarenin  in  der  Zeit 
von  Februar  bis  Juli  d.  J.  in  über  250  Fällen  in  den  verschie¬ 
denen  Formen  der  intra-  und  subkutanen  Applikation  erprobt, 
während  eine  Prüfung  der  Wirkung  bei  lumbaler  Injektion  nicht 
vorgenommen  wurde.  Als  Anästhetikum  wurde,  wie  erwähnt, 
ausschliesslich  das  Novokain  der  Höchster  Farbwerke  ver¬ 
wendet.  Auf  25  ccm  1  proz.  Lösung  dieser  Substanz,  resp.  auf 
50  ccm  34  proz.  wurden  zunächst  entsprechend  dem  Gehalt  der 
bisher  gebrauchten  Tabletten  5  Tropfen  Suprareninum  syntheti- 
cum  zugesetzt.  Die  Anästhesie  trat  bei  Infiltration  in  der  Regel 
momentan,  und  bei  den  verschiedenen  Arten  der  Leitungsunter¬ 
brechung  in  den  entsprechenden  Zeiträumen  ein,  wie  sie 
unseren  früheren  Erfahrungen  entsprachen.  Es  liess  sich  stets 
vollkommene  Schmerzlosigkeit  erzielen  und  die  Dauer  der¬ 
selben  war  auch  bei  langdauernden  Eingriffen  durchaus  aus¬ 
reichend.  Die  Blutleere  bei  infiltrierten  Gewebspartien  war 
stets  sehr  gut  und  andauernd.  Ebenso  war  z.  B.  bei  B  r  a  u  n  - 
scher  Anästhesierung  von  Fingern  und  Zehen  die  gefäss- 
zusammenziehende  Wirkung  oft  so  stark,  dass  noch  nach  Be¬ 
endigung  des  Eingriffes  die  Digitalarterien  nur  tropfenweise 
Blut  entleerten.  Wir  haben  dann  sehr  bald  nur  mehr  3  Tropfen 
auf  das  gleiche  Quantum  Lösung  zugesetzt  und  konnten  auch 
damit  stets  noch  die  vollkommenste  Wirkung  erzielen. 

Das  synthetische  Suprarenin  steht  also 
dem  Organ  präparat  in  diesen  Wirkungen 
nicht  nach,  sondern  über  trifft  es  nach  unseren 
Beobachtungen  an  anämisierender  Kraft 
n  o  c  h. 

Ebenso  günstig  waren  die  Resultate  in  der  zahnärztlichen 
Praxis,  über  die  ich  durch  die  liebenswürdige  Mitteilung  des 
Herrn  Dr.  Fritzsche,  Zahnarztes  des  poliklinischen  In¬ 
stitutes,  berichten  kann.  Fritzsche  konnte  an  ca.  250—300 
Fällen  seiner  Praxis,  in  denen  er  das  Mittel  bei  Extraktionen, 

')  Biber feld:  Pharmakologische  Eigenschaften  eines  syn¬ 
thetisch  dargestellten  Suprarenins  und  einiger  seiner  Derivate.  Med. 
Klinik  1906,  No.  45. 

:l)  Braun:  Siehe  oben. 


Füllungen  und  anderen  zahnärztlichen  Eingriffen  kombiniert  mit 
Novokain  anwandte,  ebenfalls  eine  Ueberlegenheit  des  neuen 
Präparates  über  das  alte  konstatieren.  Auf  5 — 6  ccm,  die  ge¬ 
wöhnlich  von  dem  Anästhetikum  verbraucht  wurden,  waren 
früher  stets  mindestens  2  Tropfen  Suprarenin  zum  Erzielen 
einer  guten  Anästhesie  nötig.  Von  dem  neuen  Mittel  genügte 
stets  ein  Tropfen.  Hauptsächlich  dieser  niedrigeren  Dosierung 
des  Nebennierenpräparates  glaubt  es  Fritzsche  zuschreiben 
zu  müssen,  dass  er  zurzeit  von  den  bisher  zuweilen  eintretenden 
leichten  Kollapsen  fast  ganz  verschont  geblieben  ist.  Während 
wir  die  Lösung  des  synthetischen  Suprarenins  anfangs  so  zu¬ 
setzten,  wie  wir  sie  von  der  Firma  erhielten,  haben  wir  sie 
später  vor  dem  Gebrauch  10  Minuten  lang  im  Wasserbad  auf 
100 0  erhitzt  und  konnten  danach  klinisch  keine  Abnahme  der 
Wirkungskraft  beobachten. 

Der  blutdrucksteigernde  Effekt  des  Präparates  ist,  wie  wir 
durch  Messungen  mit  dem  Apparat  von  Riva-Rocci  an 
10  Fällen  feststellen  konnten,  bedeutend.  Die  Steigerung,  die 
nach  2 — 3  Minuten  begann  und  nach  5 — 10  Minuten  ihren  Höhe¬ 
punkt  erreichte,  betrug  z.  B.  nach  Injektion  von  0,001  Supra¬ 
renin.  synthetic.  subkutan  bei  einem  erwachsenen,  kräftigen 
Menschen  bis  80  mm  Hg.  Allerdings  konnten  wir  uns  auch 
überzeugen,  dass  bei  der  therapeutischen  Verwendung  von 
3  Tropfen  Suprarenin.  synthetic.  zum  Anästhetikum,  voraus¬ 
gesetzt  selbst,  dass  dieses  Quantum  ganz  zur  Injektion  kam, 
der  Blutdruck  nicht  mehr  als  20 — 25  mm  Hg  stieg. 

Immerhin  bedeutet,  angesichts  dieser  wesentlichen  Blut¬ 
drucksteigerung,  deren  Wirkung  auf  die  verschiedenen  Organe 
des  Körpers  und  besonders  auf  das  Gefässystem  zurzeit  noch 
nicht  vollkommen  geklärt  ist  (Scheidemandel4)  Falk  5) 
u.  a.)  die  Möglichkeit  einer  niedrigeren  Dosierung  des  neuen 
Präparates,  besonders  bei  wiederholter  Anwendung,  einen  Vor¬ 
zug  gegenüber  dem  alten. 

Das  nach  Injektion  grösserer  Dosen  Suprarenin  beob¬ 
achtete  Eintreten  von  Glykosurie  haben  wir  nach  therapeuti¬ 
scher  Verwendung  des  Nebennierenpräparates  natürlich  nie¬ 
mals  auftreten  sehen.  Auch  von  sonst  beobachteten  und  dem 
Nebennierenextrakt  vorgeworfenen  üblen  Nebenwirkungen 
haben  wir  bei  dem  neuen  synthetisch  hergestellten  Mittel  nichts 
konstatieren  können. 

Schwere  Kollapse,  starke  Herzwirkung  oder  andauerndes 
Erbrechen,  Erscheinungen,  wie  sie  manche  Autoren  nach  In¬ 
jektion  grösserer  Dosen  (Bennet6)  1,8  endourethral; 
S  c  h  ü  c  k  i  n  g  7)  1,75  einer  1  proz.  Lösung  vaginal)  erlebten, 
sahen  wir  niemals.  Schmerzen  bei  der  Injektion  oder  nach 
Ablauf  der  Wirkung  des  Anästhetikums  wurden  nicht  auf¬ 
fallender  beobachtet,  als  dieselben  auch  früher  je  nach  der 
Empfindlichkeit  des  Patienten  stärker  oder  schwächer  auf¬ 
traten.  Nachblutungen  stellten  sich  zuweilen  in  geringem 
Masse  ein;  jedoch  konnten  wir  nie  den  Eindruck  gewinnen, 
als  wären  sie  stärker,  als  der  normaler  Weise  nach  einer  An¬ 
ämie  auftretenden  Hyperämie  entspricht.  Auch  trugen  die¬ 
selben  nie  irgend  welchen  bedenklichen  Charakter,  sobald  die 
Unterbindung  grösserer  Gefässe  in  regelrechter  Weise  voraus¬ 
gegangen  war. 

Der  Wundverlauf  war,  soweit  keine  sonstigen  Kompli¬ 
kationen  eintraten,  ungestört.  Jedenfalls  konnten  wir  nicht 
finden,  dass  die  Wundheilung  durch  das  Präparat  irgendwie 
verzögert  wurde,  wie  das  z.  B.  Douglas8)  bei  dem  Supra¬ 
renal  beobachtet  haben  will.  —  Ebensowenig  sind  uns  Gangrän 
grösserer  Gewebspartien  und  etwa  dadurch  bedingte  Phlcg- 


4)  Scheidemandel:  Ueber  die  durch  Adrenalininjektion  zu 
erzeugende  Aortenverkalkung  der  Kaninchen.  Virch.  Archiv,  Bd.  181. 

5)  Falk:  Ueber  Adrenalinveränderung  an  den  Gefässen  usw. 
Kongress  für  innere  Medizin  1907.  Ref.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1907,  No.  21. 

ö)  Bennet:  Dangers  in  use  of  adrenal  preparations.  Journ.  of 
th.  americ.  med.  ass.  1906.  Oktob.  Ref.  Zentralbl.  f.  Chirurg.  1907, 
No.  10. 

7)  Schrick  ing:  Hochgradige  Hautverfärbung  nach  Injektion 
von  Nebennierenextrakt.  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  No.  5. 

*)  Douglas:  Americ.  Journ.  of  th.  medic.  scienc.  Jan.  05. 
Ref.  Jahresbericht  der  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Medizin  1905. 
Artikel:  Liebreich:  Nebennierenpräparate. 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1983 


monen  (Aronheim9)  im  Anschluss  an  Verwendung  des 
Präparates  begegnet,  die  wir  mit  Sicherheit  auf  die  nachteilige 
Wirkung  des  Nebennierenpräparates  hätten  zuruckfuhren 

k0n*Nu*r  einmal  hatten  wir  Gelegenheit,  eine  eigenartige  Haut¬ 
veränderung  zu  beobachten.  Nach  Injektion  ™n  ca.  5  ccm 
einer  1  proz.  Novokainlösung,  die  noch  nicht  1  Tropfen  des 
Suprareninpräparates  enthielt,  zum  Zwecke  der  Entfernung 
eines  Fibroms  der  Backe,  waren  am  folgenden  Tage  in  un¬ 
gefähr  talergrossem  Bezirk  zahlreiche  petechiale  Hamoi- 
rhagien  aufgetreten.  Der  Heilungsfortgang  der  kleinen  Naht¬ 
wunde  blieb  sonst  ganz  ungestört.  Eine  Untersuchung  der 
Patientin  auf  etwaige  abnorme  Beschaffenheit  ihres  Znku- 
lationsapparates  ist  leider  unterblieben. 

Ein  weiterer  Vorzug  des  synthetisch  dargestellten  Supra- 
renins  ist  ferner  seine  relative  Haltbarkeit. 

Das  Organpräparat  nimmt  beim  Stehen  an  der  Luft  schon 
nach  kurzer  Zeit  eine  Rosafärbung  ein,  die  nach  wenigen 
Stunden  in  Dunkelbraunrot  übergeht. 

Infolge  dieses  Oxydationsprozesses  des  Suprarenins  durch 
den  Luftsauerstoff  wurde  dessen  Wirksamkeit  wesentlich  ab¬ 
geschwächt,  und  besonders  traten  Nebenwirkungen  auf,  die 
zu  heftigen  Nachschmerzen,  Brechneigung,  ja  zu  schweren  ln- 
toxikationserscheinungen  (E  n  d  e  r  1  e  n  erlebte  einen  Exitus 
letalis)  führten  (Braun 10). 

Im  Gegensatz  dazu  hielt  sich  das  synthetische  Präparat 
ungleich  länger  unverändert,  auch  wenn  wir  es  in  hchtdurch- 
lässigen  Flaschen  stundenlang  offen  an  der  Luft  stehen  hessen 
Die  Rosafärbung,  als  Zeichen  der  beginnenden  Oxydation,  trat 
wesentlich  langsamer  und  nur  in  stark  verdünnter  wässeriger 
Lösung  auf  oder  bei  längerem  Kochen  des  Präparates. 

Die  Firma  bringt  das  Mittel  zwar  steril  in  den  Handel  es 
lässt  sich  jedoch  durch  kurzes  Erhitzen  auf  100  vor  dem  Ge¬ 
brauch  erneut  sterilisieren  und  verliert  dennoch,  selbst  bei  zu¬ 
weilen  auftretender  geringer  Rosafärbung,  nach  klinischer  Be¬ 
obachtung  nichts  von  seiner  Wirksamkeit. 

Um  die  Gefahr  der  Schimmelpilzentwicklung  in  der  als 
Nährboden  sehr  geeigneten,  als  Lösungsmittel  des  syntheti¬ 
schen  Suprarenins  dienenden  physiologischen  Kochsalzlösung 
zu  verhüten,  haben  die  Verfertiger  einen  bei  dem  früheren 
Organpräparat  als  unschädlich  erprobten  Thymolzusatz  von 
0,6  Prom.  beibehalten. 

Als  Anästhetikum  wurde,  wie  oben  erwähnt,  ausschliess¬ 
lich  das  Novokain  der  Höchster  Farbwerke  verwendet,  das 
seit  ca  1H—  2  Jahren,  seitdem  die  Firma  uns  dasselbe  zu  Ver¬ 
suchszwecken  zuschickte,  das  früher  von  uns  gebrauchte  Ko¬ 
kain  vollständig  verdrängt  hat. 

Wir  haben  das  Novokain,  um  dies  noch  kurz  ?u  erwähnen, 
in  %— 2  proz.  Lösungen  zur  kutanen  Injektion,  in  5— 10  proz. 
Lösungen  zur  Schleimhautanästhesierung  verwendet  und 
konnten  damit  in  Verbindung  mit  Suprarenin  in  rund  loüU  ra  - 
len.  sowie  bei  weit  über  3000  Zahnextraktionen  stets  die  beste 
Anästhesie  erzielen. 

Wir  haben  das  Mittel  zu  den  verschiedensten  kleineren  und 
grösseren  chirurgischen  Eingriffen  verwendet,  und  können  die 
Vollkommenheit  des  Präparates  mit  B  r  a  u  n11),  Danielsen  O 
und  anderen  nur  rückhaltslos  anerkennen.  Die  durchaus  reiz¬ 
lose  und  giftfreie  Wirksamkeit  desselben  gestattet  die  Anwen¬ 
dung  beliebig  hoher  Dosen,  die  selbst  bei  Entfernung  z. 
grosser  Strumen  niemals  die  des  Kokains  um  das  7  fache  über¬ 
steigende  Maximaldosis  erreichten.  Wir  möchten  unsere  guten 
Erfolge  mit  dem  Novokain  betonen  gegenüber  einer  kürzlich 
erfolgten  Mitteilung  von  G  e  b  e  1  e 13)  aus  dem  Ambulatorium 
der  chirurgischen  Klinik  München,  der  bei  Injektion  von  3  bis 
5  ccm  einer  M> — 1  proz.  Lösung  Novokain  nui  in  einei  ganz 

9)  Aronheim:  Fall,  von  ausgedehnter  Phlegmone,  verursacht 
durch  Kokain-Adrenalin-Injektion  bei  70  jähr.  Mann.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1904,  No.  14. 

10)  Braun:  s.  o. 

11 )  Braun:  s.  o.  2.  Aufl.  07.. 

12)  Dan  leisen:  Poliklinische  Erfahrungen  mit  dem  neuen  Lo¬ 
kalanästhetikum  Novokain.  Münch,  med.  Wochenschr.  1905,  o.  . 

13)  Geb  eie:  Jahresbericht  des  Ambulatoriums  der  chirurgiscnen 
Klinik  München.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  22. 


geringen  Anzahl  von  Fällen  wirkliche  Schmerzlosigkeit  er¬ 
zeugen  konnte. 

Fassen  wir  die  Resultate  unserer  oben  gemachten  Beob¬ 
achtungen  kurz  zusammen,  so  können  Wir  sagen,  dass  wir  mit 
dem  neuen  synthetischen  Suprarenin  präparat 
als  Zusatz  zu  dem  Anästhetikum  Novokain  in 
einer  grösseren  Anzahl  von  Fällen  stets  eine 
durchaus  gute  Schmerzlosigkeit  mit  guter,  ja 
besserer  Änämisierung  des  Operationsfeldes 
erzielen  konnten,  als  mit  dem  früheren  O  rgan- 
präparat.  Ziehen  wir  weiter  in  Betracht,  dass  wir  bei  Ge¬ 
brauch  des  Präparates,  das  keine  stärkere  Giftwir- 
kung  besitzt  als  das  frühere,  stets  von  uner¬ 
wünschten  Nebenerscheinungen  odei  schä¬ 
digenden  Nachwirkungen  verschont  blieben, 
und  dass  das  Präparat  infolge  seiner  Hei  - 
stell  ungs  weise,  der  gleichbleibenden  Kon¬ 
zentration,  chemischen  Reinheit  und  Sterili- 
sierbarkeit  die  weitgehendsten  Garantien  geben  kann, 
dass  wir  auch  weiter  bei  Anwendung  desselben  von  schä¬ 
digenden  Nebenwirkungen  verschont  bleiben 
werden,  so  kann  man  sagen,  dass  die  Einführung,  des 
synthetischen  Suprareninpräparates  einen 
weiteren  Sch  rittin  der  Vervollkommnung  der 
Lokalanästhesie  bedeutet.  Wir  können  nach  un¬ 
seren  in  der  poliklinischen  Praxis  gemachten  Erfahrungen  zur 
Verwendung  des  Mittels  in  der  Lokalanästhesie  nur  raten.  Der 
Gedanke,  dass  es  auch  für  die  Lumbalanästhesie  Vorteile 
bringen  könnte,  hegt  nahe. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  München. 

Leberangiome  mit  Ausgang  in  Fibrombildung. 

Von  Dr.  K-  K  a  s  a  i,  kaiserl.  japan.  Oberstabsarzt. 

Die  Frage  der  Umwandlung  von  Angiomen  der  Leber  in 
Fibrome  ist  schon  seit  langem  diskutiert  worden.  Ebenso,  wie 
man  noch  über  die  Entstehung  der  Angiome  vielfach  geteilter 
Ansicht  ist,  wie  man  aus  den  Arbeiten  von  Schmieden  191, 
M  e  r  k  e  1  [7]  u.  a.  ersehen  kann,  ebenso  gehen  z.  B.  auch  die 
Meinungen  über  die  sekundären  Veränderungen  in  den  Leber¬ 
angiomen  bei  den  verschiedenen  Autoren  auseinander  Die 
Verödung  der  Angiome  und  ihre  Umwandlung  m  derbe,  fibrom¬ 
artige  Knoten  ist  ja  bekannt  und  bei  vielen  Forschern  finden 
wir  das  Bestreben,  das  nicht  so  seltene  Leberkavernom  m 
Verbindung  mit  dem  Leberfibrom  zu  bringen,  wie  dies  z.  B. 
aus  den  Arbeiten  von  Virchow  [10J,  Böttcher  LJ, 
Lücke  [6]  u.  a.  m.  hervorgeht.  Die  Tatsache  nun  dass  che 
Leberkavernome  durch  Thrombenorganisation  in  fibröse  Ge¬ 
bilde  umgewandelt  werden  können,  ist  von  K  l  e  b  s  L5J,  ts  l  r  c  n- 
H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  [1],  O  r  t  h  [8],  Ziegler  [11],  K  a  u  man  n  [4] 
und  Anderen  festgestellt  worden.  Eine  eingehendere  Arbeit 
Uber  diese  Vorgänge  bei  der  Umwandlung  der  Lebmngiome 
in  Fibrome  ist  in  letzter  Zeit  von  Merkel  \7]  veröffentlicht 
worden,  der  an  sechs  Fällen  diesen  Prozess  genauer  studiert 
hat  Er  beweist  in  jedem  seiner  veröffentlichten  Falle,  dass 
durch  die  Anwendung  der  Färbemethode  für  elastisches  Ge¬ 
webe  die  schönen  Bilder  der  früheren  kavernösen  Btruktu 
sich  wieder  darstellen  lassen,  sodass  in  anscheinend  vor¬ 
handenen  Fibromknoten  das  ursprünglich  vorhandene -Angora 
wieder  zum  Vorschein  kommt.  Durch  die  Ergebnisse  diese 
Arbeit  M  e  r  k  e  1  s  [7]  ist  also  ganz  sicher  festgestellt  woi den, 
dass  Kavernome  der  Leber  sich  in  Fibrome  i 
w  andeln  könne  n.  Nach  meiner  Ansicht  hat  man  auch 
bereits  wenn  man  nach  dem  Umwandlungsmodus  der  Angiome 
in  Fibrome  der  Leber  fragt,  folgende  Vorgänge  dabei  fest¬ 
gestellt.  Die  Umwandlung  vollzieht  sich. 

1.  durch  Verdickung  der  Kavarnom wände 

Selb2.' durch  Organisation  von  Thromben  in  den 

Ka  3e durch  Kombination  der  beiden  vorstehen- 

d  6  nDleuntenrdNor  V’ange’fuhrte  Umwandlungsweise  von  Ka- 
vernomen  in  Fibrome  ist  bereits  schon  von  Virchow  L 


19ö4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  <40. 


erwähnt  worden  und  hat  ihre  Bestätigung  in  neuerer  Zeit 
wieder  durch  die  Arbeit  Merkels  [7]  gefunden,  der  in  seinen 
Fällen  in  deutlichen  Bildern  den  ganzen  Umwandlungsprozess 
schildert.  Der  unter  zwei  und  drei  angeführte  Umwandlungs¬ 
modus  scheint  von  allen  mir  bekannt  gewordenen  Autoren  in 
gleicher  Weise  als  sicher  vorhanden  angenommen  worden  zu 
sein  und  will  ich  deshalb  von  einer  weiteren  Diskussion  dieser 
beiden  Arten  von  sekundären  Veränderungen  zunächst  ab¬ 
stehen. 

Von  Interesse  ist  nun  die  Frage,  ob  die  Umwandlung  der 
Leberkavernome  in  Fibrome  nur  durch  die  Verdickung  der 
Kavernomwände  allein  zustande  kommen  kann  oder  bis  zu 
welchem  Grade  die  Wandwucherung  dabei  von  Einfluss  wird 
d.  h.  wie  weit  Thrombenbildung  und  organisatorische  Vorgänge 
in  denselben  hieher  gerechnet  werden  müssen.  Von  diesem 
Gesichtspunkt  aus  habe  ich  nachstehende  zwei  Fälle,  die  ich 
durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Prof.  Dr.  Dü’rck  zur 
Veröffentlichung  zur  Verfügung  gestellt  bekommen  habe,  wo¬ 
für-  ich  demselben  gleich  hier  meinen  verbindlichsten  Dank 
aussprechen  möchte,  histologisch  untersucht  und  sei  es  mir  ge¬ 
stattet,  über  die  von  mir  gefundenen  Ergebnisse  nachstehend 
zu  berichten. 


Im  1.  Fall  handelt  es  sich  um  eine  57  Jahre  alte  Frau  H.  M. 
Die  anatomische  Diagnose  des  Obduktionsproto¬ 
koll  e  s1)  lautet: 

Ziemlich  frischer  apoplektischer  Herd  im  Kleinhirn  im  Bereich 
beider  Hemisphären,  Oedem  des  Gehirns  und  Hvdrocephalus  internus 
Sklerose  der  basalen  Hirngefässe,  multiple  kleine  Erweichungsherde 
!°  der  1-  Basis  cerebri.  Eitrige  Bronchitis,  Aspirationspneumonie  in 
leiden  Unterlappen,  Schwund  der  1.  Niere,  massige  konzentrische 
Hypertrophie  des  1.  Herzventrikels.  Angiofibrom  im  rechten  Leber¬ 
lappen. 

lieber  diesen  letzteren  Befund  lautet  der  Bericht  im  Sektions¬ 
protokoll  folgendermassen : 

Die  Leber  hat  eine  tiefe  Schnürfurche  und  ist  die  Schnittfläche 
des  Leberparenchyms  glatt.  Die  Läppchenzeichnung  ist  fast  überall 
erkennbar  mit  dunklen  Zentra  der  Acini.  In  der  Mitte  des  rechten 
Lappens  findet  sich  eine  gänseeigrosse  Geschwulst  von  dunkel¬ 
schwarzroter  Farbe.  Die  Geschwulst  zeigt  einen  schwammigen  Bau 
und  ist  anscheinend  von  reichlichem  Blutgehalt.  In  diese  Geschwulst 
eingelagert  sieht  man  mehrfach  umschriebene,  teils  rundliche  teils 
strahhge  glänzend  weisse  fibröse  Herde.  Die  Gallenblase,  sow'ie  die 
grosseren  Gallengänge  sind  stark  ausgedehnt  und  mit  einer  dunkel¬ 
braunen,  zähen  Galle  gefüllt. 

Es  \\  ui  den  nun  von  diesem  Tumor  geeignete  Stückchen  ent¬ 
nommen  und  zur  mikroskopischen  Untersuchung  verwandt.  Dabei 
zeigte  sich,  dass  sich  der  Tumor  ziemlich  überall  gleich  scharf  von 
dem  umgebenden  Leberparenchym  abgrenzen  lässt.  Die  Leberzellen 
sind  so  gut  wie  intakt  und  färben  sich  sowohl  der  Zellei'b  wie  der 
Zellkern  mit  den  bekannten  Farbstoffen  vollkommen  deutlich.  Der 
1  umor  lässt  sich  nach  dem  mikroskopischen  Bild  gut  in  zwei  ganz 
verschiedene  1  eile  zerlegen,  von  denen  der  eine  Teil  nur  aus  Binde- 
gev  ebsmasse,  und  zwar  aus  einem  im  allgemeinen  sehr  lockeren 
kernarmen  Bindegewebe  besteht,  während  man  in  dem  anderen  Teil' 
viele  teils  kleinere,  teils  grössere,  teilweise  mit  Blut  angefüllte  alveo- 
lare  Raume  sieht  Das  alveoläre  Gerüst  und  die  Bindegewebsmasse 
im  Gebiet  zwischen  den  beiden  genannten  Teilen  sind  noch  ver¬ 
hältnismässig  jung  mit  ziemlich  reichlichen  Spindelzellen  und  Rund- 
zellen  versehen.  Im  ersteren  Teile  ist  die  Bindegewebsmasse  zum 
1  eil  oder  auch  fast  ganz  hyalin  entartet  doch  zeigt  sie  sich  noch  mit 
unregelmassig  dicken  Bindegewebsfasern  als  alveolares  Gebilde  und 
erinnei  t  lebhaft  an  frühere  Kavernome.  Im  Gebiet  zwischen  den  ge¬ 
nannten  Teilen,  wo  man  noch  Spindelzellen  sehen  kann,  ist  eine 
rundliche,  mehr  ovale,  von  der  Bindegewebsmasse  scharf  abge- 
grenzte,  hyalin  entartete  Stelle  zu  sehen,  an  welcher  man  sicher  die 
n  ombenorgamsation  nachweisen  konnte.  Ferner  sieht  man  unrein 
gelbe,  sehr  grosse,  in  Organisation  getretene  Thromben,  in  deren 
Mitte  nur  noch  wenige  Blutkörperchen  vorhanden  sind.  Im  zweiten 
ei  zeigten  sich  die  Alveolen  mit  Blutkörperchen  gefüllt,  welche 
JS  T.®11  noFh  lh!*e  normale  Struktur  hatten,  teilweise  jedoch  be- 
reits  die  beginnende  Gerinnung  zu  tage  treten  Hessen.  Bei  der  Be- 
dles(r1r  Vorgänge  finden  sich  nicht  selten  Anhäufungen  von 
beS  Ä  t'i  Das  Alveolargerüst,  das  aus  Bindegewebsfasern 

vrrfii  iVSV  T  61  hyaJin  entartet*  die  Wände  sind  häufig  bedeutend 
verdickt,  die  Innenwand  mit  einem  flachen  Endothel  ausgekleidet. 

Fl  der  A,nwe!Ld ung  df.r  spezifischen  Färbemethoden  für  elastische 
Elemente  in  dem  Tumor  finden  sich  solche  sowohl  in*  dem  bindege¬ 
webigen  als  auch  alveolären  Teil  desselben  vor.  In  dem  ersteren  Teil 
kann  man  einen  enormen  Reichtum  elastischer  Fasern  innerhalb 

snpyT-f  !ten  bl"deg,eybisen  Gerüstes  finden  und  lassen  hier  diese 
spezifisch  zur  Darstellung  gebrachten  elastischen  Fasern  durch  ihre 


U  Sektionsjournal  des  pathologischen  Institutes 
/1 2,  1906. 


München  No. 


Anordnung  mit  Leichtigkeit  die  frühere  Struktur  des  ursprünglichen 
Kavernoms  wieder  erkennen.  Dabei  verlaufen  die  elastischen  Fasern 
entweder  in  parallel  faserigen,  gewellten  Bündeln,  oder  ihre  An¬ 
ordnung  ist  eine  fast  völlig  zirkuläre  in  früheren  Septen.  In  dem 
zweiten  Teile,  dem  alveolär  gebauten  Teil  des  Tumors,  findet  man  in 
den  Septen  die  Verdickung  der  Wände  von  der  wandständigen  Throm¬ 
benorganisation  gut  unterschieden. 

Wendet  man  die  von  W  e  i  g  e  r  t  zur  Darstellung  des  Fibrins  an¬ 
gegebene  Färbemethode  an,  so  lässt  sich  von  dem  Präparat  folgender 
Befund  aufstellen: 

1.  In  der  Mitte  der  Alveolen,  in  dem  dasselbe  ausfiillenden  Blut¬ 
gerinnsel,  findet  man  eine  büschelförmige  Fibrinnadel  oder  einen 
sogenannten  Fibrinstern,  der  sich  tiefblau  im  mikroskopischen  Bild 
dem  Beobachter  zeigt,  ähnlich  wie  es  D  ü  r  c  k  [3]  in  seinem  Atlas  zur 
Abbildung  gebracht  hat. 

2.  In  dem  kavernösen  Gerüst  sieht  man  Fibrinfasern,  welche  zu¬ 
meist  nicht  in  einer  geraden  Richtung  verlaufen,  sondern  fast  regel¬ 
mässig  in  mäanderartigen  Windungen  angeordnet  sind. 

3.  Die  Fibrinfasern,  die  sich  in  der  Bindegewebsmasse  —  weit 
entfernt  von  dem  kavernösen  Bau  —  zur  Darstellung  bringen  lassen, 
also  in  jenem  Teil  des  Tumors,  der,  wie  eingangs  meiner  Beschrei¬ 
bung  erwähnt,  ziemlich  reich  an  spindelförmigen  Kernen  ist,  die  durch 
Doppelfärbung  mit  Alaunkochenille  schwach  bräunlichrot  aussehen 
werden  in  den  fibrösen  Massen  nie  gefunden. 

4.  Nicht  häufig  findet  man  auch  in  der  Mitte  jener  bereits  ver¬ 
ödeten  kavernösen  Räume,  in  welchen  sich  nur  wenige  Bindegewebs¬ 
fasern  und  Fibroblasten  wahrnehmen  lassen,  Blutkörperchen  jedoch 
nicht  mehr  sichtbar  sind,  einen  Fibrinstern. 

Diesem  ersten  Fall  möchte  ich  nun  gleich  einen  weiteren 
zweiten  durch  seinen  Befund  gleich  interessanten  Fall  anreihen. 
Der  für  uns  von  Wichtigkeit  erscheinende  Teil  des  Obduktionsproto¬ 
kolls  ist  folgender: 

Es  handelt  sich  um  eine  74  Jahre  alte  Frau,  bei  der  nachstehende 
Leichendiagnose2)  gestellt  wurde : 

Lungenentzündung  (kruppöse  Pneumonie),  in 
beiden  Lungenlappen.  Ausgebreitete  chronische 
Luftröhrenentzündung  bei  Kompression  der 
Luftröhre  durch  hochgradige  Kropfentartung 
beider  Schilddrüsenlappen.  Brauner  Schwund 
des  Herzmuskels.  Blutgefässverkalkung  (Athero- 
matose). 

Ein  eigener  Befund  fand  sich  nebenher  noch  in  der  Leber  vor. 
Die  Leber  war  etwas  verkleinert.  Unter  der  Kapsel  scheinen  an 
vielen  Stellen  kleine  weisse  Verdickungen  durch,  welche  sich  beim 
Einschneiden  als  kleine  weissliche,  fibröse  Herdchen  erweisen.  An 
der  Vorderfläche  des  linken  Leberlappens,  nahe  dem  Aufhängeband 
sieht  man  einen  fast  hühnereigrossen,  weissen  Herd  in  das  Leber¬ 
parenchym  eingelagert.  Das  Lebergewebe  ist  sonst  weich,  von  hell¬ 
brauner  Farbe.  Die  Läppchenzeichnung  ist  fast  durchweg  ver¬ 
waschen.  Der  Blutgehalt  des  Organs  ist  sehr  gering.  In  der  Gallen¬ 
blase  sind  einige  Tropfen  einer  trübbraunen  Galle. 

Auch  hier  wurde  der  hühnereigrosse,  weisse  Herd  einer  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  unterzogen  und  fand  sich  dabei  nachstehen¬ 
der  Befund: 

Die  Tumormasse  ist  mit  einer  ziemlich  dicken  Wand  überall 
scharf  vom  umgebenden  Lebergewebe  angegrenzt,  dessen  Parenchym 
fast  durchaus  intakt  geblieben  ist  und  das  sich  durch  die  verschie¬ 
denen  Farbstoffe  gut  zur  Darstellung  bringen  lässt.  Innerhalb  der 
Wand.,  die  ganz  aus  Bindegewebsmasse  besteht  und  die  den  Tumor 
vom  Lebergewebe  abgrenzt,  finden  sich  ziemlich  reichliche  grössere 
und  kleinere  Blutgefässe,  deren  Wandung  meistenteils  durch  die 
Wucherung  der  Intima  stark  verdickt  ist,  so  dass  die  Gefässlumina 
kaum  zu  sehen  sind.  Hier  also  sieht  man  im  Gegensatz  zu  Fall  1 
kein  Kavernomgewebe  mehr,  sondern  nur  fibröse  Fibrommassen, 
welche  aber  die  kavernöse  Striktur  immerhin  noch  deutlich  er¬ 
kennen  lassen.  Im  allgemeinen  findet  sich  eine  kernarme  Grundsub¬ 
stanz,  die  im  Gesichtsfeld  sogar  häufig  ausgebreitet  hyalin  entartet, 
fibrös  degeneriert  erscheint.  Der  Grad  der  hvalinen  Entartung  nimmt 
häufig  nach  der  Mitte  des  kavernomartigen  Gebildes  hin  zu.  Hie  und 
da  jedoch  ist  nur  das  Zentrum  des  maschenförmigen  Baues  des  unter¬ 
suchten  Tumors  besonders  stark  hvalin  entartet,  während  die  Al- 
veolarsepten  von  der  hyalinen  Entartung  verschont  bleiben,  so  dass 
es  dem  Beobachter  nicht  schwer  fällt,  die  Organisation  der  hier  liegen¬ 
den  Thromben  zu  erkennen.  Die  SeDten  der  früheren  Kavernome 
sind,  wie  ich  noch  erwähnen  muss,  stark  verdickt.  Die  in  den  fibrösen 
Massen,  dem  Fibrom,  sich  vorfindend.en  vereinzelten  Blutgefässe  be¬ 
sitzen.  wie  auch  oben  bereits  angeführt,  stark  verdickte  Wandungen 

Die  Anwendung  der  Elastinfärbung  hatte  auch  hier  den  Erfolg 
durch  die  Darstellung  der  elastischen  Fasern  die  Struktur  des  früheren 
Kavernoms  so  nachzuweisen,  dass,  wenn  auch  das  Bild  des  kaver¬ 
nösen  Baues  nicht  so  deutlich  wie  im  ersten  Falle  zu  tage  trat 
doch  ein  Irrtum  ausgeschlossen  erscheint. 

Der  Versuch,  auch  Fibrin  noch  zur  Darstellung  zu  bringen,  Hess 
sich  dmch  den  bereits  fortgeschrittenen  Prozess  nicht  mehr  zur 
Ausführung  bringen. 


_on  Sektionsjournal  des  pathologischen  Institutes  München  No. 
/o9,  19U6. 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1985 


In  meinen  beiden  Fällen  nun  liess  .sich  durch  die  Anwendung 
der  Elastinfärbemethode  in  dem  sonst  unklaren  Bild  die  frühere 
kavernöse  Struktur  des  Fibroms  nachweisen.  Durch  Hämatoxylin- 
Eosinfärbung  habe  ich  ferner  in  .beiden  Fällen  gesehen,  dass  die  je¬ 
weilig  zur  Organisation  gekommene  Stelle  der  Thromben  früher 
hyalin  degeneriert  sein  muss  als  die  eigentlichen  Kavernomwände. 
Es  zeigt  sich  nämlich  diese  Stelle  als  spindelförmiges,  teils  rundliches, 
teils  ovales  Gebilde,  das  von  kernlosen,  ziemlich  diohten  Bindegewebs- 
fibrillen  umgeben  ist.  Was  nun  das  frühere  Auftreten  der  hyalinen 
Degeneration  bei  der  Organisation  betrifft,  so  lässt  sich  dafür  schwer 
ein  bestimmter  Grund  angeben.  Nicht  unbeachtet  möchte  ich  dabei 
den  Umstand  lassen,  dass  die  bei  der  Organisation  vorhandenen  Binde¬ 
gewebsfasern  hier  leichten  Ernährungsstörungen  ausgesetzt  sind,  Stö¬ 
rungen,  die  seitens  des  Blutes  und  des  Lymphstromes  wohl  leichter 
eintreten  dürften,  als  im  umgebenden  präparierten  Gewebe, 

Ueber  die  Anwendung  der  Fibrinfärbemethode  konnte  ich  in  der 
mir  zugänglichen  Literatur  keine  Angaben  finden.  Und  doch  glaube 
ich,  dass  gerade  durch  das  Darstellen  des  Fibrins  manches  Unklare 
in  dem  Degenerationsprozess  klargestellt  werden  kann.  Es  ist  doch 
immerhin  ein  interessanter  Befund,  wenn  feine  Fibrinfäden  inner¬ 
halb  einer  bereits  verödeten,  fibrös  degenerierten  Kavernommasse 
gefunden  werden,  wobei  jedoch  der  Allgemeinbefund  nur  noch  sagt, 
dass  die  Verödung  noch  nicht  lange  eingetreten, sein  kann,  während 
bei  völlig  altem  Fibromgewebe,  wie  in  meinem  zweiten  Fall,  von 
Fibrin  auch  bei  sorgfältigster  Behandlung  keine  Spur  sich  mehr  vor¬ 
findet. 

Wenn  ich  meine  Ergebnisse,  die  sich  mir  aus  der  Unter¬ 
suchung  der  vorstehenden  Fälle  ergeben  haben,  zusammen¬ 
stelle,  so  kann  ich  bei  der  Umwandlung  der  Leber- 
k  a  v  e  r  n  o  m  e  in  Fibrome  nachstehende  drei  Merkmale 
anführen : 

1.  Nachweis  von  Elastin  in  charakteristischer  Anordnung, 
das  das  ursprüngliche  Kavernom  gleichsam  skelettiert  wieder¬ 
gibt. 

2.  Nachweis  von  Fibrin  in  noch  frischen  Umwandlnngs- 
prozessen. 

3.  Das  zeitige  Auftreten  von  hyaliner  Degeneration  bei  der 
Organisation  der  thrombotischen  Stellen. 

Nicht  unerwähnt  möchte  ich  hier  noch  lassen,  dass  die 
grosse  Menge  der  Blutgefässe  und  die  Intimawucherung  in 
ihren  Wänden  bei  meinem  zweiten  Falle  mir  ebenfalls  nicht 
ohne  Bedeutung  zu  sein  scheint.  Denn  die  grosse  Anzahl  der 
Blutgefässe  beweist  einmal,  dass  hier  im  Tumor  eine  lebhafte 
Zirkulation  stattgefunden  haben  muss;  die  Intimawucherung, 
dass  diese  reichliche  Zirkulation  später  aufgehört  haben  muss, 
Vorgänge,  die  uns  zur  Gesamterklärung  des  Umwandlungs¬ 
prozesses  gewiss  nicht  wertlos  sein  dürfen. 

Nach  den  Befunden  in  meinen  zwei  Fällen  von  Leber¬ 
fibromen  geht  der  Umwandlungsmodus  vom  Kavernom  in  Fi¬ 
brom  wie  folgt  vor  sich. 

In  den  in  den  Kavernomen  entstandenen  Thrombosen 
kommt  es  teils  zu  organisatorischen  Vorgängen,  teils  zu  aus¬ 
gedehnten  fibrösen  Verdickungen  der  Kavernomwände  selbst. 
Beide  Prozesse  führen  dann  zu  jenen  derben  Gebilden,  die  ge¬ 
wöhnlich  unter  dem  Namen  der  Leberfibrome  aufgeführt 
werden. 

Welcher  von  beiden  Vorgängen  bei  der  Umwandlung  die 
Hauptrolle  spielt,  möchte  ich  dahin  beantworten,  dass  meiner 
Ansicht  nach  der  Organisation  der  Thromben  hier  die  grössere 
Bedeutung  beizumessen  ist.  Wenn  auch  die  Verdickung  der 
Kavernomwände  eine  nicht  unbedeutende  ist,  ja  oft  ganz  enorm 
erscheint,  so  scheint  es  mir  doch  gezwungen  anzunehmen, 
durch  die  Verdickung  der  Kavernomwände  allein  könne  es  zur 
Verödung  der  weiten,  grossen  Kavernomräume  kommen.  Die 
Wandverdickung  möchte  ich  lieber  als  die  primäre  Ursache  der 
1  hrombosierung  gelten  lassen,  als  dass  ich  sie  als  ausschliess¬ 
lichen  Grund  des  ganzen  Prozesses  ansprechen  möchte.  Ueber 
die  Unterscheidung  zwischen  der  Wandverdickung  und  den 
organisierten  thrombotischen  Stellen  möchte  ich  noch  be¬ 
merken,  dass  das  Bindegewebe  in  der  verdickten  Wandung 
resistenter  erscheint  als  in  den  organisierten  Stellen.  Hier 
sehen  wir  fast  immer  die  ganz  neu  gewucherten  feinen  ela¬ 
stischen  Fasern,  die  an  anderen  Orten  sich  nicht  vorfinden. 
Ausserdem  verlaufen  die  Bindegewebsfasern  in  der  Wand¬ 
verdickung  meist  parallel  und  regelmässig,  in  der  Organisation 
dagegen  wirr  und  unregelmässig.  Fibrinfärbung  kommt  in 
den  verdickten  Kavernomwänden  nie  vor. 

Zum  Schlüsse  ist  es  mir  eine  äusserst  angenehme  Pflicht, 
Heim  Prof.  Dr.  Dürck  für  die  gütige  Zuweisung  der  Arbeit 
nochmals  meinen  besten  Dank  auszusprechen. 

No.  40. 


Literatur: 

1.  Birch-Hirschfeld:  Lehrbuch  III.  Aufl.,  Bd.  II,  1.  —  2. 
Böttcher:  Umwandlung  kavernöser  Geschwülste  der  Leber  zu 
festen  narbigen  Knoten.  Virchows  Archiv  Bd.  28,  1863.  —  3.  D  ii  r  c  k: 
Atlas  und  Grundriss  der  allgemeinen  pathologischen  Histologie, 
München  1903.  —  4.  Kaufmann:  Lehrbuch  der  speziellen  patho¬ 
logischen  Anatomie,  III.  Auflage  1904.  —  5.  Klebs:  Handbuch  der 
pathologischen  Anatomie.  —  6.  Lücke:  Die  Kombinationen  der  ka¬ 
vernösen  Geschwülste  und  ihre  Umwandlung.  Virch.  Arch.,  Bd.  33, 
1865.  —  7.  Merkel:  Ueber  die  Umwandlung  der  Leberkavernome 
in  fibromatische  Knoten.  Zieglers  Beiträge  Bd.  36,  1904.  —  8.  O  r  th: 
Lehrbuch  der  speziellen  pathologischen  Anatomie  1887.  —  ^Schmie¬ 
den:  Ueber  den  Bau  und  die  Genese  der  Leberkavernome.  Virch. 
Arch.  Bd.  161,  1900.  —  10.  Vircho  w:  Die  krankhaften  Geschwülste. 
Bd.  III,  1862/63.  —  11.  Ziegler:  Allgemeine  Pathologie  12.  Aufl. 
1905.  —  12.  Derselbe:  Lehrbuch  der  speziellen  pathologischen 
Anatomie,  10.  Aufl.,  1902. 


Aus  dem  pathologischen  Institute  der  Kaiser-Wilhelms-Uni- 
versität  Strassburg  (Direktor:  Prof.  Chiari). 

Zystisches  Lymphangioendothelioma  papiliiferum  der 

Bauchwand. 

Von  Dr.  H.  Toyosumi  aus  Tokyo. 

Am  10.  Dezember  1906  wurde  dem  pathologischen  Institute  ein 
Tumor  der  vorderen  Bauchwand  einer  52  jährigen  Frau  von  Herrn 
Ur.  Schaller  in  Barr  i.  E.  übersandt.  Da  der  Tumor  sehr  inter¬ 
essante  histologische  Verhältnisse  und  gewisse  Schwierigkeiten  in  der 
Diagnose  bot,  möchte  ich  mir  gestatten,  denselben  hier  näher  zu  be¬ 
sprechen. 

Krankengeschichte:  Seit  2  Jahren  hatte  eine  blaue  Stelle, 
wie  eine  Krampfader,  in  der  Haut  der  linken  Hälfte  der  Regio  meso- 
gastrica  bestanden.  Seit  3  Monaten  hatte  sich  eine  walnussgrosse, 
schnell  wachsende  Geschwulst  in  der  Tiefe  unter  dem  blauen  Flecke 
in  den  Bauchdecken  gebildet.  Die  Haut  darüber  war  ganz  normal 
geblieben;  weder  Ulzeration,  noch  entzündliche  Erscheinungen  waren 
in  ihr  nachzuweisen.  Die  Operation  bestand  in  der  Exstirpation  der 
Geschwulst  samt  der  deckenden  Haut,  und  erwies  sich  die  Ge¬ 
schwulst  beim  Einschneiden  als  eine  vielfach  ausgebuchtete  Zyste 
mit  etwa  6  ccm  klarer,  seröser  Flüssigkeit  als  Inhalt.  In  der  Um¬ 
gebung  der  blauen  Stelle  waren  mehrere  kleine  Nävi  zu  sehen  ge¬ 
wesen.  Ein  Stück  Haut,  7  cm  zu  6,5  cm  messend,  wurde  samt  dem 
von  reichlichem  Unterhautfettgewebe  umgebenen  Tumor  dem  Institute 
übersandt. 

Das  Präparat  (Mus.  No.  3947)  wurde  zuerst  in  zwei  Hälften 
geteilt.  In  der  einen  etwas  grösseren  Hälfte  fanden  sich  in  der  Haut 
mehrere  kleine  Nävi.  Der  erwähnte  blaue  Fleck  war  etwa  1  qcm 
gross.  Er  hatte  keine  scharfe  Grenze  gegen  die  Umgebung  und  im¬ 
ponierte  an  dem  in  Formalin  übersandten  Präparate  nur  durch  eine 
leicht  graue  Farbe  und  eine  feine  Runzelung.  Auf  dem  Medianschnitte 
war  im  subkutanen  Fettgewebe  eine,  mit  dem  blauen  Flecke  zu¬ 
sammenhängende,  mit  mehreren  Ausbuchtungen  versehene  Zyste  von 
4  cm  Länge,  3  cm  Breite  und  2  cm  Höhe  wahrzunehmen,  die  stellen¬ 
weise  festere  Partien  in  ihrer  Wand  erkennen  liess,  da  und  dort 
weiche  papillare  Exkreszenzen  trug  und  eine  runzelige  Innenfläche 
zeigte.  Ihre  Wand  war  durchschnittlich  2  mm  dick.  Ich  schnitt  so¬ 
fort  eine  dünne  Gewebescheibe  von  einer  ziemlich  grossen  Partie  der 
Zystenwand  ab,  um  daran  die  vorläufige  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  an  üefrierschnitten  auszuführen.  In  diesen  konstatierte  ich 
vielenorts  an  der  Innenfläche  der  bindegewebigen  Zystenwand  ge¬ 
schichtetes,  in  seinen  Basalzellen  mitunter  deutlich  kubisches  Platten¬ 
epithel,  während  andere  Stellen  entweder  nur  einen  Beleg  von  ganz 
dünnen  endothelartigen  Zellen  oder  gar  keinen  Zellbelag  zeigten  und 
weiter  papillare  Exkreszenzen,  die  meist  von  demselben  geschichteten 
Epithel  wie  die  Zystenwand  überzogen  waren,  öfters  aber  auch  eines 
solchen  Ueberzuges  entbehrten.  Dabei  war  ich  nicht  im  Stande,  den 
Ausgangspunkt  der  Zyste  genauer  zu  bestimmen.  Es  wurde  zuerst 
an  eine  Urachuszyste  gedacht.  Nachdem  aber  Herr  Dr.  Schaller 
nachträglich  mitteilte,  dass  die  Geschwulst  genau  in  der  linken  Mam- 
millarlinie,  unterhalb  des  linken  Rippenbogens  gelegen  gewesen  war, 
musste  diese  Idee  fallen  gelassen  werden,  und  trat  der  Gedanke  an 
eine' Geschwulst  aus  einer  überzähligen  Mamma  hervor,  wobei  der 
„blaue  Fleck“  einer  Mammilla  hätte  entsprechen  können.  Auch  diese 
Meinung  erwies  sich  aber  bei  der  weiteren  Untersuchung  als  unhalt¬ 
bar. 

Nach  Härtung  in  aufsteigendem  Alkohol  wurde  die  eine  grössere 
Hälfte  des  Tumors,  die  die  Nävi  enthielt,  in  Zelloidin  eingebettet  und, 
um  eine  möglichst  genaue  Untersuchung  zu  erzielen,  in  Serien  ge¬ 
schnitten.  Die  Schnitte  wurden  teils  mit  Hämatoxylin-Eosin,  teils 
nach  van  G  i  e  s  o  n  gefärbt.  Der  Tumor  stellte  im  grossen  und  gan¬ 
zen  ein  mit  zahlreichen  Buchten  versehenes  Kystom  mit  festeren 
Partien  dar.  Die  festeren  Partien  bestanden  aus  einem  netz¬ 
artig  verzweigten  Gerüste  von  derbem  Bindegewebe,  das  maschen¬ 
förmige  Fächer  abgrenzte,  welch  letztere  mit  anscheinend  epithe¬ 
lialen,  teils  flachen,  teils  mehr  kubischen,  ziemlich  grossen  Zellen  aus¬ 
gefüllt  waren.  Die  Züge  des  bindegewebigen  Gerüstes  verliefen  da¬ 
bei  teils  gerade,  teils  waren  sie  wellenförmig  gekrümmt.  Die  Be- 

3 


1986 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


scharienheit  der  Bindegewebsfibrillen  war  teils  eine  normale,  teils 
zeigten  manche  Bezirke  ein  homogenes  Aussehen,  das  auf  eine  hya¬ 
line  Degeneration  derselben  schliessen  Hess.  Ferner  fand  sich  auch 
deutlich  myxomatöse  Umwandlung  einzelner  Abschnitte  des  Stromas. 
Die  die  Maschenräume  des  Stromas  ausfüllenden  Zellen  waren  gröss¬ 
tenteils  ziemlich  grosse,  protoplasmareiche,  einkernige,  teils  kubische, 
teils  flache,  teils  polygonale  epithelial  aussehende  Gebilde.  Sie  be- 
sassen  meist  nur  einen  runden  oder  ovalen,  schwach  tingierbaren 
Kern  und  enthielten  spärliche  Mitosen.  Daneben  fanden  sich  in  ge¬ 
ringer  Menge  grosse  mehnkernige,  als  Riesenzellen  anzusprechende 
Zellen.  Alle  Zellen  lagen  dicht  aneinander,  sich  gegenseitig  abplat¬ 
tend,  ohne  Spur  von  Zwischensubstanz.  Blut-  oder  Lymphkapillaren 
waren  innerhalb  ihres  Verbandes  nicht  zu  sehen.  Regressive  Ver¬ 
änderungen  und  namentlich  eine  Verhornung  Hessen  sich  in  den  Zellen 
hier  nicht  feststellen.  Manche  Zellen  zeigten  in  ihrem  Protoplasma 
bräunlichgelbe  Pigmentkörnchen,  welche  bei  spezifischer  Färbung 
die  Berlinerblaureaktion  auf  Eisen  gaben.  Die  dem  bindegewebigen 
Stroma  unmittelbar  aufliegenden  Zellen  wurden  von  dem  Stroma  oft 
durch  spaltförmige  Lücken  getrennt,  durch  welche  feinste  briicken- 
förmige  Fäserchen  von,  respektive  zu  ihnen  verliefen. 

In  den  weicheren  Partien  der  Geschwulst  zeigten  sich  in 
einem  zellreichen  Bindegewebsstroma  Lücken  mit  abgestossenen,  de¬ 
generierten,  aufgequollenen,  grösseren  Zellen  nebst  mononukleären 
Leukozyten  gefüllt.  Die  Wand  der  Lücken  war  immer  mit  epithelialen 
Zellen  bekleidet,  die  meist  kubische  Gestalt  besassen  und  ab  und  zu 
gequollen  wie  vakuolisiert  aussahen.  An  Serienschnitten  war  zu 
erkennen,  dass  die  Lücken  oft  miteinander  in  Verbindung  standen 
und  dass  sie  ferner  auch  mit  den  Ausbuchtungen  des  grossen  Zysten¬ 
raumes  der  Geschwulst,  die  schon  makroskopisch  zu  erkennen  ge¬ 
wesen  waren,  kommunizierten,  sowie  dass  ihr  Stroma  zu  den  oben¬ 
erwähnten  Papillen  ausgewachsen  war.  Rote  Blutkörperchen  waren 
in  diesem  Hohlraumsystem  nie  vorhanden.  Die  grösseren  Hohlräume 
enbehrten  meist  gänzlich  eines  Zellenbelages.  Ein  Zusammenhang 
der  Geschwulst  mit  der  Epidermis  oder  anderen  in  der  Haut  vor¬ 
kommenden  epithelialen  Gebilden  (Haarbälge,  Talg-  und  Schweiss- 
driisen)  war  nirgends  nachweisbar.  Ebenso  fand  sich  nirgends  ein 
Gewebe,  das  man  als  Reste  einer  Nebenmamma  betrachten  konnte. 
Dem  „blauen  Flecke“  entsprechend  zeigte  sich  Ausdehnung  von  Blut¬ 
gefässen  in  der  Kutis  und  Subkutis.  Die  kleinen  Nävi  boten  den  ge¬ 
wöhnlichen  histologischen  Bau  dieser  Gebilde. 

Als  was  war  nun  diese  Geschwulst  zu  deuten?  Eigentliche 
Epithelien  waren  die  Zellen  der  Geschwulst  sicher  nicht,  so 
sehr  sie  auch  daran  erinnerten.  Es  wies  vielmehr  alles  darauf 
hin,  dass  es  sich  hier  um  gewucherte  Endothelien  und  zwar 
Lymphendothelien  handelte.  Dafür  sprachen  der  stellenweise 
Uebergang  der  epitheloiden  Zellen  in  ganz  zarte,  dünne,  als 
Endothelien  anzusprechende  Belagzellen  der  Hohlräume,  der 
da  und  dort  wahrzunehmende  Zusammenhang  der  Geschwulst¬ 
zellen  mit  den  Stromabalken  und  die  Neigung  zur  Bildung  von 
Riesenzellen.  Das  Primäre  war  wahrscheinlich  eine  um¬ 
schriebene  Dilatation  der  Lymphgefässe  gewesen.  Stellen¬ 
weise  begannen  dann  die  Endothelien  dieser  Lymphgefässe 
intensiv  zu  wuchern,  und  sich  in  grössere  teils  kubische,  teils 
platte  epitheloide  Zellen  zu  transformieren.  So  entstanden  die 
festeren  Partien  der  Geschwulst,  welche  einen  einem  Karzinom 
sehr  ähnlichen  Bau  zeigten.  Aus  anderen  dilatierten  Lymph- 
gefässen  entwickelten  sich  die  genannten  Hohlräume,  resp. 
der  mit  zahlreichen  Ausbuchtungen  versehene  grössere  Zysten¬ 
raum  und  ging  hier  das  Endothel  zum  Teil  ganz  verloren. 
Stellenweise  wuchsen  endlich  auch  in  die  Hohlräume  hinein 
papillare  Exkreszenzen  des  Stromas,  die  zum  Teil  gleichfalls 
von  ‘Stark  proliferierenden  Endothelien  bekleidet  waren,  zum 
Teil  desselben  vollkommen  entbehrten.  Ich  stellte  daher  die 
Diagnose  auf  zystisches  Lymphangioendothe- 
liomapapilliferum.  Der  Reihenfolge  nach  dürfte  es  sich 
dabei  gehandelt  haben  um:  Lymphangiom,  Lymphangioendo- 
theliom,  zystisches  Lymphangioendotheliom  mit  papillären 
Exkreszenzen. 

Das  zystische  Lymphangioendotheliom  nimmt  eine  Zwi¬ 
schenstellung  ein  zwischen  den  reinen  kavernösen  Lymph¬ 
angiomen  und  den  soliden  Lymphangioendotheliomen  und 
glaubte  ich,  das  Interesse  meines  Falles  eben  darin  zu  finden, 
dass  hier  stellenweise  der  Typus  des  reinen  Lymphangioms 
und  stellenweise  der  des  soliden  Lymphangioendothelioms  in 
Erscheinung  trat.  Ob  das  in  den  Endothelien  nachgewiesene 
Eisenpigment  den  Beginn  einer  Melanose  der  Geschwulst  dar¬ 
stellte,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Diese  Art  von  Tumoren  ist  schon  mehrmals  gesehen 
worden,  stellt  aber  trotzdem  eine  Seltenheit  dar,  und  bietet 
hohes  Interesse  in  der  Frage  der  "Genese  epitheloider  Ge¬ 
schwülste. 


Ich  will  mich  darauf  beschränken,  hier  nur  einige  Autoren 
anzuführen,  die  sich  um  die  Kenntnis  dieser  Tumorart  be¬ 
sonderes  Verdienst  erworben  haben. 

So  schreibt  Borst  bei  den  Lymphangioendotheliomen: 
„Erweitern  sich  die  lymphatischen  Räume,  welche  der  Sitz  der  endo¬ 
thelialen  Wucherung  sind,  in  mannigfaltigster  Weise,  dann  kann  die 
Geschwulst  stellenweise  ein  kavernöses  oder  sogar  zystisches  Aus¬ 
sehen  gewinnen.  Man  erinnert  sich  hier  der  Bilder,  die  man  von 
kavernösen  und  zystischen  Lymphangiomen  her  kennt;  in  der  Tat 
kann  man  ein  Lymphangioendotheliom  an  und  für  sich  als  eine  beson¬ 
dere  Art  des  Lymphangioms  auffassen,  bei  welchem  der  endotheliale 
Belag  der  massenhaft  neugebildeten  Lymphräume  seinerseits  erheb¬ 
lichen  Anteil  an  der  autonomen  Neoplasie  nimmt.  Es  ist  überhaupt 
interessant,  auf  die  vielen  Analogien  hinzuweisen,  die  zwischen  den 
Lymphangiomen  und  den  Endothelien  der  Lymphgefässe  bestehen.“ 
Und  schliesslich  gibt  er  an,  dass  er  einmal  die  Gelegenheit  gehabt 
hatte,  ein  subkutanes  papilläres  Lymphangioendotheliom  aus  der 
Nackengegend  zu  untersuchen,  welches  im  wesentlichen  alveolären 
Bau  zeigte  und  hauptsächlich  dreierlei  Produkte  lieferte,  d.  h.  einmal 
mehr  diffus  verbreitete  zeitige  Wucherungen  in  den  Saftspalten  der 
betreffenden  Oertlichkeit,  dann  solide  Massen  mit  netzförmiger  Struk¬ 
tur,  grössere  Alveolen  des  Stützgerüstes  erfüllend,  und  endlich 
zystöse  Bildungen  mit  papillärer  Proliferation  des  Bindegewebes  der 
Wandung  der  Zyste. 

In  den  Fällen  von  Endotheliomen  der  Haut,  die  Braun  operiert 
hat,  fanden  sich  auch  ziemlich  grosse  Zysten,  die  zum  Teil  eine 
hyaline  Substanz  enthielten,  zum  Teil  aber  auch  mit  Blut  gefüllt 
waren. 

Morpurgo  publizierte  einen  Fall  von  Hautendotheliom,  wel¬ 
ches  in  der  Trochantergegend  unter  der  Haut  lag  und  dessen  genaue 
Untersuchung  ein  Endotheliom  erkennen  Hess,  das  seinen  Ausgangs¬ 
punkt  von  den  Lymphgefässen  der  Subkutis  und  des  kutanen  Binde¬ 
gewebes  genommen  hatte,  und  in  dem  sich  infolge  einer  Aufquellung 
und  hyalinen  Metamorphose  der  bindegewebigen  Grundsubstanz 
mehrere  Zystchen  gebildet  hatten. 

Zusjemsky  berichtete  vor  kurzem  über  ein  Cystendothelioma 
faciei,  welches  durch  Wucherung  der  Endothelien  der  Lymphspalten 
entstanden  war,  karzinom-  und  sarkomähnliche  Stränge  bildete  und 
aus  den  Spalten  entstandene  Zystchen  enthielt. 

Ewetzky  schreibt:  „Im  Zentrum  der  Geschwulst  scheint  die 
Zelltätigkeit  fast  vollständig  erloschen,  es  treten  mehr  Degenerations¬ 
vorgänge  in  den  Vordergrund,  die  sich  durch  Aufquellung  des  binde¬ 
gewebigen  Stützgerüstes  mit  gleichzeitiger  hyaliner  Degeneration, 
endlich  durch  Verflüssigung  und  Zugrundegehen  aller  Geschwulstele¬ 
mente  (Zystenbildung  im  Innern  des  Tumors)  manifestieren.“ 

Kromayer,  Mulert,  Tanaka  und  H  a  s  1  u  n  d  haben  eben¬ 
falls  Fälle  von  Hautendotheliom  mit  Zystenbildung  publiziert.  Schliess¬ 
lich  möchte  ich  hinzufügen,  dass  ein  von  Marchand  als  Endothel¬ 
geschwulst  beschriebener  zystisch  papillärer  Tumor  des  Ovariums 
eine  sehr  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  von  mir  untersuchten  Ge¬ 
schwulst  besass,  wie  dies  aus  den  Abbildungen  der  Arbeit  ersicht¬ 
lich  ist. 

Literatur. 

Borst:  Geschwulstlehre,  1902.  —  Braun:  Archiv  f.  klin. 
Chir.,  Bd.  43,  1892.  —  Ewetzky:  Virchows  Archiv,  Bd.  69,  1877.  — 
Haslund:  Archiv  f.  Dermatol,  u.  Syphilis,  Bd.  82,  1906.  —  Kro¬ 
mayer:  Virchows  Archiv,  Bd.  139,  1895.  —  Marchand:  Habili- 
tationsschr.,  Halle  1879.  —  Morpurgo:  Zeitschr.  f.  Heilkunde, 
Bd.  15,  1896.  —  Mulert:  Archiv  f.  klin.  Chir.,  Bd.  54,  1897.  — 
Tanaka:  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  51,  1899.  —  Zusjemsky: 
Casopis  lek  cesk  1906,  No.  1 — 3. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  zu  Lübeck  (Oberarzt  Dr.  R  o  t  h).  UJ 

Abnorme  Mesenterialverhältnisse  inkarzerierter  Hernien. 
Ein  Fall  von  Kombinationsileus. 

Von  Dr.  Oskar  Klauber,  Sekundärarzt. 

Anlässlich  der  Veröffentlichung  eines  Falles  von  Gangrän 
bei  retrograder  Darminkarzeration  *)  hatte  ich  Gelegenheit  ge¬ 
nommen,  auf  die  Bedeutung  hinzuweisen,  welche  die  ana¬ 
tomischen  Verhältnisse  des  zugehörigen  Mesen¬ 
teriums  für  die  Einklemmung,  bezw.  für  den  Eintritt  von 
Gangrän  der  Darmschlinge  besitzen.  Dort  war  eine  ab¬ 
norme  Länge  des  Mesenteriums  notwendig,  ja  vielleicht 
begünstigend  gewesen,  dass  trotz  der  in  der  linken  Bauchhälfte 
hoch  oben  erfolgenden  Insertion  der  Radix  mesenterii  noch 
ein  zweimaliges  Passieren  der  Bruchpforte  durch  eine  Darm- 


1)  0.  Klauber:  Zwei  Dünndarmschlingen  im  eingeklemmten 
Bruch.  Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  1906,  No.  4,  Seite  145. 
Und:  Die  Gangrän  der  retrograd  inkarzerierten  Darmschlinge.  Zen- 
tralbl.  f.  Chir.  1907,  No.  35,  Seite  1027. 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1987 


schlinge  zustande  kam.  Seither  war  ich  wierderholt  in  der  Lage, 
auch  bei  einfachen  Fällen  von  Brucheinklemmung  zu  sehen, 
welchen  Einfluss  die  anatomischen  Verhältnisse  des  Mesen¬ 
teriums  mitunter  gewinnen  können.  '  .  . .  , 

Als  ich  am  29.  April  1906  eine  seit  24  Stunden  eingeklemmte 
Schenkelhernie  zu  operieren  hatte,  welche  wegen  sehr  straffei  l<ing- 
einklemmung  leicht  gangränverdächtig  erschien,  fiel  es  mir  zum 
ersten  Male  auf,  dass  die  vorgefallene  Dünndarmschlinge  auch  nach 
Spaltung  aller  beengenden  Bruchhüllen  nicht  vorziehbar  war. 
her  in  die  Bauchhöhle  eingeführte  Finger  fühlte,  dass  bei  vorge¬ 
lagerter  Schlinge  das  zugehörige  Mesenterium  straft  ge¬ 
spannt  (auch  einmal  um  180°  um  seine  Achse  gedreht)  war:  aus 
'der  Bauchhöhle  floss  viel  klares  Bruchwasser.  Die  Schlinge  erholte 
sich  unter  feuchtwarmer  Einpackung  und  konnte  repomert  werden. 

Ich  war  mir  damals  bewusst,  im  Falle  der  Notwendigkeit  einer  Darm- 
resektion  diese  nicht  von  der  Bruchpforte  aus  vornehmen  zu  können. 

Schon  nach  3  Wochen  stand  ich  bei  einem  ähnlichen  balle  vor 
dieser  Schwierigkeit.  Hier  bestand  die  Imkarzeration  des  rechts¬ 
seitigen  Kruralbruches  bereits  2  Tage  und  die  63  jährige  I  atientin 
hatte  schon  Kotbrechen;  doch  waren  die  Därme  weder  gebläht,  noc 
zeigten  sie  Darmsteifung,  Winde  gingen  ab.  Dagegen  klagte  die 
Frau  über  Schmerzen  in  der  Tiefe  des  Bauches,  etwa  m  Nabelhohe 
•ruch  dann  wenn  an  der  auffallend  weichen,  nicht  schmerzhatten 
Bruchgeschwulst  gedrückt  oder  gezogen  wurde  Bei  der  Operation 
(in  medullärer  Stovainanästhesie)  erwies  sich  die  Inkarzeration  als 
schlaff,  das  6  cm  lange  eingeklemmte  Darmstück  nach  seinem  Aus¬ 
sehen  aber  kaum  lebensfähig  und  die  Resektion  indiziert.  Jedoch  die 
Schlinge  war  nicht  einmal  um  Vz  cm  au«  der  Bruchpfortehervor- 
/  u  z  ie  h  e  n  trotzdem  der  Finger  neben  derselben  frei  in  die  Bauch¬ 
höhle  eingeführt  werden  konnte.  Innen  fühlte  man  fas  zugehörige 
Mesenterium  straff  gespannt  gegen  die  1 1  n  k  e  Bauch¬ 
hälfte  ziehen.  Daher  sofort  kleine  subumbihkale  medmne  Laparo- 
tomie  Vorziehen  der  inkarzeriert  gewesenen  Schlinge  furch  diese 
Oeffnüng-  Das  kurze,  an  der  Wirbelsäule  entspringende  Mesenterium 
ohne  sichtbare  Qefässveränderungen,  aber  verdickt  un^  °deiJiatgS^JJ 
der  Bauchhöhle  sehr  viel  seröse,  klare  Flüssigkeit.  Entleerung  u 
Resektion  des  Darmes  unter  seitlicher  Anastomosierung  der  Stumpfe. 

Eine  zufällig  in  der  rechten  unteren  Bauchhöhle  gelegene 
hohe  Dünndarmschlinge  (mittleres  Jejunum)  war  durch  die 
Bauchpresse  in  den  rechten  Schenkelkanal  gedrängt  und 
dort  mit  ihrer  Kuppe  festgehalten  worden .  (elastische  .Ein¬ 
klemmung)  Nach  den  gegebenen  anatomischen  Verhältnissen 
musste  in  der  fixierten  Lage  das  zu  der  Schlinge  gehörige 
Mesenterium  gespannt  werden,  dies  erzeugte  die 
konstanten  Schmerzen  in  der  Nabelgegend,  bedingt  durch  den 
Zug  an  der  Insertion  der  Radix  mesentern.  Es  entwickelten 
sich  nun  die  Symptome  der  Brucheinklemmung;  Die >  Stauu  g 
in  der  Darmpassage,  welche  bei  dem  hohen  Sitze  rasch  zui 
Kotbrechen  führte.  Trotzdem  war  der  D^rmversch  uss  k  e 

vollständiger,  wie  die  anatomischen  Verhältnisse  am 

Bruchringe,  die  Durchgängigkeit  des  Darmes  für  Gase  und  die 
relativ  geringe  Füllung  des  zuführenden  und  eingeklemmten 
Darmes  sowie  die  nachgewiesene  Entleerungsmoghchkeit  des 
letzteren  v  o  r  Spaltung  des  eingeklemmten  .Ringe s  zeig jten. 
Trotz  eingetretener  Gangrän  vermochte  die  kräftige  Pensta 
des  auffälliger  Weise  wenig  geschädigten  ^Darmes 

noch  das  kurze,  aus  seiner  Inkarzeration  geloste  Darmstuck 

ZUm  In 'dem  angespannten,  zur  Bruchpforte  weit  hinziehenden 
Mesenterialzipfel  war  die  B T  u  t  z  i  r  k  u  1  1  d 

Spannung,  vielleicht  auch  durch  geringe  Drehungen  und 
Knickungen  erheblich  beeinträchtigt.  Nun  war  an  der  distalsten 
Partie  noch  die  konstringiernde  Bruchpforte  zu  passieren,  hie 
genügte  jetzt  schon  eine  geringe  Kompression,  um  an  dem 
vorgefallenen  Darmstücke  derartige  Zirkulationshemmungen 
zu  bewirken,  dass  rasch  irreparable  Ernährungsstörungen  he  - 
beigeführt  wurden.  Während  das  in  der war 
laufende  Mesenterium  ein  hochgradiges  Oedem  aufwies  wa 
die  den  Bruchinhalt  bildende  Darmpartie  bereits 
Bei  der  Kürze  des  eingeklemmten  Darmes  fehlten  erheblich 
im  Bruche  gelegene  Mesenterialabschnitte  mit  entsprechen 
weiter  vorgeschrittenen  Ernährungsstörungen.  .  .. 

Nehmen  wir  in  Gedanken  an,  anstatt  des  sdtenen  Zufa  , 
der  hohen  Dünndarmschlinge,  wäre  im  Momente  her  mtr 
abdominellen  Druckerhöhung  eine  tiefere  Schlinge  der U™ 
pforte  gegenüber  gelegen,  dann  wäre  es  schon 

herein  nicht  so  leicht  zur  Inkarzeration  gekommen  A« 

der  spitzwinkelig  geknickten  Kuppe  der  hohen  Schlinge  die  s  c 
wie  ein  Keil  in  den  Bruchkanal  eingeschoben i  hat,  wäre  Her  e 
mehr  gerade  gestreckte  Darmpartie  der  Bruchpforte  gege 


über  gelegen  und  es  hätte  auch  im  Falle  der  Einklemmung  d  e  r 
elastische  Zug  in  der  Achse  des  gespannten 
Mesenteriums  gefehlt,  der  seinerseits  die  Inkarzeration 
steigernd  rasch  den  Ablauf  der  Phasen  der  Brucheinklemmung 
einleitete'  und  ohne  kausale  Mitbeteiligung  des  Darminhaltes 
die  Wandgangrän  hervorbrachte,  welche  weder  die  mässige 
elastische  Einklemmung,  noch  die  sonst  immer  nebenher¬ 
gehende  Koteinklemmung  für  sich  allein  hatten  bewirken 

können.  ,  ,  ,  ,  T 

Eine  praktische  Bedeutung  erhalten  solche  Falle  von  In¬ 
karzeration  dann,  wenn  sich  eine  Darmresektion  als  notwendig 
erweist  welche  von  der  Herniotomiewunde  aus  absolut  unaus¬ 
führbar' ist.  Gehört  auch  die  Erweiterung  der  Herniotomie  zu 
einer  sogen.  Herniolaparotomie  aus  den  verschiedensten 
Gründen  keineswegs  zu  den  seltenen  Vorkommnissen,  so  ist  in 
solchen  Fällen,  wo  die  inkarzerierte  Darmschhnge  vielleicht 
aus  dem  oberen  Teile  der  anderen  Bauchhai  te  kommt,  selbst 
mit  einer  ausgedehnten  Verlängerung  des  Schnittes  durch  das 
Poupartsche  Band  hindurch  nach  oben  wenig  gewonnen, 
da  eine  solche  Schlinge  nur  um  die  gleiche  Strecke  zugäng¬ 
licher  als  der  Schnitt  verlängert  wird.  Da  schafft  eine  kleine 
mediane  Laparotomie  unvergleichlich  mehr  Platz,  ohne  die 
Bauchdecken  so  ungünstig  zu  verletzen,  und  bildet  den  schonen- 
deren  Eingriff.  Heutzutage,  da  wir  wissen,  dass  sich  Hernio¬ 
tomie  und  Laparotomie  als  beide  die  Peritonealhohle  eröffnende 
Operationen  in  ihrer  Gefährlichkeit  nicht  unterscheiden  wird 
kein  Operateur  im  Falle  der  Notwendigkeit  nur  einen  Augen¬ 
blick  vor  der  nochmaligen  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zögern. 

Auffällig  war  mir  bei  dieser  Operation  —  trotz  bestehenden 
guter  Lumbalanästhesie,  welche  noch  zuletzt  die  schmerz! lose  Ba u< c  - 
deckennaht  erlaubte  — die  bei  Darmresektionen  unter 
scher  Infiltrationsanästhesie  niemals  beobachtete  enorme  Schmerz¬ 
empfindlichkeit  des  (nicht  mehr  gespannten)  Mesenteriums,  welches 
nach  den  Len n ander  sehen  Untersuchungen  anästhetisch  sein  soll.  Es 
wäre  einerseits  denkbar,  dass  die  Lumbalanästhesie  ausserhalb  der 
Grenze  ihrer  Wirksamkeit  die  Schmerzempfindlichkeit  gerade  steigert, 
oder  aber  hatte  der  pathologische  Zustand  des  lange  gespannt  ge¬ 
wesenen  ödematös  durchtränkten  Mesenterialzipfels  Bedingungen  für 
dne  erhöhte  SchmerzemofindlicWkeit  geschaffen.  Ueber  diese  in¬ 
teressanten  Verhältnisse  können  erst  weitere  Beobachtungen  an 
lumbalanästhesierten  Personen  Aufschluss  geben. 

Dass  die  Einklemmung  von  Darmschlingen  derart,  dass  im 
inkarzerierten  Stadium  das  zugehörige  Mesenterium  ange- 
spannt  ist,  nicht  so  selten  vorkommt,  iehrten  mich  neuer  liehe 
Beobachtungen  vom  4.  Februar  und  vom  15  Febraar  1907 
beides  nicht  straff  inkarzerierte  Kruralbruche,  welche  nac 

Herniotomie  reponiert  werden  konnten.  Bemale „chhälfte 
die  Schlingen,  welche  gegen  die  andersseitige  Bauchhalfte 
hinaufzogen,  kaum  einige  Millimeter  weit  vor  die  Bruchpforte 
vorgezogen  werden.  Obwohl  heute  die  Inspizierung  der  Darm¬ 
partien  abdominal  von  den  Inkarzerationsringen  zur  Reg  g 
hört  die  Unmöglichkeit,  die  Darmschlingen  vorzuziehen,  also 
sofort  auffallen  muss,  ebenso  die  Schwierigkeiten  im  Falle  dei 
Notwendigkeit  einer  Resektion  dann  stets  in  Erschemung  trete 
müssen,  habe  ich  doch  in  der  mir  zugänglichen  Literatur  hier¬ 
über  nirgends  Andeutungen  vorgefunden.  . 

Beachtenswert  ist  auch,  dass  bei  solchen  Brüchen  mit  ge¬ 
spanntem  Mesenterium  während  der  Zeit,  welche  sie  event  b  - 
hufs  Erholung  vorgelagert  werden,  eine  solche  nicht  ein- 
treten  will,  weil  die  ungünstigen  Zirkulationsverhältnisse  in¬ 
folge  der  Spannung  des  Mesenteriums  fortbestehen,  wahrend 
die  Schlinge  nach  der  Reposition  in  die  Bauchhöhle  sofort  nor- 
males  Aussehen  annimmt,  wie  ich  mich  durch  mehrmaliges 

Vorziehen  überzeugen  konnte.  :  Rn,rheinklem- 

Im  Leistenkanal  begegnete  ich  der  Brucheinkiem 

mung  unter  Anspannung  des  Mesenteriums  erst  einmäl,  auc 
hier  unter  den  Erscheinungen  des  inkompletten  Dan 
Verschlusses.  Der  Fall  zeigte  so  viel  des  Interessanten,  dass 

ich  ihn  ausführlicher  beschreiben  will. 

Der  48  jährige  Mann  wurde  am  17.  März  1907  mit  der  ärztlichen 

SSSSSSs 

Icht"  mehr6'  ÄÄ*  Mute  bmer|allto  FlSigkeit^Dt 


1988 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


sichtszüge  nicht  verfallen.  Puls  sehr  schwach  (110),  Temperatur 
normal.  Das  Abdomen  bedeutend  aufgetrieben,  die  Bauchdecken 
passiv  gedehnt.  Doch  erscheinen  die  beiden  Planken  bis  hinab  zu 
den  Darmbeingruben  stärker  vorgewölbt,  ebenso  springt  die  Ober¬ 
bauchgegend  querwulstig  mehr  hervor.  Der  Druck  auf  die  Bauch¬ 
decken  ist  nicht  merklich  schmerzhaft.  Die  unteren  Lungengrenzen 
sind  um  zwei  Rippenräume  höher  gedrängt,  die  Leberdämpfung  ver¬ 
schwunden.  Im  Epigastrium  und  in  beiden  Flanken  weit  nach  hinten 
reichend  meteoristischer  Schall;  keine  Dämpfungen.  Rechts  ein  seit 
vielen  Jahren  —  ohne  Beschwerden  —  bestehender  Leistenbruch, 
welcher  zur  Zeit  nicht  schmerzhaft  ist.  Der  Bruch  schmal,  lang¬ 
gestreckt,  weich,  verschieblich,  doch  ikann  man  ihn  nicht  dauernd 
in  die  Bauchhöhle  reponieren  (?  wegen  des  Meteorismus).  Rektal¬ 
befund  normal,  die  Vorderwand  der  Ampulle  ins  Lumen  vorgewölbt. 

Nach  Obigem  musste  die  Diagnose  auf  einen  chroni¬ 
schen  Ileus  infolge  tiefsitzender  Dickdarmstenose  gestellt 
werden  und  war  ein  Flexurkarzinom  wahrscheinlich.  Wegen 
der  drohenden  Perforationsgefahr  wurde  sofort  (in  Sauerstoff¬ 
chloroformnarkose)  operiert. 

Kolostom ieschnitt  links.  In  der  Bauchhöhle  viel  klare, 
seröse  Flüssigkeit.  Es  stellt  sich  eine  geblähte,  injizierte  Dünndarm¬ 
schlinge  ein,  die  Flexur  ist  leer,  der  Dickdarm,  soweit  tastbar,  ohne 
Besonderheiten.  In  der  Bauchhöhle  neben  kollabierten  Dünndarm¬ 
schlingen  stark  geblähte,  von  welchen  die  dickste  in  die  rechte  Unter¬ 
bauchgegend  gegen  eine  abnorme,  nach  auswärts  konkave  Höhlung 
zieht  und  dort  fixiert  ist. 

Daher  explorativer  Bruchschnitt  rechts:  Freilegen  des 
Bruchsackes;  an  dessen  Kuppe  etwas  sulziges  Oedem.  An  dem  wal¬ 
nussgrossen  Bruchsack  die  Darmschlinge  mässig  fest  haftend  an  der 
Kuppe  angewachsen.  Die  Schlinge  ist  im  Hals  nur  durch  den 
peritonealen  Ring  fixiert  und  unverschieblich,  aber  nicht  erheblich 
geklemmt.  Nach  Spaltung  dieses  Ringes  erscheint  der  Darm  überall 
normal  gefärbt,  gefüllt  und  Peristaltik  zeigend.  Die  Schlinge  ist 
nur  wenig  vor  zieh  bar,  in  der  fixierten  Lage  stand  das  Me¬ 
senterium  schon  unter  Spannung.  Reposition  der  Schlinge  und  Drai¬ 
nage  der  Bruchpforte. 

Jetzt  ist  von  der  Laparotomiewunde  aüs  der  gespannte  Me¬ 
senterialzipfel  nicht  mehr  zu  tasten.  Es  wird  eine  von  den  enorm 
geblähten,  armdicken  Dünndarmschlingen  hervorgezogen  und  punk¬ 
tiert  —  ohne  viel  Erfolg.  Deshalb  wird  die  Kuppe  der  Schlinge  in 
die  Bauchwunde  eingenäht  und  zur  Enterostomie  ein  notizbleidickes 
Gummirohr  eingebunden.  Durch  dieses  entleerten  sich  rasch  grosse 
Mengen  von  Gas  und  dünnem  Stuhl,  nachts  erfolgten  spontan  zwei 
ausgiebige  Stuhlentleerungen  per  vias  naturales  und  der  Leib  kolla¬ 
bierte.  Ungestörter  weiterer  Verlauf.  Die  sehr  hochliegende  Darm¬ 
fistel  schloss  sich  nicht  spontan;  ein  Versuch  der  extraperitonealen 
Naht  nach  M  a  1  g  a  i  g  n  e  in  der  5.  Woche  misslang,  so  dass  ich 
schliesslich  in  der  8.  Woche  das  die  Fistel  tragende  Darmstücik  rese¬ 
zieren  musste;  Heilung. 

Hier  hatte  die  Symptomatologie  völlig  irregeführt:  Die  tief¬ 
sitzende  Dickdarmstenose  war  in  charakteristischer  Weise 
durch  geblähte  Dünndarmschlingen  vorgetäuscht  worden.  Die 
Hernie  war  irreponibel,  aber  an  dieser  Stelle  bestand  kein  völ¬ 
liger  Darmverschluss.  Vielmehr  kam  zu  der  inkom¬ 
pletten  Stenose  am  Bruche  noch  eine  zweite 
in  der  Bauchhöhle.  Hier  hatten  die  Mesenterialblätter 
des  irreponiblen  Darmes,  welche  ich  schon  vor  der  Hernio- 
tomie  straff  gespannt  durch  die  Bauchhöhle  zur  Bruchpforte 
hinziehen  und  die  mediale  Begrenzung  eines  tiefen  Rezessus 
bilden  fühlte,  Anlass  zu  einer  zweiten  Stenosierung  des  Darmes 
gegeben,  wahrscheinlich  dadurch,  dass  eine  leere  Darmschlinge 
sich  in  den  Rezessus  gelegt  hatte,  bei  Eintritt  der  Kotstauung 
sich  anfüllte  und  aus  dem  Rezessus  nicht  mehr  herausgelangen 
konnte,  so  dass  sie  dort  (relativ)  stenosiert  wurde.  Beide  in¬ 
kompletten  Stenosen  vereinigten  sich  zusammen  zu  einer  Art 
Kombinationsileus. 

Der  Begriff  des  Kombinationsileus  wurde  im  Jahre  1897 
von  Hochenegg-)  eingeführt  und  hiermit  aus  den  verschie¬ 
denen  Formen  von  Ileus,  bedingt  durch  zwei  verschiedene  Ur¬ 
sachen,  ein  ganz  bestimmtes  Krankheitsbild  herausgegriffen, 
welches  durch  Kombination  einer  chronischen  Dickdarmstenose 
mit  einer  akuten  Dünndarmverengung  entsteht  und  sich  in  zwei 
Phasen  abspielt,  deren  erste  als  Dickdarmobturation,  die 
zweite  aber  als  Dünndarmstrangulation  in  Erscheinung  tritt. 
In  der  dem  Vortrage  folgenden  Diskussion  3)  wurden  die  An¬ 
schauungen  Hocheneggs  vielfach  bekämpft  und  dieser  er¬ 
klärte  zum  Schlüsse,  den  Namen  gegebenenfalls  fallen  zu 
lassen. 


2)  Hochenegg:  Ueber  eine  neue  Form  des  Ileus  (Kombi¬ 
nationsileus).  Wiener  klin.  Wochenschr.  1897,  No.  51,  Seite  1117. 


Ich  möchte  denselben  —  ohne  auf  die  gleichen  Wider¬ 
sprüche  zu  stossen  —  aufnehmen  in  einer  Deutung,  welcher 
die  Hochenegg  sehen  Fälle  ebenfalls  entsprechen  und  die 
sich  auf  gewisse  Verhältnisse  bezieht,  welche  uns  in  der  Darm¬ 
pathologie  nicht  selten  begegnen.  Nicht  ein  zufälliges,  gleich¬ 
zeitiges  Vorhandensein  zweier  Darmverlegungen  (wie  z.  B.  von 
multiplen  tuberkulösen  Strikturen  oder  mehrfachen  Adhäsionen 
nach  abgelaufener  Peritonitis)  soll  den  Namen  Kombinations¬ 
ileus  verdienen,  sondern  nur  jenes  Zusammentreffen,  bei 
welchem  wie  bei  Hochenegg  ein  kausaler  Zusammenhang 
zwischen  den  beiden  Stenosierungen  besteht.  Doch  dürfen 
wir  den  Umfang  des  neuen  Begriffes  nicht  nur  auf  gewisse 
Formen  beschränken,  welche  in  den  4  H  o  c  h  e  n  e  g  g  sehen 
Beobachtungen  zufälligerweise  aufgetreten  sind,  sondern  wir 
müssen,  das  Wesentliche  des  Symptomenbildes  herausgreifend, 
auch  anderen  hierhergehörigen  Krankheitsformen  Spielraum 
gewähren. 

Auch  bei  den  Hochenegg  sehen  Dickdarmkarzinomen 
war  weder  das  schon  vorher  vorhandene  obturierende 
Hindernis  des  Karzinoms  noch  die  Strangulation,  bezw.  Steno¬ 
sierung  im  Bruchsack  für  sich  allein  genügend,  Ileus  hervor¬ 
zurufen  - —  erst  ihr  unglückliches  Zusammentreffen.  Wenn  ich 
also  unter  Kombinationsileus  einen  Darmver¬ 
schluss  verstehe,  welcher  erst  durch  das  Zusammen¬ 
wirken  zweier  ileuserzeugender  Momente  zustande  kommt, 
von  welchen  jedes  für  sich  allein  die  Symptomatologie  des 
Darmverschlusses  nicht  hervorruft,  so  lässt  sich  hierunter  auch 
folgendes  nicht  seltene  Vorkommnis  einreihen:  Während  wir 
bei  den  Bauchoperationen  der  Art  der  Rücklagerung  der  even- 
trierten  Darmschlingen  im  allgemeinen  keine  besondere  Be¬ 
achtung  schenken,  weil  wir  wissen,  dass  die  Schlingen  regellos 
im  Bauche  lagern  und  beständig  ihre  Lage  wechseln,  kann  in 
der  peritonitischen  Bauchhöhle  eine  kleine  Abnormität 
in  der  Lagerung  (Drehung,  Knickung  etc.)  sich  mit  dem  einen 
paralytischen  Ileus  hervorrufenden  Moment  so  kombinieren, 
dass  an  dieser  Stelle  ein  lokaler  Darmverschluss  zustande 
kommt,  dem  der  Kranke  erliegt;  während  die  peritoneale  Er¬ 
krankung  allein  hätte  überstanden  werden  können,  die  ge¬ 
ringgradige  Verlagerung  andererseits  in  der  normalen  Bauch¬ 
höhle  durch  die  peristaltische  Tätigkeit  rasch  beseitigt  worden 
wäre.  Auch  hier  kann  man  sinngemäss  von  einem  „Kombi- 
nations-Ileus“  sprechen.4) 

Bei  allen  diesen  Fällen  spielen  Zufälligkeiten  eine  grosse 
Rolle  für  die  Erkenntnis  und  ausreichende  Behandlung  des  Zu¬ 
standes.  So  hatte  in  meinem  Falle  die  Vortäuschung  des  Bildes 
einer  Dickdarmstenose  zur  vorherigen  Laparotomie  und  Auf¬ 
findung  des  zweiten,  intraabdominalen  Passagehindernisses 
veranlasst.  Aber  auch  wenn  man  den  Fall  von  vornherein 
anders  gedeutet  hätte,  als  dies  geschehen  ist,  und  z.  B.  zunächst 
den  Bruch  operiert  hätte,  wäre  das  Missverhältnis  zwischen 
dem  geringen  lokalen  Befund  und  den  schweren  Darmobstruk¬ 
tionserscheinungen  gewiss  aufgefallen  und  hätte  insbesonders 
die  fast  gleiche,  geringe  Füllung  von  zu-  und  abführendem 
Darm  dazu  veranlasst,  nach  einem  zweiten  Hindernis  der  Darm¬ 
passage  im  Bauche  zu  suchen,  wenn  auch  dessen  Feststellung 
jetzt  nach  Lösung  der  Brucheinklemmung  und  Freiwerden  des 
gespannten  Mesenteriums  viel  schwerer,  wenn  nicht  unmöglich 
gewesen  wäre. 

Auch  Max  Hofmann3)  hatte  es  nur  dem  Zufalle  zu  ver¬ 
danken,  dass  das  Vorhandensein  einer  zweiten,  intraabdomi¬ 
nalen  Stenose  bei  der  Bruchoperation  entdeckt  wurde. 

Der  rechtsseitige  Leistenbruch  des  64  jährigen  Mannes  war  IV2 
Tage  eingeklemmt  und  es  wurde  wegen  Brandverdachtes  über  1  m 
Darm  reseziert.  Während  dieser  Arbeit  schlüpft  plötzlich  beim 
Pressen  des  Patienten  eine  tief  blauschwarz  verfärbte  Schlinge  aus 
der  Bauchhöhle  durch  die  erweiterte  Bruchpforte  vor  dieselbe.  Des¬ 
halb  wird  der  Schnitt  am  lateralen  Rektusrande  verlängert  und  man 
sieht,  dass  das  Mesenterium  der  im  Bruchsack  eingeklemmt  ge¬ 
wesenen  Darmschlinge  als  straff  gespannter,  ödematös  ver¬ 
dickter  Strang  von  seiner  Wurzel  gegen  die  Bruchpforte  hinzieht 


3)  Offizielles  Protokoll  der  K.  K.  Gesellschaft  der  Aerzte  in 
Wien.  Sitzung  vom  17.  Dezember  1897  und  vom  14.  Januar  1898. 
Wiener  klin.  Wochenschr.,  1897,  No.  51,  Seite  1134  und  1898,  No.  3, 
Seite  62. 

4)  Wie  dies  auch  Wilms  (Der  Ileus,  Seite  69)  bei  ähnlichen 
Betrachtungen,  allerdings  mit  dem  Zusatz  „sit  venia  verbo“,  tut. 


].  Oktober  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


und  die  Achse  abgibt,  um  welche  jener  blauschwarz  verfärbte  Darm 
samt  seinem  Mesenterium  1 Va  mal  herumgeschlagen  war.  Es  wurden 
nochmals  P/4  m  Darm  reseziert,  doch  erlag  Pat.  dem  Kollaps. 

Die  straffe  Spannung  des  zum  inkarzeriertcn  Darme  ge¬ 
hörigen  Mesenteriums  birgt  also  ausser  den  Schwierigkeiten 
bei  der  Ausführung  der  Darmresektion  noch  die  Gelegenheit 
zur  Ausbildung  intraabdominaler  Komplikationen  in  sich,  deren 
Formen  mit  der  obigen  sicher  nicht  erschöpft  sein  werden. 
Solche  Vorkommnisse  mahnen  eindringlich,  nicht  zu  verab¬ 
säumen,  nach  Reposition  der  Darmschlinge  digital  die  Bauch¬ 
höhle  zu  kontrollieren;  ich  möchte  hinzufügen,  dass  bei  auf-  1 
fälliger  Kürze  und  Spannung  des  Mesenteriums  diese  Unter¬ 
suchung  zweckmässig  schon  vor  der  Reposition,  bei  unver¬ 
änderter  pathologischer  Lage  der  Intestina  vorgenommen 
werden  soll,  um  das  Auffinden  eventueller  sekundärer  Steno- 
sierungen  zu  ermöglichen.  Auch  \V  i  1  m  s  ")  rät  gelegentlich 
der  Besprechung  des  zweisitzigen  Ileus,  bei  unklaren  Fällen 
von  Brucheinklemmung  an  Komplikationen  innerhalb  der 
Bauchhöhle  zu  denken. 

Zu  rechtfertigen  wäre  noch  in  meinem  Falle  die  Anlegung 
der  Darmfistel,  welche  nach  dem  weiteren  Verlauf  scheinbar 
unnötig,  den  Patienten  in  einen  höchst  unangenehmen  Zustand 
versetzte  und  zu  dessen  Beseitigung  schliesslich  eine  gefähr¬ 
liche  Operation  erforderte.  Zur  Zeit  des  Ileus  lagen  die  stark 
geblähten  Schlingen  oberhalb  des  intraabdominalen  Hinder¬ 
nisses,  dieses  oberhalb  des  Bruches,  zwischen  beiden  ge¬ 
füllte,  aber  nicht  überdehnte  Darmpartien.  Wenn  man  auch 
(z.  B.  aus  den  Hochenegg  sehen  Fällen)  weiss,  dass  nach 
der  Beseitigung  des  einen  Hindernisses  das  Bestehenbleiben  des 
anderen  nicht  mehr  genügt,  um  den  Zustand  des  Ileus  weiter 
zu  erhalten,  vielmehr  trotz  Uebersehen  des  zweiten  Hinder¬ 
nisses  sich  meist  von  selbst  normale  Verhältnisse  wieder  ein¬ 
stellten,  (weil  es  sich  eben  nur  um  relative  Stenosen  handelte), 
so  schien  mir  doch  in  meinem  Falle  die  blosse  Beseitigung 
der  Bruchstenose  zur  spontanen  Rückbildung  auch  des  sekun¬ 
dären,  intraabdominalen  Stauungszustandes  vielleicht  nicht 
mehr  ausreichend,  weil  hier  das  sekundäre  Hindernis  ober¬ 
halb  der  behobenen  Stenose  lag  und  an  jenem  die  schwereren 
Veränderungen  (Darmüberdehnung)  lokalisiert  waren.  Des¬ 
halb  fühlte  ich  mich  zu  einer  besonderen  Behandlung  dieser 
zweiten  Stenose  verpflichtet.  Der  ähnliche  Fall  Hofmanns 
(siehe  oben),  bei  welchem  die  intraabdominale  Stenose  schon 
zur  Gangrän  geführt  hatte,  spricht  für  die  Berechtigung 
meines  Vorgehens. 

Aus  dem  Anscharkrankenhaus  in  Kiel  (Direktor:  Geh.  Med. -Rat 

Prof.  Dr.  Peterse  n). 

Entfernung  eines  Fremdkörpers  aus  dem  linken 

Bronchus.* *) 

Von  Dr.  C  a  r  1  a  u,  früherem  Assistenten  des  Krankenhauses. 

Die  Entfernung  von  Fremdkörpern  aus  den  Luftwegen 
des  menschlichen  Körpers  bereitet  dem  Operateur  immer  er¬ 
hebliche  Schwierigkeiten,  und  stellt  an  das  technische  Können 
desselben  grosse  Anforderungen,  wenn  auch  durch  die  K  i  1  - 
1  i  a  11  sehe  Bronchoskopie  erhebliche  Erleichterung  geschaffen 
ist.  Jedoch  nicht  überall  steht  das  Instrumentarium  zur  Ver¬ 
fügung;  und  die  erforderliche  Technik  fehlt;  gehören  doch 
solche  Fälle  zu  den  seltenen. 

Ein  sehr  einfaches  Instrument  zur  Entfernung  von  solchen 
Fremdkörpern,  welches  in  jedem  Krankenhaus  für  den  event. 
Fall  sich  leicht  hersteilen  lässt,  beschreibt  H  e  1  f  e  r  i  c  h  in  der 
Deutschen  Zeitschrift  für  Chirurgie  (Festschrift  für  v.  Esmarch 
1902).  H  e  1  f  e  r  i  c  h  berichtet  daselbst  über  2  von  ihm  ope¬ 
rierte  Fälle  von  Entfernung  eines  Fremdkörpers  aus  den 
Bronchien. 

ln  dem  einen  Fall  handelte  es  sich  um  eine  lange  glatte  Mctall- 
hiilse  im  linken  Bronchus,  welche  nach  Tracheotomie  und  nach  Tiefer¬ 
legung  des  Rumpfes  und  Kopfes  durch  kurze  Schläge  gegen  den 


5)  M.  Hof  mann:  Ein  seltener  Fall  von  zweisitzigem  Strangu- 
lationssileus.  Wien.  klin.  Wochenschr.  1903,  No.  41,  Seite  1135. 

«)  M.  Wilms:  Der  Ileus.  Deutsche  Chirurgie,  Lieferung  46/g, 
1906,  Seite  409. 

*)  Nach  einem  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  zu  Kiel  ge¬ 
haltenen  Vortrag. 


1989 


Rücken  und  durch  Schütteln  des  Rumpfes  nach  unten  vor  die  Tracheo- 
tomieöffnung  rutschte,  und  mit  einer  Pinzette  entfernt  wurde. 

Im  zweiten  Fall  handelte  es  sich  um  eine  Bleistifthülse  mit  schar¬ 
fem,  zackigen  Rand,  ebenfaills  im  linken  Bronchus.  Es  wurde  die 
Tracheotomie  gemacht,  Rumpf  und  Kopf  schräg  nach  unten  gelagert; 
aber  es  gelang  nicht  , durch  Schütteln  und  Schlagen  die  Hülse  nach 
unten  zu  bringen. 

Da  konstruierte  Helfe  rieh  sich  ein  eigenes  Instrument  für 
diesen  Fall: 

Er  liess  eine  dünne  biegsame  Metallröhre  aus  Messing  her¬ 
steilen,  über  deren  knopfartig  abgerundetes  Ende  ein  dünner  Gummi¬ 
finger  festgebunden  wurde;  jedoch  so,  dass  die  Röhre  ein  ganzes 
Stück  in  den  Ballon  hineinragte.  Dieser  längliche  Gummiballon  sollte 
mit  seiner  Spitze  in  die  Hülse  hineindringen.  Sodann  aufgeblasen, 
sollte  mit  diesem  Teil  des  Ballons  die  Entfernung  der  Hülse  durch  Zug 
erfolgen,  während  gleichzeitig  durch  den  oberen  I  eil  des  Ballons  die 
Bronchialschleimhaut  weggedrückt  und  auf  diese  Weise  freie  Bahn 
geschaffen  werden  sollte.  _ 

Mit  diesem  Instrument  gelang  sofort  die  Extraktion.  Die  Hülse 
sass  fest  auf  dem  unteren  Teil  des  Ballons. 

Dieses  von  H  e  1  f  e  r  i  c  h  angegebene  Instrument  benutzte 
Geh. -Rat  Peterse  n  bei  einem  ähnlichen  Fall,  der  1906  im 
Anscharhaus  operiert  wurde. 

Es  wird,  ein  8  jähriger  Junge  eingeliefert,  der  nach  Angabe  der 
Mutter  am  Tag  vorher  eine  Bleistifthülse  verschluckt  habe.  Der  zu¬ 
erst  hinzugerufene  Arzt  hat  ein  Brechmittel  subkutan  injiziert;  die 
Hülse  ist  aber  nicht  zum  Vorschein  gekommen. 

Bei  der  Aufnahme  sind  keinerlei  Beschwerden  vorhanden;  der 
Junge  ist  frisch  und  munter.  Palpation  des  Leibes  ergibt  nichts, 
Lungen  ohne  Besonderheiten.  Nahrungsaufnahme  ohne  Beschwerden. 

Am  nächsten  Tage  wurde  eine  Röntgenaufnahme  gemacht  (Dr. 
B  e  h  n,  Med.  Röntgeninstitut).  (Siehe  Abbildung.)  Der  rremd- 


körper  fand  sich  links  neben  der  Wirbelsäule  in  Höhe  der  6.  und  7. 
Rippe  etwas  schräg  gestellt,  das  abgerundete  Ende  etwas  tiefer  nach 
aussen  seitwärts,  der  offene  Teil  höher  nach  der  Wirbelsäule  zu. 
Nach  dem  Bild  war  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  der 
Fremdkörper  in  der  Speiseröhre  schräg  festgekeilt  sass.  Dann  jedoch 
wäre  wohl  die  Nahrungsaufnahme  mit  Beschwerden  verbunden  ge¬ 
wesen,  ebenso  würde  man  wohl  beim  Einführen  der  Schlundsonde 
auf  ein  Hindernis  gestossen  sein  oder  doch  wenigstens  Schmerzen  aus¬ 
gelöst  haben.  Es  konnte  also  der  Fremdkörper  sich  nur  im  linken 
Bronchus  befinden.  Eine  Bestätigung  dieser  Annahme  gab  am 
4  Tag  der  Lungenbefund:  Ueber  beiden  linken  Lungenlappen  war 
gedämpfter  Schall,  das  Atemgeräusch  war  ganz  abgeschwächt,  kaum 
hörbar.  Die  linke  Thoraxhälfte  blieb  bei  der  Atmung  völlig  zuruck, 
die  Interkostalräume  waren  links  bedeutend  enger  als  rechts.  Nach 
allem  diesen  war  es  klar,  dass  der  Fremdkörper  im  linken  Bronchus 
sass  und  fest  eingekeilt  noch  vor  der  ersten  Teilungsstelle  des  Bron¬ 
chus.  Geh. -Rat  Petersen  nahm  sofort  die  Operation  vor,  und 
benutzte  dazu  ein  nach  den  Angaben  von  Helfe  rieh  angefertigtes 

Tn.cIrinnPllf  (q  AVvVlilH  1 


Operation:  Untere  Tracheotomie;  da  jedoch  der  Isthmus  sehr 
■eit  ist  und  sehr  weit  nach  unten  geht,  wird  'der  Schn,  t  nach  oben 
mlängert  und  die  obere  Tracheotomie  ausgefuhrt  Die  Luftronre 
ird  durch  Sperrer  auseinandergehalten.  Sodann  starke  Hochlage- 


1990 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


rung  des  Beckens,  so  dass  der  Patient  fast  senkrecht  mit  dein  Kopf 
zur  Erde  hängt.  Jetzt  wird  die  vorhin  beschriebene  Röhre,  mit  dem 
Fingerling  armiert,  und  nach  dem  Röntgenbild  der  Lage  des  Fremd¬ 
körpers  entsprechend  gebogen,  eingeführt.  Sie  gleitet  leicht  in  den 
linken  Bronchus.  Der  Ballon  wird  durch  eine  grössere  Spritze  lang¬ 
sam  aufgeblasen.  Man  hatte  jedoch  nicht  das  Gefühl  des  Wider¬ 
standes,  und  die  Luft  wird  wieder  herausgelassen.  Auf  leichten 
Druck  glitt  jetzt  die  Röhre  noch  etwas  tiefer  in  den  Bronchus  hinein. 
Wahrscheinlich  war  vorhin  die  Spitze  des  Instruments  gegen  den 
scharfen  umgebogenen  Rand  der  Hülse  gestossen.  Der  Ballon  wurde 
jetzt  vorsichtig  wieder  aufgeblasen,  und  langsam  unter  weiterem 
Aufblasen  herausgezogen;  der  Ballon  erschien  jedoch  ohne 
Fremdkörper  in  der  Tracheotomiewunde.  In  demselben  Moment  aber 
wird  hinter  dem  Ballon  der  Fremdkörper  sichtbar  in  der  Wundöffnung, 
rutscht  etwas  zurück  bei  der  Einatmung,  und  wird  jetzt  leicht  mit 
einer  Kornzange  entfernt.  Irgendwelche  Atemstörungen  traten  nicht 
auf.  Die  Tracheotomiewunde  wird  mit  Jodoformgaze  bedeckt;  eine 
Kanüle  wird  nicht  eingelegt.  Nach  5  Tagen  Sekundärnaht  der  Wunde. 
Lungenbefund  normal.  Irgendwelche  Störungen  nach  der  Operation 
traten  nicht  ein.  Nach  10  weiteren  Tagen  wird  der  Junge  als  gesund 
entlassen. 

Die  Bleistifthülse  war  ca.  3  cm  lang;  der  Rand  war  sehr  scharf 
und  die  eine  Ecke  umgebogen  (s.  Abbild.). 

Das  H  e  1  f  e  r  i  c  h  sehe  Verfahren  hatte  sich  gut  bewährt. 
In  unserm  Fall  wurde  die  Hülse  nicht  an  dem  Ballon  hängend 
herausgezogen;  möglicherweise  ist  sie  auf  dem  weiteren  Wege 
abgerutscht.  Andererseits  lässt  es  sich  aber  auch  so  deuten, 
dass  durch  den  Druck  des  aufgeblasenen  Ballons  der  Bronchus 
stark  erweitert  wurde  und  der  Fremdkörper  infolge  des  nega¬ 
tiven  Drucks  nach  unten  rutschte.  Ich  glaube  deswegen,  dass 
das  H  e  1  f  e  r  i  c  h  sehe  Verfahren  auch  bei  kompakten  Fremd¬ 
körpern  in  den  Bronchien  gute  Dienste  leistet,  und  möchte  es, 
vor  allem  dort,  wo  das  nötige  Instrumentarium  fehlt,  zur  Nach¬ 
ahmung  empfehlen. 

Die  Asepsis  der  Rückenmarksanästhesie. 

Von  Dr.  Otto  Grosse, 

Spezialarzt  für  Chirurgie  der  Harnwege,  in  München. 

Wenn  sich  Biers  geniale  Erfindung,  die  Rückenmarks¬ 
anästhesie,  immer  weitere  Kreise  von  begeisterten  Anhängern 
erobert,  so  ist  dies,  abgesehen  von  den  Verbesserungen  der 
Injektionstechnik  als  solcher  und  abgesehen  von  der  stetig  sich 
steigernden  Uebung  des  einzelnen  Chirurgen  in  dieser  Technik, 
dem  Ersatz  des  ursprünglich  angewendeten  Kokains  ^ durch 
weniger  giftige  Präparate  und  der  Verwendung  isotoriischer 
Lösungen  zur  Injektion  zu  danken.  Die  Berichte  über  hohes 
Fieber,  über  schwere  Kollapserscheinungen,  über  tödlichen 
Ausgang  infolge  der  Spinalanästhesie  verstummen  seither,  aber 
gleichwohl  sind  der  Fälle,  bei  denen  ungünstige  Neben-  und 
Nachwirkungen  gänzlich  ausblieben,  noch  immer  recht 
wenig  verzeichnet  —  nach  ungefährer  Berechnung  auf 
Grund  der  mir  zugänglichen  Literatur  nur  etwa  51  vom  Hun¬ 
dert  der  überhaupt  publizierten  Anästhesien.  Berücksichtigt 
man  dabei,  dass  im  allgemeinen  wohl  eher  Erfolge  denn  Miss¬ 
erfolge  veröffentlicht  werden,  so  dürfte  man  in  der  Annahme 
nicht  fehlgehen,  dass  trotz  aller  bisherigen  Vervollkommnungen 
die  Rückenmarksanästhesie  immer  noch  in  weit  mehr  als  der 
Hälfte  der  Fälle  Brechreiz  und  Erbrechen,  Temperatursteige¬ 
rungen,  Kreuzschmerzen  und  Kopfschmerzen  verschiedenen 
Grades  und  verschiedener  Dauer  in  mittelbarem  oder  unmittel¬ 
barem  Gefolge  hat. 

Die  Ursache  hierfür  liegt,  wie  mich  Reflexion  und  Beob¬ 
achtung  überzeugt  haben,  in  Mängeln  oder  sogar  Fehlern  der 
Asepsis  des  Instrumentariums.  Nicht  als  ob  ich  glaubte,  dass 
diese  Asepsis  theoretisch  irgend  etwas  zu  wünschen 
übrig  Hesse  —  im  Gegenteil:  gerade  der  peinlichsten  Asepsis 
nach  altgewohnter  Methode  folgten  vielfach  die  unangenehm¬ 
sten  Reaktionen. 

Besonders  interessant  in  dieser  Hinsicht  sind  die  eingehenden 
Mitteilungen  Slajmers  (Erfahrungen  über  Lumbalanästhesie  mit 
Tropakokain  in  1200  Fällen.  Wiener  med.  Presse  1906,  22,  23),  der 
bei  seinen  ersten  3  Spinalanästhesien  beobachtete:  1.  Nach  Kochen 
der  Nadel  in  Sodalösung  Erbrechen  und  schweren  Kollaps  am  Opera¬ 
tionstage,  am  folgenden  Tage  Temperatursteigerung  auf  39°  und 
Kollaps.  2.  Nach  Kochen  der  Nadel  in  Kochsalzlösung  teilweises  Ver¬ 
sagen  der  Wirkung,  Kopfschmerz.  3.  Nach  Kochen  der  Nadel  in  Koch¬ 
salzlösung  und  folgendem  trockenen  Abwischen  leichten  Brechreiz, 
leichten  Schüttelfrost.  Des  Weiteren  berichtet  derselbe  Autor  über 
das  eklatante  Auftreten  starker  Reaktionen  in  gewissen  Zeiträumen. 


Einmal  fand  sich  die  Ursache  in  der  Gewohnheit  eines  der  Hilfsärzte, 
„wie  bei  Laparotomien  die  Punktionsstelle  mit  etwas  Jodtinktur 
während  der  Desinfektion  zu  betupfen“,  ein  anderes  Mal  in  einer  ge¬ 
ringfügigen  chemischen  Veränderung  des  zur  Hautwaschung  ver¬ 
wendeten  Alkohols.  Auffallendes  Nachlassen  der  Reaktionen  war  zu 
konstatieren,  als  man  aufhörte,  „die  Punktionsstelle  mit  Kokain  oder 
Chloräthyl  lokal  zu  anästhesieren  und  auch  die  Waschung  der  Haut 
nach  dem  Alkohol  nicht  mehr  mit  Sublimat,  sondern  mit  Kochsalz¬ 
lösung  vornahm“.  Jedenfalls  ist  es  nach  Slajmer  „sicher,  dass 
stärkere  Reaktionen  mit  Temperatursteigerung,  mit  Kopfschmerz  ins¬ 
besondere  in  Fällen  Vorkommen,  wo  die  Möglichkeit  vorhanden  war, 
dass  differente,  reizende  Substanzen  mit  der  Nadel,  wenn  auch  in 
minimalsten  Mengen,  mit  in  den  Duralsack  eingeführt  wur¬ 
den“.  Mehrfach  sind  bei  solchen  Reaktionen,  besonders  bei  heftigen, 
andauernden  Kopfschmerzen,  die  zu  nochmaliger  Vornahme  der  Lum¬ 
balpunktion  Veranlassung  gaben,  Trübungen  des  Liquor  cerebro¬ 
spinalis  durch  massenhafte  mehrkernige  Leukozyten  nachgewiesen 
(G  u  i  n  a  r  d,  Slajmer,  G  i  1  m  e  r  |  s.  Diskussion  iibe.r  Spinal¬ 
anästhesie,  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  38,  S.  19041).  - 

Den  angeführten  Erfahrungen  ähnliche  finden  sich  auch  bei 
anderen  Autoren  teils  erwähnt,  teils  angedeutet,  und  man  ist 
daher  allgemein  bestrebt,  einen  Sterilisationsmodus  ausfindig 
zu  machen,  der  nicht  nur  ein  einwandfrei  aseptisches, 
sondern  auch  von  jeder  Verunreinigung  freies 
Instrumentarium  liefert. 

Für  alle  in  dieser  Richtung  bisher  gemachten  Vorschläge  (der 
Kürze  wegen  verzichte  ich  auf  namentliche  Anführung  der  einzelnen 
Autorein)  bildet  das  Kochen  der  Instrumente  die  Grundprozedur.  Ge¬ 
schieht  dasselbe  in  destilliertem  Wasser,  reinem  Wasser,  Soda-  oder 
Kochsalzlösung,  so  sind  Rostbildung1)  an  oder  in  der  Nadel  und  in 
letzteren  3  Fällen  dazu  noch  Niederschläge  von  Kalksalzen  des  Was¬ 
sers,  von  Soda  oder  von  Kochsalz  auf  Nadel  und  Spritze  unvermeid¬ 
lich.  Daher  müssen  sich  zur  Entfernung  dieser  Substanzen  weitere 
Manipulationen,  als  da  sind:  Einlegen  in  Alkohol  und  Borsäurelösung, 
Durchspritzen  mit  sterilem  Wasser  oder  steriler  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung,  Abtrocknen  mit  sterilen  Tupfern  etc.,  anschliessen,  die 
zumal  da  sie  selbst  noch  anderweitige  Sterilisationsprozeduren 
voraussetzen,  das  ganze  Verfahren  zu  einem  recht  komplizierten  ge¬ 
stalten.  Gesetzt  selbst  den  Fall,  es  würde  nun  hiermit  die  völlige  Be¬ 
seitigung  schädigender  Stoffe  wirklich  ereicht,  so  leidet  doch  zweifel¬ 
los  die  Sicherheit  der  Sterilisation  unter  ihrer  wachsenden  Kompli¬ 
ziertheit.  Uelberdies  berücksichtigt  ein  grosser  Teil  der  einschlägigen 
Arbeiten  lediglich  die  Asepsis  der  Kanülen,  während  man  doch  be¬ 
denken  sollte,  das  der  viel  grössere  Innenraum  der  Spritze,  mit 
welchem  der  Liquor  cerebrospinalis  ebenfalls  in  Berührung  kommt, 
dieselbe  Sorgfalt  in  Anspruch  nehmen  muss;  auch  für  die  Injektions¬ 
spritze  ist,  ganz  abgesehen  davon,  dass  ihre  ordnungsmässige  Funk¬ 
tion  durch  Beläge  an  den  Innenwänden  beeinträchtigt  wird,  einfaches 
Auskochen  in  Wasser,  Soda-  oder  Kochsalzlösung  durchaus  unzu¬ 
reichend.  Dass  nachheriges  Durchspritzen  oder  Einlegen  in  Alkohol, 
Borsäurelösung  oder  dergl.  diese  Beläge  gänzlich  entfernen  sollte,  ist 
wohl  ausgeschlossen;  andererseits  dürfte  ein  gründliches  Auswischen 
mit  steriler  Gaze  sehr  unbequem  sein.  Kurz:  die  Sterilisation  des 
Instrumentariums  zur  Spinalanästhesie,  wie  sie  zurzeit  gehandhabt 
wird,  erreicht  ihren  Doppelzweok,  strenge  Asepsis  und  Fernhaltung 
jeglicher  differenter  Substanzen,  nur  sehr  unvollkommen,  oft 
gewiss  gar  nicht  —  trotz  aller  Umständlichkeit  des  Verfahrens. 

Und  doch  besitzen  wir  ein,  Sterilisationsmittel,  welches  der  hier 
zu  lösenden  Aufgabe  bei  grösster  Einfachheit  der  Anwendung  in 
idealer  Weise  gerecht  wird,  den  Wasserdampf.  Wie  ich  seit  Jahren 
alle  meine  Instrumente  und  sonstigen  Operationsrequisiten  im  Wasser¬ 
dampf  sterilisiere,  so  geschah  dies  auch  mit  Spritze  und  Kanülen 
zur  Spinalanästhesie,  und  zwar  zuerst  nicht  mit  zufriedenstellendem 
Erfolg.  Nach  Sterilisation  der  (Rekord-)  Spritze  zeigten  sich  Sprünge 
im  Glaszylinder,  augenscheinlich  eine  Folge  der  ungleichen  Aus¬ 
dehnung  des  Glases  und  des  eingeschlossenein  stählernen  Stempels; 
seither  wurde  zur  Sterilisation  die  Spritze,  wie  es  leicht  geschehen 
kann,  auseinandergenommen.  Die  Kanülen  bedeckten  sich  mit  Kon- 
denswasserperlen,  die  zu  unbedeutenden  Flecken  eintrockneten,  je¬ 
doch  wurde  mehrmals  beim  Durchspritzen  eine  schmutzige  Verfär¬ 
bung  des  Wassers  bemerkt,  von  Oxydationsprodukten  herrührend, 
die  sich  im  Nadelinneren,  dessen  Vernickelung  technisch  unausführbar 
ist,  gebildet  hatten.  Es  erschien  mir  daher  angezeigt,  die  Kanülen  in 
der  gleichen  Weise  zu  sterilisieren,  wie  ich  es  vordem  (Archiv  f. 
klin.  Chir.,  Bd.  77,  2,  1905;  Referat  u.  a.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1905,  31)  für  chirurgische  Messer  angegeben  habe,  d.  h.  in  einem 
Glasrohr  (sog.  Messersterilisationsrohr),  welches  festverschlossen 
dem  Wasserdampf  10  Minuten  ausgesetzt  wird.  Betreffs  der  Theo¬ 
rie  der  so  zustande  kommenden  Sterilisation,  für  deren  unbedingte 
Sicherheit  ich  den  bakteriologischen  Beweis  erbracht  habe,  verweise 
ich  auf  die  genannte  Arbeit.  Um  hier  nur  von  dem  praktischen  Er¬ 
folge  zu  sprechen,  war  derselbe  ein  gleich  vollkommener  wie  bei  der 
Messersterilisation.  Auch  die  Kanülen  zeigten  sich,  dem  Glasrohr 


1)  Zur  Vermeidung  dieses  Uebelstandes  wurden  Kanülen  aus 
Platiniridium  angegeben,  deren  hoher  Preis  (ca.  75  Mk.  pro  Kanüle) 
jedoch  wohl  allgemeine  Verbreitung  ausschliessen  dürfte. 


1.  Oktober  1907. _ 

entnommen,  tadellos  glänzend,  aussen  wie  innen  von 
jedem  Belag  frei  und  absolut  trocken;  beim  Du rc  1- 
snrit/en  machte  sich  niemals  auch  nur  die  Spur  irgendwelcher  Ver¬ 
unreinigung  bemerkbar.  Um  eine  Beschädigung  der  feinen  Spitzen 
der  Kanülen  durch  Berührung  mit  dem.  Glas  zu  verhüten,  habe  ich 
analog  den  Messerbänkchen  ein  einfaches  Stativ  anfertigen  lassen  ), 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1991 


es  als  Messersterilisationsrohr  für  6  Messer  gebräuchlich  ist,  2.  einer 
in  dieses  Rohr  einzuschiebenden  Lagerung  aus  Metall,  auf  der,  in 
federnden  Klammern  gehalten,  (10  g-)Rekordspritze,  Spritzenstempel, 
zwei  Kanülen,  zwei  Mandrins  und  zwei  Phiolen  mit  steriler  I  ropa- 
kokainlösung  liegen,  3.  einem  Metalletui,  welches  für  gewöhnlich  zur 
Aufbewahrung  des  Instrumentariums  samt  Lagerung  dient,  4.  einem 
mit  Oehr  versehenen  Neusilberdraht  zur  Reinigung  der  Kanülen. 


b 


j-'jfr  I  Kanülensterilisationsrohr  nach  Grosse. 

g*  (D.R.G.M.  No.  245379.) 

welches  mit  den  Kanülen»)  und  Mandrins i  beschickt  <s- 

Ä  ani 

«SÄ.  ääs  Ä££^'s,itnSbtv^« 

gewöhnlichem  Kochtöpfen  improvisierten  Dampf sterilisat  .  k[jn 
des  Näheren  in  einer  Arbeit  über  „Improvisierte  Aseps  Wochen 

der^Metalhnstrurnen^e’  ÄM  Ä? 

absolut  reinem)  Kondenswassers,  die  alsbald  verdunsten,  so  dass  au 
die  Spritze,  gleich  den  Kanülen,  ein  aseptisches  und  von  jeder  Ve  ¬ 
nnreinigung  durch  differente  Stoffe  freies  Werkzeug  darstellt, 
cs  zur  Spinalanästhesie  unbedingt  erforderlich  ist. 

Auf  Anregung  von  kollegialer  Seite  habe  ich  eine  einfache  auf 

dem  nämlichen  Prinzip  wie  die  Kanülenstenlisation  beruhen  ^  ^ 

richtung  zu  kombinierter  Sterilisation  des  gesamt 

mentariumszurRückenmarksanas  hes  LianÄie“  *) 

Dieses  um  es  kurz  so  zu  nennen,  „Besteck  zur  Spmalanastbesn e  ; 
besteht  aus  (s.  Fig.  II):  L  einem  grösseren  Sterilisationsrohr,  so 

2)  Firma  C.  Stiefenhofer,  München,  Karlsplatz  6. 

3  Ich  verwende  nur  dünne  Nadeln  md  kleinem  Kopfende 
welche  im  Gegensatz  zu  den  dicken,  mit  prismatischem  Griffe  ver 
scheuen,  fast  genaue  Dosierung  der  Injektionsmenge  e nmogl  gen  und 
da  die  mit  ihnen  gesetzte  Punktionsoffnung  imDuralsackrelatv 
ist,  sicherer  ein  Ausfliessen  der  injizierten  Losung  in  den  epidural 
Raum  vermeiden  lassen. 

4)  Firma  C.  Stiefenhofer,  München,  Karlsplatz  b. 


Vs  nat.  Grösse. 

Fi?  II  Besteck  zur  Spinalanästhesie  nach  Grosse. 

‘  (D.R.G.M.  No.  245379.) 

Der  Gebrauch  des  Besteckes  ist  ausserordentlich  einfach:  Die 
Lagerung  wird  mit  den  nach  jeder  Operation  sorgfältig  (s.  oben)  ge¬ 
reinigten  Instrumenten  zwecks  neuer  Sterilisierung  derselben  m  toto 
dem  Metalletui  entnommen  und  in  das  Glasrohr  eingefuhrt,  welches 
sodann  fest  geschlossen  10  Minuten  der  Einwirkung  des  Wasser¬ 
dampfes  in  der  gleichen  Weise,  wie  für  das  Kanülensterilisationsrohi 
angegeben,  exponiert  wird.  Dergestalt  erfordert  auch  die  Sterili¬ 
sation  des  ganzen  Besteckes  keinerlei  besondere  Massnahmen,  da  s  e 
mit  derjenigen  des  übrigen  Instrumentariums  einhergeht.  Nötigenfalls 
kann  man  das  Rohr  aber  auch  in  einem  gewöhnlichen,  mit  Decke  ver¬ 
sehenen  Kochtopf  sterilisieren,  auf  dessen  Boden  man  1  Glas  (100  g) 
Wasser  giesst.  Nach  Beendigung  der  Sterilisation  bleibt  das  Glasrohi 
noch  einige  Minuten  im  geöffneten  Dampfraum  liegen,  bis  es  abge¬ 
kühlt  und  aussen  fast  ganz  getrocknet  ist. 

Unterdessen  schreitet  man  zur  Handedesinfektion  und  zur  Des¬ 
infektion  der  Punktionsgegend.  Ich  möchte  gleich  hier  dm  Bemerkung 
einschalten  dass  ich  mich  zu  beiden  Prozeduren  nicht  mehr  des 
wie  Schumburg  (Versuche  über  Händedesinfektion.  Aichiv  fui 
kl  in.  Chirurgie.  Bd  79,  1,  1906.  Referat  auch  Münch  med.  Wochen¬ 
schrift  1906.  No.  19)  nachgewiesen,  unwirksamen  Bearbeitens  dei 
Haut  mit  Wasser  Seife  und  Bürste,  noch  auch  irgendwelches  Anti- 
"p«kls  “e.  sondern  le  di  * :  I  i  c  „des  A  1  ko  ho  1  s  entweder 
des  S  ch  u  mb  u  r  g  sehen  Gemisches.  Alkohol  1000  Aether  . 

4-  Acid  nitr  7,5.  oder  aber  des  gewöhnlichen  Brennspiritus.  Hände 

sowie  Operationsfeld  werden  hiermit  je  2^-3  .^'^^"^/e^sodann 
(unsterilisierter)  Wattebäusche  gründlich  abgerieben  letzteres  sodann 
mit  abgekochtem  Wasser  (es  kann  dazu  der  Rest  des  zur  Uamptenr 
Wicklung  dienenden  Wassers  benutzt  werden)  nachgewaschen.  Auch 
hierüber^  findet  man  Ausführlicheres  in  der  zitierten  A^eit  über  un- 
nrovisierte  Asepsis.  Nunmehr  entnimmt  man  d  e  Instrumente  am 
ThreT  Lagerung  dem  Sterilisationsrohr.  Dieselben  sind  völlig 
trocken  “nd  frei  von  Belast  oder  Flecken:  nur  an  den  Innen¬ 
wänden  des  Rohres  zeigt  sich  stellenweise  ein  ^ine»  Ft,lfelncr  der 
hpl-.g  Man  setzt  sodann  die  Spritze  zusammen,  saugt  aus  einei  aer 

irf  den  Klammern'  ad  hoc  sehr*  «teerten  und  darin  yerto.benden 
Phiolen,  nachdem  man  den  Hals  »beebrochen  hat.  den 
zweite  Phiole  dient  zur  Reserve)  und  fuhrt  in  der  bekannt  s 

Punktion,  Aspiration  des  Liquor  cerebrospinalis  und  In  efc ±or aus  Ich 
injiziere,  mit  dem  aspirierten  Liquor  gem^chb  die  veriassig  ster 
von  Merck-Darmstadt  in  zugeschmolzenen  GUOThiolen  *  1- .0  > 

1  25  bezogene  Tronakokainlösung  mit  0.6  Pr oz.  Kochsalz  da  ict 

Lösung^im6  IGcmor  ^se^  Theoretisch 

Ä  IS 

•irgend  Jemandem  ha  ten  zu  lassen.  Sterilisationsrohr  kann 

port  des  sterilen  Instrumentariums  dienen.  ) 

WTIeibitverständlich  kann  man  aut  die  f 
in  kleinerem  Sterilisationsrohr,  auch  jede  andere  sprttz 


1992 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CE1ENSCEIRIET. 


No.  40. 


Fig.  1. 

Fussmodell,  durch  Hoffa-Lengfellner- 
schen  Gipsbreiabdruck  gewonnen.  (Der¬ 
selbe  Fuss  wie  beim  Gipsbindenmodeli.) 


Fig.  2. 

Gipsbindenmodeli.  (Derselbe  gleiche 
Fuss.) 


Fig.  5. 

Gipsbreiabdruck  nach  Herausnahme  der  Füsse. 


Fig.  6. 

Gipsbreimodell. 


bindeiiabdrucks,  als  Verdrängung  einzelner  Weichteilpartien, 
Verschiebung  wichtiger  Punkte  des  Eussgewölbes,  Ungenauig- 

S  c  h  1  e  i  c  h  sehe,  Pravazspritze  etc.,  samt  Kanülen  sterili¬ 
sieren  u  n  d  steril  transportieren  —  ein  Problem,  dessen 
einfache  Lösung  für  den  Praktiker  von  grossem  Wert  sein  dürfte. 


Der  Sitz  soll  so  hoch  sein,  dass  die  Füsse  den  Boden  nicht  be 
rühren.  Durch  dieses  freie  Herabhängen  der  Füsse  kommt  es  zu  einer 
gewissen  S  e  1  b  s  t  r  e  d  r  e  s  s  e  m  e  n  t,  das  zur  Herstellung  von  Ein 
lagen  mir  von  grösster  Wichtigkeit  erscheint.  Zunächst  werden  ei 
paar  Hände  voll  Gipsbrei  aufgeschichtet  und  in  diesen  Brei  die  Fiiss 
des  Patienten  ohne  vorhergehendes  Redressement,  so  wie  er  sie  sons 
aufzusetzen  pflegt,  hineingestellt,  ein  Fuss  nach  dem  anderen  un 
einer  neben  dem  anderen.  Rings  um  die  Füsse  wird  nun  auch  Qips 
brei  aufgetragen  (an  der  Mitte,  auf  den  Seiten  und  an  der  Ferse 
Fig.  4).  Ist  der  Gips  hart  geworden,  dann  nimmt  man  einen  Fus 


Seit  ich  in  der  geschilderten,  wie  man  zugeben  wird,  über¬ 
aus  einfachen  Weise  bei  der  Asepsis  der  Rückenmarks¬ 
anästhesie  verfahre,  habe  ich  bei  ausschliesslicher  Verwendung 
des  Tropakokains  —  für  Nephrotomie,  Nephrektomie  und  Harn¬ 
leiteroperationen  0,1  mit  10  ccm  Liquor  gemischt,  für  Blasen- 
und  Prostataoperationen,  Steinzertrümmerungen,  Harnröhren¬ 
schnitte  (soweit  sie  nicht  unter  Lokalanästhesie  ausführbar 
sind),  Hodenexstirpationen  etc.  0,05  mit  5  ccm  Liquor  —  irgend¬ 
wie  erhebliche  Neben-  und  Nachwirkungen  nicht  mehr  be¬ 
obachtet. 

Zum  Schlüsse  sei  mir  gestattet,  einer  etwas  allgemeineren 
Erwägung  über  Asepsis  Raum  zu  geben:  Wenn,  wie  gerade 
die  Erfahrungen  mit  der  Spinalanästhesie  lehren,  die  allerdings 
wohl  empfindlichsten  Organe  des  Körpers,  das  Zentralnerven¬ 
system,  schon  auf  minimalste  Mengen  differenter  Stoffe  in  so 
heftiger  Weise  reagieren,  besteht  da  eine  Berechtigung  zu  der 
Annahme,  dass  die  hundert-  und  tausendfache  Menge  solcher 
Substanzen,  die  wir  in  Gestalt  des  Soda-  und  Kochsalzbelages 
gekochter  Instrumente  mit  unseren  Operationswunden  in 
ausgiebigste  Berührung  bringen,  den  Organismus  nicht 
schädigen  sollten?  Muss  es  nicht  wünschenswert  erscheinen, 
an  a  1 1  e  Operationen  mit  einem  wirklich  „tadellos“ 
aseptischen  Instrumentarium  heranzugehen ?  Das  ver¬ 
mag  n  u  r  die  Wasserdampfsterilisation  zu  liefern,  der  überdies 
noch  die  Vorzüge  stärkster  keimtötender  Wirksamkeit  und 
dabei  allereinfachster  Handhabung  —  nicht  nur  wegen  der 
Möglichkeit  ihrer  Anwendung  für  sämtliches  chirurgisches  Ma¬ 
terial,  sondern  auch  wegen  des  denkbar  geringsten  Aufwandes 
an  Zeit  und  an  Heizkraft  —  zukommen.  Wie  sehr  die  Sterili¬ 
sation  im  Dampf  allen  anderen  Methoden,  besonders  dem 
noch  vielfach  gebräuchlichen  Kochverfahren,  überlegen  ist, 
dessen  scheint  mir  ihre  Brauchbarkeit  auch  für  das  subtile 
Instrumental'  der  Spinalanästhesie  ein  neuer  Zeuge,  wenn  es 
eines  solchen  bei  ihrer  stetig  zunehmenden  Verbreitung  noch 
bedurfte. 


Technik  des  Gipsbreiabdruckes  (nach  Hoffa-Leng- 
fellner)  bei  Herstellung  von  Plattfusseinlagen. 

\on  Dr.  Karl  Lengfellner,  Chirurg  und  Orthopäde  in 
Berlin,  früher  Assistent  der  Hof  faschen  Klinik. 

In  der  Klinik  meines  früheren  Chefs,  das  Herrn  Geheimrats 
Prof.  H  o  f  f  a,  sind  seit  längerer  Zeit  die  zur  Anfertigung  von 
Plattfusseinlagen  notwendigen  Gipsabdrücke  nicht  mehr  als 
sogen.  Gipsbindenabdrücke  angefertigt  worden,  sondern  durch 
sogen.  Gipsbreiabdrücke,  mittels  deren  sich  die  einzelnen  De¬ 
tails  an  Eussohle  und  Fussrändern  völlig  genau  und  möglichst 
sicher  lokalisiert  wiedergeben  lassen.  Die  Nachteile  des  Gips- 


keiten  an  den  schmerzhaften  Druckpunkten  lassen  sich  mit  der 
Methode  des  üipsbreiabdruckes  leicht  vermeiden,  wenn  man 
die  gleich  unten  zu  beschreibende  Technik,  deren  Vervoll¬ 
kommnung  ich  viel  Zeit  und  Mühe  geopfert  habe,  genau  be¬ 
obachtet  und  bezüglich  des  Redressements  gewisse  Winke  be¬ 
folgt.  Eig.  1  u.  2. 

Betrachten  wir  zunächst  das  letztere,  so  haben  vielfache  Er¬ 
fahrungen  gezeigt,  dass  je  mehr  der  Gipsbindenabdruck  in  Supinations¬ 
stellung  des  Fusses  angefertigt  wird,  destomehr  das  Modell  in  Pro- 
nationsstellung  steht.  Fig.  3  zeigt  einen  solchen  Fall,  bei  dem  der 


Fig.  3. 

Bindenmodell  eines  rechten  Plattfusses,  Fig.  4. 

durch  schiefe  Ebene  gewonnen.  Technik  des  Gipsbreiabdruckes. 

Gipsbindenabdruck  auf  „der  schiefen  Ebene“  angefertigt  wurde.  An 
Stelle  der  erwünschten  Supination  ist  die  Pronation  dermassen  stark 
ausgeprägt,  dass,  um  das  Modell  gerade  zu  stellen,  ein  Keil  unter¬ 
gesetzt  werden  musste.  Eine  zweite  Methode  des  Redressements 
besteht  darin,  dass  der  Vorderfuss  allein  bei  fixierter  Ferse  in  Supi¬ 
nation  gestellt  wird;  dadurch  kommt  es,  dass  die  Einlage  dann  vorn 
um  wenige  Zentimeter  zu  hoch  wird  und  so  unbrauchbar  ist.  Ferner 
hat  man  versucht,  an  dem  Gipsbindenabdruck  bei  belastetem  Fuss 
ein  russgewölbe  herauszumodellieren,  eine  Methode,  die  für  die 
oft  sehr  empfindlichen  und  schmerzhaften  Füsse  Einlagen  liefert  die 
gar  nicht  getragen  und  vertragen  werden  können. 

Einzig  und  allein  rationell  scheint  uns  die  jetzt  von  uns  ver¬ 
wendete  Methode  des  Gipsbreiabdruckes.  Dieselbe  wird  folgender¬ 
maßen  geübt.  Als  Material  ist  Figurengips,  der  absolut  trocken  auf¬ 
bewahrt  werden  muss,  vollkommen  ausreichend.  Je  nach  der  Grösse 
dei  Füsse  nimmt  man  eine  entsprechende  Menge  Gips  und  warmes 
Wasser,  die  man  in  einer  Emailleschüssel  zusammenmischt.  Man 
setzt  so  viel  Gips  zu  bis  der  Gips  eben  das  Wasserniveau  über¬ 
ragt.  Hieiauf  wird  mit  einem  Blechlöffel  die  Mischung  gut  umgerührt 
bis  sie  i  echt  homogen  ist  und  darauf  so  lange  gewartet,  bis  man  den 
Brei  bequem  mit  der  Hand  fassen  kann.  Zweckmässig  ist  es,  dem 
Gipsbrei  zum  schnelleren  Erhärten  einen  Löffel  Kochsalz  zuzusetzen, 
ei  I  atient  sitzt  etwas  erhöht  und  lässt  seine  Beine  herabhängen. 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1993 


nach  dem  anderen  heraus.  Das  so  gewonnene  Negativ  (Eig.  5)  muss 
ca.  5  Stunden  trocknen,  dann  kommt  es  auf  etwa  2  3  Minuten  in 
Wasser  und  wird  hierauf  mit  Gipsbrei  ausgegossen.  Nach  ca.  1 
Stunde  kann  man  dann  die  Modelle  (Eig.  6)  aushauen.  Dabei  wird 


Eig.  7. 

Modell  eines  leichteren  Plattfusses  vor 
der  Korrektur. 


Fig.  9. 

Modell  eines  schweren  Plattfusses  vor 
der  Korrektur. 


Fig.  8. 

Nach  der  Korrektur. 


Fig.  10. 

Nach  der  Korrektur. 


der  Abdruck  umgedreht  auf  eine  Unterlage  gelegt  und  mit  ein  paar 
Hammerschlägen  werden  Positiv  und  Negativ  voneinander  getrennt. 
Nun  hat  man  nur  noch  die  Korrektur  der  fertigen  Gipsmodelle  im 
Gewölbe  vorzunehmen.  Dabei  muss  man  sehr  sorgfältig  verfahren 


Fig.  11. 


Gipsbreiabdruck  für  den  ganzen  Fuss. 


Fig.  12. 


Die'beiden  Hälften  nach  d.  Durchschneiden 
des  Seidenfadens. 


und  darf  nicht  schablonenhaft  arbeiten.  Man  darf  nicht  gleichmässig 
von  vorn  nach  hinten  aushöhlen;  je  schwerer  der  Plattfuss  ist,  desto 
weniger  darf  man  hinten  von  dem  Modell  wegnehmen,  desto  mehr 

ist  die  Korrektur  auf  die  vordere 
Partie  zu  beschränken.  An  den 
Druckpunkten,  die  sich  genau 
an  dem  Modell  abzeichnen,  darf 
nichts  oder  nur  sehr  wenig  weg- 
genommen  werden,  damit  die 
Einlage  nachher  keinen  Druck 
ausübt.  Die  laterale  Partie  des 
Modells  ca.  1—2  cm  nach  innen 
bleibt  unkorrigiert.  Je  leichter 
der  Plattfuss  ist,  desto  gleich- 
mässiger  kann  er  von  vorn  nach 
hinten  korrigiert  werden.  Mir 
einiger  Uebung  wird  man  leicht 
herausfinden,  wo  der  Patient 
den  meisten  Druck  vertragen 
kann  und  demgemäss  wird  man 
die  Korrektur  einrichten  (Fig.  7 
bis  10). 

Will  man  ein  Modell  des  gan¬ 
zen  Fusses  bis  ziu  den  Malleolen 
hinauf  haben,  so  kann  man  sich 
zweckmässig  derselben  Methode 
bedienen,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  man  zu  beiden  Seiten  des 
Fusses  bis  zu  den  Malleolen  nach  aufwärts  starke  Seidenfäden  legt 
und  nun  den  ganzen  Fuss  mit  Gipsbrei  bedeckt  bis  über  die  Malleolen 
und  zu  beiden  Seiten  der  Achillessehne  (Fig.  11);  fängt  der  Gips  an 
hart  zu  werden,  dann  kann  man  mit  den  beiden  Seidenfäden  das  Ne¬ 
gativ  in  zwei  Hälften  teilen  (Fig.  12),  die  man  nach  dem  Hartwerden 


Fig.  13. 

Fertiges  Fussmodell  von  vorne. 


leicht  mit  einem  Meissei  auseinander  bringt.  Die  zusammengelegten 
Negativhälften  werden  in  der  oben  erwähnten  Weise  ausgegossen 


Fig.  14. 

Fertiges  Fussmodell  von  der  Seite  mit  Angabe. der  Seidenfadenlagei ung. 


und.  geben  so  ein  naturgetreues  Modell  (Fig.  13  und  14),  das  ein  Gips¬ 
bindenmodell  in  jeder  Hinsicht  übertrifft. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Prof.  Dr.  August  Forel:  Gesammelte  Hirnanatomische 
Abhandlungen  mit  einem  Aufsatz  über  „die  Aufgaben  der 
Neurobiologie“.  Ernst  Reinhard,  München,  1907.  -47  S„ 

12  Tafeln.  Preis  10  Mk. 

Die  hirnanatomischen  Arbeiten  des  Autors  haben  seiner 
Zeit  in  mancher  Hinsicht  bahnbrechend  gewirkt.  Namentlich 
haben  sie  die  mythologische  Methode  überwinden  helfen,  die 
geistreiche  Einfälle  an  Stelle  von  Tatsachen  setzte  und  sich  in 
den  70  er  Jahren  recht  breit  gemacht  hatte.  Auch  jetzt  noch 
kann  der  Forscher  aus  ihnen  manche  Belehrung  und  manche 
Anregung  schöpfen,  sodass  nicht  nur  das  historische  Interesse 
die  Zusammenstellung  der  zum  Ieil  schwer  zugänglichen  Ai- 

beiten  begriissen  wird.  * 

Forel  lässt  einen  neuen  Aufsatz  „über  die  Aufgabe  der 
Neurobiologie“  den  andern  Arbeiten  vorausgehen,  in  dem  ein 
Satz  nicht  unwidersprochen  bleiben  darf.  Der  Autor  spricht 
von  der  Psychanalyse,  die  durch  J  u  n  g,  B  e  z  z  o  1  a  und 
Frank  „ihrer  ersten  Freud  sehen  Schlacken  entledigt 
worden“  seien.  Ref.  weiss  nun  die  selbständigen  Arbeiten  (die 
leider  nur  zum  kleinen  Teil  publiziert  sind)  der  diei  genannten 
Männer  sehr  wohl  zu  schätzen.  Sie  haben  aber  die  r  r  e  u  d  - 
schen  Lehren  ausgebaut,  und  wenn  auch  selbstverständlich 
manche  (unwesentliche)  Auffassungen  Freuds  noch  der  Be¬ 
stätigung  bedürfen,  so  habe  ich  bis  jetzt  noch  nicht  viel 
Schlacken  wegfallen  sehen.  —  Im  Uebrigen  sehen  wir  in  der 
Arbeit  den  Mann  mit  dem  universellen  Blick  in  kurzen  Zügen 
ein  Arbeitsprogramm  aufstellen,  das  von  Vielen  bereits  mehr 
oder  weniger  klar  gedacht,  merkwürdigerweise  aber  noch 
lange  nicht  von  allen  Forschern  in  seiner  Bedeutung  erfasst 
worden  ist.  Bleuler  -  Burghölz  i. 


Beiträge  zur  Diagnostik  und  Therapie  der  Geschwülste 
im  Bereich*  des  zentralen  Nervensystems  von  Prof.  Dr  H. 
Oppenheim.  Mit  20  Abbildungen  im  Text  und  6  1  aicln. 
Berlin  1907.  Verlag  von  S.  Karge  r.  193  S.  8  Mk. 


O.  bringt  hier  eine  Zusammenfassung  seiner  reichen  per¬ 
sönlichen  Erfahrungen.  Er  gibt  die  zum  l  eil  sehr  interessanten 
Krankengeschichten  von  14  zur  Operation  gekommenen  Hirn¬ 
tumoren,  von  denen  7  der  hinteren  Schädelgrube,  3  dem 
Schläfenlappen,  2  dem  Gebiet  der  Zentralwindungen  und  des 
Schläfenlappens,  eine  dem  Okzipitallappen  angehoren.  Am 
Schlüsse  des  ersten  Abschnittes  gibt  O.  eine  Uebersicht  ubci 
die  seit  1903  von  ihm  der  chirurgischen  I  herapie  überant¬ 
worteten  Fälle.  Es  sind  27  Einzelbeobachtungen,  davon  sind  3 
geheilt,  6  gebessert,  15  gestorben,  in  den  3  übrigen  wai  die 
Operation  von  vornherein  eine  palliative  oder  eigab  kein  k  aies 
Resultat.  In  22  oder  23  von  den  27  Fällen  war  sow  ohl  die  all- 


1994 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


gemeine  wie  die  lokale  Diagnose  eine  exakte.  Wie  sehr  sich 
seit  Bergmanns  Behauptung,  die  Hirnchirurgie  sei  eine 
Chirurgie  der  Zentralwindungen,  der  Standpunkt  geändert  hat, 
geht  aus  O.s  Fällen  evident  hervor. 

Von  den  erfolgreich  Operierten  hatte  kein  einziger  den 
rumor  in  der  motorischen  Zone. 

Auf  Grund  seiner  Statistik  kommt  O.  zu  dem  für  die  Pro¬ 
gnose  der  Tumoroperationen  wichtigen  Leitsätze,  dass  die 
chirurgische  Therapie  der  Gehirngeschwülste  trotz  einzelner 
blendender  Erfolge  immer  noch  eine  der  schwierigsten  und 
undankbarsten  Aufgaben  der  ärztlichen  Tätigkeit,  da  von  10 
oder  9  für  die  chirurgische  Therapie  sorgfältig  ausgewählten 
und  grösstenteils  richtig  diagnostizierten  Fällen  von  Tumor 
cerebri  nur  einer  Aussicht  auf  vollen  Erfolg  der  operativen 
Behandlung  hat. 

Zu  weit  erfreulicheren  Ergebnissen  führt  die  chirurgische 
Therapie  der  Rückenmarksgewächse,  doch  gibt  es  auch  da  der 
Schwierigkeiten,  Enttäuschungen  und  Misserfolge  genug. 

O.  gibt  hier  eine  Zusammenstellung  aller  von  ihm  beob¬ 
achteten  Fälle  unter  Ausschluss  der  Wirbelgeschwülste. 

In  9  von  15  Fällen  war  die  Diagnose  zutreffend  und  die 
Ortsbestimmung  genau.  In  4  von  diesen  9  Fällen  war  die 
Operation  von  Erfolg  gekrönt,  in  5  Fällen  erfolgte  der  Tod 
entweder  an  Menigitis  oder  an  Schock. 

Von  den  übrigen  6  Fällen,  in  welchen  operiert  und  kein 
Tumor  gefunden  wurde,  sind  2  gestorben.  4  mal  ist  die  ex- 
plorative  Laminektomie  gemacht  worden,  in  diesen  4  Fällen 
hat  die  Operation  in  1  Falle  geschadet,  in  1  Fall  genützt  und  in 
2  Fällen  war  sie  irrelevant. 

O.s  Schlussätze  lauten  in  gekürzter  Form: 

1.  Bei  den  Krankheitszuständen  mit  typischer  Symptomato¬ 
logie  des  Rückenmarkhauttumors  ist  die  Operation  dringend 
indiziert  und  in  ca.  Proz.  auf  Heilerfolg  zu  rechnen. 

2.  Auch  bei  typischer  Symptomatologie  sind  diagnostische 
Fehler  nicht  zu  vermeiden.  Wirbelgeschwülste,  lokalisierte 
meningitische  Prozesse  und  intermedulläre  Neubildungen 
können  zu  Täuschungen  Anlass  geben. 

3.  Besonderes  Interesse  verdient  die  von  0.  und  Krause 
beschriebene  lokalisierte  Meningitis  serosa  spinalis,  welche  das 
Krankheitsbild  des  extramedullären  Tumors  täuschend  nach¬ 
ahmen  kann. 

4.  Da  die  Symptomatologie  der  extramedullären  Ge¬ 
schwülste  sehr  häufig  eine  atypische  ist,  so  muss  die  Be¬ 
rechtigung  einer  explorativen  Laminektomie  unbedingt  an¬ 
erkannt  werden,  doch  darf  diese  nicht  an  der  Dura  Halt  machen. 

Es  braucht  nicht  noch  besonders  hervorgehoben  zu 
werden,  dass  die  O.sche  Kasuistik  mit  ihren  vorzüglichen  Ab¬ 
bildungen  und  den  vor  der  Operation  schriftlich  niedergelegten, 
scharfsinnigen  differentialdiagnostischen  Ueberlegungen  eine 
Fülle  von  Anregung  und  Belehrung  bietet. 

Die  Erfahrungen  dieses  wie  Wenige  Erfahrenen  werden 
den  Leser  in  eigenen  diagnostischen  Zweifeln  und  Nöten  oft  auf 
den  richtigen  Weg  führen.  V  o  1  h  a  r  d  -  Dortmund. 

Lehrbuch  der  Psychiatrie,  bearbeitet  von  Prof.  Dr. 
A.  C  r  a  in  e  r,  Prof.  Dr.  A.  W  e  s  t  f  a  1,  Prof.  Dr.  A.  H  o  c  h  e, 
Prof.  Dr.  A.  Wollenberg  und  den  Herausgebern:  Prof.  Dr. 
O.  Binswange  r,  Prof.  Dr.  E.  S  i  e  m  e  r  1  i  n  g.  2.  ver¬ 
mehrte  Auflage.  Gustav  Fischer,  Jena  1907.  378  Seiten. 
Preis  M.  5.50  broch.,  M.  6.50  geb. 

Das  in  dieser  Wochenschrift  1905,  pag.  1551  besprochene 
Buch  ist  im  wesentlichen  dasselbe  geblieben.  Die  Abände¬ 
rungen  sind  grösstenteils  Verbesserungen;  die  Vermehrung  des 
Umfanges  kommt  der  Behandlung  des  weitschichtigen  Stoffes 
nur  zu  gute,  und  vor  allem  ist  es  sehr  angenehm,  einen  Ab¬ 
schnitt  über  forensische  Psychiatrie  zu  finden,  der  wenigstens 
alle  prinzipiell  wichtigen  Theiften  behandelt. 

Bleuler-  Burghölzli. 

Dr.  Georges  L.  D  r  e  y  f  u  s:  Die  Melancholie,  ein  Zustands¬ 
bild  des  manisch-depressiven  Irreseins,  eine  klinische  Studie. 
Mit  einem  Vorwort  von  Hofrat  Prof.  Dr.  Emil  K  r  ä  p  e  1  i  n. 
Gustav  Fischer,  Jena  1907.  2  Kurven  im  Text.  322  S. 

Preis  7  M. 


Verf.  hat  die  seit  K  r  ä  p  e  1  i  n  s  Amtsantritt  in  Heidelberg 
dort  aufgenommenen  Fälle  von  Melancholie  weiter  verfolgt  und 
weist  nun  überzeugend  nach,  dass  es  sich  in  jedem  Falle  um 
eine  andere  Krankheit,  fast  immer  um  manisch-depressives 
Irresein,  handelte,  so  dass  die  Melancholie  des 
Rückbildungsalters  nicht  mehr  als  Krankheit 
sui  generis  aufgefasst  werden  kann,  sondern 
in  dem  manisch-depressiven  Irresein  auf¬ 
geht.  In  einem  Vorwort  schliesst  sich  auch  K  r  ä  p  e  1  i  n 
dieser  Ansicht  an.  Der  als  Melancholie  betrachtete  Anfall  ent¬ 
puppt  sich  im  Lichte  dieser  Untersuchungen  als  ein  depressiver 
Anfall  im  Verlaufe  des  manisch-depressiven  Irreseins,  der  aber 
durch  das  Rückbildungsalter  etwas  modifiziert  worden  ist.  In 
sehr  vielen  Fällen  konnte  Verfasser  vorausgegangene  oder 
nachfolgende  wiederholte  Verstimmungen,  meist  depressiver, 
selten  manischer  Natur  nachweisen.  Etwas  unvorsichtig 
scheint  er  mir  insofern  zu  sein,  als  er  von  „typisch-manisch- 
depressiven  Symptomen“  spricht,  deren  Nachweis  ihm 
manisch-depressives  Irresein  zu  garantieren  scheint.  Er  ist 
uns  aber  den  Beweis  schuldig  geblieben,  dass  diese  Symptome 
nicht  auch  bei  den  organischen  Psychosen  und  vor  allem  bei 
der  Dementia  praecox  Vorkommen  können.  In  Bezug  auf  die 
letztere  Krankheit  enthält  die  Afbeit  überhaupt  eine  sehr  emp¬ 
findliche  Lücke.  Bei  vielen  Krankheitsgeschichten  ist  die  De¬ 
mentia  praecox  nicht  auszuschliessen,  in  einzelnen,  z.  B.  bei 
Fall  26,  drängt  sich  diese  Diagnose  geradezu  auf.  Wird  die 
Dementia  praecox  sicher  ausgeschlossen,  dann  sollte  auch  die 
Heredität  Anhaltspunkte  geben,  die  bisherige  Melancholie  dem 
manisch-depressiven  Irresein  zuzuzählen 

Bleuler-  Burghölzli. 

Julius  Bessmer,  S.  J.:  Störungen  im  Seelenleben. 

2.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Herder  sehe  Ver¬ 
lagshandlung.  Freiburg  i.  B.,  1907.  227  Seiten. 

Verf.  sucht  in  einem  Vorwort  die  gegen  die  erste  Auf¬ 
lage  auch  vom  Ref.  erhobenen  Einwände  zu  widerlegen.  Er 
tut  das  mit  der  Behauptung,  die  Existenz  einer  substanziellen 
Seele  sei  eine  Vernunftwahrheit,  wobei  er  sich  u.  a.  auch  auf 
Aristoteles  beruft.  Ferner  zeige  es  sich,  dass  das  menschliche 
Wollen  in  seinen  höchsten  Betätigungen  vom  Organismus 
innerlich  unabhängig  sei.  Dass  die  Beweise  für  die  immaterielle 
Seele  eben  an  sich  keine  Beweise  sind,  geht  doch  gewiss  daraus 
hervor,  dass  sie  auf  so  viele  Leute  nicht  überzeugend  wirken 
und  wenn  wir  beständig  die  Abhängigkeit  auch  der  höchsten 
Betätigungen  vom  Organismus  beobachten,  so  nützt  es  nichts, 
uns  dieselbe  leugnen  zu  wollen. 

Im  Prinzip  ist  an  dem  Buche  nichts  geändert  worden.  Das 
was  für  dasselbe  am  wichtigsten  ist,  ist  eine  Sache  des  Glaubens 
und  nicht  des  Wissens  (vergl.  Besprechung  der  ersten  Auflage, 
Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  Seite  2576). 

Bleuler-  Burghölzli. 

Neueste  Journalliteratur. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  88.  Band,  5. — 6.  Heft, 

Leipzig,  Vogel,  August  1907. 

1)  Göbell:  Ein  Beitrag  zur  Prostatektomie. 

Bericht  über  23  Fälle  von  Prostatektomie.  Operiert  wurde  16  mal 
suprapubisch  (Lumbalanästhesie,  Blasenfüllung  mit  Luft,  ausgiebige 
Blasendrainage)  und  7  mal  perineal.  Die  suprapubische  Methode 
(keine  Blasenfistel)  verdient  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  Qö- 
bells  den  Vorzug  vor  der  perinealen  (2  Urethralfisteln). 

2)  Harm  er  und  Glas:  Die  malignen  Tumoren  der  inneren 
Nase.  (Eine  klinisch-histologische  Studie.) 

Verfasser  besprechen  an  der  Hand  von  32  Fällen  eingehend 
Aetiologie,  Lokalisation.  Symptomatologie,  Prognose,  Therapie  und  Hi¬ 
stologie  der  malignen  Tumoren  der  inneren  Nase.  Des  näheren  einge¬ 
gangen  ist  auf  die  Koexistenz  von  malignen  Tumoren  der  inneren 
Nase  und  Polypen  bezw.  Nebenhöhleneitenungen. 

Ausgangspunkt  war  nur  2  mal  das  Nasenseptum,  sonst  die  laterale 
Nasenwand.  Spontane  Blutungen  sind  beim  Sarkom  häufiger  wie  beim 
Karzinom. 

Zum  Teil  in  die  Stirnhöhlengegend,  zum  Teil  in  den  Hinterkopf 
verlegte  Kopfschmerzen,  besonders  nach  Eröffnung  fortbestehende 
Nebenhöhlenjauchung  sind  symptomatologisch  wichtig.  Durch  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  aller  Polypen,  bei  deren  Entfernung  es  zu 
stärkeren  Blutungen  kommt,  wird  die  Diagnose  gesichert.  Die  sub- 
maxillaren  Lymphdriisen  sind  relativ  selten  Sitz  der  Tumormetastasen: 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1995 


=bäsä 

»rPSSSsssÄ« 

nach  verschiedenen  Methoden^Elektrol Ko  b 

sprochen" Dabei  ist  ein  Fall  von  Zottenkrebs  registriert,  der  nach 

(25  Karzinome,  6 

S=S«  fS-ÄÄÄ 

sfeSSSSSSHss» 

Wlrtl'Tl.eraiieutisch  am  zweckmässigsten  ist  die  „Inversion  zur  Stel- 
lungsverbesserung  defekter  Hüftgelenke“  „ach  Lorenz  mit  nach- 

folgendej  ^^^^vof^Sundene '..lnkonsruenz  der  QelenkMchen 
des  Kid e gelenk es“° h ä n g t  vielleicht  ätiologisch  mit  der  Arthritis  de- 

formanSpgeni  sZnsammen^aii  ^  sogena„nter  „idiopathischer“  iuve- 

nilcr  Osteoarthritis  deiormans  coxae  (eine  kongenitale  Dysart  in  .). 

Rpi  dem  35  jährigen  Pat.  fand  sich  ohne  vorausgegangenes 

SSsSffsSffita  Ss  »SS- 

u  .  ,  1  Triinnathi'sC'he“  Arthritis  deformans  coxae,  a)  infolge  kon 
genftaier  Dvsaidhrte^b)  bei  statischen  «--im Unis*»  £r  Hu  e: 

2.  Neuropathische  Arthritis  deformans  coxae  ^abes.  Sy^gomy  ^  - 

3.  Traumatische  Arthritis  deformans  coxae:  4  Sekundäre  Arthritis 

deformans  coxae  nach  Ablauf  andersai  tigei  E  . 

5)  Kleinere  Mitteilungen.  «»ntischer 

Brunner:  Ein  durch  Operation  geheilter  Fall  von  septisc 

Thr0Res°ektioe„r  ?rnDarrmVundeVsenterium.  Heilung.  Literatur: 

89  ss :  ^v^ti^ossiBcans11  traumatica '  des  XS* 

luftbehandlung. 

1907.  No.  35—37. 


Zentralblatt  für  Chirurgie 

No.  35.  W.  Dreesmann-Köln:  Die  Resektion  des  Nervus 

infraorbitalis.fiehit  diege  Operation  vom  Antrum  Highmori  aus  nach 

den  günstigen  Erfolgen  an  mehreren  Patienten  neuerlich  lebhaft  da 

sie  eine  vollständige  Entfernung  aus  dem  Resultat 

gung  des  Bulbus  ermöglicht  und  vorzügliches  kosmetisches  Resultat 

gibt.  Die  Schleimhaut  wird  am  Uebergang  von  ^ange  zum  Alveola^- 
fortsatz  vom  2.  Prämolar  bis  1.  Schnadczahn  bis  auf  den  Knochen 
eingeschnitten,  das  Periost  bis  zum  N.  nifraorbit.  abgehebelt  un 
nunmehr  mit  Hammer  und  Meissei  ein  1,5  ?ros,^s  in 

im  Antrum  gleich  unter  dem  For  mfraorbit.  an^e^kd^ei,  6JJeg 
seiner  Austrittsstelle  freigelegt  und  auf  ein 

und  nun  wird  (bei  künstlicher  Beleuchtung)  die  ^PaUung  der  S chieirn 
haut  von  vorn  nach  hinten  vorgenommen  und  der  Nerv  auf  seinem 
o-anzen  Weg  durch  die  Höhle  schrittweise  luxiert  bis  hintei  diese!,  e, 
dann  wird  der  Nerv  an  seinem  hintersten  Ende  gefasst  und  langsam 
herausgedreht.  Auch  Infektion  des  Antrum  braucht  dje  Operation 
nicht  auszuschliessen.  da  Sekretstauung  nicht  eintretenka  • 

O.  Klauber-Lübeck:  Die  Gangran  der  retrograd  mkarze- 

rierten  Darniint  anSdass  es  Formen  von  Doppeleinklemmungen  geben 
kann,  die  in  der  von  Lauen  st  ein  an  gen. ^mmenen  Ar  zustande 
kommen  glaubt  aber  an  der  von  ihm  beobachteten  Form  mit  Ein 
klemmung  des  Mesenteriums  der  Verbindungsschlinge  festhalten  z 

"'"T  nregory:  Zur  Behandlung  granulierender,  nach  Trauma 

a?  mchnrgeSrbendÄHe„  (tägliche  Anwendungs- 

llaUeiNo.°3622  J  Xnwk  e  I  -  Göttingen:  Zur  Frage  der  retrograden  In- 

karzeration  des  Darmes.  . r.  hwutp 

Nach  J.  handelt  es  sich  hierbei  um  Artefakte,  durch  brüske 

Taxisversuche  hervorgerufen.  Die  erste  Inkarzeration  einer  einzigen 


Schlinge  wird  dabei  gehoben,  durch  Stopfen  und  Kneten  die  mal¬ 
trätiert  e  Schlinge  mit  ihrer  Kuppe  durch  die  relativ  weite  Biucl- 
nforte  in  die  Bauchhöhle  gepresst,  während  von  beiden  Seiten,  beson- 

n  i  .  Tli  Hwaid  sofort  gedeckt  wurde.  Von  grosser  Wich- 

iüüüüif 

ritis  verlief,  bestätigt. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  37.  ... 

W  St  oe  ekel:  Einwanderung  einer  bei  einer  Laparotomie 

angeblich  wegen  Dann- 

vcrschlingung  mit  Bauchfellentzündung  laparotomiert  worden. 

scheidenfistel  wurde  spater  durch  die  Fistelnaht  gescidoss  . 

M  C  in  1  i  a  -  Genua:  Ueber  die  fettige  Degeneration  der  Oe- 

b9ralAuXrder*cheniisctig  n^Unter'suchung 

ättsi 

ä-HSS-- 

Prozessen  im  Wochenbett  stammenae  j  a  f  f  e  -  Hamburg, 

benutzt  wird. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  1.  Heft  18. 

teüTvon  ' Symphysüiie  und  Hebosteotomie  neben  einander  und 
™  zn  OuLen  ^rletztere.  Die  «rj.g-0  ,  g, ,  ang^ 

efefässunterhindung"  Ä  Erachtens  den  besten 

Erf0lBdu,and  Preiss-Kattowitz:  Ueber  rezidivierende  abundante 
Magendarmblutungen  im  letzten  Monate  der  Schwangerschaft. 

Bh  Fall  von  Magendarmblutung  in  der  zweiten  und  dritten 

Schwangerschaft  einer  sonst  gesunden  Frau;  bei  ^^L^reMai 
tote  Kinder  (einmal  kurz  ante  partum  abgestoiben,  das  andere i  M^ 
tief  asphvktisch  geboren  und  nicht  wiederbelebt).  A  .  -  ~ 

“da  iStÄtSl^  Frai 

'rmmmmmm 

Vereinigung  zur  Forderung  des  o  s  cm  c^l  b  ]  ..  n  d  ß  r  _  Marburg. 
wesens 


Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  VI.  No.  5.  (August 
1907.)  t 

1)  Max  Klotz:  Ueber  Säuglingsernährung  mit  Hanfsuppe  (.Aus 

der  SäugUngsabteilung  des  altstädtischen  Krankenhauses  in  Magde- 

bUrSDie  vorliegenden  Untersuchungen  stellen  eine  J^er  Arthur 
Kellers  Leitung  vorgenommene  Nachprüfung  über  den 

Säää'wäST« 

-  SSFää: 

den  "sSndpunkt.  Als  Therapeutikum ,  hält^  er  tas^O  ss  o  U  ..ge¬ 
nannte)  Präparat  für  nutzlos,  .1.  ‘jd|ih  Die  schlussätze  der 

äss  ««b  »"^«'srSnS 

Ä  ÄÄ„  Ältere  therapeutische  Mittel 


1996 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


zu  ersetzen,  geschweige  denn  zu  übertreffen.  Worauf  ihre  schädi¬ 
gende,  keinesfalls  indifferente  Wirkung  in  unseren  Fällen  zurückzu¬ 
führen  war,  ist  unbekannt“. 

2)  Heinrich  Bogen:  Spasmophilie  und  Kalzium.  (Aus  der 
Universitäts-Kinderklinik  in  Heidelberg.  Direktor:  Prof.  Feer.) 

Verf.  hat  an  einer  Reihe  von  Säuglingen  Stöltzners  Angabe 
nachzuprüfen  gesucht,  dass  die  Spasmophilie  (Tetanie)  durch  eine 
Kalziumstauung  im  Organismus  entsteht.  Seine  Versuchsanordnung 
schloss  gewisse  Fehlerquellen  Stöltzners  aus  (längere  klinische 
Beobachtung;  sehr  einfache,  einheitliche  Ernährungsweise  während 
des  Versuches;  Beginn  der  Ca-Zufuhr  erst  bei  normaler  galvanischer 
Erregbarkeit;  Durchführung  der  Ca-Zufuhr  längere  Zeit  als  bei 
Stöltzner;  regelmässige  Temperaturmessungen).  Nach  seinen 
Untersuchungen  und  nach  einer  (sehr  hübschen)  Uebersicht  über  die 
einschlägige  Literatur  kommt  er  —  entgegen  Stöltzner  —  zum 
Resultat,  dass  die  Zufuhr  von  Kalzium  nicht  im  stände  ist,  tetanoide 
Zustände  hervorzurufen,  dass  ferner  kein  Anhaltspunkt  für  die  von 
St.  bei  Tetanie  angenommene  Kalkstauung  im  Körper  besteht. 

Referate.  Albert  Uffenheimer  -  München. 

Zeitschrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie. 
Bd.  IV.  H.  1. 

1)  E.  Freund:  Ueber  den  Ort  des  beginnenden  Eiweiss- 
abbanes  im  gefütterten  und  hungernden  Organismus.  (Aus  dem 
pathol.-chem.  Labor,  der  Krankenanstalt  Rudolfstiftung  in  Wien.) 

Der  Verfasser  stellte,  Durchblutungsvesrjsuche  am  Darm  und 
an  der  Leber  von  Schweinen  und  Hunden  an  und  kam  dabei  zu 
folgenden  Resultaten.  Bei  Durchblutungsversuchen  an  der  Hunger¬ 
leber  werden  nur  bei  Durchblutung  mit  Pfortaderblut  Eiweissabbau¬ 
produkte  gefunden;  bei  Benützung  von  Hungerpfortaderblut  in  ge¬ 
ringem,  von  gefüttertem  Pfortaderblut  in  reichlichem  Masse.  Anderes 
Blut,  Zusatz  von  fremdartigem  Blut,  inaktiviertem  Blut,  Globulinen, 
Witte  schem  Pepton  ist  wirkungslos.  Die  Abbaufähigkeit  des 
Pfortaderblutes  beruht  auf  dem  Gehalt  an  Eiweissresorption^produk- 
ten  aus  dem  Darm,  die  unter  normalen  Verhältnissen  grösstenteils 
in  koagulierbarer  Form  und  der  Pseudoglobulinfraktion  angehörig 
vorhanden  sind.  Es  wird  demnach  auch  im  Hunger  aus  dem  Blute 
in  den  Darm  Eiweiss  ausgeschieden,  das  in  gespaltener  Form  wieder 
zur  Resorption  gelangt.  Im  Darm  wird  nicht  nur  das  Eiweiss  in 
leichter  resorbierbare  Form  gebracht,  sondern  es  geht  auch  in  dem¬ 
selben  der  erste  und  nach  Umständen  auch  der  grösste  Teil  jenes  dem 
Energiebedürfnisse  dienenden  Eiweissabbaues  vor  sich,  den  man  den 
Zellen  des  Organismus  bisher  zugewiesen  hat.  Das  Vorkommen  der 
reichlichen  Eiweiss-  und  Fett-,  sowie  der  Eisen-  und  Kalkmengen  im 
Hungerdarm  und  Kot  macht  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  überhaupt 
zum  Zwecke  vieler  Abbauvorgänge  das  aus  den  Zellen  an  das  Blut 
abgegebene  Material  dem  Darm  behufs  Abbaues  zugeführt  wird. 

2)  Otfried  Müller  und  R.  Siebeck:  Ueber  die  Vasomotoren 
des  Gehirns.  (Aus  der  Tübinger  med.  Klinik.) 

Die  Verfasser  verwendeten  zu  ihren  Untersuchungen  plethysmo¬ 
graphische  Methoden  (zum  Teil  den  Hirnplethysmograph  von  Roy 
und  Sherrington),  die  Bestimmung  der  Ausflussmenge  aus  einer 
Vene  des  Schädelinnenn  an  Deren,  und  am  Menschen  die  Registri- 
i  ung  dei  Druckschwankungen  des  Liq.  cerebrospin.  bei  lumbalpunk¬ 
tierten  Kranken  und  die  Partialwägung  des  Kopfes.  Ihre  Resultate 
sind  folgende:  Durchschneidung  des  Vagosympath.  beim  Hunde 
des  Sympathikus  beim  Kaninchen  ruft  eine  Zunahme,  Reizung  des 
zentralen  Stumpfes  eine  Abnahme  des  Hirnvolumens  hervor,  welche 
nur  auf  nervöse  Einflüsse  zurückgeführt  werden  können,  also  die 
Existenz  von  Vasomotoren  für  das  Gehirn  beweisen,  da  sie  viel 
früher  als  die  durch  die  gleiche  Ursache  allenfalls  bedingten  Aendc- 
rungen  des  arteriellen  oder  venösen  Blutdruckes  auftreten.  Chloro¬ 
form  und  Strychnin  wirken  auch  auf  die  Vasomotoren  des  Gehirnes 
und  vertu  Sachen  Volumschwankungen,  welche  denen  des  arteriellen 
Blutdruckes  entgegengesetzt  sind.  Sensible  und  thermische  Reize 
beeinflussen  ebenfalls  die  Hirnvasomotoren.  Bei  sehr  starken  Blut¬ 
drucksteigerungen  kann  die  durch  nervöse  Impulse  veranlasste  Kon¬ 
traktion  der  Gehirngefässe  durch  Dehnung  überwunden  werden,  ähn- 
lieh  wirkt  das  Adrenalin  in  kleinen  Dosen  direkt  kontrahierend,  in 
grossen  Dosen  durch  Blutdrucksteigerung  dilatierend. 

ö.  I.  I  s  h  i  z  a  k  a  -  Japan :  Studien  über  das  Habuschlangengift. 

(Aus  dem  pharmakol.  Institut  in  Wien.) 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  des  Verfassers  sind  fol¬ 
gende:  Das  Habugift  (das  Gift  der  giftigsten  Schlange  Japans,  des 
Tr i me r esu r us  Riukiuanus)  enthält  als  wesentlichsten  Bestandteil  ein 
nämori  hagin,  ferner  ein  Hämolysin,  ein  Agglutinin  und  eine  geringe 
Menge  Neurotoxin.  Bei  subkutaner  Anwendung  verursacht  es  heftige 
Hämorrhagien  mit  nachfolgenden  ausgedehnten  Nekrosen,  ferner 
Ekchymosen  an  den  Eingeweiden.  Konjunktiva,  Magen-  und  Darm¬ 
schleimhaut  sind  bei  direkter  Berührung  mit  dem  Gift  ziemlich  wider¬ 
standsfähig.  Das  Gift  bewirkt  Lähmung  des  Herzmuskels,  ohne  das 
vasomotorische  Zentrum  und  die  peripheren  Gefässe  zu  beeinflussen; 
der  I  od  tritt  durch  Lähmung  des  Respirationszentrums  ohne  Kon¬ 
vulsionen  und  ohne  Lähmung  der  peripheren  Muskulatur  ein.  Bei 
nicht  akutem  Verlaufe  kann  auch  durch  eine  parenchymatöse  Nephri¬ 
tis  der  1  od  eintreten.  Reizerscheinungen  des  Zentralnervensystems 
treten  nur  bei  direkter  Injektion  in  die  Gehirnsubstanz  oder  in  die 


Nervenscheide  ein.  Die  hämolytische  Wirkung  fehlt  bei  Kaninchen-, 
Rinder-  und  Mäuseblut,  ist  schwach  bei  Menschen-  und  Katzenblut', 
stark  bei  Hundeblut;  zugesetztes  Cholestearin  wirkt  hemmend;  durch 
Einwirkung  von  Lezithin  wird  der  hämolytische  Ambozeptor  akti¬ 
viert.  Erhitzung  auf  90°  (30  Minuten)  zerstört  das  Hämorrhagin. 
Durch  Schütteln  mit  Chloroform  geht  das  Hämorrhagin  in  eine  un¬ 
giftige  Modifikation,  in  ein  Toxoid,  über;  Azeton  fällt  alle  wirksamen 
Bestandteile,  der  Niederschlag  ist  in  verdünnten  Alkalien  leicht  lös¬ 
lich  und  hat  an  Wirksamkeit  nichts  verloren.  Trypsin,  SH-,  FeCL 
und  Säuren,  besonders  HCl  zerstören  das  Hämorrhagin.  Man  kann 
Kaninchen  durch  Einführung  des  Giftes  per  anum  immunisieren  und 
so  Antitoxin  gewinnen.  Mit  dem  entweder  durch  Chloroform  oder 
SH,  oder  Eisessig  oder  durch  Erwärmen  auf  60—68°  modifizierten 
(iift  lässt  sich  leicht  Immunität  erzielen;  das  Serum  so  immunisierter 
Kaninchen  wirkt  antitoxisch,  es  bildet  mit  dem  Habugift  einen  dich¬ 
ten  Niederschlag,  nicht  aber  mit  dem  Viperngift  und  wirkt  auch  diesem 
gegenüber  nicht  antitoxisch. 

4)  L.  Hirsch  stein:  Die  Beziehungen  des  Glykokolis  zur 
Harnsäure.  (Aus  dem  Labor,  der  inneren  Abteil,  des  städt.  Kranken¬ 
hauses  in  Altona.) 

Das  Glykokoll  des  Harnes  wurde  vom  Verfasser  nach  Igna- 
towski  mit  Naphthalinsulfochlorid,  die  Harnsäure  nach  D  eiliges 
bestimmt.  Bei  Zufuhr  von  reiner  Harnsäure  wie  bei  Thymusfütterung 
steigt  beim  Gesunden  die  Glykokollmenge  im  Harn,  beim  Gichtiker 
steigt  sie  nach  Thymusfütterung  nur  wenig,  ebenso  wie  die  Harn¬ 
säure  kaum  zunimmt;  wenn  dann  die  Harnsäureausfuhr  steigt,  bei 
einem  Anfall,  dann  sinkt  die  Glykokollausfuhr.  Ein  Gichtanfall  kann 
auch  durch  Resorption  des  nukleinreichen  pneumonischen  Exsudates 
ausgelöst  werden;  die  Glykokollausscheidung  verhielt  sich  bei  einem 
solchen  Fall  ähnlich  wie  bei  anderen  Gichtanfällen.  In  einem  Falle 
schwerster  vererbter  Gicht  war  überhaupt  kein  Glykokoll  im  Harn 
nachweisbar.  Dass  Glykokoll  ein  Spaltungsprodukt  der  Harnsäure 
ist,  Hess  sich  auch  dadurch  zeigen,  dass  aus  einer  Lösung  von  reiner 
Harnsäure  in  5  proz.  Natronlauge  durch  Schütteln  mit  Naphthalinsulfo¬ 
chlorid  Naphthalinsulfoglykokoll  entsteht,  allerdings  in  nur  geringen 
Mengen.  In  einem  Falle  von  Gicht  konnten  im  Harn  neben  Spuren 
von  Ameisensäure  auch  nicht  unerhebliche  Mengen  von  Essigsäure, 
welche  durch  Desamidierung  des  Glykokolis  entsteht,  nachgewiesen 
werden. 

5)  E.  Münzer:  Ueber  Blutdruckmessung  und  ihre  Bedeutung, 
nebst  Beiträgen  zur  funktionellen  Herzdiagnostik. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

6)  E.  Biernack  i  und  Th.  Holobut:  Blutveränderungen  bei 
thermischen  Einflüssen.  (Aus  dem  Institut  für  allgemeine  und  experi¬ 
mentelle  Pathologie  in  Lemberg.) 

Die  Verfasser  bestimmten  an  Fröschen  und  Kaninchen  die  Zahl 
der  roten  Blutkörperchen  und  die  Trockensubstanz  des  Blutes  unter 
verschiedenen  thermischen,  innerhalb  der  normalen  Breite  gelegenen 
Einflüssen  und  unterschieden  dabei  die  rasch  vorübergehende  Reiz¬ 
wirkung  von  der  Wirkung  der  einfachen  Kälte-  und  Wärme¬ 
applikation.  Dabei  ergab  sich,  dass  im  allgemeinen  die  Zahl  der 
roten  Blutkörperchen  durch  Kälteeinwirkung  verkleinert,  durch 
Wärme  vergrössert  wird,  dass  die  Einwirkung  unabhängig  vom 
Blutdruck  ist  und  dass  die  Trockensubstanz  dabei  unabhängig  ist 
von  der  Zahl  der  roten  Blutkörperchen.  Die  Bestimmung  der  Sedi- 
mentierungsgeschwindigkeit  und  des  Sedimentvolumens  ergab:  Ver¬ 
zögerung  der  Sedimentierung  bei  Abkühlung,  Beschleunigung  'bei  Er¬ 
wärmung,  während  das  Sedimentvolum  keine  Aenderung  trotz  Aende- 
rung  der  Blutkörperchenzahl  erfuhr.  Das  Hauptagens  ist  demnach 
eine  Schwankung  des  durchschnittlichen  Volums  der  einzelnen  Ery¬ 
throzyten.  Abnahme  dieses  Volums  bedingt  eine  Vergrösserung,  Zu¬ 
nahme  eine  Verkleinerung  der  Blutkörperchenzahl. 

7)  M.  Ascoli:  Zur  Kenntnis  der  A  d  a  ms  -  S  t  o  k  es  sehen 
Krankheit.  (Aus  dem  Institut  für  spezielle  Pathologie  in  Pavia.) 

Kasuistische  Mitteilung,  zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

8)  Ludwig  H  o  f  b  a  u  e  r  -  Wien:  Zur  operativen  Behandlung  ge¬ 
wisser  Lungenkrankheiten  (Emphysem  und  Tuberkulose). 

Polemisch  gegen  Freu  n  d,  zu  einem  Referate  nicht  geeignet. 

9)  W.  A.  Freund:  Bemerkungen  zu  dem  obigen  Artikel. 

Zu  einem  Referate  nicht  geeignet. 

10)  E.  Bröcking:  Ein  Beitrag  zur  Funktionsprüfung  der 
Arterien.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Marburg.) 

Der  Verfasser  bestimmte  den  systolischen  und  diastolischen  Blut¬ 
druck  am  Arm  nach  Riva-Rocci,  a)  in  horizontaler  Rückenlage, 

b)  in  sitzender  Stellung  des  Patienten  mit  horizontal  liegenden  Beinen. 

c)  in  sitzender  Stellung  mit  herabhängenden  Beinen,  und  d)  in  auf¬ 
rechtstehender  Stellung.  Bei  normalen  Menschen  ist  der  Druck  bei  d 
(im  Stehen)  meist  etwas  niedriger  als  bei  a  (im  Liegen).  Beim 
Uebergang  zu  b  (in  sitzende  Stellung  mit  horizontaler  Beinlage) 
steigt  der  Blutdruck  um  6—  12  cm  H,Ü,  beim  Sitzen  mit  herabhängen¬ 
den  Beinen  wird  er  meistens  wieder  niedriger.  Die  Blutdrucksteige¬ 
rung  beim  Sitzen  erfolgt  durch  Kompression  des  Bauches  und  damit 
des  Splanchnikusgebietes,  das  Blut  weicht  in  die  peripheren  Gefäss- 
gebiete  aus;  bei  herabhängenden  Beinen  lässt  die  Kompression  des 
Bauches  nach,  das  Blut  kann  auch  der  Schwere  nach  mehr  in  die 
unteren  Extremitäten  ausweichen.  infolgedessen  ist  der  Blutdruck- 
niedriger.  Man  kann  aus  der  Blutdrucksteigerung  von  6 — 12  cm 
nach  dem  Uebergang  aus  a  in  b  (in  die  sitzende  Stellung  mit 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1997 


horizontal  gelagerten  Beinen)  auf  ein  normales  Funktionieren  der 
peripheren  Qefässe  auf  vasokonstriktorische  Zustände  im  Splanch- 
nikusgebiete  hin  schliessen,  also  damit  die  Gefässkomponente  des 
Kreislaufes  beurteilen.  Der  Pulsdruck  nimmt  mit  der  Steigerung  des 
systolischen  Druckes  zu.  Bei  Affektionen  des  Gefässystems  fand  sich 
folgendes.  Bei  dem  Typus  leicht  erregbarer  Menschen  lässt  sich 
ein  deutliches  Höherschnellen  bei  b  konstatieren.  Bei  d  ist  der 
Blutdruck  wieder  annähernd  normal.  Bei  einer  zweiten  Gruppe  findet 
sich  bei  normalen  Werten  bei  b  deutliche  Blutdrucksenkung  bei  c 
und  d.  Die  Gefässspannung  ist  hier  geringer,  es  kann  daher  das 
Blut  der  Schwere  entsprechend  mehr  in  die  Beine  ausweichen.  Bei 
der  dritten  Gruppe  von  schwerer  Gefässschwäche  fehlt  auch  der 
Druckanstieg  bei  b  ganz.  Bei  deutlicher  Arteriosklerose  findet  sich 
nun  stets  das  Fehlen  des  Anstieges  bei  b,  also  das  Fehlen  der  Reaktion 
der  Peripherie  auf  die  Kompression  des  Splanchnikusgebietes. 

11)  G.  W  e  s  e  nb  e  r  g  -  Elberfeld:  Die  Jodbestimmung  im  Harn 
nach  Kellermann.  Eine  sachliche  Antwort  auf  die  Angriffe  des 
Herrn  Dr.  phü.  M.  Krause. 

Zu  einem  Referate  nicht  geeignet. 

12)  H.  Brat:  Ueber  eine  reflektorische  Beziehung  zwischen 
Lungenbewegung  und  Herztätigkeit. 

Bei  künstlich  angelegtem  Pneumothorax  mit  Sauerstoffdurch- 
leitung  sinkt  die  Pulsfrequenz;  wird  der  Druck  in  der  Respirationsluft' 
erhöht,  so  steigt  die  Pulsfrequenz  wieder,  sinkt  aber  wieder,  wenn 
der  Druck  so  stark  geworden  ist,  dass  eine  ausgiebige  Lungenbe¬ 
wegung  unmöglich  ist;  dasselbe  zeigt  sich  auch,  wenn  statt  durch 
Sauerstoff  durch  CO2  die  Lungen  vorübergehend  stark  aufgebläht 
werden.  Die  Durchleitung  der  COa  allein  genügt  nicht,  um  die  Vagus¬ 
pulse  auszulösen,  wie  Versuche  mit  künstlicher  Respiration  mit  CÜa 
beweisen.  Es  ist  demnach  der  Ausfall  der  normalen  Lungenbewegung, 
welcher  reflektorisch  die  Pulsverlangsamung  bewirkt;  es  ist  also 
auch  der  schädliche  Einfluss  des  Pneumothorax  zum  Teil  durch  den 
Ausfall  der  Lungenbewegung  zu  erklären. 

13)  .1.  Rihl:  Ueber  atypische  Grössenverhältnisse  der  Extra¬ 
systole  am  Säugetierherzen.  (Aus  dem  Institut  für  allgemeine  und 
experimentelle  Pathologie  der  deutschen  Universität  in  Prag.) 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  des  Verfassers  sind  folgende: 
Es  gibt  2  Formen  von  Vergrösserung  der  Kammerextrasystole  des 
Säugetierherzens,  1.  durch  Superposition,  2.  Vergrösserung  an  und 
für  sich.  Vergrösserung  durch  Superposition  tritt  bei  den  einen 
Fällen  nur  bei  sehr  vorzeitigen  Reizen,  bei  den  anderen  bei  etwas 
minder  vorzeitigen  auf.  Bei  diesen  kommt  es  bei  noch  weniger 
vorzeitigen  Reizen  zu  Vergrösserung  der  Extrasystole  an  und  für 
sich.  Diese  Vergrösserung  lässt  sich  bei  den  vorliegenden  Fällen 
nicht  als  Ausnahme  von  dem  Alles-  oder  Nichtsgesetz  auffassen,  son¬ 
dern  ist  auf  das  Vorhandensein  von  —  vielleicht  untereinander  ganz 
verschiedenen  —  Bedingungen  zurückzuführen,  unter  denen  es  zui 
Erscheinung  der  Treppe  kommt.  Mitunter  ist  die  nach  einer  inte  1  — 
polierten  Extrasystole  auftretende  postextrasystolische  Systole  supei- 
poniert.  Eine  Vergrösserung  der  Extrasystole  kann  auch  stattfinden, 
wenn  eine  Extrasystole  nach  der  kleineren  Kontraktion  einei  im 
Alternans  schlagenden  Kammer  auftritt. 

Lindemann  -  München. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  38.  1907. 

1)  Begrüssung  zum  14.  internationalen  Kongress  für  Hygiene  und 

Demographie.  . ,  .  _  ,  . 

2)  V.  B  a  b  e  s  -  Ofen-Pest  und  A.  V  a  s  1 1 1  u  -  Roman:  DieAtoxyl- 

behandlung  der  Pellagra. 

Die  Verfasser  berichten  über  62  mit  Atoxyl  behandelte  ralle.  Dei 
rasche  Erfolg  bei  akuten  Fällen  und  bei  jugendlichen  Kranken  ist  ein 
ganz  zweifelloser  lind  trat  bis  2  I  age  nach  der  ersten  Injektion  be- 
reits  ein,  selbst  bei  sehr  schweren  akuten  Formen.  Alle  Symptome 
der  Krankheit  wurden  durch  das  Mittel  günstig  beeinflusst.  Bei  nicht 
komplizierten  Fällen  an  Personen  mittleren  Alters  war  die  Wirkung 
auch  eine  recht  günstige  und  wurde  im  Durchschnitt  innerhalb  14 
Tagen  Heilung  erzielt.  Weniger  günstig  waren  die  Erfolge  bei  ballen 
mit  Geistesstörung,  weil  bei  diesen  häufig  Rückfälle  auftraten.  Bei 
Personen  über  50  Jahren  konnte  eine  Heilung  oft  erst  nach  längerer 
Zeit  erzielt  werden,  doch  wird  im  allgemeinen  durch  die  Atoxyl- 
therapie  die  Behandlungsdauer  ganz  erheblich  abgekürzt. 

3)  E.  F.  Bashford,  J.  A.  Murray  und  M.  H  aal  and  - 
London:  Ergebnisse  der  experimentellen  Krebsforschung. 

Die  Mitteilung  bezieht  sich  auf  die  Versuche,  einen  von  einer 
Maus  stammenden  Plattenepitheltumor  zu  transplantieren.  Die  Ueber- 
impfung  erfolgte  auf  201  Mäuse.  Zum  Teil  wurde  in  den  entstehenden 
Tumoren  ebenfalls  Verhornung  gefunden.  Die  Verfasser  berichten 
über  histologische  Einzelheiten  dieser  Geschwülste.  Bemerkenswert 
war  auch  hier  die  spezifische  Stromareaktion  für  einzelne  I  umoren. 
Tiere,  bei  welchen  der  transplantierte  Tumor  zur  spontanen  Resorp¬ 
tion  gelangte,  sind  gegen  spätere  Impfungen  des  nämlichen  1  umors  in 
hohem  Grade  geschützt.  . 

4)  CI.  Fermi  und  R.  R  e  p  e  1 1  o  -  Sessari:  Ueber  die  Filtrier¬ 
barkeit  des  Trachomerregers  und  über  den  pathogenetischen  Wert 
der  kultivierbaren  Flora  der  trachomatösen  Konjunktiva. 

Aus  den  Schlussfolgerungen  der  mitgeteilten  Versuche  ist  anzu¬ 
führen,  dass  keiner  der  verschiedenen,  auf  Agar  oder  in  Glyzerin¬ 
bouillon  kultivierbaren  Migroorganismen,  die  die  ganze  Flora  der 


trachomatösen  Konjunktivitis  bilden,  weder  einzeln  noch  zusammen 
die  Kraft  besessen  haben,  das  Trachom  beim  Menschen  wieder  her¬ 
vorzurufen.  Das  trachomatöse  Virus  gehört  nicht  zu  den  filtrierbaren, 
aber  andererseits  zu  den  kultivierbaren  Mikroorganismen. 

5)  Julius  Kentzler  -  Ofen-Pest:  Weitere  Untersuchungen  über 
die  Arteigenheitsverluste  der  körperfremden  Eiweisstoffe. 

K.  hat  schon  früher  auf  die  Rolle  der  Salzsäure  hingewiesen,  art¬ 
fremdes  Eiweiss  umzuwandeln  und  seiner  schädlichen  Wirkungen  auf 
den  Organismus  zu  entkleiden.  Verf.  hat  nun  seine  Versuchspersonen 
Milch  in  mehr  oder  minder  grosser  Menge  aufnehmen  lassen  und  das 
Serum  der  Betreffenden  mittelst  der  Präzipitinreaktion  auf  das  art¬ 
eigene  Erscheinen  der  Kuhmilcheiweisskörper  untersucht.  Es  eigab 
sich,  dass  der  Organismus  die  durch  den  Magen  aufgenommenen  art¬ 
fremden  Eiweisstoffe  nicht  in  ihrer  arteigenen  Form  aufnimmt,  son¬ 
dern  in  einer  veränderten  zur  Assimilation  bringt. 

6)  J.  Morgenrot  h  und  K.  Reicher-  Berlin :  Zur  Kenntnis 
der  durch  Toxolezithide  erzeugten  Anämie  und  deren  medikamentöser 


Beeinflussung.  .  ,  , 

Aus  den  mitgeteilten  Versuchen,  auf  welche  hier  nicht  einge¬ 
gangen  werden  kann,  geht  hervor,  dass  die  intravenöse  Einspritzung 
sowohl  des  isolierten  Toxolezithids  wie  eines  entsprechend  präpa¬ 
rierten  Gemisches  von  Kobragift  mit  Lezithin  zu  einer  rasch  ein- 
setzenden  Anämie  führt;  ferner  dass  das  Cholesteiin  imstande  ist,  die 
Ausbildung  der  durch  Injektion  des  1  oxolezithinds  bei  den  Konti  oll  - 
tieren  eintretenden  Anämie  zu  verhüten. 

7)  C.  Mo  res  ch  i -Pavia:  Ueber  den  Wert  des  Komplement¬ 
ablenkungsverfahrens  in  der  bakteriologischen  Diagnostik. 

Die  Prüfung  der  Le  uchs  sehen  Versuche  führt  den  Verf.  zu 
dem  Schlüsse:  1.  das  Komplementablenkungsverfahren  ist  zum  Nach¬ 
weis  kleiner  Bakterienmengen  ungeeignet,  2.  es  ist  auch  keine  quanti¬ 
tative  exakte  Methode  zur  Titration  eines  Typhusimmunserums  auf 
Antikörper.  Aus  weiteren  Versuchen  ergibt  sich,  dass  das  Kom- 
plementablenkungsverf ähren  unter  Berücksichtigung  der  von  Verf. 
verwendeten  bakteriolytischen  und  hämolytischen  Systeme  in  keinei 
Weise  weder  zum  qualitativen  noch  zum  quantitativen  Nachweis  von 
Antikörpern  im  Serum  des  Menschen  und  des  Pferdes  geeignet  ist. 

8)  W.  Spät-Prag:  Ueber  einen  Fall  von  Influenzabazillenpyamie. 

Dem  Pfeifferschen  Influenzabazillus  kommen  unzweifelhaft 

septische  und  pyogene  Eigenschaften  zu,  wie  sich  auch  aus  der.  von 
Verf.  mitgeteilten  Krankengeschichte  eines  33  jährigen  Kellners  wieder 
ergibt.  Derselbe  erkrankte  im  Anschluss  an  Influenza  an  broncho- 
pneumonischen  Herden  und  an  einer  linksseitigen  Iufluenzapleuritis, 
an  welche  sich  eine  ulzeröse  Endokarditis  und  Pyonephrose  anschloss. 

Ausgang  in  Tod.  .  _  ... 

9)  R.  W  e  i  g  e  r  t  -  Breslau:  Ueber  den  Einfluss  der  Ernährung 


auf  die  Tuberkulose.  ,  ,  .  , 

Weigert  weist  auf  jene  Fälle  hin,  in  welchen  es  trotz,  sogar 
während  einer  Mastkur  zu  einer  rapiden  Verschlechterung  vorhan¬ 
dener  Tuberkulose  kommt.  Klinische  und  sonstige  Beobachtungen 
zeigen,  dass  zwischen  der  natürlichen  Widerstandsfähigkeit  des  Or¬ 
ganismus  und  seinem  Wassergehalt  ein  Zusammenhang  besteht  in  der 
Weise,  dass  der  grössere  Wassergehalt  widerstandsunfähiger  macht. 
Bei  Tieren,  welche  grösstenteils  mit  Kohlehydraten  gefüttert  sind, 
findet  sich  der  grösste  Wassergehalt  der  Gewebe.  Es  Hess  sich  nach- 
weisen,  dass  durch  bestimmte  Ernährungsweisen  Tiere  von  differenter 
chemischer  Zusammensetzung  gezüchtet  werden  können.  Verf.  hat 
Versuche  .an  10  Schweinen  angestellt,  von  denen  die  eine  Hüllte  mit 
Fett  die  andere  mit  Kohlehydraten  gemästet  wurde.  Nach  der  vor¬ 
genommenen  Infektion  der  Tiere  mit  Perlsucht  zeigte  es  sich,  dass 
die  Infektion  bei  den  mit  Fett  gemästeten  Schweinen  einen  günstigeren 
Verlauf  nahm,  als  bei  den  anderen.  Kohlehydratmast  ist  nach  dem 
Ausfall  dieser  Versuche  vielleicht  auch  bei  tuberkulösen  Menschen 

ungünstiger  als  Fettmast.  ,  .  , 

10)  Westen  hoeffe  r- Berlin :  Ueber  die  praktische  Bedeutung 


der  Rachenerkrankung  bei  der  Genickstarre. 

Verf.  hat  schon  früher  festgestellt,  dass  in  weitaus  der  Mehrzahl 
der  Fälle  die  Erkrankung  des  Nasenrachens,  speziell  der  Rachen¬ 
tonsille  die  erste  Etappe  der  Erkrankung  darstellt,  welche  allerdings 
auch  rasch  ablaufen  kann.  Es  wird  hervorgehoben,  dass  die  Schulen 
nach  den  Beobachtungen  in  den  letzten  Epidemien  nicht  die  Ver¬ 
mittler  der  Ansteckung  sind  und  zwar  scheint  dies  damit  zusammen¬ 
zuhängen,  dass  die  Kinder  ihr  Sputum  nicht  auswerfen,  sondern  ver¬ 
schlucken.  Da  die  Ausstreuung  .der  Keime  durch  das  Auswerfen  des 
Sputums  erfolgt,  so  ist  die  Rachenaffektion  für  die  Verbreitung  der 
Genickstarre  von  .der  grössten  Bedeutung.  W.  beschreibt  einen 
Fall  (20  jähriger  Handlungsgehilfe),  wo  im  Anschluss  an  eine  Lumbal¬ 
anästhesie  mit  Stovain  sich  eine  tödliche  Meningokokkenmeningitis 
entwickelte,  für  welche  der  Enstehungsmodus  nicht  aufgeklart  ist. 
Die  Feststellung  der  Rachenaffektion  ist  von  Bedeutung  für  die  Er¬ 
kennung  der  Kokkenträger,  der  Verbreitungsweise  der  Krankheit,  so¬ 
wie  ihre  sanitätspolizeiliche  Behandlung. 

11)  A.  Wolf  f  -Eisner -Berlin:  Typhustoxin,  Typhusanti- 
toxin  und  Typhusendotoxin,  Die  Beziehungen  zwischen  Ueber- 
ernpfindlichkeit  und  Immunität. 

Ein  kurzer  Auszug  des  Originalartikels  kann  an  dieser  Stelle  nicht 
gebracht  werden  und  wird  auf  letzteren  selbst  verwiesen. 

12)  H.  Marx -Berlin:  Zur  Lehre  vom  Verblutungstod. 

Verf.  bespricht  verschiedene  zur  quantitativen  Bestimmung 
irgendwo  angetrockneten  Blutes  dienende  Methoden.  Ls  wird  betont, 


1998 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


dass  Blutungen  auch  aus  Leichen  noch  erfolgen  können.  Nach  alteren 
und  besonders  neueren  Feststellungen  treten  bei  etwa  der  Hälfte  der 
Fälle  von  Verblutungstoid  subendokardiale  Blutungen  ein.  Das  bei  der 
Verblutung  in  der  Leiche  zurückbleibende  Blut  ist  ärmer  an  roten 
Blutkörperchen  als  das  gewöhnliche  Leichenblut.  Verf.  macht 
schliesslich  unter  anderem  auf  jene  Fälle  von  Verblutung  aufmerksam, 
wo  Blutergüsse  in  die  Haut  allein  zum  Tode  führen. 

Grass  mann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  38. 

1 )  Albert  N  e  i  s  s  e  r-Batavia:  Atoxyl  bei  Syphilis  und  Framboesia. 

Verf.  bestätigt  auf  Grund  von  Versuchen  an  Affen,  dass  eine 

energische,  am  besten  in  grossen  Einzeldosen  durchgeführte  Atoxyl- 
kur  einen  sehr  starken  Einfluss  auf  die  Syphilis  hat.  Organver¬ 
impfungen,  die  sonst  positiv  waren,  blieben  nach  Atoxylbehandlung 
der  kranken  Tiere  fast  regelmässig  negativ.  Wirksamer  als  Atoxyl 
allein  war  dessen  Kombination  mit  Trypanrot,  viel  weniger  wirksam 
war  Acid.  arsenicosum.  Bei  gleichzeitig  mit  der  Infektion  begonnener 
Atoxylbehandlung  traten  noch  Primäraffekte  auf.  Bei  einem  mit 
Framboesie  behafteten  Orang-Utan  heilten  monatelang  bestehende 
Effloreszenzen  unter  Atoxylbehandlung  rasch  ab. 

2)  P.  Bergell  und  Anton  Sticker-  Berlin :  Ueber  Patho¬ 
genese  und  über  den  spezifischen  Abbau  der  Krebsgeschwülste. 

Die  Injektion  der  spezifisch  abbauenden  Leberfermente,  über 
welche  v.  Leyden  und  Bergell  kürzlich  berichteten,  verursachte 
bei  experimentell  erzeugten,  grossen,  fortgeschrittenen  Sarkomen  des 
Hundes  zu  Zeiten,  wo  eine  Selbstheilung  nicht  mehr  in  Frage  kam, 
eine  regressive  Metamorphose  (Abbildung)  bis  zum  völligen  Schwund 
des  Tumors. 

3)  Artur  S  i  m  o  ns  -  Berlin:  Zur  Theorie  und  Praxis  der 
Schwellenwertsperkussion. 

Verf.  findet,  dass  die  Gold  scheid  er  sehe  Griffelperkussion, 
abgesehen  von  der  mechanisch  leichteren,  sehr  leisen  Schallerzeu¬ 
gung,  nichts  wesentlich  anderes  leiste  als  die  leiseste  Perkussion,  der 
Schwellenwert.  Insbesondere  könne  man  die  Richtung  der  Schall¬ 
strahlen  nicht  durch  den  Glasgiffel  beeinflussen,  auch  könne  man  mit 
einer  so  schwachen  Bewegung,  welche  die  erste  Empfindung  auslöst, 
kaum  durch  die  bedeckenden  Medien  hindurch  die  tiefer  liegenden  in 
reflektierbare  Schwingungen  versetzen.  Mit  den  geringsten  Schall¬ 
differenzen,  die  man  mit  der  neuen  Methode  an  den  Lungenspitzen 
erhält,  könne  man  ohne  Auskultation  oder  andere  Zeichen  nichts 
Sicheres  anfangen.  Die  K  r  ö  n  i  g  sehe  Lungenfelderbestimmung  sei 
praktisch  völlig  ausreichend. 

4)  Felix  F  r  a  n  k  e  -  Braunschweig:  Zur  Behandlung  der  Herz¬ 
verletzungen  (Punktion  des  Herzbeutels). 

In  der  Möglichkeit  einer  Herzverletzung  und  selbst  in  manchen 
Fällen  von  sicherer  Herzverletzung  sieht  Verf.  noch  keine  unbedingte 
Indikation  zur  sofortigen  Herznaht  bezw.  probatorischen  Freilegung 
des  Herzens.  Man  müsse  bedenken,  dass  die  Operation  nicht  unge¬ 
fährlich  sei  und  auch  schwer  Verletzte  sich  spontan  erholen  können. 
Dagegen  sei  die  Parazentese  des  Herzbeutels  ein  kleiner,  ungefähr¬ 
licher  Eingriff.  Sie  komme  als  Palliativmittel  in  Betracht,  könne  aber 
auch  direkt  lebensrettend  wirken,  wie  Velf.  an  einem  Fall  zeigt.  Sie 
soll  ausgeführt  werden  —  eventuell  freilich  nur  als  vorbereitender 
Akt  — ,  sobald  die  Herzkraft  zu  erlahmen  droht.  Bezüglich  der  Tech¬ 
nik  hält  er  sich  an  die  Vorschriften  K  ü  m  in  e  1 1  s  im  Handbuch  der 
praktischen  Chirurgie.  Meist  empfiehlt  sieh  Punktion  im  5.  Inter¬ 
kostalraum  nahe  dem  Sternum,  mit  dünnem  Troikart. 

5)  B.  K  r  ö  n  i  g  -  Freiburg:  Uebung  und  Schonung  in  der  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie. 

Verf.  legt  grosses  Gewicht  auf  körperliche  Bewegung  während 
der  Schwangerschaft;  die  Gefahr  der  Herbeiführung  eines  Abortus 
werde  weit  überschätzt.  Er  lässt  auch  seit  2  Jahren  seine  Wöchner¬ 
innen  möglichst  früh  aufstehen,  womöglich  schon  8  Stunden  nach  der 
durch  Morphium-Skopolamin  gemilderten  Geburt,  mit  sehr  guter 
Wirkung  auf  Allgemeinbefinden  und  Morbidität,  und  ohne  schädliche 
Wirkung  auf  Laktation  und  Involution  des  Uterus.  Auch  eine  Dispo¬ 
sition  zur  Senkung  der  Gebärmutter  und  Scheide  ergab  sich  nicht. 
Durch  gymnastische  Uebungen  wird  ausserdem  die  Muskulatur  syste¬ 
matisch  gekräftigt.  Aehnlich  gute  Erfahrungen  machte  Verf.  mit  Früh- 
aufstehen  und  Gymnastik  nach  im  Dämmerschlaf  vorgenommenen, 
technisch  nicht  zu  schwierigen  Laparotomien. 

6)  O.  v.  Herff-Basel:  Ueber  gynäkologische  Massage,  ins¬ 
besondere  über  die  Erschütterungsmassage. 

Verf.  beschränkt  deren  Anwendungsgebiet  vornehmlich  auf 
Dehnung  von  Narben  und  Lösung  von  Verwachsungssträngen,  ferner 
Beförderung  der  Aufsaugung  alter  harter  Schwarten  und  Schwielen 
bei  sicher  auszuschliessender  Tuberkulose,  auch  zur  Milderung  men¬ 
strueller  Blutungen,  dann  zur  Stärkung  eines  geschwächten  Becken¬ 
bodens  oder  Blasenschliessmuskels,  schliesslich  zur  Milderung  und 
Beseitigung  von  Schmerzen  und  unangenehmen  Empfindungen  aller 
Art  in  den  Beckenorganen.  Vorsicht  ist  besonders  geboten  bei  noch 
nicht  abgelaufenen  Entzündungen,  wo  noch  kleine  Eiterherde  und 
lebensfähige  Bakterien  vorhanden  sein  können.  Das  Klingel- 
f  u  s  s  sehe  Instrumentarium  wird  beschrieben  und  abgebildet. 

7)  A.  Bauer  -  Leipzig:  Chorionepithelioma  malignum  nach 
BlaseninOle  und  nach  Abortus. 


Verf.  teilt  2  Fälle  mit  und  stellt  folgende  Regeln  auf:  Blasen¬ 
molen  fordern  immer  zu  sorgfältigster  Beobachtung  und  wiederholter 
Probeabrasio  (alle  4—6  Wochen)  heraus.  Bei  klinischem  Verdacht 
auf  Chorionepithelioma  malignum  sind  Probeabrasionen  sichere 
Stützen  der  Diagnose,  wenn  sie  ergeben:  1.  älteren  fibrinös-hämor¬ 
rhagischen  Zerfall  um  gewucherte,  besonders  riesenzellenartige 
Zottenepithelelemente  her;  2.  Einbrüche  von  gewuchertem  Zotten¬ 
epithel  durch  sonst  intakte  Gefässwände  in  die  Blutbahn;  3.  Infiltration 
der  Muskelwand  durch  typische  oder  atypische  Zottenepithelelemente. 

8)  Artur  H  a  r  t  m  a  n  n  -  Berlin:  Die  Verwendung  des  Natrium 
perboricum  bei  der  Behandlung  von  Ohren-,  Nasen-,  Rachen-  und 
Halskranken. 

Verf.  erprobte  das  Mittel  bei  Mittelohreiterung,  bei  katarrhali¬ 
schen  und  besonders  ulzerösen  Prozessen  in  Nase,  Pharynx  und  Kehl¬ 
kopf.  Es  erwies  sich  den  bisherigen  Desinfektions-  und  Heilmitteln 
als  überlegen.  Abbildung  eines  zweckmässigen  Pulverbläsers. 

9)  C.  J  a  c  o  b  y  -  Göttingen:  Zur  sparsamen  Verwendung  des 
Curare  bei  Froschversuchen. 

Filtrierpapier  wird  mit  Curarelösung  von  bekanntem  Gehalt 
getränkt,  dann  im  Vakuum  über  Schwefelsäure  getrocknet  und  nach 
Mass  zugeschnitten.  Haltbar,  bequem  und  sparsam  dosierbar. 

10)  J.  Schwalbe  -  Berlin:  Friedrichs  des  Grossen  Beziehungen 
zur  Medizin. 

11)  F  1  ü  g  g  e  -  Berlin :  Rechtsfragen  für  die  ärztliche  Praxis. 

R.  Grashey  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 

No.  18.  1907. 

Max  W  i  n  d  1  e  r  -  Luzern:  Ueber  die  toxische  Wirkung  des 
Chrysarobins  auf  die  Nieren  und  seine  Ausscheidung.  (Aus  der  der¬ 
matologischen  Klinik  in  Bern.) 

Verf.  bespricht  kurz  die  Literatur  und  findet  durch  Experimente, 
•  dass  sowohl  bei  interner  als  auch  bei  externer  Chrysarobinverab- 
reichung  Chrysophansäure  nur  in  sehr  geringem  Masse  im  Urin  er¬ 
scheint,  und  dass  Nephritis  bei  der  üblichen  Dosierung,  selbst  bei 
Chrysarobinidermatitis,  kaum  in  Betracht  kommt. 

Lindt-Bern:  Klinisches  und  Histologisches  über  die  Rachen¬ 
mandelhyperplasie.  (Schluss.) 

Die  mikroskopische  Untersuchung  von  50  exstirpierten  Mandeln 
ergab,  dass  das  Bild  der  Rachenmandelhyperplasie  durch  konstitutio¬ 
nelle  Schwächezustände  nicht  charakteristisch  beeinflusst  wird  und 
das  Auftreten  des  Uebergangsepithels  nichts  mit  Involution  zu  tun 
hat.  Von  den  zwei  Haupttheorien  über  die  Bedeutung  der  Mandeln, 
der  „Abwehr-“  und  „Infektionstheorie“  (Görke)  stützt  Verf.  die 
erstere.  Durch  starke  Inanspruchnahme  dieser  Abwehr  entsteht  dann 
die  Hyperplasie,  wobei  die  konstitutionelle  Minderwertigkeit  des  In¬ 
dividuums  und  Schädigungen  von  rückwärts,  durch  Infektionskrank¬ 
heiten  und  Erkältungen,  mitwinken.  Anderseits  bleiben  in  den  Man¬ 
deln  Entzündungsherde  liegen,  die  Anlass  zu  neuen  Entzündungen 
geben. 

Für  die  Therapie  ergibt  sich,  dass  nur  wesentliche  Störungen 
(Atmungsbehinderung,  häufige  Katarrhe,  allgemeine  Krankheits¬ 
erscheinungen),  aber  diese  eine  unbedingte  Indikation  zur  radikalen 
Operation  abgeben,  die  mit  gründlicher  Behandlung  der  Nachbar¬ 
organe  zu  kombinieren  ist.  In  5  Fällen  fand  sich  latente  Tuberkulose 
als  Begleiterscheinung. 

O.  Roth -Zürich:  Ueber  die  gesundheitsschädlichen  Folgen  der 
Arbeit  in  hochtemperierten  Räumen,  speziell  in  Stickereiappreturen. 

(Schluss.) 

Enthält  zahlreiche  Angaben  über  die  in  Betracht  kommenden 
physikalischen  Faktoren,  Temperatur,  Wärmestrahlung,  Luftbewe¬ 
gung,  Feuchtigkeit,  und  die  möglichen  Schädigungen  —  die  übrigens 
in  den  untersuchten  Fabriken  sehr  gering  waren  —  und  über  die  an¬ 
zustrebenden  hygienischen  Forderungen.  Pischinger. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift.  i 

No.  38.  A.  Weichselbaum  -  Wien :  Ueber  die  Infektions¬ 
wege  der  menschlichen  Tuberkulose. 

Einleitendes  Referat  zur  VI.  internationalen  Tuberkulosekonferenz. 

L.  v.  Sc  h  r  ö  1 1  e  r  -  Wien:  Ueber  Anzeigepflicht  bei  der 
Tuberkulose. 

Vortrag,  gehalten  auf  der  VI.  internationalen  Tuberkulose¬ 
konferenz. 

C.  v.  P  i  r  q  u  e  t  -  Wien:  Der  diagnostische  Wert  der  kutanen 
Tuberkulinreaktion  bei  der  Tuberkulose  des  Kindesalters  auf  Grund 
von  100  Sektionen. 

Die  100  Fälle  gliedern  sich  wie  folgt.  52  Fälle  ohne  tuberkulöse 
Veränderungen:  hier  war  auch  die  Allergieprobe  negativ  ausgefallen. 
Von  34  Fällen  mit  tödlicher  Tuberkulose  waren  24  ersten  in  den 
letzten  10  Lebenstagen  untersucht,  von  denen  13  negativ,  11  positiv 
reagiert  hatten.  11  früher  untersuchte  hatten  positiv  reagiert.  Von 
13  Fällen  mit  Tuberkulose  als  Nebenbefund  bei  der  Sektion  hatten 
9  positiv,  4  (3  in  der  letzten  Lebensdekade)  negativ  reagiert.  In 
einem  Falle  war  die  Probe  positiv  gewesen,  der  Obduktionsbefund 
jedoch  negativ,  in  allen  übrigen  31  Fällen  mit  positiver  Reaktion 
fanden  sich  wenigstens  verkäste  Lymphdrüsen.  Das.  Gesamtergebnis 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


1999 


lautet  idahin,  dass  eine  positive  Reaktion  mit  Sicherheit  aut  tuber¬ 
kulöse  Veränderungen  hinweist;  negativer  Ausfall  lässt  im  allgemeinen 
auf  das  Nichtvorhandensein  der  Tuberkulose  schliessen;  er  zeigt  steh 
aber  auch  fast  regelmässig  in  den  letzten  Lebenstagen  tö.dhchei 

Tuberkulose.  .  ...  . 

J.  S  o  r  g  o  -  Alland:  Ueber  Mutationen  von  menschlichen 

Tuberkelbazillen. 

Zur  kurzen  Wiedergabe  nicht  geeignet.  # 

M.  Sternberg  -  Wien:  Topographie  der  Tuberkulose  in  Wien. 

Die" Mortalität  der  Stadt  Wien  dargestellt  in  einer  Planskizze, 
welche  die  besonders  starke  Belastung  einzelner  engbevölkerten 

peripherer  Arbeiterviertel  dartut. 

H.  v.  -Sch  r  ö  1 1  e  r  -  Wien:  Ueber  eine  seltene  Form  von  Tuber¬ 
kulose  der  Speiseröhre.  ,  ,  _  .  ... 

Mitteilung  eines  Falles  von  tuberkulöser  Striktur  der  Speiseionie, 
welche  lange  vor  der  Lungentuberkulöse  manifest  wurde.  Sie  Hess 
sich  von  der  Zeit  der  Granulation  und  Ulzeration  bis  zur  narbigen 
Ausheilung,  welche  die  Speiseröhre  auf  12  cm  Länge  in  ein  stunes, 
auf  der  Unterlage  verschiebliches  Rohr  verwandelte,  ähnlich  einer 
Laugenverätzung  durch  die  Oesophagoskopie  verfolgen.  Die  isolierte 
Erkrankung  der  Speisenröhre  war  auf  emboldschem  Wege,  vermut¬ 
lich  durch  Infektion  der  Lymphgefässe  der  Submukosa  von  den  Bron¬ 
chialdrüsen  aus  erfolgt.  Vielleicht  war  die  Schwielenbildung  eine 

Folge  der  Bougiebehandlung.  ,  _  . 

J.  Bartel -Wien:  Der  normale  und  abnormale  Bau  des 
lymphatischen  Systems  und  seine  Beziehungen  zur  Tuberkulose. 

Habilitationsvortrag.  Die  neueren  Beobachtungen  lassen  es  als 
wahrscheinlich  annehmen,  dass  gewisse  Anomalien  im  lymphatischen 
System,  welche  beispielsweise  in  destruktiven  Aenderungen  des  Aut- 
baues  des  Stützgerüstes  bis  zum  völligen  Schwund  des  spezifischen 
Parenchyms  der  Lymphdrüsen  ihren  anatomischen  Ausdruck  linden, 
einen  Teil  der  Disposition  zur  Tuberkulose  bilden.  Ausser  den 
Aenderungen  im  morphologischen  Bau  des  Lymphapparates  muss 
man  aber  wohl  auch  Störungen  in  dessen  physiologischen  Funktionen 
annehmen  und  weiterhin  auch  Veränderungen  und  Funktionsstörungen 
in  anderen  Teilen  des  Organismus,  wodurch  die  Abwehrmittel  ge¬ 
schwächt  ud  der  Einbruch  der  Bakterien  erleichtert  wird. 

J.  Bartel  und  F.  S  p-i  eie  r- Wien:  Expenmentalunter- 

suchungen  über  natürliche  Infektionsgelegenheit  mit  Tuberkulose. 

Die  Verf.  widersprechen  den  Versuchen,  die  Infektion  durch 
Tuberkulose  ausschliesslich  auf  einem  Wege,  sei  es  durch  Inhalation 
oder  Fütterung  erklären  zu  wollen;  es  hat  den  Anschein,  als  ob  dei 
Weg  durch  Inhalation  an  Häufigkeit,  wenigstens  im  jugendlichen  Alter 
(Schmutz-  und  Schmierinfektion)  hinter  der  Infektion  der  Verdauungs¬ 
wege  zurückstehen  würde.  Dabei  ist  allerdings  zuzugeben,  dass  bei 
kräftigen  Individuen  eine  Gesamtinfektion  vom  Darm  aus  oft  nicht 
zu  stände  kommt.  Dafür  sprechen  auch  neuere  Tierversuche  der 
Verfasser.  Neben  den  Fragen  der  antibazillären  Prophylaxe  darf 
jedenfalls  das  Stadium  der  Disposition  nicht  aus  dem  Auge  gelassen 

"  erdjHg  a  r  ^  e  j.  Leitsätze  zur  Frage  der  Tuberkuloseentstehung. 

B.  unterscheidet  die  Disposition  des  gesamten  Organismus  von 
derjenigen  bestimmter  Organgebiete,  er  trennt  ferner  das  anfängliche 
lymphoide  Stadium  von  dem  späteren  manifesten  Stadium  und  betont 
die  Möglichkeit  der  Infektion  vom  Darmtraktus  wie  von  den  Atmungs¬ 
wegen  aus,  wobei  die  Lunge  jedenfalls  einer  gewissen  Prädilektion 
ausgesetzt  ist.  Bergeat  -  München. 

Bericht  über  die  neueren  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  ge¬ 
samten  Physiologie. 

Von  Prof.  Dr.  K.  B  ii  r  k  e  r  -  Tübingen. 


(Fortsetzung.) 

Ausserordentlich  zahlreich  sind  die  Arbeiten,  welche  sich  aut  die 
Physiologie  der  Verdauung  beziehen,  sie  sind  zum  Teil  durch  die 
bekannten  P  a  w  1  o  w  sehen  Versuche  angeregt. 

Ueber  die  physiko-chemischen  Bedingungen 
der  Speichelabsonderung  handelt  eine  Arbeit  von  G.  Ja- 
p  e  1 1  i  -  Neapel  in  v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  48,  S.  398,  1906. 
Untersucht  wurden  die  physikalisch-chemischen  Eigenschaften  des 
Blutes  und  des  durch  Chordareizung  erhaltenen  Submaxillarspeichels 
von  Hunden  vor  und  nach  Injektion  von  hyper-  und  hypotonischen 
Kochsalzlösungen.  Die  Ergebnisse  sind  folgende: 

1.  Der  osmotische  Druck  des  durch  Chordareizung  erhaltenen 
Submaxillarspeichels  beim  normalen  Hunde  ist,  obwohl  stets  niedriger 
als  der  des  Blutes,  keine  einfache  Funktion  des  osmotischen  Druckes 

des  Blutes.  _  ,  ...... 

2.  Wenn  man  den  osmotischen  Druck  des  Blutes  durch  Injektion 
von  hyper-  und  hypotonischen  Kochsalzlösungen  erhöht  oder  er¬ 
niedrigt,  so  schwankt  der  Druck  des  Submaxillarspeichels  im  selben 

Sinne.  ,  .  ,  , 

3.  Es  besteht  eine  starke  Tendenz,  den  Unterschied  zwischen  der 
Gefrierpunktserniedrigung  des  Blutes  und  Speichels  konstant  zu 

halten.  .  ..  . 

4.  Osmotischer  Druck  und  elektrisches  Leitvermögen  des  Spei¬ 
chels  schwanken  in  demselben  Sinne. 

5.  Die  Viskosität  des  Speichels  schwankt  nach  Injektion  der 
hyper-  und  hypotonischen  Kochsalzlösungen  nicht  parallel  dem  osmo¬ 
tischen  Drucke  und  Leitvermögen,  sondern  zeigt  nicht  selten  eine 
starke  Abnahme. 


6.  Die  Sekretion  wird  bei  Zunahme  des  osmotischen  Druckes  des 
Blutes  so  modifiziert,  als  ob  sie  in  einer  ermüdeten  Drüse  stattfände:  es 
wird  nämlich  die  Latenzperiode  verlängert  und  es  kommt  schliesslich 
zum  Stillstand  der  Sekretion,  die  jedoch  bei  energischerer  Reizung 
wieder  in  Gang  kommt. 

7.  Durch  Abnahme  des  osmotischen  Druckes  des  Blutes  ändert 
sich  zwar  nicht  die  Menge  des  Sekretes,  jedoch  bemerkt  man  auch 
in  diesem  Falle  eine  Zunahme  der  Latenzperiode. 

Vor  mehr  als  25  Jahren  haben  Kronecker  und  Meitzer 
die  Behauptung  ausgesprochen,  dass  beim  Schluckakt  Flüssigkeiten 
tief  in  die  Speiseröhre  durch  Kontraktion  der  Muse,  mylohyoidei, 
unterstützt  von  Zungenmuskeln,  hinabgespiiitzt  werden,  und  dass  die 
so  beförderte  Flüssigkeit  die  Kardia  lange  vor  Ankunft  der  peri¬ 
staltischen  Welle  erreicht.  Vor  10  Jahren  wurden  diese  Resultate 
durch  Versuche  an  Hunden  bestätigt.  Neuerdings  wurde  insbesondere 
von  R.  H.  Kahn  die  Ansicht  vertreten,  dass  es  die  Peristaltik  ist, 
welche  auch  auf  Flüssigkeiten  wesentlich  befördernd  wirkt.  In  einer 
Arbeit:  Schlucken  durch  eine  Speiseröhre  ohne 
Muskelschicht  (Zentralbl.  f.  Physiol.,  Bd.  21,  S.  70,  1907),  teilt 
nun  S.  J.  Meitzer -New  York  mit,  dass  er  im  Anschluss  an  später 
mitzuteilende  Versuche  von  K  r  e  i  d  1  bei  Hunden  die  Muskularis  vom 
ganzen  Halsteil  des  Oesophagus  entfernt  und  ausserdem  noch  in  2  Ver¬ 
suchen  die  Schlundmuskulatur  durchtrennt  habe;  trotzdem  tranken 
diese  Tiere  Milch  wie  normale  Hunde.  Ausserdem  wurde  die  Be¬ 
obachtung  gemacht,  dass  jeder  Schluck  die  Peristaltik  des  voran¬ 
gehenden  Schluckes  hemmt;  wenn  rasch  getrunken  wird,  bleibt  da¬ 
her  fast  der  ganze  Oesophagus  schlaff  bis  nach  dem  letzten  Schluck. 
Nun  trinken  Mensch  und  Tier  oft  sehr  rasch  und  viel;  wenn  das 
Getrunkene  durch  Peristaltik  befördert  würde,  so  müsste  bei  der  rela¬ 
tiven  Langsamkeit  der  peristaltischen  Beförderung  die  Flüssigkeit 
im  Munde  sich  aufstauen,  was  aber  nicht  der  Fall  ist. 

In  einer  weiteren  Arbeit  im  Zentralblatt  für  Physiologie,  Bd. 
20,  S.  338,  1906,  teilen  S.  J.  Meitzer  und  J.  A  u  e  r  -  NewYork 
folgende  Beobachtung  Ueber  einen  Vagus  reflex  für  den 
Oesophagus  mit.  Reizt  man  das  zentrale  Ende  des  Halsvagus 
beim  Hunde  mit  Induktionsströmen,  so  erhält  man  bei  intaktem  an¬ 
derem  Vagus  und  zunehmender  Reizstärke  zunächst  eine  tetanische 
Kontraktion  des  Hals-,  dann  des  Brustteiles  und  schliesslich  der  gan¬ 
zen  Speiseröhre.  Die  Kontraktion  setzt  bald  nach  dem  Reizbeginn 
ein,  wobei  die  oberen  Teile  der  Speiseröhre  sich  etwas  früher  zu¬ 
sammenziehen  als  die  unteren,  und  hört  fast  immer  sofort  nach  dei 
Reizunterbrechung  auf. 

Dieselben  Autoren  berichten  am  selben  Orte  S.  455  über 
Reflexhemmung  der  Kardia  vom  Vagus  aus.  W enn 
ein  Schluckakt  ausgelöst  und  unmittelbar  darauf  das  zentr  a  1  e 
Ende  eines  Vagus  gereizt  wird,  so  tritt,  so  lange  die  Reizung  anhält, 
keine  Kontraktion  der  Kardia  ein,  sie  wird  vielmehr  ausgebaucht, 
erweitert.  Die  Kontraktion  der  Kardia,  welche  konstant  nach  jedet 
peripheren  Reizung  des  Vagus  einsetzt,  findet  nicht  statt,  wenn 
zur  selben  Zeit  das  zentrale  Ende  des  Vagus  gereizt  wird.  Fast  nach 
jeder  Unterbrechung  einer  wirksamen  Reizung  des  zentralen  Endes 
eines  Vagus  tritt  eine  starke  Kontraktion  der  Kardia  ein. 

In  der  letzten  Zeit  häufen  sich  die  Beobachtungen  über  psy¬ 
chische  Magensaftsekretion  beim  Menschen.  H.  Bogen-  Heidel¬ 
berg  hatte  Gelegenheit  Experimentelle  Untersuchungen 
über  psychische  und  assoziative  Magensaftsekre¬ 
tion  beim  Menschen  und  zwar  an  einem  3  Vs  jährigen  männ¬ 
lichen  Kinde,  anzustellen,  das  wegen  Oesophagusstenose  infolge 
Laugenverätzung  durch  eine  Magenfistel  ernährt  werden  musste 
(Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  117,  S.  150,  1907).  Das  Kind 
wurde  bei  den  Versuchen  auf  zwei  ausgespannte  breite  Handtücher 
mit  dem  Gesicht  nach  unten  gelegt  und  zwischen  den  Tüchern  ein 
Drainrohr  aus  der  Magenfistel  nach  abwärts  geleitet.  Beobachtet 
,  wurde  psychische  Sekretion  dadurch,  dass  Milch  vor  den  Augen  des 
Kindes  in  die  Spritze  gefüllt  wurde,  als  sollte  die  Milch  wie  ge¬ 
wöhnlich  durch  den  Drain  eingeführt  werden;  trotzdem  letzteres 

nicht  geschah,  erfolgte  Sekretion. 

Sekretion  auf  assoziativem  Wege  wurde  dadurch  liervoi  ge¬ 
bracht,  dass  zunächst  einige  Zeit  Fleischnahrung  gereicht  und  zu 
gleicher  Zeit  immer  ein  bestimmter  Ton  einer  kleinen  I  rompete 
entlockt  wurde.  Schliesslich  erfolgte  Sekretion  allein  aut  den  Ion 
hin.  Psychische  Affekte,  wie  Zorn,  Schmerz,  hinderten  die  Se- 

kretion 

Die  Latenzzeiten  für  alle  Arten  von  Reizen,  bei  denen  Fleisc.li 
Reizmittel  war,  betrugen  4,75  Minuten  (so  genau?!),  für •Milch  9  Mi¬ 
nuten.  Bei  Fleischnahrung  wunde  3 — 6  mal  mehr  Sekret  pro, du 
ziert  als  bei  psychischer  oder  assoziativer  Reizung.  Der  Salzsauie- 
gehalt,  im  Mittel  0,2  Proz.,  schien  von  der  Intensität  des  Reizes  ab¬ 
hängig  zu  sein,  die  Gesamtazidität  verhielt  sich  wie  der  Salzsaut  t- 

gehalt.  , 

Scheinfütterungsversuche  am  e r w achsenen 

Menschen  und  zwar  an  einem  23  jährigen  Mädchen  mit  fast 
pletter  Oesophagusstriktur  und  Magenfistel  uhrte  H.Kazne  - 

RpHin  ans  (Pflüsrers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  118,  S.  327,  iyu/j. 
Dem  Mädchen  konnten  Nahrungsmittel  in  lden 
werden  denn  das  obere  Oesophagusende  war  durch  eipen  schlauen 
unter  dem  Kleide  mit  der  Magenfistel  verbunden.  Es  stellten  sich  da¬ 
bei  ziemlich  normale  Verdauungszustände  her. 


200C 


MUENCHENER  MEDIZINISCEIE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


Der  rein  mechanische  Kauakt  (Kauen  von  Gummi)  war  ohne  Ein¬ 
fluss  auf  die  Sekretion.  Wurde  eine  Glasröhre  an  Stelle  des 
Schlauches  eingesetzt,  so  konnte  man  beobachten,  wie  die  Nahrung 
beim  Schluckakt  hinabgespritzt  wird.  Bei  Scheinfütterung  beför¬ 
derten  Geschmacks-  und  üeruchsreize  die  Sekretion,  leckere  Ge¬ 
hör-  und  üesichtseindriicke  wirkten  nicht.  Bittermittel  steigerten, 
Soda  hatte  hemmende  Wirkung,  nur  kurz  dauernde  Sekretion  war 
bei  Scheinfütterung  mit  Wein  zu  beobachten,  während  direkte  Ein¬ 
führung  in  den  Magen  stärkere  Sekretion  im  Gefolge  hatte.  Die 
Dauer  der  Latenzperiode  betrug  5  Minuten,  die  Saftbildung  über¬ 
dauerte  die  Scheinfütterung.  Bei  der  ultramikroskopischen  Unter¬ 
suchung  fanden  sich  Granula  im  Magensaft,  stark  war  die  labende, 
peptische  und  fettspaltende  Wirkung  des  Saftes,  der  HCl-gehalt  be¬ 
trug  U,42  Proz.,  die  Menge  des  CI,  welche  nicht  an  H  gebunden  war, 
0,39  Proz.  Die  Azidität,  zuerst  geringer,  erreichte  schliesslich  einen 
konstanten  Wert  zwischen  110 — 140.  Der  Gefrierpunkt  des  Schein¬ 
fütterungssaftes  lag  etwas  oberhalb  des  Gefrierpunktes  des  Blutes. 
Wenn  auch  die  Quantität  des  Magensaftes  unter  verschiedenen  Um¬ 
ständen  Schwankungen  unterworfen  war,  so  wurde  doch  ein  be¬ 
stimmter  Säuregehalt  zäh  festgehalten.  Die  am  Menschen  ange- 
stellten  Versuche  stimmen  also  mit  .den  P  a  w  1  o  w  sehen  Tierver¬ 
suchen  völlig  überein. 

Aus  Untersuchungen  von  F.  T  a  n  g  1  -  Ofen-Pest  über 
die  Hydrogenionenkonzentration  im  Inhalt  des 
nüchternen  menschlichen  Mage  m  s  (Pflügers  Arch.  f.  d. 
ges.  Phys.,  Bd.  115,  S„  64,  1906),  die  mit  Hilfe  der  Konzentrationskette 
H  |  ,-i-ö  HCl  in  >  NaCl  |  |  NaCl  |  Mageninhalt  |  H  ausgeführt 
wurden,  geht  hervor,  dass  der  Inhalt  des  gesunden,  menschlichen 
nüchternen  Magens  fast  ausnahmslos  sauer  ist. 

Die  Resultate  einer  experimentellen  und  theoretischen  Unter¬ 
suchung  Ueber  die  freie  Salzsäure  des  Magensaftes 
teilt  H.  D  r  e  s  e  r  -  Elberfeld  in  Hofmeisters  Beiträgen  zur  chem- 
Physiol.  und  Pathol.,  Bd.  8,  S.  285,  1906  mit.  Durch  die  Unter¬ 
suchung  sollte  festgesteLlt  werden,  ob  die  durch  Tüpfeln  auf  Kongo¬ 
papier  als  „freie“  Säure  erkannte  Säure  des  Magens  in  ihrer  chemi¬ 
schen  Wirkung  auch  wirklich  identisch  mit  einer  auf  Grund  der 
Kongotitration  gleich  starken  verdünnten  Salzsäure  isi. 

Da  sich  durch  Berechnung  ergab,  dass  die  Methode  der  Messung 
der  elektromotorischen  Kraft  zwar  für  die  annähernde  Bestimmung, 
nicht  aber  für  die  genaue  Ermittelung  sehr  geeignet  ist,  so  wurde 
ein  modifiziertes  Ostwaldsches  Verfahren  zur  Messung  der  Stärke 
der  Säuren  angewandt.  Mit  Hilfe  dieses  Verfahrens  wurde  die 
Säureazidität  in  dem  eine  halbe  Stunde  nach  dem  üblichen  Ewald- 
scheu  Probefrühstück  erhaltenen  Magensafte  im  Mittel  zu  nur  70 
bis  80  Proz.  von  der  der  Vergleichssalzsäure  bestimmt.  Wurde  die 
Avidität  durch  Zusatz  von  Glykokoll  herabgesetzt,  so  trat  noch  keine 
Störung  der  Verdauung  ein,  wenn  bis  zu  1  Mol  Glykokoll  zugesetzt 
wurde.  Steigerung  der  normalen  Azidität  auf  das  Doppelte  rief  nur 
eine  geringfügige  Beschleunigung  der  Verdauung  hervor,  Verminde¬ 
rung  der  normalen  Azidität  um  die  Hälfte  setzte  die  Verdauungsge¬ 
schwindigkeit  auf  nahezu  den  3.  Teil  herunter. 

Auf  eine  Arbeit  von  S.  K  ü  1 1  n  e  r  -  St.  Petersburg  Ueber  die 

V  o  1  h  a  r  d  s  c  h  e  Pepsinbestimmung  (Kossels  Zeitschr.  f. 
physiolog.  Chemie,  Bd.  52,  S.  63,  1907)  sei  hiermit  hingewiesen. 

In  einer  Arbeit  Ueber  das  fettspaltende  Ferment 
i  m  Sekret  des  „kleinen  Magen  s“  (Hofmeisters  Beitr.  zur 
ehern.  Physiol.  und  Pathol.,  Bd.  8,  S.  281,  1906)  bestätigt  E.La- 
q  u  e  u  r  -  Heidelberg  auf  Grund  von  Versuchen  an  einem  von  Prof. 

C  o  h  n  h  e  i  m  operierten  Hunde  mit  Nebenmagen  die  Angaben  von 

V  o  1  h  a  r  d,  dass  im  Magensaft  ein  fettspaltendes  Ferment  enthalten 
ist.  Im  Gegensatz  zur  Lipase  des  Pankreas  wird  dieses  Ferment 
in  seiner  Wirkung  durch  Galle  kaum  gesteigert. 

Ueber  eine  Methode  zur  funktionellen  Magen¬ 
untersuchung  berichtet  H.  Ahrens- Wien  im  Zentralbl.  I. 
Physiol.,  Bd.  20,  S.  338,  1906.  Um  den  Ort  der  Säuresekretion  im 
Magen  zu  ermitteln,  führte  er  einen  an  einem  Schlauch  befestigten, 
für  Salzsäure  durchlässigen,  Ballon  aus  Peritoneum  oder  Serosa  des 
Magens,  der  innen  mit  Kongo  gefärbt  war,  in  den  Magen  ein,  blies 
den  Ballon  auf,  so  dass  er  sich  der  Magenwand  anlegte  und  unter¬ 
suchte  nach  dem  Herausziehen  des  Ballons,  an  welchen  Stellen  Blau¬ 
färbung  eingetreten  war.  Das  Aufblasen  des  Ballons  wirkt  als  Reiz, 
so  dass  der  Magen  anfängt,  Salzsäure  zu  sezernieren.  Nach  dieser 
Methode  angestdlte  Versuche  ergaben,  dass  die  Säure  zuerst  und 
am  stärksten  im  Pylorus  sezerniert  wird,  dass  von  hier  aus  die  Se¬ 
kretion  kardiawärts  fortschreitet,  dass  aber  die  nächste  Umgebung 
der  Kardia  von  Säure  frei  bleibt,  dass  die  Sekretion  auf  Seite  der 
kleinen  Kurvatur  näher  an  die  Kardia  heranreicht  als  auf  Seite  der 
grossen  Kurvatur,  dass  im  leeren  Zustande  die  Magenwand  Salzsäure 
zu  neutralisieren  vermag,  also  alkalisch  reagiert.  Auch  Hessen"  sich 
mit  Hilfe  dei  Methode  zirkumskripte  Stellen  im  Magen  nachweisen, 
die  pathologisch  verändert  waren  und  infolgedessen  Sekretion, s- 
anomalien  aufwiesen. 

In  einer  Arbeit  Zum  Mechanismus  der  Magenver- 
d  a  u  u  n  g  weist  Ellenberger  -  Dresden  darauf  hin,  dass  er  schon 
vor  G  r  ii  t  z  n  e  r  die  eigentümliche  Schichtung  des  Mageninhaltes, 
freilich  nicht  mit  einer  so  schönen  demonstrierten  Methode,  wie  es  die 
G  r  ii  t  z  n  e  r  sehe  ist,  beobachtet  habe  (Pflügers  Arch.'  f.  d.  ges. 
Physiol.,  Bd.  1 14,  S.  93,  19U6).  In  einer  Arbeit  mit  demselben  Titel  teilt 


A.  Scheunert  -  Dresden  ebenda  S.  64  mit,  dass  das  neu  eingeführte 
Futter  nicht  nur,  wie  Grützner  behauptet,  in  die  Mitte  des  schon 
im  Magen  befindlichen  Futters  geschafft  wird,  sondern  dass  es  sich 
trichterförmig  ausbreitet,  indem  die  neuen  Massen  auch  entlang  der 
grossen  und  kleinen  Kurvatur  wandern. 

Von  Ch.  Tomita-Wien  durchgeführte  Versuche  über  Die 
Blutversorgung  des  Magens  bei  wechselndem 
Innendruck  (Zentralbl.  f.  Physiol.,  Bd.  20.  S.  620,  1906)  er¬ 
gaben,  dass  der  Magen,  wenn  er  von  vollkommen  kollabiertem  Zu¬ 
stande  aus  durch  Steigerung  seines  Innendrucks  mehr  und  mehr  ent¬ 
faltet  wird,  zuerst  kaum  merklich  weniger  Blut  durch  seine  Häute 
hindurchtreten  lässt,  dass  aber  von  einer  gewissen  Grenze  ab,  wenn 
die  Spannung  bedeutend  wird,  der  ßlutdurchlauf  völlig  gehemmt 
wird. 

Von  E.  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n,  K-  Kautzsch  und  E.  S.  L  o  n  d  o  n  - 
Bei  lin  und  St.  Petersburg  liegt  eine  Studie  über  die  normale 
Verdauung  der  Eiweisskörper  im  Magendarmkanal 
de_s  Hundes  vor  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  48, 
S*  549,  1906).  Ein  Hund  wurde  reichlich  mit  Eiweiss  gefüttert,  nach 
einer  bestimmten  Zeit  getötet  und  die  Verdauungsprodukte  im  Magen¬ 
darmkanal  untersucht.  Der  Magen  enthielt  keine  Aminosäuren  in 
nachweisbarer  Menge,  im  Darme  wurden  einfachste  Spaltprodukte, 
wie  Alanin,  Leuzin,  Asparaginsäure  und  Glutaminsäure,  gefunden,  ein 
grosser  Teil  des  Chylus  bestand  jedoch  aus  komplizierteren  Pro¬ 
dukten. 

Um  noch  einen  besseren  Einblick  in  den  Gang  der  Verdauung 
zu  gewinnen,  wurden  Versuche  an  einem  Magenfistel-,  an  zwei  Duo¬ 
denalfistel-  und  an  je  einem  Jejunum-,  Ileum-  und  Ileozoekalfistel- 
hunde  angestellt.  Die  Hunde  erhielten  nach  eintägigem  Hunger  500  g 
Fleisch,  das  vorher  10  Stunden  in  kaltem  Wasser  gelegen  hatte.  Die 
Verdauungsprodukte  wurden  aus  den  Fisteln  aufgefangen  und  unter¬ 
sucht.  Sämtliche  Produkte  lösten  sich  fast  vollständig  in  kaltem 
Wasser,  nur  ein  kleiner,  aus  Leuzin  und  Tyrosin  bestehender  Teil 
blieb  ungelöst.  Mit  Ausnahme  der  aus  der  Ileozoekalfistel  gesammel¬ 
ten  Produkte  gaben  alle  Biuretreaktion  (Eiweiss  und  Peptone)  und 
mit  gesättigter  Ammonsulfatlösung  geringe  Fällung  (Albumosen). 
Mit  M  1 1 1  o  n  s  Reagens  gaben  alle  Produkte  deutliche  Rotfärbung 
(phenolartige  Produkte).  Im  Magen  wurden  höchstens  Spuren  von 
Aminosäuren  gefunden,  im  Duodenum  erfolgte  erst  der  tiefere  Ab¬ 
bau.  Offenbar  werden  die  tieferen  Spaltprodukte  in  dem  Masse,  wie 
sie  entstehen,  resorbiert.  Neben  diesen  Produkten  waren  dem  Ein¬ 
drücke  nach  noch  eine  grosse  Menge  komplizierter  vorhanden,  die 
vielleicht  resorbiert  werden.  Nicht  ohne  Bedeutung  ist,  dass  das 
aus  dei  Ileozoekalfistel  stammende  Produkt  noch  Aminosäuren  ent¬ 
hielt,  woraus  hervorgeht,  dass  die  Resorption  nicht  ausschliesslich 
in  den  oberen  Teilen  des  Dünndarms  erfolgt. 

In  Weiteren  Studien  über  die  normale  Verdau¬ 
ung  der  Eiweisskörper  im  Magendarm, k anal  des 
Hundes,  2.  Mitteilung  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  51, 
S.  384,  1907),  kommen  E.  Abderhalden-  Berlin,  L.  B  a  u  in  a  n  n  - 
New  York  und  E.  S.  London-  St.  Petersburg  zu  ähnlichen  Resul¬ 
taten.  Die  Verdauung  geht  in  3  Etappen  vor  sich:  1.  Etappe  im 
Magen,  grobe  Spaltung,  2.  Etappe  im  Duodenum  unter  Einfluss  des 
Pankreas-  und  Darmsaftes,  3.  Etappe  Wirkung  der  Fermente  des 
Darms. 

Eine  ganze  Reihe  von  Versuchen  ist  von  E.  S.  London- 
St.  Petersburg  oder  unter  seiner  Leitung  Zum  Chemismus  der 
Verdauung  im  tierischen  Körper  an  den  erwähnten  Fistel¬ 
hunden  angestellt  worden.  In  einer  6.  Mitteilung  berichten  E.  S. 
London  und  W.  W.  Polowzowa  über  Eiweiss-  und 
Kohlehydratverdauung  im  Magendarmkanal  (Kos¬ 
sels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  49,  S.  328,  1906),  in  einer 
VII.  Mitteilung  E.  S.  London  über  Ein  reiner  Pylorus- 
f  i  s  t  e  1  hu  n  d  und  die  Frage  über  GastrolipaSe  (ebenda 
Bd.  50,  S.  125,  1906/07),  in  einer  VIII.  Mitteilung  Derselbe  über 
Methodische  Angaben  (ebenda  Bd.  51,  S.  241,  1907),  in  einer 
IX.  Mitteilung  Derselbe  Zur  Technik  der  Eck  sehen 
Operation  (ebenda  Bd.  51,  S.  469,  1906/07),  in  einer  X.  Mit¬ 
teilung  L.  M.  Horowitz  Ueber  die  Bakterien  des  V  e  r  - 
dauungstraktus  beim  Hunde  (ebenda  Bd.  52,  S.  95,  1907). 

Aus  Beiträgen  zur  Kenntnis  der  Trypsinwir¬ 
kung,  II.  Mitteilung:  Die  Frage  nach  dem  Vor¬ 
kommen  von  Erepsin  im  Pankreas  (Kossels  Zeitschr.  f. 
physiol.  Chemie,  Bd.  49,  'S.  124,  1906)  und  III.  Mitteilung:  Die 
Wirkung  des  frischen  Hundepankreassaftes  (ebenda 
S.  188)  von  K.  M  a  y  s  -  Heidelberg  geht  hervor,  dass  Erepsin,  wel¬ 
ches  die  Peptone  weit  abbaut,  in  frischen  Pankreasextrakten  ent¬ 
halten  ist  und  dass  man  die  ereptische  Wirkung  durch  mancherlei 
Eingriffe  herabsetzen  kann,  ohne  die  tryptische 'Wirkung  des  Ex¬ 
traktes  zu  beeinflussen.  Des  weiteren  wird  die  oft  sehr  verschiedene 
Wirksamkeit  des  Pankreasextraktes  und  -saftes  festgestellt.  Einer 
einwandfreien  1  rypsindarstellung  stehen  offenbar  noch  grosse  Hinder¬ 
nisse  im  Wege. 

Ihre  interessanten  Versuche  Ueber  das  Verhalten  eini¬ 
ger  Polypeptide  gegen  Ppukreassaft  haben 
E.  bischer  und  E.  A  b  d  e  r  h  a  1  d  e  n  -  Berlin  fortgesetzt  (Kossels 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  51.  S.  264,  1907).  Seit  der  ersten 
Mitteilung  (ebenda  Bd.  46,  S.  52,  1905)  wurden  neun  optisch  aktive 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2001 


neue  Dipeptide  untersucht.  Zerlegt  werden  demnach  unter  dem  Ein¬ 
fluss  von  frischem  Pankreassaft  nur  solche  Dipeptide,  welche  aus¬ 
schliesslich  aus  den  in  der  Natur  vorkommenden  Aminosäuren  be¬ 
stehen.  Dabei  ist  die  Konfiguration  des  Moleküls  nicht  der  einzige 
Faktor,  der  für  die  Wirkung  des  Pankreassaftes  in  Betracht  kommt, 
vielmehr  üben  auch  die  Struktur  der  Aminosäuren  und  endlich  die 
•Reihenfolge,  in  der  sie  verkettet  sind,  einen  merklichen  Einfluss  aus. 

In  einer  Arbeit  Zur  Spaltung  des  Nah  rungs¬ 
ei  weis  s  es  im  Darm  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie, 
Bg.  49,  S.  64,  1906)  teilt  0.  Cohnheim  -  Heidelberg  mit,  dass 
durch  kombinierte  Pepsin-Erepsin-Einwirkung  eine  sicher  fast,  wahr¬ 
scheinlich  ganz  vollständige  Spaltung  des  Eiweisses  zu  erreichen  ist, 
wie  durch  siedende  Säuren,  und  zwar  nicht  erst  in  I  agen,  sondern 
wie  man  es  von  einem  ordentlichen  Verdauungsferment  vei  langen 
muss,  in  Minuten  oder  Stunden.  Zu  ähnlichen,  nur  noch  fester  be¬ 
gründeten  Resultaten  kommt  der  Verfasser  in  einer  2.  Mitteilung 
(ebenda  Bd.  51,  'S.  415,  1907). 

Ueber  den  Einfluss  der  Galle  auf  die  fett-  und 
eiweiss  spaltenden  Fermente  des  Pankreas  haben 
O  v  Fürth  und  J.  Schütz- Wien  (Hofmeisters  Beitr.  zur  ehern. 
Physiol.  u.  Pathol.,  Bd.  9,  S.  28,  1907)  Versuche  angestellt.  Die  Fer¬ 
mente  wurden  durch  Extraktion  mit  Glyzerin  aus  dem  von  der 
chemischen  Fabrik  „Rhenania“  in  Aachen  hergestellten  „Pankreatin 
absolutum“  (6:250)  gewonnen.  Die  fettspaltende  Wirkung  wurde 
an  einer  von  Kanitz  angegebenen  neutralen  Fettemulsion  ge¬ 
prüft,  zur  Beurteilung  der  tryptischen  Wirkung  kam  V  o  1  h  a  r  d  s 
Methode  zur  Anwendung.  .  . 

Es  zeigte  sich  nun,  dass  Zusatz  von  Galle  die  Steapsinwirkung 
vervielfältigt,  dass  diese  Wirkung  aber  keine  artspezifische  ist,  son¬ 
dern  dass  die  Galle  verschiedener  Tiere  im  gleichen  Sinne  wirkt. 
Bei  genauerer  Untersuchung  ergab  sich,  dass  die  Cholsäurekompo- 
nente  das  wirksame  Prinzip  und  zwar  in  ganz  geringen  Mengen 
schon  ist,  dass  Desoxycholsäure  ebenso  wirksam  ist,  dass  aber 
Oxydationsprodukte  dieser  und  der  Cholalsäure  wie  Cholan-,  Bilian- 
und  Ziliansäure  durchweg  unwirksam  sind. 

Die  Trypsinwirkung  wurde  durch  Galle  viel  weniger  gefördert 
als  die  Steapsinwirkung',  womit  im  Einklang  steht,  dass  durch  Ab¬ 
schluss  der  Galle  vom  Darm  die  Eiweissverdauung  viel  weniger  als 
die  Fettverdauung  gestört  wird. 

Um  auszuschliessen,  dass  etwa  den  Gallensäuren  anhaftende 
Bestandteile  der  Galle  die  beträchtliche  Förderung  der  Steapsinwir¬ 
kung  bedingen,  hat  R.  M  a  g  n  u  s  -  Heidelberg,  wie  er  in  einer  Arbeit 
über  die  Wirkung  synthetischer  Gallen  säuren  auf 
die  pankreatische  Fettspaltung  in  Kossels  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chemie,  Bd.  48,  S.  376,  1906  mitteilt,  von  solchen  even¬ 
tuellen  Verunreinigungen  sicher  freie,  von  B  o  n  d  i  und  Müller 
synthetisch  dargestellte  Gallensäuren  den  Steapsinfettlösungen  zuge¬ 
fügt.  Schon  0,1  ccm  der  2,5  proz.  Lösungen  wirkten  stark  befördernd. 

An  den  schon  mehrfach  erwähnten  L  o  n  d  o  n  sehen  Fistelhunden 
hat  auch  S.  L  e  v  i  t  e  s  -  St.  Petersburg  Versuche  über  die  Ver¬ 
dauung  der  Fette  im  tierischen  Organismus  an  ge  - 
stellt  und  berichtet  darüber  in  Kossels  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chemie,  Bd.  49,  S.  273,  1906. 

Das  Verhalten  des  Lezithins  zu  fettspaltenden 
Fermenten  prüften  C.  Schumoff-Simafiowiski  und  N. 
Siebe  r-St.  Petersburg  (Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie, 
Bd.  49,  S.  50,  1906)  und  fanden,  dass  Steapsin  des  Pankreas  und  seines 
Saftes  das  Lezithin  spalten  und  Fettsäuren  in  Freiheit  setzen  kann. 
Auch  Magensteapslin  spaltete,  aber  weniger  energisch.  Blutlipase, 
die  auf  künstliche  Fette  wirkte,  spaltete  Lezithin  nicht,  dagegen  wirkte 
energisch  Lipase  aus  Samen  von  Ricinus  communis. 

Durch  kleine  Atropindosen  0,001  g  :  1  kg  Körpergewicht  wird  bei 
Hunden  die  Vaguswirkung  auf  die  sekretorische  Tätigkeit  des  Pan¬ 
kreas  gelähmt,  grössere  Dosen  0,01  g  haben  bei  starker  Blutdruck¬ 
senkung  und  völliger  Sistierung  der  Speicheisekretion  einen  sekre¬ 
torisch  anregenden  Effekt,  wie  aus  einer  Arbeit  von  G.  Modra- 
k  o  w  s  k  i  -  Lemberg  Zur  Innervation  des  Pankreas.  Wir¬ 
kung  des  A  t  r  b  p  i  n  «i  lauf  die  B  ja  u  c  h  s  p  e  i  c  h  e  1  d  r  ‘ü  s/e 
(Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  114,  S.  487,  1906)  hervorgeht. 

Wenn  Katzen  mit  Milch  gefüttert  werden,  so  werden  ihre  Stühle 
breiig  bis  halbflüssig.  Wird  ihnen  nun  4 — 5  cg  Morphium  subkutan 
injiziert,  so  wirkt  dieses  stopfend.  R.  M  a  g  n  u  s  -  Heidelberg  wirft 
nun  in  einer  Arbeit:  Die  stopfende  Wirkung  des  Mor¬ 
phins  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  316,  1906) 
die  Frage  auf,  ob  dies  SymDathikuswirkung  ist.  Zur  Entscheidung 
sollten  die  splanchnischen  Hemmungsnerven  durchschnitten,  durch 
Milchfütterung  Durchfall  erzeugt  und  festgestellt  werden,  ob  der 
Durchfall  durch  Morphin  wieder  gestopft  werden  kann.  Der  Ver¬ 
such  ergab,  dass  auch  jetzt  noch  Morphin  stopfend  wirkte.  Daraus 
wird  der  Schluss  gezogen,  dass  das  Morphin  an  nervösen  Apparaten 
angreift,  welche  in  der  Wand  des  Magendarmkanals  gelegen  sind. 

Auffallende  Versuche  teilt  A.  Kr  ei  dl -Wien  in  einer  Arbeit: 
Beiträge  zur  Physiologie  des  Verdauungstraktes. 
1.  Mitteilung.  Muskelausschaltungen  am  Magen- 
darmtrakf  mit  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  116,  S. 
159,  1907).  Er  konnte  bei  Hunden  die  Muskulatur  des  Dünndarms 
in  einer  Ausdehnung  von  ca.  1  m  entfernen  und  trotzdem  zeigten 


die  Tiere  nach  der  Operation  normale  Fresslust  und  regelmässige 
Defäkation. 

In  einer  Arbeit :  Beiträge  zur  Physiologie  des  Ver¬ 
dauungstraktes,  2.  Mitteilung.  Beobachtungen  an 
normalen  Hunden.  3.  Mitteilung.  Die  Folgeerschei¬ 
nungen  nach  operativer  Entfernung  der  Musku- 
latur  vom  Magen  u  n  <d  Dünndarm  des  Hundes  ( Pflügers 
Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  116,  S.  163  u.  171,  1907)  kommt 
A.  Müller- Wien  zu  dem  Resultate,  dass  die  Fleischverdauung  in 
dem  Magen  des  normalen  Hundes  regelmässig  ohne  die  Anwesenheit 
freier  Salzsäure  vor  sich  geht.  Der  zur  Untersuchung  notige 
Mageninhalt  wurde  nach  Apomorphingaben  durch  Frb rechen  erhalten. 

In  der  2.  Mitteilung  berichtet  der  Verfasser  über  Versuche  an 
Hunden,  welchen  nach  Kreidl  ein  Teil  der  Magen-  und  Darm¬ 
muskulatur  entfernt  worden  war.  Am  Magen  hatte  die  Entfernung 
Motilitätsstörung,  Hyperazidität  und  Hypersekretion  im  Gefolge,  der 
Grad  der  Schädigung  variierte  von  geringer  Atonie  bis  zu  schwerster 
Mageninsuffizienz.  Am  Dünndarm  verlief  die  Entfernung  der  Musku¬ 
latur  langer  Strecken  fast  symptomlos.  Das  Allgemeinbefinden  und 
die  Beförderung  des  Speisebreies  durch  die  gelähmten  und  ver¬ 
wachsenen  Schlingen  erlitt  keine  Störung,  die  treibende  Kiaft  ist  die 
vis  a  tergo.  Nur  feste  Massen  passieren  nicht  und  können  die  Bil¬ 
dung  einer  Stenose  bedingen.  Die  Lähmung  eines  grösseren  um¬ 
schriebenen  Darmstückes  bedingt  keinen  Ileus  paralyticus. 

C.  Oppenheimer  -  Berlin  schliesst  aus  Versuchen  an  dem 
Inhalte  des  Blinddarms  von  Kaninchen  und  Pferden,  den  er  im  Vakuum 
gären  liess.  dass  bei  den  Gärungsprozessen  im  Darm  des  Pflanzen¬ 
fressers  bei  gewöhnlicher  Kost  freier  Stickstoff  nicht  entsteht.  Dieser 
kann  aber  entstehen,  wenn  etwa  in  der  Nahrung  vorhandene  Nitrite 
durch  denitrifizierende  Bakterien  im  Darm  zersetzt  werden.  Siehe 
darüber  Zur  Kenntnis  d  e  r  D  a  r  m  g  ä  r  u  n  g  in  Kossels  Zeitschr. 
f.  Dhvsiol.  Chemie,  Bd.  48.  S.  240,  1906.  In  einer  Arbeit  Ueber  die 
Bildung  freien  Stickstoffes  bei  der  Dar  m  Uirung 
(Kossels  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  Bd.  50,  S.  289.  1906  07)  leugnet 
A.  K  r  o  g  h -Kopenhagen  die  Entstehung  freien  Stickstoffes  bei  der 
Gärung, 

(Fortsetzung  folgt.) 


Inauguraldissertationen. 

Einer  Züricher  Dissertation  von  Oskar  Diem:  Ueber  die  an 
der  Züricher  Universitäts- Augenklinik  ausgeführten  Tuberkulin- 
iniektionen  aus  den  Jahren  1893—1905  (Zürich  1906)  liegen  32  aus¬ 
führlich  mitgeteilte  Fälle  zugrunde.  Es  wurde  bis  auf  einen  Fall, 
in  dem  neues  Tuberkulin  (T.  R.)  ohne  positiven  Erfolg  zur 
Anwendung  gelangte,  altes  Kochsches  Tub  er  k  u  1  i  n  (T.  V.) 
injiziert.  In  mehr  als  der  Hälfte  der  Fälle  war ‘ein  Heilerfolg  duichnus 
nicht  zu  konstatieren.  In  anderen  Fällen  war  ein  solcher  zwar  vor¬ 
handen.  aber  es  war  nicht  sicher  zu  entscheiden,  wie  viel  davon  dem 
Tuberkulin  zuzuschreiben  sei  und  wie  viel  den  übrigen  sonst  ge¬ 


bräuchlichen  Heilmitteln. 

A.  Tatewossianz  zeigt  in  einer  Dissertation,  die  auf  An¬ 
regung  P  v.  Baumgartens  entstanden  ist  (Tübingen  1906:  Ueber 
die  Identität  oder  Nichtidentität  der  Bazillen  menschlicher  und  Rin¬ 
dertuberkulose),  dass  zurzeit  der  sichere  Nachweis  fehlt,  dass  die 
Rindertuberkulose  eine  Rolle  in  der  Entstehung  und  Ausbreitung  der 
menschlichen  Tuberkulose  spielt.  Der  Wert  der  Arbeit  wird  duich 
ein  Literaturverzeichnis  von  333  Nummern  erhöht. 


I.  P  e  r  1  i  s  liefert  einen  Beitrag  zur  Kenntnis  der  anorganischen 
präsystolischen  Geräusche  an  der  Herzspitze.  P  e  r  1  i  s  stellt  toi- 
gende  Sätze  auf:  Es  gibt  neben  dem  organischen  Mitralstenosen¬ 
geräusch  auch  ein  anorganisches,  funktionelles  präsystolisches  Ge¬ 
räusch,  welches  infolge  einer  funktionellen  anorganischen  Mitral¬ 
stenose  entsteht.  Diese  letztere  ist  gewöhnlich  vorübergehend,  kann 
aber  auch  dauernd  werden.  Ihre  Svmptome  sind  die  der  organischen, 
mit  dem  Unterschiede,  dass  sie  variabel  sind  und  völlig  verschwinden 
können.  Die  funktionelle  Mitralstenose  steht  in  keinerlei  Beziehung 
zum  Rheumatismus  und  sonstigen  infektiösen  Krankheiten,  sie  findet 
sich  bei  jungen  Mädchen  und  Frauen,  bei  Chlorotischen,  Anämischen, 
bei  Nephritikern,  Phthisikern  und  bei  Basedowkranken.  Die  an¬ 
organische  Mitralstenose  unterscheidet  sich  von  der  organischen 
durch  ihre  Aetiologie,  Pathogenese  und  durch  die  Veränderlichkeit 
ihrer  Symptome.  (Berlin  1907,  32  S.,  Druck  von  J.  Zalachowski). 

Carl  v.  Goessein  berichtet  über  50  Fälle  von  Diabetes  mel¬ 
litus,  die  an  der  I.  med.  Klinik  (Obermedizinalrat  Proi;(  Dr* .  K,t*er 
v.  B  a  u  e  r)  von  Januar  1890  bis  Februar  1906  zur  Behandlung  kamen. 
(Diss..  München  1906,  13  S.)  In  13  Fällen  konnten  he,  Diabetiker- 
leichen  Sektionen  gemacht  werden.  In  9  Fallen  -  69,2  Proz  läge 
Veränderungen  des  Pankreas  vor.  In  der  Mehrzahl  handelte  es  c 
um  Atrophie  (6  =  66,6  Proz.).  in  den  übrigen  3  Fallen  (— .  33,3  1  roz.; 
fand  sich  eine  Induration  der  Bauchspeichekli  iise. 

Alfred  Mathies  berichtet  in  einer  Kieler  Dissertation  (1907) 
aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Kiel  über  die  Behau  ung 
Arthritis  gonorrhoica  mit  besonderer  Berücksichtigung 
sehen  Stauungshyperämie.  Es  wurden  mit  dieser  Beiand  uiigs 
methode  sehr  günstige  Erfahrungen  gemacht.  Als  ,hre  BauPtvorziige 
gegenüber  den  bisher  üblichen  Behandlungsmethoden  stellte  Veitasser 


2002 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


fest:  Kürzere  Behandlungstlauer,  auffallend  rasches  Nachlassen  der 
Schmerzen,  Einfachheit  des  Verfahrens.  Billigkeit,  Abnahme  der  Fälle 
mit  zurückbleibender  Gebrauchsunfühigkeit  der  Gelenke  und  ent¬ 
schieden  besseren  Heilerfolg.  F.  L. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Breslau.  April  bis  September  1907. 

8.  Banasz  Artur:  Die  Stellung  des  Kaiserschnitts  zu  konkur¬ 
rierenden  Verfahren  auf  Grund  der  Operationsresultate  der  letzten 
Jahre. 

9.  Biedermann  Arthur:  Ueber  einen  Fall  von  Leberabszess  im 
Anschluss  .an  Appendizitis. 

10.  Boetticher  Theodor:  Die  Prognose  der  Operation  der  Spina 
bifida. 

11.  Cohn  Willy:  Ueberblick  über  .die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
der  Händedesinfektion. 

12.  Ficke  E.:  Ueber  Anwendung  und  Folgen  des  B  o  s  s  i  sehen 
Dilatators. 

13.  Foweldn  Harald:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Leukämie. 

14.  Friedmann  Salmann:  Ein  Beitrag  zur  Symptomatologie  des 
Coma  diabeticum. 

15.  Groeschel  Kurt:  Zur  Lehre  von  der  Beckenen.dgeburt,  unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  Therapie  an  der  Hand  der  in  der 
Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau  in  den  Jahren  1893/190-4 
zur  Beobachtung  gekommenen  Fälle. 

16.  Jermutowicz  Stefan:  Beitrag  zur  Diagnose  und  Therapie 
der  sogen,  retroperitonealen  Tumoren. 

17.  Kaufmann  Ruwin:  Ueber  proteolytische  Fermentwirkungen 
des  menschlichen  Darminhaltes  unter  normalen  und  krankhaften 
Bedingungen  (Untersuchungen  mit  Hilfe  des  M  ii  1 1  e  r  -  J  o  c  h  - 
m  .a  n  n  sehen  Verfahrens). 

18.  Langer  Konrad:  Ueber  Ermüdungseinschränkung  des  Gesichts¬ 
feldes  nach  dem  Förster  sehen  bezw.  W  i  1  b  r  a  n  d  sehen 
Typus. 

19.  Omi  Kaoru:  Das  Verhalten  des  Salizins  im  tierischeivOrganismus. 

20.  Redlich  Walter:  Die  Sektionsstatistik  des  Karzinoms  am  Ber¬ 
liner  städt.  Krankenhaus  am  Urban  nebst  kasuistischen  Beiträgen. 
Aus  der  pathologisch-anatomischen  Anstalt  des  Krankenhauses 
(Prof.  Dr.  C.  Ben.da). 

21.  Riedel  Theodor:  Torsion  des  grossen  Netzes. 

22.  Sorochowitsch  Chaim:  Gelatinetherapie  der  Melaena  neo¬ 
natorum. 

23.  Straube  Kurt:  Ueber  die  derzeitige  Prognose  der  künstlichen 
Plazentarlösung. 

2-4.  Winter  Karl:  Zur  Kenntnis  der  Polyzythämie. 

Universität  Giessen.  Juli  und  August  1907. 

34.  Klein  Karl:  Ein  Fall  von  Pseudofurunculosis  pyaemica  (Finger). 

35.  Grimm  Hans:  Untersuchungen  über  die  bei  der  sogen.  „Kopf¬ 
krankheit“  der  Pferde  gefundenen  Bakterien.*) 

36.  Dieffenbach  Ludw. :  Ueber  die  Semiplacenta  diffusa  incom- 
pleta  von  Dicotyles  labiatus  cuv. 

37.  Sommerfel d  Kurd :  Ueber  Säuglingsmilch,  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  des  Muck-  und  R  ö  m  e  r  sehen  Verfahrens.*) 

38.  K  n  e  1 1  Wilh.:  Ueber  die  Kombinationswirkung  von  Morphium 
muriaticum  und  Chloralhydrat  bei  gleichzeitiger  intravenöser 
Applikation.*) 

39.  Möller  Alb.:  Zur  Methodik  der  Chloroformbestimmung  in 
tierischen  Geweben.*) 

40.  Lyding  Hans:  Zur  Kenntnis  der  Arteriosklerose  bei  Haus¬ 
tieren.*) 

•41.  Hommelsheim  Franz:  Zur  Kasuistik  der  angeborenen  lypo- 
matösen  Dermoide  des  Augapfels. 

•42.  D  o  c  h  n  a  h  1  Joseph:  Ueber  traumatische  Entstehung  von  Nerven¬ 
krankheiten. 

-43.  Kampe  r  Jakob:  Zur  Morbiditätsstatistik  nach  Laparotomien. 

-44.  Renz  Herrn.:  Zur  Kasuistik  der  Myxome  des  Mesenteriums. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

vom  15. — 21.  September  1907  in  Dresden. 

Allgemeine  Versammlungen. 

(Referent:  Dr.  N.  M  e  y  e  r  -  Wildungen.) 

Herr  W.  H  e  in  p  e  1  -  Dresden:  Die  Behandlung  der  Milch.  (Mit 

Lichtbildern.) 

Dem  Mediziner,  der  sich  für  die  in  letzter  Zeit  so  vielfach  er¬ 
örterte  Frage  der  Gewinnung  steriler  Milch  interessiert,  brachte  der 
Vortrag  in  seinem  medizinischen  Teil  wenig  Neues.  Trotzdem  konnte 
auch  er  aus  der  Darstellung  der  vielen  technischen  Fragen  bei  der  Be¬ 
handlung  der  Milch  viel  Lehrreiches  entnehmen: 

In  Deutschland  werden  19  Milliarden  Liter  Kuhmilch  im  Werte 
von  1700  Millionen  Mark  und  60  Millionen  Liter  Ziegenmilch  im  Werte 


’"’)  Ist  veterinär-medizinische  Dissertation. 


von  90  Millionen  Mark  produziert.  Auffallend  ist  die  Tatsache,  dass 
trotz  der  Preissteigerung  aller  iibrgien  Nahrungsmittel  der  Preis  der 
Milch  im  allgemeinen  seit  Jahren  der  gleiche  blieb.  Es  scheine  von 
Bedeutung,  den  Milchproduzenten,  die  bei  sorgfältiger  Behandlung  der 
Milch  grössere  Unkosten  haben,  höhere  Preise  zu  gewähren.  Die 
Jahrzehnte  hindurch  herrschende  Ansicht,  dass  man  durch  geeignete 
Verdünnung  der  Kuhmilch  eine  der  Frauenmilch  gleichwertige  Milch' 
darstellen  könne,  hat  sich  nach  neueren  Forschungen  als  völlig  falsch 
erwiesen.  Die  Mutterbrust  ist  durch  nichts  anderes  ersetzbar.  Bei 
den  Untersuchungen  der  Milch  gesunder  Kühe  haben  sich  so  grosse 
Schwankungen  in  der  Zusammensetzung  ergeben,  dass  man  bei  An¬ 
gabe  eines  gleichbleibenden  Verdünnungsverhältnisses  Milch  ganz 
verschiedener  Zusammensetzungen  erhalten  muss.  Auch  das  lange 
Zeit  für  einwandfrei  angenommene  Verfahren,  die  Milch  zwecks  Ste¬ 
rilisierung  zu  kochen,  ist  von  Nachteil,  v.  Behring  wies  nach,  dass 
die  mit  gekochter  Milch  aufgezogenen  Kälber  minderwertig  waren. 
Das  Kochen  der  Milch  befreit  die  Milch  zwar  von  den  meisten  patho¬ 
genen  Keimen,  zerstört  aber  auch  ihre  Fermente.  In  Verdauungsver¬ 
suchen  wurde  festgestellt,  dass  11  Proz.  der  Albumine,  bei  der 
momentan  auf  100°  erhitzten  Milch  18  Proz.,  bei  der  zweimal  kurz 
aufgekochten  Milch  30  Proz.  unverdaut  bleiben.  Der  Albumingehalt 
von  0,4  Proz.  wird  durch  5  Minuten  langes  Kochen  auf  0,1  Proz.  herab¬ 
gesetzt.  Die  rohe  Milch  hemmt  das  Wachstum  von  Cholera-  und 
Typhusbakterien.  Dabei  zeigen  sich  die  verschiedenen  Milchsorten 
von  verschieden  starker  bakterizider  Kraft.  Die  am  geeignetsten  für 
die  Kinderernährung  erscheinende  Eselsmilch  ist  für  allgemeine  Ver¬ 
wendung  zu  teuer,  von  den  Kuhrassen  hat  sich  die  ostfriesische  als 
diejenige  erwiesen,  die  eine  Milch  mit  der  grössten  bakteriziden 
Eigenschaft  produziert.  Schon  ein  Erhitzen  auf  60  0  zerstört  die  bak¬ 
teriziden  Eigenschaften  der  Milch  vollständig,  ebenso  ein  Zusatz  von 
0,01  Proz.  Wasserstoffsuperoxyd.  Die  bis  auf  170°  Kälte  ausgedehnte 
Abkühlung  hebt  die  bakterientötende  Kraft  nicht  auf.  Bei  Filtration 
bleibt  der  bakterizide  Körper  im  filtrierenden  Tonkörper,  bei  Kasein¬ 
fällung  in  der  Flüssigkeit. 

Da  also  die  rohe  Milch  zweifellos  als  die  geeignete  Kindernahrung 
erscheint,  ist  von  grösster  Wichtigkeit,  dass  sie  in  geeigneter  Weise 
gewonnen  und  ohne  Veränderung  erhalten  bleibt.  Das  letztere  kann 
nur  durch  Abkühlung  erreicht  werden.  Gefrierversuche  zeigten,  dass 
bis  zu  4  Wochen  keine  Veränderung  in  der  aufgetauten  Milch  eintrat. 
Nach  diesem  Zeitpunkt  fiel  das  Kasein  aus.  Mit  grösster  Sicherheit 
lässt  sich  gekühlte  Milch  14  Tage  lang  unverändert  erhalten.  Da 
die  Kuhhaltung  auf  dem  Lande  zur  Gewinnung  von  Milch  der  in  der 
Stadt  vorzuziehen  ist,  handelt  es  sich  darum,  nach  dem  Vorbild 
amerikanischer  Verhältnisse  die  AAilch  gekühlt  zu  versenden.  Das 
geschieht  durch  Aufpacken  von  Eis  auf  die  Gefässe  oder  durch  Ver¬ 
senden  in  besonders  eingerichteten  Kühlwagen.  Es  wäre  aber  noch 
empfehlenswerter,  wenn  die  Eisenbahnverwaltungen  sich  entschlies- 
sen  könnten,  die  technisch  einfachen  Gefrierwagen  einzuführen,  die 
bei  gleichzeitiger  Verwendung  für  Fleisch  und  sonstige  Nahrungs¬ 
mittel  keine  grösseren  Unkosten  beanspruchen  würden. 

Zum  Schluss  bespricht  der  Vortragende  die  bekannten  Forde¬ 
rungen  bei  der  Milchgewinnung:  Möglichst  tägliche  Weide,  tägliche 
Reinigung  der  Kühe,  Einrichtung  besonderer  Melkräume,  sorgfältige 
Reinigung  des  Euters,  wobei  reines  Wasser  und  reine  Tücher  ge¬ 
nügen.  Von  Vorteil  ist  die  Besorgung  des  Melkgeschäftes  durch 
Frauen,  da  diese  im  Durchschnitt  reinlicher  seien  als  Männer.  Bei 
der  Aufbewahrung  ist  zu  beachten,  dass  die  Milch  beim  Stehen  sehr 
bald  in  Schichten  verschiedenen  Fettreichtums  zersetzt  wird.  Daher 
empfiehlt  es  sich,  in  dem  Gefässe  Vorrichtungen  anzubringen,  die  eine 
gut  durchgemischte  Milch  zu  entnehmen  gestatten. 

Herr  H  o  c  h  e  -  Freiburg:  Moderne  Analyse  psychischer  Erschei¬ 
nungen. 

Der  Vortragende  gibt  einen  Ueberblick  über  die  Forschungs¬ 
methoden  der  experimentellen  Psychologie  und  ihre  verschiedenen 
Anwendungsgebiete  für  Pädagogik.  Kriminalistik  und  Medizin.  Neue 
Tatsachen  werden  für  letzteres  Gebiet  nicht  gebracht. 

Abteilung  für  innere  Medizin. 

Referent:  Dr.  N.  M  e  y  e  r  -  Wildungen.) 

Sitzung  vom  16.  September,  nachmittags. 

Herr  B  r  i  e  g  e  r  -  Berlin:  Hydrotherapie  und  innere  Medizin. 

Der  Vortragende  hat  in  früheren  Veröffentlichungen  nachge¬ 
wiesen,  dass  ein  Gegensatz  zwischen  Hydrotherapie  und  arzneilicher 
Therapie  nicht  besteht.  Kein  Gebiet  der  inneren  Medizin  könne 
der  Hydrotherapie  entraten.  Einige  wichtige  Anwendungsgebiete  zu 
streifen  sei  der  Zweck  des  Vortrages. 

Bei  Lungenkrankheiten  ist  bei  Pneumonie,  Asthma  bronchiale, 
Tuberkulose  die  Hydrotherapie  am  Platze.  Bei  Herzkrankheiten  sind 
Kohlensäurebäder  nur  dann  indiziert,  wenn  Uebungsmassnahmen 
schon  c  ingeleitet  sind.  Zur  Uebung  selbst  kommen  Wechselstrom¬ 
bäder  i.i  Betracht.  Nach  erreichter  Kompensation  sind  hydriatrische 
Prozeduren  von  lang  anhaltender  Wirkung.  Der  Heilwert  der  Teil¬ 
abreibungen  bei  beginnender  Arteriosklerose  ist  noch  zu  wenig  be¬ 
kannt.  Magenkrankheiten  werden  durch  Behandlung  des  ganzen  Kör¬ 
pers  und  der  Magengegend  beeinflusst.  Hydriatrische  Massnahmen 
bei  Gelenkkrankheiten  sind  schonender  für  das  Herz  als  die  übrigen 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2003 


Massnahmen.  Wärmestauung  kann  bei  gonorrhoischen  Gelenkent¬ 
zündungen  und  bei  rheumatoiden  Krankheiten  von  Vorteil  sein.  B 
Konstitutionskrankheiten  (Diabetes)  sollen  sie  die  scharfen  <-  . 

Stimmungen  zu  mildern  im  stände  sein.  Die  Bäderanwendung  bm 
Infektionskrankheiten  sei  ja  schon  seit  langem  medizinisches  Allge¬ 
meingut  Bei  Nervenkrankheiten  kann  die  Reizbarkeit  der  Nerven 
e  nach  Bedarf  erhöht  oder  herabgesetzt  werden  durch  verschieden¬ 
artige  Prozeduren.  Von  162  Fällen  von  Tabes  sind  69  Proz j.  in  der 
Anstalt  des  Vortragenden  gebessert  worden,  bei  Ischias  sind  80  I  roz. 
geheilt.  Zu  betonen  ist,  dass  nur  in  der  Hand  des  geschulten  Arztes 
die  Hydrotherapie  Nutzen  zu  bringen  vermag. 

Diskussion:  Herr  G  r  u  n  m  ach-  Berlin  betont,  dass  voi 
Einleitung  der  Hydrotherapie  bei  Herzkrankheiten  eine  Röntgenunter¬ 
suchung  angezeigt  sei,  um  bei  eventuell  vorhandenen  Aneurysmen 
Schädigungen  zu  vermeiden.  Er  empfiehlt  die  Kombination  von  hy- 
driatrischen  Prozeduren  mit  Digitalis  bei  Herzkrankheiten. 

Herr  K  ö  s  t  e  r  -  Leipzig:  Ueber  Fettresorption  des  Darmes  und 

die  Beeinflussung  der  Gallenabsonderung  durch  in 

K  stellte  zunächst  fest,  dass  bei  hungernden  Tieren  stets  rett  in 
der  Darmwand  bleibt.  Dann  wurden  Hunden  und  Katzen,  na^dem 
sie  6  Wochen  fettfrei  ernährt  waren  60— 80  g  Oel  rektal  gegeben, 
dass  nach  7  Stunden  etwa  bis  zur  Bauh  in  sehen  Klappe  me 
Äher  -  gelangte.  Rektum  und  Diökdarm  resorbierten  Ga  le  ausge¬ 
zeichnet.  Bei  der  Entscheidung  der  Frage,  ob  Oelgaben  die  Gallen- 
Krpijon  befördern  ist  zu  unterscheiden  zwischen  Gallensekretion 
und  Enüeerung  der’  Gallenblase.  An  Gallenfistelhunden  stellte  der 
Vortragende  fest  dass  das  Oel  hemmend  auf  die  Sekretion  wirkt, 
dass  nach  15—20  Minuten  aber  regelmässig  eine  Entleerung  der 
Gallenblase  eintritt.  Dieselben  günstigen  Resultate  zeitigten " 
nerimente  mit  löslichem  Oel,  wie  venetiamscher  Seife  imd  Sahne 
Für  die  Praxis  resultiert  aus  den  Versuchen,  dass  eine  Oelkm 
Gallensteinleiden  vollberechtigt  ist. 

Herr  R  o  s  e  n  f  e  I  d  -  Breslau :  Oxydationswege  der  Kohlehydrate. 

R  stellt  zwei  Tatsachen  als  Grundlage  seiner  Ausführungen 
fest  1  Gibt  man  einem  hungernden  Hund  Phloridzin,  so  bekommt  er 
eine  Fettleber.  2.  Gibt  man  Zucker  dazu,  so  wird  diese  Fettleber 
verhindert  Diese  Leber  ist  maximal  glykogenarm.  Der  Grund  liegt 
darin'  dass  in  der  normalen  Leber  Kohlehydrate  vorhanden  sind, 
die  als  Zündmasse  die  Fette  verbrennen;  diese  Kohlehydrate  fehlen 
in  der  Phloridzinleber,  daher  häufen  sich  hier  die  nicht  verbiannten 
Fette  an.  Um  die  Arbeitsweise  der  das  Fett  entflammenden  Kohle¬ 
hydrate  festzustellen  wurde  Glykose  per  os,  per  anum  und  pei  venam 
gegeben^  Per  os  gegeben  verhüteten  sie  die  Fettleberb.ldung  voll¬ 
ständig  per  anum  und  per  venam  nur  in  unsicherer  Weise  Der  Grund 
Sir  liegt  darin  dass  nach  der  Darreichung  von  Glykose  per  os 
eine  grosse  per’anum  eine  schwache,  per  venam  keine  Glykogen- 
b  Mung°n  der  Leber  auftritt.  So  hätte  man  zwei  Wege  der  Glvkosen- 
verarbeitung  zu  unterscheiden,  einen  transglykogenen  und  e'uen 
aglykogenen.  Der  menschliche  Diabetiker  .leidet  an  der  ^Swib 
bildung  in  der  Leber,  wenn  ihm  Glykose  per  os  gegeben  wn  . 
man  ihm  aber  ein  oxydables  Kohlehydrat  geben,  *>  muss  dtes  so 
beschaffen  sein,  dass  es  nicht  in  Glykogen 

Tatsache  dient  nun  zur  Erklärung  einiger  bisher  unverstanmicner 
Ergebnisse:  Exstirpiert  man  Hunden  die  Leber,  so  hört  die  Qlvkosur  e 
auf  weil  kein  Glykogen  gebildet  wird.  Ferner,  lasst  man  einen 
Diabetiker  durch  Gurgelungen,  also  bei  Vermeidung  Es 

Zucker  aufnehmen,  so  verarbeitet  er  diesen  Zucker p  vvoll^,andlJ;  d 
handelt  sich  also  darum,  die  aufzunehmenden  Kohlehydrate  aut  aen 
aglykogenen  Weg  zu  drängen,  d.  h.  die  Kohlehydrate  unter  Umgehung 
von  Glykogenbildung  in  der  Leber  direkt  zu  oxydieren. 

Diskussion:  Herr  H.  M  ü  11  e  r  -  München  bezweifelt,  dass 
es  sich  beim  Phloridzindiabetes  um  eine  Störung  der  Fettverbrennung 
in  der  Leber  handle,  sondern  um  einen  Glykogenmangel.  Die  Fett 

Verbrennung  findet  auch  beim  schweren  Diabetes  '"^hvSaVtmaber 
statt.  Die  Fettverbrennung  geht  bei  Mangel  von  Kohlehydraten  a 

11111  s  k  i  -  Greifswald  hält  die  Unterscheidung  wnes 

transglykogenen  und  aglykogenen  Weges  nicht  für  r  en 

kutan  und  intravenös  injizierter  Zucker  gehe  vieimehr  leichtei 
Harn  über  und  bei  Pankreasexstirpation  sogar  vollstand^.  Ferner 
spricht  gegen  eine  Störung  des  Fettverbrauches  das  Schwinden  des 
Fettes  in  allen  Depots,  auch  der  Gasstoffwechse-1  spreche  nicht  für 

eine  Störung  der  Oxydätion  der  Fette.  #  ,  , 

Herr  Rosenfeld  - Breslau  entgegnet,  dass  wir  über  die  Abbau¬ 
produkte  des  Fettstoffwechsels  und  über  den  Kohjehydratbestand  des 
Körpers  noch  nicht  so  orientiert  sind,  um  die  Schlüsse  von  HM  ui  1  e 
ziehen  zu  können.  Als  Grundlage  für  die  Anschauung,  dass  Fette  von 
den  Kohlehydraten  entflammt  werden,  dient:  1.  Die  1  atsacim  Qts 
immer  auftretenden  Glykogenschwundes  bei  Verfettung  erzeugenden 
Agentien  und  Verhütung  der  Verfettung  bei  Zuckemifutterung  2. 
•die  Tatsache.  dass  Fettleber  nach  Fettverfütterung  entsteht ,  . 3.  diel  - 
Sache,  dass  Personen,  welche  durch  Eiweiss  und  Kohlehydrate  in 
Stoffwechselgleichgewicht  gebracht  sind,  sofort  ein  Stickstoff  Defizit 
bekommen,  wenn  die  Kohlehydrate  entzogen  werden. 

Herr  Rieb  old:  Ueber  periodische  Fieberbewegungen  mit  rheu¬ 
matischen  Erscheinungen  bei  jungen  Mädchen  (sogen,  rekurrierendes 
rheumatoides  Ovulationsfieber). 


R  beschreibt  vornehmlich  bei  jungen  Mädchen  anscheinend  nicht 
sehr  selten  vorkommende  fieberhafte  Zustände,  die  mit  einer  meist 
sehr  schweren  Störung  des  Allgemeinbefindens,  mit  „rheumatoiden 
Fischeinungen  (d.  h.  mehr  oder  weniger  ausgeprägten  schmerzhaften 
Gelenkschwellungen,  den  Symptomen  einer  Myokarditis,  gelegentlich 
auch  einer  Peri-  oder  Endokarditis,  ferner  manchmal  einer  I  leuntis). 
imd  endlich  in  einzelnen  Fällen  mit  einer  fast  immer  doppelseitigen 
ParotRis  einhergehen.  Das  Krankheitsbild  bleibt  sich  immer  gleich 
kann  aber  in  der  Schwere  der  Symptome  ausserordentlich  wechseln. 
Neben  den  geschilderten  schweren  Fällen  kommen  auch  ganz  leichte 
Abortivfmmen  der  Krankheit  vor.  Ueber  die  Krankheit  ist  in  der 
Lite  atur  Toch  nichts  bekannt.  Die  merkwürdigste  Erscheinung  ist 
die!  dass  die  Anfälle  stets  mit  der  Menstruation  zusammenfaUen  der- 
art  dass  die  Menstruation  meist  gegen  das  Ende  eines  Anfalls  au 
tritt  (gelegentlich  kann  auch  die  erwartete  Menstruation  ausbleiben  . 

„nd  das!  die  Anfälle  sehr  häufig,  in  einem  Fall  mehr  als  20  m  . 
rezidivieren  können  und  zwar  in  Zwischenräumen,  die  inrnici  den 
Menstruationsintervallen  des  betreffenden  '"d'Vjdnums  senau  ™  ' 

drVovuiatior! (daherbdie^BeMlchnun^Ovulatiot^fieber);  er  glaidd. 
gÄÄSÄ  ÄTÄÄ  ^  dass 

de,  Skileit  eine  funktionellen  Störung  der  sekretorischen  Ta  ,K. 

keit  der  Ovarien  zugrunde  liegen  mochte  , ^ dass  es  sich 

Diskussion-  Herr  Müller-  München  glaubt,  dass  es  sicn 

hei  den  Fieberfällen  um  septische  Prozesse  handle,  um  Aufflammen 

efnes infektiösen  Prozesses.  Dabei  ist  P™- 

— Ä  'macht  darauf  Aufmerksam!  SÄ  Blind- 
darmHder  bei  der  Menstruation  oft  reizbar  wird  und  Fieber  ver- 
anlasst!  Qrund  zu  den  erwähnten  Fiebersteigerungen  geben  konnte. 

S"ibt  Stauung.  Diese 

k3""  QM 

laeh^'he  VeHegure  der  Arterienstämme.  Klinisch  wichtiger  sind 
sondere  mi  ^“'WVl'lcr  HMdieingeweide  kontrahieren  (intra- 

^temtoErschitangln'dtr  HMhspannun™  die  Folgen  der  arteriellen 

Stauung^^shid^besonders  arterielle  Stauung^^nd^nicht^identlsch^  Es 

"tliifbd'SenSln  SdlÄf  Jn  de ***  •"*  >" 

soldÄ 

in  iodeni  Gefässgebiet  Vorkommen.  Ausser  den  akuten  ,  si 

gewisse6'  Fälle  von' 

SWeÄerPwlTKÄ  hat'  selbständige  arterielle  Stauungen. 
S0  ZDieBäh!lap!eSf,arwe!nnCsKeeine  kausale  sein  kann  Erweitern* 

der  spastischen  Gefässe  ahZustreben.eventueU  durch ^kbledung  ^  - 

SS?  £absetzu„g 

■  «  Vorsicht 

geboten.,  J#||e8.wien.  Die  Bedeutung  der  Pentoseu  In  den  Fäzes 

und  deren  Pflanzen  reich  stark  verbreiteten 

I  entstammenden  und  in  den  menschliche 


2004 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


tosen  können  auch  teilweise  durch  Zerfall  von  Organsubstanzen,  vor 
allem  von  Kernsubstanzen,  entstanden  sein.  Der  Vortragende  unter¬ 
suchte  die  Se-  und  Exkrete  eines  Pentosurikers  und  benutzte  diese 
Gelegenheit,  um  der  bisher  nicht  berücksichtigten  Frage  betreffend 
des  Pentosengehaltes  der  Fäzes  eines  solchen  Kranken  näherzutreten. 
Fr  weist  darauf  hin,  dass  die  übliche  Pentosenbestimmung  durch 
Destillation  und  Wägung  des  gebildeten  Furfurols  mannigfache  Mängel 
besitzt. 

Der  Vortragende  zog  es  daher  vor,  die  von  ihm  schon  früher 
empfohlene  titrimetrische  Methode,  welche  bei  reiner  Arabinose  und 
Xylose  sehr  befriedigende  Resultate  ergab,  für  die  Zwecke  der  Pen¬ 
tosenbestimmung  der  Fäzes  auszuarbeiten. 

Nach  Beschreibung  der  Methodik  berichtet  Vortragender  über 
die  Versuchsergebnisse. 

Die  Fäzes  des  Pentosurikers  enthielten  bei  gemischter  Kost 
4.87  Proz.  Pentose,  bezogen  auf  Trockensubstanz.  Im  Harne 
schwankte  der  Pentosengehalt  zwischen  0,25 — 0,38  Proz. 

Die  Fäzes  von  zwei  gesunden  Individuen  enthielten  bei  ge¬ 
mischter  Kost  0,14,  0,19,  0,13  und  0,26  Proz.  Pentosen,  bezogen  auf 
Trockensubstanz. 

Demnach  scheidet  der  Pentosuriiker  mit  den 
Fäzes  relativ  bedeutende  Pentose  mengen  aus. 
Nach  Verabreichung  einer  von  Vegetabilien  freien  Kost  enthielten 
die  Fäzes  des  Pentosurikers  4,53  Proz.  Pentose.  die  des  gesunden 
Individuums  nur  quantitativ  nicht  mehr  bestimmbare  Spuren.  Nach 
Verabreichung  einer  vornehmlich  vegetabilischen  Diät  enthielten  die 
Fäzes  des  Pentosurikers  6,71  Proz.,  die  des  gesunden  Individuums 
0,59  Proz.,  beide  Zahlen  bezogen  auf  Trockensubstanz. 

Bei  einer  an  Pentosen  reichen  Nahrung  erhöhte  sich  also  auch 
beim  gesunden  Individuum  der  Gehalt  an  Pentosen  in  den  Fäzes, 
jedoch  scheidet  der  Pentosuriker  —  ceteris  paribus  —  unvergleichlich 
mehr  Pentosen  aus. 

Gepaarte  Glykuronsäuren  konnten  in  den  Aether-Alkohol-Aus- 
zügen  der  Fäzes  nur  in  Spuren  konstatiert  werden.  Durch  Zusatz 
verdünnter  Essigsäure  zu  dem  wässerigen  Extrakte  der  Fäzes  des 
Pentosurikers  fiel  ein  Niederschlag  aus,  der  phosphorhaltig  ist  und 
die  Pentosegruppe  neben  der  Dextrosegruppe  enthält.  Es  dürfte  ein 
Gemisch  eines  Nukleoproteids  mit  Muzin  vorliegen. 

Die  Identität  der  Pentose  konnte  wegen  Mangel  an  Material 
nicht  festgestellt  werden. 

Herr  S  t  r  u  b  e  1 1  -  Dresden :  Ueber  Opsonine.  (Beiträge  zur  Im¬ 
munitätslehre.) 

Die  neue  Opsoninlehre  Wrights  gründet  sich  auf  der 
latsache,  dass  im  Blutserum  Substanzen  kreisen,  welche  mit  Bak¬ 
terien  zusammengebracht,  diese  so  beeinflussen  und  fixieren,  dass 
sie  relativ  leicht  von  hinzugefügten  weissen  Blutkörperchen  ge¬ 
fressen  (phagozytiert)  werden.  Wohl  gibt  es  auch  eine 
spontane  Phagozytose  (Bakterien  plus  Leukozyten  ohne  Serum¬ 
zusatz).  diese  ist  aber  unregelmässig  und  unzuverlässig.  Der  Grad 
der  induzierten  Phagozytose  (Bakterien  plus  Leukozyten  plus  Serum) 
wird  dagegen  zuverlässig  beeinflusst  durch  den  Opsonin  gehalt 
des  Serums.  Die  Opsonine  (opsono  =  ich  bereite  mich  zum 
Mahle  vor)  wirken  auf  die  Bakterien,  nicht  auf  die  Leukozyten.  Die 
Opsonine  sind  im  normalen  Serum  thermolabil,  d.  h.  sie  werden 
durch  Erhitzen  des  Serums  zerstört.  Bei  den  Imrnunsera  bleibt  ein 
beträchtlicher  Teil  der  Opsonine  trotz  der  Erhitzung  erhalten,  die 
Immunopsonine  sind  also,  wenigstens  zum  Teil,  thermostabil. 
Damit  identifizieren  sie  sich  vollkommen  mit  den  Bakteriotro- 
ninen  von  Neufeld  und  R  i  m  p  a  u.  welche  Autoren  nur  mit 
Immunserum  gearbeitet  haben.  Die  Thermo  labilität  der 
Normalopsonine,  die  Thermostabilität  der  Immun- 
o  p  s  o  n  i  ii  e  sind  zu  diagnostischen  Zwecken  ebenso  zu  verwerten, 
wie  für  die  I  herapie.  Injektionen  von  abgetöteten  Bakterienkulturen 
ei  höhen  den  opsonischen  Index  des  Blutserums  bei  geeigneter 
osierung  und  öfterer  Wiederholung  der  Injektion  vorübergehend 
oder  dauernd  (positive  Phase),  nachdem  eine  Herabsetzung  des 
opsonischen  Index  vorhergegangen  ist  (negative  Phase).  Des¬ 
gleichen  haben  Patienten,  welche  eine  bestimmte  Krankheit  Über¬ 
stunden  haben,  oft  noch  nach  Jahren  einen  erhöhten  opsonischen  In¬ 
dex  gegen  das  betreffende  Bakterium.  Die  Opsonine  sind  nämlich 
spezifisch,  d.  h.  nahezu  für  jede  Bakterienart,  die  für  den  Men¬ 
schen  virulent  ist,  gibt  es  ein  besonderes  Opsonin.  Der  opsonische 
ikIl  x  \\  ird  bestimmt  dadurch,  dass  man  in  100  Leukozyten  die  Zahl 
i  ei  gefressenen  Bakterien  bestimmt  und  den  Durchschnitt  berechnet. 
Zuerst  tut  man  dies  bei  einem  normalen  Serum;  hier  heisst  die  ge¬ 
wonnene  Zahl  „ohagocytic  count“  =  phagozytische 
TJ  a  1  ;  a ie  man  der  phagozytischen  Zahl  des  Patienten  vergleicht. 
Der  sich  ergebende  Quotient  ist  dann  der  opsonische  Index! 
IHe  grössten  Erfolge  wurden  therapeutisch  erzielt  bei  den  lokalen 
Staplivlokokkenerkrankungen,  Furunkeln.  Akne.  Svkosis  usw.,  wo  die 
Injektionen  von  abgetöteten  Staohvlokokkenkulturen  in  kürzester 
Frist  den  opsonischen  Index  gegen  Staphylokokkus  hochtrieben  und 
die  Auktionen  promptest  heilten.  Langsamer  waren  die  Erfolge  der 
Injektion  von  K  o  c  h  schem  Neutuberkulin  in  freilich  gegen  die  bis¬ 
herige  Applikation  geradezu  homöopathischen  Dosen.  Die  bisheri¬ 
gen  Misserfolge  der  Tuberkulinbehandlung  sind  darauf  zuriiekzu- 
iüliicn,  dass  man  keine  wissenschaftlichen  Anhaltspunkte  für  die 


Grösse  der  Dosis,  welche  meist  zu  gross  ausfiel,  hatte.  Ein  solches 
Kriterium  haben  wir  eben  in  der  Bestimmung  des  opsonischen  In¬ 
dex,  dessen  Schwankungen  massgebend  sind  für  die  Dosis  und  den 
Zeitpunkt  der  Wiederholung  der  Injektion.  Lokale  Drüsentuberku¬ 
losen  heilen  relativ  rasch,  ausgedehnte  lupöse  Hauterkrankungen 
langsamer,  tuberkulöse  Lungenerkrankungen  wegen  der  dabei  stets 
sich  wiederholenden  Autoinokulationen  schwer.  Auch  die  durch 
Bacterium  coli,  den  Gonokokkus,  Micrococcus  neoformans  und 
andere  Bakterien  verursachten  Erkrankungen  bieten  ein  günstiges 
Feld  für  die  Vakzinetherapie  Wrights. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

(Referent:  Dr.  Max  L  i  1 1  h  a  u  e  r  -  Berlin.) 

Herr  A.  B  e  c  k  e  r  -  Rostock:  Zur  Frage  der  operativen  Behand¬ 
lung  von  Venenthrombosen  an  den  Extremitäten.  (Mit  Demonstra¬ 
tionen  von  Präparaten.) 

B.  demonstriert  mehrere  durch  Operation  gewonnene  Präparate 
von  frischen  und  älteren  Thrombosen  in  den  Venae  saphenae  und 
empfiehlt  in  allen  Fällen  von  frischer  fortschreitender  Thrombose  in 
den  Varizen  an  Stelle  exspektativer  Behandlung  (Ruhig-  und  Hoch¬ 
lagerung)  die  sofortige  Unterbindung  des  thrombosierten  Venen¬ 
stammes  oberhalb  der  Thrombose  mit  Exstirpation  des  ganzen 
thrombosierten  Bezirkes,  wie  sie  von  seinem  Chef  _W.  Müller 
(Langenbecks  Archiv,  Bd.  66)  empfohlen  und  seit  14  Jahren  in  zahl¬ 
reichen  Fällen  mit  bestem  Erfolge  ausgeführt  ist.  Wenn  bei  fri¬ 
scher  fortschreitender  Thrombose  der  Saphena  die  Unterbindung  vor¬ 
genommen  wird  zu  einer  Zeit,  wo  der  Thrombus  noch  nicht  bis  in 
die  Vena  femoralis  vorigerückt  ist,  so  wird  auf  diese  Weise  einmal 
die  Gefahr  des  Fortschreitens  der  Thrombose  mit  ihren  Konsequenzen 
(Lungenembolie  und  eventuell  Pyämie  bei  infiziertem  Thrombus),  so 
dann  die  lokale  Erkrankung  und  endlich  das  Grundleiden,  die  Vari¬ 
zen,  mit  seinen  möglichen  Folgezuständen  (Ulcus,  Ekzem  etc.)  be¬ 
seitigt.  Dazu  kommt  noch  die  wesentliche  Abkürzung  des  Kranken¬ 
lagers,  da  die  Patienten  schon  nach  14  Tagen  das  Bett  verlassen  und 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nach  3 — 4  Wochen  geheilt  entlassen  wer¬ 
den  konnten.  (Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  König- Altona  erwähnt  einen  Fall,  in 
dem  er  thrombosierte  Venen  exstirpiert  hat.  Er  musste,  da  der 
Thrombus  bis  in  die  Femoralis  hineinreichte,  innerhalb  des  Throm¬ 
bus  unterbinden.  Die  Wunde  heilte  glatt.  Pat.  wurde  nach  14  Tagen 
mit  geheilter  Wunde  entlassen.  Eine  Woche  später  starb  er  zu 
Hause  an  Lungenembolie. 

Herr  L  i  n  d  n  e  r  -  Dresden  erwähnt,  dass  nach  Resektion  der 
Saphena  nach  Trendelen  bürg  auch  die  Thrombosen  in  den 
peripherisch  von  der  Resektion  gelegenen  Teilen  so  gut  zurück¬ 
gehen,  dass  ihm  die  Exstirpation  der  thrombosierten  Venen  über¬ 
flüssig  erscheine. 

Herr  B  o  r  c  h  a  r  d  t  -  Posen  hat  zahlreiche  thrombosierte  Venen 
exstirpiert  und  gute  Resultate  gehabt.  Embolien  hat  er  auch  nach 
der  T  rendelenburg  sehen  Operation  gesehen. 

Herr  Müller-  Rostock  betont  Herrn  L  i  n  d  n  e  r  gegenüber, 
dass  es  sich  um  frische,  fortschreitende  Thrombosen  in  seinen  Fällen 
gehandelt  habe. 

Herr  Rein  er- Wien:  Experimentelles  zur  Frage  der  Fett- 
embolie, 

R.  verweist  zunächst  auf  die  von  A  b  e  r  1  e  am  diesjährigen 
Kongress  für  orthopädische  Chirurgie  gemachten  Mitteilungen,  aus 
welchen  hervorgeht,  dass  die  Fettembolie  im  Anschlüsse  an  ortho¬ 
pädische  Eingriffe  eine  keineswegs  so  seltene  Eventualität  ist,  als 
man  nach  dem  literarischen  Tatbestände  anzunehmen  geneigt  wäre. 
Am  Wiener  Institut  für  orthopädische  Chirurgie  kamen  in  den  letzten 
Jahren  allein  10  Fälle  zur  Beobachtung,  von  welchen  4  tödlich  ver¬ 
liefen.  Das  bei  weitem  grösste  Kontingent  stellten  die  paralytischen 
Kontrakturen  und  unter  diesen  wieder  jene,  bei  welchen  das  be¬ 
treffende  Glied  lange  Zeit  ausser  Funktion  'gesetzt  war.  Um  bei  sol¬ 
chen  besonders  schweren  Fällen  den  Eintritt  der  gefürchteten  Fett¬ 
embolie  zu  verhindern,  hat  Reiner  die  (zum  Teil  blutige,  zum  Teil 
unblutige)  Operation  in  Blutleere  ausgeführt  und  nach  vollendeter 
Operation  und  erfolgter  Fixierung  der  erreichten  Korrektur,  aber 
noch  vor  der  Lüftung  der  komprimierenden  Kautschukbinde.  eine 
Kanüle  von  entsprechendem  Kaliber  in  einen  grossen  Nebenzweig-  des 
Endstückes  der  Saphena  magna  eingeführt.  Die  Mündung  der  Ka¬ 
nüle  wurde  durch  das  kurze  Endstück  der  Saphena  hindurch  bis  in 
die  Femoralis  vorgeschoben.  Auf  diese  Weise  konnten  die  ersten 
Blntwellen,  welche  nach  der  Lüftung  des  Schlauches  in  die  Vene 
gelangten,  und  von  welchen  angenommen  werden  musste,  dass  sie 
die  gesamte  vom  Mutterboden  gelockerte  Fettmasse  mit  sich  führen, 
nach  aussen  geleitet  werden.  In  der  Tat  kamen  relativ  beträchtliche 
Fettmengen  zutage  und  wurden  unschädlich  gemacht,  indem  sie  ver¬ 
hindert  wurden,  dem  Herzen  zuzuströmen.  (Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  Müller-  Rostock  und  Herr  Bor- 
c  h  a  r  d.  t  -  Posen  betonen,  dass  es  keine  Möglichkeit  gibt,  die  Fett¬ 
embolie  während  des  Lebens  mit  Sicherheit  zu  diagnostizieren.  Meist 
lassen  Asphyxie,  blutiges  Sputum  und  Kollaps  eine  solche  Fettembo¬ 
lie  vermuten;  sie  hatten  auch  gelegentlich  Fettembolie  in  einzelnen 
Fällen  angenommen  und  dann  durch  die  Sektion  bestätigt  gefunden. 
Wo  aber  die  Sektion  fehle,  bleibe  die  Diagnose  zweifelhaft.  Deshalb 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2005 


müssten  sie  so  eingreifende  Operationen,  wie  sie  Reiner  Vor¬ 
schläge,  ablehnen.  .  ,  ,  .  .  „ 

Herr  Reiner -Wien:  Bezüglich  der  Bemerkung  des  Herrn 

Prof.  Müller  muss  ich  zunächst  ein  Missverständnis  richtig  stellen. 
Wir  haben  niemals  eine  Fettembolie  nach  einer  Gelenkresektion  be¬ 
obachtet,  sondern  nur  nach  unblutigen  Operationen.  Dass  abei  in 
solchen  Fällen  die  Gefahr  der  Fettembolie  keineswegs  gering  zu 
schätzen  ist,  muss  ich  aufrecht  halten.  Ich  knüpfe  diesbezüglich  sein 
gern  an  eine  Bemerkung  des  Herrn  Geheimrats  1  r  e  n  d  e  len  b  u  i  g 
an  wonach  man  die  Diagnose,  wenn  der  Fall  nicht  zum  lode  ge¬ 
führt  habe,  nicht  stellen  könne.  Ich  gebe  der  Ueberzeugung  Aus¬ 
druck,  dass  solche  Fälle  viel  häufiger  sind  als  man  glaubt,  dass  sie 
aber  nicht  erkannt  werden. 

Es  gibt  nämlich  tatsächlich  für  die  Diagnose  kein  absolut  sicher 
verwertbares  Merkmal,  wenn  nicht  der  immerhin  seltene  Fall  ein- 
tritt,  dass  Fett  im  Harne  nachgewiesen  werden  kann.  Wer  aber  ein¬ 
mal' eine  Fettembolie  erlebt  hat  und  sie  vom  Beginn  der  ersten  Er¬ 
scheinungen  usque  ad  exitum  verfolgen  konnte,  dem  prägt  sich  das 
Bild  unauslöschlich  ein.  Bezüglich  der  Details,  der  Erscheinungen 
verweise  ich  auf  die  dem  literarischen  Tatbestände  nach  genügend  be¬ 
kannten  Erscheinungen,  welche  die  beiden  von  Payr  als  respira¬ 
torische  und  zerebrale  auseinandergehaltenen  Formen  bieten,  und 
erinnere  auch  an  die  einschlägigen  Mitteilungen  von  Ribbert, 

E  b  e  r  t,  F  u  c  h  s  i  g  u.  a..  Ich  will  hier  nur  die  Zyanose  hervorheben, 
dann  die  erhöhte  Frequenz  des  wenig  gespannten,  leicht  irregulären 
Pulses,  die  vielfach  und  schön  beschriebenen  zerebralen  Symptome, 
ferner’ die  immer  erst  später  eintretenden  Erscheinungen,  die  durch 
die  blutige  Infarzierung  und  das  Oedem  der  Lunge  ausgelöst  werden; 
vor  allem  aber  verweise  ich  auf  die  sichtliche,  mechanische  Behinde¬ 
rung  der  Respiration,  die  mir  als  ein  ausserordentlich  wichtiges  Sym¬ 
ptom  erscheint  und  auf  die  ich  bald  anderen  Ortes  zurückkommen 

werde.  ■  .  ,  ,  ,, 

Endlich  habe  ich  noch  ein  Missverständnis  richtig  zu  stellen, 
dass  wir  nicht  unter  10  Operierten,  sondern  unter  10  Fällen  von  Fett¬ 
embolie  (unter  mehr  als  1000  Operierten)  3  I  odesfälle  zu  verzeichnen 
haben  An  Herrn  Prof.  Borchardt  erlaube  ich  mir  die  Anfrage, 
ob  er  schon  Gelegenheit  hatte,  Fälle  von  Fettembolie  vom  ersten  An¬ 
fang  an  bis  zum  Ende  zu  verfolgen  und  die  Diagnose  durch  die 
Autopsie  zu  verifizieren. 

Herr  T  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g  -  Leipzig:  Zur  Herzchirurgie. 

Der  Redner  macht  auf  das  sehr  häufige  Vorkommen  von  Lungen¬ 
embolien  aufmerksam,  die  nach  Operation  das  Leben  der  Patienten 
gefährden,  so  seien  von  1200  durch  Kümmel!  Laparotomierten  23 
an  Lungenembolie  zugrunde  gegangen.  Er  unterscheidet  3  Gruppen 
von  Lungenembolien:  1.  solche,  die  sofort  tödlich  verliefen;  2.  solche, 
wo  nur  eine  partielle  Verstopfung  der  Lungenarterie  eintrete,  und 
allmählich  unter  Entwicklung  eines  Lungeninfarkts  Heilung  eintrete. 
und  endlich  3.  solche  Fälle,  bei  denen  eine  schwere  Asphyxie,  tiefer 
Kollaps  eintrete,  wo  aber  das  Leben  noch  2 — 3  auch  bis  24  Stunden 
noch  fortbestände,  bis  der  Tod  eintritt.  Er  stelle  sich  vor,  dass  in 
diesen  Fällen  ein  Embolus  auf  der  Teilungsstelle  reite,  aber  noch 
etwas  Blut  passieren  lasse,  bis  durch  weitere  Apposition  von  Gerinn¬ 
seln  eine  vollständige  Verstopfung  der  Pulmonalarterie  eintrete  und 
dann  das  tödliche  Ende  herbeigeführt  würde. 

In  diesen  Fällen  scheine  es  ihm  möglich,  chirurgische  Hilfe  zu 
bringen,  und  zwar  scheine  es  ihm  wichtig,  vom  Conus  arteriosus  des 
rechten  Herzens  aus  einzugehen  und  die  Entfernung  des  Embolus 
zu  versuchen.  Schnelloperationen  seien  ausgeschlossen,  da  es  dabei 
zu  sehr  blute.  Experimente  an  Hammeln  hätten  ihn  dazu  gebracht, 
eine  Spritze  zu  konstruieren,  welche  einerseits  gestatte,  Blut  aus  dei 
Pulmonalis  anzuziehen  und  es  auch  wieder  durch  Druck  nach  aussen 
zu  entfernen.  Nach  Freilegung  des  Herzens  wird  ein  kleiner.  Schnitt 
in  die  Muskulatur  des  Herzens  gemacht  und  durch  diesen  das  Ansatz¬ 
stück  der  Spritze  in  das  Herz  hineingezwängt  und  in  die  Pulmonalis 
vorgeschoben.  Das  gelänge  ohne  irgendwelchen  erheblichen  Blut¬ 
verlust.  Mittels  dieses  Verfahrens  sei  es  ihm  wiederholt  gelungen, 
künstlich  in  die  Pulmonalis  eingebrachte  Emboli  zu  entfernen.  Der 
experimentelle  Erfolg  habe  ihn  veranlasst,  das  Verfahren  auch  ein¬ 
mal  beim  Menschen  anzuwenden.  Bei  einer  Patientin,  die  an  Car¬ 
cinoma  pleurae  sigmoideae  litt,  trat  eine  Embolie  ein.  1  rende- 
1  e  n  b  u  r  g  legte  das  Herz  frei;  da  aber  alte  perikarditische  Verwach¬ 
sungen  bestanden,  riss  beim  Lösen  des  Perikards  die  Muskulatur  des 
Herzens  ein,  und  der  Apparat  konnte  nicht  so  dicht  eingeführt  wer¬ 
den,  wie  im  Experiment.  Die  Patientin  starb.  Doch  meint  1  ren¬ 
de  1  e  n  b  u  r  g,  dass  hier  besonders  ungünstige  Verhältnisse  Vor¬ 
lagen. 

Diskussion:  Herr  F  r  i  e  d  r  i  c  h  -  Marburg  fragt  Herrn 
T  r  e  n  d  e  1  e  n  b  u  r  g,  ob  die  Operationen  bei  Atmosphärendruck¬ 
oder  bei  Unterdruckverfahren  ausgeführt  seien,  und  erwähnt  zu¬ 
gleich  die  interessante  Tatsache,  dass  es  ihm  bei  Hunden  gelungen 
sei,  durch  die  Abklemmung  der  Cavae  den  Kreislauf  bis  zu  8  Minuten 
zu  unterbrechen,  ohne  dass  die  Tiere  Schaden  genommen  hätten. 

Herr  Trend elenburg  erwidert,  dass  die  Operationen  bei 
Atmosphärendruck  gemacht  worden  seien.  # 

Herr  B  o  r  c  h  a  r  d  t  -  Posen:  Zur  Behandlung  der  bösartigen  Ge¬ 
schwülste  der  langen  Röhrenknochen. 

Vortragender  hat  5  derartige  Fälle  auch  ausgesprochener  bös¬ 
artiger  Natur  vom  Periost  ausgehend  konservativ  operiert  und  Dauer¬ 


erfolge  erzielt.  Die  lokalen  Rezidive  sind  sicher  nicht  häufiger,  als 
bei  Exartikulation;  disseminierte  Geschwulstherde  im  Knochen  sind 
so  selten,  dass  damit  nicht  zu  rechnen  ist.  Gewöhnlich  findet  man 
einen  direkten  Zusammenhang  mit  der  primären  Geschwulst,  auch 
das  sog.  infiltrative  Wachstum  kommt  bei  diesen  Geschwülsten  eigent¬ 
lich  nicht  vor.  Oft  ist  durch  die  Schnelligkeit  der  Ausbreitung  eine 
sichtbare  Abgrenzung  gegen  die  Umgebung  nicht  möglich,  jedoch 
wachsen  die  ^Geschwülste  immer  expansiv,  nicht  sprungweise  oder 
infiltrierend  destruktiv.  Deshalb  ist  selbst  bei  den  bösaitigen  l  ormen, 
die  von  der  äusseren  Periostschicht  ausgehen,  bis  zu  einem  gewissen 
Stadium,  d.  h.  bei  räumlich  nicht  grosser  Ausdehnung  die  konserva¬ 
tive  Operation  indiziert.  Die  funktionellen  Resultate  sind,  da  die 
Muskeln  sich  selbst  grossen  Verkürzungen  bei  Diaphysenresektionen 
(in  einem  Falle  des  Vortr.  26  cm)  anpassen,  die  Konsolidation  selbst 
bei  schwierigen  Fällen  durch  frühzeitige  Giosverbände,  in  denen  die 
Pat  einhergehen,  zu  erreichen  ist,  sehr  gute,  der  Kingriff  geiinger  als 
die  'Exartikulation.  Deshalb  empfiehlt  Vortragender  die  konservative 
Operation  bei  den  malignen  Tumoren  der  langen  Röhrenknochen 
als  die  Regel,  die  Exartikulation  als  die  Ausnahme  bei  besonders  aus¬ 
gebreiteten  Geschwülsten  anzusehen.  (Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  v.  Haberer-  Wien  stimmt  dem  Vor¬ 
tragenden  in  allen  Punkten  zu  und  betont  noch  besondeis,  dass  auch 
das  Ueberwachsen  eines  Knochensarkoms  von  einem  Knochen  am 
den  anderen  desselben  Gliedes,  also  von  der  Tibia  auf  die  bibula, 
keine  Kontraindikation  gegen  ein  konservatives  Veifahien  darstel  e. 

Herr  Kuhn -Kassel:  Ueberdruck  mit  weicher  Maske  bei  Lun¬ 
genoperationen. 

Redner  hat  für  die  Zwecke  der  Ueberdrucknarkose  für  Lungen¬ 
operationen  eine  weiche  Maske  konstruiert.  Dieselbe  hat  zui  Unter¬ 
lage  eine  grosse  dütenförmige  Kappe  aus  luftdichtem  Battist.  Diese 
wird  mit  einem  kleinen  Gesichtsausschnitt,  nach  Art  einer  Jagdkappe, 
über’den  Kopf  des  Patienten  gezogen  und  mittels  Gummischlauch  am 
Halse  abgebunden.  So  sitzt  sie  luftdicht.  Dann  wird  der  untere  Teil 
ringsum  nach  oben  umgekrempt  und  ein  durchsichtiges  Ventil  luft¬ 
dicht  eingebunden.  So  entsteht  zwischen  Innenblatt  und  Aussen- 
blatt  ein  luftdichter  Raum.  In  diesen  Raum  wird  die  Ueberdi  ucklutl 
in  konstantem  Strom  zugeführt,  sie  verlässt  ihn  durch  ein  engeres 


VentZur  Zufuhr  and  Druckmessung  dient  der  vom  Redner  für  seine 
Ueberdrucktubage  verwendete  Balgapparat  von  D  r  ä  g  e  r  (Zeit¬ 
schrift  f.  Chirurgie,  Bd.  1,  S.  81).  .  ,  „ 

Chloroform  wird  durch  ein  kleines  Kläppchen  in  der  weichen 

Maske  wie  bei  jeder  anderen  Narkose  zugeführt. 

Die  Zugänglichkeit  des  Gesichtes  ist  dank  der  Eindruckbarkeit 
der  weichen  Maske  und  anderer  Einrichtungen  eine  sehr  gute.  Die 
Bedienung  ist  denkbar  einfach  und  mit  primitiven  Vorrichtungen  ohne 
Hebel  und  Schrauben  möglich. 

Redner  glaubt,  dass  der  komplizierte  D  r  a  g  e  r  -  B  r  a  u  e  r  sehe 
Ueberdruckapparat  wohl  sehr  wertvoll  ist  zur  Ausarbeitung  der 
wissenschaftlichen  Details  der  Ueberdrucknarkose,  ihrer  Physiologie 
und  Pathologie  etc.,  dass  er  aber  für  die  Praxis  sich  schwerlich  be- 

Für  die  praktische  Anwendung  im  klinischen  Dienst 
nofft  er  mit  weniger  komplizierten  Apparaten  durchzukommen,  auch 
wenn  sie  weniger  leisten.  Er  glaubt,  dass  man  mit  einem  teilweise.! 
Ueberdruck,  auch  wenn  er  nicht  peinlich  konstant  .und  gleich  ist, 
n  der  praktischen  Lungenchirurgie  viel  gutmachen  kann.  Die  Haup  - 
Sache  ist,  dass  man  gerade  im  Bedarfsfälle  den  Ueberdruck  zur  Hand 

hat.  um  gerade  dann  einmal  aufzublasen. 

So  hofft  Redner  mit  seinem  Apparat  die  Ueberdrucksnai  kose 
leichter  und  ihre  Anwendung  weniger  kompliziert  zu  machen,  so¬ 
mit  populärer,  soweit  die  Lungenchirurgie  in  Frage  kommt 
Für  die  grosse  Thoraxchirurgie,  die  des  Oesophagus  z.  B.  etc., 
empfehlen  sich  besser  die  Tubage,  die  an  denselben  druckliefernden 
Apparat  des  Autors  angeschlossen  ist,  oder  die  anderen  Methoden 

von  Sauerbruch  und  Brauer.  «  n.  n. 

Herr  C.  K  r  a  e  m  e  r  -  Sanatorium  Böblingen  (Württemberg).  Die 
Tuberkulinnächbehandlung  der  chirurgischen  Tuberkulose. 

Kurzer  Bericht  über  40  Fälle  von  ehemaliger  konservativ  oder 
operativ  geheilter  chirurgischer  Tuberkulose  (besonders  ott  Ha  - 
drüsen'tuberkulose),  welche  nun  meist  an  Lungentut«rk»k>  e  oft 
schwerster  Art,  wiedererkrankt  waren.  Die  Ursache  davon  ist  Qie 

zurückbleibende  latente,  meist  in  den  Bronchialdrüsen  sitzende  Tuber¬ 
kulose,  wie  durch  Tuberkulin  jederzeit  erwiesen  werden  kann  Da 
das  Tuberkulin  sicher  auch  heilend  wirkt,  so  mögen  die  Chirurgen 

dto  schon  einmal  von,  Vor, raK&, den  Cege,mne  Mah,mng  mehr  be- 

herzigen  und  ihre  tuberkulösen  Pabenten  nach  Abschluss  h  u 

gischen  Behandlung  mit  Tuberkulin  £? 

die  Heilung  erwiesen  ist,  anstatt  ihr  und  ihrer  Kindei  (kc 'S 
fektion!)  Wohl  und  Leben  dem  Zufall  preiszugeben.  (Beispiel.  E 
nach  der  Operation  wegen  Halsdrüsentuberkulose  nac gep )  \\ ft 
g-pheilter  Fall  Tcf.  negative  Nachprüfung  nach  b>  Monat-  I 
1  Jahre  nalh  der  Netten  Schulterttelenkstnberku Jose  «machten 
Operation  an  Morbus  Addisonu  verstorbener  Patie  . 

Herr  Kuhn-Kassel:  Fabrikation  des  Sterdkatgut  (KuhrU. 
Redner  erinnert  an  seine  mehrfachen  früherer ‘  Ausführung^ 
(Münch,  med.  Wochenschr.  —  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  j 86  und  8  )• 
glaubt,  dass  von  den  vielen  Tausenden  von  Aerzten,  die  täglich  Katgut 


2006 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


verwenden,  kaum  hundert  sich  voll  bewusst  sind,  was  sie  mit  der 
Einbringung  des  Fadens  in  den  Körper  eigentlich  tun. 

Sie  werden  sich  kaum  bewusst  sein,  welche  Fülle  von  Ma¬ 
terial  allein  es  schon  ist,  aus  der  sich  ein  Faden,  insbesondere  ein 
dickerer,  aufbaut,  ferner,  welche  Breite  von  O  b  e  r  fl  ä  c  h  e, 
welche  Ausdehnung  an  Infektions  fläche  ein  solcher  Faden  re¬ 
präsentiert  und  welche  enorme  Möglichkeit  zur  E  i  n  h  ii  1 1  u  n  g  von 
Schmutz  er  beim  Drehen  in  sich  birgt. 

Redner  belegt  seine  Ausführungen  mit  Präparaten  von  getrock¬ 
netem  Hammelrohdarm,  unaufgeblasen  und  aufgeblasen,  in  der  Fläche 
ausgebreitet  und  gedreht,  in  losem  Zustande  in  Gläsern  schwimmend, 
nach  aussen  dann  als  getrockneter  und  gedrehter  Faden  hervor¬ 
ragend.  * 

Den  genannten  Tatsachen  entsprechen  die  Resultate  bei  der 
klinischen  Verwendung  des  Katgut.  Sie  sind  oft  sehr  unzuverlässig 
gewesen,  und  es  begreift  sich  jedenfalls  die  Forderung,  Katgut  über¬ 
haupt  aus  der  Wunde  fortzulassen. 

Dem  entgegen  stehen  aber  eine  Reihe  von  klinischen  Veran¬ 
lassungen,  in  denen  man  einen  resorbierten  Faden  nicht  gern  ent¬ 
behren  möchte,  seien  es  Schleimhautnähte  oder  Nähte  an  schwer 
zugänglichen  Stellen  oder  in  der  Nähe  infektiöser  Herde  etc. 

Für  diese  und  viele  andere  Fälle  bleibt  der  Wunsch  nach  einem 
gut  resorbierbaren,  aber  sonst  durchaus  einwandsfreien  Faden¬ 
material. 

Im  Gegensatz  zu  allem  Vorhandenen  wird  ein  solches  nur  durch 
die  Kuhn  sehe  Zubereitung  geboten. 

Das  Kuhn  sehe  Katgut  wird  vom  Momente  der  Entnahme  aus 
dem  Tierkörper  bis  zum  definitiven  Trockensein  des  fertigen  Fadens 
nach  den  Gesetzen  und  Gepflogenheiten  des  chirur¬ 
gischen  Operationssaales  mit  allen  hygienischen  und  asep¬ 
tischen  Vorsichtsmassregeln  behandelt  und  von  A  .bis  Z  nach  mo¬ 
dern  chirurgischen  Gesichtspunkten  präpariert. 

Dieses  Vorgehen  erfordert  naturgemäss  eine  Summe  von  Spezial¬ 
einrichtungen  sowohl  was  die  Gewinnung  als  die  Weiterverarbeitung 
betrifft.  Solche  Spezialeinrichtungen  erstrecken  sich  zunächst  1.  auf 
die  Methode  der  Entnahme  im  Schlachthause  und  Lieferung  nach  der 
Fabrik  in  zuverlässig-einwandsfreier  Weise;  2.  auf  eigene  Spezial- 
Arbeitsräume  in  der  Fabrik  mit  desinfizierbaren  Geräten  und  Ge¬ 
brauchsgegenständen;  3.  auf  eine  besondere  Erziehung  und  Aus¬ 
bildung  des  Arbeitspersonals,  das  sich  der  Katgutherstellung  widmet; 
es  müsste  dieses  einen  Teil  der  Ausbildung  der  Lazarettgehilfen 
haben;  4.  auf  die  Erfindung  und  die  Einrichtung  von  einer  Reihe  von 
Spezialmaschinen  zum  Schlitzen,  Schleimen,  Drehen  und  Trocknen  der 
Fäden,  welche  die  einwandsfreie,  tunlichst  aseptische  Bearbeitung 
der  Fäden,  auch  fabrikmässig,  garantieren. 

Um  diese  Forderungen  verständlich  zu  machen,  demonstriert 
Redner  die  Herstellung  von  Katgutfäden  auf  eigenen  Apparaten,  die 
der  fabrikmässigen  Herstellung  vorbildlich  sind. 

Er  zeigt  1.  seinen  Apparat  zum  Schlitzen;  das  Anfassen  der 
Fäden  geschieht  von  seiten  des  Arbeiters  am  besten  mit  Gummi¬ 
fingern;  2.  einen  Apparat  zum  Schleimen  der  Fäden,  ganz  auskoch¬ 
bar.  Dann  demonstriert  Redner  seine  Vorschläge  zur  Desinfektion 
und  Imprägnierung  der  Fäden  mit  Jodlösung  oder  Silber.  3.  Einen 
Apparat  zum  Drehen  und  Trocknen,  ganz  sterilisierbar.  Die  fabrik- 
mässige  Herstellung  des  Katgut  Kuhn  hat  die  Firma  Merck-Darmstadt 
übernommen. 

Die  Vorschläge  des  Redners  gewinnen  doppeltes  Interesse  im 
Angesicht  zahlreicher  1  etanusfälle,  die  durch  Katgut  entstanden 
(6  sichere  Fälle,  1  aus  Greifswald  mit  K  r  ö  n  i  g  schem  Katgut).  Erst 
neuerdings  ist  eine  solche  Tetanusepidemie  aus  Bologna  (Klinik  S. 
0  r  s  o  1  a)  gemeldet  worden. 

Diskussion:  Herr  v.  Eiseisberg  -  Wien  meint,  dass  nach 
dem  K  u  h  n  sehen  Verfahren  die  Gefahr  des  Milzbrandes  und  des 
1  etanus  nicht  ausgeschlossen  wäre,  da  die  Fäden  durch  dieses  Ver¬ 
fahren  nicht  sterilisiert  würden;  das  müsste  erst  in  der  Klinik  ge¬ 
schehen. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Ref. :  Dr.  Edmund  Falk. 

Nachmittagssitzung  vom  16.  September  1907. 

Herr  Osterloh  begriisst  die  Versammlung  und  weist  auf  die 
Verhandlungen  hin,  die  an  gleicher  Stelle  in  der  Pfingstwoche  dieses 
Jahres  in  der  deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  stattgefunden 
haben.  Diese  Tatsache  habe  wohl  die  geringe  Beteiligung  bei  der 
heutigen  Sektionssitzung  veranlasst.  Als  Hauptthema  wurde  damals 
die  Frage  der  beckenerweiternden  Operationsmethoden  behandelt. 
Auch  auf  der  heutigen  Tagesordnung  steht  als  erster  Vortrag  das 
Referat  des  Herrn  Leopold  über  diesen  für  die  Aerzte  so  wich¬ 
tigen  geburtshilflichen  Eingriff. 

1.  Herr  Leopold:  Neue  Erfahrungen  über  die  beckenerwei¬ 
ternde  Operation  (Hebosteotomie)  und  ihre  Stellung  zur  praktischen 
Geburtshilfe. 

Nach  den  Ausführungen  von  Zweifel  und  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  auf 
dem  diesjährigen  Gynäkologenkongress  ist  die  Berechtigung  einer 
weitgehenden  Anwendung  der  beckenerweiternden  Operation  aner¬ 
kannt.  Aber  viele  Fragen  bei  der  Ausführung  derselben  bedürfen 


noch  der  Klärung.  Nach  den  Erfahrungen,  welche  an  der  Dresdener 
Klinik  bei  60  Operationen  gemacht  wurden,  —  es  handelte  sich  in 
diesen  Fällen  um  einfach  platte  und  plattrachitische,  sowie  allgemein 
verengte  Becken  mit  einer  Conjugata  vera  von  6Vz — 8  cm  —  sucht 
Leopold  folgende  Fragen  zu  beantworten. 

1.  Ob  es  richtiger  ist,  subkutan  zu  operieren  oder  einen  breiten 
Schnitt  zu  machen. 

2.  Ob  es  möglich  ist,  bei  subkutaner  Methode  Blasenverletzungcn 
sicher  zu  vermeiden. 

3.  Ob  es  zweckmässig  ist,  die  spontane  Geburt  nach  der  Ope¬ 
ration  abzuwarten,  oder  ob  man  besser  die  künstliche  Entbindung  so¬ 
fort  anschliesst. 

4.  Betonte  Leopold  die  Notwendigkeit,  den  praktischen  Arzt 
auf  die  Gefahren  hinzuweisen,  die  sich  nach  der  Operation  anschliessen 
können  (schwere  Blutungen,  Blasenfisteln  etc.);  sie  geben  die  Ent¬ 
scheidung  für  den  Arzt,  der  bei  Gefahr  für  das  Kind  im  Interesse 
dieses  zu  handeln  gezwungen,  eventuell  das  Leben  der  Mutter  ge¬ 
fährdet. 

In  der  Klinik  waren  die  Resultate  in  Bezug  auf  Dauerheilung  sehr 
gute,  alle  60  Frauen  wurden  gesund  entlassen,  4  Kinder  starben,  aber 
unter  den  letzten  30  Operationen  starb  kein  Kind.  Verletzungen  der 
Mutter  lassen  sich  bisweilen  nicht  vermeiden.  Die  Operationsmethode, 
die  Leopold  anwendete,  ist  (im  Gegensatz  zu  der  von  Bumm  emp¬ 
fohlenen)  folgende:  er  macht  einen  kleinen  Stich  auf  das  Tuberculum 
pubicum  und  geht  von  oben  nach  unten  mit  der  D  öd  e  r  1  e  i  n  sehen 
Nadel  um  die  hintere  Fläche  des  Schambeines  herum.  Viel  Assistenz 
(4  Assistenten)  ist  in  allen  Fällen  notwendig.  Die  spontane  Geburt 
wartet  er  nicht  ab,  sondern  schliesst  sofort  eine  entbindende  Opera¬ 
tion  an,  und  zwar  wenn  der  Kopf  sich  in  das  Becken  eindriieken  lässt, 
die  Zange;  bei  Mehrgebärenden  macht  er  häufiger  die  Wendung. 
Hätte  er  stets  abgewartet,  so  hätte  er  eine  viel  grössere  Mortalität 
der  Kinder  gehabt.  Durch  die  Zange  können  allerdings  Verletzungen 
der  Scheide  verursacht  und  eine  Kommunikation  der  Scheide  mit 
der  Operationswunde  hergestellt  werden.  Derartig  schwere  Ver¬ 
letzungen  kämen  aber  auch  bei  Zangenanwendung  ohne  Hebosteo¬ 
tomie  vor.  Bedingung  für  ein  gutes  Resultat  ist  aber,  dass  die  Frau 
nicht  bereits  infiziert  ist.  Namentlich  auch  gonorrhoische  Infektion 
trübt  die  Prognose  und  bildet  für  ihn  eine  Gegenanzeige  für  die  Aus¬ 
führung  der  Hebosteotomie.  In  derartigen  Fällen  zieht  er  die  sub¬ 
kutane  Sectio  caesarea  vor;  selbst  die  Vornahme  der  P  o  r  r  o  sehen 
Operation  kann  alsdann  ungefährlicher  sein,  als  die  Hebosteotomie. 
Die  Rekonvaleszenz  wurde  nicht  selten  durch  Thrombosen  verzögert, 
die  Gehfähigkeit  war  unter  den  Entlassenen  stets  eine  gute.  Für  den 
praktischen  Geburtshelfer  liegen  die  Verhältnisse  anders,  wie  für 
die  Klinik.  Hat  er  nicht  genügend  Assistenz,  so  soll  er,  wenn  mög¬ 
lich,  die  Kranke  in  eine  Klinik  überführen;  macht  er  selbst  die 
Operation,  so  soll  er  stets  bedenken,  dass  zwar  die  Operation  nicht 
schwierig,  wohl  aber  die  Nachbehandlung,  wenn  Verletzungen  ge¬ 
macht  werden,  sehr  schwierig  sein  kann.  Für  den  Praktiker  bleibt 
die  Ausführung  der  Perforation  des  lebenden  Kindes  das  letzte  Mittel. 

Diskussion;  Herr  K  r  o  e  n  i  g  stimmt  den  Ausführungen  des 
Herrn  Leopold  zu,  nur  über  die  Vornahme  der  sofortigen  Ent¬ 
bindung  könne  man  verschiedener  Ansicht  sein.  Er  hat  nach  den 
verschiedensten  Methoden  ca.  20  Fälle  operiert,  nach  ihm  besteht 
kein  grosser  Unterschied  zwischen  Symphysiotomie  und  Hebosteo¬ 
tomie,  dieselben  Verletzungen  finden  sich  bei  beiden  Operations¬ 
methoden.  Gonorrhöe  sei  für  ihn,  wenn  auch  eine  unangenehme 
Komplikation,  so  doch  keine  Kontraindikation  für  die  Ausführung  der 
Operation. 

Herr  Schenk  führt  die  Operation  auch  unter  Assistenz  von 
Hebammenschülerinnen  aus,  von  9  Frauen  hat  er  1  verloren,  die 
nach  vergeblichen  Zangenversuchen  infiziert  zur  Operation  kam. 

2.  Herr  Edm.  Falk -Berlin:  Pathologische  Beckenformen  bei 
Neugeborenen. 

Auf  Grund  genauer  Messungen  von  110  fötalen  Becken,  unter 
denen  sich  eine  grössere  Anzahl  pathologischer  Beckenformen,  und 
zwar  platte,  querverengte,  schrägverengte  und  runde  Becken  fanden, 
führt  Falk  den  Nachweis,  dass  für  die  Entstehung  der  pathologischen 
Beckenformen  im  intrauterinen  Leben  mechanische  Ursachen  ohne 
massgebenden  Einfluss  sind.  Vegetationsstörungen  sind  die  Haupt¬ 
ursache  für  die  Entstehung  der  pathologischen  Beckenformen.  Dieses 
zeigt  sich  besonders  bei  dem  chondrodystrophischen  Becken,  das 
früher  als  sog.  fötal-rachitisches  bezeichnet  wurde  und  als  Proto¬ 
typ  einer  durch  Muskelzug  entstehenden  Beckendeformität  durch 
Kehrer  hingestellt  wurde.  Bei  dem  chondrodystrophischen  Becken, 
ebenso  wie  bei  den  übrigen  platten  Becken  wird  die  Verkürzung  des 
geraden  Durchmessers  des  Beckeneinganges  durch  die  auffallend  ge¬ 
ringe  Entwicklung  des  Beckenanteiles  der  Darmbeinschaufel  erzeugt, 
die  übrigen  Formveränderungen  aber  finden  ihre  Erklärung  in  charak¬ 
teristischen,  bis  in  die  Zeit  der  ersten  Entwicklung  zurückgehenden 
Wachstumsstörungen  des  Knochenkernes  der  Darmbeinschaufel.  Auch 
bei  den  Assimilationsbecken  ist  die  Ursache  ihrer  Entstehung  in  der 
Art  der  Anlagerung  der  Darmbeinschaufeln  an  die  Wirbelsäule  zu 
suchen;  mechanische  Momente  haben  auf  die  Formentwicklung  des 
Beckens  keinen  Einfluss,  wie  es  Falk  ausführlich  in  seiner  im  Ver¬ 
lage  von  S.  Karger  erscheinenden  Monographie:  „Entwicklung  und 
Form  des  fötalen  Beckens“  nachweist. 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2007 


Diskussion:  Herr  Kroenig  freut  sich,  dass  den  Erklä¬ 
rungen  der  Formentwicklung  des  Beckens  durch  mechanische  Ur¬ 
sachen  entgegengetreten  wird.  Die  Einwirkung  von  Muskelzug  für 
die  Formgestaltung  wird  mit  Unrecht  noch  immer  von  einem  Lehr¬ 
buch  in  das  andere  übernommen. 

3.  Herr  Edmund  Falk -Berlin  demonstriert: 

1.  einen  Fall  von  Eversion  (Umstülpung)  der  Tube  bei  einem 
tubaren  Abort;  die  klinischen  Erscheinungen  der  akuten  Verblutung 
wiesen  auf  eine  Ruptur  hin. 

2.  zwei  Fälle  von  Interstitieller  Tubargravidität,  bei  dem  einen 
lag  das  noch  nicht  1  cm  grosse  Ei  in  der  Perforationsöffnung. 

Bei  42  in  den  letzten  Jahren  operierten  Extrauteringraviditäten 
hat  Falk  keine  Frau  verloren. 

4.  Herr  L  ich  t  en  s  t  e  i  n  -  Dresden  demonstriert  seltene  ge¬ 
burtshilfliche  und  gynäkologische  Präparate,  unter  anderem 

a)  eine  Plazenta  mit  Insertio  marginalis,  bei  der  ein  bleistift¬ 
dickes  Vas  aberrans  auf  den  Eihäuten  eine  15  cm  lange  Schleife  bil¬ 
dete,  um  alsdann  zur  Plazenta  zurückzukehren. 

b)  ein  8  Monate  altes  Kind,  das  durch  Strangulation  intrauterin 
abgestorben  war;  die  Nabelschnur  war  2  mal  um  den  Hals  ge¬ 
schlungen,  dieser  mit  einer  Schnürfurche  versehen  und  stark  ver¬ 
dünnt.  Das  nach  dem  Kinde  ziehende  Nabelschnurende  war  straff, 
gedehnt  und  abgeplattet.  Der  Tod  solcher  Kinder  wird  hauptsäch¬ 
lich  durch  Dehnung  der  Nabelschnur,  weniger  durch  Kompression 
der  Halsgefässe  bedingt. 

c)  ein  Chorionepithelioma  malignum,  das  von  der  Plazentarstelle 
an  der  Hinterwand  des  Corpus  uteri  ausgeht  (nach  einer  spontanen 
Geburt).  Es  fanden  sich  ausgedehnte  Metastasen  in  der  Scheide  und 
der  Harnblase,  hochgradige  Metastasen  in  den  Lungen  und  im  linken 
Grosshirn. 

d)  einen  sehr  schönen  Fall  von  Graviditas  tubaria  dextra  mens.  6. 
mit  beginnender  Skelettierung  der  Frucht  t  Hämatosalpinx  sinistra. 

Periode  war  6  Monate  ausgeblieben  bezw.  zuweilen  unregelmässig 
und  schwach  gewesen.  Die  Frau  kam  wegen  Blutung  zur  Aufnahme. 
Uterus  in  der  Mitte  nach  hinten  unten  gedrängt,  links  und  hinten  ein 
hühnereigrosser  Tumor,  prall  glatt;  rechts  vom  Uterus  eine 
strausseneigrosse  Geschwulst,  ziemlich  beweglich,  hart,  höckrig; 
sie  liegt  quer,  der  mediale  Pol  dicker  als  der  laterale.  Die  kleinen 
Höcker  lassen  sich  auf  der  Tumoroberfläche  weiter  verfolgen  in  Ge¬ 
stalt  kleiner  Spangen.  Diese  werden  als  Extremitäten  eines  Föten 
angesprochen,  der  sich  im  Zustande  der  Skelettierung  befindet.  Die 
Operation  bestätigte  die  durch  eine  Röntgenaufnahme  ermöglichte 
Diagnose  bezüglich  der  Extrauteringravidität  aufs  genaueste.  Die 
gravide  Tube  ist  11:8:6  cm.  Am  dünnen  Ende  des  Präparates  das 
nicht  sondierbare  Fimbrienende,  in  unmittelbarer  Nähe  schimmern 
kindliche  Extremitätenknochen  durch,  die  Oberfläche  in  Höckern 
vorbuchtend.  Im  dickeren  Präparatende  der  Kopf  +  Plazenta.  Eine 
Röntgenaufnahme  des  Präparates  zeigt  unter  der  Plazenta  den 
Kopf:  Hinterhauptsschuppe  nach  aussen  gedrängt  durch  das  unter¬ 
geschobene  Scheitelbein,  ebenso  Stirnbein  nach  vorn  disloziert.  Wir¬ 
belsäule  U-förmig  gebogen,  so  dass  das  Becken  dicht  neben  dem  Schä¬ 
del  liegt.  Rippen  und  Extremitätenknochen  wirr  durcheinander.  Vor¬ 
tragender  macht  wiederholt  darauf  aufmerksam,  dass  bei  Unterleibs¬ 
tumoren  der  Frauen,  bei  denen  eine  Extrauteringravidität  der  spä¬ 
teren  Monate  in  Frage  kommt,  die  letztere  durch  Röntgenstrahlen 
festgestellt  werden  könne.  Der  vorliegende  Fall  sei  der  2.  in  der 
Dresdener  Klinik. 

5)  Herr  Z  u  r  h  e  1 1  e  -  Bonn :  Ueber  Thrombosen  und  Embolien 
nach  gynäkologischen  Operationen. 

Thrombosen  und  Embolien  kommen  bei  Gynäkologen  häufiger 
zur  Beobachtung,  als  bei  Chirurgen,  besonders  oft  nach  Myomopera¬ 
tionen;  2,75  Proz.  aller  Myomoperationen  in  der  Bonner  Klinik  hatten 
Thrombosen  im  Gefolge.  Die  Ursache  dieser  Erscheinung  wird  in 
Störungen  von  seiten  des  Zirkulationsapparates  gesucht,  die  bei 
myomkranken  Frauen  besonders  häufig  sind;  Winter  wies  nach, 
dass  Fettdegeneration  und  braune  Atrophie  des  Herzens  zu  fürchten 
sind,  wenn  starker  Blutverlust  den  Organismus  in  Mitleidenschaft  ge¬ 
zogen  hat,  namentlich  bei  langandauerndem  Blutverlust,  der  zu  einer 
chronischen  Anämie  führt;  bei  Karzinom  werden  diese  Herz¬ 
veränderungen  nur  selten  beobachtet.  Bei  Wohlhabenden,  denen 
jede  körperliche  Anstrengung  und  Bewegung  fehlt,  und  die  gewöhn¬ 
lich  weniger  widerstandsfähig  zur  Operation  kommen,  als  Arbeite¬ 
rinnen,  kam  es  'in  Bonn  weit  häufiger  zu  Thrombosen.  Die  bei 
malignen  Tumoren  vorkommenden  Thrombosen  sind  leicht  erklärlich; 
hingegen  bedürfen  die  bei  Operationen  nach  Lageveränderungen  und 
Adnextumoren  sich  findenden  Thrombosen  zur  Erklärung  ihrer  Ent¬ 
stehung:  Wundinfektion,  eine  bestehende  Herzanomalie  oder 
Anämie,  Abkühlung  bei  geöffneter  Bauchhöhle,  Schädigung  des  Her¬ 
zens  durch  die  Narkose,  Erschwerung  des  Blutabflusses  durch  fest 
angelegte  Verbände  werden  verantwortlich  gemacht,  endlich  die 
Trendelenburg  sehe  Beckenhochlagerung.  3  Formen  der 
Thrombosen  sind  zu  unterscheiden:  1.  Thrombosen  der  Beckenvenen, 
die  am  häufigsten  zu  Lungenembolien  führen,  da  die  Beckenvenen 
klappenlos  sind.  2.  Thrombosen  der  tiefen  Schenkelvenen,  die  ge¬ 
wöhnlich  durch  rein  mechanische  Momente  bei  herzschwachen  1  lauen 
entstehen,  und  auch  zu  Lungenembolien  führen  können.  3..  1  lirom- 
bose  der  Vena  saphena,  dieselbe  macht  keine  Lungenembolien. 


Bei  normaler  Temperatur  soll  nach  Mahler  ein  staffel¬ 
förmiges  Ansteigen  des  Pulses  eine  typische  Thrombosenkurve 
geben  können.  Dieses  Mahler  sehe  Symptom  wird  jedoch 
weit  überschätzt,  in  Bonn  konnte  es  nicht  bestätigt  wer¬ 
den.  Hingegen  ist  bei  Verdacht  auf  Thrombose  das  Messen  des  Ex¬ 
tremitätenumfanges  von  Wichtigkeit.  Bei  den  so  gefährlichen 
Beckenvenenthrombosen  lässt  sich  keine  Ruhigstellung  der  Blase  er¬ 
zielen.  Besonders  wichtig  ist  eine  allgemeine  Körperpflege  vor  der 
Operation  (Strophanthus,  Kochsalzinfusionen).  Die  Vorbereitung  vor 
der  Operation  soll  möglichst  schonend  sein,  keine  Hungerkur,  keine 
stärkeren  Abführmittel,  Vermeidung  von  langdauernden  Abwaschun¬ 
gen  des  Operationsfeldes  in  der  Narkose;  bei  der  Operation  schnell 
und  blutersparend  operieren,  mit  Einschränkung  des  Wärmeverlustes 
(kleiner  Bauchschnitt).  Nach  der  Operation  soll  die  Kranke  eine 
etwas  erhöhte  Rückenlage  einnehmen,  die  Lage  bisweilen  wechseln. 
Atemübungen  machen,  aktive  und  passive  Arm-  und  Beinbewegungen 
sind  wichtig,  endlich  befürwortet  Z  u  r  h  e  1 1  e  ein  frühzeitiges  Auf¬ 
stehen  der  Operierten  am  2.  bis  4.  Tage. 

Diskussion:  Herr  Kroenig:  Die  Thrombosen  der  Schen¬ 
kelvenen  machen  am  häufigsten  Embolien,  ihnen  gegenüber  spielen 
die  Beckenvenenthrombosen  keine  Rolle.  Das  Primäre  ist  aber  eine 
Störung  der  Fortbewegung  des  Blutes  und  nicht  die  Gerinnung, 
diese  entsteht  erst  sekundär,  wenn  der  Blutstrom  stark  verlangsamt 
ist.  Das  Mahl  ersehe  Zeichen  ist  ein  Beweis,  dass  das  Herz 
schwach  ist,  nicht  dass  eine  Thrombose  besteht.  Gegen  die  Stau¬ 
ung  des  Blutes  hilft  am  ‘  besten  frühes  Aufstehen  der  Operierten. 
Kroenig  lässt  die  Operierten  nach  dem  Leibschnitt  häufig  schon 
nach  1  Tage,  nach  Geburten  nach  8  Stunden  aufstehen.  Vor  der 
Operation  dürfen  aber  die  Kranken  nicht  geschwächt  werden.  Die 
Chloroformnarkose  soll  möglichst  eingeschränkt  werden. 

Herr  Leopold-  Dresden :  Beckenvenen-  und  Schenkelvenen¬ 
thrombosen  lassen  sich  sicher  an  dem  Kletterpuls  erkennen,  bevor 
eine  Beinschwellung  eintritt.  Besonders  ist,  sobald  eine  Thrombose 
besteht,  für  absolute  Ruhe  und  Vermeidung  jeder  Aufregung  (Ver¬ 
bot  des  Besuches)  zu  sorgen,  Kampher  zur  Hebung  der  Herztätigkeit 
zu  verordnen.  Seit  Einführung  peinlichster  Asepsis  hat  die  Zahl  der 
Thrombosen  abgenommen,  namentlich  seitdem  die  sog.  verschärfte 
Asepsis  (Handschuhe  etc.)  eingeführt  wurde.  Ein  Aufstehen  am 
2.  Tage  wird  Leopold  vorläufig  nicht  einführen. 

Herr  T  u  s  z  k  a  i  betont,  dass  eine  Steigerung  der  Labilität  des 
Pulses  ein  Frühzeichen  der  Herzinsuffizienz  (einer  Herzdilatation) 
ist.  Die  Herzinsuffizienz  lässt  sich  leicht  erkennen,  wenn  man  die 
Kranke  die  Lage  verändern  lässt  und  alsdann  die  stärkere  Labilität 
des  Pulses  sich  bemerkbar  macht.  T.  rät  bei  Wöchnerinnen-  falls  in¬ 
folge  von  Herzinsuffizienz  Gefahr  einer  Thrombose  besteht,  ruhige 
Lage  an  und  warnt  vor  frühzeitigem  Aufstehen. 

Herr  Kroenig:  Das  M  a  h  1  e  r  sehe  Zeichen  ist  in  der  Tat 
wichtig.  Thrombosen  finden  sich  auch  bei  Myomkranken,  die  ohne 
Operation  lange  liegen  müssen.  Besteht  eine  Thrombose,  dann  wird 
natürlich  ein  Aufstehen  die  Gefahr  der  Embolie  erhöhen,  aber  schwere 
Myomkranke  sollen  gerade  zur  Vermeidung  der  Thrombose  am 
1.  bis  3.  Tage  aufstehen;  seitdem  Kroenig  die  Kranken  früh  auf¬ 
stehen  lässt,  ist  keine  Schenkelvenenthrombose  mehr  zur  Beobach¬ 
tung  gekommen. 

Herr  Zur  helle  bestätigt  gleichfalls,  dass  bei  frühem  Auf¬ 
stehen  keine  Thrombosen  beobachtet  sind. 


6.  Herr  Gerstenberg  und  Herr  Hein-  Berlin:  Beiträge  zur 
Anatomie  der  Rückenmarksanästhesie. 

Durch  sehr  eingehende  anatomische  Untersuchungen,  deren  Re¬ 
sultate  Herr  Hein  an  instruktiven  Präparaten  demonstriert,  stellten 
Gerstenberg  und  Hein  die  für  die  Vornahme  der  Lumbal¬ 
punktion  wichtigen  Befunde  fest:  1.  dass  eine  Zisterne  im  Dural¬ 
raum  nicht  immer  vorhanden  war,  weder  als  hinterer  präformierter 
zwischen  den  Cauda-equina-Fasern,  noch  als  ein  den  Konus  um¬ 
gebender,  nach  aussen  durch  die  Nervenbündel  hin  abgeschlossener. 
2.  In  anderen  Fällen,  wo  sie  vorhanden  war,  war  sie  ein  grosser  ein¬ 
heitlicher  Raum,  von  bedeutend  grösserem  Volumgehalt,  wie  man 
nach  der  Literatur  annehmen  sollte,  ohne  hintere  oder  seitliche  Zwei¬ 
teilung  durch  Septum  oder  Ligam.  denticulatum  vom  Konus  an  ab¬ 
wärts.  3.  Es  fanden  sich  gewissermassen  gesetzmässig  vikariierende 
Bilder:  entweder  war  der  Duralsack  vollkommen  ausgefüllt  von 
Cauda-equina-Gebilden,  dann  war  der  entsprechende  Epiduralraum 
von  weiten  Venen  erfüllt,  oder  der  Duralsack  wai  verhältnismässig 
wenig  von  Kaudalgebilden  ausgefüllt,  eine  Zisterne  vorhanden  und 
die  Epiduralen  Gebilde  nur  unbedeutend  sichtbar.  4.  Im  Lenden-  und 
im  Halsteil  waren  die  Arachnoidalgebilde  feinmaschiger  wie  im 
Brustteil.  5.  Vor  dem  Einstich  in  den  ersten  Interarachnoidalraum 
des  Lumbalteiles  ist  auch  bei  Erwachsenen  dringend  zu  warnen,  da 
dort  manchmal  noch  vorhandene  Teile  des  Rückenmarkes  vei  letzt 
werden  können.  6.  Die  bekannten  Schädigungen  der  Geh.rnnerven 
lassen  sich  anatomisch  vollkommen  erklären,  entweder  durch  die 
oberflächliche  Lage  ihrer  Ursprungskerne  am  Boden  des  4.  Ven¬ 
trikels  oder  durch  den  mehr  oder  mindei  längeren  Verlauf  ihre 
Fasern  durch  die  Zisternen.  Die  Fasern  werden  auf  diesem  Weg* 
reichlich  durch  die  sie  umspülende  Flüssigkeit  mit  etwa  eingebracl  t 
Giften  getränkt. 


2008 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


7.  Herr  Kroenig:  Anatomische  und  physiologische  Beobach¬ 
tungen  bei  den  ersten  1000  Rückenmarksanästhesien  im  Skopolamin¬ 
dämmerschlaf.  (Der  Vortrag  befindet  sich  unter  den  Originalien 
dieser  Nummer.) 

Diskussion:  Herr  Freund-  Halle.  Seit  1905  wird  in  Halle 
in  der  Veit  sehen-  Klinik  die  Lumbalanästhesie  sehr  viel  angewendet, 
und  zwar  stets  mit  Stovain  (Bi  llon),  die  Beckenhochlagerung  wird 
bei  schweren  Laparotomien  stets  gemacht,  um  sofort  eine  energische 
Wirkung  zu  erzielen;  aber  die  Beckenhochlagerung  wird  zunächst 
sehr  niedrig  gemacht  und  erst  nach  Eintritt  der  Narkose  erhöht. 
Unter  76-4  Fällen  hat  V  e  i  t  2  Todesfälle,  den  einen  durch  Eintritt 
von  Atmungslähmung,  dieselben  üblen  Erscheinungen  treten  auch  ohne 
Beckenhochlagerung  ein. 

Herr  Kroenig  erwidert  auf  eine  Anfrage,  dass  die  Narkose 
stets  mit  einer  Injektion  von  Skopolamin-Morphium  begonnen  wird. 
Gegen  Beckenhochlagerung  spricht  die  Tatsache,  dass  er  Stovain 
an  der  Medulla  oblongata  nach  der  Injektion  nachweisen  konnte. 

(Schluss  folgt.) 

Abteilung  für  Kinderheilkunde. 

Berichterstatter:  Privatdozent  Dr.  L.  Langstein,  Assistent  an  der 
Kinderklinik  der  Kgl.  Charite  in  Berlin. 

Sitzung  am  16.  September  190  7. 

Vorsitzender:  Herr  F  1  a  c  h  s  -  Dresden. 

Herr  v.  Ranke-  München  gibt  einen  Ueberblick  über  die  Ent¬ 
wicklung  der  Kinderheilkunde  bis  zur  Gründung  der  Gesellschaft 
für  Kinderheilkunde. 

Herr  Escherich  -  Wien  beglückwünscht  Rauchfuss- 
Petersburg  zum  50  jährigen  Amtsjubiläum. 

Herr  S.  Y  a  n  a  s  e  -  Japan :  Epithelkörperbefunde  bei  galvanischer 
Uebererregbarkeit  der  Kinder. 

Bei  34  Proz.  zur  Sektion  gelangter  Kinder  (vornehmlich  Säug¬ 
linge)  fanden  sich  Blutungen  bezw.  deren  Residuen  Jn  den  Epithel¬ 
körperchen,  die  wahrscheinlich  auf  den  Geburtsakt  zurückzuführen 
sind.  Von  13  Fällen  mit  normaler  elektrischer  Erregbarkeit  zeigte 
keiner  Blutungen,  von  22  Fällen  anodischer  Uebererregbarkeit  12 
(61  Proz.),  von  zwei  Fällen  klinisch  manifester  Krampfformen  2 
(100  Proz.).  Der  Autor  zieht  den  Schluss,  dass  die  Blutungen  in  die 
Epithelkörper  die  der  Entgiftung  des  Organismus  dienende  Funktion 
derselben  schädigen  und  dadurch  die  Disposition  des  tetanoiden  Zu¬ 
standes  erzeugen. 

Herr  Escherich  -  Wien :  Kenntnis  der  tetanoiden  Zustände 
des  Kindesalters.  (Der  Vortrag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

In  der  Diskussion  mahnte  S  o  1 1  m  a  n  n  -  Leipzig  zur  Vor¬ 
sicht  in  bezug  auf  die  Deutung  der  Beziehungen  von  Epithelkörper¬ 
chenblutung  und.  Tetanie.  Er  will  Tetanie  und  Spasmophilie  absolut 
getrennt  wissen  und  vertritt  seine  Einteilung  der  Eklampsie.  Esche¬ 
rich-  Wien  bespricht  im  Schlusswort  die  tetanoiden  Erscheinungen 
im  Verlauf  anderer  Krankheiten. 

Herr  H  o  h  I  f  e  1  d  -  Leipzig:  Säuglingstuberkulose. 

Unter  Demonstration  von  Präparaten  werden  die  Heilungs¬ 
vorgänge  bei  der  Säuglingstuberkulose  besprochen. 

Herr  C.  v.  P  i  r  q  u  e  t  -  Wien :  Diagnostische  Verwertung  der 
Allergie. 

Die  Allergie,  die  Aenderung  der  Reaktionsfähigkeit,  welche  der 
Organismus  dadurch  erfährt,  dass  er  eine  Infektion  durchmacht,  lässt 
sich  bei  einer  Anzahl  von  Krankheiten  als  diagnostisches  Mittel  ver¬ 
werten.  Das  Prinzip  der  Allergiediagnostik  liegt  darin,  dass  man 
ein  Extrakt  des  Infektionserregers  auf  den  Organismus  wirken  lässt, 
und  dessen  Reaktion  beobachtet.  Am  schärfsten  lässt  sich  die  Re¬ 
aktion  verfolgen,  wenn  man  das  Extrakt  in  die  äussere  Haut  ein¬ 
impft. 

Der  Vortragende  berichtet  über  988  Untersuchungen  mit  der 
kutanen  Tuberkulinprobe  und  führt  aus,  in  welchen  Fällen  der  Kin¬ 
derpraxis  dieselbe  besonderen  diagnostischen  Wert  besitzt.  Bei 
quantitativer  Auswertung  mit  progressiven  Verdünnungen  des  Tu¬ 
berkulins  ergab  sich,  dass  die  Verdünnung,  bis  zu  welcher  die  Probe 
positiv  ist,  in  einem  konstanten  Verhältnisse  zum  Querdurchmesser 
der  Effloreszenzen  steht,  so  dass  man  durch  Messung  einer  einzigen 
Impfstelle  die  Empfindlichkeit  quantitativ  bestimmen  kann.  Der 
Vortragende  hält  die  kutane  Tuberkulinreaktion  für  empfehlenswerter 
als  die  Ophthalmoreaktion  und  bleibt  für  die  Praxis  bei  der  Ein¬ 
impfung  von  25  proz.  Alttuberkulin  auf  die  Haut  des  Armes. 

Herr  K  r  a  e  m  e  r  -  Böblingen  :  Kongenitale  Tuberkulose  und 
ihre  Bedeutung  für  die  Praxis. 

Auf  Grund  theoretischer  Erwägungen  und  von  Erfahrungstat¬ 
sachen  vertritt  der  Autor  seine  Anschauung  von  der  Häufigkeit  der 
kongenitalen  Tuberkulose. 

In  der  Diskussion  über  die  drei  letzten  Vorträge  bringen 
Langstein  -  Berlin,  Langer-  Sreez,  C  i  t  r  o  n  -  Berlin,  Engel- 
Diisseldorf,  Schlossmann  -  Düsseldorf,  R  i  e  t  s  c  h  e  1  -  Dresden, 
P  e  e  r  -  Heidelberg.  S  i  e  g  e  r  t  -  Köln  ihre  Erfahrungen  mit  der  dia¬ 
gnostischen  I  uberkulinimpfung  v.  Pirquets  auf  Grund  mehr  oder 
weniger  grossen  Materials.  Die  Methode  wird  in  ihrer  theoretischen 
und  praktischen  Bedeutung  gewürdigt.  Escherich  -  Wien  meint, 
dass  gegen  die  grosse  Häufigkeit  der  kongenitalen  Tuberkulose  die 
Ergebnisse  der  Tuberkulininjektionen  sprechen. 


14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  und  Demographie 

in  Berlin  vom  23.  bis  29.  September  1907. 

Die  Eröffnung  des  14.  Internationalen  Kongresses  erfolgte  am 
23.  September  c.,  vormittags  11  Uhr  im  neuen  Kgl.  Operntheater  am 
Königsplatz. 

Der  Feier  wohnte  der  Kronprinz  an,  als  Vertreter  des  Kaisers. 

Nach  einer  kurzen  Begrüssungsansprache  des  Ehrenpräsidenten 
des  Kongresses,  Prinz  von  Schönaich-Carolath,  sprach 
zunächst  der  Kgl.  Staatsminister  v.  Bethmann  -  Hollweg,  wel¬ 
cher  die  Anwesenden  im  Namen  der  Kgl.  preussischen  Staatsregierung 
bewillkommte.  Er  hob  dabei  die  eminente  Bedeutung  der  Hygiene 
hervor,  welche  sie  namentlich  als  praktische  Wissenschaft  auf  dem 
Gebiete  der  Bekämpfung  von  Seuchen,  der  Verbesserung  der  Woh¬ 
nungen,  der  Fürsorge  für  Kranke  und  Erholungsbedürftige  habe;  seine 
Rede  endete  mit  einem  Hoch  auf  den  Kronprinzen. 

Im  Namen  des  preussischen  Kultusministeriums  sprach  Minister 
Dr.  Holle,  als  Vertreter  des  Militärsanitäts wesens  Generalstabsarzt 
.der  preussischen  Armee  Dr.  Schjerning,  welch  letzterer  nament¬ 
lich  auf  die  durch  die  moderne  Hygiene  in  der  Armee  bewirkte 
Verbesserung  der  Gesundheitsverhältnisse:  auffallende  Herabsetzung 
der  Krankheits-  und  Sterbeziffer  in  der  stehenden  Armee  hinwies. 

In  der  nun  folgenden  Eröffnungsrede  gedachte  der  Ehrenpräsi¬ 
dent  Prinz  von  Schönaich-Carolath  zunächst  des  letzten 
Internationalen  Hygienekongresses  zu  Brüssel  (1903),  streifte  die  ge¬ 
schichtliche  Entwicklung  der  Hygiene,  ihres  im  Laufe  des  Jahr¬ 
hunderts  oft  recht  wechselvollen  Standes  der  hygienischen  Anschau¬ 
ungen  und  Bestrebungen,  und  berührte  die  mannigfachen  Aufgaben, 
welche  dieser  Wissenschaft  noch  für  die  Gegenwart  und  Zukunft  zu¬ 
fielen;  er  wies  noch  besonders  auf  das  vor  wenigen  Monaten  zustande 
gekommene  internationale  Werk  hin,  die  in  Paris  1903  beratene  und 
kürzlich  ratifizierte  Revision  und  Modifikation  jener  Sanitätskonven¬ 
tionen,  die  in  der  vorangegangenen  Zeit  zu  gemeinsamem  Vorgehen 
gegen  die  gefährlichen  Volkskrankheiten:  Cholera,  Pest  und  Gelb¬ 
fieber  abgeschlossen  worden  waren;  dann  erinnerte  er  an  den  inter¬ 
nationalen  Staatsvertrag  zur  Unterdrückung  des  Branntweinhandels 
unter  den  Nordseefischern  auf  hoher  See  1887,  die  Staatskonferenzen, 
welche  zu  internationalen  Vereinbarungen  über  eine  Reihe  sozialer 
Fragen  abgehalten  worden  sind  —  die  Berliner  Arbeiterschutzkon¬ 
ferenz  1898,  die  Berner  Arbeiterschutzkonferenz  1906,  die  internatio¬ 
nale  Vereinigung  für  gesetzlichen  Arbeitsschutz  mit  dem  internatio¬ 
nalen  Arbeitsamte  in  Bern  usw. 

Weiters  erinnerte  er  an  die  verschiedenen  wissenschaftlichen 
Kongresse  und  Konferenzen  zum  Austausch  der  wissenschaftlichen 
Errungenschaften,  zur  Bekämpfung  der  wichtigsten  Volkskrankheiten, 
z.  B.  der  Tuberkulose,  und  schliesslich  wies  er  noch  hin  auf  die  segens¬ 
reichen  Wirkungen  der  durch  die  kaiserliche  Botschaft  vom  17.  No¬ 
vember  1881  in  die  Wege  geleiteten  sozialen  Gesetzgebung. 

Als  Beispiele  hob  er  hervor,  dass  mehr  als  140  000  Unfälle  in 
den  letzten  Jahren  aus  gewerblichen  und  landwirtschaftlichen  Be¬ 
trieben  als  entschädigungspflichtig  anerkannt  wurden,  mehr  als  1  Mil¬ 
lion  Personen  im  vorigen  Jahre  als  Verletzte  oder  Hinterbliebene 
von  getöteten  Personen  Unfallentschädigungen  erhielten,  deren  Ge¬ 
samtsumme  über  140  Millionen  Mark  betrug. 

Die  Invalidenversicherung  im  Deutschen  Reiche  gewährte  1906 
Entschädigungen  einschliesslich  des  Reichszuschusses  in  der  Höhe 
von  ca.  166  Millionen  Mark,  im  ganzen  in  den  15  Jahren  des  Bestehens 
wurde  der  Betrag  von  1  162  169  923  M.  ausbezahlt. 

Die  Aufwendungen  sämtlicher  Krankenkassen  Deutschlands  be¬ 
trugen  1905  222  24 3  886  M. 

Die  Rede  endete:  Salus  generis  humani  suprema  lex  esto. 

An  diese  Eröffnungsrede  schlossen  sich  nun  die  Begrüssungs- 
ansprachen  teils  der  wissenschaftlichen  Körperschaften  von  Berlin, 
sowie  der  Vertreter  verschiedener  auswärtiger  Regierungen. 

Die  Zahl  der  Kongressmitglieder  betrug  am  Eröffnungstage 
ca.  4000.  Dr.  S  p  a  e  t  h  -  Fürth. 


32.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche 

Gesundheitspflege 

am  11. — 14.  September  1907  in  B  r  e  m  e  n.  • 

(Eigener  Bericht.) 

III.  Die  Mitwirkung  der  Krankenversicherung  auf  dem  Gebiete  der 
öffentlichen  Gesundheitspflege. 

Referent:  Sanitätsrat  Dr.  M  u  g  d  a  n  -  Berlin. 

Die  bevorstehende  Reform  der  Krankenversicherung  gibt  Ge¬ 
legenheit  zu  einem  Rückblick,  und  Gelegenheit  eventuelle  Wünsche  in 
dieser  Angelegenheit  auszusprechen.  Worin  besteht  nun  der  Wert 
der  Krankenversicherung?  Die  Gewährung  freier  ärztlicher  Behand¬ 
lung,  freier  Arznei,  sowie  Brillen,  Bruchbänder  und  ähnlicher  Heil¬ 
mittel  für  den  Versicherten,  vom  ersten  Tage  der  Erkrankung  ab, 
verhindert,  dass  die  hier  in  Betracht  kommenden  unbemittelten  oder 
wenig  bemittelten  Personen  infolge  ihrer  Mittellosigkeit  oder  Unver¬ 
mögens  ihrer  Umgebung  ärztliche  Hilfe  und  Heilungsmittel  zu  spät 
oder  nur  im  Falle  äusserster  Not  erhalten. 

Diese  Gewährung  hat  nun  zweifelsohne  verschiedene  Schatten¬ 
seiten.  Aerztliche  Hilfe  wird  zu  viel  in  Anspruch  genommen,  auch 


Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


2009 


Arzneien  werden  zu  viel  verbraucht.  Mugdan  hält  jedoch  dieses 
zu  viel“  für  keinen  Fehler,  es  unterstütze  rrn  Gegenteil  den  Kamp* 
gegen  die  grosse  Volkskrankheit  Tuberkulose.  Es  besteht  die  Mög¬ 
lichkeit,  die  Anfangsfälle  herauszusuchen,  man  solle  sogai  dem  Ai- 
beiter  raten,  sich  ein  oder  zwei  Mal  im  Jahre  untersuchen  zu  lassen, 
um  eventuelle  Krankheiten  auszuschalten.  Die  auf  Kosten  dei 
Krankenversicherungsträger  stattfindende  Unterbringung  eines  ei- 
krankten  Versicherten,  dessen  Krankheit  eine  ansteckende  ist  oder 
besondere  Anforderungen  an  die  Behandlung  oder  \  erpflegung  stellt, 
in  einem  Krankenhause,  verhindert  die  Ansteckung  der  Umgebung 
des  Erkrankten,  sichert  dem  letzteren  fortgesetzte  Beobachtung, 
Wache  und  Pflege,  stellt  ihm  alle  in  dem  modernen  Krankenhause  be¬ 
findlichen  Hilfsmittel  der  Wissenschaft  und  Technik  zur  Verfügung  und 
beschleunigt  dadurch  den  Heilungsprozess.  Die  Untei  bi  lngung  in 
einem  Genesungshause  oder  in  einer  Erholungsstätte  hat  ausgezeich¬ 
nete  Erfolge  bei  Rekonvaleszenten,  Nervenkranken,  Bleich-süchtigen 
und  Tuberkulösen  leichterer  Art  gezeitigt,  alles  dies  wäre  ohne 

Krankenversicherung  nicht  möglich. 

Das  im  Falle  einer  mit  Erwerbsunfähigkeit  verbundenen  Krank- 
heit  vom  dritten  Tage  der  Erkrankung  ab  dem  Vei sichelten  zu  ge¬ 
währende  Krankengeld  gleicht  einigermassen  den,  für  den  Kranken 
und  seine  Familie,  aus  dem  Verlust  seiner  Arbeitsfähigkeit  sich  ei- 
gebenden  wirtschaftlichen  Nachteil  aus  und  sichert  selbst  dem 
Aermsten  während  der  Krankheit  die  Befriedigung  der  notwendigsten 
Bedürfnisse,  ohne  die  seine,  durch  die  Krankheit  beeinträchtigten 
Körperkräfte  noch  mehr  dahinschwänden. 

Die  an  die  Angehörigen  des  in  einem  Krankenhause  unterge¬ 
brachten  erkrankten  Versicherten  während  der  Zeit  seines  Verweilens 
im  Krankenhause  zu  zahlende  Angehongenunterstutzung  halt  die 
äusserste  Not  und  Entbehrung,  die  so  häufig  eine  Krankheit  verur¬ 
sacht  von  der  Familie  ab  und  erleichtert  es  dem  Kranken,  bis  zu 
seiner  vollständigen  Wiederherstellung  im  Krankenhause  zu  bleiben. 

Die  den  versicherten  Wöchnerinnen  für  die  Dauer  von  sechs 
Wochen  zu  zahlende  Wöchnerinnenunterstützung  erlaubt  der  Jungen 
Mutter  die  notwendige  Erholung  ihres  durch  die  Geburt  geschwächten 
Körpers  und  die  Erfüllung  ihrer  mütterlichen  Pflichten  gegen  das  neu¬ 
geborene  Kind.  Die  Krankenkassen  können  ausserdem  dadurch,  dass 
sie  statutarisch  eine  Schwangerenunterstützung,  die  freie  Gewahiung 
der  erforderlichen  Hebammendienste  und  die  freie  Behandlung  dei 
Schwangerschaftsbeschwerden  beschliessen,  die  Grundlage  eines  aus¬ 
gedehnten  Mutterschutzes  bilden;  von  dieser  Ausdehnung  dei  Unter¬ 
stützung  machten  bisher  die  meisten  Krankenkassen  keinen  Gebrauch 
es  erscheint  daher  empfehlenswert,  dass  die  Möglichkeit  diesei 
Unterstützung  gesetzlich  festgelegt  wird,  ebenso  wie  die  statutarisch 
mögliche  Gewährung  freier  ärztlicher  Behandlung,  freier  Arznei  und 
sonstiger  Heilmittel  für  nichtversicherungspfhchtige  Familienange¬ 
hörige  der  Versicherten,  letztere  ist  geeignet,  die  hohe  Kmdei  Sterblich¬ 
keit  zu  vermindern  und  Verschleppung  der  Heilung  einer  Krankheit  dei 
für  den  Arbeiterhaushalt  unentbehrlichen  Hausfrau  zu  verhindern. 

Um  allen  Personen,  die  der  Fürsorge  im  Krankheitsfälle  be¬ 
dürftig  sind,  die  Wohltaten  der  Krankenversicherung  reichsgestzlich 
sicher  zu  stellen,  ist  eine  Ausdehnung  der  Krankenversicherungs¬ 
pflicht  auf  alle  diejenigen,  die  der  Invalidenversicherungspflicht  untei - 
liegen  vor  allem  auf  die  landwirtschaftlichen  Arbeiter  und  das  Ge¬ 
sinde/dringend  zu  wünschen,  und  ebenso  eine  Uebereinstimmung  der 
Invalidenversicherungsberechtigung  mit  der  Krankenversicherungs¬ 
berechtigung.  Auch  ist,  anstatt  der  statutarisch  möglichen,  die  obliga¬ 
torische  Gewährung  freier  ärztlicher  Behandlung  nebst  allei  oben 
erwähnten  Leistungen  an  die  Familienangehörigen  der  Versicherten 
zu  fordern 

Die  dreitägige  Karenzzeit  für  den  Anspruch  auf  Krankengeld  ist 
vom  hygienischen  Standpunkte  zu  verwerfen;  schon  von  dem  ge¬ 
sunden  Arbeiter  ist  ein  dreitägiger  Wegfall  des  Arbeitsverdienstes 
sehr  schwer  zu  tragen,  vielmehr  noch  von  einem  Kranken,  dei  duren 
seine  Krankheit  oft  schon  für  seine  Person  grössere  Ausgaben  zu 

machen  hat.  ,  ,  ,R  „ 

Die  Bestimmung  des  Krankenversicherungsgesetzes  t§  - o  a 
Abs.  1),  dass  Kassenmitgliedern,  welche  doppelt  versichert  sind,  'das 
Krankengeld  soweit  verkürzt  werden  kann,  als  dasselbe  zusammen 
mit  dem  aus  anderweitiger  Versicherung  bezogenen  Krankengelde 
den  vollen  Betrag  ihres  durchschnittlichen  ragelohnes  übersteigen 
würde,  ist  zu  verwerfen,  da  der  Kranke  mehr  Bedürfnisse  hat,  als 
der  Gesunde,  und  eine  Simulation  von  Arbeitern,  die  durch  mehr¬ 
fache  Versicherungen  in  gesunden  Tagen  Opfer  bringen,  am  wenig¬ 
sten  zu  fürchten  ist.  _  .  Q 

Es  ist  wünschenwert,  dass  es  nicht,  wie  jetzt,  allein  in  das  rse- 
lieben  des  Kassenvorstandes  gestellt  ist,  zu  entscheiden,  ob  Kur  und 
Verpflegung  in  einem  Krankenhause  gewährt  werden  soll.  Der  s  / 
des  Krankenversicherungsgesetzes  sollte  etwa  in  der  Weise  geändert 
werden,  dass  Kur  und  Verpflegung  im  Krankenhause  auf  Antrag  des 
Arztes  gewährt  werden  muss,  wenn  die  Krankheit  des  Versicherten 
seiner  Umgebung  Gefahren  bringt. 

Zur  Herabsetzung  der  Verwaltungsausgaben,  und  um  das  Kran¬ 
kengeld  allgemein  erhöhen  zu  können,  was  höchst  wünschenswert  ist, 
ist  das  Zusammenlegen  aller  in  einem  Stadtkreise  oder  Landkieise 
befindlichen  Versicherungsträger  zu  einer  einzigen  Krankenkasse  zu 
fordern. 

Die  in  den  letzten  Jahren  zwischen  Kassenärzten  und  Kranken¬ 
kassen  au  vielen  Orten  entstandenen  Streitigkeiten  sind  vom  hygie¬ 


nischen  Standpunkte  aus  aufs  tiefste  zu  beklagen,  da  hier  der  Sieg  der 
Aerzte  oder  der  Krankenkassen  nur  davon  abhängt,  wie  lange  die 
hilfsbedürftigen  Kranken  eine  geordnete  äiztliche  Behandlung  ent¬ 
behren  können.  Es  ist  deshalb  Aufgabe  der  Gesetzgebung,  die  Wieder¬ 
holung  solcher  Vorkommnisse  unmöglich  zu  machen;  dies  kann  nur 
durch  eine  gesetzliche  Ordnung  der  kassenärztlichen  Verhältnisse 
im  Sinne  der  freien  Arztwahl  geschehen,  auch  im  Interesse  der  öffent¬ 
lichen  Gesundheitspflege, 

Für  einen  Erfolg  in  der  Gewerbehygiene  ist  ein  geregeltes  Zu¬ 
sammenwirken  der  Kassenärzte  wie  dei  besonderen  I  abrikarzte  mit 
den  Fabrikleitungen  einerseits  und  den  Krankenkassen  andererseits 
erste  Voraussetzung;  die  Aerzte,  und  besonders  die,  nach  Massgabe 
der  Bestimmungen  des  Bundesrates,  von  den  Fabrikleitern  fiii  eine 
Reihe  von  Betrieben  vorgesehenen  Fabrikärzte  müssen  von  der 
Kassenverwaltung  und  'der  Fabrikleitung  völlig  unabhängig  sein  und 
jederzeit  das  Recht  haben,  die  in  gesundheitsschädlichen  Betrieben  be¬ 
schäftigten  Arbeiter  auf  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen  und 
die  von  ihnen  festgestellten  Gewerbekrankheiten  oder  als  solche  vei- 
dächtige  Erkrankungen  zur  Kenntnis  der  Gewerbeaufsichts-  und 
Medizinalbeamten  zu  bringen,  und  zwar  ohne  Rücksicht  auf  die  je¬ 
weilige  gewerbliche  Hochkonjunktur. 

Wünschenswert  ist  die  Erlangung  einer  zuverlässigen  Krank¬ 
heitsstatistik  über  die  bei  Kassenmitgliedern  vorgekommenen  Er¬ 
krankungen.  Zu  diesem  Zwecke  ist  die  Einführung  einer  ärztlichen 
Meldekarte  zu  fordern,  auf  der  von  dem  Kassenarzte  wöchentlich  die 
Diagnose  der  von  ihm  behandelten  Krankheiten,  sowie  ihre  Dauer  und 
ihr  Ausgang  zu  vermerken  ist.  nachdem  von  der  Kassenverwaltung 
Namen,  Beruf  (auch  frühere  Berufe)  und  Alter  sowie  die  Nummei 
des  Krankenscheines  vorsretragen  ist,  und  die,  um  den  Aizt  (juicli 
Rücksichtnahme  auf  den  Patienten  in  der  genauen  Eintragung  der 
Diagnose  nicht  zu  behindern,  an  das  nächste  statistische  Buteau  gc- 
sandt  wird. 

IV.  Die  Gartenstadt. 

Referent:  Professor  Dr.  C.  J.  F  u  c  h  s  -  Freiburg  i.  B. 

Die  Wissenschaft  hat  die  Aufgabe,  zu  prüfen,  inwieweit  die  Be¬ 
wegung  .der  Gartenstadt  einer  Verwirklichung  möglich  ist.  Die  erste 
Vertretung  dieser  Idee  finden  wir  in  Deutschland,  praktisch  kam  sie 
dagegen  zuerst  in  England  zur  Ausführung.  Die  Flucht  von  dem 
Lande  und  die  dadurch  bedingte  Wohnungsnot  in  den  Städten  machte 
diese  Frage  immer  brennender.  Die  Landarbeiter  der  grossen 
Farmen  haben  in  England  keine  Möglichkeit,  aufzusteigen  und  Land 
zu  erwerben,  sie  wandern  daher  in  die  Städte  aus,  hier  sind  die  Woh¬ 
nungsverhältnisse  besonders  schlecht.  In  diesen  ganz  eigenartigen 
Verhältnissen  der  Besiedelung  und  Agrarverfassung,  der  Verteilung 
der  Bevölkerung  auf  Stadt  und  Land  und  der  zunehmenden  En 
völkerung  des  platten  Landes  wurzelt  die  Gartenstadtbewegung. 
Neben  dieser  Agrar-  und  Besiedelungsfrage  hat  sie  ihre  Wurzel  in 
der  Citybildung“  und  der  damit  zusammenhängenden  charakteristi¬ 
schen  englischen  Wohnungsweise,  der  Trennung  des  Wohnorts  von 
der  Arbeitsstätte.  Diese  hat  namentlich  für  den  gelernten  Ai  beiter, 
bis  auf  welche  sie  sich  erstreckt,  bereits  vielfach  ein  zu  grosses  Mass 
angenommen.  Auch  das  Fehlen  eines  Bebauungsplans  begünstigt 
immer  mehr  die  Möglichkeit  der  gesundheitsmässigen  Ausnutzung  des 
Grund  und  Bodens.  Es  fehlen  die  öffentlichen  Platze. 

Die  Gartenstadtbewegung  erstrebt  in  England  die  Beseitigung  dei 
Uebervölkerung  der  Städte  einerseits  und  der  Entvölkerung  des 
platten  Landes  andererseits  durch  Dezentralisation  der 
städtischen  Bevölkerung  und  ihrer  Arbeitsgelegenheiten,  also  ins¬ 
besondere  der  Industrie.  Sie  bezweckt  also  die  Schaffung  neuer 
kleiner  Industrie-  und  Wohnorte  von  30  000  Einwohnern, 
welche  einen  eigentlichen  Stadtkern  mit  Handel  und  Gewerbe  haben 
sollen,  um  den  sich  gartenmässig  angelegte  Wohnviertel  und  dann  auf 
dem  grössten  Teil  des  Geländes  kleine  landwirtschaftliche  Betriebe 
herumlegen  sollen.  Es  sollen  also  dadurch  zur  Deckung  des  Bedarfs 
dieser  neuen  Städte  an  landwirtschaftlichen  Produkten  gleichzeitig 
landwirtschaftliche  Kleinbetriebe  geschaffen  werden,  und  so  eine 
engere  Verbindung  von  Landwirtschaft  und  Industrie,  von  Stadt  und 
I  and  hergestellt  werden.  Als  notwendig  für  die  Sicherung  dieses 
Zweckes  wird  dabei  Gemeineigentum  der  Stadt  an  ihrem  ganzen  Ge¬ 
lände  erachtet.  Der  erste  in  Verwirklichung  begriffene  Versuch  einer 
solchen  Gründung  ist  die  Gartenstadt  Letchworth  nördlich  von 

London n  MQartenstädten“  im  eigentlichen  Sinn  ist  die  garten- 

mässige  Anlage  von  Vororten,  d.  h.  reinen  \V  o  h  n  o  r  ten  insbe¬ 
sondere  für  Arbeiter,  in  der  Nähe  der  Gressstädte  zu  untei  scheiden, 
also  die  wirtschaftliche  und  namentlich  ästhetische  Reformierung  dei 
suburbs,  in  denen  in  England  schon  jetzt  die i  Mehrzahl  der  st^schen 
Bevölkerung  wohnt.  Hier  handelt  es  sich  a’so  um  ..Gartenvorstädte 
nicht  um  Gartenstädte  im  engeren  Sinn.  Musterbeispiele  dafür  sin. 
in  England  Port  Sunlight  bei  Liverpool  und  Bournvi  le. 

In  Deutschland  besteht  bei  seinen  ganzheh  abweichende  i 
Agrar-  und  Besiedelungsverhältnissen  weder  das  gleiche  Beduifms 
noch  die  gleiche  Möglichkeit  für  Gartenstädte  im  engeren  Sinn.  H  er 
kann  es  sich  daher  bei  der  Gartenstadtbewegung  vorwiegend  nur  um 
Gartenvorstädte  handeln,  Vorstädte  mit  gartenmassiger  Bebauung 
Dies  gilt  auch  von  der  ersten  im  Entstehen  begriffenen ‘  Gruntj^ 
Deutschen  Gartenstadtgesellschaft  in  Ruppur  be'  Karlsruhe.  Die  aus 
gedehnte  Gründung  von  solchen  Gartenvorstädten  ist  abei  vo.i 


2010 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


grösster  Bedeutung  für  die  Emanzipation  von  der  Mietskaserne  in  den 
Aussenbezirken  unserer  Städte  und  damit  für  die  Schaffung  ge¬ 
sünderer  und  kulturell  höherstehender  Wohnungsverhältnisse  für 
unsere  Mittel-  und  Arbeiterklassen. 

Zu  ihrer  Einbürgerung  sind  neben  entsprechender  Gestaltung  der 
Bebauungspläne  und  Bauordnungen  (vor  allem  Unterscheidung  von 
Wohn-  und  Verkehrsstrassen  und  Herabsetzung  der  Anforderungen 
für  Kleinhäuser)  ausgedehnte  Anwendung  des  Erbbaurechts  durch 
Staat  und  Städte  sowie  entsprechende  Enwicklung  der  Verkehrsmittel 
notwendig. 

V.  Der  moderne  Krankenhausbau  vom  hygienischen  und  wirtschaft¬ 
lichen  Standpunkte. 

Referent:  Prof.  Dr.  L  e  n  h  a  r  t  z  -  Hamburg. 

Von  1877  bist  1904  ist  die  Zahl  der  allgemeinen  Krankenhäuser 
im  Deutschen  Reiche  von  1822  auf  3603,  die  der  Krankenbetten  von 
72219  auf  205  117  gestiegen.  Welches  ist  nun  die  zweckmässigste 
Anlage  neuer  Anstalten?  Am  besten  lässt  sich  dies  entscheiden  auf 
Grund  von  Erfahrungen,  welche  von  den  einzelnen  Anstalten  gemacht 
wurden,  ferner  auf  Grund  des  Plänestudiums  und  der  persönlichen 
Erfahrungen.  Die  Erfahrungen  des  amerikanischen  Bürgerkrieges  und 
von  1870  71  verwarfen  den  Korridorbau  und  führten  zur  Errichtung 
des  reinen  Pavillonsystems.  Den  einfachen  Anfang  hiervon  bietet 
die  Krankenanstalt  in  Moabit,  besser  ausgebaut  die  in  Eppendorf.  Es 
handelt  sich  um  meist  einfache,  von  Norden  nach  Süden  gerichtete 
Pavillons,  denen  allmählich  zu  dem  grossen  Krankensaal  von  30  bis 
34  Betten  ein  Tagraum,  einige  Einzelzimmer  für  das  Pflegepersonal 
und  Absonderungszwecke  nebst  den  nötigsten  Nebenräumen  zuge¬ 
fügt  wurden.  Die  Wirtschafsräume  sind  peripher  gelegen,  in  der  Mitte 
der  Operationsraum. 

Allmählich  kommt  jedoch  wieder  ein  neuer  Typ  zur  Anwendung 
und  zwar  vor  allem  wegen  der  Annehmlichkeit  von  kleineren  Sälen, 
aus  ärztlich-technischen  und  sozialen  Gründen.  Die_  zweistöckigen 
Pavillons  haben  jetzt  4  Säle  und  zahlreiche  Absonderungsräume.  Da¬ 
neben  macht  sich  für  manche  Krankengruppen  die  Notwendigkeit 
von  Korridorhäusern  fühlbar.  Beim  Rudolf-Virchow-Krankenhaus 
wird  durch  Verlängerung  der  Pavillons  die  Zahl  der  Einzelzimmer 
vermehrt,  es  kommen  nur  noch  10  Kranke  in  ein  Zimmer.  Düsseldorf 
hat  mehrstöckige  Korridorbauten  kleineren  Umfangs,  die  über  das 
Anstaltsgebäude  verteilt  sind  (gemischtes  System).  In  München  und 
Wien  baut  man  3  bezw.  6  geschossige  Korridorhäuser,  geht  also  in  die 
Höhe.  Auch  moderne  Krankenhäuser  wurden  in  den  letzten  Jahren 
im  reinen  Korridorsystem  gebaut. 

Die  Erfahrungen,  die  in  den  letzten  30  Jahren  auf  dem  Gebiet 
des  Krankenhausbaues  gewonnen  sind,  lehren,  dass  nur  durch  ein¬ 
mütiges  Zusammenwirken  von  Aerzten  und  Architekten  mustergültige 
Anstalten  geschaffen  werden. 

Andererseits  beweist  die  neueste  und  grassartigste  Schöpfung 
auf  diesem  Gebiet,  dass  die  architektonischen  Rücksichten  nicht  den 
Bau  beherrschen  dürfen,  sondern  die  hygienischen  Forderungen  als 
ausschlaggebend  voranzustellen  sind.  (Virchow-Krankenhaus  in 
Berlin!) 

Die  Rücksichten  auf  das  Wohl  der  Kranken  und  den  ärztlich- 
technischen  Betrieb  der  Anstalt  müssen  nicht  nur  die  Generalanlage 
der  Anstalt,  sondern  auch  die  Ausgestaltung  aller  einzelnen  Kranken¬ 
gebäude  bestimmen. 

Bei  Beachtung  dieser  grundsätzlichen  Forderungen  werden  die 
Anlagekosten  nicht  auf  eine  solche  Höhe  anwachsen.  wie  dies  bei  der 
Voranstellung  architektonischer  Wirkungen  zu  geschehen  pflegt, 
anderseits  nicht  unter  das  Mass  herabsinken,  das  vom  ärztlich-tech¬ 
nischen  Standpunkte  aus  gefordert  werden  muss.  Wirtschaftliche 
und  sozialpolitische  Erwägungen  verdienen  neben  den  hygienischen 
und  technischen  volle  Würdigung.  Die  Kosten  für  ein  Bett  sollten 
möglichst  6000  Mark  nicht  übersteigen. 

Die  Grösse  der  Anstalt  wird  in  erster  Linie  von  den  örtlichen 
f'orderungen  bestimmt.  Aus  den  verschiedensten  Gründen  ist  es  rat¬ 
sam,  1500  Krankenbetten  als  höchst  zulässige  Zahl  festzulegen. 
Welches  System  kann  nun  zurzeit  bei  Neuerrichtung  eines  Kranken¬ 
hauses  empfohlen  werden? 

Je  nach  der  Grösse  und  Aufgabe  der  Anstalt,  den  örtlichen  Be¬ 
dingungen  und  den  klimatischen  Verhältnissen  ist  die  Anlage  im  Pa¬ 
villon-,  Korridor-  oder  gemischten  Stil  zu  empfehlen.  Bei  allem  ist 
für  die  Schaffung  grosser,  schöner,  für  die  Patienten  leicht  erreich¬ 
barer  Gartenanlagen  Sorge  zu  tragen. 

Jedes  System  hat  seine  Licht-  und  Schattenseiten:  je  zerstreuter 
die  Anlage  der  einzelnen  Krankenhausbauten,  um  so  günstiger  die  all¬ 
gemeinen  hygienischen  Verhältnisse  für  die  Kranken,  insbesondere 
bezüglich  der  Vorbeugung  von  Hausinfektionen,  um  so  schwieriger 
und  kostspieliger  aber  auch  die  ärztliche  und  wirtschaftliche  Ver¬ 
sorgung.  Durch  die  Anlage  zweistöckiger  Pavillonbauten  wird  ein 
gewisser  Ausgleich  geboten. 

Das  Pavillonsystem  verdient  besonders  bei  grossen  Kranken- 
hausanlagen  den  Vorzug.  Aber  auch  bei  der  Pavillonanlage  wird  man 
für  manche  Krankengruppen  nicht  auf  Korridorhäuser  verzichten 
dürfen,  die  fiir  kleinere  Anstalten  am  zweckmässigsten  sind.  Augen-, 
Ohren-,  Halskranke,  Rheumatiker,  Nierenkranke  und  Deliranten  sind 
in  den  Korridorhäusern  weit  besser  aufgehoben,  wie  bpi  den  meist 
allzu  luftigen  und  aus  verschiedenen  anderen  Gründen  weniger  ge¬ 
eigneten  Pavillons. 


Kleinere  Krankenhäuser.  5 — 600  Betten,  können  sich  des  Korridor¬ 
systems  bedienen,  besonders  wenn  einige  Pavillons  für  Isolierung  zur 
Verfügung  stehen. 

Bei  dem  Generalplan  einer  Krankenhausanlage  sind  nicht 
nur  alle  hygienischen  und  ärztlich-technischen  Forderungen  zu  be¬ 
rücksichtigen,  soweit  sie  sich  auf  die  Trennung  der  Geschlechter,  der 
inneren,  chirurgischen  und  Infektionsabteilungen  und  die  Unter¬ 
bringung  des  HausDersonals  beziehen,  sondern  vor  allem  auch  durch 
die  Gruppierung  des  Operations-,  Röntgen-,  Turn-  und  Badehauses, 
sowie  der  Apotheke  und  Wirtschaftsgebäude  auf  das  sorgfältigste  zu 
überlegen,  damit  sie  von  den  Krankenstationen  leicht  erreicht  werden 
können,  und  die  wichtige  Frage  des  Speisetransports  bestmöglichst 
gelöst  wird. 

Während  alle  diese  Fragen  bei  kleineren  Pavillon-  und  den 
Korridoranstalten  nur  geringen  Schwierigkeiten  begegnen,  wachsen 
letztere  beträchtlich  mit  der  Grösse  der  Krankenhäuser,  die  in  reinem 
Pavillonstil  gebaut  sind. 

Diese  Schwierigkeiten  haben  zu  mancherlei  Auswegen  geführt. 
Man  hat  die  Zahl  der  Geschosse  auf  3  bis  4  vermehrt  oder  durch  lang¬ 
gestreckte  Pavillons  in  geringeren  Abständen  von  einander  oder  durch 
Verbindungsgänge  die  Mängel  der  Anlage  zu  beseitigen  gesucht.  Allen 
diesen  Auswegen  haften  aber  solche  Fehler  an,  dass  man  ihnen  nur 
mit  bestimmten  Einschränkungen  zustimmen  darf. 

Bei  der  Innen  anlage  der  verschiedenen  Anstaltsgebäude  ist 
der  übersichtlichen  Anordnung  der  Einzelräume,  den  Belichtungs-, 
Lüftungs-  und  Heizungsverhältnissen  die  grösste  Sorgfalt  zu  widmen. 
Labyrinthische  Gliederungen  sind  streng  zu  vermeiden.  Die  Anlage 
der  Wände,  Türen  und  Fussböden  verdient  grösste-  Sorgfalt.  Die 
Fenster  aller  Krankenräume  sind  möglichst  bis  zur  Decke  zu  führen 
und  nicht  nur  mit  grossen,  einen  freien  Ausblick  gestattenden  Fenster¬ 
flügeln,  sondern  auch  mit  Kippflügeln  zu  versehen.  Die  jetzt  bei  den 
Wohnhäusern  vielfach  beliebte  Butzenscheibeneinteilung  ist  zu  be¬ 
kämpfen.  Ausser  der  vom  Wartepersonal  leicht  zu  handhabenden 
Lüftung  mit  Kippflügeln  sind  die  sonst  üblichen  automatischen  Venti¬ 
lationsvorrichtungen  nicht  zu  umgehen.  Für  die  Heizung  kommen  nur 
zentrale  Anlagen  in  Betracht,  ebenso  für  die  elektrische  Beleuchtung. 

Während  einem  grossen  Teil  der  in  den  Korridorhäusern 
gelegenen  Krankenräumen  der  Nachteil  anhaftet,  dass  sie  bei  ent¬ 
sprechender  Tiefe  nicht  immer  genügend  zu  belichten  und  schwierig 
zu  lüften  sind,  auch  eine  zu  ausgiebige  Luftverbindung  zwischen  den 
einzelnen  Geschossen  und  den  zahlreichen  Einzelräumen  fast  unver¬ 
meidbar  ist,  bieten  die  P  a  v  i  1 1  o  n  anlagen  andere  Fehler,  die  zum 
Teil  zwar  vermieden  werden  können,  zum  Teil  dem  System  anhaften. 
Für  Augenkranke  sind  die  von  2  oder  gar  3  Seiten  belichteten  Pa¬ 
villons  nicht  brauchbar.  Rheumatismuskranke  sind  zu  viel  Zug  aus¬ 
gesetzt  u.  a.  m.  Die  übermässige  Grösse  der  Pavillonsäle  bedingt 
viele  Schattenseiten:  Infektionen  können  sich  einer  grösseren 
Krankenzahl  mitteilen,  die  Gemütlichkeit  fehlt,  unruhige,  in  sozialer 
Beziehung  ungünstige  Elemente  stören  30  und  mehr  Kranke  gleich¬ 
zeitig. 

Absonderungsräume  sind  daher  nötig  für  unruhige,  sterbende, 
übelriechende  und  vor  allem  für  infektionsverdächtige  Fälle.  Diese 
Räume  müssen  so  gelegen  sein,  dass  wenigstens  vorübergehend  eine 
wirkliche  Abtrennung  möglich  ist.  Auf  Kinderabteilungen  kann  man 
durch  verstellbare  Boxes  einen  Notbehelf  schaffen  —  besondere  Iso¬ 
lierzimmer  sind  vorzuziehen,  am  meisten  sind  kleine  Isolierpavillons 
zu  empfehlen. 

An  sonstigen  Nebenräumen  sind  ausser  guten  Wohnzimmern  für 
das  Pflegepersonal  hinreichend  grosse  Räume  für  Theeküchen,  An¬ 
staltswäsche-  und  Kleidermagazine  vorzusehen.  In  dieser  Beziehung 
sind  an  vielen  Orten  Fehler  gemacht. 

Auch  bei  den  Badezimmern  ist  auf  genügende  Grösse  Wert  zu 
legen:  Wascheinrichtungen  müssen  für  die  Aufpatienten  in  genügender 
Zahl  vorhanden  sein.  Die  Abortanlagen  sind  möglichst  gross  vor¬ 
zusehen.  Sie  dürfen  keine  Gerüche  in  die  Krankenräume  abgeben 
und  müssen  leicht  erreichbar  sein.  Ihre  Grösse  ist  so  zu  bemessen, 
dass  Auswurf.  Harn,  Erbrochenes  und  Stuhlentleerungen  bis  zur  ärzt¬ 
lichen  Besichtigung  aufbewahrt,  und.  die  betreffenden  Gefässe  daselbst 
leicht  gereinigt  werden  können.  Die  Anlage  von  besonderen  Des¬ 
infektionseinrichtungen  auf  den  Krankenstationen  für  die  Behandlung 
der  Wäsche,  des  Auswurfs  und  sonstiger  Entleerungen  von  Kranken 
ist  überflüssig  und  durchaus  nicht  wünschenswert. 

Für  die  von  den  Kranken  mitgebrachte  Kleidung  sind  besondere 
Gelasse  nötig.  Nur  für  kleinere  Anstalten  genügt  ein  zentraler  Auf¬ 
bewahrungsraum,  für  grosse  (mit  1000  und  mehr  Betten)  sind  viel¬ 
fache  Kammern  einer  zentralen  vorzuziehen. 

Wohl  aber  sind  tadellose  zentrale  Anlagen  für  die  Desinfektion 
der  verdächtigen  Kleidungsstücke,  der  infizierten  Wäsche  und  dergl. 
nötig,  während  die  Abwässer  der  Krankenstationen  am  zweck¬ 
mässigsten  in  Sielgrubenhäusern  desinfiziert  und  alle  festen  infektiösen 
Abfälle,  wie  gebrauchte  Verbandstoffe  usw.  in  eisernen  Behältern 
gesammelt  und  im  Verbrennungsofen  vernichtet  werden  müssen. 

Korreferent:  Baurat  E.  R  u  p  p  e  1  -  Hamburg. 

Für  die  hygienisch  einwandfreie  und  zweckmässige  bauliche  Ge¬ 
staltung  eines  modernen  Krankenhauses  kommen  vom  wirtschaftlich¬ 
technischen  Standpunkt  aus  folgende  wesentliche  Gesichtspunkte  in 
Betracht: 

Für  die  Gesamfgruppierung  der  einzelnen  Teile  eines  Kranken¬ 
hauses  gilt  als  Hauptgrundsatz:  möglichste  Trennung  aller  für  den 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2011 


eigentlichen  Krankendienst  bestimmten  Gebäude  oder  Räume  von 
allen  übrigen  Räumen  und  Nebenbetrieben,  scharfe  Trennung  der  In¬ 
fektionskranken  von  den  allgemeinen  Kranken  und  möglichste  Schei¬ 
dung  der  Kranken  nach  Geschlecht,  Krankheitsgattung,  Alter  usw. 

Wenn  auch  aus  allgemeinen  hygienischen  Rücksichten  eine  mög¬ 
lichste  Dezentralisierung  aller  Kranken  anzustreben  ist,  so  erscheint 
doch  aus  wirtschaftlichen  Gründen  bei  kleineren  und  mittleren  An¬ 
stalten  bis  zu  etwa  200  Betten  die  Vereinigung  in  einem  einheitlichen 
Bau  durchaus  zweckmässig  und  bei  Berücksichtigung  der  For¬ 
derungen  der  modernen  Gesundheitstechnik  auch  hygienisch  unbe¬ 
denklich.  Bei  grösseren  Anstalten  verdient  jedoch  das  Pavillon¬ 
system  jedenfalls  den  Vorzug. 

Bei  letzterem  sind  alle  Gebäude  übersichtlich,  zweckentsprechend 
und  den  freien  Luftströmungen  sowie  der  Sonne  gut  zugänglich, 
ausserdem  aber  derart  anzuordnen,  dass  die  einzelnen  Betriebe  sich 
nicht  gegenseitig  stören.  . 

Nach  der  Grundrissgestaltung  der  Krankengebäude  sind  3  Haupt- 
arten  zu  unterscheiden,  nämlich:  Korridorbauten,  Pavillonbauten  und 
kombinierte  Korridor-Pavillonbauten,  von  denen  jede  Art  für  sich 
bestimmte  Vorzüge  besitzt  und  daher  je  nach  dem  zu  erfüllenden 
Zweck  zur  Anwendung  zu  bringen  ist.  Jedenfalls  bieten  die  Pavillon¬ 
bauten  die  besten  hygienischen  Verhältnisse,  sie  haben  von  2  Seiten 
Luft  und  Licht,  Tagräume,  Theeküchen,  Bade-  und  Abortanlagen 
können  leicht  angefügt  werden.  Die  kombinierten  Korridor-Pavillon- 
bauten  sind  zu  empfehlen  für  Infektionsgebäude  wegen  der  grossen 
Erleichterung  der  Isolierung’.  Die  Einschaltung  fester  Brandmauern 

ist  jedoch  nötig.  „  ,  .  ,  „  ,  . 

Bei  der  grossen  Verschiedenheit  der  Bedürfnisse  und  Zwecke  in 
den  allgemeinen  Krankenhäusern  haben  sich,  in  Deutschland  wenig¬ 
stens,  stereotype  Grundrissformen  nicht  herausgebildet. 

Gegen  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Grundrissgestaltung  selbst 
sind  im  allgemeinen  solange  keine  Bedenken  zu  erheben,  als  die  For¬ 
derungen  der  Gesundheitstechnik  überall  befriedigend  erfüllt  werden. 

Die  Geschosszahl  der  Krankengebäude  soll  abgesehen  von  dem 
Kellergeschoss  aus  hygienischen  und  wirtschaftlichen  Gründen  mög¬ 
lichst  nicht  über  2  (Erdgeschoss  und  Obergeschoss)  hinausgehen,  wo¬ 
bei  es  keinem  Bedenken  unterliegt,  in  einem  3.  Stock  oder  ausgebauten 
Dachgeschoss  Wohnungen  für  Personal  und  sonstige  Räume  unter- 

ZUbrlBe? "der  Konstruktion  der  Krankengebäude  und  ihrer  baulichen 
Durchbildung  muss  als  Leitstern  dienen  die  möglichst  ausgiebige, 
direkte  Zuführung  von  Licht  und  Luft  zu  allen  Räumen,  sowie  mög¬ 
lichste  Erleichterung  der  Reinhaltung  der  Räume  und  zwar  nicht  nur 
aller  Bauteile  derselben,  sondern  auch  der  Luft  und  aller  Gegen¬ 


stände  in  ihnen.  .  . 

Alle  Konstruktionsmaterialien  müssen  leicht  reimgungsfahig  und 
desinfizierbar  sein;  besondere  Beachtung  verdienen  hierbei  die  Fuss- 
böden,  Wände  und  Decken,  auch  die  Gasleitungen,  Warm  wasser¬ 
körper.  In  neueren  Krankenanstalten  werden  daher  die  Heizflächen 
mit  Deckeln,  die  aufgeschraubt  werden,  völlig  abgeschlossen.  Bei  der 
Fussbodenbesprechung  weist  Referent  darauf  hin,  dass  ein  völlig  ein- 
wandsfreier  Fussboden  noch  nicht  gefunden  ist. 

Die  Desinfektion  von  Wäsche,  Fäkalien  usw.  sollte,  soweit  es 
sich  nicht  um  gemeingefährliche,  ansteckende  Krankheiten  handelt, 
aus  wirtschaftlichen,  praktischen  Gründen  nicht  dezentralisiert,  son¬ 
dern  möglichst  zentralisiert  werden,  durch  diese  Zentralisierung  wird 
eine  bessere  Desinfektion  gewährleistet,  als  wenn  sie  in  jedem 
Pavillon,  von  verschiedenen  Leuten  gehandhabt  wird. 

Für  die  Heizung,  Lüftung  und  Warmwasserbereitung  werden  am 
zweckmässigsten  zentrale  Anlagen  vorgesehen.  Am  besten  bewährt 
haben  sich  die  Niederdruckdampfheizungen  und  Warmwasser¬ 
heizungen,  auf  deren  gute,  sachgemässe  Herstellung  sowohl  im 
hygienischen  Interesse,  als  auch  im  Interesse  eines  ökonomischen  und 
durchaus  sicheren  Betriebes  das  grösste  Gewicht  zu  legen  ist,  grössere 
Krankenanstalten  brauchen  ein  besonderes  Kesselhaus  und  besondere 
Heizkanäle,  die  gut  zugänglich  sein  müssen,  jedoch  nicht  als  Passage 


benützt  werden  sollen. 

Für  die  Lüftung  der  Krankenräume  sind  zwar  die  überall  her¬ 
zustellenden  oberen  Kippflügel  der  Fenster  von  grosser  Bedeutung, 
für  eine  notwendige  ständig  wirkende  Ventilation  sind  jedoch  künst¬ 
liche  Lüftungseinrichtungen  nicht  zu  entbehren.  Von  diesen  ver¬ 
dient  die  Pulsionslüftung,  die  sich  allerdings  auch  am  teuersten  stellt, 
wegen  ihrer  jederzeit  sicheren,  beliebig  zu  regulierenden  Wirkung 
vor  allen  anderen  den  Vorzug,  zumal  dieselbe  auch  eine  Reinigung  der 
Luft  durch  Filter  und  dergleichen  gestattet. 


Einer  besonders  sorgfältigen  baulichen  Durchbildung  bedürfen 
die  Operationsräume  in  bezug  auf  leichte  Reinhaltung  und  Ausspritz- 
barkeit,  auf  reichliche,  reflexfreie  Lichtzuführung,  möglichst  reiner 
Frischluft;  die  Operationsräume  müssen  nach  Norden  gelegen  sein, 
Wände  und  Decken  sind  am  besten  zu  verglasen,  Wände  und  Fuss¬ 
boden  müssen  gut  durchheizbar  sein. 

Die  modernen  hydrotherapeutischen  Anlagen  erfordern  neben 
einem  allgemeinen  zentralen  Ruhe-  und  Ankleideraum  einen  grösseren 
Duscheraum  für  die  verschiedensten  Wasser-  und  Dampfduschen,  für 
ein  Bassinbad  usw.,  während  je  nach  Erfordernis  noch  weitere  Bade- 
einriohtungen,  Dampf-  und  Heissluftschwitzkästen,  elektrische  Licht¬ 
bäder,  Sand-,  Kohlensäure-,  Sol-,  Moor-,  elektrische  Lichtbäder,  per¬ 
manente  Wasserbetten,  und  dergleichen  auf  einzelne  Räume  zu  ver¬ 


teilen  sind;  der  meist  gemeinsame  Massageraum  ist  so  zu  anzuordnen, 
dass  er  allseits  leicht  zugänglich  ist. 

Alle  für  Badezwecke  dienenden  Räume  sind  besonders  wider¬ 
standsfähig  gegen  die  Einwirkungen  der  Feuchtigkeit,  des  Dampfes 
usw.  herzustellen. 

Die  Wirtschaftsräume  (Koch-  und  Waschküche)  sind  für  einen 
guten  Betrieb  mit  einer  gewissen  Weiträumigkeit  und  bereits  bei  der 
ersten  Anlage  schon  mit  Rücksicht  auf  spätere  Erweiterungen  hei  zu¬ 
stellen.  Neben  den  Dampfkocheinrichtungen  empfehlen  sich  für 
direkte  Feuerungen  Gasherde  und  Gasbratöfen.  In  grösseren  An¬ 
stalten  erweist  sich  oft  die  Verbindung  maschineller  Anlagen  mit  der 
Kesselanlage  zur  Erzeugung  von  Elektrizität  fiii  Licht-  und  Kiatt- 
zwecke,  zur  Eisbereitung,  zum  Betrieb  für  Pumpen  bei  einer  eigenen 
Wasserversorgung  und  zu  sonstigen  Zwecken  als  seht  wn  tschaftlich. 

Mit  Rücksicht  auf  die  nicht  unerheblichen  Kosten  moderner 
Krankenhausbauten  erscheint  im  Interesse  einer  gesunden  Weiter¬ 
entwicklung  des  Krankenhausbauwesens  und  einer  grosseren  Ver¬ 
breitung  desselben  auch  auf  kleinere,  weniger  finanzkräftige  Ge¬ 
meinden,  eine  strenge  Sparsamkeit  in  allen  Dingen,  die  dem  eigent¬ 
lichen  Zweck  nicht  dienen,  geboten,  jedoch  ohne  dass  die  hygienischen 
Forderungen  irgendwie  beeinträchtigt  werden. 

Zur  Sicherstellung  eines  glatten,  ordnungsmässigen  und  spar¬ 
samen  Betriebes  sind  die  vielgestaltigen  und  zum  Teil  komplizierten 
Einrichtungen  eines  Krankenhauses  so  zu  gestalten,  dass  sie  für  das 
Betriebspersonal  möglichst  leicht  verständlich  sind  und  lhie  Hand¬ 
habung  eine  über  ein  gewisses  Mass  hinausgehende  Muhe  und  Sorg¬ 
falt  nicht  erfordert.  Je  mehr  die  Fortschritte  der  Gesundheitstechnik 
diesem  wichtigen  wirtschaftlichen  Gesichtspunkt  Rechnung  tiagen, 
um  so  wertvoller  werden  sie  für  die  weitere  Entwicklung  des 
Y rnnkpnhausbauwesens  sein. 


S.  M. 


Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  Heidelberg. 

(M  edizinische  Sektion.) 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  30.  Juli  1907. 

Herr  Jordan:  Ueber  abdominelle  Exstirpation  des 
Rektum  (mit  Vorstellung  operierter  Fälle). 

Diskussion;  Herren  Schottländer,  Krehl  Jordan. 

Herr  R.  O.  Neumann:  Ueber  die  Weiterentwicklung  der 
Vogelmalariaparasiten  in  der  Stegomya  fasciata. 

Dem  Vortragenden  ist  es  nach  vielen  mühevollen  Ver¬ 
suchen  gelungen,  den  vollständigen  Entwicklungsgang  des 
Proteosoma  in  der  Stegomya  fasciata  zu  verfolgen  und  die 
weitere  Uebertragung  von  seiten  der  Stegomya  auf  Kanarien¬ 
vögel  zu  bewerkstelligen.  Es  ist  damit  zum  erstenmale  gezeigt, 
dass  aus  der  Familie  der  Culiciden  auch  die  Gelbfiebermücke 
Proteosoma  übertragen  kann.  Die  einzelnen  Entwicklungs¬ 
phasen  wurden  durch  zahlreiche  mikroskopische  Präparate 
erläutert.  Die  Arbeit  wird  in  der  Zeitschrift  für  Hygiene  und 
Infektionskrankheiten  ausführlich  erscheinen. 

Diskussion:  Herren  v.  Wasielewski,  Neu  mann 

Herr  Gorowitz:  Vitale  Darstellung  einer  Markscheiden¬ 
struktur  an  peripheren  Nerven. 

Im  Januar  1907*)  habe  ich  hingewiesen  auf  eine  mittels 

Lithionkarmin  vital  dargestellte  radiäre  und  netz¬ 
förmige  Struktur  der  Markscheide  peripherer 
Nerven.  Von  weiteren  Arbeiten  in  diesem  Sinne  ist  wohl  eine 
Klarstellung  des  Gegenstandes  zu  erhoffen,  wie  sie  bereits  von 
Spuler,  Ernst,  Fuchs  u.  a.  in  Angriff  genommen  wurde. 
So  hat  in  der  vorhergehenden  Sitzung  unseres  Vereins  Prof. 
Ernst  vom  „Radspeichenbau“  der  Markscheide  gesprochen 
und  die  Frage  nach  Präexistenz  oder  Artefakt  dieser  Struktur 
erörtert.  Heute  möchte  ich  die  Reihe  der  Beweise  für  die 
Präexistenz  fortsetzen. 

Die  von  Spuler,  Ernst,  Fuchs  und  mir  dargestellten 
Strukturen  dürfen  wohl  als  identisch  angesprochen  werden,  nur 
unterscheidet  sich  die  Darstellung:  die  erwähnten  Autoren  fär¬ 
ben  postmortal,  allerdings  auch  an  lebensfrisch  gewon¬ 
nenem  Material,  —  meine  Methode  ermöglicht  aber  die  Dar¬ 
stellung  der  Nervenstruktur  nicht  nur  am  fixierten  Präparat, 
sondern  auch  in  vivo,  im  Körper  selbst. 

Fröschen,  die  als  Untersuchungsobjekt  gewählt,  wurden 
Injektionen  von  3,5  Proz.  Lithionkarminlösung  in  den  Lymph- 
sack  gemacht.  Einige  Zeit  nach  Wiederholung  der  Ein¬ 
spritzungen  innerhalb  mehreren  Tagen  ist  es  mir  gelungen,  in 
der  möglichst  dünn  ausgezogenen  Zunge  die  Netzstruktur  zu 
beobachten. 

*)  Zentralbl.  f.  ^llg.  Pathol.  u.  pattjol.  Anat.,  XVIII.  Bd.,  No.  1. 
19077 


2012 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


Auch  an  lebensfrischen,  unfixierten  Zupfpräparaten  kommt 
die  Struktur  zum  Vorschein.  Dieser  Befund  spricht  sehr, 
glaube  ich,  für  die  Präexistenz  der  radiären  und  netzförmigen 
Struktur  der  Markscheide.  Der  Vergleich  der  Uebersichts-  und 
Schnittpräparate  ermöglicht  diese  Struktur  in  zwei  Kompo¬ 
nenten  zu  zerlegen,  in  demselben  Sinne  wie  es  Hugo  Fuchs 
getan:  Längs  der  Markscheide,  zwischen  derselben  und  der 
Schwann  sehen  Scheide  einerseits  und  zwischen  ihr  und  dem 
Achsenzylinder  anderseits  findet  sich  jeweils  ein  netzförmiges 
Ocriist  von  der  Struktur  und  Anordnung  des  Ewald- 
Kühn  e  sehen  Neuraceratingerüstes;  die  Knotenpunkte  der 
beiden  Netzwerke  sind  durch  Stäbchen  miteinander  verbunden 
—  E  r  n  s  t  s  „Radspeichen“. 

Die  Frage  der  Bedeutung  dieses  Ergebnisses  für  die  patho¬ 
logische  Anatomie  ist  bis  jetzt  noch  nicht  ausgearbeitet.  Einen 
Fingerzeig  in  diesem  Sinne  gibt  jedenfalls  u.  a.  auch  von  mir 
beobachtete  Veränderlichkeit  der  Radspeichen  und  des  Netzes 
unter  pathologischen  Bedingungen.  Als  Beispiel  sei  erwähnt: 
Bald  nach  der  Zerrung,  Durchschneidung  etc.  des  Nerven  tritt 
eine  Veränderung  in  der  Markscheide  im  Sinne  der  Lockerung 
bis  zum  vollständigen  Schwunde  der  Radspeichen  ein. 

Somit  ermutigt  das  bisherige  Resultat  dazu,  die  Unter¬ 
suchungen  in  erweitertem  Masse  auf  pathologisches  Material 
auszudehnen. 


Medizinische  Gesellschaft  in  Kiel. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  6.  Juli  1907 
im  Heinrich-Kinder-Krankenhaus. 

Herr  v.  Starck  stellt  zunächst  2  Kranke  vor,  welche  sich  be¬ 
reits  längere  Zeit  in  Behandlung  resp.  Beobachtung  der  medizinischen 
Poliklinik  befinden  und  ein  gewisses  Interesse  bieten. 

L  61  jähriger  Tischler,  bei  welchem  vor  3Vz  Jahren  die  Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose  auf  eine  Neubildung  der  Pleura  gestellt  wurde 
und  der  jetzt  gesund  und  arbeitsfähig  ist. 

Aus  gesunder  Familie  stammend  und  früher  nie  ernstlich  krank, 
wurde  er  Herbst  1903  von  Atembeschwerden  und  quälendem  Husten 
befallen,  die  nach  und  nach  Zunahmen  und  ihn  nötigten,  seine  Arbeit 
ganz  einzustellen  und  sich  in  Behandlung  der  Poliklinik  zu  begeben. 

Status  am  10.  XI.  03:  Mittelgrosser  Mann  in  mässigem  Er¬ 
nährungszustände.  Hautfarbe  im  allgemeinen  blass,  L'ippen  leicht 
zyanotisch.  Klage  über  heftige  Hustenanfälle  ohne  Auswurf.  Linke 
1  horaxhälfte  bleibt  bei  der  Atmung  stark  zurück;  Dämpfung  über  dem 
grösseren  Teil  derselben,  T  r  a  u  b  e  scher  Raum  verkleinert.  Stimm- 
fremitus  aufgehoben;  Atmungsgeräusch  sehr  leise.  Keine  Drüsen  in 
der  linken  Supraklavikulargrube  zu  fühlen;  rechte  Lunge  ganz 
frei;  ebenso  Herz  und  sonstige  Organe  ohne  Besonderheiten.  Urin 
ohne  A.  und  Z. 

Prob.epunktion  in  der  linken  Axillargegend:  ausgesprochen 
hämorrhagisches  Exsudat,  in  dessen  Sediment  vorwiegend  rote  Blut¬ 
körperchen,  einzelne  weisse  (darunter  einmal  eine  eosinophile  ge¬ 
sehen)  und  sehr  zahlreiche  Pleuraendothelien.  Dieselben  sind  teils 
einzeln,  teils  in  grossen  und  kleinen  Verbänden  vorhanden;  im  all¬ 
gemeinen  von  regelmässiger  Form  und  normaler  Färbfähigkeit; 
manche  Zellen  sind  aber  enorm  gross,  der  Kern  ist  ganz  an  die  Peri- 
plierie  gerückt  und  färbt  sich  schlecht,  das  Ganze  zu  einem  unbestimm- 
teil,  blassen  Gebilde  geworden.  Andere  Zellen  zeigen  das  Bild  fettiger 
Degeneration  oder  enthalten  grössere  und  kleinere  Vakuolen.  Deut¬ 
lich  Tumorelemente  werden  nicht  gefunden. 

Die  Diagnose  lautete  auf  Grund  der  allmählichen  Entwicklung  des 
Leidens,  des  Alters  des  Patienten,  der  Beschaffenheit  des  Exsudats, 
des  Befundes  so  zahlreicher  Endothelien,  und  in  zusammenhängenden 
Verbänden  in  demselben.^  sowie  des  Polymorphismus  und  der  De¬ 
genei  ationsfor  men  der  Zellen,  der  erheblichen  Atembehinderung 
(Starrheit  der  linken  Thoraxhälfte),  Manvel  eines  Anhaltspunktes  für 
I  uberkulose  und  einer  sonstigen  entzündlichen  Affektion  dahin,  dass 
wahrscheinlich  eine  Neubildung  der  Pleura,  und  zwar  ein 
Endotheliom  besteht. 

Die  Entleerung  von  300  ccm  Flüssigkeit  gab  dem  Patienten 
wesentliche  Erleichterung. 

Als  Medikament  wurde  Jodkali  3  mal  0,5  pro  die  gegeben. 

Der  weitere  Verlauf  gestaltete  sich  derart,  dass  die  Flüssigkeit 
sich  zunächst  immer  wieder  ansammelte,  so  dass  während  der  folgen¬ 
de.!1  3  Monate  noch  6  Punktionen  gemacht  werden  mussten.  Die 
1  liissigkeit  wurde  zuerst  dunkler,  schwärzlich  rot  bezw.  braunrot  und 
enthielt  regelmässig  sehr  zahlreiche  Endothelien.  Das  Allgemeinbefin¬ 
den  des  Patienten  verschlechterte  sich  nicht,  auch  traten  keine  ver¬ 
dächtigen  Drüsenschwellungen  auf.  die  Hustenanfälle  wechselten  an 
Intensität.  Weiterhin  wurde  das  Exsudat  wieder  heller  und  kehrte 
langsamer  wieder.  Patient  erhielt  darauf  als  Medikament  Natr. 
salicvlic.  Sein  Befinden  besserte  sich;  Ende  Februar  1904  wurde  die 
letzte  Punktion  gemacht.  Zwar  bestand  auch  nach  derselben  noch 


ausgesprochene  Atemnot  (Verdickung  und  Starrheit  der  Pleura?), 
aber  Patient  fühlte  sich  soviel  wohler,  dass  er  daran  dachte,  sich 
wieder  zu  beschäftigen.  Er  entzog  sich  auch  mehrere  Monate  der 
Beobachtung.  August  1904  erschien  er  wieder,  ganz  zufrieden  mit 
seiner  Gesundheit.  Sein  Körpergewicht,  welches  Ende  des  Jahres 
1903  122  Pfund  betrügen  hatte,  war  um  3  Pfund  gestiegen,  es  fand 
sich  über  dem  unteren  Teil  der  1.  Thoraxhälfte  h.  u.  noch  aus¬ 
gesprochene  Dämpfung  und  abgeschwächtes  Atmen;  die  Atembehinde- 
rung  war  aber  erheblich  geringer  als  früher  und  Hustenanfälle 
traten  kaum  noch  auf. 

Im  folgenden  Jahre  kam  Patient  wieder,  klagte  noch  über  Kurz¬ 
atmigkeit,  als  deren  Ursache  derselbe  Befund  erhoben  wurde,  wie 
ein  Jahr  früher;  das  Allgemeinbefinden  liess  aber  nichts  zu  wünschen 
übrig,  und  Patient  beschäftigte  sich  wieder  in  seinem  Beruf. 

Nach  und  nach  sind  dann  auch  die  letzten  Veränderungen  im  ' 
Bereich  der  1.  Thoraxhälfte  verschwunden,  so  dass  weder  durch 
Perkussion  und  Auskultation  noch  durch  die  Röntgenuntersuchung 
etwas  Abnormes  nachzu weisen  ist. 

Patient  arbeitet  wieder  wie  früher  und  ist  beschwerdefrei. 

Die  Diagnose  auf  eine  Neubildung  kann  nicht  richtig 'gewesen  sein. 
Es  bestand  aber  eine  hämorrhagische  Pleuritis  mit 
Abstossung  reichlicher,  zum  Teil  degenerierter 
E  n  d  o  t  h  e  Pi  e  n,  ein  Befund,  der  sowohl  gegen  entzündliche  Affek¬ 
tionen  als  gegen  Tuberkulose  spricht.  Die  Pleuraaffektion  entwickelt 
sich  allmählich  bei  einem  sonst  gesunden,  nicht  zu  Blutungen  neigen¬ 
den  Mann,  Ende  der  Fünfziger.  Eine  Neubildung  anzunehmen  lag 
derzeit  am  nächsten,  aber  der  Verlauf  hat  die  Gutartigkeit  der  Erkran¬ 
kung  bewiesen. 

2.  Einen  Fall  von  typischer  Akromegalie  (früher  beschrieben  in 
der  Kieler  Dissertation  von  F.  Meyer,  1894).  Bei  dem  jetzt 
61  jährigen  Mann  handelt  es  sich  um  die  gewöhnliche  chronische 
Form;  die  ersten  deutlichen  Symptome  liegen  ca.  21  Jahre  zurück. 

In  den  letzten  Jahren  hat  sich  eine  schwerere  Glykosurie  bei  dem 
Patienten  entwickelt. 

Die  Ursache  der  Krankheit  'ist  auch  im  Laufe  der  langen  Be¬ 
obachtung  dunkel  geblieben.  Symptome  eines  Hypophysistumors 
fehlen;  weder  bestehen  darauf  zu  beziehende  Gesichtsfeldstörungen 
(bitemporale  Amblyopie)  noch  ergibt  das  Röntgenbild  einen  deutlichen 
Schatten  in  der  Nähe  der  Sella  turcica,  Wie  ihn  Immelmann  in 
mehreren  Fällen  von  Akromegalie  nachweisen  konnte. 

v.  St.  macht  weiterhin  die  angemeldete  Mitteilung  über  Nieren¬ 
erkrankungen  im  Säuglingsalter.  (Wird  in  den  Mitteilungen  des 
Vereins  schleswig-holsteinischer  Aerzte  erscheinen.) 

Herr  Mixius:  Die  Albuminurie  im  Entwicklungsalter. 

Anschliessend  an  die  Krankengeschichte  eines  Falles  aus  der 
Klientel  des  Herrn  Prof.  v.  Starck  —  es  handelte  sich  um  Albu¬ 
minurie  bei  einem  jetzt  16  jährigen  jungen  Mann,  der  Offizier  wer¬ 
den  will  —  betont  der  Vortragende  die  ausserordentliche  Wichtigkeit 
der  Frage  nach  der  Prognose  einer  Albuminurie  für  den  Arzt,  von 
dem  die  Eltern  der  Kranken  ein  Urteil  für  die  Gegenwart  oder  für  die 
Zukunft  (Berufswahl  etc.)  verlangen.  In  England  z.  B.  wird  über  den 
erbrachten  Eiweissnachweis  sehr  streng  gedacht.  Nach  Dukes 
sind  Albuminuriker  von  Stellungen  bei  der  Armee,  Marine  und  im 
Zivildienst  ausgeschlossen.  Infolgedessen  sollen  10  Proz.  der  An¬ 
wärter  abgewiesen  werden.  Der  Vortragende  geht  auf  die  Leube- 
sche  Feststellung  der  physiologischen  Eiweissausscheidung  ein.  Bei 
jeder  Albuminurie,  die  mit  den  üblichen  Proben  des  klinischen  Labora¬ 
toriums  nachweisbar  ist,  hat  sich  der  Arzt  zu  fragen,  ob  es  sich  ledig¬ 
lich  um  eine  Albuminurie  oder  um  eine  anatomische  Veränderung  des 
Nierengewebes  handelt.  Von  den  Albuminurien  ist  eine  besonders 
hervorgehoben  und  als  eigene  Krankheit  hingestellt  worden  und 
mit  den  verschiedensten  Namen  bedacht  worden,  von  denen  der  von 
Heubner  gewählte  der  orthotischen  Albuminurie  der  gebräuch¬ 
lichste  ist.  Der  Vortragende  möchte  diese  Art  der  Albuminurie  nicht 
so  streng  wie  Heubner  von  den  anderen  im  Leube  sehen  Sinne 
physiologischen  Eiweissausscheidungen  trennen  und  hält  die  von 
Dukes  gewählte  Bezeichnung:  Albuminuria  adolescentiutn  für  zu¬ 
treffender.  Der  Prozentsatz  der  Albuminuriker  bei  Massenunter¬ 
suchungen  ist  allgemein  ziemlich  hoch  angegeben.  Der  Vortragende 
hat  280  Lehrlinge  der  Kaiserl.  Werft  zu  Kiel  im  Alter  von  15  bis 
18  Jahren  untersucht  und  bei  7.2  Proz.  von  ihnen  Albuminurie  ge¬ 
funden.  Wichtig  ist  bei  der  Urinuntersuchung  der  Nachweis  des  in 
der  Kälte  fällbaren  Eiweisskörpers.  Allerdings  kommt  ihm  nicht 
sichere  d.ifferentialdiagnostische  Bedeutung  gegen  Nephritis  zu.  wie 
Langstein  behauptet.  Bei  der  Hel  ler  sehen  Probe  bildet  er 
einen  zweiten,  meist  nebelartigen  Ring.  Vz— 1  cm  über  dem  bekannten 
Eiweissrinc.  bei  Ueberschichtung  über  verdünnter  Essigsäure  ent¬ 
steht  ein  Ring  an  der  Grenze  zwischen  Urin  und  Säure.  Nach  Be¬ 
sprechung  _  der  klinischen  Erscheinungen  der  Alb.  adolescent.  und 
der  über  sie  aufgestellten  Theorien,  nach  eingehender  Würdigung  der 
Debatte  über  orthot.  Alb.  in  der  Med.  Gesellsch.  zu  Berlin  und  Be¬ 
leuchtung  des  Heubner  sehen  Sektionsfalles  spricht  sich  der  Vor- 
tragervT  für  die  Existenz  einer  Albuminurie  im  Entwicklungsalter  aus, 
die  nichts  mit  einer  anatomischen  Nierenerkrankung  zu  tun  hat,  viel¬ 
mehr  wohl  vor  allem  auf  kardiovaskuläre  Störungen  zu  beziehen  ist. 
Allerdings  ist  wohl  zu  beachten,  dass  eine  schleichend  sich  ent¬ 
wickelnde  oder  ausklingende  chronische  Nephritis  auch  das  Bild  der 
Alb.  adolescent.  bieten  kann.  Hieraus  ergibt  sich  für  den  Arzt:  er 


Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIET. 


2013 


hat  durch  vielfache  Urinuntersuchungen,  bei  denen  das  Suchen  nach 
Zylindern  die  Hauptrolle  spielt,  und  durch  lange  Beobachtung  fest- 
zustellen,  ob  es  sich  nur  um  eine  Albuminurie  oder  um  Nephritis  in 
irgend  einem  Stadium  handelt.  Hierbei  ist  der  Nachweis  des  durch 
Essigsäure  in  der  Kälte  fällbaren  Eiweisskörpers  kein  sicheres  diffe¬ 
rentialdiagnostisches  Symptom,  aber  doch  ein  wichtiger  Fingerzeig, 
der  meist  auf  Albuminurie  ohne  Nephritis  hindeutet. 

Ist  Alb.  adolescent.  festgestellt,  so  kann  der  Arzt  eine  absolut 
günstige  Prognose  stellen  und  jeden  Beruf  für  den  Patienten  zu¬ 
lassen. 

Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  Juli  1 907. 

Vorsitzender :  Herr  Qoldschmidt. 

Herr  Neuberger  demonstriert:  1.  einen  Fall  von  Ulcus  rodens 
am  rechten  Auge,  der  bis  auf  einen  kleinen  Rest  mit  Röntgenstrahlen 
geheilt  wurde. 

2.  Einen  Fall  von  Lichen  ruber  universalis,  unter  Arsen  geheilt, 
dabei  Auftreten  ausgedehnter  Arsenmelanose. 

3.  Einen  Fall  von  Lichen  ruber  circumscriptus,  ebenfalls  mit  Arsen 
geheilt,  unter  umschriebener  Arsenmelanose  an  der  Stelle  des  Lichen 
ruber. 

Herr  Theodor  Schilling  spricht : 

1.  Ueber  ein  alveoläres  Osteosarkom  des  rechten  Oberarm¬ 
kopfes,  das  interessante  klinische  Erscheinungen  verursachte.  Eine 
Frau,  wegen  Herzleidens  in  Behandlung,  bat  um  ein  Zeugnis  darüber, 
dass  sie  den  rechten  Arm  nicht  hochheben  könne.  Sie  war  einer 
strafbaren  Handlung  angeklagt,  die  nach  ihrer  Aussage  diese  Be¬ 
wegung  des  Armes  zur  Voraussetzung  hatte.  Gelegentlich  einer 
vor  6  Jahren  bestehenden  Schwangerschaft  hatte  sie  sich  einen  Ge¬ 
lenkbruch  des  Oberarmkopfes  zugezogen,  dessen  Heilung  nur  langsam 
von  statten  ging.  Die  Untersuchung  ergab  denn  auch  eine  erhebliche 
aktive  und  passive  Bewegungsbeschränkung  des  Schultergelenkes  in 
sagittaler  wie  frontaler  Richtung.  Ferner  eine  messbare  Atrophie  der 
Muskulatur,  besonders  des  rechten  Oberarmes;  ausserdem  eine  deut¬ 
liche  Atrophie  der  Muskulatur  ober  und  unter  der  rechten  Schulter¬ 
blattgräte.  Die  Prüfung  der  elektrischen  Erregbarkeit  mit  beiden 
Stromesarten  ergab  sowohl  für  den  Bizeps  (galv.:  1,8  MA. 
rechts  gegen  0,9  MA.  links;  farad.:  3,3  RA.  rechts  gegen  2,4  links) 
wie  für  die  Mm.  supra-  und  infraspinatus  (galv.:  2,1  MA.  links 
gegen  6,5  rechts,  bezw.  7,0  links  gegen  8,0  rechts  und  farad.:  4,5  RA. 
links  gegen  5,4  rechts,  bezw.  4,5  links  gegen  5,5  rechts)  eine  deut¬ 
liche  Herabsetzung,  bei  blitzartigen  Zuckungen.  Vortr.  fasst  die  Atro¬ 
phie  des  Bizeps  als  Druckatrophie  auf,  bedingt  durch  eine  Läsion 
des  den  Bizeps  versorgenden  Musculo-iCiitaneus-Astes  durch  den 
Knochentumor,  während  er  den  Schwund  der  beiden  anderen  Muskeln 
als  durch  Inaktivitätsatrophie  bedingt  ansieht.  Die  Röntgenaufnahme 
ergab  ihm  das  wabenartige  Bild  eines  alveolären  Osteosarkoms  als 
Ursache  der  Störungen.  Ob  der  Tumor  schon  vor  der  vor  6  Jahren 
erfolgten  Fraktur  bestand  und  diese  begünstigte,  oder  ob  er  sich 
an  diese  anschloss,  bleibt  offen.  Die  Frau  wurde  vor  einem  halben 
Jahre  im  städtischen  Krankenhause  operiert  und  fühlt  sich  jetzt  wohl. 
Vortr.  weist  im  Anschluss  an  den  Fall  daraufhin,  wie  doch  auch  die 
Neurologie  hie  und  da  aus  Röntgenaufnahmen  Nutzen  ziehen  könne. 

2.  Ueber  ein  kindskopfgrosses  Osteosarkom  eines  Hundes,  von 
dem  er  ebenfalls  ein  Röntgenbild  zeigt.  Hier  sind  vom  Knochen  des 
Vorderarms  auf  der  Platte  im  Tumorgewebe  nur  winzige  kleine 
Schatten  zu  sehen.  Die  Autopsie  des  Hundes  ergab  in  der  Tumor¬ 
masse  nur  zahlreiche  kleinste  Knochenplättchen.  Interessant  ist  der 
Vergleich  der  Röntgenbilder  der  beiden  Fälle  . 

Herr  Port:  Trauma  und  Lungentuberkulose. 

M.  H.l  Ein  Zusammenhang  zwischen  Trauma  und  Lungentuber¬ 
kulose  wird  sich  im  allgemeinen  nur  schwer  feststellen  lassen  und 
die  Fälle,  in  welchen  die  Verhältnisse  wirklich  klar  liegen,  sind  recht 
selten. 

Einen  solchen  wohl  einwandsfreien  Fall  möchte  ich  Ihnen  im 
folgenden  mitteilen. 

Es  handelt  sich  um  einen  52  jährigen  Maschinisten,  welcher 
bisher  stets  gesund  war.  Am  20.  IV.  02  fiel  er  eine  Treppe  hinab 
und  erlitt  eine  Kontusion  der  linken  Körperseite.  Am  nächsten  Tag 
ging  er  zum  Arzt  und  klagte  über  Schmerzen  in  der  rechten  Seite 
beim  Atmen  und  daselbst  war  auch  leichtes  Reiben  zu  hören,  so 
dass  an  einen  Rippenbruch  gedacht  wurde.  Pat.  war  14  Tage  bett¬ 
lägerig,  dann  begann  er  zu  arbeiten,  fühlte  sich  aber  nicht  recht 
wohl  und  musste  nach  19  Tagen  die  Arbeit  wieder  einstellen  und 
nun  zeigte  sich  eine  ausgesprochene  Pleuritis  auf  der  rechten  Seite. 
Patient  erholte  sich  von  da  ab  nicht  mehr,  es  entwickelte  sich  eine 
Phthise,  an  welcher  Patient  nach  etwa  3  Jahren  starb. 

Auf  Grund  des  Gutachtens  des  behandelnden  Arztes  und  noch 
eines  zweiten  Arztes  derselben  Stadt  wurde  dem  Pat.  die  Unfallrente 
zugesprochen,  während  ein  drittes  Gutachten,  welches  die  Abweisung 
empfahl,  unberücksichtigt  blieb. 

Als  Pat.  gestorben  war,  wunde  auf  Anordnung  der  Berufsgenossen¬ 
schaft  die  Sektion  vorgenommen,  und  diese  ergab  den  Befund  einer 
weit  vorgeschrittenen  Lungentuberkulose  mit  stärkerem  Befallen¬ 


sein  der  rechten  Seite,  aber  gar  keine  Residuen  einer  früheren  Ver¬ 
letzung. 

Auf  Grund  dieses  Sektionsbefundes  verweigerte  die  Berufs¬ 
genossenschaft  die  Hinterbliebenenentschädigung. 

Die  Angehörigen  legten  Berufung  ein  und  das  Schiedsgericht 
verurteilte  auf  ein  Gutachten  von  Herrn  Kollegen  Weigel  hin  die 
Berufsgenossenschaft  zur  Zahlung. 

Die  Berufsgenossenschaft  brachte  nun  die  Sache  vor  das  Reichs¬ 
gericht  und  erholte  sich  ein  Gutachten  ihres  Vertrauensarztes,  welcher 
ausführte:  Schmerzen  und  Infraktion  einer  Rippe  der  rechten  Seite 
können  unmöglich  entstehen  durch  Fall  auf  die  linke  Seite,  es  muss 
hier  ein  Irrtum  des  behandelnden  Arztes  vorliegen.  Patient  habe  dann 
19  Tage  lang  gearbeitet  und  dann  sei  erst  die  Pleuritis  auf  der 
nichtverletzten  rechten  Seite  entstanden.  Dass  die  Pleuritis  und  damit 
die  ganze  Tuberkulose  mit  dem  Trauma  in  Zusammenhang  stehe,  ist 
ausgeschlossen:  1.  Weil  die  Zeit  zwischen  Unfall  und  Pleuritis  zu 
lang  ist,  2.weil  die  nichtverletzte  Seite  betroffen  ist,  so  dass  an 
eine  direkte  Verletzung  der  Lunge  etwa  durch  eine  Frakturspitze 
nicht  gedacht  werden  könne,  3.  weil  die  Sektion  gar  keine  Zeichen 
einer  stattgehabten  Verletzung  ergab. 

Die  Hinterbliebenen  wandten  sich  dann  an  mich  um  ein  Gut¬ 
achten  für  das  Reichsgericht. 

„  Zuerst  muss  festgestellt  werden,  wie  ein  Zusammenhang  zwischen 
Tuberkulose  und  Trauma  überhaupt  möglich  ist.  Dass  eine  völlig 
gesunde  Lunge  durch  eine  Kontusion  oder  auch  eine  direkte  Ver¬ 
letzung  mit  einem  spitzen  Rippenbruchende  tuberkulös  erkranke,  ist 
ganz  ausgeschlossen.  Wohl  aber  ist  es  denkbar,  dass  ein  altei  ab¬ 
gekapselter  Herd  dadurch  aufgestört  wird,  und  zwar  so,  dass  durch 
das  Zusammenpressen  womöglich  noch  bei  geschlossener  Stimmritze 
die  Luft  nicht  rasch  genug  entweichen  kann  und  so  die  Lunge 
platzt,  platzt  an  ihrer  schwächsten  Stelle,  eben  dem  abgekapselten 
Tuberkuloseherd.  So  wird  plötzlich  das  Tuberkulosegift  ausgesät. 
Es  ist  dabei  natürlich  ganz  gleichgültig,  auf  welcher  Seite  das  Trauma 
einwirkt  und  ob  es  so  stark  war,  dass  sich  nach  3  Jahren  bei  der 
Sektion  noch  Spuren  davon  finden. 

Der  scheinbare  Widerspruch  zwischen  dem  Unfallprotokoll  und 
dem  Befund  des  Arztes  erklärt  sich  so  leicht:  Der  a'bgekapselte  Herd 
sass  eben  rechts  und  deshalb  traten  auch  die  ersten  pleuritischen 
Erscheinungen  rechts  auf.  Das  vom  Arzte  gefundene  Reibegeräusch 
ist  vielleicht  auch  als  der  Beginn  der  anfänglich  trockenen  Pleuritis 
zu  deuten. 

Nachdem  der  Patient  den  doch  ziemlich  anstrengenden  Dienst  als 
Heizer  bis  zu  seinem  52.  Jahre  versah,  ohne  jemals  krank  gewesen 
zu  sein,  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  der  hypothetische  abge¬ 
kapselte  Tuberkuloseherd,  wohl  ohne  das  Trauma  auch  weiterhin 
keine  Erscheinungen  gemacht  hätte. 

Im  vorliegenden  Fall  schliesst  sich  die  Erkrankung  so  direkt 
an  die  Verletzung  an  und  nimmt  einen  so  unaufhaltsamen  Verlauf, 
dass  man  an  einem  Zusammenhang  wohl  nicht  zweifeln  kann. 

Ich  halte  denselben  vielmehr  für  einen  selten  klaren  Beweis  für 
das  tatsächliche  Vorkommen  einer  Lungentuberkulose  nach  Trauma. 


IV.  Landesversamlung  des  Bayer.  Medizinalbeamten¬ 
vereins  in  München 

am  12.  und  13.  Oktober  1907,  Saalbau  Hotel  Union,  Barerstrasse  7. 

Tagesordnung: 

Samstag,  den  12.  Oktober,  abends  5  Uhr:  Vorstandssitzung; 
abends  8  Uhr:  Gesellige  Vereinigung  zur  Begrüssung. 

Sonntag,  den  13.  Oktober,  vormittags  9  Uhr:  1.  Eröffnung  der 
Versammlung,  Geschäfts-  und  Kassabericht.  2.  Amtsarzt  und  Säug¬ 
lingssterblichkeit.  Ref. :  Dr.  Alfred  G  r  o  t  h  -  München.  3.  Der  amts¬ 
ärztliche  Dienst  im  Königreich  Bayern  (Reformvorschläge  zum  baye¬ 
rischen  Medizinalwesen).  Ref.:  Dr.  Karl  Becker-  München. 

Nach  Schluss  der  Versammlung  gemeinschaftliches  Essein 

Zu  dem  Begriissungsabend  und  dem  gemeinschaftlichen  Essen 
sind  auch  die  Damen  der  Teilnehmer  freundlichst  eingeladen. 

Mit  dem  Wunsche  und  in  der  Erwartung,  dass  die  Mitglieder 
sich  recht  zahlreich  beteiligen  werden,  zeichnet  für  die  Vorstand¬ 
schaft  des  Bayer.  Medizinalbeamtenvereins 

Dr.  An  ge  rer,  K.  Bezirksarzt,  Vorsitzender. 

Dr.  Hermann,  K-  Landgerichtsarzt,  Schriftführer. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Ueber  Lumbalanästhesie  nach  den  Erfahrungen  der 
Krankenanstalt  Sudenburg  berichtet  Mohr  mann  (Ther.  Monatsh. 
07,  7  u.  8).  Die  Erfahrungen  beziehen  sich  auf  85  Fälle.  Die  Aus¬ 
führung  der  Injektion  geschah  im  Wesentlichen  nach  den  von  Bier 
und  D  ö  n  i  t  z  aufgestellten  Grundsätzen.  Als  Anästhetikum  emp¬ 
fiehlt  M.  das  Novokain  in  10  proz.  Lösung.  Man  soll  von  demselben 
kleine  keimfreie  Mengen  vorrätig  halten  und  erst  vor  jedem  Gebrauch 
das  Suprarenin  zusetzen,  auf  je  1  ccm  3  Tropfen  Suprarenin  1  :  100U. 
Ein  Kubikzentimeter  von  dieser  Lösung  genügt  für  die  Anästhesien 
von  den  Spinae  abwärts. 


2014  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  40. 


Von  den  85  Kranken  zeigten  38  keinerlei  unangenehme  Folge¬ 
erscheinungen.  13  mal  zeigten  sich  leichte  Kopfschmerzen,  bisweilen 
mit  Erbrechen  oder  Uebelkeit,  4  mal  geringe  Kreuzschmerzen,  1  mal 
Kollaps,  6  mal  heftige,  bis  zu  mehreren  Wochen  andauernde  Kopf¬ 
schmerzen,  1  mal  heftige  Kopf-  und  Rückenschmerzen;  1  Fall  ging 
an  wahrscheinlich  metastatischer  Meningitis  zugrunde.  Einmal  traten 
wochenlange  Kopfschmerzen  und  eine  Abduzenslähmung  auf.  19 
Fälle  sind  nicht  sicher  kontrollierbar,  da  neben  der  Lumbalanästhesie 
Allgemeinnarkose  notwendig  wurde. 

Unter  den  85  Fällen  waren  13  Versager.  5  derselben  beruhten 
auf  technischen  Mängeln,  8  wahrscheinlich  auf  unwirksam  gewordenen 
Lösungen. 

M.  empfiehlt  die  Lumbalanästhesie:  1.  bei  voraussichtlich  langer 
Dauer  der  Operation,  2.  bei  kachektischen  und  dekrepiden  Patienten, 
3.  bei  vorgeschrittenen  Herz-  und  Lungenerkrankungen,  4.  beim 
Schock  nach  frischen  Verletzungen. 

Eine  absolute  Gegenanzeige  gegen  die  Lumbalanästhesie  bilden 
akute  und  chronische  Eiterungen  wegen  der  Gefahr  der  metastatischen 
Meningitis.  Kr. 

Die  Frage,  ob  Opium  Meteorismus  mache,  glaubt 
Drenkhahn  auf  Grund  vielfacher  Tatsachen  und  Ueberlegungen 
verneinen  zu  müssen  (Ther.  Monatsh.  8,  07).  Er  empfiehlt  es  daher 
als  unbedenklich  in  allen  Fällen  von  Appendizitis,  in  denen  man  nicht 
operieren  kann  oder  will. 

Nach  der  Auffassung  des  Ref.  verkennt  D.  den  Kernpunkt  der 
Frage,  ob  bei  der  Appendizitis  Opium  schädlich  ist  oder  nicht.  Nicht 
wegen  des  angeblichen  Meteorismus  soll  das  Opium  gemieden  werden, 
sondern  deswegen,  weil  es  durch  die  Schmerzbetäubung  eines  der 
wichtigsten  Krankheitssymptome  verdeckt.  Dass  unter  Opium¬ 
behandlung  die  schwersten  Appendizitiden  heilen  können,  soll  nicht 
bestritten  werden.  Das  hat  jeder  Praktiker  schon  erfahren.  Aber 
der  Verantwortlichkeit  bei  der  Opiumtherapie  muss  man  sich  stets 
bewusst  bleiben. 

Auch  dass  das  Opium  gelegentlich  den  Meteorismus  beseitigt, 
ist  eine  bekannte  Tatsache.  Bei  Darmverschluss  infolge  von  Karzinom 
ist  man  manchmal  durch  Opiumdarreichung  imstande,  die  Symptome 
des  Verschlusses  zum  Verschwinden  zu  bringen. 

Trotzdem  soll  man  das  Opium  nicht  als  ein  zweckmässiges  Mittel 
bei  der  Ileusbehandlung  ansehen.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  30.  September  1907. 

—  Der  Rücktritt  des  Ministerialdirektors  im  preuss.  Kultus¬ 
ministerium,  Dr.  Alt  hoff,  der  nun  zur  Tatsache  geworden  ist,  ist 
ein  auch  für  die  Medizin  bedeutsames  Ereignis.  Alt  hoff  hat  fast 
zwei  Jahrzehnte  hindurch  auf  das  preussische  Hochschulwesen  einen 
massgebenden  Einfluss  .ausgeübt.  Seinem  weiten  Blick  und  seiner 
Energie  verdankt  die  Wissenschaft  in  Preussen  die  reichste  För¬ 
derung.  Vor  allem  sind  es  der  grossartige  Neubau  der  Charitee,  das 
Institut  für  experimentelle  Therapie  in  Frankfurt  a.  M.,  die  Akademie 
in  Köln  und  Düsseldorf,  der  neue  botanische  Garten  in  Berlin,  an  deren 
grosszügige  Durchführung  ohne  Dr.  Althoffs  Einfluss  kaum  zu 
denken  gewesen  wäre.  An  der  Reform  der  ärztlichen  Prüfungs¬ 
ordnung,  am  Aufschwung  des  ärztlichen  Fortbildungswesens  hat 
A  1 1  h  o  f  f  den  wesentlichsten  Anteil.  Dass  A  1 1  h  o  f  f  bei  allen  seinen 
Massnahmen  stets  das  Beste  der  Sache  im  Auge  hatte,  wird  auch 
von  seinen  Gegnern  zugegeben;  aber  die  Wege,  die  er  einschlug, 
stiessen  oft  auf  Widerspruch.  Die  fast  gewalttätige  Art,  mit  der  er 
bei  Personalfragen  oft  über  die  Wünsche  der  Fakultät  hinwegging, 
erregten  in  Hochschulkreisen  eine  lebhafte  Erbitterung  gegen  ihn.  Es 
wäre  zu  wünschen,  dass  nach  Althoffs  Abgang  die  alte  Autonomie, 
die  ein  Charakteristikum  der  deutschen  Universitäten  ist,  wieder  in 
ihre  Rechte  treten  möge.  Dann  wird  man  Althoffs  Tätigkeit  ohne 
Einschränkung  als  einer  höchst  segensreichen  gedenken  können. 

Von  einem  hervorragenden  Hamburger  Kollegen  geht  uns 
nachstehende  Zuschrift  zu:  Hamburg,  den  23.  IX.  1907.  „Sollte  die 
Sache  von  kompetenter  Seite  bestätigt  werden,  so  wäre  Hamburg 
der  Schauplatz  einer  fundamentalen  naturwissenschaftlichen  Ent¬ 
deckung  geworden,  die  die  erste  Handelsstadt  des  deutschen  Reiches 
mit  einem  Schlage  in  die  erste  Reihe  der  wissenschaftlichen  Arbeits¬ 
stätten  der  ganzen  wissenschaftlichen  Welt  zu  rücken  geeignet  wäre. 
Diese  Entdeckung,  die  sich  bezieht  auf  die  Klassifikation  und  die 
Provenienz  der  Gärungs-,  Fäulnis-  und  Krankheitserreger  und  die 
geradezu  umstürzend  wirken  würde  auf  alle  bisherigen  Anschauungen, 
ist  hervorgegangen  aus  dem  staatlichen  hygienischen  Institute  Ham¬ 
burgs,  einer  noch  relativ  jungen  Anstalt,  die,  obwohl  erst  nach  der 
Cholerazeit  begründet,  sich  doch  schon  unter  ihrem  Leiter,  Professor 
Dun  bar,  zu  einer  Blüte  entfaltet  hat,  dass  sie  für  das  ganze  innere 
hygienische  und  wirtschaftliche  Leben  der  Stadt  ein  unentbehrlicher 
Faktor  geworden  ist.  Diesem  Leiter  des  hygienischen  Institutes, 
dessen  Berufung  in  eine  Zeit  fiel,  wo  die  wissenschaftlichen  Glaubens¬ 
bekenntnisse  eines  Koch  und  eines  Pettenkofer  scharf  auf  ein¬ 
ander  prallten,  ist  es  nach  ebenso  scharfsinniger,  wie  mühsamer  und 
konsequenter  Arbeit  gelungen,  unter  Anwendung  der  exaktesten 
Methoden  der  Reinkultur  aus  einer  chlorophyllhaltigen  Algenzelle, 


die  der  Familie  der  Palmellazeen  angehört,  nach  vielfachen  Ent¬ 
täuschungen  und  Irrwegen  in  einem  Zeiträume  von  nicht  weniger  als 
14  Jahren,  auf  bestimmten  Nährböden,  unter  bestimmten  Tempe¬ 
raturen  bei  verschiedenartigen  chemischen  Zusätzen,  deren  Einfluss 
nach  und  nach  gefunden  wurde,  sowohl  Hefe-  als  Schimmelpilze,  als 
sämtliche  Arten  von  Bakterien,  wie  Stäbchen,  Kokken,  Komma¬ 
bazillen,  Spirillen,  Sarzine  etc.  zu  züchten.  Reinkulturen  von  dieser 
einen  grünen  Algenzelle,  die  über  Jahre  steril  aufbewahrt  und  unver¬ 
ändert  geblieben  waren,  veränderten  sich  unter  den  oben  ange¬ 
deuteten  Bedingungen  und  Hessen  nach  Ablauf  von  5  Tagen  diese 
Tochterbildungen  austreten,  die  sofort  eine  eigene  Vermehrung  be¬ 
gannen.  Obwohl  D  u  n  b  a  r  alle  diese  Abkömmlinge  seiner  Algen¬ 
zelle  auf  geeigneten  Nährböden  weiter  zu  züchten  vermochte,  so  ist 
er  doch  äusserst  vorsichtig  in  der  Beurteilung  seiner  Funde  und  lässt 
die  Frage  der  Pathogenität  seiner  Bakterien  vor  der  Hand  vollständig  „ 
ausscheiden.  Er  beschränkt  sich  einzig  und  allein  in  dieser  Arbeit, 
die,  bei  R.  Oldenbourg,  München-Berlin  erschienen,  nur  60  Seiten 
umfasst  und  die  einfache,  schlichte,  aber  überzeugende  Sprache 
des  streng  wissenschaftlichen  Forschers  redet,  nur  auf  das  morpho¬ 
logische  Gebiet,  gibt  aber  die  umfassendsten  Belege  für  die  Sorgfalt, 
mit  der  er  sich  in  seiner  Technik  durch  Kontrolluntersuchungen  vor 
Täuschungen  zu  schützen  gesucht  hat.  Die  ungeschminkte  Darlegung 
aller  seiner  Untersuchungen,  auch  der  Misserfolge  in  den  Ergebnissen, 
kann  nur  das  Vertrauen  in  dieselben  erhöhen.  Wenn  man  ferner  sieht, 
wie  Dun  bar  über  das  H  o  r  a  z  ische  „Nonum  prematur  in  annum“ 
weit  hinausgegangen  ist,  und  wenn  man  die  zuverlässige  Arbeits¬ 
methode  des  Institutes  kennt,  aus  dem  diese  Kunde  kommt,  so  kann 
inan  nicht  anders,  als  die  Befunde  einer  Nachprüfung  für  durchaus 
wert  halten.  Würde  diese  positiv  ausfallen,  so  würde  eine  weite 
Perspektive  eröffnet  werden  in  das  noch  so  rätselhafte  Gebiet  der 
ätiologischen  Forschung.“ 

Wir  möchten  die  konditionale  Form,  in  welche  unser  Bericht¬ 
erstatter  seine  Mitteilung  kleidet,  noch  ganz  besonders  unterstreichen. 
Die  vermeintliche  Umzüchtung  von  Mikroorganismen  in  verwandte 
Formen  hat  sich  schon  so  oft  als  Täuschung  erwiesen,  dass  man 
auch  der  Dunbar  sehen  Entdeckung,  trotz  der  Garantie,  die  der 
wissenschaftliche  Ruf  dieses  Forschers  zu  bieten  scheint,  mit  der 
giössten  Vorsicht  und  Zurückhaltung  gegenübertreten  muss.  Dies 
um  so  mehr,  als  es  sich  hier  nicht  um  die  Umzüchtung  einer  Art 
in  eine  andere  verwandte  Art  handelt,  sondern  aus  einer  Stamm¬ 
zelle  die  allerverschiedensten  Organismen  herausgezüchtet  werden 
sollen.  Dies  widerspricht  so  sehr  dem,  was  man  nach  unseren  bis¬ 
herigen  wissenschaftlichen  Anschauungen  für  möglich  halten  kann, 
dass  wir  an  die  Dunbar  sehe  Entdeckung  erst  dann  glauben  werden, 
wenn  sie  eine  mehrfache  einwandfreie  Bestätigung  gefunden  hat. 

—  Unter  dem  Vorsitz  des  Staatsministers  Dr.  v.  Stadt  hat  sich 
ein  Komitee  gebildet,  das  einen  Aufruf  für  die  Begründung  einer 
„R  obert  Koch -  (Stiftung  zur  Bekämpfung  der  Tu¬ 
berkulose“  erlässt.  Die  Stiftung,  die  aus  Anlass  des  25  jährigen 
Gedenktages  der  Robert  K  o  c  h  sehen  Entdeckung  des  Tuberkel¬ 
bazillus  errichtet  und  somit  der  Erinnerung  an  die  grundlegende  Be¬ 
obachtung  für  die  Erforschung  der  gesamten  menschlichen  Infektions¬ 
krankheiten  gewidmet  wird,  stellt  sich,  abgesehen  von  der  Ehrung 
des  genialen  Forschers,  die  Aufgabe,  wissenschaftliche  Arbeiten  und 
damit  auch  praktische  Bestrebungen  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose 
aus  ihren  Mitteln  zu  unterstützen.  Bei  der  grossen  Zahl  von  Opfern, 
die  die  Tuberkulose  noch  immer  fordert  (in  Deutschland  allein  im 
Jahre  1905  rund  122  000),  muss  ein  solches  Werk  als  höchst  wertvoll 
anerkannt  werden,  und  eine  reichliche  Beisteuer  zur  Stiftung  von 
jedermann  aus  dem  Volke  ist  auf  das  lebhafteste  zu  wünschen.  Dem 
Komitee  gehören  u.  a.  Graf  v.  Posadowsky-Wehner,  Mini¬ 
sterialdirektor  Althoff,  der  Präsident  des  Kaiserl.  Gesundheits¬ 
amtes,  der  Generalstabsarzt  der  Armee,  der  Vize-Oberzermonien- 
meister  des  Kaisers  Kammerherr  v.  d.  Knesebeck,  I.  Leibarzt 
des  Kaisers  Generaloberarzt  Dr.  1 1  b  e  r  g,  der  bayerische  Gesandte 
in  Berlin,  die  Minister  des  Innern  aus  Sachsen,  Württemberg,  Baden, 
Hessen,  ferner  Oberpräsidenten,  Oberbürgermeister,  hervorragende 
Aerzte,  Industrielle  etc.  aus  allen  Teilen  des  Reiches  an.  —  Beiträge 
werden  an  das  Bankhaus  S.  Bleichröder,  Berlin,  Behrenstr.  63, 
erbeten.  Nähere  Auskunft  erteilt  der  Schriftführer  des  Komitees, 
Prof.  Dr.  J.  Schwalbe,  Herausgeber  der  Deutschen  med.  Wochen¬ 
schrift,  Berlin  W.  35. 

—  Errichtung  eines  Aerzteheims  in  Marienbad. 
Der  Marienbader  Aerzteverein  hat  auf  Anregung  seines  Mitgliedes 
Herrn  Dr.  Alois  Grimm  in  der  Sitzung  vom  9.  September  ein¬ 
stimmig  beschlossen,  ein  Aerzteheim  zu  errichten,  um  kranken,  er¬ 
müdeten,  erschöpften  und  überhaupt  kur-  und  erholungsbedürftigen 
Kollegen  den  Aufenthalt  in  Marienbad  mit  geringen  Kosten  zu  er¬ 
möglichen.  Es  wurde  beschlossen,  die  Institution  schon  in  der 
nächsten  Saison  1908  ins  Leben  treten  zu  lassen  und,  bevor  ein 
eigenes  Aerzteheim  errichtet  werden  kann,  provisorisch  den  Gästen 
Wohnungen  in  jenen  Häusern  zur  Verfügung  zu  stellen,  deren  Be¬ 
sitzer  Aerzte  sind.  Ein  Komitee,  bestehend  aus  den  Kollegen 
Grimm,  Stark  und  Zörkendörfer  wurde  eingesetzt  und  mit 
den  weiteren  Arbeiten  betraut.  Die  Mitglieder  dieses  Komitees  sind 
schon  jetzt  zur  Erteilung  von  Auskünften  jederzeit  gerne  bereit.  Die 
Institution,  welche  vorläufig  auf  die  Aerzte  der  österr.-ungar. 
Monarchie  und  Deutschlands  beschränkt  bleibt,  bietet  folgende  Bene- 
fizien:  Freie  Wohnung,  unentgeltliche  Bereitstellung  der  Bäder  und 


1.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2015 


sonstiger  Kurheilbehelfe,  Befreiung  von  der  Kurtaxe,  ln  Aussicht  ge¬ 
nommen  und  voraussichtlich  schon  1908  durchgeführt,  sind  ferner: 
Ermässigung  der  Speisepreise  in  erstklassigen  Restaurationen  gegen 
Vorweisung  ider  Gastkarte,  ermässigte  Theaterpreise,  unentgeltlicher 
Zutritt  bei  den  Veranstaltungen  des  Kurklubs  und  verschiedenen 
Konzerten  etc.  Es  dürfte  auf  diese  Weise  auch  jenen  Kollegen,  welche 
mit  Glücksgütern  weniger  gesegnet  sind,  der  Aufenthalt  in  Marienbad 
mit  geringen  Kosten  ermöglicht  werden.  Zu  Beginn  der  Saison 
werden  in  den  ärztlichen  Zeitungen  ausführliche  Prospekte  dieser 
vorläufigen  Mitteilung  nachfolgen. 

—  Am  25.  September  wurde  bei  Gelegenheit  des  „XIV.  Inter¬ 
nationalen  Kongresses  für  Hygiene  und  Demographie“  in  Berlin  zur 
Pflege  der  Schiffs-  und  Tropenhygiene  und  zur  gegenseitigen  An¬ 
regung  und  Unterstützung  in  der  Erforschung  tropenhygienischer 
Fragen  die  „Deutsche  tropen  medizinische  Gesell¬ 
schaft“  gegründet.  Zu  ihrem  Vorsitzenden  wurde  Geheimrat  Pro¬ 
fessor  Dr.  Bälz -Stuttgart  und  zum  Stellvertreter  Medizinalrat 
Professor  Dr.  N  o  c  h  t  -  Hamburg  gewählt.  Die  Geschäfte  des  Schrift¬ 
führers  wurden  Stabsarzt  Professor  Dr.  F  ü  1 1  e  b  o  r  n  - Hamburg 
übertragen,  Stellvertreter  Dr.  Mense  - Kassel.  Der  Beitritt  recht 
vieler  tropenmedizinisch  tätiger  Aerzte  ist  erwünscht.  Beitritts¬ 
gesuche  sind  an  Professor  Dr.  Fülleborn  (Tropenhygienisches 
Institut  Hamburg)  zu  richten. 

—  Die  Gemeinsamkeit  tropenhygienischer  Interessen  für  alle 
Nationen  und  der  gemeinsam  zu  führende  Kampf  gegen  die  schweren 
Seuchen  der  Tropen  führten  am  27.  September  zur  Gründung 
der  „Internationalen  tropenmedizinischen  Gesell¬ 
schaft“,  als  desen  Vorsitzender  der  Altmeister  der  Tropenmedizin 
Sir  Patrick  Ma  n  s  o  n  -  London  erwählt  wurde;  ihm  wurde  als 
Generalsekretär  und  Schatzmeister  Professor  N  u  1 1  a  1  -  Cambridge 
beigegeben.  Ein  Komitee  bestehend  aus  ie  2  Mitgliedern  aller  be¬ 
teiligten  Länder  (bis  'jetzt  Deutschland,  England,  Frankreich,  Ver¬ 
einigte  Staaten  von  Amerika,  Holland,  Belgien,  Griechenland,  Bra¬ 
silien)  wird  die  Organisation  der  internationalen  Vereinigung  aus¬ 
bauen. 

—  Am  14.  und  15.  September  wurdein  Dresden; — unter  sehr  grosser 
Beteiligung  nicht  bioss  aus  Deutschland,  sondern  auch  aus  Oesterreich- 
Ungarn,  der  Schweiz,  Russland,  Italien  —  die  konstituierende  Versamm¬ 
lung  der  Gesellschaft  Deutscher  Nervenärzte  abge¬ 
halten.  Ihre  Leitung  lag  in  den  Händen  von  Prof.  H.  Oppenheim- 
Berlin,  der  sich  um  ihr  Zustandekommen  die  grössten  Verdienste  er¬ 
worben  hat,  und  des  im  vorigen  Jahr  in  Stuttgart  gewählten  provi¬ 
sorischen  Vorstandes.  —  In  4  Sitzungen  wurde  die  überaus  reichhaltige 
und  interessante  Tagesordnung  erledigt.  In  der  ersten  Sitzung  wurde 
zunächst  der  Statutenentwurf  der  Gesellschaft  beraten  und  ange¬ 
nommen,  dann  der  definitive  Vorstand  für  die  nächsten  beiden  Jahre, 
der  erste  und  zweite  Vorsitzende  (Geheimrat  Erb-  Heidelberg  und 
Prof.  0  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin),  die  beiden  Schriftführer  und  fünf 
weitere  Vorstandsmitglieder  gewählt;  in  der  3.  Sitzung  wurden  als 
nächstjähriger  Versammlungsort  Heidelberg  (in  der  ersten 
Oktoberwoche)  und  zwei  Hauptthemata  für  die  nächstjährigen 
Referate  bestimmt. 

Der  wissenschaftliche  Teil  der  Versammlung  stand 
fast  ganz  unter  dem  Zeichen  der  Chirurgie  des  Nerven¬ 
systems:  hochinteressante  Referate  und  Vorträge  —  von  Prof. 
Fedor  K  r  a  u  s  e  -  Berlin  „Ueber  die  chirurgische  Therapie  der  Hirn¬ 
krankheiten  mit  Ausschluss  der  Tumoren“,  Prof.  N  e  i  s  s  e  r  -  Stettin 
„Ueber  Hirnpunktion“,  von  Prof.  B  r  u  n  s  -  Hannover  „Ueber  chirur¬ 
gische  Behandlung  der  Rückenmarksgeschwülste“,  von  Dr.  Cas- 
sirer-Berlin  „Ueber  die  Therapie  der  Erkrankungen  der  Cauda 
equina“,  von  Prof.  v.  E  i  s  e  1  b  e  r  g  und  Prof.  v.  Frankl-Hoch- 
wart-Wien  „Ueber  operative  Behandlung  von  Hypophysistumoren“, 
von  Dr.  N  o  n  n  e  -  Hamburg  „Ueber  Differentialdiagnose  des  Tumor 
cerebri“,  von  Dr.  Pfeifer-  Halle  „Diagnose  eines  Cysticercus 
cerebri  durch  Hirnpunktion“  u.  a.  m.,  mit  den  sich  daran  anschliessen¬ 
den  sehr  ausgiebigen  Diskussionen,  belebt  durch  zahlreiche  Pro¬ 
jektionsbilder,  Röntgenphotographien  etc.  füllten  die  ersten  3  Sitzungen 
fast  vollständig  aus.  Eine  Fülle  weiterer,  verschiedenartigster  Vor¬ 
träge  musste  deshalb  leider  in  etwas  abgekürzter  Form  erledigt 
werden.  —  Ein  belebtes  Festmahl  vereinigte  den  grössten  Teil  der 
Mitglieder  am  Abend  des  14.  September  im  Europäischen  Hof.  — 

Der  Gesamteindruck  ist  der,  dass  hiermit  eine  neue  wissen¬ 
schaftliche  Gesellschaft  begründet  ist,  die  einer  gesunden  und  viel¬ 
versprechenden  Entwicklung  entgegengeht.  —  Ein  ausführlicher  Be¬ 
richt  folgt. 

—  Die  VI.  internationale  Tuberkulosekonferenz 
hat  in  W  ien  in  den  Tagen  vom  19. — 21.  September  1.  J.  stattgefunden. 
Als  Präsidenten  des  österreichischen  Organisationskomitees  fungierten 
die  Hofräte  und  Professoren  v.  Schrötter  und  Weichsel- 
b  a  u  m,  welchen  3  Sekretäre  zur  Seite  standen.  Schon  am  Vortage, 
am  18.  September,  fand  eine  Sitzung  des  engeren  Rates  und  eine 
Kommissionssitzung  statt,  in  welcher  die  Regelung  der  internationalen 
Morbiditätsstatistik  und  die  Anzeigepflicht  beraten  wurden.  Abends 
war  Empfang  beim  Ehrenpräsidenten  des  österreichischen  Komitees 
und  Präsidenten  des  Hilfsvereins  für  Lungenkranke  Grafen  Dr.  L  a  - 
risch-Mönnich.  Am  19.  wurde  im  Festsaale  der  Universität 
die  Eröffnungsitzung  abgehalten.  Vertreter  fast  aller  Staaten,  die 
Vertreter  der  Behörden  und  einschlägigen  Anstalten  und  Institutionen, 
die  Mitglieder  der  Konferenz  und  zahlreiche  Gäste  waren  anwesend. 


Hofrat  v.  Schrötter  eröffnete  die  Konferenz  und  nach  ihm  hielt 
der  Minister  des  Innern  Freiherr  v.  Biene  rth  eine  längere  An¬ 
sprache,  in  welcher  er  den  Stand  der  Tuberkulosebekämpfung  in 
Oesterreich  darlegte.  Der  Minister  wies  u.  a.  auf  die  im  Stadium 
der  ernsten  Vorbereitung  befindlichen  Fragen  der  Wohnungsreform, 
sowie  der  Ausgestaltung  der  sozialen  Versicherung  hin,  welche 
ebenfalls  Voraussetzungen  eines  wirksamen  Schutzes  gegen  dieTuber- 
kulose  seien,  weil  die  Regierung  von  der  Ueberzeugung  durchdrungen 
ist,  dass  Hygiene  und  Sozialpolitik  in  engster  Wechselbeziehung 
stehen.  Weitere  Begrüssungreden  hielten  Prof.  L  a  n  d  o  u  z  y  -  Paris, 
der  Vizebürgermeister  Wiens,  sodann  Graf  Larisch-Mönnich, 
Geheimrat  Prof.  iFraenkeL  Berlin  u.  a.  Prof.  Weichselbaum 
erstattete  ein  einleitendes  Referat  zum  ersten  Punkte  der  Tages¬ 
ordnung:  „Ueber  die  Infektionswege  der  menschlichen  Tuberkulose“. 
Der  Vortrag  ist  in  der  aus  Anlass  dieser  Konferenz  erschienenen 
„Festnummer“  der  „Wiener  klinischen  Wochenschrift“  und  in  einer 
„Festschrift“,  welche  das  Präsidium  des  österreichischen  Organi¬ 
sationskomitees  den  Teilnehmern  überreichen  liess,  neben  anderen 
Arbeiten  über  Tuberkuloseforschung  vollinhaltlich  abgedruckt.  An 
den  Vortrag  Weichselbaums  schloss  sich  eine  lebhafte  Debatte, 
an  welcher  die  Geheimräte  und  Professoren  F  r  a  e  n  k  e  1  und  Orth, 
Dr.  Kuss,  Chefarzt  des  Sanatoriums  Villemin  zu  Angicourt,  Dr. 
Weber-  Berlin,  Dr.  Malm-  Christiania,  Dr.  R  a  v  e  n  e  1  -  Phila¬ 
delphia  und  Prof.  Landouzy  -  Paris  teilnahmen.  Die  Leitsätze 
dieser  und  anderer  Forscher  (Most-  Breslau,  Aufrecht  -  Magde¬ 
burg,  Sa  u  g  m  a  n  n  -  Vejlefjord  etc.)  lagen  ebenfalls  im  Drucke  vor. 
Abends,  fand  ein  Empfang  bei  Hofe  statt.  Der  Protektorstellvertreter 
Erzherzog  Franz  Salvator  hielt  in  Vertretung  des  Kaisers,  des  Pro¬ 
tektors  der  Konferenz,  einen  Cercle  ab,  bei  welcher  ihm  zahlreiche 
Mitglieder  vorgestellt  wurden,  mit  welchen  er  die  Ereignisse  der 
Konferenz  besprach.  Am  20.  September  tagte  die  Konferenz  im 
Sitzungssaale  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte.  Man  besprach  den 
2.  Punkt  der  Tagesordnung:  „Die  Anzeigepflicht  bei  der  Tuberkulose.“ 
Prof.  v.  Schrötter  erstattete  ein  eingehendes  Referat,  welches 
in  der  erwähnten  „Festnummer“  vorlag,  und  an  das  Referat  knüpfte 
sich  eine  längere  Diskussion.  Man  nahm  schliesslich  folgende  Re¬ 
solution  an:  „Die  Anzeigepflicht  ist  für  Todesfälle  an  Lungen-  und 
Kehlkopftuberkulose  und  beim  Wohnungswechsel  von  Tuberkulösen 
einzuführen.  Es  ist  anzustreben,  dass  sie  auch  für  Erkrankungen 
von  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulosefällen  zur  Durchführung  ge¬ 
lange.“  Die  Regelung  der  internationalen  Morbiditätsstatistik  und  die 
Frage  der  Heilstättenkosten  bildeten  weitere  Punkte  der  Tages¬ 
ordnung.  Es  wurde  schon  jetzt  die  Aufstellung  und  allgemeine  Be¬ 
folgung  eines  einfachen  Schemas  zur  Klassifikation  der  einzelnen 
Fälle  von  tuberkulöser  Erkrankung  gebilligt  und  hinsichtlich  der  Heil¬ 
stättenkosten,  wieder  nach  eingehender  Debatte,  der  Beschluss  ge¬ 
fasst:  „Es  möge  eine  Kommission  eingesetzt  werden,  welche  die 
Mindestforderungen  für  Volksheilstätten  in  hygienischer  und  wissen¬ 
schaftlicher  Beziehung  festzusetzen  habe.“  Der  nächste  Tuberkulose¬ 
kongress  wird  im  Jahre  1908  in  Washington  abgehalten  werden. 
Am  Abend  war  Empfang  im  Rathause.  Die  Schlussitzung  fand  am 
21.  September  im  grossen  Festsaale  der  Universität  statt.  Es  wurden 
zahlreiche  Vorträge  gehalten  und  über  den  Stand  der  Tuberkulose¬ 
bekämpfung  in  den  einzelnen  Ländern  von  mehreren  Delegierten 
referiert.  Geheimrat  Prof.  Fraenkel  schloss  um  12  Uhr  mittags 
die  Konferenz,  wonach  sich  mehrere  Teilnehmer  mit  ihren  Damen  zu 
einem  gemeinsamen  Diner  begaben,  welchem  die  Besichtigung  der 
Heilanstalt  Alland  bei  Baden  und  am  Abend  ein  Empfang  beim  Minister 
des  Inneren  folgten.  • —  Die  Regierung  hatte  den  Teilnehmern  der  Kon¬ 
ferenz  „die  Vorschriften  der  k.  k.  österreichischen  Behörden  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose“,  in  einem  kleinen  Werke  zusammen¬ 
gestellt,  überreichen  lassen.  Das  Werk  enthält  ein  Gutachten  des 
k.  k.  obersten  Sanitätsrates  aus  dem  Jahre  1902  (Massregeln  gegen 
die  Verbreitung  der  Tuberkulose  durch  die  Auswurfsstoffe  des 
Kranken),  sodann  zahlreiche  Erlässe  der  verschiedentlichen  Mini¬ 
sterien,  Verordnungen  mehrerer  Statthaltereien,  Landesregierungen, 
Landesschulräte,  Bezirkshauptmannschaften  etc.  betreffend  Mass¬ 
nahmen  gegen  die  Verbreitung  der  Tuberkulose.  Ferner  lagen  im 
Drucke  vor  die  Berichte  der  öffentlichen  Kinderheilanstalten  der  Stadt 
Wien  (Seehospiz  in  San  Pelagio  bei  Rovigno,  Franz  Josefs-Kinder¬ 
spital  in  Sulzbach  bei  Ischl)  für  das  Jahr  1906,  der  Jahresbericht  des 
Vereins  Säuglingsschutz,  der  jüngste  Rechenschaftsbericht  des  Ver¬ 
eins  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  Steiermark  (Heilstätte 
Hörgas),  der  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Landesvereins  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose  in  Mähren,  der  III.  Jahresbericht  des  Ver¬ 
eins  „Lupusheilstätte“  in  Wien,  der  Bericht  über  die  Tätigkeit  und  die 
Heilresultate  des  Kinderhospitals  der  Stadt  Wien  in  Bad  Hall  u.  a.  m. 

—  O österreichischer  Irrenärzte  tag.  Der  Verein 
für  Psychiatrie  und  Neurologie  in  Wien  veranstaltet  heuer  einen 
österreichischen  Irrenärztetag,  der  am  4.  und  5.  Oktober  1907  in  Wien 
stattfinden  wird.  Tagesordnung:  „Zum  gegenwärtigen  Stande 
der  Pflegerfrage“  (Ref.  Direktor  Dr.  S  t  a  r  1  i  n  g  e  r  -  Mauer-Oehling). 
„Aerzteaustausch  zwischen  Kliniken  und  Anstalten“  (Ref.  Hofrat  Prot. 
Dr.  v.  Wagne  r).  Direktor  Univ.-Prof.  Dr.  B.  Czumpelik  -  Prag: 
„Beitrag  zur  Symptomatologie  und  Verlauf  der  periodischen  Psy¬ 
chosen“  Prof.  Dr.  F.  Hartmann-Graz:  Thema  Vorbehalten. 
K.  u.  k.  Reg.-Arzt  Dr.  H.  Z  u  z  a  k  -  Tyrnau:  „Ueber  Beschäftigungs¬ 
therapie  in  der  öster. -ungar.  Militärirrenpflege“.  Dr.  G.  Bon- 
v  i  c  i  n  i  -  Tulln:  „Einiges  über  Alexie“  (mit  Demonstrationen).  Prof. 


2016 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


14.  W  i  n  t  e  r  s  t  e  i  n  e  r  -  Wien :  „Augenbefunde  bei  Psychosen“. 
Sekuudararzt  Dr.  H  o  1  u  b  -  Wien:  „Wir  und  die  Oeffentlichkeit“.  „Der 
Unzurechnungsfähigkeitsparagraph.  im  Strafgesetz“  (Ref.  Hofrat  Prof. 
Dr.  v.  Wagner).  Privatdozent  Assistent  Dr.  E.  R  a  i  m  a  n  n  -  Wien: 
„Homizide  Melancholiker“.  Assistent  Dr.  E.  S  tr  ans  k  y -Wien: 
„Ueber  Befunde  in  den  peripherischen  Nerven  bei  einigen  Geistes¬ 
krankheiten“.  Prof.  Dr.  E.  R  e  d  1  i  c  h  -  Wien.  Privatdozent  Dr.  A. 
Schüller- Wien,  Assistent  Dr.  O.  Pötzl-Wien:  Thema  Vor¬ 
behalten.  Primarius  Privatdozent  Dr.  A.  Pilcz-Wien:  „Zur  Lehre 
von  der  direkten  Heredität“. 

Wanderausstellung  über  den  Alkoholismus 
in  München.  Die  allgemeine  Besuchszeit  ist  nunmehr  täglich  von 
1 1  bis  1  und  von  6  bis  8  Uhr,  Sonntags  von  10  bis  4  Uhr.  Montags 
ist  die  Ausstellung  geschlossen. 

—  Die  von  der  medizinischen  E'akultät  zu  Breslau  veran¬ 
stalteten  E  o  r  t  b  i  1  d  u  n  g  s  k  u  r  s  e  für  Aerzte  (s.  Inserat  in  No.27, 
Umschlag  S.  7)  finden  statt  vom  10.  bis  26.  Oktober  inkl.  Anmeldungen 
werden  noch  entgegengenommen  von  dem  mitunterzeichneten  Prof. 
Uh  th  o  f  f,  Breslau  XVI,  Maxstr.  2,  welcher  auch  Vorlesungsplan  etc. 
auf  Verlangen  an  Interessenten  gelangen  lässt. 

—  Cholera.  Russland.  Nach  amtlichen  Ausweisen  sind  vom 
11.  bis  16.  September  in  ganz  Russland  837  Personen  an  der  Cholera 
erkrankt  und  422  gestorben  ;vom  4.  bis  10.  September  waren  1011  er¬ 
krankt  und  584  gestorben.  —  Straits  Settlements.  In  Singapore  wur¬ 
den  vom  15.  bis  20.  August  35  Cholerafälle  gemeldet. 

—  Pest.  Türkei.  Von  den  aus  Mytilene  gemeldeten  3  pest¬ 
verdächtigen  Krankheitsfällen  hat  sich  bei  der  bakteriologischen 
Untersuchung  nur  1  als  Pestfall  erwiesen.  —  Aegypten,  ln  der  Zeit 
vom  7.  bis  14.  September  sind  10  Erkrankungen  (und  3  Todesfälle) 
angezeigt  worden.  —  Britisch-Ostindien.  In  den  beiden  Wochen  vom 
28.  Juli  bis  10.  August  sind  in  ganz  Indien  1959  und  2545,  zusammen 
4504  Personen  an  der  Pest  gestorben;  an  Erkrankungen  wurden  2548 
und  3479,  zusammen  6027  gemeldet.  In  Kalkutta  starben  vom  4.  bis 
17.  August  11  Personen  an  der  Pest.  —  Mauritius.  Vom  5.  Juli  bis 
8.  August  wurden  2  Pestfälle  mit  tödlichem  Ausgange  gemeldet.  — 
Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  wurden  vom  24.  Juni  bis  18.  August  14 
Erkrankungen  und  3  Todesfälle  an  der  Pest  gemeldet. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  8.  bis 
14.  September  sind  25  Erkrankungen  (und  8  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  37.  Jahreswoche,  vom  8.  bis  14.  September  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Borbeck  mit  36,1,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  6,3  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Unterleibstyphus  in  Bromberg,  an  Keuchhusten 
in  Altenessen.  V.  d.  K-  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Dem  Privatdozenten  für  pathologische  Anatomie  an 
der  Berliner  Universität,  Prosektor  am  Städtischen  Krankenhause 
Moabit,  Stabsarzt  a.  D.  Dr.  med.  Max  Westenhöffer  wurde  der 
Professortitel  verliehen,  (hc.) 

Breslau.  Dr.  med.  Karl  Winkler,  erster  Assistent  bei 
Geheimrat  P  o  n  f  i  c  k  am  patholgoisch-anatomischen  Institut  und  seit 
1901  Privatdozent  für  pathologische  Anatomie  an  der  Universität 
Breslau  wurde  zum  Titularprofessor  ernannt,  (hc.) 

Halle  a.  S.  Zum  ausserordentlichen  Professor  wurde  der  Vor¬ 
stand  der  histologischen  Abteilung  am  anatomischen  Institut,  Privat¬ 
dozent  für  Anatomie  Prof.  Dr.  med.  Walther  Gebhardt  er¬ 
nannt.  (hc.) 

Köln  a.  Rh.  Zum  ausserordentlichen  Mitgliede  und  Dozenten 
für  innere  Medizin  an  der  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Köln 
wurde  der  Oberstabsarzt  und  dirigierende  Arzt  der  Tuberkulose¬ 
abteilung  Dr.  med.  Eranz  Dautwiz  ernannt,  und  vom  Kultusminister 
bestätigt,  (hc.) 

Nürnberg.  Die  Abhaltung  von  hygienischen  Kursen 
am  neugegründeten  K.  bayer.  Technikum  Nürnberg  wurde  dem  prakt. 
Arzte  Herrn  Dr.  Sigmund  Merkel  übertragen. 

Bologna.  Dr.  G.  Perna  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  Anatomie. 

Charkow.  Der  ausserordentliche  Professor  der  pathologischen 
Anatomie  Dr.  N.  Melnikow-Razwedenkow  wurde  zum 
ordentlichen  Professor  ernannt. 

Floren  z.  An  der  höheren  medizinischen  Schule  habilitierten 
sich  als  Privatdozenten  DDr.  L.  Picchi  (pathologische  Anatomie), 
G.  Guerrini  (allgemeine  Pathologie),  R.  Righetti  (Neurologie), 
G.  Caccia  (Kinderheilkunde),  E.  F  i  1  i  p  p  i  (Pharmakologie  und 
Materia  medica). 

G  e  n  u  a.  Dr.  G.  M  a  r  c  a  r  i  n  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  externe  Pathologie. 

Graz.  Der  Privatdozent  an  der  Universität  in  Wien  Dr.  Rudolf 
Matze  n  auer  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  für 
Dermatologie  und  Syphilis  an  der  Universität  in  Graz  ernannt.  — 
Der  I.  Assistent  der  chirurgischen  Universitätsklinik  Dr.  Josef  He  r  tl  e 
hat  sich  mit  einer  Probevorlesung  „Ueber  Lumbalanästhesie“  als 
Privatdozent  für  Chirurgie  habilitiert. 

Havanna.  Zu  Professoren  der  medizinischen  Fakultät  wurden 
ernannt  DDr.  R.  Menocal  (Dermatologie  und  Syphilis),  E.  Mar¬ 
ti  n  e  z  (Otologie  und  Laryngologie),  C.  Einlay  (Ophthalmologie). 

Lemberg.  Der  ehemalige  Professor  an  der  Universität  in 


I  Pisa  Dr.  Kasimir  Kwiatniewski  wurde  zum  ausserordentl.  Pro¬ 
fessor  der  vergleichenden  Anatomie  an  der  Universität  ernannt. 

Neapel.  An  Stelle  des  zurückgetretenen  Proi.  M.  O.  Mori- 
s  a  n  i  wurde  der  Professor  an  der  med.  Fakultät  zu  Catania  Dr.  G. 
M  i  r  a  n  d  a  zum  ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynä- 
|  kologie  ernannt. 

Palermo.  Als  Privatdozenten  habilitierten  sich  DDr.  B. 
Frisco  (Psychiatrie  und  Neurologie),  G.  Lanza  (Kinderheilkunde). 

Prag.  Als  Privatdozenten  an  der  deutschen  med.  Fakultät 
habilitierten  sich  DDr.  A.  Kraus  (Dermatologie  und  Syphilis).  H. 
Hilgenreiner  (Chirurgie). 

R  i  o  d  e  Janeiro.  Dr.  R.  L  e  i  t  a  o  da  Cunha  wurde  zum 
ausserordentlichen  Professor  der  Histologie,  Bakteriologie  und  patho¬ 
logischen  Anatomie  ernannt. 

Rom.  Dr.  C.  A.  C  r  i  s  p  o  1 1  i  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
für  interne  Pathologie. 

Wien.  Zum  ordentlichen  Professor  für  Ohrenheilkunde  und 
Vorstand  der  Universitätklinik  für  Ohrenkranke  in  Wien  wurde  an 
Stelle  von  Prof.  Dr.  Politzer  der  a.  o.  Professor  daselbst  Dr.  med. 
Viktor  Urbantschitsch  ernannt,  (hc.) 

(Todesfälle.) 

In  Jena  starb  am  22.  September  der  Direktor  der  Universitäts- 
Ohrenklinik,  ausserordentlicher  Professor  Hofrat  Dr.  Johann  Kessel. 

Berichtigung.  In  einem  Teil  der  Auflage  der  Nummer  39 
muss  es  in  dem  Artikel:  Kämmerer:  „Ueber  Opsonine  und 
Phagozytose  im  allgemeinen“  heissen:  Seite  1920,  1.  Spalte:  in  der 
30.  Zeile  von  oben,  statt  M  a  r  k  zellen  4,2  Proz. :  M  a  s  t  zellen 
4,2  Proz.;  in  der  10.  Zeile  von  unten  statt  M  a  r  k  zellen  unsicher: 
Mast  zellen  unsicher;  in  der  5.  Zeile  von  unten  statt  Die  Mark- 
•  zellengranula  konnte  . . . :  Die  Mast  zellengranula  konnte  . . . 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Frz.  Alfred  Piper,  approbiert  88, 
München. 

Verzogen:  Dr.  Andreas  Scheppach  von  Oettingen  nach 
Donauwörth. 


Korrespondenz. 

Eine  neue  Milchpumpe. 

Herr  Kaujpe  macht  darauf  aufmerksam  (Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1907,  S.  1738),  dass  eine  auf  seine  Milchpumpe  bezgl.  Angabe 
in  meiner  Publikation  „Ueber  die  Behandlung  der  angeborenen 
Lebensschwäche“  (Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  S.  1534)  nicht 
korrekt  ist.  In  der  Tat  wird  die  Milch  bei  dieser  Pumpe  nicht  „durch 
eine  mit  Gummistopfen  verschlossene  Oeffnung“  entleert,  sondern 
durch  eine  Oeffnung,  die  durch  einen  an  anderer  Stelle  mittelst 
Gummistopfen  fixierten  Glasstab  verschlossen  ist,  was  hiemit  richtig 
gestellt  sei. 

Dass  ich  die  Pumpe,  die  ich  sogleich  nach  Kampes  Veröffent¬ 
lichung  bezogen  habe,  in  ihrem  so  einfachen  Mechanismus  sinngemäss 
gebrauchte,  kann  wohl  nicht  ernstlich  in  Zweifel  gezogen  werden. 

Der  Zweck  der  Konstruktion  von  Kaupe  (das  Ausgiessen  der 
Milch  über  den  Brustansatz  hinweg  zu  vermeiden)  wäre  meines  Er¬ 
achtens  dadurch  einfacher  und  praktischer  zu  erreichen,  dass  man 
an  dem  Rezipienten  (der  durch  stärkere  Ausbuchtung  etwas  ge¬ 
räumiger  zu  machen  wäre)  an  einer  geeigneten  Stelle  einen  Ausguss 
mit  Glasstopfen  anbringt.  M.  Pfaundler. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  37.  Jahreswoche  vom  8.  bis  14.  September  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  8(11*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  4  (4),  Kindbettfieber  —  (1),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  ( — ),  Scharlach  1  (— ),  Masern  u.  Röteln  — (l),  Diphth.  u. 
Krupp  —  (4),  Keuchhusten  —  ( — Typhus  — ( — ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  ( — ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  —  (4),  Tuberkul.  d.  Lungen  21  (20),  Tuberkul.  and. 
Org.  6  (3),  Miliartuberkul.  1  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  6  (6), 
Influenza  —  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  2  (1),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  2  (2),  sonst.  Krankh.  derselb.  3  (2),  organ.  Herzleid.  13  (14), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  5  (6),  Gehirnschlag 
10  (4),  Geisteskranke  —  (3),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  6  (2),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  38  (30),  Krankh.  d.  Leber  3  (2),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  ( — ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (1),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  6  (1),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  19  (12), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  5  (2),  Selbstmord  1  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  ( — ),  Unglücksfälle  2  (6),  alle  übrig.  Krankh.  5  (1). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  173  (148).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  16,4  (14,0),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,3  (9,8). 


*)  Die  eingeklamnierten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Vprla^T  von  l  P  •  n n  In  München,  —  Druck  von  F.  Mübltbalpr«  Buch-  und  KnnstdnicVerei  A  O  .  München. 


Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6*— 7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

^  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Amulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/» — 1  Uhr*  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


f .  Hinekel, 

München. 


No.  41.  8.  Oktober  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Ueber  die  molekulare  und  ionenkonzentration  sowie 
über  die  Radioaktivität  der  Mineralwässer.*) 

Von  Professor  H.  S  t  r  a  u  s  s  in  Berlin. 

M.  H.!  Wenn  ich  einer  ehrenvollen  Aufforderung  des 
Zentralkomitees  des  zweiten  internationalen  Kongresses  für 
Physiotherapie  folge,  hier  ein  Referat  über  die  molekulare 
und  Ionenkonzentration  sowie  über  die  Radio¬ 
aktivität  der  Mineralwässer  zu  halten,  so  muss  ich  von 
vornherein  um  gütige  Nachsicht  bitten.  Denn  das,  was  ich  hier 
auszuführen  vermag,  kann  nach  Lage  der  Dinge  nur  lückenhaft 
sein  und  ist  vor  allem  weit  davon  entfernt,  zu  einem  ab¬ 
schliessenden  Urteil  über  die  hier  in  Rede  stehenden  Fragen 
zu  verhelfen.  Die  Bitte  um  eine  solche  Beurteilung  des  In¬ 
halts  meines  Vortrages  wird  nicht  wundernehmen,  wenn  wir 
bedenken,  dass  das  Gebiet,  von  dem  zu  sprechen  ich  hier  die 
Ehre  habe,  ein  erst  vor  kurzem  erschlossenes  Feld  darstellt, 
dessen  Früchte  trotz  der  emsigen  Arbeit,  welche  ihm  von  den 
verschiedensten  Seiten  gewidmet  worden  ist,  doch  noch  recht 
spärlich  und  zum  Teil  auch  noch  nicht  genügend  reif  sind. 
Ich  muss  dies  hier  mit  einem  besonderen  Bedauern  ausi- 
sprechen,  weil  kaum  ein  anderes  Gebiet  der  Therapie  zu  seiner 
Klärung  so  sehr  neuer,  mit  exakten  Methoden  ge¬ 
wonnener,  Tatsachen  bedarf,  als  gerade  das  hier 
interessierende.  Stehen  sich  doch  auf  dem  Gebiete  der  Bal- 
neodynamik  gläubiger  Positivismus  und  negierender 
Skeptizismus  an  gar  vielen  Stellen  so  schroff  gegenüber,  dass 
die  Gewinnung  einer  vermittelnden  Brücke  erst  durch  die  Er¬ 
schliessung  neuer  tatsächlicher  Befunde  möglich  er¬ 
scheint.  In  der  Tat  sind  Hoffnungen  nach  dieser  Richtung  in 
den  letzten  Jahren  durch  die  Fortschritte  der  physikali¬ 
schen  Chemie  geweckt  und  zu  einem  gewissen  Teil 
auch  erfüllt  worden.  Nicht  ohne  eine  gewisse  Resignation 
spreche  ich  hier  von  einer  nur  t  e  i  1  w  e  i  s  e  n  Erfüllung  unserer 
Wünsche.  Aber  trotzdem  möchte  ich  hierdurch  nicht  zu  einer 
geringschätzigen  Beurteilung  des  tatsächlich  Gewonnenen  ver¬ 
leiten.  Auf  einem  so  verwickelten  Gebiet,  wie  das  vorliegende 
es  ist,  sind  wir  auch  mit  bescheidenen  Erfolgen  der  Forschung 
zufrieden,  wenn  die  Ergebnisse  derselben  nur  sicher  sind. 

Für  die  Fortschritte  unserer  Kenntnisse  über  die  Zusammen¬ 
setzung  und  Wirkungsweise  der  Mineralwässer  war  kaum 
etwas  von  grösserer  Bedeutung,  als  die  Veränderung,  welche 
unsere  Anschauungen  über  die  Theorie  der  Lösungen 
in  den  letzten  Jahrzehnten  erfahren  haben.  Ist  doch  auf  diesem 
Gebiet  —  insbesondere  durch  die  Untersuchungen  von  van 
t’Hoff,  Arrhenius  u.  a.  —  ein  erheblicher  Wandel  ein- 
■  getreten,  der  von  nicht  geringem  Einfluss  auf  unsere  Vor¬ 
stellungen  über  die  Zusammensetzung  und  Wirkungsweise  der 
Mineralwässer  geworden  ist.  Durch  die  Ergebnisse  moderner 
physikalischer  Forschungen  wissen  wir,  dass  in  den  Lösungen 
ganz  erhebliche  Spaltungen,  Dissoziationen,  der  ein¬ 
zelnen  Atomkomplexe  stattfinden,  so  dass  die  Summe 
der  in  der  betreffenden  Lösung  vorhandenen 
Einzelteile  erheblich  grösser  ist,  als  der  mit 


*)  Referat,  dem  diesjährigen  2.  internationalen  Kongress  für 
Physiotherapie  zu  Rom  erstattet  (13.  bis  16.  Oktober). 

No.  41. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

chemischen  Methoden  gewonnenen  Salzana¬ 
lyse  entspricht.  So  sind  nach  Untersuchungen,  die  wir 
vorzugsweise  Koppe,  Hintz  und  Grünhut  u.  a.  ver¬ 
danken,  in  Mineralwässern  mittlerer  Konzentration  etwa 
80  Proz.  der  gelösten  Bestandteile  in  lonenform  und  nur  etwa 
20  Proz.  in  Form  von  Salzen  vorhanden.  Ein  derartiges  Ver¬ 
halten  der  Salze  in  Lösungen  muss  nach  einer  aprioristischen 
Ueberlegung  zu  ganz  anderen  Wirkungen  der  in  einem  Mineral¬ 
wasser  enthaltenen  Bestandteile  führen,  als  nach  der  Salz¬ 
berechnung  anzunehmen  ist.  Freilich  werden  unsere  Vor¬ 
stellungen  über  das  Anwendungsgebiet  der  einzelnen 
Wässer  durch  den  genannten  Wandel  in  der  Betrachtung  der 
einzelnen  Bestandteile  der  Mineralwässer  nicht  so  sehr  ver¬ 
ändert,  als  es  auf  den  ersten  Blick  scheinen  könnte,  denn  wir 
pflegen  bei  der  Mehrzahl  der  Mineralwässer  die  Wirkungen 
mehr  nach  empirischen  als  nach  streng  wissenschaftlichen 
Gesichtspunkten  zu  beurteilen.  Trotzdem  ist  die  Betrachtung 
der  Mineralwässer  nach  der  Ionenkonzentration  im 
Gegensatz  zur  Salzkonzentration  als  ein  grosser 
Fortschritt  zu  begrüssen,  dessen  Bedeutung  umso  klarer  wird, 
je  mehr  man  erwägt,  wie  früher  die  Dinge  für  die  Feststellung  der 
Salztabelle  lagen.  Für  die  Aufstellung  der  letzteren  ging  man 
bekanntlich  in  der  Weise  vor,  dass  man  Metalloxyde  und 
Säureanhydride  in  einem  Liter  Wasser  bestimmte  und  die  Salz¬ 
berechnung  entweder  nach  B  u  n  s  e  n  entsprechend  der  Lös¬ 
lichkeit  der  Salze  oder  nach  Fresenius  unter  vorzugs¬ 
weiser  Berücksichtigung  der  Stärke  der  Säuren  und  Basen 
vornahm  und  die  Löslichkeitseigenschaften  nur  nebenher  in 
Betracht  zog.  War  schon  hierdurch  die  Möglichkeit  gegeben, 
dass  der  chemische  Inhalt  von  ein  und  demselben  Wasser  von 
verschiedenen  Untersuchern  nicht  ganz  gleichartig  angegeben 
wurde,  so  kam  noch  eine  Reihe  anderer  für  die  Berechnung 
störender  Momente  hinzu.  So  war  speziell  bei  den  Bittersalz¬ 
quellen  der  Ausfall  der  Analyse  verschieden,  je  nachdem  die 
Berechnung  unter  Berücksichtigung  des  beim  Kochen  in  Lö¬ 
sung  bleibenden  Kalkes  erfolgte  oder  ob  nicht  gekocht  wurde. 
Mit  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeiten  und  in  der  unseren 
modernen  Auffassungen  durchaus  entsprechenden  Anschauung, 
dass  nicht  einzelne  bestimmte,  sondern  alle  theoretisch  denk¬ 
baren  Salzkombinationen  in  den  Mineralwässern  möglich  sind, 
empfahl  schon  vor  mehr  als  40  Jahren  Karl  T  han,  die  Salz- 
gruppierung  in  den  Analysen  ganz  aufzugeben  und  die  un¬ 
mittelbaren  e  i  n  z  e  1  n  e  n  Bestandteile  auf  der  Analyse  anzu¬ 
geben.  Than  bezweckte  also  damals  schon,  an  die  Stelle  von 
Möglichkeiten  tatsächliche  Feststellungen 
zu  setzen.  Allerdings  war  damals  die  Zeit  für  eine  erfolg¬ 
reiche  Durchführung  seiner,  wie  wir  heute  sagen  müssen, 
durchaus  richtigen  Bestrebungen  noch  nicht  günstig.  Fine 
systematische  Berechnung  im  Sinne  von  I  han  hat  eist  vor 
etwas  mehr  als  10  Jahren  Rosemann  für  die  Mineraltrink¬ 
quellen  Deutschlands  geliefert.  Rosemann  ist  hierdurch 
zum  Vorläufer  der  grosszügig  angelegten,  auf  der  Grundlage 
der  Ionenbetrachtung  durchgeführten  und  mit  graphischen  Aus¬ 
führungen  versehenen  Darstellung  der  deutschen  Mineral¬ 
quellen  geworden,  wie  sie  uns  durch  die  in  dem  deutschen 
Bäderbuch  niedergelegte  Arbeit  von  Hintz  geliefert  winde. 
In  dem  genannten  Buch,  das  für  lange  Zeit  als  grundlegendes 
Werk  auf  dem  vorliegenden  Gebiet  gelten  wird,  ist  neben  der 
Salztabelle  noch  eine  Ionentabelle  vorhanden,  welche  in  3 
Parallelspalten  für  jedes  Ion  die  Menge  in  dreierlei  Einheiten 


2018 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  41. 


angibt,  nämlich  in  Grammen,  in  Millimolen  und  in  Milligramm¬ 
äquivalenten.  Die  letztere  Angabe  dient  als  Grundlage  für  die 
graphische  Darstellung  und  damit  auch  als  Ausgangspunkt  für 
die  Neugruppierung  der  Mineralquellen.  Während  man  früher 
nach  dem  allgemein  chemischen  Charakter  der  Quellen  Wild¬ 
wässer,  alkalische,  erdige,  muriatische  und  Bitterquellen  unter¬ 
schied  und  mit  Rücksicht  auf  den  Gehalt  an  bestimmten  be¬ 
sonderen  Bestandteilen,  denen  man  eine  spezifische  Wirkung 
zuschrieb,  von  Eisen-,  Jod-  und  Schwefelquellen,  sowie  von 
Säuerlingen  gesprochen  hat,  haben  H  i  n  t  z  und  G  r  ü  n  h  u  t  als 
neues  Einteilungsprinzip  den  Gehalt  an  Ionen  benutzt  und  be¬ 
zeichnen  Wässer,  unter  deren  Anionen  die  Hydrokarbonat- 
Ionen  (HCO.t)  vorwalten,  als  alkalische  bezw.  erdige  Quellen;  als 
muriatische  Quellen  bezeichnen  sie  solche,  bei  welchen  die 
Chlor-Ionen  (CI)  vorherrschen  und  als  Bitterquellen  solche  mit 
hervorstechendem  Gehalt  an  Sulfationen  (SO«).  Der  Begriff 
„vorwalten“  bezieht  sich  dabei  nicht  in  jedem  einzelnen  Fall 
auf  die  Quantität.  Denn  es  gibt  auch  gelegentlich  Fälle,  in 
welchem  ein  Anion  an  Menge  hinter  einem  andern  zurück¬ 
tritt,  aber  es  dennoch  an  pharmakologischer  Bedeutung 
übertrifft.  Dann  wird  es  trotz  geringerer  Quantität  als  das  „vor¬ 
waltende“  und  für  die  Klassifikation  massgebende  ange¬ 
sehen.  Dies  trifft  z.  B.  für  das  Sulfat-Ion  bei  den  alkalisch- 
salinischen  Quellen  und  bei  den  Bitterquellen  zu. 

In  den  genannten  Hauptklassen  sind  wieder  je  nach 
den  Kationen,  welche  die  Anionen  begleiten,  Unterabteilungen 
aufgestellt.  So  nennt  man  „alkalische  Quellen“  solche  Wässer, 
welche  in  wesentlichen  Mengen  die  Ionen  des  Natriumhydro- 
karbonats  (NaHCOs)  enthalten,  „erdige  Quellen“  solche 
Wässer,  welche  die  Ionen  des  Kalziumhydrokarbonates 
[Ca(HCOs)]2  und  des  Magnesiumhydrokarbonates  [Mg(HCOs)]» 
enthalten,  „muriatische  Quellen“  im  engeren  Sinne  Wässer  mit 
Ionen  des  Natriumchlorid  (NaCl)  und  spricht  von  „erd- 
muriatischen  Quellen“,  wenn  neben  den  Ionen  des  Natrium¬ 
chlorids  (NaCl)  die  Ionen  des  Kalziumchlorid  (CaCE)  und 
Magnesiumchlorid  (MgCE)  vorhanden  sind,  von  „salinischen 
Quellen“  bei  Gegenwart  von  Ionen  des  Natriumsulfat  (Na2SO«), 
von  „sulfatischen  Quellen“  bei  Anwesenheit  von  Ionen  des 
Kalziumsulfat  (CaSO«)  und  von  „echten  Bitterquellen“,  wenn 
Ionen  des  Magnesiumsulfat  (MgSO«)  vorhanden  sind.  Eine 
weitere  Unterabteilung  ist  durch  den  grösseren  oder  ge¬ 
ringeren  Gehalt  an  freiem  Kohlendioxyd  bedingt  („Säuerlinge“). 

Die  Betrachtung  der  Mineralwässer  auf  Grund  der  mo¬ 
dernen  1  heorie  der  Lösungen  hat,  wie  bereits  erwähnt  ist, 
auch  zu  manchen  Aenderungen  unserer  Vorstellungen  über  die 
Wirkungsart  verschiedener  Mineralwässer  geführt. 
\\  enn  aber  auch  gerade  hier  manche  hochgespannte  Erwartung 
nicht  in  Erfüllung  gegangen  ist,  so  haben  wir  doch  durch 
die  Uebertragung  physikalisch-chemischer  Untersuchungs¬ 
methoden  auf  die  Erforschung  baineologischer  Fragen  auch 
hier  einiges  Neue  erfahren.  Insbesondere  sind  durch  An- 
wendung  der  Kryoskopie,  der  Feststellung  der  elektrischen 
Leitfähigkeit,  sowie  durch  die  Untersuchung  der  Beziehung  der 
molekularen  Konzentration  verschiedener  Lösungen  zum  Ver¬ 
halten  bestimmter  Körperfunktionen  einige  neue  Gesichtspunkte 
gewonnen  worden.  Bezüglich  der  Untersuchungs  m  e  t  h  o  d  e 
muss  aber  leider  hier  schon  bemerkt  werden,  dass  die  Ergeb¬ 
nisse  der  Kryoskopie  bei  Vorhandensein  von  freier 
COa  in  einem  Mineralwasser  nicht  immer  ganz  einwandsfrei 
sind.  Nach  Koppe,  dem  wir  die  erste  umfassende,  mit  mo¬ 
dernen  Methoden  ausgeführte  physikalisch-chemische  Analyse 
eines  Mineralwassers  verdanken  (Liebensteiner  Stahlwasser), 
lässt  sich  zwar  diese  Schwierigkeit  durch  bestimmte  Kunst¬ 
kniffe  bei  der  Entnahme  des  Wassers  und  bei  der  Ausführung 
der  Bestimmung  vermindern  oder  fast  ganz  vermeiden,  und 
Hamburger  hat  zur  Beseitigung  der  genannten  Fehler¬ 
quelle  empfohlen,  die  Gefrierpunktsbestimmung  in  einem  voll¬ 
kommen  geschlossenen  Gefäss  vorzunehmen,  indes  illustriert 
meines  Erachtens  doch  die  geringe  Anzahl  der  mit  besonderen 
Kautelen  untersuchten  Mineralwässer  (von  deutschen  Mineral¬ 
wässern  sind  meines  Wissens  ausser  dem  Liebensteiner  Stahl- 
v,  asser  nur  noch  der  Rhenser  Sprudel  und  der  grosse  Sprudel 
\°n  Neuenahr  [Hintz  und  G  r  ü  n  h  u  t]  untersucht)  in  be¬ 
sonderem  Grade  die  Schwierigkeiten  der  Methodik  der  Be¬ 
stimmung  der  molekularen  Konzentration  bei  Gegenwart  von 


freier  CO2  in  einem  Mineralwasser.  Ich  selbst  habe  vor  einer 
Reihe  von  Jahren  teils  allein,  teils  in  Gemeinschaft  mit  Herrn 
Dr.  v.  K  o  s  t  k  e  w  i  c  z  die  molekulare  Konzentration  einer 
grossen  Reihe  von  Mineralwässern  mittelst  der  Methode  der 
Gefrierpunktsbestimmung  —  allerdings  ohne  Anwendung  spe¬ 
zieller  Kautelen  —  untersucht  und  halte  die  s.  Zt.  gewonnenen 
Ergebnisse  immerhin  für  die  Beurteilung  bestimmter  Fragen  für 
verwendbar.  Wenigstens  scheinen  mir  die  betreffenden  Be¬ 
funde  für  die  Beurteilung  der  physiologischen  Seite 
der  Frage  zum  mindesten  eine  orientierende  Bedeutung 
zu  besitzen,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  während  der  Zeit, 
die  gewöhnlich  zum  Trinken  eines  bestimmten  Quantums  von 
Mineralwasser  verwandt  wird,  doch  meist  auch  ein  mehr  oder  * 
weniger  grosser  Teil  der  frei  gewordenen  CO2  verpufft.  Auch 
bei  meinen  Untersuchungen  hat  sich  eine  Inkongruenz  zwischen 
der  durch  Kryoskopie  festgestellten  molekularen  Konzentration 
und  der  Konzentration  ergeben,  die  nach  dem  Befund  an  fixen 
Bestandteilen  zu  erwarten  gewesen  wäre. 

Leider  liegen  aber  bei  Mineralwässern  die  Dinge 
mellt  so  durchsichtig,  wie  bei  Lösungen  einer 
einzigen  Substanz,  denn  bei  der  gleichzeitigen  Gegen¬ 
wart  mehrerer  Salze,  wie  wir  sie  in  den  Mineralwässern 
finden,  wird  die  Dissoziation  eines  jeden  einzelnen  von  den 
anderen  Salzen  nicht  unwesentlich  beeinflusst.  Das  ist  u.  a. 
auch  in  den  schönen  Untersuchungen  von  H  i  s  und  Paul  über 
die  Löslichkeit  der  Harnsäure  zu  sehen  gewesen.  Während 
sich  das  harnsaure  Natrium  in  Wasser  von  Zimmertemperatur 
in  einem  bestimmten  Verhältnis  löste,  war  die  Löslichkeit  dieses 
Salzes  in  einer  physiologischen  Kochsalzlösung  erheblich  ge¬ 
ringer,  weil  die  Dissoziation  des  Natriumurates  durch  die 
Natriumionen  des  Kochsalzes  vermindert  wurde.  Trotzdem 
also  die  Ionentheorie  uns  für  die  allgemeine  Betrachtung 
der  Wirkung  von  Mineralwässern  erheblich  weiter  gebracht 
hat,  liegen  die  Dinge  für  die  Betrachtung  des  einzelnen 
Falles  doch  noch  recht  kompliziert.  Immerhin  sind  aber  für 
2  Auffassungen  durch  die  moderne  Betrachtungsweise  neue 
Stützen  geschaffen  worden:  1.  wurde  durch  sie  die  Ueber- 
zeugung  gefestigt,  dass  künstliche  Mineralwässer  in  ihrer 
feineren  Zusammensetzung  nie  mit  derjenigen  der  natür¬ 
lichen  Mineralwasser  verglichen  werden  können  und 
2.  mussten  die  neuen  Forschungen  denjenigen  zu  denken  geben, 
die  immer  noch  glauben,  dass  die  Wirkung  eines  bestimmten 
Salzes  proportional  der  Konzentration  seiner  Lösung  sei,  bezw. 
erst  von  einem  gewissen,  nicht  zu  niedrig  liegenden,  Konzen¬ 
trationsgrad  an  in  die  Erscheinung  tritt.  Wissen  wir  doch 
schon  aus  der  Chemie  bezw.  physiologischen  Chemie,  dass  ein 
Stoff  zuweilen  in  grosser  Verdünnung  stärker  wirken  kann,  als 
in  starker  Konzentration.  So  äussert  beispielsweise  das 
Merkaptan  in  starker  Konzentration  auf  unsere  Geruchsnerven 
eine  erheblich  geringere  Einwirkung  als  in  hoher  Verdünnung. 
Die  Kompliziertheit  der  Beziehungen  zwischen  der  physi¬ 
kalisch-chemischen  Konstitution  eines  Mineralwassers  und 
seiner  biologischen  Wirkung  erfordert  aber  zur  Zeit  noch 
sehr  grosse  Reserve  im  Urteil,  sodass  vorerst 
nur  grobe  Fragen  auf  dem-  vorliegenden  Ge¬ 
biet  einer  Diskussion  zugänglich  sind. 

Von  solchen  Fragen  habe  ich  selbst  die  Einwirkung  ver¬ 
schiedener  molekularer  Konzentrationen  einer  Lösung  auf  die 
Funktionen  des  Magens,  sowie  auf  das  osmotische  Verhalten  des 
Blutserums  zu  studieren  versucht.  Meine  an  Menschen 
ausgeführten  Untersuchungen  ergaben  hiebei,  dass  der  Magen 
die  I  endenz  hat,  seinen  Inhalt  auf  einen  osmotischen  Druck  ein¬ 
zustellen,  der  meist  unterhalb  von  demjenigen  des  Blutes  ge¬ 
legen  ist,  während  er  Lösungen,  die  sich  unterhalb  der  be-, 
treffenden  Zone,  —  ich  habe  die  betreffende  Zone,  (D)  die  sich 
zwischen  — 0,36°  und  — 0,48°  und  in  seltenen  Fällen  zwischen 
—  0,32°  und  — 0,55°  bewegt,  Zone  der  Gastroisotonie  ge¬ 
nannt,  —  bis  in  die  Nähe  der  Gastroisotonie  zu  verdichten  sucht. 
Eine  ganze  Reihe  von  Autoren  hat  sich  auch  auf  tierexperi¬ 
mentellem  Wege  mit  der  vorliegenden  Frage  beschäftigt, 
so  z.  B.  Pfeiffer  und  Sommer,  Bönninger,  Bickel,  Otto, 
Sasaki,  Schloss  u.  a.  Die  betreffenden  Versuche  fielen  zwar 
nicht  immer  im  gleichen  Sinne  aus,  wie  meine  am  Menschen  er¬ 
hobenen  Befunde.  Ein  nicht  geringer  Teil  der  Unterschiede  ist 
aber  sicher  darauf  zurückzuführen,  dass  die  Versuchsanord- 


8.  Oktober  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2019 


nung  der  verschiedenen  Antoren  nicht  nur  unter  sich  differierte, 
sondern  auch  in  vielen  Punkten  von  der  von  mir  befolgten 
abwich.  Auch  für  eine  Reihe  von  am  Menschen  aus¬ 
geführten  Versuchen  so  z.  B.  für  diejenigen  von  Umber, 
v  Rzentowski  u.  a.  gilt  das  zuletzt  Gesagte. 

Hinsichtlich  der  Beziehungen  des  osmotischen  Drucks 
eines  Mineralwassers  zum  Verhalten  der  Motilität  des 
Magens  haben  meine  Untersuchungen  ergeben,  dass  eine  Lö¬ 
sung  von  hoher  Konzentration  ceteris  paribus  länger  im 
Magen  verweilt,  als  eine  gleichartige  Lösung  von  nied¬ 
rigerer  Konzentration.  Es  ist  dabei  allerdings  auf  das  Wort 
.gleichartig“  der  Nachdruck  zu  legen,  da  für  die  vor¬ 
liegende  Frage  ausser  der  physikalisch-chemischen  Beschaffen- 
heit  der  Lösung  noch  ihr  rein  chemischer  Charakter  von 
hoher  Bedeutung  ist.  Auch  bezüglich  der  Einwirkung  von 
Mineralwässern  auf  den  Dar  m  müssen  die  rein  chemischen 
Eigenschaften  ebenso  berücksichtigt  werden,  wie  die  physi¬ 
kalisch-chemische  Konstitution  der  Lösung.  Immerhin  haben 
die  modernen  Untersuchungen  auch  Anhaltspunkte  für  die 
Richtigkeit  der  schon  früher,  so  u.  a.  schon  von  L  i  e  b  i  g,  ge- 
äusserten  Auffassung  abgegeben,  dass  Lösungen  von  hoher 
molekularer  Konzentration  geeignet  sind,  einen  Flüssigkeits¬ 
strom  von  der  Darmwand  in  das  Darmlumen  zu  erzeugen. 

Die  molekulare  Konzentration  der  Galle  lässt  sich  durch 
Verabreichung  von  Mineralwässern  anscheinend  kaum  beein¬ 
flussen.  Wenigstens  hat  B  o  n  a  n  n  i  bei  einem  Gallenfistel¬ 
träger  durch  Verabreichung  von  Tamerici-  und  Fiuggiwasser 
eine  nur  geringfügige  Aenderung  der  molekularen  Konzentra¬ 
tion  der  aus  der  Fistel  kommenden  Galle  erzeugen  können  und 
ich  selbst  habe  in  zahlreichen  Versuchen  eine  alimentäre  Be- 
einflussbarkeit  der  molekularen  Konzentration  der  mensch¬ 
lichen  Galle  vöilig  vermisst. 

Was  die  Einwirkung  der  molekularen  Konzentration  von 
Mineralwässern  auf  das  Blut  betrifft,  so  haben  mir  eigene 
Untersuchungen,  sowie  diejenigen  meines  Schülers  Gross- 
m  a  n  n  gezeigt,  dass  bei  gesunden  Menschen  kaum  eine 
Aenderung  der  molekularen  Konzentration  des  Blutserums 
durch  die  Zufuhr  von  Mineralwässern  zu  erreichen  sein  dürfte. 
Grube  und  v.  Szaböhy  sind  zwar  zu  anderen  Ergebnissen 
gelangt,  ich.  kann  aber  trotzdem  nicht  umhin,  (ohne  hier  auf 
die  Frage  des  breiteren  einzugehen),  an  den  Schlüssen  festzu¬ 
halten,  die  ich  aus  meinen  eigenen  Beobachtungen  gezogen  habe. 
Dass  beim  Gesunden  eine  Veränderung  des  osmotischen 
Druckes  des  Blutserums  a  u  s  b  1  e  i  b  t,  wird  durch  das  prompte 
Eingreifen  der  Nieren  erreicht,  welche  ihre  Wasser  bezw. 
Salz  sezernierende  Tätigkeit  der  jeweiligen  Zufuhr  stets  so 
exakt  anpassen,  dass  beim  gesunden  Menschen  eine  Veränderung 
der  molekularen  Konzentration  des  Blutes  nicht  zustande 
kommen  kann.  Uebrigens  verdient  auch  für  die  Nierenaus¬ 
scheidung  die  Spaltung  der  Salze  in  Ionen  volle  Beachtung, 
denn  es  hat  erst  jüngst  Berger  nachgewiesen,  dass  von 
Jodlithium,  das  in  den  Körper  eingeführt  wird,  das  Jodion  und 
Lithiumion  nicht  nach  den  gleichen  Gesetzen  ausgeschieden 
werden.  1  J 

Auch  über  die  Einwirkung  der  molekularen  Konzentration 
von  Bädern  auf  das  Blut  sind  Untersuchungen  angestellt, 
doch  berechtigt  die  Methodik  derselben  nicht  zu  einem  exakten 
Urteil  über  diesen  Punkt,  da  wir  die  mit  der  Blutkörperchen- 
Hämatokritmethode  ausgeführten  Bestimmungen  der  mole¬ 
kularen  Konzentration  nicht  ohne  weiteres  mit  den  Ergebnissen 
der  Kryoskopie  vergleichen  können.  Dies  veranlasste  mich 
auch,  hier  von  einer  Erörterung  der  mit  jener  Methode  er¬ 
zielten  anderweitigen  Ergebnisse  Abstand  zu  nehmen. 

Von  verschiedenen  Seiten  wurde  auch  die  Meinung  ge- 
äussert,  dass  die  durch  Dissoziationsvorgänge  in  feinste  Teil¬ 
chen  gespaltenen  Salze  beim  Stoffwechsel  in  Form  von 
Katalysatoren  eine  Rolle  spielen.  Es  ist  dies  jedoch  ein 
Gebiet,  auf  welchem  noch  viel  hypothetisch  ist.  Weiterhin 
wurde  auch  von  K  ö  p  p  e  u.  a.  Salzlösungen  von  gewisser  Kon¬ 
zentration  die  Eigenschaft  einer  Energiequelle  zugesprochen, 
insofern  als  Lösungen  von  bestimmter  Konzentration  Flüssig¬ 
keitsströmungen  bei  Diffusionsvorgängen  anzuregen  ver¬ 
mögen.  n 

Die  Energieentwicklung  wäre  in  den  betr.  Fällen  eine  mehr 
indirekte.  Direkte  Kraftäusserungen:  sehen  wir  aber  bei  den 


Radiumwirkungen  zutage  treten,  wie  sie  sich  u.  a.  in 
der  Radioaktivität  der  Mineralwässer  äussern.  Für  die 
Beurteilung  baineotherapeutischer  Fragen  besitzt  die  Radium¬ 
emanation  ein  weit  grösseres  Interesse,  als  die  Radium- 
strahlung,  da  in  den  Wässern  nur  die  Emanation  zur 
Wirkung  gelangt.  Die  Emanation  ist  bekanntlich  ein  Gas, 
welches  von  radioaktiven  Substanzen  ausgeht  und  die  Eigen¬ 
schaft  besitzt,  sich  in  Wasser  zu  lösen  und  sich  an  festen 
Gegenständen  niederzuschlagen.  In  den  Mineralwässern  ist 
die  Emanation  ähnlich  gebunden,  wie  beispielsweise  die  Kohlen¬ 
säure  im  künstlichen  Sodawasser.  Sie  lässt  sich  durch  Schüt¬ 
teln,  durch  Kochen,  sowie  durch  das  Durchtreiben  von  Luft 
durch  die  Lösung  aus  der  Flüssigkeit  entfernen.  Da  die  radio¬ 
aktiven  Substanzen  in  der  Erde  ausserordentlich  verbreitet  sind, 
so  ist  es  kein  Wunder,  dass  die  Mehrzahl  der  Mineralwässer 
sowie  überhaupt  der  Quellwässer  radioaktiv  ist.  Radio¬ 
aktive  Stoffe  selbst  sind  bisher  in  der  Mineralwässern  nicht  ge¬ 
funden  worden,  und  die  Emanation  hat  sich  fast  stets  als  Ema¬ 
nation  des  Radiums  und  nicht  als  Emanation  anderer  radio¬ 
aktiver  Substanzen,  wie  des  Polonium,  Thorium,  Aktinium  etc. 
erwiesen.  Allerdings  können  Quellen  Teile  des  Gesteines,  das 
sie  durchspülen,  mit  sich  führen  und  dann  als  Schlamm  ab¬ 
setzen.  Diese  Quell  Sedimente  sind  dann  ebenfalls  radio¬ 
aktiv,  enthalten  aber  im  Gegensatz  zum  Quell- 
wasser  primär  radioaktive  Substanz.  Die 
Emanation  lässt  sich  in  solchen  Fällen  von  der  radioaktiven 
Substanz  durch  Kochen  abtrennen,  erzeugt  sich  aber  in  der 
radioaktiven  Substanz  aufs  neue.  Es  liegen  bereits  zahlreiche 
Untersuchungen  der  Radioaktivität  von  Mineralquellen  vor, 
welche  von  Elster  und  Geitel,  Engler  und  S  i  e  v  e  - 
k  i  n  g,  Mache,  Hauser  u.  a.  ausgeführt  sind.  Es  hat  sich 
dabei  gezeigt,  dass  gerade  die  an  Mineralbestandteilen  armen 
Quellen  nicht  selten  eine  recht  hohe  Radioaktivittät  besitzen. 

Bemerkenswert  ist,  dass  die  den  Mineralwässern  mitge¬ 
teilte  Emanation  nur  eine  relativ  eng  begrenzte  Zeit  dem 
Mineralwasser  innewohnt  und  dasselbe  relativ  bald  verlässt. 
So  enthält  ein  Mineralwasser  meist  schon  48  Stunden,  nachdem 
es  die  Quelle  verlassen  hat,  nur  noch  die  Hälfte  der  ursprüng¬ 
lichen  Emanation  und  hat  nach  einigen  Tagen  seine  Radio- 
|  aktivität  vollkommen  verloren.  In  Bezug  auf  den  Gehalt  an 
I  mitgeteilter  Radioaktivität  ist  also  ein  Unterschied  zwischen  den 
an  der  Quelle  selbst  getrunkenen  Wässern  und  den 
Versandwässern,  und  es  ist  der  Gehalt  an  induzierter 
Radioaktivität  eines  Wassers  verschieden,  je  nachdem  das 
Wasser  vorsichtig  von  der  Quelle  abgenommen  wurde  oder 
ob  das  Wasser  im  Glase  geschüttelt  oder  gar  künstlich 
erwärmt  wurde.  Auch  verliert  das  Wasser  bei  Durch¬ 
leiten  durch  lange  Rohrleitungen  einen  Teil  seiner  Radio¬ 
aktivität,  wie  dies  beispielsweise  für  die  Thermalwässer  von 
Gastein  und  Badenweiler  nachgewiesen  ist.  Ebenso  gut,  wie 
I  man  einem  emanationshaltigen  Mineralwasser  durch  Durch¬ 
pumpen  von  Luft  seinen  Gehalt  an  Radiumemanation  entziehen 
i  kann,  kann  man  einem  Mineralwasser  übrigens  auch  auf 
künstlichem  Wege  dadurch  Emanation  mitteilen,  dass  man 
emanationshaltige  Luft  durch  das  betreffende  Wasser  pumpt. 

I  Künstliche  Mineralwässer  sind  nur  dann  radioaktiv,  wenn 
das  zu  ihrer  Herstellung  benützte  Wasser  radioaktiv  war. 

Von  den  Untersuchungen  über  die  Radioaktivität 
von  Mineralwässern  ist  diejenige  des  Gasteiner  Wassers 
insofern  von  besonderem  Interesse,  als  dieses  eine  be¬ 
sonders  starke  Radioaktivität  zeigt.  Dass  am  Gasteiner 
Wasser,  in  welchem  in  früheren  Zeiten  die  Chemiker 
vergebens  nach  wirksamen  Stoffen  gesucht  hatten,  schon 
früher  bestimmte  Wirkungen  auf  den  Organismus  auf- 
gefallen  waren,  kommt  übrigens  schon  darin  zum  Aus¬ 
druck,  dass  dieses  Wasser  den  Namen  der  ;,Gift- 
quelle“  trug.  Auch  hatten  in  demselben  schon  irüher 
Baumgärtner  und  Marion  Roller  ein  anderes  elektro¬ 
lytisches  Verhalten  und  die  Bildung  grösserer  Mengen  von 
Wasserstoff  nachgewiesen,  als  in  gewöhnlichem  Wasser.  Die 
Radioaktivität  des  Schlammes  wurde  besondeis  stark  be¬ 
funden  im  Quellschlamm  der  Baden-Badener  Büttquelle,  sow  ie 
in  dem  von  Battaglia  stammenden  Fango.  Dass  in  den  M  o  o  r- 
erden  radioaktive  Substanzen  fehlen,  nimmt  nicht  wunder, 
wenn  man  bedenkt,  dass  die  Moore  aus  Verwitterungspro- 


2020 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


dukten  vegetabilischer  (nicht  mineralischer,  wie  beim  Quell¬ 
schlamm)  Stoffe  bestehen. 

Von  den  Wirkungen  des  Radiums  wissen  wir,  dass  die 
Strahlen  entwicklungshemmend  und  vernichtend  auf  Bak¬ 
terien  (Aschkinass  und  Caspar  i,  Pfeiffer  und 
Friedberg,  Hof  mann  und  Scholz,  Walkoff,  Qie¬ 
sel,  Becquerel  und  Curie,  Kal  mann,  Rheinboldt 
u.  a.)  und  auf  eine  Reihe  von  Geweben  schädigend  wirken 
können,  abgesehen  von  ihrer  Fluoreszenz  erregenden  Eigen¬ 
schaft  und  von  den  Veränderungen,  die  sie  auf  der  photographi¬ 
schen  Platte  zu  erzeugen  vermögen.  Ausserdem  besitzen  sie 
die  Fähigkeit,  auf  Substanzen,  welche  von  ihnen  getroffen  wer¬ 
den,  dissoziierend  zu  wirken,  und  sie  in  kleinste  Teilchen 
mit  elektrischer  Eigenladung,  Ionen,  zu  zerlegen.  Diese  Eigen¬ 
schaft  ist  allerdings  zurzeit  nur  für  die  Luft  bezw.  für  Gase  er¬ 
wiesen  und  dürfte  für  gewisse  klimatische  Wir¬ 
kungen  nicht  ganz  gleichgültig  sein.  Ob  die  genannte  Wirkung 
aber  auch  für  Heilquellen  Geltung  besitzt,  ist  zurzeit 
fraglich,  da  eine  solche  zersetzende  Wirkung  des  Radiums 
gegenüber  Flüssigkeiten  bisher  noch  nicht  erwiesen  ist. 
Immerhin  darf  man  nach  Analogie  der  aus  der  Dermato- 
therapie  bekannten  Radiumwirkungen  wohl  annehmen,  dass  der 
Gehalt  von  Bädern  an  induzierter  Radioaktivität  geeignet  ist, 
die  oberen  und  in  geringerem  Grade  auch  die  etwas  tiefer  ge¬ 
legenen  Hautschichten  zu  hyperämisieren.  L  a  q  u  e  u  r  hat  bei 
arthritischen  Prozessen  unter  dem  Einfluss  radiumhaltiger 
Bäder  eine  Schmerzreaktion  in  den  erkrankten  Gelenken  be¬ 
obachtet,  und  Löwenthal  beschreibt  ähnliches  auch  nach 
Trinkkuren  mit  radiumhaltigen  Wässern. 

Die  Aehnlichkeit  beziehungsweise  Uebereinstimmung 
gewisser  Wirkungen  des  Radiums  mit  denjenigen  der 
Röntgenstrahlen  gab  Veranlassung  dazu,  den  Einfluss 
des  Radiums  auf  die  Wirksamkeit  von  Fermenten 
zu  prüfen.  Schon  L  e  p  i  n  e  und  B  o  u  1  u  d  hatten  nach¬ 
gewiesen,  dass  das  glykolytische  Ferment  durch  Bestrahlung 
mit  Röntgenstrahlen  reichlicher  und  wirksamer  wurde.  Es 
wurde  dann  durch  N  e  u  b  e  r  g  und  Wohlgemuth  gezeigt, 
dass  die  radioaktiven  Körper  die  autolytischen  Vorgänge  im 
Organismus  zu  beeinflussen  vermögen.  Berg  eil  und 
Bickel  wiesen  nach,  dass  die  Radiumemanation  und  zwar 
nicht  bloss  die  natürliche  des  Quellwassers,  sondern  auch  die 
künstlich  zugesetzte,  die  peptische  Wirksamkeit  des  Magen¬ 
saftes  zu  steigern  vermochte.  Aehnliches  haben  dann  auch 
B  e  r  g  e  1 1  und  Braunstein  für  das  eiweissverdauende 
Ferment  des  Pankreas  dargetan.  So  interessant  diese  Beob¬ 
achtungen  auch  sind,  so  lässt  sich  indessen  zurzeit  noch 
nicht  übersehen,  bis  zu  welchem  Grade  eine 
Uebertragung  dieser  tierexperimentellen 
Feststellungen  auf  die  praktische  Medizin 
zulässig  ist.  Jedenfalls  erscheinen  weitgehende  Schlüsse 
für  die  praktische  Medizin  vorerst  noch  nicht  am  Platze,  son¬ 
dern  es  sind  erst  noch  zahlreiche  Beobachtungen  am  kranken 
Menschen  notwendig,  ehe  auf  diesem  Gebiete  ein  klares  Urteil 
möglich  sein  wird.  Dies  gilt  auch  von  der  weiteren  ausser¬ 
ordentlich  interessanten  Beobachtung,  nämlich  der  Erschei¬ 
nung,  dass  sich  die  durch  die  Atmung  aufgenommene  Radium¬ 
emanation  noch  relativ  lange  in  der  Atmungsluft  und  im  Harn 
nachweisen  lässt.  So  haben  Elster  und  G  eitel  noch 
18  Stunden  nach  einem  relativ  kurzdauernden  Verweilen  in 
einem  emanationshaltigen  Raum  im  Urin  und  in  der  Atmungs¬ 
luft  Emanation  nachweisen  können,  allerdings  ohne  dass  irgend¬ 
welche  Veränderungen  im  Allgemeinbefinden  der  betreffenden 
Versuchsperson  zu  beobachten  waren.  Von  Interesse  sind  hier 
auch  die  Trinkversuche  von  Stegmann  und  Just,  sowie  von 
K  a  1 111  a  n  n.  S  t  e  g  m  a  n  n  und  Just  tranken  bis  zu  einem 
Liter  Baden-Badener  Büttquelle  und  fanden  in  der  nachher 
ausgeatmeten  Luft  grössere  Mengen  von  Emanation.  Die  Aus¬ 
scheidung  erreichte  nach  etwa  15—25  Minuten  ihr  Maximum 
und  klang  nach  1—2  Stunden  allmählich  ab.  Auch  bei  der  Einver¬ 
leibung  der  Büttquelle  per  Klysma  zeigte  die  Exspirationsluft 
Emanation.  Im  Urin  dagegen  war  ein  deutlicher  Uebertritt 
von  Emanation  nicht  nachzuweisen.  Kalman  n  fand  den 
Ui  in  nach  I  rinken  von  Gasteiner  Wasser  emanationshaltig  und 
zwar  nahm  die  Emanationsausscheidung  im  Harn  vom  ersten 
bis  zum  letzten  Trinktage  ab.  Dabei  betrug  der  Höchstwert 


der  in  den  Urin  übergegangenen  Emanation  allerdings  nur  einen 
kleinen  Bruchteil  der  Emanationszufuhr.  Eine  Aufnahme  der 
Emanation  aus  emanationshaltigem  Badewasser  konnte  bisher 
noch  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  werden  (W  i  c  k, 
Stegmann  und  Jus  t). 

Die  Radiumforschungen  des  vergangenen  Jahrzehnts 
haben  in  besonderem  Grade  gezeigt,  wie  viel  bis  vor  kurzem 
noch  unbekannt  gewesene  Kräfte  in  der  uns  umgebenden  Natur 
vorhanden  sind,  Kräfte,  von  denen  es  feststeht,  dass  sie  bio¬ 
logische  Wirkungen  zu  entfalten  vermögen,  und  es  ist 
auch  nichts  begreiflicher,  als  dass  die  Balneölogie  bei  jeder 
neuen  Entdeckung  auf  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften 
die  Frage  stellt,  ob  und  wieweit  die  neuen  Entdeckungen  für 
die  Erklärung  der  bis  jetzt  an  vielen  Stellen  noch  dunklen 
Mineralwasserwirkungen  verwendbar  sind.  Nichts  ist  auch 
natürlicher  —  und  die  Geschichte  der  Medizin  liefert  dafür  zahl¬ 
reiche  Beispiele  — ,  als  dass  gerade  bei  neuen  Entdeckungen 
sich  an  gar  manchen  Stellen  ein  Enthusiasmus  bemerkbar 
macht,  welcher  die  Beurteilung  der  Beziehungen  zwischen  der 
neuen  Entdeckung  und  dem  Gegenstände,  welchem  man  die 
Entdeckung  gerne  dienstbar  machen  möchte,  recht  störend 
beeinflusst.  Für  eine  ruhige  Beurteilung  der  Dinge 
genügt  aber  die  Feststellung  der  Tatsache,  dass  eine  neuent¬ 
deckte  Substanz  biologische  Wirkungen  überhaupt  zu  ent¬ 
falten  vermag,  noch  nicht,  um  zu  sagen,  dass  ihre  bis  jetzt  fest¬ 
gehaltenen  biologischen  Wirkungen  mit  ihren  Heilwir¬ 
kungen  identisch  sind.  Deshalb  müssen  wir  uns  auch  be¬ 
züglich  der  von  den  Mineralwässern  ausgehenden  Radium¬ 
wirkungen  zurzeit  damit  bescheiden,  nur  von  Möglich¬ 
keiten  zu  sprechen,  und  müssen  meines  Erachtens  zurzeit 
noch  darauf  verzichten,  von  bestimmten,  bei  der  praktischen 
Verwendung  von  Mineralwässern  sicher  zu  Geltung  kom¬ 
menden,  Radiumwirkungen  zu  sprechen. 

Dies  hier  offen  ausgesprochen,  scheint  mir  keines¬ 
wegs  beschämend,  denn  es  sind  kaum  10  Jahre  ver¬ 
gangen,  seitdem  Becquerel  die  Uranstrahlen  und 
das  Ehepaar  Curie  die  Radiumstrahlen  entdeckt  haben. 
Wir  stehen  also  noch  ganz  im  Anfänge*  der  Er¬ 
forschung.  Wenn  wi*  erwägen,  wie  kompliziert  die  Vorgänge 
sind,  die  uns  hier  beschäftigen  und  wie  lange  es  gedauert  hat, 
bis  wir  über  andere,  weniger  komplizierte  Fragen  der  Biologie 
ins  Klare  gekommen  sind,  so  wird  man  es  verstehen,  ein  wie 
grosses  Mass  von  Arbeit  noch  notwendig  sein  wird,  ehe  wir 
auch  auf  dem  vorliegenden  Gebiete  auf  festen  Boden  gelangen. 
Anerkennend  müssen  wir  aber  schon  heute  sagen,  dass  die 
Fortschrite  der  physikalischen  Chemie  uns  nicht  bloss  neue 
Fragestellungen,  sondern  auch  neue  Arbeitsmethoden  geliefert 
haben,  die  uns  gestatten,  auf  neuen  Wegen  Licht  in  ein  Dunkel 
zu  bringen,  dessen  Erhellung  Jahrhunderte  hindurch  Männer 
der  Praxis  wie  der  Theorie  nachhaltig  beschäftigt  hat.  Wei¬ 
teren  Fortschritten  des  Erkennens  winkt  auch  hier  noch  die 
dankbare  Aufgabe,  mystische  Vorstellungen  durch  klare  Kennt¬ 
nisse  zu  ersetzen.  Mit  der  Zunahme  unseres  Kennens  pflegt 
sich  bekanntlich  aber  häufig  auch  unser  Können  zu  mehren. 
Allerdings  müssen  die  Forschungen  auch  hier  von  einseitiger 
Betrachtungsweise  fern  bleiben,  denn  es  werden  —  ich 
wiederhole  damit  eine  erst  jüngst  von  Kraus  gemachte  Be¬ 
merkung  — die  sich  hier  bietenden  Probleme  nur  durch  die  An¬ 
wendung  der  gesamten  biologischen  Forschungsmittel  im 
Verein  mit  einer  nüchternen  klinischen  Kritik  zu  lösen  sein. 


Aus  der  Kuranstalt  „Villa  Hedwig“  zu  Badenweiler  (ärztliche 
Leitung  Dr.  A.  Fraenkel,  Badenweiler-Heidelberg). 

Neue  Mitteilungen  zur  intravenösen  Strophanthintherapie. 

Von  Dr.  Max  Hedinger. 

Ueber  die  Indikationen,  Anwendungsweise  und  Erfolge 
intravenöser  Strophanthininjektionen  hat  Albert  Fraenkel- 
Badenweiler  zuerst  auf  dem  23.  Kongress  für  innere  Medizin 
und  dann  in  der  Therapie  der  Gegenwart  1907,  Heft  2  berichtet. 
Die  Ergebnisse  des  eingehenden  Studiums  der  neuen  Methode 
sind  in  der  von  Albert  F  r  a  e  n  k  e  1  und  G.  S  c  h  w  a  r  t  z  ver¬ 
öffentlichten  Arbeit  „über  intravenöse  Strophanthininjektionen“ 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2021 


im  Archiv  für  exper.  Pathologie  und  Pharmakologie  1907, 
Band  57  niedergelegt  (Ref.  d.  W.  No.  32,  S.  1603). 

Die  dort  besprochenen  Erfahrungen  sind  im  Laufe  dieses 
Sommers  iu  der  Privatpraxis  Dr.  E  i  a  e  n  k  e  1  s  bedeutend  er¬ 
weitert  worden.  Es  wurden  in  den  letzten  4  Monaten  bei 
15  Patienten  65  Injektionen  mit  Strophanthin  Böhringer  aus¬ 
geführt.  Einer  Anregung  meines  Chefs  folge  ich,  wenn  ich 
hierüber  in  Kürze  berichte. 

In  der  zuletzt  zitierten  Arbeit  ist  an  der  Hand  von  Kranken¬ 
geschichten  nachgewiesen,  welche  Vorteile  die  intravenöse 
Strophanthininjektion  gegenüber  der  Digitalisdarreichung  per 
os  besitzt.  Die  fast  sofortige  volle  Digitaliswirkung  mit  allen 
ihren  charakteristischen  Merkmalen,  der  Wegfall  der  intesti¬ 
nalen  Nebenwirkungen^  haben  sich  als  hauptsächlichste  und 
grosse  Vorzüge  der  Methode  auch  neuerdings  wieder  in  allen 
Fällen  kardialer  Kreislaufstörungen  bestätigen  lassen.  So 
würde  nur  schon  Gesagtes  zu  wiederholen  sein,  wenn  nicht  in 
der  oben  angeführten  Arbeit  zwei  Punkte  hervorgehoben 
wären,  deren  Klarstellung  für  die  weitere  Einführung  und  An¬ 
wendung  der  neuen  Therapie  nötig  erschien. 

Als  unliebsame  Nebenwirkungen  hatten  sich  nach  den  Ein¬ 
spritzungen  gelegentlich  Fröste  und  flüchtige  Temperatursteige¬ 
rungen  eingestellt,  deren  Herkunft  anfangs  sich  nicht  erklären 
Hess.  Auf  die  Aufdeckung  der  Ursache  und  die  Möglichkeit 
ihrer  Beseitigung  war  also  besonders  zu  achten.  Wenn  auch 
nachhaltiger  Schaden  von  dieser  Komplikation  nicht  gesehen 
wurde,  so  war  sie  doch  nicht  gleichgültig  und  stand  der  Ver¬ 
breitung  der  Methode  im  Wege.  Ferner  war  die  Frage  an¬ 
geschnitten,  inwieweit  die  Methode  berufen  ist,  die,  interne 
Digitalistherapie  noch  weiter  zu  ersetzen,  bezw.  wann  es  an¬ 
gezeigt  wäre,  in  angemessenen  Abständen  häufigere  Injektionen 
zu  machen. 

Ueber  die  beiden  Fragen  lässt  sich  auf  Grund  unserer 
jetzigen  Erfahrungen  ein  Urteil  abgeben. 

Was  zunächst  die  Temperatursteigerungen  anlangt,  so 
haben  wir  sie  anfangs  in  5  Fällen  beobachtet.  Keine  von  ihnen 
hat  38°  überschritten  und  keine  war  mit  Frösten  oder 
Zyanose  verbunden.  Seit  aber  in  der  (von  der  Firma 
Dr.  Ka  de -Berlin  hergestellten)  Injektionsflüssigkeit  einzelne 
Verunreinigungen  festgestellt  waren,  wird  eine  genaueste  Kon¬ 
trolle  der  Sterilisation  der  Lösungen  von  der  Fabrik  vor- 
genommen  und  seitdem  sind  Temperatu rsteigerungen  nicht 
mehr  vorgekommen.  Die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Tem¬ 
peratursteigerungen  kann  als  gelöst  betrachtet  werden :  sie 
waren  sicher  bakterieller  Natur.  Der  Praktiker  wird  also  in 
Zukunft  mit  diesen  Zwischenfällen  nicht  mehr  zu  rechnen 
haben,  die  ihn  wohl  manchmal  von  der  Anwendung  der  intia- 
venösen  Injektion  des  Strophanthins  absehen  Hessen. 

Zur  Technik  der  Injektion  wäre  hinzuzufügen,  dass  am 
besten  eine  L  i  e  b  e  r  g  sehe  Glasspritze  mit  dünner  Kanüle  und 
zum  Abschnüren  des  Armes  ein  dünner  Gummischlauch  odei 
einfaches  Gummiband,  das  mit  einer  P  e  a  n  sehen  Klemm¬ 
pinzette  festgehalten  wird,  verwandt  werden.  Gummibinden 
sind  nicht  leicht  abzunehmen,  ohne  den  Arm  aus  seiner  Ruhelage 
zu  bringen.  Wohl  aber  ist  dies  bei  Anwendung  des  Schlauches 
möglich,  und  die  Injektion  der  Flüssigkeit  in  die  Vene  ist  da¬ 
durch  sehr  erleichtert;  denn  wegen  der  Gefahr  entzündlicher 
Reizerscheinungen  muss  vermieden  werden,  dass  auch  nur  ein 
kleiner  Teil  der  Injektionsflüssigkeit  statt  in  die  Vene  in  das 
umgebende  Gewebe  oder  in  die  Venenwand  gespritzt  wild. 
Deshalb  ist  erste  Regel  bei  jeder  Injektion,  erst  das  Einlaufen 
von  Blut  in  die  Spritze,  das  meist  schon  ohne  Aspiration  er¬ 
folgt,  abzuwarten  als  sicheres  Zeichen,  dass  man  sich  in  dei 
Vene  befindet.  Bei  dieser  Methode  und  unter  diesen  Kautelen 
sind  nur  noch  bei  5  von  65  Injektionen  lokale  Reizerschei¬ 
nungen,  die  dem  Patienten  einige  Tage  Unbequemlichkeiten 
verursachten,  aber  nie  zu  Abszedierung  führten,  vorge¬ 
kommen.  Es  handelte  sich  meist  um  Fälle,  wo  entweder 
Oedeme  der  Oberarme  bestanden,  oder  die  Injektion  in  die 
Kubitalvene  deshalb  erschwert  war,  weil  die  Vene  nur  gefühlt, 
nicht  gesehen  werden  konnte. 

Zur  Frage  der  gehäuften  Strophanthininjektionen  als  Er¬ 
satzmittel  für  interne  Digitalisdarreichung  muss  zunächst  be¬ 
merkt  werden,  dass  bisher  bei  ein  und  demselben  Patienten 
mehr  wie  5  Injektionen  in  einem  verhältnismässig  kurzen  Zeit¬ 
raum  von  Fraenkel  und  Schwartz  nicht  gemacht 


worden  waren.  Auch  andere  scheinen  es  nicht  gewagt  zu 
haben,  die  Einspritzungen  noch  weiter  zu  häufen.  Dass  inner¬ 
halb  24  S+unden  nur  eine  einzige  Injektion  von  1  mg  Stro¬ 
phanthin  gemacht  werden  darf,  ist  von  Anfang  an  von 
Fraenkel  festgelegt  worden.  An  diesem  Zeitraum  raten 
wir,  festzuhalten,  um  die  Gefahr  der  Kumulation  zu  vermeiden; 
jenseits  dieses  Zeitraums  erscheint  eine  Kumulationsgefahr  aus¬ 
geschlossen.  Hier  soll  auch  nochmals  betont  werden,  dass  bei 
Patienten,  die  per  os  Digitalispräparate  erhalten  haben,  die 
Medikation  des  betreffenden  Präparates  mindestens  2  Tage  aus¬ 
gesetzt  werden  muss,  ehe  die  intravenöse  Strophanthinein¬ 
spritzung  gemacht  werden  darf.  Entgegen  der  bei  höchster 
Herzinsuffizienz  bisher  angeratenen  Vorsicht  in  der  Dosierung, 
hat  sich  uns  als  richtige  Dosis  in  allen  Fällen  1  mg  (=  dem  In¬ 
halt  einer  Ampulle)  ergeben. 

Die  Möglichkeit,  Strophanthin  über  eine  längere  Zeit  in 
kürzeren  Abständen  fortgesetzt  und  mit  stets  gleichbleibender 
Wirkung  zu  injizieren,  möchte  ich  an  der  Hand  einer  Kranken¬ 
geschichte  eines  Patienten  zeigen,  der  im  Zeitraum  von  3  Mo¬ 
naten  20  Injektionen  erhielt. 

General  B„  57  Jahre,  aus  Russland.  Eintritt  in  die  Behandlung: 


Diagnose:  Arteriosklerotische  Schrumpfniere  mit  chronischer 
Herzinsuffizienz. 

Anamnese:  Mit  28  Jahren  Malaria  und  Typhus  exanthemati- 
cus.  Seither  viel  Husten  und  Auswurf,  seit  1884  ..Emphysem“.  1900 
setzte  Atemnot  ein  mit  Herzklopfen.  In  den  folgenden  Jahren  be¬ 
suchte  Patient  verschiedene  Kurorte  mit  wechselndem  Erfolg.  1905 
grössere  Atemnot,  „Myokarditis“.  1906  katarrhalische  Pneumonie 
und  Pleuritis,  Anfälle  von  Angina  pectoris.  Die  letzten  Wochen  vor 
seiner  Ankunft  hier  geschwollene  Beine,  viel  Atemnot,  Schlaflosigkeit. 
Medikamente  vom  Magen  nicht  vertragen,  weder  Di- 
gitalis  noch  Jod.  Von  Prof.  F.  Kraus  zur  Kur  geschickt. 

Status  praesens:  Hochgradige  Atemnot,  '28  Respirationen 
pro  Minute,  Zyanose  der  Lippen  bei  sonst  anämischem  Aussehen. 
Leichte  Oedeme  über  den  Tibien.  Cor  nach  rechts  und  links  ver¬ 
breitert,  unreiner  1.  Ton,  Akzentuation  beider  2.  Töne  an  der  Basis, 
2.  Pulmonalton  lauter  als  2.  Aortenton,  Herzaktion  sehr  irregulär 
104.  Puls  gespannt,  aussetzend,  inäqual;  Blutdruck  stark  erhöht: 
systolischer  310  cm  Wasser,  diastolischer  180  (mit  v.  Reckling¬ 
hausens  Tonometer  gemessen).  Starkes  Emphvsema  pulmonum, 
hinten  unten  beiderseits  reichliche  katarrhalische  Geräusche, .  rechts 
hinten  unten  kleines  Exsudat  (?).  Hepar  reicht  in  der  Mammi  lar- 
linie  3  Querfinger  über  den  Rippenbogen  hinaus,  druckempfindlich. 
Viel  Magenbeschwerden.  Urin:  Albumen  XA— Vz  Prom.  E  s  b  ach.  Im 
Sediment  reichlich  hyaline  und  vereinzelt  granulierte  Zylinder. 
Leukozyten,  kein  Blut. 

Therapie.  Strophanthin  intravenös,  gelegentlich  Jodnatrium 
per  Klysma. 


Zeit 

Blutdruck  in 
cm  Wasser 
am  Oberarm 
gemessen 

Amplitude- 
=  A 

Frequenz  der 
Herzaktion  =  n 

c 

< 

Respirationen  in 

der  Minute 

Diurese  in 

24  Stunden 

systol. 

dia- 

stol. 

mitt¬ 

lerer 

1907 

4.  VI.  740 

# 

104 

• 

28 

• 

745 

749 

80 

24 

3000 

5.  VI. 

• 

• 

80 

24 

• 

2.  VII. 

92 

• 

1200 

3.  VII.  8°° 

270 

190 

230 

80 

82 

6  560 

36 

• 

825 

• 

• 

• 

• 

* 

• 

82S 

310 

210 

260 

100 

82 

8  200 

28 

• 

880 

320 

200 

260 

120 

76 

9  120 

24 

. 

835 

320 

190 

255 

130 

80 

10  400 

28 

3000 

4.  VII. 

. 

88 

• 

24 

2500 

25.  VII. 

. 

. 

88 

• 

32 

1000 

26.  VII.  715 

330 

210 

270 

120 

92 

11  040 

36 

• 

726 

• 

• 

• 

• 

• 

• 

• 

728 

350 

210 

280 

140 

92 

12  880 

24 

734 

340 

196 

268 

144 

80 

11  520 

20 

2100 

27.  VII. 

300 

170|235 

130 

68 

8  840 

20 

• 

28.  VIII.  7Ü0 

# 

s 

. 

104 

36 

• 

705 

710 

• 

. 

. 

. 

76 

. 

24 

2000 

29.  VIII. 

• 

9 

# 

# 

76 

• 

24 

1500 

Hochgrad.  Atemnot, Zyanose. 
1  mg  Strophanthin. 

(I.  Injektion.) 

Nacht  gut. 


Wachsende  Atemnot. 

1  mg  Strophanthin. 
(VIII.  Injektion.) 


Subjektiv  hochgrad.  Erleicht. 


Atemnot,  Nacht  schlecht. 
Puls  sehr  irregulär  u.  inäqu. 
1  mg  Strophanthin. 

(XI.  Injektion.) 

Vereinzelte  Pulse  voller. 
Puls  viel  voller  u.  äqualer. 
Nachts  gut  geschlafen. 


1  mg  Strophanthin. 
(XIX.  Injektion.) 

Gleich  nach  d.  Injektion  Er¬ 
leichterung. 

Nachts  gut  geschlafen. 


2U22 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Wirsehen  in  dieser  Tabelle,  dass  4  Minuten  nach  der  ersten 
Einspritzung  kräftiger,  regelmässiger  Puls  von  80  und  Atmung 
von  24  in  der  Minute  eintreten.  Erhebliche  subjektive  Besserung, 
eine  Nacht  mit  gutem  Schlaf  im  Gegensatz  zu  vorhergehenden 
schlaflosen  Nächten  und  eine  Diurese  von  3000  ccm  folgen.  Da 
der  Patient  wegen  heftiger  Magenbeschwerden  Digitalis  per  os 
nicht  ertrug,  war  dadurch  die  weitere  Indikation  gegeben,  statt 
einer  chronischen  internen  Digitalisierung  eine  chronische  intra¬ 
venöse  Strophanthinbehandlung  eintreten  zu  lassen. 

Es  wurde  nun  mit  den  erneuten  Injektionen  von  stets  1  mg 
Strophanthin  abgewartet,  bis  die  Wirkung  der  voraus¬ 
gegangenen  Injektion  abgeklungen  war  und  dann  von  neuem 
injiziert.  Die  stets  gleichbleibende  Wirkung  der  Injektionen 
wird  durch  obige  Tabelle  demonstriert. 

Man  sieht  objektiv  eine  jedesmal  kurze  Zeit  nach  der  In¬ 
jektion  auftretende  volle  Digitaliswirkung  mit  all  ihren  charak¬ 
teristischen  Symptomen:  Langsamer-  und  Kräftigerwerden 
des  Pulses,  Zurückgehen  der  Atemfrequenz  und  Verschwinden 
der  Atemnot,  Ansteigen  der  Diurese.  Auch  die  Amplitude  und 
das  Amplitudenfrequenzprodukt  wachsen  in  der  von  Fraen- 
kel-Schwartz  angegebenen,  für  Digitalis  charakteristi¬ 
schen  Weise  an.  Subjektiv  tritt  die  günstige  Wirkung  fast  blitz¬ 
artig  ein.  Schon  wenige  Minuten  nach  den  Einspritzungen,  und 
zwar  nach  der  20.  in  gleicher  Weise  wie  nach  der  1.,  gibt  der 
Kranke  an,  leicht  zu  atmen;  unangenehme  Sensationen  am  Her¬ 
zen  und  Druck  in  der  Lebergegend  verschwinden.  Der  vorher 
orthopnoische  Kranke  kann  die  folgenden  Nächte  (oft  auch  bald 
nach  der  Einspritzung  am  Tage)  in  fast  horizontaler  Rücken¬ 
lage  schlafen  und  ist  auch  am  Tage  frei  von  Atemnot.  Die  Er¬ 
leichterung,  die  der  Kranke  jedesmal  erfährt,  spricht  sich 
in  einem  Stimmungsumschlag  und  auch  darin  aus,  dass  er  bei 
Nachlass  der  Strophänthinwirkung  von  selbst  und  dringend 
um  weitere  Injektionen  bittet. 

Wie  bei  diesem  Patienten  wurde  das  Strophanthin  konti¬ 
nuierlich  in  einer  Reihe  anderer  Fälle  verabreicht,  die  teilweise 
noch  jetzt  in  Behandlung  stehen.  Sämmtliche  Kranke  litten 
an  primärer  oder  sekundärer  chronischer  Herzinsuffizienz.  Bei 
allen  war  die  Strophanthinwirkung  bei  mehrfacher  Injektion 
stets  die  gleich  gute  und  schwächte  sich  nie  ab. 

So  wurden  —  um  noch  ein  Beispiel  kurz  anzuführen  — 
bei  einem  45  Jahre  alten  Patienten  (Herrn  O.  aus  Baden),  der 
an  interstitieller  Nephritis  mit  Herzinsuffizienz  (Anfälle  von 
schwerem  Asthma  cardiale)  litt,  innerhalb  von  6  Wochen 
11  Strophantininjektionen  gegeben.  Jedesmal  wurde  ein  sehr 
guter  subjektiver  und  objektiver  Erfolg  auf  die  Atmung  er¬ 
zielt,  so  dass  auch  dieser  Patient  zu  den  gehäuften  Injektionen 
drängte. 

Welche  Rolle  bei  der  Strophanthintherapie  die  richtige  Aus¬ 
wahl  der  Fälle  spielt,  ist  im  einzelnen  ebenfalls  in  der  Arbeit 
von  Fraenkel  und  Schwartz  besprochen.  Dass  nur 
solche  Fälle  geeignet  erscheinen,  in  denen  es  auf  die  Beseitigung 
kardialer  Kreislaufstörungen  ankommt,  ist  dort  ausgeführt. 
Die  Digitaliswirkung  bei  der  intravenösen  Einverleibung  von 
Strophanthin  ist  eine  so  charakteristische,  dass  aus  ihrem  Auf¬ 
treten  und  Ausbleiben  auf  die  Natur  des  Krankheitsbildes  ge¬ 
schlossen  werden  kann.  So  gewinnt  bei  einem  Hydropischen 
die  erste  Injektion  die  Bedeutung  eines  diagnostischen 
Kriteriums.  Denn  nur  auf  Herzinsuffizienz  beruhende 
Oedeme  sind  der  Strophanthinwirkung  zugänglich.  Es  wird 
daher  auch  nach  unseren  neuen  Erfahrungen  bei  einem  nega¬ 
tiven  Ausfall  der  Injektion  von  einer  Wiederholung  abzusehen 
sein,  ebenso  wie  sich  bei  positivem  Ausfall  die  Erneuerung 
des  therapeutischen  Erfolges  bei  weiteren  Injektionen  aufs  Be¬ 
stimmteste  erhoffen  lässt. 

Die  richtige  Auswahl  der  Fälle  erfordert  weiterhin  noch 
ein  besonderes  Wort.  Veranlassung  dazu  geben  gelegentliche 
mündliche  Mitteilungen  von  befreundeter  Seite  über  plötzliche 
Verschlimmerungen  nach  der  Strophanthineinspritzung 
und  der  von  K  o  1 1  m  a  n  n  ')  veröffentlichte  Todes¬ 
fall.  Kottmann  sah  nach  einer  Injektion  von  0,6  mg 


*)  Kottmann:  Zur  Dosierung  des  Digalens  bei  intravenöser 
Anwendung.  Nebst  Bemerkungen  über  einen  foudroyanten  Todesfall 
durch  eine  intravenöse  Strophantininjektion.  Korrespondenzblatt  für 
Schweizer  Aerzte,  1907,  No.  10,  S.  306. 


Strophanthin  den  Herztod  eintreten.  Leider  entbehrt  die  Ver¬ 
öffentlichung  einer  orientierenden  Krankengeschichte  und  sie 
fällt  schon  dadurch  ausserhalb  des  Rahmens  einer  sachlichen 
Kritik.  Bei  den  auf  privatem  Wege  mitgeteilten  ungünstigen 
Ausgängen  hat  es  sich  sicher  um  ganz  hoffnungslose  Fälle  ge¬ 
handelt,  wo  das  Strophanthin  nach  allen  anderen  Medikamenten 
als  ultima  ratio  angewandt  wurde.  Aus  solchen  Fällen  dürften 
aber  billigerweise  keine  Schlüsse  gezogen  werden. 

Auch  wir  haben  unter  der  Zahl  der  Patienten,  die  in  diesem 
Sommer  mit  Strophanthin  behandelt  wurden,  einen  Todesfall 
zu  verzeichnen;  er  betrifft  eine  Greisin  mit  schwerer  Herz¬ 
insuffizienz  bei  Arteriosklerose. 

Frau  B.  aus  F.,  80  Jahre  alt,  vor  1  Jahr  leichter  apoplektischer  ' 
Insult,  seither  leichte  senile  Demenzerscheinungen.  Sehr  fettleibige 
Dame,  starke  exspiratorische  Dyspnoe  (32—40  Resp.  in  der  Minute), 
starke  Zyanose,  keine  Oedeme.  Starkes  Emphysem  und  diffuse  Bron¬ 
chitis,  quälender  Hustenreiz  Tag  und  Nacht.  Cor  nach  rechts  ver¬ 
breitert,  Töne  sehr  leise,  hie  und  da  irreguläre  Herzaktion  80—90 
Schläge  in  der  Minute.  Leber  vergrössert  und  druckempfindlich. 
Urin  frei  von  Albumen.  Blutdruck  am  fettreichen  Oberarm  nicht 
genau  bestimmbar.  Puls  klein  und  inäqual,  fühlbare  Arterien  hart. 

Die  Kranke  klagt  dauernd  über  Atemnot  und  zeitweise  Schmer¬ 
zen  am  Cor  mit  Angor. 

Diurese  aus  äusseren  Gründen  nicht  genau  bestimmbar,  nicht 
erheblich  vermindert.  Durch  Digitalis  per  os  vorübergehende  Bes¬ 
serung,  Jodkalium  und  Kodein  ohne  Effekt. 

Am  24.  VI.  07  nimmt  der  Zustand  einen  bedrohlichen  Charakter 
an,  der  Puls  wird  klein,  frequent,  100  in  der  Minute,  die  Atmung 
wird  noch  rascher  und  oberflächlich,  die  Kranke  apathisch.  Eine  rasch 
ausgeführte  Strophanthininjektion  brachte  sofortige  Erleichterung. 
Wenige  Stunden  nach  der  Injektion  ist  der  Puls  wieder  auf  80 
zurückgegangen,  die  Atmung  ist  leichter  und  die  Patientin  wieder 
mobil:  sie  kann  am  nächsten  Tage  ihre  Ausfahrten  wieder  aufnehmen. 
Es  geht  gut  bis  zum  10.  VII.  Patientin  klagt  über  vermehrte  Schmer¬ 
zen  in  der  Herzgegend,  hat  objektiv  und  subjektiv  wieder  stärkere 
Dyspnoe,  der  Puls  ist  wieder  klein  und  über  100,  die  Nächte  absolut 
schlaflos.  Eine  2.  Strophanthininjektion  besserte  sofort  den  Puls,  er¬ 
leichterte  die  Kranke,  so  dass  man  die  Gefahr  beseitigt  glaubte.  7 
Stunden  nach  der  Injektion  verlangt  die  Kranke  aus  dem  Schlaf  er¬ 
wachend  aus  dem  Bett  und  kaum  hat  sie  dasselbe  verlassen,  fällt  sie 
tot  um.  Die  Autopsie  wurde  leider  versagt. 

Bei  diesem  Todesfall  nach  einer  Strophanthininjektion 
wirft  sich  die  Frage  auf,  ob  es  sich  überhaupt  um  einen  Stro¬ 
phanthinexitus  bei  der  Herzkranken  handelte.  Wir  wissen,  dass 
Herzkranke  meist  plötzlichen  Todes  sterben.  Das  Herzmittel 
kann  den  Tod  oft,  vielleicht  jahrelang,  abwenden,  einmal  aber 
kommt  der  Moment,  wo  das  Herz  nicht  mehr  auf  Digitalis¬ 
präparate  anspricht.  Haben  wir  dann  gerade  das  Herzmittel 
gegeben,  so  tritt  der  Tod  unter  Arzneimittelgegenwart  ein.  Es 
frägt  sich  dann,  ist  das  Herzmittel  die  Ursache,  worauf  die  bis¬ 
herige  Antwort,  wenn  Kumulationserscheinungen  nicht  einge¬ 
treten  waren,  ,,nein“  lautete.  Todesfälle,  die  während  einer 
erfolgreichen  internen  Digitalismedikation  eintreten,  würde  nie¬ 
mand  der  Digitalismedikation  zur  Last  legen.  Wir  haben  einen 
in  dieser  Hinsicht  sehr  instruktiven  Fall  kürzlich  erlebt. 

Herr  W.  aus  M..  50  Jahre  alt. 

Diagnose:  Chronische  Myocarditis  valde  decompensata. 

Status:  Starke  Dyspnoe,  28  Respirat.  hochgradige  Zyanose, 
starke  Oedeme  der  unteren  Extremitäten. 

Cor:  Starke  Verbreiterung  hauptsächlich  nach  rechts,  sehr  fre¬ 
quente  und  irreguläre  Herzaktion  (136  in  der  Minute).  Puls  sehr 
klein,  sehr  inäqual,  ca.  96  Pulsschläge  schwer  zählbar.  Hepar  gross 
und  druckeniDfindlich.  In  beiden  Pleurahöhlen  mässige  Transsudate. 
Diurese  trotz  kurz  vorhergehender  Digitalismedikation  spärlich 
(800  pro  die).  Urin  enthält  Albumen.  Der  orthopnoische  Kranke  ist 
Tag  und  Nacht  ruhelos  und  schläft  auch  nach  Morphium  und  Veronal 
nicht.  Nachdem  Patient  2  Tage  ohne  Digitalisbehandlung  in  Be¬ 
obachtung  gewesen  ist.  erhält  er  am  11.  VII.  und  am  12.  VII.  07  (im 
Abstande  von  31  Stunden)  je  1  mg  Strophanthin  intravenös  mit  vollem 
und  raschem  Erfolg  auf  Puls.  Diurese  und  Dyspnoe.  Schon  nach  der 
1.  Einspritzung  konnte  der  Kranke  wieder  schlafen.  Zur  Festigung 
und  Vertiefung  dieses  Strophanthineffektes  wurden  vom  13. — 15.  je 
0,3,  am  16.  und  17.  je  0,2  Digitalispulver  verabreicht.  Die  Diurese 
hob  sich  dabei  noch  stärker,  bis  zu  2800  ccm  Urin  pro  die,  die 
Herzaktion  wurde  auf  80  verlangsamt  und  der  Puls  ward  kräftig  und 
setzte  nicht  mehr  aus.  Die  Oedeme  verschwanden  vollständig.  Der 
Kranke  hatte  sich  im  Verlauf  einer  Woche  derart  gebessert,  dass  er 
wieder  herumging.  Am  18.  erfolgte  inmitten  völligen  Wohlbefindens 
und  ohne  jede  Vorboten  während  der  an  der  allgemeinen  Tafel  ein¬ 
genommenen  Mahlzeit  plötzlich  der  Tod. 

In  diesem  Fall  wird  jeder  mit  uns  einen  plötzlichen  Todes¬ 
fall  annehmen,  der  nicht  durch  die  Digitalismedikation  ver- 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2023 


schuldet,  sondern  trotz  erfolgreicher  Digitaliswirkung  bei  einem 

schwer  Herzkranken  eingetreten  ist. 

Nur  wo  nach  interner  Digitalismedikation  oder  unmittel¬ 
bar  nach  Strophanthininjektion  Irregularität  und  Tachykardie, 
die  bekannten  Symptome  der  Kumulation,  eintreten,  kann  an 
Intoxikation  gedacht  werden,  wobei  noch  zu  berücksichtigen 
ist,  dass  diese  Zustände  häufig  auch  spontan  bei  Herzkranken, 

besonders  versus  finem  auftreten. 

Natürlich  wäre  bei  jedem  Todesfall  nach  Strophan¬ 
thin  die  Autopsie  wünschenswert.  Der  Nachweis  einer 
Apoplexie  oder  Embolie  würde  das  Strophanthin  sofort  ent¬ 
lasten  Belasten  könnte  die  Medikation  nur  der  Umstand,  dass 
sonst  keine  Todesursache  gefunden  wird.  Der  Sektionsbefund 
eines  , maximal  in  Systolestellung  kontrahierten  linken  Ven¬ 
trikels  wie  ihn  K  o  1 1  m  a  n  n  (1.  c.)  als  beweisend  für  Strophan¬ 
thintod  angegeben  hat,  ist  n  i  c  h  t  beweisend.  Wir  wissen  ein¬ 
fach  nicht,  warum  das  Herz  in  der  Leiche  manchmal  erschlafft, 
manchmal  mehr  weniger  kontrahiert  angetroffen  wird 

Der  Umstand,  dass  der  Tod  nach  einer  Strophanthin¬ 
injektion  oder  während  einer  Digitalismedikation  eintritt,  be¬ 
weist  nichts.  Auch  in  unseren  beiden  obigen  Fällen,  wo  der 
Tod  einmal  unter  Strophanthin-,  das  andere  Mal  unter  Digitahs- 
pulverwirkung  eintrat,  haben  wir  keinen  Grund,  den  unglück¬ 
lichen  Ausgang  der  Medikation  und  nicht  der  Krankheit  zuzu- 
schreiben.  Vor  der  Anwendung  des  Strophanthins  warnen  zu 
wollen,  wäre  ebenso  verkehrt,  wie  eine  Warnung  vor  Digi¬ 
talispulver. 

Fassen  wir  zusammen:  •  .  .  . 

1.  Die  schnelle  und  sichere  Wirkung  des  Strophanthins  in 
Fällen  kardialer  Kreislaufsstörungen  ist  auch  durch  die  neue 
Reihe  von  Injektionen  wieder  bewiesen. 

2.  Die  störenden  Nebenwirkungen  (Temperatursteigerungen 
und  Fröste)  beruhen  auf  bakteriellen  Verunreinigungen  der 
Lösungen.  Ihr  Ausbleiben  ist  jetzt  durch  absolut  sichere 
Sterilisation  des  Handelspräparates  garantiert. 

3.  Der  therapeutische  Erfolg  der  Strophanthininjektionen 
schwächt  sich  auch  bei  sich  häufig  folgenden  Einspritzungen 
nicht  ab,  oder  nur  so,  wie  es  der  Natur  eines  progredienten 

Leidens  entspricht.  ,  .  .... 

4.  Kumulationserscheinungen  sind  bei  den  früher  von 
Fraenkel  -  Schwartz  festgesetzten  Dosen  und  Zeitab¬ 
ständen  nicht  aufgetreten.  (1  mg  nicht  öfter  als  alle  24  Stunden.) 

5.  Die  intravenöse  Strophanthintherapie 
ist  in  weitgehender  Weise  berufen,  die  Digi¬ 
talistherapie  per  os  zu  ersetzen. 


Ueber  den  Kernikterus  der  Neugeborenen.*) 

Von  Prof.  R.  B  e  n  e  k  e  in  Marburg. 

Vor  einigen  Jahren  hat  Schmor  1  (Verhandlungen  der 
D.  pathol.  Gesellsch.  VI  1904)  auf  eine  eigentümliche  Form  des 
Icterus  neonatorum  aufmerksam  gemacht,  bei  welcher  eine 
scharf  lokalisierte,  äusserst  intensive  Gallenfärbung  bestimmter 
Nervenkerngebiete  neben  der  gewöhnlichen  kaum  bemeik- 
baren  diffusen  Verfärbung  des  übrigen  Nervensystems  hervor¬ 
tritt.  Die  erkrankten  Herde  waren  in  Schmorls  Fällen  an¬ 
scheinend  immer  die  gleichen,  nämlich  der  Linsenkein,  der 
L  u  y  s  sehe  Körper,  das  Ammonshorn,  der  Nucleus  dentatus, 
die  Olive  und  die  sensiblen  Nervenkerne  der  Medulla  oblongata , 
in  einem  Fall  zeigte  auch  das  Rückenmark  Gelbfärbung,  be¬ 
sonders  in  den  Hinterhörnern.  Die  Rinde  des  Gross-  und 
Kleinhirns,  der  Kopf  des  Streifenhügels  und  der  Thalamus  opti¬ 
cus  waren  frei  von  spezifischer  Färbung.  Histologisch  fand 
S  c  h  m  o  r  1  als  Grundlage  dieses  „Kernikterus“  eine  intensive 
Gallenfärbung  zahlreicher  Ganglienzellen  und  ihrer  Ausläufer 
in  den  betreffenden  Gebieten;  diese  Zellen  erschienen  gleich¬ 
zeitig  mehr  oder  weniger  deutlich  nekrotisch  (mangelhafte  Kern¬ 
färbung,  homogen  glänzendes  Protoplasma,  unvollkommene 
Nisslkörnung);  die  Gelbfärbung  erstreckte  sich  auf  ein  feines, 
offenbar  den  Ausläufern  der  Ganglienzellen  entsprechendes 
Netzwerk.  Ausserdem  fanden  sich  innerhalb  und  ausserhalb  dei 
gelben  Herde  reichlich  feine  rhombische  Bilirubinkrystalle,  sel¬ 
tener  Bilirubinnadeln  (fast  nur  in  Blutgefässen). 


Diesen  eigenartigen,  seltenen  Befund  —  Schmor  1  be¬ 
obachtete  ihn  unter  120  Fällen  von  Icterus  neon.  nur  6  mal  — 
vergleicht  Schmorl  mit  der  lokalisierten  Verankerung  be¬ 
stimmter  Giftstoffe  an  bestimmte  Ganglienzellgruppen;  ob  da¬ 
bei  eine  primäre  Aufnahme  zellschädigender  Gallenbestandteile 
die  Nekrose  bedingt  und  die  Gallenfärbung  der  letzteren  nach¬ 
folgt,  oder  ob  eine  primäre  intensive  Farbstoffaufnahme  die 
Nekrose  der  Zellen  nach  sich  zieht,  lässt  er  einstweilen  un¬ 


entschieden. 

Gleichzeitig  machte  Schmorl  darauf  aufmerksam,  dass 
in  solchen  Fällen  die  durch  Formalinbehandlung  in  iktcrischen 
Organen  regelmässig  zu  erzeugende  Grünfärbung  ausbleibt, 
und  zwar  nicht  nur  in  den  gelben  Nervenkernen,  sondern  auch 
in  den  übrigen  Organen;  die  Leber  eines  solchen  Falles  blieb 
in  derselben  Formalinlösung,  welche  die  gleich  ikterische  eines 
Neonatus  ohne  Kernikterus  grüngefärbt  hatte,  gelbbraun. 
Hieraus  musste  der  Schluss  gezogen  werden,  dass  dei  Ikterus 
jener  Fälle  durch  eine  besondere  Modifikation  des  Gallenfarb¬ 
stoffes  verankert  wird,  welche  durch  Formalin  und  Sublimat 
nicht  oxydiert  wird.  Der  leicht  zersetzliche  Farbstoff  ver¬ 
schwindet  am  Licht,  in  Alkohol,  Formalin  und  Sublimat  all¬ 
mählich;  Chloroform  löst  ihn  rasch  auf.  Die  Gmelinsche 
Probe  gelingt  erst  nach  Vorbehandlung  der  Schnitte  mit  dünner 
Kalilauge,  ähnlich  wie  bei  der  ikterischen  Verfärbung  des  Ge¬ 
hirns  in  der  Umgebung  grösserer  Blutergüsse. 

Die  letzte  Ursache  der  eigentümlichen  Erkrankung  kann, 
nach  Schmorls  Darstellung,  weder  in  der  Dauer  und  dem 
Grad  des  Ikterus,  noch  in  dem  Lebensalter,  oder  besonderen 
Erkrankungen  der  betr.  Kinder  (Lues,  Enteritis)  gesucht  werden 


und  harrt  noch  ihrer  Aufklärung. 

Diese  Entdeckung  Schmorls  ist,  wie  es  scheint,  in  der 
Literatur  bisher  noch  nicht  weiter  verfolgt  worden.  Die  Selten¬ 
heit  des  Befundes  —  einen  ähnlichen  hat  nur  vor  Jahren  ein¬ 
mal  Orth1)  beschrieben  —  rechtfertigt  wohl  die  Veröffent¬ 
lichung  des  nachfolgenden  Falles,  wenn  derselbe  auch  eine 
wesentliche  Aufklärung  über  die  Genese  der  eigenartigen 

Nervenkernfärbungen  nicht  gebracht  hat.  . 

Es  handelte  sich  um  den  erstgeborenen  von  2  infolge  eines  hef¬ 
tigen  Schrecks  der  Mutter  zu  früh  (ca.  6  Wochen  vor  der  berechne¬ 
ten  Zeit!)  geborenen  Zwillingen.  Die  Eltern  hatten  vor  9  Jahren 
schon  einmal  Zwillinge,  welche  gesund  sind;  dann  folgte  ein  Knabe, 
der  einige  Tage  nach  der  Geburt  unter  ähnlichen  Eischeinungen  wie 
die  letzten  Zwillinge  starb.  2  weitere  Schwangerschaften  endeten 
mit  dem  intrauterinen  Tod  der  Früchte  ohne  nachweisbare  Ursache. 
Beide  zuletzt  geborene  Zwillinge  zeigten  auffallend  bald  nach  uei, 
übrigens  ganz  leichten  Geburt,  nämlich  schon  nach  12  Stunden,  ikte¬ 
rische  Verfärbung;  im  übrigen  waren  sie  zunächst  anscheinend  ganz 
normal.  Etwa  20  Stunden  nach  der  Geburt  traten  bei  dem  erstgebore¬ 
nen  leichte  Krämpfe  (Zuckungen  der  Extremitäten)  auf;  36  Stunden 
post  partum  beobachtete  der  Arzt  tonische  Krämpfe  der  Extremitäten 
und  der  Wirbelsäule.  Schluckbeschwerden  und  Singultus  bestanden 
nicht-  beide  Kinder  tranken  ohne  Schwierigkeiten  bis  kurz  vor  ihrem 
Tode’ aus  dem  Löffel.  Der  erstgeborene  starb  48  Stunden  alt;  der 
jüngere  unter  dem  gleichen  Symptomenbild  etwa  6  Stunden  spater. 

Die  Sektion  des  erstgeborenen  (die  des  zweiten  Zwillings 

wurde  leider  nicht  gestattet)  ergab  folgenden  Befund: 

Tv-  mit  ripti  o*.p trennten  Fnsackcn  lind  den 


l  Nabelschnüren  ist  normal.  ,  ,  .  ....  „  .... 

45  cm  langer  Knabe,  normal  gebaut.  Nabelring  leicht  gerötet, 
licht  entzündet.  Ausgeprägter  Ikterus,  leichte  Zyanose,  allgemeiner 
Blutreichtum.  Kopfhaare  kräftig  entwickelt,  bis  2  cm  lang  Reich¬ 
lich  Lanugo  am  Rumpf,  den  Extremitäten  und  auf  der  Stirn,  Nagel 
fast  an  der  Fingerkuppe.  In  Mundhöhle  und  Nase  etwas  farbloser 

Schleim  Ausgeprägte  Totenstarre. 

In  der  Galea  über  dem  rechten  Stirnbein  Blutungen  (in  Resorp¬ 
tion).  Schädelknochen  etwas  dünn,  z.  T.  knitternd.  Punktförmige 
Fkchymosen  in  den  Faszien  und  den  Muskelbäuchen  der  M.  tem- 
poraies  Im  Sinus  medial,  sup.  etwas  Kruor.  Dura  und  Subduralraum 

”0rnp!a  von  iberischem  Oedem  mässig  gedehnt.  Keine  Blutungen 
in  den  Hirnhäuten.  Sehr  starke  Feuchtigkeit  des  Gehirns,  dem  Pia- 
ödem  entsprechend.  Ventrikel  leicht  erweitert.  Resistenz  des  Je- 

hirnSDi”s  oSlbtaganzt  nur  sehr  schwach  iberisch  gefärbt  die 
Rinde  nicht  stärker  als  die  Marksubstanz.  Dage *f”S11 ttÄ 
der  Seitenventrikel  sowie  Tela  und  Plexus  chorioid.  deiitlic  ‘ 
gelb.  Thalami  nicht  auffällig  gefärbt:  Linsenkein  etvas  sLirkci  „  _ 

lieh  Der  Kern  der  Ammonshörner  sowie  dei  L  V 
sehe  Körper  beiderseits  intensiv  schwefelgelb, 
mit  scharfer  Abgrenzung.  Kleinhirnrinde  streckenweise  etwas  Star- 


*)  Nach  einem  im  Aerztl.  Verein  zu  Marburg  gehaltenen  Vortrag. 


*)  Virch.  Arch.  63,  1875. 


2024 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


ker  gelb  als  die  Grosshirnrinde;  Nucleus  dentatus  nicht  auffällig  ge¬ 
färbt.  Bulbi  olfactorii  ungefärbt.  Die  kräftigsten  Färbungen  zeigen 
die  Nervenkerne  der  Medulla  oblongata;  besonders  intensiv  treten 
hervor  die  Kerne  des  Trigeminus  und  A<kustikus  in 
ihrer  ganzen  Ausdehnung,  etwas  unklarer  die  sensiblen  Kerne  von 
Glossopharyngeus  und  Vagus;  ferner  sehr  intensiv  der 
Nucl.olivaris  m  e  d.,  während  die  Olive  im  übrigen  ungefärbt 
erscheint;  der  Nucl.  f  a  s  c  i  c.  cuneati  stark,  der  Nucl.  fase,  gra¬ 
tis  schwach  gefärbt.  Ob  auch  der  Abduzens-  und  Hypoglossuskern 
gefärbt  waren,  liess  sich  nicht  genau  feststellen. 

Das  Rückenmark  ist  in  ganzer  Ausdehnung  normal  fest, 
deutlich  gezeichnet.  Die  Vorderhörner  sind  überall  intensiv 
gelb,  die  Hinterhörner  dagegen  kaum  auffällig  gefärbt.  Die  Nerven¬ 
stränge  des  Rückenmarkes  erscheinen  meist  deutlich  weiss.  Die 
Rückenmarkshäute  sind  ikterisch. 

Bauchwand  in  der  Umgebung  des  Nabels  normal.  Im  Peritoneum 
einige  Tropfen  schwach  gelber  Flüssigkeit.  Nabelvene  fest  zu¬ 
sammengezogen,  leer. 

Im  Corpus  sterni  3  Knochenkerne.  Situs  der  Brustorgane  nor¬ 
mal.  I  hymus  etwas  klein,  derb,  schlaff,  ohne  Ekchymosen.  Am 
I  erikard  eine  kleine  Bkchymose.  Im  Herzbeutel  gallengelbe  Flüssig¬ 
keit  Herz  mit  fest  geronnenem  Blut  gefüllt,  normal  proportioniert, 
kräftig,  steif,  dunkelrotgrau;  keine  Klappenhämatome. 

Lungen  lufthaltig;  intensiv  ikterisch.  Keine  Infiltrate.  Bronchi 
frei.  Eine  kleine  Ekchymose  im  subpleuralen  Bindegewebe  nahe  dem 
Oesophagus.  Mundhöhle  und  Rachen  normal.  Im  Oeso¬ 
phagus  kurz  oberhalb  der  Kardia  intensive  Rötung  und  längs¬ 
streifiger  intensiv  ikterischer  Belag.  Trachea  und  Larynx  nor- 
mal.  1  lommelhö  lilen  völlig  normal.  Milz  ragt  stark  hervor 
6:3  /2  : 1/2  cm  15  g.  Eigentümlich  missfarbige  graubraune  Kapsel, 
best,  tiefrot,  trocken,  grosse  Follikel.  Magen  zusammengezogen, 
mit  sehr  zähem  Schleim  gefüllt.  Die  Schleimhaut  zeigt  zahlreiche 
feinste  punktförmige  Nekrosen  und  grubige  Vertiefungen,  sämtlich 
durch  intensh  e  Gallenverfärbung  auffallend;  im  Duodenum  nichts 
derartiges. 

Darm  wand  kräftig  entwickelt,  überall  dicker  breiiger  Epithel- 
ag;  Schleimhaut  streckenweise  stärker  ikterisch,  relativ  dick,  auf- 
fällig  trüb  und  weich.  Kleine  lokalen  Schwellungen  oder  Ulzerationen. 
“‘halt  intensiv  gallengelb,  schon  im  Dünndarm  geballt.  In  tieferen 
I  eilen  des  Ilcum  wird  der  Inhalt  tiefer  braun;  im  ganzen  spärlich 
Kolon  fest  zusammengezogen,  dicke  trübe  Schleimhaut.  Im  Colon 
ascend.  Mekonium. 

Leber  sehr  gross,  von  normaler  Farbe  und  Konsistenz,  keine 
Herderkrankung.  Porta  normal.  In  der  Gallenblase  trübe  dicke 
GaHe.  Nebennieren  sehr  gross,  dick,  fest,  trübe,  verwaschene 
Zeichnung,  links  eine  Nebennebenniere.  Ureteren  erweitert. 
Nieren  noimal  geformt,  triib,  deutlich  ikterisch,  ausgeprägte  ziegel- 
rote  Harnsäureinfarkte.  Normale  Blase.  Beide  Hoden  im  Hodensack. 
Im  rechten  Hoden  ein  keilförmiger,  kleine  Zysten  enthaltender,  weiss¬ 
grauer  Knoten.  Normale  Knochen  und  Muskeln. 


Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  zunächst 
in  allen  I  eilen  des  Zentralnervensystems  eine  reichliche  Ausscheidung 
feiner  rhombischer,  seltener  nadelförmiger  Hämatoidinkristalle,  welche 
überall  im  Gewebe  zerstreut,  häufig  aber  deutlich  an  Zellen  gebunden 
waren.  Letzteres  Verhältnis  trat  besonders  auffällig  im  Ependym  der 
Ventrikelwände  und  der  Plexus  chorioidei  hervor,  in  welchen  die 
Kry stalle  die  Epithelzellen  meist  dicht  durchsetzten.  Die  Gelbfärbung 
der  Ventrikelwand  wie  der  leicht  gelbliche  Ton  des  ganzen  Gehirn¬ 
gewebes  war  durch  diese  —  offenbar  postmortale  —  Kristallaus¬ 
scheidung  ausreichend  erklärt.  Nervenfasern  und  Gliafasern  erwiesen 
sich  farblos,  namentlich  auch  die  vielfach  sehr  kräftig  entwickelten 
Markscheiden.  Dagegen  fanden  sich  nicht  selten  die  kleinen,  glän¬ 
zenden  Körnchen  der  im  Gehirn  verstreuten  Fettkörnchenzellen  in¬ 
tensiv  gelb  gefärbt,  ohne  dass  gleichzeitig  eine  Kristallausschei¬ 
dung  an  ihnen  vorlag. 

.  Zu  diesen  allgemeinen  Befunden  kam  in  den  intensiv  ikterisch 
gefärbten  Nervenkernen,  ganz  entsprechend  der  Beschreibung 
bchmorls,  eine  mehr  oder  weniger  intensive  diffuse  Gelbfärbung 
Anzahl  von  Ganglienzellen  hinzu,  gleichfalls  ohne  Biliru.bin- 
kristallbildung.  Die  betreffenden  Zellen  waren  unverkennbar  ne¬ 
krotisch:  ihr  Protoplasma  glasig  glänzend,  schollig  oder  körnig  zer¬ 
fallen,  ihre  Kerne  gar  nicht  oder  unvollkommen  färbbar;  Fettablage- 
tuiig  konnte  ich  in  solchen  Zellen  nicht  nachweisen.  Die  üelb- 
K11  nmg  ging  eine  Strecke  weit  auf  die  Zellausläufer  über.  Eine  oft 
' ec  Krosse  Anzahl  neben  den  Ganglienzellen  gelegener  gelblicher 
Körnchen  bis  zur  Grösse  von  Blutplättchen  besassen  die  gleiche 
rarbung;  sie  Hessen  sich  nicht  immer  sicher  deuten,  zum  Teil  handelte 
es  sich  wohl  um  Querschnitte  gelb  gefärbter  Ganglienzellausläufer. 
Neben  diesen  im  ganzen  spärlichen  Zellen  intensivster  Färbung  fan¬ 
den  sich  in  den  ikterischen  Kernge'bieten  Zwischenstufen  in  allen 
Schattierungen  der  Färbung  bis  zur  völligen  Farblosigkeit.  Hierbei 
Iie-SLSm-h  deutlich  konstatieren,  dass  der  Farbstoff  an  Zellgranula 
(nicht  I  lgroidschollen)  gebunden  war.  Zellen  mit  kräftig  gefärbten 
Granuhs  machten  im  übrigen  doch  noch  den  Eindruck  vollkommenen 
Erhaltenseins;  die  Farbstoffaufnahme  konnte  also  bis  zu  erheblichen 
Graden  gesteigert  sein,  ohne  dass  die  Zellnekrose  vorausgegangen  zu 
sem  brauchte  oder  wenitrstens  mikroskopisch  erkennbare  Formfn an- 
genommen  hatte.  Irgend  eine  andere  Veränderung  konnte  in  den 


ikterischen  Herden  nicht  nachgewiesen  werden;  die  Ausscheidung 
von  Bilirubinkristallen  war  eher  geringer  als  in  den  übrigen  Ge¬ 
bieten.  Fettkörnchenzellen  waren  gar  nicht  oder  nur  spärlich  nach¬ 
weisbar,  sicher  nirgends  pathologisch  vermehrt.  Die  Gefässe  er¬ 
schienen  normal. 

So  intensiv  die  Gallenfärbung  der  Ganglienzellen  auch  war,  so 
war  andererseits  die  Zahl  der  so  veränderten  Zellen  gegenüber  den 
ungefärbten  doch  nicht  sehr  gross;  die  Abschätzung,  wie  weit  der 
makroskopisch  so  auffällige  Grad  der  Gesamtfärbung  auf  die  Zell¬ 
färbung  zu  beziehen  war,  war  natürlich  sehr  schwer,  doch  hatte  ich 
den  Eindruck,  als  ob  die  letztere  allein  nicht  ausreiche  und  demnach 
daneben  noch  eine  mehr  diffuse,  jedenfalls  mit  dem  Mikroskop  nicht 
erkennbare  stärkere  Farbimbibition  neben  den  Zellfärbungen  in  den 
betreffenden  Gebieten  vorliege.  Von  einer  Fibrillenfärbung,  wie 
Schmorl  sie  gesehen  hat,  konnte  ich  mich  allerdings  nicht  über¬ 
zeugen. 

Die  Ganglienzellen  in  den  makroskopisch  nicht  durch  die  ik- 
terische  Färbung  hervorgetretenen  Teilen  zeigten  auch  mikroskopisch 
keine  Färbung,  auch  nicht  jene  beginnenden  Granulafärbungen. 

Nach  diesen  Befunden  am  Nervensystem  (leider  war  es  bei 
der  Sektion  versäumt  worden,  auch  die  Zerebrospinalganglien 
und  sympathischen  Ganglien  auf  ihren  Farbgehalt  zu  prüfen) 
erscheinen  die  Schwierigkeiten  der  Deutung  jenes  auffälligen 
Kernikterus,  wie  sie  Schmorl  schon  hervorgehoben  hat, 
nicht  geringer.  Unverkennbar  liegt  eine  Erkrankung  vor,  die 
für  den  Status  neonati  charakteristisch  ist;  denn  auch  bei  den 
schwersten  Ikterusfällen  älterer  Individuen  so  namentlich  auch 
bei  dem  Ikterus  durch  kongenitale  Choledochusatresie  sind  der¬ 
artige  Lokalisationen  meines  Wissens  noch  nie  beobachtet 
worden.  Die  Erklärung  muss  also  entweder  mit  einer  beson¬ 
deren  lokalen  Disposition  der  betr.  Kerngebiete  bei  bestimmten 
Neugeborenen  zur  Absorption  des  Gallenfarbstoffes  oder  mit 
dem  Vorhandensein  eines  durch  besondere  Stoffwechselzu¬ 
stände  der  ersten  Lebenstage  bei  ihnen  zur  Wirkung  kommen¬ 
den  Giftes  rechnen,  welches  gerade  in  jenen  Gebieten  lokalisiert 
und  durch  die  Farbstoffablagerung  verraten  wird. 

Die  Möglichkeit  einer  solchen  besonderen  individuellen 
Disposition  in  letzterem  Sinne  ist  diskutabel.  Allerdings  hat 
Schmorl  bezüglich  seiner  Fälle  angegeben,  dass  ein  be¬ 
sonderes  Moment  aus  der  Anamnese  nicht  anzugeben  sei;  in 
Orths  Falle  handelte  es  sich  um  eine  normale  Mutter  und 
eine  normale  Geburt;  das  Kind  starb  an  einem  alsbald  nach  der 
Geburt  einsetzenden  besonders  hochgradigen  Ikterus  am  zweiten 
Lebenstage.  Unser  Fall,  der  so  ähnlich  verlief,  zeigte  indessen 
unverkennbare  gewisse  Besonderheiten.  Er  gehört  zu  den 
seltenen  Beobachtungen,  bei  welchen  die  Kinder  scheinbar  ganz 
gesunder  Eltern  regelmässig  nach  der  Geburt  an  schwerem 
Ikterus  eingehen,  so  dass  eine  Familiendisposition  an¬ 
genommen  werden  muss;  derartige  Fälle  haben  noch  neuer¬ 
dings  B  u  r  f  i  e  1  d  2)  und  D  u  g  11  i  1 3)  veröffentlicht.  In  Bur- 
f  i  e  1  d  s  Fall  waren  von  10  Kindern  9  ikterisch,  davon  blieben  3 
am  Leben;  nur  das  erste  Kind  soll  nicht  ikterisch  gewesen,  aber 
im  5.  Lebensmonat  an  Bronchitis  gestorben  sein.  In  D  u  g  u  i  1  s 
Fall  waren  die  beiden  ersten  Kinder  nicht  ikterisch  und  blieben 
am  Leben;  das  dritte  und  vierte  starben  am  Ikterus.  Ueber 
diese  Fälle  liegen  anatomische  Untersuchungen  nicht  vor;  im 
Hinblick  auf  unseren  Fall,  der  sich  ihnen  offenbar  anschliesst, 
würde  bei  späteren  Beobachtungen  dieser  Art  die  Untersuchung 
auf  etwaigen  Kernikterus  von  besonderem  Interesse  sein. 

Für  die  Erklärung  der  eigentlichen  Lokalisation  des  letz¬ 
teren  handelt  es  sich  um  verschiedene  Möglichkeiten.  Zunächst 
könnte  dieselbe  als  einfache  Leichenerscheinung,  etwa  infolge 
besonders  starker  Farbstoffaufnahme  aus  der  Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit,  namentlich  an  den  durch  die  Senkung  in  der  Leiche 
überfüllten  Gebieten  gedeutet  werden.  Dass  die  starke  Fär¬ 
bung  des  Ependyms,  welche  vorwiegend  durch  Bilirubinnadeln 
bedingt  war,  postmortal  entstanden  war,  ist  unverkennbar; 
auch  die  Bevorzugung  einiger  bei  der  Rückenlage  der  Leiche 
besonders  tief  gelegener  Stellen,  nämlich  der  Ammonshörner, 
des  Kleinhirns,  des  Rückenmarks,  könnte  angeführt  und  die  be¬ 
sondere  Lokalisation  in  einzelnen  Kernen,  sowie  in  den  Vorder¬ 
hornganglienzellen  als  der  Ausdruck  einer  chemischen  Affinität 
ihrer  Protoplasmen  zum  Gallenfarbstoff  gedeutet  werden. 
Wissen  wir  doch  durch  die  Untersuchungen  Knöpfei- 
machers,  in  wie  hohem  Grade  die  Lösung  bezw.  das  Aus- 
kiistallisieren  des  Gallenfarbstoffes  von  geringen  chemischen 


2)  Brit.  med.  Journ.  1906,  pag.  20. 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2025 


Differenzen  der  Gewebe  abhängt;  und  die  intensiven  diffusen 
Gallenfärbungen  ausgedehnter  Partien  des  Darmepithels, 
welche  in  unserem  Falle  Vorlagen,  würden  als  eine  analoge 
Senkungsimbibition  angeführt  werden  können.  In  gleichem 
Sinne  hat  schon  Neumann3")  erwiesen,  dass  in  einem  in 
Galle  eingelegten  Fettgewebe  eine  Ausscheidung  des  Farbstoffs 
um  die  Fettzellen  herum  erfolgt,  offenbar  auf  Grund  spezifischer 
Attraktionserscheinungen. 

Unverkennbar  würde  eine  solche  einfache  Erklärung  sehr 
bequem  sein.  Indessen  spricht  meines  Erachtens  sowohl  die 
Intensität  und  die  scharfe  Begrenzung  der  Herdverfärbungen, 
als  die  Tatsache  einer  Zellnekrose  in  den  verfärbten  Gebieten 
dagegen.  Die  eigentümlichen  hyalinen  Umwandlungen,  der 
Kernuntergang  in  den  betreffenden  Ganglienzellen  können  wohl 
nur  als  Effekte  vitaler  Schädigungen  aufgefasst  werden;  damit 
stimmt  auch  überein,  dass  benachbarte  Ganglienzellen  ganz 
verschiedene  Grade  der  Färbung  aufwiesen.  Erblickt  man 
aber  in  der  Zellschädigung  den  Kernpunkt  des  Prozesses,  so 
kann  und  muss  die  Färbung  bereits  in  prämortalen  Perioden 
erfolgt  sein  und  könnte  höchstens  durch  die  günstigen  Be¬ 
dingungen  postmortaler  Senkungszustände  noch  eine  besondere 
Steigerung  erfahren  haben. 

Die  Entstehung  der  i  n  t  r  a  v  i  t  a  1  e  n  Färbung  bezw.  einer 
sie  veranlassenden  Schädigung  der  Ganglienzellen  lässt  sich  auf 
eine  Reihe  von  Möglichkeiten  zurückführen.  Erstens  könnte 
durch  spezifische,  lokale  Attraktion  des  Gallenfarbstoffs  eine 
besonders  starke  Farbstoffaufnahme  in  den  Zellen  erfolgt  und 
allmählich  die  Ursache  von  deren  Absterben  geworden  sein; 
hierbei  müsste  eine  Differenz  der  Attraktionskraft  der  einzelnen 
Ganglienzellen  und  der  ganzen  Ganglienzellgebiete  ^  ange¬ 
nommen  werden  müssen.  Zweitens  könnte  die  primäre  Schädi¬ 
gung  in  der  Resorption  anderer  Stoffe,  z.  B.  von  Gallensäuren, 
bestanden  haben.  Die  Ganglienzellen  würden  dann,  je  nach 
dem  Grade  ihrer  Schädigung,  nachträglich  oder  gleichzeitig 
den  Gallenfarbstoff  aufgenommen  haben,  am  stärksten  nach  er¬ 
folgter  Nekrose;  dass  normale  Ganglienzellen  auch  beim 
Fötus  den  Farbstoff  nicht  in  grösseren  Quantitäten  annehmen, 
ist  bekannt.  Drittens  könnte  eine  Schädigung  durch  andere 
Momente,  namentlich  etwa  eine  schwere  Ischämie,  oder  ein 
Trauma  bei  der  Geburt,  als  primäre  Erkrankung  angesehen 
werden,  der  sich  dann  wieder  je  nach  dem  Grade  der  lokalen 
Schädigung  eine  Gallenfärbung  angeschlossen  hätte.  Die  Ent¬ 
scheidung  über  diese  Möglichkeiten  hängt  von  der  Auffassung 
ab,  ob  die  intensive  Gallenfärbung  ausschliesslich  eine  passive 
Imbibition  auf  Grund  einer  Schädigung  bezw.  einer  Nekrose 
der  Zellen  ist,  oder  auch  als  aktive  gesteigerte  Absorption  des 
Farbstoffes  seitens  des  lebenden  Protoplasmas  gelten  kann.  In 
der  an  den  Vortrag  Schmorls  angeschlossenen  Diskussion 
hat  Orth  den  ersteren  Standpunkt  vertreten. 

Von  einem  etwaigen  mechanischen  Geburtstrauma  ist  in 
der  Krankengeschichte  unseres  Falles  keine  Rede,  die  Gebuit 
verlief  durchaus  normal.  Die  Annahme,  dass  die  Frucht  durch 
den  die  Frühgeburt  einleitenden  Schreck  der  Mutter  in  be¬ 
sonderer  Weise  gelitten  haben  könnte,  lässt  sich  ja  zvai  ge¬ 
rade  wegen  des  Eintritts  der  Frühgeburt,  welcher  doch  auf  eine 
besondere  Erregung  der  Uteruswand  schliessen  lasst,  nicht 
völlig  ablehnen,  ist  aber  doch  zu  hypothetisch,  um  eine  wirk¬ 
liche  Erklärung  abgeben  zu  können.  Eher  wäre  an  eine  R  e  - 
flexischämie  im  Nervensystem  des  Neugeborenen  zu 
denken.  Dass  verlängerte  starke  Arterienkontraktionen  zu 
ausgedehnten  Nekrosen  des  Zentralnervensystems  führen 
können,  ist  seit  den  Untersuchungen  Brown-Sequar  d  s 
und  ihrer  Verwertung  für  die  Erklärung  der  Reflexpaialysen 
durch  v.  Recklinghausen4)  durchaus  wahrscheinlich. 
Tatsächlich  gab  der  Sektionsbefund  für  die  Behauptung,  dass 
irgend  welche  Reize,  z.  B.  die  Abkühlung  nach  der  Gebuit,  eine 
starke  Reflexanämie  im  Splanchnikusgebiet  veranlasst  hatten, 
einen  sicheren  Anhalt,  und  zwar  in  Gestalt  der  eigentümlich 
ikterisch  gefärbten  Nekrosen  und  Geschwiirchen  des  Magens, 
welche  ich  als  Stigmata  zu  bezeichnen  pflege 5 *).  Diese 


3)  Ibidem,  pag.  319. 

3*)  Virch.  Arch.  114,  1888. 

4)  Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie  des  Kreislaufes  und 
der  Ernährung.  1883. 

5)  Beneke:  Oesophagusruptur  etc.  Deutsch,  med.  Wochen¬ 

schrift  1904,  41. 

No.  41. 


Herdchen  erwiesen  sich  mikroskopisch  als  kleinste,  meist  keil¬ 
förmige  Nekrosen  in  der  Magenschleimhaut,  welche  im  scharfen 
Gegensatz  zu  den  anstossenden  Schleimhautpartien  intensiv 
gallige  Färbung  der  abgestorbenen  Elemente,  ausserdem  aber 
auch  ungemein  reichliche  Ausscheidung  grosser  Bilirubinnadeln 
und  -rhomben  zeigten.  Unverkennbar  war  diese  Gallenfarb¬ 
stoffablagerung,  deren  Intensität  auf  den  Grad  der  Bilirubin¬ 
überschwemmung  des  ganzen  Organismus  zurückschliessen 
liess,  sekundär  in  den  bereits  nekrotischen  Bezirken  entstanden; 
die  Geschwürchen  entsprechen  offenbar  einer  intravitalen  Ver¬ 
dauung  der  oberflächlich  gelegenen,  für  den  Magensaft  angreif¬ 
baren  Nekrosen,  genau  wie  bei  den  Stigmata  der  Erwachsenen. 
Für  die  letzteren  habe  ich  persönlich,  wie  durch  die  Unter¬ 
suchungen  meines  Schülers  Hurwitz0)  den  Nachweis  führen 
können,  dass  sie  o  h  n  e  Gefässverstopfungen,  sehr  wahrschein¬ 
lich  daher  durch  einfachen  Arterienkrampf,  bei  Fällen  entstehen, 
in  welchen  schwere  Nervenreizungen  im  Splanchnikusgebiete 
(Gallenblasenoperationen,  Peritonitis,  Meningitis  u.  ähnl.)  ein¬ 
getreten  sind.  Ich  erkläre  mir  den  ganz  typisch  und  meist  in 
sehr  grosser  Ausdehnung  in  der  Magenschleimhaut  verlaufen¬ 
den  Vorgang  mit  der  Annahme,  dass  durch  die  (vorüber¬ 
gehende)  Ischämie  bestimmte  Punkte  der  Schleimhaut  stark 
geschädigt  werden  und  demgemäss  der  verdauenden  Ein¬ 
wirkung  des  Magensaftes  verfallen.  Ebenso  häufig  wie  in 
solchen  Fällen  habe  ich  sie  bei  Kindern  der  ersten  Lebenstage 
beobachtet,  bei  denen  sie  auch  eine  Ursache  der  Meläna  ab¬ 
geben  können;  sie  sind  im  allgemeinen  hier  nur  viel  kleinei, 
kaum  noch  mit  unbewaffnetem  Auge  zu  erkennen  und  werden 
daher  wohl  sehr  oft  übersehen7).  In  Analogie  zu  den  Fällen 
der  Erwachsenen  beziehe  ich  sie  beim  Neugeborenen  auf  irgend 
einen  Schock  bei  oder  nach  der  Geburt,  wie  z.  B.  die  Ab¬ 
kühlung.  Allerdings  habe  ich  kürzlich  in  einem  solchen  Fall 
in  den  kleinsten  Endarterien  der  betreffenden  Schleimhaut¬ 
gebiete  hyaline  Thromben  nachweisen  können;  doch  werden 
solche  in  anderen,  so  auch  im  vorliegenden  Falle  von  Kern¬ 
ikterus,  vermisst,  und  ihr  Vorhandensein  ist  kein  Beweis  für 
eine  Embolie  oder  ein  Gegenbeweis  gegen  die  Krampfischämie, 
ist  doch  schon  von  v.  Recklinghausen  der  Nachweis  ge¬ 
führt  worden,  dass  in  ischämischen  Gebieten  sich  hyaline  Ka¬ 
pillarthromben  leicht  einstellen  können. 

Lassen  sich  nach  diesen  Erfahrungen  die  ikterisch  ver¬ 
färbten  Stigmata  des  Magens  in  unserem  Falle  mit  einiger 
Sicherheit  auf  eine  Reilexischämie  zurückführen,  so  wäre  das 
Einsetzen  einer  gleichzeitigen  Reflexischämie  im  Gebiete  des 
Zentralnervensystems  mit  dem  Erfolge  einer  Schädigung  der 
Ganglienzellen  gleichfalls  nicht  undenkbar.  Indessen  glaube 
ich  doch  von  einer  solchen  Hypothese  absehen  zu  müssen,  so 
einfach  und  gut  sie  auch  gerade  die  Eigenart  und  die  Seltenheit 
des  Kernikterus  erklären  würde.  Sie  setzt  eine  ausgedehnte 
Ischämie  des  Gefässgebietes  von  den  grossen  Gehirnganglien 
bis  herab  zum  Filutn  terminale  voraus;  sie  verlangt  eine  be¬ 
sondere  Empfindlichkeit  der  beschriebenen  Kerngebiete  gegen 
Sauerstoffmangel;  sie  verlegt  den  Zeitpunkt  der  Erkrankung  in 
den  Augenblick  der  Geburt,  da  in  den  beiden  Lebenstagen  des 
Kindes  eine  nachträgliche  Schockeinwirkung  sorglichst  ver¬ 
mieden  war.  Diese  drei  Punkte  sind  durchaus  angreifbai. 
Die  grosse  Ausdehnung  der  Ischämie  wäre  prinzipiell  denkbar 
_  sehen  wir  doch  z.  B.  bei  traumatischen  Rückenmarks¬ 
erschütterungen,  bei  denen  die  Reflexischämien  meiner  Er¬ 
fahrung  nach  gleichfalls  die  Ursache  der  sich  anschliessenden 
„Myelitis“  sind,  bisweilen  eine  Ausbreitung  der  Erkrankungs¬ 
herde  über  das  ganze  Rückenmark  auftreten  )  ,  abei  nicht 


6)  Beitrag  zur  Lehre  von  den  hämorrhagischen  Erosionen  des 
Magens.  J.  D.  Königsberg  1904. 

7)  Orth:  1.  c.  fand  in  2  Fällen  von  Ikterus  neonatorum  „kleine 
Geschwüre  im  Magen  mit  gelbem  Grunde  und  dunkelroten  Hof.  bei 
denen  gerade  in  letzterem  dichtgedrängt  Kristall  an  Kristall  lag  . 
Ob  es  sich  dabei  um  multiple  Stigmata  im  obigen  Sinne  handelte, 
geht  aus  der  Beschreibung  nicht  hervor.  Ich  fand  übrigens  ge¬ 
legentlich  die  Herdchen  schon  deutlich  gelb  gefärbt  in  FUlen,  bei 
denen  im  übrigen  Körper  der  Icterus  neonat,  makroskopisch  nicht  er- 

kennbar^wa  g  c  h  m  a  u  s .  Beiträge  der  pathologischen  Anatomie  der 
Rückenmarikserschütterung.  Virchows  Archiv  122,  1^0.  *ae  mi 
Texte  angedeutete  Auffassung  der  Riickenmarksdegeneiation  beruht 
auf  dem  Nachweis  hyaliner,  offenbar  durch  Gefassspasmen  entstan¬ 
dener  Thrombosen  der  kleinen  Arterien  in  Fällen  von  Lommotio  spt- 

i 


ZU20 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


sehr  wahrscheinlich.  Wäre  die  Schädigung  der  Ganglienzellen 
durch  plötzlichen  ischämischen  Sauerstoffmangel  die  Vorbe¬ 
dingung  der  Gallenimbibition  gewesen,  so  würde  eine  solche 
Schädigung  sich  in  Analogie  zu  dfen  alten  Versuchen  Kuss- 
m  a  u  1  s  und  T  e  n  n  e  r  s ")  an  den  motorischen,  schwer  be¬ 
fallenen  Vorderhornganglienzellen  sicher  durch  Lähmungen 
und  an  den  Kernen  der  Medulla  obl.  durch  epileptiforine 
Krämpfe,  vielleicht  auch  dypnoische  Zustände  sofort  vom 
Einsetzen  der  supponierten  Schädigung  an 
verraten  haben;  tatsächlich  sind  Krämpfe  erst  allmählich  in 
den  letzten  24  Lebensstunden  aufgetreten.  Hätte  endlich  die 
Erkrankung,  d.  h.  die  Ischämie,  zur  Zeit  der  Geburt  eingesetzt, 
so  würde  im  Lauf  des  48  ständigen  Lebens  in  den  erkrankten 
Abschnitten  wohl  schon  eine  deutliche,  ebenfalls  lokalisierte 
Fettkörnchenzellbildung  zustande  gekommen  sein,  während 
tatsächlich  Fettkörnchenzellen  in  den  erkrankten  Gebieten  eher 
spärlicher  als  in  den  übrigen  Teilen  nachweisbar  waren. 

Der  letztere  Befund  lässt  darauf  schliessen,  dass  die  end¬ 
gültige  Nekrose  der  Ganglienzellen  erst  kurz  vor  dem  Tode  er¬ 
folgte.  Allerdings  muss  dabei  berücksichtigt  werden,  dass  die 
Zahl  und  Ausbildung  der  Fettkörnchenzellen  im  Zentralnerven¬ 
system  des  Neugeborenen  mit  seiner  eben  erst  beginnenden 
Markscheidenausbildung  relativ  an  sich  viel  geringer  laus- 
fällt,  als  bei  den  Nekrosen  im  fettreichen  Gehirn  des  Er¬ 
wachsenen.  Indessen  scheint  mir  für  die  Annahme  einer 
langsamen  Nekrose  der  Ganglienzellen  auch  das  Verhalten 
der  Gallenfärbung  an  den  verschiedenen  Zellen  angeführt  wer¬ 
den  zu  dürfen.  Diese  Färbung  haftete  ähnlich  wie  an  den  Fett¬ 
körnchen  der  Fettkörnchenzellen,  so  auch  an  den  Granula  der 
Ganglienzellen.  Sie  war  an  bestimmten  Zellen  offenbar  lang¬ 
sam  immer  intensiver  geworden  und  hatte  sich  zuletzt  zu  der 
diffusen  Färbung  der  abgestorbenen  Zellen  gesteigert.  Hier¬ 
nach  erschien  es  natürlich,  in  dieser  spezifischen  Reaktion  einen 
Lebensvorgang  zu  sehen,  nicht  nur  eine  einfache  che¬ 
mische  Bindung  im  Sinne  der  Leichenimbibition. 10)  Unter 
dieser  Annahme  aber  muss  die  eigentümliche  Lokalisation  in  den 
bestimmten  Nervenkernen  auf  eine  spezifische  Empfindlichkeit 
gerade  ihrer  Ganglienzellen  gegen  die  einwirkende  Noxe  be¬ 
zogen  werden;  demnach  würde  eine  Verankerung  des  Giftes, 
wie  schon  Schmorl  sie  andeutete,  in  bestimmten  Zellarten, 
in  Analogie  mit  so  manchen  lokalisierten  Verankerungen  an¬ 
derer  toxischer  Stoffe,  vorliegen,  und  es  fragt  sich  nur, 
welcher  Körper  die  spezifisch  veranlagten  Rezeptoren  der 
Ganglienzellen  geschädigt  hat. 

Diese  Frage  ist  bei  dem  gegenwärtigen  Stand  unserer 
Kenntnisse  über  die  Stoffwechseivorgänge  beim  Neugeborenen, 
speziell  dem  ikterischen,  einerseits  und  die  Einwirkungen  der 
Gallenbestandteile  auf  die  Zellelemente  andererseits  nicht  zu 
beantworten. 

Dr  nächstliegende  Gedanke  ist  natürlich  der,  dass  der 
Gallenfarbstoff  direkt  durch  ein  Zellelement,  etwa  die 
Lipoide  der  Granula,  in  schädigender  Weise  gebunden  wird. 
Von  einer  direkt  giftigen  Einwirkung  des  Bilirubins  auf  die 
Protoplasmen  ist  indessen  nichts  sicheres  bekannt;  nicht  ein- 


nalis  oder  cerebralis.  Der  von  Schmaus  vertretenen  Anschau¬ 
ung  molekularer,  unsichtbarer  traumatischer  Schädigung  der  Nerven¬ 
fasern  kann  ich  mich  nicht  anschliessen. 

u)  Untersuchungen  über  Ursprung  und  Wesen  der  fallsucht- 
a^en  Zuckungen.  Moleschotts  Untersuchungen  II,  1857 

)  Die  Reaktion  der  Ganglienzellen  schien  mir  eine  Aehnlic’hkeit 
mit  derjenigen  der  Nierenrindenepithelien  zu  haben,  welche  bekannt- 
Ucli  bei  ikterischer  Degeneration  zunehmende  Granulafärbung  zeigen 
bevor  che  definitive  Nekrose  erfolgt.  Die  Tatsache,  dass  die  Nieren- 
epithelien  so  ungemein  fettreich  sind  —  wenn  auch  der  morpho¬ 
logische  Nachweis  des  Fettes  ganz  fehlen  kann  —  lässt  vielleicht 
die  \  ermutung  zu,  dass  auch  hier  die  Fettkörper  das  Bindemittel 
abgeben  und  dass  es  sich  bei  den  Ganglienzellen  ähnlich  verhält 
Uebrigens  ist  anscheinend  in  den  Kernikterusfällen  auch  die  Bin¬ 
dung  des  Gallenfarbstoffes  an  die  Zellen  besonders  fest;  hierfür 
spricht  die  Beobachtung  Schmorls,  dass  die  G  m  e  1  i  n  sehe  Re- 
aktion  erst  nach  Vorbehandlung  der  Gewebe  mit  Kalilauge  eintrat 
Vielleicht  handelt  es  sich  eben  um  die  verseifbaren  Fettsäuren  der 
Zellen;  in  gleichem  Sinne  erklärt  Knöpf  elmacher  die  Kristalli- 
sation  des  Bilirubins  an  Fettzellen  durch  die  Resorption  der  das 
nilirubin  in  Losung  haltenden  Alkalien  seitens  der  Fettsäuren  (in 
i  Ea“i!Al€r  und  Schlossmann,  Handbuch  der  Kinderheilkunde 


mal  Erythrozyten  werden  geschädigt  (R  y  w  o  s  c  h).  Dagegen 
wird  unzweifelhaft  oft  Bilirubin  in  krystallinischer  oder  ge¬ 
löster  Form  reichlich  von  Zellen  aufgenommen,  z.  B.  bei  Re¬ 
sorption  von  Blutextravasaten,  ohne  dass  eine  Nekrose  der¬ 
selben  nachweisbar  ist.  Auch  in  unserem  Falle  lag  an  den 
Ependymzellen  der  Ventrikel  eine  solche,  offenbar  aus  der 
Ventrikelflüssigkeit  stammende  Ueberschwemmung  mit  Gallen¬ 
farbstoff  ohne  erkennbare  Zellschädigung  vor.  Führte  also  in 
jenen  Herden  die  Bilirubinimbibition  bis  zur  Nekrose  der  Gan¬ 
glienzellen,  so  scheint  demnach  die  Mitwirkung  einer  beson¬ 
deren  Schädigung  im  Spiele  gewesen  zu  sein. 

In  dieser  Beziehung  könnte  zunächst  an  die  Angabe 
Schmorls  gedacht  werden,  dass  die  färbende  Substanz 
kein  einfaches  Bilirubin,  sondern  eine  besondere,  weniger  leicht 
oxydable,  dem  Bilirubin  nur  nahestehende  Verbindung  ist. 
Dass  auch  in  meinem  Fall  sowohl  die  Nervenkerne  als  die  Ne¬ 
krosen  im  Magen  und  am  Oesophagus  die  Resistenz  gegen¬ 
über  der  Formolwirkung  aufwiesen,  war  leicht  zu  konstatieren; 
und  man  braucht  bloss  an  die  biologischen  Differenzen  von 
Oxy-  und  Methämoglobin  zu  denken,  um  die  Möglichkeit  einer 
solchen  für  bestimmte  Zellgruppen  spezifischen  nekrotisieren¬ 
den  Wirkung  des  fraglichen  Körpers  im  Gegensatz  zum  Bili¬ 
rubin  anerkennen  zu  können. 

Indessen  scheint  mir  die  Annahme,  dass  nicht  Bilirubin, 
sondern  nur  ein  ihm  verwandter  Körper  vorliege,  noch  nicht 
genügend  erhärtet.  Die  Ueberführung  in  Bilirubin  durch  For¬ 
malin  hängt,  wie  mir  scheint,  von  der  Form  der  Bilirubin¬ 
bindung  ab.  Reine  Krystalle  werden  nicht  umgewandelt,  son¬ 
dern  nur  diffus  gefärbte  Eiweisskörper  (ikterische  Zylinder  etc.) 
zeigen  überall  die  Reaktion.  So  kann  also  offenbar  die  Ursache 
des  Ausbleibens  der  letzteren  in  einer  eigenartigen  Form  der 
Farbstoffbindung  liegen.  In  anderen  Fällen  von  Icterus  neon. 
ohne  Kernikterus  konnte  ich  die  gleiche  Resistenz  ikterischer 
Nekrosen  gegen  das  Formalin  konstatieren. 

Weiterhin  könnten  die  Gallensäuren  herangezogen 
werden,  deren  Giftwirkung  auf  einzelne  Zellen,  auf  das  Zen¬ 
tralnervensystem  und  den  ganzen  Organismus  eine  erhebliche 
ist.  Wissen  wir  doch,  dass  sie  Erythrozyten  zur  Auflösung 
bringen,  ferner,  dass  subdurale  Injektionen  gallensaurer  Salze 
schon  in  geringer  Menge  schwere  Krämpfe  ähnlich  wie  bei 
Icterus  gravis  veranlassen.11)  Ferner  ergeben  die  überein¬ 
stimmenden  Angaben  von  A  h  1  f  e  1  d 12),  Brauer 13),  v  o  n 
den  Velden  14),  Kehrer  15)  u.  A.,  dass  der  Icterus  gravi¬ 
darum  zum  vorzeitigen  Tode  der  Früchte  zu  führen  pflegt,  und 
dass  hierbei  nicht  die  Gallenfarbstoffe,  welche  die  Plazenta¬ 
grenze  nicht  überschreiten,  sondern  andere  Gallenbestand¬ 
teile,  vermutlich  doch  wohl  die  Gallensäuren,  als  Ursache  dieses 
Absterbens  anzusehen  sind. 

Späteren  Untersuchungen  bleibt  es  Vorbehalten,  den  Nach¬ 
weis  von  Gallensäuren  in  den  Geweben  bei  Kernikterus  zu 
führen.  Dieser  Nachweis  ist  tatsächlich  gelungen,  wenn  er 
auch  selbst  bei  günstigem  Material  (Perikardialerguss)  nicht 
leicht  ist.  Birch-Hirschfeld  erwies  den  Uebergang  der 
Gallensäuren  in  den  Körper  bei  Icterus  neonatorum  durch  die 
Untersuchung  der  in  einer  Anzahl  von  Fällen  entnommenen 
und  zusammengegossenen  Perikardialergüsse;  ein  einziges 
Mal  gelang  es,  in  der  Perikardialflüssigkeit  eines  Einzelfalles 
Spuren  von  Gallensäuren  zu  finden.16)  Ferner  ist  auch  die 


u)  Biedl  und  Kraus:  Zentralbl.  f.  innere  Med.,  19,  1898. 

12)  Ahlfeld:  Berichte  und  Arbeiten  1883. 

13)  Diese  Wochenschrift  1902,  No.  20  und  Abt.  f.  Gynäkologie 
,  1903. 

1J)  Beiträge  zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  herausgegeben 
von  H  e  g  a  r,  VIII,  1904. 

lj)  Arch.  f.  Gynäk.  81,  1907  (Zusammenstellung).  Allerdings  er¬ 
gaben  Kehrers  Experimente  an  Katzen  und  Kaninchen,  dass  Gallen¬ 
säuren  nicht  von  der  Mutter  auf  den  Fötus  übergehen;  doch  vermutet 
K.  selbst,  dass  es  beim  Menschen  anders  sei,  vielleicht  im  Anschluss 
an  Schädigungen  der  Plazentarzotten,  wodurch  der  Uebertritt  er¬ 
möglicht  werde. 

1<!)  Virch.  Arch  87,  1882.  Birch-Hirschfeld  benutzte  be¬ 
kanntlich  jenen  Nachweis  als  Stütze  für  seine  Lehre,  dass  der  Icterus 
neonatorum  auf  einer  mechanischen  Behinderung  des  Gallenabflusses 
miolge  eines  Oedems  des  periportalen  Bindegewebes  beruhe.  Die 
atsache  einer  akuten  Ueberschwemmung  des  kindlichen  Organismus 
mit  Gallensäuren  bleibt  jedenfalls  bestehen,  wenn  auch  die  Bestä¬ 
tigung  der  daran  angeknüpften  B  i  r  c  h  -  H  i  r  s  c  h  fe  1  d  sehen  An- 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2027 


8.  Oktober  1907. 


Ausscheidung  von  Gallensäuren  im  Harn  der  ikterischen  Rinder 
durch  Halberstam  erwiesen;  das  charakteristische  Ver¬ 
giftungssymptom,  die  Pulsverlangsamung,  pflegt  freilich  zu 
fehlen  (R  n  ö  p  f  e  1  m  acherl.  c.),  und  die  Quantität  scheint  me 
auszureichen,  um  eine  Hämoglobinämie  zu  ei  zielen.  Hiernach 
würden  wahrscheinlich  die  Gallensäuren  auch  im  Zentral¬ 
nervensystem  nur  in  minimalen  Quantitäten  lokalisiert  werden. 
Herr  Rollege  Heffter,  dem  ich  diese  Frage  vortrug,  liess 
immerhin  den  Gedanken  zu,  dass  ihnen  eine  Vermittlerrolle  bei 
der  Gallenfärbung  der  Ganglienzellen  zukommen  könne,  und 
zwar  im  Hinblick  auf  ihre  Fähigkeit,  die  Lipoide  zu  lösen, 
welche  andererseits  gerade  für  die  Ablagerung  des  Bilirubins 
offenbar  von  Bedeutung  sind. 

Ausser  den  Gallensäuren  würden  auch  noch  andere  Rörper 
in  Frage  kommen  können;  so  liegt  es  nahe,  an  die  Harn¬ 
säure  zu  denken,  deren  ungewöhnlich  reichliche  Ausschei¬ 
dung  in  den  Nierenpapillen  bei  der  Sektion  auffiel. 

Ich  fasse  den  Icterus  neonatorum  im  allgemeinen  als  eine 
Folgeerscheinung  einer  in  den  ersten  Lebenstagen  gesteigerten 
Lebertätigkeit  auf.  Der  plötzliche  Ausfall  des  Blutzuflusses  aus 
der  Nabelvene  in  die  Leberkapillaren  muss  ja  notwendig  eine 
Erleichterung  der  Zirkulation  in  der  letzteren  mit  sich  bringen, 
eine  Annahme,  für  welche  mir  auch  das  rasche  Ausschwemmen 
der  Blutbildungszellen  aus  den  Leberkapillaren  nach  der  er¬ 
folgten  Geburt  zu  sprechen  scheint.  Hierdurch  würde  einer¬ 
seits,  infolge  der  verminderten  Spannung  in  den  Leberkapil¬ 
laren,  ein  Uebertritt  von  Gallensubstanzen  aus  den  Leberzellen 
in  die  Blutbahn  bei  geringsten  Hemmungen  des  normalen,  von 
so  geringem  Sekretionsdruck  abhängigen  Gallenabflusses  er¬ 
leichtert  werden,  ein  Verhältnis,  aus  welchem  schon  Fre- 
richs18)  die  Gelbsucht  der  Neugeborenen  erklärt  hat  und 
welches  den  Mangel  ikterischer  Leberfärbung  bei  Icterus  neo¬ 
natorum  erklärt19).  Andererseits  veranlasst  die  Zirkulations¬ 
beschleunigung  vielleicht  auch  neben  einer  überreichen  Bildung 
von  Gallensäuren  und  Gallenfarbstoff  gleichzeitig  die  Ueber- 
produktion  von  harnfähigen  Substanzen;  ist  doch  die  Leber¬ 
tätigkeit  als  Quelle  des  Harnstoffs  und  der  Harnsäure  allgemein 
anerkannt,  und  die  übermässige  Ausscheidung  dieser  Sub¬ 
stanzen  im  Harne  der  ikterischen  Rinder  erwiesen  (Quincke). 

In  dem  so  regelmässigen  Vorkommen  der  Harnsäure¬ 
infarkte  der  Nieren  bei  Neugeborenen  würde  in  diesem  Sinne 
ein  Analogon  der  Gallenimbibition  der  Gewebe  erblickt  werden 
können;  die  eigenartige  Roinzidenz  beider  Zustände  in  der 
Form  des  ziegelmehlroten  Harnsäureinfarktes  der  ikterischen 
Neugeborenen  hat  ja  schon  vor  langen  Jahren  E.  Neumann 
gebührend  hervorgehoben.20) 

Von  einer  Schädigung  der  Ganglienzellen  durch  Harnsäure 
ist  freilich  bisher  nichts  bekannt,  nur  die  Schädigung  der 
Nierenepithelien  bei  einigermassen  reichlicher  Ausscheidung 
der  Harnsäurekonkremente  ist  unverkennbar.  Rrystallinische 
Harnsäueausscheidungen  in  den  erkrankten  Rerngebieten 
waren  nicht  nachweisbar. 

Es  muss  weiteren  Untersuchungen  bei  nicht  ikterischen 
harnsäurereichen  Neugeborenen  Vorbehalten  bleiben,  den  Nach¬ 
weis  etwaiger  Nekrosen  im  Zentralnervensystem,  speziell  in 


schauung  in  der  Folge  ausgeblieben  ist.  Offenbar  liegt  in  den  ersten 
Lebenstagen  eine  Ueberproduktion  an  der  Lebertätigkeit  entstammen¬ 
den  Stoffen  vor,  wobei  wohl  ein  Teil  derselben  durch  die  Gallen¬ 
wege  abfliesst,  der  Rest  aber,  wie  bei  einer  einfachen  Gallenstau¬ 
ung,  in  das  Blut  gelangt.  Insofern  lassen  sich  auch  die  Verhältnisse 
beim  Neugeborenen  mit  der  experimentellen  Beobachtung  Mal- 
koffs  (Malys  Jahresber.  XXVII,  1897)  in  Parallele  stellen,  dass 
nämlich  bei  Hunden  einer  Choledochusunterbindung  2 — 3  Tage  lang 
eine  Ueberschwemmung  des  Blutes  mit  Gallensäuren  folgt,  während 
diese  im  weiteren  Verlauf  des  fortbestehenden  Ikterus  verschwinden. 
Hiernach  würde  die  Möglichkeit  einer  Gallensäurevergiftung  für  den 
Neugeborenen  gerade  in  den  ersten  Lebenstagen  bestehen  und  die 
Differenz  bezüglich  der  Nervenkernimbibition  gegenüber  den  Ikterus- 
fällen  anderer  Provenienz  verständlicher  werden. 

18)  Klinik  der  Leberkrankheiten  1858,  I,  p.  199. 

19)  Auch  Knöpf  elmacher  1.  c.  hat  neuerdings  Iiervorge- 
hoben,  dass  die  Grundursache  des  Ikterus  neonat,  in  einer  Uebei- 
füllung  der  Gallenkapillaren,  welche  nachweislich  besonders  weh 
seien,  auf  Grundlage  einer  durch  reiche  Blutzufuhr  zur  Leber 
gesteigerten  Gallenbildung  beruhe. 

20)  Arch.  d.  Heilkunde,  IX,  1868. 


den  durch  den  Kernikterus  befallenen  Gebieten,  als  Effekt  einer 
etwaigen  Harnsäurevergiftung  zu  erbringen. 

Es  würde  wertlos  sein,  weitere  Vermutungen  über  etwa 
in  Betracht  kommende  spezifische  Giftstoffe  aufzustellen. 
Sicher  ist  ja  die  Zahl  solcher  endogener  Körper  eine  grosse  und 
die  Wirkung  der  im  Stoffwechsel  der  Leber  in  den  ersten 
Lebenstagen  auftretenden  Substanzen  noch  ganz  unerforscht. 
Die  Lösung  der  Frage  ist  um  so  schwieriger,  als  es  sich  ja  um 
einen  auf  wenige  Fälle  beschränkten,  offenbar  ganz  indi¬ 
viduellen  Effekt  handelt  und  jede  Aufklärung  für  das  Auftreten 
des  Kernikterus  in  so  vollkommen  gleichartiger  ausgeprägter 
Form  bei  diesen  spärlichen  Fällen  bisher  fehlt.  Hier  bleibt  noch 
alles  zu  tun.  übrig;  mit  der  Annahme,  die  ja  für  unseren  Fall 
passen  wird,  dass  ein  besonders  jähes  starkes  Einsetzen  des 
Ikterus  die  Grundbedingungen  liefere,  ist  offenbar  noch  nicht 
genug  gesagt. 

Aber  auch  noch  zu  anderen  Untersuchungen  fordert  die 
vorliegende  Beobachtung  auf.  Hat  S  c  h  m  o  r  1  bereits  darauf 
hingewiesen,  dass  der  Ikterus  neonatorum  in  verschiedenen 
Richtungen  nicht  als  so  ungefährlich  angesehen  werden  dürfe, 
als  er  gewöhnlich  dargestellt  wird,  so  schliesst  sich  an  unseren 
Fall  die  Vermutung  an,  dass  die  eigentümlichen  Krämpfe, 
unter  deren  zunehmendem  Einsetzen  der  Tod  erfolgte,  mit  der 
Nekrose  bezw.  Schädigung  der  Ganglienzellen  in  Verbindung 
standen.  Diese  Vermutung  gründet  sich  auf  den  von  Noth¬ 
nagel21)  erbrachten  Nachweis,  dass  im  Gebiete  der  Medulla 
oblongata  und  zwar  gerade  entsprechend  „der  Lage  der 
grossen  Kerne  und  der  Wurzelfäden  der  sen¬ 
siblen  Hirnnerven“  (p.  11)  ein  Rrampfbezirk  besteht, 
dessen  Reizung  reflektorisch  das  Krampfzentrum  im  Pons  zur 
Auslösung  allgemeiner  Krämpfe  erregt.  Auf  die  Aehnlichkeit 
der  terminalen  Krämpfe  bei  Ikterus  gravis  mit  denen  bei  Hirn¬ 
anämie  hat  bereits  Traube22)  aufmerksam  gemacht.  Eine 
Bestätigung  dieser  Vermutung  würde  sich  ergeben,  wenn  in 
Fällen  von  Krampftod,  die  ja  bei  der  Sektion  so  oft  völlig 
unerklärt  bleiben,  auch  ohne  Ikterus  Nekrosen  in  bestimmten 
Ganglienkerngebieten  im  Sinne  des  Kernikterus  aufgefunden 
werden  könnten !  Gleichzeitig  würden  solche  Befunde  auch 
für  die  Genese  des  Kernikterus  aufklärend  wirken,  insofern  sie 
die  Möglichkeit  einer  lokalen  Schädigung  des  Zentralnerven¬ 
systems  beim  Erwachsenen  durch  endogene  Gifte  er¬ 
weisen  würden,  so  dass  die  Auffassung  der  Gallenfärbung  der 
Kerne  beim  Kernikterus  als  einer  sekundären  Erscheinung  eine 
Stütze  gewinnen  würde.  Auf  dies  Thema,  wie  auf  die  kompli¬ 
zierten  Verhältnisse,  welche  anscheinend  dem  Kernikterus  zu¬ 
grunde  liegen,  hinzuweisen,  war  der  Zweck  dieser,  in  den  Ein¬ 
zelheiten  der  Beobachtung  und  Schlussfolgerung  über  die  Er¬ 
gebnisse  der  S  c  h  m  o  r  1  sehen  Darstellung  kaum  hinaus¬ 
gehenden  Mitteilung. 


lieber  motorische,  sensorische  und  vasomotorische  Sym¬ 
ptome  verursacht  durch  Koronarsklerose  und  sonstige 
Erkrankungen  der  linksseitigen  Herzhälfte. 

Von  Dr.  E.  Schm  oll -San  Franzisko. 

Der  überwältigende  Schmerz  und  das  Todesgefühl,  das 
den  Angina-pectoris-Anfall  zu  dem  Schreckgespenst  der  Kran¬ 
ken  gestaltet,  haben  bisher  eine  genaue  Analyse  der  während 
des  Anfalles  vorhandenen  Symptome  verhindert.  Der  Arzt, 
beschäftigt,  die  Qualen  des  Patienten  zu  erleichtern,  hat  nicht 
die  Zeit,  Symptome  in  ihre  Einzelheiten  zu  zergliedern.  Ge¬ 
wöhnlich  beschränkt  sich  die  Beschreibung  des  Anginaanfalles 
auf  die  mehr  oder  weniger  dramatisch  ausgeschmückte  Wie¬ 
dergabe  des  Todesgefühles. 

Ein  genaueres  Studium  der  Symptome  der  Angina  pectoris 
und  besonders  die  Beobachtung  der  zwischen  den  Anfällen 
vorhandenen  Erscheinungen,  auf  die  zuerst  Head  UJ  und 
Mackenzie  [2]  hingewiesen  haben,  drängten  mir  die  Ueber- 
zeugung  auf,  dass  die  Erscheinungen  der  Angina  pectoris  einer 
durch  die  Herzerkrankung  verursachten  Segmentläsion  ent¬ 
sprechen,  die  sich  entweder  in  Reiz-  oder  Lähmungserschei¬ 
nungen  zeigen  kann;  eine  Vergleichung  mit  anderen  rleiz- 


21 )  Virch.  Arch.  44,  1,  1868. 

22)  Gesammelte  Abhandlungen. 


2* 


2028 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


erkrankungen,  zeigte,  dass  diese  Erscheinungen  mehr  oder 
weniger  ausgeprägt  in  jedem  Falle  auftreten,  in  welchem  der 
linke  Ventrikel  in  der  Erkrankung  mitergriffen  ist.  Die  Inten¬ 
sität  der  anginösen  Symptome  entspricht  im  allgemeinen  der 
Intensität  der  Herzerkrankung;  in  der  prognostisch  ungün¬ 
stigsten  Erkrankung  des  Herzmuskels:  der  Koronarsklerose, 
treten  auch  die  intensivsten  anginösen  Symptome  auf. 

Die  Erscheinungen  der  Angina  pectoris  lassen  sich  in  3 
Gruppen  zergliedern:  motorische,  sensorische  und  vasomotori¬ 
sche  Symptome.  Diese  sind  sowohl  während  des  Anfalles 
als  auch  in  den  Intervallen  zu  konstatieren;  analoge  Erschei¬ 
nungen  werden  in  denjenigen  Fällen  erhoben,  in  welchen  an¬ 
ginöse  Symptome  bestehen,  welche  jedoch  nicht  durch  Ko¬ 
ronarsklerose  bedingt  sind.  Ich  werde  eine  Diskussion  des  hier 
vertretenen  Standpunkteis  mit  der  Besprechung  der  während 
des  Angina-pectoris-Anfalles  zu  beobachtenden  Symptome  be¬ 
ginnen. 

A)  Sensorische  Symptome:  Die  sensorischen  Erscheinungen 
lassen  sich  in  2  streng  geteilte  Gruppen  unterscheiden:  das  Ge¬ 
fühl  des  herannahenden  Todes  und  den  Schmerz.  Während  das 
Todesgefühl  in  der  Beschreibung  des  Kranken  im  Vordergrund 
steht,  so  wendet  sich  unser  Interesse  mehr  dem  Schmerze  zu. 
Seine  Ausbreitung  ist  in  verschiedenen  Fällen  verschieden;  der 
Hauptsitz  des  Schmerzes  wird  jedoch  in  der  überwiegend 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  in  das  8.  Zervikalsegment  und 
das  erste  Dorsalsegment  verlegt.  Neben  diesen  können  eine 
Reihe  anderer  Segmente  mitergriffen  sein.  Ich  habe  gefunden, 
dass  die  Schmerzen  sich  in  jedem  Segment  zwischen  dem  2. 
Zervikal-  und  8.  Dorsalsegment  ausbreiten  können.  Es  sind 
jedoch  nie  alle  Segmente  zu  gleicher  Zeit  ergriffen;  gewöhnlich 
bestehen  mehrere  Schmerzzonen,  zwischen  denen  sich 
schmerzfreie  einschieben.  In  den  meisten  Fällen  beginnt  die 
Schmerzattacke  in  der  Mittellinie  und  breitet  sich  gegen  die 
Peripherie  aus  oder  der  Schmerz  tritt  plötzlich  in  der  ganzen 
Ausdehnung  des  Segments  auf;  in  einzelnen  Fällen  beginnt  der 
Schmerz  in  der  Peripherie  und  schreitet  gegen  die  Mittellinie 
fort  (Beginn  der  Schmerzen  in  den  Fingerspitzen  entsprechend 
dem  ersten  Dorsalsegment). 

In  den  meisten  Fällen  ist  der  Schmerz  nur  linksseitig;  in 
einer  Minderzahl  der  Fälle  ist  er  jedoch  symmetrisch  und  er¬ 
streckt  sich  auch  in  die  rechtsseitige  Körperhälfte.  In  solchen 
Fällen  habe  ich  immer  eine  Erkrankung  der  rechten  Kammer 
nachweisen  können  und  ich  möchte  deshalb  eine  rechtsseitige 
Angina  als  Symptom  einer  rechtsseitigen  Herzerkrankung  auf¬ 
fassen,  worauf  schon  G  i  b  s  o  n  [3]  hingewiesen  hat.  Auch  hier 
verbreiten  sich  die  Schmerzen  meistens  in  den  Hautbezirken, 
die  dem  8.  Zervikal-  und  1.  Dorsalsegment  entsprechen. 

B)  Motorische  Symptome:  Diese  können  sich  entweder  als 
Reiz-  oder  Lähmungssymptome  äussern.  Als  Reizsymptom 
ist  das  Konstriktionsgefühl  (Gefühl  einer  den  Thorax  zusam¬ 
mendrückenden  eisernen  Hand)  aufzufassen,  verursacht  durch 
einen  tonischen  Krampf  der  Interkostalmuskeln.  Neben  diesen 
ist  oft  der  Pectoralis  major  tonisch  kontrahiert.  Diese  tonische 
Kontraktion  entspricht,  wie  Mackenzie  [2]  hervorhebt,  der 
Muskelstarre  der  Abdominalmuskeln  über  einer  entzündeten 
Stelle  des  Peritoneums. 

Neben  diesen  Reizerscheinungen  sind  gewöhnlich  die  Läh¬ 
mungserscheinungen  sehr  stark  ausgeprägt.  Der  linke  Arm 
kann  nicht  gehoben  werden;  Gegenstände  die  in  der  linken 
Hand  getragen  werden,  können  nicht  festgehalten  werden  und 
entfallen  der  kraftlosen  Hand. 

In  einzelnen  Fällen  sind  die  Lähmungserscheinungen  stär¬ 
ker  ausgeprägt  als  die  sensorischen  Reizerscheinungen  und  es 
kommen  sogar  als  Equivalente  des  typischen  Anginaanfalles 
Zustände  von  vorübergehender  Schwäche  des  linken  Armes 
vor.  Ich  behandelte  einen  Kaufmann  im  Alter  von  54  Jahren, 
bei  dem  neben  den  Zeichen  einer  allgemeinen  Arteriosklerose 
eine  Dilatation  des  Aortenbogens  bestand.  Nach  Anstren¬ 
gungen  oder  Aufregungen  sind  einige  typische  Anfälle  von 
Angina  aufgetreten,  während  welcher  dem  Patienten  die 
Schwäche  des  linken  Armes  aufgefallen  ist.  Gelegentlich  treten 
nach  den  gleichen  Ursachen  Anfälle  von  vorübergehender 
Schwäche  des  linken  Armes  auf,  ohne  dass  irgendwelche 
Schmerzen  bestanden.  Diese  Anfälle  dai^ern  nur  wenige  Mi¬ 


nuten,  bedingen  jedoch  ein  Angstgefühl,  das  dem  gewöhnlichen 
Anginaanfall  an  Intensität  nicht  nachsteht. 

C)  Vasomotorische  Symptome:  Diese  sind  in  jedem  Falle 
sehr  ausgeprägt  und  ich  habe  sie  nie  in  einem  von  mir  per¬ 
sönlich  beobachteten  Anfall  oder  in  der  von  einem  intelligenten 
Patienten  gegebenen  Schilderung  vermisst.  Gewöhnlich  über¬ 
wiegt  die  Vasokonstriktion  in  den  betroffenen  Segmenten  und 
ich  habe  2  Fälle  beobachtet,  in  welchen  das  erste  Zeichen  des 
beginnenden  Anfalles  darin  bestand,  dass  die  linke  Hand  im 
Gegensatz  zum  übrigen  Körper  leichenblass  wurde.  In  man¬ 
chen  Fällen  überwiegen  die  vasomotorischen  Symptome  über 
die  anderen;  solche  Fälle  sind  zuerst  von  N  o  t  h  n  a  g  e  1  [4]  als 
Angina  vasomotoria  beschrieben  worden.  In  jüngster  Zeit  .. 
hat  Curschmann  [5]  2  Fälle  dieser  Art  beschrieben  und 
durch  die  Autopsie  nachgewiesen,  dass  diese  Affektion  nur 
einem  atypischen  Verlauf  der  Koronarsklerose  entspricht. 

In  einzelnen  Fällen  überwiegt  die  Vasodilatation  über  die 
Vasokonstriktion;  ich  habe  jedoch  nur  einen  Fall  dieser  Art 
beobachtet. 

Die  Untersuchung  der  Kranken  in  der  anfallsfreien  Zeit  er¬ 
gibt,  dass  sich  die  gleichen  Symptome  in  abgeschwächter  Form 
nachweisen  lassen. 

A)  Sensorische  Symptome  zeigen  sich  in  der  Form  einer 
Hyperästhesie  der  in  dem  Anfall  ergriffenen  Segmente;  dort, 
wo  in  dem  Anfall  der  Schmerz  empfunden  wird,  lässt  sich  auch 
eine  typische  Hyperästhesie  nachweisen.  Diese  lässt  sich  durch 
jede  Methode  zeigen,  welche  wir  in  der  gewöhnlichen  Nerven- 
untersuchung  verwerten.  Gewöhnlich  streiche  ich  über  die 
Haut  mit  einer  Nadelspitze;  sobald  man  die  hyperästhetische 
Zone  erreicht,  hat  der  Kranke  das  Gefühl  als  ob  man  die 
Nadelspitze  einsteche  oder  er  empfindet  ein  lebhaft  brennendes 
Gefühl.  Der  objektive  Charakter  dieser  Sensibilitätsstörungen 
wird,  wie  Mackenzie  [2]  hervorgehoben  hat,  durch  ihre 
Konstanz,  das  Auftreten  eines  Gänsehautreflexes  in  der  Aus¬ 
dehnung  des  ergriffenen  Segmentes  und  Erweiterung  der  Pu¬ 
pillen  erwiesen.  Diese  Hyperästhesie  erstreckt  sich  auch  auf 
die  unterliegenden  Muskeln,  wie  sich  leicht  nachweisen  lässt. 

Diese  Hyperästhesie  hat,  wie  ich  schon  oben  hervorge¬ 
hoben  habe,  eine  deutlich  segmentale  Anordnung;  ihre  Aus¬ 
breitung  entspricht  der  Ausdehnung  der  anginösen  Schmerzen. 

In  typischen  Fällen  findet  sich  die  Hyperästhesie  in  der  Aus¬ 
dehnung  des  8.  Zervikal-  und  des  1.  Dorsalsegmentes. 

Gewöhnlich  bestehen  mehr  oder  weniger  konstante 
schmerzhafte  Empfindungen  über  den  hyperästhetischen  Teilen. 
Die  Kranken  haben  ein  Druckgefühl  über  dem  Präkordium, 
welches  konstant  vorhanden  und  zur  Zeit  der  Anfälle  exazer- 
biert.  Manchmal  beklagen  sich  die  Kranken  über  Parästhesien 
in  den  ergriffenen  Teilen. 

In  anderen  Fällen  findet  sich  statt  der  Parästhesie  eine 
Anästhesie  in  segmentaler  Anordnung.  In  einem  von  G  i  b  - 
son  [3]  beschriebenen  Fall  fand  sich  eine  Anästhesje  der  lin¬ 
ken  Thoraxseite  und  der  Innenseite  des  linken  Arms. 

B)  Die  motorischen  Symptome  der  anfaillsfreien  Zeit  be¬ 
stehen  in  paretischen  und  Reizzuständen.  Meistens  findet  man 
vermehrten  Tonus  der  Muskeln  über  den  hyperästhetischen 
Gebieten.  Diese  Muskeln  sind  gewöhnlich  schwach  und  er¬ 
müden  sehr  leicht;  wird  die  Kraft  des  Arms  durch  Wider¬ 
standsbewegung  geprüft,  so  zeigt  sich  deutlich  eine  Minder¬ 
wertigkeit  der  Muskeln  des  linken  Arms,  die  das  physiologische 
Mass  weit  überschreitet.  Sehr  häufig  ist  der  linke  1/4 — 2/4  cm 
dünner  als  der  rechte  Arm.  Ein  typischer  Fall  ist  von  G  i  b  - 
son  [3]  beschrieben  worden,  in  dem  die  Fähigkeit,  Gegen¬ 
stände  zu  fassen  und  festzuhalten,  fast  vollständig  verloren 
war;  die  Reaktion  auf  mechanische  und  elektrische  Reize  war 
bedeutend  erhöht,  während  die  Muskeln  stark  atrophisch 
waren. 

Vollständige  Lähmung  der  Muskeln  der  ergriffenen  Seg¬ 
mentes  scheint  selten  zu  sein  und  ist  von  mir  nie  beobachtet 
worden.  E  i  c  h  h  o  r  is  t  [6]  hat  jedoch  einen  Fall  beschrieben, 
in  welchem  eine  Lähmung  mit  Entartungsreaktion  im  Gebiete 
der  vom  Nervus  ulnaris  versorgten  Muskeln  in  einem  mit  An¬ 
gina  pectoris  erkrankten  Patienten  auftrat. 

C)  Vasomotorische  Symptome  in  der  anfallsfreien  Zeit  sind 
gewöhnlich  so  hervortretend  wie  die  motorischen  oder  sen¬ 
sorischen  Symptome. 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2029 


Im  Gegensatz  zum  Anfall,  in  welchem  die  Vasokonstrik¬ 
toren  hauptsächlich  zur  Geltung  kommen,  verleiht  in  der  an¬ 
fallsfreien  Zeit  die  Wirkung  der  Vasodilatatoren  der  Hand  eine 
zyanotische  Färbung.  Diese  wechselt,  wenigstens  in  einzelnen 
Fällen,  mit  Anfällen  ab,  in  welchen  die  übrigen  Zeichen  der 
Angina  fehlen,  in  welchen  jedoch  eine  solche  Vasokonstriktion 
eintritt,  dass  die  Hand  leichenblass  wird  und  die  Erscheinungen 
denjenigen  der  Raynau d sehen  Krankheit  so  gleichen,  dass 
eine  Differentialdiagnose  nur  durch  weitere  Beobachtung  des 

Kranken  ermöglicht  wird. 

Fin  Fall  dieser  Art  wurde  mir  vor  einiger  Zeit  von  Dr.  P.  1  no- 
ni  a  s  überwiesen:  Eine  Patientin  mit  Aorteninsuffizienz  leidet  an 
typischen  Attacken  anginöser  Natur,  während  welcher  neben  den 
Schmerzen  Kraftlosigkeit  des  linken  Arms  und  Blutleere  der  Finger¬ 
spitzen  besteht.  Zuweilen  treten  Anfälle  auf,  in  welchen  voll¬ 
ständige  Blutleere  der  Finger  auftritt;  diese  dauern  mehrere  Stunden 
und  sind  nicht  mit  nennenswerten  Schmerzen  verbunden.  Sie  werden 
sehr  oft  durch  äussere  Einflüsse,  wie  Eintauchen  der  Hände  in  kaltes 
Wasser  verursacht;  offenbar  wird  der  Anfall  veranlasst  duich  eine 
übergrosse  Beanspruchbarkeit  des  Reflexbogens. 

Wie  ich  schon  oben  bervorgehoben  habe,  sind  ähnliche  Er¬ 
scheinungen,  welche  die  motorischen,  sensorischen  und  vaso¬ 
motorischen  Funktionen  gewisser  Rückenmarkssegmente  be¬ 
treffen,  auch  in  anderen  nicht  durch  Koronarsklerose  beding¬ 
ten  Herzerkrankungen  ausgeprägt.  Auch  in  diesen  treten  An¬ 
fälle  auf,  in  welchen  die  Patienten  über  Schmerzen,  Schwäche¬ 
zustände  im  linken  Arm  und  über  vasomotorische  Störungen  in 
den  ergriffenen  Segmenten  klagen.  Auch  hier  lassen  sich  die 
typischen  Hyperästhesien,  die  Parese  der  Armmuskeln  und 
reflektorische  Krampfzustände  in  den  ergriffenen  Gebieten 
nachweisen.  Diese  Symptome  treten  in  den  Fällen  auf,  in  wel¬ 
chen  eine  Erkrankung  des  linken  Ventrikels  besteht;  sie  sind 
besonders  ausgeprägt  in  den  Fällen  von  Aorteninsuffizienz  und 
Dilatation  des  Aortenbogens;  ebenso  treten  sie  häufig  auf  in 
Fällen  von  postinfektiöser  Myokarditis  und  äussern  sich  hier 
hauptsächlich  in  Lähmungserscheinungen  des  linken  Arms. 

Eine  Schilderung  dieser  Erscheinungen  würde  nur  eine 
Wiederholung  der  oben  beschriebenen  Symptome  bedeuten; 
eine  Wiedergabe  von  einzelnen  Krankengeschichten  wird  die 
betreffenden  Punkte  besser  illustrieren. 

Ein  typisches  Beispiel  anginöser  Beschwerden,  verursacht 
durch  Fettherz,  wird  in  der  folgendem  Krankengeschichte  ge¬ 
boten.  ,  , 

Mrs.  B.,  34  Jahre  alt,  leidet  an  Fettsucht.  Dm  sehr  korpulente 
Dame  beklagt  sich  über  Atemlosigkeit  und  grosse  Erschöpfung  nach 
leichten  Anstrengungen.  Das  Herz  ist  leicht  nach  rechts  vergrösseit, 
die  Töne  sind  leise  und  dumpf;  über  der  Spitze  ist  der  erste  Ion  ver¬ 
längert;  sonst  bestehen  jedoch  keine  Zeichen  irgendwelcher  Herz¬ 
insuffizienz.  .  j 

Sie  leidet  an  Anfällen,  welche  durch  Anstrengungen  irgend¬ 
welcher  Art,  Aufregung  oder  durch  reichliches  Essen  verursacht 
werden.  Sie  äussern  sich  in  mehr  oder  weniger  heftigen  Schmerzen 
über  der  Präkordialgegend,  die  nach  dem  Halse  und  dem  linken  Arme 
ausstrahlen.  Der  Schmerz  äusserst  sich  in  einer  starken  Beklem¬ 
mung,  die  von  mehr  oder  weniger  Angstgefühl  begleitet  ist;  ferner 
hat  sie  das  Gefühl,  als  ob  der  Hals  zugeschnürt  werde;  Herzklopten 
tritt  in  einzelnen  Anfällen  auf,  ist  aber  nicht  ein  konstantes  Symptom. 

Während  der  Anfälle  wird  die  Innenseite  des  linken  Arms  ge¬ 
fühllos,  während  sie  in  den  Fingern  das  Gefühl  des  Ameisenkriechens 
hat.  Nach  einiger  Zeit  wird  der  Arm  schwach  und  kraftlos,  so  dass 
sie  keine  Arbeit  mit  der  linken  Hand  verrichten  kann.  Die  Dauer 
der  Anfälle  wechselt  zwischen  einigen  Stunden  und  1  2  ragen. 

Bei  der  Untersuchung  zeigen  sich  typisch  hyperästhetische 
Zonen,  die  oberste  entsprechend  dem  3.  und  4.  Zervikalsegment,  die 
zweite  dem  8.  Zervikal-  und  1.  Dorsalsegment.  Die  motorischen 
Reizerscheinungen  der  ersteren  Zone  erklären  das  hier  sein  aus¬ 
geprägte  Erstickungsgefühl.  Auch  hier  wird  die  Objektivität  dei 
Hyperästhesie  durch  den  Gänsehautreflex  und  Erweiterung  der  Pu¬ 
pillen  bei  der  Reizungder  befallenen  Segmente  bewiesen. 

Unter  geeigneter  Behandlung  verschwanden  die  Symptome  und 
mit  ihnen  die  Hyperästhesie.  . 

Der  folgende  Fall  soll  ein  Beispiel  bringen  für  anginoide 
Symptome,  verursacht  durch  Mitralstenose. 

Miss  P.,  21  Jahre,  zeigte  zum  ersten  Male  Herzsymptome  vor 
ungefähr  2  Jahren  nach  einer  Pleuritis;  ihre  Hauptbeschwerden  be¬ 
stehen  in  Kurzatmigkeit  bei  liegender  Stellung  und.  Herzklopfen  nach 
Anstrengungen.  In  den  letzten  Wochen  hatte  sie  öfters  Anfälle,  deren 
Natur  später  beschrieben  werden  soll. 

Bei  der  Untersuchung  werden  die  Zeichen  einer  Mitralstenose 
und  Insuffizienz  gefunden. 

Sie  hat  konstant  einen  Druck  über  der  Herzgegend,  der  nach 
Anstrengungen  oder  Aufregungen  sehr  viel  stärker  wird  und  sich  in 


der  Form  eines  Gürtelgefühles  zeigt.  Manchmal  hat  sie  das  Gefühl 
bei  besonders  ausgeprägten  Anfällen,  als  ob  eine  Hand  das  Herz  er¬ 
greife  und  zusammenpresse.  Der  Schmerz  strahlt  nach  dem  linken 
Arm  aus;  nach  einigen  Minuten  macht  sich  Schwäche  des  Arms  be¬ 
merkbar.  In  einzelnen  Anfällen  tritt  Schwäche  der  Arme  auch  ohne 
vorhergehende  Schmerzen  auf,  ebenfalls  verursacht  durch  die  gleichen 
Faktoren  wie  der  ursprüngliche  Anfall.  Jeder  Anfall  beginnt  mit 
starker  Zyanose  der  Hände;  Schmerz  und  Muskelschwäche  folgen  der 
Zyanose  erst  nach  wenigen  Minuten. 

Ueber  dem  8.  Zervikal-  und  1.  Dorsalsegment  findet  sich 
typische  Hyperästhesie;  eine  zweite  typische  Zone  findet  sich  in  der 
Höhe  des  3.  und  4.  Dorsalsegments. 

Aehnliche  Symptome  habe  ich  in  einer  Reihe  von  Aorten¬ 
erkrankungen,  die  in  San  Francisco  ausserordentlich  häufig 
sind,  gesehen.  Es  würde  ermüdend  sein,  eine  Beschreibung 
solcher  Fälle  zu  geben,  da  sie  nur  eine  Wiederholung  der  vor¬ 
her  beschriebenen  Symptome  zeigen.  Es  ist  mir  jedoch  auf- 
gefallen,  dass  die  Schwächezustände  in  den  Muskeln  über  die 
sensorischen  Symptome  überwiegen  in  den  Fällen,  in  welchen 
die  Herzsymptome  bedingt  sind  durch  eine  postinfektiöse  Myo¬ 
karditis. 


Die  Pathogenese  dieser  segmental  angeordneten  Sym¬ 
ptome  bei  Herzkrankheiten  ist,  soweit  wenigstens  die  sensori¬ 
schen  Symptome  beteiligt  sind,  von  H  e  a  d  [l]  und  Macken¬ 
zie  [2]  in  ihren  Arbeiten  über  Hyperästhesien  als  Symptome 
innerer  Krankheiten  besprochen  worden.  Mackenzies  An¬ 
sicht  scheint  mir  am  besten  die  hier  besprochenen  Erschei¬ 
nungen  zu  erklären.  Die  Erkrankung  des  Herzens  führt  zu 
einer  kontinuierlichen  Reizung  des  Herznervens:  des  Sym¬ 
pathikus.  Diese  Reizung  wird  dem  Rückenmark  zugeführt  an 
den  Stellen,  an  welchen  die  betreffenden  Fasern  des  Sympathi¬ 
kus  in  das  Rückenmark  eintreten,  und  führt  hier  zur  Reizung 
des  entsprechenden  Segments,  die  nach  allgemein  physio¬ 
logischen  Gesetzen  in  die  Peripherie:  in  die  von  dem  betreffen¬ 
den  Segment  innervierten  Hautpartien  projiziert  wird.  Die 
schmerzhaften  Reize  werden  demgemäss  nicht  in  das  Herz  vei- 
legt,  sondern  in  die  entsprechenden  Segmente  der  Körperober¬ 
fläche.  Die  Reizung  der  motorischen  Teile  des  Segments  führt 
zu  tonischen  und  klonischen  Krämpfen  der  entsprechenden 
Muskeln;  die  Reizung  der  vasomotorischen  Zentren  zu  Ver¬ 
änderungen  der  Gefässinnervation.  Langdauernde  Reizung 
führt  zu  Lähmungszuständen. 


Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  segmentalen  Sym¬ 
ptome  nicht  notwendigermassen  auf  ein  oder  zwei  Segmente 
beschränkt  bleiben;  Ausstrahlung  nach  anderen  Teilen  des 
Rückenmarks  bildet  die  Regel.  Reizerscheinungen  in  der 
rechtsseitigen  Hälfte  des  Neurons  sind  fast  ausnahmslos  vor¬ 
handen;  zervikale  und  dorsale  Segmente  sind  gewöhnlich  in 

weiter  Ausdehnung  befallen.  _  .  ..  D 

Aus  dem  Vorhergehenden  ergibt  sich,  dass  anginöse  Be¬ 
schwerden  nicht  ohne  weiteres  als  ein  Symptom  der  Koronar¬ 
sklerose  aufgefasst  werden  dürfen.  Es  ist  das  Auftreten  von 
Beschwerden  der  Angina  entsprechend  nur  als  eine  Reaktion 
des  Nervensystems  auf  eine  linksseitige  Herzerkrankung  au 
zufassen.  Eine  anatomische  Läsion  der  linken  Vorkammer  oder 
des  Ventrikels  führt  zu  einer  Reizung  eines  oder  mehrerer 
Rückenmarkssegmente,  die  dann,  nach  der  Peripherie  verlegt, 
die  Erscheinungen  der  Angina  pectoris  hervorbringt  Die  der 
richtigen  Koronarsklerose  entsprechen  Je  Angina  lasst  sicü 
durch  anderweitige  Kennzeichen  von  den  anginoiden  Be¬ 
schwerden  der  übrigen  Herzerkrankungen  trennen;  doch  ist 
die  Pathogenese  in  beiden  Fällen  die  gleiche. 

Die  Differentialdiagnose  dieser  anginoiden  Symptome  von 
den  Erscheinungen  der  richtigen  Koronarsklerose  ist  in  den 
meisten  Fällen  leicht  zu  stellen,  mag  aber  in  einzelnen  Fallen 
erhebliche  Schwierigkeiten  bereiten.  Gewöhnlich  zeigen  die 
anginoiden  Symptome  eine'  gewisse  Periodizität,  kehren  mi 
grosser  Regelmässigkeit  zu  gewissen  Tagesstunden  wieder 
(sehr  oft  beim  zu  Bette  gehen),  der  Anfall  dauert  Stunden  und 
Tage  und  zeigt  nicht  die  scharfe  Abhängigkeit  von  Anstren¬ 
gungen  und  Aufregungen  wie  die  Koronarsklerose.  Gewöhn¬ 
lich  entwickeln  sich  die  Symptome  langsam  gegenüber  dem 
plötzlichen  Beginn  der  Angina;  das  Todesgefuhl  ist  n ui  in 
wenigen  Fällen  vorhanden  und  dann  nicht  so  ausgeprägt  wie 
in  der  Koronarsklerose.  In  einzelnen  Fähen  lassen jedoch  alle 
diese  Kriterien  im  Stiche,  besonders  bei  Aortensklerose  u 


2U3U 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4!. 


Aorteninsuffizienz;  es  kann  hier  die  Differentialdiagnose  nur  aus 
dem  weiteren  Verlauf  des  Falles  gestellt  werden. 

Literatur: 

1.  He  ad:  Brain  1893  und  1894.  —  2.  Mackenzie:  British 
medical  Journal  1905.  —  3.  Qibson:  Practitioner,  Sept.  1906.  — 
4.  Nothnagel:  D.  Archiv  f.  klin.  Med.  1867,  S.  308.  —  5.  C  u  r  s  c  h- 
m  a  n  n :  Münch,  med.  Wochenschr.  1906.  —  6.  Eichhorst:  Lehr¬ 
buch  der  inneren  Medizin. 


Aus  dem  Privatlaboratorium  von  Dr.  Wederhake  in 

Düsseldorf. 

Zur  Morphologie  des  Urins  und  der  Galle. 

Von  Dr.  Anton  Veit  und  Dr.  K.  J.  Wederhake. 


Von  Virchow  wurden  zuerst  Körperchen  beschrieben, 
die  mit  gewissen  Reagentien  ähnliche  Reaktion  geben  wie  das 
Amylum,  die  sich  aber  andererseits  durch  andere  Reaktionen 
wesentlich  davon  unterscheiden;  Virchow  nannte  sie 
Amyloidkörperchen  oder  Corpora  amylacea.  Sie  finden  sich  in 
der  Substanz  des  Rückenmarkes,  im  Ependym  der  Hirnven¬ 
trikel,  in  der  Prostata  und  ihrem  Sekrete,  in  der  Lunge,  im 
Sputum  bei  Lungentuberkulose  und  bei  Asthma  bronchiale,  in 
Karzinomen,  in  der  Brustdrüse  im  Kolostrum  (Wederhake), 
im  Urin  und,  wie  wir  beschreiben  werden,  auch  in  der  Galle. 
Die  charakteristische  Reaktion  zu  ihrer  Erkennung  ist  die  Jod¬ 
schwefelsäurereaktion,  wodurch  die  Körperchen  braunrot, 
blaugrün,  blaurötlich  oder  tief  blau  gefärbt  werden.  Wendet 
man  nicht  die  typische  Jodschwefelsäurereaktion  an,  sondern 
die  von  Siege  rt  angegebene  Modifikation  der  Jodreaktion: 
Härtung  in  Alkohol,  Auswaschen  in  Wasser,  Färbung  in  starker 
Jodjodkalilösung,  Entfärbung  in  Alkohol  absolutus,  Differen¬ 
zieren  in  20  proz.  Salzsäure,  Nachfärben  in  Jodalkohol  (4  Teile 
Alkohol  und  1  Teil  Jodtinktur),  der  zugleich  entwässernd  wirkt, 
Konservierung  in  Origanumöl  an,  so  kann  man  mit  diesem  Autor 
die  Corpora  amylacea  in  Corpora  versicolorata,  die  tiefbraun 
gefärbt  sind  und  in  Corpora  flava,  die  die  Amyloidreaktion 
nicht  geben,  unterscheiden.  Typisch  finden  sich  beide  Arten 
in  der  Prostata  und  ihrem  Sekrete  nebeneinander. 

Trotz  dieser  einfachen  Reaktion  ist  das  Aufsuchen  der 
Amyloide  in  den  Sekreten  oft  sehr  umständlich  und  zeit¬ 
raubend;  das  gilt  namentlich  von  Urin  und  Galle.  Erst  die  von 
mir  (W  ederhake)  beschriebene  Jod-Croceinscharlach- 
färbung* 1)  erleichterte  das  Auffinden  dieses  Körperchens  be¬ 
deutend,  so  dass  die  Untersuchung  auch  grösserer  Quantitäten 
von  Flüssigkeiten  auf  das  Vorhandensein  der  Amyloide  sehr 
einfach  ist.  Die  Färbung  geschieht  folgendermassen : 

1.  Die  Flüssigkeit  (Urin,  Galle  usw.)  wird  zentrifugiert, 
dann  giesst  man  das  über  dem  Bodensatz  Stehende  so  weit 
aus  dem  Zentrifugenröhrchen  ab,  dass  nur  etwa  1  ccm  zurück¬ 
bleibt. 

2.  Hierzu  fügt  man  einen  Tropfen  Jodtinktur  und  schüt¬ 
telt  gut  durch. 

3.  Man  giesst  hierzu  etwa  1  ccm  einer  konzentrierten 
Losung  von  Croceinscharlach  7  b  in  70  proz.  Alkohol  und 
schüttelt  gut  durch. 

4.  Dann  füllt  man  das  gefärbte  Zentrifugat  mit  Wasser  auf 
und  zentrifugiert  von  neuem. 

5.  Abpipettieren;  zur  Konservierung  kann  man  Farrant- 
sche  Lösung  verwenden. 

Die  typischen  Amyloidkörperchen  sind  blauschwarz  bis 
dau  bis  hellblau  gefärbt  und  durch  ihre  charakteristische  Ge¬ 
stalt  und  Schichtung  von  Verunreinigungen  und  dergl.  sicher 
zu  unterscheiden.  Ausser  diesen  echten  Amyloiden,  den  Jodo¬ 
amyloiden,  wie  wir  sie  nennen  möchten,  findet  man  aber 
namentlich  in  den  Zentrifugaten  des  Urins  noch  Körperchen, 
i  ic  nach  Schichtung,  Gestaltung  und  Grösse  den  Jodoamyloiden 
sein  ähnlich  sind,  sich  aber  dadurch  unterscheiden,  dass  sie 
sich  nicht  blau,  sondern  rot  gefärbt  haben,  wir  möchten  sie 
Erythroamyloide  nennen.  Die  Erythroamyloide  geben  zum 
1  eil  die  typische  Jodschwefelsäurereaktion  und  erweisen  sich 
dadurch  als  Amyloide  im  Virchow  sehen  Sinne.  Dass  sie 


Q  Wederhake:  Zur  Morphologie  des 

I  echnik  seiner  Untersuchung.  Monatsschrift 
Gynäkologie,  Bd.  XXII,  II,  5. 


Kolostrums  und  zur 
für  Geburtshilfe  und 


aber  dennoch  als  eigene  Gruppe  von  der  Virchow  sehen 
unterschieden  werden  müssen,  ergibt  sich  aus  dem  unterschied¬ 
lichen  Verhalten  gegen  die  Jodcroceinscharlachreaktion.  Wenn 
diese  Körperchen  sich  auch  morphologisch  den  Jodoamyloiden 
sehr  ähnlich  verhalten,  so  kann  man  dennoch  einige  Unter¬ 
schiede  konstatieren.  So  sind  die  Erythroamyloide  fast  nie 
rund,  sondern  mehr  oval,  mehr  elliptisch  oder  bohnenförmig 
und  übertreffen  die  Jodoamyloide  nicht  selten  an  Grösse.  Ihre 
Zahl  ist  in  den  einzelnen  Urinen  sehr  verschieden,  ihre  Schich¬ 
tung  ist  gewöhnlich  nicht  so  charakteristisch  wie  bei  den  Jodo¬ 
amyloiden,  ja  sie  kann  vollständig  fehlen.  Ihrer  Struktur  nach 
sind  sie  viel  zarter  aufgebaut  als  die  Jodamyloide;  während 
die  Jodoamyloide  eine  gewisse  faserige  Struktur  aufweisen, 
wie  ich  sie  beispielsweise  bei  den  Amyloiden  des  Kolostrum, 
der  Prostata  nachweisen  konnte  (Wederhake)  sind  die 
Erythroamyloide  fast  hyalin  gebaut. 

Wir  haben  nun  über  150  Urine,  die  teils  von  Gesunden,  teils 
von  Kranken  stammten,  auf  die  Amyloide  untersucht  und  fanden, 
dass  die  Amyloide  sowohl  in  gesunden,  als  auch  in  den  patho¬ 
logische  Merkmale  aufweisenden  Urinen  Vorkommen.  Doch 
finden  sie  sich  nicht  in  allen  gesunden  Urinen,  sondern  nur  in 
einzelnen  und  hier  auch  sehr  vereinzelt  und  nur  bei  ausser¬ 
ordentlich  sorgfältiger  Durchforschung.  Solche,  anscheinend 
von  gesunden  Menschen  stammende  Urine  wiesen  sonst 
keinerlei  Eiweissgehalt  und  Formelemente  auf,  doch  Iiess  sich 
bei  etwa  %  der  Fälle  feststellen,  dass  die  den  Urin  Produ¬ 
zierenden  früher  an  einer  mit  hohem  Fieber  einhergehenden 
Krankheit  gelitten  hatten,  z.  B.  an  Scharlach,  Typhus,  Diph¬ 
therie  u.  dergl.  Es  scheint  also,  als  ob  solche  Urine  doch  nicht 
als  ganz  normal  zu  betrachten  wären.  Die  Untersuchung  der 
Urine  von  Kranken,  die  an  Harnröhren-,  Blasen-  oder  Nieren¬ 
affektionen  litten,  ergab  folgendes:  Die  Zahl  der  Amyloide, 
sowohl  der  Jodoamyloide  als  Erythroamyloide,  ist  fast  stets 
vermehrt  bei  den  akuten  Zystitiden,  weniger  oder  gar  nicht  bei 
den  Urethritiden.  Während  man  bei  anscheinend  normalen, 
also  keine  pathologischen  Formelemente  und  Substanzen  auf¬ 
weisenden  Urinen,  oft  10 — 20  Präparate  durchsehen  muss;  um 
l — 2  Amyloide  zu  entdecken,  kommt  es  vor,  dass  bei  akuten 
Zystitiden  bereits  in  jedem  zweiten  Gesichtsfelde  2 — 3  Amy¬ 
loide  zu  entdecken  sind.  Auch  bei  chronischen  Zystitiden  ist 
die  Zahl  der  Amyloide  stets  vermehrt,  doch  sind  es  hier  haupt¬ 
sächlich  die  Jodoamyloide,  während  bei  akuter  Zystitis  Jodo- 
und  Erythroamyloide  fast  gleichmässig  an  Zahl  zugenommen 
haben.  Bei  Nierenaffektionen  (Nephritiden,  Nierensteinen, 
Nierentuberkulosen  u.  dgl.)  konnten  wir  eine  wesentliche  Ver¬ 
änderung  hinsichtlich  des  Verhaltens  der  Amyloide  nicht  finden ; 
es  scheint  also,  als  ob  die  in  Rede  stehenden  Formelemente 
sich  hauptsächlich  bei  Erkrankung  der  Blase  vermehrt  finden. 

Hinsichtlich  des  Vorkommens  der  Amyloide  beim  männ¬ 
lichen  und  weiblichen  Geschlecht  konnten  wir  keinen  wesent¬ 
lichen  Unterschied  feststellen,  sie  finden  sich  also  bei  beiden 
Geschlechtern  in  etwa  gleicher  Häufigkeit.  Bezüglich  des 
Alteis  ist  zu  erwähnen,  dass  wir  sie  sowohl  bei  Kindern  im 
Altei  von  über  5  Jahren  als  bei  Menschen  im  mittleren  und 
höheren  Alter  (bis  zu  70  Jahren)  haben  feststellen  können. 

Nach  meinen  Untersuchungen  haben  also  die  Amyloide 
zweifellos  eine  Bedeutung  für  die  Differentialdiagnose,  be¬ 
sonders  der  Blasen-  und  Nierenerkrankungen.  Das  Fehlen  der 
Amyloide  im  pathologisch  veränderten  Urin  spricht  dafür,  dass 
eine  katai  rhalische  Blasenaffektion  ausgeschlossen  werden 
kann.  Ihr  Vorkommen  andererseits  bei  Urinen,  die  anscheinend 
nur  Nierenelemente  enthalten,  deutet  darauf  hin,  namentlich 
wenn  die  Zahl  vermehrt  ist,  dass  die  Blase  ebenfalls  beteiligt 
ist.  So  können  wir  einen  Prozess  der  Nieren  und  der  Blase  in 
dem  Sinne  geradezu  verfolgen,  ob  eine  Nierenaffektion  zur 
Blase  deszendiert  und  diese  mitaffiziert.  Damit  glauben  wir, 
hat  die  Untersuchung  des  Urins  auf  das  Verhalten  der  Amyloide 
eine  ziemlich  grosse  Bedeutung  gewonnen. 

Ueber  die  Entstehung  dieser  Elemente  können  wir  keine 
näheren  Angaben  machen;  dass  diese  Elemente  aber  für  die 
Pathologie  des  Urins  noch  in  anderer  Hinsicht,  nämlich  bei  der 
Entstehung  der  Blasensteine  von  Bedeutung  sein  können, 
sch  Hessen  wir  daraus,  dass  sie  sich  in  einer  grossen  Anzahi 
Gallensteine  nachweisen  lassen.  Zerschneidet  man  nämlich 
einen  Gallenstein  und  bringt  feine  Brockel  durch  Abschaben  mit 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2031 


einem  Messer,  besonders  aus  dem  zentralen  Teil  des  Steines, 
auf  einen  Objektträger  und  färbt  mit  Jodcroceinscharlach, 
so  kann  man  fast  immer  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Amy¬ 
loide,  namentlich  Jodoamyloide  nachweisen.  Die  Färbung  mit 
Jodcroceinscharlach  geschieht  hier  so,  dass  man: 

1.  über  das  Objekt  reine  Jodtinktur  giesst, 

2  dieselbe  abtropfen  lässt,  aber  nicht  abspült, 

3  darüber  reichlich  alkoholische  Croceinscharlach-Lo- 
sung  schüttet,  nach  einer  halben  Minute  abgiesst,  mit  Wasser 
abspült  und  das  Präparat  vorsichtig  mit  Fliesspapier  trocknet; 

Glyzerin,  Deckglas.  .  .  , 

Wir  konnten  die  Amyloide  auf  diese  Weise  in  allen  kalk¬ 
haltigen  Gallensteinen  nachweisen  und  zwar  um  so  zahlreicher, 
je  näher  die  Brockel  dem  Kern  des  Gallensteins  entnommen 
waren.  Dieser  Befund  und  der  weitere,  dass  wir  bei  zwei 
gallenfisteltragenden  Patienten,  die  an  seröser  Cholezystitis 
und  Gallensteinen  litten,  ebenfalls  zahlreiche  Amyloide  nach¬ 
weisen  konnten,  spricht  dafür,  dass  die  Amyloide  für  die  Ent¬ 
stehung  der  Gallensteine  und  vielleicht  auch  der  Blasensteine 
eine  gewisse  Bedeutung  haben,  ob  sie  nun  nur  als  Symptom 
einer  katarrhalischen  Entzündung  auftreten,  oder  ob  sie  direkt 
als  Unterlage  dienen,  an  welche  sich  die  Substanzen,  aus 
welchen  die  Gallensteine  zu  entstehen  pflegen,  ankrystalhsieren, 
lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  entscheiden,  jedenfalls  bestätigt 
ihr  Vorkommen  die  Lehre  von  der  Entstehung  der  Gallensteine 
in  katarrhalischen  Gallenblasen.  Da  wir  aber  die  Amyloide 
besonders  im  Kern  der  Gallensteine  nachweisen  können  —  und 
zwar  gelang  dies  am  besten  bei  den  kleinsten  Steinen,  —  so 
glauben  wir,  dass  die  letztere  Annahme,  nämlich  dass  sie  als 
Grundlage  für  die  Entstehung  der  Gallensteine  dienen,  viel  für 
sich  hat. 

Genauere  und  ausgedehntere  Untersuchungen  müssen  uns 
hierüber  noch  Klarheit  verschaffen.  Aus  unseren  Unter¬ 
suchungen  geht  jedenfalls  hervor,  dass  die  Bedeutung  der 
Amyloide  viel  grösser  ist,  als  sie  bisher  nach  den  vorliegenden 
literarischen  Mitteilungen  zu  sein  schien.  Namentlich  die  Unter¬ 
suchung  der  Sekrete  und  Exkrete  auf  Amyloide  ist  wichtig 
genug  um  in  die  klinischen  Untersuchungsmethoden  aufge¬ 
nommen  zu  werden.  Ueber  klinische  Untersuchungen  fehlt 
in  der  Literatur  fast  jede  Mitteilung.  Die  Pathologen  haben  uns 
dagegen  eine  ganze  Reihe  Aufschlüsse  gebracht.  Die  Lite i  atu i 
habe  ich  in  meiner  oben  zitierten  Arbeit  zusammengestellt. 


Ueber  Heilung  der  Iritis  und  Iridozyklitis.  —  Heilung 
der  Blennorrhoea  neonatorum.*) 

Von  Dr.  Vinzenz  Fukala  aus  Wien. 

Im  Laufe  der  letzten  sechs  Dezennien  hat  sich  ein  mäch¬ 
tiger  Umschwung  auf  allen  Gebieten  der  Heilkunde  vollzogen. 
Namentlich  aber  ist  dies  zu  verzeichnen  in  der  Mikroskopie, 
Bakteriologie,  internen  Medizin  und  Chirurgie. 

Von  diesen  Errungenschaften  sind  einige  von  ganz  be¬ 
sonderer  Wichtigkeit,  welche  einen  totalen  Umsturz  in  dei  Be¬ 
handlungsweise  mit  sich  brachten:  Es  sind  dies  die  Narkose 
von  Jackson  in  Boston  1845,  das  Kokain  von  Koller  1884, 
die  Asepsis  von  L  i  s  t  e  r,  Röntgenstrahlen  u.  a.  m. 

In  der  Augenheilkunde  ist  allerdings  auch  ein  bedeutender 
Fortschritt  zu  verzeichnen,  jedoch  mehr  in  der  1  heorie,  da¬ 
gegen  ist  auf  dem  Gebiete  der  Therapie  nur  wenig  geschehen; 
denn  seit  der  Erfindung  des  Augenspiegels  durch  Helm¬ 
hol  t  z,  der  richtigen  Erkenntnis  der  Refraktionslehre  durch 
S  t  e  1 1  w  a  g  und  D  o  n  d  e  r  s,  sowie  der  Glaukomiridektomie 
durch  Graefe  1856  haben  weitere  wichtige  therapeutische 
Neuerungen  aufgehört.  Ausnahmen  machten  nur  noch  die  Ein¬ 
führung  des  Kokains  und  die  Myopieoperationen. 

Nun  ist  die  Therapie  der  wichtigste  Teil  der  Augenheil¬ 
kunde  ;  der  Kranke  verlangt  Heilung,  er  will  von 
der  Gefahr  der  Erblindung  befreit  sein;  daher 
wandte  ich  in  den  letzten  20  Jahren  der  Therapie  meine  grösste 
Aufmerksamkeit  zu.  Ich  habe  mir  die  Frage  gestellt,  ob  wir 
auch  auf  andere  Weise  bessere  Resultate  erzielen  könnten. 
Meine  Bemühungen  waren  nicht  fruchtlos;  ich  habe  meinen 


*)  Nach  einem  Vortrage,  gehalten  am  7.  Mai  1907  in  der  Societe 
frangaise  d’Ophthalmologie  in  Paris. 


Weg  gefunden,  auf  dem  Heilung  erzielt  werden  kann.  Selbst¬ 
verständlich  sind  sehr  weit  vorgeschrittene  Erkrankungen,  bei 
denen  kaum  etwas  mehr  ausgerichtet  werden  kann,  hier  nicht 
inbegriffen. 

Im  Mai  1.  J.  habe  ich  auf  dem  Kongresse  der  „Societe 
Frangaise  d’Ophthalmologie“  in  Paris,  deren  Mitglied  zu  sein  ich 
die  Ehre  habe,  zum  erstenmale  das  Ergebnis  meiner  Studien  be¬ 
kannt  gegeben.  Da  jedoch  den  Statuten  gemäss  der  Vortrag 
längstens  10  Minuten  dauern  darf,  so  musste  ich  den,  Inhalt  in  ge¬ 
drängter  Kürze  zusammenfassen.  Nun  berichte  ich  in  ausführ¬ 
licher  Weise. 

I.  Heilung  der  Iritis  und  Iridozyklitis. 

Die  Behandlung  der  schwierigeren  Formen  von  Iritis 
stösst  bekanntlich  auf  grossen  Widerstand.  Auch  Kliniker 
ersten  Ranges  haben  leider  viele  Verluste  zu  beklagen. 

Magnus  führt  unter  2528  Fällen  8,86  Proz.  Verluste  an. 
(Vide:  Fuchs:  Die  Ursachen  und  Verhütung  der  Blindheit.) 

Gustav  Schleich  gibt  rund  12,64  Proz.  Erblindungen 
durch  Iritis,  Iridozyklitis  an.  (Vide:  Adolf  Hart,  Gustav 
Schleich:  Klinisch-statistischer  Bericht  über  4305  erblindete 
Augen,  aus  dem  Materiale  der  Klinik  Tübingen,  bei  Franz 
P  i  e  t  z  c  k  e  r  1900.) 

Wir  sehen  hiemit  klar  in  Ziffern  die  grosse  Bedeutung  der 
Heilung  dieses  Augenleidens.  . 

Ich  war  schon  nahe  daran,  in  der  ersten  Zeit  meine  Er¬ 
fahrungen  bekannt  zu  geben;  doch  gestehe  ich,  dass  die 
Art  und  Weise,  wie  die  Herren  Augenärzte  mir  nach  der  Ver¬ 
öffentlichung  der  Myopieoperationen  entgegengekommen  sind, 
mir  den  Mut  und  die  Freude  benommen  hat.  Schliesslich  habe 
ich  mich  nach  vielen  Jahren  doch  zur  Publikation  entschlossen, 
denn  die  Zahl  der  Erkrankungen  und  Erblindungen  ist,  wie  ich 
bereits  angeführt  habe,  sehr  bedeutend.  Doch  sehen  wir  von 
den  Erblindeten  ab,  so  fällt  dieser  Umstand  noch  schwerer  in 
die  Wagschale,  dass  die  Zahl  der  durch  Iridozyklitis  Be¬ 
troffenen,  der  sogenannten  „Halbblinden“  eine  viel  grössere  ist; 
denn  es  treten  Synechien,  Occlusio  pupillae,  Pupillarmembran, 
Trübungen  der  Linse  und  des  Glaskörpers,  Drucksteigerung 
usw.  oft  in  solchem  Grade  und  nach  längeren  Jahren  auf,  dass 
die  Leute  zwar  noch  grössere  Gegenstände  wahrnehmen 
und  allein  gehen  können  —  aber  sie  werden  zu  ihrem  Beruf 
untauglich  und  sind  in  die  bittere  Lage  versetzt,  sich  auf  eine 
andere  Weise  einen  schlechteren  Verdienst  suchen  zu  müssen, 
wodurch  oft  ihre  Lage  sehr  verschlechtert  wird.  Und  hierin 
liegt  die  soziale  Bedeutung  der  Heilung  der  Iridozyklitis. 

Somit  gehe  ich  zur  Heilung  des  Leidens  über.  Mit  gutem 
Grunde  gebrauche  ich  nicht  das  Wort  „Behandlung“,  sondern 
spreche  direkt  von  „Heilung“.  Meine  Erfolge  berechtigen 
mich  dazu,  wie  wir  dies  im  weiteren  Verlaufe  sehen  werden. 

Um  Iritis  und  Iridozyklitis  heilen  zu  können,  müssen  2 
Bedingungen  erfüllt  werden: 

1.  es  muss  die  Pupille  ad  maximum  erweitert  werden, 

2.  wir  müssen  ein  spezifisches  Mittel  zur  Heilung  der 
entzündeten  Iris  und  des  Corpus  ciliare  an- 

'wenden. 

Ueber  Pupillenerweiterung. 

Es  ist  Regel,  dass  man  bei  Iritis  und  Iridozyklitis  die 
1  proz.  Atropinlösung  anwendet;  dies  hat  seine  Richtigkeit  bei 
leichterer  Iritis.  In  schweren  Fällen  und  bei  Iridozyklitis  ge¬ 
nügt  sie  nicht.  Wir  sehen  daher  immer  dort  viele  Synechien, 
und  in  schwersten  Formen  bildet  sich  sogar  eine  Pupillar¬ 
membran  mit  deletären  Folgen.  Mari  muss  das  oberste  Prinzip 
vor  Augen  haben,  die  Pupille  stets  nach  Möglich¬ 
keit  weit  und  kreisrund  zu  erhalten.  Um  dies 
zu  erreichen,  müssen  wir  stärkere  Lösungen  anwenden,  je 
nach  dem  Grade  der  Entzündung  2  proz.,  3  proz.  und  sogar 
4  proz.  Es  ist  ein  Irrtum  zu  glauben,  dass  starkes  Atropin 
schade.  Das  habe  ich  in  meiner  Praxis  nie  beobachtet.  Es  ist 
uns  ferner  bekannt,  dass  viele  Autoritäten  sogar  trockenes 
Atropin  schadlos  anwenden.  Ist  hingegen  die  Pupille 
erweitert,  dann  setze  ich  das  Atropin  aus,  bis 
sie  sich  wieder  verengert.  Es  ist  ganz  unnütz, 
bei  weiter  Pupille  beständig  zu  atropini- 
s  i  e  r  e  n.  Auch  bei  fest  angewachsenem  Pupillenrand  kann 


2032 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


weiteres  atropinisieren  nichts  nützen,  ist  daher  auszusetzen. 
Und  nun  fragen  wir  uns :  WelchesMedikament  wirkt 
direkt  gegen  die  Entzündung  des  U  v  e  a  1  - 
t  r  a  k  t  e  s? 

Wir  haben  bis  jetzt  kein  solches  gekannt,  und  dies  ist 
auch  die  Ursache,  dass  eine  Heilung  bei  Iridozyklitis  selten 
eintritt,  ausgenommen,  wo  Syphilis  das  Grundleiden  war. 

Während  meiner  ärztlichen  Tätigkeit  habe  ich  gefunden, 
dass  die  Sublimatlösung  1: 4000  ein  wahres 
Spezifikum  dafürist.  Eshatmirin  allen  Fällen 
geholfen  und  noch  nie  versagt. 

Das  Medikament  wird  mittelst  eines  erbsengrossen  Watte¬ 
bausches  an  den  Augapfel  appliziert.  Ich  liess  mir  dazu  beim 
Instrumentenmacher  Leiter  in  Wien  eine  ca.  8  cm  lange 
Sperrpinzette,  deren  Ende  nicht  zu  spitz  ausläuft,  anfertigen. 
Es  ist  am  besten,  den  Patienten  dazu  auf  einem  Sopha  liegen 
zu  lassen. 

Da  das  iritische  Auge  sehr  schmerzhaft  ist,  muss  vorerst 
5-,  10-  bis  15  proz.  Kokain  eingeträufelt  werden,  um  die  Pro¬ 
zedur  gehörig  vornehmen  zu  können;  wenn  die  Patienten  näm¬ 
lich  viel  Schmerz  empfinden,  so  werden  sie  entmutigt  und  ent¬ 
ziehen  sich  der  Behandlung. 

Nun  fasst  man  mit  der  Sperrpinzette  ein  Stückchen  Watte, 
taucht  dasselbe  in  die  Sublimatlösung  und  tuschiert  die  Con- 
junctiva  sclerae  rings  um  den  Kornealrand  bis  nach  rückwärts 
herum.  Es  ist  gut,  das  Sublimat  auf  36 0  C.  zu  erwärmen,  weil 
es  dann  besser  angreift. 

Schliesslich  wird  Atropin  2-,  3-  bis  4  proz.,  je  nach  dem 
Grade  der  Entzündung,  eingeträufelt. 

Dieses  Verfahren  wird  täglich  einmal  vorgenommen. 

Bei  heftiger  Iridozyklitis  wird  schliesslich  ein  in  Sublimat 
1 :  4000  getauchter  Wattebausch  auf  die  Augenlider  gelegt  und 
das  Auge  verbunden.  Sind  heftige  Schmerzen  vorhanden,  so 
werden  6 — 8  Blutegel  mit  entsprechender  Nachblutung  an¬ 
gewendet. 

Wo  Lues  —  dort  antisyphilitische  Behandlung;  wo  jedoch 
Syphilis  ausgeschlossen  ist,  gebe  man  kein  Jodkali,  weil  da¬ 
durch  der  ohnehin  entkräftete  Organismus  unnütz  geschwächt 
wird. 

Erfolg  dieser  Behandlung. 

Bei  leichteren  Fällen  wird  das  Auge  rasch  blass,  die  Pu¬ 
pille  wird  schnell  erweitert.  Man  wiederholt  täglich  dasselbe 
Verfahren  und  es  tritt  nach  wenigen  Tagen  Heilung  ein.  Man 
darf  sich  jedoch  nicht  verleiten  lassen,  die  Behandlung  vor¬ 
zeitig^  aufzugeben,  da  sonst  Rückfall  gerne  und  häufig  auftritt. 

Etwas  schwieriger  verhält  es  sich  mit  der  Heilung  von 
Iridozyklitis.  Vor  allem  ist  die  Schmerzhaftigkeit  sehr  be¬ 
deutend;  der  Patient  sträubt  sich  gegen  die  Applikation  von 
Sublimat;  man  muss  daher  kräftig  kokainisieren  (5  proz., 
10  proz.  bis  15  proz.).  Kommt  der  Patient  rechtzeitig  zum 
Arzte,  so  ist  die  Heilung  möglich  und  es  lässt  sich  desto 
sicherer  die  Pupille  erweitern;  der  Patient  nimmt  auch  inner¬ 
lich  Sublimat  in  gewöhnlicher  Dosis  ein.  Atropin  muss  ener¬ 
gisch  eingeträufelt  werden,  bis  die  Pupille  erweitert  ist.  Vor¬ 
handene  Synechien,  welche  noch  nicht  lange  bestehen, 
reissen  sicher.  Anders  verhält  es  sich  bei  Synechien,  welche 
1  bis  2  Monate  und  darüber  bestehen,  mitunter  reissen  auch 
diese,  doch  ist  dies  ungewiss.  Selbstverständlich  muss  man 
bei  solchen  Fällen  kräftigeres  (3  proz.,  4  proz.)  Atropin  und  stets 
gewärmtes  Sublimat  anwenden.  Dagegen  kann  man  bei  länger 
bestandener  völliger  Anwachsung  des  Pupillarrandes  nichts 
mehr  ausrichten;  Atropin  ist,  weil  zwecklos,  auszusetzen,  und 
wenn  das  Auge  blass  und  reizlos  geworden  ist,  Iridektomie  vor¬ 
zunehmen.  Eine  frische  Trübung  des  Kammerwassers,  welche 
erst  eine  Woche  besteht,  vergeht  sicher  bei  dieser  Behandlung. 
Die  Iris  erlangt  bald  die  normale  Farbe,  selbst  eine  leichte 
Pupillarmembram  resorbiert  sich  in  kurzer  Zeit  und  ver¬ 
schwindet  spurlos,  sodass  man  nach  einiger  Zeit  die  v  o  r  d  e  r  e 
Kapsel  \  ö  1 1  i  g  rein  findet.  Meine  Behauptung  klingt 
vielleicht  unglaublich,  ich  versichere  aber,  dass  meine  Angaben 
vollkommen  der  Wahrheit  entsprechen.  Gerade  dies  ist  von 
unschätzbarem  V  erte;  denn  die  gefürchtete  Trübung  verliert 
sich  vollständig  und  die  Patienten  sind  glücklich,  wieder  im 
Vollbesitze  ihrer  Sehkraft  zu  sein.  Die  Leistungsfähigkeit  des 


Auges  hat  durch  dieses  schwere  Leiden  nichts  eingebiisst.  Ich 
verweise  diesbezüglich  auf  die  weiter  unten  angeführten 
Krankengeschichten. 

Was  erreichen  wir  nach  meiner  Methode  bei 
schwerer  Iritis  mit  Pupillenverschluss  und 
schmerzhafter  Zyklitis? 

Solche  Fälle  waren  bisher  unheilbar  und  endeten  mit  der 
völligen  Erblindung  des  erkrankten  Auges;  selbst  unter  den 
günstigsten  Bedingungen  blieben  Trübungen  der  Linse,  der 
Kapsel  und  des  Glaskörpers  zurück;  immer  erlitt  das  Auge  be¬ 
deutenden  Schaden. 

In  solchen  Fällen  erzielte  ich  bei  fügsamen  Patienten  gross- 
artige  Resultate,  wenn  auch  die  Sehkraft  durch  Trübungen  der 
Medien  infolge  der  langen  Dauer  Schaden  genommen  hat. 

Die  Behandlung  habe  ich  bereits  beschrieben.  Auch  hier 
gibt  es  entsprechende  Heilung,  jedoch  erst  nach  4—5  Wochen. 
Zunächst  lassen  die  Schmerzen  langsam  nach  und  hören  bald 
völlig  auf;  die  Entzündungserscheinungen  nehmen  ab,  nach 
einigen  Wochen  wird  das  Auge  blass  und  nun  kann  man  zum 
Schlüsse  Iridektomie  vornehmen.  Letztere  am  besten  nach 
innen. 

Einige  Krankengeschichten: 

1.  Vor  12  Jahren  kam  zu  mir  ein  Cafetier,  48  Jahre  alt.  Er  litt 
beieits  eine  Woche  an  Iritis,  ohne  sich  an  einen  Arzt  gewendet  zu 
haben.  Das  Auge  war  stark  gerötet  und  recht  schmerzhaft.  Ziliar- 
injektion;  Trübung  des  Kammerwassers  und  Pupillarmembran.  Ich 
glaubte  nicht,  dass  sich  die  äusserst  enge,  angewachsene  Pupille  noch 
erweitern  würde.  Atropin  3  proz.  und  4  proz.  Nach  4  Tagen  war  die 
Pupille  plötzlich  erweitert.  Hierauf  klärte  sich  das  Kammerwasser; 
Heilung  nach  3  Wochen;  Kapsel  und  Medien  ganz  rein,  normale  Seh¬ 
kraft. 

2.  Herr  L.  Bl.,  hochgestellter  Militärbeamter,  45  Jahre  alt,  er- 
kiankte  vor  3  Jahren  an  schwerer  Iritis  des  linken  Auges.  Er  stand 
von  Beginn  an  in  bester  klinischer  Behandlung.  Leider  verengte  sich 
die  Pupille  bedeutend,  so  dass  er  schliesslich  nichts  mehr  sehen 
konnte.  Iridektomie  verbesserte  das  Sehen  derart,  dass  er  noch 

s  der  normalen  Sehkraft  Behielt.  Nach  einem  Jahr  erkrankte  das 
rechte  Auge  an  Iridozyklitis.  Er  war  ganz  verzweifelt,  da  er  fürchten 
musste,  seine  Stellung  zu  verlieren  oder  mit  sehr  reduziertem  Gehalt 
pensioniert  zu  werden.  Meine  Therapie  des  zweiten  Auges:  3 — 4  proz. 
Atropin,  Sublimat  1 :  4000.  Zweimal  wurden  je  6  Egel  gesetzt.  In 
4  Wochen  völlige  Heilung,  keine  Synechien,  Kapsel  und  Medien  ganz 
rein;  er  behielt  normale  Sehkraft,  liest  fliessend  Jaeger  No.  1  mit  un¬ 
bewaffnetem  Auge.  Seit  2V2  Jahren  befindet  sich  sein  Auge  in  nor¬ 
malem  Zustand  ohne  Rezidive  und  er  versieht  seine  schwierige  Stel¬ 
lung  mit  grösster  Leichtigkeit. 

3.  Josef  U.  aus  Stockerau,  Oekonom,  50  Jahre  alt,  wurde  an  einer 
Wiener  Augenklinik  7  Wochen  lang  an  schwerer  Iridozyklitis  eines 
Auges  als  interner  Patient  behandelt;  während  dieser  Zeit  erkrankte 
auch  das  zweite,  bisher  gesunde  Auge  in  ebenso  heftiger  Weise.  Wie¬ 
wohl  ihm  die  sorgfältigste  klinische  Behandlung  zu  teil  wurde,  ver¬ 
lor  er  das  Augenlicht  an  beiden  Augen  und  wurde  nach  7  Wochen 
auf  eigenes  Verlangen  mit  florider  Iridozyklitis  beider  Augen  ent¬ 
lassen.  Am  30.  März  1906  wurde  er  als  Blinder  zu  mir  geführt. 
Status  praesens  30.  III.  06:  Augenlider  geschwollen,  gerötet-  ausser¬ 
ordentliche  Lichtscheu  und  Schmerz;  reichlicher  Tränenfluss;  Aug¬ 
apfel  durchaus  intensiv  gerötet,  Pupille  ganz  eng.  Occlusio  pupillae 
Pupillarmembranen.  Er  hatte  zwar  gute  Lichtempfindung,  konnte 
aber  Gegenstände  nicht  mehr  unterscheiden.  Die  Behandlung  war 
dadurch  bedeutend  erschwert,  dass  er  aussergewöhnlich  heftige 
Schmerzen  zu  leiden  hatte.  Nach  4  Wochen  hatte  ich  es  dahin  ge- 
b rächt,  dass  die  Augen  blass  wurden  und  die  Schmerzen  aufhörten. 
Hierauf  führte  ich  an  jedem  Auge  Iridektomie  nach  innen  aus.  Der 
Mann,  der  früher  nichts  sah  und  geführt  werden 
musste,  kann  nun  grösseren  Druck  lesen  und  ist 
wieder  in  seinem  Berufe  (Oekonomie)  tätig. 

Es  können  zuweilen  sogar  schon  Monate  lang  bestandene 
Synechien  bei  energischem  Verfahren  zum  Zerreissen  gebracht 
werden.  Interessant  ist  nachstehender  Fall  aus  der  letzten  Zeit 
meiner  Praxis: 

Ei  äulein  Marie  Schw.,  16  Jahre  alt.  litt  seit  3  Jahren  an  schwerer 
Iritis  des  linken  Auges  und  wurde  iridektomiert.  Vor  17  Wochen 
erkrankte  das  rechte  Auge;  sie  verbrachte  17  Wochen  als  in¬ 
terne  Patientin  in  einer  Krankenanstalt.  Vor  einigen  Tagen  kam  sie 
zu  mir.  Ich  fand  die  Pupille  sehr  unregelmässig,  viele  Synechien. 
Heute  sind  nach  meiner  Behandlung  alle  Synechien 
gerissen,  die  Pupille  kreisrund,  Sehen  normal. 

Iritis  punctata. 

Es  ist  dies  eine  besondere  Form  der  schleichenden  Iritis, 
welche  oft  unbemerkt  beginnt,  später  leider  zur  Erblindung 
führt.  Man  findet  an  der  Membrana  Descemetii  viele  kleine 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2033 


lichtgraue  Pünktchen 5  die  Kranken  empfinden  meist  gai  keine  11 
Schmerz,  keine  Reizerscheinungen.  Frühzeitig  entwickeln  sich 
Synechien  und  totale  Anwachsungen  des  Pupillarrandes, 
Oeclusio  pupillae;  demgemäss  nimmt  die  Sehkraft  ab,  bis  die 
Kranken  das  Sehvermögen  schliesslich  eingebüsst  haben. 
Meist  kommt  der  krankhafte  Vorgang  an  beiden  Augen  vor. 

Es  ist  bekannt,  dass  dabei  Trübungen  der  Linse  und  des 
Glaskörpers  nicht  ausbleiben.  Die  meisten  erblinden  unheilbar 
und  sehr  viele  fallen  schon  in  jungen  Jahren  diesem  Leiden 
zum  Opfer.  Es  ist  ferner  erwiesen,  dass  diese  Krankheit  meist 
ausserordentlich  hartnäckig  ist  und  jeder  Therapie  energischen 
Widerstand  entgegensetzt.  Meine  angeführte  Methode  hat  stets 
die  besten  Erfolge  ergeben.  Die  Therapie  ist  der  bereits  ge¬ 
schilderten  vollkommen  gleich.  Der  Erfolg  ist  desto  sicherer, 
je  früher  der  Patient  zur  Behandlung  kommt.  Leider  geschieht 
dies  meist  zu  spät,  da  die  Krankheit  ganz  schmerzlos  beginnt. 
Erst  die  Abnahme  der  Sehkraft  zwingt  sie  dazu  —  dann  sind 
aber  auch  Synechien  und  Oeclusio  pupillae  bereits  vorhanden, 
weshalb  der  Arzt  mit  schwierigen  Komplikationen  zu  kämpfen 
hat.  Die  Iridektomie  erweist  sich  schliesslich  doch  als  das 
beste  Heilmittel.  Ich  führe  hier  aus  meiner  Praxis  einige  Bei¬ 
spiele  an: 

1.  Martha  D.,  18  Jahre  alt,  aus  Eisenstadt  in  Ungarn,  verlor  vor 
4 — 5  Jahren  die  Sehkraft  des  rechten  Auges.  Vor  15  Monaten  trat 
eine  derartige  Verschlimmerung  an  dem  rechten  Auge  ein,  dass 
sie  an  der  Augenklinik  in  Graz  Hilfe  suchte.  Bis  dahin  war  das 
1  i  n  k  e  Auge  vollkommen  gesund.  An  der  Klinik  trat  jedoch  eine  lang¬ 
same  aber  stete  Abnahme  der  Sehkraft  links  ein.  Am  8.  I.  07  wurde 
sie  zu  mir  als  blind  geführt.  Rechts:  keine  Kammer,  totale 
Synechie,  Linse  weiss,  intraokularer  Druck  bedeutend  herabgesetzt 
und  das  Auge  war  blass:  an  der  Membrana  Descemetii  weisse  Pünkt¬ 
chen-  Iritis  gewölbt.  Meine  Behandlung  hatte  raschen  Erfolg,  so 
dass 'die  Pünktchen  (am  linken  Auge)  nach  einer  Woche  nicht  mehr 
zu  sehen  waren;  ich  konnte  daher  am  18.  I.  07  am  linken  Auge  Iridek- 
tomie  vornehmen.  Die  Besserung  der  Sehkraft  trat  unglaublich  rasch 
ein  Schon  nach  wenigen  Tagen  konnte  sie  den  weiten  Weg  zu  mir 
ohne  Führung  machen.  Am  14.  II.  las  sie  in  gewohnter  Entfernung 
Jaeger  No.  7  und  No.  6,  bei  der  Entlassung  am  2.  III.  Jaeger  No.  5. 

Dieser  Fall  spricht  gewiss  sehr  zu  gunsten  meines  Verfahrens. 

Als  sie  zu  mir  kam,  war  sie  blind  und  musste  ge¬ 
führt  werden;  3  Monate  später  konnte  sie  kleinen 

Druck  lesen.  „ 

2.  K.  L..  Kaufmann,  60  Jahre  alt,  kam  vor  3  Jahren  zu  mir.  Er 
klagte  mir,  dass  er  seit  einigen  Tagen  am  rechten  Auge  schlecht 
sehe.  Pupillenerweiterung  ergab  mehrere  Synechien,  wiewohl  das 
Auge  ganz  blass  war;  graue  Pünktchen  an  der  Membrana  Descemetii. 
Obwohl  der  Patient  unregelmässig  zur  Ordination  kam,  war  die 
Pupille  nach  3  Wochen  ganz  rund;  die  Sehkraft  wurde  normal. 

4  Monate  später  kam  er  mit  ganz  gleichen  Symptomen  am  linken 
Auge  zu  mir.  Verlauf,  Behandlung  und  R'esultat  gleich  dem  des 
rechten  Auges.  Seit  dieser  Zeit  arbeitet  er  mit  ungeschwächter  Seh¬ 
kraft  in  seinem  Berufe. 

3.  Josef  St.,  36  Jahre  alt,  aus  Admont,  wurde  vor  3  Jahren  bei 
seiner  Arbeit  im  Walde  am  rechten  Auge  verletzt.  Ein  Jahi  daiauf 
erkrankte  sein  linkes  Auge  an  Iritis  punctata.  Die  Sehkraft  nahm  so 
rapid  ab,  dass  er  schliesslich  nicht  mehr  allein  gehen  konnte.  Ei 
kam  zu  mir.  loh  fand  Iritis  punctata.  Oeclusio  pupillae.  Nach  zwei¬ 
monatlicher  Behandlung  konnte  er  allein  gehen  und  grossen  Druck 
lesen.  Ich  führte  später  Iridektomie  aus.  Die  Linse  ist  infolge  des 
Leidens  mässig  getrübt. 

II.  Heilung  der  Blenorrhoea  neonatorum. 

Die  Bekämpfung  dieses  schrecklichen  Augenleidens  gehört 
gewiss  zu  den  grössten  und  dankbarsten  Aufgaben  des  Augen¬ 
arztes,  denn  schon  in  zartester  Kindheit  werden  viele  von 
diesem  Leiden  befallen  und  erblinden.  Erst  vor  2  1  agen  wurde 
zu  mir  ein  4  Wochen  altes  Kind  gebracht,  das  dadurch  auf 
beiden  Augen  völlig  erblindet  ist,  obwohl  der  behandelnde  Arzt 
täglich  die  Bindehaut  der  umgestülpten  Lider  ganz  korrekt  mit 
2  proz.  Silbernitratlösung  bepinselt  hatte.  Man  versuchte  be¬ 
reits  verschiedene  andere  Mittel,  um  Heilung  zu  erzielen,  was 
in  vielen  leichteren  Fällen  gelang. 

Das  Verfahren  von  Crede  verdient  unsere  vollste  Aner¬ 
kennung  ;  es  erreicht  jedoch  nur  die  Verhütung 
leichterer  Erkrankungen.  Silbernitrat  ist  das  her¬ 
vorragendste  Mittel,  das  bisher  von  keinem  anderen  übertroffen 
wurde.  Die  2  proz.  Lösung  heilt  leider  nur  leichte  Formen  mit 
mässiger  Sekretion.  Wo  es  sich  jedoch  um  sichere  Heilung 
einer  heftigen  Blennorrhoe  mit  bedeutender  Sekretion  handelt, 
ist  die  Wirkung  der  2  proz.  Lösung  sehr  fraglich.  Sogar 
an  Kliniken  ersten  Ranges  gehen  selbst  bei  grösster  Mühe 

No.  41. 


Augen  zugrunde.  Man  versuchte  daher  verschiedene  Heil¬ 
mittel,  um  bösen  Ausgang  zu  verhüten.  So  empfahl  z.  B.  Her¬ 
mann  Cohn  beständige  Eisumschläge;  doch  nützt  dies  kaum, 
da  Eis  keine  spezifische  Wirkung  besitzt,  überdies  ist  dieses 
Verfahren  sehr  zeitraubend,  kostspielig  und  bei  längerer  Dauer 
für  das  erkrankte  Kind  nicht  ohne  Lebensgefahr.  Nachdem  auf 
der  Klinik  Fuchs  geübten  Verfahren  versuchte  man  in  Inter¬ 
vallen  von  je  4  Minuten  das  Sekret  mit  einem  in  Kali  hyper- 
mangan.  getauchten  Wattebausch  zu  entfernen.  Auch  dies  ist 
sehr  ermüdend  und  unsicher. 

Vor  20  Jahren  hatte  ich  das  Unglück,  dass  mein  Sohn 
2  Tage  nach  seiner  Geburt  an  heftiger  Blennorrhoe  erkrankte. 
Es  befiel  mich  eine  unsagbare  Angst  vor  dem  Verluste  des 
Augenlichtes  meines  Kindes.  Rasch  wurde  in  mir  der  Ent¬ 
schluss  reif,  eine  energische  Behandlung  einzuleiten.  Ich  be¬ 
schloss,  die  Augen  mit  einer  4  proz.  Silbernitratlösung  zu 
tuschieren  - —  ich  versprach  mir  nämlich  von  vorneherein  von 
einer  stärkeren  Lösung  mehr  Erfolg,  als  von  der  bisher  ver¬ 
wendeten  2  proz.  Lösung  —  und  nahm  diese  Prozedur  zwei¬ 
mal  täglich  vor.  Meine  Voraussetzungen  bestätigten  sich 
auch;  ich  fand,  dass  die  4  proz.  Lösung  sowohl  für  leichtere, 
als  auch  für  schwere  Formen  der  Blennorrhoe  ein  absolut 
sicheres  Mittel  ist.  Leichte  Fälle  (die  man  nach  Belieben  auch 
mit  2  proz.  Lösung  behandeln  kann,  werden  schon  nach  4  bis 
5  Tagen  geheilt,  doch  dauert  die  Behandlung  mit  schwächerer 
Lösung  entsprechend  länger.  Schwere  Erkrankungen  ei  for¬ 
dern  10  bis  14  Tage.  In  allerletzter  Zeit  fand  ich,  dass  bei 
sehr  schweren  Fällen  die  5  p  r  o  z.  Lösung  noch 
rascher  zur  Heilung  mit  gleich  sicherem  Er¬ 
folge  führt.  Ich  wandte  hierauf  diese  Lösung  auch  bei 
minder  schweren  Fällen  an;  der  Erfolg  trat  überraschend 
schnell  ohne  unangenehme  Komplikationen  ein.  Seither  ver¬ 
wende  ich  in  den  meisten  Fällen  die  5  proz.  Lösung  mit  bestem 
Gelingen  und  habe  nun  nie  die  so  gefürchteten  Hornhaut¬ 
geschwüre  oder  gar  Hornhautvereiterung  gesehen. 

Im  Laufe  der  Jahre  bin  ich  vom  Gebrauche  des 
Pinsels  abgekommen,  da  durch  den  Pinsel  leicht  Misch¬ 
infektionen  und  Reinfektionen  stattfinden  können.  Ich  führe 
zum  Beweise  dessen  nur  wenige  Beispiele  aus  meiner  Praxis 


vor:  ,  .  .  .... 

Ein  im  Arsenal  verletzter  Arbeiter  wurde  m  einer  Wiener 

Krankenanstalt  während  der  Behandlung  mit  einem  mehrere 

Jahre  dauernden  Trachom  infiziert. 

Desgleichen  ein  5  jähriges  Mädchen,  das  an  Conjunctivitis 

scrophulosa  litt.  . 

Ein  hoher  Magistratsbeamter  wurde  an  Katarrh  behandelt 
und  durch  Einpinseln  mit  einem  äusserst  heftigen  1  rachom  in¬ 


fiziert;  u.  a.  m. 

Ich  bediene  mich  zum  J  uschieren  ausschliesslich  einei 
kleinen  Sperrpinzette,  mit  der  ich  ein  erbsengrosses 
Stück  Watte  erfasse.  Die  Lösung  wird  in  ein  ca.  10  ccm 
grosses  Gläschen  gegossen.  Man  verwende  jedesmal 
frische  Lösung;  dies  ist  sicherer,  als  die  Pinzette  jedes¬ 
mal  in  dieselbe  Lösung  zu  tauchen,  wodurch  überdies  die  Lö¬ 
sung  verunreinigt  würde.  Nach  beendeter  Ordination  wird  die 
Pinzette  gereinigt;  sie  wird  von  der  Silberlösung  nicht  an¬ 
gegriffen.  Zu  ihrer  Desinfektion  haben  wir  einige  ganz  vor¬ 
zügliche  Mittel:  am  einfachsten  ist  es,  die  Pinzette  in  einer 
Spiritusflamme  auszubrennen  oder,  was  ebenso  sicher  ist,  in 
10  proz.  Kali  causticum  zu  legen  und  hierauf  mit  Wasser  ab¬ 
zuspülen;  in  dieser  Lösung  kann  sie  tagelang  liegen,  ohne  zu 
rosten.  Daher  sind  Pinzetten  den  Pinseln  in  jeder  Beziehung 

vorzuziehen.  ,  ,,  ,  ,  , 

Endlich  erlaube  ich  mir  jenen  Herren  Kollegen,  welche  das 
schwierige  Umstülpen  der  Augenlider  nicht  in  Uebung  haben, 
den  durch  meine  langjährigen  Erfahrungen  wohlbegrundeten 
Rat  zu  geben,  schwere  Fälle  an  Kliniken  oder  Spezialisten  zu 
verweisen.  Es  ist  eine  Gewissenssache,  an  der  Erblindung 
eines  Menschen  schuldtragend  zu  sein;  denn  das  blosse  Ein¬ 
träufeln  einer  Lösung  von  Nitras  arg.  in  den  Bindehautsack 
nützt  gar  nichts;  andererseits  wird  dadurch  die  Zeit  zui  Heilung 
des  Leidens  versäumt  und  es  tritt  Erblindung  ein. 

Nur  auf  diese  Weise  können  wir  zu  dem  Ideal,  dass  Kein 
Mensch  mehr  an  Neugeborenenblennorrhöe  erblinden  wird,  ge¬ 
langen. 


2034 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Blennorhoea  (gonorrhoica)  acuta  adultoru  m. 

Die  schönen  Resultate,  die  ich  bei  Neugeborenenblennorhöe 
mit  der  4  proz.  Silbernitratlösung  erzielte,  veranlassten.  mich 
seinerzeit  dazu,  dieselbe  Lösung  auch  bei  der  gonorrhoischen 
Blennorrhoe  der  Erwachsenen  anzuwenden.  Doch  muss  ich 
bemerken,  dass  an  eine  Heilung  nur  im  allerersten  Sta¬ 
dium  zu  denken  ist,  wenn  nämlich  die  starke  Sekretion  noch 
nicht  begonnen  hat.  Im  Stadium  der  fibrinösen  Infiltration  hin¬ 
gegen  ist  an  eine  Heilung  nicht  mehr  zu  denken;  da  ist  jede 
Hoffnung  auf  Erhaltung  der  Hornhaut  und  somit  auf  Genesung 
ausgeschlossen.  Zu  Beginn  der  Krankheit  habe  ich  sämtliche 
Erkrankten  geheilt. 

Ausführung:  Der  Patient  liegt.  Die  Bindehaut  der 
umgestülpten  Lider  wird  vorerst  mit  5  proz.  und  10  proz. 
Kokainlösung  betupft.  Nach  3 — 4  Minuten  wird  die  Bindehaut 
mittels  eins  Wattebausches  in  der  Sperrpinzette  mit  4  proz. 
Silbernitratlösung  gut  betupft.  Es  soll  hierbei  erzielt  werden, 
dass  das  Silbernitrat  gut  in  das  Gewebe  der  Konjunktiva  ein¬ 
dringe;  daher  wird  erst  nach  etwa  2 — 3  Minuten  mit  Wasser 
(ohne  Salz)  abgespült.  Abends  wird  das  Verfahren  wieder¬ 
holt.  Der  Erfolg  ist  desto  sicherer,  je  früher  der  Erkrankte 
zur  Behandlung  kommt. 

Diese  Behandlungsweise  hat  sich  zu  einer  Abortivmethode 
gestaltet;  leider  hat  sie,  wie  bereits  erwähnt,  die  Einschrän¬ 
kung,  dass  sie  nur  im  ersten  Stadium  anwendbar  ist.  Aber 
selbst  mit  Rücksicht  darauf  besitzt  sie  einen  nicht  zu  unter¬ 
schätzenden  Wert,  denn  immerhin  wird  ein  Teil  der  Erkrankten 
vor  vollständiger  Erblindung  bewahrt. 

Ich  erlaube  mir  dazu  noch  nachstehendes  zu  bemerken. 
Im  Interesse  der  Leidenden  wäre  es  sehr  erwünscht,  wenn 
diese  Behandlungsweise,  die  nur  im  ersten  Stadium  der  Krank¬ 
heit  Erfolg  sichert,  der  Allgemeinheit  bekannt  gegeben  würde, 
damit  die  Erkrankten  rechtzeitig  ärztliche  Hilfe  aufsuchen 
können. 

Nun  ersuche  ich  die  Herren  Kollegen,  meine  Behandlungs¬ 
weise  objektiv  zu  prüfen  und  gegebenen  Falles  anzuwenden; 
ich  bin  überzeugt,  dass  sie  gleich  günstige  Resultate  erzielen 
werden. 

Durch  Heilung  von  Iritis,  Iridozyklitis 
und  Blennorrhoea  neonatorum  kann  die  Zahl 
der  Blinden  um  20  Proz.  verringert  werden; 
ausserdem  werden  viele  Menschen,  welche  zwar  nicht  er¬ 
blinden,  aber  infolge  schwerer  Komplikationen  die  Sehkraft 
teilweise  einbüssen,  vor  so  grossem  Unglück  bewahrt.  Es 
kann  viel  soziales  Elend  verhindert  und  es  können  viele  glück¬ 
lich  gemacht  werden,  wenn  die  Zahl  der  Blinden  um  Vs  herab¬ 
gesetzt  wird.  Endlich  möchte  ich  noch  bemerken,  dass  ich  bis¬ 
her  nur  mit  meinem  Sohn,  Dr.  Karl  F  u  k  a  1  a,  gearbeitet  habe; 
wenn  aber  sämtliche  Aerzte  mit  vereinten  Kräften  sich  gegen¬ 
seitig  unterstützen,  wird  sicherlich  noch  viel  mehr  erzielt 
werden  können. 

Die  Anwendung  von  reinem  Ichthyol  bei  Epididymitis 

gonorrhoica. 

Von  Dr.  Caesar  Philip  in  Hamburg. 

Bei  der  Behandlung  der  Epididymitis  gonorrhoica  übe  ich 
seit  2  Jahren  ein  Verfahren,  das  mir  bisher  stets  sehr  gute 
Dienste  getan  hat. 

Während  des  akuten  Stadiums  verordne  ich  Bettruhe, 
Hochlagerung  des  Hodens  und  kalte  Umschläge  oder  in  ganz 
leichten  Fällen,  und  wenn  es  dem  Patienten  nicht  möglich  ist, 
seine  Beschäftigung  vollkommen  zu  unterbrechen,  gleich  von 
Anfang  an  ein  Langlebertsches  Suspensorium  mit  Priess- 
nitzschem  Verband. 

Nach  4 — 7  Tagen  gehen  jedoch  meist  die  schweren  Ent¬ 
zündungserscheinungen,  Fieber,  Schwellung  und  Schmerz¬ 
haftigkeit  zurück,  da  die  Epididymitis  wie  alle  durch  den 
Gonokokkus  hervorgerufenen  Entzündungen  selten  zur  Ver¬ 
eiterung  führt,  vielmehr  die  entschiedene  Neigung  hat,  bald  in 
ein  subakutes  oder  chronisches  Stadium  zu  treten.  Es  schliesst 
sich  jetzt  eine  chronische  Entzündung  an,  die  charakterisiert 
ist  durch  die  Bildung  reichlichen  zirrhosierenden  Bindege¬ 
webes,  klinisch  durch  die  Häufigkeit  der  Rezidive  und  das 


Hinterlassen  neuralgieartiger  Beschwerden.  Während  die 
Epididymitis  jetzt  bei  vollkommener  Ruhe  keine  oder  geringe 
Schmerzen  macht,  führen  stärkere  oder  länger  dauernde  Be¬ 
wegungen  oder  Anstrngungen  des  Kranken  oft  noch  nach 
Wochen  und  Monaten  zu  einem  Wiederaufflackern  der  akuten 
Entzündung,  sodass  die  Arbeitsfähigkeit  stark  behindert  ist. 
Der  Ausgang  der  Epididymitis  entspricht  dem  besonderen 
Charakter  dieses  Entzündungsprozesses,  die  Resorption  des 
Infiltrates  ist  meist  keine  vollkommene,  es  bleibt  im  Neben¬ 
hoden  ein  derbes,  umschriebenes  Knötchen  zurück. 

Die  Aehnlichkeit  dieses  Prozesses  mit  anderen  chronisch 
verlaufenden  Entzündungen,  ganz  besonders  mit  der  Synovitis 
crepitans  veranlassten  mich,  in  einer  grösseren  Versuchsreihe  . 
reines  Ichthyol,  das  dort  seit  langem  mit  gutem  Erfolge  an¬ 
gewandt  wird,  zu  erproben. 

Die  Art  der  Anwendung  ist  folgende :  Die  erkrankte  Skrotal- 
hälfte  nebst  der  Hautpartie  über  dem  Samenstrang  bis  über  die 
Leistenpforte  hinaus  wird  dick  mit  reinem  Ichthyol  eingepinselt 
und  darüber  ein  zusammenhängendes,  mässig  dickes  Stück 
Watte  gelegt.  Ueber  das  Ganze  kommt  ein  gewöhnliches, 
straff  sitzendes  Suspensorium.  Die  Watte  verklebt  jetzt  mit 
dem  Ichthyol  und  der  Haut  und  bildet  so  nach  kurzer  Zeit  einen 
festen  Kompressivverband.  Dadurch,  dass  die  Haut  über  dem 
Samenstrang  zusammen  mit  der  Skrotalhaut  in  eine  feste 
I  Schale  gelegt  ist,  ist  ein  Zerren  des  Hodens  und  des  erkrankten 
Nebenhodens  am  Samenstrang  unmöglich  gemacht  und  so  der 
ersten  Forderung,  die  man  an  einen  guten  Verband  bei 
Epididymitis  stellen  muss,  Genüge  getan.  Ein  Rasieren  des 
Skrotums  ist  nicht  erforderlich;  es  genügt,  die  Haare  kurz 
zu  schneiden. 

Der  Verband  bleibt  4 — 5  Tage  liegen  und  wird  dann  er¬ 
neuert,  nachdem  der  alte  Verband  einfach  in  warmem  Wasser 
abgelöst  wird. 

Das  Ichthyol  bewährt  sich  hier  wieder  in  seinen  Eigen¬ 
schaften  als  Antiphlogistikum  und  Resorbens  ganz  vorzüglich; 
das  Infiltrat  geht  auffallend  schnell  zurück  und  die  Patienten 
rühmen  das  prompte  Verschwinden  der  Schmerzen,  trotzdem 
sie  ihrem  Berufe  nachgehen.  Der  Ausgang  der  Epididymitis 
war  bei  dieser  Behandlung  sehr  günstig.  Die  zurückbleibenden 
Schwielen  im  Nebenhoden  waren  sehr  klein,  in  einigen  Fällen 
trat  sogar  komplette  Restitutio  ad  integrum  ein.  Die  neuralgie¬ 
artigen  Schmerzen  im  Hoden  und  Samenstrang  verschwanden 
stets  prompt.  Besonders  eklatant  war  der  Erfolg  in  dem  Fall 
eines  Kaufmannes,  bei  dem  die  Epididymitis  nach  vollkommener 
Abheilung  sofort  wieder  rezidivierte,  sobald  der  Patient  seine 
Beschäftigung  aufnahm.  Dies  wiederholte  sich  dreimal,  bis 
Ichthyol  angewandt  wurde. 

Ich  erwähne  noch  zum  Schluss,  dass  ich  ausschliesslich 
das  Ichthyolammonium  der  Ichthyolgesellschaft  Cordes, 
Hermanni  &.  Co.  benutzte,  da  ich  die  guten  Wirkungen 
dieses  Präparates  an  der  Dr.  P.  G.  Unna  sehen  Poliklinik  zu 
erproben  jahrelang  Gelegenheit  hatte  und  mir  Versuche  mit 
Ersatzpräparaten  nur  Enttäuschungen  brachten. 

Kollargol  und  seine  Anwendung  bei  Ohren-,  Nasen- 

und  Halserkrankungen. 

Von  Dr.  Friedmann  in  München. 

Nach  zirka  2  jähriger  Erfahrung  mit  Kollargol  in  den  oben 
bezeichneten  Gebieten  und  nach  sehr  guten  und  vollkommen 
zufriedenstellenden  Erfolgen,  kann  ich  nicht  umhin,  auf  den 
Gebrauch  des  Kollargol  in  diesen  Gebieten  aufmerksam  zu 
machen. 

Bei  Ohrerkrankung  empfiehlt  es  sich  bei  akuter 
Mittelohrentzündung  einen  Tampon  mit  5  proz.  Kollargollösung 
getränkt  tief  in  den  Gehörgang  einzuführen;  dies  wirkt  speziell 
bei  Entzündungen  auf  Influenzabasis  eminent  schmerzstillend. 

In  mehreren  Fällen,  in  denen  die  gebräuchlichen  schmerz¬ 
stillenden  Ohrtropfen  (Cocain,  phenylic.  0,2,  Acid.  carbolic.  0,3, 
Glyzerin  5)  versagten,  wirkte  diese  Tamponade  mit  Kollargol 
prompt. 

Bei  akuten  und  chronischen  Mittelohreiterungen  erzielt 
man  durch  Einlegen  eines  5  proz.  Kollargoltampons,  nachdem 
man  mit  3  proz.  Wasserstoffsuperoxydlösung  den  Eiter  ent¬ 
fernt  hat,  nicht  nur  eine  ausgiebige  Desinfektion  (geruchlos 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2035 


werden,  des  vorher  stinkenden  Eiters),  sondern  auch  ein 
rasches  Nachlassen  der  Sekretion.  Auch  bei  Furunkeln  wie 
diffusen  Entzündungen  (auch  Ekzemen)  des  äusseren  Gehör- 
ganges  wird  5  proz.  Kollargollösung  mit  Vorteil  angewandt. 

In  der  Nase  sieht  man  bei  Höhleneiterung  die  schönsten 
Erfolge;  bei  Eiterungen  der  Kiefer-,  Keilbein-  und  Stirnbein¬ 
höhle,  ebenso  bei  eitrigen  Katarrhen  der  verschiedenen  Gruppen 
von  Siebbeinzellen. 

Die  besten  Resultate  liefern  die  Höhleneiterungen,  bei 
denen  es  gelingt,  in  die  betreffende  Höhle  mit  einer  Kanüle  ein¬ 
zugehen,  zuerst  den  Eiter  zu  aspirieren,  dann  mit  Katharol  aus¬ 
zuspritzen  und  zum  Schluss  5  proz.  Kollargollösung  zu  in- 
stillieren.  Meistenteils  gelingt  dies  bei  den  Kieferhöhlen, 
seltener  bei  den  übrigen  Höhlen;  in  letzterem  Falle  muss  man 
sich  begnügen,  die  Sekrete  zu  entfernen  und  mit  einem  mit 
Watte  armierten  in  Kollargol  getauchten  Mandrin  die  Höhle 
auswischen.  Dass  die  Patienten  durch  mehrmals  täglich  vor¬ 
genommene  Nasenspülungen  (mit  Wasserstoffsuperoxydlösung 
oder  Kamillenthee)  die  Behandlung  unterstützen,  ist  selbst¬ 
verständlich. 

Bei  akuten  Nasenkatarrhen  mit  starker  Schleimhaut¬ 
schwellung  bringt  die  Injektion  einiger  Spritzen  1  proz.  Kol¬ 
largollösung  grosse  Erleichterung,  mitunter  gelingt  es,  wenn 
frühzeitig  angewandt,  den  Katarrh  zu  coupieren. 

Die  Ulzera  der  verschiedensten  Art  in  der  Nase  reagieren 
auf  5  proz.  Kollargolpinselung  gut,  wenn  man  nicht  vorzieht, 
kräftigere  Aetzmittel  anzuwenden. 

In  der  Mundhöhle,  im  Rachen  und  Kehlkopf  ist 
Kollargol  ein  vollwertiger  Ersatz  für  Höllenstein.  Kollargol 
ist  dem  Höllenstein  an  Wirkung  nicht  nachstehend,  dagegen 
wirken  die  Kollargolpinselungen  angenehm  anästhesierend  und 
nicht  schmerzhaft  wie  Höllenstein.  Auch  Kinder  können  damit 
gepinselt  werden,  da  Kollargol  in  1  proz.  und  5  proz.  Lösung 
ohne  irgend  welche  Nachteile  geschluckt  werden  kann. 

Die  Anwendung  geschieht  in  1  proz.  und  5  proz.  Lösung. 
Bei  Stomatitis,  Rhagaden  der  Zunge,  Gingivitis,  Angina  folli¬ 
cularis,  Angina  Vincenti  usw.  sind  5  proz.  Kollargolpinselungen 
am  Platz,  mehrmals  täglich  oder  nur  einmal  im  Tag. 

Bei  Anginen  speziell  bei  der  follikulären  (abgesehen  von 
der  diphtheritischen),  wirkt  eine  bei  Zeiten  applizierte  5  proz. 
Kollargolpinselung  coupierend;  auch  werden  bei  der  Entzün¬ 
dung  die  Pinselungen,  als  angenehm  schmerzlindernd  empfunden. 
Auch  bei  akuter  Pharyngitis  erreicht  man  unter  Schonung  des 
Patienten  mit  dieser  Kollargollösung  dasselbe,  was  sich  sonst 
nur  mit  einer  6  proz.  Höllensteinlösung  erreichen  lässt.  Wer 
den  Unterschied  von  beiden  Lösungen  am  eigenen  Körper  er¬ 
fahren  hat,  lernt  Kollargol  schätzen. 

Bei  akuter  oder  subakuter  Laryngitis  ist  neben  der  ge¬ 
wöhnlichen  Medikation  eine  Pinselung  mit  1  proz.  Kollargol¬ 
lösung  oder  Injektion  von  1  proz.  Kollargol  (K» — 1  ccm)  gut 
angebracht;  bei  chronischen  entzündlichen  Zuständen  darf 
auch  im  Larynx  die  5  proz.  Lösung  angewendet  werden. 

In  der  Behandlung  der  Tracheitis  leisten  die  Injektionen 
von  1  proz.  Kollargol  jeden  zweiten  Tag  bis  jeden  Tag  Gutes. 

Rekapituliere  ich  kurz,  so  komme  ich  zu  dem  Resultat, 
dass  wir  in  Kollargol  einen  vorzüglichen  und  wünschenswerten 
Ersatz  für  die  Höllensteinanwendung  im  Hals  haben;  denn 
Kollargol  wirkt  genau  so  intensiv,  wie  die  entsprechend  pro- 
zentigen  Höllensteinlösungen,  nur  wirkt  Kollargol  anämisierend 
und  schmerzlindernd,  Eigenschaften,  welche  der  Höllenstein 
nicht  entwickelt,  und  wie  mir  scheint,  ist  bei  akuten  Ent¬ 
zündungen  der  Schleimhäute  die  antiseptische  Wirkung  des 
Kollargol  von  nicht  unwesentlicher  Bedeutung.  Ich  bin  über¬ 
zeigt,  wer  mit  Kollargol  in  der  Hals-  und  Nasenpraxis  längere 
Zeit  gearbeitet  hat,  wird  das  Kollargol  in  der  Therapie  nicht 
entbehren  wollen. 


Aus  der  Würzburger  chirurgischen  Klinik  (Direktor:  Prof. 

Dr.  E  n  d  e  r  1  e  n). 

Der  Prozessus  vermiformis  als  Inhalt  eines  Nabelbruches. 

Von  Dr.  H.  F  1  ö  r  c  k  e  n,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

R.  Mühsam  (Zentralbl.  f.  Chir.  No.  14,  1907)  berichtete 
jüngst  über  die  Anwesenheit  des  Wurmfortsatzes  in  einem 
Nabelbruch.  Es  handelte  sich  um  „einen  kindskopfgrossen 


eingeklemmten  Nabelbruch“  bei  einer  42  jährigen  Frau.  „Gegen 
Schluss  der  Operation  stiess  M.  auf  einen  kleinfingerdicken 
derben  Strang,  welcher  in  einem  Konvolut  von  Netz  und  Fett 
mit  der  Darmwand  verwachsen  war  und  über  dessen  Natur 
sich  M.  erst  Klarheit  verschaffen  konnte,  als  er  ihn  ventralwärts 
verfolgte  und  feststellte,  dass  er  in  den  Darm  und  zwar  in  das 
Zökum  überging.  Es  war  also  der  der  Bruchsackwand  adhä- 
rente  Wurmfortsatz“. 


Die  ausserordentliche  Seltenheit  dieses  Befundes  —  Müh¬ 
sam  findet  in  der  Literatur  nur  einen  einzigen  Fall,  wo  die 
Appendix  Inhalt  eines  Nabelbruchs  war  (V  e  r  e  b  e  1  y,  Beiträge 
zur  klin.  Chir.  Bd.  48)  —  berechtigt  gewiss  einen  von  uns  be¬ 
obachteten  Fall  mitzuteilen,  bei  dem  es  sich  allerdings  nicht  um 
Operations-,  sondern  Sektionsbefund  handelt. 


Die  5  jährige  M.  K.  wird  am  4.  V.  07  auf  die  Kinderstation  der 
chirurgischen  Klinik  mit  multipler  chirurgischer  Tuberkulose  einge¬ 
liefert. 

Bei  dem  erblich  schwer  belasteten  Kinde  besteht  eine  Tuber¬ 
kulose  des  rechten  Kniegelenkes  mit  Fistelbildung  und  stumpfwinkliger 
Kontraktur,  eine  Spondylitis  lumbalis  und  eine  fistulöse  Lymphdrüsen- 
tuberkulose  der  rechten  Axilla. 

In  der  Nabelgegend  zeigt  sich  eine  apfelgrosse  Vorwölbung,  die 
in>  ruhiger  Rückenlage  verschwindet;  der  Vorwölbung  entspricht  ein 
fünfmarkstückgrosser  Bruchring.  Median  und  in  der  unteren  Hälfte 
sitzt  der  Nabel,  der  von  einem  Geschwür  mit  überhängenden  Rän¬ 
dern  und  leichter  eitriger  Sekretion  eingenommen  wird. 

Von  der  Fistel  lässt  sich  ein  derber,  fast  bleistiftdicker,  nach  der 
Bauchhöhle  und  unten  ziehender  Strang,  ungefähr  2  cm  weit  ver¬ 
folgen.  Eine  Sondierung  ist  unmöglich.  Anamnestisch  war  das  Ge¬ 
schwür  spontan  vor  3  Wochen  entstanden,  abdominelle  Symptome 
waren  nie  vorhanden  gewesen,  Störungen  in  der  Urinentleerung  wur¬ 
den  nie  beobachtet. 

Der  Befund  am  Nabel  veranlasste  mich  zu  folgender  dif¬ 
ferentialdiagnostischen  Ueberlegung. 

Einmal  konnte  es  sich  handeln  um  eine  Urachusfistel,  die 
im  späteren  Leben  zuweilen  noch  durch  Anomalien  in  der  Harn¬ 
entleerung  bei  Vorhandensein  eines  Urachusrestes  durch  Uiin- 
stauung  zustande  kommen  (vgl.  Draudt:  Beitrag  zur  Kennt¬ 
nis  der  Urachusanomalien,  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  87,  Bd. 
4 _ 6,  Heft  1907).  Den  erwähnten  Strang  konnte  man  anstands¬ 

los  als  Urachusrest  ansprechen.  Die  Unmöglichkeit  der  Son¬ 
dierung  der  Fistel  im  Verein  mit  dem  Fehlen  der  Urinentleerung 
aus  ihr,  das  Fehlen  von  Momenten,  die  zur  Urinstauung  hätten 
führen  können,  das  alles  sprach  gegen  diese  Annahme.  Ander¬ 
seits  ist  allerdings  zu  berücksichtigen,  dass  nur  die  exakte 
chemische  Untersuchung  oder  wenigstens  eine  Beobachtung 
des  Sekrets  nach  Indigkarmininjektion  (Draudt  1,  c.)  mit 
Sicherheit  eine  Urachusfistel  hätte  feststellen  bezw.  aus- 
schliessen  können. 

Die  Tatsache,  dass  niemals  Kot  oder  fäkulent  riechender 
Schleim  aus  der  Fistel  entleert  wurde,  die  Farblosigkeit  des 
Sekrets,  die  Unmöglichkeit  der  Sondierung  wiederum  schloss 
die  Annahme  eines  offenen  Meckel  sehen  Divertikels  aus. 

Die  gleichen  Gründe  bestimmten  mich,  eine  Darmperfo¬ 
ration  nach  dem  Nabel,  wie  sie  nach  tuberkulöser  Enteiitis  be¬ 
obachtet  werden,  auszuschliessen  (König:  Lehrbuch  der  spez. 
Chir.  1904). 

Nach  der  Anamnese  und  dem  Befunde  war  es  mir  am 
wahrscheinlichsten,  ein  tuberkulöses  Hautgeschwür  anzu¬ 
nehmen  und  den  Strang  nach  Lage  und  Richtung  als  das,  viel¬ 
leicht  entzündlich  verdickte,  Lg.  vesico  umbilicale  medium 
aufziifcissen 

Am  11.  V.  wurde  bei  dem  Kinde  die  Tuberkulose  des  Knie¬ 
gelenkes  als  Haupterkrankung  durch  Resektion  in  Angriff  genommen 
Prof  Burkhardt),  die  Nabelaffektion  war  für  später  aufgespart. 

Am  Abend  des  Operationstages  Exitus  unter  den  Erscheinungen 


des  Herztodes. 

Bei  der  Sektion  fand  sich  neben  einer  ausgedehnten  multiplen 
Tuberkulose  (Bronchialdrüsen,  Uterus,  Tuben  .Wirbelsäule)  folgendes: 

„Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zeigt  sich,  dass  band-  bis  fein- 
fädige  Verwachsungen  sich  zwischen  den  einzelnen  Organen  dei 
Bauchhöhle  vorfinden.  Vom  Nabel  zieht  ein  kurzer  Fistelgang  zui 
Spitze  eines  vielfach  gewundenen,  bleistiftdicken  Stranges,  de i  sich 
als  Processus  vermiformis  entpuppt.“  .  .  , 

Es  bestand  neben  einer  adhäsiven  Peritonitis  tuberculosa 

eine  Tuberkulose  des  Processus  vermiformis,  der  an  seinei 
Spitze  perforiert  durch  einen  ganz  kurzen  zum  Teil  obhterierten 
Fistelgang  mit  dem  Nabel  kommunizierte  und  sich  in  dei 
Umbilikalhernie  befand. 


2U36 


Meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn 
für  die  gütige  Ueberlassung  des  Falles 
Dank. 


Prof.  Enderlen, 
meinen  herzlichsten 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses 
Altona  (Oberarzt  Prof.  Dr.  F.  K  ö  n  i  g).  . 

Isolierte  subkutane  Querzerreissung  des  Pankreas 
durch  Operation  geheilt. 

Von  Dr.  F.  Hohmeier,  Sekundärarzt. 


Die  Mortalitätsziffer  der  schweren  inneren  Bauchver¬ 
letzungen  hat  sich  dank  dem  aktiveren  Vorgehen  der  Chirurgen 
nicht  unerheblich  verringert.  Während  früher  in  den  meisten 
Fällen  erst  operativ  vorgegangen  wurde,  wenn  die  bereits  ein¬ 
getretene  Peritonitis  den  Eingriff  erforderte,  ist  jetzt  unser  Be¬ 
streben  darauf  gerichtet,  möglichst  früh  die  innere  Verletzung 
zu  diagnostizieren  und  durch  die  baldige  Operation  Hülfe  zu 
bringen.  Auf  die  Symptome  solcher  Verletzungen  will  ich  hier 
nicht  näher  eingehen,  sie  sind  in  der  neueren  Literatur  des 
öfteren  zusammengestellt  und  ausführlich  behandelt  worden 
Relativ  häufig  sind  die  Verletzungen  der  Leber  und  Milz, 
sehr  selten  dagegen  die  Verletzungen  des  Pankreas,  das  vor 
ihnen,  wie  Gar  re  sagt,  durch  seine  versteckte  retroperi- 
toneale  Lage  geschützt  ist.  Deshalb  sind  auch  die  Fälle  von 
subkutanen  Pankreaszerreissungen,  die  durch  Operation  zur 
Heilung  gebracht  wurden,  recht  spärlich.  Noch  im  Jahre  1905 
war  Garre  der  einzige,  der  über  einen  durch  Naht  geheilten 
Ouernss  des  Pankreas  berichten  konnte;  seitdem  sind  bis 
heute  im  ganzen  4  weitere  durch  Operation  geheilte  Fälle  von 
Pankreaszerreissung  mitgeteilt  worden.  Ihnen  möchte  ich  — 
die  Seltenheit  der  Verletzung  rechtfertigt  die  Bereicherung 
der  Kasuistik  wohl  —  einen  sechsten  anschliessen : 


Am  13.  VI.  06  wurde  die  35jähr.  Ehefrau  Sch.,  als  sie  die 
~ trasse  überschreiten  wollte,  von  der  Deichsel  eines  durchgehenden 
Gespannes  direkt  in  die  Magengegend  getroffen  und  zur  Seite  ge¬ 
schleudert.  Sie  war  nicht  bewusstlos,  sondern  konnte  sich  nocn  in 

•fSn"atlte,Ha,US  be??*Von  wo  aus  sie  durch  Sanitätskolonne 
in  das  Krankenhaus  uberfuhrt  wurde.  Unterwegs  soll  die  Frau  2  mal 

genaueres  ftÄ1'  BeSChaffe"heit  Erbrochenen  war  nichts 

lieh ;  SÄÄ 

leterung  beschleunigt  und  klein,  wird  aber  nacn  kurzer  Bettruhe 
voller  und  geht  auf  72  Schläge  in  der  Minute  herunter.  Keine  Er- 
scheinungen  v°n  ^choek.  Schmerzen  hat  die  Pat.  angeblich  gar  nicht. 

,inder  s,lch  eine  fünfmarkstückgrosse  blau  verfärbte 
hph InrUCk  aUf  ^dl6Se  Part"e  kila^  Pat-  über  nicht  sehr  er- 

n?5  Ly  rerZen’/'e  nach  der  Leber  hin  ausstrahlen  sollen. 
Die  Bauchdecken  sind  in  ganz  ausgesprochener  Weise  gespannt  so 

undSMii?H"Z  Ufnm0g  lch, lst’  den  Fingern  tiefer  einzudringen.  Leber¬ 
und  Milzdampfung  sind  nicht  vergrössert.  eine  Dämpfung  in  den  ab- 
hangigen  Partien  ist  nicht  vorhanden.  Von  der  Vagina' aus  ist  eine 
ussigkeitsansammlung  im  Douglas  nicht  nachziuweisen. 

Urin  ist  klar,  reagiert  sauer,  ohne  Blut,  Eiweiss  und  ohne  Zucker. 
Die  sehr  ausgeprägte  Spannung  der  Bauchmuskulatur  veranlasste 
uns,,  die  Diagnose  auf  eine  innere  Bauchverletzung  zu  stellen  n 
die  vorgeschlagene  Operation  willigt  die  Pat  ein 

1/2  Stunde  p.  tr.  wurde  von  Prof.  König  die  Lanarotomie  in 

vor'genommen.*3"1111  "^0rP*1*Um "^iSChnar^0Se  <B  r  a  "  n  scher  Apparat) 


Medianschnitt  vom  Proc.  xyphoideus  bis  zum  Nabel.  Kein  Blut 
bluss,in  der  Muskulatur.  In  der  Bauchhöhle  ist  keine  freie  Flüssig 
keit  oder  Blut  vorhanden.  Leber,  Milz,  Magen  und  Darm  sind  un 
verletzt  ebenso  Blase  und  Genitalien.  Beim  Hochheben  der  Lebe 
zeigt  sich  ein  Bluterguss  im  Lig.  hepatogastricum  und  man  sieht  durcl 
dieses  von  der  Bursa  omentalis  her  Blut  durchschimmern  so  das 
nun  der  Verdacht  auf  Pankreasverletzung  auftauchte  Das Vorame, 

\  verscb  ossen-  Vorn  Lig.  gastrocolicum  aus  wird  di! 

feils  finssiie6.  Rb.t«  Vpe«  e  mSssis:e  MenKe  tcils  rcronnenen 
teils  tliissigeM  Blutes.  Nach  Entfernung  des  Blutes  sieht  man  rias< 

£«, vo  Ouerzerreissun*  des  Pankreas!  fas?  in  der  Mme  vfel 

<- clit  etwas  mehr  nach  dem  Kopfe  hin,  vorhanden  ist  mit  Durch 

trennung  des  Peritonealiiberzuges.  Die  beiden  Enden  des  Pankrea' 

sind  im  spitzen  Winkel  aneinander  aufgerichtet  so  dass  ihre  oberer 

Ränder  den  Magen  überragen.  Die  Blutung  der  plssSen  ist  paren 

chymatos,  die  sichtbaren  Milzgefässe  sind  unverletzt.  Die  Wund- 

lachen  des  1  ankreas  werden  aneinandergestellt  und  durch  drei  dich 

an’Pande  ai,ffelegte  Katgutnähte  vereinigt.  Die  Nahtstelle  wird  sorsr 

geführt  b*D?e<ühr[pe  l“™?*  1b*2“üb  des  nac?  aussei 

geiunrt.  Die  übrige  Wunde  wird  in  Etagen  verschlossen 

Am  nächsten  Tage  war  das  Befinden  der  Pat.  vorzüglich  Die 
Temperatur  blieb  normal.  Erbrechen  trat  nicht  ein. 


Am  3.  Tage  wurde  der  durchtränkte,  äussere  Verband  gewechselt. 
Am  4.  Tage  steigt  die  Temperatur  abends  auf  38,4°;  es  wird  deshalb 
am  nächsten  Morgen  der  auf  die  Nahtstelle  gelegte  Tampon  vorge¬ 
zogen  und  es  strömt  eine  grössere  Menge  leicht  getrübter,  mit  Flocken 
durchsetzter  Flüssigkeit  nach;  die  Ränder  der  Tamponstelle  stossen 
sich  in  grossen  Fetzen  ab.  Die  Haut  wird  durch  Salbenverbände 
sorgfältig  vor  Mazeration  geschützt. 

Vom  weiteren  Verlauf  ist  zu  bemerken,  dass  die  zugenähte  Wunde 
p.  p.  i.  heilte;  im  oberen  Wundwinkel  blieb  eine  stark  sezernierende 
Fistel  zurück,  deren  Schliessung  trotz  längere  Zeit  durchgeführter 
Saugbehandlung,  trotz  Aetzung  mit  Höllensteinstift  und  Höllenstein¬ 
lösung  und  Anwendung  von  Jodtinktur  nicht  gelingen  wollte. 

Die  Sekretion  war  sehr  stark,  es  gelang,  an  einem  Tage  über 
300  ccm  des  Saftes,  in  dem  Pankreasfermente  nicht  nachzuweisen 
waren,  aufzufangen.  Als  Ersatz  für  das  abfliessende  Pankreassekret 
wurde  der  Pat.  Pankreon  verabreicht;  jedoch  musste  dieses  Mittel 
bald  abgesetzt  werden,  da  leicht  Erbrechen  danach  eintrat. 

Fettstühle  wurden  auch  bei  Einnahme  fettreicher  Nahrung,  nicht 
beobachtet;  es  kann  dies  auch  nicht  wundernehmen,  da  durcji,  den 
unverletzten  Teil  des  Hauptausführungsganges  der  Drüse  genug  Sekret 
in  den  Darm  abfliessen  konnte. 

Während  der  ganzen  Behandlungsdauer  war  Zucker  im  Urin 
niemals  nachweisbar. 

Nach  6  wöchentlichem  Aufenthalt  im  Krankenhause  wurde  die 
Pat.  mit  stark  sezernierender  Fistel,  deren  äussere  Oeffnung  etwa 
stecknadelkopfgross  war,  in  ambulante  Behandlung  entlassen. 

Ehe  ich  auf  die  Weiterbehandlung  der  zurückgebliebenen 
Fistel  eingehe,  möchte  ich  noch  einige  Bemerkungen  voraus¬ 
schicken  : 

Die  Diagnose  von  vornherein  auf  eine  Verletzung  des  Pan¬ 
kreas  zu  stellen,  war  auch  in  unserem  Falle  unmöglich.  Die  bei 
der  Aufnahme  vorhandenen  Symptome  waren,  wie  es  schon 
mehrfach  bei  Pankreasverletzungen  beobachtet  wurde,  sehr 
gering.  Der  Puls  war  nicht  beschleunigt  (die  anfängliche  Er¬ 
höhung  des  Pulses  war  auf  den  Transport  zurückzuführen) 
und  regelmässig;  Erbrechen  wurde  von  uns  nicht  beobachtet, 
ebenfalls  fehlten  auch  die  sonst  bei  schweren  Bauchkontusionen 
häufig  bemerkten  Schockerscheinungen.  Das  einzig  auffallende 
war,  wie  auch  in  dem  von  Garre  mitgeteilten  Falle,  die  aus¬ 
geprägte  Spannung  der  Bauchdecken;  einzig  und  allein  diese 
—  vielleicht  noch  der  ängstliche  Ausdruck  des  geröteten  Ge¬ 
sichtes  —  gab  uns  die  Veranlassung,  die  Diagnose  auf  eine 
intraperitoneale  Verletzung  —  wir  dachten  nach  der  Art  des 
1  raumas  an  eine  Magen-  oder  Darmzerreissung  —  zu  stellen 
und  das  Abdomen  zu  eröffnen. 

Wir  waren  natürlicherweise  verwundert,  die  Bauchhöhle 
mit  ihren  zunächst  sichtbaren  Organen  von  jeder  Verletzung 
frei  zu  finden  und  erst  die  sorgfältige  systematische  Absuchung 
der  Abdominalhöhle  führte  uns  auf  die  versteckt  liegende  Ver¬ 
letzung  des  Pankreas. 

Der  Verschluss  des  Foramen  Winslowii,  der  ja  gar  nicht 
so  selten  gefunden  wird,  und  auch  in  diesem  Falle  wohl  als 
angeboren  angesehen  werden  muss,  hatte  das  Austreten  von 
Blut  in  die  Bauchhöhle,  das  sicherlich  das  Auffinden  des  ver¬ 
letzten  Organs  erleichtert  hätte,  verhindert. 

Auch  der  Pankreassaft  wurde  hierdurch  von  der  Bauch¬ 
höhle  ferngehalten;  andererseits  hätten  wir  wohl  Fettgewebs- 
nek rosen  noch  nicht  gefunden,  da,  wie  gesagt,  die  Laparotomie 
sehr  früh,  schon  1  X>  Stunden  nach  dem  Trauma,  vorgenommen 
wurde. 

Zur  Freilegung  des  verletzten  Pankreas  wählten  wir  den 
Zugang  dinch  das  Lig.  gastrocolicum,  da  von  hier  aus,  wie  uns 
andere  Pankreasoperationen  gezeigt  haben1),  die  Drüse  in 
grosser  Ausdehnung  zu  übersehen  ist.  Auch  B  1  e  c  h  e  r  hält 
diesen  Weg  für  den  empfehlenswertesten.  Besteht  eine  Zer- 
reissung  des  Omentum  minus  (Garre)  oder  des  Lig.  gastro- 
duodenale,  so  wird  man  natürlich  von  hier  aus  die  Pankreas¬ 
wunde  freizulegen  versuchen. 

Unsere  Bemühungen,  die  zurückgebliebene  Fistel  zum 
Schluss  zu  bringen,  waren,  wie  schon  oben  erwähnt,  erfolglos 
geblieben.  Die  Sekretion  dauerte  den  ganzen  Winter  über  an, 
so  dass  Prof  Koni  g,  um  Abhilfe  zu  schaffen,  daran  dachte, 
uic  Fistel  zu  umschneiden  und  in  die  Wund  des  Magens  ein- 

zupflanzen,  die  Patientin  lehnte  aber  jeden  weiteren  operativen 
Eingriff  ab. 


) Brugsch  und  König;  Beitrag  zur  Klinik 
entzundungen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905,  No.  52. 


der  Pankreas- 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2037 


Als  nun  im  Januar  1907  Wohlgemuth  die  Resultate 
seiner  Untersuchungen 2)  mitteilte,  haben  wir  sofort  bei  der 
Frau  eine  streng  antidiabetische  Kost  eingeleitet;  schon  nach 
10  Tagen  war  die  Fistel  geschlossen.  Allerdings  klagte  die 
Pat.  nach  Aufhören  der  Sekretion  über  heftige,  manchmal 
krampfartige  Schmerzen  in  der  Magengegend.  Sie  weigerte 
sich  die  Kur  weiter  fortzusetzen,  da  sie  einen  wahren  Abscheu 
gegen  fette  Nahrung  hatte,  auch  Fleisch  konnte  sie  nur  in  ge¬ 
ringen  Quantitäten  gemessen.  Nach  16  Tagen  fühlte  man  an 
der  Stelle  der  Fistel  eine  kleine  Vorwölbung,  nach  21  Tagen 
brach  die  Fistel  wieder  auf  und  es  soll  sich  eine  grössere 
Menge  klarer  Flüssigkeit  entleert  haben.  Als  die  Sekretion 
etwa  14  Tage  angedauert  hatte,  entschloss  sich  die  Pat.  zu  einer 
neuen  Kur;  nach  W.  Vorschläge  bekam  sie  täglich  3  g  Natr. 
bicarbonicum  hinzu.  Nach  14  I  agen  war  die  Fistel  zu  und  ist 
bis  jetzt  verschlossen  geblieben.  Die  Diabeteskur  wurde  noch 
mehrere  Wochen  weiter  gegeben. 

Die  Frau  ist  jetzt  beschwerdefrei  und  kann  ihre  Arbeiten, 
wie  vor  der  Verletzung,  verrichten. 

Auch  bei  unserer  Pat.  hat  die  Verabreichung  einer  streng 
antidiabetischen  Kost  völlige  Heilung  gebracht  und  dieser  Fall 
hat  uns  gezeigt,  dass  die  Wohlgemuth  sehen  Unter¬ 
suchungen  für  die  Behandlung  der  Pankreasfisteln  äusserst 
wertvoll  sind. 

Literatur: 

darre:  Beiträge  zur  klin.  Chir.,  Bd.  46,  Heft  1.  1  hole: 

Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  84,  Heft  1—3.  —  B  1  e  ch  e  r:  Veröffentlichungen 
aus  dem  Gebiet  des  Militärsanitätswesens.  Heft  35,  v.  Bergmann- 
sche  Festschrift.  —  Karewski:  Berl.  klin.  Wochenschr.  No.  7.  - 
Heinecke:  Zentralbl.  für  Chir.,  No.  10.  —  Wohlgemuth: 
Berl.  klin.  Wochenschr.,  No.  2. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Leipzig  (Direktor: 

Geheimer  Med.-Rat  Dr.  Zweifel). 

Zwei  Fälle  von  Dementia  paralytica  mit  Schwanger- 
j  schaft  und  Geburt. 

Von  Dr.  Bauer,  interner  Hilfsarzt. 

1.  Fall.  Universitäts-Frauenklinik  Leipzig,  Hauptbuchnummer 
603/1907.  Martha  M.,  Magd,  34  J.,  III.  Para. 

Anamnese  (Quelle:  Patientin  selbst,  da  niemand  anderes  zu 
ermitteln):  Für  Lues  kein  Anhalt,  keine  Fehl-  oder  Frühgeburten. 
Sie  war  verheiratet,  der  Mann  starb  an  Lungenleiden;  1  Kind  von 
ihm  starb  an  Krämpfen,  1  lebt,  ist  gesund. 

Diagnose  der  Schwangerschaft:  III.  1  ara,  X.  Monat, 
II.  Schädellage,  lebendes  Kind  von  mittlerer  Grösse.  Beckenmasse 

normal.  .....  ^  .,  * 

Allgemeinzustand:  Mittelgrosse,  kräftige  Frau  mit  aut- 

fallendem  .  .  , 

Nervenzustand.  Gravierende  Symptome:  a)  Auffallende 
Pupillendifferenz,  die  linke  ist  bedeutend  weiter  als  die  rechte,  auf 
Lichteinfall  keine  Pupillenreaktion,  auf  Konvergenz  prompte  Reaktion, 
b)  Patellarreflexe  gesteigert,  links  stärker  als  rechts,  c)  Deutliches 
Silbenstolpern,  d)  Starkes  Lippenbeben,  e)  Ausgesprochene  Anal¬ 
gesie  der  Zunge,  f)  Ausgesprochenes  Romberg  sches  Phänomen. 

Psychischer  Status:  Die  schwerhörige  Patientin  klagt, 
als  man  sie  über  ihre  Gesundheit  befragt:  Vergesslichkeit,  Seilwin¬ 
den  der  Gedanken,  Schwäche  der  Arme  und  Beine,  Abnahme,  ja 
beinahe  gänzlichen  Verlust  der  Fähigkeit,  zu  schreiben. 

Intelligenz  reduziert,  sie  kann  dreistellige  Zahlen  nicht  nach¬ 
sprechen,  zweistellige  nur  nach  nochmaligem  Vorsprechen,  Subtrak¬ 
tionsaufgaben  mit  einstelligen  Zahlen  löst  sie  falsch. 

Besonders  auffallend  ist  'der  Stimmungswechsel,  den  man  künst¬ 
lich  bei  ihr  hervorrufen  kann,  durch  Erinnerung  an  ihre  jetzige  Un- 
beholfenheit  beim  Schreiben  und  Sprechen  bringt  man  sie  sofoit  zum 
Weinen;  gleich  danach  durch  den  Hinweis  auf  die  bevorstehende 

Geburt  zum  hellen  Lachen.  , 

Die  Orientierung  über  Raum  und  Zeit  war  erhalten,  Wahnideen 

fehlten. 

5  Tage  nach  der  Aufnahme  kam  die  Frau  nieder. 


2)  In  No.  33  dieser  Wochenschrift  hat  V  o  e  c  k  1  e  r  schon  die 
Untersuchungen  Wolgemuths  besprochen.  W.  hat,  um  es  noch¬ 
mal  kurz  zu  wiederholen,  nachgewiesen,  dass  die  Verabreichung 
reiner  Fettkost  die  Sekretion  des  Pankreas  sehr  stark  herabsetzt, 
dass  sie  stärker  wird  bei  Eiweisskost  und  ganz  erheblich  ansteigt  bei 
Kohlehydratnahrung.  Die  vom  Magen  in  das  Duodenum  einti  elende 
Salzsäure  übt,  wie  es  P  a  w  1  o  w  annimmt,  einen  reflektorischen  Reiz 
auf  das  Pankreas  aus.  Um  auch  diese  Verstärkung  der  Sekretion 
auszuschalten,  empfiehlt  es  sich,  mehrere  Male  am  Tage  massige 
Dosen  von  Natrium  bicarbonicum  zu  verabreichen. 


Geburtsverlauf:  Wehenbeginn  nicht  sicher  zu  ermitteln, 
da  Pat.  nie  über  Schmerzen  klagte.  Immerhin  meldete  sie  den  Be¬ 
ginn  der  Geburt  selbst,  wurde  auf  den  Kreissaal  verlegt,  und  nach 
objektivem  Befund  dauerte  die  Geburt  vom  Blasensprunge  bis  zur 
Ausstossung  der  Nachgeburt  1  Stunde  3  Minuten.  Wegen  Abganges 
von  Mekouium  und  Sinkens  der  kindlichen  Herztöne  Forceps  typicus. 
Auffallend  war,  'dass  der  Forzeps  ohne  Narkose  ausgeführt  wurde, 
und  die  Patientin  dabei  nicht  die  geringste  Schmerzempfindung 
<1  u  §'S  c  r  1 6 

Das  Kind  war  52  cm  lang,  wog  3350  g,  reif,  normal  entwickelt. 

Wochenbett  normal.  Weitere  Beobachtungen  fehlen. 

2.  Fall,  Universitäts-Frauenklinik  Leipzig,  Hauptbuchnummer 
609/1907.  Selma  H.,  verheiratet,  37  Jahre,  IX.  Para. 

Anamnese  (Quelle:  der  Ehemann):  Nichts  von  Rhachitis,  da¬ 
gegen  über  Nervenleiden  folgendes:  Hereditär  nicht  belastet.  Im 
17.  oder  18.  Lebensjahr  Schmierkur  im  hiesigen  Stadtkrankenhaus 
St.  Jakob  wegen  einer  Geschlechtskrankheit.  Verheiratet  mit 
20  Jahren,  3  Kinder  im  Alter  von  1— U/s  Jahren  unter  Krämpfen  ge¬ 
storben,  4  am  Leben,  normal.  Letzte,  und  zwar  8.  Geburt  1902, 
Kind  tot  geboren,  angeblich  am  ganzen  Körper  „wie  mit  Blut¬ 
schwären“  bedeckt. 

Am  4.  Januar  1907  plötzlicher  Anfall  von  Gliederstarre,  Bewusst¬ 
losigkeit,  leichtem  Nasenbluten.  Dauer  des  Anfalls  Vz  Stunde.  Seit¬ 
dem  Sprachstörungen,  Körperschwäche,  Hinfälligkeit,  Unfähigkeit  zu 
häuslichen  und  wirtschaftlichen  Verrichtungen,  Bettlägerigkeit,  ver¬ 
ändertes  seelisches  Verhalten,  rein  vegetatives  Dasein.  Einzige 
Funktion  Essen  und  Trinken. 

Diagnose  der  Schwangerschaft  bei  der  Aufnahme : 
IX.  Para,  X.  Monat,  I.  Schädellage,  lebendes,  grosses  Kind.  Becken 

normal.  .  ,  •  c  A 

Allgemeinzustand:  Bettlägerige,  hinfällige  F rau,  der 

Untersuchung  widerstrebend,  mit  auffallendem 

Nervenzustand:  a)  Pupillen  different,  reagieren  träge  auf 
Lichteinfall,  prompt  auf  Konvergenz,  b)  Patellarreflexe  gesteigert, 
annähernd  gleich.,  c)  Fussklonus  auslösbar,  schwach,  d)  Zunge 
nur  mühsam  vorgestreckt,  schliesslich  von  der  Patientin  mit  dem 
Finger  vorgezogen,  zittert  stark,  ist  gegen  Nadelstiche  unempfind¬ 
lich  c)  Sprachstörungen:  Silbenstolpern  deutlich,  f)  Gesichts¬ 
innervation:  Ptosis  rechts,  verstrichene  Nasolabialfalte  beiderseits, 
g)  Rohe  Kraft  der  Hände  und  Fiisse  stark  herabgesetzt. 

Lähmungen  fehlen,  Blase  und  Mastdarm  frei. 

Intelligenz  nicht  zu  prüfen. 

Status  psychicus:  Die  Frau  liegt,  oft  leise  stöhnend  und 
unverständlich  vor  sich  hinmurmelnd,  zu  Bett.  Sie  ist  gänzlich  teil¬ 
nahmslos  gegen  ihre  Umgebung.  Spontane  Willensäusserungen  fehlen. 

Auf  Anrufen  reagiert  sie  nicht,  auch  nicht  auf  Erfassen  der  Hand 
oder  andere  Berührungen.  Passiven  Lageänderungen  setzt  sie 

Widerstand  entgegen. 

Orientierung  über  Raum  und  Zeit  fehlt. 

Urteilskraft  stark  herabgesetzt,  sie  behauptet,  sie  könne 
einen  Zentner  heben,  sie  wolle  morgen  ihrem  Manne  und  ihren 

Kindern  den  Haushalt  besorgen.  t  .  .  ,  ,  , 

Ihrer  Schwangerschaft  ist  sie  sich  nicht  bewusst,  sie  glaubt 
auch  auf  ärztliche  Versicherung  entschieden  nicht  daran. 

Wahnideen  sind  nicht  nachweisbar.  .  . 

Gravierende  Handlung:  Vor  ihrer  Niederkunft  ging  sie  einmal 
ausser  Bett,  nahm  ihr  Waschbecken  und  urinierte  in  dieses. 

Geburtsverlauf:  Wegen  der  Hinfälligkeit  der  Patientin 
Einleitung  der  Geburt  am  1.  VI.  07  in  der  Erwartung  einer  günstigen 
Beeinflussung  des  Gesamtzustandes  durch  Beendigung  der  Schwan¬ 
gerschaft.  Einlegung  einer  Turnier  sehen  Blase,  später  wegen 
Nabelschnurvorfalles  innere  Wendung  und  ganze  Extraktion.  JJauer 
der  Geburt  17  Stunden  35  Minuten.  Patientin  war  sehr  schmerz¬ 
empfindlich,  zu  der  Entbindung  war  Aethernarkose  erfor derben. 
Kind  reif,  lebte,  war  53  cm  lang,  3561  g  schwer,  entwickelte  sich 

unter  Benützung  der  Flasche  gut.  ,  .  7  ,  .... 

Im  Wochenbett  zeigte  sich  bei  der  Frau  noch  eine  Zystitis,  bie 
wurde  8  Tage  nach  der  Geburt  in  Familienpflege  entlassen,  rgend- 
welche  neuen  Veränderungen  am  zentralen  oder  peripheren  Nerven¬ 
system  waren  nicht  nachweisbar. 

Vergleichen  wir  diese  beiden  Fälle,  so  haben  wir  viele 
Uebereinstimmungen :  Frauen  in  den  mittleren  dreissiger 
Jahren  aus  der  arbeitenden  Klasse,  beide  bieten  ausgesprochene 
Symptome  fortschreitender  Hirnlähmung,  beide  machen  an  sich 
normale  Schwangerschaften  durch,  bringen  lebende,  gut  ent¬ 
wickelte  Kinder  zur  Welt,  machen  normale  Wochenbetten 
durch  und  bleiben  in  ihrem  Gesamtzustand  von  diesen  für  den 
Organismus  scheinbar  so  bedeutsamen  Vorgängen  ziemlich  un¬ 
beeinflusst.  Daneben  bestehen  grosse  Unterschiede.  u‘ 
zweite  erweckt  entschieden  den  Verdacht  vorausgegangene 
Lues  (Schmierkur  mit  18  Jahren),  die  erste  dagegen  ist  von 

diesem  Verdacht  fast  frei.  ,. 

Bei  der  ersten,  die  spontan  zu  ihrer  Entbindung  in  die 

Klinik  kam,  bildet  die  progressive  Paralyse  einen  zuialhgen, 
nebenbei  bemerkten  Befund,  der  vielleicht  überhaupt  hatte 


38 


übersehen  werden  können;  die  zweite  hat  den  typischen  para- 
i\ tischen  Anfall  durchgemacht,  ist  damit  plötzlich  erkrankt  und 
hat  seit  einem  genau  festgelegten  Datum  ihr  schweres  Leiden 
das  sie  schon  zu  tiefem  Siechtum  geführt  hat. 

Die  Fälle  sind  absichtlich  in  extenso  beschrieben  zur 
Sicherung  der  schwerwiegenden  Diagnose. 

.  Vom  Standpunkt  des  Geburtshelfers  muss  man  fragen: 
Hieiet  die  fortschreitende  Hirnlähmung  bei  bestehender 
Schwangerschaft  eine  Indikation  zum  Eingreifen?  Auf  Grund 
unserer  Beobachtung  ist  ein  Eingriff  nicht  indiziert,  die 
'  Diwangerschaft  erreicht  ihren  normalen  Abschluss  trotz  der 
schweren  Erkrankung  der  Mutter;  und  eine  Unterbrechung 
oder  Abkürzung  der  Schwangerschaft  bleibt  ohne  Einfluss 
aut  die  Mutter,  insbesondere  kann  dadurch  der  Zustand  der 

Muttei  nicht,  oder  wenigstens  nicht  wesentlich  gebessert 
werden. 

Nehmen  wir  unsere  allgemeine  Erfahrung  hinsichtlich 
der  1  rognose  der  progressiven  Paralyse  hinzu,  so  müssen  wir 
f?£en’  die  jyu^er  ist  so  wie  so  einem  meist  rasch  zum  Ende 
führenden  Siechtum  verfallen,  sie  ist  aber  trotz  dieses  Siech- 
tums  lähig,  unter  günstigen  Umständen  noch  ein  reifes  Kind 
lebend  zu  gebären,  daher  soll  man  zugunsten  des  Kindes  das 
normaJeEndederSchwangerjschaftabwarten 

und  nicht  auf  die  Gefahr  hin,  ausser  der  an  sich  so  gut  wie 
verlorenen  Mutter  auch  noch  das  Kind  zu  opfern,  die  Früh¬ 
geburt  oder  den  Abortus  künstlich  einleiten. 

Ein  Einblick  in  die  Literatur  beweist,  dass  es-  das  Gewöhn¬ 
liche  ist,  wenn  Schwangerschaft  und  Geburt  bei  zerebralen  und 
spinalen  Lähmungen  normal  verlaufen.  (R.  Hösslin:  Ueber 
zentrale  Schwangerschaftslähmung  der  Mutter.  Gynäkol. 
Ges  eil  sch.  München,  18.  XI.  03.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.,  No.  28, 
pag.  o/oj 

Hinsichtlich  die  Diagnose  der  Geistesstörungen  in  der 
Schwangerschaft  und  im  Wochenbett  kam  Kl  ix  zu  dem  Re¬ 
sultat,  dass  die  während  der  Schwangerschaft  und  des  Wochen¬ 
bettes  vorkommenden  Geistesstörungen  im  allgemeinen  nicht 
\on  den  ausserhalb  dieser  Zeit  vorkommenden  Psychosen  ver- 
schieden  sind.  (Kl  ix:  Ueber  Geistesstörungen  in  der  Sch  Ja, I- 

AbhaSngen!  Bd V fft  Samm,un^  ™ang!oser 

Sehnliche  Beobachtungen,  wie  wir  sie  gemacht  haben,  sind 

Ein  itnii  Seti!n  A6TaC hu’  beziehentlich  wenig  veröffentlicht. 
Ein  italienischer  Autor  hat  das  Gebiet  behandelt,  aber  leider 

ist  uns  seine  Abhandlung  nicht  zugänglich.  (V  Ga  IIP  Para 
hsi  generali.  Progressiva  e  gravidanza.  La  Rassegna  d’Ostetr 
e  Ginea.  Napoli  Anno  14,  No.  6,  pag.  334—341. 


MUENgHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4L 


Ein  Fall  von  wiederholtem  Kaiserschnitt  bei  Ruptur  der 

Uterusnarbe.* *) 

Von  Dr.  Wilhelm  Schneider,  Frauenarzt  in  München 

früher  in  Düsseldorf. 

halhDer  w1’  WeIch<rn  am  Juli  v.  Js.  operierte,  ist  des¬ 
halb  von  Interesse,  weil  es  sich  erstens  um  einen  wiederholten 
Kaiserschnitt  an  derselben  Patientin  handelte  und  zweitens 
veil  dabei  eine  Ruptur  der  alten  Uterusnarbe  vorlag  durch 
welche  bereits  ein  Teil  der  Plazenta  in  die  Bauchhöhle  hervor¬ 
getreten  war;  ich  mochte  daher  im  folgenden  Referat  einen 
cMtrag  zur  Kasuistik  des  wiederholten  Kaiserschnitts  bringen 
Es  handelte  sich  um  eine  25  jährige  V.  Gebärende,  welche  durch 
macht  hatte  “  “  *ebnrtshilfl“:h«  Hinsicht  schon'  Gel  durctae- 

AnamVesferwähnen:  “  SChWerer  Rachitis  litt'  wi"  ich  a“‘=b  ^ 

Ihie  Mutter  soll  an  den  Folgen  der  Geburt  dieses  Kindes  _ 

\ eiche  angeblich  sehr  schwer  war  —  gestorben  sein-  nach  den  An¬ 
gaben  ist  anzunehmen,  dass  sie  gleichfalls  Rhachitika  war  doch  lässt 
sich  dies  nicht  mit  Sicherheit  konstatieren  U1Ka  war’  docb  lasst 

Meine  Patientin  nun  hat  vom  2.-4.  Lebensjahr  wegen  hoch¬ 
gradiger  Knochenverkrümmungen  in  Bonn  in  der  Klinik  gelegen  Sie 

Seltmko„Qn',Pekrrett,S  l"?  an  den  Ä.  tl- 

hc l,t  l'nlen  ,  «h  u  'r°tZClen;  als  schulpflichtiges  Kind  immer  noch 
nicht  lauten,  weshalb  sie  meistens  m  die  Schule  getragen  wurde 

gesuiM  gewesen^Mir^l  f  m.en,striliert:  ist  aber  dann  immer  sehr 

.  und  gewesen.  Mit  20  Jahren  hat  sie  sich  im  Jahre  1900  verheiratet. 

*)  Nach  einem  im  Aerzteverein  zu  Düsseldorf  gehaltenen  Vortrag. 


Bei  der  ersten  Niederkunft  im  September  1901  ging  nun  die 
Misere  an;  es  wurde  wegen  Schief  läge  auf  den  Fuss  gewendet,  das 
Kind  konnte  aber  nicht  extrahiert  werden;  es  mussten  zerstückelnde 
Operationen  gemacht  werden,  wobei  der  nachfolgende  Kopf  abriss 
der  dann  perforiert  wurde.  * 

Es  folgte  gleich  wieder  eine  Gravidität;  im  August  1902  wurde 
wegen  Beckenenge  im  8.  Monat  der  Gravidität  künstliche  Frühgeburt 

der^ebur t daS  kam  lebend  ZUr  Welt*  starb  aber  %  Stunde  nach 

Alsbald  wieder  Schwangerschaft,  die  3.  Geburt  war  im  Juli  1903* 

Sn  emi  *rei*sen  hohes  Fieber  eingetreten,  weshalb  die 
1  ertoration  des  lebenden  Kindes  gemacht  wurde. 

Gleich  darauf  folgte  die  4.  Gravidität;  nun  wollte  die  Frau  unter 

mru  HU,mSnamden-  eln  lebendes  Kind,  weshalb  sie  am  3.  September 
1904  durch  klassischen  Kaiserschnitt  entbunden  wurde.  Die  Rekon¬ 
valeszenz  war  glatt,  die  Patientin  verliess  am  19.  Tag  post  Opera¬ 
tionen!  gesund  die  Klinik.  p 

Sie  stillte  durch  18  Monate  mit  grosser  Pflichttreue  ihr  Kind 

^a5rend  dles(T  £eit  wieder  gravid,  nährte  aber  weiter  bis  zun! 
4.  Monat  der  neuen  Schwangerschaft. 

31.  Mi  ÄÄT  Kaiserschnitt  gemacht  werden,  den  ich  am 

Die  Frau  ist ■  130  cm  gross,  die  unteren  Gliedmassen  und  auch  die 
knnwT Fxtr enutaten  sind  kurz;  die  Tibiae  sind  beiderseits  nach  aussen 
konvex,  die  Epiphysen  zeigen  Auftreibungen,  Hände  und  Finger  sind 
kurz,  breit  und  plump.  Das  Brustbein  ist  vorgetrieben,  die  Rippen¬ 
knorpelepiphysen  sind  geschwellt.  Die  Stirn  ist  niedrig  und  breit 

geZzÄffiThen  Zäh"e  Zeige"  q“ere  F“rCh“nS  "nd  stark  a">: 

niedhantd  28S  ^  lf^e^e  De^  ScLmböge"!11  ist"’  weifund 
niedrig,  die  Symphyse  ebenfalls  niedrig,  der  Symphysenknorpel  nach 

innen  vorgehuchtct  Das  Promontorium  spring!  wett  Ins  Becken  vot 
ist  7  5  cm  von  der  Symphyse  entfernt,  was  somit  die  Conjugata  vera 
darstellt.  Das  Promontorium  steht  nicht  tief,  aber  das  Kreuzbein  ist 

deDuZ™  faS‘  ?lr,ade  "ach  verlaufend,  während 

eeknSt  n* v  'ben,  wlakI ll2  nacb  vorne  gegen  den  oberen  ab- 

fpringend  °  KreuzbeinkorPer  ist  gegenüber  den  Flügeln  vor- 

f  ,  ,AIs  die  Pati^ntin  morgens  um  7  Uhr  nach  mehrstündiger  Wagen- 
fahrt  in  der  Klinik  eintraf,  hatte  sie  schon  seit  nachts  12  Uhr  kräftige 
Wehen  gehabt,  die  so  schmerzhaft  waren,  dass  sie  laut  schrie. 

ns  musste  ihr  bis  zum  Beginn  der  Operation  im  ganzen  0,03  Mor¬ 
phium  verabreicht  werden,  da  sie  sonst  nicht  für  den  Eingriff  vor- 

abgang  6n  ^  Im  Bade  €rfolgte  der  Blasensprung  mit  Mekonium- 

a„f  SewiP1fnaI5e  reiche  Untersuchung  beschränkte  sich  nur  dar- 
atü,  die  Weite  des  Muttermundes  zu  konstatieren,  der  handtellergross 

Beide  Ehegatten  hatten  gewünscht,  dass  nunmehr  so  operiert 
winde,  dass  eine  weitere  Schwangerschaft  ausgeschlossen  sei  ein 
Verlangen  das  seitens  der  Patientin  wohl  als  gerechtfertigt  er- 
sche.nen  durfte.  Ich  wollte  also  die  Po  r  rösche  Operation  machen 
lup  F-e  ^-a,lien  .zarücklassen,  da  man  doch  bei  einer  so  jungen  Frau 
die  Eierstocke  nicht  ohne  dringenden  Grund  entfernen  würde  Der 

l  WtLSPeratl°niUhr^e  iedoch  ein  anderes  Verfahren  herbei. 
Unmittelbar  vor  der  Operation  wurden  2  Spritzen  Ergotin  in¬ 
jiziert  und  das  Leben  des  Kindes  nochmals  konstatiert. 
nflrll7Prr  Bauchschnitt  wurde  in  der  alten  Laparotomienarbe  geführt; 
nach  der  Durchtrennung  des  Peritoneums  war  nun  der  Uterus  wider 
Erwarten  nicht  sichtbar,  sondern  überlagert  von  einer  Schicht  teils 
geronneneu  teils  flüssigen  Blutes,  in  den  abhängigen  Partien  des 
Abdomens  fand  sich  reichlich  dunkles,  flüssiges  Blut 

ErSi  aachdeai  der  Bauchschnitt  über  den  Nabel  hinaus  verlängert 
war  und  die  Blutmassen  entfernt  waren,  zeigte  sich  der  Uterus,' der 
dann  vor  die  Bauchdecken  gewälzt  wurde. 

1  1  Uie  Kaiserschnittnarbe  war  in  ihren  unteren  2/s  vollständig  glatt 
ilass,  sehnig  glanzend  dägegen  fand  sich  im  oberen  Drittel  derselben* 
a’s°  FuTndas  des  Uterus  ein  die  ganze  Gebärmutterwand  durch-' 
zentanheraus°ragteaUS  We  chem  ein  hühnereigrosser  Lappen  der  Pla- 

•  l?ie  ™Pturierte  Stelle  in  der  Uteruswand  war  nicht  grösser  als 
ein  Knopfloch  und  doch  hatte  sich  durch  die  Wehentätigkeit  all¬ 
mählich  dieser  Teil  der  Plazenta  hindurchgepresst. 

,  ....  U*e  Ruptur  der  Narbe  und  der  Prolaps  der  Plazenta  in  die  Bauch- 
lohle  waren  also  die  Ursache  der  Blutung  gewesen,  welche  vor  der 
peration  keine  objektiven  Symptome  veranlasst  hatte.  Allerdings 

fc?  Zwässuni  SS  hef*ige"  als  <■»  S 

war  ÄÄJine  L“ckeJn  der  Uteruswand  vorhanden  war. 
war  also  die  Schmttfuhrung  für  die  weitere  Eröffnung  des  Uterus  ge- 

geben,  denn  die  Rupturstelle  musste  doch  in  den  Schnitt  fallen. 

,  ,  ad  nachdem  ferner  hier  bereits  die  Plazenta  vorgefallen  war 

ein nf JiTuftn TTffS a  man  ’bemi  Einschneiden  auf  die  Plazenta  treffen  würde! 

1  Umstand,  den  man  sonst  zu  vermeiden  sucht. 

.  Als  die  Narbe  nun  in  ihrer  ganzen  Länge  aufgeschnitten  wurde 
?pfch  geg®n  das  Hnter.e  Uterinsegment  zu  eine  Stelle,  wo  man  um 
die  Plazenta  herum  eingehen  konnte.  Das  Kind  wurde  -nun  extrahiert. 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2039 


Hierbei  blutete  es,  wenn  auch  nur  momentan,  doch  sehr  heftig. 
Nach  der  Ablösung  der  Plazenta  und  der  Eihüllen,  sowie  Revision  der 
Durchgängigkeit  des  Muttermundes  kontrahierte  sich  jedoch  die 

bär mutter  bereits  von  der  Narkose  her  mitgeteilt,  dass  der 

Puls  fast  geschwunden  sei  und  die  Patientin  kollabierte  sofort. 

I  n  ganzen  war  der  Blutverlust  doch  gross;  die  Patientin  hatte 
doch  schon  v"r  der  Laparotomie  eine  beträchtliche  Blutung  in  die 
Bauchhöhle  und  bei  der  Ablösung  der  Plazenta  wieder  Blutung.  Aue 
mögen  die  bedeutenden  Morphiun.gaben  ungünstig  e.ngewirkt  haben, 

cn  Hans  dieser  Schock  zustande  kam. 

Es  musste  also  so  rasch  als  möglich  die  Operation  beendet  wei¬ 
den  Deshalb  vernähte  ich  die  Uteruswunde  in  2  Etagen,  wovon 
die  eine  Etage  die  ganze  Muskulatur  bis  zur  Schleimhautgrenze  fasste, 
die  andere  die  Serosa  nochmals  vereinigte  und  ein  Drittel  der  Muskel- 

SChiCAnschheass?nd  daran  wurde  die  Tubensterilisation  beiderseits  vor- 
p-enommerr  danach  wurden  die  Bauchdecken  etagenweise  vernäht. 

'  Ich  glaube,  dass  dieses  Verfahren  bei  der  Eile,  die  notig  war, 
das  richtige  war;  denn,  wenn  auch  der  frisch  puerperale  Uterus  sehr 
fasch  exstfrpTert’  werden  kann,  so  ist  doch  dann  eine  grosse  peri¬ 
toneale  Wunde  geschaffen,  es  muss  eine  zuverlässige  Gefassversor- 
gung  ausgeführt  werden  und  die  Wundhöhle  muss  retroperitoneal  a  - 
geschlossen  werden.  Dies  nimmt  sicher  viel  längere  Zeit  in  An- 
snruch  als  die  Uterusnaht  samt  Tubensterihsation. 

Abgesehen  von  den  obigen  Komplikationen  war  die  Operation 
technisch  nicht  schwierig,  wie  ja  meistens  die  Kaiserschnitte  nicht 
schw  ZU  Sin  pflegen.  Am  Schlüsse  der  Operation  hatte  sich  die 

Patientin  nach  reichlicher  Kochsalzinfusion  wieder  erholt. 

Patientin  na  ^  Zurücklassen  des  Uterus  m  der  Rekonva  es- 

zenz  noch  einige  Erscheinungen:  Wohl  infolge  der  Morphiumgaben 
vor  der  Operation  erbrach  die  Patientin  den  ganzen  ersten  Tag  recht 
heftig  und  diesen  Brechbewegungen  muss  die  Uterusnaht  nicht  voll¬ 
kommen  Stand  gehalten  haben:  denn  am  Abend  des  Operahonstages 
trat  eine  Nachblutung  ein.  Indes  gelang  es,  durch  energische  Kom¬ 
pression  mittels  Sandsäcken  die  Blutung  zum  Stillstand  zu  bringen. 

P  Am  2.  Tage  aber  wollte  die  Patientin  unbedingt  ihr  Kind  schon 
stillen  und  sie  war  nicht  damit  einverstanden,  dass  sie  —  nach  ihrer 
Ansicht  —  zu  wenig  zu  trinken  bekam,  um  die  Milchsekretion  l 
Gang  zu  bringen.  Ich  schränkte  jedoch  in  Hinsicht  auf  die  Nachblu¬ 
tung  die  Flüssigkeitszufuhr  noch  tunlichst  ein.  <  .  , 

Vom  5  bis  8.  Tage  traten  Temperatursteigerungen  zwischen 
38,0-39,0  ein  und  am  8.  Tage  entleerte  sich  spontan  das  nach  der 
Operation  entstandene  Hämatom  des  vorderen  D  o  u  g  1  a  s  sehe 
Raumes  durch  die  Bauchwunde.  Weiter  stand  der  Heilung ^  s 

mehr  im  Wege,  das  Hämatom  entleerte  sich  in  4—5  Tagen  und  d 

Lücke  in  den  Bauchdecken  schloss  sich  dann  rasch.  Klinik 

Am  22.  Tag  post  operat.  verhess  die  Patientin  geheilt  die  Klinik 

mit  ihrem  Kinde,  welches  sie  vom  4.  Tag  ab  gestillt  hatte 

Ich  habe  sie  nach  2  Monaten  nachuntersucht  und  fand  einen 
kleinen,  anteflektierten,  beweglichen  Uterus;  die  Adnexe  und  Paia- 

metrien  frei,  solide  Bauchnarbe.  ,  „1irn 

Somit  ist  die  Geburtshilfe  bei  dieser  Frau  endlich  zum 

Abschluss  gekommen.  ,  .  ,.  •  , 

Auch  der  Einblick  in  das  Becken  bei  der  Operation  zeigte 
den  Symphysenknorpel  nach  innen  vorgebuchtet,  das  Promon¬ 
torium  weit  in  das  Becken  vorspringend  und  so  den  Becken¬ 
eingang  ungemein  verengend;  der  entleerte  Uterus  liess  sich 

nicht  in  das  Becken  hineindrücken.  ,  ..  , 

Das  Kind  wog  bei  der  Geburt  3100  g  und  kam  asphyktisch 
zur  Welt,  die  Herztöne  sehr  verlangsamt,  ohne  Atmung, 
leichenfarben ;  also  asphyktisch  und  nicht  nur  apnoisch,  wie  ein 
Teil  der  Kaiserschnittskinder.  Bekanntlich  atmen  eben  die 
Kaiserschnittskinder  häufig  nicht  spontan,  sie  sind  apnoisc  i, 
während  für  eine  echte  Asphyxie  gar  kein  Grund  vorhanden 

wäre. 


C. 

Wenn  nun  doch  in  meinem  Fall  das  Kind  asphyktisch  war, 
so  handelte  es  sich  hier  um  eine  Intoxikationsasphyxie  dure 
die  reichlichen  Morphiumdosen,  welche  die  Mutter  bekommen 
hatte.  Auf  diese  Intoxikationsasphyxie  weist  auch  Ols- 

hausen  hin.  ,. 

Charakteristisch  für  diese  differentielle  Diagnose  war  die 
Trägheit  der  Bewegungen,  die  noch  fortbestand,  als  die  Atmung 
schon  regelmässig  geworden  war  und  das  Kind  machte  am 
ganzen  ersten  Tag  einen  ungewöhnlich  verschlafenen  Eindruck. 

Die  sonstigen  Gefahren  des  wiederholten  Kaiserschnittes 
sind  vor  allem  ausgedehnte  Verwachsungen;  ferner  die  Ver¬ 
längerung  der  Operationsdauer,  die  Blutung  aus  den  Ver¬ 
wachsungen,  die  atonische  Blutung  aus  der  Gebärmutter,  die 
Möglichkeit,  der  Darmverletzung,  der  Dislokation  und  der 
Drehung  der  Gebärmutter. 

Mit  diesen  Komplikationen  hatte  ich  in  meinem  Fall  nichts 
zu  tun. 


Seit  der  Reform  des  Kaiserschnittes  durch  Kehrer  und 
Sänger  wurde  der  klassische  Kaiserschnitt  so  oft  ausgefuhrt, 
dass  es  über  die  Fälle  der  Wiederholung  dieser  Operation  an 
einer  und  derselben  Frau  schon  eine  ganze  Literatur  gibt. 

K  r  i  w  s  k  i  hat  1905  zusammengestellt  88  Fälle  von  wieder¬ 
holtem  Kaiserschnitt.  Darunter  sind  72  Fälle  mit  2  maligei , 

13  Fälle  mit  3  maliger  und  3  Fälle  mit  4  maliger  Kaiserschnitts¬ 
operation. 

Einiges  über  Zelluloidtechnik  bei  Herstellung  von 

Plattfusseinlagen. 

Von  Dr.  med.  KarlLengfellner,  Chirurg  und  Orthopäde 

in  Berlin. 

Da  die  Plattfusserkrankungen  nicht  abnehmen,  sondern 
mit  Sicherheit  im  Zunehmen  begriffen  sind,_so 
ist  es  erklärlich,  dass  sich  die  Zahl  derjenigen  Aerzte,  die  sich 
mit  dieser  Erkrankung  und  ihrer  Therapie  vertraut  machen, 
von  Jahr  zu  Jahr  vermehrt.  Während  man  früher  nur  allzu¬ 
häufig  die  Wahrnehmung  machen  musste,  dass  die  praktischen 
Aerzte  die  Diagnose  „Plattfuss“  übersehen  und  auf  Rheuma¬ 
tismus  und  viele  andere  Leiden  kurierten,  beherrschen  die 
meisten  heutzutage  glücklicherweise  dieses  Gebiet  so,  dass  sie 
sich  nicht  mit  der  Diagnose  begnügen,  sondern  auch  thera¬ 
peutisch  durch  Massage  und  Einlagen  wirken  wollen. 

Da  ich  schon  von  vielen  Aerzten  erfahren  musste,  dass 
ihnen  die  Herstellung  der  Einlagen  schwer  gelingt,  weil  sie  mit 
der  Zelluloidtechnik  zu  wenig  Bescheid  wissen,  so  sollen  die 
folgenden  Zeilen  dazu  dienen,  die  Schwierigkeiten  dieses  Punk¬ 
tes  zu  heben.  ,  ,,  v  -j 

Um  eine  Zelluloidlösung  zu  erhalten,  muss  man  Zelluloid 

mit  Azeton  lösen.  Natürlich  ist  es  im  Interesse  eines  jeden  ge¬ 
legen,  das  billigste  Zelluloidmaterial  zu  be- 
zfehen.  Dies  sind  die  Zelluloidreste  und  Abfalle,  die  sehr 
leicht  zu  erhalten  sind  und  bei  ihrer  verhältnismässigen  Billig¬ 
keit  ebenso  gut  und  brauchbar  sind,  wie  das  teuerste  Material. 
Bei  diesen  Abfällen  unterscheidet  man  wieder  weisse  oder 
durchsichtige  und  gelbe  oder  undurchsichtige;  die  weissen 
Reste,  die  kein  Zinkweiss  enthalten,  sind  zum  Zwecke  von 
Plattfusseinlagen  nicht  zu  empfehlen,  da  sie  Zelluloid  liefern, 
das  viel  zu  spröde  wird.  Wohl  aber  empfiehlt  smh  eine 
Mischung  von  2/a  gelben  und  Vs  weissen  Zelluloidabfallen. 
Nun  zur  Herstellung  der  Lösung.  Eineg  u  t  e  Z  e  1 1  u  1  o  1 4  - 
lösung  ist  halbe  Arbeit.  Wer  es  nicht  versteht,  sich 
eine  gute  Lösung  herzustellen,  wird  auch  nie  eine  gute  Einlage 
fertig  bringen.  Das  Rezept  für  die  Stammlösung  ist  sehr  ein¬ 
fach  und  folgendes.  Mannimmtstetsim  Verhältnis 
zum  Gefäss  gerechnet,  in  dem  man  die  Losung 
macht,  dreiviertel  Azeton  undstopft  dann  so¬ 
viel  Zelluloidreste  zu,  bis  das  Azeton  uber¬ 
zulaufen  droht. 

Hierauf  rührt  man  mit  einem  Holzstab  so  lange  um,  bis  ein 
klebriger  Brei  entstanden  ist,  lässt  den  Brei  eine  halbe  Stunde 
stehen,  rührt  dann  noch  einmal  kräftig  um,  worauf  die  Stamm¬ 
lösung  fertig  ist.  Aus  dieser  Stammlösung  macht 
man  sich  noch  eine  dünnere  Losung  zurecht 
durch  Zugiessen  von  Azeton.  Der  Pinsel,  mit  dem 
man  die  Lösung  auf  das  Metall  bringt,  muss  stets  in  Azeton 
stehen,  damit  er  jede  Minute  gebrauchsfähig  ist.  Die  Stamm¬ 
lösung  ist  die  dickere  Lösung;  ich  trage  dieselbe  stets  mit 

einem  Messer  auf.  Diese  Stammlösung  etwas  ver¬ 
dünnt,  gibt  diePinselstreichlö  sii  n  g ;  diese  Pinsel¬ 
streichlösung  darf  aber  nicht  viel  dünner  sein,  was  sich  speziell 
bei  der  ersten  Lage  rächen  würde,  weil  dann  der  Trikot  dureü- 
tränkt  und  die  Schicht  am  Modell  haften  bliebe.  Bei  der  ersten 
Lage  kommt  nur  die  Pinselstreichlösung  in  Betracht. 

Ich  brachte  früher  unmittelbar  auf  das  Modell  eine  Lage 
Nessel.  Ich  lasse  diese  Lage  aber  jetzt  stets  weg,  weil  ich  sie 
für  unnötig  halte,  da  auch  ohne  dieselbe  die.  Einlage  gnt  vom 
Modell  abzunehmen  ist.  Als  erstes  bringe  ich  also  über  das 
Hoffa-Lengfellner  sehe  Gipsbreimodell  eine  Lage  1  r  l- 
kot,  die  mit  kleinen  Nägeln  am  Modell  befestigt  wird.  Dar¬ 
über  kommt  eine  kräftige  Schicht  Pinselstreichlosung  Ma  n 
darf  sich  aber  nicht  vorstellen,  dass  durch 


40 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


einmaliges  Ueberstreichen  gleich  eine  kräf¬ 
tige  Schicht  erzielt  wird. 

Man  überstreicht  zunächst  den  ganzen  Trikot  mit  Pinsel¬ 
streichlösung;  hierauf  lässt  man  das  Modell  %  Stunden  stehen 


ein  Stahlband  (bei  leichten  oder  mittelschweren  Patienten)  oder 
meine  Stahlbandfeder  (in  allen  Fällen  zu  gebrauchen)  ange¬ 
bracht  und  vornedurch  2,  hinten  durch  eineNiete 
die  Verbindung  von  Zelluloid  mit  Metall  g  e  - 


Modell  mit  I.  Lage  (Trikot-Zelluloidlage). 


Metallstück  (Aluminium)  der  1.  Lage  aufgeklebt. 


und  überstreicht  dann  abermals.  Nach  weiteren  A  Stunden 
überstreicht  man  zum  drittenmal;  dann  erst  ist  die  erste  Lage 
vollkommen.  Diese  erste  Lage  muss  24  Stunden  trocknen. 
Ich  kann  nicht  genug  darauf  hin  weisen  dass 
es  von  grösster  Wichtigkeit  ist,  diese  erste 
Lage  so  sorgfältig  wie  möglich  zu  machen 

Denn  vonihrhängteingutStückErfolgab. 

In  meiner  Werkstätte  ist  es  unbedingtes  Prinzip,  dass  die¬ 
selbe  ~4  Stunden  trocknet;  vordem  wird  kein  Pinselstrich 
\\  eiter  gemacht.  Man  kommt  häufig  in  die  Lage,  von  Patienten 
sehr  gedrängt  zu  werden;  dann  verzichte  ich  aber  lieber  auf 
den  betreffenden  Patienten.  Was  die  Verwendung  des  Zellu¬ 
loids  bei  den  weiteren  Lagen  betrifft,  so  will  ich  nur  die  An¬ 
wendung  bei  meiner  Methode  berücksichtigen. 

Denn  so  sehr  ich  die  Verdienste  F.  Langes  würdige  und 
stets  würdigen  werde,  meines  Erachtens  ist  eine  Einlage  mit 
Korkklotz  etwas  unzureichendes.  Ich  stelle  als  unbe- 
d  1  n  g  t  e  Forderung  an  eine  Einlage,  dass  das 
S  ch  uh  geben  k  f  r  e  i  b  1  e  i  b  t.  Ein  fernerer  Nachteil  des 
Klotzes  ist,  dass  die  Unterstützung  nur  für  den  betreffenden 
1  eil  des  Gewölbes  in  Betracht  kommt,  wo  der  Klotz  angebracht 
wird,  aber  auch  hier  wird  der  Zweck  illusorisch,  wenn  man 
bedenkt,  dass  der  Klotz  sich  nur  zu  häufig  durch  das  Leder 
durchdruckte.  An  den  übrigen  Stellen  ist  die  Erhaltung  der 
Form  der  Einlage  absolut  durch  nichts  gesichert.  Denn  weder 
iiirt  noch  Draht  können,  nach  meinen  Versuchen,  ein  Einsinken 
er  Einlage  verhindern,  wenn  Zelluloid  unter  Einwirkung  der 
Fusswarme  steht.  Und  wie  wichtig  es  in  einzelnen  Fällen  ist 
dass  eine  Einlage  überall  ihre  Form  beibehält,  werde  ich 
in  einer  gesonderten  Abhandlung  besprechen. 

•  NllnAfur  Ea£e*  Ich  verwende  jetzt  durchwegs  nur  mehr 
meine  Alumimumzelluloideinlage  und  werde  für  diese  Me¬ 
thode  die  Zelluloidtechnik  erörtern. 

Zunächst  wird  auf  der  fertigen  I.  Lage  des  Aluminiumstück 
(vergl  Munch,  med  Wochenschr.  1907  No.  9)  angetrieben.- 
ann  streicht  man  auf  die  vollendete  I.  Lage  mit  Messer  in  der 
ganzen  Ausdehnung  des  Metallstückes  Stammlösung  dick  auf 
und  klebt  darauf  das  angetriebene  Aluminiumblech. 

Nach  einer  Stunde  streicht  man  die  Randgegenden  noch 
einmal  über  und  nach  einer  weiteren  Stunde  kann  gleich  die 

7  ..  Taf  u  ai+lgue?ra£ht  werden>  die  wieder  aus  Trikot  und 
Zelluloid  besteht  Hieristes  angebracht,  zunächst 
noch  eine  dünnere  Lösung,  als  die  Pinsel¬ 
st  r  e  i  c  h  1  o  s  u  n  g  ist,  überzustreichen;  denn  hier 
soll  bezweckt  werden,  dass  die  III.  Lage  sich  mit  der  vorher¬ 
gehenden  verbindet.  Gewöhnlich  nehme  ich  dazu  die  Lösung 
die  sich  m  dem  Pinselgefäss  von  selbst  gebildet  hat.  Nach 
4  r’d'Hden  streicht  man  mit  der  Pinselstreichlösung  über  und 
nach  weiteren  A  Stunden  noch  einmal. 

Hierauf  lässt  man  die  Einlage  am  Modell  tüchtig  aus- 
tiocknen  und  schneidet  sie  dann  vom  Modell  ab.  Ich  berück¬ 
sichtige  dabei  nur  den  inneren  Rand,  äusseren  und  Fersenrand 
überhaupt  nicht.  Hierauf  wird  unter  diese  Einlage  entweder 


Aluminium-Zelluloid-Einlage  mit  aufgenietetem  Stahlband. 


sichert.  Die  Ränder  werden  gewissenhaft  mit  Zelluloid  be¬ 
strichen  und  mit  Rostpapier  glatt  gemacht.  Wer  diese  Aus- 
ührung  berücksichtigt,  wird  (ein  gutes  Modell  vorausgesetzt) 
sicherlich  keinen  Misserfolg  zu  verzeichnen  haben. 

Aus  ider  Universitäts-Frauenklinik  Freiburg  i.  Br. 

Anatomische  und  physiologische  Beobachtungen  bei  dem 
ersten  Tausend  Rückenmarksanasthäsien. 

Von  Prof.  B.  K  r  ö  n  i  g  und  Dr.  C.  J.  üaus  s,  Assistent  der 

Klinik. 

(Schluss.) 

...  Es  hat  die  Injektion  einer  spezifisch  schwereren  Lösung 
Jur  den  Gynäkologen  auch  praktische  Bedeutung,  weil  mit  ihr 
Operationen  an  der  Vulva,  der  Vagina  und  dem  Damm  schmerz¬ 
los  ausgeführt  werden  können. 

Spritzen  wir  dagegen  die  in  Ampullen  käufliche  Stovain- 
Billonlosung,  die  nach  dem  oben  Gesagten  bei  38°  spezifisch 
leichter  als  die  Spinalflüssigkeit  ist,  in  sitzender  Stellung 
der  Frau  in  den  Lumbalsack  ein  und  belassen  wir  die  Frau  in 
dieser  Stellung,  so  tritt  in  jedem  Falle  Anästhesie  höher  ge- 
esener  Hautbezirke  meist  bis  etwas  unterhalb  der  Projektions¬ 
stelle  des  oberen  Flüssigkeitsspiegels  irn  Steigrohr  auf  die  Haut 
des  Rumpfes  ein. 

Weitere  klinische  Beobachtungen  zwingen  uns  zu  der  An¬ 
nahme,  dass  die  Diffusion  und  die  Atemexkursionen  bei  der  nach 
der  Lumbalanästhesie  in  sitzender  Stellung  belassenen  Frau 
keine  wesentliche  Bedeutung  für  die  Ausbreitung  der  anästhe¬ 
sierenden  Lösung  hat.  Prüfen  wir  nämlich  die  Ausbreitung 
dei  Analgesie  dann,  wenn  wir  ein  mit  Kochsalz  beschwertes 
Stovain  in  sitzender  Stellung  der  Frau  in  den  Lumbalsack  in- 
nzieit  haben,  so  erkennen  wir,  vorausgesetzt,  dass  die  Frau 
ohne  Pressen  ruhig  atmet,  dass  auch  noch  nach  einer  halben 
bis  einer  ganzen  Stunde  keine  höher  gelegenen  Hautbezirke 
als  sie  dem  Sakral-  und  tieferen  Lumbalplexus  entsprechen 

befp?pnSThpii md ’h aS T?eYeis  dessen,  dass  das  Stovain  aus  den 
tieferen  I  eilen  des  Ruckenmarkssegments  weder  durch  Dif- 

usion,  noch  durch  ruhige  Atembewegungen  aufgestiegen  ist. 

Ein  Versuch  in  vitro  klärt  diese  Verhältnisse; 

Spritzen  wir  eine  mit  Kochsalz  'beschwerte  Stovainlösung  durch 
ein  tief  angebrachtes  Ansatzrohr  in  ein  mit  Spinalflüssigkeit  ange- 
fulltes  zylindrisches  Glasgefäss,  so  können  wir  sehen,  dass  bei  Ver¬ 
meidung  Jeder  Erschütterung  des  Gefässes  auch  noch  nach  vielen 
stunden  die  blau  gefärbte  Stovainlösung  kaum  nach  oben  zu  auf 

*te!gt  fi1?855  hler  W!rklich  das  Stovain  sich  unten  hält,  kann  man  auch 
dadurch  beweisen,  dass  im  oberen  Teile  des  Gefässes  in  der  Sniml 

JoSlÄion'ShwejsbjMSt  Vie‘en  S“"1“™  kei"  St0Val"  dUrch  üie’ 

mitS^Sm-naiffU  wu/de  111  der  Weise  verfahren,  dass  wir  das 

mit  S p  1  n alfl u ssi gkei t  ungefüllte  zylindrische  Glasgefäss  in  dem  mitt- 

bShtP  nrfv  d,!lrC,h  u‘neu  QumrTischlauch  ersetzten.  Die  blau  ge¬ 
erbte,  mit  Kochsalz  beschwerte,  Stovainlösung  wurde  wie  im  vorigen 

1% !“cJe  du.rch£n  *ef  angebrachtes  Ansatzrohr  an  den  Boden  des 
Gefässes  gebracht.  Dann  wurden  durch  Kompression  des  Gummi- 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2041 


Schlauches  rhythmische  Bewegungen  hervorgebracht,  um  zu  sehen, 
ob  diese  auf  die  Ausbreitung  der  Spinalflüssigkeit  einen  Einfluss  hatten. 
Dies  war  nicht  der  Fall.  Wir  sind  uns  aber  wohl  bewusst,  dass  dieser 
etwas  rohe  Versuch  nur  wenig  Rückschlüsse  gestattet. 

Bei  verschiedener  Lagerung  des  Körpers  verschiebt  sich, 
wie  wir  oben  sagten,  die  Ausbreitung  der  anästhesierenden 
Lösung  im  Subarachnoidealraum,  dementsprechend  muss  auch 
eine  Verschiebung  der  anästhetischen  Hautbezirke  eintreten. 
Unsere  bisherigen  klinischen  Beobachtungen  haben  gezeigt, 
dass  diese  Verschiebung  nicht  hochgradig  ist,  solange  der 
Körper,  nach  der  Injektion  in  den  Lumbalsack  bei  sitzender 
Stellung,  nur  bis  zur  Horizontale  gesenkt  wird  und  der  Kopf 
dabei  gleichzeitig  etwas  gehoben  ist;  weitgehendere  Ver¬ 
schiebung  der  anästhetischen  Hautzonen  tritt  gewöhnlich  erst 
dann  ein,  wenn  Beckenhochlagerung  über  50°  gegen  den 
Horizont  vorgenommen  wird.  Spritzen  wir  z.  B.  mit  Kochsalz 
beschwertes  Stovain,  welches  bei  38 0  spezifisch  schwerer  als 
die  Spinalflüssigkeit  bei  38°  ist,  bei  sitzender  Stellung  der  Frau 
in  den  Lumbalsack  zwischen  3.  und  4.  Lendenwirbel  ein  und 
bringen  die  Frau  sofort  in  Beckenhochlagerung,  so  kann 
Anästhesie  bis  zum  Kopf  eintreten;  es  wird  sich  dem  Gesetze 
der  Schwere  folgend  das  Anästhetikum  in  der  Spinalflüssigkeit, 
die  nach  der  Medulla  obl.  zu  abgeströmt  ist,  senken  und  so 
die  zervikalen  Rückenmarkssegmente  erreichen.  Ist  die 
anästhesierende  Flüssigkeit  noch  konzentriert  genug  im  Liquor 
enthalten,  so  werden  die  Folgen  auf  den  Phrenikus  und  das 
Atemzentrum  durch  Schwächerwerden  oder  Versagen  der 
Zwerchfellatmung  und  schliesslich  durch  Aussetzen  jeder  Atem¬ 
bewegung  nicht  ausbleiben.  Wenn  auch  bei  der  Einspritzung 
spezifisch  leichterer  anästhesierender  Lösung  die  Gefährdung 
der  Medulla  oblong,  nicht  so  gross  ist,  so  ist  doch  Ver¬ 
meidung  jeder  steileren  Beckenhochlagerung  nach  allem 
Gesagten  das  wesentlichste,  um  das  Aufsteigen  des  Anästhe-- 
tikums  nach  der  Medulla  oblong,  zu  verhüten.  Wie  gefährlich 
die  Beckenhochlagerung  nach  Injektion  einer  Stovainlösung  in 
den  Lumbalsack  sein  kann,  dafür  möchten  wir  nicht  verfehlen, 
folgenden  Leichenversuch  anzuführen. 

Es  wurde  bei  sitzender  Stellung  der  Leiche  zwischen  2.  und 
3.  Lumbalwirbel  punktiert  und.  das  Steigrohr  angesetzt,  welches  eine 
Höhe  der  Spinalflüssigkeit  im  Subarachnoidealraum  bis  zum  5.  Brust¬ 
wirbel  anzeigte.  Darnach  wurde  zwischen  2.  und  3.  Lumbalwirbel 
die  käufliche  Stovainlösung  bei  sitzender  Stellung  der  Leiche  injiziert. 
Einige  Zeit  nach  der  Injektion  wurde  bei  der  in  sitzender  Stellung 
belassenen  Leiche  festgestellt,  dass  in  der  Höhe  des  Fliissigkei  s- 
spiegels  im  Steigrohr  sich  an  der  entsprechenden  Stelle  im  Subarach¬ 
noidealraum  Stovain  in  der  Spinalflüssigkeit  fand.  Oberhalb  des 
3.  Brustwirbels  war  weder  Flüssigkeit  noch  Stovain  nachweisbar. 
Darnach  wurde  'die  Leiche  in  steile  Beckenhochlagerung  gebracht  und 
einige  Zeit  nachher  in  der  Gegend  der  Medulla  oblong,  punktiert: 
sofort  quoll  Spinalflüssigkeit  hervor,  die  bei  chemischem  Nachweis 
reichlich  Stovain  enthielt. 

Da  bei  gewissen  Laparotomien  und  speziell  gynäko¬ 
logischen  Laparotomien  die  Beckenhochlagerung  eine  tech- 
nische  Erleichterung  darstellt,  so  müssen  wir  uns  fragen:  ob 
wir  nicht  wenigstens  einigeZeit  —  sagen  wir  5—10  Minuten 
nach  der  in  sitzender  Stellung  ausgeführten  Injektion  becken¬ 
hochlagern  dürfen,  ohne  befürchten  zu  müssen,  dass  das 
Anästhetikum  noch  als  wirksames  chemisches  Mittel  in  dei 
Spinalflüssigkeit  enthalten  ist  und  auf  die  Zentren  der  Medulla 
oblong,  lebensgefährliche  Wirkung  ausüben  kann. 

Es  würde  dies  einmal  dadurch  zu  beantworten  sein,  dass 
wir  nachsehen,  ob  Stovain  in  Gegenwart  von  Liquoi  ceiebro- 
spinalis  mit  diesem  schnell  eine  chemische  Verbindung  ein¬ 
geht,  welche  nicht  mehr  die  spezifisch  lähmende  Wirkung  auf 
die  motorischen  und  sensibeln  Nerven  hat. 

Wir  haben  zu  diesem  Zweck  folgende  Versuche  angestellt. 

Versuch  a.  Stovain  wurde  in  ein  Glas  mit  Liquor  cerebrospinalis 
getan  und  nun  in  Absätzen  von  mehreren  Tagen  auf  die  Reaktion  mit 
Jodlösung  geprüft;  noch  nach  Tagen  war  die  gleiche  Stovainreaktion 

nachweisbar.  .  • 

Versuch  b.  Es  wird  1,5  ccm  käufliche  Stovain-Billonlosung  in 
einer  sterilen  Spritze  mit  2  ccm  Spinalflüssigkeit  vermischt.  1  ie 
Mischung  wird  eine  Stunde  lang  bei  30°  gehalten  und  erst  dann  einem 
Tier  injiziert.  Es  tritt  auch  jetzt  eine  deutliche  Anästhesierung  ein. 

Daraus  ist  zu  folgern,  dass  auch  eine  Stunde  nach  der 
Injektion  noch  die  Gefahr  der  Atemlähmung  besteht,  wenn  der 
mit  dem  Stovain  vermischte  Liquor  die  Zentren  der  Medulla 
oblong,  trifft,  vorausgesetzt,  dass  nicht  bei  der  Lebenden 

No.  41. 


innerhalb  dieser  Frist  das  Stovain  durch  Resorption  aus  dem 
Spinalkanal  schon  wieder  entfernt  ist. 

Um  dies  zu  klären,  dienten  Beobachtungen,  welche  ge¬ 
legentlich  der  Unwirksammachung  überschüssigen  Stovains  zu 
therapeutischen  Zwecken  gemacht  wurde. 

Es  wird  zwischen  1.  und  2.  Lendenwirbel  mit  Kochsalz  be¬ 
schwertes  Stovain-Billon  eingespritzt  und  gleichzeitig  in  der  Gegend 
des  4.  und  5.  Lendenwirbels  punktiert.  Gleich  nach  der  Injektion 
ergibt' ein  Tropfen  Liquor  aus  der  unteren  Punktionsnadel  entnommen 
starke  Stovainreaktion.  Nach  einer  Stunde  wird  wieder  etwas 
Liquor  aus  dem  4.  und  5.  Lumbalspatium  abgelassen  mit  dem  gleichen 
Ergebnis.  Erst  eine  nach  7  Stunden  vorgenommene  Punktion  ergibt 
keine  Stovainreaktion  mehr,  als  Zeichen  dessen,  dass  innerhalb  diesei 
Frist  das  Stovain  resorbiert  ist. 

Es  folgt  aus  diesen  Beobachtungen,  dass  man  lebens¬ 
sicherer  verfährt,  wenn  man  auch  eine  halbe  bis  eine  Stunde 
nach  der  in  sitzender  Haltung  ausgeführten  Injektion  steile 
Beckenhochlagerung  vermeidet.  Leichtere  Beckenhochlage¬ 
rung  bis  zu  einer  Neigung  der  Operationstischplatte  von  30 
über  die  Horizontale  scheint  aber  nach  unsern  oben  ange- 
gebenen  Versuchen  über  die  Bewegung  des  Liquois  im  Sub- 
arachnoidealsack  noch  keine  Gefahr  des  Abströmens  des 
Stovains  nach  der  Medulla  oblong,  in  sich  zu  schliessen. 


Wir  kommen  damit  zur  dritten  Gefahr  der  Rückenmarks¬ 
anästhesie,  nämlich  der  zu  intensiven  Wirkung  des  Anästheti- 
kums  a  n  O  r  t  u  n  d  S  t  e  1 1  e  auf  die  Nervenstränge  oder  Gan¬ 
glienzellen  des  Rückenmarks,  sodass  nicht  nur  eine  vorüber¬ 
gehende,  sondern  eine  dauernde  Afunktion  entsteht.  Wie 
van  Li  er  gezeigt  hat,  haben  die  hauptsächlich  verwendeten 
Anästhetika,  das  Tropakokain,  das  Novokain,  das  Stovain,  das 
Alypin  gleichzeitig  eine  das  Protoplasma  der  Nervenzellen 
schädigende  Wirkung,  und  sie  können  bei  entsprechend  hoher 
Konzentration  auf  die  Nerven  gebracht  auch  dauernde 
Störungen  herbeiführen. 

Ist  nun  die  Gefahr  bei  Anwendung  dieser  Mittel  an  der 
Lebenden  so  gross,  dass  wir  nach  andern  Anästhetika  Umschau 
halten  müssen?  Dr.  Spielmeyer,  Assistent  an  der  Psychi¬ 
atrischen  Klinik  in  Freiburg  i.  Br.,  hatte  die  Liebenswürdigkeit, 
das  Rückenmark  von  fast  allen  Frauen,  die  entweder  an  den 
Folgen  der  Rückenmarksanästhesie  oder  nach  einer  Rucken- 
marksanästhesie  an  andern  Erkrankungen  wie  Sepsis  usw. 
bei  uns  gestorben  waren,  mikroskopisch  zum  Teil  in  Seiien- 
schnitten  mit  Nisslscher  Färbung  zu  untersuchen.  Die  Resultate 
werden  an  anderer  Stelle  ausführlich  mitgeteilt  werden,  hier 
möchten  wir  nur  als  wesentlich  für  uns  herausgreifen,  dass  be¬ 
sonders  bei  kachektischen  Individuen  und  bei  Einverleibung 
hoher  Dosen  von  Stovain  bis  zu  0,12  teilweise  an  den 
Ganglienzellen  schwere,  von  Spielmeyer  als  irreparabel 
angesprochene  Veränderungen  zu  sehen  waren.  Die  Aus¬ 
breitung  ist  sehr  verschieden;  in  denjenigen  Fällen,  in  welchen 
die  Frauen  (3  Fälle)  an  den  Folgen  der  Rückenmarksanasthesie 
zu  Grunde  gegangen  sind  (alles  kachektische  Personen),  war 
die  Zerstörung  sehr  ausgedehnt,  bei  diesen  Frauen,  die  sämtlich 
noch  in  steiler  Beckenhochlagerung  operiert  waren,  waren 
auch  die  Gangienzellen  der  Medulla  oblongata  zum  1  eil 
weitgehend  verändert;  aber  auch  bei  den  Frauen,  welche 
anderen  Erkrankungen  'erlegen  waren,  waren  doch  ver¬ 
einzelt  an  den  Ganglienzellen  Veränderungen  nachzuweisen. 
Diese  Störungen  lassen  in  uns  gewiss  den  Wunsch  rege  werden, 
nach  einem  andern  Anästhetikum  als  Stovain  zu  suchen;  wir 
glauben  aber  nicht,  dass  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  auf 
Grund  der  bisher  in  der  Literatur  vorliegenden  Beobachtungen 
das  Tropakokain,  das  Novokain,  das  Alypin  weniger  als  das 
Stovain  reizen.  Das  Rückenmark  ist  nach  Anwendung  diesei 
Mittel  mikroskopisch  noch  nicht  daraufhin  ^untersucht,  ob  sic  i 
nicht  ähnliche  Veränderungen  wie  beim  Stovain  Nachweisen 
lassen ;  wir  selbst  hatten  im  Anschluss  an  die  Injektion  diese 
Anästhetika  keinen  Todesfall,  konnten  daher  keinen  dahin¬ 
gehende  Untersuchung  anstellen. 

Wir  möchten  aber  nicht  unterlassen,  darauf  hmzu- 
weisen,  dass  man  die  Bedeutung  dieser  von  S  pie  1  me  y  er 
nachgewiesenen  Veränderungen  doch  nicht  für  die  khn^c 
Praxis  zu  hoch  einschätzen  darf,  denn  bei  den  Frauen  welche 
nicht  an  den  Folgen  der  Lumbalinjektion  sondern  an  ander¬ 
weitigen  Erkrankungen  gestorben  waren,  bei  denen  aber  Ver¬ 
änderungen  an  den  Ganglienzellen  post  mortem  nachzuweisen 


2U4 2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


waren,  zeigten  sich  bei  den  Frauen  während  des  Lebens  nicht 
die  geringsten  Störungen  in  der  motorischen  und  sensibeln 
Funktion  der  Nerven.  Es  beweist  dies  also,  dass  ein  gewisser 
Ausfall  von  Ganglienzellen  im  Rückenmark  stattfinden  kann, 
ohne  dass  klinische  Symptome  folgen. 

Immerhin  sollen  wir  mit  der  Inkorporation  höherer  Dosen 
von  Stovain  vorsichtig  sein;  wir  haben  früher  geraten,  bei 
Laparotomien  bis  zu  0,12  Stovain  zu  injizieren,  möchten  aber 
heute  auf  Grund  der  bei  kachektischen  Individuen  gemachten 
Erfahrungen  doch  von  so  hohen  Dosen  abraten.  Wir  injizieren 
heute  im  allgemeinen  nicht  mehr  als  0,08  Stovain;  wenn  wirk¬ 
lich  einmal  die  Analgesie  nicht  ganz  ausreicht,  so  geben  wir 
lieber  etwas  Chloroform-Aether  zu  inhalieren.  Auf  jeden  Fall 
aber  haben  unsere  bei  fast  300  Laparotmierten  injizierten  Dosen 
von  0,12  gezeigt,  dass  wir  in  dem  Stovain  ein  Mittel  haben, 
welches  eine_  relativ  grosse  Narkosenbreite  hat.  Beschränken 
wir  uns  auf  Dosen  bis  0,08,  so  wird  auch  bei  kachek¬ 
tischen  Individuen  kaum  eine  dauernde  Störung  zu  befürchten 
sein.  Die  Annahme  einer  individuell  sehr  wechselnden 
Empfindlichkeit  gegen  das  Stovaingift  scheint  nicht  zuzutreffen, 
sonst  müsste  in  unserer  letzten  Serie  von  300  Fällen  einmal 
eine  länger  dauernde  Motilitäts-  oder  Sensibilitätsstörung  er¬ 
folgt  sein.  Wir  dürfen,  abgesehen  vielleicht  von  schwer 
kachektischen  Individuen,  eine  spezifische  Giftempfind¬ 
lichkeit  der  Rückenmarkzellen  ablehnen;  wäre  dies  nicht  der 
Fall,  so  müsste  die  Rückenmarksanästhesie  überhaupt  aufge¬ 
geben  werden. 

Es  erübrigt  noch,  kurz  darauf  einzugehen,  ob  wir  die 
weniger  gefährlichen  als  unangenehmen  Neben¬ 
wirkungen  der  Rückenmarksanästhesie,  die  Kopfschmerzen, 
den  Meningismus,  sowie  die  sogen.  Versager  einschränken 
können.  Schon  nach  der  einfachen  Lumbalpunktion  treten  auch 
ohne  Injektion  eines  Anästhetikums  manchmal  Kopfschmerzen 
sogai  stäikeren  Grades  auf.  Durch' die  Untersuchungen  von 
G.  K  r  ö  n  i  g  -  Berlin  ist  bewiesen,  dass  plötzliche  Druck¬ 
schwankungen  gern  die  Kopfschmerzen  auslösen;  wir  glauben 
daher  von  neuem  unsere  schon  früher  gegebene  Empfehlung 
\\  iederholen  zu  sollen,  dass  man  den  von  uns  konstruierten 
Apparat 8),  welcher  dem  von  G.  K  r  ö  n  i  g  -  Berlin  für  die  Lum¬ 
balpunktion  angewendeten  nachgebildet  ist,  benutzen  soll,  um 
bei  der  Lumbalpunktion  den  Druck  beobachten  und  durch  vor¬ 
sichtige  Injektion  (Drehspitze)  Druckschwankungen  mög¬ 
lichst  vermeiden  zu  können.  Immerhin  haben  auch  wir  selbst 
bei  vorsichtigster  Injektion  noch  Kopfschmerzen  beobachtet,  so 
dass  hier  noch  andere  uns  bisher  unbekannte  und  daher  un¬ 
vermeidbare  Faktoren  mitspielen. 

Wie  können  wir  schliesslich  die  Zahl  der  Versager,  welche 
so  oft  noch  als  störende  Nachteile  gegen  die  Rückenmarks¬ 
anästhesie  angeführt  werden,  einschränken? 

Der  grösste  Teil  dieser  Versager  ist  unserer  Ansicht  nach 
bedingt  durch  die  Anwendung  von  Lösungen  mit  ungeeignetem 
spezifischen  Gewicht. 

Es  ist  unrichtig,  kurzweg  zu  sagen:  wir  haben  von 
dem  Stovain  günstige,  vom  Novokain  oder  Alypin  ungünstige 
Resultate  in  Bezug  auf  anästhesierende  Wirkung  gehabt,  son¬ 
dern  es  ist  in  jedem  Fall  notwendig,  die  Dichte  der  ange¬ 
wendeten  Lösung  mitanzugeben.  Wir  hatten  schon  oben  er¬ 
wähnt,  dass  wir  mit  Stovain  bei  gleicher  Konzentration  und 
Menge,  je  nach  der  Dichte  der  injizierten  Lösungen,  z.  B.  bei 
Laparotomien  entweder  stets  Versager  haben  oder  sehr 
günstige  Resultate  erzielen  können. 


Von  einer  anästhesierenden  Lösung,  die  in  Rückenmarks¬ 
segmenten  wirken  soll,  welche  oberhalb  der  Einstichstelle 
zwischen  2.  und  3.  Lumbalwirbel  liegen,  muss  man,  voraus¬ 
gesetzt,  dass  man  in  sitzender  Stellung  injiziert,  in  dieser  die 
eintretende  Anästhesie  abwartet  und  nachträglich  die  Frau  nur 
Horizontallage,  aber  nicht  in  steile  Beckenhochlagerung 
bringt,  verlangen,  dass  sie  spezifisch  gleich  oder  besser  etwas 
leichter  als  die  Spinalflüssigkeit  ist. 

)V1lr,  auf  diese  Forderung  hin  die  verschiedenen  im 

Handel  käuflichen  Präparate  geprüft. 


8)  Der 
Apparat  ist 
Kaiserstrasse. 


von  uns 
zu  haben 


nii  die  Lumbalanästhesie  stets  verwendete 
bei  der  Firma  Q.  Fischer,  Freiburg  i.  Br., 


1.  Alypintabletten  von  Pöhl.  Nach  der  Vorschrift  soll 
eine  Tablette  bestehen  aus  Alypin  0,05,  Suprarenin  0,00033,  sie  soll  in 
2  ccm  Liquor  cerebrospinalis  gelöst  und  diese  Lösung  zwischen  3.  und 
4.  Lendenwirbel  in  den  Subarachnoidealraum  injiziert  werden. 

Spezifisches  Gewicht  dieser  Lösung  (bezogen  auf  Wasser  von 
+  4°  C)  ist: 

bei  38°  C.  =  1,001 
„  30°  C.  =  1,004 
„  22°  C.  =  1,006. 

Es  ist  also  die  Lösung  auch  bei  Körpertemperatur  von  38°  noch 
spezifisch  schwerer  als  die  Spinalflüssigkeit.  Wird  alsp  diese 
Lösung  bei  einer  Patientin  zwischen  3.  und  4.  Lendenwirbel  in 
sitzender  Stellung  injiziert,  danach  die  Frau  nach  eingetretener 
Anästhesie  (ca.  3 — 4  Minuten)  horizontal  gelagert,  so  wird  bei  Ver¬ 
meidung  jeder  Beckenhochlagerung  völlige  Analgesie  in  den  Haut¬ 
gebieten,  welche  den  Sakralsegmenten  angehören,  eintreten,  dagegen 
werden  sich  z.  B.  bei  Laparotomien  sehr  oft  Versager  zeigen:  die 
Zahl  der  Versager  könnte  hier  nur  durch  steile  Beckenhochlagerung 
sofort  nach  der  Injektion  eingeschränkt  werden.  Braun  hat  bei 
Verwendung  von  Alypin  anfänglich  diese  steile  Beckenhochlagerung 
angewendet,  später  aufgegeben.  Es  erscheint  uns  aus  seiner  Arbeit 
erwähnenswert,  dass  er  von  46  Lumbalanästhesien,  welche  Opera¬ 
tionen  am  After  und  der  Dammgegend  betrafen,  also  Gebiete,  welche 
den  Sakralsegmenten  zugehören,  keinen  Versager  gehabt  hat;  dagegen 
beginnen  die  Versager  in  grosser  Zahl,  sobald  er  Bauchoperationen 
und  Operationen  an  den  unteren  Extremitäten  ausführte,  weil  hier 
höher  gelegene  Rückenmarkssegmente  anästhesiert  werden  mussten. 
Hätte  Braun  nicht  anfangs  steile  Beckenhochlagerung  bei  den 
Bauchoperationen  angewendet,  so  würde  die  Zahl  seiner  Versager 
noch  viel  grösser  sein. 

2.  N  o  v  o  k  a  i  n  -  Höchst.  In  den  Handel  gebracht: 

a)  als  5  proz.  Lösung  in  Ampullen; 

b)  als  Tabletten,  enthaltend  0,05  Novokain  0,000108  Suprarenin. 

*  aa)  Spezifisches  Gewicht  der  5  proz.  Lösung  (bezogen  auf  Wasser 

von  +4°  C): 


bei  38 0  C.  =  1,001 
„  30°  C.  =  1,004 
„  22°  C.  =  1,006. 


bb)  Spezifisches  Gewicht  der  Lösung  einer  Tablette,  enthaltend 
Novokain  0,05  in  2  ccm  Spinalflüssigkeit  (bezogen  auf  Wasser  von 
+  4°  C): 


bei  38°  C.  ==  1,002 

*  30  0  C.  =  1,005 
„  22°  C.  =  1,007. 

Wird  keine  Beckenhochlagerung  angewendet,  so  wird  bei  beiden 
Lösungen  die  Anästhesie  günstig  für  Operationen  am  Damm  und  die 
Gebiete  der  Sakralsegmente  des  Rückenmarks  ausfallen,  ungünstig 
aber  für  höher  liegende  Segmente.  Die  Literatur  ist  hier  nicht  heran¬ 
zuziehen,  weil  nicht  immer  genau  angegeben  ist,  ob  Beckenhoch¬ 
lagerung  nach  der  Injektion  angewendet  wurde  oder  nicht. 

3.  Tropakokain.  In  käuflichen  Ampullen  als  10 proz.  Lösung. 

Spezifisches  Gewicht  (bezogen  auf  Wasser  von  +  4°  C): 

bei  38°  C.  =  1,005 

*  30°  C.  =  1,008 
„  22°  C.  =  1,010. 

Es  ist  also  die  Lösung  sehr  erheblich  spezifisch  schwerer  als  die 
Spinalflüssigkeit,  wird  sich  also  bei  der  Anästhesie,  wie  die  von  uns 
absichtlich  mit  Kochsalz  beschwerte  Stovainlösung  Billon  (s.  o.)  ver¬ 
halten. 

4.  S  t  o  v  a  i  n  -  Riedel.  In  käuflichen  Ampullen  als  10  proz.  Lö¬ 
sung. 

Spezifisches  Gewicht  (bezogen  auf  Wasser  von  +4°  C): 

bei  38°  C.  =  0,999 
„  30°  C.  =  1,002 
„  22°  C.  =  1,004. 


Es  liegen  also  die  Verhältnisse  bei  dem  Stovain  Riedel  gleich 
günstig  wie  bei  dem  käuflichen  Stovain-Billon;  die  Riedel  sehe 
Lösung  ist  nur  eine  Kleinigkeit  dichter  als  die  von  Billon. 

Wir  sehen  also,  dass  —  wenn  wir  die  Beckenhochlagerung 
prinzipiell  vermeiden  wollen  —  für  Operationen  in  Gebiets¬ 
teilen,  die  höheren  Rückenmarkssegmenten  angehören,  die  käuf¬ 
lichen  Tabletten  sich  gar  nicht  eignen,  da  ihre  Lösung 
in  Spinalflüssigkeit  (wenn  man  nicht  sehr  viel  aspiriert)  immer 
spezifisch  schwerer  als  diese  bleibt.  Von  den  käuflichen  L  ö  - 
s  u  n  g  e  n  würde  sich  Stovain  Billon  und  Riedel  gut  eignen, 
weniger  gut  Novokain,  am  wenigsten  Tropakokain. 

Ein  weiterer  für  die  Vermeidung  von  Versagern  wichtiger 
Faktor  ist  die  technische  Ausführung  der  Injektion. 
Axel  Key  und  R  e  t  z  i  u  s  haben  bei  ihren  Injektionsversuchen 
des  Subarachnoidealraums  mit  Leimlösung  gezeigt,  wie  leicht 
es  ist,  teilweise  oder  vollständig  die  Injektionsflüssigkeit  statt  in 
den  Subarachnoidealraum  in  den  S  u  b  d  n  r  a  1  raum  zu  treiben 
Sie  haben  ferner  gezeigt,  wie  sich  die  in  den  Subarachnoideal- 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2043 


raum  injizierte  Lösung,  wenn  man  die  Punktionsnadel  mehr¬ 
fach  durch  die  Arachnoidea  hindurch  in  den  Subarachnoideal- 
raum  stösst,  teilweise  durch  die  durchlochte  Arachnoidea  in  den 
Sub  dural  raum  begeben  kann.  Es  ist  verständlich,  dass  die  in 
den  sub  duralen  Raum  gelangte  Lösung  für  die  Anästhesie 
mehr  oder  weniger  verloren  geht.  Bier  hat  schon  die  Vor¬ 
schrift  gegeben,  sich  von  dem  Verweilen  der  Kanüle  im  Sub- 
arachnoideal  raum  dadurch  -zu  vergewissern,  dass  man 
nachsieht,  ob  die  Zerbrospinalflüssigkeit  auch  im  Sprudel  aus 
der  Punktionsnadel  abfliesst.  Abgesehen  davon,  dass  hier¬ 
durch  unnötigerweise  Druckschwankungen  hervorgerufen  wer¬ 
den,  scheint  uns  dies  Verfahren  auch  deshalb  nicht  genügend 
zu  sein,  weil  sich  die  Nadelspitze  noch  während  der  In¬ 
jektion  unbemerkt  verschieben  kann.  Wir  glauben,  dass  die 
beste  Kontrolle  jederzeit  geübt  wird  durch  die  Anwendung 
unseres  Apparates  mit  Steigrohr.  Dadurch,  dass  wir  während 
der  ganzen  Injektion  beobachten,  dass  die  Athem-  und  Puls¬ 
exkursionen  im  Steigrohr  fortbestehen,  haben  wir  gleichzeitig 
die  Sicherheit,  dass  die  Nadelspitze  sich  wirklich  im  Sub- 
arachnoidealraum  befindet  und  sich  während  der  Injektion 
nicht  verschoben  hat.  Mehrfach  haben  wir  es  beobachtet,  dass 
während  der  Injektion  bei  Bewegungen  der  Patientin  keine 
deutlichen  Atemexkursionen  mehr  vorhanden  waren ;  wir  haben 
dann,  ehe  wir  weiter  injizierten,  zunächst  die  Nadel  etwas  mehr 
vor-  und  zurückgeschoben.  Auf  diese  Weise  vermeidet  man  es 
auch  sicher,  dass  nicht  die  Punktionsnadel  bei  ungeschickter 
Bewegung  der  Kranken  etwa  in  einen  Nerv  gerät  und  nun  die 
Injektionsflüssigkeit  in  die  Nervenfasern  selbst  eingetrieben 
wird,  wodurch  wohl  zweifelsohne  eine  dauernde  Schädigung 
herbeigeführt  würde. 

Nach  dem  oben  Gesagten  scheint  es  uns  auch  nicht  un¬ 
wesentlich,  dass  die  Punktionsnadel  möglichst  gleich  mit  dem 
ersten  Stoss  in  den  Subarachnoidealraum  gelangt.  Die 
manchmal  sonst  unerklärlichen  mangelhaften  Anästhesien 
glauben  wir  darauf  beziehen  zu  dürfen,  dass  der  Narkotiseur 
2  oder  3  Oeffnungen  in  die  Subarachnoidealhaut  setzt  oder 
bei  sehr  langsamem  Vorstoss  einer  stumpfen  Nadel  die  Arach- 
noidealhaut  vor  sich  herschiebt  und  nun  wie  Axel  Key  und 
R  e  t  z  i  u  s  bei  ihren  Injektionsversuchen  die  anästhesierende 
Lösung  in  den  Sub  dural  raum  injiziert. 

Als  letzte  Forderung  zur  Vermeidung  der  Versager  be¬ 
zeichnen  wir  die  Anwendung  chemisch  einwand¬ 
freier  Lösungen.  Das  Stovain  hält  sich  in  wässrigen 
Lösungen  unbeschränkt  lange.  Anders  ist  es  dagegen 
bei  Zusatz  eines  Nebennierenpräparates.  Wir  lassen  es 
hier  unerörtert,  ob  der  Zusatz  eines  Nebennieren¬ 
präparates  zu  der  Stovainlösung  richtig  ist  oder  nicht,  weil 
uns  darüber  die  Erfahrung  fehlt;  auf  keinen  Fall  aber  dürfen 
Ampullen  verwendet  werden,  welche  schon  das  Nebennieren¬ 
präparat  mitenthalten.  Wie  schon  L  i  e  b  1  und  Braun 
nachgewiesen  haben,  zersetzt  sich  das  Suprarenin  in  Gegen¬ 
wart  von  Stovain  und  anderen  organischen  Substanzen.  Ver¬ 
wendet  man  Nebennierenpräparate,  so  ist  es  richtiger,  erst 
kurz  vor  dem  Gebrauch  in  der  Injektionsspritze  dies  hinzu¬ 
zufügen.  —  Wir  verwenden  gewöhnlich  Suprareninlösung 
1 :  1000  der  Farbwerke  Höchst  und  setzen  zu  1  ccm  der  an¬ 
ästhesierenden  Lösung  0,2  ccm  dieser  Lösung  hinzu. 

Fassen  wir  zusammen,  so  ergeben  sich  folgende  Schluss¬ 
folgerungen: 

1.  Bei  der  Lumbalanästhesie  ist  die  Anwendung  einer  die 
Schwankungen  des  Liquors  im  Subarachnoidealraum  an¬ 
zeigenden  Steigrohre  vor  und  während  der  Injektion  notwendig. 

2.  Für  die  Wirkung  der  anästhesierenden  Flüssigkeit  spielt 
ihr  spezifisches  Gewicht  und  die  Temperatur,  bei  welcher  sie 
eingespritzt  wird,  eine  wesentliche  Rolle. 

3.  Die  Anästhesierung  höher  gelegener  Rückenmarks¬ 
segmente  darf  nicht  durch  steile  Beckenhochlagerung  erzielt 
werden,  sondern  ist  anzustreben  durch  richtige  Wahl  ent¬ 
sprechend  dichter  anästhesierender  Lösungen., 

4.  Steile  Beckenhochlagerung  ist  auch  längere  Zeit  nach  der 
Injektion  noch  gefährlich  wegen  der  Möglichkeit  des  Empor- 
gelangens  des  Anästhetikums  nach  der  Medulla  oblongata. 

5.  Im  Interesse  der  Verwendung  chemisch  reiner  Lösungen 
ist  es  notwendig,  das  Suprarenin  erst  kurz  vor  dem  Gebrauch 
den  anästhesierenden  Lösungen  hinzuzusetzen.  Käufliche  Am¬ 


pullen  von  anästhesierenden  Lösungen  mit  Suprareninzusatz 
sind  abzulehnen. 

Geben  wir  zum  Schluss  einen  kurzen  Ueberblick  über  die 
von  uns  nach  diesen  Grundsätzen  klinisch  erzielten  Resultate, 
so  würde  eine  statistische  Wiedergabe  der  klinischen  Er¬ 
fahrungen  über  das  gesamte  Material  von  tausend  Anästhesien 
ein  falsches  Bild  geben.  Wir  haben  im  Verlaufe  der  Versuche 
und  Beobachtungen  erst  allmählich  gelernt,  wie  verbesserungs¬ 
fähig  die  Bier  sehe  Anästhesie  ist.  Die  Resultate  der  ersten 
300  Anästhesien  sind  mit  den  Resultaten  der  letzten  300,  bei 
welchen  wir  entsprechend  den  oben  angegebenen  Grundsätzen 
eine  in  vielen  Punkten  geänderte  Technik  eingeschlagen  haben, 
gar  nicht  vergleichbar.  Auch  uns  ist  schweres  Lehrgeld  nicht 
erspart  geblieben;  während  wir  auf  der  Naturforscherver¬ 
sammlung  in  Stuttgart  noch  drei  Todesfälle  unter  den  ersten 
400  Rückenmarksanästhesien  zu  verzeichnen  hatten,  zum  Teil 
verschuldet  durch  falsche  Indikationsstellung,  haben  wir  unter 
den  letzten  300  Fällen  auch  nicht  einen  einzigen  Zwischenfall 
mehr  beobachtet. 

Fast  alle  unsere  Rückenmarksanästhesien  sind  in  der 
von  uns  empfohlenen  Kombination  mit  dem  Skopolamin¬ 
dämmerschlaf  ausgeführt.  Wir  waren  nach  unseren  an¬ 
fänglichen  Versuchen  mit  der  Rückenmarksanästhesie  allein 
nahe  daran,  sie  als  eine  in  der  Gynäkologie  fast  unbrauchbare 
Methode  zu  erklären.  Es  war  manchen  Frauen  psychisch  so 
ungeheuerlich,  sich  ohne  wesentliche  Trübung  des  Bewusst¬ 
seins  laparotomieren  zu  lassen,  dass  die  Kranken  sich  sehr  bald 
weigerten,  sich  dieser  Methode  zu  unterwerfen.  Es  mag  sein, 
dass  hier  der  etwas  sensiblere  Süddeutsche  nicht  mit  dem  Nord¬ 
deutschen  zu  vergleichen  ist;  wenn  Veit  in  Halle  von  seinen 
Patientinnen  sagt,  dass  es  keine  unangenehm  empfunden  hätte, 
wenn  man  sie  nach  der  Rückenmarksanästhesie  auf  den  Opera¬ 
tionstisch  geschnallt  und  danach  in  steilste  Beckenhochlagerung 
gebracht  hätte,  so  mag  dies  für  die  Hallenser  Bevölkerung,  von 
der  wir  zum  Teil  aus  eigener  Erfahrung  wissen,  dass  sie  oft 
gegen  psychische  Eindrücke  stumpf  ist,  zutreffen;  dem 
Badenser,  welcher  mit  einem  sensibleren  Nervensystem  be¬ 
haftet  ist,  erscheint  ein  derartiges  Verfahren  zu  inhuman.  Für 
Laparotomien  wird  sich  die  Rückenmarksanästhesie  sicherlich 
nur  dann  einbürgern,  wenn  an  der  von  uns  gegebenen  Vor¬ 
schrift  der  Kombination  der  Rückenmarksanästhesie  mit  dem 
Skopolamindämmerschlaf  festgehalten  wird.  Halten  wir  an 
dieser  Kombination  aber  fest,  so  können  wir  unmöglich  in  das 
in  letzter  Zeit  von  manchen  geäusserte  .pessimistische  Urteil 
einstimmen.  In  einer  eben  erschienenen  Arbeit  äussert 
Braun,  dass  er  alle  weiteren  Versuche  mit  der  Medullar- 
anästhesie  aufgeben  würde,  weil  sie  mit  der  Inhalationsnarkose, 
speziell  mit  der  von  ihm  empfohlenen  Mischnarkose,  nicht 
ernstlich  konkurrieren  könne.  So  sehr  wir  aus  eigener  Er¬ 
fahrung  bei  weit  über  4000  Fällen  die  Braun  sehe  Misch¬ 
narkose  schätzen,  so  birgt  sie  doch  immerhin  gerade  bei  La¬ 
parotomien  gewisse  Gefahren  in  sich.  Trotz  aller  Vorsicht  sind 
uns  wie  anderen  Klinikern  bei  länger  dauernden  Laparotomien 
schwere  Bronchitiden,  welche  zum  Teil  in  Heilung,  zum  Teil  in 
Tod  ausgegegangen  sind,  nicht  erspart  geblieben.  Fast  über¬ 
einstimmend  gibt  jede  Statistik  an,  dass  der  Prozentsatz  dei 
Morbidität  an  Bronchopneumonie  bei  Laparotomien  7  Proz. 
und  die  Zahl  der  tödlich  verlaufenen  Bronchitiden  2—3  Proz. 
beträgt.  Mögen  einige  Kliniker  hierin  glücklicher  sein,  im  all¬ 
gemeinen  wird  diese  Zahl  zutreffen. 

Wenn  wir  demgegenüber  bedenken,  dass  bei  der 
Rückenmarksanästhesie,  vorausgesetzt,  dass  wir  sie  mit 
dem  Skopolamin-Morphium-Dämmerschlaf  kombinieren,  uns 
bei  einer  Serie  von  ungefähr  600  Laparotomien  keine 
einzige  postoperative  Bronchitis  vorgekommen  ist,  so 
ist  damit  schon  ein  wesentlicher  Fortschritt,  welchen 
uns  die  Medullaranästhesie  in  Verbindung  mit  dem 
Skopolamin  -  Morphium  -  Dämmerschlaf  gebracht  hat,  ge¬ 
zeichnet.  Die  Zahlen  sind  so  gross,  dass  wir  kaum  erwarten 
dürfen,  dass  sich  die  Resultate  in  Zukunft  wesentlich  andern 
werden.  Bedenken  wir  weiterhin,  wie  unangenehm  das  post¬ 
operative  Erbrechen  gerade  den  Laparotomierten  ist,  veil  es 
mit  so  lebhaften  Schmerzen  an  der  Bauchwunde  verbunden  ist, 
dann  müssen  wir  doch  ein  Verfahren  dankbarst  begrüssen, 
welches  das  Erbrechen  auf  ein  Minimum  reduziert.  Bei  An- 

A* 


2044 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Wendung  der  Inhalationsnarkose  selbst  mit  der  verbesserten 
Mischnarkose  nach  Braun  ist  es  uns  früher  unmöglich  ge¬ 
wesen,  das  Ziel,  welches  wir  uns  gesteckt  hatten,  eine  mög¬ 
lichst  grosse  Zahl  der  Laparotomierten  schon  am  ersten  Tage 
ausser  Bett  zu  bringen,  zu  erreichen;  dagegen  haben  wir  in¬ 
folge  der  geringen  postoperativen  Nachwirkungen  bei  der  kom¬ 
binierten  Methode  der  Rückenmarksanästhesie  es  erreicht,  dass 
unter  den  letzten  100  Laparotomierten  71  schon  am  ersten  Tage 
das  Bett  verlassen  konnten.  Wir  haben  früher  stets  einen  ge¬ 
wissen  Prozentsatz  schwerer  Erkrankungen  und  Todesfälle  in¬ 
folge  von  postoperativem  mechanischen  Ileus  gehabt,  während 
wir  unter  den  letzten  500  Laparotomien  dies  nicht  ein  einziges 
Mal  beobachtet  haben.  Wir  glauben  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn 
wir  auch  hierfür  die  veränderte  Nachbehandlung  der  Lapa¬ 
rotomierten,  welche  uns  erst  durch  die  Anwendung  der  Rücken¬ 
marksanästhesie  ermöglicht  war,  als  Ursache  heranziehen. 

Man  muss  sich  die  grossen  Nachteile  der  Inhalations¬ 
narkose  speziell  bei  Laparotomien  vor  Augen  halten,  um  nicht 
in  jedem  Falle,  in  welchem  die  unangenehmen  Nachwirkungen 
des  lebhaften  Kopfschmerzes  nach  der  Rückenmarksanästhesie 
eintreten,  gleich  das  Kind  mit  dem  Bade  auszuschütten.  Ein 
so  ideales  Narkotikum,  welches  gar  keine  Nachwirkung  hinter¬ 
lässt,  wird  es  wohl  so  bald  nicht  geben.  Bei  kurz  dauernden 
Narkosen,  wie  sie  zu  kleineren  operativen  Eingriffen  wie 
leichter  Zange,  Wendungen,  Auskratzungen,  Abortausräu¬ 
mungen  usw.  nötig  sind,  hat  die  Inhalationsnarkose  geringere 
Nachteile  als  die  Rückenmarksanästhesie.  Wir  befinden  uns 
hier  in  einem  gewissen  Gegensatz  zu  der  Anschauung 
mancher  Chirurgen,  welche  die  Rückenmarksanästhesie 
gerade  für  kleinere  operative  Eingriffe  an  den  unteren 
Extremitäten  warm  empfehlen,  sie  dagegen  bei  grösseren  Ein¬ 
griffen  im  Abdomen  für  kontraindiziert  erachten.  Wir  meinen, 
dass  bei  allen  kleineren  Eingriffen  die  Rückenmarks¬ 
anästhesie  vielleicht  wieder  verschwinden  wird,  weil  hier  die 
Inhalationsnarkose  weniger  Nachteile  hat;  dagegen  glauben 
wir,  dass  sie  ihr  eigenstes  Verwendungsgebiet  bei  Lapa¬ 
rotomien  haben  und  behalten  wird;  wir  haben  wenigstens  an 
unserem  Material  im  Laufe  der  Zeit  einen  derartigen  Wandel 
in  unsern  Anschauungen  durchgemacht.  Während  wir  in  der 
ersten  Zeit  mit  Vorliebe  kleinere  gynäkologische  und  geburts¬ 
hilfliche  Operationen  in  Rückenmarksanästhesie  ausführten, 
dagegen  nur  zögernd  an  Laparotomien  herangingen,  ist  es  in 
den  letzten  500  Fällen  gerade  umgekehrt  gewesen.  Heute 
wenden  wir  die  Rückenmarksanästhesie  bei  allen  Laparotomien, 
bei  allen  grösseren  vaginalen  Operationen,  bei  welchen  uns 
stärkeres  postoperatives  Erbrechen  bei  angestrengter  Bauch¬ 
presse  schädlich  erscheint,  an  z.  B.  bei  Prolapsoperationen,  da¬ 
gegen  haben  wir  ihr  Verwendungsgebiet  bei  kleineren  gynä¬ 
kologischen  und  geburtshilflichen  Eingriffen  eingeschränkt.' 

Hieraus  ergibt  sich  gleichzeitig  eine  gewisse  Berück¬ 
sichtigung  der  statistischen  Zahlen.  Die  Nachwirkungen  und 
Todesfälle  nach  der  Inhaltionsnarkose  können  mit  den  Nach¬ 
wirkungen  und  I  odesfällen  nach  der  Rückenmarksanästhesie 
nicht  direkt  verglichen  werden;  die  vielen  kurz  dauernden 
Nai  kosen  verbessern  das  Konto  der  Inhalationsnarkose, 
während  die  ausschliesslich  grösseren  Operationen  das  Konto 
der  Rückenmarksanästhesie  belasten  müssen.  Dass  auch 
unser  heute  eingehaltenes  Verfahren  noch  Mängel  hat,  be¬ 
zweifeln  wir  selbst  am  wenigsten;  der  Zweck  dieser  Zeilen  ist 
erreicht,  wenn  wir  die  zum  Teil  einreissende  Mutlosigkeit 
wieder  gehoben  und  gezeigt  haben,  dass  die  Mitarbeiterschaft 
von  vielen,  vor  allem  auch  von  Anatomen  und  Pharmakologen 
notwendig  ist,  um  diese  so  geniale  Methode  Biers  noch 
weiter  auszubauen. 

- - - — - 

Arzneien  der  Wasuaheli. 

Gesammelt  von  Dr.  H.  Krauss,  früherem  Bahnbauarzt, 

Daressalam. 

Arzt,  Geisterbeschwörer  und  Zauberer  ist  bei  den  Wasuaheli, 
dem  Küstenstamme  Deutsch-Ostafrikas,  ein  und  dasselbe.  .Jeder¬ 
mann  achtet  ihn  ob  seiner  Kunst,  niemand  will  ihn  zum  Feinde  haben; 
denn  er  kann  jeden,  den  er  hasst,  vom  bösen  Geist  besessen  machen, 
ja  kann  ihn  durch  fernwirkende  Gifte  töten. 

Und  der  Arzt  selbst  ist  bestrebt,  sein  Ansehen  noch  zu  erhöhen. 

1  euer  muss  seine  Hilfeleistung  bezahlt  werden,  grosser  Pomp  wird 


entfaltet,  wenn  er  sich  anschickt,  eine  Besessene  zu  heilen,  geheimnis¬ 
volle  Stoffe  werden  zusammengebraut,  um  die  wirksame  Arzenei  zu 
bereiten. 

Eine  Anzahl  der  gewöhnlicheren  Arzneimittel  ist  zumeist  auch 
den  Boys,  den  Dienern  der  Weissen,  bekannt;  aber  es  ist  sehr  schwer, 
ihr  Zutrauen  in  dem  Masse  zu  gewinnen,  dass  sie  darüber  Mitteilung 
machen.  „Der  Weisse,  der  selbst  so  viele  Heilmittel,  so  starke  Gifte 
besitzt,  der  sogar  aus  den  Leichen  Arznei  bereitet  (mein  Junge  sah, 
wie  bei  einer  Sektion  einige  Organstückchen  in  Alkohol  gelegt 
wurden),  wie  kann  der  sich  für  unsere  Arzneien  interessieren?  Er 
will  uns  höchstens  lächerlich  machen;  und  dann  erfahren  es  wieder 
unsere  schwarzen  Aerzte,  die  geben  uns  Gift,  weil  wir  ihre  Geheim¬ 
nisse  verraten  haben".  So  urteilt  der  Schwarze.  Die  Antwort  die  der 
Weisse  auf  alle  Fragen  in  dieser  Richtung  erhält,  heisst:  „sijui  bana, 
ich  weiss  nicht,  Herr“. 

Wer  sich  indes  die  Mühe  nicht  verdriessen  lässt,  immer  wieder 
zu  fragen  und  dem  Schwarzen  auch  sonst  sein  Interesse  für  die 
Lebensgewohnheiten  der  Eingeborenen  zu  zeigen,  der  wird,  zumal 
allein  auf  Reisen,  doch  manches  erfahren  können.  So  sind  auch  die 
nachfolgenden  Notizen  entstanden.  Eine  Nachprüfung  anzuslellen 
oder  botanische  Namen  anzugeben  war  nicht  möglich.  Immerhin 
dürfte  vielleicht  der  eine  und  andere  von  den  in  Ostafrika  weilenden 
Aerzten  seinerseits  angeregt  werden  mitzusammeln.  Denn  einmal 
scheint  es  zum  genauen  Verständnis  eines  Volksstammes  durchaus 
nötig,  dass  auch  seine  medizinischen  Anschauungen  bekannt  seien, 
zum  anderen  ist  es  vielleicht  möglich,  den  heimischen  Arzneischatz 
durch  die  eine  und  andere  wertvolle  Droge  zu  bereichern. 

I.  Mineralische  Heilmittel. 

Mulutulutu,  Cuprum  sulfuricum,  wird  im  Inderladen  gekauft 

1.  gegen  Buba  =  Framboesia.  Das  Kupfersulfat  wird  mit  Wasser 
zu  einem  Brei  angerührt  und  auf  das  von  der  Borke  befreite  Ge¬ 
schwür  aufgetragen.  Das  schmerzt  etwa  8  Stunden  lang  sehr  stark, 
dann  ist  der  Schmerz  vorüber.  Nach  4 — 5  lagen  Heilung. 

2.  In  schmerzende  hohle  Zähne  wird  vorsichtig  etwas  gepulvertes 
Kupfersulfat  gegeben.  Der  Schmerz  hört  auf  und  am  anderen  Tag 
ist  der  Zahn  locker  und  kann  herausgenommen  werden. 

3.  zur  Fruchtabtreibung.  Ein  Kristall  von  Zwetschgenkerngrösse 
wird  in  etwa  1  Vz  Liter  Wasser  aufgelöst  und  davon  früh  und  abends 
getrunken.  Die  Frau  bekommt  grosse  Unruhe  und  Schmerzen  im 
Leib,  hat  blutigen  Stuhlgang.  Am  anderen  Tage  wird  das  tote  Kind 
geboren.  Manchmal  stirbt  auch  die  Mutter. 

II.  Pflanzliche  Heilmittel. 

Khalafuu,  Nelken.  1.  Gegen  Augenentzündung  werden  2  Gewürz¬ 
nelken  gestossen,  mit  Wasser  zu  einem  Brei  angerührt  und  auf  die 
Ränder  der  Augenlider  aufgetragen.  Das  schmerzt  sehr,  aber  die 
Augen  werden  besser. 

2.  Gegen  Fieber  mit  Schüttelfrost  wird  eine  Hand  voll  Nelken 
in  heisses  Wasser  gebracht  und  leicht  gekocht.  Mit  dem  Wasser 
wäscht  man  den  Kranken.  Das  schmerzt  sehr,  aber  es  kommt  viel 
Schweiss  und  die  Krankheit  ist  zu  Ende. 

Ambali,  ein  Harz,  beim  Inder  zu  kaufen. 

1.  Ein  Stückchen  in  einen  schmerzhaften  hohlen  Zahn  bewirkt, 
dass  derselbe  schmerzlos  ausfällt. 

2.  Gegen  böse  Geister.  Wenn  die  Sonne  sehr  heiss  brennt,  laufen 
die  bösen  Geister  herum.  Zum  Schutze  bindet  man  ein  Korn  dieses 
Harzes  mit  einem  Tuch  an  das  linke  Handgelenk,  nicht  ans  rechte, 
sonst  kommt  der  Geruch  in  die  Speisen.  (Die  Nahrung  wird  nur  mit 
der  rechten  Hand  zum  Mund  geführt,  rechts  heisst  wa  kulia  =  zum 
Essen,  links  wa  kushoto  =  die  Hand,  die  den  After  reinigt). 

Tangauisi,  Wurzel  einer  von  den  Wasuaheli  gezogenen  Blatt¬ 
pflanze.  Bei  Kopfschmerz  wird  die  mit  Wasser  verriebene  Wurzel 
auf  die  Stirne  gestrichen.  Das  brennt  sehr,  aber  der  Kopfschmerz 
geht  vorüber. 

Kungu,  Muskatnuss.  Reizmittel.  Wenn  eine  Frau  5  Nüsse  mit 
Zucker  verrührt  und  mit  Wasser  trinkt,  wird  sie  betrunken,  lärmt  und 
bekommt  ganz  rote  Augen. 

Manjano  Gelbwurz.  1.  Bei  Augenentzündung  wird  das  mit 
Wasser  verrührte  Pulver  auf  die  Augenlider  aufgetragen. 

2.  Bei  Schwellungen  am  Bein  wird  Gelbwurz  mit  Wasser  auf¬ 
getragen  und  das  Bein  verbunden.  Das  brennt  sehr,  aber  das  Bein 
schwillt  ab.  Ebenso  macht  man  es  bei  Fingereiterungen  (Panaritien). 

Papaja.  1.  Die  Kerne  der  kürbisartigen  Frucht  werden  ge¬ 
trocknet,  zerrieben  und  dienen  als  Arznei  gegen  den  Bandwurm. 

2.  Die  Wurzel  des  männlichen  Papajabaumes  dient  als  Arznei 
gegen  Tripper. 

Mkalia,  akazienartiger  Baum.  Die  Wurzel  wird  rein  geschabt 
und  in  Wasser  gekocht.  Das  Wasser  wird  bei  blutigem  Durch¬ 
fall  getrunken. 

Ukamvi,  Strauch  am  Wege.  Der  aus  den  Blättern  gewonnene 
Thee  dient  als  Arznei  gegen  Durchfall. 

Kimbumburu.  Die  Wurzel  dieses  Baumes  wird  mit  Wasser  auf 
einem  Stein  verrieben  und  bei  mdudu  =  Wurm,  Panaritium  auf  den 
kranken  Finger  aufgetragen.  Dann  bricht  der  Eiter  sehr  bald  nach 
aussen  durch  und  der  Finger  bleibt  gelenkig. 

Kilansilansi.  Die  Asche  des  Grases  wird  vermischt  mit  Rizinusöl, 
dazu  kommt  der  gekochte  Saft  von  Zitronen.  Das  wird  in  einem 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2045 


Ziegenhorn  aufbewahrt.  Wenn  nun  ein  Kranker  mit  Schwellung  des. 
Beines  oder  stechenden  Schmerzen  in  der  Brust  kommt,  so  wir  d 
ihm  die  Haut  an  der  schmerzhaften  Stelle  leicht  eingeschnitten,  der 
Kranke  festgehalten  und  die  Arznei  auf  die  Schnittwunde  aufge¬ 
strichen.  Das  schmerzt  sehr,  aber  bald  sind  Schmerz  und  Schwellung 
vorüber.  Die  Behandlung  kostet  zuerst  1  Rp  =  1.33  M.  und  nach 
der  Heilung  sind  nochmal  2  Rp  zu  zahlen. 

Tangatanga=Lutatanhanga,  schlinggewächsartiges  Gras,  ähnlich 
wie  unsere  Kleeseide.  Bei  Husten  wird  das  Gras  mit  Wasser  auf  einem 
Stein  zerrieben,  mit  einem  Ei  verrührt  und  auf  die  Biust  gestrichen. 
Das  zieht  die  Haut  stark  zusammen.  In  der  Nacht  muss  der  Kranke 
dann  nicht  husten.  Am  andern  Morgen  wird  die  Arznei  abgewaschen 
und  frisch  aufgetragen.  Das  wird  4  T  age  lang  gemacht,  dann  erfolgt 

Lusuagamenhe,  Wurzel  einer  knöterich-ähnlichen  Pflanze,  wiid 
bei  Zahnschmerz  auf  einem  Stein  zerrieben  und  in  den  schmerzhaften 
hohlen  Zahn  gegeben.  In  der  Nacht  ist  der  Kranke  frei  von  Schmerz 
und  am  andern  Tag  geht  der  Zahn  von  selbst  aus. 

Die  stickstoffreichen  Knollen,  Ulanga,  dieser  Pflanze  dienen  zum 

Stärken  der  Kleider.  ,  x  .  ,  .,  , 

Mtomokwe.  Wenn  jemand  Gift  bekommen  hat  ,  wird  ihm  der 
aus  der  Wurzel  bereitete  Thee  gegeben.  Darnach  hat  er  reichlich 

blutigen  Stuhlang  und  bleibt  gesund. 

Tula  die  Frucht  des  Nachtschattengewächses  lunguja,  wird 
in  heisse  Asche  gelegt,  bis  sie  weich  ist.  Dann  wird  sie  ausgehohlt, 
dass  die  wurmkranke  Fingerkuppe  hineinpasst.  Die  Hand  wird  hoch¬ 
gebunden  und  die  über  den  Finger  gesteckte  Frucht  bewirkt,  dass 
die  Eiterung  bald  nach  aussen  durchbricht. 

Diese  Frucht  gilt  als  Schutzmittel  gegen  Krokodile  und  wird 
beim  Durchschreiten  der  Flüsse  in  der  Hand  gehalten. 

Muharaka.  Die  Wurzel  des  Baumes  wird  gekocht  und  das 
Wasser  von  den  Frauen  zum  Zweck  der  Fruchtabtreibung  getrunken. 
Die  Arznei  schmerzt  sehr,  der  Stuhlgang  wird  blutig.  Das  Kind  ist 
schwarz  verfärbt.  Wenn  das  Kind  schon  gross  war,  stirbt  auch  die 

MUttFalls  diese  Arznei  nichts  helfen  sollte,  wird  Schiesspulver  in 
Wasser  zerrieben  und  getrunken;  nach  8  Stunden  ist  das  Kind 

R£  °Muhungilo.  Die  Blätter  und  Wurzeln  werden  in  verschiedenen 
Töpfen  gekocht.  Der  Thee  aus  den  Wurzeln  wird  von  der  Frau,  die 
gebären  will,  getrunken,  der  Blätterthee  wird  an  der  Hütte  nieder¬ 
gesetzt.  Dann  geht  die  Geburt  leicht  von  statten.  .  ,  .  , 

Pamba,  Baumwolle.  Manche  Brustkranke,  die  sich  einer  sehr 
schmerzhaften  Behandlung  unterziehen  mögen,  lassen  sich  mit 
brennender  Baumwolle  lauter  Brandwunden  auf  Brust  und  Rucken 


erzeugen. 


III.  Animalische  Heilmittel. 


Maziwa  ya  bibi,  Frauenmilch  wird  als  Arznei  gegen  den  schaifen 
Saft  der  Candelaber-Euphorbie  ins  kranke  Auge  gegeben.  Darnach 

hört  der  Schmerz  auf.  ...  . 

Mavi  ya  tembo,  Elefantenkot.  Dient  mit  Wasser  verrührt  zur 

Waschung  von  Geisteskranken,  die  dadurch  genesen. 

Wird,  mit  Wurzeln  zu  einem  Thee  gekocht  und  dieser  von 
Frauen  getrunken,  um  den  Eintritt  der  Schwangerschaft  zu  be- 
schleunigen. 

Mavi  ya  fist  Hyänenkot.  Die  Hyäne  kann  Tag  und  Nacht  gehen 
ohne  zu  rasten.  Wenn  jemand  schlecht  gehen  kann,  macht  er  sich 
über  der  Kniescheibe  und  über  den  Fussknöcheln  beider  Beine  einen 
Zirkulärschnitt  und  reibt  den  Kot  der  Hyäne  da  hinein.  Dann  kann 
er  laufen  ohne  müde  zu  werden.  Viele  Träger  machen  sich  diese 
A  rznei 

Mavi  ya  ngaua,  Kot  der  Zibetkatze.  Arznei  für  unruhige  Kinder. 
Das  Tier  geht  nur  wenig  und  schläft  sehr  viel.  Der  Kot  wird  ge¬ 
röstet  und  in  die  leicht  geritzte  Stirn-  und  Nackenhaut  des  Kindes 
eingerieben.  Die  Wurzeln,  auf  denen  das  Tier  gelegen  hat^.  weiden 
mit  dem  Brei,  den  das  Kind  zu  essen  bekommt,  gekocht.  Dadurch 
wird  das  Kind  still  und  läuft  nicht  mehr  weg. 

Mboo  ya  tobe,  Penis  des  Riedbock.  Wenn  jemand  impotent  ist, 
macht  ihm  der  Arzt  aus  diesem  und  anderen  Sachen  eine  Suppe. 
Wenn  der  Kranke  schlau  ist,  trinkt  er  wenig  von  der  Arznei  und 
bezahlt  den  Arzt,  sobald  die  Impotenz  verschwunden  ist.  Wenn  er 
die  ganze  Suppe  trinkt,  bekommt  er  einen  ganz  grossen  Hodensack, 
dann  hilft  keine  Arznei  und  der  Kranke  muss  sich  vom  weissen  Arzt 
den  Hodensack  wegschneiden  lassen. 

Kaoli,  Kaurimuscheln,  werden  in  den  Saft  von  Limonen  gelegt 
und  an  die  Sonne  gestellt.  Nach  2  Stunden  sind  die  Muscheln  ver¬ 
schwunden,  von  der  Säure  aufgezehrt.  Diese  Arznei  wird  bei 
Kichocho  =  eitrigem  Tripper  getrunken  und  der  Kranke  ist  rasch 
gesund.  .  , 

Kola.  Das  Haus  dieser  Schnecke  dient  als  Arznei  gegen  harten 
Schanker.  Es  wird  zu  Pulver  verbrannt,  der  Kranke  festgehalten 
und  das  Pulver  auf  die  Wunde  gestreut.  Das  schmerzt  vom  Morgen 
bis  zum  Abend.  6  Tage  bleibt  die  Wunde  unberührt,  am  siebenten 
wird  sie  gereinigt.  In  der  Zeit  trinkt  der  Kranke  auch  das  im  Wasser 
verrührte  Pulver  dieses  Schneckenhauses,  damit  die  im  Körper  be¬ 
findliche  Wurzel  der  Krankheit  absterbe. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

E.  Krompecher  -  Ofen-Pest :  Kristallisation,  Fermen¬ 
tation,  Zelle  und  Leben.  Eine  biologisch-philosophische  Studie. 

88  Seiten  mit  40  Figuren  im  Text.  Verlag  von  J.  F.  Berg¬ 
mann  -  Wiesbaden,  1907.  Preis  2.40  M. 

Die  vorliegende  Broschüre  verdankt  ihre  Entstehung  mor¬ 
phologischen  und  literarischen  Studien,  zu  welchen  Verfasser 
zuerst  durch  Untersuchungen  über  mehrfache  indirekte  Kern¬ 
teilung  bei  Tier-  und  Pflanzenzellen  angeregt  wurde.  Der  Ver¬ 
fasser  fand  nämlich  die  Kernspindeln  und  I  ochterkerne  ent¬ 
sprechend  den  Kanten  und  Spitzen  eines  Tetraeders,  Oktaeders 
und  Hexaeders  angeordnet  und  suchte  auf  Grund  dieser  Be¬ 
funde  nach  Beziehungen  zwischen  Kristallisation  und  Leben, 
zwischen  anorganischem  und  organischem  Geschehen.  Dazu 
regten  ferner  im  Pasteur  sehen  Institut  zu  Paris  vom 
Verfasser  angestellte  Versuche  an,  welche  ergaben,  dass 
Tuberkulose  auch  durch  sicher  abgetötete  Tuberkel¬ 
bazillen  erzeugt  werden  kann.  Der  Wunsch,  die  Be- 
rührungs-  und  Trennungspunkte  zwischen  Leblosem  und 
Lebendem  festzustellen  und  auf  die  Fragen  der  Er¬ 
scheinung,  Entstehung  und  Deutung  des  Lebens  überhaupt  ein¬ 
zugehen,  entsprang  aus  alledem. 

Das  Thema  wird  in  vier  Kapiteln  —  Beziehungen  zwischen 
Leben  und  Tod  —  Kristallisation,  Zelle  und  Leben  —  Fermen¬ 
tation,  Zelle  und  Leben  —  Erscheinung,  Entstehung  und  Deu¬ 
tung  des  Lebens  —  behandelt. 

Im  ersten  Kapitel  werden  die  in  der  Biologie  angenom¬ 
menen  Beziehungen  zwischen  Leben  und  Tod  rekapituliert  und 
dadurch  ein  Schema  und  Anknüpfungspunkte  für  weitere  Be¬ 
trachtungen  gewonnen. 

Im  zweiten  Kapitel  kommt  der  Verfasser  insbesondere  aut 
Grund  der  neueren  Versuche  von  Bütschli,  Quincke  und 
Lehmann  zu  dem  Ergebnis,  dass  in  morphologischer  Be¬ 
ziehung  weder  die  Erscheinung  der  Kristallisation  für  das  Leb¬ 
lose,  noch  das  Vorhandensein  von  Zellen  für  das  Leben  absolut 
charakteristisch  ist  und  so  einer  dieser  morphologischen  Be¬ 
funde  an  und  für  sich  als  Kriterium  des  Lebenden  und  Leblosen 
gelten  kann. 

Aus  den  älteren  Versuchen  von  Claude-Bernard  und 
Pasteur  und  den  neueren  von  Büchner  und  vielen  andern 
schliesst  der  Verfasser  im  dritten  Kapitel,  dass  auch  die  Fer¬ 
mentation  als  chemischer  Prozess  nichts  weniger  als  ein  all¬ 
gemein  charakteristisches  Merkmal  des  Lebens  darstellt. 

Im  letzten  Kapitel,  das  viel  mit  Philosophie  durchsetzt  ist 
und  in  welchem  das  teleologische  Prinzip  eingehend  behandelt 
wird,  spricht  der  Verfasser  auf  Grund  seiner  bisherigen  Dar¬ 
legungen  die  Ansicht  aus,  dass  ausser  dem  biologisch  und 
mechanistisch  Deutbaren  vom  Leben  noch  die  inneren  Er¬ 
scheinungen  übrig  bleiben,  welche  sich  in  der  Anpassung,  Er¬ 
haltung,  in  den  psychischen  Fähigkeiten  des  Lebens  äussern, 
welche  aber  nicht  zu  erforschen,  nicht  zu  deuten  sind. 

Der  Verfasser  tröstet  schliesslich  mit  Goethes  Worten, 
dass  die  höchste  Befriedigung  doch  sei,  „das  Erforschliche 
erforscht  zu  haben  und  das  Unerforschliche  ruhig  zu  verehren“, 
gelangt  aber  doch,  sich  etwas  widersprechend,  zu  dem  ganz 
allgemeinen  philosophischen  Standpunkte,  dass  duichgi  eifende 
Unterschiede  zwischen  Lebendem  und  Leblosem,  organischem 
und  anorganischem  Geschehen  nicht  bestehen. 

Zieht  man  das  Fazit  aus  den  Darlegungen  des  Verfassers, 
so  verdient  besonderes  Interesse  das  1  atsächliche,  was  von 
seinen  Untersuchungen  über  mehrfache  Kernteilung,  Betrach¬ 
tungen  darüber  und  über  seine  Tuberkuloseversuche  mitgeteilt 
wird;  dass  das  Vorgestellte  und  seine  philosophischen  Er¬ 
örterungen  darüber  wesentlich  Neues  zur  Lösung  des  Problems 
über  Ursprung  und  Wesen  des  Lebens  ergeben  hätten,  kann 
Referent  nicht  finden;  mit  Philosophie  macht  man  eben  keine 
Biologie.  Immerhin  regt  aber  das  Buch,  im  ganzen  genommen, 
in  vielfacher  Weise  zu  interessanten  Betrachtungen  an. 

K.  Bü  r  k  e  r  -  Tübingen. 


Hans  Schmaus:  Grundriss  der  pathologischen  Ana¬ 
tomie.  VIII.  Auflage,  neu  bearbeitet  und  herausgegeben  von 
Dr.  Gotthold  Herxheimer,  Prosektor  am  städtischen 
Krankenhaus  zu  Wiesbaden,  mit  313  Textfiguren  und  /9  rar- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


bigen  Abbildungen  auf  47  Tafeln.  Wiesbaden.  Verlag  von  J.  F. 
Bergman  n,  1907. 

Es  berührt  gewiss  alle  Freunde  des  S  c  h  m  a  u  s  sehen 
Lehrbuches  tief  schmerzlich,  dass  die  neue  Auflage  des  Werkes 
nicht  mehr  von  dessen  Schöpfer,  welcher  inzwischen  durch  den 
Tod  seinen  Freunden  und  der  Wissenschaft  entrissen  worden 
ist,  herausgegeben  werden  konnte. 

Um  so  dankbarer  ist  es  anzuerkennen,  dass  Herx¬ 
heim  e  r  die  neue  Auflage  völlig  im  Geiste  von  Schmaus 
gehalten  hat,  wenn  auch  entsprechend  den  Fortschritten  der 
Wissenschaft  mehrere  Kapitel,  wie  z.  B.  über  die  Entzündung, 
die  Pathogenese  und  Aetiologie  der  Gewächse  und  andere  eine 
Umarbeitung  erfahren  mussten  und  auch  viele  andere  Ab¬ 
schnitte  in  mancher  Hinsicht  einer  Ergänzung  und  teilweiser 
Neubearbeitung  bedurften.  Aber  an  dem  von  Schmaus  als 
obersten  Leitsatz  aufgestellten  Bestreben,  das  Schwergewicht 
in  der  Darstellung  auf  die  wichtigen  Prozesse  zu  verlegen  und 
weniger  wichtige  Kapitel  kurz  zu  behandeln,  hat  auch  Herx¬ 
heim  e  r  festgehalten  und  damit  dem  Werke  einen  Vorzug 
bewahrt,  welcher  es  als  Grundriss  für  den  Gebrauch  der  Stu¬ 
dierenden  besonders  geeignet  erscheinen  lässt.  Nur  so  war  es 
auch  möglich,  den  neuen  Errungenschaften  auf  dem  Gebiete  der 
allgemeinen  Pathologie  und  der  pathologischen  Anatomie  ge¬ 
recht  zu  werden,  ohne  den  Text  um  mehr  als  nur  70  Seiten  zu 
vermehren. 

Sehr  erfreulich  ist  es,  dass  dem  Werke  50  neue  Abbil¬ 
dungen  beigegeben  wurden,  welche  zum  leichteren  Verständnis 
des  Textes  wesentlich  beitragen. 

Es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  der  Schmaus  sehe  Grund¬ 
riss  auch  in  Zukunft  sich  der  gleichen  Beliebtheit  bei  den 
Studierenden  erfreuen  wird,  wie  bisher.  G.  Hauser. 

Dr.  M.  Reichardt,  Privatdozent  für  Psychiatrie,  Würz¬ 
burg:  Leitfaden  zur  Psychiatrischen  Klinik.  Gustav  Fischer, 
Jena  1907.  74  Abbildungen.  206  Seiten.  Preis  geb.  6  M. 

Das  Buch  hat  vieles  Gute  und  viel,  was  wenigstens  für  die 
gewöhnlichen  Sterblichen  recht  auffallend  ist.  Das  Gute  ist 
folgendes:  Alles,  was  der  Verf.  sagen  will,  ist  sehr  klar  und 
pointiert  dargestellt.  Verf.  zeigt  auch  eine  zwar  scharfe,  aber 
im  Ganzen  recht  erfreuliche  Kritik  herrschender  Meinungen  da, 
wo  die  Wissenschaft  die  Neigung  hat,  ohne  genaue  Prüfung  ein¬ 
mal  üblich  gewordene  Ansichten  nachzusagen.  Auch  sonst 
wird  manches  sehr  wertvolle  geboten;  Ref.  möchte 
namentlich  auf  den  Abschnitt  über  die  Neurosen  verweisen, 
ohne  damit  alles  dort  ausgeführte  zu  unterschreiben. 

Vom  Auffallenden  können  wir  nur  eine  kleine  Blütenlese 
geben.  Verf.  wendet  „die  Haupttugend  des  Psychiaters“,  das 
Misstrauen,  das  er  auf  anderer  Ansichten  in  so  reichlichem 
Masse  ausgiesst,  bei  seinen  eigenen  Ausführungen  entschieden 
zu  wenig  an.  Statt  Beweise  für  seine  Ansichten  zu  geben, 
wählt  er  das  leichtere,  die  gegenteiligen  Ansichten  anderer  als 
ungenügend  fundiert  darzustellen,  worauf  er  mit  einem  lo¬ 
gischen  Salto  mortale  seine  eigene  Meinung  für  bewiesen  hält. 
Es  finden  sich  selten  in  einem  meiner  Bücher  so  viel  Frage¬ 
zeichen  und  Ausrufzeichen  als  Marken  unbewiesener  Be¬ 
hauptungen,  wie  in  diesem  Leitfaden.  Es  ist  nun  denkbar, 
dass  Verf.  in  der  Lage  ist,  seine  Aufstellungen  zu  erhärten, 
dann  wäre  es  für  die  Wissenschaft  sehr  wertvoll,  wenn  er  es 
recht  bald  täte.  Da  schreibt  Bruce  ein  Buch,  in  dem  er  ge¬ 
stützt  auf  mehrjährige  sehr  fleissige  Studien  nachgewiesen 
haben  will,  dass  eine  Anzahl  der  akuten  Zustände,  die  wir  der 
Dementia  praecox  zuteilen,  auf  Infektion  beruhen,  und  der  letzte 
Kongress  der  Psychiater  französischer  Zunge  widmete  der 
Frage  einen  schönen  Teil  seiner  Kraft.  Verf.  weiss  aber,  dass 
die  Infektion  hier  keine  Rolle  spielt.  —  Regierungen  und 
Hunderttausende  altruistischer  Menschen  geben  sich  ver¬ 
zweifelte  Mühe,  den  Alkoholismus  zu  bekämpfen;  das  ist  ganz 
unnütz,  denn  Verf.  weiss,  dass  der  Kampf  hoffnungslos  ist. 
Psychologisch  interessant  wäre  es  u.  a.  auch,  wenn  bewiesen 
wäre,  dass  wirklich  die  Epileptiker  „gewöhnlich“  ein  höheres 
Lebensalter  erreichen;  es  gibt  nämlich  Leute  mit  Erfahrung,  die 
das  Gegenteil  meinen;  wie  sind  die  zu  dem  Irrtum  gekommen? 

—  Es  gibt  nach  Verf.  keinen  ätiologischen  Zusammenhang 
zwischen  Geschlechtsfunktion  und  Psychosen,  ja  wie  es  scheint 
auch  den  Neurosen;  wie  viel  Sorgen  der  Kranken,  wie  viel 


Arbeit  der  Gelehrten  und  behandelnden  Aerzte  könnte  Verf. 
ersparen,  wenn  er  dieser  Ansicht  Glaubhaftigkeit  gäbe.  Und 

so  weiter. 

Wohl  infolge  des  Misstrauens  gegen  alles,  was  nicht 
aktenmässig  festzustellen  ist,  legt  Verf.  auf  die  körperlichen 
Zustände  der  Geisteskranken  oder  auf  normale  oder  krank¬ 
hafte  anatomische  Verhältnisse  ein  sehr  grosses  Gewicht,  ein 
so  grosses,  dass  er  in  dem  kurzen  Kompendium  Raum  findet 
für  das  Zuckungsgesetz,  dass  er  sogar  Rückenmarksschnitte 
reproduziert  und  eine  Wage  zum  Wägen  widerspenstiger  Pa¬ 
tienten  nicht  nur  empfiehlt,  sondern  abbildet.  Er  meint  aller¬ 
dings,  bei  ungenügend  essenden  Kranken  sei  die  tägliche 
Wägung  notwendig;  glücklicherweise  ist  eine  solche  Quälerei 
aber  sehr  leicht  zu  umgehen,  wenn  man  sich  geübt  hat,  den  Er¬ 
nährungszustand  ohne  solche  Pseudoexaktität  zu  schätzen. 
Verf.  braucht  aber  die  Wage  auch  notwendig  zur  Diagnose 
der  Mikrozephalie.  Im  Gegensatz  zu  der  sonstigen  über¬ 
triebenen  Neigung  zu  physikalischen  Methoden  findet  Verf.  be¬ 
sondere  Instrumente  für  die  Pupillenuntersuchung  unnötig; 
gerade  hier  könnte  aber  die  Untersuchung  der  psychischen 
Reflexe,  die  ohne  Instrumentarium  bis  jetzt  nicht  möglich  ist, 
für  die  Diagnose  sehr  wichtig  werden. 

Den  Raum  für  seine  anatomischen  und  kritischen  Er¬ 
wägungen  findet  Verf.  dadurch,  dass  er  auf  alles  Psychologische 
verzichtet.  Es  hat  das  seinen  didaktischen  Vorteil,  denn  leider 
Gottes  ist  die  Vorbildung  unserer  Mediziner  in  dieser  Be¬ 
ziehung  so  schlecht  als  möglich.  Aber,  wenn  es  alle  Leute  so 
machen  wollten,  so  wäre  es  bald  aus  mit  den  Fortschritten  der 
Psychiatrie.  Des  Verf.  Versuch,  die  Wahnideen  zu  definieren, 
ist  verunglückt,  indem  die  Definition  auch  Irrtum  und  Aber¬ 
glauben  aller  Art  einschliesst.  Der  höchste  im  Buche  vor¬ 
kommende  psychopathologische  Begriff  ist  wohl  der  der 
„Ideenflucht“;  leider  ist  aber  auch  dieser  gar  nicht  beschrieben 
und  doch  beruht  auf  der  richtigen  Kenntnis  dieser  Symptome 
in  erster  Linie  die  Diagnose  der  manischen  Zustände.  So 
kann  es  denn  kommen,  dass  beim  „Schwachsinn“  das  Gedächt¬ 
nis  schlecht  ist,  dass  der  epileptische  Schwachsinn,  der  sich  so 
sehr  von  allen  andern  Arten  von  Schwachsinn  unterscheidet 
ohne  ein  einziges  Wort  der  Charakterisierung  angeführt  wird, 
dass  man  zur  Unterscheidung  der  Paralyse  von  der  Idiotie  die 
Schulzeugnisse  braucht  u.  dgl,  während  für  den  psychologisch 
Geschulten  die  beiden  Formen  von  „Schwachsinn“  sich  so  gut 
von  einander  unterscheiden  wie  ein  Stiefel  von  einem  Tinten- 
klex,  obschon  diese  beiden  Dinge  schwarz  sind. 

So  ist  es  selbstverständlich,  dass  Verf.  auf  die  Diagnose 
keinen  grossen  Wert  legen  kann;  er  stellt  ihr  die  Prognose 
voran;  das  wäre  praktisch  ganz  schön,  wenn  nur  das  eine  ohne 
das  andere  möglich  wäre. 

Die  Systematik  ist  denn  auch  eine  sehr  einfache;  sie  ent¬ 
fernt  sich  insofern  nicht  weit  von  K  r  ä  p  e  1  i  n,  als  Verf.  die 
einfachen  Formen  von  Manie  und  Melancholie  nur  durch  den 
Verlauf  von  den  periodischen  und  zyklischen  unterscheidet,  und 
als  er  dieVerblödungsformen  als  Dementia  Simplex  oder  praecox 
zusammenfasst.  Immerhin  ist  bei  ihm  die  Krankheitseinheit 
etwas  anderes  als  bei  Kräpelin,  wie  er  auch  den  Begriff 
der  Geisteskranken  oft  ersetzt  durch  den  des  „Objekts  der 
Psychiatrie“.  Die  Paranoia  nimmt  einen  sehr  grossen  Um¬ 
fang  an,  nicht  nur  in  der  Richtung  der  paranoiden  Formen  der 
Dementia  praecox,  sondern  unerwarteter  Weise  auch  in  der- 
Richtung  der  Pseudologie  und  der  Hysterie.  Verf.  will  in  der 
Psychiatrie  ohne  den  Begriff  der  Hysterie  auskommen,  die 
hysterischen  Dämmerzustände  wird  er,  wenn  ich  ihn  recht  ver¬ 
standen  habe,  zur  Paranoia  rechnen.  Bleuler-  Burghölzli. 

Dr.  Hugo  Marx:  Praktikum  der  gerichtlichen  Medizin. 

Ein  kurzgefasster  Leitfaden  der  besonderen  gerichtsärztlichen 
Untersuchungsmethoden  nebst  einer  Anlage:  Gesetzesbestim¬ 
mungen  und  Vorschriften  für  Medizinalbeamte,  Studierende 
und  Kandidaten  der  Kreisarztprüfung.  Mit  18  Textfiguren. 
Berlin  1907.  Verlag  von  Aug.  H  i  r  s  c  h  w  a  1  d.  146  Seiten. 
Preis  3.60  M. 

Der  vorliegende  kleine  Leitfaden  ist  in  erster  Linie  ge¬ 
schrieben  für  die  J  eilnahmer  an  den  (in  Bayern  nicht  üblichen) 
praktischen  Kursen  der  gerichtlichen  Medizin;  die  darin  be¬ 
handelten  Untersuchungsmethoden  sind  wohl  auch  in  den  grös- 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2047 


seren  Handbüchern  und  event.  in  besonderen  Arbeiten  ent¬ 
halten,  indessen  bringt  das  vorliegende  Werkchen  eine  recht 
zweckmässige,  zusammenfassende  Darstellung  dieser  Me¬ 
thoden.  Die  einzelnen  Kapitel  betreffen :  Blut-,  Sperma¬ 
nachweis,  Haaruntersuchung,  Anmerkungen 
und  Tabellen  zur  Untersuchung  von  Leichen 
und  L  e  i  c  h  e  n  t  e  i  1  e  n  mit  einem  Anhang  über  einige  Unter¬ 
suchungen  an  Lebenden  (Jungfräulichkeit  und  Gonorrhoenach¬ 
weis).  In  der  Anlage  schliessen  sich  zusammengestellt  die 

gesetzlichenBestimmungenundVorschriften 

für  den  gerichtsärztlichen  Sachverständigen  und  seine  Tätig¬ 
keit  an.  ,  ... 

Verkehrt  scheint  es  dem  Referenten  zu  sein,  dass  M.  in 

sein  Büchlein,  das  doch  in  erster  Linie  für  L  e  r  n  e  n  d  e  ge¬ 
schrieben  ist,  beim  Kapitel  der  forensischen  Blutuntersuchung 
eine  ganz  veraltete  und  zum  Teil  falsche  Terminologie  beifügt, 
sie  wäre  besser  weggeblieben  oder  hätte  dem  heutigen  Stand 
der  Immunlehre  Rechnung  tragen  müssen;  so  ist  z.  B.  Alexin 
doch  synonym  mit  Ambozeptor  und  nicht  mit  Komplement,  auch 
der  letztere  Begriff  ist  heute  ganz  anders  zu  definieren!  Direkt 
falsch  ist  es,  wenn  M.  beim  Präzipitations-  und  Agglutinations¬ 
vorgang  die  Mitwirkung  eines  Komplements  lehrt.  Nur  die 
Zytolysine  bezw.  Zytotoxine  sind  Rezeptoren  III.  Ordnung  und 
daher  eines  Komplements  bedürftig,  dagegen  sind  Präzipitine 
und  Agglutinine  (die  eher  als  Synonym  aufgefasst  werden 
könnten)  Rezeptoren  II.  Ordnung.  Es  gibt  in  der  Immunlehre 
nur  eine  Terminologie  und  diese  gilt  ebenso  für  die  Bak¬ 
teriologie  wie  für  den  forensischen  Blutnachweis;  geht  man  da¬ 
von  ab,  so  wird  der  Lernende  beim  Lesen  anderer  Arbeiten  nur 
verwirrt! 

Abgesehen  von  diesem  nebensächlichen  Fehler  aber  mag 
das  vorliegende  Büchlein  seinem  direkten  Zweck,  ein  Leitfaden 
beim  gerichtl.-mediz.  Praktikum  zu  sein,  wohl  vollauf  ent¬ 
sprechen,  ja  Ref.  glaubt  sicher,  dass  sich  auch  mancher  ge- 
richtsärztl.  Sachverständige  bei  Ausübung  seiner  1  ätigkeit  des 
Büchleins  gerne  bedienen  wird.  H.  Merkel-  Erlangen. 

K.  Wiek:  Ueber  Simulation  von  Blindheit  und  Schwach¬ 
sichtigkeit  und  deren  Entlarvung.  II.  Aufl.  bearbeitet  von  A. 
Roth,  Generaloberarzt.  Mit  32  Abbildungen.  Berlin  1907. 
Verlag  von  S.  K  a  r  g  e  r.  Preis  3  Mk. 

Das  1901  erschienene  Wiek  sehe  Buch  enthielt  nach  be¬ 
stimmten  Gesichtspunkten  geordnet  alles,  was  von  Veröffent¬ 
lichungen  über  Simulation  von  Blindheit  und  Schwachsinnig¬ 
keit  vorlag.  Die  zweite  von  Roth  besorgte  Auflage  berück¬ 
sichtigt  die  seitdem  erschienenen  neuen  Arbeiten  und  bietet 
neben  einer  Ergänzung  des  Literaturverzeichnisses  entspre¬ 
chende  Kürzungen  und  Aenderungen  des  Textes.  Ebenso  hat 
die  Darstellung  des  Gegenstandes  wie  durch  prägnanteren  Aus¬ 
druck  so  wesentlich  dadurch  gewonnen,  dass  Roth,  bestrebt, 
der  speziellen  Darlegung  einer  Frage  eine  allgemeine  Orien¬ 
tierung  vorauszuschicken,  einzelne  Umstellungen  des  Textes 
vorgenommen  hat.  So  sind  u.  a.  die  allgemeinen  Regeln  für  die 
Untersuchung  bei  Simulationsverdacht  in  veränderter  Form  an 
den  Anfang  der  Abhandlung  gestellt.  Auch  die  einleitenden 
Bemerkungen  über  die  strafgesetzlichen  Beziehungen  der 
Simulation  sind  als  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  begrüssen. 
Das  Werkchen  in  seiner  neuen  Gestalt,  zu  dessen  Herausgabe 
Roth  als  ein  auf  diesem  Gebiete  besonders  erfahrener  Fach¬ 
mann  hervorragend  berufen  war,  verdient  die  vollste  Be¬ 
achtung  des  Praktikers.  Lohmann. 

Gynaecologia  Helvetica.  7.  Jahrgang,  Genf,  Buchhandlung 
Kündig.  359  Seiten.  Preis  5  Franken. 

Die  im  7.  Jahrgang  vorliegende  Gynaecologia  Helvetica 
verzeichnet  als  Neuheit  eine  Reihe  von  Mitarbeitern  auf  ihrem 
Titelblatte:  Aubers,  Bastian,  Bet  rix,  Naegeli  in 
Genf,  Burckhardt-Socin  in  Arosa,  Chassot  in  Fre>- 
burg,  Felle  nberg  in  Bern,  De  laHarpein  Vevey,  Lab- 
h  a  r  d  t  und  N  i  e  b  e  r  g  a  1 1  in  Basel,  Meyer-Rueg  in 
Zürich,  Sutter  in  St.  Gallen.  Ein  weiteres  Novum  ist  der 
Umstand,  dass  die  Arbeiten  der  Westschweizerischen  Aerzte 
in  französischer  Sprache  referiert  werden.  Der  Herausgeber 
mahnt  die  Gynäkologen  der  deutschen  Schweiz,  als  moralische 
Verpflichtung  an  die  Gründung  einer  „Geburtshilflich-gynä¬ 
kologischen  Gesellschaft  der  deutschen  Schweiz“  zu  denken, 


dann  sei  auch  der  Tag  nicht  mehr  fern,  an  dem  man  die 
Schweizerischen  Frauenärzte  unter  dem  Banner  einer  „Schwei¬ 
zerischen  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  ver¬ 
einigt  sehen  werde.  Dem  verstorbenen  Professor  J  e  n  t  z  e  r 
soll  im  nächsten  Jahrgang  eine  eingehende  Biographie  ge¬ 
widmet  werden,  weil  bis  dahin  die  von  ihm  eingerichtete 
Universitäts-Frauenklinik  den  Lesern  vorgeführt  wird.  60  Ab¬ 
bildungen  im  Text  und  7  Tafeln,  sowie  die  Porträts  des  Pro¬ 
fessor  Dr.  V  u  1 1  i  e  t  und  Dr.  Jean  Jacques  M  a  n  g  e  t  (1652  bis 
1742)  bereichern  den  Band,  der  in  übersichtlicher  Weise  alles 
interessante  auf’  geburtshilflich-gynäkologischer  Basis  bringt: 
Originalarbeiten,  Mitteilungen  aus  ärztlichen  Gesellschaften,  aus 
der  Praxis  und  aus  Krankenhäusern,  Dissertationen,  Berichte 

über  ausländische  Literatur,  Ernennungen, Hebammenzeitungen, 

therapeutische  und  instrumentelle  Notizen,  denen  sich  auch  Mit¬ 
teilungen  aus  dem  Gebiet  der  Veterinärgeburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  angliedern.  G.  Wiener-  München. 


Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  Heilkunde.  Herausgegeben  von  Kretz 
in  Wien.  XXVIII.  Bd.  (Neue  Folge,  VIII.  Bd.)  Jahrg.  1907. 
Heft  9. 

Bucura:  Beiträge  zur  inneren  Funktion  des  weiblichen  Geni- 

tals.  (Aus  der  Klinik  von  Chrobak.) 

Artfremde  Ovarien.  Kaninchen  oder  Meerschweinchen  rmplan- 
tiert,  heilen  ein  und  können  sogar  funktionieren,  indem  sie  Follikel 
zur  Reife  bringen  und  die  Kastrationsatrophie  des  Uterus  aufhalten. 
Die  Geschlechtsdrüse  des  männlichen  Tieres  vermag  dagegen  die 
Kastrationsatrophie  des  Uterus  nicht  aufzuhalten.  (Die  Jiansplan- 
tation  des  Hodens  auf  ein  weibliches  Tier  ist  möglich  und  es  können 
danach  sogar  Spermatozoen  gebildet  werden.)  Auf  den  Stoffwechsel 
des  kastrierten  weiblichen  Tieres  scheint  der  implantierte  Hoden  von 
Einfluss  zu  sein.  Es  ergab  sich  nämlich,  dass  die  nach  Kastration 
einsetzende  Gewichtszunahme  unter  den  Mittelwerten  blieb,  wenn 
Hoden  implantiert  wurden. 

Die  Verabfolgung  von  Ovarin  nach  Kastration  hatte  nicht  den¬ 
selben  Erfolg,  wie  die  Ovarialimplantation,  auch  dann  nicht,  wenn 
artgleiches  Ovarin  verwendet  wurde,  die  Kastrationsatrophie  des 
Uterus  tritt  dennoch  auf,  wenn  auch  in  etwas  anderer  Form  als 
ohne  Ovarindarreichung.  Allerdings  ^zeigte  sich  auch  hier  ein  Eintluss 
auf  den  Stoffwechsel,  indem  eine  viel  geringere  Gewichtszunahme 
festgestellt  wurde  als  nach  einfacher  Kastration.  Ueber  raschem! 
wirkte  das  Ovarin  auf  normale,  nichtkastrierte  Tiere:  die  Ovarial- 
follikel  zeigten  schwere  Schädigung  oder  völligen  Untergang.  Je¬ 
doch  scheint  es  sich  nur  um  einen  vorübergehenden  Schaden  zu  han¬ 
deln  und  der  Organismus  sich  an  das  Ovarin  zu  gewöhnen,  wobei 
aus  den  intakt  gebliebenen  Primärfollikeln  frische  zur  Reite  ge¬ 
langen.  ,  .  ,  .  . 

Die  die  Uterusatrophie  aufhaltende  Substanz  scheint  einzig  an 
die  Follikel,  nicht  an  die  übrigen  Ovarialbestandteile  gebunden  zu 
rj  Bändel-  Nürnberg. 

Archiv  für  Gynäkologie.  Bd.  82.  Berlin  1907. 

Der  Band  erscheint  als  Festschrift,  Geheimrat  Franz  v.  Winckel 
zu  seinem  70.  Geburtstag  gewidmet  von  seinen  Schülern,  und  ist 
mit  v.  W  i  n  c  k  e  1  s  Bild  geziert. 

1)  Osterloh-  Dresden :  Die  Bauchhöhlendrainage  bei  Ad¬ 
nexoperationen.  „  ,  ..  , ,  ,  , 

In  142  Fällen  wurden  die  erkrankten  Gebarmutteranhange  ent¬ 
fernt  und  zwar  stets  durch  Laparotomie;  in  61  dieser  Fälle  wurde 
die  Bauchhöhle  drainiert  mit  sterilisierter  Xeroformgaze.  Von  den 
drainierten  Kranken  sind  6  gestorben,  von  den  mchtdraimerten  1. 

2)  H.  Lindner:  Appendizitis  und  Gravidität.  (Aus  der  1.  chi¬ 
rurgischen  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Friedrichstadt  zu  Iies- 

deil'Eine  Anzahl  von  eigenen  Beobachtungen  zeigen,  dass  die  Aus¬ 
sichten  für  Schwangere  der  letzten  Monate,  die  an  Appendizitis  er¬ 
kranken,  keine  sehr  guten  sind.  Die  Indikation  zur  Operation  bei 
chronischer  Appendizitis  und  im  Intervall  ist  von  Fall  zu  Fall  zi 

stellen.  _ 

3)  A.  Mer  mann:  Wie  verlaufen  therapeutisch  unbeeinflusste 

fieberhafte  Wochenbetten?  (Aus  dem  Wöchnerinnenasyl  in  Mann- 
h  6 1  m  ) 

M.  berichtet  über  8700  Entbindungen  aus  den  letzten  20  Jahren. 
Alle  diese  Geburten  wurden  konsequent  nach  denselben  Gesichtspunk¬ 
ten  für  Prophylaxe  und  Therapie  behandelt.  Fiebernde  Wöchnerinnen 
werden  in  keiner  Weise  lokal  behandelt  und  überhaupt  nicht  oder 
fast  nicht  irgend  einer  therapeutischen  kausalen  odei  symptoma¬ 
tischen  Behandlung  unterzogen.  Von  den  in  der  Anstalt  pei  vias 
naturales  Entbundenen  starben  an  Sepsis  7  Frauen  —  0.0,  Pro/y. 
werden  alle  Aufnahmen  gerechnet,  so  ergaben  sich  L  Sepsistodesfal  e 
auf  9054  Entbindungen  =  0,13  Proz. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  *41. 


4)  Otto  Engstroem:  Zur  Entstehung  von  grossem  intraperi¬ 
tonealem  Bluterguss  bezw.  von  Hämatozele  durch  Blutung  aus  einem 
Corpus  luteum. 

Abgekapselte  Blutmasse  hinter  dem  Uterus,  den  grössten  Teil 
des  kleinen  Beckens  ausfüllend.  Laparotomie.  Schwangerschaft  lag 
nicht  vor.  Die  grosse  Blutung  stammte  aus  dem  Ovarialgewebe, 
bezw.  aus  dem  neugebildeten  Gewebe,  das  ein  gut  gebildetes  Corpus 
luteum  nach  aussen  hin  umgab.  Ursache  der  Blutung  nicht  festzu¬ 
stellen. 

5)  Franz  v.  Neugebauer  -  Warschau:  Ein  neuer  (dritter)  Bei¬ 
trag  zur  Frage  der  unabsichtlich  sub  operatione  im  Körper  zurück¬ 
gelassenen  Fremdkörper  (Tupfer,  Kompressen,  Instrumente  etc.). 

Die  Arbeit  dient  der  Frage  bezüglich  des  Rechtsschutzes  der 
Aerzte  gegen  unlautere  Angriffe.  Interessante  Kasuistik. 

6)  Dionys  v.  S  z  a  b  6  -  Kolozsvar:  Fälle  von  vorgeschrittener 
ektopischer  Schwangerschaft. 

Im  Jahre  1904  kamen  fünf  Fälle  von  vorgeschrittener  ektopischer 
Schwangerschaft  zur  Operation;  in  drei  Fällen  hatten  die  deutlich 
beobachteten  Kindsbewegungen  wieder  aufgehört  und  war  die  Zeit 
der  erwarteten  Niederkunft  überschritten  worden.  Eine  Frau  starb, 
sie  wurde  6  Monate  nach  dem  Absterben  der  Frucht  operiert.  Man 
soll  auch  nach  dem  Absterben  der  Frucht  operieren,  ehe  noch  der 
Früchtsack  den  Organismus  schädigt  (Eiterung). 

7)  Richard  K  1  e  m  m  -  Dresden:  Zur  Biologie  des  natürlich  ge¬ 
nährten  Säuglings. 

Drei  Brustkinder  derselben  Familie,  von  der  Mutter  genährt. 
Nahrungsmengen.  Spätere  Entwicklung.  Einige  Vergleiche  mit  der 
Biologie  der  Haussäugetiere.  Die  3  Kinder  wurden  je  etwas  über 
ein  Vierteljahr  ausschliesslich  an  -der  Brust  genährt. 

8)  I  i  tt  e  1  -  Zittau:  Ueber  einen  seltenen  Fall  von  Echinokokkus 
der  Gebärmutter  und  der  Eierstöcke. 

Beide  Ovarien  waren  etwa  kindslkopfgross,  mit  Echinokokkus¬ 
blasen  gefüllt;  der  Uterus  entsprach  an  Grösse  einer  Schwanger¬ 
schaft  von  etwa  30  Wochen,  er  war  mit  Echinökoklkusblasen  gefüllt, 
die  auch  die  Wand  durchsetzten.  Supravaginale  Amputation;  Exitus 
am  6.  Tage. 

9)  H..  Koller  -iA  e  b  y  -  Winterthur :  Ein  angeborenes  Herz¬ 
divertikel  in  einer  Nabelschnurhernie. 

Die  Frucht  lebte  3  Stunden;  die  Nabelschnur  war  nur  ca.  13  bis 
15  cm  lang. 

10)  Ludwig  Pi  nc  us -Danzig:  Wichtige  Fragen  zur  Sterilitäts¬ 
lehre. 

In  491  Fällen  von  Sterilität  wurden  beide  Ehegatten  untersucht; 
in  12,5  Proz.  bestand  dauernde  Azoospermie;  in  7,5  Proz.  dauernde 
Oligospermie;  in  2,6  Proz.  dauernde  Nekrospermie;  in  1,4  Proz. 
Impotentia  coeundi.  Also  beruhte  die  Sterilität  in  24,4  Proz.  auf 
direktem  Anteil  des  Mannes,  dazu  kamen  noch  15,8  Proz.  als  in¬ 
direkter  Anteil  des  Mannes  durch  U-ebertragung  der  Gonorrhöe.  Die 
völlige  Aufklärung  beider  Ehegatten  über  die  Ursache  der  Sterilität 
muss  unser  Ziel  sein. 

l)  M.  J  a  f  f  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Die  peritonitischen  Erkrankungen 
im  Menstruationsstadium. 

Peritonitische  Erkrankungen  im  Menstruationsstadium  sind  keine 
grossen  Seltenheiten.  4  Sektionsprotokolle,  1  Krankengeschichte. 

12)  M.  Stumpf:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Beeinflussung  der 
Kopfform  durch  die  Geburtsvorgänge. 

Messungen  mit  biegsamem  Bleidraht  ergaben,  dass  für  die  Stärke 
der  Konfiguration  vor  allem  die  individuelle  Nachgiebigkeit  des  Kopfes 
und  erst  in  zweiter  Linie  die  Dauer  und  Stärke  des  während  der 
Oelunt  einwirkenden  Druckes  von  ausschlaggebendem  Einfluss  ist. 
Messungen,  um  die  Beeinflussung  des  Schädelprofils  zu  bestimmen.' 

13)  Walter  Rühle:  Zur  Berechtigung  der  Hebotomie.  (Aus  der 
Rheinischen  Provinzial-Hebammen-Lehranstalt  in  Elberfeld  ) 

Bericht  über  4  Fälle,  ein  Kind  starb,  das  Wochenbett  war  bei 
allen  Müttern  fieberhaft.  In  drei  Fällen  kam  es  zu  erheblichen  Ge¬ 
burtsverletzungen,  darunter  einmal  mit  bedrohlicher  Blutung  das 
andere  Mal  mit  schweren  Läsionen  von  Harnröhre,  Blase  und  Scheide 
und  Dammriss  III.  Grades.  Nach  der  Hebotomie  ist  die  spontane 
Geburt  abzuwarten. 

14)  Kynoch-St.  Andrews-Universität  (Schottland):  Zwei 
Fälle  von  malignem  Fibromyom  des  Uterus. 

Fall  von  Adenokarzinom  der  Uterusschleimhaut  bei  interstitiellem 
Fibromyom  und  Fall  von  Sarkom  in  Fibromyom. 

15)  Fritz  Cahen-Köln:  Zur  Operation  der  Nabel-  und  Bauch¬ 
bruche. 

.  Lappenplastik;  der  Lappen  wird  aus  der  vorderen  Rektusscheide 
genommen  und  über  die  Bruchpforte  geschlagen.  7  Krankenge¬ 
schichten. 

16)  L.  F.  D  r  i  e  s  se  n -  Amsterdam:  Ueber  Glykogen  in  der 
Plazenta. 

Untersuchungen  an  4  verschiedenen  Stadien  der  Plazentation  des 
Kaninchens  und  an  menschlichen  Plazenten  der  verschiedensten  Ent¬ 
wicklungsstufen.  Untersucht  wurden  die  Uterusdrüsen,  die  Dezidua- 
zellen.  die  Deriphere  Schicht,  die  L  a  n  g  h  a  n  s  sehen  Knoten,  das 
Synzytium  (in  allen  Stadien  glykogenfrei),  die  L  a  n  g  h  a  n  s  sehen 
Zellen,  das  Chorionbindegewebe  und  das  Amnion.  In  einem  gewissen 
Stadium  (3. — 6.  Woche)  ist  das  menschliche  Ei  wie  das  des  Ka¬ 


ninchens  und  der  weissen  Maus  von  einer  Schicht  glykogenreichen 
Gewebes  umgeben. 

17)  Otto  F  a  1  k  -  Hamburg:  Ueber  die  Bedeutung  der  Phleb¬ 
ektasien  und  ihrer  Folgezustände  für  den  Frauenarzt. 

Anatomie  (mechanische,  entzündliche)  Entstehung  der  Phleb¬ 
ektasien.  Blutgeschwülste  der  äusseren  Geschlechtsorgane  und  der 
Scheide.  Phlebektasien  des  Uterus  und  seiner  Adnexe  und  im  Li¬ 
gamentum  latum.  Klinische  Beispiele  mit  der  Therapie. 

18)  Ludwig  S  e  e  1  i  g  m  a  n  n  -  Hamburg:  Neuere  Gesichtspunkte 
zur  Pathologie  und  Therapie  der  Osteomalazie. 

S.  unterscheidet  eine  ovarielle  Form  der  Erkrankung  (zuerst 
Erkrankung  der  Beckenknochen)  und  eine  marastische  Form  (Verän¬ 
derungen  der  Oberschenkelknochen).  Zwei  eigene  Beobachtungen  der 
ovariellen  Form:  Vor  15  und  vor  4  Jahren  Kastration  und  Streck¬ 
verband;  die  eine  Frau  wurde  um  18,  die  andere  um  8  cm  grösser. 
Bei  der  ovariellen  Osteomalazie  besteht  nach  S.  eine  Hypersekretion 
der  Ovarien,  er  schlägt  eine  Behandlung  mit  dem  Serum  ovarioto- 
mierter  Tiere  vor. 

19)  L.  C  o  n  i  t  z  e  r  -  Hamburg:  Erfahrungen  aus  der  Praxis  über 
Chinin  als  Wehenmittel. 

Erfahrung  über  66  Fälle  vom  2.  Schwangerschaftsmonat  bis  zum 
rechtzeitigen  Schwangerschaftsende.  Die  Wirkung  des  Mittels  ist 
„launenhaft  ,  doch  ist  es  in  der  Eröffnungs-  und  Austreibungsperiode 
für  die  Praxis  als  wehenförderndes  Mittel  wärmstens  zu  empfehlen. 

20)  A.  H  e  r  z  f  e  1  d  -  NewYork:  Zur  vorzeitigen  Ablösung  der 
normal  sitzenden  Plazenta. 

Bei  einer  38  jährigen  6.  Para  mit  beweglichem  Kopf  über  dem 
Becken  und  guten  Wehen  trat  -plötzlich  schwerste  Blutung  aus  dem 
Uterus  ein.  Das  Kin-d  wurde  sofort  gewendet  und  extrahiert,  mit 
dem  Kopf  entleerten  sich  sofort  die  Plazenta  und  viel  Blut  aus  den 
Genitalien.  Das  Kind  war  frisch  abgestorben.  Die  Frau  machte 
ein  fieberloses  Wochenbett  durch.  Der  Urin  enthielt  weder  Eiweiss 
noch  andere  pathologische  Bestandteile. 

21)  O.  S  c  h  a  e  f  f  e  r  -  Heidelberg:  Ueber  Tumorennekrobiosen 
als  Folgen  einer  hilusförmigen  Gefässversorgung. 

Histologische  Untersuchungen  an  einem  intraligamentären  Fi¬ 
bromyom.  Die  H  i  1  u  s  ernährung  bringt  es  zuwege,  dass  am  Hilus 
allein  die  Gewebe  produktiv  ernährt  werden,  der  periphere  Teil  aber 
der  Nekrobiose  und  endlich  der  Nekrose  verfällt.  * 

2)  Arthur  M  u  e  1 1  e  r  -  München:  Ueber  die  wechselseitigen  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Kopfform  und  Geburtsmechanismus. 

Die  Arbeit  behandelt  die  Kopflagen  und  deren  Verhältnisse  und 
das  Verhalten  des  Kopfes  bei  der  Geburt.  Resume:  1.  Vor  der  Geburt 
vorhandene  hochgradige  Dolichozephalie  und  Brachyzephalie  kann 
je  zu  verschiedener  Einstellung  des  Kopfes  sub  partu  -disponieren. 
2.  Die  Einstellung  des  Kopfes  bewirkt  im  Verlaufe  der  Geburt  eine 
für  jede  Lage  charakteristische  typische  Kopfform.  3.  Die  -den  ver¬ 
schiedenen  Lagen  zukommende  Kopfform  bewirkt  die  für  jede  Lage 
charakteristische  jeweils  günstigste  Art  des  Austrittsmechanismus. 
4.  Die  Kopfformen  Erwachsener  dürften  meist  nicht  als  erhaltene 
Konfiguration  anzusehen  sein. 

23)  S.  F  1  a  t  a  u  -  Nürnberg:  Ueber  Ovariotomie  während  der 
Schwangerschaft. 

Unter  262  Ovariotomien  während  der  Schwangerschaft  hatten 
27  —  10,3  Proz.  eine  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  zur  Folge. 
F.  rät  zur  Operation  und  zwar  zur  Laparotomie. 

24)  Max  Nassauer  -  München :  Eingebildete  Schwangerschaft 
und  Missed  abortion. 

Im  Anschluss  an  eine  Sondierung  des  Uterus  wurde  das  seit 
Monaten  abgestorbene  und  retinierte  Ei  als  Fleischmole  geboren. 
Ursache  für  Missed  abortion  ist  eine  Schwäche  in  der  Wehen¬ 
erregung, _  in-  der  Innervierung  des  Uterus,  nicht  eine  mangelhafte 
Wehentätigkeit,  nicht  eine  Schwäche  in  der  Uterusmuskulatur.  Mit 
dem  Aufhören  des  organischen  Zusammenhanges  von  Ei  und  Uterus 
bildet  das  Ei  einen  Fremdkörper  und  es  beginnt  die  eingebildete 
Schwangerschaft.  \ 

25)  Sigmund  Mirabeau  -  München :  Schwangerschaftspyeli- 
tiden. 

Die  Dilatation  der  Ureteren  in  der  Schwangerschaft  wird  verur¬ 
sacht  durch  den  Druck,  den  die  stark  geschwollene  und  verdickte 
Blasenschleimhaut  auf  die  Ureterenmiindung  ausiibt.  Die  Schwanger¬ 
schaftspyelitiden  zerfallen  im  Wesentlichen  in  4  Gruppen:  Infektion 
durch  Gonokokken.  Eiterkokken,  Bacterium  coli  und  -durch  Tuberkel, 
Jede  Gruppe  gibt  für  sich  ein  wohl  charakterisiertes  Krankheitsbild, 
das  sich  von  dem  der  anderen  Gruppen  scharf  unterscheidet.  Ka¬ 
suistik  über  10  Falle;  Tierversuche  an  Kaninchen  und  Katzen  um  zu 
nrüfen,  auf  welchem  Wege  Kolibazillcn  in  eine  künstlich  erzeugte 
Hydronephrose  einwandern  können. 

26)  Gustav  W  ie  n  e  r  -  München:  Ein  Melanosarkom  der  Vulva. 

Bei  einer  55  jährigen  0-Para  wurde  die  etwa  markstückgrosse 

Neubildung  weit  im  Gesunden  entfernt;  glatte  Heilung.  Leistendrüsen 
waren  nicht  zu  tasten.  Nach  10  Monaten  zeigte  sich  geringe  Schwel¬ 
lung  der  linken  Leistendrüsen,  diese  wurden  entfernt  und  zeigten  auf 
dem  Durchschnitt  schwarze  Färbung. 

27)  Ludwig  Seitz:  Ueber  Hirndrucksymptome  bei  Neuge¬ 
borenen  infolge  intrakranieller  Blutungen  und  mechanischer  Hirn¬ 
insulte.  (Aus  der  Münchener  Universitäts-Frauenklinik.) 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2049 


Die  Arbeit  behandelt  eingehend  die  Gehirnschädigungen  durch 
mechanische  Verletzung  der  Gehirnsubstanz  selbst  und  durch  grössere 
intrakranielle  Blutergüsse  und  erörtert  den  Symptomenkomplex  der 
Hirndruckerscheinungen  und  die  Lokalisation  der  Blutung.  Das  Ma¬ 
terial  ist  gegliedert  in  Bälle,  die  tödlich  endigten  und  in  solche,  die 
in  Heilung  übergingen.  Diagnose  und  Differentialdiagnose.  Operativ¬ 
therapeutisch  ist  bei  kifratentorialer  Blutung  nur  die  Lumbalpunktion 
anzuwenden,  bei  supratentorialer  Blutung  mit  progressiven  Hirn¬ 
drucksymptomen  kommt  die  Eröffnung  des  Schädels  in  Frage,  die  S. 
selbst  ausgeführt  hat. 

28)  Carl  Ho  ermann:  Ueber  das  Bindegewebe  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane.  I.  Die  Bindegewebsfasern  im  Ovarium.  (Aus  dem 
histologischen  Institut  und  der  Frauenklinik  der  Universität  München.) 

H.  unterzog  das  Bindegewebe  im  gesamten  weiblichen  üenital- 
traktus  einer  systematischen  Untersuchung  mittels  der  B  i  ei¬ 
se  h  o  w  s  k  y  sehen  Methode  (Silberimprägnation  der  Bindegewebs¬ 
fasern).  Bericht  über  Ovarien  verschiedenster  Altersstufen. 

29)  W.  H.  Morley:  Phlebitis  femoralis  et  cruralis  post  opera¬ 
tionein.  (Aus  der  geburtshilflichen  gynäkologischen  Klinik  der  Uni¬ 
versität  Michigans  in  Ann  Arbor.  Dr.  Reuben  P  e  t  e  r  s  e  n,  Direktor). 

Kurzer  Bericht  über  11  eigene  Beobachtungen.  Die  Aetiologie 
ist  unbekannt;  die  Inkubation  dauert  9 — 20  Tage;  die  linke  Vene  ist 
am  häufigsten  ergriffen;  sehr  selten  tritt  der  Tod  ein. 

30)  Franz  Cohn:  Zur  Aetiologie  und  Therapie  der  Becken¬ 
exsudate.  (Aus  der  grossherzoglichen  Universitäts-Frauenklinik  zu 
Giessen.) 

Von  58  Fällen  von  Exsudatbildung  im  Beckenperitoneum  und  im 
Beckenbindegewebe  wurden  35  mit  Inzision  behandelt,  unter  diesen 
wurde  in  28  Fällen  die  Probepunktion  ausgeführt.  Seit  einiger  Zeit 
wird  die  Punktionsflüssigkeit  genau  bakteriologisch  untersucht. 

31)  Franz  Weber:  Erfahrungen  mit  dem  B  o  s  s  i  sehen  Dila¬ 
tator.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  München.) 

Bericht  über  20  Fälle.  Erweiterung  in  5 — 60  Minuten.  Der 
Dilatator  bewährt  sich  in  allen  Fällen,  in  denen  eine  Indikation  für 
schnelle  Beendigung  der  Geburt  vorliegt,  besonders  bei  Eklampsie. 

32)  E.  v.  S  e  u  f  f  e  r  t:  Drei  Fälle  von  Kaiserschnitt  an  der  Toten. 
(Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  und  der  Kgl.  Hebammenschule 
zu  München.) 

Ein  Kind  blieb  4  Wochen  am  Leben,  es  wog  bei  der  Geburt 
1780  g. 

33)  M.  S  e  m  o  n  -  Danzig:  Hydrorrhoea  amnialis.  Graviditas 
extramembranosa.  Placenta  circumvallata. 

Die  Beobachtung  betraf  eine  30  jährige  III.  Para.  Die  spontan 
geborene  Frucht  lebte,  war  32  cm  lang  und  970  g  schwer.  Die  Pla¬ 
zenta  zeigte  kaum  noch  das  Vorhandensein  einer  Eihöhle,  die  Ei¬ 
häute  waren  ausserordentlich  geschrumpft.  Vom  2.  Schwanger¬ 
schaftsmonat  ab  waren  Blutungen  aufgetreten,  vom  5.  Monat  ab  Aus¬ 
fluss.  Der  Fötus  zeigte  Gliederstarre  und  Pes  valgus-Stellung. 

34)  Prof.  Jos.  Alb.  A  m  a  n  n  -  München :  Zur  Kenntnis  der  so¬ 
genannten  Sarkome  der  Scheide  im  Kindesalter. 

Bei  einem  P/2  jährigen  Kinde  bestand  seit  5  Wochen  Zerfall 
der  Scheidengeschwulst;  gleichzeitige  Nephritis.  Abdominale  Total¬ 
exstirpation  des  ganzen  Genitaltraktus  wurde  gut  überstanden.  In 
der  Rekonvaleszenz  traten  Masern  auf,  Bronchitis,  Aufplatzen  der 
Bauchwunde,  peritoneale  Infektion,  Tod  am  9.  Tage.  Die  Unter¬ 
suchung  ergab  fibroepitheliale  Neubildung.  Als  Ausgangszunkt  kommt 
vielleicht  ortsfremdes  Gewebe  in  der  Scheide  (Keimgewebe)  in 
Betracht. 

35)  M.  W  y  de  r  -  Zürich:  Vier  Kaiserschnitte  aus  seltener  In¬ 
dikation. 

A.  3  Kaiserschnitte  post  mortem,  B.  1  Sectio  caesarea  bei  einer 
Kretine  mit  .allgemein  verengtem  Becken  und  höchst  auffälliger  Kon¬ 
figuration  des  Kontraktionsringes. 

Durch  Kaiserschnitt  an  der  Toten  wurden  2  lebende  Kinder  ge¬ 
wonnen.  Im  4.  Falle  handelte  es  sich  um  Konstriktion  des  kind¬ 
lichen  Halses  durch  den  Kontraktionsring,  so  dass  der  fötale  Kopf 
im  gedehnten  unteren  Uterinsegment  lag. 

Anton  H  e  n  g  g  e  -  München 

Archiv  für  Kinderheilkunde.  46.  Band.  3.  u.  4.  Heft. 

M.  Hohlfeld:  Ueber  die  Bedeutung  des  Kolostrums.  (Aus 
der  Universitäts-Kinderklinik  zu  Leipzig.) 

Die  umfangreiche  Arbeit  —  Habilitationsschrift  des  Verfassers  — 
eignet  sich  nicht  zur  Wiedergabe  in  kurzem  Auszug. 

A.  v.  Koos:  Ueber  Pneumokokkenperitonitis  im  Kindesalter. 
(Mitteilung  aus  dem  Stefanie-Kinderspital  zu  Ofen-Pest.) 

K.  berichtet  über  drei  eigene  Fälle  und  erörtert  im  Anschluss 
daran  das  Krankheitsbild,  das  ziemlich  selten  ist  und  häufiger  bei 
Mädchen  als  Knaben  vorkommt;  es  kann  eine  abgesackte  und  eine 
allgemein  eitrige  Form  unterschieden  werden,  erstere  mit  ziemlich 
guter  Prognose;  Therapie  in  allen  Fällen  operativ,  Entleerung  des 
Eiters  und  Drainage.  Die  Ursache  ist  der  F  r  ä  n  k  e  1  sehe  Diplo¬ 
kokkus,  aus  dem  Eiter  leicht  in  Reinkultur  zu  züchten. 

G.  A  s  c  h  a  f  f  e  n  b  u  r  g  -  Köln:  Ueber  Epilepsie  und  epileptoide 
Zustände  im  Kindesalter. 

A.  spricht  sich  in  seiner  interessanten  Abhandlung  dafür  aus, 
dass  doch  möglicherweise  ein  Zusammenhang  zwischen  Spasmophilie 


und  später  auftretender  Epilepsie  besteht,  wenn  auch  von  pädiatrischer 
Seite  zurzeit  ein  solcher  Konnex  ziemlich  abgelehnt  wird.  Eine  ge¬ 
wisse  Periodizität  bei  „Ungezogenheiten“,  Wutkrämpfen,  Verstim¬ 
mungen  etc.  des  Kindes  lässt  nach  A.  den  Verdacht  auf  eine  Zu¬ 
sammengehörigkeit  aufkommen.  Das  Zusammenarbeiten  von  Pädia¬ 
tern  und  Nervenärzten,  sowie  durch  Jahre  fortgesetzte  Kontrolle  der 
betreffenden  Individuen  wäre  nötig,  um  festzustellen,  ob  nicht  spas- 
mophile  Zustände  der  Kinder  der  Ausfluss  einer  epileptischen  Dis¬ 
position  seien.  Auch  eine  Erweiterung  des  Begriffes  der  Epilepsie  ist 
nötig;  immerhin  wäre  der  von  A.  angenommene  Zusammenhang  beider 
Krankheitsbilder  nicht  nur  für  die  Auffassung  der  Krampfformen, 
sondern  auch  für  die  Therapie,  namentlich  für  die  Zukunft  des  betr. 
Kindes,  von  Wichtigkeit. 

H.  Roeder  -  Berlin:  Die  experimentelle  Untersuchung  der  pep¬ 
tischen  Kraft  des  Magensaftes  bei  verschiedenen  Temperaturen  und 
ihre  Bedeutung  für  die  Ernährung  der  Säuglinge. 

R.  stellte  Verdauungsversuche  an  mit  nativem  Magensaft  des 
Hundes  und  Kasein.  Er  fand  das  Optimum  der  Verdauungswirkung 
des  Magensaftes  bei  einer  Temperatur  von  36 — 38°,  die  auch  der 
Temperatur  der  Muttermilch  entspricht;  dabei  wurden  ca.  81  Proz. 
Kasein  verdaut,  während  bei  höheren  Temperaturen  die  Verdauungs¬ 
wirkung  nachlässt  und  bis  auf  64  Proz.  bei  42  u  sinkt.  R.  fand  aber 
bei  Messung  der  Temperaturen  von  200  verschiedenen  Trinkportionen, 
dass  nur  40  die  Temperatur  von  36 — 37°  hatten,  alle  übrigen  waren 
höher  temperiert,  was  die  Verdauung  der  eingeführten  Milch  beein¬ 
trächtigen  muss.  Er  stellt  daher  die  Forderung  auf,  dass  in  Spital 
und  Familie  die  Trinkportionen  bei  künstlicher  Ernährung  genauer  als 
bisher  auf  die  günstigste  Temperatur,  d.  h.  36 — 38°,  zu  bringen  seien. 

C.  G  i  a  r  r  e  und  C  a  r  1  Ln  i  -  Florenz :  Ueber  die  Anwesenheit 
eines  hämophilen  Bazillus  im  Blut  Masernkranker. 

Beschreibung  und  Abbildung  eines  Bazillus,  den  die  Verfasser 
aus  dem  Blut  masernkranker  Kinder  während  einer  Epidemie  züchten 
konnten. 

N.  Gundobin:  Die  Albuminurie  der  Neugeborenen. 

Verf.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  das  Vorhandensein  von  Ei- 
weiss  im  Urin  der  Neugeborenen  —  entgegen  der  Ansicht  vieler  fran¬ 
zösischer  Autoren  —  nicht  für  normal  gehalten  werden  darf. 

H.  Klase:  Zur  Klinik  der  zystischen  Echinokokkuskrankheit 
im  Kindesalter.  Eine  klinisch-geographische  Studie.  (Aus  der  Kais. 
Universitäts-Kinderklinik  zu  Strassburg.) 

Die  grosse  Arbeit  erörtert  das  im  Titel  enthaltene  Thema  nach 
jeder  Richtung  in  erschöpfender  Weise;  in  Bezug  auf  den  reichen 
Inhalt  muss  auf  das  Original  selbst  verwiesen  werden. 

P.  P.  E  m  i  n  e  t  -  Charkow:  Sphygmographie  und  Tononietrie 
bei  gesunden  Kindern  im  Alter  von  7 — 15  Jahren. 

P.  P.  E  min  et:  Der  Einfluss  der  Muskelübungen  und  des  Auf¬ 
enthaltes  in  den  Sommerschulkolonien  auf  den  Puls  und  den  Blutdruck 
bei  Kindern  von  7 — 15  Jahren. 

Physiologische  Untersuchungen. 

A.  Schkarin:  Ueber  Präzipitation  bei  neugeborenen  Kanin¬ 
chen.  Beitrag  zum  Studium  der  künstlichen  Ernährung  des  Neu¬ 
geborenen.  (Aus  der  Kinderklinik  an  der  Kais,  militärmediz.  Aka¬ 
demie  in  St.  Petersburg.) 

Versuche  über  das  Auftreten  von  Präzipitinen  beim  neugeborenen 

Tier. 

L.  V  o  i  g  t  -  Hamburg:  Bericht  über  die  im  Jahre  1906  er¬ 
schienenen  Schriften  über  die  Schutzpockenimpfung, 

Der  jährlich  erscheinende  ausgezeichnete  Bericht,  der  alles  ent¬ 
hält  über  Impfung  und  was  damit  zusammenhängt. 

Referate.  Lichten  stein  -  München. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  VI.  No.  5.  (Septbr. 
1907.) 

1)  R.  W.  R  a  ud  n  i ft  z  -  Prag:  Zehntes  Sammelreferat  über  die 
Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  Milchwissenschaft  und  Molkereipiaxis. 

Gleich  den  früheren  Referaten  für  alle  Milchinteressenten  von 
grossem  Interesse  (40  Seiten!). 

Referate.  Albert  U  f  f  e  n  h  e  i  m  e  r  -  München. 

Soziale  Medizin  und  Hygiene  (vormals:  Monatsschrift 
für  soziale  Medizin).  Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 
II.  Bd.  9.  Heft.  September  1907. 

Fuld-Mainz:  Zur  Aenderung  der  Unfallversicherungsgrundlage. 

Bei  dem  notwendigen  Ausbau  des  Unfallversicherungsgesetzes 
ist  der  Begriff  „Betriebsunfall“  zu  erweitern.  Es  sind  dabei  die 
Betriebskrankheiten  (Bleivergiftung,  Phosphornekrose  etc.)  den  Be¬ 
triebsunfällen  gleichzusetzen.  Ist  doch  schon  bei  der  jetzigen  Recht¬ 
sprechung  die  Wurmkramkheit  als  Betriebsunfall  anerkannt  und  da¬ 
mit  die  rechtliche  Grundlage  des  bestehenden  Gesetzes  durchbrochen 
worden.  Weiter  ist  zu  fordern,  dass  die  Unfallfürsorge  in  jedem  Fall 
eintritt,  in  welchem  ein  Versicherter  von  einem  Unfall  betroffen 
wird,  der  mit  seiner  Beschäftigung  zusammenhängt,  ohne  dass 
zwischen  Betriebsgefahr  und  allgemeiner  Gefahr  zu  unterscheiden 
ist.  Es  würden  damit  auch  die  Unfälle,  die  auf  dem  Weg  zur  Arbeit 
oder  während  Arbeitspausen,  die  auf  Reisen  für  den  Betrieb  sich 
ereignen,  unter  das  Gesetz  fallen. 

G  r  as  s  1  -  Lindau:  Das  zeitliche  „Geburtsoptimum“.  (Fort¬ 
setzung  folgt.) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


0 


P  a  c  h  -  Magyarfalu:  Die  hygienische  Vorbildung  der  unga¬ 
rischen  Gewerbeinspektoren. 

Aus  den  angeführten  Berichten  geht  hervor,  dass  unter  den 
ungarischen  Gewerbeinspektoren  der  rege  Wunsch  nach  einer  bes¬ 
seren  hygienischen  Ausbildung  und  nach  Aufstellung  hygienisch  ge¬ 
schulter  Gewerbeärzte  vorhanden  ist.  F.  Perutz  -  München. 

berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  39.  1907. 

1)  H.  V  i  r  c  h  o  w  -  Berlin:  Eine  nach  Form  zusammengesetzte 
kyphotische  Wirbelsäule.  (Schluss  folgt.) 

2)  E.  F.  Bashford,  J.  A.  Murray  und  M.  Haaland- 

London:  Ergebnisse  der  experimentellen  Krebsforschung. 

Bei  der  Transplantation  eines  karzinomatösen  Tumors  von  der 
Mamma  einer  Maus  traten  in  2  Reihen  der  auf  diesem  Wege  ge¬ 
wonnenen  Tumoren  besondere  Veränderungen  des  Stromas  auf.  über 
deren  histologische  Details  unter  Wiedergabe  von  Zeichnungen  ein¬ 
gehend  berichtet  wird.  Es  zeigten  sich  Spindelzellen  zwischen  den 
Karzinomalveolen,  das  übertragene  Stroma  wucherte  weiter  und  es 
entwickelte  sich  ein  anfänglich  -noch  mit  Karzinom  gemischtes  Sar¬ 
kom,  später  konnte  nach  Passage  durch  ein  karzinomimmunes  Tier 
ein  reines  Spindelzellensarkom  erhalten  werden,  das  also  durch  die 
Einwirkung  eines  lebenden  wuchernden  Gewebes  in  normalen  jungen 
Tieren  zur  Entwicklung  kam. 

3)  G.  D  i  e  s  s  e  1  h  o  r  s  t  -  Berlin:  Ueber  Ouecksilberausscheidung 
bei  Syphilitikern. 

Die  von  Verf.  gebrauchte  Methode  zum  Nachweis  des  Oueck- 
silbers,  welche  er  im  einzelnen  beschreibt,  beruht  auf  der  Verwen¬ 
dung  der  Elektrolyse.  Bei  den  Untersuchungen,  über  deren  Resultate 
Tabellen  berichten,  wurden  die  Ausscheidungen  in  Harn  und  Fäzes 
berücksichtigt.  Es  zeigte  sich,  dass  in  gewissen  Zeiten  letztere  sogar 
mehr  Quecksilber  zur  Ausscheidung  brachten  als  der  Urin.  Auch  im 
Schweiss  Hessen  sich  Quecksilberspuren  nachweisen,  nicht  aber  in 
der  Atmungsluft.  Bemerkenswert  ist  das  Ergebnis,  dass  bei  Vor¬ 
nahme  von  Schwitzprozeduren  keine  Steigerung  der  Quecksilber- 
ausscheidung  nachgewiesen  wurde.  Noch  Monate  nach  beendigter 
Quecksilberkur  kamen  Spuren  von  Quecksilber  zur  Ausscheidung, 
und  zwar  in  grösserer  Menge  durch  den  Darm.  Bei  Quecksilber¬ 
injektionen  wird  mehr  Quecksilber  abgeschieden. 

4)  B.  J.  W  i  1  a  m  o  w  s  k  i  -  Petersburg:  Zur  Frage  über  den 
Zustand  der  Schmerzempfindlichkeit  der  Haut  bei  inneren  Organ¬ 
erkrankungen. 

In  Ergänzung  der  bekannten  Befunde  von  Henry  H  e  a  d  konnte 
Verf.  bei  Viszeralerkrankungen  auch  Analgesien  feststellen  und  zwar 
auf  den  Hautstellen,  auf  welchen  man  bei  inneren  Erkrankungen  ge¬ 
wöhnlich  eine  Steigerung  der  Sensibilität  beobachtet.  Der  Verf. 
kommt  zur  Annahme,  dass  diese  Analgesien  auch  reflektorischen 
Ursprungs  sind. 

5)  K-  A.  Hasselb  alch  und  H.  J  a  c  o  b  ä  u  s-  Kopenhagen: 

Ueber  die  Behandlung  von  Angina  pectoris  mit  starken  Kohlenbogen¬ 
lichtbädern. 

H.  -hat  die  Wirkung  der  bei  der  Lichtbehandlung  entstehenden 
akuten  Dermatitis  resp.  der  Hauthyperämie  in  zahlreichen  Versuchen 
auf  Respiration  und  Blutdruck  untersucht.  Die  Ergebnisse  hievon 
gaben  die  Anregung,  bei  26  Fällen  von  Angina  pectoris  die  Anwendung 
der  Lichtbäder  zu  versuchen.  Nach  zehnmaliger  Wiederholung  des 
Lichtbades  mit  5  tägigen  Zwischenpausen  konnte  eine  permanente 
Blutüberfüllung  der  Haut  erzielt  werden.  Die  physiologische  Bedeu¬ 
tung  der  letzteren  erblicken  die  Verfasser  in  der  veränderten  Blut¬ 
verteilung,  in  der  Herabsetzung  des  Blutdruckes,  wobei  sich  denken 
lässt,  dass  auch  der  Aortadruok  herabgesetzt  -wird,  in  der  Verminde¬ 
rung  der  Blutmenge  für  die  inneren  Organe,  im  Tieferwerden  der 
Atemzüge.  Auch  -die  Stimmung  wurde  öfters  günstig  beeinflusst. 
In  4  genauer  mitgeteilten  Fällen  von  typischer  Angina  pectoris  wurde 
durch  die  Lichtbäder  ganz  bedeutende  Besserung  erzielt,  von  den 
übrigen  22  Fällen  war  nur  in  einem  die  Behandlung  negativ,  bei  den 
anderen  konnte  ebenfalls  Besserung  oder  auch  völliges  Wohlbe¬ 
finden  erzielt  werden. 

6)  Julius  V  o  g  e  1  -  Berlin:  Ueber  Anurie. 

Verf.  erörtert  die  verschiedenen  abnormen  Zustände,  welche  zur 
Anurie  führen  können,  wie  die  Kreislaufstörungen  mit  Sinken  des  Blut¬ 
druckes,  entziindlich-degenerative  Prozesse  in  den  Nieren,  mechani¬ 
sche  Abflussstörungen,  reflektorische  Anurie«,  Anurie  nach  Katheteris¬ 
mus,  ferner  die  hysterische  Anurie  und  gibt  eine  Uebersicht  über 
Prognose,  Verlauf  und  Therapie  dieser  Störungen. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  39. 

1)  A.  Chantemesse- Paris:  L’Ophthalmo-diagnostic  de  la 
Fievre  typhoide. 

Vergl.  das  Referat  -in  No.  36,  S.  1804  d.  W. 

2)  D.  Finkler-  Bonn :  Disposition  und  Virulenz. 

Wenn  auch  vieles,  was  man  früher  mit  dem  unklaren  Sammel¬ 
begriff  „Disposition“  bezeichnete,  im  Lichte  der  modernen  Bakterio- 
logie  und  Immunitätslehre  eine  befriedigende  Erklärung  findet,  so  be¬ 
nötigen  wir  diesen  Begriff  doch  noch  für  die  natürliche  Anlage,  die  in 
den  Bau  und  die  Energie  der  lebenden  Zellmolekiile  zu  verlegen  ist. 
„Disposition“  und  „Virulenz“  ergänzen  sich. 

3)  R.  Pfeiffer  und  E.  Fried  berger  -  Königsberg:  Ver¬ 
gleichende  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  der  Atmungsorgane 


und  des  Verdauungstraktus  für  die  Tuberkuloseinfektion  (nach  Ver¬ 
suchen  an  Meerschweinchen). 

Von  29  Inhalationstieren  erkrankten  22  an  Tuberkulose  der 
Lungen,  meist  auch  der  Bronchialdrüsen;  in  15  Fällen  wurde  generali¬ 
sierte  luberkulose  festgestellt,  in  keinem  Falle  dagegen  war  tuber¬ 
kulöse  Erkrankung  der  Mesenterialdrüsen  und  des  Darms  zu  sehen. 
Bei  28  Fütterungsversuchen  wurde  nur  4  mal  Lungentuberkulose  kon¬ 
statiert,  die  nach  Annahme  der  Verfasser  durch  Aspiration  der 
tuberkelbazillenhaltigen  Flüssigkeit  beim  Herausziehen  der  Schlund¬ 
sonde  entstanden  zu  denken  ist.  3  Tiere  zeigten  Mesenterialdrüsen¬ 
tuberkulose,  bei  21  war  überhaupt  keine  Spur  von  Tuberkulose  im 
Körper  zu  entdecken.  Verfasser  glauben,  dass  auch  beim  Menschen 
die  Inhalation  als  die  praktisch  wichtigere  Quelle  der  tuberkulösen 
Ansteckung  zu  gelten  hat. 

4)  _F.  L  ö  f  f  1  e  r  -  Greifswald :  Zum  Nachweise  und  zur  Diffe¬ 
rentialdiagnose  der  Typhusbazillen  mittels  der  Malachitgrünnähr¬ 
böden. 

Verf.  hat  seine  Versuche  mit  „Malachitgrün  krist.  ehern,  rein“ 
fortgesetzt.  In  einer  Lösung  von  Nutrose,  Pepton,  Traubenzucker, 
Milchzucker,  Malachitgrün  und  Normalkalilauge  bewirken  die  Typhus¬ 
bazillen  eine  charakteristische  Gerinnung.  Ein  durch  Zusatz  von 
Rindergalle  modifizierter  Bouillonnutrosegrünagar  hat  sich  zur  Diffe¬ 
rentialdiagnose  gegenüber  Bact.  coli,  eine  Lösung  von  Nutrose, 
Pepton,  Milchzucker,  Normalkalilauge  und  Malachitgrün  zur  Er¬ 
kennung  der  Paratyphus-  und  Fleischvergiftungsbakterien  bewährt. 

5)  K  o  s  s  e  1  -  Giessen :  Zur  Verbreitung  des  Typhus  durch  Ba¬ 
zillenträger. 

Bei  Nachforschungen  nach  der  Quelle  durch  die  Milch  ver¬ 
mittelter  1  yphusinfektionen  fand  «ich  ein  Bazillenträger  (Dauer¬ 
träger),  der  beim  Melken  beschäftigt  war  und  wahrscheinlich  die 
Uebertragung  herbeiführte. 

6)  A.  Wassermann  -  Berlin :  Ueber  die  bisherigen  Er¬ 
fahrungen  mit  dem  Meningokokkenheilserum  bei  Genickstarrekranken. 

Das  von  Pferden  gewonnene,  auch  für  Kinder  vollkommen  un¬ 
schädliche  Meningokokkenheilserum  wurde  in  zahlreichen  Fällen  an¬ 
gewandt.  So  viel  Hess  sich  bis  jetzt  ermitteln,  dass  die  Injektion 
möglichst  frühzeitig  gemacht  werden  muss.  Unter  Umständen  ist  sie 
täglich  zu  wiederholen,  bei  sehr  schweren  Fällen  empfiehlt  sich  In¬ 
jektion  direkt  unter  die  Rückenmarkshäute.  Von  14  in  den  beiden 
ersten  Tagen  behandelten  Kranken,  worunter  10  schwere  Fälle, 
starben  nur  3;  dies  ermutigt  zur  Fortsetzung  der  Versuche. 

7)  H  e  i  m  -  Erlangen :  Ueber  Pneumokokken. 

Technische  Bemerkungen  über  Färbung  und  Züchtung  der 
Pneumokokken:  für  deren  Aufbewahrung  empfiehlt  Verf.  die  Antrock¬ 
nung  an  Seidenfäden;  die  Pneumokokken  bleiben  mindestens  1j2  Jahr 
lebensfähig  und  virulent. 

8)  Max  G  r  u  b  e  r  und  Kenzo  F  u  t  a  k  i  -  München:  Weitere  Mit¬ 
teilungen  über  die  Resistenz  gegen  Milzbrand. 

Gelangen  die  Milzbrandbazillen  mit  Kapseln  versehen  in  die 
Blutbahn,  so  behaupten  und  vermehren  sie  sich  ungestört;  haben  sie 
dagegen  keine  Kapsel,  so  veranlassen  sie  die  Blutplättchen  zur  Ab¬ 
gabe  des  „Plakanthrakozidins“,  ferner  wirken  die  „Leukanthrakozi- 
dine“,  die  von  den  Leukozyten  auf  bestimmte  Reize  hin  sezerniert 
werden.  Ueber  die  chemisch-physikalischen  Bedingungen,  unter 
welchen  diese  Schutzstoffe  abgegeben  und  wirksam  gemacht  werden, 
haben  Verfasser  zahlreiche  Versuche  angestellt.  Intravenöse  In¬ 
jektion  ungekapselter .  Milzbrandbazillen  ist  viel  weniger  gefährlich, 
als  intraarterielle,  der  Lunge  fällt  die  Rolle  eines  Schutzorgans  zu. 

9)  P.  Uhlenhuth,  E.  Hoffman  n  und  O.  Weidanz-Ber- 
lin:  Ueber  die  präventive  Wirkung  des  Atoxyls  bei  experimenteller 
Affen-  und  Kaninchensyphilis. 

Nach  den  angesteliten  Versuchen  ist  es  wahrscheinlich,  dass  bei 
Affen  Ausheilung  der  Syphilis  unter  Atoxylbehandlung  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  möglich  ist  und  dass  sich  die  Empfänglichkeit  für 
syphilitisches  Virus  wieder  herstellt.  Am  Kaninchen  liess  sich  eine 
deutliche  präventive  Wirkung  des  Atoxyls  feststellen;  die  Erzeugung 
einer  sy,phlitischen  Keratitis  mit  Material  von  Bertarelli  gelang 
bei  den  vorbehandelten  Tieren  nicht  mehr. 

10)  W.  Ko  Il  e -Bern:  Aphoristische  Betrachtungen  über  einige 
praktisch  und  theoretisch  wichtige  Punkte  der  Desinfektionslehre. 

Betreffs  der  Wohnungsdesinfektion  spricht  sich  K.  auf  Grund 
angestellter  Versuche  für  das  Autanverfahren  aus,  für  die  Hand¬ 
desinfektion  befürwortet  er  die  Abreibung  mit  S  c  h  u  m  b  e  r  g  scher 
Lösung  (Alkoholäther  2:  1,  Salpetersäure  0,5  Proz.). 

11)  F.  Hueppe-Prag:  Frauenmilch  und  Kuhmilch  in  der 
Säuglingsernährung. 

Die  Zweckmässigkeitsskala  ist  nach  Verf.  folgendermassen: 

1.  unveränderte  rohe  Frauenmilch,  2.  gekochte  Frauenmilch,  3.  ge¬ 
kochte  Kuhmilch,  4.  rohe  Kuhmilch.  Solange  eine  energische  För¬ 
derung  des  Selbststillens  der  Frauen  nicht  gelingt,  sei  jede  Ver¬ 
besserung  der  künstlichen  Ernährung  ein  Fortschritt.  Vor  allem 
müsse  das  Vorurteil  gegen  gekochte  Kuhmilch  fallen.  Milch  von 
richtig  ernährten  Kühen,  in  einwandfreier  Weise  gewonnen,  richtig 
kurz  erwärmt  oder  sterilisiert  und  in  trinkfertigen  Einzelportionen 
abgegeben  und  richtig  aufgehoben,  sei  der  beste  künstliche  Ersatz 
für  die  Frauenmilch. 

12)  König-Kiel:  Fortschritte  im  Saiiitätswesen  der  Marine. 

R.  Grashey  - München. 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2051 


Oesterreichische  Literatur. 


Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  39.  J.  Yanase-Wien:  Ueber  Epithelkörperbefundc  bei 
galvanischer  Uebererregbarkeit  der  Kinder. 

Vorgetragen  auf  der  79.  Versammlung  Deutscher  Natui  forschet 


und  Aerzte.  , 

H.  Rosenhaupt  - Frankfurt  a.  M. :  Zur  Pathologie  und 

Therapie  des  Pylorospasmus  der  Säuglinge. 

Die  Häufigkeit  des  Leidens  hervorhebend,  berichtet  R.  über  zwei 
Fälle  einer  Familie.  Das  eine  Kind,  unehelich  geboren,  ungenügend 
gepflegt  und  künstlich  ernährt,  ging  zugrunde;  ein  jüngeres,  in  der 
Ehe  geborenes  und  unentwegt  gestilltes  kam  bei  gleichen  Erschei¬ 
nungen  zur  Genesung.  Es  ist  davor  zu  warnen,  in  der  Beschaffenheit 
der  Muttermilch  die  Ursache  der  Erkrankung  zu  suchen;  die  fort¬ 
gesetzte  Brusternährung  ist  vielmehr  oft  die  naturgemässe  Heilungs- 
weise  und  im  Erfolg  sicherer  als  eventuell  operative  Eingriffe. 

S.  N  o  b  1  -  Wien:  Ein  weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  post- 

svphilitischen  Dauermerkmale.  _  .  ..  .  ,  . 

N.  widmet  eine  eingehende  Erörterung  und  Beschreibung  der  bei 
10,8  Proz.  seines  männlichen  Materiales  beobachteten  charakteristi¬ 
schen  elephantiastischen  Hyperplasie  der  perianalen  Falten  und  Haut- 


g!  S  ch  e  r  b  e  r  -  Wien:  Die  Atoxylbehandlung  der  Syphilis. 

Die  Erfahrungen  an  der  Finger  sehen  Klinik  bestätigen  die 
günstige  Beeinflussung  der  luetischen  Haut-  und  Schleimhautaffek¬ 
tionen;  die  Giftigkeit  des  Mittel  legt  jedoch  seiner  Anwendung  und 
Wirksamkeit  Schranken  auf.  Empfehlenswert  ist  die  Anwendung  in 
10  proz.  sterilisierter  frischer  Lösung,  2  ccm  jeden  2.  Tag  subkutan 
eingespritzt,  zur  lokalen  Hauttherapie  das  10  proz.  Atoxylpflaster, 
Die  Wirkung  ist  im  allgemeinen  der  des  Quecksilbers  ähnlich,  die 
Dauerwirkung  ist  aber  eine  geringere  und  daher  das  Mittel  doch  nur 
zu  einer  Zwischenkur  geeignet. 

R.  Bachrach  und  R.  Stein-  Wien ;  Ueber  das  Schicksal  per 
Klysma  verabreichter  Bakterienaufschwemmungen. 

Die  hier  berichteten  Versuche  ergeben,  dass  die  per  Klysma  ein- 
verleibten  Prodigiosuskeime  selten  jenseits  der  lleozoekalklappe,  nie¬ 
mals  im  Magen,  Oesophagus  und  Rachen  nachzuweisen  waren;  wohl 
eine  Folge  der  „Autosterilisation“  des  Magendarmtraktus;  wenn  sich 
solche  Keime  in  den  Lungen  finden,  können  sie  nur  durch  die  Lymph- 
oder  Blutbahn  dahin  gelangt  sein,  aber  nicht  durch  Aspiration.  Es 
ist  auch  unwahrscheinlich,  dass  z.  B.  Tuberkelbazillen,  die  in  den 
Magendarmtraktus  eingeführt  wurden,  auf  retrogradem  Wege  in  den 
Rachen  und  durch  Aspiration  in  die  Lungen  gelangen. 

Mar  kl:  Versuche  mit  dem  Desinfektionsmittel  Desoderol. 

Das  Mittel,  welches  nach  M.s  Versuchen  in  1  proz.  Lösung  alle 
vegetativen  Formen  der  pathogenen  Mikroorganismen  äbtötet, 
weniger  sicher  aber  auf  die  Sporen  einwirkt,  scheint  seine  grösste 
Verwendbarkeit  bei  Vertilgung  von  Insekten  und  Ratten  zu  besitzen. 

Bergeat  -  München. 


Französische  Literatur. 

le  Hanoy:  Die  Epidemie  von  Sudamina  miliaris  in  der  Cha¬ 
rente  (Mai— Juli  1906).  (Revue  de  medecine,  Februar  und  März 
i907.) 

Ausführliche  Beschreibung  dieser  Epidemie,  we'che  184  Ge¬ 
meinden  der  Charente  mit  insgesamt  6298  Fällen  heimsuchte,  was  in 
manchen  Distrikten  mehr  wie  ein  Drittel  der  Bevölkerung  ausmachte. 
Die  Mortalität  betrug  im  ganzen  2  Proz.;  kartographische  Darstel¬ 
lung  der  letzteren,  wie  der  Morbidität.  Die  Leser  der  Wochenschrift 
sind  über  Gang  und  Verlauf  dieser,  nur  auf  ländliche  Distrikte  be¬ 
schränkten  Epidemie  bereits  durch  die  Berichte  aus  den  Pariser  medi¬ 
zinischen  Gesellschaften  unterrichtet. 

Laignel-Lavastine:  Die  Psychologie  der  Tuberkulösen. 
(Revue  de  medecine,  März  1907.) 

Nach  einer  historischen  Exkursion  über  diese  interessante  Frage 
teilt  Verfasser  sein  Thema  in  2  Kapitel  ein:  Die  akuten  und  die  chro¬ 
nischen  Geistesstörungen,  wovon  letztere  einen  viel  breiteren  Raum 
einnehmen.  Im  allgemeinen  herrscht  bei  dem  Phthisiker  mit  ver¬ 
minderter  Gefässspannung  die  Neigung  zu  depressiven  Gemütsstö¬ 
rungen  vor,  während  Euphorie,  verbunden  mit  Delirien,  mit  peripherer 
Vasodilatation  zusammenfällt.  Die  Veränderungen  der  „Moral“,  wel¬ 
che  untrennbar  verbunden  sind  mit  den  funktionellen  Störungen  der 
Krankheit,  beeinflussen  ihrerseits  wiederum  alle  Reaktionen  des  In¬ 
dividuums;  der  Arzt  sollte  sich  daher  bemühen,  den  seelischen  Zu¬ 
stand  seiner  Patienten  genau  kennen  zu  lernen,  um  auch  in  dieser 
Beziehung  die  richtige  Therapie  einzuschlagen.  Eine  Anzahl  Bei¬ 
spiele  aus  der  Geschichte,  wie  die  Krankheit  Schillers,  Chopins,  illu¬ 
strieren  die  Arbeit. 

C.  Da  mb  rin:  Studie  über  die  Luxationen  der  halbmond¬ 
förmigen  Knorpel  des  Kniegelenkes.  (Revue  de  Chirurgie,  März  und 
April  1907.) 

Die  vorliegende  Arbeit  stützt  sich  auf  122  gesammelte  Fälle,  bei 
welchen  wegen  Luxation  dieser  Knorpel  blutige  Operation  ausgeführt 
worden  ist.  Es  handelt  sich  in  diesen  Fällen  meist  um  junge  Leute, 
die  während  einer  Körperübung,  z.  B.  beim  Fussballspielen,  ausgleiten 
und  heftig  auf  das  Knie  aufschlagen;  in  anderen  Fällen  handelt  es  sich 
um  ein  Individuum,  das  strauchelt  und  mit,  unter  ihm  gekrümmten 


Bein  zu  Falle  kommt.  Es  stellt  sich  sofort  ein  sehr  heftiger  Schmerz 
und  mehr  weniger  hochgradige  Umähigikeit,  sich  weiter  zu  bewegen, 
ein.  Zuweilen  gelingt  es  dem  Verletzten  selbst,  durch  unwillkürliche, 
geeignete  Bewegungen  die  Luxation  zu  beheben,  meist  wird  dies 
aber  der  Arzt  tun  müssen.  Das  Knie  schwillt  weiterhin  an  und  der 
Patient  muss  in  liegender  Stellung  verbleiben.  Differentialdiagnostisch 
kommen  ausser  den  partiellen  Frakturen  des  unteren  Femurendes, 
die  leicht  von  den  Luxationen  der  Menisken  zu  unterscheiden  sind,  die 
partiellen  Frakturen  der  oberen  Tibiaepiphyse  in  Betracht.  Das  vor¬ 
hergehende  Trauma  Ist  für  die  meisten  Fälle  ausschlaggebend  bei  der 
Diagnose,  kann  aber  zuweilen  auch  fehlen;  die  Lokalisation  des 
Schmerzes  —  stets  an  demselben  Punkte  —  ist  ferners  von  Bedeutung. 
Bei  Fremdkörpern  im  Gelenke  ist  der  Sitz  des  Schmerzes  kein  fi¬ 
xierter.  Die  Konstatierung  einer  länglichen,  im  Bereich  der  Zwischen¬ 
bänder  sitzenden  vorspringenden  Geschwulst  ist  ein  weiteres  wich¬ 
tiges  Zeichen  und  damit  in  Zusammenhang  stehend  der  Umstand,  dass 
der  halbmondförmige  Knorpel  immer  an  derselben  Stelle  gefühlt  wird. 
Schwierig  gestaltet  sich  oft  die  Differentialdiagnose  von  der  trau¬ 
matischen  Meniszitis  (von  Roux- Lausanne  und  von  Marais  be¬ 
schrieben),  zumal  letztere  oft  mit  der  Luxation  der  Menisken  verge¬ 
sellschaftet  ist  und  die  Radiographie  auch  keine  besondere  diagnosti¬ 
sche  Stütze  bietet.  Bei  der  frischen  Luxation  der  halbmondförmigen 
Knorpel  sind  Reposition,  dann  Immobilisierung  des  Gelenkes  14  Tage 
hindurch  usf.  die  therapeutischen  Mittel,  bei  rezidivierenden  Luxa¬ 
tionen  ist  blutiger  Eingriff  notwendig  und  zwar  schliesst  D.  aus  den 
studierten  Fällen,  dass  meist  die  Exstirpation  des  Meniskus  (Menis- 
kektomie)  der  Fixation  (Meniskopexie)  desselben  vorzuziehen 
ist.  Letztere  käme  immerhin  bei  partiellen  vorderen  oder 
seitlichen  Zerreissungen  und  bei  einfacher  Erschlaffung  der  Insertionen 
ohne  Zerreissung  in  Betracht;  im  Uebrigen  rühmt  D.  die  Meniskek- 
tomie  sowohl  wegen  ihrer  Wirksamkeit  wie  ihrer  leichten  Ausführ¬ 
barkeit.  Kurze  Aufzählung  der  87  auf  letzterem  Wege  und  der  34 
mit  Meniskopekie  behandelten  Fälle. 

K  i  e  f  f  e  r  -  Angers:  Vergleichende  Studie  über  Magenuntersu¬ 
chungen  (Lage  und  Form)  durch  äussere  Exploration  und  Radioskopie. 
(Archives  provinciales  de  Chirurgie,  März  1907.) 

Bei  dieser  vergleichenden  Studie,  welche  mit  8  Abbildungen 
versehen  ist,  kam  K.  zu  folgenden  Schlüssen.  Die  Radioskopie  ist 
dasjenige  Mittel,  welches  ermöglicht,  die  genauesten  Aufschlüsse  über 
Lage  und  Form  des  Magens  zu  geben.  Um  die  genauen  Grenzen  des 
Organs,  wie  es  sich  im  nüchternen  Zustande  darstellt,  zu  erhalten,  ge¬ 
nügt  es  4  Punkte  zu  bestimmen:  Die  3  abschüssigen,  in  vertikaler 
und  lateraler  Stellung  bestimmten  Punkte  und  den  höchsten  Punkt 
des  Zwerchfellstandes.  Die  Radioskopie  lässt  Stand  und  Form  des 
Magens  in  vertikaler  Stellung  erkennen  und  gibt  eine  genauere 
Idee  von  der  Resistenz,  welche  seine  Wände  gegen  die  einfache 
Wirkung  seines  Eigengewichtes  haben.  Die  radioskopische  Unter¬ 
suchung,  morgens  nüchtern  ausgeführt,  gibt  ohne  irgend  ein  anderes 
Hilfsmittel  vergleichende  Resultate,  während  bei  der  Insufflation  die 
Dimensionen  des  Magens  mit  dessen  Ausdehnung  nicht  nur  in  rela¬ 
tivem  Verhältnis  zur  Tonizität  seiner  Wände,  sondern  zum  Druck 
der  in  seinem  Hohlraum  frei  gewordenen  Gase  variieren. 

G.  Phocas  und  W.  B  e  n  s  i  s  -  Athen:  Nephritis  und  Reno- 
dekortikation.  (Archives  provinciales  de  Chirurgie.  April  1906.) 

Verfasser  nahmen  in  12  Fällen  von  Nephritis  (meist  von  sogen, 
grosser  roter  Niere  bei  durch  Malaria  verursachter  B  r  i  g  h  t  scher 
Krankheit)  den  Kapselschnitt,  eine  Operation,  die  zuerst  in  Griechen¬ 
land  ausgeführt  wurde,  vor.  Von  diesen  ging  ein  Fall  1  Monat 
und  ein  zweiter  2  Monate  nach  der  Operation  tödlich  aus.  In  den 
übrigen  Fällen  schien  es,  als  ob  die  Operation  grossenteils  eine  be¬ 
trächtliche  Besserung  brächte;  vom  Heilung  konnte  aber  in  keinem 
Falle  die  Rede  sein.  In  einem  der  Fälle  hält  die  Besserung  bereits 
2  Jahre  an,  so  dass  der  Betreffende  wieder  aktiv  als  Marinesoldat 
tätig  ist.  Bei  der  Gutartigkeit  sollte  sie  in  jedem,  irgendwie  dazu 
geeignetem  Falle  ausgeführt  werden,  zumal  keine  andere  Behand¬ 
lungsmethode  annähernd  so  gute  Erfolge  geben  kann. 

G.  S  i  c  a  r  d  -  Algier :  Die  kommunizierende  tuberkulöse  Hy- 
drozele.  (Revue  rnensuelle  des  maladies  de  l’enfance,  März  1907.) 

Diese  Form  der  Hydrozele  ist  nur  eine  Varietät  der  Iuberkulose 
des  Canalis  vagino-peritonealis  und  ihr  Studium  unzertrennlich  mit 
jener  der  Hernientuberkulose  verbunden.  S.  konnte  2  solcher  Fälle 
bei  6 — 7  jährigen  Kindern  beobachten.  Bei  der  Untersuchung  findet 
man  einen  doppelseitigen  Tumor  des  Skrotums,  der  hervortritt,  sobald 
man  den  Kranken  aufstehen  lässt,  bei  liegender  Stellung  aber  völlig 
verschwindet;  die  Reduktion  vollzieht  sich  ohne  gurgelndes  Ge¬ 
räusch.  Die  Geschwulst  hat  niemals  den  geringsten  Schmerz  verur¬ 
sacht,  bot  keinerlei  entzündliche  Erscheinungen,  war  aber  dadurch 
auffallend,  dass  sie  trotz  Tragens  einer  Bandage  stets  grösser  wurde.  . 
Das  Allgemeinbefinden  war  in  diesen,  wie  fast  in  allen  anderen  aus 
der  Literatur  bekannten  Fällen  ein  gutes  und  waren  keine  Erschei¬ 
nungen  von  Seite  der  Lungen  oder  anderen  Organen,  mit  Ausnahme 
einer  leichten  Peritonitis  vorhanden.  Vielleicht  ist  diese  tuberkulöse 
Hydrozele,  so  nimmt  S.  an,  oft  nur  das  erste  Symptom  einer  tuber¬ 
kulösen  Peritonitis,  es  ist  aber  zweifelhaft,  ob  der  tuberkulöse  Prozess 
nicht  im  Peritoneum  selbst  sich  zuerst  festsetzt.  Bezüglich  der  The¬ 
rapie  sollte  man,  sobald  die  Diagnose  feststeht,  operativ  Vorgehen, 
zumal  der  Eingriff  ein  durchaus  gutartiger  ist  und  die  Laparotomie  .es 
ermöglicht,  einen  grossen  Teil  des  Aszites  zu  entleeren  und  diese  in- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


guinale  Laparotomie  auf  die  Peritonitis  denselben  guten  Einfluss  haben 
kann,  wie  die  gewöhnliche  mediane  Die  Differentialdiagnose  —  Sy¬ 
philis  und  Karzinom  dürften  meist  ausser  Betracht  bleiben  —  der 
tuberkulösen  Hydrozele  kann  dann  eine  schwierige  werden,  wenn 
hochgradige  entzündliche  Erscheinungen  vorhanden  sind:  das  Be¬ 
stehen  einer  ringsum  beweglichen,  harten,  ovalen  Geschwulst,  die  im 
Grunde  der  peritonealen  Tasche  liegt,  bietet  jedoch  immerhin  ein  fast 
sicheres  Zeichen. 

L.  G.  Simon:  Die  Anämie  im  Kindesalter.  (Revue  mensuelle 
des  maladies  de  l’enfance,  April  1907). 

Die  Anämie  kann  man  in  mehreren  Perioden  des  Kindesalters 
beobachten;  sie  kann  angeboren  und  die  Folge  schlechter  Gesundheit 
der  Eltern  oder  einer  beschwerdereichen  Schwangerschaft  sein,  sie 
kann  im  Gegenteil  viel  später,  gegen  das  12. — 13.  Jahr  erst,  auftreten 
und  zwar  bei  Schulkindern,  welchen  man  viel  Arbeit  unter  schlechten 
hygienischen  Bedingungen  aufbürdet  (Schulanämie).  Besonders  häufig 
ist  die  Anämie,  wie  S.  ausführt,  im  Alter  von  6  Monaten  bis  zu 
3  Jahren,  weil  hier  Ursachen  vorhanden  sind,  die  später  wieder  ver¬ 
schwinden,  vor  allem  Gastroenteritis,  Rachitis  und  hereditäre  Syphilis, 
und  weil  die  blutbildenden  Apparate  noch  einen  Teil  des  Charakters 
der  fötalen  Periode  beibehalten  und  dem  hämatologischen  Bilde  einen 
ganz  speziellen  Stempel  aufdrücken.  S.  unterscheidet  auch  für  dieses 
Alter  4  lypen:  1.  die  einfache,  2.  die  chlorotische,  3.  die  perniziöse 
und  4.  die  mit  Milzvergrösserung  einhergehende  Anämie,  welch 
letztere  wieder  verschiedene  Varietäten,  wovon  die  interessanteste 
die  infantile  Pseudoleukämie  ist,  hat.  Auf  die  einzelnen,  von  Ver¬ 
fasser  genau  beschriebenen.  Formen  kann  hier  nicht  eingegangen 
werden;  es  sei  nur  erwähnt,  dass  die  perniziöse  Anämie  im  Kindes¬ 
alter  dieselben  Ursachen  wie  beim  Erwachsenen  hat  (Eingeweide¬ 
würmer  wie  Botriokephalus,  Ankylostoma,  Askariden,  ferner  maligne 
Tumoren,  besonders  Nierensarkom,  Malaria,  Syphilis).  Mit  Ausnahme 
der  perniziösen  Form  sind  alle  Arten  von  Anämie  relativ  leicht  der 
Heilung  zugänglich.  Bei  der  Behandlung  ist  in  erster  Linie  der  ur¬ 
sächliche  Grund  zu  bekämpfen:  gegen  die  tuberkulöse  Anämie  Frei¬ 
luftkur  und  Ueberernährung,  Quecksilber  bei  Syphilis,  Anthelmintica 
gegen  Eingeweidewürmer,  Darmantisepsis  und  strenge  Diät  gegen  die 
Anämie  der  Dyspeptiker.  Ist  die  Anämie  besonders  auf  verminderten 
Hämoglobingehalt  zurückzuführen,  so  sind  Eisenpräparate  zu  geben, 
die  Milchernährung  einzuschräniken  und  statt  derselben  Nährmittel, 
die  leicher  an  Fe  sind,  zu  verordnen:  Hafer-,  Weizensuppen  und  be¬ 
sonders  Linsen,  mit  oder  ohne  Eigelb.  Zeigt  die  Blutuntersuchung 
mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Verminderung  der  roten  Blut¬ 
körperchen,  so  muss  man  die  Tätigkeit  der  blutbildenden  Organe 
anregen  und  hiezu  erscheint  von  allen  Medikamenten  der  Arsenik 
(r  o  w  le  r  sehe  Lösung)  am  geeignetsten.  Ebenso  wie  Arsenik  sind 
auch  andere  Mittel,  welche  eine  gewisse  Anzahl  von  Blutbestand¬ 
teilen  zu  zerstören  und  einen  erhöhten  Wiederaufbau  zu  bewirken  im 
stände  sind,  mit  Erfolg  angewendet  worden,  z.  B.  die  X-Strahlen, 
die  zytotoxischen  Sera,  das  Diphtherieheilserum  und  vor  allem '  das 
Knochenmark  und  Milzextrakt.  Verfasser  rühmt  in  dieser  Beziehung 
besonders  das  Kalbsknochenmark  (frisch  in  etwas  Bouillon  in  der 
I  ()sis  von  20—30  g  pro  lag  gegeben);  es  seien  schon  eine  grosse 
Zahl  solcher  rälle  veröffentlicht  worden,  wo  die  Blutuntersuchung  auf- 
fallend  rasche  Besserung  unter  dieser  Behandlung  zeigte.  Beim  Kinde 
zwai  noch  wenig  erprobt,  verdiene  die  Knoöhenmark(Opo-)therapie 
ast  in  allen  Fallen  zusammen  mit  Arsenik  angewandt  zu  werden  Das 
beigegebene  Literaturverzeichnis  umfasst  112  Nummern. 

I  rofessor  Queirel:  Variola  und  Blattern.  (Annales  de  gyne- 
cologie  et  d’obstetrique,  März  1907.) 

Mit  Recht  hat  man  schon  zu  allen  Zeiten  den  Einfluss  der  Blattern 
auf  die  Schwangerschaft  für  einen  höchst  gefährlichen  gehalten;  von 
allen  akuten  Exanthemen  und  vielleicht  von  allen  akuten  Krankheiten, 
einschliesslich  der  Pneumonie,  sind  die  Blattern  für  Mutter  und  Kind 
die  schwerwiegendsten.  Qu.  beobachtete  in  seinem  Spitale  19  Fälle 
von  denen  10  tödlich  endeten,  während  die  Zahl  der  totgeborenen 
Knider  noch  grösser  war  (52  Proz.  Todesfälle  der  Mütter,  73  Proz. 
52  o!n?5r  lA-bortus]).  Die  gesammelte  Gesamtstatistik  ergibt  unter 
f6  Blatternfallen  130  Aborte  =  ca.  44  Proz.  Auf  die  weiteren  in¬ 
teressanten  Einzelheiten  bezüglich  der  verschiedenen  Formen  der 
t51a,tt?rnf  ~  d^r  hämorrhagischen  Form  ist  die  Sterblichkeit  eine 
wahrhaft  erschreckende,  indem  die  30  Fälle  28  Aborte  und  29  Todes- 
a  le  gaben  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Qu.  nimmt  als 
Ergebnis  seiner  Untersuchungen  an,  dass  die  Uebertragung  des  noch 
unbekannten  oder  wenig  gekannten  Mikroorganismus  der  Blattern  auf 
den  hotus  Erscheinungen  von  Septikämie  und  mikroskopische  Ver¬ 
änderungen  der  Plazenta,  welche  den  Abortus  erklärlich  machen  kön¬ 
nen,  hervorruft. 

O  ui -Lille:  Die  therapeutischen  Indikationen  bei  mit  Gebär- 

«mto'oae 

Bezüglich  des  Einflusses,  welchen  die  Schwangerschaft,  kompli¬ 
ziert  mit  Gebärmutterkrebs,  ausübt,  kommt  Verfasser  zu  dem 
Schlüsse,  dass  damit  nicht  unbedingt  eine  Verschlimmerung  des  Kar- 
zinoms  verbunden  sein  muss  und  dass  die  unmittelbare  Mortalität  der 
Entbindung  und  deren  Folgen  nicht  vom  Karzinom  allein,  sondern  in 

?bhwtMFSSe  ,von’  Vfrha'ten  des  die  Entbindung  leitenden  Arztes 
abhangt,  hur  das  Kind  ist  die  vorzeitige  Unterbrechung  der  Schwan¬ 
gerschaft  in  etwa  ein  Viertel  der  Fälle  tödlich  oder  höchst  ge¬ 


fährlich,  während  rasches  und  zielbewusstes  Eingreifen  im  Moment 
der  natürlichen  Entbindung  lebensrettend  wirken  kann.  Die  Hy¬ 
sterektomie  kann  in  den  ersten  Monaten  der  Schwangerschaft  an¬ 
gezeigt  sein,  wenn  das  Karzinom  enge  umschrieben  und  begrenzt  ist; 
dadurch  hat  die  Mutter  Aussicht  auf  längere  Lebensdauer  und  selbst 
auf  Heilung.  Kürettement  der  fungösen  Krebsmassen  und  Amputation 
der  Zervix  während  der  Schwangerschaft  sind  jedoch  zu  verwerfen, 
da  sie  zu  häufig  Rnterbrechung  derselben  bewirken  und  daher  das 
Kind  ohne  besonderen  Vorteil  für  die  Mutter  opfern.  Was  nun  das 
Verhalten  während  der  Entbindung  betrifft,  so  darf  es  nur  dann 
ein  exspektatives  sein,  wenn  ein  sehr  eng  begrenzter  Teil  der  Zervix 
vom  Karzinom  befallen  ist  und  die  Erweiterung  leicht  und  ohne  Verzug 
von  statten  geht.  Zieht  sich  die  Entbindung  in  die  Länge,  treten 
ernste  Schwierigkeiten  auf,  so  muss  der  Kaiserschnitt,  gefolgt  von 
abdominaler  Hysterektomie,  ausgeführt  werden;  der  vaginale  Kaiser¬ 
schnitt  ist  dann  vorzuziehen,  wenn  es  sich  um  ein  ganz  umschriebenes 
Karzinom  handelt  und  der  Zustand  des  Kranken  einen  operativen 
Eingriff  erlaubt.  Nach  der  Entbindung  und  zwar  in  der  etwa  1 
Monat  umfassenden  Zeitspanne  sind  die  Resultate  der  vaginalen 
Hysterektomie  bei  operablem  Karzinom  relativ  günstige:  von  24  der¬ 
artigen  Fällen,  welche  O  u  i  aus  der  Literatur  sammelte,  verlief  nur 
einer  direkt  nach  der  Operation  tödlich,  3  verblieben  ohne  Rezidiv 
nach  mehr  als  4  jähriger  (—  12,5  Proz.)  und  mehrere  Fälle  nach  mehr 
als  2  jähriger  Beobachtung.  Auch  über  die  verschiedenen  Opera¬ 
tionen  (vaginale,  abdominale  Hysterektomie  u.  a.  m.),  welche  wäh¬ 
rend  der  Schwangerschaft  und  Entbindung  ausgeführt  wurden,  und 
deren  Erfolge  bringt  Verfasser  statistische  Zusammenstellungen. 

Louis  Martin:  Die  Schlafkrankheit;  5  neue  Fälle  von  Trypano- 
somiasis  bei  Weissen,  therapeutische  Versuche.  (Annales  de  l’institut 
Pasteur,  März  1907.) 

Die  5  Fälle,  welche  im  Pariser  Institut  Pasteur  zur  Beobachtung 
kamen,  ibetrafen  ausser  einem  Kolonial-Unteroffizier  ausschliesslich 
Missionäre.  Es  geht  aus  diesen  Fällen  hervor,  dass  die  Schlafkrank¬ 
heit  bei  Weissen  in  ganz  verschiedener  Weise  sich  entwickelt:  nur 
in  einem  der  Fälle  war  das  Vorherrschende  die  Schlafsucht,  in  einem 
anderen  Herzerscheinungen  (Atemnot,  Herzklopfen),  in  einem  wei¬ 
teren  allgemeine  Drüsenschwellung  mit  heftigen  Schmerzen  an  den 
Beinen  usf.,  bei  allen  waren  die  Erscheinungen  von  allgemeiner 
Schwäche  sehr  frühzeitig  vorhanden.  Von  den  therapeutischen  Mit¬ 
teln  erwies  sich  Atoxyl  als  das  beste,  indem  es  nach  2 — 3  Injektionen 
das  Fieber  zum  Verschwinden  bringt,  das  Allgemeinbefinden  rasch 
bessert  usf.;  die  Trypanosomen  verschwinden  aus  dem  Blute,  ebenso 
wie  bei  Malaria  die  Hämatozoen  unter  dem  Einflüsse  von  Chinin. 
Aber  ebenso  wie  bei  Malaria  bedeutet  das  noch  keine  Heilung,  und 
Rezidive  sind  häufig;  ob  auch  bei  der  Schlafkrankheit  langdauernde 
Rückfälle  Vorkommen,  kann  Verfasser  noch  nicht  sagen  und  möchte 
überhaupt  von  definitiver  Heilung  nicht  sprechen,  bevor  nicht  Be¬ 
obachtungen  über  eine  Reihe  von  Jahren  vorliegen. 

J.  Cantacuzene  und  P.  R  i  e  g  1  e  n :  Toxische  Erkrankung, 
hervorgerufen  durch  intrastomakale  Injektion  abgetöteter  Rotz- 
bazillen,  (Ibidem.)  > 

Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dass  die  abgetöteten  Rotz- 
bazillen  toxisch  sind  und  beim  Meerschweinchen  eine  mehr  weniger 
lasch  zum  Tode  führende  Krankheit  hervorrufen,  mag  die  Einimpfung 
auf  peritonealem  oder  intestinalem  Wege  stattfinden.  Die  Symptome 
der  Krankheit  sind  anfängliche  Temperaturerniedrigung,  Abmagerung, 
Degeneration  des  Nierenepithels,  akute  Nekrose  der  vielkernigen 
Leukozyten,  Hypertrophie  der  lymphbildenden  Organe  mit  amyloider 
Degeneration  der  Milz  usf.  Die  Zerstörung  der  abgetöteten  Rotz¬ 
bazillen  erfolgt  ausserordentlich  rasch;  und  stehen  sie  bei  diesem  Vor¬ 
gang  im  Gegensatz  zu  den  entfetteten  Tuberkelbazillen.  Der  Durch¬ 
ritt  der  toten  Rotzbazillen  durch  die  Darmwand  vollzieht  sidh  beson- 
clers  im  Bereich  von  Ileum  und  Blinddarm;  sie  drängen  sich  zwischen 
die  Epithelialzellen,  ohne  dass  die  Leukozyten  dabei  eine  Rolle  zu 
spielen  schienen.  Diejenigen  Bazillen,  welche  dem  subepithelialen 
phagozytären  Filter  entgehen,  gelangen  unversehrt  in  die  Lymphe 
und  von  da  in  die  Blutzirkulation;  dabei  werden  sie  in  der  Milz  und 
den  kleinen  Gefässen  der  Lunge,  wo  ihre  Zerstörung  schliesslich  im 
Inneren  der  Makrophagen  sich  vollzieht,  aufgehalten. 

V  a  i  1 1  a  r  d  und  D  o  p  t  e  r:  Die  Serumtherapie  in  der  Behandlung 
der  bazillären  Dysenterie.  (Annales  de  l’institut  Pasteur,  April  1907.) 

Im  Anschluss  an  ihre  früheren  bekannten  Arbeiten  berichten  Ver¬ 
fasser  nun  über  243,  im  Jahre  1906  von  ihnen  behandelte  Fälle  bazil¬ 
lärer  Dysenterie;  unter  Abzug  von  6  Fällen,  die  schon  moribund  zur 
Behandlung  kamen,  ergaben  dieselben  die  geringe  Mortalität  von 
2  Proz.,  während  diese  z.  B.  in  Toulon  während  der  Epidemie  von 
1906  bei  129  Kranken  6,9  Proz.,  in  der  Bretagne  im  Jahre  1899 
zwischen  20  und  50  betrug,  in  Moskau  12— 17,  in  Japan  24  Proz.  be¬ 
trägt  usf.  Sie  erklären  auf  Grund  dieser  nun  neuerdings  gemachten 
Et  fahrungen  das  Dysenterieheilserum  für  eines  der  sichersten  thera¬ 
peutischen  Mittel  und  für  das  Spezifikum  gegen  die  bazilläre  Dys- 
entei  ie,  bei  der  es  ebenso  wirksam  sei,  wie  das  Diphtherieheilserum 
bei  Diphtherie.  Durch  die  Verallgemeinerung  seiner  Anwendung 
würde  die  Mortalität  auf  ein  Minimum  reduziert,  die  Dauer  der 
Krankheit  verkürzt  werden  und  der  Arzt  ein  sicheres  Mittel  haben 
die  Leiden  seiner  Patienten  rasch  zu  lindern.  Schliesslich  besitze  das 
Dysenterieheilserum  auch  prophylaktische  Wirkung  und  könne  der 
Ansteckung  ausgesetzte  Personen  vor  der  Infektion  bewahren.  Die 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2053 


Häufigkeit  der  Ruhrepidemien  unter  der  Landbevölkerung  der  Bre¬ 
tagne  die  bei  Kindern  und  schwächlichen  Leuten  stets  in  schwerem 
Grade  auftretende  Krankheit  würden  eine  Massnahme  rechtfertigen, 
welche  bei  Diphtherie  so  wohltätig  gewirkt  habe,  nämlich  die  prä¬ 
ventive  Injektion  des  Serums.  .  . 

Levi-Sirugue:  Die  Schlafkrankheit  oder  Trypanosomiasis 

beim  Menschen.  (Gazette  des  höpitaux  1907,  No.  43.) 

Zusammenfassender  Bericht  über  diese  tropische  Kiankheit, 
deren  Aetiologie,  geographische  Verteilung,  Art  der  Verbreitung  und 
Symptomatologie  nun  völlig  erforscht  zu  sein  scheint.  Das  Atox\  1 
dürfte  auch  nach  den  Erfahrungen  Kochs  ein  ausserordentlich  wirk¬ 
sames  Mittel  gegen  die  Krankheit  sein.  Verfasser  drückt  schliesslich 
die  Hoffnung  aus,  dass  es  durch  die  vereinten  Bemühungen  der 
deutschen  Expedition  unter  Koch  und  der  französischen  untei 
G.  Martin  es  gelingen  wird,  dieser  schlimmen  Krankheit  Einhalt 

ZU  tULeon  Ke  n  dir  dy:  Bericht  über  die  Rachistovainisation.  (Presse 

medicale  1907,  No.  38.)  inn .  ,  . 

Gestützt  auf  625  Fälle,  welche  vom  1.  September  1904  bis 

1  März  1907  mit  dieser  Art  Anästhesie  behandelt  wurden,  gibt  K. 
eine  kurze  Uebersicht  über  die  grossen  Vorzüge  der  Methode.  Be¬ 
sonders  bemerkenswert  ist  ihre  Ungefährlichkeit  gegenüber  der 
Rachikokainisation,  für  jedes  Alter  und  in  den  verschiedensten  Kiank- 
heitszuständen  anwendbar,  könnte  sie  wohl  den  Vergleich  mit  der 
allgemeinen  Narkose  aushalten  und  K.  glaubt,  dass  kaum  625  Lhloio- 
formnarkosen  ein  gleich  günstiges  Resultat  haben  werden  Die 
Rachistovainisation  behaupte  aber  vor  allem  ihren  Platz  zwischen  der 

allgemeinen  und  der  lokalen  Anästhesie. 

Plauchu  und  Richard:  Der  Kropf  beim  Neugeborenen. 

(Gazette  des  höpitaux  1907,  No.  54.) 

Der  Kropf  kommt  beim  Neugeborenen  in  3  Formen  vor:  1.  üe- 
fäss-,  2.  parenchymatöser  und  3.  Zystenkropf.  Ersterer  ist  der  häu¬ 
figste  und  bildet  wahrscheinlich  die  Mehrzahl  jener  Fälle,  welche  sich 
rasch  nach  der  Geburt  resorbieren.  Aetiologisch  ist  bei  der  Ent¬ 
stehung  des  Kropfes  die  Heredität  von  Wichtigkeit.  Der  Kropt  des 
Neugeborenen  ist  im  allgemeinen  ein  ziemlich  schweres  Leiden;  viele 
Kinder,  welche  bei  der  Geburt  mit  dem  Bilde  der  Atemnot  und  Zya¬ 
nose  sterben,  kommen  auf  Rechnung  einer  retrosternalen  oder  seitlich 
vom  Kehlkopf  sitzenden  Struma  (in  etwa  60  Proz.  der  Falle).  Ist 
trotz  der  Struma  die  Lebensmöglichkeit  gegeben,  so  ist  meist  Neigung 
zu  allgemeiner  Rückbildung  vorhanden.  Bei  bedrohlichen  Sym¬ 
ptomen  empfehlen  Verfasser  die  im  Jahre  1905  zuerst  von  P  o  1  i  s  - 
son-Lyon  mit  Erfolg  ausgeführte  Exothyropexie,  welche  in  ähn¬ 
licher  Weise,  wie  die  Ausschälung  der  Tvmusdrüse  (Exothymopexie) 
stets  gute  Resultate  geliefert  habe.  Pathologische  Anatomie  und 
Symptomatologie  des  Leidens  bilden  eigene  Kapitel  der  vorliegenden 
Arbeit.  Stern. 

Italienische  Literatur. 

Massaglia  und  Sparapani  bringen  aus  der  Veterinär¬ 
klinik  Modenas  einen  interessanten  Beitrag  über  experimentelle  und 
spontane  Eklampsie  der  Tiere  zur  Bestätigung  der  Vassale  sehen 
Eklampsielehre  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  69). 

Einer  Hündin  wurden  am  12.  Dezember  1905  beide  Nebenschild¬ 
drüsen  entfernt.  Sie  bot  nach  der  Operation  keinerlei  Krankheits¬ 
erscheinungen  und  wurde  am  7.  Mai  1906  belegt. 

Am  29.  Juni  bot  der  Urin  die  ersten  Spuren  von  Albumen;  am 
1.  Juli  zeigte  das  Tier  Störungen  im  Gange;  noch  am  selben  Tage 
trat  Tremor  der  Extremitäten  ein,  ferner  klonische  Krämpfe,  spastische 
Rigidität  der  hinteren  Extremitäten,  Anurie. 

Am  2.  Juli  früh  anscheinende  Besserung;  in  der  Nacht  Entleerung 
von  etwa  70  ccm  Urin,  Welcher  0,2  Prom.  Eiweiss  enthielt.  Nach¬ 
mittags  ein  neuer  Anfall,  eine  Stunde  dauernd,  mit  Dyspnoe,  starken 
tonischen  und  klonischen  Krämpfen  und  Schaum  vordem  Maule.  Am 
Abend  anscheinende  Besserung,  Entleerung  von  70  ccm  Urin  mit 
1,2  Prom.  Eiweiss;  Esslust;  von  9—11  Uhr  gebar  das  Tier  5  Junge, 
jedes  etwa  200  g  wiegend;  das  Tier  erscheint  besser,  versucht  die 
Jungen  zu  säugen,  hat  aber  wenig  Milch  und  bleibt  anurisch.  Am 
4.  Juli  anscheinende  Besserung;  es  sind  früh  etwa  80,  nachmittags 
120  ccm  Urin  entleert,  mit  0,2  resp.  0,3  Prom.  Eiweissgehalt.  Bis  zum 
12.  Juli  fortdauernde  Besserung  bei  0,1  Prom.  Eiweissausscheidung; 
am  Tage  ein  leichter  eklamptischer  Anfall  mit  J  remor,  Kontraktionen 
und  Dyspnoe,  spärlicher  Urinentleerung  und  0,2  Prom.  Eiweissgehalt. 
Nach  anscheinender  Besserung:  am  15.  Juli,  nach  längerer  Anurie 
schwerer  eklamptischer  Anfall:  das  Tier  wälzt  sich  am  Boden  mit 
heftigen  tonischen  und  klonischen  Krämpfen,  trüben  Augen,  schaum¬ 
bedeckten  Maule,  halb  bewusstlos;  dauernde  Anurie;  die  Milchaus¬ 
scheidung  versiegt. 

Bei  diesen  allarmierenden  Symptomen  werden  dem  an  Trismus 
leidenden  Tiere  20  ccm  Parathyreoidin  in  Milch  eingeflösst.  Alle 
Symptome  bessern  sich  bis  zum  Abend  bis  auf  eine  leichte  Parese. 
Nach  nochmaliger  Einflössung  von  25  und  später  von  15  ccm  Para¬ 
thyreoidin  vom  16.  Juli  an  vollständiges  Wohlbefinden;  der  Urin  wird 
reichlicher,  der  Eiweissgehalt  ist  von  0,7  auf  0,1  Prom.  herunter¬ 
gegangen;  das  Tier  bleibt  von  da  ab  dauernd  gesund,  ernährt  seine 
beiden  Jungen,  die  anderen  sind  mittlerweile  eingegangen. 

2.  Experiment:  Einer  trächtigen  Hündin  werden  beide  Para¬ 
thyreoideae  externae  und  die  linke  interna  am  11.  Juli  1906  entfernt. 


Am  10.  August  zeigt  das  Tier  die  ersten  Krankheitserscheinungen: 
tränende  Augen,  etwas  Tremor,  Eiweiss  im  Urin.  Unter  wechselndem 
Auftreten  von  Krampfanfällen  und  Remissionen^  ferner  Albuminurie 
wie  im  vorigen  Falle,  gebiert  das  I  ier  am  17.  August,  erscheint 
am  18  August  besser,  bekam  am  19.  August  einen  fast  tödlichen 
eklamptischen  Anfall,  erholt  sich  am  20.  auffallend  nach  20  ccm  Para¬ 
thyreoidin,  erscheint  noch  am- 21.  gesund  (allerdings  bei  0,4  Prom. 
Eiweissausscheidung)  und  ist  am  22.  August  unbeobachtet  in  einem 

Krampfanfall  verendet.  ...  ., 

3.  Experiment:  Einer  Katze  von  2  kg  800  g  Gewicht,  trächtig  seit 
50  Tagen  werden  beide  äussere  Nebenschilddrüsen  und  die  innere  der 
rechten  Seite  entfernt  (13.  August).  Am  17.  August  tritt  bei  derselben 
eine  Albuminurie  auf,  am  18.  August  zum  ersten  Male  Kiampte,  spur- 
liche  Urinabsonderung.  Sie  bekommt  10  ccm  I  arathyreoidin.  Am 
19.  wirft  dieselbe  6  Junge,  ist  nicht  imstande  sie  zu  ernähren;  die 
kleinen  Tiere  gehen  an  Hunger  ein.  Die  Mutter  erholt  sich  und 

bleibt  gesund.  „  ,  ,  , 

Eine  folgende  Beobachtung  betrifft  eine  spontan  nach  dem  W  er¬ 
fen  von  4  Jungen  am  2.  April  unter  Dyspnoe,  tonischen  und’  klonischen 
Krämpfen  erkrankte  Hündin.  Bis  zum  5.  April  wurden  die  Krampf¬ 
erscheinungen  so  bedrohlich,  dass  ihr  15  fern  Parathyreoidin  bei¬ 
gebracht  werden.  Darauf  Besserung,  am  Abend  die  g  eiche  Dosis. 
Der  Urin  enthält  Albumen,  wird  reichlicher;  das  Tier  bleibt  gesund, 
ernährt  2  seiner  Jungen,  nachdem  ihr  die  beiden  anderen  weg- 

S  Durch  obige  Beobachtungen  halten  die  Autoren  die  Identität  dei 
experimentellen  Eklampsie  bei  Tieren  mit  der  natürlichen  und  die 
Identität  der  beiden  mit  der  Eklampsie  bei  Schwangeren  und  Wöch¬ 
nerinnen  für  erwiesen  und  zugleich  auch  dm  V  as  sa  1  e  sehe  Lehre 
von  der  ursächlichen  Bedeutung  des  Fehlens  der  Nebenschilddrusen¬ 
sekretion  und  die  Therapie  der  Eklampsie  mit  Parathyreoidin  lur  ge¬ 
rechtfertigt  ^  n  .  berjchtet  jn  No_  66  und  69<  1907  der  Gazzetta  degli 

osped.  über  die  Wirksamkeit  des  M  a  r  a  g  l  i  a  n  o  sehen  Tuberkulose¬ 
heilserums  subkutan  wie  per  os  gegeben  im  Krankenhause  zu  Galla¬ 
rate  Er  beschreibt  8  Fälle,  in  welchen  diese  Behandlung  sich  wirk¬ 
sam  erwies.  Wer  die  Wirkung,  und  zwar  die  spezifische  dieses  Heil¬ 
mittels  bezweifelt,  möge  es  einmal  anwenden  bei  Individuen  mit  tuber¬ 
kulöser  Heredität  und  dauernden  anämischen  Beschwerden.  Fr  wird 
finden,  dass  das  Hämoantitoxin.  antituberculosum  Marag  iano  allen  re¬ 
konstruierenden  Mitteln  in  der  Exaktheit  und  Schnelligkeit  seiner 
Wirkung  überlegen  ist.  x,  , 

Jona  prüfte  im  Hospital  S.  Giovanni  in  J  urin  die  Methode  dei 
von  Gilbert  inaugurierten  Autoserumtherapie  bei  Pleuraexsudat  . 
Diese  Methode  besteht,  wie  in  diesen  Berichten  bereits  rmtgeteilt, 
darin  dass  bei  möglichst  frischen  tuberkulösen  Pleuraexsudaten  1  ccm 
Serum  aspiriert  und,  ohne  dass  die  Nadel  aus  der  Hautoffnung  heraus¬ 
gezogen,  subkutan  injiziert  wird.  o  ,  ,  „„„ 

J  berichtet  über  15  so  behandelte  Fälle  von  Pleuraexsudat,  von 
denen' etwa  die  Hälfte  sicher  tuberkulöser  Natur  war,  welche  aber 
das  Postulat  frisch  zu  sein  zum  grösseren  Teil  nicht  erfüllten 

Diebrillanten,  von  Gilbert  und  einigen  anderen  Autoren  hervor¬ 
gehobenen  Resultate  konnte  J.  nicht  bestätigen  immerhin  aber  fand 
er  dies  Verfahren  therapeutisch  so  wirksam,  dass  er  es  zur  An¬ 
wendung  empfehlen  zu  können  glaubt.  .  ,  ,. 

Die  Methode  erwies  sich  um  so  wirksamer,  je  frischer  die  E.x- 
sudate  waren.  Im  Gegensatz  zu  Gilbert  konnte  .1.  mit  M  o  n  £oa 
und  Gentes  (Rif.  med.  1900,  pag.  67)  konstatieren,  dass  dies  Ver¬ 
fahren  nicht  nur  bei  tuberkulösen  Exsudaten,  sondern  auch  bei  anders¬ 
artigen  sich  wirksam  erwies.  ,  , 

Als  besonders  bemerkenswert  glaubt  .1.  hervorheben  zu  müssen 
die  diuretische  Wirkung  dieses  Heilverfahrens  In  13  von  den  15  be¬ 
handelten  Fällen  war  sie  eine  sehr  bedeutende  und >  stieg ^z  B 
700  auf  2200.  von  800  auf  2700  und  von  1500  auf  3800.  Somit  schien 
sich  dieses  Heilverfahren  J.  als  ein  die  Aufsaugung  des  Exsudats 
beschleunigendes  zu  bewähren.  Ob  es  sich  bei  demselben  «m 
kung  von  Toxinen,  Antitoxinen,  um  eine  Art  Immunisierung  odei  un 
osmotische,  die  Druckverhältnisse  im  Kreislauf  beeinflussende  Mo¬ 
mente  handelt,  bleibt  hypothetisch.  (Gazzetta  degli  osped.  19  7, 

L  i  v  i  e  r  a  t  o  bringt  aus  der  Klinik  Genuas  einer. '  Be‘{™~  ™ 
Wirkung  des.„Benzosalins“,  eines  neuen  Sahzylpraparates.  (Gazzetta 

deSllErSfand  dies’ Präparat  (bestehend  aus  Benzoesäure  und  bahzyU 
säure)  wirksam  in  allen  den  Krankheiten,  in  welchen  die  Salizylsäure 
und  ^Präparate  sich  wirksam  erweisen.  Besondere  Vorteile  bietet 
dasselbe  in  bezug  auf  das  Fehlen  der  unangenehmen  I JebenwirkunKen. 

und  aus  diesem  Grunde  empfiehlt  es  sich  bei  al  P?a  Dip  Schweiss- 
chen  Herz  und  Magen  nicht  richtig  funktionieren.  Die  ^chweiss 
Sekretion  nach  Benzosalin  soll  nicht  so  profus  und  erschöpfend  seit 
wie  nach  anderen  Salizylverbindungen,  sondern  massiger,  dafür  aber 
soll  es  die  Diurese  in  merklicher  Weise  anr.eg®n-  ,  ,,  *  y  „ 

Äflflo  LÄ  dem  Institut 
für  Infektionskrankheiten  in  Genua  über  ein  Verinhren  der  Kultur  e» 
N  e  i  s  s  e  r  sehen  Gonokokkus.  (Gazzetta  degli  0SPe'd-  J907,  ^  7-J 
Nach  längeren  Versuchen  mit  verschiedenen  Nahr  ode  er 
reichten  die  Autoren  mit  einem  Zusatz  von  deformiertem  Blut 


2054 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Verhältnis  von  1  Tropfen  zu  10  ccm  flüssiger  glyzerinierter  Bouillon 
befriedigende  Resultate. 

Ein  weiterer  Zusatz  von  frischem  Hühnereiweiss  oder  frischem 
Hühnereigelb  (ebenfalls  nur  1  Tropfen)  macht  die  Entwicklung  be¬ 
deutend  schneller  und  üppiger. 

Es  wurde  ferner  die  Beobachtung  gemacht,  dass  auf  Nährböden, 
auf  welchem  nach  48  ständigem  Aufenthalt  im  Brutofen  sich  keine 
Entwicklung  zeigte,  es  genügte,  1  Tropfen  frisches  Hühnereiweiss  oder 
1  Platinöse  frisches  Hühnereigelb  hinzuzufügen,  um  die  Entwicklung 
zu  einer  sehr  üppigen  zu  machen. 

Feste  Nährböden  entsprechen  im  allgemeinen  nicht  so  sehr  den 
Entwicklungsbedingungen  des  Pilzes  als  flüssige,  indessen  versichern 
die  Autoren,  auch  auf  Kartoffeln  Kulturen,  welche  von  Hiihnereiweiss- 
bouillon  stammten,  ausgesät  und  üppige  Kulturen  wieder  erhalten  zu 
haben. 

Auch  der  pathogene  Einfluss  der  so  erhaltenen  Kulturen  auf  ge¬ 
sunde  Schleimhaut  wurde  experimentell  nachgewiesen;  desgleichen 
gelang  es,  ein  Aggressin  zu  finden,  welches  die  Wirkung  des  In¬ 
fektionsträger  wesentlich  verschärfte,  die  Inkubationsdauer  abkürzte, 
auch  mit  Kulturen  gemeinsam  injiziert  den  Tod  der  Versuchstiere 
bewirkte,  während  die  Kulturen  allein  hierzu  nicht  imstande  waren. 

Ueber  diese  letzteren  Tatsachen  versprechen  die  Autoren  weitere 
Mitteilungen. 

Qravagna  -  Catania  (Klinik  für  Haut  und  Syphilis) :  Ueber 
den  Befund  des  Leprabazillus  im  strömenden  Blute  vor  und  nach  der 
Behandlung  mit  Merkur.  (Qazzetta  degli  osped.  1907,  S.  66.) 

An  zwei  Leprakranken  prüfte  Verf.  die  Frage  des  Vorkommens 
des  Bazillus  Hansen  im  Blut.  Es  gelang  ihm  nach  der  Ziehl- 
Nelson  sehen,  der  G  a  b  b  e  t  sehen  und  der  Ehrlich-Weigert- 
schen  Methode  bei  beiden  Fällen  fast  in  allen  Blutpräparaten  Lepra¬ 
bazillen  nachzuweisen.  Diese  Untersuchungen  wurden  unternommen 
zu  einer  Zeit  des  scheinbaren  Stillstandes  des  Lepraprozesses,  nach¬ 
dem  seit  über  drei  Monaten  keine  Bildung  neuer  Leprome,  keine 
Vergrösserung  der  alten  stattgefunden  hatte. 

Angesichts  der  guten  Resultate,  welche  in  der  Klinik  Catanias 
bei  Leprösen  mit  Merkurialkuren  erzielt  wurden,  lag  es  nahe,  bei  beiden 
Kranken  nach  länger  durchgeführter  Merkurialkur  die  Blutunter¬ 
suchung  zu  wiederholen.  Trotz  langer  und  sorgfältiger  Untersuchung 
mit  derselben  Technik  fiel  das  Resultat  negativ  aus,  und  Q.  sieht  hierin 
eine  Bestätigung  der  günstigen  Wirkung  der  Merkurbehandlung  bei 
Lepra. 

Dagegen  gelang  es  Q.  trotz  vieler  und  wiederholter  Versuche 
nicht,  mit  Hilfe  des  Blutes  der  beiden  Leprakranken  Nährböden  her¬ 
zustellen,  auf  welchen  der  Bazillus  Hansen  sich  entwickelte;  auch 
das  reine  Blutserum  als  Nährboden  blieb  steril.  Ein  Kulturverfahren 
für  den  Leprabazillus  gibt  es  bis  jetzt  noch  nicht. 

Hager-  Magdeburg. 

Holländische  Literatur. 

T  Schoemaker:  Das  perforierte  Magengeschwür.  (Nederl. 
Tijdschr.  voor  Geneeskunde,  I,  No.  16.) 

An  der  Hand  von  sechs  operierten  Fällen,  von  denen  nur  einer 
letal  endigte,  bespricht  Verf.  vor  allem  die  Symptomatologie  des  Ulcus 
perforatum  und  kommt  schliesslich  zu  folgendem  Resume: 

Ein  perforiertes  Magenulcus  gibt  auch  noch  26  Stunden  nach  der 
Perforation  eine  gute  Aussicht  auf  Heilung,  da  auch  dann  die  Peri¬ 
tonitis  noch  nicht  bedenklich  ist. 

Die  Diagnose  ist  schwer,  ja  zuweilen  unmöglich,  wenn  die  Anam¬ 
nese  keine  Fingerzeige  gibt.  Die  Erscheinungen  sind  die  eines 
perakut  begonnenen  Bauchleidens  mit  darauf  folgender  umschriebener 
Peritonitis.  Lokalisiert  sind  sie  bei  Ulzera  am  Pylorus  in  der  rechten 
Seite  und  im  kleinen  Becken.  Der  dabei  in  der  lleozoekalgegend 
vorhandene  Druckschmerz  gibt  Veranlassung  zu  Verwechslung  mit 
akuter  Appendizitis.  Im  übrigen  scheint  „defense  musculaire“  ober¬ 
halb  der  Appendix  zu  fehlen. 

Bei  einer  mehr  nach  links  sitzenden  Perforation  wird  aber  auch 
das  kleine  Becken  eher  als  die  Mittelbauchgegend  infiziert  und  man 
undet  selbst  nach  sieben  lagen  die  stärksten  Veränderungen  im  Epi- 
und  Hypogastrium,  während  das  Mesogastrium  frei  bleibt. 

Die  Perforation  nach  hinten  ist  gekennzeichnet  durch  Schmerz  in 
uer  linken  obersten  Bauchhälfte  und  begrenztes  schmerzhaftes  Druck- 
gefiihl  längs  der  grossen  Kurvatur.  Die  Unterscheidung  von  der 
akuten  Pankreasaffektion  ist  schwierig. 

J3-  Hovig:  Ein  Fall  von  Puerperalfieber  mit  Ausgang  in 
Heilung  auf  Einspritzung  von  Oleum  Therebinthinae.  (Ibid) 

Nach  Injektion  vno  2  g  Ol.  Thereb.  in  den  Schenkel  erfolgte  Tem¬ 
peratu  rabfall  unter  Formung  eines  Abszesses  an  der  Injektionsstelle. 
Rasche  Heilung. 

A.  J.  Salm:  Zur  Zytodiagnostik  der  Hvdrozele.  (Ibid.  No  17) 

In  der  Hydrozelenfliissigkeit  von  Ostindischen  Eingeborenen  fand 
Verf.  bei  12  Fallen  etwa  in  der  Hälfte  derselben  Embryonen  von 
F  i  1  a  r  i  a. 

I.  F.  Bax:  Ein  Fall  von  Magenperforation,  kompliziert  mit  Haut¬ 
emphysem. 

In  diesem  letal  verlaufenen  Falle  trat  in  der  linken  Fossa  iliaca 
Hautemphysem  auf,  das  sich  rasch  bis  zum  Halse  und  über  das  Ge¬ 
sicht  verbreitete. 


J.  W.  Lang  ela  an,  Professor  zu  Leiden:  Ueber  den  Bau  und 
die  Funktion  des  Kleinhirns.  (Ibid.  No.  20.) 

Nach  einer  genauen  anatomischen  Beschreibung  des  Kleinhirns 
bespricht  Verf.  die  Funktion  desselben,  die  er  in  Folgendem  zu¬ 
sammenfasst. 

Das  Kleinhirn  übt  1.  einen  doppelten  Einfluss  aus  auf  die  willkür¬ 
lichen  Muskeln: 

a)  Es  unterhält  den  Muskeltonus; 

b)  es  verbessert  und  verlängert  die  Kraft  der  willkürlichen 
Kontraktion; 

2.  wirkt  es  in  trophischem  Sinne  auf  den  Zustand  der  Gewebe; 

3.  auf  die  Somotopsyche. 

Als  Symptome  von  geringerer  oder  grösserer  Zerstörung  des 
Kleinhirns  finden  wir: 

I.  Unmittelbare  Symptome: 

a)  Hypotonie  von  Muskeln  mit  Wechsel  in  der  Grösse  der 
Sehnenreflexe,  endigend  mit  beinahe  vollkommener  Atonie  und  Auf¬ 
hebung  der  Reflexe;  abnormaler  Kopfstand  als  Folge  von  Mus- 
kelatonie. 

b)  Zerebelläre  Ataxie  der  verschiedenen  Bewegungen,  besonders 
beim  Laufen. 

c)  I  rophische  Störungen,  vor  allem  wenn  die  Erkrankung  in 
der  Jugend  auftritt  und  lange  dauert. 

d)  Indolenz  bei  ungestörter  Intelligenz,  wenn  die  Erkrankung  im 
späteren  Leben  auftritt;  Imbezillität  bei  kongenitalem  Fehlen  des 
Zerebellum. 

II.  Mittelbare  Symptome: 

a)  Abnormer  Stand  von  Kopf  und  Augen,  Schwindelgefühl. 

b)  Kompensatorischer  Zwangsstand  des  Kopfes. 

W.  A.  A.  Van  B  insbergen:  Sodabäder  als  Heilmittel. 
(Ibidem.) 

Durch  einen  Pastor  vor  6  Jahren  auf  die  günstige  Wirkung  von 
Sodabädern  bei  Panaritium  aufmerksam  gemacht,  hat  Verf.  diese  in 
zahlreichen  Fällen,  bei  denen  bereits  eine  Eiteröffnung  bestand,  mit 
gutem  Ei  folge  angewandt.  Später  erprobte  er  dieselben  mit  gleich 
guter  Wirkung  in  etwa  300  Fällen  von  Knochentuberkulose,  nicht 
tuberkulöser  Osteomyelitis  und  Beingeschwür.  Der  betr.  Körperteil 
wird  täglich  zweimal,  bei  viel  Eiterbildung  viermal  in  einer  ein- 
prozentigen  Sodalösung  von  35 — 40°  C  eine  Stunde  lang  gebadet, 
während  das  Wasser  durch  Zugiessen  stets  auf  der  gleichen  Tem¬ 
peratur  gehalten  wird.  Es  soll  nur  ganz  reine  englische  Kristallsoda 
genommen  werden. 

C.  P.  C.  Bosch  und  G.  van  Ho  u  tum:  Zystöse  Erweiterung 
des  in  der  Blasenschleimhant  gelegenen  Teiles  des  Ureters. 

(Ibid.,  No.  22.)  . 

Dieser  seltene  Fall  betraf  eine  44  jährige  Frau,  die  seit  Jahren 
an  immer  mehr  zunehmender  Miktionsfrequenz  litt.  Bei  der  Zysto- 
skopie  fand  sich  an  Stelle  der  rechten  Ureteröffnung  eine  taubenei¬ 
grosse  Zyste  mit  glatter  durchscheinender  Wand.  Auf  einem  stumpfen, 
nach  dem  Ostium  urethrae  internum  zu  gelegenen  Punkte  befindet 
sich  die  Ureteröffnung,  aus  der  unter  rhythmischem  Grösser-  und 
Kleinerwerden  der  Zyste  der  Urin  hervorkommt. 

Cornelia  De  Lange:  Ein  Fall  von  mongolischem  blauen  Fleck. 

(Ibidem.) 

Während  nach  Fujisawa  (Jahrbuch  f.  Kinderheilk.,  Bd.  62) 
die  meisten  japanischen  Kinder  kurz  nach  der  Geburt  einen  oder 
mehrere  blaue  Hautflecke  in  der  Kreuz-Steiss-Glutäalgegend  zeigen, 
die  nach  einigen  Monaten  spurlos  verschwinden,  wird  Mer  die 
gleiche  Erscheinung  bei  einem  holländischen,  3  Wochen  alten  Kinde 
beschrieben. 

Cornelia  De  Lange:  Ueber  Herzgeräusche  und  Herztöne  bei 
Kindern.  (Ibidem,  No.  24.) 

Verfasserin  gibt  zunächst  eine  erschöpfende  Literaturübersicht 
und  sodann  ihre  eigenen  Erfahrungen  an  1800  Kindern,  die  in  den 
letzten  Jahren  untersucht  wurden  und  bei  welchen  in  36  Fällen  Herz¬ 
geräusche  gefunden  wurden. 

Akzidentelle  Herzgeräusche  kann  man  nur  auf  Grund  wieder¬ 
holter  Untersuchungen  diagnostizieren.  Man  findet  dann,  dass  be- 
sondeis  bei  Kindern  unter  4  Jahren  das  Punctum  maximum  des  Ge¬ 
räusches  in  verschiedenen  Zeiten  verschieden  gelegen  ist,  bald  an  der 
Mitralis,  bald  zwischen  Mitralis  und  Pulmonalis  oder  an  der  Pulmo- 
nalis  selbst. 

In  5  von  den  36  Fällen  lautete  die  Diagnose:  Vitium  cordis  con- 
genitum;  in  2  wurde  Kardiopulmonalgeräusch  angenommen.  Die 
übrigen  27  Fälle  betrafen  einmal  ein  Kind  von  2  Monaten,.  5  mal 
Kinder  zwischen  1  und  2  Jahren,  11  mal  zwischen  2  und  3  Jahren, 

5  mal  bei  3  Jahren,  5  mal  bei  314  Jahren.  De  L.  zieht  folgende 
Schlüsse: 

Bei  Fieber  und  starker  Anämie  kommen  akzidentelle  Geräusche 
bei  Kindern  selten  vor,  doch  werden  sie  auch  vor  dem  7.  Lebensjahre 
ziemlich  häufig  angetroffen.  Am  seltensten  hört  man  sie  am  Ostium 
pulmonale,  am  häufigsten  an  der  Mitralis.  Das  Wichtigste  für  die 
Diagnose  ist  die  wechselnde  Lokalisation. 

F.  M.  G.  D  e  F  ey  va:  Eine  Trennung  von  Xiphopagen  im  Jahre 
1689.  (Ibidem,  No.  24.) 

Vor  einiger  Zeit  wurde  im  Med.  Record  die  Mitteilung  ge¬ 
bracht,  dass  die  Operation  der  zusammengewachsenen  Zwillinge 
bereits  dm  Jahre  1840  von  dem  spanischen  Marinearzt  Jose  Britoy 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2055 


Bo  in  unter  besonderen  Umständen  wohl  zum  1.  Male  ausgefiilut 

Die  Universitätsbibliothek  zu  Leiden  aber  ist  im  Besitze  einei 
hochinteressanten  Kupfergravüre  mit  Abbildungen  eines  Xiphopagen, 
der  bereits  im  Jahre  1689  zu  Basel  von  Dr.  Joh.  Fatio  (F  atius?) 
mit  dem  besten  Erfolge  operiert  worden  ist,  wie  aus  dem  beige¬ 
druckten  Texte  hervorgeht.  _  .  T 

J  F  Maas:  Die  medizinischen  Quarzlampe,  eine  neue  Lampe 

für  Phototherapie.  (Mitteilung  aus  der  Klinik  von  Prof.  Mendes  da 

Costa,  Amsterdam.)  (Ibidem,  No.  25.)  , 

M  hat  mit  der  Lampe  Versuche  angestellt,  aus  welchen  hervor¬ 
geht  dass  deren  Tiefenwirkung  eine  viel  geringere  ist,  als  die  der 
Finsenlampe,  während  sie  die  Hautoberfläche  sehr  stark  irritiert  und 
dadurch  die  Behandlungsdauer  derartig  abkürzt,  dass  von  einer  ge¬ 
nügenden  Tiefenwirkung  ohnehin  keine  Rede  sein  kann.  . 

Th.  H.  Van  de  Velde:  Einiges  Neue  über  die  Hebosteotomie. 


(Ibidem,  No.  26.)  Tr  .  ,  .  ....  .  , 

Bezüglich  der  Technik  kommt  Verf.  auf  seine  frühere  Angabe  zu¬ 
rück  dass  man  die  Führungsnadel  der  Säge  nicht  von  oben  nach  unten, 
sondern  von  unten  nach  oben  einbringen  soll,  um  Verletzungen  des 
Corpus  cavernosum  clitoridis  zu  vermeiden.  . 

Hat  man  es  mit  einer  engen,  wenig  dehnbaren  Vagina  zu  tun, 
so  soll  event.  ein  tiefer  seitlicher  Einschnitt  schräg  nach  hinten,  in 
Vulva,  Peritoneum  und  Vagina,  durchgehend  in  die  Muskellage  des 
Beckenbodens  gemacht  werden.  Es  ist  dies  vor  allem  indiziert  bei 
Erstgebärenden  und  bei  Ausgangsverengerungen. 

Einer  der  Hauptvorteile  der  Hebosteotomie  besteht  in  der 
bleibenden  Erweiterung  des  Beckens,  wie  die  der  Arbeit  bei¬ 
gegebenen  Radiographien  beweisen.  Dieselbe  beträgt  1,5  2  cm. 
Von  den  5  vom  Verf.  hebosteotomierten  Frauen  haben  3  später 
spontan  wieder  geboren.  Dr.  S  c  h  1  o  t  h  -  Bad  Brückenau. 


Bericht  über  die  neueren  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  ge¬ 
samten  Physiologie. 

Von  Prof.  Dr.  K-  B  ü  r  k  e  r  -  Tübingen. 


(Fortsetzung.) 

Mit  dem  Vorgänge  der  Resorption  befassen  sich  die  folgenden 
Arbeiten.  In  einer  Arbeit:  Tierische  Säfte  und  Gewebe  in 
physikalisch-chemischer  Beziehung.  IX.  Mittei¬ 
lung.  Die  physikalische  Bedeutung  der  tierisc hen 
Membranen  für  die  Resorptionserscheinungen  (Ti- 
gerstedts  skandinav.  Arch.'f.  Physiol.,  Bd.  19,  S.  162,  1907)  diskutiert 
M.  Oker-Blom  -Helsingfors  vier  He  i  d  e  n  h  a  i  n  sehe  Satze  über 
Resorption  und  hebt  besonders  hervor,  dass  Heidenhain  die 
grosse  Bedeutung  der  relativen  Durchlässigkeit  der  Scheidewand 
(Ionensieb  nach  Ostwald)  vernachlässigt  habe. 

M.  Katzen  ellenbo  gen -Zürich  kommt  in  einer  Arbeit: 
Der  Einfluss  der  D  i  f  f  u  s  i  b  i  1  i  t  ä  t  und!  der  Ltipoid- 
löslichkeit  auf  die  Geschwindigkeit  der  Darmre¬ 
sorption  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  114,  S.  522,  1906) 
zu  dem  Ergebnis,  dass  die  Resorptionsgeschwindigkeit  im  allgemeinen 
von  der  Lipoidlöslichkeit  abhängt.  Dass  diese  aber  allem  nicht  in 
Betracht  kommt,  geht  aus  Versuchen  hervor,  welche  R.  Hober- 
Zürich,  unter  dessen  Leitung  auch  die  ebenerwähnten  Versuche  ange¬ 
stellt  wurden,  in  Rosenthals  biolog.  Zentralbl.,  Bd.  26,  S.  748, 
1906  unter  dem  Titel:  Zur  Frage  der  elektiven  Fähig¬ 
keiten  der  Resorptionsorgane  mitteilt.  Der  Verfasser 
hatte  früher  beobachtet,  dass  sich  die  Resorptionsepithelien  mit  Eisen¬ 
salzen  wie  mit  sonst  keinem  Schwermetallsalze  beladen.  Um  dieser 
Sonderstellung  der  Eisensalze  auf  den  Grund  zu  gehen,  wurde  fol¬ 
gende  biologische  Methode  in  betracht  gezogen.  Wenn  es  sich  um 
eine  Anpassung  der  Zellleistung  an  die  Bedürfnisse  des  Organismus 
handelt,  so  muss,  schliesst  Höher,  bei  Gastropoden  und  Cephalo- 
poden,  deren  Blutfarbstoff  Kupfer  enthält,  ein  Wiahlvermögen  fiii 
Kupfer  ausgebildet  sein.  Durch  cand.  phil.  Lifschütz  liess  der 
Verfasser  nun  Fütterungsversuche  an  Helix  pomatia  und  Astacus 
fluviatilis  vornehmen;  die  Tiere  nahmen  zwar  Eisen  aber  kein  Kupfer 
auf.  Der  Verfasser  schliesst  daher,  dass  es  an  den  spezifischen 
Eigenschaften  der  Eisensalze  liegen  müsse,  dass  sie  so  gut  resorbiert 
werden  und  wendet  nun  eine  physikalisch-chemische  Methode  zur  Ent¬ 
scheidung  an;  er  fragt:  Sind  Eisensalze  lipoidlöslich?  Dafür  spricht 
ihre  starke  Löslichkeit  in  Aether.  Auch  Ouecksilber  und  Goldchlorid 
sind  äther-  und  damit  lipoidlöslich  (einzige  Schwermetallsalze  derart). 
Kommt  also  allein  die  Lipoidlöslichkeit  in  Frage,  so  müsste  auch 
Ouecksilber  und  Gold  resorbiert  werden.  Versuche  an  Mäusen  er¬ 
gaben,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist,  Eisen  nahmen  aber  diese  Tiere 
in  reichlicher  Menge  auf.  Daher  kommt  es  nach  Verfasser  nicht  allein 
auf  die  Lipoidlöslichkeit  an. 

Der  grossen  Zahl  von  Arbeiten  über  die  Physiologie  der  Ver¬ 
dauung  stehen  fast  gar  keine  Arbeiten  über  die  Mechanik  und  Chemie 
der  Atmung  gegenüber.  Die  Physiologie  des  Blutes  begegnet  grösse¬ 
rem  Interesse. 

Unter  besonderen  Bedingungen  hat  H.  Deetjen  - Berlin  Tei¬ 
lungen  der  Leukozyten  des  Menschen  ausserhalb 
des  Körpers,  Bewegungen  der  Lymphozyten  (Engel¬ 
manns  Archiv  f.  Physiol.  1906,  S.  401)  beobachtet.  Um  diese  Vor¬ 
gänge  zu  studieren,  muss  der  Finger,  aus  dem  das  Blut  entzogen 


werden  soll,  sorgfältig  mit  heissem  Wasser  und  Bimsstein  gereinigt 
und  mit  einem  reinen  Tuch  oder  Seidenpapier  getrocknet  werden. 
Auf  Objektträgern  von  gewöhnlichem  Glas  Hessen  sich  die  Vorgänge 
nicht  verfolgen,  es  musste  dazu  Ouarz  oder  Jenaer  Glas,  noch  besser 
Bergkristall  benutzt  werden.  Das  Blut  wurde  in  möglichst  dünner 
Schicht  zwischen  Objektträger  und  Deckglas  ausgebreitet  und  bei 
Körpertemperatur  beobachtet.  Dann  sah  man  nach  ca.  10  Minuten 
Teilungen  der  polynukleären  Leukozyten  in  Mutter-  und  Tochter¬ 
zellen  mit  je  einem  Teil  des  Kerns.  Die  Tochterzellen  blieben  mehrere 
Stunden  beweglich,  dann  zeigten  sie  körnigen  Zerfall.  Gelegentlich 
wurde  auch  Knospung  und  Abschnürung  kleinster  Teilchen,  die  Aehn- 
lichkeit  mit  Blutplättchen  hatten,  beobachtet.  Diese  neu  entstehenden 
Teilchen  blieben  gelegentlich  mehrere  Stunden  beweglich,  während 
die  wirklichen  Blutplättchen  auf  Quarz  ebenso  rasen  wie  auf  Glas 
zu  Grunde  gingen.  Unter  37  0  erfolgten  keine  Teilungen. 

Die  Lymphozyten  zeigten  auf  Quarz  keine  Teilungsvorgänge,  be¬ 
wegten  sich  aber  lebhaft.  Auf  gewöhnlichem  Glas  beginnt  die  Be¬ 
wegung  der  Lymphozyten  erst  nach  mehreren  Stunden,  sicher  am 

h  T  age 

Beim  Suchen  nach  kleinsten  Krankheitserregern  im  Blut  machte 
W  Rosenthal  -  Göttingen  einige  merkwürdige  Beobach¬ 
tungen  an  Hühnerblut  mit  stärkstenVergrosse- 
rungen  und  mit  dem  Ultramikroskop  (Rosentlials  biol. 
Zentralbl.,  Bd.  26,  S.  697,  1906).  Die  Beobachtungen  betreffen  Blut¬ 
stäubchen  und  freie  Granula,  ferner  Fadenbildung  im  Hühner-  und 
Säugetierblut. 

Untersuchungen  über  den  H  y  d  r  o  x  y  1  i  o  n  e  n  - 
gehalt  des  plazentaren  (fötalen)  Blutes,  von  A.  S  z  i  1 1  - 
Ofen-Pest  angestellt,  ergaben,  dass  der  Gehalt  deni  des  destillierten 
Wassers  gleichkommt  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115, 

S.  72,  1906).  , .  ,  .  .  ,  o  o 

Durch  Messung  des  H y d r o xy  1 1  o n e n g e h a  1 1  e s  des 
Diabetikerblutes  kommt  H.  Benedict  -  OfemPest  in  Pflü¬ 
gers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  106,  1906  zu  dem  Resultate, 
dass  das  diabetische  Koma  kein  Säurekoma  ist,  dass  also  subkutane 
oder  intravenöse  Injektion  von  Alkalien  keine  Rettung  bringt. 

Damit  im  Zusammenhang  stehen  Experimentelle  U  n  t  e  r  - 
suchungen  über  Säureintoxikation,  welche  P . 
S  z  i  1  i  -  Ofen-Pest  angestellt  und  in  Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  1  hysiol.. 
Bd.  115,  S.  82,  1906  mitgeteilt  hat. 

Ueber  den  Glyzeringehalt  des  Blutes  nach 
Untersuchungen  mit  dem  Z ei  sei  sehen  ',odldvei;; 
fahren  berichten  F.  Tan  gl  und  S.  W  e  i  s  e  r  -  Ofen-Pest  m  Pflü¬ 
gers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115.  S.  152,  1906.  _  Das  Z  e  l  s  e  1  sehe 
Verfahren  beruht  auf  folgendem  Prinzip:  Unter  Einwirkung  kochen¬ 
der  wässriger  Jodwasserstoffsäure  vom  spez..  Gew.  1.7  erfahrt  das 
Objekt  der  Analyse  eine  Umwandlung  in  ein  flüchtiges  Jodalkvl, 
dessen  Dampf  von  begleitendem  J  und  JH  befreit,  in  alkoholische 
AgNoa-Lösung  eintritt.  Mit  dieser  setzt  es  sich  zur  aauivalenten 
Menge  AgJ  um,  welches  zur  Wägung  gelangt  oder  sonstwie  be¬ 
stimmt  wird.  Da  eine  Reihe  von  Stoffen  im  Blut  stören,  so  muss 
das  Blut  zu  der  Bestimmung  entsnrechend  vorbereitet  werden,  im 
Pferde-  und  Rmderbhit  wurden  nach  diesem  Verfahren  ca.  0,007  Pmz. 
Glvzerin  dem  Gewichte  nach  gefunden,  und  zwar  geholte  das  Gly¬ 
zerin  ausschliesslich  dem  Blutplasma  an. 

Die  neuen  Beweise  für  den  freien  Zustand  de_s 
Zuckers  im  Blute,  welche  Asher  und  Rosenfeld  erbracht 
zu  haben  tauben,  hält  F.  P  f  1  ü  e  e  r  -  Bonn  in  seinem  Arch.  f.  d.  ges. 
Physiol.,  Bd.  117.  S.  217.  1907  nicht  für  stichhaltig. 

In  einer  Arbeit  Ueber  das  L  i  c  h  t  a  b  s  o  r  p  1 1  o  n  s  v  e  r - 
mögen  des  Blutfarbstoffes  (Engelmanns  Arch.  f.  Physiol. 
1906,  Suppl.,  S.  109)  behaupten  H.  Aron  und,  F-  M  ü  1 1  e  r  -  Berlin, 

dass  der  von  Hüfner  eingeführte  Quotient  (-’ o  =  Extinktions¬ 
koeffizient  in  der  Region  des  nach  dem  violetten  Ende  des  Spek¬ 
trums  zu  gelegenen  Absorptionsstreifens  des  Oxyhamog  lobins. 
2b  =  Extinktionskoeffizient  in  der  Region  zwischen  den  beiden 
Streifen  des  Oxyhämoglobins),  wenn  man  Blut  untersucht,  nicht  den 
konstanten  Wert  1,578  hat.  wie  Hüfner  auf  Grund  langjähriger, 
sehr  sorgfältiger  Untersuchungen  behauptet.  Zwischen  Eisengehalt 
und  Lichtabsorption  soll  eine  konstante  Beziehung  bestehen.  Der 
wahrscheinliche  Fehler  einer  Hämoglobinbestimmung  mit  _  dem 
Spektrophotometer  ausgefiihrt  soll  auch  nicht  viel  kleiner  sein  als 
beim  F 1  e  i  s  c  h  1  -  M  i  e  s  c  h  e  r  sehen  Hämometer.  .  - 

Ueber  die  durch  Photographie  nac  e  V*  b.a prfef " 
spektralen  Eigenschaften  der  Blutfarbstoffe 
und  anderer  Farbstoffe  des  tierischen  Körper  s  be¬ 
richten  L.  Lewin,  A.  Mi  ethe  und  E  S1 :  e  nge  r-  Berl Im  au sfuhr- 
lich  in  Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  118,  s-  8°,  1907.  Zur 
Untersuchung  im  roten  Teile  des  Spektrums  wurden  die  Platten  mit 
Isokol  sensibilisiert:  um  die  Untersuchung  im  violetten  Ende  zu 
möglichen,  wurde  Quarzoptik  benutzt.  . 

In  einer  Arbeit  Zur  Kenntnis  der  G  u  a  j  a  k  b  1  u  t  p  r  o  b  e 
und  einiger  ähnlicher  Reaktionen  (Kossels  Zeitschr.  . 
physiol.  Chemie,  Bd.  50,  S.  374,  1906/07)  gibt  O.  Schümm  -Hamburg- 
Eppendorf  genaue  Vorschriften  für  die  Herstellung  der  Reagentien 
und  die  Ausführung  der  Probe. 


2U56 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCEIRIFT. 


No.  41. 


Ueber  H.  P.  J .  Oerums  -  Kopenhagen  Versuche  über  die 
Einwirkung  des  Lichtes  auf  das  Blut  siehe  Pflügers 
Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  114,  S.  1,  1906. 

Die  Veränderungen  des  Blutes  nach  Blutver¬ 
lusten  und  bei  der  Neubildung  des  verlorenen 
LI  utes  hat  O.  In  agak  i  -  Würzburg  untersucht  und  darüber  in 
v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  49,  S.  77,  1907  berichtet. 

In  einer  Arbeit  Ueber  die  Lymphbildung,  III.  Die 
Wirkung  der  Gelatine  auf  den  Abfluss  und  die  Zu¬ 
sammensetzung  der  Lymphe  (v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol., 
Bd.  49,  S.  283,  1907)  kommt  G.  .d’E  r  r  i  c  o  -  Neapel  zu  folgenden 
Schlussfolgerungen : 

1.  Die  normale  Lymphe  hat  eine  geringere  Viskosität  als  Blut¬ 
serum. 

2.  Gelatine  eingeführt  wirkt  schwach  lymphagog. 

3.  Nach  Gelatineinjektion  wird  die  Lymphe  mehr  viskos. 

4.  Nach  Gelatineinjektion  ist  die  Viskosität  trotz  Zunahme  ge¬ 
ringer  als  die  des  Blutserums. 

Zahlreich  sind  die  Arbeiten  über  die  Physiologie  des  Herz¬ 
muskels.  Die  definitive  Entscheidung  darüber,  ob  der  Antrieb  zur 
Rhythmik  myogener  oder  neurogener  Natur  ist,  ist  noch  nicht  ge¬ 
fallen. 

Beiträge  zur  Kenntnis  der  menschlichen  Herz¬ 
tätigkeit.  II.  Teil,  liefert  K.  F.  W  e  n  k  e  b  a  c  h  -  Groningen 
m  Engelmanns  Archiv  f.  Physiol.,  1907,  S.  1  und  behandelt  dort  die 
Muskulatui  an  der  Vena  cava  superior,  an  den  Venen  ausgelöste 
Extrasystolen,  die  Dissoziation  der  Tätigkeit  der  Venenmuskulatur, 
die  Stannins  sehe  Ligatur  beim  Menschen,  die  Dissoziation  der 
Ventrikeltätigkeit. 


Eine  für  die  Klinik  bedeutsame  Einrichtung,  um  die  Regi¬ 
strierung  der  menschlichen  Herzt  ö  n  e  mittels  des 
Saitengalvanometers  zu  ermöglichen,  hat  W.  Einthoven- 
Leyden  getroffen  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  117,  S.  461, 
1907).  Die  Klinik  in  Leyden  ist.  durch  eine  1,5  km  lange  Leitung  mit 
dem  physiologischen  Institut  verbunden.  Durch  ein  B  e  r  1  i  n  e  r  sches 
Mikrophon  werden  in  der  Klinik  die  Herztöne  aufgenommen  und  die 
ihnen  entsprechenden  Ströme  nach  dem  physiologischen  Institut  ins 
Saitengalvanometer  geleitet  und  dort  photographisch  registriert.  So 
entsteht  das  Telekardiogramm.  Die  Töne  werden  durch  das  Saiten¬ 
galvanometer  sehr  getreu  wiedergegeben,  da  der  vom  Strom  durch¬ 
flossene  versilberte  Quarzfaden  nur  2,5  cm  lang,  0,001  mm  dick  ist, 
ein  Gewicht  von  nur  l,5.10~7g  hat  und  3230  ganze  Schwingungen 
pro  Sekunde  macht. 

Eine  polemische  Arbeit:  Myogene  Irrungen  hat  E.  v. 
Lyon  in  Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  113,  S.  111,  1906 
veröffentlicht. 


A  k  z  e  1  e  r  a  n  s  r  e  i  z  u  n  g  kann  das  schlaglose  Säu¬ 
getierherz  zum  automatischen  Schlagen  bringen 
also  Nervenkraft,  wie  H.  E.  Hering-  Prag  beobachtet  hat  und  in 
Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  354,  1906  mitteilt. 

Eine  sehr  eingehende  Arbeit :  Der  bewegungshemmende 
und  der  motorische  Nervenappa  rat  des  Herzens 

1,,  Do°  ? 1  ®irt/“nd  K'  Archangelsky  ist  in  Pflügers  Arch. 
Bd.  113,  S.  1,  1906  enthalten. 

In  einer  Arbeit:  E  i  n  f  1  u  s  s  der  Herztemperatur  auf 
die  Erregbarkeit  der  beschleunigenden  und  ver- 
1  a  n  g  s  am  endeln  Herznerven  (v.  Voits  Zeitschr.  f.  ßioli, 
Bd\  49'  ?'.392’  19°.?)  k°mmt  O.  F  r  a  n  k  -  Giessen,  da  er  eine  Ver¬ 
schiedenheit  der  Wirkung  der  Temperatur  auf  Vagus  und  Akzelerans 
beobachtete,  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  beiden  Nerven  im  Herzen 
verschiedene  Angriffspunkte  haben. 

Die  Grundeigenschaften  des 
ihre  B  -e  e  i  n  f  I  u  s  s.u  n  g  durch  versc 
im  besonderen  optimaler  Rhythmus 

und  das  Bowditchsche  „Alles  oder  N  i  c  h  t  s“  -  G  e  s  e  t  z 
behandelt  A  B  orn  s  t  e  i  n  -  Berlin  in  Engelmanns  Arch.  f.  Physiol., 
1906,  Suppl.  S.  343  und  377. 

,  B  'I!  e  J1  n  c  11  o  n  S  p  h  y  g  m  ographen  beschreiben  O.  Frank 
1907  '  e  1 1  e  r  -  Giessen  in  v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  49,  S.  70, 


Herzmuskels  und 
liedene  Agentien, 
und  Herztetanus 


Arbeiten  ^  Phvsio,°8ie  der  Bll,tsefässdrüsen  beziehen  sich  folgende 

Einen  Ueberblick  über  die  neuere  und  neueste  Schild- 
drusenforschung  gibt  O.  S  c  h  u  1  z  -  Erlangen  in  Rosenthals 
biol.  Zentralbl.,  Bd.  26,  S.  754,  1906. 

Ausser  der  blutdrucksteigernden  Substanz  der  Nebenniere,  dem 
Adrenalin,  enthalt  die  Drüse  auch  eine  blutdrucksenkende  Substanz, 
welche  Gur  her  mit  eiskaltem  Alkohol  extrahiert  hat.  A.  Loh¬ 
mann -Marburg  weist  nun  nach,  dass  Cholin  die  den  B 1  u  t- 

r  Pf  r C  *  eArn'efdr,iKende  Substanz  der  Nebenniere  ist. 
(I  rlugers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  118.  S.  215,  1907). 

Zu  interessanten  Ergebnissen  ist  K.  Grube-Bonn  durch  Un¬ 
tersuchungen  über  die  Bildung  des  Glykogens  in 

Vno-^6  r  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  118, 

i.  190/).  A  s  Versuchstiere  wurden  Schildkröten  benutzt,  durch 
besondere  methodische  Vorrichtungen  konnte  der  Glykogengehalt 
"nd  derselben  Leber  vor  und  nach  Zufuhr  bestimmter  chemi¬ 
scher  Stoffe  ermittelt  werden.  Die  Versuche  ergaben,  dass  die 


Leber  aus  den  einfachen  Zuckern,  Dextrose,  Lävulose  und  Galaktose 
Glykogen  zu  bilden  vermag,  aus  Dextrose  aber  reichlicher  als  aus 
den  beiden  anderen  Zuckern.  Die  Leber  vermag  ferner  auch  aus 
Glyzerin  Glykogen  zu  bilden.  Dagegen  vermag  sie  aus  den  zu¬ 
sammengesetzten  Zuckern  Rohrzucker  und  Milchzucker,  ferner  aus 
Pentose,  aus  kohlehydratfreiem  Eiweiss,  aus  aktiven  und  inaktiven 
Aminosäuren  kein  Glykogen  zu  bilden. 

Ausführlich  verbreitet  sich  E.  Pflüger-  Bonn  in  einer  sehr 
wichtigen  Arbeit:  Untersuchungen  über  den  Pankreas¬ 
diabetes  über  die  Aetiologie  desselben  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges. 
Physiol.,  B'd.  118,  S.  267,  1907).  In  einem  1.  Abschnitt  prüft  der 
Verfasser  die  Hypothese,  ob  der  experimentelle  Pankreasdiabetes 
auf  nervöser  Basis  steht,  etwa  dadurch,  dass  Nerven  nach  der  Opera¬ 
tion  gezerrt  werden.  Er  liess  zwei  Hunden  drei  Viertel  des  Pankreas 
entfernen,  sie  zeigten  keinerlei  Gesundheitsstörungen.  In  verschie¬ 
denen  Perioden  wurden  den  Hunden  grössere  Mengen  Eiweiss,  Fett 
oder  Kohlehydrate  zugeführt,  die  ausgezeichnet  verwertet  wurden, 
ohne  dass  es  zur  Zuckerausscheidung  kam.  Ergiesst  also  der  zurück- 
bleibende  Teil  der  Drüse  sein  Sekret  in  den  Darm,  so  kommt  es  zu 
keiner  Störung  der  Gesundheit. 

In  einem  2.  Abschnitt  wird  die  Hypothese  von  der  inneren  Se¬ 
kretion  des  Pankreas  kritisch  geprüft  und  keine  rechten  Anhaltspunkte 
dafür  gefunden. 

Im  3.  Abschnitt  wird  über  Totalexstirpationen  des  Pankreas  bei 
Rana  esculenta  berichtet,  die  im  Gegensatz  zu  Versuchen  von  Min¬ 
kowski  mit  einer  Ausnahme  zu  Diabetes  führten. 

Im  4.  Abschnitt  mitgeteilte  Transplantationsversuche  von  Pan¬ 
kreas  unter  die  Rückenhaut  oder  in  die  Peritonealhöhle  von  pan¬ 
kreaslosen  Fröschen  konnten  den  Diabetes  nicht  aufhalten  oder  zum 
Verschwinden  bringen. 

Im  5.  Abschnitt  teilt  der  Verfasser  die  interessante  Tatsache  mit, 
dass  Exstirpation  des  Dünndarms  vom  Pylorus  ab,  soweit  er  dem 
Pankreas  benachbart  ist,  zu  starkem  Diabetes  bei  erhaltenem  Pan¬ 
kreas  führt.  Ja  es  wurde  sogar  derselbe  Erfolg  erzielt,  wenn  nur  das 
Peritoneum  zwischen  Dünndarm  und  Pankreas  gespalten  wurde.  Es 
wird  daher  ein  antidiabetisches  Zentrum  im  Duodenum  angenommen, 
während  das  bekannte  diabetische  Zentrum  in  der  Medulla  oblongata 
gelegen  ist. 

Auch  beim  Hunde  hat  Exstirpation  des  Duodenums  Glykosurie 
im  Gefolge,  worüber  im  6.  und  letzten  Abschnitt  berichtet  wird. 

Mit  der  Exkretion,  speziell  der  löslichen  Bestandteile  befassen 
sich  die  folgenden  Arbeiten. 

Die  Lehre  von  der  Harnabsonderung  behandelt  in 
einer  zusammenfassenden  Arbeit  L.  Asher  -  Bern  im  biophysikal. 
Zentralbl.,  Bd.  2,  S.  1,  33  und  65,  1906. 

In  einer  Arbeit:  Zur  Methodik  der  Harnstoffbe¬ 
stimmung  im  normalen  und  zuckerhaltigen  Harne 
wendet  sich  B.  Schöndorff  -  Bonn  gegen  Einwände,  welche  gegen 
die  von  Pflüger  und  B  1  e  i  b  t  r  e  u  für  den  Harn,  vom  Verfasser 
für  tierische  Organe  und  Flüssigkeiten  ausgearbeitete  Methode  er¬ 
hoben  worden  sind  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Phvsiol.,  Bd.  117 

S.  275,  1907). 

Ueber  die  Ausscheidung  optisch  aktiver  Amino¬ 
säuren  durch  den  Harn  hat  E  .R  e  i  s  s  -  Frankfurt  a.  M.  mit 
Hilfe  der  von  E  mb  den  und  Reese  modifizierten  Fischer- 
Berg  e  1 1  sehen  Naphthalinsulfochloridmethode  Versuche  angestellt, 
worüber  er  in  Hofmeisters  Beitr.  z.  ehern.  Phvsiol.  u.  Pathol., 
Bd..  8.  S.  332,  1906  berichtet.  Aus  den  Versuchen  geht  hervor,  dass 
die  im  Körper  vorkommenden  aktiven  Aminosäuren  weit  besser 
als  die  entsprechenden  Razemkörper.  bezw.  ihre  aus  den  letzteren  im 
Organismus  abgespaltenen  unnatürlichen  Spiegelbildisomeren  ver¬ 
brannt  werden. 

In  pathologischen  Fällen  ist  die  Ausscheidung  von  Fett  im 
Hundeharn  schon  häufiger  beobachtet  worden.  Dass  aber  auch  unter 
physiologischen  Verhältnissen  Fett  in  den  Harn  Übertritt,  wenn  der 
Organismus  mit  Fett  überschwemmt  wird,  weist  B.  Schöndorff- 
Bonn  in  einer  Arbeit:  Ueber  die  Ausscheidung  von  Fett 
im  normalen  Hundeharn  nach  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges  Phy¬ 
siologie.  Bd.  117.  S.  291.  1907). 

Die  Stickstoffverteilung  im  Harne  unter  dem 
Einfluss  verschiedener  Ernährung  untersuchte  B. 

S  c  h  o  e  n  d  o  r  f  f  -  Bonn  beim  Hunde  und  berichtet  darüber  in  Pflü¬ 
gers  Arch.  f.  d.  ges.  Phvsiol..  Bd.  117.  S.  257.  1907.  Die  erste  Frage, 
welche  experimentell  beantwortet  werden  sollte,  lautete-:  Wie  gross 
ist  der  Anteil  des  Harnstoffes  an  der  Stickstoffausscheidung,  wenn 
dei  fanze  Stoffwechsel  nur  von  Eiweiss  bestritten  wird,  wenn  also 
ein  Tier  mit  überschüssiger  Fleischnahrung  gefüttert  wird?  Die  Ant¬ 
wort  lautet,  dass  mit  steigendem  Eiweissgehalt  der  Nahrung  der 
Stickstoff  des  Harnstoffes  bis  zu  einem  Maximalwerte  von  97,98  Proz 
des  Gesamtstickstoffes  im  Harne  zunimmt. 

Auf  die  zweite  Frage,  wie  zeigt  sich  diese  Beziehung,  wenn  ein 
4  ler  längere  Zeit  hungert,  also  seinen  Stoffwechsel  von  einer  ge¬ 
ringen  Menge  Eiweiss  und  Fett  bestreitet?  wird  geantwortet  dass 
im  Hunger  der  Harnstoff-N  bis  auf  75,44  Proz.  des  Gesamt-N  sinken 
kann. 

Die  Beantwortung  der  dritten  Frage,  wie  äussert  sich  ausschliess¬ 
liche  Ernährung  mit  Kohlehydrat  und  Fett?  ergab,  dass  unter  diesen 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2057 


Umständen  der  Harnstoff-N  85—86  Proz.  des  Gesamt-N  im  Harne 

beträgt.  ^ 

Auf  drei  Arbeiten  von  E.  Frey  -  Jena:  Der  Mechanismus 
der  Koffein  -Phlorhiziji  und  0  u  e  c  k  S  i  1  fee  r  ,d  i  u  r  e  in. 
Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  175,  204  und  223,  1906 
sei  hiermit  verwiesen. 

Auf  die  Physiologie  des  Stoffwechsels  beziehen  sich  die  folgen¬ 
den  Arbeiten.  .  .  ,,  ,  .  ,  ., 

Beiträge  zur  Kenntnis  des  Stoffwechsels  bei 
unzureichender  Ernährung  hat  Fr.  N.  Schulz- Jena  im 
Verein  mit  E.  M  a  n  g  o  1  d,  H.  S  t  ii  b  e  1  und  E.  Hempel  in  Pflügers 
Arch  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  114,  S.  419,  431,  439  und  462  geliefert. 

Die  Resultate  vielfältiger  Untersuchungen  über  ve¬ 
getarische  Diät  mit  besonderer  Berücksichtigung 
des  Nervensystems,  der  Blutzirkulation  und  der 
Diurese  teilt  R.  Staeh  e  lin -Basel  in  v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol., 
Bd.  49,  S.  199,  1907,  mit.  Die  Arbeit  enthält  auch  zahlreiche  Literatur¬ 
angaben.  .  ,  ..  , 

Beiträge  zur  Physiologie  des  Menschen  im 
Hochgebirge  von  A.  D  u  r  i  g  -  Wien  sind  in  Pflügers  Arch.  f.  d. 
ges.  Physiol.,  Bd.  113,  S.  213  und  341,  1906  enthalten.  In 
zweiten  Arbeit  kommt  der  Verfasser  zu  dem  Ergebnis,  dass  der 
kohol  bei  Steigarbeit  ausgeniitzt  wird  und  Kohlehydrate  dadurch 
spart,  dass  er  aber  doch  kein  günstiges  Nahrungsmittel  ist  wegen 
schweren  Störungen  bei  ausgiebigem  Genuss. 

(Schluss  folgt.) 


der 

Al- 

er- 

der 


Inauguraldissertationen. 

Universität  Freiburg.  September  1907. 

34  Blum  Richard:  Die  Bedeutung  der  Röntgenstrahlen  für  die  Er¬ 
kenntnis  der  anatomischen,  physiologischen  und  pathologischen 
Verhältnisse  des  menschlichen  Körpers. 

35  Unger  Georg:  Lymphdriisenmetastasen  einer  benignen  Struma. 

36.  Koch  Walter:  Ueber  das  Ultimum  moriens  des  menschlichen 
'  Herzens.  Ein  Beitrag  zur  Frage  des  Sinusgebietes. 

37.  Friedmann  R.:  Die  beckenerweiternden  Operationen  an  der 
Freiburger  Klinik. 

Universität  Rostock.  August  1907. 

35.  Briickler  Otto:  Zwei  Ziegenfütterungsversuche  mit  roher  und 
gekochter  Kuhmilch.  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Ueberlegenheit 
der  rohen  oder  der  gekochten  Milch. 

36.  Burmeister  Ernst :  Ueber  Hirnmilzbrand. 

37.  Tepling  Matthias:  Ueber  Hysterie  im  Kindesalter. 

38.  W  e  1 1  m  a  n  n  Karl:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Fett¬ 
synthese  in  stark  veränderten,  insbesondere  in  kernlos  ge¬ 
wordenen  Zellen. 

39.  Th  eien  Franz:  Klinische  Erfahrungen  über  das  amerikanische 
Wurmsamenöl  als  Antiaskaridiakum  bei  Kindern. 

40.  Bernhardt  Hugo:  Die  Tränenschlauchatresie  der  Neuge¬ 
borenen. 

41.  Rybok  Viktor:  Der  juvenile  Diabetes  mit  tödlichem  Ausgang. 

42.  Müller  Paul:  Zwei  Fälle  von  paroxysmaler  Hämoglobinurie. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Berlin,  den  30.  September  1907. 

Der  Rücktritt  des  Ministerialdirektors  A  1 1  h  o  ff.  —  Prof. 
Kossmann  t.  —  Die  Kritik  des  Rudolf-Virchow-Kranken- 
hauses.  —  Deutscher  Verein  für  Volkshygiene.  —  Internatio¬ 
nales  Komitee  zur  Bekämpfung  der  Charlatanerie. 

Eine  Aenderung  im  preussischen  Kultusministerium, 
welche  schon  seit  Monaten  erwartet  wurde,  ist  nunmehr  zur 
Tatsache  geworden:  der  Ministerialdirektor  Althoff  ist  von 
seinem  Amte  zurückgetreten.  Das  bedeutet  weit  mehr  als 
einen  Personenwechsel,  bei  dem  der  Gang  der  Geschäfte  der 
gleiche  bleibt,  nur  dass  der  Name  eines  anderen  Beamten  unter 
den  Aktenstücken  steht;  denn  Althoff  war  nichts  weniger 
als  ein  Beamter  im  bureaukratischen  Sinne  des  Wortes,  er  war 
vielmehr  eine  der  ausgeprägtesten  Persönlichkeiten,  die  jemals 
dem  Ministerium  angehört  haben,  ein  Mann  von  eisernem 
Willen  und  unbeugsamer  Energie  nach  unten  wie  nach  oben. 
Er  hat  so  manchen  Kultusminister  kommen  und  gehen  sehen, 
in  seinem  Bereich  blieb  er  aber  immer  -mächtiger  als  sein  Chef. 
Er  hat  viele  Bewunderer,  noch  mehr  Gegner,  alle  aber  er¬ 
kennen  rückhaltlos  an:  er  war  ein  ganzer  Mann,  dem  um¬ 
fassende  Sachkenntnis  und  reiche  Begabung  zu  eigen  war. 
Eine  Reihe  wertvoller  Einrichtungen  ist  seinem  Einfluss  zu  ver¬ 
danken,  wir  nennen  von  den  auf  medizinischem  und  natur¬ 
wissenschaftlichem  Gebiet  liegenden  u.  a.  den  grossartigen 


Umbau  der  Charitee,  die  Gründung  des  Instituts  füricxperi- 
mentelle  Therapie,  -die  Neugestaltung  des  Botanischen  Gartfenß. 
die  Gründung  einer  Reihe  neuer  Universitätsinstitute,  das  ärzt¬ 
liche  Fortbildungswesen,  die  Ausgestaltung  des  Rettungs- 
wesens,  überall  griff  er  mit  seinem  Einfluss  entscheidend  ein 
und  wusste  dem  Finanzminister  die  erforderlichen  Mittel  ab¬ 
zugewinnen.  Das  gesamte  Universitätswesen  trägt  den  Stem¬ 
pel  A  1 1  h  o  f  f  sehen  Geistes,  aber,  wenigstens  in  den  Personal¬ 
verhältnissen,  nicht  immer  in  dem  Sinne,  wie  es  der  Freiheit 
der  Wissenschaft  und  dem  Ansehen  der  Hochschule  entspricht, 
und  das  ist  es,  was  seine  Gegner  ihm  nie  werden  verzeihen 
können.  Es  bleibt  unvergessen,  dass  politische  Rücksichten 
und  klerikale  Sympathien  bei  -der  Besetzung  von  Lehrstühlen 
mitsprachen.  Auf  urbane  Formen  legte  der  „allmächtige  A  1 1  - 
hoff“,  den  das  Bewusstsein  seiner  Allmacht  wohl  nie  ver- 
liess,  keinen  Wert;  es  geschah  nicht  selten,  dass  er  einen  an¬ 
gesehenen  Gelehrten  zu  sich  bestellte,  ihn  stundenlang  warten 
Hess  und  -dann  nicht  empfing.  Solche  persönliche  Eigentüm¬ 
lichkeiten  mögen  belanglos  sein,  schwerer  fällt  es  ins  Gewicht, 
dass  er  die  Fakultäten  -mit  gleicher  Rücksichtslosigkeit  be¬ 
handelte  wie  die  einzelnen.  Ohne  Althofis  Willen  wurde 
kein  Professor  ernannt,  und  wenn  die  Fakultät  ihn  auch  ein¬ 
stimmig  vorgeschlagen  hatte,  und  wollte  Herr  Althoff,  so 
wurde  ein  Professor  ernannt,  ohne  dass  die  Fakultät  auch  nur 
gefragt  wurde.  Wenden  wir  uns  nun  von  dem  scheidenden 
Mann  dem  kommenden  zu.  Dem  neuen  Ministerialdirektor, 
Herrn  Geheimrat  Naumann  geht  der  Ruf  eines  tüchtigen  Be¬ 
amten  von  hervorragenden  geistigen  Fähigkeiten  voraus.  In 
welchem  Sinne  er  das  Universitätswesen  leiten  wird,  bleibt 
abzuwarten;  wenn  es  aber  erlaubt  ist,  schon  jetzt  einen 
Wunsch  auszusprechen,  so  ist  es  der,  dass  mit  dem  bisherigen 
Titel-  und  Protektionswesen  gründlich  aufgeräumt  wird.  Die 
überreiche  Verleihung  von  Titularprofessuren  und  anderer 
Titel  ist  eine  Neuerung  der  letzten  2  Dezennien,  welche  höch¬ 
stens  den  Dekorierten  selbst  Freude  macht.  Mit  einer  Häufig¬ 
keit,  bei  der  man  sich  das  Kopfschütteln  schon  abgewöhnt  hat, 
sah  man  ganz  junge  Privatdozenten,  die  erst  kurz  zuvor,  dank 
der  Fürsprache  ihres  einflussreichen  Chefs  zur  Habilitation  zu¬ 
gelassen  waren  und  bei  denen  man  vergeblich  nach  wissen¬ 
schaftlichen  Leistungen  suchte,  zu  Titularprofessoren  ernannt 
werden,  während  ältere  verdiente  Gelehrte,  die  ein  weniger 
biegsames  Rückgrat  haben,  vergeblich  auf  diese  Auszeichnung 
warteten;  nicht  selten  w-usste  man  von  einem  neuen  Pioftssor 
nichts  weiter,  als  dass  er  eine  Ausstellung  oder  dergl.  arran¬ 
giert  hatte,  oder  sein  Name  wurde  überhaupt  erst  durch  die 
Ernennung  weiteren  Kreisen  bekannt.  Zurzeit  wimmelt  es  von 
Professoren.  Dass  der  ehemals  so  hochangesehene  Rang  eines 
deutschen  Professors  dadurch  erheblich  an  Wert  eingebüsst 
hat,  ist  nur  natürlich;  und  innerhalb  wie  ausserhalb  der  aka¬ 
demischen  Kreise  besteht  der  Wunsch,  durch  seltenere  Ver¬ 
leihung  und  sorgfältigere  Auswahl  dem  Professortitel  wieder 
die  Bedeutung  zu  verschaffen,  die  er  früher  hatte. 

Das  Interesse  des  medizinischen  Berlins  wurde  in  der  vori¬ 
gen  Woche  fast  ganz  -durch  den  Kongress  für  Hygiene  und 
Demographie  in  Anspruch  genommen,  und  auch  das  nicht  medi¬ 
zinische  verfolgte  mit  Eifer  und  mit  mehr  oder  weniger  Ver¬ 
ständnis,  was  aus  den  Sitzungssälen  heraus  durch  die  Tages¬ 
zeitungen  drang.  Den  Kongressmitgliedern  wurde  ein  leiches 
Programm  geboten,  am  Tage  an  wissenschaftlichen,  am  Aben 
an  festlichen  Genüssen;  und  ob  die  letzteren  immer  vor  den 
Gesetzen  strenger  Hygiene  bestehen  konnten,  kann  zweifel¬ 
haft  erscheinen,  doch  werden  sie  unseren  Gästen  gezeigt  haben, 
dass  sie  uns  herzlich  willkommen  waren.  Den  Abschluss  fan¬ 
den  die  Festlichkeiten  in  einem  Bierabend,  zu  dem  die  Berliner 
Aerzte  die  Kongressmitglieder  und  ihre  Damen  eingeladen 
hatten.  Als  in  der  Begrüssungsrede  Herr  Prof.  L  a  s  s  a  r  er¬ 
wähnte,  dass  durch  den  Tod  des  Grossherzogs  von  Baden  der 
Schleier  der  Landestrauer  über  das  Fest  gebreitet  sei,  da  wuss¬ 
ten  wir  noch  nicht,  dass  noch  eine  besondere  Trauer  den  Ber¬ 
liner  Aerzten  bevorstand. 

Die  Feststimmung  war  kaum  verklungen,  da  erfühlen  v  n , 
•dass  unserer  Besten  einer,  Prof.  K  o  s  s  m  a  n  n,  aus  dem  Leben 
geschieden  war.  In  ihm  verlieren  wir  einen  unserer  befähigt¬ 
sten  Führer.  Sein  scharfer  Geist,  sein  staunenswertes  Wissen 
und  sein  männlich  sicheres  und  dabei  doch  immer  liebens- 


2U58 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


würdiges  Wesen  machten  ihn  in  ganz  hervorragendem  Masse 
geeignet,  eine  führende  Rolle  in  der  ärztlichen  Staridesbewe- 
gung  einzunehmen;  und  überall,  wo  es  galt,  die  Standesinter¬ 
essen  zu  vertreten,  auf  den  Aerztetagen,  in  der  Aerztekammer, 
in  den  Vereinen,  fand  man  ihn  auf  dem  Platze.  Mit  unermüd¬ 
lichem  Eifer  und  beachtenswertem  Erfolg  war  er  als  Vorsitzen¬ 
der  der  von  der  Aerztekammer  eingesetzten  Kommission  zur 
Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  tätig.  Das  schwierige  Werk, 
unter  den  Berliner  Aerzten,  die  durch  mancherlei  Zwistigkeiten 
in  zwei  feindliche  Lager  gespalten  waren,  ein  besseres  kolle¬ 
giales  Einvernehmen  herzustellen  und  eine  Grundlage  zu  ge¬ 
meinsamer  Arbeit  zu  schaffen,  ist  zu  einem  wesentlichen  Teil 
seinem  Eintreten  zu  verdanken.  Noch  harren  schwierige  Fra¬ 
gen  der  Lösung,  und  da  werden  wir  seine  Mitarbeit  schwer 
vermissen  und  doppelt  schmerzlich  die  Lücke  empfinden,  die 
sein  Hinscheiden  in  unsere  Reihen  gerissen  hat.  Mit  der  Ge¬ 
schichte  der  ärztlichen  Standesbewegung  aber  wird  sein  Name 
unauslöschlich  verbunden  bleiben. 

Zu  den  Sehenswürdigkeiten,  welche  die  Stadt  Berlin  ihren 
Gästen  vom  Hygienekongress  zeigen  wollte,  gehört  in  erster 
Reihe  auch  das  Rudolf-Virchow-Krankenhaus.  Man  glaubte, 
gerade  in  diesem  Krankenhaus  einen  Musterbau  vorführen  zu 
können.  Nun  hat  es  aber  vor  wenigen  Wochen  auf  der  Tagung 
des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  durch 
Herrn  Lenhartz  eine  sehr  abfällige  Kritik  erfahren,  die 
bei  den  Vätern  unserer  Stadt  ein  begreifliches  Befremden  er¬ 
regt  hat.  In  einer  Sitzung  der  städtischen  Baudeputation  nahm 
deshalb  der  Erbauer  des  Krankenhauses,  Herr  Stadtbaurat 
Hoffman  n,  Veranlassung,  sich  zu  dieser  Kritik  zu  äussern. 
Zunächst  bemängelte  Lenhartz  die  hohen  Kosten  im  Ver¬ 
gleich  zu  den  Hamburger  Hospitälern,  von  diesen  aber  ist  das 
eine,  St.  Georg,  kein  Neubau,  sondern  ein  Umbau,  lind  das 
andere,  Eppendorf,  ist  vor  20  Jahren  erbaut,  also  zu  einer 
Zeit,  wo  die  Baupreise  wesentlicher  niedriger  waren.  Wert¬ 
volle  Einrichtungen,  wie  ein  eigener  Wasserturm,  ein  eigenes 
Elektrizitätswerk,  besondere  Kühl-  und  Eisbereitungsanlagen 
fehlen  in  Hamburg  fast  ganz;  dort  wurden  einige  Röntgen¬ 
apparate  in  vorhandenen  Gebäuden  untergebracht,  hier  haben 
wir  ein  dreistöckiges  Röntgenhaus.  Jedes  Krankenzimmer  ist 
hier  direkt  zugänglich,  in  St.  Georg  nicht,  auch  an  die  Be- 
handlungs-,  Betriebs-  und  Nebenräume  wurden  hier  viel  wei¬ 
ter  gehende  Anforderungen  gestellt.  Der  Zwischenraum 
zwischen  2  Betten  ist  hier  stets  1  m,  in  Eppendorf  geht  er  bis 
zu  50  cm  herab,  das  fällt  natürlich  bei  der  Berechnung  der 
Durchschnittskosten  pro  Bett  sehr  ins  Gewicht.  Das  freie  Ge¬ 
lände  ist  im  Verhältnis  zur  Krankenzahl  fast  1/4  mal  so  gross  | 
wie  in  Eppendorf  und  fast  doppelt  so  gross  wie  in  St.  Georg. 
An  weiteren  Einzelheiten  wies  Herr  Hoffman  n  nach,  dass 
die  hohen  Kosten  des  Rudolf-Virchow-Krankenhauses  im  Ein¬ 
klang  stehen  mit  den  erhöhten  Leistungen,  die  bei  einem 
modernen  Krankenhausbau  gefordert  werden  mussten.  Die 
technische  Industrie  hat  speziell  in  bezug  auf  den  Bau  von 
Instrumenten  und  Apparaten  in  den  letzten  Jahren  erhebliche 
Fortschritte  gemacht,  die  ohne  Rücksicht  auf  die  Kosten  für 
ein  neues  Krankenhaus  nutzbar  gemacht  werden  müssen. 
Wenn  der  Gesamteindruck  des  Rudolf-Virchow-Krankenhauses 
allgemein  gerühmt  wird,  so  sei  dieser  Erfolg  nicht  durch  be¬ 
sonderen  architektonischen  Aufwand  und  Prunk  erzielt  wor¬ 
den,  sondern  durch  geschickte  Verteilung  der  gärtnerischen 
Anlagen  und  günstige  Wahl  der  Proportionen  bei  den  einzelnen 
Bauten.  Der  Vorwurf  schliesslich,  dass  der  Architekt  sich 
nicht  ausreichend  durch  die  Mediziner  leiten  liess,  konnte  mit 
Leichtigkeit  aktenmässig  widerlegt  werden;  es  wurde  bis  in 
die  kleinsten  Einzelheiten  hinein  stets  der  Rat  der  medi¬ 
zinischen  Sachverständigen  eingeholt  und  ihre  Wünsche  be¬ 
rücksichtigt.  Die  Mitglieder  der  Baudeputation  schienen  durch 
diese  Ausführungen  des  Stadtbaurates  Hoffman n,  die  von  dem 
\  t rwaltungsdirektor  des  Krankenhauses  noch  ergänzt  wurden, 
duichaus  befriedigt.  Da  aber  Herr  Lenhartz  bereits  eine 
Replik  veröffentlicht  hat,  so  dürfte  die  Diskussion  über  die 
Krankenhausfrage  noch  nicht  geschlossen  sein. 

Während  der  Kongresswoche  tagten  hier  noch  zwei 
andeie  \  ereine,  der  „Deutsche  Verein  für  Volkshygiene“  und 
das  „Internationale  Komitee  zur  Bekämpfung  der  Charla- 
tanerie“.  Auf  der  Generalversammlung  des  „Deutschen 
\  ercins  für  Volkshygiene“  hielt  Frau  H  e  y  1  -  Berlin  einen  Vor¬ 


trag  über  die  Hygiene  und  die  Frauen.  Der  Mitarbeit  der 
Frauen  könne  man  in  der  Ernährungsfrage  nicht  entraten,  und 
ihre  Erfahrungen  müsste  sich  auch  die  Wissenschaft  zu  Nutze 
•machen.  Jede  Frau,  die  heiraten  wolle,  sollte  in  der  Säuglings¬ 
pflege  ausgebildet  und  auch  über  die  Bedeutung  der  Genuss¬ 
gifte,  speziell  des  Alkohols,  unterrichtet  sein.  In  der  Woh¬ 
nungshygiene  können  Frauen  als  Wohnungsinspektorinnen  und 
Armenpflegerinnen  wertvolle  Dienste  leisten,  wie  sie  sich  auch 
als  Helferinnen  bei  der  Bekämpfung  der  Prostitution  und  als 
Aufsichtsbeamte  in  Fabrikbetrieben  gut  bewährt  haben.  Herr 
G  r  u  b  e  r  -  München  sprach  über  Kolonisation  in  der  Heimat. 
Nachdem  in  den  letzten  50  Jahren  die  Entvölkerung  der  länd¬ 
lichen  Bezirke  und  der  Zuzug  in  die  Städte  immer  grösser 
geworden  ist,  muss  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  mit  dem ' 
zunehmenden  Wachstum  der  Städte  auch  die  Besserung  der 
gesundheitlichen  Verhältnisse  gleichen  Schritt  gehalten  habe. 
Die  Statistik  ergibt,  dass  während  des  letzten  halben  Jahr¬ 
hunderts  die  Mortalität  in  den  Städten  sich  um  ein  Drittel,  auf 
dem  Lande  nur  um  ein  Viertel  verringert  hat,  aber  sie  ist  in  der 
Gressstadt  noch  immer  um  50  Proz.  grösser  als  auf  dem  Lande; 
besonders  gross  ist  sie  unter  der  männlichen  Bevölkerung.  Die 
Ursache  hierfür  liegt  nicht  in  Schädigungen  die  durch  die  Be¬ 
rufstätigkeit  hervorgerufen  werden,  wie  ein  Vergleich  mit  den 
hygienisch  ungünstig  gestellten  und  schlecht  entlohnten  Zie¬ 
geleiarbeitern  ergibt,  sondern  vielmehr  in  der  Verbreitung 
der  Geschlechtskrankheiten  und  des  Alkoholismus,  welche  in 
den  Städten  bedeutend  grösser  ist  als  auf  dem  Lande.  Um  die 
Gefahren,  welche  aus  dem  rapiden  Anwachsen  der  Grossstädte 
der  Volksgesundheit  erwachsen,  zu  verringern,  müsse  eine 
radikale  Wohnungsreform  angestrebt  werden. 

In  der  Sitzung  des  internationalen  Komitees  zur  Bekämp¬ 
fung  der  Charlatanerie  wurde  beschlossen,  einen  Verband  der 
auf  der  Versammlung  vertretenen  Vereine  zu  begründen.  Die 
Geschäftsführung  liegt  in  den  Händen  der  niederländischen 
Gesellschaft,  die  die  Gründung  nationaler  Vereine  und  ihren 
Anschluss  an  den  internationalen  Verband  veranlassen  soll.  Die 
Berichte  der  Vereine  sollen  in  dem  „Gesundheitslehrer“  ver¬ 
öffentlicht  werden.  M.  K. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

II.  Internationaler  Kongress  für  „Säuglingsschutz“ 

(gouttes  de  lait). 

zu  Brüssel  vom  12.  bis  16.  September  1907. 

Referent:  Dr.  Rein  ach -München. 

Die  grosse  Bedeutung  und  die  Wichtigkeit  der  von  hervor¬ 
ragenden  Männern  der  pädiatrischen  Wissenschaft  geführten  Be¬ 
wegung  zum  Schutze  des  Säuglings  im  Kampfe  gegen  dessen  Leben 
bedrohende  Schädigungen  sozialer  Art.  gegen  Gefahren  der  Er¬ 
nährungsweise  etc.  kam  so  recht  zum  Ausdruck  in  der  von  allen 
zivilisierten  Ländern  betätigten  Teilnahme  an  obigem  Kongresse. 

14  Staaten  hatten  offizielle  Vertreter  gesandt;  nicht  nur  aus  Europa, 
aus  Amerika,  Australien,  Südafrika,  Indien  waren  Teilnehmer  herbei¬ 
geeilt.  Als  offizieller  Vertreter  Deutschlands  war 
Herr  Geh.  Obermedizinalrat  Dr.  Dietrich-Berlin 
erschienen.  Die  Nachteile  in  den  Verhandlungen  solch’  internationaler 
I  agungen  waren  durch  genau  detaillierte  vorherige  Programmfest¬ 
legung  und  Ernennung  von  sogen.  Rapporteurs  für  die  einzelnen 
Thesen,  deren  Berichte  jedem  Teilnehmer  schon  vorher  im  Drucke 
zugingen,  grösstenteils  vermieden.  (Ein  Teil  der  Rappor¬ 
teurs  war  persönlich  erschiene  n.)  Das  Verdienst  dieser 
vorzüglichen  Organisation  gebührt  Herrn  Dr.  E.  Lust,  General¬ 
sekretär  der  belgischen  Liga  zur  Bekämpfung  der  Säuglingssterblich¬ 
keit.  Das  Programm  des  Kongresses  zerfiel  in  folgende  Abteilungen: 

A.  Organisatorische  Hauptfrage:  Soll  der  Kongress  alle  sozialen 
und  wissenschaftlichen  Fragen  der  Säuglingsfürsorge  ventilieren,  und 
ist  infolgedessen  der  ursprüngliche  1  itel  des  Kongresses  von  Congres 
des  gouttes  de  lait  zu  erweitern  in  Congres  pour  la  protection  de 
l’enfance  du  premier  äge?  Auf  Grund  der  Referate  von  Professor 
Esch  er  ich,  Johann  essen,  Concetti,  MacCleary,  Dr. 
Martinez  Var  gas  etc.  wurde  nach  erregter  Debatte  besonders 
zwischen  deutschen  und  französischen  Aerzten  —  letztere  bestanden 
auf  Beibehaltung  des  ursprünglichen  Titels  „gouttes  de  lait“  — 
die  Fassung  angenommen:  Congres  pour  la  protection  de  l’enfance 
du  premier  äge  (gouttes  de  lait). 

B.  Erste  Sektion.  1.  Stellen  die  Werke  des  Säuglingsschutzes 
—  Fürsorgestellen  und  Heilstätten  —  brauchbare  Waffen  dar  im 
Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  und  ist  von  ihnen  in  der  Prophylaxe 
gegen  diese  Volkskrankheit  etwas  zu  erwarten? 

Die  Beantwortung  dieser  Frage  wird  verschieden  sein,  je  nach 
der  Auffassung  über  Entstehungsweise  und  Verbreitung  der  Tuber- 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2059 


v.,1nse  Combv -Paris,  Dr.  ’E  s  p  i  n  e  -  Genf,  Toloza  Latour, 

1  cf  c  vre,  Schlossmann  hatten  eingehende  Berichte  und  zum 
Teil  mündliche  Referate  in  der  Sitzung  erstattet.  Schlossmann, 
ein  überzeugter  Anhänger  des  Uebertragungsmodus  der  T uberkulose 
durch  Deglutination  und  zwar  im  frühen  Kindesalter,  sieht  in  dei  Er¬ 
nährung  an  der  Brust  das  beste  Mittel  im  Kampfe  gegen  die  aber  - 
kuiose.  Wenn  die  Fürsorgestellen  also  auch  die  Brusternahrung  toi- 
dern  und  die  Hygiene  des  Säuglings  bessern,  sind  sie  ein  Mittel  gegen 

Tuberkulose.  ^  dje  Uebertr.agung  der  Tuberkulose 

stets  durch  das  „Contagion  familiale“.  nie  durch  die  Milch  stattfindet 
irisst  den  Fürsorgestellen  nur  die  sekundäre  Rolle  durch  Besserung 
der  Säuglingshygiene  und  Kräftigung  des  jugendlichen  Organismus 
im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  zu,  also  eine  indirekte  Wirksamkeit, 
ein  Votum,  das  der  Kongress  auch  zu  dem  seimgen  macht.  ^ 

2.  Kritische  Betrachtung  der  in  den  verschiedenen  Ländern  ge¬ 
setzlich  festgelegten  Bestimmung  über  Produktion  und  Verkauf  sogen. 

^Ste' waren  cinuelaufen  von  DDr.  A  K  eil  er  -  Magdeburg, 

V  W  e  1  v  -  Holland,  L  u  n  d  d  a  h  1  -  Dänemark,  .loh  an  nessen- 
Christiania,  C h  a  m p e  n  d  a  1  -  Genf.  Diaz- Zaragoza  T  h  o m  so  n  - 
Schottland.  D’A  d  d  e  r  k  a  s  s  -  Russland,  D  u  f  o  u  1  -  r rankr eien. 
Weiss- Oesterreich,  De  u  ts  ch -Ungarn,  F 1 1  h  o  -  Brasilien.  Am 
bemerkenswertesten  scheinen  die  Keller  sehen  Vorschläge.  Der¬ 
selbe  verlangt  behördliche  Konzession  für  Kindermilchyerkauf, 
Tuberkuloseimpfung,  die  nach  %  Jahr  zu  wiederholen,  Weidetriex 
Revision  der  Fütterungsvorschriften,  Kühlung  der  Milch  auf  3—5 
sofort  nach  dem  Melken,  reichsgesetzliche  Regelung  allei  Voi- 

schriftem  Begchreibung  der  Anstalten  und  Einrichtungen  in  den  ver¬ 
schiedenen  Ländern  zum  Zwecke  der  Säuglingsfürsorge  und  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Säuglingssterblichkeit.  R 

Berichterstatter  der  verschiedenen  Lander.  DDi.  Bene- 
venute -Madrid,  C  h  a  1  m  e  r  s  -  Glasgow  C  r  a  t  u  n  es  c  o -Bu¬ 
karest  Sarmento  -  Lissabon,  Deutsch-  Ungar  n,  F  e  y  1  e  i  - 
Lausanne,  G  r  a  s  s  e  t  -  Tours.  H  u  b  e  r  t  -  Petersburg,  Johannes- 
sen  -  Christiania,  Marchandise-  Brüssel,  Pezzeti  -  Mailand, 
Plantenga  -  Haag,  S  er  k  o  we  k  i  -  Polen,  V-al  des -Havanna, 
Wernstedt- Stockholm,  W  ü  r  t  z  -  Strassburg,  Z  e  1  e  n  s  k  l  -  Kra¬ 
kau,  Cardona  -  Madrid.  . 

Dr.  Marchandise  schlägt  in  der  Diskussion  vor,  Federations 
nationales  zu  gründen,  die  den  einzelnen  Anstalten  gestatten,  sich 
gegenseitig  zu  unterstützen.  In  Belgien  besteht  bereits  eine  Liga  zur 
Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit,  die  eine  Reihe  von  Insti¬ 
tutionen,  Beratungsstellen,  Mutterschaftsversicherung,  Muttei  schule, 
Bibliothek  für  letzere,  Museum  für  Säuglingshygiene  ins  Leben  ge¬ 
rufen  hat  und  stützt.  —  Schweden  besitzt  neben  oben  genannten  In¬ 
stitutionen  noch  Asyle  für  stillende  Mütter.  Krippen.  —  Sehr  inter¬ 
essant  sind  die  Berichte  aus  Rumänien.  Die  Stadt  Bukarest  zahlt 
jährlich  grosse  Summen  für  arme  Kinder,  die  zum  Teil  zu  stillenden 
Müttern  in  die  Vorstädte  in  Kost  gegeben  und  offiziell  beaufsichtigt 
werden.  Auch  Krippen  mit  fast  ausschliesslicher  Brusternährung  sind 
seit  1892  geschaffen.  Die  künstliche  Ernährung  ist  nach  Bericht  über¬ 
haupt  sehr  selten  in  den  rumänischen  Städten  und  unbekannt  auf  dem 
Lande.  Auch  Ungarn  besitzt  schon  manches  Nachahmenswerte. 
Im  übrigen  melden  fast  alle  Berichte  über  Beratungsstellen  und 

Milchküchen.  .... 

b)  Statistik  der  Säuglingssterblichkeit  in  allen  Landern. 

Bericht  erstattet  hatten:  Geh.  Rat  D  ie  tri  ch -Berlin,  DDr. 
G  o  1  e  r  -  Rochester,  Fab  r  i  c  i  u  s  -  Dänemark.  Youkers  -  Gro¬ 
ningen,  U  1  v  e  1  i  n  g  -  Luxemburg,  Ding  sw  all-Fordyge  -  Edin¬ 
burgh,  R  o  m  o  -  Spanien,  Z  e  1  e  n  s  k  i  -  Galizien.  Förster  -  England, 
L  i  n  d  b  1  o  m  -  Stockholm,  Johannessen  -  Christiania,  P  a  r  d  o  - 
Madrid,  W  i  1  m  a  r  t  -  Brüssel. 

Ueberall  ist  die  Säuglingssterblichkeit  noch  sehr  hoch,  in  einigen 
Ländern  mit  rationeller  Säuglingsfürsorge  ist  dieselbe  bereits  etwas 
zurückgegangen  (Brüssel).  In  den  Städten  ist  sie  überall  höhei  als 
auf  dem  Lande,  in  dichtbevölkerten  Zentren  am  grössten;  die  Mor¬ 
talität  illegitimer  ist  infolge  strenger  Kontrolle  in  manchen  Gegenden 
geringer  als  die  ehelicher  Kinder  unter  gleichen  Verhältnissen. 

Um  einheitliche  Grundlagen  einer  internationalen  Statistik  zu 
erlangen  wird  eine  Commission  internationale  erwählt.  Ich  verweise 
auf  die  rationellen  Vorschläge  von  Geh. -Rat  Dietrich  über  gleich - 
mässige  Erhebung  des  Urmaterials  und  Bearbeitung  nach  einheit¬ 
lichen  Grundsätzen. 

C.  II.  Sektion.  4.  a)  Nahrungsmengen  bei  natürlicher  und  „un¬ 
natürlicher“  Ernährung. 

Während  S  i  e  g  e  r  t  für  grosse  Nahrungspausen  plädiert  be¬ 
sonders  mit  Rücksicht  auf  die  erst  nach  längerer  Zeit  so  vollendete 
Darmverdauung  der  eingeführten  Nahrung,  treten  Franzosen  und 
Belgier  mehr  ein  für  häufige  kleinere  Mahlzeiten,  um  Magenektasien 
und  Darmatonien  zu  vermeiden. 

b)  Studium  der  Verdauung  beim  Säugling: 

1.  Bakteriologie  des  Verdauungskanals.  Ref.: 
Dr.  M  o  r  o  -  München:  „Bei  akuten  Ernährungsstörungen  ex  alimen- 
tatione  zeigen  die  Darmbakterien  ein?  Virulenzsteigerung.  Ver¬ 
änderungen  des  Nährbodens  zeigen  Aenderung  im  Chemismus  der 
Darmbakterien.  Therapeutisch  wäre  gegebenen  Falles  der  Darmin¬ 
halt  so  zu  ändern,  dass  er  für  die  neu  erwachte  Vegetation  ungünstig 
wird,  dagegen  das  Wachstum  normaler  Antagonisten  fördert.“ 


2  Anatomie  und  Physiologie  des  Verdau  ungs- 
traktus  des  Säuglings.  Studie  über  die  Verdauungsdrüsen 
und  deren  Sekrete  von  Le  S  a  g  e  -  Paris. 

3  Veränderung  der  Nahrung  im  Verdauungs- 
ka  n  a  1  spez.  in  biochem.  Hinsicht  von  Dr.  M  u  1  s  -  Brüssel. 

4.  Nahrungsreste  bei  Säuglingen,  chemisch- 
physikalisch-mikroskopische  Studie  der  Fäzes 
von  Dr.  S  e  1 1  e  r  -  Solingen.  1.  Sehr  objektiv  gehaltene  Folgerung, 
deren  grosser  Wert  für  therapeutische  Indikationen  evident  ist. 

5  Ernährung  des  Säuglings  während  der  Ent¬ 
wöhnung.  Berichterstatter:  Dr.  C  o  r  m  i  e  r  -  Montreal. 

5.  a)  Die  verschiedenen  Milchmodifikationen  für  künstliche  Saug- 

lingsernährung  nebst  Indikationen  zur  Anwendung.  . 

1  Rohe  Milch.  Es  sind  als  Referenten  Finkelstein- 
B erlin  und  T  r  i  b  o  u  1  e  t  -  Paris  ernannt.  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  sieht  im 
Gebrauch  der  rohen  Milch  keine  Vorteile  vor  der  gekochten.  Jeden¬ 
falls  ist  kein  einwandfreier  Beweis  bis  jetzt  geliefert.  Wenn  auch 
Morb.  Barlow  nur  bei  gekochter  Milch  vorkommt,  ist  diese  doch  nie  it 
die  alleinige  Ursache  der  Erkrankung.  Die  Aufnahme  von  Schutz¬ 
stoffen  aus  roher  artfremder  Milch  ist  bis  jetzt  auch  nicht  erwiesen. 
Zu  letzterem  Schlüsse  kommt  auch  B  a  s  e  n  a  u  -  Amsterdam,  lii- 
b  o  u  1  e  t  weist  der  rohen  Milch  bei  gewissen  Dyspepsien  eine  Rolle 

2.  Gekochte,  pasteurisierte,  sterilisierte  Mil  c  h 
Der  Ref.  D  u  m  o  n  t  -  Louvain  gibt  letzterer  den  Vorzug,  wahrend 
das  Pasteurisieren  nur  unmittelbar  nach  dem  Melken  und  bei  naci- 
herigem  sofortigen  Dauerkühlen  der  Milch  brauchbare  Resultate  g'm 

3.  „F  e  r  m  e  n  t  m  i  1  c  h“  =  Buttermilch  (Laits  fermentes) 
Ref.  Dr.  G  r  a  a  n  b  o  o  m  -  Amsterdam,.  Die  Indikationen  des  Ref 
sind  folgende:  Bei  Zweimilchernährung:  primärer  Atrophie  und  bei 
stillstehendem  Körpergewicht  ohne  Verdauungsstörungen:  chron. 
Dyspepsie,  besonders  die  mit  Verstopfung  einhergehende  Form  bei 
fehlendem  Erbrechen:  akute  Gastroenteritis  nach  Wasserdiat;  bei 
Rhachitis;  Anämie  und  Tuberkulose.  „Der  Gehalt  an  Milchsäure  und 
das  leichtverdauliche  Kasein“  scheinen  Graanboom  das  wirksame 

4.  Modifikationen  der  Milch  in  che  mischerund 
molekularer  Beziehung.  Dr.  D  e  c  h  e  r  f  in  Tourcoing- 
Frankreich  beschreibt  folgende  Arten  und  gibt  Indikationen:  1.  Lait  de 
Winter  et  V  i  gi  e  r,  2.  Lait  de  Gärtne  r.  3.  Lait  de  Dii  f  o  u  r, 
4.  Lait  de  S  z  e  k  e  1  v,  5.  Lait  albumost  de  Rieth,  6.  Lait  de  B  i  e  - 
d  e  r  t  7.  Lait  de  Lahmann,  8.  Laits  modifies  des  Americains. 
Ferner:  Backhausmilch,  Milch  nach  Bud  in  und  Michel:  egnin- 
milch;  Fettarme  Milch  nach  H.  de  R  o  t  s  c  hi  Ld  -  Paris;  Konden¬ 
sierte  Milch;  Homogenisierte  Milch;  Lait  oxvgene. 

Es  ist  nicht  nötig  und  wohl  auch  nicht  wichtig,  diese  15  Milch- 
sorten  nähere  Revue  passieren  zu  lassen.  In  praxi  dürfte  man  aut 
sehr  viele,  wohl  die  meisten  verzichten  können. 

b)  Praktische  u*id  rasche  klinische  Methoden  zur  Milchunter- 

suchung» 

1.  Bakteriologische  Analyse:  Dr.  B  äsen  au  - 

Am  2  Hygiene  der  Milch  (Frische,  Reinheit,  Produktion)  von 
Raudnitz  -  Prag.  Aus  R  a  u  d  n  i  t  z’  interessantem  Bericht  sei 

hervorgehoben:  Zu  prüfen  sind: 

I  Gesundheit  der  Milch,  i.  e.  Abstammung  von  gesunden  I  leren 

1.  Entzündungen  der  Milchtiere,  2.  Eutertuberkulose.  II.  Sauberkeit 
der  Milch:  1.  Milchschmutz,  2.  mikroskopische  Untersuchung.  111. 
Frische  der  Milch:  1.  Azidität  (~  oder  ~ NaOH  gegen Phenolphtalein), 

2.  Methvlenblauprobe,  3.  Mikroskopie.  .  D 

3.  Chemische  Analyse:  Prof.  B  o  r  d  a  e  -  Paris  als  Re¬ 
ferent  bestimmt.  ^  0  T  jxn-o  • 

4.  Milchfälschungen:  Bericht  von  Dr.  Schools-  Liege . 

Sehr  lesenswertes  Spezialessay. 

6.  Der  offizielle  und  private  Unterricht  und  die  Popularisierung 

der  Hygiene  des  Kindes.  ,  .  ,  r  n  „  t,  _ 

Berichterstatter:  Feer,  R  a  i  m  o  n  d  i  -  Frankreich,  Comha- 
Bologna  •  D  e  1  c  u  v  e  -  Mons:  Z  e  1  e  n  s  k  i  -  Galizien;  A  1  v  a  i  e  z- Ma¬ 
drid-  Wernstedt- Stockholm;  D  a  n  i  e  1  -  Belgien;  Alexan¬ 
dres  c  o  -  Bukarest:  Ulr  ik -Kopenhagen;  J  o  h  a  n  n  es  se  n -Nor¬ 
wegen;  Rosenhaupt- Frankfurt;  Deutsch-  Ungarn.  Eine  reiche 
Fülle  einschlägigen  Materials.  Naturgemäss  ist  fast  überall  alles  erst 
in  den  Anfängen  begriffen.  Mutterschulen  im  Anschluss  an  Beratungs¬ 
stellen,  Unterricht  an  Töchterschulen,  auch  an  Krippen,  Säuglings¬ 
heime  angeschlossen,  sind  gesetzlich  zu  fordern. 

Der  bleibende  wissenschaftliche  Wert  des  Kongresses 
liegt  in  den  zum  Teil  sehr  guten  Berichten.  Die  offiziellen  Kongress¬ 
beschlüsse  über  die  Fragen  A.  B  <  C6  decken  sich  im  wesentlichen 
mit  den  „Conclusions“  der  Berichterstatter.  ,, 

Eine  Diskussion  fand  statt  über  die  mehr  allgemein  ge¬ 
haltenen  Fragen,  während  4  b  und  5  a  aus  naheliegenden  Giunden  sic  i 
nicht  für  den  Rahmen  des  Kongresses  zur  detaillierten  Diskussion  eig¬ 
neten.  Zu  5  b  fanden  Demonstrationen  statt  im  Institut  therapeut.  du 
parc  Leopold.  Im  Anschluss  an  die  letzte  Besichtigung  dei  Eabii' 
„Nutricia“,  einer  im  grossen  Stile  die  in  Brüssel  fast  durchweg  an¬ 
gewandte  Backhausmilch  produzierenden  Anstalt. 

Manch’  Interessantes  bot  die  Inaugenscheinnahme  dei  diveisei 
Consult.  p.  nourris.,  der  Couveus.d.  Br.  (Säuglingsheim)  und  -der  Filia  e 
der  Genter  Krippe,  wo  junge  Mädchen  von  14—16  Jahren  als  1  f lege- 
rinnen  fungieren.  Die  Oberin  derselben  zählte  16  Jahre.  Eine  lehi- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


2060 


reiche  Uebersicht  über  das  vielfache  in  Belgien  für  Säuglingspflege 
Geleistete  gab  die  Broschüre  von  Dr.  L  u  s  t  -  Brüssel.  —  Leider 
spielten  die  offiziellen  Vergnügungen  auch  wieder  im  gastlichen 
Brüssel  eine  zu  grosse  Rolle  zum  Nachteil  konzentrierten-  Arbeitens 
an  den  Kongresstagen. 

Das  Programm  des  nächsten  Kongresses,  1910  in  Berlin, 
wurde  im  folgenden  bereits  festgelegt:  Ausarbeiten  gleichartiger  Vor¬ 
schriften  für  Milchkontrolle.  —  Verdauung  des  Fettes  b.  S.  —  Fest¬ 
stellung  der  Resultate  der  Fürsorgestellen  in  den  letzten  6  Jahren.  — 
Bericht  über  Schutz  des  Kindes  gegen  Ernährungs-  und  Verdauungs¬ 
störungen  auf  Grund  von  mindestens  2  Jahre  lang  erprobten  Ver- 
rahrens.  —  Ferner  kritische  Betrachtung  der  verschiedenen  als  „Säug¬ 
lingsnahrung“  empfohlenen  Milchmodifikationen.  —  Die  Griin- 
d  u  n  g  einer  Union  intern  at.  pour  la  protection  de 
len  tance  du  Premier  äge  wurde  bewerkstelligt  und  als 
Ehrenmitglieder  aus  Deutschland  Prof.  Fl  e  u  b  n  e  r  - 
Berhn,  Geh  Ober-Med.-Rat  Dietrich-  Berlin  und  Geh.  Ober-Med.- 
Rat  Prof.  Biedert-  Strassbürg  berufen. 


14.  Internationaler 

Vom  23. 


Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie 

— 29.  September  1907  zu  Berlin. 

II. 


Plenarsitzung  am  2  6.  September  190  7. 

...  ^  rok  Br.  C  h  a  n  t  e  m  e  s  s  e  -  Paris :  Die  Serotherapie  des  ty¬ 
phösen  Fiebers.  (Serotherapie  de  la  fievre  typhoide.) 

Der  Vortragende  bespricht  zunächst  die  Sterblichkeit  bei  Typhus, 
die  bekanntlich  je  nach  der  Schwere  der  Epidemie  eine  recht  ver¬ 
schiedene  ist;  in  den  Zivilspitälern  von  Paris  beträgt  sie  im  Durch¬ 
schnitt  17  Proz.;  bei  der  Serumbehandlung  fällt  sie  auf  3 — 414  Proz. 

Der  Einfluss  des  Antityphusserums  auf  den  Verlauf  der  Krank¬ 
heit  muss  demnach  als  ein  günstiger  bezeichnet  werden.  Bei  der  Reaktion 
auf  die  Serumeinspritzung  sind  zwei  Perioden  zu  unterscheiden:  in  der 
ersten  Periode,  welche  unmittelbar  der  Injektion  folgend  an  Aus¬ 
dehnung  zwischen  einigen  Stunden  und  5 — 6  Tagen  schwanken  kann, 
ist  ein  geringer  Fieberabfall  zu  bemerken,  manchmal  steigt  die  Tem¬ 
peratur  sogar  vorübergehend  an,  bis  dann  plötzlich  in  der  zweiten 
1  eriode  die  Entfieberung  eintritt. 

au  ^ern  Qsnge  der  Temperatur  entsprechen  die  Aenderungen  im 
Allgemeinbefinden. 


Während  die  schwerkranken  Typhuspatienten  mit  einem  ganz 
charakteristischen  stupiden  Gesichtsausdruck  daliegen,  die  eigentüm¬ 
liche  Gesichtsfarbe  aufweisen,  kalte  Hände  und  Füsse  haben  mit 
z\anotisch  gefärbten  Nägeln,  zeigt  bei  den  mit  Serum  behandelten 
Kranken  die  Haut  eine  gleichmässige  Röte,  der  Gesichtsausdruck  ist 
ein  ruhiger,  die  Apathie  ist  geschwunden,  die  Extremitäten  sind  nicht 
kalt,  sondern  gleichmässig  warm,  die  Fingernägel  zeigen  eine  ge¬ 
sunde,  rote  Farbe. 

Neben  diesen  äusserlichen  Veränderungen  gehen  selbstverständ¬ 
lich  auch  ganz  erhebliche  und  wichtige  Veränderungen  im  Gewebe 
vor  sich,  namentlich  im  Blute:  diese  Beeinflussung  des  Blutes  durch 
das  b  er  um  zeigt  sich  auch  darin,  dass  wenige  Stunden  nach  der  Dar¬ 
reichung  des  Serums  eine  erhebliche  Vergrösserung  der 
Milz  auizutreten  pflegt.  Die  Rekonvaleszenz  ist  meist  rasch-  aus¬ 
nahmsweise  können  Rückfälle  nach  2  oder  3  Monaten  eintreten  in¬ 
nige  Auftretens  von  nicht  völlig  vernichteten  Typhusbazillen  im 
Organismus. 

stio-XX  üeben  der  Anwendung  des  Serums  auch  noch  die  son- 
stige  Behänd  ung  des  Typhus,  namentlich  die  Anwendung  der  kalten 
Bader  beibehalten  wird,  so  hat  dies  seinen  Grund  darin  hie- 
m't  <»e  bei  der  Serumbehandlung  auftretenden  heftigen  Erscheinungen 
welche  durch  den  Kampf  des  Organismus  mit  den  KrankbeS 
nungen  aN  Begleit-  bezw.  Folgeerscheinungen  hervorgerufen  werden, 
möglichst  zu  mildern  und  erträglich  zu  machen;  es  gibt  eben  noch 

SilriuT,  ts4  dass  der  ^ 

c^rauf  TiinT'dass^maiFrnU  JWücl«ichteauf'  ^i^Tfei'^^lberfi^loseirnr^unEen 

iattSanreh  LUbTrgIh0SSe  ElTpfllldllchkeit  der  Augenbindehaut  versucht 
hat,  auch  bei  Typhus  zu  diagnostischen  Zwecken  mit  einem  eisrens 
iiczu  heigestehten  Impfmaterial,  dessen  Gewinnung  allerdings  recht 
Xe  öd  ’Cch  ,st\Inyf“n?e"  ,der  Bindehaut  vorzunehmen,  mit  dem  Er- 
d  rd  u  ?  Au,ftraufelung  einiger  Tropfen  bei  Typhuskranken 
%P*L  rvph us r eko n valeszenten  heftige  Reaktionen  auftreten.  Diese 
lagnostische  Reaktion  trat  während  der  Krankheit  zu  einer  Zeit  ein 
Sin+nd,  Wie,chnr  die  serodiagnostische  Reaktion  ausblieb.  Es  er¬ 
scheint  demnach  nicht  ausgeschlossen,  dass  mit  Hilfe  dieser  neuen 

Typhusfälle  entdeckt  werden,  die  man  bisher 
a  s  solche  nicht  erkannte  und  somit  zur  Erkenntnis  gelangt,  dass 
die  I  yphusinfektion  in  weit  grösserem  Masse  verbreitet  ist  als  man 
bis  jetzt  anzunehmen  pflegt.  IS>T*  ais  man 

Ueber  die  Gewinnung  des  Typhusserums  berichtet 
Jer  \  ortragende  nachstehendes:  Das  Serum  stammt  von  Pferden 
denen  lange  Zeit  hindurch  mittels  einer  Emulsion  giftiger  Tvphus- 
luzillen  lösliches  Iyphusgift  beigebracht  worden  ist.  Die  zur  Imp- 
iiiig  der  1  rerde  verwandten  Tvphusreinkulturen  werden  auf  einer 
krri  ?iTwpbn°U10n  Rez,l,cj.ltet„  Die  Eigenschaften  des  Serums  schwan¬ 
ist  I  weEihXJein?nhTder  ZlXt I  5ie  Soeit  der  Entnahme  verstrichen 
Ih  n  h  p1-  20  daRen  hat  das  Berum  seine  höchste  Kraft  er- 
rucnt.  Die  zur  Einspritzung  gelangenden  Dosen  sind  sehr  niedrig 


Die  Wirkung  einer  Einspritzung  hält  10  Tage  an,  so  dass  es  selten 
notwendig  ist,  im  Verlaufe  einer  Erkrankung  eine  zweite  Einspritzung 
zu  machen. 

Wird  eine  zweite  Einspritzung  gemacht,  so  wird  nur  mehr  die 
Hälfte  der  ersten  Dosis  verwendet. 

Dr.  H  a  I  d  a  n  e  -  Oxford:  Die  neuesten  Forschungen  in  Bezug 
auf  die  Hygiene  bei  den  unter  der  Erde  und  unter  dem  Wasset- 
vorzunehmenden  Arbeiten.  (Some  recent  investigations  in  hygiene  of 
subterranean  and  subaqueous  work.) 

Die  britische  Admiralität  hat  vor  zwei  Jahren  ein  Komitee  mit 
der  Untersuchung  der  gesundheitlichen  Verhältnisse  an  unter  Wasser 
beschäftigten  Arbeitern  beauftragt,  welchem  der  Vortragende  als 
physiologischer  Beirat  angehörte.  Es  handelte  sich  zunächst  um  Un¬ 
tersuchungen  bei  Tauchern.  Die  Taucherkleidung  war  die  gewöhn¬ 
liche,  ein  Metallhelm  mit  Metallkragen,  Gummianzug,  welcher  den 
ganzen  Körper  mit  Ausnahme  der  Hände  bedeckt  und  die  Zuführung 
der  Luft  durch  einen  biegsamen  Schlauch  mittels  der  Luftpumpe. 
Der  Taucher  erhält  pro  Minute  ca.  50 — -100  Liter  Luft  zugeführt. 

Bereits  bei  einer  Tiefe  von  48 — 50  m  zeigten  sich  erhebliche 
Störungen  im  Befunde.  Die  Untersuchungen  haben  die  schon  früher 
bestehende  Annahme,  dass  es  sich  bei  diesen  Störungen  um  Wir¬ 
kungen  des  veränderten  Luftdruckes  handle,  bestätigt.  Es  ergab  sich, 
dass  die  Unzuträglichkeit  mit  einer  erschwerten  bezw.  ungenügen¬ 
den  Tätigkeit  der  Lungen  Zusammenhänge.  Während  unter  nor¬ 
malem  oder  gleichbleibendem  Luftdrucke  sich  die  Atmung  je  nach  dem 
Druck  der  CO2  in  den  Alveolen  der  Lungen  regelt,  —  ist  CO2  in  der 
Atemluft  enthalten,  so  bewirkt  sie  eine  tiefere  Einatmung  oder  eine 
grössere  Atmungsfrequenz  —  und  somit  keine  besondere  Störungen 
im  Befinden  veranlasst,  ist  dies  bei  plötzlicher  Aenderung  des  Luft¬ 
druckes,  wenn  der  Taucher  tiefer  geht  oder  aus  der  Tiefe  empor¬ 
steigt.  anders  und  es  kommt  infolge  plötzlicher  Aenderungen  des 
CCU-Druckes  in  den  Alveolen  Atmungserschwerung  zu  stände. 

Zur  experimentellen  Feststellung  der  bei  diesen  Arbeiten  auf¬ 
tretenden  Zustände  wurden  in  dem  Listerinstitüte  eine  grosse  Reihe 
von  Versuchen  an  Tieren  und  Menschen  angestellt.  Es  handelte  sich 
vor  allem  um  Feststellung  der  Lebensbedingungen  bei  Atmung  in 
komprimierter  Luft.  Es  ergab  sich  dabei  u.  a.  die  Tatsache,  dass 
bei  schneller  Druckabnahme  die  Gefahr  nicht  in  der  absoluten  Dif¬ 
ferenz  zwischen  Anfang-  und  Enddruck  beruht,  sondern  in  dem  Ver¬ 
hältnis  dieser  beiden  Drucke.  Für  die  Praxis  ergab  sich,  dass  für  die 
Taucher  es  am  vorteilhaftesten  war.  sie  zunächst  sehr  schnell  auf 
die  Hälfte  des  zu  erwartenden  Druckes  zu  bringen  und  sie  unter 
diesen  Bedingungen  einige  Zeit  verweilen  zu  lassen. 

Was  die  Gesundheitsverhältnisse  der  Bergleute  anlangt,  so 
spielt  zunächst  die  in  Bergwerken  so  häufig  auftretende  Ankvlo- 
stomiasis  eine  sehr  wichtige  Rolle;  ferner  kommt  in  Betracht, 
dass  bei  der  Bearbeitung  der  Gesteine.  Granit,  Ouarz  und  anderer 
harten  Mineralien  ein  feiner  Mineralstaub  erzeugt  wird,  welcher 
in  die  Lunge  eindringt  und  Disposition  zu  Lungenerkrankungen,  be¬ 
sonders  zu  Lungentuberkulose,  bedingt:  und  zwar  ist  das  Einatmen 
von  hartem  Mineralstaub  gefährlicher  als  das  von  Kohlenstaub  oder 
sonstigen  weichen  Mineralien. 

Von  sehr  grosser  Bedeutung  für  die  Gesundheitsverhältnisse  der 
Bergleute  sind  auch  die  grossen  T  emoeratu  runter  schiede, 
welchen  die  Arbeiter  ausgesetzt  sind.  Die  Zunahme  der  Temperatur 
ist  in  den  verschiedenen  Bergwerken  verschieden;  so  nimmt  die 
Temperatur  in  der  Mine  von  Johannesburg  um  0,9°  per  100  m 
zu,  in  der  Mine  von  Cornwal  um  33.  Es  ist  bemerkenswert,  dass 
die  Tiere  unter  den  hohen  Temperaturen  metif  leiden  als  die  Men¬ 
schen,  so  starben  z.  B.  Pferde  sehr  häufig  am  Herzschlag  infolge  der 
Hitze,  so  dass  für  manche  Bergwerke  der  Pferdebetrieb  gar  nicht 
in  Frage  kommen  kann. 

Als  Ergebnis  der  bisher  angestellten  Versuche  bezeichnet  der 
Vortragende  die  Notwendigkeit,  die  hygienischen  Massnahmen  für 
die  Taucher  und  Bergarbeiter  durch  weitere  'intensive  Arbeit  so¬ 
wohl  der  wissenschaftlichen  Forscher  als  auch  der  Techniker  immer 
mehr  zu  vervollkommnen,  da  sie  noch  lange  nicht  auf  der  Höhe  sind, 
auf  die  sie  gebracht  werden  müssen,  um  mit  Erfolg  der  Gefahr  ent¬ 
gegenzutreten,  welche  diese  Berufe  mit  sich  bringen. 

3.  Prof.  Dr.  Schattenfroh  -  Wien :  Die  Grundlagen  der 
hygienischen  Wasserbegutachtung. 

Die  Begutachtung  der  Brauchbarkeit  eines  Wassers  im  mensch¬ 
lichen  Haushalt,  namentlich  als  Trinkwasser,  setzt,  wie  der  Vor¬ 
tragende  ausführt,  besondere  Kenntnisse  voraus,  die  durch  die  ge¬ 
wöhnliche  hygienische  Ausbildung  der  Aerzte  nicht  gewonnen  wer¬ 
den,  es  sind  deshalb  stets  besondere  Begutachter  notwendig. 

Die  häufigsten  Gesundheitsstörungen  durch  Trinkwasser  werden 
in  erster  Linie  durch  Infektionen  mit  pathogenen  Keimen  verursacht, 
anorganische  Gifte  kommen  viel  weniger  in  Betracht. 

Von  anorganischen  Giften  sind  es  am  häufigsten  wohl  Bleiver¬ 
giftungen,  die  in  Betracht  kommen,  und  zwar  infolge  der  Aufnahme 
des  Metalls  aus  den  Leitungsröhren;  über  die  Bedingungen,  unter 
welchen  diese  Aufnahme  besonders  erfolgt,  sind  noch  eingehendere 
Untersuchungen  notwendig. 

Was  die  Vergiftungen  mit  organisierten  Giften  anlangt,  so  kom¬ 
men  Cholera,  Typhus  und  Wurmkrankheit  in  Frage:  der 
Vortragende  hält  die  Verbreitung  dieser  Krankheiten  durch  das 
Wasser  für  eine  sehr  wesentliche. 

Dem  Hygieniker  fällt  die  Aufgabe  zu,  bei  der  Auswahl  guten 
Trink wassers  mitzuwirken,  die  Entscheidung  über  die  Frage  der 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2061 


etwaigen  Verunreinigung  eines  Wassers  zu  treffen  und  Vorschläge 
7iir  Abhilfe  bestehender  Uebelstände  zu  machen.  Die  Desinfektion 
von  Brunnnen  ist  ausserordentlich  schwierig,  das  sicherste  Schutz¬ 
mittel  ist  Abkochen  des  Wassers;  deshalb  wäre  möglichste  Verbiei- 
tung  der  bereits  vollkommen  hergestellten  Abkochapparate  er¬ 
wünscht. 

79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

vom  15. — 21.  September  1907  in  Dresden. 

II. 

Abteilung  für  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissen¬ 
schaften. 

I.  S  i  t  z  u  n  g,  Montag,  16.  September  nachmittags  3  Uhi. 

Vorsitzender:  Herr  S  u  d  h  o  f  f  -  Leipzig. 

Der  erste  Einführende  Herr  Ernst  S  e  i  d  e  1 -  Meissen  begrüsst 
die  Versammlung  und  weist  auf  Dresdens  Vergangenheit  in  Medizin 
und  Naturwissenschaft,  namentlich  auf  Dresdens  Lnterrichtsanstalten 
in  tierärztlicher,  chirurgischer,  naturwissenschaftlicher  und  tech¬ 
nischer  Hinsicht  eindringlich  und  eindrucksvoll  hin. 

Als  Vorsitzender  wird  S  u  d  h  o  f  f  -  Leipzig  gewählt,  der  be¬ 
sonders  den  weiland  Dresdener  Professor  und  Direktor  der  medi¬ 
zinisch-chirurgischen  Akademie  und  schliesslich  Medizinalreferenten 
im  Ministerium  Ludwig  Choulant  als  Typus  solider  medizinisch- 
historischer  Forschung  herausgreift  und  als  Vorbild  den  Verhand¬ 
lungen  dieser  Tagung  voranstellt;  er  bittet  zu  etzt  den  Herrn  Ein¬ 
führenden,  den  Vorsitz  bis  zum  Schlüsse  seines  Vortlages  zu  behalten, 
der  an  die  erste  Stelle  gesetzt  war. 

1.  Herr  K.  Sudhoff  -  Leipzig:  Die  Miniaturen  des  Dresdener 
lateinischen  Galenkodex  und  andere  Miniaturen  mittelalterlicher 
Handschriften  zur  Geschichte  der  Heilkunde. 

Wie  vielfach  der  Initialenschmuck  der  Handschriften  des  Mittel¬ 
alters  der  sachlichen  Illustration  des  Textinhaltes  dient,  ist  bekannt. 
Ein  besonders  schönes  und  instruktives  Beispiel  dieser  Art  bildet  der 
Dresdener  lateinische  Galenos  (Ms.  92  und  93),  in  Schritt  und  u  - 
schmuck  äusserst  sorgfältig  in  der  ersten  Hälfte  des  la.  Jahrhunderts 
in  Italien  hergestellt;  er  hat  denn  auch  schon  lange  das  Interesse  dei 
Historiker  der  Medizin  gefesselt,  namentlich  auch  Ludwig  Lliou- 
lants  der  ihr  schon  1856  einer  eingehenden  Untersuchung  unter¬ 
zogen  hat.  Vortragender  konnte  ihn  bereits  im  Jahre  1898  auf  der 
Düsseldorfer  historischen  Ausstellung  den  Fachgenossen  vonuhien 
und  dachte  immer  schon  daran,  das  gesamte  kulturgeschichtlich  hoch¬ 
wichtige  Material  unter  Beifügung  sämtlicher  weit  über  100  Imtial- 
abbildungen  zu  publizieren.  Als  er  nun  im  vergangenen  Herbste  nach 
Dresden  fuhr,  um  die  Publikationserlaubnis  zu  erwirken  und  dann 
der  Puschmannstiftung  in  Leipzig  den  ganzen  Plan  vorzulegen  und 
das  fertige  Werk  der  Dresdener  Versammlung  dieses  Herbstes  dar¬ 
zubieten,  erfuhr  er  zu  seiner  grossen  Freude,  dass  die  nämliche 
Leidener  Firma,  die  uns  den  Wiener  Prachtkodex  des  D  ios  kuri  de  s 
im  Jahre  vorher  in  mustergültiger  Lichtdruckreproduktion  geboten 
hatte,  nun  auch  den  Dresdener  Galenkodex  ins  Auge  gefasst  habe  und 
die  Prachtminiaturen  in  ihrem  ganzen  Farbenschimmer  wohl  repro¬ 
duzieren  werde.  Die  Bände  lagen  schon  zur  Versendung  bereit. 
Leider  ist  man  von  dem  ursprünglichen  Plan  wieder  abgegangen  und 
bringt,  wie  verlautet,  nun  nur  eine  Auswahl  in  einfachem  Lichtdruck 
ohne  Farbe  zur  Veröffentlichung,  was  zweifellos  auch  für  den  medi¬ 
zinischen  Kulturhistoriker  bedauerlich  ist.  Je  nach  der  in  Leiden 
getroffenen  Auswahl  wird  den  Fachgenossen  vielleicht  doch  noch 
einen  Nachtrag  zu  geben  sein.  Jedenfalls  soll  die  Gelegeiueit  inen 
ungenützt  verstreichen,  den  zur  Dresdener  Tagung  erschienenen  Facn- 
genossen  das  Prachtwerk,  das  für  die  medizinische  Kulturgeschichte 
kaum  seinesgleichen  hat,  mit  kultur-  und  fachgescnichtlichen  Be¬ 
trachtungen  erläutert  vorfiihren;  wie  schon  in  Düsseldorf  vor  Jahren, 
ist  das  ganze  Werk  im  vergangenen  Frühjahr  im  Leipziger  Institut 
nochmals  eingehend  durchmustert  worden.  (Es  wird  sodann  die 
ganze  Fülle  dieser  115  Miniaturen  in  fachgemäss  geordneter  Keüien- 
folge  eingehend  erläutert.) 

2.  Herr  Tiberius  v.  G  y  ö  r  y-Ofen-Pest :  Medizinisch- wissenschaft¬ 
liche  Beziehungen  zwischen  Deutschland  und  Ungarn  im  XVI.— XVI11. 

Jahrhundert.  , 

Kurz  schildert  Vortragender  die  ungarischen  Universitäten  des 
Mittelalters.  Die  langlebigste  Universität  war  die  durch  König  Lud¬ 
wig  den  Grossen  im  Jahre  1367  in  Pecs  gegründete.  Sie  bestand  bis 
1543.  Ihre  Auflösung  war  die  Folge  jener  harten  Schicksalsschläge, 
die  Ungarn  1526  durch  den  Einbruch  der  Türkenherrschaft  erlitt.  Von 
1543  hatte  Ungarn  bis  1769  keine  medizinische  Fakultät  und  war  dem¬ 
nach  auf  das  Ausland,  vor  allem  auf  Deutschland,  angewiesen. 

Zur  Zeit  der  Reformation  war  die  von  Ungarn  am  stärksten  be¬ 
suchte  Universität:  Wittenberg.  Private  sowohl  wie  Städte  legten 
an  den  deutschen  Universitäten  zahlreiche  Stipendien  für  die  ungari¬ 
schen  Hörer  an  und  von  so  manche,  die  dort  ihre  Studien  machten, 
wurden  später  Professoren  an  deutschen  Universitäten,  v.  Györy 
machte  eine  ganze  Reihe  namhaft.  Die  Studenten  gingen  aber  bereits 
mit  gewissen  Vorkenntnissen  nach  Deutschland  hinaus.  Medizinische 
Familien,  Dynastien,  gab  es  in  Ungarn  mehrere,  die  den  Vorunter¬ 


richt  und  zwar  mit  gehöriger  Gründlichkeit  und  gutem  Erfolge  er¬ 
teilten. 

Im  XVII.  Jahrhundert  beginnen  die  ungarischen  Junger,  kalvi- 
nistischer  Religion,  Holland  zu  besuchen,  doch  sind  die  deutschen 
Universitäten  noch  immer  stark  von  Ungarn  besucht.  In  diesem 
Jahrhundert  wurden  auch  von  seiten  Deutschlands  zahlreiche  Sti¬ 
pendien  für  ungarische  Studenten  angelegt.  Ein  neues  Band  zwischen 
Deutschland  und  Ungarn  bilden  nunmehr  auch  die  in  diesem  Jahr¬ 
hundert  gegründeten  wissenschaftlichen  Gesellschaften  in  Deutsch¬ 
land,  deren  Intentionen  die  Ungarn  sich  zu  eigen  machten  und  zu 
fördern  trachteten  und  in  ihren  Fachschriften  sie  sich  zahlreich 
literarisch  betätigten.  Die  Gründung  einer  Bibliothek  der  Academia 
Leopoldino  Carolina  naturae  curiosorum  half  der  ungarische  Komi- 
tatsphysikus  Dr.  Adam  Gensei  1721  durch  ein  Legat  von  6000  Gulden 

möglich  zu  machen.  .  . 

Selbst  im  XVIII.  Jahrhundert,  zur  Zeit,  als  schon  die  ungarische 
medizinische  Fakultät  bestand  und  die  Ungarn  auch  die  Universität 
Wien  in  stets  wachsender  Zahl  besuchten,  war  Ungarn  noch  immer 
und  zwar  bis  1779  auf  Deutschland  angewiesen,  da  die  Protestanten 
bis  dahin  sowohl  in  Oesterreich  wie  in  Ungarn  nur  das  Lizentiat  er¬ 
reichen  konnten;  das  Doktorat  mussten  sie  sich  in  Deutschland  holen. 

3.  Herr  Siegmund  Günther-  München :  Die  geophysikalischen 
Arbeiten  des  Schweizers  N.  A.  Cappeler  (1685—1769). 

Moritz  Anton  Cappeler  war  in  Luzern  geboren,  dem  er  auch 
nach  wissenschaftlichen  Wandergängen  sein  Leben  widmete,  als  Aizt 
und  als  Lehrer  der  Mathematik,  ja  auch  als  Kriegsingenieur.  Auch 
der  Botanik  wandte  er  sein  Interesse  zu  und  untersuchte  als  tüchtiger 
Chemiker  die  heimischen  Trinkwässer  und  mancherlei  Mineralwässer 
der  Schweiz.  Vor  allem  wichtig  wurden  seine  mineralogischen  Ar¬ 
beiten  und  damit  eng  zusammenhängend  seine  Arbeiten  über  das 
Gletschereis,  endlich  vor  allem  wichtig  seine  Arbeiten  zur  Geophysik, 
die  in  seiner  Monographie  über  den  Berg  Pilatus  glänzend  in  die 
Erscheinung  traten —  ein  origineller  Kopf,  vielfach  seiner  Zeit  voraus! 

Diskussion:  Herr  M  a  r  t  i  n  -  Zürich  fügt  bei,  dass  das 
Züricher  Kanonikat  wegen  der  damit  verbundenen  Einkünfte  sehr  ge¬ 
sucht  war  und  durch  die  damit  verbundene  Verpflichtung  zui  Lehr¬ 
tätigkeit  vielfach  auch  Aerzte  veranlasste,  über  nicht  eigentlich  ärzt¬ 
liche  Themata  Vorträge  zu  halten  und  zu  diesem  Zwecke  sich  in 
das  betreffende  Gebiet  einzuarbeiten. 

Herr  Richter-  Berlin  gibt  einigen  Aufschluss  über  Cap¬ 
pelers  medizinische  Betätigung  und  hält  es  zur  Erleichterung  der 
Orientierung  über  das  Biographische  und  die  Leistungen  der 
Schweizer  Aerzte  für  höchst  wünschenswert,  dass  die  Rudolf  Wolf- 
sehen  Biographien  zur  Kulturgeschichte  der  Schweiz  einer  zeit- 
gemässen  Umarbeitung  und  Erweiterung  teilhaftig  würden. 

Herr  S  u  d  h  o  f  f -  Leipzig  weist  auch  an  diesem  Beispiel  Cap¬ 
pelers  wieder  darauf  hin,  wie  vielfach  es  gerade  die  Aerzte  in 
früheren  Jahrhunderten  gewesen  sind,  an  deren  wissenschaftliches 
Wirken  der  Fortschritt  der  verschiedensten  Gebiete  der  Naturwissen¬ 
schaft  geknüpft  ist  und  wie  oft  sich  an  ihnen  die  Beobachtung 
machen  lässt,  dass  lieben  glänzenden  naturwissenschaftlichen  Lei¬ 
stungen  auf  ihrem  eigensten  medizinischen  Gebiete  sich  allerhand 
schrullenhafte  Wunderlichkeiten  in  1  heorie  und  Praxis  sich  finden, 
die  den  Arzt  viel  weniger  fortschrittlich  und  vorurteilsfrei  erscheinen 
lassen  als  den  Naturforscher.  Man  ist  oft  überrascht,  zwei  anschei¬ 
nend  so  verschiedene  Seelen  in  einer  Brust  zu  finden;  freilich  ei- 
schiiessen  sich  eingehender  Untersuchung  auch  die  psychologischen 
Fäden  von  einein  Gebiete  zum  anderen,  doch  bleibt  nicht  selten  ein 
„Erdenrest  zu  tragen  peinlich“,  der  uns  wehmütig  stimmen  muss. 

2.  Sitzung  vom  17.  September,  vormittags. 

Vorsitzender:  Herr  Fossel-Graz. 

4.  Herr  Alfred  M  a  r  t  i  n  -  Zürich  (Berlin):  Vorweisung  und  Be¬ 
sprechung  von  Abbildungen  zur  deutschen  Geschichte  der  Medizin 

und  Kulturgeschichte.  ,r  , 

Mit  anregendem  Vortrag  unterbricht  Vortragender  die  Vorlage 
einer  Reihe  neuaufgefundener  Bilder  zur  Geschichte  des  Badewesens 
und  der  Krankheiten  in  der  deutschen  Vergangenheit. 

Diskussion:  Herr  Sudhoff  hält  es  doch  für  zweitelhart, 
ob  die  Gegenüberstellung  von  Bader  und  Bischof  ersteren  als  den 
Aermsten  und  letzteren  als  den  Reichsten  der  Menschen  bezeichnen 
will.  Dem  Bader,  als  dem  Verwalter  der  menschlichen  Freuden  und 
des  Lebensgenusses,  hat  es  von  je  nicht  an  Gelegenheit  gefehlt,  Ver- 
mögen  zu  erwerben,  auch  das  Nebengeschäft  des  Geldleihers  ist  schon 
in  Alexandrinischer  Zeit  bei  diesem  Metier  getrieben  worden.  Tic 
, Schaube“  als  Bademantel  dürfte  mit  einer  „Strippe  ‘  oder  anderen 
Schiebe-  bezw.  Zugvorrichtung  versehen  gewesen  sein,  wie 
mancherlei  Mützen  und  Damenunterkleider,  die  in  Westfalen  stellen¬ 
weise  noch  heute  so  genannt  werden. 

Auch  Herr  F  u  c  h  s  -  Dresden  findet  das  Tertium  des  Badeis  und 
Bischofs  im  Wohlleben  und  Genussleben  in  verschiedener  Lebens- 

spha.^e.  He^  paul  R  j  c  h  t  e  r  -  Berlin:  Beiträge  zur  Geschichte  des 

SChaDas*Scharlachfieber  ist  schon  wiederholt  Gegenstand  historischer 
Untersuchungen  gewesen,  aber  wenn  dieselben  auch i  von  narn haften 
Medikohistorikern  herrühren,  so  können  sie  uns  nicht  efrie  g  . 
weil  wir  durch  die  Fortschritte  der  pathologisch-anatimiischen ^  und 
bakteriologischen  Forschung,  welche  die  zweite  Hälfte  ues 


2062 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4L 


hunderts  gebracht  hat,  und  durch  die  Mitarbeit  der  Philologen  mit 
ganz  anderen  Voraussetzungen  an  die  Arbeit  gehen. 

Deshalb  fallen  alle  Epidemien  mit  komplizierten  Hauterschei¬ 
nungen,  wie  die  Pest  des  Thukydides,  aus  der  Betrachtung  aus, 
ebenso  die  fieberhaften  ansteckenden  Erkrankungen  des  Rachens,  wie 
sie  schon  bei  den  Griechen  beobachtet  wurden,  und  besonders  der 
Garotillo  der  Spanier,  in  denen  wir  heute  das  Bild  der  Diphtheritis 
erkennen,  wie  es  von  E  o  t  h  e  r  g  i  1 1  1748  und  Breton  neau  1826, 
welcher  der  Krankheit  den  Namen  gab,  festgelegt  wurde. 

Erst  bei  .den  Arabern  finden  wir  Andeutungen  des  Scharlach 
und  zwar  werden  in  den  lateinischen  Uebersetzungen  derselben  die 
Ausdrücke  variolae  und  morbilli  gebraucht,  denen  die  arabischen 
Worte  gudari  und  hasba  entsprechen,  während  das  Wort  humaq  nur 
einmal  bei  Ibn  Sina  vorkommt.  Aus  den  mit  Benutzung  der  ara¬ 
bischen  Originale,  die  uns  bis  auf  den  Elhawi  des  Abu  Bekr  (Con- 
tinens  des  Rhazes)  teils  in  Drucken,  teils  in  Handschriften  zur  Ver¬ 
fügung  stehen,  verglichenen  Stellen  ergibt  sich,  dass  die  charak¬ 
teristischen  Symptome  des  Scharlach,  d.  h.  Eiecke,  welche  sich  nicht 
über  die  Haut  erheben,  Erkrankungen  der  Rachenorgane  und  auch 
Anschwellungen  zur  Beobachtung  gelangt  sind,  und  v.  Sontheim  er 
kommt  daher  auch  1847  zu  dem  Schlüsse,  dass  unter  hasba  wahr¬ 
scheinlich  Scharlach  zu  verstehen  ist.  Auch  G  r  e  e  n  h  i  1 1  gibt  in 
der  1848  in  London  erschienenen  englischen  Uebersetzung  der 
Schrift  des  Abu  Bekr  de  variolis  et  morbillis  an,  dass  nach  den  Mit¬ 
teilungen  eines  in  London  studierenden  Syrers  unter  hasba  scarlatina 
zu  verstehen  ist  Aehnliches  finden  wir  dann  auch  bei  den  Arabisten. 
Der  erste,  welchem  ein  Verständnis  für  die  Verschiedenheit  der  Er¬ 
krankung  aufging,  war  Ingrassias  in  seinem  de  tumoribus 
praeter  naturam  tomus  primus.  Venetis,  1553.  Aber  die-  folgenden 
Aerzte,  welche  die  Krankheit  meist  unter  dem  Namen  Rossalia  im 
Kapitel  von  den  Pocken  und  Masern  beschrieben,  konnten  sich  kein 
richtiges^  Bild  machen,  am  wenigsten  der  von  Holländer  er¬ 
wähnte  Sebastian  Egbert,  der  die  Krankheit  1616  im  Kapitel  über  den 
Hecktyphus  beschreibt.  Erst  Michael  Döring  hat  die  erste  gute 
Beschreibung  der  Krankheit  geliefert,  welche  1625  durch  seinen 
Schwager  Senner  t  1628  zuerst  publiziert  wurde.  Der  Name 
Scarlatina  wird  in  der  Wissenschaft  zuerst  bei  Sydenham  1676  ge¬ 
funden.  Interessant  ist  auch  die  Mitteilung  (von  Daniel  Win  ekler 
1688,  weil  'dieser  Autor  fast  überall  als  Winsler  auch  von  unseren 
berufenen  Historikern  aufgeführt  wurde.  Der  Name  Scharlach  ist 
aber  erst  seit  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  fast  allgemein  eingeführt. 

Von  den  Komplikationen  des  Scharlach  ist  die  Nephritis  und  ihr 
Symptom,  die  Anschwellung  die  wichtigste.  Döring  hatte  die  An¬ 
schwellung  gut  beschrieben,  aber  bei  der  Sektion  die  Niere  nicht  er¬ 
wähnt.  1747  wird  in  einem  Werk  von  R  o  n  c  a  1 1  i  ein  Brief  des 
Johannes  C  a  1  v  u  s  aus  Cremona  abgedruckt,  in  welchem  bei  der 
Sektion  gefundene  Nierenveränderungen  erwähnt  werden.  Von  den 
zahlreichen  Autoren,  welchen  die  Beziehungen  zwischen  Wasser¬ 
sucht  und  Urin  klar  waren,  seien  nur  Plencisz  1762,  Borsieri 
1/85  Reil  1815  und  Fischer  in  Dresden  1824  genannt.  Erst  da- 
durch,  dass  Cotugno  1765  mitteilte,  dass  bei  manchen  Kranken 
sich  im  Urin  beim  Kochen  eine  Substanz  zeigte,  welche  „geronnenem 
Eiereiweiss“  sehr  ähnlich  ist,  dass  Cruickshank  1797  die  Koa¬ 
gulation  des  Urftis  nicht  nur  durch  Hitze,  sondern  auch  durch  Zu- 
satz  von  Sublimat  und  Salpetersäure  zeigte,  und  durch  die  auf  Grund 
aer  Rektionen  gemachten  Mitteilungen  von  B  r  i  g  h  t  1827  konnte  auch 
für  die  Scharlachnephritis  der  Schritt  zur  Erkenntnis'  getan  werden, 
den  wir  G  i  ego  ry  und  1831  anderen  englischen  Autoren  verdanken, 
und  zu  dem  auch  B  r  i  g  h  t  mit  dem  von  ihm  mitgeteilten  Fall  1836 
öeigetragen  hat,  Forschungen,  über  deren  weitere  Entwicklung  man 
Auskunft  kei  R  a  y  e  r  1840,  Frerichs  1851,  Immer  mann  und 

m  ° 1  ?r  5rhalt’  aber  in  Puschmanns  Handbuch  1903 
Ul.  713)  vergeblich  sucht. 

,  .  P  1  s,k  u  s  s  i  o  n:  Herr  S  ud  h  o  f  f  -  Leipzig  spricht  von  Hohen- 

e  l  m  sehen  Hainpruiungen  durch  Kochen  und  Säurezusatz  und  bringt 
einige  andere  kleine  Hinweise.  Leider  sei  die  Unzuverlässigkeit  der 
Angaben  im  trefflichen  Lehrbuch  H.  Haesers  doch  keine  so  grosse 
Seltenheit  wie  R.  meint. 

v*  Qvöry.-.9^eP‘Pest  dankt  vor  allem,  dass  sich  der  Vor- 
tiagende  auf  die  vorjährige  Anregung  v.  Györvs  mit  der  bisher 

Lss'/  rUIfk,U;rte"  Geschichte  des  Scharlachs  so  erfolgreich  be- 
-tir  ’n  6nk  +  aberT’  •  dass  die  Bescbreibungen  einer  Scharlach- 

m  n?  einV  4  l  3US  ^  QrUIlde  fehlen,  al*  hätte 

™cht  bemerkt’  oder  wenn  auch  be¬ 
merkt,  nicht  als  zur  Krankheit  gehörende  pathologische  Erscheinung 
aufgefasst.  Vielmehr  scheint  dies  in  dem  Umstande  zu  liegen  dass  — 
im  Gegensätze  zu  den  meisten  Infektionskrankheiten,  deren  Genius 

z u J"d s te t e pS Vp r «  der  Zeit  gemilde7rt  habe-  —  die  Skarlatina  sich 

shJ  nfr  1™merUnM-leiS  C'  •  ZuSydenhams  Zeiten  hatte 

sie  nur  das  „nomen  scarlatina,  „vix  enim  altius  assurgit“  und  erst 

seither  wurde  sie  zu  jener  bösen,  mit  Recht  gefürchteten  Krankheit 
darar!e  1St  Und  dl6  Nephritiden  haben  sicher  ihren  Anteil’ 

q  Pf.rr  Martin-Zürich  hält  es  nach  Beobachtungen  im  Züricher 
-  pital  fui  einen  Irrtum,  dass  die  Scharlachnephritis  eine  Folge  zu  ein¬ 
greifender  Therapie  sei;  man  komme  doch  wohl  ohne  den  „Genius 
epidermeus  nicht  aus  in  der  Beurteilung  des  Wechsels  der  Häufig¬ 
keit  dieser  unangenehmen  Nachkrankheit.  s 


Herr  W  i  e  d  e  m  a  n  n  -  Erlangen  weist  auf  die  Vorzüglichkeit 
der  Auskunftsstelle  an  der  Berliner  Königlichen  Bibliothek  hin. 

6.  Herr  J.  H  e  i  n  t  z  e  -  Meissen:  Johann  Friedrich  B  ö  1 1  g  e  r  und 
seine  Aufgaben. 

Einige  Zeit  schien  es,  als  wenn  wir  am  22.  September  1907  die 
zweihundertjährige  Erfindung  des  europäischen  Hartporzellans  durch 
J.  F.  Böttger  feiern  könnten.  Der  Biograph  B  ö  1 1  g  e  r  s,  der 
Kriegsrat  Engelhard,  gibt  dieses  Jahr  in  seinem  Buche  an.  und 
einige  Unterstützung  findet  diese  Ansicht  durch  die  mündliche  Ueber- 
lieferung,  die  sich  auf  der  Festung  Königstein  erhalten  hat.  Die  An¬ 
gabe  hat  sich  aber  insoweit  nicht  bestätigt,  als  es  sich  doch  nicht  um 
die  Erfindung  des  wahren  Porzellans  handelt,  sondern  um  die  zu  jener 
Zeit  sehr  geschätzten  Delfter  Fayencen,  holländisches  Gut,  auch 
holländisches  Prozellan  genannt.  B  ö  1 1  g  e  r,  der  seit  1702  sich  in 
den  Schutz  des  Königs  Friedrich  August,  König  in  Polen  und  Kurfürst 
von  Sachsen,  begeben  hatte,  war  am  26.  Oktober  1706  vor  den  in 
Kursachsen  einfallenden  Schweden  unter  Karl  XII.  auf  die  Festung 
Königstein  zu  seiner  Sicherheit  gebracht  worden.  Er  gilt  dort  als  der 
Herr  mit  den  3  Dienern,  die  Diener  aber  waren  seine  Laboratoriums¬ 
gehilfen,  die  wahrscheinlich  mit  Arbeiten  in  dem  dortigen  Labo¬ 
ratorium,  einer  jetzigen  Kapelle,  beschäftigt  wurden.  Sofort  nach  der 
Räumung  Sachsens  durch  die  Schweden  wird  B  ö  1 1  g  e  r  auf  Befehl 
des  Königs,  der  ihm  als  Gnadenbeweis  eine  Uniform,  die  eines  pol¬ 
nischen  Magnaten  übersenden  Hess,  durch  Freiherr  von  Tschirn- 
haus  und  den  Leibarzt  Bartolomei  nach  Dresden  zurückgebracht, 
um  seine  chemischen  Arbeiten  erneut  aufzunehmen.  Diese  Arbeiten 
waren  durchaus  nicht  chimärischer  Natur,  wie  man  irrigerweise  an¬ 
genommen  hat.  Der  König,  ein  hervorragender  Volkswirt,  hatte  ihm 
die  Aufgabe  gestellt,  zur  Hebung  der  Wohlfahrt  des  Landes  aus¬ 
ländische  Industrieerzeugnisse  nachzuahmen  oder  neue  für  Sachsen 
zu  erfinden.  Ein  Verzeichnis  dieser  Aufgabe  liegt  vor.  Es  sind  das 
durchaus  nicht  phantastische,  aber  doch  weit  über  die  Kräfte  eines 
Mannes  hinausgehende  und  vom  chemischen  Standpunkt  aus  auch 
zum  Teil  heute  noch  nicht  möglich  zu  lösen.  Im  März  1709  konnte 
aber  Böttger  die  Erfüllung  einiger  der  gestellten  Aufgaben  an- 
zeigen.  Er  tut  dieses  in  einem  ausführlichen  Memorial  an  den  König. 
Es  wird  die  Einsetzung  einer  Kommission  zur  Prüfung  vom  König  an¬ 
geordnet.  An  diese  Kommission  richtet  Böttger  unvorgreifliche 
Gedanken,  die  durchaus  verständige  und  richtige  Ansichten  enthalten 
und  anderweit  veröffentlicht  werden  sollen.  Er  empfiehlt  die  Grün¬ 
dung  einer  Manufaktur  der  weissen  durchsichtigen  Porzellane,  der 
roten  Porzellane,  den  ostindischen  nachgebildet,  der  holländischen 
Fliesen  und  der  Delfter  Fayence  und  der  hessischen  Schmelztiegel. 

Am  10.  Juli  1701  wird  die  Albrechtsburg  in  Meissen  für  diesen 
Zweck  überwiesen.  Die  Fabrikation  war  schon  nach  kurzer  Zeit 
eine  technisch  und  künstlerisch  gleich  hochstehende,  wie  durch  wirk¬ 
lich  beglaubigte  Stücke  nachzuweisen  ist. 

Abteilung  für  innere  Medizin. 

Berichtigung  von  L.  B  r  i  e  g  e  r. 

Zu  dem  Referat  über  meinen  Vortrag:  Hydrotherapie  und  innere 
Medizin,  gehalten  in  der  Abteilung  für  innere  Medizin  der  79.  Natur¬ 
forscherversammlung  zu  Dresden,  bemerke  ich,  dass  der  Referent 
irrtümlich  bei  Konstitutionskrankheiten  den  Diabetes  in  Klam¬ 
mern  hervorhebt.  Gerade  im  Vortrage  habe  ich  den  Diabetes  gar 
nicht  erwähnt,  sondern  nur  von  Gicht  und  Adipositas  gesprochen. 


Abteilung  für  Chirurgie. 


Chirurgische  Behandlung  bei 


Herr  R  a  d  t  m  a  n  n  -  Laurahütte: 
epidemischer  Genickstarre. 

Die  bisher  bei  Genickstarrekranken  ausgeführten  Operationen, 
die  Lumbalpunktion,  die  Kanülendrainage  nach  Punktion,  die  Durch¬ 
trennung  des  Ligamentum  atlanto-occipitale,  Punktionen  der  Seiten¬ 
ventrikel,  hatten  keine  sicher  nachgewiesene  Einwirkung  auf  den 
Krankheitsverlauf.  Ein  radikaler  Erfolg  ist  auch  von  chirurgischer 
e,  ad*up®\  n'c!,t  zu  erwarten,  da  einerseits  die  Krankheit  keine 
Lokalaffektion  ist,  wie  die  traumatischen  oder  otogenen  eitrigen 
Meningitiden,  sondern  von  Anfang  an  und  während  ihrer  ganzen  Dauer 
eine  Allgemeininfektion,  andererseits  überhaupt  bezweifelt  werden 
muss,  dass  Genickstarreeiterungen  durch  chirurgische  Eingriffe  zu 
heilen  sind  wie  gewöhnliche  Eiterungen.  Der  Meningokokkus  wirkt 
wesentlich  anders  auf  menschliches  Gewebe  ein  als  andere  Eiter¬ 
ei  leger.  Einspritzung  der  eigenen  eitrigen  Zerebrospinalflüssigkeit 
verursacht  z.  B.  Genickstarrekranken  keinerlei  Reaktionen,  der 
i  ^T^okokkus  erzeugt  weder  rein  lokale  Herde,  noch  Abszesse, 
haftet  dagegen  besonders  gut  in  der  Pia. 

Auch  symptomatisch  leisten  chirurgische  Eingriffe  in  den  An- 
fangsstadien  wenig.  Die  Lumbalpunktion  hat  nur  in  einzelnen  Fällen, 
vielleicht  Mischinfektionen,  vorübergehende  Beruhigung  zur  Folge 
llne  schematische  Anwendung  ist  daher  zu  widerraten.  Die  Ver- 
mehiung  des  Hirndruckes  bedarf  in  den  Anfangsstadien  keiner  Be- 
\ampfung.  Dagegen  scheint  in  den  Spätstadien,  wo  die  rein  rne- 
chamsche  Einwirkung  der  vermehrten  Flüssigkeit  auf  das  Gehirn  den 
gi  os st en  Teil  der  schweren  Erscheinungen  verursacht,  eine  künstliche 
Heisteilung  dauernden  Abflusses  symptomatisch  zu  nützen.  Da  durch 
die  einfache  Lumbal-  oder  Ventrikelpunktion  das  Grosshirn  nicht 
dauernd  entlastet  wird,  so  hat  der  Vortragende  die  Seitenventrikel 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2063 


tamponiert  und  dadurch  erhebliche,  aber  vorübergehende  Besserung 
der  Hirnerscheinungen  erreicht  (ein  Kranker  verstarb  10  1  age  nach 
der  Operation  am  81.  Krankheitstage,  der  zweite  11  Tage  nach  der 
Operation  am  70.  Krankheitstage).  Zur  Sicherung  des  Abflusses  und 
zur  Vermeidung  der  sekundären  Injektion  bei  der  Nachbehandlung 
führt  der  Vortragende  in  die  Ventrikel  ein  Silberdrahtgestell  mit 
baden,  durch  deren  sukzessives  Herausziehen  sich  Störungen  des  Ab¬ 
flusses  beseitigen  lassen.  (Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  Lenhartz-  Hamburg :  Bei  der  gewöhn¬ 
lichen  Meningitis  cerebrospinalis  habe  er  52  Proz.  Heilungen  beob¬ 
achtet,  dagegen  seien  ihm  bei  der  epidemischen  63  Proz.  gestorben. 
Im  Gegensatz  zu  dem  Herrn  Vortragenden  habe  er  von  der  Lumbal¬ 
punktion  viel  gutes  gesehen;  er  aspirierte  10 — 50  ccm;  letztere 
Quantität  jedoch  nur  ganz  ausnahmsweise.  Dagegen  seien  alle  Fälle 
gestorben,  bei  denen  er  den  Hydrozephalus  habe  operieren  lassen. 

Die  Herren  Wilms-  Leipzig  und  Müller-  Rostock  treten 
ebenfalls  für  die  Lumbalpunktion  ein. 

Herr  A.  Federmann  -  Berlin :  Wert  der  Leukozytenunter¬ 
suchung  bei  der  Behandlung  der  akuten  Appendizitis  und  Peritonitis. 

Die  Leukozytenzählung  ist  als  unentbehrliches  Hilfsmittel  in  der 
Diagnostik  und  operativen  Indikationsstellung  der  akuten  Appendizitis 
und  Peritonitis  anzusehen.  Die  übrigen  klinischen  Symptome  — 
Temperatur  und  Puls  —  genügen  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen 
nicht,  den  gut-  oder  bösartigen  Charakter  der  Infektion  erkennen  und 
die  Indikation  zum  Eingriff  stellen  zu  lassen.  Besonders  die  schwierige 
operative  Indikationsstellung  im  Intermediärstadium  der  Appendizitis 
ist  nur  möglich  durch  eine  Vergleichung  aller  bisherigen  klinischen 
Symptome  mit  der  gefundenen  Leukozytenzahl,  da  diese  am  deut¬ 
lichsten  die  noch  vorhandene  Resistenzkraft  des  Organismus  wider¬ 
spiegelt  und  dadurch  erkennen  lässt,  ob  und  wann  operiert  werden 
soll.  Der  Ausfall  der  Leukozytenzählung  ist  aus  demselben  Gründe 
als  das  sicherste  prognostische  Merkmal  der  vorhandenen  Entzündung 
anzusehen.  Hohe  Leukozytose  von  20  000  und  darüber  ergibt  auch 
bei  schweren  klinischen  Symptomen  gute  Prognose  des  operativen 
Eingriffs,  während  niedrige  oder  fehlende  Leukozytose  bei  schweren 
klinischen  Symptomen  allerschlechteste  Prognose  bei  jeder  Art  von 
Operation  gestattet,  auch  wenn  das  übrige  Krankheitsbild  und  der 
Operationsbefund  diese  ungünstige  Vorhersage  nicht  wahrscheinlich 
machen.  Es  ist  deshalb  in  jedem  einzelnen  Falle  bei  letzterer  Kom¬ 
bination  die  Frage  des  Eingriffs  wohl  zu  überlegen  und  in  gewissen 
Fällen  mit  dem  Eingriff  zu  warten.  Diese  Verhältnisse  werden  an 
Durchschnittskurven  dargclegt,  die  zusammengehörigen  Gruppen  von 
über  100  Fällen  akuter  Appendizitis  und  Peritonitis  nach  Magen¬ 
perforation  entsprechen.  Sie  ergaben  gleichzeitig,  dass  das  Ver¬ 
halten  der  Leukozyten  auch  im  akuten  Stadium  ein  typisches  und 
gesetzmässiges  ist,  das  aus  der  Wechselwirkung  von  Infektions¬ 
intensität  und  Reaktionskraft  des  Organismus  resultiert. 

Herr  v.  Habe  rer -Wien  berichtet  über  Fälle  von  primärer, 
chronischer,  anfallsfreier  Appendizitis,  die  bei  älteren  Leuten  unter 
hochgradiger  Abmagerung  und  dem  Symptomenkomplex  einer  pri¬ 
mären  Obturalionsstenose  des  Darmes  verlaufen  sind.  Objektiv 
konnten  in  keinem  Falle  Symptome,  die  für  Appendizitis  gesprochen 
hätten,  nachgewiesen  werden,  es  fehlte  jedweder  pathologische  Tat¬ 
befund,  es  fehlte  jedwede  Schmerzhaftigkeit  des  McBurney  sehen 
Punktes.  In  Anbetracht  des  Alters,  der  Abmagerung  und  der  Ste¬ 
nosenbeschwerden  von  seiten  des  Darmtraktus  musste  in  jedem  Falle 
schliesslich  an  ein  Neoplasma  malignum  gedacht  werden. 

Die  in  allen  Fällen  vorgenommene  Probelaparotomie  Hess 
nirgends  den  Verdacht  auf  ein1  Darmneoplasma  gerechtfertigt  er¬ 
scheinen,  es  handelte  sich  in  allen  Fällen  um  chronische,  adhäsive 
Appendizitis  mit  den  entsprechenden,  lokalen  Veränderungen.  Bei 
vielen  Fällen  fanden  sich  Adhäsionen  nicht  nur  periappendikulär  und 
perizökal,  sondern  auch  an  der  Flexura  linealis  und  Flexura  sigmoidea. 

Die  Appendix  wurde  entfernt,  die  Adhäsionen  wurden  gelöst  und 
die  dabei  entstandenen  Wundflächen  sorgfältig  übernäht. 

Der  weitere  Verlauf  bestätigte  die  Richtigkeit  der  intra  Ope¬ 
rationen!  gestellten  Diagnose;  die  Patienten  sind  bis  auf  einen  seit 
der  Operation  dauernd  beschwerdefrei;  die  Operation  liegt  zwischen 
2  Monaten  und  4Vz  Jahren  zurück.  In  einem  Falle  traten  nach  der 
Operation  Beschwerden  auf,  die  ihren  Grund  in  der  Entwicklung  eines 
entzündlichen  Netztumors  hatten. 

Zur  Erklärung  der  Adhäsionen  auch  im  Bereiche  der  Flexura 
lienalis  und  Flexura  sigmoidea  wird  die  von  G  e  r  s  u  n  y  zur  Er¬ 
klärung  der  von  ihm  beschriebenen  Adhäsionen  an  der  Flexura  sig¬ 
moidea  aufgestellte  Hypothese  herangezogen.  In  der  Nachbehandlung 
der  Fälle  wurde  für  Anregung  der  Darmperistaltik  möglichst  früh¬ 
zeitig  Sorge  getragen. 

Es  gibt  also  Fälle  von  primärer,  chronischer,  anfallsfreier  Appen¬ 
dizitis,  die  zu  Veränderung  in  der  Umgebung  der  Appendix  und  ausser¬ 
dem  weit  ab  davon  im  Peritoneum  führen  können  und  dadurch  das 
Bild  einer  Darmstenose  mit  schwerer  Beeinträchtigung  des  Allgemein¬ 
zustandes  und  hochgradiger  Abmagerung  hervorrufen.  (Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  König -Altona  glaubt,  dass  die  Ver¬ 
wachsungen,  von  denen  der  Vortragende  gesprochen  hätte,  nicht 
immer  auf  Appendizitis  beruhten,  dagegen  spräche  ihr  ausschliess¬ 
liches  Vorkommen  am  Dickdarm  und  besonders  an  der  Flexura  coli 
lienalis  und  sigmoidea.  Hier  wären  wohl  noch  die  besonderen  ana¬ 
tomischen  Eigentümlichkeiten  der  befallenen  Stellen  zu  berück¬ 
sichtigen.  Zur  Verhütung  von  Verwachsungen  nach  Laparotomien 


empfiehlt  er  eine  früh  einsetzende  Heissluftbehandlung  des  Abdomens. 

Herr  v.  Hab  e  r  e  r  -  Wien  hält  den  Einwendungen  des  Herrn 
König  gegenüber  seine  Auffassung,  dass  es  sich  um  Appendizitis 
gehandelt  hat,  aufrecht. 

Herr  v.  Aberle-Wien:  Ueber  die  Wahl  des  Zeitpunktes  zur 
Korrektur  rachitischer  Verkrümmungen. 

v.  A  b  e  r  1  e  will  die  Grenzen  der  Indikationsstellung  zur  Ope¬ 
ration  rachitischer  Verkrümmungen  der  unteren  Extremitäten  wieder 
weiter  ziehen,  spricht  sich  daher  gegen  eine  zu  lange  Exspektativ- 
behandlung  aus,  die  infolge  der  bekannten  Tatsache,  dass  sogar 
schwere  rachitische  Verkrümmungen  zur  Spontanheilung  kommen 
können,  immer  mehr  Verbreitung  gefunden  hat.  Denn  nach  seinen 
Erfahrungen  an  einem  grossen  Krankenmaterial  sind  weder  die  Spon¬ 
tankorrekturen  so  zahlreich,  noch  besteht  irgendwelche  Garantie  auf 
tatsächlichen  Erfolg.  Durch  die  zu  lange  Exspektativbehandlung  wird 
aber  einerseits  der  günstigste  Zeitpunkt  zur  Operation  versäumt, 
andererseits  werden  in  den  Fällen,  in  denen  die  Selbstheilung  dann 
doch  ausbleibt,  durch  Ausbildung  von  Kompensationskrümmungen 
viel  kompliziertere  Verhältnisse  geschaffen.  Nach  Anführung  von  Bei¬ 
spielen  stellt  der  Vortragende  folgende  Normen  für  die  Behandlung 
auf:  Abwarten  des  floriden  Stadiums  der  Rachitis  (bis  ungefähr  zum 
vierten  Lebensjahre).  Die  weitere  Behandlung  wird  nicht  durch  das 
Alter,  sondern  durch  den  Verlauf  der  Erkrankung  bestimmt.  Bei  un¬ 
kompliziertem  Verlauf  soll  der  Fall  der  Spontanheilung  überlassen 
werden,  auch  bei  vorgeschrittenerem  Alter  der  Kinder.  Nimmt  jedoch 
die  Hauptkrümmung  zu,  oder  bilden  sich  stärkere  Gegenkrümmungen 
aus,  so  soll  mit  der  überdies  ungefährlichen  Operation,  am  besten 
subkutane  Osteotomie  mit  nachfolgender  Osteoklase,  nicht  länger  ge¬ 
zögert  werden.  Auch  das  kosmetische  Moment  ist  bei  der  Beurteilung 
des  Zeitpunktes  zur  Operation  nicht  ganz  unberücksichtigt  zu  lassen. 
(Selbstbericht.) 

Diskussion:  Herr  Spizzi  verhält  sich  abwartend  und 
operiert,  wenn  kompensatorische  Verkrümmungen  auftreten. 

Herr  Reiner- Wien  macht  darauf  aufmerksam,  dass  sich  be¬ 
sonders  beim  Genu  valgum  leicht  abnorme  Beweglichkeit  des  Knie¬ 
gelenks  einstellt.  Er  will  erst  dann  operieren,  wenn  sich  die  etwas 
schlottrig  gewordenen  Gelenke  wieder  konsolidiert  haben. 

Herr  Schultze  -  Duisburg  legt  besonders  auf  die  Behandlung 
des  kompensatorischen  Plattfusses  Wert. 

Herr  S  c  h  a  n  z  -  Dresden  leitet  bei  leichteren  Graden  der 
Deformitäten  eine  allgemeine  roborierende  Behandlung  ein  und  hütet 
die  Kinder  besonders  vor  Anstrengungen.  Auch  glaubt  er,  dass  eine 
vegetabilische  Diät  die  Knochenfestigkeit  erhöht.  Bei  den  schweren 
Deformitäten  ist  er  für  frühzeitige  Korrektur.  Er  fängt  damit  an.  die 
zunächst  der  Hüfte  gelegenen  Verbiegungen  zu  korrigieren  und 
schreitet  dann  mit  der  Korrektur  nach  abwärts  fort;  Keilosteotomien 
hat  er  niemals  nötig  gehabt.  Bei  starker  Spannung  der  Weichteile 
korrigiert  er  in  mehreren  Sitzungen. 

Herr  König-  Altona  tritt  für  frühzeitige  Korrektur  ein,  operiert 
aber  im  Gegensatz  zu  R  e  i  n  e  r  gerade,  wenn  Schlottergelenke 
vorliegen. 

Herr  Müller-  Rostock  tritt  für  eine  individualisierende  Be¬ 
handlung  ein,  je  nach  der  Schwere  des  Falles  und  nach  den  sozialen 
Verhältnissen. 

Herr  Schanz-  Dresden  demonstriert  einen  Fall  von  Ankylose 
eines  Ellenbogengelenks,  den  er  durch  Interponierung  eines  Fett¬ 
faszienlappens  in  die  gemeisselte  Gelenkspalte  geheilt  hat. 

Herr  P  e  r  t  h  e  s  -  Leipzig  berichtet  über  einen  ähnlichen  Fall. 

Herr  B  a  d  e  -  Hannover :  Die  Indikation  zu  Sehnenoperationen 
bei  spinalen  und  zerebralen  Lähmungen. 

Redner  verfügt  über  ca.  150  Fälle  von  spinaler  und  zerebraler 
Lähmung.  Auf  Grund  dieser  Fälle  bespricht  er  die  Indikationen  für 
die  Operation  und  für  den  Zeitpunkt,  zu  der  sie  ausgeführt  werden 
sollen.  Bezüglich  des  letzteren  ist  er  der  Meinung,  dass  man  erst 
nach  Ablauf  eines  Jahres  die  operative  Behandlung  beginnen  soll. 
Man  solle  aber  auch  nicht  in  zu  frühem  Alter  operieren;  wenn  irgend 
angängig,  solle  man  die  Operation  bis  zum  6.  Jahre  .hinausschieben, 
da  bei  den  älteren  Kindern  sowohl  die  Technik  der  Operation  als  auch 
die  Technik  des  Verbandes  einfacher  sei  und  wird  bei  den  älteren 
Kindern  die  Nachbehandlung  besser  gelingen.  Nur  die  L  i  1 1 1  e  sehen 
Lähmungen  sollten  früher  operiert  werden.  Das  geeignetste  Objekt 
für  die  operative  Sehnenplastik  sei  der  paralytische  Klumpfuss. 

Herr  Schanz-  Dresden  bespricht  einschlägige  Fälle  und  er¬ 
örtert  ebenfalls  die  Indikationen  zur  Operation. 

Herr  H  e  i  n  e  k  e  -  Leipzig:  Meteorismus  und  Bauchkontusionen. 

H.  hat  in  4  Fällen  von  Bauchkontusionen  sofort  nach  der  Ver¬ 
letzung  erhebliche  Grade  von  Meteorismus  beobachtet.  Unter  diesen 
4  Fällen  hat  es  sich  2  mal  um  Schlag  gegen  die  Oberbauchgegend, 
einmal  um  Ueberfahrung  der  Oberbauchgegend,  einmal  um  einen 
Selbstmordversuch  gehandelt.  Objektiv  fand  man  ziemlich  erheb¬ 
lichen  Meteorismus;  die  Leberdämpfung  war  schmal,  in  2  Fällen  ganz 
verschwunden.  Es  bestand  eine  mässige  Druckempfindlichkeit;  die 
Bauchdecken  waren  nicht  gespannt.  2  Fälle  verliefen  leicht  und  ohne 
Operation.  Im  3.  Falle  steigerten  sich  die  Symptome;  es  wurde 
laparotomiert;  im  Abdomen  kein  besonderer  Befund,  Heilung.  Im 
4.  Falle  bestanden  schwerere  Erscheinungen,  sodass  man  sofort  an 
Verletzungen  der  Abdominalorgane  dachte.  Bei  der  Laparotomie 
fanden  sich  wohl  am  Darm  Serosaabreissungen,  aber  nirgends  eine 
Darmperforation.  Es  erfolgte  Heilung.  Die  Ursache  für  diesen  pri- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


mären,  sich  bald  nach  der  Verletzung  entwickelnden  Meteorismus  ist 
eine  plötzlich  eintretende  Darmlähmung,  die  ihrerseits,  nach  der  An¬ 
nahme  des  Redners,  durch  die  Wirkung  des  Traumas  auf  den  retro- 
peritonealen  Nervenplexus  entstanden  ist.  Er  ist  zu  dieser  Annahme 
durch  die  Beobachtung  eines  Falles  gedrängt  worden,  in  dem  es  sich 
um  ein  schweres  retroperitoneales  Hämatom  gehandelt  hat,  bei  dem 
zugleich  auch  ein  Meteorismus  aufgetreten  war. 

Herr  v.  Haber  er- Wien  und  Herr  M  ü  1 1  e  r  -  Rostock  haben 
ähnliche  Beobachtungen  gemacht.  Herr  König-  Altona  fragt,  ob 
es  sich  um  lokalen  oder  allgemeinen  Meteorismus  gehandelt  habe. 
Herr  H  e  i  n  e  k  e  erwidert,  dass  in  allen  Fällen  allgemeiner  Meteoris¬ 
mus  Vorgelegen  habe. 

Herr  Schanz:  Zur  Behandlung  der  Skoliose. 

Redner  schildert  unter  Vorführung  zahlreicher  Lichtbilder  seine 
Behandlung  schwerer  Skoliosen.  Sie  besteht  im  Redressement  der 
Skoliose;  festem  Qipsverband,  der  3  Monate  getragen  wird,  dann 
Stützkorsett  und  Lagerung  des  Nachts  in  ein  Gipsbett.  Er  hat’  damit 
sehr  gute  Resultate  erzielt. 

Herr  G.  G  I  ü  c  k  s  m  a  n  n  -  Berlin ;  Die  Spiegeluntersuchung  der 
Speiseröhre  und  ihre  Ergebnisse.  (Mit  Projektionsdemonstrationen.) 

Vortr.  übt  die  Besichtigung  der  Speiseröhre  mit  Hilfe  eines  von 
ihm  erfundenen  Instrumentes  aus,  durch  welches  einerseits  die  Unter¬ 
suchung  für  den  Kranken  schonender  geworden  ist,  während  andrer¬ 
seits  der  Untersucher  stark  vergrösserte  und  lichtstarke  Bilder  der 
untersuchten  Partie  erhält.  Es  gelang  Vortr.  mit  Hilfe  dieses  Instru¬ 
mentes  nicht  nur  zahlreiche  Frühdiagnosen  des  Speiseröhren¬ 
krebses  zu  stellen,  sondern  auch  gewisse  gutartige  Krankheitsformen 
der  Speiseröhre  als  solche  von  den  Krebserkrankungen  abzugrenzen. 
Eine  derselben,  der  sogen.  Herpes  der  Speiseröhre,  ist  mit  diesem 
Insti  ument  zum  ersten  Male  beobachtet  worden.  Schliesslich  gelang 
es  in  vielen  Fällen  verschluckte  Fremdkörper  mit  dem 
Instrument  nicht  nur  zu  finden,  sondern  auch  damit  zu  fassen  und  zu 
extrahieren. 

Die  älteren  Methoden  wendet  Vortr.  nur  noch  bei  Kindern,  welche 
sonst  nicht  stillhalten,  und  zu  Lehrzwecken  an.  Er  hat  sie  durch 
einige  Modifikationen  handlicher  und  leistungsfähiger  zu  machen  ge¬ 
sucht,  unter  denen  besonders  ein  Hilfsapparat  zur  gleichzeitigen  Be¬ 
sichtigung  des  Beobachtungsfeldes  durch  zwei  Beobachter,  sowie  ein 
sogen,  feststellbarer  Obturator  erwähnt  seien.  (Selbstbericht. 

Hcii  G.  G  I  ü  c  k  s  m  a  n  n  -  Berlin :  Die  Spiegeluntersuchung  der 
unteren  Darmabschnitte  und  ihre  Ergebnisse. 

Die  Untersuchung  der  unteren  Darmabschnitte  vermittels  der 
Besichtigung  wurde  zwar  von  Alters  her  von  den  Aerzten  geübt,  ist 
abci  erst  in  der  Neuzeit  durch  Einführung  besonderer  Besichtigungs- 
insti  umente  und  des  elektrischen  Lichtes  zu  einer  systematischen, 
klinischen  Untersuchungsmethode  ausgebildet  worden.  ’  Die  zunächst 
besonders  in  Amerika  populäre  Methode  fand  in  neuester  Zeit  auch 
in  Deutschland  mehr  und  mehr  Anhänger,  nachdem  S  t  r  a  u  s  s  ein 
handliches  Instrument  für  diesen  Zweck  angegeben  hatte. 

Vortr.  berichtet  über  einige  von  ihm  angegebene  Modifikationen 
des  oti. sehen  Instrumentariums,  insbesondere  auch  über  einen  Hilf s- 
apparat,  der  es  erlaubt,  einen  zweiten  Beobachter  während  der  ganzen 
I  auer  der  Untersuchung  und  event.  Operation  diese  mit  beobachten 
zu  lassen.  Dieser  Apparat  hat  sich  besonders  als  Lehrmittel  bewährt. 

Die  Spiegelmethode  ermöglichst  die  Besichtigung  des  gesamten 
Mastdarms  und  der  unteren  Hälfte  des  sogen,  römischen  S.  Ihre 
Ergebnisse  sind  zunächst  die  bessere  Erkenntnis  und  Behand- 
lungsmoglichkeit  der  Schleimhauterkrankungen  dieser  Darmabschnitte, 
vornehmlich  auch  die  F'rühdiagnose  des  Darmkrebses.  Als 
Ouelle  allgemeiner  Schwächezustände  fand  Vortr.  in  einigen  Fällen 
blutende  I  olypen  im  römischen  S,  also  an  einer  vorher  dia¬ 
gnostisch  nicht  zugänglichen  Stelle,  welche  durch  kaum  merkliche, 
a;f'  ^rst  hartnäckige  Blutungen  den  Schwächezustand  ver¬ 
schuldet  hatten.  Es  gelang  ihm  mit  Hilfe  eines  von  ihm  konstruierten 
Insti  umentes,  diese  Polypen  durch  den  Spiegel  hindurch  zu  entfernen 
und  damit  die  Kranken  ohne  grössere  Operationen  zu  heilen. 

.  nberi  au£h,?ufcden  Muskelapparat  des  Darmes  erstrecken 
SV  +  durch  die  Spiegelmethode  neu  gewonnenen  Aufschlüsse.  Die 
bekannteste  und  wichtigste  Erkrankung  dieses  Apparates  ist  die  0  b  - 
A°nV  S(;hr  zu  Unrecht  wird  diese  Erkrankung  von  den 

TP  l  Fr-nen  a  S  ^arrrUragheit  aufgefasst.  Das  trifft  wohl  für  einen 
1  eil  der  balle  zu,  aber  in  einem  anderen  Teile  sind  im  Gegenteil 

Ursache  U  &  m  P-f  zustande  'der  Darmmuskulatur  die 

i  sache.  Mit  Hilfe  des  Darmspiegels  gelingt  es,  diese  beiden  Formen 

Sr^=?er  zu,  halten-  Gestützt  auf  diese  Tatsachen,  wendet 
.Lh  Vortragender  scharf  gegen  die  kritiklose  Anwendung  der  Ab- 

ri'c h f i  1* c  C  R fdm m i! C  in  LVielen  Fä,Ilenl  zwecklos  und  schädlich  sind.  Die 

exaM  DiÄ 

“"d  Krankheitsbilder 

Herr  K  ei  1  i  n  g- Dresden:  Mitteilungen  zur  Oesophagoskopie. 

•  Redner  demonstriert  eine  vereinfachte,  verbesserte  Konstruktion 
seines  Oesophagoskopes.  Er  benutzt  nur  noch  eine  Gliederrühre 
welche,  nach  dem  Prinzip  des  hohlen  Fingers  gebaut  aus  k  eten 
zylindrischen  Gliedern  mit  Scharniergelenken  besteht’  die  in  o-p 
streckter  Stellung  aneinander  schlagen;  als  Strecklehne  dient'  lin 
1  'aht,  das  Ganze  ist  mit  einem  üummischlauch  überzogen  Das  In 
Orument  ward  gebogen  eingeführt  und  dann  gestreckt,  dann  werden 


Metalltuben  von  verschiedener  Länge  zur  Besichtigung  eingeschoben. 

as  Insti  ument  ist  billiger  und  stabiler  als  das  frühere.  Redner  hat 
gegen  200  Oesophagoskopien  ausgeführt  und  betont,  dass  sich  dabei 
oas  von  ihm  aufgestellte  Prinzip,  die  Einführung  des  Instrumentes  von 
der  Geradstreckung  der  Speiseröhre  zu  trennen,  durchaus  bewährt 
hat.  (Selbstbericht.) 

P  U  i  s  k  11  s  s  i  o  n:  Herr  Z  e  n  g  e  1  -  Radeberg  berichtet  über  einen 
räH  von  bremdkörper  im  Oesophagus,  bei  dem  es  nicht  möglich  war, 
die  Extiaktion  zu  machen,  weil  ein  an  dem  Fremdkörper  befindlicher 
Haken  Oesophagus  und  Trachea  aufgespiesst  hatte.  Die  Oesophago¬ 
skopie  brachte  die  Heilung  des  Kranken  zuwege. 

Herr  B  oc  k  e  n  h  e  i  m  e  r  -  Berlin  warnt  davor,  Fremdkörper  zu 
extrahieren,  die  zu  lange  gelegen  haben,  und  belegt  seine  Auffassung 
durch  eine  einschlägige  Beobachtung. 

Herr  L  i  n  d  n  e  r  -  Dresden  erwähnt  ebenfalls  einen  Fall  von 
Oesophagotomie. 

Heu  Köl  liker  demonstriert  das  von  ihm  zur  Oesophago¬ 
skopie  benutzte  Instrumentarium. 

Heil  K  tim  me  1 1  -  Heidelberg  weist  auf  die  Brüningschen 
Instrumente  hin,  die  er  als  brauchbar  erprobt  hat. 
r  r  G  1  ü  ,c  k  s  m  a  n  n  -  Berlin  widerspricht  der  Auffassung,  dass 
uf  u,!r  ld»e.  <r,ln  Fremdkörper  im  Oesophagus  gelegen  hat,  für  die 
Wahl  dei  Methode  entscheidend  sein  könne;  er  warnt  vor  Ueber- 
hastung. 

P(.  Berr  Schul  t  ze  -Duisburg:  Behandlung  der  Frakturen  des 
tllenbogengelenks  durch  Autoextension. 

Ei  belichtet  über  27  Frakturen  am  unteren  Humerusende.  Er 
repomer  die  Fragmente  und  hält  sie  in  4er  richtigen  Stellung  da¬ 
durch,  dass  er  den  Arm  im  Ellenbogen  extrem  beugt  und  durch 
Gummizugei  in  dieser  Stellung  befestigt.  Mit  dieser  Behandlung  geht 
sofoitige  medikomechanische  Behandlung  einher,  die  mittels  eines 
besonderen  Apparates  zu  erfolgen  hat. 

.  Herr  StJeda -Königsberg:  Zur  Pathologie  der  Schleimbeutel 
des  Schultergelenks. 

uCr  Redner  berichtet  über  eine  schmerzhafte  Erkrankung  am 

"  “  Se,en5e’  bAe/  dieiV  dieu  Patienten  zur  völligen  Arbeitsunfähigkeit 
verui  teilt  sind.  Als  Ursache  derselben  hat  er  durch  Röntgenunter- 

vorbe??  Ie^tsestedt’  dass  eine  Erkrankung  der  Bursa  subdeltoidea 
R  Diese  .  Erkrankung  ist  höchstwahrscheinlich  gichtischer 

Heilung  aus  geeigneter  Behandlung  geht  die  Krankheit  in  völlige 

Diskussion:  Herr  B  o  ck  e  nh  ei  me  r -Berlin  bestätigt  die 
Angaben  des  Vortr.  auf  Grund  seiner  in  der  v.  Bergmann  sehen 
Klinik  gemachten  Erfahrungen.  g  bcnen 

Herr  Müll  er -Rostock  glaubt,  dass  auch  die  Gonorrhöe  das 
vom  Vortragenden  geschilderte  Krankheitsbild  hervorbringen  könne 
d.PQP noe^lor  I,1  ed[  ich -Marburg  macht  darauf  aufmerksam,  dass 
nctP  eim r*Hte: lentzundungen  so  hochgradig  sein  können,  dass  sie 
mit  Osteomyelitis  verwechselt  werden.  Er  teilt  aus  seiner  Erfahrung 

die*  pÄ?' Ha"  mU’  ,in  dem  auf  Qrun'd  einer  falschen  Diagnose 
ue  Resektion  des  Humeruskopfes  gemacht  wurde 

bei  Tetanu^  "  S  C  h  ü  ‘  z  '  Marbur£;  Endoneurale  Antitoxininjektionen 

T  .  ,  E>erlchtet  über  zwei  Fälle  von  Tetanus,  die  er  mit  endoneuralen 
Injektionen  behandelt  hat,  von  denen  der  eine  ein  leichter  Fall  war 

andere  VaU  aber  be^eiskräftig  anzusehen  ist,  von  denen  der 
midere  Fall  aber  sehr  schwer  war,  so  dass  ihm  nach  des  Redners 

Meinung  wohl  eine  gewisse  Beweiskraft  zukommt.  Es  handelte  sich 
um  eine  Fingerverletzung,  bei  der  sich  sehr  schnell  ein  schwerer 

GnGtiUS  "?Ite-  Nach  zwei  Tagen  eHolgte  eine  reichliche  In¬ 
ferner  wurde  t a. n u s a n t r t o x i n  in  den  Armplexus  in  der  Achselhöhle, 
vnn  T^+U  de  d+  Lumbalpunktion  gemacht  und  eine  lumbale  Injektion 
von  Tetanusantitoxm  ausgeführt  und  endlich  erfolgte  die  Exartiku- 
nip°nnHdeS  Veii  etTzt.ei?  Eingers.  Zunächst  Besserung,  dann  Rückfall. 
daueTnd°neUia  6  njektlon  wurde  wiederholt,  und  jetzt  war  der  Erfolg 

Diskussion:  Herr  L  i  n  d  n  e  r  -  Dresden  schliesst  sich  dem 

h, 0BeX  häurf,"  T«,  be,Fl-  tSS,  er  im  Ansatz  z“  K  6  r  t  e  auc” 
l  Berlin  häutig  letanusfaile  beobachtet  habe.  Ihm  scheinen  Ver- 

etzungen  zum  Ausbruch  von  Tetanus  zu  disponieren,  die  mi  Erreich 

S=^U0?eÄSiÜer  letZtere  ^  SBben- 

Herr  Friedrich-  Marburg  plädiert  auf  Grund  seiner  in  Greifs 

Tefa^TlfleälSh^eV'lF  l^Brb4'  ^ 

lang "StAnÄ'  dc4aemsÄh„er  Z“r  B1'°phylaktischen  Be,la"d- 

7  "  ka^sel  :  Wolfsrachen,  Operationen  am  Kiefer 

Zunge,  Mundboden  und  oerorale  Intubation.  * 

graphisch LierL^efns'indChen?erati0nen’'die  Redner  bereits  mono- 
(ntabation  Ä  ist  “  dre‘  ftr0SSe  Qebie,e'  wo  die 

i.  •+  !'  U'e  Operatjon  lCj  e  s  Wolfsrachens.  Bei  der  Klein- 
eigeneY  BesS?"  lhr£S  Kehlkopfes  eifordert  diese  Operation  ein 


8.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2065 


Redner  demonstriert  dasselbe. 

Durch  die  Intubation  werden  dem  Operateur  zwei  grosse  Vor¬ 
teile  geboten  i  1.  die  Ruhe  und  Kontinuierlichkeit  der  Narkose  und 
Operation  und  2.  die  Sauberkeit  der  Naht. 

An  der  Hand  eines  Präparates  und  grosser  Bilder  demonstriert 
Redner  das  Vorgehen  und  die  Vorteile  der  Operation. 

9  Die  Resektion  an  den  Kiefern.  Oberkiefer  und 
Unterkiefer.  Die  Intubation  lässt  für  diese  Eingriffe  die  prä¬ 
liminäre  Karotisunterbindung  und  ähnliche  Voroperationen  ganz  ent¬ 
behren.  Naht  und  Blutstillung  sind  sehr  erleichtert. 

3.  Die  Operation  an  der  Zunge  und  den  tieferen 
Teilen  des  Mundbodens,  der  T  o  n  s  i  1 1  e  n,  d  e  r  Epi- 
glottis  Diese  Eingriffe  verlangen,  wie  wir  neuerdings  vielfach 
betont  sehen,  umfassende  Ausräumung  der  submaxillaren  Drusen  etc., 
wenn  sie  Dauererfolge  geben  sollen. 

Bekanntlich  können  wir  bei  diesen  Operationen  im  Gebiete  der 
Mundhöhle  nach  verschiedenen  Richtungen  Vorgehen:  a)  durch  den 
Mund  selbst.  Natürlich  ist  hierbei  der  Operateur  räumlich  recht  be¬ 
schränkt.  Daher  ist  mehr  gebräuchlich  b)  das  Vorgehen  von  Lan¬ 
ge  n  b  e  c  k,  quer  durch  den  Kiefer  nach  Durchsägung  desselben ; 
c)  ein  drittes  Verfahren  ist  das  suprahyoidale,  entweder  nach 
Kocher  (Schnitt  längs  dem  Kieferrand)  oder  nach  Bergmann- 
Regnoli  submental;  d)  manchmal  kann  auch  dei  subhyoidale  Weg 
nach  Lange nbeck-Gluck  angezeigt  sein. 

Für  alle  diese  Verfahren  bedeutet  die  perorale  Intubation  eine 
sehr  wesentliche  Erleichterung  und  einen  nicht  zu  unterschätzenden 

F°rtRedner  demonstriert  seine  Methode  an  Zeichnungen  und  Mo- 
dellen. 

Zunächst  legt  er  die  anatomischen  örtlichen  Verhältnisse  der 
Mund  und  Unterkieferregionen  dar,  dann  demonstriert  er  die  Einzel¬ 
heiten  seiner  Instrumente  und  wesentliche  Verbesserungen  daran. 
(Selbstbericht.) 

Diskussion.  Herr  v.  Ei  selsb  e  r  g- Wien  hält  die  Me¬ 
thode  des  Herrn  K  u  h  n  für  andere  Operationen  wohl  anwendbar,  aber 
für  die  Gaumenspaltenoperation  nicht.  Er  sei  mit  der  Operation  am 
hängenden  Kopf  in  ca.  160  Fällen  sehr  gut  ausgekoipmen. 

Herr  Schmieden  -  Berlin  empfiehlt  das  Kuhn  sehe  Verfahren 
auf  Grund  seiner  Erfahrungen,  die  an  der  Bier  sehen  Klinik  damit 
gemacht  worden  seien. 

Herr  Müller-  Rostock  operiert  die  Gaumenspalten  in  gewöhn¬ 
licher  Rückenlage  mit  digitaler  und  Tamponkompression  u  T"'"’r' 
Wolf  und  hat  damit  sehr  gute  Erfahrungen  gemacht:  bei 
Mundoperationen  werde  er  das  K  u  h  n  sehe  Verfahien 

probieren.  ...  ,  , 

Herr  H  a  b  s  -  Magdeburg  tritt  sehr  warm  für  das  Kuhn  sehe 


nach  Julius 
den  übrigen 
in  Zukunft 


Verfahren  ein.  ^  A.  , 

Herr  König-  Altona  empfiehlt  für  die  Operationen  im  Munde, 
am  Rachen  und  an  der  Zunge  die  einseitige  oder  auch  doppelseitige 
Unterbindung  der  Karotis  interna,  die  sich  ihm  besonders  bei  Ober¬ 
kieferresektionen  sehr  bewährt  hat. 

Herr  Hoennicke  -  Dresden :  Ueber  experimentell  erzeugte 
Missbildungen  (auf  Grund  seiner  Untersuchungen  im  pathologischen 

Institut  in  Greifswald).  ...  ^  T_.,1  ... 

Vortr.  hat  an  Säugetieren  (Kaninchen)  bis  jetzt  -46  Fälle  von  Miss¬ 
bildungen  erzeugt,  und  zwar  solche  der  Gliedmassen,  des  Schädels 
(Gesichts-,  Gaumenspalten,  Wolfsrachen),  der  Lider,  der  Iris,  der 
Linse,  Nieren,  Nebennieren,  des  Herzens,  der  Zähne.  H.  ging  aus  von 
seinen  Rachitisuntersuchungen,  auf  die  er  sich  hier  nur  bezieht  (vor¬ 
getragen  im  med.  Verein  in  Greifswald,  Febr.  1907)  und  auf  Grund 
deren  er  die  Rachitis  definiert  als  eine  „einfache  Entwicklungshem¬ 
mung,  im  Mittelpunkt  von  deren  Wesen  eine  funktionelle  Insuffizienz 
der  Schilddrüse  steht“.  H.  behandelt  seit  jetzt  214  Jahren  die  Rachitis 
mit  konstantem  und  sicherem  Erfolge  mit  Schilddrüse. 

Ist  die  Rachitis  also  eine  Entwicklungshemmung,  so  ist  ihr 
Wesen  identisch  mit  den  intrauterinen  Entwicklungshemmungen. 
Letztere  fasst  Vortr.  als  eine  einzige  Krankheit  auf,  bei  der  Miss¬ 
bildungen  einzelner  Teile  nur  als  örtliche  Symptome  aufzufassen  sind, 
und  bezeichnet  sie  als  „präthyreoidale  Rachitis“.  Als  Rachitis  wegen 
der  Identität  des  Wesens.  Präthyreoidal  soll  heissen,  dass  es  sich  um 
die  Zeit  handelt,  ehe  überhaupt  eine  Beziehung  zur  Schilddrüse  in 
Frage  kommt.  Im  Gegensatz  dazu  bezeichnet  Vortr.  die  vulgäre 
Rachitis  als  „thyreoidal“. 

Präthyreoidale  Rachitis  erzeugt  Vortr.  durch  Allgemeinbehand¬ 
lung  der  Eltern  bezw.  Muttertiere  vor  und  während  der  Zeugung  bei 
der  Gravidität  und  benutzte  Thyreoidin,  Ammonsulfat,  Aether  und 
andere  Mittel  und  bevorzugte  der  sozialen  Wichtigkeit  wegen  vielfach 
den  Alkohol.  Die  Mannigfaltigkeit  der  Mittel  erklärt  sich  aus  den 
kolloidalen  Eigenschaften  des  Eiweisses. 

Später  setzte  H.  an  Stelle  äusserer  Mittel  konstitutionelle  Fak¬ 
toren  (z.  B.  Paarung  rachitischer  oder  geschlechtlich  noch  nicht  voll¬ 
reifer  Tiere). 

Mit  beiden  Versuchsanordnungen,  besonders  letzterer,  wurde 
also  ganz  in  Uebereinstimmung  mit  der  klinischen  Erfahrung  die  „erb¬ 
liche  Belastung“  experimentell  in  Anwendung  gebracht. 

Von  rachitischer  Aszendenz  wurde  das  eine  Mal  präthyreoidale, 
das  andere  Mal  thyreoidale  (hier  also  erbliche)  Rachitis  der  Des¬ 
zendenz  erzielt.  In  Greifswald  sah  H.  die  schwerste  Rachitis  in  den 
Familien  der  Potatoren. 


An  die  intrauterine  Entwicklungshemmung  (präth.  Rach.)  schliesst 
sich  sehr  oft  unmittelbar  die  infantile  (Rach,  thyr.)  an.  Das  beste  Be¬ 
weismaterial  sind  hierfür  die  Idioten  und  Epileptiker. 

In  exquisiten  Rachitikerfamilien  fand  H.  relativ  viel  kongenitale 
Anomalien  (Degenerationszeichen  =  präth.  Rach.). 

Ferner  haben  Rach.  thyr.  und  präth.  folgende  gemeinsame  Er¬ 
scheinungen.  Offene  Fontanellen  und  Spaltbildungen  sind  identisch. 
Identische  Entwicklungshemmung  der  Zähne  findet  sich  bei  beiden, 
ebenso  sogen,  „abgesprengte“  Keime  und  auch  die  allgemeine  Ent¬ 
wicklungshemmung. 

Vortr.  glaubt  die  weitere  Fortsetzung  der  Versuche  werde  er¬ 
geben,  dass  ganz  allgemein  ein  Kranksein  von  gewisser  Intensität 
und  Dauer  vor  oder  während  der  Zeugung  bezw.  der  Gravidität  im¬ 
stande  sei,  embryonale  oder  infantile  Entwicklungshemmungen  zu 
veranlassen,  abgesehen  von  dem  wichtigen  Moment,  dass  die  Aszen¬ 
denten  oder  ihre  Keime  bereits  an  Entwicklungshemmungen  leiden. 

Die  Annahme  mechanischer  Momente  als  Ursachen  bei  der  nach¬ 
träglichen  Deutung  der  Genese  von  Missbildungen  bedarf  danach 
immer  des  Beweises  durch  objektive  Anhaltspunkte.  (Selbstbericht.) 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

(Fortsetzung.) 

8.  Herr  S  t  e  f  f  e  n  -  Dresden :  Ist  die  Skdpolamin-Morphium-Wir- 
kung  in  der  geburtshilflichen  Privatpraxis  empfehlenswert? 

Die  Merkfähigkeitsprüfungen,  die  Beissinger  und  Steffen 
an  Kreissenden  ohne  Skopolamin  angestellt  haben,  haben,  wie  nach 
den  experimentellen  Untersuchungen  über  Merkfähigkeit  in  der  Psy¬ 
chiatrie  zu  erwarten  war,  ergeben,  dass  die  starke  Ablenkung  und 
die  körperliche  Anstrengung  der  Geburtsarbeit  bald  zu  einer  Herab¬ 
setzung  der  Merkfähigkeit  bis  zu  einem  teilweise  völligem  Erlöschen 
derselben  führt,  gleichzeitig  trat  eine  leichte  zentral  motorische  Er¬ 
regung  ein,  welche  die  Empfänglichkeit  der  Kreissenden  für  erregende 
Mittel  (Skopolamin)  erkläre.  Steffen  kommt  zu  dem  Resultat, 
dass  die  Merkfähigkeit  bezüglich  der  Dosierung  ein  durchaus  un¬ 
sicheres  Symptom  ist,  und  dass  der  praktische  Geburtshelfer  sich  stets 
im  unklaren  befinden  wird,  ob  er  Skopolamin  weiter  geben  soll  oder 
nicht. 

S.  schildert  darauf  die  ungünstigen  Nebenwirkungen:  Störungen 
des  körperlichen  Befindens  (Röte  des  Gesichtes,  Blutandrang  nach 
dem  Kopf,  Kopfschmerz,  der  1—2  Tage  anhalten  kann,  Flimmern  vor 
den  Augen,  quälendes  Durstgefühl,  Würgen,  Erbrechen)  und  Störungen 
der  Herztätigkeit. 

Die  psychischen  Störungen  zeigen  sich  als  innere  Angst,  hierzu 
gesellt  sich  eine  Steigerung  der  Schmerzempfindlichkeit,  ferner  mo¬ 
torische  Unruhe,  beginnend  mit  leichten  Zuckungen  in  der  Hand  und 
im  Gesicht,  welche  in  tonische  und  klonische  Krämpfe  von  hysteri- 
formen  Charakter  übergehen  können  und  endlich  rein  psychische  Er¬ 
regungszustände,  die  sich  bis  zur  akuten  halluzinatorischen  Verwirrt¬ 
heit  steigern  können. 

Die  Störungen  des  Geburtsverlaufes  bestehen  in  einem  Nach¬ 
lassen  der  vorher  kräftigen  Wehen  event.  bis  zum  Stillstand  der 
Geburt,  mangelhafter  Innervation  oder  Ausschaltung  der  Bauchpresse 
und  Neigung  zu  atonischen  Nachblutungen. 

Das  Nachlassen  der  Wehentätigkeit  und  die  Ausschaltung  der 
Bauchpresse  erklärt  St.  1.  durch  den  Wegfall  des  psychoreflektori- 
schen  Einflusses  des  erhaltenen  Bewusstseins,  2.  durch  die  Aus¬ 
schaltung  des  physiologischen  Wehenschmerzes  der  zur  Auslösung 
der  Bauchpresse  notwendig  ist,  3.  durch  die  Hemmung  der  Ganglien¬ 
zellen  des  Reflexbogens  infolge  Skopolamin. 

Die  Verlängerung  der  Geburtsarbeit  und  das  Skopolamin  direkt 
wirke  auch  schädlich  auf  das  Verhalten  des  Kindes,  was  sich  als 
Oligo-  resp.  Dysapnoe  des  Kindes  nach  der  Geburt  zeige. 

Diese  Dysapnoe  verschwinde  nach  ca.  20  Minuten  von  selbst,  die 
Anwendung  starker  Hautreize,  um  das  Abklingen  zu  beschleunigen, 
sei  zwecklos.  Bisweilen  kehre  die  Oligopnoe  nach  Stunden  wieder. 
Das  Skopolamin-Morphium  setzt  die  Reizempfindlichkeit  der  Gang¬ 
lienzellen  des  Atmungszentrums  herab  und  hindert  sie  nach  Aufbrauch 
des  eigenen  Sauerstoffes  trotz  Kohlensäureüberladung  den  darge¬ 
botenen  Sauerstoff  aufzunehmen.  Erst  wenn  das  Skopolamin  me¬ 
chanisch  durch  die  Ausscheidung  entfernt  oder  chemisch  gespalten 
ist,  kann  sich  die  Tätigkeit  des  Atmungsreflexes  entfalten.  St.  hält 
diese  zeitweise  Unterbrechung  höchst  vitaler  Lebensvorgänge  keines¬ 
falls  für  so  harmlos  wie  G  a  u  s  s.  . 

Steffen  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die  Skopolannn-Mor- 
phium-Anwendung  in  der  geburtshilflichen  Privatpraxis  nicht  zu  emp¬ 
fehlen  sei,  denn  1.  sei  der  Arzt  nicht  in  der  Lage,  eine  exakte,  un¬ 
unterbrochene  Merkfähigkeitsprüfung  durchzuführen,  2.  würden  die 
unberechenbaren  Nebenwirkungen  im  Hause  besonders  störend  wir¬ 
ken  und  die  ständige  Gegenwart  des  Arztes  notwendig  machen. 

Diskussion:  Herr  Bumke-  Freiburg  weist  auf  die  Not¬ 
wendigkeit  hin,  in  der  Psychiatrie  häufig  Beruhigungsnuttel 
anzuwendeu;  bei  viel  grösseren  Dosen,  als  sie  in  der  Ge¬ 
burtshilfe  gebraucht  werden,  welche  B  u  m  k  e  in  der  psych¬ 
iatrischen  Klinik  anwendete,  sah  er  bei  Anwendung  von 
reinen  Präparaten  keine  üblen  Zufälle.  Eine  erregende 
Wirkung  ist  nicht  anzunehmen,  da  Skopolamin  die  motori¬ 
schen  Hinnrindenzentren  beeinflusst,  ohne  eine  dauernde  Lähmung 
derselben  zu  verursachen.  Die  motorische  Erregbarkeit  der  Ge- 


2uü6 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


Hirnrinde  wird  nur  vorübergehend  herabgesetzt,  die  sensible  Erreg¬ 
barkeit  wird  leider  von  Skopolamin  nicht  beeinflusst,  daher  war  die 
Kombination  mit  Morphium  notwendig.  Das  Eintreten  von  Krämpfen 
und  Zitterbewegung  ist  daher  nicht  durch  die  Einwirkung  des  Sko¬ 
polamins  zu  erklären.  Das  Eintreten  von  Zuckungen  bei  nervösen 
Personen  ist  eine  häufige  Erscheinung,  die  Krämpfe  sind  sicher  hy¬ 
sterischer  Natur.  Trotz  reichlicher  Anwendung  in  der  psychiatrischen 
Praxis  sind  nie  Todesfälle  beobachtet. 

Herr  Steffen:  Die  Anwendung  des  Skopolamin  in  der  Geburts¬ 
hilfe  ist  eine  ganz  andere,  als  bei  Geisteskranken,  da  wir  keine 
Lähmung  durch  grosse  Dosen  hervorrufen  dürfen.  Dass  die  Krämpfe 
hysterischer  Natur  waren,  darüber  ist  sich  Steffen  klar,  aber  die¬ 
selben  werden  leichter  ausgelöst  durch  die  im  ersten  Stadium  der 
Skopolaminanwendung  erfolgende  erregende  Wirkung,  welche  natür¬ 
lich  bei  grossen  Dosen,  welche  die  Psychiater  anwenden,  weniger 
in  Betracht  komme. 


Herr  Leopold  weist  darauf  hin,  dass  Geisteskranke  mit  Ge¬ 
bärenden  nicht  verglichen  werden  können;  auch  Leopold  hat  stets 
reine  Präparate  benutzt,  er  kann  nur  sagen,  die  Zeit,  in  der  Skopo¬ 
lamin  angewendet  wurde,  war  sehr  unangenehm;  viel  Zangen,  viel 
Dammrisse,  viel  Asphyxien  waren  .die  Folge  »der  Skopolaminanwen- 
düng. 

Herr  K  r  o  e  n  i  g  wendet  sich  gegen  die  Publikation  von  Hoch- 
e  1  s  e  n  und  Steffen.  Von  1000  Gebärenden  ist  eine  Frau  gestorben, 
aber  infolge  der  Geburt  und  nicht  infolge  der  Narkose.  Die  Kinder¬ 
mortalität  ist  viel  geringer  als  früher,  unter  den  300  letzten  Ge¬ 
burten  starben  nur  2  Kinder,  gleichfalls  nicht  infolge  des  Skopolamins. 
Allerdings  geht  Skopolamin  in  geringen  Dosen  auf  das  Kind  über, 
das  ist  aber  nur  günstig,  da  es  wahrscheinlich  vorzeitige  Atmungs¬ 
bewegungen  des  Kindes  verhütet.  Wenn  die  grossen  Dosen  der  Psy¬ 
chiater  nicht  den  Geisteskranken  schaden,  so  können  die  kleinen 
Dosen,  die  zu  dem  Dämmerschlaf  gebraucht  werden,  nicht  schädlich 
scin:  Die  Fehler  müssen  auf  die  Technik  und  nicht  auf  das  Präparat 
zurückgeführt  werden.  Die  Prüfung  der  Merkfähigkeit,  des  Be¬ 
wusstseinzustandes  muss  dauernd  durchgeführt  werden;  die  Technik 
muss  allerdings  gelernt  werden.  In  89  Proz.  der  Fälle  trat  zuletzt 
ein  voller  Erfolg  der  Injektion  —  eine  Schmerzlosigkeit  der  Geburt 
ein;  eine  ungünstige  Beeinflussung  der  Wehentätigkeit  tritt  aller- 
dings  bisweilen  ein,  aber  der  physiologische  Wehenschmerz  ist  ge¬ 
fährlich  für  das  Grosshirn.  Neurasthenische  Zustände  stellen  srch 
nicht  selten  infolge  einer  Geburt  ein.  Auch  für  den  Praktiker,  der 
die  Anwendung  der  Skopolaminnarkose  gelernt  hat,  ist  dieselbe 
durchaus  ausführbar;  sie  verhindert  die  Anwendung  der  gefährlichen 
Luxuszange. 

,.  T?!rr  D  e  c>P  o  1  d:  Todesfälle  hat  zwar  L.  auch  nicht  beobachtet, 
die  1  atsache.  dass  aber  Asphyxien  eintraten,  Hess  sich  nicht  leugnen 

Herr  M  ü  1  ler-  München  weist  auf  die  günstige  Einwirkung 
hin,  die  die  Injektion  auf  das  psychische  Befinden  ausübt;  er  gibt 

Dosen,  ohne  dass  stets  Dämmerschlaf  eintrat,  er  gibt  1/s _ Vs 

Milligramm. 

,  S  l,e  e  n:  Die  Erfahrungen  sind  bei  Chirurgen  günstiger 

als  bei  Gynäkologen,  da  bei  ersteren  ein  kurzer  Schmerz,  bei  der 
Geburt  hingegen  ein  sehr  langdauernder  verhindert  werden  soll. 

,e  atsache,  dass  bei  Skopolamin  mehr  Zangen  angewendet  wer¬ 
den  müssen,  macht  weiter  die  Geburten  gefahrvoller.  Die  erste 
Dose  war  0,45  mg  und  steigt  zur  vollen  Narkose  auf  0,75. 

9.  Herr  G  e  1 1  h  o  r  n:  Die  Behandlung  des  inoperablen  Uterus- 
karzinoms  mit  Azeton. 


Bei  inoperablem  Karzinom  vermögen  die  bisherigen  Mittel,  unter 
anderem  auch  die  Röntgenstrahlen,  nur  wenig  zu  leisten;  so  dass  die 
Auskratzung  mit  nachfolgender  Ausbrennung  und  Chlorzinkbehand¬ 
lung  die  günstigsten  Resultate  ergebe.  Aber  häufig  treten  nach 
kurzer  Zeit  wieder  Blutung  und  Jauchung  ein,  denen  wir  alsdann  im 
ganzen  machtlos  gegenüberstehen.  Die  Kranken  werden  für  die 
Umgebung,  namentlich  in  der  Klinik  unerträglich.  Die  Anwendung 
des  Azeton  vermag  nun  die  Jauchung  sehr  günstig  zu  beeinflussen, 
es  härtet  das  Gewebe.  Die  Technik  ist  folgende:  In  Narkose  griind- 
liche  Auskratzung,  Austrocknung,  in  die  Wunde  werden  1 — 2  Fss- 
offel  eingegossen,  die  Kranke  bleibt  V*~ %  Stunde  in  Beckenho'ch- 
lageTung.  Vom  5.  Tage  ab  werden  die  Eingiessungen  von  Azeton 
ini  Spekulum  und  zwar  gewöhnlich  3 — 4  mal  wöchentlich  wiederholt 
Die  Resultate  sind  Stillung  der  Blutung.  Nachlassen  der  Jauchung-’ 
die  Wände  der  Wundhöhle  werden  glatt  und  fest,  das  Allgemeinbe- 
inden  bessert  sich.  Eine  Resorption  von  Azeton  Hess  sich  nie  nach- 
weisen. 


D  iskuss  i  o  n :  Herr  S  c  hu  rieh  empfiehlt  das  Betupfen  der 
K .M  zi noma tosen  Höhle  mit  arseniger  Säure  ohne  vorhergehende  Aus¬ 
kratzung;  in  einem  Falle,  in  dem  eine  Obliteration  der  Scheide  ein¬ 
trat.  erzielte  er  Heilung  Er  empfiehlt  vor  allem  auch  die  innere 
Verordnung  von  Arsen  (Liq.  Kal.  arsenic.). 

Herr  Conrad  berichtet  über  die  günstige  Beeinflussung  die 
uiircli  die  bekannte  Methode  der  Ausbrennung  nach  vorhergehender 
Auskratzung,  Chlorzinkanwendung  (50  proz.)  und  Nachbehandlung 
mit  I  voktanningazetamponade  zu  erzielen  ist. 

..  ,  10  fierj  R.  Freund -Halle  a.  S.:  Blasenmole  bei  jungem,  mensch¬ 
lichen  Ei. 

Demonstration  eines  mikroskopischen  Präparates  (Serienschnitte) 
eines  ca.  3  Wochen  alten  Eies,  ganz  von  Dezidua  umgeben.  Letztere 


ist  stark  verdickt  mit  allen  Zeichen  der  Entzündung.  Die  Zotten  sind 
grösstenteils^  blasenmolenartig  degeneriert,  besonders  stark  an  einer 
Stelle  des  Chorion  laeve.  Von  hier  gehen  polypenartige 
E  i  n  s  t  ü  1  p  u  n  g  e  n  in  die  E  i  h  ö  h  1  e,  wodurch  letztere, 
wie  gewöhnlich  bei  Blasenmolen,  schon  frühzeitig 
verödet  wird.  Entgegen  vanderHoeven-,  der  auf  die  Ueber- 
gänge  von  normalen  Zotten  zur  Blasenmole  an  Abortiveiern  auf¬ 
merksam  machte,  bildet  sich  also  auch  amChorion  laeve 
Blasenmole  aus. 

Der  Ausgangspunkt  für  die  Entstehung  einer 
B  1  a  s  e  n  m  o  1  e  ist  das  entweder  durch  echte  Entzündung  oder 
durch  krankhafte  ovarielle  Einflüsse  analog  einer  Entzündung  ver¬ 
änderte  Endometrium.  Dadurch  entsteht  zunächst  Verhin¬ 
derung  normaler  Eientwicklung,  frühzeitiges  Absterben 
der  Frucht,  während  die  Eioberfläche  weiterlebt 
und  Stoffe  aus  mütterlichem  Blut  aufnimmt,  wel¬ 
che  jedoch  mangelsein  es  fötalen  Kreislaufes  nicht 
weiterbefördert  werden,  sondern  im  Zottenstroma 
deponiert  bleiben;  daher  die  Auftreibung  und  Quellung  der 
Zotten.  Je  frühzeitiger  Fruchttod  erfolgt  und  je  länger  die  Ei¬ 
peripherie  mit  reichlichem  mütterlichen  Blut  in  Verbindung  bleibt 
desto  intensiver  ist  die  Blasenmolenbildung. 

11.  Herr  H  a  n  n  e  s  -  Breslau:  Ueber  zystoskopische  Befunde  bei 
geheilten  Blasenfisteln. 

Die  Blasenscheidenfisteloperation  wurde  so  ausgeführt,  dass  nach 
K  ii  st  ner  scher  Methode  die  vordere  Blasenwand  auf  die  vordere 
Zervixwand  nach  einer  breiten  Umschneidung  der  Fistel  aufgenäht 
wurde.  Die  Resultate  waren  selbst  bei  grossem  Defekt  der  Blasen¬ 
scheidenwand  sehr  gute.  Unter  8  Fällen,  welche  zystoskopisch  unter¬ 
sucht  wurden,  Hess  sich  3  mal  keine  Narbe  nachweisen  (in  2  dieser 
Fälle  war  eine  isolierte  Blasennaht  gemacht  worden),  in  den  übrigen 
Hess  sich  eine  breite  Narbe  feststellen  z.  T.  mit  Divertikelbildung: 
diese  ist  eine  Folge  der  Operationsmethode,  sie  kommt  in  Fällen 
mit  und  auch  ohne  isolierter  Blasennaht  zustande.  Konkrement¬ 
bildung  fand  sich  nie  in  diesen,  die  Divertikel  bilden  also  keine  nach¬ 
teilige  Folge  der  Operation.  Hannes  befürwortet  eine  einreihige 
Naht,  von  der  Schichtnaht  sah  er  keinen  Vorteil.  Eine  Retroflexio- 
bildung  wird  allerdings  durch  die  Operation  befördert.  Fnr  den 
Eintritt  einer  Schwangerschaft  und  Geburt  ist  aus  der  Operation  kein 
Nachteil  zu  befürchten. 

12.  Herr  O.  T  u  s  z  k  a  i-Marienbad-Ofen-Pest:  Untersuchung  und 
Behandlung  von  Frauenleiden  unter  Wasser. 

T  u  s  z  k  a  i  bespricht  eine  neue  Methode  zur  Untersuchung  und 
Behandlung  von  Frauenleiden.  Die  Untersuchung  wird  im  Wasser 
vorgenommen  und  ermöglicht  Detailbefunde  und  die  Behandlung  bei 
entzündlichen  Erkrankungen  der  Beckenorgane,  ohne  Schmerzen  aus- 
zufiihren,  ebenso  gestattet  sie  eine  Diagnose  in  der  Anfangszeit  der 
Gravidität  zu  stellen.  Bisher  war  in  vielen  Fällen  die  Narkose  not¬ 
wendig,  deren  Umständlichkeiten  und  Nachteile  dadurch  vermehrt 
werden, .  dass  die  Pat.  in  der  Narkose  keine  Angaben  über  Schmerz¬ 
haftigkeit  machen  können,  daher  verdient  in  geeigneten  Fällen  diese 
subaquale  Methode  der  Untersuchung  den  Vorzug.  T.  hat  einen 
eigenen  Untersuchungstisch  konstruiert,  auf  dem  die  Vornahme  der 
Untersuchung,  während  die  Patientin  im  Sitzbade  sich  befindet,  mög¬ 
lich  ist. 

(Schluss  folgt.) 


Verschiedenes. 

Aus  dem  Budget  des  Königreichs  Bayern  für  die  Jahre  1908  und  1909. 

Etat  des  Staatsministeriums  des  K-  Hauses  und  des  Aeussern. 
Gewerbeaufsicht.  Der  Etat  stellt  dem  Gewerbeaufsichtsdienst  drei 
neue  Kräfte  zur  Verfügung:  a)  einen  neuen  Gewerberat,  da  in  Aus¬ 
sicht  genommen  ist,  die  industriell  hochentwickelte  Pfalz  in  zwei  Auf¬ 
sichtsbezirke  zu  teilen;  b)  einen  Landesgewerbearzt,  der  den 
Gewerberäten  koordiniert  sein  und  gleichen  Gehalt  wie  diese  er¬ 
halten  soll.  Die  Tätigkeit  des  Gewerbehygienikers  soll  das  ganze 
Land  umfassen;  c)  einen  neuen  Assistenten.  (Der  Gehalt  eines  Ge¬ 
werberates  beträgt  3900  bis  4260  M.) 

Etat  des  Staatsministeriums  der  Justiz.  Die  Aerzte  an  den  Ge¬ 
fängnissen  an  der  Baaderstrasse  und  am  Neudeck  in  München  sollen 
den  Hausärzten  an  den  Strafanstalten  gleichgestellt  und  mit  dem 
Titel,  Rang  und  Gehalt  der  Bezirksärzte  I.  Kl.  ausgestattet  werden. 
Erforderlich  sind  für  jeden  1980  M.  Gehalt  und  360  M.  Zulage. 

Etat  des  Staatministeriums  des  Innern.  Etat  für  Gesundheit. 
Neugefordert  Wird  ein  zweiter  Bezirksarzt  I.  Kl.  für  die  Stadt  Nürn¬ 
berg.  Die  Errichtung  neuer  Bezirksämter  in  Lauf  und  Riedenburg  be¬ 
dingt  die  Aufstellung  je  eines  Bezirksarztes  I.  Kl.  daselbst.  Beim 
K.  Landgerichte  Regensburg  wird  die  Aufstellung  eines  Assistenten 
des  K.  Landgerichtsarztes  gefordert.  Der  Funktionsbezug  des  bc- 
zirksarzthchen  Stellvertreters  in  Bad  Reichenhall  wird  von  900  Mk. 
ooo  *£9?  erhöht.  Der  Bedarf  der  Zentralimpfanstalt  ist  um 
2220  Mh.  höher  als  bisher.  Für  den  Pensionsverein  für  Witwen  und 
Waisen  bayerischer  Aerzte  werden  wie  bisher  8430  Mk.,  für  den 
Invalidenverein  3430  Mk.  gefordert.  —  Zur  Förderung  der  Wohnungs- 
fursorge  sind  20  000  Mk.  eingestellt. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2067 


Etat  des  Staatsministeriums  des  Innern  für  Kirchen-  und  Schul- 
angelegenheiten.  Landesuniversitäten.  M  ü  n  c  h  e  n.  Für  den  Be¬ 
trieb  der  Universitätsaugenklinik  26  250  Mk.,  für  den  Betrieb  der 
Anatomie  35  000  Mk.,  für  einen  Ersatzprofessor  in  der  medizinischen 
Fakultät  4400  Mk.  Ferner  für  verschiedene  Bedürfnisse  der  1  oli- 
kliniken  im  Reisingerianum  mehr  6410  Mk.  Erhöhung  der  Realexigenz 
der  orthopädischen  Poliklinik  von  2000  auf  3000  Mk.,  des  hygienischen 
Instituts  um  2000  Mk.,  der  dermatologischen  Klinik  um  500  Mk.,  der 
II  gynäkologischen  Klinik  yon  1000  auf  3000  Mk.,  der  Universitäts- 
Kinderklinik  um  6000  Mk.  - Würzburg.  Neue  Postulate:  Zur  Er¬ 
richtung  einer  ausserordentlichen  Professur  für  Hals-  und  Nasen¬ 
krankheiten  3870  Mk.,  zur  Errichtung  einer  a  o.  I  rofessur  für  Zahn¬ 
heilkunde  3870  Mk.;  der  Realetat  des  pathologischen  Instituts  wnd 
um  7000  Mk.  erhöht.  Für  Erhöhung  der  Realexigenz  des  pharma¬ 
kologischen  Instituts  1000  Mk.,  einmaliger  Zuschuss  zur  Instand¬ 
setzung  des  Instituts  2500  Mk.;  für  die  chirurgische  Klinik  ein  Assistent 
II  Ordnung  1710  Mk.,  ein  2.  Diener  1155  Mk.,  Erhöhung  der  Real¬ 
exigenz  5000  Mk.  Zur  Erhöhung  der  Realexigenz  der  medizinischen 
Klinik  ?700  Mk.  Für  die  otiatrische  Klinik,  Erhöhung  der  Realexigenz, 
Assistent  und  Diener  8262  Mk.,  ebenso  für  die  rhino-laryngologische 
Poliklinik  und  dermatologische  Klinik  6600  Mk.  Für  das  zahnärzt¬ 
liche  Institut,  Erhöhung  des  Realetats  4576  Mk.,  einmaliger  Zuschuss 
für  bauliche  Bedürfnisse  und  innere  Einrichtung  3215  Mk.  — 
Erlangen.  Für  die  medizinische  Klinik  (Assistent  und  Diener) 
2340  Mk  •  für  die  Frauenklinik  zur  Erhöhung  des  Realetats  18  750  Mk., 
ferner  für  einen  Assistenten,  Verwalter  und  Heizer  4170  Mk.,  für  bau¬ 
liche  Aenderungen  und  Ergänzung  des  Inventars  23  425  Mk.  Für  die 
chirurgische  Klinik  zur  Erhöhung  des  Realetats  4500  Mk.,  für  einen 
Diener  1110  Mk.;  für  die  orthopädische  Klinik  zum  Anbau  und  zur 
Einrichtung  eines  Turnsaals  für  orthopädische  Behandlung  10  000  Mk., 
für  einen  Assistenten  II.  Ordnung  1710  Mk.,  zur  unentgeltlichen  Ver¬ 
pflegung  bedürftiger  Patienten  3000  Mk.  Zur  Erhöhung  des  Realetats 
des  pharmakologisch-poliklinischen  Instituts  1000  Mk.  Zuschuss  an 
das  physiologische  Institut  zur  Anschaffung  von  Apparaten  und 


Bibliothekwerken  1750  Mk. 

Im  ausserordentlichen  Budget  werden  verlangt:  Für  die  Neu¬ 
fassung  der  Heilquellen  in  Brückenau,  Steben  und  Bocklet  200  000  Mk. 
Für  bauliche  Adaptierungen  im  pathologischen  Institut  der  Universität 
Würzburg  177  187  Mk.  Für  den  Neubau  eines  Poliklinikgebäudes  in 
München,  II.  und  letzte  Rate  1  500  000  Mk.  (die  I.  Rate  betrug 
600  000  Mk.);  für  innere  Einrichtung  dieses  Neubaues  770  000  Mk. 
Für  Erbauung  eines  die  Universitätskliniken  und  die  Krankenhäuser 
für  die  städtischen,  juliusspitälischen  und  klinischen  Kranken  um¬ 
fassenden  Krankenhauses  in  Würzburg,  I.  Rate,  500  000  Mk. 


Ueber  den  dringend  nötigen,  nach  Ueberwindung  vieler  Schwie¬ 
rigkeiten  der  Verwirklichung  endlich  nahe  genickten  Neubau  de  i 
W ürzburger  Kliniken  besagen  die  Erläuterungen  zum  Etat 

folgendes: 

Die  Erbauung  eines  neuen  Krankenhauses  in  Würzburg  ist  so¬ 
wohl  für  die  Universität  als  auch  für  die  Stadtgemeinde  und  die 
Juliusspitalstiftung  ein  vordringliches  Bedürfnis.  Zurzeit  sind  die 
Universitätskliniken  sowie  die  städtischen  und  die  auf  Kosten  der 
Stiftung  verpflegten  Kranken  im  Juliusspitale  untergebracht.  Die 
hygienischen  Verhältnisse  'in  diesem  Spitale  sind  aber  nach  fach¬ 
männischen  Gutachten  sehr  ungünstig  und  auch  der  Veibessening 
durch  bauliche  Massnahmen  etc.  nicht  fähig.  Es  ist  deshalb  die  Hei- 
stellung  von  neuen  Universitätskliniken  und  von  neuen  Kranken¬ 
häusern  für  die  städtischen,  juliusspitälischen  und  klinischen  Kianken 
ins  Auge  zu  fassen  Die  Baufrage  wird  in  allseitigem  Interesse  am 
zweckmässigsten  durch  Zusammenwirken  der  drei  beteiligten  Fak¬ 
toren  —  Universität  (Staat),  Stadt  und  Juliusspital  zu  lösen  sein. 


Ueber  die  wesentlichsten  Punkte  —  Gemeinsames  Zusammen¬ 
gehen,  Wahl  des  Bauplatzes  und  Beteiligung  an  der  Kostendeckung 
—  ist  bereits  grundsätzliche  Einigung  unter  diesen  drei  Faktoren  zu¬ 


stande  gekommen. 

Als  Bauplatz  ist  ein  im  Eigentume  des  Juliusspitales  stehendes 
Areal  von  12  ha  zwischen  der  Oberdürrbacher-  und  der  Versbachei  - 
Strasse  in  Aussicht  genommen,  welches  das  Juliusspital  um  den 
mässigen  Preis  von  4  Mk.  für  den  Quadratmeter,  sohin  um  480  000  Mk. 
abtreten  würde. 

Der  Magistrat  und  das  Gemeindekollegium  der  Stadt  Würzburg 
haben  sich  —  Beschlüsse  vom  31.  Juni  und  4.  Juli  1907  —  mit  dem 
Bauplatz,  dem  Preis  von  4  Mk.  pro  Quadratmeter  und  mit  der  Be¬ 
teiligung  an  den  Kosten  für  den  Grunderwerb  und  den  Neubau  nach 
Massgabe  der  Bettenzahl  (etwa  250)  für  die  städtischen  Kranken 
einverstanden  erklärt. 


Ebenso  hat  das  juliusspitälische  Oberpflegamt  unterm  21.  Juni  1.  J. 
seine  Bereitwilligkeit  kundgegeben,  von  dem  in  Aussicht  genommenen 
Areale  für  den  Neubau  12  ha  oder  mehr  um  den  Preis  von  4  Mk.  pro 
Quadratmeter  abzutreten,  sowie  an  den  Kosten  des  Grunderwerbs 
und  des  Neubaues  nach  Massgabe  der  Bettenzahl  für  die  julius¬ 
spitälischen  Kranken  (150)  sowie  unter  der  Voraussetzung  und  bis 
zu  dem  Masse  der  noch  festzustellenden  Leistungsfähigkeit  der  Julius- 
spitalstiftung  sich  zu  beteiligen. 

Die  Regierung,  Kammer  des  Innern,  von  Unterfranken  und 
Aschaffenburg  hat  biegegen  von  Kuratel  wegen  keine  Erinnerung 
erhoben. 


Damit  dürfte  eine  ausreichende  Grundlage  für  die  Postulierung 
einer  I.  Baurate  gegeben  sein. 

Die  übrigen,  noch  offenen  Fragen  —  Bettenzahl  für  die  klinischen 
Kranken,  Bausystem,  Bauprogramm,  Verteilung  der  Bau-  und  Be¬ 
triebskosten,  Organisation  der  Verwaltung  —  bedürfen  noch  weiterer 
Verhandlungen,  sollen  aber,  wenn  irgend  möglich,  bis  zui  Beratung 
des  Postulates  im  Landtage  bereift  werden. 

Als  erste  Rate  für  den  den  Staat  treffenden  Anteil  an  den  Kosten 
des  Grunderwerbs,  der  Vorarbeiten  und  der  ersten  Inangriffnahme 
des  Baues  ist  der  Betrag  von  500  000  Mk.  notwendig. 

Sollten  die  Verhandlungen  über  die  noch  offenen  Fragen  zu  keiner 
Einigung  führen  oder  nicht  rechtzeitig  bereift  werden  können,  so 
würde  nur  erübrigen,  das  Postulat  zurückzuziehen. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  7.  Oktober  1907. 


—  Nach  dem  Vorgang  der  bayerischen  Regierung  veranstaltet 
nun  auch  das  preuss.  Kultusministerium  statistische  Er¬ 
hebungen  über  die  Zahl  der  in  P  r  e  u  s  s  e  n  v  o  i  h  a  n  - 
denen  Krüppel  und  deren  geistige  und  körperliche  Pflege.  Auf 
Grund  der  hierdurch  gewonnenen  Erfahrungen  soll  erwogen  werden, 
ob  es  sich  empfiehlt,  die  Fürsorge  der  Krüppel,  die  zuizeit 
ausschliesslich  der  Privatwohltätigkeit  überlassen  ist,  ähnlich  wie  die 
der  Taubstummen  und  Blinden  den  Provinzialverbänden  zu  über¬ 
weisen.  Es  dürfte  dabei  neben  der  körperlichen  Pflege  auch  besonders 
die  Frage  des  Unterrichtes  und  der  Ausbildung  berücksichtigt  werden, 
um  den  Krüppeln  eine  eigene  Erwerbstätigkeit  zu  ermöglichen. 

_ Der  Magistrat  München  hat  den  mit  der  Abteilung  für 

freie  Arztwahl  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  München  abge¬ 
schlossenen  Vertrag,  durch  welchen  die  freie  Arz  t  w  a  h  1  bei 
der  Gemeindekrankenversicherung  eingefühlt  wurde, 
auf  1.  Januar  1908  gekündigt.  Die  zur  Prüfung  der  Verhältnisse  bei 
der  Gemeindekrankenversicherung  eingesetzte  Kommission  des  Magi- 
strats  wünscht  mit  der  Abteilung  für  freie  Arztwahl  in  Verhandlungen 
zu  treten,  um  Vorschläge  zu  erhalten,  wie  dem  Steigen  der  Ausgaben 
in  wirksamerer  Weise  als  bisher  entgegengetreten  werden  konnte. 
Um  bei  diesen  Verhandlungen  völlig  freie  Hand  zu  haben,  wurde  der 
bestehende  Vertrag  gekündigt.  Die  Kommission  hofft,  „eine  Lösung 
der  einschlägigen  Fragen  zu  finden,  welche  sowohl  den  berechtigten 
Wünschen  der  Aerzte  als  auch  den  Interessen  der  Kassenmitglieder 

und  der  Kasse  selbst  gerecht  wird“. 

—  Bei  Gelegenheit  des  internationalen  Hygienekongresses  in 
Berlin  fand  im  Kultusministerium  daselbst  unter  Vorsitz  des  Ge¬ 
heimen  Obermedizinalrat  Dr.  Dietrich  eine  Sitzung  des  Arbeits¬ 
ausschusses  des  Internationalen  Kongress  fiii  Ret¬ 
tung  s  w  e  s  e  n,  welcher  1908  in  Frankfurt  a.  M.  tagen  wird,  in 
Gemeinschaft  mit  ausländischen  Delegierten  statt.  Unter  diesen  sind 
zu  nennen:  Obersanitätsrat  Dr.  v.  Britto,  Kaiserlicher  Rat  Dr. 
Charas.  Wien,  Professor  Dr.  Gerulano  s-Athen,  Dr.  A.  L  a  nt  s- 
heere- Brüssel,  Dr.  Ma  m  y  -  Paris,  Direktor  Tolman- New  York 
u.  a.  Es  wurde  besonders  über  die  Einteilung  des  Kongresses,  sowie 
über  die  mit  ihm  verbundene  Ausstellung  von  Krankenwagen  und 
Krankenbeförderungsmitteln  lebhafte  Erörterung  geführt  an  welcher 
sich  die  Herren  Geheimer  Regierungsrat  Freiherr  v.  Stein,  Pro¬ 
fessor  Dr.  George  Meyer,  Sanitätsrat  Dr.  S.  Alexander,  Gent i  al- 
arzt  Dr.  D  ii  m  s,  Professor  M  a  n  e  s  usw.  beteiligten. 

—  Cholera.  Russland.  Nach  den  Ausweisen  im  „Regierungs¬ 
boten“  sind  am  18..  19.  und  20.  September  in  Russland  noch  104— i00 

_ 74t  zusammen  278  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  und  43—55 

— 37,  insgesamt  135  der  Cholera  erlegen,  nachdem  vom  11.  bis  17.  Sep¬ 
tember  im  ganzen  1165  Personen  erkrankt  und  588  der  Seuche  ei- 
legen  waren  —  China.  In  der  internationalen  Niederlassung  von 
Shanghai,  welche  angeblich  von  510  000  Chinesen  und  13  700  Nicht¬ 
chinesen  bewohnt  wird,  sind  vom  11.  bis  25.  August  340  Chinesen 
der  Cholera  erlegen  und  7  Nichtchinesen,  darunter  „  Deutsche,  an 
der  Cholera  erkrankt;  scheinbar  begann  die  Krankheit  etwas  nach- 
z ulassen.  Von  den  beiden  Schiffsoffizieren,  welche  in  1  aku  erkrankt 
waren,  ist  zufolge  einer  Mitteilung  vom  28.  August  der  eine  gestorben. 
In  den  Niederlassungen  der  Fremden  zu  Tientsin  waren  bis  zum 
28.  August  vereinzelte  Cholerafälle,  aber  nur  bei  Chinesen  voige- 


ommen^est.  Aegypten.  Vom  14.  bis  21.  September  sind  in  Ale¬ 
xandrien  noch  8  Personen  an  der  Pest  erkrankt  und  4  Pesttodesfälle 
vorgekommen;  ausserdem  wurden  aus  ganz  Aegypten  in  der  be- 
zeichneten  Woche  nur  noch  2  Pestfälle  gemeldet.  —  Bntisch-Ost- 
indien.  Vom  11.  bis  17.  August  sind  in  ganz  Indien  3837  Erkrankungen 
(und  2778  Todesfälle)  gemeldet.  In  Kalkutta  starben  vorn  F\  ms 
24.  August  7  Personen  an  der  Pest.  —  Hongkong.  \  om  30.  Juni  ns 
3.  August  wurden  in  der  Kolonie  83  Pesterkrankungen  (davon  J7  in 
der  Stadt  Viktoria)  und  82  Todesfälle  festgestellt.  —  Britisch  Süd¬ 
afrika.  Während  der  am  24.  August  abgelaufenen  Woche  wurden 
aus  der  Umgebung  von  King  Willms  Town  3  Pestfalle  gemelde  , 
welche  sich  als  Fälle  von  Lungenpest  erwiesen.  Der  Pest  erlegen  sind 
vom  5.  bis  21.  August  dort  angeblich  4  Personen. 


2068 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  41. 


—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  15.  bis 
21.  September  sind  22  Erkrankungen  (und  7  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  38.  Jahreswoche,  vom  15.  bis  21.  September  1907, 
hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Recklinghausen  mit  34,9,  die  geringste  Potsdam  mit 
5,0  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Masern  und  Röteln  in  Colmar  i.  E.,  an 
Diphtherie  und  Krupp  in  Elbing,  an  Unterleibstyphus  in  Spandau,  an 
Keuchhusten  in  Lübeck.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Giessen.  Ernannt  wurde  der  bisherige  o.  Professor  an  der 
Prager  deutschen  Universität  Dr.  med.  Otto  v.  Franque  zum 
ordentlichen  Professor  der  Gynäkologie  und  Geburtshilfe  und  Direktor 
der  Frauenklinik  an  der  Universität  Giessen  mit  Wirkung  vom  1.  Ok¬ 
tober  1907  ab.  (hc.) 

Heidelberg.  Geh.  Rat  Alfons  Edler  v.  Rosthorn  wurde 
zum  ordentlichen  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  an  der 
Universität  Wien  ernannt.  Er  wird  Heidelberg  Ende  des  Winter¬ 
semesters  verlassen.  —  Wie  hier  verlautet,  ist  der  Privatdozent  an 
der  hiesigen  Universität  und  klinischer  Assistenzarzt  bei  Geh.  Rat 
K  r  e  h  1  an  der  medizinischen  Klinik,  Dr.  med.  Alfred  Schwenken- 
becher,  zum  Nachfolger  des  Professors  de  la  Camp  auf  dem 
Extraordinariat  für  innere  Medizin  an  der  Universität  Marburg  in 
Aussicht  genommen,  (hc.) 

Königsberg  i.  Pr.  Dem  Privatdozenten  für  Chirurgie  und 
Oberarzt  der  chirurgischen  Klinik  der  Universität  Königsberg  i.  Pr. 
Dr.  med.  Alfred  S  tie  d  a  ist  der  Professortitel  verliehen  worden,  (hc.) 

Marburg.  Als  Nachfolge*  von  Geheimrat  Ahlfeld  erhielt 
Professor  W.  Stöckel  in  Greifswald  einen  Ruf  als  Direktor  der 
Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Marburg. 

Strass  bürg.  Zum  Oberarzt  an  der  chirurgischen  Klinik  der 
Universität  Strassburg  i.  Eis.  wurde  der  bisherige  I.  Assistent  Dr.  med. 
Emil  Altschüler  ernannt,  (hc.) 

(Todesfälle.) 

In  Berlin  starb  am  29.  v.  M.  Prof.  Dr.  med.  et  phil.  Robby 
Kossmann  im  Alter  von  58  Jahren  nach  schwerer  Krankheit  an 
den  Folgen  einer  Infektion,  die  er  sich  bei  Gelegenheit  einer  Operation 
zugezogen  hatte.  Ursprünglich  Zoologe,  habilitierte  er  sich  in  Heidel¬ 
berg  und  wurde  daselbst  zum  Professor  e.  o.  ernannt.  Später  wandte 
er  sich  der  Medizin  zu  und  siedelte  1894  nach  Berlin  über,  wo  er  sich 
der  Frauenheilkunde  widmete.  Durch  seine  reiche  Begabung,  sein 
vielseitiges  Wissen,  sein  reges  Interesse  an  allen  Fragen  des  Standes 
erwarb  er  sich  bald  eine  führende  Stellung  unter  den  Berliner  Aerzten. 
Er  war  stellvertretender  Vorsitzender  der  Berlin-Brandenburgischen 
Aerztekammer  und  Vorsitzender  der  Kurpfuschereikommission  dieser 
Kammer.  Sein  vorzeitiger  Tod  wird  allgemein  bedauert.  (Siehe 
auch  den  Nachruf  unseres  Berliner  Korrespondenten  im  Berliner  Brief 
dieser  Nummer). 

Am  16.  September  starb  zu  Washington  nach  längerer 
Krankheit  Dr.  James  C  a  r  r  o  1 1,  einer  der  bedeutendsten  ameri 
kanischen  Bakteriologen.  Mit  C  a  r  r  o  1 1  starb  das  letzte  noch 
überlebende  Mitglied  der  Kommission,  welche  von  der  Regierung  der 
Vereinigten  Staaten  nach  Cuba  gesandt  wurde,  um  das  gelbe  Fieber 
zu  studieren  und  welcher  es  gelang,  die  Uebertragungsweise  dieser 
Krankheit  durch  den  Moskito  zu  entdecken.  C  a  r  r  o  1 1  wunde  im 
Jahre  1854  in  England  geboren.  Nachdem  er  die  Albion  House 
Academy  in  Woolwich  absolviert  hatte,  kam  er  nach  Amerika  und 
studierte  Medizin  an  der  Maryland  Universität  in  Baltimore.  Nach 
Erlangung  der  Doktorwürde  trat  er  in  das  Sanitätskorps  der  Armee 
der  Vereinigten  Staaten  ein.  Der  verstorbene  Major  Reed  wusste 
seine  Fähigkeiten  und  seine  Schaffenskraft  gebührend  zu  würdigen. 
Mit  Reed  und  Lazear  ging  Car  roll  im  Jahre  1900  nach  Cuba. 
Obschon  die  Kommisson  nach  langen  und  sorgfältigen  Untersuchungen 
völlig  überzeugt  war,  dass  der  Moskito  das  gelbe  Fieber  auf  den 
Menschen  übertrage,  so  fehlte  doch  der  positive  Beweis  dafür. 
C  a  r  r  o  1 1  erbot  sich  diesen  Beweis  zu  liefern,  indem  er  sich  freiwillig 
von  einem  infizierten  Moskito  stechen  Hess.  Nach  einigen  Tagen  er¬ 
krankte  er  schwer  am  gelben  Fieber,  doch  seine  starke  Konstitution 
überstand  die  Krankheit,  während  Lazear,  der  fast  um  die  gleiche 
Zeit  zufällig  von  einem  infizierten  Moskito  gestochen  wurde,  der 
Krankheit  erlag.  Car  roll  wurde  erst  vor  kurzer  Zeit  in  Aner¬ 
kennung  seiner  Verdienste  um  die  Wissenschaft  vom  Kongress  der 
Vereinigten  Staaten  mit  Ueberspringung  des  Hauptmannsranges  zum 
Major  befördert.  Der  Verstorbene  war  ein  gewissenhafter  und 
enthusiastischer  Forscher  und  war  namentlich  mit  der  bakterio¬ 
logischen  Literatur  Deutschlands  wohl  vertraut.  Er  war  Professor 
der  Bakteriologie  an  der  militärärztlichen  'Schule  zu  Washington  und 
gab  Vorlesungen  über  Bakteriologie  und  Pathologie  an  der  Georg 
V  ashington  Universität.  Sein  Hinscheiden  wird  in  den  medizinischen 
Kreisen  Amerikas  tief  empfunden  werden.  .  A.  A  1 1  e  m  a  n  n. 

Dr.  Guiraud,  Professor  der  Hygiene  an  der  med.  Fakultät 
zu  Toulouse. 

Dr.  Fr.  C.  Markoe,  Professor  der  chirurgischen  Klinik  am  Col¬ 
lege  of  Physicians  and  Surgeons  zu  New  York. 

Dr.  J.  C.  Dünn,  früher  Professor  der  Materia  media  und  der 
Dermatologie  am  Western  Pennsylvania  Medical  College  zu  Pittsburg. 

Dr.  F.  B  r  a  n  c  h,  früher  Professor  der  Hygiene  an  der  University 
of  Vermont  zu  Burlington, 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Arend  Walter,  approbiert  1901, 
München.  Dr.  Hugo  Moos,  approbiert  1892,  München.  Dr.  Wolfgang 
Bergmann,  approbiert  1900,  München.  Dr  Laux  in  Rülzheim. 
Dr.  Ruf  in  Pirmasens  (Augenarzt).  Dr.  Max  Schwab,  appr.  1903, 
in  Nürnberg.  Dr.  Max  Strauss,  appr.  1902,  in  Nürnberg. 

Verzogen.  Dr.  Eduard  Frank  von  Arzberg  nach  Wunsiedel. 
Dr.  K  a  h  1  e  r  t  von  Wunsiedel  nach  Hof.'  Dr.  Hollaender  von 
Weissenstadt  nach  Arzberg.  Dr.  Heinr.  Bräutigam  von  Nürn¬ 
berg  nach  Engelthal  als  Leiter  der  Heilstätte. 

Gestorben:  Dr.  Mariano  Bamberger,  prakt.  Arzt  in 
Iffeldorf  und  Arzt  des  Krankenhauses  in  Staltach,  50  Jahre  alt. 


Korrespondenz. 

Eine  Festsetzung  der  Vergütungen  für  ärztliche  Dienstleistungen  auf 

dem  Verordnungswege. 

Im  Nachtrag  zu  seinem  Artikel  in  No.  37  schreibt  uns  Herr 
Dr.  Weber  noch  folgendes: 

B  u  r  g  h  a  s  1  a  c  h,  27.  Sept.  1907. 

„Der  Tarif  wurde  neuerdings  zur  Genehmigung  und  Anerkennung 
vorgelegt.  In  dieser  neuerlichen  Vorlage  wurde  geltend  gemacht, 
dass  der  Tarif  in  der  Generalversammlung  der  bayer.  Bahn-  und 
Kassenärzte  gutgeheissen  wurde.  Auch  eine  Reihe  von  drztlichen 
Bezirksvereinen  hätten  sich  mit  dem  Tarif  einverstanden  erklärt. 

Was  die  Bahn-  und  Kassenärzte  betrifft,  so  bemerke  ich,  dass 
dieselben  ja  von  dem  Tarif  gar  nicht  betroffen  sind;  denn  diese  sind 
gegen  Pauschale  „angestellt“!  Der  Tarif  ist  nur  für  diejenigen  Aerzte 
bestimmt,  welche  diejenigen  Mitglieder  behandeln,  welche  auf  dem 
Lande  zu  weit  vom  fixierten  Kassenarzte  entfernt  wohnen,  als  dass 
derselbe  zur  Hilfeleistung  herangezogen  werden  könnte;  natürlich 
umfasst  der  Tarif  auch  Nothilfe,  wenn  der  Kassenarzt  nicht  augen¬ 
blicklich  zu  haben  ist.  Es  ist  also  unwiderlegt  geblieben,  dass  der 
Tarif  auf  dem  Wege  der  Verordnung  durch  den  Kassenvorstand  das 
Licht  der  Welt  erblickt  hat.  Wohl  sämtliche  Aerzte,  welche  mit  dem 
Tarif  beschenkt  wurden,  haben  die  die  ärztlichen  Hilfeleistungen  er¬ 
niedrigende  Beschneidung  der  Allerh.  Verordnung  vom  17.  Oktober 
1901  aus  dem  Tarif  gar  nicht  herausgelesen,  sonst  müsste  er  kurzer¬ 
hand  als  nicht  annehmbar  erklärt  worden  sein.  Nun  stützt  sich  die 
Kasse  auch  noch  auf  die  Annahme  durch  ärztliche  Bezirksvereine! 
Wir  haben  eine  Taxordnung,  wir  brauchen  keine  neue,  beschnittene 
Taxordnung,  deren  Annahme  uns  von  einer  Kasse  zugemutet  wird. 
Die  Postkrankenkasse  hat  ja  an  und  für  sich  das  unbestrittene  Recht, 
wie  alle  Krankenkassen,  auf  Berechnung  der  niedrigsten  Gebühr. 
Dass  diese  niedrigste  Gebühr  nicht  bloss  auf  dem  Verordnungs¬ 
wege,  sondern  auch  bei  der  Revision  der  Rechnung  auf  ein  unglaub¬ 
lich  niederes  Niveau  herabgedrückt  werden  kann,  habe  ich  bereits 
im  zweiten  Teile  meiner  Tarifveröffentlichung  (No.  37,  Seite  1831 
d.  W.)  an  einem  praktischen  Fall  dargetan. 

Ich  glaube,  mit  Vorstehendem  die  Notwendigkeit  dargetan  zu 
haben,  uns  mit  allen  Kräften  gegen  jedwede  Art  von  Uebergriffen 
auf  unsere  berechtigten  materiellen  Interessen  zu  wehren.“ 

Es  ist  in  der  Tat  eine  sonderbare  Zumutung  der  Postkranken¬ 
kasse,  von  Aerzten,  mit  denen  sie  in  keinerlei  Vertragsverhältnis 
steht,  für  die  aushilfsweise  Behandlung  ihrer  Kranken  eine  Ermässi- 
gung  der  Mindestsätze  der  Gebührenordnung  zu  verlangen.  Die  Kasse 
möge  doch  die  freie  Arztwahl  einführen!  Dann  werden  die  Aerzte 
wegen  einer  Ermässigung  mit  sich  reden  lassen.  Red. 


Uehersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  38.  Jahreswoche  vom  15.  bis  21.  September  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  11  (8*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  5  (4),  Kindbettfieber  1  ( — ),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  ( — 1,  Scharlach  —  (1),  Masern  u.  Röteln  1  ( — ),  Diphth.  u. 
Krupp  4  (— ),  Keuchhusten  1  (— ;,  Typhus  —  (— ).  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  ( — ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  3  ( — ),  Tuberkul.  d.  Lungen  20  (21),  Tuberkul.  and. 
Org.  6  (6),  Miliartuberkul.  1  (1).  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  4  (6), 
Influenza  —  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  3  (2),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  3  (2),  sonst.  Krankh.  derselb.  3  (3).  organ.  Herzleid.  11  (13), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  9  (5),  Gehirnschlag 
2  (10),  Geisteskrankh.  1  ( — ),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  4  (6),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  40  (38),  Krankh.  d.  Leber  3  (3),  Krankh.  des 
Bauchfells  —  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  (2),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  5  (6),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  18  (19), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  — (5),  Selbstmord —  (1),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  ( — ),  Unglücksfälle  2  (2),  alle  übrig.  Krankh.  5  (5). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  174  (173).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  16,5  (16,4),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  10,8  (11,3). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Beilage  zu  No.  41  der  Münehener  medizinischen  Wochenschrift. 


Amtsärztlicher  Dienst  im  Königreich  Bayern. 

(Reformvorschläge  zum  bayerischen  Medizinalwesen.) 


Leitsätze  zu  Ziffer  3  der  Tagesordnung  der  IV.  Landesversammlung 
des  Bayerischen  Medizinalbeamtenvereins  in  München. 

Erster  Abschnitt. 

Die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst. 

Geltende  Bestimmung:  K.  A.  V erordnung  vom  6.  hebruar 
1876,  die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  betr.  (G.V.B1.  b.  3JF). 

1.  Die  Anstellung  im  amtsärztlichen  Dienste  erfoidert  auch  jetzt 

noch  unbeschadet  der  neuen  „Prüfungsordnung  für  Aerzte  vom  28. 
Mai  1901“  das  Bestehen  einer  besonderen  Prüfung  für  den  ärzt¬ 
lichen  Staatsdienst.  _  ...  .  ...  . 

2.  Die  bisherigen  Bestimmungen  über  diese  Prüfung  bedürfen 

einer  Abänderung  hinsichtlich: 

a)  der  Zeit  der  Zulassung, 

b)  der  Vorbereitungskurse  und 

c)  der  Prüfung  selbst.  .. 

Zu  a*  Die  Zulassung  zur  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staats¬ 
dienst  möge  gleich  nach  Abschluss  des  praktischen  Jahres  bezw. 
Erteilung  der  ärztlichen  Approbation  gestattet  werden. 

Zu  b:  Die  Vorbereitungskurse  mögen  für  die  1  ru- 
fungskandidaten  obligatorisch  gemacht,  auf  4  Monate  bezw. 
ein  volles  Wintersemester  verlängert  und  so  ausgestaltet  wer¬ 
den  dass  für  alle  Zweige  der  künftigen  amtsärztlichen  Laufbahn  der 
Schwerpunkt  auf  eine  umfassende  praktische  Ausbildung  gelegt 

"*rd'Zu  c:  Die  beiden  schriftlichen  Prüfungsaufgaben  mögen 

künftig  in  Wegfall  kommen.  ......  D  .. 

Es  mögen  nur  eine  p  r  a  k  t  i  s  c  he  und  eine  mündliche  I  ru- 
fung  stattfinden,  welche  beide  am  Schlüsse  der  Vorbereitungskurse 
abgehalten  werden  und  sich  erstrecken  auf  die  Gebiete  dei  gericht¬ 
lichen  Medizin,  der  öffentlichen  Gesundheitspflege,  der  Psychiatrie 
und  der  Medizinalgesetzgebung. 

Hat  der  Kandidat  die  Prüfung  bestanden,  so  wird  ihm  ein  Zeugnis 
über  die  Befähigung  zur  Anstellung  im  ärztlichen  Staatsdienst  er¬ 
teilt  ohne  dass  die  erhaltenen  Noten  in  denselben  angegeben  werden. 

*Die  Prüfung  gilt  als  nichtbestanden,  wenn  die  Gesamtnote  IV 
oder  in  einem  der  vier  Prüfungsabschnitte  die  Note  ungenügend  er¬ 
teilt  wird.  Eine  einmalige  Wiederholung  der  gesamten  Prüfung  oder 
eines  Prüfungsabschnittes,  eventuell  aus  einem  der  viei  Prüfungs¬ 
fächer,  ist  zulässig. 


Zweiter  Abschnitt. 

Die  Qualifikation  der  approbierten  Aerzte. 

Geltende  Bestimmung:  Entschliessung  des  Kgl.  Staats¬ 
ministeriums  des  Innern  vom  1.  November  1880,  die  Qualifikation 
der  approbierten  Aerzte  betr.  (M.A.Bl.  Seite  373). 

Die  bisherigen  Bestimmungen  dürften  im  wesentlichen  beizu¬ 
behalten  sein,  eine  Abänderung  wird  in  folgenden  Punkten  voi ge¬ 
schlagen:  . ,,  ,  t  „  ,  , 

1.  Die  erstmalige  grundlegende  Qualifikation  erfolgt  am  Ende  dei 

Vorbereitungskurse. 

2.  Von  der  Qualifikation  sind  diejenigen  Aerzte  auszunehmen, 
welche  das  50.  Lebensjahr  bereits  zurückgelegt  haben. 

3.  Bei  den  Notenabstufungen  möge  den  Ausgangspunkt  für  die 
Beurteilung  der  Qualifikanden  nicht  die  Note  III,  sondern  ebenso,  wie 
bei  der  Qualifikation  der  Amtsärzte  und  der  übrigen  Staatsbeamten, 

die  Note  II  bilden.  ,  ,  , 

4.  Die  Erstattung  von  Jahresberichten  möge  erlassen  bezw.  aut 
öffentlich  angestellte  Aerzte  beschränkt  werden.  Soferne  schriftliche 
Berichte  behufs  der  Qualifikation  beibehalten  werden  sollten,  möge 
bestimmt  werden,  dass  in  mehrjährigen  Zwischenräumen  vorzu¬ 
legende  wissenschaftliche  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  Staatsarznei¬ 
kunde  (gerichtliche  Medizin,  öffentliche  Gesundheitspflege,  forense 
Psychiatrie  oder  Irrenwesen,  Medizinalgesetzgebung  oder  Medizinal¬ 
statistik)  als  den  Jahresberichten  gleichwertig  erachtet  werden. 

Dritter  Abschnitt. 

Beschäftigung  der  staatsärztlich  geprüften  Aerzte  und  amtsärztliche 

Fortbildungskurse. 

1.  Als  Assistenzärzte  der  Bezirks-  und  Landgerichtsärzte,  sowie 
als  bezirksärztliche  Stellvertreter  mögen  nur  solche  Aerzte  aufgestellt 
werden,  welche  die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  bestan¬ 
den  haben. 


2.  Die  K.  Staatsregierung  möge  eine  Entschliessung  erlassen,  dass 
auch  bei  der  Besetzung  sonstiger  öffentlicher,  staatlicher  oder  städti¬ 
scher  Stellen,  so  z.  B.  der  Bahnärzte,  der  Leichenschauer,  der  Stadt- 
und  Polizeiärzte,  sowie  der  Schul-  und  Armenärzte,  die  staatsaizt- 
lich  geprüften  Aerzte  in  erster  Linie  zu  berücksichtigen  seien. 

3.  Dieselben  mögen  auch  vorzugsweise  als  zweite  Aerzte  bei  den 
gerichtlichen  Leichenöffnungen  zugezogen  werden,  soweit  hiemit 
nicht  die  Assistenzärzte  der  Landgerichtsärzte  betraut  sind. 

Sic  mögen  auch  als  Stellvertreter  beurlaubter  oder  erkiankter 
Landgerichts-  und  Bezirksärzte,  sowie  als  Verweser  erledigter  amts¬ 
ärztlicher  Stellen  verwendet  werden,  soweit  nicht  eine  gegenseitige 
Geschäftsaushilfe  der  Amtsärzte  stattfindet. 

4.  Die  Fortbildungskurse  für  staatsärztlich  geprüfte  Aerzte  und 
Amtsärzte,  welche  bisher  nur  als  14  tägige  bakteiiologische  Kuise 
stattfanden,  mögen  in  der  Richtung  erweitert  werden,  dass  staat¬ 
liche  Aversalbeträge  für  dreiwöchentliche  Kurse,  und  zwar  ge¬ 
trennt  für  gerichtliche  Medizin  und  forense  Psychiatrie  einerseits, 
Medizinalverwaltung  und  öffentliche  Gesundheitspflege  andererseits 

bewilligt  werden.  .  ,  ...  ,  ,  , 

Ausserdem  mögen  staatliche  Beihilfen  gewährt  werden  zum  be¬ 
sonderen  Studium  in  gerichtlich-medizinischen,  hygienischen  und 
psychiatrischen  Instituten,  auch  zur  Teilnahme  an  sonstigen,  für  die 
Amtsärzte  wichtigen  Fortbildungskursen,  sowie  zum  Studium  hygie¬ 
nischer  Einrichtungen. 


Vierter  Abschnitt. 

Die  nicht-pragmatischen  amtsärztlichen  Stellen. 

I.  Physikatsassistenten. 

1.  Bei  den  grösseren  bezirksärztlichen  und  landgerichtsärztlichen 
Stellen,  bei  denen  zwar  ein  Bedürfnis  für  eine  ärztliche  Hilfskraft  vor¬ 
liegt,  jedoch  die  Aufstellung  eines  weiteren  pragmatischen  Amtsarztes 
noch  nicht  notwendig  erscheint,  mögen  Assistenzärzte  in  der  erforder¬ 
lichen  Anzahl  aufgestellt  werden,  soweit  dies  nicht  bereits  der 
bäll  ist. 

Unter  den  gleichen  Voraussetzungen  können  auch  den  Kreis¬ 
medizinalräten  Assistenzärzte  als  Hilfsarbeiter  beigegeben  werden. 

2.  Ihre  Anstellung  erfordert  das  Bestehen  der  Prüfung  für  den 

ärztlichen  Staatsdienst  und  erfolgt  durch  das  zuständige  Staats¬ 
ministerium.  ...  ,  .  , 

3.  Denjenigen  Assistenzärzten,  die  grössere  und  umfangreichere 
Stellungen  mit  mehr  selbständiger  Dienstestätigkeit  versehen,  möge 
nach  mehrjähriger  befriedigender  Dienstzeit  Pensionsberechtigung 
verliehen  werden. 


II. 


Bezirksärztliche  Stellvertreter. 


Geltende  Bestimmungen:  K.  A.  Verordnung  vom  3,  Sep- 
ember  1879,  den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwal- 
ungsbehörden  betr.,  §§  4,  6 — 8  (G.V.B1.  S.  1081).  Dienst-  und  Hau s- 
irdnung  für  die  Gerichtsgefängnisse  vom  10.  April  1883,  SS  W—M. 
-  K  A  Verordnung  vom  21.  Juli  1884,  die  Vergütung  für  die  gefang- 
lisärztliche  Tätigkeit  der  bezirksärztlichen  Stellvertreter  betr. 
G.V.B1.  S.  443).  —  K.  A.  Verordnung  vom  17.  Dezember  1899,  den 
Vollzug  des  Impfgesetzes  betr.,  §  3  (G.V.Bl.  S.  1049). 

1.  Der  bezirksärztliche  Stellvertreter  möge  nicht  nur  für  drin¬ 
gende' amtliche  Geschäfte,  welche  die  Beiziehung  des  auswärts  woh¬ 
lenden  Bezirksarztes  I.  Klasse  nicht  gestatten,  sondern  als  der 
3  r  deutliche  öffentliche  Arzt  für  das  Amtsgericht 
aufgestellt  und  verpflichtet  werden.  ......  ~ 

Dementsprechend  obläge  ihm  „die  Besorgung  der  ärztlichen  Ge¬ 
schäfte  in  Rechtssachen  bei  dem  Amtsgerichte“  (Straf-  und  Zivil¬ 
sachen),  wie  dies  für  die  Bezirksärzte  I.  und  II.  Klasse  vorgesehen 
war,  und  die  Besorgung  des  gefängnisärztlichen  Dienstes. 

Ausserdem  bleibt  er,  wie  bisher,  der  zuständige  Impfarzt 
des  Impfbezirkes  und  kann  auch  zu  dringenden  amt glichen 
Verwaltungsgeschäften  herangezogen  wei den,  welche  die 
Beiziehung  des  auswärts  wohnenden  Bezirksarztes  I.  Klasse  nie  lt 

^^Entsprechend  seiner  Hauptbeschäftigung  möge  der  bisherige  un¬ 
zutreffende  Titel  in  den  als  „Amtsgerichtsarzt  umgeandert 

werde”.  bezirksärztlichen  Stellvertreter  erfordert 

das  Bestehen  der  Pridung  für  den  ärztl ichen  Staats,  „nc erfote 
durch  das  Staatsministerium  der  Justiz  im  Benehmen  mit  dem  des 

Innern. 


2070 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  41. 


Sie  unterstehen  bezüglich  des  gerichts-  und  gefängnisärztlichen 
Dienstes  dem  Staatsministerium  der  Justiz,  im  übrigen  dem  Staats¬ 
ministerium  des  Innern. 

hur  ihre  amtliche  Tätigkeit  möge  eine  Dienstanweisung  er¬ 
lassen  werden. 

Tür  ihre  dienstliche  Korrespondenz  möge  Portofreiheit,  wie  für 
die  der  Bezirks-  und  Landgerichtsärzte  gewährt  werden. 

Sie  mögen  ein  jährliches  Regieaversum  zur  Haltung  der  für  ihren 
Dienst  benötigten  Amtsblätter  und  Literalien  erhalten. 

3.  Ihre  Vergütung  bemisst  sich: 

a)  für  die  amt s gerichtliche  Tätigkeit  nach  den  Vor¬ 
schriften  der  K.  A.  Verordnung  vom  17.  November  1902,  Gebühren 
für  ärztliche  Dienstleistungen  bei  Behörden  betr. 

b)  für  die  gefängnisärztliche  Tätigkeit  nach  den 
Vorschriften  der  K.  A.  Verordnung  vom  21.  Juli  1884  mit  der  Mass- 
gabe,  dass  unter  Abänderung  des  §  1  für  die  Behandlung  der  kranken 
Gefangenen  die  Bestimmungen  der  K.  A.  Verordnung  vom  17.  Oktober 
1901,  ärztliche  Gebühren  betr.,  gelten  mögen. 

c)  für  die  Vornahme  der  öffentlichen  Impfungen 
nach  den  Vorschriften  der  K.  A.  Verordnung  vom  30.  April  1875, 
den  Vollzug  des  Impfgesetzes,  hier  die  Bestreitung  der  Impfkosten 
betr. 

d)  für  die  Vornahme  amtlicher  Verwaltungs¬ 
geschäfte  nach  den  Vorschriften  der  K.  A.  Verordnung  vom 
17.  November  1902,  Gebühren  für  ärztliche  Dienstleistungen  bei  Be¬ 
hörden  betreffend. 

An  Stelle  der  Gebühren  unter  a,  b  und  d  kann  ein  festes  Jahres- 
aversum  in  entsprechender  Höhe  festgesetzt  werden,  womit  die  Ver¬ 
pflichtung  zur  Leistung  jeweils  bestimmter  verwaltungsärztlicher 
Geschäfte  verbunden  werden  kann. 

4.  Wo  es  nach  der  Grösse  des  Amtsgerichtsbezirkes,  sowie 
nach  dem  Umfange  der  Dienstgeschäfte  veranlasst  und  gerechtfertigt 
erscheint,  möge  ihnen  nach  mehrjähriger  befriedigender  Dienstzeit 
Pensionsberechtigung  verliehen  werden. 

5.  Die  K.  Staatsregierung  möge  darauf  hinwirken,  dass  ihnen  der 
ärztliche  Dienst  im  Distriktskrankenhause,  sowie  sonstige  öffentliche 
Stellungen  (Leichenschau,  Schulärzte  usw.)  übertragen  werden. 

Fünfter  Abschnitt. 

Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Strafanstalten. 

Geltende  Bestimmungen:  Gehaltsregulativ  für  die  pragma¬ 
tischen  Staatsdiener  vom  11.  Juni  1892  (G.V.B1.  S.  209).  —  Ent- 
schliessung  des  K.  Staatsministeriums  der  Justiz  vom  13.  Februar 
1903,  die  Anstellungsverhältnisse  der  bayerischen  Strafanstaltsärzte 

betr. 

1.  Der  Anfangsgehalt  möge  bei  allen  Strafanstaltsärzten 
in  gleicher  Höhe  normiert  und  dem  des  Hausarztes  am  Zellengefäng¬ 
nisse  Nürnberg  gleichgestellt  werden. 

2.  Die  Pragmatik  möge  nicht  erst  nach  einer  verschieden 
langen  Dienstzeit,  sondern  gleich  mit  der  Anstellung  als  Strafanstalts¬ 
arzt  gewährt  werden. 

3.  Zum  Ausgleiche  der  Verschiedenheiten  bei  den  einzelnen 
Strafanstalten  und  zur  Erreichung  einer  dem  Dienstumfange  ange¬ 
messenen  Besoldung  mögen  den  Strafanstaltsärzten  ausser  den  ..nicht- 
pragmatischen  Gehaltszulagen“  nichtpensionsfähige  Nebenein¬ 
kommen  gewährt  werden : 

a)  bei  grösserer  Ortsentfernung  der  Strafanstalt  von 
der  Wohnung  des  Strafanstaltsarztes  eine  Entschädigung  der  Aus¬ 
lagen  für  Beförderungsmittel; 

b)  bei  der  Führung  einer  eigenen  Hausapotheke  eine  Ent¬ 
schädigung  für  die  damit  verbundene  Mühewaltung; 

c)  bei  denjenigen  Strafanstalten,  welche  durch  den  grossen 
Umfang  des  Dienstes  die  volle  Arbeitskraft  des  Anstalts¬ 
arztes  beanspruchen  oder  durch  ihre  exponierte  Lage  Neben¬ 
einkünfte  aus  der  Privatpraxis  unmöglich  machen,  eine  Dienstes¬ 
zulage  in  entsprechender  Höhe. 

4.  Zur  Vermeidung  von  Verwechslungen  möge  die  bisherige 
amtliche  Bezeichnung  der  Dienststellung  als  „Bezirksarzt 

I.  Klasse“  sachgemäss  abgeändert  werden  in  die  als  „Strafanstalts¬ 
arzt“  oder  „Hausarzt  bei  dem  Zuchthause  (der  Gefangenenanstalt) 

N.  N.“.  Hiebei  möge  jedoch  ausgesprochen  werden,  dass  die  Straf¬ 
anstaltsärzte  im  Range  den  Bezirks-  und  Landgerichtsärzten  gleich¬ 
stehen. 

5.  Der  Uebertritt  in  den  bezirks-  und  land¬ 
gerichtsärztlichen  Dienst  möge  den  Strafanstaltsärzten 
offen  stehen  und  keinesfalls  erschwert  werden. 

(Bezüglich  der  Gewährung  eines  Regieaversums,  der  Ent¬ 
schädigung  für  die  Kosten  der  Urlaubsstellvertretung  siehe  unten 
achten  Abschnitt,  V  und  VIII.) 

Sechster  Abschnitt. 

Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Gerichtsbehörden. 

I.  Förderung  der  gerichtlich-medizinischen  Wis¬ 
senschaft  und  praktische  Ausbildung  in  derselben. 

L  Fs  mögen  an  den  3  Landesuniversitäten  gerichtlich - 
medizinische  Institute  errichtet  werden. 


Dieselben  sollen  dienen: 

a)  zur  Förderung  der  gerichtlich-medizinischen  Wissenschaft; 

b)  zur  Vornahme  der  in  den  Universitätsstädten  anfallenden  ge¬ 
richtlichen  Leichenöffnungen  und  der  schwierigeren  gerichtlich-medi¬ 
zinischen  Untersuchungen,  auch  aus  den  zugewiesenen  Oberlandes¬ 
gerichtsbezirken; 

c)  zur  praktischen  Ausbildung  der  Medizinstudierenden, 
zur  Abhaltung  der  Vorbereitungskurse  für  die  staatsärztliche  Prüfung, 
der  Fortbildungskurse  für  Staatsdienstaspiranten  und  Amtsärzte,  auch 
zum  Unterrichte  für  Juristen. 

2.  den  Lehrern  der  gerichtlichen  Medizin  möge  mit  Errichtung 
der  Institute  die  Stellung  von  ordentlichen  Universitäts¬ 
professoren  (4560  M.)  und  bis  dahin  der  Gehalt  ausserordent¬ 
licher  Universitätsprofessoren  (3180  M.)  gewährt  werden. 

II.  Medizinalkomitees  bei  den  Universitäten. 
Geltende  Bestimmungen:  K.  A.  Verordnung  vom  23.  August 
1843,  Reorganisation  der  Medizinalkomitees  betr.  (Reg.Bl.  S.  585).  — 
K.  A.  Verordnung  vom  29.  September  1878,  die  Vornahme  der  che¬ 
mischen  und  mikroskopischen  Untersuchungen  in  strafrechtlichen 
Fällen  betr.  (G.V.B1.  S.  435). 

1.  Die  Tätigkeit  der  Medizinalkomitees  möge  auf  die  Erstattung 
von  Obergutachten  in  wichtigen  straf-  und  zivilrechtlichen 
Fällen  beschränkt  werden. 

Die  mikroskopischen,  bakteriologischen,  chemischen  u.  dergl. 
Untersuchungen  mögen,  soweit  sie  nicht  von  den  Landgerichtsärzten 
selbst  betätigt  werden,  nicht  „durch  Vermittlung  der  Medizinal¬ 
komitees“  vorgenommen  werden,  sondern  direkt  den  jeweils  hierfür 
zuständigen  Instituten  (gerichtlich-medizinische,  bakteriologische  und 
hygienische,  pharmakologische  und  chemische  Institute)  zugewiesen 
werden,  wie  dies  bereits  bezüglich  der  Untersuchungsanstalten  für 
Nahrungs:  und  Genussmittel  verordnet  ist. 

2.  Die  Professoren  der  gerichtlichen  Medizin  mögen  als 
ordentliche  Beisitzer  der  Medizinalkomitees  ernannt  werden. 

III.  Allgemeine  Organisation  des  gerichtsärzt¬ 

lichen  Dienstes. 

Geltende  Bestimmungen:  K.  A.  Verordnung  vom  3.  Sep¬ 
tember  1879,  den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwal¬ 
tungsbehörden  betr.,  §§  1,  2  und  11  (G.V.B1.  S.  1081). 

1.  Die  bisherige  Trennung  des  land  gerichts  ärzt¬ 
lichen  Dienstes  vom  bezirksärztlichen  möge  beibehalten  und 
auch  da,  wo  dies  noch  nicht  der  Fall  ist  (Rheinpfalz  und  Aschaffen¬ 
burg)  durchgeführt  werden. 

2.  Die  Landgerichtsärzte  mögen  in  den  Etat  des  Staats- 
ministerlums  der  Justiz  übergeführt  werden. 

3.  Es  möge  im  Staatsministerium  der  Justiz  ein 
Medizinalreferent  mit  dem  Range  eines  Obermedizinalrates 
aufgestellt  werden. 

Seine  Aufgaben  wären:  Die  Erstattung  sachverständiger  Gut¬ 
achten  in  allgemeinen  gerichtlich-medizinischen  Angelegenheiten  und 
von  Obergutachten  in  Sachen  des  Strafvollzugs  und  der  Begnadigung, 
sowie  in  sonstigen-  Justizverwaltungsangelegenheiten, 

das  Personalreferat  über  die  Landgerichts-  und  Amtsgerichts¬ 
ärzte,  sowie  die  Strafanstaltsärzte, 

die  gesundheitliche  Oberaufsicht  über  die  Gerichtsgefängnisse 
und  Strafanstalten,  sowie  die  Wahrnehmung  der  Hygiene  des  Straf¬ 
vollzugs. 

IV.  Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Landgerichten. 
Geltende  Bestimmungen:  K.  A.  Verordnung  vom  3.  Sep¬ 
tember  1879,  den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwal¬ 
tungsbehörden  betr.,  §§  1  und  2  (G.V.B1.  Seite  1081).  Gehaltsregulativ 
für  die  pragmatischen  Staatsdiener  vom  11.  Juni  1892  (G.V  Bl 

Seite  209). 

Im  öffentlichen  und  dienstlichen  Interesse  liegt  es,  den  Land¬ 
gerichtsärzten  eine  vollbeschäftigte  und  vollbesoldete 
Amtsstellung  zu  geben  und  sie,  soweit  irgend  tunlich,  von  der 
Privatpraxis  unabhängig  zu  machen  bezw.  loszulösen. 

Dies  lässt  sich  erreichen 

a)  durch  sachentsprechende  Gestaltung  ihrer  Dienstesaufgaben, 

b)  durch  Erhöhung  ihres  Gehaltes  und  durch  Schaffung  von  Vor¬ 
rückungsstellen. 

Zu  a):  Der  Landgerichlsarzt  sollte  in  seinem  Landgerichts¬ 
bezirke  zu  allen  gerichtlichen  Sektionen  als  „Gerichts¬ 
arzt“  (St.P.O.  §  87)  beigezogen  werden. 

Ihm  sei  auch  der  ärztliche  Dienst  bei  dem  Amts¬ 
gerichte  seines  Amtssitzes  und  der  g  e  f  ä  n  g  n  i  s  ä  r  z  1 1  i  c  h  e 
Dienst  bei  dem  land-  bezw.  amtsgerichtlichen  Gefängnisse  seines 
Amtssitzes  zu  übertragen. 

Ferner  sollte  er,  soweit  er  hierzu  ausgerüstet  ist,  mikro¬ 
skopische,  bakteriologische  u.  dergl.  Unter¬ 
suchungen  selbst  vornehmen. 

Auch  sollte  er  im  grösseren  Umfange  als  bisher  schon  im  Er¬ 
mittlungsverfahren  und  während  der  Voruntersuchung  (Augenscheins¬ 
einnahme  bei  Auffindung  von  Leichen,  Vernehmung  von  Angeschuldig- 


8.  Oktober  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2071 


ten,  Zeugen  und  Sachverständigen  etc.)  als  Sachverständiger  bei¬ 
gezogen  wenden. 

Bei  grösseren  Landgerichten  möge  ihm,  soweit  nicht  die  Auf¬ 
stellung  eines  weiteren  Landgerichtsarztes  notwendig  ist,  zur  Er¬ 
ledigung  der  Dienstesaufgaben  ein  Assistenzarzt  (erforderlichen 
Falles  mehrere)  beigegeben  werden.  Derselbe  hat  die  ihm  über¬ 
wiesenen  Dienstgeschäfte  unter  Aufsicht  des  Landgerichtsarztes  aus¬ 
zuführen  und  ist  als  zweiter  Arzt  bei  den  gerichtlichen  Leichen¬ 
öffnungen  in  dem  Landgerichtsbezirke  seines  Amtssitzes  beizuziehen. 

Den  Landgerichtsärzten  sollte  in  den  Landgerichtsgebäuden  ein 
entsprechend  ausgestattetes  Amtszimmer  bereit  gestellt  werden. 

Es  möge  eine  Dienstanweisung  für  die  Landgerichts¬ 
ärzte  einschliesslich  der  neuen  Vorschriften  für  die  gerichtlichen 
Untersuchungen  menschlicher  Leichen  erlassen  werden. 

Zu  b):  Der  Gehalt  der  Landgerichtsärzte  (Anfangsgehalt 
2340  M.),  entspricht  schon  jetzt  bei  weitem  nicht  den  Anforderungen 
der  Stellung  und  dem  Umfange  des  Dienstes.  Eine  prozentuarische 
Erhöhung  des  Gehaltes,  gleichmässig  mit  den  übrigen  Staatsbeamten, 
erscheint  daher  nicht  als  genügend  und  es  dürfte  eine  völlige  Neu¬ 
regulierung  des  Gehaltes  vorgenommen  werden. 

Bei  dem  stetigen  Anwachsen  der  Amtsgeschäfte  und  der  Erweite¬ 
rung  der  Dienstesaufgaben  möchte  es  gerechtfertigt  erscheinen,  die 
Landgerichtsärzte  im  Gehalte  den  Landgerichtsräten  (3720  M.) 
gleichzustellen. 

Auch  dürfte  in  Erwägung  zu  ziehen  sein,  ob  ihnen  nicht,  ebenso 
wie  den  Richtern,  bei  der  Pensionierung  vor  dem  70.  Lebensjahre 
der  volle  Gehalt  zu  gewähren  sei. 

Die  Besorgung  des  gefängnisärztlichen  Dienstes  bei  grösseren 
Gerichtsgefängnissen  möge,  soweit  nicht  Assistenzärzte  damit  be¬ 
traut  sind,  wie  bisher  in  entsprechender  Höhe  besonders  honoriert 
werden. 

An  den  grössten  Landgerichten  (etwa  mit  einer  Einwohnerzahl 
von  mehr  als  250  000)  mögen  den  Landgerichtsärzten  Rang,  Titel  und 
Gehalt  von  Medizinalräten  (4920  M.)  gewährt  werden. 

V.  Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Amtsgerichten. 
Geltende  Bestimmung:  K.  A.  Verordnung  vom  3.  Sep¬ 
tember  1879,  den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Ver¬ 
waltungsbehörden  betr.  §§  1,  3 — 8.  (G.V.B1.  Seite  1081.) 

Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Amtsgerichten  wird  versehen: 

a)  an  den  Landgerichtssitzen  von  den  Landgerichtsärzten  (siehe 
sechster  Abschnitt  IV); 

b)  an  den  Bezirksamtssitzen,  bei  denen  sich  nicht  zugleich  ein 
Landgerichtsarzt  befindet,  von  den  Bezirksärzten  I.  Klasse  (siehe 
siebenter  Abschnitt  II,  5). 

c)  bei  den  übrigen  Amtsgerichten  von  den  Amtsgerichtsärzten 
(siehe  vierter  Abschnitt  II). 

Siebenter  Abschnitt. 

Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Verwaltungsbehörden. 

I.  Die  Medizinalreferate  beim  Kgl.  Staatsministe¬ 
rium  des  Innern  und  bei  den  Kreisregierungen. 

Geltende  Bestimmungen:  Gehaltsregulativ  für  die  prag¬ 
matischen  Staatsdiener  vom  11.  Juni  1892  (G.V.B1.  Seite  209).  — 
Kgl.  A.  Verordnung  vom  24.  Juli  1871,  den  Obermedizinalausschuss 
und  die  Kreismedizinalausschüsse  betr.  (Reg.Bl.  S.  1489).  —  Ent- 
schliessung  des  Kgl.  Staatsministeriums  des  Innern  vom  3.  August 
1902,  die  Verhandlungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1901  betr. 

1.  Dem  Obermedizinalrate  im  Kgl.  Staatsministerium  des  Innern 
(Anfangsgehalt  7020  Mk.)  möge  als  Vorriickungsstelle  nach  mehr¬ 
jähriger  Dienstzeit  die  Stellung  eines  Ministerialdirektors  (9000  Mk.) 
und  den  Kreismedizinalräten  (4920  Mk.)  die  Stellung  von  Oberregie¬ 
rungsräten  (6120  Mk.)  verliehen  werden. 

2.  In  den  Obermedizinalausschuss  mögen  zwei  Bezirksärzte  und 
ein  Landgerichtsarzt  als  ordentliche  Mitglieder  einberufen  werden. 

3.  Die  Sitzungsprotokolle  des  verstärkten  Obermedizinalaus¬ 
schusses  mögen  regelmässig  veröffentlicht  werden. 

II.  Der  ärztliche  Dienst  bei  den  Distriktsverwal¬ 

tungsbehörden. 

Geltende  Bestimmungen:  Organisches  Edikt  über  das  Me¬ 
dizinalwesen  vom  8.  September  1808.  Kgl.  A.  Verordnung  vom  8.  Sep¬ 
tember  1879,  den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwal¬ 
tungsbehörden  betr.  (G.V.B1.  S.  1081).  Gehaltsregulativ  für  die  prag¬ 
matischen  Staatsdiener  vom  11.  Juni  1892  (G.V.B1.  Seite  209). 

1.  Im  öffentlichen  und  dienstlichen  Interesse  liegt  es,  den  Be¬ 
zirksärzten  eine  vollbeschäftigte:  und  vollbesoldete 
Amtsstellung  zu  geben  und  sie,  soweit  irgend  tunlich,  von  der  Privat¬ 
praxis  unabhängig  zu  machen  bezw.  loszulösen,  damit  sie  ihre  Wirk¬ 
samkeit  als  staatliche  Gesundheitsbeamte  im  ganzen  Amtsbezirke  und 
nach  allen  Richtungen  hin  vollständig  erfüllen  können.  Dies  lässt  sich 
erreichen: 

a)  durch  entsprechende  Gestaltung  ihrer  dienstlichen  Stellung 
und  ihrer  amtlichen  Obliegenheiten; 

b)  durch  Erhöhung  ihres  Gehaltes  und  Schaffung  von  Vor¬ 
rückungsstellen. 


Zu  a)  dienstliche  Stellung  und  amtliche  Obliegen¬ 
heiten. 

1.  Die  amtliche  Verpflichtung  der  Bezirksärzte  zur  unentgelt¬ 
lichen  Behandlung  der  Armen  ihres  Bezirkes,  sowie  der  Gendarmerie¬ 
mannschaften  und  deren  Familien  möge  aufgehoben  werden  (die  gel¬ 
tenden  Bestimmungen  finden  sich  in  Beckers  Handbuch  der  Medi¬ 
zinalgesetzgebung,  Heft  V,  Seite  196  ff.,  52). 

2.  Entsprechend  der  sonstigen  Organisation  der  amtlichen  Stel¬ 
len  in  Bayern^  möge  am  Sitze  jeder  Distriktsverwaltungsbehörde  ein 
M e  d  i  z  i  n  aTa  m  t  errichtet  werden. 

Demselben  steht  der  Kgl.  Bezirksarzt  vor.  Bei  grösseren  Aem- 
tern  können  ihm  zur  Erledigung  der  Dienstesaufgaben  ein,  erforder¬ 
lichen  Falles  mehrere,  Assistenzärzte,  bei  besonders  grossem  Dienst¬ 
umfange  auch  ein  weiterer  Bezirksarzt  beigegeben  werden.  Dieselben 
haben  die  ihnen  überwiesenen  Dienstgeschäfte  unter  Aufsicht  des 
Amtsvorstandes  auszuführen. 

3.  Dem  Medizinalamte  können  mehrfache  dienstliche  Obliegen¬ 
heiten  zur  selbständigen  Behandlung  überwiesen  werden,  so 

z.  B. 

Die  Ausstellung  amtsärztlicher  Zeugnisse  und  Gutachten, 

die  An-  und  Abmeldung  der  approbierten  Aerzte, 

die  Dienstesaufsicht  auf  das  niederärztliche  Personal  (Bader 
und  Hebammen),  das  in  Apotheken  beschäftigte  Personal,  die  Leichen¬ 
schauer,  Desinfektoren  usw., 

die  Dienstesaufsicht  auf  den  Geschäftsbetrieb  der  Apotneken, 
Drogerien  und  Gifthandlungen, 

die  Ueberwachung  der  Kurpfuscher, 

die  Dienstesaufsicht  auf  die  öffentlichen  Krankenhäuser  und 
Privatheilanstalten,  die  Armenhäuser,  Versorgungs-  und  ähnliche 
öffentliche  Anstalten, 

die  Aufsicht  auf  die  ausserhalb  Anstalten  untergebrachten  Gei¬ 
steskranken,  Idioten,  Gebrechlichen  und  sonstigen  Hilfsbedürftigen, 
sowie  auf  die  Kostkinder. 

Ausserdem  obliegen  dem  Medizinalamte: 

a)  die  technische  Beratung  der  zuständigen  Behörden 
in  allen  Angelegenheiten  des  Gesundheitswesens; 

b)  die  Ueberwachung  der  gesundheitlichen  Ver¬ 
hältnisse  des  Amtsbezirkes  und  der  Durchführung  der 
Gesundheitsgesetzgebung  im  Benehmen  mit  den  zustän¬ 
digen  Behörden; 

c)  die  Stellung  von  Anträgen  zur  Beseitigung  wahrge¬ 
nommener  sanitärer  Mängel,  sowie  die  Anregung  geeigneter 
Vorschläge  zur  Förderung  des  Gesundheitswesens; 

d)  die  Anordnung  vorläufiger  Massnahmen  zur 
Abwehr,  Feststellung  und  Bekämpfung  gemeingefährlicher  und  über¬ 
tragbarer  Krankheiten. 

4.  Die  Tätigkeit  des  Medizinalamtes  sollte  sich  gleichmäs¬ 
sig  auf  den  ganzen  Umfang  des  Amtsbezirkes  er¬ 
strecken. 

Der  Bezirksarzt  möge  verpflichtet  werden,  soweit  angängig,  ge¬ 
meinschaftlich  mit  dem  Bezirksamtmann,  sämtliche  Gemeinden  seines 
Amtsbezirkes,  auch  ohne  besonderen  Anlass  in  periodischen  Zwi¬ 
schenräumen  (etwa  alle  5  Jahre)  auf  ihre  gesundheitlichen  Verhält¬ 
nisse  zu  besichtigen  (M  e  d  i  z  i  n  a  1  v  i  s  i  t  a  t  i  o  n  e  n).  Die  Besich¬ 
tigung  soll  sich  auf  alle  für  das  öffentliche  Gesundheitswesen  wich¬ 
tige  Verhältnisse  und  Einrichtungen  erstrecken  und  zur  Beseitigung 
sanitärer  Mängel  und  zur  Verbesserung  der  gesundheitlichen  Ein¬ 
richtungen  dienen. 

Bei  weiterer  Entfernung  des  auswärtigen  Amtsgerichtsbezirkes 
vom  Amtssitze  des  Bezirksarztes  möchte  es  sich  empfehlen,  ,  dass 
derselbe  in  gewisser  Regelmässigkeit  (je  nach  Bedarf  monatlich  oder 
in  grösseren  Zwischenräumen)  an  dem  auswärtigen  Amtsgerichts¬ 
sitze  A  m  t  s  t  a  g  e  abhält,  an  welchen  er  für  die  Gemeindeverwal¬ 
tungen,  Armenpflege  und  sonstigen  Behörden,  sowie  für  Private 
dienstlich' zu  sprechen  ist,  die  anfallenden  Untersuchungen  vornimmt 
und  auch  anderweitige  Amtsgeschäfte  damit  verbindet  (wie  z.  B. 
Apothekenvisitationen,  Besichtigung  von  Krankenhäusern,  Schulen, 
Neubauten  etc.,  Kostkindern,  Geisteskranken  u.  dgl.,  Prüfung  der  He¬ 
bammen  und  Desinfektoren  usw.). 

5.  Ausser  den  vorgenannten  verwaltungsärztlichen  Geschäften 
obliegt  dem  Bezirksarzte  an  denjenigen  Orten,  an  denen  nicht  zu¬ 
gleich  ein  Landgerichtsarzt  seinen  Sitz  hat,  wie  bisher  die  Besorgung 
des  ärztlichen  Dienstes  beim  Amtsgerichte  mit  Aus¬ 
nahme  der  gerichtlichen  Sektionen  (siehe  oben  sechster  Abschnitt, 
IV)  und  der  gefängnisärztliche  Dienst. 

6.  Es  möge  eine  Dienstanweisung  für  die  Medizinalämter 
erlassen  werden,  in  welcher  die  dienstliche  Stellung  der  Bezirksärzte, 
ihr  Verhältnis  zu  anderen  Behörden,  Privatpersonen  und  nichtbe¬ 
amteten  Aerzten,  sowie  Art  und  Umfang  ihrer  amtlichen  Obliegen¬ 
heiten  festgestellt  siryd. 

Zu  b)  Erhöhung  des  Gehalts  und  Schaffung  von  Vor¬ 
rückungsstellen. 

1.  Der  Gehalt  der  Bezirksärzte  (Anfangsgehalt  1980  M.)  ent¬ 
spricht  schon  jetzt  nicht  den  Anforderungen  der  Stellung  und  dem 
stets  sich  mehrenden  Umfang  der  Dienstesaufgaben.  Derselbe  sollte 
so  bemessen  werden,  dass  der  Bezirksarzt  seine  volle  Arbeitskraft 
dem  amtsärztlichen  Dienste  widmen  und  eine  pflichtmässige  Erfüllung 


No.  41. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


seiner  vielseitigen  Dienstesaufgaben  von  ihm  gefordert  werden  kann. 
Dine  prozentuarische  Gehaltserhöhung,  gleichmässig  mit  den  übrigen 
Staatsbeamten,  erscheint  daher  nicht  als  genügend,  es  dürfte  vielmehr 
eine  völlige  Neuregulierung  des  Gehaltes  vorgenommen  werden.  Bei 
dem  umfangreichen  Wirkungskreise  möchte  es  gerechtfertigt  er¬ 
scheinen,  die  Bezirksärzte  im  Gehalte  den  ausserordentlichen  Univer¬ 
sitätsprofessoren  (3180  M.)  gleichzustellen. 

Bei  den  grösseren  Amtsbezirken  möge  den  Bezirksärzten  Rang, 
Titel  und  Gehalt  von  Medizinalräten  (4920  M.)  verliehen 
werden. 

2.  Die  bisherigen  amtlichen  Nebeneinkommen  (Ge¬ 
bühren  für  die  öffentlichen  Impfungen,  für  Zeugnisse  und  Gutachten, 
sowie  bei  solchen  amtsärztlichen  Dienstleistungen,  für  welche  Private 
die  Kosten  zu  tragen  haben)  mögen  den  Bezirksärzten  auch  künftig 
verbleiben. 

Für  die  Vornahme  der  Medizinalvisitationen  der  Gemeinden  und 
die  Abhaltung  der  auswärtigen  Amtstage  mögen  Tagegelder  und  Er¬ 
satz  der  Reisekosten  bewilligt  werden,  soferne  hiefür  nicht  ein  jähr¬ 
liches  Aversum  oder  eine  Erhöhung  der  ständigen  Jahresremuneration 
,  (§  12  der  Kgl.  A.  Verordnung  vom  3.  September  1879,  den  ärztlichen 
Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwaltungsbehörden  betr.)  gewährt 
wird. 

3.  Die  Kgl.  Staatsregierung  möge  darauf  hinwirken,  dass  den  Be¬ 
zirksärzten  der  ärztliche  Dienst  im  Distriktsikrankenhause,  sowie 
sonstige  öffentliche  Stellungen,  an  Orten  mit  Leichenhäusern  auch  die 
zweite  Leichenschau  übertragen  werden. 

Achter  Abschnitt. 

Die  sonstigen  dienstlichen  Verhältnisse  der  Amtsärzte. 

1.  Verfahren  beider  Besetzung  der  amtsärztlichen 

Stellen. 

Geltende  Bestimmungen:  Entschliessungen  des  Kgl.  Staats¬ 
ministeriums  des  Innern  vom  7.  Mai  1866,  1.  Januar  1867,  24.  Sep¬ 
tember  1867,  2.  Februar  1868  und  13.  Januar  1881.  —  Kgl.  A.  Ver¬ 
ordnung  vom  24.  Juli  1871,  den  Obermedizinalausschuss  und  die  Kreis¬ 
medizinalausschüsse  betr.  (Reg.Bl.  Seite  1489). 

1.  Die  Pensionierung  der  Amtsärzte  möge,  soweit  angängig,  erst 
mit  einem  Zeitpunkt  in  Wirkung  treten,  bis  zu  welchem  der  Amts¬ 
nachfolger  ernannt  ist  oder  sein  kann. 

2.  Die  Besetzung  erledigter  Amtsarztstellen  möge  beschleunigt 
werden.  Dies  Hesse  sich  dadurch  erreichen, 

a)  dass  der  Bewerbungstermin  nicht  für  jede  einzelne  Erledi¬ 
gung  eigens  ausgeschrieben,  sondern  generell,  möglichst  kurz  (etwa 
10  Tage  vom  Tage  der  Erledigung  an  gerechnet)  festgestellt  wird, 

b)  dass  die  Bewerbungen  nicht  mehr  bei  den  Vorgesetzten  Kreis¬ 
regierungen,  sondern  direkt  bei  dem  zuständigen  Ministerium  ein¬ 
gereicht  werden, 

c)  dass  die  gutachtliche  Anhörung  der  Kreismedizinalausschüsse 
und  der  Kreisregierungen  unterbleibt.  (Soferne  überhaupt  ein  Vor¬ 
schlagsrecht  einer  ärztlichen  Kommission  beibehalten  werden  sollte, 
könnte  ein  engerer  Ausschuss  des  Obermedizinalausschusses  damit 
betraut  werden.) 

3.  Bei  der  Auswahl  der  Bewerber  möge  das  Hauptgewicht  nicht 

2. UI  uic  Ancienniteit,  sondern  auf  die  besondere  Befähigung  zu 
dem  erstrebten  Amte  gelegt  werden. 

II.  Diensteinweisung  und  Verpflichtung  der  Land¬ 

gerichts-  und  Bezirksärzte. 

Geltende  Bestimmung:  Entschliessung  des  Kgl.  Staatsmini¬ 
steriums  des  Innern  vom  17.  Januar  1881,  die  Diensteinweisung  und 
Verpflichtung  der  amtlichen  Aerzte  betr.  (M.A.B1.  Seite  17). 

1.  Mit  Ueberführung  der  Landgerichtsärzte  in  den  Justizetat 
möge  die  Uebernahme  und  Ausantwortung  der  Registratur  und  des 
Amtsinventars,  sowie  die  Verpflichtung  der  Landgerichtsärzte  durch 
die  Landgerichtspräsidenten  erfolgen. 

2.  Die  Verpflichtung  und  Diensteinweisung  der  Bezirksärzte  möge 
allgemein  durch  den  Kreismedizinalrat,  anstatt  durch  das  Bezirksamt 
vorgenommen  werden. 

III.  Rang,  Uniform  und  Auszeichnung  der  Amtsärzte. 

Ohne  Antrag. 

IV.  Qualifikation  der  Amtsärzte. 

Geltende  Bestimmung:  Entschliessung  des  Kgl.  Staatsmini¬ 
steriums  des  Innern  vom  23.  Juli  1901,  die  Qualifikation  der  Staats¬ 
beamten  im  Geschäftsbereiche  des  Kgl.  Staatsministeriums  des  In¬ 
nern  betr.  (M.A.B1.  Seite  351). 

Mit  Ueberführung  der  Landgerichtsärzte  in  den  Justizetat  ent- 
hcle  die  Qualifikation  derselben  durch  die  Krfcismedizinalausschüsse 
und  die  Kreisregierungen. 


V.  Regieaversu  m,  Amtsun'k  Ostenentschädigung  und 

Schreibgebühren. 

Geltende  Bestimmungen:  Entschliessung  des  Kgl.  Staats¬ 
ministeriums  des  Innern  vom  11.  August  1902,  die  Regieaversen  der 
Landgerichts-  und  Bezirksärzte  betr.  —  Entschliessung  des  Kgl. 
Staatsministeriums  des  Innern  vom  8.  Mai  1903,  Amtsblätter  der  Amts¬ 
ärzte  betr. 

1.  Das  Regieaversu  in  der  Landgerichts-  und  Bezirksärzte 
möge  auf  150  M.  erhöht  werden  zur  Bestreitung  der  Kosten  für  Amts¬ 
blätter,  Fachzeitschriften,  Instrumentarium  und  Registratur. 

Nach  Bedarf  mögen  ausserordentliche  Beihilfen  zu  grösseren 
Anschaffungen  gewährt  werden. 

Auch  den  Strafanstaltsärzten  möge  ein  Regieaversum  bewilligt 
werden. 

2.  Die  Schaffung  eines  eigenen  Medizinalamtsblattes, 
ähnlich  dem  preussischen  „Ministerialblatte  für  Medizinal-  und  medi¬ 
zinische  Unterrichtsangelegenheiten“  möge  veranlasst  werden. 

3.  Den  Landgerichts-  und  Bezirksärzten,  welchen  in  den  Amts¬ 
gebäuden  ein  Amtszimmer  nicht  zur  Verfügung  steht,  möge  eine 
Amtsunkostenentschädigung  in  entsprechender  Höhe  be¬ 
willigt  werden. 

4.  Bei  grösseren  Berichten  und  Gutachten  mögen  Schreib¬ 
gebühren  bewilligt  oder  die  Barauslagen  für  eine  Schreibhilfe  er¬ 
setzt  werden.  Bei  einzelnen  besonders  grossen  Landgerichts-  und 
bezirksärztlichen  Stellen  möge  eine  ständige  Schreibhilfe  ge¬ 
stellt  werden  oder  deren  Haltung  durch  Zuschüsse  ermöglicht  werden. 

VI.  Auslagen  für  Beförderungsmittel. 

Geltende  Bestimmungen:  Kgl.  A.  Verordnung  vom  17.  No¬ 
vember  1902,  Gebühren  für  ärztliche  Dienstleistungen  bei  den  Behör¬ 
den  betr.  §  1 2  (G.V.B1.  Seite  715).  Kgl.  A.  Verordnung  vom  11.  Fe¬ 
bruar  1875,  die  Aufrechnung  der  Tagegelder  und  Reisekosten  bei 
auswärtigen  Dienstgeschäften  der  Beamten  und  Bediensteten  des 
Zivilstaatsdienstes  betreffend,  §  1  (G.V.B1.  Seite  105).  Finanz¬ 
ministerialbekanntmachung  vom  2.  März  1875,  gleichen  Betreffs  VII, 

Abs.  4  (M.A.B1.  Seite  112). 

1.  Den  Landgerichts-  und  Bezirksärzten  in  Grossstädten  mögen 
die  notwendigen  Auslagen  für  Beförderungsmittel  aus  der  Staats¬ 
kasse  ersetzt  oder  Jahresaversen  in  entsprechender  Höhe  bewilligt 
werden. 

2.  Die  Bestimmungen  der  Ministerialbekanntmachung  vom  17.  De¬ 
zember  1902,  Entschädigung  für  Fahrrad-  und  Motorbenützung  durch 
Aerzte  betr.  (G.V.B1.  Seite  737)  möge  auch  auf  die  Amtsärzte  bei 
Reisen  aus  dienstlichen  Anlässen  Anwendung  finden. 

VII.  Portowesen. 

1.  Für  dienstliche  Paketsendungen  möge  den  Amtsärzten 
auch  im  Ortsverkehr  Portofreiheit  gewährt  werden. 

2.  Für  die  Felephonanschlüsse  der  vollbeschäftigten  und 
vollbesoldeten  Amtsärzte  möge  eine  Gebühr  von  denselben  nicht  er¬ 
hoben,  sondern  eventeull  auf  Staatsfonds  übernommen  werden.  Bei 
Verwendung  des  amtlichen  Telephonanschlusses  auch  zu  privater  Be- 
i  uf Stätigkeit  haben  die  Amtsärzte  die  Hälfte  der  normativmässigen 
Gebühr  zu  entrichten. 

Für  auswärtige  Diensfgespräche  der  Amtsärzte  möge  eine  Ge¬ 
bühr  nicht  erhoben  oder  eventuell  auf  Staatsfonds  übernommen 
werden. 

VIII.  Stellvertretung  bei  Urlaub  und  Verwesung 
erledigter  Amtsarzt  stellen. 

Geltende  Bestimmungen:  Kgl.  A.  Verordnung  vom  3.  Sep¬ 
tember  1879,  den  ärztlichen  Dienst  bei  den  Gerichts-  und  Verwal¬ 
tungsbehörden  betr.  §  9  (G.V.B1.  Seite  1081).  Kgl.  A.  Verordnung 
vom  17.  November  1902,  Gebühren  für  ärztliche  Dienstleistungen  bei 
Behörden  betr.,  §  10  (G.V.B1.  Seite  715). 

1.  Die  Stellvertretung  während  des  regelmässigen  Ur¬ 
laubs,  sowie  während  einer  Erkrankung  darf  den  Amtsärzten  in  glei¬ 
cher  Weise,  wie  den  übrigen  Staatsbeamten  keine  persönlichen 
Kosten  verursachen.  Eine  gegenseitige  Stellvertretung  der  Land¬ 
gerichts-,  Bezirks-  und  Gefängnisärzte  ist  nur  an  solchen  Orten  mög¬ 
lich  und  zulässig,  an  welchen  zwei  Amtsärzte  ihren  Amtssitz  haben 
und  dienstliche  Gründe  nicht  entgegenstehen. 

Andernfalls  ist  ein  nichtamtlicher  Arzt  als  Stellvertreter  mit 
einem  Tagegeld  von  6  M.  aufzustellen. 

2.  Dauert  die  Verwesung  einer  Amtsarztstelle  im  Falle  der 
Erledigung  oder  Krankheit  des  Inhabers  länger  als  3  Wochen  so 
möge  auch  dem  am  gleichen  Orte  wohnenden  amtlichen  Ver¬ 
weser  ein  ragegeld  in  der  gleichen  Höhe,  wie  einem  nichtamtlichen 
Verweser  (6  M.)  bewilligt  werden. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  -  Druck 


von  E.  Miihlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q..  München. 


Htm  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  8«  A-  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
ji  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag, 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  «  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von 

n  ,  innerer  Ch.Bäumler,  <0.v.  Bollinger,  B.  Carsehmann,  B.  Helierich,  III.  v.  Leute,  fi.  Merkel,  J. t.  Hiebei,  F.PenzoIdl,  H.v  Banke,  B.  Spalz,  P.  ?.  Winekel, 

_  _  .  . ..  ■  «irr«  i  vt« _ f  _  n _ 1 1 _  Miin/«Vian  MunoVion 


München.  Freiburg  i.  B.  München. 


Leipzig. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  42.  15.  Oktober  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


OMarliHi-iirU  Her  Oritrinalartikel  ist  nicht  «stattet.! 


Originalien. 

Aus  der  k.  k.  Universitäts-Kinderklinik  in  Wien. 

Zur  Kenntnis  der  tetanoiden  Zustände  des  Kindesalters. T) 

Von  Th.  E  s  c  h  e  r  i  c  h. 

Wohl  wenige  Krankheitsbilder  haben  im  Laufe  des  letzten 
Jahrzehntes  derartige  Umwälzungen  erfahren  wie  die  Tetanie 
des  Kindesalters.  Sie  galt  bis  Anfang  der  90  er  Jahre  als  eine 
seltene,  kaum  beachtete  und  harmlose  Neurose,  und  als  ich  im 
Jahre  1890  auf  dem  Berliner  internationalen  medizinischen  Kon¬ 
gresse  über  das  gehäufte  Auftreten  derselben  bei  jungen  Kin¬ 
dern  an  meiner  Grazer  Klinik  berichtete  und  gemeinsam  mit 
Loos  den  Laryngospasmus  als  das  wichtigste  und  häufigste 
Symptom  derselben  bezeichnete,  zeigte  mir  das  allgemeine 
Kopfschütteln  und  die  nachfolgende  Diskussion  wie  befremdend 
die  Anschauung  den  versammelten  Pädiatern  erschien.  Der 
Weg,  der  mich  zu  derselben  geführt  hatte,  war  die  syste¬ 
matische  Aufsuchung  der  von  Trousseau,  Chvostek, 
Erb  bei  Tetanie  beschriebenen  Latenzsymptome.  Dieselben 
sind  ein  umso  notwendigeres  Hilfsmittel  zur  Erkennung  der 
tetanoiden  Zustände  als  gerade  im  Kindesalter  die  für  Tetanie 
als  pathognomonisch  angesehenen  Karpopedalspasmen  selten 
sind  und  nur  durch  den  Nachweis  der  Latenzsymptome  die 
meisten  Fälle  von  Laryngospasmus  -und  gewisse  Fälle  von 
Eklampsie  als  dem  Kindesalter  eigentümliche  Aequivalente  der 
tetanoiden  Muskelkrämpfe  zu  erkennen  waren. 

Es  bedurfte  einer  Reihe  von  Jahren  und  zahlreicher  Ar¬ 
beiten,  bis  dieser  erweiterte  Begriff  angenommen  und  damit  ein 
grosser  Teil  der  im  frühen  Kindesalter  vorkommenden  Krampf¬ 
formen  als  zur  Tetanie  gehörig  anerkannt  wurde.  Trotzdem 
kann  ich  die  neuerdings  in  Aufnahme  gekommene  Bezeichnung 
„Spasmophilie“  nicht  akzeptieren,  weil  dieser  anschauliche 
Name  seinem  Wortsinn  nach  ein  weiterer  Begriff  als  Tetanie 
ist  und  weil  die  wichtige  Erkenntnis  der  wesentlichen  Ueber- 
einstimmung  dieser  Zustände  mit  der  Tetanie  der  Erwachsenen 
durch  eine  differente  Nomenklatur  wieder  verwischt  würde. 

Ich  bezeichne  diese  Zustände,  soweit  es  sich  um  mecha¬ 
nische  und  galvanische  Uebererregbarkeit  der  Nerven  ohne 
Trousseau  und  Muskelkrämpfe  handelt,  als  tetanoiden  Z  u¬ 
stand  im  engeren  Sinn  des  Wortes,  sobald  aber  Krämpfe 
(Muskelkrämpfe,  Stimmritzenkrämpfe,  allge¬ 
meine  Konvulsionen)  nachweisbar  werden  als  T  e  t  a- 
n  i  e  und  zwar  bei  Kindern  unter  3  Jahren  als  T  e  t  a  n  i  a  i  n- 
f  a  n  t  u  m,  dann  bis  zum  Abschluss  des  Kindesalters  als  I  e- 
tania  puerorum. 

Als  diagnostischer  Leitstern  in  der  Abgrenzung  des  weiten 
Gebietes  hat  sich  die  Prüfung  der  Nervenerregbarkeit  durch 
den  galvanischen  Strom  erwiesen,  wobei  man  nach  v.  P  i  i 
quet  einen  geringeren  anodischen  (AOZ  >  5MA)  und  einen 
höheren  kathodischen  Grad  (KOZ  >  5MA)  unterscheiden  kann. 
Neu  und  überraschend  ist  auch  die  enorme  Häufigkeit  dieser 
elektrischen  Uebererregbarkeit,  sowie  der  Einfluss  der  Ernäli- 
rungsart.  Nach  unseren  an  gesundem  Säuglingsmaterial  (328 
zwischen  0 — 6  Monaten  alten  Kindern  der  Wiener  Schutzstelle) 
angestellten  Untersuchungen  wächst  die  Häufigkeit  des  teta- 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Sektion  für  Kinderheilkunde  der 
Naturforscherversammlung  in  Dresden. 

No.  42. 


noiden  Zustandes  von  2  Proz.  im  ersten  Lebensmonat  auf  56,2 
Proz.  im  sechsten  Lebensmonate  an,  dabei  sind  künstlich  er¬ 
nährte  und  rachitische  Säuglinge  in  besonderem  Masse  be¬ 
teiligt.  Eine  klinisch  interessante  Tatsache  ist  auch  der  häu¬ 
fige  Befund  von  nervösen  Störungen  und  Defekten  bei  früher  an 
Tetanie  erkrankten  Kindern  und  die  Beobachtung  chroni¬ 
scher,  durch  Jahre  sich  hinziehender  tetanoider  Erkrankungen 
(P  o  t  p  e  t  s  oh  n  i  g  g),  denen  ich  auch  in  meinem  Wiener  Ma¬ 
terial  begegnet  bin. 

Während  so  das  klinische  Bild  der  infantilen  Tetanie  zu 
einem  gewissen  Abschluss  gediehen  scheint,  blieb  durch  lange 
Zeit  die  Frage  nach  der  Pathogenese  des  tetanoiden  Zustandes 
ganz  ausser  Diskussion.  Nur  darüber  herrscht  Uebereinstim- 
mung,  dass  keinerlei  konstante  organische  Veränderung  im 
Nervensystem  zu  finden  ist.  Es  hat  dies  dazu  geführt,  die  Te¬ 
tanie  ähnlich  wie  die  Hysterie  und  Neurasthenie  als  funktionelle 
Neurose  anzusehen.  Das  ist  aber  schon  in  Rücksicht  auf  das 
hier  in  Betracht  kommende  Lebensalter  nicht  möglich.  Viel 
richtiger  wäre  die  Folgerung,  dass,  nachdem  organische  Ver¬ 
änderungen  im  Nervensystem  fehlen,  der  Sitz  der  Erkrankung 
ausserhalb  desselben  zu  suchen  und  das  Nervensystem 
erst  sekundär  und  zwar  auf  dem  Wege  der  Intoxikation  in 
Mitleidenschaft  gezogen  ist.  Diese  Idee  ist  auch  in  der  Hypo¬ 
these  einer  vom  Darm  ausgehenden  intestinalen  Intoxikation 
schon  vor  langer  Zeit  aufgestellt  und  wird  auch  heute  noch  von 
Gelen  Autoren  verteidigt.  Es  scheint  aber  doch  unzulässig,  den 
hypothetischen  Darmgiften  neben  so  vielen  anderen  auch  noch 
diese  eigenartige  und  scharf  charakterisierte  Wirkung  zuzu¬ 
schreiben. 

Eine  kräftige  Stütze  erhielt  die  Lehre  von  der 
Intoxikation  in  jüngster  Zeit  durch  die  von  Gregor 
und  Finkeistein  erkannte  Schädlichkeit  der  Kuh¬ 
milch,  insbesondere  der  Kuhmilchmolke.  Sie  führte 
Stöltzner  zur  Aufstellung  der  Theorie,  dass  die  Te¬ 
tanie  nichts  anderes  als  eine  alimentäre  Kalziumvergiftung  sei. 
Die  an  meiner  Klinik  durchgeführten  Untersuchungen  haben 
zwar  den  Einfluss  der  Ernährungsart,  insbesondere  für  thera¬ 
peutische  Zwecke  bestätigt.  Derselbe  erschien  uns  jedoch 
keineswegs  so  ausschlaggebend,  als  Finkeistein  annimmt. 
Vielmehr  hat  sich  der  Einfluss  der  Jahreszeit,  vor  Allem  aber 
eine  dauernde,  dem  Individuum  anhaftende  Disposition  in  weit 
höherem  Grade  als  bestimmend  für  das  Auftreten  der  tetanoiden 
Erscheinungen  erwiesen.  Für  die  Einwirkung  der  Jahreszeit 
lehlt  uns,  wenn  man  nicht  die  respiratorischen  Noxen  von 
Kassowitz  heranziehen  will,  jede  Erklärung.  Dagegen  lasst 
das  Zustandekommen  der  individuellen  Disposition  wohl  kaum 
an  etwas  anderes  denken,  als  an  eine  durch  Stoffwechselstörung 
entstehende  Autointoxikation,  deren  Einwirkung  aut  das  Nei- 
vensystem  die  tetanoiden  Erscheinungen  hervonuf  . 

Die  Versuche,  dieser  Frage  auf  chemischem  Wege  näher 
zu  kommen  (Ca-mangel)  haben  zu  keinem  Resultate  gefühlt. 
Dagegen  hat  der  zufällige  Nebenbefimd  der  tetanoiden  Erschei¬ 
nungen  nach  Strumektomie,  sowie  die  daran  anschliessenden 
experimentellen  Untersuchungen  über  die  Funktion  der  Epi¬ 
thelkörperchen  ein  blendendes  Licht  in  das  Dunkel  gewoilen. 
Der  Nachweis,  dass  durch  partielle  Exstirpation 
der  Epithelkörperchen  nahezu  das  gesamte 

Symptombild  der  Tetanie  beim  Menschen  so- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


’i)74 


wie  i  m  'I'  i  e  r  e  x  p  e  r  i  ni  e  n  t  erzeugt  werden  kan  n, 
ist  eine  Tatsache,  deren  Bedeutung  für  die  Pathogenese  dieser 
rätselhaften  Krankheit  gar  nicht  hoch  genug  eingeschätzt  wer¬ 
den  kann.  Es  wäre  eines  der  merkwürdigsten  und  unwahrschein¬ 
lichsten  Naturspiele,  wenn  ein  so  komplizierter  und  eigen¬ 
artiger  Symptomenkomplex,  wie  es  die  Tetanie  ist,  ausser  durch 
den  Ausfall  der  Epithelkörperchenfunktion  ganz  in  gleicher 
Weise  durch  die  ganze  Reihe  der  verschiedenartigsten  in  den 
Lehrbüchern  angeführten  Ursachen,  wie  Darmstörung,  Infek¬ 
tionskrankheiten,  Gravidität,  Laktation  u.  a.  m.  hervorgerufen 
werden  würde.  Und  doch  wird  dieser  Standpunkt  noch  in  der 
soeben  erschienenen  ausgezeichneten  Monographie  von 
F  rankl-Hochwart  vertreten,  während  die  überwiegende 
Mehrzahl  der  Kliniker  einer  Beziehung  der  Tetanie  zu  den 
Epithelkörperchen  noch  gänzlich  ablehnend  gegenübersteht. 

Grund  für  diese  Stellungnahme  gegenüber  der  Auffassung 
der  Tetanie  als  einem  durch  Insuffizienz  der  Epithelkörperchen¬ 
funktion  hervorgerufenen  Zustand  ist  abgesehen  von  der  Neu¬ 
heit  der  experimentellen  Ergebnisse  der  Umstand,  dass  bisher 
noch  keine  oder  doch  nur  äusserst  spärliche  Befunde  von  ana¬ 
tomischen  Veränderungen  der  Epithelkörperchen  vorliegen. 
Obgleich  E  r  d  h  e  i  m  schon  1903  einen  positiven  Befund  von 
Blutungen  in  die  Epithelkörper  bei  einem  Neugeborenen  als 
Folge  der  Geburtsasphyxie  mitgeteilt  hat,  so  haben  doch 
S  t  ö  1 1  z  n  e  r  aus  allgemeinen  Gründen  und  T  h  i  e  m  i  c  h  auf 
Grund  von  3  mit  negativem  Resultate  untersuchten  Fällen  diese 
bisher  nur  schüchtern  von  Jeandelize,  Lundborg  und 
Pin  el  es  für  die  infantile  Tetanie  ausgesprochene  Hypothese 
zurückgewiesen.  Ich  habe  mich  schon  auf  der  vorigen  Natur¬ 
forscherversammlung  für  die  einheitliche  Pathogenese  aller 
Tetanieformen  ausgesprochen  und  kann  heute,  gestützt  auf  die 
an  meiner  Klinik  erhobenen  Befunde  von  Y  a  n  a  se  mit  guten 
Gründen  die  Behauptung  aufstellen,  dass  gerade  für  die  kind¬ 
liche  Tetanie  die  Parathyreoidtheorie  ganz  wesentlich  an 
Wahrscheinlichkeit  gewonnen  hat.  Yanase  fand  unter  89 
ohne  besondere  Auswahl  anatomisch  untersuchten  Fällen 
meiner  Klinik  die  Epithelkörperchen  bei  38  durch  Blutungen 
geschädigt.  Er  führt  die  Entstehung  derselben  mit  E  r  d  h  e  i  m 
auf  ein  zur  Zeit  der  Geburt  einwirkendes  Trauma  zurück. 
In  allen  positiven  Fällen  bestand  auch  elektrische  Uebererreg- 
barkeit,  ev.  konvulsivische  Erscheinungen  und  zwar  fand  sich 
zwischen  dem  Grad  der  Zerstörung  der  Epithelkörperchen¬ 
substanz  und  der  Schwere  der  klinischen  Erscheinungen  ein 
direkt  proportionales  Verhältnis.  Dieser  Befund  ist  um  so 
überraschender,  als  von  Veränderungen  der  Epithelkörperchen 
bei  Kindern  der  ersten  Lebensmonate  (mit  Ausnahme  der  Erd¬ 
heim  sehen  Befunde)  bisher  so  gut  wie  nichts  bekannt  war 
und  dieselben  in  späterem  Leben  auch  nur  mehr  selten  vorzu¬ 
kommen  scheinen.  Er  erklärt  in  ungezwungener  Weise  die 
enorme  Häufigkeit  der  I  etanie  in  der  frühesten  Lebensperiode. 

Es  muss  übrigens  bemerkt  werden,  dass  der  Nachweis 
anatomischer  Veränderungen  durchaus  nicht  ein  notwendiges 
Substrat  für  die  Annahme  einer  Epithelkörpercheninsuffizienz 
bei  jungen  Kindern  ist.  Es  könnte  sehr  wohl  eine  funktionelle 
Minderwertigkeit  oder  Störung  bestehen,  ohne  dass  das  histo¬ 
logische  Bild  verändert  zu  sein  braucht.  Die  Annahme  eine' 
solchen  liegt  auch  gerade  beim  Neugeborenen  sehr  nahe.  Es 
könnte  sich  einmal  um  eine  angeborene  Hypoplasie 
oder  Minderwertigkeit  der  Epithelkörper  handeln  und  zwar 
wäre  daran  insbesondere  bei  den  hereditären  und  den  eminent 
chronischen  Fällen  von  Tetanie  zu  denken.  Noch  näher  aber 
liegt  die  Vorstellung,  dass  in  ähnlicher  Weise  wie  dies  beim 
Pankreas  der  Fall  ist,  die  Entwicklung  zur  Zeit  der 
Geburtnochrückständigist  oder  individuelle  Schwan¬ 
kungen  aufweist,  die  sich  erst  im  Laufe  des  weiteren  Wachs¬ 
tums  ausgleichen.  Die  letztere  Hypothese  würde  das  so  ver¬ 
breitete  Vorkommen  einer  leichten,  auf  die  ersten  Lebensmonate 
beschränkten  Insuffizienz  erklären.  Freilich  bedarf  es  zur  Ent¬ 
stehung  der  Tetanie  neben  der  individuellen  Disposition,  welche 
die  v  irkliche  Ursache  der  Erkrankung  ist,  noch  eines  die  klini¬ 
schen  Erscheinungen  auslösenden  Momentes.  Als  solche  sind 
die  bisher  in  der  Aetiologie  der  Tetanie  angeführten  Momente: 
Jahreszeit,  Beschäftigung,  Gravidität,  erschöpfende  Krank- 
i ci ten  etc.  zu  betrachten.  Bei  den  besonders  disponierten 
Kindern  dei  ersten  Lebensjahre  genügen  schon  geringfügige, 


von  anderen  überhaupt  nicht  als  Schädlichkeit  empfundene  Ein¬ 
flüsse:  wie  Art  und  Menge  der  Nahrung,  ungünstige  Wohnungs¬ 
verhältnisse  und  auch  diese  erst  nach  längerer  Einwirkung  zur 
Hervorrufung  der  tetanoiden  Erscheinungen.  Fernem  zeigte 
sich  wenigstens  während  des  ersten  Lebensjahres  eine  auffällige 
Koinzidenz  mit  den  Symptomen  der  beginnenden  Rachitis. 
Nach  den  Untersuchungen  von  E  r  d  h  e  i  m,  der  bei  seinen 
parathyreopriven  Ratten  eine  an  Rachitis  erinnernde  Störung 
des  Wachstums  der  Nagezähne  als  konstante  Folgeerscheinung 
beobachtete,  scheint  nicht  ausgeschlossen,  dass  zwischen  die¬ 
sen  Krankheitszuständen  ein  engerer  pathogenetischer  Zu¬ 
sammenhang  besteht. 

Es  ist  nicht  möglich  zu  sagen,  ob  und  inwieweit  diese 
Vorstellungen  bei  dem  weiteren  Ausbau  der  Forschungen  sich 
bewahrheiten  werden.  Jedenfalls  geben  die  mit  den  klini¬ 
schen  Beobachtungen  übereinstimmenden  Befunde  Y  a  n  a  s  e  s 
der  Annahme  eines  Zusammenhanges  zwischen  der  infantilen 
Tetanie  und  den  Epithelkörperchen  eine  mächtige  Stütze.  Ich 
muss  mir  versagen  im  Rahmen  eines  kurzen  Vortrages  auf  die 
Wandlungen  einzugehen,  welche  dieser  Standpunkt  für  unsere 
gegenwärtigen  Vorstellungen  über  die  Pathogenese  und  Aetio¬ 
logie  mit  sich  bringt.  Es  wird  dies  an  anderer  Stelle  in  ausführ¬ 
licher  Weise  geschehen.  Ich  glaube  aber,  dass  jeder,  der  die 
Umlagerung  seiner  Vorstellungen  in  diesem  Sinne  vornimmt, 
die  Logik  und  die  durchsichtige  Klarheit  derselben  wie  eine 
Erlösung  empfindet  gegenüber  der  widerspruchsvollen  und  will¬ 
kürlichen  Einteilung  und  Aetiologie,  wie  sie  bisher  üblich  war. 

Leider  hat  die  Hoffnung,  dass  damit  auch,  ein  gangbarer 
Weg  zur  Behandlung  der  Krankheit  gefunden  wäre,  sich  noch 
nicht  erfüllt.  Obgleich  V  a  s  s  a  1  e  und  Generali,  die  ersten 
und  unermüdlichen  Vorkämpfer  der  parathyreopriven  Natur  der 
Tetanie,  über  günstige  Erfolge  bei  Verabreichung  ihres  Para- 
thyreoidins  berichten,  konnte  ich  selbst  (und  auch  andere  Be¬ 
obachter)  trotz  sorgfältiger  Kontrolle  der  elektrischen  Erreg¬ 
barkeit  eine  Beeinflussung  derselben  oder  eine  deutliche  Bes¬ 
serung  der  klinischen  Symptome  der  Tetanie  durch  dieses  Prä¬ 
parat  nicht  konstatieren.  Es  war  freilich  von  vorneherein  zu 
erwarten,  dass  die  Funktion  der  winzigen  Epithelkörperchen 
wesentlich  verschieden  ist  von  der  antitoxischen  Wirkung  der 
Schilddrüsen,  nach  deren  Vorbild  diese  Versuche  angestellt 
waren.  Es  wird  also  neuer  Wege  bedürfe^  um  zum  Ziele 
zu  gelangen;  aber  schliesslich  wird  auch  hier,  um  das  schöne 
Wort  Gerhardts  zu  gebrauchen,  ,,die  Frucht  der  Therapie 
am  Baume  der  Erkenntnis  reifen“. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Tübingen  (Prof.  R  o  m  b  e  r  g). 

Schmerz  und  Blutdruck. 

(Klinische  Untersuchungen.) 

Von  Dr.  Hans  Curschmann. 

Die  Mitteilung  der  nachstehenden  Untersuchungen,  deren 
Resultate  ich  schon  kurz  andern  Orts1 2)  erwähnte,  erfolgt  des¬ 
halb,  weil  diese  kurze  Erwähnung  von  einigen  Autoren,  die  in 
letzter  Zeit  das  einschlägige  Kapitel  bearbeitet  haben,  über¬ 
sehen  worden  ist  [Bing  -)  und  Rumpf 3)].  Das  Interesse, 
das  die  objektive  Wertung  subjektiver  Symptome  (Schmerzen, 
Parästhesien,  Hypästbesien,  Anästhesien)  für  die  Beurteilung 
ihres  hysterischen  oder  simulatorischen  Charakters  hat,  wird 
durch  die  aktuelle  Bedeutung  der  Kapitel  traumatische  Hysterie 
und  Simulation  charakterisiert.  Widmet  doch  die  Deutsche  med. 
Wochenschr.  (No.  24,  1907)  eine  ganze  Nummer  dem  Thema 
Simulation  auf  den  verschiedensten  Gebieten  der  Pathologie. 

Die  ersten  Bemühungen,  einen  objektiven  Massstab  für 
Realität  und  Grad  eines  Schmerzes  zu  finden,  stammen  be¬ 
kanntlich  von  Mannkopf.  Die  Steigerung  der  Pulsfrequenz 
bei  Reizung  eines  Schmerzpunktes  (M  a  n  n  k  o  p  f  sches  Phäno¬ 
men)  hat  als  diagnostisches  Hilfsmittel  besonders  bei  der  Be¬ 
urteilung  von  Unfallkranken  eine  gewisse  Bedeutung  erlangt. 
Immerhin  kann  das  Phänomen  nur  bei  positivem  Ausfall  Be¬ 
weiskraft  haben,  während  ein  negatives  Resultat  durchaus 

0  Therapie  der  Gegenwart.  Oktober  1906. 

2)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1906,  No.  36;  idem  Mediz.  Klinik  1907, 
No.  5,  Sammelreferat. 

3)  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  4. 


IS.  Oktober  1907. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


207$ 


nicht  gegen  einen  echten  organischen  Schmerz  spricht.  Ausser¬ 
dem  ist  das  Phänomen  nur  für  die  Untersuchung  hyperalge- 
tischer  Punkte  bestimmt,  kann  also  für  die  Beurteilung  von 
Herabsetzungen  der  Empfindung  nicht  herangezogen  werden. 

Einen  feineren  Gradmesser  zur  Beurteilung  des  Eindrucks 
von  sensiblen  Empfindungen  auf  die  Kreislaufsorgane  bietet  uns 
die  Beobachtung  des  Blutdrucks  während  der 
Prüfung  des  Schmerzes. 

Ueber  die  Einwirkung  des  spontanen  und  des  erzeugten 
Schmerzes  auf  den  Blutdruck  bestehen  geteilte  Ansichten.  Die 
Resultate  der  Schmerzreizung  im  Tierexperiment  sowohl  wie 
beim  Menschen  waren  verschiedene.  Rumpf  findet  auf 
Schmerzreize  hin  bisweilen  Herabsetzung,  häufiger  Steigerung 
des  systolischen  Blutdrucks,  Bing  meist  Erhöhung  desselben; 

E.  Bruck-  Breslau  beobachtete  häufig  Steigerung,  bisweilen 
aber  auch  Erniedrigung  des  Blutdrucks  (mündliche  Mitteilung). 
Die  Ursache  dieses  differenten  Verhaltens,  das  den  pathogno- 
monischen  Wert  des  Befundes  scheinbar  in  Frage  stellt,  geben 
uns  nun  die  Resultate  der  grundlegenden  physiologischen 
Untersuchungen,  auf  die  von  R  umpf  und  Bing  nicht  ge¬ 
achtet  worden  ist. 

G  r  ii  t  z  n  e  r  und  Heidenhain  und  ihre  Mitarbeiter  ) 
hatten  nämlich  gefunden,  dass  verschiedenartige  sensible 
Reize  ganz  verschiedene  Wirkungen  auf  den  Blutdruck  aus¬ 
üben.  Sie  fanden  zu  ihrem  Erstaunen,  dass  schwache  kitzelnde 
Reize,  Anblasen  usw.  einen  oft  erheblich  Blutdruck  steigern¬ 
den  Effekt  hatten,  während  starke  mechanische  oder  chemische 
Schmerzreize  bald  keine  oder  eine  Blutdruck  erniedrigende 
Wirkung,  bald  eine  steigernde  ausübten.  Die  Erklärung  dieser 
Differenzen  fand  sich  darin,  dass  Reize,  die  entweder  auf  den 
Nervenstamm  direkt  oder  in  seine  nächste  Umgebung  ausge¬ 
übt  wurden,  stets  eine  Blutdruck  erhöhende  Wirkung 
hatten,  während  Reize,  die  entfernt  von  sensiblen 
Nervenstämmen  die  Haut  trafen,  meist  keine  oder 
eine  erniedrigende  Wirkung  hatten 4  5). 

Es  ist  demnach  nicht  gleichgültig,  wo  der  Schmerzreiz, 
dessen  Einwirkung  auf  den  Blutdruck  untersucht  werden  soll, 
ansetzt.  Die  Grützner-Heidenhain  sehen  Unter¬ 
suchungen  erklären  aber  jedenfalls,  warum  Rumpf,  Bing 
und  Verf.  bei  Reizung  von  Nervendruckpunkten  (z.  B.  N.  V 
und  N.  ischiadicus)  sowie  von  Schleimhäuten,  die  besonders 
reich  an  sensiblen  reflexleitenden  Fasern  sind  (Nase,  Auge), 
stets  eine  Blutdruck  steigernde  Wirkung  erzielten. 

Meine  Untersuchungen  hatten  nun,  wie  schon  bemerkt, 
weniger  den  Zweck,  die  Wirkung  der  Reizung  von  Schmerz¬ 
punkten  auf  den  Blutdruck  zu  lösen,  als  folgenden  Fragen  näher 
zu  treten :  Wie  verhält  sich  der  Blutdruck  bei 
Reizung  hyp-  oder  analgetischer  Körper¬ 
stellen  im  Vergleich  zu  derjenigen  normal 
empfindlicher  Teile?  Und  weiter;  Besteht  ein 
Unterschied  in  'dem  Effekt  auf  den  Blutdruck 
bei  Reizung  organischer  und  bei  Reizung 
hysterischer  Analgesien?  Die  Entscheidung  der 
letzteren  Frage  müsste  naturgemäss  von  Bedeutung  für  das 
Wesen  und  die  et\daige  Realität  hysterischer  Störungen  sein. 

Die  Versuchsanordnung  hatte  nun  folgende  Fehlerquellen 
zu  vermeiden: 

I.  Die  Einwirkung  starker  sekundärer  Muskelkontrak¬ 
tionen  und  Alterationen  der  Atmung,  die  an  sich  schon,  auch 
ohne  Schmerzempfindung,  blutdrucksteigernd  wirken  können. 

II.  musste  sie,  um  Vergleichswerte  für  die  Norm  zu  ge¬ 
winnen,  möglichst  gleichbleibende  Reize  anwenden. 

III.  Im  Hinblick  auf  die  Grützner-Heidenhain- 
schen  Versuche  musste  im  gleichen  Interesse  eine  gleich- 


4)  P.  Qrützner  und  H e i id e n h a i n  (zum  T eil  mit  Ka- 
bierski):  Pflügers  Arch.  f.  Physiol.,  Bd.  XVI. 

5)  Ich  möchte  hier  ein  interessantes  Ergebnis  der  genannten 
Autoren  nicht  übergehen,  das  beweist,  dass  Schmerzreize  auf  die 
Nerven  in  der  Chloralnarkose  bei  verschiedenen  Tierarten  verschieden 
und  ganz  entgegengesetzt  wirken:  beim  Kaninchen  wirken  sie,  wie 
auch  Cyon  fand,  stets  blutdrucksenkend,  beim  Hund  allermeist 
steigernd.  Die  Verschiedenheit  der  Wirkung  bei  verschiedenen 
Arten  lässt  uns  vielleicht  verstehen,  dass  eine  solche  Verschieden¬ 

heit  auch  bei  verschiedenen  Individuen  (einer  Spezies)  Vor¬ 
kommen  kann, 


bleibende  Lokalisation  des  Schmerzreizes 
angewendet  werdem 

Um  der  zweiten  Bedingung  zu  genügen,  wandte  ich  stets 
genau  dosierte  und  gleiche  faradische  Reizungen  an,  da  andere 
Reize  (Druck,  Stiche,  Kneifen)  nicht  genau  genug  abgestuft 
werden  können.  Nun  galt  es  aber,  um  der  I.  Bedingung  zu 
genügen,  stärkere,  Blutdruck  steigernde  Muskelkontraktionen  zu 
vermeiden.  Ich  applizierte  deshalb  die  Normalelektrode  in  das 
obere  Drittel  des  Oberschenkels,  eine  Stelle,  die  dem  opth 
malen  Reizpunkt  des  M.  gastroenemius  möglichst  fern  lag  und 
von  dem  aus  nur  geringfügige  Muskelkontraktionen  ausgelöst 
werden.  Dieser  Punkt,  der  ungefähr  der  Austrittsstelle  des 
N.  cutan.  lat.  femoris  entspricht,  erklärte  darum  auch  den 
Effekt,  den  die  Reizungen  bei  normal  empfindlichen  Individuen 
hatten,  nämlich  der  fast  konstanten  Blutdrucksteigerung  (vergl. 
die  konstante  Steigerung  bei  Reizung  sensibler  Nerven  bei 
Grützner  und  H  e  i  d  e  n  h  a  i  n). 

Als  Reizstärke  diente  stets  der  R.  A.  eines  Hirsch- 
mann  sehen  Schlittenapparats  von  45 — 50  cm  oder  der  äqui¬ 
valente  R.  A.  eines  anderen  Induktoriums.  Der  Blutdruck 
wurde  mit  dem  Apparat  von  Riva-Rocci  (mit  breiter 
Recklinghausen  scher  Manschette)  bestimmt. 

Meine  Untersuchungen  begannen  mit  der  Feststellung 
durchschnittlicher  Blutdrucksveränderungswerte  bei  Reizung 
normal  empfindender  Individuen  mit  nor¬ 
malen  Kreislaufsverhältnissen.  Die  Resultate  in 
einigen  Fällen  zeigt  folgende  Tabelle; 


Name,  Alter, 

Geschlecht 

Krankheit 

Strom¬ 

stärke 

Blutdruck 

vor  |  nach 
der  elektr.  Reizung 

RA 

mm 

mm 

1.  Str. 

16  J.,  m. 

Hysterie 

35—40 

112 

122 

Sensibilität  v.  V. 

2.  Bi. 

21  J.,  m. 

Psoriasis 

35—40 

110 

120 

Sensibilität  v.  V. 

3.  Gl. 

22  J.,  m. 

Lupus 

35-40 

117 

122 

Sensibilität  v.  V. 

4.  Fe. 

37  J.,  m. 

Lumbago 

35—40 

130 

140 

5.  E. 

31  J.,  m. 

Superazidit.  u.  Super- 

35—40 

105—107 

113 — 115 

Sekretion  d.  Magens 

6.  Gl. 

26  J.,  w. 

Hyster.  Erbrechen 

90 

115 

120 

Bei  Normalen  und  Patienten  mit  normaler  Sensibilität  zeig¬ 
ten  18  unter  20  Fällen  deutliche  Blutdrucksteigerung  auf  den 
elektrischen  Schmerzreiz  meist  zwischen  8  und  10  mm  Hg. 
Die  Steigerung  war  stets  besonders  deutlich  bei  der  ersten 
Reizung,  liess  dann  nach,  war  aber  durch  nochmaligen  Strom¬ 
schluss  aufs  Neue  zu  erzielen.  Nur  in  2  Fällen  von  20  (beide 
Pat.  mit  dyspeptischen  Beschwerden)  fand  sich  Blutdruck¬ 
senkung  zwischen  10  und  15  mm  Hg. 

Anders  verhielt  sich  die  Blutdruckreaktion  auf  Schmerz 
bei  Patienten  mit  nervösen  oder  organischen 
Störungen  des  Kreislaufs.  Es  gibt,  wie  ich 
in  Uebereinstimmung  mit  Bing  konstatieren  kann, 
zweifellos  Fälle  von  reinen  Kreislaufsneurosen  mit  Stei¬ 
gerung  des  systolischen  Blutdrucks  zwischen  135  und 
150  mm  Hg.  Diese  Neurotiker  mit  Hypertension  (aber  auch 
die  ohne  eine  solche)  zeigen  eine  abnorme  Labilität  ihies 
Vasomotorensystems,  die  sich  äusserlich  schon  in  fliegender 
Hitze,  Dermatographie,  Oedema  fugax,  Emotionserythem  und 
zahlreichen  subjektiven  Kreislaufsbeschwerden  äussert.  Die 
Arterien  bei  derartigen  Neurosen,  z.  B.  auch  dem  M. 
Basedowii,  zeigen  auch  bei  der  p  1  e  t  h  y  s  m  o  gra¬ 
phischen  Untersuchung  Gefässreaktionen  von  beson¬ 
derer  Ausgiebigkeit,  besonders  auf  psychische  Reize 
hin.6)  Ein  analoges  Verhalten  zeigt  der  Blutdruck  der¬ 
artiger  Kranker  bei  Schmerzreizung.  Ich  fand  wiederholt 
Steigerung  von  15,  20  und  25mm  Hg;  Werte,  die  auch  bei 
Reizung  an  normal  sensiblen  Teilen  Hysterischer  mit  vaso¬ 
motorischer  Uebererregbarkeit  zu  finden  sind. 

Noch  beträchtlichere  Blutdrucksteigerungen  kann  man  bei 
Patienten  mit  organisch  bedingter  Hypertension  beobachten, 


6)  Hans  Curschmann:  Verhandlungen  der  \ei Sammlung 
südwestdeutscher  Neurologen  etc.  Baden-Baden  19U7.  ^ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


2076 


z.  B.  bei  Patienten  mit  Schrumpfniere.  Hochgradige  Blutdruck¬ 
steigerung  sah  ich  auch  infolge  spontaner  Schmerzen  bei 
solchen  Kranken  auftreten.  Bei  einem  Nierenkranken  stieg  in¬ 
folge  enormer,  durch  ein  f  i  e  b  e  r  1  o  s  verlaufendes  Panaritium 
bewirkter  Schmerzen  der  Blutdruck  bis  auf  235  Hg,  um  so¬ 
fort  nach  der  Inzision  und  Entleerung  des  Eiters  auf  175  mm  Hg 
abzusinken.  Auch  bei  elektrischer  Reizung,  die  natürlich  bei 
derartigen  Patienten  sehr  vorsichtig  und  mit  noch  schwächeren 
Strömen  ausgeführt  wurden,  kann  man  im  Vergleich  zum  Reiz 
recht  beträchtliche  Blutdrucksteigerungen  hervorrufen,  die 
zwischen  15  und  25  mm  Hg  schwanken. 7)  Der  Labilität  des 
nephritischen  Blutdruckes  nach  oben  zu  entspricht  übrigens 
ganz  die  Neigung  desselben  zu  abnormen  tiefen  Senkungen  auf 
bestimmte  Reize  hin.  In  zahlreichen  (unveröffentlichten)  Unter¬ 
suchungen,  die  ich  in  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin  ausführte, 
konnte  ich  mittels  vorsichtiger  Applikation  des  Wechselstrom- 
Vierzellenbades  Senkungen  des  Blutdruckes  erzielen,  die  in  5 
bis  10  Minuten  30—60  mm  Hg  betrugen,  ohne  dass  die  Patienten 
irgendwelche  Beschwerden  davon  hatten;  bei  nierengesunden 
Individuen  wirkten  die  genannten  Applikationen  auf  den  Blut¬ 
druck  dagegen  fast  indifferent. 

Unsere  Untersuchungen  berechtigen  jedenfalls  zu  dem  Re¬ 
sultat,  dass  Schmerzreize  —  die  oben  geschil¬ 
derte  Versuchsanordnung  vorausgesetzt  _ 

beiGesundenundKrankenmitnormalemHaut- 
geftihl  eine  den  systolischen  Blutdruck  stei¬ 
gernde,  weit  seltener  ihn  ebenso  deutlich  he¬ 
rabsetzende  Wirkung  haben. 

Bei  Störungen  der  Sensibilität,  vor  allem  des 
Schmerzgefühls  infolge  von  organischen  Er¬ 
krankungen  waren  nun,  wie  die  nachstehende  Tabelle 
zeigt,  die  Resultate  wesentlich  von  denen  bei  Pat.  mit  gesunder 
Sensibilität,  abweichende. 


Tabelle  A. 


Name,  Alter, 

Krankheit 

Rollen¬ 

abstand 

Blutdruck 

Geschlecht 

vor 

nach 

dem  Schmerzreiz 

1.  Sehe.  16  J.,  w. 

Multiple  Sklerose  myeliti- 
sclie  Form,  totale  Analgesie 
der  Beine 

80 

110 

110 

2.  Mo.  25  J.,  w. 

Multiple  Sklerose,  Analgesie 
u.  Hypästhesie  des  r.  Unter¬ 
schenkels 

80 

137 

135—137 

3.  E.  34  J.,  w. 

Myelitis  transversalis.Totale 
Anästhesie  u.  Analgesie  der 
unteren  Körperhälfte 

80 

105 

105 

4.  Ke.  47  J.,  w. 

Hämatomyelie  (Tumor  ?)  d. 
Dorsalmarks,  Beine  total 
anästhetisch 

80 

80 

80 

5.  We.  13  J.,  m. 

Spondylitis.  Querschnitts¬ 
läsion.  Anästhesie  d.  unteren 
Körperhälfte 

80 

108 

108 

In  allen  Fällen  also  zeitigte  eine  an  der  Stelle  der  organi¬ 
schen  Analgesie  ansetzende  faradische  Reizung  weder  eine 
Steigerung  noch  eine  Senkung  des  systolischen  Blutdruckes; 
ein  Befund,  der  durch  diejenigen  Bings  voll  bestätigt  wird, 
der  bei  Reizung  organisch  analgetischer  nervenreicher  Partien 
(Kornea)  ebenfalls  keine  Veränderung  des  Blutdruckes  fand. 
Meine  Beobachtung  kann  übrigens  zugleich  als  Beweis  dafür 
gelten,  dass  nicht  die  —  geringe  —  Muskelkontraktion,  sondern 
einzig  und  allein  der  ausgelöste  Schmerz  die  Ursache  der 
Blutdrucksteigerung  bei  unseren  Untersuchungen  ist,  denn  die 
Muskelkontraktion  fehlte  auch  in  obigen  Fällen  nicht,  und  doch 
zeigten  sie  eine  absolute  Reaktionslosigkeit  des  Blutdruckes  auf 
den  faradischen  Reiz. 

Besonderes  Interesse  beansprucht  nun  die  Frage,  die  für 
mich  die  eigentliche  Veranlassung  der  Untersuchung  war: 
verhalten  sich  hysterische  Analgesien  in  Bezug  auf  die  Blut- 


')  Dieser  Befund  stimmt  überein  mit  dem  Verhalten  des  ge¬ 
steigerten  Nephritikerblutdruckes  bei  der  Katzen  stein  sehen 
Funktionsprüfung  (Kompression  der  Art.  femoralis).  Fellner  und 
R  ü  d  i  n  g  e  r  (Berl.  klin.  Wochenschr.  No.  16,  1907)  fanden  hier 
ebenfalls  abnorme  Steigerungen  des  Drucks  bis  20  mm,  die  diejenigen 
bei  normalem  Blutdruck  stark  übertrafen. 


druckreaktion  ebenso  wie  die  organischen  oder  lassen  sich 
Unterschiede  zwischen  beiden  konstatieren? 

Die  folgende  Tabelle  zeigt  die  Untersuchungsresultate  an  9 
Fällen  von  hysterischer  Analgesie,  zum  Teil  vor  und  nach  der 
Heilung  derselben. 


Tabelle 

B. 

Name,  Alter, 

Rollen- 

Blutdruck 

Geschlecht 

Krankheit 

abstand 

vor 

nach 

dem  Schmerzreiz 

6.  He.  59  J.,  m. 

Hysterische  Lähmung  nach 

35-40 

Am  gesund.  Oberschenk. 

Anästhesie  d.  rechten  Armes 

192 

1  198  , 

Am  analgetischen  Arm 

gereizt 

192 

192 

7.  Fre.  29.  J.,  m. 

Traumat.  Hysterie ;  totale 

35—40 

Am  anästh.  linken  Bein 

Hemianästhesie 

gereizt 

150 

150 

Am  gesunden  Bein 

150 

162 

Idem 

Nach  Heilung  von  Hemi- 

40 

Rechts  und  links 

anästhesie 

120 

135 

8.  Ra.  30  J.,  w. 

Abasie,  Analgesie  beider 

90 

110 

110 

Beine 

9.  Hö.  21  J.,  w. 

Hysterie,  Hemianästhesie  u. 

90 

An  dem  gesunden  Bein 

-analgesie 

ub 

gereizt 

115 

122 

An  dem  analgetischen 

115 

115 

Idem 

Nach  Heilung  der  Hemi- 

90 

Am  rechten  und  linken 

anästhesie 

Bein  g 

ereizt 

103 

115 

10.  Schri.  21  J.,  m. 

Pseudospast.  Parese  mit 

80 

Am  gesund.  Bein  gereizt 

Tremor.  Kompl.  Analgesie 

140 

155 

des  rechten  Beines 

Am  analget.  Bein  gereizt 

ll*: 

140 

140 

11.  Ra.  21 w. 

Hysterische  Dysbasie  und 

80 

Beidoiseits  gereizt 

Krämpfe.  Hypalgesie  d.  Beine 

125 

125 

12.  De.  18 .  J.,  m. 

Hyster.  Parese  u.  Anästhesie 

40 

Am  gesund.  Arm  gereizt 

des  rechten  Armes 

130 

120 

(Senkung!) 

Am  analget.  Arm  gereizt 

130  1 

130 

13.  Sehne.  40  J.,  m. 

Traumat.  Hysterie.  Hyster. 

80 

Am  gesund.  Bein  gereizt 

Hemiplegie  u.  Hemianästh. 

130  I 

150 

Am  analget.  Bein  gereizt 

130  i 

130 

14.  Ka.  30  J.,  m. 

Traumat.  Hysterie.  Hemi- 

40 

Am  rechten  Bein  gereizt 

anästhesie  links 

127  1 

140 

Am  linken  Bein  gereizt 

127  | 

127 

In  allen  9  Fällen  erzielte  die  faradische  Reizung  des  anal¬ 
getischen  Körperteiles  (8  mal  Oberschenkel,  1  mal  Arm)  keine 
Spur  von  Blutdrucksteigerung  oder  Senkung.  Die  Reizung  des 
symmetrischen  normalempfindenden  Körperteils  .bewirkte  da¬ 
gegen  in  8  Fällen  eine  Steigerung  zwischen  6  und  15  mm  Hg, 
in  einem  Fall  (bei  Reizung  am  Arm)  eine  Blutdrucksenkung  von 
10  mm  Hg.  Nach  Heilung  der  Analgesie  durch  Suggestion  war 
in  2  Fällen  einige  Tage  nach  der  ersten  Untersuchung  eine  nor¬ 
male  Blutdrucksteigerung  auf  Schmerzreiz  zu  beobachten,  die 
derjenigen  am  gesunden  Bein  gleich  kam.  » 

Unsere  Untersuchungen  ergaben  also,  dass  sich  Or¬ 
gan  i  sehe  undhysterische  Störung  endesHaut- 

gefiihls  insofern  völlig  gleich  verhalten,  als 
bei  Reizung  analgetischer  Stellen  bei  beiden 
eine  Einwirkung  auf  den  Blutdruck  ausbleibt. 
Diese  Tatsache  spricht  mit  ziemlicher  Beweiskraft  für  die  Re¬ 
alität  hysterischer  Qefühlsstörungen,  eine  Realität,  an  die  noch 
immer  einige  skeptische  Autoren  nicht  glauben  möchten.  Die 
Wirkung  einer  zentripetal  geleiteten  Empfindung  auf  den  Blut¬ 
druck  entspricht  einem  subkortikal  ablaufenden,  dem  Willen 
oder  auch  einer  momentanen  Autosuggestion  vollkommen  ent¬ 
zogenen  Reflexes.  Es  handelt  sich  also  wohl  nicht  nur  um 
eine  Amnesie  des  Gefühls  (J  a  n  e  t)  bei  Hysterischen,  denn 
bei  einer  solchen  würden  die  subkortikal  ablaufenden  Reflexe 
wohl  kaum  fehlen,  sondern  um  eine  gröbere,  den  organischen 
Gefühlsstörungen  verschieden  lokalisierten  Ursprungs  ähn¬ 
liche,  Störung.  Die  Art  der  Störung  und  ihr  Sitz  bleibe  hier 
undiskutiert.  Immerhin  hat  die  Hypothese  der  zentralen  vaso¬ 
motorischen  Entstehung  entschieden  etwas  für  sich. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2077 


Das  Verhalten  des  Blutdruckreflexes  steht  übrigens  in  di¬ 
rekter  Uebereinstimmung  zu  dem  Verhalten  anderer  sensibler 
Reflexe,  de  r  H  a  u  t  r  e  f  1  e  x  e,  wie  ich  schon  anderorts  betont 
habe.8)  Denn  entgegen  der  Darstellung  Binswangen,  dem 
sich  auch  Köster  neuerdings  angeschlossen  hat,  kann  ich  mich 
den  Beobachtungen  von  Pitres  nur  anschliessen,  dass  bei 
einer  grossen  Anzahl  hysterischer  Gefühlsstörungen  —  durch¬ 
aus  nicht  in  allen  —  die  Hautreflexe  der  anästhetischen  Seite 
vermindert  oder  aufgehoben  sind.  Für  die  Plantarreflexe  gilt 
dies  am  häufigsten,  für  die  Bauchdeckenreflexe  seltener  und  für 
die  Kremaster-  und  Skrotalreflexe  am  seltensten.  Es  ist  wohl 
kein  Zufall,  dass  gerade  für  den  letzteren  Reflex,  der  sicher 
nicht  wie  die  beiden  ersten  ein  übergeordnetes  zerebrales  Zen¬ 
trum  besitzt  (vergl.  die  Auslösbarkeit  des  Skrotalreflexes  bei 
hochsitzenden  totalen  Durchtrennungen  des  Rückenmarks,  bei 
Anenzephalen  und  an  der  Leiche) 9),  die  hysterische  Gefühlsstö¬ 
rung  kaum  je  als  Reflex  tilgend  in  Betracht  kommt. 

Abgesehen  von  der  Bedeutung  für  die  pathologische  Phy¬ 
siologie  der  Hysterie  kann  das  gefundene  Symptom,  das  Aus¬ 
bleiben  der  Blutdruckreaktion  bei  Reizung  analgetischer  Stel¬ 
len,  auch  praktischen  Wert  besonders  in  der  Beuiteilung  tiau- 
ma'tischer  Hysterien  gewinnen,  bei  denen  die  Konstatierung 
echt  hysterischer  Gefühlsstörungen  ja  stets  eine  entscheidende 
diagnostische  und  damit  auch  forensische  Bedeutung  besitzt. 
Denn  es  ist  wohl  sicher,  dass  mein  Symptom,  bei  Simula¬ 
tion  von  Gefühlsstörungen  (die  bei  viel  untersuchten  Irau- 
matikern  durchaus  nicht  selten  ist)  fehlen  wird,  dass  Simu¬ 
lanten  bei  Reizung  angeblich  analgetischer  Stellen  doch  mit 
Blutdruckveränderungen  reagieren  werden. 

Während  meine  bisherigen  Ausführungen  fast  ausschliess¬ 
lich  die  Einwirkung  artifizieller  Schmerzen  auf  das  Vaso¬ 
motorensystem  behandelten,  möchte  ich  zum  Schluss  nicht 
unterlassen,  noch  mit  wenigen  Worten  die  Wirkung  spon¬ 
taner  Schmerzen  auf  den  Blutd  ru  c  k  zu  streifen. 
Es  scheint  mir  dies  um  so  nötiger,  als  auf  diesen  diagnostisch 
nicht  ganz  unwesentlichen  Punkt  so  auffallend  wenig  geac  e 

Eine  besondere  Wichtigkeit  ist  der  Blutdruckmessung  bei 
Schmerzen  im  Bereich  des  Abdomens  zuzumessen.  _  In 
völliger  Uebereinstimmung  mit  P  a  1 10),  fand  ich  in  einigen 
Fällen  von  gastrischen  und  intestinalen  Krisen  der  la¬ 
to  i  k  e  r  auffallende  Blutdrucksteigerungen: 

während  der  Krise  betrug  z.  B.  der  Blutdruck  —  je  na^Eya' 
zerbieren  oder  Nachlassen  schwankend  —  zwischen  170  und 
210  mm  Hg  Riva-Rocci,  um  mit  plötzlicher  Beendigung  des  An¬ 
falls  kritisch  auf  die  Norm  115—125  abzusinken  Dieses :  Ver¬ 
halten  des  Blutdruckes  hat  P  a  1  mit  viel  Wahrscheinlichkeit  auf 
einen  Vasomotorenkrampf  des  Splanchmkusgebietes,  dessen 
besonderer  Einfluss  auf  den  Blutdruck  ja  seit  langem  feststeht, 
bezogen. 

J  Aehnliche  Blutdrucksteigerungen  fand  ich  auch  bei  inte¬ 
stinaler  B 1  e  i  k  o  1  i  k,  auch  hier  wieder  mit  Abklingen  des  An¬ 
falls  absinkend. 

In  zahlreichen  Fällen  andersartig  bedingter  abdominaler 
Schmerzen  (bei  Ulcus  und  Carcinoma  ventricuh,  Cholehthiasis, 
sogar  in  einem  Fall  von  Stieldrehung  der  hydropischen  Gallen¬ 
blase,  Appendizitis  etc.)  fand  ich  dagegen  stets  nur  s  e  h  r  ge¬ 
ringe  Steigerungen  des  Blutdruckes,  die  10  mm  Hg  gewöhn¬ 
lich  nicht  überschritten. 

Auch  bei  neuralgisch  oder  radikulär  bedingten  Schmerzen 
der  unteren  Rumpfhälfte,  in  einigen  Fällen  von  Gürtelschmerz; 
bei  Querschnittsläsionen  und  Tabes,  vermisste  ich  erheblichere 
Steigerungen  des  Druckes  stets. 

Der  hohe  differentialdiagnostische  Wert  der  Blutdruck¬ 
beobachtung  bei  abdominalen  Schmerzen  vor  allem  geht  aus 
obigen  kurzen  Mitteilungen  wohl  klar  hervor.  Bei  larvierten 
Bleiintoxikationen,  bei  so  häufigen  inkompleten  Fällen  von 
Tabes  mit  Krisen  kann  diese  Untersuchungsmethode  unter  Um¬ 
ständen  entscheidend  sein.  Ich  möchte  sie  deshalb  zur  häu¬ 
figeren  Anwendung  dringend  empfehlen  und  zweifle  nicht,  dass 

8)  Hans  Curschmann:  Therapie  der  Gegenwart,  Okt.  1906. 

®)  Es  gelingt  bis  2  Stunden  nach  dem  Tode  an  der  Leiche  den 
sogen.  Skrotalreflex  (eine  Kontraktion  der  Tunica  dartos)  auszulosen. 

10)  Pal:  Gefässkrisen.  Wien  1902. 


sie  die  Zahl  der  gerade  bei  den  beiden  zuletzt  genannten  Leiden 
noch  recht  häufigen  diagnostischen  Irrtümer  vermindern  wird. 

Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Erst  lange  nach  Ab¬ 
schluss  obiger  Untersuchungen  wurden  mii  die  Resultate  V  e  r  a  - 
guths  (Monatsschr.  f.  Psych.  u.  Neurol.  XXI,  1907)  bekannt,  der 
mittels  des  „psychogalvanischen  Reflexphänomens  auch  die  Ein¬ 
wirkung  sensibler  Reize  auf  Hysterische  untei  sucht  hat  und  zu  zum 
Teil  den  meinigen  entgegengesetzten  Schlüssen  kommt.  Zur  Er¬ 
klärung  dieses  Gegensatzes  verweise  ich  noch  einmal  aui  die  quanti¬ 
tative  V  erschiedenheit  des  sensiblen  Reflexvorgangs  bei 
Hysterien  je  nach  Schwere  und  Dauer  der  sensiblen  Läsion.  Das 
prinzipiell  wichtige  an  der  Frage  ist,  dass  vasomotorische  und  sen¬ 
sible  Reflexe  auf  Grund  rein  psychogener  Störungen  —  nicht 
selten  —  erlöschen  können. 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Greifswald  (Direktor:  Piofessoi 

Friedrich). 

Beitrag  zur  Behandlung  der  Fremdkörper  in  der 

Speiseröhre. 

Von  Dr.  Rudolf  Ha  eck  er,  Assistenzarzt. 

In  den  nachfolgenden  Zeilen  soll  über  5  Fälle  Belicht  ei¬ 
stattet  werden,  welche  sich  aus  einer  grösseren  Zahl  von  Beob¬ 
achtungen  über  Speiseröhrenfremdkörper  durch  die  Eigenait 
der  Fremdkörper  selbst,  ihrer  Entfernung  und  des  gesamten 
Heilverlaufs  auszeichnen.  Die  Beobachtungen  entstammen  zum 
Teile  der  hiesigen  Klinik,  zum  Teil  gehören  sie  noch  der 
Leipziger  Tätigkeit  des  Herrn  Professor  F  r  i  e  d  r  i  c  h  an. 

Der  erste  Fall  ist  dadurch  bemerkenswert,  dass  trotz 
monatelangen  Verweilens  eines  Gebisses  im  Oesophagus 
und  trotz  der  Tiefe  seines  Sitzes  die  Extraktion  durch  die 
Oesophagotomiewunde  nach  oben  noch  gelang,  dass  Oeso¬ 
phagus-  und  Bronchial-Dekubitus  die  schwersten  Kompli¬ 
kationen  herbeiführten  und  durch  Speiseröhrenaus¬ 
schaltung  mittelst  Gastrostomie  die  tiefsitzende 
Speiseröhren-Bronchialfistel  zur  Heilung  geführt 

wurde.  . ,  ,  ,  , 

Es  handelte  sich  um  ein  25  jähriges  Dienstmädchen,  welches  am 

16.  Juli  1906  in  die  Klinik  aufgenommen  wurde.  T  T  ,  . 

Die  Patientin  hatte  am  18.  März  1906  mittags  12  Uhr  beim 
Essen  ihre  Gebissplatte  mit  dem  medialen  und  lateralen  oberen 
Schneidezahn  der  rechten  Seite  verschluckt.  Sie  haLe  gleich  das 
Gefühl,  als  ob  das  Gebiss  in  Höhe  der  oberen  Brustoffnung,  wo  sie 
sofort  heftige  Schmerzen  verspürte,  stecken  geblieben  sei,  und  konnte 
weder  schlucken  noch  sprechen.  Eine  noch  am  gleichen  Tage  in 
einem  Krankenhause,  wo  Patientin  Hilfe  suchte  yorgenommene  Rönt¬ 
gendurchleuchtung  liess  nirgends  einen  Fremdkörper  erkennen.  Am 
folgenden  Tage  wurde  ebenda  eine  Schlundsonde  eingefuhrt,  ohne 
dass  man  dabei  auf  ein  Hindernis  stiess.  Die  Patientin  konnte  flüssige 
Speisen  zu  sich  nehmen.  Sehr  bald  trat  jedoch  wieder  eine  Ver¬ 
schlimmerung  des  Zustandes  ein;  die  Schmerzen  steigerten  sich  mehr 
und  mehr,  so  dass  gegen  Ende  des  Monats  Juni  das  Schlucken  w  iedei 
vollständig  unmöglich  war.  Auch  der  von  Anfang  an  bestehend 
Hustenreiz  wurde  immer  stärker,  die  Atmung  laut  röchelnd.  Patientin 
hatte  viel  schleimigen  Auswurf,  in  welchem  sich  morgens  häufig 
Blut  befand.  Infolge  dieser  fast  vollständigen  Behinderung  der  Nah¬ 
rungsaufnahme  kam  die  Patientin  in  ihrem  Kraftezustand  so  sehr 
herunter,  dass  der  behandelnde  Arzt  die  Ueberführung  in  die  hiesige 

chirurgische  Klinik  anordnete.  _  ,  ..  T„H  1on*  war 

Der  Untersuchungsbefund  bei  der  Aufnahme  am  16.  Juli  1906  war 

folgender^  ern„hrte  prau<  .gravida  im  VIII.  Monat  Starker  Stridor 
bei  der  Atmung,  welche  mühsam  und  unter  Zuhilfenahme  der  Auxiliar- 
muskeln  geschieht.  Der  Thorax  dehnt  sich  nur  wenig,  aber  beider¬ 
seits  gleichmässig.  aus.  Be'i  der  Perkussion  zeigt  sich  nirgends  ausge¬ 
sprochene  Dämpfung;  die  Auskultation  ergibt  Eises  VesAularatmen 
mit  diffusen  katarrhalischen  Geräuschen.  Reichlich  schleimiges,  a 
und  zu  mit  Blutspuren  untermischtes  Soutum,  in  welchem  unter 
dem  Mikroskop  zahllose  Bakterien  und  Kokken,  aber  keine  Tuberkel- 

ba 7 '"üle Taryn go sko p i sch e  Untersuchung  ergibt:  rechtes  Stimmband 
leicht  rosa  gefärbt,  beide  bei  der  Phonation  leicht  beyeghch  Rotung 
und  Schwellung  des  Kehlkopfeinganges;  zwischen  den  Aryknorpein 
eine  leichte  Unebenheit.  —  Kein  Fieber.  ,  f  n  1  o-  e  n 

Kurz  nach  jeder  Nahrungsaufnahme  erfolgen 

heftige  Hustenstösse,  dabei  kommt  die  Flüssigkeit  mit  zu¬ 
rück  Feste  Speisen  kann  Patientin  nicht  herunterbringen. 

Auf  dem  in  schräger  Seitenlage  der  Patientin  aufgenommenen 
Röntgenbild  sieht  man  vor  dem  IV.  Brustwirbel  einen  deutlichen 

unregelmassig  ^gestaHetenrl  vorhergegangener  Kokaimsierung 

des  Pharynx  die  ösophagoskopische  Untersuchung  ausgefuhrt.  Die 
Einführung  des  Oesophagoskops  gelingt  ohne  Schwierigkeit,  n 


2078 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


I  iefe  von  22  cm,  also  etwa  in  Höhe  der  Kreuzungsstelle 
des  Oesophagus  mit  dem  linken  Bronchus  sieht  man 
an  der  linken  Oesophaguswand  sehr  deutlich  die  beiden  Zähne  des 
Gebisses  und  darunter  die  Platte.  Das  Gebiss  ist  fest  eingekeilt  und 
folgt  keinem  Extraktionszuge.  Zwar  gelingt  es,  mit  Häkchen  die 
Platte  etwas  zu  drehen,  so  dass  die  Zangen  fest  fassen  können, 
jedoch  bewegt  sich  der  Fremdkörper  nicht  von  der  Stelle,  so  dass 
der  Extraktionsversuch  nach  40  Minuten  abgebrochen  wird. 

22.  VII.  06.  Patientin  hat  nach  vorübergehender  Temperatur¬ 
steigerung  den  Eingriff  gut  überstanden. 

26.  VII.  06.  Oesophagotomie  an  der  linken  Halsseite  (Prof. 
Friedrich).  Hautschnitt  in  üblicher  Weise.  Die  grossen  Gefässe 
werden  nach  aussen  gezogen,  der  Oesophagus  durch  eine  eingeführte 
Schlundsonde  kenntlich  gemacht  und  auf  derselben  bis  zur  Thorax¬ 
apertur  eröffnet.  Nach  unten  davon  fühlt  man  mit  dem  Finger  die 
Prothese  mit  den  beiden  Zähnen,  mit  ihren  hakenförmigen  Enden 
fest  in  die  Wand  eingehakt.  Unter  Leitung  des  Zeigefingers  wird 
der  Fremdkörper  mit  der  Schlundzange  gefasst,  jedoch  widersteht 
er  jedem  Extraktionsversuch.  Schliesslich  wird  das  Gebiss  mit 
schneidender  Zange  durchtrennt  und  in  2  Teilen  herausbefördert.  Die 
Betastung  mit  dem  Finger  ergibt,  dass  die  Oesophaguswand  dort, 
wo  der  Fremdkörper  gesessen  hatte,  hochgradig  geschwürig  ver¬ 
ändert  ist  und  eine  Perforationsöffnung  hat,  aus  welcher  Atmungs¬ 
luft  entweicht. 

Einführung  einer  Schlundsonde  durch  die  Wunde  und  Tampo¬ 
nade  der  Wundhöhle. 

29.  VII.  06.  Patientin  hat  den  Eingriff  reaktionslos  überstanden. 
Reichliche  eiterige,  übelriechende  Sekretion.  Die  Fütterung  geschieht 
ausschliesslich  durch  die  in  der  Wunde  liegende  Sonde. 

Am  2.  VIII.  06  erfolgt  die  Geburt  eines  lebenden,  ziemlich  kräf¬ 
tigen  Kindes. 

4.  VIII.  06.  Patientin  klagt  über  Schmerzen  in  der  linken  Brust¬ 
seite.  Unterhalb  der  linken  Axilla  gedämpft  tympanitischer  Schall  an 
umschriebener  Stelle,  massenhafte  Rasselgeräusche  jeder  Art. 

6.  VIII.  06.  Aashaft  stinkender  Auswurf  lässt  beginnende  Gan¬ 
grän  befürchten,  so  dass  zur  Gastroenterostomie  zwecks  Ausschal¬ 
tung  des  Oesophagus  und  der  Speiseröhren-Trachealfistel  geschrit¬ 
ten  wird.  Die  Ernährung  erfolgt  von  jetzt  ab  ausschliesslich  durch 
die  Magenfistel.  Am  8.  November  1906  lässt  sich  der  Nachweis  er¬ 
bringen,  dass  die  Oesophagus-Trachealfistel  geschlossen  ist  und  die 
Lungenentziindungserscheinungen  vollständig  zurückgegangen  sind. 
Von  jetzt  an  nimmt  Patientin  die  Speisen  wieder  per  os  zu  sich  und 
die  Hebung  der  Gesamternährung  macht  rasche  Fortschritte. 

13.  I.  07.  Patientin  sieht  gut  aus.  Ueber  den  Lungen  sind  ausser 
vereinzelten  Rasselgeräuschen  keine  Veränderungen  mehr  nachzu¬ 
weisen.  Pat.  hat  in  den  2  letzten  Monaten  um  22  Pfd.  zugenommen. 

Was  zunächst  die  Diagnose  im  vorliegenden  Falle  be¬ 
trifft,  so  Hess  schon  die  Anamnese  das  Vorhandensein  eines 
Fremdkörpers  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  vermuten. 
Nur  die  Angabe,  dass  schon  auswärts  von  chirurgisch  geübter 
Hand  Extraktionsversuche  gemacht  worden  seien,  aber  nichts 
von  Fremdkörper  ergeben  hätten,  konnte  vorübergehend  irre¬ 
leiten. 

Die  äussere  Palpation  gewährte  bei  dem  Fehlen  einer 
zirkumskripten  Druckempfindlichkeit  bezw.  einer  eventuell 
durchzufühlenden  Resistenz  auch  hier  wie  in  allen  Fällen 
tieferen  Sitzes  des  Fremdkörpers  keinen  Anhalt. 

Auch  die  Sondenuntersuchung,  welche  bei  Fremdkörper¬ 
verdacht  in  der  Speiseröhre  immer  zuerst  versucht  werden 
soll,  da  sie  ein  schonendes  und  weitgehend  sicheres  diagnosti¬ 
sches  Hilfsmittel  darstellt,  und,  von  geübter  Hand  ausgeführt, 
ohne  Gefahr  vorgenommen  werden  kann,  fiel  in  unserem  Falle 
negativ  aus  und  zwar  sowohl  gleich  nach  dem  Unfall  (im  aus¬ 
wärtigen  Hospital),  als  auch  bei  der  4  Monate  später  erfolgten 
Aufnahme  in  die  Greifswalder  Klinik.  Der  Grund  hierfür  mag 
darin  zu  suchen  sein,  dass  die  Lage  der  Zahnplatte 
eine  derartige  war,  dass  sie  mit  ihrer  Konvexität 
der  konkaven  Vorderwand  der  Speiseröhre  anlag,  während  die 
Sonde  in  der  Aushöhlung  der  Prothese  längs  der  hinteren 
Oesophaguswand  spielend  abwärts  glitt.  Prof.  Friedrich 
hat  dieses  Vorkommnis  gerade  bei  Gebissprothesen  wieder¬ 
holt  und  selbst  mit  stärkeren  Sondennummern  beobachtet. 

Sichergestellt  wurde  die  Anwesenheit  des  Fremdkörpers 
jedoch  durch  die  Anfertigung  einer  Röntgenphotographie.  Dass 
bei  der  am  1  age  nach  dem  Unfall  vorgenommenen  Röntgen¬ 
untersuchung  auswärts  das  Gebiss  nicht  nachgewiesen  wurde, 
ist  nicht  ganz  erklärbar,  es  sei  denn,  dass  Röntgenapparat  oder 
I  echnik  unvollkommen  waren.  Allerdings  kann  der  wenig 
markante  Schatten  einer  metallfreien  Prothese  durch  den 
Schatten  der  Wirbelsäule  und  des  Herzens  unter  Umständen 
)  e i  deckt  werden.  Seitliche  Aufnahme  schützt  gegen  dieses 
Lebersehen  des  Fremdkörpers.  Es  wurde  daher  in  der  hie¬ 


sigen  Klinik  die  Durchleuchtung  nicht  nur  in  Rückenlage  der 
Patientin,  sondern  auch  in  schräger  Richtung,  von  rechts  vorne 
nach  links  hinten,  ausgeführt.  Dabei  ergab  sich  einwandfrei  der 
geschilderte  Befund,  welcher  endlich  noch  durch  die  ösophago- 
skopische  Untersuchung  bestätigt  wurde. 

Somit  war  die  Diagnose  nach  Sitz,  Form  und  Beschaffen¬ 
heit  des  Fremdkörpers  gesichert. 

Therapeutisch  konnte  angesichts  der  sich  mehr  und  mehr 
steigernden  subjektiven  Beschwerden  der  Patientin  und  des 
infolge  der  Unterernährung  von  Tag  zu  Tag  sich  verschlech¬ 
ternden  Allgemeinbefindens  nur  die  baldmöglichste  Entfernung 
der  Causa  morbi,  trotz  der  vorgeschrittenen  Gravidität,  in 
Frage  kommen.  Für  den  hierfür  einzuschlagenden  Weg  lageh 
die  Verhältnisse  im  vorliegenden  Fall  nicht  sehr  günstig.  In 
erster  Linie  war  in  dieser  Hinsicht  das  lange  Verweilen  des 
Fremdkörpers  im  Oesophagus  in  Betracht  zu  ziehen.  Die 
Zeit  zwischen  dem  Verschlucken  des  Fremd¬ 
körpers  und  der  Aufnahme  der  Patientin 
in  die  Klinik  betrug  genau  4  Monate.  Wenn 
wir  nun  auch  aus  der  Literatur  zahlreiche  Fälle 
kennen,  wo  es  ebensolange  und  noch  länger©  Zeit 
(bis  12  Jahre!)  dauerte,  bis  derartige  verschluckte  Gebisse 
entweder  spontan  oder  durch  Operation  wieder  zutage  be¬ 
fördert  wurden,  so  war  doch  zu  befürchten,  dass  sich  der 
Fremdkörper  im  Laufe  der  Zeit  tiefer  in  die  Oesophaguswand 
eingekeilt  und  einen  Dekubitus  erzeugt  hatte.  Dass  derselbe 
zur  Entwicklung  einer  ausgedehnteren  periösophagealen  Phleg¬ 
mone  geführt  haben  sollte,  war  bei  dem  vollständigen  Fehlen 
von  Fieber  und  Druckschmerzhaftigkeit  am  Halse  zum  minde¬ 
sten  sehr  unwahrscheinlich.  Wohl  aber  war  eine  Kompli¬ 
kation  mit  Sicherheit  von  vornherein  zu  kon¬ 
statieren  und  dieselbe  wurde  auch  bei  der  nachherigen  Autopsia 
operativa  bestätigt:  Die  Tatsache  nämlich,  dass  sich  bei  der 
Patientin  jedesmal  sofort  nach  derNahrungs- 
aufnahme  heftige  Hustenanfälle  einstellten, 
war  ein  absolut  sicherer  Beweis  dafür,  dass  eine  Kommuni¬ 
kation  zwischen  Speiseröhre  und  Luftröhre 
bestand,  eine  Komplikation,  welche  wegen  der  grossen  Aspi¬ 
rationsgefahr  nicht  zu  unterschätzen  war. 

Auch  in  Rücksicht  auf  die  bestehende  Schwangerschaft 
musste  man  bestrebt  sein,  den  Eingriff  so  rasch  und  schonend 
als  möglich  zu  gestalten. 

Von  einem  Versuch,  die  Gebissplatte  mittelst  Kornzange 
oder  G  r  a  e  f  e  sehen  Münzenfängers  bezw.  W  e  i  s  s  sehen 
Grätenfängers  zu  extrahieren,  wurde  in  Anbetracht  des  tiefen 
Sitzes  des  Fremdkörpers  (IV.  Brustwirbel),  sowie  im  Hinblick 
auf  die  mit  Sicherheit  anzunehmende  feste  Einkeilung  ab¬ 
gesehen. 

Aus  diesem  letzteren  Grunde  war  auch  von  der  zweiten 
Methode,  den  Fremdkörper  auf  unblutigem  Wege  zu  entfernen, 
nämlich  der  Extraktion  mit  Hilfe  des  Oesophagoskops,  von  vorn¬ 
herein  so  gut  wie  kein  Erfolg  zu  erwarten.  Trotzdem  wurden 
im  Anschluss  an  die  zu  diagnostischem  Zwecke  ausgeführte 
Oesophagoskopie  wiederholte  Extraktionsversuche  gemacht, 
welche  jedoch  alle  an  der  festen  Einkeilung  des  Fremdkörpers 
und  an  dem  Auftreten  einer  mässigen  Blutung  scheiterten. 

Es  blieb  somit,  wie  von  vornherein  anzunehmen  war,  nur 
noch  der  blutige  Weg  und  zwar  in  diesem  Falle  die  Oeso- 
phagotomia  externa  übrig.  Dieselbe  wurde  von  Professor 
Friedrich  in  der  oben  angegebenen  Weise  ausgeführt  und 
eine  3X4  cm  messende  Gebissplatte  aus  Hartgummi  mit  zwei 
Zähnen  zu  Tage  befördert. 

Dass  diese  Operation,  wenn  sie  rasch 
ausgeführt  wird  und  von  sachgemässer 
Nachbehandlung  gefolgt  ist,  selbst  in 
einem  prognostisch  so  ungünstigem  Falle, 
wie  es  der  vorliegende  war,  relativ  leicht 
ertragen  wird,  geht  daraus  hervor,  dass 
die  Patientin  trotz  der  später  noch  nötig 
gewordenen  Gastrostomie  und  dem  8 
Tage  nach  der  Oesophagotomie  erfolgten 
Partus  sich  in  der  Folgezeit  zusehends 
erholte  und  nach  2  Monaten  vollständig  Abbildung  1. 
geheilt  entlassen  werden  konnte. 

Gerade  in  der  rechtzeitigen  Anlegung 
einer  Gastrostomie  möchten  wir  nämlich 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2079 


15.  Oktober  1907. 


einen  der  H  a  u  p  t  f  a  k  t  o  r  e  n  zur  Sicherung 

des  Heilerfolges  erblicken.  wenn  der  Fremd- 
körperdruck  zu  einer  Speis  e  n  ro  h  r  en  -  B  ron- 
chien -  Fistelbildung  geführt  hat.  In  der  tage¬ 
nder  wochenlangen  Ausschaltung  des  Oesophagus  durfte 
dann  die  grössere  Garantie  des  Erfolges  liegen  als  in  der 
Wngeren  Schlundsondenbehandlung.  Führt  doch  erfahrungs- 
gemäss  eine  längere  Schlundsondenbehandlung  fast  ausnahms- 
fos  zu  einer  Oesophagitis  und  pflegt  das  dann  vorhandene 
Schlehnteutsekret  zusammen  mit  den  Entzündungsprodukterl  ein 
äusserst  infektiöses  Material  bei  vorhandener  Möglichkeit  einer 

Lungenaspiration  zu  bieten. 

Hinsichtlich  des  längeren  Liegenlassens  der  Schlundson 
bietet  auch  gerade  der  vorliegende  Fall  seine  lehrreichen  Seiten. 

„  i  Fall  Fp+rifft  einen  21jährigen,  sonst  völlig  gesunden,  kiaf- 

Dvr  a15irher  am 12 November  1906  zur  Aufnahme  in  die 
tigen  Knecht,  welcher ^  am i  1 2.  iNove  dem  gemachten 

Ä  ÄÄtÄ  der 

5ich  £  SÄpS  -  » 

(in  der  Achselhöhle  gemessen)  betragt  39,-. 

Die  Inspektion  ergibt  nichts  Abnormes. 

vorderem  fgÄ  ÄK 

Ie™eknServonftvorue  für  das  Vorhandensein 

ei"eSBei  TeftrynLskopischei,  Untersuchung  gewahrt  man  eine 
deutliche  Schwellung  des  Bereichs  der  ary-emglott,schen  Falten  un^ 

Aryknorpeln  gelegenen 
Raumes  mit  vielem 
Schleim.  Von  aussen  hat 
man  an  der  linken  Hals¬ 
seite  in  der  Höhe  der 
Glandula  thyreoidea  nach 
dem  Oesophagus  zu  das 
Gefühl  einer  starken  Re¬ 
sistenz  und  hier  besteht 
auch  deutlich  Druckemp¬ 
findlichkeit.  Dieselbe  ist 
hier  an  umschriebener 
Stelle  so  gross,  dass  mit 
der  Möglichkeit  des  Ein¬ 
dringens  eines  Fremd¬ 
körpers  in  die  Umgebung 
des  Oesophagus  gerech¬ 
net  werden  muss,  so  dass 
die  Oesophagotomie  als 
einziges  Mittel  bleibt,  um 
der  Gefahr  einer  pro¬ 
gredienten  Periösophagi¬ 
tis  vorzubeugen,  um  den 
weder  mit  der  Sonde, 
noch  mit  dem  Oesophago- 
skop  nachweisbaren,  ev. 
in  das  Nachbargewebe 
eingedrungenen  Fremd¬ 
körper  zu  beseitigen.  Die 
anhaltende  Abendtempe¬ 
ratur  zwischen  39  und  40 
macht  die  Gefahr  der 
Periösophagitis  beson¬ 
der  eindrucksvoll.  Es 
wird  daher  an  der  stark 
druckempfindlichen  links¬ 
seitigen  Oesophaguswand 
am  13.  Nov.  zur  Oeso- 
phagotomia  externa  ge¬ 
schritten  (Prof.  Fried- 


Perforations¬ 

öffnung 


Operations¬ 

wunde 


Abbildung  2. 


rieh).  Der  dem  entsprechenden  Oesophagusabschnitt  anliegende 
Schilddrüsenlappen  erweist  sich  stark  geschwollen  ist  aber  o  n 
Fluktuation.  Die  Eröffnung  des  Oesophagus  auf  der  Schlundsonde 
zeigt  die  Oesophaguswand  stark  ödematos,  fast  matschig,  ziernl  ch 
stark  blutend,  während  im  Speiseröhremnnern nirgends  e  n  ben  d- 
körper  ausgetastet  werden  kann.  Partielle  Naht  des  Oesopl.agu 
Tamponade  und  offene  Behandlung  des  offenbar  inhzierten  P« eno. 
phagealen  Gewebes  und  Einführen  einer  dünnen  Schlundsonde  dui 
die  Nase.  Die  Temperatur  bleibt  in  der  Folge  dauernd  hoch.  Hs  trete 
die  Erscheinungen  einer  doppelseitigen  Lungenentzündung  hinzu  una 


am  Morgen  des  16.  November  erfolgt  unter  Einsetzen  von  Lungen- 

odem  der  Exitus  le^s.  Todesursache  doppelseitige  Unterlappen- 

nneumonie  und  bronchopneumonische  Herde  in  beiden  Oberlappen. 

Bei  eenauer  Untersuchung  des  in  ganzer  Ausdehnung  aufgeschnittenen 
OesSgus  sieht  man  aSuf  der  rechten  Seite  der  der  Cart.lago  cri- 
coidea  anliegenden  Oesophaguswand  ein  durch  die  ganze  Dicke  der 
lAleLhaif  gehendes  übliches  Geschwür Ihm  Wgmber .  m  der 
rechten  Seitenwand,  befindet  sich  ein  zweite  längliches  Wm  . 
im  nhpren  Teil  desselben  ein  freies  Loch.  Durch  dieses  Kommt  u 

Sonde  in  eine  zwischen  Oesophagus  und  U|a"dSe‘rhVeeSd^;n™k 
Teil  in  letzterer  gelegene  Abszesshohle.  3  cm  tiefer  sient  man  uie 
durch  Nähte  geschlossene  Oesophagotomiewunde.  An  der  Voider- 
wund  des  OefoSus  zieht  ein  entzündlich  geröteter  Schleimhaut¬ 
streifen  nach  unten,  in  dessen  Verlauf  eine  ganze  Reihe  flacher,  lang- 

liChe^f1TÄ“F au  in^seinem  eigenartigen  Verlauf, 
besonders  hinsichtlich  des  raschen  tothehen  Ausgangs  zu  ei- 

kla'w!r  haben  es  hier  offenbar  mit  einem  jener  prognostisch 
äusserst  ungünstigen  Fälle  zu  tun,  wo  der  Fremdkörper  sei 
frisch  schon  zu  einer  lokalen  Ulzeration,  Gangrän  und  re 
oration  der  Speiseröhre  geführt  hat.  Wie  dies  bei  diesen 
schwer  septischen  Fällen  häufig  der  Fall  ist,  kam  es  weniger 
zur  Eiterbildung,  als  zu  diffuser  Zellgewebsmfiltration.  Das 
es  sich  bei  dem  jungen  Manne  von  vornherein  um  eine  se 
schwere  Erkrankung  handelte,  dafür  sprach  das  bereits  bei  der 
Aufnahme  bestehende  hohe  Fieber  sowie  das  schlechte  Aus¬ 
sehen  des  Patienten,  welches  besonders  wahrend  dei  Opera 

in  beängstigender  Weise  zutage  tiat.  , 

Ke  Tatsache,  dass  der  Fremdkörper  bei  der  Oesophago- 
tomie  nicht  mehr  zu  finden  war,  lässt  sich  wohl  so  erklären, 
dass  derselbe  entsprechend  den  oben  beschriebenen  Druck- 
p-PKchwüren  im  Oesophagus  allmählich  weiter  nach  unten  ge- 
rtckt  ist  und  wahrscheinlich  im  Verlaufe  der  Operation  durch 
Einführung  der  Schlundsonde  vollends  nach  abwärts  ge 

stossen  würde.  Vorderwan(i  der  unteren  Oesophaguspartie 
sichtbare  entzündlich  gerötete  Sch.eimhautstre.kn  rmt  den 
oberflächlichen  Druckgeschwuren  auch  als  eine  W mkung  des 
hinabgleitenden  Fremdkörpers  anzusehen  ist,  muss  damn 
gestellt  bleiben.  Denn  die  Möglichkeit,  dass  es  sich  hier  um 
oberflächliche  Schleimhautlasionen  bei  den  Extrakt onsve 
suchen  oder  um  eine  Druckwirkung  der  bei  der  Operation  e 
gelegten  Schlundsonde  handelt,  ist  nicht  von  der  Hand  zu 
wefeen  Allerdings  spricht  gegen  die  letztere  Annahme  die 
Kürze  der  Zeit,  während  welcher  die  Schlundsonde  in  de 

Speiseröhre  lag.  Bedeutung  war  im  vorliegenden  Fall  von 

Anfang  wohl  d"as  Eindringen  des  Fremdkörpers  in die  Glandula 
thyreoidea  und  die  dadurch  bedingte  infektiöse  Stramitis.  Be 
der  Sektion  Hess  sich  dieser  Zusammenhang  der  Strum.tis- 
entstehung  deutlich  erweisen.  Wie  es  nun  an  sich  se 
gewöhnlich  sein  dürfte,  dass  ein Fremdkörper des  OooidW» 
innerhalb  so  weniger  Tage  durch  Eindringen  in  die  Schilddiuse 
eine  infektiöse  Strumitis  erzeugt,  so  ist  von  besond .rem  n  er 
dass  der  diese  schweren  Komplikationen  setzei 
Fremdkörper  in  diesem  Falle  immerhin  so  klein  war,  dass  M 

der  späteren  Auffindung  entging.  Es  .  ..  .  ctumofen 

Knochenstück  mit  spitzen  einem  Ende  und  kolbig  stumpten 

andeKamioydeerTph!ilohsan“  sLSsch  nachgewiesen,  dass 
verschluckte  Knochenstücke  von  allen  Fremdkörpern  it 

grösste  Mortahtatommt  jn  seiner  umfassenden  Zusammenstel¬ 
lung  von  108  mit  Oesophagotomia  externa  f®  '® 

operativem  Eingriff  die  Prognose  quoad  vitam  günstige  g 

'“‘Die  beiderseitige  Unterlappenpneumonie  dürfte  schon  in 

den  ersten  Tagen  „ach  Verschlucken  des  |^korpers  e^ 
gesetzt  haben,  entsprechend  dem  bei  aer  oeimun 

Beflnte;er  Fall  ist  sonach  durch  die  Eigenartigkeit  der  Fremd- 
körprarvMleteung,*  die*  Komplikation  der  Strumitis,  die  mehr- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


fache  Geschwürsbildung  im  Oesophaguseingang  und  die  dekubi- 
talen  Veränderungen  längs  des  ganzen  Verlaufs  des  Oeso¬ 
phagus  ausgezeichnet. 

Einen  günstigeren  Ausgang  nahm  der  3.,  ebenfalls  mit 
Oesophagotomia  externa  behandelte  Fall. 

Am  25.  November  v.  Js.,  vormittags  11  Uhr,  wurde  ein  5  jähriger 
.lunge  in  die  Klinik  eingeliefert.  Nach  Angabe  der  Eltern  hatte  der¬ 
selbe  vor  ca.  3  Stunden  eine  Kravattenklammer  verschluckt. 

Kräftiger,  gut  genährter  Junge.  Gesichtsfarbe  blass.  Keine 
Sufrokationserscheinungen.  Ab  und  zu  Erbrechen. 

An  der  linken  Halsseite,  dicht  an  der  Trachea,  fühlt  man  ober¬ 
halb  der  Incisura  jugularis  in  der  Tiefe  eine  harte  Resistenz,  welche 
leicht  druckempfindlich  ist. 

,  In  dem  von  vorn  nach  hinten  aufgehommenen;  Röntgenbild 
(Abbild.  3)  sieht  man  in  Höhe  des  5.  Hals-  bis  1.  Brustwirbels  den 


Abbildung  3. 

Fremdkörper  sitzen.  Die  Klammer,  etwa  4  cm  lang,  befindet  sich  in 
auti echter  Stellung  und  in  der  Längsrichtung  der  Speiseröhre;  sie  ist 
geschlossen,  so  dass  die  nach  oben  gerichteten  Drücker  maximal 
gespreizt  sind  und  die  Oesophaguswand  scheinbar  nach  links  vor¬ 
wölben.  Es  ist  dies  die  Stelle,  welche  auch  äusserlich  als  harte 
Resistenz  fühlbar  war.  Der  eine  der  beiden  Drücker  setzt  sich  nach 
oben  in  einen  Ring  fort,  während  der  andere  mit  einer  scharfen 
Kante  abschliesst.  Ausserdem  sieht  man  nach  beiden  Seiten  vor- 
lagend  die  beiden  Enden  der  in  der  Mitte  befindlichen  Feder. 

Es  war  somit  d'ie  äussere  Form  des  Fremdkörpers 
für  eine  etwaige  unblutige  Extraktion  vom  Munde 
aus  so  ungünstig  wie  möglich.  Wohl  wäre  es  ja  unschwer 
gelungen,  mittels  der  Schlundzange  oder  im  Oesophagoskop  mittels 
eines  geeigneten  Häkchens  die  Klammer  zu  fassen,  ein  Emporziehen 
derselben  wäre  jedoch  be'i  der  starken  Spannung  der  Oesophagus- 

wand  nicht  oder  nur  unter  ausgedehnter  Verletzung  der  letzteren 
möglich  gewesen. 

Es  wurde  aus  diesem  Grunde  gar  kein  Versuch  einer  Entfernung 
des  Fremdkörpers  auf  unblutigem  Wege  gemacht,  sondern  sofort 
zur  Oesophagotomia  externa  geschritten  (Operat.:  Dr.  Heller). 

leselbe  wurde  in  typischer  Weise  ausgeführt  und  es  gelang  ohne 
gi  osse  Schwierigkeit,  den  Fremdkörper  zu  entfernen. 


Abbildung  4. 


Abbildung  5. 


Abbildung  6. 


<chln«1n°n,Ä* wUI^-uT™r<1?  brch  einise  Katsutnähte  Se- 
schlossen  und  die  Wundhohle  mit  Jodoformgaze  tamponiert  Die 

Ernährung  ertolgte  während  der  nächsten  8  Tage  durch  die  Schlund 

sonde.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Nachbehandlung  trat  eine  Oeso 

phagusfistel  in  der  Wunde  auf,  welche  sich  jedoch  nach  wenigen 


lagen  wieder  schloss,  so  dass  der  Junge  25  Tage  nach  der  Opera¬ 
tion  vollständig  geheilt  und  beschwerdefrei  entlassen  werden  konnte 
Während  in  jedem  der  bis  jetzt  beschriebenen  3  Fälle  nach 
Lage  der  Verhältnisse  die  Ausführung  der  Oesophagotomia 
exteina  notwendig  war,  sollen  die  beiden  letzten  Fälle  zeigen, 
dass  es  mitunter  gelingt,  auch  grössere,  zackige  und  eckige 
Körper  mittels  einfacher  Instrumente  auf  unblutigem  Wege  zu 
entfernen. 

Da  in  beiden  Fällen  Anamnese,  Befund  und  Verlauf  keine 
Besonderheiten  aufweisen,  so  beschränke  ich  mich  darauf,  an 
dieser  Stelle  die  Abbildungen  mit  Angabe  der  Extraktions¬ 
methode  wiederzugeben. 

Im  ersten  Fall  (35  jähriges  Dienstmädchen)  war  es  wieder  eine 
jebissplatte  mit  2  Zähnen  (Abbild.  5),  welche  während  des  nächt- 
hchen  Schlafes  in  die  Speiseröhre  hinabglitt.  Durch  reichliches  Trin¬ 
ken  von  Flüssigkeit  wurde  das  weitere  Hinunterschluoken  des  Ge- 
nsses  zu  erreichen  gesucht,  aber  nachdem  es  doch  in  der  Speiseröhre 
hatten  geblieben  war  und  einen  unangenehmen  Druckschmerz  zu  erzeu¬ 
gen  begonnen  hatte,  suchte  die  Patientin  die  Hilfe  des  Arztes  auf.  Der 
Sdz  des  Fremdkörpers  wurde  oberhalb  der  Bifurkation  der  Trachea 
Testgestellt  und  am  Nachmittag  des  ersten  Tages  von  Prof  Fried- 
r  i  c  h  die  Extraktion  ausgeführt.  Bei  dieser  Tiefe  des  Sitzes  konnte 
iei  unblutigem  Vorgehen  nicht  mehr  die  Schlundzange  erfolgreich  an¬ 
gewendet  werden.  Nach  vielfachen  Erfahrungen  mit  dem  sogen 
W  e  i  s  s  sehen  Grätenfänger  machte  Friedrich  auch  bei  diesem 
Gebiss  Gebrauch  von  (ihm,  und  gleich  beim  ersten  Extraktionsver¬ 
such  gelang  es  die  ganze  Platte  mit  in  die  Höfte  zu  bringen.  Auch 
hier  glitt  das  Instrument  durch  die  Höhlung  der  Prothese  an  dieser 
vorbei,  jenseits  von  ihr  wurde  der  Haarschirm  aufgespannt  und  das 
Gebiss  so  nach  oben  gezogen. 

Prof.  Friedrich  hat  im  Laufe  der  Jahre  dieses  Instru- 
ment  ganz  besonders  bevorzugt,  weil  es  eben  in  einer  grossen 
Zahl  von  Fällen  sehr  viel  leichter  die  unblutige  Extraktion 
lasch  ausführen  liess  als  alle  die  anderen  dafür  konstruierten 
Instrumente,  so  dass  wir  heute  den  W  e  i  s  s  sehen  Gräten¬ 
fänger,  nachdem  durch  Anbringung  einer  kleinen  Arretierungs¬ 
vorrichtung  ein  bequemeres  Einführen  ermöglicht  ist,  beson¬ 
ders  empfehlen. 

Auch  die  nachfolgende,  kurz  zu  beschreibende  Fremd- 
köt  perextraktion,  an  sich  durch  die  Art  des  Fremdkörpers 
kurios,  beweist  erneut  die  Leistungsfähigkeit  erwähnten  In¬ 
strumentes. 

Der  2  jährige  Knabe  M.  B.,  Sohn  eines.  Ulanenwachtmeisters, 
hatte  mit  dem  stark  zackigen  Sporenrad  eines  Reiterspornes  ge¬ 
spielt  und  dieses  dann  verschluckt.  Die  beifolgende  Abbild.  6  zeigt 
den  Fremdkörper  in  seiner  natürlichen  Grösse  und  Form.  Der  Knabe 
wurde  2  Stunden  nach  dem  Verschlucken  der  Klinik  zugeführt,  wo 
sofort  die  Extraktion  von  Prof.  Friedrich  ausgeführt  wurde.  Mit 
vem  eisten  Extraktionsversuch  wurde  das  Sporenrad  durch  den 
Weis  s  sehen  Grätenfänger  gelockert,  mit  dem  zweiten  aus  der 
Speiseröhre  entfernt. 

Wir  gehen  unter  Empfehlung  dieses  Instrumentes  so  weit, 
dass  wir  die  Ansicht  vertreten,  dass  es  in  dem  Instrumentarium 
keines  praktischen  Arztes  fehlen  sollte,  da  es,  vorsichtig  ein- 
geführt,  nicht  schaden  kann  und  selbst  zu  schwierigen  Fremd¬ 
körperextraktionen  vielseitiger  Verwendung  fähig  ist.  Zudem 
lässt  sich  mit  dem  Schwammende  in  demselben  Akt,  in  dem 
die  Extraktion  eingeleitet  wird,  mancher  Fremdkörper  mühelos 
gegen  den  Magen  hin  nach  unten  stossen.  Je  rascher  aber  ein 
in.  die  Speiseröhre  eingedrungener  Fremdkörper  aus  dieser 
wieder  beseitigt  wird,  um  so  mehr  verringert  sich  die  Gefahr, 
die  mit  dem  Eindringen  jedes  Fremdkörpers  für  den  Träger 
verbunden  ist.  Nebenstehende  Abbildung  (7  a  und  b)  zeigt  das 
Instrument  mit  der  von  Prof.  Friedrich  angegebenen 
Fixationsvorrichtung.  Dieselbe  wurde  bereits  mit  Rücksicht 
auf  die  grosse  praktische  Verwertbarkeit  des  Instrumentes  von 
lo[,’e,d  r  ‘c  b  i°  Hildebrandts  Jahresberichten,  Jahrgang 
V  n  ’  bescIFieben  ur,d  abgebildet,  aber  aus  v.  Hackers  Dar¬ 
stellung  in  Bergmann  - Bruns-Mikulicz’  Handbuch  er- 
sehen  wir  dass  in  ganz  ähnlicher  Weise  Sympson  schon 
die  Brauchbarkeit  des  Instrumentes  zu  erhöhen  gesucht  hatte 
Durch  die  Abbildung  erklärt  sich  die  Verwendung  des  Instru¬ 
mentes  von  selbst.  Die  obere  Hakenvorrichtung  hat  den 
Zweck,  ein  vorzeitiges  Aufspannen  des  Borstenschirmes 
wahrend  der  Einführung  des  Instrumentes  zu  verhindern.  Hat 
man  dasselbe  über  den  Fremdkörper  nach  abwärts  geführt,  so 
\\  erden  die  Haken  geöffnet,  der  Schirm  aufgespannt  und  das 
Instrument  mit  aufgespanntem  Schirm  nach  oben  zurück- 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2081 


Wir  möchten  sonach  einesteils  auf  einen  Teil  der  Eventuali¬ 
täten  operativen  Vorgehens  bei  den  gefährlichen  Kompli¬ 
kationen  des  Eindringens  von  Fremdkörpern  in  die  Speiseröhre 
hingewiesen  haben,  ganz  besonders  aber  das  Interesse  der 
praktischen  Aerzte  auf  das  zu  stumpfer  Fremdkörperextraktion 
empfohlene  Instrument  erneut  lenken,  weil  wir  glauben,  damit 
manchem  Arzte  und  Kranken  einen  guten  Dienst  zu  tun. 


Abbildung  7  a. 


Abbildung  7  b. 


Meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Prof.  Friedrich, 
erlaube  ich  mir  an  dieser  Stelle  für  die  Ueberlassung  des 
Materials,  sowie  für  die  liebenswürdige  Unterstützung  meinen 
verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 


Aus  der  Kgl-  chirurgischen  Klinik  in  Königsberg  i.  Pr.  (Direktor: 

Professor  E.  L  e  x  e  r). 

Ueber  die  Behandlung  tiefsitzender  Fremdkörper  des 

Oesophagus. 

Von  Dr.  W.  E.  L  u  n  z  e  r,  Volontärarzt. 

Die  Behandlung  der  Fremdkörper  im  Oesophagus  kann 
nicht  nur  dem  praktischen  Arzte  sondern  oft  auch  dem 
geübten  Chirurgen  nennenswerte  Schwierigkeiten  be¬ 
reiten.  Besonders  steht  der  erstere  denselben  häufig  ziemlich 
ratlos  gegenüber. 

Wie  bekannt,  gibt  es  d  r  e  i  Lieblingsstellen  für  das  Stecken¬ 
bleiben  verschluckter  Gegenstände  im  Oesophagus:  die  Höhe 
des  Larynx,  die  der  Teilungsstelle  der  Trachea  und  die  Stelle 
knapp  oberhalb  der  Einmüdung  des  Oesophagus  in  den  Magen. 
Entsprechend  dem  Sitze  an  einer  dieser  erwähnten  Stellen  ge¬ 
staltet  sich  unter  Berücksichtigung  der  Grösse,  Alt  und  Be¬ 
schaff  iiheit  des  Fremdkörpers  die  Entfernung  desselben,  sowie 

No.  42. 


der  dazu  nötige  Heilplan  schwieriger  und  verwickelter.  Bei 
weichen,  rundlichen  Körpern  mit  glatter  Oberfläche 
wird  man  stets,  sollten  sie  infolge  ihres  tiefen  Sitzes  vom 
Munde  aus  mit  Zangen  nicht  mehr  erreichbar  sein,  ganz  un¬ 
bedenklich  den  Versuch  machen  können,  sie  mit  Schlundsonden 
in  den  Magen  zu  befördern,  ohne  üble  Zufälle  befürchten 
zu  müssen. 

Wesentlich  anders  liegt  die  Sache,  wenn  man  es  mit 
eckigen,  spitzen,  scharfkantigen  Gegenstän¬ 
den  zu  tun  hat,  wie  z.  B.  Gebissen,  welche  nach 
E  g  1  o  f  f* * 3  4)  in  62  Proz.  der  Fälle  gefunden  werden,  soweit  er¬ 
wachsene  Personen  in  Betracht  kommen.  Ist  der  Sitz  eines  so 
gearteten  Fremdkörpers  hoch  in  der  Speiseröhre,  dann  ist  seine 
Entfernung  aus  derselben,  besonders  wenn  es  irgend  möglich 
ist,  ihn  dem  Auge  oder  dem  tastenden  Finger  zugänglich  zu 
machen,  vom  Munde  aus  mit  entsprechend  gebogenen  Zangen 
meist  nicht  schwierig.  Steckt  jedoch  der  Gegenstand  tiefer, 
dann  sollte  es  nur  zwei  Wege  geben,  welche  man 
zur  Erreichung  des  Zieles  betreten  dürfte:  Die  Operation 
oder  das  Oesophagoskop. 


Dieses  eben  sind  die  Fähe,  die  den  praktischen  Arzt  in  die 
peinlichste  Verlegenheit  bringen  können.  Allgemein  wird  auf 
die  Gefahren  aufmerksam  gemacht,  welche  das  Empor¬ 
ziehen  dieser  eckigen  und  scharfkantigen  Gegenstände  mit  sich 
bringen  kann.  Wie  ein  Gespenst  droht  die  gefährliche  M  e  - 
diastinalphlegmone,  welche  von  der  kleinsten  Oeso- 
phagusverletzung  ausgehen  kann,  so  dass  Münzenfänger  und 
ähnliche  Instrumente  nicht  gut  anwendbar  sind.  Andererseits 
ist  auch  das  Hinabstossen  gefährlich,  denn  d.er  Fremd¬ 
körper  kann  sich  vermöge  seiner  unregelmässigen  Gestalt  sehr 
leicht  in  tieferen  Teilen  der  Speiseröhre  einkeilen  und  ver¬ 
schlechtert  dann  die  Lage  des  Kranken  wesentlich.  Deshalb 
soll  auch  die  Untersuchung  mit  der  Sonde  nur  mit  der  grössten 
Vorsicht  ausgeführt  werden,  damit  der  Fremdkörper  nicht  noch 
weiter  nach  unten  befördert  wird. 

In  dem  Oesophagoskop  haben  wir  ein  Werkzeug  ge¬ 
wonnen,  auf  schonende  Weise  zum  Ziele  zu  gelangen  und  unter 
Zuhilfenahme  von  langen  Zangen  den  ins  Gesichtsfeld  einge¬ 
stellten  Fremdkörper  zu  entfernen.  Leider  ist  dieses  Mittel 
nicht  Gemeingut  aller  Aerzte,  da  es  einen  ziemlich  umständ¬ 
lichen  Apparat,  sowie  vor  allem  gründliche  Uebung  verlangt. 
In  der  Hand  des  Geübten  sind  jedoch  die  damit  erzielten  Erfolge 
derartige,  dass  z.  B.  v.  Hacker-’)  wegen  eines  Fremdkörpers 
im  oberen  Anteile  des  Oesophagus  bis  26  cm  hinter  der  Zahn¬ 
reihe  seit  1878  keine  Oesophagotomie  mehr  zu  machen 
brauchte.  Allerdings  führt  auch  dieser  Heilplan  nicht  immer 
zum  Ziele,  sodass  für  eine  Anzahl  von  Fällen  nur  ein  blutiges 
Vorgehen  von  Erfolg  begleitet  sein  wird. 

Für  die  im  untersten  Abschnitte  des  Oeso¬ 
phagus  sitzenden  Fremdkörper  ist  wohl  nur  die  Operation 
das  geeignete  Mittel  zur  Entfernung.  In  solchen  Fällen  lässt 
das  Oesophagoskop  im  Stich  und  auf  den  Glückszufall,  den 
v.  Hacker3 *)  einmal  erlebte,  dass  nämlich  der  tiefsitzende 
Gegenstand  beim  Einführen  des  Oesophagoskop  von  selbst  in 
den  Magen  gelangte,  kann  man  doch  nicht  rechnen. 
Immerhin  soll  man  gerade  mit  Rücksicht  auf  diese  Fälle 
einen  Versuch  mit  dem  Oesophagoskope  machen,  dies  um  so 
eher,  als  heute  der  Vorwurf  der  Gefährlichkeit  fiii  dieses  ’>  ei- 
fahren  nicht  mehr  zu  Recht  besteht. 

Als  nötige  Operation  kommt  bei  so  tief  sitzenden  Fremd¬ 
körpern  allein  die  Gastrotomie  in  Betracht.  Diese  wurde 
bis  jetzt  nach  v.Hackers  Statistik  24  mal  ausgeführt,  wobei 
es  20  mal  gelang,  den  Fremdkörper,  wenn  auch  unterstützt 
durch  Entgegendrücken  desselben  mit  vom  Munde  aus  einge¬ 
führten  Sonden  (Morton4,  W  i  1  m  s  ")  ferner  duich  Durch¬ 
ziehen  von  an  Sonden  befestigten  Schwämmchen  (Bull  ), 
Finney7)  oder  durch  Sondierung  vom  Magen  her  (L  e  - 


*)  v.  Bruns:  Beitr.  z.  klin.  Chir.,  Bd.  42. 

-)  Handbuch  der  Chirurgie  S.  407,  II.  Bd. 

3)  v.  Bruns:  Bruns’  Beitr.  1900,  Bd.  29. 

4)  Annals  of  Surgery,  April  1896. 

5)  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  60,  S.  348. 

G)  New  York  Med.  Journ.,  V,  p.  481. 

7)  Bull,  of  the  John  Hopkins  Hospital,  Vol.  3,  No 


26. 

2 


20S2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


j  a  r  sh),  K  ö  r  t  e9)  zu  entfernen.  In  neuester  Zeit  hat  B  i  1 1  o  t10) 
einen  Fall  veröffentlicht,  wo  er  bei  einem  22  Monate  alten  Kinde 
ein  grösseres  Eisenstück  durch  Gastrotomie  entfernte.  Der  Er¬ 
folg  war  günstig. 

Das  Bestreben  der  Operateure  ging  stets  dahin,  die  In¬ 
fektionsgefahr  durch  Anlegen  eines  möglichst  kleinen  Magen¬ 
schnittes  und  durch  extraperitoneales  Arbeiten  zu  verringern. 
Da  sich  beide  Bestrebungen  nicht  wohl  vereinigen  lassen,  in¬ 
dem  es  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nicht  möglich  sein  dürfte,  mit 
dem  Finger  von  der  vor  die  Bauchdecken  vorgezogenen 
Magen  wunde  aus  in  die  Kardia  und  in  den  untersten  Teil  des 
Oesophagus  zu  gelangen,  hat  W  i  1  m  s lx)  ein  neues  Verfahren 
erprobt,  welches  einerseits  die  Magenwunde  auf  das  kleinst- 
mögliche  Mass  bringt,  andererseits  uns  in  den  Stand  setzen 
soll,  ohne  Angst  vor  dem  ausfliessenden  Mageninhalt  und  der 
dadurch  möglichen  Infektion  in  der  freien  Bauchhöhle  zu  ar¬ 
beiten.  Wilms  führt  den  mit  einem  Kondomfingerling  ge¬ 
schützten  Finger  durch  eine  gerade  für  diesen  genügend  grosse 
Magen  wunde  ein  und  lässt  sich  diesen  durch  eine  früher  schon 
angelegte  Tabaksbeutelnaht  einbinden.  So  wird  wohl  das  Aus- 
fliessen  von  Mageninhalt  sicher  vermieden,  doch  kann  diese 
Art  des  Vorgehens  nicht  überall  zum  Ziele  führen;  denn 
abgesehen  von  den  Schwierigkeiten  welche  das  Auffinden  der 
Kardia  macht,  nimmt  man  sich  die  Möglichkeit,  ein  entsprechen¬ 
des  Werkzeug  mit  einzuführen,  welches  man  in  vielen 
Fällen,  besonders  bei  etwas  höherem  Sitze  des  Fremdkörpers 
über  dem  Mageneingange,  nötig  hat. 

Die  Sterblichkeitsverhältnisse  bei  der  Gastrotomie  sind  als 
günstige  zu  bezeichnen.  Von  den  25  Operierten  starben  zwei 
und  nui  einer  dieser  Todesfälle  kann  der  Operation  unmittel¬ 
bar  zur  Last  gelegt  werden.  (Fall  Morton:  Peritonitis.12) 
Der  andere  (Fall  T  rendelenburg13)  erlag  seiner  schon 
\or  der  Operation  infolge  von  Oesophagusperforation  ent¬ 
standenen  gangränösen  Pneumonie.  Dagegen  gelang  es  in 

4  Fällen  nicht,  den  Fremdkörper  zu  finden. 

An  der  Königlichen  chirurgischen  Klinik  hatten  wir  Ge¬ 
legenheit,  einen  Fall  zu  behandeln,  der  in  mehrfacher  Beziehung 
Interesse  erwecken  dürfte.  Am  22.  November  1906  wurde  der 
46  jährige  Bernhard  B.  aufgenommen,  der  folgende  Anam¬ 
nese  angibt: 

v,  i^i  babe  ™  Apiil  1905,  also  vor  °U  Jahren  sein  aus  einer  Kaut¬ 
schukplatte  und  4  5  Zähnen  bestehendes  Gebiss  verschluckt.  Dieses 
sei  anfangs  in  der  Höhe  des  Kehlkopfes  stecken  geblieben.  '  Er  ging 
sofort  zum  Arzte,  der  mit  einer  Sonde  das  Gebiss  in  den  Magen  zu 
stossen  versuchte.  Der  Fremdkörper  blieb  jedoch  in  der  Mitte  der 
Brust  stecken,  und,  da  die  Vornahmen  des  Arztes  dem  Kranken  be- 
Rp1hanHfhmer^u1  yeruJ'sachten’  verzichtete  dieser  auf  eine  weitere 

^ifldttpnShpfniSfder  PHtle,D  ln  f en  nächsten  Tasen  keine  Besch  wer- 
nij'a,tlte’  befolgte  er  den  Rat  des  Arztes  nicht,  sich  in  chirurgische 

5  hh.rthpCSiiZU  b?geben-  Jetzt  hat  er  seh  etwa  einem  Vierteljahre 
Schluckbeschwerden,  indem  grössere  Bissen  nur  unter  Schmerzen 

te?e11R  rSebraC+t  wer^en  können.  In  allerletzter  Zeit  musste  er  här¬ 
tere  Bissen  unter  schmerzhaftem  Würgen  ausspeien.  Deshalb  liess 

wurde1-  ^  hl6Slge  Klmik  aufnehmen>  wo  folgender  Status  erhoben 

Uebermittelgrosser,  stark  abgemagerter  Patient,  dessen  innere 
?piSfei,aUSSer  euVer  schweren,  beiderseitigen  Bronchitis  mit  ungemein 
wdsen  hlaSenSCh  eimig“eitngem  Auswurfe  nichts  Abnormes  nach- 

o,  uDJe  Untersuchung  des  Oesophagus  mit  Sonden  ergibt,  dass 
auch  die  dicksten,  z.  B.  No.  26,  ohne  a  u  f  e  i  n  Hindernis 
zu  stossen,  bis  in  den  Magen  eingeführt  werden  können.  Die 

auf  einen'  har\en°wÄ^d  el"era  AbS‘a"de  V°n  42  Cm  kaum  eben 

.  !e  am  -9-  November  1906  vorgenommene  Oesophago- 
ok  °  ®  T"  erge'bn‘slos.  Das  Oesophagoskop  glitt  stets  an  der 

.  tülc,  wo  der  vermutete  bremdkörper  sitzen  musste  vorüber  ausser 
befö  ST6  S vH  Cine  Schleimhautfalte  vor  das  Instrument,  welche  auch 
b  S  ehj/°ri  und  Ruckwärtsschieben  desselben  nicht  verschwand 

Nachdem  sich  die  Bronchitis  gebessert  hatte,  wird  am  12  De 
2ember  1906  zur  Operation  (Prof.  Lexer)  geschritten. 

s)  Semaine  medicale,  V.  99,  p.  12. 

i<nHAeiLzfeld:  Zentralbl-  f-  Chir.  1898,  No.  10. 

Chir.  1907^S  295  ^  et  ^  pharmac<  militaire  1906,  ref.  Arch.  f. 

u)  D.  Zeitschr.  f.  Chir.,  360,  1901.  S.  348. 

)  Annals  of  Surgery  1896,  April. 

)  Zahn:  Inaug.-Diss.,  Leipzig  1906. 


Ruhige  Chloroformnarkose  ohne  Zwischenfall.  Mediane  Laparo¬ 
tomie  vom  Schwertfortsatze  bis  zum  Nabel  reichend.  Nach  Er¬ 
öffnung  des  Peritoneums  stellt  sich  der  kleine  Magen  ein,  der  sich 
leicht  vorziehen  lässt.  Er  wird  mit  2  Seidennähten  angeschlungen 
die  freie  Bauchhöhle  gründlich  mit  Kochsalzkompressen  abgedeckt 
und  in  der  linken  Hälfte,  in  der  Mitte  zwischen  grosser  und  kleiner 
Kurvatur,  eine  etwa  2  cm  lange  Oeffnung  angelegt.  Der  durch  diese 
in  den  Magen  eingeführte  und  dicht  abschliessende  Finger  gelangt 
zwar  leicht  in  die  Kardia  und  in  den  Oesophagus,  ein  Fremdkörper 
kann  jedoch  vorerst  nicht  getastet  werden.  Es  wird  daher  die  Magen- 
w  linde  vergrössert  und  mit  der  ganzen  Hand  eingegangen.  Es  ge¬ 
lingt  nun  mit  der  Spitze  des  dritten  Fingers  im  Oesophagus  einen 
harten  Körper  zu  fasten,  wenn  man  sich  mit  dem  hakenförmig  ge¬ 
krümmten  zweiten  Finger  gleichzeitig  die  Kardia  und  das  Zwerchfell 
so  stark  als  möglich  herunterzieht.  Nach  vieler  Mühe  gelingt  es,  den 
rremdkörper  mit  einer  gebogenen  Kornzange  neben  dem  tastenden' 
mgei  zu  fassen  und  herauszuziehen,  wobei  die  ihn  fest  umfassende 
Narbe  der  Speiseröhre,  wie  die  geringere  Blutung  zeigt,  vor  gröberer 
Verletzung  bewahrt  wird.  Der  Magen  wird  mit  fortlaufender,  zwei¬ 
reihiger  Naht  geschlossen.  In  der  Gegend  der  Kardia,  dicht  am 
Zwerchfell,  wird  ein  Jodoformtampon  eingeführt.  Am  22.  Januar  1907 
wurde  der  Patient  geheilt,  ohne  die  geringsten  Schluckbe¬ 
schwerden,  entlassen.  Die  Bronchitis  war  im  Verlaufe  seines  Aufent¬ 
haltes  in  der  Klinik  fast  vollständig  verschwunden. 

Der  entfernte  Fremdkörper  ist  ein  Gebiss  in  der  Grösse  3Vz:6  cm. 
.s  besteht  aus  einer  stark  gewölbten  Kautschukgaumenplatte,  an 
welcher  sich  3  Zahne  befinden.  Ein  vierter  wurde  beim  Fassen  mit  der 
Kornzange  abgebrochen. 

Dieser  Fall  war  in  mehrfacher  Hinsicht  von  Interesse.  An¬ 
fänglich  Hessen  fast  alle  Methoden,  den  genauen  Sitz  des 
remdkörpers  festzustellen,  im  Stiche.  Die  dicksten  Schlund¬ 
sonden  konnten  anstandslos  bis  in  den  Magen  eingeführt 
werden,  v.  Hacker14)  erklärt  dieses  auch  von  ihm  beob- 
achtete  Zutreffen  einleuchtend  damit,  dass  die  elastische  Sonde 
in  dem  Bestreben,  sich  gerade  zu  strecken,  vorzugsweise  die 
hintere  Oesophaguswand  betastet,  weshalb  er  für  solche  Fälle 
die  Benützung  der  Olivensonde  oder  des  von  ihm  angegebenen 
Instrumentes  empfiehlt.  Besonders  häufig  soll  dieses  Vorbei¬ 
gleiten  der  Sonde  bei  Gebissen  Vorkommen,  wenn  diese  mit 
mrer  Konvexität  der  konkaven  Vorderwand  des  Oesophagus 
anlagen.  Auch  in  unserem  Falle  gelangten  wir  erst  mit  der 
Ohvensonde  zum  Ziele.  Der  getastete  Widerstand  war  jedoch 
so  gering,  dass  genauere  Schlüsse  aus  diesem  Befund  nicht  zu 
ziehen  waren. 

Wesentliche  Klärung  der  Verhältnisse  brachte  erst  die 
Untersuchung  mit  den  R  ö  n  t  g  e  n  s  t  r  a  h  1  e  n.  Anfänglich  war 
allerdings  die  Durchleuchtung  nicht  von  Erfolg  begleitet  Da 
es  ziemlich  verständlich  ist,  dass  bei  der  Durchleuchtung  in 
■sagittMer  Richtung  der  für  die  Strahlen,  wie  in  unserem  Falle 
leicht  durchgängige  Fremdkörper  durch  den  Herz-  und 
Wirbelsaulenschatten  gedeckt  wird,  ist  die  sogen.  Fechter¬ 
stellung  für  diese  Zwecke  als  geeignetste  angegeben  worden 
Es  ist  dies  jene  Stellung,  bei  welcher  die  Strahlen  von  vorne 
rechts  nach  hinten  links  durch  den  Körper  durchtreten.  Auch 
diese  Untersuchung  war  in  unserem  Falle  ergebnislos.  Von 

ur  ana?01™schen  Lage  des  Oesophagus  zwischen  Herz  und 
Wiibelsaule  ausgehend,  versuchten  wir  noch  die  Durch¬ 
leuchtung  in  rein  frontaler  Richtung,  wiewohl  hiervon  mit  Rück- 

filc  aaU  m16  ^Uahrijri2en  anderer  wegen  der  geringen  Grösse 
i6S  durchleuchteten  Körpers  nicht  viel  zu  erwarten  war.  Und 
doch  bekamen  wir  jetzt  am  Schirme  aufs  deutlichste  den  ge¬ 
suchten  Fremdkörper  zu  sehen.  Die  in  dieser  Stellung  auf¬ 
genommene  Platte  zeigte  uns  im  untersten  Abschnitte  des  Oeso¬ 
phagus  das  Gebiss,  und  zwar  lag  es  so,  dass  die  Zahnkrümmung 
nach  aufwärts,  die  Enden  der  Bögen  nach  abwärts  sahen  und 
die  Gaumenplatte  frontal  stand.  Nachdem  auch  anderweitig 
über  das  negative  Ausfallen  der  zur  Sicherung  der  Diagnose 
allenthalben  stets  verlangten  Röntgenuntersuchung  berichtet 
wurde  so  glauben  wir  auf  Grund  unseres  Erfolges  uns  zu  dem 
Rate  beiechtigt,  man  möge  beim  Versagen  der  anderen  Stel- 
ungen  noch  einen  Versuch  in  rein  frontaler  Stellung  machen. 

Vollkommen  im  Stich  wurden  wir  von  der  Oesophago- 
svopie  gelassen.  Nichts  verriet  im  Bilde  die  Anwesenheit  eines 
Fremdkoipers.  Keine  auffällige  Rötung,  keine  Hämorrhagie 
der  Schleimhaut  konnte  aufgefunden  werden.  Die  stets  vor 
dem  Instrumente  herziehende  Schleimhautfalte  liess  sich  durch 
keinen  Kunstgriff  wegbringen.  Grund  für  dieses  Verhalten 
durfte  unserer  Meinung  nach  der  Sitz  des  Fremdkörpers  ab- 


14)  Handbuch  S.  404. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2083 


geben  Wie  das  Röntgenbild  zeigte,  bestand  im  untersten  Stück 
der  Speiseröhre  eine  bedeutende  Erweiterung,  in  deren  vor¬ 
derem  divertikelartig  ausgebuchtetem  Anteil  das  Gebiss  lag. 
Die  von  oben  her  mitgebrachte  Falte  wurde  nun  vom  Oeso- 
ohagoskope  über  das  Gebiss  hinweg  visierartig  geschoben.  Bei 
der  ungemein  festen  Verkeilung  des  Gebisses  erscheint  es 
fraglich,  ob  es  überhaupt  möglich  gewesen  wäre,  den  Fremd¬ 
körper  auf  diese  Weise  zu  entfernen,  wenn  man  sich  erinnert, 
welche  Schwierigkeiten  z.  B.  Kausch1“)  bei  einem  nur  25  cm 
hinter  der  Zahnreihe  sitzenden  Gebisse  zu  überwinden  hatte. 
Schliesslich  gelang  ihm  die  Entfernung  doch  mit  Hilfe  eines 
grossen  spitzen  Hakens,  eines  Werkzeuges,  welches  mir  nicht 
geeignet  erscheint,  die  Gefahren  des  Eingriffes  wesentlich 

herabzusetzen^ation  erwies  sicl,  a|s  technisch  ungemein 
schwierig.  Anfänglich  wurde  der  Versuch  gemacht  nach  Ar 
der  von  Wilms  angegebenen  Methode  vorzugehen.  Die 
Kardia  wurde  entgegen  den  Angaben  anderer  Autoren  muhdos 
und  sofort  gefunden.  Doch  konnte  der  hochsitzende  Fremd¬ 
körper  mit  dem  einen  durch  die  kleine  Magenwunde  einge¬ 
führten  Finger  nicht  erreicht  werden.  Man  gelangte  ia  au^ 
nach  Vergrösserung  der  Magenwunde  mit  der  Fingeikupp 
eben  nur  an  den  Fremdkörper  heran.  Ein  Herausbefordern 
wäre  auf  diesem  Wege  ganz  ausgeschlossen  gewesen.  Es 
müssen  daher  besonders  günstige  Verhältnisse  vorhegen,  um 
mit  dieser  Art  des  Vorgehens  beim  Erwachsenen  wenigstens  zu 
dnem  Ziele  zu  gelangen.  Bei  Kindern,  wo  die  anatomischen 
Verhältnisse  wesentlich  kleiner  sind,  wird  es  gewiss  öfters  ge- 
lingen  mit  Hilfe  der  von  Wilms  angegebenen  Methode  den 
Fremdkörper  zu  entfernen.  Uebrigens  sind  ja  die  Gefahren 
eines  grösseren  Magenschnittes  keineswegs  allzuhoch  anzu- 
schlagenlwenn  man  nur  die  freie  Bauchhöhle  gut  abdeckt  und 
Gummihandschuhe  wenigstens  für  den  Eingrifl ^'m  Ma2en  ; „och 
benutzt  Beim  Eingehen  mit  der  ganzen  Hand  hat  man  nocn 
den  Vorteil  dass  man  sich,  wie  es  in  unserem  Falle  notwendig 
war,  die  Kardia  herabziehen  und  dadurch  den  Fremdkörper 

näher  bringen  kann. 

Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Perityphlitis. 

Von  Dr.  J.  P.  Naab  in  Biebrich  a.  Rh. 

Als  ich  während  meiner  mehrjährigen  Tätigkeit  in  Diarhekr 
a  Tigris  Ende  1901  eine  Zusammenstellung  der  von  mir  be- 
handfiten  Kranken  machte,  ergab  sich  ein  Bild  das  m  v.eten 
Punkten  grosse  Abweichungen  von  dem  in  Deutschland  De 

kannAm  auffen'dsten  war  es,  dass  sich  nur  ein  einziger  leichter 
Peritvphlitisfall  unter  ihnen  fand.  Ich  wendete  deshalb  in  den 

folgenden  Jahren  meine  ganze  Aufmerksamkhelthf.ie^rr  ^nter- 
heit  zu  sowohl  bei  der  Anamnese  als  auch  bei  d er  Unter 
suchung  wenn  nur  der  leiseste  Verdacht  auf  Blinddarment¬ 
zündung  bestand.  Und  trotzdem  konnte  ich  in  den  fo  genden 
Jahren  nur  noch  einen  Fall  von  Perityphlitis  feststellen,  der 
operativ  zur  Heilung  kam.  Im  Jahresdurchschnitt .  hatte  ^ch 
1732  Patienten  behandelt  und  dabei  nur  alle  2  Jahre  einmal 
Blinddarmentzündung  gesehen. 

Für  Obermesopotamien  haben  wir  also  die  merkwui  ige 

Tatsache  festzustellen,  dass  von  6800  b^handelt^no5^teänden 
zwei  =  0,03  Proz.  an  Perityphlitis  und  deren 

litten.  Ich  erkundigte  mich  bei  mehreren  europäischen  Aer: z 

in  der  asiatischen  Türkei  und  alle  bestätigten  die  auffallende  Er¬ 
scheinung,  dass  Perityphlitis  im  Orient  ausserst  seifen  beob¬ 
achtet  werde.  So  konnte  mein  nächster  Nachbar  Dr  C  h  i 
in  Urfa  etwa  4  Tagereisen  weiter  westlich,  wahrend  fu 
jähriger  Tätigkeit  nur  zwei  Fälle  von  Perityphlitis  feststellen, 
„obschon  er  sich  in  allen  Fällen  von  Leibschmerzen  etc.  b  - 
mühte,  eine  Perityphlitis  herauszufinden  ;  und  dabei  kathte 
ein  bedeutend  grösseres  Krankenmaterial  zur  Beobachtung 

gehabtes  ich.^  ^  ^  Blinddarmentzündung  in  den  grossen 

Städten  der  syrisch-kleinasiatischen  Küste  auf.  Konstantinopel, 

151  Med  Klinik  1906,  No.  51 — 52.  .  .  , 

0  H.  C  r  i  s  t:  Medizinisches  aus  dem  Orient  (in  der  Medizinischen 

Klinik  1905,  No.  33). 


zumal  als  Uebergangsstation  nach  Europa,  liefert  uns  da  sehr 
interessante  Zahlen  aus  zwei  grossen,  von  Deutschen  geleiteten 
Krankenhäusern.  Besonders  wertvoll  sind  die  sehr  ausführ¬ 
lichen  Aufstellungen  aus  dem  Krankenhause  der  Medizinschule 
in  Gülhane-Stambul  (Prof.  Rieder-Deycke)2),  da  vor 
allem  auch  ein  grosses  poliklinisches  Krankenmaterial  dabei 
bearbeitet  ist,  das  sich  hauptsächlich  aus  Eingeborenen  zu¬ 
sammensetzt.  Unter  21  562  beobachteten  Fällen  wurde  38  mal 
=  0,18  Proz.  Perityphlitis  festgestellt.  Von  den  1899/1903  auf 
die  innere  und  chirurgische  Station  aufgenommenen  5302  Kran¬ 
ken  war  Perityphilits  mit  18  Fällen  =  0,3  Proz.  vertreten. 

Bedeutend  ungünstiger  gestaltet  sich  das  Verhältnis  in  dem 
deutschen  Hospital  in  Konstantinopel,  in  dem  fast  ausschliess¬ 
lich  die  Bewohner  aus  den  Europäervierteln  Pera  und  Galata 
Aufnahme  finden.  Dort  wurden  im  Jahresdurchschnitt  auf  dei 
inneren  und  chirurgischen  Abteilung  1412  Personen  verpflegt, 
darunter  37  Blinddarmkranke  =  2,6  Proz. 

Ausserordentlich  zu  bedauern  ist  es,  dass  die  Statistik  dci 
grossen  Krankenhäuser  in  Deutschland  für  unsere  Aufstellung 
völlig  versagt;  denn  das  vom  Reichsgesundheitsamt  aufgestellte 
Formular  kennt  die  Rubrik  dieses  so  fest  umgrenzten  Krank¬ 
heitsbildes:  „Perityphlitis  mit  Folgezuständen“  leider  noch 
nicht.  Bei  ihm  geht  Perityphlitis  zusammen  mit  Peritonitis, 
einerlei  ob  letztere  durch  perforierende  Magendarmge¬ 
schwüre,  Gallenblasenempyeme  oder  Appendizitis  entstanden 
ist  Mithin  ist  es  auch  vorläufig  für  Deutschland  unmöglich  zu 
einem  genauen  Schluss  über  die  Häufigkeit  der  Perityphlitis  zu 

kommen.  ,  ,  ,  . 

Nur  manche  Privatkrankenhäuser  haben,  da  sie  an  das 

offizielle  Schema  nicht  gebunden  sind,  die  Pentyphht18  und 
daraus  entstandene  Peritonitis  besonders  aufgefuhrt.  So  hatte 
Paulinenstift-Wiesbaden  unter  2916  stationären  Patienten  8- 
Perityphlitisfälle  =  2,8  Proz.,  ähnlich  dem  Verhältnis  im  Pera- 

Zusammengefasst  ergibt  sich  für  die  Häufigkeit  der  Peri¬ 
typhlitis  für  den  Orient: 

Asiatische  Türkei:  OJBProz. aUer  B  ’ 

Konstantinopel  (Türkenspital):  |q’3  ”  der  stationären  Kranken. 

Konstantinopel  (Deutsches  Spital) :  2,6  „  r  * 

Um  Klarheit  über  die  relative  Häufigkeit  der  Perityphlitis 
im  Orient  und  Deutschland  zu  bekommen,  bleibt  uns  einst¬ 
weilen  kein  anderer  Ausweg,  als  die  viel  genauer  aufgestellten 
Operationsstatistiken  heranzuziehen;  und  zwar  werden  wir 
zur  besseren  Uebersicht  die  meist  getrennt  genannten  Eingri  re. 
Exstirpation  im  Anfall,  Inzision  bei  Abszess  und  Resektion  im 
Intervall  zusammenfassen  als  chirurgische  Eingriffe  bei  i  eri- 
typhlitis  und  Folgezustände. 

Von  meinen  beiden  am  Tigris  beobachteten  Perityphhtis- 
fällen  kam  einer  durch  interne  Behandlung,  der  andere  durch 
Operation  zur  Heilung.  Das  bedeutet  für  meine  in  3  Jahren  dort 
ausgeführten  980  Operationen  0,1  Proz.  wegen  Perityphlitis 
Mein  Nachbar  Dr.  Christ  in  Urfa  hatte  in  4 fahren  1466 
Operationen,  davon  nur  eine  wegen  Perityphlitis  —  0,07  1  roz^ 
Dr.  Shepard  in  Aintab  nördlich  von  Aleppo  hatte  z.  B.  1904 
unter  546  Operationen,  davon  32  Laparotomien,  keinen  einzigen 
Perityphlitisfall.  Das  heisst  also  für  diese  3  Platze  im  Innern 
der  asiatischen  Türkei,  dass  im  Jahresdurchschnitt  unter  1000 
Operationen  etwa  1  wegen  Perityphlitis  ausgefuhi  vn 

In  der  Metropole  Konstantinopel  hatte  Prof.  R  i  e  d  e  r  in 
seinem  Krankenhaus  Gülhane  dessen  Kranken  ähnlich  wie  bei 
uns  im  Innern  sich  aus  Türken,  Kurden,  Armeniern  etc. .  zu- 
sammensetzen  unter  2545  grösseren  Operationen  nur  8  mal  - 
0  3  Proz  wegen  Perityphlitis  einzugreifen.  Auffallend  ist 
wieder,  wie  sich  das  Bild  in  der  gleichen  Stadt  ändert,  wenn 
wir  die  Statistik  des  deutschen  Hospitals  auf  der  anderen  Seite 
des  goldenen  Horns  mit  seinen  Patienten  aus  den  Frankenstadt 
teilen  gegenüberstellen.  Dort  musste  im  Jahresdurchschnitt  bei 
651  Operationen  22  mal  =  3,3  Proz.  wegen  Perityp  i  is  ope- 

rierVür  Deutschland  ergeben  die  Jahresberichte  der  grösseren 
Krankenhäuser  ziemlich  ähnliche  Zahlen.  Ich  führe 

*)  Rieder:  Für  die  Türkei.  Selbstgelebtes  und  Gewolltes. 

Bd.  2.  2* 


2U84 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


2  an,  welche  zugleich  eine  grössere  Differenz  in  Prozenten 
aufweisen. 


Allgemeines  Krankenhaus  in  Eppendorf: 

1903  von  2954  Operationen  151  wegen  Perityphlitis  =  5  Proz. 

1904  „  3433  „  246  =  7  „ 

1905  „  3398  „  303  „  ==  9  „ 


Städtisches  Krankenhaus  am  Urban: 


1901  von 

1400  Operationen  116 

wegen 

Perityphlitis  =  8,3”Proz. 

1902  „ 

1690 

150 

yy 

=  9 

1903  „ 

1665  „ 

197 

yy 

„  =11,8  „ 

1904  „ 

1712 

225 

V 

»  =  13,1  „ 

Eppendorf  und  Urban 

zusammen 

unter  16,252  Operationen 

1388  wegen  Perityphlitis  =  8,5  Proz. 


Kurz  zusammengefasst  ergibt  sich,  dass  bei  mehrjährigem 
Durchschnitt  unter  den  operativ  behandelten  Fällen  wegen 
Blinddarmentzündung  und  Folgezustänien  eingegriffen  wurde: 


Innere  asiatische  Türkei  in  0.1  Proz.  d.  Fälle 

Konstantinopel  Stambul  Türkenhospital  Giilhane  „  0,3  „ 

Konstantinopel  Pera  Deutsches  Hospital  „3,3  "  ” 

Deutschland:  Hamburg-Berlin  „8,5  l  l  l 


Ich  bin  mir  vollkommen  klar  darüber,  dass  diese  letzte 
Zusammenstellung  für  die  Häufigkeit  der  Perityphlitis  keinen 
vollgültigen  Beweis  erbringen  kann.  Immerhin  haben  wir 
dabei  nur  solche  Krankenhäuser  berücksichtigt,  welche  deutsche 
Aerzte  leiten,  und  sind  deshalb  zur  Annahme  einer  gleichartigen 
Indikationsstellung  für  die  Operation  berechtigt.  Auf  alle  Fälle 
beweist  aber  die  vorhergehende  Allgemeinstatistik,  dass  Peri¬ 
typhlitis  bei  einem  Vorkommen  von  0,03—0,18  Proz.  fast  eine 
unter  dem  türkischen  Volke  unbekannte  Krankheit  genannt 
werden  muss  und  selbst  in  der  gleichen  Stadt  10  mal  seltener 
unter  ihm  beobachtet  wird  als  unter  Europäern. 

Diese  auffallende  Tatsache  legt  es  nahe,  bei  jenem  Volke 
eine  weitere  Rückbildung  des  rudimentären  Wurmfortsatzes 
zu  vermuten.  Leider  stehen  dieser  Feststellung  heute  noch 
grosse,  teligiöse  Hindernisse  im  Wege.  Nur  in  Küstenplätzen 
haben  einige  Krankenhäuser  Sektionserlaubnis  durchgesetzt. 
So  berichtet  Dr.  Dschebadschian  aus  Beirut  auf  die 
Frage:  Warum  ist  Appendizitis  nicht  häufig  im  Orient?  „Ich 
hatte  Gelegenheit  40  Leichen  genau  zu  untersuchen;  unter  diesen 
hatten  2  überhaupt  keinen  Appendix  und  die  meisten  der  üb- 
ligen  hatten  einen  sehr  rudimentären,  fadenartigen,  einigemale 
ohne  Lumen“. 


Das  sind  keine  wesentlichen  Abweichungen  von  den  uns 
bekannten  Tatsachen;  denn  auch  in  Deutschland  fehlt  der  Pro- 
zessus  manchmal  ganz  oder  ist  stark  geschrumpft.  Und  in 
bezug  auf  die  Obliteration  des  Lumens  stellte  Nothnagel 
fest,  dass  im  60.  Lebensjahre  in  50  Proz.  der  Fälle  partielle 
oder  totale  Obliteration  bei  völlig  frei  beweglichem  Wurmfort¬ 
sätze  festzustellen  war.  Nach  Ribbert  und  Zucker¬ 
kand  1 ')  spielen  sich  im  Proc.  vermiformis  Involutionsvor¬ 
gänge  ab,  die  mit  dem  5.  Lebensjahre  beginnen  und  zur  Obli- 
teration  in  grösserer  oder  kleinerer  Ausdehnung  führen.  Sie 
landen  in  25  Proz.  aller  Fälle  den  Prozessus  partiell  oder  total 
\  erschlossen,  ohne  dass  abgelaufene  Entzündungserscheinungen 
"acl™eisen  waren-  —  Eine  Rassendifferenz  in  Bezug  auf  den 
Ruckbi  dungsgrad  des  Wurmfortsatzes  lässt  sich  also  kaum 
teststellen.  Wohl  aber  könnte  innerhalb  desselben  Volkes  ein 
besonders  lang  entwickelter  Prozessus  als  Familieneigentüm¬ 
lichkeit  eine  gewisse  erbliche  Veranlagung  zur  Perityphlitis  be¬ 
dingen  resp.  eine  Heredität  der  Krankheit  Vortäuschen  (vergl. 

lesch:  ^rPathologie  der  Appendizitis;  Münch,  med. 
Wochenschr.  1907,  No.  5). 

Da  ferner  bei  der  Perityphlitis  kein  spezifischer  Krankheits¬ 
erreger  in  Betracht  kommt,  dürfen  wir  auch  nicht  Immunität 
jenes  Volkes  gegen  denselben  annehmen.  Auch  die  klima¬ 
tischen  Verhältnisse  können  keinen  direkten  Einfluss  haben  da 
wir  ja  ui  derselben  Stadt  im  Europäerviertel  die  Perityphlitis 
zehnmal  häufiger  fanden,  als  in  dem  Türkenstadtteil. 

Es  bleibt  also  nur  übrig,  die  grundverschiedene  Ernährung 
der  Orientalen  und  Europäer  für  die  Seltenheit  resp.  Häufig¬ 
keit  der  Krankheit  verantwortlich  zu  machen.  In  dieser  Auf- 
fassung  bestärkt  mich  die  Tatsache,  dass  man  bei  uns  in 


Deutschland,  also  innerhalb  desselben  Volkes,  in  falscher  Er¬ 
nährung  und  deren  Folgen  das  wichtigste  ätiologische  Moment 
der  Blinddarmentzündung  sah.  Leider  konnte  man  sich  noch 
nicht  darüber  einigen,  worin  diese  verkehrte  Ernährung  be¬ 
steht.^  Lange  Zeit  glaubte  man  die  Ursache  in  dem  Eindringen 
von  Fremdkörpern,  Obstkernen  etc.  in  den  Prozessus  gefunden 
zu  haben.  Aber  dann  müsste  die  Krankheit  im  Orient  noch  viel 
häufiger  sein  als  bei  uns,  da  dort  das  Volk  in  den  Sommer¬ 
monaten  fast  ausschliessljch  von  Früchten,  Melonen,  Trauben, 
Feigen  etc.  lebt  und  dabei  alles  verschluckt.  Uebrigens  hat 
man  auch  in  Deutschland  nur  sehr  selten  solche  Fremdkörper 
im  Prozessus  bei  der  Operation  finden  können. 

Am  verbreitetsten  ist  wohl  die  Ansicht,  dass  Stuhlträgheit 
die  Entstehung  der  Perityphlitis  ausserordentlich  begünstige, 
ja  sogar  verursache.  Indes  habe  ich  bei  meinen  Patienten  im 
Orient  die  Obstipation  eher  häufiger  angetroffen  als  hier.  Auch 
Riede  r  P  ascha  schreibt 2):  „Unter  meinen  Kranken  findet 
sich  Obstipation  mindestens  ebenso  häufig  als  in  Deutschland.“ 
„Perityphlitis  zu  beobachten,  hatten  wir  nur  selten  Gelegenheit 
gehabt;  bei  Europäern  in  Pera  soll  sie  häufig  Vorkommen“,  wie 
es  meine  obige  Aufstellung  klar  dartut. 

Daraus  geht  hervor,  dass  Stuhlträgheit  an  sich  keine  Peri¬ 
typhlitis  auslöst,  sondern  dass  in  der  Verschiedenartigkeit  der 
Ingesta  und  deren  Verhalten  im  Darm  die  wahre  Ursache  für 
die  Differenz  im  Auftreten  der  Krankheit  gesucht  werden  muss. 
Und  da  ist  cs  geradezu  erstaunlich,  zu  sehen,  welche  enorme 
Mengen  Pflanzennahrung  der  Orientale  täglich  vertilgt  und 
welch  untergeordnete  Rolle  das  Fleisch  in  seinem  Haushal¬ 
tungsplane  spielt.  Ochsen-  und  Schweinefleisch  kennt  er  über¬ 
haupt  nicht  und  Hammelfleisch  sieht  der  gewöhnlich  Mann  alle 
8  Tage  auf  seinem  lisch;  Brot,  Reis  und  Früchte  bilden  seine 
Nahrung.  Der  reiche  Städter  isst  wohl  täglich  ein  Fleisch¬ 
gericht,  aber  es  verschwindet  völlig  hinter  der  Unmenge  vege¬ 
tabiler  Beigaben.  Sicherlich  ist  es  kein  blosser  Zufall,  dass 
meine  beiden  Perityphlitisfälle  in  den  wohlhabendsten  Familien 
der  Stadt  vorkamen. 

Da  aber  nach  dem  Gesagten  solch  zellulosereiche,  vegeta¬ 
bilische  Nahrung  ebenso  häufig  Obstipation  verursacht  ohne 
gleich  häufig  auftretende  Perityphlitis,  so  müssen  wir  an¬ 
nehmen,  dass  diese  reichlichere,  den  Darm  mechanisch  mehr 
anregende  Kost,  ohne  chemisch  zu  reizen,  eine  erhöhte  Peri¬ 
staltik  auslöst,  um  solch  grosse  Mengen,  wenn  auch  relativ 
langsam,  vorwärts  zu  bewegen,  wodurch  gleichzeitig  der 
)a rin k anal  gewissermassen  ausgefegt  und  Stagnation  einzelner 
Skyballa  verhindert  wird. 

Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  Obstipation  infolge 
vorwiegender  Fleischnahrung;  die  Gesamtmenge  ist  bedeutend 
kleiner  und  erfordert  infolgedessen  nur  geringe  Peristaltik  zur 
Fortbewegung.  Dazu  dickt  sich  der  Darminhalt  bei  Fleisch¬ 
kost  weiter  oben  ein  und  bildet  dort  einzelne  harte  Kotballen, 
die  sich  sehr  leicht  in  den  Ausbuchtungen  des  Blind-  und  Dick¬ 
darms  fangen  und  durch  länger  dauerndes  Verweilen  an  einer 
Stelle  Schleimhautreizung  verursachen  können4).  Die  un¬ 
mittelbare  Folge  dieses  mechanischen  Reizes  ist  gar  nicht  selten 
erhöhte  Peiistaltik  und  Sekretion  mit  plötzlich  einsetzender 
Diarihoea  stercoralis.  Treten  noch  pathogene  Elemente  hinzu 
so  haben  wir  eine  wirkliche  Schleimhautentzündung  am  Ort  der 
Kotstagnation 5),  die  sich  leicht  fortpflanzen  kann.  Dass  der 
linddarm  eine  Prädilektionsstelle  für  solche  Koprostasen  und 
Koprolithen  bildet,  ist  allgemein  anerkannt  und  die  Gefahr  einer 
dadurch  verursachten  Typhlitis  stercoralis  mit  Uebergang  in 
I  erityphlitis  vorhanden.  Ewald0)  rechnet  sogar  mit  der 
Möglichkeit,  dass  einseitige  Fleischnahrung  gewisse  Digestions- 
produkte  einseitig  überwiegen  lässt,  welche  bei  ihrer  Resorp¬ 
tion  in  loco  eine  Lähmung  der  Darmnerven  zur  Folge  haben 
und  so  zu  Kotstauung  mit  allen  Folgeerscheinungen  führen 
wobei  Penzoldt  noch  ganz  besonders  die  Bildung  von 
Fäulnisgasen  als  Schädigung  für  die  Mukosa  erwähnt. 

Wir  wären  damit  zu  dem  Schlüsse  gedrängt,  dass  sowohl 
nach  den  statistischen  I  atsachen  als  nach  den  theoretischen 
Erwägungen  nur  die  Kotstauung  bei  der  ballast- 


D  Sch  Unge::  Handbuch  der  praktischen  Chirurgie,  Bd.  III, 


0  P 
5)  S 
°)  L 


enzoldt  und  Stintzing:  Bd.  IV,  S  510  u  f 

trümpell:  Bd.  II,  S.  142. 

eyden:  Ernährungstherapie,  Bd.  II,  S.  245. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2085 


a  r  m  e  n  Fleischnahrung  Ursache  einer  lokalen  Ent¬ 
zündung  und  damit  einer  Typhlitis  und  Peritonitis  bilden  kann. 
Das  schliesst  selbstverständlich  nicht  aus,  dass  gelegentlich 
auch  andere  Dinge,  z.  B.  genuine  Enterokolitis  eine  Perityphlitis 
verursachen,  wie  es  Q  u  i  n  o  n  )  fiii  das  KindesalLr  nach¬ 
gewiesen  hat.  ,  .  .  .  , 

Hatte  uns  der  Orient  gezeigt,  dass  dort  bei  minimalem 

Eleischgenuss,  resp.  vorwiegend  vegetabilischer  Nahrung,  die 
Perityphlitis  fast  unbekannt  ist,  so  beweisen  uns  die  Zustände  in 
Deutschland,  dass  mit  zunehmendem  Fleischkonsum  auch  diese 
Krankheit  häufiger  geworden  ist.  Hier  heisst  es  schon  lange, 
dass  Perityphlitis  hauptsächlich  eine  Krankheit  der  besseren 
Stände  ist  Auch  dass  die  Stadtbevölkerung  eki  grösseres 
Kontingent  stellt  als  das  platte  Land,  ist  öfter  erwähnt  worden. 
Charakteristischerweise  fällt  auch  das  häufigere  Auftreten  der 
Krankheit  in  den  letzten  Jahren  mit  dem  statistisch  festgestell¬ 
ten  gesteigerten  Fleischkonsum  zusammen.  Dass  übrigens  die 
Zunahme  der  Perityphlitis  eine  tatsächliche  ist  und  nicht  bedingt 
durch  exaktere  Diagnosestellung,  beweisen  verschiedene  Auf¬ 
stellungen  der  letzten  Jahre;  ich  führe  hier  nur  ein  Beispiel  von 
vielen  an.  Im  Krankenhaus  am  Urban  wurden  auf  der  inneren 
und  äusseren  Station  unter  Abzug  der  Verlegten  verpflegt. 
1901-  8674  Kranke  mit  188  Peritvphlitisfällen  =  2,2  Proz. 
1902:  9702  „  „  202  „  =  2,6  „ 

1903:  9706  „  *  263  „  =  2,7  „ 

1904:  8680  „  „  319  „  —  3,7  „ 


Also  in  3  Jahren  nahezu  eine  Verdoppelung,  die  sicher 
nicht  nur  durch  häufigeres  Einweisen  ins  Krankenhaus  bedingt 
ist.  Völlige  Klarheit  werden  wir  allerdings  erst  bekommen, 
wenn  durch  genaue  Einzelaufstellung  vor  allem  auch  der  prak¬ 
tischen  Aerzte  festgestellt  wird,  aus  welchen  Bevölkerungs¬ 
schichten  sich  die  Perityphlitiskranken  rekrutieren,  unter  Be¬ 
rücksichtigung  der  gewohnten  Lebensweise. 

Unsere  Untersuchung  hat  ohne  Zweifel  einen  innigen  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Perityphlitis  und  Fleischkost  ei  kennen 
lassen;  beider  Kurven  bewegen  sich  stets  in  gleichem  Sinne, 
ob  man  ganze  Völker  mit  einander  vergleicht,  oder  innerhalb 
desselben  Volkes  verschiedene  Volksklassen.  Auch  dass 
Kinder  in  den  beiden  ersten  Lebensjahren  trotz  Häufigkeit  der 
Enteritis  nur  selten  von  Perityphlitis  befallen  werden,  könnte 
auf  die  fleischlose  Ernährung  zurückgeführt  werden.  Das  all¬ 
mählich  häufigere  Auftreten  im  ersten  Dezennium  fällt  wieder 
genau  mit  der  in  diesem  Alter  langsam  gesteigerten  Eleisch- 
ernährung  zusammen.  Dass  dann  trotz  gleich  bleibender  Kost 
nach  dem  30.  Jahre  die  Häufigkeit  schnell  abnimmt3)  und  nach 
dem  40.  nur  selten  vorkommt,  hat  nach  Ribbert  seinen 
Grund  in  der  Obliteration  des  Wurmfortsatzes,  wodurch  die 
vermittelnde  Stelle  für  den  Uebergang  einer  Typhlitis  auf  die 
Umgebung  ausgeschaltet  ist. 

Worin  bei  Fleischeiweissiiberfütterung  die  schädigende 
Wirkung  auf  die  Darmschleimhaut,  speziell  des  Blinddarms  und 
der  Appendix  besteht,  lassen  sich  einstweilen  nur  Vermutungen 
anstellen.  Möglich,  dass  mein  Erklärungsversuch  falsch  ist, 
dass  vielmehr  bei  reichlicher  Fleischkost  chemische  Zer¬ 
setzungsprodukte  die  Mukosa  schädigen  oder  die  abnorme 
Steigerung  des  zirkulierenden  Eiweisses  im  Gegensatz  zum 
Organeiweiss7  8)  die  Widerstandskraft  schwächt,  immerhin 
glauben  wir  in  obiger  Zusammenstellung  bewiesen  zu  haben, 
dass  in  dem  übermässigen  Fleischgenuss  das  wichtigste  prä¬ 
disponierende  Moment  für  die  Entstehung  der  Perityphlitis  zu 
suchen  ist. 

Dem  Praktiker  ist  mit  dieser  Aetiologie  zugleich  eine  W  afte 
im  Kampfe  gegen  jene  Krankheit  gegeben,  die  trotz  frühzeitigen 
Eingreifens  der  Chirurgen  zahlreiche  Opfer  fordert;  auch  die 
glücklich  überstandene  Operation  hinterlässt  doch  nicht  selten 
dauernde  Schädigung  durch  Adhäsionen  etc.  Deshalb  müssen 
wir  auch  hier  unsere  vornehmste  Aufgabe  in  der  Verhütung 
dieser  heimtückischen  Krankheit  sehen.  „Unzweifelhaft“,  sagt 
■  Prof.  F 1  e  s  c  h  1.  c.,  „ist  man  bezüglich  der  Prophylaxe  der 
Appendizitis  genügsamer,  als  es  im  Interesse  der  Sache  der 
Fall  sein  sollte.“  Fassen  wir  das  Uebel  an  der  Wurzel!  Be¬ 
seitigung  der  Obstipation  durch  Abführmittel  hat  nur  ganz 


7)  Guinon:  Münch,  tned.  Wochenschr.  1907,  I,  S.  38. 

8)  Hoffmann:  Allgemeine  Therapie,  S.  352. 


vorübergehenden  Nutzen,  da  nach  dem  Gesagten  Stuhlträgheit 
an  sich  gar  nicht  die  wahre  Ursache  sein  kann;  hier  muss 
physikalisch-diätetisch  einzuwirken  gesucht  werden. 

Früher  haben  die  Aerzte  entschieden  einer  Ueberfütterung 
mit  Fleisch  das  Wort  geredet,  deshalb  besteht  jetzt  im  Volk 
die  Meinung,  Fleisch  in  der  Nahrung  nach  Möglichkeit  zu  be¬ 
vorzugen  (Hoffmann  1.  c.).  Diesen  Standpunkt  müssen  wir 
zum  Wohle  unserer  Patienten  bekämpfen  und  für  eine  mög¬ 
lichst  gemischte  Kost  mit  starkem  Ueberwiegen  der  vege¬ 
tabilischen  Nahrung  eintreten.  Eine  vegetarisch-mehlhaltige 
Diät  soll  ja  nach  Guinon  (1.  c.)  geradezu  eine  antiseptische 
Wirkung  auf  den  Darm  ausüben. 

Wenn  Ewald  (1.  c.,  S.  266)  sagt:  „Eine  Verhütung  der 
Perityphlitis  durch  prophylaktische  Massregeln  anbahnen  zu 
wollen,  etwa  durch  eine  besonders  ausgewählte  Kost,  ist  eine 
Utopie,  die  keine  ernste  Erwägung  verdient,“  so  ist  er  ent¬ 
schieden  zu  weit  gegangen.  Vielmehr  glauben  wir  nach  dem 
Gesagten  ein  gutes  Recht  zu  haben,  gerade  in  der  Regelung 
der  Diät,  speziell  in  der  energischen  Einschränkung  der  Eleisch- 
nahrung  zu  Gunsten  der  vegetabilen  den  wichtigsten  Faktor 
zur  Verhütung  der  Perityphlitis  suchen  zu  müssen.  Und  wie 
draussen  ganze  Völker  unbewusst  durch  ihre  vorwiegend  vege¬ 
tarische  Ernährung  die  Krankheit  von  sich  fernhalten,  so  wird 
die  Erkenntnis  dieses  Zusammenhanges  auch  hier  bei  uns 
manchen  vor  diesem  Leiden  bewahren. 


Aus  dem  Kgl.  Garnisonlazarett  München. 


Bericht  über  100  Blinddarmoperationen. 

Von  Dr.  AlfredSchönwerth,  Stabsarzt  und  Privatdozent 

für  Chirurgie. 

Im  Nachfolgenden  möchte  ich  mir  erlauben,  in  Kürze  über 
100  von  mir  im  hiesigen  Garnisonlazarette  ausgeführte  Blind- 
darmoperationen  zu  berichten.  Weitläufige,  den  Charakter  der 
Wiederholung  tragende  Erörterungen  verbieten  sich  von  selbst 
bei  einem  so  viel  besprochenen  Thema  wie  das  vorliegende; 
ich  werde  mich  deshalb  lediglich  auf  die  Wiedergabe  von  Tat¬ 
sachen  und  subjektive  Erfahrungen  beschränken.  —  Voraus¬ 
schicken  darf  ich  noch,  dass  es  sich  bei  sämtlichen  Operationen, 
die  von  Mitte  1903  bis  Mitte  1907  ausgeführt  wurden,  mit  ver¬ 
schwindenden  Ausnahmen  um  jugendkräftige  Leute  im  Duich- 
schnittsalter  von  20  Jahren  handelte. 

Der  Eingriff  wurde  vorgenommen  im  Frühstadium  23  mal, 
im  Intermediärstadium  7  mal,  bei  Abszessen  21  mal,  bei  Peri¬ 
tonitis  6  mal,  im  freien  Intervall  40  mal,  unter  irriger  Diagnose 

3  mal.  „..  , 

Ein  Einfluss  der  Jahreszeit  auf  das  Vorkommen  von  Blind¬ 
darmentzündungen  zeigt  sich  insofern,  als  im  November  11, 
im  März  8  Eingriffe  nötig  wurden,  während  auf  die  übrigen 
Monate  durchschnittlich  3,8  Fälle  treffen.  (Hier  sind  die  im 
freien  Intervall  sowie  unter  irriger  Diagnose  ausgeführten  Ein¬ 
griffe  nicht  berücksichtigt.) 

Ein  oder  mehrere  Anfälle  waren  vorausgegangen  35  mal, 
erbliche  Belastung  Hess  sich  nur  3  mal  feststellen. 

Als  Ursache  wurden  sehr  häufig  Diätfehler  odei  Erkältung 
im  Dienste  bezeichnet,  wichtiger  als  diese  oft  unzu\  ei  lässigen 
Angaben  scheint  mir  die  Tatsache,  dass  unter  100  Fällen  die 
Erkrankung  nur  ein  einziges  Mal  einem  Trauma  zur  Last  gelegt 
wurde,  eine  Beobachtung,  die  sich  gegen  die  Annahme  einer 
traumatischen  Appendizitis  verwerten  lässt. 


Frühoperationen. 

Ich  verstehe  unter  Frühoperationen  Eingriffe,  die  innerhalb 
der  ersten  2  mal  24  Stunden  vorgenommen  wurden;  ich  ver¬ 
füge  über  23  derartige  Fälle;  mit  Ausnahme  eines  einzigen 
tödlichen  Ausgangs  erfolgte  stets  Heilung,  und  wie  ich  schon 
hier  bemerken  möchte,  ohne  irgendwelche  Komplikationen. 
Der  erwähnte  Todesfall  betraf  einen  Patienten  bei  dem 
29  Stunden  nach  Entfernung  des  brandigen  Wurmfortsatzes  der 
Tod,  und  zwar  lediglich  unter  den  Erscheinungen  der  Hetz¬ 
schwäche  eintrat;  möglicherweise  handelte  es  sich  hier  um 
Schwächung  des  Herzens  durch  Bakteriengifte  und  Lhloro- 
formeinwirkung;  die  Sektion  wurde  nicht  zugegeben.  . 

Von  den  im  Frühstadium  beobachteten  Erscheinungen 

seien  erwähnt: 


2086 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Schüttelfrost,  der  sich  hier  wie  anderwärts  als  ein 
auf  schwere  Infektion  hindeutendes  Zeichen  erwies;  ich  ver¬ 
füge  über  2  einschlägige  Fälle,  bei  denen  der  Eingriff  vor¬ 
geschrittene  Gangrän  des  Wurmfortsatzes  nachwies. 

In  dem  einen  Falle  erfolgte  die  Perforation  bei  der  Her¬ 
auslagerung  des  Zökums;  dieser  Fall  ist  auch  insofern  von 
Interesse,  als  die  Erscheinungen  zunächst  geringfügiger  Natur 
waren;  erst  der  Schüttelfrost  (24  Stunden  nach  Beginn  des 
Anfalls),  der  die  Temperatur  von  37,7  auf  40,4,  den  Puls  von 
92  auf  140  iiinaufschnellen  liess,  kennzeichnete  den  Ernst  der 
Lage. 

Temperatur  und  Puls.  Temperatursteigerungen 
höheren  und  niederen  Grades  wurden  niemals  vermisst  mit 
einer  einzigen  Ausnahme,  wobei  der  kahnförmig  eingezogene 
Leib  auf  die  Schwere  der  durch  den  Eingriff  bestätigten  Ver¬ 
änderungen  hinwies.  Dieser  Fall  lehrt  die  Wichtigkeit  einer 
genauen  Beachtung  jedes  einzelnen  Symptomes. 

Die  hohe  diagnostische  Bedeutung  der  Pulsbeschaffenheit 
ist  eine  anerkannte  Tatsache;  ich  möchte  hier  nur  die  Dis¬ 
harmonie  von  Puls  und  Temperatur  betonen,  die  ich  11  mal 
unter  23  Fällen  beobachten  konnte;  es  fanden  sich  hohe  Tem¬ 
peraturen  bei  langsamem  Pulse  (z.  B.  39,7 — 86)  und  umgekehrt 
(z.  B.  38,1  —  100);  auch  direkte  Verlangsamung  des  Pulses 
bei  normaler  oder  fast  normaler  Temperatur  ist  mir  auf¬ 
gefallen  (z.  B.  38,0  —  56). 

Die  Operation  ergab  bei  diesen  Fällen  am  Wurmfortsätze 
6  mal  Perforation  oder  Gangrän,  3  mal  Geschwürsbildung  mit 
stark  entzündlichen  Veränderungen  der  Schleimhaut.  Nur 
2  mal  war  der  Wurmfortsatz  wenig  verändert,  das  Bild  der 
Appendicitis  Simplex  darbietend,  aber  auch  hier  fand  sich  ein¬ 
mal  Oedem  der  Bauchdecken,  das  anderemal  in  der  freien 
Bauchhöhle  Flüssigkeit;  letztere,  1—2  Esslöffel,  trübserös  und 
auf  die  nächste  Umgebung  des  Zökum  beschränkt,  wurde 
5  mal  beobachtet. 

Obwohl  die  geringe  Anzahl  meiner  Fälle  weitergehende 
Schlüsse  verbietet,  so  glaube  ich  doch,  dass  'die  erwähnte  Dis¬ 
harmonie  im  allgemeinen  auf  die  Bösartigkeit  eines  Falles  hin¬ 
weist,  wenn  auch  aus  dem  Fehlen  derselben  nicht  auf  Gut¬ 
artigkeit  des  Prozesses  geschlossen  werden  kann;  es  dürfte 
dies  rein  objektiv  nachweisbare  Symptom  unter  Umständen 
auf  unseren  Entschluss  für  oder  gegen  die  Operation  bestim¬ 
mend  mit  einwirken;  andererseits  kann  bei  Fehlen  der  Dis¬ 
harmonie  die  Beurteilung  eines  hohen  Pulses  bei  gleichzeitig 
bestehendem  Fieber  gewissen  Schwierigkeiten  unterliegen,  da 
hohe  Temperaturen  an  sich  ja  schon  mit  erhöhter  Pulsfrequenz 
einhergehen. 

Die  Disharmonie  ist  bedingt  durch  die  Infektion  des  Peri¬ 
toneums;  dies  geht  schon  daraus  hervor,  dass  nach  Entfernung 
des  kranken  'Wurmfortsatzes  die  normalen  Verhältnisse  sich 
sehr  rasch  wieder  herstellen;  bei  Fällen  mit  Pulsverlang¬ 
samung  scheint  auch  Schockwirkung  mit  im  Spiele  zu  sein.  — 
Einen  Zusammenhang  dieses  Symptomes  mit  bestimmten  ana¬ 
tomischen  Veränderungen  am  Wurmfortsätze  oder  in  der 
Bauchhöhle  konnte  ich  nicht  feststellen,  auch  nicht  mit  Berück¬ 
sichtigung  der  bei  Abszessen  und  diffuser  Peritonitis  vor¬ 
liegenden  Verhältnisse. 

Vom  Lokalbefund  sei  zunächst  erwähnt  die  Druck¬ 
empfindlichkeit  der  Blinddarmgegend,  die  in 
keinem  Falle  fehlte  und  mehrmals  auch  auf  die  linke  Bauch¬ 
seite  Übergriff,  ohne  dass  gelegentlich  des  Eingriffes  ein  Fort¬ 
schreiten  der  Entzündung  auf  diese  Seite  nachweisbar  gewesen 
wäre.  Möglicherweise  handelte  es  sich  hier  nur  um  sekundäre 
Beteiligung  der  Lymphbahnen,  um  Lymphangitis,  die  nach  Ent¬ 
fernung  des  primären  Entzündungsherdes  rasch  wieder  zurück¬ 
ging  (Burkhard). 

Die  Spannung  der  Bauch  decken  in  der  Blind¬ 
darmgegend  stellte  ebenfalls  ein  konstantes  Symptom  dar;  bis¬ 
weilen  fiel  besonders  starke  Spannung  des  rechten  geraden 
Bauchmuskels  auf;  in  einem  einzigen  Falle  (schon  zitiert)  sah 
ich  kahnförmige  Einziehung  des  Leibes  bei  gut  lokalisiertem 
Prozess. 

Die  regelmässig  auch  per  rectum  vorgenommepe  Unter¬ 
suchung  war  negativ  mit  Ausnahme  einer  öfters  beobachteten 
rechtsseitigen  Druckempfindlichkeit. 


Unter  den  am  Wurmfortsätze  bei  der  Operation  festge¬ 
stellten  Veränderungen  fanden  sich  5  Perforationen  und  8  mal 
Schleimhautgangrän;  5  mal  Geschwüre  und  5  mal  geringe  Ver¬ 
änderungen  (Appendicitis  Simplex);  8 mal  wurden  Kotsteine 
beobachtet. 

Zur  Operationstechnik  sei  bemerkt,  dass  die  Leibeshöhle 
meist  mit  einem  rechtsseitigen  Flankenschnitt,  häufig  mit 
stumpfer  Trennung  der  Muskeln  eröffnet  wurde.  Von  Knopf¬ 
lochschnitten  wurde  im  Interesse  einer  guten  Orientierung  stets 
Abstand  genommen.  Der  Wurmfortsatz  selbst  wurde  nach 
vorausgehender  Abquetschung  der  Basis  in  typischer  Weise 
abgetragen  und  versorgt. 

Auf  Grund  meiner  Beobachtungen  möchte  ich  den  Zeit¬ 
raum  für  die  Frühoperation  im  Allgemeinen  auf  2  mal  24  Stun¬ 
den  ansetzen. 

Für  die  Indikation  zum  Eingriff  wirken  bestimmend  neben 
der  schmerzhaften  Spannung  der  Bauchdecken  und  dem  Ver¬ 
halten  von  Puls  und  Temperatur  Veränderungen  des  Allgemein¬ 
befindens,  dessen  Verschlimmerung,  und  wenn  dieselbe  auch 
nur  in  einem  Symptom  zum  Ausdrucke  kommt,  auf  die  Schwere 
des  Prozesses  hinweist.  Ferner  glaube  ich,  dass  es  an  Hand 
der  bekannten  Erscheinungen  so  gut  wie  immer  möglich  ist, 
den  richtigen  Zeitpunkt  zum  Eingriff  zu  bestimmen.  Wichtig 
ist  dabei  neben  der  persönlichen  Erfahrung  eine  ständige  Ueber- 
wachung  des  Kranken;  in  letzterem  Momente  liegt  der  grosse 
Vorteil  der  Krankenhausbehandlung,  die  infolge  dessen  ein  ab¬ 
wartendes  Verhalten  in  manchen  Fällen  gestattet,  die  in  der 
Privatpraxis  sofort  operiert  werden. 

Intermediärstadium. 

Im  Intermediärstadium  habe  ich  7  mal  operiert  und  zwar  in 
der  Zeit  zwischen  2K  und  8  Tagen;  stets  im  1.  Anfall;  der  ein¬ 
zige  tödliche  Ausgang  erfolgte,  wie  die  Sektion  nachwies,  an 
Pneumonie. 

Die  Indikation  zum  Eingriff  wurde  abgeleitet  von  der  An¬ 
dauer  des  Fiebers  und  einer  deutlich  nachweisbaren  Ge¬ 
schwulst,  die  sich  bei  der  Operation  als  mit  dem  Wurmfortsatz 
verklebtes  Netz  erwies.  —  Gelegentlich  des  Eingriffes  fanden 
sich  3  mal  Verklebungen  des  Wurmfortsatzes  mit  Netz  und 
entleerten  sich  bei  der  Lösung  derselben  in  jedem  dieser  Fälle 
einige  Tropfen  dicken  Eiters. 

Im  Allgemeinen  scheut  man  sich,  im  Intermediärstadium, 
also  nach  Ablauf  von  2  mal  24  Stunden  zu  operieren,  weil  man 
befürchtet,  eine  lokalisierte  Entzündung  zu  einer  diffusen  um¬ 
zuwandeln.  —  Ich  glaube  nun  doch,  dass  man  auch  in  diesen 
Fällen  individualisieren  muss  und  dass  man  den  Beginn  des 
Intermediärstadiums  (so  wie  man  jetzt  diesen  Begriff  auffasst), 
nicht  in  jedem  Falle  von  dem  Ablauf  von  48  Stunden  abhängig 
machen  darf.  Ganz  abgesehen  von  der  Bösartigkeit  der  je¬ 
weiligen  Infektion  und  der  persönlichen  Widerstandskraft 
kommt  es  sicher  auch  darauf  an,  ob  der  Patient  sich  von  Anfang 
an  zweckmässig  oder  gegenteilig  verhält;  diese  Umstände  üben 
ebenso  bestimmt  Einfluss  auf  den  zeitlichen  Ablauf  der  Ent¬ 
zündung  aus  wie  die  anatomische  Beschaffenheit  des  Wurmes, 
ob  noch  intakt  beim  Einsetzen  des  Anfalls  oder  von  früher  her 
schon  krankhaft  verändert.  Dieselben  Veränderungen,  die  ein¬ 
mal  schon  nach  48  Stunden  ausgeprägt  sind,  können  in  einem 
anderen  Falle  viel  mehr  Zeit  zu  ihrer  Entwicklung  benötigen. 
Dementsprechend  wird  in  solchen  Fällen  eine  genaue  Ueber- 
wachung  notwendig  sein  und  wird  man  bei  eintretender  Ver¬ 
schlimmerung  den  Eingriff  nicht  ablehnen  dürfen. 

Abszesse:  21  Fälle. 

Als  Indikation  zur  Operation  diente  neben  Berücksichtigung 
des  Allgemeinbefindens  und  des  Pulses  das  Verhalten  von 
Tumor  und*  Temperatur.  Wenn  Tumor  und  Fieber  3—5  Tage 
lang  bestanden,  ohne  Neigung  zum  Zurückgehen  zu  zeigen,  so 
wurde  die  Diagnose  auf  Eiterung  gestellt  und  eingeschnitten. 
Fieber  wurde  niemals  vermisst;  gewöhnlich  hielt  sich  die 
Temperaturkurve  zwischen  38,0  und  39,0  mit  morgendlichen 
Remissionen;  Disharmonie  von  Puls  und  Temperatur  wurde 
8  mal  beobachtet;  teilweise  in  sehr  ausgeprägtem  Mass- 
stabe  z.  B.  37,0—102;  38,1—120. 

Unter  den  beiden  beobachteten  Todesfällen  handelt  es  sich 
einmal  um  einen  paralytischen  Ileus,  der  am  4.  Tage  nach 
Abszessinzision  sich  ausbildete  und  auf  Anlegung  der  Ente- 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2087 


rotomie  hin  wieder  zurückging.  Der  Tod  erfolgte  2  Monate 
später  an  Erschöpfung  bei  chronisch-fibrinöser  Peritonitis.  — 
Im  2.  Fall  lag  ein  grosses  eitriges  Exsudat  vor,  das  trotz  täg¬ 
licher  Temperatursteigerungen  zwischen  39  und  40  erst  am 
14.  Tage  operiert  werden  durfte;  Tod  2  Tage  später  an  diffuser 

Peritonitis.  ,  , 

Die  Operation  bestand  in  Eröffnung  des  Abszesses  mittels 

Flankenschnitts;  bei  direkt  unter  dem  wandständigen  Bauch¬ 
fell  befindlichen  Eiter  gestaltet  sich  der  Eingriff  zu  einem  höchst 
einfachen  (16 mal);  in  den  übrigen  Fällen  fand  sich  der  Eiter 
stets  an  der  Aussenfläche  des  Blinddarms,  in  Adhäsionen  ein¬ 
gebettet;  nach  Eröffnung  der  Leibeshöhle  und  Umgrenzung  des 
Blinddarms  mit  Jodoformgaze  wurde  der  Eiter  durch  stumpfes 
Vordringen  in  die  erwähnten  Adhäsionen  entleert.  Die  Ope¬ 
ration  lässt  sich  in  dieser  Weise  schnell  beenden  und  habe  ich 
von  diesem  Durchleiten  des  Eiters  durch  die  freie  Bauchhöhle 
unter  den  erwähnten  Vorsichtsmassregeln  nie  Nachteile  gesehen. 

Der  Wurmfortsatz  wurde  nach  Spaltung  des  Abszesses 
nur  dann  entfernt,  wenn  er  frei  zu  Tage  lag  oder  leicht  zu  er¬ 
reichen  war;  sonst  wurde  die  Ausheilung  des  Abszesses  ab¬ 
gewartet  und  der  Wurmfortsatz  im  freien  Intervall  entfernt; 
durchschnittlich  etwa  5  Wochen  nach  Entleerung  des  Eiters. 

In  allen  Fällen  war  der  Eiter  gut  abgekapselt;  Kotsteine 
wurden  8 mal  gefunden;  gelegentlich  einer  Intervalloperation 
wurde  auch  ein  Schrotkorn  im  Wurmfortsätze  beobachtet. 

Komplikationen  traten  bei  5Kranken  auf;  es  handelte  sich  um 
2  rechtsseitige  seröse  Pleuraergüsse  (Heilung  durch  Punktion); 

1  Douglasabszess  (Spaltung  vom  Mastdarm  aus);  1  Pleura¬ 
empyem,  rechtsseitig,  (Heilung  nach  Rippenresektion);  2  Peri¬ 
tonitiden  (Heilung  nach  Laparotomie);  1  Ileus,  bereits  erwähnt. 

Also  unter  21  Fällen  7  mal  Komplikationen  und  zwar  stets 
in  Fällen,  bei  denen  der  Wurmfortsatz  nicht  entfernt  worden 
war;  im  Gegensätze  dazu  23  Wurmfortsatzresektionen  im  Früh¬ 
stadium  ohne  eine  einzige  Komplikation,  ein  beredter  Hinv  eis 
auf  die  Vorteile  der  Frühoperation! 

Peritonitis. 

Es  handelte  sich  um  6  Fälle,  die  operiert  wurden,  mit  3  töd¬ 
lichen  Ausgängen.  , 

Zweimal  fanden  sich  beim  Eingriffe  (24,  resp.  48  Stunden 
nach  der  Lazarettaufnahme)  mächtige  serös-eitrige  Exsudate 
mit  zahlreichen  Adhäsionen,  die  das  Auffinden  des  Wurmfort¬ 
satzes  unmöglich  machten;  Tod  unter  Fortdauer  dei  peii- 
tonitischen  Erscheinungen. 

Die  4  übrigen  Fälle  (1  tödlicher  Ausgang)  charakterisierten 
sich  durch  das  Fehlen  von  Adhäsionen  bei  reichlichen  Mengen 
serös-eitrigen,  mit  Flocken  vermischten  Exsudates  (fibrinös¬ 
eitrige  Peritonitis).  Der  mit  dem  Blinddarm  leicht  verklebte 
Wurmfortsatz  wies  2  mal  Perforation,  2  mal  Schleimhautgan¬ 
grän  auf.  ,  ^  , 

Fieber,  2  mal  von  Schüttelfrost  eingeleitet,  und  Puls  setzten 
von  vornherein  hoch  ein  (39 — 40;  120 — 140);  2  mal  bestand 
deutliche  Disharmonie  (37,8 — 120;  36,9 — 108);  Verlangsamung 
des  Pulses  fiel  nicht  auf.  —  Stärkerer  Meteorismus  wurde  nur 
in  einem  einzigen  Falle  beobachtet.  Dieser  Umstand  war  offen¬ 
bar  bedingt  durch  die  straffen  Bauchdecken  der  jugendlichen 
Individuen,  die  der  Entwicklung  der  Gasauftreibung  Widei  stand 
leisten;  einmal  war  der  Leib  kahnförmig  eingezogen.  In  dem 
tödlich  endigenden  Falle  trat  der  Tod  erst  am  5.  Tage  nach  dci 
Operation  ein,  war  also  nicht  durch  letztere  bedingt,  im  Gegen¬ 
teil  scheint  das  Leben  hiedurch  eher  verlängert  worden  zu  sein. 

Der  Eingriff,  stets  innerhalb  der  ersten  24  Stunden  vor¬ 
genommen  und  nie  die  Dauer  einer  halben  Stunde  übersteigend, 
wurde  stets  in  Vollnarkose  nach  den  von  N  o  e  t  z  e  1  für  die 
Frankfurter  Klinik  angegebenen  Vorschriften  ausgeführt.  Ein 
dynamischer  Ileus,  der  am  Tage  nach  der  Operation  auftiat, 
ging  unter  Atropininjektionen  zurück 


Freies  Intervall. 

In  11  Fällen  wurde  der  Wurmfortsatz  nach  vorausgehender 
Abszessspaltung  im  freien  Intervall  entfernt;  erwähnt  sei  hier 
ein  Patient,  bei  dem  im  Jahre  1898  4  Anfälle  beobachtet  wurden, 
deren  letzter  zur  operativen  Entleerung  des  Eiters  zwang-,  nach 
8  jähriger  Pause  eine  neue  Attacke;  nach  Ablauf  derselben  Ent¬ 
fernung  des  stark  geknickten,  4  Kotsteinchen  enthaltenden 
Wurmfortsatzes.  —  Schwierigkeiten  beim  Auffinden  des  Wurm¬ 


fortsatzes  ergaben  sich  nur  in  einem  Falle,  bei  dem  vor  8  Mo¬ 
naten  ein  Abszess  gespalten  und  dann  noch  2  mal  vergeblich 
nach  dem  Wurmfortsätze  gesucht  worden  war.  Ich  konnte  den 
letzteren  nur  dadurch  finden,  dass  ich  auf  einen  in  den  dichten 
Adhäsionen  fühlbaren  Kotstein  einschnitt;  nach  Einführung 
einer  Sonde  in  das  Lumen  liess  sich  die  Exstirpation  ohne  Mühe 
vornehmen. 

Von  den  übrigen  29  Fällen  möchte  ich  über  4  Patienten 
berichten,  bei  denen  überhaupt  kein  ausgesprochener  Anfall 
vorausgegangen  war;  dagegen  bestanden  schon  seit  Jahren 
unbestimmte  Schmerzen  in  der  Blinddarmgegend.  Der  Eingriff 
ergab  deutlich  nachweisbare  Veränderungen  am  Wurmfort¬ 
sätze,  einmal  sogar  völlige  Verödung  des  distalen  Drittels. 
Derartige  Beobachtungen  beweisen,  dass  innerhalb  dieses  Or¬ 
ganes  ausgedehnte  Veränderungen  vor  sich  gehen  können, 
ohne  dass  hiedurch  ein  eigentlicher  Anfall  bedingt  sein  muss. 
Ich  glaube,  dass  mancher  -sogenannte  erste  Anfall  nichts  anderes 
als  die  akute  Exazerbation  eines  latenten  Prozesses  darstellt. 
Dass  die  Entzündung  durch  derartige  bereits  bestehende  Ver¬ 
änderungen  in  ihrem  Verlaufe  beeinflusst  werden  kann,  liegt 
auf  der  Hand.  —  Kotsteine  wurden  unter  sämtlichen  40  Fällen 
nur  4  mal  gefunden. 

Bei  sonst  stets  per  primam  verlaufender  Heilung  ist  ein 
Todesfall  durch  eitrige  Peritonitis  zu  verzeichnen.  Der  junge 
kräftige  Mann,  der  schon  mehrfach  Attacken  durchgemacht 
hatte,  ging  mit  den  Erscheinungen  einer  leichten  Blinddarm¬ 
entzündung  zu,  die  sich  nach  einigen  Tagen  wieder  zurück¬ 
bildeten;  darauf  Angina,  die  lediglich  mit  Rötung  der  Mandeln 
einherging  und  die  einzige  zur  Beobachtung  gelangende  J  em- 
peratursteigerung,  39,3,  bedingte;  6  Tage  später  wurde  bei 
völlig  normalem  Verhalten  der  Rachenorgane  von  einem 
kleinen  Schnitt  aus  der  chronisch  entzündete  Wurmfortsatz  ent¬ 
fernt.  Der  Eingriff  bot  keinerlei  Schwierigkeiten;  schon  am 
nächsten  Tage  entwickelten  sich  die  Erscheinungen  einer  dif¬ 
fusen  Peritonitis,  welcher  der  Patient  trotz  operativen  Ein¬ 
schreitens  2  Tage  später  erlag. 

Was  hier  die  Peritonitis  bedingte,  ist  schwer  zu  sagen. 
Abgesehen  von  einem  allenfallsigen  Fehler  in  der  Aseptik  kann 
die  Infektion  mit  der  Angina  in  Zusammenhang  gebracht 
werden;  unter  dieser  Voraussetzung  wäre  es  vielleicht  besser 
gewesen,  noch  einige  Tage  mit  dem  Eingriffe  zu  warten.  - 
Ich  persönlich  neige  mich  zu  der  Ansicht,  dass  möglicherweise 
beim  Herauslagern  des  Zökums  ein  kleiner,  vielleicht  nur  einige 
Tropfen  Eiter  enthaltender  Abszess  entleert  wurde,  ein  Vor¬ 
kommnis,  das  sich  bei  der  Kleinheit  des  Schnittes  meiner  Beob¬ 
achtung  entzog  und  so  Veranlassung  zu  Infektion  gab.  Ich 
lege  seitdem  mehr  Gewicht  auf  genaue  Orientierung  als  aut 

die  Kleinheit  des  Schnittes.  ,.  P 

Zur  Operationstechnik  möchte  ich  bemerken,  dass  die  .Er¬ 
öffnung  der  Leibeshöhle  gewöhnlich  mittels  rechtsseitigen 
Schrägschnittes  unter  stumpfer  Trennung  der  Muskeln  oder 
mittels  Pararektalschnittes  unter  Schonung  der  Nerven  vorge¬ 
nommen  wurde.  Die  Entfernung  des  Wurmfortsatzes  war 

die  typische.  .  .. 

Unter  irriger  Diagnose  wurde  operiert  ein  Fall  von 

Peritonealtuberkulose;  die  Natur  des  Leidens  wuide  erst  bei 
Spaltung  eines  Ileozökalabszesses  erkannt;  bei  glattem  Wund¬ 
verlauf  Tod  an  Erschöpfung,  2  Monate  später.  —  Eine  wegen 
offenbar  hysterischer  Beschwerden  ausgeführte  Resektion  des 
normalen  Wurmfortsatzes  brachte  keinerlei  Besserung.  —  n 
einem  letzten  Falle  täuschte  eine  beginnende  Pneumonie  voll¬ 
ständig  die  Erscheinungen  einer  akuten  Appendizitis  voi 
(Schmerzen  und  Druckempfindlichkeit  in  der  Blinddarmgegend, 
Muskelspannung,  Erbrechen,  Fieber  39,7,  Puls  120);  Entfernung 
eines  normalen  Wurmfortsatzes;  schon  am  nächsten  hage  die 
ausgesprochenen  Symptome  einer  Pneumonie  des  rechten 
Unterlappens;  Heilung.  -  Bei  derartigen  nicht  seltenen 
Verwechslungen  denkt  man  an  die  Wirkung  von  Behexen,  die 
durch  den  pneumonischen  Prozess  ausgelöst  m  das  Abdomen 
ausstrahlen  und  derartige  Erscheinungen  auslosen,  bevoi  noch 
die  Pneumonie  selbst  sich  dokumentiert. 

Literatur: 

v  Mangold:  Aphorismen  zur  Appendizitis.  Deutsche  Zeit¬ 
schrift'  für  Chirurgie,  Bd.  85.  -  B  u  r  k  h  a  r  d :  Linksseitige  PP  orne 
bei  Perityphlitis.  Münch,  med.  Wochen-schr.  1906,  No.  50.  r  r  a  n  K  e. 


2US8 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Beitrag  zur  chirurgischen  Behandlung  .der  Perityphlitis  und  ihrer 
Folgezustände.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  51.  —  K  r  e  c  k  e: 
Können  wir  die  schweren,  die  sofortige  Operation  erfordernden, 
Appendizitisanfälle  erkennen?  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No. 
15.  —  Bode:  Chirurgische  Behandlung  der  Appendizitis.  Beiträge 
zur  klinischen  Chirurgie,  Bd.  46,  Heft  3.  —  N  o  e  t  z  e  1:  241  Peritonitis¬ 
operationen.  Beiträge  zur  klin.  Chirurgie,  Bd.  47,  Heft  2. 


Zur  Behandlung  granulierender  Wunden. 

Von  Dr.  med.  Carl  Haeberlin,  leitendem  Arzte  des 
städtischen  Krankenhauses  zu  Bad  Nauheim. 

Die  Behandlung  granulierender  Wundflächen,  in  deren 
}  iefe  keine  chronisch  entzündlichen  Prozesse  sich  abspielen, 
ist  meist  einfach  durchzuführen.  Und  doch  fordert  sie  auch' 
wie  jede  andere  Betätigung,  die  volle  Aufmerksamkeit  des 
Arztes,  da  je  nach  den  vorliegenden,  durch  die  Form  der 
Granulationen,  durch  die  reichliche  oder  geringe  Sekretion  der 
Granulationsfläche,  durch  das  Verhalten  des  Epithelsaumes, 
bedingten  Verhältnissen  verschiedenartige  Massnahmen  er¬ 
forderlich  sein  können.  Wer  sich  nicht  darauf  beschränkt, 
schematisch  mit  der  einen  oder  anderen  Salbe  zu  arbeiten! 
sondern  bei  jedem  Verbandwechsel  das  Verhalten  der  Wund¬ 
fläche  und  ihres  Epithelrandes  genau  prüft,  wird  bald  bemerken, 
dass  die  eine  Wunde  auf  leicht  adstringierende  oder  irritierende 
Salben  anders  reagiert,  als  die  andere;  er  wird  ferner  be¬ 
merken,  dass  vor  allen  Dingen  zu  dick  aufgetragene  Salben¬ 
lagen  der  Heilung  einer  bis  ins  Niveau  granulierten  Wunde 
durch  die  Mazeration  des  Epithelrandes  und  durch  uner¬ 
wünschte  Anregung  zu  hypertrophischer  Granulation  mehr 
hinderlich  als  fördernd  sind.  Dies  führt  dazu,  bei  Wund¬ 
flächen,  die  das  Niveau  der  umgebenden  Haut  erreicht  haben, 
Salbenmengen  nur  in  sehr  dünner  Schicht  auf  die  aufgelegte 
Verbandgaze  aufzutragen,  und  man  sieht  hier  in  der  Tat  oft 
einen  \  iel  schnelleren  Fortschritt  der  Heilung  als  unter  dicken 
Salbenschichten.  Unter  ganz  dünner  Salbenschicht  ist  der 
Luftzutritt  zu  der  Wundfläche  ein  wesentlich  besserer, 
die  Wunde  wird  schneller  trocken  und  die  einzelnen  sie  bilden¬ 
den  Gewebsanteile  fester  und  kräftiger  als  unter  erweichenden 
grossen  Salbenmengen. 

Diese  Beobachtung  lehrt  den  sehr  günstigen  Einfluss  des 
Luftzutrittes  zu  Wundflächen,  und  die  Erfahrung  zeigt,  dass 
gewisse,  ganz  trocken  behandelte,  nur  durch  Gaze  gegen  äussere 
Schädlichkeiten  geschützte  Wundflächen  sich  oft  überraschend 
schnell  epithelisieren.  Es  eignen  sich  hierzu  besonders  Wund¬ 
flächen,  die  bis  ins  Niveau  granuliert  sind  und  die  keine  Neigung 
zu  hypertrophischer  Granulationsbildung  haben.  Hat  man  sie 
vorher  mit  Salbenverbänden  behandelt,  und  unter  der  Salbe 
stets  eine  ziemlich  reichliche  Sekretion  bemerkt,  so  wird  man 
oft  überrascht  sein,  wie  trocken  diese  der  Lufteinwirkung  allein 
ausgesetzten  Flächen  häufig  werden.  Die  aufgelegte  Gaze 
zeigt  oft  kaum  mehr  Spuren  von  Anfeuchtung,  klebt  infolge 
dessen  oft  auch  überhaupt  nicht  an,  der  Epithelsaum  ist  kräftig 
und  scharf  markiert,  und  an  den  Granulationen  lassen  sich  die 
weiteten  Heilungsvorgänge  gut  verfolgen.  Die  gekörnte, 

,, granulierte  Fläche  —  daher  der  Name  —  wird  zusehends 
glatter  und  gleichzeitig  geht  damit  eine  charakteristische  Ver¬ 
änderung  im  Farbentone  vor  sich.  Aus  dem  intensiveren  Rot 
der  anfangs  noch  feuchten  Fläche  wird  ein  zartes  Rosa,  eine 
Aenderung,  die  bedingt  ist  durch  die  Vorgänge  im  Granulations¬ 
gewebe,  die  Schrumpfungsprozesse,  -die  Rückbildung  und  Ver¬ 
ödung  seiner  Gefässe  und  die  Verkleinerung  seiner  Lymph¬ 
spalten,  mit  einem  Worte  durch  die  Bildung  des  Bindegewebes, 
des  mesodermalen  Anteils  der  Narbe,  über  den  sich  von  den 
Seiten  her  dann  der  kräftig  proliferierende  Epithelsaum  zieht, 
um  sich  endlich  ganz  zu  schliessen. 

Will  man  eine  Wundfläche  der  Lufteinwirkung  aussetzen, 
so  bedeckt  man  sie  am  besten  zum  Schutze  gegen  äussere 
Schädigungen  mit  wenig  lockerer,  reiner,  die  Wundränder  nach 
allen  Seiten  überragender  Krüllgaze,  welche  durch  je  einen 
ober-  und  unterhalb  der  Wunde  geführten,  dieselbe  nicht  über¬ 
deckenden  Pflasterstreifen,  der  auf  der  gesunden  Epidermis 
haltet,  befestigt  wird.  Bei  kleinen  Granulationsflächen,  deren 
Durchmesser  einen  Zentimeter  oder  weniger  beträgt,  empfiehlt 
es  sich,  den  Verband  so  anzulegen,  dass  man  das  kleine,  der 
Wunde  locker  aufgelegte  Gazestückchen  durch  ein  quadra¬ 


tisches  Heftpflasterstück  fixiert,  in  dessen  Mitte  man  ein  Fenster 
von  etwas  grösserer  Oeffnung,  als  die  Wundfläche  beträgt, 
eingeschnitten  hat.  Sucht  man  die  für  trockene  Behandlung  ge¬ 
eigneten,  oben  näher  charakterisierten  Fälle  richtig  aus,  dann 
wird  man  sie  in  der  genannten  Weise  sicher  schneller  als  unter 
Salbenverbänden  heilen  sehen,  deren  leicht  mazerierende  und 
daher  die  solide  Epitheliserung  verlangsamende  Einwirkung 
sich  nie  gänzlich  ausschalten  lässt. 

Einen  weiteren,  die  Heilung  granulierender  Flächen  aufs 
mächtigste  fördernden  Faktor  besitzen  wir  im  Sonnen¬ 
licht.  Wer  einmal  von  demselben  ausgedehntere  Verwen¬ 
dung  bei  der  Behandlung  granulierender  Wunden  gemacht  hat, 
der  wird  es  stets  bedauern,  dass  in  unseren  hyperboräischen. 
Zonen  so  viel  trübe  Tage,  so  viele  den  Himmel  bedeckende 
Wolken  es  unmöglich  machen,  das  Sonnenlicht  als  ein  stets  ver¬ 
fügbares  Heilmittel  unserer  Thrapie  einzureihen.  Diese  Un¬ 
gewissheit  mag  auch  die  Ursache  dafür  sein,  dass  es  bisher 
trotz  seiner  hervorragend  günstigen  Wirkung  bei  uns  so  wenig 
regelrechte  Anwendung  gefunden  hat;  nur  in  den  Hochgebirgs- 
zonen  der  Schweiz,  wo  fast  stets  eine  unermessliche  Lichtfülle 
herrscht,  ist  es  seit  einigen  Jahren  in  der  Behandlung  erprobt 
und  ist  seine  Wirkung  Gegenstand  wissenschaftlicher  Beob¬ 
achtung  geworden  1). 

Die  aktinische  Reizwirkung  des  Sonnenlichtes  auf  die  Epi- 
deimis  ist  bekannt.  Die  Zunahme  des  Pigments  in  den  unteren 
Schichten  des  Stratum  Malpighi,  die  Dermatitiden  mit  nach¬ 
folgender  Abstossung  grosser  Epidermisfetzen,  das  Erythema 
solare  bedürfen  keiner  näheren  Schilderung.  Wie  auf  epi¬ 
theliale  Gebilde,  so  übt  das  Sonnenlicht  auch  auf  Bindegewebe 
und  seine  Abkömmlinge,  das  Granulationsgewebe,  eine  starke 
Wirkung  aus,  wenn  sie  ihm  ausgesetzt  werden.  Lässt  man 
auf  eine  bisher  unter  Salbenverband  gehaltene  Granulations¬ 
fläche  Sonnenlicht  unmittelbar  scheinen,  so  bemerkt  man  im 
Verlaufe  von  1 — 2  Stunden  Veränderungen,  die  zunächst  als 
Eintrocknungsvorgänge  imponieren  könnten,  doch  die  genauere 
Betrachtung  lehrt,  dass  es  sich  um  weit  mehr  als  das  handelt, 
wenn  auch  vielleicht  die  schnelle  Verdunstung  des  Wund¬ 
sekretes  dabei  nicht  ohne  Bedeutung  ist.  Die  auffallendste  Ver¬ 
änderung  besteht  zunächst  darin,  dass  die  intensiv  sonnen¬ 
bestrahlte  Granulationsfläche,  die  vorher  feucht  und  unregel¬ 
mässig  hoch  war,  in  kurzer  Zeit  glatt  und  glänzend  und  trocken, 
„epitheloid  ,  wird,  während  sie  ein  frischrotes  Aussehen  be¬ 
wahrt.  Man  kann  oft  bemerken,  dass  kleine  Gefässstämme,  die 
sichtbar  durch  die  Granulationen  zogen,  nach  1 — 2  Stunden 
vei  sch  wunden  sind.  Die  Umwandlung  der  Granulationen  in 
eigentliches  Bindegewebe  geht  hier  oft  ganz  ausserordentlich 
schnell  vor  sich;  bei  etwas  grösseren  und  tieferen  Granulations- 
flächen  zeigt  sich  oft  schon  nach  einer  2 — 3  ständigen  Sonnen¬ 
bestrahlung  an  Stelle  der  Granula  eine  Anordnung  von  Faser- 
ztigen,  die  in  Bündeln  nach  verschiedenen  Richtungen  ziehen, 
und  die  nichts  anderes  sind,  als  fertiges  Bindegewebe.  Diese,’ 
die  Narbenbildung  einleitenden,  unter  der  Insolation  so  schnell 
sich  vollziehenden  Prozesse,  bleiben  natürlich  nicht  ohne  Wir¬ 
kung  auf  die  Wundränder  und  ihre  weitere  Umgebung.  Mit 
dem  Aufhören  der  Granulationsproduktion  beginnt  das  Epithel 
des  Wundsaumes  einen  schnelleren  Vormarsch,  und  es  kommt 
■voi,  dass  in  2  3  Stunden  der  Epithelsaum  sich  um  mehrere 
Millimeter  vorschiebt.  Zugleich  aber  werden  die  Epithclränder 
auch  durch  die  Schrumpfungsvorgänge  bei  der  Bindegewebs¬ 
bildung  einander  passiv  genähert  und  es  kommt  so  eine  un- 
gemein  schnelle  Verkleinerung  der  Wundfläche  zustande.  Bei 
dei  Heilung  jeder  grösseren  Wunde  wird  nun  naturgemäss 
auch  das  dem  Wundrande  benachbarte  gesunde  Gewebe  durch 
die  Schrumpfungsprozesse  der  Narbenbildung  von  allen  Seiten 
hei  zusammengezogen,  daher  das  bekannte  strahlige  Aussehen 
oci  Narben  von  grösseren  Defekten.  Während  für  gewöhnlich 
unter  Salbenbehandlung  diese  Vorgänge  sich  so  langsam  ab¬ 
spielen,  dass  man  wenig  davon  während  des  Heilungsverlaufes 
merkt,  erscheinen  während  der  schnellen  Verkleinerung  der 
besonnten  Wundfläche  in  der  umgebenden  Haut  feine,  radiär 
um  die  Wundränder  angeordnete  Falten  als  der  Ausdruck  der 
auf  das  intakte  Gewebe  ausgeübten  konzentrischen  Zugwir- 


P  Bernhard:  Münch, 
für  Schweizer  Aerzte 
1907,  No.  13. 


Blatt 
Wochenschr 


med.  Wochenschr.  1904,  No.  1  und  Korr.- 
1904,  No.  26.  Widmen  Münch,  med. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2GS9 


kung  der  schnell  sich  verkleinernden  Narbenbildung.  Mit  der 
völligen  Epithelisierung  und  Konsolidation  der  Narbe  ver¬ 
schwinden  diese  anfangs  sehr  deutlichen  feinen  Faltenbildungen 

wieder  völlig.  ,  ,  .  ,  .  .  .  ... 

Zwei  Hauptcharakteristika  hat  jede,  einige  wenige  Male 

besonnte  Wundfläche,  in  deren  Tiefe  sich  keine  chronisch  ent¬ 
zündlichen  Prozesse  abspielen:  das  frische  und  tiockene  Aus¬ 
sehen  der  fast  glatten  Wunde  und  den  kräftigen  Epithelsaum. 
Unter  einer  grösseren  Anzahl  so  behandelter  Wunden  habe  ich 
kein  einziges  Mal  etwas  gesehen,  was  an  die  unter  Salbenver¬ 
bänden  so  häufig  zu  beobachtenden  schwammigen  Granu¬ 
lationswucherungen  erinnert  hätte,  und  ich  habe  nicht  nur  ein¬ 
fache  traumatische  Wunden,  sondern  auch  granulierende 
Wundflächen  nach  operativen  Eingriffen  aller  Art  —  von  der 
inzidierten  Furunkelphlegmone  bis  zur  Wundheilung  des  breiten 
Drainagekanals  nach  jauchig  eitriger  Appendizitis  dem 
Sonnenlicht  oft  stundenlang  ausgesetzt,  stets  mit  dem  Erfo  g 
schneller  Heilung.  Immer  gewinnt  man  dabei  den  Eindruck, 
dass  die  Wundheilung  im  Sonnenlicht  einen  ganz  ausserordent¬ 
lich  regelmässigen  Verlauf  nimmt,  bei  dem  die  Vorgänge  im 
bindegewebigen  und  im  epithelialen  Anteil  der  Wunde  sich  stets 
völlig  das  Gleichgewicht  halten.  Die  Wirkung  des 
Sonnenlichtes  lässt  sich  also  charakteri¬ 
sieren  als  eine  wesentliche  Beschleunigung 
aller  normalen  W  undheilungsvot  g  ä  n  g  e.  Irgencl 
welche  Veränderungen,  die  auf  einen  ungünstigen  Einfluss  auf 
die  spätere  Narbe  schliessen  lassen  könnten,  Hyperämie  der 
Narbe  oder  Keloidbildung  habe  ich  nicht  gesehen. 

Möglicherweise  spielt  bei  den  Heilungsvorgängen  die 
Frage  bedarf  näherer  Untersuchung  —  die  bakterizide  Kraft  des 
Sonnenlichtes  eine  bedeutsame  Rolle.  Manchmal  sicherlich, 
wie  z.  B.  in  einem  von  mir  behandelten  Falle,  wo  sich  im  Ver¬ 
laufe  der  Heilung  einer  komplizierten  Kniegelenksverletzung 
nach  Heilung  der  Kapselwunde  in  der  halbhandtellergrossen, 
trichterförmigen  Granulationsfläche  eine  sekundäre  P>o- 
zyaneusinfektion  etabliert  hatte.  Dieselbe  erwies  sich  gegen 
Jodoformausreibungen  und  Berieselungen  mit  Wasserstoff¬ 
superoxyd  völlig  indifferent  und  erzeugte  fortgesetzt  grosse 
Mengen  des  bekannten  grünblauen  Eiters,  bis  ich  die  Wunde 
zweimal  je  2  Stunden  dem  Sonnenlicht  aussetzte,  wonach  die 
Infektion  spurlos  und  dauernd  verschwunden  blieb. 

Was  die  Technik  dieser  Sonnenbeleuchtung  anbetrifft,  so 
ist  dieselbe  äusserst  einfach.  Die  Wunde  wird  so  in  das  direkte, 
nicht  durch  Glasscheiben  filtrierte  Sonnenlicht  gebracht,  dass 
dessen  Strahlen  senkrecht  auffallen  und  das  Pflegepersonal 
wird  angewiesen,  darauf  zu  achten,  dass  bei  dem  Weiterrücken 
des  Gestirnes  auch  die  Wunde  entsprechend  in  ihrer  Lagerung 
geändert  wird.  Die  durchschnittliche  Dauer  der  Bestrahlung 
betrug  in  meinen  Versuchen  2 — 3  Stunden,  meist  waren  es  die 
Vormittagsstunden  von  9 — 12  Uhr.  Irgend  welcher  Vorrich¬ 
tungen  zum  Sammeln  oder  Reflektieren  'der  Strahlen  habe  ich 
mich  nicht  bedient.  Nach  jeder  Beleuchtung  wird  die  Wunde 
mit  einem  Stück  Krüllgaze  locker  bedeckt. 

Wenn  wir  im  Sonnenlicht  in  unserem  Klima  ja  auch  nur 
einen  leider  keineswegs  stets  verfügbaren  Heilfaktor  besitzen, 
der  uns  andere  Behandlungsarten  überflüssig  machen  könnte, 
so  lohnt  es  sich  doch  für  jeden  Arzt,  der  granulierende  Wun¬ 
den  zu  behandeln  hat,  beim  Vorhandensein  von  Sonnenlicht 
es  für  den  Kranken  nutzbar  zu  machen.  Bei  der  ausgezeich¬ 
neten  Wirkung  des  allen  anderen  Methoden  in  der  günstigen 
Einwirkung  auf  die  Wundheilung  überlegenen  und  in  seiner  An¬ 
wendung  so  überaus  einfachen  Verfahrens  verdient  es  aus¬ 
gebreitete  Verwendung  zu  finden  an  allen  Tagen,  wo  uns  ein 
heller  Himmel  die  Gabe  des  Sonnenlichtes  zu  Teil  werden  lässt. 

Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  München  r/I.  (Direktor:  Hof  rat  Dr.  Brunner). 

Versuche  über  Händedesinfektion  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  von  Heusner  empfohlenen  Jod¬ 
benzinmethode. 

Von  Dr.  Max  Grasmann,  I.  Assistent  der  Abteilung. 

Die  zahlreichen  Arbeiten  über  Händedesinfektion,  die  in 
den  letzten  Jahren  erschienen  sind,  haben  den  Beweis  ge¬ 
liefert,  dass  keine  Methode  existiert,  mit  der  wir  regelmässig 
unsere  Hände  im  bakteriologischen  Sinne  keimfrei  machen 

No.  42. 


können.  Die  Versuche  haben  uns  gelehrt,  dass  das  Haupt¬ 
gewicht  bei  der  Händedesinfektion  auf  eine  gründliche,  mecha¬ 
nische  Reinigung  der  Hände,  d.  h.  die  Entfernung  der  auf  der 
Haut  sitzenden  Keime  zu  legen  ist. 

Der  Glauben,  dass  die  Desinfektionsmittel  die  Keime  an 
unsern  Händen  abtöten  oder  wenigstens  unschädlich  machen, 
ist  längst  erschüttert.  Manche  verzichten  daher  vollständig 
auf  die  antiseptischen  Waschwasser,  wie  Schleich,  und  be¬ 
schränken  sich  nur  auf  die  mechanische  Reinigung,  mit  voll¬ 
kommenem  Unrecht,  denn  alle  einwandfreien  Versuche  er¬ 
gaben,  dass  bei  Anwendung  von  Desinfektionsmitteln  nach 
gründlicher  mechanischer  Reinigung  die  Anzahl  der  Keime  an 
unsern  Händen  eine  geringere  wurde,  als  unter  Verzicht  auf 
dieselben. 

Das  Sublimat  war  bis  vor  kurzem  das  meist  gebrauchte 
antiseptische  Waschwasser,  wurde  aber  wegen  seiner  schä¬ 
digenden  Wirkung  auf  die  Haut  verlassen,  als  das  „voll¬ 
kommen  reizlose“  Sublamin  in  den  Handel  kam. 

Auch  unsere  Hände  vertrugen  das  Sublimat  teilweise 
schlecht:  Rauheiten,  Sprödigkeiten  und  Ekzeme  waren  die 
Folgen  seiner  Anwendung.  Bei  der  Suche  nach  einem  Ersatz¬ 
mittel  für  Sublimat  kam  ich  zu  keinem  befriedigenden  Resultat, 
denn  alle  versuchten  Desinfektionsmittel  hatten  neben  anderen 
nicht  erwünschten  Eigenschaften  einen  geringem  Desinfektions¬ 
effekt.  Auch  das  Sublamin  rief  wie  das  Sublimat  Ekzem  her¬ 
vor,  was  ja  nicht  zu  verwundern  ist,  da  jedes  wirksame  Anti¬ 
septikum  mit  den  Eiweisskörpern  Verbindungen  eingeht,  mögen 
es  nun  Epidermiszellen  oder  Mikroorganismen  sein.  Dies  gab 
mir  Veranlassung,  andere  Händedesinfektionsmethoden  zu 
versuchen. 

In  den  Arbeiten  von  Paul  und  S  a  r  w  e  y,  sowie  in  der 
erst  in  den  letzten  Jahren  erschienenen  von  Engels  wurden 
die  Methoden,  die  sich  in  der  Praxis  einen  bedeutenderen  Platz 
erobert  haben,  einer  exakten  Prüfung  unterzogen.  Diese 
Autoren  kamen  zu  dem  Resultate,  dass  weder  die  Methode  von 
A  h  1  f  e  1  d,  noch  die  von  Fiirbringer  oder  von  M  i  c  u  1  i  c  z 
die  Hände  auch  nur  mit  einiger  Sicherheit  keimfrei  machen 
könne.  Ich  konnte  mir  deshalb  ersparen,  diese  Methoden  noch¬ 
mals  einer  Prüfung  zu  unterstellen. 

Von  den  neueren  Verfahren  erweckte  hauptsächlich  das 
von  Heusner  empfohlene  Jodbenzin  mein  Interesse,  da  ich 
glaubte,  durch  das  Benzin  eine  gründliche  mechanische  Rei¬ 
nigung  der  Hände  erreichen  zu  können  und  andernteils  im  Jod 
ein  gutes  Desinfektionsmittel  zu  besitzen. 

Lassen  sich  nun  schon  die  von  den  einzelnen  Untersuchern 
unter  gleichen  Bedingungen  gewonnenen  Resultate  nicht  ohne 
weiteres  mit  einander  vergleichen,  so  war  ich  um  so  mehr  ge¬ 
zwungen,  andere  Methoden  mitzuprüfen,  da  meine  Versuchs¬ 
anordnung  in  manchen  wichtigen  Punkten  von  den  üblichen 
abweicht. 

Ich  prüfte  deshalb  neben  dem  Jodbenzin  den  von  Engels 
und  von  Sarwey  empfohlenen  Snblaminalkohol,  fernei  die 
von  Schum  berg  verwendete  Alkohol-Aether-Salpeter- 
säure-Mischung  und  endlich  die  bei  uns  seit  Jahren  übliche 
modifizierte  Fürbringer  sehe  Methode.  So  konnte  ich 
die  quantitativen  Unterschiede  des  nach  erfolgter  Desinfektion 
zurückgebliebenen  Keimgehaltes  zum  Vergleiche  der  ver¬ 
schiedenen  Desinfektionsmethoden  heranziehen  und  auf  die 
Leistungsfähigkeit  der  einzelnen  Methoden  schliessen. 

Dass  die  Wirksamkeit  einer  Händedesinfektionsmethode 
auch  nicht  mit  einiger  Zuverlässigkeit  aus  dem  Heilungsver¬ 
lauf  unserer  Wunden  und  der  dadurch  gewonnenen  Operations- 
resultate  beurteilt  werden  kann,  haben  uns  die  Untersuchungen 
von  Tavel,  Brunner,  Döderlein  und  anderen  gezeigt. 
Trotz  zahlreicher  zum  Teil  als  pathogen  bekannter  Keime  in 
unsern  „aseptischen“  Operationswunden  tritt  meist  Prima¬ 
heilung  ein.  ,  ,  ..  ,  , 

Es  kann  deshalb  die  Frage,  mittels  welchen  Verfahrens 

wir  unsere  Hände  vor  Operationen  am  besten  desinfizieren,  nur 
mit  Hilfe  bakteriologischer  Untersuchung  auf  die  Anwesenheit 
oder  Abwesenheit  von  Keimen  an  unseren  Händen  beantwoitet 
werden 

Zur  bakteriologischen  Prüfung  der  Hände  nimmt  man  nach 
dem  Vorschläge  von  F  ü  r  b  r  i  n  g  e  r  die  gewöhnliche  J  ages- 
hand  mit  den  zahlreichen  auf  ihr  befindlichen  Keimen  oder  man 
infiziert  die  Hände  mit  Prodigiosus  oder  Pyozyaneus  und  unter- 

3 


2090 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


sucht  dann  auf  diese  Keime.  Andere  gehen  noch  einen  Schritt 
weiter  (K  r  ö  n  i  g  und  B  1  u  m  b  e  r  g)  und  schalten  das  Tier¬ 
experiment  ein,  um  die  ganze  Methode  der  Prüfung  des  Hände¬ 
desinfektionsverfahrens  den  praktischen  Verhältnissen  enge 
anzupassen,  indem  sie  an  der  toten  Haut  mit  Milzbrandsporen, 
an  der  lebenden  mit  Tetragenuskeimen  arbeiten. 

Ich  glaube,  dass  die  Tageshand  bei  der  Beurteilung  einer 
Händedesinfektionsmethode  vollkommen  ausreichend  ist. 

Von  den  Händen  wurden  gewöhnlich  einzelne  Finger,  die 
Fingerspitzen  oder  nur  die  Unternagelräume,  Nagelfalze  einer 
Hand,  oder  auch  beider  Hände  untersucht  und  zwar  entweder: 

1.  durch  die  Fingereindruckmethode  (Kümmell),  indem 
die  einzelnen  Fingerspitzen  einfach  in  einen  festen  sterilen  Nähr¬ 
boden  eingedrückt  wurden,  oder 

2.  mittels  der  Seidenfadenmethode  (Häg  ler),  indem 
sterile  Seidenfäden  zwischen  den  Händen  gerieben,  durch  die 
Unternagelräume  und  die  Nagelfalze  durchgezogen  wurden, 
oder 

3.  mit  der  Schabmethode  (F  ü  r  b  r  i  n  g  e  r),  ausgeführt  mit 
sterilen  Hölzchen. 

Von  diesen  Methoden  kann  unzweifelhaft,  wie  auch  die 
Untersuchungen  von  Paul  und  Sarwey  ergaben,  nur  die 
biirbringer sehe  Schabmethode  und  zwar  ausgeführt  stets 
an  beiden  Händen  und  deren  Teilen  einen  vollkommenen  Auf¬ 
schluss  über  die  Grösse  der  vor  dem  Verfahren  vorhandenen 
und  nach  der  Desinfektion  noch  lebensfähigen  Keime  geben. 

Ich  liess  die  Hände  zur  Feststellung  des  primären,  d.  h.  des 
vor  der  Desinfektion  vorhandenen  Keimgehaltes  feucht  ab¬ 
schaben,  indem  ich  5  ccm  steriles  Wasser  in  den  Händen  ver¬ 
reiben  liess,  da  die  Keimentnahme  von  der  feuchten  Haut  er¬ 
leichtert  ist,  am  Schluss  des  Versuches  die  Haut  ebenfalls  feucht 
abgeschabt  wird  und  so  die  Keimgewinnung  unter  gleichen 
Bedingungen  erfolgt.  Zum  Abschaben  wurden  sterile  Zahn¬ 
stocher  aus  hartem  Holz  verwendet.  Die  Hölzchen  wurden 
nach  dem  Abschaben  mit  2  ccm  sterilem  Wasser  5  Minuten 
lang  tüchtig  geschüttelt,  dann  mittels  Plattenverfahrens  die  An¬ 
zahl  der  Keime  ermittelt.  Als  Nährboden  wurde  Agar  ver¬ 
wendet;  die  Platten  wurden  bis  zu  8  Tagen  bei  einer  Tem¬ 
peratur  von  37 0  C  beobachtet. 

Sehr  wichtig  bei  all  diesen  Desinfektionsversuchen  ist  es, 
die  Wirkung  des  chemischen  Präparates  nach  dem  Versuche 
auszuschalten,  wie  dies  Geppert  bei  Sublimat  durch  An¬ 
wendung  von  Schwefelammonium  eingeführt  hat,  um  die  Ent¬ 
wicklungshemmung  des  Desinfektionsmittels  möglichst  voll¬ 
kommen  zu  beseitigen.  Wenn  dieses  Erfordernis  heute  allseits 
bei  der  Prüfung  von  Desinfektionsmitteln  auf  ihren  Wirkungs- 
weit  anerkannt  wird,  so  ist  es  mir  unverständlich,  warum  das¬ 
selbe  Verfahren  bei  den  Desinfektionsversuchen  der  Hände 
nicht  auch  stets  herangezogen  wird.  Gerade  an  der  Haut 
•scheint  eine  grössere  Anzahl  von  chemischen  Desinfektions¬ 
mitteln  fest  haften  zu  bleiben,  sie  werden  dort  sozusagen  fixiert 
und  lassen  die  Keime  gar  nicht  oder  erst  nach  verhältnismässig 
anger  Zeit  zur  Entwicklung  gelangen.  Ich  sehe  es  als  dringen¬ 
des  Erfordernis  an,  dass  bei  allen  künftigen  Händedesinfektions¬ 
versuchen  das  Desinfektionsmittel  nach  Ablauf  der  Methode 
sofort  wieder  durch  geeignete  chemische  Mittel  ausgeschaltet 
vird;  nur  dadurch  bekommen  wir  annähernd  richtige  Zahlen 
und  ein  untrügliches  Bild  von  dem  Erfolge.  Wir  werden  da- 
durch  vollkommen  unabhängig  von  der  entwicklungshemmen¬ 
den  Wirkung  der  einzelnen  Desinfektionsmittel,  die  ja  bekannt¬ 
lich  sehr  verschieden  und  im  einzelnen  Falle  gar  nicht  ab¬ 
zuschätzen  ist. 

In  den  hier  aufgeführten  Versuchen  wurde  hierauf  Rück¬ 
sicht  genommen;  die  Quecksilberverbindungen  wurden  durch 
Schwefelammoniumlösung  (10  fache  Verdünnung  der  gebräuch- 
fernt*1  ^SUI1^  ’  ^as  ^l,rch  1  proz.  Thiosulfatlösung  ent- 

Es  dürfte  hier  wohl  der  Einwand  zu  erheben  sein,  dass 
solche  Amorderungen  zu  weitgehende  sind  und  diese  Verhält¬ 
nisse  nicht  den  Tatsachen  der  Praxis  entsprechen.  Gewiss 
hat  dieser  Einwand  seine  Berechtigung.  Allein  verzichten  wir 
auf  die  Entfernung  des  Desinfektionsmittels,  so  können  wir  nach 
memer  Ansicht  die  einzelnen  Methoden,  die  mit  verschiedenen 
Desinfektionsmitteln  arbeiten,  nicht  mit  einander  vergleichen 
da  wir  ja  die  jeweilige  Wirkung  des  aut  den  Nährboden  über¬ 


tragenen  Antiseptikums  nicht  beurteilen  können;  ferner  ent¬ 
zieht  es  sich  unserer  Kenntnis,  ob  die  Wirkung  des  Desinfek¬ 
tionsmittels  im  Körper  auf  die  durch  unsere  Hände  in  die 
Wunde  übertragenen  Keime  die  gleiche  ist,  wie  im  Nährboden. 
Sicher  ist  es,  dass  beim  Abschaben  der  Hände  eine  relativ 
grosse  Menge  des  Desinfektionsmittels  auf  eine  geringe  Menge 
Nährböden  übertragen  wird  und  so  quantitativ  die  Verhältnisse 
beim  Nährboden  viel  günstiger  liegen  als  in  der  Praxis.  Es 
erscheint  mir  zweckmässiger  zu  sein,  die  ganze  Anzahl  der 
Keime,  die  nach  der  Desinfektion  noch  zur  Entwicklung  ge¬ 
langen  können,  zu  erfahren,  als  sie  kurzer  Hand  unberück¬ 
sichtigt  zu  lassen.  Die  Resultate,  die  wir  nach  Entfernung  des 
Antiseptikums  bei  den  einzelnen  Methoden  erhalten,  stellen  ' 
allerdings  das  Minimum  der  Leistungsfähigkeit  der  Me¬ 
thode  dar. 

Nicht  minder  wichtig  ist  es  nach  meiner  Erfahrung,  zu  den 
Versuchen  nur  solche  Hände  heranzuziehen,  die  längere  Zeit 
mit  keinem  Desinfektionsmittel,  besonders  nicht  mit  Sublimat, 
in  Berührung  gekommen  waren.  Ich  machte  anfänglich  die 
Untersuchungen  mit  meinen  Händen  und  den  Händen  anderer 
Assistenten,  musste  mich  aber  bald  überzeugen,  dass  damit  zu¬ 
verlässige  Resultate  nicht  zu  erzielen  sind.  Die  Haut  unserer 
Hände  ist  mit  Sublimat  und  anderen  Desinfektionsmitteln  im¬ 
prägniert,  der  primäre  Keimgehalt  war  meist  ein  sehr  geringer, 
die  Keime  gingen  in  den  Nährböden  erst  nach  längerer  Zeit,' 
oft  erst  nach  8  1  agen  auf,  nachdem  die  entwicklungshemmende 
Wirkung  des  Sublimats  aufgehoben  war.  Wie  sehr  das 
Sublimat  an  unserer  Haut  haftet,  davon  konnte  ich  mich  durch 
eine  Waschung  mit  Schwefelammoniumlösung  überzeugen 
3  Tage  nachdem  ich  mit  keinem  Desinfektionsmittel  in  Be¬ 
rührung  gekommen  war,  meine  Hände  wurden  braunschwarz. 
Dass  der  Fehler  Quellen  unendliche  sind,  wenn  wir  mit  solchen 
Händen  experimentieren,  glaube  ich,  kann  nicht  in  Zweifel  ge¬ 
zogen  werden. 

Ich  machte  meine  Versuche  grösstenteils  mit  Bader¬ 
gehilfen,  die  ich  für  die  Approbationsprüfung  vorzubereiten 
hatte,  nur  einige  mit  sonstigen  intelligenten  Laien.  Die  Ver¬ 
suche  wurden  alle  unter  meiner  Leitung  und  Aufsicht  aus¬ 
geführt.  Dass  ich  nur  Leute  nahm,  deren  Hände  in  gutem  Zu¬ 
stande  waren,  und  dass  ich  die  Leute  vor  dem  Versuche  ent¬ 
sprechend  belehrte  und  unterwies,  glaube  ich  nicht  hervor¬ 
heben  zu  müssen.  Ich  gewann  stets  den  Eindruck,  dass  sich 
alle  Mühe  gaben,  ihr  Bestes  zu  leisten.  Es  Hesse  sich  ein¬ 
wenden,  dass  es  sich  hier  um  Leute  handelt,  die  noch  keine 
oder  wenigstens  nicht  genügende  Erfahrung  und  Uebung  im 
Desinfizieren  der  Hände  hatten  und  meine  Versuche  deshalb 
nicht  einwandfrei  seien.  Wenn  meine  Versuche  den  Zweck 
verfolgten,  nachzuweisen,  ob  mit  einer  Methode  Keimfreiheit 
der  Hände  zu  erreichen  ist,  dann  hätte  der  Einwand  seine  Be¬ 
rechtigung,  so  war  es  mir  aber  darum  zu  tun,  verschiedene 
Desinfektionsmethoden  zu  vergleichen  und  daraus  auf  deren 
Leistungsfähigkeit  einen  Schluss  zu  ziehen.  Die  sich  etwa  ein¬ 
schleichenden  Fehler  wiederholen  sich  und  beeinträchtigen  die 
\  ergleichenden  Resultate  nicht.  Ich  bin  überzeugt,  durch 
Heranziehung  von  verschiedenartig  beschaffenen  Händen  zu 
meinen  Versuchen  mehr  Urteil  für  die  Leistungsfähigkeit  einer 
Methode  bekommen  zu  haben,  als  wenn  ich  stets  mit  den 
gleichen  Händen  experimentiert  hätte. 

Nach  dei  Entfernung  des  Desinfektionsmittels  musste  die 
durch  den  Waschprozess  entfettete  trockene  Haut  aufgeweicht 
w  erden,  um  ein  gründliches  Abschaben  der  Hände  zu  ermög¬ 
lichen  und  die  tiefer  gelegenen  Keime  berücksichtigen  zu 
können.  Ich  verwendete  zuerst  steriles  Wasser,  in  den  spä- 
tcien  Vei suchen  aber  nach  F  ü  th  s  Vorschlag  0,1  proz.  Natron¬ 
lauge.  Nach  Anwendung  der  Natronlauge  wurden  die  Hände 
mit  sterilem  Wasser  abgespült,  mit  sterilen  Hölzchen  abge¬ 
schabt  und  so  der  Keimgehalt  der  desinfizierten  Hand  festge¬ 
stellt. 

Am  zweckmässigsten  werden  alle  diese  Manipulationen 
nach  dem  Vorschläge  von  Paul  und  Sarwey  in  einem 
sterilen  Kasten  ausgeführt,  um  eine  Luftinfektion  während  des 
Versuches  vollkommen  auszuschiiessen.  In  den  hier  auf¬ 
geführten  Versuchen  musste  aus  Zeitersparnisrücksichten, 
sov  le  mit  Rücksicht  auf  die  ausführenden  Personen  vom 
Kasten  Abstand  genommen  werden.  Es  wurden  die  Versuche 


15.  Oktober  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


<2091 


teilweise  im  Freien  gemacht,  da  bekanntlich  die  Luft  dort  keim- 
ärmer  ist. 

I  Sublaminalkohol  m  e  t  h  o  d  e  nach  Engels. 

Engels  versuchte  durch  Zusatz  von  Desinfizientien  zum  Alko¬ 
hol  eine  befriedigendere  Wirkung  der  Händedesinfektion  zu  erreichen, 
als  dies  bei  den  bisher  üblichen  Methoden  der  Fall  war.  Er  machte 
Versuche  mit  Lysoform-,  Bazillol-  und  Sublaminalkohol  und  erzielte 
die  besten  Resultate  mit  Sublaminalkohol. 

Sublamin  ist  Quecksilbersulfatäthylendiamin.  Die  Vorzüge  des 
Sublamins  sind  nicht  zu  unterschätzen:  Es  besitzt  alkalische  Reaktion 
und  ist  meines  Erachtens  dadurch  die  ihm  nachgerühmte  vortreffliche 
Tiefenwirkung  bedingt,  die  Desinfektionskraft  steht  der  des  Sublimats 
nicht  nach,  mit  Seife  entsteht  keine  Fällung,  Nickelinstrumente  werden 

nicht  angegriffen.  .  .  „  .  ,  , 

Dass  das  Sublamin  nicht  völlig  reizlos  ist,  wie  in  allen  Berichten 
angegeben  wird,  habe  ich  bereits  oben  angeführt.  Es  handelte  sich 
dabei  allerdings  um  Hände,  die  durch  das  vorausgegangene  Subhmat- 
ekzem  sehr  empfindlich  waren.  Nicht  in  Zweifel  kann  gezogen  wer¬ 
den,  dass  die  Reizerscheinungen  einer  wässrigen  Sublaminlösung  ge¬ 
ringer  sind,  als  die  einer  Sublimatlösung,  wie  ich  auch  an  meinen 
eigenen  Händen  feststellen  konnte. 

Engels  empfiehlt  0,2  proz.  Lösung  von  Sublamin  in  99proz. 

Alkohol. 

Seine  Anordnung  lautet:  , 

Waschen  der  Hände  mit  steriler  Seife  (brauner  Kaliseife)  und 
steriler  Bürste  in  heissem  Wasser . 5  Minuten; 

Behandeln  der  Hände  mit  Alkohol-Sublamin-Lösung  mit  Hilfe 
eines  sterilen  Flanellappens  . 5  Minuten. 

Seine  Resultate  sind:  ln  4  (von  5)  Versuchsphasen  erzielte  er 
100  Proz.  Keimfreiheit.  Nicht  nur  die  Keimabnahme  von  der  des¬ 
infizierten  Hand  blieb  in  allen  Versuchen  ohne  Erfolg,  auch  in  den 
tiefen  und  tiefsten  Schichten  hatte  die  2  prom.  alkoholische  Queck- 
silberlösung  derart  wirken  können,  dass  die  vom  Sandbad  gegossenen 
Platten  stets  steril  blieben,  von  den  gescheuerten  Händen  keine  Bak¬ 
terien  entnommen  werden  konnten  und  die  mit  dem  scharfen  Löffel 
von  der  rechten  Hand  abgeschabten  Teile  —  es  handelte  sich  nicht 
selten  sogar  um  kleine  Hautläppchen  —  keine  lebenden  Mikroorganis¬ 
men  mehr  enthielten. 

Nach  der  Infektion  mit  Tetragenuskeimen  erhielt  Engels: 

93,9  Proz.  sterile  Platten. 

6,1  Proz.  wenige  Keime; 

Nach  Infektion  mit  Staphylokokken: 

92,3  Proz.  sterile  Platten, 

7,7  Proz.  wenig  (1 — 20)  Keime. 

Seine  Resultate  sind  überaus  günstig. 


2.  Durch  5  Minuten  langes  Waschen  der  Hände  mit  Bürste, 
Schmierseife  und  messendem,  warmem  Wasser  wird  die  An¬ 
zahl  der  Keime  an  den  Händen  sehr  vermindert. 

Diese  hochgradigeKeimverminderung  steht  anscheinend  im 
Widerspruch  mit  den  Befunden  der  meisten  Untersucher.  Der 
Grund  liegt  in  der  verschiedenen  Händebeschaffenheit  der 
waschenden  Personen:  Während  die  anderen  Untersucher  mit 
den  besser  gepflegten  Händen  von  Aerzten  und  Chirurgen  ex¬ 
perimentierten,  arbeitete  ich  mit  Ueuten,  die  ihren  Händen 
nicht  die  nötige  Pflege  angedeihen  lassen.  Der  Keimgehalt  der 
Hautoberfläche  ist  hier  natürlich  viel  grösser,  die  oberflächlich 
gelegenen  Keime  lassen  sich  durch  die  Waschung  leichter  ent¬ 
fernen  und  so  ist  der  gute  Effekt  zu  erklären. 

3.  Nach  der  Desinfektion  mit  Sublaminalkohol  blieben  die 
Nährböden  steril.  Die  Ursache  ist  die  Trockenheit  und  dadurch 
erschwerte  Abschabbarkeit  der  Haut  und  nicht  zum  geringsten 
die  wachstumshemmende  Wirkung  des  auf  den  Nährboden 
übertragenen  Sublamins. 

4.  Nach  Aufhebung  der  entwicklungshemmenden  Wirkung 
des  Sublamins  durch  Schwefelammoniumlösung  und  Baden  der 
Hände  in  warmem,  sterilen  Wasser  lassen  sich  von  den  ma¬ 
zerierten  Händen  stets  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Keime 
mittels  Hölzchen  gewinnen. 

5.  Die  Keimverminderung  ist  eine  hochgradige  und  betragt 
unter  9  Versuchsreihen  einmal  94,3,  3  mal  über  98  und  5  mal 
über  99  Proz. 

Dass  die  Resultate  ganz  andere  sind,  wenn  man  mit  Händen 
von  Aerzten  arbeitet,  die  Erfahrung,  Uebung  und  Verständnis 
für  Händedesinfektion  haben,  deren  Haut  aber  auch  mit 
Sublimat  und  andern  antiseptischen  Flüssigkeiten  imprägniert 
ist,  mögen  drei  Versuche  zeigen,  die  an  einem  Tage  ausgeführt 
wurden,  an  dem  wir  mit  Sublimat  nicht  in  Berührung  ge¬ 
kommen  waren. 

Die  Versuchsanordnung  war  die  gleiche  wie  oben,  nur 
wurde  zum  Mazerieren  der  Hände  sterile  0,1  proz.  Natron¬ 
lauge  7  Minuten  lang  benützt. 


oUUld.111111  lid.un  uci  vv  aoLiiuiij;  ihwiil  «.uo,  ou  UUJJ  ~ 

Nährboden  übertragen  wurde  und  hier  seine  entwicklungshemmende 
Wirkung  entfalten  konnte. 

Meine  Versuchsanordnung  war:  Nach  Kürzung  der  Nägel  und 
Reinigung  der  Unternagelräume  und  Nagelfalze  vom  sichtbaren 
Schmutz,  Waschen  der  Hände  mit  Schmierseife,  steriler  Bürste  und 
fliessendem  warmem  Wasser  5  Minuten  lang.  Bearbeiten  der  Hände 
mit  0,2  proz.  Sublamin-Alkohol  mit  Hilfe  einer  sterilen  Bürste  5  Mi¬ 
nuten  lang,  Entfernung  des  Quecksilbers  durch  Waschen  der  Hände 
in  Schwefel-Ammonium-Lösung  5  Minuten  lang,  Baden  der  Hände 
in  sterilem  Wasser  7  Minuten  lang. 

Nach  dem  Vorschläge  von  Sarwey  wurde  statt  des  Flanell¬ 
lappens  die  Bürste  verwendet. 


Versuchs¬ 

personen 


M  B 

£5 


_c 

u 

rt  n  a> 

c  3 

ü'S  « 

£  3  SB 

UbÄ  iu 
o 

B  u * 

'S  «-K 
Sd73  B 


j=  e  . 

rt-2  e 

c-*  E  — 
ss  «  3  o 

«ss-g 

</)  G  £2 

•J^g 


.c  c  .  e  jr 

u  O  o^  =  S 

2  >  BV,  « 
g  5  a  cs 
-w  MECQ  "tS 
■3 

■S’O'2  glg  g 
m  c  u  3  r  c 

£  js  2  jjj  -c 
D  c  o  .5  «  <y 


B  M 

u  C 
QJ  3 

>  u 
G 

.£t3 

<v 

* 


Jodel 

Koch 

Bodmeier 

Joseph 

Günther 

Pechak 

Meier 

Pedel 

Rode 


4  800 
2  640 

16  800 
72  480 
72  000 
6  720 

5  760 
36  480 
15  600 


72 

2  680 
220 
540 
94 
690 

2  160 


0 

0 

0 

0 

1 

0 

0 

0 

0 


4 

44 

100 

650 

80 

380 

110 

500 

140 


Proz. 

99,9 

98.3 

99.4 

99.1 
99,8 
94,3 

98.1 
98,6 

99.1 


Aus  den  Versuchsreihen  ergeben  sich  folgende  Resultate: 
1.  Von  den  feuchten,  unvorbereiteten  Tageshänden  können 
bei  ailen  Versuchspersonen  mittels  harter,  steriler  Hölzchen 
sehr  zahlreiche  Keime  entnommen  werden. 


Versuchspersonen 

Primärer 

Keimgehalt 

Keimgehalt  nach  der 
Desinfektion  etc. 

Dr.  Gras  mann 

3 

4 

Dr.  Zeller 

24 

0 

’  Dr.  He nes 

22 

0 

So  starke,  bakterientötende  Eigenschaften  der  Sublamm¬ 
alkohol  demnach  auch  hat,  so  fürchte  ich  doch,  dass  er  sich  für 
die  Praxis  nicht  eignet,  eine  häufigere  Anwendung  des  Subla- 
minalkohols  mittels  der  Bürste  wäre  wenigstens  für  unsere 
nicht  sonderlich  empfindlichen  Hände  wegen  auftietender  hef¬ 
tiger  Reizungserscheinungen  ausgeschlossen.  Auch  die  An¬ 
wendung  des  Sublaminalkohols  mittels  eines  Flanellappens,  wie 
Engels  angibt,  reizt,  wenn  auch  in  geringerem  Grade,  die 
Haut.  Ob  die  Resultate  bei  Anwendung  eines  Flanellappens 
ebenso  günstig  ausfallen,  wie  beim  Gebrauch  der  Bürste,  kann 
ich  nicht  entscheiden,  da  ich  hierüber  keine  Versuche  angestellt 
habe.  Ich  bin  der  Ueberzeugung,  dass  mit  der  Bürste  der 
grösste  mechanische  Effekt  erzielt  werden  kann. 

II.  Händedesinfektionsmethode  nach  S  c h um  ¬ 
berg  mit  Alkohol-Aethermischung  und  proz. 

Salpetersäure. 

Oberstabsarzt  Schumberg  suchte  nach  einem  schnellen  und 
schonenden  Desinfektionsmittel,  das  besonders  den  Kriegschirurgen 

von  Vorteil  sein  müsste.  .  ...  , 

Er  empfiehlt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  eine  Mischung  von 
2  Teilen  Alkohol  absolut.,  1  Teil  Aetber  und  setzt  U  proz.  Salpeter¬ 
säure  zu.  Die  Salpetersäure  soll  entwicklungshemmend  wirken  und 
zugleich  für  die  Hände  angenehm  sein,  da  sie  Sprödigkeit  und  Risse 

Von  der  Mischung  werden  100 — 150  ccm  1  2  Minuten  lang  mit¬ 
tels  gewöhnlicher,  entfetteter  Wattebäuschchen  zur  Desinfektion  dei 

Er  stellte  fest,  dass  die  Desinfektion  von  2Va  Minuten  Dauer  mit 
saurer  AlkohoJ-Aether-Mischung  meist  über  99  Proz.  der  an  der  Ge¬ 
brauchshand  haftenden  Keime  entfernt.  Die  Desinfektion  ist  nicht  nui 
oberflächlich,  eine  fast  vollständige,  sondern  sie  beseitigt  auch  .3 


2092 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


aut  wenige  Reste  die  in  der  Tiefe  der  Haut  vegetierenden  und 
schwer  zugänglichen  Keime,  ohne  die  Haut  selbst,  wie  das  beim 
Bürsten  mit  Seife  der  Fall  ist,  zu  schädigen. 

Die  Resultate  sind  überraschend  gute.  Die  Erklärung  für  die 
guten  Resultate  ist  in  der  von  Schumberg  angewandten  Methodik 
zu  suchen.  Schumberg  stellte  die  Anzahl  der  Keime  meist  nur 
nach  Bewegen  der  Fingerspitzen  in  flüssigem  Agar  von  45°  C  fest. 
In  mehreren  Versuchen  wurde  nebenbei  die  Hohlhand  mit  sterilen 
Lanzettenklingen  abgeschabt,  um  den  Keimgehalt  der  Tiefe  zu  er¬ 
mitteln;  es  wurde  jedoch  stets  die  trockene,  durch  die  voraus¬ 
gegangene  Waschung  mit  saurer  Alkohol-Aether-Mischung  teilweise 
entfettete  Haut  abgeschabt,  wodurch  die  Keimentnahme  natürlich  sehr 
erschwert  ist;  die  Agarplatten  wurden  nur  1  Tag  beobachtet. 

Mehrere  Vorversuche,  die  teils  nur  die  Finger,  teils  nur  die 
Unternagelräume  und  Nagelfalze  unserer  Hände  betrafen,  ergaben  ein 
\  iü  ungünstigeres  Resultat  als  die  Desinfektion  mit  Sublaminalkohol 
oder  .Jodbenzin.  Um  mir  unnötige  Arbeit  zu  ersparen,  wählte  ich 
zu  den  Versuchen  2  Badergehilfen,  die  in  der  Händedesinfektion  be¬ 
reits  einige  Uebung  besassen. 

Meine  Versuchsanordnung  war.  Nach  Kürzung  der  Nägel  etc. 
wurden,  die  Hände  2Vz  Minuten  mit  der  sauren  Alkohol-Aether- 
Mischung  nach  den  Angaben  von  Schumberg  mittels  steriler 
attetupfer  bearbeitet,  darauf  die  Hände  7  Minuten  lang  in  warmem, 
sterilem  Wasser  gewaschen. 


Versuchs¬ 

personen 


Primärer 

Keimgehalt 


Keimgehalt  der 
Hände  nach  der 
Desinfektion 


Eichstätter 

Bayer 


57  840 
39  600 


3  360 
3  600 


Keimgehalt  der 
Hände  nach  dem 
Baden  in  steri¬ 
lem  Wasser 


Keimvermin¬ 

derung 


6  000 
4  320 


Proz. 

89,6 

89,1 


Wie  aus  meinen  Versuchen 'zu  entnehmen  ist,  ist  die  An¬ 
zahl  der  Keime,  die  sofort  nach  der  Desinfektion  von  den 
trockenen  Händen  abgeschabt  werden  kann,  eine  sehr  grosse- 
nach  Mazerierung  der  Haut  ist  die  Keimzahl  eine  noch  höhere 
Die  Keimverminderung  ist  eine  relativ  hohe,  der  Grund  ist  wie 
nach  der  Seifenwaschung  in  der  Beschaffenheit  der  Hände 
meiner  Versuchspersonen  zu  suchen. 

Nachdem  die  Ergebnisse  meiner  Versuche  mit  meinen  Vor¬ 
versuchen  ubereinstimmten,  glaubte  ich  auf  weitere  Versuche 
verzichten  zu  können. 

III.  Die  von  uns  bisher  geübte  modifizierte 
Fürbringersche  Methode. 

Jnteressant  war  fs  für  uns,  die  Leistungsfähigkeit  der  bei  uns 
seit  Jahren  geübten  Methode  zu  erfahren. 

Unsere  Vorschrift  lautet: 

1.  Waschen  der  Hände  mit  Bürste  und  Schmierseife  in  warmem 
messenden  Wasser  —  10  Minuten;  m 

nuteir  ^iirSten  der  Fände  mit  0,2  proz.  Asterolseifenspiritus  —  5  Mi- 

3.  Abspülen  des  Seifenspiritus  in  messendem  Wasser; 

4.  Bürsten  der  Hände  mit  1  prom.  wässriger  Sublimat-  resp 

2  prom.  Sublaminlösung  —  5  Minuten. 

nn'netl  yfrsuchen  wurde  2  prom.  Sublaminlösung  verwendet 

J ei  ’h ; fr !d e  Tn ° sS  w f f 7\  T d £  die.WirTkunS  des  Sublamins  durch  Baden 
der  Bande  in  Schwefel-Ammomum-Lösung,  5  Minuten  lang  ausce- 

rMi‘„t^t„d,ananufKtwS.dUrCh  Wasch“  WP-teÄ 


Versuchs¬ 

personen 


n  ä 

!.§ 
n  u 


Stoffel 

Wagner 

Kramer 

Wittmann 

Strobl 

Rapp 


O  O  ~ 
n  >£*0  cg 

«  §  £ 
■S-O.S2  E 

£-5(0  i 


«  u 
n  u 

ü  'S 

a  t3 
•c  c 

<U  <v 

.iS 

£  S 


■•oh 

C  O  CD 

UliiuPSC 

s  ' 


IM  N  bfl 


-ry  s  =  bcX  P  3 


-2  c  . 


3  'c  '  u  «ft  in  w  ~  ö 
•o  .  <b  ">0  _  o  j. 

ä  1  i  "  _  « 

rt  s-  —  *- 


3  •—  •P  E  .E  'iz 
.5  «j  ^ 

^  C  CQ 


c 

E  bJD 
j-  c 

£  3 
>  u. 
p  <V 

.E  TJ 


21  600 
4  320 
66  720 
41  360 
37  920 
50  400 


9  600 

5  280 
38  880 

6  720 
290 


5  280 
2  160 

6  480 
5  520 

190 

190 


Pioz. 

75.5 
50,0 
90,3 

86.6 

99.5 

99.6 


Aus  den  Versuchen  ist  zu  entnehmen: 

Lvy°cn  den  muhten,  unvorbereiteten  Tageshänden  können  bei 
a|Ien  Versuchspersonen  mittels  steriler  harter  Hölzchen  sehr  zahl 
reiche  Keime  entnommen  werden.  zam 

Q  .,  2'  ^ach  10  Md!uten  langer  Bearbeitung  der  Hände  mit  Bürste, 
Seife  und  warmem  Wasser  wird  die  Anzahl  der  Keime  sehr  vermindert 

angegeben  hochgradigen  Keimverminderung  habe  ich  bereits  oben 

3.  Nach  der  Waschung  mit  Asterolseifenspiritus  und  2  prom  Su¬ 
blaminlösung,  Entfernung  des  Quecksilbers  und  Mazerierung  der  Haut 


können  in  allen  Fällen  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Keime  von  den 
Händen  entnommen  werden. 

Wie  aus  den  Tabellen  zu  ersehen  ist,  ist  der  Keimgehalt  der 
Fände  nach  der  Desinfektion  bei  den  ersten  4  Versuchen  ein  sehr 
hohen  wahrend  die  beiden  letzten  Versuche  günstig  ausgefallen  sind. 

L  et  hohe  Keimgehalt  der  Hände,  den  ich  in  den  ersten  4  Ver¬ 
suchen  nach  der  langdauernden  und  intensiven  Waschung  erhalten 
hatte,  war  überraschend.  Hätte  ich  Sublimat  als  antiseptisches  Wasch¬ 
wasser  benutzt,  so  wäre  der  Grund  der  schlechten  Resultate  klar 
gewesen:  Das  Sublimat  wird  durch  die  an  der  Haut  haftenden  Seife 
zersetzt,  es  bilden  sich  unlösliche  Quecksilberverbindungen  und  das 
Sublimat  wird  unwirksam. 

Zunächst  stellte  ich  Versuche  mit  der  verlängerten  Ftir- 
b  r !  n  g  e  r  sehen  Methode  an.  Meine  Versuchsanordnung  war-  Nach 
Kürzung  der  Nägel  etc.,  Waschen  der  Hände  mit  Bürste,  Schmier¬ 
seife  in  warmem  messendem  Wasser  5  Minuten  lang.  Waschen  der 
Hände  mit  90  proz.  Alkohol  und  Bürste  2  Minuten  lang.  Waschen 
der  Hände  mit  warmer  2  prom.  Sublaminlösung  5  Minuten  lang,  Baden 
dei  Hände  in  Schwefelammoniumlösung  5  Minuten  lang,  Mazerierung 
der  Haut  mit  0,1  proz.  Natronlauge  7  Minuten  lang. 


Versuchs¬ 

personen 


.1  £ 
i-  .tz 

Oh  <L> 


:  e 

{  o  - 
! 

,  b/3  C 
I  C 


<V  3 


*>S  J 

.5  2 

<U  3  CO  :3 
CQ 


uc*  J-  J2  <v 
03  _q  ^ 

«-gst 

J3  X  -ärnE<LI~  — 
"’S  M-a  .  3 73  o.« 

E  K  3  bOui  g  li-’1- 
•r==-s  c  c  e-n® 


a 


.  C4 

<L» 

.  bo 

N  3 
"  2^2 


<V 


Rückert 

Mathes 

Wallner 


tu 


E  " 
^■5 

p 


184  320 
60  960 
39  360 


450 

1  080 


480 

820 

210 


Proz. 

99,7 

98,6 

99,5 


Die  Resultate  mit  der  verlängerten  F  ii  r  b  r  i  n  g  e  r  sehen  Me¬ 
thode  waren  bedeutend  besser  als  mit  der  von  uns  geübten  Modi¬ 
fikation.  Es  musste  also  die  Anwendung  des  Seifenspiritus  die  Ur¬ 
sache  der  schlechten  Ergebnisse  sein. 

Bei  meinen  beiden  letzten  Versuchen  Hess  ich  nach  der  Waschung 
mit  Astero  seifenspiritus  die  Hände  ca.  2  Minuten  in  messendem 
warmem  Wasser  tüchtig  waschen,  um  die  Seife  von  der  Haut  mög- 
hchst  vollständig  zu  entfernen.  Der  Erfolg  ist  aus  den  gewonnenen 
Resultaten  zu  ersehen;  ich  erhielt  in  beiden  Versuchen  über  99  Proz 
Keimverminderung. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  München  (Direktor: 
Herr  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  v.  W  i  n  c  k  e  I). 

Lieber  die  Verwendung  der  flüssigen  Somatose  bei 

Wöchnerinnen. 

Von  H.  Schmidt,  ehern.  Koassistent  und  Med.-Praktikant 

der  Klinik. 

Seit  Einführung  der  Somatose  als  Nährpräparat  durch 
:u  ,  dx?. b  r  a  n  d  t  Ü  im  Jahre  1893  haben  sich  die  Ansichten 
ubei  den  Nährwert  der  künstlichen  Eiweisspräparate  allmählich 
geklärt. 

Man  hat  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  kaum  eines 
der  künstlichen  Eiweisspräparate  imstande  ist,  beim  er¬ 
wachsenen  Menschen  den  N-Bedarf  zu  decken;  mit  anderen 
dass  diese  Erzeugnisse  die  Eiweissnahrung  nicht  voll- 
standig  ersetzen  können.  Dagegen  hat  man  ihren  Wert  in 
iln ei  Eigenschaft  als  kräftigende  und  appetitanregende  Mittel 
schätzen  gelernt. 

Auch  die  Somatose  wurde  anfangs  als  Nährmittel  und 
daher  in  viel  zu  grossen  Dosen  gegeben.  Diese  Mengen  wurden 
ungenügend  resorbiert,  und  die  Folge  davon  war  eine  Darm- 
leizung,  die  der  Verbreitung  des  Präparates  nicht  gerade 
förderlich  war.  Wenn  sich  die  Somatose  trotzdem  heute  eines 
ausgedehnten  Gebrauches  erfreut,  so  hat  das  darin  seinen 
Grund,  dass  sie,  in  medizinalen  Dosen  gegeben,  als  Roborans 
und  Stomachikum  ausgezeichnete  Dienste  leistet,  wie  dies  die 
Praxis  am  Krankenbett  beweist. 

Man  hielt  nach  den  älteren  Versuchen  von  Voit,  Bauer, 
Hofmeister  u.  a.,  gemäss  deren  natives  Eiweiss  vom  Darm 
aus  aufgenommen  werden  kann,  die  Verwendung  vorverdauter 
EAveisspräparate  als  Arbeitserleichterung  für  den  geschwäch¬ 
ten  oder  kranken  Darm  für  überflüssig.  Nach  den  neuesten 
Untersuchungen  von  H  u  g  o  u  n  e  n  q  -  Lyon  scheint  dagegen 
festzustehen,  dass  das  Nahrungseiweiss  in  weitgehendster 

')  Verhandlungen  des  XII.  Kongresses  für  innere  Medizin,  Wies¬ 
baden  1893. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2093 


Weise  gespalten  wird,  dass  durch  den  Darmsaft  Albumosen 
und  Peptone  bis  zu  den  Aminosäuren  gespalten  werden,  aus 
denen  sich  dann  wieder  leicht  resorbierbare  Zwischenstufen 
albuminoider  Form  durch  Kuppelung  aufbauen. 

Werden  Albumosen,  z.  B.  Somatose,  zugeführt,  so  bleibt 
dem  Darm  ein  Teil  seiner  Arbeit,  die  Eiweissstoffe  erst  in  oben 
genannte  Zwischenprodukte  zu  verwandeln,  erspart.  Nur  muss 
vorsichtig  dosiert  werden.  Zuntz*)  hat  nachgewiesen,  dass 
der  Körper  aus  der  in  der  Somatose  enthaltenen  und  ihm  zu¬ 
geführten  N-Menge  N  ansetzt.  Der  Verdauungstraktus  wird 
durch  Somatose  weniger  in  Anspruch  genommen  als  bei  Gaben 
nativen  Eiweisses;  die  dabei  auftretende  Oxydations¬ 
steigerung  ist  äusserst  gering  und  klingt  schneller  ab 
als  bei  nativem  Eiweiss.  Man  kann  also  demnach  die  Somatose 
als  vorzügliche  Krankenbeikost  verabreichen  bei  allen  den 
fieberhaften  Krankheiten,  bei  denen  Oxydationssteigerungen 
von  üblem  Einfluss  sind,  namentlich  Temperatursteigerungen 
hervorrufen,  z.  B.  bei  Tuberkulose. 

Die  appetitanregende  Wirkung  der  Somatose  ist  eine  heute 
fast  allgemein  anerkannte  Tatsache.  Nach  Singer")  soll  es 
sich  hierbei  um  eine  Erhöhung  der  Motilität  des  Magens  und 
dadurch  bedingte  schnellere  Entleerung  seines  Inhaltes  handeln. 
Winkler  und  Stein2 * 4)  haben  mit  ihrer  Jodipinprobe  den 
strikten  Beweis  für  die  Sing  ersehe  Anschauung  erbracht. 
Das  bei  ihren  Somatoseversuchen  gegebene  Jod  wurde  näm¬ 
lich  schneller  und  in  grösseren  Mengen  in  den  Sekreten  aus¬ 
geschieden,  als  in  gewöhnlichen  Fällen. 

Nach  v.  0  e  f  e  1  e  5 6)  wird  bei  der  Verdauung  der  Fette  nur 
ein  Teil  derselben  verseift  und  dieser  verseifte  Teil  übernimmt 
dann  die  Emulgierung  des  übrigen  Fettes.  Analog  gestaltet  sich 
die  Verdauungsarbeit  des  Körpers  auch  beim  Eiweiss.  Es  wird 
ein  Teil  des  Nahrungseiweisses  gespalten,  dadurch  entstehen 
Zwischenstufen  und  mit  Hilfe  dieser  erfolgt  dann  die  weitete 
Losung  und  Resorption  des  übrigen  Eiweisses. 

Gibt  man  nun  Somatose,  also  einen  schon  gespaltenen  Ei¬ 
weisskörper,  eine  Zwischenstufe,  so  werden  durch  sie  nac  . 
dem  oben  Gesagten  genuine  Eiweisskörper  gelöst',  die  Ver¬ 
dauung  wird  beschleunigt  und  so  der  Appetit  des  Kranken  aut 
natürlichem  Wege  gehoben.  Eine  Theorie,  die  sich  sehr  wohl 
mit  der  experimentell  konstatierten  erhöhten  Magenmotilität  in 
Einklang  bringen  lässt. 

Weiterhin  hat  v.  0  e  f  e  1  e ö)  nachgewiesen,  dass  die  Soma¬ 
tose  vollständig  resorbiert  wird.  Denn  selbst  nach  grossen 
Dosen  —  bis  zu  30  g  im  Tag  —  zur  übrigen  Kost  gegeben, 
fanden  sich  im  Kot  weder  Albumosen  noch  Peptone. 

Ungenügende  Resorption  und  dadurch  bedingte  Darm¬ 
reizung  zeigen  sich  nur  bei  zu  grosser  Dosierung  der  Somatose, 
wie  schon  oben  angeführt  wurde.  Und  wer  mit  der  Liteiatur 
der  künstlichen  Eiweisspräparate  vertraut  ist,  wird  deraitige 
Experimente  von  vornherein  meiden. 

Physiologische  Versuche  und  langjährige  praktische  An¬ 
wendung  am  Krankenbett  haben  den  sicheren  Erweis  gebiacht, 
dass  durch  mässige  Somatosegaben,  als  Beikost  gegeben, 
Darmtätigkeit  und  Appetit  angeregt  werden,  die  Verdauung 
direkt  und  indirekt  durch  leichtere  Verarbeitung  und  Aus¬ 
nutzung  des  N-haltigen  Materiales  gefördert  wird. 

Ich  habe  nun  die  neue  flüssige  Somatose  an  der  Münchener 
Universitäts-Frauenklinik  und  Hebammenschule  seit  zirka 
2  Jahren  angewendet  und  in  zirka  2000  Fällen  probiert. 

Bei  der  meist  nur  7  tägigen  Aufenthaltsdauer  der  Frauen 
bei  normalem  Wochenbett  in  den  Anstalten  musste  ich  natür¬ 
licherweise  von  Versuchen  über  die  physiologische  Ausnützung 
der  Somatose  absehen,  ebenso  von  einer  Kontrolle  des  Hämo¬ 
globingehaltes  des  Blutes. 

Mir  kam  es  darauf  an,  festzustellen  wie  die  Somatose  auf 
Darm,  Magen,  Appetit  der  Wöchnerinnen  wirkt,  wie  sie  von 
ihnen  vertragen,  ob  sie  gern  genommen  wird,  und  ob  eine 
Hebung  des  Ernährungs-  und  Kräftezustandes  bei  geschwäch- 


2)  Bericht  der  Deutschen  pharm.  Ges.,  9.  November  1902  und 
Heft  I,  1903. 

US'inger:  Therap.  Monatshefte  No.  10,  1902. 

4)  Zentralbl.  für  innere  Medizin  1899,  XX.  pag.  849. 

5)  Wiener  klin.  Wochenschr.  No.  48,  1904,  No.  2,  1905. 

6)  Allgem.  med.  Zentralztg.  No.  41,  1905. 


ten  Patienten,  in  der  Rekonvaleszenz  etc.  durch  Somatosc 
merklich  gefördert  werden  kann. 

Verabreicht  wurde  flüssige  „süsse“  und  „herbe“  Somatose. 
Ich  kann  nicht  behaupten,  dass  eine  von  beiden  Sorten  be¬ 
vorzugt  worden  wäre.  Beide  wurden  gleich  gerne  genommen. 
Ich  kenne  nicht  einen  einzigen  Fall,  wo  die  Somatose  Wider¬ 
willen  erzeugt  hätte  und  zurückgewiesen  wurde.  Die  süsse 
Somatose  bekamen  die  Wöchnerinnen  pur,  die  herbe  habe  ich 
als  Zusatz  zu  Suppen,  zu  Fleischbrühe  etc.  gegeben;  sie  wurde 
in  dieser  Form  ausserordentlich  gern  genommen. 

In  Anbetracht  der,  wenn  auch  physiologischen,  so  doch 
sehr  intensiven  Alteration  sämtlicher  Körperfunktionen  durch 
eine  Geburt,  wurde  zunächst  mit  geringen  Dosen  (2  rheelöffel 
am  ersten  Tage)  begonnen  und  schliesslich  gesteigert  bis  zu 
3  maliger  täglicher  Gabe  eines  ganzen  Esslöffels.  Niemals 
wurden  üble  Erscheinungen  von  seiten  des  Verdauungstraktus 
beobachtet.  Die  Wirkung  der  Somatose  war  augenscheinlich. 
Namentlich  durch  starke  Blutverluste  geschwächte  Wöch¬ 
nerinnen  mit  völlig  darniederliegendem  Appetit  nahmen  schon 
nach  wenigen  Somatosegaben  die  ihnen  gebotene  Wochenbett¬ 
kost  gern  und  reichlich  auf. 

In  den  nicht  sehr  zahlreichen  Fällen,  wo  ein  längerer 
Klinikaufenthalt  geboten  erschien,  und  eine  Hämoglobinkon¬ 
trolle  daher  möglich  war,  liess  sich  ein  regelmässiges  stetes 
Ansteigen  des  Hämoglobingehaltes  beobachten,  der  ohne 
Zweifel  auf  Rechnung  der,  mit  Hilfe  der  Somatose  sich  stei¬ 
gernden  reichlicheren  Nahrungszufuhr  und  gründlicheren  Aus¬ 
nutzung  des  Gebotenen  zu  setzen  sein  dürfte. 

Die  Eigenschaft  der  Somatose,  gut  und  leicht  vertragen  zu 
werden,  hat  sie  zu  einem  schätzenswerten  Mittel  in  all  den 
Fällen  gemacht,  wo  infolge  heftigen,  unstillbaren  Erbrechens 
iede  Nahrungsaufnahme  per  os  unmöglich  gemacht  wurde.  Ich 
hatte  des  öfteren  Gelegenheit,  die  ausgezeichnete  Wirkung  der 
Somatose  bei  solchen  schweren  Fällen  zu  beobachten.  Mit 
Rücksicht  auf  das  fortgesetzte  Erbrechen  und  die  dadurch  be¬ 
dingte  völlige  Inanition  erhielten  stark  geschwächte  Wöchne¬ 
rinnen  zunächst  nur  ein  ganz  geringe  Menge  (etwa  lK  Thee- 
löffel  pro  die)  Somatose;  eine  Dosis,  die  stets  behalten  wurde; 
niemals  mussten  des  öfteren  vergebliche  Dosen  gegeben 
werden.  Langsam  wurde  gesteigert.  Die  Frauen  bekamen 
Appetit,  wurden  zusehends  kräftiger  und  verlangten  immer 
gierig  nach  ihrer  Somatose.  Vom  3. — 4.  Tage  an  wurde  zur 
gewöhnlichen  Wochendiät  übergegangen,  die  reichlich  ge¬ 
nossen,  nicht  erbrochen  und  gut  verdaut  wurde. 

Diese-  ausgedehnte  klinische  Anwendung  der  flüssigen 
Somatose  und  die  damit  erzielten  Resultate  beweisen,  dass 
dieses  künstliche  Albumosenpräparat  in  der  Wochenbettpraxis 
als  kräftigendes  und  appetitanregendes  Mittel  tatsächlich  ganz 
vorzügliche  Dienste  leistet,  dass  es  die  Ernährung  befördert, 
dabei  Magen  und  Darm  durchaus  nicht  belästigt. 


Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Jena  (Direktor:  Geh.  Med. -Rat 

Prof.  Dr.  S  t  i  n  t  z  i  n  g). 

Ein  Todesfall  infolge  reflektorischer  Anurie  nach  Harn¬ 
röhrensondierung  bei  einem  Manne  mit  hochgradigen 

Schrumpfnieren. 

Von  Dr.  Hermann  Bennecke,  Assistent  der  Klinik. 


Der  mitzuteilende  Fall  hat  vielleicht  einiges  allgemeine 
Interesse,  da  Umstände,  wie  die  zu  schildernden,  häufiger 
gegeben  sein  dürften,  und  derart  unliebsame  Ereignisse,  be¬ 
sonders  ausserhalb  einer  Klinik  oder  eines  Krankenhauses,  dem 
Arzte  von  den  Laien  leicht  zum  Vorwurf  gemacht  und  als 
Kunstfehler  ausgelegt  werden  können,  ohne  dass  ein  Ver¬ 


schulden  ärztlicherseits  vorliegt. 

Anamnese:  65  jähriger,  auf  der  Wanderschaft  foefindlichei 
Buchbinder,  der  wegen  rheumatischer  Beschwerden,  besonders  im 
rechten  Knie  in  die  Klinik  aufgenommen  wurde.  Ausserdem  klagte 
er  über  starkes  Brennen  beim  Urinieren  und  häufigen  Harndrang, 
der  ihn  nötigte,  ungefähr  alle  halben  Stunden  tags  und  nachts  Wassei 
zu  lassen.  Der  Urin  ging  jedoch  nur  tropfenweise  und  unter  starken 
Schmerzen  in  der  Blasen-  und  Nierengegend  ab.  Schliesslich  klagte 
er  noch  über  Appetitlosigkeit  und  geringe,  aber  fast  ständige  Kopt- 
schmerzen,  besonders  im  Hinterkopfe. 


2094 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Die  Familienanamnese  ist  belanglos.  Pat.  hat  Kinderkrank¬ 
heiten  gehabt  und  wegen  allgemeiner  Körperschwäche  nicht  ge¬ 
dient. 

Vor  ca.  40  Jahren  will  er  sich  gonorrhoisch  infiziert  und  wegen 
eines  chronischen  1  rippers  lange  Zeit  in  ärztlicher  Behandlung  ge¬ 
standen  haben.  Als  Folge  davon  soll  es  zur  Entwicklung  einer  Harn- 
röhrenstriktur  gekommen  sein,  die  nach  erfolgloser  anderer  Behand¬ 
lung  zweimalige  Operationen,  zuletzt  vor  ca.  5  Jahren,  nötig  machte. 
Angeblich  hat  Pat.  sich  schon  früher  monatelang  ohne  schädliche  Fol¬ 
gen  katheterisiert;  auch  in  letzter  Zeit  hat  er  wegen  der  erneuten 
Beschwerden  beim  Urinlassen  wieder  den  Katheter  angewandt  Es 
liess  sich  nicht  feststellen,  ob  die  Zystitis  die  Ursache  oder  Folge 
dieses  Eingreifens  war. 

Bis  vor  einigen  Jahren  will  er  viel  Bier  und  Wein  getrunken 
naben. 

Status:  Mittelgrosser,  schlecht  genährter,  elender  Mann  von 
etwas  blassem  Aussehen. 

i  ^  au  *.  've^k  und  schlaff.  An  den  Knöcheln  geringes  Oedem 
das  nach  einigen  Tagen  bei  Bettruhe  schwindet. 

Lungen  etwas  emphysematos ;  dabei  geringer  Katarrh. 

Herz  nach  rechts  und  links  etwas  verbreitert;  Herztöne  leise 

Hrnri/n«  Sls  m/ss^.lefüllt/  etwas  gespannt,  regelmässig.  Blut¬ 
druck  118— 132,  ändert  sich  während  der  Beobachtung  nicht  nennens¬ 
wert.  A.  radiajis  etwas  verhärtet. 

^•foBaUDCh0IoS,ane  ausser  gerinSer  Koprostase  ohne  Besonder- 
“™?ni  B  «"1  Paaren  in  der  Blasengegend  werden  die  Bauch¬ 
muskeln  reflektorisch  angespannt. 

Reflexe  sämtlich  etwas  herabgesetzt, 
findliclf r  IinkC  ProstatalapPen  ist  etwas  vergrössert  und  emp- 

Am  Penis  finden  sich  im  hinteren  Teile  die  glatt  vernarbten 
Operationswunden.  Ausfluss  aus  der  Harnröhre  besteht  nicht. 

1- a  perkutorisch  und  palpatorisch  über  den  Füllungszustand  der 
Blase  nichts  festgestellt  werden  konnte,  so  wurde  zur  Prüfung  auf 
Resturin  mit  einem  Nelatonkatheter  eingegangen.  In  der  Harnröhre 
war  dabei  mit  Sicherheit  keine  Striktur  nachzuweisen:  es  gelang  nur 
mit  der  allergrössten  Mühe,  die  Pars  prostatica  resp.  posterior  ure- 

urinefaZndPsTchenfchtda  ^  Starker  SPhinkt«renkrampf  bestand.  Rest- 

Der  Urin  war  trübe,  roch  ammoniakalisch  und  enthielt  bei  der 

ÄerTSZyMnd^terS“ChUnS:  Sehr  Vie‘  Eiter  Sehr  Spärlic"e 
an  eine' aszendieren^PyeLnephritis1  gedacht re’  SPä‘er  W“rde  a“ch 

Der  weitere  Verlauf  war  nun  der,  dass  sich  ein  mit  gelegent- 
lichen,  nicht  sehr  hohen  Temperatursteigerungen,  ständigem  Er- 
k'prCR6n  V°n  Sct  e-im  un?  Speisen’  Kopfschmerzen  und  wechselnd  star¬ 
ke  Zustand  entwickelte,  der  als  chro- 

! '  ncbe  Uraemi1|,  aufgefasst  werden  musste.  Von  einer  lokalen  Be 
andlung  der  ßlase  wurde  unter  diesen  Umständen  abgesehen  viel 
mehr  erhielt  der  Kranke  zunächst  Urotropin,  später  statt  dessen'  lanv« 
Zeit  hindurch  mit  scheinbar  demselben,  nicht  ungünstigen  Erfolg« 
Zystopunn  und  1  Flasche  Wildunger  Helenenquelle  täglich  Ausse 
entsprechender  Nephritisdiät  bekam  er  öfters  warme  Bäder  geger 

entb®?rwdee”en  Thermophore-  Morphium  konnte  abends  „ich 
pr  ^oräbersehend  musste  der  Kranke  rektal  ernährt  werden  dz 
vor  allen  Speiser  beiam  “"d  eine"  unübe™i"clli‘:l>en  Widerwillen 

Die  ISÄ'Ä^SlSSliSS^^  Ä 

wurde  langsam  immer  klarer,  bis  schliesslich  im ^zentrifngieiten  Urin 

wipCp°Ch  Se?r  sparliche’  ]a  oft  gar  keine  Leukozyten  usw.  nachge¬ 
wiesen  werden  konnten.  Ebenso  ging  es  mit  den  an  sirti  cpimn 
nicht  sehr  reichlichen  Zylindern,  die  meist  nur  mit  grösster  Mühe 

zwisfhenToon  Zunnnden  wa-r£n'  ,Die  Urinmeilge  schwSkte  letet 
zwischen  1000—1400  ccm,  wahrend  sie  früher  zeitweise  auf  300  rnnl 

gesunken  war;  das  spez.  Gewicht  des  Urins  betrug  1006—1010-  Ei- 

von  ]etzt  ab  bis  mm  Tode  nie  auch  nur  in  Spuren  trotz 
ast  täglicher  Untersuchung  nachzuweisen.  Das  Körpergewicht  nahm 

der  Appetit  wurde  zeitweise recht SS  und  de” 
mnrP  fl5gR  n  aufzustehen.  Er  klagte  nur  noch  über  leichten  Magen- 
druck  und  Brennen  m  der  Harnröhre  beim  Urinieren. 

Unter  diesen  Umständen  wurde  aufs  Neue  erwno-pn  nh  n,vr,+ 
pea  .ersten  Untersuchungen,  die  wegen  der  lebhaften  Klagen 
des  I  at.  über  sehr  starke  Schmerzen  bald  hatten  abgebrochen  wer¬ 
den  müssen,  doch  eine  Striktur  übersehen  worden  sei  Doch  stellte 
eine  nochmalige,  spezialistische  Untersuchung  (Dr  'Spiethoff) 
mit  Sicherheit  fest  dass  eine  Striktur  nicht  bestand"  Das  Einführen 
du  Katheter  und  Bougies  war  auch  diesmal  durch  den  Sphinkteren 
krahrJ1cpf  erschwert,  doch  verlief  davon  abgesehen  die  mit^llen  Vor- 
sichtsmassregeln  ausgeführte  Untersuchung  vollkommen  glatt  Nur 
klägte  der  Pat.  dabei  wieder  über  lebhafte  Schmerzen  die  auch  nach 
der  Untersuchung  unvermindert  anhielten.  Dazu  gesellte  sich  dann 
noch  ein  Gefühl  grosser  Mattigkeit  und  Hinfälligkeit  so  dass  Pat 
au  suchte.  Kurze  Zeit  später  wurde  er  von  einem  starken 
v  üuittehrost  und  äusserst  lebhaften  Schmerzen,  die  von  der  Damm- 
^egend  in  das  Skrotum,  die  Ureteren-  und  Nierengegend  ausstrahlten. 


befallen,  so  dass  der  sonst  gegen  sich  sehr  harte  Mann  laut  stöhnte 
und  schrie.  Dabei  war  der  Puls  bis  100  beschleunigt,  etwas  ge¬ 
spannt;  der  Blutdruck  war  wegen  der  Unruhe  nur  ungenau  bestimm¬ 
bar,  betrug  ca.  140  mm;  die  Pupillen  waren  eng  und  scheinbar  re¬ 
aktionslos;  dabei  bestand  bis  zum  Tode  eine  ausgesprochene  Zyanose 
der  Lippen  und  der  sich  kalt  anfühlenden  Extremitäten;  Krämpfe 
wurden  nicht  beobachtet.  Zugleich  stieg  die  Temperatur,  die  zufälli¬ 
gerweise  am  Tage  vorher  —  wie  aber  auch  schon  früher  gelegent- 
,  lieh  die  subnormalen  Werte  von  35,6  — 36°  gezeigt  hatte,  auf  38,4°. 
Irgend  ein  besonderer  Grund  liess  sich  nicht  finden,  so  dass  die  Tem¬ 
peratursteigerung  als  Katheterfieber  gedeutet  wurde.  Die  Zahl  der 
Leukozyten  betrug  8000  und  stieg,  um  das  vorweg  zu  nehmen,  an 
dem  nächsten  Tage  bis  9300. 

Abends  steigerte  sich  die  Unruhe  des  Pat.  bis  zu  wahren  De¬ 
lirien:  er  warf  sich  mit  rollenden  Augen,  laut  stöhnend,  schreiend  und 
über  die  heftigsten  Schmerzen  im  Kopfe,  der  Harnröhre  und  dem  Leibe 
klagend  hin  und  her.  Die  Zunge  war  trocken,  rissig,  ohne  dass  hohes 
Fieber  bestand.  Gierig  trank  der  Kranke  die  ihm  gereichte  Milch  und 
andere  Getränke  in  grossen  Mengen;  feste  Nahrung  aber  wies  er  bis 
zu  seinem  Tode  zurück. 

Erst  nach  einer  Morphiuminjektion  von  0,02,  die  Pat.  schon  früher 
wiederholt  und  ohne  irgendwelche  bemerkenswerten  Folgen  be¬ 
kommen  hatte,  trat  Ruhe  ein.  Diese  ging  dann  vom  nächsten  Mor¬ 
gen  an  bis  zu  dem  um  4  Uhr  nachmittags  erfolgenden  Tode  in  einen 
komatösen  Zustand  über,  in  dem  der  laut  schnarchende  Pat.  auf  keine 
Reize  reagierte. 

Während  der  ganzen  Zeit,  d.  h.  von  dem  Tage  an,  an  dem 
katheterisiert  wurde,  bis  zum  Tode,  während  30  Stunden 
also,  entleerte  der  Kranke  nicht  einen  Tropfen 
Urin.  Wiederholt  wurde  die  Blase  auf  ihren  Füllungszustand  unter¬ 
sucht,  aber  stets  leer  befunden.  Es  gelang  auch  auf  keine  Weise  die 
Urinsekretion  anzuregen:  so  wurde  Diuretin  und  Digalen  per  os 
gegeben;  durch  Venaesektion  wurden  ca.  100  ccm  Blut  entleert  und 
danach  850  ccm  physiologische  Kochsalzlösung  subkutan  injiziert: 
auf  die  Nierengegend  wurden  Thermophore  gelegt  und  der  Patient 
in  warme  Tücher  eingepackt.  Aber  es  gelang  weder  die  Urin- 
noch  Schweissekretion  anzuregen,  trotz,,  wie  erwähnt,  genügender 
Flüssigkeitszufuhr. 

Dass  Urin  unbemerkt  abgegangen  ist,  kann  mit  Sicherheit  aus¬ 
geschlossen  werden,  denn  es  ist  hierauf  natürlich  genau  geachtet 
worden. 

Bei  der  Sektion  erwies  sich  nun  die  Harnblase  so  gut  wie 
leer;  sie  enthielt  einige  Tropfen  stark  getrübter  Flüssigkeit.  Ihre 
Schleimhaut  liess  ausser  einer  leichten  ödematösen  Schwellung  über 
dem  Trigonum  nichts  Besonderes  erkennen;  an  der  Hinterwand, 
oberhalb  der  rechten  Uretermündung,  fand  sich  ein  Divertikel.  Die 
Harnröhre,  deren  Schleimhaut  nichts  Besonderes  erkennen  liess,  er¬ 
wies  sich  als  leicht  durchgängig.  Eine  durch  das  Katheterisieren 
bedingte  Verletzung  war  nicht  vorhanden.  Ebenso  waren  beide 
Ureteren  vollkommen  intakt  und  durchgängig.  Beide  Nieren  zeigten 
das  Bild  hochgradigster  Schrumpfung,  aber  gleichfalls  keine  Spur 
frischer  eitriger  Entzündung.  Eine  Erweiterung  des  Nierenbeckens 
bestand  nicht. 

Sonst  fand  sich  an  den  Organen  nichts,  das  zur  Klärung  des 
Falles  beitragen  konnte,  auch  nicht  am  Gehirne  oder  der  Prostata. 

Es  ergibt  sich  also  folgende  Situation:  Ein  Mann  mit  chro¬ 
nischer,  scheinbar  nicht  arteriosklerotischer  Schrumpfniere 
macht  eine  Zystitis  durch,  neben  der  ein  als  chronische  Urämie 
zu  bezeichnender,  sehr  bedrohlich  scheinender  Zustand  besteht. 
Er  erholt  sich  jedoch  so,  dass  zeitweise  bezüglich  der  Urämie 
an  eine  Fehldiagnose  gedacht  wird.  Da  entwickelt  sich  in¬ 
mitten  der  schon  wochenlang  anhaltenden  Rekonvaleszenz 
innerhalb  30  Minuten  im  Anschluss  an  eine  lege  artis  aus¬ 
geführte  Harnröhrensondierung  ein  von  vollständiger  Anurie 
begleiteter  resp.  eingeleiteter  Zustand,  der  als  akute  U.rämie 
gedeutet  werden  muss  und  der  innerhalb  30  Stunden  zum' Tode 
führt,  ohne  dass  es  gelingt,  die  Harn-  und  Schweissekretion 
in  sichtbarer  Weise  anzuregen.  Bei  der  Lage  des  Falles  muss 
angenommen  werden,  dass  die  Anurie  reflektorisch  durch 
mechanische  Reizung  einer  Stelle  der  Harnröhre  ausgelöst 
wurde.  Als  solche  kommt  nur  die  Gegend  der  Schliessmuskeln 
der  Blase  in  Betracht,  von  denen  bei  den  vorgenommenen 
Untersuchungen  festgestellt  wurde,  dass  sie  sich  im  Krampf¬ 
zustande  befanden,  ob  infolge  entzündlicher  Reizung  von  der 
Blase  her,  was  bei  dem  Sektionsbefunde  nicht  ganz  sicher  sein 
dürfte,  oder  wahrscheinlicher  infolge  nervöser  Uebererregbar- 
keit,  muss  dahingestellt  bleiben.  Jedenfalls  ist  diese  an  sen¬ 
siblen  und  sympathischen  Nerven  ziemlich  reiche  Gegend  die 
wohl  ausschliesslich  in  Betracht  kommende  Stelle. 

Nun  sind  Zufälligkeiten  bei  derartigen  Ereignissen  ja  nie 
nnt  Sicherheit  auszuschliessen.  Indessen  muss  im  vorliegenden 
alle  doch  gesagt  werden,  dass  der  zeitliche  Zusammenhang 
zwischen  dem  Eingriffe  und  der  tötlichen  Anurie  resp.  Urämie 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2095 


•  Hirpkter  ist  als  dass  ein  ursächlicher  von  der  Hand 
zewfesen'werden  könnte.  Auf  Laien,  und  das  ist  die  praktische 
Bedeutung  des  Falles,  wird  es  diesen  Eindruck  jedenfalls 
mache  Niemand  wird  es  mit  Recht  einfallen,  auf  Grund 
dner  einzelnen  derartigen  Beobachtung  in  einer  ähnlichen 
Situation  nicht  zu  sondieren  oder  zu  kathetensieren. 
b  Erwähnt  sei  noch,  dass  das  bei  der  Venaesection  gewonnene  Blut 
inkteriologisch  nach  der  von  Cast  eil  ani  angegebenen,  an  de 
Sit  fast  ausschliesslich  geübten  Methode  untersucht  und  steril 
hpfunden  wurde  Eine  von  den  Harnwegen  ausgehende  Sepsisform, 
wf“  sie  Ochmann  [11]  jüngst  beschrieben  hat,  kann  also  aus- 

8eSCEineenetawadndfreie  Erklärung  des  Falles  wird  sich  kaum 
,  iqccpn  Reflektorische,  entweder  vorübergehende  oder 
?um  Tode  führende  Anurien,  ausgelöst  durch  Eingriffe  oder 
Erkrankungen  (Steine  usw.)  der  Niere,  des  Nierenbeckens  und 
der  Ureteren  sind  bekannt  genug  und  teilweise  auc^  exper  ; 
mentell  zu  erklären  versucht  worden  [7j.  Aehnhche  Er 
kiürnnvsversuche  wird  man  auch  für  den  vorliegenden  Fall 
machen  können,  besonders  unter  Berücksichtigung  des  oben 
mehrfach  Angedeuteten,  doch  soll  darauf  nicht  naher  ein¬ 
gegangen  werden,  da  bei  der  immerhin  noch  lückenhaften 
Kenntnis  der  Nervenbahnen  von  und  zu  dieser  Gegend  und  der 
fehlenden  histologischen  Untersuchung  des  Falles  eine  positive 
Förderung  in  der  Deutung  derartiger  Vorgänge  nicht  erwartet 

WCr  Mndera  mir  zugänglichen  Literatur  fand  sich  etwas  Aehnliches 
■  u  t  ebert  [12]  schreibt  S.  333:  „Man  beschreibt  auch  a 
Fnkrp  der  Zvstitis  vollkommene  Anurie  mit  allen  Zeichen _  einer 
2  cp, u  Infektion  und  selbst  tödlichem  Ausgang,  wenn  infolge 

Her  Zvsti  is  d  e  Mündung  beider  Ureteren  unwegsam  geworden  _  ist. 
c  hege  aber  Zweifel  gegen  die  Möglichkeit,  dass  Zystitis  allem  emen 

mfS  fin  kt  ,1  bei  sehr  reizbaren  und  ängstlichen  Personen 
SaSraSrung  des  Katheters  sogar  Todh^cdher"“*™ 

splell  nnS  die  trotz  manchmal  fast  unglaublich  langen  Bestehens  me 
zum  Tode  führt,  hier  nicht  vorliegt,  ist  wohl  sicher  [4,  5,  8,  9, 

Literatur. 

1  Adrian:  Zehntägige  kalkulöse  Anurie ^  mit  spontaner  Ge¬ 
nesung.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1907  No.  16,  S.  664  2.  A  P  o^ 

lant-  Leber  Anurie.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1903,  No.  -9. 

/a  ,co  li  Vorlesungen  über  Urämie.  Jena,  Gustav  Fischer  1903. 

S  -  4  P  Berbez;  L’anurie  neurasthenique  Gaz.  hebd.  de 

me]  et  de  chfr'.  1898,  No.  43.  -  5.  M  Carriere:  Un  cas  dtaune 
neurasthenique.  Ibidem  No.  48.  6-  v.  _  r  i  _  „  ,  Goetzl: 

U n t e rs u chu  n  g e n  'übe r  efl  ekto d s ch e  Anurie.  Pflügers  Archiv,  Bd  83 

Un  cas  d’anurie  hysterique  avec  elimination  “ 

qui  a  dure  pendant  12  iours,  chez  une  femme  hystenque  gue™  co^ 
pletement.  Progres  med.  1898,  No.  b.  18  ,,  Toch. 

von  Anurie.  Ref.  Zentralbl.  f.  inn.  Med.  1896,  S.  351.  —  11  J  o  cn 

mann:  Zur  Kenntnis  der  von  den  Harnwegen  ausg^hende^S^ep^^ 

formen.  Deutsches  Arch.  f.  klm.  Med.,  Bd.  87,  1906.  -■ 

Krankheiten  der  Harnblase,  v.  Ziemssens  Handbuch  IX,  1,  b.  338. 
—  13  John  Blake  White:  A  brief  consideration  of  mflammatory 
striMurl°of  themale  uretra  Journ.  of  cut.  -dkenito-ur.m  diseases 
I ot>7  Vol  V  No  6  —  14.  V.  S  c  a  r  p  l  n  i:  H\ sterische  Aiiunt  unu 
Ausscheidung  des  Urins  durch  den  Magen.  Reb  Zentralbl  f.  m^Med. 
1904  S  494  —  15-  Hermann  Till  man  ns.  Lehrbuch  dei  ^p 
Chirurgie.  II.  Bd.,  S.  262,  1899. _ _ 

Aus  der  medizinischen  Abteilung  II  des  Bürgerspitals  zu 
Strassburg  i.  E.  (Direktor:  Prof.  Dr.  Cahn). 

Bacterium  coli  commune  als  Sepsiserreger  in  2  Fällen 
von  Abdominalerkrankungen. 

Von  Dr.  Ernst  Krencker,  Assistenzarzt. 

Gallenwege  und  Urogenitalsystem  bilden  ausser  dem 
Darmtraktus  die  Haupteingangspforten,  durch  die  es ae 
B.  coli  commune  gelingt  —  sei  es  in  Gemeinschaft  im 
Bakterien,  die  den  Boden  zur  Infektion  yorbereiten,  sei  es  allein, 
in  den  Organismus  einzudringen  und  dort  die  Rolle  des  dem 
Körper  nützlichen  Parasiten  mit  dem  das  Leben  zerstörenden 
oder  in  Gefahr  setzenden  zu  vertauschen.  Beide,  Urogemtai- 


traktus  wie  Gallenwege,  stehen  mit  der  Aussenwelt  resp  dem 
Darm  in  offener  Verbindung;  sie  infizieren  sich  selbst  leicht  mit 
B  coli  und  wenn  durch  Entzündungen,  chirurgische  Eingriffe, 
Traumen  u  dgl.  der  Schutzwall,  den  die  intakte  Schleimhaut 
bildet,  durchbrochen  wird,  dann  kann  es  auch  zur  Allgemein- 
infektion,  zur  Sepsis  kommen.  Dass  mit  dem  Eindringen  des 
B  coli  in  diese  Organe  nicht  unbedingt  auch  die  Blutmasse  und 
damit  der  ganze  Organismus  infiziert  werden  muss,  lehren  die 
zahlreichen  Fälle,  wo  nach  Katheterismus  der  Blase  sich  monate¬ 
lang  Kolibakterien  ohne  nachweisbare  Schädigung  für  den 
Körper  daselbst  aufhalten  können,  ferner  Falle,  wo  durch 
Durchbruch  eines  Gallensteins  in  den  Dickdarm  eine  offene 
Kommunikation  zwischen  Gallenblase  und  Darm  geschaffen 
wurde,  ebenso  bei  in  die  Blase  durchgebrochenen  Rektum¬ 
karzinomen,  im  Anschluss  an  mit  Zerstörung  der  Darmschleim¬ 
haut  einhergehenden  Erkrankungen  des  Darmes  usw  Es  muss 
zu  all  den  Schädigungen  entweder  erhöhte  Virulenz  oder  starke 
Herabsetzung  der  Widerstandsfähigkeit  oder  beides  kommen. 
Daher  das  Vorkommen  von  Kolibakterien  bei  Neugeborenen, 
bei  allen  möglichen  Darmerkrankungen  präagonal  (s.  lh. 
Esche  rieh  und  B.  Pfaundler  in  K  o  1 1  e  -  W  a  s  s  e  r - 
man  ns  Handbuch  der  pathogenen  Mikroorganismen),  bei 
Magenkarzinom  mit  Metastasen  (Westenhoef  t  e  r)  bei 
einer  gangränösen  Phlegmone  mit  Kommunikation  in  den  Darm 
(V  i  d  a  1  und  Lemierre),  nach  Austerngenuss  (S  a  m  e  1  e)  und 
besonders  nach  Geburten  (L  e  a,  V  i  d  a  1  und  L  e  mie  r  r  e). 

Eine  Anzahl  Fälle,  wo  B.  coli  von  der  Gallenblase  oder 
vom  Urogenitaltraktus  allgemeine  Infektion  hervorrief,  finden 
sich  u.  a.  im  obenerwähnten  Artikel  von  EsclJerich  u 
Pfaundler.  Bei  Pyelitis  hat  Lenhartz  in  80  Fallen 
66  mal  B.  coli  im  Urin  nachgewiesen,  jedoch  gelang  es  ihm  nur 
einmal  aus  dem  Blute  B.  coli  zu  züchten,  wahrend  zwei  weitere 

Kranke  an  Kolipyelitis  zu  Grunde  gingen.  .  ... 

Es  seien  hier  zwei  weitere  Fälle  von  Kolisepsis  mitgeteilt, 
von  denen  der  eine  sicher  seinen  Ausgangspunkt  im  Urogenital¬ 
traktus  hatte,  während  beim  zweiten  Veränderungen  der 
Gallenwege  das  Eindringen  der  Erreger  wahrscheinlich  ver- 

i  fall:  28jähr.  Patienten  H.  aus  Neudorf  bei  Strassburg  i.  E. 
Früher  nie  krank,  die  letzte  Geburt  vor  mehreren  Jahren. 

Ff  Die  PatiÄ  wurde  am  6.  I  auf  die  chirurgische  Abteitang :  I 
mir  -  Privatdozent  Dr.  Stolz)  aufgenommen.  Sie  klagte  über 
krampfartige  Schmerzen  im  linken  Unterleib  und  hinten  in  der  linken 
Nierengegend  Die  Schmerzen  waren  plötzlich  mit  Schüttelfrost  und 
mit  sehr  starkem  schmerzhaftem  Stuhldrang  aufgetreten.  Ein  draussen 
«rabreÄ  Oelkfirstier  blieb  ohne  Erfolg;  die  Schmerzen  nahmen 
rinrh  711  auch  die  Winde  waren  verhalten.  .  , 

ÄÄ"  ÄÄ  sfg 

o-ano-  ein  die  Schmerzen  hessen  nach,  doch  hielt  aas  rieoer  an. 
fm  Tage  nach  der  Aufnahme  trat  die  Periode  ein.  In  den  folgenden 

Tagenden  y^Ve/ Erkrankung  Verlegung  auf  die  medizinische 
Abten“e  Temperatur  erreichte  abends  40,6".  Nierengegend  auf  Druck 

SitÄf"  keine  l^kem'V^SälSommeneü 

Uri"  ü'fo  Im  folgenden' Tage*™  SW 1 >  vorgenommene  Venaepunktion 
ergab  auch  im  Blute,  das  in  Bouillon  und  Agar  emgebracht  wurde 
Up  in  ccm  Blut  in  150  ccm)  B.  coli  commune  in  Reinkultur.  Mac 
weiteren  3  Tagen  (8.  Tag)  sank  die  Temperatur  kritisch,  die  Patiei)j  n 
nfpl  hPhP,- bei  Eine  am  15.  Tage  nochmals  vorgenommene  Urin- 
unTersuchun^ergab'noch  immer  B.  coli  (trotz  Verabreichung  massiger 

D0SEineeStgenaufuahme  der  linken  Niere  Hess  nichts  von  Nieren- 

SteinAme25enTage  wurde  die  Patientin  geheilt  entlassen;  im  Urin 

fanden  sich^  noch  v—  — -  ene  Bu itserum  agglutinfort 

den  ^  dem  ßVe  der  Patientin  ^£„^AU°BwW 
aus  dem  Urin  gezüchteten  1  : 500.  B.  typm,  parai>  i 

nicht  agglutinier^  ?  ^  ms  .,  bewusstlosem  Zustande  der 

43  iiihr.  Geschäftsreisende  T  aus  Str^shmg ^ugefohrt.  einma| 

Gelbs^citTTVin  den  ffi  «Äfi  »  — 
Leib  und  Stuhlveriialtung,  sowie  an  Schüttelfrösten.  ,m  Jm)i 

erlittenen  Unfall  »rt  T°  wieder  gelb,  besonders  an  den  Skleren; 


danach  traten  Schmerzen  im  Leib  und  in  der  Lebergegend  auf.  T. 
wurde  allmählich  schwermütig  und  leicht  erregbar.  In  den  Weih¬ 
nachtstagen  erkältete  sich  T.,  er  bekam  am  2.  1.  07  einen  Schüttel- 
ir°.st,  der  fast  den  ganzen  Tag  andauerte;  am  4.  I.  verlor  er  das  Be- 
\\  usstsein  und  Hess  Urin  ins  Bett  gehen. 

t_i  S  tat  u  s:  Kräftiger  Patient.  Starke  ikterische  Verfärbung  der 
Maut  und  der  Skleren.  Ueber  den  ganzen  Körper  zerstreut  zahlreiche 
wersse  Stellen  von  braunem  Pigment  umgeben,  im  ganzen  erbsen¬ 
gross. 

Pupillen  klein,  reagieren  gut  auf  Lichteinfall.  Augenhintergrund 
normal.  * 11  u 

...  . Berz  nacj1  rechts  vergrössert,  starkes  systolisches  Geräusch,  am 
stärksten  an  der  Spitze. 

Lungenbefund  ohne  Belang. 

Abdomen  etwas  aufgetrieben,  nirgends  Dämpfung.  Leberrand 
unterhalb  des  Rippenbogens  zu  tasten,  Leberoberfläche  derb-  Milz 
ebenfalls  vergrössert  zu  fühlen,  derb. 

n.  ^ef,exe  überall  erhalten;  die  rechtsseitigen  Sehnenreflexe  an 
Ober-  und  Unterextremitäten  etwas  gesteigert 
Stuhl  gallehaltig. 

Prostata  gleichmässig  hart. 

Keine  Oedeme. 

Urin  geht  tropfenweise  ab,  er  enthält  Leukozvten  und  Niereneni- 
thehen  und  granulierte  zyhnder.  Kein  Zucker.  Kein  Gallenfarbstoff. 

Respirat/on1  38PCratUr  061  Aufnahme  38’1  °>  mittags  dl, 9°.  Puls  140. 

w  .  BluS,ru^k.  135-,  Hämoglobin  105  (nach  Gowers-Sahli) 
u  eisse  Blutkörperchen  9000,  rote  Blutkörperchen  3  800  000 
Abends  Schüttelfrost. 

Die  bakteriologische  Untersuchung  des  Blutes  ergab  am  1  und 
4.  läge  B.  coli  commune  in  Reinkultur  (Bouillon). 

Am  9^ TTx^uTbefsts  Vt£  ^  ebenS°  Fi'6ber  Und  raScher  Puls- 
Die  Sektion  (Prof.  Dr.’c’hiari)  ergab: 

„Gehirn  ohne  besonderen  Befund. 

Atelektase  des  rechten  Unterlappens  durch  Hochstand  des 
Untertappens.  ^inzelne  frische  Ekchymosen  auf  der  Pleura  des  rechten 
Linke  Lunge  normal. 

und  moZn„de«s1Blutr  enlsprechentI  ^  “"er  Höhle  frisches 

Becken  Stsiml»?,  H5S.rali  vertent-  ,ara  reichlichsten  im  kleinen 
necKen  angesammelt,  ca.  200  ccm  seros-eitriges  Exsudat  Leber  eher 

S'S'n*,""'  teils  Krob  sranuliert^auf  dem  Durch- 
R-  h  ischen  den  Inseln  des  Lebergewebes  reichliches  zähes 

oLt^ilVfasEnm  J"  der  Qa“e"bla“  dunkllbraun'e 

Schleimhaut2  des ‘Magen^^l^SrhieTE™“6“’  derbe  K°"Siste"z' 

färbt,' 'wie  eSwi!irier't;Se  S‘*y*"  ,tod  8demaWs-  z'  T-  fäelblic"  ver- 

des  Lebeiufewebes1 '  (tsi  Cr,,rrl',,s'i  'gratis  mit  starkem  Abbau 
ut-j,  Leoei gewenes.  2.  Im  Schnitte  an  der  geröteten  Stelle  des  vninn 

ascendens  findet  sich  teils  nur  das  Bild  eines  Katarrfis te  ls  dasS 

“urVMctnndUr&  de?.  letztSren  Stellender  Submukosa 
B  con  immune.“  Bazallen  vom  Aussehen  des 

Peritnneüfc1"  vWU+rden  -m  öathologisch-anatomischen  Institut  aus  dem 
I  errtonealsekret,  sowie  aus  dem  Herzblut  und  der  Galle  gramneeative 

StdbD^1  ^s^^^e^zblu^d^Patii^en^ewmnene6 

mortal)  gezüchtete5  Bacte^^^colf  commune6!  •  200  dß  (POSt' 

typhi  A  und  B  wurde  nicht  agglutinieH  B‘  tyPhK  Para" 

das  rS  dÜpte  mithin  der  Beweis,  dass  in  diesen  beiden  Fällen 
.,  co  1  comniune  allein  die  Sepsis  hervorgebracht  hatte 
mit  aller  erwünschten  Sicherheit  erbracht  sein 

B.  coh  war  aus  dem  Blute  in  Reinkultur  während  dps 
ebens  zu  züchten;  die  kulturellen  Eigenschaften  geprüft  durch 

nositivlKartiff^T  b  Aga,r'  !V’ilch'  Bouillon  hndolreaktion 
positiv)  Kartoffel,  7  raubenzuckerbouillon,  Lackmusmolke  Fndo. 

mid  Conradi-Drigalskiplatten  verhielten  sich  charakteristisch 

I  erner  agglutnnerte  bei  beiden  Patienten  das  Blutserum  die  ans 

Ä  -Ä 

ent  mit  der  Leberzirrhose  zu  Grunde  ging.  a 

Literatur. 

rh.  Esche  rieh  und  M  PfannHUf.  n 

“  Bdehr,  "  «'Ä5ZS:  Ü 

Zentralbl.  f  Lkten'ol  Ref  3?  -  71°^  der  Cholezystitis.  Rot: 
commune  in  human  Mection.  Ref.:  Zentralbl  k  Ba  JeHol  RekÄ- 


uia.U.SImueiSlir'  h'e  r. :  Baumgartens  Jahresbericht.  XX.  — 
Jahresbericht  xK  r  rwl  / Hrderni.  I  a  k  o  b  y.  Ref.:  Baumgartens 
k'r  iro,ni  ’  o  -  ~  B  0  d  1  a  11  d,e  r:  Zur  Kenntnis  der  idiopathischen 
Sami le  vdv!  Barntrakts-  Ref.:  D.  med.  Wochenschr  19U6  — 

Wochens^hr ^?905 Pbka v*-6 1  nfch  AusternKenuss.  Ref.:  D.  med. 
ki2  2  •  n  lal  l\nd  L  e  m  1  e  r  r  e:  Kolibazillensepti- 

Kam  e.  Ref..  D.  med.  Wochenschr.  1904.  —  Lea:  B  coli  bei  Puer 
peialsepsLs  Ref.:  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  37.  -  Lenhartz:  Ueber 

Wochenschr.  Munch,  med. 


Ueber  einen 


neuen  Röntgenapparat  und  einige  mit 
diesem  erzielte  Resultate. 

Von  Diplomingenieur  Dr.  phil.  Josef  R  o  s  e  n  t  h  a  1  -  München. 

Eingehende  Versuche  über  -die  für  Röntgenröhren  w. 
stfuktfnn  Art  elektnscher  Entladungen  führten  mich  zur  Kon- 

fnnprf  ä  fK6S  ne!len  Iri,duktonums,  das  sich  sowohl  in  seinem 
inneien  Aufbau  als  auch  äusserlich  wesentlich  von  den  bisher 
angewandten  Induktorien  unterscheidet. 


Die  Abbildung  zeigt  einen  solchen  Apparat1)  auf  Marmorkonsole. 
Die  Sekundärwicklung  besitzt  4  von  einander  isolierte  Klemmen 
IG,  Ks,  Ks,  K«,  von  welchen  Drahtverbindungen  zu  einer  über  dem 
Induktor  angebrachten  Schaltvorrichtung  führen.  Je  nachdem  man 
das  eine  oder  andere  der  Gewichte  Gt,  G2  oder  G.-,,  welche  an  Haken 
auf  ge  hangt  sind,  herablässt,  werden  durch  die  erwähnte  Schaltvor- 
richtung  die  Sekundärwicklungen  selbsttätig  parallel  oder  hinterein- 

talgt^ef  oi  u'ncToa  geSchaItet  Der  Anschluss  der  Röntgenröhre  er- 

Neben  der  Sekundärwicklung  ist  auch  die  Primärwicklung  viel¬ 
lach  zu  variieren.  Zu  diesem  Zweck  führen  9  Drähte  vom  Induk- 

vpi-Tu  -  ZiUm  Snha hhsch,  auf  welchem  durch  einfache  Steckkontakte 
veischiedene  Pnmarschaltungen  vorgenommen  werden  können. 

,?urch  die  Kombination  geeigneter  Primär-  und  Sekundär- 
df  !"fen  lst  maa  ,nun  Jn  der  Lage,  Sekundärströme  der  ver- 
schredensten  Art  zu  erzeugen,  Sekundärströme,  die  ganz  be¬ 
sonders  für  a  1 1  e  Z  w  e  c  k  e  d  e  r  R  ö  n  t  g  e  n  o  1  o  g  Le  und  fü?  alle 

**  s  .di ?  ?r  irk  jä 

S"1“1“  Zweck  .die  wünschenswerteste  ist.  Von  der  für  die 
Röntgenröhre  geeignetsten  K  u  r  v  e  n  f  o  r  m  der  SekLlä 

de0Schaä?fdeerunnd<dlearl'xtn  hä.nirt  u:  a-  ! m  hohen  Grade  sowohl 

alsmtch  die  H  alt  b  fr  k  e  "  t  deVÄenrWire 


Miinchen,ehergesetellt”dUkt0r  Von  der  Polyphos  Elektr.-Qes„ 


Beilage  zu  No.  42  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  15.  Oktober  1907. 


Zur  Arbeit  Dr.  phil.  Rosenthal:  „Ueber  einen  neuen  Röntgenapparat  und  einige  mit  diesem  erzielte  Resultate 


Fig.  1.  Thorax  eines  33jährigen  Mannes,  aufgenommen  ohne  Verstärkungsschirm  bei  2  Sekunden 

Expositionszeit  (Röhrenabst and  50  cm). 

Durch  die  Pfeile  A  B  wird  die  Lage  einer  scharf  konturierten  Drüse  und  4  kleiner,  unter  letzterer  befindlichen 
Verdichtungen  gekennzeichnet.  Die  punktierte  Linie  am  linken  Flerzrand  stellt  die  Grösse  des  Herzens  des  in 

Fig.  2.  abgebildeten  Teleröntgenogramms  des  gleichen  Thorax  dar. 


Fig.  2.  T  e  1  e  r  ö  n  t  g  c  n  o  g  r  a  m  m  des  gleichen  Ihorax  wie 
auf  genommen.  —  Expositionszeit  bei  Verwendung 


Fig.  1,  —  bei  zwei  Meter  Röhrenabstand 
von  Verstärkungsschirmen  4  Sekunden. 


Tafel  II 


i 


WS. 


Fi" 


v  o  n 


Hüftgelenk.  Expositionszeit  ohne  Verwendung 
Verstärkungsschirmen  6  Sekunden.  Röhre  nabstand  50 


cm. 


Ei  g.  3.  Bien  den  aufnah  me  des  Gesichts¬ 
teiles  vomSchä  de  1.  Expositionszeit  ohne 
Verwendung  von  Verstärkungsschirmen 
6  Sekunden.  R  ö  h  r  e  n  a  b  s  t  a  n  d  52  cm. 


I  cl  eröntgenogramm  des  Beckens  eines  22jährigen  Mannes  (Röhrenabstand  zwei  Meter), 
-xpositionszcit  bei  ,  er  Wendung  von  Verstärkungsschir  m  e  n  8  Sekunden. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2097 


Als  Beispiel  einiger  wichtiger  Anwendungen  des 
neuen  Induktors  mögen  5  Röntgenogramme  kurz  besprochen 
werden,  die  auf  Tafel  I  und  II  dargestellt  sind  (siehe  Beilage). 

Fis.  1  zeigt  den  Thorax  eines  33  jährigen  Mannes.  Die  Auf¬ 
nahme  erfolgte  bei  2  Sekunde  n  Expositionszeit  und  einem  Röhren¬ 
abstand  von  50  cm  mit  Lumiere-Sigma-Platte,  am  Rieder  sehen 
Aufnahmestativ,  unter  Benützung  eines  Blendenkästchens  (Blenden¬ 
öffnung  12  cm).  Verstärkungsschirme  wurden  nicht  benützt.  Die 
Expositionszeit  war  reichlich  gross,  da  das  Bild  im  Entwickler  so¬ 
fort  erschien.  Man  erkennt  unschwer  die  hervorragende 
Schärfe  und  die  grossen  Kontraste  dieser  Aufnahme  z.  B. 
an  der  Struktur  der  Rippen,  insbesondere  aber  auch  an  der 
scharf  konturierten  Drüse  am  rechten  Hilus  (in  Fig.  1  durch 
die  beiden  Pfeile  A  B  gekennzeichnet).  Noch  deutlicher  geht  die 
Schärfe  des  Röntgenogrammes  aus  den  4  kleinen,  unterhalb  der  er¬ 
wähnten  Drüse  befindlichen  Verdichtungen  hervor,  die  auf  der 
Originalplatte  etwa  1 — 2  mm  Durchmesser  besitzen  und  deutlich  von 
einander  getrennt  sind.  Auch  die  übrige  Lungenstruktur  zeigt  Details, 
die  ich  bei  den  bisherigen  Thoraxaufnahmen  nie  gesehen  habe.  Um 
mich  zu  überzeugen,  ob  die  kleinen  vorerwähnten  Verdichtungen 
nicht  auf  Plattenfehler  zurückzuführen  sind,  machte  ich  eine  zweite 
Aufnahme,  welche  die  Verdichtungen  in  genau  gleicher  Weise  zeigte. 
Natürlich  geben  die  Reproduktionen  bei  diesen,  wie  auch  bei  den 
übrigen  Bildern  die  Details  nicht  annähernd  so  vollkommen,  wie  die 
Originale. 

In  Fig.  2  ist  der  gleiche  Thorax,  jedoch  bei  einem  Röhren- 
abstand  von  zwei  Meter  aufgenommen,  dargestellt.  Um  hier¬ 
bei  nicht  zu  grosse  Expositionsze.it  zu  erhalten,  wurde  die  von  Prof. 
Rieder  und  mir  bereits  im  Jahre  1899 2)  publizierte  und  seitdem 
vielfach  erfolgreich  angewandte  Methode  der  Momentaufnahme  des 
Thorax  mittels  Film  und  2  Verstärkungsschirmen  benützt.  Die  in 
Fig.  2  dargestellte  Aufnahme  erfolgte  auf  Agfa-Film,  bei  einer  Ex¬ 
positionszeit  von  4  Sekunden  wieder  am  Rieder  sehen  Auf¬ 
nahmestativ,  unter  Verwendung  einer  Blendenöffnung  von  3  cm. 

Das  erste  Teleröntgenogramm  —  ich  akzeptiere 
diese  von  Dr.  G  r  a  s  h  e  y  (s.  Verhandlungen  der  Deutschen 
Röntgengesellschaft  1907,  Bd.  III,  pag.  89)  vorgeschlagene  Be¬ 
zeichnung  für  Aufnahmen  aus  grosser  Entfernung  —  wurde,  wie 
mir  Herr  Dr.  Alban  Köhler3)  mitteilte,  bereits  im  Jahre  1903 
angefertigt.  Ferner  hat  sich  um  die  Teleröntgenographie  Prof. 
Dr.  Albers-Schönberg  verdient  gemacht,  welcher  zu  deren 
Ausführung  ein  2  m  langes  Blendenrohr  von  25 — 30  cm  Durch¬ 
messer  benutzte.  Die  Aufnahme  Fig.  2  .  wurde  ohne  solches 
Rohr  unter  Verwendung  der  bereits  erwähnten  Blende  von  3  cm 
Durchmesser  hergestellt.  Die  allgemeinere  Einführung  der 
zweifellos  aus  s  erst  wichtigen  Teleröntgenogramme 
scheiterte  bisher  an  den  relativ  grossen  Expositionszeiten,  so- 
dass  Aufnahmen  in  Atempause  von  Erwachsenen  nicht  oder  nur 
unter  ganz  ausnahmsweise  günstigen  Bedingungen  möglich 
waren. 

Vergleicht  man  die  beiden  Aufnahmen  Fig.  1  und  Fig.  2  mit¬ 
einander,  so  erkennt  man  sofort,  dass  bei  letzterer  die  vorderen 
und  rückwärtigen  Rippenteile  gleich  hoch  erscheinen, 
während  bei  ersterer  die  von  der  Platte  weiter  abstehenden 
rückwärtigen  Rippenteile  wesentlich  vergrössert  sind.  Das 
Herz  (in  Fig.  2)  ebenso  wie  die  übrigen  Brustorgane  dürften 
bis  auf  verschwindend  kleine  Differenzen  mit  Orthodia- 
g  rammen  übereinstimmen,  während  in  Fig.  1  diese  Teile  je 
nach  ihrer  Entfernung  von  der  Platte  in  verschiedenem  Masse 
vergrössert  erscheinen.  Die  Differenz  beider  Herzaufnahmen 
ist  aus  Fig.  1  ersichtlich. 

Wenn  auch  in  Figur  2  einige  Lungenstrukturen,  insbe¬ 
sondere  die  stärkeren  Bronchialzweige  zu  erkennen  sind,  so 
sind  doch  Details,  wie  sie  Figur  1  zeigt,  bei  Verwendung  von 
Verstärkungsschirmen  ausgeschlossen;  es  sind  weder  Struk¬ 
turen  der  Rippen,  noch  die  kleinen  Verdichtungen  in  der  Lunge 
zu  erkennen,  während  andererseits  doch  die  Ko  nturen  des 
Herzens  vollkommen  genügend  scharf  erscheinen,  um 
Messungen  vornehmen  zu  können. 

Fig  3.  Blendenaufnahme  des  Gesichtsteiles  vorn  Schädel.  — 
Abstand  der  Antikathode  von  der  Platte:  52  cm.  —  Expositionszeit 
6  Sekunden.  —  Schleussnerplatte  ohne  Verstärkungsschirm.  — 
Kompres'sionsbtende. 

Fig.  4.  Hüftgelenk.  —  Abstand  der  Antikathode  50  cm.  — 
Expositionszeit  6  Sekunden.  —  Lumiere-Sigma-Platte  ohne  Ver¬ 
stärkungsschirm.  —  Kompressionsblende.  Das  Bild  erschien  im  Ent¬ 
wickler  sofort;  die  Expositionszeit  war  also  sehr  reichlich  bemessen. 


2)  Rieder  und  Rosenthal:  Münch,  med.  Wochenschr.  1899 
No.  32. 

3)  Alban  Köhler:  Wiener  klin.  Rundschau  1905,  pag.  279. 


Fig.  5.  Tele  röntgenogram  m  d  e  s  Beckens  eines 
22  jährigen  Mannes.  —  Entfernung  der  Antikathode  von  der  Platte 
zwei  Meter.  —  Expositionszeit  8  Sekunde  n.  —  Agfa-Film  mit 
2  Verstärkungsschirmen.  K  a  e  s  1 1  e  sches  Kompressionsbrett. 

Welche  Bedeutung  die  Teleröntgenographie  des 
Beckens  für  die  G  y  n  ä  k  o  1  o  i  e,  die  Chirurgie  und  die 
Orthopädie  hat,  wird  von  medizinischer  Seite  noch  ein¬ 
gehend  behandelt  werden. 

Ein  Teil  der  Aufnahmen  wurde  mit  meiner  Platin- 
Eisen-Röhre,  ein  anderer  mit  einer  neuen  nach  meinen 
Angaben  gefertigten  „I  r  i  d  i  u  m  r  ö  h  r  e“  hergestellt.  Ob  die 
eine  oder  andere  Röhrenart  benützt  wurde,  war  für  die  Quali¬ 
tät  der  Bilder  gleichgültig.  Dagegen  dürfte  die  Iridiumröhre 
bei  länger  dauernder  Exposition,  der  grösseren  Haltbarkeit 
wegen,  vorzuziehen  sein. 

Die  Aufnahmen  lassen  sich  sowohl  bei  110  Volt  als  bei 
220  Volt  Gleichstrom  und  sowohl  mit  Wehnelt-  als  Simon- 
unterbrecher  hersteilen;  ich  bevorzuge  jedoch  den  Polyphos- 
Simon-Unterbrecher  bei  220  Volt. 

Natürlich  können  die  Reproduktionen  nicht  alle  Details, 
welche  die  Originale  zeigen,  wiedergeben.  Die  in  einzelnen 
Abbildungen  vorhandenen  Plattenfehler  wurden  nicht  entfernt, 
um  eine  störende  Retouche  zu  vermeiden. 

Nachdem  es  mir  gelungen  ist,  das  Becken  von  Er¬ 
wachsenen  teleröntgenographisch  aufzunehmen, 
ist  zweifellos  auch  die  T  eleaufnahme  des  mit  Rieder- 
scher  Wismutnahrung  versehenen  Magens  und  Darmes 
unschwer  auszuführen.  Ferner  dürfte  die  Möglichkeit  k  i  ne¬ 
in  a  t  o  g  r  a  p  h  i  s  c  h  e  r  Herzaufnahmen  nunmehr  auch 
wesentlich  näher  gerückt  sein.  Diesbezügliche  Versuche  sollen 
demnächst  in  Angriff  genommen  werden. 

Auch  die  Röntgentherapie  wird  —  soweit  ich  dies 
als  Nichtmediziner  beurteilen  kann  —  voraussichtlich  in  be¬ 
stimmten  Fällen  den  neuen  Induktor  mit  Vorteil  verwenden; 
so  dürften  z.  B.  zur  Verhinderung  des  Auftretens  von  Rezi¬ 
diven  intensivste  kurzdauernde  direkte  Bestrahlungen  des 
Operationsfeldes  nach  Entfernung  tiefer  gelegener  bös¬ 
artiger  Geschwülste  in  Betracht  kommen,  da  in  diesem  Falle 
die  Applikationsdauer  einer  bedeutenden  Röntgendosis  nur 
noch  relativ  gering  ist  und  daher  die  direkte  Bestrahlung  des 
Operationsfeldes  wohl  mit  geringerer  Gefahr  für  die  Patienten 
vorgenommen  werden  kann. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

E.  Kaufmann:  Lehrbuch  der  speziellen  pathologischen 
Anatomie  für  Studierende  und  Aerzte.  IV.  neubearbeitete  und 
vermehrte  Auflage,  mit  683  Abbildungen,  fast  sämtliche  nach 
Originalzeichnungen  des  Verfassers.  Berlin,  Druck  und  Ver¬ 
lag  von  G.  Reimer,  1907. 

Wenn  auch  für  die  vorliegende  4.  Auflage  des  Kauf- 
m  a  n  n  sehen  Lehrbuches  von  einer  vollständigen  Umarbeitung 
einzelner  Kapitel  abgesehen  werden  konnte,  so  wurde  doch  das 
ganze  Werk  einer  gründlichen  Durchsicht  unterworfen  und  fast 
überall  begegnet  man  grösseren  oder  kleineren  Zusätzen  und 
Ergänzungen,  welche  den  neuen  Errungenschaften  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  pathologischen  Anatomie  entsprechen  und  vielfach 
auf  eigenen  Untersuchungen  und  Erfahrungen  des  Verfassers 
begründet  sind;  so  seien  in  dieser  Hinsicht  z.  B.  die  Abschnitte 
über  die  Krankheiten  des  Herzens  und  des  Blutes,  sowie  der 
Knochen  hervorgehoben.  Dabei  wurde,  wie  schon  in  den- 
früheren  Auflagen,  bei  der  Darstellung  stets  auch  den  klinischen 
Bedürfnissen  Rechnung  getragen,  ein  Vorzug,  durch  welchen 
sich  das  vortreffliche  Kaufmann  sehe  Lehrbuch  besonders 
auszeichnet  und  sich  mit  Recht  der  grössten  Beliebtheit  bei  den 
Aerzten  erfreut. 

Namentlich  für  solche,  welche  sich  mit  eigenen  literari¬ 
schen  Arbeiten  beschäftigen,  ist  es  von  grossem  Vorteil, 
dass  in  der  neuen  Auflage  die  Literaturangaben  nicht  allein 
ganz  bedeutend  vervollständigt  wurden  (um  etwa  2500  An¬ 
gaben!),  sondern  dass  innerhalb  der  einzelnen  Kapitel  die 
Literatur  wiederum  für  einzelne  Abschnitte  zusammengefasst 
wurde,  wodurch  die  Uebersicht  ausserordentlich  erleichtert 
wird.  Auch  die  zahlreichen  Abbildungen  wurden  wieder  um 
55  vermehrt.  O-  Hauser. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


2098 


v.  Bergmann  und  v.  Bruns:  Handbuch  der  prak¬ 
tischen  Chirurgie.  III.  Auflage.  5  Bände.  1906 — 1907.  Verlag 
von  Ferd.  Enke.  Preis  103  M. 

Dieses  Werk,  noch  unter  den  Auspizien  E.  v.  Berg¬ 
manns  in  der  neuen  Auflage  vollendet,  liegt  nunmehr  kom¬ 
plett  vor.  Die  Bearbeitung  der  neuen  Auflage  ist  im  Zeiträume 
von  etwa  einem  halben  Jahre  vollendet,  und  so  befindet  sich 
das  Werk  in  allen  seinen  Teilen  auf  dem  Standpunkt  der 
neuesten  Forschung.  Wie  sehr  es  auch  im  Ausland  anerkannt 
wird,  beweisen  die  inzwischen  erschienenen  Uebersetzungen 
in  englischer,  italienischer  und  spanischer  Sprache.  Das  Werk 
umfasst  jetzt  fünf  Bände  (früher  vier),  da  die  Abteilungen  Bauch 
und  Becken  in  zwei  Bänden  untergebracht  sind. 

Die  Absicht  der  Herausgeber,  dass  das  Werk  nicht  nur 
dem  Spezialarzt  für  Chirurgie,  sondern  auch  dem  angehenden 
wie  dem  beschäftigten  praktischen  Arzt  dienen  soll,  wird  sicher 
in  Erfüllung  gehen;  denn  durch  ein  genaues  alphabetisches 
Register  zu  jedem  Band  ist  ein  rasches  und  müheloses  Nach¬ 
schlagen  ermöglicht.  So  ist  es  auch  dem  beschäftigten  Arzt 
leicht  gemacht,  sich  auf  jedem  Gebiete  der  Chirurgie,  wie  es 
seine  praktische  Arbeit  erfordert,  schnell  und  ausreichend  zu 
orientieren.  Ich  war  selbst  wiederholt  in  der  Lage,  Aerzten 
dies  Werk  zur  Anschaffung  zu  empfehlen  und  habe  stets  die 
anerkennendsten  Worte  auch  von  diesen  über  das  Werk  ver¬ 
nommen. 

So  wird  es  nicht  fehlen,  dass  die  III.  Auflage  dieses  aus¬ 
gezeichneten  Werkes  sich  rasch  einbürgern  wird,  zumal  seine 
Ausstattung,  auch  mit  Abbildungen,  deren  Zahl  nunmehr  auf 
1312  Textbilder  gebracht  ist,  eine  vorzügliche  ist.  Das  Werk 
kann  deshalb  allgemein  aufs  wärmste  empfohlen  werden. 

Prof.  H  e  1  f  e  r  i  c  h  -  Kiel. 

Atlas  der  Hautkrankheiten  mit  Einschluss  der  wichtigsten 
venerischen  Erkrankungen  für  praktische  Aerzte  und  Stu¬ 
dierende  von  Dr.  E.  J  a  c  o  b  i,  a.  o.  Professor  und  Direktor  der 
dermatologischen  Universitätsklinik  in  Freiburg  i.  Br.  Dritte 
Auflage,  243  farbige  und  2  schwarze  Abbildungen  auf  132  Ta¬ 
feln  nebst  erläuterndem  Text.  Urban  &.  Schwarzen¬ 
berg.  Berlin-Wien  1907.  Preis  38  M. 

Der  vorliegende  Atlas,  der  diesmal  in  seiner  dritten 
Auflage  vor  uns  liegt,  wurde  vom  Unterzeichneten  Bericht¬ 
erstatter  vor  4  Jahren  bei  seinem  Erscheinen  mit  einer  unein¬ 
geschränkten  Freude  und  Befriedigung  begrüsst.  Das  damals 
ausgesprochene  Urteil  kann  heute  für  die  dritte  Gesamtauflage 
wiederholt,  die  Hoffnungen,  die  damals  auf  den  Erfolg  des 
Werkes  gesetzt  wurden,  dürfen  als  berechtigt  gewesene  an¬ 
erkannt  werden.  Brachte  der  1906  erschienene  Ergänzungs¬ 
band  des  J  a  c  o  b  i  sehen  Atlas  schon  eine  neue  Reihe  von 

76  Abbildungen,  so  hat  der  Verfasser  dennoch  nicht  geruht, 

sondern  abermals  eine  Anzahl  von  Krankheitsbildern  neu  auf¬ 
genommen.  Auch  wurden  einige  Abbildungen,  welche  den 
Anforderungen  des  Autors  nicht  gänzlich  entsprachen,  durch 
bessere,  vollkommenere- ersetzt.  Der  auch  in  der  Reihenfolge 
der  Bilder  neu  geordnete  Atlas  umfasst  jetzt  132  Tafeln  mit 
245  fast  ausschliesslich  farbigen  Bildern.  Es  soll  hier  nicht 
wiederholt  werden,  was  über  Naturtreue,  Plastik  und  Schärfe 
der  Abbildungen  früher  an  gleicher  Stelle  ausgeführt  worden 
ist,  doch  ist  es  angebracht,  die  ärztliche  Welt,  besonders  die 
Fachärzte,  auf  das  neue,  vervollständigte  Werk  des  J  a  c  o  b  i  - 
sehen  Handatlas  aufs  wärmste  hinzuweisen.  Er  steht  nach 
jeder  Hinsicht  auf  der  Höhe.  H  o  p  f  -  Dresden. 

Lebensversicherung  und  Aerzte  von  Paul  Grasemann. 

77  Seiten.  Berlin  1907.  Hermann  Walther.  Preis  1.50  M. 

Bei  Besprechung  dieser  gegen  die  Lebensversicherungs¬ 
gesellschaften  gerichteten  Philippika  ist  es  nicht  unsere  Sache, 
die  Diktion  und  Schreibweise  des  Verfassers,  die  gewiss  nicht 
nach  jedermanns  Geschmack  sind,  zu  beurteilen.  Auch  die 
gegen  die  Direktoren  und  Führer  der  Lebensversicherungs¬ 
gesellschaften  unberechtigterweise  generell  gerichteten  An¬ 
griffe  zurückzuweisen,  ist  nicht  unsere  Aufgabe  —  nicht  der 
Ton  und  die  Melodie,  auch  nicht  die  uns  unbekannten  Beweg¬ 
gründe  des  versicherungsmedizinischen  Tyrtäus,  sondern  nur 
der  ärztliche  Angelegenheiten  direkt  betreffende  Inhalt  dieser 
Stretta,  deren  Fazit  das  ist,  dass  die  Aerzte  von  den  Gesell¬ 


schaften  ausgebeutet  und  demoralisiert  würden,  gehen  uns  an. 
Dieser  schwere  Vorwurf  muss  auf  seine  Stichhaltigkeit  unter¬ 
sucht  werden.  Vorweggenommen  sei,  dass  Gr.  durchweg  die 
Interessen  der  Aerzteschaft  vertritt  und  sich  in  bezug  auf  ihre 
materiellen  und  ideellen  Bedürfnisse  und  Standesfragen  auf 
einen  ganz  korrekten  Standpunkt  stellt;  besonders  das,  was 
S.  17 — 20  über  die  Beziehungen  zwischen  Arzt  und  Publikum 
im  allgemeinen  gesagt  ist,  kann  nur  Billigung  finden.  Doch  zur 
Sache  selbst!  Sie  zerfällt  in  drei  Hauptteile: 

1.  „Der  Geldpunkt“:  Das  belebende  Prinzip  der 
Lebensversicherungsgesellschaften  sei  die  Gewissenhaftigkeit 
der  Vertrauensärzte;  ihre  Untersuchungen  für  die  Gesellschaften 
stellen  an  Wissen  und  Gewissen  wie  an  Zeit  und  Ausdauer  die 
höchsten  Anforderungen,  letzteres  noch  dadurch,  dass  zu 
der  rein  ärztlichen  Tätigkeit,  die  verlangt  wird,  die  „Ausbildung 
zum  Auskunfteiagenten“  komme,  die  dem  ärztlichen  Stande 
ins  Gesicht  schlage,  da  diese  Arbeit  dieselbe  sei,  wie  sie  einem 
Schutzmann  bei  der  Einlieferung  eines  Verhafteten  oder  dem 
Inspektor  eines  Krankenhauses  bei  der  Aufnahme  eines  Kranken 
obliege. 

Mit  der  Festsetzung  von  10  Mark  Honorar  für  die  Unter¬ 
suchung  verschaffe  sich  ferner  die  Gesellschaft  den  eingehen¬ 
den  Agenturbericht  über  Familienverhältnisse  und  sonstige 
Anamnese,  der  eigentlich  als  eine  protokollierende  Schreiber¬ 
arbeit,  da  ja  lediglich  nach  dem  Diktat  des  Kandidaten  Ant¬ 
worten  niederzuschreiben  seien,  Sache  des  Agenten  sei,  von 
den  Vertrauensärzten  ganz  umsonst. 

Die  Aerzte  seien  deshalb  zu  tadeln,  dass  sie  es  sich  ge¬ 
fallen  Hessen,  dass  die  Versicherungsgesellschaften  mit  dazu 
helfen,  die  Arbeitsleistung  ihrer  Aerzte  herunterzudrücken  und 
damit  die  Stellung  des  ganzen  ärztlichen  Standes  herabzusetzen. 

Die  Aerzte  müssten  in  Ansehung  der  überaus  günstigen 
Vermögenslage  der  Gesellschaften  verlangen,  dass  das  Honorar 
für  jede  einzelne  Aufnahmeuntersuchung  auf  20  Mark  fest¬ 
gesetzt  werde;  wollten  die  Gesellschaften  den  Agenturbericht 
weiter  von  den  Aerzten  aufgenommen  und  verantwortlich  ge¬ 
zeichnet  haben,  so  würde  dies  eine  besondere  Gefälligkeit  von 
seiten  der  Aerzte  bedeuten  und  der  Bericht  mit  10  Mark  zu 
honorieren  sein,  sodass  das  Gesamthonorar  für  die  sogenannten 
Arztpapiere  in  der  bisherigen  Form  30  Mark  betrüge. 

Auch  die  sogenannten  Hausarztatteste  müssten  mit  10  statt 
mit  5  Mark  bewertet  werden,  wie  die  Hamburger  Aerzte  sich 
ihrem  Aerztlichen  Verein  gegenüber  verpflichtet  hätten,  kein 
Hausarztattest  unter  10  Mark  auszustellen  und  diese  For¬ 
derung  auch  immer  durchsetzten. 

2.  „Ein  wunder  Punkt“:  nämlich  die  Ausbeutung  der 
Arztpapiere  dadurch,  dass  die  deutschen  Gesellschaften  ein¬ 
schliesslich  einiger  österreichischer  und  zweier  amerikanischer 
einen  Ring  bildeten,  innerhalb  dessen  sie  sich  gegenseitig  ver¬ 
pflichtet  hätten,  wenn  irgend  ein  Kandidat  von  irgend  einer 
Gesellschaft  abgelehnt  oder  zurückgestellt  sei  und  sich  bei 
einer  anderen  zur  Aufnahme  meldete,  der  letzteren  die  Arzt¬ 
papiere  auf  Verlangen  abschriftlich  zu  übergeben.  Da  in  den 
weitaus  meisten  Fällen  die  eine  Gesellschaft  den  ablehnenden 
Grund  der  anderen  einfach  zu  dem  ihrigen  mache,  so  bedeute 
dies  eine  Schädigung  der  Kandidaten  und  der  Aerzte;  der 
ersteren  insofern,  als  ihre  durch  die  Stellung  eines  neuen  An¬ 
trags  bei  einer  zweiten  Gesellschaft  eingelegte  Reklamation 
gegen  die  Ablehnung  der  ersten  Gesellschaft  einfach  unter  den 
Tisch  fiele,  die  Kandidaten  auch  keine  direkte  Erlaubnis  ge¬ 
geben  hätten,  dass  das  Resultat  der  ersten  Untersuchung  einer 
anderen  Gesellschaft  mitgeteilt  werde,  und  sie  sich  dagegen 
wohl  verwahren  würden,  wenn  sie  von  diesen  „Rundreisen“ 
der  Arztpapiere  Kenntnis  hätten;  die  Aerzte  insofern  als  nach¬ 
dem  ihre  einmal  bezahlte  Untersuchung  für  mehrere,  eigent-. 
lieh  für  alle  Gesellschaften  gemacht  sei,  die  Kosten  für  eine 
zweite  und  dritte  Untersuchung  gespart  würden,  ferner  durch 
die  Preisgabe  ihres  ärztlichen  Berufsgeheimnisses,  das  mit  der 
Einwilligung  des  Kandidaten  nur  der  auftraggebenden  Gesell¬ 
schaft  übergeben  worden  sei,  welch  letztere  dann  die  Schweige¬ 
pflicht  des  Arztes  übernehme  und  das  anvertraute  ärztliche  Ge¬ 
heimnis  ebenso  strenge  und  unverletzt  zu  wahren  habe  wie  der 
Arzt  selbst. 

Die  Aerzte  sowohl  wie  die  Kandidaten  müssten  daher  in 
ihrem  eigenen  Interesse  darauf  dringen,  dass  das  von  beiden 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2099 


unterschriebene  Formular  den  Schlussatz  enthielte:  Alle  hier 
gemachten  Aussagen,  sbwie  der  Untersuchungsbefund  sind  nur 
der  auftraggebenden  Gesellschaft  gegenüber  erfolgt,  die  sich 
verpflichtet,  keinem  Dritten  darüber  Mitteilung  zu  machen. 

3.  „Der  schwarze  Punk  t“,  das  Spionagesystem 
mittels  des  sogen.  Kartenregisters  der  Kandidaten,  das  die 
Brücke  bilde  zum  Spionagesystem  gegen  die  Aerzte. 

Nicht  alle,  aber  die  meisten  Gesellschaften  hätten  einen 
zentralisierten  Bund  zur  Ueberwachung  der  Aerzte  ge¬ 
schlossen,  der  mit  Hilfe  einer  schwarzen  Liste  arbeite  und  all¬ 
jährlich  an  alle  Mitglieder  ein  Verzeichnis  der  im  letzten  Jahre 
von  irgend  einer  der  dem  Bunde  angehörigen  Gesellschaften 
aus  irgend  einem  Grunde  gestrichenen  Vertrauensärzte  ver¬ 
schicke,  welch  letztere  dann  gewärtig  sein  müssten,  von  allen 
Gesellschaften,  bei  denen  sie  eventuell  tätig  seien,  ebenfalls  ge¬ 
strichen  zu  werden.  Auserdem  enthielte  diese  sogen.  „Merk¬ 
liste“  auch  manchmal  den  Hinweis  auf  Aerzte,  die  noch  tätig  für 
die  Gesellschaften  seien  und  zur  Streichung  vorgemerkt  wür¬ 
den  zuweilen  wegen  solcher  Momente,  die  mit  rein  ärztlichen 
Dingen  gar  nichts  zu  tun  hätten,  aber  veranlassten,  dass  bei 
der  geringsten  Kleinigkeit  die  Streichung  des  Arztes  wegen 
„Unzuverlässigkeit“  erfolge.  Die  meisten  Aerzte  aber  würden 
dadurch  „zur  Strecke  gebracht“,  dass  die  Untersuchungsatteste 
der  abgelehnten  oder  zurückgestellten  Kandidaten  Gemeingut 
der  Gesellschaften  seien  und  von  Hand  zu  Hand  gingen,  wofür 
einige  Beispiele  zur  Illustration  dienen.  Der  Schluss  dieses 
Kapitels  enthält  den  Passus:  „Hat  sich  ein  Arzt  als  unzuver¬ 
lässig  erwiesen,  und  kann  man  ihm  die  Unzuverlässigkeit  zu¬ 
verlässig  beweisen,  so  verdient  er  keine  Schonung  und  soll 
auch  keine  haben.  Aber  es  stünde  schlimm  sowohl  um  Eine 
und  Ansehen  der  deutschen  Aerzteschaft,  als  auch  um  Gesund¬ 
heit  und  Wohlbefinden  des  deutschen  Volkes,  wenn  es  so  viele 
unzuverlässige  Aerzte  gäbe,  wie  sie  in  den  schwarzen  Listen 
der  Gesellschaften  stehen“. 

Dies  der  sachliche  Inhalt  der  Broschüre,  der  von  allen 
Aerzten  beachtet  werden  sollte  und  deshalb  etwas  ausführlicher 
wiedergegeben  wurde. 

Die  kritischen  Bemerkungen  können  kürzer  sein: 

Was  den  letzten  Punkt  (die  „Merkliste“  etc.)  betrifft,  so  ist 
uns  ein  derartiges  Verfahren  einzelner  Gesellschaften  nicht  be¬ 
kannt;  wir  glauben  auch  nicht,  dass  auf  so  leichtfertige  und 
unqualifizierbare  Weise  mit  Aerzten  verfahren  wird,  es  müsste 
denn  ein  einwandsfreier  Fall  in  allen  seinen  Einzelheiten  das 
Gegenteil  beweisen. 

Das  Kartenregister  der  Kandidaten  und  die  Weitergabe  der 
Arztpapiere  stellen  wirklich  eine  materielle  und  moralische 
Schädigung  der  Aerzte  (und  der  Kandidaten)  dar,  und  es  wäre 
dringend  zu  wünschen,  dass  ein  solcher  Passus,  wie  Gr.  ihn 
vorschlägt,  in  die  Antragsformulare  hineinkäme.  Formell  ist 
aber  meiner  Ansicht  nach  die  Gesellschaft  im  Recht,  da  sie  ja 
mit  dem  allerdings  sehr  dehnbaren:  „auf  ihr  sonst  geeignet 
erscheinende  Weise“  die  Erlaubnis,  „dass  sie  sich  von  ihr  für 
notwendig  erachtete  Auskünfte  zu  verschaffen  sucht  und  dass 
ihr  diese  gegeben  werden“  von  seiten  des  Kandidaten  hat, 
und  dieser  damit  den  erstuntersuchenden  Arzt  und  dessen  auf¬ 
traggebende  Gesellschaft  von  ihrer  Schweigepflicht  gegen¬ 
über  der  zweiten  Gesellschaft  entbunden  hat. 

Bleibt  noch  der  erste  Punkt,  der  „Geldpunkt“  übrig: 
10  Mark  sind  in  Wirklichkeit  für  eine  derartig  zeitraubende  und 
äusserste  Sorgfalt  und  Genauigkeit  erfordernde,  dazu  noch  so 
verantwortungsvolle  Untersuchung,  bei  der  Auskultation  und 
Perkussion  der  Brustorgane,  Messung  einer  Reihe  von  Massen, 
Ohrenspiegeluntersuchung  u.  a.  m.,  kurz  eine  peinliche  Explo¬ 
ration  nach  allen  Richtungen  hin  und  die  ausführliche  Be¬ 
schreibung  alles  positiv  und  negativ  Konstatierten  verlangt  wer¬ 
den,  zu  wenig,  ebenso  wie  die  auf  dem  Aerztetag  zu  Eisenach 
im  Jahre  1874  festgesetzten  5  Mark  für  das  sogen.  „Hausarzt¬ 
attest“,  zumal  in  jetzigen  Zeiten.  Dazu  kommt  noch,  dass  der 
Vertrauensarzt  heutzutage  eine  viel  grössere  Summe  von 
Kenntnissen  und  Fertigkeiten  beherrschen  muss,  als  früher  (z.  B. 
die  funktionelle  Diagnostik  u.  a.  m.). 

Dass  die  erschöpfende  Anamnese,  der  „Agenturbericht“, 
nicht  Sache  des  Arztes  sei,  kann  nicht  behauptet  werden;  denn 
nur  der  Arzt  ist  imstande,  durch  richtiges  und  individuell  wech¬ 
selndes  Fragen  die  rationellen  Antworten  im  Einzelfall  zu  er¬ 


halten  und  das  Gesamtbild  der  anamnestischen  Verhältnisse 
zutreffend  zu  konstruieren,  aber  er  muss  auch  für  diese  Leistung 
honoriert  werden.  Der  deutsche  Aerztetag  in  Münster  hat 
dieser  Forderung  auch  Rechnung  getragen. 

Das  wirksamste  Mittel,  diese  Forderung,  eventuell  noch 
andere  Bedingungen  durchzusetzen,  ist  und  bleibt  die  Organi¬ 
sation  der  gesamten  Aerzteschaft  auch  nach  dieser  Rich¬ 
tung  hin.  Schwab-  Berlin-Schöneberg. 


Die  abnormen  Charaktere  bei  I  b  s  e  n  von  Dr.  W.  W  e  y  - 
gandt,  Professor  in  Würzburg.  Wiesbaden.  Verlag  von 
J.  F.  Bergmann  1907.  Preis  80  Pf.  16  Seiten. 

Einige  wenige,  besonders  hervorstechende  Gestalten  aus 
Ibsens  Dramen  werden  in  diesem  Vortrag,  der  im  Verein 
„Frauenheil“  zu  Würzburg  gehalten  wurde,  vom  Standpunkte 
de$  Psychiaters  oder  Psychologen  aus,  entsprechend  dem  Ver¬ 
ständnis  des  Zuhörerkreises,  für  den  der  Vortrag  bestimmt  war, 
kurz  besprochen.  Max  Nassauer  -  München. 


Neueste  JournalHteratur. 


Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin.  Bd.  91.  3.u.  4.  Heft. 

10)  Joh.  E.  Schmidt:  Untersuchungen  über  das  Verhalten  der 
Niere  bei  Hämoglobinausscheidung.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 
in  Tübingen.) 

Frisches,  arteigenes  Hb  (intravenös  eingebracht  als  lackfarbenes 
defibriniertes  und  von  den  Stromata  befreites  Blut)  macht  keine 
Thrombose  und  bedingt  keine  weitere  Hämolyse.  Es  macht  selbst 
bei  und  nach  oftmaligem  Durchgänge  durch  die  Niere  keine  ent¬ 
zündlichen  Erscheinungen,  es  verursacht  auch  keine  weitergehende 
Epitheldegeneration,  bezw.  Nekrose.  Nach  wiederholten  Injektionen 
können  einzelne  Epithelzellen  abgestossen  werden,  vielleicht  im  Sinne 
einer  stärkeren  Abnutzung,  die  allein  auf  das  Hb  als  einer  doch 
nicht  absolut  harnfähigen  Substanz  zurückzuführen  ist.  Ferner  be¬ 
steht  sicher  eine,  wenn  auch  geringe,  an  die  Ausscheidung  der  in¬ 
jizierten  Lösung  gebundene,  mit  ihrem  Aufhören  fortfallende  funk¬ 
tionelle  Nierenschädigung,  die  zum  geringen  Teile  wohl  auch  au^ 
andere  Bestandteile  des  gelösten  Blutes  als  das  Hb  zurückzufiiht  en 
ist,  wobei  es  nahe  liegt,  besonders  an  eine  Allgemeinwirkung  der 
Kalisalze  zu  denken. 


11)  W.  Janowski:  Ueber  minimale  Schwankungen  der  Dauer 
einzelner  Pulsweilen  in  normalen  und  pathologischen  Zuständen. 

Pulse,  die  bei  der  Palpation  und  auf  der  sphygmographischen 
Kurve  ganz  rhythmisch  erscheinen,  zeigen  bei  genauer  Ausmessung 
einzelner  Wellen  auf  Kurven  regelmässig  Schwankungen  der  Dauei 
der  einzelnen  Wellen.  Diese  Schwankungen  waren  bei  Gesunden  am 
grössten:  in  gleicher  Reihe  stehen  Kranke  mit  normalem  Pulse,  dann 
folgen  Nierenkranke  mit  gespanntem  Pulse.  Arterio, Sklerotiker  mit 
gespanntem  Pulse,  Fiebernde  mit  dikrotem  Pulse  etc.  Die  kleinsten 
Schwankungen  fanden  sich  bei  Fiebernden  mit  entspanntem  Pulse 
und  bei  Kranken  mit  leichten  Kompensationsstörungen.  Diese  Schwan¬ 
kungen  der  Dauer  verschiedener  Pulswellen  sind  von  kleinen  Unter¬ 
schieden  der  Dauer  der  Diastole  und  solchen  der  Systole  abhängig. 
Die  grössten  Schwankungen  üb>ertrafen  1U  Sekunde  nicht  und  ent- 
behren  deshalb  wohl  einer  praktischen  Bedeutung.  Immerhin  sind 
sie  eine  interessante  Uebergangsstufe  zwischen  idealer  Herzfunktion 
und  seiner  arhythmischen  Tätigkeit. 

12)  E.  Rautenberg:  Die  Registrierung  der  Vorhofpulsation 
von  der  Speiseröhre  aus.  (Aus  der  Kgl.  med.  Universitätspoliklinik 
zu  Königsberg  i.  Pr.)  (Mit  16  Kurven.) 

Nach  Schilderung  der  von  ihm  angewandten  Untersuchungs¬ 
technik  bespricht  Verf.  zunächst  eingehend  die  ösophageajen  Vor- 
hofpulsa+ionen  des  gesunden  Herzens,  dann  die  getrennte  1  atigkeit 
(Dissoziation)  der  Vorhöfe  und  Ventrikel,  um  sich  schliesslich  der 
ösophagealen  Vorhofpulsation.  bei  den  Klappenfehlern  des  Herzens 
(Mitralisinsuffizienz,  Mitralstenose.  Mitralinsuffizienz  und  ^  ten ose. 
Mitral-  und  Aorteninsuffizienz)  zuzuwenden.  Wenn  auch  manche 
Ergebnisse  noch  nicht  genügend  geklärt  sein  mögen,  so  sind  doch 
von  der  Anwendung  dieser  neuen  Untersuchungsmethode  wichtige 
Resultate  für  das  Studium  der  Herzarhythmie  zu  erwarten. 

13)  E.  Müller:  Ueber  das  Verhalten  des  proteolytischen  Leu- 
kozytenfermentes  und  seines  ..Antifermentes“  in  den  normalen  und 
krankhaften  Ausscheidungen  des  menschlichen  Korners.  1.  Mit¬ 
teilung.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Breslau.)  _ 

Die  Prüfung  der  Verdauungskraft  unveränderter  Flüssigkeit  von 
Transsudaten  und  Exsudaten,  sowie  des  Zentrifugates  derselben  be¬ 
zeichnet  der  Verf.  als  Ferimentreaktion.  die  Prüfung  auf  etwaigen 
Gehalt  an  Hemmungsköroern  in  solchen  Flüssigkeiten  als  Antiferment¬ 
reaktion.  Es  ergab  sich,  dass  die  Fermentreaktion  des  Zentrifugats 
stets  dann  positiv  ist,  wenn  sich  bei  der  Zytodiagnostik  ein  reichliche! 
Gehalt  an  gelapptkernigen,  neutronhilen  Leukozyten  findet.  Die  re  - 
mentreaktion  der  von  den  erhaltenen  Zellen  befreiten  i  unkti 
flüssigkeit  aus  Brust-  und  Bauchhöhle,  ist  nur  dann  positiv,  wenn 
akut  entzündliche  und  durch  Eitererreger  (in  weitestem  Sinne)  her¬ 
vorgerufene  Erkrankungen  zu  einem  Zerfall  solcher  Leukoz\  tenmas $ 


;juu 


geführt  haben,  dass  nach  völliger  Bindung  des  gleichzeitig  vorhan¬ 
denen  Hemmungskörpers  ein  wirksamer  Ueberschuss  an  freiem  pro¬ 
teolytischem  Ferment  entsteht. 

Die  Antifermentreaktion  der  Punktionsfliissigkeit  aus  Brust-  und 
Bauchhöhle  [ehrt,  dass  bei  Transsudaten  die  Hemmungskraft  mit  zu¬ 
nehmender  Eiweissmenge  zu  steigen  pflegt;  bei  Exsudaten  ist  jedoch 
der  Hemmungstiter  abhängig  nicht  nur  von  der  Grosse  des  Eiweiss¬ 
gehaltes,  sondern  auch  vom  Grade  des  Leukozytenzerfalls  und  der 
damit  einhergehenden  Absättigung  des  „Antifermentes“  durch  freies 
rerment.  Gewisse  Unterschiede  der  Hemmungstiter,  die  Transsudate 
trotz  gleichem,  prozentualen  Eiweissgehalt  zeigen  können,  lassen  ver- 
muten,  dass  für  den  Ausfall  der  Antifermentreaktion  auch  die  Art  des 
Eiweisses  eine  Rolle  spielt. 

14)  H.  v.  Höss  li  n:  Ueber  Tvphusfälle  mit  geringer  und  feh- 
,5,nd^r  Agglutination  un(j  typhusähnliche  Fälle.  (Aus  der  II.  medizin 
Klinik  in  München.)  (Mit  2  Kurven.) 

o  balle.  P°sitivem  Typhusbazillenbefund  im  Stuhle,  sowie 
m  -  hallen  mit  positivem  Bazillenbefund  im  Blute  Hess  sich  keine, 
bezw.  nur  geringe  Agglutination  erzielen,  ohne  dass  sich  ein  Gftind 
huefur  fand.  In  3  anderen  Fällen,  die  nach  ihrem  ganzen  Krankheits- 
veHauf  als  Typhen  anzusprechen  waren,  fanden  .sich  weder  im  Stuhl 
noch  im  Blute  Typhusbazillen;  auch  hier  fehlte  die  Agglutination. 

a  77  7  ed5  m  a  n  n:  Versuche,  die  Funktion  des  Herzens  nach 
dem  Verfahren  Heinrich  v.  Recklinghausens  zu  prüfen.  (Aus 
der  medizinischen  Klinik  zu  Strassburg.) 

Mit  Hilfe  der  R  e  c  k  1  i  n  g  h  a  u  s  e  n  sehen  Formel  (Amplitude 
v  _  Sekundenvolumen 

X  Pulsfrequenz  -  weitbarkeit  der  Oefässe  >  schle"  eine  °bi^tive 
I  i  üfungsmethode  der  Herzfunktion  durch  die  Möglichkeit  einer  zahlen- 
^est.imrnung  des  Sekundenvolumens  gegeben,  wobei  unter 
Weitbarkeit  die  relative  Inhaltszunahme  des  Gefässystems  zu  ver¬ 
stehen  ist.  Es  zeigte  sich,  dass  während  der  Arbeit  bei  Gesunden  und 
Kranken  der  mittlere  Blutdruck  und  das  Amplitudenfrequenzprodukt  in 
die  Hohe  gingen,  wenn  keiner  Herzermiidung  eintrat;  andernfalls  blieb 
drnse  Erhöhung  aus.  _  Die  Blutdruckamplitude  zeigte  bei  nicht  er- 
schopften  Personen  eine  fast  konstante  Zunahme.  Nach  der  Arbeit 
verhielt  sich  zunächst  das  Amplitudenfrequenzprodukt  ähnlich  wie 
wahrend  der  Arbeit,  also  im  allgemeinen  erhöht,  um  dann  (6—15 
Minuten  nach  der  Arbeit)  zum  Ruhewerte  zurückzukehren.  Jeden- 
als  bedeutet  eine  nur  geringe  Vergrösserung  oder  gar  eine  Ver¬ 
kleinerung  des  Amplitudenfrequenzproduktes  objektiv  eine  Herz¬ 
insuffizienz  Die  Frage,  ob  das  Herz  im  Einzelfalle  bei  Ermüdung 
andere  Blutmengen  auswürfe  als  in  der  Norm,  d.  h.  die  Frage  nach 

antworten6  ^  SekundenvoIumens  üess  sich  zahle, nmässig  nicht  be- 

^  ^  - «T  ' n  k  H  r  g:  Klinische  und  experimentelle  Unter- 

(S  38KSrvenr)D,abeteS  ,nsipidus-  (Aus  der  medizin-  Klinik  zu  Bonn.) 

.  DafcTi^rV-erSuChe  zei/en'  dass  die  nach  Läsion  bestimmter  Hirn- 
tule  des  Kaninchens  auftretende,  länger  anhaltende  Polyurie  eine 

dernDuerst°eränF  1?’  und  dass  die  gesteigerte  Wasseraufnahme  und 
der  Durst  erst  Folgeerscheinungen  darstellen.  Diese  Polyurie  kann 

HchStinh^  ?ne  darS  di‘e  Konzentrationsfähigkeit  der  Niere  nachweis¬ 
lich  in  stärkerem  Grade  gelitten  hat,  so  dass  für  diesen  experimentell 

Nie?e8  nnFkUten  D‘abeteS  ir]siDidus  nicht  eine  Funktionsstörung  der 
wnrdiVh  F°rm  CineS  mangelnden  Konzentrationsvermögens  verant- 
worthch  zu  machen  ist.  Tierversuche  und  klinische  Beobachtung 

we  rhpVV  e‘Chei  V^e,IS‘e  die  Annahme,  dass  der  Mechanismus,  durch 
Y* ver™ebrte  Harnausscheidung  beim  Diabetes  insipidus 
Tv  K^nd^  kom!TI[’  ,b5‘  dem  idiopathischen  und  organisch  nervösen 
;al-  eske-n  einheitlicher  zu  sein  scheint.  Auch  ist  die  Frage  noch 

JnT.r  tSaheidenB  ?b  Slch  nicht  im  weheren  Verlaufe  auch  der  akut 
Ä  S,”  e"’e  Verrfa!:eruns  des  Konzentratlonsver- 

«■'  VertältSs 

zens.  (Aus  der  medizin  Klinik  zu  Bonn.)  (Mit  6  Abbildungen  ) 

Stolischem  rirnokCk  7  & a  +Dl?erenz  zwischen  .systolischem  und  dia¬ 
stolischem  Druck  in  der  Arterie  —  stellt  nur  unter  gewissen  Voraus- 

dar ZUn7^Sn  reotlVeS  Mass,für  das  Schlagvolumen  des  Heizens 
ikir.  Zu  diesen  Prämissen  gehört  auch,  dass  sich  der  Elastizitüts 
modu!  der  Aorta  bei  verschiedenen  Höhen  des  Innendruckes  gleich- 
bleibt,  was  jedoch  nicht  zu  erwarten  ist.  Unter  Elastizitätsmodul 
im  vorliegenden  Falle  ist  das  Verhältnis  des  Innendruckes  der  AoHa 
zu  du  von  ihm  abhängigen  Volumzunahme  zu  verstehen-  der  Elasti¬ 
zitätsmodul  ist  gross,  wenn  hoher  Druck  nur  eine  geringe  Volm 
Zunahme,!«  Aorta  bewirkt:  dam,  liest  hohe  ElastS vor  D™e 
Untersuchung  ereab  —  es  wurde  stets  die  Aorta  descendens  eeeicht 
iei  verschiedenen  Druckhöhen  derselben  Aorta,  dass  der  Volum¬ 
modul,  d.  ln  das  Verhältnis  Druck  :  Volumen  dauernd  steigt  mit 
steigendem  Druck.  Es  verringerte  sich  als  die  Dehnbarkeit  der  AoHa 
m  dei  Weise,  dass  bei  gleichem  Druckzuwachs  die  zugehörige  Vo 
lumzunahme  dauernd  geringer  wurde,  und  umgekehrt  bei  gleichem 
Volumzuwachs  d,e  zugehörige  Druckzunahme  grösser  wurde  Wa™ 
die  kubische  Zunahme  verschiedener  Aorten  bei  gleichen  Druck 
hohen  betrifft,  so  wächst  das  Volumen  im  höheren  Lebensalter  ganz 
beträchtlich  bis  auf  mehr  als  das  doppelte  erwachsener  junger  Leute 
Be,  hohem  Innendruck  werden  zwar  diese  Unterschiede  zwischen 
Alten  und  Jungen  geringer,  aber  doch  ist  das  Volumen  der  Aorta 


älterer  Leute  noch  ganz  beträchtlich  grösser.  Die  Volumzunahme, 
deren  Umfang  ja  von  der  Grösse  des  Gefässes  und  der  Dehnbarkeit 
dessen  Wandung  abhängt,  bleibt  zwischen  dem  20.  und  40.  Jahre  ziem¬ 
lich  gleich,  nimmt  im  4. — 5.  Dezennium  deutlich  ab  und  erhebt  sich  im 
6.  Dezennium  wieder  auf  die  frühere  Höhe;  in  noch  höherem  Alter  er¬ 
folgt  ein  unaufhaltsames  Sinken.  Es  muss  also  im  höheren  Lebens¬ 
alter  das  Schlagvolumen  des  Herzens  und  die  Menge  Blut,  die  die 
Aorta  in  der  Zeiteinheit  durchfliesst,  in  ausgesprochenem  Masse  ab¬ 
nehmen.  Als  Ausgleichsvorrichtung,  um  dieser  Verkleinerung  des 
Schlagvolumens  entgegenzuarbeiten,  ist  die  ständige  Grössenzunahme 
der  Aorta,  die  nicht  als  einfacher  Elastizitätsverlust  zu  deuten  ist. 
und  die  in  Form  des  typischen  Greisenpulses  —  ein  Zeichen  für 
zentrale  Arteriosklerose  —  sich  äussernde  Erhöhung  der  Herzarbeit 
anzusehen.  Das  Schlagvolumen  des  Herzens  und  die  Geschwindig¬ 
keit  der  Blutströmung,  in  der  Jugend  am  grössten,  werden  beide, 
wenn  der  Höhepunkt  des  Lebens  überschritten  ist,  allmählig  geringer. 

er  Mensch  ist  nicht  nur  so  alt  wie  seine  Arterien,  sondern  auch  so 
alt  wie  seine  Aorta  und  sein  Herz. 

18)  R.  Dünger:  Das  Verhalten  der  Leukozyten  bei  intra¬ 
venösen  Kollargolinjektionen  und  seine  klinische  Bedeutung.  (Aus 

der  inneren  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Johannstadt  in  Dres¬ 
den.)  (Mit  6  Kurven.) 

Die  intravenöse  Kollargolinjektion  erzeugt  beim  Menschen  zu¬ 
nächst  eine  Verminderung,  dann  eine  mehr  weniger  starke  Ver¬ 
mehrung  dei  Leukozyten.  Bei  diesen  Schwankungen  sind  fast  aus¬ 
schliesslich  die  polynukleären  neutrophilen  Zellen  beteiligt.  Die  an¬ 
fängliche  Verminderung  beruht  auf  Leukozvtenzerfall;  dadurch  er¬ 
klären  sich  einige  wichtige  klinische  Begleiterscheinungen  der  In¬ 
jektionen  (Schmerz  in  den  erkrankten  Organen,  die  etwas  später  ein¬ 
tretende  hochfieberhafte  Reaktion  des  Gesamtorganismus  die  wohl  auf 
Intoxikation  mit  den  beim  Leukozytenzerfall  freiwerdenden  Fermenten 
beruht).  Letzterem  Vorgang  kommt  vielleicht  auch  eine  erhebliche 
therapeutische  Bedeutung  zu.  Uebrigens  dürfte  die  Wircung  der 
intravenösen  Kollargolinjektionen  mit  den  an  den  Leukozyten  sich  ab¬ 
spielenden  Vorgängen  nicht  erschöpft  sein:  es  könnte  auch  noch  die 
chemischJkatalytische  Wirkung  des  Kolloidmetalles,  möglicherweise 
auch  die  bakterizide  Silberwirkung  in  Frage  kommen. 

Bamberger  -  Kronach. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose.  Bd.  XI,  Heft  3  u.  4. 

Heft  3.  Sir  William  Henry  Broadbent  zum  Gedächtnis. 

Heller-  Bern  und  Wolkenstein  -  Wladiwostok :  Die  Be¬ 
deutung  der  experimentellen  Lungenanthrakose  für  die  Frage  nach 
der  Entstehung  der  Lungentuberkulose. 

Die  Verfasser  zeigen  unter  Mitteilung  der  Protokolle,  dass  all¬ 
gemeine  Lungenanthrakose  nur  durch  Inhalation  erzeugt  werden 
kann,  dass  aber  auch  auf  andere  Art  der  Einverleibung  die  Lunge 
etwas  Pigment  aufnimmt.  Die  Versuche  usw.  können  hier  nicht  aus- 
fuhrheh  berichtet  werden.  Es  ist  nur  das  zu  sagen,  dass  sie  keine 
Anhaltspunkte  für  Behrings  Theorie  von  der  intestinalen  Ent¬ 
stehung  der  Lungentuberkulose  geben. 

W  o  1  f  f  -  Reiboldsgrün :  Ueber  Krankenauswahl  und  Kurdauer 
in  den  Volksheilstätten. 

7rb  m.acht  Vorschläge  über  verbesserte  Formulare,  die  nament¬ 
lich  sich  nicht  auf  schematische  Stadien  erstrecken,  sondern  den 
ganzen  Menschen  in  Betracht  ziehen,  und  schlägt  vor,  alle  Kranken 
zuerst  einer  sechswöchtenlichen  Kur  zu  unterziehen,  um  dadurch 
eine  Auslese  treffen  zu  können,  welche  Fälle  sich  für  eine  spätere 
dann  in  ihrer  Länge  unbeschränkten  Kur  eignen. 

Die  Berliner  Tuberkulosewoche.  1.  XI.  Generalversammlung 
des  Deutschen  Zentralkomitees  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose, 
m  •  ,n«i907’  ~  2‘  ,V*  Versammlung  der  Tuberkuloseärzte,  24.  und  25.’ 
vja\.  .  —  .  Die  Heilstättendebatten  in  der  Gesellschaft  für  soziale 

Medizin,  Hygiene  und  Medizinalstatistik. 

Haentjens  -  Putten  (Holland) :  Die  Ursache  der  relativen 
angeborenen  Immunität  des  Hundes  gegen  Tuberkelbazillen. 

t  Be7ft,durwh  fne  Reihe  von  Tabellen  zeigt  Verf..  dass  die 
Immunität  des  Hundes  aui  einer  ganz  besonderen  Gestaltung  seiner 
Gewebesafte  beruht. 

.  dr  7  ^1  77  7,  Hderberg:  Die  Zungentonsille  als  Eingangspforte 
des  Tuberkelbazillus. 

Kurze  Mitteilung,  dass  die  Untersuchung  des  Verf.  die  von 
Freudenthal  Heft  4,  Band  10  dieser  Zeitschrift  aufgestellten 
Hypothesen  nicht  stütze. 

Hinweis 1  4  016  VL  ,nternationale  Tuberkulosekonferenz.  Kurzer 

..  ^  [ c  ‘  i,f  e  1  und  Hermann  I  r  u  n  k  -  Hörgas  (Steiermark):  Ueber 

die  Behandlung  von  Lungentuberkulösen  mit  Marmoreks  Anti¬ 
tuberkuloseserum. 

vi  ls  a  es  se  r  -  Hannover:  Spezifische  Behandlung  der  Tuber¬ 
kulose  durch  passive  Immunisierung. 

Beide  Aufsätze  der  erste  durch  zahlreiche  Krankengesichten 
fni(ipein>edMUCkte  1  horaxschemata  erläutert,  schildern  günstige  Er¬ 
folge  mit  Marin  0  reks  Antituberkuloseserum. 

Ti.n/l6!1  W  k  s  “Die.pholz:  Einige  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der 
i  uberkulosebekampfung  auf  dem  Lande. 

Die  (schlechten)  hygienischen  Verhältnisse  auf  dem  Lande  in 
des  \  erfassers  Gegend  werden  geschildert.  Man  will  dort  jetzt  so 
01  gehen,  dass  man  alle  irgendwie  fähigen  Personen,  Geistliche, 


15.  Oktober  1907. 


MtJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2101 


Aerzte,  Gemeindevorsteher,  Krankenpflegerinnen,  Hebammen,  Desin¬ 
fektoren,  Mitglieder  von  Frauenvereinen  zu  gemeinsamer  Arbeit  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose  heranzieht. 

Haentjens:  Tuberkeltoxinstudien.  II.  Zu  kurzem  Referat 
nicht  geeignete  Wiedergabe  seiner  Arbeiten  mit  Filtrase. 

P  e  t  e  r  s  -  Davosplatz:  Ein  guter  und  zugleich  billiger  Sputum¬ 
desinfektionsapparat. 

Beschreibung  eines  brauchbaren,  nur  462  Mark  kostenden 
Apparates.  Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Zeitschrift  für  diätetische  und  physikalische  Therapie. 

Bd.  X,  Heft  9  u.  10. 

1)  Joseph  D  e  u  t  s  c  h  -  Kiew:  Die  Duschevorrichtung  als  ein 
Problem  der  hydriatrischen  Technik. 

D.  beschreibt  einen  Apparat,  der  eine  leichte,  rasche  und  genaue 
Regulierung  sowohl  des  hydraulischen  Druckes  als  der  Temperatur 
gestattet. 

2)  Karl  Colombo-Rom:  Ueber  die  Wirkung  der  Röntgen¬ 
strahlen  auf  das  Zentralnervensystem. 

C.  beobachtete  eine  Patientin  mit  Fussgeschwiir,  bei  der  unter 
längerer  therapeutischer  Anwendung  von  Röntgenstrahlen  starke  ner¬ 
vöse  Erscheinungen,  Krämpfe  und  Schlaflosigkeit  auftraten.  Die  Stö¬ 
rungen  zeigten  einen  Parallelismus  mit  der  Dosierung  der  Strahlen, 
insofern«  sie  jedesmal  abnahmen,  so  oft  die  Anwendung  eingestellt 
wurde  und  Zunahmen,  je  mehr  Belichtungen  stattfanden. 

3)  Max  E  i  n  h  o  r  n  -  New  York:  Die  diätetische  Behandlung  der 
chronischen  Diarrhöen. 

E.  unterscheidet  Diarrhöe  durch  chronischen  Darmverschluss 
bedingt,  nervöse  Diarrhöe  und  chronische  Diarrhöe  infolge  von 
Dünndarmkatarrh,  manchmal  auch  von  einem  katarrhalischen 
Zustand  des  Kolons  begleitet.  Die  meisten  Formen  involvieren 
hauptsächlich  den  Dünndarm,  und  kann  man  diese  Gruppe  wieder 
in  folgende  Kategorien  einteilen:  Primärer  Katarrh,  Katarrh,  der 
durch  Abnormitäten  der  Magensekretion  bedingt  ist  und  Katarrh 
mit  Ulzeration.  In  der  Behandlung  aller  dieser  Arten  ist  es 
hauptsächlich  von  Wichtigkeit,  Speisen  zu  gemessen,  die  nicht 
reizen  und  wenig  Rückstand  hinterlassen.  Dieselben  dürfen  den 
Darm  weder  mechanisch  noch  chemisch  reizen  und  dürfen  nicht  zu 
kalt  genossen  werden.  Die  Spezialbehandlung  jeder  einzelnen  Art 
erfordert  verschiedene  diätetische  Anordnungen.  Bei  chronischem 
Darmverschluss  muss  die  Diät  eine  flüssige  sein  (Milch,  rohe  Eier. 
Suppen,  Fleischsaft).  Bei' der  Diarrhöe  nervösen  Ursprungs  braucht 
die  Diät  nicht  zu  strenge  zu  sein.  Neben  den  Nervensedativen  be¬ 
steht  die  Hauptbehandlung  darin,  dass  der  Patient  nicht  jedem  Ruf 
zum  Stuhlgange  folgen  darf,  sondern  das  Gefühl  unterdrücken  muss. 
Bei  Magenstörungen  wie  Achylia  gastrica  muss  fleischfreie  Diät  eine 
Zeit  lang  angeordnet  werden,  bei  Hyperchlorhydrie  spielt  Fleisch  und 
eiweissreiche  Kost  neben  Zufuhren  von  Alkali  eine  Hauptrolle.  Bei 
chronischem  Dünndarmkatarrh  sind  Früchte,  Salate,  gewürzte  und 
sonst  reizende  Speisen  und  kalte  Getränke  zu  meiden.  Jedoch  dürfen 
wir  im  allgemeinen  nicht  zu  strenge  sein,  um  Unterernährung  zu  ver¬ 
meiden. 

4)  W.  D.  L  e  n  k  e  i  -  Balaton-Almadi:  Die  Durchdringungsfähig- 
keit  der  blauen  und  gelben  Strahlen  durch  tierische  Gewebe. 

L.  kommt  zu  dem  Ergebnisse,  dass  durch  Haut  und  Bindegewebe 
bis  zu  einer  Tiefe  von  0,5  cm  noch  ca.  der  Vioo  Teil  des  auffallenden 
Lichtes  dringt.  85  Proz.  desselben  sind  gelbe  und  5  Proz.  blaue 
Strahlen.  Spuren  von  blauen  Strahlen  dringen  durch  die  Haut  und 
die  darunterliegenden  Gewebe  noch  etwas  tiefer  als  3cm  ein:  ein  ge¬ 
ringer  Teil  des  auf  gewöhnliche  photographische  Platten  wirksamen 
Lichtes  dringt  noch  5 — 6cm  tief  in  die  Gewebe;  jedoch  besteht  dieses 
durchdringende  Licht  in  dieser  Tiefe  nur  mehr  aus  gelben  Strahlen. 
Die  Untersuchungen  machen  es  aber  wahrscheinlich,  dass  die  roten 
Strahlen  noch  tiefer  in  die  Gewebe  eindringen  als  die  gelben. 

5)  Erik  E  k  g  r  e  n  -  Berlin:  Zur  Massagetherapie  bei  Prolapsus 
recti.  (Aus  der  I.  medizin.  Universitätsklinik.) 

Verf.  hebt  den  Nutzen  der  Massagebehandlung  als  Nachbehand¬ 
lung  post  operationem  hervor,  ferner  in  Fällen,  in  denen  die  vorge¬ 
fallene  Partie  des  Darmes  nicht  allzugross  ist  und1  die  Darmmuskulatur 
ihre  Kontraktilität  nicht  ganz  verloren  hat,  um  teils  durch  ihre  lokale 
Wirkung,  teils  durch  Regelung  der  Stuhlverhältnisse  einen  günstigen 
Einfluss  auf  den  Heilungsprozess  auszuüben. 

6)  Karl  Hiss-Bad  Gastein:  Ueber  Hochfrequenzströme  und 
deren  Wirkung  auf  den  arteriellen  Blutdruck. 

Durch  Herabsetzung  des  Blutdruckes  kann  bei  ihrer  Anwendung 
die  Arbeit  geschwächter  Herzen  erleichtert  werden  . 

7)  H.  Senninger-Bad  Reichenhall:  Ueber  Lignosulfitinhala- 
tionen. 

S.  beschreibt  2  Apparate  zur  Lignosulfitinhalation,  deren  Wirkung 
durch  Verflüssigung  des  Sekrets  und  reflektorische  Vertiefung  der 
Atmung  bei  akuten  und  chronischen  Erkrankungen  der  Bronchien  und 
Lunge,  insbesondere  auch  bei  Keuchhusten  Beachtung  verdient. 

H.  10.  l)  Karl  O  p  d  e  n  h  e  i  m  e  r  -  München:  Ueber  die  An¬ 
wendung  von  Sonnenbädern  bei  Peritonitis  tuberculosa. 

O.  hat  in  2  Fällen  von  Peritonitis  tuberculosa  bei  Anwendung 
von  Sonnenbädern  Besserungen  konstatiert.  Er  vergleicht  ihre  Wir¬ 
kung  mit  dem  nach  Laparotomien  öfters  beobachteten  und  auf  Erzeu¬ 
gung  von  Hyperämie  zurückgeführten  günstigen  Effekt. 


2)  W.  v.  Rutkowski:  Bericht  über  die  Jahre  1904  06.  (Aus 
dem  Röntgenlaboratorium  der  1.  medizinischen  Universitätsklinik 
Berlin.) 

R.  berichtet  über  686  malige  Anwendung  der  Röntgenstrahlen, 
um  zu  zeigen,  wie  wichtig  dieselben  als  diagnostisches  Hilfsmittel  und 
als  Heilfaktor  geworden  sind. 

3)  Dora  M  a  r  t  i  n -  Berlin:  Diätetische  Kochkurse. 

M.  berichtet  über  die  für  Aerzte  in  12  Lektionen  gegebenen  Koch- 
kursc  im  Pestalozzi-Fröbel-Hause. 

4)  Fritz  L  o  e  b  -  München:  Beiträge  zur  Kaffeefrage.  Eine  lite¬ 
rarische  Studie. 

Der  Kaffeekonsum  ist  in  Deutschland  im  letzten  Dezennium  der¬ 
art  im  Steigen  begriffen,  dass  die  Gefahr  des  Missbrauchs  zur  sozialen 
Frage  sich  gestaltet.  Eindeutige  Untersuchungen  haben  festgestellt. 
dass  dem  Koffein  die  Hauptwirkung  zuzuschreiben  ist.  Eine  Tasse, 
aus  15  Bohnen  bereitet,  enthält  ca.  0,15  g  Koffein.  Die  chronische 
Kaffeevergiftung  wird  oft  mit  Neurasthenie  und  Hysterie  verwechselt 
und  äussert  sich  in  Kopfschmerzen,  Schlaflosigkeit  und  Schwindel¬ 
anfällen.  In  stärkerer  Konzentration  kann  Kaffee  auch  das  Herz  emp¬ 
findlich  schädigen  und  die  Magenverdauung  ungünstig  beeinflussen. 
Vor  allem  ist  deshalb  Kindern  der  Genuss  zu  verbieten.  Auch  Un¬ 
regelmässigkeiten  der  Stuhlentleerung,  Polyurie,  leichtes  Eintreten 
von  Dyspnoe  bei  geringen  Anstrengungen  und  Pruritus  wurden  be¬ 
obachtet.  Was  die  aktuelle  Frage  des  Kaffeeersatzes  betrifft,  ist  Malz¬ 
kaffee  insoferne  empfehlenswert,  als  er  das  Kaffeearoma  nachahmt, 
unschädlich  und  zugleich  billig  ist. 

5)  H.  Engel  -  Heluan:  Ist  die  bei  Lues  übliche  Kombination  von 
Quecksilber-  und  Schwefeltherapie  in  absoluter  Gleichzeitigkeit  ratio¬ 
nell? 

E.  vertritt  auf  Grund  klinischer  Erfahrung  den  Standpunkt,  dass 
die  gleichzeitige  Anwendung  von  Schwefelbädern  mit  einer  Oueck- 
silberkur  ein  direktes  Hindernis  für  den  antiluetischen  Effekt  ist.  Die 
Bedeutung  einer  starken  Schwefelquelle  liegt  lediglich  auf  der  anti- 
merkuriellen  Seite,  um  bei  beginnender  Intoxikation  das  Quecksilber 
möglichst  schnell  zu  eliminieren. 

M.  Wassermann  -  München. 

Zentralblatt  für  innere  Medizin.  1907.  No.  31  bis  40. 

No.  31.  F.  Schilling:  Die  Druckempfindlüchkeit  und  die 
Druckpunkte  des  Abdomens. 

Verfasser  unterzieht  die  mannigfaltige  Bedeutung  druckempfind¬ 
licher  Stellen  am  Abdomen  einer  genaueren  Betrachtung  und  widmet 
besonders  den  sympathischen  Nervengeflechten  seine  Aufmerksam¬ 
keit.  Zur  Erhaltung  von  Vergleichswerten  hat  er  ein  Druckästhesio¬ 
meter  angegeben.  Die  Deutung  der  Druckempfindlichkeit  des  Leibes 
ist  oft  schwierig  und  nur  unter  Berücksichtigung  des  gesamten 
Untersuchungsergebnisses  mit  einiger  Sicherheit  möglich.  Gerade 
die  Fälle  mit  nervösem  Druckschmerz  (Enteroptose,  viszerale  Neur¬ 
asthenie  usw.)  ergaben  sehr  wechselnde  Befunde. 

No.  32.  Weissmann  -  Lindenfels:  Ueber  Trinkkuren  mit 
Lamscheider  Stahlbrunnen. 

Der  Brunnen,  0,07  g  Eisenbikarbonat  im  Liter  enthaltend,  ist 
wirksam  bei  Chlorose  und  bei  sekundären  Anämien. 

No.  33.  Ohne  Originalartikel. 

No.  34.  C.  Bachem:  Alkohol  und  Warmblüterherz.  (Aus  dem 
Pharm.  Inst.  Bonn.) 

Mitteilung  experimenteller  Untersuchungen,  die  meist  eine  Stei¬ 
gerung  des  Blutdrucks  für  kurze  Zeit  (bei  intravenöser  Einverleibung) 
ergaben.  Bei  künstlich  geschwächten  Herzen  der  Versuchstiere  war 
die  Drucksteigerung  geringer  als  bei  gesunden.  Nur  die  wiederholte 
Zufuhr  entsprechend  dosierter  Gaben  ist  imstande,  dem  Herzen  über 
eine  eventuelle  Krisis  hinwegzuhelfen.  Die  Dauer  der  günstigen 
Alkoholwirkung  auf  den  Blutdruck  war  jedesmal  sehr  flüchtig. 

No.  35,  36,  37.  Ohne  Originalartikel. 

No.  38.  Wiens  und  E.  Müller:  Ueber  die  Beeinflussung 
des  proteolytischen  Leukozytenferments  durch  das  Blutserum  ver¬ 
schiedener  Wirbeltierklassen. 

Mitteilung  der  Ergebnisse:  Gegenüber  dem  Leukozytenferment 
des  Menschen  hemmen  diejenigen  Sera  am  stärksten,  die  vcn  solchen 
Säugetieren  stammen,  welche  selber  ein  proteolytisches  Ferment  be¬ 
sitzen,  das  sind  Affe  und  Hund. 

No.  39.  F.  Rosenberger-  Heidelberg:  Ueber  neue  Harn¬ 
zucker. 

Ausser  Dextrose  kommen  im  Harn  Diabetischer  zuweilen  noch 
andere  gärfähige,  aber  nicht  drehende  Zucker  vor,  die  sich  bisher 
nicht  genau  identifizieren  lassen. 

No.  40.  Ohne  Originalartikel.  W.  Zinn-  Berlin. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  38  u.  39. 

M.  N  e  u  -  Heidelberg:  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatz  von 
Dr.  v.  Velits:  „Ueber  Adrenalinwirkung  bei  Osteomalakie“  in 
No.  29  d.  Bl. 

N.  hält  die  von  Bossi  verwendeten  Adrenalindosen  für  zu 
hoch  und  daher  nicht  ungefährlich,  wie  die  Fälle  von  v.  Velits  be¬ 
weisen.  Als  Maximaldosis  bezeichnet  er  Vio  mg  pro  dosi,  höchstens 

Iw  mg  in  kürzeren  Intervallen.  Die  Gefahr  besteht  in  Nebenwir¬ 
kungen  auf  das  Herz  und  die  Lungen,  letzteres,  wenn  Osteomalakie 
mit  Tuberkulose  kombiniert  ist.  Bei  gleichzeitiger  Gravidität  be- 
I  steht  ausserdem  die  Gefahr  des  Aborts. 


J1U2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


I  li.  van  de  V  e  1  de -Haarlem:  Blastonivzeten  und  Entzün¬ 
dungen  der  weiblichen  Genitalien. 

Verf.  hat  bei  den  verschiedenartigsten  Erkrankungen  der  weib¬ 
lichen  Genitalien  Hefe  zellen  gefunden,  deren  Bedeutung  für  die 
Pathologie  bisher  unterschätzt  zu  sein  worden  scheint.  Die  grösste 
Zahl  der  Fälle  betraf  akute  Entzündungen  der  Zervix  mit  Kolpitis 
und  Vulvitis.  Als  Ursache  erwies  sich  in  einem  Teil  der  Fälle  das 
zur  Vaginalirrigation  verwendete  Wasser.  In  einem  Falle  enthielt 
die  Milch  einer  Stillenden  reichlich  Blastomyzeten.  Begünstigt  wird 
die  Infektion  damit  bei  chronischer  Gonorrhöe,  ebenso  bei  Schwan¬ 
gerschaft.  Verf.  fand  ferner  noch  Hefepilze  im  Blute  einer  an  Puer¬ 
peralfieber  Verstorbenen,  bei  akuter  Vulvitis  und  Kolpitis  kleiner 
Mädchen,  in  Tubentumoren,  in  der  freien  Peritonealhöhle  und  im 
Blute  von  Kranken,  die  an  reiner  Blastomyzetensepsis  zu  gründe  ge¬ 
gangen  waren. 

R.  v.  B  r  a  u  n -  Fernwald:  Ueber  Uterusperforation, 

Klinische  Vorlesung  mit  zahlreicher  Kasuistik  aus  der  Literatur, 
für  ein  Referat  jedoch  nicht  geeignet. 

R.  B  i  r  n  b  a  u  m  -  Göttingen  :  Die  Erkennung  und  Behandlung 
der  Urogenitaltuberkulose  mit  den  Koch  sehen  Tuberkulinpräna- 

raten. 

B.  empfiehlt  auf  Grund  der  Erfahrungen  an  der  Göttinger  Frauen¬ 
klinik  eine  ausgedehnte  Verwendung  des  Tuberkulins  zu  diagnosti¬ 
schen  und  therapeutischen  Zwecken.  In  ersterer  Beziehung  hat  das 
Mittel  unter  hundert  Fällen  nur  1  mal  versagt.  Zur  Behandlung  ge¬ 
langten  23  Fälle,  die  sich  folgendermassen  verteilten:  7  Peritoneal¬ 
tuberkulosen  mit  Aszites:  3  geheilt,  7  Peritonealtuberkulosen  ohne 
Aszites:  5  geheilt,  5  Adnextuberkulosen:  3  geheilt,  4  Blasentuber¬ 
kulosen:  1  geheilt  Wichtig  ist  dabei  die  sog.  Etappenbehandlung, 
d.  h.  Aussetzen  der  Injektionen  während  einiger  Monate,  um  sie 
dann  zu  wiederholen. 

W.  S  i  g  w  a  r  t  -  Berlin :  Zur  Pubiotomie  im  Privathause. 

Eine  Erwiderung  auf  den  Artikel  Hamme nschlags  in 
No.  33  des  Zentralblattes.  S.  glaubt,  dass  auch  in  poliklinischer  Praxis 
die  Wöchnerinnen  nach  schweren  Entbindungen,  wie  z.  B.  nach 
Eklampsie,  Placenta  praevia,  Pubiotomie  etc.,  im  Laufe  der  ersten 
8  12  Stunden  besucht  werden  können  und  müssen.  Im  allgemeinen 
kann  daher  der  Fall  H.s  nicht  als  Warnung  vor  der  poliklinischen 
Ausführung  der  Pubiotomie  gelten.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 

57.  Bd.  3.  u.  4.  Heft.  1907. 

11)  J.  B  o  c  k  -  Kopenhagen:  Ein  Apparat  zu  Infusionsversuchen. 

Der  beschriebene  Apparat  lässt  sich  auf  Injektion  einer  grösseren 

oder  kleineren  Flüssigkeitsmenge  pro  Minute  einstellen  und  arbeitet 
nach  seiner  Einstellung  stundenlang  ohne  irgend  welcher  Aufsicht 
zu  bedürfen. 

12)  J.  B  o  c  k  -  Kopenhagen:  Untersuchungen  über  die  Nieren¬ 
funktion.  I.  Ueber  die  Ausscheidung  der  Alkalimetalle  nach  Injektion 
von  Kaliumsalzen. 

In  dem  Kampfe  der  Meinungen,  ob  die  Nierentätigkeit  auf  einer 
riltration  oder  Sekretion  beruhe,  stellt  sich  Bock  mit  seinen  schönen 
Versuchen  auf  die  Seite  der  Sekretionsverteidiger.  Er  bemängelt, 
dass  von  den  Verfechtern  der  Filtrationshypothese  die  Harnab¬ 
scheidung  nur  nach  der  Ausfuhr  der  Säurereste  —  CI,  SO*,  PO*  — 
üei  Harnsalze  beurteilt  wurde,  und  dass  man  die  Beobachtung  der 
Alkaliausfuhi  fast  völlig  vernachlässigte.  Aus  den  Säureresten  die 
Beckenausscheidung  zu  berechnen,  geht  durchaus  nicht  an,  wie  aus 
Bocks  Versuchen  hervorgeht.  Bestimmungen  der  Harnalkalien 
nach  Injektion  isotonischer  Chlorkaliumlösung  ergaben  neue  Resul¬ 
tate,  welche  sich  mit  der  Eiltrationshypothese  ohne  Zwang  nicht  ver¬ 
einigen  lassen.  Weder  das  Natrium  noch  Kalium  oder  Chlor  folgen 
in  lln  ei  Ausscheidung  der  Stärke  der  Diurese.  Diese  Abweichungen 
mittelst  einer  Rückresorption  zu  erklären,  wie  die  Anhänger  der 
lltrationshypothese  es  tun,  ist  nach  Bock  durchaus  willkürlich  und 
wurde  diese  Rückresorption  schliesslich  auch  wieder  einen  Akt  echter 
Sekretion  darstellen.  Ausserdem  müsste  diese  postulierte  Rück¬ 
resorption  zur  Erklärung  der  vorliegenden  Befunde  ungeheuer  gross 
sein  und  die  abgesonderte  Harnmenge  um  das  13— 23  fache  über¬ 
steigen.  Aus  diesen  Gründen  hält  Bock  dafür,  dass  die  Salze  des 
arns  mittels  einer  „Sekretion“  ausgeschieden  werden,  d  h  durch 

gänglidir(isteSS’  dCr  ZUr  ZCit  e'ner  physikalischen  Erklärung  nicht  zu- 

,,  «  Goure  witsch  -  Moskau :  Ueber  das  Verhalten  des 

Koffeins  un  Tierkörper  mit  Rücksicht  auf  die  Angewöhnung. 

•  •UCV  ^)e»in  Koffein  findet  eine  Angewöhnung  statt,  wenn  auch 
nicht  in  dem  Masse  wie  beim  Morphin.  Die  Ursache  derselben  beruht 
aber  nicht  in  einer  vermehrten  Zerstörungsfähigkeit  der  Gewebe 
gegenüber  dem  Koffein,  denn  es  werden  in  den  Organen  der  im¬ 
munisierten  Here  erhebliche  Koffeinmengen  gefunden  Auffallender 
\\eise  fmdet  sich  besonders  reichlich  Koffein  im  Gehirn  und  in  dem 
Muskeln  vor,  also  in  jenen  Organen,  die  am  stärksten  auf  Koffein 
reagieren.  Diese  scheinen  demnach  das  Koffein  bei  der  Gewöhn mw 
m  erhöhtem  Masse  anzuziehen,  vermögen  sich  aber  gleichzeitig  durch 
eine  aktive  Zelhmmunität  zu  schützen.  *  S  ü 

Giftigkeit  des^Harzgases.”B°n,1:  ^  “»« 

tdddch  verlaufende  Vergiftung  mit  den  durch  Trocken 
destillation  gewonnenen  Harzgasen  gab  Veranlassung  zur  Unter¬ 


suchung  derselben.  Als  Ursache  der  Vergiftung  konnte  der  hohe 
Kohlenoxyd-  und  Kohlensäuregehalt  des  Harzgases  festgestellt 
werden. 

15)  L.  H  i  r  s  c  h  s  t  e  i  n  -  Hamburg:  Die  Beziehungen  der  endo¬ 
genen  Harnsäure  zur  Verdauung. 

Bestimmungen  der  bei  purinfreier  Kost  ausgeschiedenen  „en¬ 
dogenen“  Harnsäure  zeugten,  dass  vor  allem  Nahrungsaufnahme  und 
zumal  Genuss  purinfreien  Eiweisses  eine  Steigerung  der  Harnsäure¬ 
ausscheidung  hervorruft.  Tierversuche  ergaben,  dass  diese  Harn¬ 
säure  Purinkörpern  entstammt,  welche  sich  der  ursprünglich  purin- 
fi  eien  Nahiung  im  Magendarmkanal  in  den  Verdauungssäften  bei- 
mischen.  Es  muss  also  der  Ursprung  der  endogenen  Harnsäure  den 
purinhaltigen  Drüsensekreten  zugeschrieben  werden. 

16)  Ed.  Allard-  Greifswald :  Untersuchungen  über  die  Harn- 
absonderung  bei  Abflusserschwerung. 

?.U1,  ^  1  iifung  der  jetzt  so  eifrig  diskutierten  Frage,  ob  Filtration 
oder  Sekretion  der  Harnabsonderung  zu  Grunde  liege,  stellte  Allard 
interessante  Versuche  an  einem  Manne  mit  Blasenektopie  an,  dessen 
beide  Ureterenmündungen  der  Untersuchung  leicht  zugänglich  waren. 
Wählend  normaler  Weise  die  beiden  Nieren  im  grossen  ganzen  gleich 
viel  und  gleich  zusammengesetzten  Hain  liefern,  sezernierte  die  Niere 
deren  Abfluss  erschwert  ist,  Wasser,  Harnstoff  und  Chloride  in  ver¬ 
minderter  Menge.  Dieses  Verhalten  wurde  unter  dem  Einfluss  von 
einer  Reihe  diuretisch  wirkender  Stoffe  geprüft.  Die  Resultate,  welche 
im  einzelnen  hier  nicht  mitgeteilt  werden  können,  lassen  sich  nach 
Allard  nicht  mit  der  Annahme  einer  durch  den  Druck  begünstigten 
Resorption  in  den  Harnkanälchen  erklären,  vielmehr  sprechen  sie  für 
eine  Behinderung  der  Wasser-  und  Chlorausscheidung  in  den  Glo- 
rneruhs,  verbunden  mit  einer  geringen  Beeinträchtigung  der  Funktion 
der  Kanalchenepithehen,  denen  nach  der  Sekretionstheorie  die  Ab- 
scheidung  des  Harnstoffs  und  der  Phosphate  obliegt.  Wie  Bock 
ist  also  auch  Allard  ein  entschiedener  Verfechter  der  Bow- 
mann-Heidenhain sehen  Sekretionstheorie  der  Nierenfunktion. 

CI.  17,\  b  Spiegel-Berlin:  Beziehungen  der  Phenole  zur 
Schwefelsaureausscheidung. 

f..,Nach  Ehrliehs  bekannter  Theorie  binden  dem  Körper  zu- 
gefuhrte  Giftstoffe  sonst  anders  funktionierende  Seitenketten  lebens- 
\y  lcntiger  Zellsubstanzen  und  entziehen  sie  dadurch  ihrer  eigentlichen 
Funktion.  Nach  einem  biologischen  Gesetz  führt  dies  zu  einer  Ueber- 
produktion  dieser  Seitenketten  und  zu  ihrer  Abstossung  in 
den  Kreislauf  Wahrend  Ehrlich  dies  Verhalten  körper¬ 
fremder  Substanzen  nur  hochmolekularen  Substanzen  un¬ 
bekannter  Konstitution  zuschreiben  wollte,  suchte  Spiegel  es 
auch  an  einfachen  Substanzen  bekannten  Aufbaus  nachzuweisen, 
indem  er  dem  Organismus  Phenole  zuführte,  die  bekanntlich  sich  im 
Koi  per  mit  Schwefelsäure  paaren.  Wäre  die  Voraussetzung  richtig, 
dass  die  Phenole  sich  an  die  H2SO4  von  Seitenketten  binden,  so 
musste  bei  genügend  langer  Phenolzufuhr  eine  Vermehrung  der  Ge- 
samtschwefelsäure  des  Harns  sich  feststellen  lassen.  Der  Versuch 
bestätigte  diese  Erwartung  nicht,  vielmehr  bewirkte  die  Fütterung 
von  Euguform  einem  ungiftigen  Kondensationsprodukt  des  Guajakols 
nnt  Formaldehyd,  ein  Absinken  der  gepaarten  und  der  Gesamt¬ 
schwefelsaure.  _  Erstere  ist  wohl  infolge  der  darmdesinfizierenden 
Wirkung  des  Präparates  vermindert.  Das  Absinken  der  Gesamt¬ 
schwefelsaure  glaubt  Spiegel  aber  im  Sinne  der  Ehr  lieh  sehen 
I  heorie  durch  den  infolge  Herabsetzung  der  Darmfäulnis  verminderten 
Bedarf  an  spezifischen  schwefelsäureliefernden  Seitenketten  erklären 
zu  Können.  Angaben  über  die  Grösse  der  Phenolausscheidung  enthält 
die  Arbeit  nicht. 

18)  H.  Hildebrandt-Halle:  Ueber  Bebeerin. 

Von  rein  pharmakologischem  Interesse. 

19)  Schwenkenbecher  und  T  u  t  e  u  r  -  Strassburg:  Wie 

Wännebildunge?ernde  MenSch  auf  eine  W'Hküriiche  Steigerung  seiner 

Zur  Entscheidung  der  Titelfrage  gaben  die  Verfasser  ihren  Ver¬ 
suchspersonen  eine  konzentrierte  Kost  und  führten  dadurch  eine 
.Weigerung  der  Wärmebildung  herbei.  Letztere  wurde  dann  an  der 

ri™ihrearetli°mSeSieSSen’,  di?  allerdings  nur  ein  ungefähres  Mass 
duMSje  ‘  AS  ergad  sich’  dass  eine  etwa  gleiche  Steigerung 

Erh fihimp11  rWd Wä  GesVnd<j  und  Fiebernde  durch  eine  nahezu  gleiche 
Erhöhung  der  Wärmeabgabe  ausgleichen.  Genesende  reagieren  auf 
Nahrungsaufnahme  mit  einer  stärkeren  Schweissekretion,  die  viel¬ 
leicht  auf  einen  labileren  Zustand  des  Nervensystems  zurückzuführen 
st‘  J.  M  ü  1 1  e  r  -  Würzburg. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  40.  1907. 


Die  Perkussion  der  Lungen- 


1)  G  0  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r  -  Berlin: 
spitzen.  (Schluss  folgt.) 

2)  H.  H.  Schmidt  -  Berlin:  Ueber  einen  Fall  von  progressiver 
Muskelatrophie  und  über  rachitische  Pseudoparaplegie. 

J  jährigen  Patienten,  über  dessen  Befund  und 

f  tSmeSnhlC^t"i,berichtet  wird’  war  vor  4  Jaüren  die  Diagnose 
auf  atrophische  Lähmung  der  unteren  Extremitäten,  progressive 
Muskelatrophie  und  Poliomyelitis  anterior  chronica  'infantum  gestellt 
^°rde,n-  Spat^r  bildeten  sich  typische  rachitische  Erscheinungen 

wÄrS-^,?e?en  auSL  Verf:  erörtert,  mit  welchem  Grade  von 
yahrscheinlichkeit  es  sich  um  eine  sogen,  rachitische  Pseudonara- 
plegie  dabei  handelt  und  lässt  es  schliesslich  dahingestellt,  ob  eine 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2103 


myopathische  Dysatrophie  oder  eine  chronische  atrophische  infantile 

Spinallähmung  vorliegt.  ...  ,  . 

3)  C.  S.  Engel-Berlin:  Ueber  Rückschlag  in  die  embryonale 

Blutbildung  und  Entstehung  bösartiger  Geschwülste. 

Vergl  Inhaltsangabe  S.  1454  .der  Münch,  med.  Wochenschr.  190/. 

4)  P.  Manasse- Berlin:  Ein  Fall  von  infizierter  Hydronephrose 
mit  seltener  Anomalie  des  Ureterverlaufes. 

Vergl.  Inhaltsangabe  S.  50  der  Münch,  med  .Wochenschr.  1907. 

5)  H.  V  i  rchow -Berlin:  Eine  nach  Foriji  zusammengesetzte 
kyphotische  Wirbelsäule. 

'  Der  wesentliche  Inhalt  des  Artikels,  welcher  eine  Reihe  von 
Abbildungen  bringt,  ist  S.  1309  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907 
ane-eeeben 

6)  K.  K  u  t  s  ch  e  r  -  Berlin:  Paratyphus  und  Nahrungsmittel¬ 
infektionen.  ^  XT  ,  ...  , 

Verf.  unterscheidet  3  grosse  Gruppen  von  Nahrungsmittel¬ 
infektionen,  deren  erste  durch  Intoxikation  durch  das  Botulismusgift, 
die  zweite  durch  die  Entwicklung  von  Fäulnisbakterien  in  den  ur¬ 
sprünglich  nicht  gesundheitsschädlichen  Nahrungsmitteln,  die  dritte 
durch  Bakterien  der  sogen.  Typhuskotigruppe  in  ihren  klinischen  Er¬ 
scheinungen  bedingt  werden.  Verf.  bespricht  hauptsächlich  die  letz¬ 
tere  Gruppe  und  betont  besonders  die  schon  längst  von  B  o  1 1  i  n  g  e  r 
vertretene  Auffassung,  dass  bei  den  Fleischvergiftungen  als  Ursache 
meistens  das  Fleisch  notgeschlachteter  Tiere  in  Frage  kommt.  Er 
bespricht  dann  den  Mechanismus,  welcher  für  die  Fleischvergiftung 
durch  den  Paratyphusbazillus  praktisch  in  Wirksamkeit  tritt.  Die  Be¬ 
zeichnung  Paratyphus  erklärt  er  für  eine  höchst  unglücklich  gewählte. 
Das  wichtigste  Bekämpfungsmittel  ist  in  einer  sorgfältigen  Fleisch¬ 
beschau  gegeben.  Nach  den  in  vielen  Epidemien  gemachten  Er¬ 
fahrungen  ist  besonders  vor  dem  Genüsse  des  Hackfleisches,  welches 
so  oft  von  notgeschlachteten  Tieren  stammt,  zu  warnen. 

Grassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  40. 

1)  H.  W.  F  r  e  u  nd  -  Strassburg:  Die  Behandlung  des  unstill¬ 
baren  Erbrechens  der  Schwangeren. 

Klinischer  Vortrag.  Verf.  betont  den  Wert  einer  guten  Prophy¬ 
laxe  und  einer  vollkommenen  diätetisch-physikalischen  Therapie, 
bringt  auch  Beispiele  für  den  Erfolg  der  Suggestion. 

2)  V.  Ban  dl  er  und  K.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Prag:  Erfahrungen  über 
kutane  Tuberkulinimpfungen  (Pirquet)  bei  Erwachsenen. 

Verf.  impften  unverdünntes  Alttuberkulin  in  die  gereinigte  Haut 
Erwachsener  mit  und  ohne  Hauttuberkulose.  Von  den  letzteren  (37) 
reagierten  22  in  verschiedenem  Grad,  2  weitere  erst  bei  wiederholter 
Impfung,  15  gar  nicht.  Von  2  Fällen  von  Lupus,  erythematodes  re¬ 
agierte  der  eine  deutlich,  der  andere  schwach.  Von  26  Kranken 
mit  lokaler  Tuberkulose  der  Haut  zeigten  22  eine  exquisit  hochposi¬ 
tive  Reaktion,  4  Fälle  von  schwerer  miliarer  Schleimhauttuberkulose, 
hochfiebernd,  kachektisch,  mit  schwerer  tuberkulöser  Zerstörung  der 
Lungen  und  Drüsen  reagierten  nicht.  Schon  abgeblasste  Impfreak¬ 
tionen  exazerbierten  nach  Tuberkulininjektion  nochmals.  Die 
Unterscheidung  zwischen  Lichen  scrophulosorum  und  Lichen  syphi¬ 
liticus  gelang  mittels  der  Reaktion  nicht  sicher.  Sehr  deutlich  unter¬ 
schied  sich  jedoch  die  Reaktion  bei  interner  Tuberkulose  von  der 
viel  stärkeren  bei  Hauttuberkulose,  was  eine  spezifische  Ueber- 
empfindlichkeit  der  Haut  bei  letzterer  bedeutet.  Das  histologische 
Bild  der  Impfpapel  wird  beschrieben. 

3)  Franz  Nagelschmidt  - Berlin :  Zur  Diagnose  und  Thera¬ 
pie  tuberkulöser  Hautaffektionen. 

Lokale  Impfung  mit  Alttuberkulin  ruft  in  einem  tuberkulösen 
Hautherd  fast  regelmässig  ein  Geschwür  hervor,  im  Gegensatz  zu 
anderen  Hauteffloreszenzen  und  zu  normaler  Haut,  die  nur  eine 
Papel  bildet,  welche  sich  nach  wenigen  Tagen  mit  einer  kleinen 
Kruste  bedeckt.  Gelegentlich  dieser  diagnostischen  Impfungen  be¬ 
obachtete  Verf.,  dass  manchmal  mit  dem  Ablauf  der  Reaktion  auch 
eine  klinische  Heilung  oder  Besserung  der  tuberkulösen  Efflores- 
zenzen  eintrat;  doch  hat  die  Methode  grosse  Nachteile. 

4)  S  c  h  e  1 1  e  n  b  e  r  g  -  Beelitz  i.  M.:  Gleichzeitig  mit  Gicht¬ 
anfällen  auftretende  Glykosurie  bei  einem  Fall  von  Lungentuberku¬ 
lose. 

Die  Glykosurie  (0,14 — 0,7  Proz.  trat  in  dem  beschriebenen  Fall 
nur  zeitweise  während  der  Gichtanfälle  auf. 

5)  E  n  g  e  1  e  n  -  Düsseldorf :  Ein  Fall  von  Erythromegalie  kom¬ 
biniert  mit  Basedow  scher  Krankheit. 

Um  einen  einheitlichen  Krankheitssitz  in  dem  beschriebenen  Fall 
zu  erklären,  schliesst  sich  Verf.  der  bulbären  Theorie  für  beide 
Krankheitsbilder  an. 

6)  Th.  Pa  p  a  l  o  an  n  ou  -  Athen:  Ein  seltener  Fall  von  Echino¬ 
kokkus  des  N.  opticus. 

Bei  dem  einseitig  erblindeten  12  jährigen  Patienten  wurde  mit¬ 
tels  K  r  ö  n  1  e  i  n  scher  osteoplastischer  Operation  die  Geschwulst 
freigelegt;  bei  der  Lösung  der  Verwachsungen  platzte  die  Ge¬ 
schwulst  und  erwies  sich  als  Echinokokkenblase,  welche  noch  5 — 6 
kleine  Tochterzysten  enthielt.  Der  Bulbus  wurde  nebst  dem  grössten 
Teil  des  Sackes  exstirpiert.  . 

7)  W  e  de  r  h  ak  e -Düsseldorf:  Beiträge  zur  Paraffinprothetik. 

iVerf.  verwendet  eine  Paraffinkautschukmasse;  dieselbe  lässt 

sich  leicht  formen,  erstarrt  langsam  zu  Knorpelhärte,  wird  scheinbar 
nicht  resorbiert. 


8)  Max  W  u  n  s  c  h  -  Berlin:  Ein  Skolioscapparat. 

Schulterkrücke  an  verstellbarer  Stange,  Gurten  und  Bänder  (s. 


Abbildung). 

9)  P.  J  a  c  o  b  s  o  h  n  -  Berlin:  Fortschritte  der  Krankenpflege¬ 
technik. 

10)  T  h  i  e  m  -  Kottbus:  Die  Stellungnahme  des  Arztes  als  Gut¬ 
achter  bei  der  Ausführung  der  Arbeitergesetze. 

Beherzigenswerte  Fingerzeige  für  Abfassung  von  Unfallgut¬ 
achten.  . 

11)  Grieco-Rom:  Das  Militärsanitätswesen  in  Italien. 


>-  r.  o  h  n  ir 


Oesterreichische  Literatur. 


Wiener  klinische  Wochenschrift. 


No.  40.  A.  v.  Frisch -Wien:  Historischer  Rückblick  über  die 

Entwicklung  der  urologischen  Diagnostik. 

Eröffnungsrede  zum  I.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für 

Urologie.  .  ^  J  ,  , 

O.  Zucker  kan  dl- Wien:  Ueber  die  Totalexstirpation  der 

hypertrophischen  Prostata. 

Z.  empfiehlt  die  Totalexstirpation  nur  bei  vorgeschrittenen  ballen, 
zumeist  aus  vitaler  Indikation,  wenn  die  palliative  Behandlung  nicht 
mehr  ausreicht,  wo  schon  geringe  Harnansammlung  schmelzhaften 
Tenesmus  erzeugt  und  den  Katheterismus  erfordert,  wo  dei  Kathe¬ 
terismus  immer  schwieriger  wird,  wo  Neigung  zu  profusen  Blutungen 
eintritt  und  bei  frischer  Infektion  der  oberen  Harnwege,  welche  duich 
Spülungen  der  Blase  nicht  gebessert  wird.  Von  den  Operations¬ 
methoden  scheint  die  suprapubische  vor  der  perinealen  den  Voizug 
zu  verdienen  wegen  der  Unmöglichkeit  der  Mastdarmverletzung,  der 
einfacheren  Nachbehandlung  und  der  geringeren  sexuellen  Ausfall¬ 
erscheinungen.  Kurzer  Bericht  über  30  perineal  (4  Todesfälle)  und 
30  transversikal  (7  Todesfälle)  operierte  Fälle.  Mit  Ausnahme  von 
zwei  Fällen  mit  Komplikationen  war  die  Wiederherstellung  des  Harn¬ 
abflusses  eine  vollständige  und  ebenso  günstig  ist  der  Einfluss  auf  das 
Allgemeinbefinden. 

H.  Schur  und  J.  Wiesel:  Beiträge  zur  Physiologie  und 

Pathologie  des  chromaffinen  Gewebes. 

Vortrag,  gehalten  auf  der  79.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 


forscher  und  Aerzte. 

A.  v.  Frisch:  Bericht  über  300  operierte  Blasentumoren. 

95  Karzinome,  201  Papillome,  von  denen  107  beginnende 
krebsige  Degeneration  auf  wiesen,  also  zwei  Drittel 
aller  Tumoren  waren  bösartigen  Charakters,  der  in  vivo  vor  der 
Operation  nicht  nachzuweisen  ist.  Die  Operation  durch  die  Sectio 
alta  hatte  bei  den  Karzinomen  25,3,  bei  den  Papillomen  9  Proz. 
Mortalität.  Von  53  weiter  verfolgten  gutartigen  Papillomen  hatten 
21  Rezidive,  von  49  solchen  mit  krebsigen  Einschlüssen  hatten  29 
Rezidive,  62  Karzinomkranke  hatten  ausnahmslos  Rezidive,  ein  Teil 
hatte  lange  Zeit  sich  sehr  wohl  befunden.  Nach  der  Anschauung  Fs. 
indiziert  jeder  Blasentumor  die  Operation  und  zwar  fordert  er  als 
prinzipieller  Gegner  des  endovesikalen  Operieiens  die  vollständige 
Freilegung  des  Blaseninnern  durch  den  hohen  Blasenschnitt. 

G.  Kapsammer  -  Wien :  Ueber  kompensatorische  Hyper¬ 
trophie  der  Niere.  ,  .  „  ,  , 

Die  funktionelle  Hypertrophie  der  zweiten  Niere  bei  Erkrankung 
einer  Niere  lässt  sich  durch  den  Ureterenkatheterismus  oft  gut  er¬ 
kennen:  es  wird  aus  der  hypertrophischen  Niere  eine  deutlich  ver¬ 
mehrte  Harnmenge  abgeschieden  bei  gleichzeitiger  Verkürzung  der 
Pausen  zwischen  den  Entleerungen.  Diese  erhöhte  Funktion  findet 
sich  auch  an  Nieren,  welche  selbst  an  einer  toxischen  Nephritis  er¬ 
krankt  sind.  Nach  Entfernung  einer  Niere  ist  diese  funktionelle 
Hypertrophie  der  zurückgebliebenen  natürlich  noch  leichter  an  du 
täglich  ausgeschiedenen  Harnmenge  zu  verfolgen. 

Ist  'die  zurückgebliebene  Niere  krank  und  nicht  hypertroplnei  t, 
so  bleibt  die  Urinmenge  weit  unter  1000  ccm,  ist  sie  gesund,  so 
liefert  sie  ca.  500—800  ccm,  ist  sie  hypertrophisch,  so  werden  schon 
am  ersten  Tage  etwa  1000  ccm  sezerniert. 

V.  Blum-  Wien :  Die  Bedeutung  des  reno-renalen  Reflexes 
für  die  Pathologie  und  Diagnostik  der  Nierenkrankheiten. 

B.  behandelt  zunächst  die  reflektorische  reno-renale  bchmerz- 
übertragung  auf  die  gesunde  Niere  mit  mehreren  Krankheitsberichten, 
dann  die  reno-renale  reflektorische  Anurie,  schliesslich  die  sym¬ 
pathische  Nephritis,  welche  bei  einer  Erkrankung  einer  Niere  durch 
reflektorische,  disponierende  Veränderungen  in  der  zweiten  ent¬ 
stehen  und  bisweilen  durch  Heilung  der  ersten  Niere  auch  zur  Heilung 


gelangen  können. 

R.  Cristof  oletti- Wien:  Ueber  eine  neue  Urethralplastik. 

Zwei  Fälle.  Fortgeschrittenes  Uteruskollumkarzinom  mit  Meta- 
stasen  in  der  Urethralgegend;  die  ausgedehnte  Operation  entfernte 
den  Uterus  mit  den  Adnexen,  Vagina  und  Urethra  in  einem  Stuck. 
Die  neue  Urethra  wurde  nach  vorhergehender  hectio  alta  aus  dem 
Reste  der  hinteren  Vaginalwand  gebildet,  durch  eine  Schleife  des 
Sphincter  ani  durchgezogen  und  so  die  Kontinenz  erzielt,  die  Vulv. 
über  der  ein  ganzes  bildenden  Blase  und  Urethra  duich  Nahte 

geschlossen.  c  h  t  e  n  s  t  e  r  ,n  .  Wien :  Ueber  diffuse  inkrustierende 

Zystitis, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Zuckerkandl  hat  2  Fälle  dieses  hartnäckig  progredienten 
Leidens  zur  Heilung  gebracht  durch  radikale  Exzision  der  phos- 
phatisch  inkrustierten  Geschwürsflächen,  Vernähung  der  Defekte  mit 
Katgut  und  Aetzung  der  übrigen  Schleimhaut  mit  Jodtinktur.  Nach 
1  bezw.  2  Jahren  war  die  Heilung  noch  eine  vollständige. 

i  .  N  e  c  k  e  r  -  Wien:  Chronische,  sklerosierende  Parazystitis, 
paravesikale  Holzphlegmone. 

Krankengeschichte  eines  20  jährigen  Mannes  bei  dem  sich  an- 
sch  liessend  an  eine  wegen  Blasensteins  ausgeführte  Sectio  median.a 
eme  Prostatitis  und  dann  eine  diffuse,  von  der  Symphyse  bis  nahe 
an  den  Nabel  reichende  brettharte,  schmerzhafte  Infiltration  fast  ohne 
I  iebererscheinungen  entwickelte,  die  schliesslich  zum  operativen  Ein¬ 
greifen  zwang,  da  sie  allen  palliativen  Mitteln  widerstand.  Exzision 
grösserer  Partien  aus  den  derben  schwieligen  Massen,'  Jodoform¬ 
tamponade.  feuchter  Verband.  Allmähliches  Schwinden  des  In¬ 
filtrats  und  Heilung.  Der  zystoskopische  Befund  bestand  nur  in  einer 
lokalen  Schleimhautischämie.  Der  ganze  Charakter  der  Erkrankung 
gleicht  am  meisten  dem  von  Reclus  als  Holzphlegmone  beschrie¬ 
benen  Typus. 

R.  P  a  s  c  h  k  i  s  -  Wien:  Ueber  Komplikation  von  Blasenstein  mit 
anderweitigen  Steinbildungen  im  Harnsysteme. 

Die  hier  beschriebenen  Fälle  der  Z  u  c  ke  r  k  a  nd  1  sehen  Ab- 
teHung  zeigen  folgende  Kombinationen:  Freier  Blasenstein  und 
Divertikelsteine;  Blasenstein  und  Prostatastein;  Blasenstein  und 
Uretei stein;  Blasenstein  und  Nierenstein. 

r  u'  -V,USj  ’  V^en:  Beitrag  zur  Klinik  ausgebreiteterer  papillärer 
Geschwülste  der  Harnröhre. 

Zwei  Fälle,  in  dem  einen  Amputatio  penis,  in  dem  anderen  Ex¬ 
zision  der  vorderen  Hälfte  der  weiblichen  Harnröhre.  Zusammen¬ 
stellung  von  13  Fallen  aus  der  Literatur. 

Wiener  medizinische  Presse. 

.  N°-  28'  .H-  Erey-Wien:  Die  sogen.  Reflexepilepsie  infolge  Er¬ 

krankungen  des  Ohres  und  des  Nasenrachenraumes. 

ts.g.ib,!  fälle  in  der  Literatur,  welche  diesen  Zusammenhang 

^cl  un^eTä CFn ,^ach?n : ,  F-  .selb(st  bat  bei  diesbezüglichen  Unter- 
.  :  „  J  "  gefunden,  bei  denen  nach  entsprechender  Behand- 

öhfeiternn? l  N.asen'nufehelhypertrophie,  einer  chronischen 

Bm.n  S,hll;r,beVf  Meerschweinchen  in  dem  diTh  die 

FiiifmininVrn.n  V  r  hVe  0peratiüI)  bewirkten  Reizzustand  durch 
Einführung  von  Fremdkörpern  und  ähnliche  Reizung  des  Ohres  und 

des  Nasenrachenraumes  epilepsieartige  Krämpfe  hervortuen  können 

Syphuis.He  mUth’WaSCh'im:  Mergal  in  der  Behandlung  der 

H.  bezeichnet  das  Mergal  als  ein  gutes  inneres  Antiluetikum  das 
den  Magendarmkanal  bei  vorsichtigem  Gebrauch  und  zweckmässiger 
Ernährung  weniger  reizt  als  andere  interne  Mittel. 

o  N?'  .29V  B-  Pericic-Zara:  Erythema  toxicum  grave  nach 
antimalanscher  Behandlung. 

i  m  hal9  Üälle  von  schwerem  scharlachähnlichem  und  Eiterblasen 
A  sendbeo^7chhteT  "n  ßeFan,dlung  der  Malaria  mit  Chinin-Eisen- 

tovisch  Wirknna  dem  Lhimii  oder  dem  Arsen  die  schwere 

toxische  Wirkung  zukam,  ist  ungewiss.  4  Fälle,  darunter  ein  hier 
naher  beschriebener,  endeten  tödlich.  n  er 

nhüon  °'t~9  i2'  Fl  Schmiegelow  -  Kopenhagen :  Ueber  Oeso¬ 
phago-,  Tracheo-  und  Bronchoskopie. 

Klinischer  Vortrag  mit  Kasuistik. 

■  No.  38/33.  A.Strasserund  R.  Blumenkranz:  Die  Wir- 
ung  indifferenter  und  schweisstreibender  Bäder  bei  Nephritis 

Zur  Bekämpfung  der  Urämie  und  Oedeme  empfehlen  die  Ver 
tsser  nach  ihren  Erfahrungen  entschieden  mehr  Schwitzbäder  welche 
die  Körpertemperatur  nicht  lange  und  stark  erhöhen  als  intensiv! 
Schweissprozeduren,  die  nicht  selten  unangenehme  Folgen  zeSen 
und  nur  ausnahmsweise  eine  ausgiebige  Diurese  im  Gefolge  haben 

Atoxyl?  M-  v.  Z  e  i  s  s  1  -  Wien:  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit 

a  +■  Nach  4jährigen  Erfahrungen  erklärt  v.  Z.,  dass  das  Atoxvl  kein 
An  isyphUitikum  ist  und  die  luetischen  Erscheinungen  nicht  rasch  zum 
Schweden  bringt  Dagegen  ist  es  ein  gutes  Roborans,  das  im  Gegen™ 

‘  z  anderen  Arsenpräparaten  fast  ungiftig  ist,  nach  der  Injektion 

x'erbreiS"^26"  U"d  AbSZ6SSe  bewirkt  k^en  iSoWauSÄ 

No  36  37.  M  Heitler:  Zur  Klinik  des  Herzens, 
ä)  Unterscheidung  von  Mitral-  und  Trikiispidalgeräuschen.  Zur 
Unterscheidung  dient  der  Leber-Herzreflex,  der  Akzentwechsel  an  den 
Herztönen  bei  Druck  auf  die  Lebergegend.  Verstärkt  sich  das  Ge 
rausch  bei  Druck  auf  die  Leber,  so  entsteht  es  am ^ Trikuspidalostium 
ostiumeS  Schwacher  oder  schwindet  es,  so  entsteht  es  am  Mitral- 

b)  Veränderungen  des  Herzens  bei  Kompression  der  grossen 
Gefasse.  Bei  Kompression  der  Kruralis  verstärken  sich  fast  stets 

Kaero  i°snnnUrdpQier  rllSChe  5*™*'  ?.er  Druck  auf  die  Bauchaorta, 
Karotis  und  Radialis  verstärkt  in  der  Regel  den  zweiten  Aortenton 

c)  Abschwachung  und  Verstärkung  der  Herztöne  und  Herz- 

gerausche.  Studien  über  die  Einwirkung  von  Temperaturappli¬ 
kationen,  Sinneseindrucken  etc.  B  e  r  g  e  a  t  -  München 


Bericht  über  die  neueren  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  ge¬ 
samten  Physiologie. 

Von  Prof.  Dr.  K.  B  ii  r  k  e  r  -  Tübingen. 

(Schluss.) 

Die  Sinnesphysiologie  ist  in  den  folgenden  Arbeiten  Gegenstand 
der  Bearbeitung. 

Messungen  der  Riech  schärfe  bei  Europäern 
und  Javanern  durch  G.  G  r  i  j  n  s  -  Weltevreden  haben  mit  Hilfe 
des  Z  w  a  a  r  d  e  m  ak  e  r  sehen  Olfaktometers  ergeben,  dass  die  Riech¬ 
schärfe  der  Javaner  für  Essigsäure,  Phenol  und  Ammoniak  etwa 
doppelt  so  gross  ist  als  die  der  Europäer  (Engelmanns  Arch  f 
Physiol.,  1906,  S.  509). 

In  einer  Arbeit:  Der  Abfluss  des  Labyrinthwassers 
in  seinen  Folgen  für  die  Funktion  des  Ohres  (v.  Voits 
Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  48,  S.  455,  1906)  kommt  B  e  z  o  l  d  -  München  zu 
dem  Resultate,  dass  die  Entlastung  der  endolymphatischen  Räume 
durch  Abfluss  von  Perilymphe  das  C  o  r  t  i  sehe  Organ  in  seiner 
Funktion  nicht  nachweisbar  beeinträchtigt. 

W  ie  ausserordentlich  klein  die  Energiemengen  zu  sein  brauchen, 
um  das  Sehorgan  zu  erregen,  geht  aus  einer  Arbeit  von  v.  Kries- 
Frerburg :  Die  zur  Erregung  des  Sehorgans  erforder¬ 
lichen  Energiemengen  (Nagels  Zeitschr.  f.  Sinnesphysiol., 
Bd.  41,  S.  373,  1907)  hervor.  Die  grosse  Erfahrung,  welche  dem 
Verfasser  zu  Gebote  steht,  ermöglichte  ihm  eine  sehr  scharfe  Prä¬ 
zisierung  der  günstigsten  Versuchsbedingungen.  Darnach  sollten 
uie  Energiemengen  ermittelt  werden,  welche  das  Auge  treffen,  wenn 
bei  hochgradiger  Dunkeladaption  und  günstigster  exzentrischer  Be¬ 
obachtung  Felder  von  ca.  2  Bogenminuten  Ausdehnung  während 
Zeiten  von  weniger  als  0,125  Sekunden  von  einem  Lichte  von 
0,00U507  mm  Wellenlänge  und  solcher  Stärke  erleuchtet  werden,  dass 
das  Objekt  sich  an  der  Grenze  der  Sichtbarkeit  befindet.  Unter  diesen 
günstigsten  Bedingungen  genügt  eine  Energiemenge  von  1,3— 2,6 
X  10  10  Erg  pro  Sekunde,  um  wahrgenommen  zu  werden.  Be¬ 
denkt  man,  dass  1  Erg  Arbeit  geleistet  wird,  wenn  ca.  1  mg  1  cm 
hoch  gehoben  wird  und  dass  nur  der  zehntausendmillionste  Teil  dieser 
Arbeit,  in  einer  Sekunde  geleistet,  als  Licht  wahrgenommen  wird,  so 
muss  man  staunen,  wie  das  die  Natur  zustande  bringt. 

Eine  Vorrichtung,  welche  es  ermöglicht,  mit  Hilfe  des  eigenen 
einen  Auges  den  Augenhintergrund  des  eigenen  anderen  Auges  im 
umgekehrten  Bilde  zu  untersuchen,  hat  Wessely-  Berlin  kon¬ 
struiert  (Engelmanns  Arch.  f.  Physiol.,  1906,  S.  544).  Ein  solches 
Autophthalmoskop  kann  von  Optiker  Sydow  in  Berlin,  Albrecht- 
strasse  17  für  18  M.  erworben  werden. 

Ueber  das  Sehen  von  Bewegungen.  1.  Mittei¬ 
lung.  Die  Wahrnehmung  kleinster  Bewegungen  be¬ 
richtet  A.  B  a  s  1  e  r  -  Tübingen  auf  Grund  eingehender  Versuche  in 
Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  582,  1906).  Darnach 
sind  bei  mittlerer  1  agesbeleuchtung  und  einer  Entfernung  des  Auges 
von  30  cm  Verschiebungen  des  Gegenstandes  um  0,03  mm  noch  deut¬ 
lich  zu  sehen,  was  einer  Winkelverschiebung  von  20  Sekunden,  auf 
der  Netzhaut  0,0015  mm  entspricht.  Fallen  zwei  Bildpunkte  gleich¬ 
zeitig  in  diesem  Abstand  auf  die  Netzhaut,  so  werden  sie  nicht  mehr 
als  getrennt  wahrgenommen.  Des  weiteren  wurde  ermittelt,  dass 
eine  Bewegung,  um  sie  wahrzunehmen,  um  so  grösser  sein  muss, 
je  mehr  ihr  Netzhautbild  von  der  Macula  lutea  entfernt  ist.  Das 
demonstriert  sehr  gut  auch  ein  Versuch  von  Czermak:  Man  be¬ 
trachte  den  Sekundenzeiger  einer  Taschenuhr  zuerst  direkt,  dann  in¬ 
direkt,  indem  man  auf  die  XII  des  Zifferblattes  blickt;  im  letzteren  Falle 
scheint  dei  Zeiger  viel  langsamer  vorzurücken.  Grössere  Gesamt¬ 
helligkeit  und  grössere  Schnelligkeit  der  Bewegung  befördern  die 
Wahrnehmung  kleinster  Bewegung. 

Eine  Theorie  der  Farbenempfindung  und  Farben¬ 
blindheit  entwickelt  F.  S  c  h  e  n  c  k  -  Marburg  in  Pflügers  Arch 
f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  118,  S.  129,  1907.  Der  Verfasser  stellt  sich 
für  den  voll  entwickelten  Farbensinn  auf  den  Boden  der  Young- 
H  e  1  m  h  o  1 1  z  sehen  Dreikomponententheorie  und  sucht  zu  dieser 
auf  entwicklungsgeschichtlichem  Wege  zu  gelangen.  In  einem  frühen 
Entwicklungsstadium  soll  der  für  das  Hellsehen  dienende  Zapfen¬ 
apparat,  der  allein  der  farbentüchtige  ist,  nur  eine  Sehsubstanz  ent¬ 
halten  haben,  deren  Erregung  die  Empfindung  Weiss  vermittelt.  Die 
Substanz  sei  zunächst  gegen  langwellige  Lichter  wenig  empfindlich 
sie  werde  es  erst  durch  sog.  Panchromatisierung.  Die  weiteren  Ent¬ 
wicklungsvorgänge  beständen  in  Teilungen  der  ursprünglichen  Weiss¬ 
sehsubstanz  in  Gelb-  und  Blausehsubstanz,  beide  gleich  stark  erregt, 
geben  zunächst  noch  Weiss.  Erst  dann  teile  sich  die  Gelbsehsub¬ 
stanz  in  eine  Rot-  und  Grünsehsubstanz,  deren  gleichstarke  Erregung 
die  Empfindung  der  Muttersubstanz,  also  Gelb  hervorbringe.  Die 
typischen  Fälle  angeborener  Farbenblindheit  beständen  dann  in  einem 
als  Entwicklungshemmung  aufzufassenden  Ausbleiben  der  Pan¬ 
chromatisierung  oder  der  Teilungen.  Der  Verfasser  geht  dann  noch 
genauer  auf  seine  Theorie,  deren  Grundgedanke  von  A.  Fick  her- 
riihrt,  ein. 

Interessante  Versuche,  welche  beweisen,  dass  auch  beim  Hunde 
der  Farbensinn  gut  entwickelt  ist,  teilen  A.  Samojloff  und 
A.  I  heophilaktowa  - Kasan  in  einer  Arbeit  Ueber  die 
a  i  b  e  n  Wahrnehmung  beim  Hunde  im  Zentralbl.  f. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2105 


Physiol.,  Bd.  21,  S.  133,  1907  mit;  im  Anschluss  daran  berichtet 
\V.  A.  N  a  g  e  1  -  Berlin  am  selben  Orte  S.  205  über  ähnliche  Versuche. 

Eine  ganze  Reihe  von  Arbeiten  über  Barbenschwäche  und  Far¬ 
benblindheit  ist  in  der  von  W.  A.  Nagel -Berlin  herausgegebenen 
Zeitschrift  für  Sinnesphysiologie  erschienen,  sie  sind  meist  unter 
Nagels  Leitung  ausgeführt  worden.  Es  berichtet  A.  Guttmann 
über  Ein  Fall  von  Grünblindheit  (Deuteranopie) 
mit  ungewöhnlichen  Komplikationen  Bd.  41,  S.  45, 

C  o  1 1  i  n  und  W.  A.  Nagel  über  Erworbene  T  r  i  t  a  m  o  p  i  e 
(Violettblindheit)  Bd.  41,  S.  74,  W.  A.  Nagel  über  Eine 
Dichromatenfamilie  Bd.  4L  S.  154,  W.  A.  Nagel 
über  Fortgesetzte  Untersuchung  zur  Symptomato¬ 
logie  und  Diagnostik  der  angeborenen  Störungen 
des  Farbensinns  Bd.  41,  S.  239  und  319,  C.  L.  Vaughan 
über  Einige  Bemerkungen  über  die  Wirkung  von 
Santonin  auf  die  Farben  empfind  ungen  Bd.  41,  S.  399, 
W.  A.  Nagel  über  Versuche  mit  Eisen  bahn -  Signal¬ 
lichtern  an  Personen  mit  normalem  und  abnormem 
Farbensinn,  1.  Mitteilung,  Bd.  41,  S.  455,  A.  Guttmann  über 
Untersuchungen  über  Farbenschwäche  Bd.  42,  S.  24, 
W.  A.  Nagel  über  Zur  Nomenklatur  der  Farbensinns- 
Störungen  Bd.  42,  S.  65,  B.  May  über  Ein  Fall  totaler 
Farben  Blindheit  Bd.  42,  S.  69. 

Die  Lehre  von  der  intraokularen  Flüssigkeits¬ 
strömung  ist  nicht  begründet,  behauptet  O.  Weiss- 
Königsberg  in  Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  602,  1906, 
denn  für  das  Vorhandensein  eines  Druckgefälles  zwischen  vorderer 
und  hinterer  Kammer  oder  zwischen  Irisvorderfläche  und  Kammer¬ 
winkel  spreche  nicht  eine  einzige  Tatsache.  Vielmehr  habe  man  eine 
Strömung  im  Auge  nur  insofern  anzunehmen,  als  bei  Schwankungen 
des  Druckes  von  den  Augengefässen  aus  ein  Zu-  oder  Abfluss  von 
Flüssigkeit  vermutlich  in  allen  gefässfiihrenden  Abschnitten  statthat. 

In  das  Gebiet  der  Muskelphysiologie  fallen  die  folgenden 
Arbeiten. 

Interessante  Untersuchungen  Zur  Theorie  der  Kontrak¬ 
tilität.  I.  Kontraktilität  und  Doppelbrechungs¬ 
vermögen  hat  Th.  W.  Engelmann  -  Berlin  in  seinem  Archiv 
1907,  S.  25  veröffentlicht.  Der  Verfasser  hat  früher  schon  den  Satz 
ausgesprochen:  Kontraktilität,  wo  und  in  welcher  Form  sie  auftreten 
möge,  ist  gebunden  an  die  Gegenwart  doppelbrechender,  positiv 
einachsiger  Teilchen,  deren  optische  Achse  mit  der  Richtung  der  Ver¬ 
kürzung  zusammenfällt.  Die  Behauptung  wird  nun  nach  verschie¬ 
denen  Richtungen  hin  bewiesen.  Einige  diesbezügliche  Fundamental¬ 
sätze  seien  zitiert. 

Alle  geformten  kontraktilen  Substanzen  sind  doppelbrechend. 

Da,  wo  die  kontraktilen  Fibrillen,  wie  bei  den  quergestreiften 
Muskeln,  aus  abwechselnd  iso-  und  anisotropen  Gliedern  bestehen, 
sind  nachweislich  die  anisotropen  (doppelbrechenden)  —  und  wahr¬ 
scheinlich  nur  sie  —  Sitz  verkürzender  und  verdickender  Kräfte. 

Alle  kontraktilen  Formelemente  sind  positiv  einachsig  doppel¬ 
brechend  (d.  h.  sie  brechen  den  ausserordentlichen  Strahl  stärker  als 
den  ordentlichen)  und  bei  allen  fällt  die  optische  Achse  mit  der  Rich¬ 
tung  der  Verkürzung  zusammen. 

Die  spezifische,  d.  h.  auf  die  Einheit  des  Querschnitts  bezogene 
Kraft  der  Verkürzung  ist  anscheinend  um  so  grösser,  je  höher  die 
spezifische  Kraft  der  Doppelbrechung  der  kontraktilen  Elemente  ist. 

Bei  der  Ontogenese  der  Muskelfasern  und  der  Flimmerorgane 
treten  Doppelbrechung  und  Kontraktilität  gleichzeitig  auf.  Bei  der 
Umbildung  der  Muskeln  in  elektrische  Organe  schwindet  mit  der 
Kontraktilität  die  Doppelbrechung. 

Bei  der  physiologischen  Kontraktion  der  Muskeln  findet  wie  eine 
Abnahme  der  verkürzenden  Kraft,  so  auch  eine  Abnahme  des  Doppel¬ 
brechungsvermögens  statt.  Bei  der  Erschlaffung  treten  die  entgegen¬ 
gesetzten  Aenderungen  ein. 

Wie  die  verkürzende  Kraft  des  Muskels  nimmt  auch  die  Kraft 
der  Doppelbrechung  mit  der  Belastung  (Dehnung)  zu. 

Wenn  quergestreifte  Muskelfasern  durch  chemische  Agentien  zur 
Quellung  gebracht  werden,  verkürzen  und  verdicken  sie  sich  unter 
gleichzeitiger  Abnahme  ihres  Doppelbrechungsvermögens.  Durch 
entgegengesetzt  wirkende  Agentien  können  beide  Arten  von  Ver¬ 
änderungen  wieder  rückgängig  gemacht  werden. 

Auch  alle  leblosen  faserigen  Gewebselemente,  welche  positiv 
doppelbrechend  und  merklich  quellungsfähig  sind,  besitzen  das  Ver¬ 
mögen,  sich  unter  Verdickung  in  der  Richtung  der  optischen  Achse 
zu  verkürzen  wie  z.  B.  Kautschuk.  Auch  ihnen  kommt  also  Kon¬ 
traktilität  zu.  Für  den  physiologischen  Vorgang  schlägt  daher  der 
Verfasser  das  Wort  „Aktionsfähigkeit“  vor.  Demnach  kann  der  tote 
Muskel  noch  Kontraktilität  besitzen,  aber  nur  der  lebende  ist  aktions¬ 
fähig. 

Ueber  einige  Eigenschaften  der  Gefässmus- 
kulatur  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Adrenalin  Wirkung  berichtet  O.  B.  M  e  y  e  r  in  einer  im  Würz¬ 
burger  phvsiologischen  Institut  ausgeführten  gekrönten  Preisschrift 
(v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  48,  S.  352,  1906).  Als  besonders  ge¬ 
eignetes  Versuchsmaterial  erwiesen  sich  Muskelnnge  aus  Rinder- 
subklavien  oder  Karotiden,  die  mit  einer  Schreibvorrichtung  verbun¬ 
den  in  konstant  körperwarmer,  sauerstoffhaltiger  Ringer  scher  Lö¬ 
sung  beobachtet  wurden.  Zur  Beseitigung  der  Dauerkontraktion  er¬ 


wies  sich  eine  15  Minuten  lange  Dehnung  durch  Belastung  vorteilhaft. 
Spontane  Kontraktionen  zeigten  die  Präparate  nicht. 

Rasche  Erwärmung  der  Präparate  von  10—30°  C  wirkte  er¬ 
regend.  Auf  einen  Oeffnungsinduktionsschlag  hin  erfolgte  eine  Zuk- 
kung  mit  um  so  länger  dauerndem  Stadium  der  Erschlaffung,  je 
niedriger  die  Spannung  war.  Die  Latenzzeit  war  30—80  mal  grösser 
als  beim  quergestreiften  Muskel.  Wurde  das  Präparat  kühl  auf¬ 
bewahrt,  so  blieb  es  13  Tage  lang  erregbar,  bei  Körpertemperatur 
nur  12  Stunden.  Adrenalin  veranlasst«  eine  ziemlich  steile  Zuckungs¬ 
kurve,  die  stundenlang  auf  der  Höhe  blieb,  bei  niederer  Temperatur 
fand  keine  Reizung  durch  Adrenalin  statt;  0,00006  mg  Adrenalin  :1g 
war  gerade  noch  wirksam.  Das  Adrenalin  war  auswaschbar,  mit  der 
Zeit  wurde  es  vom  Gewebe  zerstört.  Im  Blutserum  ist  eine  adrenalin¬ 
ähnliche  Substanz  enthalten.  Auch  auf  die  Lungengefässmuskulatur 
wirkte  Adrenalin  im  Gegensatz  zu  anderen  Angaben.  Atropin,  Kokain 
und  Kurare  sind  Antagonisten  des  Adrenalins,  wirken  also  gefäss- 
erweiternd.  Adrenalin  wirkt  wahrscheinlich  auf  nervösem  Wege. 

Sehr  beachtenswerte  Beiträge  zur  Physiologie  der 
peristaltischen  Bewegungen  des  embryonalen 
Darmes  hat  J.  Yanase-Wien  geliefert  (Pflügers  Arch.  f.  d. 
ges.  Physiol.,  Bd.  117,  S.  345,  1907).  Er  fand  bei  Untersuchungen  von 
Meerschweinchenembryonen,  dass  die  peristaltische  Bewegung  zwi¬ 
schen  dem  25.  und  26.  Tage  beginnt.  Die  histologische  Untersuchung 
ergab,  dass  gerade  zu  dieser  Zeit  der  nervöse  Apparat  sich  in  der 
Längsmuskulatur  entwickelt.  Die  Ringmuskulatur  ist  schon  früher 
angelegt  als  die  Längsmuskulatur,  sie  ist  reizbar  aber  enthält  keine 
nervösen  Elemente  und  zeigt  dementsprechend  auch  keine  peristal¬ 
tische  Bewegung.  Aus  alledem  wird  geschlossen,  dass  die  automati¬ 
schen  Bewegungen  neurogenen  Ursprungs  sind.  Im  Anschluss  daran 
wäre  nochmals  genau  zu  untersuchen,  ob  das  embryonale  Herz  in  der 
Tat  schon  vor  Ausbildung  seiner  nervösen  Elemente  rhythmisch 
schlägt,  wie  insbesondere  H  i  s  behauptet  hat. 

In  Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  116,  S.  252,  1907  wirft 
A.  Müller-  Wien  die  Frage  auf :  Wie  ändern  die  von  glat¬ 
ter  Muskulatur  umschloss  ein  en  Hohlorgane  ihre 
Grösse?  Die  Antwort  lautet:  Nicht  durch  Verlängerung  und  Ver¬ 
kürzung  ihrer  Muskelelemente  allein,  sondern  auch  durch  Umordnung 
derselben,  wobei  das  intramuskuläre  Bindegewebe  eine  grosse  Rolle 


Knieseh nen- 
117,  S.  108,  1907) 
dass  die  Zuckung 
spricht,  dass  die 


spielt. 

Zwei  Warmblüternervmuskelpräparate  und  zwar  die  ausseren 
Augenmuskeln  des  Hundes,  noch  besser  einen  Streifen  Zwerchfell  mit 
dem  Nervus  phrenicus  empfiehlt  F.  B  o  La  z  z  i  -  Neapel  in  v.  Voits 
Zeitschr.  f.  Biol..  Bd.  48.  S.  342,  1906  und  im  Zentralbl.  f.  Physiol., 
Bd.  21,  S.  171,  1907,  zu  Muskelversuchen. 

Versuche  über  die  Struktur  des  quergestreiften 
Muskels  im  ruhenden  und  tätigen  Zustande  und 
über  seinen  Aggregatzustand  teilt  K-  H  ü  r  t  h  1  e  -  Breslau 
in  Rosenthals  biol.  Zentralbl.,  Bd.  27,  S.  112,  1907  mit. 

Ausgedehnte  Untersuchungen  über  die  galvanische 
Muskelzuckung  des  gesunden  Menschen  hat  J.  Kol¬ 
lar  i  t  s  -  Ofen-Pest  (Engelmanns  Arch.  f.  Physiol.,  1906,  Suppl.  S.  276) 
angestellt. 

In  einer  Arbeit:  Zur  Physiologie  des 
reflexes  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd. 
kommt  N.  Scheven  -  Rostock  zu  dem  Resultate, 
durch  indirekte  Reizung  zu  stände  kommt;  dafür  . 

Reflexzeit  beim  Sehnenphänomen  ungefähr  doppelt  so  gross  ist  als  die 
Latenzzeit  bei  direkter  Muskelreizung,  wie  durch  Versuche  eimittelt 
wurde.  Dafür  spricht  ferner  die  Art  der  Bewegung  bei  sukzessiver 
Steigerung  der  Reizfrequenz. 

Ueber  Dauerverkürzungen  an  gelähmten  Mus¬ 
keln  berichtet  S.  S  a  i  t  o  -  Würzburg  in  v.  Voits  Zeitschi.  f.  Biol., 
Bd.  48,  S.  340,  1906.  Die  Muskeln  wurden  durch  Einhängen  in  be¬ 
stimmte  Lösungen  ihrer  Erregbarkeit  beraubt  und  dann  von  einem 
konstanten  Strome  durchströmt.  Unter  diesen  Umständen  geben  sie 
weder  bei  Schliessung  noch  bei  Oeffnung  des  Stromes  Zuckung  od-ei 
Tetanus,  dagegen  Dauerverkürzung,  die  in  der  kathodischen  Hältte 
grösser  als  in  der  anodischen  ist.  Die  Verkürzung  lässt  im  Laufe 
der  Durchströmung  nach  (Aenderung  der  Wasserverteilung.  ). 

Bei  derartig  elektrisch  unerregbaren  Muskeln  erzeugt  ein  Schlag 
auf  den  Muskel  gleichfalls  Dauerverkürzung.  Nach  Verfassers  An¬ 
sicht  beruht  vielleicht  auf  ähnlichen  Umständen  die  idiomuskulare 

Kontraktion.  „ . 

Aus  instruktiven  Versuchen  überden  postmo  r  t  a  1  e  n  Gl  y- 
kogenschwund  in  den  Muskeln  und  seine  A  b  h  a  n  g  l  g  - 
keit  von  physiologischen  Bedingungen  (Hofmeisters 
Beitr.  z.  ehern.  Physiol.  u.  Pathol..  Bd.  8,  S.  -10,  1906)  schliefst 
F.  Kisch-  Wien,  dass  der  Schwund 
erfolgt. 

Sehr  bemerkenswerte  Beitr 
Wärmestarre  des  Muskels 

(v.  Voits  Zeitschr.  f.  Biol.,  Bd.  48.  S.  . —  —  ...  ,  ,. 

gebildeter  Methodik  gewonnen.  Untersucht  wurde  insbesondere  d  i 
Beziehung  zwischen  den  Verkürzungsstufen  des  Muskels  >ei  zu¬ 
nehmender  Temperatur  und  den  Eiweissfraktionen  des  mit  ?mger- 
lösung  verdünnten  Muskelpressaftes.  Dabei  zeigte  sich, .  dass  nic  i 
notwendig  Verkürzungsstufe  mit  einer  Eiweissfallung  bei  derselben 
Temperatur  zusammenfallen  muss. 


durch  ein  diastatisches  Ferment 


ä  g  e 
hat 
313. 


zur  Kenntnis  der 
C.  I  n  a  g  a  k  i  -  Würzburg 
1906)  mit  Hilfe  gut  durch- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


;iu6 


Mit  der  Physiologie  des  peripheren  und  zentralen  Nerven¬ 
systems  befassen  sich  die  folgenden  Arbeiten: 

lieber^  e  1  e  k  t  r  o  pathologische  Untersuchungen 
111.  Die  Elektropathologie  des  Warmblüternerven, 
sowie  der  Veränderungen  der  elektrischen  Eigen¬ 
schaftender  Nerven  überhaupt  beim  Absterben  und 
Degenerieren  von  H.  Boruttau  - Göttingen  siehe  Pflügers 
Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  115,  S.  287,  1906. 

Als  Hauptergebnis  einer  Arbeit  von  A.  B  e  t  h  e  -  Strassburg 
über  Neue  Versuche  über  die  Regeneration  der  Ner¬ 
venfasern  (Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.,  Bd.  116,  S.  385. 
1907)  ist  hervorzuheben,  dass  nach  Ansicht  des  Verfassers  der 
Neurotropismus  zum  grossen  Teil  Eigenschaft  des  Perineuriums  ist. 
Erst  sekundär  folgen  die  Nervenfasern  den  vom  Bindegewebe  ge¬ 
schaffenen  Bahnen. 

I.  Das  Myelotom,  ein  Apparat  zur  Ausführung 
genau  begrenzter  Durchschnei  düngen  und  die  Folgen 
der  mit  diesem  Apparat  vorgenommenen  II.  Median  Spaltung 
des  Kleinhirns  am  Kaninchen  beschreibt  W.  Tren¬ 
del  e  n  b  u  r  g  -  F  reiburg  i.  B.  in  Studien  zur  Operations¬ 
technik  am  Zentralnervensystem  in  Engelmanns  Arch. 
f.  Physiol.,  1907,  S.  83.  16 — 20  Tage  nach  der  Durchschneidung  ver¬ 
schwanden  die  anfangs  vorhandenen  Störungen  der  Bewegung. 

Ueber  Versuche  über  die  Innervation  der  Atembe¬ 
wegungen  siehe  die  Arbeit  von  R.  N  i  c  o  1  a  i  d  e  s  -  Athen  in 
Engelmanns  Arch.  f.  Physiol.  1907,  S.  68. 

Eine  Einwirkung  der  Grosshirnrinde  auf  Blut¬ 
druck  und  Organvolumen  hat  E.  Weber  -  Berlin  (Engel¬ 
manns  Arch.  f.  Physiol.,  1906,  S.  495)  festgestellt,  indem  er  fand 
dass  diejenigen  quergestreiften  Muskeln,  welche  von  der  Grosshirn- 
linde  aus  durch  elektrische  Reizung  der  Rinde  in  Bewegung  versetzt 
werden,  ihr  Volum  durch  Blutzufluss  vergrössern,  während  gleich¬ 
zeitig  der  Blutgehalt  des  Darmes  abnimmt. 

Sehr  auffallende  Verschiedenheiten  in  der  Stärke  dieser  Re¬ 
aktion  bei  verschiedenen  Tieren  veranlassten  denselben  Ver¬ 
fass  e  r  zu  Versuchen  über  denEinflussderLebensweise 
und  F  o  r  t  b  ewegungsart  auf  die  Beziehungen  zwi¬ 
schen  Hirnrinde  und  Blutdruck  (Engelmanns  Arch.  f. 
Physiol.,  1906,  Suppl.  S.  309).  Dabei  stellte  sich  heraus,  dass  die 
yvrf  .on  (Bewegung  und  Zunahme  des  Volumens)  um  so  stärker  aus¬ 
fällt,  je  mehr  das  Tier  die  betreffenden  Muskeln  gebraucht.  Der 
Hund  arbeitet  z.  B.  normaler  Weise  mehr  mit  der  Beinmuskulatur, 
reizt  man  daher  das  betreffende  Zentrum,  dann  tritt  starke  Reaktion 
ein.  Die  Katze  dagegen  gebraucht  mehr  die  Rumpfmuskulatur,  eine 
starke  Reaktion  ist  daher  auch  von  deren  Zentrum,  das  aber  im 
Mnmhirn  gelegen  ist,  zu  erhalten,  während  auf  Reizung  des  Zentrums 
für  die  Beinmuskulatur  nur  ein  geringer  Erfolg  zu  erzielen  ist.  Wieder 
ein  Beispiel  für  funktionelle  Anpassung. 

Dass  in  der  Tat  glatte  Muskulatur  auf  einen  Reiz  von  der  Gross- 
hirnrinde  her  mit  einer  Kontraktion  antwortet,  geht  aus  einer  Arbeit 
\on  Li  e  b  e  n  -  Prag:  Zur  Lehre  von  den  Beziehungen 
der  Grosshirnrinde  zu  den  Pilomotoren  (Zentralbl. 

.  I  hysiol.,  Bd.  20,  S.  485,  1906)  hervor.  Die  Arrektionsbewegung 
der  langen  und  starken  Schwanzhaare  des  Ziesels  wird  durch  mächtig 
ausgebildete  glatte  Muskulatur,  welche  an  der  Wurzel  der  Haare  in¬ 
sei  lert,  besorgt.  Es  liess  sich  denn  auch  in  unmittelbarer  Nähe 
des  Sinus  durae  matris  transversus  eine  Stelle  der  Rinde  finden,  deren 
Keizung  starke  Bewegung  der  Schwanzhaare  hervorrief. 

R.  v.  Pfun  gen- Wien  gibt  in  einer  Arbeit:  Ueber  den 
Einfluss  der  Reizung  des  kortikalen  Darmzen- 
t !  um  sauf  den  Dünndarm  und  den  Sphincter  ileo- 

Bd  ma  9SweiSon?Und  in  Pflügers  Arch-  f.  d.  ges.  Physiol.. 
fT '.J  ,  .?■  38t:  90"  an<  lm  Gyrus  suprasilvius  ant.  und  im  vordersten 

haben  ^  °yrUS  suprasPlenialis  ant.  ein  Zentrum  gefunden  zu 

Nür  wenige  Arbeiten  betreffen  die  Physiologie  der  Zeugung  und 
Entwicklung.  Ueber  das  Schicksal  der  nicht  ejaku- 
1 1  e  r  t  e  n  Spermatozoen  hat  H.  K  o  e  n  i  g  s  t  e  i  n  -  Wien  Unter- 

SUC  oo^Snn1SeFteI  1  ^P^sers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol,  Bd.  114, 

S.  199,  1906).  Er  fand,  dass  die  Spermatozoen  in  der  Samenblase 
eine  Reihe  von  Veränderungen  ihrer  Gestalt  und  chemischen  Zu¬ 
sammensetzung  erfahren,  in  deren  Verlauf  es  zur  Bildung  eosino- 
plider  Kugeln  kommt,  die  schliesslich  der  Verflüssigung  und  Körn- 
chenbildung  anheimfallen. 

d  e  «An  i  nelnfr  Ar5eit  VOn  I  k  e  d  a  -  Wien:  Zum  Einflüsse 
des  üanglion  hypogastricum  auf  die  Geschlechts- 
funktionen  (Zentralbl.  f.  Physiol.,  Bd.  20,  S.  590  1906)  geht  her 

EHkuläion  stellt0311^011  CnKSter  Bcziehung  zur  Errektion  und 

Versuche  von  A.  S  t  a  ub  er- Wien:  Ueber  das  embryo- 
n  a  I  e  A  u  r  t  reten  diastatischer  Fermente  (Pflüders  Arch 

schönen' dPJypa0l'VBd‘  Hp'  ?'  6l9,  1906)  ergaben*  dass  die  Fermente 
schon  in  der  I  arotis,  im  Pankreas  und.  was  bemerkenswert  ist.  in  der 

Tin  mus  vorhanden  sind,  noch  bevor  die  verdauende  Tätigkeit  des 
Digestionsapparates  in  Kraft  tritt.  s  es 


Inauguraldissertationen. 

Mastitis,  und  Biersche  Stauung  betitelt  sich  eine  Er¬ 
langer  Dissertation  von  Georg  Sauer,  der  das  Material  der  Er¬ 
langer  Frauenklinik  zu  gründe  liegt.  Der  Verfasser  gibt  eine  um¬ 
fangreiche  Statistik,  aus  der  er  folgendes  positive  Resultat  aufstellt  * 
Die  Stauungsbehandlung  nach  Bier-Klapp  bei  Ma¬ 
stitis  ist  dringend  zu  empfehlen,  da  dieselbe  1.  mindestens  die 
Hälfte  der  Fälle  noch  coupiert,  welche  bei  den  bisherigen  Methoden 
zur  Eiterung  kommen  würden,  2.  die  bei  der  Abszedierung  sonst  ge¬ 
wohnten  6  Erkrankungswochen  bis  auf  3  und  4  abkürzt,  3.  grössere 
operative  Eingriffe  vermeidet  und  daher  die  erkrankte  Drüse  funk¬ 
tionell  und  kosmetisch  schont,  4.  so  leicht  auszuführen  ist,  dass  auch 
der  praktische  Arzt  ohne  viel  Zeitverlust  und  Mühe  im  stände  ist. 
die  Methode  sich  anzueignen.  F.  L. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Greifswald.  September  1907. 

14.  Krüger  Franz:  Beobachtungen  über  den  Geburtsverlauf  beim 
engen  Becken. 

15.  Birch  Johannes:  Ueber  Resectio  ovarii. 

16.  Wrembel  Wenzel:  Ueber  ungewöhnliche  Lokalisation  sub- 
periostaler  Abszesse  im  Anschluss  an  akute  Streptococcus-mu- 
cosus-Otitis. 

Universität  München.  August  und  September  1907. 

70.  Biller  Simon:  Zur  Kasuistik  perforierender  Verletzungen  der 
Sklera  und  Kornea. 

71.  Boehm  Gottfried:  Die  Bedeutung  der  durch  Hetol  (zimtsaures 
Natron)  hervorgerufenen  Hyperleukozytose  bei  der  intravenösen 
und  subkutanen  Milzbrandinfektion  des  Kaninchens. 

72.  Oehmig  Otto:  Ueber  einen  Fall  von  multiplen  Leberabszessen. 

73.  Blumenthal  Paul:  Beitrag  zur  Kasuistik  von  Gehirntumoren 
(Gliosarkom  des  Zerebellium). 

74.  Spenge!  Rudolf:  Ueber  Blutdruckerniedrigung  bei  beginnender 
Lungentuberkulose. 

75.  Aurnhammer  Albert:  Milchversorgung  der  Stadt  München. 

76.  Engel  Heinrich:  Ein  Fall  von  hypertrophischer  Pylorusstenose 
im  Säuglingsalter.  (Mit  Abbildungen.) 

77.  Götz  Heinrich:  Ueber  den  Einfluss  fluoreszierender  Sub¬ 
stanzen  auf  die  Spaltung  von  Glukosen  in  alkalischer  Lösung. 

78.  Linde  Max:  Pupillenuntersuchungen  an  Epileptischen,  Hyste¬ 
rischen  und  Psychopathischen. 

79.  Stambach  Ludwig:  Bildung  einer  Nervenanastomose  zwischen 
N.  medianus  und  radialis  infolge  Radialislähmung  nach  kom¬ 
plizierter  Oberarmfraktur. 

80.  Braun  Carl:  Hernia  parajejunalis.  (Mit  einer  Tafel.) 

81.  v.  Skopnik  Amelie:  Ueber  Epithelzysten  des  Oesophagus. 
(Mit  zwei  Abbildungen.) 

82.  Ortloph  Wilhelm:  Coxa  vara  ein  Frühsymptom  bei  Osteo¬ 
malazie. 

83.  Zander  Paul:  Wie  viele  unter  1000  Wöchnerinnen  sind  unfähig 
zu  stillen  und  welches  sind  die  Ursachen? 

84.  Schäfer  Paul:  Der  Plattenepithelkrebs  der  Glandula 
Thyreoidea. 

85.  Schmorell  Hugo:  Ueber  die  Wärmewirkung  auf  Invertin  bei 
Anwesenheit  und  Abwesenheit  verschiedener  chemischer  Körper. 

86.  Messelhäusser  Hans :  Myom  als  Geburtshindernis. 

87.  Ems  Fritz:  Persistenz  des  Foramen  ovale  und  paradoxe  Embolie. 

88.  Kolb  Otto:  Zur  Pathologie  der  Gallenwege.  Ein  Fall  von  hoch¬ 
gradiger  kystenartiger  Erweiterung  des  Ductus  hepaticus  und  des 
Ductus  choledochus. 

89.  Schnaar  Hermann:  Ueber  Amyloidosis  bei  Granularatrophie 
der  Nieren. 

90.  R  u  pp  Adolf:  Zwei  Fälle  von  Bulbusruptur  mit  subkonjunktiver 
Linsenluxation  und  Herausschleuderungen  der  Linse  aus  dem 
Auge.  (Mit  1  Tafel.) 

91.  Werner  Karl:  Ueber  einen  Fall  von  hochgradiger  Hepatoptose 
verbunden  mit  verschieblicher  Intermittierender  Hydronephrose. 

92.  Gift  Adolf:  Traumatische  Atresien  des  Gehörganges. 

93.  S  c  h  r  e  d  1  Leo :  Ueber  einen  Fall  von  Thrombose  der  Mesenterial¬ 
venen  und  der  Vena  portae  mit  folgender  Abszessbildung  in  der 
Leber  nach  Appendicitis  perforativa. 

94.  Ichenhäuser  Menki:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  beiderseitigen 
Tubargravidität. 

95.  R  e  i  c  h  a  r  d  t  Felix:  Ein  Fall  von  angeborener  infantiler 
Myxidiotie. 

96.  Kretzmer  Eugen:  Ueber  seltene  Befunde  bei  Appendizitis. 

1.  Fall:  Empyem  und  Hydrops  des  Wurmfortsatzes  mit  Invagi- 
nation  des  Zökumkopfes.  2.  Fall:  Ein  Fall  von  permanenter 
Appendixfistel.  (Mit  Abbildungen.) 

97.  Voigt  Felix:  Ueber  die  Entwicklung  und  den  feineren  Bau  des 
Ligamentum  spirale  in  der  Gehörschnecke. 

98.  L  ö  w  e  n  b  e  r  g  Max:  Ueber  Hyperämiebehandlung  nach  Bier 
bei  Epididymitis  und  Arthritis  gonorrhoica. 

".  Grimm  Paul:  Ueber  sekundäres  und  intramedulläres  Karzinom 
des  Rückenmarkes.  (Mit  2  Abbildungen.) 

100.  Lau  tz  August:  Beitrag  zur  Kasuistik  der  Tumoren  des  Klein- 
hirnbruckenwinkels. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2107 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Erste  Jahresversammlung  der  Gesellschaft  deutscher 

Nervenärzte 

in  Dresden  am  14.  und  15.  September  1907. 

Rericht  unter  teilweiser  Benützung  von  Autoreferaten  erstattet  von 
Dr.  v.  Rad,  Nervenarzt  in  Nürnberg. 

Die  von  120  Teilnehmern  besuchte  Versammlung  wurde  namens 
des  provisorischen  Vorstandes  von  O  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin  eröffnet 

und  beg  i(jer  Vorstandschaft,  welche  per  Akklamation  erfolgt, 

ergibt  als  I.  Vorsitzenden  E  r  b  -  Heidelberg,  als  II.  Oppenheim- 
Berlin-  zu  Schriftführern  wurden,  nachdem  H  o  f  m  a  n  n  -  Heidelberg 
abgelehnt  hatte,  Schönborn  -  Heidelberg  und  Bruns  -  Hannover 
gewählt.  Als  weitere  Vorstandsmitglieder  wurden  v.  Frankl- 
H  och  wart-  Wien,  S  ä  n  g  e  r  -  Hamburg,  v.  M  o  na  k  o  w  -  Zürich. 

E  d  i  n  g  e  r  -  Frankfurt  und  N  o  n  n  e  -  Hamburg  gewählt. 

Zu  Ehrenmitgliedern  wurden  ernannt:  Victor  Horsley,  v. 
Eiselsberg,  Dejerine,  Henschen. 

N  ei  s  s  e  r  -  Stettin  hielt  dann  das  Reterat  über  die  Hirn- 
cunktion.  Diese  Methode,  deren  Brauchbarkeit  von  Weintraud 
Ascoli,  Unverricht,  Schulze,  Pfeffer  u.  a  bestätigt 
wurde,  verdient  eine  feste  Stellung  in  den  Massnahmen  der  Klinik. 

N  geht  im  einzelnen  auf  die  Technik  der  Hirnpunktion  ein  und 
empfiehlt  das  Besteck  der  Firma  Cassel  in  Frankfurt  a.  M.  (ein¬ 
fache  Stahlnadel,  Elektromotor),  Narkose  sei  nicht  erforderlich,  der 
Aethvlspray  den  lokalanästhesierenden  Injektionen  vorzuziehen. 

Diagnostische  Resultate  wurden  erzielt:  1.  bei  Hamatomen, 

2  bei  Zysten,  3.  bei  Tumoren,  4.  bei  Abszessen  (dagegen  ist  von 
therapeutischer  Entleerung  von  Abszessen  in  keiner  Weise  die  Rede), 

5.  bei  Hydrozephalus.  _  T 

Bei  der  grossen  Anzahl  von  Hirnpunktionen,  die  N.  vorgenommen 
hat,  habe  er  nur  in  2  Fällen  ernstere  Folgeerscheinungen  (u.  a.  bei 

einem  gefässreichen  Tumor)  gesehen.  .  .  ,  Aat, 

Fedor  Krause-  Berlin  referiert  über  Chirurgische  Therapie  der 
Gehirnkrankheiten  mit  Ausschluss  der  Geschwülste. 

Die  Epilepsie  und  zwar  die  für  den  Chirurgen  wichtigste  Form, 
die  Jackson  sehe,  ist  keine  Krankheit  sui  generis,  sondern  stellt 
einen  Symptomenkomplex  dar,  der  bei  vielen  Leiden  des  uehirns 
und  seiner  Häute  vorkommt,  also  durch  die  verschiedenen  Ursachen 
ausgelöst  werden  kann.  Vor  allen  Dingen  sind  die  t  r  a  um  atischen 
Fälle  izu  sondern.  Am  einfachsten  liegen  die  Verhältnisse,  wenn 
eine  Verletzung  am  Schädel  die  motorische  Region  betroffen  hat  und 
ein  Bluterguss,  ein  Knochensplitter  oder  eine  Depression,  Zysten  oder 
Narbenbildung,  entzündliche  und  eitrige  Prozesse  die  Hirnrinde  un¬ 
mittelbar  in  Mitleidenschaft  ziehen.  Solche  traumatische  Epilepsien 
sind  seit  langer  Zeit  operativ  behandelt  worden  indem  man  die 
Narben  der  weichen  und  knöchernen  Schädeldecken  herausschnitt, 
nötigenfalls  eine  Trepanation  ausführte,  Knochensplitter  entfernte, 
Zysten  und  Abszesse  entleerte,  auch  die  narbig  veränderten  Hirn¬ 
häute  und  Hirnteile  exzidierte.  An  einem  25  jährigen  Kranken  werden 
die  Vorgefundenen  Veränderungen  demonstriert nach  der  sehr  aus¬ 
gedehnten,  in  drei  Zeiten  ausgeführten  Trepanation  trat  Heilung  ein. 

Das  Hauptgebiet  der  operativen  Tätigkeit  sind  die  nicht 
traumatisch  entstandenen  Formen  der  Jackson  sehen  Epi¬ 
lepsie.  Zuerst  bespricht  Kr.  jene  Fälle,  die  sich  an  die  z  e  r  eb  i  al  e 
Kinderlähmung  anschliessen.  Bei  einem  15  jährigen  Mädchen 
fand  sich  in  dem  primär  an  den  Krämpfen  beteiligten  Armzentrum 
dicht  unter  der  Hirnrinde  eine  enzephalitische  Zyste  von  etwa  200  ccm 
Inhalt.  Nach  ihrer  Beseitigung  ist  seit  14  Jahren  nicht  allein  Hebung 
von  der  Epilepsie  schwersten  Grades  eingetreten,  sondern  die  zuvor 
vollkommen  verblödete  Kranke  hat  ihren  Verstand  wieder  gewonnen 
und  sich  zu  einem  normalen  Menschen  entwickelt.  Die  sogenann  e 
Porenzephalie  stellt  eine  Defektbildung  dar,  die  von  der  Gehirn¬ 
oberfläche  ausgehend,  verschieden  weit  in  die  Tiefe,  selbst  bis  m  den 
Seitenventrikel  hinein,  reichen  kann.  Die  porenzephalische  Zyste 
liegt  an  der  Gehirnoberfläche  und  wird  von  der  Arachnoidea  über¬ 
zogen,  während  die  Pia  mater  mit  der  anliegenden  Hirnrinde  die 
übrige  Zystenwand  darstellt.  Der  Porenzephalus  kommt  ange  mren 
vor  und  kann  zu  Epilepsie  Veranlassung  geben.  So  fand  Kr.  bei 
einem  13  jährigen  epileptischen  Mädchen  drei  derartige  Lys  en- 
bildungen  in  der  Zentralregion  neben-  und  untereinander.  Es  gibt 
aber  auch  erworbene  Formen  der  porenzephalischen  Zyste;  und 
mehrere  derartige  Operationsbefunde  werden  demonsti  lei  t. 

In  anderen  Fällen  von  Rindenepilepsie  nach  zerebraler  Kinder¬ 
lähmung  zeigen  sich  Narbenbildungen  an  der  Gehirnoberflache,  ohne 
dass  aus  den  Symptomen  diese  Veränderung  mit  Sicherheit  zu  er¬ 
kennen  wäre.  .  ,  ..  ..  , 

Weiter  bespricht  Kt.  die  schweren  anatomischen  Veranderunge  , 
die  er  in  zahlreichen  Fällen  J  a  c  k  s  o  n  scher  Epilepsie  an  den  an¬ 
häuten,  namentlich  der  Arachnoidea  gefunden,  während  das  uemrn 
sich  anatomisch  normal  verhielt.  —  Die  letzte  Gruppe  umfasst  jene 
Formen  der  Jackson  sehen  Epilepsie,  wo  sich  bei  der  Operation 
gar  keine  oder  keine  wesentlichen  Abnormitäten  am  Gehirn  und  seinen 
Häuten  finden.  In  allen  diesen  Fällen  führt  Kr.  die  Exzision  des 
primär  krampfenden  Hirnzentrums  aus.  Diese  Methode  führt  zu  Et- 
folg,  wenn  man  nicht,  wie  das  häufig  geschehen,  das  Zentrum  nach 


anatomischen  Merkmalen  bestimmt,  die  durchaus  unzuverlässig  sind, 
sondern  hierzu  die  elektrische  Reizung  mit  den  notwendigen  strengen 
Vorsichtsmassregeln  verwendet.  Ist  auf  diese  Weise  das  Zentrum 
gefunden,  so  erfolgt  die  Exzision  im  Zusammenhang  mit  den  weichen 
Hirnhäuten  und  zwar  bis  zur  weissen  Substanz,  d.  h.  in  einer  durch¬ 
schnittlichen  Tiefe  von  5 — 6  mm.  Die  Gefahr  dei  Operation  wird 
durch  die  Exstirpation  eines  kleinen  Hirnrindenabschnittes  nicht  ver- 
grössert,  die  zunächst  eintretenden  Lähmungen  und  sensiblen  Stö¬ 
rungen  gehen  zurück.  Vom  Tierexperiment  ist  dies  seit  langem  be¬ 
kannt.  —  Kr.  bespricht  dann  die  Ergebnisse,  die  er  bei  der  einpoligen 
faradischen  Reizung  der  Hirnrinde  bekommen  und  demonstriert  die 
bei  18  Menschen  festgestellten  Reizpunkte  der  verschiedenen 
Körpermuskeln;  sie  liegen  nämlich  in  der  vorderen  Zentralwindung, 
da  nur  diese  sich  als  elektrisch  erregbar  erwiesen  hat.  In  Ueberein- 
stimmung  damit  hat  auch  die  durch  Herrn  Dr.  Brodmann  aus¬ 
geführte  mikroskopische  Untersuchung  der  exzidierten  Hirnrinden¬ 
stücke  ergeben,  dass  diese  der  vorderen  Zentralwindung  angehören. 
—  Von  den  anderen  zum  Thema  gehörigen  Hirnerkrankungen  demon¬ 
striert  Kr.  eine  Reihe  physiologisch  und  klinisch  interessanter  Fälle, 
bei  denen  Fremdkörper  durch  Verletzung  ins  Gehirn  gelangt  waren. 
Weiter  behandelt  er  an  eigenen  Beobachtungen  die  Gehirn- 
a  b  s  z  e  s  s  e,  zunächst  die  traumatischen,  dann  die  metastatischen, 
wie  sie  namentlich  von  Eiterungen  der  Organe  der  Brusthöhle  aus 
entstehen,  ferner  die  Abszesse;  im  Gefolge  von  Schädeldecken¬ 
erkrankungen,  namentlich  Tuberkulose,  endlich  die  otitischen  Schläfen- 
und  Kleinhirnabszesse  und  rhinogenen  Eiterungen  im  Stirnhirn.  Im 
Zusammenhang  damit  werden  die  Sinusthrombosen  benigner  und  in¬ 
fektiöser  Natur  erwähnt.  —  Zum  Schlüsse  geht  Kr.  auf  eine  Reihe  von 
Beobachtungen  ein,  in  denen  alle  Erscheinungen  auf  eine  solide  Ge¬ 
schwulstbildung  im  Kleinhirn  oder  in  der  hinteren  Schädelgrube  hin- 
wiesen,  die  operative  Freilegung  der  Veränderungen  anderer  Natur 
aufdeckte.  In  manchen  Fällen  des  Hydrocephalus  internus  handelte  es 
sich  um  eine  wesentliche  Beteiligung  des  4.  Ventrikels.  Allerdings 
können  die  anderen  drei  Ventrikel  auch  in  Mitleidenschaft  gezogen 
sein,  aber  der  4.  Ventrikel  in  so  überwiegendem  Masse,  dass  man 
wirklich  von  einem  Hydrocephalus  des  4.  Ventrikels  zu  sprechen  be¬ 
rechtigt  ist.  Man  findet  diesen  bis  zur  Grösse  eines  Fingerhuts  er¬ 
weitert,  während  die  anderen  nicht  besonders  ektatische  sind.  In 
einigen  Fällen  war  infolge  der  allgemeinen  Drucksteigerung  der  ganze 
Hirnstamm  so  in  das  Foramen  occipitale  hineingespiesst,  dass  ent¬ 
sprechend  dessem  Rande  an  den  benachbarten  Abschnitten  des  Klein¬ 
hirns  eine  tiefe  zirkuläre  Furche  zu  sehen  war.  Auch  eine  Eröffnung 
des  4  Ventrikels  von  hinten  her  war  durch  Schnitte  in  der  Medianlinie 
technisch  ausführbar,  wie  an  Präparaten  gezeigt  wird.  Die  Operation 
käme  zur  Beseitigung  eine  Zystizerkus  des  4.  Ventrikels  eventuell  in 

Frage. 

II.  Sitzung. 

Vorsitzender:  Erb-  Heidelberg. 

L.  R.  M  ü  II  e  r  -  Augsburg:  Ueber  die  Empfindungen  in  unseren 

inneren  Organen.  .  ,  „ 

Der  Vortragende  wendet  sich  gegen  die  von  chirurgischer  Seite 
(L  ennander  und  W  i  1  m  s)  aus  aufgestellte  Behauptung,  dass  die 
inneren  Organe  ganz  unempfindlich  seien  und  dass  von  ihnen  nur 
dann  Schmerzen  ausgelöst  würden,  wenn  die  dort  vorliegende  Störung 
in  irgend  einer  Weise  auf  die  peripheren  Nerven  des  zerebrospinalen 
Systems  einwirke.  Müller  weist  nach,  dass  das  Kopfweh  in  de: 
Gehirnsubstanz  selbst  zustande  komme  und  nicht,  wie  das  allge¬ 
mein  angenommen  wird,  von  den  Hirnhäuten  ausgehe.  Tatsächlich 
erweist  sich  der  Magen  bei  Operationen  und  bei  Tierversuchen  gegen 
alle  äusseren  Engriffe  als  unempfindlich,  es  ist  aber  doch  nicht  an¬ 
gängig,  mit  Len  n  an  der  die  Magenschmerzen  auf  eine  Lymph- 
angitis,  die  sich  bis  zu  den  sensitiven  Nerven  der  hinteren  Bauchwand 
erstreckt,  zurückzuführen.  Vielmehr  lässt  sich  mit  'Sicherheit  dar¬ 
legen,  dass  durch  vermehrten  Salzsäuregehalt  des  Magensaftes 
Magenschmerzen  hervorgerufen  werden  können.  Auch  die  Darm- 
koliken.  die  Gallenstein-  und  Nierensteinkoliken  kommen  nicht,  wie 
das  Lennander  und  W  i  1  m  s  behaupten,  durch  Reizung  dei 
Bauch  wandnerven  zustande.  Viele  Tatsachen  lassen  sich  dafür  an- 
führen,  dass  die  sympathischen  Nervenfasern,  welche  zu  diesen 
Organen  ziehen,  für  die  Schmerzleistung  in  Betracht  kommen.  Stehen 
doch  die  grossen  Geflechte  des  autonomen  Nervensystems  durch  zahl¬ 
reiche  Rami  communicantes  und  durch  die  Nervi  splanchmci  mit  dem 
Rückenmark  in  Verbindung.  Dort  haben  sie  zwar  keine  direkte  Fort¬ 
setzung  nach  dem  Gehirn  zu.  doch  dringen  die  Reize  durch  rarafli- 
sation  auf  die  schmerzleitenden  Fasern,  welche,  aus  den  spinalen 
Nerven  kommend,  ebenfalls  durch  die  graue  Substanz  der  Hinter- 
säulen  ziehen,  zentripetalwärts  zum  Bewusstsein.  So  ist  es  zu  'ver¬ 
stehen,  dass  in  den  Hauptpartien,  deren  Nerven  aus  demselben  Rucken- 
marksabschnitt  stammen,  wie  die  sympathischen  Fasern  des  er¬ 
krankten  Organs,  eine  Ueberempfindlichkeit  gegen  ^^zeindiuc' 
besteht,  wie  dies  He  ad  schon  früher  nachgewiesen  hat.  Aus  den 
Untersuchungen  des  Vortragenden  kann  man  entnehmen,  dass  sic 
die  Sensibilität  der  Blase  and  des  Mastdarms  Santanders  verhalt, 
als  die  des  übrigen  Darms  und  des  Magens.  Die  I  atsache.  dass  ü 
hlneren  Organe  ^für  Reize,  welche  wir  an  de, ' 

finden,  anästhetisch  sind,  kann  somit  nicht  als  Beweis  für  ihre  ab 
solute  Unempfindlichkeit  gelten.  Die  Sensibilität  der  ^neren  Organe 
richtet  sich  nach  der  Art  der  in  Betracht  kommenden  Schädlich- 


2ius 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


keiten.  So  reagiert  das  Gehirn  auf  Intoxikationen,  der  Magen  auf 
ungeeignete  Speisen  mit  Schmerzen;  in  den  muskulären  Hohlorganen 
lösen  erschwerte  oder  verstärkte  Tätigkeit  und  Mangel  an  Blutzufuhr 
peinliche  Empfindungen  aus.  Dem  Sympathikus  fällt  die  Aufgabe  zu, 
getreu  seinem  Namen  solche  Störungen  aus  den  inneren  Organen 
dem  zentralen  Nervensystem  zu  übermitteln. 

L.  Bruns-  Hannover:  Die  chirurgische  Behandlung  der  Rücken- 
markshautgeschwüiste. 

Bruns  will  nicht  über  die  eigentliche  chirurgische  Behandlung 
der  I  umoren  der  Häute  des  Rückenmarkes  sprechen,  sondern  aus  der 
gesamten  Pathologie  dieser  Tumoren  alles  das  hervorheben,  was 
'ür  den  schliesslichen  Rat  zu  einer  chirurgischen  Inangriffnahme  von 
Bedeutung  ist,  was  diesen  Rat  erleichtert  oder  ihn  erschwert.  Er 
spricht  zunächst  über  die  .pathologische  Anatomie,  die  Eorm,  Grösse 
und  den  Sitz  dieser  Geschwülste,  dann  über  ihre  Einwirkung  auf  das 
Rückenmark,  seine  Wurzeln  und  seine  Hüllen.  Darauf  folgt  ein  Ab¬ 
schnitt  über  die  Symptomatologie,  wobei  besonders  Rücksicht  ge¬ 
nommen  wird  auf  die  Fälle  mit  atypischem  Verlauf:  Fehlen  ganzer 
Symptomengruppen,  z.  B.  der  Schmerzen,  und  Aenderungen  in  der 
Aufeinanderfolge  der  Symptome.  Vortr.  weist  mit  Nachdruck  darauf 
hin,  dass  man  auch  in  diesen  atypischen  Fällen  unter  Umständen  zu 
einer  Operation  raten  müsse,  dass  diese  dann  aber  einen  explorativen 
Charakter  habe.  —  Es  folgen  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Allge¬ 
mein-  und  Segmentdiagnose;  besonders  genau  wird  die  Differential¬ 
diagnose  zwischen  Cauda  equina-  und  Lumbodorsalmarkstumoren 
erörtert;  auch  auf  die  Wirbel-  und  Markstumoren  und  auf  die  Menin¬ 
gitis  spinalis  circumscripta  wird  genau  eingegangen.  Hervorgehoben 
w  ird  nochmals,  dass  die  Segmentdiagnose  eines  Tumors  der  Häute 
meist  nur  eine  des  oberen  Randes  sein  kann.  —  Nach  Erörterung  aller 
dieser  Verhältnisse  kommt  Bruns  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  intra- 

o  u  erl,moren  I]ervorragend  günstige  Objekte  für  eine  chirurgische 
Behandlung  seien  und  beweist  das  durch  die  glänzenden  Erfolge 

v-Tr  .  tzes  und  Oppenheims  auf  diesem  Gebiete.  Zum 
Schlüsse  bringt  er  Hochbeinige  Bemerkungen  über  Operationsgefahren. 

Cassierer:  Die  Therapie  der  Erkrankungen  der  Cauda 
equina. 

Die  operative  Behandlung  der  Tumoren  hat  bisher  sehr  schlechte 
Resultate  gehabt.  In  der  Literatur  sind  24  Fälle  vorhanden,  von  denen 
bei  3  die  Operation  zu  einem  Erfolge  geführt  zu  haben  scheint  (Rehr, 
r  e  r  r  l  e  r  and  Ho  rsley,  Kümmel),  in  3  weiteren  scheint  auch 
ein  günstiges  Resultat  erzielt  zu  sein.  Das  wären  25  Proz  in  den 
übrigen  75  Proz.  keine  Heilung.  In  der  Mehrzahl  allerdings  eine  Bes¬ 
serung,  meist  jedoch  vorübergehend,  von  kurzer  Dauer,  ln  mehr  als 
einem  Viertel  .der  Fälle  folgte  auf  die  Operation  ziemlich  rasch  der 
I  od,  oder  die  Operation  konnte  nicht  zu  Ende  geführt  werden.  Die 
Ursachen  der  Misserfolge,  die  besonders  gegenüber  den  Rücken¬ 
markstumoren  bemerkenswert  sind,  liegen  erstens  in  der  Art  der 
umoren,  diese  sind  meist  bösartig  (Karzinom,  Sarkome,  Endotheliome) 
zu  einem  nicht  unerheblichen  Teil  multiple,  wie  die  Ergebnisse  der 
Sektion  deutlich  erkennen  lassen.  Noch  nicht  20  Proz.  betreffen 
relativ  gutartige  Tumoren.  Die  Geschwülste  können  ferner  sehr  gross 
^oer.den-  ~  Schliesslich  ist  die  Diagnose  mit  grossen  Schwierigkeiten 
verbunden.  Für  diese  genügt  nicht  allein  die  Feststellung,  dass  es 
sich  um  einen  Tumor  der  Cauda  handelt,  sondern  es  muss  bei  der 
grossen  Langsausdehnung  eine  genauere  Höhenbestimmung  des 

windHrhprS^Chht  Werw/  Df  sAtdsst  auf  grosse,  zum  Teil  unüber¬ 
windliche  Schwierigkeiten.  da  Affektionen  in  verschiedenen  Höhen 
dasselbe  Symptombild  erzeugen  können. 

In  einem  Fall  eigener  Beobachtung  wurde  erst  das  Kreuzbein 
dann  die  Lendenwirbelsäule  geöffnet,  ohne  dass  der  (vermutete  Tu¬ 
mor  gefunden  wurde.  Die  Patientin  Überstand  die  operativen  Ein- 

ai?^t^ldslos-  D^r  Fall  bleibt  vorläufig  unaufgeklärt.  Es  kann 
]  ■  n  D*aguose  der  Art  des  Leidens  Schwierigkeiten  machen 

operativ  r  ?£ S m  ” ?  '  Trf°tz  al'€r  günstigen  Momente  muss  die 
operative  Behandlung  weiter  versucht  werden  und  zwar  möglichst 

i  uh  zeitig.  Dei  jetzt  erreichte  Stand  der  operativen  Technik  erlaubt 
auch  bei  einer  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  die  Vornahme  der  Lamin- 
ektomie  (explorative  Laminektomie). 

Die  Behandlung  der  Tuberkulose  der  Cauda  equina  sollte  wenn 
die  schonenderen  Massnahmen  (Extension.  Fixation  etc.)  ohne  Er- 
folg  zu  bleiben  scheinen,  häufiger  als  bisher  eine  ODerativp  win 
miige  Sektionsfälle  lehren  die  Möglichkeit  der  operativen  Behandlung' 

Nreuzbems,  für  die  Barde  nh  euer  eine  Methode  vorgeschlagen 

sä^ief  Fer  r'fe^'un^Rnii10"  bei  7llhcurkulose  der  Lendenwirbel- 
operatt»  zur  ifcito*  Ballance  b™1"“  einen  derartigen  Fal! 

Bei  der  operativen  Behandlung  der  Verletzungen  des  Gebietes 
ist  sehr  zu  berücksichtigen,  dass  spontan  eine  oft  weitgehende  Bes 
serung  einzutreten  pflegt,  so  dass  man  jedenfalls  gut  tut  zuzuwarten 
Die  Aussichten  einer  Operation  sind  nach  den  bisherigen  Ergebnissen 
wechselnde.  Neben  Besserungen  ist  auch  nicht  zu  selten  von  einem 
unglücklichen  Ausgang  der  Operation  berichtet  worden  Bei  Schuss 

l  «hrZ“n^Se‘„dlL0Pe;a‘lVe  **«•<"«•*  mehrfach  mH  QWclÄ 
rungen  vor  Ü  Aud '  h,er  kommen  übrigens  spontan  Besse- 

Nonne  Hamburg:  Differentialdiagnose  des  Tumor  cerebri 

NA..!?eri(:htet  unter  Demonstration  einer  Reihe  von  Pränaraten 
u  ier  Falle,  in  denen  fälschlicherweise  die  Diagnose  Tumor  cerebri 


gestellt  worden  war.  Im  1.  Falle  wurde  trotz  optischer  Halluzi¬ 
nationen,  die  nur  nach  der  rechten  Seite  hin  bestanden,  und  trotz 
einer  Klopfempfindlichkeit  der  rechten  Hinterkopfseite  der  Okzipital¬ 
lappen  intakt  gefunden. 

Ferner  berichtet  N.  über  Fälle,  in  denen  Pachymeningitis  und 
solche,  in  denen  Abszesse  diagnostiziert  worden  waren  und  bei  denen 
die  Operation  oder  Sektion  die  falsche  Diagnose  bewies. 


79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

vom  15. — 21.  September  1907  in  Dresden. 

III. 

Abteilung  fiir  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissen- 


III.  Sitzung  am 
Vorsitzender: 


schäften. 

17.  September  nachmittags. 
Herr  v.  G  y  ö  r  y  -  Ofen-Pest. 


7.  Herr  S  c  h  e  1  e  n  z  -  Kassel :  Zur  Geschichte  des  Naturselbst¬ 
druckes  (Physiotypie). 

8.  Herr  S  c  h  e  1  e  n  z  -  Kassel:  Zur  Gecshichte  des  Skelettierens 
von  Pflanzenblättern  (mit  Vorführung  von  Beispielen). 

Was  Vortragender  im  Vorjahre  mitzuteilen  im  letzten  Augen¬ 
blick  verhindert  war  und  nur  im  engen  Rahmen  eines  Referates  vor¬ 
gelesen  werden  konnte,  ist  er  heuer  in  der  Lage,  als  gedrängte  Ueber- 
sicht  aus  einer  jetzt  vermutlich  abgeschlossenen  Geschichte  des  frag¬ 
lichen  Drucks  mitzuteilen.  Dass  das  klassische  Altertum  das  Wort 
Ichnographie,  übersetzt:  die  Kunst,  Fährten  oder  Spuren  ein¬ 
zugraben,  in  Wachs  zu  ritzen,  zu  schreiben  besass,  lässt  als  sicher  er¬ 
scheinen,  dass  es  sicher  wohl  den  „Fährtennaturdruck“  kannte,  und 
des  Wortes  spätere  Bedeutung  „Grundriss“  zeigt,  dass  man  sich  klar 
darüber  war,  wie  am  einfachsten  ein  solcher  Grundriss  durch  Auf¬ 
drücken,  ganz  wie  es  die  Assyrer  mit  ihren  Stempeln,  die  Aegypter 
mit  ihrem  Zeugdruck  ausübten,  zu  erzielen  war.  Die  Rede  von  den 
Handgriffen  des  Naturdrucks  ist  erst  bei  Alexius  Pedemontanus, 
der  sie  sicherlich  in  dem  gelobten  Lande  aller,  besonders  aber  der 
darstellenden  Kunst,  Italien,  gelernt  hatte,  die  Rede.  Zu  gleicher  Zeit 
aber  auch  sollen  die  Aerzte  Kenntmann,  Vater  und  Sohn,  schon 
„Icon  es  s  t  i  r  p  i  u  m  impressae“  in  Jena  1583  dargestellt  und 
eine  Sammlung  von  ihnen  soll  Hofrat  C.  W.  Büttner  besessen 
haben.  Das  würde  das  älteste  Zeugnis  des  Drucks  sein.  Von  den 
nächstältesten  von  Paolo  Boccone  konnte  Vortragender  ein  photo¬ 
graphisch  hergestelltes  Muster  zeigen,  ebenso  später  zum  Teil 
äusserst  seltene  Werke,  und.  er  konnte  mitteilen,  dass  die  Königliche 
Bibliothek  in  Dresden  auch  ein  in  China  dargestelltes,  die  Pflanzen 
im  „Pentsao  zeigendes  Werk  besitzt.  Auch  Proben  von  späterem 
„Natur-Selbstlichtdruck“,  Photographien  direkt  von  Pflanzenblättern 
und  solche  von  injizierten  Körperteilen  mittels  Röntgenstrahlen,  legte 
er  vor,  und  schliesslich  ein  Muster  eines  skelettierten  Blattes.  Auch 
die  Kunst  des  Skelettierens  des  Blattes  geht  bis  ins 
XVII.  Jahrhundert  zurück,  als  man  nach  einem  Säftekreislauf  auch  in 
den  Pflanzen  suchte.  I  atsächlich  isolierte  man  schon  im  Altertum 
das  Prosenchym  der  Pflanzen  beim  „Röstprozess“,  und  nach  einem 
solchen  „skelettierte“  man  die  Blätter  am  Ende  des  XVIII.  Jahr¬ 
hunderts  zur  Darstellung  „kurioser“  Naturprodukte,  wie  es  die  Vor¬ 
lage  eins  ist.  Einen  wissenschaftlichen  Wert  kann  das  Verfahren 
kaum  mehr  beanspruchen;  es  ist  wie  der  Naturselbstdruck  der  Ge¬ 
schichte  anheimgefallen. 

9.  Herr  A  r  c  h  e  n  h  o  I  d  -  Treptow:  Geschichtliches  aus  dem 
astronomischen  Museum  der  Treptowsternwarte. 

Neben  astronomischen  Instrumenten  hat  Vortragender  sein  Augen¬ 
merk  auf  Kometenschriften  und  andere  astronomische  Praktiken' und 
Einblattdrucke  gerichtet,  davon  er  in  Original  und  Nachbildung  schon 
manch  hübsches  Stück  zusammengebracht,  ferner  auf  eine  Porträts¬ 
sammlung  berühmter  Astromen  und  Naturforscher  und  auf  die  Samm- 
hing  von  Briefen  Gelehrter,  laus  denen  er  eine  ganze  Reihe  interessanter 
Mitteilungen  macht. 

In  der  Diskussion  weist  Herr  S  u  d  h  o  f  f  auf  den  Unter¬ 
schied  von  „Einblattdrucken“  und  „Flugblättern“  hin  und  auf  eine 
Reihe  grosser  Sammlungen  von  Druckwerken  beider  Art.  Wenn  eine 
Praktika  von  1532  einen  Kometen  erwähnt,  so  sei  das  gewiss  nicht 
der  „Halleysche“  von  1531.  Auch  1532  sei  ein  Komet  erschienen, 
der  eine  Mugschriftenliteratur  hervorgerufen  habe.  Zu  jeden  von 
beiden  Kometen  hat  Paracelsus  ein  besonderes  Büchlein  er¬ 
scheinen  lassen.  Der  Parallelismus  zwischen  aussergewöhnlichen 
Himmelserscheinungen  und  Monstris,  d.  h.  der  Geburt  von  Miss¬ 
bildungen,  namentlich  Zwillingsmissbildungen,  in  der  Verwendung 
zur  Voraussage  der  Zukunft  sei  uralt;  auf  zahlreichen  Keilschrifttafeln 
finden  sich  schon  Listen  solcher  Prodigia  samt  Angabe  ihrer  funesten 
oder  günstigen  Vorbedeutung.  Dass  der  Stern  Christi  ein  Komet  ge¬ 
wesen  sein  müsse,  sei  ebenso  oft  behauptet,  wie  widerlegt  worden; 
viel  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  habe  die  Annahme,  dass  es  sich 
um  die  grosse  Konjunktion  im  „feurigen  Trigonum“  gehandelt  habe. 

Herr  M  a  r  t  i  n  -  Zürich-Berlin  berichtet  über  die  grosse  Samm- 
ung  von  Flugblättern  und  Einblattdrucken  in  der  Wiek  sehen 
^  ammlung  und  anderen  Bestände  der  Züricher  Staatsbibliothek  und 
medizinischen  Bibliothek,  sowie  über  eine  handschriftliche  „Physica 
sacra  aus  dem  18.  Jahrhundert  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2109 


Herr  Fuchs-  Dresden  macht  auf  die  grosse  Porträtssammlung 
der  Dresdener  Kgl.  öffentlichen  Bibliothek  aufmerksam,  die  auch 
durch  einen  vorzüglichen  Katalog  raschen  Ueberblick  gewähre. 

10.  Herr  S  u  d  h  o  f  f  -  Leipzig:  Aufgaben,  Methoden  und  Hilfs¬ 
mittel  einer  medizinischen  Archäologie. 

In  Anlehnung  an  die  glänzenden  rednerischen  Darlegungen  eines 
weiland  Alexander  Con,z  e,  Hermann  Usener  und  Brun  n  suchte 
Vortragender  den  Begriff  der  archäologischen  Wissenschaft  zu 
fixieren,  die  Johann  Joachim  Winkelmanns  geniale  Intuition 
einst  in  die  Wirklichkeit  rief,  die  dann  namentlich  unter  Ottfried 
Müller,  Friedrich  Qottl.  Welcker,  Eduard  Gerhard  und  Otto 
Jahn  eine  so  glänzende  Weiterentwicklung  nahm.  Freilich  die 
höchste  Aufgabe,  die  sich  die  heutige  klassische  Archäologie  stellt, 
das  volle  Verständnis  der  künstlerischen  Seite  der  antiken  Volks¬ 
seele,  berührt  die  medizinische  Historik  nur  mittelbar,  und  was  wir 
etwa  unter  dem  Begriff  einer  medizinischen  Archäologie  des  alten 
Orient,  der  Antike,  des  morgen-  und  abendländischen  Mittelalters 
und  der  Renaissance  bezeichnen  könnten,  wird  von  diesem  hohen 
Standpunkte  wohl  als  antiquarischer  Kleinkram  erscheinen,  hat  aber 
doch  mit  der  im  engeren  Sinne  sogen.  „Archäologie“  Grundlagen 
und  Methoden  und  Hilfsmittel  völlig  gemeinsam.  Wie  sich  die  Philo¬ 
logie  als  wichtigste  Grunddisziplin  aller  historischen  Forschung  in  der 
Sprache  und  Schrift,  im  Texte  betätigt  und  wesentlich  das  Ohr  als 
perzeptiven  Sinn  in  Anspruch  nimmt,  so  stützt  sich  die  archäo¬ 
logische  Forschung  auf  die  Anschauung:  Auge  und  Tastsinn  sind  die 
Vermittler  ihrer  Erkenntnis  und  ihr  Forschungsgegenstand  die  Denk¬ 
mäler.  Auch  bei  der  medizinischen  Archäologie  sind  es  die  „Denk¬ 
mäler“,  die  zu  uns  reden,  die  freilich  nur  in  engster  Anlehnung  an 
die  überlieferten  schriftlichen  Aufzeichnungen  volles  Verständnis 
finden  können,  aber  doch  auch  wieder  umgekehrt  als  Realien  den 
Texten  die  vielfach  so  dringend  notwendige  Aufhellung  und  Ergän¬ 
zung  bringen,  wenn  man  auch  sicher  zu  weit  ginge,  wollte  man  etwa 
im  Archäologischen  den  Geist  sehen,  der  den  Buchstaben,  der  tötet, 
erst  wieder  lebendig  macht.  Dem  Studium  der  Kleindenkmäler  des 
Privatlebens  der  Vergangenheit,  der  Hausaltertümer,  der  hygienischen 
Volksaltertümer  vom  medizinischen  Gesichtspunkte  aus,  beispiels¬ 
weise  der  Kinderpflege,  der  Krankenpflege,  der  Körperpflege  über¬ 
haupt  in  jeder  Hinsicht,  der  Kleidung,  des  privaten  und  öffentlichen 
Badewesens,  des  Geschlechtslebens,  des  Handels  und  Verkehrs,  der 
Nahrungmittelhygiene,  des  Bestattungswesens  usw.  ist  also  die 
medizinische  Archäologie  gewidmet.  Man  wird  dem  mit  Recht  ein 
Doppeltes  entgegenhalten:  1.  Du  predigst  da  aber  gewiss  nichts 
Neues;  durchaus  nicht,  aber  etwas  äusserst  Nötiges  soll  die 
Geschichte  der  Medizin  volle  Erträgnisse  geben  —  und  2.  was  du  da 
lehrst,  ist  ja  alles  medizinische  Kulturgeschichte,  warum 
also  eine  neue  Sparte  der  medizingeschichtlichen  Forschung  kreieren! 
Sehr  wohl,  erwidere  ich,  aber  eben  weil  das,  was  man  bisher  als 
medizinische  Kulturgeschichte  bezeichnet  und  zur  Darstellung  ge¬ 
bracht  hat,  sich  völlig  auf  das  literarisch-ästhetische  Gebiet  der 
Zusammenhänge  und  Uebergänge  und  gegenseitige  Bedingtheit  und 
Beeinflussung  der  verschiedenen  Wissenschaften  beschränkt  hat,  ob 
mit  Recht  oder  Unrecht,  will  ich  heute  gar  nicht  untersuchen,  schien 
es  notwendig,  dieses  wichtige  Gebiet  dennoch  mit  grossen  Zügen 
zu  umreissen  und  auf  seine  Methoden  und  Hilfsmittel,  die  der  grossen 
gesamtarchäologischen  Forschung  zu  entnehmen  sind,  hinzuweisen, 
was  dann  im  Anschluss  an  diese  thematischen  Darlegungen  in  aus¬ 
giebiger  Weise  im  weiteren  Vortrage  geschieht,  wobei  nochmals  ein¬ 
dringlich  darauf  hingewiesen  wird,  dass  auch  auf  diesem  Gebiete 
der  medizinischen  Historik  die  für  alle  Geschichtswissenschaften  gü¬ 
tigen  Grundlinien  der  philologischen  Forschung  die,  „recensio“,  die 
Feststellung  der  durch  die  Ueberlieferung  gegebenen  Tatsachen,  und 
die  „interpretatio“,  deren  geistige  Durchdringung  massgebend  sein 
müssen,  ob  man  nun  Kleinbronzen,  oder  Medaillen,  oder  geschnittene 
Steine  oder  Vasen,  oder  Grabreliefs,  oder  Spiegelkapseln,  oder  Terra¬ 
kotten,  oder  Tempelbauten,  oder  Schnitzereien,  oder  Amulette,  oder 
Gebrauchsgegenstände  beforscht;  auch  bei  dem  speziell  medizinischen 
Instrument,  wie  bei  allem  Genannten  kommt  es  im  Grunde  auf  die 
Erkenntnis  der  Kongruenz  zwischen  Form  und  Gedankeninhalt  an, 
auf  die  Kongruenz  zwischen  Form  und  Zweck. 

In  der  Diskussion  spricht  Herr  Fuchs  seine  volle  Zu¬ 
stimmung  aus  zu  allen  Aufstellungen  des  Vorredners,  die  ihm  auch 
als  klassischem  Philologen  aus  der  Seele  gesprochen  seien,  auch  in 
Bezug  auf  die  Notwendigkeit  besserer  Pflege  dieser  Zweige. 

Herr  v.  G  y  ö  r  y  hofft,  dass  die  entrollte  neue  Fahne  medizin- 
geschichtlicher  Sonderforschung  ebenso  eifrige  Nachfolger  finde  zum 
Segen  der  gesamten  Medizingeschichte,  wie  der  Ruf  zur  Arbeit,  den 
der  Vortragende  in  der  einleitenden  Abhandlung  „Richtungen  und 
Strebungen  in  der  medizinischen  Historik“  zu  dem  gerade  vorgelegten 
neuen  Leipziger  „Archiv  für  Geschichte  der  Medizin“  erschallen  lässt, 
welches  die  Puschmann-Stiftung  herausgibt. 

1L  Herr  Ernst  S  e  i  d  e  I  -  Oberspaar  bei  Meissen:  Charakter  und 
Werdegang  der  älteren  armenischen  Heilkunde  nach  Ausweis  ihrer 
Literatur.  (Erscheint  anderwärts.) 

In  der  Diskussion  teilt  Herr  Sudhoff  mit,  dass  er  schon 
vor  Monaten  den  Vortragenden  gebeten  habe,  für  die  Dresdener  Ta¬ 
gung  ein  Referat  über  die  Regelung  der  Benennung  der  arabischen 
Aerzte  auszuarbeiten;  er  hatte  dann  Herrn  Geh.  Rat  Julius  Hirsch- 
berg  in  Berlin,  den  Meister  der  arabischen  Medizingeschichte,  um 
ein  mündliches  oder  schriftliches  Korreferat  ersuchen  wollen.  Doch 


war  Herr  Seidel  zu  sehr  mit  anderen  Arbeiten  überhäuft  gewesen, 
wie  sein  demnächst  mit  Unterstützung  der  Puschmann-Stiftung  er¬ 
scheinender  Mechithar  von  Her  beweisen  werde.  S  u  d  h  o  f  f 
erbittet  sicn  daher  von  der  Versammlung  die  Autorisation,  die  Frage, 
ob  man  die  alten  latinobarbarbarischen  Bezeichnungen  ganz  fallen 
lassen  solle  und  wie  man  sich  in  der  Abkürzung  der  langatmigen 
arabischen  Schriftstellernamen  einigen  wolle,  der  Abteilung  für  Ge¬ 
sichte  der  Naturwissenschaften  und  der  Medizin  auf  dem  II.  inter¬ 
nationalen  Historikerkongress  im  August  1908  in  Berlin  vorlegen  zu 
dürfen.  Er  wolle  versuchen,  einen  französischen  und  einen  deutschen 
Referenten  hierfür  zu  gewinnen. 

IV.  Sitzung  am  Mittwoch,  den  18.  September, 

vormittags. 

Vorsitzender:  Herr  Siegmund  G  ii  n  t  h  e  r  -  München. 

12.  Herr  M  u  1  e  r  t -  Meissen:  Bäder  und  Badewesen  in  Alt- 

Meissen.  (Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  den  Mitteilungen 
der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  „Isis“  in  Meissen.) 

Die  künstlichen  warmen  Bäder  mit  Einschluss  der  Dampfbäder, 
wie  sie  in  den  Badstuben  des  Mittelalters  verabreicht  wurden,  ge¬ 
hörten  zum  Lebensbedürfnis  unserer  Vorfahren.  In  Meissen  gab  es 
3  Badstuben,  welche  zuerst  1312  erwähnt  werden.  Die  eine  war  ein 
Lehen  des  Domstiftes,  die  zweite  gehörte  den  Burggrafen,  die  dritte 
der  Stadt  Meissen.  Die  beiden  letzteren  gingen  später  in  Privatbesitz 
über  und  haben  sich  bis  in  das  19.  Jahrhundert  erhalten.  Ausser  den 
öffentlichen  Badstuben  gab  es  in  Meissen  noch  Bäder  in  den  Klöstern, 
Amtswohnungen  und  den  besseren  Bürgerhäusern.  Die  Fürstenschule 
zu  St.  Afra  hatte  ihre  eigene  Badestube,  welche  von  den  Lehrern  und 
Schülern  alle  14  Tage  benutzt  wurde.  —  Auch  zwei  natürliche 
Mineralquellen  hat  Meissen  besessen.  Die  eine  von  Prof.  Dr. 
Schneider  aus  Leipzig  1714  entdeckt,  war  ein  eisenhaltiger  Säuer¬ 
ling.  Die  andere  fand  1796  der  Stadtphysikus  Dr.  P.  Lutheritz 
und  errichtete  dabei  ein  Kur-  und  Logierhaus,  das  „Buschbad  bei 
Meissen“.  Diese  Stahlquelle  Meissen  mehr  als  50  Jahre  den  Ruf 
eines  Kurortes  verschafft.  Beide  Quellen  aber  haben  ihren  Eisen¬ 
gehalt  verloren.  —  Das  kalte  Flussbad,  das  im  Mittelalter  bei  jungen 
Leuten  und  Schülern  sehr  beliebt  war,  wurde  anfangs  des  17.  Jahr¬ 
hunderts  in  Meissen  durch  Schulgesetze  verboten.  Die  erste  Fluss¬ 
badeanstalt  finden  wir  in  Meissen  1802  wieder.  Von  1812  an  wurde 
den  Fürstenschülern  wieder  gestattet,  Flussbäder  zu  nehmen.  Aber 
noch  in  den  40  er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  wurde  das  Fluss¬ 
baden  von  den  Behörden  durchaus  nicht  begünstigt.  Erst  die  letzten 
Jahrzehnte  haben  der  Körperpflege  und  dem  Baden  die  ihr  zu¬ 
kommende  Stelle  angewiesen. 

Diskussion:  Herr  F  o  e  h  r  -  Cöthen  hält  das  Erlöschen  der 
Meissener  Mineralquelle  wegen  des  Zurückgehens  des  Kohlensäure- 
und  Eisengehaltes  aus  geologischen  Gründen  für  unwahrscheinlich. 
Es  stehe  zu  erwarten,  dass  die  verschüttete  Quelle  durch  Bohrungen 
schon  in  geringer  Tiefe  wieder  freigelegt  werde. 

13.  Herr  Treptow  -  Freiberg:  Die  älteste  Geschichte  des  Berg¬ 
baues  und  die  geschichtliche  Sammlung  für  Bergbaukunde  in  der 
Königl.  Sächsischen  Bergakademie  Freiberg. 

Neben  schriftlicher  Ueberlieferung  beruht  unsere  Kunde  vom 
Bergbau  alter  Kulturvölker  namentlich  auf  der  beständig  wachsen¬ 
den  Zahl  von  Funden  in  alten  Bergbauen,  die  wieder  in  Betrieb  ge¬ 
nommen  werden.  Leider  ist  dies  letztere  Material  weit  in  Museen 
zerstreut,  was  namentlich  die  zeitliche  Fixierung  solcher  Einzel¬ 
funde  noch  sehr  erschwert.  Und  doch  wäre  gerade  dies  besonders 
wertvoll  namentlich  in  Bezirken,  wie  auf  der  Pyrenäenhalbinsel 
wo  so  vielerlei  Völker  nach  einander  Bergbau  getrieben  haben. 

Für  solche  chronologische  und  ethnographische  Festlegungen  sind 
methodisch  angelegte  Sammlungen  von  grossem  Werte,  wie  sie  die 
Bergakademie  Freiberg  mit  Hilfe  ihrer  alten  und  weitverzweigten 
Beziehungen  anzulegen  in  der  Lage  war,  die  auch  das  prähistorische 
Zeitalter  nicht  ausser  acht  gelassen  haben  und  jetzt  ein  wenn  auch 
nicht  lückenloses,  so  doch  überaus  vielseitiges  Bild  über  die  Ent¬ 
wicklung  des  Bergbaues  vor  Urzeiten  an  über  die  ganze  Erdober¬ 
fläche  bieten,  das  sich  aus  Abbildungen  aller  Art  bis  zu  den  berühmten 
japanischen  Rollbildern  hinaus  und  den  verschiedensten  Fundstücken 
von  Werkzeugen,  Lampen,  Fördergeräten  und  Wasserhebungs¬ 
maschinen  usw.  in  bunter  Fülle  zusammensetzt.  Von  alledem  bringt 
der  Vortragende  äusserst  instruktive  Beispiele  in  Bild  und  ein¬ 
dringendst  sachverständiger  Erklärung  zur  Vorführung. 

Diskussion:  Herr  G  ii  n  t  h  e  r  -  München  stellt  die  Frage, 
ob  abgesehen  von  den  ersten  marktscheiderischen  Anweisungen 
Herons  (100  v.  Chr.)  sich  irgendwo  und  irgendwie  vor  Agricola 
Versuche  zur  Orientierung  unter  der  Erde  nachweisen  Hessen,  was 
Vortragender  durch  Hinweis  auf  zwei  hockende,  mit  kompassartigen 
Instrumenten  ausgerüstete  Japaner  auf  einer  seiner  vorgelegten  Ab¬ 
bildungen  und  durch  römische  bergmännische  Anlagen  beantwortet. 

Herr  S  c  h  e  1  e  n  z-Kassel  weist  auf  das  „Feuersetzen“  bei  Hanni- 
bals  Alpenübergang  in  Berichten  des  Livius  und  auf  die  Illu¬ 
strationen  Blümners  in  seiner  antiken  Technik  hin. 

Herr  Fuchs-  Dresden  gibt  interessante  Aufklärungen  über 
griechische  Anschauungen  über  Essigeinwirkung  auf  das  Erdreich  und 
meint,  es  werden  sich  auf  Vasenbilder  und  Münzen  doch  wohl  noch 
mehr  Details  zum  Bergbau  finden  lassen. 


JiiO 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Herr  Sud  hoff  betont  die  Wichtigkeit  der  Befestigung  von 
Werkzeugklingen  am  Holzstiel  auch  für  das  Verständnis  mancher 
antiker  medizinischer  Instrumente  und  berichtet  als  lehrreiches  Bei¬ 
spiel,  wie  man  kürzlich  in  Paris  lange  für  Hackenklingen  ge¬ 
haltene,  mit  einem  Fortsatz  versehene  flache  meisseiartige  Bronze¬ 
platten  aus  karthagischen  Grabungen  durch  Inscnriften  und  ein¬ 
gravierte  Zeichnungen  als  karthagische  Rasiermesser  von  ganz 
besonderer  Gestalt  erkannt  habe,  die  namentlich  seitens  der  Priester 
in  dieser  Form  gebraucht  wurden. 

Herr  S  e  i  d  e  1  -  Meissen  erinnert  an  uralten  Bergbetrieb  am 
Obsidianfelsen  des  Yellowstone-Parks  auf  Cypern  und  der  Sinai- 
halbinsel. 

14.  Herr  D  e  u  s  s  e  n  -  Leipzig:  Ueber  das  Gründungsjahr  der 
Leipziger  Löwenapotheke  (1409). 

Nach  verschiedenen  Ueberlieferungen  soll  die  Leipziger  Löwen¬ 
apotheke  1409  zugleich  mit  der  Universität  gegründet  worden  sein. 
Dagegen  machte  Prof.  Wustmann  -  Leipzig  1902  Zweifel  geltend 
und  zwar  deshalb,  weil  sich  in  Leipzig  keine  urkundlich  beglaubigte 
Zeugnisse  vorfänden.  Vortragender  fasste  den  Gedanken,  in  dieser 
Frage  auch  das  Urkundenmaterial  der  Prager  Universität  zu  prüfen. 
Durch  das  freundliche  Entgegenkommen  von  Herrn  Apotheker 
Sedivy-Prag  kam  Vortragender  in  Besitz  davon.  Freilich  muss 
er  augenblicklich  Herrn  Sedivy  die  Verantwortung  für  die  Richtig¬ 
keit  der  gemachten  Angaben  überlassen.  Die  'Angaben  aus  Prag 
gehen  dahin,  dass  ein  Professor  Hoff  mann  1413,  auch  Rektor 
der  Universität,  den  Universitätsapotheker  namens  H  u  t  e  r  n  a  nebst 
Gesellen  nach  Leipzig  mitgenommen  und  dort  eine  Universitäts¬ 
apotheke  eingerichtet  hat.  Vortragender  spricht  die  Vermutung  aus, 
dass  der  Name  H  u  t  e  r  n  a  vielleicht  die  tschechische  Form  für  Hüter 
(Hutter)  ist;  dies  würde  dann  im  Einklang  mit  den  Leipziger  Ueber¬ 
lieferungen  stehen,  die  als  ersten  Besitzer  der  Apotheke  einen  Johann 
Hutter  angeben.  In  den  Universitätsakten  von  1409,  1410  und  auch 
in  späteren  Jahren  findet  man  Vertreter  des  Namens  Hutter.  Sie 
nehmen  zum  Teil  hervorragende  Stellungen  an  der  Universität  ein. 
Ein  Mag.  in  artibus  Georg  Hütte*,  der  1464  Dekan  der  philo¬ 
sophischen  Fakultät  war  und  wohl  identisch  mit  Georg  Hutter  ist, 
der  im  Stadturkundenbuche  1465  vorkommt,  war  auch  Apotheker 
und  Vormund  von  Johann  Apothekers  sei.  Erben;  er  kaufte  1474 
deren  Apotheke.  Vortragender  glaubt,  dass  Familie  Hutter  in 
irgend  welchen  Beziehungen  zu  dieser  Apotheke  schon  lange  vor 
1474  gestanden  hat,  aber  aus  irgend  welchen  Gründen  einen  direkten 
Einfluss  auf  die  Verwaltung  der  Apotheke  bis  1474  vermieden  hat. 
Dass  die  Universitäts-  und  die  städtischen  Akten  keine  Angaben  über 
eine  Apotheke  in  den  Jahren  von  1409  bis  1425  machen  —  1425 
führen  die  Stadturkunden  als  1.  Apotheker  einen  Meister  Hugo  auf  — , 
dies  versucht  Vortragender  so  zu  deuten:  Wenn  der  1409  in  Leipzig 
einziehende  Apotheker  der  Universität  unterstellt  war,  so  galt  er  da 
nur  als  untergeordnete  Persönlichkeit  (und  zwar  auf  Grund  des 
Prager  Materials)  und  in  diesem  Falle  hatten  die  Stadturkunden  kaum 
Veranlassung,  von  der  Person  des  Apothekers  Kenntnis  zu  nehmen. 
Wiederum  die  Universitätsbehörden  werden  nach  der  Gründung  1409 
wichtigeres  zu  tun  und  zu  bedenken  gehabt  haben,  als  über  den 
Apotheker,  der  als  „subditus“  galt,  Personalien  aufzuzeichnen.  Vor¬ 
tragender  glaubt  auf  Grund  des  Prager  Materials  annehmen  zu  dürfen, 
dass  es  sehr  wahrscheinlich  sei,  dass  die  Errichtung  der  Löwen¬ 
apotheke  1409  auf  die  Gründung  der  Universität  zurückzuführen  ist. 

15.  Herr  S  u  d  h  o  f  f  -  Leipzig:  Die  Wanderbücher  Hohen¬ 
heims. 

Als  „Manuale  I.  und  II“,  ein  längeres  chemisches  und  kürzeres 
medizinisches,  grossenteils  in  lateinischer,  der  Rest  in  deutscher 
Sprache,  gab  1582  der  Baseler  Verleger  Peter  Perna  unter  Hohen¬ 
heims  Namen  eine  buntscheckige  Kollektaneensammlung  heraus, 
die  auch  H  u  s  e  r  in  seine  Sammelausgabe  aufnahm  unter  ausdrück¬ 
licher  Betonung,  dass  sie  den  echten  Werken  Hohenheims  nicht 
an  die  Seite  gestellt  werden  dürfte,  da  er  sie  vermutlich  in  seiner 
Jugend  auf  seinen  weiten  Reisen  zusammengelesen  habe,  als  er  von 
den  behandelten  Gegenständen  eine  tiefer  gehende  Kenntnis  noch  nicht 
besessen  habe  —  flüchtige  Reisenotizen  über  da  und  dort  im  Ge¬ 
brauch  gesehene  chemisch-technische  Verfahren  oder  ärztliche  Be¬ 
handlungsweisen,  gesammelte  Anweisungen  und  Rezepte.  Konnte 
schon  dieser  angebliche  Entstehungsmodus  bei  Hohenheims 
ganzer  Veranlagung  von  vornherein  keine  grosse  Wahrscheinlichkeit 
erwecken,  dass  die  Entstehung  dieser  Rezeptensammlungen  zutreffend 
in  dieser  Weise  geschildert  sei  und  Hohenheim  wirklich  der 
Verfasser  sei,  so  machten  ein  ganze  Reihe  äusserer  und  innerer  Mo¬ 
mente  beim  erneuten  Studium  dieser  angeblichen  Paracelsus¬ 
reliquien  den  Vortragenden  immer  stärker  stutzig.  Endlich  ergab 
eine  genaue  Prüfung,  dass  Huser  bei  allen  anderen  Schriften,  die 
ihm  im  Autogramm  Hohenheims  von  Dr.  Ho  melius  II.  in 
Pettau  in  der  Steiermark  zugekommen  waren,  ausdrücklich  angibt, 
dass  sie  bei  Hornel  ius  im  Autogramm  Hohenheims  noch 
vorhanden  seien,  dass  er  aber  bei  den  Manualen  in  scharfem  Gegen- 
satuz  “  r!ur  frerPerk*’  „H  o  m  e  1  i  u  s  habe  die  Originalien  bei  sich 
gehabt  ;  er  hatte  sie  also  1589  nicht  mehr  im  Besitz  und  hat  sie  dem 
trefilichen  Kenner  Paracelsischer  Schriftzüge,  Johannes  Huser 
n  i  c  h  t  im  Original  (angeblich  von  Hohenheims  Hand)  vorgelegt’ 
Auch  die  mechanische  Echtheit  dieser  sogen.  Wanderbücher  Hohen¬ 
heims  erscheint  somit  mindestens  suspekt,  jedenfalls  durchaus  nicht 
bewiesen. 


V.  Sitzung  vom  18.  September,  nachmittags. 

Vorsitzender:  Herr  S  ud  h  o  f  f  -  Leipzig. 

Geschäftssitzung  (VI.  ordentliche  Hauptversammlung)  der  deutschen 
Gesellschaft  für  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften. 

Das  den  Begrüssungsworten  angeschlossene  Expose  des  Vor¬ 
sitzenden  stellt  einen  gesunden  stetigen  Fortschritt  der  Gesellschaft 
fest.  Die  Beziehungen  zu  verwandten  Körperschaften  in  Berlin  und 
München  sind  zufriedenstellend,  wenn  auch  ein  Zusammenarbeiten 
mit  der  letzteren  auf  literarischem  Gebiete  einstweilen  noch  wenig 
Aussicht  bietet.  Der  Kassenbericht  des  Schatzmeisters  weist  eine 
Einnahme  von  4930  M.  und  eine  Ausgabe  von  3669  M.  auf,  so  dass 
einschliesslich  eines  Festbetrages  von  900  M.  für  lebenslängliche 
Mitglieder  das  verfügbare  Vermögen  2160  M.  beträgt,  bei  einer  Zahl 
von  229  Mitgliedern.  Der  Etatsvoranschlag  für  1907/08  balanziert 
mit  5240  M.  in  Ausgabe  und  Einnahmen.  Dem  Schatzmeister  wird  „ 
Entlastung  und  Dank  einstimmig  ausgesprochen.  Beim  Uebergang 
zur  Vorstandswahl  erklärt  Herr  v.  G  y  ö  r  y  -  Ofen-Pest,  von  seinem 
Posten  zurücktreten  zu  wollen  und  bittet,  von  einer  eventuellen  Neu¬ 
wahl  absehen  zu  wollen,  da  er  es  nicht  für  richtig  halte,  als  Aus¬ 
länder  dem  Vorstand  der  Gesellschaft  dauernd  anzugehören,  wie 
sehr  er  sich  auch  die  vorübergehende  Mitgliederschaft  im  Vorstand 
zur  Ehre  gerechnet  habe.  Die  getätigte  Wahl  ergibt:  Sudhoff 
(Vorsitzender),  Günther  (dessen  Stellvertreter),  Wohl  will 
(Schatzmeister),  F  o  s  s  e  1,  E.  v.  Meyer,  P  a  g  e  1,  Ritter  v.  T  ö  p  1  y 
als  Geschäftsführung  für  das  kommende  Jahr. 

Zum  II.  internationalen  Historikerkongress  in  Berlin  (1908) 
wurden  S  u  d  h  o  f  f  und  Günther  delegiert;  zum  III.  internationalen 
Philosophenkongress  in  Heidelberg  (1908)  wurde  dem  Vorstand  die 
eventuelle  Delegierung  eines  seiner  Mitglieder  oder  eines  anderen 
Gesellschaftsmitgliedes  freigestellt.  In  der  Frage  des  Hochschul¬ 
unterrichts  in  der  Geschichte  der  Naturwissenschaft  wurde  auf  Vor¬ 
schlag  Herrn  Günthers  eine  Resolution  folgenden  Wortlautes 
angenommen: 

„Eine  der  Bedeutung  dieses  Studiengebietes  würdige  Be¬ 
rücksichtigung  der  Geschichte  der  Naturwissenschaften  und  der 
Medizin  wird  in  unserem  Hochschulwesen  noch  sehr  häufig  ver¬ 
misst.  Deshalb  verlangt  die  Deutsche  Gesellschaft  für  Geschichte 
der  Medizin  und  der  Naturwissenschaften  dringend  eine  Aenderung 
in  diesem  Sinne,  wie  auch  für  Vorträge  und  Uebungen,  die 
in  die  wissenschaftliche  Forschung  einzuführen  bestimmt  sind, 
grundsätzlich  Vorsorge  getroffen  werden  muss.  Als  einen  vor¬ 
bereitenden  Schritt  würde  es  die  Gesellschaft  begrüssen,  wenn 
bei  den  Versammlungen  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  ge¬ 
schichtliche  Vortragsobjekte,  die  stets  auf  ein  vielseitiges  Inter¬ 
esse  rechnen  dürfen,  sowohl  für  die  allgemeinen,  als  auch  für  die 
Hauptgruppensitzungen  mit  herangezogen  würden.“ 

Für  den  Berliner  Kongress  soll  eine  Denkschrift  über  diese  Frage 
ausgearbeitet  werden,  um  deren  Abfassung  Herr  Strunz-  Wien  er¬ 
sucht  werden  soll.  Herr  Günther  erklärt  sich  bereit,  sich  dieser 
Angelegenheit  auch  weiterhin  anzunehmen.  Neben  dem  durch  diePusch- 
mannstiftung  in  Leipzig  im  Verlag  von  Joh.  Ambrosius  Barth,  unter 
Redaktion  von  Sudhoff,  seit  dem  15.  September  1907  heraus¬ 
gegebenen  „Arch.  für  Geschichte  der  Medizin“*)  sollen  die  „Mit¬ 
teilungen  ‘  als  Organ  der  Gesellschaft  in  der  bisherigen  Weise  weiter 
bestehen.  Den  Sitzungsberichten  der  „Berliner  Gesellschaft  für 
Geschichte  der  Naturwissenschaft  und  Medizin  sollen  die  „Mit¬ 
teilungen  in  unbeschränkter  Weise  offen  stehen  bis  zum  Höchst¬ 
umfang  von  4  Seiten  „Petit“  für  den  Bericht  über  eine  einzelne 
Sitzung;  ein  etwaiger  grösserer  Umfang  soll  nur  in  der  Weise  erfolgen 
können,  dass  die  Berliner  Gesellschaft  die  ganzen  Mehrkosten  trägt,  die 
mit  dem  Verleger  der  „Mitteilungen“  zu  vereinbaren  wären,  ebenso 
die  etwa  erhöhten  Portokosten  'der  Versendung  des  betreffenden 
Heftes. 

Die  Vorschläge  des  Schatzmeister  betreffend  Honorierung  der 
Mitarbeiter  der  „Mitteilungen“  aus  der  Kahlbaumstiftung  und  sup¬ 
plementär  aus  Gesellschaftsmitteln  finden  die  Zustimmung  der  Ver¬ 
sammlung,  die  mit  dem  Wunsche  gedeihlicher  Weiterentwicklung 
und  frohen  Wiedersehens  in  Berlin  und  Köln  geschlossen  wird. 

Karl  S  u  d  h  o  f  f. 

Abteilung  für  innere  Medizin. 

Sitzung  vom  17.  September,  nachmittags. 

•  u  ^eiera^  über  das  Thema:  Typhus  und  Paratyphus  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  den  Gallenwegen.  Referenten:  C  h  i  a  r  i  -  Strassburg. 
Hirsch-  Freiburg,  Förster  -  Strassburg. 

Herr  Chiari:  Die  Beziehungen  von  Typhus  und  Paratyphus 
zu  Entzündungen  der  Gallenwege  sind  sehr  innige.  Das  erweist 
'/ortr-  ,an  ^em  eingehenden  Literaturbericht,  aus  dem  die  Arbeiten 
von  F  ii  1 1  e  r  e  r  und  G  u  i  1  b  e  r  t,  die  zuerst  bakteriologisch  genau 
arbeiteten,  hervorgehoben  werden  müssen.  Nachdem  in  der  Litera- 
tur  zunächst  die  Angabe  von  Typhusbazillen  in  Reinkultur  in  der 
Gallenblase  auftrat,  wurden  diese  Bazillen  öfter  als  Inhalt  von  Steinen 
erkannt.  _  Neuerdings  wird  schon  aus  dem  Nachweis  von  Typhus- 
bazillen  in  der  Gallenblase  die  Diagnose  auf  Typhus  abdominalis  ge- 


*)  Vergl.  die  Nummer  vom  17.  September  1907  der  Münch,  med. 
Wochenschr. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2111 


stellt.  Im  letzten  Jahre  hatte  der  Vortr.  unter  8  Typhusfällen  in 
7  positiven  Bazillenbefund  in  den  Gallenwegen.  Dieses  Material 
diente  zum  Nachweis  des  Weges,  den  die  Bazillen  in  die  Gallenblase 
nehmen.  Dass  sie  aus  dem  Darm  kommen,  ist  ausgeschlossen,  da¬ 
gegen  ist  sicher,  dass  sie  mit  der  Galle  in  die  Gallenblase  kommen, 
also  auf  dem  Blutwege. 

Die  Typhusbazillen  gehen  bei  Typhus  de  regula  immer  in  die 
Gallenwege;  sie  rufen  Entzündungen  hervor  und  können  sich  in  der 
Gallenblase  vermehren.  Die  Bazillen  können  sehr  lange  (bis  zu 
14  Jahren)  in  der  Gallenblase  sein;  Rezidive  durch  Entleerungen  in 
den  Darm  hinein  können  stattfinden,  sie  können  Cholelithiasis  hervor- 
rufen.  Experimente  zeigten,  dass  Bazillen,  in  die  Bauchhöhle  ge¬ 
spritzt,  bald  in  der  Gallenblase  auftreten  und  Entzündungen  erregen. 
Die  Galle  stellte  sich  als  ein  für  das  Gedeihen  der  Bazillen  gutes 
Medium  heraus.  Es  sind  auch  Steine  durch  Injektion  von  Typhus¬ 
bazillen  in  den  Gallenwegen  gebildet  worden. 

Die  Erfahrungen  über  den  Paratyphus  sind  noch  gering,  doch 
dürften  im  allgemeinen  dieselben  Beziehungen  bestehen  zwischen 
Paratyphus  wie  zwischen  Typhus,  was  aus  den  wenigen  Angaben  in 
der  Literatur  hervorgeht. 

Herr  Hirsch-  Göttingen  erörtert  das  Thema  vom  klinischen 
Standpunkte: 

Der  Ikterus  ist  eine  seltene  Erscheinung  bei  Typhus;  bei  Kin¬ 
dern  ist  er  etwas  häufiger.  Auch  die  frühere  Ansicht,  dass  die  akute 
gelbe  Leberatrophie  häufig  durch  Typhus  hervorgerufen  würde,  ist 
nicht  zutreffend,  dasselbe  gilt  für  den  Leberabszess.  Auch  die  Ent¬ 
zündungen  der  Gallenwege  sind  klinisch  selten.  Die  klinische  Dia¬ 
gnose  der  Cholecystitis  typhosa  ist  schwer.  Die  reflektorische  Mus¬ 
kelspannung  bei  der  Palpation  ist  wichtig.  Es  darf  die  Anwesenheit 
von  Bazillen  in  der  Gallenblase,  die  von  Pathologen  so  häufig  kon¬ 
statiert  wurde,  nicht  mit  Krankheit  identifiziert  werden.  Nur  bei 
Gallenstauung  (Naunyn)  tritt  die  Erkrankung  auf.  So  wenig  eine 
Bakteriurie  eine  Zystitis  voraussetzen  lässt,  so  wenig  beweisen  Ba¬ 
zillen  in  der  Galle  eine  Cholezystitis.  Die  gleiche  Bedeutung  wie  die 
Behinderung  des  Gallenabflusses  spielen  für  die  Cholezystitis  Fremd¬ 
körper.  Ein  weiteres  prädisponierendes  Moment  sind  die  erweiter¬ 
ten  Luschka  sehen  Gänge. 

Die  Einteilung  der  Cholecystitis  typhosa  in  gleichzeitige  und 
posttyphöse  besteht  zu  Recht.  Ob  es  primären  Leber-  und  Gallen¬ 
wegetyphus  gibt,  ist  nicht  sicher,  da  es  ja  kaum  möglich  ist,  vor¬ 
hergehenden  Darmtyphus  auszuschliessen.  In  den  Fällen  von  Chole¬ 
zystitis,  bei  denen  Steine  nicht  als  ätiologisch  wirksam  gelten  konn¬ 
ten,  sind  Verwachsungen  oder  Wanderleber  als  gallenstauend  an¬ 
zunehmen.  Fälle  unerklärter  Gallenstauung  sind!  vorhanden  und 
bestätigen  als  Ausnahme  die  Regel  . 

Die  Bildung  von  Gallensteinen  im  Verlaufe  des  Typhus  ist  viel 
diskutiert.  Naunyn  glaubt,  dass  Gallensteine  sich  in  wenigen 
Tagen  bilden  können.  Experimentell  werden  in  vitro  Gallensteine 
durch  Galle  und  Typhusbazillen  festgestellt.  Die  Kolloidchemie  liefert 
eine  Deutung  für  den  Ausfall  von  Cholesterin,  da  die  Bakterien  kol¬ 
loidfällend  wirken  können.  Notwendig  scheint  die  Anwesenheit  von 
Eiweiss,  das  bei  Entzündungen  in  der  Tat  nachweisbar  ist.  Auch 
für  die  nichtbakteriellen  Fälle  kann  bei  der  Anwesenheit  von  Eiweiss 
kolloidchemisch  eine  Ausfällung  stattfinden  bei  saurer  Reaktion  der 
Galle,  die  ja  bei  Eiweissanwesenheit  bald  auftritt.  Not  tut  das  Zu¬ 
sammenarbeiten  zwischen  Klinikern  und  Chemikern,  da  ja  die  Re¬ 
aktion  der  normalen  Galle  nicht  einmal  feststeht. 

Herr  F  o  r  s  t  e  r  -  Strassburg  behandelt  vom  bakteriologischen 
Standpunkte  das  Thema: 

Zwei  Tatsachen  sind  von  diesem  Standpunkt  aus  wichtig:  dass 
die  Typhusbazillen  in  die  Gallenblase  übergehen  und  dass  sie  dort 
fortwuchern  können.  Es  besteht  ein  Gegensatz  zwischen  dem  Vor¬ 
handensein  der  Bazillen  im  Blut  schon  in  der  Inkubation,  während 
sie  in  den  Ausleerungen  erst  in  der  ersten  und  zweiten  Woche  auf¬ 
treten.  Auch  die  Reaktionsprodukte  wie  Antistoffe  treten  viel  früh¬ 
zeitiger  auf  als  die  Bazillen  in  den  Fäzes.  Vorzugsweise  auf  dem 
Wege  der  Galle  scheinen  die  Bazillen  in  den  Darm  ausgeschieden 
zu  werden,  das  erklärt  das  häufige  Vorkommen  von  1  yphusbazillen 
in  der  Gallenblase. 

Bei  den  Bazillenträgern,  besonders  denen,  die  noch  nach  dem 
Ablauf  der  Erkrankungen  Bazillen  in  den  Fäzes  haben,  sind  zwei 
Gruppen  zu  unterscheiden.  Eine,  die  nur  wenige  Wochen  Bazillen 
posttyphös  äusscheidet,  das  sind  Männer,  Frauen  und  Kinder:  eine 
andere,  die  Monate  und  Jahre  posttyphös  Bazillen  ausscheiden:  unter 
dieser  Gruppe  sind  viele,  die  an  Gallensteinen  leiden,  und  zwar  mit 
Bevorzugung  des  weiblichen  Geschlechtes  (80  Proz.  Frauen. 
5 — 7  Proz.  Kinder  von  5—12  Jahren,  13—15  Proz.  Männer).  Auf¬ 
fallend  ist,  dass  dasselbe  Verhältnis  auch  bei  Gallensteinleidenden 
besteht.  Nun  geht  ja  der  grösste  Teil  der  Gallensteinleiden  —  etwa 
10  Proz.  —  ohne  Symptome  einher,  und  auch  hier  ist  vom  Vortragen¬ 
den  dasselbe  Zahlenverhältnis  an  den  Dauerträgern  von  Typhus¬ 
bazillen  festgestellt  worden.  . 

Die  Gefährlichkeit  der  Dauerbazillenträger  wird  an  einzelnen 
Fällen  erläutert,  die  illustrieren,  dass  die  sogen.  Typhushäuser,  in 
denen  der  Typhus  endemisch  ist,  immer  an  die  Anwesenheit  eines 
Typhusbazillenträgers  gebunden  ist.  Die  natürliche  Vegetations¬ 
stätte  dieser  Typhusbazillenträger  ist  die  Gallenblase.  Für  solche 
Personen,  die  an  Gallensteinen  leiden,  ist  die  Zystektomie  an¬ 
gezeigt.  Die  Zystostornie  genügt  nicht  zur  Eliminierung  der  Bak¬ 


terien.  Bei  den  nicht  mit  manifesten  Gallenblasensymptomen  ver¬ 
sehenen  Bazillenträgern  handelt  es  sich  darum,  die  Bazillen  regel¬ 
mässig  aus  der  Galle  auszuschwemmen.  Und  zwar  müssten  von 
der  Klinik  Mittel  und  Wege  dazu  gefunden  werden,  vielleicht  durch 
Darreichung  von  Gallen  und  Gallensäuren,  welche  die  Galle  ver¬ 
mehren  und  abführen.  Es  handelt  sich  weiter  darum,  das  Wachs¬ 
tum  von  Typhusbazillen  hemmende  Stoffe  der  Galle  und  den  Gallen¬ 
säuren  zuzumischen,  Versuche,  die  sich  noch  im  Stadium  der  Vor¬ 
bereitung  befinden. 

In  der  Diskussion  betont  Herr  C  u  r  s  c  h  m  a  n  n  -  Leipzig 
noch  einmal  die  Seltenheit  klinischer  Beobachtung  von  Gallenwege¬ 
erkrankungen  bei  Typhus  und  glaubt,  dass  die  Galle  selbst  im  Typhus 
anders  ist  als  normal,  wie  dies  für  das  spezifische  Gewicht  von  fran¬ 
zösischen  Autoren  nachgewiesen  wurde. 

Herren  Schur  und  Wiesel- Wien:  Zur  Physiologie  und 
Pathologie  des  chromaffinen  Organs. 

Die  Vortragenden  haben  durch  klinische,  experimentelle  und  ana¬ 
tomische  Untersuchungen  an  einem  grossen  Material  folgende  Tat¬ 
sachen  erhoben:  erstens,  dass  zwischen  Nierenfunktion  und  der  des 
chromaffinen  Gewebes  Wechselbeziehungen  bestehen,  und  zweitens, 
dass  durch  Muskeltätigkeit  die  Adrenalinsekretion  angeregt  wird. 
Die  Wechselbeziehungen  zwischen  Nierenfunktion  und  der  des 
chromaffinen  Systemes  zeigt  sich  vor  allem  darin,  dass  doppelseitige 
Nierenexstirpation  oder  einseitig  partielle  zu  Uebertritt  von  Adrena¬ 
lin  in  das  Blut  führt,  welches  sowohl  biologisch  —  mit  der  Ehr- 
m  a  n  n  sehen  Reaktion  —  als  auch  chemisch  nachweisbar  wird  und 
dass  anatomisch  beim  einseitig  partiell-nephrektomierten  Tier  Hyper¬ 
trophie  des  chromaffinen  Gewebes  auftritt.  Ausserdem  konnten  die 
beiden  Vortragenden  an  der  Hand  eines  grossen  kasuistischen  Ma¬ 
terials  zeigen,  dass  nach  ihren  bisherigen  Erfahrungen  nur  chro¬ 
nische  Nephrosen  zu  Adrenalinanämie  führen.  Die  Anregung  der 
Adrenalinsekretion  durch  Muskeltätigkeit  Hess  sich  dadurch  nach- 
weisen,  dass  bei  Hunden  während  anstrengenden  Laufens  Adrenalin 
ins  Blut  Übertritt.  Der  Adrenalinverbrauch  lässt  sich  auch  ana¬ 
tomisch  durch  Abnahme  und  endliches  Verschwinden  der  Chrom¬ 
bräunung  an  den  chromaffinen  Zellen  nachweisen. 

Schliesslich  besprechen  und  demonstrieren  die  Vortragenden  eine 
offenbar  während  des  Laufens  der  Tiere  entstandene  Mesarteriitis 
einzelner  Arterien  und  weisen  auf  einen  möglichen  Zusammenhang 
mit  der  Adrenalinanämie  hin,  was  für  gewisse  Formen  der  Arterio¬ 
sklerose  von  Bedeutung  sein  könnte. 


Sitzung  vom  18.  September,  vormittags. 

Herr  K  r  e  t  s  c  h  m  e  r  -  Würzburg:  Wirkungsmechanismus  des 
Adrenalins  und  dauernde  Blutdrucksteigerung  durch  Adrenalin. 

Nach  den  bisherigen  experimentellen  Beobachtungen  konnte  mit 
Adrenalin  nur  eine  rasch  vorübergehende  „Reizwirkung“  auf  den 
Blutdruck  erzielt  werden.  Durch  die  vorliegenden  Untersuchungen 
wurde  mittels  einer  neuen  Methode  durch  kontinuierliches  Einfliessen- 
lassen  von  Adrenalin  eine  dauernde,  ganz  konstante 
Blutdruck  Steigerung  erreicht,  und  es  Hessen  sich  eine 
Reihe  von  Einzelheiten  über  den  Wirkungsmechanismus  des  Ad¬ 
renalins  überhaupt  nachweisen,  von  denen  die  wichtigsten  Ergeb¬ 
nisse  waren,  dass  experimentelle  Adrenalinwirkung  nur  so  lange 
besteht,  als  dasselbe  im  Blut  vorhanden  ist  und  dass  das 
Verschwinden  aus  demselben  durch  einen  beständigen  Zerstörungs¬ 
prozess  (Alkaleszenz  von  Blut  und  Gewebe)  bedingt  ist.  Durch 
experimentelle  Variation  derselben  (intravenöse  Mineralsäure¬ 
abgaben)  konnte  die  Wirkung  des  Adrenalins  auf  den 
Blutdruck  um  das  fünf  -  bis  sechsfache  verlängert 
werden. 

Herr  Schmidt  und  Herr  Lohrisch  -  Halle  a.  S. :  Die  Be¬ 
deutung  der  Zellulose  für  den  Stoffhaushalt  schwerer  Diabetiker. 

Die  Zellulose  wird  im  Organismus  wahrscheinlich  als  Wärme¬ 
spender,  nicht  als  Eiweissspai  er  ausgenutzt.  Endprodukte  sind 
Kohlensäure,  Sumpfgas,  flüchtige  Fettsäuren,  die  für  den  Organismus 
verwendet  werden.  Bei  3  Fällen  von  schwerem  Diabetes  wurden 
in  5  tägiger  Vorperiode  Eiweiss-Fett-Diät,  dann  besonders  zellulose¬ 
reiche  Nahrung  5  Tage  zugelegt,  dann  wieder  5  Tage  Eiweissfett 
gegeben.  Als  Gemüse  wurde  gedörrtes  Weisskraut  besonders  zu¬ 
bereitet.  Der  Gehalt  an  reiner  Zellulose  betrug  etwa  15  Proz.  des 
Weisskrauts.  In  allen  Fällen  zeigte  sich  eine  Tendenz  zur  Verringe¬ 
rung  der  Glykosurie  und  der  Azidosis.  Das  Körpergewicht  nahm  zu. 
Die  Zellulose  beeinflusst  also  in  keiner  Weise  die  diabetische  Stoff¬ 
wechselstörung  ungünstig.  Wenn  auch  die  verdauten  Mengen  nicht 
gross  sind,  so  ist  zu  berücksichtigen,  dass  neben  der  Zellulose  noch 
in  den  Gemüsen  ausnutzbare  inkrustierende  Substanzen  (zellulose- 
ähnliche  Substanzen)  in  Betracht  kommen,  die  bei  dem  Versuch 
nicht  berücksichtigt  sind.  Wenn  die  Zellulose  zu  45  Proz.  verwertet 
wird,  so  können  100  g  Zellulose  20  g  Fett  ersetzen.  Man  könnte  also 
mit  Recht  ein  Präparat  suchen,  das  in  genügender  Menge  eingeführt 
werden  könnte,  also  in  möglichst  reiner  Form.  Der  praktische  Erfolg 
steht  noch  aus,  da  Darmreizungen  nach  den  angewendeten  I  rapa- 
raten  auftraten. 

Herr  F  i  s  c  h  e  r  -  München:  Beitrag  zur  Kenntnis  des  karzinoma- 


»en  Magensaftes.  ....  t 

Die  Frage,  ob  bei  der  peptischen  Verdauung.  Aminosäuren  aui- 
:ten,  wurde  experimentell  nachgeprüft,  da  die  bisherigen  Versuche 
;ht  einwandfrei  waren.  Im  nichtkarzinomatösen  Mageninhalt  fanden 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


i,  h  i*  f'deiM°-nüu'  noSh  Diaminosäuren.  Im  karzinomatösen  Mascu- 

aJ  i  uCh.  na(;h  gleicher  Methode  Monoaminosäuren.  Wahr- 

pnf1  wlo  1  AIeh-  mi  karzinomatösen  Magensaft  die  von  Kos  sei 
entdeckte  Arginase.  Es  wurde  nun  versucht,  ein  Ferment  aus  dem 

sDal1et°nne?  nil?  *1”’  die.  A'minosüuren  aus  den  Peptiden  ab- 
‘  p .  ; ‘  .  Dc'  (jedanke  liegt  nahe,  aus  der  Anwesenheit  dieses  Fcr- 

Im  Magensaft  ein  diagnostisches  Hilfsmittel  bei  Karzinom  des 
■  agens  zu  gewinnen.  Die  Versuche  sind  noch  im  Gange. 

H  Ha.n5  W  eicker-Görbersdorf:  Das  Tuberkulin  in  der 

Hand  des  praktischen  Arztes. 

CharaktSPZrUSHimShSenifVOn  d(rr,ßehandlui1«  sind  die  Fälle  mit  toxischem 
Charakter,  gleichgültig  welchen  Stadiums.  Die  Fälle  mit  geringem 

hnHUndAUV,Lungen  und  Temperatur,  Muskel-  und  Nervenermiidung 
bilden  Antikörper  nur  in  geringer  Zahl  und  würden  durch  spezifische 

Pfleeed  Huf  llmVlm,ert  werden-  Die  Fälle,  die  häuslich  keine 

d5gl?  UI  d  Beobachtung  haben,  sind  ebenso  auszuschliessen.  da  sie 
individuell  nicht  behandelt  werden  können. 

Chronische  Lungentuberkulosen,  die  jahrelang  bestehen,  sind 
trotz  vorgeschrittenen  Lungenbefundes  für  spezifische  Behandlung 

ein  Kutes  Merz  u,,d  kräf,i^  Makulatur  haben 
Hier  ist  Tuberkulin  von  grossem  Nutzen.  Durch  langsam  steigende 
Dosen,  bei  Vermeidung  von  Fieber,  schwindet  die  Tuberkulose. 

immer  soll  mit  kleinsten  Dosen,  z.  B.  Vioo  mg  Alttuberkulin  be¬ 
gonnen  werden.  Die  Normaltemperatur  muss  vorher  genau  fest- 
gei egt  werden.  Jeder  noch  so  geringe  Anstieg  über  die  Norm,  auch 

3  1  eilstriche,  stellt  eine  spezifische  Reaktion  dar.  Als  Zwischen¬ 
räume  sind  anfangs  4—5  Tage  einzuhalten.  Die  Höhe  der  Maximal¬ 
dosis  ist  nicht  absolut  anzugeben,  da  sie  von  der  Empfindlichkeit 
des  Organismus  abhängt. 

Um  Fiebernde  zu  entfiebern  benutzt  Weicker  seit  1901  die 
von  Koch  angegebene  Fieberemulsion.  Dem  praktischen  Arzt  ist 
wenigstens  der  Beginn  dieser  Art  der  Behandlung  nicht  anzuraten. 

Bei  den  diagnostischen  Injektionen  ist  genau  das  vorsichtige 
Vorgehen  wie  bei  der  therapeutischen  angezeigt. 

B^kPSSion:  Herr  S  o  b  o  1 1  a  -  Reiboldsgrün  hält  die  Aus- 
luhrbarkeit  der  1  uberkulinbehandlung  für  den  praktischen  Arzt  für 
unbestreitbr.  Ls  gibt  aber  Fälle,  bei  denen  Tuberkulinschädigungen 
sich  nicht  vermeiden  lassen.  Auf  dem  Lande,  auf  weite  Entfernungen 
hin  ist  die  spezifische  Behandlung  abzuraten. 

Herr  S  c  h  e  r  e  r  -  Bromberg  hat  sich  zunn  Grundsatz  gemacht. 
ins!16!  spezifisch  noch  nicht  behandelte  Fälle  zunächst  mit  Perlsucht- 
tuberkulm  zu  behandeln.  Kehlkopftuberkulose  ohne  vorgeschrittenen 
Lungenbefund  gaben  in  letzter  Zeit  guten  Erfolg.  4  Schwangere  hat 
Redner  mit  bestem  Erfolg  behandelt.  Schädigungen  hat  er  in  sechs¬ 
jähriger  Praxis  nicht  gesehen. 

..  hje  m  " Benin  verfügt  über  20  seit  3  Jahren  geheilte, 

nnt  Alttuberkulin  behandelte  Fälle. 

,  ..  Berr  L  en  h  ar  t  z  -  Hamburg  tritt  für  die  Anwendung  des  Tuber¬ 
kulins  bei  der  Erkrankung  des  Urogenitalapparates  auf.  die  der 
chirurgischen  Behandlung  vorauszugehen  -hat.  L.  sah  in  schweren 
Fa  len  absolute  Heilung,  so  in  einem  Falle  von  Bazillose,  Hämaturie 
Koliken,  doppelseitiger  Spitzenaffektion.  In  einer  Kur  von  8  Wochen 
nahm  der  Patient  25  Pfund  zu,  die  Koliken  hörten  auf,  nach  weiteren 
drei  Monaten  war  er  absolut  geheilt.  In  ähnlichen  Fällen  haben 
praktische  Aerzte  denselben  guten  Erfolg  gehabt.  L.  zieht  Alt- 
tuberkulin  dem  Neutuberkulin  vor.  In  diagnostischer  Beziehung  hat 
auch  er  1— 5  g  ohne  jeglichen  Nachteil  gegeben,  therapeutisch  von 
ho  mg  an  aufwärts. 

.  .  Bcii  S  c  he  n  k  e  r  -  Aarau:  Meine  Beobachtungen  in  der  Tuber¬ 
kulosetherapie  bei  der  Anwendung  von  Marmorekserum. 

(Erscheint  an  anderer  Stelle  dieser  Wochenschrift.) 

In  der  Diskussion  erwähnt  Herr  Frey- Davos  dass  er 
an  1500  subkutane  und  über  5000  rektale  Injektionen  von  Marmorek¬ 
serum  gemacht  habe.  Nach  seiner  Ansicht  ist  es  ein  reines  anti¬ 
toxisches  Serum.  Moribunde  sind  mit  dem  Mittel  nicht  zu  retten, 
(lanz  akute  Falle  lassen  sich  z.  T.  innerhalb  von  Wochen  heilen. 

C. ironische  werden  zum  grossen  Teil  mit  vorzüglichem  Erfolge  be¬ 
handelt  werden  können.  Sie  ist  als  rektale  Methode  dem  Praktiker 
sehr  zu  empfehlen,  eventuell  mit  Opiumzusatz. 

Herr  M  e  i  n  e  r  t  z  -  Rostock:  Tuberkulose  und  Thrombose,  ein 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  Verlaufes  der  experimentellen  Tuberkulose 
in  der  venos-hyperamischen  Niere. 

Wurde  eine  venöse  Hyperämie  durch  Unterbindung  eines  Ureters 
in  einer  Niere  hervorgerufen,  dann  eine  Emulsion  von  Tuberkel- 
baz-llen  in  die  Karotis  injiziert,  so  traten  Bindegewebshyperämien 
und  Parenchymschwund  verschiedenen  Grades  je  nach  der  Länge  der 
Zeit  auf.  In  der  unterbundenen  Niere  entstanden  viel  mehr  Tuberkel 
und  zwar  postglomerulärer  Natur.  Postglomerulär  nennt  M.  alle  Tu¬ 
berkel  des  Nierenparenchyms  mit  Ausnahme  der  glomerulären 

Wurde  Tuberkelemulsion  injiziert  und  danach  erst  unterbunden 
so  trat  dasselbe  ein  In  beiden  Nieren  trat  zunächst  Thrombose  durch 
Bazillenpfropfe  auf,  in  der  Niere  mit  unterbundenem  Ureter  Neu¬ 
bildung  von  Bindegewebe,  in  der  nicht  unterbundenen  epitheliale 
Hyperplasien.  Eine  Benachteiligung  eines  gestauten  Organs  gegen- 
uber  I  uberkulose  soll  mit  diesen  Versuchen  nicht  mit  Allgcmein- 
gultigkeit  ausgesprochen  werden. 

.  *•  H!irr  Y0t!«!.ard-5or“:  künstliche  Atmung  durch  Venti¬ 
lation  der  Luftrohre.  Mit  Demonstration. 


In  zahlreichen  Versuchen  an  Hunden  gelang  es  Tiere,  deren  At¬ 
mung  durch  Kurare  aufgehoben  war,  durch  einfache  Eröffnung  der 
Lungen  röhre  und  Einleitung  von  Sauerstoff  1—2  Stunden  am  Leben 
zu  halten.  Bei  Ventilation  mit  Luft  statt  mit  O  trat  bald  Tod  ein. 
Das  Tier  stirbt  schliesslich  deshalb  auch  bei  O-Einlei-ten,  weil  das¬ 
selbe  keine  Gelegenheit  hat,  sich  von  der  Kohlensäure  zu  befreien. 

Im  Anschluss  an  diese  Versuche  hat  Vortragender  aus  einem 
einfachen  Soxhletapparat  sich  einen  einfachen  Respirationsapparat 
konstruiert.  Er  empfiehlt  seinen  Apparat  für  die  künstliche  Atmung 
bei  Tierexperimenten,  für  den  Menschen  eignen  sich  wohl  besser 
andere,  z.  B.  der  von  Brat  angegebene. 

Herr  E  n  g  e  1  -  Bad  Nauheim:  Ueber  orthotische  Albuminurie  bei 
Nephritis. 

Es  gibt  nach  den  Beobachtungen  des  Vortragenden  chronische 
orthotische  Nephritiker,  deren  Diagnostizierung  nur  unter 
strenger  Beachtung  gewisser  Vorsichts-  und  Verhaltungsmassregeln 
möglich  ist.  Die  das  Phänomen  auslösenden  Momente  lagen  in  den 
gegebenen  Fällen  nicht  auf  dem  Gebiet  des  Blutkreislaufs  und  seiner 
Veränderungen  im  Stehen  und  Liegen.  Weder  rein  hydrostatische 
Einflüsse,  noch  der  allgemeine  Blutdruck  spielten  dabei  eine  Rolle. 
Das  Vorhandensein  eines  durch  Essigsäure  im  Kalten  fällbaren  Ei¬ 
weisskörpers,  des  Euglobulin,  deutete  auf  rein  parenchymatöse  Ein¬ 
flüsse  hin.  Eiweissausscheidung  und  Kreislaufänderung  im  Stehen 
sind  bei  Orthotikern  als  koordinierte  Reizerscheinung  aufzufassen, 
auf  einen  Hypertonus  der  Körperfunktionen  zurückzuführen,  dem  die" 
vitalen  Kräfte  der  Organzellen  in  konkreten  Fällen  nicht  gewachsen 
sind.  Das  tiefere  Geheimnis  der  orthotischen  Albuminurie  scheint 
in  der  Juvenilität  der  Nierenzellen  zu  liegen,  welche  bei  Horizontal- 
d.  h.  Ruhelage  des  Körpers  die  Möglichkeit  der  Erholung  und  damit 
dci  normalen  Funktion  findet.  Deshalb  weisen  auch  orthotische 
Nephritiker  eine  günstigere  Prognose  auf  als  nichtorthotische. 

Heil  Groedel  II  und  Herr  Groedel  III  -  Bad  Nauheim:  Die 
Form  der  Herzsilhouette  bei  den  verschiedenen  Herzaflektionen. 

Dm  ch  Ausgestaltung  und  Modifikation  der  Orthodiagraphie  ist  es 
den  Vortragenden  gelungen,  die  einzelnen  Bogen  des  Herzschatten- 
i  an  des  genau  zu  verfolgen  und  aufzuzeichnen.  Man  kann  auf  diese 
Weise  erkennen,  welcher  Herzabschnitt  bei  einer  Vergrösserung  des 
Herzschattens  besonders  beteiligt  ist.  Es  lassen  sich  bestimmte  For¬ 
men  der  Herzsilhouette  für  die  meisten  Herzerkrankungen  feststellen. 
Das  Verfahren  ist  daher  als  Ergänzung  und  Kontrolle  der  übrigen 
klinischen  Untersuchungsniethoden  ausserordentlich  wertvoll. 

Hcn  Arnold  L  o  r  a  n  d  -  Karlsbad :  Klinische  Beiträge  zur  Frage 
über  die  Beziehungen  der  Schilddrüse  zum  Diabetes. 

Sitzung  vom  18.  S  e  p  t  e  m  b  e  r,  nachmittags. 

Herr  Curschmann  -  Mainz:  Ueber  die  Kontrolle  der  Schinerz- 
prufung  durch  die  Blutdruckmessung. 

Gleichdosierte,  faradische  S  ch  merzreize  wirken,  wenn 
sie  in  die  Nähe  sensibler  Nervenstämme  lokalisiert  sind,  (aber  die 
motorischen  Reizpunkte  vermeiden),  bei  Normalen  mit  normaler  Sen¬ 
sibilität  a  1  lei  meist  blutdrucksteigern d,  selten  senkend, 
jedenfalls  diffeient,  bei  Menschen  mit  organischer  (Nephritis)  und 
tunktioneller  (Angioneurotiker)  Hypertension  des  Blutdrucks  ent¬ 
sprechend  noch  stärker  steigernd  (bis  25  mm  Hg). 

Bei  organischen  Analgesien  bleibt  -die  Blutdruckverände¬ 
rung  stets  aus.  Die  Reizung  hysterischer  Analgesien  zeigte 
dasselbe  Verhalten,  Fehlen  der  B  1  u  t  d  r  u  c  k  r  e  ak  t  i  o  n.  die 
aber  wiederkehrte  nach  psychogener  Heilung  der  Analgesie.  Dieses 
Verhalten  spricht  jedenfalls  sehr  für  die  —  noch  von  manchen  Autoren 
angezweifelte  -  Realität  der  hysterischen  Sensibilitätsstörungen, 
eine  Annahme,  die  zu  der  von  Pit  res  verfochtenen,  sensiblen  Are- 
flexie  bei  schweren  hysterischen  Gefühlsstörungen  stimme. 

Herren  Kraus  und  Nicolai-  Berlin :  Ueber  das  Elektrokardio¬ 
gramm  unter  normalen  und  pathologischen  Verhältnissen. 

Herr  Kraus  führte  aus,  dass  man  mit  Hilfe  des  Elektrokardio¬ 
gramms  (d.  h.  der  photographisch  registrierten  elektrischen  Schwan¬ 
kung,  welche  jede  Herzkontraktion  begleitet)  im  stände  ist.  manche 
pathologischen  Verhältnisse  des  Herzens,  besonders  muskulöse  Er¬ 
krankungen  und  Degenerationen  zu  diagnostizieren  und  dass  es  über¬ 
haupt  eine  wertvolle  Ergänzung  der  gebräuchlichen  Untersuchungs¬ 
mittel  darstelle.  In  theoretischer  Beziehung  hat  es  sich  vor  allem 
beim  Studium  der  Arrhythmien  bewährt  —  so  hat  es  den  sicheren 
Nachweis  einer  wahren  Hemisystolie  erlaubt. 

Herr  Nicolai  .gibt  ein  Bild  von  dem  Verlauf  einer  Herz¬ 
kontraktion,  wie  es  sich  aus  dem  Studium  des  Elektrokardiogramms 
ergibt.  Er  unterscheidet  mehrere  einigermassen  selbständige  Muskel¬ 
systeme  im  Herzen;  auf  Grund  anatomischer  Untersuchungen  scheinen 
dies  zu  sein:  die  Vorhöfe,  die  Papillarsysteme  beider  Kammern,  das 
Treibwerk  und  die  Spiralfasern.  Diese  Systeme  kontrahieren  sich 
normaler  Weise  in  einer  ganz  bestimmten  Reihenfolge,  und  die  Re¬ 
sultierende  aus  den  verschiedenen  superponierten  elektrischen 
Schwankungen  ist  das  normale  Elektrokardiogramm,  das  keines¬ 
falls,  wie  es  bisher  geschah,  als  einfache  diphasi- 
sche  Schwankungen  mit  verlängerter  erster  Phase 
erklärt  werden  kann. 

Unter  pathologischen  resp.  experimentellen  Bedingungen  kann  die 
Reihenfolge  und  Richtung  der  Kontraktionen  und  damit  die  Form  des 
Elektrokardiogramms  geändert  werden.  Manchmal,  z.  B.  bei  Vagus¬ 
reizung,  können  sich  einzelne  Abschnitte  allein  kontrahieren. 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2113 


Herr  Wohlgemuth  -  Charlottenburg:  Untersuchungen  über 
das  diastatische  Ferment  in  Körperflüssigkeiten  und  Organen,  auf 
Grund  einer  neuen  Methode  zur  quantitativen  Bestimmung  der  Dia- 
stase. 

Die  neue  Methode  ist  eine  Grenzmethode  und  beruht  auf  der 
Eigenschaft  der  Stärke,  mit  Jod  sich  blau  zu  färben  und  beim  weiteren 
Abbau  zur  Erythrodextrin  eine  rote  bezw.  gelbe  Farbe  anzunehmen. 
Die  Technik  der  Methode  ist  sehr  einfach  und  liefert  bei  Lösungen, 
die  reich  an  diastatischem  Ferment  sind,  bereits  in  15 — 30  Minuten 
sehr  genaue  Resultate.  W.  schlägt  vor,  den  Gehalt  an  diastatischem 
Ferment  in  1  ccm  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  mit  D  zu  be¬ 
zeichnen  und  die  Fermentstärke  auszudrücken  durch  die  Anzahl 
Kubikzentimeter  einer  1  proz.  Stärkelösung,  die  durch  1  ccm  der 
Fermentlösung  hydrolisiert  wird. 

Für  den  Speichel  verschiedener  Personen  ergab  die  Untersuchung 

151 

D  4Qö  =  150 — 200.  Der  Gehalt  an  Ptyalin  wird  weder  durch  die 

Nahrungsaufnahme  doch  durch  die  Art  der  Ernährung  in  irgend  einer 
Weise  beeinflusst.  Im  Hundemagensaft,  der  in  den  3  untersuchten 
Fällen  aus  dem  „kleinen  Magen“  nach  Pawlow  operierter  Hunde 
stammte,  liess  -sich  niemals  eine  diastatische  Wirkung  feststellen. 
Während  saurer  Magensaft  bekanntlich  das  Ptyalin  sofort  unwirksam 
macht,  wirkt  vorher  neutralisierter  auf  das  Ferment  ganz  beträchtlich 
verstärkend.  Un-d  ebenso  wird  die  Wirkung  der  Pankreasdiastase 
durch  neutralisierten  Magensaft  wesentlich  begünstigt.  Diese  Förde¬ 
rung  der  diastatischen  Kraft  beruht  aber  nicht  auf  einem  aktivieren¬ 
den  Ferment,  sondern  auf  der  Gegenwart  von  Kochsalz,  und  es 
konnte  bewiesen  werden,  dass  es  im  NaCl  vorwiegend  das  Cl-Ion  ist. 
welchem  diese  Begünstigung  zukommt.  Die  gleiche  Eigenschaft  zeigt 
auch  das  Br-Ion,  während  das  J-Ion  sich  im  wesentlichen  indifferent 
verhält. 

Menschliches  -Serum  wurde  in  30  Fällen  auf  seinen  Gehalt  an 
diastatischem  Ferment  untersucht;  dabei  ergaben  sich  sehr  schwan¬ 
kende  Werte.  W.  -hält  es  —  analog  den  Vorgängen  in  der  Pflanze  — 
für  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Ernährungsverhältnisse  hierbei  eine 
wesentliche  Rolle  spielen. 

Herr  R  a  u  t  e  n  b  e  r  g  -  Königsberg:  Resultate  seiner  Unter¬ 
suchungen  über  Vorhofpulsation  beim  Menschen. 

An  der  normalen  Kurve  markiert  sich  die  Vorhofsystole  als 
Welle,  der  Beginn  der  Ventrikeldiastole  durch  tiefen  Abfall  der  Kurve. 
Im  Beginn  der  Ventrikelsystole  (s)  schaltet  sich  die  „Ventrikelzacke“ 
dazwischen.  Bei  Fällen  von  Dissoziation  der  Vorhöfe  und 
Ventrikel  treten  Interferenzerscheinungen  an  der  Kurve  auf.  zwischen 
den  durch  Vorhofaktion  und  -den  durch  Ventrikelsystole  bedingten 
Wellenbewegungen.  Die  Parese  -des  Vorhofes  (Mitralfehler.  Myo¬ 
degeneration)  ist  deutlich  an  der  Aenderung  der  Kurve  erkennbar. 
Nach  Erholung  durch  Digitalisgebrauch  tritt  dann  wieder  normales 
Aussehen  der  Vorhofpulsation  auf.  Experimentaluntersuchungen  am 
Tier  ergeben  die  Uebereinstimmung  der  osophag.  Pulsation  mit  der 
des  rechten  Vorhofes,  so  dass  -diese  Methode  auch  klinisch  als  zu¬ 
verlässig  zu  betrachten  ist  und  die  Berechnung  der  Dauer  von 
Vorhof-  und  Ventrikelsystole  usw.  gestattet.  Die  gleichzeitige  Regi¬ 
strierung  des  Venen-  und  Vorhofpulses  bei  Mensch  und  Tier  hat  er¬ 
geben,  dass  die  Schwankungen  des  Venenpulses  sich  gegen  die  ur¬ 
sächlichen  Druckschwankungen  des  Vorhofes  in  ungleichmässiger 
Weise  verspäten,  dass  mit  der  Vorhofwelle  synchron  im  Venenpulse 
eine  positive  Druckschwankung  vorkommt  und  dass  der  Anstieg  der 
Venenwelle  ventrikulärer  Natur  ist.  Zum  Schlüsse  demonstriert  Vor¬ 
tragender  Kurven  eines  Herzklappenfehlers,  bei  dem  Pulsation  aller 

4  Herzabteilungen  -an  der  äusseren  Brustwand  sichtbar  sind,  und 
Kurven  von  ventrikulären  und  aurikulären  Extrasystolen,  die  einen 
deutlichen  Einblick  in  die  Herzarbeit  gestatten. 

Diskussion:  Hering,  Minkowsiki,  Rautenberg. 

Herr  Mayer-Brünn:  Zur  Klinik  der  Erkrankungen  des  lym¬ 
phatischen  Apparates. 

Vortragender  bespricht  die  Symptomalogie  der  von  den  übrigen 
Affektionen  des  hämatopoetischen  Apparates  abzutrennenden  Krank¬ 
heitsbilder  der  Leukosarkomatose  und  der  unter  dem  Bilde  der  Pseu¬ 
doleukämie  auftretenden  Lymohdrüsentuberkulose. 

Als  charakteristisch  für  die  Leukosarkomatose  hält  er  neben  den 
übrigen  Symptomen  eines  eventuell  auftretenden  Tumors  den  Blut¬ 
befund,  der  sich  durch  grosse,  einkernige  Zellen  mit  schwach  tingier- 
baren  und  mit  Vakuolen  versehenen  Kernen .  charakterisiert.  Er 
vertritt  -bei  der  Auffassung  dieser  auch  diasikopisch  demonstrierten 
Blutbilder  die  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  B  a  b  e  s  sehe  Annahme,  dass  es  sich 
hierbei  gegenüber  der  Auffassung  von  Türk  und  Pappen  heim 
um  Geschwulstzellen  handelt. 

Bezüglich  der  zweiten  Affektion,  die  auf  chronisch-entzündlicher 
Grundlage  zu  stände  kommt,  bringen  seine  Beobachtungen  eine  Be¬ 
stätigung  des  Befundes  von  Schur,  sowie  Hitschmann  und 

5  t  r  o  s  s,  indem  in  derartigen  Fällen  das  Auftreten  einer  polymorph¬ 
kernigen  Leukozytose  eine  Diagnose  -ermöglicht:  jedoch  tritt  dies 
nicht  in  demselben  Falle  zu  allen  Zeiten  auf,  woraus  sich  auch  -eine 
Erklärung  für  die  negativen  Befunde  anderer  Autoren  ergeben  würde. 

Herr  S  i  c  k  -  Stuttgart:  Beitrag  zur  Mechanik  des  Magens. 

S  i  c-k  -  T  e  d  e  s  c  o  -  Wien  berichten  über  experimentelle  Unter¬ 
suchungen,  die  sie  unter  Uebertragung  der  Magnus  sehen  Methode 
(Untersuchung  des  überlebenden  Darms  im  Sauerstoff-Ringerbad)  auf 
den  Magen  erhalten  haben. 


Die  Befunde,  die  sie  hinsichtlich  der  motorischen  Verrichtungen 
des  Fundusteiles  feststellen  konnten,  sind  von  Interesse  und  prak¬ 
tischer  Bedeutung.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Muskulatur  des  Fundus¬ 
abschnitts  sofort  reflektorisch  erschlaffte,  sobald  Inhalt,  wenn  auch 
nur  unter  ganz  geringem  Druck  in  ihn  eintrat.  Es  war  dies  eine 
aktive  Erweiterung,  eine  aktive  Diastole  des  Magens,  die  nicht  durch 
die  physikalischen  Verhältnisse  einer  elastischen  Blase  erklärt  wer¬ 
den  konnten,  denn-  diese  Reaktion  fehlte  beim  toten  und  -nicht  leichen¬ 
starren  Magen  und  war  im  Pförtnerteil  des  Magens  nicht  nachweis¬ 
bar.  Eine  Anzahl  Beobachtungen  weisen  darauf  hin,  dass  diese  Stö¬ 
rungen  der  Erweiterungsfähigkeit  des  Magens  auch  in  der  Patho¬ 
logie  der  Motilität  des  Organs  Berücksichtigung  finden  müssen.  Be¬ 
merkenswert  ist,  dass  Ueberdehnung  des  Hauptmagens  rhythmische 
peristaltische  Wellen  erzeugte,  deren  graphisch  aufgezeichnete  Kur¬ 
ven  die  grösste  Aehnlichkeit  hatten  mit  solchen,  die  Sick  bei  Pa¬ 
tienten  mit  Pylorusstenose  vom  Fundus  des  Magens  gewinnen  konnte. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

Herr  v.  M  a  n  g  o  1  d  t  -  Dresden:  Ueber  das  Endschicksal  des  im¬ 
plantierten  Rippenknorpels. 

Während  dem  embryonalen  Knorpel  bei  seiner  Uebertragung  in 
andere  Gewebe  eine  ausserordentliche  Proliferationskraft  innewohnt 
(Versuche  von  Zahn  und  Leopold),  gilt  dies  nicht  im  gleichen 
Grade  von  dem  einmal  ausgebildeten  Knorpel.  Dieser  verfällt  nach 
den  Versuchen  von  O  1 1  i  e  r  und  T  i  z  z  o  n  i  nach  kurzer  oder  längerer 
Zeit  der  Resorption.  Diese  Tatsache  hat  wahrscheinlich  bisher  davon 
abgehalten,  den  Knorpel  zu  chirurgischen  Plastiken  zu  verwenden. 
Vortragender  hat  seit  1897  wiederholt  Uebertragungen,  und  zwar  von 
hyalinem  Rippenknorpel  zum  Zweck  der  Einheilung  in  das  Knorpel¬ 
gerüst  des  Kehlkopfes  zur  künstlichen  Erweiterung  desselben  bei 
Narbenstenosen,  ferner  zur  Beseitigung  von  Defekten  am  Kehlkopf, 
wie  an  der  Trachea,  endlich  zur  Heilung  der  Sattelnase  gemacht. 
Bei  diesen  Versuchen  wurde  auf  Erhaltung  und  Mitübertragung  des 
Perichondriums  besonderes  Gewicht  gelegt,  weil  dieses  noch  am 
ehesten  Aussicht  bietet,  den  Knorpel  am  Leben  zu  erhalten.  Seine 
Rippenknorpelübertragungen  sind  inzwischen  von  verschiedenen  Au¬ 
toren  mit  Erfolg  wiederholt  worden.  Die  Frage  nach  dem  späteren 
Schicksal  des  transplantierten  Riopen-knorpels  am  Menschen  blieb 
bisher  noch  ungelöst.  Vortragender  zeigt  nun,  dass  ein  mit  Peri- 
chondrium  unter  die  Halshaut  in  das  Unterhautzellgewebe  über¬ 
tragenes  Rippenknorpelstück,  das  einer  *43  jährigen  Frau  eingesetzt 
wurde,  noch  nach  8  Jahren  wohl  erhalten  bleibt,  seine  alte  Form 
bewahrt  und  sich  auch  nach  dem  mikroskopischen  Befunde  als 
lebend  erweist.  Für  das  Weiterleben  des  übertragenen  Knorpel¬ 
stückes  spricht  die  nachweisbare  Wucherung  der  Knorpelzell-en  unter 
dem  Perichondrium,  die  Verteilung  der  Knorpelzellen  über  den 
ganzen  Knorpel,  sowie  das  Fehlen  ausgedehnter,  regressiver  Ver¬ 
änderungen,  endlich  die  Tatsache,  dass  sich  der  Knorpel  in  allen 
seinen  Teilen  in  differenzierender  Weise  färben  lässt.  Das  Peri¬ 
chondrium  hat  in  einzelnen  Teilen  den  Knorpel  ganz  umwachsen:  her¬ 
vorzuheben  aber  ist,  -dass  sich  eine  Wucherung  der  Knorpelzellen  nur 
dicht  unter  dem  alten  Perichondrium  findet,  während  an  dem  gegen¬ 
überliegenden  Schnittrand,  wo  die  tieferen  Knorpellagen  sich  finden, 
keinerlei  Wucherung  der  Knorpelzellen  wahrzunehmen  ist.  Dieser 
Rand  ist  so  scharf  geblieben,  als  wäre  das  Knorpelstück  erst  frisch 
übertragen.  Aus  diesem  Befunde  geht  hervor,  dass  zwar  eine  ge¬ 
wisse  Knorpelneubildung  vom  alten  Perichondrium  ausgeht,  dass 
sich  diese  aber  nicht  -auf  die  tiefer  liegenden  Zellagen  des  Knorpels 
erstreckt.  Diese  führen  vielmehr  wie  es  scheint  ein  eigenes  Leben, 
und  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  diese  grossen  Zellen  mit  Kernen  und 
mächtiger  hyaliner  Zwischensubstanz  überhaupt  aus  den  Perichon- 
driumz-ellagen  hervorgehen.  Den  Ueb-ergang  von  den  kleinen,  mehr 
parallel  zu  einander  liegenden  Zellschichten  unter  dem  Perichon¬ 
drium  in  die  mediale  Zel'lage.  wo  sich  die  grossen  Knorpelzellen 
finden,  ist  ein  meist  ziemlich  unvermittelter,  und  ist  dies  tinktioriell 
manchmal  recht  auffallend  nachweisbar.  Dass  diese  medialen  Zell¬ 
lagen  in  ihren  Lebensbedingungen  von  dem  Perichondrium  abhätigen. 
geht  daraus  hervor,  dass  sie  ohne  dieses  zu  gründe  gehen,  während 
andererseits  der  Beweis  noch  nicht  erbracht  ist.  dass  bei  reiner 
Uebertragung  vom  -Perichondrium  mit  seiner  Zellage  sich  -ein  echter 
hvaliner  Ripoenknorpel  mit  all  seinen  typischen  Zellschichten  wieder 
bildet.  Die  Tatsache,  dass  der  mit  Perichondrium  übertragene  Rio- 
penknorpel  am  Leben  bleibt. .sichert  ihm  für  plastische  Operationen 
als  Stütz-  und  Füllmaterial  eine  hervorragende  Bedeutung. 

Redner  demonstriert  dies  an  5  Kranken,  bei  welchen  vor  7 — 8 
Jahren  die  Rippenknorpelübertragung  zur  Anwendung  kam. 

In  2  Fällen  wurde  durch  Einheilung  eines  Rippenknorpelstückes 
zwischen  die  Schildknorpelplatten  nach  Larvngofissur  eine  Erweite¬ 
rung  des  strikturierten  Kehlkopfes  erreicht,  in  einem  Falle  durch 
Rippenknorpelübertragung  eine  verlorengegangene  ganze  Schild¬ 
knorpelplatte  ersetzt,  in  einem  weiteren  ein  grösserer  Trachealdefekt 
geschlossen,  endlich  bei  Sattelnase  der  Nasenrücken  neu  gebildet  und 
'die  flottierenden  Nasenflügel  durch  Einziehung  von  Knorpelspangen 
versteift.  Alle  diese  Patienten  sind  seitdem  gesund  geblieben,  und 
lassen  sich  an  ihnen  die  eingesetzten  Rippenknorpelstücke  noch  als 
wohlerhalten  nachweisen. 

Herr  K  ö  n  I  g  -  Altona:  Studien  aus  dem  Gebiete  der  Knochen¬ 
brüche. 


2114 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


König  weist  auf  die  Bedeutung  systematischer  Nachunter¬ 
suchung  in  kl.  Röntgenogramm  von  disloziert  verheilten  Knochen- 
briichen  hin.  Wenn  man  aus  dem  Bild  eines  durch  brückenförmigen 
Kallus  an  der  Vorderseite  versteiften  Ellbogens  sehen  kann,  dass 
die  Ursache  die  versprengten  Trümmer  einer  Fraktur  des  Radius¬ 
köpfchens  abgaben,  so  erlaubt  das  den  Schluss:  in  solchen  Fällen  muss 
man  künftig  alsbald  operativ  eingreifen.  Umgekehrt  beweist  die 
tadellose  Funktion  von  disloziert  verheilten  Unterschenkelbrüchen, 
dass  hier  eine  forcierte  Verfolgung  der  anatomischen  Korrektion 
völlig  überflüssig  wäre. 

Interessante  Resultate  ergibt  solche  „retrospektive  Betrachtung“ 
'bei  kindlichen  Frakturen.  Vortr.  demonstriert  an  Röntgenbildern 
von  in  Kallus  befindlichen  und  nach  1 — 5  Jahren  nachuntersuchten, 
disloziert  verheilten  Brüchen  des  Oberschenkels,  Unterschenkels  so¬ 
wie  des  Humerus  am  Ellbogen,  wie  grosse  Knochenkanten  aufgesogen 
werden,  wie  von  dem  dislozierten  Schaft  der  ganz  freistehende  Teil, 
weil  unnütz,  im  Dicken-  und  Längenwachstum  zurückbleibt  und  da¬ 
durch  monmentane  Bewegungshemmungen  später  wieder  verschwin¬ 
den.  Sogar  Verkürzungen  werden  zum  Teil  wieder  gut  gemacht 

Andererseits  freilich  gibt  es  auch  beim  Kinde  prognostisch 
schlechte  Dislokationen.  Dazu  gehören  Verbiegungen  des  Femur 
nach  aussen,  die  verschlimmert  werden  können,  sowie  die  konse¬ 
kutiven  Veränderungen  'der  Gelenkstellung.  So  gehen  die  Valgus- 
oder  Varusstellungen  z.  B.  am  Ellbogen  nicht  zurück,  und  natürlich 
sind  halbe  oder  völlige  Verdrehungen,  z.  B.  des  Condyl.  ext.  humeri 
im  Gelenk  keiner  Aenderung  fähig. 

Danach  kann  man  manche  Dislokationen  bei  kindlichen  Frak¬ 
turen  etwas  vernachlässigen,  andere  aber  bedürfen  der  andauernden 
Aufmerksamkeit.  Zum  grössten  Teil  genügen  unsere  redressiven 
Massnahmen,  aber  bei  intraartikulären  Zertrümmerungen  und  Ver¬ 
drehungen  sollten  wir  bei  Kindern  und  Erwachsenen  alsbald  nach  ge¬ 
stellter  Diagnose  die  Fraktur  freilegen,  reponieren,  nähen,  und  erst 
dann  in  geeigneter  Weise  weiterbehandeln. 

Herr  A.  B  e  c  k  e  r  -  Rostock:  Die  endemische  Verbreitung  der 
Echinokokkenkrankheit  in  Mecklenburg. 

B.  hat  die  M  a  d  e  1  u  n  g  sehe  Sammelforschung  über  die  endemi¬ 
sche  Verbreitung  der  Echinokokkenkrankheit  in  Mecklenburg  für 
die  Zeit  von  1884 — 1905  inkl.  fortgesetzt.  Es  sind  während  dieser 
22  Jahre  im  ganzen  327  Fälle  von  Echinokokkuserkrankungen  beim 
Menschen  in  Mecklenburg  zur  ärztlichen  Kenntnis  gekommen.  B. 
hat'  alle  für  das  gehäufte  Vorkommen  dieser  Seuche  in  Betracht 
kommenden  Faktoren  untersucht  und  kommt  zu  folgenden  Ergeb¬ 
nissen  : 

Es  ist  seit  der  Madelung  sehen  Sammelforscnung  eine  nicht 
unbeträchtliche  Zunahme  und  nicht,  wie  irrtümlich  vielfach  ange¬ 
nommen  wurde,  eine  Abnahme  der  beim  Menschen  ärztlich  be¬ 
obachteten  Echinokokkenerkrankungen  in  Mecklenburg  zu  ver¬ 
zeichnen. 

,  2.  Die  Verbreitung  der  menschlichen  Echinokokkenerkrankungen 
auf  die  einzelnen  Landesteile  von  Mecklenburg  ist  im  Verhältnis  die 
gleiche  geblieben,  insofern  auch  heute  noch  der  Südwesten  von 
Mecklenburg  nur  vereinzelte  Erkrankungsfälle  aufweist,  dieselben  sich 
jedoch  um  so  mehr  häufen,  je  weiter  man  nach  Osten  und  Norden 
geht. 

3.  Die  Zahl  der  Hunde  in  Mecklenburg  hat  erheblich  zuge- 
nofnmen  und  zwar  in  stärkerem  Grade  als  die  der  Bevölkerung. 

4.  Der  mecklenburgische  Hund  beherbergt  die  Taenia  echino- 
coccus  häufiger  als  Hunde  in  echinokoikkenarmen  Gegenden. 

5.  Der  grösste  Teil  der  an  Echinokokkus  erkrankten  Mecklen¬ 
burger  gehört  den  niederen  Ständen  an,  ein  grosser  Teil  solchem  Be¬ 
rufe,  der  anerkanntermassen  viel  mit  Hunden  in  Berührung  kommt. 
Ein  grosser  Teil  der  erkrankten  Patienten  gibt  zu,  sich  viel  mit 
Hunden  beschäftigt  zu  haben. 

6.  Der  Viehreichtum  von  Mecklenburg  hat  seit  1883,  obgleich 
eine  erhebliche  Abnahme  der  Schafzucht  stattgefunden  hat,  im  gan¬ 
zen  doch  erheblich  zugenommen  und  zwar  in  stärkerem  Masse  als 
die  Bevölkerung. 

7.  Auch  heute  noch  weist  Mecklenburg  die  grösste  Schafzucht 
in  ganz  Deutschland  auf;  und  zwar  wird  in  den  Aushebungsbezirken 
von  Mecklenburg,  wo  die  meisten  Echinokokkenerkrankungen  beim 
Menschen  Vorkommen,  auch  die  Schafzucht  am  intensivsten  betrieben. 

8.  Mecklenburg  weist  im  Verein  mit  Vorpommern  von  ganz 
Deutschland  den  höchsten  Prozentsatz  von  echinokokkenkrankem 
Schlachtvieh  auf. 

9.  Die  Frage,  ob  die  Echinokokkenkrankheit  bei  den  Haustieren 
in  Mecklenburg  im  Abnehmen  begriffen  ist,  kann  mangels  zuver¬ 
lässigen  statistischen  Materials  heute  noch  nicht  mit  Sicherheit  ent¬ 
schieden  werden.  Es  erscheint  jedoch  wahrscheinlich,  dass  die 
Seuche  beim  mecklenburgischen  Vieh  im  Rückgang  begriffen  ist. 

10.  Dass  jedenfalls  keine  weitere  Zunahme,  sondern  wahr¬ 
scheinlich  eine  Abnahme  der  Hundewurmkrankheit  beim  mecklen¬ 
burgischen  Schlachtvieh  stattgefunden  hat,  ist  auf  die  in  den  letzten 
20  Jahren  hierselbst  zur  Durchführung  gekommenen  Massnahmen 
zurückzuführen,  in  erster  Linie  auf  die  Errichtung  von  sachgemäss  ge¬ 
leiteten  Schlachthäusern  mit  Schlachthauszwang. 

11.  Ein  Einfluss  dieser  hygienischen  Massnahmen  im  Sinne  eines 
Riiokganges  auch  der  menschlichen  Erkrankungsfälle  hat  sich  bisher 
wegen  der  oft  über  Jahrzehnte  sich  erstreckenden  Latenzzeit  der 
menschlichen  Echinokokkenkrankheit  nicht  geltend  machen  können. 


Herr  G  r  u  n  e  r  t  -Dresden:  Die  chirurgische  Behandlung  der 
Prostatahypertrophie. 

Das  starke  Prävalieren  der  Prostatektomie  in  der  Debatte  über 
die  Behandlung  der  Prostatahypertrophie  hat  den  Vortragenden  ver¬ 
anlasst,  die  vorhandenen  Statistiken  durchzusehen,  bezw.  wenn  keine 
Statistiken  vorhanden  waren,  die  Angaben  in  der  Literatur  statistisch 
zu  verwerten  zur  Beantwortung  der  Fragen: 

1.  Was  leisten  die  einzelnen  Operationen  in  Bezug  auf  den 
Erfolg? 

2.  Welche  unbeabsichtigten  Ereignisse  treten  nach  den  einzelnen 
Operationen  auf? 

3.  Welches  ist  die  Mortalität  bei  den  einzelnen  Operationen? 

Katheterbehandlung  und  palliative  Blasenoperationen  scheiden 

für  diese  Fragen  aus. 

Die  Vasektomie  gibt  im  Mittel  30  Proz.  Heilungen,  die  doppel-  * 
seitige  Kastration  45  Proz.,  die  B  o  1 1  i  n  i  sehe  Operation  52  Proz.. 
die  Prostatektomie  85  Proz.  Die  Mortalitätsziffern  sind  in  derselben 
Reihenfolge  0,  3,75,  6,25  und  7,5 — 12  Proz. 

Ueble  Folgen  nach  der  Operation  sind:  nach  Vasektomie  keine, 
nach  Kastration  psychische  Störungen,  nach  Bottini  (wie  überhaupt 
nach  Prostatotomie)  Nachblutungen  und  Rezidive  durch  Weiter¬ 
wachsen  der  Prostata,  nach  Prostatektomie  Impotenz,  Incontinentia 
urinae,  suprapubische  und  perineale  Urinfisteln,  Rektourethralfisteln. 
Strikturen  am  Blasenhals  und  psychische  Störungen. 

Eine  Kombination  von  Vasektomie  auf  der  einen  und  Kastration 
auf  der  anderen  Seite  hat  dem  Vortragenden  in  6  Fällen  gute  Er¬ 
folge  ohne  nachteilige  Folgen  gegeben. 

Diese  Operation  wird  vorgeschlagen,  '  jedem  Prostatiker  zu 
machen,  sowie  sich  die  ersten  Symptome  der  Rrostatahvpertrophie 
zeigen.  Bei  der  absoluten  Gefahrlosigkeit  dieses  Eingriffes  sollte 
er  bei  keinem  Prostatiker,  der  auf  den  Katheter  angewiesen  ist. 
unterbleiben,  denn  30  Proz.  dieser  Kranken  werden,  ohne  in  die  ge¬ 
ringste  Gefahr  zu  kommen,  dadurch  den  Katheter  wieder  los. 

Bleibt  der  erwartete  Erfolg  aus,  so  ist  nichts  geschadet  worden, 
und  man  kann  sich  immer  noch  für  ein  ferneres  Katheterleben  oder 
einen  weiteren  chirurgischen  Eingriff  entscheiden. 

Intelligente  Patienten  soll  man  selbst  entscheiden  lassen,  indem 
man  ihnen  die  Gefahren  des  Katheterismus  und  die  Aussichten  der 
Operation  wahrheitsgemäss  schildert.  Mit  unintelligenten  Patienten 
wird  man  schneller  fertig;  ihnen  wird  man  den  Katheter  nicht  in 
die  Hand  geben  können,  ihnen  wird  man  die  Operation  Vorschlägen 
müssen. 

Ob  man  jetzt  erst  noch  einen  weiteren  Versuch  mit  der  Bot¬ 
tini  sehen  Operation  macht,  oder  ob  man  sogleich  die  Prostatektomie 
ausführt,  das  wird  jeweilig  von  dem  betreffenden  Falle  abhängen. 

Herr  A.  F  r  e  u  d  e  n  b  e  r  g -Berlin  demonstriert  ein  von  ihm  an¬ 
gegebenes  Evakuationskystoskop,  das  gestattet,  verschiedene 
Katheter  beliebigen  Kalibers  ,  immer  mit  derselben  Optik  zu 
armieren,  und  so  für  die  Evakuation  immer  das  grösste  Kaliber  anzu¬ 
wenden,  das  noch  die  betreffende  Harnröhre  passiert.  Auch  als 
einfaches  Kystoskop  und  als  Kvstoskop  nach  Lohnstein-Güte  r- 
b  o  c  k  schem  Prinzip  kann  das  Instrument  Verwendung  finden. 

Herr  K  e  1 1  i  n  g  -  Dresden :  Ueber  die  Ergebnisse  serologischer 
Untersuchungen  bei  Karzinom. 

K  e  1 1  i  n  g  hat  600  verschiedene  Patienten  mit  seiner  biochemi¬ 
schen  Methode  untersucht.  200  wurden  mit  der  Präzipitinmethode. 
400  mit  der  hämolytischen  Methode  untersucht.  Von  den  Karzinom- 
kranken  wurde  mehr  als  jeder  fünfte  Fall,  von  den  Nichtkarzinom¬ 
kranken  durchschnittlich  jeder  achte  Fall  mindestens  zweimal  geprüft. 
265  Fälle  waren  maligne  Geschwülste,  davon  betrafen  230  den  Ver¬ 
dauungskanal  mit  108  Dositiven  Reaktionen,  davon  93  auf  Huhn;  8 
Fälle  betrafen  Mammakarzinome  (2t).  9  Uteruskarzinome  (lt)  und 
18  diverse  Karzinome  (9  t)  innerer  Organe;  9  Fälle  betrafen  maligne 
Blutkrankheiten  (4  perniziöse  Anämie  [4f],  4  Leukämie  [4tl.  1 
Pseudoleukämie);  6  gutartige  Geschwülste,  welche  keine  Reaktion 
gaben,  und  320  andere  Fälle.  Insgesamt  kamen  auf  265  maligne  Ge¬ 
schwülste  119  Reaktionen,  auf  100  Fälle  also  43,4,  auf  320  andere  Fälle 
11  Reaktionen,  also  auf  100  Fälle  3,4  (darin  stecken  einige  Fehler- 
auellen,  die  vermieden  werden  können).  In  28  Fällen  wurde  die 
Diagnose  „okkulter  Krebs“  allein  auf  die  Reaktion  hin  gestellt:  17 
Fälle  davon  unterzogen  sich  der  Operation.  8  mal  konnte  die  Ge¬ 
schwulst  entfernt  werden,  4  Patienten  davon  sind  zurzeit  beschwerde¬ 
frei  und  ohne  palpable  Rezidive.  Beim  Auftreten  der  Rezidive  treten 
die  Reaktionen  von  neuem  auf.  so  dass  sie  zur  Kontrolle  auf  Rezidiv 
verwendet  werden  können.  Die  Reaktion  tritt  dann  meist  schon  inner¬ 
halb  des  ersten  halben  Jahres  nach  der  Resektion  auf.  Bei  einem 
Fall  wurde  die  Operation  wegen  Pylorusstenose  ausgeführt:  Pat. 
zeigte  keine  Reaktion:  später  trat  in  der  Bauchnarbe  eine  Krebs¬ 
geschwulst  auf  und  mit  ihr  auch  die  Reaktion. 

Redner  zeigt  ferner  an  gastroenterostomierten  Patienten,  wie 
mit  der  Zunahme  des  Gewichtes  durch  den  besseren  Ernährungszu¬ 
stand  eine  vorher  fehlende  Reaktion  auftreten  kann.  In  anderen 
Fällen  bleibt  die  Reaktion  negativ  trotz  guter  Gewichtszunahme. 
Diese  beiden  Gruppen  haben  verschiedenes  Tumoreiweiss.  Spritzt 
man  das  Tumoreiweiss  der  ersten  Gruppe  einem  Tiere  ein.  so  be¬ 
kommt  man  die  gleiche  positive  Reaktion,  bei  der  Einspritzung  des 
Tumoreiweisses  der  zweiten  Gruppe  bleibt  sie  aus. 

Gegen  v.  Düngern,  der  auf  dem  Krebskongress  in  Frankfurt 
K  e  1 1  i  n  g  s  Untersuchungen  als  nicht  überzeugend  hingestellt  hat. 
führt  er  aus,  dass  v.  Düngern  seine  Werte,  die  für  1  proz.  Koch- 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2115 


Salzlösung  und  4  Stunden  Exposition  gelten,  auf  0,8proz.  Kochsalz¬ 
lösung  und  2  Stunden  Exposition  übertragen  hat,  ferner  aber  die 
wichtige  Kontrollbestimmung,  welche  die  Menge  des  Immunkörpers 
allein  bestimmt,  gänzlich  weggelassen  hat.  Ausserdem  sei  das  Ma¬ 
terial  ungenügend  gewesen  (ein  Fall  von  Magenkarzinom  für  die 
Methode,  welche  zur  Diagnose  der  Magendarmkrebse  angegeben  wor¬ 
den  ist).  Demgegenüber  betont  K  e  1 1  i  n  g,  dass  seine  serologischen 
Untersuchungen  im  Verlauf  von  3  Jahren  immer  die  gleichen  positiven 
Ergebnisse  gezeigt  haben. 

K  e  1 1  i  n  g  empfiehlt  die  Bluteinspritzungen,  welche  Bier  gegen 
Karzinom  angegeben  hat,  zu  spezialisieren,  nämlich  diejenigen  Tier¬ 
blutarten  zu  nehmen,  gegen  die  der  Körper  des  Geschwulstkranken 
an  und  für  sich  schon  reagiert,  und  diese  Einspritzungen  in  erster 
Linie  zur  Immunisierung  geeigneter  Fälle  gegen  Rezidive  zu  ge¬ 
brauchen. 

Herr  R  o  s  e  n  b  a  u  m  -  Dresden  hat  die  K  e  1 1  i  n  g  sehe  Blut¬ 
serumdiagnose  beim  Krebs  des  Verdauungskanals  an  70  Fällen  nach¬ 
geprüft  und  besonders  andere  Krankheiten  des  Verdauungskanals  mit 
zum  Vergleich  herangezogen.  Er  kommt  zu  ähnlichen  Resultaten  wie 
K.,  nämlich  54  Proz.  positive  Ausschläge,  und  hält  die  Methode  für 
wert,  nachgeprüft  und  in  der  Praxis  verwandt  zu  werden,  da  sie 
sich  wesentlich  vereinfachen  lässt. 

Herr  P  ä  s  s  1  e  r  -  Dresden :  Zur  chirurgischen  Behandlung  des 
Lungenemphysems  (Exzision  von  Knorpelstücken  aus  einer  grösseren 
Anzahl  Rippen). 

P.  stellt  einen  mit  sehr  gutem  Erfolg  nach  Freund  operierten 
Fall  vor  und  knüpft  daran  allgemeine  Betrachtungen  über  die  Patho¬ 
logie  des  Emphysems.  Das  Operationsresultat  sei  eine  wesentliche 
Stütze  für  die  Freund  sehe  Theorie  des  alveolären  Lungenemphv- 
sems,  zum  mindesten  insofern,  als  dadurch  die  essentielle  Bedeutung 
der  starren  Thoraxdilatation  für  die  Gesamtheit  des  klinischen  Krank¬ 
heitsbildes  „Emphysem“  dargetan  wird.  Die  von  Seidel  ange¬ 
gebene  und  durchgeführte  Operationsmethode  erlaubt  —  und  das 
erscheint  besonders  wichtig  für  einen  durchschlagenden  therapeuti¬ 
schen  Erfolg  — ,  ohne  Gefahr  und  ohne  Verletzung  eines  Nachbar¬ 
organs  auch  die  1.  Rippe  zu  durchsehneiden. 

Herr  St  ieda- Halle  a.  S.:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung 
gewisser  Fälle  von  Lungenemphysem. 

Er  stellt  dabei  einen  von  ihm  vor  10  Wochen  operierten  Fall 
von  starrer  Dilatation  des  Thorax  mit  Lungenemphysem  vor.  der 
einen  51jährigen  früheren  Schiffer  betrifft.  St  ieda  resezierte  (nach 
dem  Vorschläge  von  W.  A.  Freun  d)  von  der  2.,  3.  und  4.  Rippe 
beiderseits  Stücke  des  Rippenknorpels  in  2 — 3  cm  Länge,  von  der 
2.  Rippe  ausserdem  auch  ein  Stück  der  knöchernen  Rippe  mit  sorg¬ 
fältiger  Wegnahme  von  Perichondrium  resp.  Periost.  Der  Zustand  des 
Pat.  ist  heute  sehr  wesentlich  gebessert;  objektiv  ist  gegen  den 
starren  Thorax  mit  Unverschieblichkeit  der  Lungenränder  vor  der 
Operation,  jetzt  eine  deutliche  respiratorische  Bewegung  des  Thorax 
mit  Verschieblichkeit  der  Lungenränder  um  mehrere  Zentimeter  zu 
konstatieren.  Vortragender  bespricht  noch  kurz  die  histologischen 
Veränderungen  an  den  exzidierten  Rippenknorpeln  und  rät  dringend, 
ähnliche  Fäile  von  starrer  Dilatation  des  Thorax  mit  Lungenemphvsem 
rechtzeitig  operativ  anzugreifen,  ehe  womöglich  die  bekannten  se¬ 
kundären  Degenerationen  sich  ausgebildet  haben. 

Abteilung  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

(Schluss.) 

Sitzung  vom  18.  September  1907. 

Herr  Sauer-Bad  Steben:  Eignung  und  Wert  der  physi¬ 
kalischen  Hilfsmittel  in  der  Gynäkologie. 

Die  physikalischen  Heilmittel  wirken  als  mechanische  Reize. 
Die  Wahl  der  physikalischen  Heilmittel  —  chemische,  thermische, 
elektrische  —  ist  nicht  so  von  Wichtigkeit,  wie  die  Dosierung.  Sie 
kommen  in  der  Gynäkologie  zur  Anwendung  bei  Lageveränderungen, 
bei  Menstruationsstörungen,  bei  mangelhafter  Entwicklung  der  Genital¬ 
organe,  bei  alten  entzündlichen  Prozessen.  Die  Grösse  der  Einwirkung 
ist  bei  den  verschiedenen  Reizmitteln  nicht  gleich  gut  bestimmbar,  am 
besten  können  wir  sie  bei  den  elektrischen  Reizen  bestimmen.  Für 
Allgemeinbehandlung  empfehlen  sich  am  besten  die  Temperaturreize. 
Die  mechanischen  Reizungen  kommen  als  manuelle  Behandlung,  Be¬ 
lastung  und  Massage  in  Betracht.  Jede  Eiteransammlung,  jede  akute 
Entzündung  verbietet  Massage;  sie  kommt  in  Anwendung  bei  alten 
chronischen  Prozessen,  namentlich  zur  Lösung  von  Adhäsionen,  als¬ 
dann  zur  Lageverbesserung  des  Uterus.  Aeussere  und  innere  Be¬ 
lastung  können  als  Unterstützungsmittel  in  Betracht  kommen.  Die 
Belastung  lockert  die  Gewebe,  und  wirkt  als  Vorbereitungsmittel 
für  Massage  günstig.  Auch  die  Staffeltamponade  ist  in  diesen  Fällen, 
besonders  bei  chronischen  Blutungen  ein  gutes  Unterstützungsmittel. 

Die  elektrische  Behandlung  als  Faradisation  hat  nur  den  Wert 
eines  Tonikum,  das  Apostolische  Verfahren  hat  seinen  Wert  bei 
Behandlung  der  interstitiellen  Myome  nicht  verloren.  Sehr  wichtig 
ist  für  Behandlung  in  der  Gynäkologie  die  Anwendung  der  thermi¬ 
schen  Reize,  Kältewirkung  und  Wärmeeinwirkung;  die  oberflächlichen 
Gefässe  erweitern  sich,  der  Stoffwechsel  wird  beschleunigt.  Die  ent¬ 
zündlichen  Erkrankungen  sind  das  Hauptgebiet  für  die  Anwendung 
der  thermischen  Reize.  Mit  dem  Abklingen  der  Entzündungserschei¬ 
nungen  tritt  die  Wärmewirkung  in  ihr  Recht,  bei  den  akuten  Entzün¬ 


dungen  hingegen  ist  noch  immer  Eis-  und  Kälteeinwirkung  vorzu¬ 
ziehen.  Die  trockene  heisse  Luft  wird  von  der  Haut  am  besten 
vertragen,  feuchte  Wärme  hingegen  ist  schmerzstillender  als  trok- 
kene,  es  gehen  aber  chemische  und  mechanische  Einwirkung  voll¬ 
kommen  der  örtlichen  Anwendung  der  trockenen  heissen  Luft  und 
der  feuchten  Wärme  ab.  Bäder,  namentlich  Sandbäder  und  Moor¬ 
bäder,  wirken  gleichzeitig  mechanisch  ein,  letztere  auch  hautreizend. 
Die  Mehrbelastung  bei  einem  Moorbad  gegen  ein  Wasserbad  beträgt 
21  kg.  Es  erlaubt  die  Anwendung  höherer  Wärmegrade  für  längere 
Zeit,  ohne  das  Allgemeinbefinden  zu  beeinflussen.  Auch  eine  ther¬ 
mische  Tiefenwirkung  ist  bei  Moorbädern  durch  Untersuchungen  von 
Sauer  erwiesen,  bei  einem  %  vollen  Bade  stieg  die  Temperatur 
in  der  Achselhöhle,  die  freiblieb,  von  37— 37,5;  in  der  Uterushöhle 
hingegen  von  37,2 — 38,5. 

Diskussion:  Herr  Osterloh  erwähnt,  dass  er  das  A  po¬ 
st  o  1  i  sehe  Verfahren  als  erster  mit  angegeben,  dasselbe  aber  längst 
verlassen  habe. 

Herr  Arthur  M  u  e  1 1  e  r  -  München :  Ueber  die  Beziehungen 
zwischen  Kopfformen  und  Geburtsmechanismus. 

In  seinen  früheren  Arbeiten  hat  Vortragender  gezeigt,  dass  die 
während  der  Geburt  erworbene  Kopfform,  die  Konfiguration,  ihrer¬ 
seits  von  wesentlichem  Einflüsse  auf  den  weiteren  Geburtsverlauf 
wird. 

Man  kann  an  dem  Austrittsmechanismus  und  der  Kopfform  je 
5  verschiedene  Kopflagen  unterscheiden,  von  jeder  gibt  es  eine  dorso- 
posteriore  und  dorsoanteriore  Form. 

Von  der  Flexionslage  wurde  fast  immer  nur  die  dorsoanteriore 
Lage  beachtet,  während  von  den  Deflexionslagen  wiederum  nur  die 
dorsoposteriore,  weil  charakteristischer,  beachtet  wurden. 

Zu  letzteren  wurde  fälschlich  auch  die  dorsoposteriore  Hinter¬ 
hauptslage  gezählt. 

Von  den  verschiedenen  Lagen  hat  nun  jede  ihre  in  Profilansicht 
besonders  charakteristische  Kopfform,  welche  in  der  Sagittalscheitel- 
kurve  am  schärfsten  zum  Ausdruck  kommt. 

Wenn  man  den  Kopf  so  einstellt,  dass  die  Gesichtslinie  öfter  d*e 
Frankfurter  (deutsche)  Horizontale  durch  den  Unterrand  der  Orbita 
und  den  Oberrand  der  Gehörgangsöffnung  gelegt  ist,  horizontal  liegt, 
so  zeigt  die  Sagittalkurve  der  Profilansicht  bei  jeder  Lage  verschie¬ 
denes  Verhalten,  deren  Modifikationen  bei  den  verschiedenen  Lagen 
Vortragender  schildert. 

Da  nun  bei  Erwachsenen  alle,  wiederholt  als  für  die  verschie¬ 
denen  Kopflagen  charakteristisch  zusammengestellte  Profilformen 
Vorkommen,  ist  es  interessant,  nachzuforschen,  ob  diese  Formen  der 
Erwachsenen  hereditären  Einflüssen,  dem  Geburtsvorgange  oder  Ein¬ 
flüssen  nach  der  Geburt  zuzuschreiben  sind.  Dies  ist  erst  möglich 
geworden,  nachdem  die  Anthropologen  die  Profilansicht  mehr  be¬ 
rücksichtigten  und  wenn  die  Geburtshelfer  die  verschiedenen  Lagen 
schärfer  trennen,  als  bisher  geschah. 

Das  Vorhandensein  von  Dolichokephalie  und  Brachykephalie  ante 
partum  hat  Ruedinger  nachgewiesen.  Daher  können  auch  die 
anderen  Kopfformen  ante  partum  hereditär  vorhanden  sein. 

Sind  sie  dies,  so  können  sie  hinwiederum  zu  den  ihnen  zukom¬ 
menden  Lagen  disponieren,  da  die  Geburt  in  der  entsprechenden 
Lage  am  leichtesten  verläuft.  Müller  hat  in  der  Festschrift  für 
F.  v,  W  i  n  c  k  e  1  näher  auseinandergesetzt,  wie  bei  plattem  Becken 
unter  gleichen  Durchmessern  des  Beckens  und  der  Stirne  Brachy- 
kephalie  zu  Vorderhaupts-,  Dolichokephalie  zu  Gesichtslagen  dispo¬ 
niert.  An  einem  kleinen  Phantom  kann  man  dies  veranschaulichen. 

Dass  post  partum  der  Schädel  veränderlich  ist,  beweisen  die 
künstlichen  Kopfformen  mancher  Indianerstämme  und  hat  Wal  eher 
experimentell  durch  Lagerung  bewiesen. 

Wenn  Geburtshelfer,  Hausärzte  und  Anthropologen  Zusammen¬ 
arbeiten,  dürfte  auf  diesem  Gebiete  noch  manches  interessante  Er¬ 
gebnis  erzielt  werden  können. 

Herr  Arthur  M  u  e  11  e  r  -  München:  Ueber  die  Beziehungen  zwi¬ 
schen  Frauenleiden  und  Darmleiden. 

Vortragender  hat  in  verschiedenen  Publikationen  schon  in  den 
Jahren  1902  und  1903  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  meisten 
Unterleibsentzündungen  vom  Rektum  oder  Sigmoideum  auf  die  Ge¬ 
nitalorgane  der  Frau  überwandern. 

Diese  schon  damals  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Bauch¬ 
organen  geschilderte  Krankheits-  und  Symptomengruppe  wird  in  ihrer 
chronologischen  Entwicklung  dargestellt. 

Von  der  durch  Obstipatio  gereizten  und  chemisch  und  mechanisch 
entzündeten  Darmschleimhaut  aus  entwickeln  sich  Darmpolypen, 
Darmulzera,  Hämorrhoiden,  Periproktitis  und  periproktitische  Exsu¬ 
date  und  Abszesse;  Parametritis,  Endometritis,  Anteflexio  und  Retro- 
flexio  uteri,  Perimetritis  und  Salpingooophoritis.  Aufsteigend  ent¬ 
steht  Sympathizismus  und  als  Folge  Hyperemesis  gravidarum.  Durch 
die  Stenosis  recti,  welche  eine  Folge  der  Parametritis  posterior  ist, 
entsteht  Dickdarmkatarrh,  Darmatonie,  Colica  mucosa,  Sigmoiditis. 
Oophoritis  sinistra,  Zystitis.  Vom  Wurmfortsatz  aus  entsteht  Sal¬ 
pingooophoritis  dextra,  seltener  sinistra.  Infolge  der  Intoxikation 
können  Chlorose,  Rheumatismus.  Gicht,  Neurasthenie  hinzutreten  oder 
verschlimmert  werden.  Die  Therapie  besteht  in  allen  Arten  der 
Wärmeapplikation  und  der  Massage,  speziell  der  Vibrationsmassage 
von  den  Bauchdecken,  der  Vagina  und  dem  Rektum  aus.  Letztere 
Behandlung  hat  A.  Mueller  zuerst  angewandt.  Wichtig  ist,  stets 


2110 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


weichen  Stuhl  zu  erzielen  und  durch  direkte  Behandlung  mit  Klysmen 
und  Antisepticis  den  erkrankten  Darm  zu  heilen. 

Die  Behauptung,  dass  90  Proz.  aller  entzündlichen  Frauenleiden 
von  Gonorrhöe  stammen,  hält  Vortragender  für  falsch,  hält  es  viel¬ 
mehr  für  viel  wahrscheinlicher,  dass  90  Proz.  vom  Darm  ausgehen. 

Diskussion:  Herr  Harz  betont  den  grossen  Einfluss,  den 
die  Darmerkrankungen  auf  die  Krankheiten  der  Genitalien  üben,  na¬ 
mentlich  ist  die  Obstipatio  bei  Adnexerkrankungen  ein  ungünstig 
auf  den  Verlauf  einwirkendes  Moment,  die  physikalische  Behandlung 
sollte  daher  in  der  Gynäkologie  einen  grösseren  Raum  annehmen 
namentlich  die  Bauchmassage. 

Heu  Hölk  weist  auf  die  Wichtigkeit  hin,  die  chronische  Blind¬ 
darmerkrankungen  für  die  Aetiologie  der  Frauenkrankheiten  haben. 
,.  ™rr  .Leopold:  Bei  den  Erkrankungen  bei  jungen  Mädchen, 
die  allerdings  häufig  durch  lang  bestehende  Obstipatio  entstehen, 
konnte  L.  Verdickungen  und  Verengungen  der  unteren  Darmpartien! 
wie  Mueller,  nicht  nachweisen.  Eine  Regulierung  der  Lebens- 
weise  ist  die  Hauptsache.  Die  Periproctitis  anterior  ist  in  der  grössten 
Anzahl  der  Fälle  auf  gonorrhoische  Infektion  zurückzuführen:  die 
abweichende  Ansicht  von  Erb  ist  durch  das  verschiedenartige  Ma- 
terial  zu  erklären.  Die  Anwendung  der  Massage  bei  Periproktitis 
ei  scheint  Leopold  kontraindiziert. 

Herr  Hölk  bestätigt  die  Notwendigkeit  der  Regulierung  der 

1na.rr'e?ntlich  sah  er  bei  Dysmenorrhöe  durch  eine  vegetabilische 
Diät  bei  Vermeidung  von  Kaffee  gute  Erfolge. 

Herr  Krabler  empfiehlt  bei  der  Massage  die  Einführung  eines 
\  on  K  i  u  g  angegebenen  Glasstabes  in  den  Mastdarm  als  Stützpunkt 
bei  der  kombinierten  Massage. 

Herr  G  ers  tenberg  warnt  vor  Massage  bei  allen  Fällen,  in 
denen  Gonorrhoe  besteht  oder  bestanden  hat.  Zur  Behandlung  der 
Dysmenorrhöe  empfiehlt  G.  Fomitin,  4  mal  täglich  1  Esslöffel. 

Heri-  Fromme:  Ueber  die  Klassifizierung  der  in  der  Scheide 
normaler  Schwangerer  lebenden  Streptokokken. 

•  Die  AN'Naheit  °^er  Artvielheit  der  Streptokokken  ist  bisher  noch 
nicht  entschieden.  Die  Verschiedenheit  der  Untersuchungen,  ob  die 
:  fl  eptokokken  direkt  vom  Menschen  entnommen,  oder  in  Nährmedien 
kultiviert  wurden,  sind  die  Ursache  für  die  abweichenden  Ansichten 
ueJn?dnern  Untersucher.  Blutagarnährböden  sind  von  grösster 
Wichtigkeit  für  die  Differenzierung  der  Streptokokkenarten,  bei  dieser 
Art  der  Züchtung  kann  man  4  Arten  von  Streptokokken  nnter- 
leiden  (nach  Schottmüller).  Die  puerperalen  Strepto- 
kokkamiefalle  werden  nach  Fromm  stets  durch  den  Streptokokkus 
longus  (hämolytischer  Streptokokkus)  verursacht.  Es  fragt  sich  nun 
ob  sich  dieser  auch  bei  Schwangeren  und  im  Lochialsekret  normaler 

}un^nen'Zen  ^  ,D€rSC,be  wurde  bei  100  Schwangeren  nie  ge- 
tunden.  Bei  36  Wöchnerinnen  wurden  19  mal  Streptokokken  ge- 
iunden.  nur  ..  mal  zeigten  diese  geringe  hämolytische  Wirkung 

Werden  bei  Streptokokkenerkrankung  im  Blute  Streptokokken 
gefunden,  so  gehören  sie  dem  Streptococcus  longus  an.  Finden  sich 
Stre^okoicken  bei  Puerperalfällen  im  Uterus,  so  brauchen  sie  durch- 
d.e.Pm'Flii  "  ,  tlSChen  Streotokokkenarten  anzugehören,  in 
ei  St^nw  1St  fie  Prognosf  durchaus  günstig:  aber  selbst  wenn 
fA  X  Pp  °  lo?*u*  IS  ,oder  s,ch  Streptokokken  im  Blute  finden, 
ist  die  Prognose  nicht  schlecht  zu  stellen. 

Abteilung  für  Kinderheilkunde. 

Sitzung  vom  17.  September  1907. 

Vorsitzender:  Herr  E  s  c  h  e  r  i  c  h  -  Wien. 

das  artfremde*  Eiweiss.'  Verl,alten  des  il,fiendlicl,en  Organismus  gegen 

“f  Untersuflhungen  hatten  zur  Aufgabe,  zu  prüfen,  wie  der  junge 

Fiwehs  verum,  ^erglei<ihe  Erwachsenen  sich  gegen  artfremdes 
Eiweiss  verhalt,  wenn  dieses  direkt  in  die  Blutbahn  oder  auf  sonsti¬ 
gem  parenteralem  Wege  einverleibt  wird.  Die  Versuche  ergaben 
ptm  deu  Junge  wachsende  Organismus  (Kaninchen)  die  parenterale 
Einverleibung  des  artfremden  Eiweisses  weit  besser  und  länger  als 
,  Eiwachsene  verträgt,  weder  mit  lokalen  noch  allgemeinen  Er¬ 
scheinungen  reagiert  und  gesund  bleibt.  Diese  Verhältnisse  be- 

be?ti^matesr \\7er  ?s  Tier  ,juns  ist‘  Hat  dasselbe  ein 

nestimmtes  Alter  (8— 10  Wochen)  erreicht,  so  ist  es  mit  dieser  an- 
geborenen  Resistenz  vorbei.  In  gleichem  Masse  waren  zwischen 
erwachsenem  und  jungem  Organismus  Unterschiede  in  der  Bildung 

a '  In  de^D^sTu^s  i  n6r  Antik.ör,peI  und  Agglutinine  konstatierbar 
in  der  D  iskussion  bespricht  Langstein  -  Berlin  auf  GrimH 

der  \  ersuche  von  B  a  h  r  d  t  -  Berlin,  die  noch  nicht  publiziert  sind  die 
Unterschiede  ,m  Abbau  des  artgleichen  Eiweiss  bS"  hlfifcivorM  und 

it  v°uen-  neugeborenen  Tieren  und  weist  auf  die  Resultate  hin  die 
die  bisherigen  Untersuchungen  über  die  Verdauungsarbeit  bei’  der 

h  del  Sf2  VTi  artfremdern  und  arteigenem  Eiweiss  beim  Säugling 
der  Berliner  Universitäts-Kinderklinik  ergeben  haben 

PMÜmiu-w  2  6  •*'  °raZ:  Dif  Res°n*tion  des  Kolostrums. 

, b  nilcheinspritzungen  rufen  bei  Kaninchen  zwar  Antikörper- 
b  ldung  hervor  doch  sind  die  gewinnbaren  Antisera  nur  niedrS- 
uertige.  Injektionen  von  Erstkolostrum,  dem  direkt  nach  der  Ge 
burt  des  Kalbes  gewinnbaren  Kolostrum,  schaffen  Antisera  die  das 

n]Iüch°aberUI!Iunr0CiJ  v  Verdünnungen  von  1: 12  000  bis  1:  15  000.  Kuh- 
i  .ixh  aber  nur  in  Verdünnungen  von  1:3000  bis  1:4000  präzipi- 


tici  eil.  Das  Erstkolostrum  zeigt  also  bei  der  Kuh  einen  hohen  Anti¬ 
gengehalt  für  Präzipitinserum.  Bei  Verbitterung  von  Kuhkolostrum 
an  neugeborene  Hündchen  wie  an  einen  Fall  von  Spina  bifida  liess 
sich  mittels  eines  solchen  Antiserums  der  Uebertritt  von  Kolostrum¬ 
antigen  ins  Blut  nachweisen.  Die  Antigene  des  Kolostrums  ent- 
stammen  dem  Blutserum,  welches  mit  Kolostrumantiserum  gleichfalls 
I  räzipitine  gibt.  Vergleicht  man  Kolostrum,  Blutserum  und  Milch 
bezüglich  ihres  Antigengehaltes,  so  erweist  sich  als  am  reichsten  an 
Antigenen  das  Kolostrum.  Das  erklärt  sich  wohl  daraus,  dass  zur 
Zeit  der  Kolostrumbildung  neben  Sekretion  Resorption  immer  statt¬ 
findet.  Diese  Antigene,  gemeinsam  dem  Blutserum,  Kolostrum  und 
der  Milch,  gehen  aus  dem  mütterlichen  Blute  nicht  durch  die  Pla¬ 
zenta  über,  denn  das  Blutserum  des  neugeborenen  Kalbes  gibt  mit 
Kolostrumantiserum  keine  Präzipitine.  Dieses  Fehlen  der  Präzipitin¬ 
antigene  liess  es  als  möglich  erscheinen,  die  bisher  nur  bei  Zufuhr 
artfremden  Eiweisses  in  Anwendung  gebrachte  Präzipitinmethode 
auch  bei  der  Resorption  arteigenen  Eiweisses  anzuwenden.  Es  zeigte 
sich,  dass  6-  8  Stunden  nach  der  Aufnahme  des  Erstkolostrums  dieses 
biologisch^  im  Blute  nachweisbar  wird,  dass  der  höchste  Gehalt  am 
zweiten  Tage  erreicht  wird  und  dass  er  allmählich  abnimmt.  Der 
heran  wachsende  Organismus  zeigt  eine  ständige  Zunahme  dieser 
Stoffe,  das  erwachsene  Tier  aber  einen  ganz  konstanten  Gehalt.  Ob 
dieser  mütterlichen  Mitgift  eine  teleologische  Bedeutung  zukommt 
will  der  Vortragende  nicht  entscheiden.  Auffällig  bleibe  es  immer¬ 
hin,  dass  dadurch  das  Blut  des  Neugeborenen  dem  des  Erwachsenen 
ähnlicher  wird.  Die  Einverleibung  dieser  Stoffe  auf  enteralem  Wege 
lasst  vielleicht  daran  denken,  dass  ihnen  eine  Rolle  im  Sinne  von 
Katalysatoren  zukommt,  die  das  schlummernde  Leben  der  Darm- 
epithelien  auslösen  und  fördern. 

In  der  Diskussion  fragt  K  ö  t  tu  i  t  z  -  Dresden,  ob  sich  bei 
den  mitgeteilten  Versuchen  Albumosen  im  Harne  nachweisen  Hessen. 
Langstein-  Berlin  betont  die  Schwierigkeiten  des  Albumosen- 
nachweises  im  Harn  von  Kälbern,  die  eine  besonders  starke  Albu¬ 
minurie  der  Neugeborenen  zeigen  und  möchte  die  Frage  als  vor¬ 
läufig  nicht  entscheidungsfähig  ansehen. 

Herr  M  o  r  o  -  München:  Experimentelle  Beiträge  zur  Frage  der 
künstlichen  Säuglingsernährung. 

Herr  Pfaundler  - München :  Säuglingsernährung  und  Seiten¬ 
kettentheorie. 

Herr  M  o  r  o  -  München:  Verhalten  des  Serumkomplements  beim 
Säugling. 

Herr  H  e  i  m  a  n  n  -  München,  referiert  durch  Herrn  Pfaund¬ 
ler-München:  Potentieller  Komplementbestand  bei  natürlicher  und 
künstlicheir  Ernährung. 

Die  vorstehenden  Vorträge  erscheinen  an  anderer  Stelle  dieser 
Wochenschrift. 

Herr  Pfaundler  -  München :  Dystrophie  der  Säuglinge. 

Die  von  Heimann,  Moro  und  Pfaundler  vorgebrachten 
experimentellen  Befunde  wären  mit  folgendem  Sachverhalt  vereinbart. 
Dlf..  Nutzstoffe  der  Milch  sind  tropholytische  Komplemente,  die  bei 
j.  u'hcher  Ernährung  an  die  Körperzellen  des  Kindes  gelangen  und 
die  Tropholyse  vermitteln.  Es  gibt  neugeborene  Kinder,  die  in  aus¬ 
reichendem  Masse  zur  Selbstbeschaffung  aller  Werkzeuge  der  zellu¬ 
laren  Veidauung  befähigt  sind  und  daher  auf  Brusternährung  nicht 

xrng^.!fen  s,ind’  Es  gibt  anderseits  solche,  die  der  mütterlichen 
Nachhilfe  noch  jenseits  der  Geburt  bedürfen.  Wird  ihnen  diese  ver- 
sägt,  so  kommt  es  zu  einer  Ernährungsstörung,  einer  Dystrophie, 
deren  Abhängigkeit  von  der  artfremden  Nahrung  in  der  Bezeichnung 
Hetei  odysti  ophie  zum  Ausdruck  kommt.  Diese  beruht  auf  einer 
Herabsetzung  des  Bestandes  an  tropholytischen  Komplementen  Kom¬ 
plementmangel  bedingt  eine  gehinderte,  zelluläre  Tropholyse,  er  be¬ 
hindert  die  Nähi Stofferledigung  an  der  Zelle.  Auf  die  Fragestellung, 
die  sich  aus  dieser  Auffassung  für  das  Wesen  der  Intoxikation,  für  die 
Wesensverwandtschaft  von  infektiösen  und  alimentären  Schäden  er¬ 
geben,  im  Rahmen  eines  kurzen  Referats  einzugehen,  ist  nicht  mög¬ 
lich,  deswegen  auf  das  ausführliche  im  Jahrb.  f.  Kinderheilk.  er¬ 
scheinende  Autoreferat  verwiesen  sei. 

Herr  S  a  1  g  e  -  Göttingen:  Chronische  Toxinvergiftung,  Ueber- 
futterung  und  Atrophie. 

Vortragender  versucht  abzuleiten,  dass  gewisse  Probleme  der 
Sauglingsernährung  mit  biologischen  Methoden,  die  auf  der  Ehr¬ 
lich  sehen  Seitenkettentheorie  fussen,  angegangen  werden  müssen. 
Er  zieht  eine  Parallele  zwischen  Immunisierung  und  chronischer 
Toxinvergiftung  einerseits,  Ueberfiitterung  und  deren  Folgen  ander¬ 
seits.  Um  auf  diesem  Wege  vorwärts  zu  kommen,  muss  zunächst 
der  Bestand  des  Säuglingsorganismus  an  Rezeptoren  etc.  geprüft  und 
namentlich  das  Verhalten  der  im  extrauterinen  Leben  erworbenen 
Rezeptoren  studiert  werden.  Geeignet  dazu  erscheinen  namentlich 
die  Hämolysine,  und  Salge  teilt  eine  einfache  Methode  mit,  mittels 
der  es  möglich  ist,  mit  zehnmal  geringeren  Serummengen  als  bisher 
zu  arbeiten. 

Andiese  Reihe  biologischer  Vorträge  schliesst  sich  eine  umfang- 
reiche  Diskussion,  an  der  sich  C  i  t  r  o  n,  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  -  Ber- 
lin,  K  o  1 1  n  it  z  -  Dresden,  S  a  1  g  e  -  Göttingen,  E  s  c  h  e  r  i  c  h  -  Wien 
M  o  r  o  und  Pfaundler  - München  beteiligen.  Hervorgehoben  sei' 
nur,  dass  C  1 1  r  o  n  eine  von  Pfaundlers  Auffassung  abweichende 
Anschauung  über  die  Assimilation  des  Eiweisses  vorträgt  und  sich 
auch  dagegen  ausspricht,  dass  Fieber  eine  Immunreaktion  sei.  Fin- 


15.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2117 


k  eist  ein  äussert  seine  Skepsis  an  der  Bedeutung  der  Nutz-  und 
Schutzstoffe.  Pfaundler  bespricht  im  Schlusswort  seine  von 
Ehrlich  abweichende  Auffassung  bezüglich  der  Zwischenkörper. 
K  ö  1 1  n  \  t  z  bespricht  das  Problem  vom  physikalisch-chemischen 
Standpunkt. 

Herr  Eugen  S  c  h  I  e  s  i  n  g  e  r  -  Strassburg:  Körpergewicht  kran¬ 
ker  Säuglinge. 

Die  Gewichtskurve  der  kränklichen  und  irrationell  genährten 
Säuglinge  unterscheidet  sich  von  derjenigen  gesunder  Kinder  zu¬ 
nächst  durch  den  langsamen  Anstieg,  indem  sich  das  Geburtsgewicht 
durchschnittlich  erst  im  siebenten  Monat  verdoppelt,  im  achtzehnten 
Monat  verdreifacht  (statt  im  fünften  bezw.  zwölften  Monat),  ferner 
durch  ein  Alternieren  regelmässiger  und  unregelmässiger  Zunahmen, 
durch  den  ausschlaggebenden  Einfluss  des  Ernährungsmodus  im 
ersten  Halbjahr,  durch  die  Hinausschiebung  des  Maximums  der  täg¬ 
lichen  Zunahme,  durch  eine  häufige  Steigerung  der  Zunahme  nach 
dem  Abstillen,  durch  den  deutlich  hemmenden  Einfluss  der  Hoch¬ 
sommerhitze,  der  regelmässiger  ist  als  derjenige  der  Zahnung.  Die 
Gewichtsabnahme  hängt  im  allgemeinen  ab  von  der  Heftigkeit,  noch 
mehr  von  der  Dauer  der  Erkrankung,  am  meisten  aber  von  dem  Er¬ 
nährungszustand  des  Kindes  vor  der  Krankheit,  wobei  sich  übrigens 
atrophische  Säuglinge  verschieden  verhalten.  Bei  den  akuten  Er¬ 
nährungsstörungen  ist  der  Verlauf  der  Kurve  ausserdem  wesentlich 
abhängig  von  der  Kombination  mit  Dyspepsien;  dabei  lassen  sich  an 
dem  ab-  und  aufsteigenden  Schenket  der  Kurve  mehrere  durch  ver¬ 
schiedene  Ursachen  bedingte  Phasen  unterscheiden,  von  denen  be¬ 
sonders  der  bereits  in  die  Rekonvaleszenz  fallende  Teil  der  Abnahme 
Interesse  verdient.  Bei  den  chronischen  Ernährungsstörungen  und 
der  Pädatrophie  steigt  die  Kurve  überaus  langsam  und  flach  an,  über¬ 
dies  bei  akuten  Exazerbationen  mit  grossen  Schwankungen.  Kurz¬ 
dauernde  stärkere  Zunahme  bei  der  Atrophie  sind  im  allgemeinen 
nichts  Heilsames;  dagegen  ist  eine  anhaltende  sprungartige  Zunahme, 
namentlich  im  Herbst,  von  grosser  prognostischer  Bedeutung.  — 
Die  Gewichtsabnahme  bis  zum  Tode  beträgt  durchschnittlich  bei  den 
rasch  verlaufenden  Ernährungsstörungen  ein  Zehntel,  bei  den  sub¬ 
akuten  Fällen  ein  Siebentel,  bei  der  reinen  Pädatrophie  ein  Viertel 
bis  ein  Drittel  des  schon  einmal  erreichten  Höchstgewichts  des  be¬ 
treffenden  Kindes.  Bei  den  debilen  Säuglingen  kann  man  nach  an¬ 
fänglich  ziemlich  gleichmässigem  Verlauf  der  Kurve  später  ein  drei¬ 
faches  Verhalten  beobachten,  wobei  der  Rückstand  bereits  im  zwei¬ 
ten  oder  erst  etwa  im  sechsten  Lebensjahre  oder  gar  erst  in  der 
Pubertät  eingeholt  wird.  Schwere  hartnäckige  Rachitis  ist  aus¬ 
gezeichnet  durch  monatelangen  Stillstand  während  des  ersten  und 
unter  Umständen  auch  des  zweiten  Frühjahrs.  Bei  der  hereditären 
Syphilis  ist  mehr  als  je  sonst  das  Anfangsgewicht  für  die  weitere 
Zunahme  massgebend  (drei  Typen).  Bei  den  akuten  Infektions¬ 
krankheiten,  ausser  den  Masern,  wird  der  anfängliche  Gewichtsver¬ 
lust  vielfach  noch  während  der  Erkrankung  selbst  wieder  ausge¬ 
glichen.  Hautkranke,  namentlich  ekzematöse  Säuglinge,  weisen  häu¬ 
fig  abnorm  starke  Zunahme  auf,  besonders  deutlich  bei  der  Ent¬ 
stehung  des  Ekzems.  Fettsucht  mit  auffallend  langen  Perioden  täg¬ 
lich  grosser  Zunahme  kommt  eher  bei  jungen  überernährten  Brust¬ 
kindern  als  bei  älteren  überfütterten  Flaschenkindern  vor. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  1.  Oktober  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Deneke. 

Demonstrationen : 

Herr  Albers-Schönberg:  Gleich  nach  dem  Bekannt¬ 
werden  der  Lumiere  sehen  Methode  zur  Herstellung  von  Photo¬ 
graphien  in  den  natürlichen  Farben  wurden  auf  der  Röntgenstation 
des  Krankenhauses  St.  Georg  Untersuchungen  angestellt,  ob  und  wie 
weit  diese  Technik  für  medizinische  Zwecke  verwertbar  sei.  Für 
künstlerische  Landschaftsphotographie  hat  die  geniale  Erfindung  der 
Gebrüder  Lumiere  unbestritten  bewundernswerte  Erfolge  zu  ver¬ 
zeichnen.  Hervorragend,  wenn  auch  noch  nicht  vollendet,  sind  die 
Ergebnisse  der  Porträtphotographie.  Die  letztere  kommt  neben  der 
Aufnahme  pathologischer  Präparate  und  Mikrophotogramme  vor¬ 
wiegend  zu  Demonstrationszwecken  im  Krankenhausbetriebe  in  Be¬ 
tracht.  Bei  der  Behandlung  von  Hautkrankheiten  war  es  stets  als 
Missstand  empfunden  worden,  dass  die,  gerade  durch  ihre  Farben  sich 
auszeichnenden  Krankheiten  (Kankroide,  Lupus,  Psoriasis  usw.)  nur 
durch  kostspielige  und  oft  nicht  naturgetreue  Aquarelle  wiedergegeben 
werden  konnten.  Dieses  ist  jetzt  anders  geworden,  denn  die 
Lumiere  sehen  Autochromplatten  liefern  uns  vorzügliche  und 
naturwahre  Bilder,  die  wenn  auch  nicht  in  Abzügen  reproduzierbar, 
doch  im  Projektionsapparat  von  ausserordentlichem  didaktischen 
Werte  sind.  (Vorführung  von  Kankroiden,  Lupus  und  Psoriasisfällen.) 
Die  Demonstration  pathologisch-anatomischer  Präparate  gewinnt 
ebenfalls  durch  die  neue  Farbenphotographie,  da  sie  die  feinen  Farb- 
unterschiede  in  vorzüglicher  Weise  wiedergibt.  (Demonstration  einer 
tuberkulösen  Lunge.)  Auch  für  die  Mikrophotographie  ist  die  Methode 
anwendbar,  wenngleich  die  Technik  hier  noch  einer  weiteren  Aus¬ 
gestaltung  bedarf.  (Demonstration  besonders  schöner,  von  Dr. 
J  a  c  k  e  s  -  New  York  hergestellter  Präparate  von  Malariaplasmodien, 


Leukozyten  (2000  fache  Vergrösserung),  histolog.  Schnitte  (Hämatoxi- 
linfärbung)  u.  a.  m.  Interessant  ist  ferner,  dass  man  imstande  ist, 
die  im  Betrieb  befindliche  Röntgenröhre  zu  photographieren.  Die  be¬ 
kannte  schöne  hellgrüne  Farbe  lässt  sich  (allerdings  nur  bei  sehr 
langer  Exposition)  zur  Darstellung  bringen.  Auch  die  Violettfärbung 
des  Glases  einer  stark  gebrauchten  Röntgenröhre  ist  naturwahr  mit¬ 
tels  Autochromplatte  zu  photographieren.  Merkwürdigerweise  er¬ 
scheint  die  Röntgenröhre  im  Projektionsbilde  absolut  stereoskopisch. 
Man  nimmt  deutlich  die  Kugelform  der  Röhre  mit  der  darin  be¬ 
findlichen  Antikathode  usw.  wahr  (Demonstration).  Für  die  Rönt- 
genographie  eignen  sich  die  Platten,  wie  vorauszusehen  war,  nicht. 

Trotzdem  wir  erst  im  Anfang  der  Entwickelung  einer  für  Wissen¬ 
schaft  und  Kunst  gleich  bedeutenden  Erfindung  stehen,  muss  den 
Leistungen  der  Gebrüder  Lumiere,  die  nur  durch  unermüdlichen 
Fleiss  und  grösste  Opferwilligkeit  zu  erreichen  waren,  die  höchste 
Bewunderung  und  Anerkennung  gezollt  werden. 

Herr  F  ü  1 1  e  b  o  r  n  gibt  die  technischen  Erläuterungen  und  de¬ 
monstriert  an  einer  Reihe  von  Projektionsbildern  den  Werdegang 
einer  Photographie  in  natürlichen  Farben. 

2.  Demonstration  von  kinematographischen  Aufnahmen  von 
niederen  Lebewesen. 

Herr  Lauenstein  stellt  zwei  geheilte  Fälle  von  Perforations¬ 
peritonitis  vor.  Bei  einer  46  jährigen  Frau  handelte  es  sich  um  ein 
grosses  Ulcus  ventriculi  perforatum,  das  4  Tage  nach  dem  Eintritt 
der  Perforation  operiert  wurde  und  noch  zu  glücklichem  Ende  geführt 
wurde.  —  Einem  8  jährigen  Knaben  war  ein  Wagenrad  über  den  Leib 
gegangen.  Gleich  nach  der  Einlieferung  ins  Krankenhaus  Eröffnung 
der  Bauchhöhle.  Als  Quelle  der  Blutung  wurde  eine  Zerreissung  des 
rechten  Leberlappens  festgestellt;  die  Blutung  wurde  tamponiert. 
Ausgang  in  Heilung. 

Herr  Wichmann  demonstriert  1.  eine  Frau  mit  einem  Aspirin¬ 
exanthem.  Chronischer  Aspiringebrauch  seit  3  Jahren.  Seit  Fort¬ 
lassen  des  Mittels  bereits  Besserung  des  Gesichtsausschlages,  dessen 
Differentialdiagnose  eingehend  besprochen  wird. 

2.  einen  Mann  mit  Darier  sehen  Tuberkuliden.  Bei  dem  Pa¬ 
tienten  besteht  ein -doppelseitiger  Spitzenkatarrh. 

Herr  Franke  berichtet  über  eigene  Versuche,  die  die  Reaktion 
der  Bindehaut  auf  eingeträufelte  Tuberkulinlösung  betrafen.  Dieses 
zur  Erkennung  der  Tuberkulose  als  diagnostisches  Hilfsmittel  von 
C  a  1  m  e  1 1  e  und  anderen  Franzosen  angegebene  Verfahren  ist  von 
W  olff-E'isner  und  C  i  t  r  o  n  nachgeprüft  und  bestätigt.  Auch  die 
b  r  a  n  k  e  sehen  Versuche,  die  sich  ursprünglich  genau  an  Cal- 
m  e  1 1  e  sehe  Vorschriften  anlehnten  und  schliesslich  zur  Herstellung 
einer  mit  Thymol  haltbar  gemachten  1  proz.  Tuberkulinlösung  führten, 
Hessen  die  Brauchbarkeit  der  Methode  erkennen.  Die  Versuche 
werden  fortgesetzt. 

Herr  Arning  demonstriert  lebende  und  gefärbte  Spirochäten 
bei  Dunkelfeldbeleuchtung. 

Herr  Nonne:  Ueber  Lymphozytose-  und  Globulinunter¬ 
suchungen  der  Spinalflüssigkeit  bei  organischen  Nervenkrank¬ 
heiten. 

Die  Vermehrung  der  Lymphozyten  im  Spinalpunktat  ist 
vor  5  Jahren  von  französischer  Seite  in  die  Diagnostik  der 
organischen  Nervenkrankheiten  eingeführt.  Besonders  bei  Pa¬ 
ralysen,  Tabes  und  den  organischen  echtsyphilitischen  Hirn¬ 
erkrankungen  finden  sich  grössere,  bisweilen  sehr  grosse  Men¬ 
gen  von  Lymphozyten.  Gleichwohl  ist  der  positive  Ausfall 
dieser  Untersuchungen  nicht  bei  diesen  Krankheiten  allein  zu 
konstatieren,  sondern  bei  einzelnen  anderen  Nervenkrankheiten 
findet  man,  wie  ein  Blick  auf  die  linke  Hälfte  der  untenstehenden 
Tabelle  lehrt,  auch  eine  Lymphozytose,  deren  Hochgradigkeit 
allerdings  diejenige  der  3  oben  genannten  Krankheiten  nicht 
erreicht. 

Man  hat  daher  die  Bestimmung  der  Globuline  als  diagnosti¬ 
sches  Kriterium  herangezogen,  Untersuchungen,  die  nach  der 
Entdeckung  von  französischen  Forschern  auf  deutscher  Seite 
von  Henkel,  Meyer  und  C  i  m  b  a  1  ausgebaut  sind,  ohne 
dass  damit  eine  sichere,  in  wichtigen  Fällen  einwandsfreie 
diagnostische  Hilfe  gefunden  wurde.  Nonne  hat  nun  mit 
A  p  e  1 1  und  Schum  m  diese  Globulinuntersuchungsmethode 
etwas  modifiziert:  Eine  gesättigte  Lösung  von  Ammonium¬ 
sulfat  wird  mit  der  gleichen  Menge  Spinalpunktat  vermischt. 
Tritt  nach  3  Minuten  eine  Trübung  ein,  so  ist  die  Reaktion 
positiv  ausgefallen.  Nonne  bezeichnet  diese  Reaktion  als 
Phase  I-Reaktion,  weil  sie  nur  in  zeitlicher  Beziehung  (der 
Zeitpunkt  von  3  Minuten  ist  willkürlich  gewählt,  hat  sich  aber 
als  praktisch  brauchbar  erwiesen)  von  den  sonst  angegebenen 
Reaktionen  sich  unterscheidet.  Diese  Phase  I-Reaktion  ist 
der  Lymphozytenbestimmung  überlegen.  Sie  stellt  ein  feineres 
Reagenz  auf  die  Krankheiten  dar,  um  deren  Differentialdiagnose 
es  sich  handelt.  Sie  ist  auch  viel  einfacher  und  bequemer  als 
die  Lymphozytenuntersuchung,  zu  der  man  einer  Zentrifuge  und 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  4 2. 


Jiltj _ 


mikroskopischer  Untersuchungen  bedarf.  Das  Auftreten  von 
Globulinen  ist  dabei  ebenso  ein  Frühsymptom  wie  das  Vor¬ 
handensein  von  Lymphozyten. 


Eigene  Fälle 

Literatur 

Zahl  der  Fälle 

Positive  Phase  1 

Reaktion  in 

Proz. 

Zahl  der 
untersucht. 
Fälle 

Positiver 
Zellbefund 
in  Proz. 

Zahl  der 
Fälle 

Positiver  i 

Zellbelund 

in  Proz. 

56 

97 

331 

98 

Dementia  paralytica 

22 

100 

76 

95 

95 

95 

Tabes  dorsalis 

17 

93 

36 

75 

14 

80 

Lues  III 

15 

92 

5 

40 

76 

40 

Lues  II 

5 

20 

2 

100 

15 

100 

Lues  congenita 

2 

100 

35 

33 

18 

44 

Ueberstandene  Lues 

18 

0 

19 

4 

17 

6 

Alkoholismus 

12 

0 

13 

15 

21 

15 

Epilepsia  idiopathica 

10 

0 

12 

33 

15 

23 

Apoplexia  sanguinea 

— 

— 

14 

23 

15 

24 

Sclerosis  multiplex 

— 

— 

5 

40 

14 

65 

Tumor  cerebri 

3 

33 

20 

0 

37 

0 

Neurasthenie,  Hysterie 

12 

0 

5 

0 

6 

0 

Gesunde 

12 

0 

Die  praktisch  wichtige  und  oft  schwer  zu  entscheidende 
Frage,  ob  es  sich  um  einen  Neurastheniker  handelt,  der  einmal 
Syphilis  gehabt  hat,  oder  ob  es  sich  um  einen  Fall  von  be¬ 
ginnender  Paralyse  handelt,  lässt  sich  durch  die  Phase-I- 
Reaktion  beantworten.  In  einem  Fall  von  Tumor  cerebri  war 
allerdings  auch  diese  Reaktion  positiv  ausgefallen. 

Werner. 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  1.  August  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Hagen  demonstriert: 

1.  Ein  durch  Operation  einer  Bauchstischverletzung  gewonnenes 
Diinndarmstück  (Resektion),  welches  bei  einer  Länge  von  25  cm 
8  Stichverletzungen  aufweist,  von  denen  immer  je  2  einander  gegen¬ 
überliegen.  An  den  Bauchdecken  war  dabei  nur  eine  1,5  cm  breite 
glatte  Stichwunde  vorhanden.  Man  muss  wohl  annehmen,  dass  die 
betreffende  Dünndarmschlinge  stark  geschlängelt  war  und  so  von 
dem  verletzenden  Instrument  in  seinen  einzelnen  (4)  Windungen  auf- 
gespiesst  wurde.  Die  betr.  Schlinge  lag  in  der  linken  Fossa  iliaca, 
wodurch  ein  Ausweichen  ihrerseits  verhindert  worden  war.  Ausgang 
in  Heilung.  Vortr.  nimmt  Gelegenheit,  die  Therapie  der  offenen  Bauch¬ 
verletzungen  kurz  zu  streifen,  welche  stets  in  einer  operativen  Frei¬ 
legung  der  Wunde  und  eventueller  sofortiger  Laparotomie  bestehen 
soll. 

2.  Fine  Reihe  von  operativ  gewonnenen  Appendices  vermiculares 
(Frühoperation  bei  verschiedenen  Stadien  der  pathologischen  Ver¬ 
änderungen). 

3.  Fine  in  eine  linksseitige  Schenkelhernie  isoliert  eingeklemmte 
und  torquierte  Appendix  epiploica  der  Flexura  sigmoidea. 

4.  Das  Präparat  einer  Hodentuberkulose.  Der  betreffende  Pa¬ 
tient  war  vor  Vz  Jahre  an  einer  rechtsseitigen  Hodentuberkulose 
operiert  worden.  Damals  war  eine  Beteiligung  der  Samenbläschen 
nicht  nachweisbar.  Bei  der  diesmaligen  Operation  fand  sich  eine 
linksseitige  Hodentuberkulose.  Nunmehr  waren  auch  die  Samehbläs- 
chen  deutlich  erkrankt.  Vortr.  bespricht  die  gegenwärtigen  Anschau¬ 
ungen  über  den  Verbreitungsweg  der  Tuberkulose  des  Genital¬ 
apparates  und  nimmt  für  den  vorliegenden  Fall  an,  dass  es  sich 
um  eine  primäre  hämatogene  Infektion  (bei  bestehender 
Lungentuberkulose)  beider  Testes  gehandelt  habe,  die  bei  dem  einen 
Hoden  langsamer  zur  Entwicklung  gekommen  sei.  Von  hier  aus  sei 
es  entlang  dem  Sekretstrom  sekundär  zu  einer  Erkrankung  der  Samen- 
blaschen  gekommen. 

Herr  Mainzer  spricht  über  die  theoretische  und  thera¬ 
peutische  Bedeutung  des  L  e  d  u  c  sehen  intermittierenden 
Gleichstromes. 

\  oii  den  beiden  in  der  Praxis  wesentlich  verwendeten 
^troniarten  dient  der  faradische  fast  nur  zur  Erzielung  nicht 
spezifischer  Wirkung;  diese  sind  in  1  herapie  und  vor  allem  in 
der  Diagnostik  dem  galvanischen  Strom  Vorbehalten.  Das 
Zurücktr eten  des  faradischen  Stroms  gegenüber  dem  gal¬ 
vanischen  ist  durch  die  in  der  Praxis  tatsächlich  noch  be¬ 
stehende  Unmöglichkeit  ihn  zu  messen  bedingt;  für  die  Elektro¬ 
diagnostik  wenigstens  eignete  er  sich  durch  seinen  Charakter 
mehr  als  der  galvanische.  Wir  erhalten  die  charakteristischen 


Reaktionen  der  Elektrodiagnostik  als  Reaktionen  der  Schlies- 
sungs-  und  Oeffnungszeit  des  Stroms;  diese  Periode  des  Stroms 
zeigt  ihn  als  variablen  durch  kondensatorische  Eigenschaften 
des  Körpers  etc.  nicht  als  konstanten,  und  die  Einwirkungszeit 
des  Stroms  ist  nicht  kurz  genug,  um  den  Widerstand  des  Kör¬ 
pers  unverändert  zu  lassen;  und  dieser  Widerstand  selbst  in 
seiner  Abhängigkeit  von  physikalischen,  chemischen  und  bio¬ 
logischen  Verhältnissen  und  seiner  dadurch  wechselnden 
Grösse  beeinflusst  die  Stromstärke.  Daher  kommt  es,  dass  die 
Breite  der  normalen  Erregbarkeitswerte  der  Nerven  oft  3—5 
mal  so  gross  ist  als  der  Mittelwert.  Der  Stand  der  Elektro¬ 
diagnostik  ist  in  Wahrheit  unbefriedigend.  Der  faradische 
Strom  wäre  durch  die  Kürze  der  Reizdauer  und  die  grössere 
Unabhängigkeit  vom  Widerstand  vorzuziehen,  wenn  er  nur 
messbar  wäre.  Die  Einführung  der  Kondensatoren,  deren  Ent¬ 
ladung  bei  entsprechender  Wahl  ihrer  Grösse  von  genügend 
kurzer  Zeitdauer  und  exakter  Berechenbarkeit  ist,  enthält  einen 
grossen  Fortschritt;  äussere  Gründe  hemmen  die  allgemeine 
Anwendung.  Einen  messbaren  Strom  faradischen  Charakters 
in  oben  ausgeführter  Beziehung  gibt  uns  Le  du  cs  intermit¬ 
tierender  Gleichstrom.  Der  positive  Teil,  der  Schliessungs¬ 
draht,  ist  unterbrochen;  die  Unterbrechungsstellen  gehen  in 
zwei  Drahtbürsten  aus,  deren  gegenseitige  Entfernung  ver¬ 
ändertwerden  kann.  Von  diesen  Bürsten  rotiert  der  breite  Rand 
einer  Scheibe,  der  durch  4  gleich  grosse  Metallbänder,  durch 
Isolationsmasse  von  einander  getrennt,  gebildet  wird.  Wenn 
beide  Bürsten  auf  dem  gleichen  Metallband  laufen,  ist  der  Strom 
geschlossen,  sonst  geöffnet.  Durch  Veränderung  der  Rotations¬ 
geschwindigkeit  der  Scheibe  kann  die  Zahl  der  Unter¬ 
brechungen  in  der  Zeiteinheit,  durch  Veränderung  der  Ent¬ 
fernung  der  Bürsten  die  Dauer  der  einzelnen  Schliessung  ge¬ 
wechselt  werden.  Beide  Grössen  sind  messbar  bezw.  leicht 
berechenbar;  eventuell  könnte  eine  empirische  Skala  ihre  so¬ 
fortige  Ablesung  gestatten.  Die  Dauer  der  Stromschliessung 
drückt  die  Dauer  der  Reizung  des  Nerven  aus;  diese  wichtige 
Grösse  ist  dadurch  leicht  feststellbar;  die  Spannung  und  Inten¬ 
sität  des  Stroms  und  der  Widerstand  sind  leicht  messbar. 
L  e  d  u  c  hat  nun  festgestellt,  dass  die  Reizdauer  von  0,001  Sek. 
einen  optimalen  Reiz  für  den  Nerven  bildet,  da  bei  grösserer 
und  kleinerer  Reizdauer  eine  höhere  Spannung  zur  Erzielung 
der  Minimalzuckung  nötig  ist.  Vortragender  erhielt  in  einer 
grösseren  Versuchsreihe  gleichfalls  den  Wert  0,001—0,002  Sek. 
Eine  allgemeinere  Gesetzmässigkeit  dahinter  zu  vermuten,  ge- 
stattet  der  Vergleich  mit  der  Tatsache,  dass  es  einen  Konden- 
satoi  von  optimaler  Kapazität  in  obigem  Sinne  gibt,  dessen 
Entladungszeit  den  gleichen  Wert  wie  die  optimale  Reizzeit  be¬ 
tlägt.  Die  Ausdehnung  der  diesbezüglichen  Kondensatoren¬ 
versuche  ist  gross  genug,  um  eine  allgemeine  Gültigkeit 
für  das  Nervensystem  annehmen  zu  können.  Vielleicht  ist  die 
Latenzzeit  der  Muskelreaktion  bei  Nervenreizen,  die  eben 
0,001  Sek.  beträgt,  bestimmend  für  die  optimale  Reizzeit.  In 
einer  Reihe  von  Versuchen  an  paretischen  Muskeln  nach 
Schädigung  des  peripheren  Nerven  konnte  Vortragender  eine 
optimale  Reizzeit  längerer  Dauer  feststellen;  allerdings  um¬ 
fassen  die  Versuche  nicht  alle  Stadien  von  Degenerationen  und 
keine  degenerative  Veränderung  konnte  von  Anfang  bis  zu 
Ende  vei folgt  werden.  Es  kann  kaum  mehr  als  die  Hoffnung 
ausgesprochen  werden,  dass  unter  Verfeinerung  der  technischen 
Anordnung  der  Wert  der  optimalen  Reizzeit  leicht  zu  be¬ 
stimmen  sein  werde,  und  eine  exaktere  Grösse  als  die  jetzige 
in  der  Elektrodiagnostik  sein  werde.  Vortragender  bespricht 
die  Erscheinungen  der  lokalen  und  allgemeinen  Narkose  die 
der  intermittierende  Gleichstrom  nach  L  e  d  u  c  erzeugt.  Setzt 
man  die  Kathode  auf  einen  Nervenstamm  auf,  so  tritt  bei  ent¬ 
sprechender  Stromspannung  Anästhesie,  Hyperalgesie,  event. 
oberflächliche  Analgesie  und  Herabsetzung  des  Muskelsinns 
auf;  völlige  Analgesie  konnte  Vortragender  nie  konstatieren. 
Lasst  man  die  Kathode  auf  der  Stirn  wirken,  so  erhält  man 
bei  bestimmter  Versuchsanordnung  Ausschaltung  der  Sprach- 
und  Bewegungsfähigkeit,  Aufhebung  der  Reflexe  der  oberen 
Extremitäten  bei  dämmerhaftem  Bewusstsein;  Rubinowitsch 
kam  bei  Selbstversuchen  bis  zu  völliger  Ausschaltung  des  Be¬ 
wusstseins;  zu  starke  Ströme  sistieren  die  Atmung,  stärkere 
die  Herztätigkeit.  Zu  praktischer  Verwertung  der  allgemeinen 
Narkose  fehlen  vorerst  und  wahrscheinlich  dauernd  die  Vor- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2119 


15.  Oktober  1907. 

aussetzungen.  Die  lokale  Narkose  hat  Vortragender  seit 
2  Jahren  zur  Behandlung  von  Neuralgien  benutzt-  Bei  Neu¬ 
ralgien  tiefer  liegender  Nerven  war  der  Erfolg  nicht  besser  als 
ihn  die  übliche  elektrische  Behandlung  erwarten  liess;  dagegen 
übertraf  der  intermittierende  Gleichstrom  die  übliche  galva¬ 
nische  Anwendung  in  der  Therapie  der  Trigeminusneuralgien 
teils  durch  schnellere  Wirkung,  teils  durch  Heilung  resp.  weit¬ 
gehende  Besserung  in  Fällen,  wo  vorher  die  gewöhnliche  elek¬ 
trische  Behandlung  wirkungslos  geblieben  war;  aber  nicht 
immer  waren  Erfolge  beschieden.  Es  ist  ratsam,  in  schwereren 
Fällen  einen  Versuch  damit  zu  machen. 

Herr  Hubrich  referiert  eine  Arbeit  von  Wittmaack: 
„Ueber  Schädigungen  des  Gehörs  durch  Schalleindrücke“. 

Herr  B  u  1 1  e  r  s  demonstriert  das  operativ  gewonnene  Präparat 
einer  traumatischen  Darmperforation  durch  Hufschlag. 

Herr  Stein  berichtet  über  4  Fälle  von  Appendizitis. 


XIII.  Versammlung  mitteldeutscher  Psychiater  und 

Neurologen. 

Zu  der  am  26.  und  27.  Oktober  1907  in  Leipzig  stattfindenden 
XIII.  Versammlung  mitteldeutscher  Psychiater  und 
Neurologen  beehren  sich  die  Unterzeichneten  Geschäftsführer  er¬ 
gebenst  einzuladen. 

Sonnabend,  26.  Oktober  von  8  Uhr  abends  an  gesellige  Ver¬ 
einigung  im  Theatef Restaurant  (Augustusplatz). 

Sonntag,  27.  Oktober  I.  Sitzung:  9  Uhr  vormittags  im  Hör¬ 
saal  der  Psychiatrischen  und  Nervenklinik  der  Universität.  II.  Sitzung : 
1  Uhr  nachmittags  ebendaselbst.  Festmahl:  4Vz  Uhr  nachmittags  im 
Ratskeller  (Burgstrasse). 

Anmeldungen  zu  weiteren  Vorträgen  werden  baldigst,  Anmeldung 
zu  der  Teilnahme  am  Festmahl  (Gedeck  4  Mark)  bis  zum  22.  Oktober 
an  den  1.  Geschäftsführer  Flechsig  erbeten. 

Gäste  willkommen. 

Die  Geschäftsführer: 

Flechsig  -  Leipzig.  W  i  n  d  s  c  h  e  i  d  -  Leipzig. 


Verschiedenes. 

Aus  dem  Budget  des  Königreichs  Bayern  für  die  Jahre  1908  und  1909. 

Militäretat. 

Beim  Kriegsministerium  soll  in  der  Medizinalabteilung,  deren  Ge¬ 
schäfte  in  einer  Weise  angewachsen  sind,  dass  sie  von  dem  vor¬ 
handenen  Personal  unmöglich  mehr  bewältigt  werden  können,  eine 
Vermehrung  der  Abteilungsreferenten  um  einen  Stabsarzt  erfolgen. 
Die  Ausdehnung  der  Dienstgeschäfte  des  Generalstabsarztes  der 
Armee  machen  die  Schaffung  einer  Sanitätsinspektion,  einer  Dienst¬ 
stelle  zwischen  dem  Generalstabsarzt  und  den  Korpsgeneralärzten, 
erforderlich.  Bei  dem  preussischen  Kontingent  bestehen  seit  1906  vier 
solche  Inspektionen;  die  ihnen  zugedachten  Aufgaben  sind:  a)  Kon¬ 
trolle  über  den  baulichen  Zustand,  die  Einrichtung  und  den  Dienst¬ 
betrieb  der  Lazarette;  b)  Leitung  des  ärztlichen  Dienstes  und  Ueber¬ 
wachung  der  Einrichtungen  des  Genesungsheimes;  c)  Prüfung,  Ueber- 
wachung  und  Verbesserung  des  Sanitätsmaterials;  d)  Ueberwachung 
der  wissenschaftlichen  Fortbidung  des  Sanitätsoffizierskorps; 
e)  Ueberwachung  des  ärztlichen  Dienstes  beim  Ersatzgeschäft  und 
bei  den  Invalidenprüfungen;  f)  Beobachtung  und  Feststellung  der 
hygienischen  Verhältnisse  im  gesamten  Geschäftsbereiche,  besonders 
in  Beziehung  auf  die  Sanierung  der  Bezirke  und  auf  Seuchenbe¬ 
kämpfung;  g)  Kriegsausbildung  und  Kriegsvorbereitung  des  Sanitäts¬ 
korps.  Der  Sanitätsinspektor  ist  zugleich  Vorstand  des  Operations¬ 
kursus.  Für  den  Bureaudienst  bei  der  Inspektion  wird  ihm  1  Stabs¬ 
arzt  und  1  Sanitätsunteroffizier  (Schreiber)  zugeteilt.  Beim  Ope¬ 
rationskurs  kommt  1  Oberstabsarzt  als  Vorstand  in  Abgang.  Der 
Gehalt  des  Sanitätsinspekteurs  ist  mit  10  260  Mk.  und  900  Mk.  Zu¬ 
lage  angesetzt 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  14.  Oktober  1907. 

—  Ein  staatliches  Erziehungsheim,  das  vorbildlich  zu  werden 
verspricht,  entsteht  z.  Z.  in  der  „Schülerheimkolonie  des 
Arndt -Gymnasiums“  bei  Berlin.  Dort  wird  im  Randgebiet 
des  Grunewalds  in  der  Domäne  Dahlem  ein  Gymnasium  mit  Alumnat 
errichtet,  das  die  Prinzipien  eines  Landerziehungsheims  mit  den  Vor¬ 
teilen  einer  staatlichen  Schule  verbinden  wird.  Die  Anstalt  wird  mehr 
als  25  Morgen  Landes  bedecken;  auf  diesem  ausgedehnten  Areal  er¬ 
hebt  sich  das  Unterrichtsgebäude  und,  in  die  Gartenanlagen  verstreut, 
die  „Schülerheime“,  stattliche  Landhäuser,  in  denen  'je  ein  Lehrer 
des  Gymnasiums  mit  seinen  Angehörigen,  (oder  falls  er  unverheiratet 
ist,  mit  einer  Hausdame),  mit  einem  Assistenteh  und  mit  etwa  15 


Schülern  als  Pflegesöhnen  wohnen  wird.  Durch  diese  Verteilung  der 
Schüler  in  kleinere  Gruppen  soll  der  unpersönliche  Charakter  eines 
grossen  Alumnats  zu  gunsten  kleiner  familienhaft  und  behaglich  äus- 
gestatteter  Lebensgemeinschaften  vermieden  werden,  ohne  die  wirk¬ 
lichen  Vorteile  einer  grossen  Anstalt  mit  kräftigem  Korpsgeisf'zu  ver¬ 
lieren.  Der  Lehrplan  der  Anstalt  ist  der  des  humanistischen  'Gym¬ 
nasiums,  jedoch  mit  besonderer  Betonung  der  Pflege  körperlicher 
Uebungen.  Für  diese  ist  durch  ausgedehnte  Fussballwiesen,  Tennis¬ 
plätze,  durch  Gelegenheit  in  Schwimmen,  Rudern  und  Eislauf  auf  dem 
benachbarten  Grunewaldsee,  der  durch  besonderen  Erlass  des  Kaisers 
den  Zöglingen  freigegeben  wurde,  Sorge  getragen.  Der  Handfertig¬ 
keitsunterricht  wird  in  besonderen  Werkstätten  erteilt.  Vor  den 
privaten  Landerziehungsheimen  hat  das  Arndt-Gymnasium  den 
grossen  Vorzug  des  staatlichen  Charakters,  den  eine  bessere  Aus¬ 
wahl  des  Lehrpersonals  garantiert,  als  sie  bei  privaten  Anstalten 
möglich  ist  und  den  Drill  auf  Examina  unnötig  macht,  unter  dem 
die  Landerziehungsheime  jetzt  leiden.  Selbstverständlich  können  nur 
körperlich,  seelisch  und  intellektuell  durchaus  gesunde  Kinder  aus 
gebildeten  deutschen  Familien  in  die  Schülerheimkolonie  aufgenommen 
werden.  Die  Kosten  werden  die  einer  guten  „Pension“  nicht  über¬ 
steigen.*)  —  Die  neue  Anstalt  bedeutet  die  Anerkennung  des  Prinzips 
der  Landerziehungsheime  durch  den  Staat,  zunächst  durch  den  preus¬ 
sischen  Staat.  Dass  dieses  Prinzip  ein  gesundes  ist,  ist  durch  die 
guten  Resultate  der  Landerziehungsheime  zur  Genüge  erwiesen. 
Trotzdem  haben  sich  die  Regierungen  den  Landerziehungsheimen 
gegenüber  z.  T.  wenig  entgegenkommend  verhalten.  Dass  jetzt  ein 
deutscher  Staat  selbst  mit  der  Errichtung  einer  den  Landerziehungs¬ 
heimen  nachgebildeten  Anstalt  vorangeht,  begriissen  wir  als  einen 
grossen  Fortschritt  unseres  deutschen  Schulwesens  auf  dem  Wege 
zur  Erziehung  eines  nicht  nur  gelehrten,  sondern  auch  gesunden 
und  kräftigen  Geschlechtes. 

—  Die  deutsche  Kaiserin  hat  dem  Grafen  v.  Posadowsky- 
Wehner,  der  gleichzeitig  mit  dem  Ausscheiden  aus  seinem  Amt 
den  Vorsitz  im  Präsidium  des  deutschen  Zentralkomitees  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose  niederlegte,  ein  in  den  wärmsten  Worten 
abgefasstes  Dank-  und  Anerkennungsschreiben  für  seine  Tätigkeit  im 
Zentralkomitee  zugehen  lassen.  Wenn  der  systematische  Kampf 
gegen  die  Verheerungen  dieser  Volksseuche,  so  heisst  es  in  dem 
Schreiben,  Erfolge  zu  zeitigen  beginne,  so  dürfte  sein  Name  unter  den 
ersten  genannt  werden,  die  daran  beteiligt  sind. 

—  Die  feierliche  Enthüllung  des  Leichtenstern- 
Denkmals  findet  am  20.  Oktober  1.  J.  im  Augusta-Hospital  zu 
Köln  statt.  >n 

—  Der  Zentenar- Jubiläumsfonds  des  Pensionsvereins  für 
Witwen  und  Waisen  bayerischer  Aerzte,  dessen 
Zinsen  den  Eintritt  von  unbemittelten  Kollegen  durch  ganze  oder 
teilweise  Zahlung  der  Jahresbeiträge  ermöglichen  sollen,  hat  durch 
die  Beiträge  der  Herausgeber  der  Münchener  medizinischen  Wochen¬ 
schrift,  vieler  ärztlicher  Bezirksvereine  und  einzelner  Aerzte  gegen¬ 
wärtig  die  Höhe  von  11  228  Mk.  50  Pfg.  erreicht.  Weitere  Zu¬ 
wendungen  wären  sehr  erwünscht.  Beiträge  nimmt  der  Geschäfts¬ 
führer,  Hofrat  Dr.  Daxenberger,  München-Gern.  Düllstrasse  23 
entgegen. 

—  Vom  „Jahresbericht  über  die  Fortschritte  auf 
dem  Gebiete  der  Erkrankungen  des  Urogenital¬ 
apparate  s“  begründet  von  weil.  Prof.  M.  N  i  t  z  e  und  Dr.  S. 
Jacoby,  ist  jetzt  der  2.  Jahrgang,  Bericht  über  das  Jahr  1906,  er¬ 
schienen.  Verlag  von  S.  Karger  in  Berlin.  Preis  16  Mk. 

—  Der  offizielle  Bericht  über  die  IV.  Versammlung  der 
Tuberkulose-Aerzte  in  Berlin,  den  24.  und  25.  Mai  1907,  her¬ 
ausgegeben  von  Oberstabsarzt  a.  D.  Dr.  N  i  e  t  n  e  r,  Generalsekretär 
des  deutschen  Zentralkomitees  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  ist 
soeben  im  Verlag  des  Zentralkomitees  (Berlin  W  9,  Eichhornstr.  9) 
erschienen.  Gleichzeitig  erschien  der  Bericht  über  die  Verhand¬ 
lungen  des  deutschen  Zentralkomitees  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose  in  der  II.  Generalversammlung 
am  23.  Mai  1907  in  Berlin. 

—  Cholera.  Russland.  Nach  den  amtlichen  Ausweisen  im 
„Regierungsboten“  sind  am  21.,  22.,  23.  und  24.  September  in  Russland 
noch  91 — 194 — 117 — 133,  zusammen  535  Personen  an  der  Cholera  er¬ 
krankt  und  39 — 92—60 — 60,  zusammen  251  der  Cholera  erlegen.  Spä¬ 
teren  amtlichen  Angaben  zufolge  sind  am  25.,  26.,  27.,  28.  und  29.  Sep¬ 
tember  in  ganz  Russland  noch  133 — 109 — 74 — 54—112,  zusammen 
482  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  und  56 — 36 — 51 — 26 — 56,  zu¬ 
sammen  225  der  Cholera  erlegen.  —  Straits  Settlements.  In  Singapore 
wurden  vom  21.  bis  27.  August  22  und  in  der  folgenden  Woche  vom 
28.  August  bis  3.  September  10  Cholerafälle  gemeldet.  —  Japan.  In 
Moji  schien  sich  zufolge  einer  Nachricht  vom  22.  August  die  Cholera 
zu  verbreiten;  unter  den  etwa  49  000  Einwohnern  der  Stadt  waren  bis 
dahin  76  Erkrankungen,  darunter  40  mit  tödlichem  Ausgang  vorge¬ 
kommen,  auch  hatte  die  Seuche  auf  einige  Nachbarstädte,  u.  a.  Schimo- 
noseki,  übergegriffen.  An  Bord  von  Seeschiffen  sind  in  Kobe  am  28. 
und  30.  August  3  Cholerafälle  beobachtet,  von  denen  einer  alsbald 
tödlich  verlief.  Zufolge  einer  Drahtnachricht  vom  1.  Oktober  waren 
in  Yokohama  18  Cholerafälle  amtlich  festgestellt.  Aus  Formosa  wird 
berichtet,  dass  auf  2  von  Moji  am  31.  August  und  2.  September  in 


*)Eine  eingehendere  Darstellung  findet  sich  in  Tägl.  Rundschau, 
i  Unterhaltungsbeilage  No.  233  u.  234,  1907. 


212Ü 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  42. 


Kelung  eingetroffenen  japanischen  Dampfern  mehrere  tödlich  ver¬ 
laufene  Cholerafalle  beobachtet  worden  seien,  weswegen  die  Schiffe 
in  Quarantäne  gelegt  wurden. 

Pest.  Aegypten.  Vom  21.  bis  28.  September  wurden  in  ganz 
Aegypten  noch  3  neue  Erkrankungen  (und  3  Todesfälle)  an  der  Pest 
festgestellt.  —  Algier.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  29.  September 
ist  in  Oran  der  Ausbruch  der  Pest  amtlich  festgestellt.  —  Britisch- 
Ostmdien.  Vom  18.  bis  24.  August  sind  in  ganz  Indien  3691  Personen 
an  der  1  est  gestorben  und  5285  neue  Erkrankungen  gemeldet.  — 
Japan.  Nach  den  bis  zum  20.  August  vorliegenden  Nachrichten  wurden 
in  Osaka  seit  Beginn  dieses  Jahres  72  Erkrankungen  an  der  Pest  be¬ 
obachtet,  von  denen  70  tödlich  verlaufen  sind;  in  Yokohama  nebst 
Umgebung  erkrankten  bis  zum  9.  August  noch  18  Personen  an  der 
Pest,  sodass  sich  hier  die  Gesamtzahl  der  Pestfälle  vom  23.  Mai  bis 
23.  August  auf  21  belief,  von  denen  16  mit  dem  Tode  geendet  haben. 
—  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  In  San  Franzisko  waren  nach 
den  neuesten  Angaben  der  Publ.  Health  Reports  seit  dem  12.  August 
bis  zum  17.  September  29  Personen  an  der  Pest  erkrankt  und  17  der 
Seuche  erlegen. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  22.  bis 
28.  September  sind  21  Erkrankungen  (und  11  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  39.  Jahreswoche,  vom  22.  bis  28.  September  1907, 
cPuT  d£utschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Bielefeld  und  Schwerin  mit  je  4,9,  die  geringste  Ham- 
iorn  mit  33,1  Todesfällen  pro.  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als 
ein  Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Königshütte, 
Magdeburg,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Buer,  an  Unterleibstyphus  in 
Solingen,  an  Keuchhusten  in  Borbeck,  Heilbronn.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

P  c, r  ^  U1'.  Aar  Vorschlag  des  preussischen  Kultusministeriums 
S“5+ever  Prozent  an  der  Universität  Berlin  und  Prosektor  am 
Stadt.  Krankende  Moabit  Professor  Dr.  Westenhoeff er  von 
der  Chilenischen  Regierung  zum  ordentlichen  Professor  für  all¬ 
gemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie  an  die  Universität 
°  Jn  e  berufen-  Ausser  der  Direktion  des  pathologischen 
Instituts  der  Universität  übernimmt  er  auch  die  Direktion  sämtlicher 
Laboratorien  der  vom  öffentlichen  Wohlfahrtsausschuss  abhängigen 
öffentlichen  Krankenanstalten.  Mit  der  Berufung  ist  der  ehrenvolle 

Mm/r X  VRpbUnnden’  d£n  UntTTicht  in  der  Pathologischen  Anatomie 
B®ZiehunSf;n  zwischen  den  Kliniken  zum  pathologischen 
Institut  nach  deutschem  Muster  einzurichten. 

G  r  e  i  f  s  w  a  1  d.  Der  erst  eben  als  Nachfolger  Geheimrat  Mar- 

S  We  pTh6  +Dlr,ektor  der,  Universitäts-Frauenklinik  Professor  Dr. 
b  t  o  e  c  k  e  1  hat,  ehe  er  noch  seine  hiesige  Tätigkeit  begonnen,  einen 
Ruf  nach  Marburg  erhalten  und  angenommen.  An  seine  Stelle  ist 
neiher  der  bisherige  Privatdozent  in  Berlin  Professor  Dr.  Henkel 
berufen.  Derselbe  hat  den  Ruf  angenommen. 

Heidelberg.  Dr.  med.  Alfred  Schwenkenbecher 
Iiivatdozent  und  Assistenzarzt  bei  Geheimrat  Krehl  an  der 
Heidelberger  medizinischen  Klinik,  hat  den  Ruf  als  a.  o.  Professor  und 

angenommen?5  (hc°)eS50rS  d  e  1  a  C  a  m  0  ™  d«  Universität  Marburg 

Rat  ProfesSn?nr^StFrc  der  KieJefr  Hochschule,  der  wirkl.  Geheime 
rotessoT  D/-  v-  Esmarch  feierte  am  7.  X.  in  aller  Stille  sein 
,  jähriges  I  rofessorenjubiläum.  Aus  Anlass  dieses  Gedenktages 

^ W° d  der  ^aiser  wie  der  Kultusminister  Holle  Glück- 

rwk thteieSramme  ?es,andt  ~  Der  Qe'h-  Med.-Rat  Dr.  H  e  1  f  e  r  i  c  h 

gnöügt gesehenem  ‘ F hat  Sich  aUS  Gesundheitsrücksichten 
tigt  gesehen  uni  die  Enthebung  von  seinem  Amte  nachzusuchen. 

iUh  '  n'(-Uer  ,  T  dungs^urs  für  praktische  Aerzte  an  der 
Akademie  für  praktische  Medizin  wird  von  ca.  130  Aerzten  aus 

3eAerCztbndenUndAuSi  fCSUcht’  darunter  ca.  40  Ausländer  und 

o  Aerztmnen.  Auch  die  Professoren  Geheimrat  Schultze  und 

SS  'X'0^0'  Dr-  M  0  1  [i  6  von  deT  Handels? 

liehe '  professifr  für"  7äfh!.h€I-itJni^ersität  ist  eine  zweite  ausserordent- 
iuie  1  rotessur  für  Zahnheilkunde  errichtet  worden.  Diese  wurde 

dem  herzogl.  sachsen-meiningenschen  Hofzahnarzt  Wilh  P  f  a  f  f  in 
Dresden  vom  1.  April  1908  ab  übertragen. 

Geh  Me^-Rat" Prof X  ffn  VOm,  Lehramte  zurückgetretenen 

der  Gehnrtshilfp  ,?n'nDr  A -V  d  wunde  zum  ordentlichen  Professor 
uer  ueburtshille  und  Gynäkologie  un.d  Direktor  der  Frauenklinik  nn 

der  Universität  Marburg  der  erst  vor  kurzem  nach  Greifswafd  he" 

ru  ene  Ordinarius,  Prof.  Dr.  med.  Walter  Stoeckel  ernannt  De?' 

selbe  wird  bereits  zum  bevorstehenden  Wintersemester  das  Mar 
burger  Lehramt  übernehmen,  (hc.)  Hiersemester  ,üas  Mar- 

schenMFak,?ltäf“n.i.D?r  al|v«r?hrt?i  Senior  der  Münchener  medizini- 

DozenteSubUänm  V  ° "'  fe‘er*e  ™  8'  d'  M'  sei"  50iähr- 

Basel.  Dr.  med.  Oswald  Löb  hat  sich  als  Privatdozent  für 
experimentelle  Pathologie  in  der  medizinischen  Fakultät  der  Uni¬ 
versität  Basel  niedergelassen,  hc. 

Buenos  Aires.  Dr.  M.  Acufia  wurde  zum  ausserordentlichen 
Professor  der  Kinderheilkunde  ernannt. 


n  , N  u  a  P  o  !•  Zu  ausserordentlichen  Professoren  wurden  ernannt' 
L)r.  h.  1  adula  (chirurgische  Anatomie  und  Operationslehre),  Dr  N 
laue  (Bakteriologie). 

Ofen-Pest.  Dr.  L.  J.  Rohr  er  habilitierte  sich  als  Privat¬ 
dozent  für  medizinische  Chemie. 

v  ^  u  d, >U  a‘.  E.  O  r  e  f  i  c  e  habilitierte  sich  als  Privatdozent  für 
Kinderheilkunde. 

,.T  r.a  Zu  ausserordentlichen  Professoren  an  der  tschechischen 
medizinischen  Fakultät  wurden  ernannt  die  Privatdozenten  Dr 
R.  Jedhcka  (Chirurgie),  Dr.  St.  Ruzicka  (Hygiene). 
n  *  °  m  S  k-  DLer  ausserordentliche  Professor  der  Kinderheilkunde 
i.  v.  1  lmascheff  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 
(Todesfälle.) 

,.In  Frankfurt  a  M  starb  der  bekannte  Hygieniker  Geheimer 
Medizinalrat  Dr.  Wilhelm  Grandhomme,  früher  Kreisarzt  der 
Stadt  Frankfurt.  73  Jahre  alt. 

M  ,.D.r-  St^SWrifh-in  Wi.Iders’  früher  Professor  der  gerichtlichen 
Medizin  an  der  Universität  Birmingham. 

Dr.  J  Henry  Jackson,  Professor  der  Physiologie  an  der  Uni- 
versity  oi  Vermont  zu  Burlington. 

In  Sarajevo  starb  am  9.  Oktober  der  Primararzt  und  Leiter 

Leopold  QSi;ü‘cekrZeS0ViniSChen  Landess'pitals>  Landessanitätsrat  Dr. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

R  a  ^c>e  r  6  r  *  a  ^S^-n  Gr-  Franz  Grillmeier  in  Falkenstein, 
B.-A.  Roding,  seit  2o.  IX.  07,  appr.  1907. 

V  et  z°gen:  Dr.  Stefan  Wurm  von  Tittmoning  nach  Haag 
in  Oberbayern.  ** 

•  Er"ann!:  De,r  prakt  Artzt  Df.  Franz  Gebhardt  in  Haag, 
seiner  Bitte  entsprechend,  zum  Bezirksarzt  I.  Klasse  in  Viechtach. 
c  v  'ür-Se!'zt:  Der  Bezirksarzt  I.  Klasse  Dr.  August  Lüst  in 
beurenbmUnChen  &UI  Ansuchen  in  &lecIier  Eigenschaft  nach  Kauf- 

,  ,  +QeNsTt0,rben:  B-  Stoeckl,  K.  Bezirksarzt  a.  D.,  zu¬ 

letzt  in  Neunburg  v.  W.,  in  Mainburg,  im  66.  Lebensjahr. 


Korrespondenz. 


Eine  Festsetzung  der  Vergütungen  für  ärztliche  Dienstleistungen  auf 

dem  Verordnungswege. 

Burghaslach,  11.  Oktober  1907. 

...  A^  ^Lhluss  zur  Korrespondenz  über:  Eine  Festsetzung  der  Ver- 
?a  an.gen  für  ärztliche  Dienstleistungen  auf  dem  Verordnungswege 
ist  folgendes  zu  berichten: 

Das  Versicherungsamt  für  bayerische  Verkehrsanstalten  (Post- 
Krankenkasse)  lress  mir  auf  meine  wiederholte  Verweigerung  der 
Anerkennung  des  Tarifs  zur  Kenntnisnahme  nunmehr  mitteilen,  dass 
H]ir  b's.  auf  weiteres  bei  Inanspruchnahme  meiner  Dienste  die  niedrig¬ 
sten  Satze  nach  der  Kgl.  Allerh.  Verordnung  vom  17.  Oktober  1901 
zugestanden  werden. 

Also  doch  ein  Erfolg  von  der  grundsätzlichen  Verweigerung  der 
Anerkennung  des  Tarifs.  Eine  weise  Lehre  für  die  Zukunft  sollte  doch 
aus  diesem  EinzelfaH  gezogen  werden.  Es  kann  dem  Ansehen  des 
ärztlichen  Standes  nur  schaden,  wenn  sich  einzelne  Mitglieder  aus 
urcht,  in  Ungnade  bei  einer  Kasse  zu  fallen,  herbeilassen,  unter 
den  Sätzen  der  Armentaxe  förmliche  Tarife  anzuerkennen. 

Dr.  Weber. 

Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  39.  Jahreswoche  vom  22.  bis  28.  September  1907 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  19  (11*) 
Altersschw.  (ub. 60  J.)  7  (5),  Kindbettfieber  1  (1),  and.  Folgen  der 
Geburt  —-  (“~)i  Scharlach  -  (-),  Masern  u.  Röteln  -(1),  Diphth.  u. 
Krupp  3  (4),  Keuchhusten  —  (D,  Typhus —(—),  übertragb.  Tierkrankh. 
-  (-),  Rose  (Erysipel)  -  (-),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 

nraltes7nrgMfti-  ?  (3>>  ' Tuberkul.  d.  Lungen  20  (20),  Tuberkul.  and. 
ürg.  8(6),  Miliartuberkul.  —(1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  10  (4) 
Influenza -(— ),  and  übertragb.  Krankh.  -  (3),  Entzünd,  d.  Atmungs- 
organe  1  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  4  (3),  organ.  Herzleid.  15  (11), 
Kr  d-Krflslaaf,f0fg-  (einschl.  Herzschlag)  6  (9),  Gehirnschlag 
l  (2K  Gßisteskrankh.  1  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  7  (4),  and. 
Krankh  d  Nervensystems  3  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 

E1e?rufg)  V-  i40)’,  ?rankb-  d-  Leber  4(3),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (— ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  (5),  Krankh.  d. 

EaJnxrU'  hlechtsorg.  2  (5),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  11  (18), 
and.  Neubildg.  (einschl  Sarkom)  1  (-),  Selbstmord  2  (-),  Tod  durch 
fremde  Hand  (  )  Unglücksfälle  2  (2),  alle  übrig.  Krankh.  3  (5). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  183  (174).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,4  (16,5),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,5  (10,8). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


von  i.  F.  Lc«H)*<n.  in  München  —  Pmc)(  von  r  MiihllJvilpr«  Ruch  nn<1  Kiinvtilnirkerpi  A  O  .  Münrhpn 


Oje  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  n<  wöchentlich 
Jm  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  8<i  4-  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

^  ö—.,  ,  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  8V1— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  v.  Angerer,  Ch.  Bäumler,  0.  r.  Bollinger,  H.  Curschmann,  B.  Uelferich,  Wj.  Leute,  G.  Merkel,  J.  t.  Michel,  F.  Penzoldt,  B.t  Banke,  B.  Spatz,  B.v.Winckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  43.  22.  Oktober  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Die  experimentelle  Pharmakologie. 

Von  Dr.  B.  N  a  u  n  y  n  in  Baden-Baden. 

Die  Unruhe,  welche  unsere  Zeit  charakterisiert,  kommt 
kaum  irgendwo  deutlicher  zum  Ausdruck,  als  in  der  Entwick¬ 
lung  der  Pharmakologie:  Wir  erleben  es  hier,  dass  eine  Dis¬ 
ziplin  an  hochwichtigen  Stellen  als  veraltet  und  absterbend  be¬ 
trachtet  zu  werden  droht,  während  sie  sich  selbst  mit  Recht 
noch  jung  und  im  Besitz  noch  stetig  wachsender  Kräfte  fühlt 
und  sich  mit  Recht  rühmen  kann,  dass  sie  noch  täglich  Boden 
gewinnt  und,,  auch  äusserlich  genommen,  noch  täglich  erstarkt. 

Was  die  Pharmakologie  wissenschaftlich  leistet  und  wel¬ 
chen  Ansehens  sich  die  auf  ihre  Rechnung  zu  setzenden  Publi¬ 
kationen  erfreuen,  davon  legt  die  Blüte  und  die  unbestrittene 
Achtung  und  der  Erfolg  Zeugnis  ab,  dessen  sich  das  Archiv 
für  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie  rühmen 
kann;  und  dass  die  experimentelle  Pharmakologie  tatsächlich 
noch  auf  dem  aufsteigenden  Aste  ihrer  Entwicklung  steht,  das 
beweist  wohl  auch  die  Tatsache,  dass  nicht  nur  im  Auslande 
fast  alljährlich  neue  Professuren  mit  glänzend  ausgestatteten 
Instituten  für  sie  geschaffen  werden,  sondern  auch  soeben  erst 
wieder  in  Deutschland  (in  Freiburg  und  Tübingen). 

Es  würde  dies  kaum  geschehen,  wenn  nicht  von  den  mo¬ 
dernen  Therapeuten  ebenso  wie  von  uns  älteren  Klinikern  das 
Bedürfnis  nach  wissenschaftlicher  Analyse  und  Kritik  der  Arz¬ 
neiwirkung  und  nach  entsprechender  Unterweisung  der  Medi¬ 
zinstudierenden  empfunden  würde;  vielleicht  heut  um  so  drin¬ 
gender,  als  die  täglich  wachsende  Zahl  der  von  der  Industrie 
auf  den  Markt  gebrachten  Heilmittel  zu  roh  empirischer  Poly¬ 
pragmasie  und  zu  bedenklichem  Experimentieren  an  Kranken 
zu  führen  droht.  Nicht  nur  anatomisches  und  physiologisches 
Wissen,  sondern  auch  gründliche  theoretische  Kenntnis  von  der 
Wirkung  der  Arzneimittel  und  Gifte  gehört  heute  zur  unent¬ 
behrlichen  wissenschaftlichen  Bildung  des  Arztes.  Hierzu  ge¬ 
nügt  keineswegs  der  einfach  deskriptive  Unterricht  in  der  Ma- 
teria  medica,  sondern  ist  die  experimentelle  Pharmakologie  un¬ 
entbehrlich;  diese  soll  —  um  mit  Schmiedeberg  zu  reden 
—  dem  Arzte  ein  Wegweiser  werden  um  die  Ziele  zu  er¬ 
kennen  und  ins  Auge  zu  fassen,  die  dann  auf  den  verschiedenen 
Wegen  der  praktischen  Therapie  erstrebt  werden  mögen. 

Demgegenüber  fehlt  es  aber  nicht  an  Stimmen,  die  der 
heutigen  Pharmakologie  Verknöcherung  oder  gar  Unfrucht¬ 
barkeit  vorwerfen  und  ihr  gegenüber  die  neu  und  glänzend 
erstandene  experimentelle  Therapie  als  Konkurrenten  aufzu¬ 
stellen  geneigt  sind. 

Die  für  die  experimentelle  Therapie  gegründeten  Institute 
haben  schnell  grosse  Anerkennung  erworben,  und  man  schickt 
sich  hier  und  da  vielleicht  bereits  an,  sie  —  die  experimentelle 
Therapie  —  als  den  legitimen  Erben  der  alten  experimentellen 
Pharmakologie  anzusehen. 

Die  Vorliebe,  deren  sich  die  Institute  für  experimentelle 
Therapie  an  massgebender  Stelle  erfreuen  mögen,  wäre  wohl 
begreiflich:  Die  bereits  existierenden  Institute  derart  sind  zwei 
genialen  Männern  auf  den  Leib  zugeschnitten  und  das  Genie 
dieser  Männer  trägt  sie!  Ausserdem  aber  sind  diese  Institute 
von  vornherein  dadurch  in  eine  sehr  günstige  Lage  gebracht, 

No.  43. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


dass  sie  der  besondere  Behandlung  einiger  bestimmter  Wis¬ 
senszweige  geweiht  wurden,  deren  Kultur  die  wichtigsten 
praktischen  Konsequenzen  bereits  zu  zeitigen  begann  oder  in 
kürzester  Zeit  zu  zeitigen  in  Aussicht  stellte  —  mit  Spannung 
folgt  man  seit  ihrem  Entstehen  jeder  ihrer  Lebensäusserungen. 

Demgegenüber  hat  die  Pharmakologie  durchaus  und  mit 
vollem  Bewusstsein  nicht  nur  verschmäht,  ihre  praktischen 
Erfolge  geltend  zu  machen,  sondern  es  geradezu  abgelehnt, 
direkt  praktischen  Zielen  nachzugehen!  Sie  hat  sich  von  An¬ 
fang  an  als  wissenschaftliche  Disziplin  gehalten,  die  sich  selbst 
und  nur  sich  selbst  und  ihren  wissenschaftlichen  Aufgaben  lebt; 
da  wird  dann  leicht  die  Fühlung  mit  der  Praxis  vermisst  und 
solcher  Standpunkt  erscheint  gar  dünkelhaft  und  überwunden. 
Freilich  nur  dem  Fernstehenden,  denn  wer  diese  Dinge  kennt, 
weiss,  dass  jede  neue  wissenschaftliche  Disziplin  sich  so  stellen 
muss.  Gerade  für  uns  in  Deutschland  lehrt  die  Geschichte 
wie  das  immer  so  gegangen  ist  und  wie  die  Blüte  und  Leis¬ 
tungsfähigkeit  aller  der  verschiedenen  in  schneller  Reihenfolge 
sich  abspaltenden  Disziplinen  und  damit  die  Blüte  und  Leis¬ 
tungsfähigkeit  der  gesamten  Wissenschaften  auf  dieser 
stolzen  Selbständigkeit  beruht,  die  sich  jede  einzelne  —  ange- 
masst  hat.  Die  Früchte  für  die  Praxis  sind  nirgends  ausge¬ 
blieben  und  auch  die  Pharmakologie,  so  jung  sie  noch  ist, 
hat  deren  genug  gezeitigt. 

Zunächst  um  mit  dem  Augenscheinlichsten  zu  beginnen  — 
man  schilt  über  die  übertriebene  Produktion  von  neuen  Mitteln, 
und  doch  denke  man  sich  einen  Arzt  ohne:  Antipyrin, 
Phenazetin,  Salol,  Aspirin,  Chloral,  Veronal,  Kokain,  Supra- 
renin,  Diuretin  etc.  etc.  —  das  sind  einige  wenige  der  un¬ 
entbehrlichen  Drogen,  die  wir  der  Pharmakologie  danken. 
Einen  wichtigen  Schritt  hat  die  Pharmakologie  ferner  getan, 
indem  sie  aus  natürlichen  Drogen  den  wirksamen  Bestand¬ 
teil  isolierte,  darstellen  und  kennen  lehrte  (Digitoxin,  Strophan¬ 
tin,  Kokain,  Hyoszyamin  etc.).  Auch  hier  praktische  Erfolge 
vollauf  und  täglich  neue  in  Sicht!  Viel  mehr  aber  als  das  was 
sie  so  selbst  direkt  der  Praxis  geholfen  hat,  gilt  die  Aus¬ 
arbeitung  der  Methoden  für  die  Untersuchung  all  dieser 
Drogen  —  auf  diese  Seite  der  pharmakologischen  Arbeit 
komme  ich  sogleich  noch  zurück. 

Es  ist  richtig,  dass  die  Pharmakologie  in  ihrer  Zurück¬ 
haltung  nach  einer  Seite  vielleicht  zu  weit  gegangen  war;  es 
hat  lang  gedauert,  bis  sie  sich  entschlossen  hat  Fühlung  mit 
der  Serologie  zu  nehmen  und  diePharmaka,  welche  diese  bietet, 
in  den  Bereich  ihrer  Forschung  zu  ziehen.  Erst  vor  wenigen 
Jahren  ist  dies  geschehen;  doch  hegen  bereits  Ergebnisse  vor, 
welche  hoffen  lassen,  dass  auch  auf  den  nun  ihr  durch  die 
Serologie  erschlossenen  Gebieten  der  Pharmakologie  Erfolge 
beschieden  sein  werden. 


Es  ist  für  mich  kein  Zweifel,  dass  die  experimentelle  Pliai- 
akologie  die  Serologie  in  sich  aufnehmen  muss  und  wird, 
enigstens  so  weit  es  sich  um  die  chemische  und  physiologi- 
:he  Erforschung  der  Körper  handelt  mit  deren  Kraftäusse- 
mgen  diese  uns  bekannt  gemacht  hat,  und  dass  die  Serum- 
rschung  solcher  Mitarbeit  der  experimentellen  Pharmakologie 
i  ihren  Problemen  durchaus  bedarf;  denn  ihre,  der  Phaima- 
Hogie,  Sache  ist  es,  über  die  Methoden  zu  verfügen  oc.ei 
jlche  zu  finden,  deren  es  zur  Darstellung  dieser  Körper  uni 
im  a  1 1  s  e  i  t  i  g  e  n  Studium  ihrer  Zusammensetzung  und  \v  n  - 


2122 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


kungsweise  bedarf.  Die  Einseitigkeit  der  Methodik,  mit  der 
die  Serumforschung  bisher  arbeitet  ist  der  Grund,  weshalb  sie 
auch  heute  noch  manchem  Misstrauen  begegnet  und  es  scheint, 
dass  sie  aus  sich  allein  zur  Entwicklung  einer  vielseitigeren 
Methodik  nicht  kommen  will.  Möge  sich  die  Pharmakologie 
die  Anregung,  die  sie  bei  der  Serumforschung  finden  kann 
immer  mehr  zu  Nutzen  machen  —  sie  kann  dort  viel  davon 
holen.  Sie  wird  und  darf  aber  hierdurch  nicht  an  eine  unter¬ 
geordnete  Stelle  gedrängt  werden;  im  Gegenteil  es  ist  hier 
ein  neues  w  eites  Arbeitsfeld  eröffnet,  auf  dem  wir  ihre  Mit¬ 
arbeit  nicht  entbehren  können  und  auf  dem  auch  sie  neuen 
Ruhm  ernten  wird. 

.  Nichts  wäre  bedauerlicher  und  verfehlter,  als  wenn  die 
Meinung  aufkommen  und  wirksam  werden  sollte,  das  Studium 
der  Arzneistoffe  und  Arzneiwirkungen,  das  ist  die  experi¬ 
mentelle  Pharmakologie,  habe  als  systematisches  Lehrfach  und 
als  eigenartiges  unbegrenztes  Forschungsgebiet  nicht  mehr 
ihre  volle  Berechtigung.  Im  Gegenteil,  ich  bin  der  Meinung, 
sie  sei  heute  wichtiger  geworden  und  nicht  zum  Wenigsten  im 
Hinblick  auf  die  neuen  Probleme,  die  ihr  von  jener  neu  erstan¬ 
denen,  anderen  Zielen  zustrebenden  Schwesterwissenschaft  ge¬ 
steckt  werden! 


Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe  von  den  Brüsten  aus. 

Von  Prof.  Dr.  Hermann  Freund  in  Strassburg. 

Unter  Dysmenorrhöe  verstehen  wir  den  gestörten  Ablauf 
des  Menstruationsprozesses,  der  sich  bald  mehr  durch  Schmer¬ 
zen,  bald  mehr  durch  auffälliges  Verhalten  des  Blutflusses 
kennzeichnet.  Es  sind  mithin  verschiedenartige  Symptome, 
die  wir  mit  dem  Sammelausdruck  Dysmenorrhöe  bezeichnen; 
sie  können  mancherlei  organischen  oder  nervösen  Zuständen 
zugehören.  Wir  werden  also  gewöhnlich  bei  der  Behandlung 
der  Dysmenorrhöe  die  Diagnose  des  zugrunde  liegenden  Lei¬ 
dens  zu  stellen  und  dieses  dann  anzugreifen  haben.  Eine 
mechanische  Dysmenorrhöe  existiert,  wenn  sie  auch  nur  selten 
rein  und  unkompliziert  auftritt.  Es  muss  nicht  immer  eine  zer¬ 
vikale  Stenose  vorliegen,  am  häufigsten  ist  eine  ungenügende 
Entwicklung  der  Gebärmutter  Schuld  an  der  ungenügenden 
Funktion.  Der  infantile,  kongenital  atrophische,  manchmal 
auch  der  missbildete  Uterus  funktioniert  während  der  Menses 
schlecht  und  unter  schmerzhaften  Kontraktionen,  weil  die  der¬ 
ben,  dicht  aneinander  liegenden  Muskelfasern,  welche  hier 
charakteristisch  sind,  der  menstruellen  Auflockerung  wider¬ 
ten*  ferner  ist  besonders  mit  dem  Infantilismus  eine 
schlechte  Entwicklung  des  arteriellen  Systems  oft  verbunden; 
den  engen  Arterien  entsprechen  dann  (Morgagni)  weite 
Venen.  Somit  ist  der  Blutumlauf  in  den  Geschlechtsteilen  ein 
stockender.  Allgemeine  Anämie  und  nervöse  Reizbarkeit  oder 
epression  findet  man  nicht  selten  nebenher  —  kurz  eine  ganze 
Summe  von  Minderwertigkeiten  kommt  zur  Geltung,  wenn 
minderwertige  Organe  funktionieren  müssen.  Sache  der  kli¬ 
nischen  Beobachtung  ist  es,  festzustellen,  welche  Organe  oder 
Systeme  im  einzelnen  Falle  hervorragend  schlecht  von  der 
Natui  bedacht  sind,  wenn  eine  rationelle  Therapie  eingeleitet 
werden  soll.  Dass  auch  krankhafte  Prozesse  in  und  um  die  Ge¬ 
bärmutter  herum,  auch  Allgemeinkrankheiten  und  Störungen 
m  Oiganen,  die  von  den  Genitalien  weit  abliegen,  Dysmenor¬ 
rhöe  verursachen  können,  ist  eine  bekannte  Tatsache,  die  in 
der  Behandlung  selbstverständlich  die  erste  Beachtung  be¬ 
ansprucht.  Es  liegt  nicht  im  Rahmen  meines  Aufsatzes,  auf 
diese  Dinge  näher  einzugehen.  Ich  möchte  nur  noch  betonen, 
dass  zweifellos,  wie  Lomer  kürzlich  hervorgehoben  hat, 
manche  Dysmenorrhöe  der  Ausdruck  einer  Hysterie  ist,  dass 
das  aber  meiner  Erfahrung  nach  nicht  gerade  sehr  häufig  vor¬ 
kommt.  Eine  länger  dauernde  Beobachtung  lässt  schliesslich 
doch  mitunter  anatomische  Veränderungen  als  auslösendes 
Moment  erkennen.  Im  Vorbeigehen  sei  bemerkt,  dass  inter¬ 
stitielle  und  ganz  besonders  dauernd  hyperplastische  Pro¬ 
zesse  im  Endotnetrium,  auch  bei  Virgines,  nach  Infektions¬ 
krankheiten,  Adnexaffektionen,  bei  mechanischen  Störungen 
sich  etablieren  können,  nach  deren  Beseitigung  die  Dysmenor- 
lhöe  nachlässt,  die  man  anfangs  leicht  in  die  Gruppe  der  ner¬ 


vösen  oder  hysterischen  einzureihen  geneigt  sein  kann1).  Bei 
lein  hysterischer  Dysmenorrhöe  ist  die  lokale  Behandlung  sel¬ 
ten  erfolgreich,  oft  geradezu  schädlich. 

Die  folgenden  Auseinandersetzungen  sind  durch  eine  Mit¬ 
teilung  Polanos2)  veranlasst,  in  welcher  eine  Behandlung 
von  Dysmenorrhöefällen  verschiedener  Aetiologie  durch  künst¬ 
liche  Hyperämie  der  Brüste  empfohlen  wird.  Wenn  andre 
interne  und  chirurgische  Eingriffe  nicht  zum  Ziele  führen,  setzt 
Polano  schon  einige  Tage  vor  dem  erwarteten  Eintritt  der 
Periode  auf  beide  Brüste  das  von  der  Bier  sehen  Mastitis¬ 
behandlung  her  bekannte  Klapp  sehe  Saugglas  auf  und  ver¬ 
dünnt  mittels  der  zugehörigen  Spritze  die  Luft  so  lange,  bis 
die  Patientin  in  den  stark  vorquellenden  Mammae  stärkeres' 
Ziehen  verspürt.  Das  Verfahren  wird  täglich  während  einer 
Viertel-  bis  halben  Stunde  bis  zum  Menstruationsende  fort¬ 
geführt.  Polano  teilt  nur  3  Fälle  etwas  ausführlicher  mit, 
in  denen  er  Erfolge  von  seinem  Verfahren  sah;  es  wäre  aber 
wünschenswert,  wenn  er  sein  ganzes  Material  bekannt  gäbe, 
Zahl  und  Art  der  Fälle  gestatten  dann  ein  besseres  Urteil. 

Welches  sind  die  Grundlagen  und  die  Ziele  dieser  Behand¬ 
lungsmethode,  die,  wie  wir  sehen  werden,  zu  den  allerältesten 
in  der  Medizin  gehört? 

Polano  schreibt:  „Theoretische  Ueberlegung  und  kli¬ 
nische  Beobachtung  legen  uns  die  Annahme  von  einem  Antago¬ 
nismus  zwischen  der  physiologischen  Funktion  von  Ovarium 
und  Brustdrüse  nahe.  Die  Mehrleistung  eines  dieser  beiden 
Organe  beeinträchtigt  die  physiologische  Leistungsfähigkeit 
des  anderen  längere  oder  kürzere  Zeit,  wie  dies  die  bekannten 
Verhältnisse  in  der  Schwangerschaft  und  im  Wochenbett  be¬ 
weisen.“ 

Gibt  es  Tatsachen,  welche  einer  solchen  Auffassung  Vor¬ 
schub  leisten?  Die  Eierstöcke  besorgen  die  Ovulation.  Dieser 
Prozess  geht  mit  Veränderungen  in  den  Geschlechtsorganen 
und  im  ganzen  Organismus  einher,  die  sich  in  erster  Linie  im 
Zirkulationsapparat  und  im  Blut,  in  zweiter  Linie  und  als  Folge 
davon  im  Nervensystem  abspielen.  Die  Lehre  von  der  inneren 
Sekretion  der  Eierstöcke,  sie  mag  als  sicher  oder  unsicher  be¬ 
gründet  angesehen  werden,  darf  auf  diese  Beobachtungen  sich 
stützen.  Bei  nicht  wenigen  Frauen  und  Mädchen  schwellen 
in  der  genannten  Epoche  der  „Mehrleistung“  der  Ovarien  die 
Brustdrüsen  an,  es  kann  zur  Hyperämie  und  Hyperästhesie  der¬ 
selben,  Erektionen  der  Warzen  und  Sekretabsonderung  kom¬ 
men.  Das  ist  nicht  Antagonismus  der  Eierstocks-  und  Brust¬ 
drüsenfunktion,  sondern  Koordination,  vielleicht  sogar  „Ur¬ 
sache  und  Folge“.  Oder  ist  es  bekannt,  dass  die  Brüste  wäh¬ 
rend  der  Menstruation  schlaff  werden? 

Polano  zieht  die  „bekannten  Verhältnisse“  in  der 
Schwangerschaft  heran.  Ruht  denn  da  die  Funktion  des  Eier¬ 
stockes?  Die  Entwicklung  und  das  Wachstum  des  gelben 
Körpers  im  Anfang  der  Gravidität  beweisen  das  Gegenteil, 
seine  Persistenz  bis  ins  Wochenbett  hinein  nicht  minder.  Die 
Born  sehe  Theorie,  nach  welcher  die  Zellen  des  Corpus  lu¬ 
teum  graviditatis  die  innere  Sekretion  besorgen,  ist,  wenn  auch 
nicht  unumstösslich  erwiesen,  doch  nicht -ohne  Grundlage. 
Und  dass  neben  dem  grossen  Graviditäts-Corpus-luteum  noch 
weitere  kleine  Follikel  während  der  Schwangerschaft  zur  Reife 
gelangen,  ist  sicher  beobachtet  worden  und  beweist,  dass  die 
Eierstocksfunktion  in  keiner  Weise  beeinträchtigt'  ist.  Ein 
Antagonismus  mit  den  in  dieser  Epoche  hypertrophierenden 
und  sezernierenden  Brustdrüsen  besteht  nicht.  Polano  denkt 
an  das  Aufhören  der  menstruellen  Blutung  aus  der  Gebär¬ 
mutterschleimhaut  während  der  Schwangerschaft  und  des 
Wochenbettes.  Aber  das  hat  mit  den  Eierstöcken  nichts  zu 
tun  und  lässt  die  Annahme  eines  „Antagonismus“  ebensowenig 
zu.  Bei  Fällen,  in  denen  auch  die  menstruellen  Blutungen 
während  der  Schwangerschaft  fortdauern,  zeigt  sich  keine  Be¬ 
einträchtigung  der  Kolostrumbildung,  und  im  Wochenbett  re¬ 
generiert  sich  die  Mucosa  uteri  und  das  Myometrium  in  er¬ 
staunlicher  Kraft  und  Schnelligkeit,  unbeeinflusst  durch  die  ge¬ 
waltige  Mehrleistung  der  Brustdrüsen.  Tritt  die  Regel  wäh- 


P  Die  kürzlich  von  Hitschmann  und  Adler  festgestellte 
physiologische  antemenstruelle  Veränderung  in  der  Mukosa  ist  von 
diesen  chronischen  Zuständen  zu  unterscheiden. 

2)  Diese  Wochenschrift  1907,  No.  35. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2123 


rend  des  Stillens  auf,  so  vermindert  sich  bei  ausreichender 
Schonung  der  Wöchnerin  die  Milchmenge  durchaus  nicht 
immer  in  nennenswertem  Masse. 

Ich  will  an  den  Einfluss  der  Kastration  auf  die  Brustdrüsen 
nur  kurz  erinnern,  ebenso  an  die  Erfahrungen  englischer 
Operateure  über  die  spontane  Verkleinerung  von  Mammakarzi¬ 
nomen  nach  der  Entfernung  der  Eierstöcke.  Ich  kann  nur  den 
Schluss  ziehen:  es  gibt  keinen  Antagonismus  zwischen  der 
physiologischen  Funktion  von  Ovarium  und  Brustdrüse. 

Damit  verschmälert  sich  die  Grundlage  zu  der  Behandlung 
der  Dysmenorrhöe  von  den  Brüsten  aus.  P  o  1  a  n  o  folgert 
weiter:  „Da  wir  nun  die  Menstruation  als  einen  Vorgang  auf¬ 
fassen  müssen,  der  durch  die  biologischen  Kräfte  des  Eierstocks 
ausgelöst  wird,  lag  es  nahe,  die  krankhaften  Formen  der  Men¬ 
struation,  vor  allem  -die  Dysmenorrhöe,  durch  künstliche  An¬ 
regung  der  Brustdrüse  in  ihrer  Intensität  herabzusetzen.  Jede 
physiologische  Arbeit  eines  Organs  ist  abhängig  von  der  Blut¬ 
versorgung.  Die  künstliche  Hyperämie  ermöglicht  am  einfach¬ 
sten  eine  Mehrleistung.“  Es  soll  also  die  physiologische  Arbeit 
der  Brustdrüse  gesteigert  werden,  worauf  nach  der  Hypothese 
vom  Antagonismus  die  biologische  Kraft  der  Eierstöcke  ge¬ 
schädigt  werden  müsste. 

Nehmen  wir  einmal  jene  Hypothese  als  begründet  an,  so 
ist  immer  noch  die  Frage  zu  erörtern:  auf  welchen  Bahnen  be¬ 
wegen  sich  denn  die  Reize  von  den  Eierstöcken  zu  den  Brust¬ 
drüsen  und  umgekehrt  so  sicher,  dass  die  Funktionen  des  einen 
Organs  vom  andern  aus  beeinflusst  werden  können?  Es  kom¬ 
men  hier  nur  die  Blutbahn  und  die  Nervenwege  in  Betracht. 
Die  erstgenannte  Möglichkeit  nehmen  diejenigen  an,  welche 
nach  dem  oft  zitierten  Versuch  von  Goltz  der  Ansicht  sind, 
dass  aus  -der  tätigen  Keimdrüse  eigentümliche  Stoffe  in  die  Blut¬ 
bahn  gelangen,  welche  die  bekannten  Veränderungen  im  weib¬ 
lichen  Körper  während  der  Menstruation  und  der  Schwanger¬ 
schaft  hervorbringen.  So  können  ‘die  physiologischen  Vor¬ 
gänge  im  Eierstock  die  Blutzusammensetzung  verändern  und 
eine  entfernte  Drüse,  wie  Brust  oder  Schilddrüse,  in  ihrer 
Funktion  beeinflussen.  Für  die  Annahme  eines  entsprechenden 
Verhaltens  der  Mammae  den  Ovarien  gegenüber  aber  fehlt  uns 
jeder  Anhalt,  ja  wir  -dürfen  dergleichen  als  nicht  existierend 
bezeichnen.  Dass  vollends  eine  künstliche  Hyperämisierung 
der  Brüste  irgend  einen  Einfluss  auf  die  Blutzusammensetzung 
(oder  Verteilung?)  ausüben  könnte,  -der  sich  gerade  in  den 
Eierstöcken  störend  geltend  macht,  ist  ausgeschlossen.  Weder 
bei  der  normalen,  noch  bei  der  gestörten  Menstruation  kann 
die  Blutversorgung  der  Ovarien  von  den  Brüsten  aus  ver¬ 
ändert  werden. 

Die  andere  Möglichkeit,  die  P  o  1  a  n  o  nicht  urgiert,  könnte 
vielleicht  in  Frage  kommen.  Ein  Reiz,  der  von  den  blutüber¬ 
füllten  Mammae  ausgeht,  könnte  auf  zerebrospinalen  oder  sym¬ 
pathischen  Bahnen  die  Ovarien  erreichen.  Das  ist  allerdings 
nur  hypothetisch  und  nicht  erwiesen;  den  Weg  durchs  Rücken¬ 
mark  müssen  wir  mit  Goltz  sogar  ausschliessen  oder  höch¬ 
stens  für  den  nur  ausnahmsweise  benutzten  ansehen. 

Physiologische  Tatsachen  fehlen  also  für  die  Annahme, 
dass  eine  Blutstauung  in  den  Brüsten  der  Ovarialtätigkeit  Ab¬ 
bruch  tun  könnte.  Dagegen  kennen  wir  solche,  die  die  Mög¬ 
lichkeit  einer  Beeinflussung  der  Gebärmutter  durch  Rei¬ 
zungen  der  Brustdrüsen  (genauer:  der  Brustwarzen)  anzeiget1. 
Kontraktionen  des  Uterus,  während  das  Kind  an  der  Brust 
trinkt,  sind  sicher  zu  konstatieren.  Ich  habe 3)  gefunden,  dass 
ein  genügend  starker  Reiz,  welcher  die  Brustwarzen  einer 
Schwangeren  trifft,  imstande  ist,  Uteruskontraktionen  auszu¬ 
lösen  und  habe  einen  „elektrischen  Schröpfkopf“  konstruiert, 
der,  über  die  Brustwarze  gesetzt,  die  schwangere  Gebärmutter 
zur  Zusammenziehung  bringt,  wenn  die  Anode  des  durch¬ 
geschickten  konstanten  Stromes  in  Form  einer  Platte  auf  das 
Abdomen  gelegt  wird.  Mollath4)  hat  in  10  Fällen  mit  140 
Versuchen  diesbezüglich  keinen  Misserfolg  gehabt.  Zur  Ver¬ 
stärkung  schwacher  oder  Wiedererweckung  erloschener  Ge- 

3)  Ueber  die  Beziehungen  der  Schilddrüse  und  der  Brustdrüse 
zu  den  schwangeren  und  erkrankten  weiblichen  Genitalien.  Deutsche 
Zeitschr.  f.  Chir.  XXXI.  —  Der  elektrische  Schröpfkopf.  Zentralbl. 
f.  Gyn.  1890,  No.  26.  —  Erfahrungen  mit  dem  elektr.  Schröpikopf. 
Verh.  d.  deutsch.  Ges.  i.  Gyn.  1891. 
k  4)  Wiener  med.  Bl.  1891,  No.  12 — 15. 


burtswehen  hat  sich  der  Apparat  bewährt,  zur  Einleitung  der 
künstlichen  Frühgeburt  nur  ausnahmsweise.  Ich  habe  damals 
die  physiologischen  Wege  studiert,  auf  denen  dieser  Reiz  von 
der  Mamma  auf  den  Uterus  übermittelt  wird  und  verweise  auf 
meine  einschlägigen  Mitteilungen.  (Man  findet  dort  auch  An¬ 
gaben  über  Reize,  die  vom  Uterus  -aus  zu  den  Brüsten  gehen.) 

Nach  den  mit  dem  elektrischen  Schröpfkopf  gemachten  Er¬ 
fahrungen,  bei  welchen  Hyperämie  der  Brustdrüse,  Saugwir¬ 
kung  und  galvanischer  Reiz  zusammenwirkten,  war  es  ge¬ 
wiss  naheliegend,  den  Apparat  zur  Beschränkung  profuser 
menstrueller  Blutungen,  also  wieder  als  kontraktionsbefördern¬ 
des  Mittel  zu  probieren.  An  eine  Stillung  dysmenorrhoischer 
Schmerzen  wurde  dabei  nicht  gedacht.  Ich  kann  kurz  mit- 
teilen,  dass  ich  nicht  selten  eine  gewisse  Einschränkung  der 
Blutungen  und  eine  Abkürzung  ihrer  Dauer  bemerkt  habe,  dass 
aber  im  allgemeinen  die  Wirkung  des  Verfahrens  die  anderer 
Methoden,  besonders  mit  styptischen  Mitteln,  nicht  sicher  über¬ 
traf,  weshalb  ich  nur  ganz  ausnahmsweise  den  Schröpfkopf  bei 
Menorrhagien  noch  anwende.  Eine  schmerzstillende  Wirkung 
habe  ich  nicht  konstatiert. 

Ich  sagte  oben,  dass  das  Verfahren  in  seinen  Grundzügen 
uralt  ist.  H  i  p  p  o  k  r  a  t  e  s 5),  der  übrigens  mehrfache  An¬ 
gaben  über  die  Beziehungen  der  Gebärmutter  zu  den  Brüsten 
macht,  sagt :  „Um  'den  Menstrualf  luss  anzuhalten, 
soll  man  einenmöglichstgrossen  Schröpfkopf 
auf  die  Brustwarze  setze  n“.  S  c  a  n  z  o  n  i 6)  erzielte 
gute  Wehen  vermittelst  grosser  Saugapparate  aus  Kautschuk, 
die  nach  Art  eines  Schröpfkopfes  wirkten;  er  war  sogar  mit¬ 
unter  imstande,  eine  Frühgeburt  damit  einzuleiten. 

Man  sieht,  dass  bisher  nur  eines  feststeht:  die  Wirkung 
von  Sohröpfköpfen  auf  die  Brustwarze  äussert  sich  lediglich  im 
Sinne  einer  Kontraktion  der  Gebärmutter.  Auf  die  Eierstöcke 
ist  sie  ohne  Einfluss.  Die  Bier  sehen  und  Klapp  sehen  Saug¬ 
gläser,  die  doch  nur  eine  sehr  vollkommene  Schröpfkopfform 
darstellen,  wirken  jedenfalls  nicht  anders. 

Polano  will  noch  eine  schmerzstillende  Wirkung  im 
Bereiche  der  Genitalorgane  bemerkt  haben.  Ob  diese  tat¬ 
sächlich  bei  grösseren  Beobachtungsreihen  sich  wird  erweisen 
lassen  und  o#  nicht  bei  positiven  Resultaten  doch  Suggestion 
anzunehmen  ist,  muss  vorderhand  dahingestellt  bleiben.  Eine 
annehmbare  andere  Erklärung  fehlt  bislang. 

Die  3  Fälle  P  o  1  a  n  o  s  widersprechen  den  bisherigen  Er¬ 
fahrungen  betreffs  der  Wirkungsweise  der  auf  die  Brüste  men¬ 
struierender  Frauen  aufgesetzten  Schröpfköpfe  nicht.  Jedesmal 
wurde  eine  Verringerung  »und  zeitliche  Abkürzung  des  Blut¬ 
flusses  konstatiert,  was  ebenso  aus  einer  sicher  erzielten  Kon¬ 
traktion  des  Uterus  zu  erklären  ist  wie  das  Verhindern  des 
Anteponierens  der  Regel,  sobald  gestaut  wurde.  Ueber  die 
schmerzstillende  Wirkung  in  den  3  Fällen  ist  ein  Urteil  schwer 
zu  erlangen.  Ein  suggestiver  Einfluss  ist  jedenfalls  im  Falle  I 
nicht  ganz  auszuschliessen,  in  welchem  bei  einem  mehrfach 
operierten  Mädchen  nach  der  Applikation  der  Sauggläser  sogar 
ein  früher  bestehender  Mittelschmerz  völlig  verschwand. 

Man  kann  übrigens  auf  einfachem  Wege  zur  Klarheit 
kommen,  ob  Suggestion  im  Spiele  ist  oder  nicht.  Ich  ver¬ 
wende  mitunter  eine  ebenfalls  von  den  alten  Geburtshelfern 
überkommene  Methode  der  Behandlung  schmerzhafter  Dys¬ 
menorrhoe,  besonders  bei  fetten  Frauen:  die  Applikation 
mehrerer  gewöhnlicher  Schröpfköpfe  in  die  Kreuzgegend. 
Diese  gelinde  Form  der  Blutentziehung  (in  die  Haut)  lässt  eine 
gewisse  Erklärung  der  schmerzstillenden  Wirkung  zu.  Oft 
genug  aber  ist  Suggestion  dabei.  So  sah  ich  neulich  einen 
prompten  Erfolg  bei  sehr  schmerzhafter  Dysmenorrhoe  bei 
einem  Mädchen,  welchem  die  Schröpfköpfe  irrtümlicherweise 
auf  die  Hinterbacken  appliziert  worden  waren!  —  Verspricht 
man  mit  Ernst  und  Nachdruck  eine  sichere  Wirkung  vom  Aui- 
setzen  des  grossen  Saugglases  in  die  Kreuzgegend,  so  dürfte 
bei  nervösen  Patientinnen  ein  Resultat  zu  erwarten  sein.  Das 
Experiment  sollte  gemacht  werden. 

Jedenfalls  ist  der  K  1  a  p  p  s  c  h  e  Apparat  ein  grösserer  und 
energischer  wirkender  Schröpfkopf  als  die  bisher  benutzten;  es 


5)  Aphorismen  50.  S.  meine  ob-en  zitierte  Arbeit  in  -der  deutschen 
Zeitschr.  f.  Chir. 

B)  Beitrag  zur  Geburtskunde  I,  S.  15* 


1* 


2124 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


ist  durchaus  verständlich,  dass  bei  seiner  Verwendung,  wie 
P  o  1  a  n  o  mitteilt,  eine  Mehrleistung  der  Brustdrüsen,  eine 
vermehrte  Milchproduktion  zu  erzielen  ist,  ebenso,  dass  das 
Verfahren  beim  plötzlichen  Versiegen  der  Sekretion  erfolgreich 
sein  kann.  Im  übrigen  können  wir  von  ihm  bisher  nur  eine 
Beschränkung  menstrueller  und  anderer  Uterusblutungen  er¬ 
warten;  beschränken  sich  nebenbei  auch  dysmenorrhoische 
Schmerzen,  so  ist  das  sicherlich  sehr  erfreulich,  darf  aber  als 
Erfolg  des  Verfahrens  als  solchen  nicht  angesehen  werden. 


Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Klinik  zu  Greifswald. 

Zur  Behandlung  inoperabler  Tumoren  mit  künstlicher 

Hyperämie. 

Von  Prof.  Dr.  Carl  Ritter. 

Vor  einem  Jahr  habe  ich  in  der  Festschrift  der 
Greifswalder  Fakultät  über  Versuche  berichtet,  Tu¬ 
moren  mit  künstlicher  Hyperämie,  und  zwar  mittels 
der  Schtöpfmethode  zu  beeinflussen.  Den  einen  Pa¬ 
tienten,  dessen  Krankengeschichte  ich  dort  ausführlich  wieder¬ 
gegeben  habe,  hatte  ich  schon  am  4.  November  1905  in  der 
Sitzung  des  Medizinischen  Vereins  vorgestellt.  Ich  habe  im 
ganzen  10  solche  Fälle  behandelt.  Es  handelte  sich  in  allen 
um  inoperable,  meist  sehr  weit  vorgeschrittene  Tumoren  (Kar¬ 
zinome  und  Sarkome).  Es  kam  mir  damals  darauf  an,  festzu- 
stellen,  ob  die  Hyperämie  für  Tumoren  so  schädlich  oder  sogar 
das  auslösende  Moment  zum  Wachstum  ist,  wie  man  gerade  in 
neuerer  Zeit  behauptet  hatte. 

Schon  früher  hat  Bier  durch  Einspritzung  von  fremd¬ 
artigem  Blute  inoperable  Tumoren  zu  beeinflussen  gesucht, 
eine  Methode,  die  er  neuerdings  wieder  lokal  mit  günstigem 
Erfolge  angewandt  hat.  Es  ist  hierbei  aber  fraglich,  ob  allein 
die  Hyperämie  oder  das  fremdartige  Gift  die  Ursache  für  den 
therapeutischen  Erfolg  ist. 

Reine  Hyperämie  hat  Bier  schon  1897  lokal  mittels  der 
Stauung  bei  Tumoren  versucht,  aber  mit  schlechtem  Erfolge, 
denn  2  Sarkome  wucherten  sehr  schnell  unter  der  Anwendung 
der  Stauungshyperämie. 

Ich  habe  die  Saugmethode  verwandt,  über  deren  hyper- 
ämisierende  Wirkung  ja  kein  Zweifel  besteht. 

Die  Fälle  waren  zum  grössten  Teil  wahrhaftig  für  eine  Be¬ 
handlung  nicht  sehr  günstig,  da  es  zum  Teil  ganz  her¬ 
untergekommene  elende  kachektische  Personen  waren.  Trotz¬ 
dem  habe  ich  in  keinem  einzigen  Fall  eine  Verschlimmerung, 
Wucherung  oder  Ausdehnung  beobachtet,  vielmehr  in  einer 
Reihe  von  Fällen  eine  deutliche  und  wesentliche  Verkleinerung 
der  Tumoren  gesehen,  und  zwar  je  stärker,  je  länger  ich  die 
Fälle  behandelte. 

Ausserdem  konnte  ich  an  später  exzidierten  Partien  mikro¬ 
skopisch  nachweisen,  dass  an  Stelle  des  ursprünglichen  Karzi¬ 
nomgewebes  Granulationsgewebe  getreten  war,  das  ganz  spär¬ 
liche  Krebszellen  enthielt. 

Es  war  selbstverständlich,  dass  ich  bei  den  mir  zur  Ver¬ 
fügung  stehenden  alten  inoperablen  heruntergekommenen  Pa¬ 
tienten  keine  grossen  therapeutischen  Erfolge  feiern  konnte, 
und  so  habe  ich  auch  meine  an  sich  interessanten  Beobach¬ 
tungen  in  einer  recht  bescheidenen  Form  mitgeteilt. 

Anders  ist  es  mir  dagegen  bei  einem  jugendlichen  Manme 
ergangen.  Hier  erzielte  ich  mit  der  Saugmethode  einen  so 
günstigen  Erfolg,  dass  ich  ihn  bei  dem  Interesse,  das  man 
neuerdings  der  Tumorenbehandlung  wieder  schenkt,  der 
Wiedergabe  für  wert  halte. 

Es  handelte  sich  um  einen  20  jährigen  Maurer,  den  ich 
wahrend  der  Vertretung  meines  Chefs  beobachtete  und  der  an 
einem  inoperablen  Sarkom  des  Halses  und  der  Schultergegend 

Ich  lasse  die  Krankengeschichte  kurz  folgen: 

Vorgeschichte:  Seine  beiden  Eltern  sind  Ende  des 
30.  Lebensjahres  gestorben,  die  Mutter  im  Wochenbett,  der  Vater  an 
unbekannter  Krankheit.  Pat.  kann  selbst  sich  auf  frühere  Krankheiten 
nicht  besinnen. 

Im  Herbst  1904  fiel  ihm  auf.  dass  die  linke  Schulter  höher  wurde 
Im  Frühjahr  1905  traten  öfter  leichte  Beschwerden  in  der  linken 
Schulter  auf  dadurch,  dass  das  Jackett  zu  stramm  sass.  Auf  ver- 
ordnete  ärztliche  Einreibungen  besserten  sich  die  Beschwerden 


wieder;  er  nahm  seine  Arbeit  wieder  auf  und  setzte  sie  bis  November 
fort.  Schmerzen  bestanden  damals  nicht. 

Als  Pat.  im  Januar  1906  wieder  zu  arbeiten  anfing,  stellte  sich 
eine  blaugelbliche  Färbung  der  Haut  an  der  linken  Schulter  ein.  Die 
Schulter  war  mittlerweile  immer  dicker  geworden  und  er  konnte  den 
Arm  nicht  mehr  hochheben  wie  früher.  Pat.  wurde  daher  eine  Zeit¬ 
lang  in  ein  Krankenhaus  aufgenommen  und  ihm  dann  eine  Operation 
\  * n  geschlagen,  zu  der  Pat.  sich  jedoch  nicht  entschliessen  konnte. 

Auf  anderweitigen  Rat  wurde  er  dann  der  chirurgischen  Klinik 
uberwiesen. 

Status.  Bei  seiner  Aufnahme  handelte  es  sich  um  einen 
grossen,  kräftig  gebauten  Mann  mit  gut  entwickelter  Muskulatur  in 
ziemlich  günstigem  Ernährungszustand. 

Die  linke  Schulter  wird  von  einer  grossen  Geschwulst  ein¬ 
genommen,  die  sich  nach  dem  Rücken  zu  bis  zur  Mitte  des  Schulter¬ 
blatts  nach  aurwärts  bis  3  Finger  breit  nach  der  Wirbelsäule  erstreckt 
nach  der  Horizontalen  abwärts  bis  fast  zum  Ansatz  des  Deltamuskels 
reicht,  nach  vorne  bis  zum  Proc.  coracoideus.  Der  Tumor  sitzt  der 
Schulter  gewissermassen  auf.  Die  Haut  über  ihm  ist  bläulichrot  ge¬ 
färbt,  lasst  zahlreiche  Venenerweiterungen  erkennen  und  ist  nicht 
frei  verschieblich.  Der  Iumor  selbst  fühlt  sich  weich,  fast  schwammig 
an,  nur  an  einzelnen  Stellen  sind  stärkere  Resistenzen  fühlbar.  Im 
Bereich  dieser  Resistenzen  besteht  zum  Teil  vollkommene  Gefühl- 
'  a/C  Beweglichkeit  dAes  Schultergelenks  ist  passiv  kaum 
erheben  Akt’V  Pat'  den  Arm  DUr  wenig  iiber  ,die  Horizontale 

31  nmDeHntJm?/tng  de?  Arms  betragt  unterhalb  der  Achsel:  rechts 

rechts  28cm- links  26cm:  Unterarm 

Auch  die  linke  Supraklavikulargrube  ist  durch  weiches  Tumoren- 
vo^dpn  n  ■  V  s  ausgefüllt  Hier  ist  aber  die  Tumormasse,  offenbar 
IHrh?1 VnT  aUSfgangen’  ziemlich  scharf  abgegrenzt,  anscheinend 
lfnHhtntmd  Vnter  Kge  v^schieblich.  Sonstige  Drüsenschwellungen 
sind  nicht  nachweisbar.  Der  Tumor  wurde  von  vornherein  als  in- 

am6abTV  7  ?  aafgefasst-  Um  aber  die  Diagnose  zu  sichern,  sollte 
-i-  V;  07nuater  Schleich  scher  Infiltrationsanästhesie  der  leicht 
beweghehe  Drusentumor  in  der  Supraklavikulargrube  zwecks  mikro¬ 
skopischer  Untersuchung  exstirpiert  werden. 

ich  2?dafht^attrpad°^l1Verlief-nber  nicS  S°  einfach  und  leicht’  wie 
i  gedacht  hatte,  Schon  nach  querer  Durchtrennung  der  Haut  fallen 

mächtige  Venenerwe^erunge^  die  über  dem  Tumor  liegen,  auf  Sie 

lassen  sich  zwar  verhältnismässig  leicht  unterbinden.  Bei  dem 

w  eiteren  Versuch  aber,  den  Tumor  in  toto  zu  exstirpieren  erweist 

er  sich  als  vollkommen  inoperabel.  Er  ist  nicht  nur  ganz  auTser- 

gewohnheh  blut-  und  gefassreich,  sondern  ist  trotz  seiner  relativen 

Beweglichkeit  überall  mit  der  Umgebung  fest  verwachsen. 

c;,..  Peshalb  wl.Ld  die  Operation  abgebrochen  und  nur  ein  grösseres 
S  uck  aus  dem  Tumor  entfernt.  Sofort  entsteht  dabei  eine  abundante 
BDtung  aus  dem  weichen,  sofort  ausreissenden  Tumorgewebe.  So¬ 
wohl  Unterbindung  wie  Umstechung  gelingen  nur  teilweise  Drei 

I  crnTL?5?  hegen  bleibe,n-  Tamponade.  Hautnaht  bis  etwa 
m_b'aage-  Kompressionsverband.  Kochsalzinfusion. 

e  ■  7‘  ni  ±  der  gestern  etwas  blass  aussah,  hat  sich  heute  von 
seinem  Blutverlust  ziemlich  erholt. 

tT  ?vIVnr°c!le™nE  „Tampons.  10-  IV.  Entfernung  derselben. 

Entfernung  der  Nahte.  gebeiT  D^ume“" ' 

geben0  klein1zelhgeseSarkomkrOSkOP*SC*len  Präparate  deS  Tumors  er‘ 

etwa^ünsli/vu  Tumor  wenigstens  auf  andere  Weise 

etwas  günstig  zu  beeinflussen,  wurde  Pat.  vom  12.  IV  ab  täglich 
einmal  mit  Sauggläsern  behandelt.  '  S  n 

Am  29.  IV.  zeigte  sich  zu  unserem  grossen  Erstaunen  dass  der 
gaff+  Tumor  sich  wesentlich  zurückgebildet  hatte.  Die  normale 
F.chulterkontour  trat  wieder  deutlich  hervor.  Die  Tamponstelle  ist 

v,erheil‘-  Pat  "at  Sich erholt 
,  *"•  T-  wurde  Pat.  als  geheilt  entlassen.  Es  ist  heute  nichts 

mehr  von  einem  Tumor  nachweisbar.  Die  linke  Schulter  ist  voll¬ 
kommen  gleich  wie  die  rechte  ausgebildet.  An  der  Tamponstelle  ist 

üründe^Line  Phnm^3"1'^  entstanden-  Le:ider  konnte  aus  äusseren 
urunden  keine  Photographie  vor  seiner  Behandlung  aufgenommen 

werden,  so  dass  uns  nur  ein  Bild  am  Tage  der  Entlassung  zur  Ver- 

SjS  Ste,lt’  das  k,einen  Unterschied  zwischen  linker  und  rechter 

verzichtet^Dem  PatiP  fAuf  lhr€  WiederSabe  habe  ich  natürlich  hier 
verneinet.  Dem  Patienten  war  eingeschärft  worden  sobald  qirh 

wieder  eine  Verschlechterung  zeigen  sollte,  sofort  zu  uns  zu  kommen 
TaSt®^  ai!ch  YersPraoh.  Er  ist  bisher  nicht  gekommen.  Eine  Frage- 
Karte  nach  seinem  jetzigen  Befinden  ist  als  unbestellbar  vor  wenigen 

stand"  „fchls  aBussaget„WOr,den'  S°  ka""  iCh  Öber  Seinen  ietzige"  Zu‘ 

.  Dieser: ausserordentlich  günstige  Erfolg  war  mir  auch  nach 
^i"enTfruheren  Deobachtungen  sehr  überraschend,  denn  auch 

fn  CrnTUm°n  Wa[’  die  Probeexzision  erwies,  absolut  in- 
perabel.  schon  der  Tumor  in  der  Supraklavikulargrube  war 
nicht,  wie  man  nach  der  äusserlichen  Untersuchung  dachte 
verschieblich,  sondern  fest  mit  der  Umgebung  verbacken  um 
so  mehr  der  auch  äusserlich  unverschiebliche  Tumor  in  der 
Schultergegend. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2125 


Auch  der  Umstand,  dass  es  sich  um  ein  jugendliches,  rela¬ 
tiv  kräftiges  Individuum  handelte,  macht  den  Rückgang  des 
Tumors  erklärlicher.  Denn  bekanntlich  wachsen  gerade  Sar¬ 
kome  jugendlicher  Leute  rapid. 

Bemerkenswert  ist  weiter,  dass  der  Tumor  ganz  allmählich 
zurückging,  ohne  dass  es  zu  Nekrotisierung,  Erweichung  und 
Durchbruch  kam.  Denn  nach  den  bisherigen  Mitteilungen  über 
Rückgang  von  bösartigen  Tumoren,  durch  welche  Mittel  es 
immer  versucht  ist,  scheint  es  fast,  als  ob  nur  auf  diese  Weise 
eine  Heilung  möglich  sei.  Den  gleichen  Schluss  scheinen 
andere  aus  den  früher  von  mir  mitgeteilten  Fällen,  in  denen 
ich  reichliche  Gallert-  und  Kankroidmassen  entleeren  konnte, 
herausgelesen  zu  haben.  Ich  möchte  aber  davor  warnen, 
diesen  Vorgang  unbedingt  als  Heilungsvorgang  aufzufassen. 

Ich  beobachtete  einen  Fall  von  inoperablem  Weichteilsarkom  des 
Oberschenkels  mit  sehr  grosser  Metastase  in  der  Leiste,  den  ich  mit 
Saugglas  behandelte.  Beide  Tumoren  waren  geschlossen.  Man 
fühlte  undeutliche  Fluktuation.  Um  Vergleiche  anstellen  zu  können 
zwischen  dem  histologischen  Bau  vor  und  nach  der  Behandlung,  ex- 
zidierte  ich  ein  kleines  Stück  des  Tumors,  ehe  ich  die  Schröpfmethode 
einleitete. 

Dabei  zeigte  sich  nun,  dass  das  ganze  exzidierte  Stück  total 
nekrotisch  war.  Im  übrigen  war  der  Tumor  stark  ödematös  durch¬ 
tränkt  (daher  das  Gefühl  der  Fluktuation). 

Dann  wandte  ich  täglich  1  mal  die  Schröpfmethode  an.  Darunter 
schien  die  Exzisionsstelle  unter  Granulationsbildung  sich  zu  schliessen. 
Aber  bald  kam  es  an  anderer  Stelle  ausserhalb  des  Bereichs  der 
Schröpfpartie  zum  Durchbruch.  Erst  später  brach  auch  die  erheblich 
verkleinerte  Exzisionsstelle  wieder  auf.  Aus  den  Durchbruchsstellen 
konnte  man  nun  in  den  nächsten  Tagen  fast  den  ganzen  grossen  Tumor 
mit  Pinzette  und  scharfem  Löffel  ohne  Blutung  herausholen.  Er  war 
bis  auf  eine  schmalere  Zone  frischen  Sarkomgewebes  an  der  Peri¬ 
pherie  total  nekrotisch.  Ganz  das  gleiche  Bild  zeigte  sich  später  bei 
der  Sektion  an  dem  Leistendrüsentumor,  der  nicht  behandelt  war. 

Hätte  ich  in  diesem  Falle  nicht  von  vornehereki  aus  dem 
exzidierten  Stück  die  fast  völlige  Nekrose  des  Tumors  nach¬ 
gewiesen,  so  wäre  immer  noch  der  Verdacht  geblieben,  die 
Nekrose  sei  die  Folge  der  Saugbehandlung,  während  so,  wie 
der  Fall  lag,  früher  oder  später  mit  oder  ohne  Behandlung  ein 
Durchbruch  erfolgen  musste. 

Ich  habe  schon  früher  wiederholt  darauf  hingewiesen,  wie 
unendlich  häufig  die  bösartigen  Tumoren  in  kleinem  oder 
grossem  Massstabe  nekrotisch  sind.  Deshalb  scheint  es  mir 
sehr  gewagt,  wenn  nach  einer  therapeutischen  Massnahme  Zer¬ 
fall  mit  Erweichung  emtritt,  dies  auf  Kosten  der  Behandlung 
zu  setzen.  Auch  bei  der  Tuberkulose  stossen  sich  tote  Ge¬ 
webstrümmer  aus  Geschwürsfisteln  ab.  Die  Abstossung  ist 
möglicherweise  die  Wirkung  der  betreffenden  Behandlung, 
aber  nicht  die  Nekrotisierung  der  Gewebsmassen.  Eine  Ver¬ 
kleinerung  und  ein  Zurückgehen  eines  bösartigen  Tumors  kann 
jedenfalls  auch  ohne  Ausstossung  von  nekrotischen  Massen 
erfolgen. 

Natürlich  wird  man  gegen  den  günstigen  Einfluss  der 
Hyperämie  durch  Saugung  in  diesem  Fall  manche  Einwände 
machen:  Auch  ohne  die  Behandlung  wäre  der  Tumor  spon¬ 
tan  zurückgegangen;  die  unvollkommene  Operation  ist  Schuld 
an  der  Heilung;  es  ist  gar  kein  Sarkom  gewesen. 

Was  den  letzten  Einwand  anlangt,  so  sprach  nichts  für 
eine  andere  Affektion,  zumal  für  Lues  nicht.  Das  ganze  Ver¬ 
halten,  die  Beschaffenheit  und  das  Aussehen  des  Tumors  waren 
nur  die  eines  Sarkoms.  Die  mikroskopische  Diagnose  sowohl 
der  chirurgischen  Klinik  als  auch  des  pathologischen  Instituts 
ergab  Sarkom. 

Zum  andern  ist  es  bekanntlich  wohl  beobachtet,  dass  ein 
Sarkom  spontan  zurückgeht  und  selbst  verschwindet,  aller¬ 
dings  ist  das  immer  eine  ganz  ausserordentliche  Seltenheit  und 
von  den  Pathologen  stets  angezweifelt  worden.  Nie  aber,  so¬ 
weit  meine  Kenntnis  reicht,  hat  man  ein  Sarkom  dann  zurück¬ 
gehen  sehen,  wenn  es  unvollkommen  operiert  ist.  Viel¬ 
mehr  ist  es  gerade  mannigfachste  Erfahrung,  dass  unvoll¬ 
kommene  Operation  das  Wachstum  eines  bösartigen  Tumors 
ganz  erheblich  fördert  und  meist  rapid  schnell  zu  gewaltiger 
Grösse  wachsen  lässt. 

Diese  Einwände  halten  also  nicht  Stich. 

Immerhin  bin  ich  mir  der  mangelhaften  Beweiskraft  eines 
einzelnen  Falles  wohl  bewusst.  Aber  bei  der  traurigen  Lage, 
in  die  wir  bei  den  inoperablen  Tumoren  vielfach  gesetzt 
sind,  scheint  es  mir  doch  berechtigt,  auf  Grund  eines  so  günstig 
verlaufenen  Falls  in  Verbindung  mit  den  früheren 


Beobachtungen  das  Saugverfahren  weiter  zu  versuchen 
und  zu  empfehlen. 


Aus  der  medizinischen  Abteilung  der  kantonalen  Krankenanstalt 

in  Aarau. 

Msine  Beobachtungen  in  der  Tuberkulosetherapie  bei 
der  Anwendung  von  Marmorekserum.*) 

Von  Oberarzt  Dr.  G.  Schenker  in  Aarau. 


Trotzdem  schon  25  Jahre  verstrichen  sind,  seitdem  Koch 
seine  epochemachende  Entdeckung  des  Tuberkelbazillus  ge¬ 
macht  hat,  trotz  allem  bisherigen  Forschen  und  Suchen  der 
ersten  Autoritäten  unserer  medizinischen  Wissenschaft,  war 
es  leider  bis  dahin  nicht  gelungen  ein  sicher  wirkendes,  spe¬ 
zifisches  Mittel  gegen  die  so  verheerend  wirkende  Krank¬ 
heit,  die  T  u  b  e  rku  1  o  s  e  zu  finden,  ähnlich  wie  wir  es  gegen 
die  Pocken  in  der  Vakzine,  gegen  die  Diphtherie  in  dem  Diph¬ 
therieserum  haben.  Eine  Menge  von  verschiedenen  Seris  sind 
aufgetaucht.  Die  meisten  davon  sind  aber  nach  kürzerer  oder 
längerer  Zeit  verschwunden,  indem  sie  die  ersehnte  Heilung 
der  Tuberkulose  doch  nicht  brachten.  Und  doch  ist  es  unsere 
Pflicht  als  Aerzte  in  unserem  Suchen  nicht  nachzulassen.  Wir 
müssen  und  werden  auch  diesen  armen  Tuberkulösen  Hilfe 
bringen  können.  Nicht  nur  heilen  wollen  wir  diese  fiirchtei liehe 
Krankheit,  sonderen  verhüten  müssen  wir  sie;  das  ist  unsere 
Pflicht  als  Pioniere  auf  dem  Gebiete  der  Gesundheitspflege. 


Nebst  einer  rationellen  Ernährung  und  Pflege  der  Tuber¬ 
kulösen  wendete  ich  in  den  letzten  Jahren  neben  den  verschie¬ 
denen  Kreosotpräparaten  und  deren  Derivaten  hauptsächlich 
He  toi  Länderer,  das  Neutuberkulin  Koch,  Tu¬ 
berkulin  Beraneck  und  das  Antitubei  kulose- 
serum  Marmorek  an. 

Während  ich  das  Hetol  Länderer  sei  ca.  10  Jahren  bei  ge¬ 
eigneten  Fällen  mit  befriedigendem  Erfolge  gebrauchte  —  es  ist 
ja  kein  Spezifikum,  aber  einen  günstigen  Einfluss  auf  die  Krank¬ 
heit  kann  man  ihm  bei  mittelschweren  Fällen  doch  nicht  ab¬ 
sprechen  _ so  habe  ich  die  anderen  3  Mittel  erst  seit  2  Jahren, 

der  Zeit  meiner  spitalärztlichen  Tätigkeit,  verwendet. 


Neutuberkulin  Koch  verwendete  ich  bei  5  Kranken  und  das 
ruberkulin  Beraneck  bei  9  Kranken.  Verschiedene  Erfahrungen 
ind  Beobachtungen  mit  diesen  2  Mitteln,  welche  mich  nicht  ge- 
liigend  befriedigten,  veranlassten  mich,  deren  Anwendung  bis 
uif  weiteres  zu  sistieren.  Ich  wendete  mich  nun  dem  Anti- 
uberkuloseserum  Marmorek  zu.  Durch  das  übei - 
ms  generöse  Entgegenkommen  von  Prof.  Dr.  Marmorek 
vurde  es  mir  möglich,  seit  Oktober  1906  bei  39  Patienten  ein¬ 
gehende  Versuche  anzustellen.  Ich  danke  für  seine  weit¬ 
gehende  Güte  hiemit  bestens. 

Dr  Marmorek  gab  mir  zu  meinen  Versuchen  folgende 
Begleitung:  „Es  müssen  mittelschwere  Fälle  sein,  da  zu  leichte 
?älle  bei  eventueller  Besserung  nach  der  Serumbehandlung  für 
leren  spezifischen  Wert  wenig  beweisen,  und  auch  keine  sehr 
schweren  Fälle,  weil  die  zu  grossen  Störungen  irreparabel 
5 ind  Alle  internen  Fälle  müssen  im  Sputum  Bazillen  nach- 
vveisen  lassen  und  deutliche  klinische  Symptome  der  Tuber¬ 
kulose  zeigen.  Weiter  müssen  sie  schon  einige  Zeit  ohne  sicht¬ 
bare  Besserung  in  Spitalbehandlung  sein.  Dies  ist  not¬ 
wendig,  damit  nicht  nachträglich  der  Einwurf  gemacht  werden 
kann,  dass  die  Kranken  auch  ohne  Serum  im  Spital  sich  ge¬ 
bessert  hätten.“  (6.  X.  06.)  v 

Die  Auswahl  des  zu  Versuchszwecken  bestimmten  Kran- 
<enmaterials  war  zum  voraus  grösstenteils  schon  bestimmt 
iurch  die  Qualität  der  im  Spital  Hilfe  suchenden  Tuberkulosen. 
Lungenkranke  leichten  Grades  (I.  Grad  T  u  r  b  a  n)  haben  wir 
sozusagen  auf  unserer  medizinischen  Abteilung  keine,  indem 
solche  von  Privatärzten  zu  Hause  behandelt  werden  odei  dann 
dn  Lungensanatorium  aufsuchen.  Alle  in  unserer  kantonalen 
Krankenanstalt  zur  Behandlung  kommenden  Lungenkranken 
sind  zum  kleinen  Teil  mittleren,  und  zum  grösseren  Teil  schwe¬ 
ren  Grades  (II.  und  III.  Grad  T  u  r  b  a  n),  und  kommen  meistens 
aus  Armen-  und  Arbeiterkreisen.  Bei  der  Auswahl  der  Kranken 

Al\  n  r  m  n  r  p 


,  1 —  I  ^  Vi  A  i  i  n  c  r*Vi  & 


*)  Vortrag,  gehalten  auf  der  Deutschen  Naturforscher-  und 
Aerzteversammlung  ln  Dresden. 


nung  getragen,  habe  aber  doch  auch  bei  einer  grossen  Anzahl 
Schwerkranker  das  Serum  angewendet,  um  auch  bei  solchen 
Kranken  die.  Wirkung  desselben  kennen  zu  lernen. 

Die  Pflege  und  Ernährung  der  Kranken  fand  nach  den 
Grundsätzen  statt  wie  sie  heutzutage  in  den  massgebensten 
Spitälern  und  Sanatorien  durchgeführt  wird.  Nicht  unerwähnt 
dürfen  hier  bleiben  die  mit  gutem  Erfolg  durchgeführten  Frei- 
luftliegekuren  (Heliotherapie)  wie  ich  sie  bei  Tuberku¬ 
lösen  seit  1906  anwende.  Der  Tagesbefehl  lautete  für  die¬ 
selben  : 


6  Uhr  Tagwache, 

7 — 772  „  I.  Frühstück, 

73A — 9  „  Aerztl.  Morgenvisite, 
9—972  „  II.  Frühstück, 

972  —  10  „  Spaziergang, 

10  —  12  „  Liegekur  im  Freien, 
12  „  Mittagessen, 


1  —  1 72  Uhr  Spaziergang, 

P/2 — 3  „  Liegekur  im  Freien, 
3—372  „  Milchkaffee, 

372—4  „  Spaziergang, 

4—6  „  Liegekur  im  Freien, 

7  „  Nachtessen, 

8  „  Ruhe. 


Mit  Ausnahme  der  Zeit  von  Weihnachten  bis  Neujahr  1906, 
wo  die  Kälte  bei  uns  im  Freien  15—20°  C  unter  Null  war,’ 
wurde  diese  Freiluftbehandlung  genau  nach  Vorschrift  den  gan¬ 
zen  Wintei  hindurch  durchgeführt  und  die  Kranken  unterzogen 
sich  derselben  sehr  gerne,  indem  sie  sich  trotz  Kälte  im  Freien 
wesentlich  besser  fühlten  als  in  den  Krankensälen  drinnen.  Da¬ 
mit  dieselben  nicht  frieren  mussten,  wurden  sie  auf  Liege¬ 
stühlen  in  wollene  Decken  und  Mäntel  eingepackt  und  mit  Fin¬ 
ken  und  warmen  Bettflaschen  versehen.  Die  betreffenden 
Kranken  lagen  somit  täglich  bei  jeder  Witterung  5—6  Stunden 
im  Freien.  Es  liegt  ausser  allem  Zweifel,  dass  diese  Freiluft- 
Liegekuren  wie  sie  in  unserem  Spitalpark,  der  bezüglich 
Grösse  und  Schönheit  seinesgleichen  sucht,  durchgeführt  wer¬ 
den  konnten,  ausserordentlich  günstig  auf  das  allgemeine  Wohl¬ 
befinden  der  Kranken  einwirken  mussten  und  so  die  Serum¬ 
behandlung  sehr  günstig  beeinflussten. 

Die  Anwendung  des  Antituberkulose- 
s  e  1  umMarmorek  fand  auf  meiner  Abteilung  grösstenteils 
per  rectum  statt.  Man  gab  es  auch  versuchsweise  per  os, 
abei  ohne  Erfolg.  In  Form  von  subkutanen  Einspritzungen 
wurde  es  bei  einigen  Patienten  angewendet.  Doch  zeigten  sich 
da  bei  einzelnen  Kranken  akzidentelle  Begleiterscheinungen, 
wie  Infiltrationen,  Abszesse,  Fieber,  allgemeines  Unwohlsein, 
was  man  bei  der  Applikation  per  rectum  nicht  beobachtete! 
Eine  steigende  Ueberempfindlichkeit  (Anaphylaxie)  des  mensch¬ 
lichen  Organismus  gegenüber  den  wiederholten  Serumdosen, 
kam  bei  einigen  Kranken,  wo  das  Serum  subkutan  injiziert 
wurde,  evident  zum  Ausdruck,  was  bei  der  nachherigen  An¬ 
wendung  per  rectum  nicht  gesehen  wurde.  Marmore  k 
glaubt,  dass  die  Ursache  dieser  Ueberempfindlichkeit  in  der 
Haut  liege.  Eine  subkutane  Applikation  des  Serums  würde  ich 
einer  rektalen  vorziehen,  indem  man  bei  letzterer  doch  nicht 
weiss,  wie  gross  die  Dosis  ist,  welche  von  der  injizierten  Flüs¬ 
sigkeit  1  esorbiert  wird,  was  bei  der  subkutanen  Anwendung 
der  Fall  wäre.  Aber  die  eingetretenen  unangenehmen  Neben¬ 
erscheinungen  waren  es,  welche  mich  zwangen,  der  rektalen 
den  Vorzug  zu  geben.  In  ganz  jüngster  Zeit  bin  ich  bei  einigen 
Kranken  (Erwachsenen)  wiederum  zu  den  subkutanen  Ein¬ 
spritzungen  des  Serums  übergegangen,  und  zwar  injiziere  ich 
je  alle  1—2  Tage  5  cm  in  den  Oberarm.  Merkwürdigerweise 
habe  ich  jetzt  dabei  weniger  Unannehmlichkeit  als  früher.  Ob 
wohl  indessen  die  Zubereitung  des  Serums  geändert  wurde? 

Sehr  gut  wurde  das  Serum  ausnahmslos  —  in  relativ 
grossen  Dosen  —  von  den  Kindern  per  rectum  ertragen.  Die 
Anwendung  des  Serums  per  Klysma  bei  ganz  kleinen  Kindern 
bot  Schwierigkeiten,  indem  man  dasselbe  nur  durch  1 _ 2  Stun¬ 

den  langes  Zuhalten  des  Afters  zur  Resorption  im  Darme  brin¬ 
gen  konnte  und  auch  dann  ging  noch  ein  Teil  davon  nutzlos 
ab.  Vor  der  rektalen  Applikation  des  Serums  wurde  dem  Kran¬ 
ken  jedesmal  zuerst  der  Darm  ausgewaschen  und  hierauf  das 
Serum  mittels  einer  10-cm-Spritze  durch  einen  Nelatonkathe- 
ter  in  den  unteren  Teil  des  Colon  descendens  eingeführt.  Durch 
Nachspritzen  von  10—15  ccm  Aqu.  dest.  wurde  das  noch  im 
Schlauch  befindliche  Serum  auch  noch  in  den  Darm  hinauf¬ 
getrieben.  Die  Erwachsenen  erhielten  meistenteils  pro  dosi 
10  ccm  Serum,  je  3  mal  per  Woche,  während  ich  den  Kindern 
6  mal  per  Woche  je  5  ccm  Serum  einspritzen  liess.  In  letzter 
Zeit  verabfolgte  ich  allen  Patienten,  welche  über  12  Jahre  alt 
waren,  tägliche  Einläufe  von  je  10  ccm  Serum,  ohne  infolge¬ 
dessen  unangenehme  Reaktionen  zu  beobachten.  Im  Gegenteil, 


es  r,sc^ien  mir’  dass  das  Sputum  dabei  sich  rascher 
verflüchtigte,  die  Tuberkelbazillen  darin  rapider  ab- 
nahmen  und  das  allgemeine  Befinden  sich  schneller 
besserte.  Schädliche  Einwirkungen  des  Serums  konnte 
ach  bei  dieser  Anwendungsweise  weder  bei  den  Er¬ 
wachsenen  noch  jemals  bei  den  Kindern  beobachten  Lei¬ 
der  erlitt  die  Serumbehandlung  hie  und  da  Unterbrechungen 
wegen  Mängel  an  Serum.  Alle  Kranken  wurden  beim  Eintritt 
ärztlich  genau  untersucht,  was  bei  denselben  dann  im  Spital 
ordentlicherweise  alle  8. Tage  wiederholt  wurde.  Das  Körper¬ 
gewicht  viirde  ebenfalls  alle  8  Tage  gemessen.  Temperatur 
und  Puls  wurden  täglich  2— 4  mal  geprüft.  Die  Sputa-  und 
Urinuntersuchungen  wurden  bei  den  Patienten  ordentlicher-' 
weise  alle  Monate  einmal  vorgenommen,  und  zwar  auf  das 
Vorhandensein  von  Tuberkelbazillen  wie  anderer  Mikroorga- 
nisnien.  Bei  weitaus  den  meisten  Kranken  hatten  wir  Misch- 
lnrektion.  Neben  mehr  oder  weniger  Tuberkelbazillen  fand 
man  im  Sputum  Diplokokken,  Streptokokken  oder  Staphylo¬ 
kokken.  Erfolgte  Besserung  auf  die  Seruminjektionen,  so  sah 
man  zuerst  Abnahme  der  Tuberkelbazillen,  während  die  übri¬ 
gen  Mikroorganismen  sich  vorübergehend  eher  zu  vermehren 
sc  nenen,  um  aber  dann  später  allmählich  auch  abzunehmen. 
Es  schien  mir  an  Hand  der  periodisch  gemachten  mikro¬ 
skopischen  Untersuchungen,  dass  speziell  am  Beginn  der 
Serumkur  eine  allgemeine  Aufgeregtheit  unter  die  verschie¬ 
denen  Mikroorganismen  im  menschlichen  Körper  gekommen 
sei.  wenn  man  den  Krankheitszustand  meiner  mit  Antituber¬ 
kuloseserum  Marmorek  behandelten  Patienten  betrachtet,  so 
muss  man  sagen,  dass  die  meisten  davon  eher  Schwerkranke 
sind  und  nur  der  kleinere  Teil  zu  den  mittelschweren  Fällen 
gezählt  w  erden  darf.  Es  dürfte  das  wohl  der  Hauptgrund  sein 
warum  meine  Resultate  weniger  günstig  sind,  als  bei  anderen 
Kollegen,  welche  das  Mittel  ebenfalls  anwendeten.  Aus  dem 
gleichen  Grunde  dürften  verschiedene  Komplikationen  zutage 
getreten  sein,  welche  bei  leichteren  Krankheitsfällen  nicht  be¬ 
obachtet  wurden.  Was  bei  allen  mit  Marmorekserum  Behan¬ 
delten  eintrat,  das  war  Pulslbeschleunigung.  Schon 
nach  2—3  Einläufen  sahen  wir  die  Pulszahl  von  70—80  Schläge 
in  der  Minute  auf  100—110—120,  ja  sogar  bis  auf  130  hinauf¬ 
gehen.  Und  während  der  ganzen  Serumkur  hielt  sich  bei  den 
meisten  Kranken  der  Puls  auf  derselben  Höhe.  Aber  wir  be¬ 
obachteten  nie,  dass  dadurch  andere,  unangenehme  Erschei¬ 
nungen  bewirkt  wurden. 

Bei  einzelnen  Patienten  wurde  auch  einigemale  das  Blut 
untersucht.  Bei  allen  diesen  konnte  eine  wesentliche  Stei¬ 
gerung  der  Leukozytose  gesehen  werden. 

Bei  einigen  wenigen  sahen  wir  während  der  Serumanwen¬ 
dung  Hämoptoe  eintreten,  was  uns  jeweilen  veranlasste, 
das  Mittel  auszusetzen.  Das  aber  später  von  Zeit  zu  Zeit  wie¬ 
der  eintretende  Lungenbluten  machte  uns  glauben,  dass  nicht 
die  Serumanwendung  die  Ursache  der  Blutungen  sein  konnte. 

Bei  2  Kianken  sahen  wir  jedesmal  nach  der  Applikation 
des  Serums  das  Auftreten  von  Drängen  im  Bauche,  Leib¬ 
schmerzen  und  Diarrhöe.  Während  sich  bei  einem  derselben 
diese  Erscheinung  verlor,  musste  man  beim  anderen  auf  die 
weitere  Anwendung  dieses  Medikamentes  verzichten. 

Temperatursteigerungen,  Fieber  zeigten  ebenfalls  einige 
Kranke.  Doch  wir  glauben  nicht  annehmen  zu  dürfen,  dass  sie 
vom  Serum  herrühren.  Denn  dieselben  hatten  meistenteils 
schon  vorher  zeitweise  Temperaturerhöhungen.  Im  Gegenteil 
nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  stellte  sich  bei  den  meisten 
Fiebernden  ein  Temperaturabfall  zur  Norm  ein. 

Doch  sehen  wir  uns  die  mit  dem  Antituberkuloseserum 
Marmorek  behandelten  39  Kranken  etwas  näher  an:  Ich  teile 
dieselben  ein: 

Nach  Alter  und  Geschlecht: 

Jahre:  Männer: 

Alter:  1—5  4 

6—10  2 

11—15  2 

16—20  4 

21—25  5 

26—30  5 

31—40  3 

41—50  4 

über  50  2 

31  ‘  8  39 


Frauen:  Total: 

1  5 

—  2 

2  4 

3  7 

—  5 

2  7 

—  3 

—  4 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2127 


Nach  der  nachweisbaren  Lokalisation  der 

Tuberkulose. 

Lungen  ....  20  Nieren . 1 

Knochen  ....  3  Bauchfell  ....  1 

Gleichzeitig  verschiedene  Organe  ...  14 

NachdemStadiumderErkrankung  (nach  T  u  rban). 

I.  Stadium  1.  II.  Stadium  9.  III.  Stadium  29. 

Von  den  27  Lungentuberkulösen,  inklusive  derjenigen,  bei 
welchen  auch  andere  Organe  tuberkulös  waren,  fand  man  beim 
Eintritt  in  die  Anstalt  bei  26  Patienten  mehr  oder  weniger  viel 
Tuberkelbazillen  im  Sputum.  Bei  den  meisten  waren  es  Misch¬ 
infektionen.  Am  Ende  der  Serumkur  konnte  man  bei  11  Kran¬ 
ken  keine  Tuberkelbazillen  mehr  nachweisen,  bei  7  waren  sie 
wesentlich  vermindert,  bei  8  waren  sie  gleich  geblieben  oder 
haben  trotz  Serum  zugenommen.  Bei  einem  Kranken  konnte 
man  überhaupt  nicht  mit  Sicherheit  Tuberkelbazillen  nach¬ 
weisen,  doch  liess  das  klinische  Bild  mit  Bestimmtheit  auf  das 
Vorhandensein  derselben  schliessen. 

Die  Dauer  der  Serumkur  war  je  nach  dem  Zu¬ 
stande,  dem  Erfolg  und  der  Ausdauer  des  Kranken  sehr  ver¬ 
schieden,  und  zwar  von  16  bis  215  Tage;  durchschnittlich 
69  Tage. 

Die  Zahl  der  Injektionen  betrug  pro  Patient  von 
8_76  Injektionen  durchschnittlich  31  ä  5—10  ccm  per  rectum. 
Subkutan  wurde  nie  mehr  als  je  5  ccm  eingespritzt. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  erzielten  Erfolge  und 
Misserfolge  derjenigen  Kranken,  welche  von  uns  mit  Marmo- 
rekserum  behandelt  wurden,  so  dürfen  wir  mit  dem  erzielten 
Resultate  zufrieden  sein,  wenn  man  bedenkt,  was  da  für  Kran¬ 
kenmaterial  zur  Verfügung  stand.  Da  darf  der  Erfolg  nicht 
nach  Prozent  gemessen  und  etwa  mit  den  Heilresultaten  von 
Sanatorien  verglichen  werden.  Denn  mit  wenig  Ausnahmen 
würden  die  wenigsten  dieser  Patienten  in  Anbetracht  der 
Schwere  der  Krankheit,  noch  in  einer  Heilstätte  Aufnahme  ge¬ 
funden  haben. 

loh  schätze  meine  erzielten  Erfolge  auch  nicht  nach  Hei¬ 
lung  und  Nichtheilung  ein.  Ich  betrachte  einen  Tu¬ 
berkulösen  überhaupt  erst  als  geheilt,  wenn 
erwieder  so  weit  hergestellt  ist,  dass  er  nach 
Entlassung  aus  der  ärztlichen  Behandlung 
we  nigstens  2  Jahre  lang  ununterbrochen  total 
arbeitsfähig  war. 

Demgemäss  rubriziere  ich  die  Erfolge  meiner  Kranken  in 


folgende  Kategorien: 

1.  ganz  arbeitsfähig  (geheilt), 

2.  teilweise  arbeitsfähig  (wesent¬ 

lich  gebessert), 


3.  wenig  gebessert, 

4.  nicht  gebessert, 

5.  gestorben. 


Nach  gewissenhafter  Prüfung  meiner  Fälle  in  bezug  auf  die 
erzielten  Resultate  teile  ich  sie  folgendermassen  ein: 


1.  ganz  arbeitsfähig  (geheilt) 

2.  teilweise  arbeitsfähig 

(wesentlich  gebessert) 


11 


In  Summa  29. 


3.  wenig  gebessert 

4.  nicht  gebessert 

5.  gestorben 


4 

5 
1 


Die  übrigen  10  Kranken  befinden  sich  noch  in  der  An¬ 
stalt  und  erfreuen  sich  bis  jetzt  alle  ohne  Ausnahme  einer  ganz 
bedeutenden  Besserung. 

Symptome  der  Besserung:  Bei  meinen  Beobach¬ 
tungen  an  den  mit  Marmorekserum  behandelten  Kranken 
konnte  ich  nie  ein  rasches,  in  die  Augen  springendes  Bessern 
sehen.  Die  Besserung  kam  allmählich,  langsam.  Bei  den  einen 
freilich  schneller,  bei  den  anderen  langsamer.  Sie  zeigte  sich 
durch  das  Auftreten  eines  allgemeinen  Wohlbefindens  und  He¬ 
bung  des  Appetites.  (Es  darf  da  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass 
der  Glaube,  das  Vertrauen  des  Patienten  zu  einem  neuen  Medi¬ 
kament,  das  ihm  Besserung  ja  vielleicht  Heilung  bringen  wird, 
auch  eine  gewisse  suggestive  Rolle  dabei  spielt,  ähnlich  wie 
bei  vielen  anderen  Krankheiten.)  Dann  folgte  Sinken  der  fe¬ 
brilen  Temperatur,  Abnahme  der  Nachtschweisse.  Der  Husten, 
speziell  in  der  Nacht,  verminderte  sich  ebenfalls.  Der  Schlaf 
wurde  ruhiger,  erquickender.  Das  Sputum  wurde  flüssiger, 
wenn  auch  anfänglich  etwas  reichlicher.  Das  Körpergewicht 
vermehrte  sich  bei  den  meisten  von  Woche  zu  Woche,  ja  so¬ 
gar  bei  einzelnen  um  12 — 14  kg  bis  zum  Ende  der  Serumkur. 
Bei  der  Untersuchung  der  Lungen  hörte  man  anfänglich  eine 


Zunahme  der  Rasselgeräusche,  dieselben  wurden  aber  gleich¬ 
zeitig  wesentlich  feuchter  und  lockerer.  Später  jedoch  nahm 
das  Rasseln  dann  allmählich  ab,  um  bei  den  günstigen  Fällen 
ganz  zu  verschwinden  und  einem  unbestimmten  Respirations¬ 
geräusch,  meist  mit  verlängertem  In-  und  Exspirieren,  wieder¬ 
um  Platz  zu  machen.  Die  vorher  mehr  und  weniger  vermin¬ 
derte  Atmung  in  den  erkrankten  Lungenpartien  hellte  auf.  Die 
Zahl  der  Atemzüge  nahm  ab,  die  Tiefe  der  Inspirationen  zu. 
Bei  2  Kranken  sahen  wir  das  Verschwinden  der  beim  Eintritt 
vorhandenen  Kavernen.  Bei  keinem  der  mit  Serum  Behandel¬ 
ten  konnte  ich  das  Wiederkehren  von  ganz  reinem  Per- 
kussionsschall  und  ganz  reinem  vesikulärem  Atmen  nach¬ 
weisen.  Bei  allen  blieben  mehr  oder  weniger  Verdichtungen 
im  Lungengewebe,  Narben  zurück,  was  auch  durch  röntgeno- 
skopiische  Aufnahmen  bestätigt  wurde. 

Bei  der  Knochentuberkulose  bildeten  sich  die  meisten 
Symptome  der  chronischen  Entzündung  zurück.  Eine  Ver¬ 
dickung  der  erkrankten  Knochenpartie,  eine  partielle  oder 
ganze  Versteifung  der  affizierten  Gelenke  blieb  jedoch  öfters 
zurück,  ohne  sonst  anderen  wesentlichen  Schaden  zu  hinter¬ 
lassen. 

Bei  der  Harnblase-  und  Nierentuberkulose  erfolgte  die 
Besserung  in  dem  allmählichen  Abnehmen  und  zuletzt  Ver¬ 
schwinden  der  Tqberkelbazillen  im  Sediment  des  Urins  und  der 
auffallenden  Besserung  des  allgemeinen  Befindens  der  Kranken. 

Fast  wunderbar  kam  uns  der  Heilungsprozess  bei  jenem 
schweren  Falle  von  Bauchfelltuberkulose  vor.  Das  ganz  ab¬ 
gemagerte,  fiebernde  Mädchen  mit  dem  grossen,  brettharten 
Bauche  —  das  Schulbild  einer  Bauchfelltuberkulose  —  liess 
vermuten,  dass  wohl  innerhalb  weniger  Tage  der  Tod  ein- 
treten  werde.  Nichts  von  dem!  Nach  einigen  Einläufen  von 
Marmorekserum  und  später  Anwendung  von  Röntgenstrahlen 
konnten  wir  fast  von  Woche  zu  Woche  eine  zunehmende 
Besserung  konstatieren,  bis  dass  sie  wieder  total  arbeitsfähig 
entlassen  werden  konnte.  Sie  hat  während  des  letzten  Som¬ 
mers  meistens  auf  dem  Lande  gearbeitet  und  zeigte  absolut 
keine  Betschwerden  mehr. 

Schlussätze. 

Die  Beobachtungen  und  Erfahrungen,  welche  ich  mit  dem 
Antituberkuloseserum  Marmorek  gemacht  habe,  führten  zu  fol¬ 
genden  Ergebnissen: 

Das  Serum  Marmorek  hat  bei  Tuberkulose  eine  anti¬ 
toxische  Wirkung  auf  den  menschlichen  Organismus.  Das 
erkennen  wir  aus  der  Abnahme  re'sp.  Verschwinden  der  Tuber¬ 
kelbazillen  im  Auswurf  der  Lungenschwindsüchtigen  und  im 
Harnsediment  bei  Harnblase-  und  Nierentuberkulose,  solcher, 
welche  mit  Marmorekserum  behandelt  wurden.  Besonders 
günstig  wirkt  das  Serum  bei  Lungentuberkulose  I.  und  II.  Gra¬ 
des,  sowie  bei  Knochen-  und  Bauchfelltuberkulose.  Tuberku¬ 
löse  leichteren  Grades  können  somit  ganz  gut  ambulatorisch 
behandelt  werden. 

Bei  Lungentuberkulose  III.  Grades  hatte  ich  so  gute  Er¬ 
folge  wie  mit  keinem  anderen  Mittel.  Wenn  es  auch  nichi. 
immer  heilend  wirkt,  so  kann  es  doch  die  Krankheit  zum  Still¬ 
stand  bringen  und  eine  Weiterzerstörung  des  Köipers  tempo¬ 
rär  hemmen.  Deshalb  kann  man  und  soll  man  das  Sei  um 
Marmorek  in  weiter  vorgeschrittenen  Fällen  versuchen,  wenn 
einigermassen  noch  Aussicht  auf  Besserung  ist. 

Je  schwerer  und  hartnäckiger  der  Krankheitsprozess  ist, 
desto  länger  muss  das  Serum  verabfolgt  werden.  Die  publi¬ 
zierten  Misserfolge  kommen  wahrscheinlich  vom  zu  frühen 
Sistieren  oder  von  der  unrichtigen  Anwendung  des  Marmorek- 

serums  her.  .  „ 

Auch  bei  Mischinfektionen  erfolgt  in  vielen  Fallen  Bes¬ 
serung,  wenn  auch  langsamer  und  seltener  als  bei  reiner  Tuber¬ 
kulose.  ..  , _ 

Da  wo  ausgedehnte,  schwere  Zerstörungsprozesse  schon 

vorhanden  sind,  da  wird  das  Marmorekserum  nicht  mehr 
helfen,  so  wenig  wie  etwas  anderes. 

Das  Marmorekserum,  rektal  angewendet,  hat  keine 
schädlichen  Nebenwirkungen  und  wird  speziell  vom  jugend¬ 
lichen  Alter  gut  und  auf  lange  Zeit  vertragen.  Wie  bei  andcien 
Infektionskrankheiten,  gegen  welche  man  spezifische  Gegen¬ 
mittel  hat,  so  müssen  auch  hier  die  allgemeinen  Lebensbe¬ 
dingungen  zur  Genesung  resp.  Besserung  günstig  gesic!  t 


22.  Oktober  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2m 


bß 

O 

*4—1 

}— 

u 

TP 

G 

TC 

<—■ 

<L> 

QQ 


c/5 

< 


<D 


© 

cd 

G 


G 

© 


G 

© 


bß 


D=> 

G 


‘cd  G 

w  </2 


© 

bß 


bß 

P^  Pd 

Go  i>r 

■— •  CD 

cd  g 

rG 

Sh  cd 

cd  El 


G 

cd  .Xi 

00  oo 


®  Td 
bß  o 

PP  ^ 

:G  cd 

<*-  S 

00 

■4*  .2 
•—<  »G 

CD 

® 


.  © 
r-  -4-3 

§  0 
OD  ,2 
OO  <G 
cd  <35 

^33 

es 

® 

60 

•h  33 
33  .2 
=B  ® 

«4-1  ^ 

GO  rG 

X  § 

G 


G  h- 

<D  c3 

a>  g 

2 

C3  rw 

bb-S  ,2 
«  S 

HH  „  n= 
rH  6C 
•-*  C 

CD  H  ?H 
rH  < — 1  <D 

G  :cd  rö 
pp  q-<  G 
cd  oo  cd 

G  .P-H  d> 


G 

CD 


Sf  ® 

Pd 

<N  6JD 

05  ^ 
3  :cd 


bß 

G 

G 


cd 


-35 


05  O 

r-H  CD 


cd  G 

05  * 
00  <35 

i-<  O 

®  'S 

s 


CD 


G  co 

5  .'S 

®  h  s  *  ® 

33  ^  33  33  e  X! 
^  33  o  ^  _r"o  b 
cs  2  ^  g  -r 

©  P  ©  ©  g  ©  <35 

CO  CC  G0  r3  TD  OO 
•rH  G  —  £ 

<D  _©  <35  2 

bß  pP  13 

G  r-H  “ 

G  .^-t  x> 

G  ®  >• 


®  rr 


c 

B 


<u 

x) 


G 

05 

G 

© 

*-£3 

cd 
P d 


3 

O 

W 


»3*1 

jen'BQ 


G 

— 


05 

,  *> 
£  's 
:cd 
G  ,£3 

cD 

bß 


*-s 

.  cd 

Sä 

j_3  05 

Pd 

™  05 

cd  rG 
G 

G  EH 

in 

£  05 

G 


05  ; 


CD  CO  05 

r®  ,2 
.B  B 
fe  e- 


g  £ 

3 

S  ®  1 

O  -4-3 
G 

05  00 

^Td 

G 

S 


05 

.  ^ 
bß 

Pd  ß 
CO  * 
^  o 

05  O 

G  G 

G  tf 
G  -* 

NJ  05 

_2  OQ 

Th  OO 

O  <35 

•5  -o 

05 
bß 


bß 

G 

G 

kjp<"G 

Pd 

C^l  cd 


,  'S 

i  p— * 


£ 

05 


h  S3 


05 


GP 

G 

05 


PP 


^PP 

S 

3 

Ol  05 


G  G 

.2  S  - 
H  3 

g  S  h 
® 

•[— 1  G  GO 

G  G  oo 

h-.  sa  0 

CO  ^ 

<— <  (D 
o  7^ 

'S  00 

05  -4-3 

C5  ^ 

o 


00  . 

05  Jh 
G*  pG 

05 

T3  3 

05  p-h 
bß  x> 

2  N 

O  S-4  • 

05  G 
•  ,  d  ® 
05  G  pG 
<-CP  pG  05 

G 

05  05 

33  .S 

cd  05 

ü  ^ 

GO 


bß  . 
G  tvß 
G  ^ 
-<N 

d  I 

pG  G3 

PT- 


05  .2 
GP  *-4J 
Cd  , 
-4-3  Ph 


GP 

p 

G 

05 

rG 

,  05 

i  -+5> 

OO 


G 

05 

bß*N 

r-  Cd 

3:2 

■  05 

_ _  g  ° 

05  ^  cd  '  ^ 

PT  G  rG  E-< 

CS3  — 

G  bß  G  42 
bß-J  ^  ^  *1 

■*  ®  o  S  S 
°  g  2  o 
-3g 


bß 

G 

rG 

cd 

05 

PP 


cd  bß  G  bß  G 


bß 

Gd 


tu 


p^2?  ‘3 
G  rT~l 

05  -ifi 

bß 

-1-3  oo 

ö  r2 
:©  G 

© 


P^ 


CM  _ 

<35  Td  ^ 

3-p  S-3  S 

’S  S  g  S  J 

3  33  2  ■“ 

N  M  ü  M  S 

X)  pp-H  05  05 

33  £  33  ^ 

®  O  ®  cä 

bo  6ß  ® 
M 

T3  'TS 

—  00 


pp  ^ 

© 

33  3 


2  B 
—  -o 
-tj 


-4^ 


lg 

) 


®  bh 

3  e 

§  B3 

OO  rH 

N  S 

-4-J  cd 
rG  ^  . 

.2  U 

g  pp 

© 

^  G 
bß 

©  pG 

p£  © 

«  2 

G  ö 

cd 

bß 


G 

bß 


bß 

G 

cd 

g  ; 

cd 


cd 

.  G 

§  c3 

CO  . 

Jj 

■sl 

bß  ö 

;s  g 

TZ  © 
:cd  G3 


Z 

G  © 


r-  ^ 

G  © 


bß  ® 

p—  -bä 


GP  PÄ  GP  rO 
_,  ©  .  © 
G  bß  G  bß 


bß 


®.2 

«  ® 


© 


© 
3  , 


bß1" 


bß 

G  _,  ©  G 

H  -P  -  °  d 

r©'  'S^G 

—  -r  p-  © 

I  c5m 


tP  ^ 

G  ^  ^  SG  ~ 


,  O  o  O 


bß^ 


lOG 

G 


00  P-H  T— ( 


©  tJI 
pä  G 
Jh  ® 

^  -+J 

cd  «2 

_ ,  © 

cd  © 


3  © 

©  -Ld 
GP  ^ 
© 

*4-4  G 

G  G 

Eh 


rG 

© 


G 

cd 


© 

-1-3 

G 

© 

© 

PP 


© 


bß 

bß  3 


OO 
05  , 


-4-^  ©  •’”“  © 

g  g  g  © 

<35  05  © 
_bßfea- 


©  r— I 

PP  ^ 


© 

«’S 

©  T-K 
pid  w 

© 


© 
§K 
t>- 


© 

‘S 


TP  G! 

G  cg 
r-H  G 
Tß  tO 
•  G  G 

°5 

T3 

© 

o 


^  G  G 

43  ©  p  15  r 

^  3  r  a  o 

®3®3° 

”  2  m  2  ö 

oo  G  G 

®  §  ®  s  - 

n  M®  6C3J 

TP  rO  -O  .Ä  • 

5^  cd  ©  G 

®ß  G  bß  g 
©  ©  oo 

—  .§  G3  .§  05 

«  '5  «  ’S  rO 

PP  ^  Q  05 

G  G  ^ 

3  a  3 

©  g  ©  g 

00  05  CO  X> 

05  N  ©  N 

^  S  ^  w 


cd 

© 

PP 

bß  G 

_iä  -rH 

TH 

©  O 

a  2 

cd 

G  *s 
G  -4-=» 
N  Vh 

oo  „ 

1 1  © 
jG  e» 
©  oo 

05  G 
CP  <35 


©  © 
Gd 


PP 


bß 

-Lä 

1Ä 


bß 


G 

© 


c  t-  Sc  &ß 

T  O  ^  -p- 

—  3;® 

o  ca  13  « 

aSs.2 

j,  N  ® 

-  -S  J  Ä 

rls 

®  3  ^  — i 

®  -3  o  += 

3=  Ö  0 
®  33  .  ® 

•oc»  2^ 


© 


I  3 

T3 


G  :cd 

05  Gh 


G 

© 

g 

rC 

© 

GG 

I 

G 


SJ 

cd 

-© 

*© 

Pä 

^H 

© 

35 

Eh 


rG 

cd 

CSJ 


CM  S  G 
p-—  G 


Pä 

pG 


Gd 

<Vh 

G 


oo  G 


cd 

(—1 

r© 


© 

a 

Gi 

G 

©H 

-4-3 

Gh 

© 

ZJ2 

© 

_iä 


G 


© 

hG 

G 

G 


CS3 

cd  G 
© 

b  2 

05  p-— 

rO  O 


3  c 

G  <32 

tS3  W) 

fco 

§  'S 

•J» 

3d 


© 


©  TS 
-4-3  PP 

g  ^ 

i  -s 

CG  G 
G 

©  05  G 
©  G 

Ö  -4^»  -4-3 

•  rH  Gh  G 
©  cd 
bß  G  JXi. 
g  g 

'a(3-§ 


© 


© 


pH  CO 

©  *s 
00  ^ 


«>4  ., 

3  B  3B 
©  G  © 

PP  G  © 

•  rH  *. 

SJ  So  © 

cd  rri  ©  r© 

Ä  60.2 

05  ©  rG  ptn 


G 


© 

G 


csa  bß 

cd  cJ 

cd 


© 

r^ 


_  © 

G  ^ 

ßß  G 

^  w 


G 

dh 


G 

©H 


cd 

-© 


P±ä 

© 


bß 


cd 

s 


© 

•p  i 

a> 

bß 

rG  G 
g  G 

rö  ^ 
©  _, 
•p— s  G 
© 

©  *© 


ts3 

cd 

'o 


G 


H  ,*  ' 

©  Eh  © 

B  J  ^ 

a  .2  ® 
i— i  ®  _ö 

^  *£  s 
2  d®5 

G  ö  G 

S3  ©h 

©  PH  ^  ^ 

^  Sg 
©  pp  ©  g 

.-«■a  ”  ” 

‘  ®  5?  - 


H  ®  S 

®  -3  P5 

oo  G  © 

CO  " 


3  © 
3  Pd 
Pd 
© 


© 

-© 


l.  j  r— 

r*  g  °?  Eh 

® s_ 

S-g  a-d  B^  ® 

H  34  ®  E-1  'S  — 

0-2-2.60®  |ß 

G  oo  G  Gh 

®  ^  'S  .3  ’S 

“  &  3  ^  g  a 

-2 --g 


cd 

-4-3 

-4-3  02 

*2  n=S 


H 

. 

O 

-4-3 

£fl 

Sh 

HG 

VW 

Ö 

CQ 

»r- 

G 

s 

Tß 

© 

© 

PS 

-4-3 

© 

-4-3 

T3 

OO 

:G 

3 

© 

1 

O 

-4-3 

G 

G 

G 

N 

03 

-4H» 

G 

© 

-4-3 

G 

©. 

Z/2 


a 

G 

-4-3 

G 

©H 

Z/2 


© 


CZ2 

a 


-4-3 

G 

©4 

C/2 


©4 

© 


G  -£ 

©4^2 

Z/2 


*S  .r-  O 

S|nHh 

TS  bß__  CP 
G  S  .2 
©  «  >■ 

G  £ 

5  cd  .bß 

43  h  OQ 

©hB  3 

oq  Pp  S 


© 

© 


© 

"© 

o 


G  .G 
©  © 
Ö  PP 
© 


cd 

•  1—4 

Q 


© 
S  :G 
G  ^ 


G  _2  0 

— H  ^  CO' 
©  © 
rH  bß  bß 

®  § 

0  <1 


© 

^  a 

X) 

r—  N 

HG  pd 
G  r^ 
G  W 

00  s 

SS 

h^  S 
©-.-^ 
© 

^5 


© 

s  a 
a  !<g 

05  O  •  rH 

W>  3 

■?! 

2§3| 

r-H  ©  G 

►  .  G  G 
Tf  ©  tsa 

^  ©  G 
•  •—1  cd 


bß 


’Jh  X" 

°  5p 

-4-3  pp 
cd  © 

G  rtd 

cd  ® 


cd 

a 


a 


cd  „ 

S  G 

©  2h 
^  ©  , 
*G  bß' 

a  03 
p  a 

.  2© 

s  ^ 

•ö  fe 

a  © ' 

t-J  w 


© 

r© 


Ph  oo 
00  *  G 
©  .TP 

rG  HG 

©  P*H 

l-s 


i 


G 


© 

K 


©  .  • 

^ß  © 

G  r© 
r-<  05  • 

•-P  d-  .22 

^  :£ 

cT  ^  *G 

°  ©  T3 

P  G 

o4  ©  ^ 

3  g 


<G 


© 

cd 

PS 


©  ?h  in 

©  G  ® 

§  I  a3  § 

I  .&•  B  § 
P  ®  2  ^ 

©  ^  T.  © 

32S'? 

'S'S^’V 

Sä 


Pt 


33  ns 

Ä  £ 

S  s 


CV) 


Os 

0J 


VO 


o 

o. 


LO 


ro 

c\ 


"T 

CM 


o. 


00 

o 


CM 

VO 


T 

00 


CM 

LO 


CO 


CM  CM 


CM 


VO 


— 

(V 

® 


Ptä 
w 

TT» 

03 

T3 

^  P 

Cr  In 

Ch  ® 

>öi  B 


3rf 

® 


g 

®  _: 
o  a 

3  -♦-= 


a'  ä  s 

©  g  §  g  © 

O  ßr>  ßO 

^  -pO  4J  7, 


✓cd 


©  ©  ,_a 

E-  'Cd  ß-  /cö 


4  Sh 
© 
Gh 


CO 


*  1— ■ '  ^4  .  ■  —  pH 

G  ©  H*  ©  G 

TH 

pH  Ofc 

rH  ^  CO 


3 

© 

© 

o 


CO 

iO 


„  G 

rH  G 

G  -g 
©  G 
©  Pd 

©Hs 

rH  00 
'G  hH 


M 

43  © 
©  © 

Sh  O 

rH 

Sh  _ 
05  'G 

Gh  . 


g 

G 


o ! 


*  t>.  G 

—H 

^ 


CO 

IO 


PP 


kto 

'G 


o 

CO 


B  O 


SO 


2  'B  £  PCS 


*  -es 

G 
1  -4-3 

G 
,  Pd 
yXi 
G  • 

1  00 

1 


© 

©  g 

o  g 

hh  -e 


ä  © 


a"  .  a 
a 


© 

© 


a 

© 

© 


o  5n  S  o  2° 

t-H  G  0  Ä3  T  H 

TG  r-H  ("1  H  ©  1 


G  ©  G 
GO  S 
G  1  G 
4-3  p-d  -*-3 
•  © 
T  © 


©  . 


Sh  c 
Gh 

CO 

CM 


G  G 
o 

--  o  »  co 


CO  |  B 


© 

pH 

'Cd 

W  I  > 
© 

Pi  'G 

pH  'G 

fH  /C= 

© 

pH 

'Cd 

©  "P 

Sh  ^ 

Sh 

© 

*G^ 

©  G 

©  ? 

©  ^g 

Sh 

© 

•1 — s 

gco 

Gh 

CO 

tH 

Gh^ 

CP 

Gh^t 

"^00 

rH 

Gh 

(M 

tH 

<zo 

UBqjnxua 

•u  ranip^g 


© 

CO 

G 


h-G 

hd! 


© 

HG 


G 

Pd 

O 


© 

P= 


G 


5^4 

Sh 

© 

»G 

© 

C3Q 

O 

G 

Pd 


G 


©  bß 

^Pg'S 

3^  es 

I— H  05 

•  ^  S" 

r-H  Gh 

Sh  00 

G  ©  TÜ 
©  G  © 
23  rG 
G  co 
G  rH 
bß  ©  . 
Gh  05 
GG 


G 

t=> 


HG  1 
G 
G  , 


G  rP 

©  r-H 

60  S 

G 

O 


1  G 

PP 


hP 


© 

<G  G 

_H  © 

Ms 


G3 

G 


CG 

G 


rS  S 

72  > 

©  G 

rG  « 

G  . 

O  G 

•-ö  ^ 

Gh 
Gh 

G 


G 

Sh 


CG 

G 


G 

W 


G 

G 

© 

bß 


© 

HG 


© 

c» 

O 

G 

Pd 


G 

Eh 


PX 

© 

© 


Sh 

© 


G 

© 

Gh 


G  © 
4-P  bß 

C0  G 


© 

Td 


Sh 

© 

72 

*© 

*G 

G  . 

© 

©h  G 
Gh  Sh 

O  © 

23  § 

g« 
w  . 

-  B 
G  © 
©  bß 
t>*  G 

®  »j 

co  ^ 

© 

"S 

Pd 

© 

r© 

G 


Gh  . 

GG  « 


©  rg 

G^ 

sG 

CO  rH 

T5  ^2 

r©  3 

pH  X* 

£  ^ 


©  <G 
>G 


©  G 

j=j  ~G 

Pd  ^ä 

© 

P 

G 


g 

co 

© 

’2  ^ 
G  05 
W  Pd 
05  G 

I — -  © 


ß3  P4 


05  DD 

bß  G 


©  G  G 


G 

hP  ■ 


5  2’ 
^  IG 

©  B 


'fP 

G  cd 

hP 


Gh 

ZJ2 


G  ©  ao 

gr-sg 

®B  g  ^ 

'S  -4^  Gh 

-3  qG  S 

H-4  C3  rH 

.G  © 

„  Io 

G  © 

hP  Eh 


G  _ 

bß 

pG  ^ 

O  © 
© 
G  <G 

© 

hG  co 

31 

Gh 
Sh  cd 

c§2 
w  © 


©  hP> 


G 

g 


Gh 

a 

hP 


4— P 


© 

bß 


cd  G 

03  © 

©  © 


h-P  .  . 

cd  bQ 
©  -Jf 

fl  2’© 
G  PP  03 
©  Sh  Sh 
N  Sh  © 
Pd  ©  hG 

wo® 

w  PC? 


© 

HG 


co 

© 


© 

CS3 

-4-3 


-11 

®  ® 

B  ® 


B  g* 
1«' 
»fc  3 

G  cd 

3  ® 
co 
co 
© 
tsa 

03 

p-G 

-hG 


G  PP 

§  S 
b  .3 
S  3 

Jg  B 

'S 

S  F3 


Bl, 

00 

G 

© 

bß 


© 

bß 


qp 


qp 

G 


G 

ä 

© 

tsa 

Pd 

w 


G 

© 

.  bß 

r.  03  r- 

G  G  G 

bß  Cl,1^ 
G  Ph  . 

2  r2  © 

>— 3  Sh  HG 

05  «ph 
_p  ® 

G  ^ 
JhG  ^ 
05  G 


CG 

G 


G 


cG 


M?iv 


ro 

<M 


Ov 

ro 


LO 

CM 


Ov 

C0 


o. 


<T5 

M1 


O 

CO 


00 


ro 


CM 


TP 

CM 


00 


SJ  vo 

5r 


00  10 


'jipajipsai) 


3  &= 


p=  3 


•oR-ipy  RI 

No.  43. 


co 

CM 


CM 


iO 

CM 


VO 

CM 


ps. 

CM 


00 

CM 


Ov 

CM 


o 

co 


co 


CM 

CO 


CO 

CO 


-r 

co 


10 

co 


vo 

CO 


p> 

CO 


00 

co 


ov 

co 


2130 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  4d. 


werden.  Eine  rationelle  Pflege  und  Ernährung  des  Kran¬ 
ken  ist  da  absolutes  Erfordernis.  Ereiluftkuren,  besonders 
Sonnenbäder  sind  notwendig.  Aufenthalt  im  Hochgebirge,  in 
geschützten,  sonnenreichen  Gegenden  ist  sehr  empfehlenswert. 
Aber  auch  Ereiluftkuren  in  der  T  a  1  e  b  e  n  e,  sogar  in  Nebel¬ 
gegenden  während  des  Sommers,  wie  im  Winter  wirken  nicht 
nur  nicht  schädigend,  sondern  zeigen  auffallend  schöne  Heil¬ 
resultate.  Will  man  mit  Marmorekserum  schöne  Erfolge  er¬ 
zielen,  so  soll  man  die  Freiiuftkur  (Heliotherapie)  nicht  ausser 
acht  lassen. 

Einen  Nachteil  hat  das  Marmorekserum  noch  und  das  ist 
sein  Geldpreis. 

Die  7  uberkulose  ist  eine  Volkskrankheit  wie  keine  andere; 
alt  und  jung,  reich  und  arm  werden  davon  heimgesucht.  4ber 
doch  ist  sie  ganz  besonders  der  Würgengel  des  Proletariats 
dei  Armut.  Und  da  ist  der  Preis  des  Marmorekserums  noch 
meu  dazu  angetan,  um  in  der  Armenpraxis  Verwendung  zu 
finden. 

Es  sind  das  Preise,  welche  zu  hoch  sind,  um  das  Heilmittel 
zu  einem  V  o  1  ik  s  h  e  i  1  m  i  1 1  e  1  für  arm  und  reich  zu  machen. 

Ich  glaube  nicht,  dass  wir  nun  im  Marmorekserum  das 
Non  plus  ultra  zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  haben.  Und 
Marmorek  glaubt  es  offenbar  auch  selbst  nicht;  denn  immer 
und  immer  noch  ist  er  bestrebt,  dasselbe  zu  verbessern.  Doch 
treuen  wir  uns  dessen,  was  wir  haben.  Es  ist  doch  ein  grosser 
bchntt  vorwärts  im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose 


Hr  M'P;™DaS  Murrnorekserum  ist  erhältlich  im  Laboratorium  des 
Ur.  Marmorek,  Rue  de  Langschamps  72  ä  Paris-Neuilly. 

Aus  der  Kgl.  Poliklinik  für  Ohren-  und  Nasenkranke  in 
Gottingen.  (Direktor:  Prof.  Dr.  Bürkner.) 

Zur  Plastik  der  Missbildungen  der  Ohrmuschel. 

Mitteilung  einer  zweckmässigen  Methode  für  Fälle  von 

Mikrotie. 

Von  Privatdozent  Dr.  W.  U  f  f  e  n  o  r  d  e. 

Die  praktisch  wichtigsten  Missbildungen,  die  die  gesamte 
Ohrmuschel  betreffen,  werden  bekanntlich  im  wesentlichen  in 

E^kt  V  r  ^k£0tfle  Und  solche  von  Makrotie  unterschieden. 
Es  !st  hudangheh  festgestellt,  dass  solche  Missbildungen  oft 

mit  anderen  zusammen  auftreten,  namentlich  am  Gehörorgan 

Fisteln  Colobn  i  (Polyotie),  angeborene 

Fisteln,  Coloboma  lobuli,  Atresie  des  Gehörorgans,  verschie¬ 
denartige  Hemmungsbildungen  des  Mittelohres,  seltener  solche 
des  Labyrinthes  und  der  Hörnerven,  sehr  selten  angeborene 
EaziahsLahmung  [Hypoplasie]  (Neuenborn  [17],  °S  u  ga? 
L  ])  gleichzeitig  z.  I .  mit  Hemiatrophia  facialis  beobachtet 
u.  z.  gilt  das  mehr  für  die  Bildungsdefekte  wie  für  die  Bildungs- 
Lxzesse  der  Aurikula.  Dass  daneben  auch  Missbildungen  am 

mitgeteilt  Unterklefer  u-  a-  beobachtet  werden,  wurd le  öuTr 

■  Während  nun  bei  kongenitaler  Atresie  des  Gehörganges 
einer  rdat^  häufigen,  'bisweilen  auch  ganz  isoliert  auftreten-’ 
c  Hemrnungsbildung,  lediglich  die  Gehörfunktion  unser  In¬ 
teresse  in  Anspruch  nimmt  und  die  Frage,  wie  weit  sie  über- 
haupt  ausgebildet  ist,  zunächst  beantwortet  werden  muss  tritt 
bei  der  Makrotie  und  Mikrotie  das  kosmetische  Interesse  in- 
n!SC  i  eru°f  abscheulichen  Entstellung  in  den  Vordergrund 
a-b.  Mikrotie  durch  die  stark  eingerollte  Ohrmuschel  ge- 
gen tl ich  einmal  auch  das  Gehör  sehr  beeinträchtigt  werden 
kann,  beweist  u  a.  der  Fall  von  St  etter  [21].  Aber  bei 
weitem  in  erster  Linie  wird  die  Entstellung  des  Patienten  durch 
die  mangelhaft  oder  zu  stark  entwickelte  Ohrmuschel  den  Arzt 
xeranlassen,  diese  womöglich  durch  eine  Plastik  zu  beheben 
selbst  wenn  das  Gehör  so  sehr  beeinträchtigt  ist  dass  ein 
Erfolg  in  dieser  Hinsicht  von  vornherein  aussichtslos  erschei 
ne,,  muss.  Bekanntlich  soll  man  den  Versuch!  die XresiJ  des' 

eruierEhat  ?ur  ™achen.  nachdem  man  vorher 

CI  Hielt  hat,  ob  überhaupt  Gehorvermögen  vorhanden  ist 

ö  C  rV  W-  [2°]):  Wieweit  die  Ohrmuschel  überhaupt  für 
die  Gchorfunktion  dienlich  ist,  darüber  gehen  die  Meinungen 

noch  immer  auseinander;  sie  wurde  von  den  einen  nur  als 
Schutzorgan,  von  anderen  als  für  die  Beurteilung  der  Schall¬ 


richtung  wertvoll  und  von  noch  anderen  wiederum  als  Schall¬ 
trichter,  als  Resonator  für  hohe  Töne  angesehen.  Auf  jeden 
all  ist  ihr  Einfluss  besonders  durch  die  unzweckmässige  Form 
und  den  Verlust  der  Beweglichkeit  nicht  erheblich.  Wie  ich 
nebenbei  bemerken  möchte,  geht  das  neuerdings  von  G  e  i  g  e  1 
|Ö|  in  dieser  Hinsicht  mitgeteilte  von  irrtümlichen  Voraus¬ 
setzungen  aus.  Schon  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ist  im 
wesentlichen  seine  mitgeteilte  Auffassung  von  Kramer  u.  a. 
angenommen.  Er  glaubt,  „die  Knorpel  der  Ohrmuschel  nehmen 
die  Schallwellen  auf,  geraten  in  Schwingungen  und  vermitteln 
diese  Schwingungen  ohne  Uebergang  in  Luft  durch  lauter  feste 
eile  dem  Trommelfell“.  Geig  eis  [9]  Annahme,  dass  nur 
der  das  Trommelfell  berührende  Cerumenpfropf  die  Gehörs- 
Wahrnehmung  wesentlich  herabsetze,  ist  falsch.  Sobald  dieser 
obtuiieiend  ist,  hat  er  auch  sonst  die  Wirkung,  und  dadurch  ist 
die  Auffassung  als  widerlegt  zu  betrachten.  Man  braucht  sich 
ja  nur  durchfeuchtete  Watte  in  den  Gehörgang  zu  stecken,  um 
einen  hohen  Grad  von  Schwerhörigkeit  zu  erreichen,  trotzdem 
wird  dann  offenbar  durch  Resonanzerscheinung  Geigels  [9] 
Versuch  mehr  positiv.  Bei  meinen  Untersuchungen  über  die 
Auskultation  des  Mittelohrs  [26]  habe  ich  auch  mehrere  dort 
mitgeteilte  Versuche  über  die  Schalleitung  angestellt  und  den 
Lurtweg  als  notwendig  dafür  gefunden.  In  der  Tuba  Eustachii 
liegen  die  Verhältnisse  in  dieser  Hinsicht  ebenso  wie  beim  Ge- 
horgange.  Andererseits  ist  durch  die  Mitteilungen  von  Blake 
[1]  und  Bürkner  [4]  erwiesen,  dass  vollkommener  Verlust 
der  Ohrmuschel  die.  Gehömvahrnehmung  an  sich  nicht  beein¬ 
flusst,  sondern  nur  die  Lokalisation  und  entsprechende.  Ein¬ 
stellung  auf  die  Schallquelle  erschwert  und  auch  dadurch  auf 
jene  wirkt.  Endlich  ist  die  von  Geigel  [9]  als  allgemein  an¬ 
erkannte  Auffassung  über  die  Zuleitung  der  Schallwellen  zum 
irommelfell,  nämlich  dass  die  Ohrmuschel  die  Schallwellen 
sammele  und  wie  in  einen  Trichter  durch  Reflexion  in  den 
Gehorgang  hineinleite,  bereits  im  Jahre  1875  von  Mach  [141 
widerlegt. 

Unsere  Ohrmuschel  ist  als  rudimentär  entwickeltes  Organ 
anzusehen  und  hat  offenbar  nur  geringen  Wert  für  die  Gehör¬ 
wahrnehmung  an  sich,  wohl  aber  wesentlicheren  Wert  für  die 
Lokalisation  der  Schallquelle.  Demgegenüber  ist  bei  vielen 
Saugetieren  die  Ohrmuschel  von  grossem  Vorteile,  wie  man 
z.  B  am  besten  „am  Spiel  des  Gehörs  bei  sicherndem  Rehwild“ 
beobachten  kann,  welches  dabei  nach  der  Schallquelle  sucht 
und  die  Muschel  darnach  einstellt. 

Nach  Geigel  [9]  wäre  ja  ein  Gehörgang  fast  überflüssig,  die 
Uebertragungsreihe  von  Ohrmuschel  auf  Trommelfell  bei  uns 
aber  wegen  der  verschiedenen  Gewebsarten  unzweckmässig; 
solche  Verhältnisse  finden  sich  in  zweckentsprechenderer  Form 
beim  Wal,  und  sind  treffend  von  Bonninghaus  [2]  be¬ 
schrieben  und  erklärt.  Beim  Wal,  dem  stets  im  Wasser  leben¬ 
den  Säugetier,  sind  die  Ohrmuscheln  unnütz  geworden,  an  ihrer 
Stelle  findet  sich  eine  trichterförmige  Vertiefung;  ein  Gehör- 
gang  besteht  nicht.  Für  die  Schallübertragung  ist  von  Wich¬ 
tigkeit,  dass  ja  Wasser  ein  viel  besserer  Schalleiter  ist  als  Luft, 
dass  die  Grösse  des  Leitungsvermögens  der  Dichte  des  Lei- 
tungskorpers  proportional  ist.  Das  Ohr  des  Wales  ist  eben  den 
Lebensbedingungen  entsprechend  eingerichtet,  es  würde  auf 
dem  Lande  seinen  Zweck  verfehlen.  Wenn  auch  die  feineren 
P  ysikalischen  Vorgänge  bei  der  Schalleitung  im  allgemeinen 
nicht  feststehen,  so  ist  doch  als  sicher  anzunehmen,  dass  der 
Gehorgang  als  solcher  bei  uns  die  wichtigste-, Rolle  dabei  spielt. 
Am  wahrscheinlichsten  erscheint  es,  dass,  wie  Machs  14] 
Veisuch  zeigt,  die  Schallwellen  den  Wandungen  z.  T  der  Ohr¬ 
muschel  und  des  Gehörgangs  entlang  fortgeleitet  werden. 

Ein  äie  I3ehandlung  der  Ohrmuschelmissbildungen  sind  ver¬ 
schiedene  Methoden  angegeben.  Die  Verunstaltung  des  Gesichtes 
durch  Makrotie  wird  am  besten  durch  die  von  T  r  e  n  d  e  1  e  n  - 
bürg  |25J  angegebene  Methode  behoben,  und  zwar  durch  Ex- 

deTMitip'öP^h65!  aUS  der,  0hrmuschel,  dessen  Basis  etwa  in 
der  Mitte  des  hinteren  Hehxrandes  und  dessen  Spitze  in  der 

Stückt  ™itCHae  vegtC  Und  andererseLs  eines  sichelförmigen 
culae  CS  mit  der  ^onkavitat  nach  vorn  aus  der  Scapha  auri- 

i 

Füe  iä.e  sehr  hässlich  vom  Kopf  abstehenden  Ohren  mag 
icser  Schönheitsfehler  erworben  oder  angeboren  sein,  kommt 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2131 


bisweilen  eine  operative  Behandlung  in  Frage,  da  die  ortho¬ 
pädische  selten  Erfolge  bringt.  Hier  wird  meist  die  E  1  y  sehe 
[8]  Operation  empfohlen,  die  darin  besteht,  dass  ein  Haut¬ 
schnitt  parallel  der  Insertionslinie  der  Ohrmuschel  auf  der 
Schläfenbeinbedeckung  gemacht  wird,  dessen  beide  Enden 
durch  einen  zweiten,  bogenförmig  über  die  hintere  Fläche  der 
Ohrmuschel  laufenden  Schnitt  verbunden  werden.  Die  da¬ 
durch  begrenzte  Haut  wird  mit  dem  Unterhautzellgewebe  ab¬ 
gelöst.  Alsdann  wird  durch  zwei  den  ersten  parallele,  den 
Knorpel  durchtrennende  Schnitte  ein  elliptisches  Stück  von 
diesem  entfernt,  und  schliesslich  die  Wunde  durch  Nähte  ge¬ 
schlossen,  welche  teils  nur  die  Haut,  teils  Haut  und  Knorpel 
betreffen. 

Aber  schon  vor  E  1  y  [8]  sind  von  anderen  ähnliche  Metho¬ 
den  zur  Anwendung  gebracht,  so  von  Keen  [12]. 

Von  Grub  er  [10]  sind  die  Fälle  dadurch  operiert,  dass 
hinter  der  Ohrmuschel  durch  2  mit  ihrer  Konkavität  gegen¬ 
einander  gerichtete  bogenförmige  Schnitte  ein  lanzettförmiges 
Hautstück  Umschnitten  und  exzidiert  wurde. 

Neuerdings  ist  von  M’S  h  a  n  e  [16]  zur  Korrektion  ab¬ 
stehender  Ohren  ein  keilförmiges  Stück  retroaurikulär  ex¬ 
zidiert. 

Von  Morestin  [15]  ist  für  die  Fälle  mit  Einrollung 
namentlich  des  oberen  Teiles  der  abstehenden  Ohrmuschel  eine 
umständlichere  Methode  ausgeführt. 

Häufiger  als  die  Makrotie  wird  die  Mikrotie  und  besonders 
die  Form  des  Katzenohrs  beobachtet.  Ostmann  [18]  hat 
diese  Missbildung  bei  seinen  Untersuchungen  an  7537  Schul¬ 
kindern  des  Kreises  Marburg  in  5  Fällen  gefunden.  Die  Be¬ 
handlung  dieses  Bildungsdefektes  ist  naturgemäss  schwieriger 
als  die  des  eben  besprochenen  Bildungsexzesses.  Der  Voll¬ 
ständigkeit  halber  will  ich  hier  auch  die  sehr  seltene,  inter¬ 
essante  fötale  Ohrform  bei  Erwachsenen  einfügen,  die  D  e  i  1  e 
[6]  beschrieben  hat.  Hierbei  wird  man  kaum  einer  Plastik  be¬ 
dürfen.  Eine  kleine,  unvollständig  ausgebildete  Ohrmuschel 
wird  auch  bei  Hemiatrophia  faciei  beobachtet  (Körner  [13]). 

Vollkommene  Aplasie  wird  man  meist  nur  durch  zweck¬ 
mässige  Frisur,  indem  dazu  die  seitlichen  Kopfhaare  benutzt 
werden,  verdecken. 

Von  Szymanowsky  [24]  ist  für  die  Aplasie  ein 
Schema  einer  totalen  Otoplastik  angegeben,  welches  aber,  wie 
Schwartze  [20]  sagt,  nur  von  theoretischem  Interesse  sein 
wird. 

Von  Ran  da  11  [19]  ist  eine  total  abgerissene  Ohrmuschel 
mit  leidlichem  Erfolge  durch  Plastik  aus  der  umliegenden  Haut 
ersetzt.  Ebenso  hat  v.  Hacker  [10  a]  durch  Lappenbildung 
eine  fast  totale  Otoplastik  ausgeführt. 

Dagegen  kann  man  eine  partielle  Otoplastik  versuchen, 
z.  B.  zum  Ersatz  des  verloren  gegangenen  Lobulus  auriculae 
oder  des  oberen  Teiles,  wie  solche  Methoden  schon  von  Dief- 
f  e  n  b  a  c  h  [7]  angegeben  und  auch  z.  T.  ausgeführt  sind.  Auch 
von  C  o  c  h  e  r  i  1  [5]  wird  darüber  berichtet. 

Wir  haben  jüngst  in  einem  Fall,  bei  dem  wir  den  Lobulus 
auriculae  wegen  tuberkulöser  Veränderung  abtragen  muss¬ 
ten,  durch  doppelte  Lappenbildung  aus  der  umliegenden  Haut 
den  Defekt  gedeckt.  Die  Basis  des  ersten  Lappens,  der  die 
laterale  Fläche  und  durch  Einrollung  am  hinteren  freien  Rande 
auch  z.  T.  die  mediale  Fläche  des  Lobulus  bilden  wird,  ist  die 
vordere  Insertionslinie  des  Lobulus;  dieser  Lappen  liegt  also 
in  der  Projektion  des  Lobussitzes,  nur  muss  er  wegen  der 
Schrumpfung'  grosser  sein.  Ein  zweiter  schmälerer  Lappen 
mit  der  Basis  schräg  nach  unten  und  etwas  vorn  von  der  des 
ersten  wird  aus  der  Haut  hinter  dem  hinteren  Mandibularrande 
gewonnen;  er  deckt  die  hintere  Fläche  des  neugebildeten  Lo¬ 
bulus.  Der  Erfolg  war  ein  guter. 

Handelt  es  sich  um  sehr  geringe  Entwicklung  der  Muschel, 
so  wird  man  am  besten  versuchen,  eine  Prothese  aus  Papier¬ 
mache  darauf  zu  adaptieren. 

In  Fällen  von  Mikrotie,  für  die  eine  operative  Behandlung 
in  Frage  kommt,  sind  verschiedene  Methoden  mitgeteilt: 

Stetter  [21]  hat  folgende  Methode  für  die  Beseitigung 
der  Katzenohrform  angegeben: 

Loslösung  eines  dreieckigen  Hautlappens,  dessen  Spitze 
nach  oben  und  dessen  Basis  in  der  Höhe  des  Lobulusansatzes 
vor  dem  Ohre  liegt;  dann  wird  das  Unterhautbindegewebe 


durch  viele  kleine  quere  Inzisionen  durchtrennt.  Darnach  lässt 
sich  die  Spitze  der  Muschel  ziemlich  weit  erheben.  Anderer¬ 
seits  werden  auf  der  Rückseite  der  Ohrmuschel  und  der  Haut 
des  Schläfenbeins  2  parallel  verlaufende  Schnitte  durch  die 
äusseren  Integumente  gemacht,  die  oben  nahe  am  Helixrande 
ansetzen  und  nach  hinten  oben  verlaufen.  Dieser  umschnittene 
Hautstreifen  wird  von  der  Mitte  aus  vollkommen  unterminiert, 
hochgehoben  und  durch  Matratzennähte  vernäht.  Zwischen 
den  vorderen  dreieckigen  Hautlappen  und  das  darunterliegende 
Gewebe  wurde  Staniolpapier  eingefügt.  Die  Hautduplikatur 
wird  erst  nach  vollkommener  Vernarbung  der  vorderen 
Wunde,  soweit  sie  überflüssig  ist,  entfernt.  Stetter  [22]  hat 
seine  Methode  bei  einem  2.  Falle  erprobt.  Den  Verhältnissen 
entsprechend  hat  er  hier  den  hinteren  zu  unterminierenden 
Hautlappen  breiter  angelegt  und  vorn  oben  die  Ohrmuschel 
ganz  losgelöst;  ein  Teil  des  durch  die  Zurückstellung  der 
Auricula  vor  derselben  entstehenden  Defektes  wurde  durch 
einen  Hautlappen  gedeckt,  der  nach  vorn  daran  grenzt  und 
durch  2  parallele  Inzisionen  mit  nachfolgender  Lockerung  von 
der  Unterlage  entstand,  indem  der  Lappen  möglichst  in  den 
Defekt  hineingezogen  wurde  und  so  fixiert;  der  andere  Teil 
heilte  per  secundam  intentionem. 

Burger  [3]  hat  2  weitere  Fälle  von  Katzenohr  mitge¬ 
teilt,  die  er  nach  eigener  Methode  operierte:  In  dem  ersten 
Falle,  in  dem  die  rechte  Auricula  nach  vorn  und  unten  umge¬ 
klappt  und  mit  der  Tragusgegend  verwachsen  war,  wurde  die 
rechte  Muschel  so  stark  als  möglich  emporgerichtet,  wobei  ihre 
vordere  Insertion  gespannt  wurde.  Die  so  gespannte  Hautfalte 
vor  der  Auricula  wurde  gespalten  und  ihre  Insertion-  voll¬ 
ständig  lospräpariert.  Um  nun  das  losgelöste  Ende  des  Helix 
hoch  nach  oben  fixieren  zu  können,  wird  von  der  Wunde  nach 
oben  eine  Inzision  gemacht  und  in  diese  klaffende  Wunde  der 
losgelöste  obere  Teil  der  Ohrmuschel  eingenäht. 

In  dem  anderen  Falle  war  die  linke  Muschel  ad  maximum 
nach  vorn  und  unten  umgeklappt  und  in  der  Tragusgegend  so 
fest  verwachsen,  dass  es  unmöglich  war,  die  Concha  und  den 
Meatus  zu  sehen.  Hier  ging  Burger  [3]  in  ähnlicher  Weise 
vor,  doch  wurde  der  letztere  Hautschnitt  nicht  senkrecht,  son¬ 
dern  horizontal  nach  hinten  gemacht.  Diese  4  cm  lange  In¬ 
zision  klaffte  nach  vorn,  der  lospräparierte  Helix  wurde  so  ge¬ 
dreht,  dass  er  sich  in  die  Wunde  fügte  und  wurde  darin  durch 
Nähte  fixiert.  Der  Ueberschuss  an  Haut  auf  der  Rückfläche  der 
Ohrmuschel  wurde  durch  eine  ovale  Exzision  entfernt;  diese 
musste  später  noch  einmal  wiederholt  werden.  Der  Erfolg 
dieser  2.  Plastik  soll  noch  besser  gewesen  sein  als  der  der 
ersten. 

Ueber  einen  sehr  interessanten  Fall  von  Missbildung  mit  Plastik 
berichtet  Hecht  [  1 1  ]  aus  unserer  Poliklinik.  Hier  handelt  es  sich 
um  eine  Kombination  von  Mikrotie  (Katzenohr)  und  Makrotie.  „Der 
obere  Helixteil  war  abnorm  gross,  wulstartig  lateralwärts  und  nach 
unten  umgeklappt,  mit  dem  der  Concha  benachbarten  Teile  des  Crus 
anthelicis  verwachsen.  Die  ganze  Muschel  war  stark  vom  Schädel 
abstehend,  an  der  medialen  Fläche  durch  einen  dicken,  zwischen¬ 
gelagerten,  etwa  8  mm  breiten  Wulst  vom  Warzenteile  abgedrängt. 
Lobulus  sehr  fleischig.“  Die  Behandlung  geschah  zum  Teil  nach 
,  G  r  u  b  £ r  [10]  und  zum  Teil  durch  Exzision  eines  keilförmigen 
Stückes,  Haut  und  Knorpel,  aus  dem  oberen  Helixteile,  nachdem  diesei 
gelockert  und  emporgehoben  war.  Der  schliessliche  Erfolg  war  ein 
guter. 

Ich  möchte  in  dem  folgenden  eine  plastische  Methode  für 
die  kosmetische  Beeinflussung  der  in  Frage  kommenden  Foi- 
men  von  Mikrotie  mitteilen,  die  einerseits  relativ  einfach  ist, 
andererseits  in  ausgesprochenen  Fällen  von  Katzenohrform 
noch  eine  wesentliche  Besserung  gestattet.  Die  Methode  ist 
kurz  folgende: 

Nach  gründlicher  Vorbereitung  der  Schläfengegend  wird 
ein  Schnitt  1  cm  vor  der  Auricula,  vor  dem  Tra¬ 
gus  beginnend  über  die  Haargrenze  hinaus  nach  oben 

geführt.  Darauf  wird  durch  das  Crus  helicis,  wel¬ 
ches  gespannt  wird,  ein  Querschnitt  senkrecht  auf  den  ersten 
bis  in  die  Cymba  conchae  gesetzt.  Etwa  2  cm  hinter  und  unter¬ 
halb  von  dem  oberen  Endpunkte  des  1.  Schnittes  wird  ein  mit 
der  Konkavität  nach  vorn  gerichteter  Schnitt  entsprechend 
durch  die  Haut  des  Schläfenbeins  nach  unten  geführt  und  ein 
zweiter  ebenso  durch  die  Haut  der  Hinterfläche  der  Ohi- 
muschel,  der  dann  über  dem  oberen  Insertionswinkel  der 

*  2* 


2132 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT'. 


Auiicula  auf  den  1.  Längsschnitt  trifft.  Dieser  zuletzt  umschnit- 
tene  retroaurikuläre  Lappen  wird  von  seiner  Unterlage  los¬ 
präpariert,  darauf  wird  die  Auricula  und  besonders  der  los¬ 
geloste  obere  Teil  in  die  Höhe  gehoben  und  in  den  Winkel  unter 
der  Brücke  des  eben  gebildeten  Lappens  entsprechend  ein¬ 
genäht.  Dieser  wird  nun  nach  vorn  geklappt  und  den  Ver¬ 
hältnissen  entsprechend  zugeschnitten,  indem  der  entstandene 
Winkel  an  der  vorderen  Seite  des  Lappens  ausgeglichen  wird 
Die  Spitze  desselben  kommt  in  die  klaffende  Lücke  von  Crus 
helicis  zu  liegen.  Nach  sorgsamer  Adaptierung  werden  alle 
I  eile  mit  Aluminiumbronzedraht  vereinigt. 

Die  Methode  wurde  an  unserem  Patienten  beiderseits  aus¬ 
geführt;  die  Heilung  geschah  per  primam.  An  beiden  Ohren 
war  bereits  früher  von  anderer  Seite  ein  operativer  Versuch 
in  dieser  Hinsicht  gemacht,  offenbar  durch  Exzision  nach  Qru- 
b  e  r  L10J,  aber  ohne  jeden  Erfolg. 

K  i  a  n  k  e  n  g  e  s  c  h  i  c  h  t  e:  Th.  G.,  12  J.,  Landwirtssohn,  Gie- 
boldshausen.  Journal  LIII,  No.  1165. 

Patient  kam  am  27.  III.  07  in  die  Poliklinik  wegen  Luftmangel 
urch  die  Nase  und  Schwerhörigkeit.  In  der  Nase  und  an  den  Augen 
bestehen  stets  Verschwärungen.  Die  Missbildungen  an  den  Ohr¬ 
muscheln  seien  bereits  doppelseitig  ohne  Erfolg  operiert. 

•i  -Diagnose.  Mikrotie,  Katzenohr  bds.  Otit.  med.  suppur.  chron. 
bil.  Hypertrophie  der  Rachenmandel.  Ekzema  introit.  nar.  et  con¬ 
junctivae.  Rhinitis  hypertrophica.'  Pharyngitis  granulosa. 

Eunktionsbefund:  Knochenleitung  bds.  erhalten.  Weber  nicht 

"J. rf,isiert:  ,  ^Dne  bds.  negativ.  Perzeptionsdauer  bds.  13  Sek 
Die  Uhr  wird  bds.  17  cm  gehört. 

Nach  Entfernung  der  Rachenmandel  und  Heilung  des  Ekzems  am 
Naseneingang  wurde  am  9.  IV.  07  die  Plastik  rechts  und  am  15.  IV. 
dieselbe  links  ausgeführt.  Nach  6  Tagen  wurden  beide  Male  die 
Nahte  entfernt.  Die  Heilung  geschah  per  primam. 

Am  3.  V.  wurde  1.  in  den  oberen  Helixteil,  der  etwas  schwächer 
entwickelt  war,  mittels  der  O  n  o  d  i  sehen  Spritze  Paraffinum  durum 
injiziert. 

Der  Patient  wurde  am  6.  V.  entlassen.  Das  kosmetische  Resul¬ 
tat  auf  dei  rechten  Seite  war  ein  sehr  gutes.  Die  Ohrmuschel  ist 
zwar  relativ  klein,  aber  von  fast  normaler  Gestalt  und  Lage.  Auf 
der  linken  Seite  ist  der  obere  vordere  Helixrand  adhärent  und  da¬ 
durch  kosmetisch  ein  Nachteil  geblieben,  der  sich  auch  durch  Paraf¬ 
fininjektionen  nur  wenig  beseitigen  Hess.  Immerhin  ist  eine  wesent¬ 
liche  Verbesserung  erzielt. 


Mo.  43. 


Literatur: 

1.  Blake:  Zit.  bei  Bür  kn  er:  Lehrbuch  der  Ohrenheilkunde, 
1^92.  2.  Boenninghaus:  Das  Ohr  des  Zahnwales  und  die 

Schalleitung.  Zeitschr.  f.  Ohrenheiik.,  Bd.  XLV,  1,  S.  1.-3.  Bur¬ 
ger:  Nederl.  Tijdschr.  voor  Geneeskd.  1594.  Ded.  T.  No.  18  ’  b  o4« 
Autoref.:  Monatsschr.  f.  Ohrenheiik.  1894,  11,  S.  378.  —  4  Bürkner’ 
Arch.  f.  Ohrenheiik.,  Bd.  XXII,  201.  —  5.  Locher  il:  De  la  restau- 
[^lon  tlu  Pavillon  de  l’oreille.  Revue  de  laryngol.,  d’otol.  et  de  rhinol. 
189o,  No.  3  u.  4.  —  6.  D  e  i  1  e:  Ein  Lall  von  beiderseitiger  totaler  Ohr- 
lorm  bei  einem  Erwachsenen.  Zeitschr.  f.  Ohrenheiik.,  Bd.  47,  S.  73. 
TT  /•  Vf  f  f.e  n,  ba  eh:  Von  dem  Wiederersatz  des  äusseren  ’ohres.’ 
Abt.  II,  Berlin  1830,  1.  116.  In  „Chirurg.  Erfahr,  über  die  Wieder- 

h UnS  ZerotÖit,er  \e.ile  des  menschlichen  Körpers  nach  neueren 
E  yJ  pme  Operation  zur  Verbesserung  der  Stellung 
abstehender  Ohrmuscheln.  Zeitschr.  f.  Ohrenheiik.  XI,  1,  S.  35  1882 

~  Vx/e  1 5  el:  uBedeutung  der  Ohrmuschel  für  das  Hören.  Münch’ 
med  Wochenschr.  1907,  30,  S.  1478.  -  10.  Gr  über:  Lehrbuch' 

Wochinschr  fonr %n  188f,  -L  10 »•  v-  Wiener  kUn.' 

m/on  1901»  3/'  T“  pb  Hecht:  Zur  Kasuistik  der  opera- 

Behand^ lung  kongenitaler  Bildungsfehler  der  Ohrmuschel  Arch 

sunrerv"l870  ’  felV'  89'  “T  K  e  e  „  -  Philadelpto“  AnnaU 

?2  }  f  8/üf~  J3*  Kerner:  Beteiligung  der  Ohrmuschel  und  des 

XU  kM  4  1*4  M  Hhem^lr°Ijh1ia  Jaciei.  Zeitschr.  f.  Ohrenheiik., 

4\~  i14':  •Aiach:  Bemerkungen  über  die  Funktion  der  Ohr 
muschel.  Arch  f.  Ohrenheiik.,  9,  S.  72.  —  15.  M  o  r  e  s  t  i  n  Reposi¬ 
tion,  p hssement  et  modelage  du  pavillon  de  l’oreille.  Arch  general 
de  medecine,  No.  32,  1904.  -  16.  J.  E.  M’Shane:  Neue  und  twzck- 
iridssige  Methode  zur  Korrektion  abstehender  Ohren.  Indiana  Med 

da  11:  Arch.  of  Otolog,  New  York  1892.  (Ausführl.  Referat  bei 
Lochen  ;  De  la  restauration  du  pavillon  de  l’oreille  Revue  de 
larynstol.  d'otoh  et  de  rhinol.  1895,  No.  3  n.  4.  -  20  Sch  wa  r  t  ,  e 
Handbuch  der  Ohrenheiik.,  Bd.  II,  XII,  S.  710.  _  21  SteUel-  7,!; 

Bd.  XXXIX,  S.  ,01.  -  23.  S  u  g  ä  r:  Rudimentär  ^ntwidteltef  missbil': 


dete  Ohrmuschel  mit  Atresie  des  Gehörganges,  Fistula  auris  con- 
genit.  u.  Hemiatrophia  fac.  Arch.  f.  Ohrenheiik.,  LVIII,  3  u.  4.  — 
tdiweZJ  I«7nn  °  *Py:  Handbuch  der  operativen  Chirurgie.  Braun- 

l  of  7  r„e  "  d  eLei11Purs:  Deutsche  Chirurgie.  Stutt- 
gart  1886  Lief.  33,  I.  Hälfte,  S.  193.  —  26.  Uffenorde:  Beiträge 
zui  Auskultation  der  Mittelohrräume.  Arch.  f.  Ohrenheiik.,  Bd.  LXVI. 

Aus  der  I.  Universitäts-Augenklinik  in  Berlin  (Direktor-  Geh 
Med. -Rat  Dr.  v.  M  i  c  h  e  1). 

Eine  neue  Behandlungsmethode  der  Blennorhoea  adul¬ 
torum  mittels  Bleno-Lenicetsalbe. 

Von  Dr.  Adam,  Assistent  der  Klinik. 

So  vortrefflich  die  übliche,  sagen  wir  klassische,  Behand¬ 
lungsmethode  (Arg.  nitr.  0, 5-2,0  Proz.,  K-2  stündlich  Spülen 
mit  einer  antiseptischen  Flüssigkeit  und  nachfolgendes  Ein¬ 
streichen  von  Borvaseline)  bei  der  Blennorrhoea  neonatorum 
wirkt  (von  71  in  den  Jahren  1905  und  1906  stationär  behandelten 
Augen  erkrankte  während  der  Behandlung  nur  eines  an  einem 
Hornhautgeschwür),  so  wenig  erfreuliche  Resultate  hatte  die 
gleiche  Methode  bei  der  Blennorrhoe  der  Erwachsenen.  In  allen 
eimgermassen  schweren  Fällen  hatte  man  die  Prognose  als 
ungünstig  zu  bezeichnen.  Es  hat  daher  natürlich  nicht  an  Vor¬ 
schlägen  gefehlt,  die  aber  im  wesentlichen,  abgesehen  von 
B  e  r  n  h  e  i  m  e  r  s  J)  Empfehlung  des  Airol  nur  Modifikationen 
de,  klassischen  Methode  waren. 

m  +.D}.e  .  Hauptforderung  jeder  bezüglichen  Behandlungs¬ 
methode  ist  der  Schutz  der  Hornhaut.  Man  muss  zunächst  von 
ihr  verlangen,  dass  sie  möglichst  einfach  sei,  dass  sie  die  Mani¬ 
pulationen  am  Auge  auf  das  Mindestmass  beschränke.  Dieser 
oi deiung  kommt  die  klassische  Methode  schon  nicht  nach  da 
das  Ektropiomeren  der  geschwellten,  zuweilen  hart  infiltrierten 
Lider  immer  eine  gewisse  Gefahr  für  das  durch  die  mazerieren¬ 
den  Eigenschaften  des  Sekretes  geschädigte  Epithel  darstellt. 
Zwar  wird  von  vielen  Seiten  empfohlen,  im  ersten  Stadium, 
d.  h  im  Stadium  der  harten  Infiltration  kein  Argentum  anzu- 
wenden ;  gewiss  sehr  weise,  aber  wie  viel  kostbare  Zeit  geht 

vnnFVoeirl°ren‘f  ^eiterhin  bilden  die  Spülungen,  besonders  die 
\on  Kalt  empfohlenen  grossen  Irrigationen,  eine  grosse  Ge- 
tahi  tur  die  Hornhaut,  wenn,  wie  es  empfohlen  wird,  auch  die 
Nischen,  die  durch  die  gewulstete  Bindehaut  gebildet  werden 
ausgespült  werden  sollen. 

Zum  direkten  Schutz  der  Hornhaut  wurde  im  Gegensatz  zu 
anderen  Kliniken  von  der  unseren  Borvaseline  nach  jeder 
Spülung  eingestrichen,  doch  war  die  Konsistenz  derselben  zu 
gering,  so  dass  sie  meist  geschmolzen  wieder  herausfloss 

Das  Prinzip  der  Bedeckung  der  Hornhaut  durch  'eine 
Salbenschicht  hat  sich  die  neue  Behandlungsmethode  gleich- 
fahs  zunutze  gemacht.  Sie  war  aber  darauf  bedacht,  eine  Salbe 
zu  schäften,  die  trotz  genügender  Geschmeidigkeit  konsistent 
genug  war,  um  sich  etwa  2  Stunden  im  Bindehautsack  zu 
halten.  Nach  verschiedenen  Versuchen  mit  Zusätzen  von 
Amylum  Pepton,  Hartparaffin,  Wachs,  Honig,  Gummi  arabi- 
cum  habe  ich  mich  für  eine  Salbe  entschieden,  die  die  che- 
rmsche  Fabrik  Dr.  Rud.  R  e  i  s  s  -  Berlin,  der  ich  für  die  bereit¬ 
willige  Unterstützung  bei  diesen  Versuchen  dankbar  bin,  unter 
dem  Namen:  „Euvaseline“  in  den  Handel  bringt.  Dieselbe  be¬ 
steht  aus  besonders  reiner  weisser  amerikanischer  Vaseline 
die  durch  einen  genau  abgegrenzten  Zusatz  von  reinem  hoch- 
schmelzendem  Naturceresin  und  wasserfreiem  Lanolin  eine 
Beschaffenheit  erhalten  hat,  der  zufolge  sie  durch  Luftsauerstoff 
und  „  uchtigkeit  nicht  verändert  und  durch  Körperwärme  nicht 
verflüssigt  wird.  Bei  Körperwärme  wird  sie  weicher,  behält 
aber  ^re  Elastizität  bezw.  Homogenität  vollkommen  bei,  und 
bildet  hierdurch  und  gleichzeitig  durch  ihre  hohe  Adhäsions¬ 
kraft  eine  vorzügliche,  lang  vorhaltende  Schutzdecke  für  die 
Hornhaut. 

Nicht  allein  zur  Blennorrhöebehandlung  wird  sie  mit  Vor¬ 
teil  verwendet  werden,  sondern  in  allen  Fällen,  in  denen  man 
eine  festere  Salbe  gebraucht;  also  z.  B.  zum  Bedecken  des 
Bulbus  nach  der  Hess  sehen  Ptosisoperation,  bei  Lagoph- 
thalmos,  bei  Salbenverbänden  speziell  zur  Bedeckung  der 


Mo  JsbGii'r  Augenheilkunde?  XLfv^Febr.6"  Qonoble'lnorrll6e-  «in. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


21 33 


T  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Lappen  etc.  Auf  ihre  Verwendungsfähigkeit 
in  heisseren  Klimaten  (Tropen)  sei  hier  nur  kurz  hingewiesen. 

Die  zweite  und  dritte  Forderung,  die  man  an  eine  rationelle 
Behandlung  stellen  muss,  ist  die  Beschränkung  und  Unschäd¬ 
lichmachung  des  Sekrets. 

Was  bisher  durch  Argentum  und  Spülung  nur  unvoll¬ 
kommen  erreicht  wurde,  gelang  uns  in  weit  höherem  Masse 
durch  ein  Präparat,  das  wir  zufällig  anwendeten,  durch  das 
neue  Mittel  Lenicet2):  Dasselbe  ist  nach  Angaben  des  Ver¬ 
fertigers  die  polymere  Trockenform  des  Tonerdeazetats  (kein 
trocknes  gewöhnliches  Aluminium  aceticum  pulv.).  Es  stellt 
ein  sehr  feines,  weisses,  schwer  lösliches  Pulver  dar,  das 
im  Kontakt  mit  den  Geweben  wirksame  essigsaure  Tonerde 
abspaltet.  Die  staubfreie  Form  ist  nicht  durch  mechanische 
Zerkleinerung  gewonnen,  sie  ist  vielmehr  die  natürliche  che¬ 
mische  Form  der  Substanz. 

Der  Fabrikant  des  Präparates  hatte  es  uns  mit  der  Bitte 
gebracht,  ob  wir  es  nicht  an  Stelle  von  Borvaseline  verwerten 
wollten,  da  es  bedeutend  billiger  wäre  (20  g  =  25  Pf.). 

Ich  verwendete  es  bei  normaler  Bindehaut,  fand  aber,  dass 
es  nicht  reaktionslos  vertragen  wurde,  also  als  indifferente 
Salbe,  wenigstens  in  10  proz.  Konzentration  nicht  benutzt 
werden  könne.  An  Stelle  von  Borvaseline  verwendete  ich  es 
auch  bei  einer  Blennorrhoe,  die  ich  zufällig  auf  der  Station 
hatte.  Die  Wirkung  war  eine  so  auffällige,  dass  ich  zunächst 
nicht  an  den  alleinigen  Erfolg  der  Lenicetsalbe  glauben  konnte. 
Die  Sekretion,  die  bis  dahin  sehr  profus  war,  hörte  mit  einem 
Schlage  auf;  statt  des  reinen  Eiters  fand  sich  mit  Salbenresten 
vermischt  eine  koagulierte  Masse  im  Bimdehautsack.  Wieder¬ 
holte  Versuche  mit  verschiedener  Konzentration  führten  uns 
schliesslich  zur  Ausbildung  der  Methode,  die  ich  unten  näher 
beschreiben  werde. 

Die  Wirkung  des  Präparates  ist  weniger  eine  bakterizide, 
als  vor  allem  eine  sekretionsbeschränkende;  vor  allem  wirkt 
es  nicht  wie  das  Agentum  auf  die  tiefer  liegenden  Bakterien, 
daher  wird  man  zuweilen  eines  Silberpräparates  nicht  ent- 
raten  können,  doch  braucht  dieses  auch  nicht  entfernt  in  dem 
Umfange  angewendet  werden,  wie  bei  der  klassischen  Me¬ 
thode.  Mit  2—8  Tropfen  der  %  proz.  Lösung  kommt  man  für 
die  ganze  Behandlung  aus.  Denn  wir  verlangen  von  ihr  nicht 
eine  sekretionsbeschränkende  Wirkung  —  diese  besorgt  das 
Lenicet  — ,  sondern  nur  eine  bakterientötende  in  den  Fällen, 
in  denen  die  Gonokokken  tiefer  in  das  Epithel  eingedrungen 
sind. 

Ich  lasse  zunächst  die  Krankengeschichten  der  8  von  uns 
mit  Lenicet  behandelten  Patienten  folgen,  um  hieran  einige  Be¬ 
merkungen  zu  knüpfen,  und  will  dann  die  von  uns  als  zweck¬ 
mässig  herausgefundene  Behandlungsmethode  geben.  Für  die 
wertvolle  Beihilfe  bei  Ausbildung  der  Methode  bin  ich  Herrn 
Dr.  K  ö  1 1  n  e  r,  auf  dessen  Station  die  meisten  der  Patienten 
lagen,  sehr  dankbar. 

1.  'E.  W.,  Arbeiter,  33  Jahre. 

Befund  bei  der  Aufnahme  30.  III.  06:  Anamnese: 
Seit  4  Tagen  Entzündung  des  linken  Auges.  Befund:  R.  normal. 
L.  Bindehaut  stark  injiziert  und  geschwellt,  in  der  S  k  1  e  r  a  1  binde- 
haut  zahlreiche  kleine  Hämorrhagien.  Sekretion  gering.  Horn¬ 
haut  intakt,  von  Bindehaut  nicht  überlagert. 

Behandlung:  1.  IV.  R.  ebenfalls  leichte  Sekretion  mit  In¬ 
jektion  der  Tarsalbindehaut.  Ar  g  ent.,  10  n  r  o  z.  Lenicet. 
3.  IV.  Beiderseits  Sekretion  und  Injektion  bedeutend  zu¬ 
rück  g  e  g  a  n  g  e  n.  5.  IV.  Gelenkkomplikation. 

Befund  bei  der  Entlassung:  5.  IV.  Keine  Sekretion 
mehr.  Skleralbindehaut  fast  injektionslos.  Hornhäute  intakt. 

Dauer  der  Behandlung:  7  Tage. 

2.  F.  H.,  Hausdiener,  20  Jahre. 

Befund  bei  der  Aufnahme  24.  X.  06 :  Seit  2  Tagen  Ent¬ 
zündung  des  linken  Auges.  R.  normal.  L.  starkes  Oedem  der 
Lider.  Lidbindehaut  massig  geschwellt.  Skleralbindehaut  stark 
chemotisch,  die  Hornhaut  in  einem  Wulst  überlagernd.  Sehr  starke 
eitrige  Sekretion.  Kornea  intakt. 

Behandlung:  25.  X.  Chemosis  und  Schwellung  hat  zu¬ 
genommen.  10 proz.  Lenicet.  Argentum.  26.  X.  Sekre¬ 
tion  bedeutend  zurückgegangen.  30.  X.  Sekretion  wie¬ 
der  stärker.  3.  XI.  Ulcus  am  unteren  Hornhautrand,  das  am  9.  XI. 
perforiert. 


2)  Auch  Lenicetpuder  (10  Proz.  Lenicet,  90  Proz.  Talkum)  haben 
wir  bei  nässendem  Ekzem  mit  Erfolg  gebraucht. 


Befund  bei  der  Entlassung  1.  XII:  Leukoma  adhaerens. 
Keine  Sekretion  mehr.  S.  =  Finger  in  3  m. 

Dauer  der  Behandlung:  41  Tage. 

3.  R.  W.,  Schlächter,  23  Jahre. 

Befund  bei  der  Aufnahme  23.  II.  06:  Seit  3  Tagen 
heftige  Entzündung.  R.  normal.  L.  mässiges  Oedem  der  Lider, 
aus  der  Lidspalte  quillt  reichlicher  Eiter.  Bindehaut  stark  injiziert 
und  chemotisch,  sodass  die  Hornhaut  überall  wallartig  überlagert  ist. 
Hornhaut,  soweit  erkennbar  intakt. 

Behandlung:  Nur  10  proz.  Lenicet.  25.  XI.  Sekretion 
hat  bedeutend  nachgelassen.  27.  XI.  Weitere  Abnahme 
der  Sekretion  und  Schwellung.  Gelenkkomplikation.  12.  XII.  In¬ 
jektion  nur  noch  gering.  Keine  Sekretion  mehr.  14.  XII.  Aus¬ 
gedehnter  zentraler  Epitheldefekt  (traumatischen  Ursprungs?). 

Befund  bei  der  Entlassung  14.  XII. :  An  der  Stelle 
des  früheren  Epitheldefektes  ist  das  Epithel  sehr  unregelmässig^  Der 
dadurch  bedingte  Astigmatismus  setzt  die  Sehschärfe  auf  S  =  V io 
herab.  Mit  Siebbrille  sieht  Patient  S  =  14 — 1!a. 

Dauer  der  Behandlung:  22  +  30  T age. 

Der  Epitheldefekt  ist  kaum  auf  Rechnung  der  Blennorrhoe  zu 
setzen,  da  mehrere  Tage  vorher  die  Sekretion  völlig  sistiert  hatte. 

4.  J.  W.,  Arbeiter,  34  Jahre. 

Befundbed  der  Aufnahme  13.  XI.  06 :  Auswärts  mehrere 
Tage  mit  Umschlägen  behandelt.  Bds.  Bindehäute  stark  injiziert 
und  geschwellt,  die  Hornhäute  wallartig  überlagernd.  R.  perforiertes 
Geschwür.  L.  am  oberen  Hornhautrand  infizierter  Epitheldefekt. 

Behandlung:  Nur  10p  roz.  Lenicet.  16.  XII.:  Se¬ 
kretion  und  Schwellung  haben  erheblich  nachge¬ 
lassen.  29.  XII.  Kaum  noch  Sekretion.  Chemosis  zurückgegangen. 

Befund  bei  der  Entlassung  15.  I.:  Keine  Sekretion. 
L.  Hornhaut  intakt. 

Dauer1  der  Behandlung:  34  Tage. 

Der  auf  dem  linken  Auge  bestehende  Epitheldefekt  ergänzte  sich 
während  der  Behandlung! 

5.  A.  F.,  Handlungsgehilfe,  28  Jahre.  . 

Befund  bei  der  Aufnahme:  Seit  3  Tagen  Entzün¬ 
dung  beider  Augen.  20.  XII.  Bds.  mässiges  Oedem  beider  Lider. 
Bindehaut  stark  geschwellt,  Hornhaut  überlagernd.  Mässig  starke 
eitrige  Sekretion.  Hornhäute  soweit  sichtbar  intakt. 

Behandlung:  Nur  10  p  r  o  z.  Lenicet.  29.  XII.  Bds. 
Schwellung  und  Chemosis  zurückgegangen.  Sekretion  kaum 
noch  vorhanden.  Hornhäute  intakt.  6.  I.  Sekretion,  wieder 
stärker.  8.  I.  Bds.  zentrale  oberflächliche  Ulzera,  die  eine  auf¬ 
fallend  geringe  Heilungstendenz  zeigen.  Sie  bedecken  sich  mit 
opaken,  scholligen  Massen,  die  leicht  entfernt  werden  können.  Nach 
energischer  Abkratzüng  und  Anfrischung  der  Ränder  heilen  die 
Geschwüre  mit  einer  feinen  Narbe. 

Befund  bei  der  Entlassung:  Bds.  feine  zentrale 
Maculae.  S:  Bei  der  Entlassung  bds.  Finger  in  3—4  m.  Bei  spä¬ 
terer  Untersuchung  S  =  ,V 'Mit  Siebbrille  Ve. 

Dauer  der  Behandlung:  85  Tage. 

6.  O.  Z.,  Arbeiter,  15  Jahre. 

Befu-ndbei  der  Aufnahme:  Seit  3  Ta^en  Entzündung  des 
linken  Auges.  26.  III.  07.  Oedem  der  Lider.  Bindehaut  che¬ 
motisch,  die  Hornhaut  überlagernd.  Starke  eitrige  Sekretion.  Horn¬ 
haut  normal.  . 

Behandlung:  5  proz.  Bl  e  n  o -Len  ic  ei  9.  IV.:  Keine 
erhebliche  Sekretion  mehr.  15.  IV. :  Keine  Sekretion 

mehr.  ... 

Befund  bei  der  Entlassung:  Hornhaut  intakt. 

Dauer  der  Behandlung:  22  Tage. 

7.  M.  P.,  Zimmermann,  17  Jahre. 

Befund  bei  der  Aufnahme:  Seit  5  Tagen  Entzündung 
des  rechten  Auges.  18.  V.  07.  Schwellung  des  Oberlides.  Bindenaut 
stark  geschwollen.  Starke  eitrige  Sekretion. 

Behandlung:  Zuerst  10  proz.,  dann  5  proz.  Bleno-Lemcet. 
20.  V.:  Die  Schwellung  und  Sekretion  hat  abgenommen.  22.  V.: 
Wieder  stärkere  Sekretion.  Vom  24.  V.  ab  5  proz.  Bleno-Lenicet. 
25.  V.:  1  Tropfen  %  proz.  Argent.  nitr.  Vom  1.  VI.  täglich  1  Tropfen 
Argent.  und  Decksalbe.  8.  VI.:  Keine  Sekretion  mehr. 

Befund  bei  der  Entlassung:  Hornhaut  intakt. 

Dauer  der  Behandlung:  20  Tage. 

8.  R.  P.,  Kellner,  21  Jahre.  ..  . 

Befund  bei  der  Aufnahme  9.  VI.  07.:  R.  mässig  starkes 

Oedem  der  Lider.  Chemosis,  mässig  eitrige  Sekretion.  Kornea 

intakt.  „„  ,rT  .  e 

Behandlung:  10  proz.  Bleno-Lenicet.  11.  VI.:  Geringe  Se¬ 
kretion.  13.  VI.:  Injektion  und  Schwellung  nehmen  ab.  4  proz. 
Arg.  nitr.  Euvaseline.  15.  VI.:  Zunahme  der  Schwellung,  und  der 
Sekretion,  wieder  10  proz.  Lenicet.  20.  VI.:  Sekretion  wieder  ab¬ 
genommen.  Zink.  .. 

Befund  bei  der  Entlassung  29.  VI.:  Mit  Zinkvaseline 

entlassen.  Hornhaut  intakt. 

Dauer  der  Behandlung:  20  J  age. 

Alle  Fälle  sind  als  schwere  anzusehen,  da  sie  mit  er¬ 
heblicher  Schwellung  der  Skleralbindehaut  einhergingen,  die 
grösstenteils  als  Wulst  die  Hornhaut  überlagerte.  Man  kann 


2134 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


den  günstigen  Erfolg  der  Behandlungsmethode  also  nicht  ein¬ 
fach  damit  abtim,  dass  man  sagt,  es  habe  sich  um  leichte 
bormen  gehandelt.  2  Fälle,  die  von  vornherein  sehr  leicht  aus¬ 
sahen,  habe  ich  daher  gar  nicht  aufgeführt.  In  allen  Fällen 
waren  Gonokokken  nachgewiesen. 

Die  auffälligste  Wirkung  war,  wie  es  aus  den  Kranken¬ 
geschichten  hervorgeht,  die  bedeutende  Abnahme  der  Sekre¬ 
tion,  die  fast  momentan  einsetzte.  Durch  diese  Abnahme  wird 
natürlich  die  Gefahr  der  Mazeration  auf  das  Hornhautepithel 
von  vornherein  stark  herabgesetzt.  Es  ist  die  Mazerations¬ 
wirkung  für  das  Epithel  sicher  als  bedenklicher  anzusehen  als 
die  Einwirkung  der  Bakterien  selbst,  die  erst  dann  einsetzt, 
wenn  die  Hornhaut  ihres  Schutzes  beraubt  ist. 

Was  weiter  auffällt  ist  die  Länge  der  Zeit,  die  die  Epithel¬ 
defekte  resp.  Ulcera  zu  ihrer  Heilung  gebrauchten,  besonders 
der  Fall  5  scheint  in  dieser  Hinsicht  lehrreich.  Trotzdem  in 
diesem  Falle  auch  die  oberflächlichsten  Schichten  des  Paren¬ 
chyms  beteiligt  waren,  zeigte  sich  doch  lange  Zeit  hindurch 
keinerlei  Gefässbildung,  die  die  Reparation  bewirken  konnte. 
Und  auch  dann,  als  Gefässe  sich  gebildet  hatten,  dauerte  es 
lange  Zeit,  bis  die  Defekte  sich  epithelialisiert  hatten.  Es  schien, 
dass  der  lange  Gebrauch  des  Lenicets  direkt  einen  störenden 
Einfluss  auf  die  Heilung  hat,  wie  dies  bei  einem  antiseptisch 
wirkenden  Körper  auch  nicht  verwunderlich  ist.  Damit  nicht 
genug,  bildeten  sich  auf  den  Defekten  opake  schollige  Massen, 
die  wohl  als  Lenicetniederschläge  anzusehen  sind,  wenn  gleich 
auch  unter  dem  Mikroskop  eine  kristallinische  Struktur  oder 
sonstige  Hinweise  auf  die  mineralische  Natur  der  Niederschläge 
nicht  nachzuweisen  waren.  Erst  Abtragung  dieser  Schollen 
und  Anfrischung  der  Ränder  des  Defektes  führten  zu  einer 
Heilung  desselben. 


Die  Erfahrung  lehrte  uns,  dass  wir  nicht  zu  lange  die 
hoch  (lOproz.)  konzentrierte  Lenicetsalbe  anwenden  dürfen, 
wir  bedienten  uns  daher  in  den  letzten  Fällen  mit  Erfolg  der 
folgenden  Methode: 


1.  Einstreichenvon  lOproz.  Bleno-Lenicet- 
salbe  (so  nennen  wir  die  Kombination  des  Lenicets  mit  der 
Luvaseline)  2  s  t  ü  n  d  1  i  c  h  (natürlich  auch  nachts)  bis  zur 
deutlichen  Abnahme  der  Sekretion.  Das  Ein¬ 
streichen  wird,  um  möglichst  viel  Salbe  ins  Auge  zu  bringen, 
am  besten  in  der  Weise  vorgenommen,  dass  man  den  Patienten 
stark  nach  unten  blicken  lässt  und  die  Salbe  etwa  bohnengross 
mittels  Glasstäbchen  unter  das  abgezogene  Oberlid  bringt. 
Ist  das  Oberlid  zu  stark  infiltriert,  so  begnügt  man  sich  mit  dem 
Linstreichen  in  den  unteren  Bindehautsack  bei  gleichzeitigem 
Aufwärtsblicken  des  Patienten. 


Argentum  wird  nicht  gegeben;  iiberfliessendes,  mit  Salbe 
\  ermischtes  Sekret,  wird  nicht  fortgespült,  sondern  nur  äusser- 
hch  abgewischt. 


Hat  die  Sekretion  in  deutlicher  Weise  abgenommen  _ 

es  pflegt  dies  nach  1—2,  auch  3  Tagen  der  Fall  zu  sein  — 
so  streicht  man  nur  5  proz.  Bleno-Lenicet  3—4  stündlich  ein  und 
lasst  auch  dieses  fort,  wenn  die  eitrige  Sekretion  ganz  oder 
nahezu  aufgehört  hat;  dann  gibt  man 

3.  nui  Eu Vaseline  und  ätzt  die  Bindehäute  einmal  täglich 
nnt  proz.  Argentum  nitricum,  wo  man  selbstverständlich  die 
Hornhaut  möglichst  schützt.  Letzteres  erreicht  man  am  besten 
in  folgender  Weise:  Man  stülpt  das  Oberlid  um  und  drängt 
mit  dem  Zeigefinger  den  Rand  des  ektropionierten  Lides  sanft 
nach  hinten,  während  der  Daumen  das  ektropionierte  Unterlid 
tixiert.  Wenn  man  dann  den  Patienten  auffordert,  die  Augen 
zuzupressen,  so  wölben  sich  die  Uebergangsfalten  vor  und 
Schutzen  so  völlig  die  Hornhaut. 


Sollte  die  Sekretion  wieder  stärker  werden,  so  gebrauche 
man  wieder  kurze  Zeit  das  5  resp.  lOproz.  Bleno-Lenicet 
4  Haben  Sekretion  und  Injektion  aufgehört,  so  entlässt 
man  den  Patienten  mit  0,5  proz.  Zinkvaseline. 

Es  wird  hieraus  ohne  weiteres  klar,  dass  die  Methode 
bedeutend  geringere  Anforderungen  an  das  Wartepersonal 
stellt  da  in  kurzer  Zeit  die  Sekretion  so  eingeengt  wird  dass 
das  Linstreichen  auf  wenige  Male  am  Tage  beschränkt  werden 
kann.  Ausserdem  kann  man  das  Medikament  auch  weniger 
geübten  Wärtern  resp.  den  Angehörigen  in  die  Hand  geben 
ohne  dass  man  fürchten  muss,  dass  durch  die  Spülungen  etc! 
die  Hornhaut  geschädigt  wird,  ja  man  kann  auf  diese  Weise 


den  Patienten  in  seinem  Hause  behandeln,  während  dies  mit 
der  bisherigen  Methode  doch  kaum  möglich  war. 

Anmerkung:  Gerade  nach  Beendigung  der  Arbeit  erschien 
ein  Aufsatz  von  H.  Davids:  „Die  grossen  Ausspülungen  nach 
kalt  bei  Behandlung  der  Blennorrhoea  adultorum“  (Klin.  Monatsbl 
f.  Augenheilk.,  August  1907).  in  der  er  die  Resultate  der  Göttinger 
Klinik  zusammenstellt.  Es  handelt  sich  um  15  Augen,  von  denen  3 
bei  Beginn  der  Behandlung  noch  intakte  Hornhäute  hatten.  Wenn 
auch  meine  Fälle,  die  sämtlich  im  Beginn  der  Behandlung  intakt 
waren,  nicht  ohne  weiteres  sich  mit  jenen  vergleichen  lassen,  so  ist 
der  Unterschied  im  Resultat  doch  so  bedeutend,  dass  ich  hieraus 
einen  weiteren  Schluss  für  die  Brauchbarkeit  meiner  Methode  ent¬ 
nehme:  In  der  Göttinger  Klinik  bestand  bei  der  Entlassung  2  mal 
nui  Lichtschein,  3  mal  ein  Visus  von  S  —  Finger  in  14  m  1  mal 
Finger  dn_l  m,  1  mal  S  =  0,3,  2  mal  S  =  0,4-0, 5,  2  mal  S  ’=  0,8, 

Lu  5  ~  l’0;  Leid'er  ist  über  den  Zustand  der  Augen  vor  der 
Behandlung  nichts  gesagt,  so  dass  man  sich  aus  den  obigen  Angaben 
kein  richtiges  Bild  von  den  erzielten  Resultaten  machen  kann!  Ich 
hatte  aus  diesem  Grunde  darauf  verzichtet,  diejenigen  Fälle,  die  schon 
mit  angegriffenen  Hornhäuten  in  die  Behandlung  kamen,  in  meine 
Statistik  aufzunehmen.  Von  meinen  9  Augen  kamen  5  mit  völlig 
'intakter  Hornhaut,  3  mit  ganz  oberflächlichen  Geschwüren  (S  =  1/i0 
bis  1/a)  und  nur  einer  mit  einem  Leukoma  adhaeres  (S  — Finger 
in  3  m)  durch.  Die  Resultate  sind  relativ  so  günstige,  dass  es  sich 
wohl  verlohnt,  das  empfohlene  Mittel,  das  obendrein  so  bequem 
anzuwenden  ist,  in  Gebrauch  zu  nehmen. 


Aus  der  Kreis-Kranken-  und  Pflegeanstalt  der  Pfalz  in 

Frankenthal. 

Zur  Behandlung  der  Typhusbazillenträger. 

Von  Dr.  Dehler. 


In  No.  16,  1907  der  Münch,  med.  Wochenschr.  habe  ich  über  die 
operative  Behandlung  einer  Patientin  berichtet,  bei  welcher  durch  die 
von  mir  am  20.  VIII.  06  vorgenommene  Cholezystostomie  die  kon¬ 
stante  Ausscheidung  von  Typhusbazillen  mit  dem  Kot  sistiert  wurde. 
(Die  Cholezystostomie  war  nicht  wegen  krankhafter  Symptome  von 
Seite  des  Gallensystems,  sondern  auf  Grund  der  Arbeiten  der  Strass¬ 
burger  Typhusforscher  einzig  zur  Befreiung  der  Pat.  von  ihren 
Typhusbazillen  vorgenommen.)  Die  (geisteskranke)  Patientin  ver¬ 
blieb  seitdem  in  hiesiger  Anstalt  und  zwar  in  der  Isolierbaracke  in 
meiner  Behandlung;  Darmdesinfizientia  u.  dgl.  wurden  bei  ihr  seit 
II.  07  nicht  mehr  angewendet.  Seit  der  Operation  wurde  die  bak¬ 
teriologische  Kontrolle  durch  die  k.  Untersuchungsstation  Landau 
(Stabsarzt  Dr.  Hertel)  fortgesetzt,  indem  mit  seltenen  Ausnahmen 
von  jeder  Stuhl-  und  dieser  entsprechenden  Urinentleerung  vor- 
schriftsmässig  entnommene  Proben  untersucht  wurden.  Während 
wie  in  oben  genannter  Veröffentlichung  berichtet,  vor  der  Operation 
seit  dem  Juni  1904  von  39  Kotproben  37  reichlich  positiven  Befund 
von  Typhusbazillen  ergaben,  wurden  vom  24.  VIII.  06  bis  24.  VIII.  07 
176  Kotproben  nach  mittlerweile  noch  verbesserten  Methoden  unter¬ 
sucht  mit  dem  Resultat,  dass  am  17.  X.  06,  am  9.  III.  07  und  8.  IV.  07 
spärliche  Kolonien  von  Typhusbazillen  nachzuweisen,  in  173  Proben 
aber  1  yphusbazillen  nicht  mehr  zu  finden  waren. 

Was  nun  die  Beimengung  von  spärlichen  Kolonien  zu  3  von 
176  Kotproben  betrifft,  so  erklärt  sie  sich  mit  grösster  Wahrschein¬ 
lichkeit  als  zufällige  von  aussen  her. 


uei  stauen  oaracKe  Dennaen  sicn 


- -  imnuiwu  kJ  1  a  11 1 11  LI  1 1 1 1  CI  I,  U1C 

konstant,  und  2  Patientinnen,  die  oft  Typhusbazillen  mit  dem  Kot  aus- 
scheiden,  sämtliche  Patientinnen  sind  geisteskrank,  manche  unrein; 
nun  muss  zwar  jede  Patientin  eine  eigene  Bettschüssel  benützen  und 
ist  auch  sonst  für  tunlichste  Reinhaltung  und  Separierung  Sorge  ge¬ 
tragen;  es  ist  aber  bei  der  Schwierigkeit  der  Pflege  solcher  Pa¬ 
tientinnen  nicht  zu  verwundern,  wenn  irgend  einmal  z.  B.  durch  Ver¬ 
wechslung  der  Gefässe  einer  Entleerung  nachträglich  Typhusbazillen 
beigemischt  werden.  So  erklärte  sich  auch,  dass  vor  der  Operation 
von  10  Urin  proben  1,  vom  24.  VIII.  06  bis  24.  VIII.  07  von 
134  Ui  inpioben  2  spai liehe  Kolonien  von  Typhusbazillen  nachweisen 
Hessen. 

Die  Möglichkeit,  dass  es  sich  um  Entleerung  vereinzelter 
cholangitischer,  Darmwand-  oder  Nierenabszesse  handelt,  bezw.  um 
Ausscheidung  von  I  yphusbazillen  durch  Leber  und  Nieren  aus  der 
Blutbahn  (Knochenmark!),  ist  nach  dem  jetzigen  Stand  unserer  Kennt¬ 
nisse  immerhin  vorhanden. 

.  ,JPie  Q/Ub  er-Widal  sehe  Reaktion  war  bis  II.  1907  positiv 
Ji  ?n’ulrV  ^arz  urLd  April  1;50,  im  Mai,  Juni  und  Juli  negativ,  am 
1.6’  VII[-  1 :  50  angedeutet.  Die  Untersuchung  des  Blutes  selbst,  mit 
Anreicherungsverfahren,  ergab  stets  negatives  Resultat.  Die  Er¬ 
scheinungen  des  Darmkatarrhs  sowie  Mastdarmprolaps  und  Inkon¬ 
tinenz  sind  geschwunden.  Patientin  ist  jetzt  reinlich  und  von  sehr 
gutem  Ernährungszustand.  Die  Operationsnarbe  ist  solid  und  ver¬ 
ursacht  keine  Beschwerden. 

,  N;  ■ Falb  Am  10.  IV.  07  habe  ich  eine  andere  Typhus- 
b a..? ' 1 1n"tr,ag,er..inj  der  Cholezystostomie  unterzogen-.  Die 
4o  jahr.  Patientin  befindet  sich  seit  21.  I.  1897  wegen  Geisteskrankheit 
in  hiesiger  Anstalt;  frühere  Typhusinfektion  ist  nicht  festzustellen. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2135 


nach  nachträglichen  ungenauen  Angaben  des  Bruders  vielleicht  in 
larvierter  Form  vor  19  Jahren  erfolgt.  Die  W  ld  a  1  sehe  Reaktion 
war  im  Juli  1904  zum  1.  Mal  positiv  befunden  und  am  3.  I.  05  waren 
zum  1  Mal  Typhusbazillen  im  Kot  nachgewiesen  worden;  im  Jahre 
1905  ergaben  von  16  Kotproben  9,  im  Jahre  1906  von  10  Kotproben 
5  positiven  Befund  von  Typhusbazillen  (Urinproben  negativ);  vom 
Januar  bis  9.  IV.  1907  war  bei  20  Proben  das  Resultat  16  mal  positiv, 
(von  14  Urinproben  zweimal);  in  Summa  waren  vor  der  Operation  von 

1  qo4 _ 9  IV.  1907  in  30  von  55  Kotproben  Typhusbazillen  nachge¬ 

wiesen  worden.  Interne  Mittel  zur  Vertreibung  der  Typhusbazillen 
waren  ohne  Erfolg  angewendet  worden.  Erscheinungen  von  Seite 
des  Gallensystems  bestanden  in  den  letzten  3  Jahren  nicht. 

Am  10.  IV.  07  punktierte  ich  die  nicht  verwachsene,  kleine,  tief 
liegende  Gallenblase  und  eröffnete  sie  breit  nach  Fixation.  Die  mit 
steriler  Spritze  entnommene  Galle  war  im  ganzen  klar,  nur  mit  einigen 
Flöckchen  vermischt;  sie  enthielt  massig  zahlreiche  Typhus-,  vor¬ 
wiegend  Kolibazillen;  es  wurden  mehrere  kleine  linsengrosse,  sowie 

2  über  erbsengrosse  glatte  Steine  entfernt,  welche  baktei  lologisch 
sich  steril  erwiesen.  Die  chirurgische  Nachbehandlung  mit  Drainage 
und  Spülung  der  Gallenblase  sowie  auch  die  bakteriologischen  Unter¬ 
suchungen  vollzogen  sich  wie  in  dem  früher  veröffentlichten  balle. 

Am  18.,  19.  und  20.  IV.  wurden  vereinzelte,  am  21.  IV.  zahlreiche 
Tvphuskolonien  in  der  nach  aussen  abgeflossenen  Galle  nachge- 
wiesen*  von  'da  ab  floss  die  Galle  nur  spärlich  nach  aussen  ab  und 
Drains  und  Tampons  aus  dem  Innern  der  Gallenblase  wurden  stets 
steril  befunden;  aus  der  mühsam  offen  gehaltenen,  wiederholt  durch 
Laminaria  erweiterten  Fistel  entleerten  sich  später  nui  selten  geringe 
Mengen  Galle,  meistens  etwas  steriler  Schleim. 

Der  Kot  blieb,  wenn  auch  in  den  2  ersten  Wochen  etwas  blass. 


doch  stets  gallig  gefärbt.  ,  J  _  ..  ,  .  Qn  D  . 

Im  K  o  t  sind  seit  dem  9.  Tage  nach  der  Operation  bei  30  Proben 
nur  am  25.  V.  und  3.  VII.  07  jedesmal  „vereinzelt“  Typhusbazillen 
nachgewiesen  worden  (auch  diese  Patientin  liegt  infolge  Mangels 
anderer  Möglichkeit  in  demselben  Barackensaal  wie  die  3  konstant 
Typhusbazillen  Ausscheidenden  und  ist  daher  zufällige  nachträgliche 
Beimischung  von  Typhusbazillen  zu  den  Entleerungen  nicht  ausge¬ 
schlossen).  In  28  von  30  Kotproben  wurden  Typhusbazillen  nicht 
gefunden.  Blut  -  und  Urinuntersuchung  ergaben  stets  negatives 
Resultat.  Die  Gruber-Widal  sehe  Reaktion  war  am  31.  VII.  07 
positiv  1:100,  am  16.  VIII.  07  negativ. 

Die  Untersuchungen  werden  auch  in  diesem  Falle  fortgesetzt. 

Unter  Bezugnahme  auf  die  Schlussätze  meiner  Veröffent¬ 
lichung  in  No.  16,  1907  dieser  Wochenschrift  und  in  Berück¬ 
sichtigung  der  seitdem  erschienenen  Typhusliteratur  halte  ich 
eine  operative  Reinigung  der  Gallenblase  und  -wege  für  be¬ 
rechtigt  und  angezeigt  bei  Typhusträgern,  bei  denen  durch 
wiederholte  Untersuchung  mit  AnreicherungsverfahrenTyphus- 
bazillen  im  Blut  und  dem  (bei  weiblichen  Patienten  mit  Kathe¬ 
ter  entleerten)  Urin  nicht,  wohl  aber  noch  Monate  lang  nach 
überstandenem  akuten  Typhus  im  Kot  Typhusbazillen  nach¬ 


gewiesen  werden. 


Aus  dem  pathologischen  Institut  der  Universität  Strassburg 
(Direktor:  Prof.  Chiari). 

Fast  totale  Nekrose  des  Leberparenchyms  bei  syphi¬ 
litischer  interstitieller  Hepatitis. 

Zugleich  ein  Beitrag  zur  Genese  der  Gallengangsadenome. 

Von  Eduard  Melchior,  Medizinalpraktikant. 

Ein  im  Strassburger  pathologischen  Institut  am  22.  II.  07 
zur  Sektion  gekommener  Fall  von  sogen,  syphilitischer  inter¬ 
stitieller  Hepatitis,  der  klinisch  nicht  ohne  Interesse,  auch  durch 
den  anatomischen  Befund  beachtenswert  erscheint,  bietet  die 
Veranlassung  zu  dieser  Mitteilung. 

Aus  der  mir  von  der  Direktion  der  medizinischen  Klinik  giitigst 
zur  Benutzung  überlassenen  Krankheitsgeschichte  entnehme  ich  kurz 
folgendes:  Eine  56jährige  ledige  Fabrikarbeiterin,  ehemalige  Pro¬ 
stituierte,  erkrankt  Mitte  Januar  1907  unter  Leibschmerzen;  sie  be¬ 
merkt  eine  Auftreibung  des  Bauches,  Gelbwerden  des  Gesichtes, 
später  auch  des  übrigen  Körpers;  des  Morgens  erfolgt  oft  galliges 
Erbrechen.  Während  die  Menses  bereits  seit  8  Jahren  ausgesetzt 
haben,  stellen  sich  Blutungen  aus  dem  Genitale  ein.  Stuhl  angeblich 

regelmässig.  ,  , 

Sie  will  früher  stets  gesund  gewesen,  sein,  mit  Ausnahme  einer 

Attacke  von  Schmerzen  in  allen  Gelenken,  die  sie  als  „Gliederweh 
bezeichnet,  und  das  von  einem  aus  grossen  roten  Flecken  bestehen¬ 
den  Ausschlage  gefolgt  war.  . 

Zwei  normale  Partus  —  ein  Kind  früh  gestorben,  ein  anderes  lebt 
und  ist  gesund  —  fallen  zeitlich  vor  diese  Erkrankung. 

Bei  der  Aufnahme  in  die  medizinische  Klinik  am  6.  II.  07  wird 
ein  universeller  „leicht  hellgelber“  Ikterus  konstatiert,  der  Leib  ist 
durch  frei  verschiebliche  Flüssigkeit  stark  aufgetrieben;  die  Venen 
der  Bauchhaut  sind  erweitert.  Kleine  Drüsen  in  der  linken.  Supra- 


klavikulargegend,  sonst  keine  Drüsenschwellungen.  Keine  Z  e  i  - 

chen  von  Lues.  .  .  ,  ,  . 

Urin  deutlich  ikterisch;  Fäzes  weniger  stark  gefärbt,  aber 
nicht  acholisch.  Nach  der  Entleerung  von  6  Liter  Aszites  (spez.  Gew. 
1010,  Alb.  16  Prom.  nach  Esbach,  im  Sediment  reichlich  Erythro¬ 
zyten,  wenige  mononukleäre  Leukozyten  =  Lymphozyten)  ist  der 
Leberrand  den  Rippenbogen  überragend,  von  derber  Konsistenz,  pal- 
psbcl 

Nach  Probefrühstück  wie  Probemahlzeit  fehlt  freie  HCl  im 


Mageninhalt.  ,  ,  .... 

Der  Ikterus  nimmt  im  weiteren  Verlaufe  zu,  der  Aszites  sammelt 
sich  wieder  an,  an  Stelle  der  anfangs  subfebrilen  Abendtemperaturen 
(bis  37,6)  treten  leicht  subnormale  Temperaturen,  der  Exitus  erfolgt 
am  20.  II.,  nachdem  seit  Beginn  der  ersten  Krankheitserscheinungen 
kaum  5  Wochen  verstrichen  waren.  4  Tage  nach  der  Aufnahme 
(10  Tage  vor  dem  Tode)  hatte  Pat.  3  g  Jodkali  pro  die  erhalten,  vom 
8.  Tage  ab  Hg-Injektionen. 

Die  klinische  Diagnose  wurde  mit  Vorbehalt  auf  Karzi¬ 
nom  der  Gallenwege  —  vielleicht  primär  vom  Magen  ausgehend  — 
gestellt.  Die  Annahme  einer  Leberlues  wurde  wegen  des  rapiden  Ab¬ 
laufes  und  des  Ausbleibens  einer  Wirkung  der  spezifischen  Behandlung, 
die  allerdings  erst  im  letzten  Krankheitsstadium  hatte  eingeleitet  wei¬ 
den  können,  als  nicht  recht  wahrscheinlich  betrachtet,  obwohl  jene 
vor  24  Jahren  durchgemachte  Krankheit  —  zumal  mit  Rücksicht  aut 
das  frühere  Gewerbe  der  Pat.  —  als  der  Ausdruck  eines  von  rheu¬ 
matischen  Schmerzen  begleiteten  sekundären  syphilitischen  Exan¬ 
thems  mit  ziemlicher  Sicherheit  angesprochen  wurde. 

Aus  dem  am  22.  II.  07  28  Stunden  post  mortem  erhobenen  Sek- 

tionsbef  und  hebe  ich  folgendes  hervor: 

Exquisiter  universeller  Ikterus.  Aszites  von  Menge 
und  Beschaffenheit  des  in  der  Klinik  punktierten. 

Leber  unter  dem  Rippenbogen  verborgen:  Ihr  vorderer  Rand 
mit  dem  nach  oben  geschlagenen  grossen  Netz  verwachsen.  Die  Ober¬ 
fläche  der  Leber  ausgedehnt  mit  dem  Zwerchfell  verwachsen.  Grösse 
normal  (1540  g  schwer).  Der  vordere  Rand  stark  abgerundet  und  ge¬ 
kerbt  Konvexe  Fläche  stark  gewölbt;  nach  Lösung  der  Verwach¬ 
sungen  finden  sich  daselbst  zahlreiche  Züge  narbig  eingezogener 
Furchen  wodurch  die  Oberfläche  der  Leber  vielfach  gefurcht  und  ge¬ 
lappt  erscheint. 

Derartige  kugelige  Protuberanzen  sind  besonders  an  der  Unter¬ 
fläche  wahrzunehmen,  wo  sie  hie  und  da  völlig  abgesprengt  im  be¬ 
nachbarten  Binde-  und  Fettgewebe  angetroffen  werden,  doch  stets  so, 
dass  sie  durch  bindegewebige  Züge  mit  der  übrigen  Leber  in  Verbin¬ 
dung  stehen.  .  .  ,  .  , 

Gallenwege  und  Gallenblase  sind  normal  und  ent¬ 
halten  gewöhnliche  Mengen  Galle. 

Die  Hauptmasse  der  Leber  wird  durch  den  rechten  Lappen  re¬ 
präsentiert.  Der  linke  Lappen  stellt  einen  walnussgrossen  Appendix 
von  Lebergewebe  dar,  der  in  der  Mittellinie  einen  schwieligen  Aus- 
läufer  nach  der  Leberpforte  zu  entsendet. 

Im  übrigen  ist  die  Gegend  des  linken  Lappens  von  reichlich  fett¬ 
haltigem  Narbengewebe  gebildet,  in  welchem  sich  ein  abgesprengter, 
1  ccm  grosser  Knoten  von  Lebergewebe  befindet. 

Auf  Durchschnitten  durch  die  Leber  finden  sich  zahlreiche  weiss- 
liche  Narbenzüge,  die  sich  z.  T.  netzartig  verbinden  und  Ausläufer  an 
die  Oberfläche  senden,  woselbst  sie  sich  in  die  die  Lappen  begrenzen¬ 
den  narbigen  Gewebsziige  in  und  unter  der  Leberkapsel  verlieren. 

Das  Lebergewebe  ist  sehr  derb  und  springt  kleinhöckrig  aut  der 


Schnittfläche  vor.  ,  ^  ,  ,  „  , 

Azinuszeichnung  verwischt.  Farbe  des  Parenchyms 
jberall  gelb,  wobei  hellere  Partien  mit  dunkleren  abwechseln. 

Milz  (18-11:4,5  cm)  ebenfalls  bindegewebig  mit  der  Umgebung 
verwachsen,  Kapsel  stellenweise  verdickt,  von  mittlerer  Konsistenz. 

Die  Schleimhaut  des  Magen  grundes  ekchymosiert. 

Im  Darm  normal  beschaffene  gallige  Konten  t  a. 

Die  anatomische  Diagnose  lautete:  Hepatitis 
interstitialis  syphilitica  (Perihepatitis  hbrosa,  Peri¬ 
splenitis  fibrosa).  Tumor  lienis  chronicus.  Morbus  Brigthn  chron. 
Hydrops  ascites.  Icterus  universalis.  Varices  oesophagi  et  extiem  - 
tatum  inferiorum.  Ekchymoses  multiplices  mucosae  ventneuh.  1  u- 
berculosis  obsoleta  apicum  pulmonum.  Perimetritis  chronica  act- 
haesiva.  Persistentia  suturae  frontalis. 

Da  das  mittlere  Lebergewicht  für  Frauen  1526  g  beträgt  (V  i  er - 
o  r  d  t)  in  diesem  Falle  der  linke  Lappen  auf  höchstens  30  g  geschätzt 
werden  kann,  auf  das  Gewicht  des  rechten  Lappens  also  ebensoviel 
entfällt,  als  normal  der  ganzen  Leber  zukommt,  handelt  es  sich  um  eine 
Vergrösserung  —  offenbar  kompensatorischer  Art  des  reente 
Lappens,  selbst  wenn  wir  die  Vermehrung  des  Bindegewebes  berück¬ 
sichtigen,  die  aber  in  diesem  Falle  keine  bedeutende  ist. 

Derartige  partielle  kompensatorische  Vergrösserungen  von 
Leberabschnitten  sind  wie  bei  zahlreichen  anderen  mit  De¬ 
generation  des  Parenchyms  einhergehenden  Prozessen  in  der 
Leber,  auch  bei  der  syphilitischen  Hepatitis  lange  bekannt,  ic  i 
brauche  hier  deshalb  nicht  näher  darauf  einzugehen  und  ver¬ 
weise  nur  auf  Fig.  IV  im  zweiten  Bande  von  Frerichs 
bekannter  Monographie,  welche  namentlich  durch  die  ausser- 


2L36 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


ordentliche  Verkleinerung  des  linken  Lappens  an  den  vor¬ 
liegenden  Fall  erinnert. 

Offenbar  hat  hier  die  kompensatorische  Vergrösserung  des 

rechten  Leberlappens  funktionell  vollkommen  ausgereicht  _ 

war  doch  Pat.  bis  zum  Einsetzen  der  akuten  Erscheinungen 
beschwerdefrei,  während  doch  der  zu  einer  so  grossartigen 
gTobsichtbaren  Umgestaltung  der  Leber  führende  syphilitische 
Erkrankungsprozess  nach  unseren  Vorstellungen  sicher 
seit  vielen  Jahren  datiert,  ja  vielleicht  schon  anscheinend  als 
abgelaufen  oder  wenigstens  stationär  zu  betrachten  war. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  unter 
No.  4037  im  Museum  aufgestellten  Leber  an  teils  nach  den  ge¬ 
wöhnlichen  Methoden  eingebetteten  und  gefärbten  Objekten, 
teils  an  nach  Formolfixierung  angefertigten,  mit  Sudan  III  auf 
Fett  gefärbten  Qefrierschnitten  —  letztere  Methode  eignete  sich 
auch  gut  zur  Demonstration  der  Verteilung  des  Gallenfarb¬ 
stoffes  —  ergab  nun  folgendes: 

Die  Leber  ist  durchzogen  von  einem  weitmaschigen  Binde- 
gewebsnetz,  welches  der  Glissonschen  Kapsel  folgt;  doch  ist  das 
periportale  Gewebe  nicht  überall  vermehrt.  Die  Maschen  dieses  Ge- 
\\  cbsnetzes  entsprechen  durchschnittlich  an  Grösse  einem  vier-  bis 
sechsfachen  normaler  Azini.  Im  ganzen  bleibt  die  Bindegewebsent- 
Wicklung  hinter  der  Ausdehnung  zurück,  welche  bei  einer  gewöhn¬ 
lichen  Zirrhose  massigen  Grades  gefunden  wird.  Die  feineren  Binde- 
gewebszüge  sind  verhältnismässig  reich  an  Bindegewebszellen  und 
entsenden  vielfach  zarteste  Ausläufe  in  das  umgebende  Parenchym. 
Die  breiteren  Züge  bestehen  aus  kernarmem  straffem  Gewebe  in 
das  hie  und  da  unregelmässig 'begrenzte  Herde  von  Rundzellen  (mono- 
nukleare)  eingelagert  sind,  welche  eine  bestimmte  Anordnung  be¬ 
sonders  zu  den  Gefässen  nicht  erkennen  lassen. 

Der  azinöse  Typus  im  Aufbau  des  Parenchyms 
i  s  t  v  o  1 1 1  g  verwischt;  der  überwiegend  grösste  Teil 
befindet  sich  in  Nekrose.  Es  kommen  dabei  alle  Stadien 
dieses  Prozesses  zum  Ausdruck,  neben  Zellen,  deren  Kern  verwaschen 
erscheint,  sind  an  anderen  Stellen  die  Kerne  überhaupt  nicht  mehr  tin- 
gierbar,  dabei  ist  die  Form  der  Leberzellen  stark  verändert;  sie  er¬ 
scheinen  spindelförmig  und  unregelmässig  abgeplattet.  Hie’ und  da 
lassen  Häufchen  von  Detritius  durch  ihre  Anordnung  erkennen,  dass 
sie  aus  dem  Zerfall  einer  Leberzelle  hervorgegangen  sind.  Schliess- 
ch  findet  sich  Detritus  in  Form  zahlloser  regellos  zerstreuter  Schol¬ 
len  und  Körnchen  gelagert.  Dieser  Zerfall  der  Parenchymzellen  wird 
begleitet  von  dem  Auftreten  von  mittels  Sudan  III  darstellbarem 
bet  e,  we  ches  im  Beginn  des  Prozesses  in  Form  feinster  Tröpfchen 
in  den  Zellen  auftrrtt;  an  einem  weiteren  Stadium  kommt  es  zur  Bil- 
dung  fernerer  und  gröberer  Fettkugeln,  welche  schliesslich  auch  extra- 

Z4  tUrLrpZ^1Schin++den?  Detritus  sich  gelagert  finden.  Parallel  mit  dem 
Auftitten  des  Fettes  kommt  es  zur  Imbibition  mit  grünem  Gallenfarb- 

dPrp’nVAn  T'  Wle  Z0tt  dlri 5te'Ibarem  Pette,  die  guterhaltenen  Zellen, 
deren  Anordnung  ich  noch  schildern  werde,  völlig  frei  sind.  Die  in 

legtessiver  Metamorphose  befindlichen  Zellen  erscheinen  bei  schwä¬ 
cherer  Vergrößerung  stark  diffus  grün  gefärbt.  Bei  Anwendung  stär- 
kerer  Lmsen  löst  sich  diese  Färbung,  zum  Teil  wenigstens  in  feinere 

!  mfCre  !Kensiv  ,KrÜrl?  Körnchen  auf,  daneben  bleibt  eine  hell- 
gr  ne  diffuse  Ionung  des  Protoplasmas  bestehen.  In  den  Zonen  wo 

extraUzrenü  ä?nundV  G,?€tritUiS  k°mmt;  liegen  derarttee  Körnchen  mich 
extrazellular  und  lassen  sich  zumeist  von  dem  gallig  imbibierten  De- 

tiitus  gut  unterscheiden.  Die  feineren  Gallengänge  erscheinen  irr 

mitf  °aIler  ge,fiint’  ebensowenig  konnte  ich  „Gallenthromben“" 
t  che  auf  eine  Injektion  der  Kapillaren  zu  beziehen  wären,  auffinden’ 

.  ,  s  dm  « ut  erhaltenen  Zellpartien  betrifft,  finden  sie 
sich  teils  in  Form  unregelmässig  zerstreuter  Zell'balken,  teils  auch  in 
222  sollden  Knoten,  welche  in  der  Regel  einem  Pfortaderaste  an- 
k  laßeG  sind,  und  zwar  stets  in  der  Weise,  dass  der  dem  Gefäss  711 
nächst  gelegene  Teil  des  Knotens  intakt  erscheint,  wähmid  die  distal 
gelegenen  Partien  keine  scharfe  Grenze  gegen  die  nekrotischen  Par 

ÄT"  •"  erkenT  lassen'  Hie  “"d  »a  bilden  intakte  Leber! 
zellbeznke  einen  geschlossenen  Ring  um  einen  „noeud  porto-biliaire“ 

Diese  Anordnung  hat  Sabourin  als  typisch  für  diese  als  reeenem- 
■  v-lnperplastisch  aufzufassenden  Bildungen  beschrieben  sie  ist  aber 

konstant.)*1  “dWer  Ste"C  -«i-nderSeVtzthabe“)  dirchans  üichi 

Daneben  finden  sich  ganz  vereinzelte  Verbände  von  gut  erhal 
enen  Leberzellen,  deren  Grösse  das  mehrfache  normaler  Azini  bei 
lagt,  welche  ebenfalls  nicht  ganz  scharf  gegen  die  TJmgebnno-  ->1, 
gesetzt  sind,  und  welche  nach  ihrem  ganzen  Aufbau  —  ich  verzichte 
auf  eine  genauere  Schilderung,  da  ich  eine  solche  phpnfmic  F 

vnrKne|rsbct  "abe  <'■  <=•>  -  t 

nodulajres“  vEFentsprechen.  -Hypirp.as.es 

Nach  der  gesamten  Anordnung  des  Parenchyms  ergibt  sich  nun 

Grund  der  von  Kretz  aufgestellten  Kriterien 2),  dass  es  im 


D  Beitrag  zur 

Feint  im  Laufe  _ 

')  Wiener  klin.  Wochenschr.  1900. 


/S  hypertrophischen  alkoholischen  Zirrhose  ete 

(Erscheint  im  Laufe,  dieses  Jahres  in  Zieglers  BeitrÄ 


vorliegenden  Falle  zu  einem  völligem  Umbau  der  Leber  durch  Neu¬ 
bildung  des  Parenchyms  gekommen  ist.  Auf  die  Schlüsse,  die  aus 
dieser  Tatsache  zu  ziehen  sind,  komme  ich  noch  zurück. 

Inbetreff  der  Gallengänge  fanden  sich  nun  folgende  Verhält¬ 
nisse:  in  jenen  schmalen  zellreichen  zwischen  dem  Parenchym  ver¬ 
laufenden  Bindegewebszügen  lagern  zahlreiche  z.  T.  offenbar  neu 
gebi  dete  Gallengänge,  die  vielfach  kolbig  blind  endigen,  teils  auch 
deutliche  Knospen  von  Leberzellen  an  ihren  Endigungen  aufweisen 
ähnlich  wie  ich  es  anderwärts  beschrieben  und  abgebildet  habe’ 
(1.  c.)  Doch  erreichen  im  vorliegenden  Falle  diese  Bildungen  keine 
besondere  Grosse,  finden  sich  überhaupt  nicht  sehr  zahlreich,  so  dass 
ihre  Bedeutung  für  den  regeneratorischen  Prozess  hier  jedenfalls  keine 
grosse  ist.  Ich  kann  hier  auf  die  Frage  und  Diskussion,  die  über 
che  Rolle,  welche  die  Gallengänge  bei  diesen  regeneratorischen  Pro¬ 
zessen  spielen,  besteht,  nicht  näher  eingehen;  bemerke  jedoch,  dass 
He  rxhe  1  me  r  )  über  die  Bildung  von  Leberzellen  aus  Gallen- 
gangen  bei  der  in  Frage  stehenden  Leberaffektion  als  eine  fest¬ 
stehende  Tatsache  berichtet:  Reineke4)  konnte  bei  dem  von  ihm 
untei  suchten  Fall  einen  derartigen  Vorgang  nicht  nachweisen;  nach 
dem  von  mir  oben  mitgeteilten  Befunde  zu  urteilen  dürften  graduelle 
bestelle gd  e  11  b  e  1  * e  n  in  dieser  Hinsicht  zwischen  den  einzelnen  Fällen 

Ganz  anders  verhalten  sich  nun  die  Gallengänge  in  jenem  oben 
lescln  lebenen  schwieligen,  vom  linken  Lappen  zur  Leberpforte 
reichenden  Ausläufer.  Dieser  ca.  5  mm  breite  Streifen  besteht  fast 
gänzlich  aus  Gefässen,  einigen  Nerven,  alles  eingelagert  in  ein 
ausserst  derbes  faseriges  Gewebe,  in  welches  ebenfalls  hie  und  da 
Herde  von  mononukleären  Leukozyten  eingesprengt  sind.  Die  Ar¬ 
terien  und  Pfortaderäste  zeigen  durchwegs  in  diesem  Gebiet  die  für 
w  vT1  charaktenstische,  besonders  die  Intima  betreffende 
Wandverdickung,  teilweise  ist  völlige  Obliteration  eingetreten.  Ein¬ 
zelne  der  Gefasse  weisen  ebenfalls  Rundzellen  in  allen  Wandschichten 

2  !?  eTr  \Cne  f  Ünd  Ich  Thromb°se.  Wir  werden  nicht  fehlgehen, 
w ,der  Annahme,  dass  hier  ein  Abschnitt  des  linken  Lappens  vor- 

hnftmia  ^  err2"  nach.Ttotalem  Schwund  des  Parenchyms  unter  Er- 
Fro2S-  •  QefaSfen’  Nerven’  und  Bindegewebe  darstellt;  in  seinem 

7  mSi"hnHrinneIät  dl  rS6ir  Pr(?ze:ss  äusserlich  wenigstens  an  die  normale 
Zui  uckbildung  des  linken  Lappens  um  die  Zeit  der  Geburt. 

GallpnSm^ic? t6n  2  in  dieser  Schwiele  zahlreich  verlaufenden 
g  lst  uUn  Kdgendes.  wobei  ich  bemerke,  dass  ich  gleiche 

grosse  11° * n tfp  aihh  h  df’  sch^ieligen  Umgebung  des  isolierten  1  ccm 

neb“n  kldnen  etwas^-"6"  K"°tenS  gef“"den  habe'  Es  finden  sich 
schlängelt  verlaufenden, 
mit  kubischem  Epithel 
versehenen  Gallengängen, 
solche  mit  hohem  Zylin- 
derepithel  versehene,  zy¬ 
stisch  erweiterte,  hie  und 
da  den  ersten  Beginn  von 
papillären  Exkreszenzen 
nach  dem  Lumen  zu  zei¬ 
gend.  wobei  betreffs  des 
Zustandekommens  dieser 
Gebilde,  wegen  des  schön 
erhaltenen  schlanken  Zv- 
linderepithels  schwerlich 
an  den  Effekt  einer  me¬ 
chanischen  Dilatation  zu 
denken  ist;  schliesslich 
findet  sich  eine  Reihe 
miliarer  Knötchen  aus 

Gruppen  meist  solider,  durch  Septen  von  einander  getrennter  Epi¬ 
thelstrange,  in  eine  gemeinsame  Kapsel  eingeschlossen,  welche  als 
Figur)  ngangsadenorne  angesprochen  werden  müssen  (siehe 

Dieses  so  verschiedene  Verhalten  der  Gallengänge  —  einer¬ 
seits  inner  halb  der  Leber,  anderseits  in  dieser  ausgedehnten 
lsoheiten  parenchynrfreien  Schwiele  —  scheint  mir  nun  einen 
nicht  uninteressanten  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Genese  der 
Geschwülste  darzustellen. 

Das  gleichzeitige  Aorkonrmen  von  L  e  b  e  r  z  e  1  1  adenomen 
und  hyperplastischen  regeneratorischen  Bildungen  ist  nament- 
heh  bei  der  gewöhnlichen  Leberzirrhose  längst  bekannt  und 
hat  zu  der  Vorstellung  geführt,  dass  der  Uebergang  zwischen 
regeneratorischer  Hyperplasie  und  Adenom  —  vielleicht  auch 
Karzinom  —  ein  messender  ist.  (Sabourin,  Kretz  — 
F5ctr.  Literatur  s.  auch  meine  Arbeit  I.  c.) 

Über  gleichzeitiges  Vorkommen  von  leber- 
zellbildenden  Gallengangswucherungen  und  Gallengangs- 
adenomeii  meines  Wissens  noch  keine  Beobachtungen  mitgeteilt  • 
dabei  erscheint  mir  gerade  diese  Kombination  bedeutungs-’ 


:)  ZieWrl  MMte  Xx/lLwsV5  ErS£b”iSSe  £tC"  XU  I906' 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2137 


voll  unter  dem  oben  angedeuteten  Gesichtspunkte.  Während 
nämlich  in  jenen  Fällen  die  morphologische  Abgrenzung 
zwischen  zirkumskripter  Hyperplasie  und  echtem  Adenom  nicht 
immer  scharf  möglich  ist,  ja  die  Adenomzellen  gelegentlich 
wohl  allem  Anscheine  nach  die  Funktion  der  normalen  Leber¬ 
zellen  ausüben  können,  und  dadurch  auch  die  Scheidung  von 
„zweckmässigem“  und  „unzweckmässigem“  äusserst  kompli¬ 
ziert  wird,  hegen  hier  die  Verhältnisse  einfacher.  Soweit  hier 
nämlich  einerseits  eine  Knospung  von  Leberzellen,  eine  Bildung 
jener  abgebildeten  Adenomknoten  anderseits  vollzogen  ist,  er¬ 
gibt  sich  zwischen  ihnen  eine  nach  morphologischen  wie  funk¬ 
tioneilen  Gesichtspunkten  vollkommen  scharfe  Scheidung.  Be¬ 
vor  allerdings  jene  differenten  Endstadien  erreicht  sind,  er¬ 
scheinen  nicht  nur  die  Gallengangswucherungen  als  identische 
Formationen,  sondern  es  berechtigt  auch  nichts,  sie  bereits 
in  ihrer  ersten  Anlage  als  potentiell  differente  aufzufassen. 

Wir  müssen  nach  dem  vorliegenden  Befunde  annehmen, 
dass  das  Primum  movens  für  die  Wucherungen  der  Gallen¬ 
gänge,  unabhängig  von  der  weiteren  nach  zwei  verschiedenen 
Seiten  erfolgenden  Entwicklung,  hier  wie  dort  ein  gleiches 
ist  —  allgemein  ausgedrückt:  ein  proliferatorischer  Reiz,  ent¬ 
standen  durch  Ausfall  funktionierender  Drüsensubstanz.  Dieses 
involviert,  dass  von  einem  „spezifischen“  zum  Neoplasma 
führenden  Reiz  hier  jedenfalls  nicht  die  Rede  sein  kann. 
Warum  nun  die  unter  einem  gleichen  Einflüsse  entstandenen 
Gallengangswucherungen  in  der  weiteren  Entwicklung  einmal 
zur  Bildung  von  Leberzellen,  das  anderemal  zur  Entstehung 
von  Adenomen  führen,  dafür  scheint  in  diesem  von  mir  unter¬ 
suchten  Falle  die  verschiedene  Lokalisation  beider  Bildungen 
einen  gewissen  Anhalt  zu  geben. 

Jene  entstehen  innerhalb  der  Leber  selbst,  in  zartem, 
zwischen  dem  Parenchym  befindlichen  Bindegewebe,  diese 
in  einer  umfangreichen  leberzellfreien  Schwiele,  welche  vom 
übrigen  Organ  gleichsam  abgesprengt  erscheint.  R  i  b  b  e  r  t 
hat  als  Postulat  für  das  Zustandekommen  von  Geschwulst¬ 
bildungen  eine  „Trennung“  von  Zellen  „aus  dem  physio¬ 
logischen  Verbände“  aufgestellt.  Es  scheint  mir  die  vor¬ 
liegende  Beobachtung  geeignet,  eine  Bestätigung  für  diese  Auf¬ 
fassung  zu  liefern. 

Was  den  akut  verlaufenden  Eintritt  der  fast  totalen 
Nekrose  des  Leberparenchyms  betrifft,  so  scheinen 
wenigstens  herdweise  Nekrosen  ein  typisches  Attribut 
dieser  Leberaffektion  zu  bilden.  So  konnte  sie  Goure- 
vitsch5)  in  allen  vier  Fällen,  die  er  zu  untersuchen  Gelegen¬ 
heit  hatte,  nachweisen.  Es  möchte  sogar  der  totale  Umbau  des 
Leberparenchyms,  wie  er  in  meinem  Falle  zu  konstatieren  ist, 
schwerlich  anders  zu  erklären  sein,  als  durch  einen  „herdweise 
lokalisierten  chronischen  Degenerationsprozess  mit  einge¬ 
schobenen  Regenerationen  des  Parenchyms“.  Es  ist  dies  die 
bekannte  Kretzsche  Auffassung  der  gewöhnlichen  Zirrhose, 
welche  somit  auch  für  den  vorliegenden  Prozess  —  abgesehen 
von  den  etwa  durch  gummöse  Bildungen  hervorgebrachten  Ver¬ 
änderungen  —  Gültigkeit  hätte,  eine  Tatsache,  welche  mir  noch 
nicht  genügend  berücksichtigt  zu  sein  scheint.  — 

Gourevitsch  fand  in  den  von  ihm  untersuchten  Fällen 
die  erwähnten  zirkumskripten  nekrotischen  Herde  zum  Teil 
gallig  imbibiert.  Ueber  dieses  Zusammentreffen  äussert  er  sich 
folgendermassen : 

„In  gewissen  Fällen  könnte  man  als  Ursache  der  Nekrosen 
toxische  Eigenschaften  der  sie  imbibierenden  Galle  ansehen,  da 
aber  an  vielen  Stellen  eine  solche  Imbibition  gänzlich  fehlt, 
weiter  aus  dem  Umbau  des  Organs  zu  schliessen  ist,  dass  das 
Zugrundegehen  des  Parenchyms  ein  chronisches  war,  und  da 
ausserdem  andere  entsprechende  kausale  Momente,  wie  z.  B. 
akute  Infektion,  fehlen,  so  muss  man  wohl  diese  Nekrosen  auf 
die  Wirkung  der  Noxe  beziehen,  die  auch  die  Grundkrankheit 
erzeugt  hat,  d.  h.  auf  die  Wirkung  des  Syphilisgiftes“. 

Ich  möchte  mich  diesen  Ausführungen  völlig  anschliessen. 

Kennen  wir  doch  eine  Reihe  von  Beobachtungen  über 
Fälle  von  akuter  gelber  Leberatrophie,  die  ätiologisch  auf 
sekundäre  Syphilis  bezogen  werden  °),  sodass  die  Annahme 
einer  toxischen  Wirkung  der  syphilitischen  Noxe  auf  die  Leber- 


5)  Zeitschrift  für  Heilkunde  XXVII,  1906. 

6)  Literatur  bei  Neumann,  Syphilis  1896,  Wien. 
No.  43. 


zellen  in  meinem  Falle  nicht  willkürlich  erscheint.  Wir  werden 
uns  in  unserem  Falle  vorzustellen  haben,  —  bei  dem  Fehlen 
nachweisbarer  anderer  Noxen  —  dass  hier  die  akut  sich  ab¬ 
spielende  Nekrose  im  Rahmen  der  Grundkrankheit  so  zu 
Stande  kam,  dass  das  lange  Zeit  hindurch  bestandene  Gleich¬ 
gewicht  zwischen  Degeneration  und  Regeneration  —  vielleicht 
durch  eine  schliessliche  Erschöpfung  des  Organismus  —  ge¬ 
stört  wurde. 

Was  die  Möglichkeit  einer  Erklärung  der  Zellnekrose 
durch  Gallenstauung  betrifft,  so  möchte  ich  die  obigen  Er¬ 
wägungen  von  Gourevitsch  noch  durch  Folgendes  er¬ 
gänzen. 

Die  Möglichkeit  einer  Leberzellnekrose  durch  Gallen¬ 
stauung  besteht  nach  den  heute  vorliegenden  Tatsachen. 
Immerhin  handelt  es  sich  in  diesen  Fällen  nicht  um  eine  ein¬ 
fache  toxische  Wirkung  der  Galle,  sondern  um  kompliziertere 
Verhältnisse,  wegen  derer  ich  auf  die  Originalarbeiten  E  p  - 
p  i  n  g  e  r  s  7)  verweisen  muss. 

In  meinem  Falle  erscheint  mir  jedoch  ausser  den  von 
Gourevitsch  angegebenen,  auch  hier  zutreffenden  Be¬ 
denken,  ein  derartiger  Zusammenhang  noch  aus  folgenden  Er¬ 
wägungen  unwahrscheinlich : 

Die  eigentümliche  oben  beschriebene  gegenseitige  La¬ 
gerung  von  nekrotischen  Partien  und  nicht  nekrotischen  würde 
einer  Erklärung  der  Nekrose  durch  mechanische  Stauung  die 
grössten  Schwierigkeiten  bereiten;  auch  gelingt  es  nirgends 
eine  Injektion  der  feineren  Gallenwege  oder  der  Gallenkapil¬ 
laren  nachzuweisen;  immerhin  gebe  ich  zu,  dass  das  von  mir 
angewandte  histologische  Verfahren  für  die  Darstellung  dieser 
Verhältnisse  nicht  das  ideale  ist. 

Dabei  waren  auch  die  Darmkontenta  bei  der  Autopsie  nor¬ 
mal  gallig  gefärbt,  die  gröberen  Gallenwege  durchaus  normal 
beschaffen,  auch  enthielt  die  Gallenblase  die  gewöhnliche 
Menge  Galle,  so  dass  jedenfalls  gröbere  Störungen  der  Gallen¬ 
passage  auszuschliessen  sind. 

Gibt  man  aber  anderseits  die  von  Gourevitsch  aufge¬ 
stellte  Möglichkeit  eines  lokalen  Leberikterus  nach  primärer 
Leberzellnekrose  zu  —  ein  Vorgang  der,  wie  ausgeführt,  mir 
auch  hier  am  wahrscheinlichsten  erscheint,  so  ist,  wenn  man 
sich  vorstellt,  dass  die  gallig  imbibierten  Zelltrümmer  zur  Re¬ 
sorption  gelangen,  wobei  natürlich  die  Gallenkapillaren  breit 
eröffnet  werden  —  bei  genügender  Ausdehnung  der  nekro¬ 
tischen  Partien  wie  hier  —  zum  allgemeinen  Ikterus  nur  noch 
ein  Schritt.  Ich  lasse  es  dabei  dahingestellt,  ob  diese  gallige 
Imbibition  der  Zellen  ausschliesslich  durch  Aufnahme  der  Galle 
von  aussen  zu  statten  kommt,  oder  etwa  auch  durch  Durch¬ 
tränkung  der  nekrotisierenden  Zellen  mit  ihrem  eigenen  Sekret. 

Es  liegen  eine  Reihe  von  Beobachtungen  vor,  die  sich 
vielleicht  als  Stütze  für  die  Möglichkeit  einer  derartigen  Er¬ 
klärung  verwerten  Hessen.  So  fanden  Mallory,  Free¬ 
mann  u.  a.  bei  Krankheiten,  die  bekanntlich  gelegentlich  ein¬ 
mal  mit  Ikterus  einhergehen  —  Pneumonie,  Endokarditis,  Ty¬ 
phus  abdominalis  u.  a.  —  nekrotische  Leberherde,  welche  von 
den  Autoren  teils  auf  toxische  Einflüsse,  teils  auf  embolische 
Prozesse  zurückgeführt  werden  konnten.8) 

Ich  wollte  diese  Verhältnisse,  die  noch  zu  wenig  geklärt 
sind,  um  bestimmte  Urteile  zu  erlauben,  hier  nur  berührt  haben, 
um  auf  eine  Möglichkeit,  wie  der  Ikterus  in  dem  Falle  als  ent¬ 
standen  gedacht  werden  könnte,  hinzuweisen. 

Was  den  klinischen  Ablauf  dieses  Falles  betrifft,  so  ist  ein 
derartiger  Ausgang  nach  Neumann  (1.  c.)  selten. 

Da  mir  die  Ergebnisse  der  anatomischen  Untersuchung 
derartig  verlaufender  Fälle  nicht  vorliegen,  muss  ich  es  dahin¬ 
gestellt  sein  lassen,  ob  der  hier  erhobene  Befund  —  fast  totale 
Nekrose  des  Parenchyms  —  ein  typischer  ist. 

Aus  dem  hier  ausgebliebenen  Erfolge  einer  spezifischen 
Behandlung  dürften,  da  hier  diese  Therapie  erst  eingeleitet 
werden  konnte,  als  akute  Erscheinungen  schon  seit  über  3 
Wochen  bestanden  und  der  Zustand  ein  desparater  war, 
Schlüsse  über  die  Wirksamkeit  der  antiluetischen  Behandlung 
im  ersten  Beginn  derartiger  Erscheinungen  kaum  gezogen 
werden  können. 

7)  Eppinger:  Zieglers  Beiträge  XXXI,  1902  und  XXXIII,  1903. 

8)  Ausführliche  Literaturangaben  im  Referat  von  Kretz,  Lu- 
barsch  und  Oster  tags  Ergebnisse  etc.  1902,  II. 


3 


2138 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Da  aber  a  priori  nichts  gegen  die  Möglichkeit  einer  gün¬ 
stigen  Beeinflussung  einzuwenden  ist,  dürfte  der  frühzeitigen 
Diagnose  dieser  immerhin  seltenen  Verlaufsweise,  eine  prak¬ 
tisch  nicht  unerhebliche  Bedeutung  zukommen. 

Aus  der  dermatologischen  Abteilung  des  Allerheiligen-Hospitals 
zu  Breslau  (Primärarzt  Dr.  H  a  r  1 1  u  n  g). 

Quecksilbervergiftung  mit  tödlichem  Ausgange. 

Von  Dr.  Wilhelm  Bartsch,  Sekundärarzt. 

Runeberg  [l]  berichtete  1889  über  einen  Todesfall  nach 
2  Injektionen  Ralomel  ä  0,1  und  fügt  dieser  Mitteilung  einen 
Bericht  über  6  andere,  schon  früher  veröffentlichte  Hg-Intoxi- 
kationen  mit  tödlichem  Ausgange  bei.  N  e  u  b  e  c  k  |2]  stellte 
1902  auf  Grund  eines  Todesfalles  nach  0,25  Hg.  sal.-Injektionen 
die  Literatur  über  dieses  Gebiet  ausführlich  zusammen;  es  sind 
im  ganzen  21  Fälle,  wovon  7  mit  denen  von  Runeberg 
identisch  sind,  sämtlich  nach  Injektion  von  unlöslichen  Salzen, 
bezw.  Ol.  einer.  Hierzu  kommen  noch  8  Todesfälle  nach  Ein¬ 
reibungskuren.  Seitdem  finden  sich  in  der  deutschen  Literatur 
nur  2  Mitteilungen  von  M  e  y  e  r  |3]  und  E  i  c  h  h  o  r  s  t  [4]  über 
tödlich  verlaufende  Hg-Intoxikationen  —  beide  nach  Inunk- 
tionen  — ;  in  den  französischen  Zeitschriften  berichten  Le- 
noir  und  Camus  |5j  über  einen,  C  a  u  d  e  und  Dobro- 
vici  [6J  über  5  Todesfälle  nach  Anwendung  von  grauem  Oel. 
H  a  1 1  o  p  e  a  u  [7]  hat  einen  letalen  Ausgang  nach  Enesol 
erlebt. 

An  unserer  Abteilung  durften  wir  uns  rühmen,  seit 
10  Jahren  nie  einen  Todesfall  durch  Hg  verursacht  zu  haben. 
Freilich  blieben  auch  wir  nicht  verschont  von  all  den  Zwischen¬ 
fällen,  die  im  Verlaufe  einer  Hg-Kur  auftreten:  schmerzhafte 
Glutäalinfiltrate,  die  ja  glücklicherweise  meist  bald  schwinden, 
Embolien,  die  im  ganzen  doch  nur  selten  auftreten,  ferner  Tem¬ 
peratursteigerungen,  Stomatitiden,  Enterititiden.  Erfordern  die 
erstgenannten  Zwischenfälle  sorgfältigste  Beachtung,  so  sind 
auch  Diarrhoen  im  Verlaufe  einer  Rur  stets  besorgniserregend. 
Und  gerade  für  diese  bedrohlichen  Erscheinungen  glaubten  wir 
ein  unbedingt  zuverlässiges  Mittel  in  dem  Opium  zu  haben, 
so  paradox  es  auch  klingen  mag.  Im  vorigen  Jahre  hat  Herr 
Primärarzt  Dr.  H  a  r  1 1  u  n  g  [8j  in  der  dermatologischen  Zeit¬ 
schrift  diese  unsere  Anschauung  niedergelegt,  die  sich  auf  eine 
Bemerkung  Roberts  in  seinen  „Intoxikationen“  gründete 
und  die  sich  durch  den  Erfolg  während  10  Jahren  vollauf  be¬ 
stätigt  fand.  Opium  in  hohen  und  höchsten  Dosen  —  wir  gaben 
bis  zu  200  Tropfen  täglich  in  einzelnen  verzweifelten  Fällen  — 
brachte  stets  alle,  auch  die  schlimmsten,  blutigen  Diarrhöen 
zum  Stehen.  Im  Anfang  dieses  Jahres  sahen  wir  in  wenigen 
Wochen  4  Patienten  an  Hg-Intoxikation  zu  Grund  gehen,  ohne 
dass  wir  durch  irgend  eine  Massnahme  die  Vergiftungserschei¬ 
nungen  zu  beeinflussen  vermochten.  Diese  4  trüben  Er¬ 
fahrungen  stehen  wir  nicht  an,  der  Oeffentlichkeit  mitzuteilen. 
Ich  lasse  im  Auszug  die  4  Rrankengeschichten  folgen. 

L  a  1 1  I.  B.  R.  23  jähr.  Stickerin,  aufgenommen  am  22.  XI.  1906. 
Allgemeine  Anamnese  ohne  Befund.  Luesinfektion  vor  3-^t  Monaten. 

Status:  Mässig  kräftiges  Mädchen.  Ernährungszustand  ge¬ 
nügend.  Struma  mässigen  Grades.  Brust  und  Bauchorgane  gesund. 
Urin  frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

Quoad  Lues:  Papulae  madidantes  in  scheusslichem  Zustande  ad 
genitalia.  Papulöses  Exanthem  am  Stamm.  Grosse,  zerklüftete  Ton¬ 
sillen  mit  Plaques  belegt.  Polyskleradenitis  inguinalis  et  cervicalis. 
Reflexe  normal. 

I  h  e  r  a  p  i  e.  Neben  lokaler  Behandlung  der  Genitalien  und  des 
Mundes  erhält  Pat.  vom  23.  XI.  bis  26.  XII.  Injektionen  von  Hg.-sal.- 
Vasenol  (10  proz.).  Originalpräparat  von  Dr.  R  ö  p  p,  in  regelmässigen 
Abständen  von  3  Tagen,  beginnend  mit  Vz  Pravazspritze,  dann  stets 
1  ganze,  in  Summa  1,15  Hg.  sal. 

Die  Rur  verläuft  ohne  Störung,  die  Lueserscheinungen  sind  nach 
10  Tagen  fast  geschwunden.  Gewicht  bei  der  Aufnahme  113  Pfd., 
beim  Ende  der  Rur  106  Pfd.  Urin  frei  von  Eiweiss.  Am  22.  XIL 
stellt  sich  eine  Rolpitis  mit  scheusslichem  Fötor  ein,  die  sich  durch 
lokale  Ichthyol-Tampon-Behandlung  bessert. 

Am  29.  XII.  erfolgt  trotz  eindringlichen  Abratens  Entlassung 
der  Pat.  auf  eigenen  Wunsch. 

Am  15.  I.  07  Wiederaufnahme.  Die  Labien  sind  kolossal  ge¬ 
schwollen,  dunkelblaurot  bis  schwarz  verfärbt,  aus  der  Vagina  stossen 
sich  scheusslich  übelriechende  Gewebsfetzen  ab.  Ausserdem  Diar¬ 
rhöen. 

Pat.  wird  in  ein  Dauerbad  gelegt;  ihr  Zustand  wird  täglich 
schlechter,  Pat.  kommt  unter  den  Anzeichen  einer  vollendeten  Hg- 


Rachexie  am  31.  I.  ad  exitum.  Therapie  während  dieser  Zeit:  Robo- 
rantien  und  Opium. 

Die  Sektion  ergab  neben  alten  tuberkulösen  Herden  in  der 
Lunge:  Myokarditis,  Cyanosis  lienis  et  hepatis,  Colitis  ulcerosa,  Ne¬ 
phritis  parenchymatosa  gravis,  Periurethritis,  Periproctitis,  Abscessus 
paravaginalis,  Fistula  vesicovaginalis  et  rectovaginalis,  Necrosis  mus- 
culi  glutaei  sinistri. 

Fall  II.  J.  B.,  24  jähriges  Dienstmädchen.  Aufnahme  7.  I.  07. 
Allgemeine  Anamnese  ohne  Befund.  Luesinfektion  vor  ca.  2  Monaten. 

Status:  Gut  genährtes,  kräftiges  Mädchen.  Der  1.  Mitralton 
klingt  gespalten;  sonst  Brust-  und  Bauchorgane  ohne  Befund.  Urin 
frei  von  Eiweiss  und  Zucker. 

Quoad  Lues:  Papeln  ad  genitalia.  Makulöses  Exanthem  am 
Stamm.  An  Ober-  und  Unterlippe  annuläre  Papeln.  Plaques  beider 
Tonsillen.  Polyscleradenitis  inguinalis,  cubitalis,  cervicalis  indolens. 

An  der  Stirn,  in  der  Gegend  des  linken  Tuber  frontale,  eine' 
markstückgrosse  periostale  Schwellung  von  hoher  Druckempfindlich¬ 
keit. 

Reflexe  normal.  Gewicht  103  Pfd. 

Nebenbefund:  Gonorrhoea  urethrae. 

Therapie  und  R  rank  he  its  verlauf:  Neben  örtlicher 
Behandlung  der  Genital-  und  Lippenpapeln,  der  Tonsillenplaques  und 
der  periostalen  Schwellung  Injektionen  von  Hg-sal.-Vasenol  (10  p.roz.), 
Originalpräparat  von  Dr.  R  ö  p  p. 

8.  I.  0,05,  11.  I.  0,1,  14.  I.  0,1  Hg  sal. 

14.  I.  abends  Temperaturanstieg  auf  39,9. 

17.  I.  Temperatur  ist  wieder  auf  37,7  zurückgegangen,  daher 
wiederum  Injektion  von  0,1  Hg  sal. 

18.  I.  Temperatur  38,6.  Durchfälle.  Priessnitz  und  90  Tropfen 
Opium  täglich. 

20.  I.  Profuse  Diarrhöen.  Täglich  120  Tropfen  Opium  +  4  g 
Tannalbin  neben  flüssiger  Diät. 

21.  I.  Temperaturabfall  auf  36. 

26.  I.  I  emperatur  zwischen  37,5  und  38,5.  Diarrhöen  unver¬ 
ändert.  Opium  täglich  150  Tropfen  +  Bismut.  subnitr.  +  Einläufe 
mit  Acid.  tannic.  Prolaps  der  Rektalschleimhaut. 

30.  I.  Puls  sehr  schlecht,  120  in  der  Minute.  Exzitantien.  Roch- 
salzinfusion. 

1.  II.  Exitus  letalis. 

Die  Sektion  ergab:  Neben  alten  pleuritischen  Prozessen  in  den 
Lungen:  fettige  Degeneration  des  Herzens  und  der  Aorta,  Cyanosis 
hepatis  et  lienis.  Nephritis  parenchymatosa.  Im  Magen  massenhaft 
blutende  Erosionen.  Colitis  mercurialis  necrotica,  die  nach  dem  Rek¬ 
tum  zu  an  Intensität  zunimmt. 

Fall  III.  C.  B.,  40  jährige  Schauspielerin,  aufgenommen  22.  I.  07. 
Allgemeine  Anamnese  ohne  Befund.  Luesinfektion  1894.  I.  Rur  1895, 
II.  Rur  1&98. 

Status:  Mässig  kräftiges  Mädchen  in  relativ  gutem  Er¬ 
nährungszustände.  Brust-  und  Bauchorgane  ohne  Befund.  Urin  frei 
von  Eiweiss  und  Zucker. 

Quoad  Lues:  Haut  und  Schleimhäute  sind  symptomlos.  Poly- 
scleradeniitis  inguinalis  et  cervicalis. 

Nervensystem:  Pat.  bietet  das  Bild  einer  ausgeprägten  spinalen 
Lues.  Ich  greife  aus  dem  umfangreichen  Nervenstatus;  der  an 
anderem  Orte  veröffentlicht  werden  wird,  nur  folgendes  heraus: 
Pupillarreflexe  prompt.  Patellarreflex  fehlt  rechts,  links  nur  schwach. 
Romberg  positiv.  Schlaffe  Lähmung  beider  Beine.  Gang  schlep¬ 
pend,  ohne  Stütze  unmöglich.  Incontinentia  urinae  et  alvi. 

I  herapie:  Im  Einverständnis  mit  unserem  neurologischen 
Ronsiliarius  wird  eine  antiluetische  Rur  begonnen.  In  3—5  tägigen 
Pausen  Injektion  von  Ralomelvasenol  (10  proz.),  Originalpräparat  von 
Dr.  Rö  pp,  anfangs  0,025,  später  0,05  und  0,075;  in  Summa  0,7  Ralo- 
mel.  Am  Schluss  detr  Rur  hatten  sich  die  spinalen  Luessymptome 
wesentlich  gebessert.  Der  Gang  ist  relativ  gut  und  schnell,  ohne 
Stütze  möglich.  Blasenfunktion  gut. 

Was  die  Defäkation  anbetrifft,  so  war  auch  hier  anfangs  bald  die 
Inkontinenz  geschwunden.  Nach  der  4.  Injektion  traten  Diarrhöen  auf, 
die  auf  Opium  standen.  Pat.  gab  an,  auch  trotz  der  Diarrhöen  den 
Stuhl,  im  Gegensatz  zu  früher,  anhalten  zu  können.  So  blieb  das 
Bild  bis  zum  Schluss,  als  am  20.  III.  07  nachts  ganz  plötzlich  der 
Exitus  erfolgte.  Urin  war  dauernd  frei  von  Eiweiss. 

Die  Sektion  ergab:  Arteriosklerose.  Oedema  et  emphysema 
pulmonum,  Hyperplasia  et  Cyanosis  lienis,  Colitis  mercurialis, 
Haemorrhagiae  intestini,  Gummata  hepatis,  Hydrosalpinx,  Endo¬ 
metritis,  Fibroma  subseros.  uteri,  Degener.  cyst.  ovarii  dextri,  Hydro- 
cephalus  externus  et  internus;  Degeneratio  funiculi  posterioris  et 
lateralis. 

Fall  IV.  G.  A.,  57 jähriger  Bibliothekar.  Angenommen 
29.  I.  07,  unverheiratet.  Allgemeine  Anamnese,  ohne  Befund.  Lues¬ 
infektion  1887.  Damals  1  Schmierkur,  angeblich  5  Touren.  Seit¬ 
dem  frei  yon  frischen  Luessymptomen.  Reine  weitere  Rur.  Vor 
2  Jahren  Anschwellung  des  linken  Fusses,  später  des  ganzen  Unter¬ 
schenkels  und  Rnies,  ohne  besondere  Schmerzen. 

Status:  Rräftiger  Mann  in  genügendem  Ernährungszustände. 
Herztätigkeit  sehr  frequent,  sonst  ohne  Befund.  Ueber  den  Lungen 
katarrhalische  Geräusche.  Bauchorgane  ohne  Befund.  Arterio¬ 
sklerose.  Urin  frei  von  Eiweiss.  Linkes  Rnie  zeigt  periostale  Ver¬ 
dickungen;  der  Unterschenkel  ist  stark  angeschwollen  und  braunrot 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2139 


verfärbt,  ebenso  der  Fussrücken.  An  der  Fussohle  ein  Mal  perfo- 
rant.  Am  rechten  Fussrücken  akut  entzündliche  Schwellung,  über¬ 
greifend  auf  den  rechten  Unterschenkel. 

Pupillen-  und  Patellarreflexe  fehlen.  Die  Sensibilität  beider 
Unterschenkel  und  Fiisse  ist  fast  aufgehoben. 

Therapie:  Tiefe  Inzision  der  Schwellung  des  rechten  russ- 
rückens  Keinerlei  schmerzhafte  Empfindung  dabei.  Es  entleert  sich 
reichlich  Eiter.  Feuchter  Verband.  Im  Verlaufe  der  Behandlung  kam 
es  anfangs  zu  ausgedehnter  Nekrose  des  ganzen  Gewebes  am  rechten 
Fussrücken  und  Unterschenkel,  so  dass  die  Tibia  und  die  Muskulatur 
frei  zutage  lag.  Nach  ca.  4  Wochen  war  die  tiefe  Ulzeration  in  guter 
Granulation  begriffen,  so  dass,  als  am  17.  III.  der  Exitus  erfolgte, 
nur  noch  eine  kleine  oberflächliche  Hautwunde  vorhanden  war  Die 
Affektionen  beider  Unterschenkel  fassten  wir  als  spezifische  auf  und 
leiteten  daher  eine  antiluetische  Kur  ein.  Pat.  erhielt  in  Abständen 
von  4 — 5  Tagen  anfangs  0,025,  später  0,05  Kalomel,  im  ganzen  0,3o 
Kalomelvasenol  (lOproz.),  Originalpräparat  von  Dr.  K  o  p  p.  Jod¬ 
kali  6  g  pro  die,  musste  bald  wegen  Jodismus  ausgesetzt  weiden. 
Anfang  März  traten  Diarrhöen  auf,  die  auf  Opium  —  täglich  90  bis 
120  Tropfen  —  nicht  standen.  17.  III.  07  Exitus. 

Die  Sektion  ergab:  Neben  alten  Prozessen  in  der  Lunge  und 
den  Bronchien  Arteriosclerosis  gravis,  Degeneratio  adjip.  myocard.. 
Hrperplasia  pulpae  lienis,  Colitis  mercurialis,  Cirrhosis  hepatis,  Ati  o- 
phia  renis  utriusque,  Degeneratio  grisea  fumculi  posterioris. 

Diese  4  Krankengeschichten  in  Verbindung  mit  den  bek- 
tionsprotokollen  beweisen  leider  nur  zu  evident,  dass  alle  4 
Patienten  an  Hg-Intoxikation  zu  Grunde  gegangen  sind.  Ich 
übergehe  die  zahlreichen  Nebenbefunde  und  wende  mich  nur 
den  Wirkungen  des  Quecksilbers  zu.  Die  degenerativen  Pro¬ 
zesse  an  Herz  und  Nieren  entsprachen  durchaus  den  Ver¬ 
änderungen,  wie  sie  allgemein  bei  Hg-Vergiftung  gefunden 
werden  und  wie  sie  z.  B.  K  a  u  f  m  a  n  n  [9]  schildert.  In  keinem 
Falle  waren  sie  stark  ausgebildet,  zum  Teil  fehlten  sie  ganz. 

Klinisch  im  Vordergründe  standen  in  allen  4  Fällen  die  un¬ 
stillbaren  blutigen  Diarrhöen,  kompliziert  in  Fall  I  durch  die 
Nekrose  der  Vagina  und  Vulva.  Diese  Diarrhöen,  die  aut  keine 
Weise  weder  durch  Opium  noch  durch  geeignete  Einlaufe  zum 
Stehen  gebracht  werden  konnten,  waren  gleichzeitig  auch 
überhaupt  das  erste  Anzeichen  der  beginnenden  Hg-Intoxi- 
kation.  Sie  setzten  sofort  mit  solcher  Macht  und  so  plötzlich 
ein,  dass  auch  durch  sofortiges  Aussetzen  der  Hg-Behandlung 
kein  Erfolg  mehr  zu  erzielen  war.  Recht  merkwürdig  ist  es, 
dass  in  keinem  unserer  Fälle  ein  Hg-Exanthem  auftrat,  wie  ein 
solches  von  den  meisten  Autoren  als  erstes  Signum  der  Intoxi¬ 
kation  in  den  mannigfachsten  Formen  beschrieben  wird  Mit 
dem  klinischen  Bilde  der  Colitis  mercurialis  stimmte  jedesmal 
der  Sektionsbefund  überein.  Stets  war  der  Dickdarnt  in  der 
schwersten  Weise  verändert.  Der  Gesamteindruck  war  dci 
einer  völligen  Nekrose  bis  tief  in  das  Rektum  hinunter  Nach 
Abspülen  der  schwarzen,  übelriechenden  Kotmassen  sah  man, 
dass  hauptsächlich  die  hervorragenden  Falten  mit  einer 
schwarzgrünen,  diphtherischen,  nicht  abziehbaren  Membran  be¬ 
deckt  waren.  Dazwischen  fanden  sich  in  der  Tiefe  der  halten 
weniger  intensive  Veränderungen,  manchmal  kleine  Risse,  auch 
Geschwüre.  Der  Dünndarm  war,  bis  auf  die  kleinen  Hamor- 


rhagien  in  Fall  IV,  intakt. 

Die  Pathogenese  dieser  Colitis  ulcerosa,  necrotica,  diph- 
therica  ist  Gegenstand  eingehendster  Untersuchungen  gewesen. 
Die  Ansicht,  dass  die  Kolitis  als  Folge  einer  einfachen  lokalen 
Aetzwirkung  des  Hg  aufzufassen  sei,  ist  längst  verlassen. 
Kunkel  [10]  bemerkt  dazu  sehr  richtig:  „einfache  Aetz¬ 
wirkung  des  Quecksilbers  auf  den  Darm  ist  unmöglich,  da  bei 
Sublimatvergiftungen  per  os  nur  sehr  geringe  Störungen  im 
Magen  und  Ileum,  dagegen  schwerste  Kolitis  gefunden  wurde. 
Auch  die  von  chirurgischer  Seite  bei  Darmverschlingungen 
vorgenommene  Therapie,  metallisches  Quecksilber  per  os  zu 
geben,  ist  ohne  wesentliche  Folgen  für  die  Darmschleimhaut 


geblieben.  T  , 

Kaufmann  [9]  hat  sich  Ende  der  80  er  Jahre  experi¬ 
mentell  mit  dieser  Frage  beschäftigt  („die  Sublimatintoxi¬ 
kation“)  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  „dass  man  die  bei  dei 
Sublimatintoxikation  deutlich  hervortretende  Neigung  zur 
Stasen  und  Thrombosenbildung  im  Blut  .  .  .  auch  zur  Erklärung 
der  Darmaffektion  heranziehen  muss.  Zirkulationsstörungen 
machen  die  Darmschleimhaut  gegenüber  eindringenden  ent- 
zündungs!erregenden  Darmbakterien  widerstandslos  und  er¬ 
zeugen  die  diphtherische  Nekrose“.  Nicht  erklärt  ist  hierdurch, 
warum  der  Dünndarm  niemals  derartige  ulzeröse  Prozesse 
aufweist,  ein  Einwand,  den  auch  Almkvist  LllJ  erhebt. 


Letzterer  hat  im  vorigen  Jahre  die  Frage  eingehend  erörtert. 

Er  gibt  eine  genaue  Uebersicht  der  zahlreichen  Erklärungen 
der  Pathogenese  der  Kolitis  und  kommt  im  Gegensätze  zu 
Pollio  [12],  Fischei  [13]  und  Siebe  rt  [14],  im  Einver¬ 
ständnis  mit  J  u  s  t  u  s  [15]  und  K  a  s  s  a  i  [16]  zu  dem  Ergebnis, 
dass  das  Hg  in  den  Kapillarschlingen  allgemein  Niederschläge 
bildet.  Durch  diesen  Nachweis  ist  er  in  der  Lage,  sowohl 
Stomatitis  wie  Colitis  mercurialis  erklären  zu  können.  Das 
Resultat  seiner  eingehenden  Untersuchungen  gibt  er  in  folgen¬ 
den  Worten  wieder:  „Sind  in  der  Mundhöhle  und  im  Dickdarm 
absehbare  Fäulnisprozesse  vorhanden,  so  wird  hierdurch  die 
Schleimhaut  etwas  aufgelockert  oder  erodiert.  Durch  diese 
veränderte  Schleimhaut  wird  das  von  den  Fäulnisprozessen 
gebildete  H?S-Gas  teilweise  resorbiert.  Enthält  das  Blut  des 
Tieres  Quecksilber,  so  entsteht  dabei  in  den  oberflächlichen 
Kapillarschlingen  ein  Niederschlag  von  Schwefelquecksilber, 
welcher  sich  in  den  Endothelzellen  der  Gefässwand  nieder¬ 
schlägt.  Hierdurch  wird  die  physiologische  Rolle  der  Gefäss¬ 
wand  für  die  Zirkulation  gestört  und  infolgedessen  leidet  die 
Nutrition  des  Gewebes.  Unabhängig  hiervon,  wahrscheinlich 
infolge  einer  lähmenden  Einwirkung  auf  den  Gefässnerven,  ent¬ 
steht  besonders  im  Darm  Gefässdilatation.  Als  Folge  der  Er¬ 
nährungsstörung  entwickeln  sich  im  Gewebe  degenerative 
Prozesse“.  Den  Versuch,  Stomatitis  und  Kolitis  in  gleicher 
Weise  zu  erklären,  hat  schon  Bockhart  [17]  gemacht,  ohne 
aber  den  histochemischen  Nachweis  des  Hg  in  den  Kapillar¬ 
schlingen  zu  bringen.  Er  führte  die  degenerativen  Prozesse  auf 
Reduktionsvorgänge,  begünstigt  durch  die  Mikroorganismen 
zurück.  Dass  diese  eine  Hauptrolle  bei  der  Nekrose  spielen, 
ist  ja  auch  die  Ansicht  A  1  m  k  v  i  s  t  s.  Hierdurch  ist  nun  einer¬ 
seits  die  Nichtbeteiligung  des  Dünndarms  erklärt,  den  R  o  1 1  y 
und  Liebermeister  [18]  steril  fanden,  andererseits  auch 
unsere  Beobachtung  in  Fall  I,  wo  wir  ausser  Stomatitis  und 
Kolitis  noch  eine  Kolpitis  fanden.  Gerade  so,  wie,  unter  nor¬ 
malen  Verhältnissen,  der  Mundschleim  trotz  der  Anwesenheit 
von  Bakterien  imstande  ist,  eine  Entzündung  zu  verhindern, 
und  erst  bei  Ablagerung  von  Hg  im  Sinne  A  1  m  k  v  i  s  t  s  eine 
Stomatitis  entsteht,  ebenso  liegen  die  Verhältnisse  in  der  Va¬ 
gina.  Runge  [19],  Döderlein  und  Krönig  [20]  er¬ 
kennen  die  bakterizide  Kraft  des  Vaginalschleims  an.  Diese 
büsst  aber  ihre  Kraft  ein,  wenn  günstige  Bedingungen  für  die 
Entwicklung  von  degenerativen  Prozessen  vorhanden  sind. 
N  e  u  b  e  c  k  [2]  ist  der  einzige,  der  gleichfalls  eine  Kolpitis  als 
Folge  der  Hg-Intoxikation  auftreten  sah.  Er  sieht  darin  ein 
Analogon  mit  den  Abschuppungsvorgängen  auf  der  äusseren 
Haut.  Er  sagt:  (pag.  486)  „Wie  hier  die  Hornschichten  infolge 
einer  wohl  durch  das  im  Blut  zirkulierende  Quecksilber  verur¬ 
sachten  Schädigung  in  der  Ernährung  abstarben  und  sich  in 
grossen  Fetzen  loslösten,  so  mögen  wohl  auch  dem  Gangränös¬ 
werden  der  Scheidenwände  ähnliche  Vorgänge  zu  Grunde 
liegen“.  Damit  ist  aber  nicht  die  Gangrän  erklärt.  Diese  kann 
eben  nur  Zustandekommen  durch  die  Anwesenheit  von  Bak¬ 
terien  und  die  durch  diese  bedingten  Fäulnisprozesse,  die  dann 
erst  zur  Wirkung  kommen  können,  wenn  sich  durch  die  Ab¬ 
lagerung  von  Hg  in  den  Kapillaren  Ernährungsstörungen  ein¬ 
gestellt  haben. 

Erwähnen  möchte  ich  noch,  dass  Katsura  [21]  das 
Ueberwuchern  einer  Bakterienart  im  Dickdarm  bei  Hg-Intoxi¬ 
kation,  die  dem  Bacillus  coli  commune  nahezustehen  scheint, 
gefunden  hat.  Hierfür  ist  wohl  darin  die  Erklärung  zu  suchen, 
dass  die  Lebensbedingungen  für  diese  Bazillen  günstig  waren; 
sie  als  spezifische  Erreger  aufzufassen,  was  im  iibiigen 
Katsura  auch  nicht  für  bewiesen  hält,  wäre  natürlich  gänz¬ 
lich  unzulässig. 

Zu  erörtern  wäre  noch  die  eingangs  gestreifte  Fiage, 
warum  wir  niemals  ein  Hg-Erythem  auftreten  sahen.  Ich 
meine,  wir  müssen  uns  hierbei  mit  dem  ja  allerdings  noch  völlig 
ungeklärten  Wesen  der  Organidiosynkrasie  behelfen,  wie  sie 
Tomasczewski  [22]  theoretisch  aufstellt,  und  an  der  Hane 
vieler  Fälle  praktisch  zu  beweisen  sucht.  Diese  Organ¬ 
idiosynkrasie  haftet  bei  den  einzelnen  Individuen  an  verschie¬ 
denen  Organen,  meist  nur  an  einem.  Warum  aber  gerade  an 
diesem  und  nicht  an  einem  anderen,  dafür  weiss  loma- 
s  c  z  e  w  s  k  i  keine  Erklärung.  Auch  nach  unseren  Ertahrungen 

lässt  sich  nichts  genaueres  darüber  sagen.  Die  Ausscheidungs- 

3* 


2140 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Organe  waren  in  allen  Fällen  vor  der  Rur  intakt,  die  Nieren 
auch  während  der  Kur  wenigstens  für  die  klinische  Unter¬ 
suchung.  Es  hat  also  auch  nicht  eine  Verminderung  der  Aus¬ 
scheidung  seitens  der  Nieren  und  dadurch  eine  Kumulation  statt¬ 
gefunden.  Ausserdem  war  die  Hg-Zufuhr  in  keinem  Falle 
übermässig. 

Dass  andere  Umstände,  etwa  direkte  Injektion  in  Qefässe 
vorgekommen  sein  könnten,  ist  ausgeschlossen.  Auch  unsere 
Vorratsgefässe  für  die  Injetionsfl iissigkeit  bieten  keine  Fehler¬ 
quelle,  da  wir  gehörig  schütteln  und  kleine  reagensgläschen¬ 
artige  Qlasgefässe  mit  halbkugeligem  Boden  verwenden. 

Die  Suspensionsflüssigkeit  war  in  allen  Fällen  Vasenol. 
Seit  dem  Erscheinen  des  Vasenol  sind  mehrere  kleine  Berichte 
über  die  Güte  und  die  Gefahrlosigkeit  dieser  Emulsion  ver¬ 
öffentlicht.  So  berichtet  Schnabel  [23],  dass  er  bei  Ver¬ 
wendung  von  Vasenolpräparaten  nie  gastroenteritische  Er¬ 
scheinungen  bemerkt  hätte,  auch  nicht  bei  Kranken,  die  die¬ 
selben  regelmässig  nach  jeder  Paraffinemulsion  in  starken  und 
stärksten  Graden  gezeigt  hatten.  Auch  Thimm  [24]  empfiehlt 
die  Vasenolemulsion  aufs  wärmste,  ebenso  Lengefeld  [25]. 
Immer  wird  demHg-Vasenol  leichtLResorbierbarkeit  und  feinste 
Verteilung  nachgerühmt.  Es  drängt  sich  mir  hierbei  folgender 
Gedankengang  auf,  angeregt  durch  Olshausens  [26]  Worte: 
,, Andererseits  scheint  bei  der  medikamentösen  Verwendung 
von  Metallen  (wie  z.  B.  Hg  und  Ag)  die  Art  resp.  die  Schnellig¬ 
keit  der  Resorption  der  an  Ort  und  Stelle  eingegangenen  Ei¬ 
weissverbindungen  und  die  damit  wohl  in  Verbindung  stehende 
feinste  Zerteilung  des  Metalls  von  Bedeutung  zu  sein.  Wir 
wissen,  dass,  je  feiner  zerteilt  ein  Pulver  oder  für  den  vor¬ 
liegenden  Fall  ein  Metall  ist,  desto  grösser  die  Wirksamkeit  ist. 
Die  Resorptionsvorgänge  in  den  Geweben  sind  nach  dem  je- 
weilgen  Kräftezustand,  in  dem  sich  die  Betreffenden  befinden, 
verschieden“.  Vielleicht  ist  es  gerade  diese  feinste  Verteilung 
und  die  überaus  schnelle  Resorbierbarkeit  des  Vasenolprä¬ 
parats,  die  eine  Ueberschwemmung  des  Körpers  mit  Queck¬ 
silber  hervorbringt,  die  wir  früher  bei  den  Paraffinpräparaten 
nicht  gekannt  haben. 

Wie  dem  auch  sei,  die  Tatsache,  dass  auch  Vasenol  nicht 
vor  Todesfällen  schützt,  ist  allgemein  wichtig  und  interessant. 

Sollen  wir  nun  nach  unseren  trüben  Erfahrungen  von  der 
Injektion  unlöslicher  Salze  gänzlich  absehen?  Selbstverständ¬ 
lich  nein.  Kunkel  [10]  sagt  zwar,  dass  „die  Einspritzung 
grösserer  Mengen  ungelöster  Hg-Präparate  unbedingt  zu  ver¬ 
werfen  ist“,  billigt  aber  die  Anwendung  per  os  oder  auf  ku¬ 
tanem  Wege.  Er  vergisst  dabei,  dass  eine  Reihe  von  Todes¬ 
fällen  nach  Inunktionen  bekannt  geworden  sind,  wie  ich  ein¬ 
gangs  erwähnte,  und  dass  auch  bei  der  Darreichung  per  os 
v.  Scott  -  Snyden  [27]  eine  tödlich  verlaufende  Hg-Ver- 
giftung  sah.  Ebenso  schützen  die  löslichen  Hg-Salze  nicht  vor 
diesem  schlimmen  Ausgange,  wie  H  a  1 1  o  p  e  a  u  s  [7]  Fall  zeigt. 
Nicht  eingehen  will  ich  auf  die  vielen  Fälle,  wo  uns  einzig  und 
allein  Kalomel  als  letztes  Rettungsmittel  bleibt.  Ich  denke  an 
die  Fälle  plötzlicher  zerebraler  oder  spinaler  Gefässerkran- 
kungcn,  ebenso  wie  an  die  sich  langsam  entwickelnden  Gefäss¬ 
verschlüsse  in  diesen  Regionen. 

Aber  über  die  Frage,  ob  man  unlösliche  Hg-Präparate  ge¬ 
brauchen  soll  oder  nicht,  sind  ja  eigentlich  die  Akten  ge¬ 
schlossen  und  es  erübrigt  sich,  hier  weiteres  auszuführen. 
Unsere  Methodik  werden  wir  revidieren  müssen,  sowohl  mit 
Rücksicht  auf  die  Dosierung  der  Einzelinjektion,  als  auf  die 
Aufeinanderfolge  der  einzelnen  Injektionen.  Auch  mahnen 
unsere  Fälle  (Fall  1)  zu  einer  ausserordentlich  genauen  Beob¬ 
achtung  der  Kranken,  nachdem  die  Behandlung  schon  ab¬ 
geschlossen  ist,  wie  ebenso  zu  einer  Einschränkung  dieser  In¬ 
jektionsmethode  für  ambulante  Kranke.  Hier  sollte  sie  nur  Ver¬ 
wendung  finden  bei  Leuten,  die  man  in  steter  Kontrolle  halten 
kann. 

Fs  wäre  noch  übrig,  über  die  Therapie  dieser  Intoxika¬ 
tionen  einige  Worte  zu  sprechen.  Vogeler  [28]  empfiehlt  auf 
Grund  zweier  Fälle  die  Vornahme  eines  chirurgischen  Ein¬ 
griffes  am  Orte  der  Injektion.  Wie  weit  dies  in  praxi  durch¬ 
zuführen  ist,  ist  mehrfach  erörtert  worden  im  Anschlüsse  an 
ähnliche  Veröffentlichungen.  Das  Resümee  ist  jedenfalls,  dass 
nur  in  den  seltensten  Fällen  man  sich  zu  diesem  Schritte  ent¬ 
schlossen  kann.  Auch  wir  glauben  nicht,  dass  im  allgemeinen 


ein  chirurgischer  Eingriff  indiziert  ist;  jedenfalls  wäre  in  keinem 
unserer  Fälle  diese  Therapie  anwendbar  gewesen,  teils  weil 
die  Infiltrate  nur  äusserst  gering  und  sehr  tief  waren,  teils  des 
Allgemeinzustandes  der  Patienten  wegen.  Gleichwohl  wird  in 
einigen  besonderen  Fällen  hierdurch  Abhilfe  geschaffen  werden 
können. 

Unsere  eingangs  erwähnte  Anschauung  über  die  Wirkung 
des  Opiums,  die  genauer  in  der  H  a  r  1 1  u  n  g  sehen  Arbeit  nach¬ 
zulesen  ist,  hat  uns  diesmal  im  Stich  gelassen.  Warum,  ist 
unklar.  Trotzdem  wird  das  Opium  im  H  a  r  t  tu  n  g  sehen 
Sinne  weiter  Verwendung  finden  und  sicher  in  vielen  Fällen 
sein  gute  Wirkung  entfalten.  Dass  man  sich  sonst  zur  Be¬ 
kämpfung  der  üblen  Situation  aller  nur  denkbaren  symptoma¬ 
tischen  Mittel  bedienen  wird,  ist  selbstverständlich,  aber  es 
wird  schwer  gelingen  in  solchen  Fällen,  wie  den  erwähnten, 
das  Verderben  aufzuhalten. 

Literatur. 

1.  Runeberg:  Quecksilberintoxikation  mit  tödlichem  Ausgang 
nach  subkutanen  Kalomelinjektionen.  D.  med.  Wochenschr.  1889. 
pag.  4.  —  2.  Neubeck:  Quecksilbervergiftung  mit  tödlichem  Aus¬ 
gange  nach  Einspritzungen  von  Hydrargyrum  salicylicum.  Dermatol. 
Zeitschr.,  Bd.  IX,  1902,  pag.  470.  —  3.  Meyer:  Ueber  tödlich  ver¬ 
laufende  Quecksilberdermatitiden.  Med.  Klinik,  Jahrg.  I,  No.  19.  — 
4.  Eichhorst:  Ueber  Quecksilbersepsis.  Med.  Klinik,  Jahrg.  1 
(Ref.:  Therapeut.  Monatsh.  1905,  pag.  383).  —  5.  Lenoir  und 
Camus:  Ein  Fall  von  medikamentöser  Quecksilbervergiftung  mit 
tödlichem  Ausgang.  Bull,  et  Mem.  de  la  Soc.  med.  des  höp.  de 
Paris  1906  (Ref.:  Wiener  klin.  Wochenschr.  1906,  pag.  250).  — 

6.  Caude  und  Dobrovici:  5  Todesfälle  nach  Injektionen  mit 
grauem  Oel.  Annales  des  maladies  veneriennes,  Oktober  1906.  — 

7.  Hallopeau:  Sur  un  cas  d’intolerance  idiosyncrasique  ä  l’egard 

du  salicylarsinate  de  mercure.  Journal  des  maladies  cutanees  et 
syphihtiques  1906,  pag.  247.  —  8  .Harttung:  Unglückliche  Zufälle 
bei  Hg-Injektionen.  Dermatol.  Zeitschr.,  Bd.  XIII,  H.  I  .—  9.  Kauf¬ 
mann:  Spezielle  pathologische  Anatomie.  —  10.  Kunkel:  Hand¬ 
buch  der  Toxikologie,  pag.  140.  —  11.  Almkvist:  Ueber  die  Patho¬ 
genese  der  merkuriellen  Kolitis  und  Stomatitis.  Dermatol.  Zeitschr. 
1906,  pag.  835.  12.  Po  11  io:  Ueber  die  Aktion  des  Quecksilbers 

auf  das  syphilitische  Gewebe.  Archiv  f.  Dermatol,  u.  Syphilis,  Bd.  LX, 
pag.  119.  13.  Eise  hei:  Ueber  die  Aktion  des  Quecksilbers  auf 

das  syphilitische  Gewebe.  Versuch  seines  histochemischen  Nach¬ 
weises.  Archiv  f.  Dermatol,  u.  Syphilis,  Bd.  LXI,  pag.  387.  — 
14.  Siebert:  Nochmals  über  die  Aktion  des  Quecksilbers  auf  das 
syphilitische  Gewebe.  Archiv  f.  Dermatol,  u.  Syphilis,  LXV1I. 
pag.  271  u.  Bd.  LXXV,  pag.  213.  —  15.  Justus:  Die  Aktion  etc. 
Archiv  f.  Dermatol,  u.  Syphilis,  Bd.  LVII;  Bd.  LXX,  pag.  645; 
Bd.  LXXV,  pag.  203.  —  16.  Kassai:  Ueber  die  Aktion  etc.  Archiv 
f.  Dermatol,  u.  Syphilis,  Bd.  LXII,  pag.  351.  —  17.  Bockhart: 
Ueber  die  Aetiologie  und  Prophylaxe  der  merkuriellen  Stomatitis  und 
Proktitis.  Monatsh.  f.  prakt.  Dermatol.,  Bd.  XXXIV,  pag.  1.13.  — 
18.  R  o  1 1  y  und  Liebermeister:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Ursachen  der  Abtötung  von  Bakterien  im  Dünndarm 
D.  Archiv  f.  klin.  Med.  1905,  Bd.  LXXXIII,  pag.  448.  —  19.  Runge- 
Lehrbuch  der  Gynäkologie,  1903,  pag.  82.  —  20.  Döderlein- 
Kroeni  g:  Operative  Gynäkologie,  1905,  pag.  19.  —  21.  K  a  t  s  u  r  a: 
Uebei  den  Einfluss  der  Quecksilbervergiftun,g  auf  die  Darmbakterien. 
Zentralbl.  f.  Bakteriol.  1900,  pag.  359.  —  22.  Tomasczewski' 
Quecksilberexantheme  und  Quecksilberidiosynkrasie.  Zeitschr.  f. 
klin.  Med.,  Bd.  LI,  H.  5  u.  6.  —  23.  Schnabel:  Beitrag  zur  In¬ 
jektionstherapie  bei  Syphilis.  D.  med.  Wochenschr.  1904,  pag.  1893.  — 

24.  Thimm:  Vasenol  etc.  Dermatol.  Zeitschr.  1904,  pag.  543.  — 

25.  Lengefeld:  Ueber  Vasenol.  Dermatol.  Zentralbl.  1905, 
pag.  198.  —  26.  Olshausen:  Argyrie  -nach  äusserlicher  Behandlung 
mit  Höllensteinlö'sung.  D.  med.  Wochenschr.  1893,  pag.  1206.  — 
27.  v.  Scott-Snyden:  1  ödliche  akute  Hg-Vergiftung.  Referat: 
Wiener  klin.  Wochenschr.  1905,  pag.  439.  —  28.  Vogeler:  Zur  Be¬ 
handlung  der  Syphilis  mit  subkutanen  Kalomelinjektionen.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1890,  No.  41. 


Zur  Frage  des  Blutnachweises  in  den  Fäzes.*) 

Erwiderung  auf  den  Artikel  von  Dr.  Max  Fraenkel  in 
Hamburg  in  No.  33  dieser  Wochenschrift. 

Von  Dr.  Hermann  Friedrich  Grünwald  in  Wien. 

Vor  kurzem  von  meinem  Urlaube  zurückgekehrt,  komme  ich 
erst  jetzt  dazu,  auf  obengenannten  Artikel  zu  erwidern: 

1.  In  der  Regel  werden  wohl  überall  —  bei  uns  immer  —  die 
Proben  vom  Arzte  selbst  ausgeführt;  sollten  sie  aber  wirklich  dem 
Wartepersonal  überlassen  werden,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dass 
dieses  dann  so  geschult  und  intelligent  ist,  dass  man  es  auch  an- 


*)  Vergl.  Zentralbl.  f.  innere  Med.  1907,  No.  4. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2141 


standlos  mit  Zyankalium  arbeiten  lassen  darf.  Keinesfalls  kann  dieser 
Einwand  Fraenkels  als  stichhaltig  anerkannt  werden. 

2  Die  Schichtdicke  der  spektroskopisch  untersuchten  Flüssigkeit 
anzugeben  war  kein  Grund  vorhanden,  da  immer,  wie  wiederholt  er¬ 
wähnt,  mit  Eprouvetten  gearbeitet  wurde,  die  wohl  überall  annähernd 
den  gleichen  Durchmesser  haben;  die  Art  des  Spektroskops  ist  wohl, 
wenn  man  überhaupt  ein  gutes  Instrument  verwendet,  völlig  irrele¬ 
vant;  es  wurde  übrigens  ein  Browningsches  Taschenspektro¬ 
skop  verwendet.  ...... 

3.  Unter  zeitraubend  versteht  man  wohl,  dass  die  Anstellung 
der  Probe  selbst,  i.  e.  die  Manipulation  mit  derselben,  längere  Zeit  in 
Anspruch  nimmt;  nach  Fraenkels  eigenen  Angaben  braucht  man 
zur  Schümm  sehen  Modifikation  der  Weber  sehen  Probe  10  bis 
15  Minuten;  die  Anstellung  der  Zyankaliumprobe  erfordert  wenige 
Augenblicke:  denn  die  2  Stunden,  die  man  sie  ruhig  stehen  lassen 
soll,  können  wohl  schwerlich  als  Arbeitszeit  gerechnet  werden. 

’  4.  Die  Färbung  „braungelb  mit  einem  starken  Stich  ins  grüne“, 
also  nicht  blau  oder  grün,  die  Fraenkel  bei  stärkeren  Ver¬ 
dünnungen  bei  Anstellung  der  einfachen  Weber  sehen  Probe  er¬ 
hielt,  wurde  ja  nicht  nur  von  ihm,  sondern  u.  a.  auch  von  Schümm 
und  auch  von  mir  erhalten;  gerade  das  Unsichere  dieser  Farben¬ 
nuance  ist  es,  was  diese  Probe  in  diesem  Falle  unverlässlich  er¬ 
scheinen  lässt. 

5.  Die  Empfindlichkeit  der  Schummschen  Modifikation  habe 
ich  nie  angezweifelt,  die  Vergleiche  beschränkten  sich  auf  die  ein¬ 
fache  Weber  sehe  Probe.  Hiebei  wurde  die  oben  geschilderte  Fär¬ 
bung  selbstredend  nicht  als  deutlich  positiv  angesprochen. 

6.  Fraenkel  scheint  eine  Vorschrift  nicht  beobachtet  zu 
haben:  er  mischte  —  bei  der  Hämochromogenreaktion  —  3  g  gut 
verrührten  Stuhles  mit  10  g  15  proz.  Natronlauge  und  einigen  Tropfen 
Schwefelammonium  und  filtrierte  nach  5  Minuten.  Es  soll  dagegen, 
wie  ich  das  immer  tat  und  in  meiner  Arbeit  auch  erwähnt  habe,  dass 
Schwefelammonium  nach  dem  Filtrieren,  unmittelbar  vor  der 
spektroskopischen  Untersuchung  zugesetzt  werden. 

7.  Ich  habe  auf  mein  Verfahren  eine  quantitative  Bestimmung  der 
Blutmenge  nicht  aufgebaut,  sondern  nur  auf  die  Möglichkeit  einer 
ungefähren  Schätzung  hingewiesen. 

8.  Bei  der  Zyankaliumprobe  wird  das  Blut  durchaus  nicht  als 
Zyanhämoglobin  spektroskopisch  festgestellt;  wohl  hielt  Preyer 
den  entstehenden  Körper  für  Zyanhämoglobin,  doch  steht  es  wohl 
fest,  dass  diese  Bezeichnung  falsch  ist;  das  entstehende  Produkt  hat 
eine  bisher  unbekannte  Konstitution  und  leitet  sich  jedenfalls  vom 
Hämatin,  nicht  vom  Hämoglobin  ab. 

9.  Der  Zusatz  von  Essigsäure  bei  Anstellung  der  Guajakprobe 
in  wässeriger  Lösung  mag  überflüssig  sein,  ist  aber  keinesfalls  ein 
störender  Fehler.  Uebrigens  wurden  auch  Kontrollversuche  ohne 
Essigsäure  angestellt,  die  das  gleiche  Resultat  ergaben.  Eine  dritte 
Prüfung  war  die  in  alkalischer  Häminlösung,  so  dass  die  doppelt 
verifizierten  Resultate  wohl  nicht  anzuzweifeln  sind. 

10.  Eine  Ueberlegenheit  der  Zyankaliumreaktion  gegenüber  der 
Hämochromogenreaktion  habe  ich  nie  behauptet:  ich  habe  im  Gegen¬ 
teil  gezeigt,  dass  beide  Proben  völlig  gleiche  Empfindlichkeit 
haben;  deswegen  habe  ich  auch  der  Zyankaliumprobe  nicht  den 
Vorzug  gegeben,  sondern  sie  der  Hämochromogenreaktion  gleich¬ 
gestellt;  zur  Sicherheit  und  als  Kontrollreaktion  empfahl  ich  das 
Ueberführen  des  einen  Spektrums  in  das  andere,  welcher  Vor¬ 
schrift  Fraenkel  mit  dem  gleichen  Resultate  wie  ich  nachge¬ 
kommen  ist.  Damit  hatte  ich  gleichzeitig  die  chemische  Verschieden¬ 
heit  beider  Reaktionen  nachgewiesen,  während  frühere  Autoren  (s. 
meine  Originalarbeit)  sie  für  identisch  hielten. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen  Kranken¬ 
hauses  München  r/I.  (Direktor:  Hofrat  Dr.  'Brunner). 

Versuche  über  Händedesinfektion  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  von  Heusner  empfohlenen  Jod¬ 
benzinmethode. 

Von  Dr.  Max  Gras  mann,  I.  Assistent  der  Abteilung. 

(Schluss.) 

IV.  Jod-Benzinmethode  nach  Heusner. 

Wenn  wir  durch  unsere  Versuche  erfahren,  dass  es  uns 
trotz  langer  und  intensiver  mechanischer  und  chemischer  Des¬ 
infektion  nicht  oder  nur  in  Ausnahmefällen  gelingt,  unsere 
Hände  keimfrei  zu  machen,  so  drängt  sich  uns  unwillkürlich  die 
Frage  auf: 

Welche  Umstände  sind  es,  die  die  Händedesinfektion  gar 
so  schwierig  gestalten? 

Hätte  unsere  Haut  eine  glatte  Oberfläche,  so  wäre  die  Des¬ 
infektion  leicht,  wie  wir  aus  den  Untersuchungen  über  die 
mechanische  Sterilisation  der  Gummihandschuhe  wissen.  So 
aber  besitzen  wir  an  unseren  Händen,  abgesehen  von  den  Nagel¬ 
falzen  und  Unternagelräumen  unzählige  Poren,  Furchen,  Falten 
und  Schrunden,  die  alle  mit  Luft  und  Fettschichten  mehr  oder 


weniger  ausgefüllt  sind.  Luft  und  Fett  lassen  sich  nun  aus 
diesen  Oeffnungen  nicht  so  leicht  entfernen  und  verhindern, 
dass  das  Desinfektionsmittel  überall  ungehindert  Zutritt  er¬ 
langt.  Um  ein  Bild  von  den  Lufträumen  der  Haut  zu  be¬ 
kommen,  dürfen  wir  nur  unsere  Hände  kurze  Zeit  unter  eine 
grössere  Schicht  Aether  halten,  und  wir  werden  an  der  Ober¬ 
fläche  der  Haut  zahlreiche  kleinste  Bläschen  entstehen  sehen  — 
eine  Eigenschaft,  die  hauptsächlich  dem  Aether  zukommt,  näm¬ 
lich  die  Luft  zu  verdrängen;  diese  Eigenschaft  hat  das  Wasser 
nicht  und  nur  in  geringem  Grade  der  Alkohol. 

Dass  das  Fett  nicht  so  leicht  von  der  Haut  zu  entfernen 
ist,  ist  auch  dem  Laien  hinreichend  bekannt. 

Diese  beiden  Materien  —  Luftbläschen  und  Fettschichten  — 
sind  bei  der  Ausführung  der  Händedesinfektion  ein  so  schwierig 
zu  überwindendes  Hindernis,  dass  ich  bezweifeln  möchte,  ob 
es  jemals  gelingen  wird,  diese  beiden  vollkommen  auszu¬ 
schalten. 

In  richtiger  Würdigung  dieser  Faktoren  bei  der  Händedes¬ 
infektion  ging  ich  mit  Freuden  an  die  Versuche  mit  Jodbenzin, 
weil  ich  glaubte,  im  Benzin  das  richtige  Mittel  zu  besitzen,  um 
einerseits  das  Fett  zu  lösen,  anderseits  infolge  seiner  Leicht¬ 
beweglichkeit  die  Luftbläschen  zu  verdrängen  und  ferner  das 
Desinfektionsmittel  an  alle  Stellen  der  Haut  und  damit  wieder 
zu  allen  Keimen  hinzuschaffen.  Den  Zusatz  des  Jodes  zum 
Benzin  hielt  ich  für  eine  glückliche  Kombination.  Die  desinfi¬ 
zierenden  Eigenschaften  des  Jodes  sind  seit  R.  Kochs  grund¬ 
legenden  Versuchen  von  verschiedenen  Autoren  festgestellt 
worden.  Koch  fand,  dass  Milzbrandsporen  nach  24  stündiger 
Einwirkung  einer  reinen  Jodlösung  von  1:5000  abgetötet 
waren.  Spätere  Untersucher  kamen  zu  gleichen  oder  ähnlichen 
Resultaten.  Die  bakteriziden  Wirkungen  des  Jodes  stehen  nach 
den  vorliegenden  Untersuchungen  denen  des  Chlors  und  der 
Quecksilbersalze,  besonders  des  Sublimates  nur  wenig  nach. 

Die  Gründe,  warum  das  Jod  trotz  seiner  guten  desinfi¬ 
zierenden  Wirkung  in  der  Praxis  bisher  nicht  oder  nur  sehr 
wenig  angewendet  wurde,  sind  hauptsächlich  in  seiner  nicht  zu 
unterschätzenden  Giftigkeit  und  in  der  das  Gewebe  intensiv 
reizenden  und  schädigenden  Eigenschaft  zu  suchen.  Erst  in 
jüngster  Zeit  wird  das  Jod  wieder  mehr  verwendet;  abgesehen 
von  der  Anwendung  der  Jodtinktur  zur  Desinfektion  der 
schwer  zu  reinigenden  Nagelräume  wird  es  hauptsächlich  zur 
Sterilisation  des  Katguts  empfohlen. 

Wie  die  neueren  Untersuchungen  zeigen,  besitzen  sehr 
verdünnte  Jodlösungen  die  genannten,  die  praktische  Ver¬ 
wendung  des  Jods  ausschliessenden  Eigenschaften  kaum  mehr. 

Bevor  die  Versuche  mit  Jodbenzindesinfektion  unternommen 
wurden,  musste  zweckmässig  die  bakterizide  Wirkung  einer  2prom. 
Jodbenzinlösung  ermittelt  werden.  Diese  Wurde  nach  den  Angaben 
von  K  r  ö  n  i  g  und  Paul  mit  an  Granaten  angetrockneten  Staphylo¬ 
kokken  bestimmt  mit  der  Modifikation,  dass  die  Granaten  bei  der 
Einwirkung  auf  ein  Mullgazebänkchen  gelegt  wurden,  damit  dem 
Desinfektionsmittel  von  allen  Seiten  bequemer  Zutritt  zu  den  Gra¬ 
naten  möglich  ist. 

Die  Versuchsanordnung  war  demnach: 

1.  Einwirkung  von  0,2  proz.  Jodbenzin  auf  je  5  Stück  Granaten, 
an  welche  Staphylococcus  pyogen,  angetrocknet  waren,  je  5,  10, 
30  Minuten  lang. 

2.  Ausschalten  der  Jodwirkung  mit  0,5  proz.  Thiosulfatlösung  5 
Minuten  lang. 

3.  Auswaschen  von  Thiosulfat  10  Minuten  lang. 

Ergebnis: 

Nach  5  Minuten  langer  Einwirkung  von  Jodbenzin  etc.  waren 
14  160  Keime,  nach  10  Minuten  langer  Einwirkung  8880  Keime  und  nach 
30  Minuten  langer  Einwirkung  1200  Keime  vorhanden. 

Die  Kontrolle  von  5  Granaten,  wobei  nur  2  und  3  ausgeführt 
wurde,  ergab  15  280  Keime. 

Die  Keimverminderung  betrug  also  nach  30  Minuten  Einwirkung 
von  0,2  proz.  Jodbenzin  92,1  Proz. 

Die  von  mir  mit  einer  0,2  proz.  Jodbenzinlösung  erhaltenen 
Resultate  sind  ungünstiger  als  die  Ergebnisse  anderer  Untersucher. 
Der  Grund  liegt  in  der  von  mir  geübten  Ausschaltung  der  Jodwirkung 
am  Schlüsse  des  Versuches;  dadurch  wird  nicht  nur  verhindert,  dass 
Jod  auf  die  Nährböden  übertragen  wird,  sondern  es  wird  auch 
die  entwicklungshemmende  Wirkung  des  bereits  mit  den  Bakterien 
in  Bindung  getretenen  Jodes  aufgehoben. 

Heusner  verwendet  eine  Lösung  von  1  Jod  auf  1000  Benzin. 
Für  jeden  Beteiligten  wird  eine  desinfizierte  Porzellanschüssel  mit 
je  200  g  (ca.  300  ccm)  Jodbenzin  aufgestellt.  Hiernit  wer¬ 
den  die  Hände  ohne  vorhergehende  Wasserbenützung  _  5  Mi- 
I  nuten  lang  gebürstet,  während  die  Haut  des  Patienten  meist  nicht 


2142 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43 


mit  der  Bürste,  sondern  mit  Gazelappen  bearbeitet  wird.  Nach  voll¬ 
endeter  Waschung  wird  in  einer  frischen  Schüssel  mit  Jodbenzin  eine 
letzte  Abspülung  und  Abreibung  mit  Gazetupfern  vorgenommen 
Schliesslich  werden  die  Hände  wie  auch  die  Haut  des  Patienten  im 
Operationsgebiet  mit  einer  2  prom.  jodhaltigen  Vaseline  eingerieben. 

Heusner  bemerkt,  dass  in  dieser  Verdünnung  das  Jod  die 
rltiut  nicht  reizt,  es  tritt  nur  eine  unbedeutende  bräunliche  Huutver- 
farbung  ein,  die  sich  nach  kurzer  Zeit  von  selbst  wieder  verliert.  Die 
Geiahr  einer  Erkrankung  durch  Einatmung  von  Jod  besteht  bei  den 
geringen  Quantitäten,  welche  für  die  Desinfektion  verbraucht  wer¬ 
den,  nicht. 

Untersuchung  des  Urins  der  Beteiligten  hat  keine  Jodreaktion  er¬ 
geben. 

c,  .Bakterienversuche,  die  Prosektor  Dr.  Markwald  mit  einer 
Amlösung  von  2  Teilen  Jod  auf  1000  Benzin  vornahm,  haben  zu  ähn¬ 
lichen  Resultaten  geführt,  wie  sie  Kinnamann  bezüglich  seiner 
gleichstarken,  wässerigen  Jod-Jodkaliumlösung  gefunden  hat,  die 
Streptokokken  und  Staphylokokken  in  wenigen  Minuten  abtötete. 

Systematische  Versuche  wurden  weder  von  Heusner  bekannt 
gegeben,  noch  konnte  ich  in  der  Literatur  Nachprüfung  des  Ver¬ 
fahrens  finden.  Heusner  berichtet,  dass  er  seit  Jahren  vor  allen 
grosseren  Operationen  Abimpfungen  habe  vornehmen  lassen  in  der 
LM  .eise> ,  dass  ein  kleines  Gazestückchen  zu  einem  erbsengrossen 
Klümpchen  geballt,  energisch  über  die  gefährdetsten  Stellen  der  Hände, 
namentlich  die  Nagelfalze  hin  und  her  gerieben  und  dann  in  Bouillon 
mit  Gelatine  gebracht  wurde:  Nach  einer  Zusammenstellung  des  Herrn 
Dr.  Markwald  ergab  sich  bei  der  alten  Desinfektionsmethode. 
Heisswasser  Spiritus  und  Sublimat  bei  100  Untersuchungen  52  mal 
\  ö  liges  kehlen  der  Keime,  48  mal  fanden  sich  ein  oder  mehrere 
Keime.  Bei  dem  neuen  Verfahren  stellten  sich  die  entsprechenden 
Zahlen  auf  77  gegen  23.  Dabei  war  die  Anzahl  der  gefundenen  Keime 
durchgehends  weit  geringer. 

Meine  Versuchsanordnung  war: 

.  Nach  Kürzung  der  Nägel  auf  2—3  mm  nach  dem  Vorschläge  von 
Ha  gl  er  und  Reinigung  der  Unternagelräume  und  Nagelfalze  vom 
sichtbaren  Schmutz  wurden  nach  Befeuchten  der  Hände  mit  5  ccm 
sterilem  Wasser  die  Hände  samt  Unternagelräumen  und  Nagelfalzen 
mit  sterilen  Hölzchen  abgeschabt.  Die  Hände  waren  nach  dieser  Zeit 
wieder  vollkommen  trocken.  Nun  folgte  die  eigentliche  Desinfektion 
mit  300  ccm  1  prom  .Jodbenzin  5  Minuten  lang,  darauf  nochmals  mit 
Tiischei  Losung  Durchwaschen  beider  Hände,  hierauf  wurde  das  Jod 
durch  i  proz.  ThiosulfatJäsung  entfernt,  5-7  Minuten  lang,  dann  die 

7  Minute n^ langri  6S  Wasser’  resp-  0,1  proz-  Natronlauge  aufgeweicht, 

Statt  des  Benzins  des  Handels,  das  wahrscheinlich  Heusner 

S^tZtA’  ^endD6x1C,1  das  Benzij?  Petrolei  des  deutschen  Arzneibuches 

'au0cT.  Aetber  I  etrolei  genannt)  mit  einem  Siedepunkt  von  50  bis 
/u  L-/  an. 


Versuchs¬ 

personen 

Primärer 

Keimgehalt 

Keimgehalt  der 
Hände  nach 
Einwirkung  des 

Jodbenzins 

Keimgehalt  der 
Hände  nach  Ent- 
fernungdesjodes 
durch  Thiosulfat- 
lsg.  u.  Waschen 
der  Hände  in 
sterilem  Wasser 
7  Min.  lang 

Keimgehalt  der 
Hände  nach  Ent- 
fernungdesjodes 
durch  Thiosulfat- 
Isg.  u.  Waschen 
der  Hände  in 
3,1  proz.  Natron¬ 
lauge  7  Min.  lang, 

1 

Riegl 

6  720 

2 

162 

2 

Niedermeier 

15  300 

0 

o 

3 

Scharfenberger 

63  800 

10 

2 

4 

Bayer 

48  960 

3 

210 

5 

Seitz 

7  920 

2 

160 

6 

Kohlschmidt 

190  080 

0 

3 

7 

Mehrl 

7  680 

0 

5 

8 

Seitz 

7  440 

2 

540 

9 

Ernst 

14  160 

1 

140 

10 

Jodel 

249  600 

0 

180 

*1 

Palme 

75  840 

0 

190 

12 

Bode 

17  280 

2 

1  50 

13 

Sepperl 

23  040 

0 

?20 

14 

Danne r 

69  120 

0 

SO 

15 

Müller  I 

161  280 

_ 

4«n 

16 

Girstonbräu 

31  680 

— 

_ 

100 

Proz. 

97.6 
100 

99.9 

99.6 

97.9 

99.9 

99.9 

92.7 

98.9 

99.9 

99.6 
99,1 

99.8 
99,0 

99.7 
99,6 

Aus  diesen  Versuchsreihen  ergeben  sich  folgende  Resultat-- 
L  Von  den  feuchten,  unvorbereiteten  Tageshänden  können  bei 
allen  Versuchspersonen  mittels  steriler  Hölzchen  sehr  zahlreiche 
Keime  entnommen  werden. 

2-  Nach  Desinfektion  der  Hände  mit  Jodbenzin  lassen  sich  von 
der  entfetteten,  trockenen  Haut  nur  vereinzelte  Keime  gewinnen 

der  in  f  ialtUMdeS  J°des  mit  Thiosulfatlösung  und  Baden 

der  Hände  in  sterilem  Wasser,  resp.  0,1  proz.  Natronlauge  können 
\  on  den  mazerierten  Händen  mehr  oder  weniger  Keime  abgeschabt 
werden,  nur  einmal  blieb  die  Platte  steril.  ^esenant 

09  7  pr?je  Keimverminderung  beträgt  unter  16  Versuchen  einmal 

einmal  100  PkS™  9/’  Clnmal  U‘ber  98’  elfmal  über  99  Proz., 

rnK^r?Hhfnem  Jodbenzin  so  günstige  Resultate  erzielt  hatte, 

L  and  1,11  rni'-11  die  krage,  welchem  Komponenten,  ob  dem  Benzin 


oder  dem  Jod  der  günstige  Effekt  zuzuschreiben  ist.  Dass  die 
0,1  proz.  Jodlösung  innerhalb  7  Minuten  eine  solche  Desinfektions¬ 
wirkung  entwickeln  sollte,  war  nach  den  Resultaten,  die  ich  bei  der 
Prüfung  der  bakteriziden  Wirkung  einer  0,2  proz.  Jodbenzinlösung  ge¬ 
wonnen  hatte,  nicht  möglich.  Zur  Klärung  der  Frage  liess  ich  die 
Hände  mit  Benzin  waschen.  Die  Versuchsanordnung  war  die  gleiche, 
wie  bei  Jodbenzin,  nur  fiel  die  Waschung  mit  Thiosulfatlösung  weg. 


Versuchs¬ 

personen 

Primärer 

Keimgehalt 

Keimgehalt  nach  Keimgehalt  nach 

Waschung  der  Bad.  d.  Hände  in 
Hände  m.  Benzin  0,1  proz.  Natron- 
und  Bürste  llauge  7  Min.  lang 

Keim¬ 

verminderung 

1 

Ernst 

60  960 

6 

55 

Proz. 

99,9 

2 

Dalmeier 

41  280 

1 

28 

99,9 

3 

Guggenberger 

59  640 

0 

48 

99,9 

4 

Dorner 

232  320 

0 

38 

99,9 

5 

Mayer 

192  000 

0 

85 

99,9 

Die  Resultate  der  Waschung  der  Hände  mit  Benzin  sind  über¬ 
raschend  gute.  Ich  erzielte  in  allen  5  Versuchen  99,9  Proz.  Koim- 
verminderung.  Aus  diesen  Versuchen  ergibt  sich,  dass  der  gute 
Effekt  bei  der  Jodbenzinmethode  nicht  dem  Jod,  sondern  hauptsächlich 
dem  Benzin  zuzuschreiben  ist.  Dass  das  Jod  in  der  Praxis,  wobei 
ja  das  Jod  nach  der  Waschung  nicht  entfernt  wird,  von  gutem  Ein- 
fluss  ist,  kann  nicht  in  Zweifel  gezogen  werden. 

Wie  ist  nun  die  hohe  Desinfektionswirkung  des  Jod- 
benzins  zu  erklären? 

Aus  meinen  Ergebnissen  muss  ich  schliessen: 

Das  Benzin  wirkt  fettlösend,  luftverdrängend,  die  Epi- 
dermisschüppchen  lockernd  und  mit  den  Keimen  wcgschwem- 
mend  und  ermöglicht  so  dem  gleichzeitig  zugesetzten  Jod  den 
Zutritt  zu  den  tiefer  gelegenen  Keimen. 

Ein  sehr  grosser  Nachteil  der  Jodbenzinmethode  ist  ihre 
Feuergefährlichkeit.  Für  den  praktischen  Arzt,  sowie  für  das 
niederärztliche  Personal,  Hebammen  und  Bader,  macht  dieser 
Umstand  die  Methode  unbrauchbar. 

Wie  bedeutend  die  Gefahren  sind,  welche  die  Verwendung 
des  Benzins  durch  seine  leichte  Entzündlichkeit  und  Explosions¬ 
fähigkeit  mit  sich  bringt,  ist  aus  Mitteilungen  der  chemischen 
Fabrik  Griesheim-Electron  zu  entnehmen.  Innerhalb  13  Mo¬ 
naten  konnten  aus  deutschen  Zeitungen  88  leichte,  10  schwere 
bi andverletzungen  und  25  Todesfälle  gesammelt  werden. 

ln  Anbetracht  dieser  Tatsachen  glaube  ich,  die  Gefahr  der 
Verwendung  von  Benzin  nicht  allzu  gering  anschlagen  zu 
dürfen. 


Ich  war  deshalb  bestrebt,  ein  Ersatzmittel  für  Benzin  zu 
finden. 


Hen  Oberapotheker  Dr.  Rapp,  der  mich  bei  meiner  Arbeit  stets 
in  zuvorkommendster  Weise  unterstützte,  machte  mich  auf  Benzino- 
loim  aufmerksam,  das  zum  Ersatz  für  Benzin  als  Fleckenreinigun  rs- 
mittel  in  neuerer  Zeit  sehr  empfohlen  wird. 

Das  Benzinoform  ist  Tetrachlorkohlenstoff,  hat  seiner  chemischen 
Zusammensetzung  entsprechend  die  Formel  CCb.  Es  ist  eine  farblose 
wasserklare  Flüssigkeit  mit  einem  eigentümlichen  Gerüche.  Es  ist 
nicht  brennbar  und  nicht  explosiv;  sein  spezifisches  Gewicht  ist  1,6* 
der  Siedepunkt  liegt  bei  +77°  C.  Tetrachlorkohlenstoff  lässt  sich 
gleich  dem  Benzin  mit  Aether  und  Alkohol  leicht  mischen,  im  Wasser 
'st  dagegen  nicht  löslich.  Das  Lösungsvermögen  des  Benzinoforms 
tur  Fett  ist  nach  meinen  orientierenden  Versuchen  das  gleiche  wie  das 
des  Benzins. 


mui  erneuern  giauoie  icu  im  tsenzinotorm  ein  gutes  Ersatzmittel 
für  Benzin  gefunden  zu  haben.  Ich  verwendete  nun  analog  dem  Jod- 
benzin  0,1  proz.  Jod-Benzinoform,  eine  violette  Flüssigkeit. 

I  ic  Vei  Suchsanordnung  war  die  gleiche  wie  bei  Jodbenzin. 


3 
o  , 


l'  '  _ 

S.S-gsS-S.ö 

j=:  ^  S  c£  ^ 

W  cj  •  O  “ 

.2  cd  73 


•  cZ 

T-  N  „i 

«  8  ST 


Löll 

Kohnle 

Kohnle 

Wenzel 

Müller  II 

Harter 


90  240 
120  960 
30  240 
16  800 
167  040 
51  840 


2 

9 

6 


380 
120 
1  680 


1 


6 

065 

10 


£  bj) 
u  e 

£  3 
>  i- 

3  o 
.3  73 
<U 
* 


Proz. 

99,5 

99,9 

94.8 

99.9 

98.7 

99.8 


Die  Keimverminderung  beträgt  unter  6  Versuchsreihen  einmal 
94,8,  einmal  98,7  und  viermal  über  99  Proz. 

Die  Resultate  sind  gleich  günstig  wie  bei  Jodbenzin. 
Reizungserscheinungen  der  Haut  durch  das  Waschen  mit  Jod- 
benzinoform  konnte  ich  weder  an  meinen  Händen  noch  an  den 
Händen  meiner  Versuchspersonen  beobachten. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2143 


Der  Preis  des  Kilo  Benzinoforms,  Marke  chemische  Fabrik 
Griesheim-Electron  ist  der  gleiche  wie  der  des  Benzins  der 

^  Nachdem  ich  meine  Versuche  bereits  abgeschlossen  hatte, 
erschien  in  der  deutschen  Zeitschrift  für  Chirurgie  April  1907 
eine  kurze  Abhandlung  von  Heusner,  in  welcher  er  weitere 
Erfahrungen  und  Verbesserung  seiner  Jodbenzinmethode 

Die  Waschflüssigkeit  besteht  jetzt  aus  einer  Lösung  von  l  g 
Iod  ta  750  g  Benzin  und  250  g  Paraffinöl  Die  Zumischung  von  A 
Para  finöl  erfolgt,  da  es  sich  herausgestellt  hat,  dass  durch  das  Jod¬ 
benzin  eine  zu  starke  Entfettung  der  Haut,  bei  zarter  Haut  zuweilen 
auch  Reizerscheinungen  veranlasst  werden.  Für  jeden  bei  der  Ope- 
rabon  Beteiligten  wird  V*  Liter  der  Desinfektionsflussigkeit  in  eine 
Porzellanschüssel  (reKossen,  worin  er  sich  mit  Bürste  und  rauhem 
HandtuchlaDOen  die  Hunde  5  Minuten  lantr  abreibt.  Er  berichtet  ferner, 

dass  er  seit” EinfühninK  der  Jodbenzinmethode  in  75  neuerdmss  soear 
in  sn  Proz  der  Impfungen  Keimfreiheit  der  Hände  erzielte.  D 
Abimpfmethode  besteht  in  Abreibung  der  Haut  und  Nagelfalze  mit 
Gazebäuschchen.  .  ,  _  ...  ,. _ 

Die  Jodbenzinparaffinölmischung  ist  eine  fettige,  glitschige 
Flüssigkeit.  Bringt  dieser  Umstand  die  von  manchen  Chirurgen 
als  Nachteil  empfundene  Notwendigkeit  mit  sich,  bei  den  Ope¬ 
rationen  leinene  Handschuhe  zu  tragen  (denn  trotz  Abreibens 
der  Hände  mit  einem  rauhen  Tuch  nach  der  Desinfektion  wie 
Heusner  vorschlägt,  bleibt  die  Hand  rutschig  und  glitschig), 
so  waren  für  mich  andernteils  die  günstigen  Desinfektions¬ 
resultate  auffallend,  und  standen  mit  meinen  Versuchen  in 
Widerspruch.  Ich  musste,  wie  oben  ausgeführt,  die  günstigen 
Desinfektionsresultate  bei  der  Jodbenzinmethode  hauptsächlich 
der  mechanischen  Wirkung  des  Benzins  zuschreiben.  Durch 
den  Zusatz  von  Paraffinöl  verliert  die  Flüssigkeit  ihre  wich¬ 
tigste  und  notwendigste  Eigenschaft,  fettlösend  und  luftver¬ 
drängend  zu  wirken.  ,  ,  „  ,  ,  .  ,, 

Mit  grösstem  Interesse  machte  ich  deshalb  noch  drei  Ver¬ 
suchsreihen,  um  über  den  Desinfektionswert  der  Jodbenzin- 
Paraffinöl-Mischung  orientiert  zu  sein. 


Meine  Versuchsanordtiung  war: 

Nach  Kürzung  der  Nägel  etc.,  feuchtes  Abschaben  der  Hände 
samt  Unternagelräume  und  Nagelfalze  5  Minuten  lange  Waschung  der 
Hände  mit  Bürste  und  300  ccm  1  prom.  Jodbenzin-Paraffinol-Mischung, 
nochmaliges  Durchwaschen  der  Hände  mit  frischer  Lösung  und  sterilen 
Tupfern,  hierauf,  in  Versuch  1  und  2,  Entfernung  des  Paraffinols  mit 
Benzin  und  Tupfern  2  Minuten  lang,  dann  Baden  der  Hände  in  1  proz. 
Thiosulfatlösung  4  Minuten,  Waschen  der  Hände  in  0,1  proz.  Natron¬ 
lauge  7  Minuten  lang. 


Versuchs¬ 

personen 

Primärer 

Keimgehalt 

Keimgehalt  der 
Hände  nach  der 
Waschung  mit 
Jodbenzin- 
Paraffinölmisch 

Keimgehalt  nach 
Baden  derHände 
inThiosulfatlösg. 
und  0,1  proz. 
Natronlauge 

Keim¬ 

verminderung 

Proz. 

1 

Mayer  X. 

40  320 

1  080 

15  840 

60,7 

2 

Stadler 

149  760 

— 

12  720 

91,5 

3 

Wimmer 

97  920 

— 

5  2S0 

94,6 

Die  Keimverminderung  mit  der  Jodbenzin-Paraffinöl- 
Mischung  beträgt  in  3  Versuchsreihen  60,7,  91,5  und  94,6  Proz. 
Die  Resultate  sind  unvergleichlich  schlechter  als  mit  Jod¬ 
benzin,  ein  neuer  Beweis  für  die  Richtigkeit  meiner  Erklärung 
der  Wirkungsweise  des  Jodbenzins. 


Schlussfolgerung. 

Fasse  ich  die  Resultate  meiner  Untersuchungen  zusammen, 

so  fand  ich:  . 

Die  Händedesinfektionsmethode  mit  der  Aljtohol- 
Aether-Sal  peter  säure-Mischung  nach  Schum¬ 
berg  ist  zwar  eine  sehr  einfache,  schnelle  und  schonende, 
es  bleibt  jedoch  der  Desinfektionseffekt  weit  hinter  den  andern 
von  mir  geprüften  Methoden  zurück. 

Der  Keimgehalt  der  Hände  nach  der  Desinfektion  ist  ein 
sehr  grosser,  die  Keimverminderung  ist  zwar  eine  relativ  hohe, 
wofür  der  Grund  in  der  Beschaffenheit  der  Hände  meiner  Vei- 
suchspersonen  zu  suchen  ist. 

Die  bei  uns  geübte  modifizierte  Fürbringer- 
sche  Methode  liefert  nach  gründlicher  Entfernung  des 
Seifenspiritus  vor  der  Sublaminwaschung  gute  Resultate;  die 
Keimverminderung  beträgt  in  2  Versuchsreihen  über  99  Proz. 
Allein  der  Zeitverbrauch,  über  20  Minuten,  ist  ein  grosser;  die 


Methode  ist  ziemlich  umständlich,  und  endlich  stellt  das  lange 
Bearbeiten  der  Hände  mit  Bürste  hohe  Anforderungen  an  die 
Widerstandsfähigkeit  der  Haut. 

Das  Ergebnis  der  Händewaschung  mit  Sublamin- 
alkohol  nach  Engels  ist  sehr  günstig;  in  9  Versuchen 
erzielte  ich  dreimal  über  98,  fünfmal  über  99  Proz.  Keim¬ 
verminderung. 

Das  Jodbenzin  nachHeusner  ergab  noch  bessere 
Resultate;  ich  erhielt  in  16  Versuchsreihen  zweimal  über  97, 
einmal  über  98  und  elfmal  über  99  Proz.  Keimverminderung, 
einmal  sogar  Sterilität  der  Hände. 

Welcher  von  beiden  Methoden  eine  grössere  bakterizide 
Wirkung  zukommt,  kann  ich  nicht  entscheiden,  da  die  Ver¬ 
suche  nicht  in  gleich  grosser  Anzahl  gemacht  wurden  und  aus 
kleinen  Unterschieden  ein  Schluss  nicht  gezogen  werden  kann. 

Zu  einer  brauchbaren  Desinfektionsmethode  gehört  aber 
nicht  nur  eine  gute  bakterizide  Wirkung,  sondern  die  Methode 
darf  auch  unsere  Hände  möglichst  wenig  angreifen.  Dass  die 
Anwendung  des  Sublaminalkohols  mittels  Bürste  die  Hände 
wenigstens  unsere,  sonst  nicht  empfindlichen  Hände  so 
reizt,  dass  eine  wiederholte  Waschung  ausgeschlossen  ist,  habe 
ich  bereits  oben  erwähnt.  Ob  die  Hände  die  ständige  Wa¬ 
schung  mit  Sublaminalkohol  und  Flanellappen  vertragen, 
möchte  ich  nach  meiner  Erfahrung  in  Zweifel  ziehen. 

Bei  Anwendung  des  Jodbenzins  konnten  wir  an  unseren 
Händen  Reizerscheinungen  nicht  beobachten,  auch  die  Hände, 
die  auf  Waschung  mit  Sublimat  und  selbst  mit  Sublamin  mit 
Ekzem  reagierten,  vertragen  das  Jodbenzin  seit  einem  Jahre 
sehr  gut.  Wir  verwenden  allerdings  auf  die  Pflege  unserer 
Hände  grosse  Sorgfalt  und  führen  der  Haut  das  entzogene  Fett 
durch  Salben  reichlich  zu. 

Ausser  der  guten  Desinfektionswirkung  und  der  von  uns 
beobachteten  Reizlosigkeit  bietet  die  Jodbenzinmethode  noch 
weitere  Vorteile,  nämlich:  Einfachheit  und  Einheitlichkeit  und 
kurzen  Zeitverbrauch,  Vorteile,  die  vor  allem  für  den  piak- 
tischen  Arzt  und  den  Kriegschirurgen,  sowie  für  das  nieder¬ 
ärztliche  Personal,  die  Hebammen  und  Bader  in  Betracht 
kommen,  aber  auch  für  den  klinischen  Betrieb  nicht  ohne  Be¬ 
deutung  sind.  . 

Der  allgemeinen  Anwendung  des  Jodbenzins  steht  aber 
seine  nicht  zu  unterschätzende  Feuergefährlichkeit  hindernd 
im  Wege.  Das  aus  diesem  Grunde  von  mir  zum  Ersatz  von 
Benzin  empfohlene  Benzinoform  vermeidet  diesen  Uebelstand. 

Auf  Grund  meiner  Untersuchungen  möchte  ich  für  die 
Praxis  zur  Händedesinfektion  0,1  proz.  Jod- 
benzinoform  empfehlen.  Es  besitzt  sehr  gute  Desinfek¬ 
tionswirkung,  ist  reizlos  für  die  Haut,  die  Methode  ist  einheit¬ 
lich,  sehr  einfach,  schnell  und  ungefährlich. 

Ueber  weitere  Erfahrungen  mit  0,1  proz.  Jodbenzinoform 
werde  ich  später  berichten. 


Literatur: 

Ahlfeld:  1.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1895,  No,  51;  2. 
ebenda  1896,  No.  6;  3.  ebenda  1897,  No.  8;  4.  Zeitschr.  f.  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie,  1898,  Bd.  38,  H.  3  und  1899,  Bd.  41,  H  l;  5.  Zen¬ 
tralblatt  für  Gynäkologie  1894,  No.  47  und  52.  —  Claudius.  Me¬ 
thode  zur  Sterilisation  des  Katguts.  Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie, 
Bd.  64.  —  Dö  der  lein:  Die  Bakterien  aseptischer  Operations¬ 
wunden.  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  26.  —  Engels:  Die 
Desinfektion  der  Hände.  Jena  1905.  —  F  ü  r  b  r  i  n  g  er:  Unter¬ 
suchungen  und  Vorschriften  über  die  Desinfektion  der  Hand-  des 
Arztes.  Wiesbaden  1888.  —  Fromme  und  G  a  w  r  o  n  s  k  y:  Ueber 
mechanische  Sterilisation  der  Gummihandschuhe.  Munch,  med.  Wo¬ 
chenschrift  1904.  No.  40.  —  G  e  p  d  e  r  t:  1.  Deutsche  med.  Wocrenschr. 
1891,  No.  25:  2.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1889.  No.  36  und  37. 
Göbel:  Ueber  die  desinfizierenden  Eigenschaften  L  u  go  1  -,nd' 

lösungen.  Zentralbl.  f.  Bakteriol.,  I.  Abt.,  Bd.  47,  H.  1,  1906. 

Hä  gl  er:  Händereinigung,  Händedesinfektion  und  Handeschntz. 
Basel  1900.  Heusner:  1.  Ueber  Jodbenzindesinfektion.  Zentralbl. 
f  Chir.  1906,  No.  8;  2.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir  1907.  Bd.  87. 
H.  4— 6.  —  Krönig  und  Blumberg:  Münch  med.  Wochenschr. 
1900,  No.  29  u.  30.  —  Krönie  und  Paul:  ZeiDUir.  f.  Bvomne. 
Bd.  25.  1897.  —  v.  M  i  k  u  1  i  c  z:  Die  Desinfektion  der  Um’  ’jV1  ^  ' 
mittelst  Seifenspiritus.  Deutsche  med.  Wochenschr  1899  No  - 
Martina:  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir..  Bd.  70.  —  Pa«1  '  ^  -  a 
vev:  Exoerimentaluntersucbunpen  über  Handedesm  -  m  •  • 

Münch,  med  Wochenschr.  1899.  No.  49.  51:  2.  ebenda  19  •  -  • 

28,  29,  30:  3.  ebenda  1901.  No.  12.  37.  38.  • —  S  a  r  v_e  •  __ 

logische  Untersuchungen  über  Händedesinfektion.  Berlin  )  • 


2144 


Chi?..' Bdb»,rH.:  l!T906Che  “ber  Händedesinfektion-  Archiv  f»r  klin. 
- - 

E.  Hitzig. 

Professor*  v  /'■  verstfrb  in  st-  Blasien  der  ordentliche 

Psychiatrie  an  der  Universität  Halle-Wittenberg 

ta  sein!  vnVehe'-V  Dr-„E-  nitzig  "ach  la"sen,  Leiden 
m  s^nem  70 .  Lebensjahre.  Hitzig  hatte  schon  im  Jahre  1903 

seine  Tätigkeit  als  Lehrer  und  Direktor  der  von  ihm  begründe¬ 
ten  psychiatrischen  Klinik  in  Halle  a.  S.  niederlegen  müssen 

mm-  C{n  *im  dahre  1895  zuerst  konstatiertes  Augenleiden  bis 
da  hm  fast  zu  voller  Erblindung  geführt  hatte.  In  den  letzten 
Jahren  litt  er  auch  noch  an  schweren  Ernährungsstörungen 
dn°hgh-emer  Zackerharnruhr.  Trotz  seiner  Leiden  war  er  aber 
r°wm-S  zu  semen  letzten  Lebenstagen  angeregt  wissenschaft¬ 
lich  tätig  und  verfolgte  alles  Neue  auf  unserem  Wissensgebiete 

Sn  ^ndaue1rn1emr,Interesse-  Eine  grosse  Freude  war  es  für 
ihn  auch,  als  der  Deutsche  Verein  für  Psychiatrie  ihn  im  Friih- 

jair  diese5  Jahres  in  Frankfurt,  wo  auch  er  damals  als  Patient 
weilte,  zum  Ehrenmitgliede  ernannte. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No. 


o  •  E*  Hitzig  wurde  am  6.  Februar  1838  zu  Berlin  geboren 

teste  JwprlTd r  diSri0ch'i°n  erbaurat  Hitzig,  dessen  bekann¬ 
testes  Werk  die  Ruhmeshalle  in  Berlin  ist;  der  Grossvater  ein 

bekannter  Kriminalist.  So  verlebte  er  schon  seine  erste  Jugend 
m  wissenschaftlich  und  künstlerisch  angeregten  Kreisen.  Er 
studierte  in  Wurzburg  und  Berlin  und  promovierte  1862  in  Ber¬ 
lin  mit  einer  Dissertation:  „De  ureae  origine“.  Er  lebte  dann 
zunächst  einige  Jahre  als  Arzt  in  Berlin,  war  aber  von  Anfang 
an  auch  wissenschaftlich  tätig;  schon  vor  die  Zeit  des  deutsch- 
französischen  Krieges  fallen  die  ersten  mit  Fritsch  gemein¬ 
samen  Untersuchungen  über  die  elektrische  Erregbarkeit  des 
Gehirns  Untersuchungen,  die  dann  durch  den  Feldzug  an 
dein  H  i  t  z  l  g  als  Arzt  teilnahm,  unterbrochen  wurden.  Gleich 

i’sS  tGm  wurde,n  sie  aber  fortgesetzt,  und  im  Jahre 

L7-4  konnte  Hitzig  alle  diese  Arbeiten  in  seinen  „Unter¬ 
suchungen  über  das  Gehirn“  zusammenfassen.  Dieses  epoche¬ 
machende  Werk  stellte  seinen  Autor  mit  einem  Schlage  in  die 
eiste  Reihe  der  wissenschaftlich-medizinischen  Forscher,  und 
nitzig,  der  sich  unterdessen  habilitiert  hatte,  wurde  dann 
im  Jahre  1875  als  ordentlicher  Professor  der  Psychiatrie  nach 

7«7o  *  wd  ZUm  Direktor  der  Irrenanstalt  Burghölzli  berufen. 
1879  folgte  er  von  dort  einem  Rufe  zum  Direktor  der  Provin- 
zial-Ii  renanstalt  Nietleben  und  ordentlichen  Professor  der 
!  sychia?ne  in  Halle  a.  S.  Die  grossen  administrativen  Arbei- 
ten  in  dieser  seiner  Stellung  als  Anstaltsdirektor  nahmen  aber 
seine  Zeit  so  in  Anspruch,  dass  es  H  i  t  z  i  g  von  Jahr  zu  Jahr 
schmerzlicher  empfand,  dass  ihm  für  seine  wissenschaftlichen 
Arbeiten  keine  Müsse  mehr  blieb,  und  so  strebte  er  eine  Tren¬ 
nung  der  Klinik  von  der  Provinzialirrenanstalt  nnd  die  Grün¬ 
dung  einer  eigenen  psychiatrischen  Klinik  in  Halle  mit  der  ihm 
eigenen  Energie  an.  Im  Jahre  1885  hatte  er  es  erreicht,  dass 
lese  neue  Klinik  zunächst  in  zwei  Privathäusern  in  der  Nähe 
der  übrigen  Kliniken  eröffnet  werden  konnte:  die  erste 
selbständige  psychiatrische  Klinik  in 
1  i  eu  ss  en.  In  dieser  Zeit  folgte  der  Unterzeichnete  seinem 
Lehrer  als  1.  Assistent  der  neuen  Klinik  von  Nietleben  nach 
a*  e  '  es  ^var  e’ne  Zeit  schwerer  und  verantwortungsvoller 
Arbeit,  aber  auch  eines  fröhlichen  und  erfrischenden  Strebens 
Von  Beginn  dieser  Zeit  an  war  dann  ein  grosser  Teil  der  Ar- 
beitstätigkeit  Hitizigs  ausgefüllt  mit  dem  Entwerfen  des 
mnes  und  schliesslich  mit  der  Bauausführung  der  neuen  Kli- 
nik,  die  ganz  nach  seinen  Ideen  gebaut  wurde,  und  die  er  am 
29.  Apn  1891  einweihen  konnte.  Von  dieser  Zeit  an  bis  zu 
seinem  Abgang  im  Jahre  1903  hat  er  dann  als  Lehrer  und  Di¬ 
rektor  an  dieser  neuen  Klinik  gewirkt,  an  der  von  vornherein 
von  ihm  stetig  angeregt  das  regste  wissenschaftliche  Leben 
lerrschte.  Hier  war  es  ihm  auch  möglich,  die  lange 
unterbrochenen,  aber  nie  ganz  aus  den  Augen  verlorenen  liirn- 
physiologischen  Arbeiten  wieder  aufzunehmen;  die  Resultate 
dieser  neuen  und  seiner  alten  hierhergehörigen  Arbeiten  hat  er 
dann  nochmals  in  einem  starken  Bande  im  Jahre  1904  zu¬ 
sammengefasst.  Nach  dem  Niederlegen  seiner  Lehr-  und  Di- 
••ektortätigkeit  lebte  Hitzig  zum  Teil,  weil  das  seine  Ge- 


e”such‘te  abedre^’  V'  auf  ^isen  namentlich  auch  in,  Süden; 

wissenscLfmVn  J  Wle  V  lhm  mö«lich  war,  auch  den 
wissenschaftlichen  Kongressen  beizuwohnen  —  namentlich  den 

SeT'TnT,  derhdeats?h“  und  der  mitteldeu“  psych- 

kritisclTer  ndehTfthblSrZUF  ?t-ein  ?ets  anre8“der  und  scharf 
Kritischer  Debatten  Im  Frühjahr  dieses  Jahres  war  ihm  leider 

die  Teilnahme  an  der  Tagung  der  deutschen  Irrenärzte  in 

diesem  Orteweiltr11"  m0gliCh’  °bgleich  Gr  damals  auch  an 

Wissenschaftlich  und  schriftstellerisch  hat  Hitzig  wie 

ero?semngFeipeUtet’  T  ikginn  seiner  arztIichen  Laufbahn  mit 
grossem  Fleisse  und  ebenso  vielem  Erfolge  gewirkt  Seine 

Aibeiten  betreffen  die  verschiedensten  Gebiete  der  Psychiatrie 

und  Neurologie.  Ich  nenne,  ohne  irgendwie  vollständig  zu  sein 

d  ephA;bTeilen  Ub+er  BIeilahmun^>  über  Muskelatrophien  trauma¬ 
tische  Tabes,  traumatische  Hysterie,  Fazialislähmung,  Hirn- 
cnrurgie,  dann  über  periodische  Psychosen,  subnormale  Tem¬ 
peraturen  bei  Paralytikern,  Querulantenwahnsinn;  über  Ein¬ 
richtung  und  Kostordnung  in  seiner  Klinik.  Allen  voran 
stehen  aber,  wie  schon  erwähnt,  seine  hirn- 
physiologischen  Arbeiten,  die  ihn  während 
eines  Verlaufes  von  über  30  Jahren  immer 
wieder  beschäftigten  und  die  er  gerade  in  den 
lC\Aen  i?  h  r  en  'noch  zusammenfassen  und  in 
reicher  Weise  vervollständigen  konnte  Es  ist 
an  dieser  Stelle  gewiss  nicht  nötig,  darauf  hinzuweisen/  von 
welcher  grundlegenden  Bedeutung  für  die  ganze  Anatomie  und 
Physiologie  des  Gehirns  und  für  die  Pathologie  und  Therapie 
der  Hirnkrankheiten  der  Nachweis  Hitzigs  von  dem  Vor¬ 
handensein  bestimmt  lokalisierter,  elek- 
trisch  erregbarer  Muskelzentren  im  Gehirn 
g  e  w  ord  en  ist;  der  ganze  weitere  Ausbau  der 
okalisationslehre  im  Gehirn  und  damit  die 
ganze  moderne  Hirn  forsch  ung  steht  auf  die- 
ser  Grundlage;  vorher  war  nur  sehr  weniges  Hierher- 
gehoriges  auf  klinischem  Wege  bekannt  geworden  (Brokas 
Aphasie,  J  a  c  k  s  o  n  sehe  Anfälle).  Ich  will  hier  nur  hervor¬ 
heben  dass,  wenngleich  Hitzig  sich  selbst  so  ausidrückt, 
dass  ihm  ein  „günstiges  Geschick“  gestattet  habe,  die  Ent¬ 
deckung  der  elektrisch  erregbaren  Zonen  der  Hirnrinde  zu 
machen,  diese  Entdeckung  doch  keineswegs  ein 
blinder  Zufall  war,  s/ondern  dass  er  ganz  be¬ 
stimmt  nach  solchen  Hirnstellen  gesucht  hat, 
und  dass  zweitens  seine  Untersuchungen  so 
genau  waren,  dass  er  schon  im  Beginn  der  70  er 
d  a  b  r  e  11  a  c  h  Experimenten  an  einem  einzigen 
Affen  fest  stelle  n  konnte,  dass  nur  die  vordere 
Zentral  win  düng  als  motorische  zu  bezeich¬ 
ne  n  i  s  t,  eine  Tatsache,  die  erst  in  den  letzten  Jahren  all¬ 
gemein  anerkannt  und  auch  anatomisch-histologisch  begründet 
ist.  ^  Kurz,  mit  seinen  hirnphysiologischen  Ar¬ 
beiten  hat  sich  Hitzig  ein  monumentum  aere 
pei  ennius  geschaffen  —  sein  Name  kann  nicht 
vergessen  werden. 

Mii  als  einem  seiner  ältesten  Schüler,  der  immer  nur 
Grund  gehabt  hat,  ihm  dankbar  zu  sein,  ist  es  vielleicht  ge¬ 
stattet,  an  dieser  Stelle  auch  einige  Worte  über  Hitzig  als 
Menschen  zu  sagen.  Der  hervortretendste  Zug  im  Charakter 
Hitzigs  War  eine  Neigung  zu  scharfer  Kritik;  namentlich  tritt 
das  hervor  in  den  Erwiderungen  auf  die  Angriffe  derjenigen,  die 
seine  Lehren,  die  natürlich  nicht  gleich  unwidersprochen  an¬ 
genommen  wurden,  nicht  anerkannten;  vor  allem  aber  in  pole¬ 
mischen  Aufsätzen  denen  gegenüber,  die  seiner  Ansicht  nach 
n  011  ibm  Erforschtes  als  ihr  Eigentum  widerrechtlich  in  An- 
spiuch  nahmen.  Hier  wurde  seine  Feder  oft  ein  scharfes 
Schwert,  wenn  er  auch  selber  angibt,  dass  er  sich  immer 
Mühe  gegeben  habe,  sachlich  in  seiner  Polemik  zu  bleiben,  und 
dass  es  ihm  gelungen  sei,  mit  einer  grossen  Zahl  seiner  frühe¬ 
ren  Gegner  später  in  freundschaftliche  Beziehungen  zu  treten. 
Sein  kritischer  Geist  trat  natürlich  auch  sonst  denjenigen  gegen- 
ubei  zu  tage,  die  mit  ihm  in  nähere  Beziehungen  traten,  so 
namentlich  auch  seinem  Assistenten;  es  war  nicht  immer  ganz 
eicht,  mit  ihm  als  Chef  zusammenzuarbeiten,  und  manchem  ist 
das  überhaupt  nicht  auf  die  Dauer  gelungen.  Aber  man  musste 
doch  auf  der  einen  Seite  gestehen,  wenn  man  das  auch  viel- 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2145 


leicht  im  höheren  Alter  erst  ganz  einsah,  dass  die  Neigung 
zu  „schlimmen  kritischen  Stunden“,  wie  Hitzig  selbst  es 
einmal  in  einem  Briefe  an  den  Unterzeichneten  mannte,  nur  ge¬ 
eignet  war,  die  Gewissenhaftigkeit  und  Sorgfalt  des  Schülers 
zu  stärken,  ihm  etwas  von  der  wissenschaftlichen  Sorgfalt  und 
Genauigkeit  zu  geben,  die  Hitzig  selbst  eigen  war  —  was 
aber  kann  der  Schüler  Besseres  von  seinem  Lehrer  lernen. 
Ausserdem  konnte  man  sich,  wenn  man  nur  im  Recht  war,  gegen 
etwaige  Vorwürfe  H  i  t  z  i  g  s  auch  als  sein  Assistent,  selbst 
mit  Schärfe,  wehren;  er  sah  dann  ein*  dass  er  Unrecht  hatte 
und  trug  das  nie  nach.  Hatte  man  erst  einmal  sein  Vertrauen 
gewonnen,  so  konnte  man  auch  versichert  sein,  in  allen  spä¬ 
teren  Lebenslagen  und  bei  allen  Lebensschicksalen  an  ihm  einen 
eifrigen  Förderer  und  teilnehmenden  Freund  zu  finden.  Viele 
seiner  früheren  Assistenten  —  ich  brauche  Namen  hier  nicht 
zu  nennen  —  haben  das  an  sich  erfahren.  Die  persönlichen 
Beziehungen  zu  Hitzig  wurden  in  angenehmster  Weise  auch 
gefördert  durch  die  wahrhaft  vornehme  Gastfreundschaft,  die 
sein  Haus  ,das  unter  der  Leitung  seiner  ihm  geistig  eben¬ 
bürtigen  Gattin,  einer  Tochter  aus  dem  Gelehrtengeschlechte 
Ranke,  stand,  Jedem  bot,  der  nach  Halle  kam  und  ihn  auf¬ 
suchte;  ich  glaube,  dass  viele  Leser  dieses  Nachrufes  das  mit 
mir  in  dankbarer  Erinnerung  tragen  werden. 

Sein  Leben  lang  war  Hitzig  ein  Kämpfer  im  Gebiete 
seiner  Wissenschaft;  er  war  auch  wohl  an  sich  eine 
Kampfnatur;  ein  Mensch  zu  sein  heisst  ja  aber  ein  Kämpfer 
sein.  Jetzt  ruht  er  aus  von  Arbeit  und  Streit;  wir  aber  besitzen 
das  reiche  Erbteil,  das  er  uns  hinterlassen.  Möge  ihm  die 
Erde  leicht  sein.  Prof.  Dr.  med.  L.  Bruns,  Hannover. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Th.  Kocher:  Chirurgische  Operationslehre.  5.  Auflage. 
Jena,  Verlag  von  Gust.  Fischer,  1907.  Preis  20  M. 

Dieses  klassische  Buch  liegt  hier  wieder  in  neuer  Auflage 
vor,  vielfach  umgearbeitet  und  durchaus  unter  Berücksichti¬ 
gung  der  täglich  weiterspannenden  Aufgaben  der  Chirurgie. 
An  dieser  Stelle  ist  hervorzuheben,  dass  das  Buch  auch  für 
den  chirurgisch  tätigen  Arzt  ein  vorzüglicher  Berater  ist.  Die 
Darstellung  ist  so  wundervoll  klar,  die  Darlegung  der  neuesten 
operativen  Methoden  so  logisch  auf  älteren  Methoden  und 
physiologisch-pathologischen  sowie  anatomischen  Tatsachen 
aufgebaut,  dass  alle  mit  Genuss  dem  Studium  dieses  Buches 
sich  hingeben  werden.  Die  Ausstattung  ist  glänzend;  im  Text 
des  ohne  Register  1060  Seiten  enthaltenden  Buches  dienen 
412  zum  Teil  farbige  Abbildungen  zur  Erläuterung. 

Prof.  H  e  1  f  e  r  i  c  h  -  Kiel. 

Carl  Beck:  Surgical  diseases  oi  the  ehest.  Philadelphia. 
P.  Blaikiston’s  son  &.  comp.  1907. 

Es  könnte  fast  scheinen,  als  sei  durch  die  spez.  Pflege  der 
Abdominalchirurgie  das  Interesse  für  andere  Gebiete  in  der 
amerikanischen  Literatur  ein  geringeres,  da  seit  Pagets 
Werk  über  die  Chirurgie  der  Brust  kein  spezielles  Werk  über 
dieses  Gebiet  erschienen,  durch  Asepsis,  Bakteriologie,  Rönt¬ 
genstrahlen  etc.  aber  gerade  hier  grosse  Fortschritte  erzielt 
worden  sind.  B.  schien  es  deshalb  an  der  Zeit,  die  chirur¬ 
gischen  Krankheiten  des  Thorax  in  einem  trefflich  ausgestatte¬ 
ten  Werke  zusammenzufassen.  Nach  einleitenden  anatomi¬ 
schen  Vorbemerkungen  werden  zunächst  die  Erkrankungen  der 
Thoraxwandung  (Missbildungen,  Halsrippen,  Meningozele  etc.), 
Kyphose  und  Skoliose,  dann  die  Wunden,  Frakturen  des  Ster¬ 
num  und  der  Rippen,  Verbrennungen  und  deren  Folgen,  Ent¬ 
zündungen,  Geschwülste  etc.,  dann  die  intrathorakischen  Affek¬ 
tionen  des  Perikards  und  Herzens,  der  Pleura  und  Lunge,  die 
chirurgischen  Krankheiten  der  Brustdrüse  etc.  und  ihre  Be¬ 
handlung  eingehend  dargestellt.  —  Jedem  Kapitel  sind  ent¬ 
sprechende  anatomische  Bemerkungen  (meist  mit  Abbildungen 
nach  Morris)  vorangestellt;  eine  grosse  Anzahl  von  Abbil¬ 
dungen  (162 — 16  farbige)  illustrieren  die  Ausführungen  B.s, 
die  selbsverständlich  alle  neueren  Methoden  (z.  B.  Broncho¬ 
skopie,  Naht  der  Herzwunden,  Sauerbruch  sehe  Kammer 
etc.),  alle  Fortschritte  bezüglich  Diagnostik  und  Behandlung  mit 
berücksichtigen,  vor  allem  auch  die  Bedeutung  der  Röntgen¬ 
strahlen  in  der  Diagnose  (wie  bei  Aortenaneurysma,  Lungen¬ 


gangrän  etc.)  und  bei  therapeutischer  Verwertung  (bei  H  o  d  g  - 
k  i  n  scher  Affektion,  inoperablen  Geschwülsten  etc.)  eingehend 
würdigen.  In  vielen  Punkten  finden  wir  die  an  einem  reichen 
Material  gewonnenen  Erfahrungen  des  Autors  näher  angeiührt 
und  sehr  beherzigenswerte  Ratschläge  für  die  Praxis  gegeben, 
wie  z.  B.  bei  Indikation  und  Technik  der  Empyemoperation  etc. 
B.  hat  hier  auch  das  Instrumentarium  durch  mehrere  zweck¬ 
entsprechende  Instrumente  bereichert  und  bezeichnet  mit  Recht 
seine  Methode  der  Resektion  mit  nachfolgender  Gazedrainage 
als  einfache,  sichere  und  nahezu  unblutige  Operation.  261  früh¬ 
zeitig  diagnostizierte  unkomplizierte  Fälle  genasen  alle;  von 
115  im  späteren  Stadium  Operierten  behielten  11  Fisteln  zurück, 

7  starben.  Auch  betr.  des  Vorgehens  bei  altem  Pyothorax  be¬ 
schreibt  B.  seine  Methode  und  Resultate;  er  empfiehlt  als  ex- 
plorative  Resektion  zuerst  eine  Rippe  in  der  Mitte  des  Dämp¬ 
fungsgebietes,  ohne  Rücksicht  auf  Lage  einer  Fistel,  zu  re¬ 
sezieren  und  dann  entsprechend  der  Ausdehnung  der  Höhle 
weitere  Rippenstücke  nach  Bedarf  zu  entfernen.  Betr.  des 
Mammakarzinoms  befürwortet  B.  ein  möglichst  radikales  Vor¬ 
gehen  (Entfernung  auch  des  Pektoralis  etc.)  und  empfiehlt  seine 
neue  Schnittführung  in  H-Form  mit  Bildung  eines  oberen  und 
unteren  Lappens.  Der  Röntgentherapie  wird  hier  auch  pallia¬ 
tive  Bedeutung  (nach  Vereinigung  der  Wunden  angewandt)  zu¬ 
erkannt  und  bei  ihrer  Anwendung  werden  auch  unter  Um¬ 
ständen  partielle  Operationen  nicht  ganz  verworfen.  Das  Werk 
ist  frisch  und  anregend  geschrieben,  diagnostische,  historische, 
statistische,  sowie  kasuistische  Bemerkungen  lassen  die  Lek¬ 
türe  des  Buches  sehr  fesselnd  erscheinen.  Von  den  Abbil¬ 
dungen  sind  besonders  die  anatomischen  Durchschnitte 
und  Röntgendarslellungen  vortrefflich.  Den  Schluss  des 
371  Seiten  starken,  übersichtlichen  und  handlichen  Buches 
bildet  eine  Uebersicht  der  betr.  Literatur,  worin  die  zahlreichen 
Beiträge  des  Verf.  in  diesem  Gebiet  hervortreten,  und  ein  gutes 
Register.  Das  Werk  kann  allen  Kollegen,  die  gerne  auch  die 
ausländische  Literatur  etwas  verfolgen,  bestens  empfohlen 
werden.  Schreiber. 

H.  Braun-  Zwickau :  Die  Lokalanästhesie,  ihre  wissen¬ 
schaftlichen  Grundlagen  und  praktische  Anwendung.  II.  Auf¬ 
lage.  Leipzig,  Barth,  1907.  452  S.  Preis  10  Mk.,  geb.  11  Mk. 

Die  erste  Auflage  dieses  ausgezeichneten  Handbuches  ist 
im  vorigen  Jahre  an  dieser  Stelle  ausgiebig  gewürdigt  worden. 
Wenn  nach  kaum  2  Jahren  die  zweite  Auflage  nötig  geworden 
ist,  so  beweist  das  einmal  die  hohe  Bedeutung,  die  man  in  den 
ärztlichen  Kreisen  der  Lokalanästhesie  beimisst  und  weiter  die 
Vortrefflichkeit  des  vorliegenden  Werkes.  Es  wurde  schon 
früher  ausgeführt,  wie  gerade  B.  berufen  war,  ein  solches  Buch 
zu  schreiben.  B.  ist  auch  in  der  Zwischenzeit  nicht  müssig 
gewesen  und  hat  zumal  durch  die  Prüfung  des  Novokains  viel 
zur  weiteren  Verbesserung  der  lokalanästhetischen  Methoden 
beigetragen.  Dass  im  übrigen  in  der  neuen  Auflage  allen 
neuen  Errungenschaften  der  letzten  2  Jahre  ausgiebig  Rechnung 
getragen  wird,  braucht  nicht  besonders  hervorgehoben  zu 
werden.  Die  Medullaranästhesie  erfährt  eine  eingehende,  in 
ihrer  vorurteilsfreien  Kritik  angenehm  berührende  Besprechung. 

Die  noch  vielfach  berichteten  Misserfolge  der  Lokal¬ 
anästhesie  liegen  zweifellos  an  der  ungenügenden  Technik.  Es 
sollte  kein  Praktiker  an  eine  Operation  unter  örtlicher  An¬ 
ästhesie  herangehen,  ohne  sich  genau  über  das  Verfahren 
unterrichtet  zu  haben.  Das  B.sche  Buch  bietet  dazu  die  beste 
Gelegenheit.  Krecke. 

R.  Doerr:  Das  Dysenterietoxin.  Mit  2  Kurven  im  Text 
und  einer  Tafel.  G.  Fischer,  Jena,  1907.  75  S.  M.  2.50. 

Nach  den  Untersuchungen  des  Verf.  sezernieren  die  Dys¬ 
enteriebazillen  vom  Typus  Kruse-Shiga  ein  echtes  lös¬ 
liches  Toxin,  das  sich  durch  keimfreie  Filtration  selbst 
junger  Bouillonkulturen  oder  durch  Extraktion  junger 
Agarkulturen  mit  Kochsalzlösung  und  nachfolgender  Fil¬ 
tration  darstellen  lässt  und  in  Mengen  von  0,01  bis 
0,3  ccm  für  Versuchstiere  tödlich  wirkt;  gegen  Erhitzen  auf 
70°  ist  dieses  Toxin  resistent,  bei  80"  und  darüber  wird  es 
rasch  zerstört;  es  wirkt  giftig,  besonders  auf  Kaninchen,  ferner 
auf  Katzen,  Hunde  und  Affen,  bei  diesen  1  ieren  entsteht  eine 
hämorrhagisch-nekrotisierende  Entzündung  der  Darmschleim- 


2146 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


haut,  ferner  konstant  Läsionen  der  Nervenzentren,  denen  die 
I  iere  erliegen.  Beim  Kaninchen  wird  in  einem  Drittel  der  Fälle 
eine  hämorrhagisch-diphtheritische  Typhlitis  beobachtet,  der 
Dünndarm  bleibt  wie  beim  Menschen  frei.  Die  Untersuchungen 
des  Verfassers  sind  von  grosser  praktischer  Bedeutung,  da 
sich  mit  diesem  echten  Dysenterietoxin  ein  für  die  Behandlung 
der  Bazillenruhr  brauchbares  antitoxisches  Serum  hersteilen 
lässt.  Dieudonne-  München. 

Praktische  Geburtshilfe  für  Studierende  und  Aerzte  in  20 
Vorlesungen  von  Prof.  Dr.  Karl  August  Herzfeld  in  Wien. 
2.  verbesserte  und  vermehrte  Auflage.  Mit  154  Abbildungen. 
Leipzig  und  Wien.  Franz  D  e  u  t  i  c  k  e  1907.  448  Seiten. 

Preis  11  Mk. 

Die  erste  Auflage  des  Buches  ist  vor  9  Jahren  erschienen. 
Das  Lehrbuch  bringt  die  in  den  letzten  Jahren  im  Vordergründe 
des  Interesses  stehenden  Fragen  (Dilatation  nach  B  o  s  s  i, 
Pubiotomie,  vaginaler  Kaiserschnitt  etc.)  schon  zur  Ver¬ 
wertung,  hat  aber  die  Fehler  seiner  Tugenden:  Es  soll  zwei 
Herren  dienen,  Studierenden  und  Aerzten,  die  doch  aus  ver¬ 
schiedenen  Bedürfnissen  heraus  ein  geburtshilfliches  Lehrbuch 
in  die  Hand  nehmen.  So  sind  einzelne  Kapitel,  z.  B.  über  den 
Abort,  für  den  Praktiker  zu  kurz  behandelt,  andere  zu  aus¬ 
führlich.  Dies  scheint  uns  insbesondere  für  die  Operationen  am 
Phantom  der  Fall  zu  sein,  welches  denn  auch  meistens  zu  den 
Abbildungen  des  Buches  benutzt  ist.  Verfasser  begründet  dies 
„.  .  mit  der  Erwägung,  dass  es  sich  hiebei  um  die  möglichst 
genaue  Wiedergabe  typischer  Handgriffe  handelt.  Leider  wird 
auf  die  Exaktheit  dieser  alterprobten  Handgriffe  zur  Zeit  viel 
zu  wenig  Gewicht  gelegt.  Dem  Anfänger  müssen  jedoch  diese 
Handgriffe  direkt  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen  sein,  damit 
er  mit  ihnen  unter  allen  Umständen  auskommen  muss“.  Die 
klare  und  ausführliche  Schilderung  der  Operationen  am  Phan¬ 
tom  können  dem  Nachlesenden  zu  mancher  Auffrischung  seines 
Wissens  dienen:  wir  sind  indessen  anspruchsvoller  und  ver¬ 
wöhnter  geworden.  Leider  fehlt  ein  Namen-  und  Sachregister, 
v  elches  das  Buch  dem  Leser  vertrauter  machen  würde. 

Max  Nassauer  -  München. 

Das  Jahrbuch  der  Wiener  k.  k.  Krankenanstalten,  heraus¬ 
gegeben  von  der  niederösterr.  Statthalterei.  Wien  und  Leipzig, 
Willi.  Braumüller,  1907. 

Es  liegt  uns  der  XII.  und  XIII.  Jahrgang  dieses  Jahrbuches 
vor,  der  die  Ereignisse  der  Jahre  1903  und  1904  zum  Inhalt  hat. 
Der  stattliche  Band  mit  mehr  als  1000  Seiten  Grossoktav  ent¬ 
hält  die  wichtigsten  Daten  hinsichtlich  der  Neugestaltung  des 
Wiener  allgemeinen  Krankenhauses,  die  Chronik  der  zwei  Be¬ 
richtjahre,  den  Personalstand,  die  allgemeine  und  spezielle 
Krankenstatistik,  ferner  Berichte  und  Frequenz  der  Ambula¬ 
torien,  ein  Verzeichnis  der  wissenschaftlichen  Arbeiten,  der 
ausgeführten  Operationen  und  ihrer  Indikationen,  endlich  einen 
Bericht  über  den  Vermögensstand,  die  Normalerlässe,  mehrere 
Register  und  einen  Index  zu  den  in  den  Jahrgängen  I— XIII 
dieses  Jahrbuches  erschienenen  Gesetzen,  Verordnungen  und 
Normalerlässen.  Die  Anordnung  und  Gruppierung  des  reichen 
Materiales  ist  die  gleiche  geblieben. 

In  den  9  grossen  öffentlichen  Krankenanstalten  Wiens 
wurden  im  Jahre  1903  70  802,  im  Jahre  1904  73  187  Personen 
behandelt,  von  welchen  66  402,  bezw.  68  641  noch  im  gleichen 
Jahre  in  Abgang  kamen,  so  dass  4400,  bezw.  4546  am  Ende  des 
Jahres  in  den  Krankenanstalten  zurückblieben.  In  derselben 
Zeit  wurden  überdies  in  5  Kinderspitälern  5621,  bezw.  6407 
Kinder  verpflegt  und  behandelt.  In  den  Ambulatorien  wurden 
behandelt  1903:  93  085  Männer  und  69  581  Weiber,  1904: 
102  730  Männer  und  74  454  Weiber.  In  den  Spitälern  starben 
1903  10,08  Proz.,  1904  9,94  Proz.,  während  82,45  Proz.  resp. 
82,73  Proz.  geheilt  entlassen  wurden.  5213  Sektionen  wurden 
vorgenommen. 

In  der  Schutzimpfanstalt  gegen  Wut  (Lyssa)  in  Wien 
wurden  im  Jahre  1903  275  Personen  der  Schutzimpfung  unter¬ 
zogen.  Die  Anstalt  besteht  seit  10  Jahren  und  wurden  in  dem 
Dezennium  1894—1903  im  ganzen  2146  Personen  behandelt. 

In  92,6  Proz.  aller  Fälle  waren  die  Behandelten  von  erwiesen 
wutkranken  Tieren  gebissen  worden,  der  Rest  scheidet  aus  der 
Statistik  aus,  weil  in  vielen  Fällen  die  Schutzimpfung  nur  über 


dringendes  Ersuchen  zur  persönlichen  Beruhigung  der  Ge¬ 
bissenen  vorgenommen  wurde,  oder  weil  sich  später  heraus¬ 
stellte,  dass  der  beissende  Hund  gar  nicht  wutkrank  war.  Von 
1937  von  erwiesen  wutkranken  Tieren  gebissenen  und  hier- 
selbst  behandelten  Personen  sind  23  an  Lyssa  gestorben. 
10  Personen  starben  innerhalb  jenes  Zeitraumes,  in  welchem 
nach  den  Versuchen  Pasteurs  die  Immunität  noch  nicht 
eingetreten  sein  konnte;  es  verblieben  somit  zur  weiteren  Be¬ 
trachtung  13  gestorbene  Fälle  und  da  zeigte  es  sich  wieder, 
dass  die  meisten  Todesfälle  auf  schwere  Verletzungen  und 
besonders  auf  Kopf-  und  Gesichtsverletzungen  entfallen. 

Diphtherieheilserum  wurde  in  den  Spitälern  Wiens  in¬ 
jiziert  im  Jahre  1903  in  886  Fällen  (775  geheilt,  111  gestorben), 
im  Jahre  1904  in  270  Fällen  (240  geheilt,  30  gestorben). 

Das  riesige  Material  der  grossen  öffentlichen  Spitäler 
wurde  in  den  zahlreichen  Instituten,  an  den  Kliniken  und  Ab¬ 
teilungen  wissenschaftlich  bearbeitet  und  liegt  ein  ausführliches 
Verzeichnis  der  in  den  Journalen  des  In-  und  Auslandes  ver¬ 
öffentlichten  Beiträge  vor.  Die  Statistik  und  Ausweise  sind 
in  zahlreichen  grösseren  und  kleineren  Tabellen  in  übersicht¬ 
licher  Weise  und  nach  verschiedensten  Gesichtspunkten  ver¬ 
wertet,  sie  bilden  eine  wahre  Fundgrube  für  jeden  Spitalarzt 
und  für  jeden  literarisch  sich  betätigenden  Kollegen.  Dr.  E.  F. 

Neueste  Journalliteratur. 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd.  XXV, 

Heft  6. 

1)  Czyzewicz- Lemberg:  Die  Gesetze  der  Physik  als  Grund¬ 
lage  des  Verhaltens  der  Geschlechtsorgane  des  Weibes  während  der 
Schwangerschaft  und  Geburt. 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

2)  Adler  und  Kr  aus -Wien:  Manuelle  Plazentarlösung. 

Unter  40  000  Entbindungen  in  der  S  c  h  a  u  t  a  sehen  Klinik 

wurde  452  mal  die  Plazenta  manuell  gelöst  (1,13  Proz.)  und  zwar 
217  mal  (0,54  Proz.)  bei  zwingender  Indikation,  wegen  Adhärenz  der 
Plazenta  und  stärkerer  Blutung  in  der  Nachgeburtszeit,  235  mal  im 
Anschluss  an  Operationen  in  Narkose  behufs  Austastung  des  Uterus, 
bei  Eklampsie  aus  therapeutischen  Gründen  zwecks  rascher  Ent¬ 
fernung  des  Eies,  bei  Infektionsgefahr,  aus  prophylaktischen  Gründen 
bei  Plazenta  praevia  mit  geringerer  Blutung,  nach  rascher  opera¬ 
tiver  Entleerung  des  Uterus  mit  nachfolgender  Atonie  zwecks  Tam¬ 
ponade  in  derselben  Narkose,  dann  auch  in  manchen  Eällen  von  Ver¬ 
letzungen  der  Zerv-ix,  der  Scheide  und  des  Dammes. 

In  161  Fällen,  in  denen  die  manuelle  Plazentarlösung  der  einzige 
operative  Eingriff  war,  beträgt  die  Morbidität  2,8  Proz.,  unter  Ausser- 
achtlassung  von  3  infolge  anderer  Ursachen  eingetretener  Todesfälle 
die  Mortalität  0  Proz.  Diese  Resultate  sprechen  dafür,  dass  die 
manuelle  Plazentarlösung  unter  den  entsprechenden  Kautelen  eine 
lebenssichere  Operation  darstellt. 

3)  Kutscher  und  Rieländer  - Marburg :  Ein  Fall  von 

Mikrocephalus  und  Encephalocele  mit  chemischer  Untersuchung  der 
Zerebrospinalflüssigkeit. 

Die  Encephalocele  wurde  wiederholt  punktiert  und  mit  asep¬ 
tischen  Umschlägen  (Alkohol)  behandelt,  die  sich  sehr  gut  bewährten. 
Eine  Resektion  der  E.  mit  Verschluss  der  Schädelöffnung  könnte  erst 
später  in  Frage  kommen.  Die  durch  die  Punktion  gewonnene 
Flüssigkeit  enthielt  als  vorherrschenden  Eiweissstoff  ein  Albumat. 

Die  Untersuchung  auf  das  in  letzter  Zeit  bei  Gehirn-  und  Rücken¬ 
markerkrankungen  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  oft  gefundene  und 
stark  giftige  Cholin  ergab  Kristalle,  die  den  charakteristischen  Cholin- 
platinatkristallen  ähnelten,  bei  genauerer  Untersuchung  (Ueber- 
fiihrung  des  Platinates  in  die  Goldchloridverbindung)  ergab  sich  aber, 
dass  es  sich  nicht  um  Cholin,  sondern  um  eine  andere  unbekannte 
Base  handelte. 

4)  Stolz-Graz:  Zur  Behandlung  inoperabler  Genitalprolapse. 

Vorfälle  kann  man  ihrer  Schwere  nach  in  zwei  Gruppen  trennen, 
in  solche,  bei  denen  der  Levator  und  dessen  Hilfsmuskel  aktionsfähig 
sind  und  solche,  bei  denen  diese  Muskel  vollständig  oder  nahezu  voll¬ 
ständig  erschlafft  sind.  Für  die  ersten  Fälle  können  Pessare  Ver¬ 
wendung  finden,  die  am  wesentlichsten  durch  ihr  Volumen  wirken 
und  sich  breit  auf  das  Diaphragma  pelvis  stützen  (Ring-  oder  Kugel¬ 
pessare),  für  die  anderen  kommen  die  Pessare  in  Betracht,  die  ihre 
Wirksamkeit  in  ihrer  Form  finden,  und  hauptsächlich  zirkumskripte 
Partien  des  Diaphragma  als  Stützen  benutzen:  Stielpessare.  Bei 
diesen  ist  der  isolierte  Druck  der  Keule  oder  des  Zapfens  auf  die 
Scheide  ein  Uebelstand,  den  Verf.  durch  die  Konstruktion  eines  Pes¬ 
sars  zu  beseitigen  glaubt,  das  in  seiner  Form  einen  leicht  gebogenen 
Braun  sehen  Ring  darstellt,  an  dem  statt  eines  Stieles  ein  Halb¬ 
bogen  von  der  Dicke  und  dem  Durchmesser  des  Pessars  befestigt  ist. 
Der  Ring  wird  in  einem  Stück  mit  breiten  runden  Flächen  gearbeitet 
(hohl,  Hartgummi),  wobei  eine  Drucknekrose,  sowie  Sekretstauungen 
nicht  so  leicht  Vorkommen  und  vermieden  werden  können.  Zur 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2147 


Reinigung  der  Scheide  empfiehlt  Verf.  Substanzen,  die  keine  Nieder¬ 
schläge  erzeugen  (Lysol,  Wasserstoffsuperoxyd,  Alkohol). 

5)  Burckhard- Würzburg:  Ueber  das  Vorkommen  von  kar- 
zinomatöser  Degeneration  des  Uterusstumpfes  nach  snpravaginaler 

Amputation.  .  ,  ,  ,  , 

In  der  Literatur  hat  Verf.  nur  17  Falle  verzeichnet  gefunden,  in 
denen  sich  nach  supravaginaler  Amputation  wegen  Myom  am  Uterus¬ 
stumpf  Karzinom  entwickelte.  Diesem  relativ  seltenen  Vorkommnis 
reiht  Verf.  eine  eigene  Beobachtung  an,  aus  der  zu  entnehmen  ist, 
dass  zur  Zeit  der  Operation  eine  Neubildung  an  der  Zervix  nicht  nach¬ 
weisbar  war.  Diese  hat  aber  bei  einigen  der  mitgeteilten  Fälle  ohne 
Zweifel  schon  bei  der  Operation  bestanden.  Die  sekundäre  Ent¬ 
wicklung  des  Karzinoms  scheint  so  selten  zu  sein,  dass  die  geringe 
Wahrscheinlichkeit  einer  späteren  Karzinomentwicklung  am  Zervix- 
stumpf  bei  der  Beurteilung  der  supravaginalen  Amputation  bei  Myom 
gegenüber  der  Totalexstirpation  zuungunsten  der  ersteren  ernstlich 
nicht  verwertet  werden  kann. 

6)  Schoppig  -  Basel :  Das  Beckenenchondrom,  besonders  als 

Geburtshindernis. 

Ausführliche  Beschreibung  eines  einschlägigen  Falles  aus  der 
pathologisch-anatomischen  Anstalt  zu  Basel. 

Bemerkenswert  war  an  dem  Fall  das  einem  malignen  Tumor 
ähnliche  rapide  Wachstum  des  Enchondroms,  das  sich  vom  linken 
Os  ilei  entwickelte  und  den  Geburtsweg  verlegte.  Kaiserschnitt.  Tod 
an  Peritonitis.  Anschliessend  an  diese  Mitteilung  Zusammenstellung 
der  in  der  Literatur  bekannten  Fälle  von  Beckenenchondrom. 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  40. 

G.  Schubert  -  Breslau :  Verwertung  eines  einfachen  mecha¬ 
nischen  Prinzips  für  ein  selbsthaltendes  Bauchspekulum. 

Statt  der  üblichen  scherenförmigen  Bauchspekula  hat  Sch.  einen 
rahmenförmigen  Selbsthalter  für  das  Auseinanderhalten  der  Wund¬ 
ränder  bei  Laparotomien  konstruiert,  der  verschiedene  Vorzüge  vor 
jenen  besitzen  soll.  Zu  haben  bei  H.  Härtel  in  Breslau. 

G.  G  e  1 1  h  o  r  n -  Washington:  Menstruation  ohne  Ovarien. 

Zwei  Fälle,  die  beweisen  sollen,  dass  unter  gewissen  Be¬ 
dingungen  die  Menstruation  auch  ohne  Ovarien  fortbestehen  kann. 

Im  1.  Fall  waren  einer  38  jährigen  Frau  beide  Ovarien  exstirpiert 
worden.  Trotzdem  hielten  die  Menses  17  Monate  lang  regelmässig 
an.  Bei  einer  abermaligen  Laparotomie  wegen  peritonealen  Ad¬ 
häsionen  fand  G.  einen  atrophischen  Uterus,  von  Tuben  und  Ovarien 
jedoch  keine  Spur.  Als  erregende  Ursache  der  Menstruation  be¬ 
zeichnet  G.  3  Adhäsionsstränge,  die  vom  unteren  Rande  des  Netzes 
zum  Fundus  uteri  führten  und  das  Blut  zum  Uterus  geleitet  haben 
sollen.  Nach  Durchtrennung  dieser  Adhäsionen  hörte  die  Menstruation 
dauernd  auf. 

Im  2.  Falle  war  eine  35  jährige  Frau  durch  Entfernung  beider 
Adnexe  vorzeitig  zum  Klimakterium  gebracht,  d.  h.  die  Menstruation 
blieb  aus  und  Molimina  climacterii  stellten  sich  ein.  3  Monate  nach 
der  Operation  erhielt  Pat.  Ovarintabletten,  worauf  die  Menstruation 
prompt  wieder  eintrat. 

Auf  die  sonstigen  Schlüsse  des  Verfassers,  die  auf  die  Theorie 
einer  nach  der  Menopause  latenten  Wellenbewegung  des  Weibes  sich 
gründen,  erübrigt  es  sich,  näher  einzugehen. 

N.  .1.  A.  F.  B  o  e  r  m  a  -  Groningen :  Geburtshemmnis  bei  Zwil¬ 
lingsgeburt  durch  Eintritt  beider  Köpfe  ins  Becken. 

Von  dieser  seltenen  Komplikation  sind  nur  8  Fälle  in  der  Literatur 
beschrieben,  denen  B.  eine  neue  Beobachtung  hinzufügt.  Bei  der 
27  jährigen  I.  Para  machte  B.  in  tiefer  Narkose  die  Wendung,  worauf 
es  ihm  gelang,  beide  Kinder  lebend  zu  extrahieren.  Wochenbett 
bis  auf  eine  leichte  Thrombose  ungestört. 

Dies  ist  bisher  der  einzige  Fall,  der  durch  Wendung  beendet 
wurde.  Meist  wurde  perforiert  oder  die  Zange  am  2.  Kopf  angelegt. 
Doch  gibt  B.  selbst  zu,  dass  eine  für  alle  Fälle  geltende  Therapie  nicht 
anzugeben  ist.  In  der  Regel  schliessen  sich  Zange  und  Wendung  ja 
aus.  J  affe-  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  I.  Heft  19. 

1)  Otto  v.  Her  ff -Basel:  Kann  man  die  Zahl  der  Erkrankungen 
an  Ophthalmoblennorrhoea  gonorrhoica  verringern?  (Mit  3  Figuren 
und  2  Kurven.) 

Interessante  Statistik  über  die  Prophylaxe  der  Ophthalmo¬ 
blennorrhoe.  Zur  Anwendung  kamen  nach  einander  Arg.  nitric. 
(l — 2proz.),  Protargol,  Argyrol  und  Sophol  (anfangs  lüproz.,  später 
5proz.).  Auf  Grund  der  mit  diesen  Mitteln  gemachten  Erfahrungen 
empfiehlt  v.  H.  das  Sophol,  sowohl  wegen  der  sicheren  Wirkung,  der 
geringen  Reizerscheinungen  (90  Proz.  der  behandelten  Augen  ohne 
Reizung)  und  Schmerzlosigkeit,  als  auch  der  Konstanz  und  Haltbar¬ 
keit  der  Lösungen.  Mit  dem  Fallenlassen  des  Arg.  nitric.  und  der 
Einführung  der  anderen  angeführten  Silbersalze  verminderte  sich  die 
Zahl  der  Erkrankungsfälle  an  Ophthalmie  um  80  Proz.,  während  in  der 
gleichen  Zeit  die  Zahl  der  Erkrankungen  in  der  Stadt  sich  gleich 
blieb. 

2)  Paul  R  i  s  s  m  a  n  n  -  Osnabrück:  Adstringenden  und  prophy¬ 
laktische  Scheidenspiilungen. 

Rissmann  empfiehlt  bei  pathologischem  Scheidensekret  in 
der  Schwangerschaft  prophylaktische  Spülungen  mit  sauren 


a  d  'S  t  r  i  n  g  i  e  r  e  n  den  Lös  u  in  gen  ( V>  proz.  Alsolverdünnung 
und  10  proz.  Lösung  von  Jod.  trichlorat.),  wodurch  die  normale 
Bakterienflora  gestärkt  und  die  pathologische  vernichtet  wird.  Anti¬ 
septische  Spülungen  schädigen  das  Epithel  in  unvorteilhafter  Weise. 
Am  Schlüsse  der  Arbeit  wird  ein  Schema  für  eine  gleichmässige 
Fieberstatistik  im  Wochenbett  aufgestellt. 

3)  Heinrich  W  a  1 1  h  e  r  -  Giessen:  Ein  Beitrag  zur  sozialen  Lage 
der  Hebammen. 

Lehrreicher  Aufsatz  über  die  soziale  Stellung  der  Hebammen  des 
Gi  ossherzogtums  Hessen.  Statistische  Daten  über  die  Zahl  der  jähr¬ 
lichen  Geburten  der  einzelnen  Hebammen  (52  Proz.  leiteten  weniger 
als  25  Geburten,  27  Proz.  weniger  als  10).  über  die  Besoldung  der 
Gemeindehebammen  (48  Proz.  erhielten  20 — 50  Mk.,  6  Proz.  unter 
20  Mk.,  11  Proz.  teils  Naturalien,  teils  gar  nichts)  und  über  die  jähr¬ 
lichen  Einnahmen  aus  der  geburtshilflichen  Tätigkeit  (44  Proz.  ver¬ 
dienten  100—200  Mk.,  30  Proz.  weniger  als  100  Mk.,  7  Proz.  weniger 

als  50  Mk.).  . 

Der  Vorteil  der  Hebammenbezirke  wird  an  einer  Statistik  aus 
den  preussischen  Kreisen  Fulda  und  Hünfeld  dargelegt,  doch  kommen 
bei  dieser  sonst  so  bewährten  Einrichtung  auch  Nachteile  ans  Licht, 
wie  Todesfälle  (durch  Verblutung)  durch  zu  spätes  Eintreffen  dei 
Hebamme  bei  der  Kreissenden.  Die  Prüfungsresultate  bei  den  Nach¬ 
kursen  haben  sich  nach  Ausmerzung  der  alten  Hebammen  aus  der 
vorantiseptischen  Zeit  und  durch  Verjüngung  des  Hebammenmaterials 
erheblich  gebessert.  W.  fordert  dringend  ein  Eingreifen  des  Staates 
zur  Besserung  der  sozialen  Stellung  der  Hebammen,  ev.  unter  Heran¬ 
ziehung  der  privaten  Wohltätigkeit:  die  Regelung  der  materiellen 
Fürsorge  für  die  Hebammen  gehört  seines  Erachtens  zu  den  wich¬ 
tigsten  hygienischen  Aufgaben  der  Gegenwart. 

A.  R  i  e  1  ä  n  d  e  r  -  Marburg. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  Bd.  66,  Heft  2. 

6)  W.  Camerer:  Das  Energiegesetz  in  der  menschlichen 
Physiologie. 

Die  lesenswerte  Abhandlung  stellt  ein  kritisches  Referat  der  be¬ 
deutendsten  Arbeiten  über  die  Energielehre  dar.  Besondere  Berück¬ 
sichtigung  fand  Rubners  Werk  „die  Gesetze  des  Energieverbrauchs 
bei  der  Ernährung“.  Mit  der  Interpretation  gerade  dieses  grund¬ 
legenden,  aber  „einen  starken  Schwimmer  erfordernden“  Werkes  hat 
sich  Camerer  ein  grosses  Verdienst  um  die  Pädiatrie  erworben,  zumal 
er  viel  Eigenes  hinzugefügt  hat.  Die  zu  kurzem  Referat  nicht  ge¬ 
eignete  Arbeit  möge  im  Original  nachgelesen  werden. 

7)  E.  Fe  er -Heidelberg:  Der  Einfluss  der  Blutsverwandtschaft 
der  Eltern  auf  die  Kinder.  (Ausgearbeitet  nach  dem  Referate  für  die 
Gesellschaft  für  Kinderheilkunde,  vorgetragen  auf  der  Naturforscher¬ 
versammlung  zu  Stuttgart  1906.) 

Der  praktischen  Bedeutung  des  Referates  Rechnung  tragend, 
seien  die  Schlussfolgerungen  des  Autors  'wiedergegeben : 

1.  Eigenartige  oder  schädliche  Folgen,  beruhend  auf  der  Bluts¬ 
verwandtschaft  der  Eltern  an  sich,  sind  nicht  erwiesen. 

2.  Die  Eigenschaften  und  Krankheiten  der  Nachkommen  bluts¬ 

verwandter  Eltern  erklären  sich  aus  den  auch  sonst  gültigen  Tat¬ 
sachen  der  Vererbung.  _  . 

3.  Einige  seltene  Krankheitsalllagen,  sicher  diejenigen  zu  Retinitis 
pigmentosa  und  zu  angeborener  Taubstummheit,  erlangen  mehr  wie 
andere  eine  gesteigerte  Vererbungsiintensität,  wenn  sie  sich  bei  beiden 
Teilen  eines  Elternpaares  vorfinden.  Da  nun  die  Wahrscheinlichkeit, 
dass  die  betreffenden  Anlagen  bei  beiden  Eltern  vorhanden  sind, 
a  priori  in  Verwandtenehen  grösser  ist  als  in  nicht  verwandten  Ehen, 
so  begünstigt  diese  Tendenz  der  Retinitis  pigmentosa  und  der  ange¬ 
borenen  Taubstummheit  zu  zweigeschlechtiger  Entstehung  das  Auf¬ 
treten  dieser  Krankheiten  bei  den  Kindern  blutsverwandter  Eltern. 
Literatur. 

8)  E.  Oberwarth  -  Berlin :  Zur  Kenntnis  der  H  u  t  c  h  in  s  o  n- 
schen  Zähne.  Ein  Beitrag  zur  Heredosyphilis.  (Aus  des  Priv.-Doz. 
H.  Neu  man  ns  Kinderpoliklinik  zu  Berlin.) 

Im  Gegensatz  zu  den  meisten  neueren  Autoren  misst  Verf.  dem 
Symptome  der  H  u  t  ch  i  n  s  on  sehen  Zähne  eine  hervorragende 
Bedeutung  bei.  Von  27  Kindern,  bei  welchen  Verf.  Hutchinson- 
sche  Zähne  beobachtete,  litten  24  sicher.  3  sehr  wahrscheinlich  an 
hereditärer  Syphilis.  Demnach  ist  diese  Zahnmissbildung  nach  Ober¬ 
warth  eines  der  wichtigsten  und  zuverlässigsten  Dokumente  der 
hereditären  Syphilis. —  Auszug  aus  den  Krankengeschichten. 

Vereinsberichte:  Bericht  über  die  27.  Sitzung  der  Vereinigung 
niederrheinisch-westfälischer  Kinderärzte  am  11.  November  1906 

zu  Köln.  .. 

Ueber  die  sogenannte  angeborene  Muskelschwache  von  M. 

B  e  r  n  h  a  r  d  t  -  Berlin. 

Bemerkungen  zu  vorstehender  Mitteilung  von  T  o  b  1  e  r  -  Heidel¬ 
berg.  Notiz.  J.  .1.  Gran  eher  J\  Nekrolog  von  Heubner. 

Literaturbericht  von  L.  L  a  n  g  s  t  e  i  n. 

O.  Rommel-  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  4L 

1)  Riedel -Jena:  Ueber  die  verschobene,  an  falschem  Orte 
durch  Verwachsungen  festgelegte  rechte  Niere.  (Schluss  folgt.) 

2)  Hochhaus -Köln  a.  Rh.:  Ueber  Cholelithiasis  und  Gly- 
kosurie. 


2148 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


a)  T all  von  transitorischer  Glykosurie  (7  Tage  lang,  am  ersten 
3.3  Proz.)  bei  Gallensteinkolik;  als  Ursache  der  Glykosurie  vermutet 
Verfasser  infektiöse  oder  toxische  Wirkung  auf  das  Pankreas  von  der 
Cholezystitis  aus;  b)  Fall  von  Diabetes,  der  durch  einen  Anfall  von 
Cholelithiasis  dauernd  geheilt  wurde. 

3)  Fornet,  Schereschewsky,  Eisenzimmer  und 
Rosenf  eld  - Strassburg;  Spezifische  Niederschläge  bei  Lues,  Tabes 
und  Paralyse. 

Bei  syphilitischen  Erkrankungen  waren  in  der  grossen  Mehrzahl 
der  Fälle  Präzipitinogene  nachweisbar  und  zwar  immer,  wenn  gleich¬ 
zeitig  Spirochäten  gefunden  waren,  und  fast  immer,  wenn  es  sich  um 
floride  Erscheinungen  handelte.  Präzipitine  wurden  bei  wenig  aus¬ 
geprägten  Krankheitssymptomen  und  nach  erfolgter  Heilung  beob¬ 
achtet.  Die  parasyphilitischen  Erkrankungen  wiesen  meist  Präzipitin 
auf,  nur  bei  je  2  Fällen  vonTabes  undParalyse  zeigten  sichPräzipitino- 
gene.  Verfasser  nehmen  an,  dass  dabei  von  der  luetischen  Injektion 
her  noch  Krankheitserreger  im  Körper  zurückgeblieben  waren,  und 
machen  deren  Anwesenheit  für  das  Auftreten  sowohl  der  Lues¬ 
präzipitine  als  auch  der  Luespräzipitinogene  verantwortlich. 

4)  H.  Conr  ad i- Neunkirchen:  Wann  steckt  der  Typhus¬ 
kranke  an? 

Verfasser  ermittelte,  dass  etwa  58  Proz.  von  beobachteten  Kon¬ 
taktinfektionen  mindestens  innerhalb  der  ersten  Krankheitswoche, 
wenn  nicht  schon  während  der  Inkubationszeit  des  primären  Typhus¬ 
falles  erfolgten  und  erörtert  die  Wichtigkeit  dieses  Befundes  für  die 
Typhusprophylaxe. 

5)  Paul  R  ö  d  e  r  -  Berlin;  Resektion  grosser  Nervenstämme  ohne 
Lähmung. 

Bei  einer  21  jährigen  Patientin  wurden  multiple,  in  grossen 
Nervenstämmen  aufgegangene  Geschwülste  unter  Resektion  der  be¬ 
treffenden  Nerven  entfernt,  ohne  dass  eine  Lähmung  entstand. 

6)  W.  M  i  n  t  z  -  Moskau:  Entfernung  eines  Druckknopfes  aus 
einem  Bronchus  2.  Grades. 

Da  bei  oberer  Bronchoskopie  keine  genügende  Anästhesierung 
gelang,  wurde  der  Fremdkörper  mittels  unterer  Bronchoskopie  erreicht. 

7)  F.  S  c  h  ä  f  f  e  r  -  Giessen :  Die  Klopfung  als  Heilmittel  bei 
Pseudarthrosen. 

2  Unterschenkelbrüche  mit  verzögerter  Kallusbildung  erhärteten 
unter  Anwendung  kräftiger  Klopfmassage. 

R.  Grashey  - München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 

No.  19.  1907. 

Bernheim-Karrer  -  Zürich :  Säuglingsskorbut  bei  Er¬ 
nährung  mit  homogenisierter  Berner  Alpenmilch. 

Während  bisher  von  Säuglingsskorbut  bei  Ernährung  mit 
Maschenmilch  (Stalden,  Yverdon)  in  der  Schweiz  nichts  be¬ 
kannt  war,  sah  Verfasser  in  den  letzten  Monaten  9  Fälle  der  Krank¬ 
heit  bei  Ernährung  -mit  homogenisierter  Alpenmilch  und  glaubt  die 
Ursache  bei  der  unveränderten  Zusammensetzung  der  Milch  in  der 
Möglichkeit  der  Infektion  bei  dem  komplizierten  Herstellungsver¬ 
fahren  zu  finden. 

Eugen  Bi  r  eher:  Eine  seltene  Schussverletzung.  (Schluss 
folgt.) 

Edwin  P  fi  s  t  e  r  -  Zürich :  Einige  Bemerkungen  zur  Leprafrage 
in  der  Schweiz.  (Im  Anschluss  an  Herrn  Dr.  Lar  dys  Aufsatz  „En- 
core  la  lepre“  I  ibid.  No.  11,  ref.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907 
No.  25,  p.  1250]). 

Verf.  unterstützt  Lar  dys  Anschauung,  dass  Lepra  auch  in  der 
Schweiz  mehrfach  zu  finden  ist  und  dass  ihr  Krankheitsbild  den 
Aerzten  fast  ganz  unbekannt  geworden  ist.  Er  empfiehlt  gegen 
weitere  Verbreitung  ähnliche  Vorkehrungen  wie  in  Deutschland  und 
Norwegen.  P'ischinger. 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  4L  J.  Hof  bauer -Königsberg:  Experimentelle  Beiträge 
zur  Karzinomfrage. 

H.  geht  von  den  neueren  Versuchen  aus,  die  Wucherung  eines  Ge¬ 
webes,  sei  es  die  physiologische  bei  der  Plazentabildung,  sei  es  die 
pathologische  Geschwulstbildung,  auf  eine  chemische  (Ferment-)  Wir¬ 
kung  der  Zellen  zurückzuführen.  Der  Schutz  eines  Gewebeterri¬ 
toriums  gegen  die  Einwucherung  fremden  Gewebes  wird  durch  die 
Annahme  von  „Antifermenten“,  die  das  Gegengewicht  bilden  sollen 
erklärt.  Durch  Einspritzung  von  Trypsinlösungen  in  das  Binde¬ 
gewebe  suchte  H.  bei  Kaninchen  diese  Antifermentwirkung  des  Binde- 
gew  ebes  aiifzuheben  und  sah  dann  eine  Rundzellenwucherung  ein- 
treten  in  gewisser  Analogie  zu  den  Vorgängen,  die  B.  Fischer  in 
dei  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No  42  beschrieben  hat.  In 
Zusammenhang  lassen  sich  diese  Erörterungen  mit  den  neuen  Ver¬ 
suchen  Biers  bringen,  die  bösartigen  Geschwülste  durch  Injektionen 
von  artfremdem  Blut  zur  Heilung  zu  bringen. 

.  ()VJlner"Wien:  Das  Wesen  der  Avidität  der  Zellen  zu 
den  iNahrstoffen  und  die  Entstehung  der  Geschwülste  aus  verlagerten 
Keimen. 

Zur  kurzen  Wiedergabe  nicht  geeignet. 


A.  Schatten  froh:  Die  Grundlagen  der  hygienischen  Wasser¬ 
begutachtung. 

Vortrag,  gehalten  auf  dem  internationalen  Kongress  für  Hygiene 
referiert  S.  2060. 

O.  P  o  1 1  a  k  -  Wien :  Beitrag  zur  aktiven  Bier  sehen  Hyperämie 
in  der  Gynäkologie. 

Beschreibung  eines  von  M.  Bauer  konstruierten,  die  Nachteile 
der  bisherigen  Methoden  vermeidenden,  eine  ausgiebige  Tiefen¬ 
wirkung  der  Wärme  erzeugenden  Heisswasserapparates.  Wie  bei  den 
bisherigen  Methoden  Sind  die  Erfolge  am  besten  bei  chronischer 
Parametritis  und  bei  Perimetritis,  unsicherer  bei  den  Adnextumoren 
(kleinere,  nicht  unter  einem  Jahr  bestehende). 

F.  P  e  n  d  1  -  Troppau:  Darmstenose  nach  Brucheinklemmung  und 
Taxis. 

Die  Dünndarmstenose  auf  eine  Länge  von  10  cm  wurde  bei  der' 
Laparotomie  gefunden,  welche  wegen  Obstipation,  Darmblähung  und 
Kotbrechen  2  Monate  nach  forcierter  Taxis  einer  Leistenhernie  vor¬ 
genommen  werden  musste.  Heftige  Koliken,  Diarrhöen  und  Meteoris¬ 
mus  hatten  sich  schon  14  Tage  danach  bemerkbar  gemacht,  Metoris- 
mus  und  blutige  Stühle  waren  der  Taxis  unmittelbar  gefolgt.  Man 
muss  die  Stenose  als  eine  Folge  der  durch  die  Taxis  gesetzten  Altera¬ 
tionen  der  Darmwand  betrachten.  P.  erwähnt  noch  einen  zweiten 
Fall,  wo  nach  gewaltsamen  Taxisversuchen  Darmblutungen  auftraten. 
Schliesslich  erfolgte  die  spontane  Rückbildung  unter  Anwendung  von 
Thermophorkompressen,  wie  auch  in  5  anderen  frischen  Fällen. 

E.  Ruff- Wien:  Darmblähung  und  Darmlähmung  bei  Sepsis 
extraabdominellen  Ursprungs. 

Krankengeschichten  zweier  tödlich  verlaufener  Fälle,  Phlegmone 
des  Oberschenkels,  bezw.  Abszess  der  Oberschenkelmuskulatur  nach 
Operation  einer  chronischen  Synovitis  des  Kniegelenkes. 

Topolanski:  Zur  Frage  des  chromaffinen  Systems. 

Mit  Bezug  auf  die  Arbeiten  von  Schur  und  Wiesel  verweist 
I’.  auf  die  eigenen  Beobachtungen,  dass  bei  alten  Nierenerkrankungen 
der  Retinabefund  fehlen  und  umgekehrt  beim  Vorhandensein  letzterer 
der  Harnbefund  normal  sein  kann;  vielleicht  kommt  hier  als  Zwischen¬ 
faktor  die  Nebenniere  in  Betracht.  Aehnlich  hat  N  e  u  s  s  e  r  schon 
für  gewisse  Fälle  vermutet,  dass  die  Albuminurie  und  Retinitis  albu¬ 
minurica  die  Folge  toxischer  Nebennierenprodukte  seien. 

G.  Alexander-  Wien :  Adam  Politzer. 

Biographische  Würdigung  der  Bedeutung  Politzers  anläss¬ 
lich  seines  Rücktritts  vom  Lehramt.  Verzeichnis  seiner  Arbeiten. 

Prager  medizinische  Wochenschrift. 

No.  26.  E.  H  a  i  m  -  Budweis:  Zwei  Fälle  von  Pseudoherma¬ 
phroditismus  masculinus  bei  Geschwistern. 

Die  beiden  Individuen.  13  und  20  Jahre  alt,  waren  als  Mädchen 
erzogen;  auf  Wunsch  der  Eltern,  welche  dieses  Verhältnis  beibehalten 
wollten,  wurden  bei  beiden  die  atrophischen  Hoden  (welche  zum 
Teil  schmerzhaft  und  in  einer  Hernie  gelegen  waren)  entfernt. 

H.  R  i  h  a  -  Budweis:  Abnorm  starke  Entwicklung  der  Schultern 
als  Geburtshindernis. 

H.  R  i  h  a- Budweis :  Ueber  einen  Fall  von  Selbstentwicklung  bei 
verschleppter  Querlage. 

Kasuistische  Mitteilungen. 

K.  Schneider  -  Budweis:  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Therapie 
des  Kopfschmerzes. 

In  5  hier  beschriebenen  Fällen  Hess  sich  eine  uratische  Diathese 
als  wahrscheinlicher  ätiologischer  Faktor  für  die  Anfälle  ermitteln. 

In  solchen  Fällen  leistet  ausser  der  entsprechenden  Lebensweise  das 
Zitarin  während  andere  Mittel  wie  Phenazetin,  Antipyrin  etc.  ver¬ 
sagen  —  oft  sehr  gute  Dienste. 

No.  27.  E.  Ho  ke -Prag:  Ein  Fall  von  akutem  Rotz. 

Tödlich  verlaufene  Laboratoriumsinfektion.  Die  Diagnose  war 
hinget  e  Zeit  auf  I  yphus  gerichtet,  obwohl  Rotz  zu  vermuten  war. 
Roseola,  Milztumor,  Diarrhöen  sprachen  für  Typhus,  bis  schliesslich 
als  der  Kranke  schon  komatös  war,  das  Bild  des  Rotzes  klinisch  und 
kulturell  zui  vollen  Entwicklung  kam.  Frühzeitig  traten  Schmerzen 
an  der  Leber  auf.  denen  bei  der  Obduktion  ein  grosser  Abszess 
entsprach. 

No.  28/30.  A.  Sitzen  f  rey-Prag:  Ueber  die  Beziehungen 
der  Cholelithiasis  znm  weiblichen  Geschlechtsleben  und  zu  gynä¬ 
kologischen  Leiden.  Nebst  Mitteilung  eines  durch  Zystektomie 
geheilten  Falles  von  Gallenblasenempyem  im  Wochenbett. 

S.  stellt  vor  allem  die  einschlägigen  Beobachtungen  aus  der 
Literatur  zusammen  und  beschreibt  ausser  dem  in  der  Ueber- 
schiift  genannten  Fall  noch  zwei  weitere  Beobachtungen  aus  der 
v.  Franque  sehen  Klinik. 

No.  28.  L.  E  k  s  t  e  i  n  -  Oberhaid :  Ueber  einige  äusserlich  wahr¬ 
nehmbare  Zeichen  bei  Tuberkulose. 

Ausser  dem  bekannten  Glanz  der  Augen  betont  Verf.  eine  fein¬ 
haarige  Hypei  trichose  am  Rücken  und  an  der  Stirne  und  gibt  an, 
un  eigentümliches  schmutziges,  weisses  Sekret  am  inneren  Augen¬ 
winkel  nur  bei  Tuberkulösen  gefunden  zu  haben. 

No.  33.  R.  Bache  r-Olmiitz:  Ueber  einen  Fall  von  Becken¬ 
bruch  kombiniert  mit  Pseudoluxation  des  Beckens. 

Mitteilung  eines  dieser  noch  selten  beschriebenen  Fälle:  Frak- 
turen  an  den  beiden  Schambeinen  bei  intakter  Symphyse,  Lösung  der 
v  j  nchondrosis  sacro-iliaca  der  einen  Seite.  Beschreibung  des  Durch- 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2149 


leuchtungs-  und  Obduktionsbefundes.  Die  Diagnose  war  schon  nach 
der  äusseren  Inspektion  und  Palpation  ziemlich  sicher  zu  stellen. 

j.  Stein- Saaz:  Ueber  eine  besondere  Form  von  Gehörs¬ 
halluzinationen  bedingt  durch  Zerumenpfropf. 

Der  78  jährige  psychisch  nicht  ganz  normale,  reizbare  und  mit 
leichtem  Beziehungswahn  behaftete  Kranke  klagte,  dass  er  seit  zwei 
Jahren  des  öfteren  manche  gehörte  Worte  oder  Sätze  unendlich  oft 
innerlich  wiederholt  hörte  und  zwar  nicht  selten  wie  gesungen  oder 
unter  bekannten  Melodien  oder  unbestimmten  musikalischen  Begleit¬ 
tönen.  Nach  Entfernung  eines  harten  Zerumenpfropf  es  aus  dem  einen 
Ohr  verschwand  dieses  lästige  Singen  im  Kopfe  sofort  und  kehrte 
nur  noch  einmal  vorübergehend  am  nächsten  Tage  zurück. 

Bergeat  -  München. 

Italienische  Literatur. 

Am  22.  Juni  d.  J.  feierte  Maragliano,  der  italienische  Klini¬ 
ker,  sein  25  jähriges  Professorenjubiläum  und  die  Gaz- 
zetta  degli  osped.  ehrte  ihn  mit  einer  besonderen  Festnummer. 

Uns  sei  es  gestattet,  aus  dem  Ueberblick,  welchen  der  Jubilar 
an  diesem  Tage  über  das  letzte  Schuljahr  gibt,  hier  einiges  von  den 
Leistungen  der  Genueser  Schule  anzuführen. 

Im  Immunisierungsverfahren  gegen  Tuberkulose  wurde  in  der 
von  M.  inaugurierten  Methode  eifrig  fortgefahren.  Der  Impfung  gegen 
Tuberkulose  in  J  e  n  n  e  r  scher  Weise  wurden  in  diesem  Jahre 
24  Kinder  unterzogen,  so  dass  die  Zahl  jetzt  auf  70  gestiegen  ist. 
welche  Kinder  nach  Möglichkeit  unter  sorgfältiger  Beobachtung  blei¬ 
ben.  Manche  derselben,  hereditär  tuberkulös  belastet,  auch  bereits 
vorher  die  Zeichen  einer  Infektion  bietend,  erfreuen  sich  dauernden 
Wohlbefindens  und  erhöhten  Agglutinationsvermögens. 

Die  Ernährung  mit  Kindermilch  von  hoch  tuberkuloseimmun  ge¬ 
machten  Kühen  wird  mit  sichtlich  gutem  Resultat  fortgesetzt.  Das 
vorher  negative  Agglutinationsvermögen  ist  bei  allen  Kindern  positiv 
geworden,  im  Verhältnis  von  1 :  10  wenigstens. 

Ueber  Pulsfrequenz  bei  akuter  epidemischer  Parotitis  sind  von 
G  h  e  d  i  n  i  in  einer  Reihe  von  15  Fällen  Untersuchungen  angestellt. 
Der  Puls  zeigt  sich  selbst  bei  hohem  Fieber  in  der  Kulminations¬ 
periode  der  Krankheit  verlangsamt  bis  zu  42 — 60  Schlägen.  Die  Er¬ 
klärung  dieses  Phänomens  soll  in  einem  Vagusreiz  durch  die  kom¬ 
primierende  Parotisgeschwulst  zu  suchen  sein. 

Bruschettini  glaubt  eine  Methode  gefunden  zu  haben, 
gegen  Diphtherie  nicht  nur  ein  antitoxischesi,  sondern  auch  ein  bak¬ 
terizides  Serum  darzustellen;  ein  Verfahren,  das  eingehend  beschrie¬ 
ben  wird  und  dessen  prophylaktische  Wichtigkeit  auf  der  Hand  liegt. 

Rossi  untersuchte  bei  Typhusinfektion  das  Verhältnis  von 
Agglutinationsvermögen  und  Schutzstoffbildung;  dieselben  gehen 
nicht  parallel. 

In  der  grösseren  Zahl  der  Fälle  zeigte  das  Blutserum  schon  in 
der  akuten  Periode  der  Krankheit  ein  beträchtliches  Immunisierungs¬ 
vermögen  gegen  Typhusbazillus;  nur  in  einigen  Fällen  wurde  Fehlen 
des  Immunisierungsvermögens  während  der  Fieberperiode  und  Auf¬ 
treten  desselben  in  der  Rekonvaleszenz  beobachtet;  besonders  be¬ 
traf  dies  schwere  und  prolongierte  Fälle;  indessen  gelang  es  nicht, 
ein  bestimmtes  Verhältnis  zwischen  hohem  Immunisierungsviermögen 
des  Serums  und  einem  milden*  Verlauf  zu  finden. 

In  2  Fällen  von  Typhus  ergab  die  Untersuchung  des  antiseptisch 
aufgefangenen  Urins  eine  beträchtliche  Bakteriurie.  Bei  der  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  des  Sediments  erschien  der  Bacillus  Eberth 
wie  in  Reinkulturen;  vorher  war  in  beiden  Fällen  der  Pilz  im  strö¬ 
menden  Blute  nachgewiesen  worden. 

Ueber  Beziehungen  zwischen  Typhusbaziüus,  Paratyphus  A 
und  B  und  dem  Bacillus  enteritidis  Gärtner. 

Ein  Fall  von  akuter  Zystitis  durch  ein  Bacterium  coli  simile,  mit 
bemerkenswerter  Widalreaktion. 

Ueber  den  Nachweis  von  Influenzabazillen  im  Blut  und  in  der 
Milz  Influenzakranker,  sowie  über  Agglutination  des  Influenzabazillus 
durch  Blutserum  Influenzakranker. 

Diese  Agglutination  ist  nur  erheblich  bei  jugendlichen  Individuen 
und  bei  stark  febrilen  Formen  während  der  Akme;  dagegen  schwach 
und  oft  fehlend  im  Serum  von  Individuen  bei  leichter  Erkrankung 
und  solchen,  die  sich  lange  hinziehen. 

Das  bakterizide  Vermögen  des  Blutserums  Influenzakranker  ist 
gering  auf  Influenzabazillen,  ebenso  gering  auf  Bacillus  Eberth,  Diplo¬ 
kokken,  Streptokokken  und  Staphylokokken;  in  beiden  Fällen  häufig 
geringer  als  bei  normalem  Blutserum. 

Dies  Faktum  erscheint  geeignet,  die  Influenzarezidive  zu  er¬ 
klären,  sowie  die  Erscheinung,  dass  solche  Kranke  leichter  von 
anderen  Infektionskrankheiten  befallen  werden. 

Von  G  h  e  d  i  n  i  und  Livierato  wurde  experimentell  der 
schädigende  Einfluss  von  Influenzabazillen  auf  das  Herz  nach¬ 
gewiesen. 

Ueber  Leberkrankheiten  und  Coma  hepaticum. 

Maragliano  empfiehlt  und  betont  die  Einteilung  der  chro¬ 
nischen  interstitiellen  Hepatitiden  in  2  Formen,  in  die  Cirrhosis  aperta 
und  Cirrhosis  clausa.  Die  letztere  Form  ist  die,  bei  welcher  sich  keine 
Kommunikationswege  zwischen  den  Pfortaderstämmen  und  der  Vena 
cava  bilden,  oder  wenigstens  nicht  genügend,  um  eine  Entladung  zu 
ermöglichen.  So  folgt  einerseits  Aszites,  andererseits  starker  Verlust 
an  Ernährungsmaterial.  Anhäufung  von  Toxinen  im  Blute,  deren  Ent¬ 


leerung  durch  die  vikariierend  eintretenden  Nieren  nicht  bewirkt  wer¬ 
den  kann,  führen  bei,  dieser  Form  zum  Koma. 

Eine  grosse  Reihe  von  Untersuchungen  betrafen  Nieren  und 
Harnwege;  wir  erwähnen  hier  nur  den  Nachweis  bestimmter  Prä¬ 
zipitine  im  Urin  bei  chronischer  Nephritis. 

Kleine  und  wiederholte  Injektionen  von  Serum,  welches  Nephriti- 
kern  entnommen  wurde,  führt  bei  Tieren  bisweilen  zu  bestimmten 
Störungen  (Abmagerung,  Oligämie,  Anurie,  Albuminurie).  Erschei¬ 
nungen,  welche  ganz  verschieden  sind  von  denjenigen,  welche  man 
mit  normalem  Blutserum  erzielen  kann.  Vorwiegend  ist  es  das  Blut¬ 
serum  chronischer  Nephritiker,  welches  diese  Störungen  auslöst.  Bei 
Kaninchen,  welche  mit  demselben  injiziert  sind,  gelingt  es,  ein  spe¬ 
zifisches  Präzipitin  darzustellen.  Es  ist  anzunehmen,  dass  diese  Prä¬ 
zipitine  von  den  zelligen  Elementen  der  Niere  stammen  und  ferner, 
dass  sie  selten  aus  dem  Blutserum  in  den  Urin  übergehen. 

Ueber  Phlorizinglykosurie  bei  Infektionskrankheiten  wurden  von 
T  e  deschi  Versuche  angestellt.  Es  kommt  bei  dieser  Probe  nicht 
auf  die  Quantität  des  ausgeschiedenen  Zuckers  an,  sondern  auf  die 
Zeit  des  Auftretens  des  Zuckers  im  Urin. 

Je  nachdem  das  Auftreten  schneller  oder  langsamer  erfolgt,  kann 
man  auf  grössere  oder  kleinere  Läsionen  der  Nieren  schliessen, 
welche  letzteren  oft  durch  andere  Mittel  nicht  nachweisbar  sind. 

Fast  immer  findet  sich  bei  Infektionskrankheiten  die  Phlorizin¬ 
glykosurie  verändert. 

Experimentaluntersuchungen  über  das  Verhalten  der  alimentären 
Glykosurie  und  Lävulosurie  bei  Diplokokkeninfektionen  ergaben  nur 
in  einem  Falle  von  sieben  eine  alimentäre  Glykosurie,  dagegen  Lävu- 
Losurie  in  fünf  Fällen.  Beide  Proben  scheinen,  wenn  sie  positiv  aus- 
fallen,  einen  Schluss  auf  den  Funktionszustand  der  Leber  zu  ge¬ 
statten  und  auch  für  die  Prognose  von  Bedeutung  zu  sein. 

Ueber  den  Einfluss  der  Lebensweise  der  Schutzstoffe  erzeugen¬ 
den  Tiere  auf  die  Schutzstoffbildung  veröffentlicht  Sciallero  seine 
binnen  8  Jahren  an  serumspendenden  Tieren  gemachten  Beobach¬ 
tungen.  Diese  Schutzstofferzeugung  wechselt  zu  verschiedenen  Zei¬ 
ten  bei  verschiedenen  Tieren  oft  ohne  nachweisbare  Ursache.  Ein¬ 
fluss  auf  dieselbe  haben  die  Qualität  des  Futters,  Ruhe,  Verdauungs¬ 
störungen,  auch  zu  oft  wiederholte  Aderlässe.  Erscheinen  die  Tiere 
durch  letzteres  Moment  erschöpft,  so  genügen  30 — 40  Tage  Ruhe, 
um  aufs  neue  hochwertige  Sera  zu  gewinnen. 

Von  therapeutischen  Leistungen  der  Genueser  Schule  erwähnen 
wir  noch  die  Anwendung  des  Eumydrin  bei  den  funktionellen  Erkran¬ 
kungen  des  Magens.  Es  ist  ein  Ersatzmittel  des  Atropins  wegen 
seiner  moderierenden  Eigenschaft  auf  sezernierende  und  motorische 
Tätigkeit  des  Magens.  Es  hat  vor  dem  Atropin  voraus  die  geringere 
toxische  Wirkung  und  die  Vermeidung  unangenehmer  Neben¬ 
wirkungen. 

Die  Röntgenbehandlung  wurde  in  zwei  Fällen  von  Malaria  quoti- 
dianen  Typus  mit  Erfolg  angewandt;  einen  partiellen  Erfolg  gelang 
es  auch  bei  Epilepsie  zu  erzielen,  ebenso  zeigte  sich  dieselbe  wirk¬ 
sam  bei  den  verschiedensten  Affektionen  auf  das  eine  Symptom,  den 
Schmerz. 

Die  Wirkung  des  von  Sciallero  dargestellten  Neuropoins, 
eines  organotherapeutischen  Präparats  auf  Epilepsie,  Neurasthenie, 
auch  Schlaflosigkeit,  ist  an  anderer  Stelle  bereits  erwähnt. 

In  der  Therapie  der  Gicht  wurden  mit  sichtlichem  prompten  Er¬ 
folge  Inhalationen  von  Formaldehyd  und  lokale  Behandlung  der  be¬ 
fallenen  Gelenke  mit  Formaldehydumschlägen  und  Einwicklungen 
(eine  2prom.  wässrige  Lösung)  angewandt. 

Hager-  Magdeburg. 

Norwegische  Literatur. 

Axel  Holst  und  Theodor  Frölich:  Ueber  Beriberi.  II.  Unter¬ 
suchungen  betreffs  der  Schiffsberiberi.  Fortsetzung:  Ueber  die  Ur¬ 
sachen  des  Skorbuts.  (Norsk  Magazin  for  Lägevidenskaben  1907, 
No.  7.) 

Prof.  Holst  hat  mit  Dr.  Fröhlich  zusammen  seine  in  dem 
letzten  norwegischen  Literaturber'icht  dieser  Wochenschrift  erwähnten 
Untersuchungen  fortgesetzt.  Diese  Arbeit  ist  von  grossem  Interesse. 
Es  gelang  nämlich  den  Verfassern  durch  einseitige  Nahrung  mit  ver¬ 
schiedenen  Kornarten,  Griesen  und  Brot  regelmässig  bei  Meer¬ 
schweinchen  eine  Krankheit  hervorzurufen,  die  sowohl  makro-  wie 
mikroskopisch  dem  Skorbut  der  Menschen  entspricht,  speziell  so,  wie 
diese  Krankheit  unter  dem  Namen  der  Barlowschen  Krankheit  bei 
Säuglingen  und  Kindern  auf  tritt.  Das  Leiden  war,  wie  der  mensch¬ 
liche  Skorbut  an  gewisse  Nahrungsmittel  geknüpft;  z.  B.  trat  es  nach 
ausschliesslicher  Fütterung  mit  Kohl  oder  frischen  Kartoffeln  nicht  auf, 
während  es  dagegen  durch  getrocknete  Kartoffeln  hervorgerufen 
wurde.  Die  experimentellen  Untersuchungen  zeigten  ferner  den  Wert 
der  Antiskorbutlka,  zeigten  auch,  dass  ein  einzelnes  Antiskorbutikum, 
nämlich  Kohl,  seine  Wirkung  durch  halbstündliches  Kochen  bei  100  0  C 
nicht  einbiisst,  aber  in  wesentlichem  Grade  durch  Kochen  bei  110  . 
Es  gelang  den  Verfassern  nicht,  durch  ihre  Versuche  die  „jüngere 
Schwester  des  Skorbuts“,  die  Schiffsberiberi,  hervorzurufen,  obgleich 
hie  und  da  ein  ihr  ähnlicher  „abortiver  Skorbut“  auftrat.  Die  tiefere 
Ursache,  dass  Kornarten  usw.  Skorbut  hervorrufen  können,  liegt  noch 

im  Dunkeln.  .  .  ,  ,, 

Sofas  Wideröe:  Eine  differentialdiagnostische  Eiterreaktion. 

(Aus  dem  Krankenhaus  der  Diakonissenanstalt.)  (Ibidem  No.  8.) 


2150 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


T 


No.  4c 


In  einer  grösseren  Reihe  von  Fällen  machte  der  Verfasser  ver¬ 
gleichende  Untersuchungen  der  verschiedenen  differentialdiagnosti¬ 
schen  Eiterreaktionen;  speziell  wurde  nach  Müller  (Zentralhl.  f.  inn. 
Med.  1907)  das  M  i  1 1  o  n  sehe  Reagens  als  Hilfsmittel  zur  Unterschei¬ 
dung  von  tuberkulösen  und  andersartigen  Eiterungen  untersucht. 
Diese  Probe  kann,  glaubt  der  Verfasser,  einigen  Wert  haben.  Für  den 
Ausfall  der  Probe  zeigte  es  sich,  dass  die  Grösse  der  angewandten 
Eitermenge  Bedeutung  hat.  Die  Reaktion  soll  deshalb  in  folgender 
Weise  ausgeführt  werden:  2  Eitertropfen  werden  in  das  Zentrum 
der  mit  Mil  Ion  scher  Flüssigkeit  gefüllten  Schale  getan,  so  dass 
beide  Tropfen  ein  zusammenhängendes  Häutchen  bilden.  Nach  einer 
Minute  wird  eine  Platinöse  mit  wagerecht  liegendem  Auge  unter  dem 
Zentrum  des  Eiters  angebracht.  Wenn  der  Eiter  tuberkulös  ist,  kann 
er  ohne  zu  zerbrechen  aufgehoben  werden;  wenn  er  nicht  tuberkulös 
ist,  wird  die  Oese  den  Eiter  durchschneiden,  welcher  dadurch  in  zahl¬ 
reiche  Teilchen  geteilt  wird.  Nach  15  Minuten  wird  die  Flüssigkeit 
filtriert,  um  zu  entscheiden,  ob  rote  Färbung  eingetreten  ist.  Wenn 
Blut  neben  dem  Eiter  vorhanden  ist,  wird  die  Reaktion  gestört.  Eine 
deutliche  Rotfärbung  spricht  dagegen  gegen  die  Diagnose  Tuber¬ 
kulose,  obgleich  eine  rote  Nuance  nicht  konstant  bei  allem  nicht 
tuberkulösem  Eiter  auftritt. 


Fristen  Andersen:  Die  Verteilung  des  Krebses,  mit  anderen 
Krankheiten  verglichen,  und  in  Bezug  auf  die  Aetiologie  des  Krebses. 

(Ibidem.) 

Grosse  statistische  Arbeit,  zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

.  Arent  de  Besehe:  Ein  Fall  von  doppelseitiger  maligner  Neben¬ 
nierengeschwulst  mit  Metastasen  im  Knochensystem.  (Aus  dem 
pathologischen  Institut  der  städtischen  Krankenhäuser  Christiania.) 
(Ibidem.) 

Trotz  sorgfältiger  mikroskopischer  Untersuchung  der  Ge¬ 
schwülste  liess  ihr  Platz  in  dem  onkologischen  System  sich  in  diesem 
r all  wie  in  den  früher  veröffentlichten  nicht  bestimmen;  der  Verfasser 
benützt  deshalb  den  nichts  präjudizierenden  Namen  bösartige  Neben- 
nierengeschwulst.  Der  Fall  war  interessant  teils  dadurch,  dass, 
trotzdem  keine  Reste  der  Nebennieren  gefunden  wurden,  keine 
Bronzefärbung  oder  abnorme  Pigmentierung  der  Haut  vorhanden  war, 
dadurch,  dass  unabhängig  von  den  Nebennierengeschwülsten 
und  ihren  Metastasen  ein  gewöhnliches  Adenokarzinom  des  Magens 
mit  Drüsenmetastasen  vorhanden  war. 


Wilhelm  Magnus:  Transplantation  von  Ovarien,  mit  spezieller 
Rücksicht  auf  den  Abkömmling.  (Ibidem  No.  9.) 

Der  Vei  fassei  exstirpierte  beide  Ovarien  eines  schwarzen  Ka¬ 
ninchens,  nähte  diese  Ovarien  am  Mesovarium  eines  Albinokaninchens 
lest, exstirpierte  die  Ovarien  des  albinotischen  Kaninchens  und  befestigte 
diese  am  Mesovarium  des  schwarzen  Kaninchens,  vertauschte  also  die 
Ovarien.  In  einem  Fall  wurde  ein  solches  schwarzes  Kaninchen  mit 
ti  ansplantierten  Ovarien  eines  Albinokaninchens  von  einem  Albino- 
kamnehen  befruchtet.  EinMonat  nachdem  befruchtenden 
Koitus  gebar  das  schwarze  Kaninchen  ein  weisses 
u  n  d  ein  sc  hwarzes  Kaninchen.  Am  7.,  13.,  18.,  19.  und 
JJ.  Mai  wurde  das  schwarze  Kaninchen  wieder  mit  dem  Albinomänn¬ 
chen  gepaart.  Am  20.  Juni  nachmittags  wurde  dasselbe  tot  im  Käfig 
gefunden,  nach  der  Enthäutung  wurde  es  in  Formol  gebracht  und  am 
folgenden  Tage  seziert.  An  der  rechten  Seite  wurden  Adhärenzen 
zwischen  einer  Dünndarmschlinge  und  dem  rechten  graviden  Uterus- 
horn,  das  7  ausgetragene  Embryonen  enthielt,  gefunden.  Das  rechte 
lmbnaende  war  mit  dem  rechten  Uterushorn  zusammengewachsen. 
An  der  mken  Seite  war  auch  eine  Dünndarmschlinge  an  dem  leeren 
linken  Lterushorn  adhärent;  die  Tube  war  zusammengewachsen  und 
zusammengedreht,  zugleich  an  einer  Dünndarmschlinge  adhärent. 
Uterus  enthielt  2  dunkelgefärbte  und  5  hellrote  (Albino?)  Embryonen 
An  der  linken  Seite  war  von  dem  transplantierten  Ovarium  keine 
Spur  an  der  rechten  Seite  wurde  ein  Ovarium  dem  Hilus  entlang 
zum  Mesovarium  festgewachsen  gefunden;  das  Ovarium  war  mehr 
gelbweiss  als  normal,  enthielt  7  Corpora  lutea  im  regressiven  Sta- 
,Der  un^ere  Pol  war  mit  dem  graviden  Uterus  leicht  zusammen- 
gewachsen.  I  eritoneum  normal.  Das  Kaninchen  war  während  der 
Entbindung  gestorben,  weil  die  Adhärenzen  zum  Uterus  eine  Atonie 
hervorgerufen  hatten.  Der  Verfasser  behauptet,  dass  die  Exstirpation 
vollständig  gewesen  und  dass  kein  „drittes“  Ovarium  vorhanden  war. 

er  }  Erfasser  setzt  seine  in  biologischer  Beziehung  sehr  inter¬ 
essanten  Versuche  fort. 

K.  Thiis:  Sahlis  Desmoidreaktion.  (Ibidem.) 
nie  Ul®  Methode  hat  sich  dem  Verfasser  nicht  gut  bewährt,  insofern 
als  die  Desmoidreaktion  in  ihrer  jetzigen  Form  mit  gar  zu  vielen,  nicht 
ganz  erklärlichen  Unregelmässigkeiten  verbunden  ist,  so  dass  man  ihr 
keine  grosse  diagnostische  Bedeutung  beilegen  kann.  Sie  kann  in 
keiner  Weise  die  Magensonde  ersetzen. 

Adolph  H.  Meyer-  Kopenhagen. 

Inauguraldissertationen. 

Die  Zusammensetzung  der  Geheimmittel  gegen 
Asthma  bronchiale  bespricht  J.  S  a  i  d  i  n  e  r  in  einer  wert¬ 
vollen  und  interessanten  Berliner  Dissertation  (1907),  die  auf  Anregung 
on  Prot.  b.  K  r  a  u  s  und  mit  Unterstützung  von  Brugsch  ent¬ 
standen  ist.  Nicht  weniger  als  59  derartige  Geheimmittel  hat  er  zu¬ 
sammenstellen  können,  aber  trotz  ihrer  grossen  Anzahl  bieten  diese 
nichts,  was  der  wissenschaftlichen  Medizin  nicht  schon  bekannt  wäre 


Die  Analysen  der  Geheimmittel,  die  der  Verfasser  anführt,  erlaube: 
folgendes  Schema: 

I.  I  n  n  e  r  1  i  c  h  e  Mittel:  a)  Jodkali  und  Narkotikum,  b)  Digj 
talis  mit  oder  ohne  Narkotikum,  c)  Expectorantia  mit  und  ohne  Nar 
kotikum. 

II.  Verstäubungsmittel,  für  die  Nase  hauptsächlich 
Atropin,  Kokain,  Menthol. 

III.  Räuchermittel:  a)  Solaneen,  b)  Kalium  nitricum 
c)  Kalium  n'itrosum. 

„Für  den  Arzt  ist  eine  Kenntnis  der  Geheimmittelliteratur  nicht 
unwichtig,  da  die  medikamentöse  Therapie  des  Asthma  bronchiale  zun 
grössten  Teil  von  der  Geheimmittelliteratur  erschöpft  wird;  anderer¬ 
seits  der  Arzt  auch  von  diesem  und  jenem  Mittel  durchaus  ohne 
Schaden  des  Patienten  Gebrauch  machen  kann.  So  ist  die  Anwendung 
des  I  ucke  rschen  und  Brügelmann  sehen  Mittels  zu  einem  Ver¬ 
such  durchaus  anzuraten.“ 

Tuckers  Ge  heimmittel  ist  eine  angenehm  riechende 
braunrote,  klare  Flüssigkeit,  die  mittels  Zerstäubers  in  die  Nase  und 
die  tieferen  Luftwege  gebracht  wird.  In  100  Teilen  enthält  das 
Mittel:  AtropinsulfaT  1,0,  Natr.  nitrit  4,0,  Pflanzenextrakt  (Koka  oder 
Belladonna?)  0,52. 

B  r  ü  ge  Imann  sehe  Lösung  enthält:  Atropin,  Kokain,  Koka 
Glyzerin,  Saure. 


n  n  •  •  Er 111  culcr  Jmsseriauonsaroeit  au< 

dei  I  oliklimk  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  zu  Rostock  übei 
die  Behandlung  der  Stomatitis  m  e  r  c  u  r  i  a  1  i  s  mi  i 
W  a  s  s  e  r  s  t  o  1 1  s  u  p  e  r  o  x  y  d.  Er  führt  den  Nachweis,  dass  eine 
bestehende  merkurielle  Stomatitis  rasch,  schonend  und  angenehm  ge¬ 
heilt,  eine  beginnende  oder  drohende  verhütet  werden  kann,  wenn  man 
energisch  mit  HsO?  A — /2  stündlich  gurgeln  und  spülen  lässt.  (Rostock 
iyu/''  Fritz  Loeb. 


52. 

16. 

17. 

18. 


Universität  Berlin.  September  1907. 

Miljaeff  Berthold:  Ueber  Endocarditis  gonorrhoica. 
Universität  Heidelberg.  August  und  September  1907. 

Th  o  r  s  p  ec  ken  Oscar:  Zur  Frage  der  idealen  Cholezystektomie. 
K  li  n  g  e  Herbert  Eduard:  Ueber  das  Chorioepithelion  nebst  Mit¬ 
teilung  eines  neuen  Falles. 

Sutraiirb  +  ?e0rg  Frariz:  Ueber  einen  Fall  von  Broncho-Oeso- 
phagealfistel,  verursacht  durch  indirekten  Druck  eines  Aorten- 
aneui  ysmas  auf  den  linken  Stammbronchus. 

’  kdfn^  fonnUbiUon^  Ve^er^  diie  ‘IE.  der  Heidelberger  chirurgischen 
Klinik  1900  190o  behandelten  Fälle  von  Carcinoma  penis. 

Universität  Strassburg.  Monat  September  1907. 

I  s  r  a  e  1  Arthur :  Klinische  Beobachtungen  aus  der  med.  Klinik 
in  Stra^sburg  aber  das  Symptom  der  Hypertension. 

d e r° H a r n \v ege° '  Beitrag  ZUI  Kenntnis  der  nervösen  Erkrankungen 

Universität  Würzburg.  August  und  September  1907. 
io'  Randelski  Zdzislaw:  Primäres  Tubenkarzinom. 

“y-  ts  \  6SS  Franz:  Chorea  gravidarum. 

'  '  DiaheUteVVii!lsipSidtusQe0rff:  ^  Aetiologie  u,ld  Pathogenese  des 

3?  WerVh™  5nrnStkiUebRer+Atrophia  cutis  ichopathica  progressiva. 
Vulva-  ^undaScheid'enk^rzinomeZUr  *thÖl0,fie  Und  Tberapie  dCr 


18. 


19 


Auswärtige  Briefe. 


Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  Hygieneausstellung. 

Nachdem  der  Kongress  für  Hygiene  und  Demographie  ge 
schlossen  war,  blieb  noch  ein  wesentlicher  Teil  von  ihm,  di 
Ausstellung  für  das  grosse  Publikum  zurück.  Da  die  Hygien 
djejemge  Wissenschaft  ist,  welche  am  unmittelbarsten  den 
gesundheitlichen  Gedeihen  des  Volkes  wie  des  Einzelnei 
lenste  leistet,  so  war  es  ein  glücklicher  Gedanke,  im  An 
Schluss  an  .die  Reden  und  Erörterungen  der  Gelehrten,  dii 
och  hauptsächlich  für  diese  selbst  bestimmt  sind  und  nur  voi 
w1CIi  v.^sta|]den  werden,  den  Laien  zu  zeigen,  wie  in  der 
Werkstätten  der  Wissenschaft  zum  Wöhle  der  Volksgesundhei 
gearbeitet  wird,  und  welche  Erfolge  diese  Arbeiten  gezeitig 
haben.  Man  muss  der  Ausstellungsleitung  das  Lob  spenden 
dass  sie  ein  klares,  übersichtliches  und  leicht  verständliche« 
i  a  ^  on  dem  Stande  der  hygienischen  Forschung  geschaffer 
nu,  und  dass  sie  die  Ausstellung  vollständig  frei  gehalten  ha' 
von  dem  Ballast  der  Reklamegegenstände,  welche  auf  der 
meisten  Ausstellungen  dem  ernsten  Beschauer  so  lästig  sind 
Die  Ausstellung  gliedert  sich  in  12  Gruppen:  Säuglings-  unc 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2151 


Kinderhygiene,  soziale  Bekämpfung  der  1  ubeikulose,  allge¬ 
meine  Bakteriologie,  Infektionskrankheiten  und  Schutzimpfung, 
Wasserversorgung,  Abwässerbeseitigung  und  Beseitigung  dei 
Abfallstoffe,  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums,  Krankenhaus¬ 
bau  und  Desinfektion,  Hygiene  der  Ernährung  und  Kleidung, 
Gewerbekrankheiten,  Hygiene  der  Luft,  Heizung  und  Beleuch¬ 
tung,  wissenschaftliche  Apparate  und  Laboratoriumsgeräte, 
Leichenbestattung,  Gesundheits-,  Krankheits-  und  Sterblich¬ 
keitsstatistik.  Ausserdem  sind  noch  eine  Reihe  von  Sammel¬ 
ausstellungen  vorhanden.  Beginnen  wir  mit  den  letzteren,  so 
wird  unsere  Aufmerksamkeit  auf  die  grossartige  Ausstellung 
des  Reichsgesundheitsamtes  hingelenkt.  In  sehr  anschaulicher 
Weise  sieht  man  an  Tafeln,  Würfeln  und  Pyramiden  die  Mor¬ 
talitätsstatistik  der  einzelnen  Krankheiten  'dargestellt,  man  über¬ 
zeugt  sich  mit  einem  Blick  von  der  hohen  Pockensterblichkeit 
in  Ländern  ohne  Impfzwang.  In  gleicher  Weise  ist  die  allge¬ 
meine  Bevölkerungsstatistik,  die  Sterblichkeit  in  verschiedenen 
Altersklassen  und  in  grossen  und  kleinen  Städten,  die  Abnahme 
der  Sterblichkeit  an  Infektionskrankheiten  u.  a.  plastisch  darge¬ 
stellt.  Ein  Modell  zeigt,  wie  Pestratten  durch  Einblasen  kohlen¬ 
oxydhaltigen  Gases  in  Schiffsräume  getötet  werden;  eine 
Reihe  von  Präparaten  belehrt  über  die  Tuberkuloseforschungen, 
andere  über  Blutbestimmungen,  über  Phagozytose,  über  Nah¬ 
rungsmittelfälschung  und  über  noch  manche  andere  Fragen,  die 
dem  Laieninteresse  mehr  oder  weniger  nahe  hegen.  Ein  gutes 
Bild  von  dem  Transport  und  der  Pflege  der  Verwundeten  im 
Kriege  bietet  die  Ausstellung  der  Vereine  vom  Roten  Kreuz; 
auch  von  der  Friedenstätigkeit  dieser  Vereine  gibt  die  Aus¬ 
stellung  mit  ihren  Modellen  von  Tuberkuloseheilstäten,  Kinder¬ 
heilstätten,  Erholungsstätten  Kunde.  Das  Institut  für  Infek¬ 
tionskrankheiten  hat  Bilder  und  mikroskopische  Präparate  von 
Krankheitserregern  aller  Art,  die  Methoden  ihrer  Züchtung 
und  der  Serumgewinnung  vorgeführt;  an  der  Ausstellung  des 
Institutes  für  experimentelle  Therapie  interessieren  neben  den 
Wandtafeln  über  die  Infektions-  und  Immunisierungsvorgänge 
besonders  die  karzinomatös  gemachten  Mäuse.  Besondere 
Beachtung  verdienen  die  Ausstellungen  der  hygienischen  Uni¬ 
versitätsinstitute,  namentlich  derer  von  Berlin  und  Marburg, 
überall  findet  man  viel  Sehens-  und  Wissenswertes,  und  Aerzte 
und  Laien  finden  überall  reiche  Belehrung.  Von  den  Gruppen¬ 
ausstellungen  wird  die  Abteilung  für  Säuglings-  und  Kinder¬ 
hygiene  viel  beachtet;  lebhaftes  Interesse  erregen  die  Darstel¬ 
lungen  über  den  Betrieb  in  Säuglingskliniken  und  Krippen,  dei 
durch  schnell  sich  bewegende  Bildchen  in  kinematographischer 
Art  zur  Anschauung  gebracht  wird.  Bei  der  Ausstellung  der 
Gewerbekrankheiten  fallen  besonders  die  Verletzungen  durch 
elektrischen  Starkstrom  auf;  in  der  Abteilung  für  Infektions¬ 
krankheiten  hat  die  brasilianische  Regierung  auf  prachtvollen 
Tafeln  ein  Bild  der  Seuchenbekämpfung  in  Brasilien  gegeben, 
bemerkenswert  ist  der  erfolgreiche  Kampf  gegen  das  gelbe 
Fieber.  Auch  in  allen  anderen  Gruppen  ist  ungemein  viel 
Interessantes  zu  sehen,  das  einzeln  aufzuführen  auch  nicht  an¬ 
nähernd  möglich  ist,  wie  überhaupt  in  dieser  Schilderung  nur 
einige  wenige  Einzelheiten,  gewissermassen  als  Stichproben, 
herausgegriffen  werden  konnten,  ohne  dass  damit  gesagt  sein 
soll,  dass  das  viele  Nichterwähnte  nicht  ebenso  interessant 
wäre.  Zum  Schluss  wollen  wir  nur  noch  die  Ausstellung  der 
Deutschen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums 
nennen;  hier  wird  gezeigt,  welchen  von  Jahr  zu  Jahr  steigen¬ 
den  Umfang  das  Kurpfuschertum  angenommen  hat,  wie  gross 
die  Zahl  der  Bestrafungen  unter  ihren  Vertretern,  welcher  Art 
ihr  Bildungsniveau  ist,  und  mit  welchen  unglaublich  dreisten 
Mitteln  sie  die  Leichtgläubigkeit  der  Kranken  auszubeuten 
verstehen.  Wenn  dieser  Teil  der  Ausstellung  recht  fleissig  be¬ 
sucht  wird,  so  könnte  er  allein  schon  viel  Nutzen  stiften. 

M.  K. 


Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Eine  neue  Heil-  und  Pflegeanstalt  für  Geistes-  und  Nerven¬ 
kranke  in  Wien.  —  Das  Ende  der  passiven  Resistenz  der 
niederösterreichischen  Gemeindeärzte.  —  Alters-,  Witwen- 
und  Waisenrente  der  Gemeindeärzte.  —  Blatternstatistik,  gün¬ 
stige  Resultate  der  Impfung  resp.  der  Revakzination.  —  Der 


Bürgermeister  Wiens  gegen  die  „Impferei“.  —  Proteste.  — 
Für  den  Impfzwang. 

Am  8.  Oktober  1.  J.  sind  die  niederösterreichischeil  Landes¬ 
heil-  und  Pflegeanstalten  für  Geistes-  und  Nervenkratnke  „am 
Steinhof“  feierlichst  eröffnet  worden.  An  der  Grenze  des  16. 
und  13.  Wiener  Gemeindebezirkes,  auf  sanft  abfallenden  Ab¬ 
hängen  des  Galizinberges  gelegen,  für  die  Wiener  leicht  er¬ 
reichbar,  aber  dennoch  von  der  City  genug  weit  entfernt,  um 
einen  freundlichen  Rundblick  auf  bewaldete  Berge  und  grüne 
Wiesen  der  Umgebung  zu  gestatten,  ist  hier  aut  einem  riesigen 
Territorium  eine  kleine  Stadt,  oder  —  wenn  man  will  —  ein 
entzückend  schönes  Villenviertel  mitten  in  Gärten  hinein  er¬ 
richtet  worden.  Und  all  das  ist  für  Geistes-  und  Nervenkranke 
bestimmt,  hier  werden  tausende  arme  und  reiche  Kranke  be¬ 
herbergt,  gepflegt,  behandelt  und  beschäftigt  werden.  Die  neue 
Landesanstalt  gliedert  sich  in  3  Abteilungen,  in  eine  Heil¬ 
anstalt  für  heilbare  Geistes-  und  Nervenkranke,  in  eine 
Pflegeanstalt  für  unheilbare  gemeinschädliche  oder  un¬ 
heilbare  harmlose  Geisteskranke,  endlich  in  ein  Sanatoriu  m, 
ein  Pensionat  für  bemittelte  Geistes-  und  Nervenkranke.  Dass 
die  neue  Heilanstalt  die  grösste  auf  dem  Kontinente 
ist,  das  mögen  einige  Ziffern  bekunden,  welche  wir  hier  an¬ 
führen;  dass  sie  aber  auch  die  schönste  und  modernste,  mit 
aller  Umsicht  und  raffinierter  Ueberlegung  erbaute  ist,  das 
kann  nur  die  eigene  Anschauung  lehren;  eine  kurze  Beschrei¬ 
bung,  die  wir  hier  geben  können,  genügt  in  keiner  Weise  diesem 
Zwecke. 

Auf  einem  Grundkomplex  von  1,4  Millionen  Quadrat¬ 
metern,  wovon  53  600  Quadratmeter  verbaut  sind,  wurden 
neben,  und  hintereinander  in  mehreren  terrassenförmigen 
Reihen  60  einzelne  Pavillons  errichtet.  36  Gebäude  mit  zu¬ 
sammen  518  Wohnräumen  sind  zur  Aufnahme  von  Kranken  be¬ 
stimmt,  die  restlichen  24  Pavillons  dienen  allgemeinen  Zwek- 
ken,  der  Verwaltung,  Wirtschaft,  Küche,  Heizung  etc.  Der 
Grund  kostete  4X  Millionen  Kronen,  der  Bau  und  die  Einrich¬ 
tung  der  3  Anstalten  erforderten  insgesamt  einen  Aufwand  von 
mehr  als  20  Millionen  Kronen,  wovon  auf  das  Sanatorium  allein 
(10  Pavillons  mit  einem  Belagraum  für  356  Kranke)  ca  5  Mil¬ 
lionen  Kronen  entfallen.  Die  3  Anstalten  können  heute  schon 
2200  Kranke  aufnehmen,  sie  können  aber  jederzeit,  wenn  ein 
Bedarf  vorhanden  ist,  zur  Aufnahme  von  3000  Kranken  bereit 
gestellt,  eventuell  durch  Zubauten  noch  erweitert  werden. 

Während  der  Bauperiode  von  2X>  Jahren  versahen  die 
Bauleiter  zu  Pferde  ihren  Dienst,  jetzt  steht  eine  elektrische 
Bahn  mit  Oberleitung  zur  raschen  Beförderung  der  Speisen 
aus  den  Küchen  in  die  einzelnen  Pavillons,  zum  Transport  der 
Wäsche,  der  Kohle  und  des  Holzes  etc.  zur  Verfügung.  Man 
bewundert  die  prächtige  Kirche,  die  mit  ihrer  reich  vergolde¬ 
ten  Kuppel  weithin  sichtbar  ist  und  das  Ganze  krönt;  man  er¬ 
geht  sich  in  den  grossen  Gartenanlagen,  die  zum  Teile,  wo 
unruhige  Kranke  untergebracht  sind,  mit  hohen  Mauern  um¬ 
geben,  zum  Teile  wieder  von  niederen  Gittern  eingerahmt  sind, 
oder  sich  als  offene  Gärten  (für  ruhige  Kranke)  präsentieren; 
man  bewundert  die  zahlreichen  schmucken  Bäder,  besieht  die 
Stallungen  für  Pferde  und  Schweine,  das  Schlachthaus  für 
Wurstlerei  und  Fettschmelze,  das  Kesselhaus  etc.  Das  von  den 
Heil-  und  Pflegeanstalten  getrennte  Sanatorium  wird,  wie  er¬ 
wähnt,  Patienten  aus  zahlungsfähigen  Kreisen  des  In-  und  Aus¬ 
landes  beherbergen  und  weisen  dementsprechend  die  einzelnen 
Pavillons  allenthalben  in  ihrer  Einrichtung  einen  behaglichen 
Komfort,  stellenweise  sogar  wahren  Luxus  auf.  Neben  den 
Krankenzimmern  gibt  es  da  eigene  Erholungs-  und  blurnen- 
geschmückte  Wandelräume,  gemeinsame  Konversations-  und 
Speisesäle,  einen  Fest-,  einen  Billard-,  einen  Rauch-  und  einen 
Musiksalon,  einen  Turnsaal,  sodann  mehrere  Räumlichkeiten 
für  Hydro-,  Miechano-  und  Elektrotherapie,  ein  Winter¬ 
schwimmbad,  Luft-  und  Sonnenbäder  etc.  Die  Kranken  sollen 
womöglich  im  Freien,  und,  wenn  dies  nicht  angeht,  in  eigenen 
Werkstätten  passend  beschäftigt  werden  und  dazu  dienen  die 
gärtnerischen  Anlagen,  die  Kulturen  von  Obst  und  Gemüsen, 
dann  die  Ateliers  für  Maler,  Bildhauer  und  Holzschnitzler;  zui 
Erheiterung  dienen  ein  Tennisplatz,  im  Winter  ein  Eisplatz  und 
eine  Rodelbahn.  In  hygienischer  Hinsicht  sind  die  staubfreien 
Fussböden,  die  Kanalisierungs-,  Beheizungs-,  Beleuchtungs- 


2152 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


und  Ventilationsanlagen  nach  modernen  Grundsätzen  muster¬ 
gültig  hergestellt  worden.  Eine  Telephonzentrale  mit  236  Tele¬ 
phonapparaten  vermittelt  den  Verkehr  der  Abteilungen  unter¬ 
einander,  der  Krankenzimmer  mit  Aerzten  und  Wärtern.  An¬ 
gestellt  sind  bisher:  ein  ärztlicher  Direktor  (Dr.  Heinrich 
Schloss),  sodann  4  Primärärzte  (für  die  Heilanstalt  2,  für  die 
Pflegeanstalt  und  das  Sanatorium  je  einer),  3  ordinierende 
Aerzte,  10  Assistenzärzte,  1  Prosektor;  ausserdem  sind 
420  Pflegepersonen  und  60  Diener  zur  Dienstleistung  bestimmt. 
Im  Sanatorium  zahlt  der  nach  Niederösterreich  zuständige 
Kranke  je  nach  der  Klasse  täglich  18  oder  9  Kronen,  der  nicht 
zuständige  20  resp.  10  Kronen.  Für  die  Benützung  der  hydro-, 
mechano-  und  elektrotherapeutischen  Apparate  sowie  für  die 
Wäsche  müssen  separat  kleinere  Beträge  entrichtet  werden. 

Die  Psychiatrisch-neurologische  Wochenschrift  in  Halle 
a.  S.  hat  aus  Anlass  der  Eröffnung  dieser  Anstalt  eine  „Fest¬ 
nummer“  erscheinen  lassen,  in-  welcher  von  Aerzten,  Ingenieu¬ 
ren  und  Verwaltungsbeamten  eine  Beschreibung  des  Baues, 
der  Organisation  des  ärztlichen  Dienstes,  der  Administration 
etc.  in  authentischer  Weise  niedergelegt  wurde. 

Am  7.  Oktober  1.  J\  hat  der  niederösterreichische  Landtag 
einen  Gesetzentwurf  beraten  und  angenommen,  welcher  ge¬ 
eignet  ist,  die  passive  Resistenz  der  Gemeindeärzte,  welche 
bekanntlich  am  1.  Februar  des  Vorjahres  einsetzte,  zu  beendi¬ 
gen.  Die  Aerzte  haben  damit  viel  gewonnen,  wenn  auch  nicht 
alles,  was  sie  angestrebt  haben.  Das  Gesetz  sichert  den  Ge¬ 
meindeärzten  eine  Invaliden-  resp.  Altersrente,  ihren  Angehöri¬ 
gen  eine  Witwen-  und  Waisenrente.  Dafür  haben  die  Ge¬ 
meindeärzte  eine  Reihe  von  neuen  Pflichten  übernommen,  die 
sie  bisher  nicht  hatten,  nämlich  die  öffentliche  Impfung  vor¬ 
zunehmen,  die  ihnen  der  Staat  zu  bezahlen  hat,  die  Schüblinge 
in  ihrem  Amtssprengel  unentgeltlich  zu  untersuchen  und  die  in 
Armenversorgung  stehenden  Personen  bis  zur  Anzahl  von  10 
(wobei  eine  Familie  als  Person  gerechnet  wird)  unentgeltlich, 
die  übrigen  Armen  und  Findlinge  gegen  eine  Entlohnung  zu  be¬ 
handeln,  die  der  Landesausschuss  nach  Anhörung  der  Aerzte- 
kammer  festsetzt.  Dem  Landesausschusse  steht  das  Recht  der 
Ernennung  der  Gemeindeärzte  zu;  er  entscheidet  auch,  wer 
als  invalid  zu  betrachten  ist.  Das  ganze  Gesetz  ist  das  Resul¬ 
tat  eines  Kompromisses  zwischen  Aerzten  und  Landesaus¬ 
schuss,  welcher  im  Juli  1.  J.  abgeschlossen  wurde. 

Als  Maximum  des  Ruhegehaltes  (Pension)  eines  Gemeinde¬ 
arztes  wurde  ein  Betrag  von  1500  K  angesetzt.  Die  volle  Pen¬ 
sion  erhält  er  nach  einer  Dienstzeit  von  30  Jahren,  ohne  Rück¬ 
sicht  auf  seine  Arbeitsfähigkeit.  Dafür  muss  er  in  Raten  eine 
einmalige  Ernennungstaxe  von  100  Kronen  und  dauernd  3  Proz. 
seines  Gehaltes  zum  Pensionsfonds  beisteuern.  Der  Arzt,  der 
eine  Pension  bezieht,  darf  keine  besoldete  Stelle  bekleiden, 
sonst  verliert  er  seine  Altersrente.  Der  Gehalt  eines  Ge¬ 
meindearztes  in  Niederösterreich  ist  je  nach  dem  Domizil  des¬ 
selben  und  der  Möglichkeit  eines  weiteren  Erwerbes  aus  der 
ärztlichen  Praxis  ein  verschiedener;  einzelne  Posten  konnten 
bisher  gar  nicht  besetzt  werden  oder  sie  bildeten  sog.  „Wan¬ 
derposten“,  da  die  Aerzte  trotz  höherer  Subvention  seitens  des 
Landes  daselbst  keine  Existenz  fanden.  Dadurch,  dass  der 
Landesaussohuss  sich  jetzt  das  Ernennungsrecht  für  alle 
Posten  sicherte,  wird  er  auch  die  schlechten  Stellen  besetzen 
können,  indem  er  den  Aerzten  zur  Entlohnung  nach  einiger  Zeit 
bessere  Posten  zusichert. 

Das  Gesetz  bestimmt  ferner:  Wird  ein  Gemeindearzt,  der 
mindestens  10  Jahre  lang  Dienste  geleistet,  unverschuldeter¬ 
weise  invalid,  so  erhält  er  40  Proz.  der  Bezüge,  die  er  zuletzt 
hatte,  und  nach  jedem  weiteren  Jahre  3  Proz.  mehr.  Ist  er  bei 
Ausübung  des  Dienstes  als  Gemeindearzt  invalid  geworden,  ist 
die  Karenzzeit  5  Jahre.  Die  Witwe  eines  Gemeindearztes  be¬ 
kommt  als  Pension  die  H  ä  1  f  t  e  der  Pension,  auf  die  der  Gatte 
am  Todestag  Anspruch  gehabt  hätte,  mindestens  aber  400  K. 
Die  ledigen  weiblichen  und  die  unversorgten  männlichen  Wai¬ 
sen  erhalten  bis  zum  24.  Lebensjahre  nur  10  Proz.  dessen,  wor¬ 
auf  der  Vater  bei  seinem  Tode  Anspruch  gehabt  hätte.  Die 
Witwe  erhält  als  Leichenkostenbeitrag  %  der  Jahrespension 
des  Arztes,  wenn  er  nicht  pensionsberechtigt  war,  erhält  sie 
nur  100  K  und  ausserdem  als  Abfertigung  400  K. 

Nicht  genug  zu  tadeln  ist  die  Bestimmung,  dass  die  Er¬ 
nennung  eines  Arztes  3  J  a  h  r  e  1  a  n  g  provisorisch  ist  und  erst 


dann  eine  definitive  wird  (ein  einjähriges  Provisorium  hätte 
wohl  auch  genügt!),  ferner,  dass  die  angestrebte  Einteilung  der 
Gemeindeärzte  in  Gehaltstufen  „dermalen  mit  Rücksicht  auf 
den  Stand  der  Landesfinanzen“  als  Ding  der  Unmöglichkeit  be¬ 
zeichnet  wurde.  Es  fehlt  auch  noch  eine  Dienstesinstruktion 
für  die  Gemeindeärzte,  doch  erklärte  der  Statthalter  von  Nie¬ 
derösterreich  im  Verlaufe  der  Debatte,  dass  die  Statthalterei 
eine  solche  Dienstesinstruktion  ausgearbeitet  habe,  bezüglich 
welcher  das  Einvernehmen  mit  dem  Landesausschusse  werde 
gesucht  werden.  Das  Mehrerfordernis  beträgt  —  nach  den 
Berechnungen  des  Landesausschusses  —  jährlich  rund 
100  000  K,  welches  Erfordernis  späterhin  eher  eine  fallende  als 
eine  steigende  Tendenz  aufweisen  wird.  Und  daru  m  war 
ein  Kampf  von  114  Jahren  notwendig!  Jedoch  —  das  Kom¬ 
promiss  ist  geschlossen  worden  und  das  Kriegsbeil  muss  ver¬ 
graben  werden.  Das  Bestreben  der  Aerzte,  ihre  Position  in 
moialischer  und  materieller  Beziehung  zu  bessern,  wird  aber 
sicheilich  anhalten  und  die  Festigung  und  der  Ausbau  der 
Organisation  der  Aerzte  in  Niederösterreich  auf  wirtschaft¬ 
licher  Grundlage  wird  sie  in  den  Stand  setzen,  ihrem  starken 
Gegner  noch  manche  Positionen  abzuringen. 

Die  Zahl  der  täglichen  Blatternerkrankungen  in  Wien  hat 
stark  abgenommen,  es  gibt  auch  Tage  ohne  Neumeldung,  die 
Statthalterei  hat  daher  die  Aufhebung  des  Epidemieverfahrens 
angeordnet.  Die  Impfungen  und  Revakzinationen  haben  auf¬ 
gehört,  die  Bevölkerung  hat  sich  wieder  beruhigt.  Amtlich 
werden  folgende  Daten  bekannt  gegeben:  Vom  1.  Januar  bis 
30.  September  1.  J.  sind  in  Wien  152  Personen  an  Blattern  er¬ 
krankt,  seit  dem  10.  Juli  insgesamt  130  Personen,  von  welchen 
am  1.  Oktober  noch  83  in  Behandlung  standen.  Die  Zahl  der 
Blatterntodesfälle  beträgt  30.  Von  den  Erkrankten  waren  49 
ungeimpft,  bei  5  Personen  konnte  eine  stattgefundene  Impfung 
nicht  festgestellt  werden.  Von  diesen  54  Erkrankten  sind  21 
an  Blattern  gestorben.  Von  den  restlichen  98  Erkrankungen 
sind  vor  mehr  als  sieben  Jahren  (Dauer  des  Impf¬ 
schutzes)  45  mit  Erfolg,  4  ohne  Erfolg  und  14  mit  unbekanntem 
Erfolg,  insgesamt  sonach  63  geimpft  oder  revakziniert  wer¬ 
den.  Auch  diese  63  sind  somit  nach  allgemeiner  Annahme  als 
gegen  die  Bakterieninfektion  nicht  mehr  wirksam  geschützt  an¬ 
zusehen  und  den  Ungeimpften  gleichzuachten.  Von  den  im 
Laufe  der  letzten  7  Jahre  Geimpften  sind  21  Erkrankte  erst 
während  der  letzten  15  Tage  vor  Ausbruch  der  Krankheit,  also 
bereits  in  infiziertem  Zustande  geimpft  worden.  Nach 
weiteren  Details  fährt  der  offizielle  Bericht  fort:  Es  sind  dem¬ 
nach  von  den  152  Erkrankten  112  des  sichernden  Impfschutzes 
nicht  teilhaftig  gewesen,  von  den  restlichen  40  sind  18  als  ohne 
Erfolg  Geimpfte  den  Ungeimpften  gleichzuzählen  und  bei  wei¬ 
teren  16  ist  der  Impfzustand  oder  der  Impferfolg  unbekannt. 
Es  verbleiben  daher  n  u  r  6  m  itErfolg  Geimpfte,  welche 
von  Blattern  ergriffen  wurden  und  von  diesen  6  sind  5  in  be¬ 
reits  infiziertem  Zustand  geimpft  worden,  während  bei  dem 
übrig  bleibenden  6.  Fall  der  Zeitpunkt  der  Impfung  auch  nicht 
annähernd  sichergestellt  wurde.  Von  den  30  Gestorbenen 
waren  18  ungeimpft,  6  ohne  Erfolg,  3  mit  unbekanntem  Erfolg 
geimpft,  bei  3  war  der  Impfzustand  unbekannt  und  sind  diese 
mit  Recht  den  Ungeimpften  beizuzählen.  Durch  die  Impfung 
direkt  oder  indirekt  veranlasste  Krankheitsfälle,  sog.  Impf- 
schäden,  sind  der  Behörde  bisher  nicht  zur  Kenntnis  gelangt. 
Erhebungen  in  einzelnen  Fällen,  welche  infolge  von  Gerüchten 
über  schwere  Erkrankungen  oder  Todesfälle  gepflogen  wur¬ 
den,  haben  die  völlige  Grundlosigkeit  derselben  er¬ 
wiesen. 

Wir  hätten  von  dieser  amtlichen  Darstellung,  welche 
—  wenn  auch  mit  kleinen  Zahlen  —  für  die  hohe  Erspriessiich- 
keit  der  Schutzpockenimpfung  eintritt,  gar  nicht  in  dem  Aus¬ 
masse  Notiz  genommen,  wäre  nicht  post  festum,  d.  h.  nach 
glücklicher  Eindämmung  der  kleinen  Epidemie,  den  Aerzten 
ein  Impfgegner  erstanden  wäre,  dessen  Auslassungen  leider 
volle  Beachtung  verdienen.  Unser  Bürgermeister  Dr.  Karl 
Lueger  sagte  in  öffentlicher  Gemeinderatssitzung  am 
27.  September  1.  J.  unter  anderem  auch  folgendes:  „Wie  viel 
von  der  Impf-erei  zu  halten  ist,  hat  gerade  der  letzte  Fall 
erwiesen.  Ein  Arzt,  der  bereits  geimpft  war,  sich  wieder 
impfen  liess  (zu  spät,  da  er  bereits  infiziert  war,  der  Ref.),  hat 
die  Blattern  bekommen.  Wenn  andere  Menschen  durch  das 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2153 


Impfen  gegen  die  Blattern  immun  werden  sollen,  so  muss  doch 
ein  Doktor  der  Medizin  auch  immun  werden!“  Das  weiss 
doch  jeder  gebildete  Laie,  dass  die  Schutzimpfung  keinen  abso¬ 
luten,  sondern  nur  einen  relativen  Schutz  verleiht.  Doch  hören 
wir  weiter:  „Infolge  des  Impfens  und  der  förmlichen 
Impfpanik  sind  viel  mehr  Krankheiten  entstanden  und  viel 
mehr  Todesfälle  ein  getreten  als  durch  die  Blattern 

in  Wien  während  der  ganzen  Zeit  jetzt.“ -  Zum  Schlüsse 

ereiferte  sich  der  Bürgermeister  gegen  einen  Erlass  des 
k.  k.  Landesschulrates,  demzufolge  ungeimpfte  resp.  seit  mehr 
als  7  Jahren  nicht  revakzinierte  Kinder  nicht  in  die  Volks¬ 
schulen  aufgenommen  werden  sollen.  „Wissen  sie  denn  nicht, 
dass  es  keinen  Impfzwang,  dass  es  aber  einen  Schulzwang  gibt? 
Wenn  da  nicht  Ordnung  geschaffen  wird,  dann  weiss  ich  nicht, 
was  man  sich  in  Wien  mit  der  Bevölkerung  erlauben  darf.“ 
(Stürmischer  Beifall.) 

Das  Stadtphysikat  und  die  Statthalterei  wissen  absolut 
nichts  von  schweren  Gesundheitsschädigungen  oder  gar  1  odes- 
fällen  nach  oder  infolge  der  Impfungen  und  nur  der  Bürger¬ 
meister  Wiens,  der  Chef  der  autonomen  Verwaltung  der  Resi¬ 
denzstadt,  macht  Aeusserungen,  welche  von  den  Impfgegnern 
noch  nach  vielen  Jahren  als  wohlbegründete  und  unumstöss- 
liche  Erfahrungen  zitiert  werden  können.  Es  ist  selbstver¬ 
ständlich,  dass  diese  völlig  grundlosen  lauten  Aeusserungen, 
vom  stillen  Hasse  gegen  Wissenschaft,  Aufklärung  und  Foit- 
schritt  diktiert,  bei  den  gleichgesinnten  Freunden  des  Bürger¬ 
meisters  „stürmischen  Beifall“  fanden,  bei  den  Aerzten  jedoch 
volle  Indignation  erregten.  Zum  Ausdrucke  gelangte  diese 
Indignation  in  einer  kürzlichst  abgehaltenen  Protestversamm¬ 
lung  des  ärztlichen  Vereins  des  I.  Bezirks,  in  welcher  eine 
scharfe  Resolution  gefasst  wurde,  die  gegen  die  obenerwähnte 
Aeusserung  unseres  Bürgermeisters  gerichtet  ist. 

Auch  im  niederösterreichischen  Landtage  wurde  gegen  den 
oberwähnten  Erlass  des  k.  k.  Landesschulrates  interpelliert 
und  der  Statthalter  beantwortete  diese  Interpellation  dahin, 
„dass  in  dem  vom  Unterrichtsministerium  ausgegangenen  Er¬ 
lasse  eine  auf  die  Einführung  des  Impfzwanges  abzielende 
Massnahme  nicht  zu  erblicken  sei,  vielmehr  nur  der  Impf¬ 
zustand  der  Schuljugend  festgestellt  werden  solle,  weshalb 
kein  Grund  vorliege,  diesen  Erlass  zurückzunehmen.  Kein 
Schüler  wurde  wegen  der  Nichtimpfung  zurückgewiesen.“  Es 
ist  selbstverständlich,  dass  der  Impfzwang  auf  dem  Verord¬ 
nungswege  nicht  eingeführt  werden  kann.  Der  XII.  öster¬ 
reichische  Aerztekammertag,  der  in  Troppau  am  19.  und 
20.  September  1.  J.  tagte,  hat  daher  einen  Dnnglichkeitsantrag 
der  deutschen  Sektion  der  Aerztekammer  Böhmens  ange¬ 
nommen,  welcher  lautet:  „Angesichts  der  Blatternfälle  in  Wien 
und  der  drohenden  Gefahr  einer  Einschleppung  der  Variola  auch 
in  angrenzende  Kronländer  wird  beschlossen,  es  sei  möglichst 
umgehend  an  die  Regierung  heranzutreten,  dass  noch  im  Laufe 
der  heurigen  Reichsratssession  dem  Parlamente  ein  Gesetz¬ 
entwurf  betreffend  die  obligatorische  Impf-  und  Revakzina- 
tionspflicht  vorgelegt  werde.“  Auch  von  anderer  Seite  werden 
Anträge  und  Interpellationen  in  diesem  Sinne  im  Abgeordneten¬ 
hause  eingebracht  werden.  Die  Regierung  wird  sich  aber 
voraussichtlich  hüten,  diese  Sache  in  Fluss  zu  bringen,  da  sie 
darauf  bedacht  sein  muss,  die  Stimmen  ihrer  klerikalen  Partei¬ 
gänger  für  den  Ausgleich  mit  Ungarn,  die  Bewilligung  des  Bud¬ 
gets  etc.  zu  gewinnen.  Durch  die  Vorlage  eines  solchen  Ge¬ 
setzentwurfes  könnte  aber  die  gute  Laune  dieser  Herren  ge¬ 
trübt  werden,  was  um  jeden  Preis  vermieden  werden  wird. 
Also  wirds  wohl  noch  für  längere  Zeit  beim  Alten  bleiben.  Es 
müssen  bei  uns  wohl  erst  Tausende  Menschen  an  Blattern 
erkranken  oder  sterben,  der  Volksunwille  in  seinen  Tiefen  auf- 
gerüttelt  werden,  bis  auch  in  diesem  Punkte  der  Vernunft 
Rechnung  getragen  werden  wird. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

VII.  Internationaler  Physiologenkongress 

in  Heidelberg  vom  13.  bis  16.  August  1907. 
Bericht  von  Professor  Dr.  H.  Steudel  in  Heidelberg. 

Der  siebente  internationale  Physiologenkongress  hat  in  Heidel¬ 
berg  unter  dem  Vorsitze  von  Herrn  Geheimen  Hofrät  A.  Kossel 
vom  13.  bis  16.  August  ds.  Js.  getagt.  Solche  Vereinigungen  der 
Physiologen  aller  Länder  pflegen  regelmässig  alle  drei  Jahre  statt¬ 
zufinden;  die  Versammlung  fand  zum  ersten  Male  vom  10.  bis  12.  Sep¬ 
tember  1889  in  Basel  unter  dem  Vorsitze  von  J.  Holmgreen  statt, 
die  ferneren  Kongresse  waren  in  Lüttich  vom  29.  bis  31.  August  1892 
(Vorsitzender:  Leon  F  r  e  d  e  r  i  c  q),  in  Bern  vom  9.  bis  13.  September 
1895  (Vorsitzender:  Hugo  Kronecker),  in  Cambridge  (England) 
vom  22.  bis  26.  August  1898  (Vorsitzender:  Sir  Michael  Foster),  in 
Turin  vom  17.  bis  21.  September  1901  (Vorsitzender:  Angelo  Mosso) 
und  in  Brüssel  vom  30.  August  bis  3.  September  1904  (Vorsitzender: 
Paul  Heger). 

Die  Kongresse  sind  immer  gut  besucht  gewesen  und  auch  dieses 
Mal  hatten  sich  zahlreiche  Physiologen  aller  Länder  versammelt. 
Das  äusserst  reichhaltige  Sitzungsprogramm  —  es  waren  über  200 
Vorträge  und  Demonstrationen  angemeldet  —  konnte  in  der  kurzen, 
zur  Verfügung  stehenden  Zeit  nur  erledigt  werden,  indem  mehrere 
Sektionen,  den  einzelnen  Zweigen  der  Physiologie  entsprechend,  ge¬ 
bildet  wurden,  in  denen  zu  gleicher  Zeit  vorgetragen  wurde.  So  war 
denn  gleichzeitig  das  anatomische,  physiologische,  mineralogische  und 
chemische  Institut  der  Schauplatz  des  Kongresses. 

Die  Eröffnungssitzung  fand  am  13.  August,  9  Uhr  vormittags  in 
der  Aula  der  Universität  statt.  Nach  den  offiziellen  Begriissungsreden 
hielt  Herr  Geheimrat  A.  Kossel  eine  Ansprache,  in  der  er  unter 
anderem  auch  die  Stellung  der  Chemie  zur  Physiologie  beleuchtete. 

Wir  lassen  dieselbe  wörtlich  folgen: 

„Ich  danke  im  Namen  des  Kongresses  für  die  freundlichen  Worte, 
mit  denen  Sie  unsere  Versammlung  begriisst  haben.  Schon  bei  den 
Vorbereitungen  haben  wir  gesehen,  dass  diesen  Worten  ein  tat¬ 
kräftiges  Wohlwollen  zu  Grunde  liegt.  Es  wäre  nicht  möglich  ge¬ 
wesen,  diesen  Kongress  ins  Werk  zu  setzen,  wenn  uns  nicht  von 
seiten  der  Grossh.  Regierung,  von  der  Stadtverwaltung,  von  den 
Kollegen  die  wirksamste  Förderung  zu  teil  geworden  wäre. 

Im  besonderen  gebührt  unser  Dank  Seiner  Königlichen  Hoheit 
dem  Grossherzog,  welcher  uns  ein  so  schönes  und  ehrendes 
Zeichen  seiner  Huld  gegeben  hat.  Die  Medaille  trägt  das  Bild  des 
grossen  Heidelberger  Physiologen  und  die  Inschrift:  „Den  Teil¬ 
nehmern  des  7.  Internationalen  Physiologenkongresses  zu  Heidelberg, 
gewidrnet  vom  Grossherzog  Friedrich  von  Baden.“ 

Mit  diesem  Bronzebildnisse  werden  die  Teilnehmer  unserer  Ver¬ 
sammlungen  die  Erinnerung  an  einen  erhabenen  Fürsten  heimtragen, 
welcher  den  Bestrebungen  unserer  Wissenschaft  ebenso  wie  allen 
hohen  und  edlen  Zielen  der  Menschheit  eine  warme,  tätige  Teilnahme 
entgegenbringt. 

Ich  beantrage,  die  Versammlung  möge  durch  Absendung  eines 
Telegramms  ihrer  Dankbarkeit  Ausdruck  verleihen. 

Das  Bildnis  Hermann  v.  H  e  1  m  h  o  1 1  z’  erinnert  uns  an  eine 
Glanzzeit  unserer  Wissenschaft. 

Jene  Periode  scheint  uns  die  fruchtbarste  gewesen  zu  sein, 
welche  die  Physiologie  je  erlebt  hat.  Die  Ideen  und  Anregungen, 
welche  von  jener  Zeit  ausgegangen  sind,  haben  auch  die  folgende 
Generation  geleitet.  Aber  noch  ehe  sich  die  Erwartungen  erfüllt 
hatten,  die  man  an  die  Errungenschaften  dieser  Zeit  knüpfte,  sind  neue 
Hilfsmittel  geschaffen  und  neue,  vielversprechende  Gedanken  ent¬ 
wickelt  worden. 

Unsere  Wissenschaft  hat  diese  Fortschritte  zum  Teil  durch  ge¬ 
meinsame  Arbeit  mit  anderen  medizinischen  und  naturwissenschaft¬ 
lichen  Disziplinen  gewannen.  Wenn  wir  die  Freude  haben,  unter  den 
Teilnehmern  der  heutigen  Sitzung  und  unseres  Kongresses  so  viele 
Vertreter  verwandter  Fächer  zu  begriissen,  so  ist  dies  ein  Zeichen 
der  engen  Berührung  unseres  Streben«  und  unserer  Wege.  Gemein¬ 
sam  mit  der  Anatomie  und  Histologie  haben  wir  die  Zweifel  um  das 
Sein  oder  Nichtsein  des  Neurons  durchgekämpft,  in,  gemeinsamer  Tätig¬ 
keit  mit  Anatomen  und  Zoologen  sind  die  sichtbaren  Veränderungen 
der  Zelle  bei  ihren  verschiedenartigen  Funktionen  erforscht  worden. 
Die  experimentelle  Methode,  bisher  ausschliesslich  ein  Werkzeug  des 
Physiologen,  ist  in  erfolgreicher  Weise  in  das  Studium  entwicklungs¬ 
geschichtlicher  Vorgänge  hineingetragen,  und  diese  Untersuchungen 
haben  einen  neuen,  der  Morphologie  und  Physiologie  gemeinsamen 
Ideenkreis  geschaffen.  Nicht  minder  charakteristisch  für  die  letzten 
Entwicklungsjahre  der  Physiologie  sind  die  Bestrebungen,  die  am 
Wirbeltier  gewonnenen  Erfahrungen  auf  ihre  allgemeine  Gültigkeit  zu 
prüfen,  und  diese  Arbeit  hat  die  Physiologen  in  die  zoologischen 
Institute  und  Stationen  hineingeführt. 

Am  Ausgangspunkte  der  Entwicklung  unserer  Disziplin  hat  die 
praktische  Heilkunde  gestanden.  Aerztliche  Kunst,  medizinische 
Wissenschaft,  physiologisches  Experiment  müssen  ihrem  inneren 
Wesen  gemäss  stetig  Hand  in  Hand  gehen,  und  die  letzten  Jahr- 
zehnte  waren  geeignet,  in  uns  und  in  unseren  medizinischen  Kollegen 
das  Bewusstsein  dieses  Zusammenhanges  zu  stärken. 


2154 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Die  Fragen  der  praktischen  Medizin  haben  von  jeher  wichtige 
Anregungen  erteilt  und  die  klinischen  Beobachtungen  das  physio¬ 
logische  Experiment  ergänzt.  Besonders  hat  sich  mehr  und  mehr 
gezeigt,  wie  sehr  die  Physiologie  der  Nervenzentren  auf  eine  Sym¬ 
biose  mit  der  klinischen  Neurologie  angewiesen  ist.  Andererseits  hat 
aber  auch  die  Einführung  der  neueren  chirurgischen  Technik  in  die 
Physiologie  einen  mächtig  fördernden  Einfluss  ausgeübt,  indem  sie 
auch  für  das  Studium  der  Verdauungsvorgänge  die  grossen  Vorteile 
ermöglicht  hat,  die  aus  der  zeitlichen  Trennung  von  Operation  und 
m  uachtung  hervorgehen.  Ebenso  schnell  haben  aber  auch  neue 
Methoden  und  neue  Anschauungen  der  Physiologie  in  die  praktische 
Medizin  Eingang  gefunden. 

Zürn  Teil  ist  diese  Uebertragung  durch  die  Pharmakologie  ver¬ 
mittelt  worden. 

Wir  begrüssen  in  dieser  Versammlung  zahlreiche  Kollegen, 
welche  unserm  Kongress  durch  einen  Beschluss  der  Vereinigung 
deutscher  Pharmakologen  zugeführt  worden  sind  und  deren  Tätigkeit 
uns  einerseits  mit  den  Bestrebungen  der  Serologie  und  der  Immuni¬ 
tätslehre,  andererseits  mit  der  /praktischen  Heilkunde  in  Verbindung 
bringt. 

Die  Physiologie  hat  die  mannigfaltigen  und  bedeutenden  An¬ 
regungen,  die  aus  dem  Gebiete  der  biologischen  Wissenschaften  zu¬ 
strömten,  ebenso  verarbeitet  und  in  ihren  eigenen  Ideenkreis  an¬ 
genommen,  wie  die  Einflüsse  der  Physik  und  Chemie.  Die  schnellsten 
und  auffälligsten  Fortschritte  unserer  Wissenschaft  erfolgten  in  jener 
Zeit,  als  die  physikalischen  Forschungsmethoden  in  die  physiologi¬ 
schen  Arbeitsstätten  Eingang  fanden,  und  die  Beobachtungen,  die  Be¬ 
messung  räumlicher  und  zeitlicher  Verhältnisse  auf’s  feinste  ver¬ 
schärften,  als  die  Begriffe,  welche  die  Physik  geschaffen  hatte,  in 
systematischer  Weise  auf  die  Probleme  des  Lebens  angewandt 
wurden,  als  das  Bedürfnis  nach  einer  mechanischen  Analyse  der 
Lebensvorgänge  die  Entwicklung  der  physiologischen  Graphik  her¬ 
beiführte. 

Die  Verhandlungen  unserer  früheren  Kongresse,  die  Ausstellung 
physiologischer  Apparate,  welche  heute  zugleich  mit  dem  Kongress 
eröffnet  wird,  legen  ein  Zeugnis  dafür  ab,  dass  auch  diese  Forschungs¬ 
gedanken  ihre  alte  Anziehungskraft  und  ihre  Fruchtbarkeit  bewahrt 
haben. 

Durchaus  andersartig  hat  sich  das  Verhältnis  der  Chemie  zur 
Physiologie  gestaltet.  Die  Untersuchung  der  durch  Pflanzen  und 
I  iere  erzeugten  Stoffe  hat  die  Anregung  gegeben  zur  Entwicklung  der 
organischen  Chemie.  Diese  Wissenschaft  hat  ein  System  geschaffen, 
welches  für  die  Auffassung  physiologisch-chemischer  Vorgänge  und 
Produkte  heute  allein  massgebend  ist.  Die  Vorstellungen  über  die 
räumliche  Lagerung  der  Atome,  welche  in  den  letzten  100  Jahren 
ausgebildet  worden  sind,  geben  uns  eine  Anschauung  von  den  Be¬ 
ziehungen  der  physiologisch-chemischen  Produkte  untereinander  und 
damit  zugleich  ein  Verständnis  für  ihre  Bildung  und  Umwandlung. 
Die  Bemühungen  der  physiologischen  Chemiker  sind  daher  zunächst 
darauf  gerichtet  gewesen,  die  Produkte  derTiere  und  Pflanzen  aüf  dieses 
System  der  organischen  Chemie  zurückzuführen,  mit  anderen  Worten: 
ihre  chemische  Konstitution  zu  ermitteln.  Wir  verdanken  aber  der 
organischen  Chemie  noch  mehr  als  dieses  System;  auch  ihre  Arbeits¬ 
methoden  sind  die  unserigen  geworden,  und  wir  schätzen  es  als  ein 
Glück,  dass  einzelne  hervorragende  Chemiker  ihr  Interesse  physio¬ 
logischen  Objekten  zugewandt  haben.  Ihre  Arbeiten  haben  Grosses 
für  uns  geleistet  —  aber  trotzdem  ist  die  physiologische  Chemie  nicht 
m  'uci  organischen  Chemie  aufgegangen  und  sie  wird  es  niemals  tun. 
Vielmehr  hat  sich  gezeigt,  dass  für  den  erfolgreichen  Ausbau  dieser 
Forschung  die  stete  Berührung  mit  dem  lebenden  Objekt  not¬ 
wendig  ist. 


Die  dem  tierischen  Organismus  entstammenden  Stoffe  haben  für 
'L.c!n-  |)F^an*sch&n  Chemiker,  der  gewohnt  ist,  mit  scharf  präzisierten 
Objekten  zu  arbeiten,  wenig  Verlockendes.  Es  bedarf  schon  einer 
ganz  besonderen  I  riebfeder,  um  diese  Gemische  und  Extrakte,  deren 
Aufteilung  so  grosse  Schwierigkeiten  bietet  und  so  wenig  Erfolg  ver¬ 
spricht,  als  Gegenstand  des  Studiums  zu  wählen.  Diesen  Antrieb 
pflegen  nur  diejenigen  zu  empfinden,  welche  durch  dauernde  gleich¬ 
zeitige  Beschäftigung  mit  der  Physiologie  und  der  Medizin  in  der 
Ueberzeugung  von  der  Bedeutung  dieser  Aufgaben  erhalten  werden 
Unter  den  organischen  Chemikern  sind  es  stets  nur  Einzelne  ge- 
v  esen,  die  von  der  Wichtigkeit  dieser  Aufgabe  durchdrungen,  ihr 
Interesse  auch  den  schwerzufassenden,  nicht  kristallisierenden  Pro¬ 
dukten  des  rierkörpers  zu  wandten.  So  ist  es  wohl  zu  erklären 
das  trotz  der  ungeheuren  wissenschaftlichen  Tätigkeit  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  reinen  Chemie  viele  der  wichtigsten  physiologischen  Ob- 
jckte  erst  spater  und  zögernd,  andere  noch  gar  nicht  von  organischen 
Chemikern  in  Angriff  genommen  sind,  dass  ihre  Bearbeitung  in  vielen 
rallen  allein  dem  physiologischen  Chemiker  zugefallen  ist. 

.  .  .  ^azJJ  kommt  noch  folgendes:  das  Ziel  der  Bemühungen  ist  ein 
biologisches,  also  wird  auch  der  Biologe  am  besten  imstande  sein,  zu 
beurteilen  was  für  die  Erreichung  dieses  Zieles  wesentlich,  was 
unwesentlich  ist.  Die  Fragestellung,  die  Bezeichnung  und  Beschaffung 
i  c  s  muteiiellen  Objektes  für  die  Konstitutionsforschung  wird  stets  von 
der  physmlogischcj,1  Chemie  ausgehen,  die  Kenntnis  der  biologischen 
Verhältnisse,  unter  denen  eine  Substanz  gebildet  wird,  gibt  oft  schon 
die  Richtung  an,  m  der  die  Lösung  des  Strukturproblems  zu  suchen 
is  .  Und  wenn  nun  wirklich  durch  die  Mitwirkung  der  organischen 
Chemie  die  Struktur  eines  physiologischen  Produkts  aufgeklärt  ist. 


so  kehrt  der  Forschungsweg,  der  vielleicht  eine  Zeitlang  durch  das 
rein  chemische  Gebiet  geführt  hat,  zur  physiologischen  Wissenschaft 
zurück. 

Auf  dem  Boden  der  Biologie  wirken  die  Ergebnisse  der  Kon- 
stiutionsforschung  weiter.  Sie  regen  neue  Fragen  an;  auf  die  Be¬ 
trachtung  der  chemischen  Produkte  und  ihre  Zusammensetzung  folgt 
jetzt  die  Untersuchung  der  Stoffwechselvorgänge,  und  es  entsteht  oft 
eine  neue,  andersartige  Berührung  mit  der  theoretischen  Chemie. 

Die  physiologische  Chemie  kann  nicht  mit  der  reinen  Chemie 
verschmelzen,  weil  sie  ihren  Zielen  nach  zur  Physiologie  gehört,  aber 
sie  muss  auch  innerhalb  der  Physiologie  eine  selbständige  Stellung 
•iin  Anspruch  nehmen.  Schon  ihrer  Methodik  wegen.  Man  wird  auf 
diesem  schwierigsten  Gebiete  der  Chemie  nur  von  solchen  Forschern 
Erfolge  erwarten  dürfen,  welche  in  streng  chemischer  Schulung  er¬ 
zogen  sind,  und  diese  Schulung  fordert  den  ganzen  Menschen. 

Diese  Stellung  der  physiologischen  Chemie  ist  um  so  eigen¬ 
artiger  und  selbständiger,  da  sie  zugleich  eine  deskriptive  Wissenschaft 
ist.  Man  darf  die  histochemische  Analyse  als  eine  Fortsetzung  der 
mikroskopisch-histologischen  Untersuchung  —  der  optischen  Analyse 
-  betrachten.  Die  deskriptive  Histochemie  wird  sich  auch  einst  in 
der  Richtung  entfalten,  welche  auf  morphologischem  Gebiete 
durch  die  Entwicklungsgeschichte  und  die  vergleichende  Anatomie 
vorgezeichnet  ist. 

Demgemäss  ist  die  Bedeutung  der  histochemischen  Ergebnisse 
für  die  Physiologie  ähnlich  wie  die  der  histologischen  —  die  Bisto- 
chemie  lehrt  die  Objekte  kennen,  an  denen  sich  die  Lebensprozesse 
vollziehen.  Dieser  deskriptiven  Tierchemie  steht  die  physiologische 
Chemie  im  engeren  Sinne,  die  Lehre  von  den  chemischen 'Lebenspro¬ 
zessen.  die  Lehre  vom  Stoffwechsel  gegenüber.  Somit  besteht  die 
I  lerchemie  aus  zwei  Disziplinen,  deren  eine  zugleich  einen  Teil  der 
Physiologie  bildet.  Beide  Wissenszweige  können  nicht  von  einander 
getrennt  werden,  und  so  haben  sie  sich  gemeinsam  als  eine  besondere 
Wissenschaft  entwickelt,  durch  die  Methode  selbständig,  durch  ihre 
Ziele  mit  der  Physiologie  eng  verbunden. 

Die  Entwicklung  der  letzten  Jahre  hat  diesen  Zusammenhang 
gefestigt.  In  dieser  Richtung  haben  z.  B.  die  Untersuchungen  über  die 
Wechselwirkung  der  inneren  Organe  gewirkt.  Durch  die  Auffindung 
cei  Hormone  sind  wichtige  physiologische  Beziehungen,  die  man  bis¬ 
her  ausschliesslich  als  Funktionen  des  Nervensystems  auffasste  auf 
eine  ohemische  Grundlage  gestellt  worden. 

Dass  die  weitere  Ausgestaltung  unseres  Wissens  nicht  —  wie 
man  gewöhnlich  sagt  —  zu  spezialisierender  Trennung,  sondern  zur 
Vereinigung  führt,  das  beweist  auch  die  Entwicklung  der  Stoff¬ 
wechsellehre,  in  der  eine  dynamische  Betrachtungsweise  der  che¬ 
mischen  Vorgänge  mehr  und  mehr  an  Boden  gewinnt.  Wirksamer 
noch  im  Sinne  vereinter  chemischer  physiologischer  Arbeit  ist 
die  Hoffnung,  dass  es  einst  gelingen  möge,  für  die  Erscheinungen  der 
Enzymwirkung,  der  Immunität  und  der  Irritabilität  ein  Verständnis  auf 
chemischer  Grundlage  zu  gewinnen,  dass  es  vielleicht  gar  einst  mög¬ 
lich  werde,  die^Probleme  der  Befruchtung  und  Vererbung  mit  unseren 
chemischen  Vorstellungen  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Trotz  aller 
gi  ossen  Erfolge,  welche  die  Strukturehemie  durch  die  konsequente 
I  urchfiihrung  ihrer  Anschauungen  errungen  hat,  dürfen  wir  uns  aber 
kaum  des  Gedankens  erwehren,  dass  es  für  die  Bearbeitung  dieser 
Fragen  noch  ganz  neuer  und  andersartiger  Vorstellungsreihen  und 
Hypothesen  und  einet  ähnlichen  Umformung  unserer  Denkweise  be- 
dai f,  wie  Dal  ton  sie  vor  100  Jahren  durch  die  Atomtheorie  her¬ 
vorrief.“ 

I. 

Von  den  im  chemischen  Institut  gehaltenen  Vorträgen,  die 
grösstenteils  in  das  Gebiet  der  chemischen  Physiologie  fallen  seien 
hier  folgende  erwähnt: 

Hamburger-  Groningen  schlägt  vor,  behufs  quantita¬ 
tiver  Bestimmung  von  kleinen  Niederschlags¬ 
mengen  das  Volumen  statt  des  Gewichtes  zu  bestimmen. 
In  geeigneten  Gefässen  wird  die  Fällung  zentrifugiert  bis  zum  kon- 
stanten  Volumen  und  dann  mit  dem  Volumen  einer  Fällung  aus  einer 
Lösung  von  bekanntei  Konzentration  verglichen.  Für  grössere  Ver¬ 
suchsserien  fallen  bei  dieser  Methode  das  zeitraubende  Auswaschen 
Einäschern  und  mehrmalige  Wägen  fort. 

Derselbe  Forscher  hat  Untersuchungen  über  die  Per- 
m  e  a  b  i  1  i  t  ä  t  von  Membranen  nach  zwei  Richtungen  hin  an¬ 
gestellt.  Die  unversehrte,  lebende  Mukosa  des  Darms  gestattet  dem 
Kochsalz  vom  Lumen  aus  den  Durchgang  in  die  Blutgefässe,  nicht 
aber  umgckehit,  und  dieses  Verhalten  ist  von  Cohnheim  als  ein 
v  ichtiges  Argument  zu  Gunsten  einer  vitalen  Auffassung  der  Darm- 
i  esorption  angeführt  worden.  Ist  aber  die  Mukosa  durch  Fluor- 
natrium  oder  Liquor  Fowleri  lädiert,  so  sei  von  solch  einem  Unter¬ 
schied  nicht  mehr  die  Rede.  Die  Verschiedenheit  der  Durchlässigkeit 

VI  e:  entgegengesetzten  Richtungen  sei  eine  Lebenseigenschaft  der 
Mukosa. 

e  Dagegen  sPrechen  aber  Versuche,  die  Hamburger  an  toten 
Schleimhäuten  gemacht  hat.  Diese  besitzen  sowohl  für  Wasser,  für 
^alz  und  Pepsin  ebenfalls  eine  verschiedene  Durchgängigkeit  in  zwei 
Achtungen.  Der  Unterschied  ist  bedeutend  und  so  handelt  es  sich 
hier  also  um  eine  Erscheinung  rein  physikalischer  Natur.  Der  Grund 
hierfür  liegt  vielleicht  an  der  Struktur  der  Membran,  denn  die  tote 
-  chleimhaut  besteht  eigentlich  aus  zwei  verschiedenen  Membranen, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  .WOCHENSCHRIFT. 


2155 


von  der  die  Muscularis  mucosae  die  eine  ist.  Künstlich  hergestellte 
Doppelmembranen,  z.  B.  aus  Pergamentpapier  und  Chromgelatine 
oder  aus  Pergamentpapier  und  Kollodium  zeigen  das  gleiche  Vt 

halten  wie  die  Darmschleimhaut.  ,  '  . 

P  Rona  demonstriert  eine  neue  Methode  zur  Ent¬ 
fernung  des  Eiweisses  aus  Flüssigkeiten,  bei  der  die 
Adsorptions-  bezw.  Umhüllungserscheinungen  bei  den  kolloidalen 
Lösungen  von  Eiweiss  und  Mastix  verwertet  werden.  Zusatz  einer 
bestimmten  Menge  einer  Mastixemulsion  zu  herum  oder  Blut  bei 
schwach  saurer  Reaktion  und  Gegenwart  einer  geringen  Elektrolyt¬ 
menge  bewirkt  vollständige  Enteiweissung  der  Flüssigkeit.  Auch 
Kaolin  kann  zur  Enteiweissung  benutzt  werden. 

L  Camus  und  E.  Gley  haben  die  proteolytische 
Wirksamkeit  des  Pankreassaftes  untersucht,  der  unter 
den  verschiedensten  Bedingungen  sezerniert  wurde.  Der  Satt,  der 
unter  der  Wirkung  des  Sekretins  abgesondert  wird,  ist  nicht  immer 
inaktiv;  injiziert  man  nämlich,  wenn  die  Absonderung  nach  Injek¬ 
tion  einer  gewissen  Sekretinmenge  aufgehört  hat,  von  neuem  Sekretin, 
so  zeigt  der  nunmehr  abgesonderte  Saft  anfangs  schwach  proteo¬ 
lytische  Wirkung. 

Der  unter  dem  Einfluss  einer  Injektion  von  Albumosen  oder  von 
Pilokarpin  abgesonderte  Saft  ist  immer  aktiv. 

Nach  Injektion  von  Pilokarpin  kann  man  die  Absonderung  von 
abwechselnd  aktivem  und  inaktivem  Saft,  also  eine  Art  Periodizität, 

beobachten.  ,  , 

Bringt  man  zu  dem  nach  Injektion  von  Pilokarpin  abgesonderten 

Saft  neutrales  Kalium-  oder  Natriumoxalat,  um  das  Kalzium,  das  im 
Saft  enthalten  ist,  auszufällen,  so  wird  die  Wirksamkeit  des  Saftes 
um  so  mehr  verzögert,  je  vollständiger  die  Fällung  des  Kalziums  ist. 
Aber  die  proteolytische  Kraft  ist  nicht  verschwunden,  denn  nach 
35 — 48  Stunden  ist  auch  hier  die  Verdauung  vollständig. 

M.  Nicloux  führt  seine  neue  Methode  vor,  Alkohol, 
Ae  Eher  und  Chloroform  im  Blute  zu  bestimmen. 
Das  Eiweiss  wird  mit  Pikrinsäure  gefällt,  dann  das  Filtrat  im  Appaiat 
von  Schlösing-Aubin  destilliert  und  im  Destillat  der  Alkohol 
und  Aether  nach  der  schon  früher  publizierten  Methode  des  Autors 
bestimmt.  Das  Chloroform  wird  im  Destillat  durch  alkoholisches  Kali 
zerstört  und  dann  das  Chlor  mit  Silberlösung  titriert. 

M.  Dony-Henault  (Institut  Solvay,  Brüssel)  bringt  kri¬ 
tische  Ein  wände  gegen  die  herrschende  Ansicht 
von  den  Oxydationsfermenten,  und  meint,  dass  die 
Existenz  tierischer  Oxydasen  bisher  nicht  streng  bewiesen  sei,  da 
die  meist  gebrauchte  Methode  ihres  Nachweises  (Oxydation  des  Sali- 
zylaldehyd)  zweifelhaft  und  nicht  zuverlässig  sei. 

H.  Bechold -Frankfurt  a.  M.  führt  eine  Methode  zur 
fraktionierten  Filtration  kolloidaler  Lösungen 
vor.  Mit  Gallerte  imprägnierte  und  gelatinierte  Filter  lassen  je 
nach  der  Konzentration  der  Gallerte  nur  Lösungen  von  bestimmter 
Molekülgrösse  durchfiltrieren.  Mischt  man  z.  B.  eine  kolloide  Lösung 
von  Berlinerblau  mit  einer  Hämoglobinlösung,  so  erhält  man  eine 
grüne  Mischung.  Giesst  man  von  dieser  Mischung  auf  ein  dichtet  es 
Filter,  so  läuft  reines  Wasser  ab;  giesst  man  auf  ein  durchlässigeres 
Filter,  so  erhält  man  als  Filtrat  eine  rein  rote  Hämoglobinlösung, 
während  das  Berlinerblau  vom  „Ultrafilter“  zurückgehalten  wird. 

E.  Abderhalden  hat  gemeinschaftlich  mit  P.  Rona  Ver¬ 
suche  ausgeführt,  die  sich  mit  dem  Problem  der  Eiweiss  - 
Synthese  im  tierischen  Organismus  beschäftigen.  Ab¬ 
derhalden  ist  es  nun  gelungen,  einen  3  Monate  alten  Hund  mit 
einem  Verdauungsprodukt  aus  Fleisch  als  einzigem  stickstoffhaltigen 
Materiale  der  Nahrung  3  Wochen  lang  nicht  nur  im  Stickstoffgleich¬ 
gewicht  zu  halten,  sondern  Stickstoffretention  und  Vermehrung  des 
Körpergewichtes  zu  erzielen.  Das  Verdauungsprodukt  bestand  zunv 
grössten  Teile  aus  den  einfachsten  Bausteinen  der  Proteine.  Danach 
ist  man  wohl  berechtigt,  zu  sagen,  dass  der  tierische  Organismus 
wenigstens  gilt  dies  für  den  Hund  —  sein  Körpereiweiss  aus  den 


einfachsten  Bausteinen  aufbauen  kann. 

Derselbe  Forscher  teilt  ferner  Versuche  Emil  Fischers 
mit,  der  unter  Mitwirkung  Abderhaldens  zusammengesetzte 
Abbauprodukte  durch  Spaltung  von  Seide  u  n  d 
Elast  in  erhalten  hat.  Ausser  sogenannten  Dipeptiden,  die  Ver¬ 
kettungen  zweier  Amidosäuren  sind,  ist  auch  ein  Tetrapeptid,  ent¬ 
haltend  2  Moleküle  Glykokoll,  I  Molekül  d-Alanin  und  1  Molekül 
1-Tyros'in,  aus  Seide  isoliert  worden.  Diese  Ergebnisse  geben  der  An¬ 
nahme,  dass  im  Eiweissmolekül  die  Aminosäuren  in  amidartiger  Ver¬ 
kettung  sich  finden,  eine  wertvolle  Bestätigung.  Da  das  isolierte 
Tetrapeptid  albumosenartige  Eigenschaften  hat,  so  wäre  eine  Revision 
der  Auffassung  des  Begriffs  der  Albumosen  notwendig. 

H.  Steudel  berichtet  über  seine  Untersuchungen  der 


Nukleinsäuren  aus  Thymus  und  aus  Heringssperma. 
Diese  beiden  Säuren,  die  wahrscheinlich  identisch  sind,  liefern  als 
Spaltungsprodukte  4  stickstoffhaltige  Körper,  von  denen  2  zu  den 
Purinderivaten  (Guanin  und  Adenin),  und  2  zu  den  Pyrimidinderivaten 
gehören  (Thymiti  und  Zytosin).  Ausserdem  ist  in  den  Nukleinsäuren 
eine  Kohlehydratgruppe  mit  6  Kohlenstoffatomen  enthalten.  Mit  den 
experimentell  gefundenen  Ergebnissen  würde  es  sich  am  besten  ver¬ 
einigen,  wenn  man  auch  von  der  Kohlehydratgruppe  4  Moleküle  in 
der  Nukleinsäure  annimmt,  dann  würde  als  letzter  Bestandteil  der 
Nukleinsäure  nur  noch  Tetrametaphosphorsäure  übrig  bleiben.  Man 
kann  sich  also  vorstellen,  dass  die  Nukleinsäure  eine  1  etrametaphos- 


phorsäure  wäre,  die  jedem  Phosphoratom  entsprechend  eine  Kohle- 
hydratgrupoe  besässe,  also  Tetraglykotetrametaphosphorsäure.  An 
diese  wäre  je  eins  der  4  stickstoffhaltigen  Spaltungsprodukte  ge¬ 
bunden  (Guanin,  Adenin,  Jhymin  und  Zytosin).  Die  theoretische 
Formel  der  Nukleinsäure  ist  dementsprechend  zu  korrigieren;  die  aus 
der  neuen  Form  verlangten  prozentischen  Werte  der  einzelnen  Ele- 
mente  stimmen  mit  den  Analysenergebnissen  früherer  Forscher  be¬ 
friedigend  überein. 

M.  Siegfried  hat  im  Verlaufe  seiner  Untersuchungen 
über  die  Trypsinverdauung  zwei  Fibrinpeptone  dargestellt, 
deren  Verhalten  auch  nach  verschiedenen  Reinigungsmanipulationen 
unverändert  blieb.  Diese  Peptone  sind  also  als  chemische  Individuen 

anzusehen.  Zum  Vergleiche  von  Peptonen  mit  Peptiden  wurde  mit 

CO  o 

Hilfe  der  „Karbaminoreaktion“  der  Quotient  N  ^  den  Trypsin¬ 
peptonen  und  bei  Peptiden  bestimmt.  Aus  den  Resultaten  ergibt  sich 
die  Annahme,  dass  die  Peptone  ausser  Peptidbindungen  noch 
N-Gruppen  enthalten,  die  sich  gegenüber  der  Karbaminoreaktion 
anders  als  die  Peptidbindungen  der  geprüften  Peptide  verhalten. 

R.  Lepine  and  B  o  u  1  u  d  haben  Untersuchungen  iiber 
die  Glykoside  des  Blutes  angestellt.  Sie  haben  gefunden, 
dass  das  Blut  mehrere  Glykoside  enthält,  die  Glykose  abspalten,  ent¬ 
weder  während  der  Zirkulation  oder  in  vitro;  und  im  letzten  Falle 
besonders  während  der  ersten  Minuten  nach  dem  Austritt  aus  den  Ge- 
fässen.  Die  Menge  des  in  Freiheit  gesetzten  Zuckers  wird  besonders 
merklich,  wenn  dem  Blut  etwas  Invertin  hinzugesetzt  wird.  Manche 
sich  widersprechenden  Angaben  über  den  Zuckergehalt  des  Blutes 
finden  dadurch  vielleicht  ihre  Erklärung,  aber  die  genaue  Bestimmung 
des  Zuckers,  der  in  vitro  in  Freiheit  gesetzt  wird,  wird  auch  noch  da¬ 
durch  kompliziert,  dass  gleichzeitig  eine  Glykolyse  stattfand. 

Reid  H  u  n  t  -  Washington  U.S.A.  hat  das  Verhältnis  des 
Jods  zur  Schilddrüse  untersucht.  Als  empfindliche  Unter¬ 
suchungsmethode,  um  die  Beziehungen  zwischen  prozentualem  Jod- 
gehalt  und  physiologischer  Wirksamkeit  der  Thyreoidea  festzustellen, 
hat  R.  H.  Thyreoidea  verfüttert  und  die  Empfindlichkeit  der  gefütterten 
Tiere  gegen  gewisse  Gifte  (Azetonitril,  Morphin)  beobachtet.  Füt¬ 
terung  mit  Thyreoidea  vermehrt  die  Widerstandsfähigkeit  der  Mäuse 
gegen  Azetonitril  —  erniedrigt  die  Widerstandskraft  gegen  Morphin 
und  zwar  steht  die  Wirksamkeit  der  Thyreoidea  in  einem  bestimmten 
Verhältnis  zum  Jodgehalt. 

Thyreoideafütterung  vermindert  die  Widerstandsfähigkeit  von 
Meerschweinchen  gegen  Azetonitril,  und  Jodverbindungen  haben  den¬ 
selben  Erfolg.  Wenn  die  Thyreoidea  entfernt  wird,  so  sind  auch  die 
Jodverbindungen  wirkungslos  —  ein  Beweis,  dass  das  Jod  seine 
Wirksamkeit  durch  die  Thyreoidea  ausiibt. 

H.  Boruttau  berichtet  über  seine  Versuche  über  die 
Entstehung  des  Adrenalins  im  Tierkörper.  Digeriert 
man  Nebennierenbrei  mit  Brenzkatechin,  so  kann  man  eine  Ver¬ 
mehrung  des  Adrenalingehaltes  konstatieren,  die  noch  auffallender 
wird,  wenn  man  dem  Digestionsbrei  noch  Cholin  hinzufügt.  Cholin 
ist  nach  Kutscher  ein  regelmässiger  Bestandteil  der  Nebenniere. 
Die  Seitenkette  des  Brenzkatechins  in  der  Konstitutionsformel  des 
Adrenalins  ist  ein  Cholinrest,  welcher  dem  physiologischen  Abbau  des 
Cholins  entspricht. 

O.  v.  Fürth  hat  das  Verhalten  der  tierischen  Per¬ 
oxydasen  studiert.  Er  hat  gefunden,  dass  zu  ihrem  Nachweis  die 
bisher  vorwiegend  benutzte  Guajakreaktion  nicht  geeignet  ist,  soweit 
es  sich  um  die  Organe  hämoglobinführender  Tiere  handelt.  Der  Nach¬ 
weis  der  Peroxydasen  in  bluthaltigen  Geweben  und  Säften  wird  da¬ 
gegen  durch  die  Jodreaktion  ermöglicht,  da  die  Oxydation  der  Jod¬ 
wasserstoffsäure  bei  Gegenwart  von  Wasserstoffsuperoxyd  durch 
den  Blutfarbstoff  nicht  katalytisch  beschleunigt  wird.  Es  gelang, 
so  die  Gegenwart  echter  Peroxydasen  in  Leukozyten,  in  lymphoidem 
Gewebe  (Knochenmark,  Milz,  Lymphdriisen)  und  im  Sperma  nach¬ 
zuweisen.  Um  die  Wirkung  tierischer  Oxydasen  messend  verfolgen 
zu  können,  wurde  ein  soektrophotometrisches  Verfahren  ausge¬ 
arbeitet,  'das  auf  der  oxydativen  Bildung  von  Malachitgrün  aus  seinei 
Leukobase  beruht.  Das  glykolytische  Blutferment  ist  nicht  mit  der 
Peroxydase  der  weissen  Blutzellen  identisch. 

v.  Fiirth  hat  ferner  Versuche  angestellt  über  die  Akti¬ 
vierung  und  Reaktivierung  des  Pia nk'r  e  a  s s  t  e  ap  - 
s  i  n  s.  Danach  scheint  dieses  Ferment  komplexer  Natur  zu  sein  und 
aus  einem  inaktiven  Zymogen  zu  entstehen.  Es  ist  selbst  wahrschein¬ 
lich  aus  einem  thermostabilen  und  einem  thermolabilen  Anteile  zu¬ 
sammengesetzt. 

Charles  R  i  c  h  e  t  -  Paris  untersuchte  genauer  die  Wirkung 
äusserst  geringer  Dosen  von  Salzen  aufd  i  e  Milch- 
ger  Innung.  Es  wurden  meist  die  Chloride  von  Vanadin,  Baryum, 
Lithium,  Thallium,  Platin,  Silber.  Thor,  Mangan,  Kobalt  und  Uran 
benutzt  und  es  zeigte  sich  bei  den  sehr  grossen  Verdünnungen  zu¬ 
nächst  eine  Verlangsamung  der  Gerinnung;  wurde  dann  noch  weiter 
verdünnt,  so  wurde  die  Gerinnung  wieder  beschleunigt,  um  bei  noch 
weiterer  Verdünnung  wieder  verlangsamt  zu  werden.  Ganz  grosse 
Verdünnung  hatte  dann  wieder  eine  zweite  Beschleunigung  zur  Folge. 
So  konnte  noch  eine  Beeinflussung  durch  eine  Menge  von 
0,000  000  000  1  g  Vanadin  im  Liter  Milch  nachgewiesen  werden.  Die 
Menge  ist  ausserordentlich  klein,  erscheint  aber  plausibel,  da  die 
nach  Moschus  oder  Jodoform  riechende  Luft  kaum  grössere  Mengen 
Substanz  enthält! 


2156 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCEIENSCHRIFT. 


No.  -43. 


h.  P.  Lyon  und  O.  P.  Terry  haben  die  Fermente  der 
befruchteten  umd  unbefruchteten  Eier  von  See- 
i  kr  ein  und  See  st  e  r  n  e  n  verglichen.  Danach  ist  die  fettspaltende 
Kratt  und  die  Fähigkeit,  Wasserstoffsuperoxyd  zu  zersetzen  in 
befruchteten  Eiern  geringer  als  in  unbefruchteten.  Ferner  zeigten 
unbefruchtete  Eier  in  drei  Versuchen  eine  grössere  Autolyse  als 
befruchtete;  es  wurde  hierbei  das  Eiweiss  koaguliert  und  die  Menge 
des  Stickstoffs  im  Filtrate  bestimmt. 

J.  Rosenthal  glaubt,  dass  bei  einer  neuen  theo¬ 
retischen  Erklärung  der  Art  und  Weise,  wie  die 
Spaltungen  sich  enzymatisch  vollziehen,  seine  folgen¬ 
den  Beobachtungen  mit  herangezogen  wenden  müssten.  Stoffe,  die 
durch  Enzyme  zerlegt  werden  können,  erfahren  nämlich  ganz  ähn¬ 
liche  Umsetzungen,  wenn  sie  der  Einwirkung  eines  in  Stärke  und 
Richtung  wechselnden  elektromagnetischen  Feldes  ausgesetzt  werden. 

1 .  H.  M  i  1  r  o  y- Belfast  berichtet  über  Veränderungen,  die  er  an 
Heringen  beobachtet  hat,  wenn  bei  ihnen  eine  Reifung  ihrer 
Geschlechtsdrüsen  stattfindet.  Solche  Untersuchungen  waren 
von  Mi  es  eher  und  Weiss  am  Lachs  ausgeführt  und  hatten  ge¬ 
zeigt,  dass  der  männliche  Lachs,  der  während  der  Reifungsperiode 
keine  Nahrung  zu  sich  nimmt,  seine  Geschlechtsprodukte  grössten¬ 
teils  aus  seinem  zu  Grunde  gehenden  Muskeleiweiss  aufbaut.  Der 
Hering  macht  nun  eine  verhältnismässig  nur  kurze  Hungerperiode 
durch  und  braucht  also  auch  nur  eine  kurze  Zeit  sich  an  das  in 
seinen  Muskeln  aufgestapelte  Eiweiss  zu  halten. 

F.  Röhmann  hat  seine  Untersuchungen  über  kiinst- 
liehe  E  r  nähr  u  n  g  fortgesetzt.  Es  ist  ihm  jetzt  gelungen,  Mäuse 
mit  einer  Nahrung,  die  aus  einem  Gemisch  von  Vitellin,  Kasein, 
Hühner  ei  weiss,  Stäike,  Fett  und  Salzen  besteht,  durch  zwei  Gene¬ 
rationen  am  Leben  zu  erhalten.  Die  verschiedenen  Eiweissstoffe 
können  sich  nicht  vollständig  gegenseitig  vertreten. 

E-  P-  C  a  t  h  c  a  r  t  -  Glasgow  gibt  eine  Uebersicht  über  einen 
Versuch,  in  dem  während  einer  14  tägigen  Hungerperiode  bei  einem 
Manne  die  Ausscheidung  von  Harnsäure,  Gesamt¬ 
purinkörper,  Kreatin  und  Kreatinin  quantitativ 
bestimmt  wurde. 

M.  H  Nemser-St.  Petersburg  hat  das  Schicksal  des 
Alkohols  im  Magen-  und  Darmkanal  näher  verfolgt 
Hunden  mit  Dauerfisteln  an  verschiedenen  Stellen  des  Magendarm¬ 
kanals  wurde  eine  bestimmte  Quantität  verdünnten  Alkohols  quanti- 
tativ  nut  oder  ohne  Nahrung  verabreicht  und  dann  in  der  aus  der 
Fistel  abfliessenden  Flüssigkeit  die  Quantität  des  Alkohols  bestimmt. 

I  abei  fand  sich,  dass  Alkohol  schon  im  Magen  in  grosser  Quantität 
resorbiert  wird.  Die  Resorption  wird  im  Duodenum  fortgesetzt  und 
erreicht  im  Jejunum  ihr  Maximum.  (Versuch  an  einem  Hunde  mit 
Dauerfistein,  eine  am  Ende  des  Duodenums,  die  andere  in  der  Mitte 
des  Dünndarms.  Die  Entleerung  aus  einer  Fistel  am  Ende  des 
Ileums  enthalt  gar  keinen  Alkohol.)  (Schluss  folgt.) 

Erste  Jahresversammlung  der  Gesellschaft  deutscher 

Nervenärzte 

in  Dresden  am  14.  und  15.  September  1907. 

Bericht  von  Dr.  v.  R  a  d  -  Nürnberg. 

(Schluss.) 

III.  Sitzung  am  15.  September  1907. 

Vorsitzender :  Jendrassilk  -  Ofen-Pest. 

Zum  Ort  für  die  nächste,  anfangs  Oktober  1908  stattfindende 
Versammlung  wird  Heidelberg  gewählt.  Oppenheim  übernimmt 

£mRefarat  Uober  Ar  Stellung  ,der  Neurologie  in  der  Praxis,  im  Unter- 
ncht  und  in  der  Wissenschaft,  Erb,  Nonne  und  Wassermann 

SnnLn  !?eaen  £bfr  d,en  Stan,d  der  Syphilisfrage  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  den  Erkrankungen  des  Nervensystems. 

Reicher  -  Wien  :  Kinematographie  in  der  Neurologie. 

demonstriert  eine  lückenlose  Serie  (1060  bezw.  1235  Schnitte) 
u  Gehirnschnitten  mittels  eines  Kinematographen. 

strationen  C  h  ü  1 1  e  r  ‘  Wien :  Schädelröntgenographien,  mit  Demon- 

Sch.  demonstriert  zahlreiche  Photographien,  welche  wertvolle 
diasnosteche  Aufschlüsse  bieten.  Die  Fälle  betreffen  Verletzungen 
d^s  '  ehadels,  durch  Fremdkörper,  Kontinuitätstrennungen  (Fis¬ 
suren,  Impressionen,  Locner).  luetische  Erkrankungen,  knöcherne  Tu¬ 
moren  und  Hyperostosen.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Er 
kennung  jener  Schädeldestruktionen,  welche  durch  Weichteiltumofen 
bedingt  sind;  man  kann  danach  Hypophysentumoren  von  äSders- 
ai  tigen  basalen  1  umoren  und  von  interkraniellen  (ausserhalb  der 
Hypophyse  gelegenen)  Geschwülsten  unterscheiden.  Bei  Epilepsie 
und  bei  Erkrankungen  der  pneumatischen  Räume  des  Schädels,  welche 
mit  nervösen  Störungen  einhergehen,  bietet  nicht  selten  das  Röntgen¬ 
methoden.  ErganZUng  der  übrigen  neurologischen  Untersuchungs- 

Sänger -Hamburg  demonstriert  5  Diapositive  von  Röntgen¬ 
aufnahmen  bei  Hypophysistumoren.  *umgen- 

1  T?r  iwarn!  aber  auch  davor,  aus  zu  minimalen  Veränderungen  an 
der  Rontgenplatte  zu  weitgehende  Schlussfolgerungen  zu  machen  Ln 
einem  Falle,  in  dem  von  kompetentester  Seite  Veränderungen  an  de? 

'  c  a  tu,aca  und  besonders  der  Keilbeinhöhle  angenommen  worden 
■  a.en,  ergab  die  Autopsie  einen  Tumor  in  der  hinteren  Schädelgrube. 


Beiträge  zur  Diagnostik  operabler  Hirn- 


Hartmann-  Graz: 
erkrankungen. 

Alfred  S  ä  n  g  e  r  -  Hamburg:  Ueber  Herdsymptome  bei  diffusen 
Hirnerkrankungen. 

Nicht  immer  entspricht  dem  Auftreten  von  Herdsymptomen  eine 
lokalisierte  organische  Veränderung  im  Gehirn.  Das  Uebersehen 
dieses  raktums  hat  vielfach  zu  übereilten  schweren  chirurgischen 
Eingriffen  Veranlassung  gegeben,  so  z.  B.  bei  dem  Auftreten  von 
.1  a  c  k  s  o  n  scher  Epilepsie  oder  bei  Halbseitenerscheinungen  bei  ge¬ 
nuiner  Epilepsie. 

Bei  der  Meningitis  kommt  es  gar  nicht  selten  lediglich  zu 
lokalisierten  Symptomen,  speziell  bei  der  tuberkulösen  Form. 
Schon  im  Jahre  1903  hat  yortragender  Fälle  von  zirkumskrip- 
tci  tuberkulöser  Meningitis  mitgeteilt.  Hiebei  muss  hervorgehoben 
werden,  dass  die  mikroskopische  Untersuchung  der  Hirnhäute  bei 
Meningitis  tuberculosa  auch  an  scheinbar  normalen  Abschnitten  Ver¬ 
änderungen  nachweisen  lässt. 

Auch  die  eitrige  Meningitis  kann  sich,  allerdings  in 
selteneren  Fällen,  lediglich  durch  Herdsymptome  dokumentieren. 

oi  ti  agendei  teilt  einen  einschlägigen  Fall  aus  seiner  Erfahrung  mit 
fei  n  e  i  einen  Fall  von  sar  komatöser  Meningitis,  der  sich 
durch  komplizierte  Herdsymptome  ausgezeichnet  hat.  Endlich  wird 
ein  Fall  von  rechtsseitiger  Lähmung  mitgeteilt,  bei  welchem  sich  als 
einziges  pathologisches  Substrat  eine  diffuse  Leptomenin- 
g  1 1 1  s  gefunden  hat. 

Die  scharf  umschriebenen  Herdsymptome,  die  manchmal  bei  der 
Kar  zinoma  tose  Vorkommen,  sind  oft  der  Ausdruck  einer  karzi- 
nomatosen  Infitration  der  Pia,  was  Vortragender  1901  zuerst  auf 
mikroskopischem  Wege  nachweisen  konnte.  Der  makroskopische 
Befund  in  solchen  Fällen  ist  oft  negativ  oder  so  unbedeutend,  dass 
er  leicht  übersehen  werden  kann. 

,  uElwe  'd  ‘ f  f  u  s  e  Enzephalitis  kann  sich  ebenfalls  lediglich 
duich  Herdsymptome  aussern,  was  Vortragender  in  einem  eklatanten 
ralle  erlebt  hat.  Zum  Schluss  hebt  Vortragender  hervor,  dass  die 
Hirnerkrankung,  welche  mit  am  häufigsten  infolge  der  auftretenden 
Herdsymptome  zu  Irrtiimern  Veranlassung  gibt,  der  chronische 
Hydrozephalus  sei,  indem  meistens  ein  Hirntumor  diagnosti¬ 
ziert  wird. 

Es  ist  unsete  Aufgabe,  die  Herdsymptome  genauer  zu  erforschen, 
uai  ,fie  J)11*  grösserer  Sicherheit  differenzieren  zu  können.  Vielleicht 
durfte  hierbei  ausser  der  Lumbalpunktion  das  neue  Verfahren  der 
Hirnpunktion  nach  N  e  i  s  s  e  r  und  Pfeiffer,  sowie  die  Röntgen¬ 
aufnahme  des  Schädels  von  grossem  Nutzen  sein,  um  die  Allgemein¬ 
erkrankungen,  wie  Meningitis,  Enzephalitis  und  Hydrozephalus,  besser 
zu  erkennen,  als  es  bis  jetzt  möglich  war. 

v.  Eiseisberg- Wien  und  v.  Frankl -  Hochwart  -  Wien  • 
Leber  operative  Behandlung  der  Hypophysistumoren. 

A,  v<  E  r  a  n  k  1  -  H  o  c  h  w  a  r  t  berichtet  zunächst  über  einen  Fall  von 
Akromegalie,  der  einen  20  jährigen  Kaufmann  betrifft.  Seit  1899  be¬ 
standen  sehr  starke  Kopfschmerzen;  die  Untersuchung  ergab  schon 
im  Jahre  1901  linksseitige  Amaurose  infolge  Optikusatrophie,  rechts¬ 
seitige  Hemianopsie  und  leichte  Neuritis  optica,  starke  Adipositas 
und  minimale  Behaarung  an  den  Pubes  und  in  den  Achselhöhlen. 
Unter  Thyreoidmbehandlung  erfolgte  Rückgang  der  Kopfschmerzen 
und  Besserung  des  Sehvermögens,  die  Fettentwicklung  ging  nie 
rötlich  zurück,  auch  kam  es  nie  zu  geschlechtlichen  Erregungen. 
Seit  190p  wieder  Verschlechterung  des  Gesamtzustandes  und  neuer¬ 
liches  Aultreten  der  rechtsseitigen  Hemianopsie.  Die  Röntgenunter¬ 
suchung  ergab  Destruktion  des  Keilbeinkörpers  und  der  Sattellehne 
Processus  clinoidei  waren  erhalten. 

.  Gelegentlich  der  Demonstration  dieses  Falles  wurde  von  Fröh¬ 
lich  der  Satz  aufgestellt:  „dass  bei  Symptomen,  die  auf  einen  Tumor 
in  der  Gegend  des  Hirnanhanges  hinweisen,  bei  Fehlen  akromegalischer 
Symptome  das  Vorhandensein  anderweitiger,  trophischer  Störungen 
eine  lasch  sich  entwickelnde  Fettleibigkeit  oder  auch  an  Myxödem 
erinnernde  Hautveränderung,  auf  die  Hypophysis  selbst  als  Ausgangs¬ 
punkt  der  Neubildung  hinweist.  Allerdings  beweist  das  Fehlen  solcher 
Erscheinungen  nichts  gegen  das  Vorhandensein  eines  Tumors  des 
Hirnanhanges  . 

Dei  Vor  ti  agende  berichtet  kurz  über  einen  ähnlichen,  von  A. 

B  e  r  g  e  r  beobachteten  Fall,  bei  welchem  auf  Grund  dieses  dia¬ 
gnostischen  Satzes  die  richtige  Diagnose  auf  Geschwulst  der  Hvpo- 
physisgegend  gestellt  wurde.  Da  bei  dem  zuerst  erwähnten  Pa¬ 
tienten  die  Kopfschmerzen  sehr  heftig  wurden  und  die  Sehschärfe 
rapid  sank,  wurde  ein  operativer  Eingriff  vorgenommen,  über  welchen 
v.  Eiseisberg  berichtet. 

Nach  Umschneidung  der  Nase  an  ihrer  Wurzel  und  Aufklappung 
nach  rechts  wurde  der  Septum  durchtrennt  und  die  obere  Muschel 
entfernt. 

Blosslegung  des  Sinus  frontalis,  Eröffnung  und  Wegmeisselung 
der  vorderen  Wand,  stückweise  Wegnahme  der  Vomer  bis  an  seinen 
Ursprung  Abschaben  des  Periosts  bis  zur  vorderen  Wand  des  Kcil- 
bcins  und  Blosslegung  der  vorderen  Wand  der  Keilbeinhöhle.  Vor- 
hJvhll1SeT  Aufmej?seluns  der  Keilbeinwand,  Eröffnung  der  Keilbein- 
MpmKrJn  d-em7'ef.e  d®rTsel^e.n  wurde  eine  weissliche,  haselnussgrosse 
mbian  sichtbar;  auf  Inzision  entleerten  sich  mehrere  Esslöffel  einer 
nach  altem  Blute  aussehenden  Flüssigkeit.  (Zyste  entsprechend  der 
Hypophyse.)  Nach  Entfernung  der  Ränder  des  Hohlraums  wurde 
tamponiert,  die  Nase  reponiert  und  vernäht.  Die  histologische  Unter- 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2157 


suchung  der  Sackwand  Hess  vermuten,  dass  es  sich  um  ein  Karzinom 
handeln  könne.  Der  Wundverlaüf  war  ein  guter,  subjektiv  besserte 
sich  der  Zustand  insofern,  als  die  Kopfschmerzen  kaum  mehr  auftraten 
und  auch  das  Sehvermögen  sich  besserte.  Das  Gesichtsfeld  hatte 
sich  temporal  bedeutend  erweitert,  auch  war  merkwürdigerweise  am 
linken  total  amaurotischen  Auge  eine  geringe,  aber  immerhin  deut¬ 
liche  Lichtreaktion  der  Pupille  zu  erzielen.  Das  Körpergewicht  hat 
um  2  Kilo  abgenommen. 

Kühne- Kottbus :  Die  kontinuierliche  Bezold-Edelmann- 
sche  Tonreihe  als  Untersuchungsmethode  für  den  Nervenarzt. 

Vortragender  schildert  zunächst  die  Handhabung  der  Bezold- 
Edel  mann  sehen  Tonreihe  und  bespricht  dann  die  Hörstörungen, 
soweit  sie  den  Neurologen  interessieren.  Eingehend  werden  die  trau¬ 
matischen  Schädigungen  des  Hörorganes  gewürdigt.  Die  kontinuier¬ 
liche  Tonreihe  kann  in  solchen  Fällen  oft  sehr  wertvolle  diagnostische 
Aufschlüsse  geben. 

A.  S  c  h  a  n  z  -  Dresden:  Demonstration  von  chirurgisch-ortho¬ 
pädisch  behandelten  Lähmungen. 

Vortragender  demonstriert  zunächst  2  Kinder,  an  denen  die 
durch  Kinderlähmung  vollständig  gelähmten  Kniestrecker  aus  der 
Beugegruppe  durch  Transplantation  ersetzt  sind.  Beide  Patienten, 
frühere  Krückengänger,  gehen  jetzt  ohne  jede  Stütze.  In  4  weiteren 
Fällen  von  spinaler  Kinderlähmung  wurde  durch  die  Behandlung,  in 
welcher  immer  die  Quadrizepsplastik  den  wichtigsten  Punkt  bildet, 
freie  selbständige  Bewegungsfreiheit  erlangt.  Ein  Fall  von  Pes 
equinovarus  paralyticus  wurde  durch  Verlagerung  der  -Peroneussehne 
nach  vorn  von  dem  äusseren  Knöchel  korrigiert,  weiter  ein  Fall  von 
Schlotterfuss  mit  Kombination  von  Sehnentransplantation  und  Ortho- 
dese  behandelt.  Bei  einem  Fall  von  Schulterlähmung  ist  eine  Funk¬ 
tionsbesserung  durch  Transplantation  der  Trapezius  in  den  Deltoides 
erreicht  worden.  Weiter  werden  2  Kinder  mit  spastischen  Lähmungen 
vorgeführt,  die  ganz  bewegungsunfähig  waren  und  bei  denen  durch 
Muskel-  und  Sehnendurchschneidungen  die  Bewegungsfähigkeit  so 
gebessert  wurde,  dass  sie  jetzt  frei  ohne  Stütze  gehen  können. 

Kohnstamm  -  Königstein  und  W  a  r  n  k  e  -  Berlin :  Demon¬ 
strationen  zur  physiologischen  Anatomie  der  Medulla  oblongata. 

'Unter  den  -in  der  Medulla  oblongata  entstehenden  Neuronen  ist 
neben  den  motorischen  Haubenkernen  ein  „Centrum  sensorium“  zu 
unterscheiden.  Dasselbe  nimmt  Endigungen  der  gekreuzten  sen¬ 
siblen  Spinalbahn  und  gekreuzter  Sekundärneurone  aus  den  sensiblen 
Hirnnervenkernen  auf  und  entsendet  einen  ungekreuzten  Tractus 
bulbo-thalamicus  ascendens,  der  in  den  Endstätten  des  Schleifen¬ 
systems  endigt.  Damit  ist  die  gekreuzte  sensible  Bahn  lückenlos 
erkannt.  Demonstration  des  sensiblen  und  motorischen  Anteils  der 
Formatio  reticularis  an  Photogrammen,  die  W  a  r  n  k  e  im  berliner 
neurobiologischen  Institut  nach  seinen  Nisslpräparaten  hergestellt 
hat,  sowie  an  eigenen  Marchi-  und  Nissl-Degenerationspräparaten. 
W  a  r  n  k  e  demonstriert  Einzelheiten  des  Seitenstrangkerns.  Aus¬ 
führliche  Publikation  im  Journal  für  Psychologie  und  Neurologie. 

IV.  Sitzung. 

Vorsitzender:  Mingazzini  -  Rom. 

0  p  p  e  n  h  e  i  m  -  Berlin:  Allgemeines  und  Spezielles  zur  Pro¬ 
gnose  der  Nervenkrankheiten. 

Der  Vortr.  zeigt  an  einer  Reihe  von  Krankheitsformen,  dass  die 
Prognose  im  Laufe  der  Zeit  viel  günstiger  sich  gestaltet  habe,  als  es 
den  früheren  Erfahrungen  und  Anschauungen  entspreche.  Er  führt 
dies  aus  für  die  Tabes,  Sclerosis  multiplex,  -den  Tumor  medullae  spi- 
nalis,  die  Poliomyelitis,  den  Tumor  cerebn  (Pseudotumor),  Abszessus 
cerebri,  die  Psychasthenie,  die  Tics  u.  a.  Dieser  Wandel  in  den  Auf¬ 
fassungen  und  Tatsachen  se'i  auf  verschiedene  Momente  zurück¬ 
zuführen: 

1.  auf  die  Fortschritte  in  der  Therapie,  besonders  der  Chirurgie; 

2.  durch  Fortschritte  in  der  Erkenntis  der  Ursachen; 

3.  Fortschritt  in  der  Diagnosestellung; 

4.  auf  die  Tatsache,  dass  nicht  nur  die  Infektionen,  sondern  auch 
die  aus  ihnen  hervorgehenden  Nervenkrankheiten  ihren  Charakter 
ändern  (Lues,  Poliomyelitis); 

5.  dass  auch  die  Individuen  sowohl  wie  die  Generationen  in  ihrer 
Reaktion  auf  Krankheitsstoffe  einem  Wechsel  unterliegen; 

6.  die  Abgrenzung  der  Krankheitsbilder  wurde  ursprünglich  ana¬ 
tomisch,  d.  h.  bei  tödlich  verlaufenden  Fällen  vorgenommen,  dadurch 
wurde  bezüglich  der  Prognose  einer  zu  ernsten  Auffassung  Raum  ge¬ 
geben; 

7.  die  Erfahrungen  der  Privatpraxis  sind  anderer  Art  als  die 
der  Klinik,  wo  die  relativ  schwerer  Erkrankten  zur  Behandlung 
kommen. 

Vortragender  schliesst  mit  dem  Mahnwort,  mit  der  Prognose  vor¬ 
sichtig  zu  sein  und  besonders  den  Kranken  gegenüber  pessimistische 
Auslassungen  zu  vermeiden. 

V  e  r  a  g  u  t  h  -  Zürich:  Die  Bedeutung  des  psycho-galvanischen 
Reflexphänomens. 

Der  Vortrag  eignet  sich  nicht  zu  kurzem  Referate.  (Cfr. 
Monatsschr.  f.  Psychiatrie  u.  Neurologie  1906.) 

P  f  e  i  f  f  e  r  -  Halle:  Cysticercus  cerebri  mit  dem  klinischen  Bilde 
einer  kortikalen  sensorischen  Aphasie,  durch  Hirnpunktion  diagnosti¬ 
ziert. 


Vortragender  berichtet  über  einen  Fall,  bei  welchem  mittels 
Hirnpunktion  eine  im  linken  Schläfenlappen  lokalisierte  Zystizerkus- 
erkrankung  des  Gehirns  festgestellt  wurde,  nachdem  vorher  auf 
Grund  der  Anamnese  und  des  klinischen  Befundes  die  Diagnose  eines 
Tumors  des  linken  Schläfenlappens  gestellt  worden  war. 

Die  Erkrankung  begann  7  Wochen  vor  Aufnahme  mit  Kopf¬ 
schmerz  und  einer  Sprachstörung  (sensorische  Aphasie).  Dazu  kam 
eine,  bald  wieder  zurückgehende,  rechtsseitige  Hemiparese. 

Von  subjektiven  Allgemeinsymptomen  waren  nur  Kopfschmerzen 
und  rechtsseitige  Benommenheit  zu  konstatieren.  Der  objektive  Be¬ 
fund  ergab  Stauungspapille,  links  stärker  als  rechts  ausgesprochen, 
eine  leichte  rechtsseitige  Fazialisparese  im  unteren  Ast,  kortikale  sen¬ 
sorische  Aphasie,  leichte  rechtsseitige  spastische  Parese,  ferner 
beiderseits  transkortikale  motorisch-apraktiache  Störungen,  zuweilen 
auch  ideatorisch-apraktische  Erscheinungen. 

Durch  Hirnpunktion  wurde  am  mittleren  Teil  der  ersten  linken 
Schläfewindung  ein  grauweisses  Gewebsstückchen  gewonnen,  dessen 
mikroskopische  Untersuchung  ergab,  -dass  es  sich  nur  um  die  Wan¬ 
dung  einer  Zystizerkenblase  handeln  konnte. 

Das  Ergebnis  der  Punktion  wurde  durch  die  Operation  voll¬ 
kommen  bestätigt.  Es  fand  sich  eine  Zystizerkenansammlung,  die 
teils  im  hinteren  Teil  der  ersten  linken  Schläfenfurche,  teils  im 
hinteren  Abschnitt  der  Fossa  Sylvii  lokalisiert  war,  sowie  ein  bohnen- 
grosser  Zystizerku-s  in  der  Rinde  des  hinteren  Teils  der  ersten 
Schäfenwindung  selbst. 

Trotzdem  diese  Zystizerken  anscheinend  sämtlich  bei  der  Opera¬ 
tion  entfernt  wurden,  gingen  aber  die  Lokalsymptome  nicht  zurück 
und  es  traten  später  noch  weitere  Lokalsymptome  von  seiten  des 
Kleinhirns  und  der  rechten  motorischen  Region  ein. 

Vortragender  geht  auf  die  Schwierigkeit  der  Diagnose  der  Zysti- 
zerkenerkrankung  des  Gehirns  näher  ein  und  hebt  die  Wichtigkeit 
der  Hirnpunktion  auch  für  die  Diagnose  dieser  Erkrankung  hervor. 

Bezüglich  der  operativen  Behandlung  -der  Zystizerken  weist  er 
darauf  hin,  dass  der  Fall  zwar  lehre,  dass  man  auch  bei  nach  dem 
klinischen  Befund  anscheinend  lokalisierter  Zystizerkenansammlung 
und  bei  anscheinend  radikaler  Entfernung  derselben  durch  Operation 
auf  weitere  Hirnsymptome  durch  Zystizerken  anderen  Sitzes,  die 
vorher  keine  klinischen  Erscheinungen  gemacht  hatten,  gefasst  sein 
müsse.  Andererseits  zeigen  aber  die  Obduktionsbefunde  einiger 
Fälle,  dass  isolierte,  oder  herdförmig  lokalisierte  Hirnzystizerken.  deren 
chirurgische  Behandlung  möglich  gewesen  wäre,  unter  schweren  Er¬ 
scheinungen  zum  Tode  führten.  Die  Operation  derartiger  Fälle  sollte 
stets  versucht  werden  und  die  Hirnpunktion  kann,  wie  der  Fall  zeigt, 
zur  richtigen  Diagnose  solcher  Fälle  verhelfen. 

E.  S  c  h  w  a  r  z  -  Riga:  Ueber  akute  Ataxie. 

Vortragender  berichtet  über  2  Kranke  mit  ungewöhnlich  hoch¬ 
gradiger  Ataxie  und  ganz  akuter  Entstehung  derselben  nach  exzes¬ 
sivem  chronischen  Alkoholmissbrauch.  Der  eine  Kranke  bot  die  aus¬ 
gesprochenen  Erscheinungen  einer  alkoholischen  Polyneuritis  mit 
leichter  motorischer  Schwäche,  starken  Sensibilitätsstörungen  und 
fehlenden  Kniephänomenen.  Der  2.  Fall  bot  noch  eine  gewaltigere 
Ataxie  der  oberen  und  unteren  Extremitäten,  die  durch  Augenschluss 
in  keiner  Weise  verschlimmert  wurde  (lokomotorische  und  statische 
Ataxie).  Die  Sensibilität  war  tadellos  erhalten,  -die  Kniephänomene 
gesteigert. 

Vortragender  fasst  in  beiden  Fällen  -die  Ataxie  als  eine  motorische 
zentrale  zerebrale  Ataxie  auf  und  möchte  4  Formen  der  akuten  Ataxie 
unterschieden  wissen: 

1.  die  akute  zerebrale  Ataxie  bei  multiplen  Herden, 

2.  die  akute  polyneuritisch-e  Ataxie, 

3.  die  akute  motorische  zentrale  Ataxie, 

4.  die  zerebellare  akute  Ataxie  (Bechterew). 

Mingazzini-  Rom  berichtet  über  einen  Fall  von  transzen¬ 
traler  sensorischer  Aphaxie. 

S  c  h  u  s  t  e  r  -  Berlin:  Ueber  die  antisyphilitische  Behandlung  in 
der  Anamnese  der  an  metasyphilitischen  und  syphilitischen  Nerven¬ 
krankheiten  Leidenden. 

Sch.  suchte  festzustellen,  ob  die  mehr  oder  minder  intensive  Be¬ 
handlung  der  Syphilis  von  Einfluss  ist  auf  die  Entstehung  der  meta¬ 
syphilitischen  und  syphilitischen  Erkrankungen  des  Nervensystems. 
Die  Ansichten  früherer  Autoren  über  die  event.  präventive  Kraft  der 
antiluetischen  Behandlung  hinsichtlich  der  Verhütung  nervöser  Leiden 
weichen  erheblich  von  einander  ab,  ja  stehen  sich  diametral  gegen¬ 
über.  Vortragender  verfügt  über  186  Fälle,  davon  sind  75  Tabiker, 
35  Paralytiker  und  76  Patienten  mit  zerebrospinaler  Lues.  Bei  allen 
war  Lues  vorhanden  gewesen,  bei  allen  war  in  der  Krankengeschichte 
eine  Notiz  über  die  vorangegangene  merkurielle  Behandlung  (meist 
Schmierkur).  In  Uebereinstimmung  mit  den  Arbeiten  Eulenburgs 
-und  D  i  n  kle  r  s  zeigt  auch  das  Material  Sch.s  einen  kleinen  Prozent¬ 
satz  gänzlich  unbehandelter  Fälle  (in  maximo  23  Proz.).  In  17  bis 
19  Proz.  der  Fälle  fanden  zahlreiche  (3 — 9)  Kuren  statt.  Weiter 
stellte  Vortragender  an  seinem  Material  fest,  dass  bei  den  nicht  und 
schlecht  behandelten  Fällen  die  Latenzzeit,  d.  i.  die  zwischen  der 
syphilitischen  Infektion  und  dem  Auftreten  der  ersten  nervösen  Zeichen 
liegende  Zeit,  auch  nicht  kleiner  ist,  als  in  -den  gut  behandelten  Fällen. 
Er  kommt  auf  Grund  -seines  Materials  keinesfalls  zu  dem  Schluss,  -dass 
ein  Nutzen  der  merk-uriellen  Behandlung  hinsichtlich  der  Verhütung 
nervöser  Nachkrankheiten  erweislich  sei.  Weiter  berichtet  Sch.  noch 
über  16  serologische  Untersuchungen  an  Paralytikern,  I  abikern  und 


2158 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Patienten  mit  Lues  cerebrospinalis,  welche  in  seiner  Poliklinik  von  den 
Herren  Dr.  Citron  und  Dr.  Mühsam  ausgeführt  worden  sind. 
Ls  fanden  sich  in  einem  grossen  Prozentsatz  der  Fälle  Antikörper  im 
Blut,  jedoch  liess  sich  eine  deutliche  Einwirkung  des  Umstandes,  ob 
die  Kranken  mit  Hg  behandelt  worden  waren  oder  nicht,  auf  den 
Qehalt  an  Antistoffen  nicht  feststellen.  Sch.  neigt  zu  der  Ansicht,  dass 
die  Behandlung  der  primären  Lues  deshalb  den  Ausbruch  der  meta¬ 
syphilitischen  Leiden  nicht  verhüten  könne,  weil  die  Hg-Therapie  die 
Antistoffe  nicht  aus  dem  Blute  beseitigen  könne.  Hiermit  nähert  er 
sich  einer  gelegentlich  von  Wer  nicke  ausgesprochenen  und  von 
L  ö  w  e  n  t  h  a  1  -  Liverpool  auf  rein  spekulativem  Wege  gestützten 
Vermutung,  nach  welcher  die  Antikörper  die  Hauptnoxe  für  das 
Nervensystem  darstellen  sollen. 

Erben -Wien:  Beobachtungen  bei  ataktischen  Tabikern. 

Bei  ataktischen  Tabikern  ist  die  Fussohlenempfindlichkeit  regel¬ 
mässig  herabgesetzt.  Die  Qieichgewichtsprüfungen,  besonders  am 
Vestibularapparat  -ergeben  normale  Verhältnisse.  Die  Gelenkunruhe 
der  atakten  Tabiker  beruht  auf  Ausfall  der  Tiefensensibilität.  Somit 
setzt  sich  die  tabische  Ataxie  aus  2  Komponenten  zusammen:  Ausfall 
der  Fussohlenempfindlichkeit  und  der  Tiefenempfindung.  —  Dem  Ta¬ 
biker  fehlt  nicht  die  „Balanze“  (die  antagonische  Funktion  von 
Beuger  und  Streckmuskel).  Solange  der  Muskel  in  Ruhe  ist,  sind  die 
Schwankungen  grösser  als  bei  stärker  kontrahierten  Muskeln.  Beim 
Stehen  ist  der  Quadrizeps  ohne  jede  Kontraktion. 

F  1  a  t  a  u  -  Berlin :  Fehlen  des  Achillesphänomens. 

Von  den  Sehnenphänomenen,  deren  Fehlen  diagnostische  Be¬ 
deutung  hat,  stehen  das  Kniephänomen  und  der  Achillessehnenreflex 
im  Vordergund.  Ueber  das  letztere  ist  noch  keine  Einigkeit  erzielt 
worden.  In  der  Literatur  schwanken  die  Angaben  zwischen  80  Proz. 
Fehlen  bei  nicht  nervöser  Erkrankung  bezw.  Gesunden  und  einer 
Konstanz,  die  dem  des  Kniephänomens  gleich  kommt.  Auf  Grund 
eines  Materiales  von  250  Fällen  kommt  Fl.  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Als  Prüfungsmethode  kommt  diejenige  im  Knien  nach  Babinski 
an  erster  Stelle.  2.  Im  Vergleich  zu  den  Trizepsphänomenen  ist  das 
Fersenphänomen  konstant.  3.  Es  ist  weniger  konstant  als  das  Kni'e- 
phänomen  und  leidet  schneller  unter  mechanischen  Verhältnissen, 
Alter,  Ernährungstörungen.  4.  Das  Fehlen  des  Achillesphänomens  ist 
immer  beachtenswert,  hat  aber  weniger  Bedeutung  als  das  Fehlen 
des  Kniephänomens. 


14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie 

Vom  23.-29.  September  1907  zu  Berlin. 

III. 

Sektion  I.  Hygienische  Mikrobiologie  und  Parasitologie. 

1.  Aetiologie  der  Tuberkulose. 

Von  den  vom  Kongresse  aufgestellten  Referenten  vertrat  C, 
r  l  u  gg  e -Breslau  den  Standpunkt,  dass  die  Inhalation  des  Tuber¬ 
kelgiftes  einen  Infektionsmodus  darstellt,  welcher  in  bezug  auf  die 
sein  niediige  untere  Grenze  der  infektiösen  Dosis  sich  der  gleichfalls 
sehr  wirksamen  subkutanen  Infektion  anreiht,  während  bei.V  e  r  - 
t  ii  1 1  e  r  u  n  g  von  1  uberkelbazillen,  so  dass  sie  nur  vom  Darm  oder 
vom  Rachen  aus  in  den  Körper  eindringen  können,  millionenfach 
grossere  Bazillenmengen  als  bei  der  Inhalation  zur  Hervorrufung 
manifester  Krankheitserscheinungen  erforderlich  sind;  der  Ausbruch 
der  letzteren  und  das  tödliche  Ende  erst  später  eintreten.  Inhalierte 
Bazillen  werden  keineswegs  —  w.ie  von  einigen  Autoren  behauptet 
-  erst  dadurch  wirksam,  dass  ein  Teil  derselben  verschluckt 
w  ird  und  vom  Darm  oder  Rachen  aus  eindringt. 

Dass  die  Einatmung  wirklich  einen  Teil  der  in  der  Luft  in 
I  röpfchenform  inhalierten  Tuberkelbazillen  bis  in  die  feinsten  Bron¬ 
chien  führt,  davon  kann  man  sich  leicht  überzeugen,  indem  man  kurz 

nach  der  Inhalation  die  peripheren  Teile  der  Lunge 
auf  Meerschweinchen  verimpft.  Letztere  gehen 
dann  an  Impftuberkulose  zu  Grunde. 

Ohne  weiters  ist  aber  aus  diesen  experimentellen  Tatsachen  ein 
bchluss  auf  die  Bedeutung  des  einen  oder  andern  Weges  für  die 
natürliche  Verbreitung  der  Tuberkulose  nicht  statthaft,  -hier  ist 
vor  allem  auf  die  Gelegenheit  der  Aufnahme  von  Tuberkel¬ 
bazillen  zu  achten  können  diese  wesentlich  häufiger  durch  den 
Verdauungskanal  als  durch  die  Atmungsorgane  in  den  Organismus 
gelangen,  so  verliert  letzterer  Weg  der  Infektion  an  praktischer  Be¬ 
deutung  gegenüber  dem  ersteren. 

Die  Infektionsgelegenheiten  liegen  für  die  Menschen  wesentlich 
'anHT;Tie  fÜ-rx  II6,  ^wirtschaftlichen  Nutztiere;  werden  Schweine 
und  Kälber  mit  Milch  von  tuberkulösen  Kühen  aufgezogen,  so  iiber- 
wiegt  diese  Infektionsgelegenheit  vollständig  und  die  Tiere  gehen 
sämtlich  an  intestinaler  Infektion  (bezw.  Aspirationstuberkulose)  zu 
Grunde.  —  Die  der  intestinalen  Infektion  entgangenen  Rinder  können 
dagegen  an  Inha  ationstuberkulose  erkranken,  indem  sie 
durch  den  Autenthalt  in  der  Nähe  hustender  tuberkulöser  Rinder  ge- 

TrMoherSmit  wlrCd  WelC“e  ^  L“ft  *»berkelbazille„haltiEe„ 

Für  den  Menschen  komme  hauptsächlich  die  Inhalations¬ 
tuberkulose  besonders  in  Form  der  B  l.ä  s  c  h$  n  infektion  in  Frage 
weniger  tuberkelbazillenhaltiger  Staub,  da  die  B  i  1  du  n  g  feinster 


flugfähiger  Stäubchen  aus  S  p  u  t  u  m  schwierig  und 
selten  ist;  unter  Umständen  kann  bei  Kindern  intestinale 
Infektion  durch  tuberkelbazillenhaltige  Milch  oder  Butter  oder  auch 
durch  das  in  den  Mundbringen  mit  Sputum  beschmutzter  Finger 
entstehen. 

L.  Schrötter  -  Wien  vertritt  einen  ähnlichen  Standpunkt,  in¬ 
dem  er  sagt,  dass  weitaus  am  häufigsten  die  Lunge  primär  an 
Tuberkeln  erkrankt,  sie  sei  das  Organ,  das  gerade  spezifisch  auf  den 
Tuberkelbazillus  reagiert. 

R  i  b  b  e  r  t  behauptet  auf  Grund  von  Leichenbefunden,  dass  die 
Tuberkulose  weitaus  am  häufigsten  in  den  Bron¬ 
chi  a  1  d  r  ü  s  e  n  -und  in  den  Lungen  lokalisiert  sei,  die  Tuber¬ 
kulose  der  Bronchialdrüsen  ist  in  der  bei  weitem  überwiegenden 
Zahl  der  Fälle  die  einzige  Lymphdriisentuberkulose. 

Masyck  P.  Rasenei-  Philadelphia  vertritt  dagegen  den 
Standpunkt,  dass  der  Verdauungskanal  häufig  die  Eintritts¬ 
pforte  bei  den  Tuberkelbazillus  bilde:  Die  Bazillen  gehen  mit  dem 
Speisesaft  durch  die  Lymphgefässe  und  durch  den  Ductus  thoracicus 
ins  Blut,  welches  sie  in  die  Lungen  führt,  in  denen  sie  durch  die 
filtrierende  Wirkung  des  Gewebes  in  grossem  Masse  zurückgehalten 
werden.  Die  Ansteckung  durch  den  Verdauungskanal  ist  besonders 
häufig  bei  Kindern. 

Ferner  kann  Tuberkulose  durch  Berührung,  wie  Küssen,  un¬ 
reine  Hände  usw.  übertragen  werden. 

S.  A  r  1  o  i  n  g  -  Lyon  spricht  über  die  Veränderlichkeit 
des  Infektions  Vermögens  (Virulenz)  der  T-uberkelbazillen; 
er  ist  der  Anschauung,  dass  es  nur  einen  einzigen  Bazillus  dieser 
Krankheit  gibt  und  dass  die  von  den  verschiedenen  Autoren  ge¬ 
fundenen  Arten  einfach  zeitweilige  Varietäten  sind,  deren  anscheinend 
ständige  Form  nicht  länger  dauert  als  die  Verhältnisse  der  Um¬ 
gebung,  unter  denen  sie  entstanden  sind;  streng  abgegrenzte  Typen 
seien  überhaupt  selten  zu  finden. 

Vom  hygienischen  Standpunkte  liege  daher  eine  wirkliche  Gefahr 
darin,  auf  so  wenig  beständigen  Unterschieden  die  Prinzipien  für  die 
Tuberkulosebekämpfung  zu  gründen. 


2.  Die  Bazillen  der  Typhus  gruppe. 

Le  nt  z  -  Berlin:  Typhus  und  Paratyphus  sind  bak- 
teriämische  Krankheiten,  bei  welchen  die  Krankheitserreger 
durch  die  lymphatischen  Apparate  des  Verdauungstraktus  aufgenom- 
men  werden  und  in  diesen,  nämlich  Mesenterialdrüsen,  Milz  und 
Knochenmark,  sich  vermehren.  Von  dort  werden  sie  in  die  Blutbahn 
eingeschwemmt  und  gelangen  von  hier  in  erster  Linie  durch  die  Leber 
mit  der  Galle  und  durch  die  Nieren  mit  dem  Urin  in  die  Ausscheidungs¬ 
wege  des  Körpers.  Im  D  a  r  m  i  n  ’h  a  1 1  vermehren  sich  diese  Krank¬ 
heitserreger  nicht,  gehen  hier  vielmehr  zu  Grunde. 

E  p  i  deiniolog  Ls  c  h  wichtig  sind  bei  beiden  Krankheiten,  (die 
an  sich  ätiologisch,  klinisch  und  pathologisch-anatomisch  von  einander 
wohl  zu  unterscheiden  sind,  die  leichten  Erkrankungen,  die  Aus¬ 
scheidung  von  Krankheitserregern  durch  klinisch  Gesunde,  die  Aus¬ 
scheidung  durch  den  Urin  und  protrahierte  Ausscheidung  während  der 
Rekonvaleszenz  und  darüber  hinaus,  beim  Paratyphus  ausserdem  die 
Identität  des  Erregers  mitdemBac.  typhi  murium,  Bac.  suipestifer  und 
Bac.  enteritis  (Flügge-Kaensche). 

Bei  den  (durch  den  Erreger  der  Fleischvergiftung  erzeugten 
Krankheiten  stehen  im  Vordergründe  des  Krankheitsbildes  die  In- 
toxikationserscheinungen,  welche  -durch  «die  in  «den  infizierten  Speisen 
enthaltenen  Toxine  ausgelöst  werden.  An  die  Intoxikation  kann  sich 
durch  Uebertritt  der  Bakterien  in  die  Lymphapparate  und  die  Blut¬ 
bahn  eine  mehr  oder  weniger  typhusähnliche  bakteriämische  Er¬ 
krankung  anschliessen. 

Epidemiologisch  wichtig  ist  ferner,  dass  der  Typus  Flügge- 
Kaensche  der  Enteritisbazillen  mit  den  Bakterien  der  Hog-Cholera 
Gruppe  identisch  ist,  der  Typus  Gärtner  mit  rattenpathogenen 
Bakterien,  dem  Rattin  (Dunbar),  sowie  den  Bazillen  von  D  a  n  y  s  z 
und  Issatschenko. 

R  9  ?  ^  r  m  °.n  *  un,c*  Lesicur  teilen  mit,  dass  sogen.  Para- 
tj phusinfektionen  in  Frankreich  ziemlich  selten  seien;  sie  verlangen 
zui  Sicherung  der  Diagnose,  ob  I  yphus  oder  Paratyphus  vorliege, 
dass  nicht  nur  die  Seroreaktion  angestellt  wird,  sondern  dass  auch 
Reinkulturen  aut  dem  Blut  gezüchtet  werden;  die  Bezeichnung  Typhus 
und  Pai  aU  phus  müsse  verschwinden,  da  beide  Krankheiten  und  ihre 
Erreger  streng  spezifische  Eigentümlichkeiten  haben. 

L  ö  ff  1  e  r  -  Greifswald  betont  die  Notwendigkeit  der  Differen¬ 
zierung  der  einzelnen  in  die  grosse  Gruppe  der  Typhen  gehörigen 
Spezies  und  schlägt  zur  Klärung  dieser  Frage  vor,  eine  internationale 
Kommission  zu  gründen. 


3.  Meningokokken  und  verwan 


ate  Bakterien. 


••uWLV^LlÄlge  sheim'Beuthen  °--Schl.:  Die  in  Oberschlesiei 
wahrend  der  Genickstarreepidemie  1904/05  und  später  beobachtete. 
Meningokokken  zeigten  die  Eigenschaften,  welche  von  Weichsel 
bäum  und  seinen  Mitarbeitern  angegeben  sind:  sie  traten  auf  ii 
Form  von  D  i  p  1  o  -  und  T  etrakokken,  ohne  Neigung  zu  Ketten 
bidung  stets  Gram-negativ;  sie  gedeihen  am  besten  bei  Bruttempera 
tur,  nicht  mehr  unter  „5  C,  sind  gegen  Austrocknung  sehr  empfindlich 
;  Vchere  Nennung  der  Meningokokken  gestattet  nur  das  Kulturver 
fahren:  Verarbeitung  des  Untersuchungsmaterials  geschah  meist  au 
durchsichtigen  Nährböden. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2159 


Der  mikroskopische  Nachweis  intrazellulär  gelegener  Kokken 
von  dem  Aussehen  und  dem  tinktoriellen  Verhalten  der  Meningo¬ 
kokken  macht  nur  dann  die  Diagnose  wahrscheinlich,  wenn  es  sich 
um  Punktionsflüssigkeiten,  Abszess  der  weichen  Hirnhäute  etc.  han¬ 
delt.  Bei  Untersuchung  von  Nasensekreten  ist  der  bloss  mikro¬ 
skopische  Nachweis  solcher  Gebilde  völlig  belanglos. 

Zur  Sicherung  der  Diagnose  wurde  auch  mit  Erfolg  die  Aggluti¬ 
nationsprobe  mit  spezifischem  Serum  angewandt. 

A.  G  hon -Wien:  Der  Meningokokkus  Weichselbaum  ist  der 
ausschliessliche  Erreger  einer  besonderen  Form  von  akuter  Menin¬ 
gitis,  die  teils  sporadisch,  teils  epidemisch  auftritt. 

Die  Eintrittspforten  des  Meningokokkus  in  den  mensch¬ 
lichen  Organismus  dürften  in  der  Regel  die  Nasenhöhle  oder  der 
Nasenrachenraum  sein,  wo  er  entweder  eine  manifeste  Ent¬ 
zündung  hervorrufen  oder  sich  wie  ein  Saprophyt  verhalten  kann 
(Kokkenträger).  Die  hier  erzeugte  Entzündung  kann  lokal  bleiben 
oder  sich  mit  oder  ohne  Erkrankung  der  Nebenhöhlen  der  Nase 
und  der  Paukenhöhlen  auf  die  Hirnhäute  fortsetzen.  In  diesem  Falle 
kann  der  Meningokokkus  auch  in  andere  Organe  verschleppt  werden 
und  entzündliche  Veränderungen  derselben  hervorrufen. 

Von  den  Verwandten  des  Meningokokkus  Weichsel¬ 
baum  besitzen  noch  zwei  Arten  für  den  Menschen  krankheits¬ 
erregende  Eigenschaften,  nämlich  der  M.icrococcus  gonor- 
rhoeae  Ne  iss  er  und  der  Micrococcus  catarrhalis 
Pfeiffer. 

Von  den  nicht  pathogenen  Verwandten,  deren  Zahl  eine  grosse 
zu  sein  scheint,  leben  viele  als  Saprophyten  auf  verschiedenen 
Schleimhäuten  des  menschlichen  Organismus,  vor  allem  auf  den 
Schleimhäuten  des  oberen  Respirationstraktus. 

4.  Ueber  krankheitserregende  Spirochäten  und  die 
Aetiologie  der  Syphilis. 

D  o  f  1  e  i  n  spricht  über  krankheitserregende  Spirochäten,  diese 
sind  den  Protozoen  anzugliedern;  in  dem  ausführlichen  Berichte  über 
die  bisher  gemachten  Beobachtungen  werden  die  morphologischen  und 
biologischen  Eigenschaften  derselben  näher  erörtert. 

C.  L  e  v  a  d  i  t  i  -  Paris  (Institut  Pasteur):  Abgesehen  von  der 
Syphilis,  (der  tropischen  Framboesia  und  einer  Schweinedermatide,  sind 
alle  Spirillosen  Blutinfektionen.  Die  Spirillen  des  europäischen  und 
des  amerikanischen  Rekurrensfiebers,  des  Zeckenfiebers  (afrikani¬ 
schen  Rekurrensfiebers),  sowie  die  Spirillen  der  Gänse,  Hühner  etc. 
ruhen  im  Blutkreislauf,  wo  sie  sich  in  ausserordentlicher  Weise  ver¬ 
mehren.  Ob  die  Spirillen  den  Protozoen  zuzurechnen  seien,  diese 
Frage  könne  zurzeit  noch  nicht  mit  Sicherheit  beantwortet  werden. 
Krankheitserregende  Spirillen  ausserhalb  des  lebenden  Organismus  zu 
züchten,  sei  bisher  noch  nicht  möglich  gewesen  (bisher  meist  Züch¬ 
tung  in  Kollodiumsäckchen,  die  in  das  Peritoneum  von  Kaninchen  ein¬ 
geführt  wurden,  unter  diesen  Verhältnissen  behalten  die  Parasiten 
zum  Teil  ihre  Virulenz  auf  längere  Zeit). 

Viele  der  bekannten  Spirillosen  sind  Rückfallkrank- 
h  eiten;  der  erste  Anfall  endet  mit  einer  Krisis  oder  Lysis,  während 
welcher  die  Spirillen  mehr  oder  weniger  schnell  aus  dem  Blutkreis¬ 
lauf  verschwinden.  Das  Verschwinden  der  zirkulierenden  Parasiten 
wird  nicht  durch  die  bakteriolytischen  Antikörper  verursacht,  denn 
diese  Antikörper  (Lysine  oder  Agglutinine)  erscheinen  erst  einige  Zeit 
nach  der  ersten  Krisis  oder  Lysis.  Die  Krisis  wird  vielmehr  durch  die 
Aufnahme  der  Spirillen  durch  die  Phagozyten  verursacht  und 
durch  deren  intraprotoplasmatische  Vorrichtung,  wie  die  mikro¬ 
skopische  Prüfung  ergeben  hat. 

Die  Ursache  von  Rückfällen  ist,  dass  eine  Anzahl  von 
lebenden  und  giftigen  Parasiten  aus  der  Krisis  unbeschädigt  hervor¬ 
gehen.  .  „ 

Die  spirillolytischen  Antikörper  erscheinen  im  Blute  ungefähr 
48  Stunden'  nach  der  ersten  Krisis.  Die  aus  der  ersten  Krisis  ent¬ 
kommenden  Spirillen  sind  nach  bisherigen  Untersuchungen  gegen 
Antikörper  immun;  der  Rückfall  ist  also  weiters  durch  diese  Immuni¬ 
sierung  der  Spirillen  ermöglicht. 

Gewisse  Spirillen  sind  durch  Ektoparasiten  übertragbar  (z.  B. 
durch  die  Wanze  die  europäische  Spirillose). 

Impfung  zur  Immunisierung  gegen  Spirillose  geschieht  mit 
Erfolg  durch  Einspritzung  vorher  a  b  g  e  t  ö  t  e  t  er  Spirillen,  auch 
S'erot'herapie  ist  möglich. 

Zur  Behandlung  empfehlen  sich  chemische  Mittel,  z.  B. 
Atoxyl  bei  Hiihnerspirillose. 

L  a  n  d  s  t  e  i  n  e  r  -  Wien  spricht  über  Immunität  und 
Serodiagnostik  bei  menschlicher  Syphilis. 

Nach  der  Syphildsinfektion  treten  im  erkrankten  Organismus  Ver¬ 
änderungen  ein,  welche  eine  erneute  Infektion,  einen  typischen  Pri¬ 
märaffekt,  nicht  mehr  hervorrufen  lassen;  die$e  Immunität  ist  jedoch 
keine  absolute,  sie  hängt  ab  von  der  jeweiligen  Reaktion  des  Körpers 
auf  das  Krankheitsgift. 

Der  Nachweis  von  Syphilisantikörpern  ist  bei  Tieren  bereits  ge¬ 
lungen,  wenn  man  ihnen  in  grösserer  Menge  Syphilismaterial  in¬ 
jizierte;  vielleicht  kann  dies  später  zu  diagnostischen  Zwecken  beim 
Menschen  Verwertung  finden. 

Die  Versuche,  ein  als  Impfstoff  verwendbares,  abgeschwächtes 
Virus  herzustellen,  haben  noch  kein  eindeutiges  Resultat  ergeben. 

E.  Hoffmann- Berlin:  P  a  r-as  i  t  e  n b  e f  u  nde  bei  mensch¬ 
licher  Syphilis. 


Die  Spirochaete  pallida  ist  bei  akquirierter  Syphilis  mit  grosser 
Regelmässigkeit  in  fast  allen  Krankheitsprodukten  der  Frühperiode 
und  mehrfach  auch  bei  Späterkrankungen  (Papeln,  Gummen,  Aortitis) 
nachgewiesen  worden,  mitunter  konnte  sie  auch  bei  im  sekundären 
Stadium  Verstorbenen  auch  in  inneren  Organen  (Milz,  Nebenniere, 
Leber,  Lunge,  Hirnarterien)  aufgefunden  werden. 

Bei  kongenital-syphilitischen  Kindern  und  Föten  sind  ausser  der 
Haut  auch  die  inneren  Organe  mit  Spirochäten  oft  geradezu  über¬ 
schwemmt. 

Im  Ausstrich  lässt  sich  die  Spirochäta  am  besten  mit  Giemsa- 
1  ö  s  u  n  g,  im  Schnitte  am  schönsten  durch  Versilberung  dar¬ 
stellen:  Zur  Diagnose  empfiehlt  sich  neben  der  Schnellfärbung  nach 
Giemsa  die  irische  Untersuchung  mit  Dunkelfeldbeleuch¬ 
tung.  . . •.  o 

Die  Spirochaeta  pallida  ist  durch  die  Feinheit  und  das  schwache 
Lichtbrechungsvermögen  ihres  Fadens,  ihrer  grossen  Länge  im  Ver¬ 
hältnis  zur  Tiefe,  Steilheit  und  Regelmässigkeit  der  Windungen  und 
die  häufig  vorkommenden  langen  Endfäden  charakterisiert. 

Die  Vermehrung  geschieht  wahrscheinlich  durch  Längsteilung 
wie  bei  den  Trypanosomen,  oder  nach  Anschauung  anderer  Forscher 
durch  Querteilung  wie  bei  den  Bakterien. 

Züchtungsversuche  sind  bis  jetzt  nicht  gelungen. 

Die  Spirochaeta  pallida  ist  unzweifelhaft  der 
Erreger  der  Syphilis. 

Die  gleiche  Anschauung  sprach  auch  B  a  c  g  d  a  r  e  1 1  i  -  Turin 
aus,  während  Dr.  S  i  e  g  e  1  -  Berlin  als  Gegner  dieser  Auf¬ 
fassung  a  u  f  t  r  a  t. 

Die  Spirochaeta  pallida  habe  keine  feste  typische  Form,  man 
könne  sie  nicht  von  den  saprophytischen  Arten  unterscheiden,  bei 
bösartiger  Syphilis  fehlten  die  Spirochäten  in  den  inneren  Organen 
immer,  ebenso  gelinge  der  Nachweis  in  den  Organen  syphilitischer 
Affen  nicht.  Die  Silberfärbung  sei  stets  unzuverlässig  und  zweideutig, 
man  findet  dabei  nämlich  Spirochäten  auch  bei  Lungengangrän,  bei 
Keratitis  parenchymatosa  und  bei  Mazerationsnekrosen. 

Wir  finden  die  Spirochaeta  pallida  auch  in  den  hohlen  Zähnen 
gesunder  Menschen,  bei  Krebs  und  nicht  syphilitischen  Geschwüren  etc. 

Die  Syphilis  sei  keine  Spirillose,  sondern  gehöre  zu  den  akuten 
Exanthemen. 

Woyte  berichtet  über  D  u  r  i n e,  eine  durch  eine  T rypanosomart 
hervorgerufene  Blutkrankheit  der  Pferde,  die  bei  der  Begattung  über¬ 
tragen  wird.  Zur  Behandlung  derselben  wird  mit  Erfolg  Atoxyl 
verwendet. 

Manteuffel  -  Berlin  spricht  über  Rückfallfieber;  durch 
neuere  Untersuchungen  ist  festgestellt,  dass  Rückfallfieber  durch 
Läuse  von  einer  Ratte  zur  anderen  übertragen  werden  kann,  es 
ist  demnach  nicht  ausgeschlossen,  dass  Rückfallfieber  auch  bei 
Menschen  durch  derartiges  Ungeziefer,  wie  Flöhe,  Läuse,  Wanzen 
übertragen  werden  kann. 

5.  Krankheitserregende  Protozoen. 

v.  Wasielewski:  Alle  schmarotzenden  Protozoen  können 
gelegentlich  als  Krankheitserreger  auftreten.  Für  den  Menschen 
pathogen  sind  Amöben,  Flagellaten,  Hämosporidien, 
Sarkosporidien. 

Von  Darmflagellaten  höherer  Tiere  kommt  die  Gattung 
Lambia  gelegentlich  auch  bei  Menschen  als  Erreger  von  Darm¬ 
katarrhen  zur  Beobachtung. 

Die  Blutflagellaten  stammen  von  Darmschmarotzern  der 
W'ürmer  und  Insekten  ab;  mit  der  Gewöhnung  der  Wirtstiere  an  Blut¬ 
nahrung  erfolgte  eine  Anpassung  der  Darmbewohner  an  die  Blutkost, 
ein  Unempfindlichwerden  gegen  Blutgifte,  sowie  Steigerung  der  Ver¬ 
mehrungsfähigkeit  durch  die  gelösten  Nährstoffe  des  Blutes.. 

Die  Wirbeltiere  dienen  für  die  Erhaltung  der  Blutflagellaten  als 
Depots,  sind  deshalb  als  Zwischenwirte  zu  bezeichnen. 

6.  Insekten  als  Verbreiter  von  Krankheiten. 

Bruno  Galli-Valerio-Lausanne:  Die  Anthropoden  als 
Verbreiter  derKrankheiten  sind  unter  3  verschiedenen  Gesichtspunkten 
zu  betrachten:  1.  als  einfache  Träger  der  Parasiten,  2.  als  direkte 
Ueberträger  von  Parasiten,  3.  als  Wirte  von  gewissen  tierischen 
Parasiten. 

Dönitz:  Die  Zecken,  Ixodidae,  sind  Zwischenwirte  für 
Spirochäten  und  Piroplasmen,  d.  h.  beide  Arten  von  Para¬ 
siten  sind  zur  Erhaltung  der  Art  auf  den  zeitweisen  Aufenthalt  im 
Körper  der  Zecken  angewiesen.  Die  erwähnten  Tiere  vermehren  sich 
nicht  nur  in  den  Zecken,  sondern  machen  in  ihnen  auch  einen  Ent¬ 
wicklungsgang  durch,  nach  dessen  Ablauf  die  Parasiten  erst  wieder 
ein  Stadium  erreicht  haben,  in  welchem  sie  frische  Tiere  oder  Men¬ 
schen  zu  infizieren  vermögen.  Bei  manchen  Krankheiten,  z.  B.  beim 
Texas-  und  Küstenfieber,  sowie  beim  Rückfallfieber  ist  nachgewiesen, 
dass  die  Parasiten  auf  die  Nachkommenschaft  vererbt  werden. 

Die  A  r  g  a  s  s  i  d  e  n  (Argas  und  Ornithosorus)  sind  bisher  nur  als 
Ueberträger  verschiedener  Arten  von  Spirochäten  bekannt;  die 
Ixodinen  (Boophilus,  Rhipicephalus,  Haemaphitalis,  Ixodes)  über¬ 
tragen  Piroplasmen. 

Zur  Bekämpfung  der  durch  die  Zecken  verbreiteten  Krank¬ 
heiten  hat  sich  bisher  nur  die  Vertilgung  der  Zecken  bewährt.  Zur 
erfolgreichen  Durchführung  dieser  Massnahmen  ist  jedoch  noch  ge¬ 
naue  Kenntnis  der  Lebensweise  der  Zecken  und  der  verschiedenen 
Arten  derselben  notwendig. 


2160 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


7.  Ueber  die  Methoden  der  Serumprüfung. 

Kr  aus -Wien:  Der  Antitoxin  ge  halt  antitoxischer  Sera 
(Cholera,  Dysenterie,  Diphtherie)  gibt  nicht  immer  ein  Mass  für  den 
Heilwert. 

Hin  in  vitro  wirksames  antitoxisches  Serum  kann  im  Heilversuch 
unwirksam  sein. 

Zwischen  Antitoxinmengen  und  Heilwert  bestehen  keine  fixen 
Beziehungen.  Es  kann  ein  minderwertiges  Serum  bei  gleichen  Mengen 
unabhängig  vom  Antitoxingehalt  bessere  Heilwirkung  ergeben  als 
solche  hochwertige  Sera;  dem  hochwertigen  Diphtherieserum  scheint 
überhaupt  eine  geringere  Heilwirkung  zuzukommen  als  solchem, 
welches  weniger  wert  ist. 

Die  bisherige  Wertbemessung  nach  Ehrlich  zeigt  die  Menge 
der  Toxine  an,  berücksichtigt  aber  nicht  den  Heilwert  eines  Heil¬ 
serums. 

8.  Ueber  neuere  Immunisierungsverfahren. 

J.  B  o  r  d  e  t  -  Brüssel:  Wenn  auch  das  Prinzip  der  aktiven  Im¬ 
munisierung  seit  den  fundamentalen  Arbeiten  Pasteurs  keine 
eigentliche  Neuerung  erfahren  hat,  so  hat  man  sie  doch  vorteilhaft  zu 
verändern  versucht,  namentlich  durch  Anwendung  von  ab  ge¬ 
sell  Wächtern  Virus  zur  Immunisierung,  ferner  hat  man  ver¬ 
sucht,  das  in  einer  Mikrobenkultur  besonders  wirksame  immuni¬ 
sierende  Prinzip  genau  festzustellen;  auf  diesem  Gebiete  ist  man  je¬ 
doch  noch  zu  wenig  befriedigendem  Ergebnis  gelangt,  namentlich  gilt 
dies  noch  bezüglich  der  Tuberkulose. 

Man  wendet  deshalb  bei  dieser  Krankheit  noch  verschiedene 
Immunisierungversuche  an  (Bovovakzin,  Säckchenmethode). 

Weitere  Untersuchungen  bezüglich  der  mutmasslichen  Identität 
zwischen  Opsoninen  und  den  Ambozeptoren  (Substances  sensibili- 
satrices)  oder  Alexinen  sind  notwendig. 

Die  sogen.  Aggressine  stellen  nicht  das  eigentliche  Wesen  der 
Virulenz  der  Mikroben  dar,  verschiedene  der  Mikroben  (Strepto¬ 
kokken,  Milzbrand)  verdanken  ihre  Virulenz  in  Wirklichkeit  der  ihnen 
zukommenden  Eigenschaft,  sich  mit  einer  Hülle  zu  umgeben,  welche 
sie  gegen  Phagozytose,  das  Hauptverteidigungsmittel  des  Organismus, 
schützt. 

Die  Säckchenmethode  (Einführung  von  Säckchen)  stützt 
sich  auf  den  immunisierenden  Wert  der  diffusiblen  bakteriellen  Pro¬ 
dukte. 

Zur  Feststellung  des  besten  Verfahrens  der  Tuberkulosebehand- 
iung  sollte  internationale  Beratung  stattfinden. 

C  a  1  m  e  1 1  e  -  Lille  und  R.  P  a  1 1  a  u  f  -  Wien:  Die  Menge  Anti¬ 
toxin,  welche  gegen  eine  tödliche  Vergiftung  präventiv  schützt,  ist 
viel  geringer  als  die,  welche  in  vitro  dieselbe  Giftmenge  neutralisiert. 
Die  Menge  des  produzierten  Antitoxins  steht  in  keiner  Korrelation  zur 
Menge  des  injizierten  Giftes. 

Zur  Gewinnung  antitoxinhaltender  Sera  ist  die  Immunisierung  mit 
Giftlösungen  notwendig. 

Die  Antiendotoxine  sind  nicht  absolut  spezifisch,  sie  können 
auch  andere  Toxine  (Partialtoxine)  als  das  .homologe  neutralisieren. 

Eiir  die  therapeutische  Beurteilung  eines  Immunserums  bleibt 
schliesslich  immer  der  Erfolg  bei  der  natürlichen  Erkrankung  bezw. 
der  experimentellen,  der  natürlichen  Infektion  möglichst  nahestehen¬ 
den  massgebend. 

79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

vom  15.— 21.  September  1907  in  Dresden. 

IV. 

Abteilung  für  innere  Medizin. 

Sitzung  der  medizinischen  Hauptgruppe  vom 
19.  September,  nachmittags. 

Herren  Chr.  Bohr -Kopenhagen  und  N.  Ph.  Tendeloo- 
Leiden:  Die  funktionelle  Bedeutung  des  Lungenvolums  in  normalen 
und  pathologischen  Zuständen. 

Herr  Bohr:  Die  Ergebnisse  der  Spirometrie  sind  bisher  geringe 
gewesen,  weil  man  allein  die  Vitalkapazität  mass  und  die  Residual¬ 
luft  und  die  mittlere  Kapazität  dabei  vernachlässigte. 

Die  Mittelkapazität,  d.  h.  der  Füllungszustand  der  Lunge  bei  nor¬ 
maler  Atmung,  ist  in  ihrer  Grösse  stets  von  den  an  die  respiratorische 
Arbeit  der  Lunge  gestellten  Forderungen  abhängig,  und  zwar  sowohl 
bei  dem  respiratorischen  Stoffwechsel  als  auch  unabhängig  von  ihm. 
Dies  letztere  ist  der  Fall  beim  Einatmen  einer  sauerstoffarmen  oder 
kohlensäurereichen  Luft.  Nach  angestrengter  Arbeit  stieg  die  Mittel¬ 
kapazität  von  3,8  bis  auf  4,2  1.  Die  Mittelkapazität  zeigt  eine  Ver¬ 
mehrung  unmittelbar  nachdem  man  durch  Anhalten  des  Atems  einen 
dyspnoischen  Zustand  erregt  hat,  eine  Verminderung,  wenn  das  Be¬ 
dürfnis  des  Atmens  unmittelbar  nach  einer  Reihe  willkürlich  unter¬ 
nommener  forcierter  Atemzüge  herabgesetzt  wird.  Wird  die  Luno-e 
stärker  gefüllt,  so  wird  die  respiratorische  Oberfläche  grösser  und  die 
Zirkulation  des  Blutes  durch  die  Lunge  erleichtert.  Die  Erleichterung 
der  Blutzirkulation  verringert  den  Druck  im  Thoraxraum  und  damit  in 
den  grossen  Venen,  bringt  die  Lungenkapillaren  zur  Erweiterung  und 
vermindert  so  den  Widerstand  im  kleinen  Kreislauf.  Die  Vital¬ 
kapazität  stellt  das  Resultat  einer  willkürlich  angestellten  Probe 
über  die  äussersten  Grenzen  der  Füllung  und  Entleerung  der  Lunge 


dar.  Daher  muss  die  Vitalkapazität  bei  verschiedenen  Individuen 
von  höchst  verschiedener  Grösse  sein.  Aber  sie  schwankt  auch  bei 
demselben  Individuum  innerhalb  kurzer  Zeiträume.  Bei  Anstren¬ 
gungen  tritt  eine  Verminderung  der  Vitalkapazität  ein.  Bei  dieser 
Verminderung  handelt  es  sich  um  ein  Versagen  des  Vermögens,  die 
forcierte  Atmung  so  tief  auszuführen,  wie  es  sonst  möglich  wäre. 
Das  Experiment  zeigt,  dass  die  Verminderung  der  Vitalkapazität  einer 
Vermehrung  der  Residualluft  zu  danken  ist.  Mit  der  Zunahme  der 
Residualluft  stellt  sich  stets  ein  sehr  beträchtliches  Steigen  der  Puls¬ 
frequenz  ein,  und  es  unterbleibt  die  Vermehrung  der  Residualluft  bei 
unverminderter  Herztätigkeit. 

Die  Resultate  der  Untersuchungen  lassen  sich  in  zwei  gemein¬ 
gültige  Regeln  zusammenfasssen.  Die  Mittelkapazität  nimmt  ihre  Ein¬ 
stellung  stets  reflektorisch  den  an  die  Lungenarbeit  gestellten  Forde¬ 
rungen  gemäss  ein,  indem  sie  gleichzeitig  mit  dieser  zu-  und  abnimmt. 
Die  Menge  der  Residualluft  erweist  sich  als  bis  zu  gewissem  Grade 
von  der  Lungenfunktion  abhängig,  doch  tritt  die  Abhängigkeit  erst 
dann  hervor,  wenn  die  Herztätigkeit  infolge  einer  sehr  angestrengten 
Arbeit  stark  beeinflusst  ist. 

Bei  dem  akuten  Emphysem,  das  bei  ungeübten  Rekruten  beob¬ 
achtet  wird,  handelt  es  sich  um  eine  Zunahme  der  Residualluft  durch 
Reflexhemmung.  Das  wird  oft  auch  für  längere  Zeit  nach  forcierten 
Bergtouren  beobachtet.  Massgebend  für  die  Dauer  und  den  Grad  der 
Lungenlähmung  ist  der  Zustand  des  Herzens.  Die  akute  Lungen¬ 
blähung  ist  nicht  als  eine  Beschädigung  der  Lunge,  sondern  als  ein 
zweckmässiger  kompensatorischer  Reflex  zu  betrachten,  der  Schwie¬ 
rigkeiten  des  Kreislaufs  zu  beseitigen  sucht.  Das  gleiche  gilt  für  das 
typische  kardiale  Emphysem. 

Beim  chronischen  substantiellen  Emphysem,  das  ja  in  der  Lunge 
selbst  liegt,  handelt  es  sich  ebenfalls  um  einen  kompensatorischen 
Reflex.  Beim  vorhergehenden  chronischen  Bronchialkatarrh  geht 
das  Epithel  verloren  und  Gefässschwund  tritt  ein.  Die  Lunge  er¬ 
weitert  sich,  um  den  durch  die  Entartung  des  Gewebes  verursachten 
Verlust  der  Eunktionsfähigkeit  wieder  auszugleichen.  Bei  Respi¬ 
rationsversuchen  zeigte  sich  die  Mittelkapazität  und  Residualluft 
erhöht. 

So  zeigt  sich  die  pathologische  Lungenerweiterung  der  normalen 
gleich,  indem  sie  bei  Vermehrung  der  Mittelkapazität  und  der  Re¬ 
sidualluft  als  eine  reflektorische  Einstellung  der  Lunge  zu  betrachten 
ist,  die  geeignet  scheint,  den  primären  Funktionsstörungen  abzuhelfen, 
indem  sie  dem  Kreislauf  der  Lunge  und  dem  respiratorischen  Stoff¬ 
wechsel  bessere  Bedingungen  schafft. 

Herr  T  endeloo- Leiden :  Nach  Bohr  bedeutet  Vergrösserung 
des  intrapulmonalen  Drucks  eine  Zunahme  des  Lungenvolums  und 
einen  zweckmässigen  Reflex.  Das  vikariierende  Emphysem  ent¬ 
steht  in  vorher  gesundem,  das  chronische,  substantive  Emphysem  in 
vorher  erkranktem  Lungengewebe.  T  endeloo  betont  dagegen, 
dass  Vergrösserung  des  Lungenvolums  durchaus  nicht  immer  eine 
Vermehrung  des  intrapulmonalen  Gaswechsels  zur  Folge  haben  muss. 
Bei  stärkerer  Zunahme  des  Lungenvolums,  wie  beim  Emphysem,  ist 
die  Hämoglobinoberfläche  wohl  verringert.  Es  handelt  sich  also  beim 
Emphysem  nicht  um  einen  zweckmässigen  Reflex,  sondern  wahr¬ 
scheinlich  um  eine  rein  physikalische  Erscheinung,  um  ^elastische 
Nachwirkung“.  Durch  Dehnung  der  elastischen  Fasern,  w“as  gleich¬ 
bedeutend  mit  Volumzunahme  ist,  nimmt  ihre  Federkraft  ab,  und 
zwar  um  so  mehr,  je  stärker  die  Dehnung  ist  und  je  länger  sie  dauert. 
Eine  elastische  Nachwirkung  tritt  bei  den  elastischen  Lungenfasern 
wohl  ähnlich  auf  wie  nach  Dehnung  von  Kautschukfasern.  Der  Kaut¬ 
schuk  erholt  sich  allmählich  mehr  oder  weniger,  d.  h.  die  gedehnte 
Faser  bekommt  ihre  ursprüngliche  Länge  allmählich  wieder;  aber 
nur  bei  geringer  Dehnung,  bei  stärkerer  Dehnung  bleibt  sie  verlängert, 
wenn  auch  noch  eine  fortschreitende  Verkürzung  eine  Zeitlang  sicht¬ 
bar  ist.  Aber  wenn  man  eine  Faser  einige  Tage,  nachdem  sie  ihre  ur¬ 
sprüngliche  Länge  wieder  bekommen  hat,  zum  zweiten  Mal  dehnt, 
verlangen  sie  sich  viel  rascher  als  das  erste  Mal,  ein  Beweis,  dass 
ilne  Federkraft  nicht  der  ursprünglichen  wieder  gleich  geworden  ist. 

Durch  elastische  Nachwirkung  nnd  Summation  kleinster  elasti- 
scher  Nachwii  kungen  erklärt  sich  das  senile  und  das  akute  sowie  das 
chronische  Emphysem.  Das  senile  Emphysem  entsteht  durch  die  fort- 
w  äh i  ende  (statische)  Dehnung  des  Lungengewebes  und  durch  die 
normale  'inspiratorische  Dehnung:  also  statisch  inspiratorische  Deh¬ 
nungsatrophie.  Das  krankhafte  Emphysem  ist  die  Folge  einer  über¬ 
mässigen  Dehnung  des  Lungengewebes.  Sitz  und  Ausdehnung  des 
Emphysems  entsprechen  idem  Angriffsabschnitt  der  dehnenden  Kraft. 
Das  akute  Emphysem  kann  in-  oder  exspiratorischen  Ursprungs  sein. 
Inspiratorisches,  akutes  Emphysem  befällt  vorzugsweise  die  sterno- 
parasternalen  und  lateralen  kaudalen  Lungenabschnitte.  Exspira- 
torisches  Emphysem  kann  nur  in  kaudalen  Lungenabschnitten 
auttreten.  Diese  werden  bei  der  forcierten  Ausatmung  bei  be¬ 
hinderter  Ausströmung  der  Luft  aufgeblasen,  so  beim  Husten, 
beim  Blasen  der  Musiker  usw.  Das  chronische  Emphysem  kann 
ebenfalls  in-  oder  exspiratorischen  Ursprungs  sein.  ln  beiden 
Fällen  kann  es  entstehen  durch  häufige  Wiederholung  des 
akuten  Emphysems  oder  von  vornherein  schleichend,  chronisch.  Hält 
die  übermässige  Dehnung  eine  Zeitlang  an,  so  atrophiert  das  Lungen¬ 
gewebe. 

Herr  B  e  t  h  e  -  Strassburg  und  Herr  Spitzy-Graz:  Ueber  die 
Nervenregeneration  und  Heilung  durchschnittener  Nerven. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2161 


Herr  Bethe:  In  .der  Frage  der  Nervenregeneration  stehen  sich 
zwei  Anschauungen  gegenüber:  die  Anschauungstheorie  (Waller) 
und  die  autogenetische  Theorie.  Erstere  nimmt  an,  dass  die  Degene¬ 
ration  Folge  der  Abtrennung  von  einem  nutritonschen,  in  der  Gan¬ 
glienzelle  gelegenen  Zentrum  ist  und  dass  bei  der  Regeneration  der 
zentrale  erhalten  gebliebene  Faserstumpf  selbständig  (ohne  Beteili¬ 
gung  peripherer  Zellelemente)  zur  Peripherie  hin  auswächst.  Nach 
der  autogenetischen  Theorie  ist  die  Degeneration  nur  Folge  des  1  rau- 
mas  Bei  der  Regeneration  spielen  zwar  (nach  der  autogenetischen 
Theorie)  zentrale  Prozesse  eine  Rolle,  sie  lässt  aber  die  neuen  Ner¬ 
venfasern  aus  den  Sch  wann  sehen  Zellen  des  zentralen  und  beson¬ 
ders  des  peripheren  Stumpfes  hervorgehen. 

Die  neuen  Befunde  von  Cajal  und  Perroncito  über  die 
Wachstumsprozesse  am  zentralen  Stumpf  lassen  keine  klare  Deutung 
zu,  sie  können  also  der  Auswachsungstheorie  nicht  als  wesentliche 
Stütze  dienen.  Die  autogenetische  Theorie  kann  sich  zurzeit  auf  ein 
wesentlich  eindeutigeres  Tatsachenmaterial  stützen: 

1.  Bei  jungen  Tieren  können  dauernd  vom  Zentrum  abgetrennte 
Nerven  sich  aus  sich  selbst  heraus  regenerieren. 

2.  Ihrer  Achsenforsätze  ganz  beraubter  Ganglienzellen  vermögen 
nicht  neue  Neuriten  zu  regenerieren.  Bei  der  Regeneration  müssen 
aber  periphere  Elemente  wesentlich  beteiligt  sein. 

Einen  definitiven  Abschluss  hat  die  Regenerationsfrage  jetzt  noch 

nicht  erreicht.  „  ,  _ 

Herr  S  p  i  t  z  y  bespricht  anschliessend  an  B  e  t  h  e  die  Ergebnisse 
der  theoretischen  Forschung  für  die  chirurgische  Praxis.  Sowohl 
Nervennaht,  Nervenlösung,  Nervenresektion  finden  eingehende  Er¬ 
örterung,  besonders  aber  wendet  der  Vortragende  sein  Augenmerk 
der  Nervenanastomosierung  zu,  der  die  neuen  Forschungsergebnisse 
schöne  Perspektiven  eröffnen.  Die  Nomenklatur  der  verschiedenen 
Arten  des  Neuanschlusses  von  gelähmten  Nerven  wird  festgelegt: 
periphere  und  zentrale  Pfropfungen  und  Kreuzungen  sind  zu  unter¬ 
scheiden.  Die  einzelnen  topographisch  sowie  technisch  sich  ergeben¬ 
den  Fragen  werden  an  der  Hand  von  Tafeln  beantwortet. 

Sowohl  die  Fazialisneuanschaltung  wie  insbesondere  die  dem 
Vortragenden  näherliegende  Chirurgie  an  Extremitätennerven  wird 
einer  eingehenden  Kritik  unterzogen.  Ermutigt  durch  eindeutige  Er¬ 
folge  (70  Proz.)  bei  verschiedenen  Lähmungen  der  Extremitäten,  peri¬ 
pheren  wie  zentralen  Ursprungs,  empfiehlt  Spitzy  die  Vornahme 
dieser  Operationen  bei  Lähmungen  einzelner  Nerven,  insbesondere 
vor  der  Vornahme  eingreifender  entstellender  Operationen. 

Vorträge  über  maligne  Geschwülste. 

Herr  G  o  1  d  m  a  n  n  -  Freiburg:  Ueber  die  Beziehungen  des  Ge- 
fässystems  zu  den  malignen  Geschwülsten. 

Bei  den  Untersuchungen  betreffend  das  Verhältnis  .der  Ge¬ 
schwülste  zu  den  Blutgefässen  waren  folgende  Gesichtspunkte  mass¬ 
gebend:  1.  Welche  Rolle  spielt  das  Blutgefässystem  bei  der  Verbrei¬ 
tung  der  Geschwülste?  2.  Wie  bauen  sich  die  Gefässe  in  der  Ge¬ 
schwulstwand  auf?  3.  Dienen  die  Gefässe  nur  zur  Ernährung  der 
Geschwülste  oder  auch  zur  Abwehr? 

Es  hat  sich  herausgestellt,  dass  die  Befunde  bei  Mäusen  genau 
denen  beim  Menschen  gleichzusetzen  sind.  An  der  Vene  findet  sich 
gewöhnlich  eine  Endophlebitis,  an  den  Arterien  eine  Periphlebitis 
carcinomatosa.  Von  Bedeutung  dafür  ist  die  Tatsache,  dass  die 
Arterien  nur  Vasa  vasorum  in  der  Adventitia  haben.  In  pathologi¬ 
schen  Zuständen  gehen  die  Vasa  vasorum  jedoch  bis  in  die  Intima. 

Die  Aufnahme  von  Geschwulstzellen  ins  Blut  geschieht  leichter 
als  bisher  angenommen  wurde,  und  zwar  weil  neuere  Untersuchungen 
die  Anwesenheit  von  zahlreichen  Verbindungen  zwischen  Blut-  und 
Lymphgefässystemen  erwiesen  haben. 

Was  den  Aufbau  der  Gefässe  in  der  Geschwulst  betrifft,  so  hat 
Goldmann  von  den  Vena  saphena  aus  die  Gefässe  mit  Bismut 
injiziert  und  auf  Röntgenplatten  festgestellt,  dass  der  Gefässaufbau 
der  Geschwulstarten  grundverschieden  ist.  In  jedem  Falle  erfolgt  eine 
ausgedehnte  Neubildung  von  Gefässen,  die  auf  einzelnen  Bildern  dem 
Tumor  entgegenwachsen.  Bei  Karzinomen  bildet  sich  im  Innern  des 
Tumors  das  Gefässystem  bald  zurück.  Beim  Sarkom  bleibt  aber  im 
Innern  eine  Gefässstruktur.  Das  Chondrom  bildet  auch  eine  blut¬ 
reiche  Kapsel,  von  der  Gefässe  zu  Bluträumen  im  Innern  gehen. 

Man  muss  den  Gefässen  Abwehrbedeutung  zuschreiben,  denn 
sonst  ist  ja  der  Aufwand  an  Gefässen  in  minimalen  Geschwülsten 
nicht  zu  erklären.  Ferner  beweisen  Lymphdrüsen  und  Blutgefässe, 
in  denen  sich  einzelne  Geschwulstteile  in  ausgeheilten  Stellen  be¬ 
finden,  dass  die  Gefässe  die  Kraft  haben,  die  Geschwulstzellen  zu 
zerstören.  In  den  Gefässen  liegen  also  Schutzvorrichtungen,  die  von 
seiten  der  Chirurgen  mehr  berücksichtigt  werden  müssen  bei  ihren 
Operationen,  die  vielleicht  zu  radikal  sind,  wie  bisher.  Eine  grosse 
Anzahl  schöner  Bilder  illustrierte  das  Vorgetragene. 

Herr  G.  S  c  h  ö  n  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Weitere  Erfahrungen  über 
Geschwulstimmunität  bei  Mäusen. 

Es  handelt  sich  um  epitheliale  Tumoren  der  Mamma,  welche 
in  gewissen  Beziehungen  für  die  Maus  charakteristisch  sind,  den 
menschlichen  malignen  Tumoren  aber  nahe  stehen. 

Durch  die  Arbeiten  von  Jensen,  Clowes,  Ehrlich  usw. 
ist  erwiesen,  dass  eine  aktive  Immunisierung  gegen  die  Wirkung  einer 
nachfolgenden  Impfung  mit  diesen  Tumoren  gelingt,  wenn  die  Ver¬ 
suchstiere  (weisse  Mäuse)  mit  mehr  oder  weniger  virulentem  Ge¬ 
schwulstmaterial  vorbehandelt  werden. 


Diese  aktive  Immunisierung  lässt  sich  auch  erreichen  durch  die 
Vorbehandlung  mit  normalen  Geweben:  Mäuseblut,  Mäuseembryonen, 
Leber,  Milz. 

Zahlreiche  neue  Versuche  haben  die  bereits  mitgeteilten  Resultate 
der  Embryonenimmunisierung  bestätigt.  Wirksam  sind  sowohl  mehr¬ 
fache  wie  einmalige  subkutane  und  intraperitoneale  Injektionen. 
Rattenembryonen  lassen  nur  in  einzelnen  Fällen  eine  eben  merkbare 
Wirkung  erkennen. 

Im  allgemeinen  scheint  die  Embryonenimmunität  an  Stärke  von 
der  Spontantumorimmunität  übertroffen  zu  werden. 

Obwohl  das  Wesen  dieser  Immunitäten  noch  unbekannt  ist, 
lassen  sich  eine  Anzahl  von  Argumenten  anführen  für  die  Annahme, 
dass  die  neue  nicht  spezifische  (Blutembryonen-  usw.)  Immunität  und 
die  auf  eine  Tumorinjektion  folgende  nicht  prinzipiell  verschieden 
sind,  sondern  dass  in  beiden  Fällen  Körperzellen  oder  deren  Produkte 
die  wesentlichen  immunisierenden  Faktoren  sind. 

Sitzung  vom  20.  September,  nachmittags. 

Herr  N  a  g  e  I  s  c  h  in  i  d  t  -  Berlin:  Ueber  Hochfrequenzströme. 

Vortragender  hat  diese  Ströme  an  ca.  300  Fällen  seiner  Klinik 
studiert  und  zum  Teil  hervorragende  therapeutische  Erfolge  mit  den¬ 
selben  erzielt.  Die  hochgespannten  Ströme  von  hoher  Wechselzahl 
unterscheiden  sich  in  physikalischer  und  physiologischer  Beziehung 
wesentlich  von  den  gewöhnlichen  Strömen.  Trotz  der  hohen  Span¬ 
nung  gehen  sie  bei  geeigneter  Anwendungsweise  ganz  unmerklich 
durch  den  Körper  hindurch,  ohne  irgend  welchen  Schaden  anzurichten. 
Es  hängt  dies  jedoch  vollkommen  von  der  Anwendungsweise  ab.  Die 
elektrischen  Vorgänge  in  den  für  die  Behandlung  konstruierten  Ap¬ 
paraten  sind  so  ausserordentlich  komplizierte  und  bisher  noch  un¬ 
aufgeklärte,  dass  es  durchaus  wahrscheinlich  erscheint,  dass  bei  der 
Anwendung  nicht  nur  die  eigentlichen  Hochspannungsströme  zur  Ver¬ 
wendung  gelangen,  sondern  neben  ihnen  zum  Teil  wohl  auch  vor¬ 
wiegend  andere  elektrische  Phänomene  eine  Rolle  spielen.  Die  von 
den  Franzosen  gerühmte  Wirkung  auf  den  Blutdruck  und  den  Stoff¬ 
wechsel  im  Solenoid  hat  Vortr.  nicht  beobachten  können.  Indessen 
bat  er  klinisch  gute  Erfolge  mit  dieser  Behandlungsmethode  erzielt  bei 
Fällen  von  leichter  Insomnie,  allgemeiner  Neurasthenie  und  Angina 
pectoris.  Es  handelt  sich  hierbei  nicht  um  eine  Heilung  der  Arterio¬ 
sklerose,  sondern  nur  um  die  Beseitigung  des  quälenden  Svmptomes. 
Die  Anfälle  wurden  seltener,  hörten  dann  ganz  auf,  kamen  aber  später 
wieder.  Auch  nur  leichte  Fälle  von  Insomnie  eignen  sich  für  die 
Solenoidbehandlung.  Sobald  es  sich  um  hartnäckige  und  schwere 
Fälle  handelt,  muss  man  die  Anwendungsweise  der  Ströme  ändern. 
Hervorzuheben  ist  nur  noch  die  günstige  Wirkung  auf  Hautneuralgien 
und  Hautjucken,  sowie  ganz  besonders  die  Beeinflussung  von  tabi- 
schen  Schmerzen  und  Krisen;  bei  18  Fällen  war  kein  Misserfolg  er¬ 
zielt.  Krisen  und  Schmerzen,  die  weder  auf  Morphium,  noch  irgend 
ein  anderes  Medikament  reagierten,  schwanden  unmittelbar  unter  der 
Behandlung.  Es  handelt  sich  auch  hier  nicht  um  eine  Heilung  der 
Tabes,  sondern  lediglich  um  eine  Beseitigung  der  Schmerzen.  Es  ist 
eine  Behandlungdauer  von  2 — 3  Monaten  notwendig,  um  eine  Dauer¬ 
wirkung  zu  erzielen,  indessen  sind  auch  schon  nach  kürzerer  Behand¬ 
lung  Intervalle  absoluten  Wohlbefindens  von  15  Monaten  bis  jetzt 
beobachtet  worden.  Auf  eine  Anwendungsweise  weist  Vortragender 
noch  besonders  hin1  das  ist  die  Erzeugung  von  Muskelzuckungen 
bei  bipolarer  Anwendung  unter  Zwischenschaltung  einer  kleinen 
Funkenstrecke.  Die  Erklärung  dieses  Phänomens  ist  bisher  noch  nicht 
« möglich.  Von  den  gewöhnlichen  Stromapplikationen  unterscheidet 
sich  diese  Anwendungsform  durch  die  Schmerzlosigkeit:  es  gelingt 
ohne  Schmerzauslösung  hierbei  Muskelkontraktionen  auszulösen  von 
einer  Ergiebigkeit,  die  bisher  nicht  erzielt  werden  konnte,  weil  man 
relativ  grosse  Strommassen  auf  diese  Weise  schmerzlos  in  den  Körper 
hineinbringen  kann.  Es  scheint  sich  hierbei  ein  grosses  neues  Gebiet 
für  die  diagnostische  Untersuchung  von  Lähmungen,  sowie  thera¬ 
peutische  Beeinflussung  derselben  zu  eröffnen. 

Herr  L  u  s  1 1  g  -  Meran:  Die  Diätetik  bei  Arterienverkalkungen. 

Vortragender  sieht  in  einer  rationellen  und  zielbewussten  Di?" 
tetik  das  einzig  wirksame  Mittel  zur  Bekämpfung  der  Arteriosklerose 
und  gibt  der  Ansicht  Ausdruck,  dass  der  physikalische  Heilschatz 
erst  in  zweiter  Reihe  bei  der  Behandlung  in  Betracht  kommen  kann. 
Er  tritt  auf  Grund  ausführlicher  Stoffwechseluntersuchungen  wärmstens 
für  eine  vegetabilische,  alkalireiche  und  kalkarme  Diät  ein,  behauptet, 
dass  der  Kalkbedarf  des  Organismus  zu  hoch  eingeschätzt  wird  und 
bestätigt  die  Angaben  Renwalls,  dass  man  mit  0,50 — 0,60  g  pro 
die  auskomme.  Die  Grundsätze  bei  der  Diätetik  formuliert  er  in 
folgende  drei  Punkte:  1.  Einschränkung  des  Fleischkonsums  auf  das 
notwendigste  und  zulässigste  Minimalmass.  2.  Verordnung  einer  kalk¬ 
armen,  vegetabilischen  und  alkalireichen  Diät  und  3.  Eliminierung  der 
blutdrucksteigernden  und  die  Herztätigkeit  über  das  normale  Mass 
hinaus  in  Anspruch  nehmenden  Nährungs-  und  Genussmittel. 

Er  betont  die  Wichtigkeit  reichlichen  Obstgenusses  und  tritt  für 
Anwendung  von  Traubenkuren  ein.  Milchkuren  sollen  unterbleiben, 
besonders  bei  stärkeren  Graden  des  Leidens,  ebenso  dürfen  Mineral¬ 
wasserkuren  nur  mit  Vorsicht  angewendet  werden. 

Herr  E.  Rothschuh  - Aachen :  Die  Selbstbehandlung  der  zen¬ 
tralamerikanischen  Indianer  bei  rheumatischen  Erkrankungen. 

Verf.  hat  13  Jahre  in  Managua,  der  Hauptstadt  von  Nicaragua, 
Praxis  ausgeübt  und  die  Gewohnheiten  der  Eingeborenen  reichlich  zu 
beobachten  Gelegenheit  gehabt.  In  dem  vulkanischen  Lande  treten 


2162 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


zahlreiche  kalte  und  warme  Mineralquellen,  sodahaltige,  salzhaltige, 
gemischtalkalische,  glaubersalzhaltige,  zutage;  daneben  gibt  es  Moore 
mit  stark  schlammigem  Inhalt  und  sehr  heisse  Schwefelwässer;  letz¬ 
tere  werden  mit  Vorliebe  und  fast  ausschliesslich  bei  Gelenkschmerzen 
benutzt;  das  Bad  wird  in  einer  grossen  Holzwanne  genommen,  stun¬ 
denlang  ausgedehnt  und  durch  Unterhaltung  mit  Freunden,  Essen  und 
Trinken  kurzweiliger  gemacht.  Diät  fast  rein  vegetarisch,  aber  stark 
eiweisshaltig. 

Herr  Rosen  bäum  -  Dresden :  Blutuntersuchungen  beim  Krebs 
des  Verdauungskanals. 

Vortragender  hat  die  von  K  e  1 1  i  n  g  angegebene  Methode,  die 
hämolytische  Reaktion  des  Blutserums  beim  Karzinom  des  Ver¬ 
dauungskanals  zur  Diagnose  zu  benutzen,  an  70  Bällen  nachgeprüft, 
und  besonders  Fälle  von  Magen-  und  Darmkrankheiten,  .die  für  die 
Differentialdiagnose  in  Betracht  kommen,  zum  Vergleich  heran¬ 
gezogen.  Er  kommt  zu  ähnlichen  Prozentzahlen  wie  Ke  Hing; 
nämlich  von  26  Fällen  von  Karzinom  14  mal  =  54  Proz.  eine  positive 
Reaktion.  Bei  seinen  Untersuchungen  zog  er  die  erste  Probe,  die 
auch  die  Fermente  mit  berücksichtigt,  als  nicht  beweisend  nicht  in  Be¬ 
tracht  und  verwandte  nur  die  zweite  Probe,  die  auf  den  Immun¬ 
körpern  allein  beruht.  Der  Methode  haften  besonders  zwei  Mängel 
an,  dass  nämlich  die  Resistenz  der  Tierblutkörperchen  nicht  konstant 
ist,  ebenso  wie  das  normale  Blutserum,  das  man  zum  Vergleiche 
braucht,  gewissen  Schwankungen  unterworfen  ist.  Aus  seinen  Er¬ 
gebnissen  zieht  Rosen  bäum  .den  Schluss,  dass  die  Methode  wert 
ist,  nachgeprüft  und  auch  jetzt  schon  in  der  Praxis  als  Hilfsmittel 
für  die  Diagnose  „Krebs“  angewandt  zu  werden. 

Herr  L  a  q  u  e  u  r  -  Ems  und  L  ö  w  e  n  t  h  a  I  -  Braunschweig: 

Ueber  die  Aufnahme  von  Radiumemanation  bei  Bade-  und  Trink¬ 
kuren. 

Die  Radiumemanation  stellt  den  spezifischen  Heilfaktor  der 
Mineralquellen  dar.  Vortr.  untersuchten,  auf  welchen  Wegen  die 
Emanation  in  den  Kreislauf  eintritt.  Bei  Trinkkuren  per  os  in  be¬ 
kannter  Menge,  daneben  durch  die  Atmung  infolge  des  starken  Ema¬ 
nationsgehaltes  der  Luft  in  den  Trinkhallen.  Bei  Badekuren  wird 
Emanation  nicht  durch  die  Haut  .aufgenommen.  Dagegen  ist  die 
Luft  über  dem  Badewasser  und  in  den  Baderäumen  so  emanations¬ 
reich,  dass  erhebliche  Mengen  durch  die  Atmung  aufgenommen 
werden  und  messbar  im  Urin  wiedererscheinen. 

Vortr.  empfehlen  für  schwächliche  und  empfindliche  Personen 
die  Technik  der  Thermalbäder  abzuändern,  sodass  zunächst  nur 
Emanation  getrunken  und  inhaliert,  später  nach  Ablauf  der  Reaktion 
erst  gebadet  wird. 

Herr  Martin-  Freiburg:  Ueber  elektromagnetische  Therapie. 

Die  elektromagnetische  Therapie  ist  ähnlich  der  Hochfrequenz¬ 
strombehandlung  ein  Mittel,  grosse  Energiemengen  dem  menschlichen 
Organismus  zuzuführen.  Sie  wirkt  chemisch  als  physikalischer  Kata¬ 
lysator  auf  die  Stoffwechselvorgänge  und  physiologisch  wohl  als 
Tonikum  für  die  Vasomotoren.  Die  therapeutische  Einwirkung  des 
Verfahrens  auf  das  Nervensystem  ist  eine  schmerzlindernde  und 
schlafmachende,  sodass  man  es  fast  als  physikalisches  Narkotikum 
bezeichnen  darf.  —  Erfolge  wurden  erzielt  bei  Schlaflosigkeit,  Neu¬ 
ralgien,  Ischias,  nervösem  Asthma,  Migräne,  Gicht  und  Rheuma,  und 
zwar  gerade  bei  exquisit  chronischen  Fällen.  Für  den  Kranken  ist  die 
Behandlung  äusserst  angenehm,  da  er  mit  völlig  bekleidetem  Körper 
vor  dem  Apparat  sitzt  und  die  magnetischen  Wellen  die  behandelten 
Teile  durchdringen,  ohne  dass  eine  unangenehme  Sensation  entsteht. 
Durch  Kombination  des  Elektromagnetismus  mit  einer  besonders 
feinen  und  gleichmässigen  Vibration,  mit  Wärme  und  Faradisation, 
die  alle  direkt  vom  Apparat  erzeugt  werden,  ist  noch  eine  Reihe 
weiterer  Heilwirkungen  gewährleistet  und  zugleich  die  Möglichkeit 
gegeben,  in  jedem  Fall  zu  individualisieren. 

Herr  C.  R  e  i  c  h  e  r  t  -  Wien  (Demonstration):  Neuer  Spiegel¬ 
kondensor  F  (Plattenkondensor)  zur  Sichtbarmachung  ultramikro¬ 
skopischer  Teilchen  (an  allen  Mikroskopen  ohne  jegliche  Anpassung 
verwendbar). 

Herr  G.  L  o  c  k  e  m  a  n  n  -  Leipzig:  Ueber  Katalasen  und  Oxy- 
dasen  im  Blute.  Nach  Versuchen,  in  Gemeinschaft  mit  J.  Thies  und 
H.  Wiehern. 

Bei  den  Versuchen  über  Blutkatalase,  die  im  wesentlichen  nach 
der  von  Ad.  J  o  1 1  e  s  angegebenen  Methode  ausgeführt  wurden, 
stellte  sich  folgendes  heraus:  Chlornatrium  verhindert  die  Zer¬ 
setzung  des  H2O2;  trotzdem  wirkt  Blut  in  physiologischer  Kochsalz¬ 
lösung  stärker  katalytisch  als  in  wässeriger  Lösung.  Durch  Licht 
wird  die  Katalasenwirkung  wesentlich  gehemmt,  durch  längere  Be¬ 
lichtung  allmählich  völlig  zerstört.  Dabei  wirkt  blaues  Licht  stärker 
als  rotes.  Vielleicht  spielen  die  Katalasen  bei  der  L  i  c  h  1 1  h  e  r  a  p  i  e 
eine  gewisse  Rolle. 

Als  charakteristische  Reaktion  auf  Peroxydasen  ist  von 
Bach  und  C  h  o  d  a  1  die  Bildung  von  Purpurogallin  aus  Pyro- 
gallol  bei  Gegenwart  von  Wasserstoffsuperoxyd  angegeben.  Diese 
Reaktion  tritt  mit  Blutlösungen  ebenfalls  ein  (neben  der  Bildung  eines 
anderen  unbekannten  Körpers);  aber  auch  schon  ohne  Zusatz  von 
H2O2,  sodass  man  einen  gewissen  Gehalt  des  Blutes  an  Oxy- 
genasen  (organischen  Peroxyden)  annehmen  müsste. 

Durch  Belichten  wird  diese  Oxydasenwirkung  erhöht,  im 
Gegensatz  zu  dem  Verhalten  der  Katalase.  Es  zeigte  sich  ausserdem, 
dass  die  Purpurogallin  bildung  aus  Pyrogallol  und  Wasserstoff¬ 
superoxyd  schon  bei  Gegenwart  von  sehr  wenig  E  i  s  e  n  s  a  1  z  ein¬ 
tritt,  ja  sogar  schon  auf  Zusatz  von  etwas  Chlornatrium  lösung. 


Beide  Reagenzien  wirken  auf  die  Katalase  bemerkenswerterweise 
hemmend.  So  scheinen  die  Katalase-  und  Peroxydasevorgänge  in 
fast  allen  Beziehungen  reziprok  zu  sein.  Vielleicht  muss  man  den 
anorganischen  Salzen,  besonders  dem  Chlornatrium,  in  den 
physiologischen  Flüssigkeiten  auch  peroxydaseartige  Wirkungen  zu¬ 
schreiben,  die  für  den  ganzen  Stoffwechsel  von  Bedeutung  sind. 

Herr  J.  Thies  demonstriert  eine  Tabelle,  die  die  Werte  der 
Katalasen  während  der  Geburt  bei  Mutter  und  Kind  wiedergibt  und 
bespricht  den  Einfluss,  den  der  Katalasengehalt  beim  Fötus  und 
Neugeborenen  auf  den  Stoffwechsel  und  auf  die  Atmung  hat. 

Berichtigung.  In  No.  42  ist  auf  S.  2113,  Sp.  1,  Zeile  34  v.  u. 
zu  lesen :  „K  a  r  0  t  i  s  w  e  1 1  e“  statt  „Vorhofwelle“. 

Abteilung  für  Chirurgie. 

Diskussion  zu  den  Vorträgen  von  P  ä  s  s  f  e  r  -  Dresden  und 
S  t  i  e  d  a  -  Halle  zur  chirurgischen  Behandlung  des  Lungenemphysems. 

Herr  K  r  a  u  s  s  -  Berlin:  Ob  die  thorakale  Starre  beim  Em¬ 
physem  primär  oder  sekundär  ist,  ist  noch  zweifelhaft.  Wenn 
aber  die  thorakale  Starre  besteht,  dann  erleichtert  die  Operation 
den  Zustand  des  Kranken.  Doch  nehme  er  einen  reservierten  Stand¬ 
punkt  ein  und  meine,  man  solle  nicht  zu  früh  operieren,  doch  müsse 
man  operieren,  bevor  das  Herz  in  Mitleidenschaft  gezogen  sei.  End¬ 
lich  glaube  er,  dass  die  einseitige  Operation  genüge. 

Herr  Hof  bau  er  hält  die  Operation  nicht  für  physiologisch  be¬ 
gründet  und  empfiehlt  eine  von  ihm  angegebene  Methode,  welche  ge¬ 
stattet,  das  Zwerchfell  zu  heben;  es  käme  darauf  an,  die  exspira- 
torischen  Muskeln  zu  kräftigen. 

Herr  Krauss  - Berlin  widerspricht  Herrn  Hofbauer;  die  Er¬ 
folge  der  Operation  wiesen  darauf  hin,  dass  die  Inspiration  durch  die 
Operation  erleichtert  wird. 

Herr  S  e  i  d  e  1  -  Dresden  (Schlusswort):  M.  H.l  Mit  Herrn 
Krauss  sind  wir  der  Meinung,  dass  nicht  jeder  Fall  von  Emphysem 
bei  Thoraxstarre  ohne  weiteres  operiert  werden  soll.  Wie  aus  dem 
Vortrage  von  Herrn  Prof.  Pässler  wohl  hervorgeht,  plädieren  auch 
wir  natürlich  zunächst  für  interne  Behandlung,  fordern  aber  bei  nach¬ 
gewiesener  Nutzlosigkeit  derselben  allerdings  baldige  Operation. 
Scheint  diese  Indikation  zunächst  auch,  wie  Herr  Krauss  meint, 
noch  etwas  zu  weit  gestellt,  so  wird  sie  sich  bei  näherer  Betrachtung 
als  exakt  und  rationell  erweisen.  Besonders  hebe  ich  Herrn  Krauss 
gegenüber  hervor,  dass  in  unserem  Falle  ja  alle  Mittel  der  internen 
Behandlung  erschöpft  waren,  dass  der  Patient  vor  der  Invalidisierung 
stand  und  die  Indikation  zur  Operation  nicht  einseitig,  sondern  durch 
intensives  Zusammenarbeiten  des  internen  Klinikers  und  des  Chirurgen 
gestellt  wurde.  Mit  Herrn  Krauss  betone  ich  Herrn  Ho  fb  au  er 
gegenüber,  dass  die  Behinderung  der  Inspiration  beim  Emphysem 
eine  grosse  Rolle  spielt. 

Was  die  technische  Seite  der  Frage  betrifft,  so  ist  vielfach  die 
Ansicht  laut  geworden,  dass  die  Operation  eine  schwierige  sei.  Das 
ist  sie  nicht.  Eine  gewisse  Vorsicht  ist  natürlich  am  Platze,  um  un¬ 
erwünschte  Nebenverletzungen  und  namentlich  Pneumothorax  zu  ver¬ 
meiden.  Ich  bin  in  der  Weise  vorgegangen,  dass  ich  vom  ersten 
Rippenknorpel  mit  der  Luer  sehen  Zange  Stück  für  Stück  abtrug, 
bei  den  vier  nächsten  Rippen  das  Perichondrium  ablöste,  den  Rippen¬ 
knorpel  mit  stumpfer  Führungsnadel  umging  und  mit  der  Giglisäge 
durchschnitt.  Die  entfernten  Stücke  waren  lVg  cm  lang.  Bei  den 
ersten  drei  Rippen  wurden  die  über  ihnen  lagernden  Pektoralisfasern 
durchtrennt,  bei  der  4.  und  5.  Rippe  stumpf  auseinandergezogen.  Die 
Blutung  war  gering. 

Besonderes  Interesse  fordert  die  Durchschneidung  der  ersten 
Rippe.  Sie  ist  unseres  Wissens,  abgesehen  von  Zwecken  der  Thorako- 
plastik,  hier  zum  ersten  Male  vorgenommen  worden.  Dabei  erwies  es 
sich  nicht  als  nötig,  einen  Teil  der  Klavikula  mit  fortzunehmen,  wie 
Hildebrandt  vorschlug.  Diese  Tatsache  ist  nun  äusserst  wichtig. 
Die  Enge  und  Starre  der  oberen  Brustapertur  wird  bekanntlich  für 
die  Entstehung  der  Spitzentuberkulose  zum  Teil  verantwortlich  ge¬ 
macht.  Die  dahin  zielenden  Untersuchungen  von  Freund  sind  von 
Hart  erweitert  worden.  Er  konnte  ferner  bestätigen,  dass  in  zahl¬ 
reichen  Fällen  von  ausgeheilter  Spitzentuberkulose  sich  Gelenkbil¬ 
dungen  an  erster  oder  zweiter  Rippe  fanden.  Diese  Befunde  haben 
Freund  ja  schon  vor  längerer  Zeit  veranlasst,  die  Durchschneidung 
der  ersten  Rippe  bei  beginnender,  sonst  nicht  zur  Ausheilung  kom¬ 
mender  Spitzentuberkulose  zu  fordern.  Da  sich  die  Operation  als  so 
verhältnismässig  einfach  erwiesen  hat,  werden  wir  sie  nun  auch  in  ge¬ 
eigneten  Fällen  von  Spitzentuberkulose  ausführen.  Es  ist  dies  ein 
Vorgehen,  das  bei  den  vielen  fruchtlosen  Versuchen,  die  Initialtuber¬ 
kulose  zu  bekämpfen,  bei  gewissenhafter  Auswahl  sicherlich  ange¬ 
bracht  ist  und  unseren  physiologischen  und  pathologisch-anatomischen 
Erfahrungen  durchaus  entspricht. 

Herr  S  e  i  d  e  1  -  Dresden:  Rationelle  Behandlung  des  Pleura¬ 
empyems,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Aspirationsverfahrens 
(Bülau,  Perthes,  eigenes  Verfahren). 

Für  die  rationelle  Behandlung  des  Empyems  stellt  Vortr.  drei 
wesentliche  Forderungen  auf:  1.  völlige  Entleerung  des  Eiters  aus  der 
Pleurahöhle,  2.  Verhütung  der  Wiederansammlung  des  Eiters,  3.  mög¬ 
lichst  schnelle  Wiederherstellung  des  Patienten,  wenn  möglich  ad  in¬ 
tegrum.  Dabei  kommt  in  Betracht:  a)  völlige  Wiederausdehnung  der 
Lunge,  b)  Verhütung  stärkerer  Pleuraverwachsungen,  wodurch  die 
respiratorische  Verschieblichkeit  der  Lunge  erhalten,  Thoraxdeformi¬ 
täten  vermieden  werden. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2163 


Diesen  Forderungen  genügen  die  Punktionsverfahren  nicht, 
mögen  sie  mit  oder  ohne  Spülung,  mit  oder  ohne  nachfolgende  Drai¬ 
nage  geübt  werden. 

Auch  das  B  ü  1  a  u  sehe  Verfahren  ist  nicht  unbedingt  zuverlässig. 
Man  wird  es  namentlich  bei  gutartigen  Pneumokokkenempyemen,  zum 
Teil  auch  bei  Empyemen  der  Kinder  versuchen  dürfen,  bei  irgend 
welchen  Anzeichen  von  Komplikationen  aber  sofort  die  Rippen¬ 
resektion  anschliessen  müssen.  ,  ...  , , 

Für  die  meisten  Fälle  wird  demnach  das  Verfahren  der  Wahl 
immer  die  Radikaloperation  in  Gestalt  der  Rippenresektion  bleiben. 

Das  Perthes  sehe  Verfahren  der  Aspiration  der  Lunge  kommt 
der  Forderung,  die  Wiederausdehnung  der  Lungen  zu  fördern,  am 
nächsten  und  hat  sehr  gute  Resultate  ergeben. 

Seidel  verwendet  nun  in  der  Nachbehandlung  des  Empyems 
den  Apparat,  den  er  schon  Anfang  1906  zur  Nachbehandlung  des  post- 
operativen  Pneumothorax  im  Anschluss  an  die  Sau  erb  i  uchsclien 
Ideen  angegeben  hat.  Der  Apparat  ist  jetzt  bedeutend  verbesseit  und 
vereinfacht  Er  besteht  aus  einem  kleinen  Kasten  mit  einem  Gummi- 
wulst,  welcher  durch  ein  jeder  Thoraxform  sich  anschmiegendes  Stahl¬ 
band  mittels  eines  Gummigurtes  über  der  Thorakotomiewunde  luft¬ 
dicht  befestigt  werden  kann.  Durch  einen  leicht  abnehmbaren  Glas¬ 
deckel  hat  man  freien  Zugang  zur  Wunde  und  zur  Pleurahöhle,  man 
kann  demnach,  ohne  an  der  ganzen  Anordnung  etwas  zu  ändern,  alle 
notwendigen  chirurgischen  Massnahmen,  Drainwechsel  usw.  vor¬ 
nehmen.  In  diesem  Kasten,  mithin  auch  in  der  durch  ihn  überdachten 
Pleurahöhle  wird  ein  negativer  Druck  durch  eine  Wasserstrahlpumpe 
mit  Rückschlagsventil  erzeugt.  Die  Flöhe  des  negativen  Druckes  wird 
angegeben  durch  ein  Manometer,  das  irgendwo  am  oder  neben  dem 
Bett  des  Kranken  befestigt  werden  kann  und  mit  einem  nach  Art 
eines  Müll  er  sehen  Ventils  funktionierenden  Quecksilbersicherheits¬ 
ventil  verbunden  ist,  durch  welches  eine  stärkere  als  die  gewünschte 
Druckerniedrigung  verwieden  wird. 

Der  Apparat  hat  also  vor  dem  P  e  r  t  h  e  s  sehen  den  Vorzug, 
jederzeit  freien  Eingang  zur  Wunde  und  Pleurahöhle  zu  gewahren, 
ohne  dass  an  ihm  etwas  geändert  oder  dass  er  abgenommen  zu 
werden  braucht,  und  dass  eine  zuverlässige  und  dabei  unkomplizierte 
Druckregelung  stattfindet. 

Bei  der  Behandlung  lässt  Seidel  nicht  permanent  saugen,  son¬ 
dern  etwa  2—3  mal  täglich  4—5  Stunden  den  Unterdrück  auf  die  Lunge 
einwirken,  und  zwar  fängt  er  mit  niedrigsten  Werten  (5—8  mm  Hg) 
an,  und  steigt  dann  bald,  aber  meist  nicht  über  15  mm  Hg  hinaus.  Bei 
permanentem  Zuge  und  stärkerer  Druckerniedrigung  kommen  vor¬ 
zeitige  Verklebungen  und  Eiterretentionen  vor,  welche  sich  in  Tem¬ 
peratursteigerungen  bemerkbar  machen. 

Seidel  lässt  ferner  regelmässig  gegen  Wasserwiderstand 
exspirieren.  Zur  genaueren  Dosierung  hat  er  einen  kleinen  Apparat 
konstruiert,  in  dem  bei  der  Exspiration  durch  ein  verschieden  zu 
belastendes  Ventil  jeder  beliebige  Druck  erzeugt  werden  kann,  der 
dann  durch  ein  Manometer  angezeigt  wird. 

Mit  dieser  kombinierten  Methode  wurden  bisher  9  Fälle  be¬ 
handelt,  von  denen  2  besonders  markante  vorgestellt  werden. 

Nach  seinen  günstigen  Erfahrungen  glaubt  Seidel  die  kon¬ 
sequent  durchgeführte  kombinierte  Methode  (Zug  von  der  Pleura¬ 
fläche,  Druck  von  der  Bronchialfläche  aus)  in  der  Nachbehandlung  des 
Empyems  warm  empfehlen  zu  sollen. 

Diskussion:  Herr  Gar  re -Bonn  betont,  dass  es  von  der 
Ursache  abhänge,  welche  das  Empyem  hervorgerufen  habe,  welche 
Methode  der  Behandlung  man  wählen  solle;  die  einen  Fälle  heilten 
leichter  als  die  andern.  Für  die  Rippenresektion  wird  man  sich  leicht 
entschliessen,  weil  der  Eingriff  leicht  sei. 

Herr  L  e  nh  a  r  t  z  -  Hamburg:  Er  könne  dem  vorgeführten 
Apparat  keine  Vorzüge  vor  dem  Perthesschen  zuerkennen.  Er 
empfiehlt  eine  Modifikation,  welche  gestattet,  den  Perthes  sehen 
fast  ohne  Verbandwechsel  liegen  zu  lassen,  sodass  es  in  einzelnen 
Fällen  gelungen  sei,  die  Empyeme  unter  einem  Verbände  zur  Heilung 
zu  bringen.  Die  Perthes  sehe  Methode  habe  sich  ihm  ausgezeichnet 
auch  bei  doppelseitigen  Empyemen  bewährt. 

Herr  Perthes-  Leipzig  betont,  dass  die  Aspiration  nicht  zu 
stark  gemacht  werden  dürfe,  der  Druck  dürfe  1 — 2  cm  nicht  über¬ 
schreiten.  Dass  sich  in  allen  Fällen  die  Thorakoplastik  vermeiden 
lasse,  glaube  er  nicht,  nur  meine  er,  dass  bei  der  Anwendung  des 
Aspirationsverfahrens  die  Testierenden  Empyeme  dabei  nicht  so  gross 
blieben  und  dass  die  Thorakoplastik,  falls  sie  notwendig  würde,  er¬ 
leichtert  sei. 

Herr  Limpburger  - Bregenz  beschreibt  die  von  ihm  geübte 
Methode  mit  Punktion  an  zwei  Stellen  mittels  verschieden  starken 
Trokars  mit  nachfolgender  Spülung  mit  Salizylsäure  und  Instillation 
von  Jodoformglyzerin. 

Herr  His -Berlin  warnt  vor  Pleuraspülungen,  weil  dabei  Todes¬ 
fälle  beobachtet  worden  seien. 

Herr  Naunyn  hat  Todesfälle  nach  Einbringung  von  Jodoform¬ 
glyzerin  in  die  Pleurahöhle  gesehen  und  warnt  davor.  Endlich  tritt 
Herr  M  ii  1 1  e  r -Rostock  warm  für  die  alte  Methode  —  Schnitt  und 
Rippenresektion  —  ein. 

Herr  Seidel-  Dresden :  Das  Vorgehen  Schreibers,  nach 
Einführung  eines  Katheters  durch  Punktion  in  die  Pleurahöhle  perma¬ 
nent  zu  aspirieren,  scheint  mir  nicht  rationell  zu  sein.  Herrn  Len- 
hartz  gegenüber  möchte  ich  hervorheben,  dass  ich  mir  sehr  wohl 
bewusst  bin,  dass  das  Aspirationsverfahren  umständlicher  ist  als  die 


gemeinhin  übliche  Nachbehandlung.  Es  gilt  dies  aber  sowohl  für  den 
Perthes  sehen  als  auch  für  meinen  Apparat.  Ich  bin  auch  darauf 
vorbereitet  gewesen,  dass  meinem  Apparat  der  Vorwurf  besonderer 
Kompliziertheit  gemacht  wird.  Es  ist  dies  ganz  natürlich,  da  man 
sich  vom’  Gegenteil  erst  beim  Gebrauch  überzeugen  kann  —  er  ist 
in  der  Tat  einfach.  Dass  man  Exspirationsübungen  ohne  besonderen 
Apparat  vornehmen  kann,  ist  mir,  wie  ich  ja  auch  erwähnt  habe,  wohl- 
bekannt.  Manometrische  Messungen  sind  aber  im  Interesse  der  Kon¬ 
trolle  des  Patienten  erwünscht.  Er  sei  sehr  erfreut,  dass  die  Grund¬ 
sätze,  die  er  gelegentlich  einer  Diskussion  auf  dem  letzten  Chirurgen¬ 
kongress  in  bezug  auf  die  Aspirationsbehandlung  aufstcllte,  an  Boden 
zu  gewinnen  scheinen  und  jetzt  zum  Teil  schon  als  selbstverständlich 
bezeichnet  werden.  So  gibt  Perthes  jetzt  die  Möglichkeit  vor¬ 
zeitiger  Verklebungen  bei  stärkerem  Zuge  zu,  und  er  wendet  jetzt 
auch  bei  weitem  weniger  hohen  Unterdrück  an  als  früher.  Dass  wir 
mit  dem  Aspirationsverfahren  die  Thorakoplastik  nicht  in  allen  Fällen 
vermeiden  werden,  glaube  ich  auch  —  wir  werden  sie  aber  bedeutend 
einschränken. 

Herren  v.  Klapp  und  Dönitz:  Beitrag  zur  Jiändedesinfektion 

(mit  Chirosoter). 

Da  bei  jeder  Desinfektionsmethode  in  einer  Anzahl  von  Fällen 
Keimfreihe.it  nicht  erzielt  werden  kann,  versuchten  Klapp  und 
Dönitz  die  Testierenden  Keime  dadurch  unschädlich  zu  machen, 
dass  sie  sie  an  Ort  und  Stelle  durch  eine  Wachsimprägnation  der  Haut 
fixierten.  Sie  zerstäubten  zu  diesem  Zweck  eine  Lösung  von  Wachs 
und  Harzen  in  dem  nicht  feuergefährlichen  Tetrachlorkohlenstoff  (die 
unter  dem  Namen  Chirosoter  von  Krewel  &  Co.  in  Köln  in  den 
Handel  gebracht  wird),  mit  einem  Sprayapparat  auf  Hand  und 
Operationsfeld.  Die  bakteriologischen  Ergebnisse  sind  äusserst  er¬ 
mutigend.  Als  geeignetste  Vorbehandlung  erwiesen  sich  die  Des¬ 
infektionsmethoden,  die  die  Haut  trocken  machen,  z.  B.  bei  An¬ 
wendung  von  Alkohol  (A  h  1  f  e  1  d  sehe  Methode,  Seifenspiritus 
usw.).  Nach  M  e  i  ss  n  e  r  -  Tübingen  ergibt  sogar  die  Besprayung 
der  gänzlich  unvorbereiteten  Tageshand  eine  hochgradige  Keim¬ 
armut  (nach  Vortragendem  jedoch  nur  bei  glatten,  nicht  rissigen 
Händen!),  was  für  Notoperationen,  z.  B.  im  Kriege  von  grösster 
Wichtigkeit  ist.  Ein  Vorzug  des  Verfahrens  ist  seine  Einfachheit. 


Aerztlicher  Bezirksverein  zu  Erlangen. 

(Bericht  des  Vereins.) 

161.  Sitzung  vom  2.  Juli  1907. 

Herr  de  la  Camp  demonstriert  einen  6jährigen  Jungen  mit 
einer  hochgradigen  L  i  1 1 1  e  sehen  Krankheit.  Die  Besonderheiten 
des  Falles  sind:  1.  Eine  linksseitige  Hüftgelenksluxation,  deren  an¬ 
geborener  Charakter  zweifelhaft  erscheint;  vielleicht  handelt  es  sich 
vielmehr  bei  vorhandener  Prädisposition  um  die  Folgezustände  des 
hochgradigen  Adduktorenspasmus,  die  resultierende  völlige  Ueber- 
kreuzung  der  spastisch  gelähmten  unteren  Extremitäten  hindert  fast 
vollkommen  das  Gehen.  Der  Junge  kann  sich  nur  fortschieben. 
2.  ist  die  hochgradige  Verbildung  des  Schädels  auffallend.  Wahr¬ 
scheinlich  sind  die  Schädeldifformitäten  durch  die  Zangengeburt  ver¬ 
anlasst.  —  Der  Intelligenzdefekt  ist  bei  dem  Jungen  trotz  einer  un¬ 
zweifelhaft  vorhandenen  Idiotie  nicht  ein  derartiger,  dass  von  einer 
operativen  Behandlung  abgeraten  werden  müsste. 

Diskussion:  Herren  v.  Kryger,  Specht,  de  1  a  Camp. 

Herr  Menge  demonstriert  unter  Mitteilung  der  betr.  kranken¬ 
geschichtlichen  Notizen  folgende  Operationsobjekte:  1.  Gravidität  in 
einem  rudimentären  Uterusnebenhorn  mit  Berstung  des  letzteren. 
2.  Uterus  duplex  mit  Vagina  septa  (mit  Ovarialabszess).  3.  Total- 
exstirplerte  Genitalien  bei  doppelseitigen  Ovarialtumoren.  4.  Exstir- 
pierte  Ovarialfibrome  verschiedener  Grösse.  5.  Ovarialzyste  kom¬ 
biniert  mit  Peritonealtuberkulose  (Totalexstirpation  exklusive  des 
zweiten  Ovariums).  6.  Malignes  Chorionepithelion  (Totalexstir¬ 
pation). 

Diskussion:  Herren  Heim,  Merkel,  Menge. 

Herr  Prof.  Graser  demonstriert  einen  sehr  stark  geblähten, 
grau-grün  verfärbten  Wurmfortsatz,  den  er  16  Stunden  nach  dem 
Beginn  eines  perityphlitischen  Anfalls  durch  die  Laparotomie  ent¬ 
fernt  hat.  Trotz  .der  kurzen  Zeit  seit  Beginn  des  Anfalls  fand  sich 
schon  eine  reichliche  Eiteransammlung  in  der  Bauchhöhle  ohne  jede 
Andeutung  einer  Verklebung.  Jedoch  erwies  sich  das  Exsudat  bei 
der  bakteriologischen  Prüfung  als  steril  und  konnte  demnach  an¬ 
genommen  werden,  dass  die  Bakterien  noch  in  dem  geblähten  und 
verdünnten  Wurmfortsatz  zurückgehalten  waren.  Im  Wurmfortsatz 
fand  sich  eine  jauchige  Flüssigkeit  mit  Bakterium  coli  und  Staphylo¬ 
kokkus.  Der  Zeitpunkt  der  Operation  war  gerade  noch  günstig. 
Einige  Stunden  später  wäre  wohl  bereits  der  Wurmfortsatz  geplatzt 
gewesen  und  eine  schwere,  wohl  tödliche  Infektion  zu  der  chemischen 
Reizung  des  Bauchfells  hinzugetreten.  Der  Vortragende  bespricht 
die  oftmals  von  ihm  gemachte  Beobachtung,  dass  bei  den  Fällen  von 
akuter  P.  als  erstes  Zeichen  der  Veränderung  ein  freies  seröses 
oder  leicht  getrübtes  Exsudat  vorhanden  ist,  welches 
erst  sekundär  infiziert  wird,  und  glaubt,  dass  in  den  günstig  ver¬ 
laufenden  Fällen  die  abdämmenden  Verklebungen  sich  erst  später 
bilden.  Deshalb  hält  er  auch  mit  andern  Chirurgen  den  Zeitpunkt,  in 
dem  diese  Verklebungen  sich  ausbilden,  also  zwischen  dem  3.  und 
4.  Tag,  für  die  Operation  ungeeignet  und  sucht  die  Operation  der  Fälle, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  -43. 


dei  ihm  erst  nach  36  Stunden  zugehen,  möglichst  bis  zum  Ende  der 
ersten  \\  oche  zu  verschieben,  betont  aber  gleichzeitig  die  ausser¬ 
ordentlich  grosse  Verschiedenheit  der  einzelnen  Erkrankungen. 

Diskussion:  Herren  Hauser,  Menge,  P  e  n  z  o  1  d  t 
Graser.  ’ 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  J  u  1  i  1907. 

Herr  H.  Kämmerer  demonstrierte  einen  Fall  (I.  med.  Klinik) 
von  Hamatomyelie  des  Konus  und  Epikonus,  entstanden  durch  einen 
Betriebsunfall  (Zerrung  beim  Heben  einer  schweren  Last).  Charakte- 
ristische  Sensibilitätsstörungen  im  Bereich  des  N.  peroneus  und  par¬ 
tielle  Reithosenanästhesie.  Anfangs  Schmerzen  und  Gehstörungen, 
ketentio  urinae  et  alvi,  gesteigerte  Patellarreflexe,  Erhaltung  des' 
Analieflexes.  Später  automatische,  vom  Willen  unabhängige  Spon¬ 
tanentleerung  des  Kotes,  völlige  Heilung  der  Retentio  urinae.  Erhal- 
uiig  dei  Erektionsfähigkeit  des  Gliedes,  Abgang  des  Spermas  tropfen¬ 
weise,  kehlen  der  Ejakulation  aus  der  Urethra.  Fortschreitende  Besse- 
r.un8::  je’  £laubt.’  dass  der  Fall  eine  Stütze  für  die  neuere,  besonders 
durch  die  Experimentalarbeit  L.  R.  Müllers  vertretene  Anschauung 
ulde,  nach  der  die  Zentren  für  die  Blasen-,  Mastdarm-  und  Genital- 
Uinktion  nicht  im  Konus,  sondern  in  den  sympathischen  Ganglien  des 
Beckens  zu  suchen  seien.  Für  die  Praxis  sei  der  Fall  wegen  der  Mög- 
lchkeit  einer  günstigen  Prognosestellung  bei  derartigen  Rückenmarks¬ 
blutungen  nicht  unwichtig. 

Herr  Rossbach  demonstriert  einen  Fall  von  amyotrophischer 
Lateralsklerose  mit  Bulbärparalyse.  Bei  dem  2-4  jährigen  Patienten, 

~ure?  0ktoJ?er  1.905  krank  ist,  entwickelte  sich  die  Krankheit  all¬ 
mählich  mit  Schwäche  in  den  Händen,  die  nach  und  nach  auf  die 
Arme  und  Schultern  Übergriff.  Im  Laufe  des  Jahres  1906  traten  Be¬ 
schwerden  beim  Schlucken,  erschwertes  Sprechen  und  Schwerfällig¬ 
keit  beim  Gehen  auf  Jetzt  kann  Pat.  die  Hände  gar  nicht  gebrauchen, 
verschluckt  sich  eicht,  kann  nur  breiige  Kost  gemessen,  Sprache  müh- 
*am-  r  1  yp‘scke  Affen-  und  Klauenhand.  Atrophien  der  Daumen-  und 
Kleinfmgerballenmuskulatur,  der  Spatia  interossea,  der  Unterarm¬ 
muskeln  des  Bizeps,  Trizeps,  Deltamuskels  und  Kukullaris.  Reflexe 
stark  erhöht,  fibrilläre  Zuckungen.  Erloschensein  der  elektrischen 
Erregbarkeit;  teilweise  auch  nur  quantitative  Herabsetzung.  Oberer 
raziahs  intakt,  ebenso  Augenmuskeln  und  Pupillen.  Unterer  Fazialis 
paretisch.  Untere  Gesichthä'fte  leblos,  starr.  Pfeifen  etc.  unmöglich. 
n!ISw-  ark  atrophisch,  paretisch.  Gaumensegel'  paretisch.  Gaumen- 
und  Wurgreflex  noch  vorhanden.  Entartungsreaktion  der  Zungen¬ 
muskulatur.  Keine  Motilitätsstörung  der  Stimmbänder.  Dysarthrie, 

n.  klanglos.  Gang  exquisit  spastisch-pare- 
E’fskl.^rk  Reflex?.’  Babinski,  Fussklonus;  keine  Blasen-  und 
Mastdarmstorung,  keine  Sensibilitätsstörung. 

In  gewissem  Gegensatz  dazu  steht  ein  Fall  von  Pseudobulbär- 

E?m, ^Vnr0^ V  f rViebra!fr  Glosso-pharyngo-Iabial-Paralyse.  65jährige 
krau  Vor  l/2  Jahren  Apoplexien.  Jetzt  rechtsseitige  Hemiplegie  mit 
Kontrakturen  etc.  Motorische  Aphasie.  Dabei  Parese  der  g  a  n  z  e  n 
Zungen-,  Lippen-,  Schlundmuskulatur.  Unfähigkeit,  Mund  zu  spitzen 

nndRFHih^-arSZrl,StreClu!n‘  ,I?et,rachtliche  Dysphagie,  kann  feste  Bissen 
nd  Massigkeiten  nicht  schlucken.  Normales  Volumen  der  Muskulatur 

7  16  e^ektrische  Erregbarkeit.  Dabei  eigenartige  Störung,  auf  die 

Muskulär  diP  h  V,?  rn?  S.*  p  m  e  r  1  i  n  g  hingewiesen  haben.  Die 
r  willkürlich  nicht  mehr  innerviert  werden  kann  tritt 

von  Weinen  nnd  ^  ebenS°  bei  Affekten.  Krampfhafte  Ausbrüche 
TTn^-Wr  m  -End-  Lachen’  starker  Beeinträchtigung  der  Atmung 

von  Lachen  Einhalt  z" ee: 

.  ..  Carl°  Mainini:  Demonstration  über  diagnostische  Tuber- 
kulinimpfung  nach  Pirquet. 

..  ,,M;  demonstriert  2  Patientinnen,  die  er  nach  der  Pirquet  sehen 

S,  n  ?“  Tbe;kl,li,n,  s,etolpft  hat'  “nd  äibt  im  Anschluss  daran 
einige  Daten  über  den  Verlauf  der  Reaktion  und  die  Verwendbarkeit 

td„enr  EUC  o  bC1  Erwachsenen-  Er  meint,  dass  unter  bestimm- 

innif  hp1;  Fn  dieiP  1  r  q  u  e  1  sche  Impfung  zum  Zwecke  der  Diagnostik 
auch  bei  Erwachsenen  verwendet  werden  kann 

nionsM^^;,0ni-HerruMorohält  die  *eaktion  *ei  beiden  de- 
monstnerten  Fallen  für  sicher  positiv.  In  dem  einen  Falle  ist  die  Re- 

aktion  wohl  deshalb  so  deutlich  ausgesprochen,  weil  es  sich  um  ein 

Individuum  rmt  skrophulösem  Habitus  handelt.  Nach  Erfahrungen 

auf  der  Kinderklinik  haben  gerade  die  mit  Skrophulotuber- 

wnhl°le  befh,a  te,ten.  Eu'der  e,ine  verstärkte  Reaktion  dargeboten,  was 
v ohl  darauf  hindeutet,  dass  hier  ein  besonders  gesteigerter 

kl,;  TV!nF-nPe*zi|ischer  U  e  b  e  r  e  m  p  f  i  n  d  1  i  c  h  k  e  4  ,t  be¬ 
steht.  In  -4  ballen  traten  10—15  Tage  nach  der  Impfung  Phlyktänen 
f“  befriedigende  Erklärung  für  diese  Spätreaktion  ist  M.  nicht 

m  stände  zu  geben.  Es  wäre  sehr  erfreulich,  wenn  die  Reaktion  auch 
beim  Erwachsenen  verlässliche  Resultate  ergäbe,  v.  P  i  r  q  u  e  t  selbst 
verhalt  sich  in  diesem  Punkte  sehr  skeptisch.  Unsere  am  Kinde?- 
material  gemachten  Erfahrungen  sprechen  sehr  für  den  grossen  prak¬ 
tischen  Wert  der  Reaktion.  Von  klinisch  sicher  Tuberkulösen 
reagierten  nicht:  Kachektische  und  Miliartuberkulose  sowie  Meningitis 
tuberculosa  im  letzten  Stadium.  Von  Kindern,  die  klinisch  absolut 


keine  Anhaltspunkte  für  Tuberkulose  ergaben,  reagierten  2,  ein  Fall 
von  Mongolismus  und  ein  Fall  von  Chorea  minor.  Die  Erfahrung 
lehrt,  dass  gerade  mongoloide  Kinder  im  hohen  Grade  zur  Tuberkulose 
disponiert  sind,  und  beim  2.  Fall  ergab  sich  anamnestisch  schwere 
hereditäre  Belastung. 

Herr  E.  Meyer:  M.  H!  Ich  fühle  mich  verpflichtet,  zu  erklären, 
dass  ich  dem  Urteil  von  Kollegen  Moro  nur  zustimmen  kann.  Die 
Reaktion  ist  zweifellos  in  beiden  hier  demonstrierten  Fällen  positiv. 
Die  Patientin,  die  von  Mainini  als  „negativ“  bezeichnet  wurde, 
ist  am  4.  d.  M.  geimpft  worden;  wie  Kollege  Mainini  und  der 
Assistent,  auf  dessen  Abteilung  die  Patientin  liegt,  versichern,  war 
bis  heute  Morgen  keine  Reaktion  vorhanden.  Jetzt  ist  sie  da.  Es 
ist  bisher  nicht  beobachtet  worden,  dass  eine  Reaktion  noch  so  spät 
auftritt,  nachdem  in  den  Tagen  vorher  nichts  zu  sehen  gewesen  war. 
Es  wird  darauf  zu  achten  sein,  ob  nicht  bei  dieser  Patientin  irgend 
ein  auf  I  uberkulQse  hindeutender  Befund  sich  noch  finden  wird. 

Herr  Dürck  demonstriert:  1.  Ein  psammöses  Endotheliom  der 
Dura  mater  spinalis. 

Bei  einer  55  jährigen  Frau  fand  sich  in  der  Höhe  des  VII.  Zervikal- 
bis  I-  Dorsalsegmentes  an  der  Innenfläche  der  spinalen  Dura  mater 
ein  4  cm  langer  länglicher,  walzenrunder,  grauroter  Körper  von  Ge- 
staU  und  Umfang  einer  mittleren  Dattel.  Das  Rückenmark  war  in  der 
Ausdehnung  des  Tumors  in  sagittaler  Richtung  platt  zusammenge¬ 
presst  worden.  Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Geschwulst  er¬ 
gab  einen  Tumor  von  der  gleichen  Zusammensetzung  wie  der  Vor¬ 
tragende  in  3  Fällen  früher  an  der  Dura  mater  cerebralis  beobachtet 
und  in  der  Sitzung  vom  13.  März  1907  demonstriert  hat:  ineinander¬ 
gedrehte  Schläuche  von  enorm  gewucherten  Endothelien,  welche  zum 
leil  ganz  kompakt  und  teilweise  verkalkt  waren.  D.  hat  in  letzter 
, e d  ^  Fälle  solcher  Tumoren  gesammelt,  welche  von  französischen 
Autor en  als  „Sarcome  angiolithique“  beschrieben  werden. 

2.  3 Vz  Monate  alte  Schussverletzung  des  Gehirns. 

D.  zeigt  das  Gehirn  eines  45  jährigen  Mannes,  welcher  3V»  Mo¬ 
nate  vor  seinem  Tode  einen  Selbstmordversuch  gemacht  hatte  indem 
er  einen  Revolverschuss  gegen  seine  Stirn  abfeuerte.  Die  Kugel  war 
cluicli  das  Stirnbein  eingedrungen  und  hatte  vom  Stirnpol  aus  die 
rechte  Grosshirnhemisphäre  in  sagittaler  Richtung  bis  an  die  Grenze 
des  Hinterhauptlappens  etwas  schräg  nach  aufwärts  steigend  durch¬ 
setzt.  Der  Mann  war  in  vollkommen  bewusstlosem  Zustande  und 
mit  totaler  Lähmung  der  rechten  Körperhälfte  in  die  Klinik  einge¬ 
macht  woi  den.  Die  Bewusstlosigkeit  löste  sich  im  Laufe  von  einigen 
I  agen  und  auch  die  Lähmungserscheinungen  gingen  langsam  aber 
stetig  im  Laufe  von  3 Vz  Monaten  zurück,  so  dass  nur  noch  eine  geringe 
1  ärese  der  linken  Unterextremität  übrig  blieb.  Am  Abend  vor  seinem 
Tode  hatte  der  Mann  mit  Stubengenossen  noch  Karten  gespielt  und 
war  am  nächsten  Morgen  tot  in  seinem  Bette  gefunden  worden,  so 
dass  der  Verdacht  entstand,  es  könne  vielleicht  ein  Selbstmord  durch 
Vergiftung  vorliegen.  Die  Sektion  ergab  allgemeine  Adipositas,  sehr 
starke  Adipositas  coi  dis,  marantische  Thrombose  in  der  unteren 
Hohlvene  und  eine  tödliche  Lungenembolie.  Wie  auf  Serienschnitten 
durch  das  Gehirn  zu  sehen  war.  zeigte  der  Schusskanal  schon  vorge¬ 
schrittene  Vernarbung  durch  Einlagerung  eines  nur  mehr  wenig  pig- 
mentierten  bindegewebigen  Pfropfes.  Das  Geschoss,  eine  7mm 
VV  eichbleirevolverkugel  war  an  der  Grenze  des  rechten  Scheitel-  und 
Hinterhauptlappens  in  der  grauen  Rinde  von  einer  allseitig  ge¬ 
schlossenen  zarten  Bindegewebskapsel  eingehüllt  und  hatte  sonst 
keinerlei  Reaktionserscheinungen  ausgelöst.  Trotz  der  leichten  Ent- 
fernbarkeit  des  Projektiles  war  es  also  auch  im  vorliegenden  Falle 
das  Richtige  gewesen,  den  operativen  Eingriff  zu  unterlassen,  da 
Reizerscheinungen  nicht  Vorlagen. 

3.  Diffuse  Gallertkarzinose  des  Gehirns. 

Bei  einer  44  jährigen  Frau,  welche  an  einem  primären  Gallert- 
Kai  zinom  des  linken  Lungenunterlappens  gestorben  war,  fand  sich  das 
ganze  Gehirn  in  allen  seinen  Teilen  ausserordentlich  dicht  durchsetzt 
von  tausenden  von  grösseren  und  kleineren,  teilweise  nur  mikro¬ 
skopisch  wahrnehmbaren  Metastasen  des  ursDriinglichen  Tumors,  in 
denen  überall  die  gallertige  Degeneration  der  Karzinomepithelien  deut¬ 
lich  erkennbar  ist. 

4.  Margaritom  des  Oberwurmes  des  Kleinhirns. 

Bei  einem  57  jährigen,  an  Sepsis  zugrunde  gegangenen  Manne 
fand  sich  als  zufälliger  Befund  an  der  erwähnten  Stelle  ein  Cholestea¬ 
tom  mit  Einlagerung  sehr  zahlreicher  mattglänzender  kugeliger  Perlen, 
welche  dieser  Art  von  Tumoren  den  Namen  „Margaritom“  verschafft 
haben. 

5.  Drei  Fälle  von  Verdrängung  der  Kleinhirntonsillen  in  die  Rück¬ 
gratshöhlen. 

D.  macht  daiauf  aufmerksam,  dass  in  Fällen  von  Hydrocephalus 
externus  oder  internus  unter  Umständen  die  Kleinhirntonsillen  weit 
zapfenartig  in  die  Rückgrathöhle  hinuntergedrängt  werden  können. 
Dies  war  z.  B.  der  Fall  bei  einem  27  jährigen  an  Diabetes  gestorbenen 
Mann  mit  ziemlich  starkem  Hydrocephalus  externus.  Noch  bedeutend 
starker  aber  waren  diese  Verdrängungserscheinungen  bei  2  Kindern 
mit  bmina  bifida.  In  beiden  Fällen  war  starker  Hydrocephalus  internus 
vorhanden.  Die  Kleinhirntonsillen  waren  hier  bis  über  3  cm  lang  als 
dunkelgerötete  hämorrhoidalknotenähnliche  Anhänge  in  den  Wirbel¬ 
kanal  hinabgepresst. 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2165 


6.  Sechs  Fälle  von  Hirnabszess,  meist  otogenen  Ursprungs. 

In  einem  Falle,  welcher  ein  Jahr  nach  operativer  Eröffnung  zu¬ 
fällig  verstarb,  war  vollkommene  Ausheilung  eingetreten.  An  Stelle 
des  Abszesses  fand  sich  nur  mehr  eine  trichterförmige  bindegewebige 
Narbe  an  der  Spitze  des  linken  Schläfenlappens. 

7.  Flimmerepithelzyste  des  Oesophagus. 

Bei  einem  2  jährigen,  an  Diphtherie  gestorbenen  Knaben  fand  sich 
im  unteren  Teil  des  Oesophagus  etwas  rechts  neben  der  Mittellinie 
eine  gut  haselnussgrosse  fluktuierende  Blase  mit  durchscheinenden 
Wandungen.  Die  Punktion  ergab  reichliche  hohe  flimmernde  Zylinder- 
epithelien.  Im  Schnittpräparat  ergab  sich  kontinuierliche  Auskleidung 
der  von  2  muskulären  Schichten  umgebenen  und  von  der  Speiseröhre 
völlig  getrennten  Zyste  mit  flimmerndem  Zylinderepithel. 

8.  Branchiogenes  Karzinom. 

Bei  einem  48  jährigen  Mann  fand  sich  an  der  rechten  Halsseite 
ein  doppelt  faustgrosser  Tumor,  welcher  sowohl  von  der  Haut  als 
von  der  Schilddrüse  gut  abgrenzbar  war.  Ursprünglich  Verdacht  auf 
Karotisdrüsentumor.  Mikroskopische  Untersuchung  ergibt  Platten¬ 
epithelkarzinom. 

Diskussion:  Herr  G  e  b  e  le  teilt  zu  dem  von  D.  demonstrier¬ 
ten  Fall  von  Kopfschussverletzung  mit,  dass  die  Erfahrungen  der  chi¬ 
rurgischen  Klinik  bezüglich  Kopfschussverletzungen  nicht  gut  seien 
und  dass  über  80  Proz.  der  Fälle  ad  exitum  kommen.  Trotzdem  zeige 
auch  wieder  der  demonstrierte  Fall  die  Berechtigung  der  konserva¬ 
tiven  Behandlungsmethode  nach  den  Grundsätzen  Bergmanns. 

'  Die  Kugel  habe  sich  abgekapselt  und  sei  reaktionslos  eingeheilt. 
Klinisch  dürfte  von  Interesse  sein,  dass  das  Bewusstsein  des  Patienten 
fast  4  Wochen  lang  getrübt  war  und  die  linksseitige  Lähmung  sich  ersx 
innerhalb  10  Wochen  zurückbildete.  Doch  erholte  sich  schliesslich 
der  Pat.  vollkommen,  er  ging  nicht  an  der  Schussverletzung,  sondern 
an  einer  interkurrenten  Erkrankung  zugrunde.  Die  hohe  Mortalität 
der  Kopfschussverletzungen  überhaupt  erkläre  sich  aus  den  sehr  häufi¬ 
gen,  schweren  Gehirnzertrümmerungen. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

4.  Landesversammlung  des  Bayerischen  Medizinalbeamten- 

vereins 

in  München  am  13.  Oktober  1907. 

Der  Vorsitzende,  Bezirksarzt  Dr.  Angerer  -  München,  eröffnet 
um  9/4  Uhr  die  Versammlung  mit  einem  Hoch  auf  Se.  K.  Hoheit  den 
Prinzregenten.  Als  Gäste  werden  begriisst:  Geheimrat  v.  ürashey 
und  Bezirksamtmann  Huber  als  Vertreter  des  Ministeriums  des 
Innern,  Ministerialrat  v.  Marth  als  Vertreter  des  Justizmini¬ 
steriums  und  Kreismedizinalrat  Professor  Dr.  Messerer.  Der 
Vorsitzende  verweist  sodann  auf  die  Wichtigkeit  der  Tagesordnung. 
Die  Reformbestrebungen  des  Vereins  werden,  wie  schriftliche  Zu¬ 
stimmungskundgebungen  beweisen,  vielfach  begrüsst  und  gebilligt. 

Geheimrat  v.  Grashey  begrüsst  im  Namen  des  Ministers 
des  Innern  und  für  seine  Person  die  Versammlung  mit  dem  Wunsche, 
dass  sie  einen  guten  Verlauf  nehme  und  dass  alle  Wünsche  der  Amts¬ 
ärzte  in  der  einen  oder  anderen  Form  in  Erfüllung  gehen  mögen.  Die 
Aufgabe  sei  schwierig,  die  Beratung  werde  sehr  eingehend  und 
namentlich  die  Motivierung  der  Anträge  eine  sehr  gute  sein  müssen. 

Nach  einigen  geschäftlichen  Mitteilungen  durch  den  Vorsitzenden 
hält  Dr.  A.  G  r  o  t  h  -  München  einen  Vortrag  über  Amtsarzt  und 
Säuglingssterblichkeit. 

Es  haben  bei  den  Impfterminen  in  Bayern  umfangreiche  Er¬ 
hebungen  über  den  Einfluss  verschiedener  Faktoren  auf  die  Mortalität 
der  Säuglinge  stattgefunden.  Verschiedene  statistische  Tabellen 
geben  Aufschluss  über  die  Verschiedenheit  in  den  einzelnen  Landes¬ 
teilen,  über  den  Zusammenhang  zwischen  niederen  Stillziffern  und  der 
hohen  Sterblichkeit,  desgleichen  der  Geburtenhäufigkeit  mit  der 
hohen  Sterblichkeit  und  ebenso  zwischen  der  Zahl  der  Armenunter- 
stützungen  und  der  Sterblichkeit.  Dabei  zeigen  sich  die  letzteren 
Faktoren  in  den  Städten  weniger  wirksam  wie  auf  dem  Land,  offenbar 
infolge  der  Fortschritte  der  allgemeinen  Hygiene  und  Aufklärung. 
Der  Einfluss  der  mangelhaften  Brusternährung  tritt  aber  auch  in  den 
Städten  deutlich  zu  tage.  Es  muss  aber  und  kann  auch  hier  durch 
Aufklärung  eine  Besserung  geschaffen  werden,  in  der  Stadt  und  auf 
dem  Lande.  Daran  hat  auch  der  Staat  das  grösste  Interesse  und  seine 
Amtsärzte  sind  in  erster  Linie  zur  Arbeit  berufen.  Wo  die  Verhält¬ 
nisse  günstig  sind,  wo  vorwiegend  Brusternährung  geübt  wird  und 
die  Bevölkerung  intelligent  ist,  müssen  diese  guten  Verhältnisse  mög¬ 
lichst  auch  bei  zunehmender  Industrialisierung  erhalten  und  überall 
unablässig  auf  langes  Stillen  hingewirkt  werden  unter  Mitwirkung  der 
Aerzte,  Hebammen,  event.  auch  der  Geistlichkeit.  Der  beifällig  auf¬ 
genommene  Vortrag  schliesst  mit  dem  Dank  für  die  wertvolle  Mit¬ 
arbeit  der  Herren  Medizinalrat  Dr.  Stumpf  und  Prof.  Dr.  Hahn. 

Es  folgt  nunmehr  das  Referat  Dr.  B  e  c  k  e  r  s  -  München:  Ueber 
den  amtsärztlichen  Dienst  im  Königreich  Bayern.  (Die  Leitsätze  des 
Referates  sind  in  der  Beilage  zu  No.  41  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  abgedruckt.) 

Am  Schluss  seiner  Ausführungen,  welche,  von  einer  Mittagspause 
unterbrochen,  mehr  als  4  Stunden  in  Anspruch  nahmen  und  an  Klar¬ 
heit,  Sachkunde  und  Sachlichkeit  kaum  zu  übertreffen  waren, 
sprach  der  Referent  den  Wunsch  aus,  dass  die  eingehende  Begründung 
der  Forderungen  die  Staatsregierung  von  deren  Richtigkeit  und  Er- 


spriesslichkeit  überzeugen  und  eine  ausgiebige  Diskussion  zu  einer 
Klärung  der  gemeinsamen  Auffassung  führen  werde.  Soweit  finan¬ 
zielle  Fragen  in  Betracht  kommen,  dürfe  man  wohl  auf  eine  bereit¬ 
willige  Stimmung  im  Landtage  rechnen. 

Der  Vorsitzende  eröffnet  die  Diskussion  unter  dem  Aus¬ 
druck  des  lebhaften  Dankes  für  das  ausserordentlich  mühevolle 
Referat  (Beifall). 

Medizinalrat  Professor  Dr.  H  o  f  m  a  n  n  stellt  die  Frage,  ob  die 
Anwesenden  im  allgemeinen  einverstanden  sind  mit  dem  Referate. 

Bezirksarzt  Dr.  Gruber  -  München  unterbreitet  folgende 
Resolution : 

„Die  4.  Landesversammlung  des  bayerischen  Medizinal¬ 
beamtenvereins  erblickt  in  den  Leitsätzen  über  den  amtsärztlichen 
Dienst  im  Königreich  Bayern  eine  geeignete  Grundlage  für  eine 
Medizinalreform  und  erklärt  sich  damit  einverstanden. 

Sie  beauftragt  ihre  Vorstandschaft,  die  Leitsätze  und  die  von 
dem  Referenten  gegebenen  Erläuterungen  der  k.  Regierung  zu 
unterbreiten  mit  der  ehrerbietigsten  Bitte,  dieselbe  wolle  die 
Wünsche  für  die  Ausgestaltung  des  amtsärztlichen  Dienstes  und 
die  Verbeserung  der  Gehaltsverhältnisse  in  wohlwollende  Wür¬ 
digung  ziehen  und  die  notwendig  erscheinenden  Massnahmen 
hierzu  in  die  Wege  leiten.  Sie  beauftragt  ferner  die  Vorstand¬ 
schaft,  die  Weiterentwicklung  dieser  Frage  zu  verfolgen,  zur 
Beratung  über  die  einzelnen  Sparten  des  Medizinalwesens  das 
Material  zu  sammeln  und  vorzubereiten,  sowie  die  hieraus  sich 
ergebenden  Anträge  auf  die  Tagesordnung  der  nächsten  Landes¬ 
versammlungen  zu  setzen.“ 

Medizinalrat  Dr.  G  o  e  t  z -Nördlingen  ist  in  allen  wesentlichen 
Punkten  einverstanden. 

Bezirksarzt  Dr.  Henkel-  München  ist  einverstanden,  wenn 
ausgedrückt  wird,  dass  Beckers  fleissige  und  scharfsinnige  Arbeit 
die  Grundlage  zu  weiteren  Beratungen  bilden  kann  und  Becker 
der  grösste  Dank  gebührt.  Bedenklich  wäre  es  aber,  die  Resolution 
anzunehmen  und  sich  damit  mit  allem  einverstanden  zu  erklären. 
Bezüglich  des  Medizinalamtes  könne  er  beispielsweise  nicht  zu¬ 
stimmen.  Schon  jetzt  sei  der  Wirkungskreis  des  Bezirksarztes  um¬ 
schrieben  und  stehe  ihm  die  Initiative  zu,  und  er  stimme  mit  Becker 
überein,  dass  es  nur  auf  den  Bezirksarzt  ankomme,  was  er  aus  seinem 
Bezirk  mache.  Aber  die  Schaffung  eines  Medizinalamtes  ist  schwach 
begründet.  Der  dienstliche  Apparat  mit  allen  Hilfskräften  würde  zu 
gross  werden. 

Bezirksarzt  Dr.  S  c  h  ii  t  z  -  Vilsbiburg  ist  ebenfalls  gegen  eine 
bedingungslose  Zustimmung  und  spricht  sich  insbesondere  gegen  die 
Aufstellung  von  Amtsgerichtsärzten  aus.  Das  bedeute  eine  schädliche 
Dezentralisation.  Wir  brauchen  weder  bezirksärztliche  Stellvertreter 
noch  Amtsgerichtsärzte,  die  in  unsere  Befugnisse  eingreifen.  Wo 
das  Bedürfnis  besteht,  sollen,  wie  es  bereits  geschieht,  neue  Bezirks¬ 
ämter  errichtet  werden,  aber  keine  Nebenämter  mit  volltönenden 
Titeln.  Die  Zuständigkeit  der  Amtsgerichte  wird  ja  in  der  Haupt¬ 
sache  nur  auf  privatrechtlichem,  nicht  auf  strafrechtlichem  Gebiet 
erweitert  werden. 

Landgerichtsarzt  Dr.  B  u  r  g  1  -  Nürnberg:  Einer  der  wichtigsten 
Vorschläge  ist  die  Loslösung  des  gerichtsärztlichen  Dienstes  und 
Uebertragung  an  das  Ressort  des  Justizministeriums.  Die  von  dem 
Referenten  gut  motivierte  Forderung  ist  sicher  das  richtige.  Es 
wird  immer  gewisse  Punkte  allgemeiner  Art  geben,  wo  auch  das 
Ministerium  des  Innern  in  Betracht  kommt,  wie  z.  B.  die  Grund¬ 
sätze  über  die  Anstellung  der  Amtsärzte,  Statistik,  Durchführung 
der  sanitären  Massnahmen  usw.,  aber  in  erster  Linie  sollen  die  Land¬ 
gerichtsärzte  dem  Justizministerium  unterstellt  werden  und  in  diesem 
soll  ein  Referent  aus  der  Reihe  der  Gerichtsärzte  aufgestellt  werden, 
das  muss  nicht  gleich  ein  Obermedizinalrat,  das  kann  auch  ein  jüngerer 
Herr  sein.  Die  Schaffung  einer  gerichtlichen  Medizinalabteilung 
stünde  vollkommen  im  Einklang  mit  der  Verfügung  vom  26.  IX.  07, 
welche  die  Bildung  eigener  Abteilungen  ;in  den  Ministerien  für  be¬ 
sondere  Geschäftsbereiche  empfiehlt. 

Dr.  Dollmann  -  München  empfiehlt  dem  Referate  und  der  ein- 
gebrachten  Resolution  zuzustimmen.  Den  Titel  Amtsgerichtsarzt 
könne  man  den  bezirksärztlichen  Stellvertretern  ruhig  gönnen. 

Bezirksarzt  Dr.  G  r  a  s  s  1  -  Lindau  befürwortet  doch  eine  gewisse 
Zulassungsfrist  für  das  Physikat,  damit  eine  wohltätige  Selbstauslese 
stattfinde.  Die  Bakteriologie  und  Nahrungsmittelchemie  könne  eine 
Einschränkung,  die  Gewerbehygiene  und  die  soziale  Gesetzgebung 
und  vor  allem  das  Gebiet  der  Demographie  eine  grössere  Berück¬ 
sichtigung  erfahren.  Die  Fortbildungskurse  sind  notwendig,  die  bak¬ 
teriologischen  Kurse  nur  von  geringem  Werte.  Die  Aufstellung  von 
„Amtsgerichtsärzten“  geht  zu  weit.  Dagegen  empfiehlt  sich  wohl,  die 
Kompetenzen  der  Bezirksärzte,  die  zurzeit  mehr  von  der  Gnade  der 
Verwaltungsbeamten  abhängen,  genau  abzugrenzen,  ihnen  mehr  Exe¬ 
kutive  zu  erteilen  und  den  sanitären  Ueberwachungsdienst  unter  eine 
einheitliche  Leitung  zu  stellen.  Man  kann  ausrechnen,  dass  heute 
bereits  auf  98  Einwohner  irgend  eine  „Medizinalperson“  kommt. 
Interessant  sei  bei  einem  Rückblick  auf  die  Gehaltsverhältnisse,  dass 
früher  die  Gehälter  der  Bezirksärzte  und  Assessoren  übereinstimmten, 
das  Verhältnis  sich  aber  immer  mehr  zu  gunsten  der  letzteren  geändert 
habe,  obwohl  die  Erwerbsbedingungen  für  die  Bezirksärzte,  die  nicht 
ihre  ganze  Kraft  dafür  einsetzen  können,  sich  mehr  und  mehr  ver¬ 
schlechtere. 

Bezirksarzt  a.  D.  Dr.  G  a  i  1 1  wünscht,  dass  die  gesamte  Schul¬ 
hygiene  den  Amtsärzten  übertragen  wende. 


2166 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


Kreismedizinalrat  Prof.  Dr.  M  e  s  s  e  r  e  r  -  München :  Schon  in 
der  Kreisversammlung  von  Oberbayern  sind  so  grosse  Meinungsver¬ 
schiedenheiten  über  den  Entwurf  hervorgetreten,  dass  kein  Resultat 
erzielt  wurde.  Ein  so  wichtiger  Gegenstand  kann  durch  ein  so  kurzes 
Referat  nicht  erledigt  werden.  Schon  von  den  bisherigen  Rednern 
sind  grosse  Bedenken  geäussert  worden  bezüglich  des  Medizinal¬ 
amtes,  der  Amtsgerichtsärzte.  Das  Referat  ist  verdienstvoll,  aber 
doch  ist  noch  eine  eingehende  Beratung  erforderlich;  die  Annahme  der 
Resolution  wäre  bedenklich.  Ein  ganz  wesentliches  Bedenken  besteht 
auch  gegen  den  Vorschlag,  dass  die  Landgerichtsärzte  selbst  bakterio¬ 
logische  und  pathologische  Untersuchungen  vornehmen  sollen.  Als 
Angeklagter  würde  ich  dagegen  auf  das  entschiedenste  protestieren. 
Dazu  gehört  mehr  Uebung,  das  können  die  Landgerichtsärzte,  denen 
von  Zeit  zu  Zeit  einmal  eine  Untersuchung  vorkommt,  nicht.  Sehr 
bedenklich  wäre  auch  die  Lostrennung  der  Landgerichtsärzte  vom 
Ministerium  des  Innern.  Ich  war  selbst  15  Jahre  Landgerichtsarzt 
und  würde  sie  sehr  bedauern.  Sie  würden  sich  selbst  ins  Fleisch 
schneiden;  denn  der  segensreiche  Uebergang  zwischen  den  Land¬ 
gerichts-  und  Bezirksärzten  wird  in  Zukunft  sehr  erschwert  sein,  die 
Landgerichtsärzte  werden  einfach  draussen  stehen.  Die  Verbesse¬ 
rungen  werden  sich  auch  so  erreichen  lassen;  wenn  geeignete  An¬ 
träge  kommen,  wird  es  an  der  Bereitwilligkeit  der  beiden  Ministerien 
nicht  fehlen.  Der  Obermedizinalrat  im  Justizministerium  würde  wohl 
eine  beneidenswerte  Stellung  haben,  guten  Gehalt  und  nichts  zu  tun! 
Das  Referat  Beckers  ist  sehr  gut,  aber  verschiedene  Punkte  be¬ 
dürfen  noch  sehr  der  Klärung. 

Medizinalrat  Prof.  Dr.Hofmann  hält  die  Stelle  eines  Medizinal¬ 
referenten  im  Justizministerium  gleichfalls  für  überflüssig,  er  würde  zu 
wenig  zu  tun  haben.  Die  Prüfungsordnung  für  den  Staatsdienst  dürfte 
bereits  in  der  nächsten  Zeit  einer  Revision  unterzogen  werden.  Die 
Gründe  für  die  Abschaffung  der  Wartezeit  sind  einleuchtend,  das  Examen 
kann  im  ersten  Jahr  nach  dem  praktischen  Jahr  stattfinden.  Dass  die 
Errichtung  von  gerichtsärztlichen  Instituten  absolut  und  baldigst  not¬ 
wendig  ist,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Bezüglich  der  Vorbereitungskurse 
müsste  nicht  nur  München  in  Betracht  kommen,  sie  brauchen  auch  nicht 
obligatorisch  zu  sein,  manche  Kandidaten  bestehen  das  Examen  gut 
auch  ohne  solche  Kurse.  Die  Ungleichheit  der  Aufgaben  für  die  schrift¬ 
lichen  Arbeiten  ist  allerdings  misslich,  man  möchte  auf  diese  aber 
doch  nicht  ganz  verzichten,  sie  geben  doch  manche  Aufschlüsse  über 
die  Fähigkeit,  sich  in  ein  Gebiet  einzuarbeiten  und  schriftlich  aus¬ 
zudrücken.  Mancher  Landarzt  liefert  ausgezeichnete  Arbeiten  und 
mancher  Arzt  in  einer  Universitätsstadt  ganz  ungenügende.  Wir 
wollen  uns  nicht  so  sehr  ereifern,  um  das  oder  jenes  an  dem  Referat 
auszusetzen,  wir  wollen  sagen,  so  denkt  die  Mehrzahl  der  Amtsärzte, 
es  vorlegen  und  abwarten,  was  herauskommt. 

Bezirksarzt  Dr.  Schütz-  Vilzbiburg:  Schwierigkeiten  bezüglich 
des  Uebergangs  von  dem  Bereich  der  Justiz  in  den  der  Verwaltung  be¬ 
stehen  jetzt  schon.  Einem  jungen  Kollegen,  der  als  Gefängnisarzt  in 
Kaisheim  angestellt  wurde,  ist  das  bereits  amtlich  bedeutet  worden. 

(Zwischenruf:  Wenn  man  das  nur  schon  früher  getan  hätte!) 

Ein  Missstand  ist  die  Qualifikation  der  Bezirksärzte  durch  die  Be¬ 
zirksamtmänner;  sie  sollte  nur  durch  die  übergeordnete  Kreisregierung 
erfolgen.  Zu  wünschen  wäre  eine  grössere  Selbständigkeit  der  Be¬ 
zirksärzte  für  Kommissionen  und  die  Gewährung  eines  Reiseaver- 
sums. 

Bezirksarzt  Dr.  Henkel:  Es  bestehen  jedenfalls  verschiedene 
Meinungen  und  die  Notwendigkeit,  die  Gegenstände  noch  weiterhin 
zu  beraten,  aber  sicher  auch  der  Wunsch,  das  Referat  bald  zur  Kennt¬ 
nis  der  Regierung  zu  bringen.  Es  empfiehlt  sich  vielleicht  den  ersten 
Satz  der  Resolution  etwa  so  zu  fassen:  Die  Versammlung  stimmt 
darin  überein,  die  wichtigen  Vorschläge,  wie  sie  in  den  Leitsätzen 
Di.  Becker  s  enthalten  sind,  der  Regierung  in  Vorlage  zu  bringen 
und  erachtet  es  als  Pflicht,  die  Vorschläge  im  Medizinalbeamten¬ 
verein  weiter  in  Beratung  zu  ziehen. 

Bezirksarzt  Dr.  Gr  über  schlägt  für  ddn  ersten' Satz  der  von 
ihm  eingebrachten  Resolution  folgende  Fassung  vor: 

Die  Versammlung  erklärt  sich  mit  den  Leit¬ 
sätzen  über  den  amtsärztlichen  Dienst...  inso¬ 
weit  einverstanden,  als  sie  in  ihnen  eine  ge¬ 
eignete  Grundlage  für  eine  Medizi tfalreform  er¬ 
blickt. 

Der  Vorsitzende  schlägt  im  Einverständnis  mit  dem  Referenten 
den  Zusatz  vor:  „unbeschadet  von  Meinungsverschiedenheiten  über 
einzelne  Punkte“. 


B 


Nach  weiteren  Bemerkungen  der  Herren  Schütz,  Dollman 
a  n  alt  -  Würzburg  und  Dietsch-Hof  betont. 

Bezirksarzt  Dr.  A  1  a  f  b  e  r  g  -  Ludwigshafen,  dass  eigentlich  ni 
eine  krage  strittig  sei,  die  wegen  der  unglücklichen  bezirksärztliche 
Stellvertreter,  sonst  seien  keine  erheblichen  Bedenken  voi 
handen. 

Bezii ksarzt  Dr.  G  r  u  b  e  r:  Auch  über  diese  sind  wir  wohl  dahi 
einig,  dass  ihre  Stellung  reformbedürftig  ist. 

Dr.  Becker  (Schlusswort):  Die  Differenzpunkte  sind  eigentlic 
recht  geringfügig.  Bei  den  Vorbereitungskursen  wäre  es  nicht  richtij 
es  den  Kandidaten  zu  überlassen,  wo  sie  ihre  Kenntnis  holen  woher 
der  Staat  muss  wünschen,  dass  die  Leute  Gelegenheit  haben,  das  un 
jenes  zu  lernen,  was  der  Staatsdienst  erfordert.  Gute  Examina  ohn 
die  Kurse  sind  Ausnahmen  und  betreffen  wohl  nur  die  mündlich 
I  nnung.  Wegen  der  bezirksärztlichen  Stellvertreter  besteht  di 
Meinungsdifferenz  darin,  dass  man  Ihnen  alles  nehmen  und  den  Be 


zirksärzten  alles  geben  will.  Wenn  das  im  öffentlichen  Interesse 
wäre,  hätte  ich  das  auch  vorgeschlagen.  Den  Dienst  an  den  aus¬ 
wärtigen  Amtsgerichten  kann  der  Bezirksarzt  nicht  versehen,  die  Be¬ 
hörden  bedürfen  da  eines  ortsansässigen  Sachverständigen.  Dieser 
soll  dann  auch  einen  Titel  bekommen,  welchen,  ist  schliesslich  gleich; 
so  volltönend  ist  der  Titel  Amtsgerichtsarzt  doch  nicht;  im  übrigen 
heisst  ja  auch  der  Vorstand  der  kleinsten  Gemeinde  Bürgermeister, 
so  gut  wie  der  Bürgermeister  von  München.  Was  die  Untersuchungen 
durch  die  Landgerichtsärzte  angeht,  so  sind  sie  durchführbar,  wenn 
sich  der  Betreffende  öfter  damit  zu  befassen  hat.  Ich  muss  staunen, 
dass  man  ihnen  diese  Fähigkeit  abspricht  und  sogar  von  einem  Protest 
der  Angeklagten  redet.  Es  wäre  doch  merkwürdig,  Wenn  demnächst 
in  einem  Prozess  ein  Anwalt  für  seinen  Klienten  protestieren  würde 
mit  Berufung  auf  die  heutigen  Ausführungen  des  Vertreters  der  Re¬ 
gierung.  Man  hat  den  Obermedizinalrat  im  Justizministerium  als  » 
Privatier  bezeichnet.  Man  kann  es  sich  in  jeder  Stellung  leicht  oder 
schwer  machen.  Die  regelmässige  ärztliche  Untersuchung  der  Ge¬ 
richtsgefängnisse  und  Strafanstalten  hat  bisher  fast  ganz  gefehlt,  es 
dürfte  dort  gewiss  manchmal  Nachschau  gehalten  werden.  Hoffentlich 
wird  sich  das  Justizministerium  nicht  auf  denselben  ablehnenden 
Standpunkt  stellen.  Die  Uebertragung  der  gesamten  sanitären  Auf¬ 
sicht  an  eine  besondere  Behörde,  das  Medizinalamt,  würde  jedenfalls 
einen  Fortschritt  bedeuten.  Ueber  die  Qualifikation  der  Bezirksärzte 
hat  sich  seinerzeit  auf  eine  Interpellation  des  Abgeordneten  Söldner 
im  Landtag  der  Minister  Graf  Feilitzsch  bündig  dahin  geäussert, 
dass  die  Bezirksärzte  den  Bezirksamtmännern  koordiniert,  nicht  sub¬ 
ordiniert  sind,  und  dass  eine  Qualifikation  durch  das  Bezirksamt 
nicht  stattfindet.  Wenn  Bezirksarzt  Grassl  das  organische  Edikt 
vom  Jahre  1808  wiederhergestellt  wissen  will,  so  kann  man  ihm  zu¬ 
sammen,  sofern  er  nicht  an  die  Wiederherstellung  des  Wortlautes, 
sondern  an  die  des  Geistes  denkt.  Es  ist  zu  verwundern,  dass  der 
Vertreter  der  Regierung  gegen  die  Annahme  der  Resolution  ge¬ 
sprochen  hat,  gerade  als  wenn  die  Regierung  ein  Interesse  daran  hätte, 
dass  kein  einmütiger  Beschluss  zustande  komme.  Die  Meinungsver¬ 
schiedenheiten  sind  jedenfalls  geringfügig,  sie  schaden  nicht  und  es 
ist  nur  gut,  wenn  die  Staatsregierung  alle  Meinungen  kennen  lernt; 
es  ist  nur  das  eine  zu  wünschen,  dass  die  Sache  weiter  verfolgt  und 
mit  der  Ausgestaltung  des  Medizinalwesens  ein  grosser  Schritt  vor¬ 
wärts  getan  wird. 

Kreismedizinalrat  Prof.  Dr.  Messerer  zur  Berichtigung:  Ich 
habe  nur  als  Gast  und  nicht  als  Vertreter  der  Regierung  meine  per¬ 
sönliche  Ansicht  ausgesprochen.  Meinen  Worten  über  die  Land¬ 
gerichtsärzte  ist  ein  Sinn  beigelegt  worden,  den  sie  nicht  hatten. 

Nach  Verlesung  der  Resolutionen  G  r  u  b  e  r  und  Henkel  wird 
die  er  stere  in  ihrer  modifizierten  Fassung  mit 
allen  gegen  3  Stimmen  angenommen. 

Mit  dem  besten  Dank  an  die  Gäste,  die  Referenten  und  die  Dis¬ 
kussionsredner  schliesst  der  Vorsitzende  nach  5%  Uhr  die  Versamm- 
lung.  Bgt. 


Verschiedenes. 

Aerztliche  Gebühren. 

Unter  diesem  Titel  bespricht  der  Kgl.  Amtsrichter  A.  Ei  b  e  c  k  e  r 
zu  Deggendorf  in  No.  17  und  18  der  „Z  e  i  t  s  c  h  r  i  f  t  f  ü  r  Rechts¬ 
pflege  in  Bayer  n“  (1907)  zwei  strittige  Punkte  der  Verordnung 
vom  17.  November  1902  „Gebühren  für  ärztliche  Dienstleistungen  bei 
Behörden  betreffend“. 

1.  Der  erste  Streitpunkt  betrifft  die  Berechtigung  der  Entschädi¬ 
gung  für  den  Zeitaufwand  in  der  Zeit  vonder  Ankunft  amGe- 
schäftsorte  —  Gerichtssitze  etc.  —  bis  zu  Beginn  des 
1  ermins  oder  des  Dienstgeschäftes. 

Nach  Entscheidung  des  Obersten  Landesgerichtes  (11.  Februar 
1904)  kann  eine  Entschädigung  für  diese  Zeit  nicht  verlangt  werden, 
weil  in  der  Gebührenordnung  (§  3  Abs.  II)  eine  solche  Vergütung  nicht 
vorgesehen  ist,  denn  dort  ist  nur  von  einer  Entschädigung  des  Zeit¬ 
aufwandes  für  die  „Wartezeit  bis  zum  Abgang  des  Beförderungs¬ 
mittels“,  also  die  Zeit  von  Beendigung  des  Dienstgeschäftes  bis  zum 
Abgang  des  Beförderungsmittels  die  Rede. 

Der  Vei  fassei  weist  nun  auf  die  Härte  hin,  welche  diese  Aus¬ 
legung  des  §  3  enthält,  insoferne  der  Arzt,  wenn  er  aus  irgend  welchen 
Gründen  bereits  am  Abend  vor  dem  Termin  an  den  Gerichtsort  ab- 
i eisen,  dort  auf  seine  Kosten  übernachten  müsse;  er  erwähnt  dabei 
noch  das  Beispiel  von  zwei  aufeinander  folgenden  selbständigen 
agesterminen :  Fährt  ein  Arzt  nach  Beendigung  des  ersten  Termins 
nach  Hause  zurück,  um  vielleicht  auch  schon  nach  14  stündigem  Auf¬ 
enthalte  zu  Hause  die  Reise  nach  dem  Terminsorte  wieder  antreten 
zu  müssen  so  bekommt  er  wenigstens  die  Entschädigung  für  Zeitauf¬ 
wand  auf  der  Hin-  und  Herreise,  während  der  Arzt,  welcher  am  Ge¬ 
richtsorte  bleibt,  für  die  Zeit  von  Beendigung  des  ersten  Termins 
us  zum  Beginn  des  nächsten  1  agestermins  eine  Entschädigung  weder 
für  die  versäumte  Zeit  noch  für  die  gehabten  Auslagen  erhält. 
a  -P™  P'ffSe  ^gleichen  aufzuheben,  haben  bisher  manche  Gerichte 
damit  abhelfen  wollen,  dass  man  auch  demjenigen  auswärtigen  Arzte, 
der  bis  zum  Beginn  des  zweiten  Termins  am  Gerichtssitze  blieb,  eine 
K  e  i  s  e  entschädigung  zuwies,  die  erwachsen  wäre,  wenn  der  Sach¬ 
verständige  in  der  Zwischenzeit  vorübergehend  heimgereist  wäre, 
i  l-  a  ieSM  AusRsiing  wird  seitens  des  Verfassers  als  unzulässig  er¬ 
klärt,  weil  es  nicht  angeht,  für  eine  Reise,  die  gar  nicht  gemacht 


22.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2167 


wird  eine  Zeitaufwandsentschädigung  zu  gewähren;  er  hält  auch 
diese  Verlegenheitsentschädigungen“  gar  nicht  für  notwendig.  Der 
Verf  vertritt  nämlich  die  Anschauung,  dass  durch  §  17  der  Verordnung 
vom  17.  November  1906  keineswegs  die  Bestimmungen  der  §§  3  und  5 
der  Reichsgebührenordnung  für  Zeugen  und  Sachverständige  vom 
30,  Juni  1878,  bezw.  20.  Mai  189S  aufgehoben  seien,  welche  die  all¬ 
gemeine  Norm  bezüglich  Begriffs  Zeitaufwand  und  Entschädigung 
desselben  für  Zeugen  und  Sachverständige  aufstellen. 

Es  kann  hier  nicht  näher  auf  die  Begründung  eingegangen 
werden,  welche  der  Verf.  in  eingehender  Weise  für  seine  Auffassung 
bringt;  es  darf  aber  hier  darauf  hingewiesen  werden,  dass  die  gleiche 
Auffassung  bereits  in  unserem  Werkchen:  „S  p  a  e  t  -  S  t  e  n  g  1  e  i  n: 
Das  ärztliche  Gebührenwesen  in  Bayern“  1903,  S.  217 
vertreten  ist;  sie  wurde  von  mir  näher  vertreten  in  der  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  6,  1904. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  diese  Art  der  Lösung  strittiger 
Frage  namentlich  dem  Nichtjuristen  als  die  natürlichste  erscheint; 
es  ist  erfreulich,  dass  nunmehr  auch  von  einem  Juristen  mit  aller 
Entschiedenheit  für  diese  Auffassung  eingetreten  wird,  ob  diese  Aus¬ 
legung  aber  in  Zukunft  von  den  entscheidenden  Gerichtsorganen  an¬ 
genommen  wird,  namentlich  ob  das  Oberste  Landesgericht  seine  Ent¬ 
scheidung  vom  11.  Februar  1904  wieder  ändert,  das  erscheint  vorerst 
noch  fraglich. 

2.  Der  zweite  Punkt  betrifft  die  Entschädigung  ärztlicher  Sach¬ 
verständiger  für  Aktenstudien;  die  meisten  Gerichte  haben  bis¬ 
her  eine  Entschädigung  hierfür  abgelehnt;  erst  in  neuerer  Zeit  ist  das 
Landgericht  München  I  zur  Bejahung  der  Honorierungsfrage  unter  ge¬ 
wissen  Voraussetzungen  gekommen  und  der  II.  Z.S.  des  O.L.G. 
München  hat  unterm  27.  Dezember  1906  ausgesprochen,  dass  man 
einem  Sachverständigen  ein  unentlohntes  Studium  umfangreicher 
Akten  nicht  zumuten  könne.  Die  Tätigkeit  des  Aktenstudiums  setzt 
das  O.L.G.  der  Ab  Wartung  eines  gerichtlichen  Ter¬ 
mins  gleich  und  kommt  damit  zu  einer  sinngemässen  Anwendung 
der  Ziffer  14  der  V.O.  vom  17.  XI.  02. 

Verf.  hält  jedoch  auch  diesen  Ausweg  nicht  für  einwandfrei,  weil 
einzuwenden  ist,  dass  in  Wirklichkeit  kein  Termin  stattgefunden 
hat,  wesshalb  es  auch  keine  Ter  m  i  n  gebühr  geben  kann. 

Anderseits  ist  aber  Verf.  der  Anschauung,  dass  im  Interesse  der 
Rechtspflege  und  auch  aus  finanziellen  Gründen  eine  Entlohnung  der 
Sachverständige  für  längeres  Aktenstudium  erfolgen  müsse,  weil  sonst 
die  Gefahr  besteht,  dass  Aerzte  das  häusliche  Aktenstudium  ab¬ 
lehnen  und  dem  Gerichte  es  zuschieben,  ihnen  den  Akteninhalt 
i  n  e  i  n  e  r  Reihe  von  Terminen  mitzuteilen,  wozu  sie  zweifel¬ 
los  berechtigt  sind. 

Nach  Anschauung  des  Verf.  ist  übrigens  der  am  O.L.G.  gewählte 
Ausweg  gar  nicht  nötig,  hier  kämen  ebenso  wie  bei  der  Frage  der 
Entschädigung  für  den  dort  besprochenen  Zeitaufwand  die  Bestim¬ 
mungen  der  §§  3  und  5  der  Reichsgebührenordnung  für  Zeugen  und 
Sachverständige  in  Betracht:  also  Entschädigung  für  den  durch  Akten¬ 
studium  bewirkten  Zeitaufwand  —  2  M.  für  die  Stunde  bis  zur  Maxi¬ 
malgrenze  von  10  Stunden  im  Tage. 

Die  Einordnung  des  Aktenstudiums  unter  Ziff.  7  (als  eine  Unter¬ 
art  ärztlicher  Untersuchung  und  Beobachtung)  hält  Verfasser  neben 
anderem  auch  deshalb  für  unangezeigt,  weil  bei  grösserem  Akten¬ 
studium  eine  recht  ungenügende  Entlohnung  sich  ergeben  würde  — 
man  hat  eine  des  Arztes  recht  unwürdige  Stundenentschädigung 
von  20  Pfennig.  — 

Um  solche  Unzukömmlichkeiten  zu  vermeiden,  wurden  bisher 
die  Gutachter  angewiesen,  von  Fall  zu  Fall  beim  Justizministerium 
um  die  Erhöhung  der  Gebühr  nachzusuchen.  Dass  der  vom  Verfasser 
gegebene  Ausweg  den  Vorzug  verdient,  wird  nicht  bestritten  werden 
können,  auch  ich  habe  in  dem  oben  erwähnten  Artikel  der  Münch, 
med.  Wochenschr.  (No.  6,  1904)  mich  dahin  ausgesprochen,  dass  eine 
derartige  Beschwerdeführung  bei  jedem  einzelnen  Falle  für  die  be¬ 
teiligten  Aerzte  als  auch  namentlich  für  die  zuständigen  Behörden 
fortwährende  Gesuche  und  Verbescheidung  derselben  verursacht,  eine 
Geschäftsvereinfachung  somit  nicht  ist. 

S  p  a  e  t  -  Fürth. 


Verstellbares  Bruchband. 


AUTOKRAT  ^cs  ^cscn 


Der  Fabrikant  Trechknann  bringt  ein  neues  Bruchband 
den  Handel,  dessen  Pelotte  sich  in 
jede  gewünschte  Stellung  bringen  lässt. 

Die  Pelotte  kann  durch  eine  sinnreiche 
Vorrichtung  sowohl  nach  einwärts  und 
auswärts,  wie  nach  auf-  und  abwärts 

verschoben  werden.  Ein  Versuch  mit  u 

dem  Bruchbande  in  geeigneten  Fällen  scheint  gerechtfertigt 


in 


;  \ 


Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  215.  Blatt  der  Galerie  bei:  Eduard 
Hitzig.  Vergleiche  den  Nekrolog  auf  Seite  2144. 


Therapeutische  Notizen. 

Ueber  Finsens  Hämatin-Albumin  berichtet  Max 
Weissbart-München  im  „Zentralbl.  f.  d.  gesamte  Therapie“, 
Oktoberheft.  Er  zitiert  eine  Analyse  verschiedener  Eiweiss-Eisen- 
präparate  aus  dem  F  r  e  s  e  n  i  u  s  sehen  Laboratorium,  aus  der  her¬ 
vorgeht,  dass  sowohl  das  Hämoglobin  als  auch  das  Eisen  in  diesem 
Präparat  im  Vergleich  zu,  einer  Reihe  anderer  analoger  Präparate 


viel  billiger  bezahlt  wird.  So  kosten  1ÜÜ  g  Hämoglobin  in 
Krewels  Sanguinapillen  M.  77.70,  beim  Hommel  sehen 
Hämatogen  M.  6.69,  beim  Perdynamin  M.  24.69  und  beim 
F  i  n  s  e  n  sehen  Hämatin-Albumin  nur  M.  2.74,  während  sich 
der  Preis  eines  Grammes  Eisen  bei  diesen  Präparaten  auf  M.  12.76 
(S  an  gu  in  alp'illen),  M.  19.01  (Hämatogen),  M.  41,49  (Per- 
dynamin)  und  nur  M.  7.26  beim  Hämatin-Albumin  beläuft. 
Weissbart  hat  das  Mittel  bei  allen  jenen  Kranken  verordnet,  bei 
welchen  er  eine  Kräftigung  des  Organismus  erstrebte,  so  vor  allem 
in  der  Rekonvaleszenz.  Auch  zur  Hebung  des  Appetites  wurde  es  mit 
bestem  Erfolge  gegeben.  Namentlich  in  Fällen  von  Chlorose  und 
sekundärer  Anämie  hat  das  Mittel  „vorzügliche  Dienste  ge¬ 
leistet“.  Beträchtliche  Gewichtszunahmen  wurden  bei  Ge¬ 
sunden,  denen  das  Hämatin-Albumin  zu  diesem  Zwecke  ver¬ 
abreicht  wurde,  konstatiert.  Wegen  seiner  leichten  Verdaulichkeit 
und  guten  Assimilierbarkeit  gab  Weissbart  das  Präparat 
anämischen  Kindern,  gerade  in  diesen  Fällen  hat  sich  dasselbe  am 
schönsten  bewährt;  niemals  wurden  irgend  welche  unerwünschte 
Nebenwirkungen  beobachtet.  Das  Mittel  wird  von  der  chemischen 
Fabrik  FeustellNachf.  in  Altona-Bahrenfeld  hergestellt  und  zwar 
in  Pulverform  oder  als  Tabletten.  Weissbart  gibt  bei  Kindern 
in  —  alle  drei  Tage  —  steigender  Weise  täglich  3  mal  2—8  Tabletten, 
bei  Erwachsenen  ■ — -  gleichfalls  alle  drei  Tage  steigend  —  dreimal  täg¬ 
lich  3 — 12  Tabletten,  etwa  Vs  Stunde  nach  dem  Essen  mit  oder  ohne 
etwas  Wasser  oder  dergl.  Der  Gebrauch  des  Präparates  kann  be¬ 
liebig  lange  in  der  erreichten  Maximaldosis  fortgesetzt  werden.  F.  L. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  21.  Oktober  1907. 

—  In  Preussen  und  Bayern  wird  zurzeit  die  Frage  der  Feuer¬ 
bestattung  wieder  lebhaft  erörtert;  dort,  weil  eine  bevorstehende 
Entscheidung  des  Oberverwaltungsgerichts  die  endliche  Freigabe  der 
Feuerbestattung  zu  bringen  verspricht,  hier,  weil  ein  Gesuch  der 
Feuerbestattungsvereine  München  und  Nürnberg  um  Zulassung  der 
Feuerbestattung  vom  Ministerium  des  Innern  abermals  abschlägig 
verbeschieden  wurde.  Allerdings  erklärte  der  Minister  in  der  Kammer 
es  für  zweifelhaft,  ob  auf  die  Dauer  die  Nichtzulassung  der  Leichen¬ 
verbrennung  sich  werde  halten  lassen,  da  es  kein  befriedigender  Zu¬ 
stand  sei,  dass  zahlreiche  Leichen  (aus  München  allein  im  Jahre  1907 
85)  zum  Zwecke  der  Verbrennung  nach  auswärts  gebracht  würden. 
Vorläufig  aber  ist  die  Frage  für  Bayern  wieder  auf  längere  Zeit  ver¬ 
tagt.  Massgebend  für  die  Ablehnung  -  waren  offenbar  politische 
Gründe,  d.  h.  die  Rücksicht  auf  die  die  Feuerbestattung  perhorres- 
zierende  Landtagsmehrheit.  Die  Regierung  stellte  sich  daher  auf  den 
rein  formalen  Standpunkt,  dass  die  Voraussetzung  für  die  Gestattung 
der  Leichenverbrennung  eine  Aenderung  des  Art.  61,  3  des  Polizei¬ 
strafgesetzbuches  sei,  die  vorzunehmen  aber  zurzeit  nicht  angezeigt 
sei.  Unter  den  Gründen  der  Ablehnung  spielt  auch  die  Sicherung  der 
Strafrechtspflege,  die  Möglichkeit,  dass  durch  die  Verbrennung  die 
Spuren  eines  Verbrechens  aus  der  Welt  geschafft  würden,  wieder  eine 
Rolle.  Tatsächlich  liegt  darin  auch  das  einzige  vernünftige  Bedenken, 
das  man  vom  Standpunkte  des  Staates  aus  gegen  die  Feuerbestattung 
haben  kann.  Es  muss  aber  immer  wieder  betont  werden,  dass  durch 
geeignete  Vorschriften  über  die  Feststellung  der  Todesursache  dieses 
Bedenken  nicht  nur  vollständig  zerstreut  wird,  dass  vielmehr  in  der 
Aera  der  Feuerbestattung,  die  ja  doch  kommen  wird,  infolge  der 
besseren  Feststellung  der  Todesursache  manches  Verbrechen  recht¬ 
zeitig  entdeckt  werden  wird,  an  das  bei  den  derzeitigen  Leichenschau¬ 
verhältnissen  kein  Mensch  denkt.  München  steht  zurzeit  unter  dem 
Eindrücke  des  grässlichen  Falles,  dass  ein  14  jähriges  Dienstmädchen 
in  kurzer  Aufeinanderfolge  5  ihrer  Obhut  anvertraute  Kinder  durch 
Nadelstiche  in  das  Gehirn  tötete.  Die  Opfer  wurden  nach  ordnungs¬ 
gemäss  vollzogener  Leichenschau  ahnungslos  zur  Erde  bestattet. 
Erst  durch  die  Häufung  der  Fälle  wurde  der  Verdacht  eines  Arztes 
wachgerufen.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  unter  der  Herrschaft  der  Vor¬ 
schriften  zur  Feststellung  der  Todesursache,  wie  sie  die  Feuer¬ 
bestattung  -zur  Voraussetzung  hat,  ein  solcher  Fall  unmöglich  gewesen 
wäre;  schon  beim  ersten  Todesfall  wäre  das  Verbrechen  durch  die 
Sektion  entdeckt  worden.  Ja  man  darf  annehmen,  dass  beim  blossen 
Bestehen  solcher  Vorschriften  manches  Verbrechen  ungeschehen 
bliebe,  das  jetzt  im  Vertrauen  auf  die  Unzulänglichkeit  unserer 
Leichenschau  riskiert  wird.  Die  Strafrechtspflege  würde  also  nicht 
nur  keinen  Schaden,  sondern  sicher  den  grössten  Nutzen  von  der 
Einführung  der  Feuerbestattung  haben. 

Man  kann  nun  einwenden,  dass  die  Einführung  wirksamerer  Vor¬ 
schriften  zur  Feststellung  der  Todesursache  auch  unabhängig  von  der 
Feuerbestattung  möglich  wäre.  Das  ist  richtig.  Da  jedoch  dieselben 
religiösen  Vorstellungen,  die  der  Feuerbestattung  entgegenstehen,  auch 
die  Sektion  der  Leichen,  wenn  auch  nicht  verbieten,  so  doch^  er¬ 
schweren,  so  ist  auch  darauf  nicht  zu  rechnen.  Von  ärztlicher  Seite 
darf  allerdings  der  Hinweis  nicht  unterbleiben,  dass  die  Leichenschau, 
wie  sie  zurzeit  geübt  wird,  nur  der  Konstatierung  des  eingetretenen 
Todes  dient,  dass  sie  aber  zur  Feststellung  der  Todesursache, 
also  auch  zur  Entdeckung  eines  Verbrechens,  soweit  es  sich  nicht  um 
auffallende  äussere  Verletzungen  handelt,  nicht  ausreicht.  Sollen  also 
Fälle,  wie  der  eben  erwähnte,  unmöglich  gemacht  werden,  so  wäre 
eine  Revision  der  Leichenschauordnung  nötig,  die  darin  zu  gipfeln 
hätte,  dass  in  allen  Fällen,  in  denen  die  Todesursache  nicht  mit  Sicher- 


2168 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  43. 


heit  ärztlich  festgestellt  werden  kann,  die  Sektion  vorzunehmen  wäre. 

—  Münchener  Aerzte  erhalten  zurzeit  ein  vertrauliches  Rund¬ 
schreiben  eines  Diplomingenieurs  Hans  Hagen,  Institut  für  elektro- 
medlzinische  Apparate  in  München,  in  welchen  für  Apparate  im  Preise 
von  über  20  M.,  die  auf  Empfehlung  eines  Arztes  hin  gekauft  werden, 
dem  betr.  Arzte  eine  Provision  von  3373  Proz.  in  Aussicht  ge¬ 
stellt  wird.  Ein  derartiges  Anerbieten  ist  eine  Beleidigung  der  Aerzte, 
denen  es  gemacht  wird;  denn  es  hält  die  Aerzte  für  fähig,  statt  im 
ausschliesslichen  Interesse  ihrer  Patienten,  um  der  Provision  willen 
ihre  Verordnungen  zu  treffen.  Erfreulicherweise  pflegen  solche  An¬ 
erbieten  ihren  Zweck  stets  vollkommen  zu  verfehlen. 

—  Als  Tag  des  diesjährigen  Zusammentritts  der  bayerischen 
Aerztekammern  wurde  durch  Ministerialentschliessung  Montag 
der  4.  November  bestimmt. 

—  Robert  Koch  hat  am  15.  ds.  die  Heimreise  aus  Afrika 
von  Mombassa  aus  angetreten.  Seine  Untersuchungsstationen  in 
Uganda  sind  von  der  britischen  Regierung  übernommen  worden. 

—  Die  Senckenbergische  Naturforschende  Ge¬ 
sellschaft  zu  Frankfurt  a.  M.  ernannte  anlässlich  der  Einweihung 
ihres  neuen  Naturhistorischen  Museums  folgende  Herren  zu  ihren  kor¬ 
respondierenden  Mitgliedern;  Dr.  Charles  Barrois  in  Lille,  Prof. 
H.  E.  B  u  m  p  u  s  in  New  York,  Dr.  med  et  phil.  G.  E  i  s  c  h  e  r  in  Jena, 
Geheimrat  Prof.  Dr.  v.  G  r  o  t  h  in  München,  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr. 
O.  Hertwig  in  Berlin,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  R.  Hertwig  in 
München,  Prof.  Dr.  Ray-  Lancester,  Direktor  des  British  Museum 
of  Natural  History  in  London,  Geheimrat  Prof.  Dr.  W.  Pfeffer  in 
Leipzig,  Geheimrat  Prof.  Dr.  Steinmann  in  Bonn,  Prof.  Dr. 
Treub  in  Buitenzorg  auf  Java,  Geh.  Hof  rat  Prof.  Dr.  J.  Wiesner 
in  Wien  und  Geheimrat  Prof.  Dr.  F.  Zirkel  in  Leipzig. 

—  Cholera.  Russland.  Nach  den  Ausweisen  im  „Regierungs¬ 
boten“  sind  vom  25.  September  bis  einschl.  2.  Oktober  an  der  Cholera 
782  Personen  erkrankt  und  376  gestorben.  In  das  Alexanderhospital 
zu  Kiew  wurden  am  5.  Oktober  2  choleraverdächtige  Kranke  auf¬ 
genommen,  von  denen  der  eine  am  Tage  darauf  starb.  Die  bakterio¬ 
logische  Untersuchung  ihrer  Entleerungen  ergab  das  Vorhandensein 
von  Kommabazillen.  Am  7.  Oktober  wurden  4  weitere,  am  8.  und  9. 
noch  9  choleraverdächtige  Kranke  in  das  Hospital  aufgenommen. 
Die  Erkrankten  hatten  in  verschiedenen  Stadtteilen  gewohnt.  — 
Straits  Settlements.  In  Singapore  wurden  vom  4.  bis  10.  September 
5  Cholerafälle  mit  tödlichem  Ausgange  gemeldet. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  29.  September  bis  5.  Oktober  in  Ale¬ 
xandrien  3  neue  Erkrankungen  und  3  Todesfälle,  am  5.  Oktober  im 
Bezirk  Beni  Mazar  2  Erkrankungen.  —  Algier.  Zufolge  einer  Mit¬ 
teilung  vom  7.  Oktober  waren  in  Oran  seit  dem  1.  Oktober  2  neue 
Pestfälle  vorgekommen;  die  bisher  angeordneten  Vorsichtsmassregeln 
wurden  in  vollem  Umfange  aufrecht  erhalten.  —  Britisch-Ostindien. 
Während  der  beiden  Wochen  vom  25.  August  bis  7.  September  sind 
in  ganz  Indien  4627  +  6390  Personen  an  der  Pest  gestorben  und  6953 
7  9556  neue  Erkrankungen  gemeldet.  In  Kalkutta  starben  vom 
25.  August  bis  7.  September  9  Personen  an  der  Pest.  In  Moulmein 


sind  vom  1.  bis  14.  September  14  Personen  der  Pest  erlegen.  —  China. 
In  der  Mandschurei  hat  zufolge  einer  Mitteilung  vom  25.  September 
die  Pest  in  Kaiping  grössere  Verbreitung  gewonnen.  Chinesische 
Zeitungen  meldeten  auch  ein  Uebergreifen  der  Seuche  nach  Liaoyang, 
wo  ihr  bereits  über  100  Chinesen  und  etwa  10  Japaner  erlegen  sein 
sollen.  In  Port  Arthur  und  in  Kirin  soll  die  Pest  ebenfalls  ausgebrochen 
sein.  —  Britisch-Südafrika.  In  der  Kapkolonie  sind  in  der  Einge¬ 
borenenniederlassung  von  Cathcart  während  der  letzten  Augustwoche 
4  Personen  an  der  Pest  erkrankt.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika. 
Neueren  Mitteilungen  zufolge  waren  in  San  Franzisko  vom  12.  August 
bis  zum  21.  September  insgesamt  38  Personen  an  der  Pest  erkrankt 
und  22  gestorben.  Die  Pestfälle  haben  sich  in  ihrer  überwiegenden 
Mehrzahl  im  Italiener-  und  Chinesenviertel  gezeigt.  —  Neu-Stid- 
Wales.  Nachdem  bis  zum  19.  Mai  während  des  laufenden  Jahres 
in  Sydney  und  Umgebung  43  Pestfälle  festgestellt  worden  waren,  galt 
dort  Ende  August  die  Pest  als  erloschen. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  29.  Sep¬ 
tember  bis  5.  Oktober  sind  29  Erkrankungen  (und  18  Todesfälle)  an¬ 
gezeigt  worden. 

—  In  der  40.  Jahreswoche,  vom  29.  September  bis  5.  Oktober 
1907,  hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
^ Deuthen  mit  27,3,  die  geringste  Malstatt-Burbach  mit 
8,9  1  odesfallen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Bonn. 

m  u  N  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

n  B5rAi  !u  ,  De™  ?xtabsarzt  an  der  Kaiser  Wilhelms-Akademie, 
i.  nied.  Wilhelm  H  o  f  f  m  a  n  n,  Schriftführer  der  Hygieneausstellung 
im  Reich stagsgebäude,  wurde  das  Prädikat  Professor  verliehen  (hc  ) 

Je  na.  Dr.  med.  Theodor  Meyer  (aus  Kiel)  hat  sich  mit  einer 
I  robevorlesung  über  „Das  medizinische  Wissen  der  Griechen  vor 
l.ippokrates  als  I  rivatdozent  in  der  medizinischen  Fakultät  der  Uni¬ 
versität  Jena  niedergelassen,  (hc.) 

Kiel  Als  Nachfolger  des  vom  Lehramt  zurücktretenden 
Direktors  der  chirurgischen  Klinik  Professor  Dr.  Helfe  rieh  sind 
vorgeschlagen .  L  e  x  e  r  -  Königsberg,  Payr  -  Greifswald  und  Per¬ 
thes-  Leipzig. 


Marburg.  Dem  Privatdozenten  für  innere  Medizin  und  Ober¬ 
arzt  an  der  medizinischen  Klinik  der  Universität  Marburg,  Dr.  med 
Otto  Hess,  ist  der  Professortitel  verliehen  worden,  (hc.)  ’ 


Kopenhagen.  Habilitationen:  Dr.  Axel  Borgbjärg 
(Habilitationsschrift:  Die  Bedeutung  der  Magenfunktionsuntersuchung 
für  die  Diagnose  von  Ulcus  ventriculi)  und  Dr.  V.  J.  Harslöf 
(Habilitationsschrift:  Die  operative  Behandlung  von  Ulcus  ventriculi. 
seine  Komplikatonen  und  näheren  Folgen,  ein  Abschnitt  der  jetzigen 
Stellung  der  Magenchirurgie  in  Dänemark). 

Posen.  An  der  Posener  Akademie  lesen  im  bevorstehenden 
Wintersemester  Prof.  Wer  nicke  über  „Wesen,  Verbreitung  und 
Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten  mit  Demonstrationen“,  Prof. 

B  usse  über  „Das  Nervensystem  des  Menschen“,  (hc.) 

(T  o  d  e  s  f  ä  1 1  e.) 

Einen  unserer  besten  Kollegen  haben  wir  in  München  verloren; 
Hofrat  Gossmann  ist  am  17.  ds.  gestorben.  In  tiefer  Trauer  gab 
ihm  die  Münchener  Aerzteschaft  und  der  grosse  Kreis  seiner  Freunde 
das  letzte  Geleite.  Das  Lebens-  und  Charakterbild  dieses  seltenen  ' 
Mannes  zu  zeichnen,  soll  einer  anderen  Feder  Vorbehalten  bleiben;  hier 
soll  nur  dem  Schmerz  Ausdruck  gegeben  werden,  der  uns  alle  erfüllt, 
alle  ohne  Unterschied  der  Stellung  zu  den  uns  bewegenden  und  zum 
Teil  trennenden  Fragen,  über  den  Verlust  dieses  prächtigen,  liebens¬ 
werten  Menschen  und  Kollegen.  Gossmann  war  die  Verkörperung 
aller  guten  Eigenschaften,  die  einen  Arzt  zieren  können;  reichbegabt, 
gründlich  gebildet,  von  vielseitigen  Interessen,  originell  und  selbst¬ 
ständig  in  seinen  Ansichten  und  Ueberzeugungen,  hochgesinnt  und  be¬ 
geistert  für  alles  Edle  und  Schöne,  selbst  begnadet  mit  reichen  künst¬ 
lerischen  Anlagen  und  mit  einem  sonnigen  Humor,  ein  warmer 
Menschenfreund,  seinen  Patienten  ein  wahrer  Helfer  und  Berater, 
seinen  Kollegen  ein  treuer  Freund,  der  ärztlichen  Sache  ein  bewährter 
Mitstreiter.  Nichts  spricht  mehr  für  die  Berechtigung  unserer  wirt¬ 
schaftlichen  Bestrebungen,  als  dass  ein  so  ideal  gesinnter  Mann,  wie 
Gossmann,  sich  ihnen  angeschlossen  hat,  ein  Mann,  der  von  den 
höheren  Pflichten  des  Arztes  gegen  die  Menschheit,  den  Pflichten  der 
Menschenliebe  und  Aufopferungsfähigkeit  für  andere,  nichts  preis¬ 
zugeben  bereit  war.  Um  so  mehr  freilich  sollten  auch  die  Grenzen 
beachtet  werden,  die  von  solchen  Männern  diesen  Bestrebungen  ge¬ 
zogen  werden.  Auch  unsere  Wochenschrift  verliert  in  Gossman  n 
einen  guten  Freund  und  Mitarbeiter.  Viele  seiner  wissenschaftlichen 
Arbeiten  auf  seinem  Spezialgebiete,  der  Frauenheilkunde,  sind  in 
diesen  Blättern  erschienen;  unsere  früheren  humoristischen  Nummern 
enthalten  von  ihm  eine  grosse  Zahl  reizender  Beiträge,  neben  Er¬ 
zeugnissen  einer  ausgelassenen  Laune  viele  gehaltvolle  Gedichte,  aus¬ 
gezeichnet  durch  die  glückliche  Mischung  von  Ernst  und  Humor,  die 
dem  Charakter  Gossmanns  eigen  war.  —  Wir  werden  nimmer 
seinesgleichen  sehen;  um  so  höher  soll  sein  Andenken  gehalten 
werden. 

Dr.  Peter  M.  Wise,  früher  Professor  der  Psychiatrie  an  der 
University  of  Vermont  zu  Burlington. 

Dr.  William  .1.  S  n  e  e  d,  früher  Professor  der.  Anatomie  an  der 
Vanderbilt-Universität  zu  Nashville. 

Berichtigung.  In  No.  42,  S.  2107,  Sp.  2,  Zeile  16  v.  u. 
(Vortrag  L.  R.  Müller  über  die  Empfindungen  in  unseren  inneren 
Organen)  ist  statt  „Faradisation“  zu  lesen:  „Irradiation“. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Walter  Gulat-Wellenburg, 
appr.  1902,  in  München. 

Erledig  t:  Die  Bezirksarztsstelle  I.  Klasse  in  Schwabmiinchen. 
Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Ge¬ 
suche  bei  der  ihnen  vorgelegten  K.  Regierung,  Kammer  des  Innern, 
bis  31.  Oktober  1.  J.  einzureichen. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  40.  Jahreswoche  vom  29.  Sept.  bis  5.  Okt.  1907. 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M)  13  (19*) 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  6  (7),  Kindbettfieber  1  (1),  and  Folgen  der 
9eburt?  Scbarlach-  (-)>  Masern  u.  Röteln  1  (—),  Diphth.  u. 

Krupp  2  (3),  Keuchhusten  1  (-;,  Typhus  -(-),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
El5®ry®rS‘fy  J  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  16  (20),  Tuberkul.  and. 
Org.  10  (8),  Miliartuberkul.  1  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  3  (10), 
Influenza  (  ),  and.  übertragb.  Krankh.  3  ( — ),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  3  (1),  sonst.  Krankh.  derselb.  1  (4),  organ.  Herzleid.  10  (15) 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  6  (6),  Gehirnschlag 
5  (14),  Geisteskrankh.  1  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  2  (7),  and. 
Krankh  d  Nervensystems  1  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl  Abzehrung)  46  (31),  Krankh.  d.  Leber  3  (4),  Krankh.  des 
Bauchfells  2  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (5),  Krankh  d. 
HaJrn;Tu-,Cl!schlechtsorS-  4  ( 2),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  24  (11), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  4  (1),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  4  (2),  alle  übrig.  Krankh.  6  (3). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  188  (183).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,8  (17,4),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,0  (11,5). 

_ *)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche, 


Verlag  von 


F.  Lehm  «Dt!  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A  G  .  München. 


ä *,  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  j.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
M  6—  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


(Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  87,— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  *  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  t.  Angerer,  Ch.  Banmler,  '-0.  v.  Bollinger,  E.  Curschmann,  H.  Belferich,  1U  Leute,  G.  Merkel,  J.  t.  Michel,  F.Penzoldt,  B.v  danke,  B.  Spatz,  F.r.Winckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  44.  29.  Oktober  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  Kgl.  Kinderklinik  in  München. 

Zur  Physiologie  und  Pathologie  der  Säuglingsernährung.*) 

I. 

Säuglingsernährung  und  Seitenkettentheorie. 

Von  Prof.  M.  Pfaundler. 

Nach  Ehrlich  ist  die  Immunitätsreaktion  die  Reproduk¬ 
tion  gewisser  Vorgänge  des  normalen  Stoffwechsels,  insbeson- 
ders  der  intrazellulären  Assimilation  und  Desassimilation,  der 
„zellulären  Verdauung“  (K  r  u  k  e  n  b  e  r  g).  Die  der  zellulären 
Verdauung  dienenden  Werkzeuge,  die  Biolysine,  löst  der  Im¬ 
munisierungsprozess  aus  der  Bildungsstätte  los  und  macht  sie 
experimentellem  Studium  in  vitro  zugänglich.  Solche  Studien 
(über  Hämolyse  und  Bakteriolyse)  eröffnen  somit  Aussichten, 
dem  bisher  völlig  rätselhaften  Vorgänge  der  zellulären  Ver¬ 
dauung  nachzuspüren.  Der  Mechanismus  der  Verankerung 
und  Lösung  der  Nährstoffe  an  der  Zelle  bezw.  am  Protoplasma¬ 
molekül,  die  „Tropholyse“,  ist  jenem  -der  schon  eingehend  stu¬ 
dierten  Hämolyse  und  Bakteriolyse  vermutlich  analog:  es  dient 
ihr  ein  tropholytischer  Rezeptor  (Zwischenkörper)  und  ein 
tropholytisches  Komplement.  Gemäss  Zweck  und  Natur  des 
Vorganges  laufen  Bakteriolyse  und  Hämolyse  (vorwiegend) 
humoral  ab,  die  Tropholyse  (vorwiegend)  zellulär;  dieser 
Unterschied  ist  ebensowenig  essentiell,  wie  der,  dass  im  einen 
Falle  eine  morphologische  Einheit  (Bakterien-,  Blutzelle), 
im  anderen  Falle  eine  chemische  Einheit  (Nährstoffmolekül) 
in  Reaktion  tritt.  Eine  unmittelbare  „Verschmelzung“  der 
(meisten)  Nährstoffe  mit  der  Zellmasse  oder  ein  Eintritt  durch 
Diffusion  ist  undenkbar;  das  übereinstimmende  Ergebnis  mor¬ 
phologischer,  wie  biochemischer  Forschung  fordert  einen  be¬ 
sonderen  Mechanismus  im  Sinne  der  Tropholyse. 

Auf  dieser  Grundlage  fussende  Forschung  verspricht  auf 
dem  Gebiete  der  allgemeinen  Physiologie  und  Pathologie  der 
Ernährung  bedeutsame  Fortschritte.  Es  wurde  erwogen,  wel¬ 
che  einschlägige  Fragestellungen  sich  für  die  Lehre  der 
Säuglingsernährung  im  besonderen  ergeben. 

An  anderem  Orte  habe  ich  die  Ansicht  ausgesprochen  und 
begründet,  dass  der  Unterschied  in  den  Erfolgen  der  natür¬ 
lichen  und  künstlichen  (der  arteigenen  und  artfremden)  Er¬ 
nährung  nicht  —  wie  bisher  -meist  angenommen  wurde  — 
wesentlich  und  unmittelbar  auf  einem  Schaden  durch  letztere, 
sondern  auf  einem  besonderen  Nutzen  durch  -erstere  beruht, 
welcher  Nutzen  eben  von  vielen  Säuglingen  schwer 
oder  gar  nicht  entbehrt  werden  kann.  Ich  gelangte 
mit  Escherich  zum  Schluss,  dass  die  arteigene 
Milch  Nutzstoffe  besonderer  Art  enthalte,  welche 
thermolabil,  auf  dem  Verdauungswege  nur  innerhalb  der 
Spezies  in  wirksamer  Form  übertragbar,  in  gewisser 
Hinsicht  fermentähnlich  wirksam  sind  und  welche  nicht  so  sehr 
bezüglich  der  Verdauungsvorgänge  diesseits,  als  vielmehr 


*)  Nach  vier  in  der  Sektion  für  Pädiatrie  auf  der  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Dresden  am  17.  Septembei  1907 
gehaltenen  Vorträgen.  Ausführliche  Mitteilung  erscheint  an  anderem 

Orte. 

No.  44. 


jenseits  der  Darmwand,  also  bezüglich  der  zellulären  Ver¬ 
dauung,  fördernden  Einfluss  nehmen. 

Hiernach  ergab  sich  vor  allem  die  Frage,  ob  die  Ueber- 
legenheit  der  Muttermilch  gegenüber  artfremder  Nahrung  etwa 
in  dem  Gehalte  der  Muttermilch  an  tropholytisch  wirksamen, 
bezw.  die  Tropholyse  im  Organismus  des  Kindes  fördernden 
Stoffen  beruhe.  Die  Ueberlegung  ergibt,  dass  hier  nicht  etwa 
tropholytische  Rezeptoren  (Zwischenkörper),  sondern  wohl  nur 
tropholytische  Komplemente  in  Betracht  kommen  können. 

Ohne  sich  für  die  Einheit  oder  Vielheit  des  Alexines 
==  Komplementes  nach  Bordet  oder  Ehrlich  zu  entschei¬ 
den,  darf  man  -den  relativ  leicht  nachweisbaren  und  messbaren 
Gehalt  der  Körperflüssigkeit  an  hämolytisch  und  bakterio- 
lytisch  wirksamem  Komplement  in  gewissem  Sinne  als  In¬ 
dikator  für  den  Gehalt  an  Substanzen  betrachten,  die  in  ande¬ 
rem  System  andere  komplementäre  (vielleicht  weniger  sinn¬ 
fällige  oder  in  vitro  schwer  zu  prüfende)  Wirkungen  —  wie 
z.  B.  die  vermeinte  Tropholyse  —  entfalten. 


Es  wurden  demnach  zunächst  folgende  Themen  in  experi¬ 
mentelle  Bearbeitung  genommen: 

1.  Enthält  die  Milch  (hämolytisches,  bakteriolytisches) 
Komplement? 

2.  Kann  Komplement,  das  dem  Säugling  mit  der  Milch  zu¬ 
geführt  wird,  den  Ver-dauungstrakt  passieren  und  wirksamer 
Körperbestand  des  Säuglings  werden? 

3.  Wie  gestaltet  sich  der  Komplementbestand  beim  Säug¬ 
ling  nach  Art,  Individuum,  Alter,  Ernährung  etc.? 

ad  1.  Nach  Untersuchungen,  die  der  Vortragende  gemein¬ 
sam  mit  Herrn  M  o  r  o  durchgeführt  und  a.  a.  O.  ausführlich 
mitgeteilt  hat,  konnte  diese  Frage  —  entgegen  vorliegenden 
Angaben  der  Literatur  —  prinzipiell  bejaht  werden.  Kuhmilch 
enthält  hämolytisches  Komplement;  auch  in  der  Milch  von 
Ziege  und  Kaninchen  kann  solches  nachgewiesen  werden. 
M  o  r  o  hat  ferner  in  verschiedenen  Milcharten  bakterio¬ 
lytisches  Komplement  einwandfrei  nachgewiesen.  Der  Nach¬ 
weis  wird  erschwert  (und  in  bezug  auf  hämolytisches  Komple¬ 
ment  in  der  Frauenmilch  vorläufig  vereitelt)  durch  eine  (der 
Frauenmilch  in  besonders  hohem  Masse  zukommende)  hämo¬ 
lysenhemmende  Wirkung  (die  zum  Teil  wohl  auf  komplexe 
Antikomplemente,  zum  Teil  auf  andere  Faktoren  zurückgeht). 


ad  2.  Die  zur  experimentellen  Beantwortung  dieser  Frage 
hrende  Beweiskette  ist  noch  nicht  geschlossen.  Sicher  ist, 
iss  wenigstens  gewisse  (sonst  so  labile!)  bakteriolytische 
omplemente  durch  Einwirkung  künstlicher  Verdauungssäfte 
cht  zerstört  werden  (Kölle).  Von  anderen  Haptinen  (vom 
ypus  der  Immunkörper)  ist  der  Uebergang  aus  der  Milch 
a  Verdauung  in  den  Körperbestand  des  Säuglings  er¬ 
lesen;  er  kommt  aber  gesetzmässig  nur  innerhalb 
er  Spezies,  also  nur  bei  artgleicher  Ernährung  zu- 
:ande.  Diese  vielfältig  geprüfte  experimentelle  Tatsache 
sst  per  analogiam  vermuten,  dass  auch  artgleiche  K  o  in  p  1  e  - 
lente  bei  der  natürlichen  Ernährung  aus  der  Milch  in  den 
irganismus  wirksam  übergehen  können.  Manche  klinische 
leobachtung  stützt  diese  Vermutung.  Hierüber,  sowie  zur 
leantwortung  der  dritten  oben  gestellten  Frage,  werden  me 
[erren  M  o  r  o  und  Heimann  aus  meiner  Klinik  berichten. 


X 


2170 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


II. 

lieber  das  Verhalten  des  Serumkoniplements  beim  Säugling. 

Von  Privatdozent  Dr.  M  o  r  o. 

Quantitative  Komplementbestimmungen,  die  an  83  Säug¬ 
lingen  und  an  neugeborenen  Versuchstieren  vorgenommen 
wurden,  führten  zu  folgenden  Ergebnissen: 

Das  Serum  des  neugeborenen  Menschen  entbehrt  jeglicher 
hämolytischer  Kraft.  Diese  Erscheinung  ist  ebenso  wie  beim 
Nabelvenenserum  auf  den  Mangel  an  freien  Zwischenkörpern 
zurückzuführen.  Da  die  Wirkung  dieser  für  das  Zustande¬ 
kommen  der  humoralen  Biolyse  von  entscheidendem  Einfluss 
ist,  so  erklärt  sich  damit  hinreichend  die  grosse  Gefahr  der  all¬ 
gemeinen  Ausbreitung  geringfügiger  Primärinfekte  während 
der  Neugeborenenperiode.  Das  Komplement  ist  hingegen,  so¬ 
wohl  im  Fötalserum  als  auch  im  Serum  des  Neugeborenen 
knapp  nach  der  Geburt,  in  einer  Menge  vorhanden,  die  den 
beim  eiwachsenen  Menschen  ermittelten  Werten  nur  wenig 
nachsteht. 

Bald  nach  der  Geburt  nimmt  der  Komplementgehalt  des 
Serums  unbeträchlich  ab;  sein  weiteres  Verhalten  ist  von  der 
Art  der  eingeleiteten  Ernährung  abhängig. 

Bei  normalen,  natürlich  ernährten  Neugeborenen  steigt  die 
Menge  des  Serumkomplements  in  der  Regel  schon  am  2.  Le¬ 
benstage  wiederum  an  und  erreicht,  unabhängig  von  den  mit 
der  physiologischen  Gewichtsabnahme  einhergehenden  All¬ 
gemeinreaktionen,  am  4.  bis  5.  Lebenstage  annähernd  oder  ganz 
den  Normalwert  des  erwachsenen  Menschen.  Bei  den  von 
der  Geburt  an  künstlich  ernährten  Säuglingen  zeigt  die  Kurve 
des  Sei  umkomplementes  in  der  ersten  Lebenswoche  entweder 
ein  allmähliches  Absinken  oder  sie  verhält  sich  so  wie  beim 
normalen  Brustkind.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  das  Körper¬ 
gewicht  bei  dieser  letzteren  Kategorie  von  Flaschenkindern 
ein  allmähliches  Absinken  oder  sie  verhält  sich  so  wie  beim 
in  den  untersuchten  Fällen  von  den  ersten  Lebenstagen  an 
einen  ansteigenden  Verlauf  genommen  hat. 

Bei  neugeborenen  Meerschweinchen  ist  der  Komplement¬ 
gehalt  des  Serums  am  1.  Lebenstage  10— 20  mal  geringer  als 
jener  der^  älteren  Tiere  und  erreicht  nach  6—9  Tagen,  zu 
v  elchem  Zeitpunkte  die  extrauterine  Abhängigkeit  des  iunsren 
Meerschweinchens  abgeschlossen  ist,  die  Höhe  des  für  die 
erwachsenen  1  iere  ermittelten  Wertes. 

Nach  Ablauf  der  ersten  Lebenstage  erhält  sich  beim  ge¬ 
sunden  Brustkind  das  Serumkomplement  auf  konstanter  Höhe, 
während  die  bei  gesunden,  künstlich  ernährten  Säuglingen 
bestimmten  Komplementwerte  häufiger  herabgesetzt  als  nor¬ 
mal  gefunden  wurden. 

Die  von  der  Art  der  Ernährung  bedingte  Differenz  im 
Komplementgehalte  ist  eine  sehr  auffällige  bei  debilen  Kindern 
und  bei  Säuglingen,  deren  Gesundheit  eine  Störung  erlitten  hat. 

„  ährend  bei  natürlicher  Ernährung  der  Komplementgehalt  des 
Serums  in  weiten  Grenzen  unabhängig  ist  von  .der  Konsti¬ 
tution  des  Säuglings,  erweist  sich  derselbe  bei  debilen,  künst¬ 
lich  ernährten  Säuglingen  in  den  ersten  Lebenswochen  zumeist 

a  u,tlel  uJnter  der  Norm  stehend.  Zeigt  in  diesen  Fällen  und  nach 
Ablauf  dieser  Zeit  die  Komplementkurve  nicht  die  Tendenz 
anzusteigen,  so  ist  wenig  Aussicht  vorhanden,  diese  Kinder 
bei  künstlicher  Ernährung  am  Leben  zu  erhalten. 

Das  Serumkomplement  erhält  sich  beim  Brustkind  auch  bei 
interkurrenten  Erkrankungen  leichterer  Form  annähernd  auf 
gleicher  Höhe;  beim  künstlich  ernährten  Kinde  hingegen  zeigt 
die  Komplementkurve  schon  bei  relativ  geringfügigen  Ge¬ 
sundheitsstörungen  Schwankungen  an.  Diese  Labilität  des  hu¬ 
moralen  Komplementbestandes  ist  für  das  Flaschenkind  ge¬ 
radezu  charakteristisch. 

Bei  akuten  Ernährungsstörungen  künstlich  ernährter  Säug¬ 
linge  ist  der  Komplementgehalt  des  Serums  in  der  Regel  ver¬ 
mindert  und  bei  schweren,  chronischen  Ernährungsstörungen, 
wie  insbesonders  bei  der  vorgeschrittenen  echten  Atrophie,’ 
fast  ausnahmslos1)  sehr  tief  reduziert. 


D  Ich  will  nicht  ermangeln  zu  bemerken,  dass  unter  patho¬ 
logischen  Verhältnissen  bei  Säuglingen  manchmal  Komplementwerte 
angetroffen  werden,  die  unseren  Erwartungen,  nach  dem  Dargelegten 
nicht  entsprachen  und  die  vor  einer  allzu  schematischen  Auffassung 
des  Sachverhaltes  warnen. 


Bei  den  mit  den  Kennzeichen  der  beginnenden  Atrophie 
behafteten  Kindern  kann  die  Komplementbestimmung  zu  ver¬ 
schiedenen  Ergebnissen  führen.  Bei  der  Beurteilung  dieser 
Fälle  gewinnt  die  Probe  insofern  einen  praktischen  Wert,  als 
hier  ein  relativ  hoher  Komplementgehalt  die  Prognosestellung, 
selbst  bei  fortgeführter  künstlicher  Ernährung  im  günstigen 
Sinne  beeinflusst.  Ein  niedriger  Komplementwert  lässt  hin¬ 
gegen  eine  entsprechende  Deutung  nicht  zu,  weil  die  ein¬ 
malige  Komplementbestimmung  uns  zwar  über  den  momen¬ 
tanen  Gehalt  an  freiem  Komplement  Aufschluss  gibt,  nicht  aber 
über  die  Funktion  der  Reservekräfte,  d.  h.  über  den  Grad  der 
Fähigkeit  des  Organismus,  Komplement  zu  bilden. 

In  dieser  Richtung  erscheint  die  subkutane  Injektion  von 
physiologischer  Kochsalzlösung  verwertbar  zu  sein,  die  bei 
guten  Komplementbildnern  eine  beträchtliche  Steigerung  der 
hämolytischen  Kraft  des  Serums  herbeiführt,  bei  schlechten 
Komplementbildnern  hingegen  reaktionslos  verläuft. ' 

III. 

Potentieller  Komplementbestand  bei  natürlicher  und  künstlicher 

Ernährung. 

Von  Prof.  M.  Pfaundler,  als  Referent  für  experimentelle 

Untersuchungen  von  Herrn  Heimann- München. 

In  Bezug  auf  bakteriolytische  Vorgänge  im  Organismus 
wurde  mit  Recht  mehrfach  betont,  dass  für  den  Erfolg  dieser 
Abwehrbestrebungen  nicht  so  sehr  der  habituelle  Gehalt  der 
normalen  Körpersäfte  (des  Blutplasmas)  an  bakteriolytisch  wir¬ 
kenden  Stoffen  massgebend  sei,  als  vielmehr  die  dem  Organis- 
I  mus  in  wechselndem  Masse  eigentümliche  Fähigkeit,  solche 
Wehrkräfte  im  Bedarfsfälle  (im  „Kriegsfälle“)  rasch  zu  mo¬ 
bilisieren  und  am  Orte  der  Infektion,  „am  Kriegsschauplätze“ 
zu  konzentrieren.  Es  frägt  sich,  ob  solche  Erwägungen  auch 
in  Bezug  auf  die  uns  interessierenden  biolytischen  Vorgänge 
der  Ernährung  Geltung  haben. 

Hier  liegen  die  Verhältnisse  aber  offenbar  ganz  anders. 
Erstens  ist  die  Tropholyse  im  Gegensatz  zur  Bakteriolyse  und 
Hämolyse  ein  im  Rahmen  physiologischer  Verhältnisse,  ein 
,,iin  Frieden“  ablaufender  Prozess,  in  Bezug  auf  dessen  Werk¬ 
zeuge  mithin  eirie  solche  „Mobilisierung“  nicht  in  Betracht 
kommt.  Zweitens  beziehen  sich  die  obigen  Ausführungen  über 
die  Bakteriolyse  vorwiegend  auf  (spezifische)  Immun¬ 
körper,  deren  Produktion  eben  durch  den  eintretenden  Be¬ 
darf  angeregt  wird,  während  für  die  Tropholyse,  einen  durch 
die  Rezeptoren  der  sesshaften  Körperzellen  vermittelten  und 
an  diesen  selbst  ablaufenden  Vorgang  von  humoralen  Sub¬ 
stanzen  wohl  nur  Komplemente  gefordert  werden. 

Trotzdem  haben  wir  getrachtet  nach  Tunlichkeit  auch  über 
den  „potentiellen  Bestand“  an  Komplementen  im  tierischen  Or¬ 
ganismus  unter  verschiedenen  Ernährungsbedingungen  dadurch 
Aufschluss  zu  gewinnen,  dass  wir  den  (hämolytischen)  Vor¬ 
gang,  dessen  Ausmass  auf  die  disponible  Komplementmenge 
rückschliessen  lässt,  in  den  Körper  des  Versuchstieres  selbst 
verlegten. 

Wie  bekannt  bewirkt  das  Komplement  des  Säugerblutes 
nur  deshalb  keine  Biolyse  der  eigenen  Blutkörperchen,  weil 
es  an  geeigneten  Zwischenkörpern  fehlt.  Werden  solche  (in 
Form  von  inaktiviertem  hämolytischem  Immumserum)  subkutan 
eingebracht,  so  kommt  die  Auflösung  der  eigenen  Blutkörper¬ 
chen  unter  charakteristischen  Krankheitserscheinungen  in  vivo 
zustande  (G  r  u  b  e  r  u.  a.),  und  zwar  ceteris  paribus  offenbar  in 
dem  Aufmasse,  das  durch  die  augenblicklich  verfügbare  und  — 
im  Verbrauchsfalle  —  durch  die  nachgelieferte  Komplement¬ 
menge  bestimmt  wird.  In  diesem  Sinne  müssen  die  Erschei¬ 
nungen  der  intravitalen,  intravaskulären  Hämolyse  auf  Injek¬ 
tion  hämolytischer  Zwischenkörper  unter  zweckentsprechen¬ 
den  Versuchsbedingungen  ein  quantitativ  verwertbarer  Aus¬ 
druck  des  aktuellen  und  potentiellen  Komplementbestandes 
sein. 

Die  Versuche  wurden  an  Hunden  (wiederholt)  und  an 
Kaninchen  in  mehrfacher  Variation  angestellt;  vom  gleichen 
Wurfe  stammende  Tiere  wurden  teils  natürlich,  teils  —  auf 
sorgfältigste  Weise  —  künstlich  ernährt.  Bei  den  Flaschen¬ 
tieren  stellte  sich  dabei  eine  Ernährungsstörung  ein,  die  in 
manchen  äusseren  Zeichen  an  den  „Milchnährschaden“  Von 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2171 


Czerny-Kelle  r,_  das  Stadium  dyspepticum  F  i  n  k  ei¬ 
st  e  i  n  s  erinnert.  Zur  Zeit  der  Injektion  des  spezifischen  hämo¬ 
lytischen  Immunserums  (auf  Hunde-,  bezw.  Kaninchenblutkör¬ 
perchen)  war  die  Schädigung  der  Flaschentiere  (namentlich  der 
Kaninchen)  zumeist  schon  weit  vorgeschritten,  ihr  Körperge¬ 
wicht  ein  erheblich  reduziertes,  der 'Allgemeinzustand  ein  ungün¬ 
stiger.  Es  wurden  absolut  gleiche  Mengen  des  Giftes  ein¬ 
gebracht,  also  bei  den  Flaschentieren  relativ  bedeutend 
m  e  h  r  als  bei  den  Brusttieren.  Den  nochwar  d i e  Schä¬ 
digung  der  Brusttiere  nach  deren  ganzem  Verhalten, 
nach  deren  Blutbilde,  Organveränderungen  und  —  bei  Ver¬ 
wendung  grosser  Dosen  —  nach  dem  zeitlichen  Auftreten  des 
Todes  eine  erheblich  schwerere,  als  die  der  Fla¬ 
schentiere. 

Wir  schliessen  daraus,  dass  bei  den  Flaschentieren  der 
aktuelle  und  potentiale  Komplementbestand  ein  reduzierter  war; 
nur  so  ist  die  relative  Begünstigung  dieser  sonst  schwer  ge¬ 
schädigten  Tiere  einem  Gifte  gegenüber  zu  erklären,  das  eben 
nur  durch  Vermittlung  der  Komplemente  seine  spezifische  Wir¬ 
kung  ausübt.  Wir  stehen  hier  vor  dem  eigenartigen  Falle,  dass 
eine  im  Dienste  wichtiger  physiologischer  Funktionen  stehende 
Körpersubstanz  infolge  eines  äusseren  Eingriffes  ihre  Wirkung 
gegen  den  eigenen  Organismus  kehrt.  Die  Komplemente 
werden  —  durch  die  eingebrachten  hämolytischen  Ambozep¬ 
toren  gewissermassen  irregeführt  —  zu  Schädlingen  und  die 
spezifischen  Ambozeptoren  derart  zu  einem  merkwürdigen 
Gifte,  das  kräftige,  gesunde  Brusttiere  weit  mehr  als  dys¬ 
trophisch  Flaschentiere  schädigt. 

IV. 

Ueber  Dystrophie  der  Säuglinge. 

Von  Prof.  M.  Pfaundler-  München. 

Die  hier  von  Hei  mann,  Moro  und  mir  vorgebrachten 
experimentellen  Befunde  wären  mit  folgendem  Sachverhalte 
vereinbar:  Die  fermentähnlich  wirkenden  Nutzstoffe  der  Milch 
(siehe  oben)  sind  tropholytische  Komplemente  (oder  solchen 
sehr  nahestehende  Stoffe);  sie  gelangen  bei  natürlicher  Ernäh¬ 
rung  auf  dem  Wege  des  Verdauungstraktes  und  der  Körper¬ 
säfte  an  die  sesshaften  Körperzellen  des  Kindes  und  vermitteln 
dort  die  Tropholyse  (zelluläre  Verdauung,  Assimilation).  Die¬ 
ses  Verhalten  in  der  Periode  der  extrauterinen  Abhängigkeit 
des  Kindes  von  der  Mutter  hat  sein  Analogon  in  den  während 
der  intrauterinen  Abhängigkeit  bestehenden  Wechselbezieh¬ 
ungen:  hier  wie  dort  werden  sowohl  die  Nährstoffe  als  auch 
die  zu  ihrer  Bewältigung  dienenden  Werkzeuge,  die  tropho¬ 
lytischen  Komplemente  von  der  Mutter  für  das  Kind  gemein¬ 
sam  geliefert,  hier  durch  den  diaplazentaren  Säftestrom,  dort 
durch  die  Brusternährung.  Die  Lieferung  der  tropholytischen 
Komplemente  durch  die  Mutter  hat  statt,  weil  die  Fähigkeit, 
diese  Zellsekrete  selbst  zu  produzieren,  beim  Kinde  auch  noch 
jenseits  der  Geburt  zum  mindesten  unter  gewissen  Umständen 
und  in  manchen  Fällen  eine  noch  rückständige,  unzureichende 
ist.  In  dieser  Rückständigkeit  eben  drückt  sich  die  extrauterine 
Abhängigkeit  namentlich  aus. 

Es  gibt  neugeborene  Kinder,  sowie  andere  neugeborene 
Säuger,  die  in  ausreichendem  Masse  zur  Selbstbeschaffung 
aller  Werkzeuge  der  zellulären  Verdauung  befähigt  und  daher 
auf  Brusternährung  nicht  angewiesen  sind.  Es  gibt  anderer¬ 
seits  solche,  die  der  mütterlichen  Nachhilfe  auch  noch  jenseits 
der  Geburt  bedürfen;  wird  ihnen  diese  Nachhilfe  versagt,  d.  h. 
wird  ihnen  eine  wie  immer  beschaffene  andere  Nahrung  als 
Muttermilch  gereicht,  welche  artgleicher  und  daher  wirksam 
übertragbarer  tropholytischer  Komplemente  entbehrt,  so  kommt 
es  zu  einer  Ernährungsstörung,  einer  Dystrophie,  deren  Ab¬ 
hängigkeit  von  der  artfremden  Nahrung  als  solcher  zweck¬ 
mässig  in  der  Bezeichnung  „Heterodystrophie“  zum  Ausdruck 
kommt. 

Die  Heterodystrophie  beruht  nach  dieser  (heuristischen) 
Hypothese  im  Wesen  auf  einer  durch  verminderte  Pr°- 
duktionsfähigkeit  und  ausbleibende  Zufuhr  bedingten  He¬ 
rabsetzung  des  Bestandes  an  tropholytischen  Eomp  c 
menten  Die  Theorie  Ehr  lieh  s  lehrt  Folgezustände  des 
Komplementmangels  kennen.  Diese  Folgezustände  sind  also 
bei  Heterodystrophie  zu  gewärtigen,  wenn  unsere  Hypotnese 


richtig  ist;  dass  sie  tatsächlich  auftreten,  soll  als  Stütze  der 
Hypothese  kurz  dargelegt  werden. 

A.  Komplementmangel  muss  zunächst  eine  verzögerte  Er¬ 
ledigung  der  Nährstoffe  an  der  Zelle  zur  Folge  haben:  be¬ 
hinderte  zelluläre  Tropholyse  —  wovon  in  bezug 
auf  den  Gesamtorganismus  Erscheinungen  ähnlich  jenen  bei 
einfacher  Unterernährung  zu  gewärtigen  sind.  Solche  Er¬ 
scheinungen  werden  in  der  Tat  bei  künstlich  genährten  Säug¬ 
lingen  im  Beginn  der  Störung  gesehen;  sie  geben  sehr  häufig 
Anlass  zu  einer  Steigerung  des  Nahrungsangebotes;  davon 
sieht  man  nun  aber  an  Stelle  des  gewärtigten  Erfolges  schwere, 
stürmische  Krankheitserscheinungen  (Finkeisteins  „para¬ 
doxe  Reaktion“  und  „alimentäre  Intoxikation“);  auch  die  Ana¬ 
lyse  dieser  Erscheinungen  lässt  die  Auffassung  zu,  dass  es  sich 
um  (mittelbare)  Folgen  des  Komplementmangels  handle: 


B.  Der  Komplementmangel  behindert,  wie  erwähnt,  die 
Nährstofferledigung  an  der  Zelle.  Zellrezeptoren  bleiben  dau¬ 
ernd  von  unerledigten  Nährstoffeinheiten  besetzt,  was  nach 
Ehrlich  einen  ehestens  zu  ersetzenden  Defekt  bedeutet,  zur 
(überschüssigen)  Neubildung  und  zur  Abstossung  von  Rezep¬ 
toren  führt.  Die  Nährstoffeinheit  wird  mit 
anderen  W  orten  durch  den  Komplement¬ 
mangel  zum  Antigen  und  löst  als  solches  die  „Immun¬ 
reaktion“  aus.  Diese  ist  eine  (die  einzige?)  Ursache  des  als 
Fieber  bezeichneten  Symptomkomplexes.  Der  Zellbestand 
leidet  durch  die  Abstossung  zahlreicher  Rezeptoren;  dem  ins 
Aphysiologische  gesteigerten  „Bindungsreiz  der  Antigene 
fallen  endlich  wohl  auch  Zellen  selbst  zum  Opfer:  sog.  toxi- 
scher  Eiweisszerfall.  Die  ihrer  Lage  und  ihrer  Natur 
zufolge  an  der  Zwischenkörperbildung  insbesondere  beteiligten 
oder  hiezu  vornehmlich  befähigten  lymphatischen 
Zellbezirke  und  Organe  (Follikel,  Plaques,  Lymph- 
drüsen)  hyperplasieren. 


C.  Nährstoffeinheiten,  die  sich  wegen  Besetzung  der  Zell- 
■ezeptoren  im  Blute  stauen,  können  dort  einem  abnormen  oxy- 
iativen  Abbau  anheimfallen ;  namentlich  kommt  aber  in  Be- 
:racht,  dass  die  Nährstoffeinheiten  in  den  Körpersäften  mit  ab- 
^estossenen  tropholytischen  Rezeptoren  (Ambozeptoren)  koni- 
3lexe  Antikomplemente  von  hoher  Avidität  bilden  müssen,  die 
dch  mit  den  (spärlich)  verfügbaren  Komplementen  des  Blutes 
m  wirksamen  biolytischen  Systemen  ergänzen.  Auch  von 
dieser  nach  den  Säften  abgelenkten,  also  gewissermassen  dem 
„leitenden  Verstände  der  Zellen  entzogenen“  humoralen 
tropholyse  ist  abnormer  Verlauf  zu  gewärtigen :  Un¬ 
wirtschaftlichkeit  des  Betriebes  in  energe¬ 
tischer  Hinsicht,  Auftreten  und  Ausschei¬ 
dung  abnormer  Zwischen-  und  Endpiodu  kt  e . 
Albumosurie,  Peptonurie,  Peptidurie  (?),  vermehrte  Amido- 
säurenausscheidung  —  Fettstauung  in  Blut  und  Leber;  Azeton¬ 
körperbildung;  echte,  absolute  Azidose;  verminderte  Alkales- 
zenz  des  Blutes  mit  (entsäuernder)  grosser  Atmung,  die  ihrer¬ 
seits  steilen  Wasser-(Gewichts-)verlust  durch  die  Lungen  zur 
Folge  hat;  Verschiebung  der  Stickstoffverteilung  im  Harne, 
namentlich  vermehrte  renale  Ammoniakausfuhr  — ,  herabge¬ 
setzte  Assimilationsgrenze  für  Zucker,  Milchsäureausschei¬ 
dung. 

D.  Es  sind  ferner  Abwehrreaktionen  des  Organismus  gegen 
den  bestehenden  Schaden  zu  gewärtigen.  Der  vermehite  An¬ 
spruch  an  die  als  Komplementerzeuger  vielleicht  insbesondere 
in  Betracht  kommenden  Leukozyten  kann  Schwankungen  der 
Leukozytenzahl  bedingen.  Augenscheinlich  sehr  zw  eck- 
mässige  Schutzvorrichtungen  kann  der  Organismus  auf  dom 
Gebiete  des  Verdauungstraktes,  der  äie  Einbruchspforte  d 

alimentären  Giftes  darstellt,  in  Szene  setzen  (NahrstöH 
s  d  e  r  r  e)  •  Nahrungsverweigerung,  Speisebreiverhaltung,  er 
brechen,  Hypochlorhydrie,  ferner  (vermehrte)  e^teral(|e^n; 
Scheidung,  bezw.  verminderte  Resorption  von  Fett  Sehen 

E  Sekundäre  Erscheinungen  (als  Störung  von  Oiganfunk 
tionen)  sind  Kollaps,  Koma  und  Konvulsionen. 


\ 


2172 


MüENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Alle  in  den  Gruppen  A  bis  E  genannten  Zeichen 
gehören  in  den  semiotisehen  Rahmen  der  Heterodys¬ 
trophie  bezw.  der  alimentären  Intoxikation  (F  i  n  k  e  1  - 
Steins  Neunzahl!).  Die  Deutung  dieser  Zeichen  als  un¬ 
mittelbare  oder  mittelbare  Folgen  des  Komplementmangels 
wird  wesentlich  durch  die  Erwägung  gestützt,  dass  dieselben 
das  „grösste  gemeinsame  Mass“  aus  der  Symptomatik  einer 
Reihe  von  Zuständen  sind,  die  —  anscheinend  sehr  hetero¬ 
gen  —  Eines  gemeinsam  haben,  nämlich  den  aus  verschie¬ 
dener  Ursache  verminderten  Bestand  an  Komplementen  bezw. 
unbesetzten  Zellrezeptoren,  hierher  gehört  z.  B.  die  akute 
Phosphorvergiftung,  die  Serumkrankheit  und  vor  allem  die 
ganze  Reihe  der  akuten  Infekte. 

Eine  solche  Auffassung  könnte  Verständnis  für  manche 
Wahrnehmung  auf  dem  Gebiete  der  Säuglingspathologie  er- 
schliessen,  wofür  einige  Belege  folgen. 

Infektiöse  und  alimentäre  Schäden  sind 
wesensverwandt.  Dem  Schädling  hier  und  dort  ist  die 
haptophore  Gruppe  gemeinsam;  die  Antigenwirkung  aber  liegt 
im  ersten  halle  an  der  Natur  der  verankerten  Substanz,  im 
zweiten  Falle  an  den  nach  der  Verankerung  sich  darbietenden 
besonderen  Bedingungen,  nämlich  am  verminderten  Komple¬ 
mentbestand  ;  dieser  ist  es,  was  Czerny  und  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n 
als  den  zu  Ernährungsschäden  disponierenden  „Zustand“  der 
Kinder,  wir  als  Heterodystrophie,  bezeichnen.  Die  Be¬ 
ziehungen  dieses  Stadiums  labilen  Gleichgewichtes  auf  dem 
Gebiete  der  Zellverdauung  zur  Krise  der  alimentären  Intoxi¬ 
kation  sind  jenen  des  diabetischen  Zustandes  zum  Coma  dia- 
beticum  vergleichbar.  Besagte  Wesensverwandtschaft  er¬ 
klärt  die  symptomatische  Verwandtschaft  von 
alimentären  und  infektiösen  Schäden  des  Säuglingsalters. 
Namentlich  die  Erscheinungen  der  „Immunreaktion“ 
(Gruppe  B)  haben  immer  wieder  dazu  verleitet,  echten  alimen¬ 
tären  Schäden  eine  infektiösen  Charakter  zuzuschreiben.  Auf 
symptomatische  Kriterien  zur  Unterscheidung  der  beiden  wird 
man  vielleicht  völlig  verzichten  müssen :  a  1 1  e  i  n  der  Nachweis 

von  Antigen  und  spezifischem  Antikörper  wird  massgebend 
sein. 

Ferner  erklärt  die  Wesensverwandtschaft  den  Umstand 
dass  alimentäre  und  infektiöse  Schäden  wechselseitig  Disposi¬ 
tion  schaffen  und  wohl  häufig  tatsächlich  ineinander  greifen 
(„endogene  Infektion“,  Ernährungsstörungen  bei  und  nach 
Infekten). 


Es  wird  erklärlich,  dass  die  alimentäre  Intoxikation  beim 
Heterodystrophiker  durch  jedes  Moment  ausgelöst  werden 
kann,  das  dem  schon  drohenden  Missverhältnis  zwischen  An¬ 
spruch  und  Leistungsfähigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Zellverdau- 
ung  Vorschub  leistet.  Dieses  Moment  kann  Qualität  wie 
Quantität  der  Nahrung  betreffen  oder  aber  auf  den  Komple¬ 
mentbestand  des  Körpers  ungünstig  einwirken.  Gegenteiligen 
(günstigen)  Effekt  haben  Nahrungskarenz,  Komplementzufuhr 
(Muttermilch)  und  andere  Mittel  zur  Hebung  des  humoralen 
Komplementbestandes  (z.  B.  Hypodermoklysma,  vermutlich 
viele  „physikalische  Heilfaktoren“). 


Unsere  Auffassung  der  in  der  Gruppe  D  erwähnten  Magen¬ 
darmsymptome,  welche  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Vorgänge 
im  Darmtrakt  abgelenkt  und  immer  wieder  die  Annahme  eine« 
primär  enterogenen  Prozesses  nahegelegt  haben,  ist  mit  dem 
Charakter  der  alimentären  Intoxikation  als  einer  primären 
Stoffwechselstörung  wohl  vereinbar. 


Das  hier  auszugsweise  Dargelegte  bringt  im  wesentlichei 
11111  Eiagestellunge n,  aber  solche,  die  m.  E.  in  richtig! 
Bahnen  weiter  lenken,  in  jenen,  welche  Czerny  und  Fm 
kelstein  schon  betreten  haben.  Künftig  wird,  wie  mii 
scheint,  die  klinische  und  die  physiologisch-chemische  For 
schung  nicht  für  sich  weiter  streben  dürfen,  sondern  mit  Ge¬ 
winn  biologische  Leitgedanken  nach  Ehrlichs  Lehre  unc 
experimentelles  biologisches  Material  verwerten. 


Beiträge  zur  Immunitätslehre:  Ueber  Opsonine.*) 

Von  Privatdozenten  Dr.  med.  A.  Strubeil  in  Dresden. 

M.  H. !  Seit  den  Zeiten  der  homerischen  Kirke  und  des 
Königs  Mithridates  von  Pontus  hat  die  Frage  der  Giftfestigkeit 
und  Giftfestigung  des  menschlichen  und  des  tierischen  Orga¬ 
nismus  bei  Laien  wie  bei  Aerzten  eine  grosse  Rolle  gespielt. 
Waren  es  in  früheren  Zeiten  die  Zauber-  und  Liebestränkej 
gegen  die  man  nach  wirksamen  Antidoten  suchte,  waren  es 
später  die  heute  sogenannten  banalen  Gifte,  für  die  man 
Gegengifte  ersann,  so  sind  es  in  den  letzten  Jahrzehnten  be¬ 
sonders  die  Bakteriengifte  und  unter  ihnen  die  eigent¬ 
lichen  1  oxine  gewesen,  die  man  durch  ebenso  spezifische 
Antitoxine  unschädlich  zu  machen  mit  Erfolg  bemüht  war. 
Diese  letztere  humorale  Therapie  fand  aber  leider  ihre  Be- 
gienzung  in  der  Iatsache,  dass  die  eigentliche  Toxin-Antitoxin- 
Gegenwirkung  und  -bindung  nur  für  wenige  Bakterien,  be¬ 
sonders  für  den  Diphtherie-  und  Tetanusbazillus  Geltung  hat, 
während  die  grössere  Mehrzahl  der  Mikroorganismen  als 
solche  ihre  verderblichen  Wirkungen  ausüben,  welche  nicht 
durch  Toxinbildung,  sondern  durch  Bakteriozidie  oder 
Agglutination  paralysiert  werden.  Solche  Wirkungen 
der  zirkulierenden  Körpersäfte  genügten  aber  nicht,  um  die  Re¬ 
aktion  des  kräftigen  Organismus  den  eingedrungenen  Krank¬ 
heitserregern  gegenüber  zu  erklären,  und  diesem  Erklärungs¬ 
bedürfnis  entsprach  die  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f  sehe  Phagozyten- 
theorie,  die  die  Elimination  der  gefährlichen  Gäste  durch  die 
polynukleären  Leukozyten  des  Wirtes  in  freilich  einseitiger 
Weise  zu  deuten  bestrebt  war.  Die  Fülle  der  aus  der  hundert¬ 
fältigen  Variabilität  des  Modus  der  Infektion  und  der  Heilung 
derselben  sich  ergebenden  Tatsachen  war  aber  zu  gross,  als 
dass  es  möglich  gewesen  wäre,  allen  Varietäten  beizukommen, 
und  so  entsprach  es  daher  einem  theoretischen  und  praktischen 
Bedürfnis  ebenso  wie  den  vorliegenden  experimentellen  Tat¬ 
sachen,  wenn  der  Engländer  W  right  auf  Grund  von  Beob¬ 
achtungen,  die  L  e  i  s  h  in  a  n  vor  ihm  und  die  er  selbst  mit 
Douglas  gemeinsam  anstellte,  ein  neues  Gebäude  errichtete, 
unter  dessen  Dach,  dank  der  emsigen  Mitarbeit  einer  grösseren 
Anzahl  englischer  und  amerikanischer  Autoren,  sich  ein  guter 
Teil  bis  dahin  obdachlosen  wissenschaftlichen  Gutes  birgt.  Die 
neue  Lehre,  als  deren  Vater  W  r  i  g  h  t  trotz  einiger  Vorläufer 
zweifellos  anzusehen  ist,  die  Lehre  von  den  Opso¬ 
ninen  (von  dem  lateinischen;  opsono  =  ich  bereite  zum 
Mahle  vor),  hat  nun,  so  viel  Anerkennung  sie  auch  jenseits 
des  Kanals  und  jenseits  des  atlantischen  Ozeans  gefunden,  ihren 
Weg  nach  unserem  alten  Kontinent  nur  sehr  spät  gemacht  und 
den  Pas  de  Calais  gewissermassen  nur  mit  schüchternen 
Schlitten  überbrückt,  die  Sie  in  den  Publikationen  von 
Weinstein  und  einigen  Sammelreferaten,  wie  das  kurze, 
ausgezeichnete  von  J  o  e  s  t  und  das  ausführlichere,  literarisch 
erschöpfende  von  Sauerbeck,  erkennen  wollen.  War  nun 
aber  durch  solche  literarische  Berichte  die  öffentliche  Meinung 
in  medizinischen  Kreisen  auf  die  neue  Lehre  vorbereitet,  so  hat 
die  praktische  Verwertung  derselben  auf  dem  Festlande  Eu¬ 
ropas  bis  jetzt  noch  auf  sich  warten  lassen.  Man  hat  auch  bei 
uns  in  Deutschland  die  Theorien  W  r  i  g  h  t  s,  so  weit  man 
davon  Notiz  nahm,  als  ein  interessantes  Novum  auf  sich  wirken 
lassen,  ohne  selbst  mit  Hand  anzulegen  und  den  Ausbau  seiner 
Lehre  auf  klinisch  praktischem  Gebiete  zu  fördern. 

Zu  einem  solchen  Zeitpunkte  betrachte  ich  es  als  einen 
ganz  besonderen  Vorzug,  dass  ein  günstiger  Wind  mich  nach 
England  führte,  wo  ich  in  dem  opsonischen  Departement  von 
St.  Marys  Hospital,  im  Laboratorium  Prof.  W  rights,  Ge¬ 
legenheit  hatte,  die  Frage  der  Opsonine  und  der  Opsonotherapie 
an  einem  reichen  Krankenmateriale  zu  studieren  und  die 
schwierige  Technik  der  Bestimmung  des  opsonischen  Index 
mir  anzueignen. 

Gestatten  Sie,  m.  H.,  dass  ich  bei  der  beschränkten  Zeit, 
die  mir  zur  Verfügung  steht,  auf  den  Kern  der  Angelegenheit, 
nämlich  ihre  praktisch  klinische  Verwertung,  sehr  bald  eingehe! 
nachdem  ich  die  Theorie  der  opsonischen  Wirkung  nur  kurz 
dem  Verständnis  näher  gerückt  habe. 


Aerztea\T5.— ^1.  Sept.  /\9Q7t  ^SekdM^für 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2173 


Nach  W  r  i  g  h  t  kreisen  im  Blutserum  und  Plasma  des 
Menschen  Stoffe,  die  in  einer  spezifischen  Weise  auf  etwa  in 
den  Körper  eingedrungene  oder  in  vitro  experimentell  mit  dem 
Serum  zusammengebrachte  Bakterien  einwirken.  Diese  Ein¬ 
wirkung  besteht  darin,  dass  durch  den  Kontakt  des  Serums  mit 
den  Bakterien  diese  so  beeinflusst  werden,  dass  sie  leichter 
von  den  hinzugefügten  polynukleären  Leukozyten  (Phagozyten 
Metschnikoffs)  aufgefressen  werden  können.  Diese 
Eigenschaft  des  Serums,  welche  die  Bakterien  für  das  Auf¬ 
gefressenwerden  durch  die  Phagozyten  vorbereitet  (opsono 
=  ich  bereite  zum  Mahle  vor),  ist  die  opsonische.  Sie  ist 
spezifisch  insofern,  als  für  jedes  opsonierbare  Bakterium  ein 
besonderes  Opsonin  im  Serum  sich  findet,  welches  durch  Ver¬ 
mischung  mit  diesen  Bakterien  gebunden,  absorbiert  wird, 
während  dasselbe  Serum  für  einen  anderen  Mikroorganismus 
ungeschwächte  opsonische  Kraft  behält.  So  kann  z.  B.  ein 
Blutserum,  das  mit  Tuberkelbazillen  vermischt  war,  keine  oder 
nur  ganz  geringe  Wirkung  gegen  Tuberkulose  ausüben, 
während  es  eine  Staphylokokkenkultur  kräftig  opsoniert,  d.  h. 
phagozytabel  macht.  Die  opsonische  Kraft  des  normalen  Se¬ 
rums  ist  eine  ganz  besondere,  denn  sie  tritt  auf  Bakterien  gegen¬ 
über,  denen  gegenüber  dasselbe  Serum  keinerlei  oder  nur 
schwache  Bakteriozidie  ausübt.  Eine  Eigenschaft  haben  diese 
Opsonine  aber  noch,  sie  werden  durch  die  Erhitzung  ver¬ 
nichtet.  Diese  Eigenschaft  bietet  aber  eines  der  wichtigsten 
differentialdiagnostischen  Merkmale  der  ganzen  Lehre,  inso¬ 
fern  das  Opsonin  des  Normalserums  fast  vollständig  durch  Er¬ 
hitzen  zerstört  wird,  während  das  Opsonin  der  Immunsera  zu 
einem  beträchtlichen  Teile  bestehen  bleibt.  Hiei  besteht  die 
Möglichkeit,  eine  vorhandene  oder  vorhergegangene  Infektion 
auf  opsonodiagnostischem  Wege  nachzuweisen,  und  es  er¬ 
scheint  mir,  angesichts  dieser  praktisch  so  hochwichtigen  Tat¬ 
sache,  die  Frage  von  sekundärer  Bedeutung,  ob  die  Opsonine 
des  normalen  und  des  Immunserums  identisch  und  nur  durch 
ihre  Konzentration  verschieden,  oder  ob  die  Immunopsonine 
besondere  Substanzen  vorstellen. 

Ich  möchte  in  meinem  heutigen  Vortrage,  der  sich  haupt¬ 
sächlich  mit  der  praktischen  Seite  der  ganzen  Opsoninlehre 
beschäftigt,  umso  weniger  auf  diese  heikle,  theoretische  Frage 
eingehen,  als  sich  an  dieselbe  sofort  neue  Erörterungen  knüpfen 
müssten  bezüglich  der  eigentlichen  Natur  der  Opsonine,  von  der 
wir  zugeben  müssen,  wenn  wir  ehrlich  sind,  dass  wir  noch 
herzlich  wenig  wissen.  Denn  die  Versuche,  sie  in  Einklang  zu 
bringen  mit  den  Ausdrücken  und  Begriffen  der  bisher  heischen¬ 
den  Theorien  über  die  Immunität,  speziell  der  E  h  r  1  i  c  h  sehen 
Seitenkettentheorie,  haben  wie  mir  scheint  zu  sicheren  Resul¬ 
taten  nicht  geführt.  Denn  weder  genügt  die  Thermolabilität  der 
Normalopsonine,  um  sie  ohne  weiteres  mit  den  Komplementen 
zu  identifizieren,  noch  die  relative  Thermostabilität  der  Immun¬ 
opsonine,  um  diese  mit  den  Ambozeptoren  gleichzustellen,  um 
so  mehr  als  Bakteriolyse  oder  Bakteriozidie  und  Opsonierung 
durchaus  nicht  Hand  in  Hand  gehen.  Wir  müssen,  bis  eine  ge¬ 
nauere  Kenntnis  dieser  Substanzen  angebahnt  wird,  daran  fest- 
halten,  dass  wir  es  hier  mit  besonderen  Stoffen  zu  tun  haben, 
die  eine  besondere,  neue,  bisher  unbekannte  Wirkung  ausüben, 
eine  Wirkung,  die  Sie,  wenn  man  durchaus  Analogien  mit 
anderen  Lehren  schaffen  will,  den  Antiaggressinen 
gleichstellt. 

Ich  habe  gesagt,  dass  die  Opsonine  die  Bakterien  für  die 
Phagozytose  vorbereiten,  und  da  muss  ich  darauf  eingehen, 
dass  es  zwei  Arten  von  Phagozytose  gibt,  eine  spontane  und 
eine  induzierte.  Bringen  Sie  Bakterien  und  Leukozyten 
in  einer  indifferenten  Flüssigkeit,  etwa  physiologischer  Koch¬ 
salzlösung,  suspendiert,  zusammen,  so  tritt  die  eine  Art  der 
Phagozytose  auf,  die  spontane.  Eine  kleine  Anzahl  von 
Leukozyten  phagozytiert  kräftig,  event.  sogar  im  Uebermass, 
so  stark,  dass  einzelne  weisse  Körperchen  vollkommen  mit 
Bakterien  angefüllt  sind,  während  die  Mehrzahl  der  Leukozyten 
sich  gar  nicht  beteiligt.  Sie  haben  unter  solchen  Umständen 
den  Eindruck  eines  völlig  regellosen  Vorganges.  Ganz  anders, 
meine  Herren,  wenn  Sie  unter  Umständen,  welche  die  eben 
geschilderte  spontane  Phagozytose  vollkommen  unterdrücken, 
nämlich  in  einer  Lösung  von  1,5  proz.  NaCl  weisse  Blutkörper¬ 
chen  mit  der  Bakterienemulsion  zusammenbringen  und  irgend 
ein  normales  Serum  hinzufügen.  Dann  finden  Sie,  in.  H.,  wenn 


Sie  diesen  Prozess  bei  entsprechender  Konzentration  der  Bak- 
terienemulsion  eine  Zeitlang  unter  der  günstigen  Temperatur 
von  37 0  C.  haben  vor  sich  gehen  lassen,  dass  die  grosse  Mehr¬ 
zahl  der  Phagozyten  Bakterien  in  sich  aufgenommen  hat,  und 
Sie  können  nun  durch  Zählen  unter  dem  Mikroskop  die  durch¬ 
schnittliche  Menge  von  Bakterien  ermitteln,  die  der  einzelne 
Leukozyt  enthält.  Diese  Zahl,  die  sich  ergibt,  wenn  Sie  die 
Bakterien  in  100,  200  oder  mehr  Leukozyten  zählen  und  das 
Resultat  durch  die  Anzahl  der  gezählten  Leukozyten  dividieren, 
nennen  wir  nach  Wright  „Phagocytic  Count“.  Ich 
übersetze  diesen  Ausdruck  ins  Deutsche  mit  „phago¬ 
zytische  Zah  1“. 

Bringen  Sie  nun  dieselbe  Bakterienemulsion  in  1,5  proz. 
NaCl  suspendiert,  und  dieselben  Leukozyten  mit  dem  Serum 
eines  durch  das  betreffende  Bakterium  bereits  infizierten  Pa¬ 
tienten  zusammen,  so  erhalten  Sie  bei  gleicher  Behandlung 
der  Mischung  eine  von  der  vorigen  deutlich  differierende  phago¬ 
zytische  Zahl.  Sie  dividieren  nun  die  phagozytische  Zahl  des 
zweiten  auf  seine  opsonische  Kraft  zu  untersuchenden  Serums 
in  die  des  ersten  und  erhalten  eine  Verhältniszahl:  den  opso¬ 
nischen  Index.  Ich  bitte  Sie,  m.  H.,  an  diesen  klassischen  Aus¬ 
drücken  Wrights:  Phagocytic  Count  =  phago¬ 
zytische  Zahl,  und  opsonischer  Index  festzuhalten, 
sonst  bringen  wir  nur  Verwirrung  in  die  Literatur.  Ich  betone 
das  hier  besonders,  weil  der  Verfasser  des  ausgezeichneten  und 
ausführlichsten  Sammelreferates  in  deutscher  Sprache,  ich 
meine  Sauerbeck,  den  Ausdruck  phagocytic  count  in  „a  b  - 
soluter  Inde  x“,  den  Ausdruck  opsonischer  Index  in 
„relativer  Index“  verändert  hat.  Erstens  halte  ich  es 
nicht  für  berechtigt,  wenn  ein  Referent  die  überall  akzeptieite 
Nomenklatur  eines  so  illustren  Autors  wie  Sir  Almroth 
Wright  es  ist,  willkürlich  abändert.  Zweitens  aber  ist  die 
Bezeichnung  „absoluter  Index“  eine  völlig  unzutreffende,  da  in 
der  ganzen  Technik  der  Opsoninbestimmung  alles  relativ  und 
nichts  absolut  ist.  Die  phagozytische  Zahl  wird  durch  die  Aus¬ 
zählung  irgend  eines  beliebigen  Normalserums  oder  durch  die 
Vergleichung  mehrerer  Normalsera  oder  durch  die  Herstellung 
eines  sogen.-  P  o  o  1  s  e  r  u  m  s,  d.  h.  eines  Standard¬ 
serums,  durch  Vermischung  mehrerer  Normalsera  und  Be¬ 
stimmung  ihrer  opsonischen  Kraft  gewonnen,  mit  der  dann  die 
phagozytische  Zahl  des  Patienten  verglichen  wird.  Hier  ist, 
wie  gesagt,  alles  relativ.  Es  handelt  sich  hier  um  Vergleichs¬ 
werte  und  es  liegt  gar  kein  Grund  vor,  die  höchst  prägnante 
Ausdrucksweise  Sir  Almroth  Wrights  „phagocytic 
Count  =  phagozytische  Zahl“  und  „opsonic  In- 
dex  =  opsonischer  Index“  abzuändern. 

In  der  Bestimmung  des  opsonischen  Index  des  Serums 
haben  wir,  m.  H.  ein  neues,  für  die  Diagnose,  Prognose  und 
Therapie  der  Infektionskrankheiten,  wie  für  die  Geschichte  der 
Immunitätstheorien  gleich  wichtiges,  epochales  Kriterium  ge¬ 
wonnen,  das  uns  in  ganz  anderer  Weise  als  bisher  gestattet, 
der  pathologischen  Physiologie  der  Infektion  näher  zu  kommen 
und  ihre  feineren  Veränderungen  zu  beobachten.  Die  Be¬ 
stimmung  des  opsonischen  Index  im  Blutserum  eines  Menschen 
erlaubt  es,  die  Widerstandsfähigkeit  des  betreffenden  Indi¬ 
viduums  gegen  Infektionskrankheiten  zu  beurteilen,  deren  Er¬ 
reger  wir  nach  opsonischer  Einwirkung  der  Phagozytose  unter¬ 
worfen  haben.  So  ist  es  z.  B.  möglich,  bei  einem  Menschen  den 
Ausbruch  einer  lokalen  oder  allgemeinen  Tuberkulose  monate¬ 
lang  vorherzusagen.  Im  Laboratorium  von  Sii  A.  W  i  i  g  h 
in  London  hat  sich  in  geradezu  tragischer  Weise  die  Richtigkeit 
solcher  prognostischer  Vorhersagen  an  einigen  Mitarbeitein 
des  Laboratoriums  erfüllt,  die  im  Dienste  der  Wissenschaft 
gewohnheitsmässig  täglich  kleinere  Quantitäten  ihies  Blutes 
für  die  Untersuchungen  hergaben.  Das  Blut  der  Assistenten 
wird  offiziell  als  normal  angesehen,  die  phagozytische  Zahl  als 
„1“  gesetzt,  und  nur  gelgentlich  werden  einmal  die  bera  der 
verschiedenen  Herren  unter  einander  verglichen.  Bei  solchen 
gelegentlichen  Vergleichungen  stellte  sich  nun  heraus,  dass 
der  eine  oder  der  andere  Herr  konstant  einen  sehr  niedrigen 
opsonischen  Index  gegen  Tuberkulose  hatte.  Bei  dem  einen 
derselben  brach  einige  Monate  später  eine  schwere  Lungen¬ 
phthise,  bei  dem  anderen  eine  Tuberkulose  des  einen  Hodens 
aus.  Es  fragt  sich  nun,  m.  H.:  War  der  schon  lange  vor  dem 
klinischen  Ausbruch  der  Krankheit  nachgewiesene  mediige 


2174 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


opsonische  Index  der  Ausdruck  der  blossen  Widerstandslosig¬ 
keit  oder  das  Zeichen  der  bereits  stattgefundenen,  aber  kli¬ 
nisch  noch  latenten  Infektion  des  Patienten?  Prof.  W  right 
ist  geneigt,  das  letztere  anzunehmen. 

Ich  führe  Sie,  m.  H.,  mit  der  Mitteilung  dieser  progno¬ 
stischen  Beobachtungen  sofort  in  medias  res  der  klinischen 
krage:  Inwieweit  die  Schwankungen  des  opsonischen  Index 
der  Ausdruck  sind  zukünftiger,  gegenwärtig  vorhandener  und 
verflossener  Infektionen?  M.  H.,  ich  muss  Sie  nun  da  zunächst 
darauf  aufmerksam  machen,  dass  die  W  r  i  g  h  t  sehe  Opso¬ 
nintheorie  zwar  einen  ganz  epochalen  Fortschritt  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Immunitätslehre  bedeutet,  dass  sie  aber  eine  allum¬ 
fassende  aus  dem  Grunde  nicht  genannt  werden  kann,  weil 
nicht  sämtliche  Bakterien  der  Opsonierung  unterworfen  sind. 
Das  gilt  in  erster  Linie  für  den  Diphtherie-  und  den  Xerose- 
bazillus,  die  der  Opsoninwirkung  ebenso  wenig  unterliegen 
wie  der  Bakteriozidie  und  Bakteriolyse,  ferner  für  den  Cholera- 
und  den  Typhuserreger,  die  zwar  der  Bakteriolyse  und  Bak¬ 
teriozidie,  nicht  aber  der  Opsoninwirkung  zugänglich  sind. 

Wenn  wir  diese  Einschränkung  vorausgeschickt  haben, 
dürfen  wir  uns  ganz  dem  Reize  hingeben,  den  das  Studium 
eines  völlig  neuen,  theoretisch  und  praktisch  gleich  be¬ 
deutsamen  wissenschaftlichen  Gebietes  für  den  Forscher 
hat.  M.  H.,  wenn  wir  auch  nicht  in  der  Lage  sind,  den 
Grad  der  Virulenz  eines  Bakteriums  für  den  menschlichen  und 
tierischen  Organismus  in  allen  Fällen  auf  opsonischem  Wege 
zu  bestimmen,  so  sind  wir  doch  in  der  Lage,  folgende  allge¬ 
meine  Gesichtspunkte  festzustellen: 

1.  Im  Blutplasma  des  normalen  Organismus  kreisen  Stoffe, 
die  eingedrungene  Bakterien  zur  Phagozytose  vorbereiten  und 
die  ihrerseits  durch  Bakterien  absorbiert  werden:  Normal- 
Opsonine. 

2.  Diese  Opsonine  sind  spezifisch. 

3.  Die  Menge  der  Normalopsonine  ist  zwar  in  gewissem 
Masse  abhängig  von  der  Tageszeit  und  äusseren  Einflüssen 
(Anstrengungen,  Märsche  etc.),  schwankt  aber  in  ziemlich 
engen  Grenzen. 

4.  In  dem  von  einem  oder  mehreren  Bakterien  infizierten 
Menschen  oder  Tier  werden  durch  die  Bakterien  in  den  Körper¬ 
geweben  Stoffe  gebildet  und  in  die  Säfte  übergeführt,  die  eine 
Gegeni eaktion  des  Organismus  in  Gestalt  von  vermehrter 
Opsoninbildung  hervorrufen  (Immunopsonine).  Diesel¬ 
ben  sind  ebenfalls  spezifisch,  sind  also  wirksam  nur 
gegen  das  eine  Bakterium,  dessen  Produkte 
ihre  Entstehung  oder  Vermehrung  angeregt 
haben. 

5.  Diese  Gegenreaktion  des  Organismus  hängt  ab  von  der 
Menge  der  in  die  Zirkulation  übergeführten  Bakterienprodukte 
und  schwankt  bei  Personen  mit  allgemeinen  Infektionen  be¬ 
trächtlich. 

6.  Bei  Patienten  mit  lokalen  Affektionen,  die  wenig  und 
langsam  ernährt  werden  (Hauttuberkulose),  tritt  die  vermehrte 
Bildung  von  Opsoninen  nicht  auf,  vielmehr  ist  der  opsonische 
Index  deutlich  herabgesetzt.  Trotzdem  charakterisieren  sich 
die  Opsonine  eines  solchen  Patienten  zum  grössten  Teil  als 
Immunopsonine,  da  sie  durch  die  Erhitzung  nicht  oder  nur  zu 
einem  mässigen  Prozentsatz  zerstört  werden. 

M.  H.,  die  ersten  drei  Sätze  bedürfen  keiner  Erklärung, 
sie  sind  nach  dem  Vorhergesagten  ohne  weiteres  verständlich.’ 
Hervorgehoben  braucht  nur  zu  werden  die  geringe  Schwan¬ 
kung  des  normalen  Index.  Die  letzten  drei  Sätze,  m.  H.,  aber 
geben  Ihnen  einen  Begriff  von  den  Schwierigkeiten,  auf  die 
Sie  bei  der  opsonischen  Beurteilung  eines  Krankheitsfalles 
stossen.  Wir  können  demnach  die  Krankheitsfälle  einteilen: 

1.  in  solche,  bei  denen  eine  gewisse  Schwäche  oder  Dis¬ 
position  einem  Krankheitserreger  gegenüber  besteht,  bei 
denen  aber  der  niedrige  opsonische  Index  schon  auf  eine  be¬ 
reits  vorhandene,  zur  Zeit  noch  latente  Infektion  hinweist; 

2.  in  solche,  bei  denen  manifeste  lokale  Affektionen  be- 
stehen,  die  wenig  mit  Lymphe  durchspült  werden.  Hier  ist 
die  Gegenreaktion  des  Organismus  gering,  der  opsonische  In¬ 
dex  niedrig; 

3.  in  solche  allgemeiner  Infektion,  wo  infolge  der  reichen 
aber  wechselnden  Gelegenheit  zur  Resorption  von  Bakterien 
oder  Bakterienprodukten  auch  die  Reaktion  des  Organismus 


in  Gestalt  eines  Steigens  oder  Sinkens  des  opsonischen  Index 
verschieden  ist.  Dabei  ist  natürlich  zu  bemerken,  dass  der 
grösseren  Ausdehnung  der  Autoinokulationen  —  um  hier 
endlich  das  von  der  W  r  i  g  h  t  sehen  Schule  so  viel  gebrauchte 
Wort  zu  bringen  — ,  dass  der  grösseren  Ausdehnung  der  Auto¬ 
inokulationen  zwar  eine  beträchtlich  vermehrte  Bildung,  aber 
auch  eine  beträchtlich  gesteigerte  Absorption  von  Immunopso¬ 
ninen  entspricht.  Diesem  starken  Wechsel  von  Opsoninbildung 
und  Inanspruchnahme  entsprechen  die  bedeutenden  Schwan¬ 
kungen  des  opsonischen  Index,  der  durch  die  verschiedensten, 
scheinbar  gleichgültigen  Ereignisse  und  Massnahmen  ver¬ 
ändert  wird.  Sollte  man  es  glauben,  dass  dieser  Index,  der  das 
Zeichen  der  Widerstandsfähigkeit  des  Organismus  gegen  eine 
bestimmte  Bakterienart  vorstellt,  bei  solchen  Patienten  sich 
ändern  kann  infolge  eines  kurzen  Spazierganges,  durch  mässi- 
ges  Bewegen  einer  erkrankten  Extremität,  ja  durch  die  ein¬ 
fache  physikalische  Untersuchung  des  Thorax  eines  Patienten. 

Was  die  Autoinokulationen,  von  denen  die  B  i  e  r  sehe 
Stauung  wohl  die  von  ärztlicher  Seite  künstlich  am  häufigsten 
herbeigeführte  ist,  was  die  Autoinokulationen  in  dem  kranken 
Organismus  hervorrufen,  eine  stärkere  Bildung  von  Opsoninen, 
und  zwar  von  Immunopsoninen,  die  den  Organismus  wider¬ 
standsfähiger  gegen  Infektion  machen,  das  erzielen  wir  thera¬ 
peutisch  in  viel  exakterer,  weil  genau  dosierbarer  Weise  durch 
die  Vakzination  mit  den  abgetöteten  Kulturen  eben  desselben 
Mikroorganismus,  der  die  Krankheit  hervorgerufen  hat.  Der 
Grundsatz  Hahne  manns  von  dem  Similia  similibus  und  die 
Geschichte  von  der  Wunde  des  Königs  Telephus,  die  durch  die 
Lanze  des  Achilleus  geheilt  wurde,  wenn  irgendwo,  hier  haben 
sie  Geltung. 

Sie  verstehen  leicht,  m.  H.,  dass  solche  Impfungen  mit 
den  toten  Bakterien  besonders  dort  eine  hervorragende  Wir- 
kung  ausüben  müssen,  wo  die  Reaktion  des  Körpers  auf  die 
Infektion  in  Gestalt  von  Immunopsoninbildung  fehlt  oder  insuf¬ 
fizient  ist,  nämlich  bei  den  streng  lokalisierten  Infektionskrank- 
eiten,  z.  B.  tuberkulösen  Haut-,  Knochen-  und  Drüsenerkran¬ 
kungen,  wo  aus  dem  schlecht  vaskularisierten  Gewebe  wenig 
herausgespült  wird  von  toxischen  oder  infektiösen  Substanzen. 
Hier  Bt  der  opsonische  Index  ja  niedrig,  und  wenn  wir  nun 
durch  künstliche  Einverleibung  von  abgetöteten  Bakterien  die 
reaktive  Opsoninbildung  hervorrufen,  so  werden  nun  die  lo- 
kalen  Herde  von  einer  Blutflüssigkeit  umspült,  die  ein  weit 
stärkeres  Heilungsvermögen  besitzt  als  vorher.  Es  ist  zu  be¬ 
merken,  dass  bei  geeigneter  Dosierung  diese  Injektionen  zwar 
genügen,  um  den  opsonischen  Index  des  Blutes  zu  erhöhen 
aber  nicht  immer,  um  den  Krankheitsherd  zu  heilen.  Dazu  ge- 
hort  oft  noch  ein  weiteres  Moment,  es  ist  nämlich  nötig,  den 
lux  des  stärker  opsonischen  Blutes  im  Krankheitsherd  zu 
erhöhen,  und  zu  diesem  Behufe  stehen  uns  verschiedene  Hilfs- 
nntcl  zur  Verfügung.  Eines  der  hervorragendsten  ist,  be¬ 
sonders  an  den  Extremitäten  oder  bei  mehr  oberflächlichen 
Prozessen,  die  Anwendung  von  Biers  Stauung,  von  der  ich 
bereits  gesagt  habe,  dass  sie  ein  hervorragendes  Mittel  sei,  um 
Autoinokulationen  hervorzurufen.  Nun,  ebenso  gut  wie  durch 
diese  Prozedur  die  erkrankten  Gewebe  besser  von  toxischen 
^ubstanzen  befreit  und  ausgelaugt  werden,  ebenso  gelangen 
diese  Gewebe  in  reichlichere  Berührung  mit  frischen  Opso¬ 
ninen.  Die  therapeutischen  Erfolge  des  Bier  sehen  Verfahrens 
sind  ausschliesslich  auf  dieses  Moment:  Abfuhr  von  Toxinen 
Eihohung  der  Reaktion  des  Organismus  und  Zufuhr  von 
frischem,  opsomerfähigem  .  Blutserum  und  Lymphe  zurück- 
zufuhren.  Was  bei  einem  tuberkulösen  Gelenk  gelingt,  das  ge- 
mgt  aber  noch  in  erhöhtem  Masse  bei  Staphylokokkeninfck- 
tion,  wie  den  hurunkcln,  obwohl  hier  auch  die  Injektion,  event 
plus  Stauung,  nicht  genügt,  da  zunächst  der  Eiter  entleert 

,mUSS-  ,Pe/  ura,te  Qrundsatz  ubi  pus  ibi  evacuatur 
eiiahrt  hier  endlich  seine  theoretische  Begründung.  In  dem 

Elt,eruei*?es  Furunkels,  eines  Abszesses,  ist  der  grosse  Opsonin¬ 
gehalt  des  Eiterserums  grösstenteils  längst  von  den  Bakterien 
absorbiert  wahrend  die  Leukozyten  ihre  tryptische  Kraft  auf 
das  umgebende  Gewebe  ausüben.  Entleeren  wir  den  Eiter 
so  schaffen  wir  das  opsonisch  verbrauchte  Serum  und  die  ihre 
Umgebung  verdauenden  Leukozyten  desselben  heraus  und 
nun  kann  frisches  Serum  die  Testierenden  Bakterien  kräftig 
opsomeren,  was  auch  geschieht.  Nirgends  feiert  die  Opsonin- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2175 


t 

theorie  grössere  Triumphe,  als  bei  solchen  eitrigen  Staphylo¬ 
kokkenaffektionen  der  Haut,  als  da  sind  Furunkulose,  Sykosis, 

Akne  usw.  . 

M.  H.,  ich  habe  in  London  an  einem  reichen 

Material  geradezu  stupende  Erfolge  bei  Staphylokokken¬ 
erkrankungen  gesehen  und  darf  wohl  ohne  Ueber- 
treibung  sagen:  „So  etwas  hat’s  noch  nicht  gegeben.  Die 
Schnelligkeit,  mit  der  die  grössten  Karbunkel  auf  ein  paar  In¬ 
jektionen  von  Staphylokokkenvakzine  abheilen,  ist  bisher  un¬ 
erhört.  Der  opsonische  Index  gegen  Staphylokokken  steigt  in¬ 
folgedessen  sehr  hoch.  Eine  Massnahme  daif  ich  allerdings 
nicht  vergessen,  die  Sir  Almroth  W  right  auf  Grund  seiner 
ausgezeichneten  Untersuchungen  über  die  Gerinnbarkeit  des 
Blutes  nicht  unterlassen:  Auf  die  Oeffnung  eines  Abszesses 
oder  Furunkels  wird  eine  sterile  Lösung  von  Zucker  und 
Natriumzitrat  als  feuchter  Verband  appliziert,  welche  die  Ge¬ 
rinnung  der  Wundsekrete  verhindert  und  durch  ihren  starken 
osmotischen  Druck  das  Ausströmen  von  Lymphe  begünstigt 
und  somit  wieder  frische  Opsonine  an  die  Infektionsstelle  fuhrt. 
Auch  die  Erfolge  von  Massnahmen,  wie  die  Röntgenbestrah¬ 
lung,  Finsentherapie  und  heisse  Kataplasmen  sind  von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  zu  erklären. 

M  H  so  schön  und  überwältigend  die  Erfolge  der  Vak- 
zinetherapie  bei  den  geschilderten  Staphylokokkenerkran- 
klingen  sind,  so  langwierig  und  so  wechselnd  sind  die  Erfolge 
bei  den  lokalen  Tuberkulosen.  Wir  müssen  uns  stets  vor 
Augen  halten,  dass  die  Vakzinetherapie  W  r  1  g  h  t  s  die  einzige 
ist  die  wissenschaftlich  dosierbar,  bei  diesen  desolaten  Kran 
heitsbildern  Hoffnung  auf  Heilung  verspricht,  um  unsere  Un¬ 
geduld  zu  zügeln,  wenn  wir  Fälle,  die  lange  opsonisch  behan¬ 
delt  worden  sind,  aus  Gründen,  die  meist  in  den  sozialen  Ver¬ 
hältnissen  der  Patienten  liegen,  nicht  so  vorwärts  bringen,  wie 
wir  wünschen  und  hoffen.  Aber  indem  ich  diese  Worte  mit 
einer  gewissen  Resignation  ausspreche,  muss  ich  doch  sagen 
dass  ich  im  opsonischen  Departement  von  St.  Marys  Hospital 
unter  dem  überreichen  Material  der  scheusshchsten  Haut-, 
Knochen-  und  Gelenktuberkulosen  eine  grosse  Anzahl  von 
Fällen  gesehen  habe,  die,  nachdem  sie  viele  Jahre,  ja  Jahr¬ 
zehnte  lang  mit  allen  möglichen  anderen  Methoden  vergeblich 
behandelt  worden  waren,  durch  die  Opsonotherapie  geheut 
worden  sind.  M,  H.,  freilich  ist  eben  die  Geduld  unendlich 
gross  die  auf  jeden  einzelnen  Fall  verwendet  wurde.  Ich 
werde  in  der  allernächsten  Zeit,  dank  dem  höchst  generösen 
Entgegenkommen  von  Sir  A.  W  right,  in  der  Lage  sein,  eine 
grössere  Serie  von  Fällen  aus  dem  opsonischen  Departement 
von  St.  Marys  Hospital  zu  veröffentlichen,  und  zwar  werde  ich 
in  dieser  Publikation  von  der  bisherigen  _  Gepflogenheit 
W  rights  und  seiner  Schule  abgehen,  die  meist  ausgewählte 
Fälle  mitteilen.  Ich  habe  mir  aus  dem  vorhandenen  Material 
einige  50  Fälle,  die  ich  beobachten  konnte,  wahllos  heraus¬ 
genommen,  um  an  ihnen  dem  Leser  die  Schwankungen  des 
opsonischen  Index,  die  Mühseligkeiten  und  die  Zwischenfäl  e 
der  Beobachtung  und  Behandlung  vor  Augen  zu  führen,  pn 
solches  Unternehmen  scheint  mir  dankenswert,  denn  es  lasst 
die  Schwierigkeiten,  denen  wir  zu  begegnen  haben,  viel  besser 
erkennen  als  eine  Anzahl  Paradefälle.  Aber  solche  Schwierig¬ 
keiten  sind  für  die  deutsche  Wissenschaft  noch  niemals  ein 
Hindernis  gewesen,  wenn  es  sich  darum  handelte,  fremdes  Ver¬ 
dienst  anzuerkennen  und  Methoden  aufzunehmen,  die  der 
kranken  Menschheit  in  so  hervorragender  Weise  Nutzen 
bringen  wie  die  epochalen  Errungenschaften 
W  r  i  g  h  t  s! 

M.  H.,  die  vakzine  Behandlung  der  allgemeinen  Tuber¬ 
kulose  ist  in  London  bisher  noch  wenig  geübt  worden.  Zu  den 
theoretischen  Schwierigkeiten,  die  aus  dem  fortwährenden 
Schwanken  des  opsonischen  Index  infolge  von  Autoinoku¬ 
lationen  resultieren,  gesellt  sich  der  Umstand,  dass  Professor 
W  r  i  g  h  t  nur  über  ambulantes  Material,  nicht  aber  über 
stationäres,  klinisches  verfügt.  Wenn  aber  ein  Patient  mit  aus¬ 
gedehnter  Lungentuberkulose  an  sich  schon  nach  etwas  tieferer 
Inspiration  sich  selbst  autoinokuliert,  wie  viel  mehr  geschieht 
dies,  wenn  er  einen  weiten  Weg  machen  muss,  um  zum  Aizte 
zu  gelangen.  Soll  hier  die  Impfung  von  irgend  welchem  Vor¬ 
teil  sein,  so  muss  der  Patient  strengste  Bettruhe  bewahren. 
Günstige  Resultate  hat  W  right  übrigens  auch  bei  der  Peri¬ 


tonealtuberkulose  und  bei  Nierentuberkulosen  gesehen.  Von 
der  letzteren  Affektion  stehen  auch  mir  mehrere  zum  Teil  sehr 
gut  verlaufene  Krankheitsberichte  zur  Verfügung. 

Auch  Streptokokken,  Kolierkrankungen,  Gallensteinleiden, 
gonorrhoische  Arthritiden  sind  der  Gegenstand  der  opsonischen 
Behandlung  gewesen,  die  ich  Ihnen,  nachdem  ich  ihre  Prin¬ 
zipien  anseinandergesetzt,  des  näheren  schildern  will. 

Ist  bei  einem  Patienten  irgend  eine  Infektion  mit  einem  be¬ 
stimmten  Bakterium  festgestellt,  so  wird  eine  Vakzine  aus  den 
Kulturen  des  betreffenden  Organismus  gemacht.  Für  den  Tu¬ 
berkelbazillus  genügen  entsprechende  Verdünnungen  des 
Koch  sehen  Neutuberkulin,  für  Staphylokokken  wird  eine  ge¬ 
mischte  Standardvakzine  hergestellt  aus  Kulturen  von  Sta- 
phylococcus  aureus,  albus  und  citreus  und  nach  einem  von 
W  right  angegebenen  Zählverfahren  die  Zahl  der  Bakterien 
im  Kubikzentimeter  der  Vakzine  ermittelt.  Für  die  meisten 
anderen  Arten  von  Infektionen  wird  die  Vakzine  frisch  aus 
der  vom  Patienten  selbst  abgeimpften  Kultur  bereitet.  Die 
Vakzine  wird  bei  60°  C  im  Bain  Marie  eine  Stunde  lang 
sterilisiert. 

Mit  der  Injektion  dieser  Vakzine  —  über  die  genauere 
Dosierung  werde  ich  nachher  sprechen  —  wird  nun  durchaus 
nicht  etwa  ein  einheitlicher  Effekt  erzielt.  Vielmehr  sind  die 
therapeutischen  Resultate,  insoweit  sie  sich  an  einem  so  feinen 
Reagens,  wie  es  der  opsonische  Index  ist,  manifestieren, 
äusserst  'wechselnd.  Nehmen  wir  an,  wir  hätten  die  Dosis  aus 
übergrosser  Vorsicht,  die  nebenbei  bemerkt  sehr  am  Platze 
ist,  zu  gering  genommen,  so  wird  der  Ausschlag  des  opsoni¬ 
schen  Index  nach  oben  ein  sehr  kleiner  sein  und  nach  kurzer 
Zeit  sich  vollkommen  und  ohne  bleibenden  Nutzen  für  den  er¬ 
krankten  Organismus  wieder  ausgleichen  (Tafel!).  Wählen  wir, 

Reinokulation  während  der 
negativen  Phase. 


Inokulationskurve. 


Minimale 

Inokulation. 


Korrekte 

Inokulation. 


Ideale 

Inokulation. 


Exzessive  Inokulation  Kurve  mit  falschem  Auf- 
(gibt  zu  grosse  negative  stieg. 

Phase). 


I 


“~V 


um  gleich  das  andere  Extrem  anzunehmen,  die  Dosis  viel  zu 
stark,  so  tritt  an  die  Stelle  des  mässigen  Anstieges  ein  dezi¬ 
diertes  Fallen  des  opsonischen  Index,  d.  h.  es  werden  durch 
die  übermässigen  Mengen  injizierter  Bazillen  eine  grosse 
Menge  von  Opsoninen  absorbiert.  Der  Organismus  verarmt 
dann  zunächst  und  braucht  geraume  Zeit,  um  sich  wieder  davon 
zu  erholen  und  neue  Opsonine  zu  produzieren.  Ein  solches 
Fallen  und  Tiefbleiben  des  opsonischen  Index  geht  meist  mit 
sehr  unangenehmen  subjektiven  Gefühlen,  wie  Abgeschlagen- 
heit,  Prostration  der  Kräfte  etc.  einher  (Tafel!).  Nehmen  wir 
dagegen  an,  wir  hätten  zufällig  oder  auf  Grund  einer  reichen 
Erfahrung  gleich  das  Richtige  getroffen,  dann  sehen  wir  folgen¬ 
des  Bild:  Auf  die  medizinal  richtige  Dosis  steigt  eventuell  zu¬ 
nächst  der  opsonische  Index  um  ein  klein  wenig  an  (false  rise, 
initial  rise,  d.  h.  falscher  anfänglicher  Anstieg  nach  W  r  l  g  h  t) 
Dieser  falsche  Anstieg,  m.  H.,  ist  aber  Ausnahme  und  nicht 
Regel  und  er  kann  ausbleiben.  Dann  erfolgt  sofort  das  zweite 
Stadium,  im  Falle  des  Ausbleibens  des  false  rise  also  das  erste, 
nämlich  am  Tage  der  Injektion  und  dem  darauf  folgenden  ein 
deutlicher  Abfall  (von  W  right  als  negative  Phase  be¬ 
zeichnet),  und  auf  diesen  folgt  eventuell  am  dritten  Tage  der 
deutliche  Anstieg,  die  sogen,  positive  Phase,  dm  nun  dank  der 
kräftigen  Reaktion  des  Organismus  einige  Zeit  anhalt,  dann 
aber  allmählich  absinkt  (Tafel  !).  Es  ist  nun  nötig,  diesen  all¬ 
mählichen  Abfall  der  Kurve  abzuwarten,  bevor  inan  sich  zu 
einer  neuen-  Injektion  entschliesst.  Wohl  wäre  es  ein  idea e 
Gedanke,  die  Vakzination  so  rasch  zu  wiederholen,  dass  ma 
zwei  positive  Phasen  superponiert.  In  vereinzelten  Fallen  so 
das  auch  gelungen  sein,  aber  es  besteht  die  grosse  Gefan  , 
durch  die  übereilte  zweite  Inokulation  sofort  statt  der  erhoff  en 
zweiten  positiven  Phase  eine  um  so  stärkere  negative  I  hase 

zu  erhalten. 


2176 


M.  H.,  wir  haben  in  London  im  opsonischen  Departement 
von  St.  Marys  Hospital,  ich  kann  sagen  allwöchentlich  Fälle 
gesehen,  die  ausserhalb  mit  wähl-  und  kritiklosen  Dosen  von 
Bakterien  oder  Vakzinen  geimpft  worden  waren,  und  nun  in 
desolatem  Zustande  in  die  Behandlung  Prof.  W  r  i  g  h  t  s  kamen. 
Vor  nichts  muss  ich  mehr  warnen  als  vor  der  schablonenhaften 
Applikation  einer  solchen  Therapie,  die  in  des  Wortes  wahrem 
Sinn  als  ein  zweischneidiges  Schwert  bezeichnet  werden  muss 
sobald  der  Anfänger,  der  Routinier  sich  ihrer  bemächtigt  (Häu¬ 
fung  der  negativen  Phasen;  Tafel!). 

Die  Inokulationstherapie,  davon  bin  ich  überzeugt,  wird  nie 
von  der  breiten  Masse  der  ärztlichen  Praktiker  angewendet 
werden  können,  sie  wird  vielmehr  die  Domäne  einzelner 
eiben,  die  mit  spezialistischen  Detailkenntnissen  ausgerüstet 
vermittels  eigens  dazu  eingerichteter  Laboratorien  diese  neue’ 

ll,aus  mühsame  therapeutische  Disziplin  zum  Heile  der 
Menschheit  verwerten. 

M.  H.  die  Arbeitslast,  die  auf  einem  opsonischen  Labora- 

0^  KUht;  lst  ungeheure-  Prof.  W  right  besoldet 
10  Mitarbeiter,  die  Rosten  seines  Laboratoriums,  die  er  aus 
eigener  lasche  trägt,  sind  sehr  beträchtliche.  Die  grösste 
Schwierigkeit  neben  der  höchst  komplizierten  Technik  ist  aber 
die  klippenreiche  Frage  der  Dosierung,  von  der  einer  der  Mit¬ 
arbeiter  des  Laboratoriums  scherzend  zu  mir  sagte:  Das  ist 
as  fin  „ge’  was  Prcd-  W  right  selbst  nicht  ganz  versteht  “ 

,  wie  Sie  sehen,  ist  ein  Häufen  der  Dosen  ausser- 

ordenthch  gefährlich,  und  ich  zeige  Ihnen  das  Gegenstück  auf 
einer  Tafel,  das  schematische  Bild  einer  idealen  Inokulations- 
kurve,  wo  stets  vor  dem  Ende  des  allmählichen  Abfalles  der 
positiven  I  hase  mit  einer  mässigen  Injektion  so  eingesetzt 

^n£d%dfS u  deJ  °ps°msche  Index  im  ganzen  deutlich  hoch 
g  ng-  cbe  ldeale  Kurven  kann  aber  nur  der  erhalten  der 
vorsichtig  tastend  an  jeden  Fall  herangeht,  lieber  etwas  kleinere 

S/b  .  lleberT  e+twas  länger  zuwartet,  als  dem  Patienten 
,  adet.  ^inern  Irrtum  aber  möchte  ich  Vorbeugen,  nämlich 
der  Meinung,  als  würde  durch  eine  solche  Inokulationstherapie 
.jede  andere  ärztliche  und  diätetische  Massnahme  überflüssig 

bei  h  frS  nöbVUCh  andere  Heilfaktoren,  besonders 

hS  h  /aberkulosen  Patienten  möglichst  heranzuziehen  und 
■  den  letzteren  den  opsonischen  Index  nicht  nur  durch  Vak¬ 
zineinjektion  sondern  auch  durch  gute  Nahrung  zu  erhöhen 
Einem  tuberkulösen  Patienten,  der  sich  abhungert  und  der  in 
Sorgen  und  schlechten  Verhältnissen  steckt,  dem  werden  Sie 
nnt  der  sorgfältigsten  Vakzination  nicht  auf  die  Beine  helfen. 
pc  h pMh  1Ch  habu  es  bisher  als  gegeben  betrachtet,  dass  wir 
e?nzLdneBnkf mSChen  ?ehan?lung  unserer  Patienten  mit  einem 

immer^  der FaTVi  u  DaS  ist  aber  durchaus  nicht 

mmer  der  Tall.  Vielmehr  haben  wir  es  sehr  oft  mit  Misch- 

zwd  odTr  hUn  v0!?  dann  iSt  65  nÖt'g’  die  Patienten  mit 
zw  ei  oder  mehr  Vakzinen  zu  impfen.  Im  W  right  sehen 

Laboratorium  haben  sich  die  Erfahrungen  gehäuft,  die  dahin 

gehen,  dass;  man  sehr  oft  mit  der  Inokulation  so  lange  nicht 

.um  ^Iel®  kommt,  bis  es  nicht  gelungen  ist,  sämtliche  in  Frage 

kommenden  Krankheitserreger  zu  ermitteln  und  ätiologisch  zu 

desTäheren  bin  ich,  nicht  in  der  Lage’  mich  darüber 

(les  näheren  zu  aussern  und  verweise  diesbezüglich  sowie 

auch  was  die  exakte  Dosierung  der  Injektion  belangt,  auf  die 

°r  je£ende  englisch-amerikanische  Literatur  und  auf  die  aus- 

fuhrhehe  Arbeit,  die  ich  demnächst  publizieren  werde. 

Ich  bin  am  Ende.  Selbstverständlich  war  es  mir  nicht 

Fn  gf  1C£\reSr  a!f-  einen  kurzen  Abriss  zu  geben  von  dem 
Tortschritt,  den  die  neue  Lehre  Sir  A.  W  rights  für  die 

Wissenschaft  wie  für  die  medizinische  Praxis  bedeutet.  Viele 

unk  e  habe  ich  nur  gestreift,  die  eine  ausführlichere  Be- 

e  bUng  frrordern’  und  lch  fühIe  so  sehr,  wie  unvollkommen 
das  ist  was  ich  in  so  kurzem  Zeitraum  habe  bieten  können 
dass  ich  es  ergänzen  möchte.  Ich  bin  dazu  in  der  Lage  bin 
bereit,  den  Worten  Taten  folgen  zu  lassen.  ’ 

Ich  verdanke  es  in  erster  Linie  der  so  überaus  lieben«; 
würdigen  Unterstützung  des  Herrn  Medizinalrates  Joest,  des 
ausgezeichneten  pathologischen  Anatomen  an  der  hiesigen 
Tierärztlichen  Hochschule,  welcher  ich  als  Dozent  angehöre 
dass  ich  dem  Kongress  in  einem  Raume  des  pathologischen 
nstituts  der  Tierärztlichen  Hochschule  mein  neues  opsonisches 
Laboratorium,  das  erste  opsonische  Laboratorium  auf  dem 


Kontinent  demonstrieren  kann.  Auf  die  Anregung  und  den 
Antrag  des  Herrn  Medizinalrats  Joest  hat  die  Königlich 
Sächsische  Staatsregierung  mir  den  offiziellen  Auftrag  zu  dieser 
Studienreise  erteilt  und  Mittel  für  das  Laboratorium  zur  Ver- 

DankgaSeückenICh  '"ÖCllte  ^  a“Ch  an  dieSer  Ste"e  meinen 


Zur  Frage  der  chirurgischen  Behandlung  der  beginnen¬ 
den  tuberkulösen  Lungenspitzenphthise. 

Von  Dr.  K  a  r  1  H  a  r  t,  Prosektor  am  Auguste-Viktoria-Rranken- 

haus,  Schöneberg-Berlin. 

c  ,  5er  V°n  PJ  SAS  1  e  r  und  S  e  i  d  e  1  in  No.  38  dieser  Wochen¬ 
schrift  gebiachte  Artikel  über  die  chirurgische  Behandlung  des 
ungenemphysem  ist  ausserordentlich  bemerkenswert  weil  er 
nicht  nur  in  wertvoller  Weise  die  F  r  e  u  n  d  sehe  Lehre  über 
Aetiologie  und  Pathologie  einer  bestimmten  Art  des  alveolären 
Lungenemphysems  bestätigt  und  die  von  F  r  e  u  n  d  empfohlene 
chirurgische  Behandlung  dieses  Emphysems  in  ihrem  vollsten 
Nutzen  zeigt,  sondern  vor  allem  deshalb,  weil  hier  Seidel 
zum  ersten  Male  auch  die  Resektion  des  ersten  Rippenknorpels 
ausgefuhrt  hat.  Diese  Operation,  welche  mir  selbst  von  Chi¬ 
rurgen  als  schwierig  und  gefahrvoll  bezeichnet  wurde,  scheint 
näch  S  eid  el s  Ausführungen  durchaus  nicht  allzugrosse 
Schwierigkeiten  zu  machen  und  für  den  Patienten  nicht  sehr 
eingreifend  zu  sein.  So  ist  es  denn  wohl  am  Platze,  auch 
die  von  Freund  bereits  vor  fast  60  Jahren  geforderte  chi- 
rurgische  Behandlung  der  beginnenden  tuberkulösen  Spitzen- 
pnthise,  welche  in  eben  jener  Durchtrennung  des  ersten  Rippen¬ 
knorpels  besteht,  von  Neuem  nachdrücklich  zu  empfehlen  zu- 
mal  sich  herausgestellt  hat,  dass  eine  mechanische  Behinderung 
der  oberen  Thoraxapertur  im  Sinne  der  F  r  e  u  n  d  sehen  Lehre 
in  \\  eitern  Masse  zur  tuberkulösen  Spitzenerkrankung  dispo- 
nieit  und  uns  die  Selbsthilfe  der  Natur  den  Nutzen  einer  Durch¬ 
trennung  der  ersten  funktionsunfähigen  Rippenknorpel  deutlich 
genug  vor  Augen  führt. 

Die  Fr  eund  sehe  Lehre,  welche  leider  bei  weitem  nicht 
die  ihr  gebührende  Beachtung  gefunden  hat,  sagt,  dass  infolge 
einer  Entwicklungshemmung  der  ersten  Rippenknorpel  die 
obere  Thoraxapertur  stenosiert  wird  und  dadurch  einen  schäd¬ 
lichen  Druck  auf  das  umschlossene  Lungengewebe  ausübt  und 
ass  der  verkürzte  Knorpel  infolge  grösserer  Rigidität  und 
eigung  zu  verschiedenartigen  Verknöcherungsprozessen  eine 
für  das  Gewebe  der  Lungenspitze  überaus  schädliche  Einbusse 
semer  Funktionstüchtigkeit  erleidet.  Mit  dieser  Beobachtung 
steht  die  Entdeckung  Schmor  ls  einer  subapikalen  Druck- 
rurene  und  die  bekannte  Mitteilung  Birch-Hirschfelds 
über  Zusammendrängung  und  Verkümmerung  der  Aeste  des 
subapikalen  hinteren  Spitzenbronchus  in  vollstem  Einklang  und 
durch  die  Ausführungen  dieser  Forscher  sowie  meine  eigenen 
Untersuchungen  ist  gezeigt  worden,  dass  in  der  Tat  alle  diese 
zusammenhängenden  Veränderungen  die  Ansiedelung  der  Tu- 
berkelbazillen  und  die  Entstehung  einer  tuberkulösen  Spitzen¬ 
phthise  begünstigen. 

Die  Klärung  des  Dispositionsbegriffes  und  die  in  neuester 
Zeit  immer  mehr  wachsende  Ueberzeugung  der  Bedeutung 
welche  dispositionellen  Faktoren  für  die  Entstehung  der  Krank¬ 
heiten  zukommt,  hat  auch  dazu  beigetragen,  den  Wert  der  alten 
Lehre  F  r  e  und  s  ins  rechte  Licht  zu  setzen,  und  es  ist  jetzt  an 
aei  Zeit,  auf  Grund  der  pathologisch-anatomischen  Verände¬ 
rungen  zu  prüfen,  inwieweit  die  Forderung  einer  chirurgischen 
Behandlung  mechanischer  Missverhältnisse  im  Bereich  der 
oberen  Thoraxapertur  berechtigt  ist,  und  die  Indikationsstellung 
möglichst  scharf  zu  präzisieren. 

Da  ich  selbst  in  umfangreichen  Untersuchungen  1)  die  An¬ 
gaben  Freunds  habe  bestätigen  und  erweitern  können  und 
es  mir  gelungen  ist,  das  Wesen  einer  mechanischen  Spitzen¬ 
disposition  in  einzelnen  Punkten  etwas  genauer  zu  formulieren, 
so  gehe  ich  von  den  Ergebnissen  meiner  eigenen  Beobachtungen 
aus.  Trenn  d  forderte  ganz  allgemein  die  D-urchschneidung 
des  ersten  Rippenknorpels  bei  Feststellung  einer  beginnenden 

„  !),C-,  b[.a  rt:  mechanische  Disposition  der  Lungenspitzen 

zui  tuberkulösen  Phthise.  Enke,  Stuttgart  1906. 


29.  Oktober  1907, _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2177 


tuberkulösen  Spitzenphthise  namentlich  jugendlicher  Personen, 
sofern  die  Erkrankung  des  Lungengewebes  nicht  zu  weit  nach 
abwärts  vorgeschritten  ist,  und  er  stützte  diese  Forderung  auf 
die  wertvolle  und  richtige  Beobachtung,  dass  eine  Gelenkbil¬ 
dung  am  verknöcherten  und  daher  funktionsuntüchtigen  ersten 
Rippenknorpel  häufig  mit  ausgeheilten  tuberkulösen  Spitzen¬ 
herden  anzutreffen  und  daher  als  eine  Naturheilhilfe  zu  be¬ 
trachten  ist.  Damit  schien  der  Wert  einer  chirurgischen  Durch¬ 
trennung  des  ersten  Rippenknorpels  ohne  Weiteres  klar  vor 
Augen  geführt,  allein  nach  meinen  eigenen  Untersuchungen 
liegen  die  Verhältnisse  doch  nicht  ganz  so  einfach. 

Mechanisch-funktionelle  Missverhältnisse  im  Bereich  der 
oberen  Thoraxapertur  kommen  in  zwei  Formen  in  Betracht, 
welche  scharf  von  einander  zu  trennen  sind.  Die  erste  Form 
entspricht  der  Lehre  Freunds,  sie  besteht  in  einer  primären 
Entwicklungshemmung  der  ersten  Rippenknorpel  oder  aber 
auch  der  ersten  Rippen  selbst,  wodurch  eine  Stenose  der  oberen 
Thoraxapertur  erzeugt  wird,  welche  für  das  umschlossene  Ge¬ 
webe  der  Lungenspitzen  um  so  verhängnisvoller  wird,  als  die 
Knorpelverkürzung  eine  stärkere  Neigung  der  Apertur,  eine 
grössere  Rigidität  der  Knorpelsubstanz  und  ausgesprochene 
Neigung  zu  scheidenförmiger  Verknöcherung  zur  Folge  hat. 
Diese  Verknöcherung  des  mit  dem  Sternum  fest  verbundenen 
ersten  Rippenknorpels  muss  dessen  Funktion  und  damit  die  des 
ganzen  ersten  Rippenringes,  von  welcher  die  respiratorische 
Atembewegung  des  ganzen  Thoraxgerüstes  abhängt,  völlig  auf- 
heben.  Nun  hat  sich  aber  nach  meinen  Untersuchungen  heraus¬ 
gestellt,  dass  die  Stenose  der  Apertur  unter  diesen  Verhält¬ 
nissen  keineswegs  eine  nur  allgemeine  ist,  sondern  dass  sie 
sich  auch  in  einer  überaus  schwerwiegenden  Formveränderung 
äussert,  indem  die  Apertur  aus  der  kartenherzförmigen  quer¬ 
ovalen  in  eine  geradovale  Form  übergeht  und  damit  durch  den 
steil  nach  vorn  gerichteten  Verlauf  der  ersten  Rippe  speziell  die 
seitlichen  Ausbuchtungen  räumlich  beeinträchtigt,  in  welchen 
die  Lungenspitzen  liegen.  Gerade  und  allein  durch  den  Ueber- 
gang  der  Form  der  oberen  1  horaxapertur  in  eine  Form,  welche 
derjenigen  der  niederen  Säugetiere  entspricht,  wird  die 
S  c  h  m  o  r  1  sehe  Lungenfurche  mit  der  Zusammendrängung  der 
subapikalen  Bronchialäste  erklärt. 

Wie  bereits  Freund  betont  hat,  handelt  es  sich  um  eine 
Entwicklungshemmung,  deren  Anlage  nach  Freund  selbst 
und  Mendelsohn  schon  in  allerfrühester  Zeit  zuweilen  offen 
zutage  tritt,  die  sich  aber  nach  meinen  Ausführungen  endgültig 
erst  zur  Zeit  der  Reife  geltend  macht,  so  dass  ihr  eine  besondere 
ursächliche  Bedeutung  gerade  für  die  tuberkulöse  Lungen¬ 
phthise  jugendlicher,  in  der  Blüte  der  Jahre  stehender  Indivi¬ 
duen  zugeschrieben  werden  muss. 

Von  diesen  zur  tuberkulösen  Spitzenphthise  disponierenden 
Anomalien  des  ersten  Rippenringes  schied  ich  scharf  gewöhn-- 
liehe  als  Altersveränderungen  aufzufassende  in  der  Knorpel¬ 
substanz  auftretende  Verknöcherungsprozesse,  aus  denen  ich 
mir  die  Lokalisation  der  beginnenden  tuberkulösen  Phthise  in 
der  Lungenspitze  bei  älteren  Individuen  erklärte.  Sie  haben 
m.  E.  niemals  die  gebührende  Beachtung  gefunden,  obwohl 
ihnen  sicher  die  gleiche  Bedeutung  zukommt  wie  der  von 
Freund  zuerst  beschriebenen  scheidenförmigen  Verknöche¬ 
rung  der  ersten  Rippenknorpel.  V  i  r  c  h  o  w  hat  einmal  darauf 
hingewiesen,  dass  durch  eine  starre  Verknöcherung  der  ersten 
Rippenknorpel  die  Durchlüftung  der  Lungenspitzen  sehr  be¬ 
einträchtigt  wird,  so  dass  sich  dort  Bronchialkatarrhe  ent¬ 
wickeln  und  so  eine  Disposition  zur  Infektion  setzen  können. 
Mit  zunehmender  Funktionsunfähigkeit  der  ersten  Rippenknor¬ 
pel  bilden  sich  eben  alle  jene  Verhältnisse  aus,  welche  beson¬ 
ders  die  aerogene,  aber  auch  hämato-  und  lymphogene  tuber¬ 
kulöse  Infektion  des  Lungenspitzengewebes  begünstigen.  In 
diesen  Fällen  fehlt  zwar  so  gut  wie  immer  die  Kompression  des 
Spitzengewebes  durch  einen  stenosierten  und  formveränderten 
Knochenring,  allein  dieser  Ausfall  wird  oft  genug  reichlich  aus¬ 
geglichen  werden  durch  alle  jene  disponierenden  Momente, 
welche  mit  zunehmendem  Alter  naturgemäss  immer  mehr  Gel¬ 
tung  erlangen.  Gerade  in  höheren  Lebensjahren  finden  wir  ja 
die  chronischen,  zu  ausgedehnter  Schwielenbildung  führenden 
Formen  der  tuberkulösen  Lungenphthise,  was  ich  teilweise  auf 
die  nur  allmählich  eintretende  Funktionsstörung  des  ersten 
Rippenringes  und  auf  dessen  sekunäre  Mobilisierung  durch  Ge¬ 
lenkbildung  seiner  Knorpel  zurückführen  möchte. 

No.  44. 


Eben  diese  Gelenkbildung  am  ersten  Rippenknorpel  gab 
Freund  Veranlassung,  eine  entsprechende  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  Funktionshemmung  der  oberen  Thoraxapertur 
zu  fordern,  und  es  ist  in  der  Tat  unzweifelhaft,  dass  diese 
Gelenkbildung  die  Heilung  tuberkulöser  Gewebserkrankungen 
in  den  Lungenspitzen  begünstigt,  falls  sie  noch  nicht  zu  aus¬ 
gedehnt  sind  und  noch  nicht  auf  Lungenbezirke  übergegriffen 
haben,  welche  von  der  oberen  Thoraxapertur  weder  räumlich 
noch  funktionell  beeinflusst  sind.  ■ 


Entsprechend  meinen  Anschauungen  über  diese  beiden 
scharf  getrennten  Grundlagen  der  Spitzendisposition  ergaben 
sich  mir  auch  bezüglich  der  Heilung  der  tuberkulösen  Lungen¬ 
spitzenaffektion  bestimmende  Gesichtspunkte,  welche  ich  im 
Wortlaut  anführen  will.  „Die  in  jugendlichem  Alter  infolge 
einer  Stenosierung  und  Formveränderung  der  oberen  1  horax- 
apertur  entstehende  tuberkulöse  Spitzenphthise  ist,  wenn  nicht 
besondere  kräftige  Heilfaktoren  einwirken,  einer  Ausheilung 
nicht  fähig,  weil  Stenose  und  Formveränderung  irreparable  Zu¬ 
stände  darstellen  und  die  Grundbedingungen  zur  Gelenkbildung 
am  ersten  Rippenknorpel  (gewisse  Altersveränderungen) 
fehlen,  durch  welche  die  funktionelle  Minderwertigkeit  des 
ersten  Rippenringes  gebessert  werden  könnte.  Infolgedessen 
werden  alle  mit  diesen  Fehlern  behafteten  Individuen  schnell 
und  früh  ausgemerzt,  sobald  sie  einer  genügend  starken  Infek¬ 
tion  ausgesetzt  waren.  Selbst  aber  wenn  dies  nicht  der  Fall 
ist,  bedeuten  die  Missverhältnisse  im  Bereich  der  oberen  Tho¬ 
raxapertur  für  ihren  Träger  eine  ständige  Gefahr,  früher  oder 
später  doch  noch  einer  tuberkulösen  Lungenphthise  zu  erliegen. 
Wir  können  daher  bei  jugendlichen  Individuen  nicht  häufig  aus¬ 
geheilte  tuberkulöse  Spitzenprozesse  erwarten.  Im  höheren 
Alter  ändern  sich  diese  Verhältnisse.  In  je  späteren  Jahren  ein 
Individuum  an  einer  tuberkulösen  Spitzenaffektion  erkrankt, 
um  so  grösser  wird  die  Möglichkeit  einer  Heilung,  weil  bei  der 
Mehrzahl  der  Erkrankten  die  Disposition  der  Lungenspitzen 
vorwiegend  auf  einer  Funktionsstörung  des  ersten  Rippenringes 
infolge  von  Altersveränderungen  der  Knorpelgrundsubstanz 
beruht,  welche  eine  Gelenkbildung  und  damit  günstige  Beein¬ 
flussung  der  Funktionsstörung  gestatten.  Das  Spitzengewebe 
wird,  sofern  nur  die  sonstige  allgemeine  und  lokale  Konsti¬ 
tution  eine  gute  ist.  zu  einem  erfolgreichen  Widerstand  gegen 


die  tuberkulöse  Infektion  befähigt. 

In  vielen  Fällen  wird  die  Hilfe  eine  ausgiebige  sein,  in 
anderen  zwar  keine  Heilung  bringen,  wohl  aber  ein  rasches 
Fortschreiten  des  Prozesses  hindern,  wieder  in  anderen  Fallen, 
wo  noch  keine  Infektion  erfolgt  war,  die  Lungenspitze  über¬ 
haupt  vor  der  Erkrankung  bewahren.“ 

Aus  diesen  Worten  ergibt  sich  meine  Stellung  zur  Forde¬ 
rung  der  chirurgischen  Behandlung  der  beginnenden  tuberku¬ 
lösen  Spitzenphthise.  Für  alle  diejenigen  Fälle,  in  welcnen  die 
Erkrankung  auf  einfache,  durch  Altersveränderungen  bedingte 
Funktionshemmung  der  ersten  Rippenknorpel  zurückzuführen 
ist,  halte  ich  die  Forderung  Freunds  nicht  nur  für  berech- 
tigt,  sondern  sogar  für  geboten.  Dabei  wild  zu  berücksichtigen 
sein,  dass  der  Begriff  der  Altersveränderung  ein  sehr  relativer 
ist  denn  die  Knorpelveränderungen,  welche  wir  damit  bezeich¬ 
nen,  treten  oft  auffallend  früh,  oft  spät  oder  auch  gar  nicht  ein, 
ohne  dass  wir  für  dieses  wechselnde  Verhalten  in  allen  ballen 
eine  genügende  Erklärung  hätten.  Der  Nutzen  einer  Durch¬ 
trennung  des  funktionsunfähigen  ersten  Rippenknorpels,  wel¬ 
chen  uns  schon  die  natürliche  Gelenkbildung  vor  Augen  führt, 
wird  durch  die  Beobachtung  Seidels  in  schönster  Weise  ge¬ 
zeigt.  Der  absolut  starre,  verkalkte  erste  Rippenknorpel  zeigte 
keine  Bewegung,  solange  auch  nur  noch  eine  schmale,  wenige 
Millimeter  dicke  Spange  stand,  um  nach  deren  Durchtrennung 
sofort  die  ausgiebigsten  respiratorischen  Bewegungen  auszu¬ 
führen. 

Der  Heilwert  einer  chirurgischen  Durchtrennung  des  star¬ 
ren  ersten  Rippenknorpels  wäre  vielleicht  deshalb  schon  ein 
hoher,  weil  er  nur  für  einen  gewissen  Lebensabschnitt  über¬ 
haupt  in  Betracht  kommt,  in  welchem  die  stenosierten  und 
formveränderten  Aperturen  zum  grössten  Teil  eliminiert  sind 
und  gerade  solche  Veränderungen  zum  Teil  die  Disposition  der 
Lungenspitzen  zur  tuberkulösen  Phthise  bedingen,  welcie 
r'hii-n rcncrVtpn  Finyriff  besondeis  günstig  zu  beein¬ 


flussen  sind. 


217  8 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


i 


No.  44. 


Natürlich  sind  bezüglich  der  Indikationsstellung  zur  Opera¬ 
tion  vom  Kliniker  auch  alle  anderen  wichtigen  Ueberlegungen 
in  Rechnung  zu  stellen,  allein  ich  meine,  man  sollte  die  Opera¬ 
tion  in  weitgehendstem  Masse  veranlassen,  selbst  wenn  ein 
Erfolg  zweifelhaft  erscheint,  nachdem  Seidel  gezeigt  hat, 
dass  der  Eingriff  für  den  Patienten  kein  allzu  schwerer  ist. 
Augenblicklich  möchte  ich  allein  die  tuberkulöse  Lungenphthise 
bei  Diabetes  von  chirurgischer  Behandlung  ausschliessen,  weil 
diese  ihrer  besonderen  Form  nach  nicht  den  Voraussetzungen, 
auf  welchen  die  Operation  basieren  soll,  entspricht. 

Es  versteht  sich  ja  überhaupt  von  selbst,  dass  nur  dann  ein 
günstiger  Erfolg  von  der  Operation  zu  erwarten  ist,  wenn  nicht 
allgemeine  Faktoren  den  Gesamtorganismus  oder  andere  lokale 
speziell  die  Lungenspitzen  in  ihrer  Widerstandskraft  ge¬ 
schwächt  haben. 

Ein  Punkt  erscheint  noch  besonderer  Erwähnung  wert, 
dessen  Bedeutung  wir  später  noch  erkennen  werden.  Die  in¬ 
spiratorische  Spannung  des  ersten  Rippenknorpels  ist  nämlich 
von  hohem  Werte  für  die  exspiratonische  Phase  der  Atembewe¬ 
gung  des  Thorax,  weil,  wie  Freund  gezeigt  hat,  der  inspira¬ 
torisch  gespannte  Knorpel  bei  der  Exspiration  mit  grosser  Kraft 
in  seine  Ruhelage  zurückschnellt  und  diese  Bewegung  den  mit 
ihm  durch  das  Brustbein  fest  verbundenen  unteren  Rippen  mit¬ 
teilt.  Bei  jeder  Durchtrennung  des  ersten  Rippenknorpels  muss 
daher  eine  beträchtliche  Einbusse  dieser  für  die  Exspiration 
wichtigen  Federkraft  eintreten,  wir  dürfen  sie  aber  deshalb  bei 
der  durch  Altersveränderungen  bedingten  Durchtrennung  der 
ersten  Rippenknopel  ausser  Betracht  lassen,  weil  ohnehin  mit 
der  Erstarrung  des  Knorpels  seine  Funktion  behoben  ist.  Eins 
aber  bleibt  zu  berücksichtigen:  Es  ist  sorgfältig  auf  den  Zu¬ 
stand  auch  der  anderen  Rippenknorpel  zu  achten  und  eventuell 
auch  deren  Durchtrennung  vorzunehmen,  weil  die  Sicherung 
und  Begünstigung  der  Exspiration  als  die  Vorbedingung  eines 
Erfolges  der  Operation  zu  betrachten  ist. 

Die  Technik  der  Operation  kann  uns  natürlich  nicht  be¬ 
schäftigen,  in  dieser  Hinsicht  hat  Seidel  wertvolle  Finger¬ 
zeige  gegeben,  wir  müssen  nur  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  sich  entweder  eine  breitere  Resektion  empfiehlt  oder  bei 
einfacher  Durchtrennung  für  eine  forcierte  Atembewegung  der 
oberen  Thoraxpartie  Sorge  zu  tragen  ist,  weil  es  feststeht,  dass 
die  Knorpeldurchtrennung  mit  einer  lebhaften  ossifizierenden 
Perichondritis  einhergeht,  welche  zu  einer  sekundären  Konsoli¬ 
dierung  des  Knorpels  führen  kann. 

So  sehr  ich  nun  die  von  Freund  geforderte  chirurgische 
Durchtrennung  des  ersten  Rippenknorpels  bei  durch  Alters¬ 
veränderungen  bedingter  Funktionsuntüchtigkeit  empfehle,  so 
wenig  Erfolg  versprach  ich  mir  bisher  in  dieser  Hinsicht  bei 
Entwicklungshemmungen.  „Die  Bildungsanomalien“,  so 
schrieb  ich,  „werden  kaum  unschädlich  gemacht  werden,  und 
nur  bei  ausgedehnter  scheidenförmiger  Verknöcherung  ver¬ 
sprechen  wir  uns  insofern  eine  Besserung,  als  wenigstens  die 
durch  diese  bedingte  Funktionsstörung  zum  Teil  behoben  wer¬ 
den  kann.“  In  der  1  at  weist  auch  in  diesen  Fällen  nirgends  die 
Natur  durch  Selbsthilfe  auf  den  Nutzen  einer  Knorpeldurch¬ 
trennung  hin,  wobei  allerdings  zu  bedenken  ist,  dass  dem  Knor¬ 
pel  die  eine  Selbsthilfe  ermöglichenden  Veränderungen  fehlen. 

Inzwischen  aber  bin  ich  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass 
die  von  Freund  befürwortete  chirurgische  Bildung  eines  Ge¬ 
lenkes  am  ersten  Rippenknorpel  auch  für  die  Fälle  beginnender 
tuberkulöser  Spitzenphthise  zu  empfehlen  ist,  welche  bedingt 
sind  durch  Stenosierung  und  Formveränderung  der  Apertur. 
Die  erwähnten  Bildungsanomalien  werden  zwar  —  daran  ist 
festzuhalten  —  durch  die  einfache  Knorpeldurchtrennung  nicht 
unschädlich  gemacht  werden,  aber  einige  sehr  bedeutsame 
Folgezustände  sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einer  günsti¬ 
gen  Beeinflussung  zugänglich.  In  erster  Linie  wird  die  Be¬ 
wegungsfähigkeit,  also  die  in  der  respiratorischen  Hebung  und 
Senkung  bestehende  Funktion  des  obersten  Rippenringes  durch 
die  Durchtrennung  des  rigideren,  weil  verkürzten  Knorpels  ge¬ 
bessert  werden  und  damit  weiterhin  die  Möglichkeit  gegeben 
sein,  dass  die  ganze  Apertur  sich  in  eine  andere  mittlere  Ebene 
einstellt.  Denn  die  stenosierte  Apertur  zeigt,  wie  bereits 
F  reund  betont  hat  und  ich  bestätigen  konnte,  eine  sehr  starke 
Neigung  gegen  die  Horizontalebene  und  bei  diesem  Stande  wird 
der  Kegel  der  Lungenspitzen  geradezu  in  den  Aperturring 


hineingedrückt  und  nach  Art  eines  Schniirringes  in  einer  schräg 
subapikalen  Linie  komprimiert.  Wird  nun  die  Apertur  nicht 
mehr  durch  die  Knorpel  nach  unten  gehalten,  so  scheint  in  der 
Tat  eine  Hebung  der  Apertur  und  eine  Erleichterung  des  auf 
dem  Lungengewebe  lastenden  Druckes  möglich. 

Schwere  Bedenken  bedingt  allerdings  die  mit  der  Knorpel¬ 
durchtrennung  verbundene  beträchtliche  Einbusse  der  gerade 
in  diesen  Fällen  für  die  Exspiration  erforderlichen  elastischen 
Knorpelspannung,  weil  wir  die  Bedeutung  der  exspiratorischen 
Phase  der  Spitzenatmung  für  die  Ablagerung  mit  dem  Luft¬ 
strom  zugeführter  Staubpartikel  und  infektiöser  Substanzen 
sehr  hoch  veranschlagen  müssen.  In  Anbetracht  aber  der  Tat¬ 
sache,  dass  die  Exspiration  im  wesentlichen  ein  passiver  Vor¬ 
gang  Ist,  bleibt  die  Hoffnung,  dass  die  Vorteile  der  Knorpel¬ 
durchtrennung  die  Nachteile  überwiegen  und  ausgleichen. 

So  empfehle  ich  also  auch  für  diese  Fälle  die  von  Freund 
geforderte  operative  Durchtrennung  der  ersten  Rippenknorpel, 
gleichgültig,  ob  die  Entwicklungshemmung  die  Knorpel  selbst 
oder  die  Rippen  oder  beide  zugleich  betrifft.  Wenn  man  sich 
vor  Augen  hält,  dass  die  Aussichten  auf  Erfolg  zweifelhaft  sind, 
dass  es  sich  zunächst  gewissermassen  um  —  nach  Seidel 
ungefährliche  und  wenig  eingreifende  —  Versuche  handelt, 
dass  aber  die  mechanischen  Missverhältnisse  im  Bereich  der 
oberen  I horaxapertur  auch  nur  einen  disponierenden  Faktor 
unter  vielen  anderen,  die  gegeben  sein  können,  darstellen,  so 
wird  man  sich  manche  Enttäuschung  infolge  eines  Misserfolges 
ersparen  und  vermeiden,  infolge  solcher  Misserfolge  die  ganze 
Lehre  zu  diskreditieren. 

Wir  begeben  uns  auf  Neuland!  Es  ist  zu  hoffen,  dass  die 
von  Seidel  ausgeführte  Operation  die  Anregung  dazu  gibt, 
dem  alten  Gedanken  Freunds  die  verdiente  Beachtung  zu 
schenken  und  an  die  chirurgische  Behandlung  der  beginnenden 
tuberkulösen  Lungenphthise  heranzutreten,  um  so  mehr,  als 
wir  uns  nicht  verhehlen  dürfen,  dass  die  Therapie  dieser  mör¬ 
derischen  Volkskrankheit  leider  noch  immer  nicht  genügende 
Erfolge  aufzuweisen  hat.  Wer  aber  geneigt  ist,  die  chirur¬ 
gische  Behandlung  in  Form  der  Durchtrennung  des  ersten  Rip¬ 
penknorpels  vorzunehmen  oder  zu  veranlassen  in  der  Meinung, 
dass  ein  tuberkulöser  Spitzenherd  so  günstig  zu  beeinflussen 
sei,  der  soll  auch  alle  Konsequenzen  dieser  Anschauung  ziehen. 
Je  länger  sich  die  Operation  verzögert  und  je  weiter  sich  die 
Gewebserkrankung  ausbreitet,  um  so  weniger  Erfolg  ist  zu 
erwarten.  Der  Kranke  ist  unmittelbar  nach  Feststellung  der 
tuberkulösen  Spitzenaffektion  dem  Chirurgen  zuzuführen,  ohne 
dass  vorher  eine  Heilstättenbehandlung  eintritt.  Es  liegt  mir 
fern,  den  Wert  einer  solchen  zu  bezweifeln,  ich  erkenne  ihn 
vielmehr  ausdrücklich  an,  aber  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  sie 
niemals  Heilung  bringen  kann  in  den  Fällen,  wo  schwere  dis¬ 
ponierende  Momente  dauernd  einwirken  und  jederzeit  der  glim¬ 
mende  Funke  zu  hellem  Feuer  aufflammen  kann.  Erscheint  es 
nicht  in  der  Erkenntnis  des  Wertes  individueller  Disposition 
gerechtfertigt,  in  erster  Linie  die  Grundlagen  dieser  nach  Mög¬ 
lichkeit  zu  beseitigen  und  dann  an  die  nun  aussichtsreiche  Be¬ 
kämpfung  der  Gewebserkrankung  heranzutreten?  An  die 
chirurgische  Behandlung  hätte  sich  unmittelbar  die  Heilstätten¬ 
behandlung  anzuschliessen,  gewissermassen  mit  ihr  zu  kom¬ 
binieren. 

So  muss  man  denn  wünschen,  dass  die  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  tuberkulösen  Lungenphthise  auch  im  Sinne  der 
alten  Freund  sehen  Forderung  in  Angriff  genommen  werde. 
Der  Ruf  nach  dieser  Operation  kann  nicht  mehr  unverständ¬ 
lich  erscheinen  in  einer  Zeit,  wo  in  immer  weiteren  Kreisen  die 
Bedeutung  der  Disposition  neben  der  Infektion  gewürdigt  wird, 
wo  die  Vorbedingungen  zur  operativen  Durchtrennung  des 
ersten  Rippenknorpels  als  in  mechanischen  Missverhältnissen 
der  oberen  Thoraxapertur  bestehende,  individuell  disponierende 
Faktoren  anzuerkennen  sind,  wo  endlich  Seidel  als  erster 
gezeigt  hat,  dass  es  sich  um  einen  technisch  verhältnismässig 
einfachen  und  nicht  allzu  schweren  Eingriff  handelt. 

Noch  eine  andere  bedeutsame  Frage  erhebt  sich  aber. 
Sollen  wir  uns  darauf  beschränken,  den  durch  einfallende  Fun¬ 
ken  entfachten  Brand  zu  löschen,  und  nicht  vielmehr  alles 
daran  setzen,  nach  Möglichkeit  den  Zündstoff  zu  entfernen,  be¬ 
vor  er  entflammt  werden  kann?  Neben  der  Therapie  kommt 
also  noch  die  Prophylaxe  in  Betracht  und  diese  darf  sich  nicht 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2 170 


allein  auf  einen  Kampf  gegen  den  Tuberkelbazillus  erstrecken, 
sondern  sie  muss  mit  allen  Mitteln  auch  eine  Lösung  der  Frage 
der  Disposition  anstreben.  Ich  selbst  habe  bereits  bezüglich 
der  Thoraxanomalien,  welche  uns  oben  beschäftigt  haben,  dar¬ 
auf  hingewiesen 2),  dass  viel  zu  erreichen  ist  durch 

eine  früh  einsetzende  und  energisch  fortgeführte  Pro¬ 
phylaxe,  und  dass  dieser  Gedanke  eines  Kampfes  auch 
gegen  die  Disposition  berechtigt  ist,  beweisen  die  be¬ 
merkenswerten  Worte,  welche  ich  einem  Artikel  Bar¬ 
tels  und  Spielers  in  der  Tuberkulose-Festnummer 
der  Wiener  klin.  Wochenschr. 3)  entnehme:  „Wir  sind 
daher  auch  der  Anschauung,  dass  mit  der  antibazillären  Pro¬ 
phylaxis  allein  die  Aufgaben  der  Hygiene  nicht  erschöpft  sein 
können,  sondern  auch  die  Lösung  von  Fragen  der  Disposition 
speziell  zur  Tuberkulose  mit  dazu  berufen  ist,  einen  erfolgreiche¬ 
ren  Kampf  gegen  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose  zu  ermög¬ 
lichen.“  Unzweifelhaft  nun  arbeitet  unsere  moderne  Sozial¬ 
hygiene  schon  längst,  wenn  auch  nicht  mit  speziellem  Endziel 
an  diesem  Werke,  denn  was  anderes  ist  neben  ihrem  anti¬ 
bazillären  Kampfe  ihr  Kern,  als  das  Bestreben,  einen  kräftigen, 
gesunden  und  widerstandsfähigen  Menschen  heranzuziehen. 
Damit  dient  sie  auch  dem  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose;  aber 
neben  dieser  allgemeinen  Prophylaxe  ist  noch  eine  spezielle  zu 
fordern,  welche  sich  denjenigen  Individuen  zuwendet,  die  in¬ 
folge  besonderer  Konstitution  von  früher  Jugend  auf  zur  tuber¬ 
kulösen  Erkrankung  disponiert  sind.  Unter  diesem  Gesichts¬ 
punkte  darf  auch  der  Wert  einer  prophylaktischen  Durchtien- 
nung  der  ersten  Rippenknorpel  diskutiert  werden.  Ich  glaube, 
dass  diese  sicher  für  eine  Reihe  von  Fällen  in  Betracht  kommen 
könnte,  allein  ich  kann  ihr  so  lange  nicht  das  Wort  reden,  als 
es  nicht  gelungen  ist,  die  mechanischen  Missverhältnisse  im 
Bereich  der  oberen  Thoraxapertur  gut  zu  diagnostizieren,  und 
bevor  vor  allem  nicht  der  Wert  des  chirurgischen  Eingriffes 
für  die  Heilung  des  tuberkulösen  Spitzenprozesses  sicher¬ 
gestellt  worden  ist.  ,  ,  , 

Daher  gilt  es  vorerst,  an  die  operative  Behandlung  der  be¬ 
ginnenden  Lungenspitzenphthise  im  Sinne  Freunds  heran¬ 
zutreten,  welche  man,  wie  ich  hoffe  gezeigt  zu  haben,  mit  guter 
Berechtigung  fordern  darf. 


Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Jena  (Direktor. 

Geh.  Med.-Rat  Prof  Dr.  Stintzing). 

Klinische  und  bakteriologische  Bemerkungen  zur  epide¬ 
mischen  Genickstarre  im  Anschluss  an  3  sporadische 

Fälle.*) 

Von  Dr.  H.  B  e  n  n  e  c  k  e,  Assistent  der  Klinik. 

Im  folgenden  soll  über  drei  sporadische  Fälle  epidemischer 
Genickstarre  berichtet  werden,  die  innerhalb  Jahresfrist  in  der 
Jenaer  medizinischen  Klinik  zur  Beobachtung  kamen  und  so¬ 
wohl  in  klinischer  Beziehung,  als  auch  wegen  eigenartiger  bak¬ 
teriologischer  Untersuchungsergebnisse  einiges  Interesse  be¬ 
anspruchen  dürften.  In  allen  drei  Fällen  liess  sich  der  W  e  i  c  h- 
s  e  1  b  a  u  m  sehe  Meningokokkus  nachweisen,  sodass  sie  als 
ein  weiterer  Beleg  für  die  noch  nicht  völlig  geklärte  Frage  nach 
der  Aetiologie  derartiger  sporadischer  Fälle  angesehen  werden 
können.  Der  erste  Fall  hat  dadurch  weiteres  Interesse,  dass  er 
die  Folge  von  zwei  Ohrfeigen  sein  soll. 

Aus  diesem  Grunde  muss  die  Anamnese  näher  mitgeteilt 
werden.  Es  handelt  sich  um  einen  17  jährigen  Glasarbeiter  aus 
Jena,  der  bei  der  Aufnahme  folgende  Angaben  machte:  Er  habe  am 
6.  VI.  07  gegen  4  Uhr  morgens  von  seinem  Meister  wegen  mangel¬ 
hafter  Arbeit  zwei  Ohrfeigen  bekommen,  die  die  linke  Halsseite 
traten;  wenige  Minuten  danach  will  er  nochmals  an  den  Nacken  ge¬ 
fasst  und  geschüttelt  worden  sein.  Nach  den  Schlägen  ist  er  an¬ 
geblich  zurückgetaumelt,  hat  aber  unmittelbare  Folgen  nicht  gespürt. 
Erst  ungefähr  Vz — 1  Stunde  später  soll  sich,  ohne  dass  Patient  sich 
krank  fühlte,  Erbrechen  von  grünlichen  Massen  eingestellt  haben,  was 
er  aber  nicht  achtete,  da  er  vollkommen  beschwerdefrei  ungefähr 
2  Stunden  weiter  arbeiten  konnte.  Erst  auf  dem  Nachhausewege, 
d.  h.  also  ungefähr  3  Stunden  nach  den  Schlägen  soll  sich  ein  ganz 
unbestimmtes  Unbehagen  bemerkbar  gemacht  haben,  das  den  Pa¬ 
tienten  jedoch  nicht  hinderte,  voll  und  ganz  die  Nachtschicht  vom 
6.  VI.  abends  bis  7.  VI.  früh  durchzuarbeiten. 


2)  Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose  1907. 

3)  Wien.  klin.  Wochensohr.  1907,  No.  38. 

*)  Nach  einem  im  ärztlichen  Vereine  in  Jena  gehaltenen  Vortrage 


Als  er  aber  am  Abend  des  7.  VI.  sich  wieder  zur  Nachtschicht 
begab,  fühlte  er  sich  schon  unwohl.  Der  Dienst  brachte  es  mit 
sich,  dass  er  von  10  Uhr  abends  bis  5  Uhr  morgens  Schläfer)  konnte; 
als  er  um  diese  Zeit,  d.  h.  am  8.  VI.  07  zur  Arbeit  geweckt  wurde, 
konnte  er  nur  noch  mit  grösster  Mühe  zwei  Stunden  lang  arbeiten. 
Er  meldete  sich  jetzt  krank  und  will  nun,  d.  h.  am  8.  VI.  07  früh  nach 
Hause  „geschlichen“  sein,  wo  sich  nochmals  Erbrechen  grünlicher 
Massen  einstellte.  Zwei  Tage  lang  musste  er  danach  mit  sehr 
starken  Kopf-  und  Nackenschmerzen,  Appetitlosigkeit  und  gelegent¬ 
lichem  Erbrechen  zu  Hause  liegen,  bis  am  10.  VI.  07  ärztlicherseits 
seine  Ueberführung  in  die  Klinik  angeordnet  wurde. 

Aus  den  sonstigen  Angaben  ist  nur  hervorzuheben,  dass  er  1905 
wegen  einer  doppelseitigen  Otitis  media  in  der  Ohrenklinik  behandelt 
wurde,  und  dass  er  Pfingsten,  d.  h.  also  ungefähr  17  Tage  vor  seiner 
Erkrankung,  ärztlicherseits  wegen  „Influenza“  14  Tage  lang  krank 
geschrieben  war;  bettlägerig  will  er  nur  etwa  5—6  Tage  gewesen 
sein. 

Bei  der  Aufnahme  des  Patienten  in  die  Klinik  bestand  mässig 
ausgesprochene  Nackensteifigkeit,  starke  Empfindlichkeit  der  leicht 
gekrümmten  Wirbelsäule  im  dorsalen  und  lumbalen  Abschnitte  bei 
passiven  Bewegungen  und  auf  Druck  und  geringe  Driisenschwel- 
lungen  hinter  den  Ohren  und  den  Mm.  sternocleidomastoidei.  Der 
Kranke  nahm  dauernd  selbstgewählte  Seitenlage  ein.  Lähmungen 
oder  Krämpfe  bestanden  nicht.  Die  Reflexe  boten  keine  nennens¬ 
werten  Abweichungen;  irgendwelche  Sensibilitätsstörungen  bei  dem 
zurzeit  völlig  klaren  Patienten  konnten  nicht  festgestellt  werden.  Die 
Pupillen  reagierten  etwas  träge.  An  den  Organen  der  Brust-  und 
Bauchhöhle  fanden  sich  keinerlei  krankhafte  Veränderungen.  Auch 
an  den  Ohren  konnte  seitens  der  Ohrenklinik  Krankhaftes  nicht  fest- 
gestellt  werden.  Der  Puls  war  regelmässig,  50—60,  ein  ausge¬ 
sprochener  Druckpuls. 

Eine  sogleich  vorgenommene  Lumbalpunktion  erweckte  den 
Verdacht  der  epidemischen  Genickstarre.  Das  Untersuchungs¬ 
ergebnis  dieser  und  der  folgenden  Lumbalpunktionen  soll  später  im 
Zusammenhänge  besprochen  werden. 

Der  Verlauf  der  Krankheit,  auf  den  nicht  näher  eingegangen  wer¬ 
den  kann,  war  ein  ganz  ausserordentlich  wechselnder,  indem  wieder¬ 
holt  auf  Zeiten  einer  sichtbaren  und  scheinbar  sehr  bedrohlichen  Ver¬ 
schlechterung  solche  einer  ausgesprochenen  Besserung  folgten.  Es 
gab  Tage  und  Stunden,  in  denen  der  Kranke,  bei  dem  zeitweise 
Cheyne-Stokes  sches  Atmen  bestand,  ganz  benommen  und 
apathisch  war,  oder  auch  delirierte  und  eine  eigentümliche  Witzel¬ 
sucht  zeigte;  dann  kamen  wieder  mehr  oder  weniger  unvermittelt 
Zeiten,  in  denen  er  scheinbar  ganz  klar  auf  Fragen  vernünftig  und 
richtig,  nur  etwas  zögernd,  Antwort  gab.  Sehr  charakteristisch 
ist  der  schwere  Rückfall  der  Krankheit,  der  am  5.  VII.  07,  nachdem 
der  Kranke  am  Abend  vorher  im  ärztlichen  Verein  vorgestellt  war. 

einsetzte  fl,  2,  3].  ,  ,  ,  .  , 

Es  spricht  sich  dieses  wechselvolle  Verhalten  auch  aus  in  der 
ganz  ungewöhnlich  bizarren  Form  der  Temperatur  und  Pulskurve. 
Man  sieht  daraus,  wie  auf  Tage  mit  subnormalen  Temperaturen  un¬ 
vermittelt  solche  mit  massigen  Fiebersteigerungen  folgen  und  wie 
sich  die  Pulskurve  zum  grossen  Teile  vollkommen  paradox  verhält, 
indem  den  höheren  Temperaturen  meist  abnorm  geringe  Pulszahlen 
und  umgekehrt  entsprechen,  kurz,  ein  Verhalten,  das  wohl  nur  zu 
einem  Teile  durch  die  Schwere  der  Infektion,  zu  einem  anderen  durch 
die  Drucksteigerung  im  intraduralen  Raume  erklärt  werden  kann  131. 

Ferner  sei  erwähnt,  dass  im  Gebiete  der  peripheren  Nerven  die 
verschiedensten  Ausfalls-  und  Reizerscheinungen  beobachtet  wurden, 
letztere  besonders  auffallend  im  Bereiche  des  linken  J  rigeminus,  die 
gleichfalls  das  sprunghafte  Entstehen  und  Verschwinden  der  übrigen 
Krankheitssymptome  zeigten.  Am  längsten  bestanden  eine  Paiesc 
des  linken  Abduzens  und  linken  Fazialis,  doch  bildeten  auchi  diese 
sich  schliesslich  nach  wochenlangem  Bestehen  restlos  zurück.  Bla¬ 
sen-  und  Mastdarmstörungen  bestanden  wiederholt,  jedoch  für  nur 
wenige  Tage.  Sehr  auffallend  war  eine  nach  der  ersten  Punktion 
nachweisbare,  umschriebene,  zirka  handtellergrosse  anästhetische 
Zone  auf  der  Innenseite  des  linken  Unterschenkels,  die  nach  zwei¬ 
tägigem  Bestehen  verschwand,  um  nochmals  nur  ganz  vorübergehend 
einige  Tage  später  aufziutreten  (Läsion  einer  Faser  der  Cauda  equina 

bei  der  ersten  Lumbalpunktion?).  , ,  . 

Die  Reflexe  wiesen  bis  gegen  Mitte  der  Krankheit  eine,  von  ge¬ 
legentlichen  Reflexsteigerungen  in  einzelnen  Gebieten  vorübergehend 
unterbrochene,  langsam  zunehmende  Herabsetzung  auf,  bis  sie  voll¬ 
ständig  erloschen,  um  dann  allmählich,  wenigstens  zum  grössten  teile, 
wiederzukehren.  Ganz  vorübergehend  war  der  B  a  b  i  n  s  k  l  sehe  Re¬ 
flex  vorhanden.  Das  Kernig  sehe  Phänomen  liess  sich  nicht  aus¬ 
schliesslich  ist  noch  mitzuteilen,  dass  die  Gefässnerven  bei  dem 
Kranken  ausserordentlich  leicht  erregbar  waren.  Ein  leiser  1  ruck 
oder  Strich  mit  dem  Perkussionshammer  genügte,  um  eine  fast  mo¬ 
mentan  entstehende  Rötung  der  betreffenden  Stellen  hervorzurufen. 

Sehr  auffallend  war  auch  die  anfallsweise  und  ohne  nachweis¬ 
baren  Grund  auftretende  Zyanose  der  Lippen  und  Hände  der  bis¬ 
weilen  ein  starker  Schweissausbruch  vorausgin'g  oder  nachfolgte. 
Gegensätze  zu  den  beiden  anderen  Kranken  bestand  bei  diesen)  v  al 
rend  der  ersten  Tage  ein  ausgedehnter  Herpes  der  rechten  Ober¬ 
lippe  und  Wange. 


2180 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Das  Bild  der  Meningitis  wurde  schliesslich  dadurch  vervoll¬ 
ständigt,  dass  durch  die  Untersuchung  der  Augenklinik  eine  Stau¬ 
ungspapille  und  Papillitis  festgestellt  wurde,  und  dass  der  Kranke  die 
hochgradige  Abmagerung  der  Meningitiskranken  zeigte. 

Ausser  der  erstgenannten  Lumbalpunktion  wurden  noch  neun 
weitere,  dreimal  ergebnislose,  ausgeführt,  mit  durchaus  günstigem 
Einfluss  auf  den  Kranken  und  die  Krankheit,  wenn  dabei  auch  nie 
die  unmittelbar  sichtbare  Besserung  zu  verzeichnen  war,  von  der 
mehrere  Beobachter  berichten  1 4,  5  u.  a.].  Der  Druck,  unter  dem  das 
Exsudat  stand,  war  ein  wechselnder;  anfangs  war  er  niedriger  (bis 
250  mm),  als  später  (bis  370mm).  Folgendes  sei  besonders  er¬ 
wähnt:  Die  vierte  Punktion,  bei  der  wohl  wegen  beginnender  Organi¬ 
sation  des  Exsudates  keine  Flüssigkeit  gewonnen  wurde,  war  an 
einem  Tage  gemacht,  an  dem  der  Tod  des  Patienten  stündlich  er¬ 
wartet  wurde.  Oegen  alles  Erwarten  lebte  er  am  nächsten  Tage 
noch,  und  der  Eindruck,  den  er  machte,  war  ein  etwas  besserer.  Des¬ 
halb  wurde  an  diesem  Tage  nochmals  eine,  d.  h.  die  fünfte  Punktion 
ausgeführt  und,  da  wieder  kein  Exsudat  abfloss,  und  der  Fall  völlig 
hoffnungslos  zu  liegen  schien,  10  ccm  Jochmann  sches  Meningo¬ 
kokkenserum  intradural  eingespritzt.  Die  Besserung  des  Kranken 
hielt  nun  ununterbrochen  einige  Tage  an.  Es  lässt  sich  also  mit 
Bestimmtheit  sagen,  dass  die  Injektion  dem  Kranken  nichts  geschadet 
hat;  ob  sie  ihm  genützt  hat,  ist  eine  andere  Frage  [6,  7,  8] 1).  Zweierlei 
steht  jedenfalls  fest:  die  später  nur  vorübergehend  unterbrochene 
Besserung  setzte  nachweislich  schon  am  Tage  vor  der  Injektion  ein, 
und  in  dem  Exsudat,  das  vier  Tage  später  gewonnen  wurde,  fanden 
sich  keine  Mikroorganismen.  Dine  ähnliche  Situation  wiederholte 
sich  ungefähr  1-4  Tage  später.  Diesmal  waren  aber  ca.  5  Tage  nach 
der  intraduralen  Seruminjektion  Meningokokken  in  dem  durch  er¬ 
neute  Punktion  entnommenen  Exsudate  nachzuweisen. 

Die  zytologischen  und  bakteriologischen  Untersuchungen 
der  durch  die  Punktionen  gewonnen  Spinalflüssigkeit  hatten 
einige  merkwürdige,  der  Erklärung  noch  nicht  zugängige  Er¬ 
gebnisse. 

Die  Ausstrichpräparate  wurden  unmittelbar  nach  der  Entnahme, 
d.  h.  spätestens  nach  20  Minuten,  stets  möglichst  gleichmässig  in 
der  Weise  hergestellt,  dass  ca.  5— 7  ccm  des  Exsudates  5  Minuten 
lang  in  einer  Handzentrifuge  geschleudert  wurden.  Die  über  dem 
Bodensätze  befindliche,  in  den  ersten  Fällen  gelblich  gefärbte,  später 
fast  wasserklare  Flüssigkeit  wurde  dekantiert  und  der  Bodensatz 
mit  den  Resten  derselben  kräftig  durchgeschüttelt.  Hiervon  wurden 
auf  Objektträgern  zwei  Platinösen  auf  kleinem  Raume  ausgestrichen, 
in  der  bekannten  Weise  weiter  behandelt  und  die  nötigen  Färbungen 
'hergestellt,  von  denen  die  Jennersche  Färbung  zwar  prächtige 
und  zur  Unterscheidung  der  Zellen  sehr  brauchbare,  aber  zum  Nach¬ 
weis  der  Mikroorganismen  weniger  geeignete  Bilder  lieferte. 

Die  Zusammenstellung  der  Befunde  in  der  folgenden  Ta¬ 
belle  bedarf  einer  kurzen  Erläuterung. 


Meningokokkennachweises  übereinstimmende  sind,  verschieden 
darstellen.  Besonders  interessant  ist  die  Gegenüberstellung 
der  Rubriken  IV  und  VI ;  demnach  lassen  sich  keine 
Beziehungen  zwischen  der  Zusammensetzung 
der  Zellen  des  Exsudates  und  dem  Blutbilde 
finden,  welches  stets,  auch  bei  10),  das  der  ausgesprochenen 
Leukozytose  war,  ein  Verhalten,  wie  es  ähnlich  auch  bei  an¬ 
deren  Krankheiten  festgestellt  werden  konnte,  und  worauf  an 
anderer  Stelle  im  Zusammenhang  mit  experimentellen  Unter¬ 
suchungen  eingegangen  werden  soll. 

Eine  Erklärung  für  das  Angeführte  kann  nicht  gegeben 
werden.  Literaturangaben  [l,  9,  10,  11,  12]  finden  sich  nur 
insofern,  als  gelegentlich  mitgeteilt  wird,  dass  in  der  Spinal¬ 
flüssigkeit  bei  epidemischer  Genickstarre  die  Lymphozyten  die 
Leukozyten  überwiegen,  während  umgekehrt  bei  tuberkulöser 
Meningitis  bisweilen  die  Leukozyten  die  Lymphozyten  an  Zahl 
übertreffen.  Die  Technik  der  Herstellung  der  Präparate  war 
eine  zu  gleichmässige,  als  dass  sie  als  Ursache  beschuldigt 
werden  könnte. 

Auf  das  Resultat  der  bakteriologischen  Untersuchung  soll 
nur  mit  wenigen  Worten  eingegangen  werden,  da  Dr.  Kon- 
r  i  c  h,  der  die  in  der  Klinik  ausgeführten  Untersuchungen  im 
hygienischen  Institute  kontrollierte  und  ergänzte,  hierüber  be¬ 
sonders  berichten  wird.  Nur  folgende,  bereits  feststehende  Tat¬ 
sachen  sollen  mitgeteilt  werden. 

Bei  der  zweiten  Punktion  entwickelte  sich  in  einem  250  ccm 
Bouillon  haltenden  Kolben,  in  den  ca.  1  ccm  des  Exsudates  ein¬ 
getragen  war,  ein  als  schleimiger  Bodensatz  wachsender,  die 
Bouillon  nicht  trübender,  Gram-zweifelhafter  Diplokokkus, 
der  für  eine  weisse  Maus  nicht  pathogen  war  und  in  der  Kultur 
an  den  Streptococcus  mucosus  erinnerte.  Leider  gelang  es 
auf  keinem  der  gebräuchlichen  flüssigen  und  festen  Nährböden, 
auch  nicht  bei  Serumzusatz,  ihn  am  dritten  .Tage  weiter  zu 
züchten.  Die  dem  hygienischen  Institute  zugesandte  Probe  des 
Exsudates  war  steril.  Aus  dem  Exsudate  der  dritten  Punktion 
gelang  in  der  Klinik  und  im  hygienischen  Institute  die  Isolierung 
eines  auch  durch  die  Serumreaktion  (Hyg.  Inst.)  sicherge¬ 
stellten  Meningokokkus,  der  aber  ein  von  dem  gewöhnlichen 
insofern  abweichendes  Verhalten  aufwies,  als  er  auf  ge¬ 
wöhnlichem  Agar  auffallend  leicht  und  gut 
wuchs  sich  auf  diesem  in  zweitägigen  Intervallen  ohne 
besondere  Vorsichtsmassreeeln  leicht  f  n  r  t 7  ii  c.  h  t  e  n 


c 

o 

c 

I 

11 

III 

IV 

V 

VI 

Menge  des 
gewonnenen 
Exsudates 

Beschaffenheit 

Eiweissge¬ 
halt  des  Exsu¬ 
dates 

Zellen  des  Exsudates 

Meningokokken  in 

s 

des  Exsudates 

Neutrophile 

Grosse 

Kleine 

den  Ausstrich- 

den  Kulturen 

Bemerkungen 

Leukozyten 

Lymphozyt. 

Lymphozyt. 

Präparaten 

1 

2 

18—20  ccm 

15  —  17  ccm 

Stark  getrübt.  Bildet 
Flocken  und  Fäden 
beim  Stehen 

Wie  1 

Nicht  bestimmt 

Nicht  bestimmt 

Fast  ausschl. 
vorhd.  =  ca. 

99  Proz. 
ca.  68  Proz. 

Vereinzelte 

Exemplare 

ca.  2  Proz. 

Keine 

ca.  30  Proz. 

Sehr  spärlich.  Nur  zu  je 
1  Exemplar  in  neutroph. 
Leukozyten 

Wie  1 

Steril 

Ste:  ii 

Im  Blute  =  16550  weisse  Blutkörp. 
Ausgesprochene  Leukozytose 

Im  Blute  =  30750  weisse  Blutkörp. 

Ausgesprochene  Leukozytose’ 

3 

4 

16—18  ccm 

Kein  Exsudat 

Getrübt.  Bildet 
Flocken 

Schätzungsweise 
mässig  gross 

Wie  1 

Wie  1 

Wie  1 

Wie  1 

In  den  Kulturen  Meningo¬ 
kokken  (cf.  Text) 

Blut  steril. 

Blut  steril. 

0 

wie  4 

• 

—— 

— 

— 

— 

— 

— 

Subdural  10  ccm  Meningokokken- 

6 

18—20  ccm 

Leicht  gelbl.  gefärbt. 
Nur  Andeutung  von 

Esbach  > 

1/l  Prom. 

ca.  8  Proz. 

ca.  8  Proz. 

ca.  84  Proz. 

Keine  Mikroorganismen 

Steril 

serum. 

Im  Blute  =  14450  weisse  Blutkörp. 

Flockenbildung 

Ausgesprochene  Leukozytose 

7 

16—18  ccm 

Zieml.  stark  getrübt 

Nicht  bestimmt 

Wie  1 

Wie  1 

Wie  1 

Intra-  u.  extrazellulär; 

Zahlreiche  typische 

Blut  steril. 

8 

14—15  ccm 

Flockig  getrübt 

Wie  7 

ca  80  Proz. 

Vereinzelte 

ca.  20  Proz. 

ziemlich  reichlich 
Keine  Mikroorganismen 

Meningokokken 

Sehr  spärl.,  aber  typische 

Blut  steril. 

9 

Kein  Exsudat 

Exemplare 

Meningokokken 

10 

~ 

— 

— 

Subdural  10  ccm  Meningokokken- 

20—22  ccm 

Mässig  getrübt.  Ge¬ 
ringe  Flockenbildung 

Wie  6 

90—95  Proz. 

0,5  Proz. 

4, 0-4, 5  Proz. 

Sehr  spärliche  intra-  und 
extrazellulär  gelagerte 
Meningokokken 

Völlig  typische,  zahl¬ 
reiche  Meningokokken 

serum. 

Im  Blute  =  9900  weisse  Blutkörp. 
Ausgesprochene  Leukozytose. 

Aus  der  Rubrik  IV  sind  die  höchst  eigentümlichen  Ver¬ 
hältniszahlen  zu  erkennen,  die  die  Leukozyten  und  Lympho¬ 
zyten  in  den  verschiedenen  Exsudaten  bildeten.  Der  Tabelle 
nach  ist  die  Prozentzahl  der  neutrophilen  (gelapptkernigen)  Leu¬ 
kozyten  gegenüber  der  der  Lymphozyten  meist  in  den  Fällen  am 
grössten,  in  denen  die  Meningokokken  kulturell  in  dem  Exsu¬ 
date  nachzuweisen  waren,  während  diese  Zahlen  sich  bei  1) 
bis  10),  wo  noch  Rubrik  V  die  Verhältnisse  bezüglich  des 


l)  Die 


c  .  Arbeiten  von  R  u  n  d  1  und  Williams  (Lancet  1907) 
Scho  ne  (Therapie  der  Gegenwart  1907),  Se  ringhaus  (Disser¬ 
tation  Leipzig)  kamen  mir  erst  nach  Drucklegung  der  Arbeit 
Gesicht. 


zu 


1  i  e  s  s  und  dass,  wenigstens  in  den  ersten  Ge¬ 
nerationen,  in  Asstrichpräparaten  nichts 
von  der  so  charakteristischen  Polymorphie 
der  Kokken  zu  bemerken  war.  Sie  waren  vielmehr 
bei  sonst  ausgesprochener  Meningokokken - 
f  o  r  m  etwas  zart  und  vollkommen  gleichmässig  gebaut.  Erst 
von  der  dritten  Generation  an  stellte  sich  die  Polymorphie  ein. 
Interessant  ist  nun,  dass  die  bei  den  späteren  Punk¬ 
tionen  gewonnenen  Meningokokken  sich  mor¬ 
phologisch  und  biologisch  vollkommen  ty¬ 
pisch  verhielten. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  auf  den  schon  aus  der  Tabelle  er¬ 
sichtlichen  Umstand  hingewiesen,  dass  bei  der  ersten  und 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2181 


zweiten  Punktion  die  als  Meningokokken  aufzufassenden 
Mikroorganismen  nur  in  den  Ausstrichpräparaten,  nicht  in  den 
Kulturen,  nachzuweisen  waren.  Diese  Beobachtung,  auf  die 
sehr  oft  in  der  Literatur  hingewiesen  wird,  würde  den  Autoren 
recht  geben,  die  die  bakteriologische  Diagnose  der  Meningitis 
c.  e.  schon  bei  mikroskopischem  Nachweise  Gram-negativer, 
intrazellulärer  Diplokokken  in  der  Spinalflüssigkeit  stellen 
[14  u.  a.]. 

Der  zweite,  dem  soeben  geschilderten  ganz  analoge  Fall 
betrifft  einen  16  jährigen  Oekonomen  aus  Weilar,  bei  dem  die 
Anamnese  am  Aufnahmetage  wegen  seiner  Benommenheit 
kaum  zu  erheben  war.  Sie  wurde  später  durch  Nachfragen  bei 
dem  Patienten,  seinen  Angehörigen  und  durch  einen  bezirks¬ 
ärztlichen  Bericht  ergänzt. 

Er  will  bis  zu  der  in  Rede  stehenden  Krankheit  nie  ernstlich 
krank  gewesen  sein,  nur  seit  Jahren  zeitweise  an  migräneartigen 
Kopfsdhmerzenanfällen  und  Stuhlverstopfung  gelitten  haben.  In  der 
Kindheit  hat  angeblich  aus  dem  linken  Ohre  Ausfluss  bestanden,  doch 
hat  Sich  in  den  letzten  Jahren  kein  solcher  mehr  bemerkbar  gemacht. 

Am  18.  V.  1906  wurde  der  Kranke  in  die  Klinik  eingeliefert, 
doch  soll  er  schon  seit  ungefähr  14  Tagen  infolge  eines  leichten 
Stosses  an  die  rechte  Kopfhälfte  an  langsam  schlimmer  werdenden 
Kopfschmerzen  gelitten  haben.  Indessen  legte  der  Kranke  selber 
hierauf  kein  grosses  Gewicht,  vielmehr  datierte  er  den  Beginn  seiner 
Krankheit  mit  grosser  Bestimmtheit  auf  den  12.  VI.  06.  An  diesem 
Tage  erkrankte  er  mittags  plötzlich  mit  starken  Kopf-  und  Nacken¬ 
schmerzen,  häufigem  und  ergiebigen  Erbrechen,  grosser  Schwäche, 
schwerem  Krankheitsgefühl,  Nasenbluten  und  anfänglichen  leichten 
Temperatursteigerungen  (ärztlicher  Bericht). 

Da  Augenmuskellähmungen  und  Störungen  in  der  Innervation  der 
Zunge  bestanden,  so  wurde  ärztlicherseits  in  Rücksicht  auf  die  Anam¬ 
nese  und  das  z.  Z.  wenig  ausgesprochene  Krankheitsbild  an  einen 
otitischen  Hirnabszess  gedacht,  die  Möglichkeit  einer  Meningitis  c.  e. 
jedoch  auch  erwogen. 

Der  Krankheitsverlauf  war  im  allgemeinen  ein  dem  zuerst  ge¬ 
schilderten  ganz  analoger.  Das  Krankheitsbild  wurde  vollkommen 
beherrscht  von  den  gerade  in  diesem  Falle  äusserst  heftigen  und 
ziemlich  streng  auf  die  Dornfortsätze  der  Halswirbelsäule  lokali¬ 
sierten  Schmerzen,  der  verhältnismässig  etwas  schwereren  Benom¬ 
menheit,  die  sich  bald  in  Apathie,  bald  in  Aufregung,  grosser  Unruhe 
und  zeitwe'iser  Verwirrtheit  äusserten,  in  der  der  Kranke  zu  ent¬ 
weichen  suchte.  Zwischendurch  war  er  oft  ganz  klar,  wenn  auch 
völlig  teilnahmslos.  Meist  lag  er  in  sehr  charakteristischer  Weise  auf 
der  rechten  Seite,  in  welche  Lage  er,  wenn  er  einmal  umgebettet 
wurde,  alsbald  zurückkehrte.  Die  Steifigkeit  der  Wirbelsäule  war 
im  Verlaufe  der  Krankheit  sehr  ausgesprochen,  besonders  im  Hals¬ 
teile,  jedoch  nicht  auf  diesen  allein  beschränkt. 

Die  Erscheinungen  seitens  der  peripheren  Nerven  waren  die 
bekannten  und  verhielten  sich  ähnlich  wie  in  dem  ersten  Falle;  be¬ 
sonders  quälend  waren  die  Hyperästhesien  der  Unterschenkel,  die 
dem  Kranken  schon  den  Druck  der  Bettdecke  unleidlich  machten. 

Die  Reflexe  zeigten  ein  dem  ersten  Falle  ähnliches  Verhalten, 
nur  waren  sie  gegen  Ende  der  Krankheit  hochgradig  gesteigert.  Sehi 
auffallend  war,  dass  bei  dem  Patienten  jetzt,  als  er  sich  ungefähr  ein 
Jahr  nach  seiner  Entlassung  wieder  in  der  Klinik  vorstellte,  bei 
sonst  auch  (in  psychischer  Beziehung  völlig  normalem  Verhalten  ein 
beiderseitiger,  sehr  starker  und  völlig  typisc  he  r 
BabLnskiischer  Reflex  aus'g.elöst  werden  konnte. 
Dieser  muss  sich  innerhalb  des  jetzt  verga  n  g  e  n  e  n 
letzten  halben  Jahres  —  ob  als  Folge  der  M  e  n  in- 
giitis?  —  entwickelt  haben;  denn  während  der  Krankheit 
bestand  er  nur  ganz  vorübergehend,  und  bei  einer  Voi  Stellung  voi 
einem  halben  Jahre  war  er  sicher  nicht  vorhanden. 

Vielleicht  hat  in  diesem  Zusammenhänge  auch  noch  folgende 
Mitteilung  Interesse:  Als  der  Patient  gegen  Ende  der  Krankheit 
zwecks  Prüfung  des  Kernig  sehen  Phänomens  nach  dem  Vor¬ 
schläge  Wennagels  [15]  auf  den  Bettrand  gesetzt  werden  sollte, 
bekam  er  einen  schweren  Kollaps  mit  maximaler  er  - 
Weiterung  der  Pupillen  und  starker  Herzbeschleunigung,  sodass  An¬ 
wendung  von  Kampher  nötig  war. 

Auch  in  diesem  Falle  zog  sich  die  Rekonvaleszenz  sehr  lange 
hin;  mehrfach  wurde  sie  durch  erneutes  Auftreten  der  Kopfschmerzen, 
die  mit  mehr  oder  weniger  starker  Benommenheit  verbunden  waren, 
unterbrochen.  Dazu  gesellten  sich  zeitweise  Irregularitäten  der 
Herzaktion.  Bemerkenswert  (ist  auch  in  diesem  Falle  die  geradezu 
enorme  Abmagerung,  die  sich  in  einer  Gewichtsabnahme  von  ca.  31 

Pfund  kundgab  [19].  ,  ,  ,. 

In  diesem  Falle  wurden  drei  Lumbalpunktionen  gemacht,  die 
eine,  wenn  auch  nur  vorübergehende  Besserung  der  Kopfschmerzen 
bewirkten.  Objektiv  Hess  sich  eine  unmittelbare  Beeinflussung  des 
Krankheitsprozesses  nicht  nachweisen.  . 

Das  Exsudat  war  bei  der  ersten  Punktion  rein  eitrig,  bildete  tein- 
flockige  Abscheidungen  und  stand  unter  dem  nicht  gewöhnlichen 
Drucke  von  520  mm;  bei  den  späteren  Punktionen  war  es  klar, 
stand  aber  nicht  mehr  unter  so  hohem  Drucke.  Mikroskopisch  fanden 


sich  nur  gelapptkernige  Leukozyten  und  Gram-negative  Diplokokken, 
die  meist  intra-,  aber  auch  extrazellulär  lagen  und  die  typische  Form 
der  Meningokokken  aufwiesen. 

Da  in  diesem  Falle  zunächst  nicht  der  Verdacht  auf 
epidemische  Genickstarre  bestand,  so  wurden  die  ersten 
Kulturen  auf  einfachen  Agarröhrchen  angelegt.  Es  ergab 
sich  nun  die  interessante  und  verschieden  erklärte 
Tatsache,  dass  die  ersten  Kulturen  auf  die¬ 
sem  genau  so  gut  wie  auf  Serumagar  wuch¬ 
sen.  Allerdings  gelang  die  Fortzüchtung  bei  täglicher  Um¬ 
impfung  nur  in  der  dritten  Generation;  dann  gingen  die  eine 
ausgesprochene  Polymorphie  aufweisenden  Kulturen  ein.  Durch 
die  Untersuchung  im  hygienischen  Institute  konnte  mittels  der 
Serumreaktion  die  Meningokokkennatur  zweifellos  festgestellt 


werden.  . . 

Von  diesen  beiden  Fällen  klinisch  völlig  abweichend  ver¬ 
hielt  sich  der  dritte,  tödlich  verlaufene,  der  eine  50  jährige 
Hausiererin  aus  Wenigen-Jena  betrifft,  die  mit  folgenden  von 
dem  Manne  resp.  dem  Sohne  gemachten  Angaben  am  27.  IV.  07 

in  die  Klinik  aufgenommen  wurde: 

Schon  seit  Wochen  soll  die  Frau  über  leichte  Kopfschmerzen 
geklagt  haben,  die  sie  jedoch  nicht  an  der  Ausübung  ihres  Berufes 
hinderten.  Vierzehn  Tage  vor  ihrer  jetzigen  Erkrankung  soll  sie  eine 
fieberhafte  „Influenza“  durchgemacht  haben,  von  der  jedoch  Folgen 
nicht  zurückgeblieben  sind.  Am  25.  IV.,  d.  h.  zwei  Tage  vor  der 
Aufnahme,  soll  sich  die  Frau  noch  ganz  wohl  gefühlt  und  erst  seit  dem 
folgenden  Mittag  über  Kopfschmerzen,  Mattigkeit,  Halsschmerzen  und 
Unlust  zur  Arbeit  geklagt  haben.  Als  sie  am  Abend  dieses  Tages 
nach  Hause  kam,  war  sie  bereits  leicht  benommen  und  klagte  über 
lebhafte  Kopf-  und  Nackenschmerzen.  In  der  Nacht  verschlimmerte 
sich  der  Zustand  rapide,  sodass  die  Kranke  am  nächsten  1  age  schwer 
benommen  war  und  auf  nichts  mehr  reagierte.  . 

In  diesem  Zustande  kam  sie  in  die  Klinik,  wo  sie  folgendes  Bild 
bot-  Sehr  kräftige  Frau  mit  starkem  Pannikulus  und  vollkommen 
benommenem  Sensorium;  sie  reagiert  auf  energische  Hautreize  nur 
mit  schwachen  Abwehrbewegungen;  Atmung  schnarchend.  Sie  hegt 
dauernd  in  selbstgewählter  Seitenlage.  Die  Pupillen  sind  eng,  rea¬ 
gieren  nicht  auf  Lichteinfall.  Die  Wirbelsäule  ist  nur  wenig  steif, 
aber  besonders  im  Bereiche  der  Halswirbelsäule  sehr  empfindlich. 
Keine  Lähmungen  an  den  Extremitäten.  Senstbihtätsprufung  un¬ 
möglich.  Die  Reflexe  waren  zum  Teil  erloschen,  zum  Teil  herab- 

■Q*  PCPT7T 

An  den  Organen  der  Brusthöhle  keine  Veränderungen.  Leib 

ziemlich  aufgetrieben,  fluktuiert  deutlioh. 

Zunächst  machte  der  Zustand  den  Eindruck  eines  Komas,  doch 
bot  der  ganz  normale  Urin,  der  mittels  Katheters  aus  der  sehr  staik 
gefüllten  Blase  entnommen  war,  keinerlei  Anhaltspunkte  hierfür. 

Eine  Lumbalpunktion  hatte  keinen  Einfluss  auf  den  Zustand  der 
Patientih,  vielmehr  trat  zusehends  eine  Verschlechterung  ein.  Die 
Reflexe  erloschen  sämtlich,  die  Extremitäten  wurden  gelahmt  und 
unter  Zeichen  hochgradigen  Lungenödems  trat,  nicht  ganz  drei  1  age 
nach  Beginn  der  Erkrankung,  der  Tod  ein.  .  , 

Bei  der  Sektion  durch  Herrn  Geheimen  Rat  Müller  fand  sich 
eine  hochgradige  Leptomeningitis  cerebrospinalis  purUenta,  ohne 
nachweisbaren  Ausgangspunkt,  und  als  Nebenbefund  ein 

^^Das  durch  die  Punktion  gewonnene  Exsudat  (ca.  26  ccm)  stand 
nur  unter  dem  geringen  Drucke  von  180  mm,  war  stark  eitrig  getun 
und  bildete  feine  Flocken  und  schleimige  Fäden. 

Auch  hier  fanden  sich  im  Ausstrichpräparate  fast  nui  gelappt¬ 
kernige  Leukozyten  neben  kaum  nennenswerten  grossen  Lympho¬ 
zyten  und  eine  sehr  grosse  Menge  teils  intra-,  teils  extrazellular 
gelagerter  Diplokokken.  Der  Gramfärbung  gegenüber  verhielten  sie 
sich  folgendermassen ;  bei  der  nach  Vorschrift  mit  einer  an  Staphvlo- 
kokken  und  Typhusbazillen  geprüften  Farblösung  ausgefuhrten  Fär¬ 
bung  waren  die  Kokken  zweifellos  Gram-positiv;  wurde  die  Färbung 
jedoch  variiert,  indem  bald  schwächer  gefärbt  oder  langer  difteren- 
ziert  wurde  usw.,  so  fanden  sich  mitunter  Präparate,  in  denen  ent¬ 
weder  alle  Kokken  Gram-negativ  waren  oder  in  denen  einzelne  extra- 
zellulär  gelagerte  Kokken  sich  vollständig  oder  nahezu  vollständig 
entfärbt  hatten,  kurz,  ein  Verhalten,  das  den  Literaturangaben  1 10, 
17  u.  a.l  nach  nicht  unbekannt  ist  und  das.  .alles  zusammengenommen, 
zunächst  die  Meningokokkennatur  zweifelhaft  machte. 

Sehr  auffallend  war  der  Befund  von  grobkörnigem,  braunen,  die 
Eisenreaktion  nicht  gebenden  Pigment,  das  seiner  Form i  nach 
Blutpigment  angesehen  werden  muss,  für  das  sich  aber  auch  bei  d 

Sektion  keine  Erklärung  fand.  _ 

Kulturell  gelang  es  nun  in  diesem  Falle  Meningokokken  z 

züchten,  die  auf  gewöhnlichem  Agar  so  gut  wie  gar  nicht,  son¬ 
dern  nur  auf  Serumagar  wuchsen.  Die  Kolonien  entspräche 
nach  Farbe,  Grösse  und  Beschaffenheit  auf  letzterem  allen  An¬ 
forderungen.  Die  erste  Generation  dieser  Mikroorganismen, 
deren  zweifellose  Meningokokkennatur  später  un  hygienischen 
Institute  mittels  der  Zuckernährböden  und  der  Serumreaktion 


2182 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44 


festgestellt  wurde,  verhielt  sich  bei  ausgesprochener  Poly¬ 
morphie  der  einzelnen  Individuen  vollkommen  identisch  denen 
in  den  Ausstrichpräparaten  des  Exsudates.  Auch  hier  gelang 
es  bei  abgekürzter  Färbung  oder  starker  Differenzierung  sicher 
Gram-negative  Präparate  oder  solche,  in  denen  die  über¬ 
wiegende  Zahl  der  Kokken  Gram-negativ  war,  herzustellen. 
Dei  vorschriftsmässiger  Färbung  waren  die 
Kokken  jedoch  Gram-positiv,  wenn  auch  Präparate 
sich  fanden,  in  denen  bei  dieser  Färbung  die  Kokken  einen  leicht 
i  otvioletten  I  on  hatten.  Die  Folge  dieses  Verhaltens  war,  dass 
die  Meningokokkennatur  auch  jetzt  noch  zweifelhaft  blieb,  wo¬ 
durch  die  Diagnose  Meningitis  c.  e.  verzögert  wurde.  Erst 
in  der  zweiten  Generation  erwiesen  sich  die 
Kokken  als  zweifellos  Gram  - negativ.  In- 
z  wischen  abei  war  die  Frau  gestorben,  und  es  gelang  dem 
hygienischen  Institute,  fast  gleichzeitig  aus  dem  durch  die 
Sektion  gewonnen  Fiter  der  Meningen  die  Meningokokken 
nachzuweisen. 

Wie  dieses  aus  der  Literatur  nicht  unbekannte  und  für  eine  bak¬ 
teriologische  Frühdiagnose  wichtige  Verhalten  zu  erklären  sein  kann 
ist  natürlich  eine  müsste«  Frage.  Technische  Fehler  dürften  auszu- 
schliessen  sein;  es  ist  auch  nicht  wahrscheinlich,  dass  in  der  ersten 
Generation  zwei  Stämme  vorhanden  waren,  eine  Möglichkeit,  an  die 
vom  hygienischen  Institute  gedacht  wurde. 

.  W  a  s  diesem  Fallesei  n  besonderes  Gepräge 
gibt,  ist  dei  Umstand,  dass  es  gelang,  im  krei- 
senden  Blute  intra  vitam  Meningokokken 
n  a  c  h  z  u  w  e  i  s  e  n.  Das  Blut  war  in  einer  Menge  von  10  ccm 
aus  einer  Armvene  entnommen  und  in  250  ccm  Bouillon  über- 
tragen  worin  es  dann  nach  ca.  36  Stunden  zur  Entwicklung 
von  Meningokokken  kam,  deren  Identität  mit  einem  authen¬ 
tischen  Stamme  gleichfalls  im  hygienischen  Institut  festgestellt 
wurde.  Diese  Beobachtung  hat  an  sich  ein  kasuistisches  Inte¬ 
resse,  denn  die  Zahl  der  wirklich  einwandfreien  derartigen  Be¬ 
obachtungen  [4,  5,  13,  16-26]  bei  den  sporadischen  Er¬ 
krankungen  an  epidemischer  Genickstarre'  ist  nicht  allzu  gross, 
jedenfalls  nicht  so,  dass  die  von  mehreren  Seiten  vertretene 
Annahme,  die  eigentliche  Meningitis  sei  nur  eine  sekundäre 
auf  dem  Blut-  oder  Lymphwege  zustande  gekommene  Loka¬ 
lisation  der  an  anderer  Stelle,  vornehmlich  den  Bronchien  und 
der  Rachentonsille  primär  vorhandenen  Meningokokken 
als  bewiesen  gelten  könnte.  Das  ist  die  Anschauung  eines 
feiles  der  Autoren,  die  ihre  Erfahrungen  in  der  schlesischen 
Epidemie  sammelten.  Es  ist  diese  Art  der  Entstehung  der 
Meningitis  mit  den  Verhältnissen  bei  der  Osteomyelitis  ver¬ 
glichen  worden  und  wohl  auch  unter  dem  Einflüsse  der  neuesten 
Untersuchungsergebnisse  beim  Typhus  entstanden.  Jedenfalls 
bedarf  es  noch  eines  grossen  Materials,  bis  diese  Frage  ge¬ 
klart  ist.  Vor  allem  wird  man  auch  für  die  sporadischen  Fälle 
i  egelmassig  den  Nachweis  der  Meningokokken  im  Blute  ver¬ 
langen  müssen,  was  bisher  noch  nicht  geschehen  ist  Die 
Schwiengkeit  dürfte  hier  daran  liegen,  dass  möglicherweise  die 
Bakteriarme  in  einem  ganz  frühen  Stadium  der  Krankheit  und 
vielleicht  ganz  vorübergehend  besteht,  d.  h.  zu  einer  Zeit,  wo 
die  Krankheitssymptome  noch  nicht  zu  einer  bakteriologischen 
Blutuntersuchung  auffordern.  Dass  es  jedoch  möglich  ist  be¬ 
weist  u.  a.  die  Mitteilung  Dieudonnes  [19].  Der  Nachweis 
spezifischer  Körper  im  Serum,  der  auch  in  unserem  ersten  Falle 
gelang  (Hg.  Inst.),  kann  zum  Beweise  wohl  nicht  herangezogen 

a"]  da  ^erte  *n  der  ^e2el  recht  niedrige  sind  [19, 

Sodann  aber  ist  die  Beobachtung  dadurch  interessant  weil 
durch  sie  der  dritte  Fall  gegenüber  den  beiden  ersten,  in  denen 
v  ie  gesagt,  gleichfalls  bakteriologische  Blutuntersuchungen 
aber  mit  negativem  Erfolge,  gemacht  wurden,  ein  weiteres  be¬ 
sonderes  Gepräge  erhält. 

m  ZahI.der  wessen  Blutkörperchen  betrug  50,000;  das 
Dlutbild  war  das  einer  ausgesprochenen  Leukozytose. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  die  Mitteilung  einer  Beobachtung  des 

kfmSer"  noch  Wahrend  weder  bei  dem  ersten  Kran- 

ken  selber,  noch  bei  Personen  seiner  weiteren  und  näheren  Um¬ 
gebung  Meningokokken  auf  der  Schleimhaut  des  Rachens  gefunden 
ui  den,  fanden  sich  in  der  Umgebung  der  dritten  Kranken  in  ver- 

•)  H.  Kutscher:  Epidemische  Genickstarre  in 
Wassermann,  Ergänzungsband  1907  wurde  mir  erst 
Uiucklegung  bekannt. 


Kol 

nach 


1  e  - 
der 


hältnismässig  grosser  Zahl  Meningokokkenträger,  und  zwar  waren 
diese  zum  Teil  recht  lange  mit  den  Meningokokken  behaftet.  Die 
Bedeutung  dieser  letzten  Tatsache  braucht  wohl  nicht  besonders  her¬ 
vorgehoben  zu  werden.  Sie  ist  ein  weiterer  Beleg  für  die  Besonder¬ 
heit  des  dritten  Falles,  der  sich  also  in  klinischer,  bakteriologischer 
und  epidemiologischer  Hinsicht  von  den  beiden  ersten  unterscheidet. 

Es  kann  ja,  wie  bei  der  Kleinheit  des  vorliegenden  Ma¬ 
teriales  nicht  anders  gesagt  werden  darf,  ein  Spiel  des  Zufalls 
sein,  dass  die  drei  Fälle  entsprechend  ihrem  kli¬ 
nischen  Verhalten  sich  in  bakteriologischer 
und  epidemiologischer  Beziehung  gleich¬ 
sinnig  unterscheiden.  Auffallend  sind  die  Beob¬ 
achtungen,  die  fast  in  jeder  Beziehung  Analogien  in  der 
Literatur  besitzen,  immerhin,  und  wenn  sie  nichts  weiter 
zeigten,  als  die  Schwierigkeit  einer  exakten  bakteriologischen 
Diagnose  derartiger  sporadischer  Fälle. 

Zum  Schlüsse  soll  noch  mit  wenigen  Worten  auf  die  Frage 
eingegangen  werden,  ob  die  Meningitis  in  dem  ersten  Falle 
eine  Folge  der  Ohrfeigen  ist.  Tatsache  ist:  Um  4  Uhr  morgens 
bekommt  der  Junge  die  Ohrfeigen.  Eine  halbe  Stunde  danach 
erbricht  er,  wohl  infolge  einer  leichten,  schwerere  Symptome 
nicht  machenden  Gehirnerschütterung,  die  ihn  nicht  hindert, 
beschwerdefrei  2 — 3  Stunden  weiter  zu  arbeiten.  Erst  von 
diesem  Zeitpunkte  an  lässt  sich  eine  ununterbrochene  Reihe  von 
Erscheinungen  feststellen,  die  zu  der  Krankheit  überführen, 
wobei  zu  bemerken  ist,  dass  noch  zwei  volle  Tage  vergehen, 
ene  die  schweren  Krankheitserscheinungen  einsetzen.  Ursache 
und  Wirkung  sind  also  da,  es  fehlt  nur  das  Bindeglied,  das  in 
diesem  Falle  ein  ausserordentlich  wohl  charakterisierter  Mikro¬ 
organismus  darstellt,  der  sich  bei  der  allerdings  spät  vorge¬ 
nommenen  Untersuchung  des  Nasenrachenschleims  weder  bei 
dem  Kranken,  noch  in  seiner  Umgebung  hat  nachweisen  lassen. 
Ls  fehlt  auch  ein  durch  Tatsachen  zu  beweisender  Anhalts¬ 
punkt  dafür,  wie  man  sich  vorstellen  soll,  dass  der  Mikro¬ 
organismus  an  die  Stätte  seiner  Tätigkeit  gelangte,  denn  ein 
schweres  Trauma  hat  nachweislich  nicht  stattgefunden.  Die 
Annahme  einer  leichten,  klinisch  nicht  nachweisbaren  Ver- 
etzung,  z.  B.  kapillaren  Blutung  oder  einer  sonstwie  zu 
denkenden  Schaffung  eines  löcus  minoris  resistentiae  würde  im 
\  oi  liegenden  Falle  zwar  den  Boden  der  Tatsachen  verlassen 
aber  doch  nicht  ohne  gewichtige  Analogien  sein.  Es  spitzt  sich 
also  die  Frage  darauf  zu:  Wo  stammen  die  Meningokokken 
her  und  wie  konnten  sie  die  Meningen  in  so  kurzer  Zeit  in¬ 
fizieren?  Diese  Fragen  sind  aber  nicht  zu  beantworten.  Dreht 
man  sie  um  und  fragt:  Lässt  sich  beweisen,  dass  die  Ohrfeigen 
mcht  die  Ursache  der  Meningitis  sind,  so  stösst  man  auf  die¬ 
selben  Schwierigkeiten,  denn  der  Nachweis,  dass  der  Patient 
schon  vorher  krank  war,  worauf  es  ankommen  würde,  lässt 
sich  natürlich  auch  nicht  erbringen,  wenn  auch  die  vor  der 
Meningitis  durchgemachte  „Influenza“  mancherlei  Bedenken 
aufkommen  lässt,  zumal  auch  in  den  beiden  anderen  Fällen 
ähnliche  Angaben  sich  finden  [5,  28,  29]. 

Man  bleibt  daher  auf  Analogieschlüsse  angewiesen,  wobei 
der  mitgeteilte  zweite  Fall,  in  dem  die  Verhältnisse  fast  zum 
Verwechseln  ähnlich  lagen,  in  dem  aber  die  Krankheit  nicht 
auf  das  vorhergegangene  Trauma  bezogen  wurde,  angeführt 
sen  Ls  kann  daher  wohl  nur  gesagt  werden,  die  Möglichkeit 
dass  die  Meningitis  durch  die  Ohrfeigen  enstanden  sei,  ist  vor¬ 
handen,  ja  vielleicht  auch  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit. a) 

Literatur: 

. ,  ?  c  b  o  t  t  m  ü  H  e  r :  Ueber  Meningitis  cerebrospinalis 

(W  e  i  c  h  s  e  1  b  a  u  rn  sehe  Meningitis).  Münch.  med.  Wochenschr. 
ULI5,  S.  61/ .  —  O.  H  e  u  b  n  e  r:  Lehrbuch  der  Kinderheilkunde,  Bd.  I. 

J Maiinkopf:  Ueber  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica, 

Med  Klinik ion?  V U^er  M^ingitis  cerebrospinalis  epidemica. 
S,Kclmk  19d5>  S‘  T"  v’  Drygalsky:  Beobachtungen  bei 
Genickstarre.  D.  med.  Wochenschr.  1905,  No.  25,  S.  932.  —  6  L  I  e  h  1  e  • 
Zentralbl.  f.  innere  Med.  1907,  No.  31,  S.  793,  Sitzungsbericht.  - 
7.  G.  Jochmann.  Versuche  zur  Serodiagnose  und  Serotherapie  der 
epidemischen  Genickstarre.  D.  med.  Wochenschr.  1906,  No.  20,  S.  788 

.  > .  A  n  m  e  rkung  bei  der  Korrektur:  Am  7.  X.  07  d  h 
4  Monate  nach  Beginn  der  Erkrankung  ist  der  Patient  an  einem  starken 
nj  diocephalus  internus  gestorben.  Irgend  welche  als  Folgen  der  Ohr- 
teigen  aufzufassende  Verletzungen  fanden  sich  bei  der  gerichtlichen 
Sektion  nicht.  Der  tödliche  Ausgang  war  nach  dem  Vorausge- 

nJ'lfn  !?[  Uwr’%artut'  j1!*  aber  ?n  sich  kein  ungewöhnliches  Ereignis 
UVopHk,  W.  Schultz  u.  a.). 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2183 


hi-  793  __  8  Schöne:  Ueberblick  über  die  Behandlung  von  30  Ge¬ 
nickstarrekranken  mit  Joch  man  n  schein  Meningokokkenserum. 
Therapie  der  Gegenwart,  Februar  1907.  -  9.  0  r  t  h:  lieber  die  Ex¬ 
sudatzellen  im  allgemeinen  und  die  Exsudatzellen  bei  verschiedenen 
Formen  der  Meningitis  im  besonderen.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1006  No.  3  S.  139.  —  10.  Reinhard  Kutn  er:  Die  Lumbalpunktion  in 
der  Diagnose  von  Nerven-  und  Geisteskrankheiten  und  ihre  Bedeu¬ 
tung  für  die  allgemeine  Praxis.  Med.  Klinik  1905,  No.  30,  S.  752. 

11  Kalb  er  Iah:  Zur  bakteriologischen  Diagnose  des  Weichsel - 
bäum  sehen  Meningokokkus.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905,  No.  48, 

^  1491  _  12.  G  r  a  w  i  t  z:  Beobachtungen  über  die  diesjährigen  Falle 
von  Genickstarre.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905,  No.  24.  S.  756.  — 
11  Ludwig  Pick:  Meningokokken-Spermatozystitis.  Beil.  klin. 
Wochenschr.  1907,  No.  30  u.  31.  -  14.  C.  Flügge:  Die  »m  hygien. 
Institute  der  Kgl.  Universität  Breslau  während  der  Gemckstai  1  e- 
epidemie  1905  ausgeführten  Untersuchungen.  Klinisches  Jahrbuch, 
Rd  15  No.  2.  -  15.  Wen nagel:  Das  Kernigsche  Symptom 
und  seine  Bedeutung  fiir  die  Diagnose  der  Meningitis.  D.  Archiv  f. 
,.,in  Me,d  Bd.  87  H.  1—2.  —  16.  K  o  1 1  e  und  Wassermann. 
Untersuchungen  über  Meningitis.  Klin.  Jahrb.  1906,  Bd.  15,  S..  512. 
_  17.  Leschziner:  Einiges  über  die  Meningitis  cerebi ospinahs 
enidemica.  Arch.  f.  Kinderheilkunde  1905,  Bd.  42,  S.  273. 

18  Taeger  Weyl,  Schottmüller,  Westenhoeff  er, 
Heubner,  Kalberlah  usw.  -  19.  D  i  e  u  don  ne:  Beiträge  zur 
Aetiologie  der  Genickstarre.  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  1906,  Bd.  4L  H.  . 
_  20  F  W  Andrewes:  A  case  of  acute  memngopoccal  Septi- 
caerni'.  Lancet  1906.  Vol.  1,  No.  17.  —  21.  C  a  n  o  n:  Bakteriologie  des 
Blutes.  Jena,  G.  Fischer,  1905.  —  22.  Lenhartz:  Allgemein¬ 
infektion  durch  den  W  e  i  c  h  s  e  1  b  au  ruschen  Diplococcus  mtra- 
oellul.  In  Lenhartz:  Die  septischen  Erkrankungen;  Notnagel,  3, 
IV  1  —23  Ders.:  Ueber  die  epidemische  Genickstarre.  D.  Aren, 
f.  klin.  Med.'  1905.  Bd.  84.  H.  1,  5.  81.  -  24.  Martin  und  Rhode: 
Ein  Fall  von  Meningokokkenseotikämie.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1905.  No.  35.  —  25.  J  a  c  o  b  i  t  z:  Der  Diplococcus  meningit.  cerebro- 
enjn  ’  als  Erreger  von  Erkrankungen  der  Lunge  und  der  Bronchien. 
Zeitschr.  f.  Hyg.  1907,  H.  2.  S.  175.  -  26.  M  a  r  c  o  v ri  c  h:  Meningo¬ 
kokken  im  kreisenden  Blute.  Wien.  klin.  Wochenschr.  1906,  S.  444. 

_  27.  v.  Lingelsheim:  Die  bakteriologischen  Arbeiten  der  Kgl. 

hygienischen  Station  zu  Beuthen...  Klin.  Jahrb.  1906,  15.  Bd.,  H.  - 
und  D.  med.  Wochenschr.  1905,  No.  26  u.  31.  28.  A.  Oster¬ 

mann:  Die  Meningokokkenoharyngitis  als  Grundlage  der  epidemi¬ 
schen  Genickstarre.  D.  med.  Wochenschr.  1906.  No.  11.  S.  418.  — 
29.  Westenhoeff  er:  Ueber  die  praktische  Bedeutung  t  er 
Rachenerkrankung  bei  der  Genickstarre.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1907,  No.  38,  S.  1213. 


Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  München. 

Ueber  den  Zusammenhang  von  Asthma  bronchiale  und 

Lungenödem. 

Von  Dr.  Heinrich  v.  H  o  e  s  s  1  i  n. 


standekommen  des  Oedems  bei  gleichzeitiger  Aorten-  und 
Mitralinsuffizienz  ist  in  gleichem  Sinne  zu  verwerten. 

Es  könen  ferner  auch  noch  primäre  Gefässschädigungen 
zu  einem  derartigen  Zustande  führen,  wie  dies  bei  akuten  und 
chronischen  Nierenkrankheiten  der  Fall  ist. 

Ortner3 4)  bezeichnet  als  dritte  Ursache  noch  eine  Läh¬ 
mung  der  Gefässnerven  —  angioneurotisches  Oedem  — ,  wie 
es  bei  Erkrankungen  der  Aorta,  Hysterie,  Vorkommen  soll 
durch  Intoxikation  des  Organismus,  leugnet  dabei  aber  nicht  die 
gleichzeitige  Schädigung  der  Gefässwandungen  und  des  Blutes. 
Jores5)  will  endlich  auch  auf  experimentellem  Wege  ein  neu¬ 
rotisches  Lungenödem  erzeugt  haben. 

In  vielen  Fällen  wird  man  nun  keine  stienge  Trennung 
durchführen  können,  ob  ein  Lungenödem  sich  auf  eine  Schädi¬ 
gung  der  Lunge  oder  des  Herzens  zurückführen  lässt,  es  bildet 
sich  hier  ein  Circulus  vitiosus.  Ein  solcher  dürfte  bei  den  von 
Sticker6 *)  erwähnten  Fällen  von  Oedem  bei  plötzlicher  Ver- 
schliessung  der  Luftwege  auftreten.  Aehnlich  verhält  es  sich 
auch  bei  denjenigen  Fällen,  in  denen  während  eines  akuten  An¬ 
falles  von  Bronchialasthma  sich  unter  den  Zeichen  der  Hciz- 
schwäche  eine  Ausscheidung  von  Blutflüssigkeit  in  das  Lungen¬ 
gewebe  einstellt.  .  , 

Derartige  Komplikationen  sind  in  der  Literatur  mir  seni 
wenige  erwähnt.  R  Lek  off)  berichtet  über  einen  Fall,  bei 
dem  Asthmaanfall  und  Lungenödem  nicht  gleichzeitig  ei  folgten 
sondern  durch  eine  krankheitsfreie  Zwischenzeit  getrennt 
waren.  Er  nimmt  eine  gemeinschaftliche  Ursache  für  beide  Er¬ 
krankungen  an  und  „erblickt  in  dem  bis  zur  Transsudation  eines 
stark  eiweisshaltigen  Sekretes  fortgeschrittenen  Entzündungs¬ 
prozess  eine  Steigerung  der  auch  sonst  beim  Asthma  beobach¬ 
teten  Entzündungserscheinungen“.  Die  massige  Herzinsuffizienz 
sieht  er  als  nebensächlich  an.  Er  erwähnt  gleichzeitig  zwei 
Fälle  von  Wann  er,  bei  denen  mit  dem  Auftreten  des 
Asthmaanfalles  eine  seröse  Exsudation  in  die  Lungen  stattge¬ 
funden  hat,  wie  aus  dem  Auskultationsbefunde  und  der  Be¬ 
schaffenheit  des  Sputums  nachgewiesen  werden  konnte.  Bei 
einem  dritten  Falle  Wanners  kam  Lungenödem  nur  diffe¬ 
rentialdiagnostisch  in  Betracht;  auf  Grund  des  Fehlens  von  Ei- 
weiss  im  Auswurf  wurde  die  Diagnose  Asthma  gestellt- 

Möglicherweise  ist  ein  von  Fuchs  )  ganz  kurz  erw  ahnter 
Fall  als  Kombination  von  Asthma  und  Oedem  zu  deuten,  da  er 
mit  Mitralinsuffizienz,  Stauungskatarrh,  asthmatischen  e- 
schwerden  und  Eosinophilie  des  Sputums  einhergmg. 

Bei  der  Seltenheit  dieses  Zusammentreffens  von  Bronchial¬ 
asthma  und  Lungenödem  möge  es  erlaubt  sem,  über  einen  wei¬ 
teren  Fall  zu  berichten. 


Es  ist  bekannt,  dass  durch  eine  Reihe  von  Ursachen  teils 
mechanischer,  teils  entzündlicher  Natur  ein  Oedem  der  Lunge, 
d.  h.  „die  Ausscheidung  einer  massenhaften,  serösen,  eiweiss¬ 
haltigen  Flüssigkeit  aus  den  Blutgefässen  in  das  Lungen¬ 
gewebe“  (Friedrich  Müller1)  ausgelöst  werden  kann.  Vor¬ 
aussetzung  für  das  Zustandekommen  des  Oedems  ist  eine  Schä¬ 
digung  des  Lungengewebes  und  der  Wandungen  der  Liingen- 
gefässe.  Das  entzündliche  Oedem  wird  demnach  bei  Erkran¬ 
kungen  der  Lunge,  wie  Pneumonie,  Tuberkulose,  beobachtet, 
dann  bei  Reizungen  der  Bronchial-  und  Alveolarepithelien 
durch  Inhalation  von  Dämpfen  verschiedener  Herkunft  (Chlor, 
Salpetersäure,  Aether).  Rein  mechanischer  Natur  ist  das 
Oedem,  das  nach  rascher  Punktion  grosser  Exsudate  auttritt, 
wo  Gefässe  und  Alveolarepithelien  durch  die  langedauernde 
Kompression  gelitten  haben  und  nun  dem  plötzlich  eintieten- 
den  Blutdruck  nicht  genügend  Widerstand  leisten  können. 

Als  auslösendes  Moment  für  die  Oedeme  mechanischer 
Natur  ist  von  grösster  Bedeutung  das  Nachlassen  der  Heil¬ 
kraft,  besonders  des.  linken  Ventrikels;  es  entsteht  ein  über¬ 
mässiger  Gefässdruck  im  Lungenkreislauf,  indem  der  rechte 
Ventrikel  andauernd  Blut  in  die  Lungen  weiterpumpt  und  keine 
genügende  Entleerung  in  den  linken  möglich  ist.  Experimentell 
wurde  ein  solches  Stauungsödem  von  einer  Reihe  von  For¬ 
schern  erzeugt  (Friedländer,  Cohnhei  m,  i  r  °  s  s  ' 
m  ann,  Basch  2).  Auch  der  Hinweis  Sahlis  )  auf  das  Zu- 


O  v.  Me  ring:  Lehrbuch  der  inneren  Medizin. 

2)  Siehe  Sticker:  in  Nothnagels  spez.  Pathol.  u.  lherap. 


Krankengeschichte. 

Ebenso  Geschwister  nur  eine 
iwester  hatte  einmal  Lungenspitzenkatarrh.  Kein  Asthma  in  der 
Xe  keine  Nervenleiden.  Von  Kinderkrankheiten  mchts  bekannt 
18  lahren  nach  Amerika  ausgewandet.  Mit  20  Jahren  im  bommer 
leVoranTe^enes  Unwohlsein  Anfall  ™n  A‘emn°t  der  einige 
nripn  Hanerte  und  spontan  wieder  besser  wurde,  uaoei  nerz 
Dien  wenig  Husten  mit  schwer  herauszubefördern, dem  weisslichen 
leimigln  Auswurf  Alle  paar  Monate  wiederholte  sich  der  Anfall 
ähnlicher  Weise  meist  nach  starken  körperlichen  Anstrengungen, 
der  Zwischenzeit  stets  Wohlbefinden.  Infolge  Mehrung  der  An- 
p  kehrte  Pat  nach  5  Jahren  nach  Deutschland  zuruck,  wo  sie 
rere  ahfe  lang  verschont  blieb,  bis  sie  sich  allm|hhg  nach 
rker  Arbeit  wieder  einstellten.  Seit  Januar  1906  befindet  sich 
t  in  München  wo  sie  zuerst  frei  von  den  Anfallen  blieb,  bis  im 

zember  1906  während  eines  Brustkatarrhs  sie  wl.^fer,  auftl  atf V 
smal  heftiger  wie  früher.  Sie  setzten  alle  paar  Wochen  nachts  ein 

d  dauerten  bis  zum  nächsten  Morgen  yerJ^nefnbeuX-chrängig- 

ifah 'be'ga'nif'am' l?  wei907  ^^hmabend^  plötzlteh  mit  Herzklopfen 
emnoFund  Halten  mit  spärlichem  weissem  Auswurf.  Nachts 


3)  Sahli:  Arch.  f.  exp.  Path.,  Bd.  39,  1885;  Zeitschi.  f.  klin. 

Li)BVorlesung8en  über  spez.  Therapie  innerer  Krankheiten. 

5)  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharm. 

7)  RUkhoff:  Dissertation,  München  “nd  W  a  n  n  er:  I3ei- 

e  zur  Chemie  des  Sputums.  D.  Archiv  f.  klm.  Medizin,  1903. 

8)  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  7o,  S.  34/. 


2184 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


steigerte  sich  der  Anfall  und  dauerte  den  ganzen  folgenden  Tag,  wobei 
Fat.  bemerkte,  dass  der  Auswurf  allmählig  eine  rötliche  Farbe  an- 
nahm;  dies  veranlasste  die  Verbringung  ins  Krankenhaus. 

...  ^  u..s  p  r  a  e  s  e  n  s<  V.  1907.  Körperbau  und  Muskulatur 
kräftig,  Ernährungszustand  gut.  Starke  Atemnot  mit  besonderer  Er¬ 
schwerung  des  Exspiriums.  Gesichtsfarbe  hochrot.  Atmungsfrequenz 
ca.  40  Züge  per  Minute.  Von  der  Ferne  schon  Giemen  und  Rasseln 
hörbar. 

Kopf:  Augen-  und  Ohrenbefund  normal. 

Nase:  R.  Schleimhaut  trocken,  Durchgang  frei.  L.  haselnuss¬ 
grosser  Polyp.  Rachen  ohne  pathologischem  Befund. 

Thorax:  Ziemlich  breit;  forcierte  Atembewegungen.  —  Ueber 
beiden  Lungen  abnorm  lauter  Schall.  —  Grenze  R.H.U.  zw  12.  Br.W. 
und  1.  L.W.,  links  eine  Spur  tiefer,  nur  massig  gut  verschieblich.  — 
V.R.  unt.  Rd.  d.  7.  Rippe,  kaum  verschieblich.  Ueberall  verschärftes 
Vesikuläratmen,  lautes  Giemen  und  zahlreiches  klein-  bis  mittel¬ 
blasiges  feuchtes  Rasseln,  letzteres  besonders  unterhalb  beider 
Claviculae.  Husten  mit  grosser  Anstrengung  verbunden;  wenig  zäher 
schleimiger  Auswurf,  der  mit  rötlichem  Schaum  vermengt  ist.  In 
ihm  Curschmannsche  Spiralen  in  mässiger  Menge,  zum  Teil 
ohne  deutlichen  Zentralfaden,  dann  Zentralfäden  ohne  Umhüllung. 
Kristalle  fehlen  (auch  bei  längerem  Stehen  der  Sputums).  Ferner 
zahlreiche  rote  Blutkörperchen,  Leukozyten,  darunter  massenhaft 
eosinophile  in  Schwärmen  angeordnet,  Flimmerepithelien,  Herz¬ 
fehlerzellen.  Bakteriologisch  Staphylokokken,  Streptokokken,  Pyo- 
zyaneus.  Bedeutender  Eiweissgehalt  (ca.  Vs  Säule). 

Cor.  Spitzenstoss  5.  I.K.R.  in  d.  Mm.L.  Grenzen  rel.  R.St.R. 
3>  I-K-R-,  abs.  L.St.R.  —  1/4  R.F.  innerhalb  d.  Mm.L.  — 
4.  I.K.R.  Töne  rein;  Puls  108,  regelmässig  ziemlich  weich,  nicht  sehr 
kräftig 

Abdomen.  Leber  und  Milz  nicht  vergrössert. 
Extremitäten.  An  den  Knöcheln  beider  Fiisse  geringes 
eindrückbares  Oedem.  —  Pat.Refl.  auslösbar. 

Urin:  E.  +  (Kuppe),  hyaline  und  granulierte  Zylinder.  Z.  0 
Di.  0,  Benzaldehyd  0,  Sp.  G.  1025. 

Temperatur  37,6°. 

Die  sofort  vorgenommene  Zählung  der  Leukozyten  ergibt 
15  240,  davon  Neutrophile  87,8  Proz.,  Lymphozyten  8,4  Proz.,  Mono¬ 
nukleare  +  Uebergang  2,6  Proz.,  Eosinophile  1,2  Proz.  (—  183)  Mast¬ 
zellen  0. 

* .  Therapie:  1,0  g  Chloralhydrat  per  os  und  2  Spritzen  20  proz. 
Koffemlosung. 

•  ,  !.  sich  im  Laufe  der  Nacht  verschlechtert  und  etwas 

leichlicher  rötliches,  schaumiges  Sputum  entleert  wird,  so  werden 
durch  Aderlass  200  ccm  Blut  entnommen,  worauf  sichtliche  Besserung 

16.  V.  Atembeschwerden  bestehen  noch,  jedoch  bedeutend  ge¬ 
ringer  als  lags  zuvor.  Giemen  und  Rasseln  haben  abgenommen 
sonst  unveränderter  Lungenbefund. 

Brustumfang  unter  der  Achsel  R  48  cm,  L  45  cm,  am  11.  Brust¬ 
wirbel  R  42,5  cm,  L  41  cm. 

Die  Unke  Herzgrenze  ist  vielleicht  eine  Spur  nach  innen  gerückt. 

I  uls  1_4,  kräftiger.  Blutdruck  nach  Riva-Rocci  120 _ 142. 

Auswurf  gering,  schleimig,  enthält  noch  rötlichen  Schaum,  der  im 
Laufe  des  Tages  verschwindet;  zahlreiche  eosinophile  Zellen 
Flimmerepdhehen,  vereinzelte  undeutliche  Spiralen.  Eiweiss  -f 
(ca.  / s  Säule). 

i^8?1UabefUnM  ?•, Proz-  Erythrozyten  4  213  000.  Leukozyten 

13.6.80.!  davon  Neutrophile  86,6  Proz.,  Lymphozyten  5,4  Proz.,  Mono¬ 
nukleare  -F  Uebergang  5,8  Proz.,  Eosinophile  2,2  Proz.  (=  301)  Mast¬ 
zellen  0. 

Temperatur  morgens  37,3°,  abends  38,2°. 

Zweistündlich  1  Esslöffel  Koffeinmixtur  (3,0:150,0). 

17.  V.  Weitere  Besserung,  Atmung  aber  noch  erschwert.  Ueber 
beiden  Lungen  noch  sehr  lauter  Schall,  verschärftes  Vesikuläratmen 
Giemen  und  feuchtes  Rasseln. 

1*1  Lungengrenzen  2  cm  höher  gestiegen,  etwas  besser  verschieb¬ 
en  nUmfang  cm’  L  45>0  cm  unter  der  Achsel,  R  41,0  cm 

L  40,0  cm  am  11.  Brustwirbel.  ’ 

Sputum  etwas  reichlicher,  schleimig,  mit  ziemlich  viel  weissem 

w^mQVern]1SCht’  du,rcb  den,  sich  noch  vereinzelte  Blutfäden  ziehen 
Weder  Spiralen  noch  Kristalle  zu  finden.  Eosinophile  Zellen  haben 
abgenommen.  Eiweiss  +  (ca.  14  Säule). 

1  uls  84,  regelmässig,  mittelkräftig.  Blutdruck  110 — 125  mm  He 
Oedeme  verschwunden. 

Urin:  Eiweiss  +  (Trübung). 

„,pLeuko.7ten  874°-  duvon  Neutrophile  56,9  Proz.,  Lymphozvten 

(=  SMEZXta'aS  Pro'  W  EoStoo|>l,il<!  ,0'2  Proz- 
Oren^n  "riu  Ä  Ä« 

noS'Bvo Vanrtl  n'1'  verscl"el,l"-|''  .  <i.emen  und  spärliches  Rasseln 
"SS  W^amlen.  —  Sputum  zahschleimig,  nicht  mehr  blutig.  Eosino- 

Sarke  TrTbu'i'S  einzelnen  dichtUesäten  Streifen.  Eiweiss  + 

Herzaktion  normal,  Blutdruck  95—110  mm  Hg 
n  Eeukozyten  9500,  davon  Neutrophile  65,0  Proz.,  Lymphozyten 

^«KÄlr+üebewo,!  »  Proz-  ****  m  Ä 


19.  V.  Befinden  gut.  Im  Sputum  geringe  eitrige  Beimengung. 
Eiwejss  verschwunden.  Eosinophile  Zellen,  Flimmerepithelien  und 
blutpigmenthaltige  Zellen  noch  vorhanden.  Lungenbefund  unver 
ändert. 

,  20-V-  Leukozyten  740°-  davpn  Neutrophile  65,5  Proz.,  Lvm^ho- 

+  Uebergang  6,0  Proz.,  Eosinophile 
4,c  I  roz.  (  333),  Mastzellen  0,5  Proz.  Urin  einweissfrei, 

e  *  *  v-,  Rasseln  LHU  wieder  vermehrt,  keine  Dämpfung.  Das 

v.putum  enthalt  ziemlich  viel  Eiter  fkein  Eiweiss).  Leukozyten  6600 
davon  Neutrophile  57,25  Proz.,  Lymphozyten  27,25  Proz.,  Mono- 

025  Proz+  Uebergang  8’25  Proz-’  Eosinophile  7,0  (=  462),  Mastzellen 

r,..  ,22‘  V\  Pat*  fühlt  sich  weniger  wohl  und  klagt  über  Stechen  im 
Rucken.  Atmung  etwas  beschleunigt,  36  p.  m.,  ziemlich  viel  Husten 
leirrV?em  Auswurf.  —  Keine  Dämpfung,  dagegen  LHU 

chärffes8  AtZn  1  mittelblasiges’  naheklingendes  Rasseln  und  ver¬ 
schärftes  Atmen.  Lungengrenzen  etwas  oberhalb  des  12.  Brust¬ 
wirbels  links  schlechter  verschieblich  wie  rechts.  —  Herzaktion 
wenig  beschleunigt,  96;  Temperatur  morgens  36, 3°,  abends  37,4° 
Leukozyten  12  05,°:  davon  Neutrophile  73,75  Proz.,  Lymphozyten 

öf  Pr^(=  ÄlÄT  **  Pr°Z-  E0Si“Ä 

hrpirf3n^‘  Pefinden  wieder  besser;  LHU  jetzt  deutliche,  3  querfinger- 
llrLerT-Wn  SS!" 1  v*rschieblich-  s°"^  Befund 
Temperatur  morgens  37,0°.  abends  37,8°. 

Leukozyten  12  050,  davon  Neutrohile  73,75  Proz.,  Lymphozvten 

6'25  ** 

««ä  sass 

(=  Sllf'ÄzXd  olr<!  +  Ueber?an>!  7A  Proz-  Eosinophile  2.8  Proz. 

II-  Y/  Dämpfung  im  Abnehmen,  Rasseln  noch  reichlich. 
ß  o-  u-,  L?,mpfung  nur  mehr  ^ering.  Im  eitrigen  Auswurf  stets 

NCTtffile  53  5n  Pr  mäsSTiger  ^enge-  -  Leukozyten  7800,  davon 
+  Uebe?vflno-54  7.  p  ’  Lymphozyten  30,0  Proz.,  Mononukleäre 
(h25  Proz  4,75  Pr°Z”  Eosinophile  11,50  Proz.  (=  897),  Mastzellen 

t31\  Yl  Dämpfung  verschwunden,  Rasseln  noch  vorhanden  Aus- 
wurf  nicht  sehr  reichlich,  schleimig-eitrig.  AuS 

c  u  .n u.n  ab  ,war  Pat-  bei  Jodkaligebrauch  stets  ziemlich  be¬ 
schwerdefrei,  die  Atmung  meist  unbehindert.  Ueber  den  Lungen  war 
bis  zum  Austritt  vereinzeltes  Giemen  und  feuchtes  Rasseln  hörbar 
Qreuzeu  12.  Brustwirbel  -  6.  Interkostalraum );  im  Auswuri  fanden 
sich  andauernd  reichlich  eosinophile  Zellen. 

.,  Am  LL  LI.  wurde  der  Polyp  entfernt.  Der  Blutbefund  blieb 

Leu kozyt e n™a h f 1  ^ "  pg'S  Schwa.nkung  unverändert  (stets  normale 
neuKozytenzahl,  ) — 12,2o  Proz.  eosinophile  Zellen,  27,5 _ 35  5  Proz 

Lymphozyten).  Auffallend  blieb  die  ständige  leichte  psychische  Er 
mlhyere^eT.  Pa,ie"tin'  ~  BiS  Augl,s‘  1907  SichTeta  Anfall 

PinprAJl>S  md£r  Ana™ese  erKibt  sich,  dass  unsere  Patientin  seit 
einer  Reihe  von  Jahren  an  akuten  Anfällen  schwerer  Atemnot 
ltt  dm  mit  Husten  und  Sekretion  einer  geringen,  niemals  blu¬ 
tigen  Sputummenge  einhergingen.  Nach  einigen  Stunden  ver- 
schwandcn  diese  Anfälle,  die  ziemlich  unabhängig  von  Zeit 
Oerthchkeit  und  Beschäftigung  auftraten,  von  selbst  wieder.’ 
Uiese  Angaben  sprechen  für  Asthmaanfälle.  Der  letzte,  der  Pa¬ 
tientin  ms  Krankenhaus  führte,  begann  wie  die  früheren.  Wir 
finden  auch  alle  Anzeichen  eines  solchen,  grosse  Atemnot 
\vobei  besonders  das  Exspirium  erschwert  ist,  mühsamen  Hu¬ 
sten  mit  wenig  schleimigem  Sekret,  das  Spiralen  und  haufen¬ 
weise  eosinophile  Zellen  enthält.  Auf  den  typischen  Blutbefund 
wird  spater  noch  zurückzukommen  sein.  Die  Lungengrenzen 
sind  tiefstehend;  auskultatorisch  ist  bei  verschärftem  Vesikulär¬ 
atmen  langgezogenes  Giemen  wahrnehmbar.  Daneben  finden 
wir  jedoch  diffus  verbreitet  zahlreiche  klein-  und  mittelblasige 
feuchte  Rasselgeräusche,  eine  Beimengung  von  rötlichem 
Schaum  zu  dem  stark  eiweisshaltigen  Sputum,  eine  allerdings 
nur  wenig  verbreiterte  Herzdämpfung,  leichte  Oedeme  an  den 
Knöcheln  Es  war  also  klar,  dass  man  keinen  einfachen 
sthmaanfall  voi  sich  hatte,  sondern  eine  gleichzeitige  Exsu¬ 
dation  in  das  Lungengewebe,  bedingt  durch  ein  Nachlassen 

de:-£er?ira5-  ?egen  letzteres  spricht  auch  nicht  der  etwas 
erhöhte  Blutdruck,  der  durch  den  vermehrten  Widerstand  im 
Lungenkreislauf  hervorgerufen  ist.  Das  Herz  besass  also 
immer  noch  die  Kraft,  diesen  grösstenteils  zu  überwinden.  Er- 
eichtert  wurde  ihm  diese  Arbeit  durch  einen  ausgiebigen  Ader¬ 
ass.  Nach  Beendigung  des  Anfalls  ging  auch  die  Herzver- 
ireiterung  wieder  zurück,  die  Oedeme  und  die  Exsudation  in 
die  Lungen  verschwanden,  mässige  Albuminurie  trat  auf.  Das 
b  putum  wurde  reichlicher,  die  Spiralen  verloren  sich,  die 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2185 


eosinophilen  Zellen  nahmen  an  Menge  ab.  Die  Heilung  schien 
glatt  von  statten  zu  gehen,  wurde  aber  durch  eine  hinzutretende 
Lungenentzündung  verzögert.  Dann  erfolgte  bis  zu  einem  ge¬ 
wissen  Grade  endgültige  Gesundung. 

Einige  Besonderheiten  -des  Falles  verdienen  erwähnt  zu 
werden  -  einmal  die  Durchlässigkeit  der  Nieren  für  Eiweiss  und 
ferner  die  nach  dem  Abklingen  des  Anfalles  einsetzende  Pneu¬ 
Sticker9)  erklärt  die  Albuminurie  nach  Versuchen  von 
Peiper  durch  Resorption  von  Eiweiss  durch  die  Lungen. 
Doch  müsste  dann  bei  Pneumonie  regelmässig  auch  eine  grös¬ 
sere  Eiweissausscheidung  stattfinden.  Ungezwungener  kann 
sie  auf  die  allgemeine  Stauung  zurückgeführt  werden;  denn  sie 
war  während  des  Anfalls  am  stärksten  und  verschwand  rasch 
zugleich  mit  den  Oedemen.  In  der  Folgezeit  blieb  der  Urin 
stets  eiweissfrei.  Dieser  Umstand,  sowie  die  Menge  und  das 
spezifische  Gewicht  des  Urins  zeigen,  dass  keine  wirkliche 
Nierenerkrankung  v-orlag,  die  eventuell  als  primäre  Ursache 
hätte  angesehen  werden  können.  Dagegen  spricht  feiner  der 
niedrige  Blutdruck,  der  sich  nach  dem  Anfalle  wieder  eingestellt 

hatt  Als  Folgeerkrankung  trat  weiterhin  eine  Pneumonie  auf, 
nachdem  Patientin  sich  schon  wieder  verhältnismässig  wohl 
gefühlt  hatte  und  die  Lungenerscheinungen  im  Rückgang  be¬ 
griffen  waren.  Das  Befinden  verschlechterte  sich  am  22.  Mai 
wieder  etwas,  nachdem  schon  tags  zuvor  der  Auswurf  -mehr 
eitrigen  Charakter  angenommen  hatte.  In  der  Folge  mani¬ 
festierten  Rachen,  stärkerer  Hustenreiz,  unbestimmtes  Atmen, 
klingendes  Rasseln  und  Dämpfung,  eine  Lungenentzündung  im 
linken  Unterlappen.  Das  charakteristische  Sputum  und  Pneu¬ 
mokokken  fehlten  jedoch.  Unter  geringer  Temperatursteige¬ 
rung  verlief  die  Entzündung  ohne  schwerere  Erscheinungen. 

Zweifellos  stand  die  Pneumonie  in  Zusammenhang  mit  dem 
vorangegangenen  Zustand  der  Patientin.  Nicht  entscheiden 
lässt  sich  natürlich,  ob  der  Asthmaanfall  oder  das  Oedem  den 
Ausgang  bildeten.  Jedenfalls  war  durch  beide  die  Lunge  ge¬ 
schädigt  worden,  so  dass  sie  weniger  widerstandsfähig  gegen 
eine  Infektion  wurde.  Die  eigentliche  Ursache  blieb  unbekannt. 

Bemerkenswert  ist  endlich  noch  der  Blutbefund.  Die 
Kranke  kam  zu  uns  mit  mässiger  Leukozytose,  die  die  Asthma¬ 
anfälle  regelmässig  begleitet.  Wie  aus  folgender  Zusammen¬ 
stellung  ersichtlich  ist,  stimmt  das  Verhältnis  genau  mit  den 
von  Heineke  und  Deutschmann10)  gefundenen  Tat¬ 
sachen  überein.  Es  fanden  sich: 


Gesamtzahl 

Neutrophile 

Leukozyten 

Eosinophile 

Leukozyten 

Lympho¬ 

zyten 

15.  V. 

16.  V. 

17.  V. 

15  240 

13  680 

8  740 

Proz. 

87.8 

86,6 

56.9 

Proz. 

1,2 

2,2 

10,2 

Proz. 

8.4 

5.4 

22,2 

Asthmaanfall. 

Wohlbefinden. 

21.  V. 

22.  V. 

23.  V. 

27.  V. 
13.  VI. 

28.  VI. 

6  600 

17  340 
12  050 

7  800 

7  820 

7  740 

37.25 

79.25 

73.75 
53,5 

51.75 
51,0 

7,0 

0,5 

3,0 

11,5 

9,25 

11,25 

27.25 

13.75 
17,0 

30,0 

32.25 

30.75 

Pneumonie. 

Wohlbefinden. 

Im  Anfall  selbst  Verminderung  der  eosinophilen  Zellen 
und  Lymphozyten,  relativ  und  absolut  genommen,  mit  gleich¬ 
zeitigem  Anstieg  der  neutrophilen  Leukozyten;  nach  Abklingen 
des  Anfalls  rasche  Zunahme  der  ersten  beiden  Formen  und 
Sinken  der  Neutrophilen  unter  die  Norm.  Die  Vermehrung  der 
Lymphozyten  ist  nicht  so  ausgesprochen  wie  in  dem  Fall  von 
Heineke  und  Deutschmann,  doch  ist  das  Bild  hier  kom¬ 
plizierter.  Infolge  der  zweiten,  durch  die  Lungenentzündung 
bedingten  Leukozytose  fällt  ihr  prozentuales  Verhältnis,  wäh¬ 
rend  die  Eosinophilen  auch  absolut  vermindert  werden.  Erst 
nach  dem  Ablauf  der  Pneumonie  kehren  geregeltere  Verhält¬ 
nisse  zurück  und  man  sieht,  dass  von  nun  ab,  mit  geringen 
Schwankungen,  eine  ständige  starke  Vermehrung  der  eosino- 


9)  Ibi-d.,  Bd.  63,  S.  437. 

10)  1.  c. 

M)  Münchener  me-d.  Wochenschr.  1906,  No.  17. 
No.  44. 


philen  Zellen  besteht,  eine  geringere  der  Lymphozyten,  und  eine 
Verminderung  der  Neutrophilen. 

Man  kann  nun  ohne  Zwang  annehmen,  dass  dieses  Ver¬ 
hältnis  auch  schon  früher  bestanden  hat,  denn  wir  wissen,  dass 
oftmalige  Asthmaanfälle  häufig  eine  chronische  Eosinophilie 
des  Blutes  zur  Folge  haben  können.  Da  ferner  stets  eine  das 
Normale  übersteigende  Zahl  von  eosinophilen  Zellen  sich  im 
Sputum  fand,  die  auch  nach  dem  Anfall  noch  bestehende  Bron¬ 
chitis  wenig  Neigung  zur  völligen  Ausheilung  zeigt,  so  haben 
wir  das  Bild  der  sogenannten  eosinophilen  Bronchitis  vor  uns, 
wie  es  zuerst  von  T  eichmüller  beschrieben  worden  ist. 

Es  reagiert  also  auch  bei  chronischer  Eosinophilie  das 
Blut  in  genau  derselben  Weise  wie  im  akuten  Asthmaanfall, 
dem  völliges  Wohlbefinden  mit  normalem  Blutbefunde  voiaus- 


geg-angen  ist. 

Man  könnte  ferner  noch  daran  denken,  ob  die  Asthma¬ 
anfälle  und  die  Eosinophilie  nicht  durch  -den  erwähnten  Nasen¬ 
polypen  verursacht  sind.  Nun  hat  unsere  Patientin  während 
der  ersten  Anfälle  stets  frei  durch  die  Nase  atmen  können; 
der  Polyp  scheint  damals  also  noch  nicht  die  Ursache  gewesen 
zu  sein. 

Zur  Vorsicht  wurden  jedoch  die  Wucherungen,  in  denen 
sich  an  manchen  Stellen  massenweise  polynukleäre  eosinophile 
Zellen  fanden,  zum  Teil  durch  das  Epithel  durchwandernd,  von 
Herrn  Prof.  Neumayer  entfernt.  Die  vor-  und  nachher 
vorgenommenen  Blutuntersuchungen  ergaben  jedoch  nicht  den 
geringsten  Einfluss  auf  die  eosinophilen  Zellen  des  Blutes. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  einmal  der  Beziehung  zwischen 
Asthma  und  Lungenödem  gedacht.  Rickhoff  nimmt  für 
seinen  Fall  nur  einen  graduellen  Unterschied  -des  Entzündungs¬ 
prozesses  an  -und  legt  auf  die  Herzinsuffizienz  weniger  Gewicht. 
Es  Hesse  sich  dagegen  einwenden,  dass  dann  einmal  das  Oedem 
bei  Asthmaanfällen  öfters  beobachtet  würde  und  es  müssten 
sich  wohl  auch  während  der  Oedemattacke  die  spezifischen 
Asthmabestandteile  im  Sputum  finden,  was  bei  ihm  nicht  der 
Fall  ist.  Wann  er  nimmt  neben  den  rein  sekretorischen  Vor¬ 
gängen  auch  solche  transsudativer  oder  exsudativer  Art  an. 
Mit  der  Annahme  einer  Transsudation  wird  auch  die  Herz¬ 
schwäche  als  auslösendes  Moment  des  Oedems  akzeptiert. 
Unser  Krankheitsbild  dürfte  gleichfalls  so  aufzufassen  sein, 
dass  die  Lungen  durch  die  wiederholten  Asthmaanfälle  bereits 
dauernd  geschädigt  waren;  wahrscheinlich  waren  durch  sie 
auch  schon  die  Lungengefässe  und  das  Herz  in  Mitleidenschaft 
gezogen  worden.  Im  letzten  Anfalle  war  das  Herz  nun  den 
Anforderungen,  die  durch  den  erhöhten  Widerstand  im  Lungen¬ 
kreislauf  gestellt  wurden,  nicht  mehr  hinreichend  gewachsen, 
so  dass  es  zu  einer  Transsudation  durch  die  Kapdlarwandungen 
und  das  Alveolarepithel  kam,  und  so  neben  den  Zeichen  des 
akuten  Asthmaanfalles  gleichzeitig  die  des  Lungenödems  sich 


ms  der  Universitäts-Nervenklinik  zu  Halle  a  S.  (Direktor: 

Geh.  Rat  Professor  Dr.  Anton). 

Ueber  Kohlehydraturie  beim  Alkoholdelir.  ) 

Von  Dr.  M  a  x  K  a  u  f  f  m  a  n  n,  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Für  das  Alkoholdelirium  charakteristisch  ist  die  akute  ort- 
tche  und  zeitliche  Desorientierung.  Es  bestehen  weiter  ^|ines- 
äuschungen  von  seiten  des  Gehörs,  des  Gesichts  und  des  ast- 
inns;  dazu  kommt  der  Tremor  und  die  Beschaftigungsuniuhe. 
Die  Alkoholintoxikation  ist  nicht  die  einzige  Ursache  der  Er- 
;rankung,  da  man  ja  häufig  erst  einige  Tage  nach  der  Lnthalt- 
;amkeit  von  Alkohol  das  Delirum  ausbrechen  sieh  . 

Bonhöffer1)  spricht  sich  dahin  aus,  dass  zwischen 
kusbruch  der  Psychose  und  der  chronischen  Alkoholvergiftung 
:in  ätiologisches  Zwischenglied  liegen  müsse,  eine  akute  -to 

vechselstörung.  .  .  .  „ 

Als  eine  der  Mitursachen  wird  die  I  n  a  n  1 1  .  l  o  n  genann  . 
ch  möchte  dabei  besonders  auf  den  Mangel  an  Koh  ehydiaten 
jewicht  legen,  weil  dabei  bekannterweise  Azetonkorper  im 
Jrin  erscheinen.  Auch  das  Fieber  kann  durch  rasche  Ver- 
Drennung  des  Glykogens  zu  einem  Kohlehydratmangel  führe  . 


*)  Vortrag,  gehalten  im  Verein  der  Aerzte  Halles  am  3.  Juli  1907. 
p  Die  akuten  Geisteskrankheiten  der  Gewohnheitstrinker. 

ö 


2186 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Eine  weitere  Ursache  scheint  schon  allein  in  dem  Still¬ 
liegen  bei  Krankheiten  zu  bestehen.  Ich  habe  selbst  Fälle  von 
beginnendem  Delirium  gesehen,  wo  man  dadurch,  dass  man 
die  Kranken  aufstehen  und  arbeiten  liess,  den  Ausbruch  der 
Psychose  verhindern  konnte. 

Es  ist  einleuchtend,  dass  ganz  andere  Oxydationsvorgänge 
in  einem  Organismus  eintreten  müssen,  der,  an  viel  Bewegung 
gewöhnt,  plötzlich  zur  Ruhe  genötigt  wird. 

Der  wichtigste  Faktor  ist  das  Gehirn.  Es  handelt  sich  um 
ein  durch  chronischen  Alkoholgenuss  vergiftetes  Organ;  wird 
dasselbe  durch  Ausbleiben  des  gewohnten  Stimulus,  des 
Alkohols,  gegen  etwaige  kreisende  Gifte  widerstandsloser,  so 
kann  es  denselben  leichter  erliegen.  Der  Gehirnschock,  das 
psychische  Trauma,  spielt  bei  einem  an  und  für  sich  schon  nicht 
normalen  Organ  eine  grosse  Rolle.  Es  kann  auch  ferner  durch 
eine  starke  akute  Alkoholvergiftung  das  kranke  Gehirn  in¬ 
suffizient  gemacht  werden.  Ein  Gehirnschock  kann  beispiels¬ 
weise  bei  schweren  Verletzungen,  Knochenbrüchen,  erfolgen, 
ferner  durch  heftigen  Schreck.  So  ist  mir  ein  Potator  in  Er¬ 
innerung,  der  einen  heftigen  Schreck  durchmachte,  als  er  einen 
Exitus  an  Hämoptoe  mit  angesehen  hatte,  bei  ihm  brach  das 
Delirium  am  nächsten  Tage  aus. 

Es  ist  mir  schon  seit  längerer  Zeit  aufgefallen,  dass  der 
Urin  der  Deliranten  häufig  reduzierende  Substanzen  enthält,  die 
mit  dem  Aufhören  des  Delirs  ziemlich  rasch  verschwinden. 
Versetzt  man  Urin  mit  dem  zehnten  Teil  des  A  1  m  e  n  sehen 
Reagens,  so  findet  man,  dass,  wenn  auch  nicht  gleich,  so  doch 
nach  längerem  Kochen  im  Wasserbad,  ein  deutlicher  Wismut¬ 
niederschlag  eintritt.  Man  soll  zwar  das  N  y  1  a  n  d  e  r  sehe 
Reagens  nicht  länger  als  5  Minuten  einwirken  lassen,  weil  das 
Reagens  so  scharf  ist,  dass  die  physiologische  Zuckermenge 
von  0,02  Proz.  durch  ca.  >2  ständiges  Stehen  im  Wasserbad 
als  Braunfärbung  noch  nachgewiesen  wird.  Bedenkt  man, 
dass  der  Urin  von  Deliranten  gewöhnlich  konzentriert  ist,  so 
wäre  dies  also  eine  ganz  physiologische  Erscheinung.  Es 
fiel  mir  aber  auf,  dass  selbst  bei  grösseren  Mengen  von  redu¬ 
zierenden  Substanzen  nicht  gleich  der  Wismutniederschlag 
erschien,  sondern  erst  nach  längerem  Kochen.  Es  trat  dann 
nicht  bloss  Braunfärbung  ein,  sondern  Schwärzung.  Indikan 
gibt  wohl  Dunkelfärbung  des  Phosphatniederschlages,  aber 
nicht  diese  intensive  Schwärzung,  welche  vor  allen  Dingen 
auch  dann  deutlich  wird,  wenn  der  Urin  vorher  mit  Tierkohle 
entfärbt  wurde.  Untersucht  man  einen  solchen  Urin  mit  dem 
Polarisationsapparat,  so  ist  eine  leichte  Linksdrehung  das  Ge¬ 
wöhnliche.  Wenn  schon  dies  gegen  Traubenzucker  spricht, 
ferner  die  verlangsamte  Reduktion,  so  ist  noch  auffälliger,  dass 
der  Urin  mit  Hefe  meist  nicht  vergärt.  Die  T  rommer  sehe 
Zuckerprobe  fiel  gewöhnlich  negativ  aus  oder  es  trat  blos 
Gelbfärbung  ein;  auffällig  war  aber,  dass  nach  längerem 
Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  der  Urin  viel  rascher 
reduzierte  und  dass  die  Linksdrehung  in  eine  Rechtsdrehung 
verwandelt  wurde.  Der  mit  Hefe  vergärte  Urin  reduzierte 
immer  noch,  während  eine  Kontrollprobe  mit  derselben  ein¬ 
wandfreien  Hefe  nicht  reduzierend  wirkte.  Es  handelt  sich  um 
geparte  Glykuronsäuren,  die  durch  Kochen  mit  Säure  isoliert 
werden  und  dann  reduzieren. 

Die  Anstellung  der  S  e  1  i  w  a  n  0  f  f  sehen  Reaktion  ist  da¬ 
durch  erschwert,  dass  manche  Urine  schon  allein  durch  Kochen 
mit  Salzsäure  rot  gefärbt  werden,  doch  gelang  es  wiederholt, 
dieselbe  einwandsfrei  zu  erhalten;  der  rote  Farbstoff  konnte 
mit  Amylalkohol  ausgeschüttelt  werden  und  zeigte  spektro¬ 
skopisch  einen  Absorptionsstreifen  zwischen  D  und  E. 

Es  liess  sich  bei  verschiedenen  Fällen  mit  p-Bromphenyl- 
hydrazin  nach  N  e  u  b  e  r  g  ein  Osazon  mit  Schmelzpunkt 
230—232  darstellen,  das  in  Alkohol  und  Pyridin  gelöst  stark 
links  drehte. 

Gegen  Traubenzucker  spricht  vor  allen  Dingen  die  Nicht¬ 
vergärbarkeit.  Indes  können  kleine  Mengen  von  Kohlensäure 
von  Urin  und  anderen  Flüssigeiten  absorbiert  werden,  wie  ich 
mich  selbst  bei  schwachen  Zuckerlösungen  überzeugt  habe. 
Es  liess  sich  ferner  nicht  das  typische  Osazon  herstellen.  Vor 
allen  Dingen  beweisend  ist  die  Linksdrehung,  die  nach  Kochen 
mit  Säure  in  Rechtsdrehung  verwandelt  wird. 

Die  Glykuronsäure  verschwindet  nach  dem  Aufhören  des 
Delirs  entweder  plötzlich  oder  ziemlich  rasch  aus  dem  Urin. 


In  solchen  Fällen,  wo  nur  eine  minimale  Drehung  vorhanden 
ist,  lässt  sich  das  Auftreten  derselben  nicht  nachweisen. 

Bei  vier  Stoffwechselversuchen,  die  ich  bei  Alkohol¬ 
deliranten  unternommen  habe,  fand  ich  als  auffällige  Sym¬ 
ptome  bei  ca.  45  Kalorien  pro  Kilogramm  eine  starke  N-Unter- 
bilanz,  und  bei  einer  leicht  verdaulichen  Nahrung  Zahlen  von 
über  2  g  N  im  täglichen  Kot  bei  guter  Fettverdauung.  Ob  die 
fortwährende  Bewegungsunruhe  mit  der  gereichten  Kalorien¬ 
zahl  nicht  korrespondierte  oder  ob  ein  toxischer  Eiweisszerfall 
stattfand,  möchte  ich  nicht  entscheiden. 

Die  Harnsäureausscheidung  war  verhältnismässig  gering, 
dagegen  fand  sich  Oxalsäure  am  Anfang  des  Delirs  meist , 
über  1  dg. 

Xanthinbasen  wurden  bis  zu  1  g  täglich  ausgeschieden, 
auch  die  Kreatininausscheidung  war  auffallend  hoch. 

Azeton,  vor  allen  Dingen  Azetessigsäure  (nach  Arnold 
und  L  i  p  1  i  a  w  s  k  i  nachgewiesen)  fanden  sich  in  kleinen 
Mengen  und  konnten  nach  H  u  p  p  e  r  t  -  M  e  s  s  i  n  g  e  r  als 
Azeton  bis  zu  210  mg  täglich  bestimmt  werden. 

Da  die  Deliranten  so  ausserordentlich  suggestibel  sind, 
so  wurde  mit  einem  der  Versuch  gemacht,  ihn  am  Zuntz- 
schen  Respirationsapparat  atmen  zu  lassen.  Er  lag  zwar  nicht 
vollkommen  ruhig,  doch  gelang  die  Atmung  6  Minuten.  Der 
respiratorische  Quotient  war  auffallend  niedrig,  nur  0,667. 
Der  Patient  hatte  17  Stunden  nichts  gegessen,  der  Glykogen¬ 
vorrat  war  wohl  verbraucht,  und  als  Kraftquelle  kam  nur  Fett 
und  Eiweiss  in  Betracht.  Nach  Magnus  Levy  ist  der  respira¬ 
torische  Quotient  bei  ausschliesslichem  Herleiten  der  Brenn¬ 
werte  aus  Fett  und  der  kohlehydratfreien  Eiweissgruppe 
zwischen  0,613  und  0,706  gelegen. 

Am  nächsten  Tag  war  das  Delirium  abgeklungen  und  es 
ergab  sich  nüchtern  nur  ein  respiratorischer  Quotient  von 
0,713.  Man  muss  annehmen,  dass  das  Glykogen  verbraucht 
ist  und  die  Kraftquelle  fast  ausschliesslich  Fett  mit  dem 
respiratorischen  Quotienten  von  0,707  ist.  Auch  das  Auftreten 
der  Azetonkörper  im  Urin  lässt  darauf  schliessen,  dass  ein 
Mangel  an  Kohlehydraten  besteht. 

Auffallend  hoch  sind  die  Zahlen  für  Indikan,  das 
als  Indigo  bestimmt  und  gewogen  wurde  bis  zu  0,4  g  I  n  d  i  g  0 
pro  Tag. 

Die  gepaarte  Schwefelsäure  ist  verhältnismässig  niedrig, 
beträgt  gewöhnlich  nur  1  Proz.  des  Gesamtschwefels. 

Bei  Zahlen  von  0,4  g  Indigo  und  ca.  0,01  g  Aetherschwefel- 
säure  muss  die  Paarung  des  Indoxyls  mit  einer  anderen  Säure 
angenommen  werden,  dies  ist  eben  die  Glykuronsäure. 

Phenol,  Kresol,  Indol  und  Skatol  liessen  sich  nach  der  be¬ 
kannten  Destillationsmethcde  nicht  nachweisen.  Es  war  inter¬ 
essant,  zu  beobachten,  dass  mit  Aufhören  des  Deliriums  auch 
die  Indikanreaktion  nur  ganz  schwach  ausfiel. 

Man  muss  also  eine  Parung  der  Glykuronsäure  mit  Indoxyl 
annehmen,  daneben  kann  eine  solche  mit  Harnstoff,  Azeton 
oder  Azetessigsäure  bestehen. 

Dass  Potatoren  leicht  zu  Störungen  im  Kohlenhydrat¬ 
wechsel  neigen,  hat  Strauss  durch  Versuche  gefunden.  Er 
fand,  dass  sie  sehr  rasch  für  Zucker  tolerant  wurden,  meist 
nach  3  Tagen,  in  einem  Fall  nach  7  Tagen. 

Reuter2)  hat  eine  länger  dauernde  Intoleranz  der  Pota¬ 
toren  bei  seinen  Versuchen  gefunden.  Strauss  hat  auch  bei 
Deliranten  häufig  Intoleranz  für  Zucker  gefunden.  Bumm3), 
der  einen  Fall  von  transitorischer  Albuminurie  und  Melliturie 
bei  Delirium  tremens  beschreibt,  glaubt,  dass  zuerst  Gebiete 
des  Grosshirns  getroffen  werden  und  eine  etwaige  Fortsetzung 
des  Prozesses  auf  tiefere  Gebiete  des  Zentralnervensystems 
(Medulla  oblongata,  Eiweiss-  und  Zuckerzentrum)  zu  Stö¬ 
rungen  auch  in  den  vegetativen  Funktionen  führen  (Albu¬ 
minurie,  Melliturie),  wobei  man  für  die  plötzlich  eintretenden 
Todesfälle  noch  eine  Alteration  des  Noeud  vital  heranziehen 
könne.  Die  Befunde  von  Strümpell  und  K  r  e  h  1  kann  ich 
übergehen,  weil  sie  Biertrinker  betreffen. 

Keiner  der  von  mir  beobachteten  Fälle  bekam  Chloral,  das 
die  Ausscheidung  der  Glykuronsäure  bedingen  konnte. 


■)  Mitteilungen  aus  den  Hamburger  Staatskrankenanstalten. 
)  Berliner  klinische  Wochenschrift  1882,  No.  25. 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2187 


Es  gibt  Paralytiker,  welche  zeitweise  vollkommen  das 
Bild  des  Alkoholdelirs  bieten;  cs  besteht  Bewegungsunruhe, 
die  Kranken  sind  vollkommen  desorientiert.  Der  ganze  Zu¬ 
stand  dauert  nur  wenige  Tage.  Bei  zwei  von  solchen  Fällen 
habe  ich  ebenfalls  eine  starke  Linksdrehung  des  Urins,  Seli- 
w  an  off  sehe  Reaktion,  Reduktionsfähigkeit  und  Nichtver¬ 
gärbarkeit  gefunden.  Bei  einem  derselben  gelang  im  Urin  mit 
p  Bromphenylhydrazin  die  Darstellung  des  Osazons.  Oxy- 
buttersäure  liess  sich  als  a  Krotonsäure  nicht  nachweisen.  Die 
geparte  Qlykuronsäure  verschwand  nach  dem  Aufhören  des 
paralytischen  Delirs  wieder.  Wir  haben  also  hier  eine  merk¬ 
würdige  Uebereinstimmung  des  Klinischen  mit  dem  Physio¬ 
logisch-Chemischen.  Es  bestand  bei  den  Fällen  auch  die  Aus¬ 
scheidung  von  geringen  Mengen  von  Azetessigsäure. 

Ich  habe  bei  geisteskranken  Potatoren,  Fällen  mit  Eifer¬ 
suchtswahn  oder  ängstlichen  Zuständen,  durch  Darreichung 
von  100  g  Glukose  oder  Lävulose  die  Toleranz  dieser  Kranken 
für  die  Zuckerarten  untersucht.  Ich  fand  auffallend  selten  die 
Ausscheidung  von  Traubenzucker  oder  Lävulose,  wiederholt 
nur  die  von  geparten  Glykuronsäuren,  und  zwar  noch  längere 
Zeit  nach  dem  Aufenthalt  in  der  hiesigen  Klinik.  So  trat  bei 
einem  Potator  eine  alimentäre  Kohlehydraturie  noch  nach 
27  Tagen,  bei  einem  andern  nach  3  Wochen  auf.  Die  redu¬ 
zierenden  Substanzen  zeigten  sich  im  Urin  gewöhnlich  mehrere 
Tage,  und  zwar  meist  länger  nach  der  Eingabe  von  Lävulose; 
ein  Befund,  der  bei  Geisteskranken  schon  von  anderen  Autoren 
gemacht  wurde.  Die  Indikanausscheidung  war  bei  diesen 
Fällen  ebenfalls  stark  vermehrt. 

Eiweiss  habe  ich  in  verhältnismässig  wenig  Fällen  ge¬ 
funden.  Der  Urin  ist  häufig  trübe  und  klärt  sich  nach  Zusatz 
von  Natronlauge.  Versetzt  man  einen  solchen  Urin  mit  Sal¬ 
petersäure  oder  Esbachschem  Reagenz,  so  wird  die  Trü¬ 
bung  stärker  und  verschwindet  auch  beim  Kochen  nicht  ganz. 
Es  handelt  sich  also  um  Harnsäure,  die  in  dem  konzentrierten 
Urin  ausfällt.  Auf  Albumosen  habe  ich  bei  mehreren  Fällen 
geprüft,  konnte  indessen  keine  nachweisen. 

Der  Befund  von  Glykuronsäure  und  Traubenzucker  bei 
manchen  Fällen  von  Alkoholdelirium  scheint  mir  für  die  Auf¬ 
fassung  des  Alkoholdelirs  wichtig  zu  sein. 

Wir  müssen  bei  Geisteskrankheiten  nicht  den  Masstab  an- 
legen,  den  etwa  der  innere  Kliniker  bei  Stoffwechselstörungen 
aufgestellt  hat.  Hier  wird  man,  wo  man  ein  ziemlich  durch¬ 
gearbeitetes  Gebiet  vor  sich  hat,  nur  grosse  Ursachen  für 
grosse  Wirkungen  verantwortlich  machen.  Wir  aber  haben 
es  vor  allen  Dingen  schon  mit  einem  an  und  für  sich  kranken 
Organ  zu  tun,  dem  Gehirn  selbst.  Es  fragt  sich,  ob  die  Gehirn¬ 
störungen,  die  das  Coma  diabeticum  ausmachen,  nicht  viel  mehr 
vom  gehirnpathologischen  Standpunkt  aus  zu  betrachten  sind, 
als  einfach  unter  der  Berücksichtigung  der  Säurevergiftung,  der 
Azidosis.  Man  muss  ein  für  Säurevergiftung  empfängliches 
Organ  annehmen,  denn  nicht  jedes  Gehirn  reagiert  bekannter¬ 
weise  gleich.  Hier  wäre  die  Funktionsprüfung  des  Organs,  die 
der  Neurologe  beherrscht,  mehr  in  den  Vordergrund  zu  stellen, 
es  wäre  zu  unterfuchen,  ob  man  nicht  bei  Leuten,  die  zu  Coma 
diabeticum’  neigen,  schon  vorher  durch  Intelligenzprüfung  ein 
schlechter  funktionierendes  Gehirn  nachweisen  kann. 

Es  sind  ja  nur  geringe  Mengen  von  Glykuronsäure,  die  ich 
nach  der  mehr  oder  wenig  geringen  Linksdrehung  annehmen 
kann.  Wir  wissen  ja  aber  nicht,  ob  nicht  giftige  Zwischen¬ 
produkte,  niedere  Fettsäuren,  im  Blute  kreisen,  die  im  Urin  gar 
nicht  erscheinen.  Paul  Mayer4)  hat  bei  seinen  Versuchen 
Glykuronsäure  gefunden  und  die  Theorie  aufgestellt,  dass  bei 
leichten  Fällen  von  Diabetes  Glykuronsäure  und  Oxalsäure 
auftreten. 

Aus  den  Versuchen  von  A.  F  a  1  c  k 5 6)  geht  hervor,  dass 
Glykuronsäure  und  Schwefelsäure  vikariierend  für  einander 
eintreten  können.  P.  Mayer  erblickt  in  der  Bildung  dieser 
Säure  einen  primären  Vorgang  und  es  tritt  als  Folge  davon  eine 
verringerte  Produktion  der  Aetherschwefelsäure  ein,  während 
ihre  Ursache  in  einer  unvollkommenen  Oxydation  des  Trauben- 


4)  Experimentelle  Untersuchungen  über  Kohlehydratsäuren.  Zeit¬ 
schrift  für  klinische  Medizin,  47,  1  und  2. 

5)  Münch,  med.  Wochenschr.  1902,  No.  36. 

6)  Neuberg:  v.  Noordens  Pathologie  des  Stoffwechsels,  II. 
S.  234. 


Zuckers  liegen  soll,  ein  Teil  des  Glukosemoleküls  soll  beim 
Abbau  seinen  Weg  über  Glykuronsäure  und  weiter  über  Oxal¬ 
säure  nehmen. t!)  Gerade  meine  Versuche  bei  den  Potatoren  be¬ 
weisen,  dass  die  Glykuronsäurebildung  das  Primäre  ist.  Wenn 
auch  Paiiiuge,  wie  Azeton  und  Azetessigsäure,  vor  allen  Dingen 
Indoxyl,  vorhanden  sind,  so  ist  einfach  die  Tatsache,  dass 
Trauben-  und  Fruchtzuckereingabe  das  Auftreten  von  Glyku¬ 
ronsäure  bewirkt,  beweisend,  dass  nicht  die  Parlinge  das  Pri¬ 
märe  sind,  sondern  der  unvollständige  Abbau  der  Glukose. 
Vielleicht  ist  auch  zur  Theorie  der  unvollkommenen  Zucker¬ 
oxydation  Paul  Mayers  der  verringerte  respiratorische 
Quotient  bei  Potatoren  anzuführen.  Auffällig  ist  auch  noch  der 
wiederholt  erhobene  Befund  von  Vermehrung  der  Oxalsäure¬ 
ausscheidung.  Dass  die  Glykuronsäure  aus  Traubenzucker  im 
Organismus  entstehen  kann,  hat  Paul  Mayer  mit  seinen 
Kaninchenversuchen  bewiesen. 

Was  nun  die  Ursache  der  vorübergehenden  Kohle¬ 
hydraturie  betrifft,  so  wäre  man  nach  v.  Noorden  geneigt, 
leichte  Störungen  der  Pankreasfunktion  anzunehmen.  Da  es 
sich  ja  um  ein  Gift  handelt,  welches  leicht  eine  vorübergehende 
Funktionsstörung  dieses  Organs  bewirken  kann,  so  wäre  schon 
an  die  Möglichkeit  einer  akuten  Pankreasinsuffizienz  zu  denken. 
Man  hat  aber  gerade  bei  Pankreasstörungen  Glukose  gefunden 
und  es  wäre  vor  allen  Dingen  nicht  zu  erklären,  warum  para¬ 
lytische  Deliranten,  die  keine  Potatoren  sind  und  wochenlang 
frei  von  Alkohol  waren,  Kohlehydraturie  bekommen. 

Die  Delirien  bei  Presbyophrenie  und  die  Stardelirien 
scheinen  mir  hauptsächlich  auf  schweren  Gefässveränderungen 
zu  beruhen.  Bei  einem  Fall  von  presbyophrenischem  Delir 
habe  ich  keine  reduzierende  Substanz  gefunden,  dagegen 
wiederholt  bei  Fällen  von  Korsakow. 

Bei  Potatoren  könnte  man  an  renalen  Diabetes  denken,  es 
wäre  aber  eigentümlich,  dass  nicht  die  Glukose  selbst  im  Urin 
erscheint. 

Die  bei  Diabetes  vorübergehend  auftretende  Albuminurie 
wird  nicht  als  Nephritis  gedeutet,  sondern  als  hervorgerufen 
durch  die  schädigende  Wirkung  der  Azetonkörpei;.  Dass  solche 
Nierengifte  bei  längeren  Delirien  in  grösserer  Menge  auftreten 
können  und  längere  Zeit  einwirken,  leuchtet  ein.  Es  ist  wahr¬ 
scheinlich  die  transitorische  Albuminurie,  welche  von  manchen 
Autoren  gefunden  worden  ist,  darauf  zurückzuführen. 

Bei  Potatoren  wäre  auch  der  hepatogene  Diabetes  zu  er¬ 
wägen;  aber  auch  hier  begegnet  man  Schwierigkeiten,  wenn 
man  die  paralytischen  Delirien  erklären  will. 

Es  scheint  mir  am  naheliegendsten,  auf  die  Medulla  ob- 
longata  zurückzugreifen.  Die  klassischen  Untersuchungen 
W  e  r  n  i  c  k  e  s  haben  ergeben,  dass  eine  besondere  Krankheit 
der  Potatoren,  die  Poliencephalitis  haemorrhagica  superior, 
existiert.  Man  findet  besonders  dabei  die  Kerne  in  der  Medulla 
oblongata  erkrankt.  Auch  Bonhöffer  hat  bei  seinen  Fällen 
die  Medulla  oblongata  häufig  erkrankt  gefunden. 

Die  physiologische  Bedeutung  einer  Erkrankung  der  Me¬ 
dulla  für  den  Diabetes  ist  seit  den  Untersuchungen  Claude 
Bernards  allgemein  bekannt.  Da  nun  der  Alkohol  gerade 
die  Medulla  oblongata  mit  Vorliebe  angreift,  so  können  wir  uns 
wohl  vorstellen,  dass  leichtere  Störungen  derselben  zu  einer 
Störung  im  Kohlehydratstoffwechsel  führen. 

Man  kann  folgendes  annehmen:  es  kann  die  Erkrankung 
eines  Gehirnteils  den  Stoffwechsel  in  krankhafter  Weise  beein¬ 
flussen;  die  dabei  entstandenen  Zwischenprodukte  können 
wieder  andere  Gehirnteile  vergiften.  Auffällig  ist  bei  den 
Potatoren  die  profuse  Schweissekretion;  manche  speicheln 
sehr  stark.  Die  profuse  Sekretion  der  Schleimhaut  könnte  auch 
manche  Bronchitis  erklären,  die  ohne  Fieber  besteht.  Inwie¬ 
weit  die  Pneumonie  sich  leichter  bei  profusen  Bronchitiden  ein¬ 
stellt,  wäre  zu  erwägen.  Alles  das  deutet  auf  vasomotorische 
Störungen,  die  durch  Funktionsstörungen  der  Medulla  ob¬ 
longata  erklärt  werden  könnten.  Bei  den  schweren  Angst¬ 
anfällen  der  Paralytiker  und  den  Angstpsychosen  findet  man 
häufig  Zucker  im  Urin.  Dabei  bestehen  auch  vasomotorische 
Störungen,  die  sehr  an  den  Diabetes  erinnein.  es  besteht 
trockene  Haut,  seltenes  Schwitzen.  Man  hat  die  Zuckeraus¬ 
scheidung  einfach  als  Begleitsymptom  der  psychischen  Alte¬ 
ration  angenommen,  es  kann  aber  auch  sein,  dass  erst  die 

Zwischenprodukte  die  psychische  Störung  hervorrufen. 

3* 


2188 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Hierfür  möchte  ich  ein  Beispiel  anführen:  Es  handelt  sich  um 
einen  Fall  von  schwerer  Angstpsychose  bei  Diabetes;  letzterere  ging 
der  Psychose  einige  Monate  voraus.  Es  gelang  mir,  durch  vorsichtige 
Entziehung  der  Kohlehydrate  den  Diabetes  und  damit  zugleich  die 
schwere  Psychose  zu  heilen.  Dabei  war  als  besonders  auffällig  zu 
bemerken,  dass  mit  dem  Abfall  der  Kohlehydrate  die  Stimmung  ganz 
merklich  sich  besserte;  je  weniger  Fremdkörper  kreisten,  um  so  we¬ 
niger  war  die  Psyche  gestört.  Im  Urin  waren  nur  geringe  Mengen 
von  Azeton  und  Azetessigsäure.  Wenn  also  schon  ein  einfacher 
Diabetes  genügt,  um  die  schwersten  psychischen  Symptome  auszu¬ 
lösen  und  die  Heilung  des  Diabetes  die  Heilung  der  Psychose  be¬ 
deutet,  so  müssen  wir  die  Frage  aufwerfen,  ob  eine  Störung  des 
Kohlehydratwechsels  nicht  auch  andere  Zustände  wie  das  Alkohol¬ 
delirium  auslösen  kann.  Bei  dem  erwähnten  Diabetiker  bestand 
eine  ausgezeichnete  Fettverdauung,  es  war  kein  Anhaltspunkt  vor¬ 
handen,  eine  Pankreaserkrankung  anzunehmen. 

Es  scheint  mir  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  zu  sein, 
dass  der  Alkohol  je  nach  der  Disposition  ein  schweres  Qift  für 
die  Medulla  oblongata  ist.  Hiermit  ist  schon  bedingt  eine  Nei¬ 
gung  zu  Diabetes.  Treten  nun  andere  Ursachen,  wie  die  an¬ 
fangs  erwähnten,  hinzu,  so  kann  das  eigentümliche  Bild  des 
Delirium  tremens  auftreten,  das  rasch  verschwindet,  wenn  die 
Stoffwechselzwischenprodukte  nicht  mehr  gefunden  werden. 

Bei  der  Schwierigkeit,  denen  Stoffwechseluntersuchungen 
bei  Deliranten  begegnen,  wird  es  leider  nicht  so  leicht  möglich 
sein,  die  Befunde  aufzuklären  und  in  Uebereinstimmung  zu 
bringen.  Die  ausführliche  Veröffentlichung  derselben  wird  im 
Journal  für  Psychologie  und  Neurologie  erfolgen. 

Ich  möchte  zum  Schluss  noch  eine  soziale  Frage  berühren: 
Manche  Kassen  verweigern  beim  Alkoholdelirium  das  Kranken¬ 
geld.  Wer  darunter  zu  leiden  hat,  das  sind  doch  nur  die  armen 
Frauen.  Wenn,  wie  Bon  hoff  er  erwähnt,  70  Proz.  aller 
Deliranten  erblich  belastet  sind,  wenn  man  ferner  nicht  im 
Alkohol,  sondern  in  einer  akuten  Stoffwechselstörung  die  eigent¬ 
liche  Ursache  des  Delirs  erblicken  muss,  so  erscheint  mir  eine 
solche  Bestimmung  kaum  berechtigt  zu  sein,  auch  hat  sie  wohl 
keinen  grossen  erzieherischen  Wert.  Es  sind  bei  weitem  nicht 
immer  die  stärksten  Potatoren,  die  an  Delirium  erkranken, 
viele  enden  ihre  Laufbahn  auf  einer  inneren  Sation  an  Herz-, 
Lungen-  oder  Leberleiden.  Die  hiesige  Ortskrankenkasse 
fragt  bei  Fällen  von  Delirium  regelmässig  an,  ob  die  Krankheit 
durch  Alkoholmissbrauch  hervorgerufen  sei,  eine  Frage,  die 
schon  das  ärztliche  Berufsgeheimnis,  der  §  300  des  R.  S.  G.  B., 
zu  beantworten  verbietet.  So  wenig  man  bei  der  progressiven 
Paralyse  die  Syphilis  als  einzige  Ursache  bezeichnen  darf, 
kann  man  die  akute  Stoffwechselstörung  beim  Alkoholdelir 
nur  auf  Alkoholmissbrauch  zurückführen. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  der  Universität  Basel. 

Delirium  tremens  nach  Alkoholentzug. 

Von  Dr.  Peter  Hans  H  o  s  c  h,  Volontärarzt. 

Die  Frage,  ob  plötzliche  Abstinenz  von  Alkohol  an  sich  im¬ 
stande  sei,  ein  Delirium  tremens  auszulösen,  war  lange  heiss 
umstritten.  So  mag  es  denn  auch  berechtigt  erscheinen,  alle 
solchen  Fälle,  sofern  sie  nur  sicher  als  solche  anzusprechen 
sind,  mitzuteilen.  Vor  kurzer  Zeit  hatte  ich  Gelegenheit,  einen 
derartigen  Fall  auf  meiner  Abteilung  verfolgen  zu  können,  der 
eigentlich  die  Sicherheit  eines  Experimentes  bietet. 

Es  handelt  sich  um  einen  35  jährigen  Taglöhner.  Derselbe  war 
schon  vor  1  h  Jahren  auf  der  Abteilung  gewesen  wegen  Pleuritis 
exsudativa.  Aus  der  damaligen  Krankengeschichte  ent¬ 
nehme  ich:  Nach  Angabe  der  Frau  trank  Pat.  seit  ca.  4  Jahren  viel 
Schnaps  und  Wein;  gab  dafür  in  der  Woche  über  10  Frc  aus  Im 
letzten  Jahre  nahm  der  Potus  zu.  Pat.  stand  oft  (2— 3  mal’  wöchent¬ 
lich)  nachts  auf,  brüllte  und  lärmte  und  wollte  kleine  Tiere  fangen 
die  er  im  Zimmer  herumspringen  sah.  Seit  2  Jahren  Vomitus  matu- 
tinus.  Pat.  raucht  nicht.  Appetit  war  gering;  Pat.  genoss  nur  saure 
Speisen. 

Vier  Tage  vor  Spitaleintritt  war  Pat.  auffallend  unruhig  und 
schwatzte  oft  unverständliches  Zeug.  In  dieser  Zeit  lief  Pat  2  mal 
nachts  von  zu  Hause  weg  und  blieb  eine  Stunde  fort;  wusste,  wieder 
ins  Zimmer  zurückgekehrt,  nichts  davon.  Im  Spital  machte  er  dann 
ein  richtiges  Delirium  tremens  durch.  Die  Pleuritis  besserte  sich 
und  Pat.  wurde  nach  etwa  2  Monaten  entlassen.  oesserte  sicn- 

Aus  der  jetzigen  Krankengeschichte  führe  ich  an : 
Vater  an  Unglücksfall  gestorben.  Mutter  und  2  Geschwister  gesund, 
eine  Schwester  an  Lungenkrankheit  gestorben.  Frau  und  2  Kinder  ge¬ 
sund.  2  Frühgeburten.  Pat.  machte  als  Kind  Diphtherie  durch.  Seit 
mehreren  Jahren  jeweilen  im  Winter  ziemlich  starker  Husten  und 


Auswurf.  Seit  dem  letzten  Spitalaufenthalt  Müdigkeit  und  schlechtes 
Allgemeinbefinden.  Im  letzten  Jahre  konnte  Pat.  jeweilen  einige 
Wochen  arbeiten  und  musste  dann  wieder  aussetzen.  Atemnot  bei 
schwerer  Arbeit.  Hie  und  da  Stechen  auf  der  Brust.  Sobald  Pat 
im  Bette  blieb,  so  schwanden  Husten  und  Auswurf.  Seit  Jahren  Nacht- 
schweisse  (meist  nur  an  den  Beinen).  Pat.  kam  dann  um  einen  Auf- 
enthalt  in  Davos  ein.  Er  wurde  angenommen  und  soll  nun  bis  zum 
möglichen  Eintritt  im  Spital  bleiben. 

In  letzter  Zeit  trank  Pat.  nach  eigenen  Angaben  täglich  1  Litei 
Wem,  aber  keinen  Schnaps  mehr. 

Aus  dem  Aufnahmestatus;  Kräftiger  Körperbau,  guter 
Ernährungszustand.  Gesicht  gerötet,  mit  Schweiss  bedeckt.  Pupillen 
reagieren  prompt,  linke  etwas  weiter  als  die  rechte.  Tremor  an  den 
Händen  wenig  ausgesprochen.  Zunge  leicht  belegt,  ohne  Ver¬ 
letzungen  oder  Narben;  Rachen  gerötet. 

Rechte  Lunge  frei.  Links  vorn  und  hinten  Schall  etwas  leiser 
und  hoher  als  rechts;  hinten  unten  kleine  relative  Dämpfung.  Atem- 
ge lausch  vesikulär;  links  mässig  zahlreiche,  mittelgross-  bis  gross- 
blasige  nicht  klingende  Rasselgeräusche.  Linke  Spitze  1%  Finger 
tiefer  als  die  rechte. 

m  u  ziemlich  reichlich;  schleimig-eitrig,  kein  Blut  darin. 

I  uberkelbazillennachweis  gelingt. 

,.  Iteiiz  °,^ne  Besonderheit.  Puls  regelmässig,  voll,  ziemlich  kräf- 
tig,  80  in  der  Minute.  Leberdämpfung  etwas  vergrössert;  unterer 
Leben  and  nicht  palpabel.  Abdomen  ohne  Besonderheit;  ebenso  die 
Extremitäten  und  die  Reflexe. 

Der  weitere  Verlauf  war  folgender : 

,  Aufnahme.  Bad.  Bettruhe.  Kein  Fieber.  Appetit 

oi  dentlich.  1  at.  bekommt  keinen  Alkohol.  Abendtemperatur  36.7  °. 

2.  Tag  Nachts  hat  Pat.  ruhig  geschlafen.  Tagsüber  nichts  Be¬ 
sonderes.  Abends  bekommt  Pat.  plötzlich  aus  vollem  Wohlbefinden 
heraus  ohne  Vorboten  einen  epileptischen  Anfall.  Pat.  ist  dabei  be¬ 
wusstlos,  reagiert  nicht.  Keine  deutlichen  Krämpfe;  dagegen  ziemlich 
heftige  Bewegungen  mit  Kopf  und  Extremitäten.  Etwas  Stöhnen  und 

ahneknirschen.  Vor  dem  Mund  etwas  Schaum.  Augenbewegungen 
dissoziiert.  Pupillen  weit,  wechseln  in  der  Weite;  reagieren  aber 
nicht  auf  Lichteinfall. 

,  Nach  wenigen  Minuten  erwacht  Pat.  auf  Anrufen  plötzlich  unter 
heftigem  Zusammenfahren  beim  Erkennen  der  Umstehenden.  Pat 
weiss  nicht  was  mit  ihm  vorgeht,  ist  sehr  erstaunt;  hat  keine  Er¬ 
innerung  an  den  Anfall.  Darauf  wird  Pat.  ruhig,  klagt  nur  etwas  über 
Kopfweh.  Abendtemperatur  36,5°. 

3.  1  a  g.  Nachts  gut  geschlafen.  Kopfweh  verschwunden.  Keine 
Erinnerung  an  den  gestrigen  Anfall. 

Mittags  wird  Pat.  unruhig.  Tremor  der  Hände.  Leichte  Des¬ 
orientiertheit.  Pat.  redet  leicht  wirr,  steht  auf.  —  Isolierzimmer. 

Gegen  Abend  vollständig  desorientiert.  Pat.  will  zu  seiner  Frau, 
um  etwas  in  Ordnung  zu  bringen  etc.  Den  Arzt  kennt  er.  Ins  Bett 
gebracht  steht  er  immer  wieder  auf.  Körperliche  Untersuchung  er¬ 
gibt  nichts  Neues.  Abendtemperatur:  36,5°. 

•  ,  T.Tg‘  nUht  im  Bett  zu  halten.  Er  wird,  damit  er  sich 
icht  erkaltet,  angezogen.  Wandelt  ruhelos  im  Zimmer  herum,  steht 

dann  wieder  lange  am  Fenster  und  sieht  starr  hinaus.  Quin- 
qu  a  u  d  sches  Zeichen  deutlich.  Er  erzählt  spontan  von  eingebildeten 
Erlebnissen,  lasst  sich  aber  keine  Halluzinationen  ansuggerieren.  Bei 
solchen  Vei  suchen  lacht  er,  sagt,  er  wisse  schon,  was  man  wolle. 

a  5/  ”sPinn'e  nicht.  Er  kenne  das  schon  vom  letzten  Male  her 
Abendtemperatur  36,9  °. 

5.  T  a  g.  Nachts  sehr  unruhig.  Warf  eine  Kaffeeschüssel  gegen 
das  Fenstergitter.  Kann,  wie  seit  Beginn  der  Delirien,  kaum  dazu 
gebracht  werden,  etwas  zu  geniessen.  Therapeutisch  bekommt  er 
seit  Beginn  Bromkali  und  Opium.  Heute  heftige  Halluzinationen. 
Er  erlebt  wilde  Dinge,  muss  Fässer  anstechen,  hat  Händel  mit  der 
Polizei  usw.  Suggestiv  halluziniert  er  heute  sehr  leicht.  Gegen 
bend  ruhiger.  Bleibt  stundenlang  im  Bett.  Geniesst  wieder  etwas 
Abendtemperatur  36,9  °. 

•  x-‘  Iagv  ,Pa^.‘  ,^a*  ziemlich  gut  geschlafen.  Viel  weniger  des- 
orientiert.  Halluziniert  kaum  mehr.  Tremor  schwächer. 

Abends  ganz  klar.  Er  weiss,  dass  er  wieder  „gesponnen“  hat: 
schämt  sich,  sagt,  er  wolle  sich  nun  zusammennehmen;  das  sei  das 
letzte  Mal  gewesen.  Temperaturanstieg  auf  38,5°;  Lungenbefund 
wie  früher.  Puls  entsprechend  gestiegen,  100  in  der  Minute 

71-T,ag-  ,Nachts  gut  geschlafen.  Pat.  ganz  klar.  Von  früheren 
epileptischen  Anfällen  nichts  zu  eruieren.  Allgemeinzimmer.  Abend- 
temperatur  37,5  °;  die  folgende  Zeit  normal. 

Urin  zeigte  während  der  Delirien  Opaleszenz,  jetzt  wieder  klar 
Menge  und  spezifisches  Gewicht  ohne  Besonderheit.  Stuhl  regel¬ 
mässig. 

Das  we*tere  Befinden  gibt  zu  keinen  Bemerkungen  Anlass.  Pat. 
fühlt  sich  recht  wohl.  Körpergewicht  nimmt  um  6  Pfd.  zu.  5  Wochen 
nach  Eintritt  wird  in  Davos  ein  Platz  frei  und  Pat.  reist  dahin  ab 
Lungenbefund  wie  beim  Eintritt.  Husten  und  Auswurf  haben  nach¬ 
gelassen,  nie  Blut  im  Sputum. 

Epikrise:  In  dem  beschriebenen  Falle  handelt  es  sich 
um  einen  sicheren  Fall  von  Delirium  tremens,  dem  ein  epilep¬ 
tischer  Anfall  voranging.  Pat.  leidet  an  einer  Lungentuberku¬ 
lose  II.  Grades,  die  in  der  letzten  Zeit  keine  Verschlimmerung 
zeigte.  Auch  während  des  Spitalaufenthaltes  war  nichts  Der- 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2189 


artiges  nachzuweisen.  Ins  Spital  wurde  Pat.  nur  geschickt,  um 
hier  auf  einen  erst  später  frei  werdenden  Platz  in  Davos  zu 
warten.  Irgend  ein  Trauma  hat  Pat.  nicht  erlitten.  Im  Spital 
befand  sich  Pat.  unter  weit  günstigeren  äusseren  Verhältnissen 
als  draussen.  Als  auslösende  Ursache  für  den  epileptischen 
Anfall  und  das  Delirium  tremens  kann  kaum  etwas  anderes 
als  der  plötzliche  Alkoholentzug  in  Betracht  kommen. 

Es  wäre  nun  höchstens  noch  darüber  zu  diskutieren,  ob 
nicht  der  epileptische  Anfall  die  Ursache  des  Deliriums  gewesen 
sei.  Dass  solches  möglich  ist,  dafür  finden  sich  in  der  Litera¬ 
tur  genügend  Belege.  Aber  epileptischer  Anfall  und  Delirium 
sind  in  diesem  Falle  sicher  vorbereitet  durch  chronischen  Alko¬ 
holismus;  auslösend  wirkte  die  plötzlich  erzwungene  Absti¬ 
nenz.  Ob  nun  die  Abstinenz  den  epileptischen  Anfall,  und 
dieser  wieder  das  Delirium  ausgelöst  hat,  oder  ob  beides  un¬ 
abhängig  voneinander  Folge  der  Abstinenz  ist,  scheint  mir 
für  die  prinzipielle  Frage  wenig  wesentlich.  Es  liegt  am  näch¬ 
sten,  den  Anfall  als  eine  Teilerscheinung  des  Delirium  aufzu¬ 
fassen.  Natürlich  könnte  noch  eingewendet  werden,  Anfall  und 
Delirium  wären  auch  bei  Alkoholzufuhr  eingetreten;  das  Zu¬ 
sammentreffen  mit  der  Abstinenz  wäre  ein  rein  zufälliges. 
Wenn  nun  auch  das  Gegenteil  naturgemäss  nicht  bewiesen 
werden  kann,  so  hat  dasselbe  für  den  Vorurteilsfreien  die 
grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 

Sehen  wir  uns  noch  etwas  in  der  Literatur  über  diese 
Frage  um.  So  schreibt 

K  r  a  e  p  e  1  i  n  0 :  „Die  Erfahrungen  der  T rinkerheilanstalten 
sprechen  im  allgemeinen  durchaus  nicht  für  das  Vorkommen  alko¬ 
holischer  Entziehungsdelirien.  Dagegen  hat  Bonhoeff  er  bei  Ge¬ 
fangenen  häufiger  das  Einsetzen  rasch  und  günstig  verlaufender  Trin¬ 
kerdelirien  2—3  Tage  nach  der  Verhaftung  beobachtet.  Auch  ich 
habe  eine  Anzahl  derartiger  Fälle,  namentlich  bei  Landstreichern  ge¬ 
sehen.  Hier  ist  indessen  zu  berücksichtigen,  dass  ausser  der  er¬ 
zwungenen  Enthaltsamkeit  noch  die  ungünstigen  sonstigen  Wir¬ 
kungen  der  Einsperrung  mitspielen.“ 

Cr  am  er2):  „Gelegentlich  nach  einem  vorübergehenden  Aus¬ 
setzen  in  der  Zufuhr  alkoholischer  Getränke - setzt  die  Krank¬ 

heit  ein.“ 

Mendel3):  „Epileptische  Krämpfe,  welche  bei  dem  Delirium 
tremens  Vorkommen,  können  einer  bereits  vorhandenen  Epilepsie  an¬ 
gehören;  zuweilen  beginnt  das  Delirium  tremens  mit  einem  epilep¬ 
tischen  Anfall,  verdankt  dem  letzteren  den  Ausbruch,  oder  der  epi¬ 
leptische  Anfall  ist  die  erste  Erscheinung  der  alkoholistischen  Gehirn¬ 
affektion.“ 

„Die  Gelegenheitsursachen  zum  Ausbruch  des  Delirium  tremens 

bilden  Entziehung  des  Giftes . endlich  ein  epileptischer  Anfall.“ 

Kobert4):  „Delirium  tremens  ....  folgt  teils  auf  Exzesse,  teils 
auf  psychische  Eindrücke,  operative  Eingriffe,  plötzliche  Entziehung 
des  Alkohols  bei  Trinkern.“ 

Oppenheim5):  Man  hat  irrtümlich  angenommen,  dass  die 
Enthaltung  von  dem  bis  da  regulären  Alkoholgenuss  dasselbe  (näm¬ 
lich  das  Delirium  tremens)  hervorbringe.“ 

H  a  s  c  h  e  -  K  1  ti  n  d  e  r  6)  (nach  Jahresbericht  Wald  eye  r  und 
Posner  1905,  p.  48):  „Im  ganzen  handelt  es  sich  um  273  Fälle  von 
Delirium  tremens,  welche  innerhalb  2  Jahren  beobachtet  worden  sind. 
Bemerkenswert  ist,  dass  in  einem  ganzen  Teil  dieser  Fälle  das  De¬ 
lirium  erst  nach  4 — 5  tägiger  Abstinenz  zum  Ausbruch  kam.“ 

Bonhoeffer7)  (nach  Jahresbericht  V  i  r  c  h  o  w  und  Posner 
1901,  p.  73):  „Den  epileptischen  Anfällen  kommt  vor  allem  in  Ver¬ 
bindung  mit  starken  Trinkexzessen  eine  Delirium  auslösende  Be¬ 
deutung  zu.  Die  plötzliche  Alkoholentziehung  ist  für  sich  imstande, 
bei  schlecht  genährten  Individuen  ein  Delirium  auszulösen.“ 

An  anderer  Stelle  führt  Bonhoeffer8)  an:  In  Betreff  der 
Beziehungen  der  epileptischen  Anfälle  zum  Ausbruch  des  Deliriums 
spricht  sich  Kruckenberg  bestimmt  dafür  aus,  dass,  der  epilep¬ 
tische  Anfall  ein  Symptom  des  Deliriums  sei.  Das  Delirium  kann  sich 


UKraepelin:  Lehrbuch  der  Psychiatrie,  VII.  Aufl.,  1904, 
Bd.  II,  p.  103. 

2)  O.  Binswanger  etc.:  Lehrbuch  der  Psychiatrie,  1904, 

p.  188. 

3)  Ebstein-Schwalbe:  Handbuch  der  praktischen  Medi¬ 
zin,  II.  Aufl..  1905,  Bd.  III,  p.  106. 

4)  R.  Kobert:  Lehrbuch  der  Intoxikationen,  II.  Aufl.,  1906. 
Bd.  II,  p.  941. 

8)  O.  Oppenheim:  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten,  III.  Aufl., 
1902,  p.  1191. 

6)  H  a  s  c  h  ie  -  K  1  ii  n  d  e  r :  Zur  Pathologie  des  Delirium  alco- 
holicum.  Mitteilungen  aus  den  Hamburger  Staatskrankenanstalten. 
Hamburg  1905. 

7)  K.  Bonhoeffer:  Die  akuten  Geistesstörungen  der  Gewohn¬ 
heitstrinker.  Monographie.  Jena  1901. 

8)  K.  Bonhoeffer:  Zur  Pathogenese  des  Delirium  tremens. 
Berl.  klin.  Wochenschr.  1901,  Jahrg.  38,  No.  32,  p.  832. 


direkt  an  den  Anfall  anschliessen  oder  aber  es  liegt  ein  freies  Inter¬ 
vall  dazwischen  von  24 — 60  Stunden.  Die  ersteren  Fälle  zeigen  oft 
etwas  anderen  Verlauf  als  die  gewöhnlichen  Alkoholdelirien,  die  letz¬ 
teren  sind  von  solchen  nicht  zu  unterscheiden.  In  den  Fällen  mit  dem 
freien  Intervall  soll  nach  ihm  dem  epileptischen  Anfall,  in  Verbindung 
allerdings  mit  noch  anderen  Ursachen,  eine  deliriumauslösende  Be¬ 
deutung  zukommen.  —  Bei  der  Frage  der  Abstinenzdelirien  erwähnt 
er  Smith,  Villers,  Jacob  sohn  und  Kraepelin,  die  der 
Alkoholentziehung  gar  keine  Bedeutung  zumessen;  auf  der  anderen 
Seite  stehen  R  o  s  e,  J  o  1 1  y,  E  1  s  h  o  1  z  u.  a.  Er  selbst  sagt,  dass 
unzweifelhaft  die  Gefahr  der  Abstinenz  überschätzt  worden  sei: 
kommt  aber  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  Abstinenzdelirien  gebe.  Meist 
brechen  diese  2—3  Tage  nach  Beginn  des  Alkoholentzuges  aus,  also 
nach  einem  Zeitraum,  den  wir  auch  sonst  zwischen  auslösender  Ur¬ 
sache  und  Deliriumausbruch  liegen  sehen.  Symptomatologisch  sind 
sie  in  nichts  von  gewöhnlichen  Alkoholdelirien  zu  unterscheiden,  nur 
verlaufen  sie  im  ganzen  etwas  schneller  und  harmloser. 

Im  ganzen  darf  somit  gesagt  werden,  dass 
heute  die  Frage  der  Abstinenzdelirien  von 
den  meisten  Autoren  bejaht  wird.  Dass  nach  Be¬ 
ginn  des  Delirium  Alkoholzufuhr  keinen  oder  nur  unbedeuten¬ 
den  Einfluss  auf  Länge  und  Verlauf  des  Delirium  ausübt,  wird 
allgemein  betont.  Wenn  also  auch  dem  Alkohol  keine  Bedeu¬ 
tung  im  Sinne  eines  Heilmittels  zuzuschreiben  ist,  so  darf 
aus  dem  Vorkommen  von  Abstinenzdeliiien 
andererseits  doch  abgeleitet  werden,  d  a  s  s 
man  zur  prophylaktischen  Alkoholzufuhr  im 
Sinne  einer  allmählichen  Entziehung  zum 
mindesten  berechtigt  ist. 


Aus  Prof.  Chiaris  pathologisch-anatomischem  Institute  an 
der  Raiser-Wilhelms-Universität  zu  Strassburg  i/E. 

Ueber  multiple  kavernöse  Hämangiome  im  Darme. 

Von  Dr.  iSakaye  Ohkubo  aus  Tokio. 


Durch  zwei,  im  Jahre  1906  erschienene  einschlägige  Publi¬ 
kationen  wurde  die  Aufmerksamkeit  der  Pathologen  neuer¬ 
dings  auf  diese,  übrigens  schon  seit  langem  bekannten,  merk¬ 
würdigen  Gebilde  im  Darme  gerichtet.  Es  waren  dies  die 
Publikationen  von  Bennecke1)  und  von  Ma  c  C  a  1 1  u  m  -). 

Der  Fall  von  Bennecke  betraf  einen  52 jährigen,  an  tuberku¬ 
löser  Meningitis  gestorbenen  Mann.  Bei  der  Sektion  des  Darmes 
wurden  dicht  nebeneinander  stehende,  Stecknadelkopf-  bis  gut 
bohnengrosse,  die  Schleimhaut  vorwölbende,  dunkelbraum  ote, 
mässigderbe,  unregelmässige  Knoten  in  der  Submukosa  gefunden. 
Dieselben  Gebilde  fanden  sich  auch  im  Magen  und  im  Oesophagus. 
Diese  Knoten  bestanden  aus  einem  System  kommunizierender,  zum 
Teile  mit  Blut  gefüllter  Hohlräume,  welche  mit  den  benachbarten 
Venen  innigen  Zusammenhang  hatten.  Bennecke  meinte,  dass 
diese  Gebilde  als  kavernöse  Phlebektasien,  und  zwar  als  angeborene 
bezeichnet  werden  müssen. 

Einen  ganz  analogen  Fall  publizierte  M  a  c  C  a  1 1  u  m,  in  welchem 
es  sich  um  einen  54  jährigen  Mann  handelte,  bei  dem  die  Sektion 
Atrophie  und  Oedem  des  Gehirns,  Arteriosklerose,  chronische,  diffuse 
Pankreatitis,  beginnende  Cirrhosis  hepatis  und  Bronchopneumonie 

grg 

Im  ganzen  Dünndarme,  besonders  in  den  oberen  Partien  des 
Jejunums,  fanden  sich  ungefähr  40  submukös  gelegene,  dunkelrote, 
bis  auf  7 — 8  mm  im  Durchmesser  haltende  Knoten  von  ungleich- 
mässigem  Umrisse.  Mikroskopisch  Hessen  sie  sich  als  Blutgefäss¬ 
geschwülste  von  kavernöser  Struktur,  welche  aus  sinuös  erweiterten, 
innen  von  Endothel  ausgekleideten,  mit  Blut  gefüllten  Hohlräumen 
bestanden,  erkennen. 

Da  ich  nun  selbst  zwei  solche  Fälle  zu  untersuchen  Ge¬ 
legenheit  hatte,  erlaube  ich  mir,  dieselben  hier  mitzuteilen. 

Erster  Fall:  Frau  von  66  Jahren.  Datum  der  Sektion:  12. 
Arpil  1907  (25  Stunden  nach  dem  Tode). 

Klinische  Diagnose  (Klinik  Moritz)-.  Marasmus  senilis. 
Bronchitis  chronica.  Insufficientia  cordis.  Bronchopneumonia  (?). 
Im  Sputum  keine  Tuberkelbazillen. 

Pathologisch-anatomische  Diagnose:  Bronchitis 
suppurativa.  Bronchiectasia.  Emphysema  pulmonum.  Hypertrophia 
cordis  ventriculi  dextri.  Pneumonia  crouposa  lob!  medii  pulmoms 
dextri.  Blepharadenitis.  Exostosis  calvariae.  Lien  accessorius.  Ky- 

phosis  arciformis.  ,  ,  .  ,  ,  .  £  ,  , 

Die  Wand  des  ganzen  Darmes  war  blass  und  zeigte  bis  auf  zahl¬ 
reiche  „Varicen“  in  der  Submukosa  des  Jejunums  keine  pathologische 
Veränderung. 


1)  Bennecke:  Ueber 
ungstraktus.  V.  A.  Bd.  184. 


Phlebektasien  des  Verdau¬ 


kavernöse 

1906.  •  *  .  - 

2)  MacCallum:  Multiple  cavernous  Haemangiomata  of  the 
intestine.  The  Johns  Hopkins  Hospital  Bulletin,  Vol.  XVII,  No.  185, 1906. 


•19Ü 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


t  Z  w,fJrf  e,L  79 J'ähriger  Pfründner.  Datum  der  Sektion: 

o.  Juni  1907  (22  Stunden  nach  dem  Tode). 

K  I  i  n  i  s  c  h  e  Dias  n  o  s  e  (Abteilung  Kien):  Bronchitis  chro¬ 
nica.  Emphysema.  Myodegeneratio  cordis. 

.  .  ,p.a  t  ho  logisch-anatomische  Diagnose:  Morbus 

inghtn  chronicus  cum  atrophia  granulari  renum.  Hypertrophia  cor¬ 
dis  ventriculi  sinistri.  Encephalomalacia  multiplex  circumscripta.  Em- 
pn\ sema  pulmonum.  Bronchitis  suppurativa.  Pneumonia  lobularis. 
Loncietio  coidis  cum  pericardio.  Cysticercus  subcutaneus  thoracis. 

In  der  Submukosa  des  ganzen  Dünndarms  fanden  sich  zerstreut 
zahlreiche,  bis  erbsengrosse  „variköse“  Knoten.  Der  grösste  der- 
sc I beii  sass  in  der  Pars  descendens  duodeni  und  war  Vs  ccm  gross. 
wr  ,  j  ^flauerer  Betrachtung  boten  die  erwähnten  Knoten  in  de->- 
Wand  des  Dünndarmes  in  beiden  Fällen  ganz  gleiche  Verhältnisse 
dar.  Sie  lagen  in  der  Submukosa  und  prominierten  je  nach  der 
jiossc  mehi  minder  in  das  Darmlumen.  Die  Schleimhaut  darüber 
war  makroskopisch  nicht  verändert.  Im  durchfallenden  Lichte  be¬ 
trachtet,  erschienen  die  Knoten  von  dunkelroter  Farbe,  unregelmässig 
geformt  und  an  den  Venen  sitzend.  Ihre  Konsistenz  war  derb 
■elastisch.  Beim  Anschneiden  entleerten  diese  Gebilde  teils  flüssiges, 
tu  s  gei  on neues  Blut  und  zeigten  deutlich  einen  kavernösen  Bau. 
Mehrere  Knoten  von  verschiedener  Grösse  wurden  von  beiden  Fällen 
ui  Formalin-Alkohol  gehärtet,  in  Zelloidin  eingebettet  und  mikro- 
tomiert.  Als  Tinktionsmittel  wurden  Hämatoxylin-Eosin,  die  van 
1 1  e  s  o  n  sehe  Lösung  und  die  Weigert  sehe  Farblösung  für  elasti¬ 
sche  Fasern  angewendet. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  beider  Fälle  ergab  ganz 
gleiche  Resultate  und  stimmten  diese  mit  den  Ergebnissen  anderer 
Versucher  in  solchen  Fällen  überein.  Die  Knoten  waren  aus  überall 
mit  Endothel  ausgekleideten,  untereinander  kommunizierenden  Hohl- 
raumen  von  verschiedener  Form  und  Grösse  zusammengesetzt  Sie 
beschrankten  sich  regelmässig  auf  die  Submukosa.  Nur  in  dem  ge¬ 
nannten  grössten  Knoten  von  Fall  II  waren  einzelne  Hohlräume  auch 
in  die  zirkuläre  Schicht  der  Muscularis  intestini  eingelagert,  so  dass 
diese  vielfach  durchbrochen  war.  Die  longitudinale  Muskelschicht 
\\cii  an  diesei  Stelle  bedeutend  verdünnt.  Die  Wandungen  der 
Bluträume  waren  ungleichmässig  dick  und  bestanden  aus  derb- 
aserigem  Bindegewebe,  spärlichen  glatten  Muskelzellen  und  reich¬ 
lichen  elastischen  Fasern.  Diese  letzteren  zeigten  dabei  verschiedene 
Dicke  und  waren  in  ihrem  Verlaufe  hie  und  da  unterbrochen:  stellen- 
w  eise  fehlten  sie  auch  ganz  in  den  Scheidewänden.  Sie  waren  dabei 
Immer  in  Form  eines  feinen  Netzwerkes  angeordnet.  Ferner  fand 
sich  in  diesem  Trabekelsystem  eine  Anzahl  von  in  den  Schnitten  quer 
oder  längs  getroffenen,  kleinen  Blutgefässen,  welche  als  Vasa  vasorum 
angesehen  werden  mussten.  Manche  Hohlräume  enthielten  einen 
Irischen  oder  einen  schon  in  Organisation  begriffene  Thrombus.  Es 
gelang  mir  auch  zu  konstatieren,  dass  diese  blutführenden  Hohlräume 
mit  Venen  der  Nachbarschaft  kommunizierten,  welche  dabei  bedeu¬ 
tend  erweitert  und  mit  Blut  strotzend  gefüllt  waren.  Ausserdem 
war  ich  im  stände  nachzuweisen,  dass  in  der  Nachbarschaft  der  Knoten 
II1  1.  ei  -ubmukosa  reichliche  Neubildung  von  Blutgefässen  kleinsten 
Kalibers  stattgefunden  hatte,  welche  hie  und  da  zarte,  bloss  mit 
einer  endothelialen  Wand  versehene  Gefässsorossen  bis  in  die  Mukosa 
aussandten.  Dieser  Befund  muss  wohl  als  Vorstadium  der  beschrie- 
henen  rumoren  gedeutet  werden.  Arterien  konnten  mit  dem  Tumor 
/echt  in  Beziehung  gebracht  werden;  ihre  Wandungen  waren  intakt 
ns  auf  senile  Veränderungen.  Die  die  Knoten  überziehende  Schle.im- 
,ut  hess  mikroskoipsch  auch  nicht  die  geringsten  Veränderungen 
erkennen. 

Aus  dem  mitgeteilten  gellt  hervor,  dass  es  sich  hier  nicht 
,  '  i  11111  11111  einfache  Varizen  in  der  Submukosa  des  Darmes 
Handelte,  wie  es  bei  der  Sektion  zunächst  den  Eindruck  machte 
und  wie  solche  Varizes  so  häufig  bei  älteren  Individuen  an 
anderen  Stellen  des  Körpers  gefunden  werden.  Wir  haben  es 
hier  vielmehr  mit  Gefässgeschwiilsten  zu  tun,  welche  von 
\  eilen  ausgingen  und  einen  kavernösen  Bau  zeigten.  Es  geht 
das  nanientlich  daraus  hervor,  dass  die  Knoten  einerseits  "ge¬ 
wisse  Beziehungen  zu  Venen  der  Nachbarschaft  hatten 
andeieiseits  auch  Neubildung  kleinster  Gefässe  aufwiesen. 

Darnach  ist  der  Name  Hämangioma  fiir  diese  Bildungen 
v  ohl  gei  echtfertigt.  In  Analogie  mit  den  Tumores  cavernosi 
lepabs  die  auch  aus  lokaler  Neubildung  von  Venen  entstehen 
(Bmchan  ow  ),  scheint  mir  für  die  geschilderten  Knoten 
m  der  Submukosa  des  Darmes  der  Name  kavernöse  Häm¬ 
angiome  passender  als  der  von  Bennecke  gebrauchte  Ter¬ 
minus:  kavernöse  Phlebektasien. 

Pie  Häufigkeit  solcher  kavernöser  Hämangiome  im  Darme 
Juiitc  giösser  sein  als  gewöhnlich  angenommen  wird  Ich 
land  meine  2  Fälle  bei  konsequenter  genauer  Durchsuchung  des 
ganzen  Darmkanals  unter  etwa  100  Sektionen  Erwachsener. 

I  hese  Hämangiome  können  nur  sehr  leicht  übersehen  werden. 

3)  Brüchanow:  Ueber  die  Natur  und  Genese  der  kavernösen 
unungiome  der  Leber.  Zeitsclir.  f.  Heilkunde,  Bd.  XX,  1899. 


Hic  einschlägige  Literatur  ist  eine  kleine  und  ich  kann  dies¬ 
bezüglich  auf  das  von  Bennecke  und  M  a  c  C  a  1 1  u  m  zu- 
sannnengestellte  Literaturmaterial  verweisen. 


Sarkom  und  Trauma. 

Von  Dr.  Oskar  Orth. 

Während  man  früher  gar  nicht  an  die  Möglichkeit  des  Zu¬ 
sammenhangs  zwischen  Geschwulstbildung  und  Trauma  dachte, 
ist  in  neuerer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  immer  mehr  darauf  ge¬ 
richtet.  Zur  Erkennung  dieses  Konnexes  trugen  bei  einesteils 
die  aus  den  Unfallsakten  geschöpften  Resultate,  anderenteils 
die  bei  der  Tuberkulose  gemachten  Erfahrungen.  Gerade  durch 
letztere  hat  die  I  heorie  von  der  mithelfenden  Beeinflussung 
festeren  Boden  gewonnen.  Denn  man  fand,  dass  Tuberkulöse 
sehr  leicht  nach  Verletzung  eine  tuberkulöse  Erkrankung  der 
verletzten  Stelle  bekamen.  Die  angenommene  Möglichkeit, 
dass  ruhig  im  Gewebe  liegende  Geschwulstzellen  durch 
äussere  Veranlassungen  zur  Entwicklung  gebracht  werden,  — 
eine  Hypothese,  mehr  durch  Dialektik  denn  wissentliche  Tat¬ 
sache  gestützt  —  hat  wie  so  oft,  so  auch  in  den  beiden  näher 
zu  beschreibenden  Fällen  eine  praktische  Bedeutung  erlangt. 

Ein  46  jähriger,  früher  stets  gesunder  Mann,  erlitt  vor  4  Jahren 
eine  Kontusion  des  linken  Hodens,  welche  längere  Zeit  ohne  be¬ 
merkenswerte  Folgen  blieb.  1  Jahr  nach  dem  Unfall  trat  eine 
Vei  gi  össei  ung  ein,  die  in  4 — 5  Monaten  Kindskopfgrösse  er¬ 
reichte.  Geringe  subjektive  Beschwerden.  Mit  Rücksicht  auf  das 
rapide  Wachstum  der  Geschwulst  wurde  die  Exstirpation  des  sich 
als  sein  blutreich  erweisenden  1  umors,  samt  den  Inguinaldrüsen  aus- 
getuhrt.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab: 

Alveolär  angeordnete  Haufen  von  runden,  grosskernigen  Zellen, 
die  durch  mehr  oder  minder  breite  Züge  derben,  äusserst  zellarmen 
Bindegewebes  von  einander  getrennt  sind.  Da  sehr  nahe  Beziehungen 
zum  Gefässystern  bestehen,  ist  die  Diagnose:  Angiosarkom  gesichert. 

I  atient,  nach  14  1  agen  geheilt  entlassen,  stellt  sich  nach  Ablauf  eines 
Jahres,  wahrend  welcher  Zeit  er  vollständig  arbeitsfähig  war,  mit 
einem  Rezidiv  vor,  das  vom  rechten  Hoden  bezw.  Samenstrang  aus¬ 
gehend,  sich  über  die  ganze  Symphysengegend  erstreckte.  Die  Ope¬ 
rationsnarbe  wenig  infiltriert,  dagegen  oberhalb  des  P  o  u  p  a  r  t  sehen 
Landes  der  linken  Seite  eine  etwa  gänseeigrosse  mit  der  Unterlage 
fest  verwachsene  Metastase.  Mit  Rücksicht  auf  die  Aussichtslosig¬ 
keit  eines  operativen  Eingriffs,  wird  dem  Patienten,  der  infolge  Stau- 
’Ungserscheinungen  und  Druckschmerzen  bei  der  Arbeit  sehr  behindert 
ist,  die  Röntgenbestrahlung  empfohlen.  Das  Resultat  derselben  be¬ 
stand  in  einer  analgesierenden  Wirkung,  sowie  in  einem  geringen,  ie- 
doch  immerhin  deutlichen  Zerfall  der  Tumormasse.  Patient  entzog 
sich  der  weitern  Behandlung. 

Vo.-  jährigen  Mädchen,  dessen  Grossvater  an  einem 

Karzinom  des  Oberkiefers  gelitten  haben  und  daran  gestorben  sein  soll, 
Pnifi^R3  Jahren  anderswo  ein  Prämolar  des  linken  Unterkiefers 
entfernt.  Bei  der  Extraktion  brach  die  Krone  ab  und  so  mussten  die 
Wuizeln  einzeln  gezogen  werden,  was 
erst  nach  mehrfachen  Versuchen  mit  der 
Zange— schliesslich  mit  dem  Schlüssel  (!) 
gelang.  Die  Folge  war  eine  starke,  — 
schliesslich  zur  Abszedierung  führende 
Periostitis.  Der  Eiter  wurde  durch  In¬ 
zision  nach  aussen  entleert  und  dabei  ein 
Sequester  mitentfernt. 

Nach  ca.  4—5  Monaten  trat  an  dieser 
Stelle  eine  Verdickung  auf,  die  zuerst 
durch  Auflegen  feuohtwarmer  Kompres¬ 
sen  erfolglos  bekämpft  wurde.  Denn  die 
Schwellung  nahm  zu  und  bildete  sich  zu 
einer  Geschwulst  aus,  die  schliesslich  ex- 
zidiert  wurde.  Doch  schon  %  Jahr  nach 
dem  Eingriff  entwickelte  sich  im  Bereich 
der  Narbe,  der  in  der  Photographie  dar¬ 
gestellte  Tumor.  Es  wurde  nun  die  Resektion  der  Pars  alveolaris 
des  Unterkiefers  von  mir  ausgeführt,  dabei  zeigte  sich  ein  zentral 
sitzendes  Osteosarkom,  wie  man  es  ausser  dem  Unterkiefer  auch  noch 
in  den  Epiphysen  der  grösseren  Röhrenknochen  beobachtet. 

le  miki oskopische  Untersuchung  ergab:  Riesenzellensarkom. 

Was  nun  die  Entstehung  beider  Geschwülste  betrifft,  so  ist 
dieselbe  noch  dunkel;  beiden  gemeinsam  aber  ist  ein  voraus¬ 
gegangenes  Iiauma,  wozu  als  weiterer  ätiologischer  Faktor 
beim  2.  Fall  noch  die  hereditäre  Belastung  tritt;  doch  wie 
ereits  eingangs  erwähnt,  ist  analog  bei  Tuberkulose,  auch 
bei  Sarkomen  der  Zusammenhang  mit  lokalem  Trauma  sehr 
mufig  lestgestellt;  besonders  Senf  t  leben  (v.  Langenbecks 
Archiv,  Bd.  1)  hat  diese  Ursache  gerade  für  die  zentralen 
Osteosarkome  besonders  hervorgehoben;  er  gibt  an,  dass 
ti aumatische  Ursachen  fast  immer  nachzuweisen  waren,  im  An- 


29.  Oktober  1907. 


Schluss  daran  habe  sich  der  Turnen Mne.st  rasch ^nnenen  J 

M°"ate"  “iiSr  o"der  e  von  TeM  ab  langsam  weiter  ge- 
stationar  gebheber oder  sei^  ^  zuweilen,  bei  der  Ent- 

"  f.klnng  einer  Geschwulst  einen  Schlag,  Stossetc.  bekommen  m 
Wicklung  einer  Festsetzung  einer  Unfall- 

haben,  umsonic^u  wemi  es  s  zu  erwarten  und  es 

rente  handelt.  Meine  t-at  e  willkürlich  gemachten 

ÄÄ” "  r  ä: 

Ä&ÄÄen  mehrere  Insulte  hinter- 

einander  eingewirkt.  prsebien  mir  nach  zwei- 

Die  Publikation  be‘f 1  im  Falle  einer  Be- 

facher  Hinsicht  interessant.  .  Patienten  entscheiden, 

gutachtung  diese  sich  zu  g  vielleicht  geeignet,  die 

die  Mitteilung  des  letzteren  unterstfltzeIli  welche  an- 

Experimente  der  Allt01  ,  Hellen  eine  Abnahme  der 
nehmen,  dass  auch  bei  n <  hemmungen  sich  erzielen 
Restitutionsfähigkeit  der pi^Ä”SSfr  Intensität  ohne 

ErhoiuMsmöghehkdt  ^einander  rasch  angewandt  wird. 

s  e  n  f  1 1  e  b  e  n  (Archil  Ungelenk  Bd .J ™e/,; 

ST Re"w"Sr Te r" Das ewäenmto' bösartigen  Geschwülste  - 
jfv.Ao^maVn:  Kabelten  der  BeWegangsor|ane.  -  Vn- 
chow:  Die  krankhaften  Geschwülste.  B(^j  * 

Ein  Mittel  zur  Erzielung  konstanter  Pole  bei  der 

Wimshurst-Influenzmaschine. 

Drehung  der  Kurbel  dieselben  in .  Beti eb  sein  J  ye  Elektrizität 
weiss,  an  welchem  Konduktor  die  posm  d  g  nd  hat  dem- 

sich  ansammeln  wird;  man  muss  dies  einiacn 

nach  dann  seine  Massnahmen  emzut  •  Hauptkonduktoren 

„Bei  den  Influenamaschmen  zeichnen  ^die^naup^^^^  resp 

Statte  ffiuS  «  «eibt  dem 

»5  ff!  ife 

sind,Bf  kÄÄs-ffiS  « 

gerade  wünscht,  die  I  ole  hervorrui  .  3  erhebliche  in  der 

ÄÄÄÄP»ile.'  dass  dieselbe  letz,  kaum 

Maschinen  wird  es  daher  ff  man  diese  Ma- 

dass  die  Pole  nicht  konstant  sind.  I  besonders  wen n  r  zt_  was 

schinen  zur  Erzeugung  von  R  o  nt  ge  ms  tia  ausrdcht  und 

erhält,  nach  Vornahme  der  umgekehrten  Einschaltung 

schon  von  neuem  umgesprungen  sind.  elektrostatische 

Aber  nicht  weniger  für  andere  Zwecke  z.  B.  die  elekt ros« ™ 

Kopfdusche,  die  Frank  Husche  Ladung  ei c.  ■ e  tc.  ^  “eSre„eJtive 
sehenswert,  vorher  zu  wissen,  wo  der  posi  Einschaltungen 

Pol  sich  etablieren  wird,  damit  gleich  die  r^ht'^V  A  cnderungen 
gemacht  werden  können,  ohne  erst  -nachher  eventuelle  Aenüerungen 

vornehmen  zu  mussemnden  das§>  wenn  man  eine  Hartgummdamelle 
etwa  von  der  Länge  des  Halbmessers  der  Scheib« i  und  beiläufig 
einigen  Zentimetern  Breite  am  besten  mit  einem  wollenen  tro, ckenen 
Tuche  reibt,  bis  dieselbe  elektrisch  geworden  ist  und  diese  da 
von  oben  her  radial  innerhalb  des  von  den  zw 
Verteilern  gebildeten  spitzen  W  inkels  in  den  Kaun 
7 wischen  den  beiden  Scheiben  hineinhalt,  wahrend  man 
dann  sofort  die  Scheiben  selbst  durch  Drehen  der  Kurbel  von  link 

i)  Vergl.  auch  Ziegel  roth;  Handbuch  der  physikalisch-diä¬ 
tetischen  Therapie,  pag.  280. 


nach  rechts  (also  dem  Zeiger  der  Uhr  entsprechend)  in  Rotatta"  ver- 
setzt  ohne  jede  Ausnahme  stets  der  Einsauge rae 
rV?v.  +  Pn  g  p  i  t  e  negative  Elektrizität  aus  den  Schei¬ 
ben  auf  nl  m  m  t.  der  andere  natürlich  positive,  gleichviel  welche 
Polanordnung  ohne  diese  Intervention  die  Maschine  vorher  ge- 

zeigt  hatte  Hineinhalten  der  Hartgummilamelle  in  der 

Hegel  eZ Sekunden,  und  kann  die  erstere  sofort  wieder  entfernt 
werden,  sobald  die  bekannten  negativen  Lichtbüschel  am  rechts- 

Sel,iSf  "iS  Fältt  ÄÄ  «  acllten-  dass'  ebe",s0  %vie  ,ma“ 

die  k"  radaVn  drehen  darf,  wenn  fm~ ATft? 

ä  äS:;: 

her  Vmm  'sHUs  t°a  n  d  gebracht  werden  muss,  ehe  die  be¬ 
sagte  kleine  Manipulation  erfolgreich  "die  nega- 

t  i  V  f  Seite r  stets  mft  der  H  o  h  1  s  p  i  e  g  e  1  k  a  t  h  o  d  e  der  Rontgen- 

rÖhr ' bmih“ndaesn soeben  beschriebene  höchst  einfache  Verfahrenst 
es  also  ermöglicht,  auch  bei  Benutzung  von  W  t  m  sh  u  r  s  t.  .m 

raVeTiMsenftkktLVfambeUem°so  dass  nun  auch  einmal  her- 
gestellte"  Verbindungen  der  Maschine  mit  der  Röntgenröhre  bezw. 
d^  Koptgtockt  dem  Isolierschenrel  nsw.  vollkommen  stabil  ver- 

blelbS"  dürfte  sich  daher  empfehlen,  dass  diesen  Maschinen  von  jetzt 
ab  gPetch  vom  Fabrikanten  ein  entsprechender  Hartgumm, streifen  zu 
oben  bezeichnetem  Zwecke  beigegeben  wuide. 


Die  Schule  für  Tropenmedizin  in  Liverpool. 

Von  Prof.  Dr.  med.  et  phil.  R.  O.  Neumann,  Heidelbeig. 
Die  Bedeutung  der  tropischen  Krankheiten  für  die  Kotonien,  die 

m“"m‘ÄdÄ SÄkäntllch  in  der  bevorzugten  Lage 

sr  ääi  ssff 

ÖÄÄ  «  re  ich  und  Eng  .and,  wo 

die  kolonialmedizmischen  Fragen  ^mtol^ge  der  noch  ^‘gf™fderes 

jnteressfhaben  müssen,  und  dementsprechend  auch  noch  mehr  Aerzte 

Sh -e  Ä  aWÄÄ  Ve‘n  SÄ 

Koiomen  zum  Teil  Fdmten  angeghede^^sm^^  ^  London  und 

iSSSSSSae: 

durchLVv  e* o”VtaUe‘Äsenhaften  Welthandel  ging  in  der 
Gründung  der  Tropeninstitute  voran  und  kann  im  folgenden  Jahre 

n!edlD"eSTrop enschuleMldefein  Glied  der  « r r’s ^ f'b Jhs fäur'Te' C  L flT - 
versität  und  ist  auch,  so  weit  es i  Horsate  und  Arbatsramfc  L  ^ 

iSni”  » 

aber  SfsT "g  jo  den 

l0SieWie  beiyE?Snng  von  Instituten,  die  dem  Gemein¬ 

wohl  und  der  Wohlfahrt  des  Lamles  dienen  so  wdfach^  h  J 

herziger  Weise  die  0™d“n8 :  an  t  Pr  vahnmeh  ^•(;ha[t  „Ilter 
auch  die  Tropenschuie  wn  der  ^lvgp^0lQi)  einem  weit  über  Eng- 

SeJSÄ 

dem  Tropeninstitut  nach  seinem  Namen  benannt.  j  0  n  e  S  fast 

Zu  den  Unterhaltungskosten  der  bcnuie,  u  Verhältnis- 

ausschliesslich  selbst  übernimmt,  trägt  der  Staat  nur  une  verhaltms 


2192 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


massig  geringe  Summe  bei,  wofür  letzterem  das  Recht  zusteht,  einige 
Arbeitsplätze  für  sich  resp.  für  vom  Staat  aus  gesandte  Studierende 
oder  Aerzte  zu  belegen. 

Es  leuchtet  aber  ein,  dass  der  Spender  des  Legates  auf  die  Be¬ 
setzung  seiner  ersten  Professur  das  Recht  der  Auswahl  der  Pro¬ 
fessoren  für  sich  in  Anspruch  nehmen  darf  und  auch  nimmt. 

Neben  diesem  Institut  in  der  Universität,  in  welchem  die  Kurse 
abgehalten  werden  und  Arbeitsplätze  für  angehende  Kolonialärzte 
vorhanden  sind,  ausserdem  .die  entomologische  Abteilung  und  die 
tropenmedizinische  Sammlung  untergebracht  sind,  hat  sich  für  Ver¬ 
suche  im  grossen  Massstabe  und  Infektionsversuche  mit  tropischen 
Krankheiten  an  grösseren  Tieren  ein  Laboratorium  ausserhalb  der 
Universitätsgebäude  als  notwendig  erwiesen.  Hierzu  wurden  aus¬ 
gedehnte,  der  Universität  gehörende  Komplexe  in  Runcorn,  einer 
nahe  bei  Liverpool  gelegenen  Stadt  am  Meere  mit  herrlichen  Weide¬ 
plätzen  für  Qrossvieh,  gewählt. 

Hier  entstanden  auch,  in  Crofton  Lodge,  einer  Anhöhe  des 
Ortes,  die  Runcorn  Research  Laboratories  mit  vielen 
Ställen  und  Einzellaboratorien,  die  ein  vielseitiges  Arbeiten  möglich 
machen,  da  Versuchstiere  in  grosser  Zahl  untergebracht  werden 
können.  Die  Unterhaltungskosten  dieser  zweiten  wichtigen  Arbeits¬ 
stätte  werden  ebenfalls  von  Sir  Alfred  Jones  getragen. 

Es  bietet  einen  erfreulichen  Anblick  und  gewährt  gleichzeitig 
ein  Gefühl  der  Befriedigung,  wenn  die  grossen  Versuchstiere,  Pferde, 
Esel,  Rinder,  ungefesselt  und  frei  auf  den  riesigen  Weideplätzen  sich 
tummeln  und  in  diesem  natürlichen  und  normalen  Zustande  heran¬ 
wachsen  können.  Dass  solche  Art  des  „Wohnens“  die  beste  Gewähr 
bietet  für  eine  gedeihliche  Entwicklung  der  Tiere,  bedarf  keines  Be¬ 
weises.  Auch  wird  die  Beobachtung  und  Beurteilung  entstehender, 
io  1  tsch i  eilender  und  heilender  Krankheiten  dadurch  in  hohem  Masse 
erleichtert  und  gefördert,  und  daher  scheint  es  nur  natürlich,  dass  die 
hier  erzielten  Resultate  bisher  unanfechtbar  gewesen  sind. 

•  Jn  ,ganz  anal°£er  Weise  werden  andere,  von  diesen  getrennte 
Weideplätze  für  „S  e  r  umpf  erde“  verwendet,  die  dem  Serum  - 
departement  der  Liverpoler  Universität  gehören.  Die 
Institute  für  die  Serumgewinnung  liegen  nahe  an  den  Gebäuden  der 
I ropenschule  und  sind  zum  Teil  mit  einander  verbunden.  Der  Ver¬ 
brauch  und  die  Verwendung  der  Sera  ist  bedeutend,  und  da  auch  die 
englischen  Kolonien  zum  Teil  damit  versorgt  werden,  so  harren  täg¬ 
lich  grosse  Mengen  der  Abfertigung.  Hergestellt  werden  Tuber¬ 
kulin  für  Menschen  und  Tiere,  D  i.ph  t  he  r  i  e  h  e i  1  s  e  r  u  m, 

1  estserum  Kuhpockenlymphe,  Rauschbrand  he  il- 
mittel,  Mallein,  Rattenvertilgungsmittel  und  Milz¬ 
brandserum. 

Besondere  Ställe  für  Pferde  und  eine  eigene  Lymphgewinnungs- 
komplexVerV°  k°mmnen  den  medizinisch-Pathol<>£ischen  Gebäude- 

•  +  i^UI  Beobachtung  ft’r  Patienten,  die  an  Tropenkrankheiten  leiden 
udem  Tropeninstitut  das  Royal  Southern  Hospital  in  der 
Nahe  der  Docks  angegliedert,  welches  eine  Spezialabteilung  für  solche 
Patienten  enthalt  und  dauernd  mit  Kranken  aller  Nationen,  die  bei  dem 
riesenhaften  Schiffsverkehr,  den  Liverpool  aufzuweisen  hat2),  be¬ 
setzt  ist.  Auch  in  dieser  Beziehung  ist  Liverpool  gleich  wie  Hamburg 
viLI°rZUg  Ich  geeigneter  0rt>  tropische  Krankheiten  zu  sehen  und 
prnen,n  Ausser  Malaria  fand  sich  zur  Zeit  meines  Aufent¬ 
haltes  Ben-Beri,  Dysenterie  und  Sprue. 

Die  Leitung  der  Liverpooler  Tropenschule  liegt  in  den  bewährten 
I?:“ vonn  Professor  Ronald  Ross,  jenes  bekannten  Forschers, 
UpWr  •  vo*lstandige  Entwicklung  der  Vogel-Malariaparasiten  im 
Uebei  träger  zuerst  nachwies  und  klarlegte  und  dessen  gesamte  Lei¬ 
stungen  auf  dem  Gebiete  der  Tropenmedizin  1902  mit  dem  Nobelpreis 
ausgezeichnet  wurden.  Als  „L  e  c  t  u  r  e  r  s“  stehen  ihm  zur  Seite  das 
langjährige  Mitglied  der  Schule  Dr.  J.  W.  W.  S  te  ph  ens  und  einer 
der  bekanntesten  Entomologen,  R.  Newstead,  ebenso  für  das  Ge- 

Di  Hd<E  AengiepCthtendeni  Pathologie , 'der  Professor  der  Pathologie 
,  ^nPeXt’  welcher  auch  gleichzeitig  Direktor  des  Serum¬ 

departements  in  Runcorn  ist.  Bei  der  Eröffnung  der  Research 
Pab,.°  rato  r  i  es  fungierte  in  Runcorn  Dr.  J.  L.  Tod  d  ehemaliges 
Mitglied  der  Schlafkrankheitsexpedition  im  Kongostaat.’  als  Leiter¬ 
in  an  seine  Stelle  Dr-  Anton  Brei  n],  der 

an  der  Gelbfieberexpedition  nach  Manaos  in  Brasilien  1905  mit  teil 
nahm  Als  Mitarbeiter  wirken  in  Liverpool  wie  in  Runcorn  noch 
eine  Reihe  Aerzte  und  Assistenten,  die  teils  bei  den  Kursen  beteiligt 
sind,  teils  sich  rmt  Spezialarbeiten  beschäftigen.  g 

i  •  Die  A  u  s  b  illd  u  11  £  Ger  Studierenden  geschieht  in  Kursen  die  in 

bchetn °T  3  mal  ’n  iahr-e  abgehalten  werden  und  zwar  in  dreimonat¬ 
lichem  I  urnus  mit  Beginn  im  Januar.  Mai  und  Oktober.  Derartige 

Kurse  tragen  hier  mehr  den  Charakter  von  Schulunterricht  etwa 
entsprechend  unseren  Seminarien  an  den  Universitäten,  während  be¬ 
kanntlich  die  Kurse  im  Hamburger  Tropeninstitut  durchaus  die  freien 
Einrichtungen  der  üblichen  Universitätskurse  aufweisen  vfelieS 

1)  B'e  auswärtigen  Besitzungen 

des  Deutschen  Reiches  betrugen  1903  2597200  qkm 

\°n  Frankreich  „  „  8  770  000  „ 

^ng.an,d,  .  T  ”  27  847  500  „ 

)  Es  laufen  im  Jahre  in  Liverpool  über  30  000  Schiffe  ein  vnn 
denen  allein  1200-1500  aus  tropischen  Kolonien  kommen. 


liegt  dies  mit  daran,  dass  am  Ende  jedes  Kurses  ein  sehr  strenges 
schriftliches  und  mündliches  Examen  abgelegt  wird,  dem  sich  aber 
nicht  alle  Teilnehmer  zu  unterziehen  brauchen.  Auf  Grund  der  be¬ 
standenen  Prüfung  erfolgt  die  Aushändigung  des  „D  i  p  1  o  m  a  o  f 
Iropical  Medicin“,  welches  für  die  kolonialen  Ernennungen 
von  Bedeutung  ist. 

Das  Honorar  ist,  nebenbei  gesagt,  nicht  ganz  niedrig.  Es  be¬ 
trägt  für  einen  Kurs  10  Guineen  =  210  M„  und  für  das  Diplom¬ 
examen  nochmals  5  Guineen.  Trotzdem  ist  die  Zahl  der  Aerzte,  die 
sich  dem  Examen  unterziehen,  erheblich.  Sie  betrug  in  Liverpool 
allein  in  den  letzten  3  Jahren  über  80.  Zugelassen  werden  nur  Aerzte, 
die  das  Staatsexamen  bereits  gemacht  haben  und  es  erstreckt  sich  auf 
eine  schriftliche  Prüfung  in  Tropenmedizin,  tropischer  Pathologie, 
tropischer  Gesundheitslehre  und  Entomologie,  ausserdem  wird  ein 
klinisches  Examen  vorgenommen  und  eine  mündliche  Prüfung. 

Dementsprechend  erstrecken  sich  die  Lehrfächer  auf  all  diese' 
Gegenstände  und  es  besteht  hier  kein  Unterschied  zwischen  den  Ein¬ 
richtungen  in  Hamburg  und  in  Liverpool.  Auch  in  dieser  Beziehung 
wird  in  beiden  Instituten  ein  Augenmerk  darauf  gerichtet,  dass  die 
Professoren  und  Dozenten  selbst  sich  längere  Zeit  in  den  Tropen 
aufgehalten  haben. 

Die  Liverpooler  Tropenschule  hat  aber  nicht  nur  ihren  Ruf 
auf  die  Kurse  und  die  Lehrtätigkeit  geriindet,  sondern  es  sind  vor 
allem  die  vielen  Expeditionen,  die  von  ihr  zur  Erforschung  tro¬ 
pischer  Krankheiten  ausgegangen  sind  und  die  sie  berühmt  gemacht 
haben.  So  wurden  seit  dem  Jahre  1899  nicht  weniger  als  19  Ex¬ 
peditionen  ausgerüstet,  die  sich  die  Erforschung  der  M  a  1  a  r  i  a, 
des  Schwarzwasserfiebers,  der  T  rypanosomen- 
k  rank  hei  ten,  speziell  der  Schlafkrankheit,  des  gelben 
Fiebers  und  einiger  besonderer  Erforschungen  zur  Aufgabe 
machten.  Auch  in  diesem  Jahr  befinden  sich  zwei  Expeditionen  unter¬ 
wegs:  die  eine  zur  Erforschung  der  Verbreitung  der  Schlafkrankheit 
unter  DDr.  Kinghorn  und  Montgomery  nach  Kalomo  und 
eine  zweite  zum  Studium  des  Schwarzwasserfiebers  nach  B  1  a  n  t  v  r  e 
unter  DDr.  B  a  r  r  a  1 1  und  Y  o  r  k  e. 

Die  hohen  Kosten,  welche  solche  Expeditionen  verursachen, 
werden  in  England  ebenfalls  meist  von  einzelnen  Gönnern  oder  Inter- 
essenten  getragen  oder  Privatgesellschaften  rüsten  derartige  Ex¬ 
peditionen  aus.  Es  verdient  dieses  Vorgehen  nicht  nur  vollste  An¬ 
erkennung,  weil  die  Geldmittel  dadurch  leichter  aufgebracht  werden, 
sondern  ganz  besonders  dadurch,  dass  die  grosse  wissenschaftliche 
und  vor  allem  wirtschaftliche  Bedeutung  derartiger  Forschungsreisen 
von  seiten  jener  Spender  in  ihrem  wirklichen  Werte  erkannt  wird. 

Und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  aus¬ 
gezeichneten  Resultate,  welche  bei  den  so  zahl¬ 
reichen  Expeditionen  erzielt  worden  sind,  den 
englischen  Kolonien  und  somit  dem  Mutterlande 
bereits  unschätzbare  Dienste  geleistet  haben.  Der 
piaktische  Blick  der  Engländer  hat  auch  hier  er- 

k  an  nt,  ^sssoangelegtes  Kapital  reichliche  Zinsen 

tragt.  Mochten  solche  leuchtende  Beispiele  auch 
bei  uns  mehr  Nachahmung  finden!  An  geeigneten 
Kräften,  die  sich  den  an  sich  schwierigen  Expe- 
ditionsaufgaben  mit  Erfolg  unterziehen  könnten, 
fehlt  es  nicht! 


Will  uuci  U1C 


ouiMmi  diiiYiieri,  ueren 


««  ,  - »  - -  ucrvampiuiig  ja  oeKanntncn 

unter  allen  tropenmedizinischen  Fragen  zurzeit  im  Vordergründe 
steht,  auch  im  Binnenlande  experimentelle  Erfahrungen  —  wenig- 
stens  an  grossen  Tieren  —  zu  sammeln,  wurden  erst  jüngst  von 
Alfred  Jones  grosse  Summen  gestiftet  und  der  Liverpooler 
I  ropenschule  uberwiesen.  Diese  von  Dr.  Nierenstein  seit 
Jahresfrist  ausgefuhrten  und  zurzeit  noch  fortgesetzten  Versuche  mit 
der  kombinierten  Behandlung  von  Atoxyl  und  Sublimat  an  Pferden 
und  Eseln  haben  zu  sehr  schönen  Resultaten  geführt,  so  dass  die 
Hoffnung  auf  gute  Erfolge  beim  Menschen  gegeben  ist.  Es  wird  auch 
im  nächsten  Jahre  voraussichtlich  eine  neue  „Schlafkrankheits“- 
expedition  am  Menschen  dieselben  Versuche  zu  wiederholen  haben 

u™.zu  sehen,  ob  diese  höchst  interessanten  Ergebnisse  sich  be¬ 
stätigen  lassen. 

Die  Experimente  werden  in  den  Research  laboratories  in  Runcorn 
ausgefuhrt,  dem  für  derartige  Versuche  ungemein  günstigen  Platz 
.  .  Ple  Resultate  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  und  tropenmedi¬ 
zinischen  Forschungen,  ebenso  die  Ergebnisse  auf  den  Expeditionen 
wurden  früher  in  Memoirs“  herausgegeben,  jetzt  ist  dafür  die  fort¬ 
laufende  Zeitschrift  „Annales  of  Tropical  Medicin  e  and 
Parasitology1  eingetreten,  von  denen  der  3.  Band  eben  im  Er¬ 
scheinen  begriffen  ist. 

Auch  für  dieses  mit  vielen  Tafeln  ausgestattete  Archiv  sind  Zu- 
wendungen  von  privater  Seite  vorhanden.  Und  eine  weitere  Stiftung 
hat  dafür  gesorgt  dass  hervorragende,  auf  dem  Gebiet  der  Tropen- 
lpihc|1Ur-f-i)eWFhrte  ,Mani?e^  ~  die  an  der  Liverpooler  Tropenschule 
durch  ^i^T  Slnd  ausgenommen  —  mit  der  Auszeichnung 

durch  die  „The  M  a  ry  Kmgsley  Medal“  bedacht  werden 

n0aaen’  'T  i/eit  ZU  Zeit  A.verliehen  wird.  Bisher  wurde  sie 
h6’  £  v  -c  h’  ^a  Y  e  r  a  n’  M  a  n  s  o  n,  Danielewsky,  F  i  n  - 
1  a  y  H  a  f  f  ki  n  e,  G  o  1  g  i,  G  o  r  g  a  s,  L  o  o  s  und  S  m  i  t  h  überreicht. 
Zu  den  besten  Lehrmitteln  der  Tropenschule  gehört  unstreitig 
d!e,  0  P  e  n  nje  d  i z  i  n  i  s  c  h  e  Sammlung,  die  infolge  der 
zahlreichen  Expeditionen  ausserordentlich  schöne  und  wertvolle 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2193 


Stücke  menschlich-  und  tierisch-pathologischer  Natur  aufweist.  Ganz 
besonders  erfreut  den  Sammler  aber  die  Fülle  der  Insekten,  Mücken, 
Fliegen,  Zecken  u.  a.  blutsaugende  wie  nicht  blutsaugende,  die  mit 
all  ihren  verwandten  Arten  eine  selten  schöne  Vollständigkeit  auf¬ 
weisen.  Hiermit  ist  der  Name  des  Entomolgen  Newsteads 

dauernd  verbunden.  _  , 

Die  Schule  ist  während  der  Kurse  meist  von  Engländern  oder 
aber  von  Aerzten  aus  englischen  Kolonien  besucht,  es  nehmen  aber 
auch  „ausserenglische“  Ausländer  daran  teil,  wobei  beim  Dekan  der 
medizinischen  Fakultät  um  Erlaubnis  nachzusuchen  ist.  Handelt  es 
sich  um  ein  längeres  Arbeiten  über  ein  Spezialgebiet  aus  der  Lehre 
der  Tropenkrankheiten  in  den  Research  Laboratories  in  Runcorn,  so 
muss  die  Zustimmung  des  Direktors  der  Tropenschule  Prof.  Ronald 
R  o  s  s  in  erster  Linie  eingeholt  werden.  Diese  Arbeitsplätze  werden 
nur  Vorgerückteren,  die  in  tropenmedizinischen  Fragen  bereits  ge¬ 
arbeitet  haben,  eingeräumt,  wobei  ein  empfehlender  Ausweis  an  Prof. 

R  o  s  s  notwendig  ist.  ,  ,  .......  .  . 

In  seinen  Arbeiten  ist  man  dann  absolut  selbständig,  unbeein¬ 
flusst  und  frei.  Das  Entgegenkommen  von  Seiten  der  englischen 
Kollegen  ist  aufrichtig  und  freundschaftlich  und  wer  den  Vorzug  ge¬ 
habt  hat,  längere  Zeit  in  der  Liverpooler  Tropenschule  verweilen  zu 
können,  wird  mit  Dankbarkeit  der  Liebenswürdigkeit  des  Direktors 
Prof.  Ronald  Ross,  der  Dozenten  und  Assistenten  gedenken. 
Er  wird  aber  auch  mit  dem  Gefühl  zurückkehren,  dass  hier  im  Zu¬ 
sammenwirken  von  Wissenschaft  und  einer  weitblickenden  Initiative 
kapitalskräftiger,  hochherziger  Männer  wie  Sir  Alfred  Jones 
Grosses  geleistet  wird,  was  in  vieler  Beziehung  vorbildlich  dasteht. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Prof.  J.  Hochenegg:  Lehrbuch  der  speziellen  Chi¬ 
rurgie.  I.  Band,  1.  und  2.  Teil,  1075  Seiten.  Verlag  von 
Urban  &  Schwarzenberg,  Berlin  und  Wien,  1906 
und  1907. 

Die  Bearbeitung  des  hier  in  zwei  stattlichen  Halbbänden 
(I.  Band  komplett)  vorliegenden  Lehrbuches  der  gesamten 
speziellen  Chirurgie  geschah  auf  Grundlage  von  E.  A  1  b  e  r  t  s 
Lehrbuch  der  Chirurgie  und  ist  in  pietätvoller  Weise  von  zahl¬ 
reichen  Schülern  Alberts  vollendet.  War  das  berühmte 
Lehrbuch  Alberts  durch  die  wundervolle  Diktion  und  volle 
Einheitlichkeit  des  gewissermassen  in  einem  Guss  vollende¬ 
ten  Werkes  ausgezeichnet,  so  empfiehlt  sich  das  hier  vor¬ 
liegende  Werk  durch  grosse  Vollständigkeit  des  Inhalts,  wie 
sie  eben  nur  durch  Zusammenarbeiten  Vieler  gewonnen  werden 
kann.  Bei  der  Bearbeitung  der  Kopfes  sind  Schnitzler, 
v.  Friedländer,  Harme  r,  Gnesda,  Jarisch,  Ale¬ 
xander,  bei  der  des  Halses  v.  Friedländer,  Lorenz, 
Ewald,  Payr,  Harmer  beteiligt.  Die  Krankheiten  der 
Brust  sind  von  Payr,  die  Missbildungen,  Verletzungen  und 
Erkrankungen  der  Wirbelsäule,  des  Rückenmarkes 
und  des  Beckens  von  v.  Friedländer,  Ewald, 
Lorenz  und  Reiner  bearbeitet.  Die  Ausstattung  des  in¬ 
haltsreichen,  vortrefflich  orientierenden  Buches  ist  sehr  gut; 
durch  reichliche  Anwendung  von  Kleindruck  ist  der  Inhalt  auf 
kleineren  Raum  komprimiert,  433  Abbildungen  dienen  zur  Er¬ 
läuterung.  Der  II.  Band  soll  bald  folgen. 

Prof.  H  e  1  f  e  r  i  c  h  -  Kiel. 

C.  K  a  u  f  m  a  n  n  -  Zürich :  Handbuch  der  Unfallheilkunde. 
III.  Auflage,  I.  Hälfte.  Stuttgart,  Enke.  560  S.  Preis  14  Mk. 

Das  Handbuch  der  Unfallverletzungen  ist  vom  Verf.  zu 
einem  Handbuch  der  Unfallheilkunde  umgearbeitet  worden. 
Die  Bedeutung  der  Unfallheilkunde  für  die  ärztliche  Tätigkeit 
erfährt  jeder  Arzt  jeden  Tag  so  und  so  viel  Male.  Unsere 
Literatur  weist  ein  Reihe  vortrefflicher  Werke  über  die  Unfall¬ 
medizin  auf.  Dass  bei  diesem  scharfen  Wettbewerb  das  K.sche 
Buch  in  kurzer  Zeit  drei  Auflagen  erleben  konnte,  spricht  für 
die  Vorzüge  desselben.  Zu  den  bekannten  früher  schon  ge¬ 
würdigten  Vorzügen  des  Buches  ist  ein  neuer  gekommen,  dass 
nunmehr  ausser  der  deutschen,  österreichischen  und  schweize¬ 
rischen  auch  die  junge  französische  Unfallversicherung  und  die 
private  Unfallversicherung  mit  in  den  Kreis  der  Besprechung 
gezogen  sind.  Es  gewährt  in  der  Tat  einen  eigenen  Reiz,  die 
Erfahrungen  der  verschiedenen  Länder  mit  einander  zu  ver¬ 
gleichen  und  gegen  einander  abzuwägen. 

Ein  Hauptvorzug  des  K- sehen  Werkes  sind  die  in  reicher 
Zahl  beigebrachten  Beispiele.  An  ihnen  wird  sich  jeder,  der 
in  dem  Buche  bei  schwierigen  Fällen  Rat  sucht,  leicht  und  sicher 
ein  bestimmtes  Urteil  bilden  können.  Die  Auswahl  dieser  Bei¬ 


spiele  gründet  sich  auf  das  Studium  von  über  10  000  Gerichts¬ 
entscheiden.  K  r  e  c  k  e. 

Dr.  Karl  Grünberg:  Die  blutsaugenden  Dipteren.  Mit 

127  Abbildungen  im  Text.  Verlag  von  Gustav  Fischer, 
Jena,  1907.  188  Seiten.  Preis  M.  4.50. 

Nach  dem  Vorwort  des  Verfassers  bezweckt  die  vor¬ 
liegende  Arbeit,  eine  knappe  und  übersichtliche  Darstellung 
aller  als  Blutsauger  bekannten  Dipterengruppen  zu  geben. 
Dass  er  die  Fauna  der  deutschen  Kolonien  speziell  berücksich¬ 
tigt,  wird  ihm  der  deutsche  Kolonialhygieniker  besonders  dan¬ 
ken.  Da  theoretisch  eine  Ursache  nicht  vorliegt,  warum  nicht 
andere  blutsaugende  Dipteren  als  die  schon  als  Krankheits¬ 
überträger  erkannten  Culiciden  und  Glossinen,  menschliche 
und  tierische  Krankheiten  zu  übertragen  vermögen,  da  viel¬ 
mehr  die  letzte  Zeit  auch  für  andere  Gruppen  die  Uebertra- 
gungsfähigkeit  festgestellt  hat,  wird  die  Kenntnis  der  Blut¬ 
sauger  dem  Tropenpathologen  ein  Bedürfnis.  Daher  schafft 
der  Verfasser  mit  dem  kleinen  Buch  ein  Hilfsmittel  zur  Be¬ 
stimmung  von  blutsaugenden  Dipteren,  das  einerseits  dem 
Tropenhygieniker  auf  allen  Wegen  von  grossem  Wert  sein 
wird,  andererseits  dem  Laboratoriumsarbeiter  zu  Haus  die  Be¬ 
stimmung  der  übersandten  Blutsauger  erleichtert.  Um  durch 
zu  grossen  Umfang  die  Uebersichtlichkeit  des  Buches  nicht  zu 
stören,  überlässt  der  Verfasser  das  genaue  Studium  und  die 
Klassifikation  des  gesamten  Materials  der  wissenschaftlichen 
Systematik.  Auf  den  ersten  25  Seiten  werden  die  allgemeinen 
Kennzeichen  der  Dipteren  beschrieben,  während  der  zweite 
Teil  des  Buches  der  Systematik  ihrer  blutsaugenden  Gruppen 
gewidmet  ist.  Die  zahlreichen  Abbildungen  im  Text,  die  das 
Studium  und  die  Bestimmung  überall  erleichtern,  sind  vor¬ 
züglich.  zur  V  e  r  t  h  -  Berlin. 

W.  U  f  f  e  ii  o  r  d  e  -  Göttingen :  Die  Erkrankungen  des 
Siebbeins.  Mit  7  Tafeln  und  35  Abbildungen  im  Text.  Jena, 
Gustav  Fischer.  Preis  10  M. 

Während  die  Lehre  von  den  Erkrankungen  der  Oberkiefer- 
und  Stirnhöhle  schon  mehr  ausgebaut  ist,  darf  die  Lehre  von 
den  Krankheiten  des  Siebbeins  als  noch  im  Werden  begriffen 
bezeichnet  werden.  Uffenorde  gibt  auf  Grund  seiner  Er¬ 
fahrungen  während  der  letzten  drei  Jahre  und  auf  Grund 
reichen  Literaturstudiums  in  anregender  Weise  ein  Bild  des 
jetzigen  Standes.  Nur  dürfte  der  therapeutische  Standpunkt 
der  meisten  Nasenärzte  konservativer  sein  als  der  des  Ver¬ 
fassers. 

Die  Anatomie  ist  sehr  klar  und  übersichtlich  beschrieben. 
Der  Aufbau  des  klinischen  Teils  ist  einfach,  indem  scharf 
zwischen  Nasenpolypen  und  Eiterungen  unterschieden  wird. 
Verf.  plädiert  besonders  dafür,  dass  die  Polypen  —  hyper¬ 
plastische  Entzündung  des  Siebbeins  —  selbständig  ohne  Eite¬ 
rung  bestehen  können,  ja  er  geht  so  weit,  zu  behaupten,  dass 
die  Eiterung  ohne  Polypen  verläuft.  Wenn  Kombination  von 
Eiterung  und  Polypen  bestehe,  so  seien  die  Polypen  das  Pri¬ 
märe.  Gegen  die  letztere  Auffassung  spricht  aber  die  von 
Uffenorde  nirgends  hervorgehobene  Erfahrungstatsache, 
dass  die  doppelseitigen  Polypen  viel  seltener  mit  Eiterung 
kombiniert  sind,  als  die  einseitigen.  Uffenorde  nimmt  im 
Gegenteil  an,  dass  die  Siebbeineiterung  meist  zu  Atrophie  der 
Schleimhaut  führt,  was  mit  den  Erfahrungen  des  Refer.  nicht 
übereinstimmt. 

Die  Therapie  ist  bei  Polypen  und  Eiterungen  dieselbe,  d.  h. 
endonasale  Ausräumung  des  Siebbeins.  Ueber  die  Resultate 
bringt  er  leider  keine  genaueren  Zahlen.  Bei  den  Eiterungen 
sagt  er:  „und  wenn  man  auch  nicht  immer  ideale  Heilungen 
erzielt,  so  wird  man  doch  die  Beschwerden  beseitigen  und  die 
Sekretion  wesentlich  verringern  können“.  Das  stimmt  mit  der 
allgemeinen  Erfahrung  überein  und  wird  wohl  den  Verf.  in 
Fällen  ohne  Beschwerden  allmählich  auf  einen  konservativeren 
Standpunkt  führen.  Bei  den  Polypen  führt  er  aus:  „auf  jeden 
Fall  kann  man,  wenn  auch  ungeheilte  Fälle  übrig  bleiben,  so 
die  Beschwerden  meist  heben,  jedenfalls  vermindern  und  dem 
Patienten  auf  jeden  Fall  Vorteil  bringen“.  Da  die  Ausräumung 
des  Siebbeins  bei  reinen  Polypen  bisher  nur  wenig  geübt  wor¬ 
den  ist,  wären  gerade  hier  genauere  Zahlen  sehr  erwünscht  ge¬ 
wesen. 


2194 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Die  Eröffnung  des  Siebbcins  von  aussen  bleibt  nur  auf  be¬ 
sondere  Fälle  beschränkt. 

Zum  Schluss  werden  auch  Tuberkulose,  Syphilis  und  Tu¬ 
moren  des  Siefobeins  in  ansprechender  Weise  abgehandelt. 

Die  Austattung  des  207  Seiten  dicken  Buches  ist  gut,  nur 
lassen  die  meisten  mikrophotographischen  Abbildungen  zu 
wünschen  übrig.  Scheibe. 

Das  Medizinalwesen  in  Elsass-Lothringen,  auf  Grund  amt¬ 
lichen  Materials  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Biedert,  Medi¬ 
zinalreferent  am  Ministerium,  und  Dr.  Weigand,  General¬ 
oberarzt  a.  D.  Strassburg,  Beust,  1907.  272  S.  Preis  geh. 
6.50  M.,  geb.  7.50  M. 

Es  ist  wohl  die  erste,  also  unumgänglich  nötig  ge¬ 
wesene  Sammlung  der  Medizinalgesetze  von  Elsass-Lothringen. 
Welche  Menge  des  Stoffes  verarbeitet  werden  musste,  geht 
allein  schon  daraus  hervor,  dass  noch  jetzt  geltende  Gesetze 
bis  zum  Germinal  des  Jahres  XI  zurückgehen.  Diese 
ganze  Menge  ist  sehr  übersichtlich  alphabetisch  geordnet  und 
durch  häufigen  kleinen  Druck  und  äusserst  knappe,  da  und  dort 
fast  das  Verständnis  erschwerende  Sprache  auf  sehr  kleinen 
Umfang  zusammengedrängt.  Nicht  nur  die  Aefzte  und  Organe 
der  Verwaltung  des  Elsasses  werden  das  Buch  lebhaft  be- 
griissen,  sondern  auch  ausserhalb  des  Reichslandes  werden 
alle  sich  mit  Volksgesundheitspflege  Befassenden  die  trefflichen 
kurzen  Zusammenstellungen  über  einzelne  Gegenstände,  wie 
über  Desinfektion,  gemeingefährliche  Krankheiten  und  andrer¬ 
seits  die  Ermöglichung  des  Vergleiches  reichsländischer  Ge¬ 
setze  mit  denen  des  eigenen  Landes  zu  schätzen  wissen. 

K-  Kolb-  München. 

Bubis  erste  Kindheit.  Ein  Tagebuch  von  Ernst  und  Gertrud 
Scupin.  Th.  G  r  i  e  b  e  n  s  Verlag.  Leipzig  1907.  263  Seiten. 
Preis  Mk.  4. 

Das  mit  grosser  Gewissenhaftigkeit  geführte  Tagebuch 
bietet  einen  Einblick  in  die  geistige  Entwicklung  eines  Kindes 
während  der  ersten  3  I^ebensiahre.  Die  angeführten  Beobach¬ 
tungen  sind  speziell  für  Eltern  von  gewissem  Interesse.  Eine 
Parallele  mit  dem  bekannten  Preyer  sehen  Buche  „Die  Seele 
des  Kindes“  kann  nicht  gezogen  werden,  da  es  sich  bei  letzterem 
um  die  Durchschnittsresultate  aus  vielen  Beobachtungen  nor-, 
maler  Kinder  handelt.  Die  im  Vorwort  gebrachte  Aufforderung 
an  die  Eltern,  sich  mehr  mit  der  Psyche  ihrer  Kinder  zu  be¬ 
schäftigen,  ist  ja  anerkennenswert,  doch  führt  die  Herstellung 
eines  solchen  penibel  aufgezeichneten  Tagebuches  unzweifel¬ 
haft  auch  leicht  zu  grossen  pädagogischen  Nachteilen,  wie  z.  B. 
zum  Verlust  der  kindlichen  Unbefangenheit.  Für  Aerzte  ist 
besonders  die  chronologische  Uebersicht  speziell  der  Entwick¬ 
lung  der  Sprache  von  Interesse. 

G  r  a  s  s  m  ann-  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie.  18.  Band,  1.  Heft.  Jena  1907,  Gustav  Fischer. 

1)  Kurt  P o  1 1  a k:  Weitere  Beiträge  zur  Hirnpunktion.  (Aus  der 
inneren  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  zu  Stettin.) 

Verf.  bedauert,  dass  die  von  N  e  i  s  s  e  r  und  ihm  empfohlene 
Hirnpunktion  sich  noch  nicht  eingebürgert  hat,  sucht  die  der  Methode 
gemachten  Einwände  zu  entkräften,  bringt  aus  der  Literatur  Fälle  bei, 
bei  denen  sie  indiziert  gewesen  wäre  und  zeigt  an  neuen  eigenen 
Fällen  deren  Leistungsfähigkeit.  Ein  extradurales  rechtsseitiges 
Hämatom  wurde  durch  Punktion  nicht  nur  gefunden,  sondern 
auch  therapeutisch  sehr  gut  beeinflusst;  die  Punktion  der  Seiten¬ 
ventrikel  lieferte  ebenfalls  schöne  diagnostische  und  therapeutische 
Ergebnisse,  ferner  wurde  ein  Fall  von  Hydrocephalus  acquisitus,  bei 
welchem  die  Lumbalpunktion  nichts  leisten  konnte,  diagnostiziert  und 
geheilt.  Auch  die  Probepunktion  der  Stirnhöhlen  wurde  mit  Erfolg 
versucht. 

2)  Viktor  Hecht:  Die  Daktyloskonie  als  klinische  Unter¬ 
suchungsmethode.  (Aus  der  I.  med.  Abteilung  des  k.  k.  Kranken¬ 
hauses  Wieden  in  Wien.) 

Die  Untersuchung  des  feineren  Reliefs  an  der  Haut  der  Hohlhand 
und  der  Beugeseiten  der  Finger  mit  Hilfe  von  Abdrücken  wurde  zur 
Erkennung  gehemmten  Wachstums  (zerebrale  Kinderlähmung,  rachi¬ 
tischer  Zwergwuchs)  und  vermehrten  Wachstums  (Akromegalie) 
herangezogen.  Die  Hemmung  oder  Vermehrung  des  Wachstums  lässt 
sich  aus  der  Anzahl  der  auf  ein  bestimmtes  Längenmass  entfallenden 
Epidermisleisten  ermitteln. 


3)  W.  Goebel:  Zur  Entstehungslehre  der  Lungenerkrankungen 

nach  Darmoperationen.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  der  Kölner 
Akademie  und  dem  städt.  bakteriologischen  Institut.) 

Kulturen  von  Tetragenus  bezw.  Prodigiosus,  subserös  iin  eine 
Dünndarmschlinge  von  Meerschweinchen  injiziert,  Hessen  sich  mit 
ziemlicher  Sicherheit  in  den  Lungen  und  auch  in  anderen  Organen 
nach  1 — 24  Stunden  wiederfinden.  Sie  waren  wahrscheinlich  auf  dem 
Wege  der  mesenterialen  Lymphbahnen  mit  Umgehung  der  Lymph- 
driisen  durch  den  Ductus  thoracicus  dahin  gelangt,  auf  welchem  Wege 
auch  Tusthekörnchen  durchzukommen  schienen.  Die  klinischen  Er¬ 
fahrungen  sprechen  nach  Verfasser  dafür,  dass  auch  beim  Menschen 
die  bei  Operationen  in  die  Chylusbahnen  eingedrungenen  Darmkeime 
auf  dem  Lymph-  oder  Blutweg  in  die  Lunge  geraten  und  unter  gün¬ 
stigen  Bedingungen  den  Anlass  zur  Entwicklung  lobulär-pneumoni¬ 
scher  Entzündungsherde  geben. 

4)  Edens:  Ueber  Milzvenenthrombose,  Pfortaderthrombose  und 

B  a  n  t  i  sehe  Krankheit.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  Kranken¬ 
hauses  Bethanien  zu  Berlin.) 

2  Fälle  mit  Krankengeschichte  und  Sektionsbefund.  Im  einen 
Fall  schien  die  Milzvergrösserung  die  Folge  alter  Thrombosen  der 
Pfortader  und  Milzvene  zu  sein,  welche  traumatisch  entstanden  ge¬ 
dacht  werden.  Im  2.  Falle  war  eine  primäre  Mesenterialvenenthrom¬ 
bose  anzunehmen,  hervorgerufen  durch  den  Druck  des  grossen  stark 
gefüllten  Magens  im  Liegen  auf  das  Mesenterium,  bei  schlechten  all¬ 
gemeinen  Zirkulationsverhältnissen;  die  in  der  Vena  mes.  sup.,  im 
Pfortader-  und  Milzvenenstamm  gefundenen  Thromben  waren 
jüngeren  Datums.  Die  klinische  Diagnose,  insbesondere  die  Be¬ 
ziehungen  zur  Ban  ti  schen  Krankheit  werden  ausführlich  erörtert. 

5)  S.  Auerbach  und  E.  Grossmann:  Zur  Diagnostik  und 
chirurgischen  Behandlung  der  Kleinhirnzysten.  (Aus  der  Poliklinik 
für  Nervenkranke  und  dem  v.  N  e  u  f  v  i  1 1  e  sehen  Kinderhospitale  zu 
Frankfurt  a.  M.) 

2  Fälle:  a)  kleinapfelgrosse  Zyste  der  linken  Kleinhirnhälfte; 
Diagnose  durch  Ventrikelpunktion  wesentlich  gestützt,  Exstirpation 
unter  zweizeitiger  osteoplastischer  Freilegung  der  hinteren  Schädel¬ 
grube,  Morphiumskopolaminnarkose.  Schöner  Heilerfolg.  Für  Ge- 
hinnounktion  bevorzugen  Verfasser  statt  der  N  eis  ser  sehen  Me¬ 
thode  die  Anlegung  einer  kleiner  Trepanationsöffnung  von  Vs  cm 
Durchmesser,  b)  Fehldiagnose;  statt  des  erwarteten  Tumors  der 
rechten  Kleinhirnhemisphäre  lieferte  die  Sektion  ein  GHosarkom  des 
Ependyms  des  rechten  Vorderhorns  des  Seitenventrikels  mit  Blutung 
in  denselben.  Epikrise. 

6)  .1.  Gilli-Bern:  Beiträge  zur  Frage  der  Gastroenterostomie. 

(Aus  der  chirurgischen  Klinik  und  Privatklinik  von  Prof.  Locher- 
Bern.) 

Bericht  über  55  Fälle  von  1901/02  bis  1905.  Von  den  43  gut¬ 
artigen  Fällen  litten  90  Proz.  an  Ulcus  oder  dessen  Folgeerschei¬ 
nungen.  Die  Exzision  des  Ulcus  wurde  in  den  letzten  Jahren  nicht 
mehr  ausgeführt.  Als  typisches  Verfahren  wird  die  Gastroentero¬ 
stomie  betrachtet,  dabei  die  Leistungsfähigkeit  der  Gastroduodeno- 
stomie  neben  der  H  a  c  k  e  r  sehen  Methode  hervorgehoben.  Aller¬ 
dings  bewährt  sich  der  Murphyknopf  nur  bei  letzterer  Methode.  Die 
Gesamtmortalität  bei  benignen  Affektionen  in  den  letzten  8  Jahren 
betrug  3,2  Proz.  Bei  den  wegen  Carcinoma  ventriculi  ausgeführten 
Gastroenterostomien  betrug  sie  für  12  Fälle  (während  des  erst- 
angegebenen  Zeitraums)  8,3  Proz.:  dabei  ergab  sich  ebenfalls  kein 
wesentlicher  Unterschied  in  der  Leistungsfähigkeit  der  verschiedenen 
Operationsverfahren  (1  Gastroenterostomia  anterior,  8  posteriore. 
2  Gastroduodenostomien). 

7)  P.  N.  Hansen:  Die  Behandlung  der  akuten  Darminvagi- 
nationen  im  Kindesalter,  (Aus  der  ersten  chirurgischen  Abteilung  des 
Kommunehosoitals  in  Kopenhagen.) 

28  Kinder,  zwischen  3  Monaten  und  8  Jahren.  14  geheilt,  14  ge¬ 
storben.  3  therapeutische  Gruppen:  a)  7  Kinder  mit  Wassereinläufen 
und  Massagen  behandelt:  3  geheilt;  bei  3  Kindern  wurde  die  ver¬ 
hängnisvolle  Scheinreduktion  erreicht:  h)  sekundäre  Lanaro- 
tornie  nach  deutlich  erfolgreicher  unblutiger  Behandlung:  11  Fälle, 
4  gestorben,  bei  zweien  war  zu  lange  gewartet  worden:  c)  Gruppe 
der  primären  Laparotomien.  10  Fälle.  6  gestorben,  hierunter  aber  alle 
schlechten  Fälle  mit  Gangrän  oder  Peritonitis.  Verfasser  spricht  sich 
entschieden  für  die  primäre  Laparotomie  aus. 

8)  Kurt  Schulze:  Ueber  intraoeritoneale  Sauerstoffinfusionen 
bei  Ascites  tuberculosus.  (Aus  dem  Stadtkrankenhaus  Dresden-Fried¬ 
richstadt.  T.  innere  Abteilung.) 

Mit  einem  näher  beschriebenen  Anoarat  werden  nach  Punktion 
des  Abdomens  500—1800  ccm  Sauerstoff  in  dasselbe  unter  Druck  ein¬ 
gelassen.  Das  Gas  wird  in  8 — 10  Tagen  resorbiert;  event.  wird  die 
Infusion  wiederholt.  Sie  wird  im  allgemeinen  gut  vertragen.  Der 
Aszites  wird  in  der  Regel  bald  resorbiert.  6  von  7  derart  behandelten 
Patienten  wurden  kontrolliert,  nach  1  Vs — 2  Jahren  waren  sie  noch 
arbeitsfähig. 

8)  Arnold  L  öwen  stein:  Ueber  die  Venenklaonen  und  Varizen¬ 
bildung.  (Aus  dem  anatomischen  Institut  der  deutschen  Universität 
in  Prag.) 

Exnerimente  lehren,  dass  sich  die  Klappen  schon  beim  geringsten 
proximalen  Ueberdruck  schliessen.  Bei  normaler  StromricMung  legen 
sie  sich  an  die  Wand,  bilden  iedoch  kein  ..Stromhindernis“  (Ledder¬ 
hos  e).  welches  zur  Begünstigung  der  Entleerung  von  Seitenästen  gar 
nicht  nötig  ist.  Die  Vena  saphena  trug  eine  Hg-Säule  von  1  qmm 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2195 


Querschnitt  und  500  nun  Höhe.  Die  Varizen  sitzen  entweder  proximal 

v0n  der  schlussfähigen  Klappe  („Sinusektasien  ,  bei  alteren  Individuen 

häufig)  oder  als  „echte  Varizen“  distal  von  .insuffizienten  Klappen. 

Schon  bei  jugendlichen  normalen  Individuen  kann  man  -  verschiedene 

Tvoen  von  Venen  unterscheiden:  bei  den  einen  besitzt  die  Sinusstelle 

besonders  schwache  Muskulatur,  bei  den  anderen  findet  sich  die 

muskelgeschwächte  Stelle  distal  von  den  Klappen;  hierin  scheint  eine 

verschiedenartige  Prädisposition  zu  liegen.  , 

versuucucna  s  p.  Grashey  -  München. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  90.  Band,  1.  3.  Heft, 

Leipzig,  Vogel,  September  1907. 

1)  w  i  e  t  in  g-  Heber  den  Nutzen  und  die  Gefahren  der  der  ein- 
und  doppelseitigen  Oberkieferresektion  vorausgeschickten  Karotis- 

unterbindu  g  ^  Qaro^s  communis  zu  prophylaktischen  Zwecken 
ist  zu  verwerfen,  die  bei  weitem  ungefährlichere  temporäre  Kom¬ 
pression  ist  ihr  durchaus  vorzuziehen.  Der  Erfolg  und  Vorteil  der 
Unterbindung  der  Carotis  externa,  die  an  Gefahrlosigkeit  der  tem¬ 
porären  Abklemmung  kaum  nachsteht  und  einfacher  ist  als  diese, 
ist  ein  ganz  eklatanter“.  Allerdings  sind  einige  Vorsichtsmaßregeln 
(Wahl  der  Unterbindungsstelle  zwischen  Abgang  der  Art.  thyieoid. 
sup.  und  lingualis,  Schonung  der  Arterienwand,  exakte  und  feste  lam- 
ponade)  zu  beobachten. 

2)  Alfred  Ex n  e  r:  Ueber  basale  Cephalocelen. 

Mitteilung  eines  Falles  von  Cephalocele  der  Schädelbasis  mit 
Austritt  zwischen  Keil-  und  Siebbein  unter  Berücksichtigung  dei  ein- 
schlägigen  Literatur  und  der  Genese. 

3)  Wolko  witsch:  Zur  Frage  über  den  Kehlkopfkrebs  und 

speziell  dessen  operative  Behandlung.  , 

Nach  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  Operation  des  Kehlkopt- 
krebses  bespricht  W.  die  von  ihm  operierten  24  Fälle  (19  Männer, 

5  Frauen  %  aller  Patienten  zwischen  45  und  65  Jahren)  bezüglich  dei 
Lokalisation  (in  mehr  als  2/a  der  Fälle  ist  der  Aditus  laryngis  in  Mit¬ 
leidenschaft  gezogen),  des  makroskopischen  Aussehens,  der  Lymph- 
drüsenaffektion  (8  mal)  und  des  mikroskopischen  Befundes  (bei 

22  Fällen).  tt  ,  .  .  ,  v 

Entfernung  der  Lymphdriisen  am  Halse  auch  bei  geringstem  \  ei¬ 
dacht  auf  Affektion,  sowie  Entfernung  des  ganzen  Kehlkopfes,  wenn 
ein  zuriickgelassener  Teil  „kleiner  als  die  Hälfte  wäre  ,  tragen  zum 
radikalen  Operieren  bei.  Der  wichtigste  Akt  der  Operation  ist  eine 
gute  Schlundplastik. 

Die  Ernährung  geschah  mittels  während  der  Operation  einge¬ 
führter  und  ä  demeure  verbleibender  Sonde.  Von  allen  24  Patienten 
starben  unmittelbar  an  die  Operation  anschliessend  3,  an  Iubeikulose 
und  anderen  Erkrankungen  starben  7;  5  Patienten  bekamen  Rezidive, 

7  sind  rezidivfrei  (bis  zu  mehr  als  8  Jahren). 

4)  Frangenheim:  Ueber  Kalluszysten. 

F.  bespricht  2  Fälle  von  Kalluszysten  bei  einer  subkapitalen 
Fraktur  des  Oberschenkelhalses  und  bei  einer  pathologischen  Fraktur 
(Tumor)  im  oberen  Femurdritte!;  Vergleich  mit  den  Zystenblidungen 

bei  Myositis  ossificans.  .  ,  . 

5)  Hosch:  III.  Das  primäre  Magenkarzinom  mit  zystischen 

Lebermetastasen.  . 

Bei  einem  55  jährigen  Patienten  mit  der  klinischen  Diagnose. 
Carcinoma  ventriculi  mit  Leber-  und  Netzmetastasen  ergab  die  histo¬ 
logische  Untersuchung  ein  myogenes,  etwas  polymorphzelliges,  gross- 
zeiliges  Spindelzellensarkom  mit  zystischen  Lebermetastasen.  85  Li¬ 
teraturfälle  mit  9  Lebermetastasen.  Eine  sichere  klinische  Differential- 
diagnose  zwischen  Sarkom  und  Karzinom  des  Magens  ist  meistens 

nicht  möglich.  .  . 

Durch  chemische  Untersuchung  der  Punktionsflüssigkeit  dei 
Lebörzysten  lässt  sich  der  Echinokokkus  ausschliessen. 

Das  am  meisten  von  Magensarkom  betroffene  Alter  ist  das  5.  De¬ 
zennium.  Zusammenfassende  Bemerkungen  über  Zystenbildungen. 

6)  Kirchner:  Hochgradiger  Spitzfuss  infolge  von  nicht  repo- 
nierter  Luxation  des  Talus  nach  vorn  aussen. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Talusluxationen.  Die  Frakturen  des 
Sustentaculum  tali. 

An  der  Hand  eines  Leichenpräparates  (Luxation  des  Talus  nach 
vorn  aussen  mit  Fraktur  des  Sustentaculum  tali  und  J  uberc.  med. 
Dost,  tali)  folgt  eine  eingehende  Besprechung  des  Mechanismus  der 
Talusluxation.  Einzelheiten  im  Original. 

7)  Knoke:  Beitrag  zur  Behandlung  der  suprakondylären 
Humerusfrakturen. 

K.  empfiehlt  zur  Behandlung  der  suprakondylären  Extensions¬ 
frakturen  einen  Schienenverband  mit  federndem  Zug  am  Oberarm, 
kombiniert  mit  extendierender  Vorderarmschiene  (Helfer  ich), 
eine  Kombination  von  Verbänden,  die  bereits  in  der  4.  Auflage  von 
Helferichs  Frakturen  und  Luxationen  1898  einzeln  angegeben 
wurden.  15  Fälle. 

8)  Marek:  Ueber  die  Folgen  des  Verschlusses  der  Gekrös- 
arterien. 

M.  kommt  auf  Grund  von  18  Versuchen  an  Hunden,  bei  denen  der 
Gefässverschluss  teils  durch  Paraffin-,  teils  durch  Zinkoxvdinjektion 
bewirkt  wurde,  zu  folgendem  Schlussresultat:  „Die  vollständige  Ab¬ 
sperrung  des  arteriellen  Zuflusses  zu  irgend  einem  Gebiet  verursacht 
anämische  Gangrän,  die  Verlegung  von  Arterien  bezw,  Venen,  ge¬ 


sondert  oder  gleichzeitig,  bei  ungenügendem  Kollateralkreislauf  da¬ 
hingegen  hämorrhagischen  Infarkt.  Das  Bild  des  letzteren  gestaltet 
sich  dann  verschieden,  je  nach  dem  Verhältnis  zwischen  dem  Ge¬ 
samtquerschnitt  der  jeweilig  vorhandenen  Anastomosen  und  der  Aus¬ 
dehnung  des  Ausschaltungsgebietes  oder  mit  anderen  Worten,  je  nach 
dem  Grade  der  Stromverlangsamung  und  der  Höhe  des  intrakapillaren 
D ruckes  44 

9)  1 1  o  und  Soyesima:  Zur  Behandlung  der  Fazialislähmung 

durch  Nervenpfropfung.  .  .  . 

6  Fälle  von  sogen,  rheumatischer  Fazialislähmung  wurden  durch 
Nervenpfropfung  (2  mal  Akzessorius,  4  mal  Hypoglossus)  behandelt. 
Auf  Grund,  der  gemachten  Erfahrungen  wollen  Verfassei  die  Operation 
unter  Bevorzugung  der  Hypoglossuspfropfung  auf  die  genannte  mm 
der  Fazialislähmung  ausgedehnt  wissen. 

10)  Füster:  Novokain  als  Lumbalanästhetikum. 

Aus  den  Schlussfolgerungen  F.s  auf  Grund  von  104  Anästhesien 
mit  Novokain-Suprarenin  sei  hervorgehoben:  T 

„Das  Novokain  übertrifft  in  der  Dosis  von  0,1  m  Form  von  la¬ 
bletten  das  Tropakain  um  ein  ganz  bedeutendes  an  analgetische i  Kran 
bei  gleichzeitig  geringerer  Giftigkeit.“  Versager,  in  gleicher  Menge 
wie  beim  Tropakokain  vorkommend,  dürften  sich  auf  einen  noch 
kleineren  Prozentsatz  herunterdrücken  lassen.  Das  Präparat  ist 
bei  Alter  unter  15  Jahren,  eitrigen  Prozessen,  höchstgradiger  allge¬ 
meiner  Kachexie  kontraindiziert  —  quoad  vitam  ungetahrlicü. 

11)  Graf:  Einige  Bemerkungen  zur  Zerreissung  der  Knie- 

kehlende  ä^sung  def  Art<  popiitea  und  der  lateralen  Vene  bei  Sub¬ 
luxation  der  Tibia  nach  hinten.  Anschliessend  gemachte  Leichenvei- 
suche  (Präparation  von  10  Kniekehlen  mit  folgender  extremer  Sub¬ 
luxation  der  Tibia  teils  nach  hinten,  teils  nach  vorn)  zeigten 
die  viel  grössere  Gefährdung  der  Gefässe  bei  der  Luxation  nach  vorn. 
G.  führte  in  seinem  Falle  die  Zerreissung  auf  Ueberstreckung  zuiuck. 

12)  Tomita:  Ueber  Knochentransplantation  bei  ausgedehntem 

Kontinuitätsdefekt  der  langen  Röhrenknochen.  , 

F.  transplantierte  in  5  Fällen  —  sämtlich  Folgen  von  Knochen¬ 
schüssen  während  des  Krieges  —  3  mal  Periostknochenstucke  samt 
Knochenmark  aus  der  gleichen  oder  anderen  Tibia  desselben  Indm- 
duums.  2  mal  frischen  lebenden  Tierknochen  auf  Fibjadefekte  bezw. 
eine  Pseudarthrose  mit  gutem  Resultate.  Technisch  ist  exak^e  JB  ut- 
stillumr  und  vollkommene  Exzision  des  Narbengewebes  wesentlich. 

Tierknochen  resp.  Periost  selbst  zeigt  keine  Wucherungsfahig- 
keit  und  scheint  weniger  Anlass  zur  Kallusbildung  v0"  kra^m5'1i,'t 
enden  aus  zu  geben.1  Tierknochen  wird  allmählich  resorbiert,  heilt 
aber  besser  ein  als  tote  Substanz  ..und  gibt  dem  Knochen  ^inac*s| 
eine  feste  Stütze  ab,  die  dann  allmählich  durch  menschlichen  Knochen 
(Kallusbildung)  ersetzt  wird.“ 

Kleinere  Mitteilungen: 

13)  Emil  Stumme:  Ein  Fall  von  Basedow  mit  Tuberkulose  einer 

Glandula  oarathyreoidea.  ,  ,  ,  .  „ 

Die  Patientin  bot  „beim  Beklopfen  der  Wange  etwas  unterhal 
des  vorderen  Teiles  des  Jochbogens  deutliches  Zucken  des  betreffen¬ 
den  Mundwinkels“.  Ausführliches  Literatui  Verzeichnis. 

14)  Brunner:  Deszensus  des  rechten  Ureters  ins  Skrotum,  eine 

Hernia  inguina-scrotalis  vortäuschend. 

B.  machte  in  dem  ein  Unikum  darstellenden  Falle  die  Resektion 
und  Naht  des  Ureters.  Flö  r  ek  e  n- Wuizbuig. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  39  40. 

No.  39.  Ali  Krogius:  Zur  Technik  des  blinden  Duodenalver¬ 
schlusses  nach  der  Pvlorusresektion  (Methode  Billroth  II). 

Während  Brunne  r  die  möglichste  Sicherung  des  Duodenal- 
stumofes  durch  extraperitoneale  Lagerung  desselben  anstrebt.  S  t  e  l  n- 
t  h  a  1  durch  Bedeckung  mit  Netz  und  Gazetampon,  ist  A.  Kr.  in  Uebei- 
einstimniung  mit  Kausch  der  Ansicht,  dass  alle  Bestrebungen  auf 
die  Erzielung  eines  absolut  zuverlässigen  Verschlusses  des  Duodenal¬ 
stumpfes  hinzielen  müssen  und  empfiehlt  hierzu  einen  kleinen  Kunst¬ 
griff  durch  den  die  Schwierigkeiten  bei  der  blinden  Einstülpung  des 
Duodenalstumpfes  im  wesentlichen  beseitigt  werden  können  und  der 
wohl  auch  schon  von  anderen  Operateuren  benutzt  worden  ist.  Wenn 
bei  ausgiebiger  Resektion  des  Pylorus  die  Abtrennung  des  Duodenum 
soweit  unten  erfolgen  muss,  dass  der  zu  ruckbleiben  de  freie  Teil  zui 
Einstülpung  des  Stumpfes  nicht  ausreicht  und  man  den  Anfang  dei 
2.  Portion  durch  Lösung  seiner  retroperitonealen  Anheftung  mobil 
machen  muss,  wobei  man  es  dann  an  der  hinteren  Seate  des  Duodenum 
mit  einer  dünnen,  nicht  vom  Bauchfell  bedeckten  Darmwand  zu  tun 
hat,  die  zur  Versenkung  des  Stumpfes  wegen  leichten  Ausreissens  der 
Nähte  sehr  ungeeignet  ist,  so  empfiehlt  A.  Kr.,  nach  genügender  Frei¬ 
machung,  die  Durchquetschung  und  Abbindung  des  Daims  die  hinteie. 
vom  Bauchfell  entblösste  Darmwandpartie  gegen  das  Lumen  hin  «mzu- 
Xen, indem  man,  von  der  Basis  des  abgelösten  Duodenalstuckes 
beginnend,  mittels  einer  fortlaufenden  Naht  abwechselnd  ^m  o^fre 
und  unteren  Rande  des  Peritonealdefektes  die  Peritonealbekleidung 
des  vorderen  Darmumfanges  fasst  und  deren  Ränder  somit  in  einer 
längsverlaufenden  Nahtlinie  zusammenzieht,  wodurch  man  einen 
ringsum  gut  von  Bauchfell  überzogenen  Zylinder,  etwa  vom  halben 
Umfang  des  Darmzvlinders.  erhält,  in  den  sich  der  Stumpf  leicht 
einstülpen  und  mittels  einiger  Lembertnähte  mit  breiten  Baue 
flächen  bedecken  lässt. 


2196 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


No.  40.  H  a  m  m  e  r  -  Karlsruhe:  Ueber  die  Behandlung  von 
Fingerbrüchen. 

K.  empfiehlt  die  direkte  Anheftung  des  gebrochenen  Fingers  an 
eine  schmale  Aluminiumschiene  (Steudelsche  Schiene)  mittels  kreis¬ 
förmiger,  fest  angelegter  Heftüflasterstreifen.  Einen  Nachteil  der¬ 
selben  brauche  man  nicht  zu  fürchten,  wenn  man  den  Verband  erst 
nach  Ablauf  der  ersten  Periode  (der  zunehmenden  Schwellung)  aq- 
lege.  Die  Schiene  muss  so  lang  sein,  dass  sie  die  benachbarten  Ge¬ 
lenke  mit  ruhig  stellt,  am  besten  bis  zur  Handwurzel  reichend,  und 
um  einer  Verschiebung  vorzubeugen,  wird  der  Heftpflasterstreifen 
einmal  um  die  Schiene  geschlungen,  bevor  man  ihn  um  die  Handwurzel 
legt.  Die  Schiene  wird  meist  dorsal,  eventuell  auch  volar  angelegt: 
bei  seitlichen  Abweichungen  empfiehlt  es  sich,  noch  eine  kürzere 
seitliche  Schiene  hinzuzufügen.  Die  Polsterung  darf  nur  gering  sein 
(4 — 8  fache  Mulleinwickelung).  Als  Pflaster  empfiehlt  H.  Leukoplast 
in  höchstens  2  cm  breiten  Streifen;  er  lässt  den  Verband  3  Wochen 
liegen  und  wendet  denselben  auch  bei  komplizierten  Frakturen  an, 
bemerkt  jedoch  dabei,  dass  Aluminium  das  Kochen  in  Sodalösung 
nicht  verträgt,  die  Schiene  entweder  in  reinem  kochenden  Wasser 
oder  strömendem  Dampf  sterilisiert  werden  muss.  Sehr. 


Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  41. 


R.  0  1  s  h  a  u  s  e  n  -  Berlin:  Zur  Ventrifixur. 

O.  korrigiert  Liepmanns  Angaben  über  seine  (O.s)  Methode 
der  Ventrifixur,  die  L.  verbessert  haben  wollte  (ref.  in  diesem  Blatte 
1907,  No.  10,  p.  483).  0.  beschreibt  sein  von  Koblanck  modifi¬ 

ziertes  Verfahren,  das  er  jetzt  seit  10  Jahren  anwendet  und  bei  dessen 
richtiger  Ausführung  Rezidive  kaum  Vorkommen  sollen.  Tritt  später 
Schwangerschaft  ein,  so  wird  das  Hinaufsteigen  des  Uterus  nicht  ge¬ 
hindert.  Auch  Aborte  hat  O.  nach  der  Operation  niemals  beobachtet. 

O.  v.  H  e  r  f  f  -  Basel :  Die  Flächennaht  nach  Noble  bei  Faszien¬ 
wunden. 

v.  H.  empfiehlt  an  Stelle  der  Kantennaht  die  Flächennaht 
der  Faszie  nach  Laparotomien,  wie  sie  zuerst  von  Noble  im  Jahre 
1905  angegeben  wurde.  Sie  eignet  sich  für  jede  Art  von  Bauch¬ 
schnitten,  zur  Versorgung  von  Hernien,  zur  Naht  des  Inguinalkanals 
usf.  Die  Technik  muss  im  Original  nachgelesen  werden. 

Derselbe:  Kumolkatgut  oder  Jodkatgut? 

v.  H.  bevorzugt,  besonders  für  kleinere  Anstalten  mit  geringem 
Bedarf,  bei  weitem  das  Jodkatgut,  her.gestellt  nach  Schmidt- 
B  i  1 1  m  a  n  n  in  Mannheim.  Dasselbe  ist  einfacher  und  billiger  her¬ 
zustellen,  als  das  Kumolkatgut,  ist  widerstandsfähiger  und  dauerhafter, 
und  in  Bezug  auf  seine  antiseptischen  Eigenschaften  zuverlässiger. 

P.  K  r  o  e  m  e  r  -  Giessen:  Ueber  die  Behandlung  der  Nebenver¬ 
letzungen  bei  Hebosteotomie. 

Als  gefährlichste  Nebenverletzung  bezeichnet  K.  diejenige  der 
Blase;  sie  ist  zu  vermeiden  oder  die  primäre  Naht  des  verletzten 
Organes  sei  die  wichtigste  Aufgabe.  K-  empfiehlt  ein  subkutanes 
Schnittverfahren  von  unten  unter  Ablösung  des  Crus  clitoridis  im 
Sulcus  interlabialis  und  des  Ligam.  pubovesicale.  Seit  Einführung 
des  verbesserten  Blasenschutzes  beobachtete  K.  eine  Besserung  der 
Morbidität  und  Verschwinden  der  Phlegmonen  und  Thrombosen  im 
Beckenschenkelbereich.  Von  19  Pubiotomierten  wurden  die  letzten 
6  mit  subpubischem  Vestibularschnitt  operiert;  es  genasen  alle  19. 
Von  20  Kindern  (1  mal  Zwillinge)  starb  nur  eines  an  kongenitalem 
Herzfehler. 

M.  Stolz- Graz:  Einklemmung  eines  Laminariastiftes  im 
Uterus. 


Das  Ereignis  passierte  St.  bei  einer  21  jährigen  Nullipara,  bei  der 
ei  wegen  piogressiver  Tuberkulose  den  künstlichen  Abort  einleiten 
wollte.  Die  Entfernung  des  Stiftes  gelang  erst  nach  medianer  Spal- 
tunzder  voi deren  Zervixwand  in  Narkose.  Zur  Vermeidung  solcher 
Zufälle  emfiehlt  St.,  das  untere  Ende  der  Stifte,  wie  bei  den  Intrauterin¬ 
stiften,  scheibenförmig  verbreitern  zu  lassen. 


O.  K  ai  s  e  r  -  Dresden:  Eklampsie  und  Parathyreoidin. 

Günstiger  Verlauf  einer  schweren  Eklampsie  bei  einer  25  jährigen 
I.  Para  nach  Einspritzung  von  2,0  Parathyreoidin  (Vassale).  Da 
aber  ^nebem  auch  Aderlass,  Kochsalzinfusion,  Schwitzbad  und 
Lnloralhydrat  gegeben  wurden,  so  ist  schwer  zu  beurteilen 
Mittel  der  Erfolg  zu  danken  ist.  J  a  f  f  e  -  Hamburg.  ’ 


2,0 
welchem 


Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde. 

1. — 2.  Heft. 


1907.  33.  Bd. 


Katt\\  i  n  k  e  1- München:  Ein  Fall  von  primärer  syste¬ 
matischer  Degeneration  der  Pyramidenbahnen. 

f  ,,9hne  jedes,  nachweisbare  ätiologische  Moment,  also  auch  ohne 
lamil.are  Veranlagung,  entwickelte  sich  bei  einem  59  Jahre  alten 
Mann  Hypertonie  der  Muskeln  mit  starker  Steigerung  der  S°hnen- 
retlexe.  Spater  gesellten  sich  dazu  noch  bulbäre  Störungen.  Da¬ 
gegen  waren  keine  sensiblen  Ausfallserscheinungen  nachzuweisen 
Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  konnte  lediglich  eine  De- 
generatmn  der  Pyramidenbahnen  ohne  jede  Beteiligung  anderer 
Fasersysteme  restgestellt  werden.  Also  ein  reiner  Fall  von  spasti¬ 
scher  Spinalparalyse. 

ei,--  *1,/ J  1  '!,d  “Heideiber g:  .Ein  auf  Rumpf  und  Extremitäten  be¬ 

schrankter  Fall  von  Myasthenia  gravis. 

Kasuistische  Mitteilung. 


W.  F  ü  r  n  r  o  h  r  -  Nürnberg:  Myotonia  atrophica. 

Immer  mehr  häufen  sich  die  Mitteilungen  über  Fälle  von  Myo¬ 
tonie,  die  mit  starkem  Muskelschwund  einhergehen.  Bei  solchen 
Kranken  treten  dann  nicht  selten  die  klinischen  Erscheinungen  der 
Myotonie  ganz  zurück  (Myotonia  sine  tonu)  und  die  Diagnose  basiert 
lediglich  auf  dem  Nachweis  der  elektrischen  und  mechanischen  mvo- 
tonischen  Reaktion.  In  der  Lokalisation  der  Muskelatrophien  ist  eine 
Gesetzmässigkeit  nicht  nachzuweisen.  Doch  scheint  die  Beschäfti¬ 
gung  des  Kranken  auf  den  Ort  des  Muskelschwundes  unter  Um¬ 
ständen  einen  bestimmenden  Einfluss  aufzuüben. 

F  i  n  k  e  1  n  b  u  r  g  -  Bonn:  Ueber  Meningoenzephalitis  unter  dem 
klinischen  Bild  des  Delirium  acutum  verlaufend. 

Ein  10  jähriger  Junge  erkrankte  mit  Delirien,  hochgradiger  mo¬ 
torischer  Unruhe,  halluzinatorischen  Zuständen  und  eigenartigen  Dreh¬ 
bewegungen  des  Körpers.  Meningitische  Erscheinungen  waren  eben-  - 
sowenig  wie  Herdsymptome  nachzuweisen.  Als  anatomische  Grund¬ 
lage  für  die  tödlich  verlaufende  Gehirnerkrankung  waren  eine  chro¬ 
nische  Leptomeningitis  der  Hirnkonvexität  und  entzündliche  Verände¬ 
rungen  an  den  Hirngefässen  anzuschuldigen. 

Bychowski  -  Warschau :  Zur  Klinik  der  Jackson  sehen 
Epilepsie  infolge  extrazerebraler  Tumoren. 

Bei  einem  62  Jahre  alten  Mann  stellten  sich  schon  seit  Jahren 
im  Zwischenraum  von  wenigen  Tagen  Krampfanfälle  in  derselben 
Reihenfolge,  zuerst  den  Hals,  dann  den  Arm  und  schliesslich  das 
Bein  ergreifend,  ein.  Dabei  war  der  Patient  bei  vollem  Bewusst¬ 
sein,  so  dass  er  „Augenzeuge  seiner  Anfälle“  war.  Daran  schloss  sich 
jedesmal  kurz  dauernde  Blasenstörung  und  schnell  vorübergehende 
Hemiplegie.  Bei  der  Operation  fand  sich  über  dem  mittleren  Drittel 
der  hinteren  Zentralwindung  ein  welschnussgrosses  Endotheliom  der 
Dura  mater,  das  eine  Impression  in  die  Gehirnoberfläche  bedingte. 
Der  therapeutische  Erfolg  ist  insofern  ein  guter,  als  die  Krampfanfälle 
seit  dem  Tage  des  chirurgischen  Eingriffes  ganz  ausgeblieben  sind, 
dagegen  besteht  nun  eine  dauernde  Hemiparese,  welche  jede  Arbeits¬ 
fähigkeit  (der  Kranke  ist  Handwerker)  ausschliesst. 

S  t  u  r  s  b  e  r  g  -  Bonn :  Zur  Kenntnis  der  metastatischen  diffusen 
Sarkomatose  der  Meningen. 

Die  vorliegende  Mitteilung  ist  dadurch  interessant,  dass  die 
Sarkomatose  in  der  Pia  lediglich  mikroskopisch  nachweis¬ 
bar  war  und  dass  klinisch  die  Erscheinungen  einer  Polyneuritis,  aber 
keine  meningitischen  Symptome  Vorlagen. 

L  a  s  a  r  e  w  -  Kiew:  Ueber  Steiners  Infraspinatusreflex. 

Der  Behauptung  Steiners,  dass  der  Infraspinatusreflex  ein 
echter,  über  das  Rückenmark  verlaufender  Sehnenreflex  sei.  wird 
von  dem  Autor  widersprochen.  Nach  den  hier  gebrachten  Ausfüh¬ 
rungen  ist  wohl  auch  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  es  sich  lediglich 
um  eine  direkte  Muskelreizung  handelt,  wenn  beim  Hammerschlag 
auf  eine  Stelle  unterhalb  der  Spina  scapulae  eine  Auswärtsrollung 
des  Armes  zu  stände  kommt. 

K  o  1 1  a  r  i  t  s  -  Ofen-Pest:  Ein  Fall  von  Rückenmarkskompression 
mit  sekundären  Degenerationen. 

P.  Z  i  m  m  e  r  -  Breslau:  6  Fälle  von  traumatischer  Erkrankung 
des  untersten  Rückenmarksabschnittes. 

Auf  Grund  klinischer  Beobachtungen  wird  die  Streitfrage,  ob 
im  untersten  Rückenmarksabschnitt  Zentren  für  die  Funktionen  der 
Blase,  des  Mastdarmes  und  der  Geschlechtswerkzeuge  vonliegen. 
aufs  Neue  erörtert.  Und  zwar  schliesst  sich  der  Autor  der  früher 
allgemein  geltenden  Auffassung  an,  dass  tatsächlich  die  Ganglien¬ 
zellen  des  Conus  medullaris  für  die  Innervation  der  genannten  Or¬ 
gane  in  Betracht  kommen.  Damit  ist  also  auch  zugegeben,  dass  im 
Rückenmark  Zentren  für  Organe  mit  glatter  Muskulatur  bestehen.  Ob 
diese  Annahme  zutrifft,  möchte  der  Referent  bezweifeln. 

M.  M  i  n  k  o  w  s  k  i  -  Breslau :  Ueber  zerebrale  Blasenstörungen. 

Bei  Erkrankungen  des  Gehirns  finden  sich  auch  dann,  wenn  diese 
nicht  mit  Bewusstseinstrübung  einhergehen,  nicht  selten  Blasenstö¬ 
rungen.  Diese  sind  allerdings  meist  vorübergehender  Natur.  M. 
glaubt  ein  Zentrum  für  die  Erschlaffung  des  Sphinkters  in  der  Gross¬ 
hirnrinde  und  ein  solches  für  die  Kontraktionen  des  Schliessmuskels 
in  den  subkortikalen  Ganglien  vermuten  zu  müssen!  Dementspre¬ 
chend  würde  eine  Läsion  der  kortikospinalen  Bahnen  Retention,  der 
subkortikospinalen  Fasern  Inkontinenz  erzeugen.  Freilich  ist  eine 
so  genaue  Lokalisation  von  Funktionen,  die  in  letzter  Linie  durch  das 
sympathische  Nervensystem  ausgelöst  werden,  sehr  hvDothetisch. 

L.  R.  Müller. 

Archiv  für  Hygiene.  62.  Bd.  3.  Heft.  1907. 

1)  R.  L  a  n  g  e  -  Berlin:  Ueber  das  Eindringen  von  Bakterien  in 
das  niihnerei  durch  die  Eischale. 

Es  gelang  der  Nachweis,  dass  Koli,  Typhus,  Para- 
JVP  F  u  s  B,  B.  e  n  t  e  r  i  t  i  d  i  s  Gärtner  und  B.  b  o  t  u  1  i  n  u  s  die 
Fähigkeit  besitzen,  die  intakte  Eiwand  des  Hühnereies  zu  durch¬ 
wandern.  Die  Präparation  und  Entnahme  der  Bakterien  aus  dem 
Innern  geschah  bequem  und  praktisch,  nachdem  die  Eier  zum  Ge- 
^ ’,ere^?e?r w?ren-  Bei  einer  Erwärmung  auf  80°  (Vs  Stunde) 
oder  70  (1  Stunde)  werden  die  Keime  im  Innern  des  Eies  nicht  ver- 
nichtet,  mit  bei  100°  gelingt  es  in  8  Minuten  die  Keime  ausser 
.  botulinus  abzutöten.  Das  Eindringen  der  Bazillen  scheint  von  der 
lntfe"si Hat  der  Eigenbewegung  abhängig  zu  sein.  Beim  Erwärmen 
aut  6U  ist  das  Eiweiss  nur  milchig  getrübt,  das  Eigelb  noch  flüssig. 

Eme  stunde  auf  /0  erwärmt  ist  das  Eigelb  erstarrt,  das  Eiweiss 
leicht  geronnen. 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2197 


2)  E.  Grafe- Berlin:  Die  Wärmetönung  bei  der  fermentativen 

Spaltung  der  Eiweisskörper  und  des  Leims.  . 

3)  'Sachs-Müke- Berlin :  Können  lebende  Dysenteriebazillen 

die  Eiwand  des  frischen  Hühnereies  durchwachsen? 

Im  Gegensatz  zu  -den  von  Lange  bei  den  oben  genannten  Bak¬ 
terien  gemachten  Beobachtungen  wies  der  Verf.  nach,  -dass  lebende 
Ruhrbazillen  die  Wand  des  frischen  unverletzten  Hühnereies 
nicht  zu  durchwandern  vermögen.  Wahrscheinlich  sterben  sie  infolge 
ihrer  geringen  Lebensfähigkeit  an  der  äusseren  Schale  -durch  Aus¬ 
trocknen  sehr  bald  ab.  Dagegen  vermögen  sie  durch  kleinste  unsicht¬ 
bare  Sprünge  in  -das  Ei  hineinzuwandern.  Ebenso  wie  Ruhrbazillen 
konnten  Aspergillus,  Mucor  und  Penicillium  die  unver¬ 
letzte  Wand  nicht  durchdringen.  In  künstlich  infizierten  Eiern  hielten 
sich  Dysenteriebazillen  bis  mindestens  17  Tage  lebensfähig.  Wurde 
die  Infektion  an  einer  Stelle  des  Eies  bewirkt,  so  konnte  bereits  nach 
2-4  Stunden  eine  Durchwucherung  des  ganzen  Eies  nachgewiesen 
werden.  Nach  6  Minuten  langem  Kochen  waren  -die  Dysenterie¬ 
bazillen  im  Ei  abgestorben.  ,  A  .  .....  ^  u 

4)  Emil  B  ü  r  gl -Berlin:  Ueber  Baktenenagglutination  durch 

normale  Sera.  . 

Verf.  hat  in  systematischer  Weise  eine  grosse  Reihe  normaler 

Tiersera  auf  das  Agglutinationsvermögen  von  Cholera,  V.  Metschni- 
koff,  Dysenterie,  Typhus,  Paratyphus  B,  Koli,  Mäusetyphus,  Schweine¬ 
pest,  Hühnercholera,  Proteus,  Pyozyaneus  un-d  Staphylokokken  ge¬ 
prüft  und  dabei  die  Tatsache  gefunden,  dass  die  Bakterien  normaler 
Weise  durch  die  verschiedenen  Tiersera  in  einer  immer  gleichbleiben¬ 
den  Stärkereihenfolge  agglutiniert  werden.  -Die  Reihenfolge  ist: 
Rind,  Pferd,  Ziege,  Hammel,  Huhn,  Gans,  Hund,  Kaninchen,  Mensch, 
Meerschweinchen.  Versuchte  man  die  Ausflockung  von  Mastix  durch 
die  gleichen  Sera,  so  trat  ungefähr  -die  gleiche  Stärkereihenfolge  zu 
Tage.  Es  mussten  hier  -aber  ausserordentlich  grosse  Verdünnungen 
des  Serums  angewendet  werden,  um  Hemmungserscheinungen  zu  ver¬ 
meiden.  R.  O.  Neumann  -  Heidelberg. 


Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten. 

2.  Heft.  1907. 


57.  Bd. 


1)P.  Proskau  er,  E.  Seligmann  und  Fr.  Cr-oner-  Berlin: 
Ueber  die  Beschaffenheit  der  in  Berlin  eingefiihrten  dänischen  Milch. 

Bei  den  vorliegenden  Untersuchungen  handelte  es  sich  um  che¬ 
mische  un-d  bakteriologische  Ermittelungen  der  aus  Dänemark  ein¬ 
geführten  Milch  un-d  um  Erhebungen,  ob  die  dänische  Milch  in 
hygienischer  Beziehung  zu  beanstanden  sei.  Es  wurde  Sommer¬ 
milch  und  W  i  n  t  e  r  m  i  1  c  h  aus  Dänemark  untersucht  und  gleich¬ 
zeitig  auch  zum  Vergleich  Berliner  Marktmilch  und  Pommer- 
sche  Milch.  Es  liess  sich  feststellen,  -dass  unter  Berücksichtigung 
der  Transportverhältnisse,  die  zum  Teil  wegen  zu  langer  Dauer  des 
Transportes  verbesserungsbedürftig  sind,  die  dänische  Sommermilch 
in  biologischer  Beziehung  der  im  Berliner  Verkehr  befindlichen  Milch 
wenig  nachsteht,  in  chemischer  Hinsicht  diese  -sogar  übertrifft.  Für  die 
Ernährung  von  Säuglingen  ist  sie  aber  ebenso  wenig,  wie  die  Winter¬ 
milch  geeignet.  Der  Keimgehalt  der  dänischen  Milch  ist  grösser 
als  der  Keimgehalt  der  Berliner  und  der  Pommerschen  Milch.  Die 
Reduktionskraft  war  gesteigert,  -die  katalysierende 
Kraft  vermindert.  Der  Säuregrad  verhielt  Stich  bei  allen  Milch¬ 
sorten  gleich.  Die  dänische  Milc-h  wies  mehr  Schmutz  auf.  Die  bio¬ 
logischen  Eigenschaften  der  Milch  waren  -also  bei  der  Sommermilch, 
entsprechend  der  wärmeren  Temperatur  gesteigert.  Bemerkenswert 
ist,  dass  unter  13  untersuchten  dänischen  Milchproben  5  Tuberkel¬ 
bazillen  enthielten.  Von  9  Milchproben  von  Berliner  Marktmilch  ent¬ 
hielten  5  Tuberkelbazillen. 

5)  Ed.  B  ü  s  i  n  g  -  Bremen:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Diphtherie 
als  Volksseuche. 

Besprechung  und  kritische  Verarbeitung  der  in  den  letzten 
3  Jahren  im  hygienischen  Institut  in  Bremen  untersuchten  Diphtherie¬ 
fälle.  In  der  Frage  der  Ubiquität  entscheidet  sich  Verfasser  dahin, 
dass  der  virulente  Diphtheriebazillus  nicht  ubiquitär  sei,  sondern  sich 
nur  bei  Diphtheriekranken  und  bei  Rekonvaleszenten  finde.  Die  viru¬ 
lenten  Bazillen  kommen  für  -die  Verbreitung  der  Diphtherie  nicht  in 
Betracht,  obwohl  sie  morphologisch  den  echten  gleichen.  Eine  sichere 
Unterscheidung  der  H  o  f  f  m  a  n  n  -  W  e  1 1  e  n  h  o  f  sehen  Formen 
(Pseudodipht-heriebazillen)  von  den  echten  gebe  es  zurzeit  nicht,  da¬ 
gegen  liesse  sich  der  „Xerosebazillus“  kulturell  von  beiden  unter¬ 
scheiden  (aber  nicht  in  allen  Fällen.  Ref.). 

3)  S.  M.  P  o  g  g  e  n  p  o  h  1  -  Petersburg:  Zur  Diagnose  und  zum 
klinischen  Verlauf  des  Paratyphus. 

Die  interessante  Studie,  die  auf  selbstgemachten  Beobachtungen 
beruht,  zeigt,  dass  man  bei  der  Diagnose  von  Paratyphus  sich  nicht 
nur  auf  die  Agglutinationsreaktion  beschränken  darf,  weil  sie  trotz 
hohen  Fiebers  zuweilen  im  Stiche  lässt.  Die  Frage  des  Paratyphus 
bietet  nach  des  Verfassers  Ansicht  vorläufig  nur  wissenschaftliches 
Interesse,  da  die  Symptomatologie  -des  Paratyphus  mit  der  des  Ab¬ 
dominaltyphus  identisch  ist. 

4)  Paul  Neumann  -  Halle  a.  S. :  Statistischer  Beitrag  zur  Sterb¬ 
lichkeit  im  ersten  Lebensjahre  in  Halle  a.  S.  für  die  Jahre  1893/1902. 

Die  Säuglingsterblichkeit  in  Halle  steht  nach  den  statistischen 
Angaben  des  Verfassers  in  engster  Beziehung  mit  den  Magendarm¬ 
krankheiten  und  weist  ungefähr  -dieselbe  Höhe  auf  wie  Berlin,  Breslau, 
Königsberg  und  Stettin. 


5)  Emil  F  ü  r  t  h  -  Hamburg  :  Ueber  künstliche  und  natürliche 
Pestinfektion  von  Fischen. 

Es  gelang  nicht,  bei  Goldfischen  mit  vollvirulentem  Pestmaterial, 
weder  durch  Verbitterung,  noch  -durch  intramuskuläre  Injektion  eine 
Pesterkrankung  zu  erzielen.  Die  Pestbazillen  wurden  bei  Verbitte¬ 
rung  in  den  meisten  Fällen  schon  nach  2—3  Tagen  ausgeschieden,  sie 
können  allerdings  bis  zu  5  Tagen  im  Darmtraktus  verweilen.  Bei  In¬ 
jektionen  können  die  Bazillen  -in  die  Organe  des  Körpers  übergehen, 
ohne  dass  jedoch  der  Fisch  pathologische  Veränderungen  aufweist. 
Es  ist  also  immerhin  möglich,  dass  Fische  unter  Umständen  Pest¬ 
bazillen  verschleppen  können.  Inwieweit  diese  Befunde  aber  auf 
andere  F-ische  zu  übertragen  sind,  -darüber  sind  noch  Versuche  ab¬ 
zuwarten.  R.  O.  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  41  u.  42.  1907. 

No.  41.  1)  E.  Fr  iedb  er  ge  r- Königsberg  i.  Pr.:  Ueber  Halt¬ 

barmachung  der  Komplemente. 

Die  Versuche  ergaben,  -dass  durch  Zusatz  von  Kochsalz  zum 
Serum  des  Meerschweinchens  das  sonst  sehr  labile  Komplement  kon¬ 
serviert  wird.  Im  völlig  getrockneten  Serum  werden  die  Komple¬ 
mente  thermostabil. 

2)  R.  Oe  streich  -  Berlin  und  H.  S  t  r  a  u  s  s  -  Berlin:  Ueber 
Vorkommen  und  Deutung  einiger  histologischer  Veränderungen  am 
Magendarmkanal  bei  perniziöser  Anämie. 

Schon  bei  früheren  Untersuchungen  konnten  die  Verfasser  fest¬ 
stellen,  dass  bei  perniziöser  Anämie  neben  einem  starken  Drüsen- 
schwun-de  des  Darmes  eine  Vermehrung  der  Lymphozyten  in  der 
Schleimhaut  desselben  besteht.  Wie  von  R  o  j  a  s  ausgeführte  Unter¬ 
suchungen  nachweisen,  findet  sich  dieses  Verhältnis  im  allgemeinen 
bei  anderen  Zuständen  nicht.  Nach  den  neuerdings  gemachten 
Zählungen  der  Lymphozyten  des  Blutes  besteht  eine  Beziehung 
zwischen  der  Vermehrung  des  lymphatischen  Gewebes  im  Magen¬ 
darmkanal  und  der  Zunahme  des  Lym-phozytengehaltes  des  strömen¬ 
den  Blutes.  Die  histologischen  Befunde  im  Magendarmkanal  sind 
zwar  an  sich  bedeutsam,  doch  können  bindende  Schlüsse  bezüglich 
einer  die  perniziöse  Anämie  erzeugenden  Wirkung  dieser  Ver¬ 
änderungen  nicht  gezogen  werden. 

3)  H.  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d- Berlin:  Erythrämie  und  Erythrozytose. 

Verf.  stellt  die  Sektionsergebnisse  aus  5  Fällen  der  Polcythaemia 

hypertonica  zusammen  und  gibt  eine  Beschreibung  des  Blutbefundes 
bei  diesen  Fällen.  In  allen  zur  Sektion  gekommenen  Fällen  derart 
hat  eine  Plethor-a  v-era  Vorgelegen.  Das  Primäre  der  Krankheit 
scheint  -eine  krankhafte  Wachstumsteigerung  des  erythroblastischen 
Apparates  zu  sein,  woraus  sich  eine  Analogie  zur  Leukämie  ergibt. 
Verf.  macht  noch  Vorschläge  zur  Nomenklatur  der  in  Rede  stehenden 
Affektion. 

4)  H.  W  o  1  f  f  -  Potsdam:  Zur  Frage  der  Abduzenslähmung  nach 
Lumbalanästhesie. 

Es  fehlt  der  Beweis,  dass  bei  Abduzenslähmungen  im  Gefolge 
der  medullären  Anästhesie  regelmässig  -eine  Giftwirkung  der  injizierten 
Substanzen  vorliegt.  W.  hebt  hervor,  dass  -die  auftretenden  Er¬ 
scheinungen  auch  schon  durch  die  blosse  Punktion  bewirkt  werden 
können.  So  hat  Ver-f.  bei  einem  Kranken  nur  die  Lumbalpunktion  aus¬ 
geführt,  jedoch  ohne  ein  Anästhetikum  einzuführen.  Am  5.  Tag  trat 
plötzlich  eine  Abduzenslähmung  auf,  welche  nach  einigen  Wochen  in 
eine  leichte  Parese,  nach  12  Wochen  in  Heilung  überging.  Verf.  be¬ 
spricht  die  verschiedenen  Möglichkeiten  einer  Erklärung  solcher  Vor¬ 
kommnisse  und  betont  besonders  eintretende  intradurale  Blutungen. 

5)  A.  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Die  Eröffnung  des  peritonsillären 
Abszesses. 

Verf.  bespricht  die  Technik  des  Eingehens  von  der  Fossa 
supratonsillaris  aus,  wie  sie  von  Ruault  angegeben  worden  ist. 
Dieses  Verfahren  ist,  wie  sich  Verfasser  an  ca.  100  derartigen  Fällen 
überzeugen  konnte,  die  physiologische  Methode,  welche  besonders 
auch  die  Auffindung  kleiner  Abszesse  gewährleistet.  Verf.  benützt 
zur  Operation  einen  stumpfen  M.  S  c  h  m  i -d  t  sehen  Tonsillenschlitzer. 

6)  Goldscheider  -  Berlin :  Die  Perkussion  der  Lungenspitzen. 

Der  Inhalt  des  Artikels,  welcher  eine  grosse  Anzahl  von  Ab¬ 
bildungen  bringt,  ist  bereits  auf  Seite  1507  der  Berliner  Klinischen 
Wochenschrift  zur  Besprechung  gelangt. 

No.  42.  1)  P.  v.  Baumgarten  - Tübingen :  Ueber  die  durch 

Alkohol  hervorzurufenden  pathologisch-histologischen  Veränderungen. 
Nach  gemeinschaftlich  mit  Dr.  Rumpel  angestellten  Experimenten. 

Subkutan  beigebrachter  Alkohol  ist  unfähig,  primär,  d.  h.  von 
lokalen  Nekrosen  oder  Eiterung  unabhängig,  zur  Schrumpfung 
führende  Prozesse  zu  bewirken.  Der  auf  dem  Wege  der  Blutbahn 
eingebrachte  Alkohol  liess  jedoch  ebenfalls  die  Fähigkeit  vermissen, 
bei  -den  Versuchstieren  eine  Leberzirrhose  erzeugen  zu  können,  so- 
dass  die  klinische  Anschauung,  dass  der  chronische  Alkoholgenuss  an 
sich  schwere  nekrobiotische  und  zirrhotische  Veränderungen  der 
parenchymatösen  Organe,  speziell  der  Leber  hervorzurufen  geeignet 
sei,  durch  diese  Versuche  nicht  gestützt  wird.  -Der  Alkohol  bewirkte, 
auch  wenn  er  subkutan  beigebracht  wurde,  bei  -den  Tieren  jedoch 
hämorrhagische  Erosionen  der  Magenschleimhaut.  Nach  dem  Ausfall 
dieser  Versuche  kann  m-an  -dem  Alkoholabusus  nur  eine  disponierende 
Rolle  für  die  Entstehung  der  Leberzirrhose  zusprechen. 

2)  Franz  Daeis -Gent:  Experimenteller  Beitrag  zur  Wirkung 
des  Yohimbins  auf  den  weiblichen  Genitalapparat. 


2198 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


1).  referiert  über  die  bisherigen  Versuche  in  dieser  Richtung  und 
berichtet  dann  über  seine  eigenen.  Er  führte  bei  Hündinnen,  welchen 
er  das  Präparat  gegeben  hatte,  Laparotomien  aus  und  konnte  fest¬ 
stellen,  dass  das  Yohimbin  die  Brunst  hervorzurufen  schien,  welche 
auch  durch  die  Entfernung  der  Ovarien  nicht  in  kurzer  Zeit  wieder 
zur  Rückbildung  gebracht  werden  konnte.  Sowohl  bei  ganz  jungen 
Tieren,  als  auch  bei  solchen,  welche  erst  vor  einigen  Monaten  ge¬ 
worfen  hatten,  traten  die  Brunsterscheinungen  nicht  ein.  Verf. 
schliesst,  dass  es  nicht  erlaubt  sei,  ohne  weiteres  bei  Amenorrhoe, 
Aplasie  und  Menopausebeschwerden  das  Präparat  zu  verabreichen. 

3)  Carl  B  e  c  k  -  New  York:  Ueber  Kombinationsbehandlung  bei 
bösartigen  Neubildungen. 

Verf.  spricht  sich  unter  Bericht  und  Abbildung  einer  Reihe  be¬ 
handelter  Fälle  für  die  Kombination  des  blutigen  Operationsver¬ 
fahrens  und  der  Röntgenbehandlung  aus,  in  der  Weise,  dass  bald 
nach  der  Operation  der  geschaffene  Defekt  intensiv  bestrahlt  wird, 
sodass  eine  ausgiebige  Reaktion  zustande  kommt.  Hinsichtlich  der 
Technik  betont  Beck  die  Zweckmässigkeit  des  Blendenverfahrens. 

4)  J.  W  i  1 1  e  -  Berlin:  Ueber  die  neue  Methode  quantitativer 
Pepsinbestimmung  nach  .1  a  k  o  b  y  und  Solms. 

W.  gibt  zunächst  eine  Darstellung  des  Solms  sehen  Verfahrens, 
welches  er  selbst  an  50  Kranken  nachgeprüft  hat.  Er  berichtet  da¬ 
rüber  in  tabellarischen  Uebersichten  und  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  bei  den  verschiedenen  Magenerkrankungen  zwar  zwischen 
Säureverhältnis  und  Pepsin  ein  Zusammenhang  besteht,  dass  jedoch 
kein  schematischer  Parallelismus  darin  vorliegt.  Bei  funktionellen 
Magenerkrankungen  kann  eine  Verminderung  der  peptischen  Kraft 
Vorkommen.  Die  genannte  Methode  ist  als  eine  hinlänglich  zuver¬ 
lässige,  billige  und  leicht  anszufiihrende  zu  empfehlen. 

5)  A.  M  u  s  z  k  a  t  -  Berlin-Reichenhall:  Ueber  anfallsweise  auf¬ 
tretenden  Darmschleimfluss. 

M.  veröffentlicht  eine  Beobachtung  an  einer  30  jährigen  Näherin, 
bei  welcher  —  und  zwar  ohne  gleichzeitige  Koliken  —  reichliche 
weissliche  Schleimentleerungen  aus  dem  Darm  beobachtet  wurden. 
Die  Schleimhaut  des  Rektums  und  der  Flexur  erwies  sich  als  hype- 
rämisch.  Das  Fehlen  der  Koliken  trennt  solche  Fälle  von  den  als 
„Schleimkolik“  bezeichneten.  Die  betreffende  Patientin  zeigte  seit 
Jahren  eine  Labilität  des  vasomotorischen  Nervensystems. 

6)  A.  B  u  1 1  i  n  g  -  Reichenhall  und  W.  Rullmann  -  München : 
Ein  Fall  von  Lungenaktinomykose. 

Die  mitgeteilte  eingehende  Krankengeschichte  betrifft  eine  34jähr. 
Frau,  deren  Sputumbefund  10  Jahre  hindurch  von  Rullmann  bak¬ 
teriologisch  kontrolliert  wurde.  Der  Sitz  der  Erkrankung  Hess  sich  in 
der  rechten  Lunge  feststellen,  welche  sich  nach  dem  durch  Bluthusten 
erfolgten  plötzlichen  Tode  als  mit  massenhaften  Kavernen  durchsetzt 
erwies.  Während  einer  Inhalationskur  in  Reichenhall  hatte  eine 
wesentliche  Besserung  stattgefunden.  Verf.  gibt  eine  eingehende 
Epikrise  seiner  Beobachtung.  Qrassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  42. 

1)  H.  T  i  1 1  m  a  n  n  s  -  Leipzig:  Die  allgemeine  Behandlung  der 
Frakturen.  (Klinischer  Vortrag.) 

2)  Ri  edel- Jena:  Ueber  die  verschobene,  an  falschem  Orte 
durch  Verwachsungen  festgelegte  rechte  Niere.  (Schluss.) 

Bei  den  früher  als  Niereneinklemmung  aufgefassten  stürmischen 
Attacken  mit  heftigem  Schmerz  und  Erbrechen  handelt  es  sich  nach 
der  Erfahrung  des  Verf.  entweder  um  einen  akut  entzündlichen  Schub 
in  einer  Hydronephrose  oder  um  Festlegung  der  medianwärts  ver¬ 
schobenen  rechten  Niere,  wobei  sich  Verwachsungen  zwischen  Duo¬ 
denum  und  Gallenblase,  Mesokolon  und  Leber,  auch  Adhäsionen  an 
der  Pars  pylorica  des  Magens  finden  können.  Die  von  der  Leber 
nicht  abgrenzhare  Niere  kann  als  Gallenblasentumor  imponieren. 
Aetiologisch  kommt  für  die  Nierenverlagerung  Druck  der  Rockbänder 
auf  die  Leber  in  Betracht,  welche  nach  Verdrängung  der  Niere  deren 
Platz  einnimmt.  Adhäsionen  können  sich  auch  unabhängig  von  der 
Wanderniere  bilden.  Verf.  zeigt  an  Krankengeschichten  die  Schwierig¬ 
keit  der  Djfferentialdiagnose  gegenüber  Gallensteinleiden  und  Magen¬ 
erkrankungen;  die  fixierte  Wanderniere  kann  nämlich  sowohl  Ikterus 
gravis,  als  auch  stürmische  Magensymptome  hervorrufen.  In  letz¬ 
teren  Fällen  empfiehlt  sich  grosser  vorderer  Schnitt  zur  Lösung  der 
Adhäsionen;  die  Fixation  der  mobilisierten  Niere  an  der  richtigen 
Stelle  geschieht  dann  durch  Schnitt  von  hinten,  der  bei  einfacheren 
Fällen  allein  genügt. 

3)  M.  M  a  r  t  e  n  s  -  Berlin :  Ueber  Pylephlebitis  purulenta  bei 
Perityphlitis. 

Da  Verf.  in  einem  Fall  schon  nach  40  Stunden  bei  der  Operation 
eine  eitrige  Pfortaderentzündung  antraf,  tritt  er  für  die  früheste  Früh¬ 
operation  —  wenigstens  der  schweren  Fälle  —  ein.  Von  seinen 
52  Operationen  des  letzten  Jahres,  welche  innerhalb  der  ersten 
48  Stunden  gemacht  wurden,  endeten  2  tödlich,  da  eben  die  Hilfe  schon 
zu  spät  kam. 

4)  H.  R  i  b  b  e  r  t  -  Bonn:  Die  Eingangspforten  der  Tuberkulose. 
Referat  auf  dem  14.  internationalen  Kongress  für  Hygiene  und  Demo¬ 
graphie.  Ref.  an  anderer  Stelle  dieser  Wochenschrift. 

5)  .1  Pal -Wien:  Ueber  das  Vorkommen  mydriatisch  wirkender 
Substanzen  im  Harne. 

Von  28  Nephritikern  hatten  22.  von  18  Graviden  6  im  Harne 
mydriatisch  wirkende  Substanzen.  Bei  einem  Hunde  bewirkte  intra¬ 
venöse  Injektion  von  Adrenalinlösung  dieselbe  Reaktion. 


6)  Karl  Klieneberger  -  Königsberg:  Weitere  Beiträge  zum 
saprophytischen  Vorkommen  von  hämoglobinophilen  Bazillen  (Sapro- 
phytie  in  den  Harnwegen). 

In  drei  Fällen  wies  Verfasser  in  bluthaltigem  Urin  hämoglobi'no- 
phile  Stäbchen  morphologisch  und  kulturell  nach.  Daneben  waren 
jedoch  immer  Bakterien  vorhanden,  welche  allein  Zystitis  oder  Pyelitis 
hervorrufen  können. 

7)  H  e  y  m  a  n  n  -  Dresden:  Erfahrungen  mit  der  Quarzlampe. 

Die  Quarzlampe  ist  nach  Verfasser  eine  brauchbare  Unter¬ 
stützung  für  die  Lupusbehandlung,  bewährt  sich  ferner  bei  Ekzem, 
oberflächlichem  Naevus  flammeus,  Akne. 

8)  O.  S  c  hu  m  m  -  Hamburg-Eppendorf:  Zur  Kenntnis  der  Benzin¬ 
blutprobe. 

Wegen  der  ausserordentlich  grossen  Unterschiede  in  der  Emp¬ 
findlichkeit  der  Benzidinpräparte  kann  Verf.  die  Probe  dem  Praktiker ' 
vorläufig  nicht  unbedingt  empfehlen.  R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  42.  R.  Grassberger  und  A.  S  c  h  a  1 1  e  n  f  r  o  h  -  Wien: 
Immunitätsfragen. 

Vorgetragen  auf  dem  internationalen  hygienischen  Kongress  in 
Berlin. 

A.  G  hon -Wien:  Meningokokken  und  verwandte  Bakterien. 

Vorgetragen  auf  dem  internationalen  hygienischen  Kongress. 

R.  Kr  aus- Wien:  Ueber  Toxine  und  Antitoxine  des  Cholera¬ 
vibrio. 

Experimentelle  Grundlage  einer  antitoxischen  Choleratherapie. 
Vorgetragen  auf  dem  internationalen  hygienischen  Kongress. 

A.  Herz-  Wien :  Beeinflussung  der  Gruber-Widal  sehen 
Reaktion  durch  sekundäre  Erysipelinfektion. 

Krankengeschichte  einer  Frau,  die  wegen  eines  Rezidives  von 
Typhus  abdominalis  in  Behandlung  kam.  Interkurrentes  Gesichts¬ 
erysipel;  während  der  Dauer  desselben  wurde  die  vorher  positive 
Gruber-Widal  sehe  Probe  negativ,  um  nach  Ablauf  des  Erysipels 
wieder  positiv  zu  werden.  Aehnliches  ist  bei  Mischinfektionen  des 
Iyphus  mit  Staphylococcus  albus  und  Diplococcus  pneumoniae  be¬ 
obachtet  worden.  Im  Gegensatz  zu  den  analogen  Versuchen  mit  diesen 
Kokken  gelang  es  Verf.  nicht,  experimentell  durch  Zusatz  von  Ery¬ 
sipelserum  die  Agglutination  der  Typhusbazillen  zu  alterieren. 

E.  Mayr -Graz:  Die  Sekretion  des  Magensaftes  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  psychopathologischen  Zustandsbildern. 

An  etwa  90  Kranken  der  psychiatrischen  Klinik  hat  M.  Salzsäure-, 
Pepsin-  und  Labsekretion  bestimmt  und  ist  dabei,  je  nach  der  Art 
der  psychischen  Alteration,  zu  verschiedenen  Befunden  gelangt.  Z.  B. 
hatten  die  Fälle  von  reiner  Manie  mässige  oder  niedrige  Zahlen  für 
die  Azidität,  sehr  geringe  für  Pepsin,  die  ausgeheberte  Milch  gerinnt 
erst  nach  einiger  Zeit  im  Brutschrank.  Dagegen  waren  bei  manischen 
Zuständen  der  Hebephrenie  die  entsprechenden  Zahlen  auch  für  den 
Labgehalt  höher,  die  Milch  wurde  geronnen  ausgehebert.  In  ähnlicher 
Weise  werden  die  Befunde  bei  Amenz,  katatonem  Irresein,  Angst¬ 
psychosen,  die  chronische  Paranoia  klassifiziert.  Von  Einfluss  scheinen 
bei  den  einzelnen  Kranken  Schwankungen  in  der  Stimmung  zu  sein; 
die  Verweigerung  der  Nahrungsaufnahme  scheint  auf  den  Typus  des 
Befundes  ohne  Einfluss  zu  sein.  Die  Gravidität  und  das  Puerperium 
wiesen  besonders  hohe  Werte  für  die  Azidität  auf. 

O.  Porges  und  E.  Neubauer-Wien:  Ueber  die  Kolloid¬ 
reaktionen  wässeriger  Lezithin-  und  Cholesterinsuspensionen. 

Die  für  die  physikalische  Chemie  der  Lipoide  interessanten 
Untersuchungsresultate  können  hier  nicht  wiedergegeben  werden. 

K  r  e  i  b  i  c  h  -  Prag:  Ueber  Hydroa  vacciniforme  und  Frühjahrs¬ 
katarrh. 

K.  erörtert  die  Wechselbeziehungen  der  beiden  seltenen,  aber 
relativ  oft  gleichzeitig  vorhandenen  Affektionen  unter  Anführung  einer 
Krankengeschichte.  Im  Gegensatz  zu  A  x  e  n  f  e  1  d  kommt  er  zu  dem 
Schluss,  dass  beide  durch  die  Einwirkung  der  Sonne  bei  vorhandener 
besonderer  Disposition  hervorgerufen  werden. 

.1.  C.  Reinhardt-  Teschen:  Zur  Anwendung  des  Murphy- 
schen  Darmknopfes. 

Bei  34  Operationen  war  die  Zahl  der  Zwischenfälle  relativ  gross. 
Nach  Gastroenterostomia  antecolica  anterior,  die  sich  allerdings  dazu 
nicht  eignet,  fand^  sich  dreimal  der  Knopf  in  den  Magen  gefallen;  in 
einem  weiteren  hall  musste  der  Knopf  operativ  entfernt  werden;  in 
einem  anderen  verstopfte  ein  Pflaumenkern  den  Knopf  un,d  es  kam 
zu  langwierigen  Abszessen;  in  zwei  Fällen  erfolgte  der  Tod  (Ileus, 
Verstopfung  des  Knopfes  durch  einen  Kirschkern).  Der  Knopf  wurde 
schliesslich  nur  bei  verzweifelten  Fällen  als  Notbehelf  angewandt. 

M.  Herz- Wien:  Zur  Orthodiagraphie  des  Herzens. 

Um  die  für  den  praktischen  Arzt  umständliche  und  unangenehme 
Verdunkelung  des  ganzen  Untersuchungszimmers  zu  vermeiden,  ver¬ 
wendet  Verf.,  nach  Art  des  Dunkeltuches  bei  den  Photographen,  einen 
weiten  Schlauch  von  schwarzem  Tuche,  der  an  den  Rand  des  Platin- 
zyaniirschirmes  festgenagelt  und  mit  der  anderen  Oeffnung  über 
Kopf  und  Brust  des  Untersuchenden  gestülpt  wird.  Ein  Aermel  an 
der  rechten  Seite  des  Sackes  macht  den  Zeichenstift  im  Innern  zu¬ 
gänglich. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2199 


29.  Oktober  1907. 

Wiener  klinisch-therapeutische  Wochenschrift. 

No.  25.  Chantemesse  und  Kahn-  Paris :  Prophylaxe  und 
Behandlung  der  Infektion  des  Peritoneums  mittels  Nukleins. 

Bei  der  Behandlung  des  Typhus  hat  Ch.  mehrmals  die  subkutane 
Injektion  einer  1  proz.  Lösung  von  nukleinsaurem  Natrium  versucht, 
wo  sich  peritonitische  Reizerscheinungen  mit  Meteorismus  einstellten 
und  den  Verdacht  auf  eine  Perforation  erwirkten.  Der  Erfolg,  der 
mit  der  Entstehung  einer  Hyperleukozytose  erklärt  wird,  war  wieder¬ 
holt  ein  recht  befriedigender,  was  die  Abnahme  der  Temperatur, 
der  Schmerzhaftigkeit  und  Beeinflussung  des  Allgemeinbefindens  be¬ 
trifft.  Vielleicht  ist  das  Mittel  imstande,  den  Ablauf  einer  Peritonitis 
zu  mildern,  unter  Umständen  auch  die  notwendige  Widerstandskraft 
bei  der  operativen  Behandlung  von  Darmperforation  zu  erhöhen. 

Berge  a  t  -  München. 


auch  häufig  tropische  Krankheiten  verkannt.  Verf.,  einer  der  besten 
englischen  Tropenärzte,  gibt  in  dieser  Arbeit  den  europäischen  Aerzten 
eine  Reihe  nützlicher  Winke.  So  macht  er  darauf  aufmerksam,  dass 
in  England  Malariaanfälle  bei  alten  Tropenbewohnern  hauptsächlich 
während  der  warmen  Sommermonate  auftreten,  er  empfiehlt  deshalb, 
diese  Kranken  in  ein  kühleres  Klima  zu  schicken,  sobald  sich  die  Ma¬ 
laria  bemerkbar  macht,  und  nicht,  was  häufig  geschieht,  in  ein  wär¬ 
meres.  Hämoglobinurie  (Schwarzwasserfieber)  tritt  in  nicht  allzu 
seltenen  Fällen  zum  ersten  Male  auf,  wenn  der  Patient  aus  West¬ 
afrika  nach  Europa  zurückkehrt.  Chinin  ist  von  zweifelhaftem  Nutzen. 
Verf.  sah  häufig  eine  Verminderung  der  Blutung  durch  Terpentin 
(10  Tropfen  2  stündlich,  bis  50  Tropfen  genommen  wurden).  Die 
tropische  Dysenterie,  die  in  England  zur  Beobachtung  kommt,  wird 
am  besten  mit  Ipekakuanha  behandelt.  Die  Bittersalzbehandlung 
bleibt  in  der  Regel  erfolglos.  Verf.  sorgt  zuerst  für  gute  Stuhlent¬ 
leerung  und  den  Abgang  etwa  vorhandener  Würmer  durch  Santonin 
und  Oel.  Dann  gibt  er  am  folgenden  Morgen  um  9  Uhr  40  Minuten 
20  Tropfen  Opiumtinktur,  10  Minuten  später  legt  er  ein  Senfpflaster 
auf  das  Epigastrium,  um  10  Uhr  gibt  er  2,0  frischgepuverte  Rad.  Ipe- 
cacuanhae  in  Cachets.  Der  Kranke  muss  mit  niedrig  gelagertem 
Kopfe  vollkommen  ruhig  bleiben.  Tritt  gleich  nachher  Erbrechen 
ein,  so  muss  die  Dosis  wiederholt  werden.  Am  folgenden  Tage  wird 
unter  denselben  Vorsichtsmassregeln  1,75  Ipekakuanha  gegeben,  an 
den  folgenden  Tagen,  1,5,  1,0  und  0,75.  3  Stunden  vor  und  nach 

dem  Einnehmen  der  Ipekakuanha  darf  keinerlei  Nahrung  gegeben 
werden.  Ziemlich  häufig  ist  in  England  der  tropische  Leberabszess. 
Verf.  teilt  ihn  ein  in  den  suprahepatischen,  intrahepatischen  und 
subhepatischen.  Der  erste  ist  fast  immer,  der  letzte  immer  unabhän¬ 
gig  von  Dysenterie;  der  intrahepatische  Abszess  ist  dagegen  fast 
immer  mit  Dysenterie  verbunden.  Wird  Eiter  in  der  Leber  vermutet, 
so  punktiere  man  in  Narkose  und  treffe  alle  Vorbereitungen,  um, 
wenn  die  Punktion  positiv  ausfällt,  sofort  die  Operation  anschliessen 
zu  können.  Verf.  entleert  den  Eiter,  wenn  er  tief  sitzt,  stets  mit  einem 
dicken  Trokar,  dann  führt  er  zur  Drainage  durch  denselben  ein 
dickes  Qummirohr  ein,  das  liegen  bleibt.  Die  Eröffnung  mit  dem 
Messer  verwirft  er.  Er  hat  100  Leberabszesse  derartig  operiert  und 
17  Fälle  verloren.  Verf.  erwähnt  dann  unter  anderem  noch,  dass  das 
Maltafieber  ziemlich  häufig  in  England  vorkommt,  und  dass  es  von 
allen  fieberhaften  Krankheiten  weitaus  am  schwierigsten  zu  be¬ 
handeln  ist. 

F.  M.  Pope:  Zur  Behandlung  der  Tabes  mit  Fibrolysin.  (Ibid.) 

Verf.  gibt  die  Geschichte  eines  Tabikers,  bei  dem  er  mit  24  Ein¬ 
spritzungen  von  2,3  ccm  Fibrolysin  eine  auffallende  Besserung  er¬ 
zielt  haben  will. 

Hugh  Maclean:  Die  Fehlerquellen  der  Fehling  sehen  Zucker¬ 
probe.  (Ibid.) 

Schöne  Arbeit,  die  namentlich  für  Versicherungsärzte  von  Inter¬ 
esse  ist.  Verf.  macht  darauf  aufmerksam,,  dass  bei  der  Zuckerunter¬ 
suchung  so  häufig  vernachlässigt  wird,  vor  Anstellung  der  Probe  das 
spezifische  Gewicht  zu  nehmen.  Ist  dasselbe  hoch,  so  muss  es  durch 
Verdünnen  des  Urins  auf  1015  gebracht  werden.  Gibt  ein  derartig 
verdünnter  Urin,  wenn  man  ihn  mit  dem  gleichen  Volumen  Feh¬ 
ling  scher  Lösung  10  Sekunden  lang  kocht  sofort  oder  nach  kurzem 
Stehen  eine  deutliche  Reaktion,  so  kann  man  annehmen,  dass  Zucker 
in  pathologischen  Mengen  vorhanden  ist.  Deutlich  ist  die  Reaktion, 
wenn  mindestens  eine  opaleszierende  Flüssigkeit  mit  grünlichem  oder 
gelblichem  Niederschlag  entsteht.  Man  muss  dabei  wissen,  dass  der 
Urin  bei  der  Abkühlung  schwerer  wird.  Ein  frischgelassener  Urin 
von  1020  wiegt,  auf  Zimmertemperatur  abgekühlt,  1025  bis  1026.  Fin¬ 
det  man  bei  gewöhnlicher  Diät  dauernd  Spuren  von  Zucker  im  Urin, 
so  muss  vom  Versicherungsstandpunkt  aus  das  Leben  als  gefährdet 
betrachtet  werden.  Vorübergehende  Zuckerausscheidung,  die  z.  B. 
nach  seelischen  Erregungen  oft  beobachtet  wird,  ist  meist  ohne  Be¬ 
deutung. 

Wm.  St.  Clair  Symmers  und  W.  James  Wilson:  Die  Züch¬ 
tung  des  Meningokokkus  in  der  jetzt  bestehenden  Epidemie  von 
Meningitis  in  Belfast.  (Ibidem.) 

Es  gelang  den  Verff.  bei  75  untersuchten  Fällen  52  mal  den  Me- 
ningokokus  aus  der  durch  Spinalpunktion  gewonnenen  Flüssigkeit  rein 
zu  züchten;  aus  dem  Blute  von  15  lebenden  Kranken  konnte  er 
3  mal  gezüchtet  werden.  Es  handelte  sich  um  einen  Gram-negativen 
Organismus,  der  Gelatine  nicht  peptonisiert,  Indol  produziert,  Säure 
aus  Glukose  und  Maltose,  aber  nicht  aus  Galaktose  bildet  und  nie¬ 
mals  Gas  produziert.  Er  wächst  gut  auf  Nährböden,  die  frische 
Aszitesflüssigkeit  enthalten;  er  lebt  etwa  eine  Woche  lang  auf  „Cha- 
pasgar“,  2  Wochen  bis  1  Monat  auf  Aszitesbouillon  und  2  Wochen 
bis  2  Monate  auf  flüssigen,  Zucker  enthaltenden  Nährböden. 

R.  Lawford  Knaggs:  Ueber  Stichfrakturen  der  Schädelbasis. 

(Lancet,  1.  Juni  1907.)  . 

Diese  Frakturen  werden  sehr  häufig  im  Beginn  ubersehen,  am 
häufigsten  erfolgt  der  Stich  durch  die  Orbita  (in  6  von  11  Tällen). 
Auch  nach  innen  von  Arcus  zygomaticus  dringt  der  Fremdkörper  zu¬ 
weilen  ein,  seltener  vom  Munde  aus.  Die  äussere  Wunde  ist  oft  weit 
vom  Sitze  der  Basisfraktur  entfernt,  wodurch  die  Diagnose  ausset¬ 
ordentlich  erschwert  wird.  Der  eindringende  Fremdkörper  bleibt  zu¬ 
weilen  zurück  und  wird  übersehen;  es  kommt  dann,  wenn  der  Kranke 
den  unmittelbaren  Folgen  der  Verletzung  (Hirnblutung  etc.)  entgeht. 


Englische  Literatur. 

W.  B,  Leishman:  Ueber  Schutzimpfungen  in  der  englischen 
Armee  gegen  lyphus.  (Journal  ot  the  Royal  Army  Medical  Corps. 
Mai  1907.) 

W.  S.  Harrison:  Dto.  (Ibid.) 

E.  J.  H.  Luxmoore:  Dto.  (Ibid.) 

Die  drei  Arbeiten  geben  eine  vortreffliche  Uebersicht  über  den 
augenblicklichen  Stand  aer  Typhusimpiungen  in  der  englischen  Armee, 
die  seit  189/  von  A.  E.  W  r  i  g  h  t  zuerst  versuent  wurden.  Leish¬ 
man  berichtet  über  die  von  W  r  i  g  h  t  in  Indien  und  Aegypten  in 
grossem  Massstabe  inaugurierten  Impfungen  und  über  das  allmähliche 
Nachlassen  des  Interesses  an  dieser  Methode,  das  sich  dadurch  er¬ 
klärt,  dass  man  die  Autklärungen,  die  man  aus  den  während  des 
Burenkrieges  gemachten  Impfungen  hoffte,  nicht  erhielt,  da  keine  ge¬ 
nauen  Statistiken  gemacht  werden  konnten.  Soweit  Berichte  ein¬ 
liefen,  lauteten  sie  allerdings  sehr  günstig  für  die  Wirkung  der 
Methode.  Auch  in  der  Erieoenspraxis  haben  sich  die  Impfungen  be¬ 
währt,  so  erkrankten  während  der  Maidstone-Epidemie  von  120 
nicht  geimpften  Pflegerinnen  16,  von  84  geimpften  keine.  Dieselben 
günstigen  Resultate  wurden  aus  den  hospitälern  von  Ladysmith, 
Princess  Christian,  Portland,  Scottish  Red  Cross,  Kroonstadt  und 
Harrismith  gemeldet.  Trotzdem  machten  sich  eine  Anzahl  von  Stim¬ 
men  gegen  die  Vornahme  der  Impfungen  geltend,  und  zwar  befürchtete 
man,  dass  die  negative  Phase,  die  sich  bekanntlich  nach  der  Impfung 
einstellt,  und  während  welcher  der  Opsoningehalt  des  Blutes  ver¬ 
ringert  ist,  während  dieser  ersten  Zeit  direkt  zur  Infektion  disponiere. 
Es  wurden  schliesslich  die  Impfungen  verboten  und  eine  Kom¬ 
mission  (in  der  auch  Leishman  sass)  ernannt,  um  die  ganze  Frage 
zu  prüfen.  Auf  Anraten  dieser  Kommission  sind  seit  einiger  Zeit 
die  Impfungen  wieder  erlaubt  worden.  Die  Kommission  hat  ferner 
geraten,  2  Impfungen  in  einem  Zwischenräume  von  10  Tagen  zu 
machen;  dann  soll  jedem  Regiment,  das  ins  Ausland  geht,  ein  be¬ 
sonderer  Militärarzt  beigegeben  werden,  der  das  Impfungsverfahren 
genau  studiert  hat;  dieser  Arzt  bieibt  3  Jahre  bei  dem  Regiment, 
überwacht  die  Impfungen  und  sammelt  das  ganze  darauf  bezügliche 
Material.  8  derartige  Aerzte  sind  bisher  ernannt  worden.  Nach 
Indien  sind  bisher  15  000  Dosen  der  Vakzine  gesandt  worden.  In 
Indien  überwacht  in  jedem  Militärdistrikt  ein  älterer  Arzt  das  Impf¬ 
geschäft,  auch  sucht  er  die  Mannschaften  durch  Vorträge  und  Be¬ 
lehrungen  zu  veranlassen,  sich  impfen  zu  lassen.  Der  Impfstoff  wird 
im  wesentlichen  nach  W  rights  Vorschriften  hergestellt,  nur  tötet 
man  die  lebenden  Kulturen  bei  55  0  C,  statt  bei  60 — 65 u  C,  wie 
W  r  i  g  h  t  empfahl.  Die  Impfungen  brauchen  nicht  mehr,  wie  früher, 
in  die  Flanke  gemacht  zu  werden,  wodurch  die  Unbequemlichkeit  beim 
Gehen  fortfällt,  überhaupt  ist  die  lokale  Reaktion  nach  der  Impfung 
jetzt  viel  milder  wie  früher.  Unbedingt  nötig  sind  2  Impfungen.  Zur 
ersten  verwendet  man  0,5  ccm  der  Vakzine  (500  Millionen  Bakterien); 
zur  zweiten  die  doppelte  Menge.  Harrison  berichtet  in  seiner 
Arbeit  über  die  verschiedenen  Methoden,  die  Vakzine  herzustellen. 
Dann  hat  er  versucht,  festzustellen,  wie  lange  das  Blut  geimpfter  Per¬ 
sonen  an  Schutzstoffen  reicher  bleibt.  Er  hat  gefunden,  dass  das 
Blut  der  Geimpften  noch  nach  6  Jahren  eine  stärkere  bakterizide  Wir¬ 
kung  entfaltet  und  mehr  Agglutinine  enthält,  als  das  der  Ungeimpften. 
Allerdings  steht  es  nicht  fest,  ob  die  Schutzkraft,  die  die  Impfung  ver¬ 
leiht,  nach  6  Jahren  noch  gross  genug  ist,  um  Infektion  sicher  zu 
verhüten.  Luxmoore  berichtet  über  die  günstigen  Erfolge,  die 
man  bei  den  17  er  Uhlanen  in  Meerut  mit  der  Impfung  erzielte.  Das 
Regiment  verliess  1905  England.  Wenige  Wochen  nach  der  Ankunft 
in  Indien  brach  durch  unbekannte  Ursache  Typhus  aus.  Die  spätere 
Verbreitung  geschah,  wie  Verf.  glaubt,  durch  Fliegen.  Erst  nachdem 
die  trockene  Erde  in  den  Latrinen  durch  2  proz.  rohe  Karbolsäure 
ersetzt  war,  verminderten  sich  die  Fliegen  und  gleichzeitig  auch  die 
Zahl  der  Erkrankungen.  Im  ganzen  kamen  63  Erkrankungen  vor,  da¬ 
von  betrafen  61  ungeimpfte  Soldaten,  2  solche,  die  die  zweite  Imp¬ 
fung  verweigert  hatten. 

James  Canti  ie:  Ueber  Tropenkrankheiten,  die  in  England  zur 
Beobachtung  kommen.  (Brit.  med.  Journ.,  22.  Juni  1907.) 

In  England  kommen  natürlich  alljährlich  eine  grosse  Reihe  von 
Kranken  zur  Beobachtung,  die  kürzere  oder  längere  Zeit  in  den  Tro¬ 
pen  zugebracht  haben.  Häufig  werden  dabei  Fehler  in  der  Diagnose 
gemacht,  und  zwar  werden  vielfach  Krankheitsbilder  als  Malaria 
gedeutet,  die  nichts  damit  zu  tun  haben,  andererseits  werden  aber 


2200 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


leicht  zur  Ausbildung  einer  Meningitis.  Die  Prognose  der  Verletzung 
ist  sehr  schlecht.  Verf.  gibt  11  Krankengeschichten. 

ß.  C.  Stevens:  Zur  chirurgischen  Nachbehandlung.  (Ibid.) 

Verf.  empfiehlt,  Operierte  nicht,  wie  das  oft  geschieht,  unbe¬ 
weglich  liegen  zu  lassen,  sondern  schon  nach  wenigen  Stunden  auf¬ 
zusetzen  und  häufig  zu  drehen.  Der  Durst  wird  durch  Wasserein¬ 
läufe  bekämpft,  auch  kann  man  bei  Laparotomien  vor  Schluss  der 
Bauchhöhle  dieselbe  mit  Kochsalzlösung  füllen.  Per  os  gibt  er 
Eiweisswasser  und  Plasmon,  Milch  vermeidet  er  kurz  vor  und  nach 
der  Operation.  Während  der  ersten  24  Stunden  braucht  nicht  kathe- 
terisiert  zu  werden.  Am  Abend  des  zweiten  Tages  gibt  er  0,3  Kalo- 
mel,  am  folgenden  Morgen  einen  Einlauf.  Drainagen  sollten  meist 
nach  48  Stunden  entfernt  werden.  Die  Kranken  sollen  nach  Laparo¬ 
tomien  3  Wochen  liegen  und  fiir  6  Monate  eine  Bandage  tragen. 
Schock  wird  am  besten  dadurch  vermieden,  dass  man  den  Patienten 
vor  der  Operation  nicht  zu  stark  hungern  oder  abftihren  lässt.  Sehr 
empfehlenswert  sind  die  in  England  viel  gebrauchten  Anzüge  aus 
Qamgee-Qewebe,  die  die  Pflegerin  zusammenheftet  und  die  der 
Kranke  während  der  Operation  trägt.  Kochsalzinfusionen,  Adrenalin 
und  Sauerstoffatmungen  sind  die  besten  Mittel  zur  Bekämpfung  des 
Schocks.  Tritt  Meteorismus  auf,  so  gebe  man  stündlich  0,15  Kalo- 
mel  und  Bittersalz,  man  führe  auch  ein  Darmrohr  ein  und  mache  ein 
Klystier  mit  Terpentin.  Das  Erbrechen  wird  am  besten  mit  Magen¬ 
spülung  bekämpft. 

David  McCay:  Die  W  right  sehe  Methode  der  Blut-  und 
Urinuntersuchung  und  ihre  Ergebnisse.  (Ibid.) 

Es  scheint,  als  ob  bei  verschiedenen  Formen  der  Anämie  und  bei 
Nierenerkrankungen  das  Serum  reicher  an  Salzen  ist,  während  die 
Flüssigkeit  in  den  Geweben  zurückgehalten  wird.  Dies  geschieht  ganz 
unabhängig  von  der  Nierentätigkeit,  und  Widals  Ausdruck  ,., renale 
Undurchlässigkeit“  ist  deshalb  unrichtig.  Wahrscheinlich  hängt  die 
Konzentration  des  Serums  zusammen  mit  Veränderungen  des  Blutes 
(Verlust  an  Hämoglobin,  Verminderung  in  der  Zahl  der  roten  Blut¬ 
körperchen  etc.).  Der  sog.  exkretorische  Quotient,  d.  h.  das  Verhält¬ 
nis  der  Salzkonzentration  des  Serums  und  des  Urins  hängt  nicht  vom 
Zustande  der  Niere  ab,  sondern  von  der  Beschaffenheit  des  Blutp<' 
Näheres  im  Original. 

Geo  H.  Edington:  Zur  Frage  des  Ulcus  pepticum  jejuni. 

(Glasgow  Medical  Journal,  Juni  1907.) 

Verf.  hat  vor  kurzem  einen  46  jährigen  Mann  operiert,  bei  dem 
7  Jahre  früher  wegen  gutartiger  Pylorusstenose  eine  Gastroentero¬ 
stomie  gemacht  worden  war.  Der  Mann  war-  5  Jahre  ganz  gesund, 
dann  trat  ein  Steinverschluss  des  Ductus  cysticus  auf,  weswegen 
die  Gallenblase  und  der  Zystikusstein  entfernt  wurden.  Dann  wieder 
völliges  Wohlbefinden  bis  wenige  Stunden  vor  Verf.s  Operation,  die 
wegen  Perforationsperitonitis  gemacht  wurde.  Der  Kranke  starb 
kurz  nach  der  Operation,  die  gezeigt  hatte,  dass  er  sich  um  ein 
perforiertes  Ulcus  pepticum  des  Jejunum  handelte.  Verf.  bespricht 
dann  ausführlich  das  Ulcus  pepticum  jejuni  und  stellt  einschlägige  Fälle 
aus  der  Literatur  zusammen. 

William  George  Harnet:  Die  Frühdiagnose  des  perforierten 
Magengeschwüres.  (Dublin  Med'ic.  Journ.,  Juni  1907.) 

Seit  man  gelernt  hat,  das  perforierte  Magengeschwür  durch  die 
Operation  zu  heilen,  wenn  dieselbe  zeitig  gemacht  wird,  ist  die  Früh¬ 
diagnose  dieses  Leidens  natürlich  von  der  grössten  Bedeutung  ge¬ 
worden.  Fälle,  die  in  den  ersten  12  Stunden  operiert  werden,  geben 
eine  gute  Prognose  (72  Proz.  Heilungen);  von  12  bis  24  Stunden  nach 
der  Perforation  operierten  Fällen  wurden  nur  37  Proz.  geheilt,  von 
den  noch  später  Operierten  starben  fast  alle.  Die  Hauptzeichen  der 
akuten  Perforation  sind  der  Schmerz,  der  zuerst  auf  das  Epigastrium 
beschränkt  ist,  später  diffus  wird  und  ganz  plötzlich  beginnt.  Er¬ 
brechen  ist  ein  ganz  unsicheres  Zeichen,  da  es  oft  fehlt.  Rigidität 
der  Muskeln  ist  das  wichtigste  Zeichen,  das  im  Beginn  (ehe  Meteoris¬ 
mus  auftritt)  niemals  fehlt.  Es  besteht  fast  immer  Druckempfindlich¬ 
keit  im  Epigastrium.  Im  Beginn  bestehen  zumeist  Blässe  und  Kollaps 
die  aber  nach  einigen  Stunden  oft  verschwinden.  Die  Temperatur 
ist  durchaus  ohne  Bedeutung,  auch  der  Puls  täuscht  häufig.  Verf. 
gibt  eine  Anzahl  von  Krankengeschichten  und  bespricht  des  näheren 
die  Differentialdiagnose. 

Claude  B.  Ker:  Zur  Frage  der  Intubation  bei  Larynxdiphtherie. 

(Scottish  Medic.  et  Surgical  Journal.  Juni  1907.) 

Verf.  berichtet  über  70  Intubationen.  Bei  52  Kindern  wurde  nur 
in tubiert,  es  starben  9  (3  an  Herzlähmung,  nachdem  die  Tube  bereits 
entfernt  war,  1  3  Wochen  nach  der  Extubation  an  Pneumonie,  2  an 
Toxämie,  1  an  Pneumonie,  1  an  Sepsis.  Bei  den  letzten  4  Fällen  trat 
der  Tod  ein  während  die  Tube  noch  in  situ  lag,  in  jedem  dieser 
rälle  hatte  die  Intubation  die  Erstickungsgefahr  beseitigt.  Bei  18 
Fällen  wurde  später  noch  die  Tracheotomie  nötig,  von  diesen  starben 
10.  Verf.  zieht  in  der  Hospitalpraxis  die  Intubation  der  Tracheotomie 
vor,  auch  in  der  Privatpraxis  sollte,  wenn  irgend  möglich,  intubiert 
werden,  da  die  Tracheotomie  viel  gefährlicher  ist. 

Claude  B.  Ker  und  David  H.  Croom:  Die  Behandlung  der 
Diphtherie  mit  Acid.  formic.  (Edinburgh  Medic.  Journal,  1.  Juni  1907.) 

Nachdem  Croom  schon  früher  100  Fälle  von  Diphtherie  mit 
Acid.  formicum  behandelt  und  den  Eindruck  gewonnen  hatte,  dass 
dieses  Mittel  sehr  günstig  auf  die  Muskulatur  einwirke,  wurden 
hude  190()  alle  in  das  Edinburgh  City  Hospital  aufgenommenen  Fälle 
von  Diphtherie  so  behandelt.  Zur  Verwendung  kam  eine  25  proz. 
Lösung  der  Säure  in  Wasser;  alle  4  Stunden  wurden  5 — 20  Tropfen 


in  Wasser  gegeben.  Die  Dosierung  richtete  sich  im  allgemeinen 
mehr  nach  der  Schwere  des  Falles  als  nach  dem  Alter  des  Kindes. 
Das  Mittel  wurde  gerne  genommen;  es  schien  eine  deutliche  Ein¬ 
wirkung  auf  den  Puls  zu  haben;  derselbe  hatte  bei  den  mit  Acid. 
formic.  behandelten  Fällen  viel  weniger  Neigung  schwach  und  irregulär 
zu  werden,  als  bei  nicht  so  behandelten.  Auffallend  war  auch,  dass 
die  Gesichtsfarbe  selbst  bei  .sehr  schweren  Fällen  eine  gute  blieb. 
Von  507  (1905)  Fällen,  die  ohne  Acid.  formic.  behandelt  wurden, 
starben  8  Proz.,  3,07  Proz.  an  Herzlähmung.  9,09  Proz.  zeigten  son¬ 
stige  Lähmungen  und  23,7  Proz.  Albuminurie.  Von  412  (1906)  mit 
Acid.  formic.  behandelten  starben  6,2  Proz.,  1,99  an  Herzlähmung. 
Sonstige  Lähmungen  zeigten  2,9  Proz.;  15,7  Proz.  litten  an  Albu¬ 
minurie.  Die  Verfasser  glauben  nicht,  dass  1906  die  Diphtherie  milder 
verlief  als  in  den  vorausgehenden  Jahren.  Sie  glauben  entschieden, 
dass  das  Acid.  formic.  eine  sehr  gute  Wirkung  ausgeübt  hat  und 
empfehlen  seine  weitere  Verwendung. 

W.  H.  Battle:  Die  traumatische  Darmruptur.  (Ibidem.) 

Verf.  stützt  seine  Bemerkungen  auf  30  im  St.  Thomas  Hospitale 
beobachteten  Falle.  Von  diesen  kamen  25  zur  Operation,  6  wurden 
geheilt,  alle  anderen  starben.  Verf.  legt  grosses  Gewicht  auf  das 
Auftreten  von  Schmerz,  von  Erbrechen  und  von  Schock.  Muskel¬ 
rigidität  ist  fast  immer  vorhanden  und  ein  sehr  wichtiges  Zeichen, 
Zuweilen  tritt  sehr  bald  nach  der  Ruptur  eine  hohe  Temperatur¬ 
steigerung  auf.  Sehr  häufig  fehlen  anfangs  alle  Symptome.  Man  muss 
eine  sehr  genaue  Anamnese  machen  und  die  Art  der  Verletzung 
sehr  genau  zu  ergründen  suchen.  Treten  bei  Hufschlagsverletzungen 
oder  ähnlichen  Unglücksfällen  irgendwie  zweifelhafte  Erscheinungen 
auf,  so  operiere  man  sofort,  denn  nur  eine  frühzeitige  Operation 
kann  etwas  nützen. 

H.  H.  B  u  1 1  m  o  r  e  und  Rupert  Water  house:  Der  Blutbefund 
bei  Arthritis  deformans.  (Ibidem.) 

Die  Verfasser  haben  bei  42  Fällen  das  Blut  genau  untersucht. 
Sie  fanden  stets  Anämie.  Es  bestand  Verminderung  der  roten  Blut¬ 
körperchen  (um  5 — 25  Proz.)  und  eine  etwas  stärkere  Verminderung 
des  Hämoglobins  (10 — 30  Proz.).  In  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle 
fanden  sie  keine  Vermehrung  der  Leukozyten  und  normale  Verhältnis¬ 
zahlen  der  verschiedenen  Arten  der  Blutkörperchen  zu  einander.  In 
vereinzelten  Fällen  fand  man  einige  Myelozyten. 

(Schluss  folgt.) 

Inauguraldissertationen. 

Ueber  G  1  y  k  o  s  a  1  berichtet  Burkhard  Ketterer  in  einer  Frei¬ 
burger  Dissertation.  Auf  Veranlassung  von  Prof.  Thomas  hat  der 
Verfasser  im  Verlaufe  eines  Jahres  in  der  Poliklinik  in  Freiburg  i.  Br. 
alle  für  die  Salizyltherapie  sich  eignenden  Krankheitsfälle  mit  Gly- 
k  o  s  a  1  =  Mono-Salizylsäure-Glyzerinester  (von  E.  Merck,  Darm¬ 
stadt,  im  Jahre  1901  in  die  Therapie  eingeführt)  behandelt.  Das 
G  1  y  k  o  s  a  1  ist  ein  reines,  weisses,  geruchloses,  kristallinisches 
Pulver  von  herbbitterlichem  Geschmack.  Seine  Ergebnisse  fasst 
Ketterer  in  folgenden  Sätzen  zusammen :  1.  G  1  y  k  o  s  a  1  ist  fast 
vollständig  frei  von  unangenehmen  Nebenwirkungen  und  ist  insofern 
dem  Natrium  salicylicum  entschieden  vorzuziehen.  2.  Die  Wirkung 
des  Glykosal  ist  bei  allen  akuten  und  chronischen  Rheumatismen, 
Neuralgien,  rheumatoiden  und  neuralgiformen  Erkrankungen  der  des 
Natrium  salicylicum  und  Aspirins  mindestens  gleichwertig,  sogar  da, 
wo  es  sich  um  eine  gute  Diaphorese  handelt,  beiden  überlegen. 
3.  Glykosal  wirkt  infolge  seiner  diaphoretisch-desinfizierenden 
Eigenschaften  namentlich  bei  Erkältungskrankheiten,  wie  Schnupfen, 
Bronchitis,  Katarrh  der  oberen  Luftwege,  Pleuritis  sicca  mit  Schmer¬ 
zen  und  Fieber  vorzüglich.  Es  erweist  sich  ebenso  wie  Aspirin  gegen¬ 
über  schmerzhaften  Frauenkrankheiten,  wie  Dysmenorrhoe  und  Kar¬ 
zinom  der  Mamma  und  des  Uterus,  als  eminent  schmerz¬ 
stillend.  5.  G  1  y  k  o  s  a  1  ist  von  grosser  Bedeutung  für  die  Zahn¬ 
heilkunde,  indem  es  alle  Schmerzen,  wie  sie  bei  Karies,  nach  Extrak¬ 
tionen,  Periodontitis,  Abszessen  und  nach  Einlegen  der  Arsenplompen 
auftreten,  prompt  beseitigt. 

Fortgesetzte  Beobachtungen  des  Blutdrucks 
bei  Herzkranken  hat  Arthur  Franz  an  der  inneren  Abteilung 
des  Augusta-Hospitals  in  Köln  angestellt  (Dissertation,  Kiel  1907). 
Dabei  ergab  sich,  dass  der  Blutdruck  unter  der  Einwirkung  von  Digi¬ 
talis  nicht  erhöht  wird,  auch  nicht  durch  intravenöse  Digaleninjek- 
tionen  (5  ccm  Digalen).  Der  Blutdruck  wurde  kurz  vor  der  Injektion, 

5 — 30  Minuten  nach  derselben  und  am  folgenden  Tag  gemessen,  aber 
nie  konnte  eine  Drucksteigerung  festgestellt  werden. 

Die  Dissertation  von  Julius  Popp  (Erlangen  1907)  ü  b  e  r  f  r  e  i  e 
Gelenkkörper  liefert  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Genese 
der  Gelenkmäuse.  In  dreien  der  6  ausführlich  geschilderten 
Fälle,  welche  aus  der  Erlanger  resp.  Rostocker  Universitätsklinik 
(Prof.  Graser)  stammen,  war  es  möglich  mikroskopische 
Untersuchungen  anzustellen,  deren  Ergebnisse  eine  Stütze 
der  Anschauung  von  der  einfachen  traumatischen  Ge- 
n  e  se  der  freien  Gelenkkörper  bilden.  Es  wurden  in  diesen 
Fällen  Knorpelzellen  in  den  Präparaten  nachgewiesen,  ferner  mehr 
oder  weniger  umfangreich  vorhandene  verkalkte  Grundsubstanz  und 
in  2  Fällen  lamellärer  Knochenbau  mit  Kanalbildung.  Von  Vorgängen, 
die  auf  eine  Nekrose  im  Sinne  einer  Osteochondritis  hinwiesen,  war 
nichts  zu  konstatieren.  Fritz  L  o  e  b. 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2201 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

VII.  Internationaler  Physiologenkongress 

in  Heidelberg  vom  13.  bis  16.  August  1907. 

Bericht  von  Professor  Dr.  H.  S  t  e  u  d  e  1  in  Heidelberg« 

(Schluss.) 

II. 

Im  anatomischen  Institut  wurden  Vorträge  hauptsächlich  aus 
dem  Gebiete  der  Physiologie  des  Intestinaltraktus,  des  Genital¬ 
apparates  und  der  Atmung  gehalten.  Von  diesen  haben  etwa  die 
folgenden  ein  allgemeineres  Interesse: 

Warren  P.  Lombard-Ann  Arbor  konnte  mit  Hilfe  einer  sinn¬ 
reich  konstruierten  Wage  den  Gewichtsverlust  graphisch  als 
Kurve  darstellen,  den  ein  Mann  durch  den  Gaswechsel 
während  der  Atmung  und  durch  die  Verdunstung 
an  der  Hautoberfläche  erleidet.  Die  Wage  konnte  bis  zu 
80  000  000  mg  belastet  werden  und  zeigte  dann  noch  einen  Gewichts¬ 
wechsel  von  20  mg  in  3  Sekunden  an.  Der  Gewichtsverlust  während 
eines  Versuches  am  Menschen  kommt  fast  ganz  auf  Rechnung  von 
Kohlensäure  und  Wasser,  die  durch  die  Lungen  ausgeschieden  werden, 
und  von  Wasser,  das  an  der  Hautoberfläche  verdunstet.  Diesem 
Verlust  steht  eine  Zunahme  gegenüber  in  dem  eingeatmeten  und  in 
den  Lungen  resorbierten  Sauerstoff.  Da  der  Verlust  an  CO2  und  die 
Zunahme  an  Sauerstoff  sich  dem  Gewicht  nach  ungefähr  gleich¬ 
bleiben,  so  ist  der  registrierte  Gewichtsverlust  fast  ganz  auf  Rechnung 
des  Wassers  zu  setzen.  Die  Schnelligkeit  des  Gewichtsverlustes  ist 
den  mannigfaltigsten  Ursachen  unterworfen  und  wechselt  sehr  stark; 
selbst  psychische  Alterationen,  die  mit  einer  Vermehrung  der  Atem¬ 
züge  einhergehen,  können  durch  den  damit  verbundenen  grösseren 
Wasserverlust  den  Modus  der  Ausscheidung  beeinflussen. 

G.  Coronedi  und  F.  Delitala  haben  an  Hunden,  die  nach 
P  a  w  1  0  w  operiert  waren,  die  Ausscheidung  des  Magen¬ 
saftes  beobachtet  und  sind  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  unter 
konstanten  physiologischen  Bedingungen  (gleiche  Nahrung,  Schein¬ 
fütterung  immer  in  gleicher  Weise)  auch  immer  ein  Magensaft  von 
konstanter  Zusammensetzung  sezerniert  wird.  Es  wurde  ferner  der 
Einfluss  des  Kokains,  Atropins,  Pilokarpins  und  des  Alkohols  auf  die 
Ausscheidung  und  Zusammensetzung  des  Magensaftes  untersucht. 

Leon  A  s  h  e  r  -  Bern  berichtet  über  Untersuchungen  an 
zwei  Hunden  mit  V  e  1 1  a  f  i  s  t  e  1  n,  wovon  die  eine  wie  ge¬ 
wöhnlich  angelegt  wurde,  der  andern  aber  die  Gallenblase  implan¬ 
tiert  wurde.  In  beiden  Fällen  hat  die  Galle  keinen  Einfluss  auf  die 
Darmperistaltik.  Dagegen  zeigte  sich  bei  der  Untersuchung  des  über¬ 
lebenden  Darmes  nach  der  Methode  von  Magnus  ein  sehr  deut¬ 
licher  Einfluss  auf  die  Darmbewegung. 

C.  F  0  ä  -  Turin  hat  D  a  r  m  s  a  f  t  auf  seine  Fähigkeit  untersucht, 
das  Eiweiss  bis  zu  seinen  letzten  Spaltungsprodukten  zu  spalten  und 
hat  gefunden,  dass  sich  der  natürliche  Darmsaft  in  nichts  von  dem 
aus  der  Mukosa  des  Darms  gewonnenen  Erepsin  unterscheidet. 

Sutherland  Simpson  und  Percy  T.  Herring  -  Edinburgh 
haben  intrazelluläre  Kanäle  in  den  Leberzellen,  die 
in  Verbindung  mit  den  Blutgefässen  stehen,  nun  auch  in  Fisch- 
lebern  beobachtet.  Die  erste  derartige  Beobachtung  hatte 
S  c  h  ä  f  e  r  -  Edinburgh  an  den  Zellen  der  Säugetierleber  gemacht, 
dann  hatten  die  obigen  Autoren  solche  Kanäle  auch  in  den  Leberzellen 
der  Vögel  gefunden. 

O.  Cohnheim  -  Heidelberg  demonstriert  einen  Hund  mit 
einer  Duodenalfistel,  in  der  eine  Kanüle  liegt,  die  Ein¬ 
spritzungen  in  das  untere  Duodenum  gestattet.  An  einem  solchen 
Hunde  lassen  sich  die  Entleerungen  des  Magens  am  besten  beob¬ 
achten.  Auch  die  Sekretion  von  Pankreassaft  und  Galle  lässt  sich 
auf  diese  Weise  sehr  gut  demonstrieren.  Fleisch  wird  im  Magen  fast 
vollständig  peptonisiert,  der  Grad  der  Verdauung  und  die  Zeit,  die  es 
im  Magen  verweilt,  hängt  aber  sehr  von  der  Grösse  der  einzelnen 
Stücke  ab.  Auf  50  g  Fleisch  kommen  über  300  g  Magen-  und  Pan¬ 
kreassaft.  Wird  in  den  vollen  Magen  Wasser  getrunken,  so  läuft 
dieses  schnell  und  fast  ohne  sich  mit  dem  sauren  Mageninhalt  zu 
mischen  durch  den  Pylorus  ab.  Ermüdung  des  Tieres  und  zahlreiche 
andere  Einflüsse  (pathologische  Veränderungen  des  Darms)  können 
die  Verdauung  um  Stunden  herabsetzen.  Es  kann  aber  auch  bei 
Erkrankungen  des  Magens  saures  Sekret  fehlen,  ohne  die  Gesamt¬ 
verdauung  merkbar  zu  stören.  Die  Verbitterung  eines  Eiweiss¬ 
körpers  an  einen  Hund  und  Auffangen  aus  der  Duodenalfistel  emp¬ 
fiehlt  C  0  h  n  h  e  i  m  als  die  vollkommenste  Methode,  Eiweiss  zu 
peptonisieren. 

F.  H.  A.  Marshall  und  W.  A.  Jolly  haben  einer  Anzahl 
Ratten  die  Ovarien  exstirpiert  und  sie  anderen  ovariotomierten  Ratten 
in  das  Peritoneum  oder  in  die  Nieren  eingeheilt.  Von  den  letzteren 
haben  nur  wenige  die  Operation  überlebt  und  diese  gehörten  bis  auf 
eins  immer  zu  dem  gleichen  Wurf,  wie  die,  denen  die  transplantierten 
Ovarien  entnommen  waren.  Bei  den  erfolgreich  operierten  Tieren 
trat  Ovulation  zur  gewöhnlichen  Zeit  ein  und  es  wurden  typische 
Corpora  lutea  gebildet.  Zeigt  nach  der  Entfernung  der  Ovarien  der 
Uterus  Tendenz  zur  Atrophie,  so  konnte  diese  verhindert  werden 
durch  Transplantation  eines  Ovariums,  trotzdem  nun 
dieses  in  ganz  abnormer  Lage  sass  und  seine  gewöhnlichen  nervösen 


Verbindungen  eingebüsst  hatte.  So  war  z.  B.  bei  einer  ovarioto¬ 
mierten  Ratte  nach  6  Monaten  der  Uterus  gänzlich  atrophisch,  bei 
einer  anderen  dagegen,  der  auch  die  Ovarien  exstirpiert,  dafür  aber 
andere  ins  Peritoneum  transplantiert  waren,  vollkommen  normal. 

C.  C.  Guthrie  hat  ebenfalls  Ovarientransplan¬ 
tationsversuche  angestellt,  aber  bei  Hühnern.  Es  wurden 
weisse  und  schwarze  Hennen  ausgesucht,  die  immer  gleichfarbige 
Kücken  ausbrüteten.  Von  diesen  wurden  einige  als  Kontrolltiere 
unverändert  gelassen;  es  gaben  immer  weisse  Hennen,  gepaart  mit 
einem  weissen  Hahn,  vollkommen  weisse  Nachkommenschaft,  ebenso 
bei  den  schwarzen  Hühnern.  Nun  wurde  aber  einer  weissen  Henne 
das  Ovarium  einer  schwarzen  transplantiert  und  umgekehrt  und  nach 
einiger  Zeit  wurden  sie  dann  sowohl  mit  dem  Hahn  ihrer  eigenen 
Farbe,  wie  mit  dem  anderen  Hahn  gepaart.  Dabei  wurden  folgende 
Resultate  erhalten:  1.  Die  schwarze  Henne,  die  ein  „weisses“ 
Ovarium  trug,  gab,  mit  dem  schwarzen  Hahn  gepaart,  in  fast  gleicher 
Zahl,  gewöhnlich  schwarze  Kücken  und  schwarze  Kücken  mit  weissen 
Beinen.  2.  Wurde  die  schwarze  Henne  mit  dem  „weissen“  Ovarium 
mit  einem  weissen  Hahn  gepaart,  so  erhielt  man  fast  die  gleiche  Zahl 
weisser  und  gefleckter  Kücken.  3.  Die  weisse  Henne  mit  „schwar¬ 
zem“  Ovarium,  mit  weissem  Hahn  gepaart,  ergab  grösstenteils  ge¬ 
fleckte  Kücken,  daneben  einige  rein  weisse  und  einige  rein  schwarze. 
4.  Wurde  die  weisse  Henne  mit  dem  „schwarzen“  Ovarium  mit 
einem  schwarzen  Hahn  gepaart,  so  resultierten  gleichmässig  gefleckte 
Kücken.  So  haben  offenbar  die  transplantierten  Ovarien  funktioniert 
und  die  Farbe  der  Nachkommenschaft  beeinflusst. 

W.  E.  Dixon  und  Frank  E.  T  a  y  1  0  r  -  London  haben  in  dem 
absolut  alkoholischen  Extrakt  menschlicher  Plazenten 
einen  Körper  gefunden,  der  in  seiner  physiologischen  Wirkung  genau 
der  Wirkung  des  Adrenalins  entsprach.  Ferner  bewirkte  er  charak¬ 
teristische  Kontraktionen  der  glatten  Muskulatur  des  schwangeren 
Uterus. 

Ebenfalls  eine  dem  Adrenalin  ähnlich  wirkende  Sub¬ 
stanz  haben  H.  E.  Roaf  und  M.  Nierenstein  aus  der  Hypo- 
branchialdrüse  von  Purpura  lapillus  isolieren  können. 

Chr.  B  0  h  r  -  Kopenhagen  hat  seine  Versuche  über  den  Gas- 
austauschbei  der  Atmung  fortgesetzt.  In  Uebereinstimmung 
mit  älteren  Versuchen  ist  in  mehreren  Fällen  die  Kohlensäurespannung 
im  Blute  niedriger  als  in  der  Alveolarluft.  Somit  kommt  der  Lunge 
eine  spezifische  Wirksamkeit  bei  der  Kohlensäureausscheidung  zu. 
Z.  B.  waren  bei  einem  Hunde  die  Werte  der  COs-Spannung  in  der 
Alveolenluft  25,9  mm,  im  Blute  vom  rechten  Herzen  25,9  mm,  im 
Arterienblut  16,8  mm.  Die  ausgeschiedene  Kohlensäure  ist  somit  in 
toto  in  diesem  Falle  in  eine  dem  Druckgefälle  entgegengesetzte  Rich¬ 
tung  gewandert.  In  Versuchen  einer  anderen  Gruppe  atmen  die  beiden 
Lungen  des  Versuchstieres  für  sich,  jede  getrennt,  indem  ein  Lungen¬ 
katheter  in  dem  rechten  Hauptbronchus  angebracht  ist.  Die  Ein¬ 
atmungsluft  ist  für  die  linke  und  rechte  Lnuge  verschieden  bezw. 
atmosphärische  Luft  und  ein  Gasgemisch,  ca.  8  Proz.  Kohlensäure 
enthaltend.  Die  C03-Spannung  der  Alveolenluft  ist  unter  solchen 
Umständen  in  jeder  der  Lungen  natürlich  ein  verschiedene;  es  findet 
aber  nichtsdestoweniger  in  beiden  Lungen  eine  COs-Ausscheidung 
statt.  Hierbei  zeigen  sich  die  Bedingungen  für  den  Nachweis  der 
aktiven  Kohlensäureexkretion  besonders  günstig,  indem  die  CO2- 
Spannung  des  rechten  Herzblutes  bedeutend  niedriger  ist  als  die  CO2- 
Spannung  in  der  Alveolenluft  derjenigen  Lunge,  welche  die  CO2- 
reiche  Luft  einatmet.  So  hat  z.  B.  in  einem  Versuche  die  Ausschei¬ 
dung  der  Kohlensäure  in  der  rechten  Lunge  gegen  einen  Druck  von 
mindestens  39  mm  stattgefunden. 

An  diese  Untersuchungen  ankniipfend  teilt  August  K  r  0  g  h  - 
Kopenhagen  eine  neue  Methode  der  tonometrischen  Bestimmungen 
von  Gasen  im  Blut  und  anderen  Flüssigkeiten  mit,  zu  der  nur  ganz 
geringe  Gasmengen  (3 — 6  cmm)  nötig  sind. 

T.  G.  B  r  o  d  i  e  und  H.  V  0  g  t  haben  den  Gasaustausch  1  m 
Dünndarm  zum  Gegenstand  ihrer  Untersuchungen  gemacht  und 
beobachtet,  dass  während  der  Resorption  von  Kochsalzlösungen  ver¬ 
schiedener  Konzentration  und  von  Pepton  die  Blutgeschwindigkeit 
in  den  Darmgefässen.  der  Sauerstoffverbrauch  und  die  Kohlensäure¬ 
abgabe  bestimmten  Regeln  folgen.  . 

Desgleichen  hat  J.  B  a  r  c  r  0  f  t  -  Cambridge  (England)  den 
Gasaustausch  am  Säugeti  er  herzen,  an  der  Niere  von 
Amphibien  und  an  der  Submaxi  11a  ris  der  Katze  be¬ 
obachtet.  In  Gemeinschaft  mit  mehreren  Mitarbeitern  hat  er  eine 
Methode  ausgearbeitet,  die  eine  bequeme  Analyse  der  Blutgase  er¬ 
laubt.  .  _  ,  , 

W.  H  e  u  b  n  e  r-Strassburg  hat  ein  P  f  ei  1 g  1  f  t  aus  Deutsch- 
Siidwestafrika  untersucht,  das  von  Buschmännern  der  Wüste 
Kalahari  stammte.  Es  zeigte  sich  bei  der  pharmakologischen  Unter¬ 
suchung  manche  Aehnlichkeit  mit  dem  Bienengift  und  es  ist  anzu¬ 
nehmen,  dass  es  aus  Larven  des  Käfers  Diamphidia  locusta  liergestellt 
wird;  wenigstens  werden  diese  nach  den  Berichten  von  Reisenden 
zur  Vergiftung  von  Pfeilen  benutzt  und  die  Wirkung  solcher  Käfer- 
larvenextrakte  stimmt  nach  Böhms  Untersuchungen  mit  der  des 
Pfeilgiftes  vollkommen  überein. 

M.  Kochmann  -  Greifswald  hat  die  Phosphorver  g  1 1  - 
tung  bei  Kaninchen  und  bei  Hunden  studiert  und  hat  gefunden,  dass 
die  dicken  Nebelwolken,  die  Tiere  schon  wenige  Sekunden  nach  In¬ 
jektion  von  wenigen  Kubikzentimeter  I — 2  proz.  Phosphoröls  aus¬ 
atmen,  aus  Wasserdämpfen  bestehen,  welche  sich  um  ein  kleines  I  eil 


2202 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Phosphoroxyd  kondensieren.  Das  Phosphoröl  bleibt  zum  Teil  in  den 
Lungenkapillaren  sitzen  und  der  in  ihm  gelöste  Phosphor  durchdringt 
in  Dampfform  die  Kapillaren  und  die  Alveolenwand,  um  in  den 
Alveolen  im  Kontakt  mit  dem  Sauerstoff  der  atmosphärischen  Luft 
eine  Oxydation  zu  erleiden.  Bringt  man  Kaninchen  längere  Zeit  kleine 
Gaben  von  Phosphoröl  subkutan  bei,  so  zeigen  sie  Veränderungen  des 
Kalkgehaltes  in  den  Muskeln,  der  Leber,  dem  Herzen  und  den 
Knochen.  Da  gleichzeitig  der  Eisen-,  Kalium-  und  Natriumgehalt  in 
den  Knochen  steigt,  so  kann  die  Zunahme  der  anorganischen  Salze 
auf  einen  mit  Hyperämie  verbundenen  aktiven  Vorgang  im  knochen¬ 
bildenden  Periost  und  Mark  ungezwungen  zurückgeführt  werden. 
Der  Phosphor  übt  also  nicht  allein  auf  den  wachsenden  Knochen, 
sondern  auch  auf  den  Knochen  des  erwachsenen  Tieres  einen  „forma- 
tiven“  Reiz  aus. 

Graham  Lu  sk -New  York  hat  bei  Tieren  während  der  Phos¬ 
phor  Vergiftung  und  während  gleichzeitigen  Hungerns  keine 
Verminderung  des  Stoffumsatzes  beobachtet,  sondern  eher  eine  Ver¬ 
mehrung,  die  auf  Rechnung  des  Fiebers  zu  setzen  ist  und  vielleicht 
auf  eine  spezifische  Wirkung  des  vermehrten  Eiweissumsatzes  im 
Sinne  von  R  u  b  n  e  r.  Die  Kreatininausscheidung  ist  konstant  und 
unabhängig  vom  ausgeschiedenen  Gesamtstickstoff. 

C.  Delezenne  -  Paris  berichtet  über  die  aktivierende 
Wirkung,  die  Kalziumsalze  auf  Pankreassafthaben 
und  über  Koagulationserscheinungen,  die  dieser  aktivierte  Saft  in 
konzentrierten  Peptonlösungen  hervorruft. 

III. 

Im  mineralogischen  Institut  wurden  die  Vorträge  gehalten,  die 
sich  auf  die  Physiologie  des  Kreislaufs  und  des  Herzens  bezogen. 
Von  diesen  seien  hier  folgende  erwähnt: 

R.  du  Bois-Reymond,  T.  G.  B  r  o  d  i  e  und  Franz  Müller 
haben  den  Einfluss  der  Viskosität  auf  die  Blutströ¬ 
mung  untersucht.  Die  ein  gegebenes  Röhrensystem  in  gegebener 
Zeit  durchfliessende  Flüssigkeitsmenge  hängt  ab  von  dem  Druck, 
unter  dem  die  Flüssigkeit  eintritt,  und  von  den  peripherischen  Wider¬ 
ständen,  die  sie  in  dem  System  überwinden  muss.  Die  Grösse  dieser 
Widerstände  richtet  sich  bei  Durchströmung  von  Glaskapillaren  nach 
dem  P  o  i  s  e  u  i  1 1  e  sehen  Gesetz.  Nach  ihren  Versuchen  gilt  dieses 
Gesetz  auch  für  die  Blutströmung  im  lebenden  Körper.  Ferner  ziehen 
die  Forscher  den  Schluss,  dass  Aenderungen  der  inneren  Reibung 
gegenüber  Schwankungen  des  Blutdrucks  oder  er  Gefässweite  nur 
in  extremen  Fällen  und  bei  krankhaft  veränderter  Gefässwand  für  die 
Blutströmung  in  Betracht  kommen. 

D’Errico  berichtet  über  das  Verhalten  der  Lymphe. 
Postmortale  Lymphe  aus  dem  Ductus  thoracicus  ist  von  normaler 
Lymphe  durchaus  verschieden  durch  die  grössere  molekulare  Konzen¬ 
tration,  den  grösseren  Trockenrückstand  und  die  grössere  Viskosität. 
Dagegen  ist  die  elektrische  Leitfähigkeit  bedeutend  herabgesetzt.  Die 
Lymphe  ist  also  nicht  schon  :im  Leben  so  gewesen,  sondern  hat  sich 
erst  nach  dem  Tode  gebildet.  Desgleichen  unterscheidet  sich  die 
zerviko-brachiale  Lymphe  des  lebenden  Tieres  von  der  nach  dem 
Tode  gewonnenen. 

George  A.  B  u  c  k  m  a  s  t  e  r —London  zeigt  eine  neue  Form 
des  K  o  a  g  u  1  o  m  e  t  e  rs.  Ein  Häutchen  Blut  wird  in  eine  ellip¬ 
tische  Schleife  ausgespannt  und  in  einer  feuchten  Kammer  bei  be¬ 
liebiger  Temperatur  untersucht.  Wenn  man  das  Häutchen  in 
Zwischenräumen  in  eine  vertikale  Richtung  bringt,  so  kann  man  mit 
einer  Lupe  beobachten,  wie  die  Blutkörperchen  im  Plasma  nach  unten 
fallen.  Der  Endpunkt  wird  bei  dieser  Methode  dann  angenommen, 
wenn  die  Bildung  des  Fibringerinnsels  so  weit  vorgeschritten  ist,  dass 
die  Blutkörperchen  am  raschen  Fall  gehindert  werden,  wenn  der 
Ring  vertikal  steht.  Der  Apparat  besitzt  manche  Vorzüge  und  erlaubt 
ein  rasches  und  zuverlässiges  Arbeiten.  Die  durchschnittlichen  Ge¬ 
rinnungszeiten  für  menschliches  Blut  sind  bei  dem  Apparat:  20°  C 
8  Min.  45  Sek.,  31 0  C  5  Min.  45  Sek.,  37°  C  3  Min.  56  Sek.,  39°  C 
2  Min.  56  Sek. 

E.  G  ö  p  p  e  r  t  -  Heidelberg  hat  Präparate  vom  Rete 
mirabile  am  Oberarm  von  Choloepus,  Perodictys  und  Stenops 
und  des  Arteriennetzes  von  Phocaena  aufgestellt.  Die  Bedeutung  der 
Einrichtung,  die  das  Blut  zwingt,  lange  Strecken  in  engen  Bahnen 
zurückzulegen,  ist  noch  nicht  einwandsfrei  physiologisch  gedeutet. 
Beim  Zahnwal  (Phocaena)  bildet  das  Rete  thoracicum  eine  ausser¬ 
ordentliche  Vergrösserung  der  arteriellen  Blutbahn  und  gestattet  die 
Mitnahme  einer  grossen  Menge  sauerstoffreichen  Blutes  beim 
I  auchen.  Vielleicht  kommt  es  auch  für  die  Wärmeregulierung  in  Be¬ 
tracht. 

Kuliabko-T  omsk  hat  Beobachtungen  am  über¬ 
lebenden  Fischkopf  nach  Einleitung  einer  künst¬ 
lichen  Zirkulation  angestellt.  Nach  Beginn  der  künstlichen 
Zirkulation  hören  die  sehr  kräftigen,  allgemeinen  Zuckungen,  die  nach 
dem  Durchschneiden  des  Körpers  sich  entwickeln,  in  einigen  Se¬ 
kunden  auf.  Anstatt  dessen  sieht  man  die  immer  regelmässiger 
werdenden  rhythmischen  Atembewegungen  der  Kiemendeckel  und 
Beschleunigung  der  Herzschläge.  Sperrt  man  nun  den  Flüssigkeits¬ 
strom  wieder  ab,  so  bekommt  man  wieder  die  ersten  dyspnoischen 
Erscheinungen:  verstärkte  und  unregelmässige  Atemzüge,  Atem¬ 
gruppe]],  event.  mit  darauffolgendem  Atemstillstand,  starke  allge¬ 
meine  Zuckungen,  sowie  auch  Verlangsamung  der  Herztätigkeit,  die 


sonst  nicht  lange  dauert.  Aehnliche  dyspnoische  Erscheinungen  be¬ 
obachtet  man  auch  bei  Durchströmung  des  Gehirns  durch  Locke¬ 
sche  Lösung,  die  mit  Kohlensäure  gesättigt  ist.  Die  Gehirnzentren 
besitzen  also  auch  bei  Fischen  ein  ziemlich  grosses  Bedürfnis  an 
Gasaustausch.  Die  Tätigkeit  der  Gehirnzentren  kann  bei  künstlicher 
Zirkulation  nicht  nur  stundenlang  andauern,  sondern  auch  nach  voll¬ 
ständigem  Erlöschen  wieder  hergestellt  werden. 

A.  Bornstein  und  Franz  Müller  haben  Beiträge  zum 
genuinen  Blutfarbstoff  (Hämochrom)  der  Katzen  und  zur 
Methämoglobinvergiftung  geliefert.  Als  Gesamtergebnis 
geben  sie  an,  dass  ihre  Versuche  durchaus  im  Sinne  der  B  o  h  r  sehen 
Anschauungen  sprechen.  Der  in  den  Blutzellen  enthaltene  normale 
Farbstoff  der  Katze  zeigt  individuelle  und  zeitliche  Schwankungen 
der  Sauerstoffbindung,  des  Eisengehaltes  und  des  optischen  Ver¬ 
haltens. 

Leon  A  s  h  e  r  -  Bern  macht  Bemerkungen  über  die  Wirk  u  n  g  s- 
weise  der  antagonistischen  Gefässnerven.  An  der 
Katze  kann  man  nach  Barcrofts  Methode  die  Ausflussgeschwin¬ 
digkeit  aus  einer  Vene  der  Glandula  submaxillaris  beobachten.  Wird 
dann  der  Halssympathikus  der  betreffenden  Seite  durchschnitten,  so 
ruft  Reizung  des  zentralen  Vagusendes  bei  geeigneter  Narkose 
Depressorwirkung  hervor;  gleichzeitig  kommt  es  zu  vermehrten  Aus¬ 
fluss  aus  der  Speicheldrüsenvene.  Durchschneidung  der  Chorda  hebt 
diese  Steigerung  des  Ausflusses  bei  Drepressorreizung  auf.  Dies  ist 
ein  neuer  Beweis  für  die  Lehre  von  B  ayliss,  dass  Depressorreizung 
nicht  allein  den  Tonus  der  Vasokonstriktoren  herabsetzt,  sondern 
auch  die  Vasodilatatoren  erregt. 

E.  Weber-  Berlin  demonstriert  einen  Gegensatz  im 
vasomotorischen  Verhalten  der  äusseren  Teile 
des  Kopfes  zu  denen  des  übrigen  Körpers  bei  Mensch 
und  Tier.  Bei  elektrischer  Reizung  der  motorischen  Rindenzone  tritt 
bei  manchen  1  ieren  eine  allgemeine  Blutdrucksteigerung  ein.  die 
begleitet  wird  von  einer  Zunahme  des  Volums  der  4  Beine  und  einer 
Abnahme  des  Volumens  der  Bauchorgane.  Dieselben  Erscheinungen 
(Blutdrucksteigerung.  Volumvermehrung  der  Extremitäten  und  Ver¬ 
minderung  der  Bauchorgane)  können  auch  beim  Menschen  bei  Aus¬ 
führung  kräftiger,  aber  lokalisierter  Bewegungen  nachgewiesen  wer¬ 
den;  ja  es  ist  zum  Zustandekommen  dieser  Erscheinungen  gar  nicht 
die  Ausführung  der  Bewegungen  selbst  nötig,  sondern  es  genügt 
die  Erregung  einer  lebhaften  Bewegungsvorstellung,  wie  sie  am  leich¬ 
testen  durch  hypnotische  Suggestionen  herbeigeführt  werden  kann. 
Bei  Versuchen  am  Menschen  zeigte  es  sich  nun  aber,  dass  auffallen¬ 
derweise  die  äusseren  Teile  des  Kopfes  sich  bei  diesen  Einwirkungen 
umgekehrt  verhalten  wie  alle  anderen  äusseren  Körperteile,  dass 
nämlich  ihr  Volumen,  am  Ohr  gemessen,  sich  stark  vermindert,  im 
Gegensatz  zur  Volumzunahme  der  anderen  äusseren  Teile.  Beim 
Tier  konnte  das  gleiche  Verhalten  nachgewiesen  werden.  Das 
Volumen  des  Gehirns  nimmt  mit  dem  allgemeinen  Blutdruck  zu. 

P  a  n  k  u  1-  Dorpat-Bern  hat  sich  mit  der  Frage  nach  der 
physiologischen  Bedeutung  des  Hisschen  Bün¬ 
dels  beim  Kaninchen  beschäftigt.  Zur  Operation  am  H  i  s  sehen 
Bündel  diente  eine  passend  geformte  Umstechungsnadel.  Mit  dieser 
wurde  das  H  i  s  sehe  Bündel  umstochen  und  dann  abgebunden.  Ge¬ 
lang  es,  wesentlich  den  muskulösen  Kern  des  Bündels  zu  umschnüren, 
so  wurde  die  Koordination  der  Vorhof-  und  Kammerpulse  nicht  auf¬ 
gehoben.  War  das  Bündel  mit  unmittelbar  benachbartem  Gewebe 
zerschnürt,  so  begann  das  Herz  inkoordiniert  zu  schlagen.  Allo- 
rhythmie  von  Kammern  und  Vorkammern  wurde  aber  in  gleicher 
Weise  beobachtet  wie  nach  Gesamtligatur,  wenn  der  Faden  nur  um 
das  Bündel  hei  umgeführt  worden  war,  ohne  zu  ligieren.  Es  leitet 
also  nicht  der  muskulöse  Kern  des  Bündels,  sondern  die  leitenden 
Elemente  sind  höchstwahrscheinlich  nervös,  nahe  dem  Muskelbündel 
gelegen.  Nach  Unterbindung  anderer  Herzstellen,  z.  B.  in  der  Gegend 
der  Hohlvenen,  pulsieren  die  Vorhöfe  und  Kammern  des  Kaninchen¬ 
herzens  gleichfalls  inkoordiniert. 

C.  J.  R  o  t  h  b  e  r  g  e  r  -  Wien  bestimmt  die  Herzarbeit  im 
Tierexperiment  direkt  nach  der  angenäherten  Formel  Schlag¬ 
volumen  X  Druck  in  der  Aorta.  Das  Schlagvolumen  wird  mittels 
eines  die  Ventrikel  allein  einschliessenden  Plethysmographen  ge¬ 
wonnen  (Ventrikelplethysfnograph).  Verwendet  man  den  Plethysmo¬ 
graphen  so,  dass  er  auch  die  Vorhöfe  einschliesst,  so  ist  er  geeignet 
zur  Demonstration  der  Volumschwankungen  des  Herzens;  er  lässt 
sich  dann  verwenden,  wenn  es  auf  die  Erhebung  absoluter  Werte 
nicht  ankommt. 

M.  Gildemeister  -  Strassburg  hat  Beobachtungen 
üb  er  den  Schwebeflug  der  Vögel  angestellt.  Er  diskutiert 
die  bisher  versuchten  Erklärungen  des  Schwebeflugs:  a)  kleine,  sehr 
frequente  Flügelschläge,  b)  Ausnutzung  von  Luftströmungen  ver¬ 
schiedener  Geschwindigkeit  und  Richtung,  c)  Ausnutzung  von  auf¬ 
steigenden  Luftströmungen.  Erklärung  a  wurde  schon  von  Darwin 
1834  in  Erwägung  gezogen  und  ist  neuerdings  wieder  von  Exner 
geäussert.  Dagegen  sprechen  aber  Versuche  des  Vortragenden,  nach 
denen  dieselbe  Muskelarbeit  günstiger  in  langsamem  wie  in  schnel¬ 
lem  Rhythmus  geleistet  wird.  Dagegen  lässt  sich  gegen  die  beiden 
anderen  Erklärungen  nicht  viel  einwenden. 

J.  P.  L  a  n  g  1  o  i  s  -  Paris  hat  Versuche  über  zentrale 
Wärmepolypnöe  beim  Hunde  angestellt.  Wird  ein  Hund  durch 
intravenöse  Injektion  von  Chloralose  anästhesiert  und  auf  41,5°  er¬ 
wärmt,  so  kann  man  folgendes  beobachten:  1.  Sehr  beschleunigte 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2203 


Atmung,  200—400  Atemzüge  in  der  Minute.  2.  Der  polypnoische  Re- 
snirationsrhythmus  wechselt  proportional  mit  dem  Blutdruck.  I  rim- 
trin  verlangsamt  ihn,  Adrenalin  beschleunigt  ihn.  3.  Er  wechselt  um¬ 
gekehrt  proportional  dem  Kohlensäuregehalt  der  Respirationsluft.  Bei 
einem  Qehalt  von  3  Proz.  COs  wird  der  polypnoische  Typus  zum 
dvspnoNchen.  4.  Nach  der  Durchschneidung  der  beiden  Pneumo- 
gastrica  während  der  Polypnoe  wird  der  Respirationstypus  manch¬ 
mal  um  100  beschleunigt.  5.  Abkühlung  des  Karotidenblutes  bis  aut 
—  2°  durch  den  Apparat  von  Gad  bedingt  eine  Beschleunigung  des 
polypnoischen  Rhythmus  in  der  gleichen  Weise,  wie  es  sehr  warmes 
Wasser  bei  einem  gewöhnlichen  Hund  tut. 

R.  Nicolai  des  hat  bei  Kaninchen  beide  Lungenv  agi 
ausgeschaltet  und  diese  Tiere  am  Leben  erhalten  köimen. 
Die  Wirkung  des  rechten  Lungenvagus  auf  das  Atmungszentrum 
schaltete  er  durch  Exstirpation  der  rechten  Lunge  aus,  die  Wirkung 
des  linken  Lungenvagus  durch  Durchschneidung  am  Halse.  Der 
zweite  Eingriff  geschah  längere  Zeit  nach  dem  ersten.  Der  Atmungs- 
tvpus,  unmittelbar  nach  Durchschneidung  des  linken  Vagus,  war  ähn¬ 
lich  dem  nach  doppelter  Vagotomie,  wurde  aber  allmählich  wieder 
normal  trotz  des  Ausbleibens  der  Selbsthemmung  der  Atmung,  die 
als  unentbehrlich  für  die  Erhaltung  der  Arbeitskraft  des  Atmungs¬ 
zentrums  gehalten  wurde.  Je  länger  die  Zeit  zwischen  Exstirpation 
der  rechten  Lunge  und  Durchschneidung  des  linken  Vagus  ist.  desto 
schneller  und  vollständiger  erreichen  die  Tiere  die  normale  Atem¬ 
frequenz  wieder. 

Maurice  d’H  a  1 1  u  in  -  Lille  hat  schädliche  Wirkungen  gesehen, 
wenn  rhythmische  Traktionen  der  Zunge  an  Tieren 
zur  Wiederbelebung  ausgeführt  wurden.  Tiere,  die  so  be¬ 
handelt  wurden,  gingen  im  Gegenteil  rasch  zugrunde.  Häufiger  noch 
stellten  sich  Herz-  und  Atmungssynikope  ein. 

E.  A.  Schäfer-Edinburg  gibt  eine  neue  einfache  Me¬ 
thode  der  künstlichen  Atmung  beim  Menschen  an.  Der 
Verunglückte  (meist  sind  es  ja  Ertrunkene)  wird  flach  mit  der  Brust 
(nicht  mit  dem  Rücken)  auf  die  Erde  gelegt,  den  Kopf  lässt  man  nach 
unten  und  etwas  zur  Seite  fallen  und  zieht  die  Zunge  wie  gewöhnlich 
vor.  An  der  Zunge  ist  weiter  keine  Manipulation  notwendig.  Nun 
kniet  der  Arzt  an  der  Seite  oder  quer  über  den  Patienten,  legt  seine 
Hände  flach  auf  den  Rücken  des  Mannes  über  die  untersten  Rippen 
und  drückt  mit  dem  Gewicht  seines  Körpers,  allmählich  und  kräftig, 
um  den  Inhalt  der  Lungen  herauszutreiben.  Dann  wird  mit  dem 
Druck  nachgelassen,  es  kann  wieder  Luft  in  die  Lungen  einströmen 
und  man  wiederholt  nun  die  Handgriffe  alle  5  Sekunden  oder  etwa 
12  mal  in  der  Minute.  Auf  diese  Weise  kann  ein  ausreichender  Luft¬ 
wechsel  herbeigeführt  werden;  bei  jedem  Druck  werden  mindestens 
500,  ja  bis  zu  1000  ccm  Luft  ausgetrieben  und  wieder  angesaugt;  es 
wäre  also  in  der  Minute  an  Gaswechsel  von  6000 — 12  000  ccm  Luft, 
mehr  als  genug,  um  eine  genügende  Respiration  zu  unterhalten. 
Gegen  die  alten  Methoden  der  künstlichen  Atmung  bringt  die  neue 
beträchtliche  Vorteile  und  sie  ist  als  erste  Hilfe  bei  plötzlichen  Un¬ 
glücksfällen  sehr  zu  empfehlen. 

IV. 

Im  physiologischen  Institut,  in  dem  Vorträge  aus  dem  Gebiete  der 
allgemeinen  Physiologie,  der  Physiologie  der  Muskeln,  Nerven  und 
der  Sinnesorgane  gehalten  wurden,  demonstrierte  M.  Cremer- 
München  eine  Reihe  neuer  Apparate  (ein  Saitenelektro-. 
m  e  t  e  r  —  bei  Edelmann  in  München  konstruiert  — ,  ein  Helm- 
holtzpendel  mit  8  Kontakten  —  ebenfalls  von  Edelmann  in 
München  — ,  einen  Apparat  zur  Beobachtung  von 
Aktionsströmen  mit  Hilfe  von  Kathodenstrahlen 
und  ein  Pantotom  zur  sicheren  Schnittführung  unter  dem  Mikro¬ 
skope  —  von  der  Firma  Sendtner  in  München  gebaut  ). 

Keith  Lu  c  as-  Cambridge  hat  gefunden,  dass  man  bei  gehöriger 
Abstufung  der  Stromfrequenz  und  Stärke  in  einem  Nervmuskel- 
präparat,  das  die  verschiedensten  reizbaren  Gewebe  enthält  — 
z.  B.  das  Mittelstück  eines  Froschsartorius,  das  Nerven,  Nervenend- 
platten  und  Muskelfasern  zugleich  enthält  —  diese  Gewebe  einzeln 
für  sich  reizen  kann. 

R.  N  i  c  o  1  a  I  d  e  s  hat  hemmende  Fasern  in  den  Mus¬ 
kelnerven  der  Wirbeltiere  nachweisen  können.  Es  sind 
bei  der  nervösen  Hemmung  von  Skelettmuskeln  besonders  zentri¬ 
fugale  Nerven  tätig  d.  h.  hemmende  Fasern,  die  neben  den  erregen¬ 
den  in  den  Muskelnerven  verlaufen  und  die  Hemmung  braucht  nicht 
immer  intrazentral  zu  verlaufen,  sondern  kann  auch  in  einem  aktiven 
zum  Muskel  geleiteten  Prozess  bestehen. 

F.  B.  Hofmann  -  Innsbruck  hat  sich  mit  der  Frage  der 
peripheren  Nervennetze  beschäftigt.  Die  Nerven,  welche 
zum  Herzmuskel  und  zu  den  glatten  Muskeln  der  Wirbeltiere,  sowie 
zur  Muskulatur  von  Mollusken  hinziehen,  endigen  in  dieser  Muskulatur 
nicht  frei,  sondern  bilden  Endnetze,  und  zwar  könnte  entweder 
jede  Nervenfaser  ein  geschlossenes  Netz  für  sich  bilden  oder  es 
könnte  durch  Anastomosen  zwischen  den  verschiedenen  Nerven¬ 
fasern  ein  kontinuierliches  peripheres  Endnetz  entstehen.  Diese 
Nervennetze  beschränken  sich  aber  streng  auf  die  letzten  Nerven- 
ästchen  und  sind  ganz  unabhängig  von  der  Anwesenheit  von  Gang¬ 
lienzellen.  Physiologisch  ist  die  Innervation  der  glatten  Muskulatur 
bei  Wirbeltieren  und  Mollusken  eine  lokalisierte,  es  findet  keine 
allseitige  Fortleitung  der  vom  Zentralnervensystem  ausgelösten  Er¬ 
regung  statt. 


A.  B  e  t  h  e  -  Strassburg  bringt  einen  neuen  Beweis  für  die  lei¬ 
tende  Funktion  der  Neurofibrillen.  Die  Nerven  aller 
Tiere  sind  mehr  oder  weniger  dehnbar  und  nehmen  auch  unter 
physiologischen  Verhältnissen  verschiedene  Längen  an.  Beim  Blut¬ 
egel  bleibt  z.  B.  der  Bauchstrang  auch  bei  stärkster  Kontraktion  des 
Tieres  fast  geradlinig;  das  Längenverhältnis  zwischen  kontrahiertem 
und  gestrecktem  Blutegel  ist  aber  ungefähr  1  : 3.  Die  Nervenfasern 
verändern  also  ihre  Länge  mit  der  Längenveränderung  des  Nerven, 
die  Länge  der  Neurofibrillen  bleibt  dagegen  konstant,  das  eine  Mal 
sind  sie  gestreckt,  das  andere  Mal  gewellt.  Nun  ist  die  Leitungszeit 
für  jede  Länge  der  Nervenfaser  die  gleiche,  mag  sie  bis  auf  die 
doppelte  und  dreifäche  Länge  gedehnt  oder  nicht  gedehnt  sein.  Eist 
nach  Dehnung  über  die  physiologische  Länge  wurden  die  Latenzzeiten 
langsam  grösser.  Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Neurofibrillen  am 
Leitungsprozess  in  erster  Linie  beteiligt  sind. 


J.  N.  L  a  n  g  1  e  y  hat  die  Verbindung  zw  Ls  c  h  e  n  Nerv 
und  Muskel  näher  untersucht;  er  findet,  als  Bestätigung  und  Er¬ 
weiterung  seiner  früheren  Beobachtungen,  dass  in  der  Muskelfasei  in 
der  Gegend  der  Nervenendigungen  wenigstens  zwei  „rezeptive  Sub¬ 
stanzen“  sind,  eine,  die  eine  rasche,  kurze  Kontraktion  bewirkt,  die 
sich  im  allgemeinen  durch  die  ganze  Faser  fortpflanzt,.  und  eine 
zweite,  die  eine  langsame,  mehr  oder  weniger  prolongierte  Kon¬ 
traktion  hervorruft,  deren  Fortleitung  in  verschiedenen  Muskeln  ver¬ 
schieden  ist.  Er  betrachtet  diese  „Substanzen“  als  „Kerne  des  kon- 
traktilen  Moleküls  und  nimmt  an,  dass  durch  die  ganze  Muskel¬ 
substanz  hin  ähnliche  solche  Kerne  vorhanden  sind,  die  aber  weniger 
rasch  in  Tätigkeit  gesetzt  werden  können.  Der  besondere  Charakter 
des  Muskels  an  der  Stelle  der  Nervenendigung  wäre  dann  bedingt 
durch  eine  Modifikation  eines  wichtigen  „Kernes“  des  kontraktilen 
Moleküls.  Die  Wirkung  des  Kurare  kann  durch  eine  Wirkung  auf 
diese  „Kerne“  erklärt  werden  und  man  braucht  dabei  nicht  auf  die 
Nervenendigungen  als  Erklärung  zurückzugreifen.  Die  motorische 
Nervenendplatte  scheint  überhaupt  keine  spezifischen  Funktionen  zu 
haben  und  die  Eigenschaften,  die  man  den  Nervenendigungen  zuge¬ 
schrieben  hat,  sind  im  Gegenteil  Eigenschaften  des  Muskels. 

H.  Piper- Kiel  teilt  Untersuchungen  über  den  wi  11- 
kürlichen  Tetanus  der  quergestreiften  Muskeln  mit. 
Es  wurde,  um  die  Vorgänge  zu  verfolgen,  welche  in  der  kontrak¬ 
tilen  Substanz  des  quergestreiften  Muskels  bei  der  willkürlichen 
Innervation  tetanischer  Kontraktionen  ablaufen,  der  zeitliche  Ablauf 
der  muskulären  Aktionsströme  untersucht.  Auf  der  Haut  iibei  den 
Flexoren  des  Unterarmes  wurden  unpolarisierbare  Elektroden  aufge¬ 
setzt  und  durch  diese  wurden  die  Stromoszillationen,  welche  bei 
willkürlichen  Kontraktionen  im  Muskel  auftreten,  zum  Saitengalvano¬ 
meter  abgeleitet.  Die  Reaktionen  dieses  Instrumentes  wurden  photo¬ 
graphisch  registriert.  Es  ergab  sich:  Die  Zahl  der  Stromwellen,  die 
bei  willkürlichem  Tetanus  ableitbar  ist,  ist  konstant  und  betragt 
47 — 50  pro  Sekunde.  Ihre  Zahl  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  der 
Zahl  der  in  den  Einzelfasern  ablaufenden  Kontraktionswellen.  Bei 
Veränderungen  der  Kraft  der  Kontraktion  variiert  nicht  die  Frequenz 
der  abgeleiteten  Aktionsstromoszillationen,  sondern  nur  die  Amplitude. 
Der  Vergleich  mit  den  Stromschwankungen,  welche  bei  elektrischer 
Reizung  des  Nervus  medianus  mit  Einzelschlägen  (Zuckung)  und 
Wechselströmen  (Tetanus)  registriert  wurden,  führt  zu  der  Annahme, 
dass  der  Rhythmus  der  im  willkürlichen  Tetanus  über  den  Muskel 
laufenden  Kontraktionswellen  direkt  durch  den  Rhythmus  der  Inner¬ 
vationsimpulse  bestimmt  wird,  dass  also  diese  Impulse  mit  der  Fre¬ 
quenz  von  47—50  pro  Sekunde  zum  Muskel  gelangen  und  nur  in  ihrer 
Intensität  variabel  sind.  Auch  kürzeste  Willkürkontraktionen  sind 
Tetani  und  die  Oszillationsfrequenz  der  Ströme,  bezw.  des  der  Kon¬ 
traktion  zu  gründe  liegenden  Prozesses  beträgt  auch  in  diesem  Falle 
47 — 50  pro  Sekunde.  Es  fallen  also  die  Gründe  weg,  welche  die  An¬ 
nahme  notwendig  zu  machen  schienen,  es  handle  sich  bei  den  physio¬ 
logischen  Innervationsimpulsen  um  Reize  von  zeitlich  gedehnter 
Schwankungsform,  also  um  sogen.  „Zeitreize“. 

Die  physiologische  Natur  der  Muskelstarre  hat 
H.  Winterstein  näher  untersucht.  Es  können  nicht  zu  dick  aus¬ 
geschnittene  Säugetiermuskeln  in  Ringer  scher  Lösung  bei  einem 
Sauerstoff  druck  von  2—4  Atmosphären  und  einer  Temperatur 
von  36—38°  C  20—27  Stunden  lang  erregbar  bleiben.  Die  Muskel¬ 
starre  ist  ein  Erstickungsvorgang  infolge  ungenügender  Sauer¬ 
stoffzufuhr.  Bei  ausreichender  Sauerstoffzufuhr  tritt  keine  Starre 
ein  und  die  in  Entwicklung  begriffene  Starre  kann  durch  Sauei  stoff¬ 
druck  wieder  gehemmt  werden.  Ausserhalb  der  Ringer  sehen  Le¬ 
sung  verliert  der  Muskel  seine  Erregbarkeit  auch  unter  Sauerstoff¬ 
druck  in  wenigen  Stunden.  Durch  Eintauchen  in  0,9  proz.  NaLl- 
Lösung  oder  besser  in  Ringer  sehe  Lösung  vermag  er  seine  Erreg¬ 
barkeit  in  10—15  Minuten  wiederzugewinnen,  nicht  aber  in  isotoni¬ 
scher  Traubenzuckerlösung. 


R.  Magnus  zeigt  am  Beispiel  der  Antagonisten  Kurare-Nikotin 
und  Kurare-Physostigmin,  dass  antagonistische  _uift  ver¬ 
suche  für  die  Lokalisation  physiologischer  Vorgänge  nicht  zu  ver¬ 
werten  sind. 

L.  Edinger  demonstriert  eine  Reihe  von  Wachsmode  - 
1  e  n  einer  Anzahl  von  Fischgehirnen,  die  enorme  Unterschiede 
der  Entwicklung  der  einzelnen  Hirnteile  zeigen  und  reiche  Anregung 
geben  zur  Untersuchung  über  Fragen  nach  der  Verrichtung  da  ein¬ 
zelnen  Hirnteile. 


2204 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


C.  S.  Sherrington- Liverpool  berichtet  über  den  Einfluss 
des  Strychnins  auf  die  Reflexhinderung  am  Skelett¬ 
muskel.  An  einer  grosshirnlosen  Katze  wird  der  Musculus  vastus 
cruris  präpariert.  Die  Präparation  besteht  darin,  dass  man  alle 
anderen  Muskeln  des  Gliedes  ausser  Tätigkeit  setzt  dadurch,  dass 
man  ihre  motorischen  Nerven  durchschneidet  bis  auf  den  Psoas  major. 
Psoas  minor,  Iliacus  und  Pectineus.  Diese  letzteren  Muskeln  werden 
wirkungslos  gemacht,  indem  man  sie  an  ihren  Ansätzen  abschneidet. 
Dann  findet  man,  bei  Reizung  des  zentralen  Endes  des  Nervus 
saphenus  internus  unterhalb  des  Knies,  jedesmal  reflektorische  Er¬ 
schlaffung  des  Vastus  cruris,  der  ein  Strecker  des  Knies  ist.  Wird 
nun  Strychnin  injiziert,  so  geht  nach  wenigen  Minuten  die  reflek¬ 
torische  Erschlaffung  in  eine  reflektorische  Kontraktion  über,  hier¬ 
für  genügen  0,2  mg  HCl-Strychnin  pro  Kilo  Tier.  Es  verwandelt 
also  das  Strychnin  die  normale  zentrale  Reflexhinderung  in  zentrale 
Reizung. 

Sigmund  Exner-Wien  hat  vergleichend-physio¬ 
logische  Untersuchungen  über  die  Sehschärfe  bei 
Tieren  anstellen  lassen.  Danach  würde  z.  B.  bei  Säugetieren  sich 
folgende  Reihe  ergeben:  Rind,  Schaf,  Schwein,  Kalb,  Katze,  Ziege, 
Kaninchen,  Hase,  Delphin.  Hund,  Affe,  Meerschweinchen,  Ratte,  Igel. 
Fledermaus,  und  die  Sehschärfe  des  Rindes  wäre  dabei  ca.  35  mal  so 
gross  als  die  Sehschärfe  der  Fledermaus.  Der  Mensch  würde  mit 
seiner  zentralen  Sehschärfe  zwischen  Rind  und  Schaf  zu  stehen 
kommen. 

Heine-  Kiel  hat  die  Vorgänge  während  der  Akkom¬ 
modation  bei  Cephalopoden  und  Schlangen;  untensucht.  Die 
Gephalopoden  sind  imstande,  ihr  Auge  aktiv  sowohl  für  die  Ferne, 
wie  für  die  Nähe  aus  einer  mittleren  Ruhelage  heraus  einzustellen. 
Die  Linse  rückt,  ohne  ihre  Gestalt  zu  verlieren,  entweder  vor  oder 
zurück.  Auch  nach  Eröffnung  des  Augenbinnenraumes  bleibt  der 
Mechanismus  vollkommen  intakt,  ist  also  unabhängig  vom  intraoku¬ 
laren  Druck.  Auch  wird  der  intraokulare  Druck  nicht  durch  die 
Akkommodation  beeinflusst.  Bei  den  Schlangen  sind  ebenfalls 
Akkommodation  und  intraokularer  Druck  unabhängig  voneinander. 
Auch  hier  bedingt  die  Zonulaentspannung  eine  Ortsveränderung  — 
Vorrücken  —  der  Linse,  keine  Gestaltsveränderung. 

H.  Zwaardemaker  -  Utrecht  hat  ein  akustisches,  mög- 
lichts  stilles  Zimmer  konstruiert,  in  das  kein  Lärm  von  aussen 
eindringen  kann  und  dessen  Wände  den  Schall  fast  nicht  zurück¬ 
werfen.  Der  Zweck  wurde  erreicht  durch  die  Anordnung  zweier, 
durch  eine  dünne  Luftschicht  voneinander  getrennten,  überall  voll¬ 
kommen  abschliessenden  mehrschichtigen  Wände.  Die  am  meisten 
nach  innen  angebrachte  Wand  besteht,  von  innen  nach  aussen  gerech¬ 
net,  aus  Pferdehaar  und  Tuffstein,  die  am  meisten  nach  aussen  an¬ 
gebrachte  aus  Holz,  Sand.  Korkstein,  Gips;  das  Ganze  also  ausser 
der  Luftschicht  aus  6  Schichten.  Der  Boden  und  das  Dach  sind  ent¬ 
sprechend  gebaut;  besondere  Vorrichtungen  besorgen  den  Eintritt 
des  Sonnenlichtes  und  ermöglichen  die  Ventilation.  Es  ist  in  diesem 
Zimmer  so  still,  dass  eine  normale  Person  Ohrensausen  hat  und  um¬ 
gekehrt  ein  Muschelgehäuse  geräuschlos  erscheint.  Die  Zuleitung, 
zu  Versuchszwecken,  aus  ausserhalb  des  Zimmers  aufgestellten 
Schallquellen  geschieht  durch  dickwandige  Bleiröhren,  die  dann  die 
einzige  Verbindung  zwischen  den  Doppelwänden  darstellen. 

Ausser  diesen  Vorträgen,  von  denen  natürlich  ein  grosser  Teil 
hier  wegen  Mangel  an  Raum  nicht  aufgenommen  werden  konnte, 
wurden  noch  eine  ganze  Reihe  von  Demonstrationen  ge¬ 
halten,  grösstenteils  zur  praktischen  Erläuterung  des  in  den  Vor¬ 
trägen  Gesagten.  Endlich  fand  am  Freitag  Morgen  (den  16.  August) 
noch  eine  Sitzung  statt,  in  der  Krnnecker  eine  Beschreibung  der 
kürzlich  auf  dem  Col  d’Olen  eingerichteten  physiologischen 
Anstalt  zur  Erforschung  der  Lebensvorgänge  in 
grossen  Höhen  gab.  Allgemeine  Beistimmung  fand  der  Vor¬ 
schlag,  dies  Institut  nach  dem  Namen  seines  Begründers  Institut 
Mosso  zu  nennen.  In  derselben  Sitzung  fand  ferner  eine  Demon¬ 
stration  von  neuen  Apparaten  des  Institut  Marey 
(Paris)  statt  und  am  Nachmittage  hielt  G.  Be  r  t  r  a  n  d -'Paris  in  der 
Schlusssitzung  einen  glänzenden  zusammenfassenden  Vortrag  über 
seine  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  Oxy- 
d  a  s  e  n. 

Als  Ort  des  nächsten  Kongresses  wurde  Wien  gewählt,  wo 
nun  Pfingsten  1910  sich  die  Vertreter  der  Physiologie  von  neuem  ver¬ 
einigen  werden. 


14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie. 

Vom  23. — 29.  September  1907  zu  Berlin. 

IV. 

Sektion  für  Hygiene  des  Verkehrswesens  und  Rettungswesens. 

Das  Programm  des  diesjährigen  internationalen  Kongresses  für 
Hygiene  und  Demographie  erfüllt  einen  längst  gehegten  Wunsch  in- 
soferne,  als  in  ihm  eine  Sektion  6  b,  Hygiene  des  Verkehrswesens  und 
Rettungswesens,  geschaffen  ist. 

Die  Zukunft  wird,  so  hoffen  wir,  zeigen,  dass  mit  dem  wachsen¬ 
den  Verkehr  eine  ganze  Reihe  von  Fragen  eisenbahnärztlichen  und 
eisenbahnhygienischen  Interesses  auftreten  und  ihrer  Beantwortung 
harren.  Wie  der  Eisenbahnverkehr  internationaler  Natur  ist,  so  emp¬ 


fiehlt  es  sich,  auch  für  manche  dieser  Fragen  eine  internatinonale 
Lösung  und  Verständigung  zu  suchen. 

Dem  uns  zugewiesenen  Raum  entsprechend,  geben  wir  im  Fol¬ 
genden  eine  kurze,  nicht  erschöpfende  Uebersicht  der  Verhandlungen. 

Beim  1.  Thema:  Einwirkung  der  Berufstätigkeit  im  Verkehrs¬ 
wesen  auf  die  Gesundheit  betont  Sch  wechten  -  Berlin  den  Mangel 
einer  brauchbaren  Mortalitäts-  und  Morbiditätsstatistik  bei  der 
preussisch-hessischen  Eisenbahngemeinschaft.  P  e  r  i  e  r,  Chefarzt  der 
französischen  Eisenbahnen  de  la  compagnie  du  chemin  de  fer 
du  Nord,  dessen  Bericht  von  Dr.  Le  t  kenne  erstattet  wird, 
hebt  gleichfalls  das  Bedürfnis  nach  einer  besseren  Statistik  hervor 
und  besteht  auf  der  Notwendigkeit,  sie  auf  einer  gleichförmigen  Grund¬ 
lage  aufzubauen.  Er  stellt  folgende  Schlussätze  auf: 

1.  Die  Mangelhaftigkeit  und  das  häufige  Fehlen  notwendiger  An-  v 

gaben  erlaubt  bis  jetzt  noch  keine  sicheren  Schlüsse  betr.  den  Einfluss 
krankmachender  professioneller  Ursachen  auf  die  Eisenbahnange¬ 
stellten  im  allgemeinen.  • 

2.  Die  Untersuchung  dieser  Ursachen  wird  nur  dann  sichere  all¬ 
gemeine  Resultate  ergeben,  wenn  sie  auf  Statistiken  identischer  und 
uniformer  Art  begründet  ist. 

3.  Bis  jetzt  darf  man  mit  Recht  behaupten,  dass  es  keine  beson¬ 
deren  Krankheitsformen  der  Eisenbahnangestellten  zu  geben  scheint. 

4.  Indessen  empfiehlt  es  sich,  beim  Unterricht  des  Personals  das¬ 
selbe  mit  den  einfachsten  Grundsätzen  der  Hygiene  bekannt  zu 
machen. 

5.  Die  Schwierigkeit,  sichere  Schlüsse  zu  ziehen  und  Vergleiche 
anzustellen,  würde  erleichtert,  wenn  alle  medizinischen  Statistiken 
bei  den  Eisenbahnangestellten  nach  ein  und  derselben  Methode  zu¬ 
folge  internationaler  Vereinbarung  geführt  würden. 

Es  empfiehlt  sich,  diese  Frage  auf  die  Tagesordnung  des  nächsten 
internationalen  Kongresses  zu  setzen. 

v.  Tothfalussy  -  Ofen-Pest  erstattet  im  Namen  des  leider 
erkrankten  hochbetagten  Chefarztes  der  ungarischen  Staatsbahnen, 
Ministerialrat  Dr.  v.  Csatäry,  ein  ausführliches  Referat  über  die 
statistischen  Ergebnisse  des  Eisenbahnwesens  seines  Landes  mit  fol¬ 
genden  Schlussätzen: 

1.  Die  Frage:  ob  es  solche  spezielle  Krankheiten  gibt, 
welche  zufolge  der  Berufstätigkeit  des  Bahnpersonals  entstehen,  oder, 
durch  die  Veranlagung  zum  Ausbruch  gelangt,  sich  verschlimmern? 
muss  entschieden  verneint  werden. 

2.  Alle  jene  Krankheiten,  welche  angeblich  durch  den  Eisenbahn¬ 
dienst  hervorgerufen  werden,  sind  als  Folgen  unzweckmäs^iger  und 
den  allgemeinen  hygienischen  Grundsätzen  nicht  entsprechender  Miss¬ 
bräuche  zu  betrachten. 

3.  Es  ist  angezeigt,  dass  eine  allgemeine  Revision  der  Dienst¬ 
vorschriften  stattfindet,  welche  die  event.  vorhandenen  hygienischen 
Mängel  bezeichne  und  Vorschläge  zu  deren  Abschaffung  mache. 

4.  Zweckmässige  Ernährung,  Wohnung,  Bekleidung  und  ent¬ 
sprechende  Zeitdauer  für  den  Dienst  sind  die  hygienischen  Erfoder- 
nisse  der  Gesundheit  der  Bahnbediensteten. 

Den  deutschen  Eisenbahneinrichtungen  in  hygienischer  Beziehung 
spendet  C  s  a  t  a  r  y  lebhaftes  Lob. 

De  L  a  n  t  s  h  e  e  r  e  -  Brüssel  erstattet  sein  Referat  über  Augen¬ 
krankheiten  bei  Eisenbahnbediensteten. 

Er  unterscheidet:  1.  Traumatische  Affektionen,  welche  mit  dem 
Eisenhahnbetriebe  Zusammenhängen. 

2.  Professionelle  Augenkrankheiten,  herrührend  von  lokalen 
Reizungen  der  Augen  und  von  Intoxikationen. 

3.  Individuelle  Krankheiten,  gebunden  an  allgemeine  Ernährungs¬ 
störungen,  an  Störungen  der  Zirkulation,  des  Nervensystems,  bei 
welchen  das  Fehlen  der  Beobachtungen  der  gewöhnlichen  Regeln  der 
Hygiene  im  Betriebe  wie  der  persönlichen  Hygiene  eine  ursächliche 
Rolle  spielt. 

Es  folgt  ein  Referat  über  Seuchengefahr  und  ihre  Verhütung  im 
Eisenbahnbetrieb,  erstattet  von  Beck-  Württemberg  und  T  h  i  e  r  r  y- 
Paris, 

sodann  über  die  Gefahren  nervenkranker  Bediensteter  für  den 
Eisenbahnbetrieb. 

Der  Referent  Dr.  Placzek  unterstützt  den  Wunsch  nach  einer 
sorgfältigen  Statistik.  Wünschenswert  sei  es  dann  aber,  dass  nicht 
Sondergruppen  gewählt  werden,  in  denen  alles  Mögliche  unter¬ 
gebracht  werde.  Wenn  z.  B.  die  preussische  Statistik,  die  ja  seit  dein 
Jahre  1898  schon  die  Geisteskranken  des  Eisenbahndienstes  nach  Be¬ 
rufen  gesondert  zählt,  Rubriken  wie  „einfache  Seelenstörung“  wählt 
und  .in  diese  alle  Paranoiaformen,  alle  Affektpsychosen,  alle  Rück¬ 
bildungspsychosen  zusammenfasst,  so  verliert  ein  derartiges,  aus 
heterogensten  Bestandteilen  gewonnenes  Ergebnis  jeden  Wert.  In 
der  Beurteilung  der  Unfallneurosen  hält  Dr.  Placzek  die  Aerzte 
selbst  für  schuld,  wenn  heute  jede  nur  erdenkliche  Erkrankung,  sobald 
sie  zeitlich  irgendwie  mit  dem  Unfall  zusammenfiel,  auch  ursächlich 
auf  ihn  bezogen  werde.  Selbst  ein  ursächlich  so  klargestelltes  Krank¬ 
heitsbild,  wie  die  progressive  Paralyse,  werde  mit  jedem  nur  er¬ 
denklichen  Unfall  in  kausale  Beziehung  gebracht,  ja  selbst  ihre  Ent¬ 
stehung  durch  Kohlendunst  las  Placzek  vor  kurzem  als  möglich. 
Solcher  extremen,  durchaus  unangebrachten,  .durch  nichts  begründeten 
Kausalitätssucherei  müsse  energisch  entgegengetreten  werden,  ebenso 
aber  auch  der  Diagnose  einer  Unfallneurose  auf  gleichgültigste  Sym¬ 
ptome  hin.  Dann  allein  wird  man  den  Zustand  bekämpfen  können,  der 
allmählich  zur  Misere  auswächst,  dass  ein  Unfallverletzter  nicht  mehr 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2205 


seine  Heilung  erstrebt,  sondern  das  privilegierte  Recht  zu  einer  Un¬ 
fallrente  erworben  zu  haben  glaubt. 

Einen  breiten  Raum  nahmen  die  mit  der  Eisenbahnhygiene  in 
engem  Zusammenhang  stehenden  Verhandungen  über  erste  Hilfe  bei 
Verletzungen  und  Ungliicksfällen  im  Verkehr  und  allgemeines  Ret¬ 
tungswesen  ein,  beginnend  mit  einem  vorzüglichen  Referat  des  auf- 
diesem  Gebiete  rühmlichst  bekannten  Georg  Meyer-  Berlin.  Er 
führt  etwa  folgendes  aus: 

Bei  dem  Anwachsen  des  Verkehrs,  der  Vermehrung  der  Betriebe 
und  den  hierdurch  bedingten  erhöhten  Gefahren  für  die  Menschen, 
ist  es  erforderlich,  für  ständige  Einrichtungen  Sorge  zu  tragen,  durch 
welche  plötzlich  durch  Verkehr,  Betriebe  und  andere  Faktoren  be¬ 
dingte  Schädigungen  der  menschlichen  Gesundheit  nach  Möglichkeit 
schnell  beseitigt  oder  gemildert  werden.  Die  Organisation  des  Ret¬ 
tungswesens  muss  überall  verschieden  gestaltet  werden,  je  nach  den 
Zwecken,  welche  verfolgt  werden,  als  auch  nach  den  örtlichen  Ver¬ 
hältnissen.  Dennoch  sind  grosse  Grundzüge  für  die  Organisation  des 
Rettungswesens  in  Städten,  auf  dem  Lande,  am  Wasser,  im  Gebirge, 
in  Bergwerken  usw.  aufzustellen,  wie  dies  vom  Zentralkomitee  für  das 
Rettungswesen  in  Preussen  erfolgt  ist.  Die  Träger  des  Rettungs¬ 
wesens  sind  überall  in  erster  Reihe  die  Aerzte,  welche  auch  die 
Leitung  übernehmen  müssen,  demnächst  Krankenanstalten.  Sind 
diese  nicht  vorhanden,  so  sind  eigene  Rettungswachen  zu  errichten. 
Ausserdem  sind  die  Einrichtungen  der  Polizei  und  Feuerwehr,  be¬ 
sonders  deren  Mannschaften,  für  den  Rettungsdienst  und  die  Kranken¬ 
beförderung  zu  benutzen.  Es  wird  dann  die  Notwendigkeit  der  Aus¬ 
bildung  von  Nichtärzten  in  der  ersten  Hilfe  (Samariterunterricht)  d,ar- 
gelegt  und  die  Grundzüge,  nach  welchen  dieser  Unterricht  stattfinden 
soll.  Die  Organisation  des  Rettungswesens  auf  dem  Lande  wird 
gleichfalls  geschildert,  welche  unter  Zuhilfenahme  der  genannten  Fak¬ 
toren  in  die  Wege  zu  leiten  ist.  Für  das  Land  ist  ganz  besonders  das 
Meldewesen  von  Wichtigkeit,  aber  auch  für  die  Einrichtung  des 
Rettungswesens  an  anderen  Orten.  Alle  Einrichtungen  müssen  zen¬ 
tralisiert  sein,  wodurch  das  Meldewesen  und  die  Entsendung  der  Hilfs¬ 
kräfte  erleichtert  wird. 

Ueber  dasselbe  Thema  referieren  ferner  S.  Alexander- 
Berlin  und  Charas -Wien. 

S  t  i  c  h  -  Nürnberg:  Die  Verletzungen  im  Eisenbahnbetrieb  und 
ihre  Verhütung. 

Schlussätze. 

1.  Die  deutschen  Eisenbahnverwaltungen  stehen  in  bezug  auf 
im  Eisenbahnbetriebe  getötete  und  verletzte  Reisende  unter  allen 
Eisenbahnverwaltungen  an  günstigster  Stelle;  trotzdem  müssen  sie 
bestrebt  sein,  durch  technische,  hygienische  und  Verwaltungsmass- 
regeln  dieses  Verhältnis  noch  günstiger  zu  gestalten. 

2.  In  bezug  auf  die  Verletzungen  der  Eisenbahn  b  e  a  m  t  e  n  und 
-ar  beit  er  fehlt  leider  eine  vergleichbare  Statistik,  doch  scheinen 
auch  hier  die  deutschen  Verwaltungen  günstig  abzuschneiden. 

3.  Eine  vorhandene  25  jährige  bayerische  Statistik  über  die  Ver¬ 
letzungen  der  Angestellten  im  Eisenbahnbetriebe  zeigt,  dass  der 
grösste  Teil  der  Eisenbahnunfälle  hätte  vermieden  werden  können. 

4.  Zur  Erreichung  dieses  Zieles  sind  nötig: 

a)  Technische  Verbesserungen  des  Betriebes,  z.  B.  automatische 
Kuppelung  der  Wagen,  hörbare  automatische  Signale  für  die 
Lokomotivführer  bei  Einfahrt  in  die  Stationen,  Herstellung 
eiserner,  statt  hölzerner  Wagenkästen,  Abschaffung  aller 
schienengleichen  Strassenübergänge,  Vermeidung  von  Wech¬ 
seln  und  Kreuzungen  durch  Gleisüberführungen  usw. 

b)  Hygienische  Verbesserungen  der  Wohnungsverhältnisse,  der 
Dienstkleidung,  in  der  Ernährung  während  der  Fahrten,  in 
der  Bestimmung  der  Dienst-,  Ruhe-  und  Urlaubszeit,  Ver¬ 
besserung  der  Uebernachtungslokale,  Ausbildung  des  Rettungs¬ 
wesens.  Absolutes  Verbot  jeglichen  Alkoholgenusses  in 
irgend  einer  Form  während  der  Dienstzeit.  Absolutes  Ver¬ 
bot  des  Tabakrauchens  (Zigarre  oder  Pfeife)  während  der 
Dienstzeit. 

c)  Verwaltungsmassnahmen:  Herausgabe  von  Unfall-Verhütungs¬ 
vorschriften  an  das  gesamte  Personal,  erläuternde  Vorträge 
über  Verhütung  von  Eisenbahnunfällen  durch  Verwaltungs¬ 
beamte  und  besonders  durch  die  Bahnärzte.  Diese  Vorträge 
müssen  mit  Wärme  gehalten  und  oft  wiederholt  werden,  die 
Vortragenden  müssen  wechseln  und  den  Betrieb,  sowie  die 
Unfall-Verhütungsvorschriften  bis  ins  kleinste  kennen,  damit 
sie  das  Interesse  der  Angestellten  an  der  Unfallverhütung  er¬ 
wecken  und  erhöhen. 

d)  Geeignetes  Verhalten  der  Reisenden. 

Es  folgt  noch  ein  Vortrag  von  J  o  s  e  p  h  -  Berlin:  Technik  und 
Hygiene  des  Krankenwagens  und  F  r  a  n  k  -  Berlin:  Ueber  das  ärzt¬ 
liche  Rettungswesen  in  Berlin. 

Den  Schluss  der  Verhandlungen  bildete  am  Sonnabend  nach¬ 
mittag  eine  geschäftliche  Sitzung  des  deutschen  Bahnärztetages, 
welche  ein  allgemeines  Interesse  nicht  bietet  und  über  welche  die 
Eisenbahnärzte  in  ihrem  Spezialorgan,  der  Zeitschrift  für  Eisenbahn¬ 
ärzte,  unterrichtet  werden. 

Hager-  Magdeburg. 


Sektion  VH.  Militärhygiene,  Kolonial-  und  Schiffshygiene. 

Berichterstatter:  Marinestabsarzt  Dr.  zur  V  e  r  t  h  -  Berlin. 

Die  Beratungen  der  Sektion  litten  unter  der  überreichen  Fülle 
an  Material.  Es  erscheint  nicht  empfehlenswert,  so  grundverschiedene 
Fragestellungen,  wie  sie  die  Militärhygiene  einerseits,  die  Kolonial- 
und  Schiffshygiene  andererseits  aufzwingt,  in  einer  Sektion  er¬ 
örtern  zu  wollen. 


Sitzung  vom  24.  September  1907. 

Nachdem  vor  der  Tagesordnung  Reder-Wien  an  der  Hand 
eines  Modells  die  Verwundetenbesorgung  auf  dem  Schlachtfelde  in 
der  österreichisch-ungarischen  Armee  geschildert  hatte,  sprach 
B  i  s  c  h  o  f  f  -  Berlin  über  den  ersten  Verhandlungsgegenstand, 


die  Wasserversorgung  einer  Armee  im  Felde. 

Er  will,  wenn  vorhanden,  unter  Benutzung  von  abessinischen 
Brunnen  Grundwasser  verwenden.  Steht  nur  Oberflächenwasser  zur 
Verfügung,  so  beschränkt  er  sich  auf  eine  einwandfreie  Lieferung 
des  Trinkwassers  und  sucht  sie  durch  Abkochen  mittels  tragbarer 
oder  fahrbarer  Kochapparate  zu  erreichen.  Würde  das  Ozonisierungs¬ 
verfahren  sich  den  Kriegsverhältnissen  anpassen  lassen,  so  würde 
seine  Ergiebigkeit  einen  erheblichen  Vorzug  gegenüber  den  Koch¬ 
apparaten  bedeuten.  R  o  u  g  e  t  -  Paris,  dessen  Vortrag  in  seiner 
Abwesenheit  verlesen  wurde,  verwendet  chemische,  physikalische 
oder  mechanische  Reinigungsmethoden  je  nach  den  Umständen. 

Die  Beseitigung  der  Abfallstoffe  aus  militärischen  Lagern  und  im  Felde 

wird  nach  Dieudonne  -  München  rasch  und  vollständig  am  besten 
durch  Rieselfelder  erreicht.  Er  bevorzugt  aus  finanziellen 
Gründen  das  Trennsystem.  Je  nach  der  Vorfluth  ist  eine  geringere 
oder  intensivere  Reinigung  der  Abwässer  nötig.  Nur  wenn  eine  Ab¬ 
schwemmung  der  Fäkalien  nicht  möglich  ist,  anerkennt  er  Gruben- 
und  Tonnensystem,  während  Sforza -Rom  dem  Verbrennungs¬ 
oder  Tonnensystem  von  vornherein  den  Vorzug  gibt.  Infektions¬ 
fähige  Stoffe,  Leichen  infektiös  Erkrankter  und  von  Tieren,  sind  zu 
verbrennen.  Torfmull  bedeutet  eine  wesentliche  Verbesserung  des 
Gruben-  und  Tonnensystems. 

Die  Ursache  der  Massenerkrankungen  durch  Nahrungsmittel 

in  der  Armee  kann  nur  durch  Mitteilung  und  Untersuchung  aller 
Fälle  richtig  erkannt  werden.  Hladik-Wien  schlägt  daher  vor, 
ein  besonderes  Kapitel  der  Sanitätsberichte  diesen  Massenerkran¬ 
kungen  zu  widmen  und  alle  Sanitätsberichte  gegenseitig  auszu¬ 
tauschen.  Bleivergiftung,  Kupfervergiftung  —  nach  Dieudonne- 
München  meist  infolge  bakterieller  Zersetzung  —  und  unter  den 
pflanzlichen  Stoffen  Kartoffelvergiftung  sind  die  wichtigsten.  Pfuhl- 
Berlin  erörtert  die  Einschleppungswege  und  Verhütungsmassregeln 
der  Massenerkrankungen  an  Typhus. 

Ueber  die  Beziehungen  der  Erkrankungen  an  Lungentuberkulose  zu 
funktionellen  Störungen  der  Herztätigkeit  vornehmlich  bei  Soldaten 

spricht  zunächst  Franz -Wien.  Hyperplasie  des  Gefässsystems  und 
Dilatation  des  rechten  Herzens  sind  häufige  Begleiterscheinungen  der 
Tuberkulose,  erstere  oft  schon  im  latenten  Stadium.  Die  häufigste 
funktionelle  Störung  ist  die  Tachykardie,  seltener  die  Bradykardie. 
Der  Blutdruck  zeigt  im  Beginn  niedrige  Werte,  die  sich  bei  destruk¬ 
tiven  Prozessen  noch  vermindern,  bei  zur  Heilung  neigenden  über  den 
Durchschnitt  vermehren.  Schultzen  - Berlin  betont,  dass  Herz¬ 
störungen  die  Fortentwicklung  der  Tuberkulose  begünstigen,  falls 
nicht  eine  Störung  im  Lungenkreislauf  eintritt. 

Die  Typhusschutzimpfung  in  der  Armee 

wird  nicht  völlig  einheitlich  beurteilt.  Das  Material,  das  bis  jetzt  übet 
die  Impfung  nach  Kolle-Pfeiffer  vorliegt,  gestattet  nach 
Musehold  -  Berlin  noch  kein  abschliessendes  Urteil,  spricht  aber 
zunächst  f  ü  r  einen  Schutzerfolg.  Unvollkommenheiten  des  Impf¬ 
verfahrens  bedürfen  noch  der  Abstellung.  L  e  i  s  hm  an -London 
berichtet  über  die  Erfahrungen  mit  der  von  W  right  hergestellten 
Antityphusvakzine  in  der  englischen  Armee.  (Vergl.  d.  No.  S.  2199.) 


Sitzung  vom  25.  September  1907. 

Die  Verbreitung  und  Bekämpfung  der  Pest 

wird  mit  Sektion  V  zusammen  von  G  a  f  f  k  y  -  Berlin,  Kitasato- 
Tokio,  dessen  Vortrag  verlesen  wird,  und  Thompson  -  Sidney 
besprochen.  . 

Bei  Pestrattenschiffen 

hält  G  i  e  m  s  a  -  Hamburg  Fahndung  auf  tote  Ratten  für  unerlässlich. 
Die  Kadaver  sind  zu  untersuchen.  Bei  positivem  Befund  sind  sämt¬ 
liche  Ratten  an  Bord  auszurotten.  Das  unübertroffene  Mittel  dazu 
ist  Vergiftung  der  Ratten  mit  unexplosiblem  Generatorgas,  denn  es 
ist  geruchlos,  indifferent  gegen  die  Ladung,  sehr  giftig  (Kohlenoxyd) 
und  sehr  billig.  Die  Niederhaltung  der  Rattenplage  an  Land  ist 
nicht  zu  vernachlässigen.  Die  eingeführten  Waren  sind  nach 
K  o  s  s  e  1  -  Giessen  ungefährlich,  sofern  nicht  tote  infizierte  Ratten 
oder  ausnahmsweise  infizierte  Flöhe  mit  verschleppt  werden,  rur 
die  geringe  Pestmortalität  des  jahrelang  infizierten  Aegypten  duiite 
nach  Bitter -Kairo  die  geringe  Flohzahl  der  ägyptischen  Ratten 
verantwortlich  sein;  Bitter  schliesst  interessante  Einzelheiten  mei 
die  Pest  Aegyptens  an.  Ueber  die  Vorzüge  des  Generatorgases  vor 


2206 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


dem  Claytongas  entspinnt  sich  eine  Diskussion,  an  der  besonders 
T jaden  und  Oiemsa  beteiligt  sind. 

Ueber  die  Wärmeregulation  des  Körpers  und  ihre  Erschwerung  im 
Schiffs-  und  Tropendienst 

teilt  D  i  r  k  s  e  n  -  Wilhelmshaven  wertvolle  Beobachtungen  mit.  Er 
normiert  einen  Punkt,  mit  dessen  Ueberschreitung  das  Gefühl  der 
Schwüle  beginnt,  und  stellt  fest,  dass  die  Grenzen  der  in  ein  Ko¬ 
ordinatensystem  nach  Feuchtigkeit  und  Temperatur  eingetragenen 
Tropenseeklimata  der  verschiedensten  Weltgegenden  nahezu  gleich 
sind  und  mit  der  empirisch  und  durch  Laboratoriumsversuche  ge¬ 
fundenen  schwülen  Grenze  zusammenfallen.  Es  gibt  also  im  Tropen¬ 
seeklima  überhaupt  keinen  Tag,  der  für  den  Uneingewöhnten  nicht 
das  Gefühl  der  Schwüle,  d.  h.  zum  mindesten  Wärmeregulations¬ 
schwierigkeiten,  bringt.  Die  Beurteilung  eines  Klimas  nach  der 
Temperatur  allein  führt  zu  falschen  Schlüssen.  Einflüsse  der  Jahres¬ 
zeiten  in  der  Heimat,  Heizraum  und  Maschinenraumverhältnisse  und 
Schlussfolgerungen  und  Nutzanwendungen  beschliessen  den  Vortrag, 
der  nach  der  Diskussionsbemerkung  von  N  o  c  h  t  -  Hamburg  neue 
Schlaglichter  auf  wenig  bearbeitete  Gebiete  wirft. 

Die  ständige  Ueberwachung  der  Seeschiffe, 

nicht  nur  die  erstmalige  Untersuchung,  ist  nach  N  o  c  h  t  -  Hamburg 
ein  wesentliches  Erfordernis  gegen  das  Eindringen  von  Seuchen. 
Seine  Ratschläge  sind  überall  den  biologischen  Eigenschaften  der 
Krankheitserreger  angepasst  und  zeichnen  sich  durch  die  wissen¬ 
schaftlich  eben  noch  zulässige  Liberalität  gegen  Handel  und  Verkehr 
aus.  R  u  f  f  e  r -Alexandrien  spricht  über  die  gesundheitliche  Ueber¬ 
wachung  Aegyptens,  das,  an  die  Hauptverkehrstrasse  der  Welt 
stossend,  die  Aufgabe  hat,  Europa  gegen  die  gesundheitlichen  Ge¬ 
fahren,  die  die  muselmännische  Pilgerschaft  mit  sich  bringt,  zu 
schützen. 

Zur  Ventilation  und  Heizung  auf  Kriegsschiffen 

spricht  R  i  c  h  e  1  o  t  -  Kiel.  Er  fordert,  dass  der  Kohlensäuregehalt  in 
den  'Schiffslazaretten  nicht  0,7  Prom.,  in  den  übrigen  bewohnten 
Räumen  nicht  1  Prom.  überschreite.  In  den  Mannschaftsräumen  sind 
20,  in  den  Wohnkammern  30,  in  den  Lazaretten  75  cbm  Luft  für  Kopf 
und  Stunde  erforderlich.  Natürliche  Lüftung  ist  nur  brauchbar  in 
Wohnräumen,  die  gegen  Seeschlag  geschützt  sind;  daher  ist  die 
eigentliche  Lüftung  der  Kriegsschiffe  die  künstliche.  Die  künstlich 
gelüfteten  Schiffsräume  sollen  unter  Ueberdruck  gegenüber  der  Um¬ 
gebung  stehen,  nur  in  Räumen,  die  schädliche  Gase  und  Gerüche  ent¬ 
wickeln  oder  Wärmequellen  bergen,  soll  Unterdrück  herrschen. 

Für  Handelsschiffe  hält  Goos-  Hamburg  im  allgemeinen  an 
natürlicher  Ventilation  fest.  Die  Mitteldruckheizung  ist  allen  andern 
Arten  mit  Rücksicht  auf  Anlagekosten,  Einfachheit  der  Bedienung 
und  Billigkeit  des  Betriebes  überlegen  und  wird  daher  trotz  ihrer 
hygienischen  Nachteile  ihre  überwiegende  Stellung  behaupten. 
Wagner-  Wien  zieht  in  Anbetracht  des  geringen  Gewichtes  und 
der  übrigen  bekannten  Vorteile  auch  auf  Kriegsschiffen  die  Dampf- 
zentraiheizung  mit  einem  Druck  zwischen  0,5  und  2  Atmosphären  vor. 
Die  Forderung  der  Hygiene,  dass  die  Oberflächentemperatur  der 
Heizkörper  zur  Vermeidung  von  Staubverbrennung  70°  C  nicht  über¬ 
schreite,  glaubt  er  wegen  höherer  Luftfeuchtigkeit  und  geringerer 
Staubentwicklung  an  Bord  vernachlässigen  zu  können. 

Für  die  Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten  an  Bord 

ist  nach  v.  B  u  n  g  e  -  Kronstadt  die  Schaffung  idealer  hygienischer 
Bedingungen  an  Bord  das  wesentlichste  Mittel.  Je  nach  der  Ueber- 
tragungsart  der  Krankheiten  .durch  die  Luft,  durch  Personen  oder 
duich  I  iere  empfiehlt  er  verschiedene  Schutzmittel.  D  u  p  u  y  -  St. 
Nazaire  bringt  eine  Zusammenstellung  von  Regeln,  die  sowohl  die  Ein¬ 
richtung  und  Führung  des  Schiffes,  als  auch  die  Vorkehrungen  bei 
diohenden  oder  schon  ausgebrochenen  Infektionskrankheiten  be¬ 
treffen. 

Den  Ausbau  der  Wasch-  und  Badeeinrichtungen  an  Bord 

von  Kriegsschiffen  nicht  durch  die  steigenden  Anforderungen  an  die 
Gefechtskraft  des  Schiffes  zu  vernachlässigen  fordert  Dirks  en- 
Wilhelmshaven.  Er  verwirft  die  noch  jetzt  gebräuchliche  Methode 
der  körperlichen  Reinigung  der  Mannschaft  zu  6—12  in  eine  Balje  als 
gesundheitswidrig  und  gefährlich  und  gibt  Anweisungen,  wie  durch 
Ersparnisse  einerseits,  Neuaufstellung  von  Wascheinrichtungen  und 
Bi ausebädern  andererseits  Besserung  erzielt  werden  kann. 

Sitzung  vom  26.  September  1907. 

Zur  Beurteilung  der  Tropendiensttauglichkeit 

betont  S  t  e  u  d  e  1  -  Berlin  die  Notwendigkeit  einer  ausführlichen 
Anamnese.  Alkoholisten,  Nerven-  und  Verdauungsschwache  sind  nicht 
tropendienstfähig.  Mense- Kassel  will  bei  der  Untersuchung  auf 
Tropendienstfähigkeit  zur  Selbstkontrolle  des  Untersuchers  jedem 
einen  Gesundheitsbrief  mitgeben,  der  den  Befund  enthält  und  in  den 
spätere  Krankheiten  vom  behandelnden  Arzt  eingetragen  werden. 
Kohlbrugge  - Utrecht  stellt,  basierend  auf  die  Erfahrungen  der 
holländischen  Kolonien,  sehr  geringe  Anforderungen  an  den  Tropen¬ 
diensttauglichen. 


Für  die  Durchimpfung  der  Eingeborenen  in  den  Kolonien 

tritt  Z  i  e  m  a  n  n  -  Kamerun  ein;  er  fordert  in  den  Kolonien  Reiseärzte, 
die  neben  Bekämpfung  der  anderen  Seuchen  die  systematische  Durch¬ 
impfung  besorgen.  Selbständige  Massenimpfungen  durch  eingeborene 
farbige  Hilfskräfte  sind  unzulässig.  In  jeder  Kolonie  ist  mindestens 
ein  Lymphgewfnnungsinstitut  einzurichten.  Ehlers-  Kopenhagen 
erreicht  lange  Beständlichkeit  der  Virulenz  der  Lymphe  durch  Ver¬ 
sand  im  Innern  von  Kartoffeln,  K  oh  1  b  r  u  g  g  e -Utrecht  in  Pisang- 
stämmchen. 

Das  eigentliche  Sanatorium  der  Tropen 

ist  nach  Kohlbrugge  -  Utrecht  das  Höhensanatorium.  Es  ist 
wesentlich,  dasselbe  auch  prophylaktisch  aufzusuchen.  Für  die  Krank-  s 
heiten  der  Eingeweide  bestimmt  nur  der  Boden,  nicht  die  Höhe  die 
Wahl.  Gegen  Beriberi,  Schwindsucht,  Aphtae  tropicae  sind  die 
Höhensanatorien  nicht  zu  empfehlen.  Auch  P 1  e  h  n  -  Berlin  dringt 
auf  alljährlichen  mehrwöchigen  Aufenthalt  der  Bewohner  heisser, 
ungesunder  Niederungen  in  Gebirgsstationen,  warnt  aber  Rekon¬ 
valeszenten  vor  zu  schroffen  und  zu  frühen  Uebergängen  in  Höhen¬ 
klima.  Für  letztere  sind  Sanatorien  an  der  See  eventuell  als  Zwischen¬ 
station  zu  empfehlen.  Sand  with -London  schildert  die  ver¬ 
schiedenen  Gebirgsstationen  in  Indien.  Ranke-  München  empfiehlt, 
sich  mittels  der  modernen  Kältetechnik  durch  künstliche  Kühlung  des 
Hauses  vom  Klima  unabhängig  zu  machen. 

Z  i  e  m  a  n  n  -  Kamerun  weist  darauf  hin,  dass  ausser  Entdeckung  von 
Bakterien  und  Plasmodien  noch  wichtige  Fragen  der  Erledigung  harren, 
um  Afrika  für  die  farbige  und  weisse  Rasse  zu  erobern.  Ranke- 
München  erläutert  die  Notwendigkeit  und  technische  Ausführbarkeit 
der  Erzeugung  eines  für  den  Europäer  günstigen  Klima  der  Wohn-  und 
Arbeitsräume  in  den  Tropen.  F  ü  1 1  e  b  o  r  n  -  Hamburg  projiziert 
Mikrophotographien  von  Präparaten,  die  das  Eindringen  von  Filaria- 
larven  in  der  menschlichen  Haut  darstellen.  M  a  k  a  r  o  f  f  -  Russ¬ 
land  spricht  über  tropische  Anämie. 


Sitzung  vom  27.  September  1907. 

Dass  die  Malariabekämpfung 

nur  durch  Kombination  aller  Mittel  durchgeführt  werden  kann,  ist 
ein  Axiom  aller  fünf  Referenten,  Celli-  Palermo,  G  a  1 1  i  -  V  a  1  e  r  i  o- 
Lausanne,  R  o  s  s  -  Liverpool,  Ru  ge -Kiel.  Zur  energischen  Durch¬ 
führung  dieser  Bekämpfung  wird  vom  Kongress  eine  Resolution  be¬ 
stätigt,  die  von  den  Regierungen  Initiative  und  weitgehende  Unter¬ 
stützung  in  der  Bekämpfung  der  Malaria  verlangt. 

Eine  weitere  Resolution,  wonach  von  der  genannten  Kongress¬ 
leitung  in  Anbetracht  der  zunehmenden  Wichtigkeit  der  Tropen¬ 
medizin  eine  besondere  Sektion  für  Tropenmedizin  und  Hygiene  ge¬ 
bildet  werden  möge,  wird  ebenfalls  angenommen. 

Ueber  Gelbfieberbekämpfung 

referieren  A  g  r  a  m  o  n  t  e  -  Habana  und  O  1 1  o  -  Hamburg.  Zum 
Schluss  spricht  Moore  über  die  Zytologie  der  Trypanosomen  und 
G  a  b  b  i  -  Messina  über  Maltafieber  in  Italien. 


Sitzung  vom  28.  September  1907. 

Der  letzte  Morgen  bringt  noch  eine  Reihe  von  Vorträgen.  Zu¬ 
nächst  erzielte  R  e  u  t  e  r  -  R  o  t  h  -  Sidney  durch  sinnreiche  Vorrich¬ 
tungen  die  Möglichkeit,  bei  Unterbringung  einer  grösseren  Anzahl  von 
Verwundeten  in  einem  Krankenwagen  jeden  einzelnen  umzuladen, 
ohne  die  anderen  zu  stören.  B  r  e  g  e  r  -  Berlin  verlangt  für  Binnen¬ 
schiffe  Wassertonnen,  die  an  einwandsfreien  staatlich  eingerichteten 
Wasserentnahmestellen  zu  füllen  seien,  und  transportable  Aborte. 
Br  echot- Paris  spricht  über  Fortschritte  der  Desinfektion  von 
Krankenstuben  und  Hospitälern.  B  i  f  f  i  -  Bologna  hält  das  Carrion- 
sche  Fieber  für  Verruca  Peruviana  plus  Typhus  oder  Raratyphus. 
Unger  zeigte  eine  Vorrichtung,  mittels  der  jedeTrage  federnd  gemacht 
wenden  kann.  Jeder  Verwundete  ist  mit  der  Trage  ohne  Umladung  bis  zu 
seiner  Verladungsstelle  zu  transportieren.  Di  r  k  se  n  -  Wilhelms¬ 
haven  hat  Einrichtungen  getroffen,  mittels  deren  grössere  Haltbarkeit 
und  schnellere  Herrichtung  der  Krankentrage  der  Marine  erreicht 
wird.  Steiner  demonstriert  das  neue  österreich-ungarische  Ver¬ 
bandpäckchen.  Krause -Berlin  gelang  es,  durch  Einspritzen  von 
Viperngift  in  Nattern  ein  polyvalentes  Serum  zu  gewinnen,  mit  dem 
er  Tiere  gegen  die  dreifache  tödliche  Dosis  von  Nattern-  und  Vipern¬ 
gift  immunisieren  kann.  Ein  Vorschlag  des  Genfer  weissen  Kreuzes, 
eingebracht  von  D  e  1  o  n  c  1  e,  dahingehend,  dass  sich  eine  inter¬ 
nationale  Konferenz  bilde  gegen  das  Unwesen  der  Zigeuner,  Vaga¬ 
bunden  und  Herumtreiber,  wird  angenommen.  Der  Antrag  v.  Bam- 
bergers  zur  Gründung  militärhygienischer  Museen  wird  zurück¬ 
gestellt;  dann  werden  unter  Dankesworten  Sr  Exzellenz  Ritter 
v.  Uriel  an  den  Präsidenten  der  Sektion  VII,  Generalarzt  Kern, 
die  Verhandlungen  geschlossen.  Nach  Schluss  spricht  noch  M  a  - 
g  a  1  h  ä  e  n  s  -  Rio  über  Piedra  und  V  iry  über  die  Ernährung  der 
französischen  Soldaten  im  Frieden,  ferner  de  la  Roquette  über 
die  Rolle  der  Fliegen  bei  der  Uebertragung  infektiöser  Darmkrank¬ 
heiten. 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2207 


I.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Urologie 

in  Wie  n,  vom  2.  bis  5.  Oktober  1907. 

Referent :  Dr.  K'ielleuthner-  München. 

Unter  der  lebhaftesten  Beteiligung  von  Aerzten  aus  sämtlichen 
Kulturstaaten  der  Welt  tagte  in  Wien  vom  2.  bis  5.  Oktober  der 
I.  Kongress  der  voriges  Jahr  in  Stuttgart  neu  begründeten  deutschen 
•Gesellschaft  für  Urologie.  Der  Protektor  des  Kongresses,  Erzherzog 
Rainer,  eröffnete  denselben  in  feierlicher  Sitzung.  Hierauf  be- 
grüsste  der  Minister  für  Kultus  und  Unterricht  Dr.  v.  Bienerth  die 
Anwesenden  im  Namen  der  Verwaltung.  Vizebürgermeister  Dr.  v. 
Neutnayer  bewillkommnte  in  warmen  Worten  die  Teilnehmer  im 
Namen  der  Stadt,  Hofrat  Chrobak  als  Vorstand  .der  k.  k.  Gesell¬ 
schaft  der  Aerzte.  Nach  einer  Beglückwünschung  der  jugendlichen 
Schwester  der  französischen  urologischen  Gesellschaft  durch 
Desno  s- Paris  gab  v.  Frisch- Wien  einen  ebenso  interessanten 
als  umfassenden  historischen  Rückblick  über  die  Entwicklung  der 
urologischen  Diagnostik. 

Bei  der  Verhandlung  des  I.  Referates  Diagnostik  und  Therapie 
der  Nierentumoren  führte  K  ü  s  t  e  r  -  Marburg  folgendes  aus: 

Geschwulst,  Schmerzen  und  Veränderungen  des  Harns  sind  die 
hauptsächlichen  diagnostischen  Merkmale  der  Nierentumoren.  Doch 
fehlt  häufig  die  Geschwulst,  während  sie  ein  andermal  eine  kolossale 
Grösse  erreichen  kann.  Auch  die  Schmerzen  sind  ein  nicht  kon¬ 
stantes  Zeichen.  Die  Hämaturie  ist  sehr  eigenartig,  sie  tritt  aus 
voller  Gesundheit  plötzlich  auf.  Aber  auch  sie  fehlt  in  selteneren 
Fällen.  In  neuerer  Zeit  wurde  auf  ein  Symptom,  das  Auftreten  von 
Pigmentflecken  in  der  Haut  (bei  Nebennierengeschwülsten)  aufmerk¬ 
sam  gemacht.  Bei  der  Feststellung  der  Art  eines  Tumors  ist  zu  be¬ 
achten,  dass  drei  Viertel  der  Nierentumoren  Hypernephroide  sind;  es 
folgen  dann  in  absteigender  Reihe  Karzinome,  Sarkome  und  em¬ 
bryonale  Mischgeschwülste.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  ist  es  möglich, 
diese  Arten  klinisch  zu  trennen.  Bei  Kindern  unter  10  Jahren  sind 
Mischgeschwülste  höchst  wahrscheinlich;  die  Beschaffenheit  ist 
schwammig-weich.  Grosse  Schwierigkeit  besteht  differential-dia¬ 
gnostisch  zwischen  Sarkom  und  Karzinom.  Sarkome  sind  recht 
selten.  Bei  Hypernephroiden  ist  die  Blutung  reichlicher  und  häufiger 
als  bei  Sarkomen;  sie  sind  gewöhnlich  freibeweglich  als  pilzförmige 
Massen  :zu  fühlen,  während  Sarkome  bald  mit  der  Umgebung  ver¬ 
wachsen.  Tumoren,  die  vollständig  festgelötet  sind,  sind  von  der 
Operation  auszuschliessen;  dagegen  müssen  die  freibeweglichen  und 
wenig  verwachsenen  Geschwülste  entfernt  werden.  Was  die  Unter¬ 
suchungsmethoden  .der  Nieren  anlangt,  so  leisten  sie  viel,  aber  nicht 
alles.  Das  Hauptgewicht  ist  auf  die  mikroskopische  und  chemische 
Untersuchung  des  Harns  und  auf  die  Zystoskopie  zu  legen.  Die 
Kryoskopie  des  Blutes  und  des  Harns  kann  nicht  allzu  hohe  Be¬ 
deutung  beanspruchen.  Die  Phloridzinprobe  gibt  brauchbare  Resul¬ 
tate;  doch  sollen  bei  verlangsamter  Glykosurie  beide  Nieren  freigelegt 
werden,  da  die  pathologische  Anatomie  lehrt,  dass  auch  Metastasen 
•der  anderen  Niere  Vorkommen  können.  Ausser  dem  Harnleiter-Kathe¬ 
terismus  wurde  der  Separator  von  Luys  in  geeigneten  Fällen  mit 
recht  gutem  Resultate  benützt.  Bei  Kindern  stösst  man  natürlich  auf 
grosse  Schwierigkeiten,  den  Harnleiter  zu  sondieren.  Da  aber  hier 
Tumoren  gewöhnlich  einseitig  sind,  kann  man  sich  in  den  meisten 
Fällen  auf  eine  Prüfung  des  Gesamtharnes  beschränken. 

Bei  der  Operation  bevorzugt  K.  die  Lumbalanästhesie,  mit  der 
er  äusserst  zufrieden  ist;  er  gebraucht  Novokain,  da  dieses  die  Nieren 
am  wenigsten  angreift.  Bei  freibeweglichen  Tumoren  hält  er  den 
lumbalen  Weg  für  den  besten,  für  die  eben  unbeweglich  werdenden 
den  abdominalen;  der  letztere  hat  noch  den  Vorzug,  durch  Palpation 
von  etwaigen  Knoten  der  anderen  Niere  sich  überzeugen  zu  können; 
auch  lässt  sich  hier  leicht  durch  vorherige  Unterbindung  der  grossen 
Gefässe  eine  Embolie  von  Geschwulstpartikeln  verhindern.  Unter 
allen  Umständen  sind  Fettkapsel  und  Lymphdrüsen  zu  entfernen. 

v.  Eiseisberg  -  Wien :  Das  Wichtigste  ist  die  Diagnose  einer 
bösartigen  Geschwulst.  Bei  der  Inspektion  achte  man  auf 
Venektasien,  eine  eventuelle  gleichseitige  Varikozele,  Drüsenver- 
grösserungen  (v.  E.  hat  aus  einer  exstirpierten  supraklavikulären 
Drüse  die  Diagnose  eines  Hypernephroms  stellen  können),  dann  auf 
Thrombosen  der  Vena  cava  und  Oedem  der  Beine,  endlich  auf  Pig¬ 
mentierungen.  Auch  ein  gute  Röntgenaufnahme  kann  den  Tumor 
zeigen.  Die  Palpation  ist  ein  Hauptmoment  bei  der  Diagnose  der 
Geschwülste;  grosse,  aber  bei  ausgebildeter  Technik  auch  ganz  kleine 
Geschwülste  können  deutlich  gefühlt  werden.  Auf  die  bekannte 
Hämaturie  und  den  Harnbefund  ist  grosses  Gewicht  zu  legen;  doch 
geben  viele  Tumoren  keine  Veränderung  des  Harns.  Zystoskopie 
und  beiderseitige  Ureterensondierung  sowie  die  Chromozystoskopie 
sollen  zur  Diagnose  herangezogen  werden.  Ueber  den  Wert  der 
Gefrierpunktsbestimmung  von  Blut  und  Harn  sowie  die  Phloridzin¬ 
probe  sind  die  Meinungen  geteilt.  Die  Stickstoffbestimmung  darf  nicht 
fehlen.  Ein  wesentliches  Hilfsmittel  für  die  Diagnose  einer  zweiten 
Niere  ist  bei  Versagen  dieser  Methoden  die  Freilegung  des  Schwester¬ 
organs;  auch  das  Röntgenverfahren  ist  heranzuziehen,  da  es  häufig 
gelingt,  die  normalen  Konturen  der  anderen  Niere  zu  finden,  v.  E. 
eröffnet  auch  bei  lumb'alem  Schnitt  das  Peritoneum,  um  sich  von  dem 
Zustande  der  anderen  Niere  zu  überzeugen.  Bei  geringen  Schwan¬ 
kungen  des  Pulses  bedient  er  sich  mit  bestem  Erfolg  grosser  Koch¬ 


salzinfusionen.  Zum  Schlüsse  betont  v.  E.  noch  die  Notwendigkeit 
einer  frühzeitigen  Diagnose  zur  Erzielung  von  Dauerheilungen. 

In  der  Diskussion  berichtet  Verhoogen  -  Brüssel  von  27 
Nephrektomien  bei  malignen  Geschwülsten;  die  Mortalität  betrug 
11  Proz.  Er  bedient  sich  mit  Vorliebe  des  L  u  y  s  sehen  Separators. 
V.  beobachtete  einen  Fall,  der  niemals  Blut  im  Harn  hatte;  die  Sektion 
ergab  ein  grosses  Hypernephrom.  Es  folgen  verschiedene  inte¬ 
ressante  Krankengeschichten. 

Barth -Danzig  hat  bei  seinen  wegen  Tumor  Nephrektomierten 
viele  letale  Rezidive  gesehen.  Aus  dem  mikroskopischen  Bau  der 
Grawitzturnoren  lässt  sich  kein  Schluss  auf  die  Gut-  oder  Bösartigkeit 
ziehen.  Hypernephrome  mit  ganz  regelmässigem  Bau  können  malign 
werden.  B.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  sämtliche  Grawitzturnoren 
als  bösartig  angesehen  werden  müssen.  Aussichtslos  ist  die  Operation 
bei  eingetretenen  typischen  Neuralgien,  da  sicher  die  Kapsel  bereits 
durchbrochen  ist.  Mit  den  funktionellen  Methoden,  besonders  der 
Phloridzinmethode  war  B.  stets  recht  zufrieden. 

S  t  ö  r  k  -  Wien  hat  in  mehreren  Fällen  ein  multizentrisches 
Entstehen  der  Tumoren,  besonders  der  Hypernephrome  gesehen  und 
hält  deshalb  Keilexzisionen  nicht  für  angezeigt.  Für  die  leicht  ein¬ 
tretende  Malignität  der  scheinbar  gutartigen  abgegrenzten  Grawitz- 
tumoren  führt  St.  an,  dass  bei  genauer  Durchsicht  von  zahlreichen 
Schnitten  oft  Stellen  von  Gefässein-bruch  der  Tumormassen  ge¬ 
funden  werden. 

P  reindlsberg  er  -  Serajevo  hat  eine  grössere  Statistik  zu¬ 
sammengestellt  und  zeigt  mehrere  interessante  Fälle. 

Stein-  Stuttgart  hat  alle  Patienten,  welche  wegen  Nieren¬ 
tumors  operiert  wurden,  an  Metastasen  nach  längerer*  oder  kürzerer 
Zeit  verloren. 

Löwenhardt  - Breslau  zeigt  einen  Fall  von  diagnostizierter, 
bohnengrosser  Nierengeschwulst  (Peritheliom).  Er  spricht  den 
Wunsch  aus,  es  möge  zu  einer  solchen  Verfeinerung  der  Diagnostik 
kommen,  dass  die  Freilegung  der  2.  Niere  unnötig  wird. 

Ca  s  p  a  r -Berlin:  Wenn  es  möglich  ist,  mittels  Röntgenauf¬ 
nahme  normale  Nierenkonturen  zu  sehen,  so  ist  es  nicht  konsequent, 
unter  allen  Umständen  die  Freilegung  der  2.  Niere  vorzunehmen.  C. 
berichtet  von  seinen  letzten  2  Fällen,  bei  denen  ihm  Kryoskopie, 
Stickstoffbestimmung  und  Phloridzinprobe  vorzügliche  Resultate  ge¬ 
geben  haben. 

Allerdings  gibt  es  Fälle,  bei  denen  die  Werte  bei  der  Funktions¬ 
prüfung  der  Niere  gleich  sind,  nämlich  dann,  wenn  der  Tumor  die  Niere 
bloss  zusammendrückt,  ohne  das  Parenchym  zu  vernichten;  in  diesen 
Fällen  ist  die  Freilegung  von  Wert. 

Th.  Cohn-  Königsberg:  Aus  der  Verbesserung  der  chirurgischen 
Resultate  durch  die  Anwendung  der  Kryoskopie  darf  nicht  geschlossen 
werden,  dass  der  osmotische  Druck  irgend  eine  klinisch  hervor¬ 
tretende  Rolle  in  der  Nierentätigkeit  spielt.  Die  Forschung  muss  er¬ 
gründen,  worauf  diese  Brauchbarkeit  der  Methoden  in  den  einzelnen 
Fällen  zurückzuführen  ist. 

Kapsammer  -  Wien  vertritt  ebenfalls  den  Standpunkt  der  Frei¬ 
legung  der  Nieren,  wenn  die  funktionelle  Prüfung  zu  keinem  befrie¬ 
digendem  Resultate  führt. 

Gottstein  gibt  aus  der  Breslauer  Klinik  einen  grösseren 
Bericht  über  die  seit  1891  beobachteten  und  operierten  Nierentumoren. 

K  ü  m  m  e  1 1 -  Hamburg  hält  es  bei  einer  einzigen  Nierenblutung 
ohne  Nebensymptome  nicht  für  möglich,  die  Differentialdiagnose 
zwischen  Tumor  und  Schrumpfniere  zu  stellen;  das  richtige  ist  in 
diesen  Fällen,  die  Niere  freizulegen  und  dann  entweder  die  Dekapsu- 
lation  oder  die  Exstirpation  der  Niere  anzuschliessen.  Auch  K.  bedient 
sich  der  Kochsalzinfusion  in  ausgedehntem  Masse;  er  ging  bis  zu  4  bis 
6  Liter  im  Tage. 

R  i  n  g  1  e  b  -  Berlin  spricht  über  die  Vorzüge  der  Sitz-  und  Bauch¬ 
lage  bei  der  Untersuchung  der  Geschwülste. 

Das  II.  Referat  über  die  Diagnostik  und  Therapie  der  Nephro- 
lithiasis  hatte  Kümmell  -  Hamburg  übernommen. 

Praktisch  lässt  sich  die  Einteilung  der  Steine  in  aseptische  und 
infizierte  machen.  Erstere  können  lange  Zeit  symptomlos  bleiben; 
erst  wenn  der  Stein  zu  wandern  beginnt,  setzen  die  Symptome  ein. 
Oder  aber  es  tritt  ein  Infektionsprozess  dazu;  dann  ist  das  Hauptbild 
die  Pyelonephritis,  doch  kann  auch  die  Entzündung  das  Primäre  sein. 

Was  die  Symptomatologie  anlangt,  so  ist  die  gewöhnliche  Trias, 
Blutung,  Schmerz  und  Abgang  von  Steinen,  nur  in  den  allerseltensten 
Fällen  vollständig  in  ihrer  Dreizahl  zu  finden.  Der  Schmerz  tritt  in 
verschiedenen  Formen  auf,  je  nachdem  der  Stein  beweglich  ist  oder 
nicht,  aseptisch  oder  infiziert.  Grössere  aseptische  Steine  brauchen 
gar  keine  Symptome  zu  machen;  doch  tritt  oft  dumpfer  Schmerz,  oder 
kontinuierlicher,  die  Kranken  sehr  peinigender  Schmerz  auf.  Kleinere 
Steine  veranlassen  Nierenkoliken.  Die  Schmerzen  strahlen  dabei  nach 
der  Blase,  den  Hoden,  den  Schenkeln,  Magen  und  anderen  Unterleibs¬ 
organen  aus.  Temperatur  und  Atmung  steigen,  kalter  Schweiss  bricht 
aus;  im  Urin  findet  sich  Blut.  Schmerzen  kommen  jedoch  bei  venöser 
Kongestion  oder  bei  einem  beliebigen  Abflusshindernis  auch  zur  Be¬ 
obachtung.  Die  Blutung  ist  eines  der  wichtigsten  diagnostischen  Mo¬ 
mente,  das  selten  im  Stiche  lässt.  Ueber  die  Frage,  woher  das  Blut 
kommt,  kann  uns  das  Zystoskop  aufklären;  Gerinnsel,  die  aus  dem 
einen  Harnleiter  hängen,  werden  viel  zur  Diagnose  beitragen.  — 
Steinabgang  beweist  nichts  als  das  Vorkommen  von  Konkrementen 


2208 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


innerhalb  des  Harnapparates.  K.  verhält  sich  der  reflektorischen 
Anurie  skeptisch  gegenüber;  er  selbst  konnte  niemals  eine  solche  be¬ 
obachten.  Bei  den  Fällen,  die  zur  Sektion  kamen  oder  operativ  frei¬ 
gelegt  wurden,  war  immer  eine  schwere  Degeneration  der  anderen 
Niere  nachweisbar. 

Die  Radiographie  füllt  bei  der  Unsicherheit  der  obigen  Zeichen 
eine  Lücke  aus.  Fast  ausnahmslos  können  jetzt  alle  Steine,  auch  die 
kleinsten,  nachgewiesen  werden;  weder  die  Fettleibigkeit  des  Patien¬ 
ten,  noch  die  chemische  Zusammensetzung  der  Steine  ist  heute  ein 
Hindernis.  K.  zeigt  eine  grosse  Reihe  von  vorzüglichen  Diagrammen. 
Wichtig  ist  natürlich  die  Deutung  der  Bilder.  Zur  funktionellen 
Nierendiagnostik  wendet  K.  alle  Verfahren  an  und  zwar  mit  Hilfe  des 
Ureterenkatheters.  Besonderen  Wert  legt  er  auf  die  Kryoskopie  des 
Blutes,  die  ihm  sehr  gute  Resultate  gibt.  Die  Verschiedenheit  der 
Ansicht  der  Autoren  beruht  auf  der  Verschiedenheit  der  Technik. 

Die  Indikationsstellung  für  die  Operation  ist  wichtig.  Ruhende 
aseptische  Steine,  ohne  besondere  Schmerzen  und  Blutung,  oder  solche 
mit  langen  Ruhepausen  nach  dem  Anfalle  können  sich  bei  entsprechen¬ 
der  Diät  und  Mineralwasserkuren  ganz  wohl  befinden.  Wiederholen 
sich  jedoch  die  Anfälle,  treten  grosse  Blutungen  ein,  dann  sollte  mit 
der  Operation  nicht  gezögert  werden;  der  Stein  schädigt  das  Nieren¬ 
gewebe  und  kann  den  Verschluss  des  Ureters  bewirken.  Zeigt  das 
Röntgenbild  ein  erbsengrosses  oder  wetzsteinförmiges  Konkrement, 
so  lässt  sich  ein  eventueller  Abgang  des  Steines  erwarten.  Bei  in¬ 
fizierten  Steinen  ist  jedoch  die  Operation  angezeigt;  eine  Spon¬ 
tanheilung  wird  nie  eintreten.  Blutungen  von  grosser  Intensität 
fordern  ebenfalls  die  Operation.  Bei  durch  Steineinklemmung  be¬ 
dingter  Anurie  versuche  man  es  zuerst  mit  reichlichem  Trinken,  leich¬ 
tem  Massieren,  Glyzerin,  vorsichtigem  Einspritzen  von  Oel  in  den 
Ureter.  Jedoch  ist  keine  zu  grosse  Zeit  damit  zu  verlieren,  da  die 
Aussicht  auf  Heilung  eine  um  so  grössere  ist,  je  früher  wir  die  Opera¬ 
tion  ausführen. 

Von  90  an  Nierenstein  Operierten  starben  3  =  3,3  Proz.,  und  zwar 
bei  46  aseptischen  Steinen  0,  bei  44  infizierten  3.  8  mal,  und  zwar 
bei  infizierten  Steinnieren,  musste  die  sekundäre  Nephrektomie  an¬ 
geschlossen  werden.  Bei  der  Operation  der  Steine  wurde  1  mal  die 
Pyelotomie  gemacht.  Die  geeignetste  Methode,  um  alle  Steine  zu  finden, 
ist  nach  Kümmells  Ansicht  die  Nephrotomie,  der  Sektions¬ 
schnitt.  Einstechen  einer  Nadel  oder  Abtasten  des  uneröffneten 
Nierenbeckens  sind  zu  verwerfen.  Der  Blutstillung  soll  besondere 
Sorgfalt  zugewendet  werden;  zur  Nierennaht  dienen  tiefgreifende  Kat- 
gutnähte. 

K  i  e  n  b  ö  c  k  -  Wien  spricht  über  die  Diagnose  der  Nierensteine 
mittels  der  Röntgenstrahlen.  Eine  sehr  gute  Aufnahme  muss  nicht 
nur  die  Konkremente,  sondern  auch  die  deutlichen  Nierenkonturen 
zeigen.  Die  Steine  selbst  werden  bei  der  heutigen  Technik  alle  bis 
auf  2  Proz.  nachgewiesen;  dies  sind  gewöhnlich  kleine,  reine  Urat¬ 
steine.  Zur  Darstellung  des  Nierenbeckens  und  des  Ureters  bedient 
man  sich  der  Völker  sehen  Methode  (mit  Kollargol).  Wenn  der 
Steinschatten  sich  mit  der  Wirbelsäule  deckt,  lässt  dies  gewöhnlich 
auf  eine  Hufeisenniere  schliessen.  Die  Diagnose  auf  Komplikation  mit 
Hydronephrose  stellt  man,  wenn  der  Steinschatten  auf  einem  gleich- 
massigen  I one  (Flüssigkeit)  erscheint;  ebenso,  wenn  bei  wiederholten 
Aufnahmen  immer  wieder  andere  Lagen  des  Steines  (wegen  des 
schlaffen  Sackes)  sich  zeigen.  Zu  Täuschungen  kann  der  Penis,  axial 
getroffen,  Anlass  geben,  der  als  runder,  in  der  Nähe  der  Blase  liegen¬ 
der  Schatten,  erscheint.  Ein  Schutz  des  Genitals  ist  mit  Bleidecken 
immer  zu  bewirken.  Eine  Wachstumsstörung  bei  Kindern  ist  bei  der 
gewöhnlichen  Belichtungsdauer  nicht  zu  befürchten. 

R  o  b  i  n  s  o  n  -  Wien  spricht  über  die  Bedeutung  der  bis  jetzt 
rätselhaften  sogen.  Beckenflecken  in  der  Nähe  des  Ureters  am  hori¬ 
zontalen  Schambeinast  und  an  der  Spina  ossis  ischii.  Entgegen 
anderen  Erklärungen  hält  er  sie  für  kleine  Bursolithen. 

Holzknecht  -  Wien  zeigt  wohl  die  kleinsten  (hanfkorn¬ 
grossen)  bis  jetzt  auf  der  Platte  dargestellten  Konkremente,  dann 
eine  Reihe  von  Steintypen.  Zur  besseren  Kontrastwirkung  bedient 
er  sich  sogen.  Doppelaufnahmen  (auf  2  Platten  übereinander).  Er 
führt  die  Robinsonsche  Druckblende  vor,  die  sich  vorzüglich  den 
Körperformen  anpasst.  —  Schliesslich  berichtet  er  von  interessanten 
Versuchen  über  respiratorische  Verschiebung  der  Nierensteine  und  der 
sie  umschliessenden  Niere,  welche  beweisen,  dass  diese  Verschiebung 
bei  Rückenlage  mit  leichtem  elastischen  Druck  am  grössten,  beim 
Stehen  jedoch  am  kleinsten  ist. 

In  der  Diskussion  berichtet  Brongersma- Amsterdam 
über  seine  Operationsresultate;  seinen  skeptischen  Standpunkt  gegen¬ 
über  der  Röntgendiagnose  gibt  er  auf,  fordert  aber  auch  eine  Radio¬ 
graphie  der  anderen  Niere. 

Nicol  ich-Triest  zeigt  eine  Reihe  sehr  schöner,  durch  Opera¬ 
tion  gewonnener  Präparate  und  guter  Diagramme. 

R  a  p  o  p  o  r  t  -  Krakau  löste  einen  in  der  Blase  eingeklemmten 
Hai  nleiterstein  bei  einem  Patienten,  der  die  Operation  verweigerte, 
mit  einem  verschiebbaren,  beweglichen  Löffelchen. 

Löwenhardt  -  Breslau  hält  auch  die  Blutkryoskopie  für  eine 
überaus  brauchbare  Methode.  Bei  Anurie  infolge  von  Steineinklem¬ 
mung  gelang  es  ihm  in  2  von  4  Fällen  durch  Ureterenkatheterismus 
den  Stein  zu  mobilisieren. 

H  öhn -Radein  hat  in  einem  Falle  durch  Trinkkuren,  Kohlen¬ 
säurebäder  und  geeignete  Diät  nach  und  nach  über  1000  Steine  ab¬ 
gehen  sehen. 


Adler-  Wien  spricht  über  die  Theorien  der  Steinbildung.  Steine 
kommen  häufig  vor  bei  Personen  mit  Stigmatis;  in  allen  seinen  Fällen 
hatte  früher  Enuresis  bestanden;  auch  Erkrankungen  der  Nieren 
Hessen  sich  nachweisen. 

v.  No  orden -Wien  hält  Kümmells  Standpunkt  für  allzu 
chirurgisch;  er  frägt  an,  wie  oft  Rezidive  nach  Nierensteinoperationen 
auftreten. 

A.  Lewin -Berlin  berichtet  über  einen  Fall  von  kolossalem 
Nierenstein  ohne  besondere  Schmerzen.  Auch  er  gebraucht  gerne 
Doppelplatten  zur  Röntgenphotographie. 

Schul  theiss  hält  den  Nachweis  der  Steine  durch  Röntgen¬ 
strahlen  von  Vorteil,  da  die  Patienten  sich  viel  lieber  operieren  lassen, 
wenn  sie  den  Stein  sehen.  Was  die  Rezidivfähigkeit  der  Steine  an¬ 
langt,  so  hat  er  drei  Rezidive  gehabt,  die  immer  Phosphatsteine  be¬ 
trafen. 

Ca  s  p  e  r  -  Berlin  hat  früher  einmal  einen  Ureterstein,  der  auf 
der  Platte  ein  scharfes  Bild  gab,  operiert;  nach  der  Operation  er¬ 
neute  Röntgenaufnahme;  derselbe  Schatten  ist  wieder  zu  sehen;  wahr¬ 
scheinlich  handelt  es  sich  um  einen  solchen  „Bursolithen“  (R  o  b  i  n  - 
s  o  n.) 

F.  Cohn-  Königsberg  betont,  dass  seine  Resultate,  welche  von 
denen  des  Herrn  K  ü  m  m  e  1 1  abweichen,  nicht  auf  Fehler  in  seiner 
Methode  zurückzuführen  seien;  denn  seine  Arbeitsweise  ist  von  dem 
Physikchemiker  Ab  egg  für  durchaus  exakt  erklärt  worden.  Ohne 
an  der  Tatsache  der  Uebereinstimmung  zwischen  den  Untersuchungs¬ 
befunden  und  den  Operationsresultaten  eines  so  erfahrenen  Chirurgen 
wie  Kümmell  auch  nur  im  geringsten  zu  zweifeln,  bleibt  C.  auf 
seiner  bereits  erwähnten  Bewertung  der  Kryoskopie. 

K  ii  m  m  e  1 1-  Hamburg  erwidert  zum  Schluss,  dass  er  bei  asep¬ 
tischen  Steinen  bei  geeigneter  Diät  niemals  ein  Rezidiv  gesehen  hat; 
dagegen  bleibt  bei  infizierten  Fällen  die  Quelle  der  Steinbildung  be¬ 
stehen;  hier  ist  man  ab  und  zu  genötigt,  die  Niere  wegen  Rezidive 
ganz  zu  entfernen. 

Wegen  Kürze  der  Zeit  verzichten  O.  Zuckerkandl  -  Wien 
und  C  a  s  p  e  r  -  Berlin  auf  ihre  Ausführungen. 

Ueber  das  Thema  „die  Albuminurie“  spricht  v.  Noorden  -Wien. 

Die  Albuminurie  kann  eine  dauernde  oder  intermittierende  sein. 
Es  gibt  eine  Albuminurie,  welche  tagsüber  nach  Nahrungsaufnahme 
manchmal  zu  beobachten  ist;  sie  gibt  eine  zweifellos  günstige  Pro¬ 
gnose;  ebenso  die  gewöhnliche  Pubertätsalbuminurie,  wie  sie  bei  Bleich¬ 
sucht  etc.  auftritt  und  ebenfalls  intermittierenden  Charakter  zeigt. 
Die  Intermittenz  ist  jedoch  nicht  allgemein  als  absolut  günstiges 
Zeichen  anzusehen;  sie  schliesst  eine  Nephritis  nicht  aus;  denn  die 
Schrumpfnierenalbuminurie  ist  ausgesprochen  intermittierend,  be¬ 
sonders  im  Anfang,  v.  N.  weist  hier  auf  die  Beziehungen  zwischen 
Nephrolithiasis  und  Schrumpfniere  hin.  Die  Albuminurie  im  Gefolge 
von  Nierensteinkrankheit  ist  meist  das  erste  Signal  der  Nieren¬ 
schrumpfung. 

Das  Auffinden  von  Zylindern  wird  bedeutend  überschätzt; 
die  Zentrifuge  zeigt,  dass  bei  gutartigen  Albuminurien  ebenfalls 
Zylinder  auftreten  können;  die  Anlegung  von  Leukozyten,  ija  Erythro¬ 
zyten  ist  nicht  selten.  Grobgranulierte  und  wachsartige  Zylinder 
wird  man  allerdings  nur  bei  zweifelloser  Nephritis  sehen.  Anderer¬ 
seits  wird  Albuminurie  als  harmlos  angesprochen,  wenn  keine  Zy¬ 
linder  zu  finden  sind.  Hier  ist  zu  bedenken,  dass  diese  Gebilde  sehr 
vergänglich  sind,  nach  2  Stunden  schon  verschwinden  können.  Die 
Abwesenheit  der  Zylinder  schliesslich  ist  kein  Grund,  eine  harmlose 
Albuminurie  anzunehmen;  es  kann  trotzdem  eine  progressive  Nieren¬ 
erkrankung  bestehen. 

Grössere  Bedeutung  kommt  dem  Verhalten  des  Gefäss- 
systems  zu.  Hauptsache  ist,  die  Schrumpfniere  bei  einer  Albu¬ 
minurie  auszuschliessen.  Wir  wissen,  dass  sie  schon  frühzeitig  mit 
Drucksteigerung  im  Gefässystem  und  ihren  Folgen  einhergeht;  es 
gibt  zwar  auch  hier  Intervalle;  aber  bei  immer  erneuter  Untersuchung 
wird  man  diese  Veränderungen  entdecken;  sie  fehlen  bei  der  harm¬ 
losen  Albuminurie. 

Beschränktes  Gewicht  ist  auf  die  funktionelle'  Dia¬ 
gnostik  der  Nieren  zu  legen.  Bei  den  gutartigen  Albuminurien 
bekommt  man  gute  Resultate;  aber  auch  bei  der  Schrumpfniere  ist 
dies  der  Fall.  Dagegen  ist  schlechter  Ausfall  der  Probe  als  böses 
Zeichen  aufzufassen. 

Ein  weiteres  Kriterium  ist  die  klinische  Erfahrung.  Zu  den 
harmlosen  Albuminurien  gehört  1.  die  reine  und  typische 
orthostati  sehe  Albuminurie,  wie  sie  sich  bei  Kindern  vom 
7. — 15.  Lebensjahre  findet;  sie  kann  Monate  andauern,  selten  länger; 
in  der  Familie  finden  sich  meist  Degenerationsmerkmale  vor.  Doch 
ist  hier  längere  Beobachtung  wichtig,  da  sich  eine  fortschreitende 
Nierenerkrankung  unter  diesem  Bilde  verstecken  kann.  2.  Juve¬ 
nile  Albuminurien;  haben  insoferne  Aehnlichkeit  mit  den 
sub  1  angeführten,  als  sie  nur  bei  schwächlichen  Kindern  Vorkommen; 
sie  zeigen  keine  Neigung  zu  fortschreitender  Erkrankung;  geringe 
Dilatation  des  Herzens  ist  häufig;  auch  hier  familiäre  Anomalien. 
Unterscheidung  von  1:  Bettruhe  bringt  keine  Aenderung.  Das 
Albuinen  bleibt  gewöhnlich  an  der  Grenze  der  quantitativen  Be¬ 
stimmbarkeit.  Auch  tritt  oft  eine  Verwechslung  mit  vorgetäuschter 
Albuminurie  auf,  wie  sie  bei  Beimischung  von  Prostatasekret  sich 
findet.  Nebenbei  erwähnt  v.  N.  noch  die  Albuminurie  nach  grossen 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2209 


Anstrengungen;  er  warnt  vor  allzugrossen  sportlichen  Uebungen 
wegen  der  Gefahr  für  die  Nieren.  3.  Fälle,  in  denen  nach 
einer  Nephritis  noch  Eiweissabscheidung  auftritt. 
Herz  und  Gefässystem  sind  normal.  Albuminurie  in  der  Ruhe  etwas 
weniger  als  bei  körperlicher  Bewegung.  Diese  Fälle  sind  als  günstig 
anzusehen,  wenn  sich  auch  in  der  Folgezeit  nichts  an  dem  Gefäss- 
apparat  zeigt,  v.  N.  hat  verschiedene  Fälle,  die  Jahrzehnte  lang 
Albuminurie  haben  und  sich  dabei  einer  vortrefflichen  Gesundheit  er¬ 
freuen.  Hier  könnte  leicht  eine  Verwechslung  mit  Nierenschrumpfung 
Vorkommen;  aber  letztere  Erkrankung  müsste  progressiv  sein. 
Natürlich  kann  nur  sehr  lange  Beobachtung  dies  sagen.  Das  grösste 
Unglück  ist  es,  wenn  diese  harmlose  Albuminurie  zufällig  entdeckt 
und  dann  mit  beklagenswertem  Schematismus  behandelt  wird. 
4.  P  r  ä  t  u  ib  e  r  k  u  1  ö  s  e  Albuminurien  in  den  allerersten 
Stadien  einer  Tuberkulose.  Man  findet  Albumen  und  einige  rote  Blut¬ 
zellen.  Später  kann  ja  eine  Nephritis  eintreten;  viel  häufiger  aber 
verschwindet  die  Albuminurie  wieder  und  es  zeigt  sich,  dass  sie  harm¬ 
los  war.  Es  handelt  sich  wahrscheinlich  um  eine  toxische  Albuminu¬ 
rie;  durch  Selbstimmunisierung  hört  die  Toxinwirkung  auf.  5.  A  1 - 
buminurie  bei  Stoffwechselkrankheiten,  vorzüglich 
bei  Diabetes  mellitus.  Zwar  oft  entwickelt  sich  eine  Schrumpfniere; 
aber  auch  Albumenausscheidungen  kommen  vor,  die  keine  fort¬ 
schreitende  Nierenerkrankung  darstellen.  Diese  Albuminurie  kann 
durch  strenge  Diabetikerdiät  geheilt  werden.  Eine  Beziehung  zur 
Azidosis  besteht  nicht.  6.  Die  bei  Altersnephr-itiden  er¬ 
scheinende  Albuminurie.  In  vielen  Fällen  bedeutet  sie 
nur  einen  Abnutzungsvorgang,  ohne  dass  sich  eine  Sch  rümpf niere 
entwickelt;  sie  ist  ein  Alterssymptom;  für  den  alternden  Körper  reicht 
die  Funktion  der  Niere  vollständig  aus. 

v.  N.  zieht  die  Grenzen  der  harmlosen  Albuminurie  weiter,  als 
dies  gewöhnlich  getan  wird;  feste  Grenzen  jedoch  zwischen  harm¬ 
losen  und  nicht  harmlosen  gibt  es  nicht;  hier  muss  die  persönliche 
Erfahrung  helfend  einsetzen.  Die  übliche  Behandlung  dieser  Albumi¬ 
nurien  scheint  v.  N.  nicht  die  richtige  zu  sein.  Es  herrscht  ein  zu 
grosser  Schematismus;  weisses  und  schwarzes  Fleisch,  Milchdiät, 
Trinkkuren,  Wüstenklima  etc.  sind  die  Schlagworte,  die  man  allent¬ 
halben  hört.  Besonders  häufig  sind  die  Missgriffe  bei  der  juvenilen 
Albuminurie.  Bei  strenger  Diät,  wie  bei  gewöhnlicher  Lebensweise 
bleibt  das  Eiweiss  konstant.  Durch  die  lange  Diät  jedoch  werden 
mannigfache  Schädigungen  für  den  Körper  hervorgerufen  (Muskel¬ 
schlaffheit  u.  a.  m.).  Auch  eine  ungünstige  Beeinflussung  der  Psyche 
tritt  ein.  Kräftige  Nahrung  ist  in  solchen  Fällen  sofort  zu 
geben,  sowie  eine  Stählung  der  Muskulatur  durch  systematische 
Uebungstherapie  und  abhärtende  Badeprozeduren  anzustreben.  Was 
die  Altersalbuminurien  anbetrifft,  die  auf  Veränderungen  der  Nieren- 
gefässe  beruhen,  so  wendet  sich  v.  N.  gegen  die  hier  häufig  ange¬ 
wandten  Jodpräparate,  die  im  Verein  mit  der  geänderten  Nahrung 
(Milch!)  den  Appetit  völlig  ruinieren.  Durch  diese  Therapie  scheiden 
die  Patienten  vielleicht  weniger  Eiweiss  aus,  kommen  jedoch  völlig 
herunter.  Hier  ist  keine  durchgreifende  Veränderung  der  Lebens¬ 
weise  am  Platze.  Grössere  Flüssigkeitsmengen  sind  eine  Gefahr  für 
das  Herz  (Erschöpfung).  Eine  flüssigkeitsarme,  fleischreiche  Nahrung 
(natürlich  mit  Auswahl!)  tut  die  besten  Dienste. 

Zum  Schluss  tritt  v.  N.  nochmals  dem  Pessimismus  bei  Albumin¬ 
urie,  der  schon  so  viel  Unglück  hervorgerufen  hat,  gegenüber. 

P  o  s  n  e  r  -  Berlin,  als  zweiter  Redner,  führt  aus:  Sowie  Eiweiss 
im  Urin  erscheint,  so  lenkt  sich  die  Vermutung  stets  zunächst  auf 
eine  doppelseitige  Erkrankung  der  Nieren.  Doch  muss  die  Albuminurie 
manchmal  als  einseitige  gedeutet  werden.  So  wissen  wir,  dass 
eine  starke  Betastung  der  Niere  Eiweiss  erzeugen  kann  (Meng  e). 
Mikroskopisch  sind  rote  Blutkörperchen  und  auch  hyaline  Zylinder 
zu  finden.  Die  renale  palpatorische  Albuminurie  tritt  nach  ein  paar 
Minuten  nach  der  manuellen  Untersuchung  auf,  und  verschwindet  in 
Kurzem  wieder.  Ausser  diesem  mechanischen  Reiz  sind  es  auch 
noch  chemische  und  toxische,  welche  eine  Niere  gesondert  betreffen 
können.  Nach  Entfernung  einer  kranken  Niere  kann  die  andere  ge¬ 
sunde  stark  geschädigt  werden.  Vor  allem  durch  Narkotika  und 
Antiseptika,  weswegen  wir  bei  Nierenoperationen  Chloroform  und 
Sublimat  als  besonders  gefährlich  ausscheiden.  Dann  ist  noch  wahr¬ 
scheinlich,  dass  nach  Fortfall  des  einen  Nierenfilters  die  Zellen  der 
anderen  Niere  unter  dem  plötzlichen  Uebermass  ihrer  Arbeit  leiden. 
Aber  auch  vom  Organ  selbst  ausgehendes  Gift  schädigt  das 
Schwesterorgan;  bei  primärer  Nierentuberkulose  kommt  es  oft  vor, 
dass  der  Harn  der  gesunden  Seite  Albumen  führt;  geringe  Mengen 
werden  jedoch  von  der  Operation  nicht  abhalten;  diese  toxische 
Albuminurie  geht  wieder  zurück.  Schliesslich  bedingt  der  Zerfall  des 
Nierengewebes  selbst  auch  Intoxikation  durch  die  sogen.  Nephro- 
lysine.  Nach  verschiedenen  Autoren  sollen  einseitige  Nierenerkran¬ 
kungen  von  wirklicher  parenchymatöser  Nephritis  Vorkommen. 

Asch-  Strassburg  berichtet  über  einschlägige  Versuche. 

Schur- Wien  glaubt,  dass  es  sich  bei  der  Pubertätsalbuminurie 
um  eine  leichte  Form  der  Schrumpfniere  handelt. 

C  a  s  p  e  r  -  Berlin  nimmt  ebenfalls  Stellung  gegen  die  „Ueber- 
therapie“  bei  Albuminurie.  Von  dem  einseitigen  Auftreten  einer 
veritablen  Nephritis  konnte  er  sich  bei  seinen  ausgedehnten  Unter¬ 
suchungen  niemals  überzeugen. 

Frank-  Berlin  berichtet  über  einen  selteneren  Fall  von  lange 
andauernder  gutartiger  Albuminurie. 


N  e  c  k  e  r  -  Wien  gibt  2  Methoden  an,  die  eine  Unterscheidung 
schwerer  vesikaler  und  renaler  Pyurien  gestattet.  Die  eine  ist  die 
Sedimentfärbung  mit  l;proz.  Alizarin-sulfonsaurem  Natrium,  die 
andere  beruht  auf  quantitativer,  vor  und  nach  exakter  Blasenspülung 
ausgeführter  Eiweissbestimmung. 

Kapsammer  - Wien  hält  es  für  ratsam  bei  der  Frage  der  ein¬ 
seitigen  Nephritis,  sich  hauptsächlich  auf  das  anatomische  Bild  zu 
verlassen. 

Off  er- Wien  hat  bei  seinen  Untersuchungen  weder  einen 
grösseren  Stickstoff-  noch  Extraktivstoffunterschied  bei  weissem  und 
schwarzem  Fleisch  gefunden. 

ln  die  Diskussion  treten  noch  kurz  ein  Hock-  Prag  und 
v.  Schrötter  -  Wien. 

In  den  Morgenstunden  der  Sitzungstage  führte  vor  einer  grossen 
Anzahl  von  Kongressteilnehmern  auf  der  I.  chirurgischen  Klinik  der 
Meister  der  Chirurgie  v.  Eiseisberg  mit  bekannter  Ruhe  eine 
schwierigere  Magenoperation,  O.  Zuckerkand!  am  Rothschild¬ 
spital  mit  grosser  Gewandtheit  und  Sicherheit  die  Enukleation  einer 
hypertrophischen  Prostata  aus.  Die  Abteilung  v.  Frisch  der  all¬ 
gemeinen  Poliklinik  und  die  II.  chirurgische  Klinik  (Hochenegg) 
wurden  eingehend  besichtigt. 

L  u  y  s  -  Paris  zeigte  bei  mehreren  weiblichen  Patienten  seine 
Cystoskopie  ä  Vision  directe  und  katheterisierte  durch  den  einfachen 
Tubus  hindurch  die  Ureteren. 

Von  neueren  urologischen  Instrumenten  wurde  eine  grosse  An¬ 
zahl  demonstriert,  so  von  J  o  o  s  s  -  München  ein  recht  brauchbarer 
Apparat  zur  Selbstmassage  der  Prostata,  von  E.  Frank -Berlin 
Zystoskope,  die  durch  Einsetzen  eines  weiteren  Prismas  aufrechte 
Bilder  zeigen  und  durch  eine  Aenderung  am  optischen  Apparat  ein 
grösseres  und  helleres  Gesichtsfeld  geben  u.  a.  m. 

Die  Nachmittage  der  Sitzungstage  waren  durch  eine  fast  über¬ 
grosse  Anzahl  von  Vorträgen  ausgefüllt.  Es  geht  über  den  Rahmen 
unserer  Wochenschrift  hinaus,  sie  alle,  auch  nur  in  kurzem  Auszug, 
zu  geben.  Wir  behalten  uns  vor,  über  die  praktisch  wichtigen 
Themen  in  einem  Uebersichtsreferate  zu  berichten. 

Der  nächste  Kongress  wird  Frühjahr  1909  in  Berlin  stattfinden. 
Als  Vorsitzende  wurden  gewählt:  Prof.  P  o  s  n  e  r  -  Berlin  und  Prof. 
0.  Zuckerkandl  - Wien. 


79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  D  r  e  s  d  e  n  am  14.  und  15.  September  1907. 

V. 

Abteilung  für  Kinderheilkunde. 

Sitzung  am  17.  September  190  7. 

Vorsitzender :  Herr  Feer-  Heidelberg. 

Herr  S  c  h  1  o  s  s  m  a  n  n  -  Düsseldorf  demonstriert  an  der  Hand 
von  Plänen  die  Einrichtungen  der  Kinderklinik  in  Düsseldorf. 

In  der  Diskussion  bespricht  E  s  c  h  e  r  i  c  h  -  Wien  die  von 
ihm  geschaffene  Einrichtung  der  Brutzellen. 

Herr  N  e  u  m  a  n  n  -  Berlin:  Einfluss  des  Geburtsmonats  auf  die 
Lebensaussicht  im  ersten  Lebensjahr. 

Die  Lebensaussicht  für  das  erste  Lebensjahr  unterliegt  nach  dem 
Geburtsmonat  gewissen  Schwankungen.  Unter  den  einzelnen  Todes¬ 
ursachen  zeigen  sich  als  wichtigster  Faktor  die  Darmkrankheiten. 
Eine  geringere  Bedeutung  haben  die  tödlichen  Erkrankungen  der 
Luftwege.  Von  dem  Rest  der  Todesfälle  fällt  ein  erheblicher  Teil  auf 
die  angeborene  Lebensschwäche.  Ein  Rest  der  Todesfälle  wird  zum 
Teil  durch  die  Rachitis  und  die  tetanoide  Uebererregbarkeit  direkt 
oder  indirekt  beeinflusst.  Die  nach  den  Geburtsmonaten  wechselnde 
Lebensaussicht  steht  wesentlich  unter  dem  Einfluss  der  künstlichen 
Ernährung. 

In  der  Diskussion  teilt  Brüning-  Rostock  ähnliche  Er¬ 
gebnisse  mit,  die  er  an  Rostodker  Säuglingen  in  einem  Jahre  festge¬ 
stellt  hat. 

Herr  B  u  1 1  e  r  m  i  1  c  h  -  Berlin:  Puls,  Blutdruck  und  Temperatur 
bei  gesunden  und  kranken  Säuglingen. 

Mitteilungen  von  Einzelbeobachtungen. 

In  der  Diskussion  warnt  Soltmann  - Lepzig  vor  der  Ver¬ 
allgemeinerung  von  Schlüssen. 

Herr  Ritter-  Berlin :  Das  Säuglingskrankenhaus  Gross-Berlin 
nach  zweijährigem  Bestehen. 

Mitteilung  der  Einrichtung  und  Erfolge. 

Herr  L  e  i  n  e  r  -  Wien;  Eigenartige  universelle  Dermatose  bei 
Brustkindern.  « 

Mitteilung  von  43  Fällen  einer  eigentümlichen  Dermatose,  die 
gewöhnlich  am  Ende  des  ersten  oder  im  zweiten  Lebensmonat  mit 
erythematösen  Flecken  am  Stamme  oder  seborrhoischen  Verände¬ 
rungen  auf  dem  Kopfe  beginnt,  sich  innerhalb  weniger  Tage  über 
den  ganzen  Körner  ausbreitet.  Die  Kopfhaut  ist  auf  der  Höhe  der  Er¬ 
krankung  mit  Schuppenkrusten  bedeckt.  Gesicht,  Stamm,  Extremi¬ 
täten  sind  intensiv  gerötet  und  mit  gelblich-weissen  Schuppen¬ 
massen  bedeckt.  Die  darunterliegende  Haut  ist  nirgends  stark  näs¬ 
send,  auch  nicht  erythematös  verändert.  Die  übrigen  Organe  zeigen 
normales  Verhalten,  nur  von  seiten  des  Magendarmtraktus  liegen 


2210 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Störungen  vor.  Die  Abheilung  nimmt  Wochen  und  Monate  in  An¬ 
spruch.  In  etwa  einem  Drittel  der  Fälle  endet  die  Krankheit  mit 
dem  Tode,  gewöhnlich  unter  Exazerbation  der  Erscheinungen  von 
seiten  des  Darmkanals.  Die  Sektion  ergibt  neben  der  Hautver¬ 
änderung  schlaffe  Degeneration  des  Herzmuskels,  fettige  Entartung 
der  Leber  und  katarrhalische  Schwellung  der  Darmschleimhaut. 
L  e  i  n  e  r  fasst  die  Dermatose  als  autotoxisches  Ekzem  auf  und  schlägt 
den  Namen  Erythrodermia  desquamativa  vor.  Die 
Therapie  ist  eine  kombinierte.  Sie  besteht  in  strengen  diätetischen 
Massnahmen  und  einer  milden  äusseren  Behandlung. 

An  der  Diskussion,  in  der  das  Krankheitsbild  anerkannt  und 
seine  Stellung  im  System  der  Hautkrankheiten  wie  die  Therapie 
besprochen  werden,  beteiligeji  sich  M  o  r  o  -  München,  Finkel- 
stein-  Berlin,  Soltmann  -  Leipzig,  Schlesinger  -  Strass¬ 
burg,  Moll-  Prag,  Langer-  Graz. 

Herr  H  o  c  h  s  i  n  g  e  r  -  Wien:  Tastbare  Kubital-  und  seitliche 
Thoraxlymphdrüsen  im  Säuglingsalter. 

Nach  den  Untersuchungen  Hochsingers  sind  bei  absolut 
normalen  Neugeborenen  und  jungen  Säuglingen  nirgends  peripherische 
Lymphdrüseti  zu  tasten.  Das  Tastbarwerden  solcher  weise  immer 
auf  Reizzustände  in  den  Wurzelgebieten  der  betreffenden  Drüsen¬ 
gruppen  hin.  B  a  e  r  s  Befunde  von  hirsekorn-  bis  traubenkern¬ 
grossen  axillaren  und  inguinalen  Lymphdrüsen  bei  normalen  Neuge¬ 
borenen  können  auf  Gefühlstäuschungen  beruhen.  Geringe  Beach¬ 
tung  hat  bis  jetzt  das  Verhalten  der  Lymphdrüsen  in  den  Kubital- 
und  seitlichen  Thoraxgegenden  bei  Säuglingen  gefunden. 
Nach  Heubners  und  des  Vortragenden  Untersuchungen  beruhen 
tastbare  Lymphknoten  in  der  Ellenbogenbeuge  bei  Säuglingen  fast 
aussschliesslich  auf  Lues.  Nach  Ansicht  des  Vortragenden  besteht 
hier  eine  Beziehung  zur  fast  niemals  fehlenden  Osteochondritis  am 
unteren  Humerusende.  In  der  Regel  findet  man  zwei  linsen-  bis 
erbsengrosse  Lymphknötchen  oberhalb  des  Epikondylus  internus,  sel¬ 
tener  ist  einer,  sehr  selten  sind  drei  Lymphknoten  abzutasten.  Das 
Tastbarwerden  seitlicher  Thoraxdrüsen  ist  bis  jetzt  bei  Säuglingen 
nicht  beschrieben  worden.  Vortragender  hat  bei  lungenkranken,  sel¬ 
tener  bei  luetischen,  dann  bei  Säuglingen,  welche  mit  Reizzuständen 
der  Brust-  und  Bauchhaut  behaftet  sind,  wiederholt  linsen-  bis  erbsen¬ 
grosse  Lymphknötchen  im  vierten  oder  fünften  Interkostalraume 
zwischen  vorderer  und  hinterer  Axillarlinie  gefunden.  Da  die  frag¬ 
lichen  Glandulae  pectorales  mit  den  intrathorakalen  Drüsen  kommuni¬ 
zieren  und  eine  Art  Vorschaltung  zwischen  den  letzteren  und  den 
Achseldrüsen  darstellen,  ist  das  Anschwellen  derselben  bei  entzünd¬ 
lichen  Veränderungen  innerhalb  der  Brusthöhle  erklärlich,  gleich¬ 
gültig,  ob  tastbare  Achseldrüsen  vorhanden  sind  oder  nicht.  Bei 
Fehlen  von  entzündlichen  Veränderungen  im  Bereiche  der  äusseren 
Haut  ist  demnach  das  Ta*stbarwerden  von  Pektoraldrüsen  mit  Sicher¬ 
heit  auf  das  Vorliegen  entzündlicher  Veränderungen  im  Bereiche  der 
Brusthöhle  (Bronchial-  und  Mediastinaldrüsenschwellung)  zu  be¬ 
ziehen. 

In  der  Diskussion  bestätigten  R  e  y  h  e  r  -  Berlin  und  Feer- 
Heidelberg  die  Befunde. 

Herr  B  r  ü  n  i  n  g  -  Rostodk:  Geschichte  der  Kindertrinkflasche 

(mit  Lichtbildern). 

Die  Geschichte  der  Kindertrinkflasche  ist  aufs  engste  verknüpft 
mit  der  Geschichte  der  künstlichen  Säuglingsernährung.  Letztere 
datiert  nicht,  wie  man  bisher  wohl  allgemein  annahm,  aus  dem  15. 
Jahrhundert,  sondern  ist  nach  kulturgeschichtlichen  und  archäologi¬ 
schen  Untersuchungen  bereits  im  Altertum  bei  den  Römern,  Griechen 
und  Aegyptern,  ia  sogar  vielleicht  schon  bei  den  Assyrern  vorbereitet 
gewesen.  Zur  Zeit  der  Griechen  und  Römer  bediente  man  sich  zur 
Nahrungsdarreichung  an  ganz  junge  Kinder  sogen.  „Gutti“,  d.  h.  ver¬ 
schiedenartiger  Gefässe,  aus  denen  der  Inhalt  tropfenweise  ausge¬ 
gossen  werden  konnte.  Unter  Hinweis  auf  bildliche  Darstellungen 
mehrerer  derartiger  Trinkgefässe  aus  Ton  und  Glas  schildert  Brü¬ 
ning  das  damals  geübte  Verfahren  der  Flaschenfütterung,  welches 
von  den  „Assae  nutrices“,  d.  h.  Trockenammen,  beruflich  ausgeübt 
wurde  und  weist  auf  die  zum  Teil  sehr  sinnreichen  Vorkehrungen 
einzelner  Flaschenmodelle  hin,  wie  sie  den  hygienischen  Anforde¬ 
rungen  gerecht  zu  werden  und  namentlich  die  Säuglingsnahrung  vor 
Verunreinigungen  zu  schützen  suchten.  Er  berichtet  des  weiteren 
unter  Demonstration  einschlägiger  Bilder  über  die  seit  dem  13.  Jahr¬ 
hundert  gebräuchlichen  „Saughörner“  als  Mittel  zur  künstlichen  Säug¬ 
lingsnährung.  über  die  im  15.,  16.  und  17.  Jahrhundert  üblichen 
hölzernen  „Zutschkännchen“  und  Saugflaschen,  sowie  über  die  im 
17..  18.  und  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  beliebten  Me¬ 
ta  11  flaschen  (Zinn,  Silber)  und  schildert  schliesslich  die  eigent¬ 
liche  gläserne  Säuglingstrinkflasche,  welche  im  Jahre  1769  von 
R  a  u  1  i  n  zum  ersten  Male  in  der  Literatur  erwähnt  wird,  in  ihrer 
allmählichen  Vervollkommnung  von  der  metallbeschlagenen,  vieifach 
mit  Malereien  und  Inschriften  gezierten  unvorteilhaften  „Liidal“  aus 
dem  Anfang  des  19.  Jahrhundert  bis  zur  modernen  Kindersaug¬ 
flasche.  Zum  Schlüsse  weist  der  Redner  daraufhin,  dass  auch  das 
Studium  eines  an  und  für  sich  so  unwichtigen  Gegenstandes,  wie 
sic  die  Kindertrinkflasche  doch  abgibt,  wohl  geeignet  ist.  interes¬ 
sante  Einblicke  in  die  Entwicklung  der  so  bedeutsamen  Frage  der 
Säuglingsernährung  zu  ermöglichen  und  betont,  dass  von  einer  ver¬ 
nünftigen  Methodik  der  Flaschenfütterung  erst  seit  der  jüngsten  Zeit 
gesprochen  werden  kann. 


Sitzung  am  18.  September  190  7. 

Vorsitzender :  Herr  Soltmann-  Leipzig. 

Herren  Trumpo  -  München  und  S  a  1  g  e  -  Göttingen :  Milch- 
küchcn  und  Säuglingsfürsorgestellen  im  Dienste  der  Säuglingsfürsorge. 

1.  Unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  sind  ärztlich  geleitete 
Beratungsstellen  und  Milchküchen,  zumal  eine  Vereinigung  beider, 
eine  unentbehrliche  Einrichtung  der  öffentlichen  Säuglingsfürsorge. 
—  2.  Ihr  Hauptwert  liegt  in  ihrem  erzieherischen  Einfluss.  Ihre 
Leistungen  sind  jeweilen  abhängig  vom  Verständnis  des  ortsJ 
ansässigen  Publikums  im  allgemeinen  und  von  der  Vorbildung  und 
Intelligenz  der  Frequentanten  im  besonderen.  —  3.  Ihre  geringe 
Zahl  und  ihr  kleiner  Wirkungskreis  lässt  nicht  erwarten,  dass  sie 
die  allgemeine  Säuglingssterblichkeit  nennenswert  herabsetzen 
können.  —  4.  Man  wird  sich  im  Kampfe  gegen  die  Säuglingssterb¬ 
lichkeit  künftig  nicht  mehr  damit  begnügen  dürfen,  die  üblen  Folgen 
von  Missständen  zu  mildern,  sondern  wird  sich  der  mühsamen 
Arbeit  unterziehen  müssen,  das  Uebel  an  der  Wurzel  zu  fassen 
und  vor  allem  das  Volk  durch  methodischen  Schulunterricht 
in  Hygiene,  speziell  auch  in  Kinder-  und  Säuglingshygiene,  allmäh¬ 
lich  zum  verständigen  Mitarbeiter  heranzubilden.  —  5.  Um  den  der 
Säuglingsfürsorge  dienenden  Anstalten  die  richtige  Stellung  dem 
Volke  gegenüber  zu  sichern,  müssen  sie  den  Charakter  sozialer 
Wohlfahrtseinrichtungen  und  nicht  etwa  von  Wohltäfigkeitsanstalten 
tragen.  —  6.  Alle  derartigen  Anstalten  sind  mit  Rücksicht  auf  ihre 
vornehmste  Bedeutung  als  Volkserziehungsinstitut  unter  ärztliche 
Leitung  zu  stellen.  —  7.  Die  Aerztearbeit  im  Dienste  der  Säuglings¬ 
fürsorge  ist  nicht  umsonst  zu  leisten.  —  8.  Es  ist  anzustreben,  dass 
die  Fürsorgestellen  zu  Bezirkszentralen  ausgebaut  werden,  die  alle 
Zweige  der  Säuglingsfürsorge  umfassen. 

1.  Säuglingsmilchküchen  als  solche  sind  nicht  als  ausreichende 
Einrichtungen  zur  wirksamen  Bekämpfung  der  Säuglingsmortalität 
und  Morbidität  anzuerkennen.  Sie  können  eine  Bedeutung  nur  dann 
haben,  wenn  sie  mit  einer  Fürsorge-  oder  Beratungsstelle  ver¬ 
bunden  sind.  Bei  derartigen  Einrichtungen  ist  der  Nachdruck  auf 
die  Beratung  zu  legen,  der  Milchküche  kommt  nur  eine  sekundäre 
Bedeutung  zu.  Sogenannte  ärztliche  Wiegestunden,  die  mit  den 
Milchküchen  verbunden  werden,  sind  kein  vollwertiger  Ersatz  der 
Fürsorgestellen,  da  nur  von  ihnen  eine  genügend  eindringliche  Be¬ 
lehrung  und  Stillpropaganda  zu  erwarten  ist.  —  2.  Den  Säuglings¬ 
fürsorgestellen  muss  das  Recht  zustehen,  wenigstens  ernährungs¬ 
kranke  Kinder  zu  behandeln  und  die  Ausführung  der  gegebenen 
Vorschriften  im  Hause  des  Säuglings  kontrollieren  zu  lassen.  — 
3.  Die  Milchküche  muss  so  eingerichtet  sein,  dass  sie  jede  diätetische 
Verordnung  ausführen  kann  und  nicht  an  ein  Schema  gebunden  ist. 
Nicht  wünschenswert  sind  Milchküchen,  die  nach  einem  bestimmten 
Verfahren  arbeitend  eine  „Säuglingsnahrung“  herstellen,  von  der 
behauptet  wird,  dass  sie  der  Muttermilch  nachgebildet  sei.  Die  An¬ 
forderungen,  die  von  seiten  des  Kinderarztes  an  eine  für  die  künst¬ 
liche  Ernährung  des  Säuglings  geeignete  Milch  gestellt  werden 
müssen,  sind  schärfer  zu  formulieren,  vor  allem  muss  das  dringend 
und  unbedingt  Notwendige  von  dem  Wünschenswerten  getrennt 
werden.  —  4.  Es  ist  dringend  wünschenswert,  einheitliche  Auf¬ 
fassungen  darüber  zu  gewinnen,  welchen  Bevülkerungsschichten  die 
Säuglingsfürsorge  zugute  kommen  soll,  und  es  ist  zu  fordern,  dass 
die  Säuglingsfürsorge  von  Aerzten  geleitet  wird,  die  eine  genügende 
pädiatrische  Vorbildung  besitzen. 

In  der  Diskussion  ergreift  Czerny-  Breslau  für  Keller-  Mag* 
deburg  das  Wort  und  teilt  mit,  dass  durch  dessen  Erfahrungen  iiv 
den  Milchküchen  nichts  anderes  bewiesen  ist,  als  dass  man  gesunde 
Kinder  auch  mit  Kuhmilch  ernähren  kann.  Wenn  die  Milchküche 
lichts  gegen  Säuglingssterblichkeit  leistet,  kann  man  auf  den  Stand¬ 
punkt  kommen,  dass  es  schade  sei  um  das  viele  Geld  und  die  viele 
Arbeit,  und  es  sei  besser,  dass  diese  Erkenntnis  zur  richtigen  Zeit 
ausgesprochen,  als  dass  mit  den  Milchküchen  weiter  gewirtschaftet 
werde. 

F  a  1  k  e  n  h  e  i  m  -  Königsberg  führt  einige  Gründe  für  die  Exi¬ 
stenzberechtigung  der  Milchküchen  an.  S  i  e  g  e  r  t  -  Köln  betont,  .dass 
die  .Milchküche  in  Köln  trotz  fehlender  ärztlicher  Leitung  doch  inso- 
ferne  gutes  leistet,  als  sie  das  Niveau  des  ganzen  Milchhandels  ge¬ 
hoben  hat  und  andauernd  Tausende  von  Litern  bester  Säuglingsmilch 
der  Stadt  zuführt.  Allerdings  sieht  er  in  einer  städtischen  Milch¬ 
abgabe  ohne  ärztliche  Leitung,  ohne  Mutterberatung  und  ohne 
jede  Kontrolle  der  Säuglinge  wegen  der  Erleichterung  der  künst¬ 
lichen  Ernährung  eine  Art  städtischen  Unfugs.  Seifert-  Leipzig  teilt 
mit,  dass  er  aut  demselben  Standpunkte  stehe  wie  Czerny  und  sich 
gegen  die  Errichtung  einer  Milchküche  in  Leipzig  ausgesprochen  habe. 
Neumann-Berlin  meint,  dass  es  eine  Notwendigkeit  sei,  im  Interesse 
der  tiefsten  sozialen  Schichten  für  die  Beschaffung  guter  Milch  zu 
sorgen,  dass  ein  Unterschied  zu  machen  sei  zwischen  Milchküche  und 
Versorgung  mit  guter  Milch,  die  Milchküche  für  gesunde  Kinder  ab¬ 
zuschaffen  sei,  sich  für  kranke  und  ähnliche  Kinder  jedoch  empfehle. 
Er  bringt  schliesslich  statistische  Angaben  aus  den  Milchküchen 
Berlins.  Selter-  Solingen  nimmt  die  städtischen  Milchküchen¬ 
einrichtungen  in  Schutz.  Feer-  Heidelberg  und  Trumpp  -  München 
brechen  eine  Lanze  für  das  Bestehen  der  Milchküche,  während  sich 
Salge  im  Schlusswort  auf  seiten  Czernys  stellt. 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2211 


Vereinigung  süddeutscher  Lungenheilanstaltsärzte 

in  Baden-Baden  vorn  7.  bis  9.  September  1907. 

Nachdem  sich  im  Vorjahre  der  Plan,  die  Süddeutschen  Heil¬ 
anstaltsärzte  zu  vereinigen,  auf  der  Versammlung  in  Heidelberg  als 
ein  glücklicher  und  erfolgversprechender  erwiesen  hatte,  wurde  im 
Laufe  dieses  Jahres  die  Vereinigung  süddeutscher  Lungenheilanstalts¬ 
ärzte  (Vorstand  Dr.  Nahm,  Schriftführer  Dr.  Pischinger)  ins  Leben 
gerufen,  um  allen  Beteiligten  die  Gelegenheit  zu  eingehender  Erörte¬ 
rung  speziell  bedeutungsvoller  wissenschaftlicher  und  wirtschaftlicher 
Fragen  und  zur  Pflege  engerer  kollegialer  Beziehungen  zu  geben. 
Die  Zahl  der  Mitglieder  aus  allen  Teilen  Deutschlands  beträgt  be¬ 
reits  61,  ein  deutlicher  Beweis  dafür,  dass  die  Vereinigung,  der  ja 
jede  Offensive  gegen  andere  Vereinigungen  ferne  liegt,  sehr  wohl 
berechtigt  ist. 

Am  7—9.  September  fand  nun  die  Jahresversammlung  des 
Vereins  in  Baden-Baden  statt  und  wurde  von  20  Kollegen^  besucht 
(Programm  siehe  Münch,  med.  Wocbenschr.  No.  34,  S.  1710). 

In  der  ersten  wissenschaftlichen  Sitzung  am  8.  referierte  nach 
einigen  geschäftlichen  Verhandlungen,  wobei  als  Ort  der  nächst¬ 
jährigen  Tagung  München  erwählt  wurde,  zuerst  Krebs  über  „Die 
graphische  Darstellung  des  Lungenleidens“;  er  besprach  eingehend 
die  schon  mehrfach  (Ferd.  May:  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.,  Bd.  66, 
und  Elk  an:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  52,  S.  257-4)  be¬ 
schriebene  K  r  e  b  s  -  D  a  n  e  g  g  e  r  sehe  Schrift,  die  seit  10  Jahren 
in  der  Heilstätte  Planegg  und  jetzt  in  mehreren  anderen  Heil¬ 
stätten  gebraucht  wird,  ihre  Vorzüge  der  Uebersichtlichkeit,  der 
Vollständigkeit  und  der  leichten  Erlernbarkeit  und  empfiehlt  ihre 
allgemeine  Annahme.  In  der  Diskussion  werden  mehrfach  die 
Schwierigkeiten  einer  Einigung  erwähnt,  Weibel  und  Cursch- 
m  a  n  n  gebrauchen  urtd  empfehlen  andere  graphische  Systeme.  Auf 
Rumpfs  Antrag  wird  zur  Prüfung  der  verschiedenen  Systeme  eine 
Kommission,  bestehend  aus  Krebs,  Curschmann,  Weibel  und 
Liebe  aufgestellt. 

Weiterhin  spricht  Curschmann  über  das  Thema:  „Nach  wel¬ 
chen  einheitlichen  Gesichtspunkten  sollen  die  Jahresberichte  der 
Lungenheilanstalten  abgefasst  werden“.  (Autoref.)  Eine  gleichmässige 
Abfassung  der  Berichte  hinsichtlich  der  Erfolge  ist  dringend  wün¬ 
schenswert,  um  ein  eindeutiges  zusammenfassendes  Urteil  zu  ermög¬ 
lichen  und  eine  irrtümliche  Auslegung  einzelner  Angaben  zu  verhüten. 
Es  ist  zweckmässig  und  nötig,  die  einzelnen  Erkrankungen  je  nach 
der  Schwere  der  Erkrankung  in  drei  Stadien  zu  sondern  und  zwar 
möglichst  genau  nach  dem  Wortlaut  der  Turbanschen  Stadien¬ 
einteilung.  Der  Kurerfolg  soll  nach  Stadien  getrennt  sowohl  nach 
dem  klinischen  Befund  wie  nach  dem  allgemeinen  Befinden  und  nach 
dem  Zustand  der  Erwerbsfähigkeit  gesondert  betrachtet  werden  und 
zwar  jeweils  nach  5  bezw.  4  Graden  unterschieden  werden.  Der 
Dauererfolg  kann  im  allgemeinen  nur  nach  der  Erwerbsfähigkeit  be¬ 
urteilt  werden,  aber  auch  hier  sollen  immer  die  einzelnen  Stadien 
getrennt  aufgeführt  werden. 

In  der  Diskussion  empfiehlt  Rumpf  die  Erfolgsgrade  nur  nach 
den  Stadien  getrennt  anzugeben.  Pischinger  weist  daraufhin, 
dass  die  Aufnahme  nichttuberkulöser  Kranken  wohl  mit  einer  ein¬ 
deutigen  Statistik  vereinbar  ist,  wenn  dieselben  von  vorneherein  von 
den  Tuberkulösen  bei  der  Berechnung  der  Erfolge  ganz  abgeschieden 
werden. 

Das  dritte,  zeitgemässe  Referat:  „Ueber  die  Assistentenfrage  m 
den  Heilstätten“  erstattete  Schmidt  (Autoreferat).  Die  Aussichten 
der  Assistenten  sind  keineswegs  so  ungünstig,  als  sie  hingestellt 
werden;  zur  Verbesserung  ihrer  wirtschaftlichen  Stellung  emofiehlt 
sich  in  grösseren  Anstalten  die  Schaffung  von  zweiten  Arzt-Stellen 
mit  Heiratsmöglichkeit,  im  übrigen  Tragen  einer  Lebensversicherung; 
zur  Aushilfe  kommen  Praktikanten  event.  Gehilfinnen  für  das  Labo¬ 
ratorium  in  Betracht.  Weiterhin  hält  Herr  Prof.  Dr.  Bul  ius-Ereiburg  — 
auf  Bitten  von  Rumpf  —  als  Gast  in  liebenswürdigster  Weise  einen 
Vortrag  über  „Genitaltuberkulose  der  Frauen“  unter  Demonstration 
zahlreicher  hochinteressanter  Präparate  und  Originalabbildungen.  Die 
Erkrankung  ist  weit  häufiger  als  man  früher  annahm,  am 
häufigsten  in  den  Tuben  (in  16  Proz.  aller  Fälle  sind 
die  Tuben  ausschliesslich  erkrankt),  als  Endosalpinx,  besonders 
charakteristisch  in  Rosenkranzform.  Endometritis  tuberculosa  kommt 
in  zwei  Formen  vor,  bei  der  einen  ist  das  O'berflächenepithel  erhalten, 
die  darunter  liegende  Schleimhaut  in  tuberkulöses  Granulationsgewebe 
umgewandelt,  bei  der  anderen  ist  das  Epithel  primär  erkrankt  und 
es  finden  sich  Bilder  ähnlich  dem  Karzinom:  auch  an  der  Portio  kann 
Tuberkulose,  den  beiden  Formen  des  Karzinoms  durchaus  ähnlich 
auftreten.  Die  Ovarialtuberkulose.  ebenfalls  wesentlich  häufiger  als 
früher  angenommen,  doch  beim  Menschen  noch  nicht  primär  nach¬ 
gewiesen.  ist  manchmal  nur  in  der  Kortikalis,  vom  Peritoneum  her- 
riihrend,  zu  finden.  Ein  wesentliches  disponierendes  Moment  für 
Genitaltuberkulose  ist  Infantilismus,  andererseits  kommt  bei  Tuber¬ 
kulose  vorzeitige  Verkümmerung  der  Genitalien  vor.  Es  folgten 
noch  Angaben  über  Diagnose  (Möglichkeit  der  Verwechslung  mit 
Karzinom  und  Typhlitis)  und  Therapie  (Morphium-Skopolamin  mit 
sehr  wenig  Chloroform). 

Am  9.  gibt  Nahm  zu  Schmidts  Referat  die  auf  eine  Rund¬ 
frage  cingegangenen  Anschauungen  und  Wünsche  der  Assistenzärzte 
wieder,  die  allerdings  zum  guten  Teile,  wenigstens  für  Volksheilstätten 
nach  ihren  wirtschaftlichen  Verhältnissen  nicht  erfüllbar  sind  oder 


ausserhalb  ihres  Bereiches  liegen.  Es  folgt  weiterhin  ein  Referat 
„Ueber  die  verschiedenen  Aufnahmeformulare  für  die  Heilstätten“ 
von  Pischinger.  Die  Verwendung  eines  Formulars  für  alle  Kran¬ 
ken  aller  Heilstätten  ist  von  vornherein  ziemlich  ausgeschlossen.  Re¬ 
ferent  wünscht,  dass  in  den  Formularen  mehr  auf  die  ärztlichen  und 
humanitären  Interessen  Rücksicht  genommen  werde  und  dass  bei 
Kranken,  die  nicht  einer  Versicherungsanstalt  angehören,  auch  ein 
nicht  gesetzlich-wirtschaftlicher  Kurerfolg  ausgiebig  in  Betracht  ge¬ 
zogen  werde.  Die  Formulare  sollen  so  wenig  Fragen  als  möglich 
enthalten,  um  eben  ein  provisorisches  Urteil  über  die  Aufnahme¬ 
fähigkeit  des  Kranken  zu  ermöglichen.  Referent  bespricht  im  ein¬ 
zelnen  die  entbehrlichen  und  notwendigen  Fragen  und  legt  einen  aus 
der  Vergleichung  sämtlicher  deutscher  Formulare  gewonnenen  Ent¬ 
wurf  vor.  Schwangere  sollen  in  den  Heilstätten  oder  mindestens  in 
Tuberkulosekrankenhäusern  o.  ä.  Aufnahme  finden  können. 

In  der  Diskussion  wird  mehrfach  die  Unmöglichkeit  eines  einheit¬ 
lichen  Verfahrens  betont  und  die  Bedeutung  der  Formulare  sehr  ver¬ 
schieden  eingeschätzt.  Nach  Nahm  können  Schwangere  um  ihrer 
selbst  willen  nicht  in  Heilstätten  behalten  werden. 

Zum  letzten  Punkt  der  Tagesordnung:  „Therapeutische  Mit¬ 
teilungen“  empfiehlt  Koch  zur  Entfieberung  die  K  o  c  h  sehe  Bazillen¬ 
emulsion  und  warnt  vor  Maretin,  das  Herzstörungen,  Abnahme  des 
Hämoglobins  und  Ikterus  hervorrufen  kann;  dasselbe  sah  Krebs 
in  zwei  Fällen  neben  sonst  vielfach  guter  Wirkung.  E  1 1  i  e  s  e  n 
empfiehlt  ebenfalls  Bazillenemulsion:  Curschmann  erkennt  als 
Gegenanzeige  gegen  Tuberkulin  Verwendung  nur  an:  Neurasthenie, 
Neigung  zu  Kopfweh  und  Magenstörungen  und  Nephritis.  Blutungen 
können,  wie  im  übrigen  alle  Stadien  dadurch  günstig  beeinflusst  wer¬ 
den.  Auf  demselben  Standpunkt  stehen:  Schütz,  L  i  p  p.  Wei¬ 
bel  und  Eiliesen.  Pischinger  berichtet  auf  Anfrage  über 
weitere  Erfahrungen  an  nunmehr  177  Patienten  mit  Beraneckschem 
Tuberkulin  und.  bezeichnet  sie  als  durchaus,  offenbar  auch  subjektiv 
günstig  und  die  Verwendung  gegenüber  dem  K  o  c  h  sehen  Tuberkulin 
als  einfacher.  Die  Kuhn  sehe  Lungensaugmaske  scheint  nach  einigen 
Versuchen  bei  vorsichtiger  Anwendung  die  subjektiven  Beschwerden, 
besonders  die  Atemnot,  günstig  zu  beeinflussen,  dagegen  bei  Unvor¬ 
sichtigkeit  eine  wenigstens  vorübergehende  Verschlimmerung  ver¬ 
ursachen  zu  können. 

Am  Mittag  des  ersten  Tages  fand  gemeinschaftliches  Mittag¬ 
essen  statt.  Der  zweite  Nachmittag  wurde  durch  einen  prächtigen 
Ausflug  nach  Schloss  Hohenbaden  und  zu  dem  in  jeder  Hinsicht  vor¬ 
trefflichen  Sanatorium  Ebersteinburg  für  lungenkranke  Damen  von 
Rumpf  ausgefüllt.  Am  Abend  schied  man  von  dem  herrlichen 
Baden-Baden,  das  sich  bei  schönstem  Wetter  von  der  denkbar  besten 
Seite  gezeigt  hatte,  und  wohl  ein  ieder  nahm  manche  Belehrung,  eine 
schöne  Erinnerung  und  die  frohe  Zuversicht  auf  das  weitere  Gedeihen 
der  Bestrebungen  des  jungen  Vereins  mit  nach  Hause. 

Pischinger. 


Rheinisch-westfälische  Gesellschaft  für  innere  Medizin 
und  Nervenheilkunde. 

(Bericht  des  Schriftführers.) 

Gemeinschaftliche  Sitzung  mit  der  Vereini¬ 
gung  niederrheinisch-westfälischer  Chirur¬ 
gen  am  16.  Juni  1907  zu  Duisburg. 

Vorsitzender:  Herr  Schnitze-  Bonn. 

Schriftführer :  Herr  Laspeyres  -  Bonn. 

Diagnose  und  Behandlung  der  akuten  Peritonitis  diffusa. 

Herr  Matthes  - Köln  (erster  Referent)  bespricht  zu¬ 
nächst  den  Begriff  der  allgemeinen  Peritonitis 
und  die  an  Stelle  dieses  Ausdrucks  vorgeschlagenen  Namen, 
wie  freie  Peritonitis  etc.  Er  betont,  dass  die  allgemeine  Peri¬ 
tonitis  sich  keineswegs  immer  als  fortschreitende  fibrinös¬ 
eitrige  Peritonitis  entwickle,  dass  sie  vielmehr  oft  von  Anfang 
an  allgemein  sei  und  sich  erst  später  lokalisiere.  Es  folgt  dann 
ein  Ueberblick  über  die  neueren  theoretischen  Arbeiten,  die 
unsere  Vorstellungen  zu  modifizieren  zwingen.  Müller  und 
K  r  e  i  d  1  stellten  fest,  dass  lokale  Darmlähmungen  nicht  zu 
Ileus  führen  und  ebensowenig  zu  Stauungsmeteorismus,  da 
selbst  nach  Entfernung  der  Darmmuskularis  auf  grosse  Strek- 
ken  die  Passage  ungestört  bleibt.  Meteorismus  lässt  sich  auch 
durch  subkutane  Injektionen  von  Zucker  (Lüthje)  oder  von 
Typhusstoffwechselprodukten  experimentell  erzeugen.  Eine 
Reihe  von  Arbeiten  liegen  über  die  Schädigungen  des  Darm¬ 
nervensystems  vor.  Endlich  hat  die  Frage  nach  der  Zweck¬ 
mässigkeit  der  Resorption,  ob  sie  bei  Peritonitis  gesteigert  oder 
verlangsamt  ist,  vielfache  Bearbeitungen  erfahren  (P  e  i  s  e  r, 
Glimm,  Freitag,  Danielsen,  Fromme  etc.).  Ueber- 
all  finden  sich  auf  diesem  Gebiete  noch  unbeantwortete  Fragen, 
ein  reiches  Feld  für  klinische  und  experimentelle  Forschung. 


2212 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


Referent  geht  dann  auf  die  Klinik  der  Peritonitis  ein,  be¬ 
spricht  die  Rolle  des  Frühergusses,  die  Bedeutung  der  Muskel¬ 
spannung  und  eine  Reihe  anderer  Symptome  kritisch.  Endlich 
wird  die  innere  Therapie,  die  neueren  Arbeiten  über  Physo¬ 
stigmin  und  Atropin,  die  Diät  bei  Peritonitis  besprochen  und 
namentlich  auch  auf  die  Wichtigkeit  der  bewährten  internen 
Massnahmen  für  die  operierten  Fälle  hingewiesen. 

Herr  G  r  a  f  f  -  Bonn  (zweiter  Referent)  bespricht  die 
chirurgische  Behandlung  der  allgemeinen 
eitrigen  Peritonitis.  Er  betont,  dass  nur  sehr  frühes 
Eingreifen  vor  Eintritt  des  Kollapses  und  der  Darmlähmung 
imstande  ist,  die  noch  keineswegs  glänzenden  Operationsresul¬ 
tate  zu  verbessern.  In  Fällen  starker  peritonealer  Reizung  ist 
alles  vorzubereiten,  damit  bei  eintretender  Verschlimmerung 
die  Operation  sofort  ausgeführt  werden  kann.  Die  Ueber- 
führung  in  ein  Krankenhaus  ist  daher  am  besten.  Die  chirur¬ 
gische  Behandlung  der  eitrigen  Peritonitis  hat  3  Indikationen 
zu  genügen,  einmal  den  Eiter  aus  der  Bauchhöhle  zu  entfernen 
und  für  den  sich  neubildenden  günstige  Abflussverhältnisse  zu 
schaffen,  sodann  die  Ursache  der  Peritonitis  zu  beseitigen  und 
schliesslich  die  Folgezustände,  vor  allem  die  Darmlähmung 
durch  Entlastung  von  dem  in  den  geblähten  Schlingen  stag¬ 
nierenden  Kot.  iDie  Vorbereitung  zur  Operation  (Magen¬ 
spülung,  Kochsalzinfusion)  und  die  Mittel  und  Wege,  diesen  In¬ 
dikationen  zu  genügen,  werden  ausführlich  besprochen.  In 
der  Nachbehandlung  soll  von  Magenspülungen  und  Kochsalz¬ 
infusionen  ausgiebiger  Gebrauch  gemacht  werden.  Falls  die 
Ernährung  per  os  und  per  rectum  versagt,  kann  ein  Versuch 
der  subkutanen  Ernährung  nach  Friedrich  gemacht  wer¬ 
den.  Zum  Schluss  betont  G  r  a  f  f  noch  einmal  an  der  Hand 
einiger  Statistiken,  dass  die  Operationserfolge  am  ersten  und 
zweiten  Tage  recht  günstige  sind,  und  mit  jedem  Tage  un¬ 
günstiger  werden,  dass  also  nur  die  sofortige  Operation  die 
sonst  verlorenen  Patienten  retten  kann,  und  bei  drohender 
Peritonitis  oder  unsicherer  Diagnose  ein  Eingriff  nicht  so 
schwerwiegende  Folgen  hat,  wie  das  Unterlassen  desselben, 
wenn  der  günstige  Moment  zum  Eingreifen  vorbei  ist. 

Herr  S  e  1 1  h  e  i  m  -  Düsseldorf  (dritter  Referent)  führt 
aus,  was  in  dem  Thema  „akute  Peritonitis“  dem 
Gynäkologen  näher  liegt  als  dem  Chirurgen  und  inneren  Arzt. 
In  der  Diagnose  Vorsicht  bei  gynäkologischer  Unter¬ 
suchung,  Empfehlung  der  Rektaluntersuchung,  die  durch  das 
Gefühl  des  Einbrechens  in  dünne  Spinnenweben  auf  eine  frische 
Pelveoperitonitis  aufmerksam  macht. 

Die  Prognose  hängt  ab  von  der  Giftigkeit  der  Entzün¬ 
dungserreger,  vom  Zustand  des  angegriffenen  Organismus 
(Konstitution,  Lebensalter,  Kräftezustand)  und  von  der  lokalen 
Disposition  (Neigung  zur  Barrierenbildung  bei  vorausgegan¬ 
genen  Attacken,  Sinken  der  Empfindlichkeit  des  Peritoneum 
nach  Malträtierung  bei  Operation,  Steigen  der  Empfindlichkeit 
mit  Menstruation,  Schwangerschaft  und  Erreichen  des  Höhe¬ 
punktes  bei  Geburt). 

Der  praktische  Nutzen  der  Blutuntersuchung  für 
die  Prognosenstellung  ist  gering.  Ein  Blick,  ob  die  Zunge 
feucht  oder  trocken  ist,  hat  unter  Umständen  mehr  Wert  als 
zwei  Stunden  angestrengter  Laboratoriumsarbeit.  Die  bak¬ 
teriologische  Untersuchung  von  Lochien  und  Blut  sind  wert¬ 
voll. 

In  den  Bestrebungen,  den  Organismus  gegen  Infektion  bei 
bevorstehender  Geburt  und  Operation  zu  feien,  ist  man  über 
die  Proklamierung  guter  Gedanken  nicht  weit  hinaus- 
gekommen. 

Bei  der  B  e  h  a  n  d  1  u  n  g  ist  die  Wehrkraft  des  Organismus 
zu  erhalten  und  zu  stärken.  Medikamente,  um  den  Darm  still 
zu  stellen  oder  den  stillstehenden  Darm  anzuregen,  versprechen 
keinen  Nutzen. 

In  allen  Fällen,  in  denen  die  Peritonitis  im  Vordergrund 
steht,  muss,  ehe  das  Bild  hoffnungslos  wird,  die  Operation  in 
Erwägung  gezogen  werden.  Besprechungen  der  Besonder¬ 
heiten  in  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Die  supervaginale 
Amputation  mit  extraperitonealer  Stielversorgung  ist,  wenn 
man  bei  septischem  Uterus  operieren  will,  der  vaginalen  Ex¬ 
stirpation  vorzuziehen. 

In  der  Behandlung  der  puerperalen  Peritonitis  kommt  man 
mit  grossen  Eingriffen  nicht  weit.  Eine  grosse  Operation  säu¬ 


bert  vielleicht  die  Bauchhöhle  gründlich,  aber  der  Patient  geht 
zugrunde,  weil  er  den  grossen  Eingriff  nicht  verträgt.  Ver¬ 
derblich  sind  die  protrahierte  allgemeine 
Narkose,  die  Abkühlung,  die  lange  Dauer  der 
Operation,  das  viele  Manipulieren  in  der 
Bauchhöhle.  Wenn  man  etwas  erreichen  will,  muss  man 
diese  Gefahren  auf  das  mindeste  beschränken. 

Glaubt  man  der  allgemeinen  Narkose  nicht  entraten  zu 
können,  dann  hilft  man  sich  für  den  Augenblick,  in  dem  man 
der  Kranken  Schmerzen  macht,  mit  Lachgas  oder  Chlor- 
ä  t  h  y  1.  Sonst  sind  lokale  Infiltration  und  R  ii  c  k  e  n  -  * 
marksanästhesie  vorzuziehen. 

Wo  man  keinen  heizbaren  Operationstisch  hat, 
operiert  man  im  Bett. 

Man  mache  einen  Schnitt  in  der  Unterbauch¬ 
gegend.  Je  nach  den  Verhältnissen  legt  man  Gegen¬ 
öffn  u  n  g  e  n  in  der  Lendengegend  und  im  hinteren  Scheiden¬ 
gewölbe  an  und  zieht  Gummischläuche  durch. 

Wenn  man  überhaupt  spült,  soll  es  mit  äusserster  Vor¬ 
sicht  geschehen.  Ausgiebige  Drainage  leitet  einen  Säftestrom 
nach  aussen. 

Alles  kann  bei  guter  Vorbereitung  sehr  schnell  ge¬ 
schehen. 

Wo  die  Darmlähmung  im  Vordergrund  steht,  helfen 
vielleicht  Enterostom  ien.  In  den  schweren  puerperalen 
Sepsisfällen  scheint  aber  auch  dieses  Mittel  regelmässig  zu 
versagen. 

Die  Hauptsache  ist,  sich  zu  beschränken;  will  man 
alles  auf  einmal  gut  machen,  dann  bringt  man  die  Patientin 
mit  seiner  Sorgfalt  um.  Uebersteht  die  Kranke  den  Eingriff, 
hält  sie  sich  über  dem  Wasser,  dann  kann  man  später  mehr 
machen. 

Als  hoffnungslos  auszuschliessen  sind  die  Bauchfellentzün¬ 
dungen,  bei  denen  man  den  Prozess  als  Teilerscheinung  einer 
schweren  Sepsis  sich  rapid  entwickeln  und  rapid  fortschreiten 
sieht. 

Da  wo  aber  die  Peritonitis  als  solche  in  den  Vordergrund 
des  Krankheitsbildes  kommt  und  sich  allmählich  entwickelt, 
wo  man  eine  gewisse  Neigung  zur  Barrierenbil¬ 
dung  merkt,  kann  man  von  der  chirurgischen  Lokal  behand- 
Iung  etwas  erhoffen.  Wir  retten  dann  den  Organismus  vor 
der  Vergiftung  von  der  Peritonitis  aus. 

Die  Wahl  des  Zeitpunktes  zur  Operation 
ist  sehr  schwer.  Man  wird  nicht  gleich  im  Beginn  jeder  Peri¬ 
tonitis  zum  Messer  greifen.  So  mancher  Fall  kommt  zum  Still¬ 
stand  und  heilt  von  selbst.  Man  muss  aber  doch  zu  einem 
Zeitpunkt  operieren,  in  dem  die  Hoffnung  auf  eine  Spontan¬ 
heilung  noch  nicht  ganz  aufgegeben  werden  darf. 

In  diesem  Dilemma  macht  uns  die  Einführung  des  schonen¬ 
den  Eingriffes  den  Entschluss  zur  Operation  leichter.  Das 
Risiko  ist  kleiner  geworden,  bei  unglücklichem  Ausgang  darf 
man  sich  eher  mit  der  Reflexion  trösten,  wenigstens  zu  scha¬ 
den  vermieden  zu  haben,  wo  doch  nicht  zu  helfen  war. 

Je  sicherer  die  Diagnose,  um  so  leichter  die  Entscheidung. 
Wer  von  der  Lochienuntersuchung  weiss,  dass  er  mit  Strepto¬ 
kokken  zu  kämpfen  hat,  wird  dem  gefährlichen  Feind  gegen¬ 
über  wagemutiger.  Wer  den  Eiter  bei  der  Probepunktion 
oder  Probeinzision  sieht,  wird  ohne  Bedenken  weiter 
schneiden,  um  ein  Sicherheitsventil  an  der  Bauchhöhle  anzu¬ 
legen. 

Bei  der  frühzeitigen  Entscheidung  für  die  Operation  dürfte 
im  Einzelfall  der  Beweis,  dass  man  durch  die  Operation 
ein  Menschenleben  gerettet  hat,  schwer  zu  führen  sein. 

Diskussion:  Herr  D  r  e  e  s  m  a  n  n  -  Köln.  Bei  der  Behand¬ 
lung  der  Peritonitis  wird  ein  Punkt  vielfach  nicht  genügend  berück¬ 
sichtigt,  der  mir  von  grosser  Bedeutung  zu  sein  scheint,  nämlich  die 
Lagerung  der  Kranken.  Wenn  wir  nach  Perforation  eines  Ulcus 
ventr.  oder  einer  Appendix  die  Bauchhöhle  eröffnen,  so  finden  wir 
schon  wenige  Stunden  nach  der  stattgehabten  Perforation  ein  seröses, 
oder  trüb-seröses  Sekret  in  der  freien  Bauchhöhle.  In  den  abhängigen 
Partien,  besonders  im  kleinen  Becken,  hat  dies  Sekret  frühzeitig  einen 
ausgesprochen  eitrigen  Charakter.  .Der  Eiter  senkt  sich  eben  der 
Schwere  entsprechend.  Bilden  sich  ein  oder  mehrere  Abszesse,  so 
finden  wir  diese  dementsprechend  meist  in  den  abhängigen  Partien. 
Daraus  allein  schon  müssen  wir  die  Lehre  ziehen,  dem  Kranken  eine 
solche  Lagerung  zu  geben,  dass  alles  Sekret,  sicher  aber  das  eiterige 
womöglich  nur  nach  einem  Punkte  sich  hinsenkt,  und  zwar  natürlich 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2213 


nach  -dem.  von  welchem  die  Entzündung  au-sgeht.  Es  muss  zugegeben 
werden,  dass  dies  nicht  immer  möglich  ist,  indessen  aber  gerade  bei 
der  Erkrankung,  die  wohl  am  häufigsten  zur  Peritonitis  führt,  näm¬ 
lich  bei  -der  Appendizitis  perf.  oder  gang.  Lagern  wir  -im  Beginn  der 
Erkrankung  den  Patienten  scharf  auf  -die  rechte  Seite,  so  wird  sich 
das  Sekret  in  der  rechten  Eossa  iliaca  und  Lumbalgegend  ansammeln; 
die  linke  Hälfte  der  Peritonealhöhle  wird  frei  von  Sekret,  -die  Ent¬ 
zündung  kann  sich  hier  leichter  zurückbilden;  wir  führen  die  Peri¬ 
tonitis  -diffusa  in  eine  circumscripta  über,  was  ja  immer  unser  Be¬ 
streben  sein  muss.  Aus  dieser  Seitenlage  erwachsen  noch  weitere 
Vorteile.  Die  Darmschlingen  fallen  nach  rechts  herüber,  liegen  dann 
natürlich  fester  auf  -der  Appendix  oder  auf  dem  sich  dort  bildenden 
Abszess;  -die  Verklebungen  werden  dann  fester  -sein  und  können  bei 
leichten  Bewegungen  des  Patienten,  solange  er  die  Seitenlage  einhält, 
nicht  gelöst  werden.  Der  Abszess  selbst  wird  bei  -der  Seitenlage 
sich  nach  -der  Fossa  iliaca  d.  oder  der  Fossa  lumbalis  hinsenken,  aber 
nicht  seinen  Weg  ins  kleine  Becken  oder  nach  rechts  herüber  nehmen. 
Schliesslich  mag  noch  hervorgehoben  werden,  dass  bei  dieser  Seiten¬ 
lage  die  Entleerung  von  Urin  und  Stuhl  ohne  den  Patienten  zu  be¬ 
wegen,  sehr  gut  sich  ermöglichen  lässt. 

Die  Lagerung  wird  so  gemacht,  -dass  das  linke  etwas  gebeugte 
Knie  vor  dem  rechten  liegt;  zwischen  beide  Kniee  kommt  zuweilen  ein 
kleines  weiches  Kissen.  Im  Rücken  erhält  der  Patient  gleichfalls  ein 
etwas  festeres  Kissen.  Der  Kranke  liegt  dann  mehr  auf  dem  Eis¬ 
beutel,  falls  ein  solcher  angewandt  wird,  als  der  Eisbeutel  auf  ihm. 
Nur  in  seltenen  Fällen  wird  über  schmerzhaften  Druck  in  der 
Trochantergegend  geklagt,  dem  man  aber  durch  ein  Polster  leicht  ab¬ 
helfen  kann.  Seit  fast  lü  Jahren  haben  wir  stets  auf  diese  Lagerung 
besonderes  Gewicht  gelegt  und  nur  gutes  von  ihr  gesehen. 

Leider  -ist  es  nicht  möglich,  bei  Peritonitiden,  die  aus  anderen 
Ursachen  entstanden  sind,  immer  eine  analoge  Lagerung  anzuordnen. 
Nur  bei  Peritonitis,  -die  im  kleinen  Becken  ihren  Ursprung  nimmt, 
werden  wir  durch  Hochlagerung  des  Oberkörpers  ähnlich  zu  wirken 
suchen.  Die  günstigere  Prognose  bezüglich  der  Entstehung  einer  all¬ 
gemeinen  Peritonitis  bei  entzündlichen  Affektionen  im  kleinen  Becken 
dürfte  wohl  auf  die  oben  hervorgehobenen  Momente  zurückzuführen 
sein.  Im  übrigen  wird  es  unser  Bestreben  sein,  möglichst  frühzeitig 
das  Sekret  durch  Drainage  aus  den  abhängigen  Partien  (Douglas!) 
nach  aussen  abzuleiten.  Dies  gelingt  am  besten  nach  unseren  Er¬ 
fahrungen  durch  die  Anwendung  -der  Tampondrainage  mittelst  Glas¬ 
röhren,  wie  ich  sie  im  vergangenen  Jahre  auf  dem  Chirurgenkongress 
empfohlen  habe.  Ausserdem  soll  möglichst  frühzeitig  an  einer  oder 
an  mehreren  Stellen  ein  Anus  praeternat.  angelegt  und  die  sinkende 
Herzkraft  durch  reichliche  Dosen-  Kampher  (%  stündl.  1 — 2,0  Ol. 
camph.  tgl.  bis  5,0  Camph.)  zu  heben  gesucht  werden. 

Herr  M  o  r  i  a  n  -  Essen  hat  innerhalb  von  2  Jahren  50  Fälle  von 
diffuser  Peritonitis  behandelt  mit  einer  Gesamtmortalität  von  32  Proz. 
Was  die  Diagnose  angeht,  so  waren  in  der  Hälfte  der  Fälle  Puls¬ 
beschleunigung  und  Fieber  vorhanden,  in  14  der  Fälle  fehlte  das  Fieber, 
in  -dem  weiteren  <4  fehlten  beide  Symptome.  Bauchdeckenspannung 
war  bei  Durchbruch  von  Magendarmgeschwüren,  sowie  bei  Darm- 
zerreissung  immer  vorhanden,  ebenso  meist  bei  der  vorn  Wurmfort¬ 
satz  ausgehenden  Peritonitis.  Sie  fehlte  bei  der  letzteren  Form  nur 
dann,  wenn  die  Entzündung  die  vordere  Bauchwand  unverändert  ge¬ 
lassen  hatte.  Die  Spannung  fehlte  bei  Pankreasnekrose,  Choledochus- 
durchbruch  und  bei  der  Gonokokken-  und  Pneumokokkenperitonitis, 
ferner  bei  der  eigenartigen  Form  von  B-auchfelltuberkulos-e  mit  akut 
peritonitischem  und  ileusartigem  Charakter.  M.  hat  4  Fälle  dieser 
Erkrankung  beobachtet.  Das  hervorstechendste  Symptom  war  die 
Darmlähmung.  L  e  j  a  r  s  bezeichete  die  Krankheit  als  akute  Bauch¬ 
felltuberkulose.  M.  schlägt  vor,  -da  der  anatomische  Befund  derselbe 
ist,  wie  bei  der  trockenen  und  serösen  Form  -der  Bauchfelltuber¬ 
kulose,  und  nur  -das  Symptom  der  Darmlähmung  in  den  Vordergrund 
tritt,  die  Erkrankung  als  Peritonitis  tuberculosa  enteroparalytica  zu 
bezeichnen. 

Unter  27  Fällen  von  Wurmfortsatzentzündung  wurde  9  mal  das 
Exsudat  steril  befunden,  10  mal  fand  sich  Bacterium  coli  allein,  2  mal 
mit  Staphylokokken,  1  mal  mit  Streptokokken,  2  mal  mit  beiden  zu¬ 
sammen,  1  mal  mit  Diplokokken,  1  mal  -mit  Diplo-  und  Streptokokken 
zusammen  vergesellschaftet. 

Die  Therapie  bestand  in  Eröffnung  mit  Drainage  oder  Tamponade 
der  Bauchhöhle,  Spülungen  wurden  nur  bei  Perforation  von  Magen- 
und  Darmgeschwüren  vorgenomm-en,  wenn  viel  Inhalt  in  die  Bauch¬ 
höhle  gedrungen  war.  7  mal  entstand  ein  Douglasabszess,  der  vom 
Mastdarm  aus  eröffnet  werden  musste,  7  mal  wurde  -der  gelähmte 
Darm  durch  Einnähen  eines  Troikarts  entleert.  Von  diesen  Fällen 
endeten  3  mit  dem  Tode.  3  mal  schloss  sich  die  Fistel  spontan,  1  mal 
musste  die  Naht  ausgeführt  werden.  Stets  wurden  zuerst  Magen-  und 
Mastdarmspülungen  versucht.  Daneben  wurde  reichlich  Gebrauch 
von  subkutanen  Kochsalzinfusionen  gemacht  und  Eserin  subkutan 
verabfolgt. 

Herr  Füth-Köln:  Herr  Kollege  Matth  es  sprach  davon,  dass 
ein  wichtiges  differentialdiagnostisches  Mittel  bei  der  Erkennung 
einer  Peritonitis  der  Vergleich  der  axillaren  Temperatur  mit  der 
rektalen  sei.  Ich  kann  dies  aus  -eigener  Erfahrung  bestätigen  und 
denke  im  Augenblick  an  eine  Beobachtung,  die  ich  noch  an  der  Leip¬ 
ziger  Frauenklinik  machen  konnte.  Es  wurde  damals  eine  Patientin 
aufgenommen  mit  der  Diagnose  „geplatzte  Extrauterinschwanger¬ 
schaft“,  und  der  Zustand  war  -schon  -ein  ganz  desolater,  worauf  ich 


hier  nicht  im  einzelnen  e-ingehen  will.  Sie  wissen,  dass  man  eine  Pat. 
mit  einer  geplatzten  Extrauterinschwangerschaft,  selbst  wenn  kein 
Puls  mehr  vorhanden  ist,  durch  sofortige  Laparotomie  in  vielen  Fällen 
noch  retten  kann,  und  auf  den  ersten  Blick  lag  fraglos  die  Annahme 
-eines  derartigen  Zustandes  sehr  nahe.  Eine  genauere  Untersuchung 
brachte  mich  -aber  von  dieser  Annahme  ab  und  gerade  die  Tatsache, 
dass  die  rektale  Temperatur  um  etwa  2°  höher  als  die  axillare  war, 
machte  mich  -sicher  in  der  Annahme  einer  intrauterinen  Gravidität, 
kompliziert  mit  Perfor-ationsperitonitis,  vom  Wurmfortsatz  aus¬ 
gehend  *). 

Herr  K  r  a  b  b  e  1  -  Aachen:  Ich  möchte  nur  kurz  auf  ein  dia¬ 
gnostisches  Hilfsmittel  aufmerksam  machen,  das  bis  jetzt  nicht  er¬ 
wähnt  ist,  -das  ist  die  Punktion  des  Douglas;  beim  Manne  also  vom 
Rektum  aus,  bei  der  Frau  von  der  Vagina.  Sie  gibt  in  zweifelhaften 
Fällen  Aufschluss  darüber,  ob  e-s  sich  um  eine  eitrige  Peritonitis  han¬ 
delt.  —  Es  li-st  so-dann  hervorgehoben  worden,  dass  die  Art  der  In¬ 
fektion  von  der  grössten  Wichtigkeit  für  -die  Prognose  der  Peritonitis 
ist;  die  Gon-okokkenperitonitis  gibt  eine  gute,  -die  Streptokokkenperi¬ 
tonitis  eine  schlechte  Prognose.  En  Punkt  ist  noch  zu  berücksichtigen. 
Nicht  in  allen  Fällen,  die  durch  Operation  zur  Heilung  gebracht  worden 
sind,  handelt  es  sich  wirklich  um  eine  allgemeine  eitrige  Peri¬ 
tonitis  in  dem  Sinn,  dass  das  Peritoneum  und  der  Darm  in  der  ganzen 
Ausdehnung  erkrankt  wäre.  Ich  habe  in  verschiedenen  Fällen,  die  als 
allgemeine  Peritonitis  imponierten,  als  Perforationsperitonitis  nach 
Appendicitis  gangraenosa,  wo  auch  in  der  linken  Seite  Schmerz¬ 
haftigkeit,  Auftreibung,  Tetanie  -der  Bauchdecken  bestand,  zuerst  links 
die  Bauchhöhle  geöffnet,  aber  dort  keinen  Eiter,  nur  ein  seröses  Ex¬ 
sudat  gefunden,  gerötete  Darmschlingen,  kein  Fibrin  oder  Eiterauf- 
lagerungen.  —  Wenn  es  sich  aber  um  eine  partielle,  auch  ausgedehnte 
Entzündung  handelt,  -sin-d  die  Aussichten  günstiger  als  bei  ganz  all¬ 
gemeiner  Peritonitis. 

Ich  stand  früher  auf  dem  Standpunkt,  jede  allgemeine  Per- 
foratio-nsperitonitis  zu  operieren,  das  tue  ich  nicht  mehr;  sind  die 
Patienten  so  schwach,  der  Puls  so  elend,  dass  ich  dem  Kranken  einen 
Aetherrausch  nicht  mehr  zumuten  kann,  so  nehme  ich  von  der  Ope¬ 
ration  Abstand.  In  Schleich  scher  Anästhesie  operieren,  am  ent¬ 
zündeten  Peritoneum  und  Dar-m  manipulieren,  ist  eine  entsetzliche 
Qual  für  den  Kranken  un-d  —  für  -den  Operateur.  In  solchen  Fällen 
mache  ich  -die  von  Katzen -stein  empfohlene  Kochsalzinfusion  in 
den  Darm,  in  -der  Weise,  wie  er  es  angegeben  hat;  auch  subkutane 
Kochsalzinfusionen  so  lange,  bis  die  Kranken  sich  mit  Entschieden¬ 
heit  dagegen  sträuben,  selbstverständlich  Magenausspülungen,  Ana- 
leptika  etc.  Bezüglich  der  Technik  der  Operation  bei  allgemeiner 
Peritonitis  kommt  es  meines  Erachtens  nach  hauptsächlich  darauf  an, 
den  Eiter  nach  Möglichkeit  zu  entleeren  und  ihm  dauernd  Abfluss  zu 
verschaffen.  Der  Douglas  muss  drainiert  werden,  ebenso  -die  Partien 
hinter  -der  Leber  und  Milz,  die  Lumbalgegend  beiderseits.  Dann  lasse 
ich  die  Bauchhöhle  offen,  es  wird  ein  zusammengelegtes  Jodoform¬ 
gazestück  unter  die  Wundränder  geschoben  un-d  -diese  mä-ssig  zu¬ 
sammengezogen,  keineswegs  vollständig  geschlossen.  Es  tritt  so 
rasch  eine  Verklebung  ein,  dass  ein  Austreten  der  Darmschlingen, 
wenn  ein  so  geeigneter  Verband  angelegt  ist,  nicht  zu  befürchten  ist. 
Die  Enterostomie  mache  ich  nur  dann,  wenn  die  Darmschlingen  ge¬ 
bläht  sin-d  und  sich  nicht  leicht  in  -die  Bauchhöhle  zurückbringen 
lassen, 

Herr  Wei-ss-  Düsseldorf  weist  darauf  hin,  dass  bei  Peritonitis 
sowohl  bei  zirkumskripter  wie  bei  diffuser,  manchmal  schon  sehr  früh¬ 
zeitig  ein  leichtes  Oe-dem  der  Bauchdecken  auftrete,  welches  Sym¬ 
ptom  dann  ausschlaggebend  für  die  Diagnose  werden  könne.  Zur  Be¬ 
kämpfung  der  Darmlähmung  ist  W.  in  letzter  Zeit  nach  dem  Vor¬ 
schläge  von  Len  n  ander  zur  Anlage  multipler  Darmfisteln  über¬ 
gegangen.  Er  glaubt,  dass  dem  Verfahren  ein  grosser  Wert  bei¬ 
zumessen  ist.  (Schluss  folgt.) 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  15.  Oktober  190  7. 
Vorsitzender:  Herr  Deneke. 

Demonstrationen:  t, 

Herr  Bachmann  stellt  5  gleichzeitig  in  poliklinischer  Be¬ 
handlung  stehende  Kinder  mit  progressiver  Paralyse  vor.  Bis  zum 
Beginn  des  jetzt  mehr  oder  weniger  weit  fortgeschrittenen  Krank¬ 
heitsbildes  zeigten  die  Kinder  normale  geistige  und  -körperliche  Ent¬ 
wicklung  und  konnten  dem  Schulunterricht  folgen.  Anamnestisch 
spielt  die  Syphilis  eine  Rolle,  teils  ererbt,  teils  akquiriert.  Bemerkens¬ 
wert  ist,  dass  die  Mütter  von  zweien  an  Tabes  leiden.  Typische 
paralytische  Anfälle  wurden  beobachtet.  Im  psychischen  Verhalten 
zeigen  die  Kinder  verschiedene  Typen  von  läppischer  Euphorie  über 
die  psychische  In-dolenz  hinweg  bis  zur  totalen  Verblödung.  Analog  -der 
Paralyse  der  Erwachsenen  ist  die  grosse  Vergesslichkeit  sowie  ein 
Schwanken  der  Stirmmungs-  und  Affektlag-e  zu  erwähnen.  Dagegen 
fehlen  Wahn-  oder  expansive  Ideen.  Von  körperlichen  Symptomen 


*)  Vergl.  Schüle:  Ueber  die  Differenz  zwischen  der  Tem¬ 
peratur  -des  Rektum  und  der  Achselhöhle,  speziell  bei  der  eitrigen 
Appendizitis.  Münch,  me-d.  Wochenschr.  1900,  S.  603. 


2214 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  44. 


finden  sich  Störungen  des  Ganges,  der  Sprache,  der  Schrift,  der 
Pupillenreaktion,  der  Sehnenreflexe,  der  Blase  und  des  Mastdarms. 
Spinalpunktion  ergab  Lymphozytose  und  positive  Globulinreaktion. 
Von  praktischer  Bedeutung  erscheint  die  bei  einem  der  Kinder  seit 
314  Monaten  beobachtete  Remission.  Da  solche  Remissionen  bei  Kin¬ 
dern  sehr  lange  dauern  können,  entspinnt  sich  die  Frage,  ob  nicht 
eine  Reihe  von  Kindern,  die  mit  Erscheinungen  an  Pupillen  oder  Re¬ 
flexen  unter  der  Diagnose  „Imbezillität“  oder  „Idiotie“  in  entsprechen¬ 
den  Anstalten  verpflegt  werden,  sich  in  einem  Remissionsstadium  der 
progressiven  Paralyse  befinden.  B.  hält  es  angesichts  dieser  Fälle 
für  wichtig,  Schulkinder,  deren  geistige  Regsamkeit  nach  Angabe  der 
Lehrer  plötzlich  stark  nachlässt,  auf  Demenz  zu  untersuchen  und 
eventuell  ganz  aus  dem  Unterricht  zu  entfernen. 

Herr  Grube  demonstriert  einen  neuen  von  ihm  angegebenen 
kombinierten  Instrumentier-  und  Instrumentensterilisiertisch  (zu  be¬ 
ziehen  von  Wind  ler  &  Schattschneider,  Hamburg). 

Herr  D  e  y  c  k  e  gibt  an  der  Hand  von  zahlreichen  Demon¬ 
strationen  ein  Uebersjchtsbild  über  die  Entwicklung  und  die 
Grundlagen  seiner  spezifischen  Lepratherapie.  Er  zeigt  Kul¬ 
turen  der  mehrfach  aus  Lepraknoten  rein  gezüchteten  Strepto- 
thrix  leproides,  aus  der  er  durch  ein  eigenes  Verfahren  eine 
wohl  charakterisierte  chemische  Substanz,  das  Nastin,  ge¬ 
wonnen  hat.  Das  Nastin  ist  chemisch  ein  Neutralfett,  d.  h.  der 
Glyzerinester  einer  hochmolekularen  Fettsäure,  es  kristallisiert 
in  schönen  biischel-  oder  sternförmigen  Kristallen  (Demon¬ 
stration  des  Nastins  in  Substanz  und  der  mikroskopischen  Kri¬ 
stalle),  ist  völlig  verseifbar  und  gibt  die  Glyzerinreaktion  der 
Neutralfette.  Biologisch  ist  das  Nastin  als  der  bakteriolytische 
Immunkörper  bei  der  Lepra  zu  betrachten.  Denn  schon 
die  Behandlung  von  Leprakranken  mit  dem  reinen  Nastin  hat 
gezeigt,  dass  es  eine  ausgedehnte,  durch  Entfettung  eingeleitete 
Bakteriolyse  der  Leprabazillen  hervorruft.  Trotz  dieser 
Wirksamkeit  hat  die  reine  Nastinbehandlung  ihre  Schatten¬ 
seiten  und  Gefahren  für  die  Patienten.  Deshalb  hat  D.  versucht, 
die  Methode  weiter  auszubauen  und  zu  vervollkommnen.  Das 
ist  ihm  dadurch  gelungen,  dass  er  Substanzen  fand,  die  im 
stände  sind,  säurebeständige  Bazillen,  z.  B.  Tuberkelbazillen, 
in  ganz  kurzer  Zeit  vollständig  zu  entfetten,  was  mit  den  ge¬ 
wöhnlichen  Fettextraktionsmitteln  kaum  oder  nur  äusserst 
schwer  gelingt.  Unter  diesen  Substanzen,  die  das  gemeinsame 
haben,  dass  sie  die  wirksame  Benzoylgruppe  (CoHsCO)  abzu¬ 
spalten  vermögen,  hat  sich  am  besten  das  Benzoylchlorid 
(CüFLCOCl)  bewährt,  das  in  vitro  Tuberkelbazillen  momentan 
entfettet,  in  vivo  das  Nastin  in  hohem  Grade  aktiviert,  so  zwar, 
dass  D.  nicht  mehr  ansteht,  seine  Lepratherapie  in  der  heutigen 
Form,  die  in  einer  Kombination  des  Benzoylchlorids  mit  dem 
Nastin  in  öliger  Lösung  besteht,  aufs  angelegentlichste  zur  Be¬ 
kämpfung  des  Aussatzes  zu  empfehlen.  Projektionsbilder  ver¬ 
anschaulichen  die  bakteriolytischen  Prozesse  bei  der  Lepra  in 
ihren  verschiedenen  Stadien,  sowie  die  bisher  erzielten  Heil¬ 
resultate  (Knochen-  und  Hautlepra  vor  und  nach  der  Behand¬ 
lung). 

Die  der  Nastintherapie  der  Lepra  zu  gründe  liegenden 
Prinzipien  gewinnen  dadurch  ein  besonders  aktuelles  Interesse, 
dass  auch  bei  der  Tuberkulose  das  Nastin  die  Rolle  des  bak¬ 
teriolytischen  Immunkörpers  zu  spielen  scheint,  wie  das  jetzt 
auch  v.  Behring  in  seinem  auf  der  internationalen  Tuber¬ 
kulosekonferenz  in  Wien  gehaltenen  Vortrag  angedeutet  hat. 
D.  ist  es  schon  vor  Jahresfrist  gelungen,  aus  Tuberkelbazillen 
ein  mit  dem  Nastin  sowohl  chemisch  (Kristallbildung,  Reak¬ 
tionen  etc.)  als  auch  biologisch  (therapeutische  Wirksamkeit  bei 
Lepra)  identisches  Neutralfett,  das  Tuberkulonastin  zu  ge¬ 
winnen.  Ferner  hat  sich  gezeigt,  dass  man  mit  dem  gewöhn¬ 
lichen  Nastin  Meerschweinchen  bis  zu  einem  gewissen  Grade, 
der  abhängig  von  der  Virulenz  der  Tuberkelbazillenstämme  ist, 
zu  immunisieren  vermag.  Bei  tuberkulösen  Menschen  kann 
man  durch  Nastin  bakteriolytische  Prozesse  hervorrufen  (De¬ 
monstration  eines  tuberkulösen  Sputums  vor  und  nach  einer 
Nastininjektion).  Trotzdem  ist  die  Anwendung  des  reinen  Na¬ 
stins  bei  der  Tuberkulose  schädlich  und  zu  verwerfen,  auch 
die  bei  der  Lepra  angewandten  Konzentrationen  des  Benzoyl- 
nastins  sind  zu  beanstanden.  Dagegen  hat  D.  neuerdings  Lö¬ 
sungen  von  Benzoylnastin  in  anderem  Mischungsverhältnis 
hergestellt,  die  absolut  unschädlich  sind  und  bei  einer  grösseren 
Reihe  von  zum  Teil  sehr  schweren  Lupusfällen,  die  D.  in 
Gemeinschaft  mit  Dr.  Hahn  behandelt,  recht  befriedigende 
und  sehr  ermutigende  Resultate  zeitigten.  Doch  darf  nicht  ver¬ 
gessen  werden,  dass  die  Benzoylnastintherapie  der  Tuberkulose 


insofern  eine  einseitige  Behandlungsmethode  ist,  als  sie  die 
pathologisch  so  wichtigen  Toxine  des  Tuberkelbazillus  nicht 
berücksichtigt.  Werner. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Mitgliederversammlung  vom  19.  Oktober  1907. 

Der  Vorsitzende  Rehm  gibt  die  Liste  der  von  den  einzelnen 
hiesigen  ärztlichen  Standesvereinigungen  zu  .dem  Einigungsausschuss 
delegierten  Mitgileder  bekannt.  Es  sind  dies  die  Herren  Rehm  und 
Kastl  (Bezirksverein),  Berge  at  und  Lukas  (für  den  Standes-, 
verein),  F.  Bauer  und  Schwertfeiner  (für  die  Abteilung  für 
freie  Arztwahl),  R.  Schmidt  und  Grünewald  (Bahnärzte), 
V  o  c  k  e  und  B  e  s  n  a  r  d  (Bezirksverein  München-Land),  Stern- 
f  e  1  d  und  H  a  r  1 1  e  (ärztl.  Klub),  Krecke  und  Scholl  (Leipziger 
Verband). 

Ein  Kollege  hat  sich  über  die  Ordinationen  in  den  Milchküchen  be¬ 
schwert.  Es  wird  auf  einen  diesbezüglichen  Beschluss  vom  vorigen 
Jahre,  der  diese  verbietet,  hingewiesen.  Ein  anderer  Kollege  hat  an 
die  hiesigen  Hebammen  eine  Art  Geschäftsempfehlung  geschickt,  ein 
Punkt,  der  noch  zur  Erörterung  kommen  soll. 

Ueber  den  Entwurf  einer  wirtschaftlichen  Organisation  bayeri¬ 
scher  Aerzte,  der  bekanntlich  von  anderer  Seite  an  die  Aerztekammern 
gelangen  soll,  referiert  Sternfeld  (siehe  Aerztl.  Vereinsbl.  No.  616, 
S.  584/5).  Ref.  geht  auf  die  missbilligende  Aufnahme  ein,  die  der  besagte 
Entwurf  schon  in  Münster  gefunden  habe  *),  und  verurteilt  ihn  aufs 
schärfste,  da  er  zu  Kompetenzkonflikten  mit  dem  Leipziger  Verbände 
führen  müsse.  Seit  4  Jahren  hätten  sich  die  Aerztekammern  nicht 
um  die  wirtschaftliche  Organisation  gekümmert.  Sie  seien  auch,  da 
sie  keinen  disziplinären  Einfluss  haben,  gar  nicht  befähigt,  eine  solche 
durchzuführen.  Dies  müsse  vielmehr  durch  den  Leipziger  Verband 
geschehen.  Die  Vorstandschaft  beantrage,  dass  der  Entwurf  bei  der 
Beratung  in  der  Kammer  abgelehnt  werde,  welcher  Antrag  einstimmig 
aiigengmmen  wird. 

Es  werden  sodann  ziemlich  debattelos  die  von  dem  ständigen 
Ausschuss  der  Aerztekammern  beschlossenen  Anträge  an  die  Kam¬ 
mern  angenommen.  Bei  dem  Anträge  betr.  Erhöhung  der  Leichen¬ 
schaugebühren  entwickelt  sich  eine  interessante  Diskussion  wegen  des 
von  der  Vorstandschaft  vorgeschlagenen  Zusatzes:  „Die  Leichenschau 
möge  allen  im  Orte  ansässigen  Aerzten  zugängig  gemacht  werden.“ 
Insbesondere  macht  Herr  Bezirksarzt  Henkel  darauf  aufmerksam, 
dass  die  Annahme  dieses  Satzes  eine  vollständige  Umwälzung  unserer 
bestehenden,  vorzüglichen  Leichenschauordnung  mit  sich  bringen 
würde.  Norddeutschland  beneide  Bayern  um  seine  gute  Leichenschau¬ 
ordnung.  Auf  den  Einwand,  dass  selbst  noch  Bader  als  Leichen¬ 
schauer  fungierten,  gibt  Henkel  an,  dass  in  München  ein  einziger 
seit  mehr  denn  20  oder  30  Jahren  als  solcher  fungierender  Bader  noch 
vorhanden  sei,  den  man  nicht  brotlos  machen  wolle.  Auf  dem  Lande 
sträubten  sich  manche  Aerzte,  die  Leichenschaufunktion  zu  über¬ 
nehmen,  so  dass  noch  mehrfach  Bader  dazu  verwendet  seien.  Nach¬ 
dem  Hecht  gewarnt  hatte,  Anträge  einzubringen,  deren  Ablehnung 
von  vornherein  sicher  sei  und  Dornberger  ersucht  hatte,  dem¬ 
nächst  einmal  einen  gründlich  ausgearbeiteten  und  vorbereiteten  Vor¬ 
trag  über  dies  Thema  im  Berzirks verein  auf  die  Tagesordnung  zu 
setzen,  zog  die  Vorstandschaft  unter  Annahme  dieses  Vorschlages 
ihren  Antrag  zurück. 

Scholl  begründet  hierauf  seinen  Antrag:  „Angesichts  der  in  der 
nächsten  Sitzungsperiode  des  Reichstages  erfolgenden  Neuregelung 
der  zur  Einschränkung  des  Kurpfuschertums  dienenden  gesetzlichen 
Bestimmungen  möge  der  Bezirksverein  der  Aufforderung  der  Deut¬ 
schen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums  nachkommen 
und  sobald  als  möglich  in  dieser  Sache  Material  aus  München  sammeln 
und  der  genannten  Gesellschaft  zustellen.  Mit  der  Sammlung  solle 
der  Pressausschuss  betraut  werden“.  Der  Antrag  hatte  eine  im  Be¬ 
zirksverein  schon  oft  erfolgte  Diskussion  über  die  Kurpfuscherei  und 
deren  Bekämpfungsmöglichkeit  zur  Folge.  Bezirksarzt  Henkel  be¬ 
dauert,  wie  schon  früher,  dass  die  Gesetze  zurzeit  keine  Handhabe 
bieten,  nennenswertes  zu  tun.  Tesdorpf  macht  Mitteilungen  über 
die  gegenwärtigen  diesbezüglichen  Arbeiten  des  Pressausschusses 
unter  Vorlage  zweier  sehr  interessanter  Bücher:  Rechtsvergleichende, 
kriminalpolitische  Studien  von  Dr.  juris  Henry  G  r  a  a  c  k,  Verlag  von 
G.  Eischer,  Jena,  103  S.  Ferner  derselbe  Autor:  Sammlung  von 
deutschen  und  ausländischen  Gesetzen  und  Verordnungen,  die  Be¬ 
kämpfung  der  Kurpfuscherei  und  die  Ausübung  der  Heilkunde  betr., 
152  Seiten.  Der  Antrag  Scholl  wird  angenommen. 

Zum  1.  Vorsitzenden  der  Vertragskommission  wird  einstimmig 
Perutz  und  zum  2.  Vorsitzenden  Katzenstein  gewählt.  Der 
Vorsitzende  teilt  noch  mit,  dass  demnächst  die  Kommission  zur  Er¬ 
höhung  des  Honorars  in  der  Privatpraxis  zusammentreten  werde,  und 
schliesst  1014  Uhr  die  von  54  Mitgliedern  besuchte  Versammlung. 

Nassauer. 


*)  Seil,  beim  Referenten  und  dessen  näheren  Freunden.  Bei  der 
Mehrheit  der  übrigen  in  Münster  anwesenden  bayerischen  Kollegen 
fand  der  Entwurf  eine  durchaus  günstige  Aufnahme.  Anm.  d.  Red. 


29.  Oktober  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Verschiedenes. 

Ausstellung  über  den  Alkoholismus  in  München. 

Eine  anregende  und  lehrreiche  Ausstellung  ist  gegenwärtig  *)  in 
den  Ausstellungsräumen  des  Museums  für  Arbeiterwohlfahrtsein¬ 
richtungen  in  München  zu  sehen.  Veranstaltet  ist  sie  vom 
Münchener  Zentral  verbände  zur  Bekämpfung  des 
Alkoholismus.  Ihm  hat  sich  der  Verein  für  Volkshygiene  an¬ 
geschlossen.  Den  Grundstock  bildet  die  Sammlung  über  den  Alkohol 
£us  der  ständigen  Ausstellung  in  Charlottenburg.  Es  ist  aber  noch 
reichliches  Material  aus  München  hinzugekommen,  so  vor  allem  aus 
den  Bestrebungen  der  Eisenbahnverwaltung  zur  Bekämpfung  des 
Alkoholgenusses  bei  den  Staatsbahnbediensteten,  die  ja  in  dieser 
Richtung  ausserordentlich  grosse  Verdienste  durch  ihr  zielbewusstes 
und  praktisches  Vorgehen  sich  erworben  hat.  Die  Räume  reichen 
knapp  aus,  um  das  Material  zu  fassen.  Für  uns  Aerzte  ist  natürlich 
viel  Bekanntes  darunter,  aber  doch  auch  teils  Neues,  teils  Altes  in 
guter  übersichtlicher  Form.  Abends  sind  durch  den  Verein  für  Volks¬ 
hygiene  und  die  Kommission  für  Arbeiterhygiene  und  -Statistik  des 
ärztlichen  Bezirksvereins  Führungsvorträge  vorgesehen.  Ausserdem 
sind  stets  Herren  der  verschiedenen  Vereine  gegen  den  Alkoholmiss¬ 
brauch  anwesend,  namentlich  macht  sich  Amtsrichter  a.  D.  Dr.  Bauer 
durch  seine  Erklärungen  sehr  verdient.  Für  das  Publikum,  ja  ich 
möchte  fast  sagen  auch  für  uns  Aerzte  sind  diese  höchst  erwünscht. 
Denn  das  ist  an  der  Ausstellung  noch  entschieden  verbesserungs¬ 
bedürftig  —  die  Tabellen  und  die  sonstig  ausgestellten  Dinge  sprechen 
nicht  ohne  weiteres  für  sich.  Das  teilweise  spröde  Material  wirk¬ 
lich  populär  darzustellen,  ist  durchaus  nicht  leicht,  aber  sehr  wichtig. 
Die  Versuche  etwas  drastischer  Art,  wie  sie  durch  einige  bildliche 
Darstellungen  von  älteren  Zeiten  des  Kampfes  gegen  den  Alkohol 
herrühren,  sind  in  dieser  Richtung  von  grossem  Interesse,  wenn  sie 
auch  inhaltlich  Angriffspunkte  für  die  Kritik,  Uebertreibungen  und 
Sentimentalitäten  bringen.  Eine  sehr  glückliche  Idee  war  es  auch, 
Sittenbilder  aus  satirischen  und  Witzblättern  zu  bringen,  wie  dies 
.  durch  K  r  ä  p  e  1  i  n,  so  viel  mir  bekannt  ist,  hier  geschehen  ist. 
Propagandaschriften  und  Literatur  empfangen  uns  am  Eingänge. 
Auch  eine  kurze  Erklärung  zu  dem  Besitzstand  der  ständigen  Aus¬ 
stellung.  Von  Präparaten  liegen  treffliche  Wachsmoulagen  von  nor¬ 
malen  und  chronisch-katarrhalisch  veränderten  Mägen,  von  normaler 
Leber,  Fettleber  und  Schrumpfleber,  von  normaler  und  schrumpfender 
Niere,  von  normalen  Herzen  und  dem  gegenüber  einem  Fettherz  und 
einem  echten  Münchener  Bierherz  —  Gewichte  300  g,  440  g,  bezw. 
700  g  —  ferner  von  Verkalkung  der  Aorta  etc.  auf.  Eine  sehr  an¬ 
schauliche  Zusammenstellung  des  Alkoholgehaltes  verschiedener  Ge¬ 
tränke  ist  .in  einem  Kasten  untergebracht.  In  den  gewöhnlich  zum 
Genuss  verwendeten  Gefässen  —  einem  Römer  für  Rheinwein,  einem 
eleganten,  langfiissigen  Likörgläschen  für  Damenlikör,  einem  Bier¬ 
glas  für  Bier,  einem  flachen  Reisefläschchen  für  Kognak  —  ist  durch 
gefärbtes  Wasser  und  Oel  jeweils  der  Alkoholgehalt  der  angegossenen 
Flüssigkeit  abgegrenzt.  Eine  Tabelle  zeigt  überdies  in  Prozentzahlen 
den  Alkoholgehalt  der  verschiedenen  Getränke. 

Ganz  hervorragend  sind  die  ausgestellten,  auch  im  Handel  jetzt 
zu  beziehenden  (in  Lehmanns  Verlag  erschienen,  10  Tafeln 
10  Mk.)  Wandtafeln  zur  Alkoholfrage,  herausgegeben  von  Grub  er 
und  K  r  ä  p  e  1  i  n.  Erstaunlich  ist  da  z.  B„  wie  mit  dem  Ein¬ 
kommen  die  prozentuale  Ausgabe  für  den  Alkohol  enorm  steigt  — 
wie  aus  einer  anderweitigen  Tafel  hervorgeht,  nicht  nur  bei  den  Ar¬ 
beitern,  sondern  auch  bei  den  anderen  Volksklassen  einschliesslich 
der  höheren  Schichten.  Die  Verelendungstheorie  trifft  daher  sicher 
nur  bei  degenerierten  Individuen  zu.  Sonst  ist  die  geringe  Einnahme 
eher  ein  Schutz  gegen  den  Alkoholgenuss.  Mit  der  Wohlhabenheit 
steigert  er  sich.  Während  bei  besser  situierten  Ständen  bei  der  pro¬ 
zentualen  Ausgabe  die  Menge  des  genossenen  Alkohols  durch  diese 
Zahlen  nicht  klar  :zum  Ausdruck  kommen  mag,  darf  man  dies  hier 
annehmen,  da  bei  den  berücksichtigten  Arbeitern  fast  ausschliesslich 
die  gleiche  Alkoholart  (Bier)  in  Betracht  kommt.  Gegenüber  den 
Steuern  sind  die  Ausgaben  für  Alkohol  sehr  gross;  bei  den  Karlsruher 
Arbeitern  12,3:0,9  Proz.  bezw.,  bei  den  Berliner  Arbeitern,  ca.  7:  1,65 
Proz.  Für  Vergnügungen  anderer  besserer  Art  bleibt  gerade  den 
letzteren  nur  etwa  der  gleiche  Teil  wie  für  die  Steuern.  Da  an 
anderer  Stelle  noch  auf  diese  Tafeln  zurückzukommen  sein  wird,  so 
seien  nur  noch  einige  der  interessantesten  sonstigen  erwähnt. 
Da  ist  ein  Stammbaum  eines  I  rinkers  von  Aschaffenburg,  der  nun 
schon  in  die  vierte  Generation  hineinreicht  und  einen  höchst  traurigen 
Ausblick  gibt.  Eine  Geburtkurve  nach  B  e  s  s  o  1  a  soll  zeigen,  wie 
in  den  Geburtsmonaten,  die  einer  Zeugung  in  den  Karnevals-  bezw. 
Weinlesemonaten  entsprechen,  die  Kurven  der  schwachsinnig  Ge¬ 
borenen  in  die  Höhe  schnellen  gegenüber  den  normalen.  Die  Tafel  ist 
nicht  sehr  klar  und  nicht  eindeutig.  Allerdings  bei  den  im  November 
Geborenen  gehen  die  beiden  Kurven  entgegengesetzt  auseinander. 
Höchst  drastisch  wirken  dagegen  die  Darstellungen  aus  Zürich,  der 
Rheinprovinz,  aus  Worms  und  einer  der  genannten  Wandtafelsamm¬ 
lung  in  ihrer  vollständigen  Uebereinstimmung  über  den  Einfluss  der 
tage  —  d.  h.  der  an  den  Tagen  als  genossen  anzusetzenden  Alköhol- 
mengen  auf  die  Begehung  von  Körperverletzungen.  Samstag 
steigend,  Sonntag  enorm  in  die  Höhe  schnellend,  Montag  zwar  ab- 

*)  Die  Ausstellung  ist  unterdessen  geschlossen  worden.  Red. 


2> 

Lj  Lj  L  v  ) 


fallend,  aber  immer  noch  weit  über  den  Samstag  hinausreichend.  Mit 
der  jährlichen  Zunahme  des  Alkoholismus  gehen  auch  die  gefährlichen 
Körperverletzungen  in  die  Höhe.  Von  100  Straftaten  fallen,  nach 
einer  anderen  Tafel,  bei  Mord  46  Proz.  in  den  Zustand  der  Trunken¬ 
heit,  bei  Hausfriedensbruch  54  Proz.,  bei  Totschlag  63  Proz.,  bei 
Körperverletzung  74  Proz.,  bei  Vergehen  gegen  die  Sittlichkeit 
77  Proz.  usw.  Auch  hier  möge  aus  einer  der  Kraepelin-Gru- 
b ersehen  Wandtafeln  der  auffallend  grossen  Beteiligung  der  Ge¬ 
legenheitstrinker  an  den  Verbrechen,  namenlich  den  Rohheits-,  Leiden¬ 
schafts-  und  Sittlichkeitsverbrechen  erwähnt  sein.  Bei  letzteren  z.  B. 
fallen  auf  sie  56,5  von  den  77  Proz. 

Auch  die  Störungen  der  Gehirnfunktionen  durch  den  Alkohol¬ 
genuss  sind  in  Tafeln  wiedergegeben,  ferner  die  Unfallshäufigkeit 
unter  der  Wirkung  des  Alkohols:  Sonnabend,  wo  der  Arbeiter  müde 
ist  durch  die  Arbeitswoche,  steigern  sie  sich,  noch  viel  mehr  aber  — 
namentlich  wenn  man  das  Blaumachen  am  Montag  berechnet  —  am 
Montag,  wo  diese  Ursache  nicht  hereingezogen  werden  kann. 

Zum  Schlüsse  eine  sehr  interessante  Tafel,  die  zeigt,  dass  die 
Alkoholfrage,  die  einst  als  Schnapsfrage  angepackt  wurde,  heutzutage 
eine  Bierfrage  ist,  ganz  besonders  für  uns  in  Deutschland.  Das  ist 
nun  in  gewisser  Beziehung  schon  ein  Fortschritt,  aber  freilich  gleich¬ 
zeitig  damit  geht  trotz  des  so  enorm  geringen  Alkoholgehaltes  des 
Bieres  eine  bedeutende  Steigerung  der  Gesamtmenge  des  getrunkenen 
Alkohols  einher!  In  Schweden  ist  freilich  diese  Menge  seit  1830  von 
23  Liter  absoluten  Alkohols  pro  Kopf  und  Jahr  auf  etwa  5  herunter¬ 
gegangen  durch  die  Einschränkung  des  Branntweingenusses.  Dieser 
geht  auch  weiter,  wenn  auch  nur  wenig  zurück,  dagegen  steigt  der 
Gesamtalkoholkonsum  auch  dort  etwas  durch  den  vermehrten  Bier¬ 
verbrauch.  Im  Deutschen  Reiche  steigt  er  ebenfalls  seit  1890  von 
ca.  4  bis  1895  auf  über  5  Liter  durch  das  Bier  allein.  In  Bayern  ist 
dieser  heute  niedriger  als  1875,  steigt  aber  seit  1885,  wo  er  pro  Kopf 
211  Liter  Bier  (ca.  9  Liter  Alkohol)  betrug  bis  1895  auf  226  (etwas 
über  10  Liter).  Bemerkt  sei  übrigens  gegenüber  den  oft  gehörten 
Angriffen  auf  Amerika,  dass  die  Vereinigten  Staaten  sowohl  im  Bier¬ 
genuss  als  auch  im  Branntweingemiss  weit  hinter  Deutschland  Zurück¬ 
bleiben.  Höherer  Konsum  ist  nur  in  Belgien  und  Frankreich  bezüg¬ 
lich  Branntwein,  in  Belgien  und  England  bezüglich  Bier  zu  kon¬ 
statieren.  Gerade  diese  Tafeln  nach  Delbrück  sind  sehr  verdienst¬ 
voll.  Dr.  Neustätter. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  28.  Oktober  1907. 

—  Wie  aus  unserem  heutigen  Berichte  hervorgeht,  hat  der  Aerzt- 
liche  Bezirksverein  München  in  seiner  letzten  Sitzung  den  von  dem 
geschäftsführenden  Ausschuss  der  bayerischen  Aerztekammern  vor¬ 
gelegten  Entwurf  zum  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Or¬ 
ganisation  in  Bayern  abgelehnt  mit  der  Begründung,  dass  er 
zu  Kompetenzkonflikten  mit  dem  Leipziger  Verband  führen  müsse. 
Diese  Bedenken  sind  gewiss  nicht  stichhaltig.  Bei  besonnener  Haltung 
der  beteiligten  Faktoren  lassen  sich  solche  Konflikte  sehr  wohl  ver¬ 
meiden  und  sind  bis  jetzt  immer  vermieden  worden,  obwohl  bei  fast 
allen  deutschen  und  auch  bayerischen  Aerztekammern  (ausgenommen 
Oberbayern)  seit  Jahren  Vertragskommissionen  —  solche  bilden  den 
wesentlichsten  Punkt  des  Entwurfes  —  bestehen,  welche  den  lokalen 
Vertrauenskommissionen  übergeordnet  sind.  Es  handelt  sich  ja  über¬ 
haupt  nicht  etwa  um  ein  Eingreifen  der  Aerztekammern  bei  ausge¬ 
brochenen  Streitigkeiten  mit  den  Krankenkassen,  sondern  um  eine 
letzte  Berufungsinstanz  zur  gerechten  Wahrung  der  Interessen  der  ein¬ 
zelnen  Aerzte  und  zur  Schlichtung  drohender  Streitigkeiten  zwischen 
ärztlichen  Minoritäten  und  Majoritäten.  Die  Kompetenz  der  Aerzte¬ 
kammern  hat  sich  bisher  unbestritten  auf  das  gesamte  Standesleben  er¬ 
streckt  und  ist  auch  in  dieser  Richtung  um  so  weniger  anzuzweifeln,  als 
der  L.  W.  V.  sich  noch  niemals  mit  dieser  lokalen  Jurisdiktion  befasst 
hat  und  sich  niemals  damit  wird  befassen  können.  Dass  ihnen  darum 
zu  tun  ist,  in  einem  guten  Verhältnis  zu  dem  L.  W.  V.  zu  bleiben, 
haben  die  bayerischen  Kammern  stets  und  gerade  im  Laufe  dieses 
Jahres  wiederholt  gezeigt.  Es  gibt  aber  allzu  extreme  Organisatoren 
welche  keinen  Einspruch  anerkennen,  sondern  selbst  die  erste  und 
letzte  wirtschaftliche  Instanz  sein  wollen;  sie  werden  überall  nicht 
nur  mit  einzelnen  Aerztegruppen,  sondern  auch  mit  den  Aerzte¬ 
kammern  und  schliesslich  auch  mit  dem  L.  W.'V.  selbst  in  Kollision 
geraten.  Sie  in  den  notwendigen  Grenzen  zu  halten,  ist  unseres  Er¬ 
achtens  eine  gemeinsame  Aufgabe  der  Aerztekammern  und  des 
L.  W.  V.  In  diesem  Sinne  glauben  wir,  dass  die  Errichtung  der  Be¬ 
schwerdekommissionen,  welche  hoffentlich  nur  selten  in  Tätigkeit  zu 
treten  haben  werden,  einer  Festigung  des  Vertrauens  zur  Organisation 
dienen  wird,  und  deshalb  wäre  die  Annahme  des  Entwurfes  durch  die 
Aerztekammern  zu  begrüssen. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Dresden:  Die  Assistenzärzte 
der  Dresdner  städtischen  Krankenhäuser  haben  er¬ 
neut  —  auf  ein  ähnliches  Gesuch  vom  Sommer  1906  war  eine  Ant¬ 
wort  nicht  erfolgt  —  eine  Eingabe  an  den  Rat  gerichtet,  in  der  sie 
unter  Hinweis  auf  die  Forderungen,  wie  sie  von  der  im  Anschluss  an 
die  Hauptversammlung  des  Leipziger  wirtschaftlichen  Verbandes  am 
21.  Juni  1906  in  Halle  a.  S.  stattgefundenen  Assistenzarztversammlung 
aufgestellt  worden  sind,  bestimmte  Aenderungen  ihrer  Anstellungs¬ 
bedingungen  erbitten  —  bescheidene  und  durchaus  berechtigte 


2216 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ho.  44. 


Wünsche:  Erhöhung  des  Anfangsgehaltes  bei  völlig  freier  Station  von 
1000  Mk.  auf  1-200  Mk.,  jährliche  Steigerung  des  Gehaltes  um  200  Mk., 
Anrechnung  der  in  andern  Krankenhäusern  und  medizinisch  wissen¬ 
schaftlichen  Instituten  verbrachten  Dienstzeit  zur  Hälfte,  vertrags- 
mässiges  Anrecht  auf  vierwöchigen  Urlaub  in  jedem  Dienstjahr,  Ueber- 
nahme  der  Unfallversicherung  durch  die  anstellende  Behörde.  Die 
Sekundärärzte,  deren  Anfangsgehalt  erst  im  vorigen  Jahr  auf  1800  Mk. 
festgesetzt  wurde,  haben  zur  Zeit  von  der  Forderung  einer  Gehalts¬ 
erhöhung  abgesehen  und  nur  die  übrigen  Wünsche  mit  zu  den  ihrigen 
gemacht  und  zu  Papier  gebracht.  Desgleichen  haben  die  Assistenz¬ 
ärzte  der  städtischen  Heil-  und  Pflegeanstalt  nur  um  die  übrigen 
oben  skizzierten  Abänderungen  der  Anstellungsbedingungen  nach¬ 
gesucht  und  keine  Wünsche  wegen  einer  Gehaltserhöhung  geäussert, 
da  die  dringend  nötige  Vergrösserung  des  gesamten  Aerztestabes, 
eine  damit  verbundene  Gehaltsaufbesserung  bestimmter  Arztstellen 
bereits  vor  einigen  Monaten  von  den  Anstaltsoberärzten  beantragt 
worden  ist,  entsprechend  der  Grösse  der  Anstalt,  nach  dem  Vorbild 
anderer  grosser  und  moderner  Anstalten  und  entsprechend  den  mo¬ 
dernen  Anschauungen  der  Behandlung  Geisteskranker  und  Siecher 
und  der  Ausbildung,  Unterweisung  und  Beaufsichtigung  des  hierzu 
notwendigen  Pflegepersonals.  Die  in  diesen  Eingaben  zum  Ausdruck 
gebrachten  Wünsche  sind,  wie  gesagt,  so  berechtigt,  dass  man  ihnen 
die  wohlwollende  Würdigung  des  Rates  und  der  Stadtverordneten 
und  ihre  Erfüllung  in  allen  Punkten  nur  wünschen  kann.  Eine  Ver¬ 
besserung  der  Stellung  der  Assistenzärzte,  eine  angemessene,  dem 
Alter  einigermassen  entsprechende,  standeswürdige  Bezahlung  kommt 
auch  den  Kranken  .zu  Gute.  Dadurch  werden  die  jungen  Aerzte 
stationärer  zum  Vorteil  des  Krankendienstes,  der  immerwährende 
Wechsel  wird  eingeschränkt.  Namentlich  aber  wird  dadurch  die 
trotz  Ueberfiillung  des  ärztlichen  Berufes  zur  Zeit  herrschende  „grosse 
Assistentennot“  ohne  weiteres  beseitigt  werden.  Einzelne  Städte, 
zuletzt  Stettin,  haben  dieser  Kalamität  Rechnung  tragend,  spontan  die 
Assistenzarztgehälter  verbessert  (so  Stettin  Anfangsgehalt:  1500Mk.l). 
Wir  können  nur  das  wiederholen,  was  an  dieser  Stelle  am  15.  Juli 
ds.  Js.  bei  Besprechung  der  Eingabe  der  Münchener  Assistenzärzte 
gesagt  wurde  und  es  auf  Dresden  übertragen:  „Wenn  heute  die 
Dresdner  Assistenzärzte  ihre  Stellen  niederlegen  würden,  würde  es 
ihnen  leicht  sein,  in  kürzester  Zeit  andere,  besser  bezahlte  Stellen  zu 
finden,  während  der  Magistrat  grosse  Schwierigkeiten  haben  würde, 
die  Stellen  neu  zu  besetzen.  An  eine  solche  Massregel  wird  gewiss 
nicht  gedacht.  Wir  stellen  nur  die  klare  Sachlage  fest,  deren  richtige 
Würdigung  den  Dresdner  Magistrat  veranlassen  muss,  dem  Gesuch 
der  Assistenzärzte  stattzugeben.“ 

—  Voraussichtlich  Ende  dieses  Monats  werden  die  fünf  preus- 
sischen  Stromüberwachungsstationen  an  der  Weichsel  und  Memel  zur 
Abwehr  der  Choleragefahr  wieder  eingezogen  werden,  da 
die  Gefahr  eines  Uebertritts  der  Seuche  aus  dem  russischen  Gebiet 
dann  nicht  mehr  für  vorliegend  erachtet  wird.  Zur  Vorsicht  werden 
die  Stationen  jedoch  im  Frühjahr  nächsten  Jahres,  sobald  das 
Flössereigeschäft  beginnt,  wieder  eröffnet  werden. 

—  Das  Berliner  Polizeipräsidium  warnt  neuerdings  vor  zwei 
G  e  h  e  i  m  m  i  1 1  e  1  n,  die  in  letzter  Zeit  in  öffentlichen  Blättern  ange¬ 
priesen  wurden.  Das  erste  ist  das  von  der  Firma  „The  Giant  Oxie 
Co.“  in  London  angebotene  „Oxien“  gegen  Herzkrankheiten;  eine 
dreimonatige  Behandlung  mit  dem  sich  dahinter  verbergenden  Medi- 
kamenten-Aggregat  soll  25  Mk.  kosten.  Die  Tabletten  bestehen  nach 
Feststellung  der  Polizeibehörde  aus  Rohr-  und  Milchzucker,  Mais¬ 
stärke,  Sassafrasöl,  Wintergrünöl  und  einem  Bitterstoff,  die  Pillen  im 
wesentlichen  aus  einer  mit  Pfefferminzöl  versetzten  Mischung  von 
bitteren  Extrakten  mit  Jalapenharz  und  Capsaicin,  die  mit  einer  Masse 
von  Zucker  und  Maismehl  überzogen  ist.  Das  zweite  Mittel  ist  das 
von  der  Fabrik  pharmazeutischer  Präparate  Gustav  Laar  mann  in 
Berlin  in  Zeitungen  angepriesene  „Rheuma -Tabakolin“  gegen  „Gicht, 
Gelenkreissen  und  Rheuma“.  Es  besteht  lediglich  aus  Tabakgrus  und 
ist  mit  Melissenöl  parfümiert,  soll  in  Spiritus  und  Wasser  ausgezogen 
und  dieser  Auszug  zu  Umschlägen  benutzt  werden.  Der  Preis  des 
Mittels  ist  unverhältnismässig  hoch  (5  Mk.  für  100  g);  die  Umschläge 
bedingen  die  Gefahr  einer  Nikotinvergiftung. 

—  Cholera.  Russland.  Nach  den  Ausweisen  im  „Regierungs¬ 
boten“  vom  16.  Oktober  sind  vom  2.  bis  einschl.  12.  Oktober  an  der 
Cholera  1174  Personen  erkrankt  und  499  gestorben.  In  Kiew  wurde 
das  Militärkrankenhaus  auch  zur  Aufnahme  von  cholerakranken  Per¬ 
sonen  des  Zivilstandes  bestimmt,  weil  angeblich  das  bisher  allein  zur 
Aufnahme  von  Cholerakranken  eingerichtete  Alexander-Hospital  mit 
solchen  und  Typhuskranken  bis  weit  über  die  Grenzen  seiner  Auf¬ 
nahmefähigkeit  hinaus  überfüllt  war.  Im  Alexander-Hospital  hatten 
bis  zum  14.  Oktober  angeblich  170  Cholerakranke  Aufnahme  gefunden. 
Es  wird  behauptet,  dass  das  Dnjeprwasser  nach  den  angestellten 
Untersuchungen  besonders  in  der  Nähe  der  Rieselfelder,  d.  h.  ober¬ 
halb  der  Stadt  Kiew,  reichlich  mit  Cholerabazillen  durchsetzt  sei. 
Einige  Strassen,  die  noch  nicht  an  die  allgemeine  städtische  Wasser¬ 
leitung,  die  das  Wasser  dem  Dnjepr  unterhalb  der  Rieselfelder  ent¬ 
nimmt,  angeschlossen  sind,  sondern  durch  artesische  Brunnen  ver¬ 
sorgt  werden,  sollen  auffallend  wenig  Erkrankungen  zeigen.  —  Straits 
Settlements.  In  Singapore  ist  die  Zahl  der  Choleratodesfälle  für  die 
Zeit  vom  11.  bis  17.  September  auf  13  gestiegen.  —  Japan.  Aus  Kobe- 
Hiogo  wurden  vom  12.  bis  20.  September  108  Choleraerkrankungen 
(und  62  Todesfälle)  gemeldet,  aus  Osaka  und  dessen  Umgebung  vom 
13.  bis  21.  September  53  (39),  d.  i.  seit  dem  ersten  Ausbruch  der 
Krankheit  75  (53). _ 


—  Pest.  Aegypten.  Vom  5.  bis  12.  Oktober  wurden  an  Ale¬ 
xandrien  5  neue  Erkrankungen  und  2  Pesttodesfälle,  sonst  keine  Pest- 
fälle  gemeldet.  —  Japan.  Auf  Formosa  wurden  im  Juni  537  Er¬ 
krankungen  (und  476  Todesfälle)  an  der  Pest  angezeigt.  In  Osaka 
sind  vom  20.  August  bis  zum  23.  September  5  neue  Pestfälle  fest- 
gestellt  worden.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  Bis  zum  28.  Sep¬ 
tember  waren  in  San  Franzisko  insgesamt  44  Pestfälle  festgestellt 
worden,  von  denen  27  tödlich  verlaufen  waren.  —  Britisch-Ostindien. 
In  Kalkutta  starben  vom  8.  bis  14.  September  6  Personen  an  der  Pest. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  6.  bis  12. 
Oktober  sind  23  Erkrankungen  (und  13  Todesfälle)  angezeigt  worden. 

—  In  der  41.  Jahreswoche,  vom  6.  bis  12.  Oktober  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Borbeck  mit  36,1,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  8,4  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Masern  und  Röteln  in  Cottbus,  an  Keuchhusten 
in  Altenessen.  V.  d.  K.  G.-A. 

(H  ochse 'hulnach  richten.) 

Breslau.  Dr.  Martin  T  h  i  e  m  i  c  h,  Privatdozent  für  Kinder¬ 
heilkunde,  ist  zum  städt.  Kinderarzt  und  Leiter  des  Kinderkranken¬ 
hauses  in  Magdeburg  gewählt  worden,  und  wird  zum  1.  Januar  1908 
seine  neue  Stellung  antreten. 

Heidelberg.  Geh.  Hofrat  Dr.  F  1  e  i  n  e  r,  der  den  verstor¬ 
benen  Grossherzog  behandelt  hat,  erhielt  das  Kommandeurkreuz 
2.  Kl.  mit  Eichenlaub  des  Ordens  vom  Zähringer  Löwen.  —  Der  a.  o. 
Professor  für  Gynäkologie  Dr.  Schottländer  hat  die  Aufforde¬ 
rung  erhalten,  den  nach  Wien  berufenen  Geh.  Hofrat  v.  Rosthorn 
zu  begleiten  und  die  Stelle  als  Direktor  des  Laboratoriums  der  neuen 
Wiener  Frauenklinik  zu  übernehmen. 

Jena.  Es  hat  sich  habilitiert:  Dr.  med.  Gustav  Hesse  für 
Zahnheilkunde. 

Kiel.  Dem  Oberarzt  der  chirurgischen  Klinik  und  Privatdozenten 
Dr.  G  ö  b  e  1 1  wurde  der  Titel  Professor  verliehen. 

Bologna.  Der  ausserordentliche  Professor  der  Chirurgie  und 
operativen  Medizin  Dr.  G.  R  u  g  g  i  wurde  zum  ordentlichen  Professor 
ernannt. 

Graz.  Der  Privatdozent  Dr.  Fr.  Hartmann  wurde  zum 
ausserordentlichen  Professor  der  Neurologie  und  Psychiatrie  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Dr.  J.  C.  Simes,  früher  Professor  der  Harn-  und  Geschlechts¬ 
krankheiten  an  der  Philadelphia-Poliklinik. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  August  Besold,  appr.  1906,  Weissenstadt. 
Dr.  David  Grün  b  a  u  m,  appr.  1904,  in  Nürnberg.  Dr.  Ludwig 
Lochner,  appr.  1887,  in  Ornbau,  B.-A.  Feuchtwangen. 

Verzogen.  Dr.  Adolf  Mayer  von  Kirchenlaibach  nach 
Naisa,  BA.  Bamberg  I.  Dr.  Hans  Böhmer  von  Memmelsdorf  nach 
Bamberg.  Dr.  Georg  Häusler  von  Ornbau  unbekannt  wohin. 
Dr.  Ludwig  Hüttner  von  Kornburg,  B.-A.  Schwabach,  nach  Wiesau 
in  der  Oberpfalz. 

Versetzt:  Der  Bezirksarzt  I.  Klasse,  Dr.  Johann  Kaspar 
B  i  1 1  o  n  in  Staffelstein,  seiner  Bitte  entsprechend,  in  gleicher  Eigen¬ 
schaft  nach  Forchheim. 

Erledigt.  Die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse  in  Staffelstein. 
Bewerber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 
bei  der  ihnen  Vorgesetzten  K-  Regierung,  K.  d.  I.,  bis  zum  10.  November 
1.  J.  einzureichen. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  4L  Jahreswoche  vom  6.  bis  12.  Oktober  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  12  (13*) 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  5  (6),  Kindbettfieber  —  (1),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  (2),  Scharlach  —  (— ),  Masern  u.  Röteln  —  (1),  Diphth.  u. 
Krupp  1  (2),  Keuchhusten  —  (1),  Typhus  1  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (-),  Rose  (Erysipel)  —  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  —  (1),  Tuberkul.  d.  Lungen  19  (16),  Tuberkul.  and. 
Org.  1  (10),  Miliartuberkul.  1  (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  10  (3), 
Influenza  —  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  6  (3),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  1  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  1  (1),  organ.  Herzleid.  23  (10), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  9  (6),  Gehirnschlag 
8  (5),  Geisteskranke  —  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  3  (2),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  6(1),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  43  (46),  Krankh.  d.  Leber  2  (3),  Krankh.  des 
Bauchfells  —  (2),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  7  (4),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  20  (24), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  4  (4),  Selbstmord  3  (3),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  2  (4),  alle  übrig.  Krankh.  2  (6). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  193  (188).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,3  (17,8),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,0  (12,0). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  Mtlnchcn.  —  Druck  von  E.  Mühlthal  era  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


ßle  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  ni  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6 — 7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Kummer  80  4-  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

Je  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


>Zusendüng.en  sind,  zu  adressieren:  Pür  die  Redaktion  Amulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/» — 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
*  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

0.  r.  Angerer,  Ch.  Blumler,  >0.  v.  Büllinger,  H,  Cnrsctiraami,  H.  Belierich,  W.  v.  Leute,  G.  Merkel,  J.  t.  IHicbel,  F.Peozoldf,  J.» .  Hanke,  B.Spalz,  F.tJinckel, 


München.  Freiburg  i.  B.  München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  45.  5.  November  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Die  Pyozyanase  als  Prophylaktikum  und  Heilmittel  bei 
bestimmten  Infektionskrankheiten. 

Von  Prof.  Dr.  Rudolf  Emmerich  - München. 

I.  Die  Behandlung  der  Diphtherie  mit  Pyo¬ 
zyanase. 

Auf  der  Oberfläche  von  Flüssigkeitskulturen  des  Bacillus 
pyocyaneus  —  Bazillus  des  blauen  Eiters  —  bildet  sich  im 
Verlauf  weniger  Tage  eine  dicke  Bakterienhaut,  die  beim 
Schütteln  zu  Boden  fällt,  worauf  wieder  eine  neue  Hautdecke 
entsteht.  Diese  Neubildung  einer  Bakterienhaut  wiederholt 
sich,  wenn  man  dieselbe  durch,  in  Intervallen  von  3 — 4  Tagen 
ausgeführtes,  kräftiges  Schütteln  zerstört,  etwa  6 — 8  mal.  Man 
beobachtet  aber,  dass  die  zuletzt  gebildeten  Bakterienhäute 
dünner  und  viel  weniger  üppig  entwickelt  sind  als  die  zuerst 
gebildeten,  bis  nach  3 — 4  Wochen  die  Bakterienentwicklung 
ganz  aufhört  und  keine  Spur  von  Hautbildung  mehr  erfolgt. 

Dieses  Aufhören  der  Entwicklung  kann  nicht  durch  Nähr¬ 
stoffmangel  verursacht  sein;  denn  es  lässt  sich  nachweisen, 
dass  alle  zur  Bakterienernährung  nötigen  Nährstoffe  auch  nach 
4  Wochen  noch  in  sehr  reichlicher  Menge  in  der  Kulturflüssig¬ 
keit  enthalten  sind. 

Auch  die  gebildeten  Stoffwechselprodukte  —  Abbaupro¬ 
dukte  des  Eiweisses,  Säuren,  oder  Ammoniak  u.  dergl.  — 
können  nicht  die  Ursache  des  Stillstandes  der  Entwicklung  sein, 
da  die  letztere  weder  durch  Neutralisation  der  Kulturflüssigkeit 
noch  durch  die  Entfernung  der  Stoffwechselprodukte  vermittels 
Dialyse  wieder  in  Gang  gebracht  werden  kann. 

Dagegen  belehrt  uns  eine  andere  interessante  Beobachtung 
über  die  Ursache  der  merkwürdigen  Erscheinung. 

Die  infolge  des  Schütteins  zu  Boden  gefallenen  Bakterien¬ 
häute  bilden  anfangs  eine  sehr  voluminöse,  flockige,  allmählich 
zäh  und  schleimig  werdende  Masse  von  mehr  als  50  g,  deren 
Volumen  sich  bei  öfterem  Schütteln  immer  mehr  verringert, 
bis  nach  Wochen  kaum  eine  Messerspitze  voll  eines  nur  einige 
Milligramm  schweren,  weisslichen  Bodensatzes  übrig  geblieben 
ist,  der  bei  mikroskopischer  Untersuchung  aus  leeren  Bakterien¬ 
membranen,  punktförmigen  Kernresten,  Fetttröpfchen  und  aus 
Krystallen  besteht. 

Die  völlige  Auflösung  einer  so  grossen  Bakterienmasse 
kann  nur  durch  ein  sehr  wirksames  bakterienauflösendes  Enzym 
verursacht  kein,  welches  in  den  Zellen  des  Bazillus  pyocyaneus 
als  unlösliches  Zymogen  enthalten  ist  und  bei  der  Auflösung 
derselben  als  lösliches  Enzym  in  die  Kulturflüssigkeit  gelangt. 
Diese  Erklärung  hat  sich  bei  weiteren  Untersuchungen  als 
richtig  erwiesen  und  sie  lässt  auch  die  Tatsache  begreiflich 
erscheinen,  dass  die  bakterienauflösende  Fähigkeit  der  Kultur¬ 
flüssigkeit  um  so  grösser  wird,  je  länger  die  Bakterienvege¬ 
tation  dauert,  je  mehr  Bakterienzellen  also  gebildet  und  beim 
Schütteln  aufgelöst  werden. 

Dieses  in  Pyozyaneuskulturen  gebildete  bakteriolytische 
Enzym  - —  die  Pyozyanase  lässt  sich  in  bakterienfreier,  kon¬ 
zentrierter  Lösung  gewinnen,  wen  man  die  abgelaufene,  etwa  3 
Wochen  alte  Kultur  durch  Berkefeldfilter  filtriert  und  im  Va¬ 
kuum  auf  1  Zehntel  Volumen  konzentriert. 

Es  hat  sich  durch  jahrelang  fortgesetzte  Untersuchungen, 
die  ich  gemeinschaftlich  mit  Professor  Dr.  Oskar  L  ö  w  aus- 

No.  45. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

führte,  gezeigt,  dass  die  so  gewonnene  Pyozyanaselösung  nicht 
nur  die  Zellen  des  Bacillus  pyozyaneus,  sondern  auch  Di¬ 
phtheriebazillen,  Cholera-,  Typhus-,  Pest- und  Milzbrandbazillen, 
sowie  die  Strepto-,  Staphylo-  und  Gonokokken  abtötet  und 
auflöst  und  zwar  grosse  Mengen  dieser  Bakterien  in  sehr 
kurzer  Zeit. 

Diejenigen  pathogenen  Bakterien,  welche  der  auflösenden 
Wirkung  der  Pyozyanase  zugänglich  sind,  werden  wahrschein¬ 
lich  durch  die  gleiche  chemische  Konstitution  der  Eiweissstoffe 
ihres  Protoplasmas,  oder  durch  die  gleiche  chemische  Be¬ 
schaffenheit  ihrer  Membran  ausgezeichnet  sein;  denn  wir  konn¬ 
ten  feststellen,  dass  gewisse  pathogene  Bakterien,  wie  z.  B.  die 
Tuberkelbazillen,  welche  eine  sehr  fett-  und  zellulosereiche 
Membran  besitzen  und  viele  Saprophyten  wie  z.  B.  die  Heu- 
bazillen  durch  die  Pyozyanase  nicht  aufgelöst  und  auch  nicht 
abgetötet  werden.  Die  Gruppe  der  durch  Pyozyanase  auflös¬ 
baren,  pathogenen  Bakterien  umfasst  aber,  ausser  den  oben 
erwähnten,  von  uns  genauer  untersuchten  Arten,  auch  noch 
andere  Erreger  menschlicher  und  tierischer  Infektionskrank¬ 
heiten. 

So  haben  Professor  Dr.  Th.  Escherich  und  sein  Assi¬ 
stent  Dr.  J  e  h  1  e  in  Wien  ermittelt,  dass  auch  die  Bakterien 
der  Säuglingsgrippe  und  die  Meningokokken  durch  Pyozyanase 
vernichtet  und  gelöst  werden. 

Diese  namhaften  Forscher,  denen  die  experimentelle  I  hera- 
pie  schon  so  manche  wertvolle  Bereicherung  verdankt,  sowie 
Professor  Dr.  Pfaundler  in  München  und  sein  Assistent 
Dr.  Zucker  haben  zuerst  auch  die  Verwertbarkeit  der  Pyo¬ 
zyanase  für  therapeutische  und  prophylaktische  Zwecke  in 
grossem  Umfange  geprüft  und  erprobt. 

Der  folgende  kurze  Auszug  aus  ihren  diesbezüglichen  Mit¬ 
teilungen  und  der  Bericht  über  die  von  mir  selbst  mit  Pyo¬ 
zyanase  behandelten  Fälle  von  schwerer  septischer  Diphtherie 
und  von  Gonorrhöe  geben  die  Gewähr,  dass  die  Pyozyanase¬ 
lösung  bald  eine  hervorragende  Rolle  in  der  kausalen  T  he¬ 
rapie  der  obengenannten  Infektionskrankheiten  spielen  wird. 

1.  Die  experimentellen  Grundlagen  der  Pyo- 
zyanasebehandlung  der  Diphtherie. 

Ehe  ich  an  die  Behandlung  der  Diphtherie  des  Menschen 
mit  Pyozyanase  heranging,  und  andere  dazu  veranlasste,  habe 
ich  zahlreiche  Versuche  über  das  Verhalten  der  Diphtherie¬ 
bazillen  in  Pyozyanase  in  vitro,  sowie  über  die  Heilung  der 
experimentellen  Diphtherie  durch  Pyozyanase  und  die  Schutz¬ 
impfung  mit  Pyozyanaseimmunproteidin  —  die  Eiweissverbin¬ 
dung  der  Pyozyanase  —  mit  positivem  Resultat  ausgeführt. 
Gemeinschaftlich  mit  Professor  Dr.  O.  L  ö  v  habe  ich  gezeigt, 
dass  man  auch  mit  Diphtheriegift  tödlich  vergiftete  Meer¬ 
schweinchen  durch  subkutane  Pyozyanaseinjektionen  retten 
kann. 

Wenn  man  zu  1  ccm  dialysierter  Pyozyanaselösung  und  zu 
1  ccm  der  gleichprozentigen,  dialysierten  Nährsalzlösung  5 
Tropfen  Bouillon  und  Diphtheriebazillen  von  einer  24  ständigen 
Löfflerserumkultur  gibt,  so  erfolgt  in  der  Pyozyanaselösung  m 
kurzer  Zeit  die  Abtötung  enormer  Massen  von  Diphtherie- 
bazillen,  während  im  Kontrollversuch  keine  Abtötung,  sondern 
sogar  schwache  Vermehrung  der  Diphtheriebazillen  eintritt. 


2218 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


1  ccm  Pyozyanaselösung  enthielt: 


Sofort  nach  Zusatz 

Nach 

Nach 

der  Kultur 

3  Stunden 

8  Stunden 

Diphtheriebazillen 

395  000  000 

0 

0 

992  000  000 

1  200 

0 

1  140  000  000 

2  500 

0 

1 

ccm  Kontrollsalzlösung  enthielt: 

Diphtheriebazillen 

453  000  000  • 

406  000  000 

563  000  000 

Die  Diphtheriebazillen  quellen  in  der  Pyozyanase  stark  auf 
und  bei  mikroskopischer  Untersuchung  der  öfters  geschüttelten 
Flüssigkeit  findet  man,  dass  die  Diphtheriebazillen  nach  12  bis 
24  Stunden  bis  auf  feinste  Kernreste  aufgelöst  sind,  während  die 
Pyozyanaselösung  selber  schleimige  Konsistenz  angenommen 
hat. 

Setzt  man  zu  einem  Nährboden,  z.  B.  zu  Nähragar  Pyo¬ 
zyanaselösung  in  grosser  Verdünnung  zu  —  1—10  bis  1 — 80  — 
und  streicht  man  nun  reichliche  Mengen  frischer  Diphtherie¬ 
kultur  auf,  so  entwickeln  und  vermehren  sich  die  Diphtherie¬ 
bazillen  nicht. 

Auf  der  mit  Pyozyanase  bestäubten  diphtheritischen 
Schleimhaut  haftet  die  Pyozyanase  einige  Zeit,  da  sie  die  Mem¬ 
branen  imprägniert;  sie  tötet  dabei  fortgesetzt  Diphtherie¬ 
bazillen  ab  und  verhindert  die  Vermehrung  derselben.  Diesem 
Umstande  ist  es  zu  verdanken,  dass  die  Diphtherie  des  Men¬ 
schen  schon  nach  2 — 3  Pyozyanasezerstäubungen  zum  Stehen 
und  alsdann  zur  Rückbildung  gebracht  wird. 

Als  drittes,  für  die  erfolgreiche  Behandlung  sehr  wesent¬ 
liches  Moment,  kommt  in  Betracht,  dass  die  Pyozyanase  nicht 
nur  enorme  Mengen  von  Diphtheriebazillen  in  kurzer  Zeit  ab¬ 
tötet  und  auflöst,  sondern  auch  das  Diphtheriegift  bindet  und 
unwirksam  macht. *) 

Wenn  man  zwei  gleichschwere  Meerschweinchen  durch 
subkutane  Injektion  von  aus  Bouillonkulturen  gewonnener  Di¬ 
phtheriegiftlösung  tödlich  vergiftet,  dem  einen  der  beiden  Tiere 
aber  täglich  0,5  ccm  Pyozyanaselösung  subkutan  injiziert,  so 
stirbt  das  nicht  mit  Pyozyanase  behandelte  Kontrollier  nach 
ca.  48  Stunden.  Bei  der  Sektion  findet  man  eine  von  der  In¬ 
jektionsstelle  ausgehende,  über  Bauch  und  Brust  ausgedehnte 
Infiltration  des  subkutanen  Gewebes  und  eine  bedeutende  Ver- 
grösserung  und  Dunkelrotfärbung  der  Nebennieren. 

Das  mit  Pyozyanase  behandelte,  vorher  aber  in  gleicher 
Weise  vergiftete  Meerschweinchen  erkrankt  gar  nicht, 
es  bildet  sich  auch  keine  sulzige  Infiltration  an  der  Giftinjek¬ 
tionsstelle:  das  Tier  bleibt  vielmehr  dauernd  gesund. 

Durch  diePyozyanase  wird  ein  chemischer 
Körper  in  den  Organismus  eingeführt,  welcher 
sich  mit  dem  Diphtheriegift  zu  einer  ungiftigen  Verbindung 
vereinigt,  ganz  so  wie  dies  auch  bei  der  Einführung  von  Heil¬ 
serum  in  den  Organismus  der  Fall  ist.  Es  ist  deshalb  richtiger, 
von  Gift  b  i  n  d  u  n  g  und  nicht,  wie  es  Behring  tut,  von 
Gift  n  e  u  t  r  a  1  is  a !i  o  n  zu  sprechen. 

.  Diese  Versuche  über  die  giftbindende  Fähigkeit  der  Pyo¬ 
zyanase  wurden  unter  Professors  Dr.  Escherichs  Leitung 
in  Wien  wiederholt  und  deren  Richtigkeit  bestätigt. 

Auch  Escherich  konnte  Meerschweinchen,  die  mit  töd¬ 
lichen  Mengen  von  Diphtheriegift  vergiftet  waren,  durch  Pyo¬ 
zyanase  retten. 

Eine  weitere,  für  die  erfolgreiche  Behandlung  der  Di¬ 
phtherie  sehr  günstige  Eigenschaft  der  Pyozyanase  ist  die,  dass 
das  proteolytische,  zu  den  Trypsinen  gehörende  Enzym, 
welches  in  der  Pyozyanaselösung  enthalten  ist,  die  Di¬ 
phtheriemembranen  a  u  f  1  ö  s  t  und  zwar  um  so 
rascher,  je  mehr  Pyozyanaselösung  man  auf  die  Membranen 
bringt.  Man  hat  es  in  der  Hand,  diesen  Prozess  durch  häufigere 
Anwendung  der  Pyozyanase  zu  beschleunigen;  auch  in  vitro 
lösen  3  ccm  Pyozyanaselösung  3  g  Blutfibrin  innerhalb  4  Stun¬ 
den  völlig  auf. 


H  Die  diesbezüglichen  Versuche  über  Entgiftung  des  Diphtherie¬ 
toxins  durch  Pyozyanaseenzym  finden  sich  in  Emmerich  und 
Löw:  Bakteriolytische  Enzyme  etc.  Zeitschr.  f.  Hygiene  und  In¬ 
fektionskrankheiten.  31.  Band  1899,  S.  33  und  50 — 53. 


Eine  fünfte  ungemein  wertvolle  Wirkung,  welche  die  Pyo¬ 
zyanase  auszeiohnet  und  welche  sie  auch  vor  dem  B  e  h  r  i  n  g- 
schen  Diphtherieheilserum  voraus  hat,  ist  d  i  e  V  e  r  n  i  c  h  t  u  n  g 
und  Auflösung  der  pyogenen  S  t  r  e  p  t  o-  und  Sta¬ 
phylokokken  durch  dieselbe.  „Die  Streptokokken, 
sagt  H.  K  o  s  s  e  1 dringen  von  den  Tonsillen  aus  in  die 
Lymphbalmen  und  stibmaxillaren  Lymphdriisen  ein.  Sie  führen 
dadurch  zu  der  prognostisch  üblen  diffusen  Anschwellung  der 
genannten  Drüsen  und,  was  schlimmer  ist,  sie  gelangen  in  die 
Blutbahn  und  rufen  schliesslich  das  Bild  einer  s  c  h  w  e  r  e  n 
Sepsis  bei  dem  Diphtheriekranken  hervor“. 

ln  solchen  Fällen  versagt,  wie  auch  K  o  s  s  e  1  zugesteht, 
das  Heilserum  öfters,  während  gerade  solche  schwere  septische 
Fälle  durch  die  Pyozyanasebehandlung  rasch 
derTodesgefahrentrücktund  ebensoglatt  ge- 
heilt  werden  wie  die  einfache,  nichtkompli¬ 
zierte  Rachendiphtheritis  (siehe  Fall  I,  II,  III,  V, 
VI,  VII  und  VIII).  Besonders  rasch,  meist  schon  nach  24  Stun¬ 
den,  bildet  sich  die  obenerwähnte  prognostisch  üble  Anschwel¬ 
lung  der  submaxillaren  Lymphdriisen  unter  Pyozyanasebehand¬ 
lung  zurück. 

1  ccm  Pyozyanase,  welche  unter  Anwendung  von  Frän- 
k  e  1  scher  Nährlösung  bereitet  war,  tötete  innerhalb  4  Stunden 
350  000  000  Streptokokken  und  252  000  000  Staphyloc.  pyog. 
aureus  ab.  Die  abtötende  und  entwicklungshemmende  Wir¬ 
kung  verdünnter  Pyozyanase  ist  bei  Staphyloc.  pyogen,  aureus 
eine  geringere  als  bei  Diphtheriebazillen  und  Streptokokken. 

Der  rasche  Erfolg  und  die  Zuverlässigkeit  der  Pyozyanase¬ 
behandlung  der  gewöhnlichen  und  komplizierten  —  septischen 
—  Diphtherie  ist  demnach  durch  die  folgenden  Einzelwirkungen 
bedingt: 

1.  die  Diphtheriebazillen  vernichtende  Wirkung  der  Pyo¬ 
zyanase,  durch  welche  die  Diphtheriebazillen  in  der  Membran 
und  in  der  Schleimhaut  abgetötet  werden; 

2.  die  entwicklungshemmende  Wirkung  der  Pyozyanase, 
infolge  deren  eine  Vermehrung  der  noch  nicht  abgetöteten  Di¬ 
phtheriebazillen  auf  der  Schleimhaut  und  Membran  nicht  mehr 
erfolgen  kann; 

3.  die  Diphtheriegift  bindende  Wirkung  der  Pyozyanase; 

4.  die  membranauflösende,  trypsinähnliche  Wirkung  des 
proteolytischen  Enzyms  der  Pyozyanaselösung; 

5.  die  abtötende  und  entwicklungshemmende  Wirkung  der 
Pyozyanase  gegenüber  dem  Streptococcus  pyogenes  und 
Staphylococcus  pyogenes  aureus; 

6.  durch  eine  spezifische,  die  Restitution  der  Schleimhaut 
unterstützende,  vielleicht  chemotaktische  Heilwirkung. 

II.  Die  Methode  der  Pyozyanasebehandlung 

der  Diphtherie. 

Die  gleich  zu  schildernden  Erfolge  der  Pyozyanaseanwen- 
dung  bei  Diphtherie  werden  s  i  ch  e  r  und  in  kurzer  Zeit 
bei  ganz  gewissenhafter  Befolgung  der  folgenden  therapeu¬ 
tischen  Massnahmen  erzielt. 

Der  Arzt  spült  den  eigenen  Mund  mit  einer  desinfizierenden 
Lösung  —  Karbolsäure,  Odol  oder  dgl.  —  aus. 

Die  Mutter  setzt  das  kranke  Kind  auf  ihren  Schoss  und 
hält  dessen  Hände;  eine  andere  Person  fixiert  den  Kopf  des 
Kindes.  Der  Arzt  setzt  sich  mit  dem  Escherichzerstäuber,  in 
welchem  er  3—4  ccm  „Pyozyanase“  eingefüllt  und  im  Wasser¬ 
bad  auf  ca.  40 0  C  erwärmt  hat,  vor  das  Kind,  richtet  eine  Frage 
an  dieses  und  benützt  die  Gelegenheit,  wenn  dasselbe  ant¬ 
wortet,  um  mit  der  rechten  Hand  rasch  den  Löffelstiel  oder 
Spatel  in  den  Mund  bis  auf  den  Zungengrund  einzuführen.  Der 
Löffelstiel  muss  rasch  und  tief  eingeführt  werden.  Drückt  man 
mit  demselben  auf  den  Zungengrund,  so  muss,  wie  allbekannt, 
das  Kind  den  Mund  weit  öffnen  und  man  bläst  nun  rasch 
und  möglichst  kräftig  durch  den  Gummischlauch  in 
den  mit  der  linken  Hand  gehaltenen  Escherich  sehen  Zer¬ 
stäuber,  dessen  Zerstäubungsrohr  dicht  vor  den  Zähnen  des 
Kindes  gehalten  wird.  (Siehe  die  Abbildung.)  • 

Wenn  alle  erkrankten  Stellen  der  Schleimhaut  energisch 
und  die  normalen  flüchtig  mit  „Pyozyanase“  bestäubt  sind, 

2)  H.  Kossel:  Ueber  die  Behandlung  der  Diphtherie  d^s 
Menschen  mit  Diphtherieheilserum.  Zeitschr.  f.  Hyg.  u.  InfektionS- 
krankh.  17.  Band  1894,  S.  492. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


JJl9 


reicht  man  dem  Kinde  eine  bereit  gestellte  Schüssel  und  lässt 
die  aus  seinem  Munde  laufende  Pyozyanase  und  Schleim  etc. 
hineinlaufen.  Da  das  Kind  dabei  den  Mund  öffnet,  so  benutzt 
man  die  Gelegenheit,  um,  nachdem  auf  einen  Wink  der  Kopf  des 
Kindes  gefasst  wurde,  den  Löffelstiel  nochmals  einzuführen  und 
eine  zweite  Zerstäubung  felgen  zu  lassen.  Dann  wartet  man 


5 — 10  Minuten,  während  deren  die  Pyozyanase  ihre  Wirkung 
entfaltet  und  wiederholt  die  ganze  Prozedur  nochmals.  *) 

Auf  diese  Weise  werden  bei  jedem  Besuche  des  Arztes 
•1  Pyozyanasebestäubungcn  ausgeführt.  Je  öfter  die  Pyozya¬ 
nase  in  angemessenen  Zwischenräumen  am  1.  und  2.  Behand¬ 
lungstage  zerstäubt  wird,  um  so  rascher  wird  dem  in  be¬ 
denklichem  Fortschreiten  begriffenen  diphtheritischen  Prozess 
Einhalt  geboten;  derselbe  schreitet  nicht  mehr  weiter  und 
bildet  sich,  wenn  die  Pyozyanasebestäubungen  oft  genug  und 
in  ausreichender  Menge  fortgeführt  werden,  rasch  zurück. 
Auch  bei  sehr  schweren  Diphtheriefällen  genügt  ein  3  maliger 
Besuch  des  Arztes,  wenn  bei  jedem  2  mal  in  Intervallen  von 
5 — 10  Minuten  energisch  Pyozyanase  bestäubt  wird,  um  den 
diphtheritischen  Prozess  zum  Stillstand  und,  wenn  dies  an  den 
folgenden  Tagen  konsequent  wiederholt  wird,  zur  raschen 
Rückbildung  zu  bringen. 

Befindet  sich  der  Kranke  im  Hospital,  dann  kann  die  Pyo¬ 
zyanase,  um  die  Heilung  möglichst  zu  beschleunigen,  auch 
4  oder  5  mal  im  Tag  und  mehrmals  während  der  Nacht  in  der 
beschriebenen  Weise  angewendet  werden. 

Bei  sehr  schweren,  lebensgefährlichen  Fällen  ist  dringend 
zu  raten,  wenigstens  am  ersten  Tage  die  Pyozyanasezerstäu- 
bung  recht  oft  und  auch  mehrmals  während  der  Nacht  aus¬ 
zuführen. 

Mit  Ernst  und  Entschiedenheit,  unter  Umständen  mit  un¬ 
nachsichtiger  Strenge  muss  der  Arzt  die  unerlässliche  Not¬ 
wendigkeit  dieser  umständlichen,  Kind  und  Mutter  anfangs  — 
wenn  auch  grundlos  —  aufregenden  Prozedur  darlegen  und 
betonen,  dass  dieser  einzige  mühevolle  Tag  das  Kind  nicht 
nur  vor  schwerer  Erkrankung  und  Tod  bewahrt,  sondern  auch 
einer  raschen  Genesung  zuführt,  während  jede  schwächliche 
Konzession  an  das  Mutterherz  —  bestehend  in  der  Herab¬ 
setzung  der  Dosis  oder  der  Zahl  der  Zerstäubungen  —  die 
Befreiung  von  der  Gefahr  verzögert  und  den  raschen  und 
prompten  Verlauf  der  Heilung  beeinträchtigt.  Die  Kosten  eines 
3  maligen  ärztlichen  Besuches  an  3 — 4  Tagen  stehen  in  keinem 
Verhältnisse  zu  dem  Nutzen,  welchen  der  Kranke  davon  hat. 

Ich  wollte  meine  schon  im  Jahre  1900  begonnenen  Unter¬ 
suchungen  über  die  Wirkung  der  Pyozyanase  bei  32  Di¬ 
phtheriefällen  nicht  veröffentlichen,  bevor  nicht  das  kompetente 
Urteil  hervorragender  Kliniker  über  die  Pyozyanasebehand- 
lung  der  Diphtherie  vorlag. 

In  der  oben  beschriebenen  Weise  hat  nun  Dr.  Karl 
Zucker  in  der  k.  k.  Universitäts-Kinderklinik  des  Herrn 
Prof.  Meinh.  Pfaundler  in  Graz  die  Pyozyanase  bei  Di¬ 
phtherie  angewendet  und  die  Pyozyanasebehandlung  bei  sehr 


*)  L  i  n  g  n  e  r  hat  den  Escherichzerstäuber  modifiziert  und  mit 
Gummiball  versehen.  Gebrauchsanweisung  in  „Ueber  Pyozyanase 
und  ihre  Anwendung  bei  Infektionskrankheiten“.  Bearbeitet  in  der 
bakteriologischen  Abteilung  des  Dresdener  chemischen  Labora¬ 
toriums  Lingner.  ...... 


schweren  Fällen  mit  der  Heilseruminjektion  und  mit  der  Dampf¬ 
inhalation  vorteilhaft  kombiniert. 

Dr.  Karl  Zucker  fasst  das  Ergebnis  seiner  mustergültigen 
klinischen  Beobachtungen  von  ausschliesslich  mit 
Pyozyanase  —  ohne  Heilserum  —  behandelten  Diphtherie¬ 
fällen  in  folgenden  Sätzen  zusammen: 

1.  Foetor  ex  ore  verschwand  in  kurzer  Zeit. 

2.  Die  Körpertemperatur  erreichte  unter 
Pyozyanasebehandlung  nur  relativ  niedere. 
Grade  oder  fiel  bald  zur  Nor  m  a  b.  Die  Temperatur 
fiel  bei  Fall  1  innerhalb  24  Stunden  von  40,1  auf  37,2°  C,  bei 
Fall  3  von  38,1  binnen  3  Stunden  auf  37,3  und  blieb  dann  dau¬ 
ernd  normal;  ebenso  wurde  bei  Fall  8  die  Temperatur  inner¬ 
halb  3  Stunden  normal  und  blieb  so;  bei  Fall  7  bewegte  sich  die 
Temperatur  an  den  beiden  ersten  Tagen  zwischen  37,7  und  38,7, 
,,dann  dauernd  afebril“  etc. 

3.  Das  Allgemeinbefinden  hob  sich  in  kur¬ 
zer  Zeit  und  war  schon  am  2.  T  age  der  Behand¬ 
lung  ein  relativ  recht  günstiges.  Bei  Fall  1  ist 
bemerkt:  „Der  anfangs  ungebärdige  Patient  war  am  2.  Be¬ 
handlungstage  ruhiger  und  frisch“,  bei  Fall  2:  Patient  schon 
am  2.  Tage  frisch  und  lebhaft'',  bei  Fall  3  nach  24  Stunden: 
„Patient  frisch,  spielt“,  bei  dem  schweren  Fall  5:  „Patient 
24  Stunden  nach  der  Aufnahme  ziemlich  frisch“,  und  nach 
48  Stunden:  „Patient  sehr  frisch,  singt“,  bei  Fall  7  und  8:  „Pa¬ 
tient  vom  2.  Tage  frisch“  etc. 

4.  Die  pseudomembranösen  —  fibrinösen  — 
Rachenbeläge  verschwanden  ziemlich  rasch 
am  3.  o  d  e  r  4.  Behandlungstage.  Bei  Fall  2,  bei  dem 
auf  beiden  Tonsillen  und  der  hinteren  Raohenwand  ein  dicker, 
gelber,  sukkulenter,  fibrinöser  Belag  konstatiert  wurde,  war 
schon  am  2.  Behandlungstage  kein  Tonsillenbelag  mehr  vor¬ 
handen  und  der  Belag  im  Pharynx  war  in  konzentrischem  Ab¬ 
bau  begriffen  etc. 

Dieses  Verschwinden  der  Beläge  geht,  nach  Professor 
Pfaundler  und  Dr.  Zucker,  unter  Pyozyanasewirkung 
in  anderer  Art  vor  sich  als  unter  dem  Einfluss 
des  Diphtherieheilserums.  „Bei  spezifischer  Be¬ 
handlung  sieht  man  nämlich  in  der  Regel  nach  eingetretener 
Demarkation  der  sukkulent,  glatt  und  glänzend  bleibenden  Re- 
lagmassen  ein  Flottieren  und  weiterhin  eine  Abstcssung  in 
grösserem  Verbände  eintreten.“ 

„In  unseren  Pyozyanasefällen  trat  gleichfalls  Demarkation 
ein,  jedoch  folgte  ihr  weiterhin  niemals  eine  Ablösung  des 
Belages  in  grösserem  Anteil  oder  gar  in  toto,  sondern  vielmehr 
ein  gleichmässiges  Abschmelzen  von  den  Rändern  und  der 
Oberfläche  her,  welch  letztere  gekörnt  und  trocken  erschien. 
Bei  13  sehr  schweren,  gleichzeitig  mit  Heilserum  und  Pyo¬ 
zyanase  behandelten  Fällen  war  der  eigenartige 
Typus  der  Membranabschmelzung  noch  neben 
der  Heilserum  Wirkung  erkennba  r.“ 

„Mit  den  Belägen  schwanden  auch  die  subjektiven  Er¬ 
scheinungen.“ 

Von  grossem  Interesse  sind  jene  Fälle  der  Klinik  des  Herrn 
Prof.  Pfaundler,  welche  einen  Vergleich  der  Pyozyanase- 
und  Heilserumbehandlung  zulassen  und  in  bezug  auf  welche 
Dr.  Zucker  konstatiert,  dass  es  sich  um  eine  wiederholte 
Erkrankung  bei  ein  und  demselben  Kranken  in  Intervallen  von 
6  Jahren,  sowie  um  denselben  Typus  des  Infekts  handelte  und 
dass  sich  der  Verlauf  der  ersten  Erkrankung  bei  Heilserum¬ 
injektion  ungefähr  gleich  günstig  gestaltete,  wie  der  Verlauf  der 
2.  Erkrankung  unter  Pyozyanasebehandlung. 

Bei  sehr  schweren,  Kinder  von  2X>  Jahren  betreffenden 
Fällen  von  Rachendiphtherie,  absteigender  Laryngotrachitis  et 
Bronchitis  crouposa,  die  so  oft  letal  ausgehen,  führte  die  kom¬ 
binierte  Heilserum-  und  Pyozyanasebehandlung  zur  Heilung: 
so  z.  B.  bei  Fall  24,  der  wegen  hochgradiger  Dyspnoe  inhibiert 
und  später  tracheotomiert,  sowie  mit  3000  A.E.  und  7  läge 
hindurch  mit  Pyozyanasezerstäubung  in  die  Kanüle  und  Pyo- 
zyanase-Dampfinhalation  —  Siegel  scher  Apparat  und 

2 _ 3  ccm  Pyozyanase  jedesmal  —  ferner  mit  Ol.  camphorat. 

subkutan  und  3  mal  2  gtt.  Tinct.  Stroph.  behandelt  wurde.  Die 
Körpertemperatur,  anfangs  39,6,  war  vom  3.  Jage  ab  normal, 
raschgr  Abbau  der  fibrinösen  t  Beläge  aut  den  Ionsülen,  Gau- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


2220 


menbögen,  Uvula,  hinteren  Rachenwand,  Rückgang  der  Bron¬ 
chitis  und  Decanulement  am  7.  Tag. 

Solche  Dampfinhalationen  mit  Pyozyanase  wurden  auf 
Pfaundlers  Klinik  öfters  bei  schweren  Fällen  von  Krupp 
und  Diphtherie  angewendet.  „Hierbei  schien  die  fibrinöse 
Bronchitis  manchmal  einen  sonst  ungewohnten  Verlauf  zu 
nehmen,  insoferne  nämlich  die  Verflüssigung  der  Exsudat¬ 
massen  im  Bronchialbaum  keine  kennzeichnende  physikalische 
Erscheinung  —  namentlich  feuchtes  Rasseln  —  zur  Folge  hatte, 
vielmehr  eine  , trockene  Lösung1  zustande  kam.“  Diese  Er¬ 
gebnisse  sind  klar  und  bestimmt. 

Die  Arbeit  Dr.  Zuckers  wird  als  ein  Beispiel  feiner, 
durch  die  bakteriologische  Diagnostik  unterstützter  klinischer 
Beobachtung  vorbildlich  bleiben;  denn  nicht  jeder  ist  imstande, 
durch  die  Behandlung  von  35  Diphtheriefällen  zu  entscheiden, 
ob  einem  neuen  Heilmittel  ein  untergeordneter  oder  ein  her¬ 
vorragender  Wert  zukommt  und  ob  dasselbe  namentlich  einem 
so  tausendfach  bewährten  und  einzig  dastehenden  Heilmittel, 
wie  dem  Diphtherieheilserum  gegenüber  gewisse  Vorzüge  be¬ 
sitzt,  welche  natürlich  sehr  erheblich  sein  müssen,  wenn  es 
einem  solchen  Konkurrenten  gegenüber  das  Bürgerrecht  in 
der  Medizin  erringen  will. 

Mit  Recht  betonen  Prof.  Pfaundler  und  Dr.  Zucker, 
dass  die  Pyozyanase  nicht  statt,  sondern  stets  nur  neben  dem 
Heilserum  angewendet  werden  soll. 

Ich  teile  nun  im  folgenden  aus  der  grossen  Zahl 
der  von  mir  im  Laufe  der  letzten  6  Jahre  behan¬ 
delten  Fälle  komplizierter  —  septischer  —  Diphtherie 
einige  Krankengeschichten  mit,  welche  beweisen,  dass  die  ge¬ 
schilderte  Art  der  Pyozyanasebehandlpng  auch  bei  der  Strepto- 
und  Staphylokokkenkomplikation  der  Diphtherie  lebens- 
retten de  Wirkungen  entfaltet  und  dass  die  Unterlassung 
derselben  fehlerhaft  wäre  und  ebenso  beurteilt  werden  müsste, 
wie  die  Unterlassung  antiseptischer  Massnahmen  bei  infizier¬ 
ten  Wunden  und  bei  drohender  Sepsis. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  München  (Direktor:  Prof. 

Friedrich  v.  Müller). 

Influenzasepsis  und  experimentelle  Influenzabazillen- 

septikämie. 

Von  Dr.  S  a  a  t  h  o  f  f,  Assistenzarzt. 

Vom  22.  August  bis  zum  7.  September  d.  J.  hatten  wir 
Gelegenheit,  auf  unserer  Abteilung  einen  Fall  von  septischer, 
letal  endender  Erkrankung  zu  beobachten,  deren  Aetiologie 
intra  vitam  trotz  mehrfacher  Blutuntersuchung  dunkel  blieb. 
Erst  nach  dem  Tode  konnte  auf  kulturellem  und  mikroskopi¬ 
schem  Wege  als  Erreger  der  Influenzabazillus  festge¬ 
stellt  werden.  Schwere  Allgcmeinsymptoine  und  Broncho¬ 
pneumonie  eröffneten  den  Krankheitsprozess,  aus  dem  sich  bald 
meningitische  Erscheinungen  heraushoben;  weiterhin  be¬ 
herrschte  eine  unter  unseren  Augen  fortschreitende  Endokarditis 
das  Bild,  bis  zum  Schlüsse  ein  hämorrhagisches  Exanthem  auf¬ 
trat,  das  an  der  Diagnose  Sepsis  kaum  noch  Zweifel  bestehen 
liess.  Die  Sektion  ergab  als  Hauptbefund  verruköse  En¬ 
dokarditis,  enorme  Milzschwellung,  hämor¬ 
rhagische  Meningitis  und  Enzephalitis. 

Dass  der  Influenzabazillus  gelegentlich  als  Erreger  von 
wirklich  septischen  und  pyämischen  Erkrankungen 
auftritt,  ist  eine  Kenntnis,  die  wir  erst  der  neueren  Zeit  ver¬ 
danken,  wenn  auch  bisher  nur  wenige  einwandsfreie  Fälle  be¬ 
kannt  geworden  sind.  Noch  spärlicher  sind  die  Angaben  über 
Influenzaendokarditis  mit  nachgewiesenem  Bazillen¬ 
befunde.  In  No.  38  der  Berliner  klinischen  Wochenschrift  hat 
Spät  aus  der  I.  Prager  medizinischen  Klinik,  unter  Beifügung 
eines  eigenen,  im  ganzen  sechs  Fälle  aus  der  Literatur  zu¬ 
sammengestellt.  Ausser  diesen  fand  ich  noch  einen  siebenten 
von  Weinberger1)  aus  der  III.  Wiener  medizinischen  Klinik 
mitgeteilten.  Keiner  von  diesen  Fällen  war  jedoch  von  Enze¬ 
phalitis  oder  Meningitis  begleitet.  Aber  noch  aus  einem  an¬ 
deren  Grunde  verdient  der  unsere  ein  prinzipielles  Interesse. 
In  fast  allen  beschriebenen  Fällen  fehlt  das  typische  klinische 


U  Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  1907,  Bd.  62.  S.  457. 


Krankheitsbild  der  Influenza,  so  dass  man  teilweise  geneigt 
war,  diese  Fälle  von  Sepsis  und  Endokarditis  von  der  klini¬ 
schen  Influenza  zu  trennen  und  sie  vorläufig  als  Erkran¬ 
kungen  aufzufassen,  die  nur  durch  hämoglobinophile,  dem 
Pfeiffer  sehen  ähnliche  Bazillen  erzeugt  seien,  eine  Tat¬ 
sache,  die  natürlich  die  einheitliche  ätiologische  Stellung  des 
Influenzabazillus  zu  erschüttern  imstande  wäre. 

Gegen  diese  Annahme  scheint  mir  unser  Krankheitsbild 
deutlich  zu  sprechen.  Wir  sehen  im  Anfang  die  charakteristi¬ 
schen  Influenzasymptome:  Kopfschmerzen,  Kreuzschinerzen 
und  starke  Prostration.  Zu  diesen  kommt  dann  die  Pneumonie. 
Nur  entwickelt  sich  hier  das  Krankheitsbild  auf  hämatogenem 
Wege  weiter  zur  Endokarditis,  Enzephalitis  und  Meningitis, 
um  sich  zuletzt  als  vollendete  Sepsis  zu  äussern. 

Krankengeschichte  und  Sektion  sbefund  im 
Auszüge: 

St.,  25  jährig,  Bäcker.  Früher  ausser  Darmentzündung  und 
leichtem  Gelenkrheumatismus  vor  einigen  Jahren  nie  krank.  Ge¬ 
ringes  Potatorium.  Vor  4  Tagen  mit  Schüttelfrost  und  Fieber,  star¬ 
ken  Kopfschmerzen,  besonders  im  Hinterkopf,  und  Kreuzschmerzen  er¬ 
krankt.  Vorgestern  Bläschenausschlag  an  Mund  und  Nase.  Vom 
Arzt  ins  Krankenhaus  geschickt. 

Status  (22.  Aug.  07):  Kräftig  gebaut,  gut  ernährt.  Herpes 
labialis  et  nasalis.  Leichter  Rigor  nuchae.  Beim  Drehen  und  Beu¬ 
gen  des  Kopfes  starke  Schmerzen  im  Hinterkopf  und  in  den  Augen. 
Pupillenreaktion  normal. 

Rachen  organe  ohne  Befund.  Zunge  belegt,  wird  zitternd 
vorgestreckt. 

Thorax  gleichmässig  ausgedehnt.  Ueber  dem  rechten  Unter¬ 
lappen  tympanitischer  Beiklang.  Ueberall  Vesikuläratmen,  keine  Ge¬ 
räusche. 

Herz.  Spitzenstoss  im  V.  I.K.R.,  1  Finger  breit  einwärts  der 
Mammillarlinie,  nicht  hebend.  Dämpfung:  relative  links  bis  zur  Mam- 
millarlinie,  sonst  normal.  Ueber  der  Mitralis  unreiner  1.  Ton.  Puls 
regelmässig,  voll. 

Abdomen.  Im  Epigastrium  Druckempfindliclikeit.  Leber  nicht 
vergrössert  nachzuweisen.  Höhe  der  Milzdämpfung  8  cm,  Milz  nicht 
palpabel.  Reflexe  positiv.  Eiweiss,  Zucker,  Diazo  negativ. 

Temperatur.  Abends  39,9 

Leukozyten:  6400. 

24.  Aug.  Kopfschmerzen  dauern  an;  schlechter  Schlaf.  R.H.U. 
vereinzelte  Rasselgeräusche.  Im  Röntgenbild  ist  die  r. 
Lunge  verschwommen,  das  Herz  nach  rechts  vergrössert. 

27.  Aug.  Starker  Rigor  nuchae,  Kernig  +.  L.H.U.  Knister¬ 
rasseln.  Albumen  und  Urobilinogen  +.  Leukozyten  14  000. 
Salipyrin  3  mal  1,0  g.  Auf  lauwarme  Bäder  subjektive  Besserung. 

30.  Aug.  Lumbalpunktion:  Druck  25  cm.  Ziemlich  klare 
Flüssigkeit  (25  ccm).  Kochprobe  minimale  Trübung.  Mikroskop: 
rote  und  mässig  zahlreiche  polynukleäre  weisse  Blutkörperchen. 

31.  Aug.  Dauernd  schweres  Allgemeinbefinden.  Spitzenstoss 
1  Finger  breit  ausserhalb  der  Mammillarlinie.  Deutliches  systo¬ 
lisches  Geräusch  über  der  Spitze.  Lungen:  Beiderseits 
hinten  unten  geringe  Dämpfung  mit  klingenden  Rassel¬ 
geräuschen.  Milz:  Höhe  12 — 13  cm.  Bauch  ziemlich  stark 
gespannt. 

2.  Sept.  Befinden  unverändert.  Nachts  leichte  Delirien.  Ueber 
der  Herzspitze  leises  systolisches  Schwirren  fühlbar.  Puls  voll, 
weich,  dikrot,  122.  Atmung  44.  Leukozyten  15  000.  B  1  u  t  k  u  1  - 
t  u  r  e  n  negativ.  Kollargolinjektionen. 

5.  Sept.  Vereinzelte  hämorrhagische  stecknadelkopfgrosse 
Flecken  an  Schulter  und  Rücken.  Puls  140.  Blutkulturen 
negativ.  Kochsalzinfusion,  Kampher. 

6.  Sept.  Purpura  auf  Hals  und  Brust  in  dichten  Flecken  aus¬ 
gebreitet.  Sensorium  benommen.  Blutkulturen  aerob  und 
an  aerob  steril. 

Nachts  Exitus. 

Sektionsbefund.  Zahlreiche,  bis  über  erbsengrosse 
weiche  warzige  Auflagerungen  der  Mitralis-,  Trikuspidalis-  und 
Aortenklappen.  Mässige  Vergrösserung  beider  Ventrikel,  trübe  Mus¬ 
kulatur,  1.  Ventrikel  gut  kontrahiert.  Zahlreiche  Ekchymosen  unter 
dem  Endokard  und  im  Myokard.  Ekchymosen  der  Pleura.  Kollaps, 
Hyperämie  und  mässige  Infiltration  beider  Unterlappen,  vikariierende 
Blähung  beider  Oberlappen.  Rötung  und  Schwellung  des  Schlundes. 
Lakunäre  Zerklüftung  beider  Tonsillen  mit  eingeschlossenen  Pfropfen. 
Starke  Leberschwellung  mit  parenchymatöser  Degeneration.  Hoch¬ 
gradig  geschwollene,  weiche  Milz  (19:12  cm).  Trübe  Nieren  mit 
kleinen  anämischen  Infarkten  und  Ekchymosen.  Hämorrhagien  des 
Dünn-  und  Dickdarms  mit  Schwellung  der  Schleimhaut. 

Einen  auffallenden  Befund  bietet  das  Gehirn  dar:  Die  weichfen 
Hirnhäute  sind  sehr  stark  hämorrhagisch  infiltriert,  so  dass  die  Kon¬ 
vexität  wie  in  einen  blutigen  Mantel  eingehüllt  erscheint.  Auch  in 
die  Tiefe  der  Hirnwindungen  setzen  sich  die  Blutungen  fort,  zum 
Teil  in  das  Gehirn  übergreifend  und  hämorrhagische  bis  kleinhasel¬ 
nussgrosse  Herde  bildend.  Ausserdem  sind  Grosshirn,  Klein¬ 
hirn  und  Brücke  von  zahlreichen  miliaren  bis  erbsengrossen 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2221 


Hämorrhagien  durchsetzt,  in  deren  näherer  Umgebung  die  Hirnsub¬ 
stanz  eine  sehr  weiche,  fast  zerfliessende  Beschaffenheit  zeigt. 

Mikroskopischer  Befund.  Einbettung  in  Zelloidin  und 
Paraffin.  Färbung  mit  Hämatoxylin-Eosin,  Gram,  Fuchsin,  Löffler- 
blau  und  Methylgriin-Pyronin. 

Herz.  Schwellung  und  parenchymatöse  Degeneration  der 
Muskelfasern  mit  Vakuolenbildung.  Periadventitielle  und  inter¬ 
stitielle,  teils  herdförmige,  teils  diffuse  Infiltration  mit  polynukleären 
Leukozyten  ohne  eitrige  Einschmelzung.  In  diesen  Herden  feinste 
gramnegative  Stäbchen,  teilweise  intrazellulär  gelagert. 

Klappen  der  Mitralis  und  Aorta.  Zellige  Infiltration  des 
Grundgewebes  mit  polynukleären  Leukozyten.  Auf  der  Oberfläche 
der  Klappen  feinkörnige  Auflagerungen  in  die  von  der  Basis  her 
Granulationsgewebe  einzuwachsen  beginnt.  Der  freie  Rand  der  Be¬ 
läge  ist  umsäumt  von  dichten  Bazillenherden,  die  hier  besonders 
typisch  die  für  Influenzabazillen  charakteristische  Polfärbung  er¬ 
kennen  lassen.  Kein  geschwüriger  Zerfall. 

Hirn.  Zahlreiche  Blutungen  der  Hirnsubstanz,  in  deren  Zen¬ 
trum  teils  mit  Bazillen  vollgestopfte  Gefässe  sich  finden.  An  anderen 
Stellen  diffuse  eitrige  Infiltration  mit  beginnender  Einschmelzung. 
Hier  liegen  die  Bazillen  frei  zwischen  und  in  den  Eiterkörperchen. 

Leber.  Das  mikroskopische  Bild  ist  insofern  sehr  eigentüm¬ 
lich,  als  die  Pfortaderverzweigungen  mit  ihren  Interstitien  fast  völlig 
frei’ sind,  während  in  den  Leberläppchen  selbst  an  vielen  Stellen  eine 
starke  eitrige  Infiltration  sich  radiär  von  der  Vena  centralis  aus¬ 
breitet,  innerhalb  deren  die  Leberzellen  alle  Stadien  der  Entartung 
bis  zum  völligen  Untergang  zeigen.  Dazwischen  lassen  sich  die  Bak¬ 
terien  frei  im  Gewebe  nachweisen. 

Milz.  Gewöhnliches  Bild  der  Infektionsmilz.  Bazillen  sind 
nicht  sichtbar,  trotzdem  sie  aus  der  Milz  gezüchtet  wurden  und 
auch  mikroskopisch  im  frischen  Ausstrich  nachzuweisen  waren. 

Niere.  Kleine  anämische  Infarkte  in  der  Rinde,  Blutungen  im 
Mark.  In  den  erhaltenen  Rindenpartien  kleinzellige  Infiltrate.  .  Da¬ 
neben  unregelmässig  verteilte,  teils  herdförmige,  teils  diffuse  eitrige 
Infiltration,  innerhalb  deren  vereinzelte  Bazillen  nachzuweisen  sind. 

Tonsillen.  Ohne  besonderen  Befund. 

Lungen.  (Unterlappen,  infiltrierte  Partien.)  Freie  Alveolen 
nur  noch  vereinzelt  sichtbar.  Das  übrige  Gewebe  teils  kollabiert, 
teils  infiltriert.  Hier  und  da  ausgedehnte  Hämorrhagien.  Starke  Des¬ 
quamation  und  Auftreibung  der  Alveolarendothelien.  Ansammlung 
von  polynukleären  Leukozyten,  teils  in  den  Alveolen,  teils  in  den 
Interstitien.  Dazwischen  stellenweise  die  Bazillen  teils  einzeln,  teils 
in  kleinen  Herden,  zum  Teil  auch  in  kleinen  Gefässen,  scheinbar 
Venenanfängen  liegend.  Die  Bronchiolen  sind  mit  Eiterzellen  ge¬ 
füllt.  zwischen  denen  in  grosser  Zahl  die  charakteristischen  Gram¬ 
negativen  Stäbchen  lagern. 

Hervorzuheben  ist  noch,  dass  sich  ausser  den  Bazillen,  die 
überall  das  gleiche  Aussehen  hatten,  nirgends  andere  Bakterien  fan¬ 
den,  auch  nicht  in  den  Bronchiolen. 

Bakteriologischer  Befund.  Wie  schon  oben  er¬ 
wähnt,  war  eine  3  malige  Blutuntersuchung  in  den  letzten  Krankheits¬ 
tagen  vergeblich  gewesen;  allerdings  war  nur  auf  Agar,  nicht  auf 
Bouillon  untersucht  worden.  Die  völlig  steril  gebliebenen  Bildplatten 
wurden  bei  der  Sektion  mit  Material  aus  Herzblut.  Milz  und 
Tonsillen  beschickt.  Daneben  wurden  Bouillon-,  Blutbouillon-. 
Agar-  und  Aszitesagarkulturen  angelegt. 

Aus  den  Tonsillen  der  Leiche  konnten  keine  charakte¬ 
ristischen  Stäbchen  isoliert  werden.  Das  Herzblut  blieb  völlig 
steril;  auch  nach  3  Tagen  konnte  aus  dem  Bodensatz  der  Blut¬ 
bouillon  nichts  nachgewiesen  werden.  Dagegen  ging  aus  der  Milz 
auf  den  Blutagarplatten  eine  Reinkultur  von  zahlreichen,  winzigen, 
nicht  konfluierenden,  fast  strukturlosen  Kolonien  auf.  die  ihr  Wachs¬ 
tumsmaxinrum  nach  24  Stunden  erreichten.  Der  Blutagar  wurde 
mach  48  Stunden  zunehmend  leicht  gelb-bräunlich  verfärbt.  D  i  e 
übrigen  Nährböden  blieben  vollkommen  steril. 
Die  Kolonien  bestanden  aus  feinsten,  kurzen.  Gram-negativen  Stäb¬ 
chen,  die  eine  geringe  Neigung  zur  Fadenbildung  zeigten.  In  den 
Abstrichpräoaraten  waren  sie  vielfach  zu  zweien  und  mehreren 
parallel  aneinändergelagert.  Auch  in  der  Folgezeit  erwiesen  sie 
sich  als  exauisit  hämoglobinophil  und  mussten  somit  als 
Influenzabazillen  angesprochen  werden.  Herr  Prof.  G  r  u  - 
b  e  r,  Direktor  des  hygienischen  Institutes,  hatte  die  Liebenswürdig¬ 
keit.  Kulturen  und  Präparate  zu  prüfen  und  die  Diagnose  zu  be¬ 
stätigen. 

Tierversuche.  Da  die  Tierversuche  bemerkenswerte  Er¬ 
gebnisse  zeigten,  so  teile  ich  sie  hier  mit.  Vorausschicken  möchte 
ich,  dass  nach  den  bisherigen  Beobachtungen  anderer  Autoren  kon¬ 
stante  Resultate  nicht  zu  erzielen  waren.  Als  das  empfänglichste 
Versuchstier  hat  sich  nach  dem  Affen  das  Kaninchen  erwiesen,  bei 
dem  auf  eine  genügende  intravenöse  Dosis  einer  virulenten  Kultur 
starke  Dyspnoe  und  lähmungsartige  Schwäche  der  hinteren  Ex¬ 
tremitäten  eintritt.  Eine  Wiedergewinnung  der  Bakterien  aus  den 
Organen  und  dem  Blute  ist  fast  immer  misslungen,  so  dass  die  Er¬ 
scheinungen  nicht  auf  Infektion,  sondern  auf  Intoxikation 
zurückgeführt  wurden,  wobei  die  Bazillen  schnell  zugrunde  gehen. 
Dagegen  konnten  K  o  1 1  e  und  D  e  1  i  u  s  nachweisen,  dass  bei 
intraperitonealer  Injektion,  besonders  beim  Meer¬ 
schweinchen,  sich  die  Bazillen  vermehren  und  vom  Peritoneum  aus 


ihre  Giftwirkung  äussern.  Weiter  fand  Jakobsohn2),  der  mit 
den  Pfeifferschen  Bazillen  allein  keine  oder  nur  geringe  Re¬ 
sultate  hatte,  dass  bei  gleichzeitiger  Injektion  von  In¬ 
fluenzabazillen  und  a  b  g  e  t  ö  t  e  t  e  n  Streptokokken  die 
Mäuse  an  S  e  p  t  i  k  ä  m  i  e  zugrunde  gingen  und  dass  aus  ihrem  Blute 
die  spezifischen  Bazillen  gezüchtet  werden  konnten. 

Meine  eigenen  Versuche  hatten  folgende  Resultate:  Eine  mehr¬ 
malige  Impfung  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen  intravenös 
und  intraperitoneal  blieb  ergebnislos.  Allerdings  waren  die  ver¬ 
wendeten  Dosen  infolge  des  äusserst  zarten  Wachstums  der  Kolo¬ 
nien  kaum  grösser  als  eine  halbe  Normalöse.  Etwas  mehr  Erfolg  hatte 
ich  mit  Mäusen.  Aber  auch  diese  zeigten  keine  charakteristischen, 
sondern  nur  unbestimmte  Krankheitssymptome,  von  denen  sie  sich 
in  der  Regel  nach  12  Stunden  wieder  völlig  erholt  hatten.  Zuletzt, 
als  ich  schon  die  Versuche  aufgeben  wollte,  machte  ich  noch  unter 
wenig  aseptischen  Massnahmen  eine  intraperitoneale  Injektion  bei 
einer  Maus.  Diese  zeigte  nach  etwa  5  Stunden  die  beschriebenen 
charakteristischen  Symptome  und  ging  nach  48  Stunden  ein.  Aus 
Milz  und  Blut  gingen  zahlreiche  Influenzakolonien  auf,  aber  daneben 
in  noch  grösserer  Anzahl  üppige  Kolonien  eines  feinen,  Gram-negativen, 
auf  sämtlichen  Nährböden  wachsenden  Bazillus,  der  auf  Lackmus¬ 
agar  geringe  Säurebildung  zeigte,  Traubenzucker  vergor  und  Neu¬ 
tralrotagar  erst  nach  72  Stunden  entfärbte. 

Von  der  Influenzakultur  nach  dieser  ersten  Tierpassage  erhielt 
eine  Maus  etwa  t-i-Normalöse  intraperitoneal.  Nach  Vs  Stunde 
machte  sie  einen  kranken  Eindruck,  der  sich  nach  8  Stunden  noch 
gesteigert  hatte.  Nach  24  Stunden  war  sie  wieder  vollkommen  er¬ 
holt.  Das  auf  der  Höhe  der  Krankheit  entnommene  Blut  blieb  steril. 

Eine  zweite  Maus  erhielt  etwa  Vt  Oese  Influenza  und  die  gleiche 
Menge  des  begleitenden  Stäbchens.  Sie  war  nach  30  Minuten  schwer 
krank  und  starb  nach  5  Stunden.  Aus  dem  Herzblute  und  der  Milz 
konnten  wieder  beide  Bakterien  isoliert  werden. 

Zur  Prüfung  der  Virulenz  des  Begleiters  wurde  dieser  allein  für 
sich  einer  dritten  Maus  eingeimpft.  Diese  starb  ebenfalls  nach  5  bis 
6  Stunden. 

Weiter  wurden  dann  Impfungen  vorgenommen  mit  Influenza  und 
einer  gleichen  Menge  des  durch  Hitze  abgetöteten  Begleiters.  Die 
Mäuse  gingen  nach  12  bis  24  Stunden  ein;  regelmässig  konnten  In¬ 
fluenzabazillen  aus  Milz  und  Blut  gezüchtet  werden.  Ebenso  fielen 
die  Versuche  positiv  aus,  wenn  mit  lebenden  Pneumokokken  zu¬ 
gleich  geimpft  wurde. 

Auch  die  Resultate  von  Jakobsohn  konnte  ich  bestätigen. 
Wenn  man  Streptokokken,  die  eine  halbe  Stunde  bei  60°  gehalten 
waren,  zugleich  mit  Influenza  (ie  Vs  Oese)  injizierte,  so  starb  die 
Maus  nach  24  Stunden  und  aus  Milz  und  Blut  gingen  Influenzabazillen 
in  sehr  zahlreichen  Kolonien  auf.  Alle  diese  Impfungen  waren  intra¬ 
peritoneal;  eine  subkutane  Injektion  wurde  von  einer  Maus  über¬ 
standen,  während  eine  andere  mit  derselben  Menge  geimpfte  nach 
5  Stunden  zu  gründe  ging. 

Nachdem  so  durch  mehrere  Tierpassagen  der  Stamm  in  seiner 
Virulenz  gesteigert  war,  wurde  wieder  einer  Maus  eine  Rein- 
‘  k  u  1 1  u  r  von  Influenza,  ca.  Vs  Normalöse  eingespritzt,  und  jetzt 
trat  nach  24  Stunden  durch  Septikämie  der  Tod  ein.  Aus  Milz  und 
Blut  wuchsen  Influenzabazillen  in  reichlicher  Menge. 

Eines  war  bei  allen  Versuchen,  in  denen  Influenzabazillen 
rein  oder  mit  abgetöteten  Bakterien  zusammen  verimpft  wurden, 
auffallend,  dass  man  nämlich,  trotz  sorgfältiger  Massnahmen 
bei  der  Injektion,  den  Influenzabazillus  fast  nie  ganz  rein  wieder¬ 
fand.  Aus  dem  Blute  allerdings  ging  er  in  den  letzten  Fällen 
gänzlich  rein  auf,  aber  in  der  Milz  fanden  sich  bei  mikroskopi¬ 
scher  Untersuchung  desto  mehr  verunreinigende  Begleiter,  be¬ 
sondere  Staphylokokken,  die  auch  auf  den  Platten  in  mehr  oder 
weniger  grosser  Menge  wuchsen.  Dafür  dürfte  folgender  Er¬ 
klärungsversuch  naheliegen:  Ebenso  wie  andere  Bakterien  dem 
Influenzabazillus  den  Eintritt  in  das  Blut  erleichtern,  unter 
Umständen  —  wie  z.  B.  bei  den  Tierinfektionen  —  erst  möglich 
machen,  so  bereitet  dieser  anderen  Mikroorganismen  günstige 
Existenzbedingungen,  ein  Gegenseitigkeitsverhältnis,  das  mit 
den  klinischen  Beobachtungen  bei  Influenza,  insbesondere  bei 
der  Bronchopneumonie,  aufs  beste  im  Einklang  steht. 

Eine  Frage,  die  den  Bakteriologen  und  den  Kliniker  gleich- 
mässig  interessiert,  ist  die  nach  dem  kulturellen  Nachweis  der 
Bazillen  im  Blute  des  erkrankten  Menschen,  die  ja  neuerdings 
bei  verschiedenen  anderen  Infektionskrankheiten  eine  grosse 
Rolle  spielt.  Bekanntlich  ist  es  Pfeiffer  und  zahlreichen 
anderen  Forschern  nicht  geglückt,  den  Erreger  der  Influenza  im 
Blute  nachzuweisen,  so  dass  angeblich  positive  Befunde  grossen 
Zweifeln  begegneten.  Auch  Beck  in  K  o  1 1  e  -  Wasser¬ 
manns  Lehrbuch  (1903)  hält  noch  an  diesem  Standpunkt  fest. 
Er  schreibt,  dass  bis  jetzt  eine  Züchtung  der  Pfeiffer  sehen 
Stäbchen  aus  dem  Blute  nicht  einwandsfrei  gelungen  sei.  Un- 


2)  Zitiert  nach  Beck  aus  Kolle-Wassermanns  Hand¬ 
buch. 


2222 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


terdcssen  ist  aber  eine  Anzahl  von  anscheinend  völlig  sicheren 
Fällen  mit  kulturellem  Nachweis  der  Bazillen  im  Blute  bekannt 
geworden,  sodass  an  dessen  Vorkommen  nicht  wohl  mehr  ge- 
zweifelt  werden  darf.  An  seiner  Seltenheit  allerdings  ändert 
das  nichts,  und  deshalb  erscheint  es  geboten,  in  Fällen  von 
Sepsis  mit  negativem  Blutbefunde  an  Influenza  zu  denken  und 
eventuell  nach  dem  Tode  die  Diagnose  zu  sichern.  Hypo¬ 
thetisch  liesse  sich  der  eben  erwähnte  Widerspruch  nach  Ana¬ 
logie  der  Tierversuche  dahin  aufklären,  dass  der  Influenza¬ 
bazillus  für  sich  allein  primär  im  Blute  keinen  dauernden  Fuss 
fassen  kann,  dass  ihm  aber  unter  Umständen  durch  ein  anderes 
Bakterium,  das  vielleicht  später  wieder  eliminiert  wird,  die 
Existenzbedingungen  im  Blute  geschaffen  werden,  bis  er  sich 
hier  akklimatisiert  hat.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  würde 
sich  auch  unser  viermaliger  vergeblicher  Züchtungsversuch  aus 
dem  Blute  erklären:  Es  handelte  sich  eben,  wie  aus  dem  mikro¬ 
skopischen  und  bakteriologischem  Befunde  hervorgeht,  in  un¬ 
serem  Falle  um  eine  absolut  reine  Influenzainfektion. 

Aber  nun  erhebt  sich  sofort  die  Frage:  Ist  denn  das  vor¬ 
liegende  Krankheitsbild  wirklich  als  septisches  aufzufassen, 
wenn  die  Erreger  im  Blute  nicht  nachgewiesen  sind?  Dass 
sie  da  waren,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen;  schon  die  Endo¬ 
karditis  ist  nicht  anders  zu  erklären.  Dass  aber  auch  später 
der  Organismus  häufiger  von  ihnen  überschwemmt  sein  muss, 
ergibt  sich  aus  ihrem  Nachweise  in  allen  untersuchten  Or¬ 
ganen.  Die  Quelle  für  diese  sekundären  Infektionen  dürfte  vor 
allem  in  den  endokarditischen  Auflagerungen  zu  suchen  sein. 
In  zweiter  Linie  kommt  aber  auch  die  Lunge  in  Betracht,  von 
der  wohl  zweifellos  die  erste  Bazilleneinfuhr  in  das  Blut  ausge¬ 
gangen  ist.  Jedenfalls  ist  der  Schluss  unabweisbar,  dass 
lebende  Influenzabazillen  im  Blute  gekreist  haben.  Dass  sie 
sich  in  diesem  Falle,  wie  auch  in  den  meisten  anderen,  der 
Züchtung  entzogen  haben,  ist  für  die  Beurteilung  der  Frage 
irrelevant. 

Was  nun  zum  Schlüsse  noch  das  anatomische  Bild  der 
Endokarditis  anlangt,  so  ist  es  mir  aufgefallen,  dass  alle  sieben 
bisher  beschriebenen  Fälle,  soweit  aus  der  Beschreibung  zu 
entnehmen  war,  der  verrukösen  Form  angehören.  Wenn 
Spät  von  ulzeröser  Endokarditis  spricht,  so  ist  das  wohl  nur 
ein  Versehen,  da  er  ausdrücklich  schreibt:  ,,.  .  .  fanden  sich  am 
freien  Rande  der  Mitralklappen  grosse  blumenkohlartige,  war¬ 
zige,  weiche  Protuberanzen  .  .  .“.  Sollte  sich  dieses  Verhalten 
auch  weiterhin  bestätigen,  so  wäre  das  ein  Punkt  von  kli¬ 
nischer  Bedeutung.  Denn  die  an  Influenza  sich  anschliessende* 
Endokarditis  ist  durchaus  kein  seltener  Befund,  wenn  auch  der 
positive  Bazillennachweis  erst  der  neueren  Zeit  angehört. 
Leichte  n  stei  n  zählt  in  seiner  Monographie  der  Influenza 
(Nothnagels  Handbuch  1896)  eine  ganze  Reihe  von  Autoren, 
darunter  auch  Gerhardt,  auf,  die  Endokarditis  als  Folge  der 
Influenza  beschrieben  haben.  Allerdings  nimmt  er  für  die  Mehr¬ 
zahl  eine  Mischinfektion,  namentlich  mit  Streptokokken  an. 

Die  Bedeutung  des  vorliegenden  Falles  möchte  ich  noch 
einmal  dahin  zusammenfassen,  dass  er  —  vielleicht,  zum  ersten 
MMe  •  -  in  ein  wandsfreier  Weise  zeigt,  dass  eine  typisch  be¬ 
ginnende  Influenza  über  Bronchopneumonie,  Endokarditis  En¬ 
zephalitis  und  Meningitis  in  eine  vollentwickelte  Sepsis  hintiber- 
führen  kann,  unter  der  alleinigen  Aetiologie  des 
P  f  e  i  f  f  e  r  s  c  h  e  n  B  a  z  i  1 1  u  s. 


Aus  der  I.  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Berlin  (Direktor: 

Exzellenz  v.  L  e  y  d  e  n). 

Experimentelle  Hypertrophie  der  Langerhansschen 
Pankreasinseln  bei  der  Phloridzinglykosurie.*) 

\  on  Prob  Pr.  Paul  Lazarus,  bisher  I.  Assistent  der  Klinik, 
z.  Z.  dirigierender  Arzt  der  inneren  Abteilung  am  Marien¬ 
krankenhause  (Berlin). 

Ich  erlaube  mir  über  Versuche  zu  berichten,  welche  die 
Histiogenese  des  experimentellen  Diabetes  betreffen.  Zu  diesen 
Versuchen  habe  ich  Meerschweinchen  durch  monatelange 
Phloridzin-  oder  Adrenalinbehandlung  diabetisch  gemacht.  Das 
Phloridzin  wurde  den  Tieren  entweder  subkutan  verabfolgt, 

U  Demonstration  im  Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin  am 
22.  Juli  1907. 


1  cg  pro  die  durch  ca.  100  Tage,  oder  per  os  verfüttert,  durch 
8  Monate  fast  täglich  1  g.  Das  Adrenalin  wurde  den  Tieren 
2 — 3  mal  in  der  Woche  in  der  Dosis  von  Vio — 3Uo  mg  ein¬ 
gespritzt.  Ich  will  mich  an  dieser  Stelle  nur  auf  die  Mitteilung 
der  Resultate  beschränken  und  diese  durch  die  beigefügten 
Zeichnungen  ergänzen. 

Die  klinischen  Erscheinungen  der  Phloridzinvergiftung  be¬ 
standen  in  der  bekannten  Glykosurie;  sie  betrug  ca.  0,4  Proz. 
pro  die,  mittels  der  Gärungsprobe,  nicht  mit  der  Polarisations¬ 
methode  bestimmt,  da  das  Phloridzin  linksdrehend  wirkt.  Da¬ 
von  kann  man  sich  zuweilen  auch  beim  Diabetes  des  Menschen 
überzeugen,  wo  eine  subkutane  schwache  Phloridzininjektion  <• 
eine  scheinbare  Abnahme,  selbst  ein  Verschwinden  des  Rechts¬ 
drehungsvermögen  des  Harns  herbeiführen  kann,  während  die 
Gärungsprobe  das  Vorhandensein  des  Zuckergehaltes  anzeigt. 
Die  weiteren  Erscheinungen  der  Phloridzinglykosurie  bestan¬ 
den  in  einer  langsam  fortschreitenden  Kachexie  und  Ab¬ 
magerung  (besonders  bei  Ueberwiegen  der  Brot-  über  die  Kohl¬ 
nahrung),  welche  schliesslich  bis  zu  einem  30 — 40  Proz.  be¬ 
tragenden  Gewichtsverluste  der  Tiere  führte. 

Im  Gegensätze  zu  diesem  namentlich  das  Fettge¬ 
webe  und  die  Muskulatur  betreffenden  Gewebsschwunde 
steht  die  bei  allen  Versuchstieren  ausnahmslos  ge¬ 
fundene,  beträchtliche  Hypertrophie  des  Pan¬ 
kreas  und  der  Nebennieren,  wovon  dieses  Prä¬ 
parat  ein  Beispiel  gibt  (Demonstration).  Es  entstammt  einem 
8  Monate  lang  mit  Phloridzin  gefütterten  Tiere;  das  Pankreas 
ist  verdickt  und  derart  verlängert,  dass  es,  entspannt,  von  der 
Duodenalschlinge  bis  ins  kleine  Becken  herabreicht.  Auch 
die  Nebennieren  sind  derart  hypertrophisch,  wie  man  es  sonst 
fast  nur  bei  der  Diphtherie  zu  sehen  pflegt.  Diese  Vergrös- 
serung  des  Pankreas  beruht  —  wie  die  histologische  Unter¬ 
suchung  zeigte  —  auf  einer  ziemlich  gleichmässig  über 
das  ganze  Organ  verbreiteten,  hochgradigen,  Hyper¬ 
trophie  und  Hyperplasie  der  Langerhans¬ 
schen  Gefässinseln.  Die  Inselzahl  ist  gegenüber  der 
Norm  um  das  2 — 10  fache  vermehrt.  Zum  Vergleiche  sind 
Präparate  vom  normalen  Meerschweinchenpankreas  (auch 
im  Stadium  der  Hungerperiode)  ausgestellt,  in  denen 
man  suchen  muss  bis  man  eine  Insel  trifft.  Fig.  1 


Fig.  1. 


Phloridzinpankreas;  Inselhyperplasie. 


zeigt  ein  Phloridzinpankreas  mit  einem  Komplex  von 
32  Inseln  in  einem  Gesichtsfeld  (Vergr.  Leitz  ()k.  1,  Obj.  2). 
Die  Inseln  sind  meist  rund,  liegen  teils  in  der  Mitte,  teils  in 
der  Peripherie  der  Läppchen,  heben  sich  von  dem  umgebenden 
Drüsengewebe  ab  durch  ihre  scharfe  Umgrenzung,  durch  ihre 
hellere  Färbung,  durch  das  homogene  Zellprotoplasma,  durch 
die  auffallende  Blutfüllung  und  den  Kapillargefässreichtum  (s. 
Fig.  3,  Leitz  Ok.  3,  Obj.  ,5).  Nebst  der  Vermehrung 
ist  die  Vergrösserung  der  Inseln  bemerkenswert,  welche 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2223 


so  weit  gehen  kann,  dass  man  sie  bereits  mit  freiem 
Auge  als  gelbweisse  Punkte  erkennen  kann.  Derartige  Riesen¬ 
inseln  sind  auf  Fig.  2  (Ok.  1,  Obj.  5  Leitz)  abgebildet;  zu¬ 
weilen  füllt  sogar  eine  Riesenimsel  bei  mittlerer  Vergrösserung 

Fig.  2. 


Phloridzin pankreas;  Rieseninseln. 

(Ok.  I,  Obj.  IV)  das  ganze  Gesichtsfeld  aus.  Die  Vergrös¬ 
serung  ist  zurückzuftihren  teils  auf  die  sehr  reichliche  Vasku¬ 
larisation  (Fig.  3),  teils  auf  die  erhebliche  Vermehrung  der 


Fig.  3. 


■'4t 

j 

. 

'■*  ,  /  fc-  m  “j*  »  0  » 

;•  *  o  <*  * 

Hf 


■■'.'  .  >  -  *1 


■ 

’-ih.  <St 


Phloridzinpankreas;  InseFhyperämie,  Kapillar- 
gefässe  beträchtlich  vermehrt. 

Inselzellen.  Diese  sind  in  ihrer  Struktur  ungefähr  normal; 
es  sind  beide  Zellarten  vertreten :  die  lymphozy  toid.e  n 
Zellen  mit  grossem,  chromatinreichen,  mit  Härnatoxylin  sich 
dunkel  färbenden  Kern  und  die  epitheloide  n,  den  Gefäss- 
kapillarcn  eng  anliegenden  Zellen  mit  homogenem,  sich  mit 


Eosin  schwächer  als  die  körnigen  Acinuszellen  sich  färbenden 
Zelleibe  mit  dem  bläschenförmigen  grossen  Kern  und  mit  1  bis 
mehreren  Kernkörperchen.  Das  intrainsulare  Bindegewebe  ist 
nur  sehr  gering  entwickelt,  ebenso  ist  eine  periinsulare  Binde- 
gewebskapsel  nicht  nachweisbar.  Das  umgebende  sekretori¬ 
sche  Gewebe  und  die  Ausführungsgänge  zeigen  ausser  Hy¬ 
perämie  keine  Zeichen  von  Entzündung  oder  Degeneration. 

Bemerkenswert  ist  ferner  die  Arteriosklerose  bei  der 
Phloridzinglykosurie;  insbesondere  bietet  die  Aorta  abdominalis 
das  Bild  der  Endarteriitis  hypertrophica;  die  Intima  zeigte  teils 
knötchenförmige  Verdickungen,  teils  schollige  Stellen.  Die 
Media  ist  stellenweise  vakuolisiert.  Dieses  Zusammentreffen 
ist  von  Interesse  für  das  Verständnis  der  auch  beim  mensch¬ 
lichen  Diabetes  häufigen  Kombination  mit  Arteriosklerose. 

Die  Gewebsveränderungen  bei  der  Adrenalinglykosurie 
sind  ähnlich,  wenn  auch  nicht  so  ausgesprochen  wie 
bei  der  Phloridzinglykosurie.  Weitere  Versuche  müssen 
lehren,  ob  nicht  auch  andere  Gifte  oder  Kachexien  an 
sich  ein  derartige  Hypertrophie  der  Pankreasglomeruli 
bewirken  können.  Die  bereits  jetzt  gefundenen  J  atsachen 
sprechen ; 

1.  Für  die  funktionelle  und  anatomische 
Selbständigkeit  der  Gefässinseln,  welche  sich 
scharf  vom  umgebenden  Drüsengewebe  absondern. 

2.  Für  die  experimentelle  Möglichkeit,  die  Pankreas¬ 
inseln  isoliert  zu  vermehren,  zu  v  e  r  g  r  ö  s  s  e  r  n 
und  zu  hyperämisieren.  Die  Inselhyperplasie  ist  als 
eine  anatomische  Gewebsreaktion  beim  Phloridzindiabetes  an¬ 
zusehen. 

3.  Für  die  Wahrscheinlichkeit  der  Annahme,  dass  die  Ge¬ 
fässinseln  bedeutsame  Faktoren  bei  der  Regulation  des  Zuckei- 
stoffwechsels  darstellen.  Die  Möglichkeit  ist  nicht  von  dei 
Hand  zu  weisen,  dass  beim  Phloridzindiabetes  die  Inseln  ent¬ 
sprechend  der  Erhöhung  ihrer  regulatorischen  Aufgaben  funk¬ 
tionell  derart  überlastet  werden,  dass  sie  hypertrophieren  (Ar¬ 
beitshypertrophie).  Der  Phloridzindiabetes  ist  wohl  zu  schei¬ 
den  vom  menschlichen  Diabetes;  bei  ersterem  haben  wir  Hy¬ 
poglykämie  mit  Inselhypertrophie,  bei  letzterem 
Hyperglykämie  und  häufig  Inselschwund.  Zu¬ 
weilen  haben  Phloridzininiektionen  bei  Diabetischen  eine 
vorübergehende  Abnahme  des  Zuckergehaltes  zui  Folge.  ^ 
und  wie  durch  die  hypoglykämischen  Eigenschaften  dei  Phlo¬ 
ridzinvergiftung  die  echt  diabetische  Hyperglykämie  beeinflusst 
wird,  ist  gegenwärtig  noch  nicht  zu  entscheiden.  Als  experi¬ 
mentell  erwiesen  darf  jedoch  die  Tatsache  gelten,  dass  wii  die 
Pankreasglomeruli  durch  Phloridzin  zur  Hypertrophie  bungen 
können,  in  ähnlicher  Art  wie  andere  Drüsen  unter  Jodgebrauch 
schwellen  können.  Inwieweit  wir  auf  diesem  Wege  im  stände 
sein  werden  auch  beim  Diabetes  des  Menschen  die  Langer- 
h  ans  sehen  Inseln  zu  hyperaktivieren,  müssen  weitere  thera¬ 
peutische  Versuche  lehren. 

Aus  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  in  München  (Vorstand; 

Prof.  M.  Pfaundler). 

Experimentelle  Beiträge  zur  Frage  der  künstlichen 

Säuglingsernährung.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Ernst  Moro,  Assistent  der  Klinik. 

Zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  die  Ernährung  mit  Frauen¬ 
milch  auch  im  Tierdarm  die  für  das  Brustkind  charakteristische 
Bakterienflora  erscheinen  lässt,  ging  ich  im  Jahre  1905  zum 
ersten  Male  daran,  jungen  Versuchstieren  abgedruckte  Frauen¬ 
milch  aus  der  Flasche  zu  verabreichen.  Dabei  machte  ich  die 
Beobachtung,  dass  bei  dieser  Ernährungsweise  wenige  Jage 
alte  Meerschweinchen  und  Kaninchen  binnen  kurzer  Zeit  last 

ausnahmslos  zugrunde  gingen. 

Bei  jungen  Hunden  war  der  Ernährungserfolg  mit  Frauen¬ 
milch  insofern  ein  wesentlich  besserer,  als  die  Tiere  dabei  am 
Leben  erhalten  werden  konnten;  ihr  Ernährungszustand  blieb 
iedoch  während  der  ganzen  Versuchsdauer  von  -8  Tagen  ein 
sehr  schlechter,  was  sich  neben  dem  elenden  Aussehen  dei 

*)  Nach  einem  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Dresden 
gehaltenen  Vortrag.  —  Die  Kaninchenversuche  wurden  in  Gemein¬ 
schaft  mit  Frau  Dr.  M.  Engelhard  ausgeiulnt. 


2224 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


Tiere  auch  in  der  vollständig  flachen  Kurve  ihres  Körper¬ 
gewichtes  äusserte,  während  die  mit  den  gleichen  Mengen 
von  Kuhmilch  ernährten  Kontrollhunde  glänzend  Zunahmen. 

Im  heurigen  Frühjahr  nahm  ich  gemeinsam  mit  Frau  Dr. 
M.  Engelhard  die  Versuche  an  Kaninchen  und  Meer¬ 
schweinchen  wiederum  in  Angriff.  Dabei  bestätigte  sich  meine 
frühere  Beobachtung  und  es  ergab  sich  ausserdem,  dass  ebenso 
wie  die  Frauenmilch,  auch  die  Ernährung  mit  Kuhmilch, 
gleichgültig  ob  roh  oder  sterilisiert  verabreicht,  auf  die  jungen 
I  iere  einen  deletären  Einfluss  ausiibte.  Das  Bild  der  Krank¬ 
heit,  die  sich  bei  den  Versuchstieren,  offenbar  als  die  Folge  der 
Kuhmilchernährung  einstellte,  war  bei  den  beiden  Tierarten 
ein  verschiedenes. 

Die  Kaninchen  begannen  trotz  gieriger  Nahrungsaufnahme 
rapid  abzumagern.  Das  Fell  der  Tiere  wurde  struppig,  die 
Ohren  hingen  schlaff  herab;  der  normale  Gewebsturgor 
schwand.  Das  Abdomen  war  mächtig  aufgetrieben  und  ge¬ 
spannt.  Die  Versuchstiere  bekundeten  bis  an  ihr  Lebensende 
eine  im  Vergleich  zu  den  Kontrollkaninchen  gesteigerte  Leb¬ 
haftigkeit  in  ihren  Bewegungen,  obgleich  die  zarten  und  stark 
verkrümmten  Extremitätenknochen  schliesslich  kaum  mehr  im¬ 
stande  waren  die  Last  des  Körpers  zu  tragen.  Die  Kuhmilch¬ 
krankheit  der  jungen  Kaninchen,  die,  von  diesen  Symptomen  be¬ 
gleitet,  nicht  vor  dem  6. — 8.  Fütterungstage  in  Erscheinung  trat, 
nahm  hier  einen  ausgesprochen  chronischen  Verlauf  und  führte 
erst  nach  Ablauf  von  mehreren  Wochen  allmählich  den  Tod 
der  Tiere  herbei. 

Bei  den  jungen  Meerschweinchen  setzte  hingegen  die  Kuh¬ 
milchkrankheit  schon  am  3. — 4.  Versuchstage  ganz  akut  ein. 
Die  Meerschweinchen  verloren  plötzlich  die  Trinklust,  die  Ge¬ 
wichtskurve  stürzte  rapid  ab,  das  Fell  der  Tiere  sträubte  sich; 
zudem  stellten  sich  im  Bereiche  der  hinteren  Extremitäten  klo¬ 
nische  Krämpfe  ein,  die  in  einigen  Fällen  schliesslich  einer 
kompletten  Lähmung  dieser  Körperpartien  wichen.  Unter 
diesem  stürmisch  verlaufenden  Krankheitsbilde  verendeten  die 
Tiere  regelmässig  schon  innerhalb  weniger  als  24  Stunden. 

Die  Obduktion  ergab  makroskopisch  keinen  besonders,  be¬ 
merkenswerten  Befund;  nur  bei  den  Kaninchen  konnte  neben 
der  allgemeinen  Atrophie  regelmässig  eine  auffallend  starke 
Gasblähung  des  Magens  und  Kolons  festgestellt  werden. 

Die  Frage  nach  dem  Wesen,  der  bei  den  Kaninchen  infolge 
der  Kuhmilchverfütterung  aufgetretenen  schweren  Ernährungs¬ 
störung  führte  uns  vor  allem  zur  Erwägung  dessen,  dass  den 
jungen  1  ieren  eine  relativ  sehr  kalorienarme  Nahrung  zugeführt 
wurde;  denn  bekanntlich  ist  die  Kaninchenmilch  ca.  3 mal  ka¬ 
lorienreicher  als  die  Kuh-  und  Frauenmilch.  Mit  Rücksicht  da¬ 
rauf  stellte  Frau  Dr.  Engelhard  an  Kaninchen  Fütterungs¬ 
versuche  mit  „konzentrierter“  Kuhmilch  an,  die  durch  Sahne-, 
Nutrose-  undSalzzusatz  demKalorienwert  und  der  quantitativen 
Zusammensetzung  der  Kaninchenmilch,  sowie  ihrem  Gehalt  an 
plastischen  Nährstoffen  annähernd  entsprach.  Sechs  derartige 
Kaninchenversuche  förderten  jedoch  das  gleiche  Ergebnis  zu¬ 
tage  wie  die  früheren,  mit  dem  einzigen  Unterschied,  dass  bei 
2  1  ieren  die  Kuhmilchkrankheit  etwas  später  einsetzte  und  erst 
nach  Ablauf  von  3 — 4  Wochen  zum  Tode  führte.  Insbesondere 
aber  spricht  die  Tatsache,  dass  die  meisten  Versuchstiere  bei 
der  Kuhmilchernährung  anfänglich  gut  Zunahmen  und,  dass  die 
1  nanition  bei  den  Kaninchen  unter  einem  ganz  anderen  Bilde 
verläuft,  gegen  die  Vorstellung,  dass  es  sich  hier  um  die  Folge¬ 
erscheinungen  einer  Unterernährung  gehandelt  haben  könnte. 

Bei  den  Meerschweinchen  kam  im  Hinblick  auf  den  raschen 
Eintritt  und  Verlauf  der  Kuhmilchkrankheit  eine  derartige  An¬ 
nahme  überhaupt  nicht  in  Frage.  Im  Uebrigen  gelang  es  mir, 
neugeborene  Meerschweinchen  schon  von  den  ersten  Lebens¬ 
tagen  an  mit  einer  sehr  kalorienarmen  Nahrung,  nämlich  bei 
ausschliesslicher,  knapp  bemessener  vegetabiler  Kost  am  Leben 
zu  erhalten. 

Die  bei  den  Versuchstieren  beobachteten  Krankheitsbilder 
erinnern  in  ihren  groben  Umrissen  an  zwei  häufige  Typen  von 
Ernährungsstörungen  künstlich  ernährter  Säuglinge:  an  die 
Atrophie  und  an  die  sog.  Cholera  infantum. 

1  Üe  Kuhmilchkrankheit  der  Meerschweinchen  trägt  zweifel¬ 
los  den  Charakter  einer  „alimentären  I  n  t  o  x  i  k  a  t  i  o  n“ 
an  sich;  und  eine  wesentlich  gleiche  Stoffwechselstörung  dürfte 


auch  der  bei  den  Kaninchen  aufgetretenen,  chronischen  Er¬ 
krankung  zu  gründe  liegen. 

Die  Versuche  sind  vor  allem  deshalb  von  Interesse,  'weil 
sie  zeigen,  dass  es  auf  relativ  einfache  Weise  gelingt,  tier¬ 
experimentell  Krankheitsformen  zu  erzeugen,  deren  genaueres 
Studium  für  die  Erforschung  der  Ernährungsstörungen  im  Säug¬ 
lingsalter  vielleicht  von  Bedeutung  sein  kann.  Der  Grund,  wa¬ 
rum  bisher  das  Tierexperiment  in  allen  derartigen  Fragen  fast 
vollkommen  im  Stiche  liess,  ist  meiner  Meinung  nach  nur  in 
der  ungeeigneten  Wahl  der  Versuchsobjekte  gelegen.  Die  in 
Rede  stehenden  Ernährungsstörungen  sind  eben  für  die  Säug¬ 
lingsperiode  besonders  charakteristisch  und  der  gewünschte 
Erfolg  tritt,  nach  meinen  Erfahrungen,  nicht  ein,  wenn  zu  den  » 
einschlägigen  Versuchen  Tiere  verwendet  werden,  die  nicht 
mehr  ausschliesslich  oder  wenigstens  vorwiegend  auf  die  Er¬ 
nährung  an  der  Mutterbrust  angewiesen  sind.  *) 

Ferner  geht  aus  den  Meerschweinchenversuchen 
hervor,  dass  an  dem  Zustandekommen  des  bei  der 
Kuhmilchernährung  eingetretenen  Krankheitsbildes  den 
Darmbakterien  eine  wesentliche  Rolle  zugeschrieben 
werden  müsse.  Dieser  Schluss  ergibt  sich  von  selbst, 
wenn  wir  unsere  Ergebnisse  mit  jenen  vergleichen,  die 
N  u  1 1  a  1 1  und  1  hierfelder  bei  ihren,  aus  anderen  Grün¬ 
den  vorgenommenen  Versuchen  gewonnen  haben.  Diesen  bei¬ 
den  Forschern  gelang  es  bekanntlich,  steril  zur  Welt  gebrachte 
und  unter  sterilen  Verhältnissen  gehaltene  Meerschweinchen 
bei  Kuhmilchernährung  13  Tage  lang  am  Leben  zu  erhalten. 
Ich  führte  nun,  mit  spezieller  Berücksichtigung  der  von  Nut¬ 
tal  1  und  Thierfelder  angegebenen  Vorschriften,  analoge 
Fütterungsversuche  mit  sterilisierter  Kuhmilch  an  Meer¬ 
schweinchen  aus,  die  unter  natürlichen  Verhältnissen  geboren 
wurden  und  erhielt  bisher  immer  das  gleiche  Resultat  —  die 
Tiere  gingen  am  4. — 5.  Lebenstage,  unter  den  Erscheinungen 
der  Intoxikation  zu  gründe.  Da  der  Unterschied  zwischen  den 
beiden  Versuchen  im  Wesentlichen  wohl  nur  darin  bestand, 
dass  in  dem.  einen  Falle  der  Darm  keimfrei  war,  während  er 
im  anderen  Falle  eine  allerdings  von  vornherein  aphysiologische 
Bakterienflora  beherbergte,  so  ergibt  sich  daraus  mit  Not¬ 
wendigkeit,  dass  die  Tätigkeit  der  Darmbakterien  mittelbar 
als  ätiologischer  Faktor  der  bei  den  Meerschweinchen  aufge¬ 
tretenen  akuten  Ernährungsstörung  verantwortlich  gemacht 
werden  musste. 

Als  das  einzige  ursächliche  Moment  kommen  jedoch  die 
Darmbakterien  wahrscheinlich  auch  nicht  in  Betracht.  Dafür 
spricht  unsere  weitere  Beobachtung,  dass  bei  mässigem  Allai- 
tement  mixte  mit  der  arteigenen  Milch  die  Tiere  auf  Kuhmilch 
nicht  merklich  reagierten  und,  dass  bei  einsetzender  Kuhmilch¬ 
krankheit  das  Anlegen  der  Jungen  an  die  Mutterbrust  die  be¬ 
drohlichen  Symptome  in  einer  Zeit  zum  Schwinden  brachte,  die 
wegen  ihrer  kurzen  Dauer  eine  radikale  Umstimmung  der 
Darmflora  nicht  herbeigeführt  haben  konnte. 

Ausserdem  konnte  ich  feststellen,  dass  im  Beginne  der 
Krankheitserscheinungen,  in  einem  Stadium,  wo  die  Tiere  noch 
imstande  waren  selbständig  Nahrung  aufzunehmen,  die  Verab¬ 
reichung  von  Vegetabilien  einen  überraschend  günstigen  Er¬ 
folg  zutage  förderte.  Diese  Beobachtung  führte  mich  dazu, 
auch  bei  einigen,  an  akuten  Ernährungsstörungen  erkrankten 
Säuglingen,  als  passagere  Diät,  die,  ausschliessliche  Verab¬ 
reichung  von  Gemüsesuppen  zu  versuchen,  eine  Massregel,  die 
sich  uns  in  mehreren  Fällen  recht  gut  bewährt  hat. 

Die  Feststellung  der  bereits  früher  erwähnten  Tatsache, 
dass  es  gelingt,  junge  Meerschweinchen  schon  von  den  ersten 
Lebenstagen  an,  ohne  Muttermilch,  bei  ausschliesslicher  vege¬ 
tabiler  Nahrung  am  Leben  zu  erhalten,  veranlasste  mich  weiter¬ 
hin  zur  Anstellung  ausgedehnter  Versuchsreihen,  deren  Er¬ 
gebnis  den  Einfluss  der  Säugungsdauer  auf  das  Schicksal  und 


D  Die  „Periode  der  extrauterinen  Abhängigkeit“  (Hambur¬ 
ger)  von  der  Mutter  ist  sowohl  beim  Kaninchen,  als  auch  beim  Meer¬ 
schweinchen  eine  sehr  kurze;  beim  Kaninchen  dauert  sie  etwa  2  bis 
3  Wochen,  beim  Meerschweinchen  längstens  9  Tage.  Allerdings 
trinken  die  Jungen  noch  über  diesen  Zeitraum  hinaus  (bis  zum  Alter 
von  4  bis  6  Wochen)  an  der  Brust  des  Muttertieres;  allein  ihre  Er¬ 
nährung  ist  in  dieser  Zeit  bereits  eine  vorwiegend  vegetabile  und  es 
hat  die  Zufütterung  der  Muttermilch  nach  Ablauf  dieser  Frist  auf  das 
weitere  Gedeihen  der  1  iere  anscheinend  keinen  wesentlichen  Einfluss 
mehr. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2225 


auf  die  spätere  Entwicklung  der  Tiere  demonstrieren  sollte.  Zu 
derartigen  Versuchen  eignet  sich  das  Meerschweinchen  ganz 
besonders,  da  die  Körpergewichtskurve  der  unter  natürlichen 
Lebensbedingungen  aufwachsenden  Tiere  einen  so  regel¬ 
mässigen  Verlauf  nimmt,  dass  man,  bei  bekanntem  Geburts¬ 
gewicht,  aus  dem  jeweiligen  Körpergewicht  allein,  zu- 
mindestens  innerhalb  der  ersten  Wochen,  den  Lebenstag  der 
Tiere  mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  bestimmen  vermag. 

Die  Versuche  wurden  so  angeordnet,  dass  eine  Reihe  von 
Tieren,  mit  annähernd  gleichem  Geburtsgewicht  (50 — 60  g)  bald 
nach  der  Geburt  und  zwar  vor  jeglicher  Nahrungsaufnahme, 
und  weitere  Tierreihen  nach  Ablauf  von  1,  3,  5,  7  Lebenstagen 
vom  Muttertier  isoliert,  in  Einzelkäfige  gebracht  und  mit  vege¬ 
tabiler  Kost  bedacht  wurden.  Den  isolierten  Tieren  wurde 
jedesmal  ein  älteres,  nicht  milchgebendes  Meerschweinchen 
mitgegeben,  das  den  Jungen  als  Wärmequelle  dienen  sollte. 

Von  den  Tieren,  die  niemals  an  der  Brust  waren,  starben 
80  Proz.,  von  den  nach  1  mal  resp.  3  mal  24  Stunden  isolierten 
Tieren  nur  mehr  30  Proz.  resp.  10  Proz.,  während  alle  übrigen 
Tiere  am  Leben  verblieben.  Das  rapide  Absinken  der  Mor¬ 
talität  bei  jenen  Tieren,  die  einen  einzigen  Tag  an  der  Mutter- 
brust  genährt  wurden,  zeigt  zur  Genüge,  wie  wichtig  eine,  wenn 
auch  noch  so  knapp  bemessene  Säugungsdauer  für  das  fernere 
Schicksal  der  Tiere  war. 

Noch  deutlicher  wie  aus  der  Mortalitätsstatistik  geht  diese 
Tatsache  aus  der  nebenstehenden  Tabelle  hervor,  die  die  täg¬ 
lichen  Gewichtsschwankungen  der  am  Leben  verbliebenen  Ver¬ 
suchstiere  in  Durchschnittswerten  graphisch  darstellt. 

Die  täglichen  Wägungen  wurden  nur  bis  zum  28.  Lebens¬ 
tage  ausgeführt  und  die  nächste  Wägung  erfolgte  erst  nach 
2  Monaten.  Die  erste  Punktreihe  markiert  den  21.  Lebens¬ 
tag  als  jenen  Termin,  an  dem  die  natürliche  Säugungsdauer 
beim  Meerschweinchen  in  der  Regel  bereits  abgeschlossen  ist. 


Körpergewicht  in  g. 


Aus  der  Tabelle  ist  besonders  deutlich  der  nachhaltig  gün¬ 
stige  Einfluss  ersichtlich,  den  eine,  obgleich  nur  durch  zwei 
Tage  länger  fortgeführte  Brusternährung  auf  die  weitere  Ent¬ 
wicklung  der  Tiere  genommen  hat. 

Die  vorgeführten  Versuche  illustrieren  in  ihren  allgemeinen 
Ergebnissen  die  volle  Berechtigung  jener  Lehre  in  der  Phy¬ 
siologie  der  Säuglingsernährung,  die  einer,  wenngleich  nur  auf 
die  ersten  Lebenswochen  beschränkten  natürlichen  Ernährung 
einen  grossen  Einfluss  auf  das  Schicksal  und  auf  das  weitere 
Gedeihen  der  Säuglinge  zuschreibt.  Diesem  Moment,  dem  in 
der  Praxis  viel  zu  wenig  Beachtung  geschenkt  wird,  legen  be¬ 
sonders  Czerny  und  Keller2)  ein  grosses  Gewicht  bei : 

„Zunächst  müssen  wir  hier  nochmals  auf  die  Erfahrungs¬ 
tatsache  hinweisen,  die  wir  bereits  erwähnt  haben,  dass  die 
künstliche  Ernährung  die  grössten  Schwierigkeiten  bietet,  wenn 
wir  mit  derselben  am  2.  Lebenstage  beginnen  müssen,  und  dass 
die  Schwierigkeit  von  Woche  zu  Woche  abnimmt,  wenn  das 
Kind  in  der  ersten  Zeit  Frauenmilch  erhält.  Es  ist  nicht  zuviel 
gesagt,  dass  das  Gelingen  einer  künstlichen  Ernährung  schon 


2)  Czerny  und  Keller:  Des  Kindes  Ernährung,  Ernührüngs- 
bedingungen  und  Ernährungstherapie,  1.  Bd.,  S.  528. 

No.  45. 


ausserordentlich  an  Leichtigkeit  gewinnt,  wenn  ein  Kind  auch 
nur  in  der  1.  Lebenswoche  Frauenmilch  efhalten  hat.“ 


Die  Bestimmung  der  Viskosität  des  Blutes. 

Von  Dr.  med.  W  a  1 1  e  r  H  e  s  s,  I.  Assistent  an  der  Universitäts- 

Augenklinik  in  Zürich  (Direktor:  Prof.  O.  H  a  a  b). 

Heute  spielt  die  Viskosität  in  der  Medizin  noch  eine  sehr 
bescheidene  Rolle.  Hoffentlich  gelingt  es  mir  aber  zu  zeigen, 
dass  die  Viskositätsbestimmung  geeignet  ist,  sich  eine  sowohl 
theoretisch  als  praktisch  wichtige  Stellung  zu  erringen.  Ich 
werden  dabei  bestrebt  sein,  auch  demjenigen  ver¬ 
ständlich  zu  sein,  der  sich  noch  nie  mit  diesem 
Thema  befasst  hat. 

Allgemeines  über  die  Viskosität. 

Die  Eigenschaft  einer  Flüssigkeit,  welche  man  mit  dem 
Namen  „Viskosität“  oder  „Zähigkeit“,  auch  „in¬ 
nere  Reibung“  bezeichnet,  wird  am  besten  an  zwei  Bei¬ 
spielen  erläutert. 

1.  In  einer  ruhenden  Flüssigkeit  wird  Bewegung  erzeugt. 
Lieber  kurz  oder  lang  kommt  sie  von  selbst  wieder  zur  Ruhe; 
die  Bewegungsenergie  ist  durch  die  gegenseitige  Reibung  der 
Flüssigkeitsteilchen  gegen  ihre  Nachbarn,  d.  h.  durch  die 
„innere  Reibung“  aufgebraucht  worden. 

2.  Durch  eine  enge  Röhre  wird  Flüssigkeit  ausgepresst; 
trotz  hohen  Drucks  fliesst  dieselbe  aber  nur  langsam  aus;  die 
„innere  Reibung“  bildet  das  Hindernis,  welches  sich  einem 
schnelleren  Strömen  entgegensetzt.  Je  grösser  die  Vis¬ 
kosität,  um  so  langsamer  das  Ausfliessen.  Die  zähflüssige 
Gummilösung  hat  also  eine  hohe  Viskosität,  der  leichtflüssige 
Aether  dagegen  eine  sehr  geringe. 

Die  Viskosität  messen  bedeutet  also  den  Grad  des  Flüssig¬ 
seins,  d.  h.  die  charakteristische  Eigenschaft  einer  Flüssigkeit 
zahlenmässig  ausdrücken. 

Die  angeführte  Tatsache,  dass  sich  die  Viskosität  beim 
Durchströmen  von  Röhren  (Gefässen)  in  hervorragender  Weise 
geltend  macht,  verschafft  ihr  bei  der  Blutzirkulation  eine  wich¬ 
tige  Rolle. 

Ein  weiterer  Grund  lässt  sich  anführen,  welcher  die  Be¬ 
deutung  der  Viskosität  beleuchtet:  Durch  Auflösen  von  Sub¬ 
stanzen  im  Wasser  wird  dessen  Viskosität  verändert,  meistens 
erhöht.  Um  die  quantitativ  verschiedene  Einwirkung  derselben 
zeigen  zu  können,  habe  ich  bei  einer  Anzahl  verschiedener 
Lösungen  unter  gleichen  Umständen  die  Viskosität  bestimmt 
und  graphisch  zur  Darstellung  gebracht. 

Die  Konzentration  aller  beträgt  5  Proz.;  die  Versuchs¬ 


temperatur  ist  18  V) 

Kal.  jodat . 0,99 

Kal.  chloric . 0,995 

Aquadest . 1,000 

Argent.  nitr . 1,00 

Natr.  chlorid . 1,095 

Natr.  bic . 1,16 

Rohrzucker . 1,165 

Traubenzucker . 1.185 

Milchzucker . 1,195 

Eiereiweiss . 1,32 

Methylenblau . 1,88 

Qummi  arab . 3,59 

Kasein  (nach  Hammarsten)  3,80 

Stärkemehl . nicht  bestimmbar,  weil  zu  dickflüssig 

Gelatine . nicht  bestimmbar,  weil  erstarrt. 


Die  graphische  Darstellung  (Fig.  l)  erfolgt  so,  dass  der 
sehkrechte  Abstand  von  einer  Horizontalen  als  der  Viskositäts¬ 
grösse  proportional  gewählt  ist. 

Ein  Blick  auf  die  Zahlen  und  die  graphische  Darstellung 
lehrt  uns,  dass  die  Kristalloide  die  Viskosität  nur  in  geringem 
Masse  beeinflussen  und  in  ihrer  Wirkung  von  den  Kolloiden 
ganz  bedeutend  übertroffen  werden.  Dieser  Gegensatz  wird 
beim  Blute  noch  dadurch  vergrössert,  dass  die  Konzentration 


1)  Bei  den  Salzen  mit  Kristallwasser  ist  dasselbe  natürlich  in 
Rechnung  gebracht  worden;  die  Lösung  des  Kaseins  erfolgte  in 
Vio  norm.  Natronlauge,  die  des  Eiereiweisses  in  physiologischer 
Kochsalzlösung.  Die  Abwägungen  wurden  von  Herrn  Dr.  Streitt, 
Assistent  an  der  eidgenössischen  Prüfungsanstalt  für  Brennstoffe  be¬ 
sorgt. 


2 


2226 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


der  ersteren  wegen  des  durch  ihre  Anwesenheit  bedingten  os¬ 
motischen  Druckes  nur  sehr  gering  sein  darf,  während  für  die 
Kolloide  bei  ihrer  osmotischen  Indifferenz  viel  höhere  Kon¬ 
zentrationen  und  weit  gehende  Schwankungen  möglich  sind.  — 
Es  soll  damit  den  Kristalloiden  nicht  jede  Bedeutung  für  die 
Viskosität  abgesprochen  werden;  wenn  sie  aber  eine  solche 
erlangen,  so  kann  dies  nur  geschehen  durch  physikalische  oder 
chemische  Aenderung  von  vorhandenen  Kolloiden.  Ob  und  in 
welchem  Masse  eine  solche  indirekte  Wirkung  vorkommt, 


Xri.staItol.cle  CM>uU 


Fig.  1. 


ist  eine  sehr  wichtige,  experimentell  noch  zu  lösende  Frage. 

Auf  jeden  Fall  ist  also  die  Viskosität  in  engstem  Zusammen¬ 
hang  mit  den  Kolloiden.  Die  wichtige  Rolle,  welche  dieselben 
im  Organismus  spielen,  ist  aber  schon  dadurch  gekennzeichnet, 
dass  ihnen  u.  a.  die  Eiweisse  zugehören.  Ausserdem  wurden 
die  Kolloide  überhaupt  durch  die  modernen  physikalisch-che¬ 
mischen  Forschungen  in  den  Vordergrund  des  Interesses  ge¬ 
rückt. 

Man  darf  aus  den  angeführten  Gründen  erwarten,  dass, 
auch  abgesehen  von  hämodynamischen  Gesichtspunk¬ 
ten,  sich  die  Viskositätsbestimmung  als  ein  wertvolles  Unter¬ 
suchungsmittel  des  Blutes  und  der  übrigen  Körperflüssigkeiten 
ausbilden  lässt. 

Als  Hauptgrund,  weshalb  die  Viskosität  in  der  Medizin 
trotzdem  noch  eine  so  untergeordnete  Rolle  spielt,  erachte  ich 
den  Mangel  einer  genügend  einfachen  Methode,  dieselbe  zu 
bestimmen.  Ist  einmal  eine  solche  bekannt,  so  können  aus¬ 
gedehntere  Versuche,  welche  der  Viskosität  die  verdiente  Ach¬ 
tung  verschaffen  werden,  nicht  lange  auf  sich  warten  lassen. 

Infolge  dieser  Ueberzeugung  bemühte  ich  mich,  einen 
Apparat  zu  konstruieren,  welcher  mit  einer  möglichst  einfachen 
und  bequemen  Handhabung  eine  praktisch  genügende  Genauig¬ 
keit  verbindet. 

Einige  Methoden,  deren  sich  der  Physiker  zur  Viskositäts¬ 
bestimmung  bedient,  beruhen  auf  der  oben  erwähnten  Ab¬ 
hängigkeit  der  Durchflussgeschwindigkeit  einer  Flüssigkeit 
durch  eine  enge  Röhre,  eine  sogen.  Kapillare,  von  der  Vis¬ 
kosität.  Dass  dem  Wandungsmaterial  selbst  kein  Einfluss  auf 
die  Strömungsgeschwindigkeit  zukommt,  hat  den  Grund  darin, 
dass  in  allen  Fällen,  wo  eine  Benetzung  der  Wandung  erfolgt, 
die  angrenzende  Schicht  nur  eine  unendlich  geringe  Bewegung 
ausführt  mit  entsprechend  unendlich  kleiner  Reibung.  Am 
schnellsten  ist  die  Strömung  in  der  Achse  der  Kapillaren.  Da¬ 
durch,  dass  die  zentral  gelegenen  Flüssigkeitsschichten  ihren 
peripheren  Nachbarn  vorauseilen,  kommen  sie  mit  diesen  in 
Reibung.  Diese  letztere  macht  sich  von  der  Achse  nach  der 
Peripherie  hin  so  oftmal  geltend,  als  eben  gegenseitig  ver¬ 
schiebbare  Flüssigkeitsschichten,  also  Molekularschichten,  vor¬ 
handen  sind.  Damit  ist  es  klar,  dass  für  die  Durchfluss¬ 
geschwindigkeit  nicht  die  nur  einmal  auftretende,  unendlich 
kleine  Reibung  von  Grenzschicht  gegen  Wandung,  sondern  die 
sich  unzählbar  oft  wiederholende  von  Flüssigkeitsschicht  gegen 
Flüssigkeitsschicht,  d.  h.  die  innere  Reibung  ausschlag¬ 
gebend  ist. 

Bevor  wir  auf  das  quantitative  Verhalten  dieser  Abhängig¬ 
keit  eingehen,  sei  noch  erwähnt,  dass  das  Resultat  einer  Vis¬ 
kositätsmessung  auf  zwei  Arten  ausgedrückt  werden  kann; 
nämlich  absolut  und  relativ.  Die  erstere  Ausdrucksweise  be¬ 
dient  sich  des  Grammzentimetersekundensystems;  für  unsere 
Zwecke  ist  sie  ungeeignet.  Die  zweite,  deren  wir  uns  aus¬ 
schliesslich  bedienen  wollen,  nennt  die  Zahl,  welche  angibt, 
wie  sich  die  Viskosität  der  untersuchten  Flüssigkeit  zu  der 
des  Wassers  verhält. 


Die  Möglichkeit,  dieses  Verhältnis  kennen  zu  lernen,  wird 
uns  durch  die  von  P  o  i  s  e  u  i  1 1  e  gefundene  Gesetzmässigkeit 
geboten.  Deren  zufolge  ist  die  Durchflussgeschwin¬ 
digkeit  der  Viskosität  einer  Flüssigkeit  umgekehrt,  dem 
treibenden  Druck  dagegen  direkt  proportional.  Die  Durch¬ 
fluss  m  e  n  g  e  nimmt,  wie  ohne  weiteres  klar,  proportional 
zu  mit  der  Zeit,  während  welcher  der  Durchfluss  stattfindet 
und  ebenso  proportional  mit  der  Durchflussgeschwindigkeit. 

Diese  für  irgend  eine  gegebene  Kapillare  gültige  Abhängig¬ 
keit  von  Viskosität,  treibendem  Druck,  Durchflussvolumen  und 
Durchflusszeit  gestattet  die  Berechnung  der  ersteren,  wenn  die 
letzteren  drei  bekannt  sind.  Auf  dieser  Basis  beruhen  sowohl 
die  für  menschliches  Blut  von  Hirsch  und  Beck2),  ferner 
von  Determann3)  angegebenen  Methoden,  als  auch  die 
meinige. 

Das  Prinzip  des  Apparates,  den  ich  in  meiner  Publikation: 
Viskosität  des  Blutes  und  Herzarbeit 4),  mathematisch  begründet 
habe,  lässt  sich  in  Worten  folgendermassen  erläutern: 

Je  grösser  die  Viskosität  einer  Flüssigkeit,  um  so  schwieriger 
ist  sie  durch  eine  Kapillare  zu  pressen.  Will  man  bei  Flüssigkeiten 
mit  verschiedener  Viskosität  dennoch  gleiche  Durchflussvolumina  er¬ 
zielen,  so  hat  man  den  treibenden  Druck  und  die  Durchflusszeit  so 
zu  variieren,  dass  die  Produkte  derselben  sich  proportional  ver¬ 
halten,  wie  die  Viskositätswerte  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeiten: 
d.  h.  je  grösser  'die  Viskosität  ist,  um  so  grösser  der  treibende  Druck, 
oder,  wenn  dieser  gleich  bleibt,  um  so  länger  idie  Durchflusszeit. 

Ferner: 

Wenn  eine  bestimmte  Flüssigkeit  durch  eine  gegebene  Kapillare 
gepresst  wird,  so  ist  das  Durchflussvolum  um  so  grösser,  je  grösser 
das  Produkt  aus  treibendem  Druck  und  Durchflusszeit  ist,  also,  je 
höher  der  Druck,  oder,  wenn  dieser  gleich  bleibt,  je  länger  die  Durch¬ 
flusszeit. 

Das  Produkt:  Druck  mal  Durchflusszeit  ist  also  einerseits  pro¬ 
portional  den  Viskositätswerten  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeiten, 
von  welchen  ein  bestimmtes  Volum  durch  die  gleiche  Kapillare  ge¬ 
presst  wird;  es  ist  anderseits  proportional  den  Durchflussvolumina 
einer  bestimmten  Flüssigkeit,  welche  unter  verscniedenen  Druck- 
und  Zeitverhältnissen  eine  zweite  Kapillare  passieren.  Und  daraus 
folgt: 

Diese  Durchflussvolumina  sind  proportional  jenen  Viskositäts¬ 
werten,  und  können  deshalb  als  ein  relatives  Mass  verwertet  werden. 

Die  praktische  Anordnung,  welche  diese  theoretische  Tatsache 
sich  zu  Nutzen  macht,  ist  nun  äusserst  einfach: 

Zwei  feine  Pipetten  sind  unter  sich  und  mit  einem  Saugrohr 
durch  ein  T-Rohr  verbunden;  dieselben  enden  je  in  eine  Kapillare, 
welche  erst  passiert  werden,  wenn  beim  Ansaugen  Flüssigkeit  in  die 
Pipetten  eintreten  soll.  Die  eine  ist  für  Blut  bestimmt,  die  andere  für 
Wasser. 

Durch  das  Saugrohr  wird  so  lange  angesaugt,  bis  die  jeweils  zu 
untersuchenden  Blutproben  ihre  Pipette  bis  zu  einer  Marke  anfüllen, 
also  in  bestimmter  Menge  die  angeschlossene  Kapillare  passiert 
haben.  Der  zugleich  erfolgte  Durchfluss  des  Wassers  durch  die  Pa¬ 
rallelkapillare  hat,  da  die  saugende  Kraft  von  demselben  T-Rohr 
ausging,  während  genau  derselben  Zeit  unter  genau  denselben  Druck¬ 
differenzen  stattgefunden.  Die  in  ihre  Pipette  eingetretenen 
Wasservolumina  sind  deshalb  ein  relatives  Mass  für  die  je¬ 
weils  zugleich  angesaugten  Blutproben.  Da  diese  Wasservolumina 
durch  die  Graduierung  der  Pipette  gemessen  sind,  so  kann  man  des¬ 
halb  an  derselben  den  gesuchten  Wert  direkt  ablesen. 

Dieses  eigentliche  Skelett  des  Apparates  erhielt  während 
meiner  im  Oktober  1905  begonnenen,  im  thurg.  Kantonsspital 
Miinsterlingen  (Dir.:  Dr.  Konrad  Brunner),  im  Institut  für 
gerichtliche  Medizin  in  Zürich  (Dir.:  Prof.  Dr.  Heinr.  Zang- 
g  e  r)  und  an  der  Universitäts-Augenklinik  in  Zürich  (Dir.:  Prof. 
0.  Ha  ab)  durchgeführten  praktischen  Versuche  und  Unter¬ 
suchungen  die  Gestalt,  welche  eine  Viskositätsbestimmung 
weder  in  der  Einfachheit  noch  der  Genauigkeit  von  einer 
anderen  klinisch  gebräuchlichen  Blutuntersuchungsmethode 
übertreffen  lässt. 

Es  würde  zu  weit  führen,  die  Gründe  teils  phy¬ 
sikalischer,  teils  klinischer  Natur  aufzuzählen,  welche 
jene  in  No.  32  (1907)  dieser  Zeitschrift  beschriebene 
Form  5)  mir  als  die  für  unsere  Zwecke  geeignetste  erscheinen 
Hessen.  Dagegen  sollen  diejenigen  Momente,  welche  für  die 


2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1900,  49;  fermer:  Zeitschrift  für 
physikalische  Chemie,  XLVIII,  6;  ferner  Sahli:  Lehrbuch  der  klin. 
Untersuchungsmethoden,  1905,  pag.  715. 

3)  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  23,  1907. 

4)  Vierteljahrsschrift  der  Naturf.-Ges.  Zürich,  Jahrg.  51,  1906. 

5)  Der  Apparat  ist  zu  beziehen  durch  die  Firma  .1.  G.  Gramer, 
Glasbläserei,  Spiegelgasse  7,  Zürich  I,  zum  Preise  von  32  Mk, 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Beurteilung  des  Apparates  und  der  mit  demselben  gewonnenen 
Werte  von  Bedeutung  sind,  der  Besprechung  unterworfen 
werden. 


Die  Konstanz  der  Resultate. 

Die  Resultate  der  Viskositätsbestimmungen  gewinnen,  wie 
auch  die  der  übrigen  klinischen  Untersuchungsmethoden  nur 
dadurch  für  uns  Interesse,  dass  wir  sie  vergleichen  können  mit 
solchen,  welche  an  anderen  Personen,  z.  B.  an  gesunden  oder 
bei  demselben  Individuum  unter  anderen  Verhältnissen,  z.  B. 
in  verschiedenen  Phasen  der  Krankheit,  gefunden  wurden.  Ein 
solcher  Vergleich  setzt  aber  voraus,  dass  die  unter  gleichen 
Umständen  an  derselben  Person  gewonnenen  Werte  eine 
genügende  Uebereinstimmung  aufweisen. 

Wie  sich  in  dieser  Beziehung  unsere  Werte  verhalten,  soll 
nun  geprüft  werden: 

1.  cf  Pigmentdegeneration  der  Netzhaut.  18°  (Versuchstemp.). 
a  b  c  d  e  f  g  Mittel  grösste  Diff.  gr.  Ab.v.  Mittelw. 

4,10  4,15  4,15  4,15  4,10  4,10  4,22  4,14  2,9  Proz.  +  2  Proz. 

2.  cf  Glaukoma  secund.  16°. 
a  b  c  d  Mittel  grösste  Diff. 

4,75  4,78  4,78  4,70  4,75  1,7  Proz. 

3.  cf  Keratitis  ekzematosa.  18°. 

a  b  c  Mittel  grösste  Diff. 

5,20  5,12  5,20  5,17  1,5  Proz. 

4.  $  Netzhautblutungen  (Nephritis  interstit.). 

a  b  c  Mittel  grösste  Diff.  gr.  Abw.  v.  Mittelwert 

4,22  4,35  4,22  4,26  3  Proz.  2  Proz. 


gr.  Abw.  v.  Mittelwert 
1,1  Proz. 

gr.  Abw.  v.  Mittelwert 
1,0  Proz. 


Der  grösste  Unterschied,  welchen  verschiedene  Messungen 
bei  einer  Person  ergeben  haben,  ist  demnach  3  Proz.  und  die 
Annäherung  des  am  meisten  abweichenden  Wertes  vom  zu¬ 
gehörigen  Mittelwert  2  Proz. 

Ob  nun  diese  Uebereinstimmung  eine  genügende  ist,  hängt 
davon  ab,  wie  gross  die  Schwankungen  der  an  verschiedenen 
Personen  zu  beobachtenden  Werte  sind,  welche  zu  konsta¬ 
tieren  praktisches  Interesse  hat.  Wenden  wir  uns  deshalb  den 
bei  meinen  klinischen  Untersuchungen  gewonnenen  Re¬ 
sultaten  zu. 

(Siehe  nebenstehende  Tabelle.) 

Es  erschien  mir  angezeigt,  die  im  Kantonsspital  Mtinster- 
lingen  (No.  1  bis  79)  und  die  in  der  Augenklinik  Zürich  (No.  80 
bis  107)  untersuchten  Fälle  in  der  Tabelle  zu  trennen;  denn 
die  ersteren  geben  ein  Bild  von  den  unter  pathologischen  Ver¬ 
hältnissen  vorkommenden  Schwankungen,  während  die  bei  den 
letzteren  mit  ihren  fast  ausschliesslich  lokalen  Erkrankungen 
gefundenen  Werte  wohl  ziemlich  den  bei  Gesunden  vor¬ 
herrschenden  nahe  kommen.  Ausserdem  kannte  ich  in  Münster- 
lingen  den  Einfluss  der  einer  Blutentziehung  vorausgeschickten 
lokalen  Massage  noch  nicht,  so  dass  jene  Werte  sicherlich 
durchschnittlich  etwas  zu  hoch  und  auch  weniger  exakt  sind 
(vergl.  Kapitel  „Blutentziehung“!). 

Unter  allen  Umständen  lehrt  uns  aber  die  Betrachtung  der 
Tabellen,  dass  die  vorkommenden  Viskositätswerte  solche 
Unterschiede  aufweisen  (10  Proz.,  20  Proz.,  40  Proz.  und 
mehr!),  dass  bei  deren  Konstatierung  die  Fehlerbreite  des  ein¬ 
zelnen  Versuches  (3  Proz.)  überhaupt  keine  Rolle  spielt. 


Die  Versuchstemperatur. 


Wie  das  spezifische  Gewicht  einer  Flüssigkeit,  so  ist  auch 
ihre  Viskosität  abhängig  von  der  Temperatur.  Wird  z.  B.  die¬ 
jenige  des  Wassers  von  0°  mit  1  bezeichnet,  so  ist  sie  bei  30°, 
0,449,  bei  35 0  gleich  0,405  und  bei  40  °,  0,368.  Es  findet  also  mit 
Zunahme  der  Temperatur  eine  erhebliche  Abnahme  der  Vis¬ 
kosität  statt.  Wie  das  Wasser,  so  verhalten  sich  auch  die 
übrigen  Flüssigkeiten,  allerdings  nur  qualitativ;  quantitativ  ist 
die  Beeinflussung  eine  sehr  verschiedene.  Wir  erhalten  also 
nicht  dasselbe  Resultat,  wenn  wir  z.  B.  Blut  von  37°  auf  Wasser 
von  37 0  beziehen,  wie  wenn  wir  Blut  von  17  0  mit  Wasser  von 
17 0  vergleichen.  Welche  der  beiden  Bestimmungen  den  hohem 
Wert  liefert,  hängt  davon  ab,  ob  die  Viskosität  des  Blutes  oder 
die  des  Wassers  mit  steigender  Temperatur  rascher  abnimmt. 

Wir  gelangen  nämlich  zu  unseren  Werten  dadurch,  dass 
wir  die  Viskosität  des  Blutes  mit  derjenigen  des  Wassers  von 
derselben  Temperatur  messen,  was  durch  den  Bruch  aus- 

gedrückt  werden  kann:  Nimmt 

nun  bei  zunehmender  Temperatur  der  Zähler  rascher  ab  als 


Tabelle  A. 


No. 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 
9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

20 
21 
22 

23 

24 

25 

26 

27 

28 

29 

30 

31 

32 

33 

34 

35 

36 

37 

38 

39 

40 

41 

42 

43 

44 

45 

46 

47 

48 

49 

50 

51 

52 

53 

54 

55 

56 

57 

58 

59 

60 
61 
62 

63 

64 

65 

66 

67 

68 

69 

70 

71 

72 

73 

74 

75 

76 

77 

78 

79 


5  Gastroent.  chron. ;  Arthrit.  def . 

9  Care,  uteri  inop . 

cf  Rhachitis . 

cf  Ulcusstenose  d.  Pylorus  . 

cf  Asthma  cardiale . 

cf  Myokard.;  Emphysem  . 

9  Chlorose . .  •  .  • 

9  Vereiterung  der  Cellulae  mastoid.  .  .  . 

9  Tuberkulöse  Nierenfistel  (alte) . 

9  Ranula . 

cf  Struma  operiert . 

9  Zystitis . 

9  Chlorose . 

cf  Zystitis . 

cf  Appendicitis  suppurat.  operiert  .  .  .  . 

9  Arthritis  deformans . 

cf  Drüsenabszess  . 

cf  Fractura  femoris . 

cf  Osteomyelit.  acut.  (Stadium  d.  Sequester¬ 
bildung)  . 

cf  Fractura  tibiae  malesanata . 

cf  Appendicitis  acuta  (operiert) . 

cf  Hernia  inguinalis . 

cf  Handverletzung  . .  . 

9  Spondylitis . 

9  Gastritis  chronica,  geheilt . 

cf  Psoriasis . 

cf  Appendicitis  acuta,  operiert . 

cf  Fractura  femoris . .  .  .  . 

cf  Trachealfistel  nach  Tracheotomie  (alt)  . 

9  Caries  tuberc.  ossis . 

cf  Gonitis  tuberc . 

9  Skoliose . 

9  Ileozoekaltumor  (?  Natur) . 

cf  Tuberculosis  coxae . 

cf  Fingerverletzung . 

cf  Fractura  femoris . .  .  . 

cf  Gesund . . 

cf  Hernia  ing.,  operat . 

cf  Lvmphomata  colli  tuberc.  absced.  .  .  . 


2,35 

3,2 

3.2 

3.3 

3.85 
4,0 

TI 

4.3 
4,3 
4,3 

4.3 

4.4 
4,4 

4.4 

4.5 
4,5 
4,55 
4,55 

4,65 

4.7 
4,75| 
4,75 
4,75 
4,75 
4,75 

4.8 

4.85 
4,85| 

4.9  : 
4,9 
4,9 
4,9 
4,95 
4,95 
5,0 
5,0 
5,0 
5,0 
5,0 


9  Lymphomata  colli  tuberc . 

cf  Tuberculosis  cubiti . 

cf  Handverletzung . 

cf  Appendicitis  suppurativa,  op.  geh.  .  .  . 

cf  Osteomyelitis  tuberc . 

cf  Pleuritis  exsudativa . 

9  Ekzem  der  Hände . 

cf  Scleroderma,  Epilepsie . 

cf  Caries  tuberc.  costarum . 

9  Ulcus  tuberc.  conjunctivae . 

cf  Gesund . 

cf  Gesund . 

cf  Tubercul.  coxae . 

cf  Fractura  antebrachii . 

9  Chorea . 

9  Osteomyelitis  tuberc . 

cf  Gesund  • . .  . 

cf  Fractura  tibiae . 

cf  Osteomyelitis  acut.  (Stad.  d.  Sequester¬ 
bildung)  . 

Parametritis . 

5  Trachealfistel  nach  Tracheotomie  .  .  . 

cf  Klavikulafraktur . 

cf  Malleolarfraktur . 

cf  Gonorrhöe . 

cf  Osteomyelitis  tuberc . 

cf  Cholezystitis . 

cf  Peritonitis  traumatic . 

cf  Gesund . 

cf  Myokarditis . 

cf  Gastritis . 

9  Ulcus  cruris . 

9  Tuberkulose  des  Fussgelenks . 

cf  Gesund . 

cf  Spondylitis . . . 

cf  Osteomyelit.  acut.  (Stad.  d.  Sequester¬ 
bildung)  . 

cf  Tubercul.  coxae  . 

cf  Fractura  femoris . 

cf  Hemiplegie  (Somnolenz) . 

cf  Lupus  nasi . 

cf  Meningitis  tubercul.,  coma . 


5,15 

5,15 

5,15 

5,2 

5,2 

5,2 

5,2 

5.2 
5,25 

5.3 

5.4 
5,4 
5,4 
5,4 
5,4 

5.4 

5.5 
5,5 

5.5 

5.6 

5.6 

5.7 
5,7 

5.7 
5,75 

5.8 
5,8 

5.8 

5.9 
5,9 
6,0 
6,2 
6,2 

6.3 

6.4 
6,4 
6,4 
6,6 
6,95 
7,65 


Mittel 


2228 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  -45. 


Tabelle  B. 


No. 

80 

9  Chorioiditis  disseminata . 

3,75 

81 

9  Tuberkulose  des  Tränenkanals . 

4,0 

82 

9  Katarakta  zonularis . 

4,05 

83 

cf  Chorioiditis  disseminata . 

4,05 

84 

cf  Conjunctivitis  gonorrhoica . 

4,65 

85 

c f  Pigmentdegeneration  der  Netzhaut  .  .  . 

4,1 

86 

9  Keratitis  ekzematosa  . . 

4,2 

87 

9  Netzhautblutung  (Nephrit,  interst.)  .  .  . 

4,2 

88 

cf  Chorioiditis  disseminata . 

4,25 

89 

cf  Neuritis  optica . 

4,25 

90 

cf  Trachom . 

4,3 

91 

cf  Iritis  rheumatica  . 

4,35 

' 

92 

cf  Keratitis  traumatica . 

4,45 

93 

9  Chorioiditis  disseminata . 

4,45 

o 

o 

94 

9  Iritis  tuberc . 

4,5 

£ 

TI 

13 

» - 

— > 

«  ♦ 

-1 

o 

o  I 

95 

cf  Qlaukoma  Simplex . 

4,65 

O 

N 

o> 

N 

CD 

96 

ö1  Qlaukoma  secundarium . 

4,7 

p 

97 

cf  Keratitis  ekzematosa . 

4,7 

98 

9  Chorioiditis  disseminata . 

4,7 

99 

cf  Keratitis  traumatica . 

4,85 

100 

cf  Iritis  rheumatica . 

4,9 

101 

cf  Qlaukoma  Simplex . 

4,9 

102 

cf  Katarakta  senilis . 

4,9 

103 

cf  Verstopfung  der  Vena  centr.  ret.  .  .  . 

4,95 

104 

cf  Neuri  is  optica . 

5,0 

105 

cf  Chorioiditis  disseminata . 

5,1 

106 

cf  Verstopfung  der  Vena  central,  ret.  .  .  . 

5,1 

107 

cf  Iritis  tuberculosa . 

5,75 

Die  den  Klammern  Vorgesetzten  Zahlen  bezeichnen  die  Unterschiede 
von  gleich  weit  nach  oben  und  unten  vom  Mittel  entfernten 
Werten,  ausgedrückt  in  Prozenten  des  letzteren. 


der  Nenner,  so  wird  der  Wert  des  ganzen  Bruches  kleiner, 
nimmt  dagegen  der  Nenner  rascher  ab  als  der  Zähler,  so  wird 
der  Wert  des  Bruches,  d.  h.  die  von  uns  experimentell  be¬ 
stimmte  Zahl,  grösser. 

Wie  es  sich  in  Wirklichkeit  verhält,  werden  die  folgenden 
Untersuchungen  lehren.  Bei  denselben  wurden  mehrere  jeweils 
von  einer  Person  stammende  Blutproben  bei  verschie¬ 
denen  Temperaturen  auf  ihre  Viskosität  geprüft,  und 
zwar  sind  die  einzelnen  Bestimmungen  möglichst  rasch  hinter¬ 
einander  ausgeführt  worden,  da,  wie  wir  weiter  unten  sehen 
werden,  sich  die  Viskosität  des  Blutes  bei  einem  Individuum 


sonst  um  messbare  Beträge  ändern  kann: 

a)  cf  Chorioiditis  disseminata . 12,5°  22,0°  36,0° 

Viskosität  =  4,13°  3,97°  3,70<> 

b)  cf  Qlaukoma  Simplex . 13,0°  22,0°  36,5° 

Viskosität  =  5,05°  4,85°  4,17° 

c)  cf  Chorioiditis  disseminata;  Iritis  tuberc.  .  .  12,5°  22,0°  36,0° 

Viskosität  =  5,99°  5,36°  4,96° 

d)  9  Septische  Kachexie . 14,0°  23,0°  36, 0U 

Viskosität  =  3,7 2<>  3,48°  3,20° 

e)  9  Insuffic.  cordis  arterioscl . 14,0°  21,0°  36,0° 

Viskosität  =  5,89°  5,64°  4,92° 

f)  cf  Iritis  rheumatica . 11,5°  26,0°  36,0° 

Viskosität  ='  4,66°  4,24°  3,96° 

g)  cf  Katarakta  senilis . 11,5°  23,0°  37,5° 

Viskosität  =  5,15°  4,60°  4,10° 


Zur  Erleichterung  der  Uebersicht  sollen  diese  Zahlen 
graphisch  dargestellt  und  die  zu  einer  Person  gehörigen  Punkte 
durch  Gerade  vereinigt  werden.  Der  Verlauf  der  so  entstehen¬ 
den  Kurven  veranschaulicht  den  Einfluss  der  Temperatur  auf 
das  Resultat  unserer  Viskositätsbestimmung.  Die  punktiert  ein¬ 
gezeichnete  Mittelwertkurve  (M)  nimmt  die  M  i  1 1  e  1 1  a  g  e  der 
experimentell  bestimmten  Kurven  ein,  indem  sie  die  Punkte 
verbindet,  die  den  Werten  entsprechen,  welche  für  15°,  20°  und 
37 0  aus  den  von  den  Einzelkurven  abzulesenden  Werten  be¬ 
rechnet  wurden:  Nämlich 

15°  25°  35° 

4,86°  4,52°  4,16° 

Die  Abweichung  der  einzelnen  Kurven  von  einer 
Geraden,  welcher  die  Mittelwertkurve  sehr  nahe  kommt, 
erklärt  sich  aus  dem  bereits  besprochenen  Umstand,  dass 
die  einzelnen  von  einer  Person  stammenden  Blutproben  nicht 
ganz  identisch  sind.  Dass  in  der  Tat  die  Grösse  jener  Ab¬ 
weichungen  in  den  Bereich  der  Fehlergrenze  fällt,  lässt  die  gra¬ 
phische  Eintragung  der  letzteren  erkennen;  sie  ist  dadurch  er¬ 
folgt,  dass  auf  verschiedenen  Höhen  Doppelpfeile  (^ )  einge¬ 
zeichnet  wurden,  deren  Länge  jeweils  3  Proz.  ihres  Abstandes 
von  der  Horizontalen  (der  Nullinie)  beträgt. 


Fig.  2. 

Durch  Analyse  der  vorliegenden  Versuchsrcsultate  kom¬ 
men  wir  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Bei  37°  fallen  die  Werte  durchschnittlich  um  16  Proz. 
niedriger  aus  als  bei  17°  (mittlere  Zimmertemperatur). 

2.  Das  Verhalten  der  einzelnen  Kurven  ist  ein  so  über¬ 
einstimmendes,  dass  die  bei  Zimmertemperatur  ge¬ 
wonnenen  Werte  ein  sehr  genauer  Massstab  sind  für 
die  bei  37°  geltenden  Verhältnisse. 

3.  Der  Einfluss  der  Temperatur  ist  relativ  so  gering, 
dass  Schwankungen  von  nur  wenigen  Graden,  wie  sie  im 
Krankenzimmer  Vorkommen,  keine  störenden  Fehler 
verursachen  können;  für  eine  Schwankungsbreite  von  5° 
ist  dieselbe  nämlich  4  Proz.,  ein  Betrag,  der,  wie  wir  im 
Kapitel  „Konstanz  der  Werte“  sahen,  bei  den  vorkommenden 
individuellen  Schwankungen  keine  Rolle  spielt. 

Sollte  die  Versuchstemperatur  eine  aussergewöhnliche 
sein,  oder  aus  irgend  einem  Grunde  eine  Steigerung  der  Ge¬ 
nauigkeit  doch  wünschenswert  erscheinen,  so  wird  man  einer 
Abweichung  von  der  mittleren  Zimmertemperatur  (17°)  da¬ 
durch  Rechnung  tragen,  dass  man  pro  1  Grad  Abweichung  der 
Versuchstemperatur  von  17°  0,8  Proz.  des  gesunden  Wertes 
zu-  oder  abzählt,  je  nachdem  die  Abweichung  nach  unten  oder 
oben  war ;  d.  h.  man  korrigiert  denWertauf  17  °. 

Natürlich  brauchte  ich,  um  diese  Temperaturabhängigkeit 
studieren  zu  können,  einen  Apparat  mit  Wärmevorrichtung, 
wie  ich  eine  solche  anfänglich  überhaupt  für  alle  Apparate  vor¬ 
gesehen  hatte.  Es  sind  dabei  die  Kapillaren  mit  einem  Glas¬ 
mantel  umgeben,  durch  welchen  man  Wasser  von  der  ge¬ 
wünschten  Temperatur  fliessen  lässt.  Dem  für  den  klinischen 
Gebrauch  bestimmten  Viskosimeter  eine  Wärmevorrichtung 
beizugeben,  erschiene  mir  aber  jetzt  nicht  nur  überflüssig,  son¬ 
dern  sogar  fehlerhaft;  denn  alle  Werte,  seien  sie  nun  bei  37° 
oder  bei  Zimmertemperatur  bestimmt  worden,  gewinnen  für 
uns,  wie  bereits  hervorgehoben,  Interesse  nur  durch 
gegenseitigen  Vergleich,  zu  welchem,  wie  wir  ge¬ 
sehen,  auch  die  letzteren  unbedingt  fähig  sind.  Jede  Kom¬ 
plikation  des  Apparates  aber,  wie  es  eine  Wärmevorrichtung 
notwendigerweise  mit  sich  bringen  würde,  beeinträchtigt  die 
praktische  Verwendbarkeit  und  damit  den  Nutzen  der  Methode. 

Die  Blutentziehung. 

Bei  der  Konstruktion  des  Apparates  erachtete  ich  es  als 
eine  Notwendigkeit,  dass  für  die  Untersuchung  ein  Tropfen 
Blut  ausreichte,  damit  jede  kompliziertere  Blutentziehung  in 
Wegfall  kommt,  und  z.  B.  ein  Einstich  in  die  Fingerkuppe  ge¬ 
nügt,  um  zu  der  nötigen  Menge  zu  gelangen.  Bei  den  ohne  die 
Beachtung  der  Vorsichtsmassregeln,  welche  sich  als  notwendig 
erwiesen,  durchgeführten  Serienversuchen  an  einzelnen  Per¬ 
sonen  traten  zuweilen  Differenzen  bis  zu  8  Proz.  auf.  Die 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2229 


störende  Ursache  durfte  ich  nicht  dem  Apparat  zuschieben; 
denn  bei  mehrfacher  Bestimmung  der  Viskosität  unver¬ 
änderlicher  Flüssigkeiten  ergab  sich  eine  maximale 
Fehlerbreite  von  1  Proz.  Ausserdem  stimmen  die  mit  meinem 
Apparat  gewonnenen  Werte  innerhalb  dieser  Grenze  mit  den  von 
andern  Autoren  konstatierten  Zahlen  überein. 

Bei  dem  Suchen  nach  der  Fehlerquelle  wurde  ich  durch 
folgende  Serie  auf  den  richtigen  Weg  gewiesen: 

U1  Keratitis  eczeniatosa;  18°. 

Blut  durch  Einstich  in  die  Fingerkuppe  gewonnen: 

A.  ohne  zirkulatorische  Beeinflussung:  5,1. 

B.  nach  lokaler  Stauung:  5,4,  5,2,  6,0,  5,3. 

C.  nach  lokaler  Massage:  4,7,  4,7.  4,65. 

Ein  ähnliches  Verhalten  war  auch  an  anderen  Patienten 
zu  konstatieren.  Die  Schlüsse,  die  wir  daraus  zu  ziehen 
haben,  sind: 

1.  Lokale  Hemmung  der  Zirkulation  erhöht  die  Viskosität 
um  einen  beträchtlichen,  quantitativ  aber  vollständig 
unberechenbaren  Betrag. 

2.  Durch  lokale  Anregung  der  Zirkulation  wird  mit  grosser 
Konstanz  Annäherung  an  einen  relativ  niedrigen  Wert  erzielt. 

3.  Von  diesem  unterscheidet  sich  auch  der  ohne  zirku¬ 
latorische  Beeinflussung  gewonnene  um  einen  ziemlich  erheb¬ 
lichen  Plusbetrag. 

Bereits  war  von  D  e  t  e  r  m  a  n  n  ü)  und  Kottniann6 7) 
bemerkt  worden,  dass  künstliche  Stauung  die  Viskosität  er¬ 
höht.  Bei  dieser  Erkenntnis  ist  nun  aber  die  Vermutung  sehr 
begründet,  es  könnten  sich  auch  spontan  auftretende,  z.  B.  vaso¬ 
motorische  Einflüsse  in  analoger  Weise  geltend  machen,  sodass 
auch  die  ohne  künstliche  Stauung  gewonnenen  Werte  variabel 
und  zu  hoch  sind.  Dass  dieses  wirklich  der  Fall  ist,  beweisen 
die  bei  den  ohne  weitere  Massnahmen  durchgeführten  Serien¬ 
versuchen  auftretenden  Schwankungen  (bis  zu  8  Proz.)  und  vor 
allem  die  Möglichkeit,  durch  Anregung  der  Zirkulation  eine 
Herabsetzung  und  grössere  Konstanz  der  Werte  zu  erreichen. 

Die  beste  Blutentziehung  wäre  eine  solche,  welche  rein 
arterielles  Blut  liefert;  denn  dessen  Viskosität  ist  für  die 
Herzarbeit  ausschlaggebend,  da  bei  der  Zirkulation  der  grösste 
Arbeitsverlust  vom  Herzen  zu  den  Kapillaren  erfolgt  und  nicht 
von  diesen  znm  Herzen  zurück,  also  auf  der  arteriellen  und 
nicht  venösen  Bahn. 

Das  Blut  direkt  aus  einer  Arterie  zu  gewinnen,  ist  aber 
aus  praktischen  Gründen  nicht  leicht  zu  verwirklichen.  Wir 
müssen  aber  unbedingt  darauf  bedacht  sein,  das  Blut  so  arteriell 
wie  möglich  zur  Untersuchung  zu  erhalten,  und  eben  diese  Be¬ 
dingung  schreibt  uns  vor,  vor  der  Blutentziehung  die  Zirku¬ 
lation  lokal  anzuregen,  was  sehr  zweckmässig  auch  dadurch 
geschehen  kann,  dass  man  den  Patienten  die  Hände  in  warmen 
Wasser  waschen  und  nachher  tüchtig  abreiben  lässt. 

Venöse,  besonders  die  nach  Stauung  entnommenen  Blut¬ 
proben  liefern  zu  hohe  und  entsprechend  verschiedenen 
Graden  der  Venosität  inkonstanteWerte,  welche  weder 
sichere  Rückschlüsse  auf  die  wirklichen  hämodynamischen 
Verhältnisse  gestatten,  noch  für  gegenseitigen  Vergleich  ge¬ 
eignet  sind. 

Klinische  Betrachtungen. 

Anders  zu  beurteilen  ist  die  Zyanose  des  Blutes  natürlich 
dann,  wenn  sie  sich  nicht  nur  auf  das  venöse,  sondern  auf  das 
ganze  Gefässystem  erstreckt,  denn  die  erhöhte  Viskosität 
macht  sich  damit  auch  auf  der  arteriellen  Bahn  geltend,  welche, 
wie  wir  bereits  gehört,  den  weitaus  grössten  Teil  der  Herz¬ 
arbeit  beansprucht.  Es  paart  sich  also  mit  der  Minderwertig¬ 
keit  des  Blutes  für  den  Gasaustausch  ein  die  Zirkulation  in 
ungünstigem  Sinne  beeinflussendes  Moment.  Besonders  schwer¬ 
wiegend  ist  dieses  in  den  Fällen,  wo  die  allgemein  erhöhte 
Zyanose  des  Blutes  selbst  die  Folge  von  Zirkulations¬ 
störungen  ist;  ein  primär  insuffizientes  Herz  steht  nämlich  noch 
ungünstigeren  zirkulatorischen  Verhältnissen  gegenüber,  als 
ein  gesundes.  Unter  diesen  Umständen  können  dann  aber  auch 
die  Zirkulation  nur  vorübergehend  bessernde 
Mittel  direkt  zu  Heilfaktoren  werden,  da  sie  durch  Herab- 


6)  Zeitschr.  f.  klin.  Medizin,  Bd.  59. 

7)  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte,  Jahrg.  1907,  No. 
4  und  5. 


Setzung  der  Viskosität  den  schlimmen  Circulus  vitiosus  unter¬ 
brechen. 

Ein  Beispiel,  bei  welchem  Zyanose  zweifellos  als  Ursache  des 
abnorm  hohen  Wertes  angesehen  werden  muss,  ist  der  von  mir 
höchst  erreichte,  No.  79.  Derselbe  stammt  nämlich  von  einem  in 
tiefem  Koma  liegenden  Meningitiskranken  mit  entsprechend  mangel¬ 
hafter  Respiration.  Ein  Gleiches  ist  von  No.  77  anzunehmen,  da  es 
sich  hier  um  einen  somnolenten  Hemiplegiepatienten  handelt.  Auf¬ 
fällig  ist  der  relativ  hohe  Wert  bei  No.  66,  da  Pat.  2  Tage  vor 
der  Untersuchung  einen  sehr  grossen  Blutverlust  erlitten  hatte  und 
seit  demselben  mehrere  subkutane  Kochsalzinfusionen  erhalten  hatte. 
Als  Ursache  dieser  Erscheinung  erblicke  ich  eine  sehr  oberflächliche 
Respiration,  bedingt  durch  Peritonitis  infolge  Bauchstich  mit  Darm¬ 
perforation.  Ebenso  war  ich  etwas  überrascht  durch  den  Wert  No.  68, 
denn  entsprechend  einem  starken  allgemeinen  Hydrops  hatte  ich 
auch  wässeriges  Blut,  also  eine  niedrige  Viskosität  erwartet.  Dieser 
Gegensatz  mag  zum  Teil  durch  Zyanose  wegen  der  bestehenden  Herz¬ 
insuffizienz  sein;  vielleicht  ist  auch  der  Mechanismus  der  Hy- 
d.  ropsbildung  daran  schuld;  und  es  macht  dieses  Beispiel  darauf 
aufmerksam,  dass  Viskositätsbestimmungen  bei  Hydrops  der  ver¬ 
schiedensten  Aetiologie.n  auf  jeden  Fall  sowohl  praktisch  wie  auch 
theoretisch  besonderes  Interesse  verdienen. 

Unentschieden  muss  ich  auch  lassen,  ob  und  eventuell 
welcher  Zusammenhang  zwischen  den  übrigen  abnormen 
Werten  und  der  Krankheit  besteht.  Als  verdächtig  will  ich  nur 
bezeichnen  die  relativ  grosse  Anzahl  der  (Knochen-)  Tuber¬ 
kulosen  unter  den  hohen  Werten,  begreiflich  dagegen  ist  die 
Anteilnahme  von  Ernährungs-  und  anderen  konsumierenden 
-Krankheiten  bei  den  niedrigen  Werten  (herabgesetzter  Ei¬ 
weissgehalt  des  Blutes).  Natürlich  ist  die  Anzahl  der  unter¬ 
suchten  Fälle  überhaupt  viel  zu  gering,  um  Gesetzmässigkeiten 
mit  Sicherheit  daraus  ablesen  zu  können,  abgesehen  davon, 
dass,  wie  wir  weiter  unten  hören  werden,  ein  exakter  Ver¬ 
gleich  der  verschiedenen  Werte  erst  dann  möglich  sein  wird, 
wenn  der  Einfluss  der  während  der  Bestimmung  auf  den  Pa¬ 
tienten  einwirkenden  äusseren  Umstände  genau  bekannt  ist. 
Es  waren  die  Versuche  an  dem  möglichst  gemischten  Unter¬ 
suchungsmaterial  auch  nur  deshalb  gemacht  worden,  um  die 
Bedürfnisse  kennen  zu  lernen,  welchen  ein  klinisch  brauchbarer 
Apparat  Rechnung  tragen  soll;  zugleich  gewann  ich  aber  auch 
Anhaltspunkte  .für  die  weitere  erfolgreiche  Behandlung  dieses 
Themas. 

Bereits  haben  wir  ja  betont,  dass  eine  Untersuchungs¬ 
methode  darauf  ausgehen  muss,  möglichst  gute  Vergleichs¬ 
werte  zu  liefern.  Es  müssen  deshalb  bei  deren  Zustande¬ 
kommen  die  äusseren  Bedingungen,  welche  eine  Rolle  spielen, 
in  derselben  Weise  mitgewirkt  haben.  Unter  solchen 
äusseren  Bedingungen  sind  aber  nicht  nur  die  bei  der  Blutent¬ 
ziehung  besprochenen  lokal  wirkenden  zu  verstehen,  sondern 
auch  alle  auf  die  untersuchte  Person  überhaupt  wirkenden 
Einflüsse,  welche  die  Viskosität  des  Blutes  ändern  können. 
Vielleicht  dass  z.  B.  Zusammensetzung  der  Nahrung,  Flüssig¬ 
keitsaufnahme,  körperliche  Ruhe  oder  Bewegung,  Unter¬ 
suchungszeit  etc.  sich  in  deutlicher  Weise  bemerkbar  machen. 
Besonders  wichtig  werden  aber  Untersuchungen  über  die  zir¬ 
kulatorische  und  respiratorische  Beeinflussbarkeit  der  Vis¬ 
kosität  sein,  deren  Resultate  uns  nachher  sehr  wahrscheinlich 
auch  umgekehrt  Rückschlüsse  von  dem  viskosimetrischen  Blut¬ 
befund  auf  zirkulatorische  und  respiratorische  Vorgänge  er¬ 
möglichen  werden. 

Abgesehen  davon,  dass  die  genannten  Fragen  an  und  für 
sich  Interesse  bieten,  ist  ihre  Lösung  zur  erfolgreichen  Weiter¬ 
entwicklung  der  Lehre  von  der  Viskosität  des  Blutes  not¬ 
wendig;  denn  erst  wenn  die  variabeln  Faktoren  bekannt 
sind  und  berücksichtigt  werden,  können  wir  die  konstant 
wiederkehrenden  sicher  erkennen,  beurteilen  und  verwerten. 


Aus  dem  Hafenkrankenhause  in  Hamburg. 

Ertrinkungsgefahr  und  Schwimmkunst. 

Von  Dr.  Revenstorf,  Sekundärarzt. 

Man  hört  nicht  selten  von  plötzlichen  I  odesfällen  im 
Wasser,  die  eingetreten  sind,  trotzdem  die  Verunglückten  gute 
Schwimmer  waren.  Die  Veranlassung  des  Todeseintritts  bleibt 
in  diesen  Fällen  vielfach  unaufgeklärt,  nicht  zuletzt  deshalb, 
wie  Ko  ekel  hervorhebt,  weil  die  Sektion  der  Verstorbenen 
häufig  unterbleibt.  Doch  wird  auch,  wenn  das  Obduktions- 


2230 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


ergebnis  dem  Gutachter  vorliegt,  das  über  diesen  unver¬ 
muteten  Todesfällen  schwebende  Dunkel  nicht  immer  gelichtet. 

Der  Gedanke,  dass  jeder  Beitrag  zur  Klärung  eines  offenbar 
schwierigen  Problems,  an  dessen  Lösung  weite  Kreise  Inter¬ 
esse  haben,  willkommen  sein  wird,  mag  es  rechtfertigen, 
dass  die  vorliegende  Arbeit  der  Veröffentlichung  übergeben 
wird. 

Dem  ärztlichen  Sachverständigen  erwachsen  bei  der  Be¬ 
urteilung  eines  plötzlichen  Todesfalles  im  wesentlichen  zwei 
Aufgaben: 

1.  die  Todesursache  festzustellen, 

2.  die  Gelegenheitsursache  aufzufinden,  „welche  die  aller¬ 
nächste  Veranlassung  gegeben  hat,  dass  die  den  Tod  herbei¬ 
führende  krankhafte  Veränderung  gerade  in  dem  betreffen¬ 
den  Momente  zur  deletären  Geltung  kam“.  (Kolisko.) 

Bei  den  plötzlichen  Todesfällen  im  Wasser  ist  die  erste 
Angabe,  wenn  es  sich  um  frische  Fälle  handelt,  in  der  Regel 
leicht  zu  lösen. 

Werden  Formelemente  der  aspirierten  Ertränkungsflüssig- 
keit  oder  andere  sichere  Ertrinkungssymptome  nachgewiesen, 
so  ist  Ertrinken  als  Todesursache  anzusehen.  Fehlen  sichere 
Ertrinkungsmerkmale,  trotzdem  das  Ertränkungsmedium  stark 
verunreinigt  war  und  an  seinen  charakteristischen  Fremd¬ 
körpern,  auch  wenn  es  nur  in  geringer  Menge  in  die  Luftwege 
eingedrungen  war,  leicht  hätte  erkannt  werden  können,  so  ist 
—  um  nur  soweit  auf  diesen  Gegenstand  einzugehen,  als  es 
für  unser  Thema  interessiert  —  Ertrinken  jedenfalls  nicht  die 
Todesursache.  Unentschieden  bleibt  die  Frage,  ob  Ertrinken 
die  Todesursache  ist  oder  nicht,  nur  in  den  wenigen  Fällen,  in 
denen  die  Ertrinkungsgefahr  durch  äussere  Gewalteinwirkung 
herbeigeführt  wurde,  wenn  die  entstandenen  Verletzungen  so 
schwerer  Natur  sind,  dass  sie  den  Tod  in  dem  gleichen  kurzen 
Zeitraum  zur  Folge  haben  mussten,  in  welchem  der  Ertrin¬ 
kungstod  einzutreten  pflegt. 

Die  Frage  nach  der  Gelegenheitsursache  ist  dagegen  viel¬ 
fach  recht  schwer  zu  beantworten.  Am  einfachsten  liegt  die 
Frage  bei  der  Beurteilung  äusserer  Verletzungen,  die  häufig 
den  Charakter  einer  den  Todeseintritt  herbeiführenden  Ge¬ 
legenheitsursache  tragen.  Aber  auch  bei  der  Abschätzung  der 
Folgen  einer  äusseren  Gewalteinwirkung  hat  man  sich  davor 
zu  hüten,  eine  vorhandene  Verletzung  ohne  weiteres  als  Ge¬ 
legenheitsursache  anzusehen,  da  sie  selbst  nur  Folge  einer 
anderen  Ursache  sein  kann,  die  sowohl  die  Verletzung  wie 
den  Tod  herbeiführte. 

Die  Gelegenheitsursachen  lassen  sich  nach  Kolisko  in 
äussere  und  innere  einteilen.  Zu  den  äusseren  Gelegenheits¬ 
ursachen  gehören  Traumen,  psychische  Insulte,  Ueberanstren- 
gung  und  meteorologische  Einflüsse,  zu  den  inneren  die  physio¬ 
logischen  Ausnahmezustände,  die  abnorme  Körperkonstitution, 
akute  und  chronische  Organerkrankungen. 

Die  gleichen  Gelegenheitsursachen,  welche  den  plötzlichen 
Tod  überhaupt  herbeizuführen  vermögen,  kommen  natürlich 
auch  für  die  Erklärung  plötzlicher  Todesfälle  im  Wasser  in 
Betracht. 

Der  beschränkte  Raum,  welcher  mir  zur  Verfügung  steht, 
verbietet  mir,  die  grosse  Zahl  der  Gelegenheitsursachen  an 
dieser  Stelle  einer  erschöpfenden  Besprechung  zu  unterziehen. 
Ich  verweise  statt  dessen  auf  K  o  c  k  e  1  (Ueber  den  plötzlichen 
Tod  im  Wasser.  Festschrift  zur  Eröffnung  des  Institutes  für 
gerichtliche  Medizin  in  Leipzig,  1905.).  Diese  Zeilen  sollen 
vielmehr  nur  dem  Zweck  dienen,  aus  der  Summe  der  verschie¬ 
denartigen  Fälle,  in  welchen  die  Veranlassung  des  unver¬ 
muteten  Untersinkens  guter  Schwimmer  in  tiefes  Dunkel  gehüllt 
blieb,  eine  kleine  Gruppe  von  Fällen  abzusondern,  deren  Eigen¬ 
tümlichkeiten  mich  besonderer  Aufmerksamkeit  wert  dünken. 

Als  Beispiel  schicke  ich  die  Beschreibung  zweier  Fälle 
vorauf. 

Fall  1.  Djung-Kau,  ca.  25  jähriger  Chinese,  badete  am  30.  VII. 
nach  dem  Abendessen  gegen  8  Uhr  im  Ellerholzhafen.  Nachdem  er 
eine  kurze  Strecke  geschwommen  war,  versank  er  plötzlich  im 
Wasser.  4  Augenzeugen.  Die  Leiche  wurde  nach  2  Stunden  ge¬ 
fischt. 

Sektion:  Inspirationsbefund.  Keine  Aspiration  erbrochener 
Massen.  Im  Magen  600  ccm  Reisbrei  ohne  Beimengung  freier  Flüs¬ 
sigkeit. 


Fall  2.  Müller,  19  Jahre  alt,  ertrank  im  Hansahafen  am  14.  VII. 
Die  Meldung  über  den  Unfall  lautete:  „M.  ist  soeben  (12  Uhr  30  Min. 
mittags)  die  aussenbords  hängende  Treppe  hinuntergegangen,  um 
sich  zu  baden.  Als  er  eine  kurze  Strecke  in  unmittelbarer  Nähe 
unseres  Schiffes  geschwommen  war,  muss  ihm  irgend  etwas  zuge- 
stossen  sein,  da  er  sich  nicht  über  dem  Wasser  halten  konnte.  Ich 
rief  sofort  um  Hilfe,  worauf  unser  erster  Steuermann  ihm  ein  Tau¬ 
ende  zuwarf.  Er  sank  aber  unter,  bevor  er  die  Rettungsleine  erfassen 
konnte.  Wir  haben  ihn  sofort  mittels  eines  eisernen  Hakens  wieder 
aus  dem  Grund  gefischt  und  denken,  dass  noch  Leben  in  ihm  sein 
wird.“  Nachtrag:  „Der  anscheinend  leblose  Körper  wurde  mit  Dienst¬ 
barkasse  schleunigst  an  den  Anlegeponton  vor  der  Wache  ge¬ 
bracht,  woselbst  der  Heilgehilfe  der  Unfallstation  und  sein  ablösender 
Kollege  bis  3  Uhr  unausgesetzt  Wiederbelebungsversuche  angestellt 
haben,  jedoch  ohne  Erfolg.“ 

M.  hatte  den  Vormittag  über  schmutzige  Arbeit  ausgeführt  und 
war  gleich  nach  dem  Essen  zum  Baden  gegangen. 

Sektion:  Inspirationsbefund.  Die  Luftröhre  frei  von  erbrochenen 
Massen  mit  Ausnahme  einiger  kleiner  Speiseteilchen  an  der  Bifur¬ 
kation.  Ränder  und  Lungenperipherie  frei  von  aspiriertem  Magen¬ 
inhalt.  Mund  und  Gesicht  mit  Speisemassen  besudelt.  Im  Magen 
500  ccm  Speisebrei  ohne  Flüssigkeitsbeimengung. 

Die  kurzen  Skizzen  lassen  erkennen,  dass  es  nicht  das 
Hinzutreten  irgend  eines  besonderen  äusseren  Umstandes  ist, 
welcher  in  diesen  beiden  Fällen  den  Todeseintritt  herbeiführte. 

Fassen  wir  das  Gemeinsame  der  beiden  Fälle  zusammen, 
so  ergibt  sich  nur,  dass  beide  Personen  schwimmkundig  waren, 
kurze  Zeit  nach  einer  reichlichen  Mahlzeit  (Mittag-  bezw. 
Abendessen)  badeten,  und  bereits  nach  kurzer  Schwimmleistung 
und  nach  wenigen  Minuten  des  Wasseraufenthaltes  unter- 
sanken.  Bei  der  Sektion  fand  sich  in  beiden  Fällen  typischer 
Ertrinkungsbefund.  Im  zweiten  Falle  war  Mund  und  Gesicht 
mit  Speisemassen  besudelt.  Einige  kleine  Speisepartikelchen 
fanden  sich  an  der  Bifurkation.  Doch  handelte  es  sich  nicht 
um  Aspiration  erbrochenen  Mageninhaltes.  Denn  Bronchialäste 
und  die  ganze  Lungenperipherie  waren  frei  von  rriakro-  und 
mikroskopischen  Bestandteilen  des  Mageninhaltes.  Die  Spei¬ 
senmassen  waren  vermutlich,  wie  mir  auch  der  Heilgehilfe 
später  bestätigte,  erst  durch  die  ungewöhnlich  lange  fortge¬ 
setzten  künstlichen  Atembewegungen  aus  dem  Magen  post 
mortem  heraufbefördert.  In  beiden  Fällen  war  der  Magen  noch 
mit  Speisebrei  (500  bezw.  600  ccm)  gefüllt.  Freie  Flüssigkeit 
enthielt  der  Magen  nicht. 

Ich  bin  nun  geneigt  anzunehmen,  dass  die  Magenfüllung 
und  der  physiologische  Ausnahmezustand,  in  dem  sich  der 
Magendarmkanal  befand,  die  Gelegenheitsnrsache  bildete, 
welche  mittelbar  den  Todeseintritt  herbeiführte.  Die  Kennt¬ 
nis  der  vielen  Ertrinkungsfälle,  welche  ich  im  Hafenkranken¬ 
haus  im  Laufe  der  Jahre  zu  sehen  Gelegenheit  hatte,  hat  in 
mir  die  Ueberzeugung  bestärkt,  dass  der  Zustand  des  gefüllten 
Magens  für  sich  allein  ohne  das  Hinzutreten  eines  weiteren 
Umstandes  (Erbrechen,  Aspiration  des  Erbrochenen)  genügt, 
um  eine  schwimmkundige  Person  während  des  Schwimmens 
in  Ertrinkungsgefahr  zu  bringen. 

Um  diese  Ansicht  des  näheren  zu  erläutern,  bedarf  es 
einer  kurzen  Erörterung,  in  welcher  Weise  das  Schwimmen  als 
Leibesübung  auf  den  Körper  des  Schwimmenden  einwirkt  und 
die  wichtigsten  Körperfunktionen,  insbesondere  die  Herz-  und 
Atemtätigkeit  beeinflusst. 

Die  Wirkung  der  eigentlichen  Schwimmbewegungen,  d.  h. 
der  Fähigkeit,  sich  im  Wasser  schwebend  zu  erhalten  und 
darin  fortzubewegen,  ist  scharf  zu  trennen  von  der  Wirkung 
des  Wasserdruckes,  der  auf  dem  Umstande  beruht,  dass  der 
Schwimmer  sich  im  Wasser  befindet. 

Die  mechanische  Wirkung,  welche  das  Wasser  vermöge 
seines  Gewichtes  in  Form  des  allseitigen  Flüssigkeitsdruckes 
auf  Brust  und  Bauch  ausübt,  wirkt  in  erster  Linie  auf  die 
Atmung  ein.  Die  mechanische  Wirkung  steht  selbst  hinter  der 
mächtigen  thermischen  Wirkung  nicht  zurück.  Dieser  Um¬ 
stand,  der  im  allgemeinen  wenig  Beachtung  gefunden  hat,  ist 
erst  von  R.  du  Bois  Reymond,  dem  besten  Kenner  der 
Physiologie  des  Schwimmens,  der  das  Schwimmen  als  eine 
Atemgymnastik  ersten  Ranges  bezeichnet,  gebührend  hervor¬ 
gehoben  worden  (Arch.  für  Physiologie  1905).  Dem  Herzen 
und  dem  Arteriensystem  erwächst  durch  das  Eintauchen  des 
Körpers  unter  die  Wasseroberfläche  eine  erhebliche  Mehr¬ 
arbeit,  da  das  Blut  gegen  den  erhöhten  Druck  der  peripheren 
Gefässabschnitte  —  die  Lungenluft  steht  unter  dem  Atmo- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2231 


Sphärendruck,  während  auf  dem  eingetauchten  Teil  des  Körpers 
Atmosphärendruch  plus  Wasserdruck  lastet  —  in  die  Extremi¬ 
täten  getrieben  werden  muss.  Beim  Schwimmen  wird  die 
Atemtätigkeit  ausser  durch  den  Wasserdruck  noch  durch  die 
Muskelarbeit  angestrengt.  Befindet  sich  der  Badende  im  tiefen 
Wasser,  so  beobachtet  man,  dass  schon  eine  verhältnismässig 
geringe  Anstrengung  sehr  bald  Atemlosigkeit  herbeiführt. 
„Wenn  man  zum  Beispiel  nur  wenige  Stösse  in  schneller  Folge 
schwimmt,  wobei  noch  lange  keine  merkliche  Muskelermüdung 
entsteht,  so  wirkt  dies  auf  die  Atmung  wie  in  der  Luft  erst 
eine  viel  grössere  Leistung  wirken  würde,  und  wenn  beim 
Schwimmen  der  Zustand  der  Atemlosigkeit  eingetreten  ist, 
dauert  es  viel  länger,  ehe  man  sich  erholen  kann,  als  es  in 
der  Luft  dauern  würde.  Nur  wenn  man  sich  auf  den  Rücken 
dreht,  wobei  die  Atemfläche  der  Brust  vom  Druck  fast  völlig 
entlastet  ist,  verliert  sich  auch  die  Atemlosigkeit  in  der  gewöhn¬ 
lichen  Weise.“ 

Nach  du  Bois  Reymond  beträgt  die  Vermehrung  der 
Atemarbeit  des  Ruhezustandes  durch  den  Wasserdruck  etwa 
10  Proz.  Ein  weiterer  Arbeitszuwachs  entsteht  durch  die 
Muskeltätigkeit  beim  Schwimmen,  welche  eine  sehr  gute 
Lungenventilation  erforderlich  macht  und  hierfür  die  Atem- 
muskeln  in  Anspruch  nimmt.  Du  Bois  Reymond  schätzt 
die  Erhöhung  der  Ruhearbeit  der  Atemmuskeln  beim  Schwim¬ 
men  auf  mehr  als  50  Proz. 

Die  Einwirkung  des  Wasserdruckes  zusammen  mit  der 
Gesamtarbeitsleistung  erklärt  also  vollauf,  warum  bei  ange¬ 
strengtem  Schwimmen  so  schnell  Atemlosigkeit  eintritt. 

Schwimmrespirationsversuche,  welche  1901  im  Brienzer 
See  von  Franz  Müller  vorgenommen  wurden,  ergaben,  dass 
die  Lungenventilation  das  enorme  Volumen  von  51  Liter  pro 
Minute  erreichte  gegenüber  42  Liter  beim  Bergaufsteigen. 

Ob  infolge  des  Wasserdruckes  auf  den  vollen  Magen  nau- 
seose  Zustände  und  Ohnmachtsanfälle  eintreten  können,  ist 
noch  eine  offene  Frage,  Ko  ekel  nimmt  mit  Naegeli  an, 
dass  Wasserdruck  und  Schwimmbewegungen  Uebelkeit  her¬ 
vorzurufen  vermag,  die  sich  bis  zum  Erbrechen  steigern  kann. 
Die  beim  Erbrechen  regelmässig  eintretende  Erschlaffung  der 
Körpermuskulatur  sei  weiterhin  die  Ursache  für  das  Unter¬ 
sinken  der  Leute.  Pal  tauf  neigt  mehr  der  Annahme  zu, 
dass  die  plötzlichen  Todesfälle  im  Wasser  den  plötzlichen 
Todesfällen  an  Herzlähmung  gleichzustellen  seien  und  dass 
die  Herzlähmung  durch  mechanische  Behinderung  der  Herz¬ 
bewegung  infolge  Druckes  des  übervollen  Magens  auf  das 
Herz  herbeigeführt  werde.  Busch,  der  zugibt,  dass  plötz¬ 
liche  Todesfälle  im  Wasser  infolge  Erbrechens  Vorkommen 
können,  wendet  gegen  die  mechanische  Theorie  P  a  1 1  a  u  f  s 
ein,  dass  das  Herz  wohl  zu  beweglich  sei,  um  dem  Druck  des 
Magens  bei  hochstehendem  Zwerchfell  nicht  auszuweichen. 

Mitteilungen,  darüber,  dass  ein  Schwimmer  durch  den  Ein¬ 
tritt  des  Erbrechens  in  Ertrinkungsgefahr  geriet,  habe  ich  nicht 
gefunden.  Der  bekannte  Kanalschwimmer  Holbein  schwamm 
im  Jahre  1904  bei  einem  Wettschwimmen  10  X  Stunden,  trotz¬ 
dem  er  in  der  neunten  Stunde  seekrank  wurde.  Aus  dieser 
Notiz  geht  jedenfalls  hervor,  dass  der  Eintritt  des  Erbrechens 
das  Untersinken  des  Schwimmers  nicht  notwendig  zur  Folge 
haben  muss.  Ueber  das  Erbrechen  Schwimmender  und  Er¬ 
trinkender  wäre  noch  mancherlei  zu  sagen,  doch  versage  ich 
mir  aus  dem  eingangs  erwähnten  Grunde,  näher  auf  diesen 
Gegenstand  einzugehen. 

Der  Wasserdruck  ist  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Blutver- 
sorgung  der  Baucheingeweide  und  auf  die  Lagerung  gasge¬ 
füllter  Därme. 

Die  normaler  Weise  nur  in  geringer  Menge  vorhandenen 
Darmgase  dürften  bei  leerem  Magen  nicht  im  stände  sein,  die 
Atemtätigkeit  der  im  Wasser  befindlichen  Personen  zu  beein- 
flusssen.  Während  der  Verdauung  sammeln  sich  die  Darmgase 
in  grösserer  Menge  an.  Infolge  des  allseitigen  Wasserdruckes 
und  infolge  ihrer  eigenen  Auftriebskraft  drängen  sich  die  luft- 
gefüllten  Darmschlingen  gegen  den  im  Füllungszustand  tief¬ 
stehenden  Magen  und  können  so  mittelbar  ein  Hindernis  bilden, 
das  die  Inspiration  erschwert. 

Es  ist  in  gewisser  Hinsicht  der  Verdauungszustand  mit 
seinen  Begleiterscheinungen,  welcher  die  Leistungsfähigkeit 
des  Badenden  herabsetzt.  Aber  die  grosse  Bedeutung,  welche 


dem  vollen  Magen  für  die  Erklärung  plötzlicher  Todesfälle  im 
Wasser  beigemessen  werden  darf,  hat  doch  noch  einen  anderen 
Grund.  Das  Hauptgewicht  ist  m.  E.  auf  den  Umstand  zu 
legen,  dass  die  starke  Ausdehnung  des  Magens 
eine  Raumbeengung  innerhalb  der  Bauch¬ 
höhle  schafft,  welche  die  Exkursionsfähigkeit  des  Zwerch¬ 
fells  vermindert  und  die  Tätigkeit  des  wichtigsten 
Atemmuskels  erheblich  erschwert. 

Wir  haben  es,  allgemein  ausgedrückt,  bei  diesen  Todes¬ 
fällen  mit  einer  besonderen  Form  von  Bewusst¬ 
losigkeit  und  Tod  durch  Behinderung  oder 
besser  von  Bewusstlosigkeit  und  Tod  durch 
Erschwerung  der  Atembewegungen  zu  tun. 

Die  vorliegende  Literatur  über  Tod  durch  Behinderung 
der  Atembewegungen  ist  nicht  gross,  enthält  aber  einige  be¬ 
achtenswerte  Angaben. 

Tamassia  fand  bei  Tieren,  dass  die  Belastung  des 
Thorax  mit  einem  Gewicht,  das  die  Hälfte  oder  zwei  Drittel 
des  Körpergewichts  ausmacht,  6 — 7  Stunden  ertragen  werden 
kann,  aber  den  Tod  herbeiführt,  wenn  sie  über  10  Stunden  aus¬ 
gedehnt  wird.  Ist  die  Kompression  gleich  dem  Körpergewicht 
oder  übersteigt  sie  dasselbe  um  X  oder  X,  so  tritt  der  J  od 
nach  30—100  Minuten  ein.  Die  gleichzeitige  Belastung  des 
Thorax  und  des  Abdomens  kann  etwa  3  Stunden  ertragen  wer¬ 
den.  Sie  beschleunigt  also  den  Todeseintritt.  Verdoppelt  man 
die  Belastung,  so  stirbt  das  Tier  in  durchschnittlich  1  X  Stun¬ 
den.  In  einigen  dieser  Fälle  tritt  rasche  Asphyxie  und  Tod  ein. 
Die  kürzeste  Zeit  ist  35  Minuten. 

Die  klinischen  Erscheinungen  sind  sehr  einförmige.  Nach 
anfänglichen  Abwehrbewegungen  wird  die  Atmung  flach  und 
etwas  beschleunigt,  der  Typus  abdominal.  Der  Tod  tritt  im 
tiefsten  Kollaps  ein.  Schwache  Konvulsionen  im  Beginn  der 
Dyspnoe.  Terminale  Atembewegungen. 

Werden  die  Gewichte  vor  Eintritt  des  Todes  entfernt,  so 
kehrt  die  Respiration  rasch  zu  ihrem  gewöhnlichen  Typus  zu¬ 
rück.  Das  überlebende  Tier  zeigt  keinerlei  Krankheitserschei¬ 
nungen. 

T  a  r  d  i  e  u  machte  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen, 
deren  Rumpf  er  durch  Gewichte  und  Bandagen  komprimierte, 
die  Beobachtung,  dass  der  Tod  durch  eine  einfache  metho¬ 
dische  Kompression  des  Brustkorbs  manchmal  nur  schwer 
herbeizuführen  war.  Der  Tod  tritt  dagegen  rasch  ein,  wenn 
ein  starker  Druck  gegen  den  Bauch  ausgeübt  wurde.  Dieses 
Untersuchungsergebnis  bestätigte  die  Mitteilung  von  Isnard 
und  D  i  e  u,  welche  betonen,  dass  bei  dieser  Form  des  Er¬ 
stickungstodes  die  Kompression  des  Bauches  und  das  Hinauf¬ 
drängen  des  Zwerchfells  die  Hauptrolle  spielt. 

Die  Symptomatologie  des  Todes  durch  Behinderung  der 
Atembewegungen  lässt  sich  am  besten  studieren  am  Versuchs¬ 
tier,  dessen  Rumpf  in  Quecksilber  eingetaucht  ist.  Mit  Rück¬ 
sicht  auf  die  geringe  Menge  des  uns  zur  Verfügung  stehenden 
Quecksilbers,  benutzten  wir  für  diese  Versuche  Mäuse.  Die 
Versuchstiere  wurden  in  kleine  Glaszylinder  gebracht  und  an 
den  Hinterfüssen  in  geeigneter  Weise  fixiert.  Das  klinische 
Verhalten  der  Tiere  entspricht  den  Angaben  von  Tamassia. 
Die  Atmung  ist  rein  thorakal  im  Gegensatz  zu  dein  abdominalen 
Atmungstypus  bei  Thoraxkompressionen.  Die  Inspirationen, 
deren  Kraft  an  den  Schwankungen  der  Quecksilberoberfläche 
leicht  abzuschätzen  ist,  werden  allmählich  schwächer  und  das 
Tier  stirbt  nach  verschieden  langer  Zeit  an  Erstickung. 

Durch  Versuche  an  Meerschweinchen  überzeugten  wir 
uns,  dass  es  durch  entsprechend  starken  Druck  auf  den  Bauch 
möglich  ist,  sowohl  die  Brust-  wie  die  Zwerchfellatmung  zu 
verhindern.  Das  Tier,  welches  infolge  Luftmangels  eine  opis- 
thotonische  Haltung  annimmt,  vermag  bei  stärkerer  Kompres¬ 
sion  nur  noch  schwache  Laute  von  sich  zu  geben  und  Wird 
bei  stärkstem  Druck  völlig  atemlos.  Die  Bewusstlosigkeit 
tritt  nach  etwa  einer  Minute  ein,  der  Jod  in  wenigen  Minuten. 
Wird  die  Kompression  nach  Eintritt  der  Bewusstlosigkeit  rasch 
beseitigt,  so  gelingt  es  in  allen  Fällen  durch  Anwendung  künst¬ 
licher  Atembewegungen  die  Tiere  zum  Leben  zurückzurinen. 

Sauerbruch  versuchte  die  Blutstillung  an  Leber  und 
Milz  mit  Hilfe  geeigneter  Anwendung  der  komprimieiten  Luft, 
musste  aber  von  der  Fortsetzung  dieser  Versuche  abstehen,  da 
fast  stets  als  gefährliche  Nebenerscheinungen  em  Hinauf- 


2232 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  -45. 


drängen  des  Zwerchfells  mit  folgender  Atembehinderung  ein¬ 
trat. 

Nun  ist  allerdings  hervorzuheben,  dass  zwischen  der  An¬ 
ordnung  dieser  Experimente  lind  den  Bedingungen,  welche  den 
schwimmkundigen  Menschen  in  Ertrinkungsgefahr  bringen, 
wesentliche  Unterschiede  bestehen. 

Das  Tier,  dessen  Rumpf  belastet  ist,  erträgt  die  Kompres¬ 
sion  eine  geraume  Zeit,  während  der  Schwimmer  bereits 
wenige  Minuten  nach  Beginn  des  Bades  versinkt.  Man  kann 
das  Verhalten  des  Schwimmers  nur  mit  dem  Verhalten  des 
I  ieres  vergleichen,  dessen  Brust-  und  Zwerchfellatmung  durch 
Druck  auf  das  Abdomen  brüsk  unterdrückt  wurde.  Die 
äusseren  und  inneren  Einflüsse,  welche  den  Schwimmer  treffen, 
sind  wahrscheinlich,  wenigstens  in  ihrer  Wirkung,  den  Ver¬ 
suchsbedingungen  ähnlich,  denen  diese  Tiere  unterworfen  wur¬ 
den.  Die  Atemlosigkeit,  welche  bei  dem  Versuchstier  durch 
mehr  oder  weniger  starke  Rumpfkompression  rascher  oder 
langsamer  herbeigeführt  wird,  resultiert  beim  Schwimmer  aus 
der  Summe  der  Faktoren,  welche  ein  erhöhtes  Respirations- 
bedürfnis  schaffen  und  die  Atmung  mechanisch  behindern. 

Wir  erwähnten  bereits,  dass  schon  der  Wasserdruck  allein 
die  Atmungsmechanik  erschwert.  Während  des  Schwimmens 
tritt  eine  weitere  beträchtliche  Vermehrung  der  Atemarbeit 
ein  durch  die  lebhafte  Muskeltätigkeit,  welche  die  kräftigen  und 
plötzlichen  Schwimmbewegungen  erforderlich  machen.  Schon 
bei  mässiger  Geschwindigkeit  ist  das  Schwimmen  eine  Fort¬ 
bewegung,  die  mit  einer  recht  bedeutenden  Anstrengung  ver¬ 
bunden  ist.  Schnelles  Schwimmen  erfordert  einen  Energie¬ 
aufwand,  der  die  Leistungsfähigkeit  selbst  kräftiger  Personen, 
wenn  sie  nicht  besonders  eingeübt  sind,  infolge  eintretender 
Atemlosigkeit  in  kürzester  Zeit  erschöpft. 

Nebenbei  sei  erwähnt,  dass  das  Zwerchfell  der  Tiere, 
welche  tauchen  oder  im  Wasser  leben,  besonders  kräftig  ent¬ 
wickelt  ist. 

Wenn  wir  uns  vergegenwärtigen,  dass  zu  den  beiden  ge¬ 
nannten  Faktoren  (Wasserdruck,  Muskelarbeit)  bei  den  in 
Rede  stehenden  plötzlichen  Unglücksfällen  im  Wasser  noch 
ein  dritter  Faktor  hinzukommt  (Vergrösserung  des  Magen¬ 
volumens  durch  starke  Anfüllung  mit  Speisen,  Flüssigkeit  und 
Gas),  welcher  mechanisch  die  Zwerchfellbewegungen  hemmt, 
so  darf  es  uns  nicht  wundernehmen,  dass  auch  gute  Schwim¬ 
mer  unvermutet  atemlos  werden  und  in  Ertrinkungsgefahr  ge¬ 
raten.  Vielleicht  veranlasst  gerade  der  Umstand,  dass  diese 
Personen  im  Vertrauen  auf  ihre  körperliche  Leistungsfähig¬ 
keit  den  Beginn  ihrer  Schwimmübungen  mit  erheblichem  Kraft¬ 
aufwand  ausführen,  den  jähen  Eintritt  der  Atemlosigkeit  und 
den  verhängnisvollen  Ausgang. 

Die  genannten  drei  Faktoren  scheinen  in  so  heimtücki¬ 
scher  Weise  zusammenzuwirken  und  das  Atembedürfnis  in  so 
unmerklicher  und  rascher  Weise  zu  steigern,  dass  die  Gefahr 
den  betroffenen  Personen  selten  rechtzeitig  zum  Bewusstsein 
kommt.  Die  Unglücksfälle  treten  plötzlich  ein,  ohne  dass  die 
Augenzeugen  zuvor  etwas  Auffälliges  an  dem  Schwimmer  be¬ 
obachteten  und  ohne  dass  der  Ertrinkende  Hilferufe  ausstösst. 
Offenbar  hindert  der  Luftmangel  den  Verunglückten  auch  am 
Schreien. 

Unter  den  physiologischen  Ausnahmezuständen  können 
Ueberanstrengungen  und  dadurch  herbeigeführte  Ermüdungs¬ 
zustände  auch  ohne  das  Hinzutreten  eines  weiteren  Umstandes 
ein  plötzliches  Untergehen  selbst  ausgezeichneter  Schwimmer 
herbeiführen.  Solche  Unfälle  beobachtet  man,  wie  Ko  ekel 
erwähnt,  am  häufigsten  bei  Rettungsversuchen  und  beim  Wett¬ 
schwimmen,  ferner,  wie  ich  erfahren  habe,  auch  bei  Tauch¬ 
übungen.  Herr  Glasermeister  Thies  in  Hamburg  teilt  mir 
ein  interessantes  Vorkommnis  mit,  das  er  als  Augenzeuge 
während  eines  Schwimmfestes  zu  beobachten  Gelegenheit 
hatte.  Beim  sog.  Hechttauchen  ereignete  es  sich,  dass  ein 
Schwimmer  die  bisher  nicht  erreichte  Strecke  von  78  m  unter 
Wasser  zurücklegte,  aber  bewusstlos  wurde,  bevor  er  die 
Wasseroberfläche  wieder  erreichte  und  nur  durch  die  rasche 
Hilfe  meines  Gewährsmannes  gerettet  werden  konnte, 

Aber  diese  Mitteilungen  betreffen,  wie  die  eben  geschil¬ 
derte,  Fälle,  in  denen  die  körperliche  Leistungsfähigkeit  bis  zum 
äussersten  angespannt  wurde. 


Die  Beziehungen  der  verschiedenen  äusseren  und  inneren 
Gelegenheitsursachen  (Organerkrankungen,  Epilepsie,  lym¬ 
phatische  Konstitution,  Ueberhitzung  des  Körpers,  Schock, 
Kältewirkung  des  Wassers  und  Alkoholismus)  sind  durch  die 
Arbeiten  von  Pal  tauf  und  Ko  ekel  hinreichend  geklärt. 
An  mythische  Vorstellungen  erinnert  die  Grille  der  Alten,  dass 
das  verschluckte  Wasser  den  Magen  des  Schwimmers  auf  eine 
tödliche  Weise  ausdehne  (Vogel)  und  die  Annahme,  dass 
Wasserpflanzen  wie  Polypenarme  sich  um  den  Schwimmer 
klammern  und  ihm  trotz  Kunst  und  Kraft  ein  kühles  Grab  be¬ 
reiten  (N  a  e  g  e  1  i). 

Wenn  ihre  Ursache  auch  rätselhaft  blieb,  so  war  die  Ge¬ 
fahr,  welche  das  Baden  und  Schwimmen  unmittelbar  nach  ' 
einer  reichlichen  Mahlzeit  mit  sich  bringt,  in  ihrer  praktischen 
Bedeutung  vom  Volke  längst  richtig  erkannt. 

In  dem  physiologischen  Mechanismus  der  besprochenen 
I  odesart  ist  es  begründet,  dass  diese  Gefahr  sich  durch  keiner¬ 
lei  Vorboten  ankündigt.  Wie  ein  tückischer  Feind  umlauert  sie 
den  arglosen,  Erfrischung  und  Stärkung  suchenden 
Schwimmer. 

Es  kann  daher  nicht  eindringlich  genug  auf  die  Beherzi¬ 
gung  der  alten,  oft  ausgesprochenen  Warnung  hingewiesen 
werden:  Badet  nicht  mit  vollem  Magen! 

Hambur  g,  August  1907. 


Aus  der  Kgl.  Universitätsklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und  Kehl¬ 
kopfkrankheiten  in  Erlangen  (Direktor:  Prof.  Denker). 

Beitrag  zur  Behandlung  des  chronischen  Kieferhöhlen¬ 
empyems. 

Von  Dr.  G.  F  r  e  y,  Volontärassistent  der  Klinik. 

Während  für  die  konservative  Behandlung  der  chronischen 
Kieferhöhlenempyeme  wohl  von  fast  allen  Autoren  die  Aus¬ 
spülungen  als  der  beste  therapeutische  Eingriff  betrachtet  wer¬ 
den,  gehen  die  Ansichten  über  die  operative  Radikalbehandlung 
noch  erheblich  auseinander. 

Die  alte  Desault-Küste  Esche  Methode  hat  immer 
noch  Anhänger,  die  mit  Entschiedenheit  für  sie  eintreten  und 
in  den  neueren  Verfahren  keine  Fortschritte  erblicken;  an¬ 
dererseits  hat  in  den  letzten  Jahren  das  Prinzip  der  primären 
Naht  der  oralen  Wunde  mit  der  Drainage  nach  der  Nasen¬ 
höhle,  das  von  Luc  und  C  a  1  d  w  e  1 1  eingeführt  wurde,  mehr 
und  mehr  Anhänger  gewonnen.  Aber  auch  hier  bestehen  noch 
umstrittene  Punkte:  soll  zur  Anlegung  der  Gegenöffnung  die 
untere  Muschel  reseziert  werden  oder  soll  sie  erhalten  bleiben? 
Gerber  macht  die  Gegenöffnung  im  mittleren  Nasengang  um 
sie  zu  schonen;  Börger  befürwortet  die  Erhaltung  derselben 
aus  Furcht  vor  abnormer  Borkenbildung.  Aus  denselben  Grün¬ 
den  lässt  Cordes,  der  im  übrigen  die  Radikaloperation  nach 
Denker  ausführt,  die  untere  Muschel  stehen,  und  nimmt  den 
f  ampon  nicht  durch  die  Nase  heraus,  sondern  durch  das  vor¬ 
dere  Ende  des  oralen  Schnittes.  Demgegenüber  entfernt  z.  B. 
Luc  ungefähr  die  vordere  Hälfte  der  unteren  Muschel.  Andere 
Autoren  (R  e  t  h  i,  C  a  v  e  1 1  o)  haben  ein  Verfahren  angegeben, 
nach  dem  sie  die  vorderen  zwei  Drittel  der  Muschel  resezieren, 
eine  breite  Kommunikation  mit  der  Kieferhöhle  hersteilen,  und 
die  weiteren  Massnahmen  von  der  Nase  aus  vornehmen,  eine 
Methode,  die  quasi  als  Gegenstück  der  Desault-Küster- 
schen  Methode  angesehen  werden  kann. 

Dieser  kurze  Ueberblick  dürfte  genügen,  um  zu  zeigen, 
wie  weit  die  Ansichten  über  den  Wert  und  die  Zweckmässigkeit 
der  verschiedenen  Eingriffe  noch  auseinandergehen;  in  Anbe¬ 
tracht  dieser  I  atsache  ist  es  vielleicht  nicht  überflüssig,  die 
Erfahrungen,  die  in  den  letzten  Jahren  in  der  Erlanger  Klinik 
mit  der  Denk  er  sehen  Methode  gemacht  wurden,  einer  kurz 
gefassten  Kritik  zu  unterziehen. 

Der  Operationsmodus,  der  von  meinem  hochverehrten 
Chef,  Prof.  Denker  1905  im  Archiv  für  Laryngologie  aus¬ 
führlich  beschrieben  wurde,  dürfte  so  weit  bekannt  sein,  dass 
es  genügen  wird,  dessen  Hauptmomente  an  der  Hand  einer 
Krankengeschichte  zu  erwähnen,  die  wir  in  extenso  wieder¬ 
geben.  Ueber  die  anderen  Fälle  seien  nur  die  wichtigsten  Daten 
angeführt. 

1.  Pat.  E.  K-,  Kaufmann,  40  Jahre  alt,  Aufenthaltszeit  in  der  Klinik 
von  13.  November  bis  4.  Dezember  1905.  Pat.  war  früher  nie  krank; 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2233 


bemerkte  vor  3  Jahren  zum  ersten  Male  übelriechendes  Sekret  in 
seiner  Nase  rechts.  Er  begab  sich  in  spezi, alistische  Behandlung;  am 
25  April  1904  Ausräumung  des  Siebbeinlabyrinthes.  Januar  1905 
wieder  Sekret  und  „Borkenbildung“.  Am  17.  Mai  1905  wird  hier 
folgender  Status  erhoben:  oberhalb  des  vordersten  Teils  der  unteren 
Muschel  ist  die  laterale  Nasenwand  mit  dem  Septum  verwachsen. 
Durchleuchtung:  rechte  Kieferhöhle  stark  verdunkelt.  Nach  Kokaini- 
sierung  und  Neigung  des  Kopfes  nach  links  kommt  fötides  eitriges 
Sekret  im  mittleren  Nasengang  zum  Vorschein.  Hinten  im  mittleren 
Nasengang  sind  kleine  Polypen  sichtbar.  Nase  links  unverändert. 

Extraktion  des  2.  Prämolar, is;  Anbohrung  der  Kieferhöhle,  in  der 
sich  eitriges,  fötides  Sekret  befindet.  Spülungen.  Sekret  bleibt  fötid. 

Aufnahme  in  die  Klinik.  Resektion  der  unteren  Muschel  am 

14.  November  1905. 

16.  Nov.  Operation  in  Morphium-Aethernarkose.  Schnitt  1  cm 
oberhalb  des  Zahnfleischrandes,  beginnend  oberhalb  des  Weisheits- 
zahnes,  horizontal  nach  vorn,  im  Bogen  neben  dem  Erenulum  labii 
superioris  hinaufziehend.  Beim  Zurückschieben  der  Weichteile  bis  unter 
die  Orbita  zeigt  sich,  dass  die  faziale  Wand  der  Kieferhöhle  an  der 
Stelle  fehlt,  welche  der  Fortsetzung  der  Alveole  des  2.  Prämolaris 
nach  oben  entspricht.  Dieser  Defekt  hat  eine  Höhe  von  ca.  2%.  cm 
und  eine  Breite  von  1— Wz  cm.  —  Zurückschiebung  von  Schleim¬ 
haut  und  Periast  der  lateralen  Wand  des  unteren  Nasenganges  mit 
dem  S  t  a  c  k  e  sehen  Elevatorium  (keine  besondere  Blutung),  Resek¬ 
tion  der  fazialen  Kieferhöhlenwand  von  dem  beschriebenen  Defekt 
aus  mit  Zange  und  Meissei.  Die  unter  dem  Knochen  liegende 
Schleimhaut  ist  blaurot  und  weist  eine  Dicke  von  3—4  mm  auf;  die 
ganze  Schleimhaut  der  Kieferhöhle  zeigt  diese  Veränderung.  Ab- 
kratzung  der  Schleimhaut  am  Boden  und  im  unteren  Teil  der  medialen 
Kieferhöhlenwand.  Fortnahme  der  knöchernen  lateralen  Wand  des 
unteren  Nasenganges  von  der  Apertura  piriformis  bis  zur  hinteren 
Wand  des  Kieferhöhle.  Bildung  eines  grossen  rechteckigen  Schleim¬ 
hautlappens  mit  der  Basis  am  Nasenboden  aus  der  vorher  abgelösten 
Mukosa  der  lateralen  Wand  des  unteren  Nasenganges;  Hereinklappen 
desselben  auf  den  Boden  der  Kieferhöhle.  Tamponade  mit  Vioform- 
gaze  von  der  bukkalen  Wunde  aus,  primäre  Naht  der  letzteren  mit 
Seide.  Dauer  der  Operation  1  Stunde  und  10  Minuten.  —  Am  Abend 
der  Operation  Temperatur  38;  vom  3.  Tage  an  gänzlich  fieberfreier 
Verlauf.  —  Die  Nähte  und  Tampons  wurden  am  4.  Tage  nach  der 
Operation  entfernt.  Bukkale  Wunde  geschlossen.  Regelmässige 
Ausspülungen  und  Borsäureeinblasungen,  die  der  Patient  nach  kurzer 
Zeit  sehr  leicht  selbst  ausführen  kann. 

Entlassung  am  4.  Dezember,  also  18  Tage  nach  der  Operation. 

Kontrolluntersuchung  am  5.  Mai  1907 :  keine  Sekretion. 
Mit  Rücksicht  auf  die  Resektion  der  unteren  Muschel  wird  Pat.  ge¬ 
fragt,  ob  er  über  Borkenbildung  oder  Neigung  zu  Katarrhen  zu  klagen 
habe ;  beides  wird  negiert. 

2.  Pat.  Wilhelmine  E.,  30  Jahre  alt  (vorher  an  doppelseitiger 
Stirnhöhleneiterung  nach  K  i  1 1  i  a  n  operiert).  Radikal  operiert  am 
28.  November  1904  links.  Kontrolliert  am  2.  März  1907:  Kiefer¬ 
höhle  frei  von  Sekret. 

•3.  Pat.  B.  F.,  50  Jahre  alt.  Eiterung  seit  3  Jahren.  Eröffnung 
von  der  Alveole  vor  3  Jahren.  Radikal  operiert  am  23.  Januar  1905. 
Die  stark  degenerierte  Mukosa  der  fazialen  und  medialen  Kiefer¬ 
höhlenwand  wird  entfernt,  ebenso  auf  dem  Boden;  an  der  hinteren 
Wand  wird  sie  stehen  gelassen.  —  Verlauf  fieberfrei;  Entlassung  nach 
19  Tagen.  Kontrolliert  am  15.  April  1907 :  keine  Spur  von  Se¬ 
kret.  Neigung  zu  Katarrhen  nicht  vorhanden. 

4.  Pat.  Fräulein  H.  S.,  41  Jahre  alt.  Eiterung  rechts  seit 
3 Vs  Jahren.  Vor  3  Jahren  Eröffnung  von  der  Alveole.  Vor  Vz  Jahr 
Eröffnung  von  der  Fossa  canina.  Radikaloperation  am  12.  Januar 
1905;  Mukosa  so  stark  degeneriert,  dass  sie  in  toto  entfernt  werden 
muss.  Fieberfreier  Verlauf.  Da  immer  noch  Eiter  von  der  Stirnhöhle 
herunterkommt,  wird  am  25.  Februar  1905  die  Stirnhöhlenoperation 
nach  Killian  ausgeführt.  Kontrolle  am  27.  Februar  1907:  Keine 
Spur  von  Sekret.  Neigung  zu  Katarrhen  seit  der 
Operation  geringer. 

5.  Pat.  Frau  K-  Q.,  35  Jahre  alt.  Seit  ca.  2  Jahren  Eiterung  rechts, 
vor  1%  Jahren  Eröffnung  von  der  Alveole  aus.  Radikaloperation 
am  25.  Januar  1905.  Fieberfreier  Verlauf.  Entlassen  am  25.  Februar 
1905;  nachträgliche  Ausräumung  des  Siebbeinlabyrinthes.  Kontrolliert 
am  1 .  Mai  1907 :  Neigung  zu  Katarrhen  wesentlich  ge¬ 
ringer,  keine  Spur  von  Sekret. 

6.  Pat.  Joseph  S.,  32  Jahre  alt.  Eiterung  seit  2%  Jahren.  Ein 
Monat  vor  der  Operation  Eröffnung  von  der  Alveole  aus;  Radikal¬ 
operation  am  4.  Mai  1905.  Mukosa,  weil  überall  polypös  degeneriert, 
in  toto  entfernt.  Glatter  Verlauf.  Entlassen  am  16.  Mai  1905.  Kon¬ 
trolliert  am  5.  Mai  1907 :  wenig  schleimiges  Sekret. 
Keine  Neigung  zu  Katarrhen. 

7.  Pat.  A.  W.,  32  Jahre  alt.  Eiterung  rechts  seit  12  Jahren.  Vor 
4  Jahren  Eröffnung  von  der  Alveole  aus.  Radikaloperation  am  8.  Sep¬ 
tember  1905.  Mukosa  der  hinteren  Wand  wird  stehen  gelassen,  an 
den  anderen  Wänden  abgekratzt.  Temperatur  am  Abend  der  Opera¬ 
tion  38,5°,  nachher  normal.  Entlassung  nach  6  Tagen.  Kontrolliert 
am  5.  Mai  1907:  kein  Sekret;  Neigung  zu  Katarrhen 
verschwunden. 

8.  Pat.  Johann  S.,  46  Jahre  alt.  Seit  2Vz  Jahren  Eiterung  beider¬ 
seits.  Lange  Zeit  hindurch  Ausspülungen  mit  dem  S  i  ebenmann - 
sehen  Röhrchen.  Am  8.  Januar  1906  Radikaloperation  links.  Die 

No.  45. 


stark  degenerierte  Mukosa  der  fazialen  und  der  medialen  Wand,  so¬ 
wie  des  Bodens  wird  entfernt;  hinten  wird  sie  stehen  gelassen. 
Fieberfreier  Verlauf.  Entlassung  am  19.  Februar  1906.  Radikalopera¬ 
tion  rechts  am  28.  Mai  1906.  Mukosa  bleibt  auch  hier  an  der  hinteren 
Wand  stehen.  Glatter  Verlauf.  Kontrolliert  am  5.  Mai  1907:  rechts 
etwas  schleimiges  Sekret;  links  keine  Spur  davon. 
Keine  Neigung  zu  Katarrhen. 

9.  Pat.  Rosa  M.,  24  Jahre  alt.  Eiterung  links  seit  %  Jahren. 
Radikaloperation  am  28.  Mai  1906.  Die  stark  verdickte  Mukosa  wird 
nur  am  Boden  und  im  unteren  Teil  der  medialen  Kieferhöhlenwand 
entfernt.  Fieberfreier  Verlauf.  Entlassen  am  9.  Juni  1906.  Kontrolliert 
am  10.  Mai  1907:  bisweilen  leichte  Nasenkatarrhe, 
keine  B  0  r  k  e  n  b  i  1  d  u  n  g. 

10.  Pat.  Babette  M.,  36  Jahre  alt.  Eiterung  rechts  seit  Wz  Jahren. 
Lange  Zeit  hindurch  Ausspülungen  mit  dem  Sieben  mann  sehen 
Röhrchen.  Radikaloperation  am  9.  April  1906.  Mukosa  auf  ca.  3  mm 
verdickt,  wird  aber  nur  am  Boden  und  an  der  medialen  Wand  ent¬ 
fernt.  Höchste  Temperatur  38°,  vom  3.  Tage  an  fieberfrei.  Ent¬ 
lassung  am  24.  April  1906.  Kontrolliert  am  5.  Mai  1907 :  M  ä  s  s  i  g  e 
Krustenbildung;  keine  Neigung  zu  Katarrhen. 

11.  Pat.  R.  S.,  32  Jahre  alt.  Seit  8  Jahren  Eiterung  rechts.  Vor 
einigen  Jahren  Eröffnung  von  der  Alveole  aus.  Radikaloperation  am 
8.  April  1906.  Die  verdickte  Mukosa  bleibt  an  der  hinteren  Wand 
stehen.  Entlassung  nach  14  Tagen.  Kontrolliert  am  2.  Mai  1907: 
keine  Neigung  ,zu  Katarrhen. 

12.  Pat.  E.  R.,  58  Jahre  alt.  Beginn  des  Leidens  vor  ca.  2  Jahren, 
links.  Behandlung  mit  Siebenmann  scher  Röhre  5  Wochen  lang. 
14.  Tage  vor  der  Operation  Ausräumung  des  Siebbeinlabyrinthes. 
Radikaloperation  am  23.  Mai  1906.  Mukosa  stark  verdickt;  wird  nur 
am  Boden  und  an  der  medialen  Wand  entfernt.  Verlauf  glatt,  fieber¬ 
los.  Entlassung  nach  21  Tagen.  Kontrolliert  am  1.  Mai  1907:  Mäs- 
sige  geruchlose  Sekretion  von  der  Stirnhöhle  her; 
Kieferhöhle  ganz  frei.  Keine  Neigung  zu  Katar¬ 
rhen. 

13.  Pat.  Sabine  W.,  34  Jahre  alt.  Seit  2Vz  Jahren  Eiterung  links. 
2  mal  Eröffnung  von  den  Alveolen  aus.  Radikaloperation  am 
12.  Juli  1906.  Mukosa  stark  verdickt;  wird  nur  am  Boden  und  im 
unteren  Teil  der  medialen  Wand  entfernt.  Verlauf  normal.  Entlassen 
nach  11  Tagen.  Kontrolliert  am  15.  April  1907:  In  der  Kiefer¬ 
höhle  gar  kein  Sekret.  Von  der  Stirnhöhle  kommt  Sekret 
herunter.  Neigung  zu  Katarrhen,  die  vorher  stark  war, 
gänzlich  verschwunden. 

14.  Pat.  Meta  S.,  28  Jahre  alt.  Beginn  der  Eiterung  (links)  vor 
%  Jahren.  Vor  ca.  5  Monaten  von  anderer  Seite  Eröffnung  von  der 
Fossa  canina  aus.  Radikaloperation  am  14.  September  1906.  Mukosa 
auf  3  mm  verdickt;  wird  nur  am  Boden  und  im  unteren  Teil  der 
medialen  Wund  kürettiert.  In  den  folgenden  Tagen  Temperatur¬ 
erhöhung  bis  38°.  Entlassung  nach  20  Tagen.  Kontrolliert  am 
1.  März  1907:  gar  keine  Sekretion;  Neigung  zu  Katar¬ 
rhen  viel  geringer  als  früher. 

15.  Pat.  J.  C.,  35  Jahre  alt.  Beginn  der  Krankheit  (rechts)  vor 
ca.  16  Jahren.  Vor  13  Jahren  Eröffnung  von  der  Fossa  canina  aus; 
vor  1  Jahr  Eröffnung  von  der  Alveole  aus.  Radikaloperation  am 
31  Oktober  1906.  Mukosa  2—3  mm  dick,  wird  am  Boden  und  an  der 
medialen  Wand  entfernt.  Verlauf  normal.  Entlassung  nach  14  Tagen. 
Kontrolliert  am  3.  April  1907:  wenig  schleimiges  Sekret; 
Neigung  zu  Katarrhen  verschwunden. 

16.  Pat.  M.  G.,  36  Jahre  alt.  Radikaloperation  beiderseits  am 
14.  Dezember  1906;  die  Sekretion  in  den  Kieferhöhlen 
sistiert  bald  vollständig.  Exitus  im  April  1907  an 
Hirnabszess,  der  von  einer  Nekrose  der  Lamina  cribrosa  des  Sieb¬ 
beins,  die  im  Anschluss  an  tertiäre  Lues  entstanden  war,  sich  ent¬ 
wickelt  hatte. 

17.  Pat.  H.,  40  Jahre  alt.  Seit  4—5  Jahren  Eiterung  rechts. 
6  Wochen  lang  ganz  regelmässige  Behandlung  mit  der  Sieben¬ 
mann  sehen  Röhre.  Radikaloperation  am  22.  September  1906.  Ver¬ 
lauf  normal.  Entlassen  nach  14  Tagen.  Kontrolliert  am  15.  April  1907: 
Kein  Sekret;  Neigung  zu  Katarrhen.  Pat.  ist  durch  seinen 
Beruf  gezwungen,  sich  häufig  in  staubigen  Räumen  aufzuhalten,  und 
neigt  aus  diesem  Grunde  in  gleicher  Weise  wie  vor  der  Operation 
zu  Katarrh  mit  schleimiger  Sekretion. 

18.  Pat.  F.  Seit  vielen  Jahren  übelriechende  Eiterung  beiderseits. 
Am  17.  Juni  1907  Radikaloperation  rechts.  Mukosa  der  hinteren 
Wand  (auf  ca.  3  mm  verdickt)  bleibt  stehen.  Links  Anbohrung  von 
der  Alveole  aus.  Verlauf  normal.  Entlassen  nach  19  Tagen  mit 
geringer  schleimiger  Sekretion. 

19.  Pat.  H.  K.  Eiterung  rechts  seit  ca.  Wz  Jahren.  Wird 
ca.  4  Wochen  lang  regelmässig  ausgespült,  ohne  dass  der  Fötor  ver¬ 
schwindet.  Radikaloperation  am  30.  Mai  1907.  Mukosa  der  oberen 
und  hinteren  Wand  wird  stehen  gelassen.  Entlassen  nach  24  Tagen 
mit  minimaler  Sekretion. 

20.  Pat.  G.  Eiterung  rechts  seit  3  Jahren.  Radikaloperation  am 
4.  Juli  1907.  Verlauf  normal.  Entlassen  nach  9  Tagen  mit  geschlos¬ 
sener  oraler  Wunde. 

21.  Pat.  R.  Eiterung  rechts  seit  Jahren;  monatelang  regelmässige 
Ausspülungen.  Radikaloperation  am  19.  Juli  1907.  Mukosa  der 
hinteren  Wand  (auf  ca.  3  mm  verdickt)  bleibt  stehen.  Verlauf  normal. 
Nach  14  Tagen  entlassen  mit  Verschluss  der  bukkalen  Wunde  und 
geringer  schleimiger  Sekretion. 


2234 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


Somit  wären  von  den  21  operierten  Fällen  17,  soweit  es 
sich  klinisch  beurteilen  lässt,  wohl  als  dauernd  geheilt  zu  be¬ 
trachten;  auch  die  4  letzten  Fälle  gehen  mit  grosser  Wahr¬ 
scheinlichkeit  der  dauernden  Heilung  entgegen,  müssen  jedoch 
später  noch  kontrolliert  werden.  Es  hat  demnach  das 
in  unserer  KlinikangewendeteVerfahrenauch 
beidenhartnäckigstenundschwierigstenFäl- 
1  e  n  bisher  niemals  versagt;  ein  Risiko  wurde  nie 
beobachtet. 

Was  den  Fall  M.  Q.  betrifft,  der,  an  den  Kieferhöhlen  ge¬ 
heilt,  einige  Monate  nach  der  Operation  an  Hirnabszess  zu 
gründe  ging,  so  waren  dort  die  Verhältnisse  so  kompliziert, 
dass  der  Fall  der  Gegenstand  einer  besonderen  Mitteilung  sein 
wird. 

Wie  schon  Prof.  Denker  auf  dem  Kongress  der  Süd¬ 
deutschen  laryngologischen  Gesellschaft  1907  in  Heidelberg  mit¬ 
teilte,  wurden  die  Patienten  nach  einer  durchschnittlichen  Nach¬ 
behandlungsdauer  von  1614  Tagen  entlassen. 

Fragen  wir  uns  nun,  auf  was  für  Umstände  diese  gün¬ 
stigen  Resultate  zurückzuführen  sind,  so  möchten  wir  folgendes 
hervorheben: 

So  oft  dies  auch  seit  den  Mitteilungen  von  Luc  und  C  a  1  d- 
w  e  1 1  geschehen  ist,  müssen  wir  doch  auch  an  dieser  Stelle 
betonen,  dass  wir  die  primäre  vollständige  Naht  der  oralen 
Wunde  als  einen  entschiedenen  Fortschritt  betrachten.  Die 
angeblichen  Nachteile  der  Gegenöffnung  in  der  Nase,  die  unter 
anderen  Koellreuther  hervorhebt  (abnorme  Kommuni¬ 
kation,  Möglichkeit  der  Entstehung  eines  Pyosinus)  scheinen 
uns  die  grossen  Vorzüge  des  primären  bukkalen  Verschlusses 
nicht  aufzuwiegen.  Diese  Vorteile  sind  schon  so  oft  hervor¬ 
gehoben  worden,  dass  wir  sie  nur  anzudeuten  brauchen:  die 
für  den  Patienten  trotz  aller  Prothesen  läs¬ 
tige  Kommunikation  mit  der  Mundhöhle  fällt 
weg;  die  Nachbehandlung  durch  die  Nase  wird 
nicht  erschwert,  sondern  wie  wir  glauben,  er¬ 
heblich  vereinfacht  und  ist  für  den  Patienten 
entschieden  angenehmer.  Eine  Nachbehandlung  wäre 
vielleicht  überhaupt  nicht  unbedingt  notwendig,  doch  ist  es  er¬ 
wünscht,  dass  das  Sekret,  das  sich  in  der  ersten  Zeit  immer 
bildet,  entfernt  werde. 

Was  die  Resektion  des  vorderen  Drittels  oder  der  vor¬ 
deren  Hälfte  der  unteren  Muschel  betrifft,  so  möchten  wir  von 
derselben  nicht  Abstand  nehmen,  weil  sie  am  besten  die  Her¬ 
stellung  einer  breiten  Kommunikation  mit  der  Nase  möglich 
macht,  und  somit  die  vollständige  primäre  Naht  der  oralen 
Wunde  gestattet;  bis  jetzt  haben  wir  uns  von  den  üblen  Folgen, 
die  dieser  Eingriff  nach  sich  ziehen  soll,  nicht  überzeugen 
können.  Die  genaue  Kontrolle  an  den  Patienten  zeigte  im  Ge¬ 
genteil,  dass  bei  fast  allen  Operierten  weder  Borkenbildung 
noch  vermehrte  Neigung  zu  Katarrhen  vorhanden  waren. 

Eine  „radikale“  Methode  im  anatomischen  Sinne  des  Wor¬ 
tes,  d.  h.  eine  Methode,  die  zur  Verödung  der  Kieferhöhle 
führen  würde,  wie  dies  bei  der  Stirnhöhlenoperation  nach 
Killian  der  Fall  ist  —  gibt  es  nicht.  Auch  mit  dem  De- 
saultschen  Verfahren  wird  dieses  Ziel  nicht  erreicht.  Wel¬ 
ches  ist  nun  das  anatomische  Resultat  und  der  Heilungsverlauf 
der  Methoden,  bei  denen  die  orale  Wunde  verschlossen  und 
die  Mukosa  nach  Möglichkeit  erhalten  wird?  Die  Erfahrungen 
in  unserer  Klinik  haben  ebenso  wie  die  Kretschmann- 
schen  Beobachtungen  gelehrt,  dass  die  nicht  vollständig  poly¬ 
pös  oder  zystisch  degenerierte,  sondern  nur  entzündlich  infil¬ 
trierte  Schleimhaut  zu  normalem  Verhalten  zurückkehren 
kann,  wenn  dauernd  für  eine  Fernhaltung  der  Eiterretention 
gesorgt  wird.  Der  schnelle  Heilungsverlauf  bei  unserem  Ver¬ 
fahren  wird  hauptsächlich  dadurch  bedingt,  dass  nach  dem  Ein¬ 
griff  der  grösste  Teil  der  Höhlenwandungen  bereits  mit  Epithel 
bedeckt  ist  —  an  der  hinteren  und  oberen  Wand  und  an  dem 
oberen  Teil  der  medialen  Wand  ist  die  Mukosa  konserviert 
und  der  Boden  durch  die  Lappenbildung  ebenfalls  mit  Schleim¬ 
haut  bedeckt;  es  braucht  sich  demnach  nur  noch  die  faziale 
Wand,  welche  nach  Resektion  des  Knochens  von  der  inneren 
Periostfläche  dieser  Gegend  gebildet  wird,  mit  Epithel  zu  über¬ 
ziehen,  und  das  geschieht  von  der  umgebenden  Schleimhaut 
aus  jedenfalls  sehr  schnell. 


Die  Borsäureeinblasungen  während  der  Nachbehandlung, 
die,  wie  die  Erfahrungen  bei  den  am  Ohr  radikal  Operierten 
zeigen,  die  Epithelisierung  beschleunigen,  halten  Wir  für  sehr 
zweckmässig. 

lieber  orthotische  Albuminurie  bei  Nephritis.*) 

Von  Dr.  H.  E  n  g  e  1  in  Bad  Helouan  (Aegypten),  im  Sommer  in 

Bad  Nauheim. 

M.  H. !  Es  ist  nicht  meine  Absicht,  in  folgendem  die  Frage 
der  orthotischen  Albuminuriej  welche  vor  diesem  Forum  schon 
so  oft  zur  Diskussion  gestanden  hat,  von  neuem  in  ihrer  gan¬ 
zen  literarischen  und  kasuistischen  Ausdehnung  aufzurollen. 
Die  von  mir  beobachteten  Fälle  haben  aber  für  eine  der  haupt¬ 
sächlichsten  Streitfragen  eine  so  ausschlaggebende  Bedeutung, 
dass  ihre  kurze  Beschreibung  wohl  gerechtfertigt  erscheint. 

Vorausschicken  möchte  ich,  dass  der  Begriff  der  ortho¬ 
tischen  Albuminurie  in  seiner  Beziehung  zu  den  anderen  Albu¬ 
minurien  nicht  als  selbständige  Krankheitsform  aufzufassen  ist, 
wie  dies  durch  seine  Abtrennung  z.  B.  von  dem  Begriff  der 
Pubertätsalbuminurie  fast  immer  geschieht.  Die  Pubertäts- 
afbuminurie  ist  wohl  ausnahmslos  eine  orthotische  Albumin¬ 
urie.  Auch  das  Studium  der  sog.  „physiologischen“  Albumin¬ 
urie  hat  ergeben,  dass  vor  allem  nach  starker  Be¬ 
wegung  in  aufrechter  Haltung,  wie  beim  Exerzieren 
und  nach  Dauermärschen,  ein  wirklich  grosser  Prozent¬ 
satz  der  Soldaten  (75  Proz.)  Albumen  ausschied.  Sicher  hat 
auch  hier  das  orthostatische  Moment  einen  Anteil  an  der  Er¬ 
scheinung.  Den  Begriff  der  orthotischen  Albuminurie  fallen 
zu  lassen,  sobald  sich  organische  Elemente  im  Sediment  fin¬ 
den  -),  wäre  ganz  falsch.  Die  orthotische  Albumin¬ 
urie  ist  im  Sinne  des  Wortes  nur  als  ein  Sym¬ 
ptom,  alsein  besondererTypus  derausirgend- 
welchen  Gründen  zur  Ei  Weissausscheidung 
disponierten  Individuen  aufzufassen.  Finden 
wir  also  Nephritiker  von  orthotischem  Typus,  so  müssen  wir 
diesen  Begriff  auch  in  das  Kapitel  der  eigentlichen  Nieren¬ 
pathologie  mit  hinübernehmen.  Man  begegnet  nun  in  der  Li¬ 
teratur  immer  wieder  der  Anschauung,  dass  es  solche  Nephri¬ 
tiden  nicht  gäbe.  Zwar  sind  von  Senator* 2 3),  Keller4), 
v.  R  e  u  s  s  n),  K  n  ö  p  f  e  1  m  a  c  h  e  r  5)  u.  a.  Fälle  von  kindlicher 
Nephritis  nach  Infektionskrankheiten,  wie  Scharlach,  beschrie¬ 
ben.  Aber  doch  wird  meist  angegeben,  dass  die  Beeinflus¬ 
sung  des  Eiweissgehalts  durch  Lageveränderung  nicht  mit 
der  Sicherheit  eines  Experiments  erzielt 
werden  konnte,  dass  auch  der  Nachturin  ge¬ 
legentlich  Eiweiss  enthielt.  Auch  handelte  es  sich 
bei  den  betreffenden  Patienten  meist  um  akute,  rasch  abklin¬ 
gende  Nephritis,  nicht  um  das  Bild  der  richtigen  chronischen 
Nierenentzündung. 

Die  von  mir  beobachteten  Kranken  waren  alle  3  mit  der 
Diagnose:  chronische  parenchymatöse  Nephrl- 
t  i  s  zur  Kur  nach  Helouan  geschickt.  Die  Fälle  gehörten  der 
Altersainplitüde  von  7 — 20  Jahren  an.  Der  erste  hatte  vor 
3  Jahren  Scharlach  überstanden,  der  zweite  vor  2/4  Jahren 
ebenfalls  Scharlach,  der  dritte  vor  2  Jahren  eine  schwere 
Influenza.  Die  Nephritis  war  nach  den  ärztlichen  Berichten 
im  unmittelbaren  Anschluss  an  die  Infektion  zur  Beobachtung 
gekommen,  sie  bestand  also  bei  allen  3  Kranken  bereits  so 
lange,  dass  von  einer  ablaufenden  akuten  oder  subakuten  Ne¬ 
phritis  nicht  mehr  die  Rede  sein  konnte.  An  der  Diagnose 
einer  richtigen  chronischen  Nephritis  konnte  auch  nach  dem 
objektiven  Befund  nicht  gezweifelt  werden.  Es  bestand 
bei  allen  Zylindrurie,  in  2  Fällen  deutliche 
Hypertrophia  cordis;  in  einem  von  mir  besonders  be¬ 
obachteten  Falle  waren  sogar  leichte  urämische 
S  y  m  ptome  vorhanden.  Die  24  ständige  Eiweissmenge 
betrug  in  allen  Fällen  nicht  mehr  als  XA  Prom. 


x)  Vortrag,  gehalten  auf  der  79.  Naturforscherversammlung  in 
Dresden  1907. 

2)  Hauser:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1903,  No.  50. 

3)  Verein  für  innere  Medizin  Berlin.  Sitzung  vom  12.  Dez.  1904. 

4)  Jahrb.  für  Kinderheilk.  1897,  H.  1. 

8)  Gesellsch.  f.  innere  Med.  Wien.  Sitzung  vom  10.  März  1904. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2235 


Bei  der  ausgesprochen  nephritischen  Natur  der  Fälle  lag 
der  Gedanke  an  orthotische  Albuminurie  nicht  nahe.  Und  doch 
erfüllten  sie  durchaus  die  wesentlichste  Bedingung  dieses  Be¬ 
griffs  :  Bei  Horizontallage  völlige  Eiweissfrei¬ 
heit,  bei  aufrechter  Stellung  Albuminurie. 
Letztere  trat  meist  sofort  auf,  nachdem  die  Patienten  nur 
wenige  Sekunden  gestanden  hatten,  namentlich  wenn  sie  vor¬ 
her  nur  kurze  Zeit,  etwa  1 — 2  Stunden,  gelegen  hatten.  Nach 
längerer  Horizontallage,  also  morgens,  bedurfte  es  oft  mehrerer 
Minuten  bis  zum  Auftreten  von  Eiweiss.  Umgekehrt  trat 
das  Phänomen  der  Eiweissfreiheit  beim  Liegen  nicht  sofort  auf, 
sondern  brauchte  oft  1 — 2 — 3  Stunden  bis  zu  seiner  Ausbildung, 
je  nach  dem  Grad  der  vorhergegangenen  Ermüdung.  Wenn 
man  also  den  Morgenurin  eiweissfrei  finden  wollte,  so  musste 
man  am  Abend  vorher  1 — 2  Stunden  nach  dem  Zubettegehen 
den  Urin  nochmals  entleeren  lassen.  Auch  durfte  der  Urin 
morgens  nicht  im  Stehen,  sondern  musste  noch  im  Liegen  ge¬ 
lassen  werden.  Dass  der  Urin  nach  dem  Mittagessen  völlig 
eiweissfrei  geworden  wäre,  wie  andere  Beobachter  von  ortho- 
tischer  Albuminurie,  so  Edel0),  gesehen  haben,  das  war  bei 
meinen  Kranken  nur  durch  Kombination  mit  Horizontallage  zu 
beobachten.  Dann  trat  aber  die  Eiweissfreiheit  allerdings 
rascher  auf  als  sonst.  Die  nephri  tische  Natur  der 
Fälle  erschwerte  offenbar  das  Zustande¬ 
kommen  der  Eiweissfreiheit,  wie  das  auch  aus  den 
obenerwähnten  notwendigen  Verhaltungs-  und  Vorsichtsmass- 
regeln  zur  Beobachtung  des  Phänomens  hervorgeht.  Durch 
Nichtbeachtung  derselben  mag  manche  orthotische  Nephritis 
der  Diagnose  entgangen  sein. 

Ich  habe  nun  versucht,  den  Ursachen  der  Erschei¬ 
nung  näher  zu  kommen.  Man  muss  unterscheiden :  die 
das  Phänomen  direkt  auslösenden  Momente 
und  die  tieferen  Gründe,  welche  es  ermög¬ 
lichen,  dass  solche  auslösende  Einflüsse 
wirksam  sein  können. 

Es  liegt  ausserordentlich  nahe,  die  Veränderungen,  welche 
im  Blutkreislauf  durch  Stehen  und  Liegen  physiologischer 
Weise  statthaben,  als  auslösendes  Moment  zur  Erklärung  der 
orthotischen  Albuminurie  heranzuziehen.  Zunächst  wird  man 
denken  und  hat  man  gedacht  an  rein  hydrostatische 
Einflüsse,  welche  beim  Stehen  zu  einer  Stauung  des 
Venenbluts,  dadurch  zu  einer  Verlangsamung  der  Blutzirku¬ 
lation  in  den  Nieren  und  so  zu  Eiweissdurchtritt  führten. 
Durch  langes,  selbst  stundenlanges  Sitzenlassen,  bei 
welchem  doch  auch  eine  Ueberfüllung  der  unteren  Körpervenen 
eintritt,  erzielte  ich  in  meinen  Fällen  nie  Albuminurie.  Ich  ging 
aber  noch  weiter  und  suspendierte  einen  der  Kranken 
nach  längerem  Liegen  aktiv,  d.  h.  ich  liess  ihn  an  einer  über 
seinem  Bett  angebrachten  Eisenstange  wie  an  einem  Reck 
hängen,  natürlich  direkt  aus  der  liegenden  und  eiweissfreien 
Position  heraus.  Es  trat  kein  Eiweiss  in  wieder¬ 
holten  Versuchen  auf,  selbst  wenn  die  30  Sekunden, 
die  sonst  zur  Ausscheidung  von  Eiweiss  im  Stehen  nötig 
waren,  weit  überschritten  wurden.  . 

Die  Annahme,  dass  der  allgemeine  Blutdruck 
und  seine  Veränderungen  bei  Stehen  und  Liegen  eine 
Rolle  spielen,  ist  falsch.  Edel7)  fand  bei  seinen  Patienten, 
dass  im  Liegen,  wenn  kein  Eiweiss  ausgeschieden  wurde,  die 
Diurese  vermehrt  war,  ebenso  wie  nach  grösseren  Mahlzeiten. 
Als  gemeinsame  Ursache  nahm  er  Erhöhung  des  allgemeinen 
Blutdruckes  an.  Nun  fand  ich  aber  in  vielfach  wiederholten 
Versuchen,  dass  der  Blutdruck  bei  meinen  Patienten  im  Lie¬ 
gen  stets  erniedrigt  war,  im  Stehen  dagegen 
erhöht,  was  um  so  auffallender  war,  als  der  Puls  im  Stehen 
sehr  klein  und  frequent  wurde,  während  er  im  Liegen  voller 
und  langsamer  schlug.  Der  7  jährige  Patient,  dessen  Puls 
im  Stehen  eine  Frequenz  von  120 — 130  Schlägen  hatte,  und 
dessen  Cor  öfters  Erscheinungen  von  Insuffizienz  zeigte,  er¬ 
hielt  nun  teils  aus  therapeutischen  Gründen  an  einem  besonders 
labilen  Tag,  teils  experimenti  causa  eine  zum  Zwecke  rascher 
Wirkung  intravenös  verabreichte  Dosis  von  1  ccm  Digalen, 
Die  Pulszahl  im  Stehen  war  nach  5  Stunden  von  120  auf  90 

6)  73.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  1901. 

7)  l  c. 


abgefallen,  die  Qualität  des  vorher  sehr  kleinen  und  leicht 
unterdrückbaren  Pulses  besserte  sich,  die  Amplitude  wurde 
grösser.  Wenn  die  Eiweissausscheidung  tat¬ 
sächlich  durch  zirkulatorische  Momente  aus¬ 
gelöst  wurde,  so  müsste  sich  nun  doch  durch 
eine  solche  bedeutende  Veränderung  der 
Kreislaufverhältnisse  einEinfluss  auf  die  Al¬ 
buminurie  geltend  machen  im  Sinne  einer  Ab¬ 
nahme  der  im  Stehen  ausgeschiedenen  Ei¬ 
weissmenge.  Bei  120  Pulsen  von  schlechter  Qualität 
schied  der  Junge  durchschnittlich  %  Prom.  Albumen  aus.  Bei 
90  Pulsen  von  guter  Qualität  änderte  sich  dieses  Verhältnis  in 
keiner  Weise.  Orthotische  Albuminurien  als  akute  Stauungs¬ 
albuminurien  aufzufassen,  woran  man  namentlich  bei  einer 
gleichzeitigen  Beteiligung  des  Herzens  am  Gesamtkrankheits¬ 
bild  denken  könnte,  wäre  also  ganz  falsch.  Dass  akute  Ver¬ 
änderungen  des  Drucks  und  der  Durchflussgeschwindigkeit 
keinerlei  Bedeutung  für  die  Zusammensetzung  des  Nieren¬ 
sekretes  haben,  geht  ausserdem  aus  den  experimentellen  Unter¬ 
suchungen  verschiedener  Forscher,  wie  C  1  o  e  1 1  a,  hervor. 

Die  Annahme  einer  durch  Stehen  verursachten  Anämie 
der  Nieren  mit  konsekutiver  Sekretionsanomalie  infolge 
schlechter  Blutzufuhr  durch  die  Arteriae  renales  —  der  Blut¬ 
strom  soll  an  den  vertikal  von  der  Aorta  abgehenden  Nieren¬ 
arterien  im  Stehen  rascher  vorbeischiessen  —  scheint  wenig 
plausibel,  wenn  man  bedenkt,  mit  welcher  Schnelligkeit  die 
Albuminurie  bei  Orthostatikern  einzusetzen  pflegt. 


Auch  folgende  Tatsache  lässt  den  Zusammenhang  der  or¬ 
thotischen  Albuminurie  und  des  Kreislaufes  als  solchen  zweifel¬ 
haft  erscheinen.  In  allen  3  Fällen  war  im  Urin  ein  durch 
Essigsäure  im  Kalten  fällbarer  Eiweisskör¬ 
per  vorhanden,  den  man  früher  als  Nukleoalbumin,  später  als 
Fibrinogen  und  Euglobulin  definierte.  Oft  enthielten  die  ortho¬ 
tischen  Urine  nur  diese  Eiweissart  und  gar  kein  Serumeiweiss. 
Während  nun  das  Serumalbumin  als  aus  dem  Blut  stammend 
erkannt  ist,  ist  Euglobulinausscheidung  auf  einen  Reizzustand 
der  Nierenzellen  zurückzuführen.  Oswald8)  hat  bereits  dar¬ 
auf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei  Auftreten  von  Euglobulin 
immer  parenchymatöse  Prozesse  im  Vordergrund  stehen. 

Alles  das  muss  unsere  Aufmerksamkeit  von  dem  Kreislauf 
als  auslösendes  Moment  ab  und  auf  die  Zellvorgänge  in  den 
Nieren  selbst  hinlenken.  Bei  den  Orthotikern  ist  Eiweiss¬ 
ausscheidung  und  Kreislaufänderung  im  Stehen  nicht  in  Ab¬ 
hängigkeit  voneinander  zu  bringen,  sondern  als  koordi¬ 
nierte  Reizerscheinung  aufzufassen.  Es  handelt  sich 
bei  ihnen  um  einen  Zustand  allgemeiner  reizbarer  Er¬ 
schöpfung.  Alle  Fälle  boten  dieses  auch  von  anderen  ) 
beobachtete  Bild :  starke  Labilität  der  Vasomoto¬ 
ren,  rasche  Ermüdung,  gesteigerte  Reflexe. 
Nicht  die  aufrechte  Haltung  des  Körpers  in  ihrer  physikalischen 
Bedeutung  an  sich,  sondern  der  vermehrte  nervöse  Antrieb, 
die  grössere  Anspannung  der  Funktionen,  die  stärkere  Arbeits¬ 
leistung  des  ganzen  Organismus,  wie  sie  durch  die  aufrechte 
Haltung  des  Körpers  bedingt  wird  und  wie  wir  sie  auch  physio¬ 
logischer  Weise  in  vermehrter  Atem-  und  Pulsfre¬ 
quenz  und  gesteigertem  Blutdruck  beobachten,  ist  das 
auslösende  Moment.  Die  vertikale  Stellung,  eine  ent¬ 
wicklungsgeschichtliche  Emanzipation  des  Menschen,  wird 
hier  vom  Organismus  als  pathologische  Leistung  emp- 
funden  und  mit  einem  Hypertonus  der  Nerven  und 
der  von  ihnen  abhängigen  Gewebsfunktionen  beantwortet,  dem 
die  vitalen  Kräfte  der  Organzellen  in  konkreten  Fallen  nicht 
gewachsen  sind  und  welcher  so  zu  einem  Versagen  der  physio¬ 
logischen  Funktionen  führt.  ..  , 

Forschen  wir  nun  weiter  nach  den  tieferen  Gründen, 
warum  überhaupt  in  dem  oder  jenem  Fall,  und  nicht  in  a  en, 
solche  über  die  Norm  hinausgehenden  Reize  zu  zellularpatho¬ 
logischen  Aeusserungen  führen,  als  welche  die  orthotis 
Albuminurie  aufzufassen  ist.  Für  die  beschriebenen 


(Sem.  med.  1899), 


8)  Münch,  med.  Wochenschr.  1904,  No.  15. 
sa  jy\  o  t*  i  (Sgtti  med»  1896)»  Tcissici  , 

Wochenschr.  1906,  No.  42).  * 


2236 


scheint  die  Erklärung  leicht:  Der  durch  die  aufrechte  Haltung 

Niirlenhenfe  Ueberr?IZ  konnte  an  den  nephritisch  veränderten 
Wmmpn  S 6 * * *n-mT  0CUS  ,minoris  resistentiae  zum  Ausdruck 
c.|.  .y,  ,e  hieraus  theoretisch  mit  Recht  konstruierbare 

Schlussfolgerung,  dass  man  dann  doch  diesem  Phänomen  häufi¬ 
ge!  begegnen  musste,  so  oft  nur  eine  Nephritis  mit  einer  ab¬ 
normen  Labilität  der  Nerven  und  Zellfunktionen  einhergeht 
rindet  nun  aber  keine  Stütze  in  der  Tatsache,  dass  nur  der 
jugendliche  Nephmtiker  das  ungetrübte  Bild  der  orthotischen 
Albuminurie  abzugeben  imstande  ist.  Unter  70  erwach- 
s  e  ne  n  chronisch  parenchymatösen  und  inter- 
s  titi  eilen  Nephritikern  habe  ich  nie  ortho- 
n  s  c  h  e  A  1  b  u  m  i  n  u  r  i  e  g  e  f  u  n  d  e  n.  Zwar  hielt  sich  auch 
bei  ihnen  die  Eiweisskurve  meist  an  dieselben  Gesetze  wie 
bej  den  Orthostatikern,  insofern,  als  im  Stehen  mehr  ausge¬ 
schieden  wurde  als  im  Liegen;  die  Kurve  erreichte  aber  nie 
den  absoluten  Nullpunkt.  Wenn  man  solche  Fälle  beobachtet 
iahen  will,  so  wird  es  sich  bei  ihnen  um  ausgesprochene 
Schrumpfniere  gehandelt  haben,  bei  welcher  die  Albuminurie 
an  sich  nicht  zum  unumgänglichen  Symptomenbild  der  Krankheit 
gehört  und  gelegentliche  Eiweissfreiheit  sehr  oft  beobachtet 
wird  ohne  dass  sie  sich  an  die  Gesetze  der  Orthostatik  zu  hal¬ 
ten  braucht.  In  der  Juvenilität  der  Nieren  zelle 
ist  also  das  Geheimnis  der  o  r  t  h  o  s  t  a  t  i  s  c  h  e  n 
Ne  p  h  r  i  1 1  s  e  n  t  h  a  1 1  e  n.  Wohlverstanden  bezieht  sich  das 

oi  t  „jugendlich“  nicht  bloss  auf  das  Pubertätsalter,  sondern 
aut  die  ganze  Zeit  des  Wachstums  bis  zum  Anfang  der  zwanziger 
Jahre  EinerErklarung,  warum  der  jugendlicheNephritiker  allein 
die  orthotische  Albuminurie  aufweist,  kann  man,  so  glaube  ich 
dadurch  naher  kommen,  dass  man  den  Schwerpunkt 
auf  d  i  e  „E  i  w  e  i  s  s  f  r  e  i  h  e  i  t  im  Liege  n“,  nicht  auf 
die  „Liwejss  aus  Scheidung  im  Stehen“  legt 
Die  juvenile  Zelle  hat  eine  ganz  bedeutend  grössere  Erholungs- 
tahigkeit  als  die  des  zunehmenden  Alters.  Im  orthotischen 
Gliaraktei  der  Albuminurie  drückt  sich  der  energischere  Kampf 
es  jugendlichen  Organismus  gegen  die  Krankheit  aus,  welcher 
to rt während  bestrebt  ist,  die  Schädlichkeit  zu  überwinden 
sobald  ihm  nur  Zeit  zur  Erholung  seiner  Zell- 
r  u  n  ktionengelassen  wird.  Diese  Erholungsmöglich- 
Keit  ist  bei  Horizontallage  vorhanden.  Jugendliche  Ne- 
P  h  r  i  t  i  ke  r  m  i  t  demPhänomender  orthotischen 
Albuminurie  haben  deshalb  eine  günstigere 
i  ognose  aufzuweisen  als  jugendliche  N  e  - 
P  nntik  er  ohne  diese  Ersch-einu  n  g.  Tatsächlich 
sind  2  von  den  beobachteten  Fällen  langsam  zur  Ausheilung  ge¬ 
kommen. 

Dass  man  berechtigt  ist,  das  Bild  der  orthotischen  Albu¬ 
minurie  als  Abortivnephritis  nach  Infektionskrank- 
heiten  anzusehen,  ergab  sich  mir  aus  der  Beobachtung  mehrerer 
ellachenknaben,  vrelche  in  der  Rekonvaleszenz  nach  Dengue- 
neber  und  Typhus  einige  Wochen  Eiweiss  im  Stehen  aus¬ 
schieden,  ohne  dass  sich  Nierenbestandteile  im  Urin  fanden. 
Man  hat  bezweifelt,  dass  es  solche  Fälle  gebe10)  .Die  Noxe 
hatte  bei  der  mangelnden  Disposition  der  ägyptischen  Rasse 
iur  Nierenentzündungen  offenbar  nur  zu  diesem  leichten  Grad 
emer  Nephritis  geführt,  die  vielleicht  unter  europäischen  Ver¬ 
hältnissen,  bei  entsprechender  Rassendisposition  oder  indivi¬ 
dueller  \  eranlagung,  i.  e.  Minderwertigkeit  des  Organs,  in 
eine  ernste  Erkrankung  ausgeartet  wäre. 

Ein  nicht  disponiertes  Organ  kann  also  eine  drohende 
epnritis  unter  dem  Bild  der  orthotischen  Albuminurie  absol- 
wuen.  Ott  ist  diese  auch  nur  der  Ausdruck  einer  ganz  gering- 
Mgigen  Schädigung.  Die  Bezeichnung  Nephritis  für  jede 
ortnotische  Albuminurie  wäre  gewiss  zu  weitgehend  Wir 
nennen  auch  nicht  jede  Herzschwäche  Myokarditis,  nicht  in  je¬ 
der  Spitzendämpfung  sehen  wir  den  Ausdruck  einer  aktiven 
und  tortschreitenden  Tuberkulose.  Wie  viele  überwinden  die 
angeborene  oder  erworbene  Schwäche  eines  Organs  Die 
Statistiken  über  orthotische  Pubertätsalbuminurien11)  sind  der 

lü)  B  e  r  n  h  a  r  d:  Diskussion  zum  Vortrag  von  S  e  n  a  t  o  r  in  der 
Berliner  med.  Gesellsch.,  2.  Dez.  1904.  1  uei 

m  Kongress  für  inn.  Med.  1899)  I  ommel 

(Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med..  Bd.  78,  H.  5  u.  6),  A  r  m  s  t  r  o  n  g  (Brit. 

■  cd.  Journ.  No.  2284),  Berry  (Brit.  Med.  Journ.  1905)  Kanne 

l1  V  (£r?h'  £  Kinderheilk.,  Bd.  XLI1I,  H.  5).  R  e  y  h  e  V  (78  Vers 
deutsch.  Naturf.  1906)  etc.  y  w°'  vers- 


cste  Beweis  dafür.  Immerhin  müssen  wir  aus  den  beschrie 

zu  hP uFai!en  die  NutzaJwendung  ziehen  und  so  vorsichtig  sein 
A  Bedenken,  dass  orthotische  Albuminurie  eine  Nephritis  zur 
GrundDge  haben  dass  sie  d  a  s  Symptom  einer chro 
ii  sehen  Nephritis  sein  kann.  —  Der  relativ  günstigeren 
AWfgen,  erfordern  solche  Fälle  unsere  besondere 
di?  Athn  ,^mmerksamkeit.  Ich  möchte  sehr  bezweifeln  ob 
die  Ausheilung  der  beiden  europäischen  Kranken  erfolgt  wäre 

Massnahmen  d-le  vorteilhaften  klimato-therapeutischen 

Massnahmen  im  Verein  mit  entsprechender,  vor  allem  robo 

nereuder  Dmtebk  und  methodischer  schonender  Uebung  der 

denkbar  beste  Antrieb  zur  Heilung  gegeben  worden  wäre 

Zur  Genese  der  Albuminurien. 

Von  Di .  Er.  Sc  h  m  i  d  t  -  Badenweiler. 

Die  Frage  nach  der  Herkunft  des  Eiweisses  im  Harn  von 

dem  R^rtP  r  ZUTdst  dahin  beantwortet,  dass  dasselbe 
u  fute  entstamme;  durch  die  entzündlichen  Veränderungen 

S°  das  ’’Nlennitr“  geschädigt  worden  sein  und  nun  dem 
Blutalbumin  Durchlass  gewähren.  So  soll  wenigstens  die 
auptmenge  des  Eiweisses  in  den  Harn  gelangen,  während  als 
eph logen  nur  gewisse  Eormelemente  angesprochen  werden. 

angeführU^6  einige  Zitate  aus  bekannten  Lehrbüchern 

„Das  Eiweiss,  welches  in  all  den  genannten  Fällen  in  den 
arn  ubertritt,  stammt  aus  dem  Blute;  man  kann  nicht  von 
uei  Hand  weisen,  dass  vielleicht  zuweilen  aus  den  abgestor¬ 
benen  Epithelien  geringe  Mengen  von  harnlöslichen  Eiweiss- 
korpern  beigemengt  werden,  aber  darüber,  wie  weit  dieselben 
ia  Bedacht  kommen,  fehlt  jede  Kenntnis;  im  wesentlichen  be- 
steht  das  Eiweiss  also  aus  dem  Albumin  und  den  Globulinen  des 
Blutplasma.“  (K  r  e  h  1,  pathol.  Physiologie,  3.  Aufl.,  S.  509.) 

Auch  v.  Leube  bekennt  sich  zu  dieser  Auffassung,  wenn 
ei  schreibt:  „Wird  das  empfindliche  Glomerulusepithel  bei 
Kreislaufstörungen  durch  mangelhafte  Zufuhr  von  Sauerstoff 
insuffizient  oder  degeneriert  es  gar  bei  Nephritis,  so  sehen  wir 
regelmässig  Eiweiss  im  Harn  auftreten;  bei  dein  Durchtritt  des 
Eiweisses  durch  das  Filter  scheint  die  Art  des  im  Blut  ent- 
üaltenen  Albumins  nicht  gleichgültig  zu  sein  (v.  Leube,  Dia¬ 
gnose  der  inneren  Krankheiten;  7.  Aufl.,  Bd.  I,  S.  444).  ^ 

Die  Ansicht,  dass  unter  Umständen  alles  öder  fast  alles 
im  Nephritikerharn  zur  Ausscheidung  gelangte  Eiweiss  von  den 
kranken  Organen  produziert  werden  könnte,  ist  meines  Wissens 
nirgends  vertreten;  und  doch  ist  dieselbe  zum  mindesten  ebenso 
emleuchtend  wie  die  oben  dargelegte,  allgemein  gangbare. 
xt..  ,  le  Jedes  entzündete  Organ,  wie  die  gereizten  serösen 
ail!eVWxedie  lhrer  Epidermis  beraubte  Kutis  kann  doch  wohl 
auch  die  Niere  ein  eiweisshaltiges  Wundsekret  absondern,  das 
im  allgemeinen  um  so  eiweissreicher  (u.  U.  auch  hämorrhagisch) 
sein  wird,  je  frischer,  intensiver  und  ausgebreiteter  der  patho¬ 
logische  Prozess  ist. 

In  letzter  Linie  entstammt  natürlich  auch  dieses  Eiweiss 
dem  Blute,  seine  Quelle  würde  mit  Unterbindung  der  zuführen¬ 
den  Gefasse  versiegen.  Aber  als  Wundsekret,  als  Exsudat  ist 
es  doch  von  einem  Filtrate  prinzipiell  verschieden. 

Bei  einer  solchen  Genese  wäre  auch  die  Unbeständigkeit 
des  Eiweissquotienten  verständlich,  während  bei  der  Annahme 
eines  mehr  oder  minder  unmittelbaren  Ueberganges  des  Blut- 
eiv  eisses  die  Schwankungen  nur  schwer  erklärbar  sind. 

Die  aufgeworfene  Frage  hat  keineswegs,  wie  zunächst  ver- 
E!u(£,t  weiden  könnte,  nur  theoretisches  Interesse;  angenommen, 
die  Eiw  eisskörper  im  Nephritisharn  stammen  wirklich  aus  dem 
Nierenparenchym,  so  besteht  wahrscheinlich  ein  Unterschied 
zwischen  ihnen  und  jenen,  die  bei  Stauungszuständen,  bei 
Physiologischer  und  orthostatischer  Albuminurie  ausgeschieden 
werden  Q.  Die  Ausarbeitung  einer  Methode  zur  Identifikation 

c  r  ^  Xerskfei,n£;r,Senator:  Die  Krankheiten  der  Nieren.  2.  Aufl. 

6.  „Die  Möglichkeit,  dass  es  (das  Nukleoalbumin)  aus  dem  Blut 

in  den  Harn  gelangt  gleich  dem  anderen  Eiweissarten,  ist 

nicht  von  der  Hand  zu  weisen“. 

^  Auf  die  Filtratnatur  des  Eiweisses  bei  diesen  Zuständen  weist 

schon  die  Abhängigkeit  von  Aenderungen  der  Zirkulation  (wechseln- 

der  Blutdruck,  andere  Stromgeschwindigkeit  etc.)  hin.  Hier  mag 
IS .f^ahnt  ?ein,.  'dass  bekanntlich  die  orthostatischen  und  ver¬ 
wandten  Albuminurien  häufig  durch  das  Auftreten  eines  „eigentüm- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2237 


wäre  also  keine  vergebliche  Mühe,  würde  sie  doch  vielleicht 
die  oft  bestehenden  differentialdiagnostischen  Schwierigkeiten 
aus  dem  Wege  räumen  und  somit  auch  für  unser  therapeutisches 
Handeln  von  Einfluss  sein.  Auf  welchem  Wege  die  skizzierte 
Frage  beantwortet  werden  kann,  muss  einstweilen  dahin¬ 
gestellt  bleiben  3).  Da  ich  durch  äussere  Umstände  zurzeit  nicht 
in  der  Lage  bin  an  ihrer  Lösung  zu  arbeiten,  wollte  ich  mir  er¬ 
lauben,  sie  hier  zur  Diskussion  zu  stellen. 


Die  Spätoperation  bei  Appendizitis. 

Von  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  E.  Meusel  in  Gotha. 

Wenn  ich  in  den  folgenden  Zeilen  behaupte,  dass  die 
Spätoperation  bei  Appendizitis,  wenn  auch  nicht  gute,  doch 
nicht  die  ausserordentlich  ungünstigen  Resultate  hat  wie  viel¬ 
fach  behauptet  und  durch  Veröffentlichung  von  Statistik  belegt 
wird,  so  möge  mir  die  Erklärung  gestattet  sein,  dass  ich  selbst 
ein  Anhänger  der  Frühoperation  bin,  und  die  überlegenen  Er¬ 
folge  der  Frühoperation  selbstverständlich  finde.  Die  Praxis 
zwingt  aber  recht  häufig  zu  Spätoperationen,  weil  es  immer 
noch  Kollegen  gibt,  die  eine  Blinddarmentzündung  erst  spät 
dem  Krankenhause  zuweisen  und  das  Publikum  vielfach  den 
Arzt  erst  recht  spät  zu  Hilfe  ruft,  sodass  es  nicht  in  seiner 
Hand  steht,  für  Früh-  oder  Spätoperation  zu  entscheiden.  Es 
sind  aber  gerade  recht  verspätete  Fälle  gewesen,  welche  un¬ 
serem  Krankenhaus  das  Vertrauen  hiesiger  und  benachbarter 
Kollegen  gewonnen  haben  und  die  mich  veranlassen,  die  Grund¬ 
sätze  zusammenzustellen,  die  in  der  mir  unterstellten  Abteilung 
beobachtet  werden. 

I.  Die  Diagnose  der  eitrigen  Appendizitis  vorausgesetzt, 
wird  festzustellen  gesucht,  ob  es  sich  um  einen  oder  mehrere 
Abszesse  handelt.  An  die  Untersuchung  von  den  Bauchdecken 
aus  schliesst  sich  eine  gründliche  Untersuchung  des  Rektums. 
Es  kommt  vor,  dass  nach  der  Entleerung  des  Eiters  um  den 
Wurmfortsatz  herum  sich  noch  eine  vollständig  abgeschlossene 
Eiterhöhle  der  Nachbarschaft  findet,  im  kleinen  Becken  oder 
auf  der  linken  Seite,  getrennt  von  dem  primären  Abszess.  Sol¬ 
che  Ueberraschungen  müssen  vermieden  werden. 

Ich  halte  die  Darstellung  von  der  sogenannten  allgemeinen 
Peritonitis,  (wie  sie  sich  stets  nach  dem  Durchbruch  des  Wurm¬ 
fortsatzes  mit  jähem  Verlauf  einstellen  soll,  für  sehr  revisions¬ 
bedürftig  und  weit  übertrieben.  Es  handelt  sich  auch  nach  dem 
Durchbruch  meistens  um  Eiterherde,  der  bei  weitem  grössere 
Teil  des  Peritoneums  bleibt  frei  von  jeder  Entzündung.  Der 
letzte  totbringende  Durchbruch  ist  wohl  häufig  der  eines  sol¬ 
chen  Eiterergusses,  bei  dem  das  Peritoneum  nicht  mehr  die 
Kraft  hat  sich  vor  dem  Eiter  zu  schützen  und  eine  allgemeine 
Atonie  eintritt.  Bei  vielen  perforierten  Wurmfortsätzen  habe 
ich  den  Eindruck  gehabt,  dass  der  Durchbruch  schon  lange 
vor  der  Operation  stattgefunden  hat,  meist  lange  vor  den  ge¬ 
fahrdrohenden  Erscheinungen,  die  endlich  zum  Entschluss  ge¬ 
führt  haben. 

II.  Der  Eiter  wird  nur  mit  dem  Tupfer  entfernt.  Ich  be¬ 
diene  mich  auch  bei  tiefen  Eiteransammlungen  des  an  einer 
langen  Zange  befestigten  Tupfers;  es  wird  so  lange  fortge¬ 
tupft  als  noch  eine  erhebliche  Beschmutzung  des  Tupfers  statt¬ 
findet.  Gespült  wird  nie.  Es  ist  natürlich  nicht  möglich,  auf 
diese  Weise  die  Höhle  ganz  vollständig  rein  zu  bekommen, 
indessen  das  schadet  nichts,  sie  reinigt  sich  in  den  folgenden 
Tagen  von  selbst,  jedenfalls  wird  ihr  die  Neigung  genommen, 
sich  in  ein  weiteres  Schlingengewirr  fortzusetzen. 

III.  Die  Hauptsache  ist  eine  gründliche  Tamponade.  Jeder 
Abszess  muss  bis  in  die  äusserste  Spitze  sorgfältig  verfolgt, 
ausgetupft  und  tamponiert  werden.  Ich  führe  mit  einer  langen 
Kornzange  den  Tampon  über  20  cm  in  die  Tiefe,  suche  jede 
Ausbuchtung  gründlich  auszustopfen,  wo  es  notwendig  ist 
werden  zwei,  zuweilen  drei  Tampons  eingeführt.  Bei  jungen 
Leuten  wird  ein  achtfach  gelegter,  über  zweifingerbreiter  Jo¬ 
doformstreifen  benutzt,  bei  älteren  Leuten  sterile  Gaze. 

IV.  Die  Bauchwunde  wird  so  wenig  wie  möglich  genäht, 
nur  in  den  Wu-ndwinkeln,  und  auch  da  wird  sorgfältig  darauf 


liehen,  globulinartigen  Körpers“  gekennzeichnet  sind.  Vergl.  v. 
Noordens  Handbuch  Bd.  I,  S.  1011. 

s)  Vielleicht  lies.se  sich  etwas  auf  dem  Wege  der  organ- 
spezifischen  Reaktionen  erreichen. 


gesehen,  dass  der  Tampon  ja  nicht  gepresst  und  die  Entleerung 
des  Sekretes  behindert  wird.  Die  Tampons  dürfen  nicht  früh¬ 
zeitig  gewechselt  werden.  Ich  lasse  sie  vier  bis  fünf  Tage 
liegen.  Das  Wechseln  der  Tampons  in  den  ersten  drei  Tagen 
ist  für  den  Kranken  ausserordentlich  schmerzhaft.  Die  grossen 
Tampons  lassen  sich  nicht  rasch  entfernen  und  der  Schmerz 
verkürzen,  im  Gegenteil  man  muss  die  langen  Zöpfe  vorsichtig 
entwickeln,  um  etwaige  Verklebungen  nicht  zu  schädigen.  Dazu 
kommt  vor  allem,  dass  es  nie  gelingt  den  neuen  Tampon  wieder 
so  gründlich  zu  lagern  wie  der  erste  gelegen  hat.  Die  Se¬ 
kretion  ist  fast  immer  eine  sehr  reichliche,  und  schon  am  zweiten 
Tag  konstatiert  der  Geruchsinn  eine  bedenkliche  Atmosphäre 
unter  dem  Verband.  Ich  wechsle  dann  nur  die  auf  die  Tam¬ 
pons  aufgelegten  grossen  Verbandstücke,  kürze  die  Tampons 
bis  auf  ein  Weniges  über  die  unterdessen  meist  eingefallenen 
Bauchdecken  und  lege  einen  neuen  grossen  Verband  an.  Die 
Tampons  bleiben  wieder  liegen.  Es  widerstrebt  dieses  lange 
Liegenbleiben  der  Tampons  unserem  aseptischen  Denken,  in¬ 
dessen  die  Erfahrung  lehrt,  dass  es  keinen  Nachteil  bringt,  dass 
die  Peristaltik  des  Darmes  durch  die  Tampons  nicht  behindert 
wird.  Im  Gegenteil  eine  bereits  bestehende  Erschlaffung  wird 
häufig  rasch  behoben.  Es  schadet  nichts,  wenn  der  Tampon, 
ehe  er  eine  Abszesshöhle  ausstopft,  durch  vollkommen  ge¬ 
sundes  Bauchwand-  und  Darmperitoneum  durchgeht.  Es 
kommt  nicht  selten  vor,  dass  man  nach  Eröffung  der  Bauch¬ 
höhle  scheinbar  ganz  gesunde  Eingeweide  zu  sehen  glaubt  und 
erst  in  der  Tiefe  auf  den  gesuchten  Herd  stösst.  In  derselben 
Weise  werden  ja  auch  Eiterungen  der  Tuben  mit  dem  besten 
Erfolg  tamponiert  und  häufig  ist  der  Weg  zwischen  gesundem 
Eingeweide  ein  recht  langer. 

V.  Ein  Nachteil  der,  ich  möchte  sagen,  offenen  Behandlung 
der  Bauchfelleiterung  ist  der,  dass  man  bei  der  Beschränkung 
der  Naht  darauf  verzichtet,  der  Bildung  einer  Hernie  vorzu¬ 
beugen.  Indessen  ist  das  Entstehen  eines  Bruches  auch  bei 
dieser  Behandlung  nicht  die  Regel  und  das,  was  uns  ausschlag¬ 
gebend  in  erster  Linie  bestimmen  muss,  die  Prognose  für  das 
Leben  des  Patienten  und  nicht  die  Frage  einer  Nachoperation. 
Entsteht  wirklich  die  gefürchtete  Hernie,  so  ist  die  Operation 
keine  lebensgefährliche  und  hat  gute  Chancen.  Man  muss  nur 
bei  der  Verschliessung  zuverlässig  gesundes  Muskelgewebe 
auf  gesundes  Muskelgewebe  vernähen.  Man  darf  nicht  den 
Rand  des  Muskels,  der  noch  mit  Narbengewebe  verwachsen 
ist,  benutzen,  sondern  den  wirklich  gesunden  Muskelrand  auf¬ 
suchen.  Die  Naht  des  Peritoneums  ist  bei  weitem  nicht  von 
solcher  Wichtigkeit.  Ich  habe  daran  gedacht,  von  beiden  Sei¬ 
ten  der  Bruchpforte  aus  den  Muskel  aufzusuchen  und  den 
Bruch  extraperitoneal  zu  operieren,  es  ist  mir  aber  nie  ge¬ 
lungen,  in  der  Weise  vorzugehen,  weil  die  Narbe  zu  innig  mit 
dem  Bauchfell  verwachsen  war.  Derartige  Operationen  dür¬ 
fen  nicht  zu  früh  vorgenommen  werden,  weil  bei  einigem  Zu¬ 
warten  oft  ganz  erstaunliche  Verwachsungen  im  Operations¬ 
gebiet  spurlos  verschwunden  sind. 

Unter  den  Todesfällen,  die  ich  zu  verzeichnen  gehabt  Habe, 
hat  die  Sektion  mehrmals  Eiterungen  an  dem  Grunde  der  Leber 
nachgewiesen.  Ein  Fall  ging  14  Tage,  ein  andeier  22  Inge 
nach  der  Operation  zugrunde.  Es  war  mir  nicht  gelungen,  die 
Eiterungen  zu  erkennen  und  der  Tamponade  zugänglich  zu 
machen.  Indessen  haben  mich  gerade  solche  Fälle,  ein  über 
raschend  günstiger  Umschwung  am  ersten  Tag,  ein  leidlicher 
Verlauf  in  der  ersten  Woche,  in  der  Ueberzeugung  bestärkt, 
dass  die  Behandlung  der  mir  zugänglichen  Eiterung  die  rich¬ 
tige  war.  Möglich,  dass  das  Erkennen  einer  solchen  Eiterung 
einem  anderen  Operateur  gelungen  wäre,  möglich,  dass  bei 
fortschreitender  Technik  auch  diese  unheilbringenden  Aus¬ 
läufer  der  Appendizitis  regelmässig  überwunden  werden. 

Ich  darf  hieran  die  Bemerkung  knüpfen,  dass  ich  cs  nicht 
für  richtig  halte,  eine  Eiterung  zu  beseitigen  und  den  oft  recht 
schwer  aufzufindenden,  vielleicht  teilweise  'Zerstörten  Wurm¬ 
fortsatz  einstweilen  nicht  zu  resezieren.  Es  bleiben  ja  gev  issc 
Fälle,  wo  es  unmöglich  ist,  über  alle  Hindernisse  Herr  zu  wer¬ 
den  und  wo  es  nicht  gelingt,  das  Ziel  zu  erreichen.  A  iei  nu 
fortschreitender  Technik  werden  diese  Fälle  immer  seltener. 
Die  Gefahr  für  den  Patienten  wird,  wenn  man  nicht  zu  \  n 
Zeit  bei  dem  Suchen  braucht,  nicht  wesentlich  erhöht  Es  wird 
ihm  aber  eine  zweite  Operation,  zu  der  ihm  dei  Fntsc  1  uss 


2238 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


recht  schwer  fällt,  erspart  und  die  Möglichkeit  eines  Rezidives 
ausgeschlossen. 

\om  1.  I.  1906  bis  1.  VII.  1907  sind  im  Landkrankenhaus 
Gotha  52  Fälle  von  Appendizitis  behandelt  worden.  8  kon¬ 
servativ.  Es  waren  meist  Erkrankungen,  welche  die  Höhe 
schon  überschritten  hatten,  und  der  Genesung  entgegen  gingen, 
oder  leichte  Rezidive  einer  früheren  Perityphlitis.  Sie  wurden 
mit  der  Weisung  entlassen,  sich  regelmässig  vorzustellen  und 
auf  die  mögliche  Notwendigkeit  einer  späteren  Operation  auf¬ 
merksam  gemacht  Die  zweite  Kategorie  betraf  13  Kranke, 
teils  Intervalloperationen,  teils  Frühoperationen  (bis  zum 
dritten  Tag  inklusive).  Bei  einer  solchen  angeblichen  Früh¬ 
operation  war  bereits  Gangrän  des  Prozessus  eingetreten.  Sie 
wurden  alle  geheilt  entlassen. 

31  Spätoperationen  weisen  4  Todesfälle  auf  (1  an  Broncho¬ 
pneumonie  [Alkohol],  2  an  Leberabszessen  und  Pyämie;  1  Fall 
in  extremis  operiert,  starb  bald  nach  der  Operation). 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  St.  Rochus-Hospitals  zu  Mainz 
(Oberarzt:  Dr.  Hans  Curschmann). 

Multiple  Sklerose  oder  Lues  cerebrospinalis? 

Von  Dr.  Kuckro,  Assistenzarzt.  1 

Seitdem  die  Erfahrungen  und  Untersuchungen  zahlreicher 
Autoren  (Oppenheim1),  Strümpell2 *),  J.  Hoff¬ 
man  n  8),  Eduard  Müller4),  Morawitz6),  Hans 
Curschmann*’)  u.  a.)  gezeigt  haben,  dass  die  multiple 
Sklerose  diagnostisch  nicht  allein  durch  den  typischen  Char- 
c  o  t  sehen  Symptomenkomplex  charakterisiert  wird,  sondern 
dass  die  Früh-  und  mittleren  Stadien  des  Leidens  häufig  der 
Charcotschen  Trias  entbehren,  ist  auch  die  Differential¬ 
diagnose  der  multiplen  Sklerose  erweitert  und  erschwert  wor¬ 
den.  In  letzter  Zeit  haben  besonders  E.  M  ü  1 1  e  r,  E  r  b  7),  Hans 
Curschmann  und  v.  0  o  r  d  t 8)  auf  die  nicht  seltene  und 
bisweilen  schwierige  Differentialdiagnose  der  multiplen  Skle¬ 
rose  und  der  Lues  cerebrospinalis  hingewiesen.  Sowohl  in 
dem  bei  beiden  Erkrankungen  so  häufigen  akuten,  apoplekti- 
formen  Beginn  der  Hirnnerven-  und  Extremitätenparesen  wie 
im  weiteren  Verlauf  beider  Erkrankungen  (spastische  Ataxien, 
Blasenstörungen,  Augenmuskellähmungen  etc.)  ähneln  sich  die 
genannten  Zustände  bisweilen  ausserordentlich.  Auch  die  gün¬ 
stige  Reaktion  auf  eine  Hg-  und  Jodkalikur  unterscheidet  die 
Lues  cerebrospinalis  nicht  bindend  von  der  multiplen  Sklerose, 
da  die  letztere  —  propter  hoc  oder  post  hoc  bleibe  dahin¬ 
gestellt  —  wie  auf  viele  andere  medikamentöse  Massnahmen, 
auch  auf  antiluetische  Behandlung  häufig  Besserung  erfährt. 
Die  Schwierigkeit  der  Differentiadiagnose  wächst  dadurch, 
dass  speziell  bei  der  ländlichen  Bevölkerung,  namentlich  bei 
Frauen,  die  Anamnese  auf  Lues  oft  grosse  Schwierigkeiten 
macht.  . 

.  Dass  aber  auch  bei  sicher  beobachteter  vorangegangener 
Syphilis  bei  einem  später  eintretenden  Spinalleiden  die  Differen¬ 
tialdiagnose  zwischen  beiden  genannten  Krankheiten  sehr 
schwer  sein  kann,  beweist  folgender  Fall: 

Pat.  Hans  B..  30  Jahre  alt,  Schneider,  trat  am  17.  Mai  1907  ins 
hiesige  Krankenhaus  ein. 

Anamnese:  Vater  mit  51  Jahren  an  Lungenleiden  gestorben. 
Mutter  mit  49  Jahren  an  Nierenleiden  gestorben.  Von  Geschwistern 
sind  3  gesund,  ein  Bruder  37  Jahre  alt,  nervenleidend,  war  einmal  in 
einer  Heilanstalt  für  Nervenkranke. 

Pat.  hatte  mit  15  Jahren  Lungenspitzenkatarrh,  mit  28  Jahren 
Bluthusten.  Im  Alter  von  20  Jahren  akquirierte  er 
Syphilis,  die  im  städtischen  Kranken  hause  zu 
Frankfurt  (Herxheimer)  behandelt  wurde  mit 
Schmierkur.  Zwei  Jahre  darauf  diente  er  6  Monate  beim 
Militär,  wurde  angeblich  eines  Magenleidens  wegen  entlassen.  1903 
bekam  Pat.  Geschwüre  am  ganzen  Körper,  machte  eine  zweite 
Inunktionskur  durch.  Im  Jahr  1905  bemerkte  Pat.  ziemlich  plötzlich 


')  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten.  1904. 

2)  Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie,  1907. 

A  J.  Hoffman  n:  D.  Zeitschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  31. 

4)  Die  multiple  Sklerose.  Jena  1904. 

s)  D.  Archiv  f.  klin.  Medizin.  1904. 

6)  Hans  Curschmann:  Med.  Klinik,  1906,  No.  36. 

')  W.  E  r  b  -  Baden-Baden:  Versammlung  südwestdeutscher 
Neurologen.  1907. 

Ä)  v.  Oordt:  Neurologenversammlung,  Baden-Baden  1907. 


Schwäche  in  den  Beinen,  heftige  Kopfschmerzen  und  Schwindelgefühl 
kalte  rüsse  und  Kniee.  Das  Gefühl  in  ihnen  war  taub.  Pat.  konnte  nicht 
mehr  gehen  und  stehen.  Er  wurde  im  Landkrankenhaus  Kassel  11 
.  ocben  lang  behandelt,  machte  eine  III.  Schmierkur  durch,  erhielt 
mnei  lieh  Jodkali.  Darauf  war  er  wieder  vollkommen  gesund  und  arbeits¬ 
fähig  bis  zum  17.  Mai  ds.  Jrs.  Pat.  wollte  auf  Arbeit  gehen,  konnte 
jedoch  plötzlich  nicht  mehr  gehen,  hatte  Schwindelgefühl  und  Häm¬ 
mern  im  Kopf,  taumelte  und  kam  sich  vor  „als  wäre  er  betrunken“ 
Status  praesens:  17.  V.  07.  Kleiner  Patient  in  mittlerem 
Li  nahrungszustand,  mässig  entwickelte  Muskulatur.  Sensorium  frei 
Pat.,  sehr  aufgeregt,  hat  starken  Tremor  der  Hände. 

1  horax;  flach,  wird  symmetrisch  bewegt.  Lungengrenzen  an 
normaler  Stelle,  nirgends  Dämpfung.  Ueber  rechter  Spitze  etwas 
unbestimmtes  Atmen,  sonst  überall  Vesikuläratmen. 

und  äquaV2'  ^renzen  n*cbt  verbreitert.  Töne  rein,  Aktion  regulär 
Abdomen:  ohne  Befund. 


fNervenstatus:  Hirn  nerven:  I.  O  1  f  a  k  t  o  r  i  u  s  rechterseits 
st.ii ke  Herabsetzung,  fast  Aufgehobensein  der  Geruchsempfindung. 

II.  Optikus  (Untersuchung  der  Augen  durch  Herrn  Dr.  De- 
te,rJyj  ”Rei  normaler  Sehschärfe  ist  eine  starke  Abweichung  des 
ophthalmoskopischen  Befundes  von  der  Norm  nicht  festzustellen  (viel- 
leicht  eine  geringe  temporale  Abblassung  der  Papillen).  Das  Gesichts¬ 
feld  hingegen  war  bei  mehreren  Untersuchungen  oben  stets  ein¬ 
geengt,  wenn  auch  mit  schwankenden  Grenzen.  Auffallend  und  sicher 
festzustellen  sind  die  Farbenskotome  für  kleine  Farbenobjekte  (Rot 
und  Blau  wurde  benutzt). 

p  Rechts:  Einengung  des  Gesichtsfeldes  nach  oben  und  zentrales 
Farbenskotom  für  kleine  Objekte  (geprüft  mit  Rot). 

w  .  LlnJ[s:  Ebenfalls  Einengung  des  Gesichtsfeldes  nach  oben  für 
Weiss  und  sektorenförmiges  Skotom  für  Farben  und  Abblassung  an 
dies  er  S  te  He  auch  für  Weiss  bei  kleiner  Objektgrösse 

III.  O  k  u  1  o  m  o  t  o  r  i  u  s  und  IV.  T  r  o  c  h  1  e  a  r  i  s  beiderseits  in¬ 
takt,  geringer  Nystagmus. 

Y'.J  fige  minus:  auf  rechter  Seite  verminderte  Empfindungs- 

m,chkOhrlnl,nSrfnven  ,miit  5er  charakteristischen  Begrenzung 

nach  Ohr  und  Kinn  hin,  linker  Trigeminus  und  motor.  Nervus  V 
links  und  rechts  intakt. 

VI.  Abduzens:  beiderseits  gut. 

VII.  Fazialis:  auf  rechter  Seite  Fehlen  der 
empfindung  für  alle  vier  Qualitäten  auf  allen  Teilen  der 
Fazialis  gut. 

VIILAkustikus:  etwas  geringere  Hörfähigkeit  rechts, 
ix.  u  1  o  s  s  o  p  h  a  r  y  n  g  e  u  s:  s.  o.  Geschmack, 
y,'  \  a  ^  u  s  •  X.  Akzessorius  und  H  y  ip  o  g  1  o 
Motilität:  Gang  spastisch-ataktisch,  rechts 
T1 Sv  at-  taumeIt  wie  ein  Betrunkener,  bei  Lidschluss  Schwanken. 
StönmlenüTa  deutll£,he  objektive  und  subjektive  koordinatorische 
Kraft  Hg6”  der  rechten  Hand  mit  geringer  Herabsetzung  der  groben 

SenSiyibÄ1!,- dt:  Pat'  hat  auf  der  ganzen  rechten  Körperhälfte 
hfimif  In n  MA  te!h+n‘e  ab  eine  gleich-massige  Herabsetzung  der  Sensi- 
fin dimer3  C'  emPfmdet  spitz  als  halbstumpf,  taube  Emp- 

namentlich  in  rechter  Hand;  keine  besondere  Störung  der 
Stereognosie  und  des  Lagegefühls. 

a  ,  .,y  e  f  [ e  x  e:,,  Patellarreflexe  beiderseits  stark  gesteigert,  ebenso 
Achillessehnenreflexe;  Reflexe  der  O.E.  R  L  gesteigert  Bahinsk 
beiderseits  positiv,  R  e  m  a  k  sehe  Zeichen  positiv 

vöinrcll<ieckenreflexe  fehlen  auf  ‘,eiden  Seiten 
c  .  eI-e  n:.  ganz  'eichte  Blasenstörungen  (Detrusor- 

schwache),  Potentia  virilis  herabgesetzt. 

Vo  Lu  mb  al  punktion:  ergibt  wasserklare  Flüssigkeit,  keine 
TytoTe^11112  d6S  Elweisssehaltes,  keine  Lympho- 

p .. .  Tlln'i,aJDie:J,Be,ttruhe'  Inunktionskur  und  Jodkali,  warme 
Bader.  Bald  darauf  bedeutende  Besserung,  so  dass  Pat.  am  27.  Mai  auf 
eigenen  Wunsch  das  Spital  verlässt.  Gang  war  bedeutend  weniger 
ataktisch,  flott  und  rasch.  Allgemeinbefinden  gut. 

^  ,  Doch  bereits  am  Abend  des  27.  V.  wird  Pat.  wieder  ins  Spital 

p6  t  Ir?+  de.mselben  hilflosen  Zustand,  mit  hochgradig  gestörter 
Gehfahigkeit  wie  zum  erstenmal.  s 

er  die,  °bfn  angegebene  Kur  durchgemacht,  wird 

ei  am  7.  Juli  1907  sehr  erheblich  gebessert  entlassen. 


Geschmacks- 
Zunge,  sonst 


ssus  gut. 
stärker  als 


,  Epikrise:  Es  handelt  sich  also  um  einen  jungen  Men- 
sehen,  bei  dem  8  Jahre  nach  einer  genau  klinisch  beobachteten 
und  behandelten  Syphilis  eine  akute  paretische  und  koordina- 
orische  Stöiung  beider  Beine  mit  Blasenschwäche  aufgetreten 
war  und  sich  dann  langsam  verschlimmert  hatte. 

Es  finden  sich  kurz  folgende  Symptome:  spastisch-atak- 
tische  Parese  der  Beine,  Reflexsteigerung  mit  Babinski,  Fehlen 
ei  Bauchdeckenreflexe,  normale  Pupillenphänomene,  Hemi- 
hypaesthesia  dextra  mit  Koordinationsstörung  der  rechten 
and,  halbseitige  (rechts)  Hypogeusie,  Hyposmie  und  Hyp- 
akusis,  dabei  temporale  Abblassung  der  Papillen,  rechts  ein 
zentrales  Farbenskotom,  links  ein  sektorenförmiges  Skotom. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2239 


Bei  Hg  und  Rai.  jodat.-Behandlung  und  Ruhe  in  wenigen  Tagen 
Besserung  bis  zu  fast  normalem  Gang,  die  aber  nach  kurzer 
Ermüdung  sofort  wieder  einer  hochgradigen  spastisch-atak¬ 
tischen  Parese  Platz  macht.  Im  Liquor  cerebrospinalis  keine 
Vermehrung  des  Albumens,  keine  Lymphozytose,  übeihaupt 
keine  Zellen.  Gröbere  psychische  Symptome  fehlen;  ebenso 
keine  Zeichen  einer  hysterischen  Psyche. 

Die  Diagnose  musste  anfangs  im  Hinblick  auf  die 
vorausgegangene  Lues  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  aut 
eine  luetische  Zerebrospinalerkrankung  gestellt  werden.  Unter 
dieser  Diagnose  war  der  Patient  auch  bei  seiner  ersten  Ei- 
krankung  behandelt  worden.  Der  akute,  fast  apoplektiforme 
Beginn  einige  Jahre  nach  den  letzten  Sekundärerschemungen 
wird  ja  als  typisch  für  die  spinale  Lues  betrachtet,  auch  die 
heftigen  Kopfschmerzen,  den  Schwindel  und  andere  zerebrale 
Erscheinungen  finden  wir  meist  als  Ausdruck  der  Mitbeteih- 
gung  der  Meningen  als  Initialsymptom  der  Syphilis  der  Zentral¬ 
nervensystems.  Aber  auch  die  multiple  Sklerose  pflegt  oft  der¬ 
artig  apoplektiform  einzusetzen;  die  akute,  ataktische  bara- 
parese  ist  sogar  eines  der  häufigsten  Ereignisse  der  Früh- 
formen  dieser  Leidens.  Auch  Schmerzen  mannigfacher  Art  of 
neuralgischen  Charakters,  sind,  wie  fc.  M  u  1 1  er  mb  Recht 
in  einer  seiner  letzten  Publikationen  über  die  multiple  Sklerose 
hervorgehoben  hat,  als  Frühsymptom  lange  vor  Ausbiuch  des 
typischen  Leidens  nicht  ganz  selten.  Heftige  Kopfschmerzen 
Schwindel  und  andere  Zerebralerscheinungen  werd,e+n,bel,^[ 
akuten  Exazerbationen  des  Leidens  zumeist  beobachtet.  Auch 
die  initialen  Schmerzen  können  wir  darum  nicht  gegen 
multiple  Sklerose  und  für  die  Lues  spinahs  diagnostisch  ver¬ 
werten.  Der  Verlauf  in  rasch  verlaufenden  S^h+uben  ,und|an^fn 
Remissionen  ist  ebenfalls,  wie  schon  bemerkt,  beiden  Kran^; 
heiten  gemeinsam,  wenn  auch  betont  werden  muss,  das 
überraschend  schnellen  Besserungen,  z.  B.  der  Gehstonmg, 
wie  sie  übermüdete,  schlecht  genährte  Sklerotiker  im  Kranken¬ 
haus  in  den  ersten  Tagen  so  oft  zeigen,  fast  pathognomomsch 
für  die  multiple  Sklerose  zu  sein  scheinen. 

Die  objektiven  Störungen  der  Sehnemeflexe  der  M 
tilität  und  der  Sphinkteren  (s.  o.)  konnten  ebenfalls  in  unserem 
Fall  die  Differentialdiagnose  absolut  nicht  entscheiden,  sie 
können  genau  so  gut  zur  multiplen (  Sklerose  wie_ zur  Kues  cere¬ 
brospinalis  passen.  Dass  schliesslich  auch  der  Erfo  g  der  anti- 
luetischen  Behandlung  in  derartigen  Fällen  diagnostisch  nichts 
beweist  wurde  schon  erwähnt  und  begiiindet. 

Und  doch  neigten  wir  uns  mehr  zur  Diagnose  der  mu  - 

ÜP  CDie  sogenannten  Kardinalsymptome  der  multiplen  Sklerose, 
skandierende  Sprache,  Intentionstremor,  Zwangsaffekte  und 
gröberer  Nystagmus  fehlten  ja  allerdings.  Wir  wissen  aber 
aus  den  Erfahrungen  der  eingangs  erwähnten  ^utoren’dpaS^11e 
fast  durchwegs  Erscheinungen  der  spateren  Stadien  der  mul¬ 
tiplen  Sklerose  darstellen  und  in  früheren  Stadien  recht  häufig 
fehlen.  Dafür  bot  unser  Patient  eine  Reihe  anderer  Symptom 
die  in  den  früheren  und  mittleren  Stadien  überaus  häufig  sind 
und  jetzt  als  pathognomonisch  angesehen  werden  müssen  D  i  e 
geringe  temporale  A b  b  1  a  s  s  u  n  g  de  r  Papi  1 

undeinzentralesSkotom,  zwarnichtfi 

aber  doch  für  Farbe  (Rot  und  Grün).  ) 

U  h  t  h  o  f  f  und  neuerdings  Fleischer  haben  beobachtet 
dass  auch  zentrale  Farbenskotome  bei  multipler  Sklerose  ment 

Weiter  spricht  das  beständige  Fehlen  sämtlicher  Baucli- 
deckenreflexe  für  die  multiple  Sklerose.  Auf  das  letztere 
Symptom  hat  als  überaus  charakteristisch  für  die  mult  p 
Sklerose  aller  Stadien  Strümpell  mit  Recht  hingewiesen, 
seine  Beobachtungen  sind  dann  auch  von  den  meisten  Amoien 
vollauf  bestätigt  worden.  Ueber  das  Verhalten  der  Baue  - 
decken reflexe  bei  spinaler  Lues  verschiedener  Art  fehlen  alle  - 
dings,  wie  es  bei  der  relativen  Seltenheit  dieses  Leidens  natür¬ 
lich  ist,  ausgedehntere  Erfahrungen.  Nur  eines  scheint  sicnei, 

9)  Bei  zerebrospinaler  Lues  sind  die  in  vorkommenden  Pa- 
pillenveränderungen  (Uhthoff)  meist  keine  temporalen  Abblas¬ 
sungen.  Auch  die  Störungen  des  Gesichtsfeldes  sind  grösstenteils 
keine  zentralen  Skotome,  sondern  hemianopische  o^r  ganz  ■ uniegei- 
mässig  begrenzte  Ausfallserscheinungen.  (W.  Uthoff-Grafes  Archiv, 
Bd.  39  u.  40.) 


dass  der  Verlust  dieser  Reflexe  hier  nicht  die  Regel  darstellt, 
wie  bei  der  multiplen  Sklerose.  Bei  Fällen  von  syphilitischer 
spastischer  Spinalparalyse  sind  jedenfalls  diese  Reflexe  meist 
erhalten. 

Ein  weiteres,  in  Verbindung  mit  den  beiden  obigen  Sym¬ 
ptomen  wesentlich  für  die  multiple  Sklerose  sprechendes  Sym¬ 
ptom,  ist  das  Fehlen  der  Lymphozytose  und  der 
Eiweissvermehrung  des  Liquor  cerebrospi¬ 
nalis.  Nun  ist  zwar  einerseits  nach  den  Erfahrungen  der 
Erb  sehen  Schule  die  Lymphozytose  des  Liquor  bei  echt 
syphilitischen  Erkrankungen  des  Rückenmarks  nicht 
derartig  konstant,  wie  bei  den  metasyphilitischen 
(Tabes,  Paralyse),  und  andererseits  ist  Lymphozytose  der 
Rückenmarksflüssigkeit  auch  bisweilen  bei  multipler  Skleiose 
beobachtet  worden  (Carrier  e,  Schönborn,  Hans 
Curschmann  u.  a.).  Aber  es  ist  doch  daran  festzuhalten, 
dass  der  negative  Befund  des  Liquor  cerebrospinalis  weit  mein 
für  die  multiple  Sklerose,  als  für  die  allermeist  mit  men  in - 
gitischen  Prozessen  einhergehende  Lues  cerebrospinalis  spricht. 

Schliesslich  erübrigen  sich  noch  einige  kurze  Bemer¬ 
kungen  über  die  halbseitigen  sensiblen  und  sensorischen  Aus¬ 
fallserscheinungen  des  Patienten.  A  priori  möchte  man  geneigt 
sein,  eine  derartige  gleichförmige  sensorische  und  sensible  Sto¬ 
rung  für  hysterisch  zu  halten.  Dagegen  ist  abei  zu  bedenken, 
dass  solche  sensibel-sensorische  Hypästhesien  gerade  bei 
multiplen  Sklerosen  mit  hemiplegischen  Erscheinungen  bis¬ 
weilen  Vorkommen.  Diese  Störungen  lassen  sich,  wie 
O.  Gau  pp10)  aus  der  medizinischen  Klinik  in  Tübingen  un¬ 
längst  in  2  typischen  Fällen  mitgeteilt  hat,  als  sicher  organisch 
bedingt  nachweisen.  Auch  ist  zu  bedenken,  dass  wir  ei 
unserem  Patienten  wohl  eine  Mischung  leicht  hemiplegischer 
Erscheinungen  mit  paraplegischen  annehmen  können  (vergl.  die 
leichten  koordinatorischen  und  spastischen  Storungen  des  rec  h¬ 
ten  Armes  und  die  stärkeren  Spasmen  des  rechten  Rems), 
fehlte  allerdings  dieser  Hemihypästhesie  die  bei  zerebralen  Ge¬ 
fühlsstörungen  so  häufige  Dissoziation  der  Storung  < 1  Hh*  e£n 
meist  zu  beobachtendes  starkes  Ueberwtegen  der  Herab¬ 
setzung  des  Tiefengefühls  und  der  Stereognosie.  Dass  aber 
zerebrale  Sensibilitätsdefekte  je  nach  dem  Ort  ihres  sie  ver¬ 
ursachenden  Herdes  sehr  verschiedene  Formen  .“"uäTen 
können,  dass  auch  gleichförmige  und  nach  den  Extremitäten 
enden  gleichmässig  zunehmende  Hemihypasthesien  Vor¬ 
kommen  könn^  ,  zeigen  die  zahlreichen  Beobachtungen  von 
Fr  Müller  u),  Sandberg 12),  O.  G  a  u  p  P  u.  a. 

Wir  möchten  zwar  die  Fragen  der  hysterischen  oder  orga¬ 
nischen  Sensibilitätsstörung  nicht  entscheiden,  neigen 
doch  mehr  zur  Annahme  einer  letzteren. 

Alles  in  allem  möchte  ich  nochmals  betonen,  dass  unser 
Fall  wieder  einmal  recht  deutlich  zeigt,  wie  ausserordentlich 
schwierig  manchmal  unlöslich  die  Differentialdiagnose  Lues 
cerebrospinalis  und  multiple  Sklerose  ist.  Er  scheint  mir  aber 
auch  darauf  hinzuweisen,  die  Diagnose  der  spinalen  Lu«  t  r 
vitam  die  zweifellos  zu  häufig  gestellt  wird  stets  rec"!  ein 
gehend  nach  der  Seite  der  multiplen  Sklerose  hin  zu  revidieien. 

Protrahierte  Inkubationszeit  bei  Vakzine. 

Folgender  von  mir  beobachtete  Fall  dürfte  für  die  Herren  Kollegen 

von  Interesse  sein.  24  ^  od  ist  von  mir  am 

Das  Kind  Elise  Johanne  5.,  sebden^-  ^  ^ 

10‘  ?.•  Vh  SChd^  ich  feststellte,  dass 

mir  die  Mutter  das  Kind  zur  Nacnscna  ,  nder  Knötchen  war  an 

den 'Setwstellen  z^sehln  nicht  die  geringste  Reizung  der  Hant 

wahrzunehmen.  ^  (e  die  Mutter  an^ner  der  S^nittstelkn 

iÄalw**1  »i>‘.  lch  eins  ent- 

wickelte  Impfpustel  fest.  ,dass  die  Inkubation  nicht 

Die  Impfung  war  somit  von  »  ™  ,aass  33  ^  ^ 

wie  normal  3  Tage,  sondern  13  Tage,  vom 
dauert  hatte. 

10)  0.  Gau  dp:  Inaug.-Diss.,  Tübingen  1906.  4/1905. 

%  S  a^vdb^e  r  g:  D^'Zeitschr^0 Nervenkrankheiten,  1906,  Bd.  30. 

3—4  Hefte. 


2240 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


Bemerken  muss  ich  noch,  dass  die  Lymphe  aus  dem  Kgl.  Impf- 
Institute  in  Dresden  stammte  und  dass  ich  aus  demselben  Haarröhr¬ 
chen,  aus  dem  ich  die  Lymphe  zur  Impfung  dieses  Kindes  entnommen 
hatte,  2  'I  age  später,  am  12.  IX.  07,  dieselbe  Lymphe  zur  Impfung  des 
Knaben  Ernst  Wolfgang  Wilhelm  0.,  geb.  den  27.  I.  06  nahm,  und 
dass  sich  bei  diesem  Knaben  bei  der  Nachschau  am  19.  IX.  07  gut  ent¬ 
wickelte  Impfpusteln  an  allen  4  Impfstellen  zeigten. 

Plauen  i.  V.,  September  1907.  Dr.  Simon. 


Die  Vorbeugung  der  Myopie. 

Notiz  von  Kreisarzt  Dr.  Berger  in  Krefeld. 

Es  ist  bekannt,  dass  man  beim  Aufenthalt  an  der  See  oder  im  Ge¬ 
birge  besser  zu  sehen  glaubt,  als  vorher,  wenn  man  kurzsichtig  ist. 
Ueber  die  Begründung  dieser  Wahrnehmung  brauche  ich  keine  Worte 
zu  verlieren. 

Ich  schickte  nun  in  diesem  Jahre  einen  14  Jahre  alten  kräftigen 
Jungen,  der  gern  Offizier  werden  will,  aber  dessen  Sehschärfe  auf 
beiden  Augen  auf  14  heruntergegangen  war,  6  Wochen  nach  Borkum. 
Nach  seiner  Rückkehr  stellte  ich  2ls  Sehschärfe  fest,  er  bestätigte  mir. 
dass  es  auch  ihm  in  Borkum  so  vorgekommen  sei,  als  ob  er  besser 
sähe. 

Die  Beobachtung  zeigt,  dass  wir  es  bei  der  im  jugendlichen  Alter 
einsetzenden  Myopie  nicht  mit  einem  irreparablen  Uebel  zu  tun  haben, 
sondern  dass  bei  geeigneter  Behandlung  Besserung  möglich  ist.  Ein 
entsprechendes  Verhalten  nach  Rückkehr  in  die  alten  Verhältnisse 
wird  eine  neue  Verschlechterung  verhindern  müssen.  Die  im  labilen 
Gleichgewicht  befindliche  Linse  kommt  offenbar  zuerst  in  eine  Art 
Krampfzustand,  der  noch  korrigierbar  ist,  der  aber  nicht  korrigiert 
zu  dauernden  Verhältnissen  führt. 

Ich  empfehle  die  Prophylaxe  einer  besonderen  Beachtung  aller 
beteiligten  Kreise,  nicht  zum  geringsten  der  Schulhygieniker. 


Schmerz  und  Blutdruck. 

Bemerkungen  zudem  Artikel  von  Dr.  Hans  Curschmann 
in  No.  42  dieser  Wochenschrift. 

Von  Dr.  H.  Beuttenmüller,  z.  Z.  Volontärarzt  der  II. 
Medizinischen  Klinik  Berlin. 

Herr  Curschmann  berichtet  über  Untersuchung  des  Blut¬ 
drucks  bei  schmerzhaften  Reizen. 

Er  scheint  übersehen  zu  haben,  dass  vor  mehreren  Jahren  aus 
dem  med.ddinischen  Institut  der  Universität  München  2  Arbeiten  er¬ 
schienen  sind,  deren  Fragestellung  sich  mit  der  seinigen  vollkommen 
deckt.  Anders  ist  dies  allerdings  mit  den  Ergebnissen. 

Ich  habe  1903  unter  Prof.  Sittmann  über  den  Zusammenhang 
zwischen  Blutdruck  und  Schmerzempfindung  Untersuchungen  ange¬ 
stellt1).  Dabei  habe  ich  speziell  auch  das  Verhalten  des  Blutdrucks 
geprüft  bei  Reizung  von  funktionell  und  organisch  anästhetischen 
Hautstellen.  Als  Schmerzreiz  benützte  ich  ebenfalls  den  faradischen 
£  trom,  jedoch  in  höherer  Intensität  als  Curschmann;  die  Appli¬ 
kation  geschah  mit  der  Erb  sehen  Elektrode. 

Entsprechend  dem  stärkeren  Schmerzreiz  erhielt  ich  auch  wesent¬ 
lich  höhere  Blutdrucksteigerung:  bei  Gesunden  durchschnittlich 
ca.  20  mm  Riva-Rocci  (Curschmann  fand  10  mm).  Bei  Reizung 
organisch  anästhetischer  Stellen  zeigte  sich  natürlich  keinerlei  Be¬ 
einflussung  des  Blutdrucks. 

Dagegen  und  hier  stehen  meine  Erfahrungen  denen 
C  ursch  mann  s  gegenüber  —  zeigten  die  sämtlichen  hysterischen 
Anästhesien  (resp.  An-  oder  Hypalgesien)  bis  auf  einen  Fall  eine 
ziemlich  normale  Empfindlichkeit  gegenüber  dem  starken  faradischen 
Schmerzreiz  und  eine  deutliche  Blutdrucksteigerung.  Der  eine  Fall, 
den  ich  soeben  ausnahm,  eine  totale  Hemianästhesie  für  alle  Quali- 
täten,  empfand  bei  starker  Faradisation  auf  der  anästhetischen  Seite 
nicht  den  geringsten  Schmerz,  reagierte  aber  mit  einer  Blutdruck¬ 
steigerung  von  20  mm  wie  wir  sie  durch  Reizung  der  normal  emp¬ 
findenden  Seite  ebenfalls  auslösen  konnten. 

H  e  n  n  e  r,  der  im  Anschluss  an  meine  Arbeit  die  Frage  der  funk¬ 
tionellen  Anästhesien  nochmals  aufnahm2),  benützte  als  .Schmerzreiz 
das  starke  Kneifen  einer  Hautfalte,  da  auch  er  die  auffallende  Empfind- 
ichkeit  der  funktionellen  Anästhesien  gegen  starke  faradische  Reize 
beobachtet  hatte.  Er  erhielt  bei  Gesunden  ebenfalls  deutliche  Blut- 
drucksteigerungen,  wenn  auch  etwas  niedrigere  Ausschläge,  als  ich 
bei  meinen  faradischen  Reizen. 

Bei  seinen  8  Fällen  von  hysterischer  Anästhesie  fand  sich  auf 
starken  mechanischen  Reiz  eine  ausgesprochene  Erhebung  des  Blut- 

hätten  ^  dl€  Patl€nten  Schmerz  bei  der  Reizung  verspürt 

Auf  Grund  seiner  Beobachtungen  kommt  Henner  zu  dem 
Schlüsse,  dass  zur  Blutdrucksteigerung  durch  einen  schmerzhaften 

D  Ueber  den  Zusammenhang  zwischen  Blutdruck  und  Schmerz¬ 
empfindung.  Inaug.-Diss.,  München  1903. 

-)  Klinischer  Beitrag  zur  reflektorischen  Erregung  der  Gefäss- 
inuskeln.  Inaug.-Diss.,  München  1904. 


Reiz  die  Empfindung  des  Reizes  nicht  erforderlich  sei;  dies  deckt  sich 
mit  den  im  Tierexperiment  gewonnenen  Resultaten. 

Aus  unseren  Arbeiten  geht  nun  hervor,  dass  die  organischen  und 
funktionellen  Störungen  des  Hautsinns  bei  schmerzhaften  Reizen  sich 
nicht  gleich  verhalten,  sondern  dass  bei  starker  Reizung  hysterisch 
anästhetischer  Stellen  eine  Beeinflussung  des  Blutdrucks  auftritt. 
Nach  den  landläufigen  Begriffen  dürften  sich  unsere  Ergebnisse  eher 
für  die  .1  a  n  e  t  sehe  Theorie  einer  Amnesie  des  Gefühls  bei  den 
Hysterischen,  als  für  die  von  Curschmann  angenommene  gröbere 
Störung  verwerten  lassen,  sofern  man  aus  diesen  Beobachtungen 
überhaupt  solche  Schlüsse  ziehen  kann. 

Unter  diesen  Umständen  möchte  ich  auch  nicht  allzusehr  Zu¬ 
raten  zur  Benützung  des  neuen  „Curschmann  sehen  Symptoms“ 
bei  der  Differentialdiagnose  zwischen  Simulation  und  traumatischer 
flysterie.  Denn  ich  fürchte,  dass  dann  öfters  ein  traumatischer  Hyste¬ 
riker  zu  Unrecht  als  Simulant  behandelt  würde. 

Dagegen  möchte  ich  nochmals  hinweisen  auf  die  von  uns  be¬ 
obachtete  Empfindlichkeit  der  Hysterisch-Analgetischen  gegenüber 
starken  faradischen  Reizen.  Ich  glaube,  dass  man  diese  Erscheinung 
verwenden  kann  zur  Differentialdiagnose  der  funktionellen  und  orga¬ 
nischen  Anästhesien.  Bei  einem  starken  faradischen  Reize  mit  der 
Erb  sehen  Elektrode  (ca.  20 — 30  mm  Rollenabstand)  haben  wir  stets 
eine  Blutdrucksteigerung,  in  den  meisten  Fällen  auch  lebhafte 
Schmerzäusserungen  beobachtet.  Bei  organischer  Analgesie  dürfte 
dies  wohl  niemals  Vorkommen. 


Antwort  auf  di  e  obigen  Bemerkungen  des  Dr. 

H.  Beuttenmüller. 

Von  Oberarzt  Dr.  Hans  Curschmann  -Mainz. 

Auf  die  obigen  Bemerkungen  des  Herrn  Beuttenmüller 
möchte  ich  folgendes  erwidern:  Die  Tatsache,  dass  ich,  ebenso  wie 
die  andern  in  der  letzten  Zeit  unser  Thema  bearbeitenden  Autoren 
(Rumpf,  Bing)  die  Veröffentlichungen  der  Herren  Beutten¬ 
müller  und  Henner  übersehen  habe,  wird  wohl  dadurch  einiger- 
massen  entschuldigt,  dass  diese  Arbeiten  nur  als  Inaugural-Disser- 
tationen  —  also  für  die  Zentralblätter  und  Jahresberichte  zumeist 
„unter  Ausschluss  der  Oeffentlichkeit“  —  erschienen  sind. 

Was  die  sachlichen  Ausstellungen  des  Herrn  Beuttenmüller 
anbetrifft,  so  erwidere  ich  folgendes: 

I.  Ich  halte  faradische  Schmerzreize  des  hohen  Grades,  wie  sie 
Beuttenmüller  anwandte  (20—30  mm  R.  A.)  schon  zur  Fest¬ 
stellung  der  Blutdruckreaktion  normal  empfindender  Menschen, 
für  inopportun,  da  so  die  reine  Schmerz  Steigerung  des  Blut¬ 
drucks  durch  zwei  weitere  blutdrucksteigernde  Momente  gestört  und 
verwischt  wird:  1.  durch  die  erheblicheren  tetanischen  Muskelkon¬ 
traktionen  und  2.  durch  die  beträchtliche,  auf  solch  maximale  Schmerz¬ 
reize  selten  ausbleibende  Alteration  der  Atmung  (zuerst  Atemstill¬ 
stand.  dann  meist  Tachypnoe). 

II.  Erklären  die  übermässig  starken  Ströme,  die  Beutten¬ 
müller  im  Gegensatz  zu  mir  anwandte,  die  Differenz  unserer  Be¬ 
funde  bei  Hysterischen.  Es  ist  nicht  erst  durch  die  Doktorarbeiten 
der  Herren  Beuttenmüller  und  Henner,  sondern  schon  seit 
Dezennien  jedem  Neurologen  bekannt,  wie  stark  maximale  Ströme 
auf  die  Analgesen  Hysterischer  wirken  und  dass  sie  diese  Gefühls¬ 
störungen  nicht  selten  momentan  beseitigen.  Wenn  Herr 
Beuttenmüller  nun  biologische  Eigenschaften 
einer  pathologischen  körperlichen  Funktion  stu¬ 
dieren  wollte,  so  war  es  natürlich  nicht  empfeh¬ 
lenswert,  diesen  labile  n,  psychogenen  Prozess 
dabei  zu  zerstören  (wenn  auch  nur  für  Momente). 

Das  hat  Herr  Beuttenmüller  durch  seine  maximalen  fara¬ 
dischen  Ströme  aber  getan.  Deshalb  gaben  seine  hysterischen  Ver¬ 
suchspersonen  auch  den  faradischen  Reiz  als  schmerzhaft,  resp.  als 
Empfindung  an,  während  die  meinigen  bei  dem  weit  schwächeren  Reiz, 
der  die  Analgesie  noch  nicht  tangierte,  noch  nicht  „durchdrang“,  eine 
Schmerzempfindung  weder  in  Worten,  noch  mimisch  äusserten.  Die 
Differenz  der  Versuchsanordnung  bedingte  also,  wie  schon  bemerkt 
die  Differenz  unserer  Resultate;  ich  betone  hierzu  noch,  dass  ich  die¬ 
jenige  des  Herrn  Beuttenmüller  für  die  gröbere,  die  von  mir 
in  meiner  Arbeit  geschilderten  Fehlerquellen  weniger  berück¬ 
sichtigende  halte  und  dementsprechend  seine  Resultate  bewerte. 

Im  übrigen  weise  ich  nochmals  darauf  hin,  dass  mein  Befund  — 
die  vasomotorische  Areflexie  bei  Schmerzreizen  —  völlig  zu  dem 
häufigen  Erlöschen  anderer  subkortikaler  Funktionen,  der  sen¬ 
siblen  R  e  f  1  e  x  e  im  Gebiet  hysterischer  Anästhesien  (P  i  t  r  e  s, 
Redlich,  V  e  r  f.)  stimmt. 

Was  die  Warnung  des  Herrn  Beuttenmüller  gegenüber 
■der  Anwendung  des  „Curschmann  sehen  Symptom“  zur  Diffe- 
i  entialdiagnose  der  Simulation  und  Hysterie  anbetrifft,  so  scheint  sie 
mir  für  den  einsichtigen  Leser  recht  überflüssig.  Es  ist  wohl  nichts 
selbstverständlicher,  als  dass  ich  nur  den  positiven  Ausfall  des 
Symptoms  (also  das  Ausbleiben  der  Schmerzsteigerung  des  Blut- 
diucks)  für  die  Diagnose  der  hysterischen  Störung  (nach  Aus¬ 
schluss  der  organischen)  verwertet  wissen  wollte,  während  der  nega- 
tive  Ausfall  (das  Auftreten  der  Steigerung)  natürlich  nicht  sicher  f  ii  r 
die  Simulation  und  gegen  die  Hysterie  verwendet  werden  kann. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2241 


III.  Die  Bemerkung,  dass  das  Tierexperiment  ebenfalls  bewiesen 
habe,  dass  die  Empfindung  des  Reizes  zur  Blutdrucksteigerung 
nicht  erforderlich  sei,  ist  —  so  allgemein  ausgesprochen  —  un¬ 
richtig.  Griitzner  und  Heiden hain  nahmen  vielmehr  die 
Schmerz  e  m  p  f  in  du  n  g  als  das  Wesentliche  an. 

Ausserdem  ist  durch  Analogien  die  starke  Einwirkung  nicht  nur 
des  Reizes  an  sich,  sondern  auch  der  psychischen  Aufnahme  und 
Ausnutzung  der  Empfindung,  auf  das  vasomotorische  Nerven¬ 
system  absolut  sichergestellt.  Ich  verweise  nur  auf  die  starken  und 
typischen  Schwankungen  des  Pletysmogramms  nicht  nur  auf 
Schmerzreize,  sondern  auch  auf  höhere  Reize,  euphorische  und  dys- 
phorische  Affekte  etc.,  die  unbedingt  eine  psychische  Verarbeitung 
des  Reizes,  also  die  „Empfindung“,  voraussetzen. 


Abschnitte  nur  die  sehr  übersichtliche  Darstellung  der  Faszien¬ 
lagen  der  einzelnen  Muskelgruppen,  sowie  die  Aussenansichten 
der  Extremitäten  mit  durchgezeichnetem  Skelett.  Inspektion 
und  Palpation  sind  am  Eingänge  jedes  Abschnittes  angeführt. 

Die  buchhändlerische  Ausstattung,  der  Druck,  sowie  die 
Reproduktion  der  zum  Teil  mehrfarbigen  Zeichnungen  des 
Herrn  Albrecht  Mayer  sind  von  dem  Verlag  des  Herrn  J.  F. 
Bergmann,  sowie  von  der  Kunstanstalt  Schelter&Gie- 
s  e  c  k  e  in  glänzender  Weise  besorgt  worden. 

Jedenfalls  ist  die  Anschaffung  des  schönen  Werkes  allen 
Kollegen  auf  das  Wärmste  anzuempfehlen. 

Q  r  a  f  f -  Innsbruck. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

K.  Corning:  Lehrbuch  der  Topographischen  Anatomie 
für  Studierende  und  Aerzte.  Mit  604  Abbildungen,  davon  395 
in  Farben.  Wiesbaden  1907.  J.  F.  Bergmann.  717  Seiten. 
Preis  Mark  16. 

Das  Buch,  in  erster  Linie  für  Studierende  geschrieben,  soll 
eine  möglichst  knappe  und  doch  vollständige  Darstellung  der 
topographischen  Anatomie  bringen,  bei  der  namentlich  auch  die 
praktische  Verwertbarkeit  des  Gebotenen  berücksichtigt  wurde. 
Der  Stoff  ist  sehr  übersichtlich  geordnet,  dass  er  für  das  Stu¬ 
dium  vorzüglich  geeignet  erscheint,  andererseits  ist  so  viel  ge¬ 
boten,  dass  das  Werk  für  den  Praktiker  auf  jedem  Gebiet  als 
•Nachschlagebuch  an  Stelle  der  oft  schwerer  beschaffbaren 
Handbücher  dienen  kann.  Das  Material  ist  nach  folgenden 
Kapiteln  geordnet:  Kopf,  Hals,  Brust,  Bauch,  Becken,  Rücken 
und  Extremitäten.  Die  Inhaltsangabe  kann  sich  bei  dem  Um¬ 
fange  des  Werkes  nur  auf  wenige  Angaben  beschränken.  Im 
allgemeinen  sind  die  zahlreichen,  sehr  guten  Abbildungen  her¬ 
vorzuheben,  sowie  dass  überall  auf  die  praktische  Bedeutung 
der  Befunde  hingewiesen,  wo  möglich  der  Inspektions-  und 
Palpationsbefund  bei  der  klinischen  Untersuchung  berücksich¬ 
tigt  ist.  Ich  erwähne,  um  nur  einiges  herauszugreifen,  aus  dem 
ersten  Abschnitte  die  Darstellung  der  Infektionswege  in  das 
Schädelinnere  von  den  lufthaltigen  Nebenhöhlen  der  Nase  und 
des  Mittelohres  einerseits,  von  den  Venen  andererseits,  sowie 
die  Aufsuchung  der  Art.  meningea  media  (K  r  ö  n  1  e  i  n). 

Sehr  ausführlich  sind  Orbita  sowie  der  Nasenrachenraum 
behandelt.  Dem  Abschnitt  über  die  seitliche  Gesichtsregion 
folgt  eine  eingehende  Besprechung  des  Gehörorganes  mit  vor¬ 
züglichen  Abbildungen. 

Etwa  60  Seiten  sind  der  Topographie  der  Halsregion  ge¬ 
widmet.  Aus  dem  Kapitel  Brust  ist  die  Verbreitung  der  Lymph- 
gefässe  der  Mamma  in  ihrer  Bedeutung  für  das  Wachstum  der 
Karzinome  hervorzuheben.  Im  übrigen  wird  dieses  Kapitel 
vor  allem  'dem  Internisten  sehr  wertvoll  sein.  Nach  Beschrei¬ 
bung  der  'einzelnen  serösen  Räume  und  Organe  ist  der  „Situs 
viscerum  thoracis“  an  der  Hand  zahlreicher  vortrefflicher  Ab¬ 
bildungen  geschildert. 

In  analoger  Weise  ist  die  Topographie  des  Abdomens  be¬ 
handelt.  Zu  Beginn  erfährt  die  Regio  inguinalis  eine  eingehende 
Besprechung.  Neben  der  Entwicklung,  Anatomie  und  Topo¬ 
graphie  der  einzelnen  Organe  ist  jedesmal  auch  ihre  operative 
Erreichbarkeit  berücksichtigt. 

Sehr  ausführlich  ist  die  Anatomie  des  männlichen  und  weib¬ 
lichen  Beckens  gebracht  (nahezu  100  Seiten).  Neben  den  Ori¬ 
ginalabbildungen  sind  in  glücklicher  Auswahl  Darstellungen  aus 
anderen  Werken  beigegeben,  die  das  Verständnis  des  klaren 
und  präzisen  Textes  noch  erhöhen.  Besonders  möchte  ich 
auch  die  namentlich  für  den  Operateur  sehr  wertvolle,  aus¬ 
giebige  Berücksichtigung  des  Lymphgefässystemes  hervor¬ 
heben. 

Erschöpfend  ist  die  Anatomie  der  Extremitäten  in  einem 
156  Seiten  umfassenden  Abschnitt  behandelt.  Es  sind  hier 
besonders  zahlreiche  Abbildungen  eingefügt,  die  vielfach  neue 
instruktive  Ansichten  der  verschiedenen  Schichten  und  Re¬ 
gionen  bringen,  die  für  den  Anatomen  und  Chirurgen  gleich 
wertvoll  sind.  Die  Abbildungen  sind  durchaus  von  hohem 
künstlerischen  Wert,  was  einen  nach  den  oft  schematisch  nüch¬ 
ternen  Darstellungen,  wie  wir  sie  alle  kennen,  sehr  angenehm 
berührt.  Im  Einklänge  damit  steht  die  Wiedergabe  mehrerer 
Figuren  nach  der  in  Aerztekreisen  leider  wenig  bekannten 
Anatomie  artistique  von  Richter.  Ich  erwähne  aus  diesem 


L.  v.  Prowazek:  Taschenbuch  der  mikroskopischen 
Technik  der  Protistenuntersuchung.  Leipzig  1907.  Joh.  Ambr. 
Barth.  66  Seiten,  mit  durchschossenem  weissen  Papier  für 
Notizen.  Geb.  Preis  Mk.  2. 

Die  wachsende  Bedeutung  der  Protozoenkunde  für 
den  Mediziner  macht  es  diesem  sehr  erwünscht,  ein  handliches 
Kompendium  der  Tecknik  der  Protistenuntersuchung  zu  be¬ 
sitzen.  Es  ist  dies  vor  allem  deswegen  wichtig,  weil  die 
protozoologische  Technik  sich  sehr  von  der  bakteriologischen 
Technik  unterscheidet  und  viel  komplizierter  als  diese  ist.  Das 
vorliegende  kleine  Buch  ist  für  den  Mediziner  und  Zoologen 
ein  ganz  ausgezeichnetes  Hilfsmittel,  da  es  von  einem  sehr  er¬ 
fahrenen  Protozoenkenner  geschrieben  ist  und  von  einer  aus¬ 
gezeichneten  Beherrschung  der  Literatur  zeugt.  Besonders 
eingehend  ist  die  Technik  der  Amöben-,  Hämosporidien-,  Try¬ 
panosomen-  und  Spirochätenuntersuchung  behandelt.  ^  Auch 
sind  die  wenigen  bisher  existierenden  Kultivierungsverfahren 
ausführlich  dargestellt.  Ich  habe  das  Buch  einige  Monate  be¬ 
nützt  und  in  der  Praxis  als  sehr  zuverlässig  in  seinen  An¬ 
gaben  erprobt.  Es  verdient  nach  meiner  Ansicht  die  wärmste 
Empfehlung.  Dr.  F.  D  o  f  1  e  i  n  -  München. 


Annalen  der  städtischen  allgemeinen  Krankenhäuser  zu 
München.  Im  Verein  mit  den  Aerzten  dieser  Anstalten  heraus¬ 
gegeben  von  J.  v.  B  a  u  e  r.  Bd.  XII,  1900 — 1902.  Mit  4  Plänen, 
17  Lichtdrucken  und  11  Abbildungen.  700  Seiten.  München 

1907.  J.  F.  Lehmann.  ,  T 

Ein  dickleibiger  Band  mit  sehr  wechselvollem  Inhalt.  Lange 
Seiten  von  Zahlen  geben  kund,  welch  ausserordentlich  grosse 
Aufwendungen  eine  Stadt  von  der  Einwohnerzahl  Münchens 
für  die  Krankenfürsorge  zu  leisten  hat.  Wurden  doch  allein 
für  die  Erweiterung  und  für  die  baulichen  Verändei  ungen 
im  Krankenhause  1.  d.  I.  in  den  letzten  drei  Jahrzehnten  5A 
Millionen  Mark  verausgabt!  Es  ist  aber  auch  in  den  alten 
Mauern  eine  ganz  neue  Krankenanstalt  geschaffen  worden,  die 
den  verwöhnten  Ansprüchen  der  Neuzeit  genügt.  Die  Schilde¬ 
rung  der  mustergültigen  physikalisch-therapeutischen  Einrich¬ 
tungen  entstammt  der  Feder  des  Prof.  Rieder.  Die  Anlage 
des  städt.  Sanatoriums  zu  Harlaching,  der  Zweck  dieses  Er¬ 
holungshauses,  das  Leben  und  Treiben  und  die  Heilerfolge  dor  , 
werden  von  Oberarzt  Hoermann  dargelegt. 

Die  ärztlichen  Berichte  aus  dem  Krankenhause  r.  d.  . 
und  dem  Krankenhause  München-Schwabing  beschranken  sich 
nicht  auf  trockene  Statistik,  hier  werden  kurze  Berichte  über 
die  interessanteren  und  schwierigeren  Falle  gebracht.  Das 
vorliegende  Buch  beherbergt  aber  auch  grössere  wissenschaft¬ 
liche  Beiträge.  Kerschensteiner:  Ueber  unstillbares  Er¬ 
brechen:  Löschke:  Primäre  Gallengangskarzinome,  Gol¬ 
fe  r  y  e:  Ueber  Polyserositis  fibrosa;  I  n  g  e  lf  i  n  g  e  r:  Beitrage 
zur  Pathologie  der  Niereninsuffizienz;  Jesionek:  Ueber  die 
Behandlung  von  Lupus  vulgaris  und  anderer  Dermatosen  mittels 
der  statischen  Elektrizität;  Hoerrmann:  Zur  Kiimk  der 
ektopischen  Schwangerschaft;  Rapp:  Beitiag  zur  “ 

Stimmung  chemischer  Desinfektionsmittel ;  A  1  b  r  e  c  h  t  Ein 
Fall  von  hochgradiger  Pulmonalstenose;  Königen  Beitrage 
zur  Kenntnis  der  primären  malignen  Tumoren  der  Leber  un 
der  Leberpforte;  Bunz:  Stenographische  Aufnahmen  der 
Regio  supraclavicularis  bei  Lungentuberkulose;  S  c  li  i  eck  e  n- 
bacli:  Ueber  einen  Fall  von  dissezierendem  Aneurysma  dei 
A.0  rtci 

Ob  es  zweckmässig  ist,  solche  z.  T.  recht  weitvolle  Ar¬ 
beiten  in  einem,  seinem  Wesen  nach  statistischen  und  ver¬ 
waltungstechnischen  Werke,  das  nur  wenige  medizinische  Bi- 


2242 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


bliotheken  und  noch  weniger  Privatpersonen  sich  anschaffen 
werden,  zu  vergraben,  mag  dahingestellt  sein.  Immerhin 
bringen  die  Arbeiten  aber  den  Beweis,  dass  in  den  Münchener 
Krankenhäusern  auch  ausserhalb  der  Kliniken  eifriges  wissen¬ 
schaftliches  Streben  herrscht  und  dass  neben  der  Bewältigung 
des  riesigen  Krankenmaterials  auch  Zeit  und  Gelegenheit  zu 
theoretischen  Studien  bleibt. 

Vorangestellt  ist  dem  ganzen  Werke  ein  warmer  Nekrolog 
auf  Z  i  e  m  s  s  e  n  von  seinem  Schüler  S  i  1 1  in  a  n  n.  Es  ist 
auch  wahrlich  angebracht,  dem  verdienstvollen  und  genialen 
Organisator  der  Münchener  Krankenanstalten  in  den  Annalen, 
die  er  gegründet  und  durch  lange  Jahre  herausgegeben  hat, 
ein  literarisches  Denkmal  zu  setzen.  L.  R.  Müller. 

Dr.  E.  Meyer,  ord.  Prof,  der  Psychiatrie  in  Königsberg 
i.  P. :  Die  Ursachen  der  Geisteskrankheiten.  Gustav  Fischer. 
Jena  1907.  241  Seiten.  Preis  Mk.  4.50,  geb.  Mk.  5.50. 

Eine  hübsche  kritische  Zusammenstellung  unseres  Wissens 
über  die  Aetiologie  der  Geisteskrankheiten,  die  jedem,  der 
sich  für  diese  wichtige  und  erst  in  neuerer  Zeit  eigentlich  wis¬ 
senschaftlich  behandelte  Frage  interessiert,  sehr  willkommen 
sein  wird.  Bleuler-  Burghölzli. 

Schularzttätigkeit  und  Schulgesundheitspflege  von  Prof.  Dr. 
G.  Leubuscher,  Regierungs-  und  Geh.  Med. -Rat  in  Mei¬ 
ningen.  Leipzig  und  Berlin.  Druck  und  Verlag  von  B.  G. 
T  e  u  b  n  e  r.  1907. 

In  seiner  70  Seiten  umfassenden  Broschüre  gibt  der  um 
das  Schularztwesen  des  Herzogtums  Sachsen-Meiningen  ver¬ 
diente  Verf.  einen  Ueberblick  über  die  Resultate  der  Tätigkeit 
der  Schulärzte  im  Zeitraum  der  letzten  5  Jahre,  und  zwar 
hauptsächlich  betreff  der  Volksschulen,  wiewohl  seit  1900  auch 
für  die  höheren  Schulen  des  Herzogtums  die  Anstellung  von 
Schulärzten  angeordnet  ist.  Erfreulicherweise  berichtet  er, 
dass  die  Stellung  der  Lehrerschaft  zu  der  schulärztlichen  In¬ 
stitution  sich  von  Grund  aus  geändert  hat  und  dass  immer 
mehr  eingesehen  wird,  dass  der  Schularzt  nicht  nur  für  den 
Schüler,  sondern  auch  für  den  Lehrer  da  ist.  Hinsichtlich  der 
Frage:  Schularzt  im  Haupt-  oder  Nebenamt?  nimmt  Verf.  den 
Standpunkt  ein  und  motiviert  ihn  ausführlich,  dass  für  grössere 
Städte  die  Aufstellung  von  Berufsschulärzten  zweckmässig  sein 
mag,  dass  im  allgemeinen  aber  der  Schularzt  im  Nebenamt  das 
richtige  und  durchführbare  System  ist.  Er  befürwortet  die 
Zuziehung  von  Spezialärzten  (Augen-  und  Zahnärzte)  soweit 
dies  nach  Umständen  möglich  ist.  Wenn  er  ferner  eine  spe¬ 
ziellere  Ausbildung  für  schulärztliche  Tätigkeit  innerhalb  der 
ärztlichen  Fortbildungskurse  wünscht,  so  wird  ihm  jeder  Er¬ 
fahrene  darin  beistimmen.  Aus  dem  Bericht  selbst  ist  zunächst 
anzuführen,  dass  L.  für  die  Aufhebung  jener  Bestimmungen  sich 
ausspricht,  nach  welchen  die  4  oberen  Mädchenklassen  nur  unter 
gewissen  besonderen  Voraussetzungen  zur  Untersuchung  kom¬ 
men  sollen.  Denn  die  Voraussetzungen  solcher  Bestimmungen 
seien  falsch,  ein  Standpunkt,  den  Referent  ebenfalls  durchaus 
einnimmt.  Die  Mitteilungen  an  die  Eltern  von  Schülern,  bei 
welchen  Krankheiten  konstatiert  worden  sind,  erfüllen  ihren 
Zweck  vielfach  nicht,  mehr  erwartet  sich  der  Verf.  von  einer 
gutorganisierten  Aufklärung  bei  Gelegenheit  sogenannter  El¬ 
ternabende.  Ein  sehr  richtiger  Gedanke  wird  von  L.  mit  der 
Erwägung  ausgesprochen,  ob  nicht  die  Versicherungsanstalten 
zur  Zahlung  der  Kosten  für  die  Behandlung  kranker  Schulkinder 
in  Zukunft  mit  heranzuziehen  sind;  denn  tatsächlich  haben  die 
Versicherungsanstalten  ein  grosses  Interesse  an  dem  allge¬ 
meinen  Gesundheitszustände  der  Arbeiterbevölkerung  und 
konsequenter  Weise  damit  an  einer  rechtzeitigen  Behand¬ 
lung  der  Schulkinder.  Das  Prinzip,  dass  die  Behandlung  kran¬ 
ker  Schulkinder  nicht  Sache  des  betr.  Schularztes  sein  soll, 
wird  auch  in  Sachsen-Meiningen  aufrecht  erhalten.  Der  Be¬ 
richt  bespricht  sodann  in  interessanter  Weise  Statistisches  und 
Klinisches  über  die  einzelnen  bei  den  Schulkindern  vorkommen¬ 
den  Krankheitsgruppen,  wie  Tuberkulose,  Kurzsichtigkeit  etc. 
Auffallend  gross  ist  in  einzelnen  Gegenden  des  Herzogtums 
die  Zahl  der  mit  Kröpfen  behafteten  Schulkinder.  Wie  überall 
ist  die  Zahnverderbnis  auch  dort  sehr  verbreitet  und  bei  80 
bis  85  Prozent  aller  Schüler  konstatiert  worden.  In 
einem  Dorfe  waren  ca.  12  Prozent  der  Schulkinder 
geistig  zurückgeblieben.  Ausgeschieden  nach  den  ein¬ 


zelnen  Kreisen  gibt  L.,  nachdem  er  noch  über  die 
Benützung  der  Schulbäder  berichtet  hat,  eine  interessante  Dar¬ 
stellung  der  Verbreitung  des  Alkoholgenusses  unter  der  Schul¬ 
jugend,  die  wie  auch  bei  uns  in  München  ein  im  ganzen  recht 
unerfreuliches  Bild  entrollt.  Die  Bedenken,  welche  Verf.  ge¬ 
genüber  den  zur  Lösung  der  Frage  sexueller  Aufklärung  ge¬ 
machten  Vorschlägen  vorbringt,  sind  durchaus  beherzigenswert 
und  Referent  steht  nahezu  auf  demselben  Standpunkt,  welchen 
L.  zu  diesem  oft  so  oberflächlich  diskutierten  Problem  ein¬ 
nimmt  und  welche  besonders  eine  hinlängliche  Berücksichtigung 
der  Individualität  der  Schüler  so  oft  vermissen  lässt.  Die  Bro¬ 
schüre  sei  der  Beachtung  der  Aerzte  angelegentlichst  emp¬ 
fohlen.  Grassmann  -  München. 

Dr.  Paul  M  o  m  b  e  r  t,  Privatdozent  an  der  Universtät  Frei¬ 
burg:  Studien  zur  Bevölkerungsbewegung  in  Deutschland  in 
den  letzten  Jahrzehnten,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
ehelichen  Fruchtbarkeit.  Verlag  von  G.  Braun,  Karlsruhe. 
1907.  Preis  8  M. 

Der  Freiburger  Nationalökonom  Mombert  ist  in 
Aerztekreisen  wohl  bekannt;  nicht  nur  wegen  seiner  inter¬ 
essanten  Abhandlung:  „Der  gewerkschaftliche  Charakter  des 
Aerzteverbandes“  (Soziale  Med.  u.  Hygiene,  Bd.  I,  No.  5), 
sondern  vor  allem  wegen  seiner  vortrefflichen  Bearbeitung  des 
„Nahrungswesens“  in  W  ey  1  s  Handbuch  der  Hygiene  (Vierter 
Supplementband).  Auch  das  neueste  Werk  Momberts  ist 
für  uns  Aerzte  von  hohem  Interesse.  Der  Inhalt  dieses  Buches, 
das  ein  geradezu  enormes  statistisches  Quellenmaterial  nicht 
nur  aus  ganz  Europa,  sondern  aus  der  gesamten  Kulturwelt 
enthält  und  dadurch  zu  einer  unersetzlichen  Fundgrube  für  alle 
Forscher,  die  sich  mit  Bevölkerungsfragen  befassen,  wird,  ist 
etwa  folgender: 

In  den  Kapiteln  I  und  II,  die  als  Einleitung  für  das  ganze 
Werk  gedacht  sind,  behandelt  der  Verfasser  die  Themen 
„Sterblichkeit“  und  „Eheschliessungen“.  An  der  Hand  wert¬ 
voller,  bis  zum  Jahre  1841  zurückgreifender  Statistiken  weist 
er  nach,,  dass  sich  in  den  letzten  Jahrzehnten  des  19.  Jahr¬ 
hunderts  bei  der  Sterblichkeitsziffer  sowohl  eine  sinkende  Ten¬ 
denz  als  auch  geringere  Schwankungen  gezeigt  haben.  Diese 
beiden  Veränderungen  stammen  aus  denselben  Ursachen:  Ver¬ 
meidung  von  Seuchen  und  von  Notstandsjahren.  Es  habe  sich 
bezüglich  der  Sterblichkeitsziffer  sowohl  in  Deutschland  als 
im  übrigen  Europa  ein  regionaler  Ausgleich  gebildet:  wo  die 
Sterblichkeit  hoch  war,  ist  sie  stärker  gesunken,  als  dort,  wo 
sie  niedrig  war;  denn  je  niedriger  die  Sterblichkeit  sei,  um 
so  schwieriger  sei  es,  sie  noch  zu  vermindern.  Dies  Gesetz 
gelte  nicht  nur  für  die  Sterblichkeit  im  allgemeinen,  sondern 
auch  für  die  Säuglingssterblichkeit  im  besonderen.  Mom¬ 
bert  stellt  dann  die  volkswirtschaftlich  wichtige  Tatsache 
fest,  dass  die  Sterblichkeit  bei  den  produktiven  Altersklassen 
noch  mehr  abgenommen  hat,  als  bei  den  Säuglingen,  und  wen¬ 
det  sich  darauf  der  Frage  zu,  ob  die  Sterblichkeit  auf  dem 
Lande  oder  in  den  Städten  grösser  sei.  Bei  der  fortschreiten¬ 
den  Abwanderung  vom  Lande  in  die  Städte  ist  ja  diese  Frage 
von  hoher  Bedeutung  für  die  Volksgesundheit.  Mombert 
zeigt  nun,  dass  die  Sterblichkeit  gegenwärtig  in  den  Städten 
geringer  ist  als  auf  dem  Lande;  er  hält  aber  diese  Tatsache 
nicht  für  einen  Beweis  dafür,  dass  die  Städte  den  Landgemein¬ 
den  in  hygienischer  Hinsicht  überlegen  seien,  sondern  er  er¬ 
klärt  den  Vorzug  der  Städte  durch  den  Unterschied  im  Alters¬ 
aufbau;  dieser  Unterschied  sei  die  Folge  des  starken  Zuzugs 
vom  Lande  in  die  Städte.  Im  zweiten  Kapitel  beschäftigt  sich 
der  Verfasser  mit  der  für  die  Gesunderhaltung  der  Rasse  wich¬ 
tigen  Frage,  ob  in  den  letzten  Jahrzehnten  in  Deutschland  das 
Heiratsalter  gesunken  ist.  Er  bejaht  diese  Frage.  Dies  Er¬ 
gebnis  scheint  in  einem  Widerspruch  mit  dem  vorliegenden 
wirtschaftlichen  Aufschwung  in  Deutschland  zu  stehen;  denn, 
wie  der  Münchener  Statistiker  v.  Mayr  nachwies,  ist  ein  ge¬ 
wisses  Mass  höheren  Wohlbefindens  nicht  mehr  ehefördernd. 
Mombert  gibt  die  These  v.  Mayrs  zu  und  erklärt  den 
Widerspruch  damit,  dass  er  zeigt,  dass  bei  den  unselbständi¬ 
gen  Berufsarten  das  Heiratsalter  niedriger  ist,  als  bei  den 
Selbständigen;  es  haben  aber  in  den  letzten  Jahrzehnten  be¬ 
sonders  die  unselbständigen  Berufe  eine  starke  Zunahme  er¬ 
fahren.  Das  dritte  Kapitel  behandelt  das  Hauptthema:  die  ehe- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2243 


liehe  Fruchtbarkeit.  Der  Verfasser  weist  zunächst  nach,  dass 
um  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  im  ganzen  Deutschen  Reich 
ein  starkes  Sinken  der  Geburten,  dann  eine  Steigerung  und 
in  der  Neuzeit  ein  ununterbrochener  Rückgang  zu  beobachten 
ist.  Jedoch  sei  das  starke  Sinken  um  die  Mitte  des  Jahrhun¬ 
derts  durch  gänzlich  andere  Ursachen  bedingt,  als  der  Rück¬ 
gang  in  der  Neuzeit.  Um  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  sei 
ein  Rückgang  der  wirtschaftlichen  und  sozialen  Verhältnisse 
zu  beobachten  gewesen,  welche  eine  Zunahme  der  Auswande¬ 
rung,  eine  Erhöhung  der  Sterblichkeit  und  ein  beträchtliches 
Sinken  der  Zahl  der  Eheschliessungen  veranlasst  haben.  Hier¬ 
durch  sei  die  Fruchtbarkeit  vermindert  worden.  Es  sei  jedoch 
nur  ein  Rückgang  der  Geburten,  nicht  ein  solcher  der  ehe¬ 
lichen  Fruchtbarkeit  zu  konstatieren;  denn  das  Sinken  der  Ge¬ 
burten  sei  ganz  allein  auf  die  verminderten  und  bezüglich  des 
Altersaufbaues  verschlechterten  Eheschliessungen  zurückzu¬ 
führen.  Ganz  anders  sei  der  Geburtenrückgang  während  des 
letzten  Menschenalters  zu  erklären.  In  dieser  Epoche  waren 
infolge  des  wirtschaftlichen  und  kulturellen  Aufschwunges  alle 
Bedingungen  (im  Altersaufbau,  Heiratsalter  und  Berufen)  ge¬ 
geben,  dass  man  eine  Vermehrung  der  Geburtenzahl  hätte  er¬ 
warten  müssen.  Und  trotzdem  sei  ein  ganz  erheblicher  Rück¬ 
gang  in  der  Geburtenzahl  nicht  nur  in  Deutschland,  sondern 
nahezu  international  festzustellen.  Mombert  sucht  nun  mit 
Hilfe  ungemein  interessanter  Statistiken  nachzuweisen,  dass 
mit  zunehmendem  Wohlstand  und  verbesserter  Kultur  die  ehe¬ 
liche  Fruchtbarkeit  abnimmt,  und  dass  diese .  Tatsache  sich 
selbst  in  der  Oberschicht  der  Arbeiter  nachweisen  lässt.  Als 
Beweis  führt  er  unter  anderem  eine  Statistik  der  bekannten 
englischen  Hilfskasse  „Hearts  of  Oak“  an;  in  dieser  sei  die 
Elite  der  englischen  Arbeiter  versichert;  zu  den  Untei- 
stützungen,  welche  die  Kasse  zahlt,  gehört  auch  eine  Wochen¬ 
bettunterstützung  von  30  Schilling,  die  die  Frauen  der  \  er- 
sicherten  erhalten.  Es  lässt  sich  nun  aus  den  Statistiken  der 
„Hearts  of  Oak“  zeigen,  dass  die  Zahl  der  Versicherten  in  den 
letzten  Jahrzehnten  erheblich  zugenommen,  die  Zahl  der 
Wochenbettunterstützungen  aber  bedeutend  abgenornmen  hat. 
Als  Ursache  für  den  Rückgang  der  ehelichen  Geburten  bei 
steigendem  Wohlstand  erblickt  er  die  bewusste  und  gewollte 
Beschränkung  des  Fortpflanzungstriebes;  „la  fecondite  est 
reglee  par  la  volonte“  oder,  wie  es  F  o  r  e  1  ausdruckt,  „die  Zeu¬ 
gung  wird  immer  mehr  von  der  Befriedigung  des  Geschlechts¬ 
verkehrs  getrennt“.  In  doppelter  Weise  können  mithin  die 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  die  Geburtenzahl  beeinilussen. 
Eine  einmalige  Besserung  wirkt  geburtenvermehrend,  da  dann 
die  Heiraten  zunehmen  und  auch  das  Heiratsalter  niedriger 
wird.  Dauert  Wohlstand  und  Kultur  aber  längere  Zeit  an,  so 
tritt  die  entgegengesetzte  Wirkung  ein,  die  eheliche  Fruchtbar¬ 
keit  wird  vermindert.  Aber  nur  dort  wird  diese  letzteie 
kung  beobachtet,  wo  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  und  der 
Kulturstand  der  Bevölkerung  so  weit  gediehen  sind,  dass  gros¬ 
sere  Voraussicht  und  Sorge  für  die  Zukunft  sich  geltend 
machen. 

Der  Hauptwert  dieses  Buches,  der  von  dem  bewunderns¬ 
werten  Sammelfleiss  des  Verfassers  einen  neuen  Beweis  er¬ 
bringt,  besteht  in  dem  ausserordentlich  reichhaltigen  statisti¬ 
schem  Material,  das  Mombert  darbietet.  Aber  auch  die  aus 
dem  wertvollen  Stoff  gewonnenen  Thesen  sind  von  hohem  In¬ 
teresse. 

Auf  eine  Bemerkung  Momberts  möchte  ich  hier  kuiz 
eingehen:  Er  wundert  sich,  dass  in  Köln  die  Säughngsstei  ic  i- 
keit  trotz  geringer  Geburtenzahl  so  gross  ist,  und  dass  umge¬ 
kehrt  in  der  polnischen  Arbeiterbevölkerung  trotz  hoher  rrucn  - 
barkeit  diese  Sterblichkeit  gering  ist.  Werden  diese  Tatsachen 
nicht  hinreichend  dadurch  erklärt,  dass  in  Köln  die  Sitte  o 
Stillens  sehr  abgenommen  hat  (in  Köln  stillten  1902  von 
Frauen  602  ihre  Kinder  nicht;  siehe  P  r  in  z  i  n  g:  Medizinische 
Statistik,  S.  294),  während  die  polnischen  Arbeiterfrauen  wohl 
fast  ausnahmslos  ihre  Kinder  säugen?  Jeder  Leser  des  M  o  m - 
bert  sehen  Buches  wird  viel  Wissenswertes  und  zahlreiche 
Anregungen  aus  dem  Studium  des  bedeutenden  Werkes  ge¬ 
winnen;  die  Arbeit,  welche  in  dem  gediegenen  Gewände,  das 
alle  Bücher  des  Braun  sehen  Verlages  auszeichnet,  erscheint, 

sei  darum  aufs  beste  empfohlen.  ;  . , 

Alfons  Fischer-  Karlsruhe. 


Friedrichs  des  Grossen  Korrespondenz  mit  Aerzten.  Her¬ 
ausgegeben  von  Dr.  G.  L.  M  a  m  1  o  c  k,  Arzt  in  Berlin.  Verlag 
von  Ferdinand  Enke  in  Stuttgart  1907.  Preis  6  Mk.  168  Seiten. 

Aus  diesem  historisch-wissenschaftlichen  Werke  tritt  uns 
vor  allem  die  überragende  Persönlichkeit  Friedrich  des  Grossen 
auch  im  Kleinen  vor  die  Augen.  Die  174  meist  in  deutscher 
Sprache,  bisweilen  französisch  geschriebenen  Briefe  beschäf¬ 
tigen  sich  mit  allen  möglichen  ärztlichen  Angelegenheiten,  die 
ein  interessantes  Streiflicht  auf  die  medizinischen,  ärztlichen 
und  hygienischen  Anschauungen  der  damaligen  Zeit  werfen. 
Die  Besorgnis  Friedrich  des  Grossen  um  seine  grossen  Sol¬ 
daten,  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Epidemien  im  Heere  oder  in 
den  besetzten  Landesteilen,  die  Sorge  um  die  Gesundheit  ein¬ 
zelner  Mitglieder  seiner  Familie  oder  eines  Generals  lassen 
der  Feder  des  grossen  Königs  und  autokratischen  Herrschers 
Befehle  oder  Anordnungen  entfliessen,  die  die  Unvorein¬ 
genommenheit  Friedrichs  offenbaren,  seinen  weiten  Blick  kund¬ 
tun  und  oft  auch  eine  Kurpfuscherei  durch  den  Laien  Friedrich 
erkennen  lassen.  Wir  sehen,  wie  selbstherrlich  Friedrich  mit 
den  Universitätsprofessoren  umsprang  und  in  dem  kleinen 
armen  Preussen  Zeit  findet,  Eingaben  um  Gehaltserhöhungen 
abzufertigen.  Er  schreibt  dem  Geheimrat  C  o  t  h  e  n  i  u  s  vor, 
bei  dem  Aderlass  der  Prinzessin  von  Preussen  „mit  grosser 
Behutsamkeit  zu  verfahren,  da  bei  der  Prinzessin  die  Möglich¬ 
keit  einer  vorhandenen  Schwangerschaft  nicht  zu  leugnen  ist 
.  .  der  französische  Chirurgus  Poin“  hat  von  der  chirurgischen 
Anatomie  auch  nicht  die  geringste  Kenntnis,  so  dass  Aller- 
höchstdieselbe  dergleichen  Ignoranten  bei  der  Chirurgie  an¬ 
nehmen  zu  lassen  keitiesweges  gemeinet  .  .“  „Des  Erb  Prinzen 
von  Braunschweig  Liebden  sind  von  einem  haemoroidal  Fistel 
Schaden  dergestalt  incommodirt,  dass  Sie  Sich  operiren  zu 
lassen  resolviret  haben.  Ob  ein  dergleichen  Operationen,  be¬ 
sonders  aber  der  in  Frankreich  dermahlen  üblichen  weniger 
gefährlichen  und  schmerzhaften  Arth,  kundiger  Feldscheer  in 
Berlin  vorhanden,  der  oberwähnte  Operation  zu  unternehmen 
sich  getrauet  und  also  zu  dem  Ende  mit  Zuverlässigkeit  nach 
Braunschweig  abgeschicket  werden  könne,  möchte  Ich  gern 
wissen  .  .“  Dies  scheint  nicht  der  Fall  gewesen  zu  sein,  denn 
es  entspann  sich  eine  weitere  längere  Korrespondenz  iibei  die 
Entsendung  eines  Militärarztes  nach  Paris,  der  dort  die  Ope¬ 
ration  erlernen  sollte,  und  eine  weitere  Diskussion  über  die 
Geldmittel,  die  diesem  Arzte  zur  Verfügung  gestellt  werden 
sollten,  wobei  der  König  eine  grosse  Knauserei  dokiimentieit. 
— •  „Bey  meiner  Landesväterlichen  Vorsorge  für  die  Eihaltung 
.  .  Meiner  getreuen  Unterthanen  finde  ich,  die  Pocken  Ino- 
culation  sehr  zuträglich  .  .  so  befehle  ich  hiermit  .  .  dass  ein 
Arzt  Sich  zu  Berlin  einfinde,  um  von  meinem  daselbst  anwesen¬ 
den  Englischen  Medico  B  a  y  1  i.  e  s  die  beste  Arth  näher  zu  ver¬ 
nehmen,  wie  diese  Inoculation  vorzunehmen  ist  .  .“  Da  sich 
keine  Eltern  fanden,  die  die  Impfung  an  ihren  Kindern  vor¬ 
nehmen  Hessen,  dekretiert  der  König,  dass  man  die  Kinder  aus 
Waisenhäusern  dazu  verwende.  Ein  andermal  \\  lindert  sich 
Friedrich  sehr,  dass  Geheimrat  M  u  z  e  1 1  „der  Krankheit  Seines 
Generals  gegenwärtig  den  Nahmen  von  Wassersucht  gebe 
und  woher  Er  solche  auf  einmahl  bekommen  mögen,  da  vorhero 
nur  von  Gicht  und  dergleichen  Zufällen  die  Rede  gewesen  .  . 
man  kann  durch  incisiones  zwischen  denen  Ribben  das  Wasser 
abzapfen  und  wegschaffen“  In  einem  Erlass  an  das  Ober 
Collegium  Medicum  befiehlt  der  König  zur  Aufklärung  iibei  die 
Pocken  „ganz  Simpeln  und  deutlichen  Unterricht  zu  entwerfen, 
worinn  aber  kein  einziges  lateinisches  oder  Medicinisches 
Kunst-Wort  enthalten  seyn  muss,  dass  sich  auch  die  ein¬ 
fältigsten  Leute  und  Bauern  darinfinden  .  .“  Ein  wertvolles 
Vorwort  des  Verfassers  von  40  Seiten  gibt  Erläuterungen  fui 
das  ausserordentlich  interessante  Buch,  aus  dem  wir  noch 
folgenden  Passus  anführen  wollen,  der  vor  über  120  Jaliien 
von  dem  weitsichtigen  Friedrich  an  den  Minister  hinausgegeben 
worden  ist.  „Es  hat  mich  gewundert,  aus  Eurem  Bericht  .  .  zu 
ersehen,  dass  der  beim  Kammergericht  gestandene  Präsident 
die  Direktorstelle  beim  Ober  Collegio  Medico  mit  einem 
Tractament  von  200  Taler  gehabt  hat:  Wie  schickt  sich  denn 
ein  Justiz-Mann  zu  dem  Medicinischen  Fach;  davon  versteht 
er  ja  nichts  und  soll  auch  keiner  dergleichen  wiedei  dabei 
gesetzt  werden.  Vielmehr  gehört  dazu  ein  guter  und  ver¬ 
nünftiger  Medicus  und  muss  man  suchen  einen  solchen  dazu 


2244 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


vorzuschlagen,  der  schickt  sich  eher  dahin,  als  einer  von  der 
Justiz  .  .“!  Max  N  a  s  s  a  u  e  r  -  München. 


Neueste  Journalliteratur. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  38  u.  4L 

No.  38.  R  e  v  e  n  s  t  o  r  f  -  Hamburg:  Verletzung  des  Längsblut¬ 
leiters,  Blutstillung  durch  „Duranaht“. 

Bei  partieller  Durchtrennung  des  Sinus  longus,  einer  häufigen 
Nebenverletzung  durch  Impressionsfraktur  des  Schädeldaches  (bei  der 
in  der  Regel  die  Wunde  nach  Blutstillung  als  ein  schräger,  bogen¬ 
förmiger  Riss  der  oberen  Gefässwand  sich  präsentiert)  empfiehlt  R. 
beiderseits  lateral  neben  dem  Sinus  durch  die  Dura  vorsichtig  die 
Nadel  einzustechen  und  auf  diese  Weise  einen  Katgutfaden  quer  über 
das  blutende  Gefäss  zu  spannen  resp.  zu  knüpfen.  Meist  lässt  sich  die 
Blutung  schon  durch  eine  Naht  fast  völlig  stillen  und  werden  je  nach 
Bedarf  2—3  solche  Suturen  angelegt,  die  zu  Thrombose  und  Ge¬ 
rinnselbildung  keinen  Anlass  geben,  da  sie  ausserhalb  des  Gefässes 
liegen.  —  3  Fälle,  mit  promptem  Erfolg  in  dieser  Weise  behandelt, 
werden  kurz  mitgeteilt. 

Fritz  Bernd  t  -  Stralsund:  Bemerkung  zu  der  Mitteilung  von 
Ewald  über  die  Nachbehandlung  bei  Mammakarzinom. 

B.  empfiehlt  den  Arm  bis  zmr  Horizontalen  erhoben  in  den  Ver¬ 
band  einzuschliessen,  da  hierdurch  glattes  Anliegen  der  Haut  in  der 
Axilla,  d.  h.  Abflachung  derselben  ad  maximum  in  einfachster  Weise 
erreicht  wird.  Wenn  die  Patientin  aufsteht,  stützt  sie  die  Hand  in 
die  Seite.  Der  Deltoideus  ruht  so  in  verkürzter  Stellung,  so  dass  er 
nach  Abnahme  des  Verbandes  wieder  ordentlich  funktioniert.  Die 
Patientinnen,  die  durchschnittlich  10 — 12  Tage  post  operat.  entlassen 
werden,  können  fast  ausnahmslos  den  Arm  über  die  Horizontale  er¬ 
heben  und  auf  den  Kopf  zu  legen. 

.  Elans  Hoddick  -  Worms:  Ueber  die  Behandlung  der 

peritonitischen  Blutdrucksenkung  mit  intravenösen  Adrenalin-Koch- 
salzmjektioneii. 

EI.  berichtet  aus  Heidenhains  Abteilung  über  die  diesbezüg¬ 
lichen  Erfahrungen,  die  sich  seit  2  Jahren  an  zahlreichen  Fällen 
schwerer  Peritonitis  nach  Appendizitis  etc.  sammeln  Hessen  und  in 
denen  man  in  der  Adrenalin-Kochsalzinfusion  (% — 1  Liter  physio¬ 
logische  Kochsalzlösung  mit  6 — 8  Tropfen  Adrenalin  1:  1000,  mit  41° 
im  Irrigator)  ein  Mittel  hat,  das  mehr  als  die  bisher  gebräuchlichen 
vasomotorenerregenden  Mittel  (Kampher, Koffein)  imstande  ist,  der  das 
Leben  bedrohenden  peritonitischen  Blutdrucksenkung  erfolgreich  ent¬ 
gegenzutreten.  H.  benutzt  zur  Infusion  eine  Vene,  die  dicht  oberhalb 
der  Ellenbeuge  in  der  Bizipitalfurche  im  subkutanen  Gewebe  verläuft, 
die  so  gross  ist,  dass  eine  Infusionsnadel  leicht  eingeführt  werden 
Kann.  Die  Wirkung  ist,  besonders  wenn  der  Peritonitiskranke  ver- 
tallen,  mit  kaum  fühlbarem  kleinen,  sehr  frequenten  Puls,  zyanotischer 
Earbe  und  kaltem  Schweiss  vom  Operationstische  kommt,  eine  über- 
aschende  und  schon  während  der  20 — 30  Minuten  dauernden  Infusion 
jsf  das  allmähliche  'Steigen  des  Blutdruckes  zu  erkennen  und  die 
Aenderung  im  Aussehen  des  Patienten  verblüffend.  Während  die  In¬ 
tusionen  von  Kochsalzlösungen  allein  H.  keine  nennenswerten  Resultate 
gaben,  waren  die  Erfolge  der  Peritonitisbehandlung  mit  den  geschil¬ 
derten  Adrenalin-Kochsalzlösungen  sehr  günstige;  1905  wurden  9  Fälle 
von  Appendizitisperitonitis  geheilt,  nur  1  starb,  1906:  4  geheilt  1  ge¬ 
storben.  ’  s 

In  ganz  verzweifelten  Fällen,  bei  extremem  Tiefstand  des  Blut- 
d'uckes,  wurde  vor  der  Operation  eine  Infusion  gemacht;  besserte  sich 
der  I  uls  merklich,  so  ging  H.  an  die  Operation.  H.  verweist  auf  eine 
spatere  ausführliche  Arbeit  von  Heidenhain.  Sehr 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  Bd  XXVI 
Heft  1. 

Erosionen0  ^  °  ^  ^  n  ^  6  r  ^e'^e^er^'  ^ur  ^'s*ogeneSe  der  Portio- 

Das  Entstehen  und  Vergehen  der  Erosionsdrüsen  an  der  Portio 
folgt  nach  Ansicht  des  Verf.  hart  auf  einander;  es  findet  also  ein  be- 
Jandigci  Kampf  zwischen  Platten-  und  Zylinderepithel  um  die  Vor- 
l  uischaft  statt.  Dieser  Kampf  wird  durch  die  primäre  Entzündung 
dei  Zct  vixschleimhaut  veranlasst,  wobei  bald  das  eine,  bald  das 
andere  Epithel  oberflächlich  vordringt,  bald  die  Drüsen  der  Zervix- 
sch leimhaut  durch  das  Portioparenchym  wuchern  und  durch  aktive 
Wucherung  oder  Sekretionsdruck  die  Oberfläche  der  Portio  durch¬ 
brechen. 

D  .V,ei  !  ;.Ha,le :  Kaiserschnitt  bei  Infektion  der  Eihöhle. 

Bei  Infektion  der  Eihöhle  unter  der  Geburt  handelt  es  sich,  ab¬ 
gesehen  von  den  selteneren  Keimen,  um  Fäulniskeime,  fakultativ  viru- 
h!uL S,trepto,kokk|>n  J'nd  hochvirulente  Streptokokken;  diese  Keime 
haben  besondere  Bedeutung  beim  Kaiserschnitt.  Fäulniskeime  sind 
im  Uterus  bei  gutem  Abfluss  des  Sekretes  nicht  bedenklich,  kommen 
sae  mit  dem  Fruchtwasser  in  die  Bauchhöhle,  so  entwickeln  sie  sich 
weiter  und  werden  je  nach  der  Menge  des  sich  zersetzenden  Materials 
was  zur  Resorption  kommt,  mehr  minder  gefährlich.  Ebenso  verhält 
es  sich  mit  den  abgeschwächten  Streptokokken.  Fehlt  der  geeignete 
Nährboden,  so  kommt  es  zur  umschriebenen  Peritonitis,  im  anderen 
7  .  zur  proprediienten,  wobei  die  Keime  sich  in  den  mehr  virulenten 
Zustand  umbilden.  Lokale  Entzündungen  und  Vereiterungen  in  der 


Bauchwunde  sind  bei  Anwesenheit  dieser  Keime  häufig.  Bei  hoch¬ 
virulenten  Streptokokken  sind  alle  Massnahmen,  vielleicht  abgesehen 
von  Antiserum,  vergeblich. 

Um  die  Bauchhöhle  beim  Kaiserschnitt  vor  Fäulniskeimen  und 
abgeschwächten  Streptokokken  zu  schützen,  empfiehlt  Verf.  die  von 
|  Frank  angegebene  Modifikation  der  Operation  (Abschluss  der 
Bauchhöhle  durch  Vernähen  des  Peritonealüberzugs  des  unteren 
Uterinsegments  an  den  der  vorderen  Bäuchwand,  quere  Spaltung 
des  Segments.  Entleerung  des  Uterus,  Vereinigung  der  Wunden 
durch  die  Naht).  V.  operierte  zweimal  mit  gutem  Erfolg  dn  dieser 
Weise. 

3)  H  a  r  tje  -  Elberfeld:  Ueber  die  Beziehungen  der  sogenannten 
papillären  Uterindriisen  zu  den  einzelnen  Menstruationsphasen. 

Die  Opitz  sehen  Drüsen  kommen  auch  bei  Ausschluss  von 
Schwangerschaft  durchaus  nicht  selten  vor  und  sind  als  physiologische 
Schleimhautveränderungen  anzusehen.  Verf.  findet  solche  Drüsen 
in  3,7  Proz;  aller  ausgeschabten  Schleimhäute.  Die  Drüsen  stellen 
prämenstruelle  Veränderungen  vor  und  finden  sich  auch  noch  während 
der  Menstruation  in  der  Schleimhaut.  Vorstufen  dieser  Drüsen  mit 
niedrigeren  Papillen  finden  sich  noch  häufiger  auch  im  Regenerations¬ 
stadium  der  Schleimhaut.  Die  O  p  i  t  z  sehe  Papillenform  ist  nichts 
anderes  als  das  am  höchsten  differenzierte  Endglied  einer  Kette  von 
Drüsenformen,  die  mit  der  ganz  einfachen  tubulösen  Drüse  beginnt. 
Bei  stark  erweiterten  und  geschlängelten  Uterindrüsen  ist  man  also 
nicht  ohne  weiteres  berechtigt,  drüsige  Hypertrophie  oder  Hyper¬ 
plasie  der  Schleimhaut  anzunehmen.  Für  die  Beurteilung  des  histo¬ 
logischen  Befundes  ist  es  notwendig,  die  Zeit  der  Schleimhautent- 
nahme  im  Verhältnis  zur  Menstruationszeit  zu  kennen. 

4)  N  e  u  -  Heidelberg:  Epilepsie  und  Gravidität. 

Zu  kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

5)  P  e  u  k  e  r  t  -  Halle:  Doppelseitiges  Fibrokvstom  an  unver¬ 
änderten  Ovarien. 

Der  Fall  ist  durch  die  gleiche  doppelseitige  kongenitale  Anlage 
von  Fibrom-  und  Kystenbildung  von  Interesse.  Am  linken  Ovarium 
befand  sich  ein  zweifaustgrosses  gestieltes  Fibrom  mit  gleich  grosser 
Zyste,  am  anderen  Ovar  in  kleinem  Massstabe  das  gleiche  Bild,  ein 
rüsselföi  miges  Anhängsel  mit  derbem  fibrösem  Stiel  und  zystischem 
Kopf.  Beide  Fibrome  entspringen  aus  der  Mitte  der  Basis  des  sonst 
normalen  Ovarium. 

6)  Adler-  Wien:  Seltene  Ovarialveränderungen. 

Verf.  teilt  2  Fälle  des  erst  einmal  von  Abel  beschriebenen 
Ovarium  gyratum  mit.  Die  Gyri  an  der  Oberfläche  erinnern  an  das 
Bild  der  Gehirnoberfläche;  sie  sind  entstanden  durch  intensive  gleich- 
massige  Wucherung  des  Rindenstromas  der  Fläche  nach.  Auch 
mikroskopisch  zeigt  sich  eine  starke  Vermehrung  des  Rindenstromas, 
ferner  Atrophie  des  Follikelapparates  und  Zeichen  chronisch-entzünd¬ 
licher  Prozesse.  Aehnlich  sieht  ein  weiter  beschriebener,  aber 
genetisch  ganz  verschiedener  Fall  von  Adenofibrom  'intracanaliculare 
ovarii  aus;  kongenitale  Anlage,  Wucherung  des  bindegewebigen 
Ovarialstromas  unter  Beteiligung  des  Keimepithels  nur  im  Innern 
des  Ovais  unter  Verdrängung  des  Follikelapparates  kennzeichnen 
diese  echte  I  umorbildung  im  Gegensatz  zum  Ovarium  gyratum. 

7)  O  ff  e  r  ge  Id  -  Marburg:  Chemische  und  histologische  Bei¬ 
trage  zur  Pubotomie.  (Schluss  im  nächsten  Heft.) 

Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  42. 

Pankow-Freiburg  i.  B.:  Das  Alttuberkulin  Koch  als  Dia- 
gnostikum  in  der  Gynäkologie. 

P.  hat  die  Angaben  Birnbaums  (cf.  d.  Wochenschr.  No.  42, 
p.  2HI2)  in  32  Fällen  chronisch-entzündlicher  Veränderungen  nach¬ 
geprüft,  wo  stets  die  Reaktionsdiagnose  durch  die  klinische  und  histo- 
P nni1C  Untersuchung  kontrolliert  wurde.  Als  Anfangsdosis  wurde 
0  001  gegeben  und  bis  0,01  gestiegen.  Von  den  32  Fällen  ergaben 
»n  mal  beide  Diagnosen  keine  1  uberkulose,  3  mal  wurde  die  auf  Tuber- 
kulose  gestellte  Reaktionsdiagnose  nicht  bestätigt,  4  mal  ergaben  beide 
Diagnosen  Tuberkulose  und  5  mal  fand  sich  bei  negativer  Reaktions- 
uiagnose  histologisch  doch  eine  1  uberkulose.  Das  diagnostische  Re¬ 
sultat  der  Tuberkulininjektion  deckte  sich  mithin  in  75  Proz  der 
Eule  mit  dem  anatomischen  Befund,  in  25  Proz.  differierte  ersteres. 
n'  .\°Tnle  Birnbaums  Angabe,  der  in  jedem  Falle  von 
Genitaltuberkulose  lokale  Reaktion  fand,  nicht  bestätigen. 

J  G.  t  e  r  B  r  a  a  k  und  A.  M  i  j  u  1  i  e  f  f  -  Tiel  (Holland) :  Ein  Fall 
von  Eklampsie  infolge  von  erhöhter  intrarenaler  Spannung. 

Es  handelte  sich  um  eine  21jährige  I.  Para,  die  nach  der  Ge- 
burt  schwere  Eklampsie  bekam.  Dabei  Hess  sich  in  der  rechten  Seite 
des  Leibes  ein  grosser  I  umor  fühlen,  der  als  vergrösserte  Niere  an- 
gespi ochen  wurde.  Eine  Operation  wurde  verweigert;  die  Anfälle 
höiten  abei  am  nächsten  Tage  spontan  auf  und  der  Tumor  verschwand 
wiedei.  Vff.  schliessen  aus  ihrem  Fall,  dass  neben  dem  toxischen 
auch  ein  mechanisches  Moment  die  Eklampsie  bedinge,  die  intra- 
renale  Spannung. 

Diese  Ansicht  i echtfertigt  die  Nierendekapsulation  nach  Ede- 
b  o  h  1  s  mit  oder  ohne  Nephrotomie,  die  als  bestes  Mittel  zur  Auf¬ 
hebung  der  intrarenalen  Spannung  gelten  muss.  Vff.  stehen  aber 
nicht  auf  dem  radikalen  Standpunkte  E  d  e  b  o  h  1  s,  der  die  Operation 
stets  ausführen  will,  sobald  Eklampsie  auftritt.  Sie  verwerfen  sie  für 
Gravidität  und  Partus  und  beschränken  sie  nur  auf  das  Puerperium. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2245 


Für  die  ersten  beiden  ist  zunächst  die  Beendigung  der  Geburt  indiziert, 
sei  es  durch  Sectio  caesarea,  durch  den  vaginalen  Kaiserschnitt  oder 
durch  andere  Methoden.  Erst  nach  Entleerung  des  Uterus  tritt  die 

Decapsulatio  renis  und  Nephrotomie  in  ihre  Rechte. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 


Archiv  für  Verdauungskrankheiten  mit  Einschluss  der 
Stoffwechselpathologie  und  der  Diätetik.  Redigiert  von  Dr. 
J.  Boas -Berlin.  Bd.  XIII.,  Heft  3. 


16)  A.  Fe  r  rata  und  G.  Maruzzi:  Ueber  das  Verhalten  von 
Phcsphorverbindungen  in  der  Darmschleimhaut  im  Hungerzustand, 
sowie  nach  Verabreichung  von  Nahrungsstoffen.  (Aus  dem  von  Prof. 
Ca  ja  geleiteten  Laboratorium  der  med.  Klinik  in  Parma,  Direktor: 
Prof.  Riva.) 

Aus  den  an  Hunden  angestellten  Versuchen  folgte,  dass  eine 
phosphorhaltige  Nahrung  ein  Steigen  des  Gehalts  an  Verbindungen 
der  Lezithingruppe  sowohl  in  der  Darmschleimhaut,  als  auch  in  der 
Leber  und  im  Blut  bewirkt  und  zwar  nahm  in  einzelnen  Versuchen  der 
dem  Gehalt  an  Lezithinkörpern  in  der  Darmschleimhaut  entsprechende 
Phosphorgehalt  nach  einer  solchen  Nahrung  um  das  Drei-  bis  Vier¬ 
fache  gegenüber  dem  beim  hungernden  Tiere  gefundenen  zu.  Ganz 
anders  jedoch  verhielt  sich  in  diesen  Versuchen  das  Lezithineiweiss, 
dessen  Gehalt  sowohl  in  der  Harmschleimhaut,  wie  auch  in  der  Lebet 
und  im  Blute  beim  hungernden  Tiere  höher  gefunden  wurde,  als  bei 
anderen  Versuchstieren,  die  phosphorhaltigen  Nahrungsstoff  erhalten 
hätten 

17)  S  c  h  1  o  s  s  -  Wiesbaden:  Vegetabilische  oder  Fleischnahrung 

bei  Hyperazidität.  (Aus  der  experimentell-biologischen  Abteilung  des 
pathologischen  Instituts  der  Universität  Berlin.) 

Seitdem  Jiirgensen  erstmalig  im  Jahre  1898  Front  gemacht 
hatte  gegen  die  früher  wohl  ziemlich  allgemein  herrschende  Ansicht, 
dass  bei  Hyperazidität  vorzüglich  Fleisch-  bezw.  Eiweisskost  an¬ 
gezeigt  sei  wegen  ihrer  die  überschüssige  Salzsäure  bindenden  Eigen¬ 
schaft,  ist  dieser  Standpunkt  jetzt  so  ziemlich  verlassen  und  heute 
steht  die  Frage  wohl  so,  dass  im  Allgemeinen  mehr  einer  gemischten 
Kost  das  Wort  geredet  wird,  in  der  Mehrzahl  allerdings  noch  mit 
Bevorzugung  von  zartem  Fleisch  und  Eiweiss.  Wie  lässt  sich  nun 
dieser  Wechsel  in  der  Anschauung  rechtfertigen?  Halten  wir  mit 
Schloss  daran  fest,  dass  im  Gegensatz  zur  Konstanz  der  Azidität 
lediglich  die  Menge  des  abgeschiedenen  Saftes  Schwankungen  unter¬ 
worfen  ist,  dass  sich  also  die  Begriffe  Hyperazidität  und  Hyper¬ 
sekretion  im  Wesentlichen  decken,  so  ergibt  sich  daraus  ganz  von 
selbst,  dass  es  nicht  so  sehr  darauf  ankommt,  die  in  dem  Magen 
bereits  abgeschiedenen  Säuren  zu  binden,  als  vielmehr  darauf,  die 
Abscheidung  überschüssiger  Mengen  zu  beschränken.  Die  von 
Schloss  in  dieser  Richtung  angestellten  Untersuchungen  ergaben 
nun  zur  Evidenz,  dass  vegetabilische  Kost  eine  an  Menge  und  Dauer 
viel  geringere  Saftsekretion  hervorruft,  als  Fleischnahrung,  dass  sie 
also,  soferne  man  sich  der  Schloss  sehen  Anschauung  über  das 
Wesen  der  Hyperazidität  anschliesst,  gegenüber  der  Fleischkost  bei 
Behandlung  dieses  Leidens  entschieden  als  die  schonendere,  weit 


weniger  reizende  Kost  anzusehen  ist. 

18)  Schmilinsky-  Hamburg:  Vorteile  und  Nachteile  der 

Korinthenprobe.  . 

Die  beiden  von  Schm,  hier  veröffentlichten  Krankengeschichten 
sind  eine  dringende  Mahnung  bei  allen  Kranken,  bei  denen  auch  nui 
der  geringste  Verdacht  besteht,  dass  ein  Ulcus  vorliegen  könnte,  auf 
die  Korinthenprobe  zu  verzichten  wegen  einer  möglichen  Reizung  der 
Geschwürsfläche  und  dadurch  bedingten  Pylorospasmus  und  zwar 
auch  dann,  wenn,  wie  im  Fall  2,  früher  ähnliche  Dinge  (Rosinen  etc.) 
anstandslos  vertragen  worden  waren,  denn  die  Reizbarkeit  eines  Ge¬ 
schwürs  ist  eben  zeitweilig  ganz  verschieden. 

19)  Schmilinsky-  Hamburg:  Zur  Diagnose  und  chirurgischen 
Therapie  des  Sanduhrmagens. 

Wenn  man  bedenkt,  welche  Schwierigkeiten  nicht  selten  die 
Diagnose  Sanduhrmagen  bietet,  so  wird  man  Schm,  nur  beipflichten 
können,  der  dem  Symptome,  auf  das  iW  ö  1  f  1  e  r  aufmerksam  gemacht 
hat,  dass  nämlich  beim  Einlaufen  von  Wasser  in  den  Magen  manchmal 
schon  nach  kurzer  Zeit  sich  nichts  mehr  herausbefördern  lässt,  eifrig 
das  Wort  redet  und  die  Anschauung  vertritt,  wenn  bei  mehrmaliger 
Magenspülung  die  zurückbleibende  Restmenge  300  ccm  überschreitet, 
dass  dann,  soferne  auch  die  anderen  Symptome  dafür  sprechen,  die 
Diagnose  Sanduhrmagen  ziemlich  sicher  angenommen  werden  kann. 
Schm,  hält  die  Gastroenterostomie  am  kardialen  Magen  für  ge¬ 
nügend,  noch  sicherer  ist  es  allerdings  nach  W  e  i  r  und  Fast  am 
kardialen  und  am  pylorischen  Magen  eine  Gastroenterostomie  an¬ 
zulegen. 

20)  Wasserthal- Karlsbad :  Ueber  die  Bedeutung  von  Flagel¬ 
laten  im  Stuhl  bei  Achylia  gastrica. 

Anschliessend  an  einen  Fall  von  Trichomonas  intestin.  Leuckart, 
den  Verfasser  längere  Zeit  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  gibt 
Wasserthal  einen  kurzen  Rückblick  über  die  bisherige  Kasuistik, 
das  Vorkommen  der  Flagellaten  im  Magendarmkanal  anlangend.  So 
wenig  Positives  wir  bis  jetzt  auch  über  die  symptomatische  und 
krankheitserregende  Rolle  der  Flagellaten  wissen,  eines  scheint 
festzustehen,  dass  die  Parasiten,  welche  Bedeutung  sie  immer  haben 
mögen,  sich  nur  am  pathologisch  veränderten  Gewebe  festsetzen 
können  und  dass  eine  Läsion  der  Schleimhaut  jeweils  die  Vorbe¬ 


dingung  bildet. 


21)  B  e  n  d  e  r  s  k  i  -  Kiew:  Ueber  den  weichen  und  steifen  (ner¬ 
vösen)  Leib. 

Benderski  glaubt  aus  der  Härte  oder  Weichheit  des  Leibes 
gewisse  Schlüsse  auf  den  allgemeinen  Zustand  des  ganzen  Organismus 
ableiten  zu  dürfen,  Schlüsse,  die  dann  wieder  Anhaltspunkte  für  die 
Diagnose  der  Krankheiten  des  Magendarmkanals  abgeben  sollen  und 
zwar  vor  allem  zur  Diagnose  des  von  manchen  Autoren  noch  immer 
eifrigst  verteidigten  Krankheitsbildes  der  nervösen  Dyspepsie. 

22)  P  1  ö  n  i  e  s  -  Dresden:  Die  Beziehungen  des  Geschwürs  und 
der  Erosionen  des  Magens  zu  den  funktionellen  Störungen  und  Krank¬ 
heiten  des  Darmes,  die  Frage  der  intestinalen  Autointoxikation  und 
die  Verschiedenheit  beider  Geschlechter. 

Vorliegende  Arbeit,  die  sich  bei  der  Fülle  des  Gebotenen  in  einem 
kurzen  Referate  unmöglich  erschöpfend  besprechen  lässt,  durchzieht 
als  roter  Faden  die  nicht  genug  zu  beherzigende  Mahnung,  dass  nur 
wenige  Funktionsstörungen  im  Körper  so  feinfühlig  auf  eine  kausale 
Therapie  reagieren,  als  gerade  die  Verstopfung,  mag  sie  nun  ein 
Magenleiden,  eine  Appendizitis  oder  eine  andere  selbständige  Darm¬ 
erkrankung  zur  Voraussetzung  haben,  und  dass  dieserhalb  die  so  weit 
verbreitete  und  geübte  symptomatische  Behandlung  mit  Abführmitteln, 
•mechanischen  oder  hydrotherapeutischen  Massnahmen,  die  stets  eine 
traurige,  den  Arzt  auf  die  Dauer  keinesfalls  befriedigende  Erscheinung 
in  unserem  therapeutischen  Streben  darstellt,  enei gisch  bekämpft 
werden  muss.  Hinsichtlich  der  Frage  der  intestinalen  Autointoxikation 
präzisiert  PI.  seinen  Standpunkt  dahin,  dass  wir  in  den  Gärungen 
des  Magens  und  des  oberen  Teiles  des  Darmes,  in  denen  sie  stets 
pathologisch  sind,  die  eigentliche  Quelle  der  Autointoxikationen  zu 
suchen  haben,  nie  und  nimmer  aber  in  den  Zersetzungsvorgängen,  die 
im  Dickdarm  sich  abspielen. 

23)  E'h  r  1  i  c  h  -  Stettin:  Vorläufige  Mitteilung  über  ein  neues 
Instrument  zur  Gastroskopie. 

E.  Konstruktion  eines  neuen  Gastroskops  beruht  auf  dem  Prinzip 
eines  verkehrt  vor  das  Auge  gebrachten  Feldstechers,  durch  den  man 
bekanntlich  ein  grosses  Gesichtsfeld  stark  verkleinert  übersieht. 

A.  Jordan-  München. 

Archiv  für  Hygiene.  62.  Band,  Heft  4.  1907. 

1)  L.  v.  L  i  e  b  e  r  m  a  n  n  -  Ofen-Pest:  Ueber  Hämaggiutination 
und  Hämatolyse.  I.  Ueber  Hämagglutination  durch  Rizin. 

2)  Derselbe:  II.  Beziehungen  zwischen  Hämagglutination  und 
Hämatolyse. 

3)  L.  und  P.  v.  Liebermann  -  Ofen-Pest:  III.  Ueber  die  Wir¬ 
kung  von  Kieselsäure  auf  rote  Blutkörperchen. 

4)  Dieselben:  IV.  Ueber  die  hämatolytische  Wirkung  des 
Guajaksaponins. 

5)  L.  v.  Lieber  mann:  V.  Ueber  hämolytische  Sera.  Wirkung 
von  Säure  und  Alkali. 

6)  L.  und  P.  v.  Liebermann:  VI.  Ueber  die  Aenderung 
der  Hydroxyl-Ionen-Konzentration  beim  Inaktivieren  der  Sera.  Ein¬ 
fluss  derselben  auf  die  Hämatolyse. 

7)  L.  v.  Li  eher  mann  und  B.  v.  Fenyvessy:  VII.  Ueber 
Nachweis  und  Isolierung  des  hämatolytischen  Immunkörpers. 

8)  L.  v.  Lieb  er  mann:  VIII.  Ueber  hämatolytische  Komple¬ 
mente  und  über  den  Mechanismus  der  Wirkung  hämatolytischer  Sera. 

Die  vielen  interessanten  Beobachtungen  können  nicht  im  Rahmen 
eines  kurzen  Referates  mitgeteilt  werden.  Es  sei  nur  darauf  hinge¬ 
wiesen,  dass  v.  Lieber  mann  durch  systematisches  Vorgehen  be¬ 
weisen  konnte,  dass  Gemenge,  welche  Seife,  Oelsäure  und  Serum¬ 
albumin  in  einem  gewissen  Prozentsatz  enthalten,  dem  hämatolytischen 
Immunserum  überraschend  ähnlich  sich  verhalten.  Es  spielt  hier  die 
Oelsäure  gewissermassen  die  Rolle  eines  Immunkörpers,  die  Seife 
diejenige  eines  Komplementes. 

2)  Gottfried  B  ö  h  m  -  München:  Die  Bedeutung  der  durch  Hetol 
(zimmtsaures  Natron)  hervorgerufenen  Hyperleukozytose  bei  der 
intravenösen  und  subkutanen  Milzbrandinfektion  des  Kaninchens. 

Die  durch  Hetolinjektionen  künstlich  vermehrten  Leukozyten  ver¬ 
mögen,  wenn  überhaupt,  nur  in  ganz  geringem  Masse  eine  Steigerung 
der  Resistenz  des  Kaninchens  gegen  Milzbrandinfektion  herbeizu¬ 
führen.  Das  Kaninchenblutplasma  besitzt  keine  bakterizide  Kraft, 
selbst  auf  der  Höhe  der  Hetolhvperleukozytose.  Die  Zahl  der  Blut¬ 
plättchen  ist  auf  der  Höhe  der  Hetolhyperleukozytose  nicht  immer 
vermindert. 

10)  K  ü  s  t  e  r  -  Freiburg:  Ueber  die  Ursache  der  Hauterkrankung 
bei  Anwendung  von  Dauerbädern. 

Als  Ursache  der  Hauterkrankungen  nach  Dauerbädern  liess  sich 
ein  Pilz  eruieren,  der  zu  den  Askomyzeten  gerechnet  werden  muss. 
Die  anfangs  missglückte  Züchtung  gelang  in  Formalinwasserkulturen. 
Es  gelang  bisher  aber  noch  nicht  mit  irischem  Material  kräftige 
Individuen  in-  und  ausserhalb  des  Dauerbades  zu  infizieren.  Für 
kleinere  Tiere  ist  der  Organismus  bei  Einspritzung  von  Reinkultur 
pathogen,  besonders  für  Kaninchen,  aber  auch  für  Meerschweinchen, 
Ratten,  Mäuse  und  Frösche.  R-  O.  Neumann  -  Heidelberg. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  3.  Heft, 

57.  Band.  1907. 

1)  Manteuffel  -  Halle  a.  S.:  Das  Problem  der  Entwicklungs¬ 
hemmung  in  Bakterienkulturen  und  seine  Beziehungen  zu  den  Ab¬ 
sterbeerscheinungen  der  Bakterien  im  Darmkanal. 


2246 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


Im  Anschluss  an  frühere  Untersuchungen,  in  denen  Verf.  ge¬ 
funden  hatte,  dass  bei  60 0  zerstörbare  Stoffwechselprodukte  von  Bak¬ 
terien  als  Wachstumshemmung  in  älteren  Bakterienkulturen  nicht  in 
Betracht  kommen  könnten,  sind  neue  Versuche  angestellt  worden,  um 
die  Einwände  besonders  von  Seiten  Eijkmanns,  der  die  Stoff¬ 
wechselprodukte  der  Bakterien  als  Hemmungsursache  ansieht,  zu  ent¬ 
kräften,  Des  Verf.  neue  Ergebnisse  sprechen  nun  dafür,  dass  die 
Entwertung  des  Nährbodens,  nicht  die  gebildeten  Stoffwechselpro¬ 
dukte,  der  ausschlaggebende  Faktor  für  die  Wachstumshemmung  und 
den  Bakterientod  ist.  Auch  in  frisch  entleerten  Fäzes  finden  sich 
keine  bakteriziden  Stoffe,  die  das  Vorhandensein  der  massenhaften 
toten  Bakterien  darin  erklären  können.  Vielmehr  sind  neben  der 
W  irkung  des  erschöpften  Nährbodens  bakterizide  Kräfte  des  lebenden 
Organismus  vorhanden,  welche  durch  Vermittelung  der  Darmwand 
mit  den  Eäzesbakterien  in  Verbindung  treten,  und  die  Hemmungs¬ 
erscheinung  hervorbringen. 

2)  Hammerschmidt  -  Gnesen :  Die  Gnesener  Kläranlage. 
Ein  Beitrag  zur  biologischen  Abwasserreinigung. 

Beschreibung  der  Genesener  Anlage  nebst  bakteriologischen  und 
chemischen  Untersuchungen,  welche  zeigen,  dass  die  Anlage  und  die 
Oxydationskörper  allen  billigen  Anforderungen  entsprechen.  Es  wird, 
aber  auch  darauf  hingewiesen,  dass  die  biologische  Abwässerreinigung 
die  Lebensfähigkeit  der  Kolikeime  nicht  zu  vernichten  vermag  da 
dieselben  nachgewiesenermassen  die  Oxydationskörper  lebend  ver¬ 
lassen.  Es  ist  deshalb  auch  denkbar,  dass  andere  Bakterien,  und 
zwar  pathogene  in  den  Vonluther  gelangen  können. 

3)  Th.  Madsen  und  Max  N  y  m  a  n  -  Helsingfors :  Zur  Theorie 
der  Desinfektion  I. 

4)  P.  M  ü  h  le  n  s  -  Berlin:  Vergleichende  Spirochätenstudien. 

Auf  2  lafeln  bringt  der  Verf.  Spirochaete  pallida,  refringens. 
balanitidis,  Duttoni,  Obermeieri,  Gallinarum,  Laverani,  Spirochäten 
aus  Mückenmagen,  Darmspirochäten,  Mundspirochäten,  bei  Angina 
Vincenti,  bei  Karzinom,  bei  Lungengangrän  und  die  grosse  Spirochaete 
Balbiani  zur  Darstellung,  um  die  leichte  Differenzierung  gegenüber  der 
Spirochaete  pallida  zu  zeigen. 

5)  Kruse,  Rittershaus,  Kemp  und  Metz-Bonn:  Dy¬ 
senterie  und  Pseudodysenterie. 

Sehr  eingehende  Bearbeitung  der  morphologischen  und  bio- 
logischen  Chaiakteristika  von  Dysenterie  und  Pseudodysent€rie  und 
Besprechung  der  epidemiologischen  Tatsachen  dieser  beiden  Erkran¬ 
kungen.  Beide  Krankheiten  verlaufen  verschieden.  Die  Pseudo¬ 
dysenterie  im  allgemeinen  leichter.  Während  für  „echte“  Dysenterie 
ein  Heilserum  existiert,  gibt  es  gegen  Pseudodysenterie  noch  kein 
spezifisches  Gegenmittel.  Die  Differenzierung  beider  Krankheiten  ist 
nicht  immer  leicht. 

6)  Kemp  -  Bonn:  Ueber  Paradysenterie. 

Eine  kleine  in  .  Bonn  verlaufende  Ruhrepidemie  gab  Gelegenheit 
die  von  Kruse  benannten  Paradysenteriebazillen,  welche  von  den 
echten  erheblich  abweichend,  zuerst  in  Konstantinopel  von  Deyke 
und  Reschad  isoliert  worden  waren,  eingehend  zu  untersuchen. 
Ls  gelang  nicht,  die  von  Deyke  und  Reschad  gemachten  An¬ 
gaben  in  allen  Stücken  zu  bestätigen.  Besonders  gelang  der  Füt¬ 
terungsversuch  an  Katzen  nie,  während  die  genannten  Autoren  blutige 
Stuhle  erzeugt  hatten. 

7)  Wolfgang  W  e  i  c  h  a  r  d  t  -  Erlangen:  Bemerkungen  zu  der 
Arbeit  von  Privatdozent  Dr.  Herrn.  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Graz:  „Zur  Kenntnis 
der  agglutinierenden  Wirkung  von  Rückständen  normalen  Menschen¬ 
harnes. 

K)  Hei  mann  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Graz:  Bemerkungen  zu  der  vorstehen¬ 
den  Kritik  W.  Weichardts. 

Polemik.  R.  o.  N  e  u  m  a  n  n  -  Heidelberg. 


Arbeiten  aus  dem  Kaiserl.  Gesundheitsamte.  27.  Band 

Heft  1.  1907. 

1)  Adolf  Günther-Berlin:  Ergebnisse  der  amtlichen  Wein- 

Statistik.  Berichtsjahr  1905—1906.  I.  Weinstatistische  Untersuchungen 
11.  Moststatistische  Untersuchungen.  ’ 

Die  statistischen  Erhebungen  der  Weinernte  des  Jahres  1906 
zeigten,  dass  die  zu  Anfang  desselben  Jahres  gehegten  Befürchtungen 
wegen  einer  schlechten  Weinernte  nur  zu  begründet  waren.  Das  Jahr 
1906  gilt  als  ein  typisches  Peronosporajahr.  Die  Blattfallkrankheit 
verursachte  in  vielen  Teilen  des  ganzen  Reiches  enorme  Verheerungen, 
so  dass  manchmal  die  Ernte  gleich  Null  war.  Wie  gross  der  Aus 
fall  gegenüber  früheren  Jahren  ist,  geht  aus  folgenden  Zahlen  her¬ 
vor:  Die  Mosternte  betrug  1904  4  244  408  Hektoliter  1905  3  855  978 
Hektoliter,  1906  1  635  727  Hektoliter.  Nur  in  einigen  hegenden  z  B 
an  der  Mosel,  wurde  %  bis  ein  voller  Herbst  erzielt.  Es  hat  sich  iri 
einzelnen  Bezirken  wiederum  gezeigt,  wie  ausserordentlich  wichtig 
und  notwendig  die  Bespritzung  mit  Kupferlösung  gewesen  ist,  da  dort 
wo  die  Bespritzung  rationell  betrieben  worden  war,  viel  bessere 

Resultate  er.zl®lt  wurden.  Ueber  die  chemischen  Üntersuchungs- 
ergebmsse  sind  zahlreiche  Tabellen  dem  Berichte  beigegeben. 

Allgemein  interessant  sind  noch  die  Angaben,  wie  weit  die  Most- 

vt?\19(!1 * * * * 6  hinter  den  früheren  Jahren  an  Gesamtwert  zurück- 
steht .  Unter  den  11  Jahren,  für  welche  der  Gesamtwert  der  deutschen 
Mosternte  bekannt  ist,  steht  es  an  drittletzter  Stelle  mit  70,2  Millionen 
Mark.  Der  Durchschnitt  der  10  früheren  Jahre  betrug  97,3  Millionen 
Mark.  Unter  den  20  Jahren,  für  welche  der  Gesamtmengenbetrag  der 


deutschen  Mosternte  bekannt  ist,  weist  das  Berichtsjahr  den  sechst- 
niedrigsten  Ertrag  auf:  es  steht  mit  seinem  Ertrage  von  1  636  Mil¬ 
lionen  Hektoliter  bei  weitem  unter  dem  Durchschnittsertrag  der 
früheren  25  Jahre:  2,366  Millionen  Hektoliter. 

2)  Friedrich  Auerbach  und  Hermann  B  a  r  s  c  h  a  1 1  -  Berlin: 
Studien  über  Formaldehyd.  II.  Mitteilung.  Die  festen  Polymeren  des 
Formaldehyds. 

Rein  chemische  Studien,  welche  zu  der  Erkennung  der  Existenz 
von  6  verschiedenen  festen  Polymeren  des  Formaldehyds  führten. 

1.  Paraformaldehyd,  2.  a-Polyoxymethylen,  ß-Polyoxymethylen. 
y-Polyoxymethylen,  ö-Polyoxymethylen,  a-Trioxymethylen. 

R.  O.  Neumann  - Heidelberg. 

Vierteljahrschrift  für  gerichtliche  Medizin  und  öffentliches 

Sanitätswesen.  *)  Dritte  Folge,  XXXIV.  Bd.,  1907,  3.  H. 

I.  Gerichtliche  Medizin. 

1)  Toxikologischer  Vergleich  zwischen  Ghinosol,  Lysol  und 
Kresol  von  Th.  W  e  y  1  -  Charlottenburg. 

Verfasser  hat  toxikologische  Versuche  mit  diesen  3  Mitteln  an 
einer  Reihe  von  Kaninchen  angestellt,  teils  stomachal,  teils  sub- 
k  u  t  a  n,  teils  intraabdominal. 

Das  Ergebnis  bezüglich  der  kleinsten  toxischen  Dosis  war 

a)  vom  Magen  aus  Lysol  und  Kresol  gleich  giftig, 

b)  von  der  S  u  b  k  u  ti  s  aus  GhinoSol  giftiger  als  Lysol,  während 
Kresol  viel  ungiftiger  ist  als  die  beiden  anderen  Stoffe, 

c)  vom  Peritoneum  aus  Chinosol  viel  ungiftiger  als  Lysol 
und  Kresol  ist. 

Bezüglich  der  kleinsten  letalen  Dosis  war  festzustellen,  dass 

a)  das  Kresol  vom  Magen  aus  163  Proz.  giftiger  als  Lysol  und 
135  Proz.  giftiger  als  Chinosol, 

b)  von  der  S  u  b  k  u  t  i  s  aus  etwa  136  Proz.  ungiftiger  als  Lysol 
und  371  Proz.  ungiftiger  als  Chinosol, 

c)  vom  Peritoneum  aus  ebenso  giftig  wie  Chinosol  und 
51,5  Proz.  ungiftiger  als  Lysol  ist. 

Chinosol  ist  für  Kaninchen  vom  Magen  aus  ebenso  giftig, 
wenn  nicht  giftiger  wie  Lysol, 

von  der  S  u  b  k  u  t  i  s  aus  100  Proz.  giftiger  als  Lysol, 

vom  Peritoneum  aus  aber  51,5  Proz.  ungiftiger  als  Lysol. 

Verfasser  ist  auf  Grund  dieser  Untersuchungen  der  Ansicht,  dass 
.der  Verkauf  von  Chinosol  in  gleicher  Weise  ge¬ 
regelt  werden  müsste,  wie  es  für  das  L y  s  o  1  •  be¬ 
reits  geschehen  Ls  t. 

2)  Zur  Verfeinerung  des  spektroskopischen  Nachweises  von 
Kohlenoxydhämoglobin  im  Blute  von  Dr.  O.  Kur  pju  weit,  Kreis¬ 
assistenzarzt  in  Berlin. 

Der  Umstand,  dass  der  spektroskopische  Nachweis  des  Kohlen¬ 
oxydhämoglobins  im  Blute  hinter  dem  chemischen  Nachweis  zurück¬ 
steht  —  mit  der  modifizierten  Tanninprobe  konnte  auch  5—10  Proz. 
CO -Gehalt  im  Blute  nachgewiesen  werden,  während  die  Spektral¬ 
probe  noch  bei  20  Proz.  negativ  ausfiel  — ,  liess  eine  Verfeinerung 
der  letzteren  wünschenswert  erscheinen.  Dem  Verfasser  gelang  dies 
dadurch,  dass  er  eine  Mischung  von  Kohlenoxydblut  und  gewöhnlichem 
Blute  herstellte.  Bei  Zusatz  von  0,75  ccm  Kohlenoxydblut  zu  4  ccm 
reduziertem  gewöhnlichen  Blut  tritt  deutlich  im  Spektrum  eine  Ver¬ 
schiebung  des  reduzierten  Hämoglobinstreifens  nach  rechts  auf,  dazu 
macht  sich  ein  schärferer  Schatten  in  der  Mitte  bemerkbar. 

Es  gelang  hierdurch  der  spektroskopische  Nachweis  bei  einem 
CO-Gehalt  von  15  Proz.  Zur  Ausführung  bedient  man  sich  am  besten 
desHermann  sehen  Hämatoskops  oder  des  Schulz  sehen  Doppel- 
kistchens  (Blutmischung  1  Teil  Kohlenoxydblut  und  5,3  Teile  gewöhn¬ 
liches  Blut). 

3)  Ueber  traumatische  Nephritis.  Experimentelle  Untersuchungen 
von  Dr.  Luigi  T  omellini.  (Aus  dem  Institut  für  gerichtl.  Medizin 
an  der  Universität  Genua.) 

Um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  nach  Trauma  wirkliche  ent¬ 
zündliche  Erkrankungen  der  Nieren  auftreten  können,  oder  ob  es 
sich  bei  den  durch  Trauma  gesetzten  Veränderungen  nur  um  Zonen 
von  heilendem  Narbengewebe  handelt,  hat  Verfasser  eine  grosse 
Zahl  von  Untersuchungen  zunächst  an  Hunden,  dann  hauptsächlich  an 
Kaninchen  angestellt  und  diese  in  drei  Abteilungen  geschieden: 

1.  Verletzungen  (Kontusionen)  der  Niere  nach  ihrer  Blosslegung 
durch  Laparotomie. 

2.  Verletzungen  der  Niere  ohne  Blosslegung  derselben. 

3.  Verletzungen  der  Niere  nach  vorausgegangener  Insultierung 
von  Nerven  der  Nieren. 

Verfasser  kam  bei  diesen  Versuchen  zu  dem  Ergebnis,  dass  die 
Nieren  niemals  Entzündungserscheinungen  irgend  welcher  Art,  auch 
keine  Veränderungen  der  Gefässe  zeigten;  die  konstanteste  Erschei¬ 
nung  ist  stets  die  Verdickung  der  Rindenkapsel,  ferner  wuchern  im 
Gewebe  nekrotische  Zonen  mit  darauffolgender  Kalkablagerung.  Eine 
typische  parenchymatöse  Nierenentzündung  lasse  sich  also  bei  Ka¬ 
ninchen  wenigstens  durch  Trauma  nicht  erzielen;  die  begrenzenden 


*)  Unter  Mitwirkung  der  Kgl.  wissenschaftlichen  Deputation  für 
das  Medizinalwesen  im  Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medizinalangelegenheiten,  herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Schmidt- 
m  a  n  n.  Geh.  Ober-Med.-Rat,  Berlin  und  Prof.  F.  Strassmann, 
Geh.  Med.-Rat,  Berlin. 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2247 


Zonen  von  Bindegewebe  sind  nur  als  Narbengewebe  anzusprechen, 
das  die  nekrotischen  Zonen  ausgefüllt  hat.  Ob  diese  Ergebnisse  auch 
auf  den  Menschen  sich  übertragen  lassen,  hält  Verfasser  für  fraglich, 
da  es  nicht  unwahrscheinlich  sei,  'dass  beim  Menschen  auf  Grund  be¬ 
stehender  Krankheiten  oder  Intoxikationen  des  Organismus  das 
Trauma  an  den  Nieren  nur  die  Gelegenheitsursache  zur  Ent¬ 
wicklung  einer  typischen  diffusen  Nephritis  ist. 

4)  Die  strafrechtliche  Begutachtung  von  Augenverletzungen  im 
Sinne  des  §  224  des  Strafgesetzbuches  (schwere  Körperverletzung) 
von  Dr.  H  e  r  b  s  t  -  Barmen. 

Verfasser  bespricht  den  Gang  der  strafrechtlichen  Begutachtung 
von  Augenverletzungen;  er  weist  u.  a.  auf  die  Schwierigkeiten  hin, 
die  sich  hierbei  ergeben,  namentlich  wenn  der  Fall  erst  längere  Zeit 
nach  der  fraglichen  Verletzung  dem  Begutachter  zugeführt  wird. 

Zu  beurteilen  sind  auf  Grund  des  §  224  die  Verletzungen  haupt¬ 
sächlich  nach  der  Richtung, 

a)  ob  Verlust  des  Sehvermögens  auf  einem  oder  beiden  Augen, 

b)  ob  erhebliche  dauernde  Entstellung  die  Folge  der  Ver¬ 
letzung  ist. 

Bezüglich  der  Grenzen  zwischen  „Sehen“  und  „Blindheit“  be¬ 
merkt  Verfasser,  dass  man  ein  Individuum  lim  allgemeinen  dann  als 
„blind“  bezeichnet,  wenn  seine  „zentrale  Sehschärfe“  so  gering  ist, 
dass  es  einfache  Handlungen  nicht  mehr  selbständig  auszuführen  ver¬ 
mag:  z.  B.  Umhergehen  an  einem  fremden  Ort  und  das  Verrichten 
grober  Arbeiten;  für  die  forensische  Praxis  könne  man  als  brauch¬ 
bare  zahlenmässige  Norm  annehmen,  die  besagt,  dass  ein  Mensch, 
welcher  bei  normaler  Beleuchtung  Finger  auf  ca.  Vz  m  erkennt,  zu 
Handlungen  der  genannten  Art  befähigt  ist,  mithin  nicht  mehr  als 
„blind“  im  gesetzlichen  Sinne  gelten  kann. 

In  die  Schätzung  mit  einzuziehen  ist  das  periphere  Sehen  (Ge¬ 
sichtsfeld).  Bei  Untersuchungen  müssen  event.  Refraktionsanomalien 
berücksichtigt  werden,  sowie  etwaige  Sehstörungen  vor  der  Ver¬ 
letzung. 

Als  Folgen  der  Verletzungen  kommen  u.  a.  in  Betracht  Muskel¬ 
lähmungen  (Ptosis  und  Schielen). 

Die  Endbegutachtung  kann  natürlich  erst  erfolgen,  wenn  der 
Krankheitsprozess  abgeschlossen  ist;  mit  besonderer  Vorsicht  sind 
die  perforierenden  Traumen  zu  beurteilen,  so  können  nach  Ver¬ 
letzungen  des  Bulbus  oft  erst  nach  längerer  Zeit  Komplikationen  auf- 
treten  (Iridozyklitis,  sympathische  Entzündung  des  anderen  Auges). 

Schliesslich  weist  Verfasser  noch  auf  die  Berücksichtigung  von 
allenfallsiger  Aggravation  und  Simulation  hin  (Prüfung  mit 
Prismenstereoskop). 

Neben  dauernder  Störung  des  Sehvermögens  kommt  noch  das 
Verbleiben  einer  erheblichen  dauernden  EntsteJlung 
in  Frage,  zu  dessen  Beurteilung  nicht  sowohl  fachmännische  Vor¬ 
kenntnisse  als  ein  normales  ästhetisches  Empfinden  erfolgreich  ist. 

Bei  simulierten  und  hysterischen  Verunstal¬ 
tungen  kommen  2  Anomalien,  Ptosis  und  Schielen,  in  Be¬ 
tracht. 

Schliesslich  sind  selbsterzeugte  und  gewollte  Augen¬ 
verletzungen  zu  berücksichtigen. 

5)  Mitteilungen  zur  gerichtsärztlichen  Beurteilung  von  Röntgen¬ 
bildern  von  Prof.  Dr.  Baläzs  K  e  n  y  e  r  e  s  -  Klausenburg  (Sieben¬ 
bürgen). 

Verfasser  berichtet  über  Knochenbefunde,  welche  im  Röntgen¬ 
bilde  Veränderungen  zeigten,  welche  Knochenbrüche  vortäuschten, 
bei  denen  es  sich  aber  in  Wirklichkeit  um  andere  Veränderungen 
handelt,  z.  B.  einmal  um  abgesprengten  Knochenkern  des  Hacken¬ 
fortsatzes  des  Oberarmbeins  bei  einem  Knaben,  jugendliche  Entwick¬ 
lungsstufen  der  Knochen  usw.  (hiezu  Abbildungen). 

6)  Die  Lungen  Neugeborener  im  Röntgenbilde  von  Prof.  Dr. 
B.  Kenyeres  - Klausenburg. 

Bei  der  Durchleuchtung  Totgeborener  verschwinden  die  Brust- 
und  Baucheingeweide  in  einem  gleichmässigen  Schatten;  bei  Neu¬ 
geborenen,  die  geatmet  haben,  erscheinen  die  den  Lungen  ent¬ 
sprechenden  Teile  hell  und  diese  sondern  sich  vorn  Herzen  und 
Zwerchfell  ab.  Der  Unterschied  ist  ganz  auffallend,  jedoch  ist  das  Ver¬ 
fahren  für  die  gerichtsärztliche  Praxis  kaum  verwertbar,  weil,  wie 
Verfasser  ausführt,  verschiedene  Täuschungen  Vorkommen  können, 
indem  die  Röntgenstrahlen,  wenn  sie  zu  grosse  Intensität  besitzen, 
auch  durch  luftleere,  also  dichtere  Teile  durchdringen,  wenn  sie  aber 
zu  schwach  sind  auch  lufthaltige  Teile,  nicht  durchdringen,  ganz  be¬ 
sonders  aber  werden  im  Röntgenbilde  kleine  lufthaltige  Teile,  welche 
bei  nur  teilweisem  Atmen  durch  grössere  Luftleere  verdeckt  sind, 
nicht  erkenntlich. 

6)  Zur  forensischen  Bedeutung  der  multiplen  Sklerose  von  Prof. 
R  a  e  c  k  e,  Oberarzt  der  psychiatrischen  Klinik  zu  Kiel. 

Die  Auffassung,  bei  der  multiplen  Sklerose  handle  es  sich  um 
ein  rein  somatisches  „Nervenleiden“,  ist  eine  irrige,  es  kommen  viel¬ 
mehr  sehr  häufige  psychische  Störungen  dabei  vor,  welche  eine  hohe 
forensische  Bedeutung  haben.  Nicht  immer  handelt  es  sich  um 
Demenz,  auch  andere  psychische  Störungen  kommen  zur  Beobachtung 
und  zwar  pflegen  im  Initialstadium  des  Leidens  —  mitunter  sogar 
noch  vor  Ausbildung  des  somatischen  Symptomenkomplexes  —  ma¬ 
nische  und  depressive  Erregungen  vorzuherrschen  mit  deliranten  und 
stuporösen  Episoden  oder  mit  ausgesprochen  epileptiformen  und 
hysteriformen  Episoden.  Bei  vorgeschrittener  Krankheit  scheinen 
dagegen  paranoide  Beziehungsideen  und  massloser  Grössenwahn 


nach  Art  der  paralytischen  häufiger  zu  sein;  die  Strafdelikte  können 
verschiedener  Art  sein,  je  nach  der  Art  der  jeweils  vorhandenen 
psychischen  Störung,  z.  B.  Brandstiftung  in  krankhafter  Depression 
mit  suizidaler  Absicht,  Sittlichkeitsdelikte  bei  Schwachsinnszuständen, 
schwer  zu  beurteilen  sind  solche,  bei  denen  die  Zerstörung  der 
ethischen  Vorstellungskomplexe  der  Ausbildung  augenfälliger  In¬ 
telligenzdefekte  voraufgegangen  ist. 

2.  Oefientliches  Sanitätswesen. 

1)  Gutachten  der  wissenschaftlichen  Deputation  für  das  Medi¬ 
zinalwesen  über  die  Zulässigkeit  eines  Zusatzes  von  Formaldehyd 
zur  Handelsmilch. 

Bereits  in  No.  39,  S.  1966  referiert. 

2)  Einrichtung  von  Krematorien  von  Dr.  C.  Rühe,  Assistent 
am  hygienischen  Institut  in  Greifswald. 

Verfasser  gibt  eine  eingehende  Besprechung  der  Leichenver¬ 
brennung  und  der  Gründe  für  und  wider  dieselbe  und  kommt  dabei 
zu  dem  Schlüsse :  dass  sowohl  die  Feuerbestattung  als 
auch  das  rationell  betriebene  E  r  d  b  e  g  r  ä  b  n  i  s  v  ol  l- 
auf  denAnforderungenderHygienegenüge.  Nur  wenn 
ungünstige  Boden-  und  Grundwasserverhältnisse  eine  Verzögerung 
der  Zersetzung  der  Leichen  bedingen  und  Gefahren  für  die  Umgebung 
bestehen,  ist  das  Erdbegräbnis  zu  verwerfen.  Die  Einführung  der 
obligatorischen  Feuerbestattung  hält  er  für  eine  absolute 
Unmöglichkeit;  die  f  a  k  u  1 1  a  t i  ve  Leichenverbrennung  setze  die 
obligate  Leichenschau  voraus. 

Für  grössere  Städte  empfiehlt  er  vom  ökonomischen  und  sozialen 
Standpunkte  die  fakultative  Feuerbestattung. 

In  Kriegs-  und  Epidemiezeiten  hält  er  zwar  die  Feuerbestattung 
vom  hygienischen  Standpunkte  für  dringend  empfehlenswert,  jedoch 
stosse  ihre  Durchführung  wegen  der  Menge  der  Leichen  auf  unüber¬ 
windliche  technische  Schwierigkeiten. 

3)  Ueber  schlagende  Wetter  in  Kohlengruben  und  den  Schutz 
der  Bergarbeiter  gegen  diese  Gefahren  durch  sanitätspolizeiliche 
Massnahmen  von  Dr.  J.  Felgesträger  in  Berlin. 

Mit  dem  Ausdruck  „Wetter1  bezeichnet  der  Bergmann  die 
Grubenluft  im  allgemeinen;  ist  dieselbe  relativ  günstig,  sodass  sie 
ein  subjektives  Unbehagen  nicht  hervorruft,  so  spricht  man  von 
„gutem  Wetter“,  ist  dagegen  der  Sauerstoff  vermindert,  so  sind  die 
Wetter  „matt“;  „schwer“  sind  sie  bei  vermehrtem  Kohlensäuregehalt. 
Ist  die  Luft  durch  schädliche  Gase,  z.  B.  Kohlenoxyd-,  Schwefel¬ 
wasserstoff-  und  Grubengas  so  verunreinigt,  dass  der  menschliche 
Organismus  dadurch  Schaden  erleidet,  so  wird  über  „böse  Wetter" 
geklagt,  ist  schliesslich  die  Luft  mit  Explosionsgasen  erfüllt,  so  er¬ 
tönt  der  Warnungsruf  „schlagende  Wetter“.  Bezüglich  ihrer  che¬ 
mischen  Zusammensetzung  handelt  es  sich  um  ein  Gemenge  von 
atmosphärischer  Luft  mit  Kohlenwasserstoffen,  namentlich  dem 
Methan  =  CTL,  auch  Sumpf-  oder  Grubengas  genannt;  nebenbei 
kommen  noch  andere  brennbare  Gase  (Wasserstoff,  Kohlenwasser¬ 
stoffe,  Kohlenoxydgas)  in  den  Wettern  vor.  Es  werden  nun  eingehend 
die  näheren  Verhältnisse  über  die  Bildung  der  schlagenden  Wetter 
und  die  durch  sie  bedingten  Gefahren- sowie  die  Sicherheitsvor¬ 
kehrungen  besprochen;  allgemein  gilt  die  bergpolizeiliche  Verordnung, 
dass  in  Schlagwettergruben  von  der  Schicht  besonders  'Zuverlässige 
Personen  damit  beauftragt  werden,  sämtliche  Orte  mit  der  Sicher¬ 
heitslampe  (Davylampe)  zu  untersuchen.  Punkte,  an  welchen  Schlag¬ 
wetter  nachgewiesen  werden,  sind  sofort  zu  sperren. 

Zur  Beseitigung  der  Gefahren  sorgt  man  für  eine  rationelle 
„Wetterführung“,  d.  i.  man  versucht  die  Wetter  nur  in  aufsteigender 
Richtung  abzuleiten;  man  behilft  sich  in  der  Regel  mit  „Wetter¬ 
maschinen1  ,  nämlich  grossen  Ventilatoren,  welche  meist  durch 
Saugung  über  dem  Wetterschacht  wirken.  Von  grosser  Wichtigkeit 
sind  auch  die  Befeuchtungsmethoden  durch  Berieselung  mit  Wasser, 
um  Kohlenstaub  ungefährlich  zu  machen,  d.  i.  die  Explosion  desselben 
zu  verhindern. 

Die  wichtigsten  Apparate,  die  der  Retter  zu  seiner  eigenen 
Sicherheit  bedarf,  beziehen  sich  auf  Zuführung  frischer  Luft  oder 
Sauerstoff  (Sauerstoffapparate  =  Masken,  welche  mit  verglasten 
Augenlöchern  versehen  an  das  Gesicht  fest  anschliessen). 

Dr.  S  p  a  e  t  -  Fürth. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  43.  1907. 

1)  L.  L  e  w  i  n  -  Berlin:  Ueber  eine  Spätwirkung  und  Nach¬ 
wirkung  des  im  Betriebe  eingeatmeten  Kohlenoxyds. 

In  dem  mitgeteilten,  an  das  Reichsversicherungsamt  erstatteten 
Obergutachten  wird  ein  Fall  besprochen,  in  welchem  bei  einer 
Plätterin  durch  Einatmen  von  Kohlenoxyd  eine  Vergiftung  auftrat, 
deren  Folgen,  da  sie  erst  später  sich  zeigten,  zunächst  als  zweifelhaft 
durch  die  Unfallversicherung  nicht  entschädigt  wurden.  Etas  Gut¬ 
achten  betont,  aus  welchen  physiologischen  Gründen  die  Wirkungen 
der  Intoxikation  erst  einige  Zeit  nach  Verlassen  des  betreffenden 
Raumes  auftraten  und  hebt  die  Gründe  hervor,  aus  welchen  die 
Folgeerscheinungen  der  Vergiftung  noch  längere  Zeit  anhalten  konnten. 

2)  Julius  C  1 1  r  0  n  -  Berlin:  Die  Serodiagnostik  der  Syphilis. 

Durch  die  Untersuchungen  des  Verfassers  liess  sich  feststellen, 

dass  der  Nachweis  von  Antikörpern  in  fast  allen  Fällen  von  Syphilis 
jeden  Stadiums  gelingt;  es  fanden  sich  auch  in  der  Lumbalflüssigkeit 
von  Paralytikern  in  80  Proz.  der  Fälle  Antikörper  der  Syphilis.  Das 
Vorhandensein  solcher  beweist  nach  Verfasser  das  Vorhandensein 


2248 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


aktiver  Syphilis,  ihr  Verschwinden  Heilung  oder  Latenz.  Das  An¬ 
steigen  des  Antikörpergehaltes  stellt  eine  Indikation  für  die  Einleitung 
einer  neuen  Kur  dar.  Für  die  praktische  Verwertbarkeit  der  Sero¬ 
diagnostik  (Ammenuntersuchung,  Ehekonsens)  werden  2  Gesetze  an¬ 
geführt:  I.  Je  länger  das  Syphilisgift  auf  den  Körper  eingewirkt  und 
je  häufiger  es  Rückfälle  gemacht  hat,  desto  regelmässiger  und  stärker 
ist  der  Antikörpergehalt  des  Serums.  2.  Je  früher  die  Quecksilber¬ 
behandlung  eingesetzt  hat,  je  länger  sie  fortgesetzt  wurde,  je  häufiger 
und  zweckmässiger  sie  angewandt  wurde  und  je  kürzer  die  Frist 
seit  der  letzten  Kur  ist,  desto  geringer  wird  der  Antikörpergehalt. 

3)  M.  E  i  n  h  o  r  n  -  New  York :  Diagnose  und  medizinische  Be¬ 
handlung  des  Ileus. 

Die  Besprechung  der  Diagnose  und  Behandlung  stellt  neue  Ge¬ 
sichtspunkte  nicht  auf,  hinsichtlich  der  letzteren  werden  günstige  Er¬ 
fahrungen  mit  dem  Atropin  berichtet.  Mitgeteilt  werden  eine  Reihe 
von  Versuchen  an  Fröschen,  denen  Verf.  künstliche  Strikturen  an¬ 
gelegt  hat  und  bei  welchen  er  mittelst  Röntgenstrahlen  und  Wismut¬ 
eingiessungen  den  Sitz  der  Verengerung  bestimmte. 

4)  K  e  r  s  t  e  n  -  Potsdam:  Ein  Fall  von  angeborenem  Verschluss 
im  unteren  Teil  des  Ileum. 

Mitteilung  der  Beobachtung  an  einem  neugeborenen  Mädchen, 
bei  welchem  die  Sektion  eine  vollständige,  einen  Zentimeter  lange, 
2  mm  dicke  strangartige  Atresie  in  der  Nähe  der  Ileozökalklappe 
ergab.  Abbildung  des  Präparates. 

5)  Knud  Schröder-Kopenhagen:  Untersuchungen  über  die 
Guajakprobe  für  Blut. 

Aus  den  vorgenommenen  Untersuchungen  folgert  Verf.:  Grössere 
Blutmengen  erfordern  zum  optimalen  Eintritt  der  Reaktion  starke 
Guajaklösungen,  schwache  Blutlösungen  dagegen  schwache.  Bei 
schwachen  Blutlösungen  können  starke  Guajaklösungen  die  Reaktion 
ganz  verhindern.  Die  Probe  muss  zur  Vermeidung  von  Fehlerquellen 
mit  mehreren  verschieden  starken  Guajakverdünnungen  vorgenommen 
werden.  Die  Aloinprobe  ist  zuverlässiger  als  die  Guajakprobe.  Es 
folgt  noch  die  Herstellung  der  verschiedenen  Guajaklösungen  und  die 
Technik  der  Probe. 

6)  B.  B  o  s  s  e  -  Berlin :  Ueber  Gelenkleiden  auf  der  Basis  von 
Geschlechtskrankheiten.  (Schluss  folgt.) 

7)  D  i  e  s  i  n  g  -  Baden-Baden :  Die  Bedeutung  der  Farbstoffe  bei 
den  Malariakrankheiten. 

D.  bespricht  die  Art  der  Wirkung  des  Chinins  bei  Malaria, 
welches  sich,  wie  man  mikroskopisch  direkt  nachweisen  kann,  mit 
dem  Pigment  des  Blutes  verbindet.  In  den  Exkreten  von  Malaria- 
kranken  spielen  Farbstoffe  eine  solche  Rolle,  dass  das  klinische  Bild 
geradezu  durch  die  Farbstoffausscheidung  bestimmt  wird.  Alle 
Lebens-  und  Generationserscheinungen  der  tropischen  Malaria¬ 
parasiten  beruhen  auf  dem  Verbrauch  und  der  Umwandlung  von  Farb¬ 
stoffen.  Eine  Reihe  von  Stoffen,  besonders  reduzierende  Substanzen 
beeinflussen  das  Hämoglobin  und  es  handelt  sich  nun  darum,  den¬ 
jenigen  Stoff  herauszufinden,  welcher  diese  Wirkung  in  der  voll¬ 
kommensten  Weise  hat,  jedoch  ohne  den  menschlichen  Organismus 
zu  schädigen.  Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  43. 

1)  L.  K  u  tt  ne  r  -  Berlin:  Ueber  chronische  Diarrhöen  und  ihre 
Behandlung. 

Ueberblick  über  die  diagnostischen  und  therapeutischen  Fort¬ 
schritte  als  Anleitung  für  den  praktischen  Arzt. 

2)  A.  Neisser,  zur  Zeit  Batavia:  Atoxyl  bei  Syphilis  und 
Framboesie. 

Die  völlige  Heilung  durch  Atoxyl-,  Quecksilber-  und  Jodbehand- 
luug  Hess  sich  an  Affen  durch  das  Gelingen  von  Wiederimpfungen 
beweisen.  Atoxyl  und  wahrscheinlich  auch  Jod  scheinen  das  Zu¬ 
standekommen  einer  luetischen  Erkrankung  verhindern  zu  können. 
Die  gelungenen  Neuimpfungen  beweisen,  dass  ein  Ueberstehen  der 
Krankheit  keine  Immunität  herbeiführt. 

3)  Karl  H  a  r  t  -  Schöneberg-Berlin:  Zur  Frage  der  Genese  der 
tuberkulösen  Lungenphthise. 

Experimente  an  Katzen  zeigten  im  Gegensatz  zu  den  Angaben 
\v  eleminskys,  das  weder  von  der  unteren,  noch  von  der  oberen 
Körperhälfte  direkte  zuführende  Lymphbahnen  zu  den  Bronchial- 
lymphdrusen  existieren.  Diese  stellen  einzig  den  regulären  Drüsen¬ 
apparat  der  Lungen  dar.  Ein  rückläufiger  Lymphstrom  von  den  tiefen 
Halslymphdrüsen  nach  den  tracheobronchialen  Drüsen  ist  nach  Ver¬ 
fasser  überaus  selten.  Für  gewöhnlich  schreitet  eine  Halsdrüsen¬ 
tuberkulose  nicht  direkt  auf  die  intrathor,azischen  Drüsen  fort;  sie 
müsste  den  Umweg  durch  das  venöse  System  machen.  Verfasser 
sieht  in  der  tuberkulösen  Lungenphthise  Erwachsener  vorwiegend 
eine  Inhalationskrankheit  im  weitesten  Sinn.  Bei  Kindern  kommt 
daneben  noch  die  Tuberkulose  als  „Schmutzkrankheit“  mit  lympho- 
hämatogener  Infektion  der  Lunge  in  Betracht. 

4)  E.  Löwenstein-  Belzig:  Ueber  die  intrazellulare  Lagerung 
der  Tuberkelbazillen  im  Sputum  und  ihre  prognostische  Bedeutung. 

Verfasser  fand  auch  neuerdings  bestätigt,  was  er  in  einer  früheren' 
Arbeit  behauptet  hatte:  dass  die  Lagerung  der  Tuberkelbazillen  inner- 
lialb  der  Leukozyten  einen  gewissen  Zusammenhang  mit  dem  Verlauf 
J l  i  Erki ankung  erkennen  lässt.  Sie  findet  sich  am  häufigsten  bei 
I  atienten,  welche  lange  Zeit  spezifisch  behandelt  worden  waren 
ferner  bei  ausgesprochen  chronischen  Fällen,  und  bei  frischen  Fällen 


mit  guter  Prognose.  Aus  ihrer  Anwesenheit  kann  man  schliessen, 
dass  sich  immunisatorische,  d.  h.  Resorptionsvorgänge  von  tuberkel¬ 
bazillenhaltigem  Material  im  Organismus  vollzogen  haben  müssen 
Verfasser  verlangt  die  Sicherstellung  der  Bedeutung  der  Phagozytose 
im  Krankheitsherd,  ehe  man  aus  dem  Opsoningehalt  des  zirkulierenden 
Blutes  eine  klinische  Untersuchungsmethode  konstruiert. 

5)  A.  Hippius  und  A.  L  e  w  i  n  s  o  n- Moskau:  Ox>uris  und 
Appendix. 

Präparate  eines  Falles  zeigten,  dass  Oxyuren  tiefgreifende  Ver¬ 
änderungen  in  den  Appendixwandungen  verursachen  können,  wodurch 
das  Eindringen  von  Infektionserregern  begünstigt  werden  kann. 

b)  Martin  H  i  r  s  c  h  b  e  r  g  -  Berlin :  Akute  Orchitis  durch  Pyo- 

zyaneusinfektion. 

In  dem  beschriebenen  Fall  war  die  Orchitis  vollkommen  krypto¬ 
genetisch  entstanden.  A,us  dem  Eiter  konnte  der  Pyozyaneus  ge¬ 
züchtet  werden;  derselbe  war  in  der  Urethra  nicht  aufzufinden. 

7)  Veckenstedt  -  Düsseldorf:  Ein  durch  Trauma  entstandener 
Fall  von  Sialodochitis  Whartoniana  chronica  mit  Strikturbildung. 

Die  Speichelgangsentzündung  war  in  dem  beschriebenen  Fall 
durch  Kompression  bei  Zahnextraktion  entstanden.  Die  sich  aus¬ 
bildende  umschriebene  Striktur  machte  Spaltung  des  Ganges  not¬ 
wendig,  worauf  Heilung  eintrat. 

8)  Becker-  Salzschlirf:  Ueber  Fibrolysinkuren. 

Bei  Dupuytren  scher  Fingerkontraktur  war  eklatanter  Er¬ 
folg,  bei  Gelenkversteifungen  infolge  Weichteilverletzungen  auffallende 
Besserung,  bei  Gelenkversteifung  infolge  chronischer  Entzündungen 
jedoch  keinerlei  mobilisierende  Wirkung  zu  verzeichnen. 

9)  A.  Barth -Leipzig:  Laryngologie  und  Otologie  sind  beim 

Unterricht,  auf  Kongressen  und  in  der  Literatur  vereint,  nicht  ge¬ 
trennt  zu  halten.  R.  Grashey  -  München. 

.  .1 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 


No.  42.  M.  Sachs -Wien:  Ueber  ein  operatives  Verfahren  zur 
Beseitigung  von  Netzhautabhebung. 

Es  muss  hier  genügen  zu  berichten,  dass  S.  bei  mehreren  zum 
1  eil  recht  schweren  Fällen  noch  einen  guten  Erfolg  erzielen  konnte 
durch  die  mit  einem  sichelförmigen  Messer  vorgenommene  Skleral- 
punktion,  welche  entgegen  dem  Gebrauche  hinter  dem  Aequator 
des  Bulbus  angelegt  wurde;  die  ersteren  Eingriffe  wurden  nach  Ab¬ 
lösung  des  Rectus  sup.  bezw.  des  Reet  internus  gemacht,  späterhin 
wurden  die  Muskeln  unberührt  gelassen.  Die  Punktionen  vor  dem 
Aequator  verschaffen  zwar  dem  subretinalen  Erguss  Abfluss,  die 
darauffolgenden  Adhäsionen  fixieren  die  Netzhaut  aber  nur  nahe  der 
Ora  serrata.  wo  sie  ohnehin  befestigt  ist;  dagegen  sind  die  an  den 
weiter  zurückgelegenen  Punktionsstellen  entstehenden  Verklebungen 
viel  wirksamer  zur  Wiederanlegung  des  Netzhaut. 

R.  v.  Sarbo-  Ofen-Pest:  Die  Therapie  der  Tabes  nach  neueren 
Gesichtspunkten. 

Verf.  betont  besonders  die  Wichtigkeit  des  Argyll-Robert- 
s  o  n  sehen  Symptomes  für  die  Frühdiagnose.  In  therapeutischer  Hin¬ 
sicht  wird  u.  a.  die  Wichtigkeit  der  Schonung  in  physischer  und  psy¬ 
chischer  Beziehung  hervorgehoben,  zumal  bei  der  akuten  Ataxie 
(die  grossen  Frenkelschen  Uebungen  bedeuten  hier  einen  Kunst- 
fehler),  die  event.  Notwendigkeit  des  Berufswechsels,  die  psychische 
Beeinflussung  und  Hebung  der  Energie  und  des  Lebensmutes.  Die 
tabischen  Schmerzen  sollen  nicht  mit  heissen  Bädern,  sondern  wenn 
sie  heftig  sind,  mit  kräftigen  Dosen  von  antineuralgischen  Mitteln 
bekämpft  werden. 

H.  T  h  a  1  e  r  -  Wien:  Zur  Asepsis  bei  Laparotomien. 

Bei  der  bakteriologischen  Nachprüfung  der  Operationsvor¬ 
kehrungen  an  der  S  c  h  a  u  t  a  sehen  Klinik  ergab  sich  zunächst  die 
ganze  Unzulänglichkeit  der  Zwirnhandschuhe  und  die  entschiedene 
Ueberlegenheit  der  Gummihandschuhe.  Zweckmässig,  auch  in  öko¬ 
nomischer  Hinsicht  werden  über  letztere  auch  noch  Zwirnhandschuhe 
gezogen.  Zur  Desinfektion  der  Bauchdecken  erwies  sich,  nachdem 
die  bublimatwaschung  beendigt  und  die  Haut  trocken  getupft  ist,  die 
ausgiebige  Bestreichung  mit  Jodtinktur  vollständig  gleichwertig  dem 
Uoederlein  sehen  Gaudaninschutz. 

J.  B  a  r  t  e  1  und  W.  Neumann  -  Wien :  Experimentalunter¬ 
suchungen  über  den  Einfluss  von  organischen  Substanzen  auf  den 
Gang  der  Tuberkuloseinfektion  beim  Meerschweinchen.  (Schluss 


F.  Sc  hopf -Wien:  Röntgenbrillen. 

Beschreibung  zweier  von  dem  Verfasser  konstruierter, 
Reiniger,  Gebbert  &  Schall  ausgeführter  Modelle  (Kry 
skope). 


von 

pto- 


C.  Re  i  che  rt -Wien:  Ein  neuer  Spiegelkondensor. 

Demonstriert  auf  der  79.  Naturforscherversammlung. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 


Englische  Literatur. 

(Schluss.) 

,.  ^  H  e  y  w  o  o  d:  Die  Albuminurie  in  der  Adoleszenz.  (Me¬ 

dical  chromcle.  Juni  1907.) 

...  5°  Proz.  aller  Kinder,  die  an  Scharlach  gelitten  haben,  zeigen 
spater  Albuminurie  Es  handelt  sich  hierbei  nicht  um  eine  einfache 
\  oi  übergehende  Afiektion,  da  der  Prozentsatz  bei  Kindern,  die  im 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2249 


ersten,  zweiten  oder  dritten  Jahre  nach  der  Erkrankung  untersucht 
wurden,  fast  derselbe  war.  Frühe  und  späte  Albuminurie  verhalten 
sich  fast  ganz  gleich.  Je  jünger  das  Kind  ist,  wenn  es  Scharlach  hat, 
um  so  seltener  erkrankt  es  an  zurückbleibender  Albuminurie.  Das 
Geschlecht  hat  keinen  Einfluss  auf  das  Auftreten  der  Albuminurie.  Die 
Form  der  Albuminurie  ist  fast  immer  die  sogen,  zyklische.  Man  kann 
nicht  allzuviel  darauf  geben,  wenn  behauptet  wird,  ein  solches  Kind 
habe  nie  Scharlach  durchgemacht.  Die  Prognose  ist  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  eine  durchaus  gute;  der  Einzelfall  muss  natürlich  immer 
individuell  beurteilt  werden,  da  es  doch  Fälle  gibt,  bei  denen  aus 
der  zyklischen  Albuminurie  eine  Schrumpfniere  wird,  oder  in  denen 
wenigstens  die  Albuminurie  bestehen  bleibt. 

Frank  E.  Tylecote:  Ueber  Meningismus.  (Ibidem.) 

Verf.  bespricht  genauer  die  von  Dupre  als  Meningismus  von 
anderen  Autoren  als  Pseudomeningitis  bezeichneten  Krankheitsbilder. 
Am  wichtigsten  ist  natürlich  die  Differentialdiagnose  gegenüber  der 
Meningitis.  Bei  akuten  Infektionskrankheiten  findet  man  häufig  im 
Beginn  und  vorübergehend  die  Zeichen  des  Meningismus.  Das  Ker- 
nigsche  Zeichen  fehlt  gewöhnlich  (fehlt  zuweilen,  wenn  auch  selten 
bei  tuberkulöser  Meningitis  und  ist  gelegentlich  bei  gesunden  Per¬ 
sonen  vorhanden).  Fieber  fehlt  häufiger  bei  Meningismus  als  bei 
Meningitis.  Opisthotonus  spricht  mehr  für  Meningismus.  Lumbal¬ 
punktion  wirkt  häufiger  bei  Meningismus  günstig.  Treten  nach 
vorübergehender  Besserung  nach  der  Lumbalpunktion  wieder  Zeichen 
meningealer  Reizung  auf,  so  spricht  das  mehr  für  Meningitis.  Deut¬ 
liches  Befallensein  einzelner  Hirnnerven  deutet  auf  Meningitis.  Treten 
Symptome  meningealer  Reizung  zum  ersten  Male  während  der  Ent¬ 
fieberung  oder  in  der  Rekonvaleszenz  nach  akuten  fieberhaften  Er¬ 
krankungen  auf,  so  spricht  dies  für  Meningitis.  Meningismus  tritt 
meist  ganz  akut  auf,  bei  Meningitis  setzen  die  Symptome  langsamer 
ein.  Schwankungen  in  den  Symptomen  sprechen  mehr  für  Meningitis, 
ebenso  wie  Hyperästhesie  und  Täches  cerebrales.  Bleibt  das  Körper¬ 
gewicht  erhalten,  so  spricht  dies  gegen  Meningitis.  Verlangsamung 
des  Pulses  und  unregelmässige  Atmung  sind  selten  bei  Meningismus. 
Ist  die  bei  der  Lumbalpunktion  entleerte  Flüssigkeit  klar  und  wässerig, 
so  spricht  das  im  allgemeinen  gegen  Meningitis,  wenn  auch  manche 
Formen  von  tuberkulöser  Meningitis  und  die  akute  seröse  Meningitis 
denselben  Befund  geben.  Die  Stärke  und  Geschwindigkeit  des  Aus- 
strömens  lässt  sich  diagnostisch  nicht  verwerten.  Trübsein  der  Flüs¬ 
sigkeit,  Vorhandensein  von  mehr  als  einer  Spur  von  Eiweiss,  negative 
Reaktion  mit  Fehling  sprechen  für  Meningitis.  Das  Ausbleiben  von 
Kulturen  bei  Verimpfung  der  Spinalflüssigkeit  spricht  im  allgemeinen 
gegen  Meningitis,  doch  gehen  bei  tuberkulöser  Meningitis  zuweilen 
keine  Kulturen  an,  bei  akuter  seröser  Meningitis  nie.  Kann  man 
bei  Typhus  Typhusbazillen  aus  der  Punktionsflüssigkeit  züchten,  so 
spricht  dies  durchaus  nicht  immer  für  das  Vorhandensein  einer  Menin¬ 
gitis.  Dasselbe  gilt  für  die  Untersuchung  des  Punktionssedimentes 
in  Strichpräparaten.  Findet  man  in  der  Punktionsflüssigkeit  poly- 
morphonukleäre  neutrophile  Leukozyten,  so  spricht  dies  für  akute 
Meningitis;  findet  man  mehr  als  vereinzelte  kleine  mononukleäre 
Zellen  oder  Lymphozyten,  so  kann  man  eine  chronische  (tuberkulöse) 
Meningitis  annehmen.  Bei  Meningismus  findet  man  gar  keine  Zellen 
oder  vereinzelte  Lymphozyten.  Verf.  glaubt  nicht,  dass  in  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  die  nach  der  Punktion  beobachtete  Besserung  auf  eine 
Verminderung  des  Druckes  zurückzuführen  ist.  Er  führt  eine  Reihe 
anderer  Erklärungen  an  und  gibt  dann  Krankengeschichten  und  eine 
gute  Literaturübersicht. 

Juni  1907.) 

B.  G.  A.  Moynihan:  Das  Duodenalgeschwür.  (Practitioner. 

Verf.  hat  in  den  letzten  7  Jahren  114  Fälle  von  Duodenalge¬ 
schwür  operiert,  darunter  11  perforierte.  In  2  Fällen  war  gleich¬ 
zeitig  Sanduhrmagen  vorhanden.  Das  Ulcus,  das  man  als  Ulcus 
pepticum  duodeni  bezeichnen  sollte,  sitzt  meistens  nahe  am  Pylorus, 
von  262  Fällen  sass  das  Ulcus  242  mal  im  ersten,  14  mal  im  zweiten 
und  je  3  mal  im  dritten  und  vierten  Abschnitt  des  Duodenums.  _Von 
Verfassers  eigenen  Fällen  sass  das  Ulcus  107  mal  im  ersten  und  7  mal 
im  zweiten  Teil  des  Duodenums.  Häufig  sind  gleichzeitig  Magenge¬ 
schwüre  vorhanden.  Wenn  auch  das  Geschwür  in  allen  Lebensaltern 
(selbst  bei  Säuglingen)  Vorkommen  kann,  so  findet  man  es  doch  am 
häufigsten  bei  Männern  im  mittleren  Lebensalter.  M.  sah  76  Männer 
und  38  Frauen.  Die  Kranken  geben  gewöhnlich  an,  dass  sie  1  /% 
bis  4  Stunden  nach  der  Nahrungsaufnahme  frei  von  Schmerzen  sind 
und  dass  namentlich  nach  reichlichen  Fleischmahlzeiten  die  Schmerzen 
lange  ausbleiben.  Die  Kranken  sagen,  dass  sie  einen  guten  Appetit 
haben.  Die  Schmerzen  bleiben  oft  Wochen  oder  Monate  aus  und  treten 
dann  wieder  in  Attacken  auf.  Verf.  glaubt,  dass  die  in  medizinischen 
Werken  als  Hyperchlorhydrie  beschriebene  Krankheit  nichts  weiter 
ist  als  ein  anderer  Name  für  Duodenalgeschwür.  Erbrechen  ist  selten. 
Bei  der  Betastung  findet  man  etwas  nach  oben  und  rechts  vom  Nabel 
eine  schmerzhafte  Stelle.  Das  wichtigste  Symptom  ist  Blutbrechen 
oder  das  Vorhandensein  von  Blut  im  Stuhl;  in  Verfassers  114  Fällen 
wurde  es  41  mal  beobachtet.  Zuweilen  sind  die  Blutungen  so  stark, 
dass  sie  zu  schweren  Ohnmächten  führen.  Alle  Fälle,  bei  denen  eine 
Blutung  diagnostiziert  wurde,  sollen  so  rasch  wie  möglich  operiert 
werden,  da  diese  Blutungen  oft  tödlich  enden.  Man  mache  die 
hintere  Gastroenterostomie  und  stülpe  gleichzeitig  das  Ge  schwül  ein 
und  übernähe  es;  dies  sollte  man  niemals  unterlassen.  Am  schwie¬ 
rigsten  ist  zuweilen  die  Differentialdiagnose  mit  Cholelithiasis.  Von 


11  Perforationen,  die  Verf.  operierte,  genasen  9.  Man  soll,  womöglich 
stets  neben  der  Naht  des  Geschwüres  die  hintere  Gastroenterostomie 
ausführen.  Verf.  hält  das  Duodenalgeschwür  für  weitaus  gefährlicher 
als  das  Magengeschwür;  es  ist  der  internen  Behandlung  nur  wenig 
zugänglich,  seine  Blutungen  führen  häufig  zum  Tode,  es  perforiert 
leichter  und  erfordert  dann  eine  gefährlichere  Operation,  da  man 
fast  immer  gezwungen  ist  auch  die  Gastroenterostomie  zu  machen. 
Verf.  rät  deshalb,  in  allen  Fällen,  in  denen  die  Diagnose  gemacht 
wurde,  zu  operieren.  Blutung  bildet  eine  absolute  Indikation  zut 
Operation.  Von  101  Fällen,  die  Verf.  operierte  (mit  Ausschluss  der 
Perforationen)  starben  2.  Er  stülpt  das  Geschwür  ein  und  macht  die 
hintere  Gasteroenterostomie.  5  Fälle  verlor  er  aus  den  Augen,  3 
sind  gebessert,  91  Fälle  sind  vollkommen  geheilt.  Dei  Kianke  muss 
noch  3  Monate  nach  der  Operation  diät  leben  und  Bismut  nehmen. 
Hierdurch  vermeidet  man  am  besten  das  Auftreten  eines  Ulcus  pep¬ 
ticum  im  Duodenum. 

Frederic  E  v  e:  Die  Pathologie  und  Behandlung  der  Kiefertumoren. 

(Brit.  Med.  Journal.  29.  Juni  1907.) 

Verf.  gibt  zuerst  eine  gute  Uebersicht  der  Pathologie  der  Kiefer- 
geschwiilste  und  illustriert  seine  Ansichten  mit  guten  Bildern.  Bei 
der  Operation  rät  er  zur  präliminären  Unterbindung  der  Karotis  und 
zur  Laryngotomie.  Er  unterbindet  die  Karotis  zwischen  dei  A.  lin- 
gualis  und  der  Thyreoidea  superior.  Sofort  nachher  eröffnet  ci  den 
Larynx,  führt  eine  Kanüle  ein  und  tamponiert  die  oberen  Luftwege 
mit  einem  Schwamm.  Die  Kanüle  wird  sofort  nach  der  Operation 
oder  am  folgenden  Morgen  entfernt.  Von  12  Totalexstirpationen  des 
Oberkiefers,  die  nach  dieser  Methode  ausgeführt  wurden,  verlor  er  2. 

F.  N.  G.  Starr:  Eine  neue  Operation  zur  Heilung  der  Gaumen¬ 


spalte.  (Ibidem.)  .  t.  ,  ....  ,  , 

Nach  der  Lappenbildung  und  Naht  wie  gewöhnlich  fuhrt  Verf. 
eine  dünne  Aluminiumplatte  zwischen  Lappen  und  Knochen  duich, 
biegt  die  Enden  um  und  vereinigt  sie  durch  ein  paar  Nähte  über  der 
Mc>v.+iinip  Hip  er  hierdurch  schützt  und  entspannt.  Abbildungen  im 


Original.  .  .  ...  ,  .,  Ix,  ., 

J.  Montague  Mur  rav:  Die  Pneumonien  im  Kindesalter,  tönt. 

Med.  Journal.  8.  Juni  1907.)  r  f 

Es  seien  hier  nur  die  therapeutischen  Bemerkungen  des  Verf. 
kurz  erwähnt.  Er  verwirft  alle  Umschläge  und  Packungen,  da  sie  die 
Atmung  hindern;  ebenso  spricht  er  sich  gegen  die  Eisblase  und  gegen 
Blutentziehungen  aus.  Viel  frische  Luft  ist  von  der  allergiössten 
Bedeutung.  Sauerstoff  hilft  nur  selten,  er  muss  verdünnt  und  vorge¬ 
wärmt  gegeben  werden.  Man  vermeide  die  in  England  so  beliebten 
Heisswasserkessel  zum  Anfeuchten  der  Luft,  auch  wähle  man  mög¬ 
lichst  ein  nicht  mit  Gas  geheiztes  Zimmer.  Bei  den  ersten  Anzeichen 
von  Herz-  oder  Atmungsschwäche  gebe  man  Strychnin,  Spartein, 
Ammon,  carb.  und  Alkohol.  Expektorantien  gebe  man  nur,  wenn 
starke  Bronchitis  besteht.  Vor  allem  gebe  man  reichliche  und  zum 
grössten  Teil  flüssige  Nahrung. 

Noel  Bardswell  und  Basil  Adams:  Komplettes  Schweigen 
während  der  Sanatorinmsbehandlung  der  Larynxtuberkulose.  (1  noern. 

Die  Verfasser,  die  Aerzte  an  dem  King  Edward  VII.  Sanatorium 
sind,  haben  seit  Juli  1906  alle  mit  Larynxtuberkulose  behafteten 
Kranken  nach  Semons  Vorgang  mit  absoluter  Ruhestellung  des  Kehl¬ 
kopfes  behandelt.  Dies  lässt  sich  ohne  allzugrosse  Mühe  durchfuhren, 
wenn  man  genau  darauf  achtet,  mit  wem  der  Kranke  meist  zusammen 
ist  und  dafür  sorgt,  dass  er  mit  ruhigen  und  verständigen  Mitkranken 
ausgeht  isst  etc.  Die  Verfasser  geben  dann  genaue  Krankenge¬ 
schichten  von  6  Fällen  (4  mit  ausgesprochener  Ulzeration)  und  zeigen, 
dass  in  jedem  Falle  eine  ausserordentliche  Besserung  zu  verzeichnen 
ist.  In  den  4  Geschwürsfällen  vernarbten  die  Geschwüre  völlig,  die 
Schwellung  verschwand:  in  5  Fällen  kam  die  normale  Stimme  wieuei. 
in  dem  6.  wurde  die  Heiserkeit  bedeutend  gebessert.  In  allen  ballen 
hat  sich  auch  der  Lungenbefund  bedeutend  gebessei  t. 

Sidney  Phillips:  Ueber  akute  Kolitis  und  ulzerative  Kolitis. 

^  Verf.  gibt  an  der  Hand  zahlreicher  eigener  Beobachtungen  eine 
Beschreibung  dieser  schweren  und  vielfach  verkannten  Erkrankung, 
die  häufig  zum  Tode  führt.  Diagnostisch  kommen  am  häufigsten  Ver¬ 
wechslungen  mit  Typhus  vor,  doch  findet  man  bei  der  Kolitis  meist 
Schmerzen  und  Leukozytose,  die  beim  Typhus  fehlen.  Allerdings 
können  selbst  bei  sehr  schwerer  ulzerativer  Kolitis,  die  rasch  tödlich 
verläuft,  Schmerzen  ganz  fehlen.  Perforationen  sind  ziemlich  selten, 
zuweilen  verlaufen  sie  ganz  svmptomlos.  Das  Sensorium  ist  meist 
bis  zuletzt  völlig  frei.  Sehr  häufig  findet  man  Singultus.  Therapeu¬ 
tisch  empfiehlt  Verf.  kleine  Dosen  von  Kalomel,  event  in  Veibindung 
mit  Opium,  daneben  (wenn  nicht  starke  Schmerzen  bestehen)  Aus¬ 
waschungen  des  Darms  mit  Hydrogen,  perox.  oder  schwachen  Silber- 
lösungen.  Abführmittel  sind  streng  kontraindiziert  Bei  sehr  schwe¬ 
ren  Fällen,  besonders  bei  starken  Blutungen,  mache  man  die  Kolo- 
tomie  zur  Ruhestellung  und  besseren  lokalen  Behandlung :  deve- 
krankten  Darmes,  allerdings  nützt  dieselbe  in  manchen  ballen  nichts. 

A.  E.  J.  Bark  er:  Ueber  Hämorrhoiden  und  ihre  Behandlung. 

(Lan^f:ÄSorrhoiden  mit  grösster  Reinlichkeit  zu  behan¬ 
deln  Sie  müssen  3  mal  täglich  gewaschen  werden,  nachdem  dei 
Kranke  sie  herausgepresst  hat  (2  mal  mit  Seife  und  Wasser),  nach  dem 
Waschen  werden  sie  mit  Sublimatwasser  (1.1000)  betuptt  und  vo 
sichtig  reponiert;  wenn  möglich  soll  der  Kranke  dann  einige  Zc 


2250 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


liegen.  Selbst  wenn  diese  Behandlung  nur  2  mal  täglich  sorgfältig 
ausgeführt  wird,  gehen  zahlreiche  Fälle  so  zurück,  dass  eine  Opera¬ 
tion  überflüssig  wird.  Jedenfalls  versuche  man  sie,  ehe  man  zur 
Operation  schreitet,  und  mache  sie  stets  als  Vorbereitung  zur  Opera¬ 
tion.  Am  4.  und  3  Tage  vor  der  Operation  gebe  man  ein  Abführmittel 
und  Einläufe,  die  letzten  24  Stunden  vor  der  Operation  lasse  man  den 
Darm  in  Ruhe.  Als  beste  Operation  empfiehlt  Verf.  die  Whi  te¬ 
il  e  a  d  sehe  nach  vorhergegangener  gründlicher  Sphinkterdehnung. 
6  Tage  nach  der  Operation  gebe  man  einen  Oeleinlauf.  Die  gegen  die 
Operation  vorgebrachten  Bedenken  sind  bei  richtiger  Ausführung  der¬ 
selben  grundlos;  man  hüte  sich  zu  viel  Haut  zu  entfernen.  (Refer. 
kann  auf  Qrund  sehr  zahlreicher  eigener  Operationen  die  Exzision 
der  Hämorrhoiden  auf  das  beste  empfehlen,  er  hat  dabei  weder  Nach¬ 
blutungen  noch  Strikturen  oder  Inkontinenz  gesehen,  auch  niemals 
Rezidive.  Allerdings  muss  dieselbe  richtig  ausgeführt  werden.) 

Th.  D.  Savill:  Zur  Behandlung  der  Hysterie.  (Ibid.) 

Verf.  fasst  die  Hysterie  auf  als  übermässige  Reizbarkeit  aller  ner¬ 
vösen  und  reflektorischen  Zentren  im  ganzen  Körper,  besonders  aber 
auf  vasomotorischem  und  sympathischem  Gebiet.  Hysterische  Läh¬ 
mungen,  Tremor  etc.  entstehen  durch  Gefässstörungen.  Der  letzte 
Grund  der  Hysterie  (die  abnorme  Reizbarkeit  der  Zentren)  ist  an¬ 
geboren.  Bei  der  Behandlung  spielen  Ruhe  und  sorgfältige  Ernährung 
die  Hauptrolle.  Bei  hysterischen  Störungen  der  willkürlichen  Mus¬ 
keln  mache  man  Gebrauch  von  der  Elektrizität.  Von  Medikamenten 
empfiehlt  er  am  meisten  das  Amon.  brom.  Näheres  im  Original. 

C.  M.  Hinds  Ho  well:  Ueber  einige  durch  Halsrippen  erzeugte 
Symptome.  (Ibid.) 

Verf.  gibt  die  Krankengeschichten  von  16  eigenen  Fällen.  Sub¬ 
jektive  sensible  Störungen  waren  immer,  objektiv  nachweisbar  in 
9  Fällen  vorhanden.  Meist  handelt  es  sich  um  Schmerzen,  die  in 
der  Kälte  und  bei  Bewegungen  der  Arme  vermehrt  sind.  Objektiv 
findet  man  Sensibilitätsstörungen  im  Verlaufe  der  8.  Zervikal-  und  der 
ersten  Dorsalwurzel,  besonders  aber  der  letzteren.  Meist  ist  die 
Analgesie  stärker  ausgesprochen  als  der  taktile  Verlust.  In  der  Mehr¬ 
zahl  der  Fälle  fand  man  Schwäche  und  Atrophie  der  eigentlichen  Hand¬ 
muskeln,  die  gewöhnlich  durch  Massage  und  Elektrizität  bedeutend 
gebessert  wird.  Die  chirurgische  Entfernung  der  Rippe  kommt  nur 
selten  in  Frage,  und  zwar  nur  dann,  wenn  heftige  Schmerzen  oder 
schwere  Muskelveränderungen  bestehen.  Die  völlige  Entfernung  der 
meist  schwer  auffindbaren  Rippe  ist  sehr  schwierig. 

H.  C.  Co  1  man:  Ein  gefährliches  Shampoomittel.  (Ibid.) 

Verf.  wurde  zu  einer  Dame  gerufen,  der  ein  Friseur  den  Kopf  mit 
„Carbontetrachlorid“  gewaschen  hatte.  Sie  war  bewusstlos  ge¬ 
worden  und  erst  nach  5  Minuten  wieder  zu  sich  gekommen.  Verf. 
fand  sie  stark  erbrechend,  sehr  zyanotisch,  mit  schlechtem  Puls  und 
starken  Kopfschmerzen.  Nach  2  Tagen  war  sie  wieder  ganz  gesund. 
Dies  Mittel  wurde  in  den  60  er  Jahren  zuweilen  zur  Inhalation  gegen 
Neuralgien,  Chorea  etc.  angewendet,  aber  wegen  seiner  grossen  Gif¬ 
tigkeit  bald  wieder  aufgegeben;  jetzt  scheint  es  in  England  ein  be¬ 
liebtes  Champoomittel  zu  sein. 

C.  R.  B.  Keetley:  Konservative  Abdominalchirurgie.  (Lancet, 
29.  Juni  1907.) 

Verf.  glaubt,  dass  zu  häufig  der  Wurmfortsatz  entfernt  wird.  Er 
glaubt,  dass  es  in  manchen  Fällen  besser  ist,  den  Wurm  aus  der  Peri¬ 
tonealhöhle  in  die  Bauchwand  zu  transplantieren  und  sein  distales 
Ende  zu  amputieren.  Hierfür  eignen  sich  gesunde  Appendizes  bei 
manchen  Fällen  von  Kolitis  und  Appendizes,  deren  proximaler  Ab¬ 
schnitt  noch  zum  grössten  Teil  gesund  ist.  Es  ist  dabei  nötig,  die 
Hautpartie  der  Appendix  zu  schonen,  da  sonst  Gangrän  eintritt. 
Der  Wurm  wird  nach  aussen  vom  Externus  obliquus  gelagert.  Verf. 
spricht  dann  über  chronische  Stuhlverstopfung  und  die  zu  ihrer  Hei¬ 
lung  von  L  a  n  e  ausgeführte  Entfernung  des  ganzen  Dickdarms  bis 
zur  Valvula  Bauhini.  Verf.  verwirft  diese  Operation  und  glaubt,  dass 
alle  Fälle  von  Verstopfung,  die  überhaupt  einer  Operation  bedürfen 
und  Fälle  von  Infektion  des  Dickdarms,  die  eine  lokale  Behandlung  er¬ 
heischen,  durch  Appendikostomie  behandelt  werden  sollen.  Der 
Wurmfortsatz  wird  in  eine  kleine  Bauchwunde  eingenäht  und  an 
seiner  Spitze  eröffnet.  Man  kann  dann  von  hier  aus  täglich  Wasser¬ 
einläufe  oder  medikamentöse  Eingiessungen  in  den  Darm  machen. 
Verf.  hat  auf  diese  Weise  eine  Anzahl  von  Kranken  von  ihren  Be¬ 
schwerden  befreit.  (Dem  Refer.  scheint  die  Transplantation  der 
Appendix  ebenso  überflüssig  wie  die  Behandlung  der  Stuhlverstopfung 
mittels  der  Appendikostomie;  da  die  Operation  aber  in  England  und 
Amerika  jetzt  ziemlich  häufig  gemacht  zu  werden  scheint,  so  musste 
die  Arbeit  hier  erwähnt  werden.) 

William  Fl  et  eher:  Reis  und  Beri-Beri.  (Ibid.) 

Verf.  hat  im  Irrenhause  Kuala  Lumpur  Versuche  über  den  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Reisnahrung  und  Beri-Beri  angestellt  und  ge¬ 
funden,  dass  sog.  „uncured  rice“  direkt  oder  indirekt  als  eine  Ursache 
der  Beri-Beri  anzusehen  ist.  Entweder  enthält  dieser  Reis  ein  Gift 
oder  seine  Armut  an  Proteiden  erzeugt  die  Krankheit  (Stickstoff¬ 
mangel)  oder  aber  die  ungenügende  Ernährung  macht  den  mit  diesem 
Reis  genähten  Körper  empfänglicher  für  den  supponierten  Beri-Beri- 
Parasiten.  Jedenfalls  erkrankten  von  120  Irren,  die  mit  „uncured 
rice“  genährt  wurden,  43  (18  Todesfälle)  an  Beri-Beri,  von  123  mit 
„cured  rice“  genährten  dagegen  nur  2  und  beide  hatten  die  Krankheit 
schon  bei  der  Aufnahme.  Von  10  Beri-Beri-Kranken,  die  nach  Aus¬ 
bruch  der  Erkrankung  „cured  rice“  erhielten,  starb  keiner,  von  26, 


die  weiter  mit  „uncured  rice“  genährt  wurden,  starben  18,  die  übrigen 
bekamen  Rückfälle,  sobald  sie  zur  alten  Nahrung  zurückkehrten.  Der 
„uncured  rice“  ist  der’ von  allen  Klassen  in  den  Malaiischen  Staaten 
verzehrte  Reis,  der  vor  der  Aushülsung  nicht  gekocht  wird;  der 
„cured  rice“,  der  von  Indiern  und  Ceylonesen  gegessen  wird,  ist  im 
Gegensatz  zu  dem  weissen  „uncured  rice“  braun.  Der  braune  Reis 
wird  zuerst  gekocht  und  dann  enthülst  und  aufgehoben. 

B.  K.  G  o  1  d  s  m  i  t  h:  Der  Einfluss  der  Schule  auf  die  Verbreitung 
des  Scharlachs.  (Ibid.) 

An  zahlreichen,  sorgfältigen  Tabellen  und  Kurven  sucht  Verf. 
nachzuweisen,  dass  die  Schule  zweifellos  einen  grossen  Einfluss  auf 
die  Verbreitung  des  Scharlach  hat.  Näheres  muss  im  Original  nach¬ 
gesehen  werden.  J.  P.  zum  B  u  s  c  h  -  London. 

Dänische  Literatur. 

Valdemar  Bie:  Ueber  Sterilisation  von  Kindermilch  vermittels 

Wasserstoffsuperoxyd.  (Nordisk  Tidsskrift  for  Terapi,  Bd.  V,  H.  8, 
9  u.  10.) 

Die  Versuche  des  Verfassers  haben  bezweckt, 
eine  Milch  herzu  stellen,  die  steril  war,  ohne 
die  Eigenschaften  der  rohen  Milch  einzubüssen. 
Folgendes  Verfahren  wurde  das  Resultat  seiner  Untersuchungen: 
Kindermilch  wird  auf  35  0  erwärmt.  Zu  20  ccm  Milch  wird  1  ccm  von 
Mercks  30proz.  Wasserstoffsuperoxyd  zugesetzt.  Die  Milch  wird 
dann  wenigstens  6  Stunden  im  Brutschrank  bei  einer  Temperatur  von 
35  0  aufbewahrt.  Danach  wird  sie  im  Eisschrank  oder  auf  andere 
Weise  auf  10  0  abgekühlt.  Zu  200  ccm  Milch  werden  zunächst  50  ccm 
kalter  Malzextrakt  zugesetzt,  die  Milch  wird  wieder  in  den  Eisschrank 
gebracht,  nach  18 — 24  Stunden  ist  das  Wasserstoffsuperoxyd  ver¬ 
schwunden  (der  Malzextrakt  wird  durch  Uebergiessen  von  1  Teil 
zerdrücktem  Malz  mit  4  Teilen  Wasser  und  häufigem  Umrühren  in 
1  Stunde  mit  nachfolgendem  Filtrieren  gemacht).  Durch  diese  Me¬ 
thode  gelang  es  dem  Verfasser,  eine  Milch  herzustellen,  die  nur 
höchstens  30  Keime  pro  Kubikzentimeter  enthielt;  sie  war  also  nicht 
ganz  steril,  aber  diese  kleine  Keimzahl  ist  praktisch  ohne  Einfluss 
auf  ihren  Wert  als  Nahrungsmittel  für  Säuglinge,  und  er  glaubt, 
dass  diese  Milch  sich  als  Säuglings  milch  gut  be¬ 
währen  kann.  Der  Verfasser  hat  auch  wie  andere  Verfasser  ver¬ 
sucht,  den  Wasserstoffsuperoxydrest  durch  Zusatz  eines  von  Blut 
dargestellten  Ferments  zu  spalten.  10  ccm  Blut  werden  mit  100  ccm 
einer  2  proz.  Peptonlösung  und  Zusatz  von  V2  proz.  oxalsaurem 
Natron,  2  Proz.  weinsaurem  Natron  und  5  Proz.  Glyzerin  gemischt. 
Zu  dem  Gemisch  wird  die  dreifache  Menge  von  96  proz.  Alkohol  zu¬ 
gesetzt.  Der  grobe,  rostrote  Niederschlag,  der  im  Verlaufe  einer 
Viertelstunde  gefällt  wird,  wird  filtriert  und  bei  Zimmertemperatur 
getrocknet.  1  Teil  dieses  Pulvers  wird  mit  20  Teilen  Wasser  über¬ 
gossen  und  wenigstens  6  Stunden  kalt  gestellt.  Zunächst  filtriert  man 
und  hat  dann  eine  klare  gelbe  Flüssigkeit  mit  starker  katalytischer 
Wirkung.  Ein  Ueberschuss  dieser  Fermentlösung  wird  zu  der  Milch 
zugesetzt,  nachdem  dieselbe,  auf  35  0  erwärmt,  nach  dem  Zusatz  von 
1  prom.  Wasserstoffsuperoxyd  (=  ccm  30  proz.  Wasserstoffsuper¬ 
oxyd  Merck  zu  1000  ccm  Milch)  wenigstens  6  Stunden  im  Brut¬ 
schrank  bei  35  0  aufbewahrt  wurde.  Die  Labkoagulation  und.  Pepsin¬ 
salzsäureverdauung  verhalten  sich  bei  den  oben  beschriebenen  Milch¬ 
präparaten  ganz  wie  bei  frischer  Milch.  Die  Methoden  sind  nicht  als 
Konservierungsmethoden  zu  betrachten,  und  die  Milch  darf  nicht 
mehr  als  24  Stunden  aufbewahrt  werden. 

P.  Tetens  Haid:  Vergleichende  Untersuchungen  über  die  tryp- 
tische  Stärke  verschiedener  Trypsinpräparate  und  über  ihre  Wirkung 
auf  den  menschlichen  Organismus.  (Ibidem  H.  12.) 

Der  Verfasser  hat  alle  die  zu  subkutaner  Injektion  bestimmten 
Trypsin-  und  Amylopsinpräparate  untersucht.  Die  Stärke  der  Prä¬ 
parate  waren  sehr  ungleich,  auch  für  die  besten  Präparate,  sodass  es 
ganz  notwendig  ist,  selbst  eine  anhaltende  Kontrolle  mit  den  Prä¬ 
paraten,  die  man  anwendet,  zu  führen.  Die  sogen,  „trypsinfreien“ 
Amylopsinpräparate  enthalten  z.  B.  reichliche  Mengen  von  Trypsin. 
Näheres  muss  in  den  Tabellen  der  Abhandlung  nachgelesen  werden, 
speziell  die  Stärke  der  verschiedenen  Präparate.  Als  Substrat  für  die 
Trypsinwirkung  hat  der  Verfasser  teils  eine  10  proz.  Gelatinelösung, 
teils  Glutin  angewandt. 

Valdemar  Bie:  Ueber  frühzeitige  Diagnose  von  Typhus  durch 
Impfung  von  Typhusbazillen  aus  Blut  und  Fäzes.  (Ugeskrift  for 

Läger  1907,  No.  31—33.) 

Den  Nachweis  von  Typhusbazillen  in  Fäzes  hat  der  Verfasser  in 
einer  kleineren  Reihe  von  Fällen  versucht;  obgleich  die  Resultate  ganz 
gut  waren,  ist  es  viel  leichter  und  mehr  zuverlässig,  die  Diagnose  im 
Anfang  der  Krankheit  durch  den  Bakteriennachweis  im  Blut  der 
Patienten  anzustellen.  Diese  letzte  Methode  lässt  sich  dagegen  nach 
der  Deferveszenz  nicht  anwenden;  in  diesem  Stadium  kann  die  Unter¬ 
suchung  in  den  Fäzes  Nutzen  machen  in  den  Fällen,  wo  die  W  i  d  a  1  - 
sehe  Reaktion  noch  negativ  ist.  Als  Nährboden  zieht  der  Ver¬ 
fasser  allen  anderen  folgende  Lösung  vor:  2 proz.  Pepton,  Va  proz. 
oxalsaures  Natron,  2  proz.  weinsaures  Natron  und  5  proz.  Glyzerin; 
von  dieser  Flüssigkeit  braucht  er  100  ccm  auf  10  ccm  Blut;  er  findet 
es  d.och  nicht  ratsam,  sich  mit  weniger  als  20  ccm  Blut  zu  begnügen. 
Unter  65  Patienten  mit  Typhus  war  das  Resultat  in  80  Proz.  positiv; 
nur  das  positive  Resultat  ist  von  Bedeutung;  die  Anwesenheit  der 
Bazillen  ist  abhängig  von  dem  Fieber  (in  leichten  Fällen  und  in  der 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2251 


Deferveszenz  findet  man  keine  Bazillen  in  dem  Blut).  Die  Blutunter¬ 
suchung  hat  grosse  diagnostische  Bedeutung,  weil  sie  die  Diagnose 
an  einem  Zeitpunkt,  wo  die  Wida Ische  Reaktion  noch  nicht  vor¬ 
handen  ist,  geben  kann,  auch  nach  der  ersten  Woche  ist  es  in  einigen 
fallen  dem  Verfasser  gelungen,  Typhusbazillen  im  Blut  nachzu¬ 
weisen  in  einem  Zeitpunkte,  wo  er  noch  nicht  die  Wida  Ische 
Reaktion  gab.  Nur  gegen  oder  in  der  Deferveszenz  ist  dieselbe  über¬ 
legen  Wenn  die  Blutkultur  typhusbazillenähnliche  Stäbchen  enthalt, 
muss  man  eine  Stichkultur  in  Neutralrot-Agar  machen,  um  zu  ent¬ 
scheiden,  ob  es  sich  um  Typhus-  oder  Paratyphusbazillen  handelt. 
Die  Blutkultur-  und  die  Widaluntersuchung  eignen  sich  ausgezeichnet 
einander  zu  suoplieren.  — 

Erik  Fab  er:  Adiposalgie.  (Hospitaltidende  1907,  No.  26  u.  27.) 
Unter  Adiposalgie  versteht  der  Verfasser  die  von  schwedischen 
Massageärzten  Zellulitis  oder  Pannikulitis  genannte  Krankheit.  Er 
gibt  eine  eingehende  Beschreibung  dieses  Leidens,  das  ausserhalb  der 
skandinavischen  Länder  nur  selten  erwähnt  wird.  Die  wesentlichsten 
Symptome  sind  Schmerzen,  lokale  Schwellung  und  Empfindlichkeit 
des  Fettgewebes,  die  Schmerzen  werden  in  der  Kälte  verschlimmert 
und  die  betreffenden  Stellen  des  Körpers  sind  für  Traumata  sein 
empfänglich.  Mehrere  von  den  unter  dem  Namen  Adipositas  dolorosa 
(Dercum  sehe  Krankheit)  veröffentlichte  Fälle  sind  nach  der  Mei¬ 
nung  des  Verfassers  Fälle  «von  Adiposalgie.  Obesitas  disponiert  zu 
der  Krankheit,  ebenso  wirkt  Nervosität  disponierend.  Der  Verfasser 
glaubt,  dass  das  Leiden  eine  Art  lokaler  Stase  in  grösseren  oder 
kleineren  Gefässgebieten  des  subkutanen  Gewebes  ist.  Massage, 
Hydrotherapie  und  Entfettungskur  werden  als  Behandlungsmethoden 
empfohlen. 

V.ilh.  Jensen:  Ueber  Geotropismus  bei  Bacillus  anthracis. 

(Aus  dem  Universitätslaboratorium  für  medizinische  Bakteriologie.) 

(Ibidem  No.  26.)  ... 

Der  Verfasser  fand,  dass  Milzbrandbazillen  auf  schrägem  er¬ 
starrtem  Pferdeserum  Geotropismus  zeigten,  sowie  Bacillus  Zopf u 
sich  auf  schrägem  Gelatine  bei  22°  verhält.  Bacillus  mirabilis  soll 
auch  Geotropismus  zeigen  können. 

Thorkild  Rovsing:  Totalexstirpation  der  Harnblase  mit  doppel¬ 
seitiger  lumbaler  Ureterostomie.  (Ibidem  No.  28.) 

Die  Abhandlung  wurde  vor  dem  Chirurgenkongress  zu  Berlin  am 
6.  April  1907  mitgeteilt.  (S.  dieses  Referat.) 

V  Ellermann:  Ueber  das  Vorkommen  von  sehr  kleinen,  be¬ 
weglichen  Mikroorganismen  im  menschlichen  Speichel.  (Ibidem 
No.  29.) 

Der  Verfasser  beschreibt  eine  bisher  nicht  gekannte  Form  von 
Mikroorganismen  im  Speichel  der  Menschen.  Sie  sind  kleine,  runde 
Organismen,  Vs — 2  gross,  die  kleinsten  kaum  von  der  Grösse  der 
gewöhnlichen  'Streptokokken.  Um  sie  deutlich  zu  beobachten,  ist 
eine  oa.  1000  fache  Vergrösserung  und  eine  apochromatische  Im¬ 
mersionslinse  notwendig.  Sie  bewegen  sich  rotierend,  sehr  schnell, 
in  Kreisen  von  20 — 30  ß  in  Diameter.  Die  Bewegung  ist  am  leb¬ 
haftesten,  wenn  die  Temperatur  über  20°  ist.  Sie  bestehen  aus  - 
Teilen,  einem  lichtbrechenden  und  einem  mehr  blassen  1  eil,  der 
erste  umgibt  die  andere  als  Mantel  oder  Schale.  Gewöhnlich 
treten  sie  einzeln  auf,  nur  selten  hängen  zwei  zusammen.  Die  Be¬ 
wegung  hört  durch  Einwirkung  von  2  prom.  Salzsäure  auf.  Die 
lebenden  Mikroorganismen  Hessen  sich  am  besten  mit  dünner 
Methylenblaufärbung  Vioprom.,  färben.  Es  zeigte  sich,  dass  dei 
helle  Teil  eine  Vakuole  war.  Zilien  waren  nicht  zu  entdecken  ln 
Trockenpräparaten  waren  sie  schwer  zu  finden,  am  besten  durch 
Romanowsky-,  Giemsa-  oder  Leishman-Färbung.  Der  Verfasser 
ist  der  Ansicht,  dass  es  sich  um  kleine  flagellate  oder  zuiate 
Protozoen  handelt.  Bei  13  Individuen  wurden  sie  in  9  Fallen  ge¬ 
funden,  sie  wurden  nicht  im  Mageninhalt  oder  in  den  Fäzes  nach¬ 
gewiesen.  „  ,.  ... 

C.  Tychsen:  Die  prognostische  Bedeutung  von  Retinitis 

albuminurica.  (Ibidem  No.  30.) 

In  60  Fällen  von  Retinitis  albuminurica  starben  08.  Von  diesen 
58  Patienten  starben  51  im  Verlaufe  des  ersten  Jahres,  nachdem  die 
Retinitis  diagnostiziert  war,  im  Verlaufe  des  zweiten  Jahres  5,  im 
dritten  Jahre  starb  1,  im  sechsten  1;  nur  2  Frauen  waren  noch  im 
achten  Jahre  am  Leben.  Die  nephritische  Netzhautentzündung  hat 
also  eine  sehr  schlechte  Prognose  quoad  vitam. 

Holger  Mygind:  Die  Indikationen  für  Aufmeisselung  des  Pro¬ 
cessus  mastoideus  nach  Schwartzes  Methode  bei  akuter  Mittel¬ 
ohreiterung.  (Aus  der  Ohren-  und  Halsklinik  des  Kommune¬ 
hospitals.)  (Ibidem  No.  33.) 

Seit  Oktober  1905  wurden  148  Patienten  mit  akuter  Mittelohr¬ 
eiterung  behandelt;  bei  68  von  diesen  wurden  70  Aufmeisseiungen 
vorgenommen.  Der  Verfasser  bespricht  eingehend  die  Indikationen, 
indem  er  die  Fälle  in  folgende  drei  Hauptgruppen  einteilt:  1.  Falle, 
in  welchen  eine  akute  Mittelohreiterung  sich  zu  dem  Inhalt  des 
Kranium  zu  verbreiten  droht  oder  verbreitet  hat,  2.  Fälle,  in  welchen 
sie  sich  zum  Ohrlabyrinth  zu  verbreiten  droht  und  3.  Fälle,  in 
welchen  sie  eine  Osteitis  des  Proc.  mastoideus  hervorgerufen  hat. 

Poul  Kuton  Fab  er:  Ueber  Röntgenbehandlung  von  Struma, 
Morbus  Basedowii  und  Neuralgie.  (Aus  der  Röntgenabteilung  dei 
Klinik  des  Prof.  Th.  Rovsing.)  (Ibidem  No.  34.)  .. 

Der  Verf.  hat  sowohl  bei  Struma,  als  auch  Morbus  Basedowii  und 
Neuralgie  gute  Wirkung  von  der  Röntgenbehandlung  beobachtet.  Er 


ist  der  Ansicht,  dass  die  Röntgenstrahlen  eine  spezifische  Wirkung 
auf  die  Gland.  thyreoidea  und  dadurch  auf  die  Basedow  sehe 
Krankheit  ausüben.  In  17  Fällen  von  Neuralgien  wurden  6  geheilt, 

5  bedeutend  gebessert,  6  blieben  von  der  Behandlung  unbeeinflusst; 
wie  die  Wirkungsweise  bei  den  Neuralgien  vor  sich  geht,  kann  der 
Verf.  nicht  erklären,  er  rät,  die  Behandlung  weiter  fortzusetzen. 

Knud  Schroeder:  Moderne  Typhusforschung.  (Ibidem  No.  34 

und  35.)  . 

Idem:  26  Fälle  von  Paratyphus  (B.).  (Ibidem  No.  35  u.  36.) 

Die  erste  Arbeit  ist  eine  gute  Uebersicht  des  jetzigen  Stand¬ 
punktes  der  Typhusuntersuchungen  und  ihrer  Resultate  rücksichtlich 
der  Auffassung  des  Typhus.  In  der  zweiten  Arbeit  gibt  Verf.  eine  aus¬ 
führliche  Mitteilung  von  zwei  Paratyphusepidemien  und  einigen  ein¬ 
zeln  auftretenden  Fällen.  Er  zeigt,  dass  Typhus  und  Paratyphus  sich 
klinisch  nicht  unterscheiden  lassen,  und  verlangt,  dass  man  in  jedem 
,,tyiphus“verdächtigen  Fall  nie  die  Wi  dal  sehe  Reaktion  sowohl  mit 
B.  typhi  (E  b  e  r  t  h)  als  mit  B.  paratyph.  B.  (Schottmüller)  an¬ 
zustellen  versäumen  darf.  . 

Thorkild  Rovsing:  Lapisantiseptik.  (Ibidem  No.  38.) 

Der  Verfasser  benützt  schon  seit  10  Jahren  Lapislösungen  in 
verschiedenen  Konzentrationen  zu  Injektion  und  Irrigation,  Lapis¬ 
gaze  zu  Verbänden  und  Tamponade,  und  Lapiskatgut  und  Lapis¬ 
seiden  zu  Ligatur  und  Sutur.  Prophylaktische  Anwendung  einer 

1  proz.  Lapislösung  empfiehlt  er  bei  jeder  akuten  Harnretention  und 
nach  jeder  grösseren  Blasenuntersuchung.  Bei  allen  extraperitone¬ 
alen  Operationen,  wo  infizierte  Flüssigkeit  über  die  frischen  Opera¬ 
tionswunden  hingeströmt  ist,  werden  die  Wundflächen,  nach  Spülung 
mit  sterilem  Wasser  und  nach  Aufsaugen  aller  Flüssigkeit  in  Gaze, 
in  proz.  Lapiswasser  gebadet.  Therapeutische  Irrigation  mit  1  bis 

2  proz.  Lapsislösung  wird  bei  bösartigen  Phlegmonen  oder  Abszessen, 

Empyema  pleurae  oder  anthri  Highmori  angewandt,  auch  bei  aufge- 
meisselter  Osteomyelitis.  Bei  Zystitis  wendet  er  Injektion  von 
50  ccm  derselben  Lösung  an.  Bei  ulzeröser  oder  febriler  Kolitis, 
Sigmoiditis  und  Prostitis  wird  Vs—l  Liter  einer  /s— 1  proz  Lapis¬ 
lösung  .injiziert  und  nach  Vi  Stunde  entleert.  Er  empfiehlt  sehr 
1 — 2  proz.  Lapisgaze,  auch  Lapiskatgut  und  Lapisseide.  Der  Faden 
wird  2  mal  24  Stunden  in  4  proz.  Lapislösung  getan,  dann  wird  sie  mit 
der  vierfachen  Menge  von  absolutem  Alkohol  übergossen,  und  der 
Faden  ist  fertig.  Er  ist  antiseptisch,  haltbar  und  wird  langsam  resor¬ 
biert.  "  Adolph  H.  Meyer -Kopenhagen. 

Laryngo-Rhinologie. 

1 )  Sidney  Jankauer  -  New  Y  ork :  Die  Intranasalnaht.  Mit 
4  Tafeln.  (Archiv  f.  Laryngol.  u.  Rhinol.,  Bd.  20,  H.  1.) 

Autor  versuchte  die  Grundsätze  der  modernen  Chuurgie  auch 
für  intranasale  Operationen  praktisch  durchzuführen  und  durch  intra- 
nasale  Naht  eine  aseptische  Wundheilung  durch  prima  mtentio  zu 
erzielen.  Durch  Anfertigung  einer  Anzahl  Instrumente  „zum  Legen 
der  Nähte  und  zu  deren  Befestigung  mittels  des  Intranasalknotens 
gelang  ihm  die  Lösung  des  Problems.  Bei  einer  Reihe  von  Opera¬ 
tionen  im  Gebiete  der  unteren  und  mittleren  Muschel,  sowie  bei 
Operationen  am  Septum,  auch  zur  Plastik  bei  Septumsperforationen 
erreichte  er  prima  intentio  bei  reaktionslosen  Wunden  durch  Naht¬ 
verschluss.  Instrumentarium  und  Technik  sind  eingehend  beschu  ¬ 
hen  und  durch  zahlreiche  Abbildungen,  unter  denen  sich  auch  ein 
sinnreich  angeordnetes  Phantom  zur  Einübung  der  Intranasalnaht  be¬ 
findet,  dem  Verständnis  nahe  gerückt. 

2)  H.  Z  i  e  s  c  h  e  -  Breslau :  Ueber  Tröpfchenverstreuung  und  In¬ 
fektionsgefahr  beim  Kehlkopfspiegeln  Tuberkulöser.  (Ibid.) 

Um  die  Infektionsgefahr  für  den  Laryngologen  zu  untersuchen, 
brachte  Z.  12  Objektträger  in  einen  Blechrahmen  gespannt  in  fron¬ 
taler  Stellung  hinter  dem  Reflektor  des  Untersuchers  an  so  dass  da¬ 
durch  das  Gesicht  völlig  gedeckt  und  vor  dem  Anhusten  geschlitzt 
war.  Man  kann  durch  die  Gläser  hindurch  gut  laryngoskopieren  und 
intralaryngeale  Eingriffe  vornehmen.  Nach  jedem  Eingriff  wurden  d  e 
Objektträger  herausgenommen,  sorgfältig  fixiert  und  nach  der  Ziel 
sehen  Methode  gefärbt.  Die  Befunde,  die  in  1 

Tabelle  spezifiziert  berichtet  werden,  ergaben  das  auffällige  Resultat, 
dass  verhältnismässig  zahlreiche  Mundtropf chen  ab  se  r 
wenige  Bronchialtröpfchen  sich  auf  den  Objektträgern  fan¬ 
den,  während  Tuberkelbazillen  meist  überhaupt  nicht  oder  nur  gan 
vereinzelt  nachgewiesen  werden  konnten  Diesen  B^un^  ^laU 
Autor  dadurch,  dass  der  Arzt  meist  in  dem  Augenblicke  wo  er  merkt 
dass  der  Patient  husten  will,  zurückweicht  und  den  Kopf  zur  beite 
wendet  sodann,  dass  auch  der  Patient  den  Kopf  zuruckmmmt.  um 
dem  unangenehmen  Reiz  zu  entgehen.  Des  weiteren  kommt  Fei  dei 
Untersuchten  —  wie  Autor  auf  Grund  anatomischer  uud  p  v  - 
logischer  Erörterungen  zu  beweisen  versucht  -  'kein  normaler ■  Glot 
tisverschluss  zustande.  Dadurch  versprüht  Patient  nur  sPai1» 
Bronchialtröpfchen,  die  hauptsächlich  die  Träger  der  lu 
berkelbazillen  sind,  und  vorwiegend  Mundtroofchen,  die  fast 
nie  Tuberkelbazillen  enthalten.  Auf  Grund  seiner  Untersuchungsresu  - 
täte  kommt  Z.  zu  dem  Schluss,  dass  ..Kehlkopfarzte  bei  den  anschei¬ 
nend  gefährlichen  Untersuchungen  relativ  wenig  durch  Tröpfchen¬ 
infektion  bedroht“  seien.  cnllPt1  Radikal- 

3)  L.  Mader-  München :  Beitrage  zur  K  1 1 1 »  a  n  sclien  Radikal 

Operation  der  chronischen  Stirnhöhleneiterungen,  sowie  Mitteilung 
einer  neuen  Behandlungsmethode  des  Kieferhohlenempyems.  ( 


2252 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


Nach  eingehender  kritischer  Besprechung  der  Ki  Hi  an  sehen 
Mirnhöhlenoperationsmethode,  die  sich  zu  kurzem  Referat  nicht  eignet, 
empfiehlt  Mader  als  neue  Therapie  des  chronischen  Kieferhöhlen¬ 
empyems  eine  systematische  galvanokaustische  Zerstörung  der  ge-, 
samten  Kieferhöhlenschleimhaut  von  einer  Daueröffnung  von  der 
Mundhöhle  aus  in  mehreren  Etappen,  um  hierdurch  eine  vollkommene 
Umwandlung  der  Schleimhaut  in  derbes,  widerstandsfähiges  Narben¬ 
gewebe  zu  erzielen  und  damit  Rezidive  hintanzuhalten.  Bezüglich 
I  echnik  und  weiterer  Details  sei  auf  das  Original  verwiesen. 

4)  Demeter  R.  v.  B  1  e  i  w  e  i  s  -  Laibach:  Eine  einfache  Sprech- 
Kaniile,  insbesondere  zum  Gebrauche  nach  Tracheotomie  wegen 
Postikuslähmung.  Mit  3  Abb.  (Ibid.) 

Die  in  der  Arbeit  abgebildete  Kanüle  besitzt  ein  L  ü  e  r  sches 
Kugelventil,  das  „in  einer  besonderen  aus  Silber  verfertigten  Kammer 
untergebracht  ist,  die  mittels  Bajonettverschluss  dem  vorderen  Ka¬ 
nülenende  aufsitzt.  Das  Ventilkügelchen  ist  aus  Aluminium  und  legt 
sich  beim  Sprechen  dicht  an  den  entsprechend  ausgehöhlten  Vorderteil 
der  Kammer  an,  während  es  beim  Einatmen  nach  rückwärts  gezogen 
wird,  ohne  hierbei  ein  unangenehmes  Geräusch  zu  verursachen“.  Die 
Kanüle  funktioniert  vollkommen  automatisch  und  kann  unsichtbar  und 
verdeckt  getragen  werden. 

5)  Hermann  v.  S  c  h  r  ö  1 1  e  r  -  Wien:  Notiz  zur  Technik  der 
direkten  Bronchoskopie.  Mit  1  Figur  im  Text.  (Monatssohr.  f. 
Ohrenheilk.,  etc.,  1907,  H.  5.) 

Autor  gibt  die  Anregung  zum  Bau  eines  „Pinzettenrohres“,  d.  h. 
der  Anbringung  der  „Greifinstrumente“  am  Ende  des  Tubus,  um  da¬ 
mit  die  Einführung  eines  Eremdkörperextraktions-Instrumentes  in  und 
durch  den  Tubus  zu  umgehen  und  dadurch  die  Beeinträchtigung  des 
Lichteinfalles  durch  das  in  den  Tubus  eingeführte  Instrument  zu  be¬ 
seitigen.  Ein  in  technischer  Richtung  noch  nicht  fertiggestelltes  In¬ 
strument  S  c  h  r  ö  1 1  e  r  s  ist  in  der  Arbeit  abgebildet,  bezüglich  dessen 
Details  auf  das  Original  verwiesen  sei. 

6)  ß-  Goldschmidt  - Berlin :  Zur  Frage  der  Nasentamponade. 
(Ibid.) 


Bezugnehmend  auf  die  Publikation  Choronshitzkys  ver¬ 
wirft  G.  die  von  jenem  empfohlene  Tamponade  mit  Eisenchloridwatte 
w  egen  der  ihr  anhaftenden  Nachteile.  Am  Besten  ist  überhaupt  die 
offene  Wundbehandlung  ohne  jede  Tamponade.  Zur  Vermeidung  et¬ 
waiger  Nachblutungen  lässt  G.  den  Patienten  in  den  nächstfolgenden 
Munden  nach  der  Operation  etwa  alle  15—20  Minuten  eine' kleine 
Menge  eines  1  prom.  Renoform-Borsäure-Milchzuckerpulvers  auf¬ 
schnupfen  oder  sich  selbst  einblasen.  Auf  diese  Weise  gelang  es 
Autor,  „in  einer  sehr  grossen  Anzahl  operierter  Fälle  die  lästige 
asentamponade  zu  umgehen“.  In  Fällen,  bei  denen  aus  äusseren 
oder  individuellen  Rücksichten  trotzdem  tamponiert  werden  muss 
hat  sich  Verf.  eine  nach  seinen  Angaben  angefertigte  Renoformver- 
bandwatte  oder  -Gaze  —  nach  vorheriger  Einstäubung  von  Xeroform 
oder  I  rotargol  auf  das  Operationsgebiet  —  sehr  gut  bewährt. 

7)  N.  Sack -Moskau:  Ein  Fall  von  anormalem  Verlauf  der 
Carotis  interna  im.  Rachen.  (Ibid.) 

Bei  einer  10  jährigen,  anämischen,  kyphotischen  Patientin,  die 
wegen  Halskitzels  und  dadurch  bedingten  beständigen  Räusperns  Hilfe 
suchte,  zeigte  sich  bei  Abwesenheit  katarrhalischer  Erscheinungen 
im  Rachen  — -  an  der  linken  hinteren  Rachenwand,  in  der  Gegend,  wo 
man  den  pathologischen  Seitenstrang  sieht,  ein  dickes  (5—6  mm), 
staik  pulsierendes  Gefäss  direkt  unter  der  Schleimhaut  von  unten 
nach  oben  leicht  bogenförmig“  hinziehen.  Die  Karotis  links  aussen 
pulsierte  im  Vergleich  zur  rechten  Seite  viel  undeutlicher  bei  der 
etastung  des  Halses  (Verlagerung  der  Carotis  communis  nach  Innen). 
„Diese  anormale  Lage  der  Karotis  an  der  hinteren  seitlichen  Pharynx- 
wand  verursachte  das  Gefühl  von  Kitzel  im  Halse“  und  veranlasste 
das  Räuspern.  Vorsichtiges  Bestreichen  der  betr.  Gegend  mit  1  proz. 
L  u  g  o  1  scher  Lösung  dämpfte  das  Kitzelgefühl. 

8)  Marcel  Lermoyez:  Husten  nasaler  Natur.  (Annales  des 
maladies  de  l’oreille,  etc.,  1907.  No.  9.) 

Anschliessend  an  einen  Fall  von  Reflexhusten,  der  durch  pen- 
delnde  Nasenpolypen  ausgelöst  wurde,  ein  Fall,  in  dem  Patientin 
in  Jahre  lang  gegen  ihre  nicht  vorhandene  Pharyngitis,  gegen  den 
„i heumatischen  Husten,  dann  wieder  gegen  den  nervösen“  Husten 
ev traü+'H  Mltteln  er!ols'os  behandelt  wurde  und  bei” dem  die  Polypen- 

L  da?at|,i°fnaifwrt  dlC  ß 11  s * en Pa  ro  x  y  s  m  e  n  endgültig  beseitigte,  macht 
L.  darau i  aufmerksam,  dass  es  einen  rein  nervösen  Husten  nicht  gebe 

£ine  Verlegenheitsdiagnose.  Eine  genaue  Untersuchung  des 
ganzen  Organismus,  wozu  auch  bei  sonstig  negativem  Befund  eine 
genaue  Umersuchamr  -der  Nase  gehöre,  werde  zur  Klarheit  führe", 

erörternden^4!  S,°dan,"  jjhysK,loP  “nd  Pathologie  des  Hustens  und 
ei  örtert  den  Unterschied  zwischen  Vagushusten  und  Trigemimus- 

lusten.  Der  nasale  Husten  hat  gewisse  Eigentümlichkeiten  die 
differentialdiagnostisch  verwertbar  sind:  Er  ist  trocke.  kon! 
\ulsivisch  (ähnlich  dem  Keuchhusten),  progressiv'  fort- 

gelöst  wird" 'dunddlSS  er. allmähIich  .du[ch  die  geringsten  Reize  aus- 
gelost  wird  und  lasst  sich  nicht  unterdrücken.  An- 

niit  HSS<fnd-  berfPnCht  zAutor  noch  ,die  'diagnostischen  Untersuchungs¬ 
mittel  sowie  den  positiven  und  negativen  Kokainversuch. 

Tuberkulose!'  (ibid  )°  '  Die  °Zae"a  iS‘  eine  larvier,<:  Form  der 

Die  Beobachtung  einiger  klinischer  Fälle  veranlasste  Autor  zu 
Untersuchungen  im  Sinne  des  Titels  dieser  Arbeit,  ohne  -dass  jedoch 
klinische  und  anamnestisch-statistische  Befunde  für  diese  Annahme 


einen  sicheren  Beweis  hätten  erbringen  können.  Auch  der  Tier¬ 
versuch  fiel  negativ  aus.  Trotzdem  hält  Autor  an  seiner  Vermutung 
fest  und  glaubt,  dass  weitere  klinische  und  bakteriologische  Studien 
in  dieser  Richtung  zum  Ziele  führen  dürften. 

10)  .1.  Cousteau  und  L.  Lafay- Paris:  Die  Bonainsche 
Mixtur  mit  1  prom.  Adrenalinzusatz  als  hämostatisches  Anästhetikum 
in  der  Ooto-Rhino-Laryngologie.  (Revue  hebdomadaire  de  laryngo- 

logie,  etc.,  1907,  No.  37.)  “ 

Die  Bonainsche  Mixtur  besteht  aus  gleichen  Teilen  von 
krystallisiertem  Menthol,  salzsaurem  Kokain  und  reiner  Karbolsäure. 
Zu  5  g  dieser  Mixtur  setzten  Autoren  5  mg  reinen  Adrenalins  zu  und 
erzielten  durch  Aufpinseln  dieses  Gemisches  auf  das  Operationsgebiet 
eine  sofort  eintretende,  vollkommene  Anästhesie  und  Anämie,  so-dass 
alle  Operationen  ohne  Blutung  bei  ausgesprochener  Unempfindlichkeit 
vorgenommen  werden  konnten.  Irgend  welche  Komplikationen  ' 
wurden  nie  beobehtet  und  sind  auch  nicht  zu  befürchten. 

11)  Vittorio  de  Cigna -Genua:  Prämonitorisches  Nasenbluten. 

(Archives  internationales  de  laryngologie.  etc.,  1907,  Bd.  24,  No.  4.) 

Unter  eingehender  Erörterung  der  anatomischen,  physiologischen 
und  pathologisch-anatomischen  Verhältnisse,  sowie  Anführung  zahl¬ 
reicher  einschlägiger  Fälle  macht  Autor,  auf  den  immerhin  häufigen 
Zusammenhang  zwischen  Nasenbluten  und  Gehirnblutungen  aufmerk¬ 
sam.  Er  weist  -darauf  hin,  dass  wir  in  allen  Fällen,  in  denen  bei 
einem  Arteriosklerotiker  oder  Plethoriker  wiederholtes  heftiges  Nasen¬ 
bluten  auftritt,  besonders  auch  in  Kombination  mit  anderen  zerebralen 
Vorläufern  (Kopfschmerz,  -Schwindel,  Ohrensausen,  Unruhe  etc.) 
uns  nicht  mit  der  Behandlung  des  Nasenblutens  begnügen  dürfen, 
sondern,  durch  dieses  Symptom  gemahnt,  unser  therapeutisches  Han¬ 
deln  darauf  verlegen  müssen,  alle  Schädlichkeiten  fernzuhalten,  die 
der  oft  unvermeidbaren  Gehirnblutung  Vorschub  leisten  könnten. 

Hecht-  München. 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten. 

W  e  b  e  r  -  Berlin:  Ueber  Immunisierungs-  und  Behandlungsver¬ 
suche  bei  Trypanosomenkrankheiten.  (Zeitschr.  f.  experim.  Patho¬ 
logie  und  Therapie,  4.  Bd.) 

Zusammenfassender  Bericht  mit  Mitteilungen  eigener  Versuchs- 
eigebnisse.  Alle  Verfahren  zur  künstlichen  aktiven  Immunisierung 
gegen  I  rypanosomenkrankheiten  haben  mehr  oder  minder  versagt. 
Die  K  o  c  h  sehe  Methode  -der  Schutzimpfung  mit  durch  Tierpassage 
abgeschwächten  Trypanosomen  -hat  sich  -als  die  verhältnismässig 
wirksamste  erwiesen;  sie  hinterlässt  aber  in  der  Regel  keine  w-ahre 
Immunität,  sondern  eine  latente  Infektion.  Mit  Immunserum  von  vor- 
be handelten  und  kranken  Tieren,  ebenso  mit  dem  Normalserum 
icsistenter  Tiere,  sind  teils  gar  keine,  teils  sehr  bescheidene  Heil¬ 
erfolge  erzielt,  während  die  passive  Immunisierung  nicht  ganz  aus¬ 
sichtslos  erscheint.  Ebenso  wenig  sicher  wirkten  Organextrakte  und 
Dekrete  gesunder  Tiere.  Entsprechend  der  -abtötenden  Einwirkung 
bakterieller  Verunreinigungen  auf  Trypanosomenkulturen,  war  auch 
im  1  lerkorper  eine  gewisse  Einwirkung  von  Bakterien  auf  Trypano¬ 
somen  nicht  zu  verkennen.  Aus  naheliegenden  Gründen  hat  sie  nur 
theoi  etisches  Intel  esse.  Von  chemischen  Mitteln  zeigten  eine  einiger- 
massen  zuverlässige  Wirkung  nur  die  Arsenverbindungen  und  die 
raibstofre.  von  ersteren  werden  bei  Tieren  Heilungen  berichtet, 
wahrend  beim  Menschen  wesentliche  Besserungen,  doch  nicht 
sichere  Heilwirkungen  zu  erzielen  waren  —  längste  Beobachtungs¬ 
dauer  74  Jahre  — ,  Arsenwirkung  findet  bei  allen  geprüften  Try¬ 
panosomenarten  sowohl  im  Experiment,  als  auch  in  der  Praxis  statt. 
Atoxyl  als  eine  40  mal  weniger  giftige  Arsenverbindung  als  die 
r  ow  1  e  r  sehe  Lösung  fand  in  letzter  Zeit  die  verbreiteste  Anwendung 
und  scheint  am  aussichtsreichsten.  Koch  hat  mit  der  traditionellen 
Arsenanwendung  auf-  und  absteigend  gebrochen  und  gibt  Atoxyl  am 
10.  und  11.  Tage  bei  Schwerkranken,  am  15.  und  16.  Tage  bei  Leicht- 
ki unken  in  Do-sen  von  0,5  g  subkutan.  Von  den  Farbstoffen,  die  auf 
inte  teils  sein  schädigenden  Nebenwirkungen  noch  genauer  geprüft 
weiden  müssen,  haben  sich  die  zu  den  Gruppen  der  Benzidinfarbstoffe 
und  dei  T  liphenylmethaufarbstoffe  gehörigen  am  wirksamsten  er¬ 
wiesen.  Nachdem  das  T  rynanrot  bei  Mal  de  Caderasmäusen  über¬ 
raschende  Heilerfolge  zeitigte,  zeigten  Versuche  bei  grösseren 
leren  und  Menschen  gegen  Infektionen  mit  denselben  und  anderen 
I  rypanosomen  bis  jetzt  teils  Besserung,  doch  keine  Heilung;  ähnliche 
Ei  ge b msse  hatten  Versuche  mit  einigen  anderen  Farbstoffen  der  eben 
erwähnten  Gruppen.  Da  die  Trypanosomen  in  der  Lage  sind,  spe¬ 
zifische  Testigkeit  gegen  Chemikalien  zu  gewinnen,  ist  ein  Wechsel 
des  Mittels  etwa  vom  Arsen  zum  Farbstoff  oder  umgekehrt,  nötig, 
sobald  die  Wirkung  nachlässt.  Bei  der  Beurteilung  der  Versuchs- 
ei  gebiusse,  die  an  einem  bestimmten  Trypanosomenstamm  gewonnen 
sind,  bedarf  die  eben  erwähnte  Fähigkeit  und  die  Vererbung  dieser 
spezifischen  Festigkeit  auf  Tochtergenerationen  auch  im  anderen 
Wirte  vermehrter  Berücksichtigung. 

W  o  1  tman  n :  Grundfragen  der  Rassenpsychologie.  (Politisch¬ 
anthropologische  Revue.  Band  VI,  H.  2.) 

Gewisse  übereinstimmende  Merkmale  beweisen  sowohl  die 
physische,  als  auch  die  psychische  Einheit  des  Menschengeschlechtes, 

I  och  treten  in  dem  geistigen  Wesen  der  Völker  zahlreiche  auffallende 
Unterschiede  hervor.  Der  historische  Materialismus,  der  die  ganze 
soziale  und  geistige  Entwicklung  der  an  sich  gleich  gearteten  und 
gleich  begabten  Menschen  von  den  materiellen  Verhältnissen  ab- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


hüneis?  sein  lässt,  übersieht,  dass  alle  Rassen  gleichviel  Zeit  zur  Ent¬ 
wicklung  gehabt,  dass  die  höheren  Rassen  sich  die  Bedingungen  ihrer 
Entwicklung  selbst  gesucht,  geschaffen  und  erobert  haben  und  dass  in 
dieser  Aktivität  gerade  ihre  höhere  Begabung  besteht.  Es  spielen  also 
die  angeborenen  Anlagen  der  Rassen  in  der  ungleichen  Art  und  Voll¬ 
kommenheit  ihrer  Kulturleistungen  eine  Rolle.  Die  etwa  zehntausend- 
jiihrige  Geschichte  des  Menschengeschlechtes,  die  wir  archäologisch 
lind  historisch  überschauen  können,  gibt  uns  hinreichend  Erfahrungen 
über  die  Erhaltungs-  und  Anpassungsfähigkeit  der  einzelnen  Rassen 
imd  damit  über  die  Möglichkeit  und  Notwendigkeit  der  Begründung 
einer  Rassenpsychologie.  Ziel  und  Aufgabe  derselben  ist,  eindeutige 
und  konstante  geistige  Merkmale,  d.  h.  gesetzmässige  Beziehungen 
zwischen  Rasse  und  Charakter  festzustellen.  Tatsächlich  bedingen 
einerseits  quantitative  Unterschiede  in  der  geistigen  Begabung  einen 
ungleich  hohen  Stand  der  Kulturleistungen,  sei  es  dass  der  Durch¬ 
schnitt  einer  Gruppe  eine  entschieden  grössere  Begabung  mit  den 
Kräften  des  Willens  und  des  Verstandes  aufweist,  sei  es,  dass  der 
Prozentsatz  in  der  Hervorbringung  von  Talenten  und  Genies  aus 
einer  bestimmten  Gruppe  variiert  — ,  andererseits  qualitative  Unter¬ 
schiede  der  Rassenmerkmale,  eine  der  Art  nach  verschiedene  geistige 
Haltung  der  Rassen,  die  auch  dann  durchbricht,  wenn  sie  etwa 
äusserlich  dieselben  Sitten  und  Sprachen  angenommen  haben.  Die 
Unterschiede  der  Art  nach  erstrecken  sich  auch  auf  sittliche  Quali¬ 
täten.  Die  Versuche,  Grösse  und  Form  des  Gehirns,  die  Pigmentierung 
und  die  Geschlechtsreife  in  funktionelle  Beziehung  zur  geistigen  Tätig¬ 
keit  zu  setzen,  versprechen  weitere  Erfolge  in  dem  Bemühen,  physio¬ 
logische  Ursachen  für  die  Ungleichheit  in  Grad  und  Art  der  geistigen 
Anlagen  ausfindig  zu  machen. 

M.  K  r  a  u  s  e  -  Berlin:  Die  Gewinnung  von  Schlangengift  zur 

Herstellung  von  Schutzserum.  (Archiv  für  Schiffs-und  Tropenhygiene. 
Bd.  XI,  H.  7.)  ^  t 

Verfasser  hält  die  Methoden  der  Inder  und  Calmettes,  bei  der 
Fütterung  und  Giftgewinnung  die  Schlangen  mit  der  Hand  festzuhalten, 
bei  den  kräftigeren  Schlangen  Ostafrikas  für  nicht  hinreichend.  Er 
konstruierte  einen  Apparat,  dessen  Einzelheiten  durch  Wort  und  Bild 
veranschaulicht  werden,  der  ihm  gute  Dienste  leistet. 

Zupitza:  Ueber  mechanischen  Malariaschutz  in  den  Tropen. 
(Daselbst.  Bd.  XI,  H.  6,  7  und  8.) 

Ueberaus  lesenswerte  Arbeit  mit  vielen  Einzelanweisungen  und 
Einzelbeobachtungen.  Verfasser  versuchte  an  eigener  Person 
während  eines  zweijährigen  Aufenthaltes  in  Kamerun  und  eines  acht¬ 
monatigen  Aufenthaltes  in  den  Malariagegenden  Deutsch-Ostafrikas 
das  mechanische  Schutzverfahren  gegen  Mückenstiche  und  damit 
gegen  Malariainfektion  durchzuführen.  Er  blieb  von  Malaria  ver¬ 
schont  und  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  der  mechanische  Schutz 
gegen  Moskitostiche  aller  Art  in  den  Tropen  leicht  und  sicher  durch¬ 
zuführen  ist,  bei  hoher  Sicherheit  gegen  Infektion  mit  geringeren 
subjektiven  Beschwerden  als  die  Chininprophylaxe  verknüpft  ist, 
ferner  ausser  gegen  die  Unannehmlichkeit  der  Mückenstiche  auch 
gegen  die  anderen  durch  Mücken  übertragbaren  Krankheiten  schützt. 
Da  die  nicht  hohen  Kosten  durch  Ersparnis  von  Menschenmaterial 
und  Kurkosten  leicht  aufgebracht  werden,  empfiehlt  er  dringend,  allen 
in  staatlichen  oder  privaten  Dienstverhältnissen  nach  malarischen 
Tropenvegenden  entsandten  Europäern  die  Mittel  zur  Ausübung  me¬ 
chanischen  Malariaschutzes  zuzubilligen. 

Gi  e  m  s  a  -  Hamburg:  Ueber  die  therapeutische  Verwendbar¬ 
keit  der  freien  Chininbase.  (Daselbst.  Bd.  XI,  H.  9.) 

Unter  den  Ersatzmitteln  des  bittern  salzsauren  Chinins  ist  das 
Euchinin  sehr  teuer.  Das  Chinintannat  hat  sehr  niedrigen  schwan¬ 
kenden  und  quantitativ  schwer  bestimmbaren  Chiningehalt.  Ein  sehr 
brauchbarer  Ersatz  wurde  vom  Verfasser  in  der  freien  Chininbase 
gefunden,  welche  ziemlich  geschmacklos  ist,  ohne  die  Nachteile  des 
Euchinins  und  Chinintannats  zu  besitzen.  Die  Resorption  ist  schnell 
und  vollkommen.  Die  Heilerfolge  waren  bei  24  Malariakranken 
günstig.  Weitere  Versuche  und  ausführliche  Mitteilungen  werden 
folgen. 

D  a  n  s  a  u  e  r  -  Windhuk:  Ueber  den  Nachweis  von  Beriberi  in 
Deutsch-Südwestafrika.  (Daselbst.  Bd.  XI,  H.  10.) 

Im  Januar  1905  wurde  von  Stabsarzt  Mayer  für  das  Feld¬ 
lazarett  4  (Waterberg)  und  im  Dezember  1905  von  Oberarzt  Hall- 
wachs  für  Okahandja  über  Beriberiverdächtige  berichtet.  Bei  einer 
Untersuchung  von  20  beriberiverdächtigen  Kranken  beiderlei  Ge¬ 
schlechts  im  Januar  1906  in  Okahandja  konnte  indes  der  Verfasser 
Skorbut  nicht  ausschliessen,  mithin  die  Diagnose  Beriberi  nicht  er¬ 
weisen.  Erst  als  im  August  1906  Oberarzt  Fischer  aus  Omaruru 
über  erneute  beriberiverdächtige  Erkrankungen  berichtete  und  infolge¬ 
dessen  Verfasser  im  September  1906  daselbst  genauere  Unter¬ 
suchungen  vornahm,  gelang  ihm  der  definitive  Nachweis  des  Vor¬ 
handenseins  von  Beriberi  in  Deutsch-Siidwestafrika.  Von  8  bis  Ende 
November  tödlich  verlaufenen  Fällen  ergaben  die  fast  völlig  überein¬ 
stimmenden  klinischen  Bilder  und  die  ebenso  übereinstimmenden  Er¬ 
gebnisse  der  pathologisch-anatomischen  Untersuchungen  die  unver¬ 
kennbare  Aehnlichkeit  mit  einer  Form  der  Beriberierkrankungen, 
deren  Eigenart  durch  die  Bezeichnung  hydropisch-kardial  charak¬ 
terisiert  ist.  Krankengeschichten  und  Sektionsprotokollauszüge 
werden  mitgeteilt  und  durch  Abbildungen  von  photographischen  Re¬ 
produktionen  der  von  den  mikroskopischen  Präparaten  der  Nerven 
hergestellten  Zeichnungen  ergänzt.  Aetiologiseh  kommt  Verfasser 
über  Vermutungen  nicht  heraus. 


D  i  e  s  i  n  g  -  Baden-Baden:  Das  Kaüumperganat  in  der  Behand¬ 
lung  von  Schlangenbissvergiftungen.  (Daselbst.  Bd.  XI,  H.  11.) 

Ehrenrettung  des  Kaliumperganats  der  Arbeit  Briegers  und 
Krauses  gegenüber  (Ref.  s.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  35).  Man 
injiziere  in  das  abgeschnürte  gebissene  Glied  1—2  ccm  einer  1  proz. 
Kalipermanganatlösung  kranzförmig  um  die  Bisswunden  in  6—8  Por¬ 
tionen  in  das  Unterhautzellgewebe.  Nach  einigen  Minuten  Rückgang 
der  schon  eingetretenen  Vergiftungserscheinungen.  Lösung  der  Um¬ 
schnürungen!  Kognak  innerlich!  Ausbrennen!  Ausschneiden  oder 
tiefe  Aetzung  der  Bissstelle  ist  nicht  so  sicher  in  der  Wirkung. 

Sieber  t- Hamburg:  Zur  Aetiologie  des  venerischen  Granuloms. 
(Daselbst.  Bd.  XI,  H.  12.) 

D.as  venerische  Granulom  ist  über  die  heisse  Zone  aller  Länder 
verbreitet;  Uebertragung  scheint  durch  den  Geschlechtsverkehr  statt¬ 
zufinden,  sodass  es  klinisch  wie  pathologisch-anatomisch  als  vierte 
Geschlechtskrankheit  zu  der  bekannten  Trias  zugezählt  werden  muss. 
Sitz  gewöhnlich  in  der  Nähe  der  Genitalien.  Wachstum  durch  Vor¬ 
wärtskriechen  und  durch  Autoinfektion  an  Berührungsstellen.  Das 
Granulom  bildet  eine  besonders  an  den  warmen  und  feuchten  I  eilen 
der  Nachbarschaft  stetig  sich  vergrössernde  Fläche  von  lebhaft  roten 
Granulationsmassen,  die  eine  sehr  fötide  riechende,  oft  mit  Blut  ge¬ 
mischte  Flüssigkeit  absondern.  Die  Grundlage  bilden  zahlreiche 
grosse  Plasmazellen ;  Verfasser  nennt  die  Geschwulst  ein  umfang¬ 
reiches  Plasmom,  das  vornehmlich  in  die  obere  Hälfte  der  Kutis  einge¬ 
lagert  ist.  Die  Geschwulst  zeigt  Reichtum  an  Gefässen,  wenig 
Spindelzellen,  wenig  Mastzellen;  elastisches  Gewebe  und  Binde¬ 
gewebe  schwinden;  ein  freies  Netz  kollagenen  Gewebes  bleibt  be¬ 
stehen.  In  einem  Ausstrichpräparat  aus  Madras  finden  sich  dem 
Streptococcus  lanceolatus  ähnliche  Kapseldoppelkokken;  ähnliche 
Doppelkokken  gelang  es  dem  Verfasser  in  Schnitten  nachzuweisen 
von  Material,  das  aus  den  verschiedensten  Weltteilen  stammt.  Ver¬ 
fasser  hat  den  Eindruck,  dass  in  den  von  ihm  untersuchten  Fällen  die 
in  den  Schnitten  gefundenen  Kokken  die  Krankheitserreger  sind. 

Külz:  Ueber  Pocken  und  Pockenbekämpfung  in  Kamerun. 
(Daselbst.  Bd.  XI,  H.  14.) 

Wie  in  Togo,  so  fordern  auch  in  Kamerun  die  Pocken  die  grössten 
Verluste  an  Menschenleben.  Es  stehen  deshalb  in  volkswirtschaft¬ 
licher  Bedeutung  unter  allen  Infektionskrankheiten  der  Eingeborenen 
die  Pocken  oben  an,  und  bei  keiner  anderen  Gelegenheit  lässt  sich  der 
unmittelbare  Zusammenhang  zwischen  Kolonialwirtschaft  und  Ko- 
lonialhygiene  deutlicher  erweisen.  Ende  1905  bis  Anfang  1906  beob¬ 
achtete  Verfasser  im  Hinterlande  Südkameruns  den  Beginn  und  die 
Ausbreitung  einer  schweren,  rasch  um  sich  greifenden  Epidemie; 
1906/07  studierte  er  im  Hinterland  Nordamerikas  die  Pockenfrage. 
Die  Epidemien  sind  verschieden  schwer;  innerhalb  einer  Epidemie 
wechselt  die  Schwere  der  Fälle  zwischen  den  ernstesten  und.  leich¬ 
testen  Formen;  oft  schon  im  Initialstadium  auffällige  Apathie.  Folgen¬ 
schwerste  und  häufige  Komplikation  Keratitis,  zu  der  sich  Iritis,  Cho¬ 
rioiditis  und  Panophthalmie  gesellen  können.  Beginn  und  Höhepunkt 
der  Epidemien  meist  in  der  Trockenzeit.  Ausbreitungsrichtung  vom 
Hinterland  nach  der  Küste.  Bereitwilligkeit  der  Eingeborenen  zur 
Impfung  weniger  allgemein  als  in  Togo.  Bis  zum  Alter  von  4  Wochen 
nach  dem  Eintreffen  in  den  Tropen  war  die  deutsche  Lymphe  voll 
wirksam,  dann  Nachlassen,  sodass  nach  6  Wochen  nur  noch  50  Proz. 
der  Impfungen  Erfolg  hatten;  nach  8  Wochen  nur  ausnahmsweise 
noch  virulent.  Da  beim  Neger  eine  entzündliche  Beteiligung  der 
Achseldrüsen  häufig  ist,  jedoch  selten  eintritt,  wenn- die  Impfpocken  in 
die  Mitte  des  Oberarms  verlegt  werden,  wählte  Verfasser  diese 
Stelle  zum  Normalpunkt.  Auch  beim  Kamerunneger  war  die  Störung 
des  Allgemeinbefindens  durch  die  Impfung  recht  stark.  Verfasser  be¬ 
stätigt  Plehns  Beobachtung,  dass  der  Impfschutz  beim  Kamerun¬ 
neger  etwa  2  Jahre  anhält;  Verfasser  hält  rein  äussere  Gründe,  den 
meist  gestörten  Verlauf  der  Impfeffloreszenzen,  für  diese  Verkürzung 
des  Impfschutzes  für  ursächlich  und  führt  Beispiele  aus  seiner  Beob¬ 
achtung  darfür  an. 

Stitt:  Differentialdiagnose  zwischen  Dengue  und  Influenza  in 
den  Tropen.  (United  States  Naval  Medical  Bulletin,  Bd.  1,  H.  1.) 

Wenn  schon  der  Satz  zu  Recht  besteht,  dass  die  Influenza  mit 
Katarrhen  der  Schleimhäute  des  Respirationstraktus  beginnt,  das  ge¬ 
mässigte  Klima  bevorzugt  und  nur  selten  Erytheme  zeigt,  Dengue  da¬ 
gegen  in  der  Regel  mit  einem  Erythem  beginnt,  die  Schleimhäute  nicht 
affiziert  und  eine  Krankheit  der  heissen  Länder  ist,  so  sind  doch  die 
klinischen  Bilder  beider  Krankheiten  in  den  Tropen  —  Influenza  ist 
auch  in  den  Tropen  nicht  selten;  besonders  die  letzten  Jahre  brachten 
reichliche  Pandemien  —  so  ähnlich,  dass  ihre  Unterscheidung  nur  an 
der  Hand  bestimmter  Züge  möglich  ist.  Beide  setzen  plötzlich  ein 
und  zeigen  eine  initiale  und  terminale  Fieberperiode  mit  einem  fieber¬ 
freien  Intervall  von  1  bis  3  Tagen.  Kopfschmerzen  und  Glieder¬ 
schmerzen  sind  bei  beiden  vorhanden,  doch  sind  bei  Dengue  die 
Gliederschmerzen,  bei  Influenza  die  Rückenschmerzen  schwerer. 
Schlaflosigkeit  und  besonders  Depression  sind  bei  Influenza  aus¬ 
geprägter.  Initiales  Erythem  begleitet  meist,  terminales  —  am  aus¬ 
geprägtesten  an  der  Streckseite  der  Handgelenke  —  stets  die  Dengue- 
eruption.  Erythem  ist  weniger  häufig  und  weniger  ausgeprägt  oder 
Folge  des  Schweisses  bei  Influenza.  Während  bei  Influenza  der 
Blutbefund  nahezu  normal  bleibt,  sind  bei  Dengue  zunächst  unter 
Verminderung  der  polynukleären  Leukozyten  auf  40  Proz.  die  kleinen 
mononukleären  Lymphozyten  stark  vermehrt;  im  weiteren  Verlauf 
nehmen  letztere  ab,  während  sich  die  grossen  Lymphozyten  ver- 


2254 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


mehren.  Bei  Dengue  erkrankt  die  nicht  immune  Umgebung  in  iden 
Krankenhäusern  nicht,  während  Influenza  fast  auf  alle  nicht  immunen 
Mitkranken  übertragen  wird. 

Ueber  die  Infektionsquelle  der  Tetanusfälle,  entstanden  nach 
prophylaktischer  Pestimpfung  in  Mulkowal  im  Oktober  1902.  (Jour¬ 
nal  of  tropical  Mediane,  Bd.  X,  H.  3,  S.  33.) 

Den  Raum  des  ganzen  Heftes  nehmen  Gutachten  und  Erwide¬ 
rungen  über  die  obigen  Tetanusfälle  ein.  Der  Hergang  war  kurz 
folgender.  Im  November  1902  erkrankten  19  Einwohner  des  Dorfes 
Mulkowal,  die  am  30.  Oktober  mit  dem  Inhalt  einer  Flasche,  ge¬ 
zeichnet  53  N,  enthaltend  Pestprophylaktikum,  das  in  Plague-Research 
Laboratory  inBombay  unterLeitung  von  Haffkin  bereitet  war,  geimpft 
worden  waren,  an  Tetanus.  Sämtliche  Erkrankten  starben.  Andere  Per¬ 
sonen  wurden  mit  dem  Inhalt  der  Flasche  nicht  geimpft.  Die  Impfung  der 
Erkrankten  geschah  mit  derselben  Spritze,  die  nachdem  sie  dann  3  bis 
4  Minuten  in  5  proz.  Karbollösung  gelegen  hatte,  zur  Einspritzung 
weiterer  Pestsera  verwendet  wurde,  ohne  dass  weitere  Erkrankungen 
vorkamen.  Der  eingeborene  Gehilfe  des  impfenden  Arztes  (Dr. 
E  1 1  i  o  t)  gibt  zu,  dass  die  Zange,  mit  der  er  den  Stöpsel  der  Serum¬ 
flasche  entfernte,  zu  Boden  gefallen  sei,  und  von  ihm  dann  vor  dem 
Gebrauch  in  Karbollösung  abgespült  wurde.  Im  Rest  der  Impf¬ 
flüssigkeit,  der  in  der  Flasche  geblieben  war,  wurden  Tetanusbazillen 
gefunden.  Mit  der  Ergründung  der  Ursache  beschäftigte  sich  eine 
Kommission  in  Indien  unter  dem  Vorsitz  des  Hauptrichters  von 
Bombay  Sir  Lawrence  J  e  n  k  i  n  s  und  das  Listerinstitut  in  London. 
Erstere  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  das  Prophylaktikum  bei  der 
Zubereitung  im  Laboratorium  in  Bombay  infiziert  sein  müsse,  letzteres 
schliesst  sich  im  allgemeinen  an,  lässt  jedoch  die  Möglichkeit  auf,  dass 
die  Infektion  in  Mulkowal  stattgefunden  habe.  Ausführlich  sind  be¬ 
sonders  angestellte  Experimente  und  Versuche  mitgeteilt.  Eine  längere 
Beweisführung  Haffkins  polemisiert  gegen  die  Entscheidungen 
und  datiert  die  Infektion  mit  Bestimmtheit  auf  Mulkowal.  Seinen 
Gründen  lässt  sich  eine  gewisse  Beweiskraft  nicht  absprechen. 
(Weiteres  über  die  Ursache  der  Tetanusfälle  findet  sich  in  der  Times, 
15.  März  1907,  und  im  Standard,  2.  April  1907,  abgedruckt  im  Journal 
of  trop.  Med.,  Bd.  X,  H.  6,  15.  März,  S.  106  und  H.  7,  1.  April,  S.  120, 
ferner  im  „Pioneer  Mail“,  26.  April,  abgedruckt  im  Journ.  of  trop. 
Med.,  Bd.  X,  H.  12,  15.  Juni  1907  — ,  Journ.  of  trop  Med.,  Bd.  X,  H.  14, 
15.  Juli  1907  und  in  der  Times  vom  24.  Juli  1907,  abgedruckt  im  Journ. 
of  trop.  Med.,  Bd.  X,  H.  15,  1.  August  1907.) 

Aldo  C  a  s  t  e  1 1  a  n  i  -  Colombo,  Ceylon:  Beobachtungen  über 
tropische  Formen  der  Pityriasis  versicolor.  (Daselbst.  Bd.  X,  H.  4, 
S.  65.) 

Verfasser  unterscheidet  Pityriasis  versicolor  flava,  alba,  nigra 
und  gemischte  Formen.  Im  Aussehen  und  der  Art  des  Pilzes  ent¬ 
spricht  die  Flava  ungefähr  der  europäischen  Form,  nur  ist  die  tro¬ 
pische  Pityriasis  flava  oft  heller,  ergreift  leichter  das  Gesicht  und  ist 
gegen  therapeutische  Eingriffe  wesentlich  widerstandsfähiger.  —  Bei 
den  jungen  Singhaiesinnen  und  ihren  Bewunderern  sind  helle,  nicht  zu 
grosse  Pityriasisflecke  im  Gesicht  als  Schönheitsflecke  sehr  geschätzt. 

Pityriasis  alba  von  intensiv  heller  Farbe  bevorzugt  Arme  und 
Beine,  die  Flecke  sind  etwas  erhaben  und  nicht  so  weich,  wie  die 
der  Pityriasis  flava;  die  Affektion  weicht  antiparasitären  Mitteln 
leicht.  Der  Pilz,  dem  Verfasser  den  Namen  Mikr.  Macfadyeni  beilegt, 
ist  sehr  reichlich  zu  finden,  hat  kleinere  Sporen  und  kleineres  Myzel; 
die  ovalen  Sporen  liegen  oft  in  Trauben  zusammen.  Künstliches 
spärliches  Wachstum  gelang  auf  Maltoseagar.  Pityriasis  nigra  kann 
überall  sitzen,  meidet  meist  das  Gesicht,  bevorzugt  den  Hals  und 
die  oberen  Partien  der  Brust.  Die  -ergriffenen  Partien  sind  von  einer 
mattschwarzen,  glanzlosen  Farbe,  oft  etwas  über  die  umgebende  Haut 
erhaben  und  oft  etwas  schuppend,  entweder  rundlich  isoliert  oder 
zusammenfliessend.  Den  Pilz  nennt  V.  Mikrosp.  Mansoni;  er  findet 
sich  reichlich.  Die  Myzelfäden  sind  kurz,  an  den  Enden  oft  unregel- 
mässig  ausgefasert,  die  Sporen  sind  scheibenförmig  und  nicht  gross, 
häufig  in  Haufen  liegend.  Mikrosp.  Mansoni  wächst  leicht  auf  den 
verschiedensten  Kulturmedien.  Die  Unterschiede  des  Wachstums 
werden  beschrieben.  Abbildungen  illustrieren  die  angedeuteten  Unter¬ 
schiede  der  drei  Pilzarten.  Differentialdiagnostische  und  thera¬ 
peutische  Bemerkungen  sind  angefügt. 

dj  ^  am  b  on  -  London:  Ueber  Kleidung  in  den  Tropen.  (Daselbst. 
Bd.  X,  H.  4,  S.  67.) 

Verfasser  betont,  dass  die  meist  gebrauchte  weisse  Kleidung 
wohl  Hitze,  aber  nicht  chemisch  wirksame  Strahlen  vom  Körper  fern- 
•’?  te'  J.  r  wiederholt  die  schon  des  öfteren  angestellten  Versuche 

iiber  die  Durchlässigkeit  der  weissen  und  pigmentierten  Haut  _ 

Verfasser  nahm  Inderhaut  —  für  chemisch  wirksame  Strahlen,  weist 
darauf  hin,  dass  selbst  die  Farbigen,  die  im  allgemeinen  durch  ihr 
igment  geschützt  seien,  neben  weisser  Kleidung  rot,  gelb  und  braun 
besonders  für  Kopf  und  Bauch  bevorzugen  und  unbekleidete  Körper¬ 
stellen  vielrach  mit  roter  Farbe  oder  rotem  Oel  bestreichen.  Er 
empfiehlt  dann,  um  sowohl  langwellige  als  auch  kurzwellige  Strahlen 
abzuhalten,  einen  Stoff  aus  weissen,  roten  und  gelben  Fäden  gewebt 
dessen  Farbeneindruck  dem  Khaki  ähnelt.  Ein  solches  von  John 
F  1 1  i  s  hergestelltes  Gewebe,  das  ausserdem  noch  wasserdicht  ist 
nennt  er  Solaro.  Die  Uebersetzung  der  lange  bekannten  Theorie  in 
die  1  raxis  ist  erfreulich,  leider  fehlt  jede  Angabe  und  jedes  Experiment 
uber  Herkunft,  Wirkung  und  Art  der  verwendeten  Fäden. 

dJt  c'i^0^Ss:P0d  S.ai'd:  Massnahmen  zur  Moskitobekämpfung 
in  Port  Said  und  ihre  Resultate.  (Daselbst.  Bd.  X,  H.  6,  S.  97.) 


Port  Said  war  eine  der  am  meisten  mit  Mücken  überschwemmten 
Städte  der  Welt;  erst  seit  wenigen  Jahren  erschien  Malaria  dort, 
1902  nur  wenige  Fälle  wohl  von  Ismailia  eingeschleppt,  1905  mehr; 
es  gelang  der  Nachweis  von  Sporozoiten,  in  den  Speicheldrüsen  der 
sehr  reichlich  vorhandenen  Anophelesarten.  Da  auch  Dengue,  Malta¬ 
fieber  und  Elephantiasis  vorkamen,  ferner  „simple  continued  fever“ 
und  mehrere  dieser  Krankheiten  zum  mindesten  der  Uebertragung 
durch  Mücken  verdächtig  waren,  da  ferner  die  Mückenplage  für  jeden 
Europäer,  sei  es  dass  er  vorübergehend  anwesend  war,  oder  dauernd, 
unerträglich  wurde,  sah  sich  die’  Sanitätsbehörde  der  Notwendigkeit 
der  Ausrottung  der  Mücken  gegenüber.  Da  indes  irgend  ein  Zwangs¬ 
mittel  zum  Eingreifen  oder  auch  nur  zur  Einsichtnahme  in  die  Grund¬ 
stücke  und  Häuser  gesetzlich  nicht  gegeben  war,  war  es  nur  möglich, 
auf  dem  Wege  der  Belehrung  und  Ueberredung  vorzugehen.  Unter 
dem  Eindruck  der  Mücken-  und  Malariabefreiung  des  benachbarten 
Ismailia  wurde  die  öffentliche  Meinung  für  das  Unternehmen  ge¬ 
wonnen,  und  bereitwilligst  überall  Einsicht  gestattet  und  Ratschlägen 
zur  Aenderung  nachgegeben,  ferner  regelmässige  Petrolierung  erlaubt. 
Als  Brutplätze  fanden  sich  besonders  Senkgruben  und  überflutete 
Keller.  Es  ist  eine  wesentliche  Feststellung,  dass  fast  sämtliche  Keller 
von  Grundwasser,  das  oft  weniger  als  1  m  tief  steht,  überflutet  waren, 
viele  in  Verbindung  mit  undichten  Senkgruben  und  Abwässeranlagen. 
In  diesen  Wasseransammlungen  fanden  sich  Moskitolarven  in  Un¬ 
zahlen;  je  schmutziger  das  Wasser  war,  desto  mehr  schien  es  den 
Mücken,  besonders  den  Anopheiinen  als  Brutplatz  zu  behagen.  Diese 
Keller  wurden  unter  dem  Druck  der  Ueberredung  meist  ausgepumpt, 
dann  mit  Zement  abgedichtet  oder  mit  Sand  aufgefüllt.  Die  Petro¬ 
lierung  derselben  war  sehr  erschwert,  da  sie  nur  an  den  Eingängen 
zugänglich  waren.  Alle  übrigen  Wasseransammlungen  wurden  petro- 
liert.  In  reinem  Wasser,  das  sonst  von  den  Anophelesarten  als  Brut¬ 
platz  bevorzugt  wird,  wurden  Larven  überhaupt  nicht  gefunden.  Zu¬ 
nächst  wurde  1  Liter  Oel  auf  jedes  Quadratmeter  Wasser  verwendet, 
später  nur  (4  Liter;  als  bestes  Mittel  wurde  eine  Mischung  von 
gleichen  Teilen  rohen  und  raffinierten  Petroleum,  mit  5  proz.  Harz 
versetzt,  festgestellt.  Im  Mai  1906  wurde  die  Moskitobrigade  ge¬ 
gründet,  bestehend  aus  1  Europäer  und  4  Eingebornen  und  zunächst 
in  Ismailia  eingearbeitet.  Jedes  Haus  der  Europäerstadt  wurde 
wöchentlich  einmal  am  selben  Tage  zur  selben  Stunde  besucht  und 
petroliert.  Bestimmte  Viertel  würden  bestimmten  Leuten  unterstellt; 
fanden  sich  Larven,  so  wurde  der  Verantwortliche  bestraft;  stete 
Beaufsichtigung  war  nötig.  Ein  günstiges  Resultat  zeigte  sich  schon 
mi  Juli,  die  Mückenplage  nahm  stark  ab;  im  Januar  07,  der  Zeit  der 
Niederschrift  der  Arbeit  waren  kaum  noch  Mücken  vorhanden, 
Anopheles  nur  schwer  mehr  zu  bekommen.  Auch  die  Ratten  sollen 
sich  durch  Vergiftung  mit  dem  Petroleumwasser  wesentlich  ver¬ 
mindert  haben.  Verfasser  konstatiert  ferner  schon  für  1906  eine  Ab¬ 
nahme  der  Malaria  und  zum  Teil  auch  der  andern  erwähnten  Krank¬ 
heiten.  Die  Inangriffnahme  der  Eingeborenenstadt  ist  die  nächste 
Aufgabe.  Die  bekannte  Tatsache,  dass  die  Mücken  meist  in  unmittel¬ 
barer  Nähe  ihres  Brutplatzes  leben,  wurde  von  neuem  bestätigt  ge¬ 
funden;  zeigten  sich  irgendwo  Mücken,  so  fand  sich  meist  ihr  Brut¬ 
platz  im  selben  Hause.  Auch  aus  der  unmittelbar  benachbarten  Ein¬ 
geborenenstadt  fand  ein  wesentlicher  Zuzug  an  Mücken  nicht  statt. 

In  gram -Aden:  Epidemiologische  Beobachtungen  bei  einer 
Beriberiepidemie.  (Daselbst.  Bd.  X,  H.  6.  S.  102.) 

Beim  81.  Pionierregiment,  dessen  Mannschaften  aus  Mitgliedern 
verschiedener  Stämme  des  Siidostens  von  Indien  bestehen,  traten 
einige  Bei  iberifälle  auf.  Das  Regiment  war,  nachdem  es  Sekundera- 
bad  im  August  1905  verlassen  hatte,  im  September  1905  in  Aden  an¬ 
gekommen  und  hatte  Anfang  Oktober  in  Dthala,  70  Meilen  nördlich 
von  Aden,  5000  Fuss  über  dem  Meeresspiegel,  ein  Zeltlager  bezogen. 
Unterbringung  ziemlich  eng;  wenig  Verkehr  mit  der  Aussenwelt; 
Nahrung  einseitige  Reisnahrung  mit  wenig  Zugaben;  Küche  sektions¬ 
weise  gemeinsam;  keine  Familien.  Erster  BeriberifaFl  im  November 
1905,  dem  sich  gruppenweise  die  übrigen  Fälle  anschlossen;  Höhe- 
Punkt  im  Juni  und  Juli  06  mit  21  Fällen.  Je  mehr  Zugaben  an  Fleisch 
und  eiweisshaltigen  Stoffen,  desto  weniger  Beriberi.  Unter  den 
Etappentruppen  vom  selben  Regiment,  deren  Nahrung  durch  Selbst- 
beschaftung  von  Fischen  weniger  einseitig  war,  kam  Beriberi  nicht 
vor.  Die  Qualität  des  Reises  war  besser  als  die  meist  in  Indien  von 
den  Eingeborenen  genossene.  Im  Jahre  1906  kamen  ebenfalls  im 
u\.  Rutaillon  Kings  Own  Scottish  Borderers,  deren  Ernährung  vor¬ 
züglich  war  und  die  nur  wenig  Reis  von  ausgesuchter  Qualität  ge¬ 
nossen,  Beriberifälle  vor.  Beiden  gemeinsam  war  nur  die  Tatsache, 
dass  im  selben  Regiment  bezw.  Bataillon  schon  früher  Beriberi 
\  oi  gekommen  war.  Verfasser  glaubt  also  ein  neues  Moment  für  die 
Infektiosität  der  Beriberi  beobachtet  zu  haben.  Ein  genaueres  Stu¬ 
dium,  ob  etwa  die  Bewohner  besonderer  Zelte  vorzüglich  erkrankt 
seien,  liess  eine  Bevorzugung  von  Neuerkrankungen  für  Zelte  mit 
früheren  Erkrankungen  nicht  erkennen.  Die  Beriberi  ergriff  besonders 
solche,  deren  Dienstzeit  verhältnismässig  kurz  war. 

,.T..y  1  e  r;J Ueber  Klimamessungen  mit  einer  Theorie  der  Gefühls- 
quahtaten.  (Daselbst.  Bd.  X,  H.  8,  15.  April,  S.  130.) 

Verfassei,  der  sich  wiederholt  mit  Klimatologie,  besonders  mit 
vergleichender  Klimatologie,  beschäftigt  hat,  versucht,  eine  Klima- 
skala,  etwa  nach  Art  .der  B  e  a  u  f  o  r  t  sehen  Windskala  aufzustellen. 
Da  das  Wohlbefinden  hauptsächlich  von  der  Lufttemperatur  und  der 
Luftfeuchtigkeit  abhangt,  nennt  er  die  Masseinheit  Hyther  (hydro- 
thermos)  und  unterscheidet  „0  Hyther“:  kein  Unbehagen  .bei  ad- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2255 


-’iauater  Kleidung  und  Vermeidung  von  Anstrengung;  „1  Hyther“: 
leichtes  Unbehagen,  bei  europäischer  Kleidung  und  Anstrengung, 
leichte  Oppression,  usw.  sich  steigernd  bis  „10  Hyther“:  fast  uner¬ 
träglich.  Seine  Skala  gilt  für  tropische  und  subtropische  Gegenden. 
Seine  ausführlich  angeführten  Theorien,  Kurven,  Versuche  und  Ex¬ 
perimente  siehe  im  Original.  ..  ,  .... . 

Bassett  Smith:  Untersuchungen  über  die  Agglutinationsfahig- 
keit  des  Micrococcus  melitensis  durch  Sera  nicht  Mittelmeerfieber¬ 
kranker.  (Daselbst.  Bd.  X,  H.  10,  15.  Mai,  S.  169.) 

Verfaser  untersuchte  die  Blutsera  von  150  Kranken  des  Haslai- 
Hospitales  auf  Malta  auf  ihre  Agglutinationsfähigkeit  dem  Mikro- 
coccus  melitensis  gegenüber.  Er  hält  eintretende  Reaktion  bei  einer 
Verdünnung  von  1  zu  30  für  beweisend  für  Mittelmeerfieber;  um¬ 
gekehrt  schliesst  er  aus  dem  Fehlen  der  Reaktion  nicht  die  Abwesen¬ 
heit  desselben.  Bei  niedrigeren  Verdünnungen  zeigten  sich  unregel¬ 
mässige  Resultate.  4  Jahre  altes  Blutserum  behielt  seine  aggluti¬ 
nierenden  Eigenschaften  bei.  Für  10  Minuten  auf  60 u  erhitztes  Seiuni 
ergab  noch  gute  Reaktion.  In  seit  2  Jahren  toten  Kulturen  trat  die 
Reaktion  langsamer,  doch  verlässlich  ein. 

Bassert  Smith:  Behandlung  von  Mittelmeerheber  mit  Vakzine, 
unter  Anführung  von  Beispielen.  (Daselbst.  Bd.  X,  H.  10,  15.  Mai, 
S  170.) 

Zur  therapeutischen  Beeinflussung  spritzte  Verfasser  1—3  ccm 
(selten  mehr)  einer  Emulsion  des  Micrococcus  melitensis  in  sterilem 
Wasser,  nachdem  sie  eine  halbe  Stunde  lang  bei  60  0  gehalten  war, 
in  die  Lendengegend  von  Maltafieberkranken.  Im  allgemeinen  waren 
seine  Resultate  im  akuten  Stadium  ungünstig,  im  chronischen  Sta¬ 
dium  günstig,  so  dass  er  das  Verfahren  auf  chronische  Falle  be¬ 
schränkt  haben  will.  Kurven  der  Agglutinationswerte  des  Blutserums 
und  des  opsonischen  Index,  sowie  kurze  Krankengeschichten  sind  bei¬ 
fügt.  z  u  r  V  e  r  t  h  -  Berlin. 


Inauguraldissertationen. 

Experimentelle  Untersuchungen  über  den  Ein¬ 
fluss  der  Gewürze  auf  die  M  a  g  e  nsaf  tbil  du  n  g  hat 
C  Rabinowitsch  an  der  experimentell-biologischen  Abteilung 
des  Kgl.  pathologischen  Instituts  in  Berlin  unter  Bickel  angestellt 
und  berichtet  darüber  in  seiner  gehaltvollen  Doktorarbeit  (Berlin  1907, 
45  S.).  Er  weist  darauf  hin,  dass  wir  uns  zwar  aut  Grund  der  bisher 
in  der  Literatur  verzeichnten  Arbeiten  eine  allgemeine  Meinung  über 
die  Titelfrage  bilden  können,  dass  wir  aber  immer  noch  im  Unklaren 
darüber  sind,  wie  die  Gewürze  auf  die  Verdauung  selbst  wirken,  ob 
und  inwiefern  sie  die  sekretorischen  und  motorischen  Leistungen  'des 
Magens,  die  intestinale  Verdauung,  die  Resorption  des  verarbeiteten 
Speisebreies  und  schliesslich  den  gesamten  Stoffwechsel  beeinflussen. 
Verfasser  hat  an  Hunden,  die  nach  der  P  a  w  1  o  w  sehen  Methode 
operiert  waren,  Untersuchungen  angestellt,  welchen  Einfluss  die  (ie- 
würze  auf  die  Magensaftsekretion  ausüben.  Zu  seinen  Unter¬ 
suchungen  benutzte  er  Paprika,  Pfeffer,  Senf,  Z  i  rat,  Nel¬ 
ken,  Kümmel,  Muskat,  Ingwer.  Er  führt  die  Zahlenwerte 
und  Sekretionskurven  an,  die  am  charakteristischsten  sind.  Aus  den 
Versuchen  geht  hervor,  dass  nicht  alle  Gewürze  auf  die  Magensaft¬ 
sekretion  einen  gleichen  Einfluss  ausüben.  Deutlich  steigeite  die  Saft¬ 
bildung  Senf,  etwas  weniger  intensiv  war  die  Steigerung  bei  Zimt 
und  Nelken.  Paprika,  Pfeffer,  Kümmel  und  Muskatnuss  lassen  keinen 
deutlichen  Einfluss  erkennen:  bald  trat  eine  kleine  Vermehrung,  bald 
aber  auch  eine  leichte  Verminderung  ein  oder  die  Werte  zwischen 
Gewürzversuch  und  Kontrollversuch  waren  fast  identisch. 

Ernst  Walter  hat  auf  Anregung  L  ö  Ff  1  e  r  s  Unter¬ 
suchungen  über  „Festofor  m“,  ein  For  m  a  1  d  eh  yd  - 
Seifenpräparat  angestellt,  über  die  er  in  einer  Greifs- 
walder  Disertation  berichtet.  Das  Festoform  besitzt  in  wäs- 
scrigcn  Lösungen  zum  mindesten  die  gleiche  keimtötende  und 
entwicklungshemmende  Eigenschaft  wie  das  Formalin.  In  vielen 
Fällen  übertrifft  die  Wirksamkeit  der  Festof ormlösungen 
die  gleich  starker  Formalinlösungen  um  ein  geringes.  Durch  Ver¬ 
dampfen  des  Festoform  zusammen  mit  Wasser  lassen  sich 
ohne  besondere  Apparate  nahezu  die  gleichen  Wirkungen  erzielen, 
wie  mit  dem  besten  der  bisher  bekannten  Znmmerdesinfektions- 
verfahren,  das  von  Flügge  angegeben  worden  ist.  Das  Festo¬ 
form  eignet  sich  in  gasförmigem  Zustand  und  in  wässeriger  Lösung 
gut  zur  Beseitigung  schlechter  Gerüche. 

Hermann  B  o  1 1  e  bezeichnet  in  seiner  Dissertationsarbeit  (aus 
der  städtischen  Krankenanstalt  zu  Kiel)  die  Chlornatriumaus- 
scheidungbeiNierenerkrankungenals  kein  ganz  sicheres 
Mass  für  die  Stärke  der  Funktionsstörung  der  Niere,  doch  spreche  die 
geringe  oder  fehlende  Zunahme  der  Ausscheidung  bei  Zugabe  von 
Kochsalz  zur  Nahrung  für  eine  Schädigung  des  Nierensekretion. 
(Dissertation,  Kiel  1907.) 

Eine  Arbeit  von  Wilhelm  Stolz  aus  dem  physiologischen  In¬ 
stitut  zu  Giessen  liefert  einen  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Pan¬ 
kreas  s  t  e  a  p  s  i  n  s.  (Diss.,  Giessen  1907,  66  S.).  Der  Autor  fasst 
seine  Resultate  in  folgenden  Sätzen  zusammen:  1.  In  Verdauungsge¬ 
mischen,  bei  denen  Fette  durch  Fermente  gespalten  sind,  kann  man  zur 
annähernden  Bestimmung  eines  der  Säuremenge  proportionalen  Wertes 
nach  Zusatz  von  Aether  und  Alkohol  einfach  azidimetrisch  verfahren, 
\vcnn  man  sich  durch  nachträglichen  Wasserzusatz  davon  überzeugt, 


dass  man  den  richtigen  Neutralisationspunkt  innegehalten  hat. 
2.  Aus  dem  Pankreas  von  Rindern  lassen  sich  steapsinhaltige 
Glyzerinextrakte  und  Trockenpulver  hersteilen,  welche  besser  wirk¬ 
sam  sind,  wenn  das  Pankreas  24  Stunden  gelegen  hat.  3.  Aus  Pan¬ 
kreastrockenpulvern  erhält  man  mit  Wasser  wirksamere  Extiakte  als 
mit  Glyzerin.  Das  Zeitoptimum  der  Wasserextraktion  schwankt  bei 
einzelnen  Pulvern;  für  das  käufliche  „Pankreatin-Rhenania“  liegt  es 
bei  2—4  Stunden.  4.  Aus  Pankreasextrakten  lassen  sich  unter  Ver¬ 
wendung  von  Rieselguhr  mit  Hilfe  der  Säugpumpe  klare  Filtrate  ge¬ 
winnen.  Diese  haben  gute  tryptische  und  diastatische  Wirkung,  da¬ 
gegen  enthalten  sie  kein  Steapsin  mehr.  5.  Als  zu  vei  bauende  Flüssig¬ 
keit  eignet  sich  gut  Oel  für  sich  oder  Oel,  das  durch  Lezithin  in 
Wasser  emulgiert  ist.  6.  Glyzerin  hemmt  die  Fermentwirkung. 


Richard  Levy:  Quantitative  Zuckerbestimmung 
im  Harn.  Vergleichende  Untersuchungen  mit  dem 
Riegl  er  sehen  und  Pavy  sehen  Verfahren  und  dem 
Polarisation  sappa  rat.  Dissertation,  Heidelberg  1906. 

Von  den  drei  angewandten  Methoden  sind  die  Polarisierung  und 
das  von  Pavy  angegebene  Verfahren  in  der  Modifikation  von 
Sahli  einander  ungefähr  gleichwertig,  sowohl  hinsichtlich  der  Ein¬ 
fachheit  der  Ausführung,  als  auch  der  Genauigkeit  der  Resultate.  Die 
Pavy  sehe  Methode  geniesst  ausserdem  den  Vorteil  grosser  Billig¬ 
keit  der  Untersuchungsmittel.  Die  Riegl  er  sehe  Probe  ist  zeit¬ 
raubend,  häufig  unzuverlässig  und  erfordert  einen  unbequemen,  un¬ 
handlichen  Apparat.  Sie  kann  insbesondere  dem  praktischen  Arzt 
nicht  empfohlen  werden,  dem  jedoch  die  Benützung  der  Pavy  sehen 
Bestimmung  dringend  geraten  wird.  Wo  bereits  ein  Polarisations- 
apparat  vorhanden  ist,  kann  ohne  erhebliche  Mühe  als  Vergleich  die 
Titration  nach  Pavy  vorgenommen  werden.  Auf  diese  Weise 
werden  die  genauesten  Resultate  zu  erzielen  sein. 

August  Hof  mann  hat  experimentelle  Unter¬ 
suchungen  über  die  Ausscheidung  des  Veronals 
bei  chronischem  Veronalgebrauch  angestellt  und 
berichtet  darüber  in  seiner  Dissertation  (Giessen).  Das  Veronal 
zeigt  bei  längere  Zeit  (50  Tage)  fortgesetztem  Gebrauch  eine  auf¬ 
fällige  Konstanz  in  seinen  Wirkungen  auf  den  tierischen  Körper. 
Seine  Ausscheidung  erfolgt  ausschliesslich  durch  die  Nieren  und  findet 
stets  zu  gleichem  Prozentsatz  statt  und  zwar  unter  Berücksichtigung 
der  Analysenfehler  etwa  zu  70  Proz.  Es  verursacht  auch  bei  längerem 
Gebrauch  beim  Hunde  Polyurie  und  eine  bis  zu  2,5  betragende 
Herabsetzung  der  Körpertenmeratur.  Die  Ernährung  beeinflusst  es  in 


günstiger  Weise. 

V.  Feldberg:  Ueber  Uterusmyom  als  Geburts¬ 
hindernis.  (Aus  der  k.  geburtshilflichen  Klinik  der  k.  Charitee  in 
Berlin:  Prof.  Dr.  B  u  m  m).  Diss.,  Berlin  1907.  . 

Ergebnisse:  1.  Die  Prognose  der  mit  Myomen  komplizierten 
Geburt  gestaltet  sich  bei  weitem  nicht  so  ungünstig  für  Mutter  und 
Kind,  wie  es  früher  angenommen  wurde.  Auch  im  Wochenbett  sind 
die  Gefahren  ziemlich  unerheblich,  wenn  nur  während  der  Geburt  und 
in  der  Nachgeburtsperiode  alle  Regeln  der  Anti-  und  Asepsis  aufs 
strengste  gewahrt  werden.  2.  In  Fällen,  wo  ein  ernster  Eingriff  sub 
partu  nötig  erscheint,  gestaltet  sich  die  Prognose  für  die  Mutter  nicht 
ungünstiger,  als  bei  chirurgischen  Eingriffen  m  graviditate.  3.  Bei 
Komplikation  der  Schwangerschaft  mit  Myom  ist,  wie  überall  in  der 
Geburtshilfe,  falls  keine  bedrohlichen  Erscheinungen  auftreten,  ein 
ruhiges  Beobachten  und  Abwarten  im  allgemeinen  im  grosseren 
Interesse  der  Patientin,  als  ein  rasches  operatives  Einschreiten.  Die 
Patientin  muss  aber  mit  Rücksicht  auf  mögliches  Auftreten  bedroh¬ 
licher  Symptome  unter  beständiger  ärztlicher  Aufsicht  gehalten 
werden.  Durch  dieses  „bewaffnete  Abwarten“  wird  das  kindliche 
Leben  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  gerettet  werden  können.  4.  Lin 
operativer  Eingriff  in  graviditate  soll  nicht  aus  prophylaktischen 
Gründen,  um  den  voraussichtlichen  Gefahren  unter  der  Geburt  und  im 
Wochenbett  vorzubeugen,  vorgenommen  werden,  sondern  eine 
chirurgische  Intervention  scheint  nur  in  denjenigen  Fallen  gerecht¬ 
fertigt,  wenn  eine  Indicatio  vitalis  vorliegt,  oder  die  Symptome  wemg- 


Ueber  die  Resultate  in  der  Behandlung  akuter 
infektiöser  chirurgischer  Erkrankungen  durch 
Stauungshyperämie  berichtet  Erich  Meyer  in  einer 
Dissertation  (Halle  -  Wittenberg  1907,  S;),  der  das  Material 

der  v.  Bram  ann  sehen  Klinik  und  Poliklinik  m  Halle  zu  Grunde 
liegt.  Als  Gesamtresultat  stellt  Verfasser  folgende  Thesen 
auf:  1.  Die  Anwendung  der  Stauungshyperämie  zur  Heilung  akuter 
infektiöser  Erkrankungen  hat  sich  als  im  Prinzip  nchüg  er¬ 
wiesen.  2.  Die  Anwendung  der  Stauungshyperämie  ist  empfehlens¬ 
wert  bei  Mastitis,  Furunkeln,  Abszessen,  infizierten  Wunden, 
leichten  Formen  von  Panaritien  und  Phlegmonen,  phlegmonösen  Bur¬ 
sitiden.  3.  Bei  schweren  akuten  infektiösen  Erkrankungen  empiiehlt 
sich  nach  erfolgter  gründlicher  Operation  die  Stauungshyperämie  als 
Nachbehandlung  und  als  Ersatz  der  Tamponade.  4.  Bei  Anwendung 
der  Stauungshyperämie  wirken  warme  Bäder  unterstützend.  5.  Bei 
der  Behandlung  der  Panaritien  mit  Stauungshyperämie  ist  die  Gummi¬ 
binde  dem  Saugglase  vorzuziehen  mit  Rücksicht  auf  die  Schmerz¬ 
vermeidung,  ferner  mit  Rücksicht  auf  die  Sauberkeit,  Asepsis,  endlich 
in  Hinsicht  auf  die  schnellere  und  bequemere  Applikation.  6.  Da  Stau¬ 
ungshyperämie  Schädigungen,  z.  B.  Erysipel  bewirken  kann,  ist  die 


2256 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


ständige  Kontrolle  des  Verfahrens  erforderlich.  7.  Wegen  der  wider¬ 
sprechenden  Resultate  mit  Bierscher  Stauung  gerade  bei  schweren 
akuten  infektiösen  Erkrankungen  sind  weitere  Forschungen  und  Er¬ 
fahrungen  mit  Stauungshyperämie  in  dieser  Richtung  notwendig,  hier 
aber  ganz  besondere  Vorsicht  dringend  geboten.  '  Eritz  Loeb. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie 

vom  23.  bis  29.  September  1907. 

V. 


Die  literarischen  Beigaben. 

Den  Mitgliedern  des  Kongresses  wurden  mehrere  Festschriften 
von  ausserordentlichem  wissenschaftlichen  Werte  dargeboten,  so: 

1.  Das  Deutsche  Reich  in  gesundheitlicher  und  demographischer 
Beziehung,  gewidmet  vom  Kaiserlichen  Gesundheitsamte 
und  vom  Kaiserlichen  Statistischen  Amte  (331  Seiten, 
Grossoktavformat),  in  welchem  den  Mitgliedern  in  kurzen  Umrissen 
ein  Ueberblick  darüber  gegeben  wird,  was  das  Deutsche  Reich  seit 
seiner  Wiedererstehung  vor  36  Jahren  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene 
und  Demographie  geschaffen  hat  und  wie  seine  Verhältnisse  auf  diesem 
Gebiete  gegenwärtig  gestaltet  sind. 

Das  Werk  enthält  zunächst  eine  Reihe  eingehender  statistischer 
Angaben  über  den  Stand  der  Bewegung  der  Bevölkerung  unter 
Ausscheidung  zwischen  Stadt  und  Land,  Geschlecht,  Alter  und 
Familienstand,  Mitteilungen  über  die  Todesursachen,  Bekämpfung 
a)  der  iiberti  agbaren  Krankheiten  (gesundheitliche  Behandlung  der 
Seeschiffe,  Desinfektion,  Bekämpfung  im  Eisenbahnverkehr,  Leichen- 
beforderung,  wissenschaftliche  Forschungsexpeditionen  etc.),  b)  an¬ 
derer  Krankheiten  (Blinddarmentzündung,  Alkoholismus). 

Ferner  sind  in  dem  Werke  behandelt:  Wasserversorgung  und 
Flussverunreinigung,  Verkehr  mit  Nahrungsmitteln,  Genussmitteln  und 
Gebi  auchsgegenstdnden,  Verkehr  mit  Heilmitteln  und  Giften,  Heil-  und 
1  ilegeanstalten,  Berufstätigkeit,  Veterinärwesen  etc. 

Dci  Abschnitt  VI  beschäftigt  sich  mit  A  e  r  z  t  e  n,  Zahnärzten  und 
sonstigem  Heil-  und  Pflegepersonal;  er  bringt  alle  gesetzlichen  Be¬ 
stimmungen  über  die  Ausübung  der  Heilkunde,  Approbation,  Doktor- 
promotion,  Prüfungsordnung,  Zulassung  weiblicher  Studierender, 
bchoifen-  und  Geschworenendienst  durch  Aerzte,  Verweigerung  des 
Zeugnisses,  Erstattung  von  Gutachten  vor  Gericht  usw. 

Sehr  insti  uktiv  sind  die  zahlreich  beigegebenen  Abbildungen 
bezw.  graphischen  Darstellungen. 


_.  Medizinische  Anstalten  auf  dem  Gebiete  der  Volksgesundheits- 
Pue  U\„Preyssen’  Festschrift,  dargeboten  von  dem  pre.ussi- 
s  chen  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 

Von-7d  ca  1 a  ^  g  e  1  e  g  e  n  h  e  i  t  e  n  (Verlag  von  Gustav  Fischer. 
19U7,  445  Seiten). 

,.  !n  13  v°n  verschiedenen  Autoren  bearbeiteten  Abschnitten  werden 
'.TV™  1  !tel  erwähnten  Anstalten  eingehend  beschrieben,  so  gibt 
/';R' U  b  11  6  r  elne  Darstellung  des  h  y  g  i  e  n  i  s  c  h  e  n  I  n  s  t  i  t  u  t  s 

desselben' eintoseht.  ’  We'Che  m“  einer  kurzen  Qeschichte 
H  .Als  r}S]  allr  der  modernen  wissenschaftlich-experimentellen 

fi-ne, wjrd,  das  -,ahr  1853  bezeichnet,  als  Max  v.  Pettenkof  er 
Hodrschnf^hffUf  erShC  Kr1!fS  ilber  experimentelle  Hygiene  an  dieser 
den^riSin  tehr?d  der  nCL‘erf  Aufschwung  dieser  Wissenschaft 
den  Erfolgen  Robert  Kochs  auf  dem  Gebiete  der  Erforschung  der 
Kleinlebewelt  zu  verdanken  ist.  g  r 

zelheitef  heAAr.beiyverden  die  La*e  und  bauliche  Ein- 

efngehend  ^beschrieben.'  Arbeltsseblet  "”d  Arbeitsplan  in  demselben 

v  ..  Haffky  gibt  eine  eingehende  Darstellung  über  das 

Königliche  Institut  für  In  f  e  k  ti  o  n  s  k  r  an  k  h  ei  t  e  n  i  n 

Aufgibenn’usw.Sen  baU  lche  Anlage  und  Einrichtung,  Organisation  und 

Kiini'o'iip?Chvldtma!!n  und  Günther  desgl.  über  „die 
n  J  g  1 !  c  h  ,e  Versuchs-  und  Prüfungsanstalt  für 
Wasserversorgung  und  Abwasserbeseitigun  g“. 
Letztere  Anstalt  wurde  1901  gegründet,  um  allen  auf  dem  Gebiete 

fa1lst^ffaeSwiS/nTg  Und  ?eSeitigang  der  flüssigen  und  festen  Ab- 
n1anm?s^  n ?. "i h^ienist;henp und  volkswirtschaftlichen  Interessen 
C TSLÄ  zielbewusste  Forderung  angedeihen  zu  lassen  und 

Privaten  nhiektiv^^  Beteiligten,  sowohl  Behörden  wie 

J  rivaten,  objektive,  sachkundige  Auskunft  zu  erteilen.  Das  vor¬ 
handene  wissenschaftliche  Personal  setzt  sich  dem  Berufe  nach  zu 

zineirn11  Die  Anslalt T,'!’  ßp^kern  Zoologen,  Technikern  und  Medi- 
/.nein  Die  Anstalt  ist  reichlich  mit  Laboratorien  versehen  und  Int 

auch  Versuchsanlagen  zur  praktischen  Prüfung  auf  X  “"biete  der 
ologischen  Abwasserreinigungsanlagen  usw. 

G.-R.  Prof.  Dr  Kirchner  hat  die  Berichterstattung  über- 

s  u  crh  unn  tf'*  .  P  r  e  11  s  s  1  s  c  h  e  "  M  e  d  i  z  i  n  a  1  u  n  t  e  r  - 

die  '„V,,  e  r  ’  »d  1  e  P  r  e  u  s  s  i  s  c  h  e  n  I  m  p  f  a  n  s  t  a  1 1  e  n“, 
„die  deutschen  Quarantaneanstalten“  das  Kel 
Lepraheim  im  Kreise  Memel“,  „die  Desinfektoren- 


schulen  in  Preussen“  und  bietet 


'darin  äusserst  interessant 


Mitteilungen  nicht  nur  für  die  Medizinal-  und  Verwaltungsbeamten, 
sondern  auch  für  die  gesamte  Aerztewelt. 

Ueber  das  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Thera¬ 
pie  in  Frankfurt  a.  M.  berichtet  G.-R.  Dr.  Ehrlich  über  den 
Neubau  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  für  das 
militär  ärztliche  Bildungswesen  Stabsarzt  Dr.  R  i  d  d  e  r, 
das  Kaiserin  - Friedrichhaus  für  das  ärztliche  Fort- 
b  1 1  d  u  n  g  swe  s  e  n  Prof.  Dr.  Kutne  r,  über  die  Akademie  für 
praktische  Medizin  G.-R.  Brugger,  das  Kaiserin- 
Auguste-Viktoriahaus  zur  Bekämpfung  der  Säug¬ 
lingssterblichkeit  im  Deutschen  Reich  G.-R.  Dr. 
Dietrich,  die  Heilstätten,  Krankenhäuser  und  Ge¬ 
nesungsheime  der  Versicherungsanstalten  und 
Kasseneinrichtungen  der  Invalidenversicherung 
in  Preussen  G.-R.  H.  S  i  e  f  a  r  t,  über  die  grosse  Heilan¬ 
stalt  der  Charite  Generalarzt  Dr.  Scheibe,  das  s  t  ä  d  t. 
Krankenhaus  Charlotten  iburg-Westend  Prof.  Dr! 
Bessel  -  Hagen  und  über  die  Einrichtungen  zur  Bekämp¬ 
fung  der  1  uberkulose  in  Preussen  und  deren  Wirk- 
s  a  m  k  eit  Dr.  Kayserling. 

Sämtlichen  Abhandlungen  sind  Pläne  und  Abbildungen  der  ge¬ 
schilderten  Anstalten  beigegeben. 

Besonderes  Interesse  beansprucht  darunter  unter  anderem  die 
Darstellung  der  „Infektionsabteilung  im  Rudolf-Vir- 
chow-Krankenhause  mit  dem  Obduktionshause 
d  ^  S  \  f.1},5  tHuts  für  Infektionskrankheite  n“,  welche 
vohl  vorbildlich  für  die  Errichtung  solcher  Isolierabteilungen  bei 
Krankenhäusern  zu  wirken  haben  wird.  Von  der  Raumverteilung  im 
Innern  dieser  Pavillons  sei  deshalb  kurz  erwähnt,  dass  sie,  von  der 
^ ch mal seite  zugänglich,  einen  längsverlaufenden  Mittelgang  haben, 
welcher  zu  2  mit  meist  5  und  3  Betten  besetzten  Krankensälen  führt. 
Voi  diesen  Sälen  wird  der  Korridor  durch  einen  Quergang  gekreuzt, 
du  dein  Innern  des  Gebäudes  Licht  zuführt  und  zugleich  zur  Aufnahme 
\on  Wäscheschränken  und  Unterbringung  von  anderen  Utensilien,  wie 
Besen,  Stechbecken  etc.  dient.  Vor  diesem  Quergang  liegt  jederseits 
vom  Haupteingang  ein  zweifenstriges  und  ein  einfenstriges  Zimmer, 
ln  den  zweifenstrigen  Zimmern  werden  entweder  2  Betten  aufgestellt 
oclei  sie  dienen  als  Tageraum  für  Rekonvaleszenten;  werden  dann 
nach  Bedarf  auch  noch  mit  einem  Bett  ausgestattet.  Einer  dieser 
Raume  ist  in  jedem  Pavillon  als  Operationsraum  eingerichtet.  Von 
den  einfenstngen  Zimmern  sind  in  jedem  Pavillon  2  mit  einem  Bette 
besetzt;  die  beiden  anderen  dienen  als  Raum  für  die  diensttuenden 
Schwestern  und  tiir  den  Arzt. 

Vor  diesen  4  Zimmern  wird  der  Hauptgang  wieder  durch  einen 
.ueigang  gekreuzt,  welcher  die  zu  beiden  Seiten  des  Eingangs 
liegenden  Räume  begrenzt  und  zugänglich  macht.  Diese  enthalten  die 
heekuche,  die  Klosetts  und  den  Wäschekochraum,  der  noch  mit  einem 
besonderen  Zugang  von  der  Aussenseite  her  versehen  ist.  Einer  der 
hier  gelegenen  Räume  ist  der  Direktionsraum,  in  dem  die  Schreib- 
geschafte  erledigt  und  die  einfacheren  physikalischen  und  chemischen 
Untersuchungen  vorgenommen  werden. 

Jeder  dieser  Pavillons  hält  zwei  durch  eine  solide  Wand  ohne 
1  ure  getrennte  Abteilungen  der  vorstehend  geschilderten  Art;  auf  ein 
Bett  treuen  11  qm  Bodenfläche  in  den  Räumen  mit  5  Betten,  12  qm 
m  Jenen  mit  2  Betten  und  13  qm  in  den  Zimmern  mit  1  Bett;  der  Luft- 
kubus  berechnet  sich  auf  40  cbm  pro  Bett  bei  einer  Höhe  des  Raumes 
von  3,7  m  im  Lichten;  im  Bedarfsfall  wird  jedoch  der  Raum  durch  Er¬ 
höhung  der  Bettenzahl  mehr  ausgenützt,  in  ieder  der  2  Abteilungen  bei 
normaler  Belegung  11  Betten,  im  Bedarfsfälle  15  Betten. 

Ausserdem  ist  ein  Pavillon  errichtet  als  Qarantäne- 
Station  mit  22  Betten  zur  Aufnahme  für  Kranke,  welche  mit  unge- 
niigenaer  Anamnese  oder  unsicherer  Diagnose  he’reinkommen  und 
noch  einige  Zeit  beobachtet  werden  müssen,  sowie  jener  Kranken 
welche  zwar  von  ihrer  Infektionskrankheit  geheilt  sind,  aber  noch 
eine  anderweitige  Krankenhausbehandlung  nötig  haben  und  vor  der 

erlegung  auf  die  betreffende  Abteilung  einige  Zeit  isoliert  werden 
müssen. 

a-  Sämtliche  Pavillons  sind  mit  Obergeschossen  versehen,  welche 
die  Wohnraume  für  die  in  dem  Gebäude  beschäftigten  Personen  ent¬ 
halten. 


3.  Die  gesetzlichen  Grundlagen  der  Seuchenbekämpfung  im 
deutschen  Reiche  unter  besonderer  Berücksichtigung 
'  eussens  von  G.  R.  Dr.  Martin  Kirchner.  Festschrift,  dar- 
geboten  von  dem  preussischen  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts- 
uncl.  Medizinalange'legenheiten.  (Verlag  von  G.  Fischer,  Jena  1907 
33o  Seiten.) 

Dieses  Werk  ist  vor  allem  ein  Kommentar  zum  Reichsseuchen¬ 
gesetz  vom  30.  Juni  1900  und  dem  preussischen  Gesetz,  betr.  die  Be¬ 
kämpfung  übertragbarer  Krankheiten  vom  28.  August  1905  und  der 
zu  demselben  erlassenen  Ausführungsbestimmungen,  deren  letzte 
9.  Juli  1907  erschienen  ist. 

wnh|Dv  rart4Se  j<'om™e,^are  sind  zwar  bereits  einige  erschienen,  so¬ 
wohl  von  Aerzten  als  Verwaltungsbeamten  verfasst,  der  vorliegende 

Jlwätfi?er  aAStbaSOnRe[S  ^fGvoll  bezeichnet  werden,  einmal  mach  der 
»A,rt  der  Behandlung  des  Stoffes  —  die  Bestimmungen  der 

im-™!  t  f  u  nlChtu  einfach  Paragraphenweise  abgehandelt,  sondern 
ihrem ,  Inhalte  nach  zusammengestellt  und  besprochen,  dann  ganz 
besonders  deshalb,  weil  der  Verfasser  bei  der  Beratung  der  Aus- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2257 


fiihrungsbestimmungen  zum  Reichsgesetze  selbst  mitwirkte  und  das 
preussische  Gesetz  und  seine  Ausführungsbetimmungen  im  Entwürfe 

ausarbeitete.  .. 

Da  neben  den  beiden  oben  genannten  Gesetzen  auch  die  Ver¬ 
hältnisse  der  übrigen  deutschen  Bundesstaaten  möglichste  Berück¬ 
sichtigung  fanden,  so  ist  das  Werk  ein  äusserst  wertvolles  Nach- 
schlagebuch  nicht  nur  für  die  preussischen,  sondern  auch  alle  deutschen 
Aerzte  und  Verwaltungsbeamten. 

4.  Gesundheitspflege  und  Wohlfahrtseinrichtung  im  Bereiche  der 
vereinigten  preussischen  und  hessischen  Staatseisenbahn,  bearbeitet 
im  preussischen  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten.  Verlag  von 
Julius  Springer  1907.  79  Seiten,  Grossformat. 

In  diesem  Hefte  werden  unter  Belegung  mit  reichem  statistischen 
Zahlenmaterial  die  Massnahmen  zur  Bekämpfung  von  Krankheiten 
bei  dem  Eisenbahnpersonal,  die  Fürsorge  für  Bedienstete  während  der 
Ruhezeiten,  Dienst-  und  Arbeitspausen,  die  Massnahmen  zur  Ver¬ 
hütung  von  Unglücksfällen,  die  Wohnungsfürsorge  und  Arbeiterver¬ 
sicherung  näher  dargestellt. 

5.  Festgabe  der  Stadt  Berlin  1907. 

Ein  Prachtwerk,  in  welchen  die  Stadt  Berlin  den  Kongressmit¬ 
gliedern  ein  Bild  von  der  praktischen  Arbeit  geben  will,  welche  die 
Reichshauptstadt  auf  den  verschiedenen  Gebieten  der  öffentlichen  Ge¬ 
sundheitspflege  in  den  letzten  Jahren  geleistet  hat.  Aller  Nachdruck 
ist  dabei  auf  Abbildungen  gelegt  worden,  der  Text  soll  nur  auf  ge¬ 
wisse  Absichten  in  den  Formen  der  Anlage  hir.weisen.  Wir  finden 
in  dem  Werke  zahreiche  vorzügliche  Abbildungen  der  städtischen 
Volks-  und  Mittelschulen,  Krankenanstalten,  Genesungsheimen  etc. 

Sämtliche  der  vorstehend  genannten  4  Festschriften  sind  buch¬ 
händlerisch  tadellos  ausgestattet. 

Hygieneausstellung  in  Berlin  1907 

vom  23.  September  bis  12.  Oktober  1907  im  Reichstagsgebäude. 

Mit  dem  Kongresse  war  eine  Ausstellung  verbunden,  die  hin¬ 
sichtlich  Reichhaltigkeit  und  Gediegenheit  des  Ausgestellten  von 
anderen  derartigen  Ausstellungen  schwerlich  erreicht,  sicher  niemals 
übertroffen  worden  ist. 

Sie  hatte  sich  zur  Aufgabe  gestellt,  vor  allem  diejenigen  Gebiete 
der  Hygiene  zu  berücksichtigen,  die  in  den  letzten  Jahren  besondere 
Fortschritte  zu  verzeichnen  hatten,  wie  das  Gebiet  der  wissen¬ 
schaftlich-experimentellen  Forschung,  die  A  e  t  i  o  - 
logie  und  die  Bekämpfung  der  Infektionskrank¬ 
heiten,  die  Wasserversorgung  und  die  Beseitigung 
der  Aibf  allst  off  e,  die  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Hei¬ 
zung,  die  Schäden  der  modernen  elektrischen  Betriebe,  die 
soziale  Betätigung  auf  den  Gebieten  der- Säuglingshygiene, 
der  Tuberkulosebekämpfung,  des  Arbeiterschutzes, 
der  Bekämpfung  des  Alkoholmissbrauchs  und  des 
Kurpfuscherwesens,  sowie  endlich  Ausstellung  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  modernen  Leic'henbestattung. 

Die  Ausstellung  teilte  sich  in  zwei  Hauptabteilungen:  a)  Sammel¬ 
ausstellungen  und  b)  Gruppenausstellungen. 

In  der  ersten  Abteilung  waren  die  Ausstellungsgegenstände  ver¬ 
schiedener  staatlicher  und  städtischer  Institute,  wie  des  Kaiserl.  Ge¬ 
sundheitsamtes,  des  Kgl.  Instituts  für  Infektionskrankheiten,  des 
hygienischen  Instituts  zu  Berlin,  der  hygienischen  Institute  zu  Er¬ 
langen,  München  und  Würzburg  usw.  untergebracht,  in  der  zweiten 
Abteilung  waren  die  Gegenstände  nach  ihrer  Zweckbestimmung  in 
Gruppen  abgesondert. 

Besondere  Aufmerksamkeit  erregten  hier  u.  a.  die  Ausstellungen 
auf  dem  Gebiete  der  Abwasserversorgung,  namentlich  die  zahlreichen 
Modelle  von  Anlagen  der  biologischen  Klärung  der  Abwässer,  welche 
sich  im  vollsten  Entwicklungsgänge  befindet;  natürlich  kann  hier  eine 
Ausstellung  nur  über  die  Art  der  Anlage,  nicht  aber  den  eigentlichen 
Betrieb  und  die  Wirkung  des  einzelnen  Systems  Aufschluss  geben,  dies 
muss  da  studiert  werden,  wo  wirklich  Abwässer  geklärt  werden,  um 
den  Grad  der  Geruchsbelästigung,  die  Insektenplage  und  den  Effekt 
der  Reinigung  zu  sehen;  hierzu  bot  aber  auch  der  Kongress  die  Mög¬ 
lichkeit  durch  Veranstaltung  von  Besichtigungen  derartiger  Anlagen. 

In  der  Abteilung  Säuglings-  und  Kinderhygiene  fand  sich  u.  a. 
die  vollständige  Einrichtung  eines  Säuglingszimmers  (Boxensystem; 
Abschluss  jeden  Bettes  durch  Glaswände),  eine  Reihe  von  Apparaten 
zur  Milchsterilisierung,  Wachspräparate  verschiedener  Organverände¬ 
rungen  aus  dem  Gebiete  der  Kinderkrankheiten  darstellend  usf. 

In  der  Abteilung  Infektionskrankheiten  waren  verschiedene 
mikroskopische  Präparate,  Heilsera,  Sterilisationsapparate  etc.  aus¬ 
gestellt. 

Von  der  Ausstellung  der  Abteilung  „Gewerbekrank¬ 
heiten“  seien  erwähnt  die  anatomischen  Präparate  und  Moulagen, 
welche  die  durch  elektrischen  Starkstrom  verursachten  Organschädi¬ 
gungen  veranschaulichen,  ferner  einzelne  Staubabsaugapparate;  aus  der 
Abteilung  Lüftung,  Heizung  und  Beleuchtung  Apparate  für 
Luftanalyse  nebst  Russfilter,  Darstellung  mangelhaft  und  zweckmässig 
installierter  Gasheizöfen,  automatischer  Zugregler  für  Zentral¬ 
heizungsfeuerungen,  Warmwasserheizungen,  Dampfheizungen,  Lampen 
für  indirekte  Gasbeleuchtung,  Arbeitslampen  mit  Spiritus-Glühlicht- 
lampe. 

Der  Verein  für  Feuerbestattung  Berlin  hat  Modelle  eines 
modernen  Krematoriums,  eine  Urnenhalle  usw.  ausgestellt. 


Recht  zahlreich  und  instruktiv  waren  auch  die  graphischen  Aus¬ 
stellungen  auf  dem  Gebiete  der  Gesundheits-,  Krankheits-  und  Sterb¬ 
lichkeitsstatistik.  S  p  a  e  t  -  Fürth. 


79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  Dresden  am  14.  und  15.  September  1907. 

VI. 

Abteilung  für  Kinderheilkunde. 

Sitzung  am  18.  September  1907. 

Vorsitzender;  Herr  Stooss-Bern. 

Herr  P  e  i  s  e  r  -  Breslau:  Osteopsathyrosis  im  Kindesalter.  (Mit 
Demonstrationen.) 

Bei  jugendlichen  Kindern  gelangt  hin  und  wieder  eine  ab¬ 
norme  Knochenbrüchigkeit  zur  Beobachtung,  welche  mit  der 
osteomalazischen  Form  der  Rachitis  nichts  zu  tun  hat.  Auch  von 
der  Rachitis  im  allgemeinen  lässt  sie  sich  abgrenzen,  trotzdem  sie 
häufig  mit  ihr  vereint  auftritt.  Sie  charakterisiert  sich  klinisch  und 
im  Röntgenbild,  bezw.  im  mikroskopischen  Präparat  in  folgender 
Weise:  Klinisch  handelt  es  sich  in  der  Regel  um  elende  Kinder, 
welche  nicht  allein  physisch,  sondern  auch  psychisch  minderwertig 
sind  und  selbst  in  ihrer  späteren  Entwicklung  körperlich  und 
geistig  Zurückbleiben.  Im  Röntgenbild  fällt  die  Dünne  der  Korti- 
kalis  der  langen  Röhrenknochen  auf,  zuweilen  noch  die  weite  Dia- 
stase  der  Bruchenden.  Nach  dem  mikroskopischen  Präparat  ist  die 
Dünne  der  Kortikalis  zurückzuführen  auf  Steigerung  der  lakunären 
Knochenresorption  beim  Ausbleiben  entsprechender  Apposition.  Die 
Osteopsathyrosis  dürfte  als  Trophoneurose  aufzufassen  sein,  ihre 
Prognose  ist  günstig.  Als  Therapie  wäre  Schilddrüsenmedikation 
zu  versuchen,  dagegen  ist  eine  Immobilisierung  der  Frakturen  nicht 
zu  empfehlen. 

In  der  Diskussion  bekämpfen  H  o  c  h  s  i  n  g  e  r  -  Wien, 
R  ey  h  e  r  -  Berlin  und  L  o  o  s  e  -  Heidelberg  die,  Auffassung  Pei- 
sers,  indem  sie  die  vorgestellten  Fälle  als  Rachitis  gravis  auffassen. 
Im  Schlussworte  sucht  P  e  i  s  e  r  seine  Auffassung  zu  stützen,  in¬ 
dem  er  nochmals  die  schwere  Knochenbrüchigkeit  nicht  als  zum 
Bilde  der  Rachitis  gehörig  bezeichnet,  gibt  jedoch  zu,  dass  sich  da¬ 
rüber  streiten  lasse,  ob  der  Name  Osteopsathyrosis  gut  gewählt  ge¬ 
wesen  sei. 

Herr  Knöpielmacher- Wien :  Subkutane  Vakzineinfektionen. 

Aus  der  grossen  Versuchsreihe,  deren  Ergebnisse  der  Autor  mit¬ 
teilt,  sei  als  praktisch  wichtig  hervorgehoben,  dass  die  Injektion 
von  Vakzinelösung,  welche  durch  Erhitzen  avirulent  und  mit  Koch¬ 
salzlösung  entsprechend  verdünnt  worden  ist,  zur  Diagnose,  der  Va¬ 
riola  bei  nicht  Geimpften  verwertbar  sein  muss.  Der  nicht  Ge¬ 
impfte  muss  auf  die  Injektion  hin  mit  der  Bildung  einer  lokalen 
Reaktion  antworten. 

Herr  T  o  b  1  e  r  -  Heidelberg:  Beobachtungen  über  die  Zusammen¬ 
setzung  des  Mageninhaltes  bei  kongenitaler  Pylorusstenose. 

Bei  einem  typischen  Fall  von  angeborener  Pylorusstenose  wurde 
im  Reparationsstadium  die  chemische  Zusammensetzung  des  ausge¬ 
heberten  Magenrückstandes  vier  Stunden  nach  einer  Frauenmilch¬ 
oder  Vollmilchmahlzeit  von  100- — 150  ccm  untersucht.  Der  dick¬ 
flüssige,  fast  breiige,  gelbliche  Rückstand  betrug  81 — 115  ccm  und 
enthielt  nur  kleine  Mengen  N-haltiger  Substanz.  Sehr  hoch  war  da¬ 
gegen  der  Fettgehalt,  der  mehrmals  zwischen  25  und  30  g  (bis  zu 
31,5  Proz.  des  Rückstandes)  betrug.  Während  also  der  N-Gehalt  des 
Restes  ein  Viertel  bis  zwei  Drittel  des  Eiweissgehaltes  der  letzt¬ 
genommenen  Mahlzeit  erreichte,  entsprach  der  Fettrückstand  dem 
gesamten  Nahrungsfett  einer  grossen  Tagesportion  Milch.  Es  be¬ 
steht  demnach  eine  einseitige,  schwere  Störung  des  Fettabtrans¬ 
ports  vom  Magen  in  den  Darm.  Am  wahrscheinlichsten  erklärt 
sich  dieselbe  durch  eine  Alteration  des  reflektorischen  Pylorus- 
schlusses  vom  Duodenum  aus.  Es  bestehen  Analogien  zu  der  in 
einer  grösseren  systematischen  Untersuchungsreihe  an  gesunden 
Säuglingen  festgestellten  Tatsache,  dass  für  die  Dauer  der  Magen¬ 
verdauung  der  Fettgehalt  der  Milch  von  ausschlaggebender  Be¬ 
deutung  ist.  Die  Befunde  erklären,  weshalb  im  untersuchten  Fall 
auf  fettärmere  Milchportionen  regelmässiger  Gewichtsanstieg,  auf 
fettreichere  Abfall  und  -stärkeres  Erbrechen  erfolgte.  Durch  die 
hohen  Energieverluste  beim  Erbrechen  so  konzentrierter,  kalorisch 
hochwertiger  Rückstände  erklärt  sich  auch  der  ungewöhnlich  hohe 
Nahrungsverbrauch  des  Patienten.  Die  Ergebnisse  lassen  die 
therapeutische  Verordnung  entfetteter  Milch,  sowie  die  regelmässige 
Ausheberung  und  Ausspülung  so  unzweckmässig  zusammengesetzter 
Nahrungsreste  wissenschaftlich  begründet  erscheinen. 

In  der  Diskussion  weist  Siegert  auf  die  Bedeutung  fett¬ 
armer  Kost  bei  Pvlorusstenose  hin.  Langstein  bespricht  R  i  e  t  - 
s  c  h  e  1  s  Untersuchungen  über  das  fettspaltende  Ferment  im  Magen 
des  säugenden  Tieres. 

Herr  R,  Fischl-Prag:  Folgen  der  Tliymusexstirpation  bei 
jungen  Hühnern. 

In  Fortsetzung  seiner  Exoerimente  an  Ziegen,  Hunden  und 
Kaninchen  hat  F  i  s  c  h  1  die  Thymus  auch  bei  jungen  Hühnern 
entfernt.  In  26  Versuchen,  welche  Tiere  im  Alter  von  24  Stun¬ 
den  bis  zu  12  Tagen  betrafen,  von  denen  24  den  Eingriff  über¬ 
lebten,  konnte  er  niemals  irgendwelche  Ausfallserscheinungen  oder 
sonstige  Folgen  der  Operation  feststellen.  Das  bei  einer  Reihe 


2258 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  *15. 


von  Hühnchen  nach  ihrer  Verbringung  aus  der  Gefangenschaft  in 
natürliche  Verhältnisse  beobachtete  eigentümliche  Verhalten.  Un¬ 
geschicklichkeit  beim  Futtersuchen,  springende  Bewegungen,  bezieht 
F  i  s  c  h  1  auf  die  Längerhaltung  unter  ungünstigen  Laboratoriums¬ 
verhältnissen,  da  es  sich  rasch  verlor  und  bei  andern  aufs  Land 
geschickten  Tieren  nicht  zur  Beobachtung  gelangte.  Die  aus  der 
Kuppel  zweier  operierter  Tiere  und  eines  normalen  Huhnes  mit 
einer  operierten  Henne  erzielte  Generation  verhielt  sich  vollkommen 
normal  und  boten  die  Deszendenten  dieser  Grupoe  nach  der  Ope¬ 
ration  gleichfalls  keine  wie  immer  gearteten  Folgeerscheinungen 
dar.  Fischl  schliesst  aus  seinen  Versuchen,  dass  auch  bei  Hühnern 
die  Thvmus  mit  Beginn  des  extrauterinen  Lebens  ihre  Rolle  aus¬ 
gespielt  hat  und  als  der  Atrophie  verfallender  Gewebsrest  im  Kör¬ 
per  zurückbleibt. 

Herr  Z  a  p  p  e  r  t  -  Wien:  Hirntuberkel  im  Kindesalter. 

Wertvolle  Zusammenstellung  von  62  anatomisch  sichergestellten 
Fällen  und  Analyse  der  klinischen  Erscheinungen.  Für  die  operative 
Behandlung  bietet  der  Hirntuberkel  denkbar  ungünstige  Chancen. 

In  der  Diskussion  teilt  Fischl-  Prag  mit,  dass  er  in  zwei 
Fällen  im  Frühstadium  der  Hirntuberkel  starke  vasomotorische  Er¬ 
scheinungen  beobachtet  habe. 

Herr  Schick- Wien:  Herzstörungen  bei  Scharlach. 

Die  Herzstörungen  bei  Scharlach  lassen  sich  in  drei  Gruppen 
einteilen:  1.  Die  auf  der  Höhe  der  Erkrankung  zur  Beobachtung  ge¬ 
langende  Herzschädigung  als  Teilerscheinung  der  schweren  Infektion. 
2.  Die  Funktionsstörung  des  Herzens  bei  Nephritis.  3.  Die  analog  der 
Diphtherie  erst  in  der  Scharlachrekonvaleszenz  auftretende  Herz¬ 
störung  (Romberg,  S  c  h  m  a  1 1  z,  T  r  o  i  t  z  k  y).  Ueber  die  letzte 
Gruppe  von  Herzstörungen  berichtet  Vortragender  an  der  Hand 
von  33  Beobachtungen  an  650  Scharlachfällen  der  Pädiatrischen 
Klinik  in  Wien.  Die  Herzstörung  charakterisiert  sich  durch  Arhyth¬ 
mie,  Bradykardie,  Dilatation  des  Herzens,  systolisches  Geräusch; 
daneben  kommen  als  mögliche  Begleiterscheinungen  vor  ailem  noch 
Spaltung  der  zweiten  Töne  an  der  Spitze  und  Akzentuation  des 
zweiten  Pulmonaltones  zur  Beobachtung.  Die  Affektion  verläuft 
häufig  bei  ungestörtem  Wohlbefinden,  kommt  gerne  bei  grösseren 
Kindern  vor,  deren  primärer  Scharlach  leicht  war.  Sie  ist  nach  der 
Lymphadenitis  und  Nephritis  postscarlatinosa  die 
d  ritthäufigste  Komplikation  des  Scharlachs.  In  der  Hälfte 
der  Fälle  erfolgt  Heilung  nach  zwei-  bis  dreiwöchiger  Dauer  der  Er¬ 
scheinungen,  in  den  übrigen  Fällen  bleiben  einzelne  oder  alje  Sym¬ 
ptome  der  Herzstörung  zurück.  Therapeutisch  genügt  einfache 
Bettruhe.  Als  anatomische  Grundlage  wird  vielfach  Myokarditis 
(Romberg)  angenommen.  Dehio  fasst  ähnliche  Störungen  bei 
anderen  Erkrankungen  (Typhus,  Pneumonie)  als  reizbare  Herz¬ 
schwäche  auf.  In  diesem  Sinne  schlägt  Vortragender  den  Namen 
Myasthenia  cordis  als  Bezeichnung  der  Scharlach-Herzaffek¬ 
tion  vor. 

Sitzung  am  19.  September  190  7. 

Vorsitzender:  Herr  P  f  a  u  n  d  1  e  r  -  München. 

Herr  N  e  u  r  a  t  h  -  Wien:  Angeborene  Herzfehler  und  zerebrale 
Kinderlähmung. 

Angeborene  Kardiopathien  können  sich  mit  angeborenen  Affek¬ 
tionen  des  Zentralnervensystems,  die  klinisch  erst  nach  den  ersten 
Monaten  in  Erscheinung  treten  können,  kombinieren.  Es  ist  bisher 
nicht  entschieden,  ob  es  sich  in  solchen  Fällen  um  primäre  Abnormi¬ 
täten  in  der  Organentwicklung  des  Herzens  sowohl  als  des  Gehirns 
oder  um  intrauterine  überstandene  Krankheiten  beider  Organe,  die 
entweder  von  einander  unabhängig  (Endokarditis.  Enzephalitis  oder 
Meningitis)  oder  das  eine  in  einer  gewissen  Abhängigkeit  von  an¬ 
deren  (Embolie  nach  Endokarditis)  affiziert  wurden,  handelt.  Ange¬ 
borene  Herzfehler  können  aber  auch  für  das  spätere  Leben  eine 
gewisse  Disposition  für  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems 
schaffen,  insofern  die  resultierenden  Zirkulationsverhältnisse  paradoxe 
Embolien  der  Hirnarterien  ermöglichen  können. 

Herr  S  i  e  g  e  r  t  -  Köln :  Eiweissbedarf  des  Kindes  nach  dem 
ersten  Lebensjahre. 

Seine  auf  Grund  klinischer  Beobachtung  ermittelten  Werte  für 
den  Eiweissbedarf  des  Kindes  prüfte  Vortragender  in  einer  grösseren 
Reihe  von  Stoffwechselversuchen  bis  zur  Dauer  von  6  Wochen,  wo¬ 
mit  die  ersten  derartigen  Untersuchungen  für  das  Kindesalter  vor¬ 
gelegt  werden.  Ueber  6  Versuche  von  2—3  wöchentlicher  Dauer  wird 
kurz  berichtet.  Sie  bestätigen  die  Richtigkeit  der  klinisch  gefundenen 
Werte  und  beweisen,  dass  mit  9—10  Proz.  der  Gesamtkalorien  der 
Eiweissbedarf  des  wachsenden  Menschen  in  jeder  Periode  gedeckt 
ist.  Die  höheren  Werte  in  Camerers  ausgezeichneten  Stoff¬ 
wechselversuchen  erklären  sich  aus  der  Tatsache,  dass  die  Versuchs¬ 
kinder  in  der  Zusammensetzung  wie  Menge  ihrer  Nahrung  in  keiner 
Weise  beschränkt  waren. 

Herr  R  ö  d  e  r  -  Berlin:  Experimentelle  Untersuchungen  zur  Pa¬ 
thogenese  der  Salivation. 

Auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen  kommt  Röder  zum 
Schlüsse,  dass  die  bei  Verdauungskrankheiten  der  Kinder  so  häufig 
beobachtete  Salivation  nicht  durch  reine  Reflexwirkung  von  dem  In¬ 
testinalkanal  aus,  nicht  durch  funktionelle  Störung  innerhalb  der 
Drüsen  zustande  kommt,  sondern  durch  den  unter  pathologischen 


Verhältnissen  vermehrten  aufsteigenden  Flüssigkeitsstrom  vom  Magen 
nach  der  Mundhöhle.  Der  Reiz  dieser  rückläufigen,  unter  gewissen 
Einflüssen  gesteigerten  Wandströmung  auf  die  zentripetalen  Nerven 
der  Speicheldrüsen  war  bei  den  bisherigen  Erklärungsversuchen  der 
Salivation  unbekannt  geblieben  und  stellt  daher  einen  neuen  Gesichts¬ 
punkt  für  die  Erklärung  ihrer  Pathogenese  dar. 

Herr  Z  I  o  c  I  s  t  i  -  Berlin :  Ueber  Spätlaktation. 

Z  1  o  c  i  s  t  i  teilt  eine  Kasuistik  von  elf  Fällen  mit,  in  denen  es  ihm 
gelang,  eine  Brustdrüse  nach  monatelanger  Pause  wieder  in  Gang  zu 
bringen.  Als  ein  vorzügliches  Mittel  empfiehlt  Z  1  o  c  i  s  t  i  das  Saugen¬ 
lassen  durch  Erwachsene. 

In  der  Diskussion  erkennt  Herr  N  e  u  m  a  n  n  -  Berlin  den 
bedeutungsvollen  Gesichtspunkt  an.  hält  jedoch  das  Mittel  für  un¬ 
ästhetisch.  Herr  Langstein  -  Berlin  empfiehlt  die  Bier  sehe 
Stauung,  Herr  P  e  i  s  e  r  -  Breslau  das  Anlegenlassen  von  saugenden  . 
Tieren. 

Herr  Baron-  Dresden :  Klinik  der  Plaut-Vincent  sehen 

Angina. 

Analyse  der  Krankheit  auf  Grund  eigenen  grossen  Materials.  Zu 
kurzem  Referat  nicht  geeignet. 

In  der  Diskussion  werden  von  Herrn  S  oltmann  - Leipzig 
und  Herrn  Rauchfuss  -  Petersburg  die  bakteriologische  Unter¬ 
suchungsmethode  und  die  Schlüsse,  die  sich  aus  ihr  ableiten  lassen, 
besprochen.  Rauchfuss  bevorzugt  die  Ausstrichpräparate  vor 
der  Kultur,  die  in  bakteriologischen  Untersuchungsämtern  angelegt 
wird. 

Herr  Soltmann  bespricht  die  Beziehungen  zwischen  Stoma- 
kake.  Noma,  Gingivitis  ulcerosa  und  der  in  Rede  stehenden  Affektion. 

Herr  Bernheim  -  Karrer :  Demonstration  von  Knochenpräpa¬ 
raten  von  Mongolismus. 

Herr  R  i  1 1  e  r  -  Berlin:  Myelitis  acuta  im  Säuglings-  und  Kindes¬ 
alter. 

Ritter  bringt  seine  Anschauungen  über  die  Pathogenese  äuf 
Grund  einer  kleinen  Kasuistik. 

Herr  TrumoD  -  München  demonstriert  Röntgenogramme  über 
den  Ablauf  der  Verdauungsvorgänge  beim  Säugling  mit  Hilfe  der  be¬ 
kannten  Wismutmethode. 


Rheinisch-westfälische  Gesellschaft  für  innere  Medizin 
und  Nervenheilkunde. 

(Bericht  des  Schriftführers.) 

Gemeinschaftliche  Sitzung  mit  der  Vereini¬ 
gung  niederrheinisch -  westfälischer  Chirur¬ 
gen  am  16.  Juni  1907  zu  Duisburg. 

Vorsitzender :  Herr  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Bonn. 

Schriftführer :  Herr  Laspeyres  -  Bonn. 

(Schluss.) 

Herr  L  e  n  z  m  a  n  n  -  Duisburg  demonstriert  einen  geheilten,  nach 
der  Methode  von  D  e  p  a  g  e  operierten  Fall  von  Thorakoplastik. 

Herr  Cossmann  -  Duisburg:  Ein  Beitrag  zur  operativen 
Behandlung  der  Epilepsie. 

C.  gibt  eine  Uebersicht  über  die  gegen  die  Epilepsie  emp¬ 
fohlenen  chirurgischen  Massnahmen  und  betont,  dass  dieselben 
nur  dann  Hoffnung  auf  Erfolg  bieten,  wenn  der  Status  epi- 
lepticus  des  Gehirns  noch  nicht  zur  Ausbildung  gelangt  ist. 
Da  dieser  Zustand  nun  in  den  meisten,  wenn  nicht  allen  Fällen 
von  genuiner  Epilepsie  angeboren  und  ererbt  ist,  so  erscheint 
es  verständlich,  dass  ein  grosser  Teil  der  Chirurgen  von  der 
operativen  Behandlung  der  genuinen  Epilepsie  nichts  wissen 
will.  Friedrich  betont  demgegenüber,  dass  doch  in  einer  An¬ 
zahl  von  Fällen  genuiner  Epilepsie  eine  traumatische  Ent¬ 
stehung  nachweisbar  sei.  Er  unterscheidet  Fälle  mit  eindeutig 
traumatischer  Genese,  Fälle  mit  unsicherer  traumatischer 
Genese  und  endlich  Fälle  mit  unwahrscheinlich  trau¬ 
matischer  Genese.  Von  diesem  Gesichtswinkel  aus  be¬ 
trachtet  erscheint  doch  mancher  Fall  von  sogen,  genuiner  Epi¬ 
lepsie  angreifbar,  namentlich  wo  Friedrich  eine  Reihe  von 
Fällen  mitteilt,  in  denen  durch  Operation  eine  erhebliche  Bes¬ 
serung  erzielt  ist.  Bei  der  Rindenepilepsie  dagegen,  sowohl 
traumatischen  wie  nichttraumatischen  Ursprungs,  besteht  kein 
Zweifel  über  die  Berechtigung  operativer  Eingriffe.  Wenn 
Krause  dabei  die  Exzision  des  krampfenden  Zentrums  for¬ 
dert,  so  ist  allerdings  über  diese  Forderung  eine  Einigung  bisher 
noch  nicht  erzielt,  da  andere  Chirurgen,  wenn  makroskopisch 
keine  Veränderungen  an  der  Dura  nachweisbar  sind,  sich  mit 
der  einfachen  Eröffnung  der  Schädelhöhle  begnügen  wollen. 
Krause  betont  demgegenüber,  dass  er  trotz  normalen  Aus¬ 
sehens  der  Dura  doch  Veränderungen  am  Gehirn  vorfand. 
Goss  m  a  n  n  glaubt,  dass  es  sich  bei  den  Krause  sehen  Be- 


5.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2259 


fanden  um  Residuen  alter  Entzündungsvorgänge  handelt  und  dass 
in  den  Fällen,  in  denen  sich  solche  nicht  nachweisen  lassen, 
man  berechtigt  ist  die  Operation  nach  Eröffnung  der  Schadel- 
höhle  abzubrechen.  C  o  s  s  m  a  n  n  hat  nach  diesen  Gesichts¬ 
punkten  3  Fälle  behandelt,  einen  23  jährigen  Mann  und  2  Kinder 
unter  14  Jahren.  In  jedem  Falle  hatte  ein  Trauma  den  Schädel 
betroffen.  Die  Narben  waren  allemal  verschieblich  und  nicht 
druckempfindlich.  Bei  der  Operation  wurde  an  der  Kopf¬ 
schwarte,  an  der  Schädeldecke  und  an  der  Dura  nichts  Krank¬ 
haftes  bemerkt.  Der  Erfolg  war  in  allen  3  Fällen  ein  Auf¬ 
hören  der  Krämpfe.  Gegenüber  der  prinzipiellen  Förderung 
der  Rindenexzision  bemerkt  Cossmann,  dass  die  Operation 
dadurch  unzweifelhaft  erschwert  wird,  dass  die  Auffindung  des 
krampfenden  Zentrums  nicht  leicht  ist,  da  die  anatomische 
Orientierung  oftmals  mit  ausserordentlichen  Schwierigkeiten 
zu  kämpfen  hat,  wenn  man  nicht  zur  Hemikraniektomie  nach 
Doyen  greifen  will,  die  aber  doch  einen  schweren  und  wegen 
der  Diploeblutungen  zweifellos  einen  lebensgefährlichen  Ein¬ 
griff  darstellt.  Die  faradische  Reizung  erzielt  auch  nicht  immer 
eindeutige  Resultate.  Dann  ist  die  Exzision  doch  nicht  immer 
harmlos,  da  dauernde  Paresen  nach  derselben  beobachtet  sind. 
Und  ob  die  Gehirnnarbe  nicht  ihrerseits  wieder  Anlass  zur 
Epilepsie  geben  kann,  ist  auch  noch  eine  offene  Frage.  Da¬ 
bei  bietet  die  Rindeiiexzision  kaum  eine  grössere  Gewähr  für 
den  Erfolg.  Cossmann  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass,  wenn 
auch  die  Rindenexzision  zweifellos  einen  bedeutsamen  Fort¬ 
schritt  bedeutet,  doch  auch  des  häufigeren  durch  einfachere 
Massnahmen  Erfolge  erzielt  werden  können. 


Diskussion:  Herr  K  r  a  b  b  e  1  -  Aachen:  Wir  sind  me  im¬ 
stande,  eine  Heilung  der  Epilepsie  durch  Operation  vorauszusagen. 
Man  hat  die  verschiedensten  Methoden  angewandt,  blosse  1  repa- 
nation,  Belassen  einer  Lücke  im  Schädel,  Exstirpation  eines  Teiles  der 
Dura,  Exzision  der  Rinde,  Drainage  der  Seitenmuske  ln  —  mit  und 
ohne  Erfolg.  Ich  bin  in  der  Lage,  über  einen  Fall  zu  berichten,  den 
ich  vor  14  oder  15  Jahren  operiert  habe,  der  vollständig  geheilt  ist, 
der  nach  der  Operation  einen  Anfall  nicht  mehr  gehabt  hat.  Es  han¬ 
delt  sich  um  einen  Herrn  in  den  40  er  Jahren,  bei  dem  im  letzten 
Jahre  epileptische  Anfälle  sich  so  gehäuft  hatten,  dass  sie  zuletzt  fast 
täglich  und  dann  mehrere  Male  eintraten.  Dabei  hatte  die  geistige 
Fähigkeit  bedeutend  gelitten  (Status  epilepticus).  Es  war  eine  reine 
Jackson  sehe  Epilepsie,  die  ihren  Anfang  in  den  rechten  Zehen 
nahm.  Auf  Drängen  der  Neurologen  entschloss  ich  mich  zur  Opeia- 
tion  Als  der  Kopf  rasiert  war,  zeigte  sich  auf  der  linken  Seite  eine 
Narbe;  der  Entschluss  zur  Trepanation  wurde  mir  dadurch  leichter. 
Ich  trepanierte  nach  der  W  a  g  n  e  r  sehen  Methode;  es  fand  sich  nun 
eine  Verwachsung  der  Dura  mit  dem  inneren  Schädeldach,  dieselbe 
wurde  natürlich  gelöst;  die  Dura  zeigte  sonst  nichts  Abnormes:  ich 
konnte  mich  nicht  entschlossen,  die  Dura  zu  öffnen  oder  gar  die  Hirn¬ 
rinde  zu  exzidieren.  Der  W  a  g  n  e  r  sehe  Lappen  wurde  zuruck- 
geklappt,  eine  kleine  Lücke  im  Schädel  gelassen.  Seit  der  Zeit  sind 
Anfälle  überhaupt  nicht  mehr  aufgetreten,  die  geistige  1  atigkeit  ist 
eine  absolut  normale  und  rege.  Später  wurde  von  dem  Vater  des 
Patienten  in  Erfahrung  gebracht,  dass  ihm  in  der  Kindheit  in  der 
Schule  eine  schwere  Tafel  aut  den  Kopf  gefallen  sei;  es  hatte  Be¬ 
wusstlosigkeit  bestanden,  Krämpfe  waren  aber  nicht  aufgeti  eten. 

Also  in  meinem  Falle  auch  eine  völlige  Heilung  ohne  Exstirpation 
der  Hirnrinde. 


Herr  Dreesmann-Köln:  Die  Resektion  des  Nervus 
infraorbitalis. 

Anschliessend  an  die  Demonstration  von  2  Patienten  be¬ 
spricht  Redner  eine  neue  Methode  der  Resektion  des  Nervus 
infraorbitalis.  Durch  dieselbe  wird  die  vollständige  Entfernung 
des  Nerven  aus  dem  Canalis  infraorbitalis  erleichtert  und  ga¬ 
rantiert  und  ausserdem  jede  äussere  Narbe  vermieden.  Eine 
Schädigung  des  Bulbus  ist  ausgeschlossen.  Die  Entfernung 
des  Nerven  geschieht  vom  Antrum  Highmori  aus.  Der  Schnitt 
wird  durch  die  Schleimhaut  oberhalb  des  Alveolanandes  des 
Oberkiefers  geführt.  Stumpf  dringt  man  dann  unter  Abhebung 
des  Periost  mit  dem  Elevatorium  in  die  Höhe  bis  zum  Foramen 
infraorbitale.  Nunmehr  wird  mit  Meissei  und  Hammer  ein 
etwa  1,5  qcm  grosses  Fenster  ins  Antrum  gemacht  und  zwar 
gleich  unter  dem  For.  infraorb.  Den  Nerven  nimmt  man  nun 
auf  ein  stumpfes  Häkchen  und  spaltet  unter  künstlicher  Beleuch¬ 
tung  die  Schleimhaut  der  oberen  Wand  des  Antrums  von  vorne 
nach  hinten;  nach  beiden  Seiten  vom  Schnitt  wird  die  Schleim¬ 
haut  etwas  abgeschoben.  Mittelst  einer  Tenette  oder  H  a  rt- 
m  a  n  n  sehen  Kürette  kann  man  nun,  und  zwar  vom  For  infra¬ 
orbitale  anfangend,  die  untere  Wand  des  Canal,  infiaoi  a.  en 
fernen,  den  man  unter  Anspannung  der  Nerven  mit  Leichtig¬ 


keit  verfolgen  kann.  So  gelingt  es  unschwer,  den  Nerven  zu 
isolieren  auf  seinem  ganzen  Wege  an  der  oberen  Wand  der 
Kieferhöhle  entlang;  sogar  bis  hinter  dieselbe.  Den  Nerven 
kann  man  nun  durch  Fassen  am  hintersten  Ende  noch  ein  be¬ 
trächtliches  Stück  weiter  herausdrehen.  Hiermit  ist  die  Opei  a- 
tion  beendet.  Weder  Naht  noch  Drainage  ist  erforderlich.  Eine 
Infektion  des  Antrum  ist  nicht  zu  befürchten,  da  das  sich 
eventuell  bildende  Sekret  sowohl  nach  der  Nase  als  nach  dem 
Munde  zu  abfliessen  kann.  Das  kosmetische.  Resultat  ist  vor¬ 
züglich,  wie  man  sich  an  den  beiden  Fällen,  die  vor  X-  resp.  X 
Jahr  operiert  worden  waren,  überzeugen  konnte.  Beide 
Kranke,  eine  Frau  von  71  Jahren  und  ein  Mann  von  71  Jahren, 
haben  bei  fieberlosem  Verlauf  bereits  nach  wenigen  Tagen 
das  Krankenhaus  verlassen  können.  Sie  sind  bis  heute  noch 
rezidivfrei,  worauf  allerdings  kein  Gewicht  gelegt  werden 

k  3.n  n  • 

Herr  B.  Auerbach  - Köln :  Ueber  familiäre  spastische 

Paraparese.  (Mit  Krankendemonstration.) 


Eine  ungewöhnliche  Form  der  Knochen- 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  23.  Oktober  1 907 . 

Demonstrationen: 

Herr  R.  Mühsam:  Zwei  Patienten,  bei  welchen  er  eine  trau¬ 
matische  Radialislähmung  durch  Freilegung  des  Nerven  und  -Giutz 
desselben  vor  Wiederverwachsung  mit  dem  Knochen  geheilt  hat. 

Herr  A.  Schlesinger:  2  Fälle  von  bisher  nicht  beobachtetei 
Sehnenluxation,  nämlich  des  M.  extensor  carp.  uin  die  Sehne  gleitet 
ibei  Supinationsbewegung  über  die  Ulna)  und  eine  solche  des  M.  sen 
tendinosus  (die  Sehne  gleitet  bei  Kontraktion  der  Rmestiecker  nach 
medianwärts  und  .vorne).  Beides  sind  habituelle  Luxationen  und  sind 
allmählich  ohne  nachweisbare  1  raumen  entstanden.  Im  letzterei 
Falle  wird  S.  operativ  Vorgehen. 

Tagesordnung: 

Herr  Joachimsthal; 

""^“demonstriert  einen  18  jährigen  Patienten  mit  einer  in  die 
Gruppe  der  Spätrachitis  gehörigen  Erkrankung.  Der  Kranke  hat 
in  der  Kindheit  in  der.  gewöhnlichen  Zeit  das  Gehen  erlernt  und 
die  ersten  Lebensjahre  in  durchaus  normaler  Weise  verbracht. 
Leichte  Verkrümmungen  der  Unterschenkel,  die  mit  1 .2  Jahien  be 
merkt  wurden,  sollen  im  Alter  von  2  Jahren  wieder  verschwunden  ge¬ 
wesen  sein.  Der  Zahnwechsel  hat  sich  in  der  normalen  Weise  voll¬ 
zogen  Im  Alter  von  12  Jahren  erkrankte  er  unter  Darmerscheinungen 
und  gleichzeitig stellten  sich  Knochenschmerzen  und  eine  Nei¬ 
gung  der  unteren  Extremitäten  zu  Verbiegungen  ein.  die  de 
Kranken  schliesslich  zu  jeder  Art  der  Fortbewegung  unfähig  machtem 

Der  Kranke  zeigte  vor  3U  Jahren,  zur  Zeit  des  Eintritts  in  die 
Beobachtung  verhältnismässig  geringe  Storungen  im  Beuche  von 
KoDf  und  Rumpf  (leichte  Prominenzen  der  lunera  fiontaha  und 
par.ictalia,  Andeutung  eines  Rosenkranzes,  ' e i c ht e  r e c h t ss e ! ti g e  ^ 
lunTbalskolio.se).  Die  Zähne  zeigten  normale  Gestal  und  K  nsistenz^ 
An  den  Gliedmassen  bestanden  hochgradige  Auftreibungen 
der  Epiphysen,  im  Bereiche  der  unteren  Extremitäten  staike 
Verbiegungen,  an  allen  Röhrenknochen  Weichheit  und  starke 

Druckempfindlichkeit.  Die  Skiagramme  ergaben  : buT?  de r 
DiaDhvsen  zahlreiche  Fissuren,  Auftreibung  der 
Knochenschatten,  Verschmälerung  der  Kompakta,  an  den 
jrenzen  von  Diaphvsen  und  Epiphysen  sehr  breite  Knorpelzonen 
iowie  die  für  Rachitis  charakteristischen  regelmässigen  Gestaltungen 
e7  diaohysären  und  epiphysären  Knochengrenzen.  Die  erwähnten 
’issuref  betrafen  zum  Teil  auch  die  Knochen  der  oberen  Gliedmassen, 
'“"unter  der  Darreichung  von  Phosphor  kam  es  zu  einer  erheb- 
ichen  Zunahme  der  Knochenfestigkeit  und  zur  Wiederherstellung  des 
uehvermögens. 

Herr  Böhm:  Ueber  die  Aetiologie  der  Ruckgratsver- 

krümmungen.  .  o  ,oro 

Ein  Teil  der  sog.  Schulskoliosen,  sowie  einige  andere  For¬ 
men  der  Rückgratsverkrümmung  haben  nach  B.  darin  ihren 
Grund,  dass  die  Rippen  an  der  Wirbelsäule  abnorm -ar^net^ 
sind,  nämlich  entweder  insgesamt  nach  oben  0fder  ^ach  unten 
oder  nur  einseitig  so  verschoben  sind,  dass  also  z.  B.  die  erste 
Rippe  nicht  am  1.  Brustwirbel,  sondern  am  7.  Halswirbel 

seriert  u.  dergl.  ..  , 

Herr  Edmund  Falk:  Zur  Umformung  der  Wirbelsäule 
während  der  fötalen  Entwicklung.  Ein  Beitrag  zur  Entstehung 

der  Assimilationsbecken.  ..  ,  .  Ahnnrmifäten  der 

Aehnliche  in  der  Entwicklung  begründete  Abnormitäten  üei 

unteren  Wirbelsäule,  die  schon  intrauterin  nachweisbai  sind, 


2260 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


sind  die  Ursache  gewisser  Beckendifformitäten;  Belastungs¬ 
momente,  wie  man  bisher  annahm,  sind  demnach  auszu- 

schliessen. 

Sitzung  vom  30.  Oktober  1907. 

Herr  A.  Schlesinger  demonstriert  einen  Patienten,  welcher 
eine  Reihe  von  Trepanationen  des  Schädels  durchzumachen  hatte.  Ur¬ 
sprünglich  war  durch  Trauma  ein  Bruch  mit  Depression,  daran  an¬ 
schliessend  ein  Hirnabszess  entstanden.  Die  erste  Operation  brachte 
Besserung.  Als  Krämpfe  auftraten  und  Lumbalpunktion  seröse 
Flüssigkeit  ergab,  sowie  eine  Verschlechterung  brachte,  wurde  noch¬ 
mals  trepaniert  und  ein  subduraler  Herd  gefunden.  Schliesslich  wurde 
ein  drittes  Mal  operiert,  so  dass  Patient  jetzt  bei  der  Vorstellung 
einen  Defekt  von  17:  19  cm  aufweist,  der  plastisch  geschlossen 
worden  ist. 

Der  Rest  des  Abends  galt  dem  neuen  dreifarbenphotographischen 
Verfahren  und  der  Bedeutung  desselben  für  die  Medizin.  Zunächst 
zeigt  Herr  B  e  n  d  a  an  einer  Reihe  von  Plattenaufnahmen  seine  Re¬ 
sultate.  Benda  arbeitet  mit  dem  Verfahren  von  L  u  m  i  e  r  e, 
welches  kurz  erläutert  wird.  Es  gelangen  dann  eine  Reihe  von  Dia¬ 
positiven  zur  Demonstration  und  zwar  mikrophotographische  Auf¬ 
nahmen,  Photographien  von  Leichenmaterial,  schliesslich  Landschaften 
und  Blumenstücke.  Die  Farben  scheinen  dem  Referenten  doch  nicht 
so  ganz  der  Natur  zu  entsprechen,  wie  Redner  es  angibt,  am  besten 
erscheinen  Landschaften;  Blüten  zeigen  einen  unnatürlichen  Farben¬ 
reichtum,  im  übrigen  sind  die  Farben  vom  Objekt  ersichtlich  different. 

Herr  B  i  e  s  a  1  s  k  i  zeigt  nach  gleicher  Methode  gemachte  Auf¬ 
nahmen,  welche  an  Technik  den  vorigen  nicht  gleichkamen.  Ein  von 
Frl.  Hedwig  Le  der  mann  gefundenes  Dreiplattenverfahren  demon¬ 
strierte  in  deren  Auftrag  Herr  B  u  c  k  y.  Es  gelingt  mit  dieser  Methode 
auch  Papierbilder  anzufertigen,  was  nach  Lumiere  nicht  möglich  ist, 
daher  ist  für  die  illustrative  Technik  von  Atlanten  u.  dergl.  ein  Fort¬ 
schritt  erzielt.  Doch  sind  die  Farben  bei  weitem  nicht  so,  wie  beim 
ersten  Verfahren. 

Herr  Kraus  hat  in  der  Charite  das  Verfahren  von  M  i  e  t  h  e 
ausprobiert  und  ladet  zu  einer  Demonstration  am  7.  November  nach 
der  Charite  ein.  Die  Resultate  sollen  die  bisher  gezeigten  Aufnahmen 
übertreffen. 

Herr  Lassar  verspricht  sich  von  diesen  farbigen  Aufnahmen 
viel,  besonders  für  den  dermatologischen  Unterricht.  Auf  seiner  Klinik 
wird  ebenfalls  mit  Miethes  Methode  gearbeitet. 

Fritz  Koch. 


Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom21.  Oktober  1907. 

Herr  F.  Kraus  begrüsst  mit  he'rzlichen  Wor¬ 
ten  den  Ehrenpräsidenten  und  Gründer  des 
V  e  r  e  i  n  s  Exz.  v.  Leyden,  der  zwar  jetzt  von 
seinem  akademischen  Amte  ziu  rückgetreten 
sei,  aber  nach  wie  vor  der  Führer  der  internen 
Medizin  Berlins  bleibe.  Er  möge  insbeson¬ 
dere  dem  Verein  auch  fernerhin  Interesse  er¬ 
halten. 

Herr  v.  Leyden  dankt  in  bewegten  Worten 
und  verspricht,  dem  Wunsche  des  Vorsitzen¬ 
den  gerne  nachkommen  zu  wollen. 

Tagesordnung: 

Herr  E.  Barth:  Ueber  die  Physiologie  der  Tonsillen  und 
die  Indikation  zu  ihrer  Abtragung. 

Ueber  die  Physiologie  der  Tonsillen  wissen  wir  eigent¬ 
lich  nichts,  wir  können  sie  nur  aus  der  Gleichheit  des  Baues 
der  Tonsillen  mit  den  Lymphdrüsen  als  eine  der  Funktion  der 
Lymphdrüse  ähnliche  vermuten. 

Ihre  Abtragung  ist  dann  indiziert,  wenn  die  hyperplasti¬ 
schen  Tonsillen  lokale  Störungen  verursachen. 

Diskussion.  Herr  Langstein,  der  darauf  hinweist,  dass 
•die  Hyperplasie  kein  lokales  Leiden,  sondern  Teilerscheinung  einer 
Allgemeinerkrankung  der  lymphatischen  Konstitution  sei;  sie  müsse 
denn  auch  vor  allem  allgemein  behandelt  werden.  Die  Abtragung 
geschehe  viel  zu  häufig. 

Herr  Hans  Koh  n,  der  sich  gegen  die  Ansicht  des  Vortr.  wendet, 
dass  die  Bedeutung  der  Rachentonsille  als  Eintrittspforte  der  Meningo¬ 
kokken  unbewiesen  sei. 

Schlusswort  Herr  Barth.  Hans  Kohn 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Paschen. 

Schriftführer :  Herr  Campbell. 

Herr  Campbell  demonstriert  ein  Gehirn  mit  doppelseitiger 
gummöser  Erkrankung  der  Nuclei  caudati.  (Aus  der  inneren  Abteilung 

des  Altonaer  Krankenhauses.  Prof.  Umber.) 

Ausser  den  beiden  Herden  in  den  N.  c.  fand  sich  noch  ein  kleiner 
Gummaknoten  unter  der  linken  dritten  Stirnwindung,  ein  anderer 
rechts  unter  der  vorderen  Kommissur,  einer  links  zwischen  Thalamus 
und  Oyrus  hippocampi,  ein  auf  den  Vierhügeln  aufsitzender,  ein  erbsen¬ 
grosser  in  der  Brücke  und  einer  an  der  Austrittsstelle  des  linken 
Okulomotorius. 

Andere  Herde  wurden  im  Gehirn  nicht  gefunden.  Die  Meningen 
waren  in  der  Nachbarschaft  der  Gummata  verdickt,  zeigten  klein¬ 
zellige  Infiltration,  fibrinöse  Exsudation.  Im  zentralen  nekrotischen 
Teil  der  Gummata  fanden  sich  zum  Teil  noch  Blut  führende  Gefässe. 
Die  Gefässe  in  der  Peripherie  zeigten  kleinzellige  Infiltration  der 
Adventitia,  stellenweise  auch  der  Intima. 

Ausserdem  fanden  sich  bei  der  Sektion  Gummata  in  der  einen 
Niere,  luetische  Atrophie  eines  Hodens,  eine  luetische  Narbe  in  der 
Trachea  und  eine  mit  den  Knochen  verwachsene  Narbe  auf  Kopf. 

Die  schwerste  Veränderung  am  Gehirn  war  die  doppelseitige 
Erkrankung  der  Nuclei  caudati.  Diese  beiden  Herde  waren  die 
grössten.  Die  zentrale  Nekrose  war  hier  am  weitesten  fortge¬ 
schritten.  Nach  vorn  erstreckte  sich  die  Erkrankung  nicht  über  den 
Kopf  des  N.  c.  hinaus,  dagegen  war  der  vordere  Teil  des  Putamen 
mitergriffen. 

C.  referiert  hierauf  kurz,  was  über  Anatomie  und  Funktion  de4 
N.  c.  bekannt  .ist.  Seine  Bedeutung  als  thermisches  Zentrum  (Sachs 
und  A  r  o  n  s  o  h  n),  seine  Beziehungen  zu  Bewegungsvorgängen 
(Mage  n  die,  Nothnagel,  Edinger),  zur  Körper-  und  Kopf¬ 
haltung  (Munk,  Probst).  Ein  Fall  von  doppelseitiger  Erkrankung 
der  N.  c.  ist  von  Hutchinson  beschrieben  worden.  Er  bot  Viel 
Aehnlichkeit  mit  dem  demonstrierten. 

Letzterer  war  ein  22  jähriger  Tierwärter.  Er  litt  als  Kind  an 
Drüsenschwellungen,  bekam  darauf  eine  Hodenentzündung  und  ein 
Geschwür  auf  dem  Kopfe.  Ziemlich  akuter  Beginn  des  Gehirnleidens 
Oktober  1906  mit  psychischen  Störungen  vom  Charakter  der  einfach 
dementen  Form  der  Dementia  praecox.  Während  der  ganzen  Krank¬ 
heit  auffallend  niedrige  Temperaturen,  im  Rektum  zwischen  35  und 
36,  bisweilen  unter  35.  Normale  Tagesschwankungen.  Kurz  vor  dem 
Tode  Fieber  durch  eine  Bronchopneumonie  bedingt.  Extremitäten 
kalt  und  zyanotisch.  Anfangs  dabei  guter  Ernährungszustand.  Später 
rasche  Abmagerung. 

Eigentümliches  motorisches  Verhalten.  Atome  der  gesamten 
Muskulatur,  äusserst  spärliche  spontane  Bewegungen,  stark  taumeln¬ 
der  Gang,  alle  Bewegungen  sehr  ungeschickt,  bei  komplizierteren  Auf¬ 
trägen  apraktisch.  Agraphie.  Leichte  artikulatorische  und  am¬ 
nestische  Sprachstörungen. 

Eigentümliche  Körperhaltung:  Kopf  auf  der  Brust,  Oberschenkel 
an  den  Leib.  Diese  Stellung  war  jedoch  leicht  passiv  zu  verändern. 
Kurz  vor  dem  Tode  Opisthotomus  und  Nackenstarre. 

Keine  Hirndruckerscheinungen.  Reflexe  alle  normal.  Schmerz¬ 
empfindung  intakt,  anscheinend  auch  die  Berührungsempfindung. 

Vorübergehend  rechtsseitige  Facialisparese  und  rechts  aus¬ 
gesprochene  apraktische  Störungen.  Kurz  vor  dem  Tode  eine 
Lähmung  des  linken  Okulomotorius. 

Keine  Besserung  durch  Jodkali. 

Als  Symptome  der  Erkrankung  des  N.  c.  sind  nach  den  bis¬ 
herigen  Erfahrungen  wahrscheinlich  zu  deuten  die  Störungen  der 
Iemperatur,  der  Motilität  und  der  Körperhaltung,  wegen  der  Aehnlich¬ 
keit  mit  der  Beobachtung  von  Hutchinson  vielleicht  auch  die 
psychischen  Störungen. 

Der  Fall  bestätigt  auch  wieder  die  Erfahrung,  dass  die  Erkran¬ 
kung  der  N.  c.  keine  Lähmung  verursacht  und  dass  die  Reflexe,  die 
Schmerzempfindung  und  anscheinend  auch  die  Berührungsempfindung 
intakt  bleiben.  (Autoreferat.) 

Diskussion:  Herr  Boettiger  möchte  weniger  vorsichtig 
sein  als  der  Vortr.  in  der  Beziehung  der  psychischen  Symptome  auf 
die  Erkrankung  der  Streifenhügel  in  dem  vorliegenden  Falle.  Es  liegen 
in  der  Literatur  mehrfach  Fälle  vor,  in  denen  bei  doppelseitiger  Er¬ 
krankung,  besonders  Tumoren  oder  Erweichungen  der  grossen  Basal¬ 
ganglien,  schwere  Erscheinungen  von  Demenz  auftraten.  B.  hat 
selbst  vor  15 — 16  Jahren  als  Assistent  bei  Hitzig  auf  seiner  Ab¬ 
teilung  einen  Patienten  beobachtet,  der  ganz  das  Bild  der  Dementja 
paralytica  darbot;  nur  fehlten  Pupillenstörungen,  Sprachstörungen 
und  in  der  Anamnese  die  Lues.  Hingegen  traten  akutische  Störungen 
hervor.  Bei  der  Sektion  fanden  sich  in  den  Thalamis  opticis  sym¬ 
metrisch  gelegen  je  ein  kirschengrosses  Sarkom  mit  erweichter 
Umgebung,  sonst  nichts.  B.  hält  es  durchaus  für  möglich,  dass  diese 
symmetrischen  Tumoren  das  psychische  Krankheitsbild  verursacht 
haben. 

Herr  I  r  ö  m  n  e  r  ist  der  Meinung,  dass  die  bis  jetzt  vorliegen¬ 
den  Erfahrungen  nicht  erlauben,  eine  beobachtete  Demenz  auf  Läsion 
der  Stammganglien  des  Gehirns  zu  beziehen.  Tm  Gegenteil  ist  die 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2261 


5.  November  1907. 

menschliche  Hirnphysiologie  geneigt,  im  Streifenhügel  ein  Organ  von 
rudimentärer  Bedeutung  zu  sehen;  so  gross  auch  die  Rolle  ist,  welche 
er  u  a  noch  im  Gehirn  der  Vögel  spielt  —  z.  B.  bleibt  das  Sprechen 
der  Papageien  nach  Abtragung  der  Rinde  erhalten,  schwindet  dagegen 
nach  Zerstörung  der  basalen  Ganglien  —  als  Folgen  von  Streifen¬ 
hügelverletzungen  beim  Menschen  sind  bis  jetzt  nur  thermische  und 
motorische  Störungen  beobachtet  (Gehen  und  Stehen,  Atmung,  Blase) 
und  auch  diese  werden  vom  grössten  Teil  der  Autoren  auf  Neben¬ 
verletzungen  oder  Nebenwirkungen  auf  die  innere  Kapsel  zurück¬ 
geführt.  .  .  ,  XII 

Vor  allem  die  im  vorliegenden,  ebenso  interessanten  als  kom¬ 
plizierten,  Falle  bestehende  allgemeine  Demenz  muss  auf  eine  diffuse 
Rindenerkrankung,  entweder  im  Sinne  einer  Dementia  paralytica  oder 
einer,  anderen  diffusen  oder  herdenformartigen  Rindendegeneration, 
bezogen  werden.  T.  befragt  darüber  den  Vortragenden,  ob  die  Rinde 
mikroskopisch  untersucht  wäre  und  mit  welchem  Resultat.  Auch  das 
vom  Vortragenden  geschilderte  Verhalten  des  Kranken  spräche  eher 
für  eine  Dementia  paralytica  als  für  Dementia  praecox.  Durch  die 
Demenz  würde  auch  die  Incontinentia  urinae  hinlänglich  erklärt 
werden.  Allerdings  ist  auch  bei  isolierter  Erweichung  des  Nucleus 
caudatus  Inkontinenz  beobachtet  worden;  z.  B.  von  Marburg.  Mit¬ 
unter  gelingt  es  aus  der  Art  der  motorischen  Störungen,  die  Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose  einer  Streifenhügelerweichung  zu  stellen.  So 
in  einem  von  T.  beobachteten  Falle,  wo  sich  bei  einem  Arterios- 
klerotiker,  der  wegen  Arthritis  bettlägerig  war,  eine  Paraparese  der 
Beine  entwickelt  hatte,  akut,  aber  ohne  Bewusstseinstrübung  und 
ohne  psychische  Störung.  Die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  (Er¬ 
weichung  im  Streifenhügel)  wurde  durch  die  Autopsie  bestätigt. 
Natürlich  sind  solche  Diagnosen  immer  nur  Wahrscheinlichkeitstreffer! 

Herr  S  a  e  n  g  e  r  möchte  davor  warnen,  so  weitgehende  Schluss¬ 
folgerungen  auf  Grund  des  vorgetragenen  Falles  zu  ziehen,  da  die 
Affektion  der  Nuclei  caudati  nicht  isoliert,  sondern  durch  zu  viele 
andere  pathologische  Substrate  kompliziert  war.  Herr  Saenger  ist 
■auch  der  Ansicht,  dass  die  Intelligenzstörung  nicht  ohne  weiteres  auf 
die  Affektion  der  Nuclei  caudati  bezogen  werden  könne,  zumal  bei 
der  zerebralen  Lues  eine  vorhandene  Demenz  den  klinischen  Aus¬ 
druck  der  diffusen  Erkrankung  darstellt,  bei  der  in  erster  Linie,  wie 
Herr  Trömner  schon  hervorgehoben  hat,  das  Verhalten  der  Hirn¬ 
rinde  festgestellt  werden  muss.  . 

Herr  Saenger  hat  in  einem  Falle  von  einseitiger  isolierter 
Affektion  des  Nucleus  caudatus  erhöhte  Temperatur  der  gegenüber¬ 
liegenden  Seite  und  namentlich  ein  auffälliges  kleinschlägiges  Zittern 
der  oberen  und  unteren  Extremität  beobachtet. 

Vielleicht  sind  die  Temperaturstörungen  im  C  a  m  p  b  e  1 1  sehen 
Falle  auf  die  in  Rede  stehende  Affektion  zu  beziehen. 

Herr  B  o  e  1 1  i  g  e  r  fand  in  seinem  Falle  die  Rinde  mikroskopisch 
normal,  ebenso  die  Meningen.  Bei  der  heute  noch  bestehenden 
grossen  Unkenntnis  der  Physiologie  der  basalen  Ganglien  dürfte  es 
ungerechtfertigt  sein,  a  limine  die  Möglichkeit  des  ursächlichen  Zu¬ 
sammenhanges  zwischen  doppelseitigen  Erkrankungen  derselben  und 
dem  klinischen  Bilde  der  fortschreitenden  Demenz  von  der  Hand  zu 
weisen.  Weitere  Beobachtungen  werden  erst  Klarheit  bringen  können. 

Herr  T  römner;  Das  Fehlen  makroskopisch  sichtbarer  Rinden¬ 
veränderungen  spricht  nicht  gegen  das  Bestehen  einer  kortikalen 
Demenz.  Intelligenzstörungen  durch  Streifenhügelverletzung  lassen 
sich  hirn-anatomisch  nicht  verständlich  machen. 

Herr  Campbell:  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  eines 
Stückes  der  Hirnrinde  wurde  mit  den  angewandten  Methoden  nichts 
pathologisches  gefunden. 

Herr  Hueter:  Ueber  Gummibildung  in  den  Nieren. 

Gummöse  Neubildungen  in  den  Nieren  werden  nicht  häufig  be¬ 
obachtet.  Meist  werden  beide  Nieren  erkrankt  gefunden,  die  ein¬ 
seitige  Erkrankung  ist  viel  seltener.  In  der  Regel  werden  zugleich 
mehrere  Gummiknoten  in  dem  Organ  angetroffen,  die  Zahl  der 
Gummositäten  kann  20  und  mehr  betragen.  Sie  können  überall  ihren 
Sitz  haben  (Kapsel,  Rinde,  Septa  Bertini,  Pyramiden,  Papillen).  In 
der  Marksubstanz  scheinen  sie  häufiger  vorzukommen,  als  in  der 
Rinde.  Oft  wird  die  Kapsel  und  das  perirenale  Gewebe  verdickt  ge¬ 
funden.  Die  Nierensubstanz  kann  bei  Vorhandensein  eines  oder 
weniger  Gummiknoten  sonst  intakt  sein,  bei  zahlreichen  Gummositäten 
kommt  es  zu  Entzündung  und  Schrumpfung  des  ganzen  Organs. 

Das  vorgelegte  Präparat  gehört  zu  dem  von  dem  Herrn  Vor¬ 
redner  besprochenen  Fall,  in  welchem  die  Autopsie,  von  den  Nieren 
abgesehen,  an  spezifischen  Veränderungen  multiple  Gummata  im  Ge¬ 
hirn,  eine  grosse*  strahlige  Narbe  der  1  rachealschleimhaut,  Hyper- 
keratose  der  Zungenschleimhaut  und  schwielige  Schrumpfung  eines 
Hodens  ergeben  hatte. 

Die  schwielig  verdickte  Kapsel  der  linken  Niere  ist  am  oberen 
Pol  wegen  kalkiger  Einlagerungen  nicht  abzuziehen.  An  Stelle  der 
linken  Nebenniere  befindet  sich  ein  steinharter,  in  verkalktes,  schwie¬ 
liges  Gewebe  eingelagerter  Körper,  der  von  der  Nierenkapsel  nicht 
abzugrenzen  ist.  Die  Oberfläche  der  kleinen,  im  frischen  Zustande 
sehr  derben  Niere  ist  uneben,  gebuckelt,  die  Rinde  auf  dem  Durch¬ 
schnitt  entsprechend  verschmälert.  Die  ausgeweiteten  Kelche  reichen 
bis  zur  Rinde,  die  Papillen  sind  geschwunden.  In  den  Septis  Bertini 
sieht  man  5  dicht  an  die  Schleimhaut  der  erweiterten  Kelche  heran¬ 
reichende,  etwa  kirschgrosse,  im  frischen  Präparat  schwefelgelbe, 
jetzt  graugelbliche  Knoten,  von  schwieligem  Gewebe  umgeben.  Ein 


6.  ebensolcher  Knoten  sitzt  in  der  Rinde  am  oberen  Pol.  Die  Gummi¬ 
knoten  erwiesen  sich  im  mikroskopischen  Bilde  zum  Teil  als  verkalkt. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Nierensubstanz  ergab  sichere 
interstitielle  Entzündung.  Die  rechte  Niere  war  frei  von  spezifischen 
und  entzündlichen  Veränderungen.  Sie  war  deutlich  kompensatorisch 
vergrössert.  (Autoreferat.) 

Diskussion:  Herrn  Delbanco  interessiert  aus  dem  Sek¬ 
tionsbefund  des  Herrn  Hüter  das  Zusammentreffen  gummöser 
Organveränderungen  mit  der  Hyperkeratose  der  Mundschleimhaut. 
Ob  für  das  Zustandekommen  der  Leukoplakie  noch  Gelegenheits¬ 
ursachen,  wie  Rauchen,  schlechte  Zähne  u.  a.  in  Frage  kommen,  will 
D.  unberührt  lassen,  er  möchte  die  Gelegenheit  aber  benützen,  um 
seine  Meinung  dahin  zu  äussern,  dass  die  Leukoplakie  der 
Mundschleimhaut  ein  geradezu  pathognomonisches 
Symptom  für  weit  zurückliegende  spezifische  Infektion 
sei.  Die  Leukoplakie  bereichere,  wo  eine  Infektion  bestritten  oder 
nicht  nachweisbar  sei  wegen  Fehlens  anderer  Symptome,  geradezu  die 
Kasuistik  der  Lues  insontium. 

Herr  Nonne  und  Herr  Edlefsen  widersprechen  mit  Ent¬ 
schiedenheit  den  verallgemeinernden  Schlüssen  des  Herrn  Del¬ 
banco  und  betonen,  dass  Leukoplakie  auch  ohne  Lues  vorkomme. 

Herr  Delbanco  vertritt  noch  einmal  seinen  Standpunkt  und 
betont  die  Wichtigkeit  der  Forderung,  uns  bei  der  Lues  möglichst  un¬ 
abhängig  zu  machen  von  den  anamnestischen  Angaben  des  Patienten. 
Eine  absolute  diagnostische  Gültigkeit  gibt  es  übrigens  kaum  für 
irgend  ein  klinisches  Symptom. 

Herr  Hueter:  Ein  Gliom  der  Kutis  und  Subkutis. 

Das  durch  Operation  gewonnene  Präparat  stammt  von  einem 
11  tägigen,  normal  gebauten  Kinde.  Die  Geschwulst,  bohnengross,  von 
•  derber  Konsistenz,  sass  an  der  Nasenwurzel,  die  Haut  darüber  war 
unverschiebbar.  Der  Tumor  liess  sich  leicht  von  der  Muskulatur  ab¬ 
präparieren.  Eine  Fortsetzung  der  Geschwulst  in  die  Tiefe,  etwa  in 
einen  knöchernen  Defekt,  liess  sich  nicht  nachweisen.  Die  mikro¬ 
skopische  Untersuchung  ergab  typisches  Gliomgewebe,  der  feine 
Faserfilz  war  mit  Hilfe  spezifischer  Methoden  (M  a  1 1  o  r  y)  gut  dar¬ 
stellbar.  Das  Geschwulstparenchym  ist  besonders  in  den  peripheren 
Abschnitten  von  meist  nicht  mit  einander  zusammenhängenden,  blut¬ 
gefässtragenden,  bindegewebigen  Stromabalken  durchzogen.  Der 
Tumor  ist  von  einer  Schicht  Kutis  überzogen,  zwischen  deren  Talg- 
und  Knäueldrüsen,  Ausläufer  der  Geschwulstzellen  sich  erstrecken. 
Ganglienzellen  und  Nervenfasern  konnten  mit  spezifischen  Methoden 
in  der  Geschwulst  nicht  nachgewiesen  werden.  (Autoreferat.) 

Herr  Delbanco  demonstriert  einen  Fall  von  Lichen  ruber  ver¬ 
rucosus  und  referiert  an  der  Hand  mikroskopischer  Präparate  über  die 
Histologie  des  Lichen  ruber  und  seiner  einzelnen  Formen. 

Herr  W  i  e  s  i  n  g  e  r  zeigt  Projektionsbilder  einiger  seltener  Ge¬ 
schwülste. 

1.  Das  Bild  eines  22V s  Pfund  schweren  Tumors  der  Radix  mesen- 
terii,  welches  während  der  Operation  aufgenommen  ist.  Mikroskopisch 
erwies  sich  derselbe  teils  als  Fibrolipom,  teils  als  Fibromyxom.  Es 
gelang  den  dreigelappten  Tumor  bei  der  40  jährigen  Frau  auszuschälen, 
ohne  die  Gefässe  des  Mesenterium  erheblich  zu  schädigen,  so  dass 
eine  Resektion  des  Darms  vermieden  werden  konnte.  Heilung. 

2.  Das  Bild  eines  9  Pfund  schweren  Tumors  des  Skrotum.  Linker 
Hoden  nicht  nachweisbar,  rechter  deutlich  zu  fühlen.  Bei  der  Opera¬ 
tion  zeigt  sich  der  linke  Hoden  von  der  Geschwulst  umwaschen,  sonst 
völlig  normal.  Der  Stiel  der  Geschwulst  lag  am  Perineum,  woselbst 
er  innig  mit  der  Faszia  und  der  Pars  nuda  der  Harnröhre  zusammen¬ 
hing.  Von  hier  aus  die  Geschwulst  in  das  Skrotum  hineingewachsen. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  stellte  ein  Fibrosarkom  fest.  Hei- 
lung. 

(Schluss  folgt.) 


Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 

Versammlung  am  9.  Oktober  1907,  im  Hörsaale  der 
Deutschen  dermatologischen  Klinik. 

1.  Herr  Weleminsky:  Ueber  Stoffwechselprodukte  der 
Streptokokken  in  fliessenden  Nährböden. 

Der  Vortragende  bespricht  zuerst  im  allgemeinen  das  Optimum 
der  Wachtumsbedingungen  und  Toxinproduktion  der  verschiedenen 
Mikroorganismen  und  demonstriert  einen  von  ihm  angegebenen  Ap¬ 
parat  (Zirkulator),  der  es  gestattet,  Bakterien  in,  strömenden  Nähr¬ 
böden  zu  züchten.  Er  beobachtete  bei  Verwendung  dieses  Apparates 
besonders  bei  Streptokokken,  aber  auch  bei  anderen  Bakterien,,  ein 
rascheres  und  bedeutend  üppigeres  Wachstum  als  bei  den  bis  jetzt 
üblichen  Kulturmethoden.  Er  erklärt  dies  durch  bessere  Ausnützung 
des  mit  den  Bakterien  in  innigeren  Kontakt  tretenden  Nährbodens. 
Ebenso  konstatierte  er  eine  reichlichere  Fox'inbildung,  die  durch 
ausgiebigeren  Sauerstoffzutritt  bedingt  wird.  Es  gelang  ihm  mit 
Hilfe  seines  Apparates  ein  spezifisches  Streptokokkentoxin  zu  ge¬ 
winnen.  Ein  solches  fand  er  bereits  nach  eintägiger  Zirkulation  in 
der  Bouillon,  der  etwas  Serum  zugesetzt  worden  war.^  Nachweis  des 
Toxins  durch  Kaninchenversuch.  Mit  der  keimfreien  Flüssigkeit  liess 
sich  aktive  und  passive  Immunität  erzielen. 


2262 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  45. 


2.  Herr  Kreibich  demonstriert  einige  Fälle  von  Pemphigus 
und  bespricht  an  der  Hand  derselben  die  verschiedenen  Verlaufsformen 
derselben,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Differentialdiagnose 
und  der  für  die  Prognose  wichtigen  Momente.  In  einem  Falle  von 
Pemphigus  foliaceus  fast  universeller  Ausbreitung  wurde 
ein  therapeutischer  Versuch  mit  hohen  Joddosen  vorgenommen.  Ein 
anderer  Fall  von  Pemphigus  foliaceus  zeigte  die  gesamten 
allgemeinen  Decken  von  hochgradiger  Rötung  und  Schwellung  ein¬ 
genommen,  weist  aber  keine  Blasenbildung,  sondern  universelle  lamel- 
löse  Abblätterung  auf;  nur  hie  und  da  ist  an  den  serpiginösen  Be¬ 
grenzungslinien  der  schuppenden  Herde  noch  ein  Schluss  auf  das 
Grundleiden  möglich.  Ein  Fall  von  akutem  universellen 
E  k  z  e  m  weist  mit  diesem  Krankhcitsbilde  zwar  grosse  Aehnlichkeit 
auf,  gestattet  aber  durch  die  Berücksichtigung  des  Vorhandenseins 
einzelner  Ekzemstadien,  Nässen  etc.  die  Stellung  der  Diagnose.  Der 
Vortragende  demonstriert  weiter  einen  Fall  von  Xeroderma 
pigmentosum  Kaposi),  der  alle  für  diese  Erkrankung  typischen 
Manifestationen,  wie  Pigmentationen,  Atrophie,  Angiome  und  Tumor¬ 
bildung  aufweist. 

3.  Herr  Kraus  demonstriert  einen  Fall  von  Dermatitis  frani- 

boesiformis.  Dieselbe  trat  bei  einem  22  jährigen  Arbeiter  im  14.  Le¬ 
bensjahre  im  Anschluss  an  eine  allgemeine  Furunkulose  auf.  Sie 
manifestierte  sich  in  der  Weise,  dass  hauptsächlich  am  behaarten 
Kopfe,  dann  im  Gesicht,  am  Rücken,  sich  zahlreiche  pustulöse  Efflores- 
zenzen  einstellen,  die  zu  grossen  Herden  zusammenflossen,  bald,  ihre 
deckenden  Schichten  verloren  und  unter  Krustenbildung  zum  Ent¬ 
stehen  einer  mächtigen  papillomatösen  Hypertrophie  der  Haut  führten. 
Die  histologische  Untersuchung  hat  bis  jetzt  eine  Aufklärung  über  das 
eigentliche  Wesen  der  Erkrankung  nicht  erbracht.  Der  Vortragende 
bespricht  die  Differentialdiagnose  und  weist  auf  die  vorhandene  Aehn¬ 
lichkeit  mit  der  tropischen  Frambösie  hin.  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Verschiedenes. 

Ein  neues  Prinzip  der  ärztlichen  Buchführung. 

Zu  einer  korrekten  kaufmännischen  Buchführung  fehlt  dem  Prak¬ 
tiker  nicht  nur  die  Zeit,  sondern  auch  meist  jede  Neigung.  Deshalb  ist 
es  das  Ideal  der  Buchführung  für  Aerzte,  die  grösste  Einfachheit  mit 
der  grössten  Uebersichtlichkeit  zu  vereinen.  Dem  Ideal  nahe  zu 
kommen,  ist  von  vielen  Seiten  versucht  und  zahlreich  genug  sind  die 
Erscheinungen  des  Buchhandels  auf  diesem  Gebiet. 

Wohl  jedes  System  wird  seine  Verteidiger  und  Anhänger  haben, 
denn  auch  auf  diesem  Gebiet  spielt  die  Macht  der  Gewohnheit  eine 
grosse  Rolle.  Einen  ganz  entschiedenen  Schritt  weiter  zur  Einfach¬ 
heit  stellen  aber  ohne  Zweifel  Dr.  Klinkhardts  Monatshefte  für 
die  ärztliche  Taschenbuchführung  dar,  die  infolge  einer  neuen  Ein¬ 
richtung,  der  verkürzten  Zwischenseite,  einen  sehr  guten  UeberbLick 
über  alle  Patienten  eines  Monats  geben. 

Man  übersieht  sofort  Personalien,  ärztliche  Leistungen,  Gebühren, 
Zahlungstermine,  geleistete  Zahlungen  etc.  und  hat  nur  einen  kurzen 
Uebertrag  am  Monatsende  nötig.  Da  das  Büchelchen  sehr  kompendiös 
ist  und  ohne  jede  Belästigung  in  der  Brusttasche  getragen  werden 
kann,  so  , ist  es  möglich,  schon  unterwegs  alle  Eintragungen  zu  machen. 

Der  Herausgeber  ist  der  Ansicht,  dass  das  Heft  auch  als  Lauf¬ 
zettel  dienen  könne;  mir  scheint,  damit  verlangt  er  etwas  zu  viel,  denn 
unter  dieser  Vielseitigkeit  dürfte  die  Uebersichtlichkeit  leiden. 

Vielleicht  Hessen  sich  bei  einer  neuen  Auflage  Blätter  mit  per¬ 
foriertem  Rand  von  dünnem  Papier  dem  Biichelchen  vorheften,  für 
je  2  Tage  1  Blatt,  damit  man  darauf  die  notwendigen  Besuche  und 
sonstigen  Tagesnotizen  vermerken  und  schnell  nach  der  Tagesarbeit 
noch  einmal  vergleichen  kann,  ob  keine  Eintragung  im  Eifer  des  Ge¬ 
fechtes  vergessen  wurde.  Die  dem  Hefte  beigegebene  Zeichentabelle 
ist  übersichtlich  und  leicht  zu  behalten.  Last  not  least  ist  der 
niedrige  Preis  ein  nicht  zu  unterschätzender  Vorteil  von  Dr.  Klink¬ 
hardts  Monatsheften.  R. 

Therapeutische  Notizen. 

Zur  Behandlung  der  schmerzhaften  Fussge- 
schwüre.  Für  diese  Krux  der  arbeitenden  Frauen  empfiehlt  Dr. 
Sansoni  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1892,  No.  9)  das  Euphorin 
(Phenylurethan).  Diese  Empfehlung '  ist,  soweit  ich  die  Literatur 
übersehe,  unverdienter  Weise  unbeachtet  geblieben.  Ich  kann  näm¬ 
lich  versichern,  dass  Euphorin  für  diese  Geschwüre  das  beste 
schmerzstillende  Mittel  ist  und  sogar  Orthoform  und  Anästhesin  iiber- 
trifft.  Man  lässt  10  pro  z.  Euphorin  salbe  ( Axung.  porci),  auf 
Leinen  gestrichen,  2 — 3  mal  täglich  frisch  auflegen  (die  Salbenreste 
sind  jedesmal  mit  Watte,  getaucht  in  Schwefeläther  oder  in  warmes 
Salatöl,  wegzuwischen)  und  lässt  die  Salbe  mit  nur  wenig  Watte  be¬ 
decken,  worauf  der  kranke  Fuss  vom  Vorderfuss  bis  über  die  Wade 
hinauf  mit  einer  10  cm  breiten  Trikotschlauchbinde  fest  einzufatschen 
ist.  Die  Abnahme  des  Schmerzes  ist  schon  am  ersten  Tage  sehr  be¬ 
deutend,  während  weiterhin  die  Heilung  freilich  nur  langsam  vor¬ 
wärts  schreitet.  Ich  glaube  aber,  es  ist  Erfolg  genug,  dass  nun  der 
Patient  wieder  der  Arbeit  nachgehen  kann.  Ist  das  Geschwür  ver¬ 
nachlässigt  und  schmierig,  so  muss  es  zuvor  durch  mehrtägige  Um¬ 
schläge  (morgens  und  abends  erneuern!)  mit  Borlint,  getaucht  in  lau¬ 
warmes  4  proz.  Bor.wasser  und  darüber  Guttaperchapapier,  zur 
Reinigung  gebracht  werden;  ist  es  speckig,  so  muss  bei  Euphorin- 


salbenbehandlung  das  Geschwür  noch  alle  3  Tage  mit  einer  Lösung 
von  Cupr.  sulfuric.  (1:4  aqu.)  behufs  Abstossung  des  Belages  tüchtig 
bepinselt  werden. 

Da  bei  der  Geschwürsbehandlung  mit  verschiedenen  anderen 
Mitteln  (besonders  mit  Jodoform)  in  der  Umgebung  sehr  häufig  ein 
lästiges  Ekzem  entsteht,  so  will  ich  noch  anfügen,  dass  ein  solches 
akutes  Ekzem  durch  Auflegen  der  Euphorinsalbe  prompt  in  ein  paar 
Tagen  geheilt  wird.  Dr.  S  t  r  ö  1 1  -  München. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  4.  November  1907. 

Der  Beleidigungsprozess  des  Grafen  Kuno 
M  o  1 1  k  e  gegen  Dr.  Ha  rd  e  n,  dessen  freisprechendes  Urteil  in  der 
vorigen  Woche  verkündet  wurde,  bietet  in  mehrfacher  Beziehung 
auch  ein  medizinisches  Interesse.  Zunächst  teilen  wir  die  Ent¬ 
rüstung,  die  fast  in  der  gesamten  politischen  Presse  zum  Ausdruck  ge¬ 
kommen  ist  darüber,  dass  dieser  Prozess  mit  all’  seinen  widerlichen 
Details  aus  dem  Gebiet  der  sexuellen  Perversität  in  der  Oeffentlich- 
keit  geführt  wurde.  Der  öffentlichen  Moral  ist  dadurch  ein  unberechen¬ 
barer  Schaden  zugefügt  worden.  Die  sexuelle  Aufklärung,  die  die 
Jugend  vor  den  Gefahren  des  ausserehelichen  Geschlechtsverkehrs 
warnen  soll,  in  Ehren.  Aber  dass  unsere  Jugend  in  die  dunkelsten 
Nachtseiten  des  geschlechtlichen  Lebens  eingeführt  wird,  wie  es  durch 
diesen  Prozess  geschah,  dagegen  muss  protestiert  werden.  Die  Haupt¬ 
zeugin  in  dem  Prozess  konnte,  befragt,  ob  ihr  bei  ihrer  Verheiratung 
die  abnorme  Veranlagung  ihres  Mannes  bekannt  gewesen  sei,  aus- 
sagen,  sie  habe  damals  nicht  gewusst,  dass  es  „so  etwas“  gäbe.  Heute 
weiss  jede  junge  Frau,  ja  fast  jedes  junge  Mädchen,  welche  Scheuss- 
1  ichkeiten  es  auf  dem  Gebiete  des  Geschlechtslebens  gibt.  Wie  sehr 
durch  diese  Erörterungen  das  öffentliche  Schamgefühl  abgestumpft 
wird,  beweist  z.  B.  die  Münchener  „Jugend“,  die  es  ihren  Lesern 
bieten  zu  dürfen  glaubt,  sämtliche  Witze  des  politisch-satirischen  Teils 
ihrer  letzten  Nummer  dem  Gebiete  der  Psychopathia  sexualis  zu  ent¬ 
nehmen.  Was  das  Urteil  betrifft,  so  baut  es  sich  zugestandenermassen 
auf  das  Gutachten  des  Sachverständigen  Dr.  Magnus  Hirschfeld 
auf.  Es  ist  aber  bedenklich,  in  einem  solchen  Falle  dem  Urteile  eines, 
wenn  auch  noch  so  tüchtigen  Gutachters  zu  folgen,  der  in  der  strittigen 
Frage  einen  ganz  prononzierten,  um  nicht  zu  sagen  einseitigen 
Standpunkt  einnimmt.  Herr  Dr.  Magnus  Hirschfeld  beschäftigt 
sich  mit  der  Frage  der  Homosexualität  nicht  nur  wissenschaftlich, 
sondern  auch  agitatorisch.  Er  hat  sich  die  Aufhebung  des  §  175  zur 
Lebensaufgabe  gemacht.  Es  ist  begreiflich,  dass  er  in  der  Beurteilung 
dessen,  was  als  homosexuell  zu  bezeichnen  ist,  weiter  geht,  als 
andere.  Es  ist  fraglich,  ob  andere  Sachverständige  den 
Kläger,  von  dem  allerdings  eine  Reihe  femininer  Züge  erwiesen 
sind,  von  dem  aber  nicht  erwiesen  ist,  dass  sein  Geschlechts¬ 
trieb  konträr  ist,  ohne  weiteres  als  homosexuell  bezeichnen  würden. 
So  wenig  man  einen  Menschen,  dessen  psychisches  Verhalten  ein¬ 
zelne  pathologische  Züge  aufweist,  als  „geisteskrank“  ansprechen 
wird,  so  wenig  genügen  einzelne  feminine  oder  homosexuelle 
Züge,  bei  fehlender  Perversion  des  Geschlechtstriebes,  um  einen 
Mann  als  „homosexuell“  zu  bezeichnen.  Es  gibt  eben  hier  wie  auf 
dem  ganzen  Gebiet  der  Psychopathologie,  Uebergänge;  Aus¬ 
drücke  wie  „geisteskrank“  oder  „homosexuell“  pflegt  man  aber  nicht 
auf  Uebergänge,  sondern  auf  fertig  ausgebildete  krankhafte  Zustände 
anzuwenden.  Man  braucht  wohl  nicht  zu  zweifeln,  dass  bei  der 
zweiten  Verhandlung  des  Prozesses  Herrn  Dr.  Hirschfeld  noch 
weitere  Sachverständige  zur  Seite  stehen  werden.  Durch  den  Prozess 
Molke-Harden  dürfte  die  von  gewisser  Seite  so  lebhaft  be¬ 
triebene  Aufhebung  des  §  175  wohl  auf  unbestimmte  Zeit  vertagt  sein. 
Das  deutsche  Volk  hat  mit  Schrecken  gesehen,  wie  verbreitet  das 
Laster  der  Päderastie  bereits  ist,  wenn,  wie  Dr.  Harden,  allerdings 
sicher  übertreibend,  sagt,  „sich  schon  ein  ganzer  Soldatenstrich  ent¬ 
wickelt  hat,  und  ganze  Kavallerieregimenter  verseucht  sind.“  Welche 
Zustände  wären  zu  gewärtigen,  wenn  die  Schranke  des  §  175  fiele! 
Man  darf  nicht  vergessen,  dass  die  grosse  Mehrzahl  der  dem  konträren 
Geschlechtstrieb  fröhnenden  Männer  nicht  von  Natur  aus  pervers  ver¬ 
anlagt  sind,  sondern  dass  es  sich  bei  den  meisten  um  eine  erworbene 
Eigenschaft,  eine  Gewohnheit  handelt,  entstanden  durch  schlechtes 
Beispiel,  Verführung,  infolge  von  geschwächter  Potenz  u.  dergl. 
Krafft-Ebing  unterscheidet  sehr  richtig  zwischen  Krankheit  (Per¬ 
version)  und  Laster  (Perversität).  Gegen  das  letztere  richtet  sich  der 
Paragraph.  Das  Mitgefühl  mit  den  tatsächlich  konträr  Veranlag- 
t  e  n,  die  dadurch  mitgetroffen  und  in  der  Befriedigung  ihres  Ge¬ 
schlechtstriebes  behindert  werden,  darf  kein  Grund  sein,  auch  dem 
Laster  freie  Bahn  zu  geben.  Wohin  das  führen  würde,  zeigen  die 
Länder,  die  den  §  175  nicht  kennen,  und  wie  degenerierend  die  weite 
Verbreitung  der  Päderastie  auf  ein  Volk  wirkt,  lehrt  die  Geschichte. 
Ueber  diese  Gefahr  weiteren  Kreisen  die  Augen  geöffnet  zu  haben, 
ist  das  einzige  Verdienst  dieses  beklagenswerten  Prozesses. 

—  Die  „Aerztl.  Mitteilungen“  berichten  von  einem  neuen  Kon¬ 
flikt  zwischen  Aerzten  und  Behörden  in  Wies- 
b  a  d  e  n.  Der  im  Verhältnis  zu  seiner  Inanspruchnahme  ungewöhnlich 
schlecht  honorierte  Inhaberder  Gefängnisarztstelle  in  Wiesbaden  hatte 
um  Erhöhung  seines  Gehaltes  nachgesucht.  Die  zuständige  Behörde 
erklärte  das  Gesuch  für  berechtigt  und  auch  der  Justizminister  gab 
seine  Zustimmung,  jedoch  unter  der  (Bedingung,'  dass,  ivoirher  t  d io 


5.  November  1907.  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ 2263 


Stelle  auszuschreiben  sei  und  die  Gehaltserhöhung  nur  eintreten  solle, 
wenn  sich  kein  anderer  Arzt  fände,  der  die  Stelle  zu  dem  bisherigen 
Satze  zu  übernehmen  bereit  sei.  Daraufhin  hat  der  seitherige  Inhaber 
der  Stelle  seine  Kündigung  eingereicht  und  die  Bezirks-Vertragskom- 
mission  hat  beschlossen,  die  Annahme  der  Stelle  unter  den  ange¬ 
botenen  Bedingungen  als  standesunwürdig  zu  verbieten.  —  Das  ist 
jedenfalls  die  gebührende  und  wie  wir  hoffen  auch  wirksame  Antwort 
auf  die  die  kaum  verständliche  Anordnung  des  Ministers. 

—  Aufforderung  betreffend  Bekämpfung  der 
Kurpfuscherei.  Der  „Pressausschuss  des  Aerztlichen  Bezirks¬ 
vereins  München“  beschloss  in  der  Pressausschussitzung  vom  23.  Ok¬ 
tober  19Ü7,  nachdem  er. durch  Beschluss  der  Vollversammlung  des 
Aerztlichen  Bezirksvereins  München  vom  19.  Oktober  d.  .!.  damit 
betraut  worden  war,  einerseits  sobald  als  möglich  Material  aus 
München  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums  zu  sammeln,  anderer¬ 
seits  das  gesammelte  Material  der  „Deutschen  Gesellschaft  zur  Be¬ 
kämpfung  des  Kurpfuschertums“  zuzustellen  (vergl.  Aufforderung 
dieser  Gesellschaft  in  No.  626,  Jahrg.  1907  des  „Aerztl.  Vereinsblattes 
für  Deutschland“),  diesem  Aufträge  tatkräftig  nachzukommen.  Dem¬ 
entsprechend  erlässt  der  genannte  Pressausschuss  hiermit  an  die 
Münchener  ärztlichen  Kollegen  die  Bitte,  ihn  in  seinen  bezeichneten 
Bemühungen  durch  Zusendung  von  Material,  sei  es  in  Form  von  Kur¬ 
pfuscheranzeigen  aus  der  Tages-  und  sonstigen  Presse,  sei  es  in  Form 
von  gegen  die  Kurpfuscherei  gerichteten  bereits  gedruckten  Berichten, 
sei  es  in  Form  von  brieflichen  Mitteilungen,  zu  unterstützen.  Es  wird 
gebeten,  die  diesbezüglichen  Zusendungen  an  den  „Pressaus¬ 
schuss  des  Aerztlichen  Bezirks  Vereins  Münch  e  n“, 
und  zwar  unter  der  Adresse:  „Geschäftsstelle  für  freie 
Arztwahl  München,  Pettenkoferstr.  14/1“  gelangen  zu 
lassen. 

Im  Anschluss  an  vorstehende  Mitteilung  des  derzeitigen  ersten 
Vorsitzenden  des  P.-A.  des  Ae.  B.-V.  M.  ist  der  Wunsch  berechtigt, 
dass  auch  die  übrigen  bayerischen  ärztlichen  Bezirksvereine  und 
Kollegen  Material  zur  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  sammeln  und 
dasselbe  an  die  im  „Aerztl.  Vereinsblatt  für  Deutschland“  (No.  626, 
Jahr«.  1907,  S.  769)  genannte  „Deutsche  Zentrale  zur  Bekämpfung 
des  Kurpfuschertums“,  und  zwar  unter  der  Adresse:  Dr.  S  i  e  f  a  r  t, 
Vorsitzender  der  „Deutschen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  des  Kur¬ 
pfuschertums“,  ’Charlottenburg,  Hardenbergstr.  39,  ge¬ 
langen  lassen. 

—  Eine  Krebsausstellung  soll  im  September  1908  in 
Brüssel  anlässlich  des  zweiten  Internationalen  Chirurgenkongresses 
stattfinden.  Die  Ausstellung,  die  sämtliche  auf  die  Krebskrankheit 
bezüglichen  Gegenstände  enthalten  wird,  wird  nach  der  „Internat. 
Wochenschr.  f.  Wiss.,  Kunst  u.  Technik“  vor  allem  umfassen:  Krebs¬ 
präparate  für  Besichtigung  mit  blossem  Auge  oder  unter  dem  Mikro¬ 
skop,  die  in  irgend  einer  Hinsicht  Belehrung  bieten,  namentlich  etwa 
durch  das  örtliche  Auftreten  der  Krankheit  oder  mit  Bezug  auf  die 
Verbreitungswege  des  Krebses;  Präparate  oder  Abbildungen  der  Er¬ 
gebnisse  von  Krebsoperationen:  anatomische  Präparate  der  Lymph- 
wege  und  Lymphknoten  einzelner  Körpergebiete;  statistische  Wand¬ 
tafeln  über  die  Häufigkeit  des  Krebses  und  seiner  Abwandlungen  in 
den  verschiedenen  Organen  des  Körpers;  statistische  Wandtafeln  über 
die  Verbreitung  des  Krebses  in  den  einzelnen  Ländern  mit  Berück¬ 
sichtigung  sogen.  Krebsnester  und  der  Stammbäume  von  Familien, 
in  denen  der  Krebs  bei  mehreren  Geschlechtern  aufgetreten  ist;  Pläne 
und  sonstige  Angaben  von  Instituten  und  Krankenhäusern,  die  sich  ins¬ 
besondere  mit  der  Erforschung  und  Behandlung  der  Krankheit  be¬ 
schäftigen;  Material  zur  Agitation  für  eine  frühzeitige  Behandlung  des 
Krebses,  wie  Aufrufe  an  die  Oeffentlichkeit,  Vorschläge  zur  Belehrung 
des  Volkes  u.  ähnl.  Die  Annahme  und  Aufstellung  der  eingesandten 
Ausstellungsgegenstände  übernimmt  der  Generalsekretär  der  Inter¬ 
nationalen  Gesellschaft  für  Chirurgie,  Prof  Depage  in  Brüssel,  (hc.) 

—  Dem  verstorbenen  Kollegen  Hofrat  Goss  mann  widmete  in 
der  letzten  Sitzung  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  München  der  Vor¬ 
stand.  Dr.  Rehm  einen  warmen  Nachruf.  Er  hob  insbesondere  den 
regen  Anteil  hervor,  den  der  Verstorbene  an  den  Standesinteressen 
genommen  habe;  während  die  Mehrzahl  seiner  Altersgenossen  sich 
von  den  wirtschaftlichen  Kämpfen  des  Standes  zurückgezogen  hätten, 
sei  Gossmann  mit  an  die  Spitze  getreten  und  sei  zu  einem  der 
eifrigsten  Verfechter  der  freien  Arztwahl  geworden.  —  Im  Aerztlichen 
Verein  München  sprach  Dr.  Grassmann  den  Nekrolog  auf  den 
schwer  vermissten  Freund.  Es  gelang  ihm  meisterhaft,  ein  lebens¬ 
wahres  Bild  der  eigenartigen  Persönlichkeit  G  o  s  s  m  a  n  n  s  zu  ent¬ 
werfen.  Wir  werden  den  Nekrolog  und  das  Bild  Gossmanns  in 
unserer  nächsten  Nummer  bringen. 

—  Zum  Direktor  des  neuen  dritten  Kranken¬ 
hauses  in  München  wurde  durch  einstimmigen  Beschluss  der 
beiden  städtischen  Kollegien  der  Vorstand  des  Krankenhauses  r.  d.  I. 
Hpfrat  Dr.  Brunner  ernannt.  Gleichzeitig  wurde  er  mit  Ueber- 
wachung  der  Inneneinrichtung  des  neuen  Krankenhauses,  das  in  der 
ersten  Hälfte  des  Jahres  1909  eröffnet  werden  soll,  betraut.  Bis  dahin 
behält  Hofrat  Brunner  auch  noch  die  Oberaufsicht  über  das 
Krankenhaus  r.  d.  I.  mit  zwei  Oberärzten  als  Stellvertreter. 

;i —  Herr  Obermedizinalrat  Dr.  G.  Merkel  in  Nürnberg  beab¬ 
sichtigt  am  1.  April  1908  nach  mehr  als  40  jähriger,  durch  Arbeit  und 
Erfolge  reich  gesegneten  Dienstzeit  von  der  Leitung  des  städtischen 
Krankenhauses  zurückzutreten."  'Die  Stadt  Nürnberg  hat  ihrem  ver¬ 
dientem' Ehrenbürger'  ausoAhlass  seines  vor  kurzem  stattgehabten 


40  jährigen  Dienstjubiläums  als  Krankenhausarzt  durch  Verleihung  der 
goldenen  Medaille  ausgezeichnet. 

—  Mit  Allerhöchster  Entschliessuiig  vom  28.  Oktober  d.  .1.  wurde 
die  Stadt  Bad  K  iss  in  gen  mit  Wirksamkeit  vom  1.  Januar  1908 
in  die  Klasse  der  kreisunmittelbaren  Städte  eingereiht. 

—  Die  Kuranstalt  Bad  Brunnthal-München  wird  ab  1.  Oktober 
für  diesen  Winter  geschlossen.  Wiedereröffnung  am  1.  März  1908. 

—  Der  29.  Baineologenkongress  wird  im  März  1908 
in  Breslau  tagen.  Anmeldungen  -von  Vorträgen  und  Anträgen 
nimmt  entgegen  der  Generalsekretär  der  Balneologischen  Gesellschaft, 
Geheimer  Sanitätsrat  Dr.  B  r  o  c  k,  Berlin  NW.,  Thomasiusstr.  24. 

—  Die  preussische  Akademie  der  Wissenschaf¬ 
ten  hat  zu  wissenschaftlichen  Unternehmungen  bewilligt:  dem  prakt. 
Arzt  Dr.  med.  Otto  Kali  sch  er  in  Berlin  zur  Fortsetzung  seiner 
Untersuchungen  über  das  Hörorgan  500  M.  (hc.) 

—  Cholera.  Russland.  Nach  amtlichen  Ausweisen  sind  vom 
9.  bis  19.  Oktober  an  der  Cholera  1657  Personen  erkrankt  und  608 
gestorben.  In  den  5  Krankenhäusern  der  Stadt  Kiew,  in  denen  Ab¬ 
teilungen  für  Cholerakranke  eingerichtet  sind,  wurden  bis  zum  17.  Ok¬ 
tober  446  und  bis  zum  20.  Oktober  noch  weitere  265  Cholerakranke 
eingeliefert,  von  denen  zufolge  einer  Mitteilung  vom  21.  Oktober  im 
ganzen  142  gestorben  sind.  Ausserdem  wurden  -angeblich  in  Privat¬ 
wohnungen  zahlreiche  Cholerakranke  behandelt.  Die  Untersuchungen 
des  Dnjeprwassers  oberhalb  der  Rieselfelder  haben,  wie  unterm  . 
21.  Oktober  mitgeteilt  wird,  das  Vorhandensein  von  Cholerabazillen 
nicht  ergeben.  —  China.  In  der  internationalen  Niederlassung  von 
Shanghai  sind  vom  26.  August  bis  8.  September  194  Chinesen  der 
Cholera  erlegen  und  10  Nichtchinesen  erkrankt.  In  der  Chinesen¬ 
stadt  von  Tientsin  sind  vom  28.  August  bis  15.  September  111  Per¬ 
sonen,  d.  s.  29,2  Proz.  aller  Gestorbenen,  unter  choleraverdächtigen 
Erscheinungen  gestorben.  —  Japan.  Vom  11.  bis  21.  September 
wurden  in  den  Verwaltungsbezirken  Nagasaki,  Fukuoka,  Yamaguchi 
und  sonst  im  südlichen  Japan  205  Choleraerkrankungen  (und  109 
Todesfälle)  beobachtet. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  12.  bis  19.  Oktober  wurden  5  neue 
Erkrankungen  (und  5  Todesfälle)  gemeldet,  davon  3  (3)  in  Alexandrien 
und  2  (2)  in  Port  Said.  —  Algier.  Die  in  Oran  angestellten  Ermitte¬ 
lungen  haben  ergeben,  dass  während  der  zweiten  Hälfte  des  September 
dort  mehrere  pestverdächtige  Krankheitsfälle  beobachtet  waren,  von 
denen  5  —  darunter  4  tödlich  verlaufene  —  bei  der  bakteriologischen 
Untersuchung  als  Pestfälle  sich  erwiesen.  Am  14.  Oktober  ist  in 
Oran  ein  neuer  Pestfall  ermittelt  worden.  —  Britisch-Ostindien.  Vom 
8.  bis  14.  September  sind  in  ganz  Indien  7080  Personen  an  der  Pest 
gestorben  und  9754  neue  Erkrankungen  gemeldet.  In  Kalkutta  starben 
vom  15.  bis  21.  September  11  Personen  an  der  Pest.  —  Hongkong.  Vom 
4.  bis  31.  August  wurden  in  der  Kolonie  15  Pesterkrankungen  (davon 
11  in  der  Stadt  Viktoria)  mit  tödlichem  Ausgange  festgestellt.  — 
Mauritius.  Vom  9.  August  bis  5.  September  wurden  auf  der  Insel 
10  neue  Erkrankungen  und  7  Todesfälle  an  der  Pest  festgestellt.  — 
Zanzibar.  In  Zanzibar  ist  am  17.  Oktober  wiederum  ein  Pestfall  fest¬ 
gestellt  worden.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  In  der  Zeit  vom 
28.  September  bis  5.  Oktober  sind  in  San  Franzisko  13  neue  Pestfälle 
und  1  pestverdächtige  Erkrankung  gemeldet  worden.  In  den  Städten 
Oakland  und  Berkeley,  welche  als  Vorstädte  von  San  Franzisko 
gelten  können,  wurden  innerhalb  der  bis  zum  4.  Oktober  abgelaufenen 
vier  Wochen  5  Pestfälle,  die  alle  tödlich  endeten,  festgestellt.  —  Bra¬ 
silien.  In  Bahia  wurden  vom  1.  September  bis  2.  Oktober  23  Pestfälle, 
darunter  16  mit  tödlichem  Ausgang,  gemeldet. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  13.  bis 
19.  Oktober  sind  36  Erkrankungen  (und  20  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  42.  Jahreswoche,  vom  13.  bis  19.  Oktober  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblichkeit 
Beuthen  mit  29,8,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  7,0  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Schwerin,  Stettin,  an  Unterleibs¬ 
typhus  in  Trier,  an  Keuchhusten  in  Altenessen.  V.  d.  K-  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Dem  Direktor  der  chirurgischen  Abteilung  am  städ¬ 
tischen  Krankenhause  am  Urban,  Geheimen  Sanitätsrat  Professor  Dr. 
Werner  K  ö  r  t  e  in  Berlin  wurde  der  Königliche  Kronenorden  2.  Klasse 
verliehen,  (hc.)  —  Prof.  Dr.  med.  Karl  B  e  ri  d  a,  Privatdozent  für  Ana¬ 
tomie  an  der  Berliner  Universität,  wurde  als  Nachfolger  von  Prof. 
Westen  hoff  er  zum  Prosektor  am  Städt.  Krankenhause  Moabit 
berufen.  —  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Wilhelm  H  i  s,  Ordinarius  und 
Direktor  der  ersten  medizinischen  Klinik  an  der  Berliner  Universität 
(v.  Leydens  Nachfolger)  wurde  zum  etatsmässigen  Mitgliede  des 
Wissenschaftlichen  Senats  bei  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  für  das 
militärärztliche  Bildungswesen  ernannt,  (hc.) 

Bonn.  Dr.  med.  Alfred  Machol,  bisher  Oberarzt  an  der 
chirurgischen  Klinik  zu  Breslau,  der  mit  1.  Oktober  ds.  Js.  in  die 
chirurgische  Klinik  zu  Bonn  in  gleicher  Eigenschaft  und  als  Leiter  der 
Poliklinik  berufen  wurde,  hat  sich  in  der  Bonner  medizinischen  Fakul¬ 
tät  für  das  Fach  der  Chirurgie  habilitiert.  Dr.  med.  Oskar  Prytn 
hat  sich  mit  einer  Antrittsvorlesung  über  „Die  Bedeutung  der  Chemie 
für  innere  Medizin“  habilitiert,  (hc.) 

Erlangen.  Herrn  Professor  de  la  Camp  ist  behufs  Ueber- 
siedlung  nach  Freiburg  i.  B.  die  Entlassung  aus  dem  bayerischen 
Staatsdienst  genehmigt  worden.  Als  sein  Nachfolger  wurde  der  bis- 


2264 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mo.  4$. 


herige  a.  o.  Professor  dahier  Dr.  J  a  m  i  n  ernannt  unter  Beförderung 
zum  Ordinarius. 

Greifswald.  In  Greifswald  feierte  am  29.  Oktober  der  lang¬ 
jährige  Leiter  der  medizinischen  Klinik  und  Poliklinik  an  der  dortigen 
Universität  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  Friedrich  M  o  s  1  e  r  das  50  jährige 
Dozentenjubiläum,  (hc.) 

Halle  a.  S.  Von  der  Kais.  Leopoldinisch-Karolinischen  Deut¬ 
schen  Akademie  der  Naturforscher  in  Halle  a.  S.  wurde  als  Mit¬ 
glieder  aufgenommen:  der  a.  o.  Professor  und  Direktor  der  Frauen¬ 
klinik  an  der  Universität  Halle  a.  S.  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Joh.  Veit,  (hc.) 

Heidelberg.  Geh.  Hofrat  F  1  e  i  n  e  r  erhielt  vom  Kaiser  den 
Kronenorden  II.  Klasse. 

K  i  e  1.  Professor  L  e  x  e  r  -  Königsberg  hat  den  Ruf  als  Nach¬ 
folger  Professor  Helfe  richs  abgelehnt.  —  Der  Neubau  des  patho¬ 
logischen  Instituts  (Direktor  Prof.  Dr.  Heller),  mit  welchem  das 
Institut  für  gerichtliche  Medizin  (Direktor  Prof.  Dr.  Z  i  e  m  k  e)  ver¬ 
bunden  ist,  ist  bezogen  worden.  —  Dem  Direktor  des  pathologischen 
Instituts  Prof.  Dr.  Heller  ist  der  Kronenorden  III.  Klasse  verliehen 
worden. 

Königsberg  i.  Pr.  Dem  Privatdozenten  für  Ohrenheilkunde 
an  der  Universität  Königsberg  i.  Pr.,  dirigierenden  Arzt  am  Kranken¬ 
haus  der  Barmherzigkeit  daselbst,  Stabs-  und  Bataillonsarzt  des  Pion.- 
Bat.  1,  Prof.  Dr.  med.  Otto  Voss  übernimmt  Anfang  nächsten 
aktiven  Heere  bewilligt.  Prof.  Voss  übernimmt  Anfang  nächsten 
Jahres  die  neu  geschaffene  Stelle  eines  dirigierenden  Arztes  an  der 
neu  zu  erbauenden  Ohrenklinik  am  städtischen  Krankenhaus  zu  Frank¬ 
furt  a.  M. 

Leipzig.  In  der  Leipziger  medizinischen  Fakultät  hat  sich 
Dr.  med.  Moritz  Wo  lfr  um,  Assistent  bei  Prof.  Sattler  an  der 
Heilanstalt  für  Augenkranke,  mit  der  Probevorlesung  über  „Binnen¬ 
muskulatur  des  menschlichen  Auges“  als  Privatdozent  nieder¬ 
gelassen.  (hc.) 

München.  Am  26.  Oktober  habilitierte  sich  für  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie  der  Oberarzt  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik 
Dr.  Karl  B  a  i  s  c  h,  bisher  Privatdozent  an  der  Universität  Tübingen, 
mit  einer  Probevorlesung:  „Neuere  Wandlungen  in  der  Geburtshilfe.“ 

Rostock.  Der  Stabsarzt  Dr.  med.  Maximilian  Riemer  hat 
sich  mit  einer  Probevorlesung  „Ueber  gesunde  Träger  von  Infektions¬ 
erregern,  ihre  epidemische  Bedeutung  und  ihre  Unschädlichmachung“ 
als  Privatdozent  für  das  Fach  der  Hygiene  eingeführt,  (hc.) 

Strassburg.  Dr.  Martin  Gilde  me  ist  er,  bisher  Privatdozent 
für  Physiologie  in  Königsberg  i.  Pr.  ist  in  gleicher  Eigenschaft  in  den 
Lehrkörper  der  Universität  Strassburg  i.  Eis.  eingetreten.  In  seiner 
Antrittsvorlesung  sprach  er:  „Ueber  die  Entwicklung  der  Ansichten 
vom  Wesen  der  Nerventätigkeit  unter  dem  Einflüsse  der  Physik“,  (hc.) 

(Todesfälle.) 

In  Wiirzburg  starb  der  langjährige  Direktor  der  Hebammen¬ 
schule,  Dr.  N  i  e  b  e  r  d  i  n  g. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  B  e  s  o  1  d  in  Weissenstadt  ist  nicht  .1906, 
sondern  1902  approbiert  worden.  Dr.  Brühl  in  Speyer  als  Spezialist 
für  Hals-  und  Ohrenkrankheiten. 

Verzogen:  Jos.  Rampf  von  Königsstein,  B.-A.  Sulzbach, 
nach  Staltach.  Dr.  Offersberger  von  Dürkheim  nach  Pfedders¬ 
heim. 

Militärsanitätswesen. 

Auszeichnung.  Dem  Oberstabsarzt  Dr.  B  e  d  a  1 1,  Re¬ 
gimentsarzt  im  3.  Inf.-Reg.  wurde  für  den  Königlich  Preussischen 
Roten  Adlerorden  4.  Klasse  die  Erlaubnis  zur  Annahme  und  zum 
Tragen  erteilt. 

Verliehen.  Der  Rang  als  Generalmajor  dem  Generalarzt, 
Professor  Dr.  S  e  y  d  e  1,  Korpsarzt  des  I.  Armeekorps;  der  Charakter 
als  Generalarzt  den  Generaloberärzten  und  Professoren  Dr.  K  1  a  u  s  s  - 
ner  und  Dr.  Rosenberger,  beide  ä  la  suite  des  Sanitätskorps. 

Befördert.  Zu  Oberstabsärzten  (überzählig)  die  Stabsärzte 
Dr.  W  ö  s  c  h  e  r,  Bataillonsarzt  im  1.  Train-Bat.,  und  Dr.  M  a  r  t  i  u  s, 
Garnisonsarzt  beim  Garnison-Kommando  Würzburg. 


Korrespondenz. 

Zur  Pathologie  der  Appendizitis. 

Herr  Prof.  F 1  e  s  c  h  -  Frankfurt  ersucht  uns  um  Abdruck  des 
nachfolgenden,  an  ihn  gerichteten  Briefes: 

Wuga,  Post  Mombo  (Deutsch  Ostafrika),  18.  IV.  07. 

Sehr  geehrter  Herr  Professor! 

Mit  grossem  Interesse  las  ich  heute  in  No.  5  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  Ihren  Vortrag  „Zur  Pathologie  der  Appendizitis“.  Ich 
erlaube  mir.  Ihnen  einige  Beobachtungen  aus  Afrika  mitzuteilen,  die 
Sie  vielleicht  interessieren  werden. 

In  meiner  über  zweijährigen  afrikanischen  Tätigkeit,  in  der  ich 
zahlreiche  Eingeborene  zu  behandeln  Gelegenheit  hatte,  ist  mir  bisher 
kein  Appendizitisfall  vorgekommen.  Herr  Prof.  A  1 1  w  i  g,  der  seit 
1893  im  Schutzgebiete  tätig  ist,  bestätigte  mir  vor  einigen  Tagen,  dass 
er  noch  nie  diese  Erkrankung  bei  Eingeborenen  hätte  konstatieren 
können.  Dabei  leiden  die  Eingeborenen  sehr  häufig  an  Verstopfung, 


allerdings  mehr  an  akuter  als  Folge  von  Ueberladung  der  Verdauungs¬ 
organe.  Chronische  Obstipation  habe  ich  noch  nicht  mit  Sicherheit 
beobachtet.  Die  Ernährung  des  Negers  besteht  bisher  fast  ausschliess¬ 
lich  aus  Pflanzenstoffen.  Fleisch  und  Alkohol  wird  in  sehr  seltenen 
Fällen  genossen. 

Wenn  die  Entzündung  des  Wurmfortsatzes  nur  mit  seiner  Form 
zusammenhinge,  dann  müsste  sie  auch  hier  Vorkommen.  Nach  den 
hiesigen  Beobachtungen  muss  die  Fleischernährung  die  Hauptschuld 
tragen,  wofür  auch  spricht,  dass  bei  Europäern  die  Erkrankung  schon 
beobachtet  wurde,  und  diese  essen  auch  hier  viel  Fleisch. 

Mit  vorzüglicher  Hochachtung! 

Dr.  P  r  ö  1  s  s, 

Arzt  im  Bezirke  Wilhelmstal. 

NB.  Leider  sind  Leichen  von  Eingeborenen  sehr  schwer  zur  ' 
Sektion  zu  bekommen,  so  dass  es  nicht  möglich  ist,  auf  die  anatomi¬ 
sche  Beschaffenheit  des  Wurmfortsatzes  zu  achten.  In  den  grossen 
Krankenhäusern  der  Küste  müsste  das  eher  möglich  sein.  D.  0. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  August  1907. 


Iststärke  des  Heeres: 

66444  Mann,  — *)  Kadetten,  147  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 

Kadetten 

Unteroffiz. - 
vorschüler 

1.  Bestand  waren 

am  31.  Juli  1907: 

843 

— 

— 

[  im  Lazarett: 

812 

- 

5 

2.  Zugang: 

im  Revier: 

1215 

_ 

l  in  Summa: 

2027 

— 

5 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

2870 

5 

°/oo  der  Iststärke: 

43,2 

— 

34,0 

dienstfähig: 

1853 

— 

1 

°/oo  der  Erkrankten: 

645,6 

_ 

200,0 

gestorben: 

2 

— 

°/oo  der  Erkrankten : 
dienstunbrauchbar : 

0,70 

— 

— 

mit  Versorgung: 

34 

— 

— 

3.  Abgang: 

ohne  „ 

Auf  Orund  vor  der 

4 

— 

— 

Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese- 

ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

11 

anderweitig: 

67 

— 

— 

in  Summa: 

1971 

— 

1 

4.  Bestand 

h  1  p  i  h  p  n 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 

899 

13,5 

— 

4 

27,2 

31.  August  1907 

davon  im  Lazarett: 
davon  im  Revier: 

645 

254 

— 

4 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Blinddarmentzündung  2. 

Ausserhalb  der  ärztlichen  Behandlung  verunglückten  3  Mann 
tödlich  (je  1  durch  Ueberfahrenwerden,  Ertrinken  und  Ersticken  in¬ 
folge  Verschüttung  in  einer  Lehmgrube). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  August  5  Mann. 


')  Die  Kadetten  waren  während  des  Berichtmonats  beurlaubt. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  42.  Jahreswoche  vom  13.  bis  19.  Oktober  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  16  (12*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  5  (5),  Kindbettfieber  2  (— ),  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (— ),  Scharlach  3  (— ),  Masern  u.  Röteln  1  (— ),  Diphth.  u. 
Krupp  2  (1),  Keuchhusten  1  (— j,  Typhus  —  (1),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (—)>  Rose  (Erysipel)  —  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  2  (  ),  luberkul.  d.  Lungen  12  (19),  Tuberkul.  and. 
Org-  5  (1),  Miliartuberkul.  —  (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  10  (10), 
Influenza  (  ),  and.  übertragb.  Krankh.  4  (6),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  4  (1),  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (1),  organ.  Herzleid.  16  (23), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  7  (9),  Gehirnschlag 
6  (8),  Geisteskrankh.  —  (-),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  3  (3),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  5  (6),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  44  (43),  Krankh.  d.  Leber  1  (2),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  ( — ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  5  (7),  Krebs  (Karzinom  Kankroid)  9  (20), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  4  (4),  Selbstmord  3  (3),  Tod  durch 
fremde  Hand  3  (— ),  Unglücksfälle  2  (2),  alle  übrig.  Krankh.  2  (2). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  183  (193).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,4  (18,3),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  11,4  (12,0). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Leom  ana  in  München,  —  Druck  von  £.  Mühithalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.G.,  München. 


#Ve  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
Im  Umfang  von  durchschnittlich  6 — 7  Bogen.  #  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Amult- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


No.  46.  12.  November  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 


Originalien. 

Aus  der  Universitätsfrauenklinik  der  Kgl.  Charite  zu  Berlin 
(Direktor:  Prof.  E.  Bumm). 

Beitrag  zur  Bakteriologie  der  kongenitalen  Syphilis. 

Von  Dr.  Hans  Bab,  Assistenten  der  Klinik. 

Mittels  der  neuen  Methoden  der  Syphilisforschung,  der 
Spirochätendarstellung  und  der  Komplementablenkung,  dürfte 
es  gelingen,  neue  Gesichtspunkte  zur  Beurteilung  von  Fällen 
hereditärer  Lues  zu  gewinnen,  und  so  mögen  im  folgenden 
bemerkenswerte  Krankheitsfälle  dieser  Art  zur  Besprechung 
kommen. 

Das  am  30.  Januar  1907  geborene  Kind  Kurt  0.  wurde  am  4.  März 
in  der  Kinderklinik  der  Charite  aufgenommen;  es  ist  das  erste,  un¬ 
ehelich  geborene  Kind  der  angeblich  gesunden  Mutter  und  wurde  be¬ 
reits  im  8.  Schwangerschaftsmonat  geboren,  trank  zuerst  gut  aus^  der 
Flasche  und  nahm  an  Gewicht  zu.  Seit  10  Tagen  ist  der  Stuhl 
schleimig  wässrig,  seit  5  Tagen  der  Schlaf  schlecht  und  seit  4  Tagen 
tritt  Erbrechen  auf.  An  Händen  und  Füssen  schälte  sich  die  Haut  des 
Kindes  ab,  ohne  dass  sich  die  wunden  Stellen  von  neuem  überhäuteten. 

Status  praesens:  43  cm  langes,  elendes  Kind  ohne  Fett¬ 
polster,  faltenreiche  Haut  von  schmutzigem  Kolorit,  an  der  Stirnhaut 
trockene  Schuppung,  die  Vota  manus  mit  schmierigem  Detritus  be¬ 
deckt,  an  den  Füssen  starkes  Nässen  der  exkoriierten,  leicht  blutenden 
Stellen.  An  den  Mundwinkeln  radiäre  Rhagaden,  die  besonders  in 
der  Verlängerung  der  Rima  oris  tief  und  mit  gelbem  eitrigen  Sekret 
bedeckt  sind;  Naseneingang  verklebt,  starkes  Schniefen.  Soorbeläge 
unter  der  Zunge,  Stimme  sehr  heiser,  wimmernd;  Herztätigkeit 
schwach:  im  Urin  Spuren  von  Eiweiss,  zahlreich  gelbe  Uratzylinder, 
spärlich  Plattenepithelien;  auf  Klystier  reichlich  schleimig-breiiger 
Stuhlgang;  Gewicht  1750' g.  Exitus  am  8.  März  1907. 

Diese  Krankengeschichte  verdanke  ich  Herrn  Oberarzt  Dr. 

L  a  n  g  s  t  e  i  n. 

Die  am  9.  März  von  Herrn  Oberarzt  Dr.  Reindorf  vorge¬ 
nommene  Sektion  ergab  folgenden  Befund:  Im  Abdomen  der  stark 
abgemagerten  Leiche  10  ccm  einer  grünlichen,  mit  grauweisslichen 
Flocken  untermischten  Flüssigkeit.  Auf  der  Darmserosa  grauweiss- 
liche  Auflagerungen.  Herz  etwas  gross.  Unter  dem  Endokard  einige 
graugelbe,  stecknadelkopfgrosse  Punkte.  In  der  rechten  Lunge 
(Unterlappen)  kleine  hepatisierte  Herde.  Grösse  der  Milz  3Vz:2Vz:2. 
Leber  stark  grünlich,  zeigt  hier  und  da  Läppchenzeichnung  und 
an  einigen  Stellen  erweichte  Konsistenz.  P  e  y  e  r  sehe  Knoten 
geschwollen,  von  Blutungen  durchsetzt;  zwischen  den  Blutungen 
kleine  opake  gelbe  Streifen.  Knorpelknochengrenze  über  ein  Milli¬ 
meter  breit,  gelbgrünlich.  Sämtliche  Organe  ikterisch,  Gallenwege 
frei.  Diagnose:  Osteochondritis  syp h.,  Hepatitis 
parenchym.,  Herzgummat  a,  Enteritis  haemorrhag. 

In  liebenswürdiger  Weise  wurden  mir  Stücke  der  Leber  und 
Milz  und  des  Femurendes  sowie  die  Hoden  zur  Prüfung  auf  Spiro¬ 
chäten  überlassen.*) 

Mein  Resultat  bestätigte  die  Diagnose  des 
Klinikers  und  des  pathologischen  Anatomen. 
In  der  Leber  fanden  sich  ganz  vereinzelte,  aber  durchaus  typi¬ 
sche  Spirochaetae  pallidae,  ebenso  waren  solche  in  geringen 
Mengen  in  der  Milz  vorhanden.  Weitaus  zahlreicher  waren  die 
Spirochäten  im  Hoden,  Nebenhoden  und  Hodenhüllen;  beson¬ 
ders  im  interstitiellen  Bindegewebe  des  Hodens  lagen  sie  in 
dichten  Nestern.  Auch  im  Parenchym  waren  vereinzelte 
Exemplare  hier  und  da  zu  finden.  Besonders  bedeut¬ 
sam  erscheint  mir  aber  der  Spirochätenbe¬ 
fund  an  der  Knochen  knorpelgrenze  (vergl.  Fig.  1  a 

*)  Bei  der  Herstellung  der  Silberpräparate  wurde  ich  von  Herrn 
Dr.  E  s  k  e  unterstützt,  dem  ich  dafür  zu  Dank  verpflichtet  bin. 

No.  46. 


und  lb).  Dort  stellte  sich  als  Ansiedelungsbezirk  der  Spiro¬ 
chäten  ein  von  der  in  Verknöcherung  begriffenen  Diaphyse  in 
den  Knorpel  der  Epiphyse  halbinselförmig  vordringendes  Vas¬ 
kularisationsgebiet  (vorgeschobener  Markraum)  heraus;  zwi¬ 
schen  den  lymphatischen  Zellen  lagen  dort  Spirochäten  in 
reicherer  Anzahl. 


Epipliysen- 

knorpel. 


Bezirk  der 
Spirochäten¬ 
ausbreitung. 


Diaphyse. 


Figur  1  a.  Epiphysengrenze  bei  schwacher  Vergrösserung. 


Figur  1  b.  Spirochäten  an  der  Epiphysengrenze.  Vergr.  1050. 


Ein  derartig  klinisch-pathologisch-anatomisch  und  bakterio¬ 
logisch  beobachteter  Fall  spricht  ausserordentlich  für  die  spe¬ 
zifisch  ätiologische  Bedeutung  der  Pallida  bei  der  kongenitalen 
Lues.  Bei  dem  Kind,  das  5  Wochen  gelebt  hat 
und  dessen  Krank  heits  Symptome  erst  4  Wo¬ 
chen  nach  der  Geburt  deutlich  zu  tage  träten, 
kann  nicht  von  Einflüssen  einer  Mazeration 
oder  der  gl.  die  Rede  sein  und  es  ist  charakte¬ 
ristisch,  dasswir  in  diesem  sicher  als  luetisch 
erkannten  Fall,  gemäss  unserer  Er  Wartung  als 
einzigen  Mikroorganismus  die  Spirochäte 
fanden,  charakteristisch  ferner  dass  dieselbe 
auch  gerade  im  Bezirk  der  pathognomonisch 
veränderten  Knochenknorpelgrenze  sich  aus- 
breitete. 

Worauf  die  so  ungleichmässige  Verteilung  der  Spirochäten 
in  den  verschiedenen  Organen  beruht,  entzieht  sich  vorläufig 


2266 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


unserer  Erkenntnis.  Dass  in  Leber  und  Milz  die  Spirochäten 
gelegentlich  sehr  spärlich  sind  oder  sogar  ganz  fehlen,  selbst 
wenn  diese  Organe  geschwollen  sind,  beruht  vielleicht  auf  einer 
Bildung  von  Antistoffen  in  diesen  Organen,  wie  ich  ausführ¬ 
licher  an  anderem  Ort  auseinandergesetzt  habe  (Bakteriologie 
und  Biologie  der  kongenitalen  Syphilis.  Zeitschr.  f.  Qeb.  und 
Gyn.,  1907). 

Dass  die  Spirochäte  überhaupt  ein  M  i  k  r  o  o  r  g  an  i  s- 
m  us  ist  und  nichts  mit  Nervenfasern  oder  sonstigen  Gewebs- 
gebilden  zu  tun  hat,  bewies  uns  ein  weiterer  Fall  von  neuem. 

Anamnese:  Sch.,  ledig,  2.  Para,  wurde  am  19.  März  1907  in 
der  Charite  entbunden,  will  selbst  immer  gesund  gewesen  sein  und 
hat  1906  auch  eine  Ammenuntersuchung  durchgemacht.  Leistendrüsen 
bei  ihr  nicht  deutlich  fühlbar.  Letzte  Regel  anfangs  August  1906.  Das 
weibliche  Neugeborene  stirbt  nach  2  Minuten,  zeigt  Pemphigus  lueti- 
cus  und  besitzt  einen  harten,  aufgetriebenen  Leib.  Länge  42  cm, 
Schwere  2160  g.  Leber  geschwollen,  Milz  7:3  cm,  Hämorrhagien  in 
der  Lunge. 

Plazenta  und  Milz  enthielten  keine  Spirochäten,  in  der 
Leber  konnte  ich  nur  ganz  vereinzelt  eine  solche  finden.  Dem¬ 
entsprechend  konnten  weder  in  der  Plazenta  noch  in  Leber  und 
Milz  Antigene  nachgewiesen  werden,  während  die  Milch  der 
Mutter  antikörperhaltig  befunden  wurde.  Spirochäten  konnte 
ich  in  Pankreas,  Lunge,  Thymus,  Uterus  und  Pemphigusblasen 
nachweisen.  Wichtig  war  nun  der  Befund  im  Ovarium; 
dasselbe  war,  wie  Fig.  2  zeigt,  von  ungeheuren  Spirochäten- 


No.  46. 

trage  über  die  Bakteriologie  und  Biologie  der  kongenitalen 
Syphilis  nach  Erklärungsmöglichkeiten  für  diesen,  unter  der 
Voraussetzung  der  spezifisch  ätiologischen  Bedeutung  der  Pal- 
üda  interessanten  Punkt  gesucht  und  habe  ausgeführt,  dass  die 
Spirochäten  vielleicht  an  verborgenen  Stellen,  z.  B.  im 
Knochenmark,  sich  finden,  oder  aber,  dass  sie  bereits  zerfallen 
und  zugrunde  gegangen  sind  oder  dass  endlich  uns  noch  un¬ 
bekannte  Dauerformen  im  Spiele  sind.  Auch  könne  das  Kind 
durch  Intoxikation  nicht  durch  Infektion  zugrunde  gehen,  in¬ 
dem  nur  die  Luesgifte,  nicht  die  Lueserreger  selber  von  der 
Mutter  aufs  Kind  übergehen,  resp.  nur  in  die  Plazenta  gelangen 
und  dort  die  Verödung  der  Zottengefässe  bewirken,  so  dass 
das  Kind  ersticken  muss.  Einen  wichtigen  Fall,  der  uns  viel-, 
leicht  noch  weitere  Einsicht  in  diese  Vorkommnisse  geben  kann, 
habe  ich  nun  seitdem  beobachten  können. 

Am  21.  März  1907  wurde  mir  in  der  Charite  die  35  cm  lange  Tot¬ 
geburt  (Mädchen  der  Frau  Mx.)  mit  der  Nachgeburt  übergeben,  die  beide 
durch  u  n  i  v.-e  r  selles  Oedem  -deformiert  waren.  Fig;  4  gebe  hier¬ 
von  eine  Anschauung.  DerFöt  hatte  d-asGewicht  von  1110g, -diePlazenta 
von  760  g.  Das  Gewicht  einer  normalen  Plazenta  dürfte  am  Ende 
des  7.  Monats  etwa  400  g,  am  Ende  des  10.  Monats  546  g  betragen; 
die  fast  das  das  Doppelte  betragende  Gewichtsvermehrung  der  Pla- 
'  zenta  in  unserem  Fall  war  eine  Folge  des  sehr  starken  Oedems  und 
.der  allgemeinen,  bei  Lues  so  häufigen  Volumszunahme.  Die  Pla¬ 
zenta  war  vollkommen  anämisch  und  ihre  Zotten  erwiesen  sich  mikro¬ 
skopisch  als  stark  aufgequollen,  plump  und  eng  -aneinander  gedrängt, 
ln  dem  durch  ein  universelles  Oedem  gedunsenen  Fötus  fanden  sich 


Fig.  II.  Spirochätenmassen  ittf  Ovarium 
einer  luetischen  Totgeburt.  Ve‘rgr.  1050. 


Fig.  lila.  Die  Oberfläche  eines  Ovulum  Fig.  Il^b.  Das  Innere  desselben  Ovulum 

(keine  Spirochäte).  Höhere  [Einstellung  mit  Spirochäte.  Tiefere  Einstellung  der 

der  Mikrometerschraube.  Vergr.  1050.  Mikrometerschraube.  Vergr.  1050. 


mengen  durchwachsen.  Derartige  Nerven massen 
kommen  im  Eier  stock  des  Neugeborenen 
sicherlich  nicht  vor,  wie  jederzeit  an  Kon¬ 
ti  ollpräparaten  zu  erweisen  ist,  ebensowenig 
kann  hier  von  elastischen  Fasern  die  Rede 
sein.  Bei  der  Reichhaltigkeit  der  Spirochäten  im  Ovarium 
kann  es  nicht  wundernehmen,  dass  dieselben  auch  vielfach  i  n  s 
Innere  der  Ovula  eingedrungen  waren,  ein  Befund 
den  ich  bereits  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  als  Beweis 
dafür  anführte,  dass  es  sich  nur  um  Mikroorganismen  handeln 
könne.  Da  jedoch  Herr  Dr.  Sahling  dies  dadurch  anzu¬ 
zweifeln  versuchte,  dass  er  annahm,  das  betreffende  Gebilde 
liege  auf  und  nicht  i  m  Ovulum,  so  möge  auch  diese  letzte  Zu- 
ilucht  hier  abgeschnitten  werden.  Fig.  3  a  zeigt  ein  Ovulum  bei 
höherer,  Fig.  3  b  bei  tieferer  Mikrometerschraubeneinstellung 
Fig.  3a  gibt  uns  ein  Bild  von  der  Oberfläche  des  Ovulum- 
wir  sehen  keine  Spirochäte  auf  demselben;  Fig.  3b  dagegen 
zeigt  uns  einige  Windungen  einer  im  Protoplasmainneren  des 
Eies  verborgenen  Spirochäte.  Eine  dritte,  bei  noch  tieferer  Ein¬ 
stellung  gewonnene  Aufnahme  lässt  diese  Spirochäte  wieder 
'  m schw  inden  und  beweist,  dass  dieselbe  auch  nicht  etwa  unter 
dem  0\  ul  um  gelegen  ist.  Es  bleibt  demnach  bei  dem  unwider¬ 
leglichen  Fhgebnis,  dass  die  mit  Silber  im  Gewebe  impräg¬ 
nierte  Spirochäte  ein  Mikroorganismus  ist.  Dass  sie  auch  der 
Erreger  der  Lues  ist,  machen  unsere  beiden  eben  angeführten 
Fälle  besonders  wahrscheinlich. 

Wir  kennen  jedoch  auch  Fälle  kongenitaler  Lues, 
bei  denen  das  Suchen  nach  Spirochäten  erfolg- 
1  o  s  bleibt  und  bei  denen  dementsprechend  keine  Anti¬ 
gene  nachweisbar  sind.  Ich  habe  bereits  in  meinem  Vor- 


zwischen  Oberhaut  und  Unterhautzellgewebe  (Anasarka)  und  in  der 
Bauch-  und  Brusthöhle  im  ganzen  etwa  140  ccm  einer  gelben  serösen 
Flüssigkeit.  Zieht  man  das  Gewicht  dieser  Flüssigkeit  ab,  so  erhält 
man  -als  eigentliches  Körpergewicht  der  Frucht  970  g,  während  das 
Normalgewldht  am  Ende  des  7.  Monats  von  A  h  1  f  e  1  d  auf  1636  g 


Figur  IV.  Kongenitales  universelles  Oedem  einer  luetischen  Tot¬ 
geburt. 


angegeben  wir-d.  Wir  haben  es  also  mit  einer  ausserordentlichen 
Hypoplasie  zu  tun.  Der  Kopfumfang  (Stirn— Hinterhaupt)  betrug 
-5  cm.  An  den  Extremitäten,  am  Peritoneum  und  an  den  serösen 
Häuten  fanden  sich  zahlreiche  Ekchymosen  (besonders  auch  am 
serösen  Ueberzug  vom  Magen,  Nebennieren  und  Pankreas).  Alle 


12.  November  1907.  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ 2267 


Organe  waren  sehr  anämisch,  besonders  das  schlaffe  Herz.  Das  Pan¬ 
kreas  war  sehr  hart,  die  Leber  mass  71/ s>:  5V2,  die  Milz  2:  1  cm. 

Anamnese:  Der  uneheliche  Vater  des  Kindes  machte  1889, 
also  vor  18  J  ahren,  eine  Luesinfektion  und  eine  Spritzkur  durch; 
sein  linker  Handrücken  zeigte  jetzt  ein  ziemlich  beträchtliches  Oedem; 
am  Handteller  hatte  er  seit  2  Jahren  ein  desquamatives  Ekzem  und 
papelähnliche  Stellen.  Die  angeblich  gesunde  Mutter  wies  strang¬ 
förmige  Schwellung  der  Leistendrüse,  geringe  Schwellung  der  Fiisse 
und  Kurzatmigkeit  auf.  In  der  ersten  Hälfte  der  Gravidität  hatte  sie 
2  mal  geblutet;  von  der  Frucht  hatte  sie  nur  sehr  wenig  Leben  ge¬ 
spürt.  Sie  ist  Viertgebärende;  das  erste  und  dritte  Kind  sind  ge¬ 
sund,  die  zweite  Schwangerschaft  wurde  im  dritten  Monat  unter¬ 
brochen.  Alle  4  Kinder  stammen  vom  selben  Vater.  Hereditär  ist 
noch  zu  bemerken,  dass  Vater  und  Mutter,  Vetter  und  Kusine 
sind,  und  dass  die  Mutter  13  jüngere  Stiefgeschwister  hatte,  die 
sämtlich  bald  nach  der  Geburt  starben.  Abgesehen  von  diesen 
Schwangerschaften  machte  die  Mutter  noch  5  Aborte  durch. 

Der  Fall  wurde  biologisch  und  bakteriologisch  untersucht. 
Spirochäten  wurden  überhaupt  nicht  gefun¬ 
den;  es  wurde  vergebens  nach  solchen  in  den  Plazentarzotten 
gesucht,  in  Thymus,  Nebennieren,  Leber,  Lunge,  Pankreas, 
Aorta,  Nieren,  Magen,  Herz,  Milz,  Harnblase,  Dünndarm, 
Uterus,  Tuben,  Ovarien  und  Nabelschnur.  Entsprechend  war 
das  mit  der  Komplementablenkung  gewonnene  Resultat: 
Weder  der  aus  der  Plazenta  noch  der  aus 
Leber,  Nieren,  Nebennieren  und  Lungen  ge¬ 
wonnene  Extrakt  enthielt  Antigene.  Dagegen 
wurde  zum  ersten  Male  der  wichtige  Befund  erhoben,  dass 
die  Aszitesflüssigkeit  Antikörper  enthielt. 

Ich  verfüge  noch  über  einen  weiteren  Fall  von  Totgeburt 
einer  luetischen  Mutter  (Fall  Br.,  15.  V.  07),  bei  dem  die  Aszites- 
fliissigkeit  der  Frucht  Antistoffe  enthielt,  jedoch  war  in  diesem 
Fall  der  Organextrakt  antigenpositiv.  Endlich  enthielt  noch  in 
einem  dritten  Luesfall  (Qsk.,  26.  VI.  07)  die  Aszitesflüssigkeit 
in  grosser  Menge  Antistoffe.  Der  pathologische  Befund  ergab 
bei  dem  betreffenden  Kinde:  Leber  und  Milzschwellung  miliare 
Qummata  der  Leberserosa,  Blutungen  am  Perikard;  Hydrokele 
im  Skrotalsack. 

Wie  haben  wir  uns  den  Fall  Mx.  zu  deuten.  Die  Aetiologie 
des  universellen  kongenitalen  Oedems  ist  noch  sehr  in  Dunkel 
gehüllt.  Dass  bei  der  Mutter  derartiger  Kinder  Albuminurie 
und  Hydrops  Vorkommen,  ist  von  verschiedenen  Autoren  be¬ 
schrieben  worden.  Bai  an  ty  ne  stellt  aber  die  mütterliche 
Erkrankung  als  Folge  der  fötalen  hin  und  weist  darauf  hin,  dass 
die  Symptome  gewöhnlich  schnell  nach  der  Geburt  schwinden. 
Tatsache  ist,  dass  das  universelle  Oedem  in  einer  Anzahl  von 
Fällen  bei  bestehender  Lues  der  Eltern,  sei  es  der  Mutter,  sei 
es,  wie  in  unserem  Fall,. des  Vaters  zur  Beobachtung  gekommen 
ist.  Auf  der  anderen  Seite  gibt  es  Fälle,  bei  denen  sicherlich 
eine  Lues  nicht  im  Spiele  ist.  Ein  derartiger  Fall  bei  2  auf¬ 
einander  folgenden  Geburten  mit  Riesenplazenten  ohne  Kom¬ 
plikation  mit  Lues  wurde  erst  kürzlich  in  der  Poliklinik  der 
Charite  behandelt  und  wird  demnächst  von  Herrn 
Dr.  Michelsohn  publiziert  werden.  Wir  haben  es  also  mit 
einem  Symptomenkomplex  zu  tun,  der  wohl  auf  Lues  beruhen, 
aber  auch  durch  andere  Faktoren  bedingt  werden  kann;  und 
wie  die  Lues  hauptsächlich  eine  Erkrankung  der  Gefässe  ist, 
so  kommen  nach  Balantyne  auch  sonst  hauptsächlich  Ano¬ 
malien  des  fötalen  Kreislaufsystems  in  Betracht. 

Da  in  der  Aszitesflüssigkeit  Antistoffe  nachweisbar  sind, 
können  wir  vielleicht  in  diesen  Abscheidungen  des  Organismus 
ein  Heilungsbestreben  des  Organismus  vermuten.  (Möglicher¬ 
weise  ist,  wie  ich  das  bereits  an  anderen  Orten  ausgeführt  habe, 
auch  die  Plazenta  beteiligt,  indem  sie  nach  Art  einer  geschwol¬ 
lenen  Lymphdrüse  Giftstoffe  aufspeichert  und  paralysiert.)  Ob 
in  unserem  Fall  die  kolossale  Antikörperbildung  die  Spirochäten 
und  damit  später  auch  die  Antigene  zuim  Verschwinden  ge¬ 
bracht  hat,  ob  also  den  Antistoffen  bakteriolytische  und  gift- 
bindende  Fähigkeiten  zuzuschreiben  sind,  das  ist  vorläufig  eine 
offene  Frage.  Vielleicht  ist  die  Frucht  von  vornherein  spiro¬ 
chätenfrei  geblieben  und  ist  nur  schädigenden  Einwirkungen 
erlegen,  die  mit  der  Antikörperproduktion  Zusammenhängen. 
Während  wahrscheinlich  in  anderen,  günstigeren  Fällen,  be¬ 
sonders  bei  später  postkonzeptioneller  Luesinfektion,  das  Kind 
einer  luetischen  Mutter  luesimmun  wird,  sowohl  durch  die  von 
der  Plazenta  und  dem  eigenen  Organismus  gelieferten  Anti¬ 
stoffe,  wie  späterhin  durch  die  Antistoffe  der  mütterlichen  Milch 
(B  a  b  und  Plaut),  kann  augenscheinlich  die  übergrosse  Anti¬ 


stoffproduktion  auch  den  Tod  der  Frucht  herbeiführen.  Schon 
allein  die  Plazenta  wird  trotz  Grössenzunahme  bald  nicht  mehr 
ihre  respiratorische  und  ernährende  Funktion  ausüben  können, 
andererseits  wird  die  grosse  Flüssigkeitsansammlung  im  Kör¬ 
per  der  Frucht  auch  schon  mechanisch  schwere  Schädigungen 
zur  Folge  haben  müssen. 

Resümieren  wir  die  didaktische  Bedeutung  der  von  uns 
ausgesuchten  Fälle,  so  ergibt  sich  für  die  Spirochaete  pallida, 
entsprechend  der  sich  immer  mehr  in  der  medizinischen  Welt 
ausbreitenden  Annahme,  eine  grosse  Wahrscheinlichkeit,  dass 
sie  der  tatsächliche  Erreger  der  Lues  ist;  dass  möglicherweise 
aber  reaktiv  gebildete  Antistoffe  die  Spirochäten  und  deren 
Giftstoffe,  die  luetischen  Antigene,  im  Körper  des  Kindes  zum 
Verschwinden  bringen  können.  Dieser  Prozess  brauchte  aller¬ 
dings  keineswegs  immer  Heilung  und  Immunität  zur  Folge  zu 
haben,  sondern  könnte  auch  zum  Tod  der  Frucht  führen.  Unter 
welchen  besonderen  Umständen  es  zu  einem  kongenitalen  uni¬ 
versellen  Oedem  kommt,  das  wissen  wir  noch  nicht. 

Schliesslich  sei  hier  eine  Uebersicht  angefügt,  welche 
die  Resultate  von  50  Fällen  kongenitaler  Lues  zu¬ 
sammenfasst,  die  wir  nicht  nur  mikroskopisch-bakteriologisch 
sondern  auch  biologisch  in  Gemeinschaft  mit  dem  Ber¬ 
liner  Institut  für  Infektionskrankheiten,  der  Breslauer  dermato¬ 
logischen  Klinik  und  Herrn  Dr.  C  i  t  r  o  n  (II.  med.  Klinik 
Charitee)  untersuchten. 

Eine  Uebereinstirnmung  des  Spirochäten- 
und  Antigennachweises  war  in  17  positiven  und  15 
negativen  Fällen  vorhanden.  Einmal  wurden  Spirochäten 
nachgewiesen,  obgleich  die  Antigenreaktion  fraglich  blieb ;  ein 
anderes  Mal  wurde  ein  schwacher  Antigengehalt  gefunden,  ob¬ 
gleich  keine  Spirochäten  nachweisbar  waren. 

Unter  den  auch  biologisch  untersuchten  Fällen  gelang  in 
25  sicheren  Luesfällen  der  Spirochätennachweis 
in  fötalen  Organen  20  mal;  dagegen  5  mal  nicht.  In 
diesen  5  Fällen  fehlte  regelmässig  auch  das 
Anti  gen.  In  8  fraglichen  Fällen  gelang  der  Spirochäten¬ 
nachweis  6  mal,  während  in  einem  sicher  nicht  luetischen  Kon- 
trollfall  auch  keine  Spirochäten  gefunden  wurden. 

Für  den  Antigenbefund  in  fötalen  Organen  ergaben 
I  sich  folgende  Zahlen:  In  25  sicheren  Luesfällen  16 mal  positiv, 
8 mal  negativ,  1  mal  fraglich;  in  8  fraglichen  Fällen  3 mal  posi¬ 
tiv,  5  mal  negativ.  Die  Organe  zweier  sicher  nicht  luetischer 
Kinder  enthielten  auch  kein  Antigen.  Die  Plazenta  wurde  in 
8  sicheren  Luesfällen  3  mal  antigenhaltig  befunden.  In  einem 
fraglichen  Luesfall  blieb  auch  die  Reaktion  auf  Plazentarantigen 
fraglich. 

Die  Resultate  des  Antistoffgeh  altes  desfötalen 
Aszites  wurden  bereits  oben  erwähnt.  Das  Frucht¬ 
wasser  konnte  erst  einmal,  und  zwar  nur  in  einem  fraglichen 
Falle  auf  Antistoffe  geprüft  werden.  Es  konnten  jedoch  in  die¬ 
sem  keine  nachgewiesen  werden. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Vorkommens  von  Anti- 
stoffen  in  der  mütterlichen  Milch  habe  ich  bereits 
näheres  in  der  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  60,  S.1  186 
mitgeteilt.  An  dieser  Stelle  seien  nur  die  Zahlen  wieder¬ 
gegeben:  In  9  sicheren  Luesfällen  war  die  mütterliche  Milch 
7  mal  antistoffhaltig.  Von  den  beiden  Fällen  mit  negativem 
Resultat  lag  das  eine  Mal  die  (spezifisch  behandelte)  Infektion 
14  Jahre  zurück.  Das  andere  Mal  handelte  es  sich  um  eine 
postkonzeptionelle  Konzeption,  die  zur  Zeit  spezifisch  behandelt 
wurde  (letzte  Regel  Oktober  1906;  Infekt  März  1907).  In 
4  sicher  nicht  luetischen  und  in  2  fraglichen  Fällen  fehlten  in 
der  Milch  Antistoffe.  Wichtig  erscheint  das  Ergebnis,  dass  in 
den  positiven  7  Fällen  2  mal  Mutter  und  Kind  luetisch  waren, 
während  2  mal  die  Mutter  nach  dem  C  o  1 1  e  s  sehen  Gesetz 
und  3  mal  das  Kind  nach  der  P  r  o  f  e  t  a  sehen  Regel  anschei¬ 
nend  immun  war,  dass  demnach  bei  allen  3  mög¬ 
lichen  Variationen  Antistoffe  in  der  Milch 
auftreten  können.  Hinzugefügt  sei,  dass  in  3  der  er¬ 
wähnten  Antistoffälle  die  Mutter  spezifische  Kuren  durch¬ 
gemacht  hatte. 

Im  mütterlichen  Blut  wurden  in  einem  sicheren  Luesfall 
Antigene  nachgewiesen;  in  einem  fraglichen  Luesfall  fehlten  sie 
ebenso  wie  Antistoffe. 


1* 


226$ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Das  Sperma  wurde  in  10  sicheren  Luesfällen  9  mal 
auf  Spirochäten,  3  mal  auf  Antigene,  1  anal  auf  Antistoffe  unter¬ 
sucht:  alle  Resultate  waren  negativ. 

Bezüglich  der  von  der  Siegel  sehen  Schule  behaupteten 
Abhängigkeit  des  Auftretens  der  Spirochäten  von  der  JVEaze- 
r  a  t  i  o  n  ist  es  von  Interesse,  dass  unter  9  sicheren  Luesfällen, 
in  denen  durchaus  keine  Mazeration  vorlag,  in  5  Fällen  Spiro¬ 
chäten  nachgewiesen  werden  konnten. 

Zum  Schlüsse  seien  unsere  Resultate  im  Hinblick  auf  eine 
vorausgegangene  Therapie  zusammengestellt.  Allerdings 
ist  unser  Material  ein  noch  sehr  geringes;  auch  konnten  wir 
eine  Gegenüberstellung  der  unbehandelten  Fälle  nicht 
vornehmen,  weil  der  sichere  Nachweis,  dass  weder  Vater  noch 
Mutter  spezifisch  behandelt  worden  sind,  meist  anamnestisch 
überhaupt  nicht  zu  erbringen  sind.  Trotzdem  wird  die  Angabe 
der  vorhandenen  Zahlen  nicht  ganz  unwichtig  erscheinen,  nach¬ 
dem  C  i  t  r  o  n  auf  dem  Hygienekongress  zu  Berlin  (September 
1907)  eine  überzeugende  und  bedeutsame  Uebersicht  publiziert 
hat,  aus  der  sich  ergibt,  dass  Quecksilberkuren,  besonders 
Schmierkuren,  den  Prozentsatz  der  stark  positiven  Antistoff¬ 
befunde  ganz  erheblich  herabsetzen.  Nach  C  i  t  r  o  n  waren 
bei  unbehandelten  Luesfällen  62  Proz.  stark  antistoffhaltig,  bei 
mehrfach  spezifisch  behandelten  nur  13,6  Proz.  Wir  konnten 
in  6  sicheren  Luesfällen,  in  denen  die  Mutter  gründlichere  Hg- 
Kuren  durchgemacht  hatte,  in  der  Milch  resp.  im  fötalen  Aszites 
■4  mal  Antistoffe  nachweisen.  Dass,  trotzdem  die  Mutter  aus¬ 
reichend  spezifisch  behandelt  worden  war,  bei  10  sicheren 
Fällen  iin  Föt  7  mal  Spirochäten  nachgewiesen  wurden  und 
ebenfalls  7  mal  Antigene  im  Föt  bei  11  sicheren  Fällen,  das  sei 
hier  ebenfalls  erwähnt. 

Nachtrag:  Während  der  Korrektur  dieser  Arbeit  kommt  noch 
ein  weiterer  Fall  von  kongenitalem  universellem 
Oedem  und  ein  anderer  von  post  konzeptionell  er 
L  u  e  s  i  n  f  e  k  t  i  o  n  zur  biologischen  Untersuchung  (Dr.  Citron): 

1.  Frau  Zg.,  VIII.  Para.  26.  X.  07:  Totgeburt.  Das  1.  Kind  lebt. 
Alle  übrigen  Kinder  tot,  darunter  2  Totgeburten  im  6.  resp.  7.  Monat, 
wahrend  die  übrigen  2  Tage  —  4  Wochen  lebten.  Vater  Tuberkulose. 

Kein  Anhaltspunkt  für  Lues! 

Länge  des  Kindes  41  cm.  Bauchumfang  34,5  cm.  Universelles 
Oedem.  Anasarka.  Petechien  an  den  4  Extremitäten.  Ca.  300  ccm 
Aszites  (goldgelbe  Flüssigkeit).  Im  Herzbeutel  seröse  Flüssigkeit. 
Milz  5 x/z  :  314  cm.  Leber  11  :  TVs  :  4  cm. 

Die  Aszitesflüssigkeit  enthält  keine  lue¬ 
tischen  Antistoffe. 

2.  Frau  Db.,  I.  Para.  22.  X.  07:  Geburt  eines  lebenden,  an- 
schejnend  völlig  gesunden  Kindes.  4  Wochen  vor- 
h  e  r  wegen  einer  Roseola  Schmierkur  in  der  Charitee.  Letzte 
Regel  Ende  Februar  1907. 

Die  Plazenta  enthält  kein  Antigen,  die  mütterliche  Milch 
keine  Antistoffe.  Dagegen  finden  sich  luetische  Anti¬ 
stoffe  im  Blutserum  des  Kindes. 

Der  Befund  luetischer  Antistoffe  im  kindlichen  Blut  spricht  für 
die  auch  nach  der  P  r  o  f  e  t  a  sehen  Regel  anzunehmende  Immuni¬ 
tät  des  Kindes.  Dass  die  Antistoffe  in  der  untersuchten  Milch¬ 
probe  fehlten,  kann  sowohl  durch  die  kurz  vorher  vollendete  Schmier¬ 
kur,  als  auch  durch  den  sehr  späten  Termin  der  postkonzeptionellen 
Infektion  erklärt  werden. 

i  ,  _ _ 

Aus  der  I.  medizinischen  Klinik  der  Universität  München 
(Direktor:  Obermedizinalrat  Dr.  v.  Bauer). 

Eine  vitale  Färbung  der  Spirochaete  pallida. 

Von  M.  Mandelbaum. 

Seit  der  Entdeckung  der  Spirochaete  pallida  durch  Schau- 
d  i  n  nt  hat  man  vielfach  versucht,  die  von  eben  diesem  For¬ 
scher  vorgeschlagene  Färbung  dieses  in  syphilitischen  Pro¬ 
dukten  fast  ständig  vorkommenden  Mikroben  nach  G  i  e  m  s  a 
durch  andere  Methoden  zu  ersetzen,  mit  Hilfe  deren  man  eine 
schnelle,  für  den  praktischen  Arzt  brauchbare  Färbung  zu  er¬ 
zielen  hoffte.  Nach  Sobernheim  ist  jedoch  die  Giemsa¬ 
färbung  mindestens  nicht  durch  die  bis  jetzt  angegebenen  und 
bekannten  Färbemethoden  übertroffen  worden,  da  durch  die 
letzteren  einerseits  keine  besseren  Resultate  gewonnen  wur¬ 
den,  andererseits  die  typische  Form  der  Spirochaete  pallida 
dermassen  verändert  wurde,  dass  sie  im  Vergleich  mit  der  im 
hängenden  Tropfen  zu  beobachtenden  Form  als  verschieden 
oder  nicht  identisch  angesehen  werden  konnte.  So  konnte  es 
kommen,  dass  von  einzelnen  Leuten  die  durch  die  Silberfärbung 


No.  46, 

sichtbar  gemachte  Spirochäte  als  artverschieden  von  der 
echten  „Pallida“  oder  gar  als  Gewebsfasern  angesprochen  wer¬ 
den  konnten.  Aber  selbst  die  nach  G  i  e  m  s  a  gefärbte  Spiro¬ 
chäte  unterscheidet  sich  im  wesentlichen  von  der  lebenden,  im 
hängenden  Tropfen  zu  beobachtenden  Spirochaete  pallida.  So 
berichtet  Sobernhei m,  dass  das  ganze  Gebilde  wie  auf¬ 
gelockert  erscheint,  die  Windungen  sind  höher  und  flacher, 
namentlich  nach  der  Mitte  zu,  die  Spirochäte  verliert  häufig 
ihre  gestreckte  Gestalt  etc.  Veränderungen,  die  obiger  Autor 
auf  die  Zerrungen  dieses  zarten  Gebildes  durch  Antrocknung 
und  Fixierung  zurückführt. 

Im  folgenden  will  ich  nun  eine  Methode  angeben,  durch 
die  es  gelingt,  die  Spirochäte  in  kürzester  Zeit,  ohne  im  ge-  ' 
längsten  irgendwelche  für  dieselbe  charakteristischen  Merk¬ 
male  zu  zerstören,  zu  färben  und  für  das  Auge  gut  sichtbar 
zu  machen.  Es  handelt  sich  um  eine  Färbung  der  Spirochaete 
pallida  in  vivo.  Zu  diesem  Zwecke  bringt  man  das  zu  unter¬ 
suchende  Material  —  Reizserum  von  einem  Primäraffekt  oder 
von  einer  nässenden  Papel  —  in  Form  eines  hängenden  Tropfens 
auf  ein  Deckgläschen.  Man  setzt  nun  mit  der  Platinnadel  etwas 
Löfflers  Methylenblau  zu  dem  hängenden  Tropfen,  ver¬ 
mengt  nun  Farbstoff  und  das  zu  untersuchende  Material  und 
fügt  nun  eine  Oese  1/io  Normalnatronlaugenlösung  zu  dem  Gan¬ 
zen  hinzu.  Untersucht  man  nun  mit  der  Oelimmersiion  und 
Okular  4  (Zeiss)  den  Ran  d  des  hängenden  Tropfens,  so  sieht 
man  die  Spirochaete  pallida  als  zartes,  feines,  blassblau  ge¬ 
färbtes  Gebilde  mit  engen,  unmittelbar  aneinander  gereihten 
Windungen,  die  nach  beiden  Enden  zu  immer  niedriger  werden 
und  in  einer  feinen  Spitze  endigen.  Verwechslung  der  Spiro¬ 
chaete  pallida  mit  anderen  Spirochätenarten,  namentlich  mit 
der  Refringens  sind  ganz  unmöglich,  da  letztere  grob  gefärbt 
dagegen  erscheinen.  Sehr  schön  ist  nach  dieser  Färbung  auch 
die  Spiralform  der  Spirochäten  zu  sehen.  Dies  ist  ja  bei  den 
bis  jetzt  bekannten  Färbemethoden  gar  nicht  möglich  gewesen, 
da  die  fixierte  Spirochäte  und  dadurch  natürlich  auch  die  Win¬ 
dungen  derselben  in  einer  Ebene  lagen.  Dadurch  scheinen  auch 
die  Gebilde,  die  H  e  r  x  h  e  i  m  e  r  als  feine  Körner  im  Proto¬ 
plasma  des  Spirochätenleibes  beschrieben  hat,  vorgetäuscht 
worden  zu  sein.  Betrachtet  man  nämlich  eine  nach  der  von 
mir  angegebenen  Methode  gefärbte  Spirochäte  —  am  besten 
eignet  sich  wohl  die  Mundspirochäte  —  im  hängenden  Tropfen, 
so  bemerkt  man  recht  gut  diese  Körnungen,  die  sich  jedoch  bei 
näherem  Zuschauen  als  Umschlagstellen  der  Windungen  von 
vorne  oben  nach  hinten  und  unten  bezw.  umgekehrt  entpuppen. 
Man  kann  sich  davon  sehr  schön  durch  leichtes  Drehen  der 
Mikrometerschraube  überzeugen.  Im  gefärbten,  fixierten 
Trockenpräparat  liegen  dagegen,  wie  bereits  erwähnt,  die  Win¬ 
dungen  in  einer  Ebene,  dadurch  kommt  der  oberste  bezw. 
unterste  Teil  der  vorderen  Windung  auf  den  obersten  bezw. 
untersten  Teil  der  hinteren  Windung  zu  liegen,  dadurch 
kommt  an  diesen  Punkten  die  doppelte  Dicke  des  Spiro¬ 
chätenleibes  zustande,  so  dass  die  Stelle  dunkler  gefärbt  erscheint 
und  als  „Kern“  imponiert.  Auf  noch  eine  Erscheinung  möchte 
ich  aufmerksam  machen.  Wenn  man  das  zu  untersuchende 
Material  unmittelbar  nach  dessen  Entnahme  nach  obiger  Me¬ 
thode  färbt,  sokannmanganzdeutlichnochEigen- 
bewegung  der  bereits  gefärbten  Spirochaete 
pallida  beobachten.  Die  Mitte  der  gefärbten  Spirochäte 
buchtet  sich  dann  manchmal  nach  einer  Seite  vor,  dann  streckt 
sich  der  Spirochätenleib  plötzlich  wieder  mit  einer  schnellen¬ 
den  Bewegung  gerade.  Oder  das  eine  Ende  der  Spirochaete 
pallida  ist  z.  B.  mit  einem  Blutkörperchen  verklebt.  Dann 
sieht  man  das  freie  Ende  bohrende,  zuckende,  seitliche  Be¬ 
wegungen  ganz  deutlich  ausführen.  Umrandet  man  das  Deck¬ 
gläschen  mit  dem  hängenden  Tropfen  mit  Wachs,  so  kann  man 
die  Spirochäten  wochenlang,  ohne  die  geringste  Veränderung  in 
deren  Färbung  wahrzunehmen,  aufbewahren.  Vorhandene 
Eigenbewegungen  sind  aber  nach  24  Stunden  verschwunden. 

DerVorteil  dervon  mir  beschriebenen  Fär- 
bungderSpirochaetepallidainvivoliegtalso 
erstens:  in  der  sofortigen  Färbung  derselben», 
zweitens  in  dem  vollkommenen  Erhaltenblei¬ 
ben  ihrer  natürlichen  Form  und  drjdtens  in 
dem  Erkennen  von  Eigenbewegungen  der  ge¬ 
färbten  Spirochäte,  wodurch  der  Ein  wand,  es 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2269 


handlesichum  Kunstprodukte,  wohlalswider- 
legt  betrachtet  werden  kann. 

Den  Herren  Dr.  H  e  u  c  k,  Dr.  P  1  o  e  g  e  r  und  Dr.  Nied- 
hammer  möchte  ich  für  das  bereitwillige  Ueberlassen  von 
Material  zu  obigen  Untersuchungen  nochmals  meinen  verbind¬ 
lichsten  Dank  aussprechen. 


Aus  der  Medizinischen  Abteilung  des  nospitais  zum  Heil.  Geist 

in  Frankfurt  a.  M.  (Chefarzt:  Prof.  Dr.  Treupel). 

Die  diagnostische  Bedeutung  der  Ophthalmoreaktion 

bei  Tuberkulose. 

Von  Dr.  Ed.  Schenck  in  Frankfurt  a.  M.  und  cand.  med. 

G.  Seiffert  in  Freiburg  i.  B. 

Wolff-Eisner  teilte  in  der  Sitzung  der  Berliner  med. 
Gesellschaft  vom  15.  Mai  1907  [l]  in  der  Diskussion  über 
v.  Pirquets  Vortrag  „Tuberkulindiagnose  durch  kutane 
Impfung“  [2]  Beobachtungen  mit,  die  er  bei  konjunktivaler 
Tuberkulineinverleibung  (ein  Tropfen  einer  Verdünnung  von 
1 :  10)  gemacht  hatte.  Er  sah  dabei  häufig  lokale  Reaktion,  be¬ 
stehend  in  Konjunktivitis  und  Chemosis  der  Konjunktiven,  bis¬ 
weilen  auch  Allgemeinerscheinungen.  Kurze  Zeit  darauf  ver¬ 
öffentlichte  Calmette  [3]  Erfahrungen,  die  er  mit  der  von 
ihm  so  bezeichneten  Ophthalmoreaktion  bei  Tuber¬ 
kulösen  und  Nichttuberkulösen  gemacht  hatte.  Er  benutzte 
zu  seinen  Versuchen  eine  1  proz.  Lösung  trockenen,  durch 
Alkohol  präzipitierten  Tuberkulins  und  instillierte  jeweils 
1  Tropfen  in  ein  Auge.  Bei  16  Tuberkulösen  wurde  von  ihm 
schon  3—5  Stunden  nach  der  Einträufelung  eine  deutliche 
Kongestion  der  Conjunct.  palpebral.  beobachtet,  bei  9  Ge¬ 
sunden  oder  mit  anderen  Krankheiten  Behafteten  blieb  die  Re¬ 
aktion  der  Bindehaut  aus.  Nur  in  einem  der  Fälle,  bei  dem 
die  tuberkulöse  Natur  des  Leidens  nicht  vermutet  wurde,  war 
die  Reaktion  positiv.  Calmette  sprach  die  Ansicht  aus, 
dass  dieses  Verfahren  für  den  praktischen  Arzt  ein  einfaches 
Aufklärungsmittel  werden  könne,  tuberkulöse  Affektionen 
frühzeitig  zu  diagnostizieren  oder  die  definitive  Heilung  alter 
Veränderungen  festzustellen. 

Ein  Urteil  über  die  Bedeutung  dieser  Ophthahno-  oder 
besser  gesagt  Konjunktivalreaktion  kann  natürlich 
nur  durch  die  Ergebnisse  ausgedehnter  Nachuntersuchungen 
gewonnen  werden.  Bei  der  grossen  praktischen  Bedeutung 
.der  Frage  halten  wir  es  indes  für  gerechtfertigt,  schon  jetzt 
unsere  an  vorläufig  100  Erwachsenen  gemachten  Beobach¬ 
tungen  mitzuteilen. 

Zunächst  dürften  einige  Worte  über  die  theoretische  Be¬ 
deutung  und  Erklärung  der  Ophthalmoreaktion  hier  am  Platze 
sein.  Bisher  nahm  man  —  wie  z.  B.  C  i  t  r  o  n  [4]  in  einer  vor 
kurzem  erschienenen  Arbeit  ausführt  —  an,  dass  die  Tuberkel¬ 
bazillen  dort,  wo  sie  sich  im  Körper  angesiedelt  haben,  Stoff¬ 
wechselprodukte  absondern,  die  sich  mit  den  Rezeptoren  der 
nächstgelegenen  Zellen  vereinigen  und  diese  gegen  neue  I  uber- 
kulosetoxineinwirkung  besonders  empfindlich  machen,  d.  h. 
in  ihnen  eine  gesteigerte  Fähigkeit,  Antistoffe  zu  bilden,  an¬ 
regen.  Dies  gilt  natürlich  auch  für  Tüberkulineinspritzungen. 
Das  Tuberkulin  wird  von  diesen  Zellen  besonders  angezogen; 
sie  produzieren  Antistoffe  in  grossen  Mengen,  wodurch  vor 
allem  Leuko-  und  Lymphozyten  angelockt  werden,  um  die  zu¬ 
geführten  neuen  Giftstoffe  unschädlich  zu  machen.  Diese  ge¬ 
steigerte  Fähigkeit  Antistoffe  zu  bilden,  schrieb  man  nur  Zellen 
zu,  die  in  nächster  Nähe  des  Tuberkuloseherdes  liegen. 
Durch  v.  Pirquets  Untersuchungen  über  die  lokale  Re¬ 
aktion  bei  Hautskarifikationen  Tuberkulöser  und  Einimpfung 
von  Tuberkulin  wird  ebenso  wie  durch  die  lokale  Entzündung 
bei  der  Ophthalmoreaktion  diese  Ansicht  dahin  geändert,  dass 
im  Körper  der  Tuberkulösen  alle  Zellen  eine  gesteigerte  Fähig¬ 
keit,  Antistoffe  zu  bilden,  erhalten  haben  und  daher  an  jeder 
Stelle  des  Körpers,  ohne  dass  dort  irgend  ein  tuberkulöser 
florider  oder  latenter  Herd  vorhanden  ist,  eine  lokale  ent¬ 
zündliche  Reaktion  nach  Einführung  von  Tuberkulosetoxin 
eintritt. 

Bei  unseren  Untersuchungen  verfuhren  wir  in  folgender 
Weise:  Es  wurde  den  Patienten  ein  Tropfen  1  proz.  Alttuber- 
kulins  (Höchst)  in  3  proz.  Borsäurelösung  in  das  rechte  Auge 
eingeträufelt.  Trat  keine  Reaktion  ein,  so  erhielten  sie  einen 
Tropfen  einer  2  proz.  Lösung.  Blieb  auch  beim  zweiten  Male 


die  Reaktion  aus,  so  erhielten  sie  nochmals  einen  Tropfen  einer 
4  proz.  Lösung.  Stärkere  Lösungen  wurden  nicht  verwandt. 
Um  einem  eventuellen  Beobachtungfehler,  dass  nämlich  die 
Kumulierung  der  Tuberkulinmenge  auch  ohne  vorhandene  Tu¬ 
berkulose  durch  rein  chemische  Reizung  eine  Reaktion  hervor¬ 
riefe,  aus  dem  Wege  zu  gehen,  wurde  bei  etwa  der  2.  Hälfte 
der  Beobachtungen  das  erste  Mal  in  das  rechte  und  das  zweite 
Mal  in  das  linke  Auge  eingeträufelt.  Die  Tuberkulinlösung 
wurde  alle  2—3  Tage  frisch  hergestellt.  Untersucht  wurden 
die  Augen  der  Patienten  alle  5—6  Stunden,  anfangs  öfter,  um 
den  Verlauf  in  seinen  einzelnen  Phasen  zu  kontrollieren. 

J  A» 

Von  den  hundert  bisher  untersuchten  Fällen  waren: 

1.  Fälle,  die  sicher  an  Tuberkulose  litten:  28. 

Es  handelte  sich  immer  um  Lungentuberkulose  in  den  ver¬ 
schiedenen  Stadien,  teilweise  kombiniert  mit  Tuberkulose  an¬ 
derer  Organe.  In  allen  Fällen,  mit  Ausnahme  von  3  war  die 
Diagnose  durch  Nachweis  der  Bazillen  im  Sputum  sichergestellt. 
In  einem  Fall  allgemeiner  Lymphdrüsentuberkulose  mit  unbe¬ 
deutenden  Lungenerscheinungen  war  die  Diagnose  durch  die 
anatomische  Untersuchung  einer  exstirpierten  Drüse  erbracht. 

2.  Fälle,  bei  denen  der  Verdacht  auf  eine  tuberkulöse  Er¬ 
krankung  bestand,  ohne  dass  die  klinische  Untersuchung  ein 
sicheres  Urteil  abgeben  konnte:  20. 

3.  Fälle,  bei  denen  Tuberkulose  auf  Grund  der  klinischen 
Untersuchung  ausgeschlossen  erschien:  52. 

Die  Fälle  jeder  dieser  3  Gruppen  sind  in  den  nachfolgenden 
Tabellen  (I— III)  übersichtlich  mit  den  notwendigen  Angaben 
zusammengestellt.  Die  römischen  Ziffern  unter  „Verlauf  der 
Reaktion“  bezeichnen  in  schematischer  Weise  die  jeweilige 
Stärke  der  beobachteten  Entzündung  und  zwar: 

I  =  Einfache  Rötung  der  Bindehaut  der  Lider  und  der 

Karunkula.  ,  , 

II  =  wie  I,  aber  in  stärkerem  Grade  und  mit  Injektion  der 

Conjunctiva  bulbi. 

III  =  wie  II,  in  stärkerem  Grade  und  mit  Rötung  und 
Schwellung  der  Lider,  stärkerer  Exsudatbildung  etc. 

Im  übrigen  erklären  sich  die  Tabellen  selbst. 

Tabelle  I.  Klinisch  sichere  Fälle  von  Tuberkulose. _ 


6 

Z 

Name, 

Alter 

Lungentuberk. 

Tuberkulose 

anderer 

Organe 

Tub.-Baz. 

im  Sputum 

I.  Einträuf. 

1  proz. 

II.  Einträuf. 

2  proz. 

III.  Einträu- 

felg.  4  proz. 

Verlauf  der 

Reaktion 

I. 

Stad. 

II. 

Stad. 

III. 

Stad. 

i 

A.  E. 

20 

+ 

+ 

+ 

III. 

2 

C.  E. 

24 

+ 

+ 

+ 

1. 

3 

A.  B. 

36 

+ 

Allgem.  Lymph- 

0 

III. 

drüsentuberkul. 

4 

K.  R. 

24 

+ 

+ 

r 

I. 

T 

5 

M.  Sehr. 

25 

+ 

+ 

1. 

6 

W.  Q. 

41 

4~ 

Larynxtuberk. 

+ 

1. 

f 

7 

F.  R. 

29 

+ 

+ 

4- 

1. 

I 

8 

A.  A. 

21 

+ 

— 

1. 

T 

9 

M.  W. 

38 

+ 

— 

f 

1. 

TI 

10 

H.  N. 

31 

4- 

— 

+ 

11. 

11 

K.  Fr. 

30 

+ 

Larynxtuberk. 

4- 

11. 

1 

12 

F.  P. 

23 

+ 

+ 

1. 

T 

13 

L.  Q. 

19 

4~ 

4- 

1. 

i 

14 

Fr.  W. 

25 

Periton.  tub. 

i 

) 

4* 

1. 

TT 

15 

M.  Sehr.  35 

-t- 

11. 

TI 

16 

L.  Sch. 

24 

+ 

4- 

11. 

T 

17 

R.  F. 

19 

+ 

4- 

4- 

I 

18 

J.  H. 

36 

+ 

— 

19 

K.  F. 

24 

+ 

— 

gest. 

II  U 

TT 

20 

K.  G. 

18 

+ 

Zökaltuberkul. 

4- 

+ 

11. 

I 

21 

.1.  K. 

35 

1. 

TI 

22 

K.  S. 

33 

+ 

4- 

A  .• 

ii 

23 

J.  T. 

21 

+ 

4- 

i 

24 

W.  O. 

28 

+ 

+ 

II 

25 

A.  Ho. 

31 

+ 

Caries  tuberc. 

+' 

11. 

Meningitistub. 

u  1  «uL 

Hl 

26 

E.  W. 

27 

+ 

Hh 

4 

1  »  * 

111. 

I 

27 

A.  M. 

22 

+ 

■T 

4- 

I 

28 

K.  L. 

27 

+ 

0 

4- 

28 

1 

I 

1 

22 

4 

1 

0  =  kein  Auswurf  vorhanden. 


Von  28  sicheren  Fällen  von  Tuberkulose  reagierten  also. 

auf  lproz.  Tuberkulin  22  =  78,57  Proz.  I  bei  1  Pj‘°J:-  +  “Proz-  L 
erst  2  „  „  4=14,30  „  f  92  87  Proz. 

„  4  „  „  1  =  3,60  „ 


2270 


No.  46. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Bei  Fall  No.  19  konnte,  da  er  inzwischen  starb,  die  Reaktion 
bei  4  proz.  T.-B.  nicht  mehr  geprüft  werden.  Lässt  man  diesen  Fall 
ausser  Betracht,  so  haben  von  27  Tuberkulösen  alle  (=  100  Proz.) 
reagiert. 


Tabelle  II.  Auf  Tuberkulose  verdächtige  Fälle. 


No. 

Name,  Alter 

Diagnose 

I.  Ein- 
träufelg. 
1  proz. 

II.  Ein- 
träufelg. 
2  proz. 

III.  Ein- 
träufelg. 
4  proz. 

Verlauf 

der 

Reakt. 

1 

M.  M. 

36 

Struma  Sympathi kuslähmung 

_ 

links,  angeblich  Bluthusten 

2 

A.  H. 

31 

Abgelauf.  Spondylitis  tubercul. 

— 

4 

II. 

3 

A.  W. 

23 

Lymphadenitis  tuberculosa  ? 

4 

II. 

4 

M.  G. 

55 

Lymphadenitis  tuberculosa? 

— 

4 

I. 

5 

ü.  H. 

22 

Pleuritis  exsudat. 

— 

4 

I. 

6 

M.  N. 

40 

Pleuritis  exsudat. 

4 

I. 

7 

S.  W. 

41 

Alte  Spitzentuberkulose  ? 

+ 

II. 

f.8 

F.  W. 

43 

Aszites  (Tuberkulose  ?) 

— 

— 

— 

9 

M.  R. 

17 

Febrile  Temperatur  ohne  Befund 

— 

4 

I. 

10 

.1.  Sch. 

17 

Latente  Spitzentuberkulose  ? 

— 

— 

o 

11 

H.  Sch. 

21 

Alte  Spitzentuberkulose? 

— 

— 

4 

I.i. 

12 

R.  S. 

21 

Apicitis  sinistr.  Anämie 

+ 

I. 

13 

H.  B. 

17 

Polyarthr.  acuta ;  Apicit.  ? 

4 

I. 

14 

K.  Sch. 

31 

Latente  Spitzentuberkulose  ? 

— 

+ 

I. 

15 

A.  W. 

30 

Spitzentuberkulose  rechts? 

— 

4- 

I. 

16 

L.  T. 

49 

Pleuritis  exsudat 

— 

4- 

I. 

17 

F.  Kr. 

60 

Karzinom?  Tuberkulose? 

— 

— 

— 

18 

W.  R. 

48 

Apicitis  sinistra? 

4 

I. 

19 

H.  Gu. 

58 

Carcinoma  marnmae.  Pleuritis 

— 

— 

exsudat. 

20 

Ch.  Pr. 

21 

Ulcus  ventric.  Apicitis  dextra  ? 

— 

— 

+ 

11. 

20 

1 

6 

6 

3 

Es  haben  demnach  von  20  auf  Tuberkulose  verdächtigen  Fällen 

positiv  reagiert . 15  =  75  Proz. 

und  zwar  auf  1  proz.  T.-B.  6  =  30  Proz.  1  1  -| -\2  proz.  T.-B. 

erst  „  2  „  „  6  =  30  „  (  60  Proz. 

»  »  4  „  „  3  —  1 5  „ 

Keine  Reaktion  zeigten  ....  5  =  25  „ 

Da  sich  in  Tabelle  II  (mit  Tuberkulose  verdacht)  sicher 
eine  Anzahl  —  und  zwar  eine  grössere  Anzahl  von  Tuber¬ 
kulösen  als  in  Tabelle  III  (klinisch  ausgeschlossene 
Tuberkulose)  befinden  muss,  so  war  bei  einiger  Bedeutung  der 
Reaktion  für  das  Bestehen  tuberkulöser  Herde  a  priori  zu  er¬ 
warten,  dass  die  zahlenmässigen  Resultate  dieser  Gruppe  sich 
in  der  Mitte  zwischen  denen  von  Tabelle  I  und  III  halten 
würden.  Dies  ist  denn  auch  der  Fall,  wie  aus  der  nachfolgen¬ 
den  Zusammenstellung  leicht  zu  ersehen  ist. 

Die  hier  zum  Ausdruck  kommenden  Differenzen  in  den  3 
Gruppen  sind  zu  gross  und  zu  gesetzmässig  angeordnet,  als 
dass  sie  durch  Zufall  erklärt  werden  könnten.  Es-  verwischen 
sich  ja  die  bei  1  proz.  und  2  proz.  Anwendung  des  Tuberkulins 
auftretenden  grossen  Unterschiede  einigermassen  durch  die 
zahlreicheren  positiven  Reaktionen  bei  4  proz.  Anwendung. 
Aber  wir  glauben  annehmen  zu  dürfen,  dass  höhere  Konzen¬ 
trationen  des  Tuberkulins  ganz  abgesehen  von  der  spezifischen 
Tuberkulinwirkung  Reizerscheinungen  in  der  Bindehaut  aus¬ 
zulösen  im  stände  sind  und  dass  1  proz.  bis  höchstens  2  proz. 
Lösungen  zur  Erzielung  der  spezifischen  Reaktion  völlig  aus¬ 
reichend  sind.  Wir  selbst  setzen  aus  diesen  Gründen  unsere 
Untersuchungen  zunächst  sogar  mit  XA  proz.  Tuberkulin  fort. 

Wenn  wir  die  entstehende  Konjunktivitis  als  eine  spe¬ 
zifische  Reaktion  auffassen,  so  müssen  wir  den  strikten  Beweis 
für  diese  Annahme  freilich  schuldig  bleiben.  Derselbe  könnte 
nur  durch  die  anatomische  Untersuchung  geprüfter  Fälle,  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  auch  durch  weitere  Beobachtung 
zweifelhaft  tuberkulöser  Fälle  geführt  werden.  Obduktions¬ 
ergebnisse  stehen  uns  bisher  nicht  zur  Verfügung;  zur  Ver¬ 
wertung  des  Krankheitsverlaufes  ist  die  Beobachtungszeit  zu 
kurz. 

Wir  müssen  uns  deshalb  mit  klinischen  Wahrscheinlich¬ 
keitsbeweisen  begnügen,  indem  wir  die  Fälle  der  Tabelle  II 
und  III  einer  nachträglichen  Revision  unterziehen,  daraufhin, 
inwiefern  anamnestische  Angaben  und  Befund  doch  für  die  An¬ 
nahme  tuberkulöser  Erkrankung  in  die  Wagschale  fallen  kön¬ 
nen.  Sehr  einfach  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Kranken,  die 
auf  Tuberkulose  verdächtig  sind.  Es  haben  von  diesen  (Tabelle 
III)  positiv  reagiert  bei  1  proz.  oder  2  proz.  Tuberkulin  No.  2, 
3,  4,  5,  6,  7,  9,  12,  13,  15,  16,  18.  Es  handelt  sich  dabei  um 
2  Fälle  von  Lymphadenitis  colli,  um  3  Fälle  von  Pleuritis  ex- 


T  ab  eile  III.  Fälle,  in  denen  Tuberkulose  klinisch  ausgeschlossen 

schien. 


No. 

Name,  Alter 

Diagnose 

I.  Ein- 
ti  äufelg. 
1  proz. 

II.  Ein- 
träufelg. 
2  proz. 

III.  Ein- 
träufelg. 
4  proz. 

Verlauf 

der 

Reakt. 

1 

K.  D.  20 

Ekzema  furuncul. 

2 

M.  Ma.  23 

gesund 

— 

_ 

I. 

3 

M.  Sch.  25 

Polyarth,  acuta 

— 

_ 

•4 

K.  B.  49 

Nephritis  chron.  Bronchitis 

— 

_ 

5 

E.  Sch.  29 

gesund 

— 

4 

I. 

6 

G.  S.  23 

gesund 

— 

I. 

7 

M.  0.  21 

Menorrhagie 

— 

4 

II. 

8 

F.  S.  16 

Polyarthr.  rheum.  acuta 

+ 

II. 

9 

M.  Me.  23 

Enteritis  acuta.  Angina 

_ 

10 

M.  B.  23 

Defatigatio 

— 

- 

I. 

11 

K.  W.  20 

Dysmenorrhoe 

— 

_ 

I. 

12 

M.  St.  18 

Vitium  cordis 

— 

_ 

I. 

13 

D.  H.  19 

Defatigatio 

— 

+ 

II. 

14 

K.  M.  20 

Angina 

_ 

- 

15 

M.  Fl.  23 

Polyarthr.  rheum.  acuta 

— 

_ 

16 

A.  W.  30 

Vitium  cordis 

•  _ 

_ 

4- 

II. 

17 

M.  E.  23 

Angina 

_ 

_ 

18 

A.  H.  19 

Ulcus  ventric. 

— 

4 

II. 

19 

F.  B.  23 

Defatigatio 

4 

I. 

20 

F.  R.  31 

Gelenkschinerzeif 

_ 

21 

A.  M.  20 

Gastroenteritis  acuta 

_ 

22 

M.  Bo.  35 

Vitium  cordis  Bronchitis 

— 

_ 

23 

M.  Sch.  21 

Polyarthr.  rheum. 

— 

4 

II. 

24 

E.  G.  31 

gesund 

— 

25 

A.  M.  22 

_ 

_ 

26 

T.  R.  21 

— 

— 

4- 

I. 

27 

K.  R.  17 

— 

_ 

28 

S.  R.  19 

fy 

V!-  ? 

4- 

II. 

29 

M.  K.  25 

>1 

— 

4 

II. 

30 

B.  St.  39 

Ischias 

— 

0 

31 

R.  M.  23 

Neurasthenie 

_ 

_ 

32 

H.  E.  22 

Zellgewebsentzündung 

— 

4 

I. 

33 

A.  Hu.  20 

Lues  II,  Angina 

— 

34 

A.  Sch.  22 

Polyarthr.  rheumat. 

— 

4 

II. 

35 

G.  H.  21 

gesund 

— 

36 

G.  F.  20 

_ 

_ 

37 

H.  Br.  20 

, 

_ 

38 

M.  E.  23 

>y 

— 

— 

4 

II. 

39 

K.  Sch.  16 

Ulcus  ventric. 

— 

_ 

40 

K.  S.  49 

Cystitis 

— 

T - - 

4 

I. 

41 

H.  S.  41 

>> 

— 

4* 

11. 

42 

C.  J.  20 

Cholelitiasis 

— 

43 

E.  M.  32 

Gastritis 

_ 

4 

I. 

44 

H.  C.  32 

Ischias 

— 

_ 

4 

I. 

45 

A.  L.  23 

gesund 

— .■ 

_ 

4 

I. 

46 

K.  St.  62 

Emphys.  pulm.  Bronch.  chron. 

— 

— 

4 

I. 

47 

M.  Ch.  36 

Parametritis  acuta 

— 

_ 

48 

A.  S.  48 

Colica  saturnina 

_ 

49 

H.  Th.  20 

Gastroenteritis  acuta 

_ 

_ 

50 

E.  Be.  23 

gesund 

_ 

_ 

51 

B.  H.  20 

Ulcus  ventric. 

4 

III. 

52 

A.  Ro.  29 

Insuff,  mitral. 

— 

52 

1 

1 

3  1 

H  1 

12  1 

Es  zeigten  also  von  52  Fällen,  in  denen  klinisch  Tuberkulose 
ausgeschlossen  erschien, 

positive  Reaktion .  26  =  50  Proz. 

und  zwar  auf  1  proz.  T.-B.  .  3=  5,77  „  ]  l-f-2proz.  T.-B 

erst  auf  2  proz.  T.-B . 11  =  21,15  „  j  26,92  Proz. 

»  v  4  „  „  12  =  23,08  „ 

Keine  Reaktion  zeigten .  26  =  50  „ 


T  ,a  b  e  1 1  e  IV. 


E  s 

reagierten 

<d  O 

TZ  -*-> 

überhaupt 

auf 

1  0' 

1  /n 

T.-B. 

auf 

2%, 

T.-B. 

auf 

1+2% 

T.-B. 

auf 

4% 

T.-B. 

'<Ü 

QS 

In  Tab.  I 

Proz. 

96,40 

78,57 

14,30 

92,87 

3,60 

Proz. 

3,6 

sichere  Fälle  von  Tuber- 

In  Tab.  II 

(resp. 100) 
75,00 

30,00 

30,00 

60,00 

15,00 

(resp.  0) 
25 

kulose. 

auf  Tuberkulose  verdäch- 

In  Tab.  III 

50,00 

5,77 

. 

21,15 

| 

26,92  23,08 

50 

tige  Fälle. 

Fälle,  in  denon  Tuberkul 

ausgeschl.  erschien. 

sudativa,  um  5  Fälle  mit  leichten  Spitzendifferenzen,  um  1  Fall, 
der  Jahre  lang  an  Spondylitis  mit  Abszessbildungen  gelitten 
hatte,  um  1  Fall  mit  länger  dauernden  abendlichen  Temperatur¬ 
steigerungen  ohne  objektiven  Befund  —  alles  Erkrankungen, 
die  nach  klinischen  Erfahrungen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2271 


einen  tuberkulösen  Ursprung  annehmen  lassen.  Es  braucht  des¬ 
halb  bei  diesen  Fällen  auf  die  Einzelheiten  der  Heredität  und  des 
physikalischen  Befundes  nicht  näher  eingegangen  zu  werden. 

Weit  grössere  Schwierigkeiten  bieten  die  positiven  Re¬ 
aktionen  bei  den  Fällen,  in  denen  klinisch  Tuberkulose  ausge¬ 
schlossen  erschien  (Tabelle  III).  Von  dieser  Gruppe  haben  auf 

1  proz.  oder  2  proz.  Tuberkulin  positiv  reagiert  die  No.  5,  6, 
7.  8,  13,  18,  19,  23,  28,  29,  32,  34,  41,  51.  In  den  meisten  dieser 
Fälle  konnte  auch  eine  nachträgliche  Untersuchung  keinerlei 
Zeichen  für  Tuberkulose  enthüllen;  in  einigen  finden  wir  An¬ 
gaben  wie  die  folgenden: 

No.  28.  Mutter  an  Lungentuberkulose  gestorben,  Schwester 
an  Lungenschwindsucht  leidend;  bis  zum  10.  Jahre  häufige 
Augenentzündungen. 

No.  29.  Sehr  magere  blasse  Person  mit  exquisit  para¬ 
lytischem  Thorax. 

No.  51.  Als  Kind  Vk  Jahr  lang  Augenentzündungen. 

Bemerkt  zu  werden  verdient,  dass  3  dieser  Fälle  (8,  23, 
34)  an  Gelenkrheumatismus  leiden,  einer  (51)  vor  3  Jahren 
Gelenkrheumatismus  gehabt  hat. 

Von  im  ganzen  6  untersuchten  Fällen  von  Gelenkrheuma¬ 
tismus  haben  überhaupt  positiv  reagiert  4. 

Es  ist  dieses  Zusammentreffen  interessant  im  Hinblick  da¬ 
rauf,  dass  in  neuerer  Zeit  von  manchen  Klinikern  auf  den  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Gelenkrheumatismus  und  Tuberkulose 
mit  Nachdruck  aufmerksam  gemacht  worden  ist. 

In  einem  dieser  Fälle  endlich  konnten  wir  das  Bestehen 
einer  tuberkulösen  Erkrankung  direkt  nachweisen. 

F  a  1 1  8.  16  jähriges  Mädchen,  abgelaufener  Gelenkrheumatismus, 
seit  14  Tagen  fieberfrei.  Ophthalmoreaktion  bei  1  proz.  T.-B.  stark 

P°SitDie  darauf  vorgenommene  Tuberkulinimpfung  nach  v.  P  i  r  q  u  e  t 
ergab  ausserordentlich  starke  Reaktion  im  Umkreis  der  Impfstelle. 
Im  Zentrum  der  sich  erhebenden  Quaddel  bildeten  sich  zahlreiche 
nunktförmige  Blutungen,  an  deren  Peripherie  sich  ein  Kranz  von 
Pusteln  abhob.  die  wieder  von  intensiv  geröteter  Haut  eingerahmt 
wurden  —  ein  äusserst  merkwürdiges  Bild.  Die  Erscheinungen 
bildeten  sich  nach  einigen  Tage  zurück. 

Die  späterhin  vorgenommene  Injektion  von  / jo  mg  Alttuberkunn 
brachte  deutliche  positive  Reaktion. 

Wir  haben  die  probatorische  Tuberkulininjektion  bisher  nur  bei 

2  weiteren  Fällen  dieser  Untersuchungsreihe  angewandt,  nämlich 
2  verdächtigen  Fällen  (No.  1  u,  7  Tab.  II);  in  beiden  stimmte  das 
Resultat  mit  dem  der  Ophthalmoreaktion  überein.  Ausgedehntere 
Untersuchungen,  in  denen  diese  beiden  Methoden  nebeneinander  an¬ 
gewandt  werden,  müssen  in  Zukunft  das  Schicksal  der  Ophthalmo¬ 
reaktion  entscheiden  helfen.  —  Es  wird  wesentlich  von  den  Ergeb¬ 
nissen  solcher  vergleichender  Untersuchungen  abhängen,  ob  man  in 
Fällen,  bei  denen- klinisch  Tuberkulose  ausgeschlossen  erscheint,  und 
die  doch  ausgesprochene  Ophthalmoreaktion  zeigen,  das  Bestehen 
tuberkulöser,  klinisch  latenter  Prozesse  annehmen  muss. 

Zum  Vergleich  unserer  Resultate  mit  denen  anderer  Unter¬ 
sucher  genügt  eine  kurze  Betrachtung  der  bisher  noch  wenig 
umfangreichen  Literatur  über  diesen  Gegenstand. 

Bisher  wurden  mit  Ausnahme  der  Untersuchungen  von  E  n  p  e  n  - 
stein  f 5 J  und  J.  Citron  [61  keine  grössere  Zahl  von  Tuberkulösen 
auf  den  Wert  der  Ophthalmoreaktion  untersucht.  Die  ersten  Berichte 
stammen  von  Letulle  [7l.  Dufour  r8j.  C  o  m  b  v  [9].  L  e  t  u  1 1  e 
untersuchte  66  Fälle  (39  Männer,  27  Frauen).  Alle  waren  sicher 
tuberkulös.  Es  reagierten  63  positiv,  3  gar  nicht.  2  von  den  letzteren 
standen  kurz  vor  dem  Tode,  bei  dem  3.  wurden  keine  Bazillen  ge¬ 
funden.  Die  Prozentzahl  der  positiven  Reaktionen  beträgt  bei  ihm 
95,4  Proz. 

Die  Versuchsreihe  Dufour  s  erstreckte  sich  zunächst  auf  10 
Kinder;  es  reagierten  8  positiv,  von  den  2  negativen  Fällen  war  einer 
moribund,  der  zweite  leicht  tuberkulös,  dann  auf  20  weitere  Kinder 
(5  sicher  tuberkulös),  die  alle  positiv  reagierten,  und  15  andere  Fälle, 
die  negativ  reagierten.  Bei  14  Kindern  war  Tuberkulose  ausge¬ 
schlossen,  bei  einem  zweifelhaft.  C  o  m  b  y  untersuchte  16  tuber¬ 
kuloseverdächtige  Kinder.  8  reagierten  positiv,  8  negativ.  2  von 
den  letzten  starben.  Ihre  Obduktion  ergab  absolutes  Freisein  von 
Tuberkulose.  Weiterhin  prüfte  er  die  Reaktion  bei  69  Kranken,  von 
denen  31  positiv.  38  negativ  reagierten.  Genauere  Angaben  über  den 
Verdacht  auf  Tuberkulose  oder  ob  klinisch  Tuberkulose  sicher  war, 
gibt  er  nicht,  4  Fälle  kamen  zur  Obduktion,  der  pathologische  Be¬ 
fund  entsprach  dem  Ausfall  der  Onhthalmoreaktion.  Eine  grössere 
Anzahl  von  Fällen  veröffentlichte  E  noenstein.  Er  untersuchte 
an  klinisch  sicheren  Tuberkulösen  74,  Tuberkuloseverdächtigen  76  und 
an.  klinisch  unverdächtigen  Fällen  76.  Seine  Ergebnisse  wie  die 
J.  C  i  t  r  o  n  s,  der  31  Tuberkulöse,  14  Nichttuberkuloseverdächtige  und 
45  Nichttuberkulöse  untersuchte,  sind,  soweit  sie  mit  1  proz.  T.-B.  be¬ 
handelt  wurden,  in  beistehender  Tabelle,  mit  unseren  entsprechenden 
Resultaten  verglichen,  wiedergegeben. 


Tabelle  V. 


Positiv 

Es  reagierten  bei 

Nach  unseren 
Beobachtungen 
in  Proz. 

Citron 
in  Proz. 

Eppenstein 
in  Proz. 

Von  sicher  Tuberkulösen 

80,64 

72,35 

78,57 

Von  Tuberkuloseverdächtigen 

80,00 

40,00 

30,00 

Von  Fällen,  in  denen  Tuberk. 
ausgeschlossen  schien 

2,20 

0,00 

5,77 

Die  Uebereinstimmung  der  Zahlen  bei  den  verschiedenen 
Untersuchern  ist  ohne  Weiteres  ersichtlich.  Die  Differenzen 
bei  den  auf  Tuberkulose  Verdächtigen  erklären  sich  leicht  durch 
die  Dehnbarkeit  des  Begriffes  „suspekt“,  die  dem  einzelnen 
Untersucher  grosse  Freiheit  lässt  in  der  Auswahl  der  zu  dieser 
Gruppe  gehörigen  Fälle. 

Gehen  wir  in  Kürze  auf  den  Verlauf  der  Reaktion 
ein.  Sie  besteht  in  einer  mehr  oder  weniger  intensiven  Ent¬ 
zündung  der  Augenbindehaut.  Die  ersten  Anzeichen  derselben 
traten  bei  unseren  Untersuchungen  frühestens  nach  5  Stunden, 
spätestens  nach  24  Stunden,  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  nach  ca. 
10 — 12  Stunden  ein.  Sie  bestanden  in  geringer,  aber  gegen¬ 
über  dem  nichtbehandelten  Auge  ganz  deutlicher  Rötung  der 
Karunkel  und  der  Conjunct.  palpebr.,  besonders  des  unteren 
Augenlides  und  hier  speziell  der  Uebergangsfalte.  In  einer 
Reihe  von  Fällen  (die  Stärke  der  Reaktionen  ist  in  den  Tabellen 
vermerkt)  blieb  die  Entzündung  auf  diesem  Stadium,  bei  dem 
subjektive  Erscheinungen  gar  nicht  beobachtet  wurden,  stehen. 
In  anderen  Fällen  und  das  ganz  besonders  bei  den  sicheren 
Tuberkulosen  — .nahm  diese  Rötung  weiterhin  an  Intensität  zu; 
auf  der  Conj.  bulbi .  bildete  sich  ein  Gefässnetz  aus,  und  das 
Auge  bot  das  typische  Bild  einer  ausgesprochenen  Konjunkti¬ 
vitis,  mit  ihren  subjektiven  Begleiterscheinungen:  Brennen,  Ge¬ 
fühl  von  Schwere  und  Sand  in  den  Augen,  reichliches  Tränen 
und  Verschleierung  des  Gesichts.  Nur  in  wenigen  Fällen  wurde 
die  Entzündung  so  stark,  dass  therapeutische  Massnahmen  an¬ 
gezeigt  erschienen,  unter  denen  die  subjektiven  und  objektiven 
Erscheinungen  rasch  abnahmen.  In  2  Fällen  kam  es  zu  be¬ 
trächtlicher  Schwellung  und  Rötung  der  Lider,  die  tagelang  an¬ 
hielten  —  beides  Fälle,  in  denen  ein  4  proz.  T.-B.  eingeträufelt 
wurde.  Die  Reaktion  erreichte  ihren  Höhepunkt  nach 
24—36  Stunden.  Die  maximale  Dauer  in  einem  Fall  be¬ 
trug  150  Stunden.  Gewöhnlich  war  nach  2—3  Tagen  die  Re¬ 
aktion  vollständig  abgelaufen. 

In  einigen  Fällen  traten  leichte  Komplikationen  auf.  Wir 
beobachteten  3  mal  eine  leichte  phlyktänulöse  Eruption  am 
Rande  der  Hornhaut  mit  ziliarer  Injektion.  Auch  E  p  p  eil¬ 
st  e  i  n  (1.  c.)  hat  diese  Komplikation,  allerdings  bei  Kindern, 
gesehen,  spricht  sich  aber  über  den  Zusammenhang  der  Re¬ 
aktion  sehr  reserviert  aus.  In  unseren  Fällen,  die  Erwachsene 
betrafen,  scheint  ein  zufälliges  Zusammentreffen  aus¬ 
geschlossen. 

In  3  Fällen  trat  ferner  im  Anschluss  an  die  Einträufelung 
ein  leichter  Herpes  des  Gesichts  auf,  in  einigen  Fällen  eine 
leichte  Follikulitis;  Komplikationen,  deren  Zusammenhang  mit 
der  Einträufelung  zweifelhaft  erscheint.  Wirklich  unange¬ 
nehme  Nebenerscheinungen  wurden  in  keinem  Falle  gesehen. 
Eine  Temperatursteigerung  trat  nie  ein. 

Ueberblicken  wir  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchungerl 
und  die  anderer  Arbeiten,  so  ergibt  sich  aus  den  bisher  ge¬ 
fundenen  Zahlen,  dass  der  Ophthalmoreaktion 
zweifellos  eine  grosse  Bede  u  tu  n  g  z  u  kommt, 
und  dass  ihr  in  der  allgemeinen  Praxis  für  die  Frühdiagnose 
der  Tuberkulose  nach  unserer  Ansicht  bald  ein  hervorragender 
Platz  eingeräumt  wird.  Denn  so  gut  auch  die  physikalischen 
Untersuchungsmethoden  besonders  in  neuester  Zeit  ausgebaut 
sein  mögen,  so  gross  auch  die  Sicherheit  der  Frühdiagnose 
der  Lungentuberkulose  mit  der  Untersuchung  des  Sputums  aut 
Bazillen  geworden  ist,  immer  noch  zu  häufig  werden  die  An¬ 
fänge  der  Spitzenkatarrhe  in  der  Praxis  übersehen,  w  ofur  die 
Klagen  der  Heilanstaltsleiter  beredtes  Zeugnis  ablegen.  Auch 


2272 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


die  Untersuchung  mit  Hilfe  der  Röntgenstrahlen,  die  in  den  letz¬ 
ten  Jahren  sehr  gefördert  wurde,  sowie  die  bisher  diagnostisch 
zuverlässigste  Methode  der  probatorischen  Tuberkulininjektion 
können  an  dieser  Tatsache  nichts  ändern1)-  Beide  Methoden 
stossen  in  der  Praxis  auf  grosse,  oft  unüberwindliche  äussere 
Schwierigkeiten  und  sind  deshalb  von  allgemeiner  Anwendbar¬ 
keit  weit  entfernt.  Sollte  deshalb  die  Ophthalmoreaktion  wirklich 
die  Lücke  in  der  diagnostischen  Untersuchungsmethode  aus¬ 
füllen  können,  so  müsste  sie  bei  der  Einfachheit  ihrer  Aus¬ 
führung  für  die  Frühdiagnose  speziell  der  Lungentuberkulose 
und  damit  für  ihre  Heilung  von  grösster  Bedeutung  werden. 

Auf  Grund  unserer  Beobachtungen,  die  freilich  noch  viel¬ 
facher  Ergänzungen  bedürfen,  sind  wir  von  dem  Wert  der 
Ophthalmoreaktion  überzeugt  und  glauben,  sie  mit 
Rücksicht  auf  ihre  Gefahrlosigkeit  und  die 
Einfachheit  ihrer  Ausführung  zur  möglichst 
allgemeinen  ärztlichen  Anwendung  und 
Nachprüfung  empfehlen  zu  dürfen. 

Literatur. 

1.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  22,  S.  700.  —  2.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1907,  No.  20,  S.  644  und  No.  22,  S.  699.  —  3.  Sur  un 
nouveau  procede  de  diagnostic  de  la  tuberculose  chez  Thomrne  par 
l'ophthalmoreaction  ä  la  tuberculine.  Compt.  rend.  d.  seänces  de 
l’acad.  d.  Sciences.  No.  24  (Juni  1907).  —  4.  Ueber  Tuber¬ 
kuloseantikörper  und  das  Wesen  der  Tuberkulinreaktion.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1907,  No.  36.  —  5.  Ueber  die  Reaktion  der  Konjunktiva 
auf  lokale  Anwendung  von  Tuberkulin.  Med.  Klin.  1907,  No.  36.  — 
6.  Ref.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  33,  S.  1052  (Demonstration 
von  Ophthalmoreaktion  bei  Tuberkulose).  —  7.  Ref.  Sem.  med.  1907, 
No.  27.  —  8.  Ref.  Sem.  med.  1907,  No.  30.  —  9.  Ref.  Sem.  med.  1907,’ 
No.  31. 


Gefässstreifen  —  ein  Erkennungsmittel  der  beginnenden 

Schwindsucht. 

Von  Dr.  Karl  Francke  in  München. 

Vielen  werden  bei  den  Untersuchungen  der  Lungen  in  der 
Haut  über  den  Spitzen  schon  feine  rote  Streifen  aufgefallen 
sein.  Diese  entsprechen  offenbar  erweiterten,  mit  Blut  ge¬ 
füllten  Aederchen.  Bei  weiterem  Verfolgen  findet  man,  dass 
diese  Streifen  gar  nicht  selten  und  ohne  allen  Zweifel  auch  über 
Lungenspitzen  zu  beobachten  sind,  die  keine  Zeichen  einer  Er- 
kiankung  erkennen  lassen.  Aber  unsere  Gefässstreifen  kom¬ 
men  nicht  allein  über  den  Lungenspitzen  vor.  In  der  Haut 
der  vorderen  Brustwand  und  des  Rückens  sind  sie  bisweilen 
sehr  zahlreich  zu  sehen.  Ferner  findet  man  sie,  wenn  auch  in 
w  esentlich  anderer  Anordnung,  nicht  selten  gürtelförmig  um 
die  vordere  Hälfte  des  Leibes  über  und  unter  den  beiden  Rip¬ 
penbögen  und  unter  dem  Schwertfortsatz.  Dann  sieht  man  sie 
über  dem  Kreuzbein  und  an  den  Beinen  bisweilen  wenig,  bis¬ 
weilen  in  grosser  Anzahl  und  Ausdehnung.  Auch  im  Gesicht, 
besonders  auf  roten  Backen,  in  Narbengebieten,  nach  Ent¬ 
zündungen  und  Verletzungen,  nach  Verbrennungen,  auch  in¬ 
folge  von  Röntgenbestrahlungen  kann  man  diese  Streifen  ge¬ 
legentlich  beobachten.  Oft  handelt  es  sich  also  um  die  Folgen 
besonderer  Beeinträchtigung  der  Haut.  In  diesen  Fällen  kann 
man  sich  über  die  Entstehung  der  Atonie,  der  Paralyse  in  den 
Gefässwänden,  die  den  Erweiterungen  zugrunde  liegen  muss, 
unschwer  eine  Vorstellung  machen.  Anders  verhält  es  sich 
mit  den  Gefässstreifen,  die  sich  in  solcher  Haut  entwickeln 
die  keine  Beeinträchtigung  erfahren  zu  haben  scheint,  also 
besonders  in  der  Haut  über  den  Lungen,  zumal  über  den  Lun¬ 
genspitzen.  Für  sie  fand  man  bisher  meines  Wissens  keine  Er¬ 
klärung.  Das  mag  wohl  der  Grund  sein,  warum  man  diesen 
so  häufigen  Erscheinungen  keine  Beachtung  schenkte.  Selbst 
die  Lehrbücher  der  Hautkrankheiten,  die  mir  zur  Verfügung 
stehen,  beschreiben  die  Gefässstreifen  nicht.  Offenbar  hält 
man  sie  immer  für  bedeutungslose  Zufälligkeiten.  Wir  wer¬ 
den  sehen,  dass  die  Gefässstreifen  über  den  Lungen  sorgfältige 
Beachtung  recht  wohl  verdienen. 

Als  lateinischer  Name  für  diese  „Gefässstreifen“  oder 
„Streifengefässe“  könnte  in  Frage  kommen:  Vascula  cutanea 
strüformia;  aber  diese  Bezeichnung  wäre  zu  lang.  Zweck- 


)  Ziegler:  Die  Frühdiagnose  .der  Lungentuberkulose  mittels 
der  K  o  c  h  sehen  Tuberkulinprobe  in  der  ärztlichen  Praxis  (Diese 
Wochenschr.  No.  27,  1907).  .  ' 


mässiger  wird  sein:  Striae  vasculares.  Der  Name 
Striae  allein  wird  schon  gebraucht  für  die  Narbenstreifen,  die 
infolge  von  Zerrung  oder  Zerreissung  des  Gewebes  oft  in  der 
Haut  des  Unterleibs  zu  sehen  sind  bei  Schwangeren,  bei  As¬ 
zites  und  Tumoren.  Aber  man  kennt  auch  Striae  acusticae, 
Striae  Lancisi  und  Striae  Willisii.  Droht  eine  Verwechslung, 
dann  wird  man  eben  auch  für  unsere  Gebilde  nicht  allein  Striae, 
sondern  Striae  vasculares  zu  setzen  haben,  wenn  man  sich  mit 
dem  Namen  „Gefässstreifen“  nicht  begnügen  will. 

Es  gibt  bekanntlich  in  der  Haut  2  ziemlich  gut  getrennte 
Gefässnetze,  ein  oberflächliches,  unter  den  Papillen  liegendes, 
und  ein  tiefes,  um  die  Schweissdrüsen  liegendes.  Die  uns* 
sichtbaren  Gefässstreifen  gehören  augenscheinlich  dem  ober¬ 
flächlichen  Netz  an,  denn  sie  sind  zumeist  sehr  deutlich  zu 
sehen,  auch  sind  sie  oft  durch  ganz  geringen  Druck  schon  blut¬ 
leer  zu  drücken. 

Die  Streifen  sind  nicht  erweiterte  Venen  oder  Arterien,  es 
sind  erweiterte  Haargefässe.  Die  Haargefässe 
haben  feine  Wandungen,  die  aus  platten,  spindelförmigen  Zel¬ 
len  bestehen,  die  meist  parallel  zur  Längsrichtung  der  Ge- 
fässe  stehen.  Die  Wandungen  sind  Epithelmembranen.  Diese 
Zellen  besitzen  die  Fähigkeit,  sich  zusammen  zu  ziehen  und  zu 
erschlaffen,  aber  sie  sind  doch  wenig  elastisch,  so  dass  sie,  zu¬ 
mal  wenn  sie  erkrankt  sind,  leicht  überdehnt  werden  und  dann 
nicht  wieder  zurückgehen. 

Bei  genauerem  Zusehen  finden  wir,  dass  über  den  Lungen¬ 
spitzen  in  der  Haut  bisweilen  nur  ein  oder  zwei  Streifen  zu 
sehen  sind,  bisweilen  mehr,  bisweilen  sehr  viele.  Sie  sind  sehr 
verschieden  lang:  2 — 8  mm,  aber  auch  verschieden  dick.  Sie 
verlaufen  unregelmässig:  gerade  oder  meist  ungerade.  Sie 
sind  nicht  verzweigt  oder  einmal  verzweigt.  Sie  sind  von 
frischroter  Farbe  oder  mehr  blaurot  bis  zu  lividem  Hellblau. 
Wenn  die  Streifen  frisch  rot  sind,  dann  sind  sie  gewöhnlich 
besonders  dünn  —  im  Durchschnitt  nur  0,25  mm  —  und  mit 
scharfem  Rande  an  ihren  beiden  Seiten  von  der  weissen  Um¬ 
gebung  abgesetzt.  Sind  sie  mehr  blaurot  oder  blau,  dann  sind 
sie  breiter  (0,75 — 1  mm)  und  wenig  scharf  von  der  Umgebung 
abgesetzt;  sie  gehen  dann  allmählich  in  die  umgebende  Haut 
über;  bisweilen  sind  sie  dann  überhaupt  nicht  scharf  zu  sehen. 
Wenn  die  Streifen  blau  sind,  dann  sind  sie  oft  mit  der  Lupe 
nicht  mehr  zu  erkennen  infolge  der  eigenen  Farbenwirkung. 

Sind  die  Streifen  frisch  rot,  dann  sind  sie  durch  leichten 
Druck  auf  kurze  Zeit  zum  Verschwinden  zu  bringen.  Sie  er¬ 
scheinen  aber  bald  wieder;  offenbar  füllen  sich  die  ent¬ 
sprechenden  Blutgefässe  rasch  wieder.  Sind  die  Streifen  mehr 
blau,  dann  gelingt  es  nicht  so  leicht,  sie  durch  Druck  zu  be¬ 
seitigen.  In  der  Leiche  sind  die  Streifen  zu  allermeist  ver¬ 
schwunden.  Dass  die  Füllung  der  Streifen  durch  die  Atmung 
beeinflusst  wird,  davon  konnte  ich  mich  nicht  überzeugen. 
Nach  meinen  Beobachtungen  hat  es  keinen  Zweck,  zu  ver¬ 
suchen,  nicht  ganz  deutlich  zu  sehende  Streifen  durch  ge¬ 
zwungenes  tiefes  Ausatmen  sichtbarer  zu  machen. 

Es  ist  unschwer  festzustellen,  dass  unsere  Hautstreifen  bis¬ 
weilen  in  vorher  gesunder  Haut  entstehen  und  —  allmählich  — 
wieder  vergehen.  Die  Entwicklung  kann  in  wenigen  Tagen 
erfolgt  sein,  das  Verschwinden  aber  nimmt  lange  Zeit  in  An¬ 
spruch  :  sie  heilen  im  grossen  und  ganzen  schlecht.  Die  kür¬ 
zeste  Zeit,  in  der  ich  das  Entstehen  und  spurlose  Vergehen 
beobachtet  habe,  betrug  63  Tage.  Es  handelte  sich  um  eine 
36  jährige  Frau,  die  wegen  Magenkrebs  in  Behandlung  stand. 
Sie  bekam  einen  schweren  Katarrh  der  rechten  Spitze  mit  dem 
Auftreten  einer  Anzahl  Gefässstreifen  RHO.  In  der  ange¬ 
gebenen  Zeit  waren  diese  Streifen  wieder  verschwunden.  Zu 
allermeist  bestehen  die  Streifen  viel  länger.  Ich  habe  sie  oft 
Jahre  lang  beobachtet,  nur  beobachtete  ich  dabei,  dass  sie  all¬ 
mählich  breiter  wurden  und  mehr  blau  als  rot. 

Ein  Pulsieren  der  Streifen  habe  ich  nie,  auch  im  Fieber 
nicht,  trotz  genauer  Beobachtung  gesehen. 

Zur  Entstehung  einer  Gefässerweiterung  gehört  entweder 
eine  Vermehrung  des  Druckes  in  dem  Gefäss  oder  eine  Erkran¬ 
kung  der  Gefässwand  oder  beides.  In  unseren  Fällen  kann  es 
sich  also  nur  handeln  um  mechanische  Gefässerweiterung  in¬ 
folge  vermehrten  Druckes  vom  Herzen  aus  oder  verminderten 
Abflusses,  um  eine  Druckhyperämie,  eine  Druckteleangiektasie 
oder  um  eine  Erkrankung  der  Gefässwand  oder  um  beides. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2273 


Durch  eine  krankhafte  Veränderung  des  Druckes  aber  können 
unsere  Gefässerweiterungen  nicht  entstanden  sein,  denn  ge¬ 
rade  bei  starken  Erhöhungen  des  Druckes  finden  wir  die  Ge- 
fässstreifen  nicht  oder  nur  selten,  so  in  der  Umgebung  von 
Furunkeln,  bei  Geschwülsten,  bei  Herzfehlern.  Es  muss  sich 
um  Entzündungen  der  Gef  ässwände  handeln,  die 
zur  Atonie  und  zur  Ektasie  führen.  Die  dünnen  hoch¬ 
roten  Streifen  entsprechen  frisch  entzünde¬ 
ten  Gefässen,  die  breiten  blauroten  Streifen 
entsprechen  solchen  mit  länger  schon  be¬ 
stehenden  oder  schon  abgelaufenen  Gefäss- 
wandentzündungen. 

Eine  Heilung  solcher  Gefässwandentziindungen  er¬ 
folgt  sicher  nicht  unter  allmählicher  Wiederverengerung.  Eine 
völlige  Wiederherstellung  gibt  es  da  offenbar  nicht.  Die  Strei¬ 
fen  schwinden  allmählich,  indem  sie  breiter,  bläulich  und 
immer  weniger  deutlich  werden.  Bald  lassen  sie  sich  nicht 
mehr  verdrücken.  Es  tritt  also  jedenfalls  eine  Blutstauung, 
eine  Gerinnung  des  Blutes  ein  mit  einer  Durchwachsung  der 
Gefässwand  und  der  geronnenen  Massen  im  Inneren  des  Ge- 
fässes  mit  Bindegewebe.  Es  kommt  zu  einer  Verödung  des 
Gefässes  mit  Schrumpfung,  deren  Ausdehnung  aber  nur  zu 
gering  ist,  als  dass  sie  eine  sichtbare  Veränderung  der  Haut 
erzeugte. 

Haben  sich  Tuberkelpilze  in  einer  Lungenspitze  angesie¬ 
delt  und  dort  eine  Entzündung  erzeugt,  so  wird  es,  wenn  der 
(Krankheitsherd  der  Lungenoberfläche  nahe  genug  liegt,  auch 
zu  einer  umschriebenen  Lungenfellentzündung,  zu  einer 
Pleuritis  pulmonalis  tuberculosa  kommen.  Bald 
erkrankt  aber  die  gegenüber  liegende  Pleura  costalis  dann 
auch;  es  entsteht  auch  eine  Pleuritis  costalis  circumscripta.  Es 
kann  jetzt  zu  einer  Verwachsung  der  beiden  Pleurablätter 
kommen.  Diese  kann  eine  dauernde  bleiben,  die  schliesslich 
bei  der  Sektion  festzustellen  ist.  Die  Verwachsung  kann  sich 
aber  auch  wieder  lösen  und  bei  einer  endlichen  Sektion  wird 
höchstens  eine  narbige  Verdickung  der  Pleurablätter  gefunden. 

Die  umschriebene  Erkrankung  der  Pleura  costalis  kann 
aber  zu  einer  Entzündung  des  sub-  oder  peripleuralen  Gewebes 
führen.  Auch  diese  kann  schliesslich  wieder  schwinden.  Wäh¬ 
rend  des  üppigen  Gedeihens  der  pathophoren  Pilze  aber  wer¬ 
den  massenhaft  Bakterienproteine  und  Toxine  gebildet.  Diese 
durchsetzen  den  Entzündungsherd  und  seine  Umgebung  und 
werden  zumeist  schliesslich  in  den  Lymphbahnen  abgeführt. 
Es  befindet  sich  also  zu  dieser  Zeit  in  der  Umgebung  des 
Krankheitsherdes,  also  auch  in  den  der  entzündeten  Pleura 
costalis  nahen  Gebieten  der  Aussenhaut  des  Brustkorbes  reich¬ 
lich  Entzündung  erregende  Masse.  Die  Lymphbahnen  sollen, 
so  sagen  unsere  Histologen,  um  die  Blutgefässe  der  Haut  förm¬ 
lich  Scheiden  bilden,  so  dass  die  Lymphmasse  die  Blutgefässe 
umspült.  So  ist  es  erklärlich,  dass  in  solcher  Entzündung  er¬ 
regenden  Masse  führenden  Lymphe  Entzündungen  der  Blut¬ 
gefässwände  entstehen.  Diese  führen  zur  Erschlaffung  der 
Wände.  Der  Druck  in  den  Gefässen  verursacht  jetzt  Gefäss¬ 
erweiterungen.  Es  kommt  zur  Bildung  der  Gefäss- 
streifen,  der  Striae  vasculares. 

Wir  haben  jetzt  eine  Vorstellung  von  der  Bildung  von  Ge¬ 
fässstreifen  bei  tuberkulöser  Spitzenerkrankung.  Der  nächste 
Gedanke  ist,  diese  Streifen  zur  Erkennung  und  Feststellung 
von  Spitzenerkrankung  zu  benützen,  sie  als  Diagnostika 
zu  verwerten.  Um  ihre  Bedeutung  nach  dieser  Richtung 
zu  übersehen,  müssen  wir  einige  Fragen  beantworten. 

Wie  oft  kommen  Gefässstreifen  bei  tuber¬ 
kulösen  Lungenspitzeuerkrankungen  vor? 

Um  diese  Frage  zu  beantworten,  habe  ich  200  Fälle  von 
Spitzentuberkulose,  die  in  meine  Sprechstunde  kamen,  genau 
beobachtet  und  zusammengestellt.  Es  sind  auch  Fälle  vorge¬ 
schrittener  Lungentuberkulose  hiermit  aufgenommen,  so  dass 
es  sich  um  Leichterkrankte,  Mittelschwererkrankte  und 
Schwererkrankte  handelt.  Von  den  Ersteren  sind  154  unter 
den  200,  von  den  Zweiten  32  und  von  den  Dritten  14.  Von 
diesen  Fällen  zeigten  151  Gefässstreifen  und  nur  49  zeigten 
keine.  75,5  Proz.,  d.  h.  also:  Drei  Viertel  aller  Brust¬ 
leidenden  zeigen  Gefässstreifen  und  nur  ein 
Viertel  ist  frei.  Dabei  waren  vorhanden  bei  einfacher 
Zusammenzählung  ein  oder  mehrere  Streifen:  25 mal  RVO, 

No.  46. 


109  mal  RHO,  27  mal  LVO,  115  mal  LHO.  Was  die  Anord¬ 
nung  der  Streifen  im  Einzelnen  anlangt,  so  fanden  sich  ein 
oder  mehrere  Streifen  n  u  r  RVO  3  mal,  nur  RHO  20  mal,  n  u  r 
LVO  1  mal,  nur  LHO  25 mal.  RVO  und  RHO  und  LVO  und 
LHO  fanden  sich  Streifen  nur  in  7  Fällen.  Von  den  anderen 
Anordnungen  fanden  sich  am  häufigsten  RHO  und  LHO 
Streifen  und  zwar  in  64  Fällen.  Das  heisst:  fast  in  jedem 
3.  Fall  von  Spitzentuberkulose  findet  man  Streifen  RHO  und 
LHO  (während  in  diesen  Fällen  RVO  und  LVO  keine  Streifen 
vorhanden  sind).  Von  154  Leichterkrankten  hatten  35  keine 
Streifen,  also  23  Proz.;  von  den  32  Mittelschwererkrankten 
hatten  8,  also  25  Proz.  keine  Streifen  und  von  den  14  Schwer¬ 
kranken  hatten  6,  also  43  Proz.  (fast  die  Hälfte),  keine  Streifen. 
Unter  den  8  Schwerkranken,  die  Streifen  hatten,  waren  mehrere 
mit  vielen  Streifen,  zwei  mit  besonders  vielen  Streifen. 

Wie  oft  werden  über  den  Lungenspitzen 
Gefässstreifen  bei  anscheinend  gesunden 
Menschen  beobachtet? 

Um  diese  Frage  zu  beantworten,  stand  mir  kein  ganz  ein¬ 
wandfreies  Material  zur  Verfügung.  Ich  musste  mich  mit  den 
Besuchern  meiner  Sprechstunden  begnügen,  also  mit  nicht  ge¬ 
sunden,  sondern  mit  kranken  Menschen.  Von  diesen  suchte 
ich  mit  Sorgfalt  diejenigen  heraus,  die  nicht  über  Lungenbe¬ 
schwerden  klagten  und  keine  Veränderungen  in  den  Lungen¬ 
spitzen  zeigten,  sondern  an  anderen  Leiden  erkrankt  waren. 
Von  diesen  Menschen  untersuchte  ich  150  genau  auf  die  An¬ 
wesenheit  von  Gefässstreifen  über  den  Lungenspitzen.  Es  fan¬ 
den  sich  Streifen  in  41  Fällen,  während  109  von  solchen  ganz 
frei  waren,  also :  27  Proz.,  das  ist  etwa  ein  Viertel  trug 
Gefässstreifen,  drei  Viertel  waren  frei.  (Von 
den  41  hatten  16  den  oder  die  Streifen  nur  RHO  und  6  nur 
LHO,  während  16,  also  nahe  40  Proz.,  die  Streifen  RHO  und 
LHO  angeordnet  hatten. 

Das  sind  höchst  eigentümliche  Zahlen,  die  scheinbar  gegen 
unsere  Aufstellung  von  der  Entstehung  und  dem  Wesen  der 
Gefässstreifen  sprechen.  Aber  das  ist  doch  nur  scheinbar  der 
Fall.  Je  länger  man  in  der  Praxis  steht  und  je  mehr  Sorgfalt 
man  auf  das  Studium  der  Lungentuberkulose  verwendet,  desto 
mehr  kommt  man  zu  der  Ueberzeugung,  dass  die  tuberkulöse 
Pneumonie  eine  Erkrankung  darstellt,  die  sich  gewöhnlich 
noch  über  viel  längere  Zeit  erstreckt,  als  das 
allgemein  angenommen  wird.  Von  denen,  die 
schliesslich  an  Lungentuberkulose  sterben,  erliegen  sicher  nicht 
viele  der  ersten  Erkrankung.  Durch  Besserung  der  Lebens¬ 
verhältnisse,  mit  der  kommenden  schöneren  Jahreszeit  treten 
ihre  Beschwerden  oft  zurück  und  schwinden  bald  ganz.  Die 
Träger  halten  sich  für  geheilt.  Infolge  irgendwelcher  Schädi¬ 
gung  erkranken  sie,  wie  sie  meinen,  von  Neuem,  heilen  wieder, 
bis  sie  schliesslich  der  Tuberkulose  erliegen.  I  atsächlich  hat 
der  praktische  Arzt  sehr  viel  mit  augenscheinlich  heilender 
Spitzentuberkulose  zu  tun.  Aber  im  Ablauf  des  langen  Krank¬ 
seins  an  Spitzeninfiltration  sterben  die  Träger  auch  in  vielen 
Fällen  an  einem  anderen  Leiden.  Die  Sterblichkeit  an  Schwind¬ 
sucht  gibt  uns  also  keinen  Aufschluss  über  die  Häufigkeit  der 
Spitzentuberkulose.  Sehen  wir,  was  uns  die  Sektionen  übei 
die  Häufigkeit  an  Spitzenerkrankungen  berichten. 

Wieoftkommttuberkulöse  Spitzenerkran- 
kungüberhauptvor? 

Für  unsere  Vorstellung  von  der  Häufigkeit  tuberkulöser 
Spitzenerkrankungen  ist  eine  Arbeit  massgebend  aus  dem 
R  i  b  b  e  r  t  sehen  Institut  in  Zürich,  die  offenbar  auf  sorgfältigen 
Studien  beruht  (Virchows  Archiv,  Bd.  160,  S.  126  ff.).  N  ä  g  e  1  i 
fand  von  189  Leichen  Erwachsener  nur  bei  dreien  keine  Tuber¬ 
kulose,  aber  186,  also  98  Proz.,  waren  tuberkulös.  Von  diesen 
186  waren  42  todbringende  Tuberkulosen  =  22  Proz.  und  146, 
also  78  Proz.  nicht  todbringend.  N  ä  g  e  1  i  kommt  zu  dem 
Schluss:  „Die  Häufigkeit  der  Tuberkulose,  angeboren  und  im 
ersten  Lebensjahr  noch  sehr  gering,  wächst  vom  1.  Jahr  an 
bis  zum  18.  stetig  und  ziemlich  gleichmässig,  erreicht  mit  der 
Geschlechtsreife  96  Proz.  und  hält  sich  dann  später  ganz  auf 
der  Höhe  von  100  Proz."  Das  heisst  also:  Alle  Erwach¬ 
senen  sind  tuberkulös.  Unter  den  74  källen  nicht 
tödlicher,  latenter  aktiver  Tuberkulose  fanden  sich  nur  4  Fälle, 
die  mit  Lunge  und  Pleura  nichts  zu  tun  hatten.  Unter  11 
Fällen  latenter  inaktiver  Tuberkulose  war  kein  Fall,  in  dem 

2 


2274 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


die  Lungen-  und  rracheobronchialdrüsen  frei  gewesen  wären. 
In  der  rechten  Lunge  fanden  sich  in  26  Fällen 
keine  Abnormitäten,  in  85  der  Tuberkulose  ver¬ 
dächtige  Veränderungen,  in  45  Spitzenverwach¬ 
sungen,  in  66  pleuritische  Narben,  in  61  schiefrige  Indurationen 
und  in  15  Kalkherde  in  Indurationen.  In  der  linken  Lunge 
fanden  sich  in  30  Fällen  keine  Abnormitäten,  in  8  1  d  e  r  Tu¬ 
be  r  k  u  1  o  s  e  verdächtige  Veränderungen,  in  40 
Spitzenverwachsungen,  in  66  pleuritische  Narben,  in  58  schief¬ 
rige  Indurationen  und  in  11  Kalkherde.  Beide  Lungen  waren 
nur  16  mal  frei. 

Diese  Zahlen  decken  sich  mit  den  Ergebnissen  meiner 
eigenen  Sektionen,  die  im  Laufe  der  Jahre  ziemlich  zahlreich 
mit  genauen  Beobachtungen  der  Spitzenerkrankungen  gemacht 
wurden,  die  aber  leider  nicht  nach  der  hier  in  Frage  stehenden 
Richtung  in  den  Einzelheiten  aufgezeichnet  sind.  Ich  stehe 
darum  nicht  an,  N  ä  g  e  1  i  s  Zahlen  als  den  Tatsachen  ent¬ 
sprechend  hinzunehmen. 

Wir  sehen  also,  dass  nahezu  jeder  Erwachsene  lungen¬ 
leidend  ist  oder  gewesen  ist.  Fast  jeder  hat  in  seinem  Körper 
also  schon  einmal  die  Möglichkeit  der  Bildung  der  Gefäss¬ 
streifen  gehabt.  Wie  bemerkt  bleiben  aber  die  einmal  ent¬ 
standenen  Gefässstreifen  meist  jahrelang  bestehen.  Gering¬ 
gradige  Spitzenerkrankungen  aber  heilen  oft  in  Monaten,  ja  in 
Wochen  so  weit  aus,  dass  wir  nichts  mehr  von  ihnen  nach- 
weisen  können.  Darum  erklärt  es  sich,  dass  wir  in  so 
vielen  Fällen  (25  Proz.)  Gefässstreifen  finden 
in  der  Haut  über  den  Lungenspitzen  ohne 
nachweisbare  Spitzenerkrankung. 

Andererseits  kann  man  sich  nicht  verhehlen,  dass  es  bei 
unserer  Erklärung  der  Gefässstreifen  auffallend  ist,  dass  eine 
ganze  Reihe  von  Tuberkulosen  zum  Ende  führen,  ohne  dass 
auch  bei  grossem  Umfang  der  tuberkulösen  Lungenentzündung 
Gefässstreifen  auftreten.  Ich  hatte  Gelegenheit,  zwei  solche 
Fälle  zu  sezieren.  In  dem  einen  Fall  (K.  H.,  63  Jahre)  waren 
überhaupt  keine  Pleuraverwachsungen  und  keine  Pleuranarben 
da.  Im  2.  Fall  (G.  N.,  35  Jahre)  zeigte  die  Pleura  auch  keine 
Verwachsung  bis  auf  eine  runde,  etwa  5  cm  im  Durchmesser 
grosse  Fläche  rechts  hinten.  Dort  sass  im  Oberlappen  nahe 
der  Ideura  eine  apfelgrosse  Kaverne,  in  deren  Ausdehnung 
jene  Verwachsung  gerade  unter  dem  rechten  Schulterblatt  sich 
entwickelt  hatte.  Von  dort  aus  konnten  keine  Entzündungs¬ 
massen  um  den  breiten  Knochen  herum  bis  in  die  Oberhaut  ge¬ 
langen  und  hier  Gefässstreifen  erzeugen.  Es  verläuft  eben  die 
meist  scheinbar  so  gleiche  Schwindsucht  doch  bei  genauem 
Zusehen  so  unendlich  verschieden.  Offenbar  sind  oft  lange  Zeit 
nur  tief  gelegene  Teile  der  Lunge  erkrankt,  und  fraglos  zeigt 
die  Pleura  in  den  einzelnen  Fällen  sehr  verschiedene  Dispo¬ 
sition  zur  Miterkrankung.  Es  darf  als  sicher  gelten,  dass  in 
den  Fällen,  in  denen  sich  trotz  ernster  Erkrankung  keine  Strei¬ 
fen  zeigen,  das  Leiden  sich  zumeist  in  der  Tiefe  der  Lungen  ab¬ 
spielt,  dass  mehr  bronchitische  und  peribronchitische  Vorgänge 
und  Drüsenerkrankungen  vorliegen.  Auch  bei  schweren 
Bronchiektasien  in  den  Unterlappen  sind  nur  sehr  selten  Striae 
zu  beobachten. 

Uebrigens  gibt  es  Fälle  genug,  in  denen  die  Pleura  in  ganz 
ausgedehntem  Masse  verwächst  und  in  solchen  Fällen  findet 
man  meist  sehr  viele  Gefässstreifen  über  der 
ganzen  vorderen  Brustwand,  von  den  Spitzen 
herab  bis  zu  den  Rippenbögen.  Nur  an  der  Stelle  der  Brust¬ 
wand  an  deren  innerer  Seite  der  Herzbeutel  sitzt,  findet  man 
nie  Gefässstreifen,  abgesehen  von  den  Randzonen.  Auch  a  u  f 
dem  Rücken  findet  man  dann  viele  Streifen  von  den 
Spitzen  herab  zwischen  den  beiden  Schulterblättern  bis  2  Fin¬ 
ger  breit  unterhalb  der  Anguli  scapulae.  Oft  genug  sieht  man 
bei  schweren  Phthisen  in  der  Brusthaut  schmale  rote 
und  breite  bläulich-rote  Streifen  —  also  ältere  und  neu 
entstandene  Gefässstreifen  nebeneinander. 

Es  sollen  jetzt  noch  einige  Eigentümlichkeiten  in  der  A  n  - 
Ordnung  und  im  Auftreten  der  Gefässstreifen  be¬ 
sprochen  werden. 

Aus  unseren  Zusammenstellungen  ergibt  sich,  dass  die  Ge¬ 
fässstreifen  sich  annähernd  gleich  häufig  über  der  rechten  und 
über  der  linken  Lungenspitze  finden. 


Die  oben  gegebene  Darstellung  der  Entstehung  der  Gefäss¬ 
streifen  zeigt,  dass  auch  etwas  weiter  ab  vom  Entzündungs¬ 
herd  liegende  Hautgefässe  erweitert  werden  können,  z.  B. 
solche,  die  nahe  über  dem  1.  bis  3.  Dornfortsatz  verlaufen 
oder  sogar  nahe  der  Spina  scapulae. 

Die  Tatsache,  dass  die  Gefässstreifen  so  auffallend 
viel  häufiger  hinten  oben  als  vorne  oben  ge¬ 
troffen  werden,  findet  ihre  Erklärung  zum  Teil  in  dem  Umstand, 
dass  die  eigentliche  Lungenspitze  und  die  Hauptmasse  einer 
jeden  Lungenspitze  hinter  dem  vorderen  Rande  des  Musculus 
cucullaris  liegt.  Die  Erkrankungen  der  Spitze  liegen  also  zu¬ 
meist  hinter  diesem  Rand.  Der  Rand  ist  aber  für  uns  die 
Grenze  zwischen  vorne  und  hinten.  Darum  müssen  auch  die 
Gefässstreifen  zumeist  hinten  zu  finden  sein.  Zum  anderen 
und  wichtigeren  Teil  liegt  die  fragliche  Tatsache  daran,  dass 
offenbar  in  Folge  der  grossen  Beweglichkeit 
der  Brustwand  vorne  gegen  hinten  die  Pleura¬ 
verwachsungen  in  den  vorderen  Teilen  viel  seltener  sind  als 
hinten,  wie  die  Sektionen  ausweisen. 

Die  Lungenleidenden  befinden  sich  fast  stets  im  Herbst, 
im  Winter  und  im  Frühjahr  viel  schlechter  als  wie  im  Sommer. 
Im  Sommer  erfolgen  zumeist  „die  Heilungen“  und  im  Sommer 
haben  die  Lungenheilstätten  die  meisten  Erfolge.  Tatsächlich 
finden  sich  auch  im  Sommer  weniger  Gefäss- 
streife  n  und  von  denen,  die  zur  Beobachtung  kommen,  sind 
recht  viele  breit  und  bläulich-rot,  während  in  den  ungünsti¬ 
geren  Jahreszeiten  die  Gefässstreifen  sich  häufiger  finden  und 
bei  diesen  die  hochroten,  schmalen  und  scharf  konturierten 
überwiegen. 

Man  darf  bei  Gefässstreifen  nicht  mit  Sicherheit  auf  das 
Vorhandensein  von  Pleuraverwachsungen  schliessen.  Das  er¬ 
hellt  aus  unserer  obigen  Darstellung.  Sind  aber  Gefässstreifen 
vorhanden,  während  mit  keiner  unserer  anderen  dia¬ 
gnostischen  Methoden  eine  Lungenerkrankung  festzustellen  ist, 
so  haben  wir  zu  schliessen,  dass  die  tuberkulöse  Entzündung 
der  betroffenen  Lungenspitze  „geheilt“  ist.  Solche  Stellen  blei¬ 
ben  immer  verdächtig  und  wir  können  froh  sein,  in  den  Gefäss¬ 
streifen  einen  Hinweis  auf  solche  Herde  zu  haben,  einen  Hin¬ 
weis,  aus  dessen  Farbe  und  Form  wir  weitere  Schlüsse  ziehen 
können. 

Ueber  die  vorne  erwähnten  weiteren  Gefässstreifen  am 
Körper,  also  um  die  Mitte  der  vorderen  Körperhälfte,  über 
dem  Becken  und  an  den  Beinen  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  ver¬ 
handeln.  Hier  sei  nur  hervorgehoben,  dass  es  sicher  Gefäss¬ 
streifen  genug  gibt,  die  mit  Tuberkulose  nichts  zu  tun  haben. 
Aber  für  die  Praxis  gilt  der  Satz :  Die  Streifen bildung 
m  der  Haut  über  den. Lun  genspitzen  ist  her¬ 
vorgerufen  durch  tuberkulöse  Vorgänge  in 
den  obersten  Teilen  der  Lungen.  Daraus  folgt : 
Das  Vorhandensein  von  Gefässstreifen  in  der 
Haut  über  den  Lungenspitzen  beweist,  dass  in 
nahe  gelegenen  Lungenteilen  tuberkulöse 
Entzündungen  sich  abspielen  oder  abgespielt 
haben,  ist  also  pathognomonisch.  Ueber  den  Lungen  ist  also 
die  Untersuchung  auf  Hautstreifen,  „die  Streifenschau“  eine 
diagnostische  Methode. 

Im  einzelnen  gelten  folgende  Sätze: 

1.  Das  Vorhandensein  von  Streifen  beweist,  dass  i  n  d  e  n 
oberflächlichen  Teilen  der  Lungen  tuberkulöse 
Herde  sitzen  oder  gesessen  haben. 

2.  Das  Fehlen  von  Streifen  bei  offenbarer  Lungentuber¬ 
kulose  beweist,  dass  die  Entzündung  in  der  Tiefe  der 
Lungen  bronchitisch,  peribronchitisch  oder  in  den  Drüsen 
abläuft. 

3.  Die  Masse  und  die  Verteilung  der  Streifen  erlaubt  einen 
Schluss  auf  die  Ausdehnung  des  tuberkulösen  Herdes. 

4.  Die  Farbe  und  die  Form  der  Streifen  zeigt  das  Alter 
der  Entzündung  an. 

5.  Die  Form,  die  Farbe  und  die  Häufung  der  Streifen  er¬ 
möglicht  einen  Schluss  auf  die  Intensität  der  Ent¬ 
zündung. 

6.  Eine  Mischung  von  Streifen  verschiedener  Arten  zeigt, 
dass  neue  und  alte  Entzü-n  düngen  nebenein¬ 
ander  bestehen. 


12.  November  1907. 


MUEN.CHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2275 


Die  Verwertung  des  neuen  Diagnostikums  setzt  wie  die 
aller  Methoden  grosse  Sorgfalt  voraus.  Es  handelt  sich  ja  bei 
der  frühzeitigen  Erkennung  der  .Spitzentuberkulose  um  eine 
Frage,  die  nahezu  jeden  einzelnen  angeht  und  zu  deren  Be¬ 
antwortung  unsere  bisherigen  Erkennungswege  durchaus  noch 
nicht  Befriedigendes  leisten.  Es  liegt  darum  hier  wohl  Ver¬ 
anlassung  vor,  jede  Verschärfung  unseres  Erkennungsvermö¬ 
gens  sorgfältig  zu  prüfen.  Ich  bin  mir  des  hypothetischen 
Charakters  meiner  Erklärung  und  der  Schlussfolgerungen  aus 
dieser  Erklärung  wohl  bewusst,  aber  —  wie  oft  müssen  wir  in 
der  Pathologie  nicht  die  Vermutung  zu  Hilfe  nehmen,  da,  wo 
wir  noch  kein  gesichtertes  Wissen  haben!  Eine  Hypothese 
kann  und  muss  zunächst  genügen,  wenn  sie  wie  hier  eine  be¬ 
friedigende  Erklärung  reichlich  zusammengetragener  neuer 
Tatsachen  bietet,  ja,  dann  muss  sie  willkommen  sein,  denn  sie 
veranlasst  neue  und  schärfere  Fragestellungen. 


Aus  der  dermatologischen  Universitätsklinik  in  Bern  (Direktor: 

Prof.  Dr.  J  a  d  a  s  s  o  h  n). 

Ueber  einen  Fall  von  ulzeröser  Hautaffektion  beim  Er¬ 
wachsenen,  verursacht  durch  den  Bacillus  pyocyaneus. 

Von  Dr.  Felix  Lewandowsky,  1.  Assistent  der  Klinik. 

Die  lang  diskutierte  Streitfrage,  ob  der  Bacillus  pyocya¬ 
neus  unter  Umständen  auch  für  den  Mienschen  pathogen  werden 
kann,  ist  durch  eine  ganze  Anzahl  von  Beobachtungen,  beson¬ 
ders  aus  den  letzten  10  Jahren,  wohl  endgültig  in  bejahendem 
Sinne  entschieden.  Zu  den  von  Wassermann  in  dem  Pyo- 
zyaneuskapitel  des  Rolle -  Wassermann  sehen  Hand¬ 
buches  zusammengestellten  Fällen  sind,  soweit  ich  sehe,  seit¬ 
dem  noch  die  Fälle  von  De  la  Camp,  Rolly,  Hübener, 
Klieneberger  und  E.  Fraenkel  hinzugekommen.  In, 
diesen  sowie  den  meisten  früher  mitgeteilten  Beobachtungen 
von  Pyozyaneusinfektion  handelt  es  sich  um  schwere  All- 
gemeinerkrankungen,  von  denen  weitaus  die  meisten  mit  dem 
Tode  endeten.  Häufig  sind  bei  Pyozyaneussepsis  Hauterschei¬ 
nungen  beschrieben  worden,  die  meist  als  Metastasen  aufgefasst 
werden.  E.Fraenkel  betont  sogar  ihre  diagnostische  Wich¬ 
tigkeit  mit  den  Worten:  „Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  wir  in  diesen  eigentümlichen,  teils  als  hämorrhagisches 
oder  pustulös  hämorrhagisches  Exanthem,  teils  mehr  in  Form 
hämorrhagischer  Infiltrationen  verlaufenden  Hauterkrankungen 
ein  auf  eine  bestehende  Pyozyaneusinfektion  hinweisendes 
äusserst  wertvolles  Symptom  erblicken  müssen.“  Ausser 
diesen  Exanthemen  bei  Allgemeininfektion  sind  aber  auch 
augenscheinlich  auf  exogener  Pyozyaneusinfektion  beruhende 
Erkrankungen  der  Haut  beobachtet  worden.  Ihre  Kenntnis 
verdanken  wir  wohl  vor  allem  Hitschmann  und  K  r  e  i  - 
b  i  c  h,  die  unter  dem  Namen  „Ekthyma  gangraenosum“  ein  gut 
abgegrenztes  Krankheitsbild  beschrieben,  als  dessen  Ursache 
sie  den  Bacillus  pyocyaneus  ansprachen.  Sie  fanden  diesen 
Bazillus  auf  Schnittpräparaten  in  dem  pathologisch  veränderten 
Gewebe  in  ungeheuren  Mengen  und  konnten  ihn  in  Reinkultur 
aus  den  Läsionen  züchten.  Trotzdem  hält  Wassermann 
die  pathogene  Bedeutung  des  Pyozyaneus  in  diesen  Fällen  nicht 
für  erwiesen.  Hitschmann  und  K  r  e  i  b  i  c  h  identifiziei  en 
die  von  ihnen  beobachtete  Affektion  mit  dem  von  Hallo- 
p  e  a  u  beschriebenen  Ekthyma  terebrans  infantum,  dem 
Ekthyma  cachecticorum  N  e  u  m  a  n  n  s,  der  Beobachtung  v  on 
Ehlers  etc. 

Die  Primäreffloreszenz  der  Krankheit  besteht  in  einem  ery- 
thematösen  Fleck,  aus  dem  sich  rasch  eine  Papel  entwickelt, 
meist  von  Linsengrösse,  mehr  oder  weniger  hervortretend,  mit 
ziemlich  scharfer  Begrenzung.  Durch  Palpation  lässt  sich  eine 
tief  in  die  Kutis  reichende,  eine  gewisse  Härte  zeigende  Ge¬ 
websveränderung  feststellen.  Die  Effloreszenzen  sind  von 
schmutzig  blassroter  Farbe  und  haben  eine  haloartige  Umgren¬ 
zung.  Sie  verwandeln  sich  nach  H  a  1 1  o  p  e  a  u  nach  Ruptur 
einer  kleinen  Pustel  in  Ulzerationen,  deren  Grösse  von  1  mm 
bis  2  cm  Durchmesser  schwankt.  Die  Geschwüre  haben  steile 
Ränder,  der  Grund  ist  napfförmig  ausgehöhlt,  mit  jauchigem 
Detritus  bedeckt.  Unter  Beibehaltung  der  runden  Form  und 
der  zarten  erythematösen  Begrenzung  greift  das  Geschwür  um 
sich  und  gewinnt  an  Tiefe.  Nach  V  i  d  a  1  können  durch  Kon¬ 


fluenz  mehrerer  einzelner  Geschwüre  grössere  kreisförmige 
Herde  entstehen. 

Das  so  von  Hitschmann  und  K  r  e  i  b  i  c  h  geschilderte 
Krankheitsbild  soll  der  Pathogenese  nach  nicht  einheitlich  sein. 
Ein  Teil  der  Fälle  soll  eine  symptomatische  Erkrankung  im 
Verlauf  einer  Pyozyaneusallgemeininfektion  darstellen,  also 
hämatogen  entstehen,  während  andere  Fälle,  wie  die  von  den 
genannten  Autoren  selbst  beobachteten,  als  idiopathische  Haut¬ 
krankheit  aufzufassen  seien,  die  exogen  durch  direkte  Invasion 
des  Pyozyaneus  in  die  Haut  entstehe. 

In  seinem  Lehrbuch  (p.  235)  sagt  allerdings  K  r  e  i  b  i  c  h 
nur,  dass  die  Krankheit  „in  zweierlei  Weise  zu  entstehen 
schein  t“';  „die  Lokalisation  am  After  und  am  Genitale  spricht 
für  eine  ektogene  Infektion  der  durch  Urin,  Fäzes  empfindlich 
gemachten  Haut;  andererseits  lässt  der  Nachweis  des  Bazillus 
im  Blut,  in  pneumonischen  Herden  eine  hämatogene  Infektion 
nicht  vollständig  ausschliesse  n“. 

Die  Krankheit  führt  in  den  meisten  Fällen  zum  Exitus,  und 
zwar  nicht  nur  bei  Allgemein-,  sondern  auch  oft  bei  exogener 
Infektion  infolge  des  allgemeinen,  schon  die  Prädisposition  für 
die  Infektion  schaffenden  Marasmus.  In  den  gutartigen  Fällen 
reinigen  sich  die  Geschwüre,  der  jauchige  Charakter  geht  ver¬ 
loren  und  unter  Bildung  frischer  Granulationen  tritt  Vernar¬ 


bung  ein. 

Während  die  Fälle  von  Pyozyaneusallgemeininfektion  zwar 
meist  kachektische  Kinder,  aber  doch  hier  und  da  auch  vorher 
gesunde  Individuen  und  Erwachsene  betreffen,  habe  ich  in  der 
mir  zur  Verfügung  stehenden  Literatur  keinen  Fall  auffinden 
können,  in  welchem  eine  Hautkrankheit  eines  Erwachsenen 
durch  lokale  Pyozyaneusinfektion  bedingt  gewesen  wäre.  Es 
scheint  mir  daher  berechtigt,  einen  derartigen  an  der  hiesigen 

Klinik  beobachteten  Fall  kurz  mitzuteilen. 

Es  handelte  sich  um  eine  61  jährige  Frau,  die  schon  vor  2  Jahren 
wegen  einer  fungo-serpiginösen  Hauttuberkulose  des  linken  Vorder¬ 
arms  in  klinischer  Behandung  gewesen  war,  aber  damals  aus  pe¬ 
kuniären  Gründen  das  Ende  ider  Behandlung  nicht  abwar ten  konnte 
und  gegen  unseren  Rat  das  Spital  verlies.  Am  4.  Juni  dieses  Jahres 
kam  sie  wieder  in  die  Klinik  in  sehr  herabgeko.mmenem  Zustand  mit 
multiplen  tuberkulösen  Haut-  und  Knochenherden,  hauptsächlich  an 
den  Extremitäten.  Daneben  zeigte  sie  am  rechten  Unterschenkel,  an 
dem  sich  drei  tuberkulöse  Fisteln  befanden  (eine  über  dem  Malleolus 
externus,  zwei  andere  am  unteren  Drittel  der  Tibia),  noch  eine  anders¬ 
artige  Hauterkrankung.  Der  ganze  Unterschenkel  war  übersät  mit 
Geschwüren  von  Linsen-  bis  Fünfmarkstückgrösse.  Die  Geschwüre 
waren  flach,  hatten  kreisrunde  Form,  scharfgeschnittene  Ränder,  einen 
schmalen  roten  Hof  und  einen  schmierigen,  grünen,  zäh  anhaftenden 
Belag.  An  einigen  Stellen  waren  mehrere  Einzelherde  zu  einem 
einzigen  grösseren  Geschwür  mit  polyzyklischen  Rändern  konfluiert. 
Diese  Affektion  hatte  vor  etwa  4  Wochen  begonnen  und  nur  geringe 


Schmerzen  verursacht.  ,  ,  ,  r> 

Es  war  von  Anfang  an  recht  wahrscheinlich,  dass  diese  Ge¬ 
schwüre  mit  der  Tuberkulose  der  Patientin  unmittelbar  nichts  zu  tun 
hatten;  auch  von  luetischen  Geschwüren  unterschieden  sie  sich  durch 
ihre  Oberflächlichkeit  und  das  Fehlen  einer  stärkeren  Randinfiltration. 
Für  banale  Ulcera  cruris  oder  „Ekthyma“  war  wieder  die  Form  viel 
zu  regelmässig  und  ausgesprochen  kreisförmig.  Dagegen  Hess  de i 
grüne  Belag  sofort  an  eine  Pyozyaneusinfektion  denken.  Es  wurde 
daher  von  dem  Belag  durch  Agarstrich-  und  Plattengussverfahren 
kultiviert  und  es  fand  sich  ein  Bazillus  in  Reinkultur,  der  nach  allen 
kulturellen  und  morphologischen  Eigenschaften  als  Bacillus  pyo¬ 
cyaneus  identifiziert  werden  konnte. 

Da  sich  neben  diesem  Bazillus  kein  anderer  Mikroorganismus 
fand  —  auch  die  Untersuchung  auf  Streptokokken  durch  Pipetten¬ 
kultur  nach  Sabouraud  fiel  negativ  aus  —  lag  der  Gedanke  nahe, 
ihn  als  Erreger  der  Geschwüre  anzusprechen.  Um  dies  aber  zu  be¬ 
weisen,  wurde  eine  kleine  Autoinokulation  am  linken  Unterschenkel 
der  Patientin  vorgenommen.  Nach  vorheriger  Desinfektion  wurde  mit 
einer  spitzen  Lanzette  an  zwei  Stellen  schräg  in  die  Epidermis  ein¬ 
gestochen  und  in  diese  so  entstandenen  kleinen  intraepithelialen 
Taschen  ein  wenig  von  einer  Reinkultur  des  Bacillus  pyocyaneus 
hineingebracht.  Nach  24  Stunden  war  intensive  Rötung  und  massige 
Infiltration  an  den  Impfstellen  aufgetreten.  Am  zweiten  Tage  hatte 
sich  in  der  Mitte  der  geröteten  Stellen  je  eine  kleine  grünlichgelbe 
Pustel  gebildet,  die  sich  am  nächsten  Tage  noch  bis  etwa  trbsen- 
grösse  ausdehnte.  Am  3.  Tag  wurden  von  dem  Inhalt  einer  Pustel 
Abstrichpräparate  und  Kulturen  gemacht.  In  den  Präparaten  fanden 
sich  feine  Bazillen  in  grosser  Anzahl,  reichlich  Eiterkörperchen  und 
Detritus,  keiner  der  gewöhnlichen  Eitererreger.  Die  Kulturen  ergaben 
Bacillus  pyocyaneus  ohne  Beimischung  anderer  Bakterien.  Am  4.  lag 
fanden  sich  an  Stelle  der  Pusteln  schmutzigbräunliche  Krusten,  nach 
deren  Entfernung  kleine  scharfrandige,  eitrig  belegte  ^'cera  zutag 
traten.  Diese  Ulcera  vergrösserten  sich  im  Laufe  der  nächsten  1  ag 
und  zeigten  mit  ihrer  regelmässigen  kreisrunden  Form,  den  scharfe 


2276 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Rändern,  dem  roten  Hof  und  dein  grünlichen  Belag  alle  Charaktere 
der  spontan  entstandenen  Geschwüre  am  rechten  Unterschenkel. 
10  I  age  nach  der  Inokulation  hatten  sie  etwa  Pfennigstückgrösse  er¬ 
reicht. 

Die  ätiologische  Bedeutung  des  Bacillus  pyocyaneus  wurde  be¬ 
stätigt  durch  die  Blutuntersuchung  auf  Agglutinine.  Die  Ag¬ 
glutination  wurde  mikroskopisch  vorgenommen  nach  idem  von  Ko  Ile 
und  Otto  für  Staphylokokken  angegebenen  Verfahren,  und  zwar 
wurde  sie  sowohl  mit  18  ständigen  Bouillonkulturen  als  auch  mit 
Aufschwemmungen  ebenso  alter  Agarkulturen  in  physiologischer 
Kochsalzlösung  ausgeführt.  Mit  dem  Serum  der  Patientin  wurde 
zur  Kontrolle  das  Serum  einer  anderen  Patientin  verglichen,  die  wegen 
Eiythema  induratum  in  Behandlung  war.  Es  wurden  Verdünnungen 
angelegt  von  1:10,  1:20,  1:50,  1:100,  1:200,  1:300  usw.  bis  1:1000, 
daneben  eine  Kontrolle  ohne  Serumsatz.  Das  Ergebnis  war  folgen¬ 
des:  das  Serum  unserer  Patientin  agglutinierte  den  aus  ihren  Ge¬ 
schwüren  gezüchteten  Bacillus  pyocyaneus  bis  1:600,  während  das 
Kontrollserum  nur  bis  1:20  Agglutination  zeigte. 

Auf  Behandlung  mit  essigsaurer  Tonerde  in  feuchten  Verbänden 
i  einigten  sich  die  Geschwüre  —  ebenso  wie  die  beiden  Inokulations¬ 
stellen  —  bald  und  zeigten  gut  granulierende  Grundflächen.  Nach 
etwa  14  Tagen  waren  sie  ganz  verheilt.  Aber  noch  lange  bezeichneten 
etwas  eingesunkene,  glatte  hyperämische  Narben  deutlich  Sitz  und 
Eorm  der  Geschwüre.  Vier  Wochen  nach  Heilung  der  Geschwüre 
wurde  nochmals  eine  Agglutinations, probe  mit  dem  Serum  der  Patien¬ 
tin  vorgenommen.  Jetzt  wurden  zum  Vergleich  auch  noch  zwei 
andere  Pyozyaneusstämme  herangezogen.  Der  eine  stammte  von 
enner  Patientin  mit  einem  banalen  Ulcus  cruris  bei  Varizen,  aus  dem 
er  neben  Staphylokokken  gezüchtet  worden  war,  der  andere  war  ein 
lange  Zeit  im  hiesigen  bakteriologischen  Institut  fortgezüchteter 
Stamm.  Beide  Stämme  zeigten  in  der  Farbstoffbildung  auf  Agar  deut¬ 
liche  Differenzen  gegenüber  unserem  ersten  Stamm.  Der  Bazillus 
vom  Ulcus  ciuris  varicosum  bildete  nur  minimale  Spuren  Farbstoff 
au‘  Agar,  während  er  Gelatine  unter  Bildung  grünen  Farbstoffes 
\  ei  fliissigte.  Der  Laboratoriumstamm  des  hygienischen  Institutes 
erzeugte  auf  Agar  einen  hellgrünen,  stark  fluoreszierenden  Farbstoff, 
wahrend  unser  Stamm  einen  tiefgrünen,  wenig  fluoreszierenden  Farb¬ 
stoff  bildete.  Das  Serum  unserer  Patientin  agglutinierte  jetzt  den 
eigenen  Stamm  bis  1 : 400,  die  anderen  beiden  bis  1 :  20.  Das  Serum 
der  Patientin  mit  Ulcus  cruris  varicosum  agglutinierte  sowohl  den 
eigenen  als  auch  die  beiden  anderen  Stämme  nur  bis  1 :  20. 

Wir  glauben  in  obigem  Falle  den  Beiweis  für  die  ätio¬ 
logische  Rolle  des  Bacillus  pyocyaneus  bei  der  beschriebenen 
Krankheit  geliefert  zu  haben.  Denn  es  gelang  durch  experi¬ 
mentelle  Impfung  mit  Reinkulturen  ein  der  spontanen  Affektion 
identisches  Bild  zu  erzeugen.  Was  die  Pathogenese  dieser  Er¬ 
krankung  anbetrifft,  so  scheint  uns  auch  ausser  dem  Erfolge 
dieses  Experimentes  alles  für  eine  exogene  Entstehung  zu  spre¬ 
chen.  Es  bestanden  klinisch  keine  Zeichen  einer  Allgemein- 
mfektion ;  geringe  Temperaturerhöhungen  von  37,5—38  müssen 
wohl  auf  den  tuberkulösen  Prozess  zurückgeführt  werden. 
Ausserdem  wäre  das  Beschränktbleiben  der  Affektion  auf  eine 
Extiemität  bei  hämatogenem  Ursprung  sebr  merkwürdig. 
Wahrscheinlich  hat  sich  auf  der  durch  den  tuberkulösen  Eiter 
mazerierten  Haut  in  der  Umgebung  der  Fisteln  zuerst  der 
Bacillus  pyocyaneus  angesiedelt  und  bei  dem  schlechten  Er- 
näh i  ungszustand  der  Patientin  eine  pathogene  Wirkung  ent¬ 
faltet.  Für  eine  solche  können  auch  die  Ergebnisse  unserer 
Agglutinationsversuche  angeführt  werden.  Die  Zahlen  sind 
zwar  nicht  entfernt  so  hoch  wie  in  dem  Falle  von  Rliene- 
b  e  i  g  e  r,  in  dem  das  Serum  des  Patienten  den  homologen 
Stamm  bis  1  : 40  960  agglutinierte.  Das  erklärt  sich  wohl 
genügend  durch  die  Verschiedenartigkeit  der  Prozesse: 
schwere  Infektion  der  Harnwege  einerseits  und  oberflächliche 
Hautulzera  andererseits.  Aber  unsere  Werte  übertreffen  noch 
die  der  meisten  früheren  Autoren,  so  die  von  Achard, 
L  ö  p  e  r  und  Qrenet  (bis  1 :  100  bei  Wundinfektion),  Eisen- 
b  e  r  g  (1 :  200  bei  Allgemeininfektion),  O.  V  o  s  s  (l :  150  bei  Ohr- 
eiterungen).  Auch  ist  ja  der  Gegensatz  zu  dem  Kontrollserum 
i  echt  bedeutend,  obwohl  gerade  dieser  bei  einem  normalen 
Menschen  festgestellte  Wert  von  1:20  höher  ist  als  die  von 
manchen  anderen  Autoren  gefundenen  (zuletzt  E.  B  ü  r  g  i  bis 
1 :  4).  Dass  das  Serum  des  Patienten  2  fremde  Stämme,  die 
dazu  noch  gewisse  kulturelle  Differenzen  aufweisen,  nicht 
agglutiniert,  stimmt  ganz  mit  den  Untersuchungen  von 
Klieneberger  überein,  der  auch  ein  ganz  verschiedenes 
verhalten  des  Serums  den  einzelnen  Stämmen  gegenüber  fest¬ 
stellte.  Wichtig  ist  auch,  dass  das  Serum  eines  Patienten  mit 
banalem  Ulcus  cruris  auf  dem  sich  der  Bacillus  pyocyaneus 
offenbar  nur  saprophytisch  angesiedelt  hatte,  diesen  Ba¬ 
zillus  nicht  stärker  als  normales  Serum  agglutinierte. 


Das  Vorkommen  von  Pyozyaneus  neben  anderen  Bak¬ 
terien  bei  allerhand  nässenden  Hautaffektionen  ist  ja 
keine  Seltenheit.  So  fanden  ihn  z.  B.  Török  und  Roth 
bei  einem  nässenden  Ekzem  des  Skrotum  und  Penis,  S  c  h  o  1 1  z 
und  Raab  bei  Ekthyma  neben  Streptokokken,  Mante- 
g  a  z  z  a  bei  einer  postvakzinösen  Dermatitis  neben  Staphylo- 
coccus  aureus.  Wenn  sich  nun  weiter  herausstellen  sollte,  dass 
in  solchen  Fällen,  wie  bei  unserem  Ulcus  cruris  varicosum,  das 
Agglutinationsvermögen  des  Serums  für  Pyozyaneus  die  nor¬ 
malen  Grenzen  nicht  übersteigt,  so  sind  Werte  von  1:600  (und 
1 :  400  4  Wochen  nach  der  Heilung)  geeignet,  uns  in  der  An¬ 
schauung  zu  bestärken,  dass  wir  in  dem  oben  beschriebenen 
Falle  eine  spezifische  Infektionskrankheit  der' 
Haut,  verursacht  durch  den  Bacillus  pyozya- 
n  e  u  s,  vor  uns  haben.  Und  'da  die  Aetiologie  die  gleiche  ist, 
so  liegt  es  nahe,  auch  klinisch  die  Krankheit  mit  dem  Ekthyma 
gangraenosum  von  Hitschmann  und  Kreibich  zu  ver¬ 
einigen.  Die  Differenzen  gegenüber  dieser  Affektion,  die  vor 
allem  in  der  grösseren  Neigung  zu  flächenhafter  Ausbreitung, 
in  dem  Fehlen  der  tiefsitzenden  Knötchen  und  der  hämorrha¬ 
gischen  Nekrose  und  in  dem  benignen  Verlauf  liegen,  könnten 
durch  Terrainverschiedenheiten  zwischen  kindlicher  und  seniler 
Haut  erklärt  werden.  Denn  es  ist  ja  bekannt,  dass  auch  andere 
Infektionskrankheiten  durch  das  Terrain  modifiziert  werden 
und  je  nachdem  sie  die  Haut  des  Säuglings,  des  Erwachsenen 
oder  des  Greises  befallen  ein  verschiedenes  Aussehen  zeigen 
und  verschiedenen  Verlauf  nehmen.  Bei  der  augenscheinlich 
grossen  Seltenheit  der  Pyozyaneusdermatosen  kann  ihr  kli¬ 
nisches  Bild  natürlich  noch  keineswegs  als  abgeschlossen 
gelten. 

Literatur. 

1.  Achard,  Löper  und  G  reuet:  Comptes  rendus  •de  la 
societe  de  biologie  1902. —  2.  E.  Biirgi:  Ueber  Bakterienaggluti¬ 
nation  durch  normale  Sera.  Arch.  f.  Hyg.  1907,  Bd.  62,  S.  239.  — 

з.  De  la  Camp:  Chariteannalen  1903,  No.  23.  —  4.  Th.  Eisen- 
berg:  Ein  Fall  von  Pyozyaneusinfektion,  nebst  Bemerkungen  über 
die  Serodiagnostik  dieser  Infektionen.  Zentralbl.  f.  Bakteriol.  1903, 
Bd.  34,  S.  739.  —  5.  E.  Fränkel:  Allgemeininfektionen  durch  den 
Bacillus  pyocyaneus.  Virchows  Arch.  1906,  Bd.  183,  S.  405.  — 

6.  Hitschmann  und  Kreibich:  Zur  Pathogenese  des  Bacillus 
pyocyaneus  und  der  Aetiologie  des  Ekthyma  gangraenosum.  Wien, 
klin.  Wochenschr.  1897,  S.  1093.  —  7.  Dieselben:  Ein  weiterer  Bei¬ 
trag  zur  Aetiologie  des  Ekthyma  gangraenosum.  Arch  f.  Dermatol. 

и.  Syphilis  1899,  Bd.  50,  S.  81.  —  8.  H  ü  b  n  e  r :  Ein  Fall  von  Pyo- 
zyaneussepsis  beim  Erwachsenen.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1907, 

S.  803.  —  9.  Klieneberger:  Pyozyaneusinfektion  der  Harnwege. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  27.  —  10.  K  r  e  i  b  i  c  h:  Lehrbuch 
der  Hautkrankheiten.  Wien  1904,  pag.  234.  —  11.  U.  Mante- 
gazza:  Sull'Importanzä  dello  Stafilococco  aureo  e  dei  bacillo  pio- 
cianeo  in  alcune  dermatosi.  Cagliari-Sassari  1904.  —  11.  Roll  y: 
Pyocyaneussepsis  beim  Erwachsenen.  Münch,  med.  Wochenschr. 

1 906,  No.  29,  S.  1399.  ■ —  13.  S  c  h  o  1 1  z  und  Raab:  Recherches  sur  la 
nature  parasitaire  de  l’eczema.  Annales  de  Dermatologie  1900,  p.  409. 

14.  T  ö  r  ö  k  und  Roth:  Bakteriologische  Untersuchungen  über  das 
vesikulöse  und  nässende  Ekzem.  Pester  med.-chir.  Presse  1900, 
No.  27.  —  15.  O.  V  o  s  s:  Der  Bacillus  pyocyaneus  im  Ohr.  Veröffent¬ 
lichungen  auf  dem  Gebiete  des  Militärsanitätswesens  1906,  H.  33.  — 
16.  Wassermann:  „Bacillus  pyocyaneus“  und  „Immunität  bei 
Bacillus  pyocyaneus"  in  Kolle  und  Wasssermanns  Handbuch 
dei  pathogenen  Mikroorganismen,  Bd.  3  u.  4,  II.  —  Die  Mitteilungen 
von  Pernet  und  W  infiel d  (Brit.  Journ.  of  Derm.  und  Journ. 
of  cut.  dis.  Januar  und  Februar  1907),  welche  Pyocyaneus  bei  Pem¬ 
phigus  vegetans  gefunden  haben,  gestatten  wohl  noch  keine  weiteren 
bchlussfolgerungen  (s.  Brit.  Journ.  of  Dermat.  1907,  p.  304).  —  In 
der  Pratique  dermatologique  (IV.,  p.  172)  finden  sich  noch  Fälle  von 
Lartigan  und  Nobecourt  angegeben,  die  ich  in  der  mir  zur 
Verfügung  stehenden  Literatur  nicht  gefunden  habe. 

Aus  der  K.  Universitäts-Ohrenklinik  zu  München  (Direktor: 

Prof.  Dr.  B  e  z  o  1  d). 

Ueber  Pankreatin  bei  Karzinom.*) 

Von  Dr.  Rudolf  Hoff  mann. 

M.  H.!  In  dem  Kampfe  gegen  den  gefürchtetsten  Feind 
menschlicher  Gesundheit,  das  Karzinom,  war  die  medizinische 
Wissenschaft  in  der  vorantiseptischen  Zeit  fast  machtlos.  Erst 
dei  modernen  Chirurgie  ist  es  geglückt,  die  Mortalitätsziffer  der 
operierten  Krebskranken  auf  20—40  Proz.  herabzudrücken.  Die 


*)  Vortrag  in  der  Münchener  oto-laryngologischen  Gesellschaft. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2277 


Behandlung  inoperabler  Karzinomfälle  gehört  auch  heute  noch 
zu  den  undankbarsten  ärztlichen  Aufgaben.  Fälle  spontaner 
Heilung  sind  seit  langem  bekannt:  Krebsgeschwülste  gingen 
nach  eingreifenden,  aber  unvollständig  ausgeführten  Opera¬ 
tionen,  besonders  nach  solchen  mit  Hilfe  des  Thermokauters, 
zurück,  andere  schwanden  gänzlich  unter  dem  Einfluss  eines 
Erysipels,  das  über  den  Tumor  hinwegwanderte.  Regressive 
Vorgänge  ephemerer  Natur  treten  sehr  häufig  spontan  auf  und 
finden  ihren  Ausdruck  in  der  Bildung  der  „Krebsmilch“  und 
des  „Krebsnabels“.  An  Versuchen,  die  Krankheit  durch  nicht¬ 
chirurgische  Mitei  zu  beeinflussen,  hat  es  nicht  gefehlt.  Hoff¬ 
nungsvolle  Aussicht  eröffnete  sich,  als  es  J  e  n  s  e  n  gelungen 
war,  Krebsgeschwülste  von  Maus  auf  Maus  zu  transplantieren 
und  mit  dem  Serum  von  Kaninchen,  denen  er  zerriebene  Mäuse¬ 
tumoren  injiziert  hatte,  die  krebsartigen  Mäusegeschwülste  er¬ 
folgreich  zu  bekämpfen.  In  der  Folgezeit  glückte  es  Eh  r  1  i  ch 
und  Apolant  durch  Anwendung  des  Prinzipes  der  künstlichen 
Auslese  die  Virulenz  der  in  Stämmen  fortgezüchteten  Mäuse¬ 
tumoren  derartig  zu  steigern,  dass  die  Impfungen  in  90  bis 
100  Proz.  angingen.  Von  grossem  Interesse  ist  die  Beobach¬ 
tung  der  beiden  Autoren,  dass  in  einzelnen  Stämmen  eine  Um¬ 
wandlung  in  Sarkom  auftrat,  nachdem  letztere  9 — 30  Monate 
als  Reinkarzinome  fortgezüchtet  worden  waren.  H  a  a  1  a  n  d 
zeigte,  dass  die  Resistenz  der  Karzinom-  und  Sarkomzelle 
gegen  höhere  Temperaturen  differiert  und  dass  damit  ein  Mittel 
gegeben  ist,  die  Geschwulstkomponenten  voneinander  zu  tren¬ 
nen  und  jede  für  sich  in  Stämmen  fortzuzüchten.  Ehrlich 
konnte  leicht  und  sicher  Mäuse  gegen  Karzinom  und  Sarkom 
immunisieren,  wie  er  auf  der  internationalen  Krebskonferenz 
1906,  deren  Bericht  in  der  Medizinischen  Woche  obige  Daten 
entnommen  sind,  berichtete.  Praktische  Versuche  am  Men¬ 
schen  in  dieser  Richtung  haben  vor  Jahren  v.  Leyden  und 
Blumenthal  unternommen,  indem  sie  Serum  von  Kaninchen 
und  Ziegen  verwandten,  denen  menschliche  Karzinomzellen  * :) 
injiziert  worden  waren.  „Die  Resultate  waren  keine  ent¬ 
scheidenden“. 

v.  Leyden  erwähnt  2  Fälle,  in  denen  eine  Besserung  bei 
Gebrauch  des  Serums  erzielt  worden  war.  „Im  ersten  Falle 
handelte  es  sich  um  eine  Kranke,  bei  welcher  bei  der  Operation 
an  Stelle  des  erwarteten  Magenkarzinoms  ein  Krebs  des  Pan¬ 
kreas  gefunden  worden  war,  welcher,  da  er  nicht  operieit 
werden  konnte,  unverändert  gelassen  wurde.  Diese  Kranke, 
die  nach  der  Probelaparotomie  auf  die  innere  Klinik  gelegt 
wurde,  wurde  3  Monate  lang  mit  Serum  behandelt  und  nahm  in 
dieser  Zeit  21  Pfund  zu,  wobei  sich  ihre  subjektiven  Beschwer¬ 
den,  Schwächezustand  usw.  besserten.  Ob  der  I  umor  sich  in 
dieser  Zeit  verändert  hat  oder  nicht,  konnte  nicht  bewiesen 
werden,  da  er  weder  vor  der  Operation  noch  nach  derselben 
fühlbar  war.“ 

Ich  möchte  mir  den  Einwurf  erlauben:  war  der  Tumor 
wirklich  ein  Karzinom?  Ich  habe  früher  in  einer  Arbeit  „Ueber 
das  allmähliche  Verschwinden  eines  I  umors  der  oberen  Bauch¬ 
gegend“1)  Fälle  von  chronischer  Pankreatitis  (infolge  von 
Steinbildung)  zitiert,  in  denen  die  Fehldiagnose  „Maligner 
Tumor“  gestellt  wurde  und  nach  Probelaparotomie  der  Tumor 
und  die  Krankheitserscheinungen  schwanden,  wohl  nachdem 
durch  die  Palpation  der  kausale  Stein  aus  dem  Endteil  des 
Ductus  pancreaticus  in  den  Darm  befördert  worden  war.  Um 
einen  derartigen  Fall  könnte  es  sich  auch  hier  gehandelt  haben. 

Wie  ich  an  anderem  Orte(Arch.  f.  klin.  Chir.,  79, 2)  erwähnte, 
war  Despeignes-Lyon  1896  (nicht  G  o  c  h  t,  wie  Mi- 
k  u  1  i  c  z  und  F  i  1 1  i  g  [Beitr.  z.  klin.  Chir.,  37,  1903]  an  nahmen), 
der  erste,  welcher  Karzinomfälle  mit  Röntgenstrahlen  be¬ 
handelte. 

Ueber  den  Effekt  der  Radium-  und  der  sonstigen  Licht¬ 
therapie  bei  Karzinom  sind  die  Akten  noch  nicht  geschlossen. 

Neue  Wege  der  Krebsbehandlung  beschritt  B  e  a  r  d  (Lan- 
cet  21.  VI.  02,  29.  X.  04,  4.  II.  05).  Er  ging  von  vergleichend 
embryologischen  Studien  aus  und  kam  zu  folgendei  Auffassung 
vom  Wesen  des  Karzinoms:  Es  entsteht  aus  schlummernden, 
abgeirrten,  unmodifizierten  Keimzellen,  die  der  Regel  nach  in 

**)  Mit  Rücksicht  auf  die  nahe  Verwandtschaft  zwischen  embryo¬ 
nalem  und  Karzinomgewebe  wäre  vielleicht  ein  Serumversuch  mit 
Embrvotoxin  aussichtsreich. 

U  Wien.  klin.  Wochenschr.  1903. 


der  6.  Lebenswoche  des  Embryos  durch  den  Pankreassaft  zer¬ 
stört  werden.  Entrinnen  sie  diesem  Schicksal,  so  können  sie 
sich  später  unter  begünstigenden  Umständen  entwickeln  und 
zur  Krebsbildung  führen.  Um  diese  Keim-  resp.  Krebszellen 
zu  vernichten,  brachte  B.  Trypsin  und  auch  eine  Diastase 
(„Amylopsin“)  in  Anwendung.  Er  gibt  auch  eine,  allerdings 
unzulängliche,  histologische  Untersuchung  eines  Jensen- 
schen  Mäusetumors,  der  im  Leben  mit  Trypsin  behandelt  wor¬ 
den  war  (Brit.  Med.  Journal,  20.  I.  06):  „Jede  einzelne  Zelle 
des  Tumors  befand  sich  in  Degeneration,  die  volle  Hälfte  von 
ihnen  wurde  durch  formlose  Bruchstücke  repräsentiert,  wahr¬ 
scheinlich  Kernreste,  alle  übrigen  waren  nur  noch  „Zellskelette“. 
Selbst  diese  schienen  in  sehr  vielen  Fällen  zu  zerbröckeln 
und  in  rapider  Weise  zu  zerfallen,  als  ob  sie  Eile  hätten,  die 
Szene  zu  verlassen“.  Der  mikroskopische  Befund,  den  Mor- 
t  o  n  (Med.  Rekord,  8.  XII.  1906)  in  einem  Falle  von  Mamma¬ 
karzinom,  das  mit  Trypsin  behandelt  wurde,  gibt,  ist  nicht  zu 
verwerten,  da  vorher  Röntgenstrahlen  angewendet  worden 
waren.  Es  zeigte  hauptsächlich  massige  Bindegewebsentwick- 
lung,  epitheliale  Elemente  nur  zerstreut  und  in  Degeneration 
begriffen.  M.  berichtet  insgesamt  über  30  Fälle,  die  er  nach 
der  Beardschen  Methode  behandelte. 

Aus  der  Le  yd  e  n  sehen  Klinik  erschienen  Arbeiten,  welche 
konstatieren,  dass  die  Krebszelle  Eiweisskörper  birgt,  deren 
Nachweis  in  anderen  Zellen  des  Organismus  bisher  nicht  ge¬ 
lang  (Bergeil).  Blumenthal  und  H.  W  o  1  f  f  stellten  fest, 
dass  das  tryptische  Ferment  die  Karzinomzelle  ausserordentlich 
leicht,  die  Pepsinsalzsäure  sie  sehr  langsam  angreift,  im  Ge¬ 
gensatz  zum  normalen  Gewebe.  Beim  Nachblättern  in  der 
Literatur  fand  ich  in  einer  Arbeit  von  Rossbach  (Ztschr.  f. 
klin.  Med.,  Bd.  VI,  6)  aus  dem  Jahre  1883  erwähnt,  dass  sowohl 
Bouchut  als  auch  Pean  die  trypsinähnliche  Wirkung  des 
Papayotins  in  der  Karzinomtherapie  verwandt  und  nach  Injek¬ 
tionen  mit  demselben  „Erweichung  und  Verdauung“  in  den 
Tumoren  beobachtet  haben. 

Sittmann  (Münch,  med.  Wochenschr.  1893)  sah  nach 
internem  Gebrauch  von  Papayotin  resp.  Papain,  wobei  er  aller¬ 
dings  von  anderen  Gesichtspunkten  ausging  als  die  letztge¬ 
nannten  Autoren,  bei  2  Fällen  von  Magenkarzinom  Nachlass  der 
Schmerzen  nach  den  Mahlzeiten. 

Ferner  wurde  von  Blumenthal  und  N  e u  b  e  r  g  fest¬ 
gestellt,  dass  im  Krebsgewebe  ein  Ferment  vorhanden  ist,  das 
das  Eiweiss  anderer  Gewebe  abbaut.  Emerson  hatte  bereits 
1902  in  einer  Arbeit  aus  der  Müller  sehen  Klinik  „Der  Ein¬ 
fluss  des  Karzinoms  auf  die  gastrischen  Verdauungsvorgänge 
j  (D.  Arch.  f.  klin.  Med.,  72,  5/6)  den  Satz  aufgestellt:  „Im  Kar¬ 
zinomgewebe  ist  ein  Ferment  vorhanden,  das  sowohl  im  Brut¬ 
schrank,  wie  auch  im  menschlichen  Magen  Eiweiss  verdauen 
kann,  und  zwar  grösstenteils  in  solche  Produkte  umwandeln 
kann’,  welche  über  die  Albumosestufe  weiter  hinausgehen“, 
und  wies  auf  die  Möglichkeit  hin,  das  Auftreten  dieser  Eiw  eiss¬ 
körper  im  Magen  als  Frühsymptom  bei  Carcinoma  ventriculi 
zu  verwerten. 

Der  abweichende  Chemismus  der  Karzinomzelle  lässt  es 
plausibel  erscheinen,  dass  tryptische  Fermente  auf  sie  anders 
wirken,  wie  auf  die  übrigen  Körperzellen,  vielleicht  indem  sie 
den  Aufbau  spezifischer  Krebseiweisskörper  hindern  oder  sie 
schnell  abbauen  und  so  die  Zelle  integrierender  Bestandteile 


berauben.  . 

Auf  die  Frage,  ob  junges  embryonales  Gewebe  ein  ähn¬ 
liches  Verhalten  wie  die  Krebszellen  bezüglich  ihrer  Eiweiss¬ 
körper  und  Fermente  zeigt,  fand  ich  in  der  Literatur  keine  Aus¬ 
kunft,  zu  eigenen  Versuche  hatte  ich  keine  Gelegenheit. 

Durch  die  Liebenswürdigkeit  meines  verehrten  Lehrers 
Prof.  B  e  z  o  1  d  hatte  ich  Gelegenheit,  bei  einem  rezidivieren¬ 
den,  inoperablen,  exulzerierten  Karzinome  des  Ohres  zu  prü¬ 
fen  wie  sich  das  Karzinom  eiweissverdauenden  Fermenten 
gegenüber  verhält.  Bei  Injektion  tryptischer  Lösungen  in  den 
Tumor  ist  es  schwer  die  oben  erwähnten  spontanen  Rückbil¬ 
dungen  auszuschliessen.  Ich  entschloss  mich  dahei  zur  An¬ 
wendung  von  Pancreatinum  absolutum  Merck  von  der  freien 
Oberfläche  her.  Ich  will  kurz  die  Daten  des  Falles  geben  dei 
auch  in  dem  Lehrbuch  der  Ohrenheilkunde  von  Bezold  ) 

nn.rl  q KcrpViil H pt  ist. 


2)  Cfr.  Abbildung  Fig.  39,  S.  106  und  Beschreibung  S.  108, 


2278 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Frau  Crescenz  V.,  68  Jahre.  21.  IV.  0-4.  Vor  7  Jahren  entstand  am 
Boden  des  linken  Gehörgangseinganges  eine  kleine  nässende  Stelle, 
welche  sich  in  den  letzten  Monaten  sehr  vergrössert  hat.  Das  Gehör 
ist  links  etwas  schlechter  als  rechts.  Zeitweise  Schmerzen,  dass  sie 
nicht  schlafen  kann. 

Rechtes  Trommelfell  normal. 


Links:  Gehörgangseingang,  Fossa  conchae,  Antitragus,  Tragus 
und  der  oberste  Teil  des  Lobulus  von  einer  flachen,  unregelmässigen, 
oberflächlich  exulzerierten,  im  ganzen  mehr  als  markstiickgrossen 
Geschwulst  eingenommen,  welche  mit  Eiter  bedeckt  ist.  Keine 
Drüsenschwellung,  auf  dem  Warzenteil  geschlängelte  und  erweiterte 
Gefässe.  Flüstersprache  rechts  1  m  („7“,  „5“),  links  unsicher.  Konver¬ 
sationssprache  25  cm  („9“)  a‘  per  Luft  nicht,  a‘  vom  Scheitel  ins 
rechte  Ohr. 


Auf  Wunsch  der  dermatologischen  Klinik  überliessen  wir  ihr 
zunächst  die  Patientin  zur  Eosin-Lichtbehandlung.  Als  wir  die  Pa¬ 
tientin  nach  einem  Vierteljahr,  am  22.  VII.  04,  wieder  sahen,  erschien 
die  Geschulst  flacher,  Tragus  und  Antitragus  waren  in  der  Geschwulst 
völlig  aufgegangen. 

Letztere  reicht  nach  oben  bis  zum  Antihelix,  nach  vorn  ist  noch 
ein  Teil  der  Helixwurzel  davon  eingenommen.  Der  Tragus  ist  in  der 
Geschwulst  aufgegangen  und  ihre  vordere  Grenze  liegt  ungefähr 
VA  cm  vor  der  Tragusgegend.  Ebenso  ist  der  Antitragus  und  die 
vordere  Hälfte  des  Lobulus  in  der  Geschwulst  aufgegangen.  Im 
unteren  Teile  der  hinteren  Ansatzfalte  der  Muschel  sind  2  etwa 
bohnengrosse  Geschwulsthöcker  entstanden. 

Die  Sonde  lässt  sich  durch  eine  kleine  Oeffnung  in  den  Meatus 
vorschieben,  die  Geschwulst  blutet  bei  jeder  leichten  Berührung 
Gewicht  der  Patientin  101  Pfund. 

26.  VII.  Exstirpation  des  Tumors  (Prof.  Bezold).  Zirkum- 
zision  der  ganzen  Geschwulst  und  Ablösung  derselben  vom  knö¬ 
chernen  Gehörgang.  Nach  abwärts  Mitnahme  eines  Teils  der 
gesunden  Parotis.  Geringe  Blutung.  Der  knöcherne  Gehörgang  ist 
noch  mit  Geschwulstmassen  gefüllt  und  wird  ausgekratzt.  Trommel¬ 
fell  in  seinem  hinteren  Teil  mit  grauer  Farbe  sichtbar.  Der  mit  einer 
zirka  1/2—2  cm  breiten  Brücke  oben  aufsitzende  Muschellappen, 
welcher  aus  der  ganzen  Helix,  einem  Teil  der  Antiihelix  und  dem 
hinteren  Teil,  des  Lobulus  besteht,  wird  mit  7  Nähten  angenäht. 
.1  grosse  T  h  i  e  r  s  c  h  sehe  Hautlappen  werden  in  der  Wunde  ausge- 
bi  eitet,  welche  dieselbe  mit  Ausnahme  des  knöchernen  Gehörganges 
vollständig  bedecken,  was  allerdings  infolge  der  fortwährenden 
Blutung  nur  unvollkommen  gelingt. 

3.  IX.  04.  Wunde  ist  bis  auf  eine  1  asche,  welche  sich  aussen 
vom  Gehörgang  nach  abwärts  gebildet  hat  (wahrscheinlich  von 
einem  der  I  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Lappen)  geheilt.  Knöcherner  Gehör- 
gang  noch  granulierend  und  sehr  eng.  Spaltung  der  Tasche  und 
1  amponade  des  Gehörganges  mit  Watte. 

6.  IX.  Nur  die  Wunde  des  knöchernen  Gehörganges  granulierend 
Lumen  etwas  weiter. 

30.  IX.  An  Stelle  des  Gehörgangslumens  eine  mit  Kutis  über¬ 
zogene  trichterförmige  Vertiefung.  Ein  Konvolut  stark  erweiterter 
Venen  auf  der  Pars  mastoidea  ist  vollständig  verschwunden,  Drüsen 
sind  nicht  vorhanden. 


a‘  links  p.  L.  nicht,  Angaben  über  Lateralisation  vom  Scheite 

I?1iCiltr,YeTendbar-  Flüstersprache  rechts  20  cm,  links  nicht.  Gewich 
114  Pfund. 

26.  XII.  Gewicht  118  Pfund.  An  Stelle  des  fehlenden  Gehör¬ 
ganges  kleine  exkoriierte,  granulierende  Fläche. 

10.  I.  05.  Längsovale,  lVz  cm  lange,  leicht  blutende,  nicht  pro¬ 
minente  Lxkoriation.  in  deren  Mitte,  dem  Gehörgang  entsprechend 
die  Sonde  in  die  Tiefe  dringt,  aus  der  ein  Tropfen  Eiter  hervorquillt 
a  links  weder  per  Luft  noch  beim  Aufsetzen  auf  die  Muschel. 

10.  X.  Aus  dem  linken  Gehörgang  ragt  eine  10  pfennigstück- 
gmsse  runde,  flache,  blumenkohlförmige  Wucherung,  welche  der 
Meatuseingang  überdeckt. 

26.  X.  Exkochleation  (Dr.  W  a  n  n  e  r).  Aethernarkose.  Das 
Gewebe  ist  sehr  brüchig,  Exkochleation  bis  in  die  Tiefe.  Pauken- 
hohleninnenwand:  überall  rauher  Knochen,  so  weit  zu  übersehen 
fr1f1  von  Geschwulstmassen.  In  kurzer  Zeit  war  die  Operationsfläche 
uberhautet. 

19.  I.  06.  Seit  8  Tagen  kleine  Erosion.  Diese  vergrösserte  sich 
in  den  folgenden  Monaten,  während  welcher  sich  die  Patientin  nur 
selten  bei  uns  zeigte.  Ein  nochmaliges  chirurgisches  Eingreifen  lehnte 
sie  ab.  Als  ich  die  Behandlung  mit  Pankreatin  am  31.  X.  06  begann, 
bot  der  1  umor,  der  sich  seitdem  gebildet  hatte,  folgendes  Bild-  Er 
sass  knopfformig,  etwa  bohnengross  auf  der  Stelle  des  knöchernen 
Gehorganges,  war  an  der  Oberfläche  zerfallen  und  blutete  leicht  und 
viel.  Gegen  die  heftigen  Schmerzen,  welche  der  Patientin  die  Nacht¬ 
ruhe  raubten,  hatten  wir  mit  Erfolg  Aspirintabletten  gegeben. 

Ich  ging  in  der  Weise  vor,  dass  ich  die  exulzerierte  Fläche 
mit  l  ankreatin  dick  bestreute  und  mit  einer  Watteschicht  be- 
u eckte,  die  mit  einer  schwachen  Thymollösung  befeuchtet  war, 
um  Fäulnis  feinzuhalten.  Später  verwandte  ich  nur  sterile 
utte  in  dicken  Lagen,  über  die  ich  einen  dicht  schliessenden 
es  cn  '  erband  legte.  Eine  Zeitlang  behandelte  ich  vor  dem 
Aufstreuen  mit  Epinephrin,  in  der  Hoffnung,  durch  Herabsetzung 
der  Blutzufuhr  und  der  Ernährungsverhältnisse  der  Karzinom¬ 


zelle  dem  proteolytischen  Ferment  den  Angriff  zu  erleichtern, 
ohne  aber  einen  Vorteil  davon  zu  sehen.  Die  Patientin  wurde 
täglich  behandelt.  Der  Verlauf  war  folgender: 

6.  XI.  06.  Delle  in  der  knopfförmigen  Geschwulstmasse,  Blutung 
gering,  keine  Schmerzen  mehr,  das  Aspirin  war  seit  dem  3.  XI.  aus¬ 
gesetzt  worden. 

8.  XI.  Delle  tiefer,  die  mit  Epidermis  überkleideten  Randpartien 
sind  unverändert. 

19.  XI.  Trichter  entstanden.  Epidermis  wulstet  sich  an  den  Rän¬ 
dern,  die  die  zentrale  Fläche  überlagern,  welche  sich  völlig  gereinigt 
hat,  transparent  aussieht  und  nicht  blutet.  Keine  Schmerzen,  Schlaf 
und  Allgemeinbefinden  gut. 

21.  XI.  Trichter  tiefer,  Sonde  dringt  2  cm  tief  in  den  Gehörgang 
wobei  nur  sehr  geringe  Blutung.  Am  oberen  Rande  werden  Gehör-  ' 
gangsknorpelstiicke  sichtbar. 

24.  XI.  In  der  Richtung  des  Gehörgangs  erstreckt  sich  ein 
ca.  20  mm  langer  Trichter,  dessen  obere  ovale  Oeffnung  die  Masse 
3:3/2  mm  zeigt.  Beim  Sondieren  keine  Blutung.  Erst  als  eine  watte¬ 
umwickelte  Sonde,  Pankreatin  in  die  Tiefe  stopfend,  eingeführt  wird, 
kommen  einige  Tropfen  Blut.  Keine  Schmerzen,  nur  dann  und  wann 
ein  leichter  Stich.  Epidermis  zieht  in  den  Trichter  hinein.  Nirgends 
Ulzeration. 

29.  XI.  Der  Trichter  hat  an  Umfang  und  Tiefe  gewonnen.  Epi- 
dermis  bedeckt  die  sichtbare  Fläche  bis  auf  einen  doppeltlinsengrossen 
Fleck  an  der  unteren  Zirkumferenz. 

4.  XII.  Nur  unten  eine  etwa  linsengrosse  epidermisfreie  Fläche. 
Gestern  „rheumatische“  Schmerzen  am  rechten  temporalen  Aug- 
winkel  und  am  rechten  Parietalbein.  Trichter,  4  mm  breit,  18  mm  tief, 
blutet  nur  nach  tiefer  Sondierung.  Blutoberfläche  pulsiert  sehr  stark’ 
gerinnt  aber  sehr  schnell.  Am  unteren  Umfange  ist  die  Epidermis 
heraiifgeklettert  und  bildet  einen  wulstigen  Rand.  Probeexzision,  keil¬ 
förmiges  kleines  Stück  im  unteren  Abschnitt.  Das  Tumorstück  wird 
zur  Hälfte  in  konzentrierte  Sublimatlösung  mit  8  Proz.  Eisessig,  die 
andere  Hälfte  in  Formol  gebracht. 

10.  XII.  Am  oberen  Pole  scheinen  2  Knorpelstücke  durch. 

17.  XII.  Wunde  überhäutet.  Oben  aussen  vom  Tumor  zwei  halb- 
linsengrosse  flache  Hervorragungen. 

18.  XII.  Knorpelstellen  in  grösserem  Umfange  sichtbar.  Die  eine 
setzt  sich  in  den  oberen  Randwulst  fort,  von  dem  aus  eine  leichte 
Eihebung  (1  mm  breit,  4  mm  lang)  auf  der  Concha  nach  hinten  aussen 
im  Bogen  abwärts  zieht.  In  der  Tiefe  des  Trichters  kolbenförmige 
Exki  eszenzen  sichtbar.  Tumorränder  niedriger.  Ohne  befragt  zu 
sein,  gibt  die  Patientin  an,  dass  das  seit  der  ersten  Operation  be¬ 
stehende  spannende  Gefühl  in  der  Gegend  des  Kieferwinkels  abge¬ 
nommen  habe.  Nachtruhe  stets  gut,  nur  manchmal  Stiche  im  Kopf. 
Die  Berührung  des  Tumors,  die  vor  der  Behandlung  äusserst  schmerz¬ 
haft  war,  ruft  jetzt  keine  unangenehme  Empfindung  hervor. 

12  I.  07.  Die  Randwülste  sind  niedriger  und  schmäler,  aber 
etwas  hinausgerückt,  der  Tumor  hat  also  an  Umfang  gewonnen  Die 
Gegend  des  Meatus  ist  in  über  Bleistiftdicke  frei.  'Keine  Blutung, 
keme^Schmerzen.  Allgemeinbefinden  sehr  gut,  Gewicht  113  Pfund. 

Tumoroberfläche  bleibt  dauernd  frei  von  Ulzeration  und  ist 
epidermisiert.  Im  Laufe  des  Februars  zeigten  sich  stellenweise  leichte 
neue  Erhebungen.  Beim  tiefen  Sondieren  einmal  stärkere  Blutung 
Oefters  Schmerzen  im  Kopf.  Ich  verreiste  Ende  Februar;  der  be¬ 
handelnde  Kollege  teilte  mir  mit,  dass  die  Patientin,  die  sich  bis  dahin 
Ranz  wohl  befand,  plötzlich,  ohne  irRend  welche  meninRitische  Er¬ 
scheinungen  RezeiRt  zu  haben,  am  7.  III.  07  Restorben  sei.  Eine 
Sektion  konnte  leider  nicht  gemacht  werden. 

Zusam  m  enfassung:  Ein  als  Karzinom  diagnosti¬ 
zierter,  rezidivierender,  exulzerierter  Tumor  des  äusseren 
Ohres  geht  auf  Pankreatinbehandlung  ganz  wesentlich  zu¬ 
rück.  Die  Oberfläche  reinigte  sich,  blutete  und  schmerzte  nicht 
mehr.  Es  bildete  sich  ein  ca.  2  cm  tiefer  Trichter  in  der  Rich¬ 
tung  des  äusseren  Gehorganges,  in  welchem  Knorpelstücke  der 
Muschel  zutage  treten.  In  dem  Masse,  als  die  Oberfläche  von 
den  Rändern  her  epidermisiert  wurde,  verlor  das  Pankreatin 
an  Angriffsfläche,  so  dass  sich  an  der  Peripherie  wie  im  Trich- 
tei  bucklige  Exkreszenzen  zeigten,  die  das  Fortschreiten  der 
Geschwulst  unterhalb  der  Epidermis  in  der  Peripherie  doku¬ 
mentieren.  Der  Tumor  hätte  ja  leicht  von  der  den  proteo¬ 
lytischen  etc.  Fermenten  unzugänglichen,  abwehrenden  Epi- 
deimis  befieit  werden  können,  aber  die  Behandlungsmethode 
sollte  zunächst  ganz  rein  unter  Ausschluss  jedes  mechanischen 
Insultes  durchgeführt  werden.  Die  Patientin  befand  sich  dau¬ 
ernd  körperlich  wohl,  nachdem  die  vorherbestehenden,  die 
Nachtruhe  störenden  Schmerzen  verschwunden  waren.  Sie 
starb  ohne  meningitische  Symptome  gezeigt  zu  haben,  plötz¬ 
lich,  wohl  an  einer  Embolie. 

Die  histologische  Untersuchung  des  exzidierten  Ge- 
schwulstteilchens  wurde  dadurch  interessant  und  wertvoll, 
dass  mir  von  dem  bei  der  ersten  Operation  im  Jahre  1904  ent¬ 
fernten  Tumor  ein  Schnitt  zur  Verfügung  stand, 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2279 


Das  mikroskopische  Bild  des  letzteren  zeigt  in  massig 
stark  entwickeltem  Stroma  Karzinomzellverbände,  die  zu¬ 
weilen  eine  Arzt  Synzytium  bilden.  Die  Zellkerne  sind  meist 
eiförmig,  schwach  tingiert,  besitzen  mehrere  Kernkörperchen 
und  eine  scharf  abgesetzte  Kernhülle.  In  der  dem  Stroma  zu¬ 
gewandten  Randschicht  der  Zellhaufen  ist  die  Färbbarkeit  der 
Zellen  eine  intensivere,  der  Kernleib  der  Zellen  ist  schlanker, 
ihr  grösster  Durchmesser  stets  radiär  in  der  Längsrichtung  ge¬ 
stellt,  so  dass  die  Zellen  pallisadenartig  nebeneinander  liegen.  In 
dieser  äussersten  Zellage  ist  der  Kern  dem  der  freien  Ober¬ 
fläche  abgewandten  Zellpole  genähert,  das  darüber  liegende 
Zytoplasma  ist  scheinbar  streifig  angeordnet.  Das  Bild  der 
oberflächlichsten  Zellen  erinnert  an  das  des  Dünndarmepithels. 
An  dem  im  Schnitt  enthaltenen  Knorpelteilen  sieht  man  schon 
makroskopisch  die  Abnahme  der  Färbbarkeit  der  Knorpelzellen 
in  den  peripheren,  dem  Tumor  zugewandten  Abschnitten.  Die 
Karzinomzellen  nehmen  den  Knorpel  in  breiter  Fläche  in  An¬ 
griff.  Die  oberste  Schicht  derselben  ist  sehr  dunkel  tingiert, 
Zell-  und  Kernleib  sind  relativ  kleiner  und  unregelmässiger  ge¬ 
staltet,  als  in  den  zentralen  Partien.  Zwischen  ihr  und  dem 
Knorpel  liegt  eine  feine,  gefässreiche  Bindegewebsschicht.  Die 
relativ  weit  kalibrierten,  von  zarten  Endothelien  eingefassten 
kapillären  Räume  verlaufen  parallel  zur  Oberfläche  der  be¬ 
nachbarten  Tumoroberfläche,  ebenso  sind  die  Längsachsen  der 
zierlichen  Fibroblastenkerne  eingestellt.  Die  dieser  Schicht 
benachbarten  Knorpelpartien  sind  durch  das  Eosin  diffus  rot 
gefärbt.  In  den  Knorpelzellen  haben  nur  einzelne  Chromatin¬ 
klumpen  des  Kernes  das  Hämatoxylin  zurückgehalten.  Oft 
hat  sich  das  Zytoplasma  in  zwiebelartigen  Schichten  konzen¬ 
trisch  schalig  angeordnet,  wohl  indem  sich  die  flüssigen  Be¬ 
standteile  innerhalb  der  Zellhülle  nach  ihrem  spezifischen  Ge¬ 
wicht  anordneten  und  in  dieser  Lage  fixiert  wurden,  wie  ich 
dies  bei  Plasmazellen  (Münch,  med.  Wochenschr.  1905) 
schilderte.  In  diese  Peripherie  des  Knorpelgewebes  sieht  man 
von  Blasmatozyten  begleitete  Kapillaren  eindringen,  in 
senkrechter  Richtung  zu  der  eben  beschriebenen  zirkulären 
Bindegewebsschicht.  Da  wo  sie  liegen,  ist  die  Knorpelgrund¬ 
substanz,  die  in  den  den  Karzinomzellen  nahen  Partien  ein 
körniges  Gefüge  zeigt,  stark  aufgelockert,  so  dass  eine  mehr 
weissliche  Färbung  resultiert  und  in  Quantität  vermindert. 
Die  Knorpelzelle  widersteht  anscheinend  länger.  In  den  ober¬ 
flächlichen  Schichten  der  Tumorzellen  sieht  man  vielfach  einen 
wabigen  Bau,  dessen  rotgefärbte  Einschlüsse  wohl  als  Reste 
nicht  völlig  resorbierter  Knorpelzellen  anzuisprechen  sind. 

G  o  1  d  m  a  n  n  (Referat  in  der  Med.  Klinik  1906,  No.  40 — 43) 
fand  mit  Hilfe  der  Injektionsmethode  bei  Röntgenaufnahmen 
enorme  Vermehrung  der  Gefässe  an  der  peripheren  Wachs¬ 
tumszone  der  Karzinome.  Mit  Rücksicht  auf  meine  Befunde 
am  Knorpel  neige  ich  der  Ansicht  zu,  dass  diese  gefässreiche 
bindegewebige  Grenzzone  unter  der  Einwirkung  der  Stoff¬ 
wechselprodukte  der  Karzinomzellen  (ähnlich  der  Toxinwir¬ 
kung  der  Bakterien  auf  die  Umgebung)  entsteht  und  dass  sie 
die  Avantgarde  des  Tumors  darstellt,  welche  durch  resorptive 
Tätigkeit  dem  nachrückenden  Gros  die  Wege  bahnt  und  ein 
gewisses  Kriterium  seiner  Malignität  ist.  Dafür  spricht  auch 
der  Befund  Goldmanns,  dass  diese  Gefässvermehrung  bei 
stationär  bleibenden  Tumoren  und  beim  Zerfall  derselben 
scheinbar  verschwinden  kann.  Der  Knorpel  bietet  gute  Ge¬ 
legenheit  zum  Studium  des  Eindringens  des  Karzinoms  in  Kör¬ 
pergewebe,  1.  weil  er  sehr  gefässarm  ist,  2.  weil  seine  Grund¬ 
substanz  durch  Trypsinverdauung  in  spezifischer  Weise  ver¬ 
ändert  wird.  Ich  werde  an  anderer  Stelle  genauer  darüber 
berichten. 

Die  histologisch  untersuchten  Teile  des  Tumors,  nachdem 
er  der  Pankreatinbehandlung  unterworfen  worden  war,  zeig¬ 
ten,  dass  die  Oberfläche  hauptsächlich  von  Stroma  gebildet 
wird,  das  keine  besondere  Infiltration  aufweist.  An  den  Rand¬ 
partien  sieht  man  Epidermis.  Die  Zellhaufen  nahe  oder  an  der 
Oberfläche  unterscheiden  sich  von  den  tiefer  gelegenen;  sie 
sind  abgeplattet,  die  typische  Randstellung  der  Zellen  fehlt, 
ihre  Kerne  sind  unregelmässig  in  Grösse  und  Form,  meist  in¬ 
tensiv  gefärbt.  An  einer  Stelle  sind  sie  sehr  blass,  wie  aus¬ 
gelaugt,  zum  Teil  mit  Chromatinklumpen,  zuweilen  mit  homo¬ 
genen,  glänzenden  Feldern  durchsetzt.  Ein  anderer  Zellhaufen 
zeigt  auffallende  Polymorphie  der  dunklen  Kerne,  viele  Zwerg¬ 


formen  mit  Hyperchromatose  der  Kernwand  etc.,  an  seiner 
Oberfläche  liegt  freies  Chromatin.  Das  Bindegewebe  weist 
sehr  starke  seröse  Durchtränkung  auf,  die  Rundzelleninfiltra¬ 
tion  ist  eine  sehr  geringe.  Ich  will  mich  kurz  fassen  und  dafür 
den  Befund,  den  mein  verehrter  früherer  Chef,  Prof.  Dr.  E.A1- 
b  r  e  c  h  t  -  Frankfurt  a.  M.,  erhob,  in  extenso  wiedergeben. 
Für  seine  Liebenswürdigkeit  bin  ich  ihm  zu  Dank  verpflichtet. 

„Der  Tumor  stellt  eine  Mittelform  zwischen  den  nicht  ver¬ 
hornenden  Formen  des  drüsenartigen  Oberflächenkrebses 
(dem  er  aber  zuzurechnen  ist)  und  dem  typischen  Platten¬ 
epithelkrebs  der  Epidermis  dar.  Diese  Formen  sind,  soweit 
meine  bisherige  Erfahrung  reicht,  ebenso  wie  das  Kankroid 
dem  Röntgenverfahren  weniger  zugänglich  als  der  drüsen¬ 
artige  Oberflächenkrebs.  Die  Epidermis  zeigt  keine  von  den 
gewöhnlichen  entzündlichen  abweichende  Veränderungen, 
erstere  zumeist  geringgradig.  Die  Riesenzellen  sind,  soweit 
ich  sah,  Fremdkörperriesenzellen  des  Bindegewebes. 

Letztere  zeigt  in  den  Stückchen  P.  I  und  P.  II  (Tumor  mit 
Pankreatin  behandelt)  die  hauptsächlichste  Verände¬ 
rung:  stark  akute  und  subakute  entzündliche  Infiltration, 
ödematöse  Durchtränkung  und  Quellung,  geringere  re¬ 
lative  0  u  a  n  t  i  t  ä  t  als  im  Ausgangsstück.  Blutungen  zum 
grössten  Teile  frisch. 

Die  Epithelveränderungen  sind  in  P.  II  wesentlich  ein¬ 
fache  Chromatolyse  mit  Diffusfärbung  der  Kerne,  vielfach 
vakuoläre  (z.  T.  fettige?)  Degeneration,  teilweise  Schwund 
des  Zytoplasmas,  ausgedehnte  Lockerung  des  Verbandes 
(ödematöse  Durchtränkung  und  Zelleibsschwund),  entzünd¬ 
liche  Infiltration  mässigen  Grades.  Papillen  stark,  Epithel  der 
Epidermis  mässig  stark  entzündlich  infiltriert.  Das  Ganze 
macht  den  Eindruck  eines  gegen  einen  Geschwürs-  oder 
Höhlensaum  vorragenden,  langsam  absterbenden  Geschwürs¬ 
stückchens.  Epithel  in  P.  I:  Die  Proliferationsenergie  nicht 
vermindert,  eher  gesteigert,  regelmässige  Mitosen.  Kern¬ 
grösse  durchschnittlich  hinter  den  Mittel-  und  Hauptgrössen 
des  Ausgangstückes  zurückbleibend.  Chromatingehalt  über¬ 
all  gering,  wenige  „Nukleolen“  (bezw.  grössere  Chromatin¬ 
klumpen),  teilweise  Steigerung  zu  leicht  diffuser  Tönung. 

In  P.  I  und  P.  II  das  Kapillarendothel  häufig  gepuollen, 
mit  grossen  Kernen  (neugebildete  Kapillare?  —  entzündliche 
Schwellung?). 

Im  ganzen  habe  ich  den  Eindruck,  dass  eine  spezi¬ 
fische  Wirkung  auf  das  Enithel  nicht  vorliegt,  sondern  das 
Ganze  sich  durch  tiefgreifende  Ernährungsstörung  erklärt:  als 
Grundlage  der  letzteren  ist  in  erster  Linie  die  entziindlich- 
ödematöse  Infiltration  anzusehen,  in  zweiter  Linie  wäre  zu 
fragen,  ob  soezifisch  verdauende  Wirkung  neben  und  als  Ur¬ 
sache  der  Entzündung  da  ist,  drittens  käme  eine  abnorm  ge¬ 
ringe  Entwicklung  des  Stromas  (aber  jedenfalls  nur  als  Teil- 
faktor)  in  Betracht.“ 

Die  histologische  Untersuchung  des  Ausgangstumors  zeigt 
somit  besonders  das  Vorhandensein  und  die  Bedeutung  einer 
gefässreichen  Bindegewebsschicht  zwischen  dem  Tumoi  und 
dem  invadierten  Knorpel.  Die  des  mit  Pankreatin  behandelten 
Karzinoms  machte  mannigfaltige  Degenerationsvorgänge  an 
den  Geschwulstzellen  neben  hochgradigem  Oedem  im  Binde¬ 
gewebe  sichtbar.  Inwieweit  die  Zellveränderungen  auf 
direkte  Einwirkung  des  Pankreatins  oder  auf  eine  indirekte, 
d.  h.  auf  Ernährungsstörungen  infolge  der  Schwellung  im 
Stützgewebe  zurückzuführen  sind,  lässt  sich  aus  dem  inikio- 
skopischen  Bilde  zunächst  wohl  kaum  entscheiden.  .  Vielleicht 
kommt  in  vivo  für  das  Zurückgehen  des  Tumors  die  Einwir- 
kung  der  Eiweissverdauung  auf  das  Bindegewebe  in  erster 

Linie  in  Betracht.  ,  , 

Die  klinische  und  die  histologische  Beobachtung  lassen 
ausschliessen,  dass  es  sich  bei  dem  Zurückgehen  des  mit  Pan¬ 
kreatin  behandelten  Karzinoms  um  eine  spontane  regressive 
Metamorphose  gehandelt  hat.  Der  Tumor  hatte  auch  früher 
letztere  Erscheinung  nie  gezeigt  und  war  durch  Eosin-L.icht- 
behandlung  nicht  beeinflusst  worden.  . 

Wie  oben  erwähnt,  finden  sich  zuweilen  regressive  Vor¬ 
gänge  im  Karzinom,  wenn  es  mit  dem  Kauter  behandelt  wurde, 
besonders  aber,  wenn  ein  Erysipel  über  es  hinwegschritt.  Es 
erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  diese  beiden  Vorgänge  mit  denen 
bei  Pankreatinbehandlung  sich  in  Parallele  stellen  lassen. 


2280 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Beim  Erysipel  besteht  eine  von  einer  Hautdehiszenz  aus¬ 
gehende  Invasion  der  kutanen  Lymphwege  durch  Strepto¬ 
kokken  und  als  Folgeerscheinung  lebhafte  entzündliche  Vor¬ 
gänge:  pralle  Füllung  aller  Gefässe,  zellige  Infiltration  der 
Haut  und  des  subkutanen  Bindegewebes,  hochgradige  ödema- 
töse  Durchtränkung  aller  Kutisschichten,  im  Stratum  ger- 
minativum  Degenerationserscheinungen  am  Epithel.  Auf  der 
Höhe  der  entzündlichen  Exsudation  sind  die  Streptokokken 
gewöhnlich  verschwunden.  Diese  erfolgreiche  Bekämpfung 
der  Infektion  führt  der  Organismus  mit  Hilfe  der  an  der  Ein¬ 
fallspforte  konzentrierten  Leukozyten  aus,  die  teils  aus  dem 
Gefässystem  emigrieren,  teils  an  Ort  und  Stelle  gebildet  wer¬ 
den.  Diese  „glandes  unicellaires  mobiles“,  wie  R  a  n  v  i  e  r 3)  sie 
nennt,  geben  proteolytische  Fermente  ab,  die  allen  mit  einer  Ei¬ 
weisshülle  bekleideten  Mikroorganismen  gefährlich  werden. 
F.  Müller4)  hat  die  Resorption  der  so  umfangreichen  pneu¬ 
monischen  Exsudate  mit  den  autolytischen,  proteolytisch  wir¬ 
kenden  Fermenten  der  Leukozyten  erklärt.  Schon  M. 
Schmidt5)  hatte  die  Heilung  eines  voluminösen  pleuritischen 
Exsudates  unter  Wirkung  eines  von  einer  Vesikatonwunde  aus¬ 
gehenden  Erysipels  gesehen  und  trat  deshalb  für  künstliche 
Erzeugung  eines  Erysipels  durch  abgeschwächte  Kulturen  zur 
Aufsaugung  von  Exsudaten  ein. 

Busch5)  sah  ein  Drüsensarkom  am  Hals  unter  einem 
Erysipel  zur  Hälfte  kleiner  werden.  Rindfleisch8)  fand 
histologisch  Fettmetamorphose,  eine  emulsive  Flüssigkeit  füllte 
die  Maschen  des  Gewebes  aus. 

Lieber  Heilungsvorgänge  in  Karzinomen  und  Sarkomen 
unter  Erysipel  berichten  ferner  Bruns,  F  e  h  1  e  i  s  e  n  5), 
N  e  i  s  s  e  r  5),  Biedert5)  u.  a. 

Auf  diese  Tatsachen  sich  stützend  ging  Emmerich6) 
daran,  ein  sterilisiertes  Erysipelserum,  das  er  nach  Injektion 
von  Erysipelerregern  aus  dem  Blute  der  Versuchstiere  ge¬ 
wann,  bei  Karzinomen  und  Sarkomen  in  Anwendung  zu  brin¬ 
gen;  in  der  Absicht,  ein  aseptisches  Erysipel  hervorzurufen. 
In  der  Literatur  entspann  sich  ein  heftiger  Kampf:  begeisterte 
Heilungsberichte  auf  der  einen,  schärfste  Ablehnung  auf  der 
anderen  Seite.  Das  Mittel  wurde  gänzlich  verlassen,  ich  glaube 
zu  Unrecht;  es  hätte  in  manchem  inoperablen  Falle  die  Flamme 
der  Hoffnung  im  Kranken  anfachen  und  ihn  für  einige  Zeit  über 
die  Trostlosigkeit  der  Prognose  hinwegtäuschen  können. 

Man  sieht  unter  der  Toxinwirkung  der  Erysipelerreger 
lebhafte  entzündliche  Reaktion  in  der  Haut  und  im  subkutanen 
Gewebe;  neben  starkem  Oedem  Auftreten  zahlreicher  Leuko¬ 
zyten,  durch  deren  proteolytische  Fermente  die  Vernichtung 
der  Erreger  erfolgen  kann.  Hat  die  Toxin-  und  die  Leuko¬ 
zytenbildung  sich  im  Bereich  des  Karzinomgewebes  abge¬ 
spielt,  so  wird  das  Ferment  der  ersteren  nicht  nur  auf  das 
körperfremde  Eiweiss  der  Bakterienhülle,  sondern  auch  auf 
das  Karzinomgewebe  wirken. 

In  unserem  Falle  wurde  an  Stelle  des  Leukozytenfermentes 
das  Pankreatin  gesetzt,  die  Wirkung  darf  als  dieselbe  betrachtet 
werden. 

In  derselben  Weise  dürften  sich  auch  die  spontanen  uner¬ 
warteten  Krebsheilungen  resp.  Rückbildungen  nach  unvoll¬ 
ständig  ausgeführten  Operationen,  über  die  Czerny  auf  der 
Krebskonferenz  in  Heidelberg  sprach,  erklären  lassen. 

In  unserem  Spezialfach  haben  wir  ja  Gelegenheit  die 
enorme  Reaktion  der  Gewebe,  besonders  der  Schleimhäute, 
bei  Kauterisationen  zu  beobachten.  Sie  besteht  in  ausserordent¬ 
lich  starker  ödematöser  Schwellung  und  in  starker  Rundzell¬ 
infiltration  in  der  Umgebung  des  Schorfes.  Es  liegen  also  ähn¬ 
liche  Verhältnisse  vor,  wie  beim  aseptischen  Erysipel  E  m  - 
m  e  r  i  c  h  s. 

Esdiirftedemnacherlaubtsein,  das  Zurück¬ 
gehen  der  Karzinome  nach  Kauterisation  in 
derselben  Weise  wie  beim  Erysipel  auf  die  Er¬ 
nährungsstörungen  infolge  des  hochgradigen 
Oedems  und  die  direkte  Fermentwirkung  der 
Leukozyten  zurückzuführen,  nur  1  i  e  g  t  h  i  e  r 


:|)  Traite  technique  d’histologie. 

4)  Verhandl.  des  Kongresses  für  innere  Med.  1902. 

5)  Siehe  bei  Emmerich. 

6)  Miinch.  med.  Wochenschr.  1894  und  Deutsche  med  Wochen- 

schr.  1895. 


keineinfektiöse,  sondern  eineaseptischeEite- 

r  u  n  g  vor. 

Wie  wirken  die  Röntgenstrahlen  auf  das  Karzinom? 

...  M  i  k  u  1  i  c  z  und  Fittig  (s,  o.)  berichteten  ausführlich 
über  einen  mit  Röntgenstrahlen  erfolgreich  behandelten  Fall  von 
Brustdrüsenkrebs  und  sprachen  die  Ueberzeugung  aus,  „dass 
die  Röntgenstrahlen  eine  gewisse  elektive  Wirkung  auf  das 
Karzinomgewebe  besitzen“.  Sie  beobachteten,  dass  nicht- 
ulzenerte  Krebse  der  genannten  Therapie  stärkeren  Widerstand 
boten  und  sahen  das  Hindernis  in  dem  subepithelialen  Stütz¬ 
gewebe.  „Wir  selbst  verfügen  über  einen  Fall  von  Mamma¬ 
karzinom,  bei  welchem  die  Haut  über  dem  Tumor  sich  bereits 
im  Durchbruch  befand  und  deshalb  so  wenig  hindernd  wirkte, 
dass  schon  nach  7  mittelstarken  Sitzungen  ein  so  tiefgehender 
Zerfall  des  Tumors  eintrat,  dass  eine  gänseeigrosse  Masse  aus 
dem  Zentrum  derselben  wie  ein  Sequester  ausgestossen  wurde. 
Die  Vorgänge,  die  zu  diesem  Massenzerfall  geführt  haben,  sind 
indessen  vielleicht  nicht  ganz  identisch  mit  dem  im  früheren 
Falle  beobachteten  (wo  es  sich  um  einen  stark  exulzerierten 
Brustdrüsenkrebs  handelte).“ 

Die  Reaktion  der  Haut  über  dem  Tumor  auf  intensive  Be¬ 
strahlung  ist  eine  sehr  heftige,  ähnlich  wie  bei  Verbrennungen. 
Ist  der  Tumor  stark  ulzeriert,  so  wird  die  Wirkung  auf  den 
von  Epidermis  nicht  geschützten  Blutgefäss-  und  Bindege- 
websapparat  eine  erheblich  stärkere  als  bei  intakter  Deck¬ 
schicht  ohne  leukozytäre  Infiltration  der  Karzinomoberfläche 
sein.  Beim  Zerfall  der  granulatragenden  Rundzellen  unter  der 
Strahlenwirkung  kann  sich  die  proteolytische  Kraft  der  Auto¬ 
lyse  gegenüber  dem  Karzinomgewebe  entfalten.  Die  Leuko¬ 
zyten  sensibilisieren  quasi  das  Karzinom  für  die  Röntgen¬ 
strahlen. 

Daneben  könnte  noch  eine  Einwirkung  auf  das  kausale 
Agens  der  Geschwulst  in  Frage  kommen.  Bei  Besprechung7) 
der  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  Rundzellsarkom  und  leu¬ 
kämische  Tumoren,  die  das  Gemeinsame  haben,  dass  sie  beide 
auf  X-Strahlen,  Eryipel  und  Arsen  günstig  reagieren,  stellte 
ich  die  Hypothese  auf,  dass  „eine  örtliche  Häufung  gewisser 
Fermente  wohl  die  Stoffwechselvorgänge  in  der  Rundzelle 
leicher  gestalten,  dadurch  Mitosen  beschleunigen  und  zu 
Zellhy  pe i  plasien  Anlass  geben  könnte.  Auf  einer  Schädigung 
dieser  so  labilen  chemischen  Verbindungen  könnte  dann  die 
Wirkung  der  Röntgenstrahlen  beruhen.“  Es  wäre  möglich,  dass 
ähnliche  Vorgänge  auch  beim  Karzinom  spielen. 

Der  ungemein  günstige  psychische  Einfluss,  den  die  Reini¬ 
gung  der  ulzerierenden  Fläche,  das  Aufhören  der  Blutung  und 
der  Schmerzen,  sowie  das  Klcinerwerden  des  Tumors,  den 
meine  Patientin  mit  begreiflichem  Interesse  verfolgte,  ausübt, 
lassen  die  Anwendung  der  Pankreatinbehandlung  bei  ulze- 
lierenden  Karzinomen  (und  wohl  auch  Sarkomen)  der  Körper¬ 
oberfläche  sowie  z.  B.  bei  Portiokarzinomen,  empfehlenswert 
erscheinen,  umsomehr  als  diese  therapeutische  Massnahme 
völlig  schmerzlos  wirkt  und  mit  nur  geringen  Kosten  ver¬ 
knüpft  ist. 

Vielleicht  lässt  sich  das  Pankreatin  mit  Vorteil  durch  die 
Pyozyanase  ersetzen,  die  intensive  proteolytische  und  bak¬ 
terizide  Wirkung  vereint  (der  ich,  nebenbei  gesagt,  deswegen 
in  unserem  Spezialfach  bei  der  Bekämpfung  von  Eiterungen, 
die  durch  Strepto-,  Staphylo-,  Meningokokken  und  Diphtherie¬ 
bazillen  hervorgerufen  sind,  eine  Zukunft  zusprechen  möchte). 
Die  im  Handel  befindliche  Pyozyanase  ist  zu  Injektionen  in  den 
Tumor  wegen  ihres  hohen  Salzgehaltes  nicht  geeignet,  es  Hesse 
sich  aber  leicht  im  Dialysator  eine  entsprechende  Lösung  her¬ 
steilen.  Ich  hoffe,  dass  ich  Ihnen  später  über  Versuche  mit 
der  Pyozyanase  werde  berichten  können. 

Zusammenfassung. 

1.  Die  Pankreatinbehandlung  des  inope¬ 
rablen  Karzinoms  hatte  die  Reinigung  der  ul¬ 
zerierenden  Fläche,  das  Aufhören  der  Blu¬ 
tungen  und  der  Schmerzen,  sowie  dasKIeiner- 
werden  des  Tumors  zur  Folge. 

2.  Die  Wirksamkeit  wurde  später  durch  die 
zunehmende  Epidermisierung  der  Oberfläche 
herabgesetzt.  Sie  könnte  durch  Entfernung 

7)  Arch.  f.  klin.  Chirurg.  79/11. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2281 


der  Epidermis  mit  dem  Galvanokauter  oder 
Aetzstift  leicht  wiederhergestellt  werden. 

3.  D  i  e  vorhergehende  Anwendung  eines 
anämisierenden  Mittels  (E  p  i  n  e  p  h  r  i  n)  schien 
dieWirkungdesPankreatinsnichtzu  erhöhen. 

4.  D  i  e  histologische  Untersuchung  zeigte 
hochgradige  ödematöse  Durchtränkung  und 
massige  zeitige  Infiltration  des  Bindege¬ 
webes,  Q  u  e  1 1  u  n  g  d  e  s  K  a  p  i  1 1  a  r  e  n  d  o  t  h  e  1  s,  sowie 
Lockerung  der  E  p  i  t  h  e  1  z  e  1 1  e  n,  welche  tief¬ 
gehende  Degenerationserscheinungen  zei¬ 
gen.  Ob  letztere  auf  direkte  Pankreatinwir¬ 
kung  zurückzuführen  sind,  1  i  e  s  s  sich  nicht 
konstatieren. 

D i e  V  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  g  e  n  ä  h  n  e 1 n  d  e  n  e  n  b  e i m  Ery¬ 
sipel  der  Haut. 

5.  Die  Wirkung  des  Erysipels,  des  Kauters 
(z.  T.  auch  der  Röntgen  strahle  n)  dürften  auf 
derselben  Basis  r  u  h  e  n,  w  i  e  d  i  e  d  e  r  Pankreatin¬ 
behandlung. 

6.  Der  Abbau  des  Knorpels  geschieht  zu¬ 
nächst  nicht  durch  direkten  Kontakt  mit  den 
Karzinomzellen,  sondern  durch  eine  geiäss- 
reiche  Bindegewebsschicht,  die  zwischen 
ihnen  liegt. 

7.  Vielleicht  erweist  sich  auch  die  Pyo- 
zyanase  wegen  ihrer  hohen  proteolytischen 
undbakteriziden  Wirkung  zur  Behandlungder 
ulzerierenden,  inoperablen  Karzinome  (in 
salzarmer  Form  auch  zur  Injektion  in  den  Tu¬ 
mor)  geeignet. 


Ueber  habituelle  Rotationssubluxation  des  vierten  Hals¬ 
wirbels. 

Von  Dr.  M.  van  Oordt,  St.  Blasien. 

Ein  Prädilektionssitz  für  Luxationen  der  Halswirbelsäule 
ist  die  Gegend  des  vierten  und  fünften  Halswirbels,  nach  Ko¬ 
cher  u.  a.  insbesondere  auch  für  die  Rotationsluxationen. 
Die  Ursache  dieser  Bevorzugung  hat  man  darin  gesehen,  dass 
die  Krümmung  der  Halswirbelsäule  eben  da  am  grössten  ist, 
wodurch  für  äussere  Verletzungen  und  für  den  Muskelzug  bei 
Rotation  und  Streckung  besondere  Angriffspunkte  geboten 
werden. 

Bei  dieser  Sachlage  erscheint  es  fast  merkwürdig,  dass 
Fälle  von  habitueller  Luxation  oder  Subluxation  der  Halswirbel¬ 
säule  nicht  beschrieben  sind.  Es  scheint  dies  davon  abzu¬ 
hängen,  dass  immerhin  der  Schutz  der  betreffenden  Skelett¬ 
gegend  durch  Weichteile  ein  verhältnismässig  grosser  ,  ist  und 
dass  durch  die  Kontrolle  der  benachbarten  Sinnesorgane  An¬ 
lässe  zu  Verletzungen  leichter  vermieden  werden.  Anderer¬ 
seits  nehmen  ernste  Luxationen  der  betreffenden  Gegend  nicht 
selten  einen  letalen  Ausgang  oder  es  kommt  nach  einer  ohne 
Läsion  des  Marks  reponierten  Luxation  in  der  Zeit  vorsichtiger 
Schonung  zu  solchen  Verwachsungen  der  zerrissenen  Bänder 
und  abgesprengten  Knochenteile,  dass  die  Beweglichkeit  der 
Wirbelsäule  dadurch  eingeschränkt  wird. 

Schon  aus  diesem  Grunde  ist  der  folgende  Fall  von  habi¬ 
tueller  Rotationssubluxation  der  Halswirbelsäule  der  Beachtung 
wert.  Die  dabei  nachgewiesenen  Beeinträchtigungen  des  Ner¬ 
vensystems  haben  einiges  neurologisches  Interesse. 

Die  32  jährige  Frau  M.  M.  aus  F.  hat  schon  seit  vielen  Jahren 
bei  Bewegungen  des  Kopfes  unbestimmter  Art  öfters  das  Gefühl  von 
Zerrung  und  Verrenkung  im  Nacken  und  an  der  Wirbelsäule  gehabt. 
Vor  3  Jahren  hat  sie  sich  beim  Aufstehen  aus  idem  Bette  eine  regel¬ 
rechte  Rotationssubluxation  der  Baiswirbelsäule  mit  den  äusserlich 
sichtbaren  Veränderungen  in  der  Kopfhaltung,  Schmerzen  und  Be¬ 
wegungsstörungen  im  Nacken,  in  den  Armen  usw.  zugezogen.  Nach 
einigen  Tagen  schwanden  die  Beschwerden  langsam  von  selbst.  Seit¬ 
dem  hat  Patientin  aber  häufiger  das  Gefühl  schmerzhafter  Ver¬ 
renkung  im  Nacken  bei  Bewegungen  gehabt,  obgleich  die  Beweg¬ 
lichkeit  des  Kopfes  zwischen  den  einzelnen  Schmerz, anfällen  nicht 
eingeschränkt  war. 

Einige  Stunden  vor  der  jetzigen  Konsultation  hat  sie  im  Bette 
knieend  unter  Drehung  des  Kopfes  und  des  Oberkörpers  nach  hinten 
und  unter  gleichzeitigem  Ausrecken  des  rechten  Armes  nach  rechts 
hinten  versucht,  die  elektrische  Lichtleitung  auszuschalten,  ohne  dass 

No.  46. 


mit  dieser  Bewegung  besondere  Hast  und  Kraftanstrengung  ver¬ 
knüpft  waren.  Von  diesem  Augenblick  an  besteht  folgender  Zustand: 

Die  Patientin  empfindet  ziemlich  heftige,  brennende  Schmerzen, 
die  von  der  Mitte  der  Halswirbelsäule  aus  in  einer  ziemlich  geraden, 
etwa  handbreiten  Zone  quer  über  die  Schultergräte  genau  bis  zum 
rechten  Ellbogengelenk  verlaufen.  Ausserhalb  dieser  Gegend  be¬ 
stehen  bei  ruhigem  Verhalten  keine  Schmerzen.  Die  Bewegungen 
des  Kopfes  und  der  beiden  Schultern  sind  gehemmt  und  verursachen 
Schmerzen  im  Nacken;  insbesondere  ist  das  Greifen  mit  der  rechten 
Hand  nach  dem  Nacken  und  der  Versuch  einer  Rückwärtsbewegung 
des  Kopfes  äusserst  schmerzhaft.  Die  Patientin  hat  nicht  den  Ein¬ 
druck,  als  ob  der  rechte  Arm  gelähmt  wäre,  wohl  aber  die  Empfindung 
von  sehr  grosser  Müdigkeit  und  Schwere  des  rechten  Armes  und 
von  Eingeschlafensein  des  rechten  Oberarmes.  Alle  diese  Erschei¬ 
nungen  fehlen  auf  der  linken  Seite;  da  treten  Nackenschmerzen  nur 
bei  Bewegungen  des  Oberarms  und  der  Schultermuskulatur  ein. 
Schluckbeschwerden  sind  nicht  vorhanden;  sie  hat  keine  Kongestionen 
zum  Kopf,  keine  Störungen  beim  Sprechen,  Atmen  und  Kauen;  Blase 
und  Mastdarm  haben  normal  funktioniert.  Störungen  an  den  unteren 
Extremitäten  fehlen. 

Objektiver  Bef,u  n d :  Die  rechte  Schulter  steht  etwas 
tiefer  als  die  linke,  zugleich  scheint  der  Oberkörper  etwas  nach  rechts 
geneigt  zu  sein.  Der  Kopf  wird  mit  leichter  Drehung  nach  rechts 
hinten  rechtshin  gebeugt  gehalten,  sodass  das  Kinn  sich  rechts  von 
der  Mittellinie  befindet;  er  kann  jedoch  unter  Schmerzen  aufgerichtet 
und  ebenso  fast  gerade  gedreht  werden,  während  die  leichte  Senkung 
der  rechten  Schulter  nicht  verschwindet.  An  der  Halswirbelsäule 
sind  die  Dornfortsätze  des  vierten  und  fünften  Wirbels  etwas  druck¬ 
empfindlich.  Der  vierte  Dornfortsatz  ist  um  etwa  %  cm,  der  fünfte 
nur  wenig  aus  der  Mittellinie  nach  links  gerückt.  Sonst  sind  keine 
Deviationen  oder  Schwellungen  zu  beobachten.  Die  Pupillen  rea¬ 
gieren  normal.  Die  Inspektion  des  Rachens  zeigte  nichts  besonderes; 
eine  Palpation  der  vorderen  Oberfläche  der  Wirbelsäule  vom  Hals 
aus  wurde  nicht  vorgenommen.  Atmung,  Schlingen,  Phonation  und 
Artikulation  gehen  ohne  objektive  Störung  vor  sich.  Die  Arme  und 
die  Schultern  sind  passiv  völlig  frei  beweglich;  auch  die  aktiven 
Bewegungen  können,  soweit  die  Schmerzen  dies  zulassen,  ausgeführt 
werden.  Besonders  durch  Schmerzen  gehindert  wird  das  Heben  der 
Schultern  und  des  rechten  Armes,  sodass  die  grobe  Kraft  der  Schulter¬ 
muskulatur  mit  Rücksicht  auf  die  in  der  Halswirbelsäule  auftreten¬ 
den  Schmerzen  nicht  festgestellt  werden  kann.  Der  rechte  Arm  wird 
mit  den  Zeichen  und  mit  gleichzeitiger  Empfindung  der  Ermüdung 
nach  hinten  gehoben.  Die  grobe  Kraft  der  die  Vorderarme  und  die 
Hände  bewegenden  Muskulatur  ist  völlig  intakt.  Es  bestehen  keine 
Muskelspannungen.  Die  Trizeps-  und  Periostreflexe  sind  beiderseits 


in  gleicher  Weise  auslösbar.  Von  der  Wirbelsäule  nach  rechts,  an¬ 
fangend  am  vierten  und  fünften  Dornfortsatz,  erstreckt  sich  nach  der 
Peripherie  immer  deutlicher  werdend  ein  etwa  8 — 10  cm  breites, 
hypästhetisches  Band  in  fast  gerader  Richtung  über  das  Schulter¬ 
gelenk  und  über  das  äussere  Ende  der  Schultergräte  hinweg  bis  zum 
Ellbogen.  In  diesem  Gebiet  ist  die  Sensibilität  für  alle  Qualitäten 
leicht  herabgesetzt.  Die  Grenzen  sind  nicht  scharf  ausgeprägt,  sie 
entsprechen  jedoch  bei  nachträglichem  Vergleich  in  ihrem  äussersten 
Bereich  am  Nacken  und  am  Oberarm  dem  sensiblen  Gebiete  des 
vierten  und  fünften  Halssegmentes,  während  das  sensible  Ver¬ 
sorgungsgebiet  dieser  Wurzeln  in  der  Haut  der  vorderen  Brustwand 
keine  Störung  erlitten  hat.  Nur  im  Bereich  dieser  Hypästhesie  fühlt 
die  Patientin  das  Brennen  und  ein  gewisses  VertaulmnaÄgefühl.  An 
allen  anderen  Stellen  der  Rumpfhaut  und  der  Arme  isT  di*  Sensibilität 
durchweg  normal. 


3 


2282 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Diagnose:  Unvollkommene,  linksseitige  Rotationsluxation 
(Subluxation)  des  vierten  Halswirbels  mit  Kompression  der  rechten 
vierten  und  fünften  Zervikalnervenwurzel. 

Die  Einrenkung  wird  so  vorgenommen,  dass  der  Kopf  der  sitzen¬ 
den  Patientin  mit  beiden  Händen  gefasst,  langsam  und  vorsichtig  ge¬ 
hoben,  nach  rechts  gebeugt  und  mit  vorsichtigen  Drehbewegungen 
im  entgegengesetzten  Sinne  zur  Luxation  verschoben  wird.  Ohne 
dass  vom  Arzt  oder  der  Kranken  an  der  Wirbelsäule  ein  Knacken 
oder  Einschnappen  bemerkt  wird,  erklärt  die  Patientin  plötzlich  die 
Schmerzen  für  geschwunden.  Bei  Nachlassen  der  Extension  ist  die 
Kopfhaltung  normal  und  ebenso  die  Kopfbeweglichkeit.  Die  Arm¬ 
bewegungen  nach  dem  Nacken  und  zur  Seite  können  gut  ausgeführt 
werden.  Es  bestehen  nur  noch  während  4 — 5  Tagen  Müdigkeit  in  der 
rechten  Schulter-  und  Oberarmgegend,  leichte  Schmerzen  an  der 
Halswirbelsäule  und  noch  eine  Zeitlang  Parästhesien  in  der  vorher 
hypästhetischen  Zone.  Eine  Wiederholung  der  Sensibilitätsprüfung 
konnte  nach  dieser  Zeit  nicht  mehr  stattfinden,  während  die  Prüfung 
gleich  nach  der  Beseitigung  der  Luxation  noch  das  Vorhandensein 
der  leichten  Hypästhesie  ergeben  hatte.  Die  Deviation  des  vierten 
Dornfortsatzes  nach  links  von  der  Mittellinie  wurde  durch  die  Repo¬ 
sition  nicht  ganz  beseitigt,  aber  die  Patientin  fühlte  sich  nach 
Schwinden  der  Nackenschmerzen  völlig  beschwerdefrei. 

Auf  Grund  der  Schilderung,  wie  die  Affektion  zu  stände 
kam  und  nach  dem  Gesamtbilde  des  Falles  konnte  es  sich  nur 
um  eine  linksseitige  Rotationsluxation  eines  Halswirbels  han¬ 
deln.  Aber  die  Symptome  entsprechen  nicht  ganz  der  klassi¬ 
schen  Beschreibung  einer  Rotationsluxation  der  Halswirbel- 
säule,  bei  welcher  die  Stellung  des  Kinnes  am  seitwärts  ge¬ 
neigten  Kopf  in  der  Medianlinie  ist,  wo  die  etwa  vorhandenen 
Störungen  der  Motilität  und  Sensibilität  sich  fast  immer  auf 
der  Seite  der  Verhakung  der  Gelenkfortsätze  (hier  wäre  dies 
die  linke)  befinden  und  wo  eine  Deviation  des  Dornfortsatzes 
nur  ausnahmsweise  nachweisbar  ist. 

\  er  gegenwärtig!  man  sich  jedoch  das  Zustandekommen  der 
Rotationsluxation  mit  einseitiger  Verhakung  der  Gelenkfort¬ 
sätze  am  Skelett  in  der  Weise,  dass  der  Fixierende  4.  Hals¬ 
wirbel  mit  dem  darüber  befindlichen  Teil  der  Wirbelsäule  und 
mit  dem  Kopf  in  unveränderter  Verbindung  bleibt,  so  sieht  inan, 
dass  der  Dornfortsatz  zunächst  nach  der  Seite  der  Luxation 
und  das  Kinn  nach  der  Seite  der  Kopfneigung  von  der  Mittel¬ 
linie  abweichen,  während  die  bekannte  und  typische  Annähe¬ 
rung  des  Kinns  und  des  Dornfortsatzes  an  die  Medianlinie  erst 
ui  dem  Augenblick  erfolgt,  in  dem  eine  untere  Gelenkfläche 
des  rotierten  Wirbels  über  die  vordere  Kante  einer  oberen 
Gelenkfläche  des  darunter  liegenden  Wirbels  hinübergeglitten 
und  in  das  Foramen  intervertebrale  hinabgesunken,  also  die 
Verhakung  eingetreten  ist.  Auch  dann  erst  stellt  sich  der  nur 
wenig  gedrehte  und  bis  dahin  auf  der  luxierten  Seite  gehobene 
Wirbel  wieder  mehr  gerade  und  rückt  —  wenigstens  am  Ske¬ 
lett  —  nach  vorn. 

Von  diesen  Erwägungen  ausgehend,  wird  man  schliessen 
düifen,  dass  auch  im  vorliegenden  Fall  die  Luxation  nicht  bis 
zui  \  eiliakung  der  Gelenkfortsätze  gediehen,  sondern  in  dem 
Moment  zum  Stillstand  gekommen  ist,  als  die  linke  untere 
Gelenkfläche  des  vierten  Wirbels  auf  der  Vorderkante  der 
linken  oberen  Gelenkfläche  des  fünften  Wirbels  aufsass.  Kinn 
und  vierter  Dornfortsatz  blieben  demnach  noch  in  entgegen¬ 
gesetzter  Richtung  verschoben  und  auch  der  Körper  des  4. 
\\  irbels  ist,  wie  die  Inspektion  des  Rachens  bei  weit  ge¬ 
öffnetem  Munde  und  der  unbehinderte  Schluckakt  erkennen 
Hessen,  nicht  nach  vorn  gerückt. 

Die  Störungen  im  Gebiete  der  4.  und  5.  rechten  Zervikal¬ 
nervenwurzel  müssen  sich  zum  Teil  von  der  Zerrung  der  Bän¬ 
der  herleiten,  welche,  an  der  Austrittsöffnung  der  Wurzeln  ge¬ 
legen,  eine  Verengerung  der  betreffenden  Foramina  interverte- 
bralia  zur  Folge  hatten.  Mit  denselben  Folgen  wirkte  die  Ro¬ 
tation  des  4.,  vielleicht  auch  eine  kleine  Verschiebung  des 
fünften  Wirbelkörpers.  Indem  die  rechte  untere  Gelenkfläche  des 
4.  Wirbels  nach  hinten  glitt,  rückte  auch  die  rechte  Hälfte  des 
Wirbelkörpers  nach  hinten  und  der  4.  rechte  Wirbelbogen 
nach  unten,  beide  das  Foramen  intervertebrale  verkleinernd, 
und  da  kann  eine  Strangulierung  des  5.  Ganglion  interverte¬ 
brale  leicht  die  Folge  sein.  Dass  2  Ganglien  oder  Wurzeln, 
nämlich  die  oben  und  unten  vom  luxierten  Wirbel  liegenden, 
wie  im  vorliegenden  Falle,  getroffen  sind,  ist  nach  Oppen- 
h  e  i  m  0  keine  Seltenheit. 


J)  H.  Oppenheim;  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten. 


Eine  Bestimmung  der  Ausdehnung  der  durch  die  Kom¬ 
pression  bedingten  motorischen  Störungen  wird  durch  die 
Schmerzhaftigkeit  der  in  Betracht  kommenden  Bewegungen  be¬ 
einträchtigt.  Nur  das  nach  der  Einrenkung  zurückbleibende 
Müdigkeitsgefühl  in  Schulter  und  Oberarm  der  rechten  Seite 
beweisen,  dass  neben  den  sensiblen  Nervenfasern  auch  die 
vordere  Wurzel  des  4.  und  5.  Spinalnerven  zu  leiden  hatte. 
Vor  gröberem  Insult  schützte  aber  wohl  die  Einbettung  der 
vorderen  Wurzel  in  die  Furche  -des  Intervertebralganglions. 

Die  Störungen  der  Sensibilität,  welche,  wie  die  segmentäre 
Ausbreitung  zeigt,  reine  Wurzelaffektionen  des  4.  und  5.  rechten 
Halsnerven  darstellen,  sind  recht  deutlich.  Fraglich  erscheint  ' 
dabei,  wie  die  unversehrte  Hautsensibilität  an  der  vorderen 
Brustwand,  soweit  deren  Versorgung  dem  4.  Zervikalsegment 
zugeschrieben  wird,  zu  erklären  sei.  Man  wird  dabei  in  erster 
Linie  an  das  Uebergreifen  von  Fasern  aus  dem  2.  und  3. 
Nerven  denken,  umsomehr,  als  selbst  bei  Durchschneidungs¬ 
versuchen,  wie  sie  z.  B.  von  Sh  errington  und  H  e  a  d  an 
Affen  ausgeführt  wurden,  das  Uebergreifen  benachbarter 
Wurzelfasern  die  Abgrenzung  der  Versorgungsgebiete  sehr  be¬ 
einflusste.  Da  andererseits  aber  am  Arm  und  Nacken 
die  hier  beobachteten  Grenzen  der  Hypästhesie  und  der 
Parästhesien  mit  den  anerkannten  Grenzen  der  Versor¬ 
gungsgebiete  der  4.  und  5.  sensorischen  Wurzel  übereinstim¬ 
men,  so  ist  auch  der  Gedanke  nicht  von  der  Hand  zu  weisen, 
dass  die  der  Innervation  des  4.  Zervikalnerven  zugeschriebenen 
Partien  an  der  Brusthaut  im  Wesentlichen  wohl  von  der  2.  und  3. 
Zervikalwurzel  oder  von  der  zweiten  Dorsalnervenwurzel  in- 
nerviert  werden. 

Gegenüber  den  Störungen  der  rechten  Seite  tritt  die  durch 
die  Luxation  gesetzte  Beeinträchtigung  der  linken  sehr  in  den 
Hintergrund.  Sie  ist  überhaupt  nur  auf  motorischem  Gebiete 
in  Erscheinung  getreten  und  möglicherweise  ausschliesslich  auf 
die  Schmerzhaftigkeit  der  Bewegungen  zurückzuführen. 

Die  Luxation  selbst  ist  diesmal  wie  früher  ohne  traumati¬ 
schen  Einfluss,  ohne  Hast  oder  Uebermässigkeit  der  Bewegung 
zu  stände  gekommen  und  es  liegt  deshalb  in  ätiologischer  Be¬ 
ziehung  ein  Vergleich  mit  der  häufigsten  der  habituellen  Luxa¬ 
tionen,  der  Luxatio  humeri  subcoracoidea  nahe,  die  sich  bei 
oft  harmlos  erscheinenden  Bewegungen  nach  einer  bestimmten 
Richtung  hin  einstellt.  Wie  bei  dieser,  so  kann  es  sich  auch 
bei  der  habituellen  Rotationsluxation  des  4.  Halswirbels  um 
eine  dauernde  Erschlaffung  der  Bänder  gehandelt  haben  und 
zwar  eines  oder  mehrerer  Paare  von  Kapselgelenkbändern, 
welche  die  Verschieblichkeit  der  Gelenkfläche  so  steigerten, 
dass  es  durch  einen  schlecht  kontrollierten  Muskelzug  oder  ein 
zufälliges  Versagen  der  Bewegungsreguliierung  zur  Subluxation 
gekommen  ist. 

Der  entfernten  Ursache  der  von  uns  hier  angenommenen 
und  von  chirurgischer  Seite  für  die  meisten  Rotationsluxationen 
verantwortlich  gemachten  Bändererschlaffung  bei  dem  seltener¬ 
weise  habituellen  Auftreten  des  Leidens  nachzuspüren,  wäre  ein 
müssiges  Beginnen,  da  die  jetzt  erst  genauer  beobachtete  Stö¬ 
rung  nur  einen  zufälligen  Akt  im  Verlauf  des  Leidens  dar¬ 
stellt.  Denkbar  wäre  es,  dass  sie  in  letzter  Linie  auf  eine  be¬ 
sonders  flache  oder  abnorme  Veranlagung  der  Gelenkflächen 
der  mittleren  Halswirbel  zurückzuführen  ist.  Das  Ausbleiben 
einer  völligen  Stellungsberichtigung  des  4.  Halsdornes  nach  der 
Redressierung  kann  dafür  sprechen.  Diese  mutmassliche  Ver¬ 
änderung  der  Gelenkflächen  kann  ebensogut  aber  eine  Folge 
der  chronischen  Deviationsmöglichkeit  wegen  schlaffer  Bänder 
sein.  Man  hat  auch  schon  ein  dem  Patienten  unbekanntes, 
viele  Jahre  zurückliegendes  Trauma  für  diese  Banderschlaf¬ 
fungen  verantwortlich  gemacht  und  ein  kürzlich  von  E.  A. 
Ringrose2)  beschriebener  Fall,  der  noch  10  Jahre  nach 
einem  nur  geringfügigen  und  vorübergehende  Folgen  verur¬ 
sachenden  Stosse  eine  Dislokation  und  Fraktur  skioptisch  nach- 
weisen  konnte,  zeigt,  wie  wenig  sinnfällige  Erscheinungen 
manchmal  schwere  Luxationen  mit  Fraktur  verursachen 
können. 

Ein  Wort  zur  Prognose  des  Falles; 

Die  einzelne  traumatische  Distorsion  scheint  zu  Wieder¬ 
holungen  nicht  zu  disponieren.  Wenigstens  fand  ich  in 

2)  E.  A.  Ringrose:  A  case  of  fracture  and  dislccation  of  the 
V.  vertebra,  Lancet  1904,  15.  Okt. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2283 


den  Lehrbüchern  früherer  Jahre  und  in  der  Literatur  der  letzten 
Zeiten  eine  Wiederholung  an  gleicher  Stelle  nicht  erwähnt. 
Die  Prognose  der  unkomplizierten  reponierten  Luxation  ohne 
Markverletzung  wird  demnach  als  günstig  bezeichnet.  Hier 
allerdings  scheinen  die  einzelnen  Distorsionen  in  den  letzten 
Jahren  an  Schwere  zugenommen  zu  haben,  so  dass  auch  eine 
Distorsion  mit  Verhakung  und  ernsterer  Quetschung,  wenn  auch 
nicht  des  Markes,  so  doch  der  Halsnervenwurzeln  oder  mit 
Bänderzerreissung  bei  geringfügigen  Anlässen  nicht  ausge¬ 
schlossen  ist  und  dadurch  wird  die  Prognose  des  habitue  en 
Leidens,  über  die  man  sich  in  Ermangelung  von  Präzedenzfällen 
sonst  nicht  aussprechen  könnte,  doch  berührt.  Eine  prophy¬ 
laktische  Behandlung  kann  allerdings  abgesehen  vielleicht  von 
ionisierenden  kühlen  Waschungen  der  Nackengegend  nur  m 
äusserster  Vorsicht  bei  Bewegungen  entstehen,  da  sich  die 
Wirkung  von  Massage,  Gymnastik  und  anderen  mediko- 
mechanischen  Methoden  nicht  mit  Sicherheit  vorausbestimmen 
lässt  und  das  Gegenteil  des  Erwünschten  zur  Folge  haben 

könnte. 


Aus  der  Leipziger  medizinischen  Poliklinik  (Vorstand:  Geheim¬ 
rat  Prof.  Dr.  A.  H  o  f  f  m  a  n  n). 

Initiale  und  rezidive  Roseolaformen. 

Von  Hans  Vörner. 

Beim  üblichen  Verlauf  der  Syphilis  kommt  es,  nachdem 
die  Infektion  den  Primäraffekt  und  darauf  eine  mehr  oder 
weniger  ausgesprochene  Drüsenschwellung  veranlasst  hat,  zur 
Roseola.  Diesem  ersten  makulösen  Exanthem  können  an  Stelle 
von  Papeln  weitere  Ausbrüche  von  Roseolen  folgen.  Obwohl 
dieses  Verhalten  der  Syphilis  schon  vorher  bekannt  war,  hat 
doch  Fournier1)  zum  ersten  Male  in  entschiedener  Weise 
betont,  dass  beide  zeitlich  differente  Roseolen  sich  jederzeit  gut 
auch  in  der  Form  unterscheiden  lassen. 

Gegenüber  der  ersten  Roseola,  die  Fournier  auch  als 
primitive  oder  vulgäre  bezeichnet,  sind  die  Flecke  der  Roseoie 
de  retour  breiter,  weniger  auffällig.  Gewöhnlich  1  4  cm  gross, 

sind  sie  weniger  rot.  Ihre  Farbe  ist  ein  blasses  Graurot  von  zai- 
temTon,  wie  in  dieHaut  grundiert,  ohne  scharfe  Grenze,  so  dass 
man  manchmal  Mühe  hat,  sie  zu  finden.  Die  Roseoie  de  i  e- 
tour  befällt  ein  kleineres  Gebiet  des  Körpers  als  die  primitive 
und  produziert  weniger  Flecken,  ein  Verhältnis,  welches  bei 
späteren  Ausbrüchen  in  noch  stärkerem  Grade  zum  Ausdruck 
kommt  Ausserdem  findet  sich  noch  ein  spezieller  Typus,  in 
dem  es  zur  Entwicklung  von  Kreisen,  Flecken,  Ovalen  oder 
von  aus  Kreissegmenten  zusammengesetzten  Figuren  vom  be¬ 
schriebenen  Farbenton  kommt. 

Hardy2)  unterscheidet  dementsprechend  eine  gruppierte 
und  eine  annuläre  Form.  Später  hat  man  dem  Bilde  der  re¬ 
zidivierenden  Roseola  noch  einige  weitere  Züge  hinzugefügt.  So 
bevorzugt  dieselbe  betr.  der  Lokalisation  die  seitlichen  Thorax- 
und  Abdominalpartien  und  die  Streckseiten  der  Extremitäten 
(Campana3).  Weiterhin  tritt  die  Rezidivroseola  nicht  vor 
Ablauf  des  ersten  Halbjahres  ein  (Finger4).  Die  Entstehung 
annulärer  Formen  wird  nicht  bloss  als  Folge  von  Blassweiden 
im  Zentrum,  sondern  auch  durch  Konfluenz  kleiner  Elemente 
beobachtet  (R  o  s  e  n  t  h  a  1 5),  Nielsen6 7.  Vielfach  treten 
die  Kreise  auch  sofort  auf  der  Haut  hervor.  Hartung  )  be¬ 
trachtet  die  annulären  Formen  als  in  der  Zirkumferenz  früher 
bestandener  Roseolen  entstanden.  Das  prognostisch  günstig  zu 
beurteilende  Syphilid  soll  nach  Z  e  i  s  s  1 8)  nicht  mehr  auf- 
treten,  sobald  ein  papulöses  Exanthem  vorausgegangen  ist. 

Nielsen  beobachtete  einen  Fall,  wo  sich  eine  Rezidiv¬ 
roseola  an  stelle  eines  gewöhnlichen  ersten  makulösen  Exan¬ 


I)  Fournier:  Lecons  theoriques  et  cliniques  sur  la  Syphilis 
1859.  Syphilis  chez  la  femme.  Annales  de  dermatologie  et  de  syphili- 
graphie  1896,  p.  1141. 

J)  Hardy:  Trade  des  maladies  de  la  peau.  1887. 

3)  Campana:  Dei  morbi  sifilitici  et  venerei.  1889,  p.  64. 

4)  Finger:  Lehrbuch  der  syphilitischen  und  venerischen  Er¬ 
krankungen.  1892,  p.  54.  . 

5)  Rosenthal:  Beiträge  zur  Dermatologie  und  Syphilis. 

Festschrift  für  Lev  i  n.  1895. 

e)  Nielsen:  Monatsh.  f.  Dermatologie  1896,  p.  500. 

7)  Hartung:  Arch.  f.  Dermat.  u.  Syphil.  1898,  Bd.  43,  p.  307. 

8)  Zeissl:  Lehrbuch  der  venerischen  Krankheiten. 


thems  direkt  an  den  Primäraffekt  anschloss.  Diese  Beobachtung 
passt  schlecht  zu  den  Ausführungen  F  ourniers. 

Die  Roseola,  welche  den  Beginn  des  sekundären  Stadiums 
einzuleiten  pflegt,  wird,  wie  erwähnt,  als  Roseola  prima  (pri¬ 
märe  Roseola)  bezeichnet. 

Ein  Patient  z.  B.  erwirbt  Anfang  des  Jahres  1900  Syphilis. 
Er  bekommt  in  üblicher  Zeit  den  Primäraffekt,  Drüsenschwel- 
lung,  Angina,  nach  einem  Vierteljahr  ein  papulöses  Exanthem 
am  ganzen  Körper,  später  mehrmals  Plaques  muqueuses, 
sonst  aber  keine  Exantheme  der  Körperhaut.  Anfang  1903  tritt 
eine  annuläre  Roseola  auf,  die  sich  in  der  Folgezeit  noch  eimge- 
male  wiederholt.  Dieser  Ausschlag  vom  Jahre  1903  ist  als 
Roseola  prima,  die  späteren  als  Sekunda,  Tertia  ^tc.  zu  be¬ 
zeichnen,  zum  mindesten  als  erste  beim  Patienten  beobachtete 
Roseola.  Die  Annahme,  'dass  in  einem  solchem  Falle  eine 
Roseola  zur  entsprechenden  Zeit  vorhanden  war,  aber  uber- 
sehen  wurde,  wird  häufig  stimmen,  braucht  es  aber  nicht 
zu  sein.  Jedenfalls  ist  der  Ausdruck  Roseola  prima  nicht  ein¬ 
deutig.  Weiterhin  ist  er  nicht  mit  gewöhnlicher,  typischer  oder 
primitiver  Roseola  identisch,  womit  man  wohl  eine  bestimmte 
Form,  nicht  aber  das  zeitliche  Verhältnis  des  frühesten  Exan¬ 
thems  bezeichnen  kann.  .  ,  .  .  ,  ,.  *r  r, 

Auch  das  Wort  Rezidivroseola  ist  nicht  eindeutig.  Nach 
Fournier  bedeutet  sie  die  Roseoie  de  retour,  das  wieder¬ 
kehrende  makulöse  Exanthem.  Wenn,  wie  im  erwähnten  Bei¬ 
spiel,  die  erste  Roseola  erst  im  dritten  Jahre  auftntt,  so  steht 
die  Bezeichnung  für  dieses,  nach  zwei  Jahren  zum  ersten  Ma  e 
auftretehde  Exanthem  im  Sinne  Fourniersim  Widerspruch 
mit  den  tatsächlichen  Verhältnissen. 

•  Anders  ist  es,  wenn  dieses  Exanthem  als  die  Roseola  des 
Rezidivstadiums  in  der  Sekundärperiode  der  Syphilis  betrachtet 
wird  In  diesem  Sinne  lässt  sich  dann  auch  das  Exanthem  des 
angeführten  Beispiels  als  Roseola  recidiva  bezei chnen -  Wenn 
man  diesen  Begriff  der  Roseola  recidiva  festhalt,  so  ergibt  sich 
fast  von  selbst,  dass  das  makulöse  Exanthem,  welches  das 
Ende  der  primären  oder  initialen  Periode  der  Syphilis  bedeutet 
und  den  Beginn  der  sekundären  einleitet,  am  besten  als ;  Ro¬ 
seola  initialis  zu  bezeichnen  ist.  Hiermit  wird  das.  zeitliche 
Moment  hervorgehoben,  während  die  übrigen  Ausdrucke,  wie 
.primitiv,  gewöhnlich“,  höchstens  als  gegensätzliche  Bezeich¬ 
nungen  bezüglich  der  äusseren  Form  zu  verwenden  sind. 

Bereits  im  Beginn  meiner  Assistentenzeit  lenkte  mein  da¬ 
maliger  Chef,  Riehl,  meine  Aufmerksamkeit  auf  die  Rezidiv- 
roseola.  Aber  nicht  bloss  die  obenerwähnte  Verschwommen¬ 
heit  der  Nomenklatur,  sondern  auch  die  Schwierigkeit  im  ein¬ 
zelnen  Falle  das  betreffende  makulöse  Exanthem  zeit  ich  genau 
zu  bestimmen,  war  für  die  Gewinnung  eines  Urteib,  ob  le 
beiden  Roseolen  sich  jederzeit  scharf  von  einander  unterschei¬ 
den,  hinderlich. 

Im  Laufe  der  Jahre  habe  ich  eine  Anzahl  von  Fällen  ge¬ 
sammelt,  die  ich  zum  Vergleich  für  geeignet  halte.  Als  initiale 
Roseola  habe  ich  diejenigen  berücksichtigt,  bei  welchen  keine 
sonstigen  Symptome  der  Rezidivperiode,  Alopecia  specifica, 
„eucoderfna  colli,  vor  allem  papulöse  Effloreszenzen  irgen  - 
velcher  Art  (Plaques  muqueuses,  Papulae  capitis,  Condylomata 
ata)  bestanden  und  wo  das  Exanthem  nicht  langer  als  4—5 
Vochen  nach  Auftreten  des  Primäraffektes  (6— 7  Wochen  nach 
ler  Infektion)  sich  zeigte.  Andererseits  habe  ich  als  typiscm 
Falle  von  Roseola  recidiva  diejenigen  ausgewahlt,  wo  beim 
Erscheinen  des  makulösen  Exanthems  die  obenerwähnten  Sym¬ 
ptome  des  Rezidivstadiums  der  Sekundärperiode  bereits  be¬ 
standen.  , 

Bei  126  Fällen  von  initialer  Roseola,  die  ich  vom  ersten 

Tage  soweit  sich  dies  feststellen  lässt,  beobachten  konnte,  sah 
ch  75  mb  Flecken  von  Stecknadelkopf-  bis  über  Linsengrosse, 
die  annähernd  in  gleichen  Abständen  verteilt  und  von  gleicher 
Grösse  waren. 

Von  diesen  75  Fällen  verschwanden  bei  34  die  Flecken, 
ohne  sich  wesentlich  zu  verändern.  Die  übrigen  41  liessen 
weitere  Veränderungen  erkennen.  Davon  konfluierten  16  ziem¬ 
lich  stark.  Bei  9  Patienten  wurden  einzelne  Flecken  grosser, 
4  davon  wurden  dann  annulär.  In  25  Fällen  führten  Nachschübe 
zu  einer  unregelmässigen  Verteilung  der  Flecke,  die  nun  mein 
oder  weniger  hervortretende  Gruppierung  verursachten. 


2284 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


In  51  Fällen  war  die  Verteilung  vom  Tage  der  Beobachtung 
an  keine  deutlich  regelmässige  mehr  zu  nennen.  Bei  30  war 
eine  Gruppierung  in  geringem  Masse,  bei  21  gut  ausgesprochen 
zu  bemerken.  Bei  letzteren  waren  einige  Flecken  bis  zur 
Grösse  eines  10  Pfennigstückes  zu  konstatieren,  auch  kon- 
fluierten  einige  Flecken  derartig,  dass  eine  Ringbildung  ent¬ 
stand. 

Von  212  Fällen  von  Rezidivroseolen  waren  102  stark,  7S 
massig,  22  schwach,  10  nicht  gruppiert.  Die  Grösse  der  Flecken 
variierte  von  Stecknadelkopf-  bis  Markstückgrösse;  mehr 
grossfleckig  waren  92,  von  mittlerer  120,  von  geringer  Grösse 
29.  Grosse  und  kleine  Flecke  waren  stark  gemischt  107, 
gleichförmig  25. 

Von  nichtgruppierten,  kleinfleckigen  und  gleichmässig  ge¬ 
stellten  Rezidivroseolen  habe  ich  3  verzeichnet,  die  sich  nicht 
veränderten,  sondern  als  solche  wieder  blasser  wurden  und 
verschwanden. 

Fall  I.  Acht  Tage  nach  dem  Primäraffekt  Roseola,  nur  am 
Stamm,  die  nach  zirka  einer  Woche  verschwindet.  Schmierkur  von 

3  Wochen.  Nach  6  Wochen  Angina  mit  opalinen  Plaques  und  Papeln 
am  behaarten  Kopf.  Schmierkur  von  3  Wochen.  Zwei  Monate  später 
Roseola,  die  wenig  mehr  als  stecknadelkopfgrosse,  gleichmässige, 
im  Abstand  eines  Zentimeters  befindliche  Flecke  aufweist.  Sie  be¬ 
deckt  die  ganze  Haut  des  Körpers;  an  Händen  und  Füssen,  sowie  am 
Kopfe  in  etwas  grösseren  Zwischenräumen.  Auch  die  sichtbaren 
Schleimhäute,  Mund-,  Wangen-,  Rachenschleimhaut,  Konjunktiva 
(Iris)  weisen  Flecke  auf.  Gleichzeitig  besteht  eine  Angina  mit  Pla¬ 
ques.  Rückbildung  in  8  Tagen. 

Fall  II.  Drei  Wochen  post  infectionem  Primäraffekt.  Einen 
Monat  danach  initiale  Roseola  von  primitiver  Form  der  Flecke. 

4  Wochen  Schmierkur.  Später  geringe  Symptome  von  Angina.  Keine 
besondere  Kur.  Am  Ende  des  Jahres  neben  breiten  Kondylomen, 
Psoriasis  palmar, is,  makulöses  Exanthem,  das  aus  linsengrossen,  gleich¬ 
mässig  gestellten  Flecken  am  Stamm  besteht  und  .in  einer  Woche  ver¬ 
schwindet. 

Fal  l  III.  Infektion  anfangs  Juni  v.  J.  14  Tage  darauf  Induration. 
Ende  Juli  Roseola  in  üblicher  Form,  verbunden  mit  Drüsenschwellung 
und  umschriebener  Rötung  und  Schwellung  der  Gaumenbögen. 
Schmierkur.  Anfangs  Oktober  ausser  breiten  Kondylomen,  Plaques 
muqueuses,  ein  makulöses  Exanthem,  welches  am  Stamm,  an  der 
Streckseite  der  Oberextremitäten  und  der  Oberschenkel  in  Gestalt 
kleiner,  gleichmässig  gestellter  Flecke  auftritt  und  nach  6  Tagen  ver¬ 
schwindet. 

Die  Angaben  F  ourniers  sind  im  allgemeinen  zutreffend. 
Nur  ist  hinzuzufügen,  dass  'die  initiale  Roseola  nach  einigem 
Bestände  die  Formen  der  rezidiven  Roseola  annehmen  kann 
und  zwar  ist  dieses  Vorkommen  gar  nicht  so  selten.  Ein  der¬ 
artiges  Verhalten  bereits  am  ersten  Tage  der  Beobachtung 
Hesse  sich  dahin  erklären,  dass  die  Entwicklung  aus  der  primi¬ 
tiven  Form  übersehen  worden  wäre.  Indessen  ist  diese  An¬ 
nahme  eine  1  heorie,  welche  sich  nicht  für  alle  Fälle  beweisen 
lässt  (cf.  Fall  N  i  e  1  s  e  n).  Andererseits  kann  in  seltenen  Fällen 
eine  Rezidivroseola  eine  primitive  Form  und  gleichmässig  dis- 
seminierte  Anordnung  ihrer  Flecke  zeigen. 

In  Bezug  auf  die  eingangs  von  früheren  Beobachtern  her¬ 
vorgehobenen  Besonderheiten  erwähne  ich  noch,  dass  einmal 
die  Roseola  initialis  namentlich  bei  längerem  Bestand  jene  als 
charakteristisch  angesehene  Farbe  der  Rezidivroseola  an¬ 
nehmen  kann  und  umgekehrt  diese,  namentlich  wenn  sie  jung 
ist,  jener  in  ihrer  Farbe  wohl  gleichen  kann.  Dass  die  Roseola 
recidiva  stets  ein  kleineres  Gebiet  als  die  initiale  befallen  soll, 
stimmt  weiterhin  nicht  in  allen  Fällen.  Die  Lokalisation  ist 
ebenfalls  nicht  durchweg  ausschlaggebend.  Befällt  die  initiale 
vnseola  ausser  dem  Stamm  auch  die  Extremitäten,  so  kann  sie 
c  Dentalis  die  Beuge-  oderStreckseite  bevorzugen  (besonders  die 
letztere).  Auch  können  die  Flecke  mitunter  in  den  seitlichen 
Abdommal-  und  Thoraxpartien  ihren  besonderen  Sitz  haben. 
Weiterhin  kann  dieselbe  auch  vor  Ablauf  des  ersten  Halbjahres 
auttreten  Die  Prognose  der  Rezidivroseola  ist  nicht  immer 
günstig.  Einen  Patienten  verlor  ich  im  4.  Jahre  der  Infektion 
an  Bulbärparalyse.  Nach  einem  papulösen  Exanthem  kann 
auch  eine  Rezidivroseola,  wenn  auch  selten,  auftreten. 


Zur  Kasuistik  der  Pseudodysentiere. 

Von  Kreisarzt  Dr.  Hi  lg  ermann,  Vorsteher  des  Medizinal- 
Untersuchungsamtes  in  Koblenz. 


Mitte  November  1906  erkrankte  der  3  Jahre  alte  Knabe  Peter  H. 
in  A.  unter  ruhrverdächtigen  Erscheinungen.  Aus  einer  am  21.  XI.  06 
—  angeblich  am  3.  Krankheitstage  —  eingesandten  Stuhlprobe  wurden 
Bazillen  gezüchtet,  welche  sich  auf  Grund  ihrer  morphologischen  und 
biologischen  Eigenschaften  als  zur  Gruppe  der  Pseudodysenterie¬ 
bazillen  zugehörig  erwiesen.  Es  handelte  sich  um  kurze,  plumpe  Stäb¬ 
chen  von  lebhaftester  Molekularbewegung,  die  sich  bei  der  Färbung 
nach  der  G  r  a  m  sehen  Methode  entfärbten  und  die  Kontrastfarbe  an- 
nahmen.  Geisselfärbung  (nach  Z  e  1 1  n  o  w)  war  negativ.  Gelatine 
wurde  nicht  verflüssigt,  im  Gelatinestich  Wachstum  längs  des  Impf- 
stiches  und  weinblattförmige  Ausbreitung  auf  der  Oberfläche.  Auf 
der  Gelatineplatte  nach  24  Stunden  kleine,  runde,  leicht  gekörnte  Kolo¬ 
nien,  nach  48  Stunden  weinblattförmige  Struktur  mit  exzentrisch  ge¬ 
lagertem  Nabel.  Im  Agarstich  ebenfalls  Wachstum  längs  des  Impf¬ 
stiches,  weinblattförmige  Ausbreitung  auf  der  Oberfläche,  auf  der 
Agarplatte  weiss-glänzende,  matte  Kolonien.  Bouillon  wurde  gleich- 
massig  getrübt,  keine  Häutchenbildung,  mässiger  Bodensatz,  keine 
Indol-,  aber  starke  Schwefelwasserstoffbildung.  Auf  der  Kartoffel  ge¬ 
ringer,  glänzender,  weiss-gelblicher  Belag.  In  Milch  keine  Koagu¬ 
lation,  keine  Reaktionsveränderung.  In  Lackmusmolke  leichte  Säue¬ 
rung,  fast  unmerkliche  Trübung.  In  Lackmusnutroselösung  nach 
24  Stunden  Rötung,  nach  48  Stunden  Koagulation.  Neutralrot  wurde 
nicht  reduziert.  In  Mannitagar  starke  Säure-,  keine  Gasbildung,  in 
I  raubenzuckeragar  Säuerung,  keine  Gasbildung,  in  Milchzuckeragar 
weder  Säure-  noch  Gasbildung,  ebenso  nicht  auf  Saccharose-  und 
Dextrinagar,  hingegen  auf  Maltoseagar  schwache  Säurebildung.  Auf 
Drigalskiagar  ca.  1 — 2  mm  im  Durchmesser  haltende,  blaue,  glasige 
bis  leicht  milchig  getrübte  Kolonien,  auf  Endo  schem  Nährboden  von 
heller,  glasiger  Beschaffenheit. 

Nach  obigem  mussten  die  gefundenen  Bazillen  zu  derjenigen 
Gruppe  der  Pseudodysenteriebazillen  gehören,  welche  Kruse1)  als 
Pseudodys.  D,  Nieter  und  Liefmann2)  als  Pararuhrbazillen  a 
(H  i  s  s  und  Rüssels  Y-Bazillus)  bezeichnen  und  wie  sie  L  e  n  t  z  in 
Saarbrücken  gefunden  hat.  Zur  genaueren  Identifizierung  war  noch 
die  spezifische  Agglutinationsreaktion  mit  hochwertigen  Immunseras 
erforderlich.  Zur  Verwendung  gelangten: 

Y -Ser, um  (Dr.  L  e  n  t  z  -  Berlin)  Titer  1:6000,  Flexner-Serum 
(Inst.  f.  Infektionskrankh.)  Titer  1  :  10  000,  Flexner-Serum  (Prof.  Dr. 
Kr  au  ss- Wien)  Titer  1:8000,  ausserdem  noch  zur  Beobachtung 
einer  etwaigen  Mitagglutination  Shiga-Serum  (G  a  n  s  -  Frankfurt 
a.  M.).  Die  Agglutination  wurde  nach  der  Pfeiffer-Kolle- 
schen  Methode,  resp.  nach  den  M  a  r  t  i  n  i  -  L  e  n  t  z  sehen3)  Angaben 
und  zwar  bei  24  stündiger  Beobachtung  im  Brutschrank  vorgenommen. 
Eigentümlich  war  nun  das  vollständige  Fehlen  der  Agglutination  mit 
den  genannten  Sera,  selbst  in  einer  Verdünnung  von  1  : 10.  Tiere 
mit  den  Stämmen  zu  immunisieren,  war  mir  leider  bei  dem  Fehlen 
von  Versuchstieren  nicht  möglich.  Die  Untersuchung  des  Kranken¬ 
serums  konnte  nicht  ausgeführt  werden,  da  Pat.  bereits  am  22  No¬ 
vember  verstarb. 

Die  Sektion  (Kreisarzt  Dr.  B  a  1  z  e  r  -  Neuwied)  ergab  eine  aus-  * 
gedehnte,  stark  entzündliche  Rötung  und  Schwellung  der  Schleim¬ 
haut  im  Quer-  und  absteigenden  Dickdarm  mit  Auflagerung  eines 
festhattenden,  kruppös-fibrinösen  Belages  ohne  Geschwürsbildung. 
Die  Entzündung  reichte  nach  abwärts  bis  in  das  Rektum,  war  aber 
hier  nicht  so  stark  als  In  den  höher  gelegenen  Dickdarmabschnitten. 

Ausser  diesem  am  18.  November  erkrankten  und  bereits  am 
22.  November  verstorbenen  Kinde  erkrankten  unter  den  gleichen 
Krankheitserscheinungen  noch  seine  4  Geschwister  im  Alter  von 
o  Monaten,  1  /i  Jahr,  3  und  4  Jahren.  Von  diesen  4  Erkrankten 
I  jodangten  sowohl  Stuhlproben  als  auch  Blutsera  zur  Untersuchung 
Die  Untersuchung  der  Stuhlproben  fiel  bei  2  der  Patienten  negativ 
aus.  Aus  den  Stühlen  des  3.  Erkrankten,  des  4  Jahr  alten  Joseph 
H.,  konnten  Stämme  gezüchtet  werden,  welche  den  oben  beschrie- 
benen  Stammen  völlig  identisch  waren.  Die  Agglutination  mit  den 
einschlägigen  Sera  hatte  aber  auch  bei  diesen  ein  negatives  Ergebnis, 
d.  h.  nur  in  einer  Verdünnung  von  1  : 10  war  eine  Agglutinations¬ 
andeutung  vorhanden. 


i  Ganz  anders  verhielten  sich  dagegen  aus  den  Fäzes  des  4.  er¬ 
krankten  Kindes,  der  1%  Jahre  alten  Maria  H.,  gezüchtete  Stämme. 
Bis  auf  ihr  Verhalten  in  Lackmusnutroselösung  glichen  sie  in  morpho- 
ogascher  und  biologischer  Hinsicht  völlig  den  vorhin  beschriebenen 
Die  Lackmusnutroselösung  verfärbten  sie  aber  nicht  nach 
-  Stunden  in  der  typisch-hellroten  Farbe,  sondern  in  mehr  violettem 
Farbentone  und  koagulierten  sie  auch  nicht  nach  48  Stunden.  Der 
Umschlag  in  das  dem  Pseudodysenterietyp  eigentümliche  Rot  trat 
vielmenr  erst  nach  5  Tagen,  die  Koagulation  nach  7  Tagen  ein.  Durch 
die  Agglutination  mit  hochwertigen  Sera  Hessen  sie  sich  aber  identi- 
lzieren  und  durch  die  Agglutination  mit  dem  Krankenserum  als  die 
eigentlichen  Krankheitserreger  feststellen.  Die  Agglutination  mit 
hochwertigen  Sera  ergab  folgende  Resultate: 


U  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  8. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  43. 

)  Martini  Lentz:  Zeitschr.  f.  Hygiene  1902,  Bd.  41. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2285 


Y-Serum  (Dr.  L  e  n  t  z)  1:4000  +,  Kontroll,  — . 

Flexner-Serum  (Inst.  f.  Infektionskrankh.)  1  :  2000  +,  Kontroll  — . 

Flexner-Serum  (Prof.  Dr.  Kraus  s)  1  :  900  +,  Kontroll  — . 

Shiga-Serum  (Q  a  n  s  -  Frankfurt  a.  M.)  1:60  +,  Kontroll  — . 

Betreffs  der  Agglutination  wäre  zu  erwähnen,  dass  es  sich  im 
Gegensatz  zu  echten  Ruhrbazillen  mehr  um  eine  Sedimentation  mit 
Klärung  der  überstehenden  Flüssigkeitssäule  handelte. 

Die  Krankensera  verhielten  sich  bezüglich  ihrer  Agglutinations¬ 
reaktion  sehr  verschieden,  indem  nur  ein  einziges  Blutserum  mit 
-dem  als  Erreger  der  Endemie  anzusehenden  Stamme  (Stamm  III 
Maria  H.)  höhere  Agglutinationswerte  lieferte: 

Blut  I  (5  Monate  altes  Kind)  agglutinierte:  Stamm  I  (Peter  H.) 
und  Stamm  II  (Joseph  FI.)  — ,  Stamm  III  (Maria  FI.)  1  : 30  +.  Stamm 
Flexner  1  : 30  +,  Stamm  Shiga  — ,  Kontrolle  — . 

Blut  II  (3  Jahre  altes  Kind)  agglutinierte:  Stamm  I,  II  und 
III  — ,  Stamm  Flexner  und  Stamm  Shiga  1  :  10  +,  Kontrolle  — . 

Blut  III  (3  Jahre  altes  Kind)  agglutinierte:  Stamm  I,  II  und  III 
und  Stamm  Shiga  — ,  Stamm  Flexner  1  : 30  +,  Kontrolle  — . 

Blut  IV  (4  Jahre  altes  Kind)  agglutinierte:  Stamm  I  — ,  Stamm 

II  1:10  +,  Stamm  III  1:120  +,  Stamm  Flexner  1:120  +,  Stamm 
Shiga  1  : 60  +,  Kontrolle  — . 

Obwohl  in  den  Stühlen  stets  nur  e  i  n  Typus  der  oben  beschrie¬ 
benen  Pseudodysenteriebazillen  gefunden  wurde,  agglutinierte  das 
Blutserum  der  Erkrankten  entgegen  den  Beobachtungen  Jehles4) 
ausser  dem  Pseudodysenteriestamm  III  auch  Stamm  Flexner  und 
vor  allem  auch  Stamm  „Shiga“,  letzteren  sogar  bis  zu  einer  Ver¬ 
dünnung  von  1  : 60. 

Aus  den  Stühlen  der  Erkrankten  gewonnene  Kolistämme  wurden 
durch  das  Krankenserum  nicht  beeinflusst. 

Um  die  Pathogenität  des  Stammes  III  zu  prüfen,  wurde  Vioo  Oese 
des  Stammes  III  einer  weissen  Maus  intraperitoneal  injiziert.  Bereits 
nach  8  Stunden  trat  Lähmung  der  hinteren  Extremitäten  nebst  grosser 
Mattigkeit  des  Tieres  ein.  Den  nächsten  Morgen  traten  hierzu  Läh¬ 
mung  der  vorderen  Extremitäten,  schöpfende  Atembewegungen,  und 
erfolgte  mittags  der  Exitus. 

Bei  der  Sektion  fand  sich  eine  starke  Hyperämie  der  serösen 
Häute,  die  Milz  war  vergrössert,  weich  und  blutreich,  der  Dünndarm 
mit  blutig  verfärbten,  schleimigen  Massen  prall  gefüllt,  der  Dick¬ 
darm  enthielt  nur  wenig  festen  Kot.  Dickdarm-  als  auch  Dünndarm¬ 
inhalt  wurde  sofort  auf  Drigalsbiplatten  übertragen  und  ausge¬ 
strichen.  Die  nach  24  Stunden  in  Reinkulturen  gewachsenen  blauen, 
glasigen  Kolonien  wurden  durch  das  Kulturverfahren  und  die  Agglu¬ 
tinationsreaktion  als  Stamm  III  identifiziert.  Herz-  und  Milzblut  wurde 
steril  entnommen,  in  Bouillon  übertragen  und  durch  24  Stunden  im 
Brutschrank  bei  37°  gehalten.  Von  der  getrübten  Bouillon  wurde  je 
1  Oese  auf  je  1  Drigalskiplatte  verstrichen.  Die  in  Reinkultur  ge¬ 
wachsenen  Kolonien  wurden  in  gleicher  Weiise  wie  oben  als  Stamm 

III  identifiziert.  Hingegen  zeigten  Mäuse,  -die  mit  einer  ganzen  Agar¬ 
kulturaufschwemmung  des  Stammes  III  gefüttert  wurden,  keinerlei 
Erkrankungserscheinungen. 

Betreffs  der  Aetiologie  konnte  etwas  sicheres  nicht  festgestellt 
werden.  Möglich  ist  es,  dass  der  Vater,  der  als  Zigarrenhändler  viel 
auswärts  beschäftigt  ist,  die  Krankheitserreger  eingeschleppt,  und 
die  Kinder  infiziert  hat.  Ausser  dem  ersten,  tödlich  verlaufenen  Falle 
gingen  alle  Erkrankungen  in  Heilung  über. 


Vorrichtung  zur  qualitativen  und  quantitativen  Gas¬ 
bestimmung  bei  gasentwickelnden  anaeroben  Bakterien- 

Von  cand.  me-d.  Q.  Seiffert,  Freiburg. 

Bei  Untersuchungen  über  gasbildende  anaerobe  Bakterien  bedurfte 
ich  eines  Apparates  zur  qualitativen  und  quantitativen  Gasbestimmung. 
Soweit  ich  die  Literatur  einsehen  konnte,  gibt  sie  nur  kompli¬ 
ziertere  Apparate.  Sie  beschreibt  auch  keine  ähnliche  Zusammen¬ 
stellung,  wie  ich  sie  mir  zu  diesem  Zweck  ersann.  Deshalb  ver¬ 
öffentliche  ich  diesen  Apparat. 

Er  besteht,  wie  beistehende  Figur  zeigt,  aus  einem  gewöhnlichen 
Reagenzglase,  das  man  sich  selbst  mittels  genauer  Masspipetten 
eichen  kann,  indem  man  die  Masse  mit  einem  Diamanten  einritzt.  Bis 
zur  Marke  0  mögen  etwa  10  ccm  sein,  die  darüber  angezeichneten 
Masse  teilt  man  in  1,  %,  1/io  ccm  ein,  je  nach  Bedarf  für  die  be¬ 
treffenden  Versuche. 

Das  Verfahren  ist  folgendermassen.  Man  füllt  zunächst  bis  zur 
Marke  0  den  für  die  zu  züchtenden  Bakterien  geeigneten  Nährboden 
ein,  den  man  mit  einer  bestimmten  Bakterienmenge  In  Bouillonauf¬ 
schwemmung  versetzt,  gemessen  nach  Oesenzahl  oder  besser  nach 
einem  bestimmten  Volumen  z.  B.  Vioo  ccm  einer  Bouillonaufschwem¬ 
mung,  deren  Bakterienzahl  man  entsprechend  der  W  r  I  g  h  t  sehen 
Bakterienzählung  in  Bouillonaufschwemmungen  —  vorher  durch  Ver¬ 
gleichszählung  mit  roten  Blutkörperchen  festgestellt  hat. 

Nun  lässt  man  —  es  ist  notwendig,  einen  erstarrenden  Nährboden 
zu  nehmen  —  diesen  im  Eisschrank  abkühlen,  bis  er  völlig  fest  ge¬ 
worden  ist  und  giesst  dann  darauf  sterilisiertes  Paraffin  von  etwa 
45 — 50°  C  Siedepunkt.  Hauptsache  ist,  dass  der  Nährböden  sehr  kalt 
gemacht  wird,  damit  auf  seiner  ebenen  Fläche  das  Paraffin  sofort  ge- 


4)  Jehle:  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  62.  Bd.,  Heft  4. 


rinnt,  ohne  ihn  zum  Schmelzen  zu  bringen.  Die  Berührungsfläche 
zwischen  Nährboden  und  Paraffin  muss  eine  gerade  Ebene  bilden. 

Man  überlässt  das  Röhrchen  in  dem  Brutschrank  sich  selbst. 
Das  von  den  Bakterien  entwickelte  Gas  steigt  bis  an  das  Paraffin 
und  treibt  den  Paraffinpfropf,  der  in  der  Temperatur  des  Brutofens 
weich  wird,  aber  keine  Luft  und  Gas  durch  sich  oder  am  Rande  des 
Reagenzglases  hindurchtreten  lässt,  wie  der  Dampf  den  Kolben  der 
Dampfmaschine,  in  die  Höhe.  Da  der  Pfropf  sehr  leicht  gleitet,  ist 
kaum  ein-  Ueberdruck  des  Gases  gegen  die  Aussenluft  vorhanden 
und  man  kann  nach  einer  bestimmten  Zeit  das  von  einer  bestimmten 
Bakterienmenge  entwickelte  Gas  messen,  indem  man  an  der  Skala 
abliest,  um  wieviel  sich  der  Paraff-inpfropf  von  der  Nährbodenober¬ 
fläche  entfernt  hat.  Dies  ist  die  quantitative,  freilich  nicht  absolut 
genaue  Bestimmung  des  entwickelten  Gases. 

Zur  qualitativen  Bestimmung  muss  man  das  Gas  in  der  in  der 
Zeichnung  als  Gasröhrchen  bezeichneten  Vorrichtung  auffangen.  Sie 
besteht  aus  einem  Glasrohre,  das  oben  in  eine 
Kugel  ausgeblasen  ist  und  am  anderen  Ende 
zugeschmolzen  wird,  nachdem  man  es  durch 
Verbinden  mit  einer  Wasserstrahlpumpe  luft¬ 
leer  gemacht  hat.  Es  wird  an  diesem  Ende 
in  eine  lange  Spritze  ausgezogen,  die  in  einer 
Höhe,  die  etwas  grösser  wie  die  Entfernung 
der  Marke  0  von  dem  Boden  des  Reagenz¬ 
glases  ist,  mit  einem  Diamanten  eingeritzt 
wird.  Man  erwärmt  die  Spitze  etwas,  dass 
sie  gerade,  ohne  starken  Druck  auszuüben, 
aber  auch  ohne  das  Paraffin  zum  Schmelzen 
zu  bringen,  den  Paraffinklotz  durchbohren 
kann,  bis  die  Spitze  den  Boden  des  Reagenz¬ 
glases  berührt.  Stösst  man  sie  etwas  gegen 
den  an,  so  bricht  die  Spitze  an  -der  geritzten 
Stelle  ab.  Da  das  Glasrohr  luftleer  ist,  wird 
das  Gas  in  das  Rohr  hineingetrieben,  durch 
den  Aussendruck  der  Luft  wird  gleichzeitig 
der  Paraffinkolben  heruntergetrieben  und  der 
Gasdruck  im  Inneren  der  Röhre  ist  der  gleiche 
wie  in  -der  Aussenluft.  Nun  zieht  man  die 
Spitze  des  Rohres  zurück,  bis  die  Spitze 
von  Paraffin  umgeben  ist,  erwärmt  etwas,  bis  dort  das  Paraffin 
schmilzt  und  lässt  erkalten.  Jetzt  kann  man,  die  Kugel  des  Röhrchens 
als  Handgriff  benutzend,  den  Paraffinpfropf,  der  das  Röhrchen  luftdicht 
verschliesst,  herausziehen  und  das  eingeschlossene  Gas  für  qualitative 
Untersuchungen  beliebig  verwenden. 


Die  Pyozyanase  als  Prophylaktikum  und  Heilmittel  bei 
bestimmten  Infektionskrankheiten. 

Von  Prof.  Dr.  Rudolf  Emmerich-  München. 

(Schluss.) 

III.  Krankengeschichten. 

I.  Fall:  Staphylokokkendiphtherie.  Behandelnder  Arzt  Uni¬ 
versitätsprofessor  Dr.  S  e  i  t  z.  Einer  der  ersten  Patienten,  die  ich  mit 
Pyozyanase  behandelte,  war  Max  v.  Pettenkofer.  Nachdem  im 
Dezember  1900  der  bei  seinem  Grossvater  wohnende  Enkel  Moritz 
v.  Pettenkofer  eine  heftige  Angina  überstanden  hatte,  erkrankte 
im  Januar  1901  Max  v.  Pettenkofer  im  Alter  von  81  Jahren 
an  einer  sehr  schweren  Staphylokokkeninfektion  der  Mund-  und 
Rachenhöhle.  Die  Mandeln,  das  Zäpfchen,  die  Gaumenbögen,  der 
harte  Gaumen,  die-  Wangenschleimhaut,  die  Innenfläche  der  Lippen 
waren  ganz  oder  teilweise  mit  dicken,  gelben  Membranen  über¬ 
zogen.  Aus  einem  Membranenstückchen,  welches  auf  Löfflerserum¬ 
platten  ausgestrichen  wurde,  entwickelte  sich  ausschliesslich  Sta- 
phylococcus  pyogen,  aureus,  keine  Diphtheriebazillen,  die  aber  zu 
Beginn  der  Erkrankung  wohl  vorhanden  waren.  Die  rapide  und  so 
ausgedehnte  Entwicklung  der  Membranen  lässt  sich  nur  aus  dem  Um¬ 
stand  erklären,  dass  Pettenkofer  schon  seit  Jahren  an  Diabetes  er¬ 
krankt  war,  wodurch  seine  unverwüstlich  erscheinende  Gesundheit 
erheblich  gelitten  hatte. 

Pettenkofer,  der  -meine  Untersuchungen  über  die  Wirkung  der 
Pyozyanase  auf  Diphtheriebazillen  etc.  verfolgt  und  meine  dies¬ 
bezüglichen  Publikationen  gelesen  hatte,  ersuchte  mich  brieflich,  ihn 
mit  dem  „bakterolytischen  Pyozyaneusenzym“  behandeln  zu  wollen. 

Ich  zerstäubte  an  3  Tagen  täglich  3  mal  je  3 — 4  ccm  Pyozyanase- 
lösung  in  die  Mund-  und  Rachenhöhle  und  liess  in  der  Zwischenzeit 
Pyozyanasegurgelungen  ausführen. 

Vor  Ausführung  der  ersten  Zerstäubung  bestimmte  ich  selber  die 
Temperatur  in  der  Achselhöhle,  abends  5  Uhr  zu  39,9"  C.  Während 
die  vorausgegangene  Nacht  so  schlecht  war.  dass  Patient  meinte, 
sterben  zu  müssen,  verlief  die  nun  folgende  Nacht  viel  besser  und 
morgens  9  Uhr  war  die  Körpertemperatur  37,9°  C  und  vom  Abend  des 
2.  Behandlungstages  —  mit  Pyozyanase  —  war  sie  normal.  Die  Mem¬ 
branen  kamen  rasch  zur  Lösung,  indem  sie  vom  Rande  und  von  der 
Oberfläche  her  dünner  und  zusehends  kleiner  wurden,  während  in  der 
freigewordenen  Schleimhaut  ein  sehr  lebhafter  Restitutionsprozess 
einsetzte,  ein  Vorgang,  der  wahrscheinlich  durch  die  chemotaktische 
Wirkung  der  Pyozyanase  verursacht  wird. 


2286 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Am  3.  Behandlungstage  waren  die  Membranen  fast  ganz  ver¬ 
schwunden,  bis  auf  eine  linsengrosse  Stelle  der  rechten  Tonsille, 
welche  Herr  Professor  S  e  i  t  z  weiterbehandelte  —  die  Gefahr  war 
beseitigt;  die  Pyozyanasebehandlung  hatte  ihre  Aufgabe,  besser  als 
man  erwarten  durfte,  glänzend  gelöst;  denn  „solche  Fälle  gehen  bei 
so  alten  Leuten,  wie  Prof.  S  e  i  t  z  bemerkte,  gewöhnlich  tödlich 
aus.“ 

II.  Fall:  Streptokokkendiphtherie.  Behandelnde  Aerzte  Pri¬ 
vatdozent  Dr.  Trumpp  und  Dr.  Werner. 

Ernst  F.,  6  Jahre  alt,  erkrankte  am  Abend  des  20.  Januar  1901 
mit  Schluckbeschwerden,  leichter  Heiserkeit,  Husten  und  Ohren¬ 
schmerzen.  (Siehe  Tem¬ 
peraturkurve  I.) 

Die  Schleimhaut  des 
Packens  stark  gerötet, 
beide  Tonsillen  geschwellt 
und  mit  mehreren  bis  pfen- 
uigstiickgrossen,  gelblich- 
weissen,  dünnen  Membra¬ 
nen  bedeckt.  Gelblich  be¬ 
legte  Exikoriationen  im 
rechten  Mundwinkel.  Gur¬ 
geln  einhalbstündlich  ab¬ 
wechselnd  mit  Kreolin, 
Bor-  und  Karbolsäure.  Dermatol-Bor-Zinn-Lanolin-Salbe  auf 
die  exkoriierten  Lippen.  Infus.  Ipecac.,  Eisschlucken,  Halswickel. 
Diese  Behandlung  wurde  bis  26.  I.  fortgesetzt.  21.  I.  Membranen  im 
Rachen  haben  sich  vergrössert,  konfluierend,  greifen  auf  die  hintere 
Fläche  des  Zäpfchens  über.  Die  submaxillaren  Drüsen  vergrössert 
und  schmerzhaft. 

22.  I.  Stat.  idejm. 

23.  I.  Zustand  etwas  verschlimmert.  Auch  auf  der  oberen 
Partie  der  hinteren  Rachenwand  und  nach  aufwärts  gegen  die 
Choanen  zu  hat  sich  eine  gelbliche,  schmierige  Membran  entwickelt. 
Puls  122. 

24.  I.  Die  Membranen  haben  sich  noch  etwas  vergrössert, 
Ohrenschmerzen  stärker.  Puls  122. 

25.  I.  Verschlimmerung.  Drüsen  stärker  geschwollen.  Nach¬ 
mittags  ist  Patient  sehr  matt.  Gesicht  gerötet.  Nachts  Delirien. 
Pulsarrhythmie.  In  einem  von  Herrn  Privatdozent  Dr.  Trumpp 
hergestellten  Membranpräparat  sehr  viel  Streptokokken  und  verein¬ 
zelte  diphtheriebazillenähnliche  Stäbchen.  Nachdem  auch  durch  die 
Kultur  auf  Kalbsbouillon-Zuckerserum  wenig  Diphtheriebazillen  und 
massenhaft  Streptokokken  gewachsen  waren,  beantragte  Herr  Privat¬ 
dozent  Dr.  Trumpp  die  Behandlung  mit  Pyozyanase. 

26.  I.  Bei  meinem  ersten  Besuche  macht  der  Fall  den  Eindruck 
einer  schweren,  septischen  Infektion.  Patient  ist  sehr  matt  und  hin¬ 
fällig;  Gesicht  blass,  gedunsen,  die  Lippen  exkoriiert,  die  Zunge  dick 
belegt.  Die  Membranen  wie  oben  beschrieben,  zeigen  aber  auf  der 
hinteren  Rachenvvand  die  Tendenz  sich  auszudehnen,  da  sich  an  einer 
gestern  noch  freien  Stelle  ein  dünner  Membranstreifen  gebildet  hat. 
Starker  Fötor  ex  ore.  Milz  vergrössert,  Puls  156.  Nachmittags  3  Uhr 
und  abends  9  Uhr  energische  Pyozyanasezerstäubungen  3—5  ccm 
jedesmal.  Zwischen  3  und  6  Uhr  8  mal  Gurgeln  mit  verdünnter 
Pyozyanase.  Ein  sehr  kleines  Membranstückchen  auf  Löfflerserum¬ 
platten  ausgestrichen;  es  entwickeln  sich  neben  sehr  verein¬ 
zelten,  nur  mit  Mühe  auffindbaren  Diphtheriebazillenkolonien  massen¬ 
haft  Kolonien  von  Streptococcus  pyogenes. 

27.  I.  Nachts  ruhiger  Schlaf;  am  Morgen  Befinden  sehr 
gut,  Patient  frisch,  vom  Schlaf  gekräftigt,  was  in  den  vorhergehenden 
lagen  nicht  mehr  der  Fall  war.  Submaxillardrüsen  kleiner,  nicht  mehr 
schmerzhaft.  Ohrenschmerzen  und  Fötor  ex  ore  verschwunden.  Die 
Körpertemperatur,  welche  vor  der  Pyozyanasebehandlung  täglich  auf 
39,8  bis  40,2  stieg,  erreicht  nur  noch  morgens  7  Uhr  38,9,  geht  aber 
um  2  Uhr  nachmittags  auf  37,5  herab  und  bleibt  von  Mitternacht  ab 
in  den  folgenden  Tagen  und  Wochen  andauernd 
normal. 

28.  I.  Membranen  sowie  Rötung  und  Schwellung  der  Schleim¬ 
haut  verschwunden,  auf  der  letzteren  ist  lebhafte  —  offenbar  durch 
die  Pyozyanase  veranlasste  Sekretion  und  Zellneubildung  bemerk¬ 
bar,  insofern  die  von  Epithel  entblössten  Stellen  und  Exkoriationen 
rasch  verheilen.  Drüsen  nicht  mehr  vergrössert,  Patient  sehr  frisch 
und  munter.  Die  Pyozyanasebehandlung  wird  zur  Unterstützung  der 
Restitutio  ad  intergr.  am  29.  I.  noch  morgens  und  abends  ausgeführt. 

Da  die  Pyozyanasezerstäubung  erst  am  26.  I.  nachmittags  3  Uhr 
zum  ersten  Male  ausgeführt  wurde,  und  die  Körpertemperatur  vom 
27.  Januar  nachts  12  Uhr  ab  normal  blieb,  so  hat  die  Pyozya- 
nase  innerhalb  der  kurzen  Zeit  von  33  Stunden  alle 
Gefahr  beseitigt  und  eine  geradezu  überraschend 
schnelle  Heilung  zur  Folge  gehabt. 

Diese  Tatsache  fällt  bei  der  Beurteilung  des  Wertes  der  Pyo¬ 
zyanasebehandlung  umso  mehr  ins  Gewicht,  als  dieser  sehr  ernste 
Fall  durch  die  energische  Anwendung  von  Antiseptizis  nicht  im  ge¬ 
ringsten  beeinflusst  wurde,  vielmehr  trotz  derselben,  infolge  offenbar 
stattgehabter  Blutinvasion  durch  die  Streptokokken,  eine  fort¬ 
schreitende,  zuletzt  sehr  bedenklich  gewordene  Verschlimmerung 
zeigte. 

In- F  a  1 1 :  Diphtherie  und  Krupp.  Behandelnder  Arzt  Dr.  B  r  a  u  n 
.(Siehe  Temperaturkurve  II.) 


Karl  F.,  5%  Jahre  alt,  kräftiger,  gut  genährter  Knabe,  erkrankte 
vor  3  Tagen  (am  2.  Dezember  1902)  mit  Frösteln,  Schlingbeschwerden, 
Kopfschmerzen.  Am  5.  Dezember  trat  Heiserkeit  ein  und  Schnupfen, 
die  Schluckbeschwerden  und  Kopfschmerzen  wurden  stärker.  Dr. 
Braun  fand  vormittags  9  Uhr  die  beiden  Tonsillen,  das  Zäpfchen  und 
die  Schleimhaut  des  Rachens  stark  geschwellt  und  gerötet;  auf  der 
rechten  Tonsille  und  den  rechtsseitigen  Gaumenbögen  eine  gelbe, 
schmierige  Membran.  Die  submaxillaren  Drüsen  haselnussgross,  die 
Zunge  dick  belegt;  auf  der  Mundschleimhaut  in  der  Umgebung  des 
rechten  Mundwinkels  apthenähnliche  Bläschen.  Temperatur  vor¬ 
mittags  9  Uhr  37,9,  abends  7  Uhr  40,4 0  C,  Puls  152.  .Gurgelungen  mit 
Karbolsäurelösung  alle  halbe  Stunden,  Chinin. 

Am  6.  Dezember  früh  8  Uhr  fanden  wir  den  Patienten  in  sehr 
schlimmem  Zustand.  Das  Gesicht  ist  blass,  Nase  und  Lippen 
zyanotisch,  hochgradige  Dyspnoe,  Stimmlosigkeit,  quälender  Husten, 
darauf  Erregung  und  Erstickungsanfälle,  nach  denen  der  Patient  kraft¬ 
los  in  die  Kissen  sinkt.  Auf  beiden  Tonsillen,  den  rechtsseitigen 
Gaumenbögen,  auf  der  hinteren  Fläche  der  Uvula  und  fast  auf  der 
ganzen  hinteren  Rachenwand  Beläge,  welche  sich  offenbar  in  den 
Kehlkopf  fortsetzen.  Die  Submaxillar-  und  Halsdrüsen  noch  stärker 
vergrössert  als  gestern,  unter  dem  rechten  Ohr  hühnereigrosse  Drüse. 
Fötor  ex  ore.  Temperatur  38,6°  C.  Auf  3  gestern  mit  Belag¬ 
partikelchen  bestrichenen  Löfflerserumplatten  sind  nur  Diphtherie¬ 
bazillen  und  Streptokokken,  letztere  in  Ueberzahl  gewachsen.  Serum¬ 
injektion  und  Tracheotomie  werden  in  Betracht  gezogen,  auf  mein 
Ersuchen  aber  zunächst  davon  abgesehen  und  eine  sehr  energische 
Pyozyanasebehandlung  eingeleitet.  Um  8,  10  und  12  Uhr  werden  je 
2 — 3  ccm  Pyozyanase  —  40 0  C  warm  —  in  den  Rachen  zerstäubt.  In 
der  Zwischenzeit  2  mal  Dampfinhalation  von  Pyozyanase.  Abends 
5  Uhr  ist  das  Befinden  etwas  besser,  die  Atmung  freier,  Patient  trinkt 
einen  halben  Liter  Milch.  Abschaben  und  Reinigen  der  Zunge  mit  in 
Pyozyanase  getauchtem  Tuch,  worauf  aber  2  mal  Erbrechen.  Trache¬ 
otomie  zunächst  nicht  nötig,  keine  Erstickungsanfälle  mehr.  Pyo¬ 
zyanasezerstäubungen  5,  8  und  10  Uhr.  Dampfinhalation  mit  Pyozya¬ 
nase  12  Uhr  nachts  und  4  Uhr  früh,  worauf  ein  3  cm  langer  und 
0,5  cm  breiter,  aus  dem  Kehlkopf  stammender  Membranstreifen  aus¬ 
gehustet  wird  und  Erbrechen  erfolgt.  Temperatur  abends  39,3, 
Puls  104. 


31.1 

1.11. 

2. 

1  3 

4ir 

s 

^  S| 

4 flL 

J 

1 — 

39  - 

3S 

2Z 

Y~ 

C 

3(? 

Cur\/ 

eM 

7.  Dezember  vormittags  8  Uhr.  Patient  hat  fast  die  ganze  Nacht 
ruhig  geschlafen,  ist  ganz  umgewandelt,  sehr  frisch  und  munter, 
spricht  mit  lauter  aber  noch  etwas  belegter  Stimme.  Keine  Schmerzen 
mehr.  Die  submaxillaren-  und  Halsdrüsen  um  die  Hälfte  kleiner  als 
gestern.  Die  Membranen  auf  den  Tonsillen  viel  dünner  und  kleiner; 
Uvula  ganz  frei  davon;  auf  der  hinteren  Rachenwand  mehrere  insel¬ 
förmige  Stellen  nicht  mehr  von  Belag  bedeckt.  Foetor  ex  ore  ver¬ 
schwunden.  Temperatur  vormittags  8  Uhr  37,6,  abends  7  Uhr  37,5  °C, 
Morgens,  mittags  und  abends  Pyozyanasezerstäubungen. 

8.  Dezember.  Patient  frisch,  singt  mit  heller  Stimme,  hat  grossen 
Appetit  und  will  aus  dem  Bett.  Drüsen  zurückgebildet.  Beläge  bis 
auf  2  kleine  linsen-  bis  bohnengrosse  Stellen  der  rechten  Tonsille  und 
der  hinteren  Rachenwand  verschwunden.  Körpertemperatur  vor¬ 
mittags  36,8,  abends  37,1;  noch  3  mal  Pyozyanase. 

9.  Dezember  Beläge  verschwunden  bis  auf  eine  linsengrosse 
Stelle  der  rechten  Tonsille,  welche  bei  fortgesetzter  Pyozyanase¬ 
behandlung  erst  am  12.  Dezember  abgestossen  wird.  Körper¬ 
temperatur  andauernd  normal.  Befinden  vorzüglich. 

Bei  diesem  Falle  wurde  die  Pyozyanase  am  häufigsten  und  in 
den  grössten  Mengen,  namentlich  am  1.  Tage  angewendet.  Die  merk¬ 
würdig  rasche  Besserung  der  sehr  bedrohlichen  Erscheinungen  muss 
einzig  und  allein  der  Pyozyanasewirkung  zugeschrieben  werden, 
durch  welche  auch  die  Tracheotomie  verhütet  wurde.  Das  zweimal 
eingetretene  Erbrechen  ist  die  Folge  des  für  viele  widerlichen,  stark 
salzigen  Geschmackes  der  Pyozyanase  und  darf  unter  keinen  Um¬ 
ständen  als  Giftwirkung  aufgefasst  werden. 

Bei  2  intubierten  Fällen  von  Laryngotracheitis  croup.,  von  denen 
der  eine  im  Haun  er  sehen  Kinderspital,  der  andere  von  Herrn  Privat¬ 
dozent  Dr.  T  r  u  m  p  p  mit  Pyozyanase  behandelt  wurde,  hat  dieselbe 
besonders  gut  und  rasch  gewirkt,  was  wahrscheinlich  darauf  zurück¬ 
zuführen  ist,  dass  sich  zwischen  den  Tubenflächen  und  der  Kehlkopf- 
schleimhaut  eine  dünne  Schicht  Pyozyanaselösung  durch  Kapillar¬ 
wirkung  ansammelt;  dieselbe  wirkt  natürlich  besser  und  nachhaltiger, 
als  die  geringen  Flüssigkeitsmengen,  welche  bei  der  Zerstäubung  auf 
der  freien  Schleimhautfläche  haften.  Hier  folgt  die  Krankengeschichte 
des  einen  dieser  Fälle. 

IV.  Fall:  Diphth.  fauc.  Laryngotracheitis  crouposa.  (Siehe 
I  emperaturkurve  III.) 


12.  November  10Ö7. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ernst  W  4  Jahre  alt,  kam  am  31.  Januar  1901  in  Behandlung  des 
Herrn  Privatdozent  Dr.  Trumpp.  Schluckbeschwerden,  Heiserkeit, 
hochgradige  Dyspnoe.  Auf  der  rechten  Tonsille,  an  der  hinteren 
Uvulafläche  und  auf  der  hinteren  Rachenwand,  soweit  nach  abwärts 
sichtbar  weissgelbe,  fibrinöse  Beläge.  Submaxillare  Drüsen  ver- 
grössert.  Intubation,  worauf  Respiration  gut.  Temperatur  abends 

39  1 0  0 

Ani  1.  Februar  stat.  id.  Temp.  abends  39,3°  C. 

Am  2.  Februar  abends  5  Uhr  Zustand  und  lokaler  Befund  unver¬ 
ändert,  erschwerte  Atmung,  Temperatur  39,6,  Puls  120.  Reichliche 
Zerstäubung  von  Pyozyanase,  während  welcher  ein  Membranstück 

ausgehustet  wird,  worauf  Atmung  gut. 

3  Februar.  Die  Beläge  kleiner  und  dünner.  Befinden  gut. 
Temperatur  vormittags  37,8,  abends  38,5.  Pyozyanasezerstäubung 
morgens,  mittags  und  abends.  „  _  . 

4.  Februar.  Kein  Belag,  keine  Drusenschwellung  mehr,  Befinden 
sehr  gut,  leichte  Atmung,  kein  Husten.  Temperatur  vormittags  37,6, 
abends  37,0. 

5.  Februar.  Befinden  sehr  gut.  Temperatur  normal.  Extubation 
und  sofort  wieder  Intubation,  weil  wegen  Postikuslähmung  dys- 
pnoische  Erscheinungen  eintraten.  Definitive  Extubation  erst  nach 


Einen  ganz  ähnlichen  Fall  habe  ich  im  H  a  u  n  e  r  sehen  Kinder¬ 
spital  behandelt.  Bei  demselben  war  durch  Heilseruminjektion  Bes¬ 
serung,  dann  aber  wieder  Verschlimmerung  eingetreten  und  es  musste 
wegen  hochgradiger  Dyspnoe  intubiert  werden.  Unter  Pyozyanase- 
behandlung  wurde  die  Körpertemperatur  nach  32  Stunden  normal;  es 
trat  rasches  Abschmelzen  der  Membranen  ein  und  48  Stunden  nach 
der  ersten  Zerstäubung  konnte  extubiert  werden. 

Schliesslich  teile  ich  noch  den  folgenden  durch  Diphtherie- 
bazillen  und  Streptokokken  verursachten  Fall  mit,  weil  er  der  erste 
war,  welcher  mit  Pyozanase  und  zwar  von  Dr.  J.  Weigl  behandelt 
wurde,  dem  ich  für  seine  vielen  Bemühungen  im  Interesse  der 
Pyozyanasebehandlung  meinen  herzlichen  Dank  ausspreche. 

V.  Fall:  Diphtherie  durch  Diphtheriebazillen  und  Streptokokken. 
Beginnende  Laryngitis  crouposa.  Behandelnder  Arzt  Dr.  J.  Weigl. 
(Siehe  Temperaturkurve  IV.) 

Anna  E.,  11  Vs  Jahre.  27.  XI.  1900  nachmittags 
1  Öhr  Halsschmerzen,  Schluckbeschwerden, 
Schmerzen  im  rechten  Ohr,  starkes  Kopfweh, 
Hitze  mit  Fröstelgefühl,  grosse  Mattigkeit.  Rö¬ 
tung  und  Schwellung  der  beiden  Tonsillen,  der 
Uvula,  der  Qaumenbögen  und  hinteren  Rachen¬ 
wand;  auf  beiden  Tonsillen  und  der  Uvula  weiss- 
liche  Beläge,  gleichmässig  ohne  Unterbrechung; 
dünner  Belagstreifen  auf  der  hinteren  Rachenwand 
rechts  unten.  Schwellung  der  seitlichen  Hals¬ 
drüsen  beiderseits.  Temperatur  39,2,  Puls  100. 
Gurgelwasser  acid.  boric.,  alum.  pulv.  aa  2,0. 
succi  citric.  rec.  20,0,  aq.  Salviae  ad  200 
Zitronenlimonade.  6  Uhr  abends  Temperatur  39,5,  Puls  110.  Ab¬ 
impfung  von  beiden  Tonsillen  auf  Löfflerserum.  Darnach  0,1  g 
Pyozyanase3)  in  3  ccm  aq.  dest.  aufgesprayt.  Gurgeln  sistiert. 
8  Uhr  abends  39,8,  Puls  115.  0,1  g  Pyozyanase.  Gurgeln  mit 

Pyozyanase  1 : 100. 

28.  XI.  8  Uhr  30  vormittags.  Allgemeinbefinden  besser,  keine 
Schmerzen,  Befund  wie  gestern.  Temperatur  37,8,  Puls  90.  Pyozya¬ 
nase  0,2  g.  4  Uhr  30  nachmittags  Temperatur  37,5,  Puls  88.  Der 
Belag  auf  der  Tonsille  und  der  Uvula  beginnt  abzuschmelzen. 
Pyozyanase  0,2. 

Die  Untersuchung  der  Löfflerserumplatten  ergibt  reichlich  Di¬ 


mt  2s. 

29. 

30. 

-J* 

0 

US 

A 

\ 

CurveEf. 

_ 

phtheriebazillen  und  sehr  reichlich  Streptococcus  pyogenes. 

29.  XI.  8  Uhr  30  vormittags.  Temp.  37,2,  Puls  90.  Belag  aut 
rechter  Tonsille  und  Uvula  ist  ganz  abgeschmolzen,  die  betr.  Schleim¬ 
hautpartien  sehen  wie  mit  Oel  überzogen  aus.  Belag  auf  linker  1  on- 
sille  beginnt  abzuschmelzen.  4  Uhr  30  nachm.  37,3,  Puls  91,  rechte 
Tonsille  und  Uvula  ganz  frei.  Auf  der  linken  Tonsille  nur  noch 
5  Belagszapfen  von  Stecknadelkopfgrösse.  Die  Epitheltrübung  aui 
den  Gaumenbögen  hellt  sich  auf.  Subjektives  Befinden  sehr  gut,  keine 
Kopf-  und  Halsschmerzen  mehr.  0,2  Pyozyanase. 

30.  XI.  8  Uhr  vorm.  Temp.  37,1,  Puls  88.  Keine  Beläge  mehr, 
nur  auf  der  linken  Tonsille  ein  Belagzapfen,  über  den  ein  Wattetupfer 
abgestrichen  und  zum  Bestreichen  von  Löfflerserumplatten  verwendet 
wird.  Es  entwickeln  sich  keine  Diphtheriebazillen,  nur  wenig 
Streptokokken.  Befinden  ausgezeichnet,  starker  Appetit.  Pyozyanase 
0,1,  ebenso  um  12  Uhr. 

31.  XI.  Vollständiges  Wohlbefinden,  keine  Entzündungserschei¬ 
nungen  mehr,  während  in  gesunden  Tagen  Obstipation  bestand  —  oft 
3  Tage  hindurch  —  erfolgt  jetzt  2 — 3  mal  täglich  Defäkation  —  Pyo- 


zyanasewirkung? 

Auch  bei  mehreren  anderen  Diphtheriefällen  beobachtete  Dr. 
Weigl,  dass  die  Pseudomembranen  schon  nach  2 — 3  Pyozyanase- 
zerstäubungen  anfangen  abzuschmelzen  „wie  Butter  von  einem  er¬ 
wärmten  Butterbrot“  und  dass  gleichzeitig  auch  das  Fieber,  die  In- 


3)  In  diesem  Fall  wurde  ausschliesslich  mit  Alkohol  gefällte,  ge¬ 
trocknete  und  wieder  in  wenig  Wasser  gelöste  Pyozyanase  ver¬ 
wendet,  in  der  Absicht,  den  Gehalt  der  Lösung  an  bakteriolytischem 
Enzym  zu  erhöhen. 


toxikationserscheinungen  und  subjektiven  Beschwerden  zu  verschwin¬ 
den  begannen. 

Im  Ganzen  habe  ich  6  Fälle  von  Diphtherie  lind  Krupp 
mit  Streptococcus  und  Staphylococcus  pyogenes  aureus-Kom- 
plikation  behandelt,  bei  denen  trotz  wiederholter  Injektion  von 
Heilserum  nur  ganz  vorübergehende  Besserung,  dann  aber  eine 
sehr  bedenkliche  Zunahme  der  Krankheitserscheinungen  zu  be¬ 
obachten  war,  die  in  einigen  dieser  Fälle  wahrscheinlich  zu 
einem  letalen  Ausgang  geführt  hätte,  wenn  nicht  noch  recht¬ 
zeitig  die  Pyozyanasebehandlung  zur  Ausführung  gekommen 
wäre. 

Ich  will  die  Krankengeschichte  der  drei  schwersten  Fälle 
kurz  mitteilen. 

VI.  Fall:  Diphtherie  und  Krupp  mit  Serum  II  und  dann  mit 
Pyozyanase  behandelt.  Behandelnder  Arzt  Dr.  Friedr.  Völker 
und  Dr.  Joseph  Bruck  meyer. 

W.,  114  jähriges,  gut  genährtes  Mädchen,  ist  angeblich  seit  einigen 
Tagen  an  Schluckbeschwerden  und  Husten  erkrankt. 

Am  Nachmittag  des  29.  I.  01  fand  Herr  Dr.  Joseph  Bruck¬ 
meyer  das  Kind  in  sehr  schlimmem  Zustand;  es  war  hochgradige 
Dyspnoe,  Stridor  mit  Einziehung  des  Epigastriums  vorhanden.  Das 
Kind  lag  mit  halbgeöffneten  Augen  somnolent  im  Bette.  Gesicht  blass, 
gedunsen.  Die  Schleimhäute  des  Mundes  und  der  Lippen  stark  zyano¬ 
tisch.  Auf  den  Tonsillen,  dem  rechten  Gaumenbogen  und  auf  der 
hinteren  Rachenwand  ausgedehnte,  grauweisse  Beläge,  die  sich  offen¬ 
bar  auch  in  den  Kehlkopf  etc.  fortsetzen.  Aus  der  Nase  wird  beim 
Husten  gelblicher  Schleim  herausgetrieben.  Körpertemperatur  39, 23  C. 
Es  wird  eine  Seruminjektion  gemacht  (Serum  II). 

Am  30.  I.,  nachm.  3  Uhr  genau  derselbe  Zustand  in  allen  Details. 
Puls  klein,  120;  Körpertemperatur  39,3.  Die  Eltern  halten  das  Kind 
für  verloren  und  da  sie  glauben,  ich  sei  gekommen,  um  zu  tracheo- 
tomieren,  sagten  sie,  „wir  wollen  das  Kind,  da  es  doch  sterben  muss, 
nicht  mehr  schneiden  lassen“.  Da  der  Zustand  des  Kindes  sehr  be¬ 
denklich  und  der  Eintritt  des  Todes  im  Laufe  der  Nacht  nach  Ansicht 
des  behandelnden  Arztes  zu  erwarten  ist,  so  tragen  wir  anfangs  Be¬ 
denken,  die  Pyozyanase  anzuwenden.  Schliesslich  entschliesse  ich 
mich  doch  dazu.  Es  werden  ca.  5  ccm  Pyozyanaselösung  in  den 
Rachen  zerstäubt  und  nach  10  Minuten  nochmals  2  ccm.  Das  Kind 
schläft  nach  jeder  Bestäubung  sofort  wieder  ein. 

Abends  V%8  Uhr  Körpertemperatur  37,7 0  C.  Entnahme  einiger 
Membranpartikel  durch  Wattetupfer,  der  auf  Löfflerplatten  abge¬ 
strichen  wird.  Es  wachsen  neben  wenig  Diphtheriebazillen  viel 
Streptokokken  und  Kolonien  von  Staphyloc.  pyog.  aureus. 

Genau  in  gleicher  Weise  wie  um  3  Uhr  Zerstäubung  von  5  ccm 
Pyozyanaselösung  in  Mund,  Rachen  und  Nase. 

Am  31.  I.,  vorm.  9  Uhr  Allgemeinbefinden  viel  besser.  Das  Kind 
ist  lebhaft,  sitzt  auf  dem  Arm  der  Mutter,  reicht  das  Händchen  zur 
Begriissung.  Atmung  viel  leichter.  Belag  auf  Tonsillen  und  Gaumen¬ 
bogen  verkleinert,  auf  der  Rachenwand  siebartig  partiell  gelöst,  ganz 
dünn.  Zerstäubung  von  Pyozyanase  wie  das  erstemal.  Temp.  36,9. 
Nachmittags  3  Uhr  Atmung  fast  ganz  frei,  Stimme  noch  etwas  heiser. 
Das  Kind  isst  mit  grossem  Appetit,  winkt  mir  mit  den  Händchen  zu, 
spielt  dann  mit  der  Puppe.  Zerstäubung  von  4 — 5  ccm  Pyozyanase 
auch  in  die  Nase,  worauf  das  Kind  mit  Milch  vermischten,  von  Pyo¬ 
zyanase  grün  gefärbten  Schleim  und  ein  3  cm  langes  aufgequollenes, 
schleimiges  Membranstückchen  erbricht. 

Am  1.  II.,  vorm.  9  Uhr  Befinden  sehr  gut.  Kind  frisch  und  munter, 
Stimme  nicht  mehr  belegt.  Zeitweise  wird  zäher  Schleim  ausgehustet. 
Nur  noch  auf  der  linken  Tonsille  ein  kaum  pfennigstückgrosser,  dünner 
Belag.  Körpertemperatur  36,9°  C.  Zerstäubung  von  2  ccm  Pyo¬ 
zyanaselösung  in  Mund,  Rachen  und  Nase.  Desgleichen  abends  7  Uhr. 

Am  2.  II.  Befinden  sehr  gut.  Auch  der  Membranrest  auf  der 
linken  Tonsille  verschwunden.  Aus  der  Nase  fliesst  noch  hie  und  da 
etwas  zäher,  mitunter  blutgefärbter  Schleim.  Körpertemperatur  36,8. 
Zum  letztenmale  Zerstäubung  von  Pyozyanase  in  die  Nase. 

Am  3.  II.  alles  normal,  nur  noch  Nasenkatarrh. 

VII.  Fall.  Septische  Diphtherie.  Diphtheriebazillen,  Strepto- 
und  Staphylokokken.  (Siehe  Kurve  V.) 

Behandelnder  Arzt  Privat¬ 
dozent  Dr.  Rudolf  Hecker. 

Fritz  Hermann  U.,  3%  Jahre 
alt,  mit  Soxhlet  aufgezogen,  bis¬ 
her  immer  gesund. 

7.  V.  07.  Erkrankung  ohne 
besondere  Symptome.  '  Befund: 

Kleine,  zusammenhängende,  aber 
gut  abgegrenzte  Belage  von  weis- 
ser  Farbe  auf  beiden  Tonsillen, 

besonders  rechts.  Schwellung  der  , 

rechtsseitigen  Halslymphdrüsen.  Temperatur  morgens  3/ ,7, .abends 
37,9.  Ordin.  Hydrarg.  cyanat.  0,01  :  100,0  stündlich  1  Katreelofrel. 

8.  V.  Beläge  etwas  ausgedehnter.  Starke  Schwellung  der  on- 
sillen  und  der  Lymphdriisen.  Temperatur  vorm.  37,3,  abends  3/, 0. 
Im  Belag  reichliche  Diphtheriebazillen.  Injektion  von  Behnng  11. 

9.  V.,  morgens  37,8.  Wenig  Besserung.  Abends  38,6.  starke! 
Fötor.  Beläge  ausgedehnter,  aber  auf  die  Tonsillen  lokalisiert.  Un¬ 
ruhe,  Schmerzen.  Die  seitlichen  Halsdrüsen  ziemlich  stark  mdurier 


228 8 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


und  geschwollen,  nicht  besonders  empfindlich.  Aus  der  Nase  rinnt 
schleimiges,  flockiges  Sekret.  Injektion  von  Behring  III  worauf  nachts 
noch  deutliche  Besserung  des  Allgemeinbefindens. 

10.  V.,  vorm.  Temperatur  38,5,  Drüsen  kleiner.  Beläge  stossen 
sich  ab.  Atmen  noch  recht  schnarchend.  Nasensekret  reichlicher 
Abends  Temperatur  39,1.  Kind  sieht  etwas  frischer  aus.  Der  Fötor 
etwas  geringer.  Urin  ohne  Albumen.  Neben  wenig  Diphtheriebazillen 
auch  Strepto-  und  Staphylokokken. 

11.  V.,  morgens  Temperatur  38,6,  Atmung  stertoral.  Beläge 
werden  etwas  ausgedehnter,  auf  der  hinteren  Rachenwand  haben  sich 
solche  neu  gebildet;  Drüsen  neuerdings  mehr  geschwollen,  unter  den 
Ohren  kindsfaustdick;  abends  Temperatur  39,2,  Foetor  ex  ore.  Aus 
der  Nase  quillt  reichlich  grünliches,  eitriges  Sekret.  Grosse  Unruhe, 
Schmerzen.  Auf  mit  Membranpartikelchen  bestrichenen  Löffler¬ 
serumplatten  wachsen  neben  sehr  wenig  Diphtheriebazillenkolonien 
sehr  reichlich  Streptokokken  und  Staphylococcus  pyogen,  aureus. 

Nachdem  in  den  letzten  Tagen  mit  Wasserstoffsuperoxyd  ge- 
gurgelt  worden  war,  wird  abends  6  Uhr  mit  Pyozyanasezerstäubung 
m  Mund  und  Rachen  begonnen  —  ca.  2  ccm  — ;  doch  stand  nur  ein 
altes  nicht  mehr  voll  wirksames  Präparat  zur  Verfügung. 

12.  V.,  morgens  38,3.  Subjektives  Befinden  gut.  Ruhige  Nacht 
Drusenschwellung  entschieden  geringer,  Haut  darüber  leicht  ver¬ 
schieblich  —  bisher  unverschieblich.  Urin  ohne  Albumen. 

Abends  Temperatur  39,1.  Nasensekret  noch  sehr  reichlich.  Nur 
morgens  und  abends  Pyozyanase;  II.  und  III.  Applikation. 

13.  V.,  morgens  38,6.  Sehr  gute  Nacht.  Drüsen  kleiner,  Ton¬ 
sillen  viel  kleiner;  während  sich  dieselben  bisher  berührten,  kann  man 
jetzt  leicht  zwischen  denselben  hindurchsehen.  Beläge  haben  sich 
etwas  verkleinert.  Hintere  Rachenwand  ganz  frei  und  zum  ersten 
Male  deutlich  sichtbar.  Nasenatmung  noch  verlegt;  reichliches 
eitriges,  grünliches  Sekret. 

Abends  Temperatur  38,6.  Schwellung  der  Rachenteile  geringer 
Belage  verkleinern  sich  rasch.  Kein  Fötor  mehr.  Nasensekretion1 
noch  reichlich.  Neue,  vollwirksame,  aus  Lingners  Fabrik  be¬ 
zogene  Pyozyanase,  morgens,  mittags  und  abends  auch  in  der  Nase 
zerstäubt.  IV. — VI.  Applikation.  Allgemeinbefinden  recht  gut 

14.  V.  Temperatur  37,5.  Patient  sehr  frisch,  spielt;  die  Beläge 
ganz  klein  und  dünn,  verschwinden  zusehends.  Die  Nase  wird  durch¬ 
gängig  Keine  Drüsenschwellung  mehr.  Abends  37,8.  Befinden  sehr 
gut.  Nasensekretion  lässt  nach.  3  mal  Pyozyanase,  VI.— IX  Appli¬ 
kation. 

15.  V.  Morgens  Temperatur  36,6  °,  Befinden  ausgezeichnet. 
Rachenbelage  verschwunden.  Auf  den  Tonsillen  ein  feiner  Schleier 
—  Epithelneubildung  — . 

Abends  Temperatur  36,8,  Nasensekretion  sehr  gering,  2  mal 
Pyozyanase,  X.  und  XI.  Applikation. 

16.  V.  Kein  Sekret  mehr,  vollkommene  Euphorie. 

In  diesem  Falle  war  also  nach  einer  durch  die  2  malige  Heil¬ 
seruminjektion  verursachten,  kurz  dauernden  Besserung  eine  be¬ 
drohliche  Zunahme  des  diphtheritischen  Prozesses  erfolgt,  welche 
durch  die  Pyozyanase  sofort  zum  Stehen  und  zu  ziemlich  raschem 
Rückgang  gebracht  wurde. 

imri  Diphtherie  und  Krupp  —  durch  Diphtheriebazillen 

und  Streptokokken.  —  Behandelnder  Arzt  Dr.  E  i  s  e  n  r  e  i  c  h 

Georg  E.,  1014  Jahre  alt,  erkrankte  vor  einigen  Tagen. 

Am  21.  Januar  1904  Frösteln,  Schluckbeschwerden  und  Heiser- 
keit,  ziemlich  hochgradige  Dyspnoe.  Fibrinöse  Beläge  auf  den  Ton¬ 
sulen,  der  Rückseite  der  Uvula  und  auf  der  hinteren  Rachenwand. 
Urmeiwersshaltig.  Abends  Temperatur  38,9.  Injektion  von  Behring  III. 

Am  22.  Januar.  Etwas  Besserung.  Atmung  leichter.  Beläge 
wie  gestern.  Temperatur  abends  39,0. 

Am  23.  Januar.  Befinden  morgens  ziemlich  gut.  Beläge  be¬ 
ginnen  sich  abzustossen.  Abends  wieder  Verschlimmerung.  Unruhe 
Dyspnoe.  Temperatur  39,3  0  C.  Injektion  von  Behring  III. 

Am  24.  Januar.  Keine  wesentliche  Besserung,  Beläge  unver- 
TemprLturC3^7 ’UCS  ^  Halsdrüsen-  Abends  Schweratmigkeit. 

Zerstäubung  von  viel  Pyozyanase  4  und  7  Uhr  abends,  worauf 
ein  mehrere  Zentimeter  langes  Membranstück  ausgehustet  wird;  von 
demselben  werden  Ausstriche  auf  Löfflerserumplatten  gemacht,  auf 
denen  sich  neben  wenig  Diphtheriebazillen  sehr  reichlich  Streotoc 
pyogenes  entwickelte. 

25.  Januar  Allgemeinbefinden  nach  gutem  Schlaf  viel  besser. 
Atmung  leicht  Heiserkeit  geringer.  Die  Membranen  auf  den  Ton- 
^  hinteren  Rachenwand  beginnen  abzuschmelzen.  Abends 
1  emperatur  38,2,  morgens,  mittags  und  abends  Pyozyanasezerstäu- 
bung,  in  der  Zwischenzeit  Gurgeln  mit  Pyozyanase. 

-6.  Januar.  Temperatur  morgens  37,0.  Patient  frisch  liest 
Heiserkeit  geringer.  Membranen  bis  auf  kleine  Reste  verschwunden’ 

I  emperatur  abends  37,2.  Im  Urin  wenig  Eiweiss. 

27.  Januar.  Normale  Temperatur.  Befinden  sehr  gut  Mem- 

Ta^e^dauerte hWUn dCn'  Am  28‘  JanUar  Stimmbandlähmung,  die  10 

Diese  drei  Fälle  waren  infolge  des  Vorherrsohens  von 
.  trepto-  und  Staphylokokken  auf  der  diphtheritischen  Schleim¬ 
ig  Hl1  dAe  Heil£se,n'minjektionen  nur  wenig  beeinflusst  wor¬ 
den  und  hatten  infolge  der  nach  denselben  wieder  eingetre¬ 
tenen,  neuerlichen  Zunahme  der  Krankheitserscheinungen  und 


lokalen  Veränderungen  wahrscheinlich  einen  schlimmen,  viel¬ 
leicht  sogar  —  Fall  VI  —  letalen  Verlauf  genommen.  Die  Pyo¬ 
zyanase  hat  auch  in  diesen,  wie  in  den  vorher  beschriebenen 
Fällen  in  ganz  gleichmässiger  Weise  die  Gefahr  nach  kurzer 
Zeit  beseitigt  und  eine  rasche  Heilung  eingeleitet.  Dies  war 
überhaupt  bei  allen  32  von  mir  behandelten  Diphtheriekranken 
—  einen  einzigen  ausgenommen  —  der  Fall.  Diese  letzt¬ 
erwähnte  Kranke,  ein  2  jähriges  Mädchen,  hatte  schon  vor  Be¬ 
ginn  der  Pyozyanasebehandlung,  ausser  Belägen  im  Rachen, 
absteigendem  Krupp  etc.,  eine  sehr  ausgedehnte  kruppöse 
Pneumonie,  welche  zum  Tode  führte. 

Eine  Zunahme  der  Krankheitserscheinungen  und  der 
Schleimhautveränderungen  wurde  nach  Einleitung  der  Pyo¬ 
zyanasebehandlung  in  keinem  einzigen  der  von  mir  behandel¬ 
ten  Fälle  beobachtet. 

Der  wesentlichste  Fortschritt,  welcher  in  der  Diphtherie¬ 
therapie  durch  die  Pyozyanase  erzielt  wird,  dürfte  darin  be¬ 
stehen,  dass  durch  dieselbe  in  Zukunft  auch  jene  schweren 
Fälle  von  komplizierter  Diphtherie  rasch  und  sicher  geheilt 
werden  können,  welche  bisher  oft  zum  gangränösen  Zerfall 
der  Rachenorgane,  sowie  durch  ihre  jauchigen  Zersetzungs¬ 
produkte  zu  schwerer  Vergiftung  und  durch  die  Strepto-  oder 
Staphylokokken-Allgemeininfektion  zu  allgemeiner  Sepsis 
führten. 

Dadurch  kann  die  Diphtheriemortalität  noch  weiter  herab- 
gedriiekt  und  manche  schwere  Folgeerscheinung  der  Diph¬ 
therie  —  Nierenerkrankungen  etc.  —  verhütet  werden.  Mittel, 
welche  auch  den  Laien  eine  so  offenkundige  und  unzweifel¬ 
hafte,  lebensrettende  Heilwirkung  erkennen  lassen,  wie  das 
Heilserum  und  die  Pyozyanase,  sind  geeignet,  das  Ansehen 
der  Aerzte  zu  heben  und  das  Vertrauen  auf  die  wissenschaft¬ 
liche  Medizin  zu  festigen  und  zu  stärken.  Pflicht  der  Aerzte 
ist  es,  dieses  Vertrauen  durch  die  richtige  und  energische  Aus¬ 
führung  der  Behandlungsmethode  zu  rechtfertigen. 

In  einer  späteren  Abhandlung  sollen  die  Wirkungen  des 
Pyozyaneus-Immunserums  und  des  Pyozyanase-Immunprotei- 
dins  bei  Diphtherie  eingehend  erörtert  werden. 


Nachruf*)  auf  Josef  Gossmann. 

Am  19.  Oktober  haben  wir  Josef  Gossmann  zur  Ruhe 
bestattet.  Wer  von  Ihnen  mit  am  Grabe  unter  den  zwei  Eschen 
gestanden  hat,  dem  werden  meine  Gedächtnisworte  kaum  viel 
Neues  sagen.  Ich  fürchte  sogar:  Gegenüber  dem  so  ungewöhn¬ 
lich  lebhaften  Eindrücke  einer  Persönlichkeit,  wie  sie  der  Ver¬ 
storbene  darstellte,  muss  ein  Nekrolog,  der  ja  bestenfalls  nur 
einen  schwachen  Schattenriss  entwirft,  seinen  Zweck  nur  be¬ 
scheiden  erfüllen. 

Gleichwohl  darf  und  soll  gerade  auch  an  dieser  Stelle 
Gossmanns  ehrend  gedacht  werden;  denn  allgemein  ge¬ 
sprochen:  bedürfen  nicht  gerade  Aerzte  im  besonderen 
Masse  eines  ihr  Gedächtnis  miterhaltenden  Nachrufes,  Aerzte, 
die  ja  fast  noch  schneller  vergessen  werden,  als  der  Mime, 
dem  die  Nachwelt  keine  Kränze  flicht?  Hier  im  ärztlichen 
Vereine  aber  war  die  Stätte,  wo  ein  grösserer  Kreis  Münchener 
Fachgenossen  den  Entschlafenen  als  Arzt,  Kollegen  und  Men¬ 
schen  kennen  lernte  und  gerade  hier  hat  Gossmann  seit 
vielen  Jahren  gerne  verweilt  und  seinem  regen  Bedürfnisse 
nach  wissenschaftlicher  Weiterbildung  Nahrung  verschafft. 

Noch  fällt  es  uns  allen  nicht  schwer,  des  Verstorbenen 
Erscheinung  vor  unser  geistiges  Auge  zu  zwingen;  Leibhaftig 
sehen-  wir  Gossmanns  geschmeidige  elegante  Gestalt  mit 
der  bedeutenden  Stirne  und  dem  männlich  schönen  Gesicht, 
den  tiefgründigen  Augen  unter  den  buschigen  Brauen  durch  die 
Türe  schreiten,  wir  fühlen  den  herzhaften  Druck  seiner  Hand, 
hören  den  Wohllaut  seiner  vielberühmten  Stimme  und  sehen 
ihn  dann  aufmerksam  dem  Vortrage  des  Redners  lauschen  und 
frisch  und  freimütig  in  die  Debatte  eingreifen. 

Alles  das*  sind  Eindrücke  so  frisch,  wie  wenn  sie  erst  jüngst 
entstanden  wären.  Doch  sind  es  fast  zwei  Jahre  her,  seit  eine 
i  krankung  des  Herzens  wie  ein  Blitz  aus  heiterem  Himmel 
Gossmanns  immer  jugendliche  Elastizität  niederwarf  und 
ihn  aufs  Lager  streckte. 


)  Gesprochen  am  30.  Oktober  1907  im  Aerztl.  Verein  München. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Blatt  216 ,  1907. 
Verlag  von  J.  F.  LEIIMANN  in  München. 


GALERIE  HERVORRAGENDER  ÄRZTE  UND  NATURFORSCHER 


^ — 


f 


OSEF  LtOSSMANN. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


22 89 


Hier  lag  dieser  lebens-,  arbeits-  und  sangesfrohe  Mann  trotz 
aller  ihn  umgebenden  treuen  Liebe  und  Pflege  lange  Monate 
und  man  sah  es  schmerzlich,  wie  er  gleichsam  auf  einer  öden 
Insel  in  der  Krankenstube  schmachtend,  Sehnsucht  fühlte  nach 
dem  Rauschen  des  Lebens  und  dem  Genüsse  der  ihm  seit  je 
vertrauten  Natur. 

Sie  wissen,  dass  Gossmann  sich  von  der  ersten 
schweren  Attacke  wider  alles  Erwarten  nochmals  erholte  und 
dass  er  diesen  Sommer  noch  in  seinen  geliebten  Bergen  ver¬ 
bringen  durfte,  bis  der  Krankheitsprozess,  unter  zahlreichen 
embolischen  Vorgängen  verlaufend,  seinem  Leben  ein  Ziel 
setzte. 

Schlicht  ist  der  äussere  Rahmen  dieses  Lebens. 

Gossmann  war  als  Sohn  eines  Kgl.  Studienlehrers  in 
Landau  in  der  Pfalz  1845  geboren  und  kam  dreijährig  mit  seinen 
Eltern  hierher,  wo  er,  im  vollsten  Sinne  bodenständig  ge¬ 
worden,  sich  zu  einem  „Prachtexemplar“  —  würde  er  sar¬ 
kastisch  sagen  —  süddeutscher  Art  entwickelte.  1854  bereits 
verlor  er  seinen  Vater  an  der  Cholera.  Nach  glänzend  bestan¬ 
denem  Gymnasialexamen  trat  Gossmann  1863  an  die  hie¬ 
sige  Universität  über,  die  er  1869  nach  vorzüglich  bestandenem 
Approbationsexamen  verliess,  dann  wurde  er  Assistent  bei 
Professor  G  i  e  1 1,  ging  dann  nach  Wien,  wo  er  bei  B  i  1 1  r  o  t  h, 
Czerny,  Rokitanski,  Oppolzer,  v.  Braun  seine 
Studien  machte. 

Schon  während  der  Universitätszeit  hatte  er  mit  seinem 
Schwager,  dem  Gemahl  seiner  vielgefeierten  Schwester,  der 
Schauspielerin  Friederike  Gossmann,  eine  Reise  nach  Aegypten 
unternommen,  welche  ihn  bis  zum  zweiten  Nilkatarakt  hinauf- 
führte. 

Im  Mai  1870  begann  Gossmann  als  praktischer  Arzt  sich 
hier  seiner  Lebensarbeit  zu  widmen,  hauptsächlich  auf  dem 
Felde  der  Frauenheilkunde  und  Geburtshilfe.  Sie  wissen,  meine 
Herren,  in  welch  hohem  Masse  er  das  Vertrauen  einer  grossen 
Klientel  gewann,  die  an  ihm  den  sorgfältigen,  überaus  pflicht¬ 
eifrigen  und  geschickten  Arzt  hochzuschätzen  wusste. 

Was  es  bedeutet,  ein  gewissenhafter  Arzt  zu  sein,  das 
braucht  ja  hier  nicht  betont  zu  werden. 

Trotz  einer  angestrengten  praktischen  Tätigkeit  war 
Gossmann  auch  vielfach  literarisch  tätig  und  nenne  ich 
nur  folgende  Arbeiten:  Ueber  chronischen  Morphiummiss¬ 
brauch,  —  Zur  manuellen  Umwandlung  von  Gesichts-  in  Hinter¬ 
hauptslage.  —  Zur  Kasuistik  der  typischen  Schwangerschafts¬ 
niere.  —  Ueber  die  Ausschabung  der  Gebärmutterhöhle.  — 
Ueber  Retention  und  manuelle  Entfernung  der  Plazenta.  — 
Ueber  Extrauteringravidität.  —  Myom  des  Gärtner  sehen 
Ganges.  —  Seine  Doktordissertation:  „Ueber  Typhuskompli¬ 
kationen“  hatte  Gossmann  in  Würzburg  geschrieben,  wohin 
er  nach  der  Universitätszeit  gegangen  war.  Einen  Teil  dieser 
Arbeiten  gestaltete  Gossmann  zu  Vorträgen  in  der  gynä¬ 
kologischen  Gesellschaft,  die  er  vor  23  Jahren  mitgründen  half 
und  deren  Vorsitzender  er  1890 — 1892,  dann  1900 — 1902  war. 
Hier  wie  auch  im  ärztlichen  Verein  verstand  er  es  immer  mit 
besonderem  Geschick  —  Gossmann  war  ja  auch  ein  ge¬ 
wandter  und  wirksamer1  Redner  —  zähe  Debatten  in  Fluss 
zu  bringen. 

Gossmann  gehörte  zu  den  treuesten  Besuchern  unseres 
Vereines,  dessen  Vorsitzender  er  1896  war  und  wir  erinnern  uns 
alle  mit  Vergnügen  der  frischen  Art,  wie  er  in  die  Debatten 
eingriff,  wie  er  sein  Temperament  oft  in  herzerquickender 
Weise  entfaltete  und  jederzeit  auch  seine  gründliche  medizini¬ 
sche  Bildung  —  Gossmann  pflegte  sich  auch  in  fremd¬ 
sprachlicher  Literatur  umzusehen  —  ins  Gefecht  brachte. 

Im  ärztlichen  Verein  war  Gossmann  ein  ungemein 
belebendes,  ausgleichendes  und  in  seiner  Eigenart  schwer  zu 
ersetzendes  Element.  ^ 

1894  wurde  Goss  m  a  n  n  durch  den  Hofratstitel  ausge¬ 
zeichnet  und  schliesslich  im  Januar  1905  in  den  oberbayerischen 
Kreismedizinalausschuss  einberufen.  In  dieser  einfachen  Kurve 
spielte  sich  jedoch  ein  reiches  Leben  und  Erleben  ab  und  an 
ihm  selbst  hat  sich  gewiss  erfüllt,  was  Gossmann  einstmals 
gedichtet: 

„Denn  inhaltsschwer  wird  sich  dein  Leben  erst  gestalten, 
Wenn  himmelhohe  Wellen  schlagen  Glück  und  Leid! 

Viel  besser  frommt  Dir  wildes  Schicksalswalten, 

Als  spiegelglatte  Bahn  in  träger  Ueppigkeit!“ 


Dieses  Leben,  wie  es  sich  mir  malte,  in  seinen  Grund¬ 
elementen  vor  Ihnen  zu  entrollen,  möchte  ich,  wenngleich  viel 
bessere  Kronzeugen  hiefiir  da  wären,  den  Versuch  unternehmen. 

Das  Wesen  dieses  Mannes,  der  so  stark  nach  der  Seite  des 
Gefühles,  des  Herzens  und  der  Phantasie  hin  entwickelt  war, 
kann  eigentlich  auch  nur  aus  einer  gewissen  Stimmung  heraus 
richtig  erfasst  werden  und  wo  eine  solche  Stimmung  keinen 
Platz  hat,  kann  eine  Gossmann  sehe  Natur  auch  nicht  ge¬ 
würdigt  werden. 

Gossmann  war  unbestritten  im  Kreise  der  Münchener 
Aerzte,  aus  dem  in  den  letzten  Jahren  so  mancher  charakteristi¬ 
sche  Kopf  verschwunden  ist  (der  stürmisch  vorwärtsgehende 
Näher,  der  geistvoll  ziselierte  Kopf  eines  Ziemssen  u.  a.), 
einer  der  populärsten  Kollegen.  Aber  durchaus  nicht  aus¬ 
schliesslich  wegen  der  ausserordentlichen  und  ursprünglichen 
Liebenswürdigkeit  des  Verstorbenen. 

Nicht  sie  allein  hat  den  magnetischen  Pol  dieses  Wesens 
gebildet.  Auch  bei  Gossmann  gewahrt  man  jene,  man  muss 
sagen  rätselhafte  Verbindung  zwischen  naturwissenschaftlichem 
Wissen  und  einer  ganz  bedeutenden,  ins  künstlerische  gehenden 
Geistesanlage,  eine  Verbindung,  wie  sie  ja  bei  einer  Reihe  von 
Dichterärzten  vorhanden  ist,  wie  sie  zum  Beispiel  B  i  1 1  r  o  t  h 
und  Ziemssen  aufweisen. 

Es  liegt  etwas  Geheimnisvolles  in  der  innigen  Verschmel¬ 
zung  der  beiden  scheinbaren  Gegensätze:  Der  klaren,  Illusionen 
und  Phantasie  zerstörenden,  naturwissenschaftlichen  Einsicht 
und  dem  gleichzeitigen  Danebenbestehen  des  unumschränkten 
Subjektivismus  des  Künstlers.  Nicht  nur  waren  diese  Wesens¬ 
elemente  auch  in  Gossmann  verschmolzen,  sondern  sie 
vereinigten  sich  bei  ihm  zugleich  in  einem  Manne  von  selten 
hohen  idealem  Schwünge  und  vornehmer  Gesinnung  des  Cha¬ 
rakters. 

Hermann  v.  K  a  u  1  b  a  c  h  hat  ein  Bild  von  Gossmann 
gemalt,  ihn  als  Träger  einer  Maske  darstellend,  als  ritterlichen 
Kavalier  von  untadeligen  Allüren,  die  Schultern  mit  einem 
wallenden  schwarzen  Mantel  bekleidet,  das  Gesicht  beschattet 
durch  ein  federtragendes  Barett,  das  Urbild  eines  vollsaftigen 
Menschen  aus  der  Zeit  des  Cinquecento,  eine  Gestalt  in  wahr¬ 
haft  klassischer  Pose.  „Der  ganze  Gossmann“  möchte  man 
da  sagen. 

In  der  Tat,  Gossmann  war  ein  starkes  dramatisches 
Talent,  in  der  Burleske  von  unwiderstehlicher  Komik  und  Gran¬ 
dezza  und  keine  seiner  Bewegungen  verleugnete  das  Künstler¬ 
blut,  das  auch  in  seinen  Adern  kreiste.  Man  hätte  Goss¬ 
mann  auch  als  Rembrandt  malen  können,  wie  er  mit 
seiner  Frau  Saskia  beim  Frühstück  sitzt  und  in  jubelnder  Le¬ 
bensfreude  den  Becher  mit  schäumendem  Saft  über  sein  Haupt 
schwingt.  Auch  das  hätte  Gossmann  getroffen. 

Ich  kenne  aber  noch  ein  Bild  von  Gossmann:  Angetan 
mit  bunten  Gewändern  und  flatternden  Bändern,  sieht  man  ihn 
da  auf  einem  schneeweissen  Rosse  sitzen,  das  blonde  Haupt 
begeistert  gegen  den  Himmel  gerichtet,  die  Laute  schlagend, 
offenbar  zum  hohen  Liede  der  Lebenslust,  der  Liebe,  Freund¬ 
schaft  und  Treue.  Auch  da  wieder  möchte  man  sagen  „der 
ganze  Gossmann“. 

Gossmann  besass  eine  zu  treuer  Freundschaft  ge¬ 
schaffene  Seele,  eine  goldene  Freundesseele,  wie  am  Grabe 
gesagt  wurde,  und  es  war  kein  Wunder,  dass  er  von  der  Uni¬ 
versität  her  bis  in  seine  späteren  Jahre  zu  den  alten  Freunden 
immer  neue  hinzugewann.  Er  war  nicht  nur  ein  lebhafter  und 
anregender  Gesellschafter  mit  urwüchsigem  Humor,  sondern 
besass  auch  die  grosse  Gabe,  jede  Geselligkeit  zu  veredeln, 
sodass  ein  zeitgenössischer  Barde  von  ihm  einst  singen  konnte: 
„Trunkener  Lapithen  Gelage  wandeltest  du 
Zürn  olympischen  heiteren  Festmahl  um!“ 

Musik  war  ihm  sein  Leben  lang  wie  eine  Schwester,  eine 
Braut.  Ein  glühender  Verehrer  der  Musik,  ein  feiner  Kenner 
des  Edelsten  aus  unseren  musikalischen  Schätzen,  aber  auch  ein 
Gourmand  für  die  heitere  Muse,  hat  Gossmann  nicht  nur 
selbst  unendlichen  Genuss  aus  der  Musik  geschöpft,  sondern 
auch  Unzählige  durch  das  entzückt,  was  er  selbst  in  diesem 
Fache  bieten  konnte.  Denn  ihm,  ja  ihm  schenkte  des  Ge¬ 
sanges  Gabe,  der  Lieder  süssen  Mund  Apoll  und  ich  habe  von 
berufener  Seite  gehört,  mindestens  ein  Dezennium  lang  habe 
in  München  niemand  Liebeslieder  schöner  singen  können  als 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


ko.  46. 


2M 


Q  o  s  s  m  a  n  n.  Er  war,  ganz  abgesehen  von  seiner  allgemeinen 
Bildung,  die  er  nach  allen  Richtungen  zu  vertiefen  trachtete, 
auch  ein  begnadeter  Dichter,  der  dichterisch  empfundene  Ge¬ 
danken,  philosophische,  elegische  und  heitere,  in  prächtige  For¬ 
men  zu  bringen  und  mit  Meisterschaft  zu  deklamieren  wusste 
und  vieles  von  dem,  was  sein  „Kredo“  war,  hat  er  in  Gedichten 
ausgesprochen.  Ich  erinnere  nur  an  die  „Geburt  des  Humor“ 
oder  an  den  „Streik  der  Aerzte“  oder  an  die  „Kapuzinade  für 
die  Dökter“.  Ja  der  Humor!  Von  ihm  singt  er: 

„Ein  Knabe  ists,  begabt  mit  jugendfrohem  Sinne, 

Der,  wo  er  kommt,  ein  Lächeln  auf  die  Lippen  zaubert! 
Humor  ist  er  genannt  und  überall  willkommen! 

Denn  wenn  auch  leichter  Spott  auf  Stirn  und  Lippen  lagert, 
Lacht  doch  ein  liebewarmes  Herz  ihm  aus  dem  Schelmenauge ! 
Ja,  wo  Verstand  und  Herz  am  rechten  Flecke  sitzen, 

Da  lässt  zur  rechten  Zeit  auch  der  Humor  sich  finden: 

Der  macht  uns  glücklich,  trotz  der  Tragik  dieses  Daseins, 

Der  macht  uns  selig,  trotz  dem  Baume  der  Erkenntnis! 
Denn,  wo  Verstand  und  Herz  sich  zum  Humor  vereinigt, 
Da  lacht  der  liebe  Got  und  ärgert  sich  der  Teufel!“ 

Der  göttliche  Funke  des  Lebens,  der  Humor,  trat  bei 
Gossmann  aber  nicht  aus  der  seichten  Tiefe  einer  oberfläch¬ 
lichen  Lebensauffassung,  sondern  entsprang  wie  eine  juvenile 
Quelle  aus  dem  Allerinnersten.  Denn  wer  Gossmann  genau 
kannte,  weiss,  dass  er  all  sein  Leben  lang  grosse  Ideale  in  der 
Brust  trug  und  dass  dieser  frohe  Mann  mit  den  höchsten  Pro¬ 
blemen  des  Menschengeistes  philosophisch  zu  ringen  pflegte. 
So  war  er  nicht  nur  ein  heiterer,  sondern  ein  innenernster, 
ewig  ringender  Mensch,  ein  Wahrheitssucher,  ein  Gottsucher 
und  da  und  dort  flackert  es  auf  wie  etwas  Faustisches  in  seinem 
Wesen,  ein  Verlangen,  sich  mit  metaphysischen  Unergründlich- 
keiten  auseinanderzusetzen,  alles  Geschehen  von  höchster 
Warte  aus  erfassen  zu  wollen.  Freilich  vermochte  er  es  dann, 
aus  metaphysischer  Spekulation  sich  mit  einem  lachenden  Salto- 
mortale  wieder  in  den  Markt  des  Lebens  zu  versetzen. 

Aber  ein  Grundelement  seines  Wesens  floss  aus  dieser 
Quelle,  was  gerade  auch  in  seiner  ärztlichen  Tätigkeit  hervor¬ 
tritt:  Sein  Respekt  vor  der  Meisterin  Natur,  seine  resignierte 
Ueberzeugung  von  der  Allmacht  ihrer  Gesetze,  denen  Arzt  und 
Kranker  sich  beugen  müssen,  eine  Auffassung,  die  ihn  immer 
hinderte,  die  Leistung  des  Arztes  zu  hoch  zu  bewerten  und 
medizinischem  Dünkel  zu  verfallen.  Er  hatte,  was  manchem 
Arzte  fehlt,  ein  Organ  dafür,  sich  gegenüber  der  Natur  klein 
zu  fühlen  und  sie  dafür  anzubeten.  Und  er  betete  sie  an  in  einer 
geradezu  rührenden  Liebe  zur  Natur  in  allen  ihren  Erschei¬ 
nungen. 

Daraus  erklärt  sich  auch  der  konservative  Standpunkt, 
welchen  Gossmann  als  Arzt  in  seinem  Handeln  im  Allge¬ 
meinen  eingenommen  hat  und  den  er  am  Krankenbett,  wie  in 
der  wissenschaftlichen  Diskussion,  mit  Energie,  Freimut  und 
wenn  es  gerade  darauf  ankam,  mit  Sarkasmus  verteidigte. 

Hoch,  man  muss  sagen  vorbildlich  war  seine  Auffassung 
des  ärztlichen  Berufes:  Einmal,  wie  gesagt,  in  der  Gründlich¬ 
keit  seiner  medizinischen  Vorbildung  und  regsamen  Weiter¬ 
bildung  —  Gossmann  gehörte  auch  zu  den  Aerzten,  die 
sich  mit  grösster  Beharrlichkeit  Aufzeichnungen  über  Praxis¬ 
erfahrungen  machen  —  dann  durch  die  Kritik,  mit  welcher  er 
an  Neues  herantrat,  in  der  Sorge,  die  er  seinen  Kranken  wid¬ 
mete,  welche  er  geflissentlich  nicht  von  einseitigen  spezialisti- 
schen,  sondern  jederzeit  vom  allgemein  ärztlichen  Standpunkte 
aus  zu  behandeln  trachtete. 

Unterstützt  wurde  er  in  der  Ausübung  seines  Berufes  durch 
die  seltene  Gabe,  sich  dem  Bildungskreise  jedes  Kranken,  auch 
der  untersten  Volksschichten,  anzupassen  und  mit  jovialem 
Humor  Ernstes  und  Heiteres  der  Volksseele  zu  entlocken. 

Sie  wissen  alle  meine  Herren,  einen  wie  vornehmen  Takt 
als  Kollege  Gossmann  stets  gezeigt  hat  und  wie  gerade 
diese  Eigenschaft  in  Verbindung  mit  seinem  konzilianten  Wesen, 
seiner  reichen  Lebenserfahrung  und  Menschenkenntnis  ihn  be¬ 
fähigte,  so  lange  Jahre  hindurch  das  Amt  eines  Schiedsrichters 
in  ärztlichen  Vereinigungen  zu  bekleiden.  Grosse  Verdienste 
hat  er  sich  gerade  auch  in  dieser  Hinsicht  erworben,  die  ihm 
nicht  vergessen  werden  sollen. 

Wer  die  Standesgeschichte,  speziell  der  letzten  Jahre  ver¬ 
folgt  hat,  weiss,  dass  Gossmann  bei  all  seinem  idealen 


Sinne  den  realen  Bestrebungen  des  Aerztestandes  das  wärmste 
Interesse,  ja  sein  Herzblut  entgegenbrachte.  Diejenigen,  welche 
meinen,  dass  ein  ideales  Wesen  innerhalb  der  Kämpfe  um 
Standesinteressen  gewissermassen  ein  Anachronismus  sei,  wer¬ 
den  an  Gossmann  Lügen  gestraft.  Hätten  wir  recht  viele 
seinesgleichen!  Aber  das  ist  sicher,  dass  in  unserer  Zeit  erst 
recht  der  Idealismus,  wie  er  in  Gossmann  lebte,  eine  kaum 
hoch  genug  zu  schätzende  Erscheinung  darstellt. 

Meine  Herren!  Meine  Worte  galten  dem  Andenken  eines 
edlen  Mannes,  der  seiner  reichen  Anlage  nach  auch  in  manch 
anderem  Stande  zu  Ehr  und  Ansehen  gelangt  wäre.  Schätzen 
wir  uns  glücklich,  dass  er  dem  ärztlichen  Stande  angehörte 
und  eine  Zierde  desselben  war  und  schätzen  wir  i  h  n  glücklich, 
dass  er  dies  ausschliesslich  durch  seine  menschlichen  Eigen¬ 
schaften  geworden  ist.  Grassmann- München. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Jaques  Loeb:  Untersuchungen  über  künstliche  Partheno¬ 
genese  und  das  Wesen  des  Befruchtungsvorganges.  Deutsche 

Ausgabe,  unter  Mitwirkung  des  Verfassers  herausgegeben  von 
E.  Schwalbe.  Leipzig  1906.  Ambrosius  Barth.  532  Sei¬ 
ten.  Preis  Mk.  7.50,  geb.  Mk.  8.80. 

Das  stattliche  Buch  enthält  eine  Serie  von  25  Aufsätzen, 
welche  als  Originalmitteilungen  zum  grössten  Teil  in  englischer 
Sprache  in  verschiedenen  Zeitschriften  veröffentlicht  worden 
waren.  Es  ist  für  uns  Naturforscher,  aber  auch  für  viele  andere 
Interessenten,  eine  sehr  willkommene  Gabe,  diese  wichtigen 
Abhandlungen  in  einer  leicht  zugänglichen  Form  dargeboten  zu 
bekommen.  Denn  sie  sind  grundlegend  geworden  für  eine 
neue  Epoche  in  der  Erforschung  des  Befruchtungsvorganges. 

Loeb  ist  bekanntlich  der  Entdecker  der  künstlichen  Par- 
thenogenesis.  In  den  Tageszeitungen  werden  seine  Ent¬ 
deckungen  in  missverständlicher  Weise  vielfach  so  dargestellt, 
als  habe  er  eine  Methode  des  vollständigen  künstlichen  Ersatzes 
der  Befruchtung  gefunden.  Tatsächlich  müssen  wir  bei  dem 
natürlichen  Befruchtungsvorgang  durch  Besamung  des  Eies 
zwei  Gruppen  von  Erscheinungen  unterscheiden:  1.  Die  An¬ 
regung  zur  Entwicklung,  welche  aus  der  Eizelle  einen  viel¬ 
zelligen  Organismus  entstehen  lässt  und  2.  die  Uebertragung 
väterlicher  Eigenschaften  auf  das  Ei,  durch  deren  Folge  auf 
die  Nachkommen  gleichzeitig  mit  Eigenschaften  der  Mutter  auch 
solche  des  Vaters  vererbt  werden  können.  Schon  seit 
Jahrzehnten  wissen  wir,  dass  Entwicklung  auch  bei  unbe- 
samten  Eiern  eintreten  kann;  besonders  bei  zahlreichen  Arthro¬ 
poden  (Insekten  und  Krustazeen)  hat  man  die  Tatsache  der 
Jungfernzeugung  oder  Parthenogenesis  einwandfrei  nachge¬ 
wiesen.  Wenn  man  also  z.  B.  von  einer  Entwicklung  der 
Drohnen  aus  unbefruchteten  Eiern  der  Bienenkönigin  spricht, 
so  meint  man  damit  aus  Eiern,  welche  unbesamt  geblieben 
sind.  Auch  sie  müssen  durch  einen  bestimmten  Reiz  zur  Ent¬ 
wicklung  veranlasst  worden  sein,  durch  einen  Reiz,  welcher 
auch  bei  dem  normalen  Befruchtungsvorgang  durch  das  Sperma 
auf  die  Eier  ausgeübt  werden  muss,  und  welche  bei  der  natür¬ 
lichen  Parthenogenesis  in  irgend' einer  Weise  ersetzt  wird. 

Die  bei  der  Auslösung  der  Entwicklung  wirksamen  Reize 
bilden  das  Forschungsgebiet  L  o  e  b  s;  und  da  hat  er  nun  durch 
die  experimentelle  Ersetzung  der  natürlichen  Reize  durch  künst¬ 
liche  der  Forschung  ganz  neue  Wege  gewiesen.  Nachdem  er 
festgestellt  hatte,  dass  es  bei  einer  ganzen  Anzahl  von  wirbel¬ 
losen  Tieren  (Echinodermen,  Würmern,  Mollusken)  gelingt, 
künstliche  Parthenogenese  durch  Einwirkung  hypertonischer 
Lösungen  von  ganz  verschiedenartigen  Substanzen  herbeizu¬ 
führen,  verbesserte  er  die  Arbeitsmethoden  durch  eine  Reihe 
von  Untersuchungen  so  sehr,  dass  jetzt  nach  seinen  verbesserten 
Rezepten  fast  100  Proz.  der  Eier  zu  parthenogenetischer  Ent¬ 
wicklung  gebracht  werden  können.  Die  letzten  Abhandlungen 
des  interessanten  Buches  geben  uns  einen  Einblick  in  die  scharf¬ 
sinnige  Art  L  o  e  b  s,  bei  seinen  Arbeiten  methodisch  von  be¬ 
stimmten  theoretischen  Voraussetzungen  auszugehen.  Er  hat 
sich  die  neue  grosse  Aufgabe  gesetzt,  die  physikalischen  und 
chemischen  Grundlagen  des  Vorganges  der  Entwicklungser¬ 
regung  zu  erforschen.  Dabei  dient  ihm  die  Annahme  als  Grund¬ 
lage,  dass  die  plötzlich  so  intensiv  -einsetzenden  Entwicklungs¬ 
vorgänge  nach  der  Befruchtung  auf  Oxydationsvorgängen  und 


12.  November  1907.   MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2291 


auf  der  Synthese  von  Kernsubstanzen  aus  Protoplasmabestand¬ 
teilen  beruhen.  Eventuell  sind  beide  Gruppen  von  Vorgängen 
eng  verknüpft,  indem  die  Synthesen  der  Kernsubstanzen  unter 
Sauerstoffaufnahme  erfolgen. 

Um  nun  diese  Vorgänge  und  ihre  Zusammenhänge  zu  er¬ 
gründen  hat  J.  L  o  e  b  eine  neue  Serie  von  Experimenten  be¬ 
gonnen,  deren  erste  Ergebnisse  in  den  letzten  Abhandlungen  des 

Buches’ mitgeteilt  werden.  .  , 

Wer  sich  für  die  neuen  zukunftsreichen  Forschungsrich¬ 
tungen  in  der  Biologie,  welche  L  o  e  b  eröffnet  hat,  interessiert, 
wird  in  seinen  Abhandlungen  reiche  Anregung  finden.  Die  gute 
deutsche  Uebersetzung  der  gesammelten  Abhandlungen  wird 
es  manchem  erleichtern,  sich  mit  ihnen  zu  beschäftigen  und 
auf  seinen  Pfaden  zu  wandeln. 

Dr.  F.  D  o  f  1  e  i  n  -  München. 


R.  Abel:  Bakteriologisches  Taschenbuch,  enthaltend  die 
wichtigsten  technischen  Vorschriften  zur  bakteriologischen 
Laboratoriumsarbeit.  11.  Auflage.  Würzburg,  A.  Stüber, 
1907.  120  S.  Preis  2  M. 

Die  wieder  innerhalb  Jahresfrist  notwendig  gewordene 
neue  Auflage  des  überall  verbreiteten  Taschenbuches  hat,  den 
Fortschritten  der  Forschung  entsprechend,  eine  Reihe  von  Ver¬ 
besserungen  und  Ergänzungen  eriahren,  besonders  in  den  Ab¬ 
schnitten  über  Syphilisspirochäten,  Typhusbazillen,  Amöben 
und  Malariaparasiten;  neu  hinzugekommen  sind  kleine  Ab¬ 
schnitte  über  Trypanosomen,  Rekurrensspirillen  und  über  die 
bei  der  Hundswut  gefundenen  N  e  g  r  i  sehen  Körperchen.  Der 
Umfang  des  Buches  hat  sich  glücklicherweise  nicht  zu  stark  ver¬ 
mehrt,  was  nur  dadurch  möglich  ist,  dass  von  dem  erfahrenen 
Autor  alle  veralteten  und  komplizierten  Methoden  weggelassen 
und  nur  das  wirklich  brauchbare  beibehalten  oder  neu  auf¬ 
genommen  wird.  Dieudonne  -  München. 

Eugen  B  i  r  c  h  e  r:  Die  chronische  Bauchfelltuberkulose, 
ihre  Behandlung  mit  Röntgenstrahlen.  Aarau  1907.  Verlag 
von  Sauerländer  &  Co.  189  Seiten.  Preis  ungebunden 

3  Mark. 

In  der  kantonalen  Krankenanstalt  zu  Aarau  wurden  seit 
1898  alle  Fälle  von  Bauchfelltuberkulose  mit  Röntgenstrahlen 
behandelt,  teils  neben  der  operativen  Therapie  (10  Fälle  mit 
7  Heilungen),  teils  ohne  solche  (12  Fälle  mit  6  Heilungen).  Es 
werden  die  Fälle  genau  beschrieben,  die  Krankengeschichten 
solchen  aus  früherer  Zeit  gegenübergestellt  und  die  Indika¬ 
tionen  für  die  verschiedenen  Behandlungsarten  abgeleitet.  Der 
Aufforderung  des  Autors  zur  nachprütenden  Anwendung  der 
Röntgentherapie  auf  genau  vorgezeichnetem  Wege  wird  man 
gerne  Folge  leisten,  da  sich  deren  Empfehlung  auf  sorgfältig 
beobachtetes  und  kritisch  verarbeitetes  Material  stützt.  Durch 
ein  übersichtliches  Referat  über  die  pathologische  Anatomie 
des  Leidens,  seine  Symptomatologie,  die  bisherigen  Behand¬ 
lungsarten  und  deren  theoretische  Grundlagen  hat  B.  den 
eigenen  klinischen  Teil  zu  einer  Monographie  ergänzt. 

R.  Grashey -München. 


Heinrich  Kisch -Prag  (Marienbad):  Das  Geschlechts¬ 
leben  des  Weibes  in  physiologischer,  pathologischer  und  hygie¬ 
nischer  Beziehung.  Zweite,  vermehrte  und  verbesserte  Auf¬ 
lage.  Mit  122  zum  Teil  farbigen  Abbildungen.  Verlag  von 
Urban  &  Schwarzenberg,  Berlin-Wien  1907.  Preis 
12  M. 

Das  vorliegende  Buch,  für  den  Arzt  und  Biologen  geschrie¬ 
ben,  soll  „einen  Beitrag  zu  der  in  der  Gegenwart  alles  beherr¬ 
schenden  Sexualfrage  vom  Standpunkte  der  klinischen  For¬ 
schung  und  praktischen  Erfahrung“  liefern.  Der  Verfasser  be¬ 
handelt  den  umfangreichen  Stoff  in  3  Abschnitten:  Menarche, 
Menakme  und  Menopause. 

Auf  Grund  einer  ausserordentlich  umfangreichen  Literatur¬ 
kenntnis  und  eines  erheblichen  Schatzes  persönlicher  Erfahrung 
gibt  der  Autor  eine  Darstellung  von  Gebieten,  deren  Kenntnis 
für  den  Arzt,  sowohl  in  seiner  Eigenschaft  als  Hausarzt  wie  als 
Gynäkologe,  bei  der  Beantwortung  intimster  Fragen  unerläss¬ 
lich  ist,  von  denen  aber  die  gebräuchlichen  Lehrbücher  der  Ge¬ 
burtshilfe  und  Gynäkologie  nichts  oder  meist  nur  kurze  An¬ 
deutungen  enthalten.  Von  besonderem  Interesse  sind,  um  ein¬ 


zelne  aufzuführen,  die  Kapitel  über  die  Veränderungen  des  Ge¬ 
schlechtstriebes  der  Frau  nach  Ovariotomie,  Anästhesia  sexua- 
lis,  Dyspareunia,  über  die  Fruchtbarkeit  der  Ehen  im  Ver¬ 
hältnis  zum  Alter,  zur  Differenz  des  Alters  der  Eheleute,  nach 
den  Berufsklassen  u.  a. 

Die  verschiedenen  Theorien  über  die  Entstehung  des  Ge¬ 
schlechts  beim  Menschen  sind  in  klarer  Form  mit  kritischer 
Beurteilung  niedergelegt. 

Auch  die  pathologischen  Zustände  des  weiblichen  Genital- 
traktus  finden  in  ihrem  Zusammenhänge  mit  dem  Geschlechts¬ 
leben  des  Weibes  eine  klare  und  eingehende  Besprechung. 

Die  Abbildungen,  welche  dem  Buche  beigegeben  sind,  be¬ 
sonders  die  mikroskopischen,  sind  in  klarer  Ausführung  dar¬ 
gestellt,  während  einzelne  makroskopische  schematische  Bilder 
etwas  zu  plump  wiedergegeben  sind.  y 

Das  Buch  ist  in  glattem  und  flüssigem'  Stil  geschrieben, 
es  bietet  dem  Leser  eine  Fülle  interessanten  und  lehrreichen 
Stoffes.  A.  Rieländer  - Marburg. 

Alfred  B  r  u  c  k  -  Berlin:  Die  Krankheiten  der  Nase  und 
Mundhohle,  sowie  des  Rachens  und  des  Kehlkopfes.  Urban 
und  Schwarzenberg,  Berlin-Wien  1907.  467  Seiten. 

Preis  12  Mark. 

Mit  dem  weiteren  Ausbau  der  rhinolaryngologischen  Dia¬ 
gnostik  und  der  Vervollkommnung  der  Technik,  wie  solche 
uns  die  letzten  Jahre  gebracht  haoen,  wächst  auch  die  ein¬ 
schlägige  Literatur,  und  Hand  in  Hand  mit  ihr  erscheinen  in 
rascher  Folge  neue  Werke  und  Lehrbücher,  die  den  Fort¬ 
schritten  dieses  Spezialgebietes  entsprechend  Rücksicht  tragen. 
Als  jüngstes  Werk  stellt  sich  uns  das  Bruck  sehe  Lehrbuch 
vor,  das  für  praktische  Aerzte  und  Studierende  bestimmt, 
seinem  Zweck  vollauf  gerecht  wird.  In  eingehender,  ausführ¬ 
licher  Weise  und  in  klarer  Diktion  führt  uns  Autor  das  Gebiet 
der  oberen  Luftwege  im  gesunden  und  kranken  Zustande  vor 
Augen  und  vervollständigt  das  Verständnis  durch  217  beige¬ 
fügte,  zum  Teil  sehr  instruktive  Abbildungen.  Ohne  sich  zu 
sebr  in  rein  spezialistische  Details  zu  verlieren,  weiss  Autor 
doch  alles  in  Betracht  kommende  in  sachlicher  Kürze  wieder¬ 
zugeben,  wobei  vielleicht  auf  therapeutischem  Gebiet  manches 
zweckmässige,  erprobte  Instrument  oder  Verfahren  noch  kurze 
Erwähnung  verdient  hätte,  so  z.  B.  bei  den  Aetzungen  der  Nase 
die  verschiedenen  J  u  r  a  s  z  sehen  Aetzmittelträger  zur  Aetzung 
mittels  kristallinischer  Trichloressigsäure,  die  Eröffnung  der 
peritonsillären  Abszesse  von  der  Fossa  supratonsiilaris  aus,  die 
Exzision  der  hypertrophischen  Rachenmandel  mit  dem  so 
zweckmässigen  Schütz  sehen  Adenotom,  die  Entfernung 
hypertrophischer  Gaumenmandeln  vermittels  der  galvanokau¬ 
stischen  Schlinge,  die  galvanokaustische  Therapie  des  Schleim¬ 
hautlupus  der  Nase,  etc.  Bezüglich  der  Anwendung  des  Nasen¬ 
bades  teilt  Ref.  den  Standpunkt  des  Verfassers,  doch  dürfte  es 
sich  in  vielen  Fällen  empfehlen,  die  Spülflüssigkeit  durch  den 
Nasenrachenraum  in  den  Mund  herabfliessen  zu  lassen,  um 
auch  den  ganzen  Nasenrachenraum  gründlich  zu  reinigen.  Be¬ 
züglich  der  Therapie  der  Kieferhöhleneiterung  kann  sich  Ref. 
dem  Vorschlag  des  Verfassers,  den  Alveolarbohrkanal  durch 
einen  Gummistopsel  offen  zu  halten  und  gleichzeitig  zu  ver- 
schliessen,  aus  verschiedenen,  an  anderem  Orte  bereits  ausführ¬ 
lich  dargelegten  Gründen  nicht  anschliessen.  Bezüglich  der 
Galvanokaustik  bei  Kehlkopftuberkulose  schliesst  sich  Ref.  \  oll 
und  ganz  dem  G  r  ü  n  w  a  1  d  sehen  Standpunkt  an  im  Gegen¬ 
satz  zu  dem  ablehnenden  Verhalten  Brucks. 

Die  Einteilung  des  Buches  ist  recht  zweckmässig  und  macht 
es  in  ihrer  Uebersichtlichkeit  dem  Leser  leicht,  sich  über  ein 
bestimmtes  Gebiet  entsprechend  zu  informieren.  Recht  zweck¬ 
mässig  ist  auch  die  Zusammenstellung  verschiedener  regionärei 
Erkrankungen,  so  z.  B.  das  Kapitel  über  „Hauterkrankungen 
der  Nase“,  sowie  die  den  einzelnen  Abteilungen  jeweils  bei¬ 
gegebenen’ Kapitel  über  „Hygiene  und  Prophylaxe“.  Auch  auf 
den  Zusammenhang  mit  den  Allgemeinerkrankungen  ist  überall 
entsprechend  hingewiesen. 

Möge  dem  Br  uck  sehen  Werke  der  Erfolg,  den  es  du  ich 
seinen  gediegenen  Inhalt  verdient,  beschieden  sein.  Druck 
und  Ausstattung  des  Buches  sind  nach  jeder  Richtung  hm  ein- 

Hecht -München. 


2292 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


,nn_Dr,,( A*  Lion:  Tropenhygienische  Ratschläge.  München 

nn°e*  Ver1^  der  „Aerztlichen  Rundschau“  (Otto  Gmelin) 
99  Seiten.  Preis  Mk.  1.50. 

Dii  anspruchslose  Broschüre  bringt  eine  Zusammenstel- 
!ung  von  Veröffentlichungen  über  Tropenhygiene,  die  in'der 
„Brücke  zur  Heimat“  erschienen  sind.  Sie  will  „unseren  fernen 
Landsleuten  praktische  Ratschläge  zu  ihrer  Gesunderhaltung 
geben,  das  Verständnis  für  die  Leistungen  der  Wissenschaft 
aut  tropenhygienischem  Gebiet  fördern,  Vorurteile  zerstreuen 
und  aui  den  Arzt  als  Kulturfaktor  jeder  Kolonisation  hinweisen“ 
Der  V  erfasser  wendet  sich  demgemäss  an  den  Laien.  In  leich¬ 
tem,  feuilletomstischem  «Stile  unterhält  er  ihn  über  die  ver¬ 
schiedensten  Fragen  der  Tropenhygiene  und  klärt  ihn  auf,  aller¬ 
dings  überall  an  der  Oberfläche  bleibend,  über  ihre  Lösungen. 
Letztere  erscheinen  ihm  manchmal  leichter,  als  die  Wirklich¬ 
keit  lehrt.  Der  niedrige  Preis  und  der  populäre  Ton  sichert  dem 
Buch  eine  gewisse  Verbreitung.  Als  erste  Vorbereitung  für 
die  so  notwendige  ernste  Beschäftigung  des  Tropenkolonisten 
mit  seiner  persönlichen  und  seiner  Umgebung  Gesunderhaltung 
mag  das  Buch  willkommen  sein.  zur  Verth  -  Berlin 

....  HUnmer:  Die  Photographie  des  Augenhintergrundes. 

ion7  re!\ ^  Tafeln.  Verlag  von  J.  F.  Bergmann. 
1907.  Preis  14  M. 

In  den  einleitenden  Kapiteln  bespricht  D.  die  bisherigen 
Versuche  der  photographischen  Aufnahme  des  Augenhinter- 
grundes  und  die  zu  überwindenden  Schwierigkeiten,  die  sich 
ihr  entgegenstellen.  Diese  liegen  vornehmlich  in  der  Beseiti¬ 
gung  der  Reflexe  von  Hornhaut  und  Linse,  in  der  Herstellung 
emer  genügend  hellen  Beleuchtung  des  Augenhintergrundes 
und  in  der  Forderung,  dass  bei  gleichmässiger  Beleuchtung 
ein  grosses  Uebersichtsbild  gewonnen  wird.  Der  Erörterung 
dieser  und  anderer  prinzipiell  weniger  bedeutungsvollen 
Schwierigkeiten,  die  zugleich  die  Möglichkeiten  ihrer  Ueber- 
windung  andeutet,  folgt  eine  Beschreibung  des  Apparates, 
dessen  D.  sich  bei  seinen  photographischen  Aufnahmen  be¬ 
diente.  Er  verwendet  ein  Bogenlicht,  dessen  Strahlen  durch 
Lmsen  und  Spiegel  so  geleitet  werden,  dass  durch  .einen  mög- 
ichst  kleinen  Teil  der  Hornhaut  ein  Lichtkegel  tritt,  der  eine 
genügend  helle  Beleuchtung  des  Augengrundes  gewährleistet. 
Die  die  Hornhaut  passierenden  Strahlen  sind  so  konvergent 
dass  das  in  der  Peripherie  der  Pupille  gelegene  Bild  des  Be¬ 
leuchtungsspaltes  einen  möglichst  geringen  Raum  einnimmt 
Dieses  Bild  wird  durch  einen  das  Licht  in  das  Auge  reflek- 
lerenden  dünnen  Metallspiegel  für  das  Beobachtungsrohr,  das 
etwa  rechtwinklig  zum  Beleuchtungsrohr  orientiert  ist,  abge¬ 
blendet  und  durch  diese  ganze  Anordnung  der  Kornealreflex 
beseitigt.  Durch  weiterb  sinnreiche  Anordnungen  im  Beobach¬ 
tungssystem  werden  auch  die  anderen  Reflexe  (von  der  Linse) 
ausgeschaltet  und  ein  möglichst  gleichmässig  beleuchtetes 
grosses  Uebersichtsbild  zustande  gebracht.  Die  trotzdem  auf 
der  Platte  vorhandenen,  auf  zu  heller  Beleuchtung  einzelner 
artien  beruhenden  Unregelmässigkeiten  werden  durch  ent¬ 
sprechendes  Abdecken  des  Negativs  beseitigt,  so  dass  Bilder 
entstehen,  die,  wie  die  schönen  der  Arbeit  beigegebenen  Photo¬ 
graphien  zeigen,  die  verschiedenen  Erkrankungen  des  Augen¬ 
hintergrundes  in  möglichst  deutlicher  und  charakteristischer 
Art  hervortreten  lassen.  Auch  lehrt  ein  Vergleich  dieser  Photo- 
graimne  mit  denen  anderer  Autoren,  welche  Schwierigkeiten 
■die  D  im  m  e  r  sehen  Abbildungen  umgangen  haben  und  wie 
sein  sie  jene  sowohl  an  Klarheit,  als  auch  hinsichtlich  der 
Grosse  des  Uebersiohtsbildes  übertreffen.  Loh  mann. 


La  quer -Wiesbaden:  Gotenburger  System  und  Al¬ 
koholismus.  Wiesbaden  1907.  Verlag  von  J.  F.  B  e  r  g  m  a  n  n 
73  Seiten.  Preis  geh.  M.  2.40. 

ii  i  AI'r  Pn,!ld  eigener  Studien  im  Lande  gibt  Verf.  einen 
Uebe rblick  über  das  sog.  Gotenburger  System,  das  in  ganz 
Schweden  und  Norwegen  allgemeine  Einführung  gefunden  hat. 
Ls  beruht  im  wesentlichen  auf  Monopolisierung  des  Brannt- 
weinliandcls  und  -Verkaufes  durch  eine  gemeinnützige  Gesell- 
schait,  fester  Bezahlung  der  Schankstättenverwalter,  die  am 
Umsatz  alkoholischer  Getränke  nicht  interessiert  sind  Ab- 
Iieterung  des  Reingewinns  an  die  Städte. 


In  Schweden  hat  es  wohl  den  Branntweinausschank  herab¬ 
gesetzt,  bietet  aber  in  seiner  Handhabung  manchen  Anlass  zur 
Kritik.  Hingegen  hat  es  in  Norwegen  durch  seine  Ausdehnung 
auch  auf  Bier-  und  Weinausschank,  unterstützt  durch  gesetz¬ 
geberische  Massnahmen,  die  den  Gemeinden  gestatten,  die  Er- 
i  ichtung  \  on  Schanklokalen  zu  verbieten,  wesentlich  zur  Be¬ 
kämpfung  des  Alkoholismus  beitragen  und  wirft  erhebliche 
Summen  für  gemeinnützige  Zwecke  ab. 

Von  anderen  Ländern  hat  Finnland  die  Ausgestaltung  des 
Gotenburger  Systems  weitergeführt.  Der  Kleinhandel  mit  Alko¬ 
hol  ist  in  97  Proz.  der  Landgemeinden  überhaupt  untersagt. 

In  Deutschland  ist  u.  a.  der  Verein  für  Gasthausreform  an 
der  Arbeit,  dem  Gotenburger  System  Eingang  zu  verschaffen. 
Versuche,  mit  der  Uebernahme  von  Kantinen  bei  Bauten  und 
Eisenbahnen,  mit  der  Errichtung  von  Gemeindegasthäusern 
sind  ermutigend  ausgefallen.  Allen,  die  sich  über  praktische 
Alkoholbekämpfung  unterrichten  wollen,  ist  die  Lektüre  dieser 
Schrift  zu  empfehlen.  F.  P  e  r  u  t  z  -  München. 

Enzyklopädie  der  praktischen  Medizin.  Herausgegeben 
von  Dr.  M.  T.  Schnirer,  Redakteur  der  klinisch-thera¬ 
peutischen  Wochenschrift  in  Wien,  und  Dr.  H.  V  i  e  r  o  r  d  t, 
Professor  der  Medizin  an  der  Universität  in  Tübingen.  Wien,’ 
Verlag  von  Alfred  Holder,  1907. 

Von  dem  wiederholt  hier  angezeigten  Werk  sind  in¬ 
zwischen  die  12.,  13.  und  14.  Lieferung  erschienen,  welche  die 
Artikel  von  „Malaria“  bis  „Parazentese“  enthalten.  Von  den 
grösseren  Abhandlungen  sei  hervorgehoben  in  der  12.  Lieferung 
jene  über  Massage,  Mastdarmerkrankungen,  Meningitis,  Miss¬ 
bildungen;  in  der  13.  Lieferung  die  Artikel  über  Muskelatrophie 
Myelitis,  Nährmittel  und  Nahrung,  Naht  (mit  hübschen  Zeich¬ 
nungen),  Nasenkrankheiten,  Nierenentzündungen,  Nerven¬ 
krankheiten;  in  der  14.  Lieferung  der  Artikel  über  Nieren¬ 
krankheiten,  Oesophagus,  Ohr,  Organotherapie,  Ostitis,  Pal¬ 
pation.  Die  Ausführung  ist  allenthalben  wieder  sorgfältig  und 
zuverlässig.  G  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 


Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 

55.  Band,  2.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp.  September  1907. 

Aus  der  Chirurg.  Klinik  zu  Heidelberg  berichtet  Arnold  David¬ 
son  über  die  Nervenpfropfung  im  Gebiet  des  N.  facialis  und  teilt  nach 

kurzer  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  Nervenpfropfung  unter 
kurzer  Anführung  die  von  Sherren  zusammengestellten  Fälle  von 
1  azialispfi  opfung  und  dreier  in  der  Heidelberger  Klinik  operierter 
neuer  Fälle,  von  denen  2  erfolgreich  waren,  51  Fälle  kurz  mit,  von 
denen  30  Akzessoriuspfropfungen,  21  Hypoglossuspfropfungen  sind; 
von  42  über  4  Monate  beobachteten  Fällen  waren  3  erfolglos,  7  ge¬ 
ringen  Erfolges,  die  grosse  Mehrzahl  zeigte  mittleren  Erfolg; 'bei  16 
lässt  sich  von  einem  guten  Erfolg  sprechen.  D.  kommt  zum  Schluss, 
dass  man  der  schweren  Fazialislähmung  durchaus  nicht  machtlos' 
gegenübersteht;  die  Pfropfung  des  Fazialis  auf  den  Hypoglossus  hat 
im  ganzen  gute  Erfolge  zu  verzeichnen,  volle  Heilung  darf  man  nicht 
erwarten,  wohl  aber  nach  einigen  Monaten  die  Herstellung  der  Sym¬ 
metrie  in  der  Ruhe,  die  Schlussfähigkeit  von  Augen  und 'Mund"  und 
gewisse  Willkurbewegungen.  Die  Ausdrucksbewegungen  kehren  erst 
nach  kingerer  Zeit  zurück,  sie  blieben  in  allen  gut  beobachteten  Fällen 
mangelhaft.  In  etwa  20  Proz.  der  Fälle  wurden  störende  Mitbe¬ 
wegungen  der  Zunge  und  umgekehrt  beim  Schlucken  Bewegungen  der 
kranken  Gesichtshälfte  beobachtet. 

~  h-H?,de.MBrNTSlaüeAr  ^lnik  ächtet  Osk.  Sohr  zur  Technik  der 
Schadelplastik.  Nach  Anführung  der  Methoden  zum  Defektschluss  von 
Mertens,  Barth,  Länderer,  Müller,  König  zeigt  S.,  dass 
die  I  echnik  der  Schädelplastik  wesentlich  vereinfacht  wird,  wenn  man 
nach  Zuruckpräparieren  der  Haut  mit  der  Aponeurose  die  Lappen- 
bildung  auf  Penost  und  Tabula  externa  beschränkt  (v.  Hacke  r) 
wie  dies  G  a  r  re  schon  1895  ausgeführt  hat.  S.  teilt  7  derartige  Fälle 
aus  Gar  res  Klinik  mit,  die  sehr  zufriedenstellende  Resultate  er¬ 
gaben.  Das  sehr  einfache  Verfahren  hat  den  Vorteil,  dass  das  Zurück- 
pr,i parieren  der  Kopfschwarte  und  Freilegung  des  Periosts  eine  genaue 
Geb  ersieht  des  Ranzen  Operationsfeldes  gibt,  eine  scharfe  Kontrolle 
des  Meisseis  bei  der  Ablösung  der  Knochenlamelle  möglich  ist,  der 
Deckungslappen  leicht  der  Grösse  und  Form  des  Defektes  angepasst 
werden  kann;  .infolge  der  seitlichen  Verschiebung  des  Periostknochen¬ 
lappens  ist  die  Gefahr  emer  Nekrose  ausgeschlossen;  das  Verfahren 
erzidt  besten  knöchernen  Verschluss  und  gibt  .auch  in  kosmetischer 
Hinsicht  sehr  gutes  Resultat. 

Aus  der  gleichen  Klinik  berichtet  Alfred  P  eis  er  über  das  Ver- 

teripn  ,5  cSwrw,enfKrrPnrhof,llen  gegenüber  im  Blut  kreisenden  Bak- 

Hnfekbnr?  ™nldert  die  Resultate  von  experimentelle  Untersuchungen 
'Infektion  mit  Pyozyaneus  von  Peritoneum,  Pleura,  Perikard) 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2293 


um  zu  erforschen,  wie  die  serösen  Häute  in  unversehrtem  und  in 
gereiztem  Zustande  gegenüber  im  Blut  kreisenden  Bakterien  sich  ver¬ 
halten;  es  zeigte  sich,  dass  letztere  in  die  serösen  Häute,  so  lange 
diese  unversehrt  sind,  nicht  übergehen;  eine  Invasion  findet  erst  statt 
mit  dem  Eintritt  von  Sepsis.  Befinden  sich  die  serösen  Häute  'in 
einem  wenn  auch  nur  geringen  Reizzustande,  so  treten  :im  Blut 
kreisende  Bakterien  sehr  rasch  in  diese  über.  Es  hängt  von  der  Viru¬ 
lenz,  bezw.  der  Widerstandskraft  des  Organismus  ab,  welche  Folgen 
die  Bakterieninvasion  hat. 

Aus  der  Leipziger  Klinik  gibt  W.  Wolf  einen  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  subkutanen  Muskelrupturen  und  ihrer  operativen  Be¬ 
handlung  und  teilt  4  Fälle  näher  mit,  u.  a.  eine  subkutane  quere  Bizeps¬ 
ruptur  durch  Ueberfahrung,  eine  Bizepsruptur  durch  Heben  eines 
schweren  Steines,  eine  partielle  Ruptur  des  Quadriceps  fern.,  und  gibt 
eine  Uebersicht  der  Kasuistik  der  Bizepsrupturen  seit  der  Zusammen¬ 
stellung  von  Loos  und  solcher  am  Quadrizeps  seit  der  Zusammen¬ 
stellung  von  May  dl  (20  Fälle).  Betr.  der  Behandlung  plädiert  W. 
in  allen  Fällen  einer  beträchtlichen  Ruptur  im  Gebiet  des  Muskel¬ 
sehnenapparates  für  die  Naht. 

Aus  der  Baseler  Klinik  bespricht  Gerhard  Hotz  die  Ur¬ 
sachen  des  Thymustodes  und  teilt  einen  Fall  von  an¬ 
scheinend  auf  Thymushypertrophie  zurückzuführender  schwerer 
Dyspnoe  etc.  bei  3  jährigen  Knaben  mit,  in  dem  nach  Tra¬ 
cheotomie  Erstickungsanfälle  von  neuem  auftraten  und  die  Thymus 
mit  vorübergehendem  Erfolg  exstirpiert  wurde,  als  Ursache  der  Tra¬ 
chealstenose  fand  sich  bei  der  Obduktion  ein  von  einer  Wirbel¬ 
erkrankung  ausgehender  kalter  Abszess,  der  auf  die  Trachea  gedrückt 
hatte.  H.  bespricht  die  normalen  Verhältnisse  der  Thymus  und  die 
Veränderungen,  die  zu  einer  Kompression  der  Luftwege  führen  können 
und  gibt  die  Abbildungen  von  Durchschnitten  nach  Tada,  die  diese 
Ausbreitung  der  hypertrophischen  Thymus  und  deren  Druckwirkung 
ersehen  lassen.  Die  Sektionsergebnisse  zeigen,  dass  häufig  durch 
die  vergrösserte  Thymus  ein  Druck  auf  die  Trachea  ausgeübt  wird, 
der  klinisch  die  Symptome  der  Trachealstenose  bedingt,  auch  an  den 
Kreislaufsorganen  (Herz  und  grossen  Gefässen)  finden  sich  zuweilen 
Veränderungen,  die  die  Annahme  einer  Kompression  derselben  be¬ 
weisen.  Die  operative  Therapie  erzielte  bisher  stets  günstigen  Er¬ 
folg,  die  Resektion  und  Extopexie  oder  die  Totalexstirpation  ver¬ 
mochte  in  jedem  Falle  die  drohende  Asphyxe  abzuwenden,  die  nor¬ 
male  Atmung  wieder  herzustellen. 

Aus  der  Heidelberger  Klinik  bespricht  A.  N  a  s  t  -  K  o  1  b  ein 
kavernöses  Muskelangiom  des  Unterschenkels.  Dasselbe  erforderte 
bei  12  jährigem  Kind,  da  es  fast  die  ganze  Unterschenkelmuskulatur 
befallen  hatte,  die  Amputation;  der  N.  tibiaiis  zeigte  sich  in  Bleistift¬ 
dicke  von  Gefässen  durchwuchert  und  in  blauschwarzen  Strang  ver¬ 
wandelt;  N.  K.  gibt  den  genauen  histologischen  Befund  des  Falles. 
Aus  dem  Freiburger  Diakonissenhaus  berichtet  R.  Wilmanns 
über  die  mediane  Halsfistel  und  teilt  u.  a.  einen  Fall  bei  öjähr. 
Mädchen  mit,  bei  dem  sich  zwischen  Kehlkopf  und  Zungenbein  in  der 
Mittellinie  des  Halses  eine  entzündliche  Vorwölbung  bildete,  die 
durchbrach  und  lange  Zeit  eiterte,  die  Lage  der  Fistel  genau  den 
Verhältnissen  des  His  sehen  Kanales  entsprach  und  Exstirpation  des 
ganzen  Ganges  mit  Resektion  des  Zungenbeines  zur  Heilung  führte. 

Der  gleiche  Autor  behandelt  die  Frage:  Ist  bei  spontaner  Gangrän 
der  Extremitäten  prinzipiell  hoch  zu  amputieren?  Es  ist  inkonsequent, 
sich  nach  dem  Verhalten  des  Pulses  zu  richten,  da  der  Verschluss  der 
Arterien  nur  eines  von  vielen  Momenten,  die  auf  die  Zirkulation  von 
Einfluss  sind,  es  gilt  den  Gesamtzustand  der  Zirkulation  zu  beurteilen 
und  zu  bemessen,  was  sie  diesseits  der  Demarkationsgrenze  zu  leisten 
im  stände.  Wo  die  Demarkation  langsam  und  unbestimmt  oder  gar 
nicht  erfolgt,  ist  die  Zirkulation  auch  diesseits  schwer  geschädigt  und 
kaum  im  stände,  den  Blutbedarf  zu  decken;  erfolgt  dagegen  die  De¬ 
markation  rasch  und  bestimmt,  so  ist  damit  bewiesen,  dass  diesseits 
dass  Gefässystem  über  Kräfte  verfügt,  die  eingetretene  Störung  zu 
kompensieren,  auch  bei  pulslosen  Gefässen  und  anderen  Zeichen 
schwer  behinderter  Zirkulation  darf  unter  solchen  Umständen  dem 
Gefässystem  viel  zugemutet  ein  konservatives  Verfahren  als  Erfolg 
verheissend  eingeleitet  werden. 

Aus  dem  Luisenhospital  .zu  Dortmund  berichtet  Otto  Fittig 
über  einen  Fall  von  penetrierender  Schussverletzung  der  Herzwand 
mit  tangentialer  Eröffnung  des  Ventrikellumens.  Bei  einem  jungen 
Bergmann,  der  sich  mit  7  mm  Revolver  in  den  Thorax  geschossen  batte, 
liess  sich  durch  operativen  Eingriff  (Herznaht),  24  Stunden  das  Leben 
erhalten,  die  Obduktion  zeigte,  dass  der  Schusskanal  nicht  vorn  und 
hinten  direkt  den  linken  Ventrikel  durchbohrt  hatte,  sondern  dass  das 
Herz  offenbar  in  der  Systole  getroffen  worden  war  und  seine  Wand 
im  Zustand  der  Kontraktion  und  Verdickung  durchdrungen  wor¬ 
den  war. 

E-.S  e  h  r  t  gibt  aus  der  Freiburger  Klinik  Beiträge  zur  Pathologie 
der  Milchdrüse  und  teilt  u.  a.  2  Fälle  des  seltenen  Osteochondro¬ 
sarkom  der  Mamma  und  einen  Fall  der  (bei  Tieren  nicht  so  seltenen) 
primären  Aktinomykose  der  Mamma  mit  genauen  histologischen  Be¬ 
funden  mit. 

Der  gleiche  Autor  bespricht  die  histologischen  Veränderungen 
des  in  menschliche  Gewebe  injizierten  Paraffins,  wozu  u.  a.  der  Fall 
einer  Dame,  der  Paraffininjektionen  in  die  Wangen  gemacht  worden 
waren,  die  zunehmende  Senkung  der  injizierten  Weichteile  aber  zu 
Entstellung  und  deshalb  zur  Entfernung  der  „Paraffingeschwülste“ 
führte,  das  Material  gab.  Auch  das  Schicksal  des  Jodparaffins  ist 


seine  völlige  Substitution  durch  Bindegewebe.  Vom  histologischen 
Standpunkt  kann  daher  ein  wirklich  kosmetischer  Dauererfolg  der 
Paraffininjektionen  nur  für  höchst  unwahrscheinlich  gehalten  werden. 

Sehr. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  XVIII.  Bd.  3.  u. 
4.  Heft. 

15)  B  1  en  ck  e  -  Magdeburg:.  Ist  das  sogen.  Skoliosenschulturnen 
zweckmässig  oder  nicht? 

B.  hat  die  Ansichten  einer  Reihe  von  Orthopäden  über  diese 
Frage  eingeholt  und  zusammengestellt,  sie  sind  keineswegs  überein¬ 
stimmend. 

B.  selbst  hält  das  folgende  Verfahren  für  das  empfehlenswerteste: 
Ein  Orthopäde  hat  die  Rückenuntersuchung  der  Volksschüler  regel¬ 
mässig  vorzunehmen.  Die  geeigneten  Fälle  führt  er  der  orthopädi¬ 
schen  Turnstunde  zu  und  überwacht  sie  daselbst.  Diese  Turnstunde 
wird  in  den  Turnräumen  der  Schule  mit  einfachen  Apparaten  durch¬ 
geführt;  sie  wird  von  einer  gründlichst  für  diesen  Zweck  ausgebildeten 
Turnlehrerin  abgehalten. 

16)  v.  D  e  m  b  o  w  s  k  i  -  Wilna:  Ein  neuer  Apparat  zur  Behand¬ 
lung  von  Koxitis. 

Eine  Aussenschiene,  die  unten  mit  einem  Gehbiigel,  oben  mit  einer 
Achselkrücke  eindigt  und  durch  quere  Schienen  sich  am  Perineum 
der  gesundseitigen  Beckenhälfte  einen  Stützpunkt  für  die  Kontra¬ 
extension  verschafft. 

17)  G  o  1 1  s  t  e  i  n  -  Reichenberg:  Ueber  angeborene  Skoliose. 

Bei  einem  14  Tage  alten  Kind  zeigte  das  Röntgenbild  als  Ursache 

der  starken  kongenitalen  Totalskoliose  mehrfache  Anomalien  der 
Wirbelsäule:  13  Brustwirbel,  ein  eingeschobenes  Wirbelstück  unter¬ 
halb  des  ersten  Lendenwirbels,  mit  diesem  teilweise  verwachsen, 
rechts  10,  links  13  Rippen. 

G.  glaubt,  dass  in  der  Aetiologie  der  Skoliose  kongenitale  Wirbel¬ 
oder  Rippenmissbildungen  eine  wichtigere  Rolle  spielen,  als  bisher 
angenommen  wurde. 

18)  Hagenbach-Burckhardt  -  Basel :  Orthopädische  Be¬ 
trachtungen  über  Muskelschlaffheit  und  Gelenkschlaffheit. 

Das  Verhalten  der  Muskulatur,  nämlich  ihre  Erschlaffung,  wird 
sowohl  bei  rachitischen  Deformitäten  (Kyphose)  wie  bei  Pes  valgus 
congenitus  viel  zu  wenig  berücksichtigt. 

Die  Erscheinungen  der  Gelenkschlaffheit  bei  Rachitis  beruhen 
nicht  auf  Veränderungen  der  Gelenkkapsel  und  -Bänder,  sondern  eben 
auf  der  Muskelerschlaffung. 

19)  Ch  r  y  s  o  p  a  t  h  e  s  -  Athen:  Die  Variationen  einiger  Skelett¬ 
teile  und  die  von  ihnen  ausgehenden  Beschwerden. 

Chr.  fand  als  Ursache  quälender  Fussschmerzen  einen  exostosen¬ 
ähnlichen  spitzen  Knochenvorsprung  an  der  unteren  hinteren  Fläche 
des  Kalkaneus.  Er  nimmt  an,  dass  derartige  Variationen  an  der 
hinteren  Kalkaneusepiphyse  durch  Muskel-  und  Bänderzug  entstehen 
können.  Sie  erzeugen  Schmerzen,  wenn  ein  Trauma  oder  starke 
Beanspruchung,  Gonorrhoe  oder  Rheuma  einen  örtlichen  Reizzustand 
hervorrufen. 

20)  M  a  c  h  o  1  -  Breslau:  Zur  medikomechanischen  Improvi¬ 
sationstechnik. 

Vorschläge  zur  Vereinfachung  des  medikomechanischen  In¬ 
strumentariums. 

21)  W  o  h  r  i  z  e  k  -  Prag:  Schulen  für  Skoliotische. 

W.  empfiehlt  die  Einrichtung  von  Sonderklassen  für  Skoliotische 
und  seinen  orthopädischen  Stuhl  „Korrektor“  zur  Verwendung  in 
diesen  Schulen. 

22)  L  e  h  r- Dresden :  Ueber  eine  neue  Methode  zur  unblutigen 
Beseitigung  des  Genu  valgum  im  Kindesalter. 

Der  Krümmungsscheitel,  also  Femurkondylen  oder  Tibiaknorren 
werden  auf  die  ungepolsterte  Kante  eines  Klumpfussbänkchens  auf¬ 
gelegt  und  durch  starke  Belastung  eingedrückt. 

23)  E  w  a  1  d  -  Heidelberg:  Ueber  angeborene  Kontrakturen  der 
oberen  Extremitäten  beim  Erwachsenen. 

Trotz  der  schweren  Deformitäten  beider  Arme  und  Hände  ver¬ 
fügte  die  Pat.  über  eine  gute  Gebrauchsfähigkeit. 

24)  Rath -Köln:  Zur  operativen  Behandlung  des  Hallux  valgus. 

Ablösung  der  Extensor-  und  Flexorsehne  der  Grosszehe  an  ihrer 

Insertion.  Eröffnung  und  Exzision  der  Gelenkkapsel  des  Metatarso- 
Phalangealgelenks,  sowie  der  Sesambeine.  Korrektur  der  Gelenk¬ 
flächen.  Fixation  der  Flexorsehne  an  der  medialen  Fläche  der 
1.  Phalanx,  der  Extensorsehne  dicht  daneben  etwas  mehr  dorsalwärts. 

25)  Colombo -Rom:  Technik  der  Massage. 

Die  eingehende  Darstellung  der  italienischen  „Massotherapie“ 
zeigt  recht  erhebliche  Abweichungen  von  der  uns  geläufigen  Theorie 
und  Praxis.  C  o  1.  unterscheidet  Reibungs-,  Drückungs-,  Erschüt- 
terungs-,  Schlagungs-  und  Mobilisierungshandgriffe,  jeweils  mit  einen 
halben  Dutzend  von  Modifikationen.  Es  kommen  „kombinierte“  und 
„besondere“  Handgriffe  hinzu,  sodass  die  Technik  recht  kompliziert 
erscheint. 

26)  G  a  1  e  a  z  z  i  -  Mailand:  Ueber  die  operative  Behandlung  der 
Coxa  vara. 

G.  tritt  für  die  C  odi  v  i  1 1  a  sehe  Operation,  die  halbkreisförmige 
Osteotomie  des  Schenkelhalses  ein.  8  eigene  Operationen  und  ihre 
klinischen  sowie  röntgenographischen  Ergebnisse  haben  ihm  gezeigt, 
dass  diese  Operation  die  Verkürzung  des  Beines  und  das  Hinken 


2294 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


beseitigt,  dem  oberen  Femurende  eine  normale  anatomische  Form 
und  der  Hüfte  die  normale  Funktion  wiedergibt. 

Die  Schenkelhalsosteotomie  ist  also  der  Osteotomia  sub- 
trochanterica  unbedingt  vorzuziehen.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie,  No.  43  u.  44. 

P.  S  t  r  a  s  s  m  an  n  -  Berlin:  Die  ooerative  Vereinigung  eines 
doppelten  Uterus.  (Nebst  Bemerkungen  über  die  Korrektur  der  sogen. 
Verdoppelung  des  Genitalkanales.) 

Str.  berichtet  zunächst  über  das  fernere  Schicksal  einer  36jähr. 
Frau  mit  doppeltem  Uterus  und  doppelter  Scheide,  der  er  1903  beide 
Septa  durchschnitten  hatte.  Die  Pat.  wurde  1904  leicht  von  einem 
lebenden  Kinde  entbunden:  die  Geburt  verlief  ohne  Störung.  Str. 
sah  dann  noch  im  selben  Jahre  eine  und  weiter  drei  Pat.  mit  doppeltem 
Uterus.  Man  soll  unterscheiden,  ob  die  getrennten  Uterushöhlen  in 
einem  äusserlich  einfachen  oder  äusserlich  doppelten  Muskeluterus 
vorhanden  sind.  Für  die  erste  Gruppe,  Uterus  b  i  1  o  c  u  1  a  r  i  s, 
genügt  die  Fortnahme  des  Septum,  die  zweite  Gruppe.  Uterus 
b  i  f  i  d  u  s.  erfordert  'die  plastische  Vereinigung  der 
Hälften.  Letztere  Operation,  die  Str.  genau  beschreibt,  konnte  er 
bei  einer  27jährigen  Frau  mit  Erfolg  ausführen.  Gravidität  ist  aller¬ 
dings  noch  nicht  wieder  eingetreten:  doch  hält  Str.  die  Gefahren  einer 
Ruptur  der  Narbe  und  Naht  des  Uterus  nicht  für  grösser,  als  die 
Gefahr  «der  Ruptur  einer  Kaiserschnittnarbe. 

S  t  r  e  m  p  e  1  -  Posen:  Beitrag  zur  Behandlung  der  Eklampsie 
im  Wochenbett  nach  B  u  m  m. 

Beschreibung  eines  Falles  schwerster  Eklampsie  im  Wochenbett 
bei  einer  22jährigen  I.  Para,  der  nach  Bumms  Vorschriften  (cf. 
Liepmann:  Münch,  med.  Wochenschr.  1906.  No.  26.  o.  1268)  mit 
Kochsalzinfusionen,  wiederholten  kalten  Abreibungen  und  Herztonizis 
(Kampher  und  Koffein  subkutan)  behandelt  und  geheilt  wurde. 

W.  H  a  n  n  e  s  -  Breslau :  Zystoskopische  Befunde  bei  operativ 
geheilten  Blasen-Scheidenfisteln. 

Es  handelte  sich  nur  um  Frauen,  die  nach  Wolkowitsch- 
K  ii  s  t  n  e  r  operiert  worden  waren,  wobei  die  vordere  Zervixwand 
plastisch  mit  zur  Deckung  des  Blasendefektes  Verwendung  findet.  Das 
Material  Hs.  umfasst  nur  8  Fälle.  Bei  dreien  hiervon  war  eine  Narbe 
überhaupt  zystoskopisch  nicht  mehr  festzustellen:  bei  den  Uebrigen 
fand  H.  eine  breite,  flächenhafte,  oft  strahlenförmige  Narbe.  Viermal 
bestand  ausgesprochene  Trichterbildung  (Divertikel)  in  der  Blasen¬ 
wand.  Da  die  Narben  stets  in  nächster  Nähe  einer  Harnleitermündung 
sassen.  so  empfiehlt  H..  die  Blasenwunde  nicht  isoliert  submukös  zu 
vernähen,  sondern  eine  tiefe,  einreihige  Naht  anzulegen,  die  Scheiden¬ 
wand  und  vordere  Zervixwand  vereinigt. 

F.  Kaessmann  -  Dortmund:  Ein  Beitrag  zur  Adrenalinbehand¬ 
lung  der  Osteomalakie  nach  B  o  s  s  i. 

K.  berichtet  über  einen  eklatanten  Misserfolg  der  Bossikur  bei 
einer  29  jährigen  Frau  mit  schwerer  Osteomalakie.  Die  Behandlung 
bestand  in  1 — 2  mal  täglicher  Injektion  von  Vz  cg  Adrenalin.  Nach 
anfänglicher  scheinbarer  Besserung  versagte  das  Mittel  nachher  voll¬ 
ständig.  K.  macht  auf  Widersprüche  in  den  Angaben  der  Autoren  auf¬ 
merksam,  von  denen  einige  (darunter  Bossi  selbst)  Vz  cg  pro  dosi 
injizieren,  andere  Vz — 1  ccm,  also  das  Hundertfache  der  ersteren 
Dosis.  (?  Ref.) 

E.  B  i  r  c  h  e  r  -  Aarau :  Ovarialsarkom  während  der  Gravidität. 

Beschreibung  eines  Falles  bei  einer  31  jährigen  Frau,  die  im 
4.  Monat  schwanger  war.  Die  Laparotomie  verlief  günstig:  die  Geburt 
trat  1  Monat  zu  früh  ein.  das  Kind  starb  an  einer  Nabelinfektion.  Eine 
2  Jahre  später  erfolgende  Geburt  verlief  für  Mutter  und  Kind  günstig. 
Pat.  ist  jetzt  über  3  Jahre  lang  rezidivfrei. 

R.  Man  n  -Wien:  Zur  Hernienbildung  nach  Hebosteotomie. 

Zur  Verhütung  solcher  Hernienbildung  ist  entweder  die 
H  a  m  in  e  r  s  c  h  1  a  g  sehe  Methode  mit  Interposition  eines  Knochen¬ 
perioststückes  der  Tibia  in  den  Knochenspalt,  oder  der  | — -  -förmige 
Knochenschnitt  nach  Sch  ick  eie  zu  empfehlen.  Zur  Behand¬ 
lung  der  Hernien  dient  entweder  die  Knochennaht  oder  eine  Weich¬ 
teilplastik.  oder  endlich  eine  Implantation  eines  Fremdkörpers  oder 
lebenden  Knochenstückes  zum  Verschluss  der  Bruchpforte. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  Bd.  VI.  No.  7.  (Oktober 

1907.) 

1)  Rudolf  Fischl-Prag:  Ueber  die  Folgen  der  Thymusaus¬ 
schaltung  bei  jungen  Hühnchen. 

In  Ergänzung  früherer  Experimente  an  Säugern  hat  Fischl 
nunmehr  26  Versuche  der  Thymusausschaltung  am  Hühnchen  aus¬ 
geführt.  24  mal  wurde  eine  bilaterale  Entfernung  des  (bei  dieser 
Spezies  paarigen)  Organes,  2  mal  eine  unilaterale  Exstirpation  vor¬ 
genommen.  Der  Eingriff  erwies  sich  als  völlig  belanglos  sowohl  für 
die  Gesundheit  wie  für  die  spätere  Entwicklung  der  Versuchs¬ 
tiere.  Abkömmlinge  ekthymierter  Eltern  zeigten  gleichfalls  ein 
völlig  normales  Verhalten. 

2)  Hans  R  i  e  t  s  c  h  e  1  -  Dresden:  Ueber  die  Lipase  im  Magen¬ 
saft  des  säugenden  Tieres.  (Aus  der  kgl.  Kinderklinik  zu  Berlin.) 

Die  Anlegung  eines  echten  P  a  w  1  o  w  sehen  Magens  gelingt 
auch  schon  heim  säugenden  Tier  (Ferkel).  Bei  zwei  auf  diese  Weise 
von  Prof.  Bickel  operierten  Tierchen,  bei  denen  der  reine  Magen-  I 


saft  aus  der  Pawlowschen  Fistel  aufgefangen  wurde,  gelang  es 
nicht  mit  Sicherheit,  ein  fettspaltendes  Ferment  im  Magensaft  nach¬ 
zuweisen. 

3)  Kongressberichte,  von  denen  folgende  besonders  hervor¬ 
gehoben  seien,  da  sie  in  medizinischen  Zeitschriften  sonst  wohl  nicht 
referiert  wurden: 

2.  Deutscher  Berufsvormündertag.  —  27.  Jahresversammlung  des 
Deutschen  Vereins  für  Armenpflege  und  Wohltätigkeit. 

Albert  Uffenheimer- München. 

Archiv  für  Hygiene.  63.  Bd.  1.  Heft.  1907. 

1)  P.  S  c  h  m  i  d  t  -  Leipzig:  Ueber  Bleivergiftungen  und  ihre 
Erkennung. 

Verf.  verabreichte  an  Kaninchen  Bleigaben,  wie  sie  etwa  bei 
Bleiarbeitern  in  den  menschlichen  Organismus  gelangen,  um  festzu¬ 
stellen,  in  wie  weit  eine  Bleierkrankung  durch  Nachweis  der  basophil 
gekörnten  Blutkörperchen  diagnostiziert  werden  kann.  Die  mindeste 
Bleimenge,  bei  welcher  durch  Verfütterung  gekörnte  rote  Blut¬ 
körperchen  erzeugt  werden,  beträgt  5  mg  Blei  pro  Kilo  Kaninchen 
und  täglich  14  Tage  lang  verabreicht,  bei  subkutaner  Einverleibung 
2,5  mg  pro  Kilo  und  10  Tage  lang  injiziert.  Noch  kleinere  Bleimengen 
bleiben  auch  bei  3  monatlicher  Verabreichung  ohne  Wirkung.  Wurden 
auf  einmal  grössere  Mengen  gegeben,  so  traten  die  Symptome  ver¬ 
schieden  stark  auf,  da  die  Tiere  individuell  sehr  verschieden  rea¬ 
gierten.  Unter  546  Untersuchungen  von  mit  Blei  beschäftigten  Per¬ 
sonen  waren  15  klinisch  sichere  Fälle  von  Bleivergiftung  (2,7  Proz.). 
Dieselben  zeigten  sämtlich  über  100  basophil  gekörnte  rote  Blut¬ 
körperchen  auf  die  Million  (100  Proz.).  Unter  110  Personen,  die  nie¬ 
mals  in  ihrem  Beruf  mit  Blei  in  Berührung  gekommen  waren,  zeigten 
nur  1,8  Proz.  einen  Befund  über  100  basophil  gekörnter  roter  Blut¬ 
körperchen,  der  auf  Malaria  resp.  Sepsis  zurückzuführen  war.  Wenn 
also  bei  einer  Blutuntersuchung  über  100  basophil  gekörnte  rote  Blut¬ 
körperchen  in  einer  Million  gefunden  werden,  so  gilt  dieser  Befund  als 
wesentliche  Stütze  für  die  Diagnose  der  Bleivergiftung. 

2)  Anton  W  a  s  s  m  u  t  h  -  Innsbruck:  Enthalten  Leukozyten  anti- 
liärnolvtische  Stoffe? 

Die  lebenden  Leukozyten  sind  im  stände,  die  hämolytischen  Kom¬ 
ponente  des  Staohylotoxins  in  gewissem  Grade  zu  neutralisieren.  Bei 
60°  nimmt  das  Vermögen  der  Leukozyten,  das  Hämolysin  zu  binden, 
ab,  bei  80°  hört  es  auf. 

3)  Stanislaus  R  u  z  i  c  k  a  -  Prag:  Die  relative  Photometrie. 
Methode  zur  Charakterisierung  und  Messung  der  Tageslichtbeleuch¬ 
tung  in  Arbeits-  und  Wohnräumen. 

Zur  Bestimmung  der  sogen,  relativen  Photometrie  beschreibt 
Verf.  einen  Apparat,  der  von  Schmidt  und  H  ä  n  s  c  h  in  Berlin  ver¬ 
fertigt  wird.  Das  eigenartigste  bei  dieser  Methode  ist,  dass  die 
Messungen  nicht  im  Schulzimmer  oder  dem  betreffenden  Gebäude 
selbst  gemacht  werden,  sondern  an  einem  Modell,  welches  nach  den 
Plänen  des  Zimmers  leicht  herzustellen  ist.  Es  kommt  dem  Verf. 
darauf  an.  bei  seinen  Messungen  zu  ermitteln,  ob  auch  am  schlechtesten 
Platz  —  bei  2000  Meterkerzen  Intensität  des  Himmelsgewölbes  — 
noch  die  minimale  Belichtungsintensität  von  20  Meterkerzen  garantiert 
ist.  In  der  Arbeit  ist  die  Methodik  seiner  Untersuchungen  aufs  ge¬ 
naueste  beschrieben,  und  sind  zahlreiche  Belege  für  die  Brauchbarkeit 
der  Methode  beigebracht. 

4)  K.  B.  L  e  h  m  a  n  n  -  Würzburg:  Ueber  die  Angreifbarkeit  der 
verzinnten  Konservenbüchsen  durch  Säuren  und  verschiedene  Kon¬ 
serven. 

Die  Lösung  des  Zinnes  in  Konservenbüchsen  geht  um  so  leichter 
von  statten,  je  mehr  Sauerstoff  vorhanden  ist.  Die  in  Gasform  und 
gelöst  in  den  Konservenbüchsen  zur  Verfügung  stehenden  Sauerstoff¬ 
mengen  genügen,  um  in  Fruchtsäften  eine  beobachtete  Zinnmenge  von 
300  mg  pro  Liter  zu  erklären.  Ist  kein  Sauerstoff  vorhanden,  so  kann 
der  gebundene  Sauerstoff  der  Nitrate  dafür  eintreten,  indem  dieselben 
zu  Ammoniak  reduziert  werden.  Bei  offen  stehenden  Büchsen,  wo 
man  wegen  des  hinzutretenden  Sauerstoffs  der  Luft  eine  schnellere 
Lösung  erwarten  sollte,  wird  dieselbe  aufgehalten  durch  die  Anwesen¬ 
heit  des  Zuckers.  Die  hemmende  Wirkung  des  Zuckers  beruht  auf  der 
Störung  der  Ionisierung  der  Weinsäure.  Ist  Eisen  und  Zinn  gleich¬ 
zeitig  bei  einander,  so  wird  mehr  Eisen  als  Zinn  gelöst.  Das  Lackieren 
der  Büchsen  schützt  dieselben  für  14 — Vz  Jahr  in  hohem  Grade  gegen 
den  Zinnangriff. 

5)  R.  Trommsdorff  -  München :  Bemerkungen  zu  dem  Artikel 
von  cand.  med.  Schuppius  „Die  Milchleukozytenprobe  nach 
Trommsdorf  f“. 

Polemik.  R.  O.  Neumann  - Heidelberg. 

Arbeiten  aus  dem  Kaiserlichen  Gesundheitsamte.  27  Bd., 
2.  Heft,  1907. 

1)  Uhlenhuth  und  Gross-  Berlin:  Untersuchungen  über  die 
Wirkung  des  Atoxyls  auf  die  Spirillose  der  Hühner. 

Die  Behandlungsversuche  mit  Atoxyl  gegen  die  Spirillose  der 
Hühner  ergab  hinsichtlich  der  schützenden  Wirkung,  dass 
durch  das  Atoxyl  zwar  der  Ausbruch  der  Krankheit  coupiert  wird, 
dass  aber  die  Tiere  gegen  die  Infektion  nicht  vollkommen  ge¬ 
schützt  werden.  Das  Atoxyl  hemmt  die  Vermehrung  der  Parasiten 
und  die  Hühner  machen  eine  latente  Krankheit  durch,  wodurch  sie 
eine  hohe  Immunität  erwerben.  Die  Heilversuche  sind  noch 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2295 


günstiger.  Eine  einmalige  Dosis  von  0,05  g  Atoxyl  genügt,  um  die 
Spirochäten  im  Lauf  von  20—30  Stunden  zum  Verschwinden  zu 
bringen  und  selbst  schwerkranke  Hühner  zu  heilen.  Nach  der  Auf¬ 
fassung  der  Autoren  wird  durch  das  Atoxyl  die  Bildung  von  parasiti- 
ziden  Schutzstoffen  beschleunigt,  wodurch  die  Spirochäten  erheblich 
geschädigt  werden.  Schliesslich  soll  eine  Phagozytose,  die  die  Ver¬ 
nichtung  der  Spirochäten  unterstützt,  durch  das  Atoxyl  begünstigt 
werden.  Jedenfalls  werden  die  Krankheitssymptome  verringert  und 
die  Krisis  beschleunigt. 

2)  Uhlenhut  h,  Hüben  er  und  W  o  i  t  h  e-Berlin:  Experimen¬ 
telle  Untersuchungen  über  Dourine,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Atoxylbehandlung. 

Es  wurde  an  Pferden,  Hunden,  Kaninchen,  Ratten  und  Mäusen  ex¬ 
perimentiert.  Durch  die  Atoxylbehandlung  konnte  ein  Pferd  um  vieles 
länger  am  Leben  erhalten  werden  als  das  Kontrollpferd.  Ob  eine 
Dauerheilung  erzielt  worden  ist,  lässt  sich  zurzeit  noch  nicht  sagen. 
Bei  Hunden  ist  wegen  der  grossen  Intoleranz  der  Tiere  gegen  Atoxyl 
an  eine  Dauerheilung  ohne  weiteres  nicht  zu  denken,  während  bei  den 
Kaninchen  alles  dafür  spricht,  dass  man  eine  Dauerheilung  erzielen 
kann.  Auch  für  Ratten  gilt  dies  in  ähnlichem  Sinne,  doch  ist  darauf 
zu  verweisen,  dass  ein  therapeutischer  Erfolg  sich  nur  erreichen  lässt, 
wenn  die  Behandlung  frühzeitig  einsetzt  und  die  verwendeten  Dosen 
gross  genug  sind.  Die  Erklärung  der  trypanoziden  Wirkung  bei  diesen 
Tieren  ist  schwierig  zu  geben,  jedenfalls  ist  die  Produktion  trypano- 
zider  Stoffe  nicht  ausschliesslich  den  Leukozyten  zuzuschreiben. 
Ausser  Atoxyl  sind  noch  eine  ganze  Reihe  Stoffe  experimentell  unter¬ 
sucht  worden,  ohne  bessere  Erfolge.  In  Verbindung  mit  Sublimat 
wurden  sehr  gute  Resultate  erzielt,  was  mit  den  in  Liverpool  ge¬ 
machten  Erfahrungen  gut  übereinstimmt. 

3)  Richard  Q  o  n  d  e  r  -  Berlin:  Atoxylversuche  bei  der  Piroplas¬ 
mose  der  Hunde. 

Als  Heil-  und  Schutzmittel  gegen  Piroplasmose  bei  Hunden  scheint 
Atoxyl  nicht  brauchbar  zu  sein,  da  der  Verlauf  der  Krankheit  bei  einer 
grossen  Reihe  von  Hunden  in  keiner  Weise  beeinflusst  wurde.  Im 
Gegenteil,  es  macht  den  Eindruck,  als  ob  eher  die  Krankheit  gefördert 
würde. 

4)  F.  N  e  u  f  e  1  d  und  Bickel-  Berlin :  Ueber  zytotoxische  und 

zytotrope  Serumwirkungen. 

5)  Man  teufel -Berlin:  Experimentelle  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Rekurrensspirochäten  und  ihrer  Immunsera. 

Neben  den  Untersuchungen  über  Agglomeration,  parasitizide 
Antikörper,  Lysine,  Phagozytose  bei  Spirochäten  wurde  besondere 
Beachtung  den  immunisierenden  Eigenschaften  der  Sera  von  Rekur- 
renskranken  geschenkt,  wozu  ein  „Laboratonumsfall“  passende  Ge¬ 
legenheit  bot.  Der  Patient  hatte  sich  auf  unbekannte  Weise  mit  Re- 
kurrens  infiziert,  genas  aber  wieder,  nachdem  er  verschiedene  An¬ 
fälle  durchgemacht  hatte.  Dessen  Serum,  sowie  Serum  von  rekurrens- 
kranken  Tieren  dienten  zu  Untersuchungszwecken.  Er  ergab  sich, 
dass  wir  es  sowohl  beim  Menschenserum,  wie  auch  bei  den  „experi¬ 
mentellen“  Tierseris  mit  einem  hauptsächlich  parasitiziden  Serum  zu 
tun  haben,  mit  dem  gute  Heilerfolge  zu  erzielen  sind,  selbst  wenn  man 
es  erst  auf  der  Höhe  der  Infektion  in  Anwendung  bringt.  Der  aktive 
Immunisierungsprozess  wird  dabei  in  keiner  Weise  gestört,  so  dass 
die  Serumtherapie  gleichsam  als  eine  kombinierte  Schutzimpfung  auf¬ 
zufassen  ist.  Verf.  neigt  sich  übrigens  auf  Grund  der  Beobachtungen 
über  die  Agglomeration  auch  der  Ansicht  zu,  dass  die  Rekurrens¬ 
spirochäten  als  Protozoen  zu  betrachten  sind. 

6)  C.  S  c  h  e  1 1  a  c  k  -  Berlin:  Morphologische  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  europäischen,  amerikanischen  und  afrikanischen  Rekur¬ 
rensspirochäten. 

Ausführliche  morphologische  Untersuchung  der  drei  bis  jetzt  be¬ 
kannten  Rekurrensspirochätenarten,  die  wiederum  ergeben  haben,  dass 
die  3  .  Arten  als  verschieden  angesehen  werden  müssen.  Eine  den 
Untersuchungen  beigegebene  Tafel  erläutert  das  Ganze. 

7)  Th.  Car  nwath -Berlin:  Zur  Aetiologie  der  Hühnerdiph¬ 
therie  und  Geflügelpocken. 

Eine  zufällige  Epidemie  unter  der  Hühnern  des  Gesundheitsamtes, 
die  unter  dem  Bilde  einer  diphtheritischen  Erkrankung  einherging,  er¬ 
wies  sich  bei  näherem  Studium  als  Geflügelpocken.  Es  gelang  bei 
Ueberimpfungen  von  diphtheritischer  Membran  auf  den  Kamm  der 
Hühner  das  Bild  von  Geflügelpocken  zu  erzeugen  und  gleichzeitig  bei 
diesen  Hühnern  eine  Immunität  hervorzubringen,  welche  die  Tiere 
auch  gegen  Infektion  von  filtriertem  und  nicht  filtriertem  Material 
schützte.  Demnach  ist  es  wohl  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass 
diese  beiden  scheinbar  verschiedenen  Krankheiten  auf  ein  und  die¬ 
selbe  Ursache  zurückzuführen  sind  und  mancher  beschriebene  Fall 
von  Hühnerdiphtherie  eine  Geflügelpockenerkrankung  gewesen  sein 
wird. 

8)  Th.  C  a  r  n  w  a  t  h  -  Berlin:  Zur  Technik  der  biologischen 
Untersuchung  kleinster  Blutspuren. 

Eine  kleine  Modifikation  der  Uhlenhuth sehen  Methode,  bei  der 
man  nur  kleinste  Mengen,  bis  0,1  ccm,  der  Untersuchungsflüssigkeit 
braucht. 

9)  Richard  G  o  n  d  e  r  -  Berlin:  Studien  über  die  Spirochäte  aus 
dem  Blute  von  Vesperugo  Kuhlii. 

Morphologische  Beschreibung  der  im  Blute  einer  Fledermaus 
gefundenen  Spirochäte.  Die  Organismen  sind  auf  einer  kolorierten 
Tafel  wiedergegeben. 


10)  F.  N  e  u  f  e  1  d  -  Berlin:  Ueber  die  Ursachen  der  Phagozytose. 

Literaturstudie.  Ist  in  wenigen  Worten  nicht  genügend  wieder¬ 
zugeben.  R.  O.  Neumann  - Heidelberg. 

Soziale  Medizin  und  Hygiene  (vormals:  Monatsschrift 
für  soziale  Medizin).  Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 
II.  Bd.  10.  Heft.  Oktober  1907. 

A.  Elster -Jena:  Arbeitshygienische  Gesetzgebung  im  Jahre 

1906. 

Ueberblick  über  die  internationale  Arbeiterschutzgesetzgebung 
des  verflossenen  Jahres  auf  Grund  der  Zusammenstellung,  die  vom 
internationalen  Arbeitsamt  in  Basel  veröffentlicht  wurde.  Die  wesent¬ 
lichen  Bestimmungen,  die  zum  Schutz  des  Arbeiters  und  zum  Schutze 
der  öffentlichen  Gesundheit  (insbesondere  im  Lebensmittelgewerbe) 
erlassen  wurden,  sind  kurz  wiedergegeben. 

L.  Edsenstadt  -  Berlin :  Tarifämter  zwischen  Aerzten  und 
Patienten. 

Die  Einbeziehung  des  Mittelstandes  in  die  Krankenversicherung 
wird  trotz  des  Widerstandes  der  Aerzte  vor  sich  gehen.  Durch  die 
Einrichtung  der  von  E.  vorgeschlagenen  Tarifkommissionen,  die 
unter  Zugrundelegung  des  Einkommens  und  Vermögens  eine  Ab¬ 
stufung  des  Honorars  festsetzen,  sei  es  möglich,  einer  materiellen 
Schädigung  der  Aerzte  vorzubeugen.  Auch  in  der  Privatpraxis  sollen 
derartige  Kommissionen  die  Festsetzung  der  Honorare,  deren  Ein¬ 
treibung  und  Verteilung  vornehmen.  Auf  diese  Weise  werde  das 
Interesse  der  Aerzte  besser  vertreten,  als  lediglich  durch  eine  Er¬ 
höhung  der  Mindestsätze  für  Konsultation  und  Besuch,  durch  die  in 
erster  Linie  die  Kreise  der  Minderbemittelten  getroffen  würden.  Ob 
die  Privatpatienten  wirklich  den  ärztlichen  Sachverständigen  der 
Tarifkommissionen  genau  ihre  Einkommens-  und  Vermögensverhält¬ 
nisse  darlegen  werden,  wie  Verf.  meint,  ist  sehr  zu  bezweifeln. 

G  r  a  s  s  1  -  Lindau  i.  B.:  Das  zeitliche  „Geburtsoptimum“.  (Fort¬ 
setzung  und  Schluss.) 

Die  Zeit  der  Konzeptionsfähigkeit  beträgt  bei  der  Frau  im  Durch¬ 
schnitt  annähernd  33  Jahre.  Das  mittlere  Drittel  dieser  Zeit,  die 
Spanne  vom  25. — 35.  Lebensjahre  'ist  das  Gebäroptimum,  wie  dies 
aus  der  grösseren  Geburtenzahl,  aus  der  grösseren  Häufigkeit  der 
Zwillingsgeburten,  der  geringeren  Zahl  der  Totgeburten  und  aus  aer 
erhöhten  Lebensfähigkeit,  der  in  diesem  Zeitraum  geborenen  Kinder  zu 
schliessen  ist.  Die  optimale  Zeugungszeit  des  Vaters  dürfte  etwas 
später  einsetzen,  als  die  optimale  Gebärzeit  der  Mutter  und  auch 
länger  dauern.  Von  den  Kindern  bringen  die  an  dritter  oder  vierter 
Stelle  in  einer  Ehe  Geborenen  die  meiste  Lebensfähigkeit  mit,  be¬ 
sonders  wenn  ihre  Geburt  in  die  optimale  Gebärzeit  der  Eltern  fällt. 
Durch  die  Verjüngung  der  Eheschliessenden,  die  vom  Verf.  für  Bayern 
in  den  letzten  Jahrzehnten  nachgewiesen  wurde,  und  durch  die  ge¬ 
wollte  Beschränkung  der  Kinderzahl  entsteht  aber  die  Gefahr,  dass 
der  grössere  Prozentsatz  der  Geburten  vor  die  optimale  Gebärzeit  der 
Frau  fällt.  Das  Ueberwiegen  der  Erstlinge  im  Volkskörper  kann 
wegen  ihrer  geringeren  körperlichen  Tüchtigkeit  zu  nachteiligen 
Folgen  führen,  die  wir  vorderhand  noch  gar  nicht  übersehen.  Ueber- 
haupt  bedingt  das  Umsichgreifen  des  prohibitiven  Geschlechtsverkehrs 
eine  ernste  Gefahr  für  unsere  Fortentwicklung,  darum  darf  die  Rück¬ 
sicht  auf  das  Einzelindividuum  nicht  zum  Ausserachtlassen  der 
Pflichten  gegen  die  Allgemeinheit  führen.  Drei  bis  vier  Kinder  sollte 
jede  Frau  gebären;  dies  müsste  zur  Sitte  und  Gewohnheit  auch  in  den 
besseren  Kreisen  werden.  Die  Aerzte  haben  die  Aufgabe,  das  Be¬ 
wusstsein  dieser  Verpflichtung  gegen  die  Gesellschaft  in  obern 
Schichten  zu  fördern.  F.  P  e  r  u  t  z  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  44. 

1)  G.  A  s  c  h  a f  f  e  n b  u  r  g  -  Köln:  Die  neueren  Theorien  der 
Hysterie. 

Verfasser  übt  Kritik  an  der  Freud  sehen  Theorie;  sie  sei  für 
die  meisten  Fälle  unrichtig,  für  viele  bedenklich  und  für  alle  ent¬ 
behrlich. 

2)  O.  L.  K  1  i  e  n  e  b  e  r  g  e  r  -  Greifswald:  Intelligenzprüfung  von 
Schülern  und  Studenten. 

Verfasser  wandte  das  von  Schul  tze  und  Riiss  bei  Soldaten 
gebrauchte  Fragenschema  bei  Schülern  der  Volks-  und  Biirgerschul- 
oberklassen  an.  Es  zeigte  sich,  dass  Fragen  nach  den  allereinfachsten 
Dingen  je  nach  dem  Grade  der  Verstandesentwicklung  mit  ver¬ 
schiedener  Schnelligkeit  und  Richtigkeit  beantwortet  werden. 

3)  O.  Kölpin -Andernach:  Fehlen  der  Sehnenphänomene  ohne 
nachweisbare  Erkrankung  des  Nervensystems. 

Während  nach  Oppenheim  der  Patellarreflex  bei  Gesunden 
nie  fehlt,  beobachtete  Verfasser  ein  16  jähriges  sonst  gesundes 
Mädchen,  bei  welchem  der  Patellarreflex  mit  Jendrassik  rechts 
zuweilen  andeutungsweise  auslösbar  war,  links  dagegen  stets  fehlte: 
auch  die  Achillessehnen-  und  Trizepsreflexe  waren  nicht  vorhanden. 

4)  A.  Wo  lff-Eisner -Berlin:  Ueber  das  Fehlen  des  Gly¬ 
kogens  in  den  Leukozyten  bei  der  myeloiden  Leukämie  nebst  Be¬ 
trachtungen  über  dessen  Bedeutung  für  die  Immunitätslehre  und 
Phagozytentheorie. 

In  4  Fällen  von  myeloider  Leukämie  liess  sich  in  den  Leukozyten 
im  Gegensatz  zu  denen  des  normalen  Blutes  bei  Anwendung  dei 
vitalen  Jodfixation  kein  Glykogen  nachweisen.  Diese  bunktions- 


2296 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Störung  macht  es  verständlich,  warum  die  Granulozyten  der  mye- 
loiden  Leukämie  das  Zustandekommen  von  Infektionen  nicht  hindern 
können.  Im  Uebrigen  hat  Verfasser  schwerwiegende  Binwände  gegen 
die  Phagozytentheorie. 

5)  C  a  s  s  e  1  -  Berlin :  Erfahrungen  mit  Meningitis  cerebrospinalis 
epidemica  bei  Kindern  in  Berlin. 

In  den  letzten  10  Jahren  sah  Verfasser  90  Fälle  von  Meningitis 
tuberculosa,  bei  denen  die  Diagnose  entweder  durch  die  Lumbal¬ 
punktion  oder  durch  Sektion  gesichert  wurde,  und  20  Fälle  von 
Meningitis  cerebrospinalis,  deren  Diagnose  erörtert  wird.  Verfasser 
ermahnt,  in  zweifelhaften  Fällen  von  Meningitis,  namentlich  bei  Säug¬ 
lingen,  die  Lumbalpunktion  und  bakteriologische  Untersuchung  vor¬ 
zunehmen. 

6)  B  o  m  m  e  s  -  Düsseldorf :  Die  Luxationen  im  L  i  s  f  r  a  n  c  scheu 
Gelenk. 

Fall  von  lateraler  Totalluxation  im  L,i  s  f  r  a  n  c  sehen  Gelenk 
mit  Fraktur  der  Basis  des  3.  Metatarsale. 

7)  Fritz  H  o  e  h  n  e  -  Breslau :  Ueber  die  geringe  Brauchbarkeit 
der  Syphilisbehandlung  mit  Quecksilbersuppositorien. 

Suppositorien  aus  Oleum  cinereum  ermöglichen  zwar  eine  be¬ 
queme,  beschwerdelose  und  diskrete  Behandlung,  wirken  aber  so 
langsam,  unsicher  und  wenig  energisch,  dass  sie  höchstens  für  ganz 
milde  Zwischenkuren  in  Betracht  kommen,  wenn  andere  Behand¬ 
lungsarten  aus  äussern  Gründen  nicht  durchführbar  sind. 

8)  Th.  W  e  y  1  -  Charlottenburg:  Zwei  Gutachten  zur  Wohnungs¬ 
hygiene. 

a)  Errichtung  einer  Asphaltfabrik  auf  städtischem  Wohngelände; 
wird  unter  Auflage  von  Vorschriften  gutgeheissen;  b)  die  Errichtung 
einer  Magnesiumsuperoxydfabrik  mit  Rücksicht  auf  Explosionsgefahr 
und  Maschinenlärm  abgelehnt. 

9)  E  k  e  r  o  t  h-Stockholm:  Das  Militärsanitätswesen  in  Schweden. 

R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  44.  1907. 

Y  fr  r  N  c  h  und  H.  Apolant  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  spon¬ 
tane  Mischtumoren  der  Maus. 


Die  Mehrzahl  der  spontan  bei  Mäusen  auftretenden  Tumoren 
stammt  von  der  Mamma  und  gehört  zu  den  Adenomen.  Bei  Mäusen 
lasst  sich  auch  in  primären,  also  nicht  transplantierten  Geschwülsten 
eine  Sarkomentwicklung  nachweisen,  und  zwar  sowohl  von  reinen, 
als  gemischten  Sarkomformen.  Die  Verfasser  berichten  unter  Abbildung 
der  I  räparate  und  Darstellung  der  histologischen  Einzelheiten  über 
w  derartige  Beobachtungen,  welche  ein  Spindelzellensarkom  und1  ein 
Carcinoma  sarcomatodes  betreffen. 

,c  ,P  D  eg  e -Berlin:  Die  Hernia  cruralis  pectinea  sive  Cloquetii. 

(Schluss  folgt.) 

3)  G.  Joachimsthal-  Berlin :  Eine  ungewöhnliche  Form  von 
Knochenerweichung. 

hierüber  den  Bericht  der  Münch,  med.  Wochenschr.  über 
ber  ]9oZ7UnS(NQr45e5in|25^)ediziniSChen  Qesellschaft  vom  23-  Okto- 

5)  W.  J  a  n  o  w  s  k  i  -  Warschau :  Ueber  die  Unterscheidung  der 
1  ranssudate  von  Exsudaten  mittels  einer  Probe  mit  stark  verdünnter 
Essigsäure  (Probe  von  R  i  v  a  1 1  a). 

Das  I  rinzip  der  Methode  besteht  darin,  dass  man  Tropfen  der 
zu  untersuchenden  Flüssigkeit  in  eine  Lösung  von  2  Tropfen  Eis¬ 
essig  in  100  ccm  Wasser  fallen  lässt.  Bei  Exsudaten  hinterlässt  der 
emgetraufelte  Tropfen  einen  deutlichen,  weissen  Zug  hinter  sich 
wahrend  bei  Transsudaten  der  hineingebrachte  Tropfen  sich  voll- 
standig  auflöst.  Verf.  hat  diese  Methode  an  50  Exsudaten  und 
9  ranssudaten  nachgeprüft  und  empfiehlt  dieselbe  wegen  ihrer  Ein¬ 
fachheit  und  Zuverlässigkeit  (letztere  wird  an  einer  Anzahl  von  Be¬ 
obachtungen  nachgewiesen)  auf  das  wärmste  gerade  für  die  Praxis 

6)  B  B  o  s  se  -  Berlin:  Ueber  Gelenkleiden  auf  der  Basis  von  Ge¬ 
schlechtskrankheiten. 


B.  bespricht  die  Hauptmerkmale  der  auf  Geschlechtskrankheiten 
zuruckzutuhrenden  Gelenkleiden,  nachdem  er  Bemerkungen  über  ana- 
tormschen  Bau  und  Funktion  der  Gelenke  vorausgeschickt  hat.  Für 
die  Behandlung  des  sog.  Tripperrheumatismus,  welcher  meist  ein 
Kmege  enk  befällt,  ist  die  moderne  Stauungsbehandlung  eine  ideale 
Methode,  welche  auch  dem  Verf.  sehr  gute  Resultate  gab.  Für  die 
Diagnose  der  syphilitischen  Gelenkentzündungen,  der  tabischen  Ver- 
andeningen  der  Gelenke,  sowie  der  Gelenkerkrankungen  bei  heredi- 
turer  bezw.  kongenitaler  Syphilis  sind  die  Röntgenaufnahmen  un¬ 
entbehrlich  geworden.  Der  Artikel  bringt  eine  Reihe  von  Reproduk¬ 
tionen  solcher. 

7)  C.  A.  E  w  a  l  d  -  Berlin:  Ueber  ein  wenig  beachtetes  Früh¬ 
symptom  des  Ileus. 


Verf.  hat  schon  früher  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei 
eus  schon  sehr  frühzeitig,  also  ohne  dass  schon  anderweitige  Sym- 
ptome^  bestehen,  der  Magen  sich  mit  stark  fäkulent  riechendem  In- 
uute  lullt,  wie  durch  Ausspülungen  sogleich  nachgewiesen  werden 


8).,B,-.?alge-Qöttin^n:  Die  bisherigen  Ergebnisse  der  Säug- 
hngsmilchkuchen. 

Verf.  bezeichnet  es  als  einen  Irrtum,  dass  bakterielle  Verunreini¬ 
gungen  und  Zersetzungen  der  Milch  den  Hauptgrund  für  die  deletären 
bauglingsdarmerkrankungen  abgeben.  Man  weiss  vielmehr,  dass 
auch  die  beste  Milch  bei  unrichtiger  Verwendung  eine  schwere  Schädi¬ 


gung  bewirken  kann.  Für  Säuglingsernährung  gibt  es  kein  all¬ 
gemein  gültiges  Schema.  Ein  nicht  zu  unterschätzender  Nachteil  der 
Milchküchen  liegt  darin,  dass  die  Frauen  leicht  vom  Stillen  abgehal¬ 
ten  werden.  Verf.  verlangt  daher  eine  Belehrung  der  Mütter  durch 
eine  mit  der  Milchküche  zu  verbindende  Beratungsstelle,  ferner  die 
Bereitstellung  von  Mitteln  für  die  materielle  Ermöglichung  des  Still¬ 
geschäftes.  Grassmann  -  München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

Nö.  44.  G.  No  bl -Wien:  Verwertung  des  Atoxyls  bei  primärer 
und  generalisierter  Frühsyphilis. 

N.s  Urteil  geht  dahin,  dass  das  Atoxyl  in  den  ersten  Syphilis¬ 
stadien  wohl  niemals  an  die  Stelle  der  Oueüksilberbehandlung  treten 
können  wird;  ganz  wirkungslos  ist  es  auch  beispielsweise  gegen  die 
Mundhöhlenaffektionen. 

J.  K  e  n  t  z  le  r  -  Ofen-Pest:  Beitrag  zur  Agglutination  der  Ty- 
phus-KoIigruppe  bei  ikterischen  Kranken. 

K. s  Versuche  bestätigen  die  Angaben  König  Steins,  dass  die 
Sera  von  ikterischen  Kranken  (keine  spezifischen  Typhusagglutinine 
enthalten  und  ergaben  das  Fehlen  von  Agglutininen  auch  für  die 
verwandten  Bazillenarten. 

L.  Hess- Wien:  Ueber  Blutbefunde  bei  Lymphdrüsenerkran- 
kungen. 

Verwertung  von  16  Krankengeschichten  (Tuberkulose,  Pseudo¬ 
leukämie,  Lymphosarkom,  Sarkomatose). 

J.  Schütz- Wien:  Ueber  Pepsinverdauung  bei  Abwesenheit 
freier  Salzsäure. 

Sch.  fasst  seine  Untensuchungsresultate  dahin  zusammen:  Die 
Anwesenheit  freier  Salzsäure  ist  für  die  Pepsinverdauung  nicht  er¬ 
forderlich,  auch  bei  beträchtlichem  Salzsäuredefizit  eine  energische 
Pepsinverdauung  möglich.  Unterhalb  des  Sättigungspunktes  erfolgt 
Eiweissverdauung  um  so  energischer,  je  mehr  gebundene  Salzsäure 
vorhanden  ist;  sie  beginnt  bald  nach  der  Absonderung  einer  ent¬ 
sprechenden  Menge.  Die  Bestimmung  der  freien  Salzsäure  ist  von  sehr 
geringem  diagnostischen  Wert,  die  Bestimmung  des  Salzsäuredefizits 
ganz  wertlos.  Die  Bestimmung  der  Gesamtsalzsäure  kann  dagegen 
gewisse  Aufschlüsse  über  die  Funktion  des  Magens  geben. 

J.  Bartel  und  W.  Neu  mann  -  Wien :  Experimentalunter¬ 
suchungen  über  den  Einfluss  von  organischen  Substanzen  auf  den 
Gang  der  Tuberkuloseinfektion  beim  Meerschweinchen.  (Schluss.) 

Die  Untersuchungen  ergaben,  dass  gegenüber  der  die  Virulenz 
von  Tuberkelbazillen  abschwächenden  und  vernichtenden  Wirkung 
nativer  Organe  bei  der  Anwendung  von  Thymusdekokten  diese  Wir¬ 
kung  ausbleibt,  in  gewissem  Masse  aber  sich  einstellt  wenn  der 
1  hymusdekokt  mit  einem  Lymphdrüsendekokt  gemischt  wurde.  Ueber 
die  Beeinflussung  des  tuberkulösen  Prozesses  durch  die  verschiedene 
Kombination  von  Organextrakten,  Organdekokten,  Filtraten  und.  Tu¬ 
berkelbazillenmischung  selbst  muss  das  Original  Aufschluss  geben. 

Bergeat  -  München. 

Spanische  Literatur. 

R.  Coderque:  Ueber  die  angebliche  vasodilatatorische  Wir¬ 
kung  des  Stovains.  (Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct.,  7.  Sept.  1907.) 

Im  Gegensatz  zu  der  Vasokonstriktionswirkung  des  Kokains 
wurde  dem  Stovain  zuerst  eine  gefässerweiternde  Wirkung  zuge¬ 
schrieben.  Diese  Meinung  ist  zwar  bereits  widerlegt,  wird  aber  den¬ 
noch  immer  noch  teilweise  vertreten.  Verfasser  hat  nun  an  Hun¬ 
den  und  Kaninchen  Versuche  angestellt,  die  beweisen,  dass 
dem  Stovain  eine  gefässverengernde  Wirkung  zukommt.  Ein  Ka¬ 
ninchen  erhielt  0,1  ccm  pro  Kilogramm  einer  1  proz..  isotonischen 
Stovainlösung;  nach  3  Minuten  setzte  an  den  Ohrgefässen  eine  Vaso¬ 
dilatation  ein,  der  rasch  eine  Vasokonstriktion  folgte,  genau  wie  bei 
Kokain.  Ein  anderes  Kaninchen  erhielt  0,019  ccm  pro  Kilogramm  mit 
dem  Erfolg,  dass  Vasokonstriktion  eintrat;  Körperarbeit,  die  das  Tier 
leisten  musste,  änderte  daran  nichts.  Sowohl  die  einfache  Betrach¬ 
tung  wie  das  Verhalten  des  Blutdrucks,  die  Beobachtung  der  Inter¬ 
digitalmembran  des  Frosches  unter  dem  Mikroskop,  der  Vergleich 
mit  vasodilatatorischen  Mitteln  bestätigten  die  Ansicht  des  Verf. 
Eine  weitere  wichtige  Bestätigung  lieferte  folgendes  Experiment: 
Einem  Kaninchen  wurde  das  oberste  Halsganglion  des  Sympathikus 
reseziert,  wonach  die  bekannten  vasodilatatorischen  Folgen  eintraten. 
Es  erhielt  nun  3  ccm,  nach  10  Minuten  2  ccm  der  1  proz.  isotonischen 
Stovainlösung,  entsprechend  0,0-19  g  pro  Kilogramm;  es  kam  zu 
energischer  Vasokonstriktion  zuerst  des  Ohres  der  anderen  Seite, 
dann  auch  des  der  operierten  Seite,  rasch  verschwand  auch  die 
Temperatursteigerung,  und  die  Pupille  erweiterte  sich  etwas.  Das 
Stovain  kann  also  selbst  dann  seine  Vasokonstriktorenwirkung  ent¬ 
falten,  wenn  den  Gefässen  ihre  Sympathikusinnervation  fehlt. 

Gömez  Ferrer:  Das  Groccosche  Symptom  bei  den  Pleura¬ 
ergüssen  der  Kinder.  (La  Medic.  Valenciana,  ref.:  Rev.  de  Med. 
y  Cir.  Präct.,  21.  August  1907.) 

Verf.  hat  an  10 — 12  Kindern  mit  meist  grossem  linksseitigem 
1  leuraexsudat  die  Angaben  G  r  o  c  c  o  s  nachgeprüft,  vermag  sie  aber 
nicht  zu  bestätigen.  Nur  einmal  konnte  er  das  rechtsseitige  ge¬ 
dämpfte  Dreieck  konstatieren;  in  allen  anderen  Fällen  fand  er  sogar 
einen  auffallend  sonoren  Schall  in  den  der  Wirbelsäule  benachbarten 
Partien  der  gesunden  Seite. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2297 


Jose  Qoyanes:  Radiotoglsche  Untersuchung  der  Magen- 
motilität  nach  Gastroenterostomie.  (El  Siglo  Medico,  10.  August  1907.) 

Der  neue  Pylorus  verhält  sich  wie  der  alte  und  nicht  wie  eine 
einfache  Oeffnung;  er  leistet  dem  Durchtritt  von  Flüssigkeiten  und 
Gasen  Widerstand  und  hält  den  Mageninhalt  kürzere  oder  längere 
Zeit  zurück.  Die  Entleerung  des  Magens  geht  ungefähr  in  der 
gleichen  Zeit  vor  sich  wie  im  normalen  Magen;  die  dazu  nötige 
motorische  Kraft  ist  dieselbe  wie  in  der  Norm.  Eine  vorhandene 
Magendilatation  wird  kaum  geändert;  sie  bedarf  zur  Rückkehr  zur 
Norm,  wenn  eine  solche  überhaupt  erfolgt,  sehr  langer  Zeit. 

J.  Codina  Castellvi:  Behandlung  der  Ankylostomiasis. 
(Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct.,  21.  Sept.  1907.) 

Codina  verfügt  jetzt  über  ein  Material  von  115  klinisch  be¬ 
obachteten  Ankylostomafällen.  Die  letzten  65  wurden  mit  ß-Naph- 
thol  behandelt;  9  davon  scheiden  aus  verschiedenen  Gründen  aus, 
sodass  56  der  Besprechung  der  Resultate  zu  Grunde  liegen.  Vor  jeder 
Naphtholdarreichung  erhielten  die  Patienten  abends  ein  salinisches 
Abführmittel;  von  da  an  bis  3  Stunden  nach  dem  Einnehmen  des 
Medikamentes  mussten  sie  nüchtern  bleiben.  Das  Naphthol  wurde  in 
zwei  Dosen  ä  1  g  8  bezw.  9  Stunden  nach  dem  Abführmittel  gegeben; 
2  Stunden  nachher  wurde  ein  Sennainfus  mit  30  g  Glaubersalz  und 
30  g  Rhabarberinfus  verabreicht.  Mit  ß-Naphthol  allein  wurden 
33  Patienten  behandelt,  von  denen  2  nach  einer  Naphtholapplikation 
völlig  wurmfrei  wurden,  während  bei  9  zwei,  bei  12  drei,  bei  6  vier 
und  bei  4  fünf  Darreichungen  nötig  wurden;  die  Wiederholung  der 
Naphtholgaben  fand  stets  nach  einem  Zwischenraum  von  4  bis 
7  Tagen  statt.  Die  grössten  Wurmmengen  gingen  fast  ausnahmslos 
bei  der  ersten  Naphtholdarreichung  ab;  83  Proz.  aller  abgegangenen 
Würmer  wurden  bei  der  ersten  Darreichung  gefunden.  —  21  weitere 
Fälle  erhielten  nicht  gleich  Naphthol,  sondern  vorher  Benzonaphthol 
(2g),  18  davon  das  erstemal  Benzonaphthol,  dann  ß-Naphthol,  3  die 
zwei  ersten  Male  Benzonaphthol.  Von  den  18  ersten  gingen  nur  bei 
6  auf  Benzonaphthol  Würmer  ab,  von  den  3  zweimal  mit  Benzonaph¬ 
thol  behandelten  ging  das  erstemal  bei  keinem  ein  Wurm  ab,  das 
zweitemal  bei  2.  Zwei  Kranke  erhielten  das  erstemal  2  g  Salol;  kein 
Wurm  ging  ab,  während  die  erste  Gabe  ß-Naphthol  sofort  wirkte. 
Ein  Vergleich  der  mit  ß-Naphthol  erzielten  Resultate  mit  dem  bei 
der  Darreichung  von  Chloroform  und  Eukalyptol  Erreichten  beweist 
die  Ueberlegenheit  der  ersteren:  Während  auf  die  erste  Darreichung 
von  Chloroform  und  Eukalyptol  nur  Vs  aller  Würmer  abgingen,  er¬ 
schienen  auf  die  erste  Naphtholgabe  %,  (und  cfr.  oben  in  der  letzten 
Serie  sogar  83  Proz.);  die  beiden  ersten  Darreichungen  brachten  bei 
jenen  zusammen  %,  bei  diesem  9/io  aller  Parasiten  zum  Vorschein. 
Während  hier  höchstens  6  Darreichungen  im  ungünstigsten  Falle  nötig 
waren,  kam  man  dort  bis  auf  11  Gaben.  Dem  ß-Naphthol  ist  daher 
der  Vorrang  vor  allen  anderen  Mitteln  bei  der  Ankylostomiasis  zu¬ 
zuteilen. 

C.  Juarros:  Heilung  zweier  Fälle  von  Meningitis  durch 

L  umbalpunktion.  (El  Siglo  Medico,  27.  Juli  1907.) 

Im  ersten  Falle  (8  jähr.  Kind)  handelte  es  sich  um  eine  eitrige 
Meningitis,  die  mit  Schmerzen  im  Ohr  begann,  ohne  dass  spezialisti- 
sche  Untersuchung  dort  etwas  Krankhaftes  finden  konnte.  Am 
5.  Krankheitstage,  im  tiefsten  Koma  mit  weiten  reaktionslosen  Pu¬ 
pillen,  wurden  25  ccm  eitriger,  am  nächsten  Tage  30  ccm  klarer 
Flüssigkeit  abgelassen,  unter  sofortiger  Besserung  des  ganzen  Bildes. 
Am  10.  Tage  Verschlimmerung,  Entleerung  von  40  ccm  eitriger 
Flüssigkeit,  am  nächsten  Tage  von  31  ccm  klarer  Flüssigkeit;  8  Tage 
später  völliges  Wohlbefinden.  —  Im  2.  Fall,  ebenfalls  einem  8  jähr. 
Kind,  war  starke  tuberkulöse  Belastung  vorhanden:  3  Geschwister 
waren  an  tuberkulöser  Meningitis  gestorben,  das  Kind  selbst  hatte  an 
tuberkulöser  Gelenkaffektion  gelitten.  Die  Symptome  entsprachen 
einer  tuberkulösen  Meningitis;  am  6.  Tage  wurden  40  ccm,  am  9.  noch¬ 
mals  40  ccm  klarer  Flüssigkeit  entzogen;  Heilung  in  einigen  Tagen.  — 
Der  2.  Fall  scheint  nicht  ganz  beweisend;  es  könnte  sich  hier  auch  um 
eine  Meningitis  serosa  gehandelt  haben;  in  dem  ersten  dürfte  jedoch 
eine  Heilwirkung  der  Punktion  auf  eine  vollentwickelte  eitrige  Menin¬ 
gitis  nicht  anzuzweifeln  sein. 

M.  Verdejo  M  artin  ez:  Behandlung  der  Milzbrandpustel 
mittels  Exzision.  (Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct.,  14.  Sept.  1907.) 

Verf.  exstirpiert  die  Milzbrandpustel,  indem  er  einen  Konus  aus¬ 
schneidet,  dessen  Basis  auf  der  Haut  einen  Durchmesser  von  ca.  1  cm 
und  mehr  hat.  Er  lässt  lange  bluten,  reinigt  dann  mit  2  proz.  Karbol¬ 
säure  und  bringt  2 — 3  Tropfen  Jodtinktur  auf  die  Wunde;  nach  Ver¬ 
dunsten  des  Alkohols  Verband  mit  2  proz.  Karbolsäure.  Zweimal  täg¬ 
lich  wird  unter  peinlicher  Reinigung  der  Wunde  die  Behandlung  mit 
Jodtinktur  und  der  Verband  erneuert.  Unter  diesem  Verfahren  geht 
Oedem  und  Rötung  innerhalb  5 — 10  Tagen  zurück,  dann  lässt  man 
die  Wunde  unter  Jodoformverband  ausheilen.  Das  Verfahren  ist 
einfach,  die  Heilung  rasch,  die  Narbe  geringer  als  bei  Kauterisierung, 
und  die  entstehende  Hämorrhagie  ist  etwas  günstiges.  Verf.  hat  unter 
11  Fällen  keinen  verloren. 

R.  Tu  r  rö:  Die  Pest  in  Barcelona.  (Gac.  Med.  Catal.,  15.  Sep¬ 
tember  1907.) 

Bakteriologische,  klinische  und  epidemiologische  Notizen,  zu 
einem  kurzen  Referat  nicht  geeignet. 

A.  Fernändez  de  Ibarra:  Wiederauftauchen  des  gelben  Fiebers 
in  Cuba.  (Gac.  med.  Catalan  1907,  15.  und  31.  Juli,  15.  August.) 

Die  Abhandlung  polemisiert  gegen  die  Theorie,  dass  das 
Weibchen  der  Stegomya  fasciata  der  einzige  Ueberträger  des  gelben 


Fiebers  sei.  Die  Hauptargumente  sind:  1.  dass  trotz  des  heftigen 
Kampfes  gegen  den  Moskito  1905  sich  wieder  eine  neue  Gelbfieber¬ 
epidemie  einstellte,  die  bis  Juni  1906  innerhalb  8  Monaten  89  sichere 
Erkrankungen  mit  37  (=  41,57  Proz.)  Todesfällen  verursachte,  und 
dass  dabei  gerade  diejenigen  Teile  der  Insel  befallen  wurden,  in  denen 
der  Vertilgungskrieg  am  energischsten  geführt  worden  war,  und 
2.  dass  sich  aus  den  offiziellen  Berichten  mindestens  9  Fälle  feststellen 
lassen,  in  denen  sicher  seit  6  und  mehr  Tagen  keine  Gelegenheit  mehr, 
mit  den  Moskitos  in  Berührung  zu  kommen,  gegeben  war,  während 
die  längste  Inkubationszeit  des  gelben  Fiebers  5  Tage  beträgt. 

Monturi  ol:  Ichthyol  bei  der  Behandlung  der  Narbenkeloide. 
(Arch.  de  Ginecopat.,  Obst,  y  Ped.,  Ref.:  Rev.  de  Med.  y  Cir.  Präct., 
28.  Aug.  1907.) 

Verf.  empfiehlt  10  proz.  Ichthyolvasogen,  3  mal  täglich  1  Minute 
lang  einzumassieren,  zur  Behandlung  der  Narbenkeloide;  er  hat  in 
5  Fällen  innerhalb  weniger  Monate  völliges  Verschwinden  teilweise 
grosser  Keloide  erzielt. 

J.  Cortiguera:  Der  B  o  s  s  i  sehe  Dilatator  in  der  Geburts¬ 
hilfe.  (Rev.  de.  Med.  y  Präct.,  28.  Aug.  1907.) 

Verf.  schildert  11  Fälle  (5  Erstgebärende),  die  unter  Anwendung 
des  Bossi  entbunden  wurden,  alles  schwere  Fälle.  Eine  Frau,  bei 
der  Placenta  praevia  vorlag.  ging  zu  Grunde;  alle  lebensfähigen 
Kinder  blieben  am  Leben.  Die  B.o  s  s  i  sehe  Methode  hält  Verf.  für  bei 
weitem  die  beste,  die  wir  bis  jetzt  besitzen.  Der  Apparat  ist  leicht 
zu  desinfizieren  und  anzuwenden,  arbeitet  rasch  und  erweitert  ge¬ 
nügend,  kann  auch  bei  noch  ganz  vorhandener  Zervix  angelegt 
werden,  bewirkt  keine  in  Betracht  kommenden  Zerreissungen;  die 
Blutverluste  sind  kaum  grösser  als  bei  normaler  Geburt,  stärker  waren 
sie  nur  in  2  Fällen.  Die  Geburt  erfolgt  ebenso  rasch  wie  beim 
Kaiserschnitt  und  unter  geringerer  Gefahr.  Abgesehen  von  den  ge¬ 
wöhnlichen  Indikationen  einer  schnellen  Entbindung,  die  bei  genügend 
weitem  Becken  alle  den  Bossi  erforderlich  machen,  will  ihn  Verf. 
anwenden  bei  besonders  grossem  Kopf  des  Fötus,  bei  überlanger 
Schwangerschaft,  ferner,  wenn  bereits  mehrmals  Kinder  wegen  zu 
starker  Entwicklung  tot  zur  Welt  gekommen  sind;  in  allen  diesen 
Fällen  wird  eine  durch  Bossi  vorzeitig  hervorgerufene  Entbindung 
günstigere  Resultate  zeitigen.  Bei  Placenta  praevia  ist  von  dem 
Bossi  keine  Besserung  der  Prognose  zu  erwarten. 

Font  de  Boter:  Das  Chloreton  bei  Dysphagie.  (Rev.  Barce- 
lones  de  Euferm.  de  Oido  etc.  No.  9,  Juli — Sept.  1907.) 

Verf.  prüfte  das  von  A.  Martinet  und  L.  F  i  o  c  r  e  (La  Presse 
medicale  1907,  No.  48  u.  58)  als  Mittel  gegen  Dysphagie  empfohlene 
Chloreton  mit  gutem  Erfolge  nach:  es  ist  von  den  bisher  verwendeten 
Mitteln  wohl  das  beste.  Am  einfachsten  ist  die  Insufflation  des  ge¬ 
pulverten  (nach  Fiocre  sublimierten!)  Chloretons. 

Avelino  Martin:  Ueber  den  Kehlkopfkrebs.  I.  Aetiologie  und 
Pathogenese.  (Rev.  Barcelon.  de  Enferm.  de  Oido  etc.  No.  9,  Juli 
bis  Sept.  1907.) 

Avelino  Martin  hat  in  den  letzten  5  Jahren  unter  8000  Kranken 
seines  Spezialfaches  über  100  Fälle  von  Larynxkrebs  gesehen.  Auch 
seine  Fälle  bestätigen  die  bekannte  Tatsache,  dass  der  Kehlkopfkrebs 
bei  Männern  weit  häufiger  ist  als  bei  Frauen;  unter  den  100  Fällen  be¬ 
finden  sich  nur  3  Frauen,  und  auch  bei  ihnen  war  der  Krebs  nicht 
sicher  endolaryngealen  Ursprungs.  Mehr  als  andere  Karzinomarten 
ist  der  Kehlkopfkrebs  eine  Krankheit  des  höheren  Alters  (unter 
40  Jahren:  1  Frau  von  33  Jahren,  von  40 — 50:  27  Fälle,  von  50 — 60: 
42  Fälle,  von  60 — 70:  16  Fälle,  von  70 — 80:  14  Fälle).  Die  besondere 
Häufigkeit  der  Fälle  zwischen  50  und  60  Jahren  bringt  Martin  in 
Beziehung  zur  „männlichen  Menopause“;  er  weist  auf  die  Beziehungen 
zwischen  Larynx  und  Geschlechtsfunktion  hin,  und  bringt  den  männ¬ 
lichen  Larynxkrebs  der  Involutionszeit  mit  dem  weiblichen  Uterus¬ 
krebs  der  Menopause  in  Parallele.  —  Von  sonstigen  ätiologischen 
Momenten  kommen  kaum  in  Betracht:  Beruf,  Anstrengung  der  Stimme 
(kein.  Sänger  oder  Redner),  Rauchen  (92  Raucher,  darunter  13  stark), 
Alkohol  (5  Potatoren),  Lues  (5  mit  luetischen  Antezedentien,  die  aller¬ 
dings  alle  auffallend  früh  —  zwischen  40  und  45  —  erkrankten).  Be¬ 
züglich  Heredität  verfügt  Verf.  über  2  Fälle:  einmal  Mutter  und  Sohn, 
einmal  3  Brüder  mit  Larynxkrebs.  Verf.  geht  nun  auf  die  verschie¬ 
denen  Theorien  der  Krebsentstehung  ein,  und  weist  nach,  dass  für 
eine  pathologische  Diathese  ebenso  wenig  etwas  spricht,  wie  Anhalts¬ 
punkte  für  die  parasitäre  Theorie  gefunden  sind.  Der  Krebs  ist  eine 
lokale  Affektion.  Um  diese  zu  erklären,  'genügt  aber  nicht  die  Irri¬ 
tationstheorie  und  damit  auch  nicht  die  jüngst  von  v.  Dun  g  e  r  n 
und  Werner  (,;D,as  Wesen  der  bösartigen  Geschwülste“,  Leipzig 
1907)  aufgestellte  Lehre;  für  die  bestechende  karyogamische  Theorie 
(Schleich,  H  a  1 1  i  o  n,  Roux)  fehlt  bis  jetzt  jeder  experimentelle 
Beweis.  Für  den  Kehlkopfkrebs  ist  das  einzig  Greifbare  das  Auftreten 
im  Involutionsalter  des  Mannes,  und  wir  müssen  annehmen,  dass  dieses 
eine  Prädisposition  schafft,  auf  deren  Basis  dann  die  Cohnheim. - 
sehe  Embryonaltheorie  oder  die  Hallionsche  Theorie  oder  die 
T  i  e  r  s  c  h  sehe  Grenzkriegtheorie  in  ihr  Recht  tritt. 

S.  Garcia  Mansilla:  4  Fälle  hysterischer  Blindheit.  (Rev. 
de  Med.  y  Präct.,  28.  Sept.  1907.) 

Da  nach  Angabe  des  Verfassers  bis  jetzt  erst  ca.  60  Fälle  hyste¬ 
rischer  Blindheit  bekannt  sind,  ist  die  Mitteilung  von  4  neuen  Fällen 
beachtenswert.  Es  handelte  sich  um  3  Frauen  mit  zahlreichen  hysteri¬ 
schen  Symptomen  und  1  jungen  Mann  ohne  sonstige  Symptome.  In 
allen  Fällen  erfolgte  rasche  Heilung.  M.  K  a  u  f  m  a  n  n-Mannheim. 


2298 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


Inauguraldissertationen. 

Karl  Retzlaff:  Die  diagnostische  Bedeutung  der 
Pupillenstarre  und  der  Pupillenträgheit  für  die 
Erkennung  von  Nerven-  und  Geisteskrankheiten. 
Dissertation.  Berlin  1907. 

Auf  Grund  seiner  Untersuchungen,  denen  das  Material  von  Ge¬ 
heimrat  Ziehen  zugrunde  lag,  bezeichnet  Verfasser  die  Pupillen¬ 
starre,  speziell  die  reflektorische  Pupiil  len  starre 
auf  L  i  c  h  t  e  i  n  f  a  1 1  als  ein  eminent  wichtiges  Symptom,  das  in 
erster  Linie  die  Diagnose  auf  die  Paralyse  oder  Tabes  lenkt. 
Eminent  wichtig  deshalb,  weil  es  bei  Paralyse  in  ca.  50  Proz.,  bei 
Tabes  in  ca.  80  Proz  aller  Fälle  vorkommt,  weil  es  unter  sämtlichen 
zur  Beobachtung  kommenden  Fällen  von  reflektorischer  Pupillen¬ 
starre  in  70 — 80  Proz.  auf  das  Konto  dieser  Krankheiten  zu  setzen 
ist  und  ferner,  weil  es  ein  Frühsymptom  ist,  das  dem  Aus¬ 
bruch  einer  dieser  Krankheiten  10  und  mehr  Jahre  isoliert  vorausgehen 
kann.  Der  trägen  Lichtreaktion,  ebenso  der  nicht  ausgiebigen,  kommt 
ebenfalls  eine  gewisse  Bedeutung  zu,  weil  sie  das  Vorstadium  der 
Starre  ist.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  die  Pupillenstarre  bei  der 
Lues  cerebrospinalis  in  ca.  20  Proz.  der  Fälle  beobachtet  ist.  Pupil¬ 
lenstarre  auf  Licht  kommt  in  ganz  seltenen  Fällen  auch  bei  Alkoholis¬ 
mus,  Herderkrankungen  und  nach  Kopftraumen  vor.  Ferner  wird  sie 
beobachtet  im  hysterischen  und  epileptischen,  auch  urämischen  An¬ 
fall.  In  seltenen  Fällen  ist  sie  bei  Vergiftungen  konstatiert.  Ferner 
nach  Infektionskrankheiten  und  den  Zuständen,  die  ihre  Ursache  im 
Auge  selbst  haben,  z.  B.  glaukomatösen  Zuständen,  Contusio  bulbi 
usw.  Unaufgeklärt  sind  die  verschwindend  wenigen  Fälle,  in  denen 
sich  bei  Psychosen  Pupillenstarre  findet.  Das  der  fleissigen  Arbeit 
beigegebene  Literaturverzeichnis  umfasst  265  Arbeiten. 

Mit  Rücksicht  auf  die  modernen  U  n  fallbegutacht  ungs- 
aufgaben  des  Arztes  seien  2  Dissertationen  hier  nochmals  besonders 
erwähnt,  welche  sich  mit  dem  ätiologischen  Zusammenhang  zwischen 
Trauma  und  Leukämie  befassen  und  welche  hauptsächlich 
wegen  des  angeführten  kasuistischen  Materials  Beachtung  ver¬ 
dienen.  Es  sind  dies  die  Arbeiten  von  Willy  Schattmann: 
Trauma  und  Leukämie  (Halle-Wittenberg  1906)  und  die  von 
Gustav  5  c  h  i  m  e  r  t  (Greifswald  1907) :  Ueber  Leukämie  mach 
Traumen  (aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  Greifswald). 

Ueber  die  Kombinationswirkung  von  Morphium 
muriaticum  und  Chloralhydrat  bei  gleichzeitiger 
intravenöser  Applikation  berichtet  Wilhelm  Kn  eil  in 
seiner  Dissertation  (Giessen  1907).  Die  intravenöse  Injektion  von 
Morphium  muriaticum  und  Chloralhydrat  erzeugt  bei  Anwendung  re¬ 
lativ  kleiner  Dosen  eine  Kombinationswirkung  von  grosser  Energie 
und  langer  Dauer.  Die  Gesamtwirkung  ist  stärker  als  sie  durch 
Addition  der  Einzelwirkungen  erwartet  werden  könnte.  Bei  ge¬ 
eigneter  Wahl  der  Dosen  kann  eine  tiefe  Narkose  erzeugt  werden. 
Diese  Dosis  beträgt  pro  1  kg  Körpergewicht  beim  Pferd:  Morphium 
mur.  0,001 — 0,002  und  Chloral  0,06 — 0,07;  beim  Kaninchen:  Morphium 
mur.  0.01  und  Chloral  0,1;  beim  Hund:  Morphium  mur.  0,002 — 0,003 
und  Chloral  0,1.  Dem  Morphium  mur.  ist  in  der  Kombinationswirkung 
hauptsächlich  die  Lähmung  der  Sensibilität,  dem  Chloral  die  moto¬ 
rische  Lähmung  zuzuschreiben.  Die  Dauer  der  durch  die  Kombina¬ 
tionswirkung  von  Chloralhydrat  und  Morphium  erzielten  Narkose 
lässt  sich  durch  Nachspritzen  von  Morphium  mur.  in  kleinen  Dosen 
bei  beginnender  Abschwächung  der  durch  die  erste  Injektion  er¬ 
zielten  Wirkung  verlängern.  Fritz  L  o  e  b. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Berlin.  Oktober  1907. 

53.  Itzina  Fruma  Frau:  Zur  chirurgischen  Behandlung  der  Base¬ 
dow  sehen  Krankheit. 

54.  Kosakow  Izchok:  Die  konservative  Behandlung  der  entzünd¬ 
lichen  Adnextumoren. 

55.  Sudarski  Nissel  (Nissan):  Atresia  hymenalis  und  ihre  Folge¬ 
zustände. 

Universität  Freiburg.  Oktober  1906. 

38.  Bo  mm  es  A.:  Ueber  Plastik  mit  gestielten  Lappen  von  ent¬ 
fernten  Körperteilen.  Rhino-,  Melo-,  Cheiloplastik,  Plastik  an 
den  Extremitäten  und  Gelenken,  Penis  und  Skrotalplastik. 

39.  Beruti  Josue  A.:  Der  tiefe  Querstand,  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  seiner  Aetiologie. 

40.  Boehm  Marie:  Ueber  physiologische  Methoden  zur  Prüfung  der 
Zusammensetzung  gemischter  Lichter. 

Universität  Greifswald.  Oktober  1907. 

17.  Canstein  Dietrich  Ernst  Frhr.  v.:  Beitrag  zur  Frage  der  Hebo¬ 
steotomie. 

18.  Haeuptner  Willibald:  Ueber  embryonale  Adenosarkome  der 

Niere. 

19.  Zimmermann  Reinhold:  Ein  Fall  yon  eitriger  Meningitis 
(epidemischer  Genickstarre)  geheilt  durch  multiple  Lumbalpunk¬ 
tionen. 

20.  Martin  Bernhard:  Beitrag  zur  Tuberkulose  der  weiblichen 
Genitalien  und  des  Bauchfells. 


Universität  München.  Oktober^  1907. 

101.  Reich  Wilhelm:  Ein  Fall  von  angeborenem  Lymphangioma 
cysticum  des  Nackens. 

102.  Müller  Siegmund:  Ueber  multiple  primäre  Karzinome.  Kom¬ 
bination  von  Carcinoma  ventriculi  mit  Carcinoma  ovarii. 

103.  Koppel  Rudolf:  Ueber  traumatische  Wirbeltuberkulose. 

104.  Falk  Fritz:  Ueber  Sanduhrmagen, 

105.  Stolz  August:  Fettnekrose  und  Apoplexie  des  Pankreas  beim 
Menschen  und  beim  Hund. 

106.  Stumpf  Richard:  Ueber  Ikterus  neonatorum  und  Nabeleiterung. 

107.  Astinet  Franz:  Ein  Fall  von  Chondrosarkom  der  Skapula  mit 
enormer  anaplastischer  Metastasierung  in  der  Bauchhöhle. 

108.  Lew  Joseph:  Ueber  primäre  Lymphdriisentuberkulose  bei  Er¬ 
wachsenen. 

109.  Richter  Georg:  Ein  Fall  von  Thrombose  im  Sinus  longitudi¬ 
nal  i  s  superior  nach  Gelenkrheumatismus. 

110.  Karamitsas  Joannis:  Ueber  die  Wirkung  des  Lichtes  auf 
das  Ferment  Peroxydase  und  die  Sensibilisierung  durch  fluores¬ 
zierende  Stoffe. 

111.  Sklarek  Willy:  Zur  Aetiologie  des  Leberabszesses. 

112.  Erhard  Anton  Ernst  Benjamin:  Lymphangitis  carcinomatosa 
der  Extremitätenmuskulatur  bei  Cancer  en  cuirasse. 

113.  Grimm  Karl:  Ueber  Gliosarkome  des  Gehirns  bei  Patienten 
unter  30  Jahren. 

114.  Ahrens  Walter:  Zur  Kasuistik  der  käsigen  Pneumonie. 

Universität  Rostock.  Oktober  1907. 

43.  Zehn  Paul:  Die  späteren  Schicksale  einiger  Frakturen  im  Be¬ 
reiche  des  Ellenbogengelenkes. 

44.  Haug  Paul:  Ein  Fall  von  Stieldrehung  einer  Parovarialzyste. 

Universität  Tübingen.  September  1907. 

15.  Brünings  Phil.  W.:  Zur  Technik  der  Bronchoskopie. 

Oktober  1907. 

16.  Kühner  Karl  Ludwig:  Ueber  die  Epulis  und  die  Resultate  ihrer 
Behandlung. 

17.  Meyer  Alfred:  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  der 
hämorrhagischen  Retinalapoplexie  durch  Verschluss  mit  nach¬ 
folgendem  Glaukom. 


Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Bekämpfung  der  Missstände  in  Polikliniken.  —  Mittel¬ 
standskassen.  —  Wissenschaf tlich-ärztiiche  Auskunfteien.  — 
Schattenseiten  der  Unfallversicherung. 

Ganz  allmählich  haben  sich  die  Verhältnisse  in  den  Berliner 
Standesorganisationen,  und  zwar  sehr  zu  ihrem  Vorteil,  in  der 
Weise  verschoben,  dass  als  Mittelpunkt  für  die  Behandlung 
der  Tagesfragen  nicht  mehr  die  Geschäftsausschüsse  der  ver¬ 
schiedenen  Vereinsgruppen  dienen,  sondern  dass  die  Leitung 
der  Geschäfte  mehr  und  mehr  in  die  Hände  des  „Fünfzehner¬ 
ausschusses“  übergegangen  ist;  von  ihm  geht  meist  die  Ini¬ 
tiative  aus,  und  er  wird  mit  der  Ausführung  der  in  den  Vereinen 
gefassten  Beschlüsse  beauftragt.  Das  ist  nach  mehr  als  einer 
Richtung  hin  erfreulich.  Da  ihm  Vertreter  aller  Gruppen  ange¬ 
hören,  so  bildet  er  eine  Instanz,  die  über  bezw.  ausserhalb  der 
Parteien  steht  —  zwischen  denen  übrigens  keine  schroffen 
Gegensätze  mehr  existieren  — ,  was  durch  Vermittlung  des 
Eünfzehnerausschusses  besprochen  und  beschlossen  wird,  gilt 
als  der  Ausdruck  der  Ansichten  der  ganzen  Gross-Berliner 
Aerzteschaft,  und  die  Standesfragen  und  Standesinteressen 
finden  nach  innen  und  nach  aussen  eine  einheitliche  Vertretung. 
Die  Folge  davon  ist,  dass  die  Arbeiten  der  Vereine  sich  frucht¬ 
barer  gestalten  und  mit  grösserem  Erfolge  praktischen  Zielen 
nachgehen.  Zwei  Hauptfragen  sind  es,  denen  zurzeit  die  Auf¬ 
merksamkeit  zugewendet  wird:  die  Missstände  in  den  Poli¬ 
kliniken  und  die  Mittelstandskassen.  Die  Fragen  sind  nichts 
weniger  als  neu,  und  besonders  die  erstere  zieht  sich  als  ein 
scheinbar  notwendiges  Uebel  durch  Jahrzehnte  hindurch. 
Schon  von  Jahresfrist  hatte  der  Fünfzehnerausschuss  die  Frage 
in  Angriff  genommen,  seinen  Bestrebungen  kam  das  verständ¬ 
nisvolle  Interesse,  welche  Herr  v.  Berg  in  ann  den  ärztlichen 
Standesfragen  widmete,  zu  gute,  und  so  wurde  für  die  überaus 
stark  frequentierte  chirurgische  Universitätspoliklinik  die  Be¬ 
stimmung  getroffen,  dass  die  erste  Konsultation  zwar  jedem 
gewährt  wird,  zur  weiteren  Behandlung  aber  nur  solche  Pa¬ 
tienten  zuzulassen  sind,  welche  wissenschaftliches  Interesse 
bieten  oder  zu  Lehrzwecken  geeignet  sind  oder  unbemittelt 
sind,  ohne  ein  Anrecht  auf  anderweitige  freie  ärztliche  Behänd- 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2299 


lung  zu  haben.  Diese  Bestimmung  wurde  auch  ganz  exakt 
durchgeführt,  und  eine  ganz  erhebliche  Anzahl  von  Patienten 
wurde  von  der  Weiterbehandlung  ausgeschlossen.  Dabei 
zeigte  sich,  dass  weder  ein  Mangel  an  Unterrichtsmaterial,  noch 
ein  Mangel  an  wissenschaftlichem  Material  zu  beklagen  war. 
Es  zeigte  sich  aber  noch  eine  andere,  recht  auffallende  Er¬ 
scheinung:  ein  beträchtlicher  Prozentsatz  der  Zurückgewie¬ 
senen  wurde  später  von  ihren  Aerzten  wieder  in  die  Poliklinik 
geschickt.  Ehe  diese  Angelegenheit  weiter  verfolgt  werden 
konnte,  wurde  uns  Herr  v.  Bergmann  leider  durch  den  Tod 
entrissen,  und  damit  schlief  die  Sache  vorläufig  ein.  Nunmehr 
ist  sie  aber  auf  Anregung  des  Fünfzehnerausschusses  wieder 
aufgenommen  worden.  In  einer  Besprechung,  welche  Herr 
Geheimrat  Bier  und  seine  Assistenten,  die  Professoren 
Klapp  und  Schulze  mit  der  Polikliniken-Kommission  des 
Fünfzehnerausschusses  hatten,  wurde  von  den  Ersteren  in  ent¬ 
gegenkommender  Weise  zugesagt,  dass  mit  dem  1.  November 
das  seinerzeit  von  Herrn  v.  Bergmann  eingeführte  Regle¬ 
ment  wieder  Geltung  gewinnen  solle,  insbesondere  also,  dass 
Patienten,  welche  nicht  für  Forschungs-  und  Unterrichtszwecke 
in  Betracht  kommen,  von  der  weiteren  Behandlung  ausge¬ 
schlossen  werden.  Gleichzeitig  wird  an  die  Berliner  Aerzte 
die  dringende  Aufforderung  gerichtet,  Patienten,  denen  die 
weitere  Behandlung  in  der  chirurgischen  Universitätspoliklinik 
versagt  wurde,  nicht  wieder  dorthin  zurückzuschicken.  So¬ 
weit  sie  spezialistischer  Hilfe  bedürfen,  sollen  sie  entweder  den 
zuständigen  Armen-  bezw.  Kassenspezialärzten  überwiesen 
werden  oder,  wenn  sie  auf  solche  Behandlung  kein  Anrecht 
haben,  aber  wenig  bemittelt  sind,  den  Spezialärzten  zu  privater 
Behandlung  unter  Hinweis  auf  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse 
des  Kranken.  Wenn  der  erneute  Versuch  in  der  chirurgischen 
Universitätspoliklinik  sich  als  erfolgreich  erweisen  sollte  — 
und  die  Ergebnisse  des  Versuches  lassen  das  erwarten  —  so  ist 
damit  der  Weg  gezeigt,  auf  dem  die  unhaltbar  gewordenen 
Missstände  im  Poliklinikwesen  beseitigt  werden  können,  ohne 
dass  irgend  jemandes  Interessen  dabei  geschädigt  werden. 

Auch  gegen  die  Neugründung  von  Mittelstandskassen, 
welche  seinerzeit  eine  sehr  akute  Gefahr  bedeutete,  war  der 
Fünfzehnerausschuss  vor  ca.  2  Jahren  mit  überraschendem  Er¬ 
folge  vorgegangen.  Obwohl  man  damals  jeder  Art  von  Ver¬ 
pflichtungsscheinen  sehr  unsympathisch  gegenüberstand,  war 
es  doch  gelungen,  von  fast  allen  Aerzten  die  Unterzeichnung 
eines  solchen  zu  erlangen,  in  dem  es  als  unstatthaft  erklärt 
wurde,  mit  einer  neu  zu  gründenden  Vereinigung,  die  andere 
als  versicherungspflichtige  Personen  aufnimmt,  z.  B.  einer 
Mittelstandskasse,  ein  Vertragsverhältnis  über  Leistung  ärzt¬ 
licher  Hilfe  einzugehen.  Freilich  war  es  notwendig  gewesen, 
um  eine  genügende  Zahl  von  Unterschriften  zu  erhalten,  die 
Verpflichtung  auf  die  „neu  zu  gründenden  Vereinigungen“  zu 
beschränken  und  den  bei  Mittelstandskassen  bereits  tätigen 
Aerzten  ihren  Besitzstand  zu  gewährleisten.  Der  Revers  ent¬ 
hielt  deshalb  noch  den  ausdrücklichen  Zusatz:  „Bestehende 
Verhältnisse  werden  durch  diese  Resolution  nicht  berührt“. 
In  einem  Einzelfalle  wurde  auf  eine  Anfrage  hin  dem  Revers 
auch  die  dem  Wortlaut  entsprechende  Auslegung  gegeben,  dass 
der  Annahme  einer  freiwerdenden  Stelle  bei  einer  bestehenden 
Mittelstandskasse  nichts  im  Wege  stehe.  Wenn  somit  auch  er¬ 
reicht  wurde,  dass  die  Neugründung  solcher  Kassen,  die  bereits 
in  die  Wege  geleitet  war,  unterblieb,  so  konnten  andererseits 
die  bestehenden  Kassen  weiter  blühen;  ja  man  musste  sogar 
befürchten,  dass  ihnen  in  grosser  Menge  neue  Mitglieder  Zu¬ 
strömen  würden,  welche  ein  Interesse  an  der  Beschaffung 
billiger  ärztlicher  Hilfe  haben.  Das  ist  allerdings  bisher  nicht 
geschehen.  Andererseits  wird  den  Mittelstandskassen,  wenn 
jede  Vakanz  sofort  wieder  besetzt  wird,  unter  Genehmigung 
der  ärztlichen  Organisationen  ihr  Fortbestehen  in  aeternum 
gewährleistet,  was  sicherlich  nicht  im  Sinne  der  Aerzteschaft 
liegt  und  auch  durch  die  Rücksicht  auf  die  angestellten  Kollegen 
nicht  geboten  ist.  Es  handelt  sich  nun  darum  einen  Weg  zu 
finden,  durch  den  die  letzteren  nicht  geschädigt  werden,  den 
Mittelstandskassen  aber  der  Aerztenachwuchs  unterbunden 
und  so  nach  einer  wenn  auch  grossen  Reihe  von  Jahren  die 
Existenz  unmöglich  gemacht  wird.  Diesen  Zweck  sucht  ein 
vom  Fünfzehnerausschuss  an  die  Vereine  überwiesener  Antrag 
zu  erfüllen,  nach  dem  es  für  unstatthaft  erklärt  werden  soll,  dass 


ein  Arz+  eine  etwa  freiwerdende  Stelle  bei  einer  bestehenden 
Mittelstandskasse  annimmt.  Ueber  die  Zweckmässigkeit  und 
Berechtigung  dieses  Antrages  wird  zurzeit  viel  diskutiert.  Es 
werden  Zweifel  ausgesprochen,  ob  damit  die  Rücksicht  auf  die 
angestellten  Kollegen  gewahrt  ist.  denn  wenn  mangels  aus¬ 
reichender  ärztlicher  Versorgung  die  Kassen  zu  bestehen  auf¬ 
hören  müssen,  so  verlieren  diese  naturgemäss  ihre  Stellungen. 
Diese  Besorgnisse  werden  aber  gar  nicht  von  den  angeblich 
bedrohten  Kollegen  selbst  ausgesprochen,  und  diese  haben 
u.  E.  gar  keinen  Grund  dazu,  denn  die  eventuelle  Auflösung 
der  betreffenden  Kassen  liegt  in  jedem  Fall  noch  in  weiter 
Ferne.  Wenn  diese  aber  doch  einmal  erfolgen  sollte,  so  sind 
sie  reichlich  entschädigt  dadurch,  dass  sie  bis  dahin,  wenn 
auch  nicht  formell,  so  doch  faktisch,  in  absolut  gesicherter 
Stellung  sind,  da  die  Kassen  sich  alle  Mühe  geben  müssen,  die 
vorhandenen  Aerzte  zu  behalten;  und  ferner  brauchen  sie  aus 
ihrer  Mittelstandkassenklientel  sich  nach  der  Auflösung  der 
Kasse  nur  einen  Bruchteil  als  Privatpatienten  zu  erhalten,  wozu 
sie  reichlich  Gelegenheit  haben,  um  keine  Einbusse  an  ihren 
Einnahmen  zu  erleiden.  Und  doch  ist  man  sich  darüber  klar, 
dass  es  schwieriger  sein  wird,  für  einen  neuen  Revers  die 
nötige  Unterschriftenzahl  zu  erhalten,  als  es  bei  dem  ersten  der 
Fall  war.  Der  Widerstand  dürfte  nicht  so  sehr  von  den  ange¬ 
stellten  Aerzten  ausgehen,  als  von  solchen,  die  es  zu  werden 
hoffen.  Indessen  ist  deren  Zahl  nicht  allzu  gross,  besonders  da 
jetzt  auch  nur  sehr  wenig  Vakanzen  zu  erwarten  sind.  Wird 
nunmehr  eine  Aktion  in  dem  besprochenen  Sinne  eingeleitet, 
so  dürfte  der  Erfolg  einen  Prüfstein  für  die  Fortschritte  in  der 
ärztlichen  Solidarität  abgeben. 

Von  einem  höheren  und  umfassenderen  Standpunkt  aus 
und  zu  ganz  anderem,  nämlich  didaktischem  und  wissenschaft¬ 
lichem  Zweck  plädiert  Herr  Prof.  Boas  für  ein  Zusammen¬ 
arbeiten  der  gesamten  Aerztewelt.  In  einem  in  der  Gesellschaft 
für  soziale  Medizin  gehaltenen  Vortrage  begründete  er  die  Not¬ 
wendigkeit  der  Schaffung  wissenschaftlich-ärztlicher  Aus¬ 
kunfteien.  Wohl  jeder  Arzt,  so  führte  er  aus,  hat  es  schon  als 
einen  Mangel  empfunden,  dass  manche  Patienten  und  besonders 
die  interessanteren  Fälle  mit  chronischem  Verlauf  durch  den 
Wechsel  des  Arztes  der  weiteren  Beobachtung  entzogen 
werden;  sowohl  dem  vorher  wie  dem  nachher  behandelnden 
Arzt  gehen  wichtige  Aufschlüsse  über  den  Verlauf  der  Krankheit, 
die  Klärung  diagnostischer  Schwierigkeiten,  den  Erfolg  der 
angewandten  therapeutischen  Methoden,  eventuell  über  die  Er¬ 
gebnisse  der  Obduktion  verloren,  und  die  wissenschaftliche 
Verwertung  des  Falles  bleibt  immer  eine  lückenhafte.  Der  Ver¬ 
such,  durch  Anfragen  bei  den  Kranken  selbst  oder  bei  den  Orts¬ 
behörden  die  Lücken  auszufüllen,  führt  nur  selten  zum  Ziel; 
durch  Anfragen  bei  den  Aerzten  erreicht  man  zwar  mehr,  aber 
bei  weitem  nicht  genügend.  Boas  redet  einer  höheren 
ethischen  Bewertung  des  einzelnen  Krankheitsfalles  sowohl 
seitens  des  Patienten  wie  des  Arztes  das  Wort.  Nicht  bloss  die 
Kranken  selbst,  sondern  die  ganze  leidende  Menschheit  hat  ein 
Interesse  daran,  dass  der  Verlauf,  die  Heilerfolge  und  der  Aus¬ 
gang  der  Krankheit  bekannt  werden;  und  der  jeweils  behan¬ 
delnde  Arzt  darf  den  Patienten  nicht  nur  als  „seinen  Fall“  be¬ 
trachten,  sondern  dieser  gehört  von  einem  höheren  Gesichts¬ 
punkte  aus  der  Gesamtheit  der  Aerzte.  Um  diesem  Gedanken 
praktische  Geltung  zu  schaffen,  ist  daher  die  Mitwirkung  der 
Kranken  und  der  Aerzte  nötig.  Erstere  müssen  über  Wesen 
und  Zweck  der  ärztlichen  Auskunfteien  belehrt  und  mehr  und 
mehr  daran  gewöhnt  werden,  ihren  Aerzten  auf  Verlangen 
auch  nach  Ablauf  der  Behandlung  Auskunft  über  bestimmt  zu 
formulierende  Fragen  zu  geben.  Wichtiger  ist  die  Mitarbeit 
der  Aerzte;  ihnen  fällt  die  Aufgabe  zu,  dem  anfragenden 
Kollegen  (oder  Krankenhausvorstand)  eine  möglichst  präzise 
Antwort  auf  präzise  Fragen  zu  erteilen;  für  letztere  wäre  am 
besten,  ein  bestimmtes  Formular  auszuarbeiten,  welches  die 
Rubriken:  Diagnose,  Verlauf,  Dauer,  angewandte  Therapie, 
deren  Erfolg,  Ausgang,  eventuell  Operations-  und  Obduktions¬ 
befund  erhält.  Natürlich  sollen  nicht  die  alltäglichen  und  die  in 
ihrer  Beurteilung  klaren  Fälle  Gegenstand  der  Nachforschung 
sein,  sondern  solche,  welche  geeignet  sind,  zur  Klärung  wissen¬ 
schaftlicher  noch  kontroverser  Fragen  beizutragen.  Auf  die 
Einzelheiten  der  Organisation  solcher  Auskunfteien  ging  Boas 
in  seinem  Vortrage  nicht  ein,  er  wünscht  vielmehr,  dass  diese 


2300 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No,  46. 


von  einem  Komitee  beraten  und  in  die  Wege  geleitet  werden. 
Er  war  sich  auch  von  vornherein  bewusst,  dass  sein  Vorschlag 
mancherlei  Schwierigkeiten  begegnen  wird.  Aber  wenn  es  ge¬ 
lingen  sollte,  diese  zu  überwinden,  so  würden  wir  um  eine  sehr 
wertvolle  Einrichtung  reicher  sein. 

In  derselben  Gesellschaft  besprach  Herr  Hirsch  die 
Schattenseiten  der  Unfallversicherung.  Als  die  wesentlichste 
betrachtet  er  den  ungünstigen  Einfluss,  den  eine  Rente  auf  den 
Charakter  des  Rentenempfängers  ausübt.  In  grober  Form 
zeigt  sich  dieser  Einfluss  in  der  Neigung  zur  Simulation  und  be¬ 
sonders  zur  Aggravation,  die  zu  entlarven,  zumal  bei  inneren 
una  Nervenkrankheiten,  oft  nicht  leicht  ist.  So  gelangt  mancher 
unverdient  in  den  Genuss  einer  Rente,  und  die  Simulations-  und 
Aggravationsversuche  haben  andererseits  zur  Folge,  dass  die 
Berufsgenossenschaften  misstrauisch  werden  und  nach  lang¬ 
wierigem  Streitverfahren  einem  in  der  Erwerbsfähigkeit  be¬ 
schränkten  Verletzten  die  Rente  versagt  oder  verkürzt  wird. 
Schlimmer  noch  ist  es,  dass  ein  Rentenempfänger,  der  50  Proz. 
oder  mehr  Rente  empfängt,  gewöhnlich  gänzlich  zu  arbeiten 
aufhört,  auch  wenn  er  dazu  sehr  gut  imstande  wäre.  Er 
fürchtet,  durch  Annahme  einer  einigermassen  gut  bezahlten 
Stelle  seiner  Rente  verlustig  zu  gehen  und  zieht  den  lebens¬ 
länglichen  Genuss  der  letzteren  der  Arbeit  vor.  Der  Vor¬ 
tragende  führt  eine  Reihe  von  Beispielen  dafür  an,  dass  Leute, 
welche  durch  Krankheit  oder  vor  Inkrafttreten  des  Unfallver¬ 
sicherungsgesetzes  eine  Gesundheitsschädigung  erlitten  haben, 
welche  auf  Grund  dieses  Gesetzes  sie  zum  Empfang  von  min¬ 
destens  50  Proz.  Rente  berechtigen  würde,  in  vollem  Umfang 
ihrer  Arbeit  nachgehen.  Nun  beträgt  aber  ein  grosser  Teil  der 
vom  Reichsversicherungsamt  bewilligten  Renten  25  Proz.  und 
weniger,  unter  den  Empfängern  muss  man  also  manche  ver¬ 
muten,  die  wohl  erwerbsfähig  sein  könnten.  So  geht  einerseits 
durch  überflüssig  gezahlte  Renten,  andererseits  durch  Ver¬ 
leitung  zur  Untätigkeit  ein  bedeutendes  Nationalvermögen  ver¬ 
loren.  An  die  Bemängelungen  knüpfte  der  Vortragende  Besse¬ 
rungsvorschläge.  Er  wünscht  vor  allem,  dass  die  Vertrauens¬ 
ärzte  der  Berufsgenossenschaften,  die  zwar  zweifellos  nach 
bestem  Wissen  und  Gewissen  urteilen,  aber  doch  unter  dem 
Einfluss  ihres  Abhängigkeitsverhältnisses  stehen  könnten  oder 
mindestens  als  unter  dem  Einfluss  stehend  betrachtet  werden, 
durch  vom  Schiedsgericht  ernannte  Aerzte  ersetzt  werden.  Da 
der  Begriff  und  der  Grad  der  Erwerbsfähigkeit  schwer  zu  be¬ 
stimmen  ist,  so  soll  nicht  diese,  sondern  die  Schwere  des  Un¬ 
falls  den  Massstab  für  die  Entschädigung  bilden.  Leichte  Un¬ 
fälle,  d.  h.  solche,  bei  denen  die  Gebrauchsfähigkeit  eines  Glie¬ 
des  oder  inneren  Organs  dauernd  beeinträchtigt  ist,  sollen  durch 
einmalige  Abfindung,  schwere  Unfälle  (dauernde  Gebrauchs¬ 
unfähigkeit  eines  Gliedes  oder  Organs  oder  Beeinträchtigung 
mehrerer)  durch  33/4  oder  662U  Proz.  Rente  entschädigt  wer¬ 
den.  Bei  schweren  Unfällen  soll  ebenfalls  eine  einmalige  Ab¬ 
findung  möglich  sein,  die  den  Zweck  hat,  dem  Verletzten  die 
Ausbildung  für  einen  anderen  Beruf  zu  ermöglichen.  Schliess¬ 
lich  wären  noch  Kautelen  zu  schaffen,  um  eine  Vergeudung  oder 
unzweckmässige  Verwendung  der  Abfindungssumme  zu  ver¬ 
hindern.  Der  Vortrag  blieb  nicht  ohne  Widerspruch;  man 
machte  dem  Vortragenden  den  Vorwurf  der  Verallgemeinerung 
vereinzelter  Fälle.  Dieser  Vorwurf  mag  in  gewissem  Grade 
berechtigt  sein,  und  gewiss  wird  man  ein  an  sich  ohne  Zweifel 
segensreiches  Gesetz  nicht  abgeschafft  wissen  wollen,  weil  ihm 
Mängel  anhaften.  Aber  diese  Mängel  werden  doch  vielfach 
empfunden,  das  zeigt  auch  ein  Vortrag  von  Herrn  H  o  f  f  a  im 
Deutschen  Verein  für  Versicherungswissenschaft  über  die  Nach¬ 
teile,  die  sich  vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  bei  der  Hand¬ 
habung  des  Unfallversicherungsgesetzes  ergeben  haben.  Er 
betont  die  Unsicherheit,  die  in  der  Begutachtung  überhaupt  noch 
herrscht.  Der  Begriff  des  Unfalls  steht  noch  nicht  ganz  fest, 
eine  Grenze  gegenüber  der  Gewerbekrankheit  ist  schwer  zu 
ziehen;  ferner  bieten  sich  grosse  Schwierigkeiten,  wenn  man 
den  Zusammenhang  einer  Krankheit  mit  einem  Unfall  beurteilen 
soll.  Da  diese  Schwierigkeiten  den  Verletzten  bekannt  sind, 
so  übertreiben  sie  vielfach  ihre  Beschwerden;  die  häufigen 
Untersuchungen,  denen  sie  unterzogen  werden,  und  die  sie  nicht 
selten  als  Bedrohungen  ansehen,  haben  oft  die  gleiche  Wirkung. 
Von  grosser  Bedeutung  wäre  es,  wenn  der  erste  Befund  sehr 
genau  festgelegt  würde  und  der  Verletzte  von  Anfang  an  in 


sorgfältige  Behandlung  käme.  Beides  ist  in  der  Sprechstunde 
eines  Kassenarztes,  der  in  2  Stunden  50  Patienten  zu  erledigen 
hat,  kaum  zu  erwarten.  H  o  f  f  a  wünscht,  dass  jeder  Mediziner, 
am  besten  während  des  praktischen  Jahres,  3  Monate  einen 
Unterricht  in  der  Unfallheilkunde  geniessen  solle;  auch  hält  er 
das  Gutachterwesen  für  verbesserungsbedürftig.  Gegen  die 
nervösen  Störungen,  über  die  ungemein  häufig  nach  Unfällen 
geklagt  wird,  hält  er  für  das  beste  Prophylaktikum  die  Arbeit; 
je  länger  ein  Verletzter  der  Arbeit  fern  bleibt,  um  so  schneller 
lässt  seine  Arbeitsfähigkeit  nach.  Daraus  ergibt  sich  als  ein 
weiteres  Postulat,  dass  man  den  Leuten,  deren  Arbeitsfähigkeit 
vermindert  ist,  Gelegenheit  zur  Arbeit  verschafft.  M.  K. 


Hamburger  Brief. 

(Eigener  Bericht.) 

Die  Abänderung  der  Hamburger  Aerzteordnung  vom 
21.  Dezember  1894  und  Bildung  eines  ärztlichen  Ehrengerichts 

beschäftigt  augenblicklich  wieder  die  hiesige  Aerzteschaft  in 
hervorragendem  Masse.  Die  von  der  Bürgerschaft  zu  den  be¬ 
treffenden  Senatsanträgen  gewünschten  Abänderungen,  über  die 
ich  Ihnen  vor  einem  Jahre  berichtet  habe  (cf.  diese  Wochen¬ 
schrift  1906,  No.  46,  S.  2278)  hat  der  Senat  mit  einigen  Aus¬ 
nahmen  genehmigt.  Aber  gerade  diese  Ausnahmen  entsprechen 
so  wenig  den  Wünschen  der  Aerzte,  dass  dieselben  die  Novelle 
einmütig  für  unannehmbar  erklären  und  in  dieser  Form  das 
ganze  Gesetz  ablehnen.  Da  mehrere  Punkte  desselben  sich 
auf  das  wirtschaftliche  Leben  des  Arztes  beziehen,  dürfte  eine 
Kenntnis  derselben  auch  für  weitere  Kreise  von  Interesse  sein. 

Es  sind  besonders  vier  Punkte  des  Entwurfs,  an  welchen 
die  Aerzteschaft  berechtigten  Anstoss  nimmt. 

Der  erste  Punkt  betrifft  die  Zusammen  Setzung  des 
Ehrengerichts.  Dasselbe  sollte  nach  dem  Vorschläge 
der  Bürgerschaft  aus  dem  Vorsitzenden  der  Aerztekammer 
als  Vorsitzenden,  sowie  drei  Aerzten  und  einem  Richter  als 
Beisitzer  bestehen.  Zur  Bejahung  der  Schuldfrage  sollten 
mindestens  vier  Stimmen  erforderlich  sein,  so  dass  die  Ent¬ 
scheidung  also  bei  den  ärztlichen  Mitgliedern  des  Ehren¬ 
gerichts  lag.  Hiergegen  hat  der  Senat  Bedenken.  Er  wünscht 
zwei  Juristen  und  nur  drei  Aerzte  als  Ehrenrichter,  so  dass 
mindestens  ein  Richter  seine  Stimme  bei  Bejahung  der  Schuld¬ 
frage  abgegeben  haben  muss.  Auch  dagegen,  dass  der  Vor¬ 
sitzende  der  Aerztekammer  zugleich  Vorsitzender  des  Ehren¬ 
gerichts  sein  soll,  wendet  sich  der  Senat,  da  der  Vorstand  der 
Aerztekammer  einen  Strafbescheid  von  sich  aus  erlassen 
kann,  gegen  den  das  Ehrengericht  als  Berufungsinstanz  ange¬ 
rufen  werden  soll.  Der  Senat  wünscht  daher  einen  Direktor 
des  Landgerichts  in  Hamburg  als  Vorsitzenden,  ein  we.iteres 
richterliches  Mitglied  eines  ordentlichen  hainburgischen  Ge¬ 
richts  und  drei  Mitglieder  der  Aerztekammer  als  Beisitzer.  Zur 
Bejahung  der  Schuldfrage  sollen  vier  Stimmen  erforderlich  sein. 

Der  Hamburger  Senat  traut  also  in  ehrengerichtlichen  Ent¬ 
scheidungen  den  Aerzten  weniger  zu,  als  die  preussische  Re¬ 
gierung.  Das  preussische  Gesetz,  betr.  die  ärztlichen  Ehren¬ 
gerichte  vom  25.  November  1899,  legt  sowohl  in  der  1.  Instanz 
(Ehrengericht),  wie  in  der  2.  Instanz  (Ehrengerichtshof)  die 
Entscheidung  über  die  Schuldfrage  in  die  Hände  der  Aerzte;  in 
beiden  Instanzen  fungiert  nur  e  i  n  richterliches  Mitglied  als 
Ehrenrichter  gegenüber  vier  bezw.  sechs  Aerzten. 

Der  zweite  Punkt  der  Vorlage  betrifft  das  Umlage- 
rechtder  Aerztekammer.  Nach  der  bisherigen  Aerzte¬ 
ordnung  war  die  Kammer  nur  befugt,  einen  von  ihr  festzu¬ 
setzenden  jährlichen  Beitrag  „zur  Deckung  ihrer 
Koste  n“  zu  erheben.  Die  Kammer  wünschte  diesen  Passus 
gestrichen  zu  haben,  um  in  der  Lage  zu  sein,  etwaige  Ueber- 
schiisse  im  Interesse  des  ärztlichen  Standes  (für  Reliktenver- 
sorgung  u.  dgl.)  verwenden  zu  können.  Sie  konnte  sich  auch 
hierin  auf  die  preussische  Ehrengerichtsordnung  berufen,  wo 
aus  der  Kasse  der  Aerztekammern  auch  „die  sonstigen  von  der 
Aerztekammer  beschlossenen  Aufwendungen  für  Angelegen¬ 
heiten  des  ärztlichen  Standes“  bestritten  werden  können  (§  50, 
Abs.  4  des  Gesetzes,  betr.  die  ärztlichen  Ehrengerichte). 

Aber  auch  diese  Kompetenz  geht  dem  Senat  zu  weit,  der 
der  Aerztekammer  ein  allgemeines  Recht  zur  Besteuerung  der 
Aerzte  nicht  einräumen  will. 


1 2.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2301 


Der  dritte  Punkt,  welcher  nach  seinem  Antragsteller  in  der 
Bürgerschaft  jetzt  gewöhnlich  als  B 1  i  n  c  k  m  a  n  n  scher  An¬ 
trag  bezeichnet  wird,  handelt  von  den  Ausnahmen,  wegen 
derer  ein  Arzt  nicht  ehrengerichtlich  verfolgt  werden  dürfe. 
In  der  ursprünglichen  Vorlage  des  Senats  hiess  es,  analog  dem 
preussischen  Gesetz:  Ein  Arzt,  welcher  die  nach  §  2  dieses 
Gesetzes  ihm  obliegenden  Pflichten  verletzt,  hat  die  ehren¬ 
gerichtliche  Bestrafung  verwirkt.  Politische,  wissenschaftliche 
und  religiöse  Ansichten  oder  Handlungen  eines  Arztes  als  solche 
können  niemals  den  Gegenstand  eines  ehrengerichtlichen  Ver¬ 
fahrens  bilden.  Der  angezogene  §  2  der  Aerzteordnung  lautet: 

Der  Arzt  ist  verpflichtet,  seine  Berufstätigkeit  gewissen¬ 
haft  auszuüben  und  durch  sein  Verhalten  in  Ausübung  des 
Berufs,  sowie  ausserhalb  desselben  sich  der  Achtung  wür¬ 
dig  zu  zeigen,  die  sein  Beruf  erfordert. 

Hierzu  hatte  die  Bürgerschaft  auf  Blinckmanns  An¬ 
trag  folgende  Zusätze  beschlossen:  Politische,  wissenschaftliche 
und  religiöse  Ansichten  oder  Handlungen  eines  Arztes  als 
solche,  wie  auch  seine  gemeinnützige  Tätigkeit, 
sowie  Vertragsabschlüsse  zwischen  Aerzten 
und  den  sozialen  Versicherungsorganen 
und  -anstalten  können  niemals  den  Gegen¬ 
stand  eines  ehrengerichtlichen  Verfahrens 
bilden.  Insbesondere  darf  das  Halten  öffent¬ 
lich  er  Vorträge  und  die  Leitung  von  Natur¬ 
heilanstalten  an  sich  nicht  zum  Gegenstand 
eines  ehrengerichtlichen  Verfahrens  ge¬ 
macht  werden. 

Gegen  diese  Fassung  hatte  die  Aerztekammer  energisch 
Stellung  genommen  und  war  deswegen  beim  Senat  vorstellig 
geworden.  Nach  dem  Anträge  sollten  die  gemeinnützige  Tätig¬ 
keit  des  Arztes  und  seine  Kontrakte  mit  den  Krankenkassen  etc. 
niemals  dem  Ehrengericht  unterstehen.  Ein  Arzt  darf  z.  B. 
seine  Tätigkeit  an  geschäftlichen  Unternehmungen,  an  Poliklini¬ 
ken  usw.  zu  der  unwürdigsten  persönlichen  Reklame  be¬ 
nutzen,  er  kann  bei  der  Anstellung  an  Krankenkassen  Unter¬ 
bietungen,  Bestechungen  oder  sonstige  unlautere  Mittel  an¬ 
wenden,  trotzdem  darf  er  nach  dem  Wortlaut  der  Vorlage  des¬ 
wegen  nicht  ehrengerichtlich  belangt  werden.  Durch  solche 
Einschränkungen  war  unlauteren  Bestrebungen  also  geradezu 
Gelegenheit  geboten,  sich  unter  den  Schutz  dieser  Bestim¬ 
mungen  zu  flüchten.  Der  Senat  hat  dem  Bedenken  der  Aerzte¬ 
kammer  insoweit  Rechnung  getragen,  als  er  durch  Umstellung 
der  Worte  „als  solche“  hinter  die  Worte  „und  -anstalten“  auch 
die  gemeinnützige  Tätigkeit  und  die  Vertragsabschlüsse  zwi¬ 
schen  Aerzten  und  Krankenkassen  an  sich  vor  einer  ehren¬ 
gerichtlichen  Verfolgung  ausnahm.  Aber  auch  in  dieser  Fas¬ 
sung  ist  der  Paragraph  noch  dehnbar  genug,  um  unlautere  Be¬ 
strebungen  vor  ehrengerichtlicher  Verfolgung  zu  schützen,  und 
war  für  viele  Aerzte  ein  Grund,  die  ganze  Novelle  abzulehnen. 

Der  vierte  Punkt  endlich  betrifft  die  beamteten 
Aerzte,  die  nach  der  bürgerschaf fliehen  Fassung  dem  Ehren¬ 
gericht  unterstehen  sollen,  insoweit  es  sich  um  Ver¬ 
fehlungen  in  ihrer  ausseram  fliehen  Berufs¬ 
tätigkeithandelt,  während  der  Senat  sämtliche  beamtete 
und  halbbeamtete  Aerzte  dem  ehrengerichtlichen  Verfahren 
entziehen  will,  da  sie  bereits  dem  Disziplinargericht  unterstehen. 
Der  Kampf  um  diesen  Paragraphen  datiert  von  Anfang  der  Vor¬ 
lage  an.  Die  gesamte  Aerzteschaft  Hamburgs  inkl.  den  be¬ 
amteten  Aerzten  stehen  mit  ganz  verschwindenden  Ausnahmen 
auf  Seite  der  Bürgerschaft.  Aber  der  Senat  hat  schon  in  den 
Ausschussitzungen  erklären  lassen,  dass  er  von  seinem  Stand¬ 
punkt  nicht  abweichen  will,  und  besteht  auch  jetzt  wieder  auf 
seiner  Meinung.  Da  wurden  alte  Bestimmungen  aus  dem  vor¬ 
vorigen  Jahrhundert  (Art.  17  des  Unionrezesses  und  Art.  VIII 
des  Hauptrezesses)  zitiert,  um  zu  beweisen,  dass  auch  die  halb¬ 
amtlichen  Aerzte  dem  Disziplinargesetz  unterstehen.  Trotz¬ 
dem  immer  wieder  erklärt  wurde,  dass  es  sich  nur  um  die 
ausseram  fliehe  Tätigkeit  der  Aerzte  handelte,  trotzdem 
dem  Senate  bewiesen  wurde,  dass  in  der  jetzigen  Aerzte¬ 
ordnung,  die  seit  1894  fungiert,  kein  Unterschied  zwischen 
beamteten  und  nichtbeamteten  Aerzten  gemacht  werde,  ver¬ 
blieb  der  Senat  bei  seiner  Meinung,  und  da  die  Bürgerschaft  in 
diesem  Punkt  wohl  nicht  nachgeben  wird,  so  ist  anzunehmen, 
dass  dadurch  allein  die  Vorlage  scheitern  wird. 


Die  Hamburger  Aerzte  werden  ihr  keine  Tränen  nach¬ 
weinen.  Auf  einer  allgemeinen  Aerzteversamm- 
1  u  n  g,  welche  am  10.  d.  M.  stattfand,  haben  sich  die  meisten 
Redner  gegen  die  Novelle  ausgesprochen.  Der  hiesige  Aerzt- 
liehe  Verein  hat  am  28.  d.  M.  einen  Antrag  angenommen, 
dahingehend,  dass  der  Verein  die  Novelle  zur  Aerzteordnung  in 
der  vorliegenden  Gestalt  im  Interesse  der  Aerzteschaft  für  un¬ 
annehmbar  erklärt  und  seinen  Vorstand  beauftragt,  der  Bürger¬ 
schaft  von  dieser  Erklärung  Kenntnis  zu  geben.  Endlich  hat 
auch  die  Aerztekammer  am  21.  d.  M.  Stellung  zur  Frage  ge¬ 
nommen  und  ebenfalls  beschlossen,  die  Novelle  in  der  jetzigen 
Gestalt  im  Interesse  der  Aerzteschaft  für  unannehmbar  zu  er¬ 
klären. 

Es  bleibt  nunmehr  abzuwarten,  ob  die  Bürgerschaft  trotz 
aller  dieser  Proteste  und  Vota  dem  Senatsentwurf  zustimmen 
wird.  Da  sie  selbst  in  wesentlichen  Punkten  desselben  kor¬ 
rigiert  worden  ist,  da  bei  vielen  Mitgliedern  derselben  über¬ 
haupt  wenig  Sympathie  für  die  Erweiterung  der  Disziplinar- 
befugnis  der  Aerztekammer  herrscht,  und  da  wir  jetzt  vier 
Aerzte  in  der  Bürgerschaft  besitzen,  die  unsere  Sache  zu  ver¬ 
treten  wissen,  so  besteht  allerseits  die  Hoffnung,  dass  der 
jetzige  Entwurf  niemals  Gesetz  werden  wird. 

Auch  zu  der  wieder  aktuell  werdenden  Spezialisten¬ 
frage  hat  unsere  Aerztekammer  Stellung  genommen.  In  der 
letzten  Sitzung  im  Oktober  d.  J.  wurde  beschlossen,  der  Stan¬ 
desordnung  folgende  Zusätze  zu  geben: 

1.  Die  öffentliche  Bezeichnung  als  Spezialarzt  kommt  nur 
dem  Arzte  zu,  der  seine  Tätigkeit  auf  ein  Spezialfach  be¬ 
schränkt. 

2.  Die  öffentliche  Bezeichnung  als  praktischer  Arzt  und 
Spezialarzt  wird  als  nicht  statthaft  erachtet. 

3.  Als  Spezialfächer  sind  nur  solche  Gebiete  der  gesamten 
Medizin  anzuerkennen,  deren  Beherrschung  eine  be¬ 
sondere  technische  oder  wissenschaftliche  Ausbildung 
voraussetzt,  wie  sie  das  medizinische  Universitäts¬ 
studium  und  das  praktische  Jahr  allein  nicht  zu  bieten 
vermag. 

Die  Anregung  zu  diesen  Beschlüssen  gab  die  Anfrage  eines 
Bezirksvereins,  ob  es  gestattet  sei,  sich  als  praktischer  Arzt 
und  Spezialist  zu  bezeichnen?  Die  Aerztekammer  hatte  zur 
Prüfung  dieser  Frage  einen  Ausschuss  niedergesetzt,  der  im 
Sinne  obiger  Beschlüsse  berichtete,  worauf  dieselben  zur  An¬ 
nahme  gelangten.  Sie  ist  dabei  dem  Vorgehen  vieler  preussi- 
scher  und  anderer  Aerztekammern,  der  sächsischen  ärztlichen 
Standesordnung,  sowie  vieler  ärztlicher  Vereinigungen  gefolgt, 
die  gleichlautende  oder  ähnliche  Vorschriften  erlassen  haben. 
Der  Schwerpunkt  dieser  Beschlüsse  liegt  auf  dem  Verbot  der 
öffentlichen  Bezeichnung  als  praktischer  Arzt  und 
Spezialarzt,  da  es  nach  den  jetzt  gültigen  gesetzlichen  Bestim¬ 
mungen  keinem  Arzte  verwehrt  ist,  neben  allgemeiner  Praxis 
auch  spezialistische  Tätigkeit  und  umgekehrt  auszuüben. 
Dass  mit  der  Bezeichnung  „Spezialarzt“  vielfach  Missbrauch 
getrieben  worden  ist,  wird  allerorts  zugegeben,  und  hiergegen 
einzuschreiten,  gehört  allerdings  auch  zu  den  Aufgaben  der 
Aerztekammern. 

Hamburg,  3.  November  1907.  J  a  f  f  e. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie 

vom  23.  bis  29.  September  1907. 

VI. 

Sektion  III.  Hygiene  des  Kindesalters  und  der  Schule. 

1.  Das  Fürsorgewesen  für  Säuglinge. 

Geh.  Ober-Med.-Rat  Dr.  Di  e  t  r  i  c-h -Berlin  hebt  hervor,  dass 
die  hohe  Kindersterblichkeit  ein  wirtschaftliches  und  nationales^  Un¬ 
glück  sei,  weil  zahlreiche  volkswirtschaftliche  Werte  der  Betroffenen 
zwecklos  geschaffen  und  vorzeitig  wieder  vernichtet  werden  und  weil 
die  Ursache  der  hohen  Kindersterblichkeit  zugleich  die  Widerstands¬ 
fähigkeit  der  überlebenden  Säuglinge  herabsetze  und  die  Kraft  der 
Nation  in  ihrem  Nachwuchs  schwäche. 

Eine  unerlässliche  Voraussetzung  der  Säuglingsfürsorge  ist  die 
sorgfältigste  Ermittelung  aller  tatsächlichen  Verhältnisse,  besonders 
der  Daseinsbedingungen  und  der  Sterblichkeit  der  Kinder:  Beziehung 


2302 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


der  Kindersterhlichkeffit  zur  Jahreszeit,  zur  Ernährung,  Pflege,  Klima 
etc.  etc. 

Die  Fürsorge  für  die  Säuglinge  ist  entweder  eine  allgemeine 
oder  eine  besondere,  die  eine  will  für  alle  Kinder,  letztere  nur 
für  einen  gewissen  Teil  derselben,  nämlich  für  obdachlose,  elternlose 
oder  sonst  unmittelbar  hilfsbedürftige  Kinder  sorgen. 

Die  allgemeine  Fürsorge  wirkt  durch  Belehrung  und 
praktische  Massnahmen.  Die  Belehrung  erfolgt  durch 
Merkblätter,  Broschüren,  Vorträge,  mündliche  Belehrung  seitens  der 
amtlichen  und  praktischen  Aerzte,  Wanderausstellungen,  Museen, 
Kursen  für  Mädchen  etc.  etc. 

Von  praktischen  Massnahmen  sind  wichtig  die  Förderung 
der  Qeburts-  und  Wochenbetthygiene,  Fürsorge  für  Mutter  und  Kind, 
gesetzlicher  Schutz  der  schwangeren  Frauen,  Fürsorgestellen  für 
Säuglinge  nach  Art  der  französischen  „consultations  de  nourissons“, 
Schaffung  einwandfreier  Säuglingsmilch,  strenge  Kontrolle  des  Milch¬ 
handels,  Errichtung  städtischer  Milchküchen  (die  Milch  ist  hier  in 
mehreren  Mischungen,  gegen  eine  angemessene  Bezahlung,  an  Minder¬ 
bemittelte  zu  einem  ermässigten  Preise  und  an  Arme  unentgeltlich 
abzugeben). 

In  Frage  kommen  noch  Errichtung  von  Säuglingsanstalten  (für 
die  heissen  Sommermonate  auf  dem  Wasser  (Fluss-  und  Seeanstalten), 
und  für  obdachlose  Kinder  Kinderasyle,  Fürsorge  für  elternlose  und 
uneheliche  Kinder  durch  Qeneralvormundschaft. 

Alle  Massnahmen  der  allgemeinen  und  besonderen  Säuglings¬ 
fürsorge  sind  seitens  der  Gemeindebehörde  oder  seitens  eines  Ge¬ 
meindeverbandes  einer  Zentralstelle  für  Säuglinsfür- 
sorge  zu  übertragen,  welcher  die  Oberleitung  aller  Massnahmen 
zukommt. 

T  a  u  b  e  -  Leipzig:  Eine  sichere  Statistik  der  Säuglings¬ 
sterblichkeit,  welche  die  einzelnen  Bevölkerungsschichten  unter¬ 
scheidet,  fehlt  noch,  da  die  Sterblichkeit  der  Säuglinge  der  ärmeren 
Klassen,  gegenüber  den  Unehelichen,  durch  die  Wohlhabenden  zu  sehr 
entlastet  wird.  Säuglingssterblichkeit  und  Einkommen  steht  im  unge¬ 
kehrten  Verhältnis,  deshalb  ist  die  Säuglingsfi'u sorge  eine  brennende 
Frage  für  die  Armen. 

Die  Ursachen  der  Sterblichkeit  des  1.  Monats  sind  Lebens¬ 
schwäche  und  Atrophie  inkl.  Lues,  später  Krämpfe  und  Lungener¬ 
krankungen.  Vom  2.  Monat  an  über  50  Proz.  die  Darmerkrankungen. 

Zur  Erzielung  widerstandsfähiger  Organismen  ist  eine  bessere 
Ernährung  von  Mann  und  Frau  in  der  Arbeiterfamilie  zu  erstreben. 

Die  Veränderungen  der  Kuhmilch  sind  Folgen 
der  Hitze,  welche  ein  durch  die  Sommerwärme 
widerstandsloses  Kind  schädigen. 

Die  Gemeinden  müssen  die  Gewinnung  einer  billigen,  reinen 
Vollmilch  ermöglichen,  welche  bis  zum  Konsumenten  kühl  gehalten 
werden  muss. 

Alexander  S  z  a  n  a  -  Temesvar  berichtet  über  das  ungarische 
System  der  Fürsorge  für  Kinder.  Dort  übernimmt  der  Staat  die 
Versorgung  der  der  öffentlichen  Fürsorge  bedürftigen  Kinder.  Mög¬ 
lichst  frühzeitige  Fürsorge  hat  sich  als  notwendig  erwiesen,  weii  die 
im  späteren  Alter  zur  Aufnahme  gelangenden  Säuglinge  mit  einem 
zum  Durchschnittsgewicht  immer  tiefer  sinkenden  Aufnahmegewicht 
zur  Aufnahme  kommen;  es  starben  von  diesen  zweimal  soviel  als 
von  denen,  die  mit  schwerem  Gewicht  als  der  Durchschnitt  zur  Auf¬ 
nahme  gelangen. 

Die  Versorgung  des  Säuglings  geschieht  im  ungarischen  System 
prinzipiell  bei  der  Mutter  undi  werden  ausserhauslich  erwerbstätigen 
Frauen  Stillprämien  gegeben,  damit  sie  zu  Hause  bleiben  und  säugen 
können.  Mütter,  die  keine  eigene  Wohnung  besitzen,  werden  m  i  t 
ihrem  Kinde  in  Aussenpflege  gegeben.  Nur  wenn  keine  der  beiden 
Arten  anwendbar  ist,  kommt  das  Kind  zu  einer  Pflegemutter. 

Von  den  einer  Pflegemutter  anvertrauten  Säuglingen  starben 
dreimal  soviel  als  von  jenen  Säuglingen,  die  durch  ihre  Mutter  gegen 
Stillprämie  gesäugt  wurden  und  zweimal  soviel  als  von  jenen,  die 
mit  ihrer  Mutter  in  Aussenpflege  gegeben  waren. 

Bei  gleicher  Art  der  Versorgung  ist  ein  Unterschied  zwischen 
der  Sterblichkeit  von  ehelichen  und  unehelichen  Säuglingen  nicht  zu 
konstatieren.  Die  Sterblichkeit  der  von  einer  Pflegemutter  gesäugten 
Säuglinge  ist  um  Vt  auch  noch  im  2.  Jahre  grösser  als  die  von  der 
eigenen  Mutter  gesäugten,  um  Vs  auch  noch  im  3.  Jahre  und  erst  im 
4.  Jahre  verschwinden  die  Unterschiede. 

Unter  den  eigenen  Kindern  der  säugenden  Pflegemutter,  welche 
dem  Pflegekinde  zu  Liebe  früher  entwöhnt  wurden,  sind  durch  die 
frühere  Entwöhnung  keine  Todesfälle  nachzuweisen. 

Unter  den  durch  eine  Pflegemutter  gesäugten  Kinder  ist  die 
S  o  m  m  e  r  Sterblichkeit  14  grösser  als  die  des  übrigen  Jahres. 

Hebung  des  Hebammenstandes  durch  Fortbildung  in  der  Säuglings¬ 
hygiene. 

Frau  Elsbeth  K  r  u  c  k  e  n  b  e  rg  -  Kreuznach  fordert  die  Aus¬ 
wahl  der  Hebammenschülerinnen  nach  immer  strengeren  Gesichts¬ 
punkten  (nicht  nur  ausreichende  Schulbildung,  sondern  Charakter¬ 
tüchtigkeit,  Bildungsfähigkeit  und  Neigung  zum  Berufe  müssen  ge¬ 
fordert  werden),  dafür  müsse  aber  die  pekuniäre  Lage  derselben  ge¬ 
hoben  werden  (Anstellung  von  Bezirkshebammen  mit  auskömmlichen 
Gehalt  und  ausreichend  zu  bemessender  Pension,  Sustentation  bei  Be¬ 
such  von  Fortbildungskursen). 


Die  Ausbildung  der  Hebammen  in  der  Säuglingspflege 
würde  die  grosse  Bedeutung  des  Hebammenstandes  für  Gesund¬ 
heit  und  Wehrkraft  unseres  Volkes  allen  massgebenden  Fak¬ 
toren  zu  erhöhtem  Bewusstsein  bringen. 

Brennecke  -  Magdeburg  verlangt  ebenfalls  eine  tiefere 
Durchbildung  der  Hebammen  in  der  Säuglingshygiene,  denn  die  He¬ 
bammen  mit  ihrer  gegenwärtigen  Ausbildung  seien  nicht  in  der  Lage 
in  Fragen  der  Ernährung  und  Pflege  der  Säuglinge  die  Mütter  zu 
beraten-  ,  ; 

Brenn  ecke  tritt  auch  für  Verbesserung  der  materiellen  Ver¬ 
hältnisse  der  Hebammen  ein. 

Im  Interesse  der  Säuglingshygiene  ist  eine  umfassende  Reform 
des  Hebammenwesens  zu  fordern,  zur  Unterstützung  und  Ergänzung 
ihrer  Tätigkeit  ist  aber  auch  eine  planvolle  Fürsorge  für  die  Wöch¬ 
nerinnen  zu  treffen  (durch  Gründung  von  Frauengenossenschaften  zur 
Anstellung  geschulter  Wochen-  und  Hauspflegerinnen,  durch  Gründung 
von  Wöchnerinnenasylen  und  Säuglingsheimen,  durch  Förderung  einer 
Mutterschaftsversicherung  etc.  etc.),  da  das  Wohl  und  Wehe  des 
Säuglings  untrennbar  mit  dem  der  Mutter  verknüpft  ist. 

Prof.  Fritsch-  Bonn:  Die  Frage  der  Fortbildung  der  Hebammen 
und  der  Säuglingspflege  hängt  eng  zusammen  mit  der  Hebammenfrage. 
Eine  Fort  bildung  ist  nur  möglich,  wenn  eine  Bildung  vorhanden 
ist.  Eine  bessere  Bildung  und  auch  anschliessende  Fortbildung  der 
Hebammen  in  der  Säuglingshygiene  ist  notwendig,  weil  namentlich 
auf  dem  Lande,  aber  auch  bei  der  ärmeren  Bevölkerung  in  der  Stadt, 
die  Hebamme  meist  die  erste  Beraterin  der  jungen  Mutter  ist. 
Kranke  Kinder  dürfen  Hebammen  nicht  behandeln,  bei  solchen  haben 
sie  an  den  Rat  des  Arztes  zu  verweisen,  alle  ihnen  gelehrten  Mass- 
regeln  haben  den  Charakter  der  Prophylaxe. 

Herstellung  tadelloser  Kindermilch. 

A.  Weber  -  Berlin  erklärt  für  notwendig,  dass  als  Ersatz  für  die 
natürliche  Ernährung  der  Säuglinge  Kuhmilch  von  solcher  Beschaffen¬ 
heit  in  den  Handel  kommt,  dass  sie  auch  im  ungekochten  Zustande 
ohne  Gefährdung  der  Gesundheit  getrunken  werden  kann.  Das  ist 
nur  möglich,  wenn  eine  sichere  Gewähr  dafür  gegeben  ist,  dass  die 
Milch  frei  von  Krankheitserregern,  insbesondere  auch  von  Tuberkel¬ 
bazillen  ist.  Die  bestehende  Milchkontrolle  reicht  jedoch  nicht  aus, 
um  dem  Publikum  diese  Sicherheit  zu  geben. 

Die  Keimtötung  muss  deshalb  vorerst  noch  durch  Erhitzen  der 
Milch  erfolgen;  dieses  Erhitzen  macht  die  Milch  als  Säuglingsnahrung 
nicht  unbrauchbar,  vorausgesetzt,  dass  die  Milch  vor  der  Erhitzung 
frisch  und  bakteriellen  Zersetzungen  noch  nicht  ausgesetzt  ist. 

Ob  dem  von  v.  B  e  h  r  i  n  g  und  seinen  Schülern  empfohlenen  Ver¬ 
fahren,  durch  Zusatz  chemischer  Mittel  die  Krankheitskeime  bei  Er¬ 
haltung  des  genuinen  Charakters  der  Milch  abzutöten  („Perhydrase- 
Sufonin-Milch“),  praktische  Bedeutung,  speziell  bei  der  Säuglings¬ 
ernährung,  zukommt,  muss  erst  die  Zukunft  lehren.  (Den  Zusatz  von 
Formaldehyd  zur  Säuglingsmilch  hat  bekanntlich  die  wissenschaft¬ 
liche  Deputation  für  Medizinalangelegenheiten  in  Preussen  für  unzu¬ 
lässig  erklärt.  Der  Ref.) 

Erfahrungen  über  das  System  der  Schulärzte. 

Dr.  S  t  e  p  h  a  n  i  -  Mannheim:  Das  Prinzip  des  Schularztes  im 
Hauptamte  oder  des  Berufsschularztes  ohne  Privat¬ 
praxis  kann  allein  dn  Frage  kommen,  wenn  bei  einer  grösseren 
Schulbevölkerung  neben  der  gewöhnlichen  Untersuchung  der  Lern¬ 
anfänger  und  der  allgemein  üblichen  Ueberwachung  noch  ein  näheres 
Eingehen  auf  die  Hygiene  der  Schulgebäude,  auf  eine  fortlaufende  Be¬ 
obachtung  geistig  schwacher  oder  krankhafter  Kinder  oder  gar  auf 
die  Hygiene  des  Unterrichts  verlangt  wird;  für  alle  anderen  Fälle, 
namentlich  für  Schulen  auf  dem  Lande,  genügt  das  System  neben¬ 
amtlicher  Schulärzte.  Als  Grundbedingung  aber  für  die  erfolg¬ 
reiche  Wirksamkeit  jeglichen  Systems  schulärztlicher  Tätigkeit 
ist  zu  fordern,  dass  ein  Arzt  als  vollberechtigtes  Mitglied 
in  das  massgebende  Schulkollegium  eintritt,  um  die  gesundheitlichen 
Interessen  der  Schule  und  der  Lehrer  nachhaltig  zu  vertreten. 

J.  Göppert  - Kattowitz  sagt,  dass  nach  seinen  Erfahrungen  die 
Tätigkeit  des  Schularztes  im  Nebenamt  zur  Verhinderung  von  Ueber- 
tragung  akuter  Infektionskrankheiten  stets  nur  wenig  einwirken  kann, 
nützlicher  jedoch  hat  sie  sich  erwiesen  zur  Verhütung  der  Verbreitung 
chronischer  Infektionskrankheiten;  im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose 
lässt  sie  sich  auch  noch  leistungsfähiger  gestalten. 

Notwendig  ist,  dass  der  Schularzt  persönlich  auf  die  Eltern  ein¬ 
wirke,  namentlich  soll  bei  der  Aufnahmsuntersuchung  stets  eine  Be¬ 
ratung  der  Eltern  vom  Schularzt  über  die  Pflege  des  Kindes  erfolgen. 

Zu  den  Pflichten  des  Schularztes  gehört  die  Heranziehung  sämt¬ 
licher  Fürsorge-  und  Wohlfahrtseinrichtungen  im  Interesse  der  ihm 
unterstellten  Kinder. 

Die  Wirksamkeit  des  Systems  wird  in  Frage  gestellt,  wenn  dem 
Schularzt  im  Nebenamt  mehr  als  1200  Kinder  unterstellt  werden. 

Prof.  Dr.  Axel  J  o  h  a  n  n  e  s  s  e  n  -  Christiania  berichtet  über  das 
System  der  Schulärzte  in  Norwegen  und  den  anderen  nordischen 
Ländern,  Finnland,  Schweden  und  Dänemark. 

ln  Norwegen  wurde  durch  Gesetz  vom  27.  Juli  1897  jeder  der 
höheren  öffentlichen  Schulen  obligatorisch  auferlegt,  einen  Schulazrt 
anzustellen.  Das  jährliche  Gehalt  ist  200 — 400  Kronen  (=  200 — 440  M.) 

Die  Institution  ist  für  die  Volksschule  nach  den  gemachten  Er¬ 
fahrungen  von  grosser  Bedeutung. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Als  wesentlicher  Mangel  wird  bezeichnet,  dass  die  Institution 
nicht  fest  organisiert  ist  und  keine  Zentralleitung  hat,  manchmal  ist 
auch  der  Einfluss  der  Schulärzte  auf  die  Hygiene  der  Schulen,  auf  die 
schulhygienischen  Einrichtungen,  auf  die  Stundenpläne  usw.  sehr  ge¬ 
ring.  Als  weiterer  Mangel  gilt,  dass  die  Schulärzte  nicht  zugleich 
Armenärzte  sind,  wodurch  sie  eine  ganz  andere  Kenntnis  der  Verhält¬ 
nisse  der  Schüler  haben  würden.  Von  mehreren  Seiten  wird  es  ge¬ 
tadelt,  dass  der  Schularzt  nicht  zugleich  die  kranken  Kinder  be¬ 
handeln  darf. 

In  Finnland  ist  die  Schularztfrage  gesetzlich  nicht  geregelt, 
an  den  Staatsschulen  ist  das  Institut  der  Schulärzte  nicht  eingeführt, 
dagegen  an  zahlreichen  privaten  und  kommunalen  Schulen. 

In  Schweden  wurden  bereits  1863  von  den  Elementarschulen 
Schulärzte  angestellt  und  1878  wurde  bestimmt,  dass  die  Schulärzte 
arme  kranke  Schüler  behandeln  sollen.  Der  Schularzt  ist  berechtigt,  an 
den  Verhandlungen  des  Schulkollegiums  über  schulhygienische  Fragen 
teilzunehmen.  Ein  wissenschaftlich  ausgebildeter  Hygieniker  ist  vor- 
schriftsgemäss  der  Oberleitung  der  höheren  allgemeinen  Schulen  zu¬ 
zuordnen. 

In  Dänemark  wurden  1898  die  ersten  Schulärzte  angestellt; 
die  Instruktionen  in  Kopenhagen  sind  in  den  Hauptzügen  nach  den 
Wiesbadener  Typen  ausgearbeitet.  (Gehalt:  400  Kronen  jährlich). 

Die  Frage  der  Ueberbürdung  in  der  Schule. 

Ad.  Czerny-  Breslau :  Ueberarbeitung  durch  die  Schule 
ist  für  normale  Kinder  von  keiner  Seite  erwiesen.  Die  Krank¬ 
heitssymptome,  welche  auf  Ueberarbeitung  bezogen  werden,  sind  zu¬ 
meist  Folgen  der  Wärmestauung  bei  mangelhafter  Ventilation  der 
Schulräume. 

Objektiv  feststellbare  Störungen  durch  angebliche  Ueberarbeitung 
in  der  Schule  finden  sich  nur  bei  psychopathischen  (=  nervös 
veranlagten)  Kindern. 

Prophylaktisch  kommt  eine  zweckmässige  Erziehung  der 
Kinder  im  Hause  schon  vor  und  während  des  Schulbesuchs  in  Be¬ 
tracht.  Eine  Erziehung  zum  Pflichtbewusstsein,  Beherrschung  des 
Willens  und  zur  Subordination  unter  die  Autorität  der  Eltern 
und  Lehrer. 

Die  zweckmässigste  Regelung  der  Ferienordnung. 

Regierungsrat  Dr.  L.  B  u  r  ge  r  s  t  e  i  n  -  Wien :  Zur  Beurteilung 
von  Forderungen  der  Länge  für  die  einzelnen  Ferien  fehlt  das  nötige 
exakte  Material.  Empfohlen  wird  bis  auf  weiteres  für  Mitteleuropa: 
Schulbeginn  zirka  Anfang  September,  zirka  3V3  Monate  Unterricht, 

2  Wochen  Ferien  um  Weihnachten,  dann  zirka  3  Monate  Unterricht, 

2  Wochen  Ferien  etwa  Ende  März,  dann  gegen  3  Monate  Unterricht, 
Hauptferien  Juli  und  August. 

Die  rohe  Empirie  zeigt,  dass  die  Hauptferien  allein  nicht  ge¬ 
nügen.  Schon  aus  dem  Grunde  der  ungünstigen  Lichtverhältnisse.  * 

Soweit  Dr.  Burgersteins  exaktes  Material  vorliegt,  scheint 
ihm  im  März  die  Widerstandskraft  der  Schuljugend  gegen  schädliche 
Einflüsse  sehr  gering. 

Für  alle  höheren  Schulen,  sowie  für  alle  Schulen  in  grossen  An¬ 
siedelungen  beginnen  die  Hauptferien  am  günstigsten  unmittelbar  nach 
Schluss  des  Schuljahres. 

In  gemässigten  Klimaten  ist  für  die  Hauptferien  die  beste  Zeit 
im  Jahresabschnitt  der  grössten  Tageslängen  und  höchsten  Aussen- 
temperaturen  gelegen. 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Eulenburg  verlangt  ebenfalls,  dass 
die  ausgedehntesten  Ferien  in  die  heisse  Zeit  des  Jahres  fallen  (Juli 

August). 

on  f5'i<VFerien  sollen  e’ine  jährliche  Gesamtdauer  ufon 
8U— 90  Tagen  haben,  die  Verteilung  erfolgt  wie  bisher  am  besten  in 
Anlehnung  an  die  hohen  kirchlichen  Feste  (Weihnachten,  Ostern 
Pfingsten);  bezüglich  der  Dauer  dieser  Zwischenferien  verlangt  er 
für  Weihnachten  ca.  3  Wochen,  für  Ostern  und  Pfingsten  je 
1 — 172  Wochen. 

Fürsorge  für  Schwachsinnige. 

Prof.  Dr.  W.  Weygandt- Würzburg  erörtert  die  Stufen  des 
kindlichen  Schwachsinns:  Blödsinnige  (Idioten),  Schwachsinnige 
Umbezille)  beide  dauernd  anstaltsbedürftig  — ,  Minderwertige  (De¬ 
bile)  bedingt  entlassungsfähig,  ferner  die  Arten  derselben,  wie  An- 
lagehemmung,  entzündliche  Hirnerkrankung,  thyreogene  Störung 
Uvretmismus,  Myxödem),  mongoloider  Schwachsinn,"  epileptischer 
Schwachsinn,  organische  Hirnerkrankung  (infantile  Paralyse,  Tumor, 
amaurotisch-familiäre  Idiotie  etc.). 

Er  berichtet  über  die  Entwicklung  und  den  ge  genwärti- 

f.e,”  ^  d  udelr  Sühwacllsinnigenfürsorge  (Idiotenan- 
staben  Hilfsschulen,  Fürsorgeerziehung)  und  die  Forderungen 
ur  die  Weiterentwicklung  der  Schwachsinnfür¬ 
sorge  (yerstaatlichung  und  Verärztlichuug  der  Idiotenanstalten  für 
auernd  Anstaltsbedürftige,  analog  der  Irrenfürsorge,  psychiatrische 
Leitung  Beihilfe  von  Pädagogen,  Handwerksmeistern  und  landwirt- 
sc  artliehen  Aufsehern,  Hilfsschulen  mit  Schulzwang  für  leicht 
J:  wachsinnige,  Türsorgerziehung  für  sittlich  gefährdete  und  defekte 
Kinder  etc.). 

Dr.  Fürstenheim  - Berlin-Karlshorst  berichtet  über 


230.1 


Soziale  Fürsorge  für  geistig  abnorme  Kinder. 

Er  verlangt  besondere  Heilerziehungsanstalten  für 
Kinder,  denen  mit  Spezialunterricht  allein  nicht  geholfen  ist,  die  aber 
auch  nicht  in  die  Idioten-  und  Irrenanstalten  gehören.  Zurzeit  fehle 
es  an  solchen  Anstalten,  sowie  an  einem  Kostenträger  für  das  Heil- 
erziehungsverfähren. 

Es  müssten  deshalb  die  erforderlichen  Mittel  von  Kommunen, 
Provinzen  und  Privaten  bewilligt  werden,  denn  das  Verbrechen, 
die  Prostitution,  Vagabondage,  Geisteskrankheiten  rekrutieren  sich 
gerade  aus  den  Kreisen  derjenigen  Kinder,  die  der  Heilerziehung  be¬ 
dürfen  und  durch  Heilerziehung  zu  retten  sind. 

1.  Die  Leitung  der  Heilerziehungsanstalten  ge¬ 
bührt  spezialistisch  vorgebildeten  Männern,  welche  die  besondere  Er¬ 
fahrung  und  die  besonderen  Methoden  zum  ärztlich-psychologischen 
Verständnis  der  Kinder  und  zu  ihrer  ärztlich-erzieherischen  Behand¬ 
lung  beherrschen. 

2.  Aufgabe  des  Staates  ist  die  Förderung  wissenschaftlicher 
Bestrebungen  zur  Erforschung  der  körperlichen  und  geistigen  Ent¬ 
wicklung  normaler  und  abnormer  Kinder. 

3.  Das  Gebiet  der  Medikopädagogik  bedarf  ein  eigenes 
wissenschaftliches  Institut,  welches  die  Individualpsychologie  und 
die  Sammelforschung  organisieren  müsste.  Später  muss  dem  Institut 
eine  Beobachtungsstation  (für  jugendliche  Angeschuldigte,  für  Für¬ 
sorgezöglinge  etc.),  auch  eine  Muster-  und  Uebungsschule  angeglie¬ 
dert  werden,  wie  Japan  sie  schon  heute  besitzt. 


Äerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  am  19.  August  1907,  abends 
7  Uhr,  im  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek,  zugleich 
Eröffnungssitzung  im  Neubau,  Viktoriaallee  9. 

Vorsitzender:  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer :  Herr  Cahen-ßrach. 

Herr  Moritz  Schmidt-Metzler:  Im  Namen  der 
Senckenbergischen  Stiftung  biete  ich  dem  Aerztlichen  Verein 
in  dem  neuen  Sitzungssaale  herzlichen  Willkommgruss.  Möge 
der  Verein  den  Geist  Senckenbergs  mit  herüberbringen 
in  diesen  neuen  Raum.  Möge  er  ausser  der  wissenschaftlichen 
Betätigung  auch  nicht  ermüden  in  der  Sorge  für  die  sozialen 
Verhältnisse  des  ärztlichen  Standes.  Ich  bitte  die  Herren,  die 
Räume  des  Bibliothekgebäudes  besichtigen  zu  wollen,  insbe¬ 
sondere  die  Bibliothek  selbst,  deren  Benützung  auch  dadurch 
erleichtert  worden  ist,  dass  die  entliehenen  Bücher  dem  Ent¬ 
leiher  auf  Wunsch  zugeschickt  werden.  Für  alle  Anregungen, 
die  etwaige  Mängel  betreffen,  sind  wir  dankbar  und  zur  Ab¬ 
stellung  derselben  bemüht.  Ich  wünsche  dem  Aerztlichen 
Verein  ein  kräftiges  Vivat,  crescat,  floreat! 

Herr  Sippel:  Festrede. 

Es  folgt  sodann  der  Vortrag  des  Herrn  Ehrlich:  Distri¬ 
butive  Therapie  und  Gewebsaffinitäten.  (Der  Text  ist  nicht 
eingegangen.  Anm.  des  I.  Schriftführers.) 

Ordentliche  Sitzung  am  2.  September  1907, 
abends  7  Uhr,  im  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek. 

Vorsitzender:  Herr  Sippel. 

Schriftführer :  Herr  Seligmann. 

Protokollverlesung. 

Herr  Al  brecht:  Demonstrationen  aus  dem  pathologischen 
Institut. 

Herr  Ludwig  Rehn:  Ueber  maligne  Kiefer-  und  Gesichts¬ 
tumoren. 

Vortragender  geht  einleitend  von  der  Tatsache  aus,  dass 
nur  wenige  eingehende  und  über  längere  Beobachtungsdauer 
berichtende  Statistiken  über  Kiefer-  und  Gesichtskarzinome 
existieren  und  dass  dieser  sichtliche  Mangel  zu  der  Ansicht  ge¬ 
führt  hat,  die  operative  Prognose  quoad  Dauerheilung  sei  eine 
absolut  traurige.  Allerdings  ist  das  Wachstum  der  epithelialen 
Kiefer-  und  Gesichtskrebse  ein  sehr  stürmisches,  der  Kräfte¬ 
verfall  ein  schneller,  das  Leiden  selbst  eine  Quelle  heftigster 
neuralgischer  Schmerzen  und  qualvoller  anderer  Beschwerden. 
Viele  Autoren  sahen  ihre  sämtlichen  Fälle  an  Rezidiv  erkran¬ 
ken,  die  meist  schon  innerhalb  des  ersten  Jahres  eintraten. 
Diese  Beobachtung  fordert  zu  kühnem,  ja  rigorosem  Handeln 
auf.  Der  furchtbare  Charakter  der  Erkrankung  rechtfertigt 
den  Eingriff  selbst  bei  weiter,  über  eine  ganze  Gesichtshälfte 
sich  erstreckender  Verbreitung.  So  hat  R  e  h  n  im  Jahre  1897 
den  Proc.  alveolaris  des  rechten  Oberkiefers  bei  einem  59  jähri- 


2304 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


gen  Mann  entfernt.  Ein  Jahr  darauf  trat  ein  gleichseitiges,  im 
folgenden  Jahr  ein  linksseitiges  Rezidiv  auf.  Beiderseitige 
totale  Oberkieferresektion  brachten  bis  heute,  wo  der  Mann 
demonstriert  wird,  Dauerheilung.  Ein  zur  Zeit  der  Operation 
17  jähriger  Mann  mit  kleinzelligem  Sarkom  des  linken  Ober¬ 
kiefers,  ist  gleichfalls  kraft  der  sehr  energischen  Therapie  seit 
7  Jahren  rezidivfrei.  Einem  55  jährigen  Kranken  wurden  1905 
der  linke,  karzinomatös  erkrankte  Oberkiefer,  das  Jochbein  und 
Wange,  Bulbus  mit  Augenlidern  entfernt,  der  grosse  Defekt 
durch  eine  Plastik  aus  der  Stirnhaut  gedeckt.  Ein  Rezidiv  ist 
bisher  ausgeblieben.  Die  gleiche  Operation  wurde  bei  einer 
45  jährigen  Frau  ausgeführt,  die  VA  Jahre  post  operationem 
an  Hirnhautmetastasen  zugrunde  ging.  Bei  einer  vorgestellten 
Patientin  forderte  die  Ausdehnung  der  Neubildung  Beseitigung 
des  Auges,  des  knöchernen  Nasenskelettes,  Eröffnung  und 
Pacquelinisierung  sämtlicher  Nebenhöhlen.  Der  enorme  Defekt 
wurde  durch  Plastik  nach  einigen  Wochen  gedeckt.  Prinzipiell 
sind  Kiefer-,  Stirn-,  Keilbein-  und  Siebbeinhöhlen  auszuräumen. 
Sämtliche  Fälle  werden  durch  instruktive  photographische  Auf¬ 
nahmen  vor  und  nach  der  Operation  und  die  dazugehörigen 
pathologisch-anatomischen  Präparate  illustriert.  Rehn 
schliesst  mit  dem  Ausblick,  dass  eine  systematisch  durchge¬ 
führte  Beobachtung  der  operierten  Kranken  noch  ungeahnte 
Dauerresultate  zeitigen  wird. 

Diskussion:  Herr  V  o  h  s  e  n :  Die  soeben  vorgestellten  Pa¬ 
tienten  mit  den  kolossalen  Defekten  legen  den  Wunsch  nahe,  den 
auch  die  Gynäkologen  so  laut  äussern,  es  möchten  die  Diagnosen  auf 
Karzinom  frühzeitiger  gestellt  werden.  Es  ist  gerade  bei  den  Prä¬ 
dilektionsstellen  für  Karzinom  der  Nase  in  Kieferhöhle  und  Siebbein 
leicht  möglich,  Stücke  zur  Untersuchung  zu  gewinnen.  Bei  Anbohrung 
der  Kieferhöhle  vom  unteren  Nasengang  liefert  die  Trephine  mit  dem 
Bohrkern  ein  Stück  Schleimhaut.  Auch  die  Endoskopie  der  Höhle 
ist  dringend  zu  empfehlen. 

Herr  Vohsen:  Demonstration  von:  F.  P  e  r  e  z,  Oreille  et  En- 

cephale,  ein  in  Buenos  Aires  erschienenes  Prachtwerk  mit  teilweise 
vergrösserten  Photographien  von  plastischer  Wirkung.  Alle  für  den 
Chirurgen  wichtigen  Verhältnisse  sind  im  Text,  in  Schnitten  und 
Präparaten  trefflich  dargestellt. 

Herr  Selig  mann:  Demonstration  von  Serien  mikroskopischer 
Felsenbeindurchschnitte  am  Epidiaskop. 

1.  Fibrosarkom  des  Akustikus.  Makroskopischer  Befund:  Ueber- 
walnussgrosser  Tumor,  aus  dem  linken  Kleinhirn  hervorwachsend, 
drückt  nach  vorn  auf  Trigeminus,  Fazialis  und  Akustikus,  den  er 
umwachsen  hat  und  dem  er  in  das  Felsenbein  folgt.  Er  ist  klein- 
höckrig,  grauweiss,  hängt  mit  dem  Pons  nicht  zusammen;  die  hinter 
dem  Akustikus  liegenden  Nerven  sind  frei,  nur  etwas  komprimiert. 
Mikroskopisch:  Der  innere  Gehörgang  ist  erweitert,  die  Wand  arro- 
diert,  darin  liegen  Tumor  und  Nerv  nebeneinander,  der  N.  acusticus 
ist  bis  auf  einen  schmalen  Strang  atrophisch  und  an  die  Wand  ge¬ 
drückt.  Nach  dem  Vorhof  zu  wächst  der  Tumor  in  die  Lamina 
cribrosa  hinein,  wo  der  Ramus  vestibularis  N.  acustici  völlig  in 
ihn  aufgegangen  ist.  Der  Fazialis  zeigt  noch  viel  intakte  Nerven¬ 
fasern.  Das  Gangliom  spirale  ist  besonders  in  der  basalen  Windung 
atrophisch,  das  C  o  r  t  i  sehe  Organ  in  allen  Windungen  total  atrophiert. 
Die  Reissner  sehe  Membran  fehlt  völlig.  Ueberall  im  Labyrinth 
seröse  Exsudation  als  Folge  der  Stauung.  Gestaltsveränderungen  der 
Vorhofsäckchen  sind  nicht  vorhanden,  Mittelohr  und  Gehörgang 
normal. 

2.  Schädelfraktur:  Frakturverlauf  im  Felsenbein.  Mikroskopischer 
Befund.  Die  Fraktur  verläuft  zwischen  Pauke,  Aditus  und  Tensor 
tympani  einerseits,  Schnecke  und  Bogengängen  andererseits.  Im 
Ramus  cochlearis  und  vestibularis  N.  acustici  starke  Blutungen,  die 
den  Akustikus  völlig  der  Quere  nach  durchsetzen.  Blutung  in  der 
Pauke.  Trommelfell  und  Ossikula  intakt.  Vortr.  weist  auf  die 
gewaltige  Verletzung  des  schallempfindenden  Apparates  hin,  die  im 
Ueberlebensfall  zweifellos  völlige  Taubheit  hervorgerufen  hätte. 

3.  Dehiszenz  am  Boden  der  Pauke  in  der  Nische  zum  runden 
Fenster,  welche  die  anliegende  Venenwand  des  Bulbus  v.  jugularis 
in  grosser  Ausdehnung  in  die  mit  Eiter  erfüllte  Pauke  hineinragend 
zeigt. 

4.  Missbildung  beider  Gehörorgane  bei  einem  Anenzephalus. 
Beide  Gehörorgane  zeigen  eine  völlige  Atresie  des  äusseren  Gehör¬ 
gangs  und  Mikrotie  erheblichsten  Grades.  In  dem  einen  Ohr  ist  das 
innere  Ende  des  Gehörgangs  ausgebildet,  Trommelfell  erhalten,  da¬ 
gegen  fehlen  Hammer,  Amboss  und  Stapes;  die  Pauke  ist  durch 
Septen  membranösen  und  knöchernen  Charakters  in  unregelmässige 
Höhlen  zerlegt.  Im  anderen  Ohr  ist  kein.  Trommelfell  übrig  ge¬ 
blieben,  die  Pauke  ist  auf  ein  Minimum  reduziert,  in  derselben  deutet 
nur  ein  kleiner  rundlicher  Körper  (Hammerkopf?)  und  daneben  ein 
kleines  Muskelbündel  (Tensor  tympani?)  auf  deren  Inhalt.  Vielfache 
Dehiszenzen  im  Knochen  zwischen  Paukenhöhle  und  Canalis  caroticus. 
Schnecke  normal,  Bogengänge  unregelmässig  verlaufend.  Fenestra 
rotunda  beiderseits  erhalten,  Fenestra  ovalis  verknöchert. 


5.  Felsenbein  eines  Phthisikers,  der  einige  Tage  vor  seinem 
Tode  schwerhörig  geworden  war.  Mikroskopischer  Befund:  Keller¬ 
raum  der  Paukenhöhle  von  einem  serösen  Exsudat  erfüllt,  das  das 
Ostium  tympanicum  tubae  abschliesst.  Nervus  acusticus  normal. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  18.  Juni  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Paschen. 

Schriftführer:  Herr  Campbell. 

(Schluss.) 

Diskussion  zu  dem  Vortrage  des  Herrn  T  r  ö  m  n  e  r: . 
Ueber  Abasie  (cf.  Sitzung  vom  4.  Juni  1907). 

Herr  Hess  berichtet  über  2  bemerkenswerte  Fälle  von  Abasie, 
welche  in  die  Rubrik  der  auch  von  Trommer  als  Unterform  zuge¬ 
standenen  Phobien  gehören.  In  dem  ersten  Fall,  eine  31  jährige  psycho¬ 
pathisch  hereditär  belastete  Frau  betreffend,  trat  im  6.  Monat  der 
2.  Gravidität  eine  Parese  beider  Beine  ein,  welche  ca.  1  Jahr  dauerte 
und  nach  kurzer  (11 — 12  maliger)  elektrischer  Behandlung  verging. 
Im  3.  Monat  der  6.  Gravidität  Rezidiv,  bestehend  in  Erschwerung  des 
Treppensteigens  bis  zur  vollständigen  Abasie,  kombiniert  mit  der  Un¬ 
fähigkeit,  auf  dem  Stuhl  sitzen  zu  können,  ohne  sich  festzuhalten,  weil 
sie  zu  fallen  fürchtete  —  Akathisie.  Von  objektiven  Störungen 
weder  solche  der  Motilität,  Sensibilität,  noch  der  Reflexe  nachzu¬ 
weisen,  nur  mehrere  Male  beobachtete  wechselnde  Pupillen  mit  Er¬ 
weiterung  der  rechten.  Ganz  kurzschrittig,  steif,  automatisch,  Augen 
erdwärts  geneigt.  - —  Die  suggestive  Therapie  beseitigte  die  Akathisie 
ganz,  die  Abasie  nur  vorübergehend.  —  Der  2.  Fall  betrifft  einen 
48  jährigen,  hereditär  nicht  belasteten  Maurer,  der  seit  ca.  2Vz  Jahren 
nicht  über  Eli  essen  (Platten)  gehen  kann,  ohne  Angst  und 
Versagen  der  Beine.  Objektiv  keine  Anomalien,  in  Rückenlage 
Motilität  und  Kraft  der  Beine  gänzlich  intakt.  Vielleicht  ist  diese 
Abasie  durch  krankhafte  Assoziation,  die  durch  die  Beschäftigung  des 
Plattenlegens  entstanden  ist,  bedingt.  Besserung  durch  suggestive 
Uebungstherapie,  jedoch  keine  Dauerheilung. 

Herr  Boettiger  möchte  in  dem  zweiten  von  Herrn 
Hess  berichteten  Fall  lieber  von  Zwangsvorstellungen  als  von 
Abasie  sprechen.  Auch  die  zwei  ersten  Beispiele  des  Herrn  Tröm- 
n  e  r  würde  er  anders  diagnostizieren.  B.  kann  sich  überhaupt  mit  der 
Ausdehnung  des  Begriffes  Abasie  auf  alle  möglichen  psychischen  oder 
organischen  Zustandsbilder  nicht  einverstanden  erklären,  möchte  viel¬ 
mehr  ebenso  wie  M  o  e  b  i  u  s  die  Bezeichnung  Abasie  im  Sinne  der 
C  h  a  r  c  o  t  sehen  Schule  reserviert  wissen  für  das  seinerzeit  so  klar 
und  eindeutig  herausgehobene  typische  hysterische  Krankheitsbild,  das 
•so  schön  durch  seinen  Mangel  an  anatomischer  physiologischer  Logik 
und  durch  die  innere  Inkonsequenz  charakterisiert  ist.  In  der  von 
Herrn  T  r  ö  m  n  e  r  beliebten  ausgedehnten  Anwendung  des  Begriffes 
Abasie  kann  er  keinen  Fortschritt  sehen.  Schon  wenn  man  die  hypo¬ 
chondrischen  Vorstellungen  des  Nichtgehenkönnens  bei  der  einfachen 
Hypochondrie  (im  Sinne  Hitzig-Jollys)  mit  dem  Namen  Abasie 
belegt,  so  ist  nicht  einzusehen,  warum  man  dann  nicht  auch  das 
Nichtgehen  infolge  hypochondrisch-dementer  Vorstellungen  bezw. 
Wahnideen  bei  Dementia  praecox  und  Paranoia  z.  B.  als  Abasie  be¬ 
zeichnen  soll.  Denn  Hypochondrie,  Dementia  praecox  und  hypochon¬ 
drische  Paranoia  stehen  sich  klinisch  doch  sicherlich  näher  als  diese 
Psychosen  und  die  Hysterie.  Die  hysterischen  Abasien  sind  unmoti¬ 
viert,  die  hypochondrischen  usw.  jedoch  wären  motiviert  und  von  der 
krankhaften  Vorstellung  aus  logisch.  Das  ist  ein  prinzipieller  Unter¬ 
schied.  Und  wenn  man  weiter  von  Abasie  spricht,  wenn  auch  or¬ 
ganische  Krankheiten  vorliegen,  wenn  sich  beide  Beine  verschieden 
verhalten,  wenn  sich  Muskelatrophie,  Sehnen-  und  Hautreflexver¬ 
änderungen,  besonders  Babinski  konstatieren  lassen,  mit  einem  Worte, 
wenn  vielmehr  eine  anatomische  Diagnose  am  Platze  ist,  dann  dürfte 
der  Begriff  Abasie  sich  ins  Uferlose  ausdehnen,  und  überhaupt  keinen 
diagnostischen  Wert  mehr  haben;  dann  könnte  man  in  den  Anfangs¬ 
stadien  fast  jeder  organischen  Nervenkrankheit,  solange  die  Motilitäts¬ 
störungen  in  Rückenlage  noch  wenig  oder  gar  nicht  hervortraten,  von 
Abasie  sprechen.  B.  stimmt  Herrn  T  r  ö  m  n  e  r  darin  bei,  dass  eine 
Abasie,  und  zwar  eine  hysterische  Abasie,  verschiedene  Charaktere 
zeigen  kann;  sie  kann  paretisch,  ataktisch  oder  spastisch  auftreten. 
Die  Hysterie  ahmt  ja  bekanntlich  so  ziemlich  jedes  Krankheitsbild 
nach.  Eine  hysterische  Abasie  ist  aber  nicht  paralytisch  oder  spa¬ 
stisch  usw.,  sondern  sie  täuscht  die  Paralyse,  die  Spasmen  usw.  nur 
vor  und  es  ist  Aufgabe  der  Diagnose,  nachzuweisen,  ob  jeweils  eine 
organische  Parese,  spastische  Parese,  ataktische  Parese  bezw.  Para¬ 
lyse  usw.  vorliegt,  oder  eine  Hysterie,  die  diese  verschiedenen  Formen 
der  Abasie  simuliert.  B.  ist  der  Ansicht,  dass  nur  in  diesem  Sinne 
die  Diagnose  Abasie  berechtigt  ist. 

Herr  Nonne  hält  die  Einteilung  des  Symptombildes  Abasie  in 
organische  und  hysterische  für  durchaus  berechtigt  und  der  Praxis 
entsprechend.  Andererseits  srlaubt  er,  dass  die  Störung  der  Geh¬ 
fähigkeit  bei  Psychosen  und  bei  den  Zwangszuständen  nicht  zur 
Abasie  zu  rechnen  sind,  da  sie  symptomatologisch  sich  anders  dar¬ 
stellen.  Besonders  häufig  ist  das  Bild  der  Abasie  bei  Greisen  und 
Arteriosklerotikern,  und  bietet  hier  eine  schlechte  Prognose.  N.  be- 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2305 


richtet  über  einen  Fall  von  akut  entstandener  Abasie  bei  einem 
75  jährigen  Herrn,  der  bis  dahin  körperlich  und  geistig  rüstig  gewesen 
war.  Nach  den  Erscheinungen  eines  leichten  Insults  bildete  sich  akut 
das  Bild  der  „Abasie  trepidante“  aus.  Im  Uebrigen  war  durchaus 
keine  Anomalie  auf  psychischem  und  somatischem  Gebiete  zu  kon¬ 
statieren.  Plötzlicher  Exitus  nach  14  Tagen.  Bei  der  Sektion  zeigte 
sich  ein  in  Rückbildung  begriffenes  ausgedehntes  flaches  Hämatom  der 
Dura  mater  auf  der  Basis  einer  Pachymeningitis  haemorrhag.ica. 

Die  hysterischen  Abasieformen  sind  prognostisch  ausserordent¬ 
lich  günstig,  vorausgesetzt,  dass  sie  gleich  diagnostisch  festgeteilt  und 
sofort  mit  energischer  Psychotherapie  angefasst  werden.  Diese  Fälle 
sind  in  der  Praxis  häufig  und  betreffen  ganz  vorwiegend  Kinder. 
Meistens  handelt  es  sich  um  verzärtelte  Kinder  in  reichem  Milieu. 
Auch  nach  Traumen,  speziell  Rückentraumen  kommen  bei  Kindern 
derartige  Fälle  nicht  ganz  selten  vor.  N.  konnte  alle  Fälle  prompt 
heilen.  Auffallend  ist  die  fast  ausnahmslose  Monosymptomatik  dieser 
Abasie.  Während  die  paralytischen  spastischen  und  ataktischen  For¬ 
men  der  Abasie  bekannt  sind,  ist  die  „zerebellare  Form“  der  Abasie 
offenbar  selten.  N.  sah  bisher  nur  einen  einzigen  derartigen  Fall:  Es 
handelte  sich  um  einen  Knaben,  der  im  Anschluss  an  eine  eitrige 
Otitis  media  über  Kopfschmerzen  klagte  und  bei  jedem  Versuche  zu 
stehen  und  zu  gehen  taumelte  wie  ein  Kleinhirnkranker.  Die  Trepa¬ 
nation  war  bereits  beschlossen,  als  N.  den  Kranken  sah.  Der  Diagnose 
„Hysterieabasie“  folgte  sofortige  Psychotherapie  mit  dem  Erfolg,  dass 
der  Kranke  am  nächsten  Tage  normal  ging.  Dauerheilung. 

Herr  S  a  e  n  g  e  r  schliesst  sich  in  der  Auffassung  der  Abasien 
Herrn  Trömner  an. 

Am  häufigsten  beobachtet  man  die  hysterische  Abasie,  besonders 
im  Kindesalter.  Es  gibt  aber  entschieden  auch  echte  Abasien  bei 
neurasthenischen  und  hypochondrischen  Zuständen.  Das  Symptom 
der  Angst  unterscheidet  diese  in  sehr  wesentlicher  Weise  von  der  rein 
hysterischen  Abasie.  Binswanger  hat  das  Verdienst,  zuerst  mit 
Nachdruck  auf  diese  A,rt  der  Abasie  aufmerksam  gemacht  zu  haben. 

Aber  auch  bei  organischen  Hirnaffektionen  hat  S.  den  Symptomen- 
komplex  der  reinen  Abasie  auftreten  sehen,  so  in  einem  Fall  von 
Hämatom  der  Dura  mater  und  bei  einem  doppelseitigen  Tumor  des 
Stirnhirns. 

Endlich  kommt  im  Greisenalter  gar  nicht  selten  die  trepidante 
Form  der  Abasie  vor.  Erst  kürzlich  sah  S.  einen  solchen  Fall,  bei 
dem  er  zuerst  an  eine  beginnende  Paralysis  agitans  sine  agitatione 
dachte.  In  diesem  Falle  konnte  eine  Verkalkung  der  Arterien  der 
Unterschenkel  und  Füsse  nachgewiesen  werden,  ohne  dass  es  zu  dem 
Symptom  des  intermittierenden  Hinkens  gekommen  war. 

Herr  Boettiger:  Wenn  Herr  Saenger  in  dem  von  ihm  an¬ 
geführten  Falle  erst  Abasie  diagnostiziert,  dann  bei  der  Sektion  einen 
Stirnhirntumor  konstatiert  und  daraus  den  Schluss  zieht,  dass  somit 
auch  beim  Hirntumor  Abasie  vorkomme,  so  kann  ihm  B.  in  dieser 
Gedankenreihe  nicht  folgen.  B.  würde  sich  in  solchem  Falle  einge¬ 
stehen,  dass  die  Abasiediagnose  ein  Irrtum  gewesen  war.  Die  Er¬ 
fahrungen  des  Herrn  Nonne  über  die  ausgesprochen  gute  Prognose 
der  Abasie  möchte  B.  durchaus  bestätigen.  Bezüglich  der  senilen 
Gehstörungen  gibt  B.  zu  bedenken,  ob  es  nicht  auch  in  diesen  Fällen 
bei  unseren  jetzigen  anatomischen  Kenntnissen  dieser  Zustände  zweck¬ 
mässiger  ist,  über  die  Diagnose  Abasie  hinauszugehen  und  lieber  von 
arteriosklerotischen  Ernährungsstörungen  im  Rückenmark  zu  sprechen. 

Herr  Hess  hat  sich  in  den  Meinungsstreit,  ob  der  Abasie  als 
Symptomenkomplex  eine  selbständige  Berechtigung  der  Benennung 
zukommt  oder  nicht,  absichtlich  nicht  eingemischt,  weil  die  Meinungen 
darüber  auch  bisher  geteilt  waren,  und  er  nur  durch  Mitteilung  von 
2  Fällen  zur  Erweiterung  des  Symptomenkomplexes  beitragen  wollte. 
Herrn  B  ö  1 1  i  g  e  r  gegenüber  bemerkt  er  aber,  dass  dieser  im  Irrtum 
ist,  wenn  er  Eulen  bürg  und  Ziehen  zu  den  Anhängern  der  nur 
hysterischen  Abasie  rechnet.  Letzterer  unterscheidet  vielmehr  in 
Eulen burgs  Realenzykl.  4  Formen  (die  hysterische,  hypochon¬ 
drische,  affektive  und  als  Zwangsvorstellung),  welche  auch  in  einander 
übergehen  können.  Hess  stimmt  allerdings  Trömner  darin  nicht 
bei,  von  Abasie  bei  organischen  Formen  zu  sprechen,  wenn  bei  ihnen 
die  Conditio  sine  pua  non  nicht  erfüllt  ist,  wenn  also,  wie  es  in  einigen 
Fällen  Trömner  s  schien,  in  der  Ruhelage,  wenn  auch  geringe, 
Motilitätsstörungen  vorhanden  sind.  —  Die  Prognose  anlangend,  mag 
diese  bei  jugendlichen  Individuen,  wie  sie  N  o  n  n  e  gesehen  hat,  besser 
sein,  dagegen  war  sie  jedenfalls  bei  den  2  Erwachsenen  in  bezug  auf 
Rezidive  schlecht. 

Herr  Trömner:  Schlusswort. 


Gynäkologische  Gesellschaft  in  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  24.  Oktober  1907. 

Herr  Ludwig  S  e  i  t  z  hält  einen  Nachruf  auf  das  verstorbene 
Mitglied,  Herrn  Hofrat  Gossmann. 

Herr  Prof.  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  wird  als  Mitglied  der  Gesellschaft  auf¬ 
genommen. 

Herr  Mirabeau  demonstriert  ein  von  ihm  angegebenes  Zysto- 
skop  (Fabrikant:  Reiniger,  Gebbert  &  Schall),  bei  dem 
die  Führungskanäle  für  die  Ureterehkatheter  durch  einfachen  Druck 
abgenommen  werden  können. 


Herr  Oberndorfer  demonstriert: 

a)  einen  vom  Darm  getrennten,  frei  im  Douglas  liegenden 

Appendix  epiploic. 

b)  2  weitere  kleine  Corpora  iibera  in  der  Bauchhöhle. 

c)  zahlreiche  Phlebolithen  im  Lig.  latum. 

d)  Ureter  einer  alten  Frau  mit  kleinen  Zysten  besetzt  (Ureteritis 
cystica). 

e)  Schambeine  einer  Frau,  bei  der  vor  VA  Jahr  die  Hebosteo¬ 
tomie  gemacht  worden  war.  Eine  knöcherne  Vereinigung  ist  nicht 
eingetreten. 

Diskussion:  Die  Herren :  Döderlein,  Wiener,  Obern¬ 
dorfer. 

Herr  Döderlein  demonstriert : 

a)  2’  wegen  Tubargravidität  operierte  Patientinnen. 

b)  4  wegen  Uteruskarzinom  abdominal  operierte  Kranke;  die¬ 
selben  haben  schon  am  3.  bis  4.  Tage  das  Bett  auf  kurze  Zeit  ver¬ 
lassen. 

c)  ein  Chorionepitheliom,  ausgehend  vom  Ovar,  bei  vollkommen 
gesundem  Uterus  und  gleichen  Tuben. 

d)  stielgedrehte  Ovarialzyste. 

e)  eine  Patientin,  bei  der  vor  3  Wochen  die  Hebosteotomie  ge¬ 
macht  worden  war.  Dieselbe  ist  vollkommen  gehfähig. 

f)  Präparate  aus  Tübingen,  und  zwar  6  Präparate  von  Tubar¬ 
gravidität  und  3  Uteruskarzinome,  davon  eines  mit  Gravidität. 

Diskussion:  Die  Herren :  Oberndorfer,  Theilhaber, 
Madlener.  Aman  n,  Al  brecht,  Döderlein. 

Herr  Hans  Alb  recht:  Die  Geschwülste  des  weiblichen  Geni- 
taltraktus  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Geschwulstlehre  und  die  Frage 
der  relativen  Malignität.  I.  Teil:  Chorioepitheliom.  C.horioangiom. 

Vortragender  bespricht  einleitend  im  allgemeinen  die  Bedeutung 
der  biologischen  Betrachtungsweise  und  der  experimentellen  For¬ 
schung  für  die  Geschwulstlehre  und  die  Frage  der  Malignität,  wobei 
er  im  besonderen  die  Wichtigkeit  der  zahlreichen  klinischen  Be¬ 
obachtungen  von  „relativer  Malignität“  für  die  Gesamt¬ 
auffassung  des  Problems  erörtert. 

Hierauf  sucht  A  1  b  r  e  c  h  t  im  speziellen  an  einer  ausführ¬ 
lichen  Studie  über  das  Chorionepitheliom  (1.  normale  Organ¬ 
entwicklung:  physiologische  Begrenzung  des  Wachstums,  chorio-  • 
epitheliale  Zellinvasionen,  Zottenverschleppung;  2.  Blasenmole;  3.  be¬ 
nignes  und  malignes  Chorioepitheliom)  nach  biologischen  Gesichts¬ 
punkten  zu  zeigen,  inwieweit  uns  gerade  bei  diesem  Tumor  bio¬ 
logische  Ueberlegungen  das  Verständnis  der  Geschwulstentstehung 
und  der  wechselnden  Malignität  erleichtern  und  fördern  können. 

Anschliessend  bespricht  A  1  b  r  e  c  h  t  das  Chorioangiom 
und  begründet  seine  Auffassung  desselben  als  Fehlbildung..  (Auto¬ 
referat,  zu  eingehendem  Referat  nicht  geeignet;  erscheint  in  ex¬ 
tenso  in  der  Frankfurter  Zeitschr.  f.  Pathol.,  I.  Bd.,  3.  H.) 

Die  Diskussion  wird  wegen  vorgerückter  Stunde  auf  die 
nächste  Sitzung  vertagt.  G.  W i  e ner- München. 


XX.  Französischer  Chirurgenkongress, 

abgehalten  zu  Paris  am  7.  bis  12.  Oktober  1907. 

Nach  der  Eröffnungsrede,  welche  Prof.  Berger  über  die 
Fortschritte  der  modernen  Chirurgie  hielt,  besprach  Beclere- 
Paris  das  I.  Hauptthema  des  Kongresses:  den  Einfluss  der  Röntgen¬ 
strahlen  auf  die  bösartigen  Geschwülste  und  studiert  nach  einem 
historischen  Ueberblick  und  Besprechung  der  historischen,  allgemein 
biologischen  und  klinischen  Tatsachen  der  Reihe  nach  den  Einfluss  der 
Röntgenstrahlen  auf  die  bösartigen  Geschwülste  der  Haut,  der  Schleim¬ 
häute,  der  Brustdrüse,  der  subkutanen  oder  Gefässbindegewebe  und 
der  inneren  Organe.  Bei  1.  den  Hautgeschwülsten  ist  zweifel¬ 
los  die  Radiotherapie  das  beste  Heilmittel.  Hier  versagt  nur  aus¬ 
nahmsweise  die  elektiv  zerstörende  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  und 
zwar  dann,  wenn  das  Neoplasma  rasch  wächst  und  in  die  Tiefe  über¬ 
zugreifen  droht,  wie  es  bei  den  Spindelzellen-Epitheliomen  gewöhn¬ 
lich  der  Fall  ist.  '  Auch  bei  diesen  schweren  Formen  bleibt  die  Radio¬ 
therapie  eine  nützliche  Ergänzung  der  chirurgischen  Operation.  Gegen 
die,  auf  die  Haut  beschränkten  Neubildungen  sind  die  Resultate  fast 
immer  ausgezeichnet.  2.  Die  direkt  den  Röntgenstrahlen  zugänglichen 
Schleimhäute  sind  die  mit  der  Haut  in  Verbindung  stehenden, 
in  der  Umgebung  der  natürlichen  Oeffnungen  befindlichen:  der  Augen- 
binde'haut,  der  Nase  in  geringer  Ausdehnung,  Lippen,  Wangen,  Anal¬ 
öffnung,  äusseren  Genitalien.  Die  allgemeine  Annahme,  dass  die 
X-Strahlen  gegen  die  Schleimhaut-Epitheliome  ohnmächtig  und  sogar 
schädlich  seien,  hält  B.  für  falsch;  die  schlechten  Erfolge  rühren  hier 
davon  her,  dass  die  Schleimhaut-Epitheliome  gewöhnlich  sehr  rasch 
sich  entwickeln  und  die  Periode,  während  welcher  das  Leiden  auf  die 
Schleimhaut  beschränkt  bleibt,  ohne  das  Lymphsystem  zu  befallen, 
im  Gegensatz  zu  den  reinen  Hautfällen  eine  sehr  kurze  ist.  3.  Die 
Tumoren  der  Brustdrüse  können  in  allen  Stadien  ihrer  Ent¬ 
wicklung  von  der  Radiotherapie  Nutzen  ziehen.  Unter  gewissen  Be¬ 
dingungen  und  zwar  vor  allem  bei  langsamer  Entwicklung  der  Krank¬ 
heit,  kann  die  Neubildung  ohne  Operation  unter  dem  Einfluss  der 
Radiotherapie  zum  Verschwinden  kommen,  wenn  sie  noch  auf  die 
Brustdrüse  allein  beschränkt  und  ausnahmsweise  auch,  wenn  Haut  und 
oberflächliche  Drüsen  befallen  sind.  Nach  dem  chirurgischen  Ein¬ 
griff  zeigt  sich  die  Radiotherapie  sehr  wirksam  gegen  die  Hautrezidive, 


2306 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


oft  auch  gegen  die  subkutanen  Rezidivknoten  und  die  oberflächlichsten 
Sekundärdrüsen,  bleibt  aber  ohne  Einfluss  gegen  die  tiefer  liegenden, 
im  Bereich  des  Lymphsystems  liegenden  Geschwülste.  In  allen  Fällen 
maligner,  inoperabler  Tumoren  der  Brust,  ebenso  wie  in  allen  Fällen 
von  Rezidive  nach  Operation  zeigt  sich  die  Radiotherapie  als  die  Be¬ 
handlung  der  Wahl,  welche  im  Stande  ist,  wenigstens  lokale  Heilung 
zu  bringen,  das  Allgemeinbefinden  zu  bessern,  das  Leben  zu  ver¬ 
längern,  die  Leiden  zu  mindern  und  den  Kranken  die  letzten  Illusionen 
zu  belassen.  Die  IV.  Gruppe  umfasst  die  Sarkome,  Myxome,  Fibrome, 
Lipome,  Chondrome,  Osteome  u.  s.  f.,  wovon  die  einen  häufig,  die 
anderen  nur  ausnahmsweise  bösartigen  Charakter  annehmen.  Die 
Empfänglichkeit  der  verschiedenen  Arten  von  Sarkomen  gegen¬ 
über  den  Röntgenstrahlen  wechselt  in  sehr  weiten  Grenzen,  wenn  sie 
auch  bezüglich  histologischer  Zusammensetzung,  Sitz,  Ausbreitung 
ähnlich  sind;  manche  Fälle  verschwinden  bald  und  gehen  rasche 
Resorption  ein,  bei  anderen  hingegen  ist  völliger  Misserfolg  zu  kon¬ 
statieren.  Die  Lymphadenome  und  Lymphadenitis 
ebenso  wie  die  oft  damit  zusammenhängenden  Milztumoren  reagieren 
im  Allgemeinen  oft  sehr  rasch  auf  die  Röntgenbestrahlung,  ebenso  wie 
B.  der  Ansicht  ist,  dass  die  Radiotherapie  heutzutage  die  spezifische 
Behandlung  der  lymphatischen  und  myeloiden  Leukämie  darstellt:  sie 
bringt  die  dicken  Drüsenmassen  des  Halses,  der  Achselhöhlen  und 
selbst  des  Mediastinum  zum  Verschwinden,  die  hypertrophische  Milz 
auf  ihre  normale  Grösse  zurück,  vermindert  die  abnorm  hohe  Zahl 
der  weissen  Blutkörperchen,  vermehrt  die  Zahl  der  roten  und  deren 
Hämoglobingehalt.  Aber  man  muss  gestehen,  dass  diese  günstigen 
Resultate  meist  nicht  der  Heilung  gleichkommen,  sondern  das  letale 
Ende  nur  hinausschieben.  Was  die  V.  Gruppe,  die  malignen  Ge¬ 
schwülste  der  inneren  Organe,  betrifft,  so  sind  zwar  Besserungen 
bei  Kehlkopf-  oder  Magenkrebs  durch  Röntgenstrahlen  erzielt  worden, 
aber  es  lässt  sich  daraus  nur  einige  Hoffnung  für  die  Zukunft  und 
noch  kein  sicherer  Schluss  ziehen.  Die  Röntgentherapie  hat  aber 
neben  ihren  grossen  Vorteilen  auch  unbestreitbar  schädliche  Neben¬ 
wirkungen,  von  welchen  bekanntlich  die  Schädigung  (Verbrennung) 
der  Haut  die  häufigste  ist.  B.  glaubt,  dass  sie  bei  aller  Vorsicht  und 
mit  den  besten  Instrumenten  in  den  Fällen,  wo  eine  intensive  Behand¬ 
lung  notwendig  ist,  oft  gar  nicht  zu  vermeiden  ist;  diese  Hautver¬ 
brennungen  erfordern  oft  viele  Monate  zur  Heilung,  sind  vor  allem 
deshalb  so  unangenehm,  weil  sie  Veranlassung  geben,  die  Behand¬ 
lung  des  Grundleidens  zu  unterbrechen  und  verschlimmern  durch  Se¬ 
kundärinfektion  zuweilen  sogar  das  letztere  Ausser  in  diesem 
letzteren  Sinne  tritt  jedoch  kaum  eine  Generalisierung  des  Karzinoms 
durch  die  Radiotherapie  ein,  wie  B.  anderen  Autoren  gegenüber  her¬ 
vorheben  möchte.  Die  allgemeinen  Indikationen  der  Radiotherapie  bei 
den  malignen  Tumoren  sind  folgendermassen  zusammenzufassen.  Ein 
maligner,  operabler  Tumor  muss  umgehend  operiert  werden:  das 
Messer  muss  der  Radiotherapie  immer  vorhergehen;  hievon  gibt  es 
zwei  Ausnahmen  und  zwar  die  Epitheliome  der  Haut,  welche  noch 
in  die  tieferen  Schichten  derselben  nicht  übergegangen  sind  und  wo 
die  Radiotherapie  wegen  der  ausgezeichneten  kosmetischen  Resultate 
vorzuziehen  ist,  und  die  operablen  Sarkome,  welche  zuweilen  zu  den 
für  die  Radiotherapie  besonders  sensiblen  Gewebsarten  gehören. 
Ausser  diesen  2  speziellen  Indikationen  gibt  es  noch  3  Fälle,  wo  die 
Radiotherapie  angezeigt  ist:  1.  wenn  es  sich  um  eine  Neubildung 
handelt,  deren  Abtragung  aus  irgend  einem  Grunde  hinausgeschoben 
werden  muss,  2.  möglichst  bald  nach  der  operativen  Entfernung  aller 
malignen  Tumoren,  um  Rezidive  zu  verhüten  und  wenn  dies  nicht 
möglich  ist,  bei  dem  ersten  Zeichen  eines  Rezidivs  und  3.  in  allen 
Fällen  inoperabler  maligner  Tumoren,  wo  die  Radiotherapie  das  ein¬ 
zige  rationelle  Heilmittel  und  das  Palliativum,  von  dem  am  meisten 
zu  erwarten  ist. 

Maunoury  -  Chartres  erklärt  als  Korreferent,  es  gäbe  keinen 
Gegensatz  zwischen  chirurgischer  Behandlung  und  Radiotherapie;  die 
beiden  Methoden  müssten  kombiniert  angewendet  werden  und  dürften 
sich  keineswegs  ersetzen.  Die  Exstirpation  durch  das  Messer  bleibt 
das  Hauptmittel,  die  X-Strahlen  bilden  das  Hilfsmittel;  dieser  Grund¬ 
satz  hat  nur  seltene  Ausnahmen:  Wenn  die  Operation  kontraindiziert 
ist  (Diabetes,  schwerer  Herzfehler  .etc.  etc.),  wenn  der  Kranke  aus 
Furcht  oder  irgend  einem  anderen  Grund  durchaus  einen  blutigen 
Eingriff  verweigert,  dann  muss  man  die  Radiotherapie  anwenden, 
welche  im  Stande  ist,  eine  Verkleinerung  der  Neubildung  zu  bewirken. 
Die  verschiedenartige  Wirkung  der  X-Strahlen  hängt  von  mehreren 
Faktoren  ab:  den  Grad  der  Durchdringbarkeit,  der  Menge,  der  Art, 
wie  sie  gehandhabt  werden.  Die  Natur  des  Tumors  spielt  gleicher¬ 
weise  eine  wichtige  Rolle  und  im  allgemeinen  ist  bei  langsam  wachsen¬ 
den  Tumoren  die  Behandlung  viel  wirksamer  wie  bei  den  rasch  wach¬ 
senden.  Schliesslich  kommt  noch  die  Natur  der  Geschwulst  und  die 
Empfänglichkeit  des  Individuums,  die  Idiosynkrasie  in  Betracht.  M. 
bespricht  die  verschiedenen  Typen  des  Karzinoms:  das  Haut-Epi- 
theliom,  das  der  Schleimhäute,  den  subkutanen  Krebs  und  speziell 
den  Brustkrebs,  ebenso  das  Karzinom  der  inneren  Organe.  Was  die 
Sarkome  betrifft,  so  hebt  er  2  wichtige  Punkte  hervor:  1.  gibt  die 
Radiotherapie  sehr  unregelmässige  Resultate,  indem  manche,  selbst 
tiefgelegene  Sarkome  ausserordentlich  empfindlich  für  die  Röntgen¬ 
strahlen  sind,  andere  davon  gar  nicht  verändert  werden.  Es  scheint, 
dass  die  Natur  der  Neubildung  hier  in  Betracht  kommen  muss  und 
wir  unter  Sarkom  sehr  verschiedenartige  Neubildungen,  die  sich  nur 
scheinbar  ähneln,  verstehen.  In  2.  Linie  hat  das  Sarkom  eine  grosse 
Neigung,  lokal  zu  bleiben  und  geht  spät  auf  die  Lymphgefässe  über; 


die  Radiotherapie  kann  daher  in  wirksamer  Weise  das  Sarkom,  als 
das  Karzinom  bekämpfen,  welch  letzteres  frühzeitig  die  Drüsen  be¬ 
fällt  und  so  der  therapeutischen  Einwirkung  sich  entzieht.  Der  Be¬ 
richt  Maunourys  schliesst  mit  folgenden  Ausführungen:  Jedesmal, 
wenn  ein  maligner  Tumor  operabel  ist,  sollte  man  ihn  in  möglichst 
weitem  Umkreise  operieren,  die  Röntgenstrahlen  müssen  unmittelbar 
nach  der  Operation  womöglich  noch  auf  die  blutende  Wundfläche  an¬ 
gewandt  werden.  Ist  ein  Rezidiv  zu  befürchten,  so  muss  die  Ope- 
rationswunde  offen  gehalten  werden,  um  die  Röntgenstrahlen  im 
Maximum  ihrer  Energie  einwirken  lassen  zu  können,  was  zwischen 
die  Haut  durch  nicht  möglich  wäre.  Die  notwendigen  Hauttrans¬ 
plantationen  dürfen  nur  gemacht  werden,  wenn  jede  Gefahr  eines 
Rezidivs  geschwunden  sein  wird. 

T  u  f  f  i  e  r  -  Paris  erklärt,  bei  den  Epitheliomen,  ausser  den 
kleinen  Rankroiden,  welche  mit  allen  topischen  Mitteln  und  noch 
immer  am  besten  mit  dem  Bistouri  zur  Heilung  kommen,  habe  die 
Radiotherapie  niemals  Heilung  gebracht.  Bezüglich  der  Sarkome 
ergibt  sich  in  Anbetracht  der  wechselnden  Wirkung  der  Röntgen¬ 
strahlen  grosse  Reserve.  Für  T.  bleibt  die  Radiotherapie  nur  in  den 
Fällen  inoperabler  Karzinome  oder  Rezidive  indiziert. 

Doyen-  Paris  glaubt  keineswegs  an  die  Heilwirkung  der  Rönt¬ 
genstrahlen  und  kritisiert  speziell  den  Bericht  von  B  e  c  1  e  r  e,  welcher 
zu  optimistisch  sei;  auch  die  Thesen  von  Maunoury  dürfe  man 
nicht  annehmen. 

T  h  i  e  r  y  -  Paris  zieht  das  Messer  selbst  bei  kleinem  Kankroid 
des  Gesichts  vor. 

Morestin  -  Paris  ist  derselben  Ansicht  und  möchte  die  Radio¬ 
therapie  nur  bei  inoperablen  Fällen  oder  Rezidiven  angewandt  sehen; 
bei  Kankroid  des  Gesichts  und  selbst  ausgedehntem  geben  die 
T  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Transplantationen  kosmetisch  ebenso  gute  Resul¬ 
tate  wie  die  Radiotherapie. 

Imbert  -  Marseille  hat  mit  der  Radiotherapie  gute  Resultate  bei 
oberflächlichen  Hautepitheliomen,  Besserung  bei  Lymphadenonien  und 
Sarkomen,  ungenügende  Resultate  bei  Brustkrebs,  nur  Misserfolge 
bei  Karzinom  der  Schleimhäute  erlebt. 

T  e  m  o  i  n  -  Bourges  erlebte  niemals  Heilung  wirklicher  Kar¬ 
zinome  durch  Radiotherapie,  ausser  beim  Oberflächenkankroid, 
welches,  wie  wiederholt  hervorgehoben,  durch  jedes  andere  Mittel 
auch  heilen  würde;  er  beobachtete  regelmässig  Rezidive  und  oft  sehr 
rasch  sich  entwickelnde,  trotzdem  verwirft  er  die  Radiotherapie  nicht 
vollständig,  welche  zuweilen  ein  wertvolles  Hilfsmittel  sein  kann. 

P  e  r  ai  r  e  -  Paris  bringt  eine  Reihe  von  Beobachtungen  über  die 
Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  die  bösartigen  Tumoren;  die  von 
ihm  erzielten  Resultate  sind  jenen  konform,  die  man  gewöhnlich  von 
der  Radiographie  erwarten  kann. 

M  a  y  e  r  -  Brüssel  protestiert  gegen  die,  seiner  Ansicht  nach, 
allzu  heftige  Verdammung  der  Radiotherapie. 

Beclere  bemüht  sich,  in  seinem  Schlussworte  einige  Irrtümer 
aufzuklären,  protestiert  dagegen,  dass  man  den  Röntgenstrahlen  nur 
Oberflächenwirkung  zuschreibe  und  deren  Gefahren  übertreibe,  und 
drückt  den  Wunsch  aus,  dass  die  Chirurgie  sie  nicht  zu  Hilfe  nehme, 
wenn  das  Rezidive  schon  begonnen  hat  oder  nahe  ist,  sondern  u  n  - 
mittelbar  nach  frühzeitig  ausgeführter  Operation. 

Das  II.  Hauptthema  betraf  die  Muskel-  Sehnen-  und  Nerven- 
transplantation.  G  a  u  d  i  e  r,  der  Referent,  bespricht  nur  die  Trans¬ 
plantation,  welche  zur  Behandlung  der  Kinderlähmung  dj>'int.  Ein 
erstes  Kapitel  ist  der  historischen  Entwicklung  dieser  Frage  ge¬ 
widmet,  das  zweite  der  Operationstechnik,  welcher  eine  Besprechung 
der  der  Kinderlähmung  zugrunde  liegenden  pathologischen  Zustände 
vorhergeht.  Jene  der  Unterextremitäten  sind  besonders  gut  studiert, 
weil  sie  häufiger  sind  und  eine  grössere  Anzahl  chirurgischer  Pro¬ 
bleme  darbieten.  Vor  jedem  Eingriff  ist  es  unabweisbar,  eine  voll¬ 
ständige  Untersuchung  der  Muskeln  vorzunehmen,  ausserdem  durch 
Palpation  oder  Radiographie  die  Formverändenungen  zu  studieren, 
welche  sich  in  Knochen  und  Gelenken  im  Verlaufe  alter  Lähmungen 
gebildet  haben.  Trotz  genauer  Untersuchung  ist  es  manchmal 
schwierig,  die  Anzahl  der  gelähmten  Muskeln  exakt  zu  bestimmen,  da 
neben  der  Lähmung  auch  Inaktivitätsatrophie  bei  einer  Anzahl  von 
Muskeln  Vorkommen  kann.  Zur  Unterscheidung  dieser  beiden  Zu¬ 
stände  hält  G.  mit  der  Mehrzahl  der  Franzosen  die  elektrische  Unter¬ 
suchung  für  wichtig,  während  die  deutschen  Forscher  Hoffa,  Ber¬ 
gen.  Banzet  derselben  nur  geringen  Wert  beilegen.  Alle  Methoden 
der  Muskel-Sehnen-Transplantation  lassen  sich  in  den  zwei  Opera¬ 
tionen  zusammenfassen:  1.  Ueberpflanzung  von  Sehne  auf  Sehne  und 
2.  periostale  Transplantation.  Im  ersteren  Falle  kann  man  wieder 
auf  dreierlei  Wegen  Vorgehen:  a)  die  gesunde,  nach  ihrem  peripheren 
Ende  abgeschnittene  Sehne  wird  an  die  gelähmte  Sehne  fixiert:  des¬ 
zendierende,  aktive  Transplantation;  b)  die  gelähmte,  von 
ihrem  degenerierten  Muskelteil  abgetrennte  Sehne  wird  an  die  Sehne 
des  gesunden  Muskels  angenäht:  aszendierende,  passive 
Transplantation  und  c)  der  gesunde  Muskel  wird  in  zwei  Teile  zer¬ 
legt  und  kreuzweise  fixiert:  bilaterale  Transplantation.  Die  erst¬ 
genannte  Art  erklärt  G.  für  die  beste  bezüglich  der  Uebertragung  der 
Muskelkontraktion  auf  den  gelähmten  Muskel,  hat  aber  den  grossen 
Nachteil,  den  gesunden  Muskel  seiner  Funktionen  zu  berauben  und 
kann  nur  zur  Anwendung  kommen,  wenn  der  gesunde  Muskel  weniger 
wichtig  zur  Funktion  ist,  als  der  zu  ersetzende;  diese  Methode  gibt 
aber  auch  die  günstigsten  Nachbedingungen.  Als  Nahtmaterial  wählt 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2307 


die  Mehrzahl  der  Chirurgen  Seide.  Die  Nachbehandlung  der  Sehnen¬ 
naht  ist  von  grosser  Wichtigkeit;  man  muss  den  Kranken  lehren,  ein 
wieder  hergestelltes  Glied  zu  gebrauchen,  die  Verlängerung  der  trans¬ 
plantierten  Sehnen  vermeiden,  Gymnastik,  Elektrizität,  Massage  zu 
Hilfe  nehmen.  In  der  Muskelsehnentransplantation,  erklärt  schliess¬ 
lich  ü.,  haben  wir  ein  sehr  wertvolles  therapeutisches  Mittel,  das  aber 
mit  Methode  und  genauer  Auswahl  anzuwenden  Ist;  man  muss  die 
Technik  genau  beherrschen  und  bei  den  Meistern  dieselbe  gesehen 
haben,  vor  allem  bei  V  u  1  p  i  u  s,  dessen  Resultate  grossenteils  sehr 
befriedigend  sind  und  über  jenen  stehen,  welche  mit  Arthrodese  und 
Apparaten  erzielt  werden.  Die  Methoden  von  V  u  1  p  i  u  s  und  Lange 
haben  verschiedene  Indikationen  und  ergänzen  sich;  hat  man  sie  ein¬ 
mal  bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Patienten  angewandt,  so  wird 
man  sie  anders  beurteilen  als  am  Anfang  und  bei  allzu  kleiner  Anzahl 
von  Patienten. 

In  zweiter  Linie  bespricht  G.  die  Nerventransplantation. 
Man  versteht  darunter  eine  chirurgische  Operation,  welche  bei 
motorischer  Lähmung  einer  Muskelgruppe,  z.  B.  des  Gesichts,  auf  das 
periphere  Ende  des  gelähmten  Nervenstammes  den  zentralen  Teil 
eines  anderen  benachbarten  gesunden  Nerven  überzupflanzen  be¬ 
stimmt  ist,  um  im  Bereich  des  gelähmten  Muskelsystems  normale 
Funktionen  zu  erzielen.  G.  studiert  diese  Nervenüberflanzung  als 
therapeutisches  Mittel  der  Fazialislähmung  peripheren  Ur¬ 
sprungs  und  der  Kinderlähmungen  und  gibt  eine  Anzahl  Regeln  zur 
praktischen  Ausführung  der  Nerventransplantation:  1.  Die  Nerven¬ 
enden  müssen  genügend  einander  genähert  werden,  damit  ihre  Ver¬ 
einigung  ohne  Spannung,  aber  auch  ohne  zu  grosse  Lockerheit  statt¬ 
finde.  2.  Die  Naht  soll  womöglich  nur  das  Perineurium  umfassen  und 
nicht  perforierend  sein.  3.  Die  Naht  soll  in  der  Weise  geschützt  sein, 
dass  Verwachsungen  mit  den  Nachbargeweben,  benachbarten  Nerven- 
stämmen,  der  Haut  usw.  sich  nicht  bilden  können.  4.  Die  Nerven 
müssen  mit  äusserster  Vorsicht  mittels  feiner  Instrumente  gehandhabt 
werden.  5.  Die  Vereinigung  per  primam  ist  unbedingte  Notwendigkeit, 
fundamentale  Bedingung  des  Gelingens.  Es  ist  schwierig,  sich  über 
die  bis  jetzt  erzielten  Resultate  eine  Idee  zu  machen.  Was  die  Fazialis¬ 
lähmung  betrifft,  so  wurde  die  Restitutio  ad  integrum  nur  in  einem 
einzigen  Falle  erreicht;  von  12  Fällen,  welche  Lähmung  der  Unter¬ 
extremitäten  betrafen,  war  das  Resultat  8  mal  befriedigend  und  4  mal 
wenig  befriedigend  oder  gleich  Null.  Der  einzige  Schluss,  welchen 
G.  ziehen  kann,  ist  daher,  dass  die  Nerventransplantation  möglich  ist 
und  Erfolge  geben  kann. 

Prof.  Kirmisson,  Korreferent,  erklärt,  seiner  eigenen  Er¬ 
fahrung  nach,  die  auf  15  Fälle  seit  1897  zurückreicht,  möchte  er  der 
Transplantation  fast  jeden  Wert  absprechen  und  die  Fälle,  welche 
er  aus  der  Praxis  anderer  Chirurgen  beobachten  konnte,  boten  nicht 
günstigere  Resultate.  Leider  sind  die  gelieferten  Dauererfolge 
in  sehr  kleiner  Anzahl  vorhanden.  Man  gibt  eine  Unmenge  Einzel¬ 
heiten  über  die  verschiedenen  Operationsmethoden,  lange  Disser¬ 
tationen  über  die  pathologische  Physiologie  und  über  die  Adaption 
des  transplantierten  Muskels  an  seine  neuen  Funktionen,  aber  sehr 
wenig  Statistik  und  besonders  sehr  wenige  Fernresultate.  K-  bringt 
nun  eine  chronologische  Zusammenstellung  der  im  Ausland  veröffent¬ 
lichten,  dann  der  in  Frankreich  operierten  und  schliesslich  jener  Fälle, 
welche  ihm  gelegentlich  des  vorliegenden  Referats  einige  Autoren  mit¬ 
geteilt  haben.  Die  Sehnentransplantation  wurde  viel  seltener  an  der 
Ober-  als  an  der  Unterextremität  ausgeführt,  was  mit  der  relativen 
Seltenheit  der  Kinderlähmung  an  ersterer  zusammenhängt.  Wir 
finden  uns  gegenwärtig  zwei  Hauptmethoden  von  Muskelsehnentrans¬ 
plantation  gegenüber:  1.  Jene  von  Sehne  zu  Sehne  oder  die  primäre 
N  i  co  1  ad  o  n  i  sehe  Operation  und  2.  die  periostale  Transplantation 
von  Lange-  München  und  es  ist  schwer,  zwischen  beiden  zu  ent¬ 
scheiden,  da  in  dieser  Beziehung  unter  den  Autoren  grosse  Meinungs¬ 
verschiedenheit  besteht.  An  sich,  erklärt  K-,  bietet  die  Sehnentrans¬ 
plantation  keine  Schwierigkeit,  es  handelt  sich  nur  darum,  zu  wissen, 
ob  sie  wirklich  Nutzen  bringt  und  in  welchem  Masse  man  auf  ihre 
Wirksamkeit  rechnen  kann.  Was  die  Beurteilung  der  letzteren  sehr 
erschwert,  ist  der  Umstand,  dass  in  einer  sehr  grossen  Anzahl  von 
Fällen  die  ausgeführte  Operation  eine  sehr  komplizierte  war;  man  hat 
gleichzeitig  mit  der  Transplantation  verschiedene  Eingriffe,  wie  Teno- 
tomie,  Verkürzung,  Fixation  der  Sehne  ausgeführt.  Man  muss  sich  in 
der  Tat  hüten,  der  Transplantation  den  ganzen  Erfolg  zu¬ 
zuschreiben,  wenn  sie  zugleich  mit  der  Tenotomie  ausgeführt  wurde. 
Auch  eine  andere  Betrachtung,  welche  die  ganze  Frage  der  opera¬ 
tiven  Indikationen  bei  der  chirurgischen  Orthopädie  beherrscht,  darf 
man  nicht  ausser  acht  lassen:  die  wichtige  Unterscheidung  zwischen 
Form  und  Funktion.  Der  wirkliche  Zweck  der  Sehnentransplantation 
ist,  nicht  nur  die  Form,  sondern  auch  die  Funktion  wieder  herzustellen, 
indem  sie  die  Wirkung  eines  gesunden  Muskels  jener  des  gelähmten 
unterschiebt.  Viele  Chirurgen  sind  Anhänger  der  Sehnenplastik,  weil 
sie  von  der  Arthrodese  keine  so  günstigen  Resultate  —  entweder  zu 
steifes  oder  zu  lockeres  Gelenk  —  erwarten.  K.  hält  diese  beiden  Vor¬ 
würfe  für  wenig  begründet;  er  hat  bis  jetzt  40frial  die  Arthrodese,  sei 
es  am  Fuss-  oder  Kniegelenk,  ausgeführt  und  immer  die  besten  Re¬ 
sultate  erzielt.  Er  ist  dem  alten  Verfahren  treu  geblieben,  welches 
darin  besteht,  nach  Abtragung  des  Knorpels  die  knöchernen  Ober¬ 
flächen  mittels  eines  Elfenbeinstiftes  zu  vereinen;  niemals  hat  dieses 
Vorgehen  den  geringsten  Zufall  bereitet.  Eine  der  wichtigsten  Indi¬ 
kationen  der  Arthrodese  ist,  in  nicht  zu  frühem  Alter  sie  vorzunehmen; 
K  pflegt  nicht  vor  dem  10.  Lebensjahr  zu  operieren.  Unter  dieser  Be¬ 


dingung  ausgeführt,  kann  sie  uns  bei  den  schweren  Formen  der  Kinder¬ 
lähmung  die  besten  Resultate  geben.  Was  die  spastischen  Lähmungen 
betrifft,  so  scheinen  die  Indikationen  der  Schnenplastik  K.  hier  noch 
weit  enger  begrenzt;  immerhin  dürfte  in  Betracht  der  guten  Re¬ 
sultate,  die  bei  der  infantilen  Hemiplegie  der  Oberextremität  erzielt 
wurden,  eine  Fortsetzung  auf  dem  betretenen  Wege  zu  empfehlen  sein. 
Die  Resultate  der  Nerventransplantation  sind  noch  zu  neuer 
Natur  und  in  zu  geringer  Anzahl  vorhanden,  um  sich  darüber  ein 
Urteil  zu  bilden;  immerhin  hält  es  K.  für  möglich,  dass  sie  bei  den 
Lähmungen  das  Gebiet  der  Muskeltransplantation  einschränken  oder 
sogar  ganz  ersetzen. 

H  o  f  f  a  -  Berlin  hat  173  Fälle  von  Sehnentransplantation  seit  mehr 
als  einem  Jahr  operiert  und  erzielte  in  fast  allen  Fällen  Besserung, 
wenn  auch  nicht  stets  die  Wiederherstellung  der  Form  erreicht  wurde. 
K.  glaubt,  dass  Misserfolge  zu  vermeiden  sind,  da  sie  auf  folgenden 
vier  Ursachen  beruhen:  1.  Mangelhafte  Vorbehandlung  vor  der  Opera¬ 
tion.  2.  Mangelhafter  Operationsplan;  es  ist  wichtig,  nur  gut  er¬ 
haltene  Sehnen  zu  verwenden,  solche  mit  fleckiger  Entartung  aber 
zu  verwerfen.  3.  Mangelhafte  Operationstechnik  —  strenge  Anti¬ 
sepsis.  4.  Ungenügende  Nachbehandlung.  Man  muss  das  operierte 
Glied  ziemlich  lange,  6 — 8  Wochen,  in  der  korrigierten  Stellung  be¬ 
lassen.  Wird  der  Verband  abgenommen,  so  muss  wenigstens  noch 
6  Monate  lang  ein  Stützapparat,  der  leicht  abnehmbar  ist,  um  Massage 
und  Elektrizität  zu  ermöglichen,  getragen  werden.  Schliesslich  sollten 
nur  jene  Kranken  der  Operation  unterzogen  werden,  welche  ihrer 
wirklich  bedürfen,  d.  h.  welche  nur  mit  Krücken  gehen  oder  ortho¬ 
pädische  Apparate  tragen. 

L  a  n  g  e  -  München:  Bei  der  Sehnentransplantation  sind  die  Be¬ 
dingungen  des  Erfolges  folgende:  1.  Ein  guter  Operationsplan.  2.  Eine 
sehr  exakte  Technik,  speziell  die  Insertion  am  Periost.  L.  hat  sich 
oft  künstlicher  Sehnen,  die  aus  in  Sublimat  gekochter,  dann  in  Paraffin 
getauchter  Seide  besteht,  bedient.  3.  Sehr  peinlich  genaue  Nach¬ 
behandlung,  um  Rezidive  zu  vermeiden.  4.  Verhütung  von  Verwach- 
,  sungen  und  daher  Uebertragung  der  Sehne  m  i  t  dem  umgebenden 
Bindegewebe,  der  Sehnenscheide.  Die  Operierten  lernen  leicht  zu 
gehen,  das  funktionelle  Resultat  ist  gut,  besonders  an  Hüfte  und  Knie¬ 
gelenk,  weniger  am  Fussgelenk  wegen  der  Adhärenzen,  die  sich  bilden; 
Rezedive  ist  nicht  zu  befürchten.  • 

V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg  glaubt,  dass  die  Erfolge  der  Operation 
deshalb  in  Deutschland  grössere  seien,  weil  die  Bedingungen  der¬ 
selben  hier  besser  bekannt  sind.  Vor  allem  darf  man  nicht  zu  früh 
operieren,  früher  als  ein  Jahr  nach  Beginn  der  Paralyse  zu  operieren, 
wäre  ein  Verbrechen.  Ein  guter  Operationsplan  ist  absolut  erforder¬ 
lich,  künstliche  Sehnen  dürfen  nur  ausnahmsweise  gebraucht  werden. 
Wie  eben  auch  bei  anderen  chirurgischen  Operationen,  so  kann  hier 
zuweilen  Misserfolg  eintreten.  d.  i.  das  primär  erzielte  Resultat  kein 
dauerndes  sein.  Damit  die  Kinder  armer  Leute  genügend  lange  in 
Nachbehandlung  bleiben  können,  sollten  sie  ausreichend  unterstützt 
werden. 

B  r  o  c  a  macht  keinen  Gebrauch  von  der  Nervennaht,  weil  seiner 
Erfahrung  nach  —  bei  seinen  zahlreichen  Operationen  von  Mastoiditis 
und  Fazialisverletzungen  - —  die  natürliche  Wiederherstellung  eines 
durchtrennten  Nerven  die  Regel  ist.  Bezüglich  der  Sehnentransplan¬ 
tation  habe  Lange  selbst  gesagt,  dass  sie  bei  den  Fusserkrankungen, 
den  häufigeren,  selten  gelingen  und  B  r  o  c  a  hat  bei  den  von  ihm  be¬ 
obachteten  Fällen  keine  bleibenden  guten  Erfolge  und  Rezidive  ge¬ 
sehen. 

Wilhelms-  Gent  hat  in  5  Vs  Jahren  21  mal  in  ganz  genau  aus¬ 
gewählten  Fällen  die  Sehnentransplantation  gemacht,  trotzdem  sind 
seine  Dauererfolge  nicht  so  gute,  wie  jene  der  deutschen  Autoren: 
von  den  21  Fällen  hat  er  nur  16  wiedergesehen,  wovon  nur  einer  ein 
befriedigendes  Resultat  zeigte,  die  übrigen  15  vollständige  Rezidive. 
Möglicherweise  ist  an  diesem  schlechten  Ergebnis  die  ungenügende 
Nachbehandlung  schuld.  Hingegen  hat  W.  vorzügliche  Resultate  damit 
erzielt,  dass  er  mittels  Tapezierernägel  die  gelähmten  Sehnen  in  Form 
eines  umgekehrten  u  fixiert  hat;  die  Resultate  dieser  Methode  sind 
ebenso  gute,  wenn  nicht  bessere,  wie  mit  der  Arthrodese. 

D  e  p  a  g  e  -  Brüssel  erklärt,  die  fehlerhafte  Stellung  des  Busses 
bei  der  Kinderlähmung  werde  im  allgemeinen  durch  die  Sehnentrans¬ 
plantation  gebessert,  aber  selten  vollständig  korrigiert.  Es  ist  schwer, 
einen  Vergleich  zwischen  dieser  Operation  und  der  Arthrodese  zu 
stellen,  da  letztere  auf  schlotternde  Glieder  beschränkt  ist,  aber  den 
Chirurgen  mehr  Befriedigung  bringt. 

Delagteniere  - Mans  hat  in  11  Fällen  13  Transplantationen 
ausgeführt,  davon  2  mal  doppelseitig  und  12  dieser  Operationen  hatten 
vollen  Erfolg.  Er  ist  nach  diesen  Erfahrungen  der  Ansicht,  dass  jedes 
Mal,  wo  die  Achillesehne  zur  Behandlung  eines  Pes  varus  equinus 
durchschnitten  wird1,  gleichzeitig  die  Transplantation  dieser  Sehne  auf 
die  Sehne  des  Peroneus  longus  ausgeführt  werden  muss. 

F  r  o  e  1  i  c  h  -  Nancy  erklärt,  gestützt  auf  50  Operationen,  die 
Sehnenüberpflanzung  für  eine  vorzügliche  Operation  beim  paralyti¬ 
schen  Klumpfuss;  sie  hat  aber  sehr  eingeschränkte  Indikationen 
gegenüber  der  Arthrodese  und  den  orthopädischen  Apparaten.  Die 
künstlichen  Sehnen  haben  wenig  Wert.  Die  Resultate  der  Transplan¬ 
tation  sind  in  einem  Drittel  der  Fälle  gut.  in  den  anderen  zwei  Dritteln 
mittelmässig,  dann  nur  ein  Hilfsmittel  zum  J  ragen  orthopädischer 
Schuhe. 

Mencie  re -Reims  hat  unter  260  verschiedenen,  wegen  para¬ 
lytischer  Difformitäten  ausgeführten  Operationen  75  mal  die  Sehnen- 


2308 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


naht  gemacht  und  sieht  einen  unleugbar  guten  Erfolg  in  zahlreichen 
Fällen.  Er  fand  als  wichtige  Bedingung  für  die  gute  Muskelfunktion, 
in  .gespannter“  Stellung  zu  operieren. 

P  e  u  g  n  i  e  z  -  Amiens  stellt  4  Fälle  wohlgelungener  Nerven- 
transplantation  vor  und  glaubt  auf  Grund  derselben  an  die  Zukunft 
dieser  Operation. 

Peraire  erklärt,  die  Sehnentransplantation  habe  unbestreit¬ 
baren  Wert  bei  der  Kinderlähmung;  zu  ihrem  Gelingen  sind  aber  eine 
Anzahl  Vorbedingungen  notwendig,  wie  nicht  zu  frühzeitige  Operation, 
nur  völlig  degenerierte  Muskel  zu  ergänzen  und  nur,  wenn  eine  ge¬ 
wisse  Anzahl  gesunder  Muskeln  vorhanden  ist,  gute  Operations¬ 
technik  und  sorgfältige  Nachbehandlung. 

Sebile.au  und  Faure  widersrechen  energisch  den  Aus¬ 
führungen  Brocas;  letzterer  glaubt  nicht  an  die  Spontanheilung  bei 
Nervenzerreissung.  Er  hat  seine  eigenen  Patienten  zu  spät  —  7  bis 
12  Monate  nach  der  Verletzung  —  operiert  und  daher  schlechte  Resul¬ 
tate  gehabt.  Die  guten  Erfolge  von  P  e  u  g  n  i  e  z  rühren  davon,  dass 
er  sehr  bald  operierte  und  auf  diesem  Wege  muss  man  mit  der  Nerven¬ 
naht  weitere  Versuche  machen. 

(Schluss  folgt.) 


Verschiedenes. 

Von  Stufe  zu  Stufe. 

Ein  unter  obigem  Titel  in  No.  9  1.  J.  der  Münchener  Medizinischen 
Wochenschrift  erschienener  Artikel  bildete  den  Anlass  einer  Beleidi¬ 
gungsklage  des  Herrn  Dr.  Hans  Fischer  in  Berlin-Wilmersdorf 
gegen  den  Redakteur  dieser  Wochenschrift,  Herrn  Hofrat  Spatz, 
die  am  31.  v.  Mts.  vor  dem  Schöffengericht  in  München  zur  Ver¬ 
handlung  kam.  In  dem  Artikel  war  ausgeführt,  es  sei  ein  trauriges 
Bild,  das  der  Lebenslauf  des  praktischen  Arztes  Dr.  Hans  Fischer 
biete;  ein  begabter  Mensch,  sei  er  nun  so  weit  gekommen,  dass  er 
den  Handlanger  eines  Kurpfuschers  mache,  des  selbst  von  der  natur- 
heilkundigen  Presse  von  ihren  Schössen  abgeschüttelten  Direktors 
Paul.  M  i  s  t  e  1  s  k  v  -  Berlin ;  diesem  Herrn  habe  sich,  wie  die  „Hy¬ 
gienischen  Blätter“  mitteilen,  Dr.  Fischer  als  Helfershelfer  zur 
Verfügung  gestellt  und  sei  hierfür  und  wegen  seines  sonstigen  standes¬ 
unwürdigen  Verhaltens  vom  ärztlichen  Ehrengericht  zu  den  höchst¬ 
zulässigen  Strafen  verurteilt  worden;  nach  berühmten  Mustern  ver¬ 
öffentlichte  Dr.  Fischer  seine  Verurteilung  in  den  Tagesblättern 
mit  dem  Bemerken,  dass  ihm  diese  Verurteilungen  nur  zur  Ehre  ge¬ 
reichten,  dass  sie  ein  Ausdruck  des  Brotneides  der  Ehrenrichter  seien; 
weshalb  er  seinen  immer  weiter  abwärts  führenden  Weg  einschlage,  sei 
nicht  ersichtlich;  er  habe  sich  z.  B.  dazu  hergegeben,  obwohl  er  auf 
Medikamente  schlecht  zu  sprechen  gewesen,  für  eines  der  be¬ 
kannten  „Sauerstoffinstitute“  zu  schreiben,  er  sei  der  Verfasser  der 
blutrünstigen  Schauergeschichten  „Aerztliches.  Allzuärztliches“,  in 
denen  er  unter  dem  Namen  „Hans  von  der  Wörnitz“  Aerzte  die 
scheusslichsten  Verbrechen  mit  kältestem  Blute  ausführen  lasse, 
ferner,  der  Verfasser  eines  merkwürdigerweise  trotz  seiner  nach 
literarischen  Urteilen  schlechten,  geschmacklosen,  tendenziösen  und 
an  Hintertreppenromane  erinnernde  Mache  in  Nürnberg  zur  Aufführung 
gelangten  Theaterstückes  „Zum  Heile  der  Menschheit“,  worin  er 
auch  die  Scheusslichkeiten  der  Vivisektoren  und  der  Aerzte  breit¬ 
zutreten  sich  bemühe,  und  jetzt  sei  er  jämmerlicher  Untergebener 
eines  „bekannten“  Kurpfuschers.  Den  Vorsitz  führte  Herr  Oberlandes¬ 
gerichtsrat  Mayer.  Der  Kläger  war  persönlich  mit  Rechtsanwalt 
Dr..  v.  Pannwitz  erschienen.  Dem  ebenfalls  persönlich  er¬ 
schienenen  Beklagten  stand  Rechtsanwalt  Putz  bei. 

Der  Beklagte  erklärte  die  Verantwortung  für  den  inkriminierten 
Artikel  zu  übernehmen.  Es  sei  Pflicht  der  medizinischen  Presse, 
von  Verstössen  gegen  die  ärztliche  Standesehre  Notiz  zu 
nehmen  und  Kritik  an  ihnen  zu  üben.  In  diesem  Fall 
sei  die  Münch,  med.  Wochenschr.  besonders  veranlasst  gewesen 
igegeu  Dr.  Fischer  Stellung  zu  nehmen,  da  Dr.  Fischer  Mit¬ 
arbeiter  des  Blattes  gewesen  sei  und  das  Blatt  keinen  Zweifel  da¬ 
rüber  lassen  durfte,  dass  zwischen  ihm  und  Dr.  Fischer  keine 
Beziehungen  mehr  bestehen.  Er  werde  für  alles  was  in  dem  Artikel 
gesagt  sei,  den  Wahrheitsbeweis  erbringen. 

Eine  Anregung  des  Vorsitzenden  zur  vergleichsweisen  Erledigung 
der  Sache  wurde  von  dem  Beklagten  abgelehnt.  Nach  Eintritt  in  die 
Verhandlung  wird  von  klägerischer  Seite  die  Klage,  die  sich  ur¬ 
sprünglich  auf  den  ganzen  Inhalt  des  Artikels  erstreckte,  auf  ein¬ 
zelne  Aeusserungen,  nämlich  auf  die  Worte  „Von  Stufe  zu  Stufe“, 
„Handlanger“  und  „jämmerlicher  Untergebener  eines  Kurpfuschers“ 
beschränkt.  In  diesen  Worten  erklärt  der  Kläger  eine  objektive 
Beleidigung,  für  die  ein  Wahrheitsbeweis  nicht  zu  erbringen  sei,  zu 
erblicken. 

Rechtsanwalt  Putz  verlangt  dagegen  die  Zulassung  der  von 
ihm  angebotenen  Wahrheitsbeweise,  die  sich  insbesondere  darauf  er¬ 
strecken,  dass  Dr.  Fischer  in  der  Tat  von  Stufe  zu  Stufe  ge¬ 
sunken  sei,  dass  Mistelsky  ein  Kurpfuscher  sei,  und  dass  Dr. 
Fische  r  in  einem  Abhängigkeitsverhältnis  zu  diesem  Kurpfuscher 
stehe.  3na2 

Der  von  der  Verteidigung  geladene  Sachverständige  Dr.  Grass- 
m  a  n  n  solle  aussagen,  dass  unter  diesen  Umständen  die  Ausdrücke 
•Handlanger“  und  „Untergebener  eines  Kurpfuschers“  nur  der  Sach¬ 
lage  entsprechen. 


Dr.  Fischer  bestreitet,  in  ärztlicher  Beziehung  von  M  i  - 
s  t  e  1  s  k  y  abhängig  zu  sein.  Das  Mistelsky  sehe  Institut  sei 
eines  der  grössten  seiner  Art.  Es  stecken  allein  in  den  Apparaten 
80  000  Mk.  und  es  würde  sich  das  Institut  etwa  mit  dem  des  Dr.  Arno 
K  r  ü  c  h  e  in  München  vergleichen  lassen.  Die  Patienten  würden 
speziell  unter  seiner  Aufsicht  behandelt  und  Mistelsky  habe  in 
den  2  Jahren,  seit  Fischer  dort  sei,  lediglich  die  Geschäfte  besorgt. 
Er  (Fischer)  behandle  nach  ärztlichen  Grundsätzen,  aber  nach 
der  Naturheilmethode  und  das  habe  den  Gegner  so  in  Harnisch  ge¬ 
bracht,  weil  er  von  der  streng  orthodoxen  Medizin  abgewichen  sei. 
Er  verweist  auf  die  L  a  h  m  a  n  n  sehe  Anstalt,  die  ähnlichen  An¬ 
griffen  ausgesetzt  gewesen  sei. 

Von  beklagter  Seite  wird  darauf  erwidert,  dass  nicht  die  an¬ 
gebliche  Eigenschaft  Dr.  Fischers  als  Naturheilarzt  von  den 
Aerzten  bekämpft  würde.  Die  Lahmannsche  Anstalt  könne  mit 
der  des  Mistelsky  nicht  verglichen  werden  und  sei  nie  in  der 
gleichen  Weise  angegriffen  worden.  Der  Beklagte  bestreitet  übrigens 
die  Eigenschaft  Dr.  Fischers  als  Naturheilarzt,  denn  er  habe  sich 
wiederholt  chemischen  Fabriken  angeboten,  gegen  Bezahlung  emp¬ 
fehlende  Arbeiten  z.  B.  über  Arsen-  und  Kreosotpräparate,  die  von 
der  Naturheilkunde  als  Gifte  verpönt  wüfden,  zu  schreiben.  Dass 
Mistelsky  nur  der  geschäftliche  Leiter  der  Anstalt  sei,  könne  nicht 
zutreffen,  denn  in  einem  vom  Beklagten  vorgelegten,  am  8.  Juli  1907 
erschienenen  Inserat  werde  in  ausdrücklich  an  Professor  M  i  - 
stelsky  adressierten  Danksagungen  diesem  der  Dank  ausge¬ 
sprochen  für  die  von  ihm  bewirkte  Heilung.  Auch  aus  dem  übrigen 
Wortlaut  dieses  Inserates,  insbesondere  aus  der  Unterschrift,  die  in 
grossen  Lettern  Mistelsky  als  Direktor  der  Anstalt  und  in  kleinen 
Lettern  Dr.  Fischer  als  Anstaltsarzt  bezeichnet,  gehe  hervor,  dass 
Mistelsky  nicht  nur  geschäftlicher  Leiter,  sondern  auch  Leiter 
der  Behandlung  und  Dr.  Fischer  tatsächlich  sein  'Unter¬ 
gebener  sei. 

Auf  diese  Ausführungen  bemerkt  Dr.  Fischer,  die  Ausschrei¬ 
bung  beweise  gar  nichts,  Mistelsky  müsste  doch  thöricht  sein, 
wenn  er  den  Namen  Fischers,  statt  seines  bekannten  Namens 
ausschreiben  würde.  Die  Urheberin  der  erwähnten  Danksagung  sei 
von  ihm  (Fischer)  behandelt.  Die  Leute  kennen  eben  das  In¬ 
stitut,  den  Namen  des  Arztes  kennen  sie  nicht.  Wenn  es  Herrn 
Mistelsky  beliebe  Reklame  zu  machen,  so  gehe  ihn  das  als 
Arzt  nichts  an. 

Rechtsanwalt  Putz  erwidert,  dass,  wenn  dies  zutreffe  und 
Mistelsky  nur  den  Namen  für  die  Anstalt  hergebe,  dann 
Dr.  Fischer  eine  noch  viel  traurigere  Rolle  spiele,  denn  dann 
stelle  er  seine  ärztlichen  Kenntnisse  in  den  Dienst  eines  notorischen 
Schwindlers,  der  durch  seine  Ausschreibungen  den  Anschein  er¬ 
wecke,  dass  er  die  Kranken  behandle,  während  er  sich  in  der  Tat  um 
die  Kranken  gar  nicht  kümmere. 

Das  Gericht  zieht  sich  zur  Beschlussfassung  darüber  zurück, 
was  von  den  als  Beweisstücken  vorgelegten  Schriftstücken  zu  ver¬ 
lesen  sei  und  beschliesst  zunächst  das  Urteil  des  Aerztlichen  Ehren¬ 
gerichts  der  Aerztekammer  Berlin-Brandenburg  gegen  Dr.  Fischer 
und  das  Protokoll  des  Amtsgerichts  Schöneberg  über  die  kommis¬ 
sarische  Vernehmung  des  Zeugen  Dr.  Geyer  zu  verlesen.  Dieser 
Zeuge  war  selbst  als  Arzt  in  der  Anstalt  Mist  el-s 'kys  angestellt 
und  sagt  aus.  dass  Mistelsky  die  geschäftliche  Leitung  der  An¬ 
stalt  gehabt  habe,  dass  er  auch  hin  und  wieder  Anordnungen  ge¬ 
geben  habe,  dass  Cr  (Zeuge)  aber  nicht  die  Stellung  eines  Hand¬ 
langers  innegehabt  hätte.  Gegen  die  Verlesung  des  ehrengerichtlichen 
Urteils  erhebt  Rechtsanwalt  v.  Pannwitz  Einspruch.  Das  Ge¬ 
richt  beschliesst  jedoch  die  Verlesung.  Das  Urteil  lautet  folgender- 
massen : 

„Aerztliches  Ehrengericht  für  die  Provinz  Brandenburg  und  den 

Stadtkreis  Berlin. 

E.  G.  29.  06. 

Urteil. 

In  der  ehrengerichtlichen  Untersuchungssache  wider  den  prakt. 
Arzt  Dr.  Hans  Fischer  in  Wilmersdorf  hat  das  ärztliche  Ehren¬ 
gericht  für  die  Provinz  Brandenburg  und  den  Stadtkreis  Berlin  auf 
Grund  der  Verhandlung  vom  29.  Juni  1906,  an  welcher  teilgenommen 
haben  Sanitätsrat  Dr.  Kaehler,  Sanitätsrat  Prof.  Dr.  T  h  i  e  m, 
Sanitätsrat  Dr.  Wechselmann,  prakt.  Arzt  Dr.  Sch  äff  er, 
Kammergerichtsrat  Moser  und  Regierungsassessor  v.  B  r  e  d  o  w, 
folgende  Entscheidung  gefällt:  Der  prakt.  Arzt  Dr.  Hans  Fischer 
zu  Wilmersdorf,  am  13.  März  1864  zu  Donauwörth  geboren,  ist 
schuldig,  die  ihm  als  Arzt  in  Ausübung  seines  Berufes  obliegende 
Pflicht  verletzt  zu  haben,  sich  der  Achtung  würdig  zu  zeigen,  die 
sein  Beruf  erfordert.  Er  wird  daher  mit  einem  Verweise,  einer 
Geldstrafe  von  500  M.  und  Entziehung  des  aktiven  und  passiven  Wahl¬ 
rechtes  auf  zwei  weitere  Wahlperioden  bestraft.  Auch  soll  der 
verfügende  Teil  des  Urteils  in  der  „Berliner  Aerztekorrespondenz“, 
im  „Berliner  Lokalanfeiger“  und  in  der  „Welt  am  Montag“  je  ein¬ 
mal  veröffentlicht  werden.  Die  für  das  ehrengerichtliche  Verfahren, 
entstandenen  baaren  Auslagen  fallen  dem  Angeschuldigten  zur  Last.' 

Gründe: 

Durch  die  eidliche  Aussage  des  als  Zeugen  vernommenen  Natur¬ 
heilkundigen  Paul  Mistelsky  in  Berlin  ist  folgender  Tatbestand 
erwiesen:  Der  angeschuldigte  prakt.  Arzt  Dr.  Hans  Fischer  ist 


1 2.  November  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


am  18.  Dezember  1905  zu  Mi  s  t  e  1  s  k  y  in  ein  Vertragsverhältnis 
getreten,  indem  er  an  diesem  Tage  die  ärztliche  Leitung  des  von 
Mistelsky  in  Berlin  betriebenen  sog.  Elektro-physikalischen  und 
Oszillationsheilinstituts  übernommen  hat.  Seine  Tätigkeit  besteht 
darin,  dass  er  die  Patienten,  die  sich  in  dem  Mistelsky  sehen 
Institut  behandeln  lassen  wollen,  untersucht  und  auswärtige  Pa¬ 
tienten,  die  aus  irgend  einem  Grunde  verhindert  sind,  in  das  Institut 
zu  kommen,  besucht:  Er  erhält  dafür  von  Mistelsky  20  M.  täg¬ 
liches  Honorar.  Auch  hat  ihm  Mistelsky  einen  Teil  des  Hono¬ 
rars  bei  den  auswärtigen  Krankenbesuchen  überlassen.  Der  An¬ 
geschuldigte  hat  diese  Stellung  bei  Mistelsky  noch  gegenwärtig 
inne.  Mistelsky  ist  eine  nicht  approbierte  Heilperson.  Er  ist 
wiederholt  wegen  Gewerbevergehens  und  wegen  unlauteren  Wett¬ 
bewerbs  bestraft  worden  und  betreibt  eine  Reklame  schlimmster 
Sorte,  indem  er  öffentlich  die  Fälle  mit  Namen  anführt,  in  denen  es 
ihm  angeblich  gelungen  ist,  Heilerfolge  zu  erzielen.  Die  Verbindung 
eines  Arztes  mit  einem  Kurpfuscher  —  und  etwas  anderes  ist 
Mistelsky  nicht  —  verstösst  nach  ständiger  ehrengerichtlicher 
Rechtsprechung  gegen  die  Pflichten  des  ärztlichen  Standes.  Hienach 
war  festzustellen,  dass  der  angeschuldigte  prakt.  Arzt  Dr.  Hans 
Fischer  aus  Wilmersdorf  in  den  Jahren  1905  und  1906  in  Berlin 
durch  seine  Verbindung  mit  dem  Naturheilkundigen  Paul  M  i  - 
stelsky,  einer  nicht  approbierten  Heilperson,  sich  der  Achtung 
unwürdig  gezeigt  hat,  die  sein  Beruf  erfordert.  Der  Angeschuldigte 
war  daher  wegen  Verstosses  gegen  §  3  des  Gesetzes  vom  25.  No¬ 
vember  1899  gemäss  §  15  dieses  Gesetzes  zu  bestrafen.  Der  An¬ 
geschuldigte  ist  bereits  viermal  ehrengerichtlich  vorbestraft,  und 
zwar  mit  Verweisen,  Geldstrafen  von  50 — 300  M.  und  Entziehung 
des  aktiven  und  passiven  Wahlrechtes  zur  Aerztekammer  auf 
2  Wahlperioden.  Mit  Rücksicht  hierauf,  sowie  mit  Rücksicht  auf  die 
ganz  besondere  Unwürdigkeit  des  Verhaltens  des  Angeschuldigten, 
der  sich  nicht  scheut,  mit  einem  so  gefährlichen  Kurpfuscher  wie 
Mistelsky  in  Beziehungen  zu  treten  und  diesen  in  der  Aus¬ 
übung  seines  Gewerbes  zu  unterstützen,  erschien  die  erkannte  hohe 
Strafe  am  Platze.  Auch  war  auf  Veröffentlichung  der  Entscheidung 
zu  erkennen.  Die  baren  Auslagen  des  Verfahrens  hat  nach  §  46  des 
Gesetzes  der  Angeschuldigte  zu  tragen.“ 

Zu  dem  U/Jeil  bemerkt  Dr.  Fischer,  dass  er  schon  seit  Jahren 
den  Vorladungen  zum  Ehrengerichte  keine  Folge  mehr  leiste  und  die 
Urteile  gar  nicht  lese.  „Das  Ehrengericht  hat  keine  Zwangsmittel 
gegen  mich  zur  Verfügung,  ich  lese  auch  die  Urteile  nicht,  ich  weiss 
nicht,  wie  ich  mich  ausdrücken  soll,  was  das  Ehrengericht  ist.  Ich 
habe  die  Urteile,  wenn  ich  sie  bekam,  uneröffnet  zurücikgesch.ickt. 
Ich  betrachte  das  kgl.  preussische  ärztliche  Ehrengericht  als  eine 
Gesetzwidrigkeit;  ich  habe  dagegen  protestiert  und  lasse  mich  von 
diesem  Institut  nicht  mehr  in  der  Weise  behandeln.  Daher  kommt 
meine  Stellungnahme  zum  Ehrengericht  und  auch  die  scharfe  Art  und 
Weise.  Die  Strafe  habe  ich  nicht  bezahlt,  sie  ist  auch  nicht  bei¬ 
getrieben  worden.“ 

R.-A.  Putz:  „Das  war  nicht  aus  objektiven,  sondern  aus  sub¬ 
jektiven  Gründen  nicht  möglich,  da  die  Vollstreckung  erfolglos  blieb.“ 

R.-A.  Dr.  v.  Pannwitz:  „Besteht  nicht  auch  im  Reichstag 
eine  Strömung  gegen  dieses  Ehrengericht?  Der  Sanitätsrat  Dr.  M  u  g- 
dan  hat  im  Reichstag  gegen  die  Ehrengerichte,  ihre  Art  und  Funk¬ 
tion  einen  flammenden  Protest  erhoben,  da  sie  nicht  nützlich,  sondern 
schädlich  seien  und  dass  man  auf  deren  Abschaffung  hinwirken  müsse. 
M  u  g  d  a  n  ist  Reichstagsabgeordneter,  hinter  ihm  stehen  Hunderte 
von  Aerzten  in  Berlin  allein,  die  auf  das  Ehrengericht  pfeifen,  weil  sie 
sagen,  die  Herren  entscheiden  in  eigener  Sache,  es  sind  darin 
2  Richter  und  5  Aerzte  einer  bestimmten  orthodoxen  Richtung,  die 
eine  andere  Richtung  nicht  aufkommen  lassen.“ 

R.-A.  Putz  bietet  Beweise  dafür  an,  dass  Dr.  Fischer 
gewerbsmässig  gegen  Entgelt  Medikamente  und  Nährmittelpräparate 
öffentlich  empfiehlt  *),  obwohl  er  es  in  einer  von  ihm  verfassten  poe¬ 
tischen  Arbeit  als  Abscheulichkeit  bezeichnet,  wenn  Aerzte  gegen 
Entgelt  derartige  Reklameschriften  verfassen.  Er  hat  in  seinem 
Buche  „Aerztliches-Allzuärztliches“  Aerzte  die  scheusslichsten  Ver¬ 
brechen  ausführen  lassen,  in  der  Absicht,  nicht  etwa,  wie  er  sagt, 
die  Verfehlungen  einzelner  Arzte  zu  geissein,  sondern  um  im  all¬ 


*)  Die  vom  Verteidiger  als  Beweismaterial  angebotenen,  vom 
Gericht  aber  nicht  zugelassenen  Briefe  Dr.  Fischers  an  eine 
Reihe  chemischer  Fabriken  bieten  einen  interessanten  Einblick  in 
das  Treiben  solcher  Aerzte  die  das  Empfehlen  von  Heilmitteln 
gewerbsmässig  betreiben.  Wir  teilen  dazu  eine  Probe  mit.  So 
schreibt  Dr.  F.  in  einem  Briefe:  „Was  nun  Ihre  Anfrage  betrifft,  so 
diene  Ihnen  zur  Nachricht,  dass  ich  noch  in  dieser  Woche  einen 
Aufsatz  schreiben  werde.  Ich  möchte  vorerst  nun,  ehe  ich  mich  an 
eine  Zeitschrift  wende,  bei  Ihnen  anfragen,  ob  und  in  welchen  Zeit¬ 
schriften  Sie  inserieren?  In  solchen  Blättern  dürfte  es  leichter  sein 
einen  Artikel  anzubringen  (sic!  Red.).  Falls  Sie  mellt  inserieren, 
überlassen  Sie  wohl  mir  die  Wahl?  .  .  .  Des  Weiteren  teile  ich 
Ihnen  mit,  dass  ich  bis  vor  zwei  Jahren  öfter  literarisch  tätig  war, 
und  dass  grössere  Aufsätze,  die  viele  Zeit  an  Vorversuchen  etc. 
kosten,  mir  mindestens  mit  M.  150  bewertet  wurden.  ...  In  An¬ 
betracht  dessen  schlage  ich  Ihnen  vor,  mir  für  meinen  Zeitaufwand 
M.  100  vergüten  zu  wollen  und  mir  anstatt  einer  Mehrforderung 
noch  30  Flaschen  Ihres  geschätzten  Präparates  zu  senden.“ 


2309 


gemeinen  die  Aerzte  als  zu  jeder  Scheusslichkeit  fähig  hinzustellen.  — 
Das  Gericht  schliesst  jedoch  die  Beweisaufnahme. 

In  seinem  Plaidoyer  begründet  Dr.  v.  Pannwitz  nochmals  die 
Privatkiage  und  legt  Schriftstücke  vor,  aus  denen  hervorgehen  soll, 
dass  Kläger  bis  in  die  jüngste  Zeit  hinein  Mitarbeiter  der  vornehm¬ 
sten  Fachblätter  orthodoxer  Richtung  gewesen  sei,  nämlich  der 
Therapeutischen  Monatshefte,  der  von  K  r  ii  c  h  e  herausgegebenen 
Aerztlichen  Rundschau  und  der  Allgemeinen  medizinischen  Zentral¬ 
zeitung.  Er  gebe  zu,  dass  sein  Klient  für  die  Prüfung  neuer  Heil¬ 
mittel  seitens  der  Fabriken  eine  Vergütung  für  den  ungeheuren  Zeit¬ 
aufwand  bekommen  habe.  Dies  sei  allgemein  im  ärztlichen  Stand 
üblich.  (Widerspruch  auf  der  Gegenseite.)  Dem  Beklagten  sei  ohne 
Weiteres  der  Schutz  des  §  193  zuzubilligen.  Er  begriisse  seine 
Tätigkeit  im  Interesse  des  Ansehens  des  ärztlichen  Standes,  aber 
die  Leidenschaft  des  ehrlichen  Kampfes  habe  ihn  verleitet  in  dem 
einzelnen  Fall  ungerecht  zu  sein  und  den  Artikel  ohne  Prüfung  auf¬ 
zunehmen. 

Der  Beklagte  erwidert,  dass  wie  es  Aerzte  gäbe,  die  aus  der 
Empfehlung  von  Heilmitteln  ein  Geschäft  machen,  so  gäbe  es  auch 
Zeitschriften,  die  aus  der  Aufnahme  solcher  Artikel  ein  Geschäft 
machen.  In  den  Therapeutischen  Monatsheften  werde  der  Kläger 
in  Zukunft  seine  Arbeiten  allerdings  nicht  mehr  unterbringen  können. 
Der  Redakteur  dieser  Zeitschrift  habe  auf  einer  Versammlung  der 
medizinischen  Fachpresse  erklärt,  dass  er  die  Aufnahme  der  letzten 
Arbeit  des  Herrn  Dr.  Fischer  bedauere  und  dass  ihm  die  Quali¬ 
tät  dieses  Herrn  damals  nicht  bekannt  gewesen  sei. 

R.-A.  Putz  beantragt  die  Freisprechung  seines  Klienten. 
Dr.  Fischer  habe  in  der  Tat  eine  Stufenleiter  durchgemacht.  Er 
sei  ein  wissenschaftlich  tätiger  Arzt  gewesen,  der  dann  zur  Natur¬ 
heilmethode  übergegangen  sei,  der  sich  erboten  habe,  gegen  Be¬ 
zahlung  Arzneimittel  zu  empfehlen,  der  durch  seine  poetischen  Lei¬ 
stungen  den  ärztlichen  Stand  in  der  allergreulichsten  Weise  be¬ 
schimpft  und  sich  nun  schliesslich  als  bezahlter  Angestellter  in 
den  Dienst  eines  Kurpfuschers  begeben  habe.  Das  seien  die  Er¬ 
läuterungen  zu  der  Ueberschrift  „Von  Stufe  zu  Stufe“,  und  wenn 
der  Wahrheitsbeweis  für  diese  Detailbehauptungen  erbracht  sei, 
werde  nicht  bezweifelt  werden  können,  dass  die  Ueberschrift  eine 
durchaus  zutreffende  sei,  da  es  sich  tatsächlich  um  ein  Sinken  von 
Stufe  zu  Stufe  handle.  Auch  dafür  sei  der  Beweis  erbracht,  dass 
Dr.  Fischer  der  Untergebene  eines  Kurpfuschers  sei.  Es  sei  be¬ 
wiesen,  dass  Mistelsky  ein  Kurpfuscher  im  herkömmlichen  Sinne 
sei.  Er  spreche  in  seinen  Reklamen  von  „meine  Heilmethode“,  „ich 
werde  bemüht  sein,  soweit  es  in  meinen  Kräften  steht,  allen  Kranken 
zu  helfen;  ausserdem  stehen  mir  approbierte  Aerzte  zur  Seite,  die 
mit  meiner  Heilmethode  vertraut  sind“.  Wenn  so  durch  die  eigenen 
Worte  Mistelskys  festgestellt  sei,  dass  die  Aerzte  unter  ihm 
stehen  und  nur  in  seinem  Sinne  arbeiten  dürften,  dann  könne  nicht  ge¬ 
sagt  werden,  dass  neben  Mistelsky  noch  ein  selbständiger  Arzt 
einen  Platz  habe.  Er  sei  der  Meinung,  dass  die  Worte  „Handlanger“ 
und  „jämmerlicher  Untergebener  eines  bekannten  Kurpfuschers“  für 
die  Tätigkeit,  die  hier  festgestellt  wurde,  und  die  noch  weiter  fest¬ 
gestellt  werden  könnte,  durchaus  gerechtfertigt  sei.  Er  trete  der 
Behauptung  entgegen,  dass  es  in  ärztlichen  Kreisen  üblich  sei,  sich 
Artikel,  durch  welche  Produkte  der  chemischen  Industrie  empfohlen 
werden,  von  den  Fabrikanten  bezahlen  zu  lassen.  Dass  das  Gegen¬ 
teil  wahr  sei,  beweise  die  Tatsache,  dass  Dr.  Fischer  sowohl  von 
den  chemischen  Fabriken,  wie  auch  von  der  Vereinigung  der  medi¬ 
zinischen  Fachpresse  auf  die  schwarze  Liste  gesetzt  worden  sei.  Er 
beanspruche  für  seinen  Klienten  den  Schutz  des  §  193  in  weitester 
Ausdehnung. 

Der  Beklagte  macht  noch  Mitteilungen  über  die  Beurteilung  einer 
literarischen  Tätigkeit,  wie  der  Kläger  sie  entfaltet  habe,  in  ärztlichen 
Kreisen.  Er  gibt  zu,  dass  aus  den  in  dem  Artikel  gebrauchten  Aus¬ 
drücken  eine  gewisse  Geringschätzung  hervorgehe.  Im  Hinblick  auf 
die  schweren  Kränkungen,  die  Dr.  Fischer  dem  ärztlichen  Stande 
zugefügt  habe,  müsse  aber  eine  solche  Kritik  erlaubt  sein,  sonst  wisse 
er  nicht,  wie  er  den  Verpflichtungen  seines  Berufes  nachkommen 
könne. 

Hierauf  zieht  sich  der  Gerichtshof  zurück  und  verkündet  nach 
kurzer  Beratung  das  Urteil,  durch  welches  der  Beklagte  zu  einer  Geld¬ 
strafe  von  100  M.  und  zur  Tragung  der  Kosten  verurteilt  und  dem 
Kläger  die  Publikationsbefugnis  zugesprochen  wird. 

In  der  Begründung  wird  ausgeführt,  dass  die  unter  Klage  ge¬ 
stellten  Ausdrücke  beleidigend  seien,  und  dass  der  Beweis  für  die¬ 
selben  nicht  erbracht  sei  und  durch  die  angebotenen  Beweise  nicht 
hätte  erbracht  werden  können.  Daraus,  dass  Dr.  Fischer  von 
seinen  Standesgenossen  wegen  seiner  Verbindung  mit  einem  laien¬ 
haften  Heilkundigen  als  gegen  die  Standesinteressen  sich  verfehlend 
erachtet  wurde,  gehe  noch  nicht  hervor,  dass  er  in  seiner  gesellschaft¬ 
lichen  und  beruflichen  Bewertung  zurückgegangen  und  gesunken 
sei.  Es  dürfe  nicht  als  ausgeschlossen  erachtet  werden,  dass  ein 
Arzt,  der  eine  solche  Verbindung  eingehe,  doch  ein  anständiger 
Mensch  bleibe.  Es  sei  ebensowenig  nachgewiesen  und  durch  die 
angebotenen  Beweise  zu  beweisen  gewesen,  dass  er  Handlanger  una 
Untergebener  geworden  sei.  Dass  er  innerhalb  der  geschäftlichen 
Verbindung  mit  Mistelsky  seine  Selbständigkeit  als  Arzt  auf¬ 
gegeben  und  sich  zum  Handlanger  und  Untergebenen  des  anderen 
gemacht  habe,  sei  auch  in  dem  ehrengerichtlichen  Urteil  nicht  aus¬ 
geführt  und  heute  nicht  mit  einem  schlüssigen  Beweis  vertreten 


23 10 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


worden.  Die  drei  Behauptungen  seien  also  nicht  erwiesen 
und  beleidigend.  Das  Gericht  habe  dem  Beklagten  den 
Schutz  des  §  193  R.St.G.B.  zugeibilligt,  und  deshalb  die 

Ausdrücke  „Von  Stufe  zu  Stufe“,  „Handlanger“  und  „Unter¬ 
gebener“  als  nicht  strafbar  erklärt.  Aus  dem  Ausdruck  „jämmer¬ 
licher  Untergebener  eines  bekannten  Kurpfuschers“  gehe  aber 
die  beleidigende  Absicht  unbedingt  hervor.  Es  sei  absolut  un¬ 
bewiesen,  dass  das  Verhältnis  Dr.  Fischers  zu  M  i  s  t  e  1  s  k  y 
ein  jämmerliches  sei.  Dieser  Ausdruck  war  trotz  des  §  193  wegen 
seiner  Form  zu  bestrafen.  Beim  Strafausmass  sei  zu  berücksichtigen 
gewesen,  dass  der  Beklagte  in  Wahrung  berechtigter  Interessen 
gegenüber  dem  Kläger  gehandelt  habe,  dessen  Auftreten  vom  Ehren¬ 
gericht  beanstandet  wurde,  andererseits,  dass  die  Vorwürfe  sehr 
schwerer  Natur  seien  und  von  einem  Fachblatt  erhoben  wurden,  das 
hohes  Ansehen  geniesse  und  weitverbreitet  sei.  Folge  der  Ver¬ 
urteilung  war  auch  die  Entscheidung  im  Kostenpunkte. 

Dieses  Urteil  hat  in  ärztlichen  Kreisen  lebhaftes  Befremden  er¬ 
regt,  das  in  der  Münchener  Tagespresse  von  zuständiger  Seite  auch 
bereits  zum  Ausdruck  gebracht  wurde.  Wenn  wirklich,  wie  hier  ein 
bayerischer  Gerichtshof  es  ausspricht,  aus  der  Verurteilung  eines 
Arztes  durch  ein  staatlich  anerkanntes  Ehrengericht  zu  den  höchsten 
zulässigen  Strafen  nicht  hervorgeht,  dass  der  Bestrafte  in  seiner  ge¬ 
sellschaftlichen  und  beruflichen  Bewertung  zurückgegangen  und  ge¬ 
sunken  ist,  dann  kann  man  sich  freilich  nicht  wundern,  dass  es  Aerzte 
gibt,  die,  wie  Herr  Dr.  v.  P  a  n  n  w  i  t  z  sich  geschmackvoll  aus- 
driiokt,  „auf  das  Ehrengericht  pfeifen“,  dann  wäre  es  in  der  Tat  an 
der  Zeit,  die  Ehrengerichte  abzuschaffen.  Von  dem  übrigen  Inhalt 
des  Urteils  ganz  abgesehen.  Schon  um  der  Ehre  und  des  Ansehens 
der  preussischen  ärztlichen  Ehrengerichte  willen  haben  wir  gegen 
das  Urteil  Berufung  eingelegt. 

Aus  den  Parlamenten. 

Die  bayerische  Abgeordnetenkammer  beriet  am  5. 
und  6.  ds.  Mts.  über  den  Antrag  des  Abgeordneten  Dr.  Müller -Hof: 
„Die  Kammer  wolle  ibeschliessen,  es  sei  an  S.  Kgl.  Hoheit  den  Prinz- 
regenten  Luitpold,  des  Königreichs  Bayern  Verweser,  die  allerehr¬ 
furchtsvollste  Bitte  zu  richten,  das  Kgl.  Staatsministerium  anzuweisen, 
baldmöglichst  einen  Gesetzentwurf  einzureichen,  welcher  eine  zeit¬ 
ige  m  ä  sse  R  e  f  o  r  m  der  Kammer  der  Reichsräte  ent¬ 
hält,  bei  der  die  einzelnen  Haupterwerbsgruppen  (Landwirtschaft, 
Industrie,  Handel,  Handwerk  und  Arbeiterschaft),  die  drei  Landes¬ 
universitäten  und  die  Technische  Hochschule  in  München,  sowie  die 
grossen  Städte  durch  gewählte  Vertreter  Sitz  und  Stimme  in  dieser 
Kammer  erhalten.“  Der  Antragsteller  bezeiebnete  als  Motiv  seines 
Antrages  nicht  etwa  eine  Gegnerschaft  gegen  die  Reichsratskammer, 
sondern  das  Bestreben,  den  schaffenden  Kräften  des  Bürgerstandes 
entsprechend  der  wirtschaftlichen,  kulturellen  und  sozialen  Ent¬ 
wicklung  des  letzten  Jahrhunderts  eine  Gleichberechtigung  auch  für 
die  Zugehörigkeit  zur  ersten  Kammer  zu  erringen.  Er  führte  u.  A. 
aus,  die  Aufzählung  der  Stände  sollte  keine  erschöpfende  sein,  es 
sei  die  Hereinbeziehung  jedes  anderen  Standes  zu  akzeptieren:  er' 
sei  vollständig  damit  einverstanden,  dass  auch  die  sogen,  freien 
Berufe  (Künstler,  Richter,  Rechtsanwälte)  in  die  erste  Kammer 
kommen,  vor  Allem  dass  vielleicht  auch,  was  bei  der  Bedeutung 
unserer  ganzen  öffentlichen  Hygiene  höchst  wichtig  sei,  der  Aerzte- 
stan  d  in  derselben  vertreten  sein  solle.  Gegenden  Antrag  wurden  teils 
formelle,  teils  sachliche  politische  Bedenken  geltend  gemacht.  Die  Kgl. 
Staatsregierung  stellte  sich  bezüglich  der  Umgestaltung  der  Kammer 
der  Reichsräte  nicht  auf  einen  absolut  ablehnenden  Standpunkt,  zeigte 
zunächst  auch  kein  Entgegenkommen,  sondern  wollte  die  Initiative 
der  Krone  und  eventuell  der  Kammer  der  Reichsräte  überlassen. 
Bei  der  Abstimmung  wurde  der  Antrag  abgelehnt.  B. 

Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Naturforscher. 
Der  heutigen  Nummer  liegt  das  216.  Blatt  der  Galerie  bei:  Josef 
Gossmann.  Vergl.  den  Nachruf  auf  Seite  2288. 

Therapeutische  Notizen. 

Das  Jodfers  an,  eine  Kombination  von  Fersan  und  Jodkali, 
hat  sich  nach  den  Erfahrungen  von  Dr.  V.  H  e  r  1  i  n  g  in  der  Abteilung 
für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  der  Mährischen  Landes-Kran- 
kenanstalt  in  Brünn  bei  der  Behandlung  der  Syphilis  sehr  gut  be¬ 
währt,  da  es  eine  kräftigere  Wirkung  entfaltet  als  Jodkali  allein  und 
frei  von  unangenehmen  Nebenwirkungen  ist.  H.  gab  das  Mittel  in 
Form  von  Pastillen,  3 — 4  mal  täglich  4  Stück.  Die  „Jodfersanpastillen“ 
sind  in  2  verschiedenen  Formen  erhältlich:  1.  Jodfersanpastillen  für 
Erwachsene  in  Originalschachteln  zu  100  und  50  Stiicik;  2.  .Todfersan- 
pastillcn  für  Kinder  in  Originalschachteln  zu  50  Stück.  Von  ersteren 
enthält  jede  Pastille:  0,05  Jodkali  und  0,2  Fersan,  von  letzteren: 
0,02  Jodkali  und  0,25  Fersan.  Die  Pastillen  sind  mit  Kak^o  überzogen, 
haben  eine  ansprechende  Form  und  werden  gerne  genommen.  Die 
Kinderpastillen  zeichnen  sich  sogar  durch  einen  guten  Geschmack  aus, 
was  bei  Kindern  einen  nicht  zu  unterschätzenden  Faktor  bedeutet. 
(Klin.-therapeut.  Wochenschr.  1907,  No.  10.)  R.  S. 


Tagesgeschichtiiche  Notizen. 

München,  11.  November  1907. 

—  Die  bayerischen  Aerzte  Kammern  haben  am 
4.  ds.  Mts.  ihre  diesjährige  Sitzung  abgehalten.  Von  den  Gegen¬ 
ständen,  die  den  Kammern  zur  Beratung  Vorlagen,  interessiert  am 
meisten  der  vom  Ausschuss  der  mittelfränkischen  Kammer  vorgelegte 
Entwurf  zum  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Organi¬ 
sation  in  Bayern.  Wie  wir  hören,  ist  derselbe  im  Prinzip  von 
den  meisten  Kammern  angenommen  wurden:  abgelehnt  wurde  er 
von  der  Kammer  von  Niederbayern,  und  auf  ein  Jahr  zurückgestellt 
von  der  oberbayerischen  Kammer.  In  dieser  hat  der  Entwurf  leb¬ 
hafte  Debatten  erregt.  Die  Mehrzahl  der  Delegierten  war  von  ihren 
Vereinen  dahin  instruiert,  im  Sinne  des  Entwurfs  zu  stimmen,  nur 
e  i  n  ländlicher  Verein  (Landsberg)  hatte  sich  gegen  den  Entwurf 
ausgesprochen;  ausserdem,  wrie  bekannt,  der  Bezirksverein  Mün¬ 
chen,  dessen  Vertreter  den  Entwurf  auch  in  schroffster  Weise  be¬ 
kämpften.  Als  Gründe  gegen  den  Entwurf  wurden  geltend  gemacht, 
dass  er  eine  Lex  Monacensis  sei,  die  sich  direkt  gegen  München 
richte  und  dass  der  Entwurf,  der  eine  Konkurrenz  für  den  Leipziger 
Verband  bezwecke,  zu  Konflikten  mit  diesem  führen  müsse.  Von  den 
Freunden  des  Entwurfs  wurde  beides  bestritten;  auf  die  wiederholte 
Frage,  wie  man  sich  diese  Konflikte  denke,  ist  keine  Antwort  erfolgt. 
Um  den  Delegierten  des  Bezirksvereins  München  entgegenzukommen, 
beantragte  Dr.  B  e  r  g  e  a  t,  nur  die  Schaffung  einer  Beschwerde¬ 
kommission  für  wirtschaftliche  Fragen  bei  der  Aerztekammer  zu  be- 
schliessen,  im  übrigen  aber  auf  den  Entwurf  zu  verzichten.  Es  wurde 
dabei  darauf  hingewiesen,  dass  der  Bezirksverein  die  Aerztekammer 
bereits  als  höhere  Instanz  in  wirtschaftlichen  Streitigkeiten  anerkannt 
habe  in  dem  Vertrag  (Revers)*),  den  die  Vorstandschaft  mit  einer 
grossen  Zahl  ihrer  Mitglieder  abgeschlossen  habe,  dass  er  also  die 
Schaffung  dieser  Beschwerdekommission  gar  nicht  verweigern 
könne;  alles  umsonst:  man  verschloss  sich  allen  Gründen  und 
beharrte  auf  der  Ablehnung.  Unter  diesen  Umständen  fand  ein  An¬ 
trag  des  Delegierten  des  Bezirksvereins  Ländsberg  Annahme,  die 
ganze  Frage  um  ein  Jahr  zu  vertagen.  —  In  der  Pfalz,  wo  eine  Be¬ 
schwerdekommission  beim  Verein  Pfälzer  Aerzte  bereits  besteht, 
wurde  beschlossen,  diese  Kommission  durch  2  Mitglieder  der  Aerzte¬ 
kammer  zu  verstärken.  Also  ein  Beschluss  im  Sinne  des  May  er¬ 
sehen  Entwurfs. 

—  In  Wien  fand  am  5.  ds.  Mts.  unter  dem  Vdfsitz  des  Doz. 
Dr.  Max  Herz  die  konstituierende  Versammlung  der  Gesell¬ 
schaft  für  physikalische  Therapie  statt.  Aus  dem 
23  gliedrigen  Vorstand  wurden  die  folgenden  Mitglieder  in  das  Bureau 
der  Gesellschaft  gewählt:  Doz.  Dr.  Max  Herz,  Präsident;  Doz.  Dr. 
Alois  Strasser,  I.  Vizepräsident;  Dr.  Max  Kahane,  Sekretär; 
Dr.  Oskar  v.  H  o  v  o  r  k  a,  Sekretär;  und  Dr.  Oskar  Frankl.  Kassier. 

—  Die  Aka  d  e  miefür  praktische  Medizin  in  Düsse  1- 
d  o  r  f  wird  noch  im  Laufe  dieses  Winters  einen  eigenartigen  Zyklus 
von  Vorträgen  beginnen,  der  für  den  Drang  nach  Fortbildung  der 
rheinisch-westfälischen  Aerzte  beredtes  Zeugnis  ablegt.  Auf  Grund 
zahlreicher  aus  diesen  Kreisen  der  Akademie  geäusserten  Wünschen 
hin  hat  sich  das  Dozentenkollegium  entschlossen,  an  8  Sonntag¬ 
nachmittagen  während  des  laufenden  Wintersemesters  zweistündige 
Kurse  über  die  für  den  praktischen  Arzt  aktuellsten  Themata  abzu¬ 
halten.  Die  vortrefflichen  Eisenbahnverbindungen  im  rheinisch-west¬ 
fälischen  Industriebezirk  und  die  dort  schon  so  vielfach  durchgeführte 
ärztliche  Sonntagsruhe'  werden  es  den  Kollegen  ermöglichen,  zwei 
Stunden  derselben  dem  Besuche  der  Kurse  zu  widmen. 

Die  Stadt  Düsseldorf  hat  bekanntlich  den  Direktoren  der  Kliniken 
an  der  Akademie  für  praktische  Medizin  eine  städtischerseits  be¬ 
triebene  Privatklinik  für  die  Unterbringung  ihrer  Privatpatienten  zur 
Verfügung  gestellt.  Dieser  Bau  ist  jetzt  der  Benützung  übergeben 
worden  und  hat  sich  überraschend  schnell  gefüllt.  Die  Privatklinik 
ist  gehalten  im  Stile  eines  vornehmen  Sanatoriums,  das  auch  den  ver¬ 
wöhntesten  Anforderungen  in  Bezug  auf  Komfort,  Unterbringung  und 
Verpflegung  gerecht  wird.  Als  Gegenleistung  für  das  Recht,  ihre 
Kranken  hier  unterzubringen,  ist  den  Direktoren  der  akademischen 
Kliniken  bekanntlich  untersagt,  eigene  Privatkliniken  zu  halten;  da¬ 
durch  ist  die  Tätigkeit  der  Herren  vollständig  nach  den  neuen 
Krankenanstalten  konzentriert. 

—  Wie  wir  der  Vossischen  Zeitung  entnehmen,  wird 
am  1.  Januar  1908  in  der  Berliner  klinischen  Wo¬ 
chenschrift  durch  das  Ausscheiden  des  Geheimen  Me¬ 
dizinalrats  Professor  Dr.  A.  Ewald  ein  Redaktionswechsel 
eintreten.  In  den  ersten  Jahren  führte  der  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Louis 
Posner  die  Redaktion.  Nach  dessen  Tode,  im  Jahre  1868,  ging 
sie  auf  Louis  Waldenburg  über.  Nach  dessen  Tode  1881  wurde 


*)  Die  betr.  Stelle  des  Vertrags  lautet:  .  .  .  übernimmt  die  Ver¬ 
pflichtung  anzuerkennen,  ...  5)  „dass  gegen  die  Entscheidung  des 
Plenums  oder  des  Ehrengerichts  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  nur 
die  Berufung  an  die  Beschwerdekommission  der  zuständigen  Aerzte¬ 
kammer  zulässig  ist,  welche  unter  Ausschluss  des  Rechtsweges 
entgiiltig  entscheidet“.  Da  die  Tätigkeit  der  bisher  bei  der  Aerzte¬ 
kammer  bestehenden  „Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden 
im  Sinne  des  §  12  der  Allerh.  Verord.  vom  9.  Juli  1895“  bestimmt 
umgrenzt  ist,  so  schwebt  die  in  dem  Vertrage  vorgesehene  höhere 
Instanz  z.  Z.  in  d6r  Luft. 


12.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2211 


Ewald  Redakteur,  seit  1889  zusammen  mit  lies  älteren  Pos  ne  r 
Sohn,  Prof.  Karl  Posner.  Ewalds  Nachfolger  ist  den  Lesern  dieser 
Wochenschrift  ein  giiter  Bekannter:  Dr.  Hans  K  o  h  n.  unser  lang¬ 
jähriger  Berichterstatter  über  die  Berliner  wissenschaftlichen  Gesell¬ 
schaften,  den  wir  mit  Bedauern  die  Beziehungen  zu  unserem  Blatte 
lösen  sehen. 

—  Die  medizinischen  Fakultäten  der  öster¬ 
reichischen  Universitäten  wurden  im  letzten  Sommer¬ 
semester  von  insgesamt  3100  Personen  besucht.  Davon  waren: 
2648  ordentliche  Hörer,  112  ordentliche  Hörerinnen,  320  ausserordent¬ 
liche  Hörer,  4  ausserordentliche  Hörerinnen  und  16  Hospitanten.  Die 
2760  ordentlichen  Hörer  und  Hörerinnen  verteilten  sich  auf  die  ein¬ 
zelnen  Universitäten  wie  folgt:  Wien  1179,  Innsbruck  131,  Graz  249, 
Prag  (Deutsche  Universität  204,  Prag  (Böhmische  Universität)  364, 
Lemberg  179  und  Krakau  454.  Von  den  324  ausserordentlichen  Hörern 
und  Hörerinnen  waren  die  meisten  in  Wien  (258).  (hc.) 

—  Die  im  Jahre  1905  begründete  Säuglingsmilchküche 
München-Weste  n  d  hat  vor  kurzem  ein  neues  Heim  in  der 
Westendstr.  55  bezogen.  Die  ärztliche  Leitung  hat  an  Stelle  des  ver¬ 
zogenen  Dr.  Spiegel ib erg  Dr.  A.  Uffenheimer  übernommen. 
Mit  der  Anstalt  ist  eine  Beratungsstelle  verbunden.  Aus  der  Stif¬ 
tung  der  Freifr.  v.  Hirsch  werden  „Stillprämien  ‘  verabreicht. 
Die  Anstalt  erhält  von  der  Stadt  einen  Zuschuss  von  500  M.  Durch 
die  Verlegung  der  Anstalt  und  dringend  nötige  Neuanschaffungen  sind 
aber  die  zur  Verfügung  stehenden  Geldmittel  so  sehr  in  Anspruch 
genommen  worden,  dass  ein  Appell  an  die  Oeffentlichkeit  notwendig 
geworden  ist.  Beitrittserlklärungen  zum  Verein  Säuglingsmilch¬ 
küche  Westend  und  Sendungen  sind  erbeten  unter  der  Adresse  West¬ 
endstr.  55. 

—  Das  College  of  Physicians  zu  Philadelphia  schreibt  den 
Alvarenga- Preis  (180  Dollars)  für  1908  aus.  Letzter  Termin 
der  Einsendung  von  Arbeiten,  die  irgend  ein  medizinisches  Thema  be¬ 
handeln  dürfen,  ist  der  1.  Mai  1908.  Näheres  durch  Thomas  R. 
N  e  i  1  s  o  n,  Sekretär  des  College.  Der  Alvarenga-Preis  für  1907 
wurde  Herrn  Dr.  W.  L.|  Chapmann  zuerkannt  für  seine  Arbeit 
über  Postoperative  Phlebitis,  Thrombose  und  Embolie. 

—  Cholera.  Russland.  Nach  amtlichen  Ausweisen  sind  vom 
16.  bis  25.  Oktober  an  der  Cholera  1349  Personen  erkrankt  und  547 
gestorben.  In  der  Stadt  Kiew  sind  vom  22.  bis  27.  Oktober  ins¬ 
gesamt  204  Personen  erkrankt  und  90  gestorben,  aus  der  Stadt  Jeka- 
terinoslaw  waren  vom  17.  bis  25.  Oktober  90  Erkrankungen  und 
36  Todesfälle  gemeldet.  —  Straits  Settlements.  In  Singapore  wurden 
vom  18.  bis  24.  September  13,  vom  25.  September  bis  1.  Oiktober 
4  Choleratodesfälle  festgestellt.  —  Japan.  Aus  Kobe-Hiogo  wurden 
vom  21.  September  -bis  6.  Oktober  194  Erkrankungen  (und  136  Todes¬ 
fälle)  an  der  Cholera  gemeldet,  aus  Osaka  vom  22.  September  bis 
7.  Oktober  152  (100).  Kobe  und  Osaka  sind  inzwischen  von  dem 
Ministerium  des  Innern  für  choleraverseucht  erklärt  worden. 

—  Pest.  Grossbritannien.  In  Glasgow  ist  am  17.  Oktober  ein 
6  jähriger  Knabe  an  Pest  erkrankt,  wie  bakteriologisch  festgestellt 
wurde;  die  Entstehung  der  Krankheit  hat  sich  mit  Sicherheit  noch 
nicht  ermitteln  lassen.  Der  Kranke  wurde  sofort  abgesondert;  wei¬ 
tere  Krankheitsfälle  sind  bis  zum  26.  Oktober  nicht  aufgetreten.  — 
Aegypten.  Vom  19.  bis  26.  Oktober  wurden  15  neue  Erkrankungen 
(und  9  Todesfälle)  an  der  Pest  gemeldet.  —  Tunis.  In  der  Stadt  Tunis 
sind  am  30.  Oktober  mehrere  Pestfälle,  darunter  2  tödliche,  fest- 
gestellt  worden.  —  Algier.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  2.  Novem¬ 
ber  sind  in  Oran  2  neue  Pestfälle  vorgekommen.  Die  bereits  auf¬ 
gehobenen  sanitären  Massnahmen  sind  wieder  eingeführt  worden.  — 
Britisch-Ostindien.  Vom  15.  bis  21.  September  sind  in  ganz  Indien 
9038  Personen  an  der  Pest  gestorben  und  12  845  neue  Erkrankungen 
gemeldet.  Japan.  Vom  23.  September  bis  7.  Oktober  wurden  in 
Osaka  10  Pesttodesfälle  gemeldet.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika. 
In  San  Franzisko  sind  vorn  5.  bis  12.  Oktober  8  (insgesamt  nunmehr 
65)  Pestfälle  und  8  (insgesamt  nunmehr  39)  pestverdächtige  Erkran¬ 
kungen  festgestellt  worden.  Von  den  PestfälLen  hatten  bis  dahin  38 
tödlich  geendet. 

In  der  43.  Jahreswoche,  vom  20. — 26.  Oktober  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterb- 
IjchJceit  Hamborn  mit  35,1,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit 
i,  ( odesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  Königshütte,  Ulm, 
Zabrze,  an  Masern  und  Röteln  in  Gera,  Kottbus,  Ulm,  an  Diphtherie 
und  Krupp  in  Darmstadt,  Elbing,  Rostock,  an  Keuchhusten  in  Alten- 
ess€n-  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

E  r  1  a  n  g  e  n.  Am  4.  November,  dem  Stiftungstag  der  Universi¬ 
tät,  übernahm  der  neu  ernannte  Prorektor  Prof.  Dr.  Hauser  sein 
Amt;  in  seiner  Antrittsrede  behandelte  er  die  moderne  Auffassung  des 
Entzündungsbegriffes,  d.  h.  als  einer  für  den  Gesamtorganismus 
zweckmässigen  Schutzwirkung.  —  Als  Nachfolger  Prof.  Jamins 
wurde  der  bisherige  Assistent  an  der  I.  medizinischen  Klinik  zu  Ber¬ 
lin  (Geheimrat  Kraus)  Prof.  Dr.  Schittenhelm  als  etatmässi- 
ger  Extraordinarius  mit  dem  Lehrauftrag  für  medizinische  Propädeutik 
und  Geschichte  der  Medizin  berufen  und  zum  Oberarzt  des  Ambula¬ 
toriums  der  medizinischen  Klinik  ernannt. 

G  ö  1 1  i  h&  e  n.  Prof.  Hirsch-  Freiburg  hat  die  Direktion  der 
inneren  Klinik  nunmehr  definitiv  übernommen.  Prof.  Hess -Mar¬ 
burg  ist  Oberarzt  der  Klinik  geworden.  Dr.  Schultze,  Assistent 


am  pathologischen  Institut,  hat  sich  mit  einer  Probevorlesung  „Ueber 
die  pathologische  Anatomie  der  Tuberkulose“  habilitiert. 

Greifswald.  Der  Privatdozent  und  Oberarzt  bei  Geheimrat 
Olshausen  am  klinischen  Institut  für  Frauenkrankheiten  und  Ge¬ 
burtshilfe  der  Friedrich-Wilhelms-Universität  zu  Berlin,  Prof.  Dr.  med. 
Max  Henkel  wurde  zum  ordentlichen  Professor  und  Direktor  der 
Frauenklinik  an  der  Universität  Greifswald  ernannt,  (hc.) 

Halle  a.  S.  Dr  med.  Karl  L  o  e  n  i  n  g,  Assistent  an  der 
medizinischen  Universitätsklinik,  habilitierte  sich  mit  einer  Antritts¬ 
vorlesung  „Ueber  Fortschritte  in  der  Diagnostik  der  Magenkrank¬ 
heiten“  für  innere  Medizin.  Habilitationsschrift:  „Experimentelle  und 
klinische  Untersuchungen  über  den  Eiweissstoffwechsel  im  Fieber“ 
(Klinisches  Jahrbuch.)  —  Dem  ordentlichen  Professor  und  Direktor 
der  medizinischen  Poliklinik,  Dr.  Adolf  Schmidt,  ist  die  Kgl. 
Sächsische  Carolamedaille  in  Silber  verliehen,  (hc.) 

Kiel.  Für  die  Nachfolge  des  Direktors  der  chirurgischen  Klinik 
Herrn  Prof.  H  e  1  f  e  r  i  c  h  s  kommen,  nachdem  L  e  x  e  r  -  Königsberg 
abgelehnt  hat,  wie  wir  hören,  A  n  s  c  h  ii  t  z  -  Breslau,  Kausch  - 
Schöneberg  und  König- Altona  in  Betracht.  Mit  der  Vertretung 
des  Geh.-Rats  Helfe  rieh  wurde  bis  auf  weiteres  Privatdozent 
Dr.  G  ö  b  e  1 1  beauftragt. 

M  ü  n  c  h  e  n.  Am  9.  November  habilitierte  sich  für  das  Fach 
der  Ohrenheilkunde  der  Militäroberarzt  Dr.  Heinrich  Herzog  mit 
einer  Probevorlesung:  „Der  gegenwärtige  Stand  der  Lehre  vom 
vestibulären  Nystagmus“.  Die  Habilitationsschrift  führt  den  Titel: 
„Labyrintheiterung  und  Gehör“. 

Tübingen.  Die  I.  Abteilung  der  Karl  Faber-Stiftung  hat  dem 
Privatdozenten  Dr.  Max  v.  B  r  u  n  n  „in  besonderer  Anerkennung 
seines  wissenschaftlichen  Strebens  und  seiner  wissenschaftlichen 
Leistungen  auf  den  Gebieten  der  pathologischen  Anatomie,  Bakterio¬ 
logie  und  Chirurgie“  den  Ehrenpreis  der  Stiftung  von  1000  M. 
verliehen. 

Bern.  Prof.  Dr.  med.  Friedrich  Lüscher,  seit  1896  Privat¬ 
dozent  für  Laryngologie  und  Otologie  an  der  Universität  Bern,  wurde 
zum  a.  o.  Professor  befördert,  (hc.) 

Graz.  Der  Zahnarzt  Dr.  Franz  Trauner  in  Wien  wurde  zum 
a.  o.  Professor  der  Zahnheilkunde  an  der  Grazer  Universität  er¬ 
nannt.  (hc.) 

Krakau.  Der  Privatdozent  für  Kinderheilkunde  Dr.  F.  X. 
Lewkowicz  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt. 

Prag.  Der  Titel  eines  a.  o.  Universitätsprofessors  wurde  ver¬ 
liehen  den  Privatdozenten  DDr.  Münzer  und  Friedei  Pick  (innere 
Medizin),  L  i  e  b  1  e  i  n  (Chirurgie),  W  ä  1  s  c  h  und  Winternitz 
(Dermatologie).  Hofrat  Prof.  Dr.  F.  J.  Pick  wurde  zum  Ehren- 
mitgliede  der  New  Yorker  Dermatologioal  Society  gewählt. 

Wien.  Dr.  H.  S  a  1  o  m  o  n  habilitierte  sich  als  Privatdozent 
tür  innere  Medizin.  Zu  ausserordentl.  Professoren  wurden  die  Privat¬ 
dozenten  Dr.  med.  Otto  Grosser  (Anatomie)  und  Dr.  med.  Oskar 
Stoerk  (Pathologische  Anatomie)  ernannt.  Den  Privatdozenten 
Dr.  med.  Benjamin  Go  mp  er  z  (Ohrenheilkunde),  Primararzt  Dr. 
med.  Julius  Schnitzler  (Chirurgie),  Dr.  Arthur  Klein  (Innere 
Medizin),  Dr.  Wolfgang  Pauli  (Innere  Medizin),  Dr.  Ludwig  Mandl 
(Geburtshilfe  und  Gynäkologie)  und  Dr.  Alexander  Pilcz  (Psy¬ 
chiatrie  und  Neurologie)  wurde  der  Titel  eines  ausserordentlichen 
Professors  verliehen,  (hc.) 

(Todesfälle.) 

Dr.  F  o  1  e  t,  Professor  der  chirurgischen  Klinik  an  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  zu  Lille. 

Dr.  S  i  e  v  e  t  z,  früher  Professor  der  allgemeinen  Therapeutik 
-und  Diagnostik  an  der  medizinischen  Fakultät  zu  Warschau. 

Berichtigung.  In  dem  Referat  über  die  Annalen  der 
städt.  allg.  Krankenhäuser  zu  München  ist  durch  ein 
Versehen  eine  Arbeit  aus  der  chirurgischen  Klinik,  F.  Ebermayer: 
„Zur  Behandlung  der  Gelenktuberkulose,  nebst  Bericht  über 
104  Arthnektomien“,  nicht  mit  aufgezählt  worden.  Dies  wird  hiemit 
nachgeholt. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Fritz  M  e  i  d  a  s,  appr.  1904,  in  Fürth 
als  Spezialist  für  Kinderkrankheiten. 

Gestorben.  Dr.  Franz  Kellerer,  Krankenhausarzt  und 
Bahnarzt  in  Holzkirchen,  51  Jahre  alt. 

Militärsanitätswesen. 

Abschied  bewilligt.  Dem  Generalarzt  Dr.  Herrmann, 
Vorstand  des  Operationskurses  für  Militärärzte,  mit  der  gesetzlichen 
Pension  und  mit  der  Erlaubnis  zum  Forttragen  der  Uniform  mit  den 
für  Verabschiedete  vorgeschriebenen  Abzeichen. 

Versetzt.  Der  Oberstabsarzt  Dr.  Friedrich,  Dozent  am 
Operationskurs  für  Militärärzte,  zum  2.  Inf.-Reg. 

Befördert.  Der  Stabsarzt  Dr.  Laible,  Bataillonsarzt  im 

3.  Inf.-Reg.,  zum  Oberstabsarzt. 

Ernannt.  Zum  Dozenten  am  Operationskurs  für  Militärärzte 
der  Stabsarzt  Dr.  Glas,  Bataillonsarzt  im  18.  Inf.-Reg.;  zum  Batail- 
lonsarzt  im,  18.  Inf.-Reg.  der  Oberarzt  Dr.  Zehnter  -des  19.  Inf.- 
Reg.  unter  Beförderung  zum  Stabsarzt  (überzählig). 

Auszeichnung.  Der  Militär-Verdienstorden 

4.  Klasse  mit  Schwertern,  dem  Oberarzt  Dr.  W  i  1 1  m  e  r  des 


2312 


MUENCHENEN  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  46. 


23.  Inf.-Reg.;  dem  Generalarzt  a.  D.  Dr.  Herrmann,  bisher  Vor¬ 
stand  des  Operationskurses  für  Militärärzte,  das  Offizierskreuz  des 
Militär-Verdienstordens. 


Korrespondenz. 

Zum  Prozess  Moltke-Harden. 

Herr  Dr.  A.  N  o  d  e  r  -  Türkheim  ersucht  uns  um  Aufnahme  der 
nachfolgenden  Zuschrift: 

Sehr  geehrte  Redaktion! 

Ihre  letzte  Nummer  enthält  in  einem  Rückblick  auf  den  Harden¬ 
prozess  u.  a.  folgenden  Satz:  „Wie  sehr  durch  diese  Erörterungen  das 
öffentliche  Schamgefühl  abgestumpft  wird,  beweist  z.  B.  die  Mün¬ 
chener  „Jugend“,  die  es  ihren  Lesern  bieten  zu  dürfen  glaubt,  sämt¬ 
liche  Witze  des  politisch-satirischen  Teils  ihrer  letzten  Nummer  dem 
Gebiete  der  Psychopathia  sexualis  zu  entnehmen.“ 

Gegen  einen  derartigen  Anwurf  auf  ein  Organ,  dessen  künst¬ 
lerischer  und  literarischer  Ernst  auch  von  seinen  Gegnern  anerkannt 
wird,  muss  ich  als  einer  seiner  Mitarbeiter  doch  folgendes  erwidern: 
Nicht  der  Psychopathia  sexualis,  sondern  den  konkreten  Zuständen, 
die  der  Prozess  enthüllte,  den  charakteristischen  Aeusserungen,  die 
eidlich  gemacht  wurden  und  den  Persönlichkeiten,  die  hier  im  Kampfe 
standen,  haben  wir  unsere  Bild-  und  Witzideen  entnommen.  Nicht 
aus  Freude  an  Unanständigem  und  Pikantem  haben  wir  uns  mit  diesen 
Geschichten  beschäftigt,  sondern  weil  es  das  gute  Recht  des  Satirikers 
ist,  die  moralischen,  sozialen  und  politischen  Gebrechen  seiner  Zeit 
zu  geissein,  so  beissend  und  so  ausgiebig  als  er  vermag.  Hier  stan¬ 
den  Männer,  die  sonst  zu  „den  Edelsten  der  Nation“  gezählt  werden, 
die  von  Frömmigkeit,  Sittlichkeit,  Loyalität  und  hochgespannten  Ehr¬ 
begriffen  triefen,  und  die  jahrelang  eine  Art  unverantwortlicher  Neben¬ 
regierung  zwischen  Volk  und  Kaiser  geführt  hatten,  als  moralisch 
angefault  vor  dem  Gericht  der  öffentlichen  Meinung.  Deswegen, 
dieser  Heuchelei  wegen,  und  unserer  politischen  Ueberzeugung  wegen 
beleuchteten  wir  diese  Zustände,  wenn  sie  auch  nicht  schön  sind,  so 
wenig  die  Zustände  schön  waren,  die  Aristophames  und  Martial  aus 
gleichem  Grunde  beleuchtet  haben.  Das  taten  die  Satiriker  der 
„Jugend“  mit  vollem  Recht,  und  allerdings  wird  politische  Satire 
nicht  für  junge  Mädchen  und  —  alte  Weiber  geschrieben.  Aber  einem 
Blatte  dieses  Ranges  dafür  gewissermassen  den  Sinn  für  Anstand  ab¬ 
zusprechen,  es  als  abgestumpft  für  öffentliches  Schamgefühl  hinzu¬ 
stellen,  das  beweist  doch  eine  Rückständigkeit  und  Engherzigkeit 
der  Auffassung,  wie  ich  sie  bei  einem  Anhänger  der  freiesten  Wissen¬ 
schaft,  der  Medizin,  nicht  für  möglich  gehalten  hätte.  Als  Arzt  wie  als 
Schriftsteller  muss  ich  gegen,  diesen  Anwurf  ganz  energisch  pro¬ 
testieren. 

Uebrigens  Hesse  sich  auch  sonst  noch  vieles  gegen  den  Inhalt 
des  Resümees  erwidern,  wenn  der  Raum  es  gestattete.  Dass  der 
§  175  einen  Unterschied  zwischen  Perversion  und  Perversität  macht, 
ist  mir  neu.  Vorausgesetzt,  dass  der  Herr  Kollege  unter  Perversion 
nicht  bloss  den  Gedanken-Uranismus  versteht,  der  allerdings  aus 
einem  höchst  wichtigen  Grunde  nicht  strafbar  ist,  weil  nämlich  nach 
§  1  der  „Allgemeinen  Weltordnung“  Gedanken  überhaupt  —  zurzeit 
noch  —  frei  sind.  Dass  der  Herr  Kollege  im  selben  Atemzuge,  wo¬ 
mit  er  zugibt,  dass  eine  „Krankheit“  dieser  Art  übrigens  existiert, 
die  Bekämpfung  derselben  durch  einen  Strafgesetzbuchoaragraphen 
verlangt,  dünkt  mich  recht  unärztlich  gedacht.  Der  Hinweis  auf  die 
Geschichte  und  den  Verfall  der  Nationen  steht  ebenfalls  auf  sehr 
schwachen  Füssen,  worüber  Krafft-Ebing  und  Moll  den  Herrn 
Kollegen  aufiklären  können,  wenn  er  will.  Jedenfalls  ist  es  interessant, 
dass  Deutschlands  Zukunft  nun  nicht  mehr  auf  dem  Wasser,  sondern 
auf  dem  §  175  liegt.  Eines  aber  hat  mich  trotz  alledem  gefreut: 
Herrn  Harden  hat  der  Herr  Kollege  doch  in  höchst  liberaler 
Weise  den  Dr. -Titel  verliehen,  wahrscheinlich  nonhonoris  causa. 
Und  somit  sind  wir  unser  drei. 

Ergebenst 

Dr.  A.  N  o  d  e  r  -  Türkheim. 

Wir  wollen  unseren  Lesern  das  Vergnügen,  in  diesen  Spalten 
einem  Beitrag  unseres  witzigen  und  liebenswürdigen  Kollegen 
„A.  de  Nora“  zu  begegnen,  nicht  vorenthalten,  obwohl  wir  ln 
diesem  Falle  die  Liebenswürdigkeit  seines  Humors  schmerzlich  ver¬ 
missen.  Er  ist  richtig  grob  geworden,  so  sehr  hat  ihn  unsere  Be¬ 
merkung  über  die  „Jugend“  erzürnt;  und  in  der  Erregung  begegnen 
ihm  arge  Entstellungen  dessen,  was  wir  gesagt  halben.  Es  ist  ein 
Spiel  mit  Worten,  wenn  der  Herr  Kollege  sagt,  nicht  der  Psycho- 
pathologia  sexualis  seien  die  Witzideen  entnommen  gewesen,  son¬ 
dern  den  konkreten  Zuständen,  die  der  Prozess  enthüllte.  Diese 
Zustände  betrafen  eben  zum  guten  Teil  das  Gebiet  der  Sexualpatho¬ 
logie.  Dass  ein  politisches  Witzblatt  diesem  Prozess  Stoff  entnimmt, 
ist  selbstverständlich;  wenn  dabei  aber  die  politische  Seite  fast  ganz 
in  den  Hintergrund  tritt  und  dafür  die  sexuelle  Seite  in  etwa  20  Witzen 
und  Bildern  ausgeschlachtet  wird,  so  lässt  das  allerdings  auf  eine  ge¬ 
wisse  Freude  am  Pikanten  schliessen.  Ganz  schief  ist,  was  der  Herr 
Kollege  gegen  den  übrigen  Inhalt  unserer  Notiz  sagt.  Wo  ist  dort 
gesagt,  dass  der  §  175  einen  Unterschied  zwischen  Perversion  und 
Perversität  macht?  Wir  haben  gesagt,  dass  Krafft-Ebing  diesen 
Unterschied  macht.  Wo  haben  wir  dort  die  Bekämpfung  einer  Krank¬ 


heit  (der  Perversion)  durch  einen  Strafgesetzbuchparagraphen  ver¬ 
langt?  Wir  haben  im  Gegenteil  gesagt,  dass  das  Mitgefühl  mit 
den  durch  den  Paragraphen  mitgetroffenen  „Kranken“  nicht 
Grund  sein  dürfe,  den  Paragraphen  ganz  aufzuheben  und  damit  dem. 
„Laster“  freie  Bahn  zu  geben.  Es  fehlt  uns  der  Raum,  darauf  näher 
einzugehen;  es  ist  wohl  auch  nicht  nötig.  Wir  wollen  nur  der  Kritik 
des  Herrn  Kollegen  gegenüber  feststellen,  dass,  während  wir  in  der 
vorigen  Woche  mit  unseren  Bemerkungen,  namentlich  über  Herrn 
Dr.  Magnus  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  als  Gutachter  und  über  die  Notwendig- 
ikeit  des  §  175,  ziemlich  allein  standen,  wir  uns  heute,  nach  dem 
Biilow-Brand-Prozess,  in  Uebereinstimmung  fast  mit  der  gesamten 
Presse  befinden.  Die  Genugtuung  darüber  tröstet  uns  über  den  Voi- 
wurf  der  Rückständigkeit  und  Engherzigkeit,  den  uns  unser  Dichter- 
kollege  macht.  Herrn  Maximilian  Harden  aber  werden  wir  den 
wider  Willen  verliehenen  Doktortitel  schleunigst  wieder  ent-  _ 
ziehen.  Red. 


Generalkrankenrapport  über  die  K.  Bayer.  Armee 

für  den  Monat  September  1907. 


Iststärke  des  Heeres: 

62811  Mann,  72  Kadetten,  148  Unteroffiziersvorschüler. 


Mann 

Kadetten 

Unteroffiz. - 
vorschüler 

1.  Bestand  waren 

am  31.  August  1907: 

899 

— 

4 

im  Lazarett: 

1054 

— 

4 

2.  Zugang: 

im  Revier: 

879 

1 

— 

in  Summa: 

1933 

1 

4 

Im  ganzen  sind  behandelt: 

2832 

1 

8 

°/e o  der  Iststärke: 

45,1 

13,9 

54,1 

dienstfähig: 

2046 

1 

5 

°/oo  der  Erkrankten : 

722,5 

1000,0 

625,0 

gestorben: 

5 

— 

— 

°/oo  der  Erkrankten : 
dienstunbrauchbar : 

1,8 

— 

— 

mit  Versorgung: 

28 

— 

— 

3.  Abgang:  < 

ohne  „ 

Auf  Grund  vor  der 

5 

— 

2 

Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

6 

anderweitig: 

89 

— 

— 

in  Summa: 

2179 

1 

7 

4.  Bestand 
bleiben 

30.  Sept.  1907 

in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 

653 

10,4 

— 

1 

6,8 

davon  im  Lazarett: 
davon  im  Revier: 

530 

123 

— 

1 

Von  den  in  Ziffer  3  aufgeführten  Gestorbenen  haben  gelitten  an: 
Knochen-,  Becken-,  Drüsentuberkulose,  Brustfellentzündung  und 
Schädelbruch  je  1. 

Ausserhalb  der  ärztlichen  Behandlung  starben  3  Mann,  und  zwar 
2  durch  Unglücksfall  (1  Ueberfahrenwerden,  1  Sturz  in  die  Tiefe). 
1  durch  Selbstmord  (Ueberfahrenlassen). 

Der  Gesamtverlust  der  Armee  durch  Tod  betrug  demnach  im 
Monat  September  8  Mann. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  43.  Jahreswoche  vom  20.  bis  26.  Oktober  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  15  (16*) 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  9  (5),  Kindbettfieber  —  (2),  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (1),  Scharlach  —  (3),  Masern  u.  Röteln  1  (1),  Diphth.  u. 
Krupp  4  (2),  Keuchhusten  1  (1),  Typhus  1  (— ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (—),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  6  (2),  Tuberkul.  d.  Lungen  16  (12),  Tuberkul.  and 
Org.  3  (5),  Miliartuberkul.  —  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  10  (10), 
Influenza  —  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  5  (4),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  2  (4),  sonst.  Krankh.  derselb.  2  (— ),  organ.  Herzleid.  17  (16), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg.  (einschl.  Herzschlag)  5  (7),  Gehirnschlag 
4  (6),  Geisteskrankh.  1  (— ),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  4  (3),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  4(5),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  34  (44),  Krankh.  d.  Leber  2  (1),  Krankh.  des 
Bauchfells  3  (1),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  (4),  Krankh  d 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  3  (5),  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  15  (9), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  4  (4),  Selbstmord  4  (3),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (3),  Unglücksfälle  5  (2),  alle  übrig.  Krankh.  4  (2). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  189  (183).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,9  (17,4),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,1  (11,4). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Leb  ©  tan  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


0le  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

lk  6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


tZusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Aniulf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  87,-1  Uhr.  *  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  *  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


No.  47.  19.  November  1907.  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 

Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  psychiatrischen  Klinik  in  Freiburg  i/Br. 

Neuere  Untersuchungen  über  die  diagnostische  Be¬ 
deutung  der  Pupillensymptome.*) 

Von  Privatdozenten  Dr.  O.  B  u  m  k  e,  I.  Assistenten  der  Klinik. 

M.  H. !  Nach  der  Teilung  des  Themas,  wie  sie  von  den 
Referenten  verabredet  worden  ist,  würde  mir  jetzt  die  Aufgabe 
zufallen,  die  spezielle  Pathologie  der  Pupillenstörungen  zu  be¬ 
sprechen,  d.  h.  die  Krankheiten  des  Nervensystems  einmal 
unter  dem  Gesichtspunkte  durchzugehen,  ob  und  in  welchem 
Masse  bei  ihrer  Diagnose  Pupillensymptome  eine  Rolle  spielen. 
Diese  T  eilung  des  Stoffes  enthebt  mich  der  Notwendigkeit,  zu 
den  Anschauungen,  die  Herr  Prof.  Bach  eben  vorgetragen 
hat,  hier  Stellung  zu  nehmen;  nur  gelegentlich  werde  ich  die 
Differenzen  streifen  müssen,  die  zwischen  diesen  Ansichten 
und  den  meinen  bestehen. 

Der  Stoff,  den  ich  zu  behandeln  habe,  ist  so  umfangreich, 
dass  ich  mich  notwendig  bescheiden  muss  und  nur  die  wichtig¬ 
sten  Tatsachen  aus  dem  grossen  Kapitel  der  speziellen  Pupillen¬ 
pathologie  berücksichtigen  kann.  Ich  hoffe  dabei  in  Ihrem 
Sinne  zu  handeln,  wenn  ich  als  wichtig  besonders  die  Fragen 
behandle,  die  noch  nicht  endgültig  beantwortet,  die  noch  Gegen¬ 
stand  der  Diskussion  sind.  Auf  diese  möchte  ich  etwas  näher 
eingehen. 

Man  sollte  meinen,  damit  seien  die  Störungen  der  Iris¬ 
innervation  bei  der  Metasyphilis,  bei  der  Tabes  und  bei  der 
Paralyse,  aus  meinem  Referate  ausgeschieden.  Seit  Argyll 
Robertson  die  reflektorische  Pupillenstarre  entdeckt  und 
seit  besonders  Erb  die  grosse  diagnostische  Bedeutung  dieses 
Symptomes  erkannt  hat,  sind  in  rascher  Folge  sehr  zahlreiche 
Untersuchungen  über  Art  und  Wesen  des  neuen  Krankheits¬ 
zeichens  sowohl  wie  über  seine  Häufigkeit  angestellt  worden. 
Erinnert  sei  besonders  an  die  gross  angelegte  Arbeit,  in  der 
Uhthoff,  Thomsen,  Siem  erlang,  Moeli  und  Op¬ 
penheim  in  der  Mitte  der  80  er  Jahre  des  vorigen  Jahrhun¬ 
derts  das  enorme  Material  der  Berliner  Augen-,  Nerven-  und 
Irrenkliniken  verwertet  haben.  Damit  wurde  alles  bis  dahin 
Geleistete  überholt  und  ein  gewisser  Abschluss  erreicht.  Und 
doch  gibt  es  auch  hier  noch  ungelöste  Fragen. 

Das  Ergebnis  aller  dieser  Untersuchungen  ist  ja  bekannt: 
In  demselben  Tempo,  in  dem  es  gelungen  ist,  die  Erkennung  der 
Tabes  und  der  Paralyse  und  ihre  Unterscheidung  von  anderen 
ähnlichen  Zustandsbildern  vollkommener  zu  gestalten,  in  dem¬ 
selben  Tempo  hat  sich  die  Ueberzeugung  Bahn  gebrochen,  dass 
die  echte  reflektorische  Starre  so  gut  wie  ausschliesslich  bei 
diesen  beiden  Krankheiten,  also  nur  bei  der  Metasyphilis  vor¬ 
kommt.  Das  gilt  wenigstens  dann,  wenn  der  Begriff  der  iso¬ 
lierten  Lichtstarre  scharf  gefasst,  wenn  die  völlige  Intaktheit 
der  Konvergenzreaktion  in  jedem  Falle  verlangt  wird.  Nur 
eine  Ausnahme  von  dieser  Regel  besteht,  und  vielleicht  nur 
eine  scheinbare  Ausnahme.  Es  gibt,  übrigens  seltene,  Fälle,  in 
denen  bei  früher  syphilitisch  Infizierten  das  Robertson  sehe 
Zeichen  jahrelang,  ja  über  ein  Jahrzehnt,  beobachtet  wurde, 
ohne  dass  jemals  andere  tabische  oder  paralytische  Symptome 


*)  Referat,  erstattet  auf  der  79.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte  in  Dresden. 

$9,  47. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

dazu  traten.  Binswanger  und  Siemerlingz.  B.  haben 
solche  Beobachtungen  mitgeteilt.  Die  Franzosen  (B  a  b  i  n  s  k  i 
u.  a.)  folgern  daraus:  auch  die  blosse  Syphilis  und  nicht  bloss 
die  Metasyphilis  verursache  reine  Lichtstarre,  eine  Ansicht, 
die  M  o  e  b  i  u  s  mit  allem  Nachdruck  als  Irrlehre  zurück¬ 
gewiesen  hat.  Moebius  selbst  (diagnostizierte  überall,  wo 
reflektorische  Starre  bestand,  ohne  weiteres  Tabes  oder  Para¬ 
lyse  und  er  konnte  sich  dabei  auf  die  Beobachtungen  von 
Thomsen  berufen,  in  denen  nach  Jahrzehnte  langem  Be¬ 
stehen  blosser  Lichtstarre  schliesslich  doch  noch  andere  para¬ 
lytische  oder  tabische  Zeichen  aufgetreten  waren. 

Ich  glaube,  man  wird  dieser  Meinungsverschiedenheit 
gegenüber  Erb  folgen  und  sagen  dürfen:  beide  Anschauungen 
haben  bis  zu  einem  gewissen  Grade  recht.  Dass  niemand  re¬ 
flektorische  Starre  bekommt,  der  nicht  syphilitisch  ist,  steht 
wohl  unbedingt  fest.  So  lange  uns  jedoch  die  materiellen 
Voraussetzungen  des  Robertson  sehen  Zeichens  un¬ 
bekannt  sind,  können  wir  füglich  nicht  bestreiten,  dass  diesem 
Symptom  immer  eine  bestimmte  systematische,  d.  h.  eben 
spezifisch  tabische  Erkrankung  innerhalb  des  Zentralorgans  zu¬ 
grunde  liege.  Wir  müssten  dann  in  den  oben  erwähnten  Be¬ 
obachtungen,  in  denen  andere  tabische  Symptome  gefehlt 
haben,  Forrnes  frustes  des  Tabes  erblicken.  Auf  der  anderen 
Seite  wird  die  Tatsache,  dass  aus  dem  R  o  b  e  r  t  s  o  n  sehen 
Zeichen  allein  noch  nicht  unbedingt  und  immer  auf  die  volle  Ent¬ 
wicklung  einer  Tabes  oder  einer  Paralyse  geschlossen  werden 
darf,  als  solche  durch  diese  theoretischen  Erwägungen  gewiss 
nicht  aus  der  Welt  geschafft. 

Der  Satz:  wo  reflektorische  Starre  besteht,  da  handelt  es 
sich  um  Tabes  oder  Paralyse,  ist  heute  übrigens  so  sehr  All¬ 
gemeingut  der  Aerzte  geworden,  dass  gelegentlich  die  War¬ 
nung  notwendig  wird,  ihn  nicht  umzukehren.  Die  isolierte 
Lichtstarre  hat,  ob  nun  Moebiu-s  recht  behalten  wird  oder 
nicht,  vor  allen  anderen  Symptomen  der  Tabes  und  der  Para¬ 
lyse,  selbst  vor  dem  allerneuesten,  der  Pleozytose,  den  grossen 
Vorzug,  dass  sie  gemeinhin  jedenfalls  nicht  durch  blosse 
Syphilis  verursacht  wird.  Dafür  freilich  scheint  die  Lympho¬ 
zytenvermehrung  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  von  Tabischen 
und  Paralytischen  auch  nur  ganz  ausnahmsweise  zu  fehlen. 
Und  die  Pupillenstarre  wird  bei  den  metasyphilitischen  Krank¬ 
heiten  des  Nervensystems  doch  relativ  häufig  vermisst.  Hier 
liegt  die  Schwierigkeit,  die  ich  vorhin  betonte,  und  an  diesem 
Punkte  haben  die  Untersuchungen  der  neuesten  Zeit  frühere 
wertvolle  Ergebnisse  scheinbar  wesentlich  modifiziert.  In 
den  älteren  Statistiken  war  berechnet  worden,  dass  bis  zu 
64  Proz.  der  Fälle  von  Tabes  und  bis  zu  62  Proz.  der  Fälle  von 
Paralyse  reflektorische  Starre  zeigten.  Dazu  kamen  noch  20 
bezw.  25  Proz.  mit  träger  oder  unausgiebiger  Lichtreaktion.  Es 
blieben  also  nur  15 — 20  Proz.  aller  Fälle  übrig,  deren  Diagnose 
durch  Störungen  der  Irisinnervation  nicht  gestützt  wurde. 

Nun  werden  (diese  Werte  natürlich  grösser,  wenn  man  vor¬ 
nehmlich  beginnende  Fälle  berücksichtigt,  also  da  z.  B.,  wo 
poliklinisches  Material  benutzt  wird.  Darin  allein  aber  liegt 
der  Grund  gewiss  nicht,  wenn  nach  den  in  den  letzten  Jahren 
angestellten  Untersuchungen  die  relative  Häufigkeit  der  echten 
reflektorischen  Starre  bei  der  Tabes  und  bei  der  Paralyse  ganz 
langsam  zu  sinken  schien.  Die  Erklärung  ist  vielmehr  in  der 
Verbesserung  der  Untersuchungsmethodik  zu  suchen.  Man  be¬ 
tont  ja  heute  oft  und  mit  Recht,  dass  eine  ganz  exakte  Pupillen- 

1 


2314 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Untersuchung  im  Dunkelzimmer  und  mit  künstlichen,  starken 
Lichtquellen  vorgenommen  werden  müsse  —  dabei  werden 
natürlich  viele  Pupillen  noch  reagieren,  die  früher  lichtstarr  er¬ 
schienen  waren.  Nun  bedeutet  diese  Verfeinerung  der  Metho¬ 
dik  gewiss  in  mancher  Hinsicht  einen  Fortschritt,  sie  enthält 
aber  auch  eine  Gefahr,  die  nämlich,  dass  die  ersteh  Anfänge 
der  reflektorischen  Starre  übersehen  werden.  Wissen  wir 
doch,  dass  der  völligen  Aufhebung  des  Lichtreflexes  ein  langes 
Stadium  zunehmemder  reflektorischer  Trägheit  vorauszugehen 
pflegt.  Diese  rechtzeitig  zu  erkennen  ist  ein  wichtiges  Ziel  der 
Diagnosik  und  die  erste  Aufgabe  einer  verbesserten  Unter¬ 
suchungstechnik. 

Es  hat  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  diese  Forderung  zu  er¬ 
füllen.  Wir  messen  ja  gewöhnlich  weder  die  Stärke  der  Licht¬ 
quelle  noch  die  Grösse  der  Irisbewegung,  und  eine  Methode, 
die  beides  gestattet,  wird  immer  schwer  zu  handhaben  sein. 
Damit  ist  schon  der  Weg  gekennzeichnet,  auf  dem  hier  Er¬ 
folge  zu  suchen  sind:  wir  müssen  in  jedem  Falle  die  Reiz¬ 
schwelle  für  den  Lichtreflex  festzustellen  suchen,  indem  wir 
möglichst  kleine  Lichtreize  anwenden.  Diesem  Zwecke  dient 
eine  Reihe  von  sinnreich  konstruierten  Beleuchtungsapparaten, 
deren  vorzüglichster  der  kürzlich  von  Schlesinger  be¬ 
schriebene  zu  sein  scheint.  Alle  diese  Apparate  aber  leiden 
an  dem  gemeinsamen  Fehler,  dass  wir  ausserstande  sind,  die 
punktförmigen  Lichter,  die  sie  liefern,  bei  verschiedenen  Ver¬ 
suchen  jedesmal  auf  dieselbe  Stelle  der  Netzhaut  zu  werfen 
(vgl.  dazu  die  neueste  Arbeit  von  C.  Hess,  Archiv  f.  Augen- 
heilk.,  LVIII,  H.  2/3,  1907).  Ist  aber  das  nicht  der  Fall,  so 
können  natürlich  auch  die  Pupillenbewegungen,  die  sie  aus- 
lösen,  nicht  miteinander  verglichen  werden.  Uebrigens  sind 
mit  dem  Instrumente  von  Schlesinger  ausgedehnte  Ver¬ 
suche  bei  Tabes  und  Paralyse  bisher  nicht  gemacht  worden, 
so  dass  ein  endgültiges  Urteil  über  seine  Brauchbarkeit  für 
diese  Zwecke  vorderhand  nicht  möglich  ist. 

Dann  hat  Weiler,  dem  wir  einen  wertvollen  Apparat 
zur  Pupillenbeobachtung  verdanken,  eine  Methode  eingeführt, 
die,  kurz  gesagt,  auf  den  Versuch  hinausläuft,  den  Lichtreflex 
zu  erschöpfen.  Weiler  belichtet  erst  das  eine  und  dann  das 
andere  Auge  und  nennt  die  Verengerung,  die  normalerweise 
selbstverständlich  auch  auf  den  zweiten  Lichtreiz  folgt,  „sekun¬ 
däre  Reaktion“.  Diese  fehlte  bei  96  Proz.  der  von  ihm  unter¬ 
suchten  Paralytiker,  so  dass  nur  4  Proz.  jede  Störung  der 
Lichtreaktion  vermissen  Hessen. 

Ich  selbst  endlich  habe  mich  seit  mehreren  Jahren  be¬ 
müht,  in  anderer  Weise  einen  geringen,  leicht  abstufbaren 
Reiz  zu  finden,  der  dann  bei  leichten  Störungen  des  Licht¬ 
reflexes  unwirksam  bleiben  müsste.  Bekanntlich  bewirken 
schwache  galvanische  Ströme,  die  durch  das  Auge  geleitet 
werden,  im  Momente  der  Anodenschliessung  eine  Lichtemp¬ 
findung,  die  normalerweise  schon  bei  Stromstärken  zwischen 
0,02  und  0,2  Milli-Ampere  auftritt.  Etwas  stärkere  Ströme  — 
es  genügen  meist  solche  von  0,04—0,5  Milli-Ampere  —  be¬ 
einflussen  nun  ausserdem  auch  die  Pupillen  (des  gereizten  und 
des  nicht  gereizten  Auges),  eine  Wirkung,  die  natürlich  klein 
und  die  deshalb  nur  mit  der  Lupe  zu  beobachten  ist.  Auch 
hier  können  wir  überdies  —  ähnlich  wie  bei  der  Reizung  mit 
schwachen  Lichtquellen  —  nicht  etwa  mit  absoluten  Werten 
rechnen  und  Reiz  und  Erfolg  bei  verschiedenen  Versuchsper¬ 
sonen  einfach  vergleichen.  Aber  wir  besitzen  doch  in  der  gal¬ 
vanisch  ausgelösten  Lichtempfindung  einen  brauchbaren  In¬ 
dikator  für  die  tatsächlich  erzielte  elektrische  Beeinflussung 
der  Retina  und  das  Verhältnis  zwischen  galvanischer  Licht- 
und  galvanischer  Reflexempfindlichkeit  scheint  bei  Gesunden 
annähernd  konstant  zu  sein.  Bei  Paralytikern  —  ausgedehnte 
Beobachtungen  bei  Tabischen  stehen  mir  nicht  zur  Ver¬ 
fügung  —  ist  das  anders:  nur  bei  etwa  13  Proz.  der  von  mir 
untersuchten  Kranken  konnte  durch  Ströme  von  weniger  als 
3  Milli-Ampere  eine  Pupillenbewegung  ausgelöst  werden. 
Meine  Zahlen  sind  also  nicht  ganz  so  hoch  wie  die  von  Wei¬ 
ler;  immerhin  fehlt  die  galvanische  Reaktion  bei  etwa  87  von 
100  Paralytikern,  ein  Prozentsatz,  der  um  so  höher  erscheint, 
wenn  man  bedenkt,  dass  das  benutzte  Krankenmaterial  zum 
Teil  der  Poliklinik  entstammt.  Selbstverständlich  kann  auch 
diese  Methode  in  der  Praxis  nur  ausnahmsweise  angewandt 
werden,  aber  die  Resultate,  welche  sie  liefert,  gestatten  doch 
wohl,  die  blosse  Trägheit  des  Lichtreflexes,  wie  sie  uns  die 


gewöhnliche  Prüfung  bei  Tageslicht  aufdeckt,  im  Zweifelfall 
wieder  mit  grösserer  subjektiver  Sicherheit,  als  bisher,  dia¬ 
gnostisch  zu  verwerten. 

M.  H. !  Ich  habe  bisher  die  Störungen  der  Irisinnervation 
bei  der  Tabes  und  bei  der  Paralyse  zusammen  besprochen, 
entsprechend  der  nahen  Verwandtschaft  der  beiden  Erkran¬ 
kungen  und  der  Tatsache,  dass  die  eine  so  oft  die  andere  in 
sich  einschliesst,  dass  sich  auch  der  paralytische  Krankheits¬ 
prozess  so  oft  in  Hinterstrangsveränderungen  äussert.  Die 
Frage  nach  den  Beziehungen  zwischen  Tabes  und  Paralyse 
hat  aber  neuerdings  gerade  in  bezug  auf  die  reflektorische 
Starre  noch  eine  ganz  besondere  Nuance,  eine  ganz  spezielle' 
Bedeutung  bekommen.  W  o  1  f  f  und  G  a  u  p  p  haben  gezeigt, 
dass  überhaupt  nur  die  Fälle  von  Paralyse  lichtstarre  Pupillen 
aufweisen,  bei  denen  später  auch  eine  Sklerose  der  Hinter¬ 
stränge  gefunden  wird,  und  spätere  Untersucher  (R  ei¬ 
ch  a  r  d  t,  K  i  n  i  s  c  h  i  N  a  k  a,  Referent)  haben  dieses  Re¬ 
sultat  im  wesentlichen  bestätigt.  Allerdings  kommen  wohl 
Ausnahmen  von  dieser  Regel  vor;  wichtiger  aber  erscheint 
mir  die  Feststellung,  dass  aus  ihrem  rein  tatsächlichen  Inhalt 
keine  allzu  weitgehenden  Schlüsse  abgeleitet  werden  dürfen. 
Sowohl  die  Pupillenstarre  wie  die  Hinterstrangsverände¬ 
rungen  sind  am  Ende  der  Paralyse  eminent  häufig;  ja  wenn 
ganz  moderne  Untersuchungmethoden  angewandt  werden, 
dann  fehlen  Degenerationen  in  den  Hintersträngen  des  para¬ 
lytischen  Rückenmarkes  nur  ganz  ausnahmsweise.  K  i  n  i  s  c  h  i 
N  a  k  a  fand  unter  43  Rückenmarken  nur  eines  derart,  ich  selbst 
nur  2  unter  37.  Dadurch  wird  die  theoretische  Bedeutung  der 
Feststellungen  von  Wolff  und  Gau  pp  nicht  unwesentlich 
eingeschränkt;  die  Behauptung:  „die  Pupillenstarre  ist  ein  tabi- 
sches  und  kein  paralytisches  Symptom“  erscheint,  in  dieser 
Form  wenigstens,  durch  unsere  bisherigen  Kenntnisse  noch 
nicht  ganz  gerechtfertigt. 

Für  die  übrigen  Pupillenstörungen,  die  bei  den  metasyphi¬ 
litischen  Nervenkrankheiten  beobachtet  werden,  kommt  ein 
solches  Verhältnis  schon  deshalb  nicht  in  Frage,  weil  die 
Häufigkeit  ihres  Vorkommens  bei  der  Tabes  und  bei 
der  Paralyse  recht  verschieden  ist.  Schon  die  M  i  o  s  i  s,  be¬ 
kanntlich  die  einzige  Störung  der  Irisinnervation,  deren  Be¬ 
deutung  für  die  Diagnose  der  Tabes  der  des  Robertson- 
schen  Zeichens  annähernd  gleich  kommt,  wird  bei  Paralytischen 
nicht  ganz  so  häufig  beobachtet.  Die  absolute  Pupillenstarre 
dagegen  ist  wieder  bei  der  Tabes  vergleichsweise  selten  und 
jedenfalls  seltener  als  bei  der  Dementia  paralytica  und  bei  der 
Syphilis  des  Nervensystems.  Die  Ophthalmoplegia  interna 
endlich,  die  Uhthoff  nur  bei  5  von  hundert  Tabischen  sah, 
spricht  im  Zweifelfall  eher  gegen  als  für  Tabes  oder  Paralyse. 
Tritt  diese  Störung  doppelseitig  auf,  so  ist  übrigens  auch  die 
rein  syphilitische  Aetiologie  nicht  allzu  wahrscheinlich;  nur  8 
von  30  solchen  Patienten,  die  Uhthoff  sah,  waren  luetisch. 

An  diagnostischer  Bedeutung  gewonnen  hat  im  letzten 
Jahrzehnt  die  Entrundung  der  Pupillen,  ein  namentlich 
im  Beginn  der  Tabes  und  der  Paralyse  wertvolles  Symptom, 
das  jedenfalls  viel  wichtiger  ist  als  z.  B.  die  Pupillendifferenz. 
Allerdings  scheint  auch  dieses  Krankheitszeichen  gelegentlich 
die  Folge  der  blossen  Syphilis  darzustellen.  Dem  Fehlen 
derreflektorischenErweiterungderPupillen 
auf  sensible  Reize  dagegen,  das  bei  den  metasyphiliti¬ 
schen  Erkrankungen  des  nervösen  Zentralorgans  relativ  früh 
konstatiert  werden  kann  (E  r  b,  M  o  e  1  i),  kommt  im  Gegensatz 
zu  den  bisher  genannten  Symptomen  doch  nur  ein  im  wesent¬ 
lichen  theoretisches  Interesse  zu.  Aehnlich  verhält  es  sich 
vorerst  mit  den  Beobachtungen  von  W  i  1  b  r  a  n  d  und  Saen- 
g  e  r  und  Dupuy-Dutemps  über  die  Atrophie  des  Iris¬ 
stromas  bei  reflektorischer  Starre,  'eine  Erscheinung,  zu  deren 
Erklärung  wohl  noch  ausgedehnte  weitere,  speziell  auch  patho¬ 
logisch-anatomische  Untersuchungen  erforderlich  sein  werden. 
Ein  besonderes  Interesse  haben,  wie  mir  scheint,  diese  Befunde 
durch  die  Anschauungen  von  K.  Münch  erlangt,  nach  denen 
die  Stromazellen  der  Uvea  Muskelelemente  darstellen  sollen. 

M.  H.!  Damit  möchte  ich  die  postsyphilitischen  Störungen 
der  Irisinnervation  —  auch  über  die  Pupillensymptome  der 
zerebrospinalen  Lues  ist  ja  alles  wesentliche  schon  kurz  ge¬ 
sagt,  wordem  —  verlassen  und  nun  zunächst  noch  mit  zwei 
Worten  auf  die  übrigen  organischen  Erkrankungen  des  Nerven¬ 
systems  eingehen.  Das  ist  kurz  getan:  unsere  Kenntnisse  über 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


die  engen,  relativ  unbeweglichen  Pupillen  bei  der  senilen 
Demenz  'und  ebenso  unser  Wissen  von  den  Pupillensym¬ 
ptomen  bei  den  alkoholis. tischen  Nervenleiden 
haben  seit  den  Forschungen  von  Moebius,  Thomsen, 
S  i  e  m  e  r  I  i  n  g  und  M  o  e  1  i  und  von  Jolly,  Bernhardt, 
Marina,  Boedecker  und  U  h  t  h  o  f  f,  deren  Ergebnisse  ja 
bekannt  sind,  keine  wesentliche  Vertiefung  mehr  erfahren. 
Als  wichtig  ist  hier  nur  die  wohl  noch  nicht  ganz  bewiesene 
Annahme  von  Raimann  nachzutragen,  nach  der  allen  oder 
doch  den  meisten  Augenmuskelparesen  der  Trinker  Kern¬ 
läsionen  —  ähnlich  wie  bei  der  eigentlichen  Polioencephalitis 
haemorrhagica  superior  von  W  e  r  n  i  c  k  e  —  zu  gründe  liegen 
sollen.  Im  übrigen  wird  die  nicht  allzugrosse  Häufigkeit  der 
alkoholistischen  Pupillenstörungen  durch  die  Angabe  von  U  h  t  - 
hoff  illustriert,  nach  der  60  von  1000  Säufern  solche  Sym¬ 
ptome  aufgewiesen  haben.  Dauernde  isolierte  Lichtstarre 
kommt  wohl  als  Folge  des  Alkoholmissbrauches  nicht  vor. 
Man  hat  jedoch  neuerdings  mit  besonderer  Sorgfalt  auf  das 
Verhalten  der  Pupillen  im  Rausch  geachtet  und  gefunden,  dass 
die,  wenn  ich  so  sagen  darf,  „normale“  Betrunkenheit  an  der 
Irisinnervation  nichts  ändert,  dass  dagegen  im  sogenannten 
pathologischen  Rauschzustände,  bei  Intoleranten  also,  nicht 
selten  träge  und  selbst  starre  Pupillen  beobachtet  würden. 
Ich  erinnere  besonders  an  die  Arbeiten  von  A.  Kramer  und 
H.  Gudden,  die  durch  die  neuesten  Untersuchungen  von 
Voigt  und  von  Hübner,  der  im  normalen  Rausch  sogar 
eine  Steigerung  der  Pupillenreaktion  gesehen  hat,  vervoll¬ 
ständigt  worden  sind. 


M.  H. !  Damit  ist  der  erste  Teil  meiner  Aufgabe  erledigt; 
die  Rolle,  die  den  Pupillensymptomen  bei  der  Diagnose  der 
organischen  Krankheiten  des  Nervensystems  zukommt,  ist 
in  Kürze  skizziert  worden.  Ich  würde  mich  jetzt  zu  denjenigen 
Nervenleiden  zu  wenden  haben,  die  gemeinhin  als  funktio¬ 
nelle  bezeichnet  werden.  Und  doch  muss  ich  diesen  Teil 
meines  Referates  gleich  mit  der  Behauptung  beginnen,  dass, 
von  einer  allerdings  wichtigen  Ausnahme  abgesehen,  die 
Geistesstörungen  und  Nervenkrankheiten,  bei  denen  Pupillen¬ 
störungen  Vorkommen,  gerade  diejenigen  sind,  als  deren  Ur¬ 
sache  wir  das  Vorhandensein  schwerer  organischer  Gehirn¬ 
veränderungen  mit  Sicherheit  voraussetzen  dürfen.  Weder  die 
Neurasthenie  noch  die  Mehrzahl  derjenigen  Psychosen,  deren 
Anatomie  wir  nicht  kennen  und  vielleicht  lange  Zeit  nicht 
kennen  werden,  werden  von  Störungen  der  Irisinnervation  be¬ 
gleitet,  und  der  einzigen  Psychose,  abgesehen  von  der  Para¬ 
lyse  natürlich,  bei  der  wir  neuerdings  solche  Symptome  ge¬ 
funden  haben,  müssen  schon  deshalb  schwere  materielle  Pro¬ 
zesse  im  Gehirn  zu  gründe  liegen,  weil  sie  ebenso  wie  die 
Dementia  paralytica,  so  häufig  zu  endgültigen  Ausfallserschei¬ 
nungen,  zur  Verblödung  führt.  Es  ist  das  diejenige  Krankheit 
oder  die  Krankheitsgruppe,  die  heute  nach  dem  Vorgänge  von 
K  r  a  e  p  e  1  i  n  als  Dementia  praecox  bezeichnet  wird. 

Freilich  gilt  das,  was  hier  über  Pupillenstörungen  bei  die¬ 
sem  Leiden  berichtet  werden  soll,  nicht  für  alle  Formen  gei¬ 
stiger  Erkrankung,  die  K  r  a  e  p  e  1  i  n  zu  den  jugendlichen  Ver¬ 
blödungsprozessen  rechnet.  Der  Begriff  der  Dementia  praecox 
ist  durch  die  Schule  Kraepelins  in  den  letzten  Jahren  in 
einer  Weise  ausgedehnt  worden,  dass  in  ihm  jetzt  ein  über¬ 
wiegender  Teil  aller  Psychosen  überhaupt  aufgeht.  Die  Stim¬ 
men  mehren  sich,  die  gegen  diese  Auffassung  protestieren  und 
Kraepelin  gibt  selbst  zu,  dass  er  wahrscheinlich  mehrere 
und  verschiedenartige  Krankheitsprozesse  unter  dem  Gesamt¬ 
begriff  dieser  Psychose  zusammen  beschreibt.  Für  die  Sym- 
ptomenanalyse  stellt  diese  Schwierigkeit  der  klinischen  Um¬ 
grenzung  ein  so  grosses  Hindernis  dar,  dass  man  schon  die 
geringen  Erfolge  aller  bisherigen  diagnostischen  und  prognosti¬ 
schen  Bestrebungen  selbst  erfahren  haben  muss,  wenn  man  das 
Bemühen  verstehen  will,  auf  dem  schwankenden  Boden  der 
heutigen  klinischen  Systematik  trotzdem  weiterzuarbeiten  und 
nach  pathognomonischen  Symptomen  zu  suchen. 

Die  Krankheitsgruppe,  die  ich  in  diesem  Zusammenhänge 
unter  dem  Namen  Dementia  praecox  umgrenzen  möchte,  um¬ 
fasst  die  älteren  Krankheitsbilder  der  Hebephrenie  und  der  Ka¬ 
tatonie,  also  Prozesse,  die  entweder  unter  dem  Bildö  einer 
läppischen  Erregung  oder  unter  dem  von  eigentümlichen  Willen- 


Störungen  von  charakteristischem  Gepräge  zu  einer  mehr  oder 
weniger  tiefen  Verblödung  führen.  Ausnahmsweise  finden  sich 
ähnliche  Störungen  bei  relativ  selten  beobachteten  Kranken, 
bei  denen  der  gleiche  geistige  Zerfall  durch  massenhafte  phan¬ 
tastische  Wahnbildungen  eingeleitet  wird.  Bei  diesen  Psy¬ 
chosen  fehlt,  wie  ich  das  vor  4  Jahren  beschrieben  habe,  in 
einem  grossen  Prozentsatz  der  Fälle  —  meine  erste  Unter¬ 
suchung  ergab  69  Prozent  —  die  Erweiterung  der  Pupillen,  die 
normalerweise  bei  allen  sensiblen  Reizen  und  sogar  bei  jedem 
lebhaften  psychischen  Geschehen  einzutreten  pflegt,  und  die 
„Pupillenunruhe“  (L  a  q  u  e  u  r),  die  den  Ausdruck  des  ständigen 
Wechsels  der  psychischen  Erregung  darstellt. 

Diese  Untersuchungen  sind  zunächst  von  Hübner,  der 
ihre  Ergebnisse  in  vollem  Umfange  bestätigt  hat,  und  dann  von 
W  e  i  1  e  r  in  München  wiederholt  worden.  Dieser  Autor  hatte, 
wohl  entsprechend  der  weiteren  Fassung  der  Begriffe  der  De¬ 
mentia  praecox  und  infolge  der  Untersuchung  vieler  frischer 
Fälle  x),  vielleicht  auch  wohl  vermöge  einer  anfänglich  etwas 
anderen  Handhabung  der  Untersuchungstechnik,  zunächst  klei¬ 
nere  Zahlenwerte  erhalten.  Neuerdings  gibt  er  an  —  eine 
ausführliche  Mitteilung  seiner  Befunde  liegt  noch  nicht  vor  — 
die  sensible  Pupillenreaktion  fehle  bei  einem  grossen  Teil  der 
an  Dementia  praecox  leidenden  Kranken.  Eine  weitere  Unter¬ 
suchung  endlich  von  Wassermeyer,  dessen  Resultate  von 
den  bisher  erzielten  nach  allen  Richtungen  hin  abweichen,  lässt 
einen  Vergleich  mit  den  eben  genannten  deshalb  nicht  zu,  weil 
dieser  Autor  eine  ganz  andere,  und  m.  E.  recht  wenig  zweck¬ 
mässige  Methode  2)  angewandt  hat. 

Ich  selbst  verfüge  jetzt  über  nahezu  200  eigene  Beob¬ 
achtungen  und  glaube  nunmehr  über  meine  Resultate  erneute 
Rechenschaft  ablegen  zu  sollen.  Die  durchschnittlichen  Zahlen 
sind  annähernd  die  gleichen  geblieben:  etwa  60  Prozent  aller 
Dementia-praecox-Kranken  weisen  das  von  mir  beschriebene 
Krankheitszeichen  auf.  Freilich  hat  sich  die  Hoffnung,  dass 
wir  nunmehr  ein  verlässliches  Frühsymptom  besässen, 
nicht  erfüllt.  Gerade  in  den  Anfangsstadien  des  Leidens,  in 
denen  wir  diagnostischer  Hilfsmittel  am  dringendsten  bedürfen, 
fehlt  auch  dieses  katatonische  Zeichen  leider  nur  zu  oft.  Wohl 
aber  ist  es  auf  der  Höhe  der  Krankheit  in  mehr  als  der  Hälfte 
der  Fälle  zu  finden,  und  das  ist  deshalb  nicht  unwichtig,  weil 
diese  Anomalie  der  willkürlichen  Herstellung,  der  Simulation 
nicht  zugänglich  ist,  und  weil  sie,  soviel  wir  bis  jetzt  wissen, 
bei  anderen  Krankheiten,  ausgenommen  vielleicht  einige  Fälle 
von  Imbezillität  und  manche  Endstadien  anderer  Verblödungs¬ 
prozesse,  nicht  vorkommt.  Dass  das  Symptom  bei  je  nach  der 
Fassung  des  Begriffs  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Fällen  von 
sogenannter  „Dementia  praecox“  dauernd  fehlt,  das  beweist 
gegen  seine  diagnostische  Bedeutung  wenigstens  solange  nichts, 
als  wir  über  die  wirkliche  Zugehörigkeit  dieser  Fälle  zu  dieser 
Krankheitsgruppe  nichts  auszusagen  vermögen. 

Gegenüber  der  eben  erörterten  Innervationsstörung  der 
Iris  treten  alle  anderen  Pupillensymptome,  die  bei  der  De¬ 
mentia  praecox  beschrieben  sind,  der  Bedeutung  nach  we¬ 
sentlich  zurück.  Richtig  scheint  zu  sein,  dass  die  Pupillen  dieser 
Kranken  durchschnitlich  etwas  weiter  sind,  als  die  von  Ge¬ 
sunden  gleichen  Alters.  Dagegen  hat  sich  die  gelegentlich  ge- 
äusserte  Vermutung,  dass  auch  der  Lichtreflex  bei  dieser 
Krankheit  verändert  sei,  bisher  in  exakter  Weise  wenigstens 
nicht  bestätigen  lassen.  Die  Beobachtung  von  B  1  i  e,  der  bei 
mehr  als  13  Proz.  seiner  Kranken  isolierte  reflektorische  Pu¬ 
pillenstarre  gesehen  hat,  kann  sich  auf  unkomplizierte  Fälle 
echter  Dementia  praecox,  wie  sie  in  Deutschland  umgrenzt 
wird,  schlechterdings  nicht  beziehen.  Wir  werden  dieser  An¬ 
gabe  gegenüber  mit  A.  Westphal,  v.  Wagner  und 
H  i  r  s  c  h  1  an  katatonische  Zustandbilder  bei  Syphilitischen 
denken  müssen.  Umsomehr  Beachtung  verdient  eine  kürzlich 
von  A.  Westphal  veröffentlichte  Beobachtung,  die  sehr  an 
die  bekannten  Pupillensymptome  mancher  hysterischer  An- 


1)  Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  dass  Hübner,  der  die  höchsten 
Werte  erhalten  hat.  das  Material  einer  grossen  Anstalt  zur  Verfügung 
stand.  Der  Prozentsatz  der  Pupillenstörungen  bei  der  Dementia  prae¬ 
cox  scheint  um  so  grösser  zu  werden,  je  vorgeschrittener  die  unter¬ 
suchten  Fälle  sind. 

-)  Vergl.  dazu  Bumke:  Die  Pupillenstörungen  etc.,  S.  142, 
Weiler:  Zentralbl.  f.  Nervenheilkunde,  XXX.  Jahrg.,  1907,  p.  71  und 
Hübner:  Monatsschr.  f.  Psych.,  XXII,  H.  1. 

r 


2316 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


fälle  erinnert.  W  e  s  t  p  h  a  1  beobachtete  bei  3  Katatonikern 
eine  vorübergehende  Formänderung  der  Pupillen,  die  queroval 
wurden,  und  zugleich  eine  ebenfalls  nur  temporäre  Verschlech¬ 
terung  des  Lichtreflexes,  die  bis  zur  völligen  Lichtstarre  ging. 
Eine  Erklärung  dieser  Befunde  ist  zur  Zeit  wohl  noch  nicht 
möglich,  zunächst  müssen  weitere  Untersuchungen  über  die 
Häufigkeit  ihres  Vorkommens  abgewartet  werden. 

M.  H. !  Damit  sind  wir  schon  in  die  Besprechung  der¬ 
jenigen  Pupillensymptome  eingetreten,  die  nicht  dauernden  Zu¬ 
standsbildern,  sondern  akuten  Krankheitsäusserungen,  den  An¬ 
fällen  eigentümlich  sind.  Bis  vor  wenigen  Jahren  schien  die 
Lehre  von  diesen  paroxysmellen  Innervationsstörungen  der 
Iris  sehr  einfach  zu  sein.  Seit  Rombergs  erster  Notiz 
über  Pupillenstarre  im  epileptischen  Insult  glaubte  man  allge¬ 
mein,  den  epileptischen  von  allen  anderen  Anfällen  unter  an¬ 
derem  auch  mit  Hilfe  der  Pupillenprüfung  unterscheiden  zu 
können.  Zahlreiche  Publikationen  des  letzten  Jahrzehnts  haben 
gezeigt,  dass  diese  Lehre  irrig  war.  K  a  r  p  1  u  s  und  A.  W  e  s  t- 
phal  haben  zuerst  Pupillenstarre  im  hysterischen  Anfall,  sogar 
im  künstlich  provozierten,  beobachtet  und  damit  eine  ältere 
Angabe  von  F  e  r  e,  die  keine  Beachtung  gefunden  hatte,  be¬ 
stätigt.  Ein  Zweifel  an  dem  Vorkommen  dieser  Störungen  bei 
der  Hysterie  ist  demnach  heute  nicht  mehr  möglich  und  nur  die 
Häufigkeit  und  die  Art  ihres  Auftretens  muss  noch  erörtert 
werden. 

Was  die  erste  Frage  anlangt,  so  liegen  statistische  An¬ 
gaben  bisher  kaum  vor;  nach  der  einzigen  Angabe  von  A. 
W  e  s  t  p  h  a  1  ist  die  Pupillenstarre  im  hysterischen  Anfall  doch 
wohl  ein  recht  seltenes  Vorkommnis.  Die  diagnostischen 
Schwierigkeiten  werden  freilich  durch  die  bekannte  Tatsache 
etwas  erhöht,  dass  die  Pupillen  im  epileptischen  Insult  ge¬ 
legentlich  reagieren  können.  Auch  die  Art  der  Pupillenstörung 
wird  diagnostisch  nur  ausnahmsweise  zu  verwerten  sein:  bei 
der  Epilepsie  wie  bei  der  Hysterie  handelt  es  sich  natürlich 
um  absolute  Starre  und  nicht  um  das  Robertson  sehe  Zei¬ 
chen  und  in  beiden  Fällen  sind  die  Pupillen  zumeist  entweder 
sehr  weit  oder  sehr  eng.  Auch  Mittelstellungen  und  Schwan¬ 
kungen  der  Pupillenweite  kommen  in  den  Paroxysmen  bei¬ 
der  Neurosen  vor  und  nur  elliptische  Pupillenformen  sind 
wohl  ausschliesslich  der  Hysterie  (und  der  Katatonie)  eigen¬ 
tümlich.  Nach  W  i  1  b  r  a  n  d  und  S  a  e  n  g  e  r  zeigen  übrigens 
die  scheinbar  starren  Pupillen  der  Hysterischen  bei  Beobach¬ 
tung  mit  der  W  e  s  t  i  e  n  sehen  Lupe  stets  doch  noch  eine  mini¬ 
male  Verengerung  auf  Belichtung.  Die  Streitfrage,  ob  der 
hysterischen  Mydriasis  ein  Dilatatorkrampf  oder  eine  Er¬ 
schlaffung  des  Sphincter  pupillae  zu  gründe  liegt,  glaube  ich,  für 
einen  Fall  wenigstens,  durch  Versuche  mit  Kokain  und  Homa¬ 
tropin  im  Sinne  der  zuletzt  genannten  Auffassung  entschieden 
zu  haben.  Im  übrigen  darf  nicht  unerwähnt  blieben,  dass  F. 
Schul tze  neuerdings  mit  einem  Fall  von  Pupillenstarre  im 
hysterischen  Anfall  auch  einen  anderen  beschrieben  hat,  in  dem 
eine  gewöhnliche  Ohnmacht  mit  starren  IVipillen  einherging. 

Es  entspricht  den  allgemeinen  klinischen  Erfahrungen  über 
Wesen  und  Auftreten  der  hysterischen  Symptome  überhaupt, 
dass  die  eben  besprochenen  Pupillenphänomene  nicht  bloss  in 
Anfällen,  sondern  auch  sonst  bei  Hysterischen,  nicht  bloss  vo¬ 
rübergehend,  sondern  dauernd  Vorkommen  können.  Auch  die¬ 
ser  Satz,  der  im  Anfang  naturgemäss  viel  Widerspruch  ge¬ 
funden  hat,  ist  heute  durch  die  Arbeiten  von  Roeder,  Do¬ 
nath,  No  n  n  e  und  Beselin,  Aurand’  und  F  r  e  n  k  e  1, 
Hitzig,  Weil,  Weiss,  B  i  n  s  w  a  n  g  e  r,  Blök,  Stef¬ 
fens,  K  u  n  n,  S  p  i  1 1  e  r  und  Pichler  als  unumstösslich 
richtig  erwiesen  worden.  Auch  bei  der  engsten  Fassung  des 
Begriffes  der  Hysterie  und  bei  der  vorsichtigsten  Kritik  der 
stark  angewachsenen  Literatur  bleiben  so  viel  sichere  Tat¬ 
sachen  übrig,  dass  wir  mit  dem  Vorkommen  einer  hysteri¬ 
schen  Pupillenstarre  in  Mydriasis  und  in  Miosis  heute  prak¬ 
tisch  rechnen  müssen.  Sind  die  Pupillen  dabei  eng,  so  han¬ 
delt  es  sich  meist  zugleich  um  einen  hysterischen  Akkomoda¬ 
tionskrampf;  die  Erklärung  der  mydriatischen  Starre  ist 
sehr  viel  schwieriger  und  vorläufig  noch  keineswegs  für  alle 
Fälle  möglich.  Auch  hier  muss  übrigens,  wenigstens  vorder¬ 
hand,  die  oben  erwähnte  Einschränkung  gemacht  werden,  wenn 
von  „starren“  Pupillen  gesprochen  wird:  diese  Pupillen  sind 
absolut  und  nicht  reflektorisch  starr  (Binswanger,Hoche) 
und  sie  sind  vielleicht  auch  nicht  ganz  unbeweglich  (W  i  I  - 


b  r  a  n  d  und  S  a  e  n  g  e  r).  Erwähnt  sei  noch,  dass  sich  die 
Hoffnung,  in  dem  Verhalten  des  Lichtreflexes  bei 
allen  Hysterischen  eine  diagnostisch  brauchbare  Gesetzmässig¬ 
keit  zu  finden,  trotz  mancher  Bemühungen  bisher  wenigstens 
nicht  erfüllt  hat.  Ganz  aussichtslos  erscheint  endlich  der 
Versuch  von  L  e  w  y,  organisch  bedingte  und  hysterische 
Schmerzen  mit  Hilfe  der  Schmerzreaktion  der  Iris  zu  unter¬ 
scheiden,  ein  Versuch,  an  dem  übrigens  schon  Weiler  und 
Hübner  eine  sehr  berechtigte  Kritik  geübt  haben. 

M.  H. !  Damit  hätten  wir  in  grossen  Zügen  die  Krank¬ 
heitsbilder  betrachtet,  bei  deren  Erkennung  den  Pupillensym¬ 
ptomen  eine  mehr  oder  minder  grosse  Bedeutung  zukommt. 
Meine  Aufgabe,  die  spezielle  Pathologie  der  Irisinnervation  zu 
erörtern,  kann  trotzdem  noch  nicht  als  ganz  erschöpft  gelten. 
Man  spricht  heute  vielfach  auch  von  einer  diagnostischen  Be¬ 
deutung  der  Pupillenphänomene  in  einem  ganz  anderen,  in  einem 
viel  spezielleren  Sinne  und  meint,  bestimmte  Anomalien  des 
Pupillenspiels  müssten  uns  eine  genaue  Lokaldiagnose  der  ihnen 
zugrundeliegenden  Störungen  im  Nervensystem  gestatten.  Be¬ 
kannt  ist  ja  die  Pupillenstarre,  die  im  Verein  mit  anderen  Augen¬ 
muskellähmungen  auf  grobe  Läsionen  im  Mittelhirn  zu  folgen 
pflegt.  Von  dieser  soll  hier  nicht  die  Rede  sein  und  ebenso¬ 
wenig  von  dem  Horner  sehen  Symptomenkomplex,  der  uns 
auf  eine  Schädigung  des  Halssympathikus  oder  auf  die  Ver¬ 
letzung  derjenigen  vorderen  Wurzeln  des  unteren  Hals-  und 
des  oberen  Brustmarkes  hinweist,  denen  die  für  den  Dilatator 
bestimmten  Fasern  entstammen.  In  dieser  Beziehung  sei  nur 
gesagt,  dass  Kocher,  Breuer  und  Marburg,  Wallen¬ 
berg  u.  a.  auch  nach  hohen  Halsmark-  und  selbst  nach  Bulbär- 
affektionen  echte  sympathische  Ophthalmoplegien  gesehen 
haben  —  Beobachtungen,  die  in  kürzlich  angestellten,  noch  nicht 
ausführlich  veröffentlichten  Versuchen  von  W.  Trendelen¬ 
burg  und  mir  ihre  experimentelle  Bestätigung  gefunden  haben. 

Diese  Sympathikusparese  ist  aber  auch  das  einzige  okulare 
Symptom,  das  im  Gefolge  einer  Halsmarkläsion  auftritt,  und 
alle  Beobachtungen,  die  darüber  hinaus  eine  echte  reflektori¬ 
sche  Pupillenstarre  spinaler  Entstehung  im  Sinne  der  Theorie 
von  R  i  e  g  e  r  und  v.  Förster,  von  Wolf,  Reichardt 
und  Dreyfuss  annehmen,  halten,  wie  ich  kürzlich  nachge¬ 
wiesen  zu  haben  glaube,  einer  genaueren  Kritik  nicht  stand. 
Allerdings  dass  traumatische  Einwirkungen,  die  in  dieser  Ka¬ 
suistik  eine  besonders  grosse  Rolle  gespielt  haben,  für  das 
Zustandekommen  von  Pupillenstörimgen  und  auch  von  solchen, 
die  dem  echten  Robertson  sehen  Zeichen  recht  ähnlich  sein 
können,  überhaupt  nicht  gleichgültig  sind,  das  hat  eine  Publi¬ 
kation  von  A  x  e  n  f  e  1  d  gezeigt,  in  der  eine  Reihe  offenbar 
sehr  seltener  Beobachtungen  dieser  Art  mitgeteilt  werden. 
Eine  Erklärung  ist  wenigstens  für  alle  diese  Fälle  noch  nicht 
möglich,  einstweilen  werden  wir  nur  die  Tatsache  registrieren 
müssen,  dass  ausnahmsweise  einmal  auch  ein  Schädeltrauma 
eine  Pupille  eng  und  lichtstarr,  bei  erhaltener  Konvergenzbe¬ 
wegung,  machen  kann.  Praktisch  und  theoretisch  gleich  wich¬ 
tig  ist  die  Feststellung,  dass  diese  Störung  bisher  nur  einseitig 
beobachtet  worden  ist. 

M.  H. !  Ich  stehe  am  Ende  meiner  Ausführungen;  was  ich 
Ihnen  zu  berichten  hatte,  war  eine  Fülle  von  Details,  ich  möchte 
fast  sagen  von  Kleinigkeiten.  Die  grossen  klinischen  Fragen 
der  Pupillenlehre  sind  schon  vor  2  Jahrzehnten  durch  die  Un¬ 
tersuchungen  vor  allem  von  Erb,  U  h  t  h  o  f  f,  S  i  e  m  e  r  1  i  n  g, 
M  o  e  1  i,  Oppenheim  und  T  h  o  m  s  e  n  gelöst  worden.  Die 
Lücken,  die  noch  auszufüllen  blieben,  waren  nicht  gross  und 
wenn  die  weitere  Arbeit  überhaupt  noch  etwas  leisten  sollte,  so 
musste  sie  sich  verfeinerter  Untersuchungsmethoden  bedienen, 
deren  diagnostische  Bedeutung  niemals  an  die  einfache  Prü¬ 
fung  des  Lichtreflexes  heranreichen  wird.  Die  Aufgabe  der 
nächsten  Zeit  liegt,  wie  sie  aus  dem  Referat  von  Herrn  Prof. 
Bach  ersehen  haben,  in  dem  Studium  der  anatomischen  und 
physiologischen  Voraussetzungen  des  Pupillenspielis,  die  uns 
trotz  aller  Bemühungen,  sie  zu  erforschen,  immer  noch  ver¬ 
schleiert  geblieben  sind. 

Literatur  (seit  190-4) : 

1.  Th.  Axenfeld:  Ueber  traumatische  reflektorische  Pupillen¬ 
starre.  D.  med.  Wochenschr.  1906,  No.  17.  —  2.  O.  Bumke:  Die 
Pupiilenstörungen  bei  Nerven-  und  Geisteskrankheiten.  Jena, 
Fischer,  1904.  (Literatur  bis  zum  1.  IV.  1903  siehe  dort.)  — 
3.  0.  Bumke:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Läsionen  des 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2317 


Halsmarkes  und  reflektorischer  Pupillenstarre.  Klin.  Wocnenbl.  f. 
Augenheilk.  1906.  XLV.  —  4.  O.  Bumke:  Ueber  Pupillenstarre  im 
hysterischen  Anfall.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  p.  741.  — 
5  Blie:  Les  troubles  oculaires  dans  la  demence  precoxe.  Revue 
neurol.  1906,  No.  4.  —  6.  B  i  n  s  w  a  n  g  e  r :  Die  Hysterie.  Wien,  Hol¬ 
der  1904.  —  7.  G.  Dreyfuss:  Ueber  traumatische  Pupillenstarre. 
Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  No.  8.-8.  Heddaeus:  Semiologie 
der  Pupillenbewegung.  Graefe-Saemisch  Handbuch  1904,1V, 

1.  _  9.  C.  Hess:  Untersuchung  über  die  Ausdehnung  des  pupillo- 
motorisch  wirksamen  Bezirkes  der  Netzhaut  etc.  Arch.  f.  Augenheilk. 
LVIII  H  2/3  1907.  —  10.  v.  Hippel  jun.:  Neuere  Untersuchungen 
7ur  Physiologie  und  Pathologie  der  Pupillenphänomene.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1904.  p.  692.  -  11.  E.  v.  Hippel  jun  :  Ueber  seltene 
Fälle  von  Lähmung  der  Akkommodation  und  von  Pupillenstarre.  Klm. 
Monatsbl.  f.  Augenheilk.,  XLIV,  1906.-  12  A.  Ho  che:  Die  Diffe¬ 
rentialdiagnose  zwischen  Epilepsie  und  Hysterie.  Beilin,  Hirsch- 
w  a  ld  1902  —  13.  Arth.  Herrn.  Hübner:  Ueber  die  psychische  und 
sensible  Reaktion  der  Pupillen.  Zentralbl.  f.  Nervenheilk  1906, 
No  203  —  14.  A.  H.Hübner:  Untersuchungen  über  die  Erweiterung 
der  Pupillen  auf  psychische  und  sensible  Reize  etc.  Arch.  f.  Psych. 

1906  XLI,  H.  3.  —  15.  A.  H.Hübner:  Beschreibung  eines  Apparates 
zur  Untersuchung  der  Pupillen  etc.  Monatsschr,  f.  Ps}  ch.  XXII,  H.  1, 

1907  p.  15.  —  Max  Linde:  Pupillenuntersuchungen  an  Epileptischen, 
Hysterischen  und  Psychopathischen.  Psych.  Arbeiten  von  E.Krae- 
p  e  1  i  n.  Leipzig,  Enselmann  1907,  p  209  -  17  Max  Le  w  y : 
Ueber  die  Schmerzreaktion  der  Pupillen  etc.  Neurol.  Zentralbl.  1906. 
—  18.  Ed.  Müller:  Ueber  ein  eigenartiges,  scheinbar  typisches 
Svmptomenbild  apoplektiformer  Bulbärlähmung  etc.  D.  Zeitschr. 
t  Nervenheilk.,  XXXI,  1906,  p.  452.  -  19.  Karl  Münch.  Zur  Ana¬ 
tomie  des  Dilatator  pupillae.  Zeitschr.  f.  Augenheilk.,  XIII,  H.  1.  — 
?0  Karl  Münch:  Ueber  die  Innervation  der  Stromzellen  der  Iris. 
Zeitschr.  f.  Augenheilk.  XIV,  H.  2.  —  21.  Karl  Münch:  Ueber  die 
Mechanik  der  Irisbewegung,  v.  Graefes  Arch.  f.  Ophthalmol.  LXIV, 

2.  H.  1906.  —  22.  Roubaix:  Les  symptomes  medullaires  de  la  de¬ 
mence  precoce.  Belg.  med.  XIII,  p.  327,  1906.  23.  E.  Schle¬ 

singer:  Pupillometer.  Med.  Klinik  1903,  No.  8,  p.  205.  —  24.  F. 
Schnitze:  Ueber  Pupillenstarre  im  hysterischen  Anfall  und  bei 
Synkope.  Therapie  d.  Gegenwart,  N.  E.,  IX,  1,  1907.  —  25.  W.  1  ren- 
delenbiurg  und  O.  Bumke:  Experimentelle  Untersuchungen  zur 
Frage  der  Bach  sehen  Pupillenzentren  in  der  Medulla  oblongata. 
Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilk.  1907.  —  26.  H.  V  o  i  g  t:  Ueber  die  Wir¬ 
kung  des  Alkohols  auf  die  Veränderung  der  Pupillenreaktion.  Berl. 
klin.  Wochenschr.  XVII,  12,  1905.  —  27.  Wassermeyer:  Zur 
Pupillenuntersuchung  bei  Geisteskranken.  Archiv  f.  Psych.,  LXIII, 
1.  H.,  1907.  —  28.  Weiler:  Pupillenuntersuchungen  bei  Geistes¬ 
kranken.  Zeitschr.  f.  Psychiatrie  1906,  LXIII,  p.  572.  —  29.  W  e  i  1  e  r: 
Zentralbl.  f.  Nervenheilk.  1907,  No.  229,  p.  71.  —  30.  A.  W  e  s  t  p  h  a  1: 
Ueber  einen  unter  dem  Bilde  einer  Ophthalmoplegia  externa  ver¬ 
laufenden  Fall  von  traumatischer  Hysterie.  D.  med.  Wochenschr. 
1905,  No.  22.  —  31.  A.  W  e  s  t  p  h  a  1 :  Weiterer  Beitrag  zur  Differential¬ 
diagnose  der  Dementia  paralytica.  Med.  Klinik  1907,  No.  4  u.  5. 

32.  A.  Westphal:  Ueber  ein  im  katatonischen  Stupor  beobachtetes 
Pupillenphänomen  etc.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  27,  p.  1080. 


Aus  dem  Institut  für  experimentelle  Krebsforschung  in  Heidel¬ 
berg  (Direktor:  Wirkl.  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  V.  Czerny). 

lieber  Hämolyse  durch  Schlangengift. 

Von  Prof.  v.  Düngern  und  Dr.  Coca. 

Die  Blutkörper  der  verschiedenen  Tierarten  erweisen  sich, 
wenn  man  sie  vom  Serum  befreit  in  physiologischer  Kochsalz¬ 
lösung  mit  Kobragift  zusammenbringt,  sehr  verschieden  emp¬ 
findlich.  Während  z.  B.  Meerschweinchenblut  schon  durch 
recht  geringe  Giftdosen  aufgelöst  wird,  bleibt  Rinderblut  bei 
genau  der  gleichen  Versuchsanordnung  vollkommen  ungelöst, 
auch  bei  Verwendung  der  tausendfachen  Giftmenge.  Die  hämo¬ 
lytische  Wirkung  tdes  Schlangengiftes  kann,  wie  die  Arbeiten 
von  F 1  e  x  n  e  r  und  Noguchi1 2),  C  a  1  m  e  1 1  e  ■’),  K  y  e  s  3) 
und  von  Ky  es  und  Sachs4)  gezeigt  haben,  sehr  wesentlich 
durch  Hinzufügen  anderer  Substanzen  verstärkt  werden  und 
kommt  dann  auch  den  widerstandsfähigen  Blutarten  gegenüber 
zum  Ausdruck.  Die  Hilfssubstanzen,  welche  mit  Kobragift  zu¬ 
sammen  Hämolyse  bedingen,  sind  von  zweierlei  Art.  Die  eine 
ist  im  frischen  Blutserum  vieler  Säugetiere  enthalten;  sie  be¬ 
sitzt  nach  den  Untersuchungen  von  K  y  e  s  und  Sachs  alle 
Eigenschaften  der  Serumkomplemente  und  ist  ebensowenig  wie 
diese  chemisch  charakterisiert.  Die  andere  ist,  wie  K  y  e  s  ge¬ 
funden  hat,  das  Lezithin.  Das  Serumkomplement  tritt  in  Aktion, 
wenn  Schlangengift  durch  frisches  Serum  aktiviert  wird.  Lezi¬ 


thin  kommt  zur  Geltung,  wenn  man  der  Giftlösung  erhitztes 
Serum  oder  durch  Wasser  aufgelöstes  Blut  zusetzt.  Am  deut¬ 
lichsten  zeigt  sich  aber  die  Wirkung  dieser  für  sich  allein  un¬ 
schädlichen  Substanz,  wenn  sie  rein  dargestellt  in  feiner  Emul¬ 
sion  verwandt  wird.  Die  Hämolyse  durch  Schlangengift  voll¬ 
zieht  sich  also  auf  zweierlei  Weise,  einerseits  mit  Komplement, 
andererseits  mit  Lezithin.  Wie  haben  wir  uns  den  Mechanismus 
dieser  beiden  Vorgänge  vorzustellen?  F  1  e  x  n  e  r  und  No¬ 
guchi  gelangten  auf  Grund  ihrer  Versuche  mit  Schlangengift 
und  Meerschweinchenserum  zu  der  Auffassung,  dass  das  Gift 
aus  einer  Anzahl  spezifischer  Komponenten  besteht,  die  den 
durch  Vorbehandlung  mit  fremdartigem  Blut  gewonnenen 
hämolytischen  Antikörpern  (Ambozeptoren)  entsprechen.  Und 
in  der  Tat  sind  die  Bindungsverhältnisse  der  bei  der  Kom¬ 
bination  mit  Serumkomplement  blutlösenden  Substanzen  des 
Giftes  auch  genau  dieselben,  wie  diejenigen  der  durch  Erwärmen 
auf  56°  inaktivierten  Immunkörper.  Sie  werden  ebenso  wie 
diese  von  den  Blutkörperchen  aufgenommen,  ohne  Hämolyse  zu 
bedingen,  während  das  Komplement  für  sich  allein  nicht  gebun¬ 
den  wird.  Kyes  führte  auch  die  Lezithinhämolyse  des  Kobra- 
•giftes  ohne  weiteres  auf  die  gleichen  immunkörperartigen  Be¬ 
standteile  zurück.  Seine  Bindungsversuche  zeigten  zwar,  dass 
die  wirksame  Substanz,  welche  nach  Lezithinzusatz  zur  Geltung 
kommt,  entgegen  den  Beobachtungen  von  F  1  e  x  n  e  r  und  No¬ 
guchi  bei  der  Komplementhämolyse,  nicht  in  nennenswerter 
Weise  von  den  Blutkörperchen  des  Rindes  aufgenommen  wird. 
Er  erblickte  in  ihr  aber  doch  einen  Ambozeptor,  der  das  als 
Komplement  gedachte  Lezithin  auf  das  Blut  übertragen  soll. 
Zur  Erklärung  dieser  Funktion  musste  er  freilich  dem  Kobra¬ 
ambozeptor  Eigenschaften  zuschreiben,  welche  die  gewöhn¬ 
lichen,  durch  Blut  erzeugten  Immunkörper  nicht  aufweisen. 
Es  war  hypothetisch  anzunehmen,  dass  dieser  Ambozeptor 
zwei  komplementophile  Gruppen  besitzt,  durch  die  er  einerseits 
mit  Seriumkomplement,  andererseits  mit  Lezithin  in  Verbindung 
treten  kann,  und  ausserdem  eine  zytophile,  die  erst  nach  der 
Besetzung  des  lezithinophilen  Komplexes  durch  Lezithin  er¬ 
hebliche  Avidität  zum  Blut  erlangt.  In  gleichem  Sinne  erklärte 
er  auch  die  von  ihm  entdeckte 5)  stark  hämolytische  Substanz, 
welche  nach  Einwirkung  von  Kobragift  auf  Lezithin  auftritt  und 
durch  Unlöslichkeit  in  Aether  und  Löslichkeit  in  Wasser  vom 
Lezithin  leicht  zu  unterscheiden  ist.  Entsprechend  der  Ambo¬ 
zeptorhypothese  soll  diese  eine  Verbindung  des  Kobraambo¬ 
zeptors  mit  dem  Lezithin  sein,  ein  Kobralezithid,  wobei  der 
Ambozeptor  als  Ueberträger  einer  hämolytischen  Gruppe  des 
Lezithins  auf  das  Blut  aufgefasst  wird.  Dieser  Erklärungsver¬ 
such  setzt  demnach  2  Bindungen  voraus,  die  der  experimen¬ 
tellen  Untersuchung  zugänglich  sind.  Erstens  muss  die  mit 
Lezithin  blutlösende  Substanz  des  Kobragiftes  sich  mit  den  Blut¬ 
körperchen  verbinden  können  und  zweitens  muss  sie  sich  mit 
dem  Lezithin  vereinigen.  Wir  haben  nach  beiden  Richtungen 
hin  Versuche0)  angestellt  und  sind  dabei  zu  der  Ueberzeugung 
gekommen,  dass  die  Kobralezithinhämolyse  auf  ganz  andere 
Weise  zustande  kommt. 

Die  erste  Frage  liess  sich  durch  Bindungsversuche  ent¬ 
scheiden.  Wir  Hessen  Kobragiftlösung  auf  sorgsam  mit  physio¬ 
logischer  Kochsalzlösung  gewaschenes  Rinderblut  2  Stunden 
lang  bei  37 0  einwirken  und  trennten  Blutkörperchen  und  Flüs¬ 
sigkeit  durch  Zentrifugieren  ab.  Es  wurde  dann  sowohl  Blut 
wie  Flüssigkeit  auf  hämolytische  Funktion  geprüft,  und  zwar 
einerseits  zusammen  mit  Lezithin,  andererseits  mit  Zusatz  von 
frischem  Meerschweinchenserum.-  Das  Ergebnis  war  ein 
durchaus  eindeutiges.  Das  Blut  wurde  durch  Serumkomple¬ 
ment  gelöst,  nicht  aber  durch  Lezithin;  die  Flüssigkeit  war  mit 
Lezithin  vereinigt  für  Rinderblut  ebenso  hämolytisch,  wie  vor 
der  Einwirkung  des  Blutes. 

Versuch: 

Es  werden  Mischungen  vorgenommen  von  je  0,2  ccm  Kobragift¬ 
lösung  0,1  proz.  und  von  1  ccm  5  proz.  Rinderblutaufschwemmung, 
alles  in  physiologischer  Kochsalzlösung.  Nachdem  die  Röhrchen 
1,5  Stunden  bei  37°  gestanden  sind,  wird  das  Blut  jeweils  durch 
Zentrifugieren  von  der  Flüssigkeit  abgetrennt.  Dem  abzentrifugierten 
Blut,  das  Gelegenheit  hatte,  Bestandteile  des  Kobragiftes  aufzunehmen, 
werden  nun  einerseits  verschiedene  Mengen  von  Lezithin,  8/io,  4/io, 


1 )  Journal  of  experimental  medicine.  Vol.  VI,  No.  3,  1902. 

2)  Compt.  rend.  de  l’Academie  des  Sciences.  T.  134,  No.  24,  1902. 

3)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1902,  No.  38  u.  39. 

4)  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1903,  No.  2 — 4. 


5)  Berlin,  klin.  Wochenschr.  1903,  No.  42  u.  43.  . 

°)  Kobragift  wurde  uns  in  liebenswürdigster  Weise  von  Herrn 
Prof.  Dr.  C  a  1  m  e  1 1  e  zugeschickt. 


2318 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


7io,  Vio  ccm  0,05  proz.,  andererseits  verschiedene  Dosen  von  Meer¬ 
schweinchenserum,  4/io,  2/io,  Vio  ccm,  zugefügt  und  festgestellt,  in 
welchen  Röhren  nach  2  Stunden  bei  37°  Lösung  erfolgt.  Den  Ab¬ 
güssen  wird  je  1  ccm  5  proz.  Rinderblut  zugefügt  und  ausserdem 
ebenso  Lezithin  oder  Meerschweinchenserum,  wie  den  Blutproben. 
Zum  Vergleiche  dienen  Röhrchen  mit  gleichen  Mengen  von  gewöhn¬ 
lichem  Rinderblut,  1  ccm  5  proz.,  denen  neben  Lezithin  oder  Meer¬ 
schweinchenserum  noch  0,2  ccm  0,1  proz.  Kobragiftlösung  zugefügt 
wird.  Ausserdem  werden  gleichzeitig  noch  zur  Kontrolle  Röhrchen 
mit  Blut  und  Meerschweinchenserum  und  mit  Blut  und  Lezithin  ohne 
Kobragift  angesetzt.  Ergebnis:  8/io  ccm  0,05  proz.  Lezithin  allein 
löst  nicht.  V io  und  2/io  ccm  Meerschweinchenserum  allein  löst  nur 
spurweise.  2/io  ccm  der  Kobragiftlösung  löst  mit  Rio  ccm  Lezithin 
total,  mit  Vio  ccm  Meerschweiuchenserum  total,  mit  2/io  Meer¬ 
schweinserum  fast  total.  Das  abzentrifugierte  Blut  wird  mit  8/io 
Lezithin  gar  nicht  gelöst,  dagegen  mit  Meerschweinchenserum  und 
zwar  mit  4/io  total,  mit  2/io  fast  total,  also  genau  ebenso,  wie  wenn 
die  Kobragiftlösung  zusammen  mit  dem  Meerschweinchenserum  zu¬ 
gefügt  wird.  Der  Abguss  löst  mit  Vio  Lezithin  total.  Mit  Meerschwein¬ 
chenserum  zusammen  tritt  auch  Hämolyse  ein,  die  wohl  auf  den  Ge¬ 
halt  des  Serums  an  Lezithin  zu  beziehen  ist.  Der  gleiche  Versuch 
wird  nochmals  genau  ebenso  vorgenommen,  nur  dass  diesmal  nur 
0,05  ccm  0,1  proz.  Kobragiftlösung  verwandt  wird.  Das  Ergebnis  ist 
ganz  entsprechend. 

Es  geht  aus  diesen  Versuchen  mit  Sicher¬ 
heit  hervor,  dass  im  Kobra  gift  zwei  ganz  ver¬ 
schiedene  Bestandteile  vorhanden  sind.  Der 
eine  von  ihnen  wird  nach  Art  eines  hämo¬ 
lytischen  Immunkörpers  auch  in  inaktivem 
Zustande  von  den  Blutkörperchen  gebunden 
und  durch  Zusatz  von  frischem  Serum  hämo¬ 
lytisch  gemacht,  er  hat  mit  der  Kobralezithin¬ 
häm  o  1  y  s  e  nichts  zu  tun.  Der  andere  reagiert 
mit  dem  Lezithin  und  bedingt  mit  diesem  zu¬ 
sammen  Hämolyse,  ohne  für  sich  allein  mit 
Blutkörperchen  in  Beziehung  zu  treten.  Durch 
Behandlung  mit  iRinderblut  gelingt  es,  beide 
Substanzen  ohne  Verlust  vollkommen  von¬ 
einander  zu  trennen. 


Einen  noch  weiteren  Einblick  in  die  Bindungsverhältnisse 
der  beiden  Substanzen  des  Kobragiftes,  die  bei  Komplettierung 
mit  der  zugehörigen  Substanz  Rinderblut  auflösen,  kann  man 
dadurch  gewinnen,  dass  man  diese  nicht  mehr  in  Kochsalz¬ 
lösung,  sondern  in  entsprechenden  physiologischen  Lösungen 
von  Baryumchlorid,  Magnesiumchlorid,  Kalziumchlorid  und 
von  Trauben-  oder  Rohrzucker  wirken  lässt.  Baryumchlorid, 
Magnesiumchlorid  und  Kalziumchlorid  besitzen  die  Eigenschaft 
beide  Arten  der  Kobrahämolyse  zu  hemmen;  die  Lösung  des 
Rinderblutes  erfolgt  erst  bei  Zusatz  grösserer  Qiftdosen  als  in 
Natriumchlorid,  Natriumbromid,  gleichgültig  ob  Meerschwein- 
chenscrum  oder  Lezithin  zugesetzt  wird.  Es  sind  dabei  aber 
doch  bemerkenswerte  Unterschiede  zu  konstatieren.  Die 
Hämolyse  mit  Lezithin  wird  durch  Baryumchlorid  viel  stär- 
ker  gehemmt,  als  durch  die  beiden  anderen  Salze  und  Kalzium¬ 
chlorid  ist  dabei  verhältnismässig  sehr  wenig  wirksam.  Bei 
der  Komplettierung  des  Kobragiftes  durch  Meerschweinchen- 
serum  tritt  dieser  Unterschied  dagegen  nicht  hervor;  alle 
3  Salze  hindern  die  Blutlosung  in  ausgesprochener  Weise.  Da 
die  spezifisch  gewonnenen  Immunsera  das  gleiche  Verhalten 
zeigen,  wie  das  mit  Schlangengift  vereinigte  Meerschweinchen¬ 
serum,  so  beweist  dieser  Umstand  aufs  Neue,  dass  der  Mecha¬ 
nismus  der  Kobralezithinhämolyse  von  dem  der  Kobrakomple- 
menthamolyse  verschieden  ist.  ^  pie 


V  ersuch: 

xj-p.^kragift  wird  0,1  proz.  in  den  physiologischen  Lösungen  voi 
&?'•  m°rllMn£a  ‘°,!L0£  A  h'  °-8  2  auf  WO  ccm  mit  Wasser  ergänz! 

A08’  RA.  U85-  MgClf’  +  6HsO  1,84,  BaCI,  + 2H-f 
—  kl  lost.  In  'den  gleichen  Salzlösungen  wird  5  proz  Rinderblu 
aufgenommen  und  ausserdem  auch  0,05  proz.  Lezithin  in  den  ver 
schiedenen  Salzlösungen  hergestellt  (aus  Lösung  in  Methylalkohol) 

V  o  1  h' ah?dk kontrori£1tZl°SUnSen  W‘rd  dUrdl  Titrieren  mit  A&N°3  nacl 

und  lonV^!S™^iSChr£en  T  1  ccm  Rinderblutaufschwemmunt 
und  von  0,05  ccm  der  Kobragiftlosung  vorgenommen  un,d  Lezithin 
•emulsion  abgestuft  zugesetzt,  8/io,  4/io,  2/10,  Vio,  Vs«  ccm  und  zwai 
=  so,öass  abe  Mischungen  nur  eine  der  betreffenden  physio¬ 
logischen  Salzlösungen  enthalten.  Nach  lV2  Stunden  bei  37°  trit 
Losung  des  Blutes  ein  in:  NaCl  bei  Zusatz  von  Lezithin  0  05  proz 

Jr  =7  ?\  KP1  >  total,  Wo  gering;  NaBr  Wo  total 

c.  .  fr  ^apl2  io  total,  mo  fast  total,  Vio  ganz  gering;  MgCb  8h, 
stark,  io  gering,  2  ho  ganz  gering,  Vio  =  0;  BaCb  sho  =  0. 


2.  In  jedes  Röhrchen  kommt  1  ccm  5  proz.  Rinderblut  in  der 
betreffenden  physiologischen  Salzlösung,  0,2  ccm  Kobralösung  0,1  proz. 
in  der  betreffenden  Salzlösung  und  noch  1,5  ccm  der  gleichen  Salz¬ 
lösung.  Dazu  verschiedene  Mengen  von  frischem  Meerschweinchen¬ 
serum  4/io,  2/io,  V io,  V20  ccm,  das  ohne  Kobragift  in  der  Menge  von 
Vio  nicht  löst.  Nach  21/ 2  Stunden  bei  37 0  ist  Lösung  zu  konstatieren 
in:  NaCl  bei  Zusatz  von  Meerschweinchenserum  Vio  ccm  total,  V20 
fast  total;  KCl  V20  total;  NaBr  4/io  total,  2 ho  fast  total,  Vio  fast  total, 
V20  sehr  stark;  CaCb  4/io  =  0;  MgCb  4/io  =  0;  BaCb  Vio  =  0. 

3.  Mit  spezifisch  durch  Vorbehandlung  mit  Blut  gewonnenem 
Immunkörper  beladene  Rinderblutkörper  werden  mit  den  ver¬ 
schiedenen  physiologischen  Salzlösungen  mehrfach  ausgewaschen  und 
dann  in  diesen  in  5  proz.  Aufschwemmung  aufgenommen.  Zu  je  1  ccm 
der  verschiedenen  Blutaufschwemmungen  wird  normales  Kaninchen¬ 
serum  zugefügt  in  der  Menge  von  8/io,  4/io,  2/io,  Vio  oder  V20  ccm. 
Nach  einer  Stunde  bei  37°  tritt  Lösung  ein  in;  NaCl  bei  Zusatz  von 
Kaninchenserum  2 ho  ccm  total,  Vio  Spur;  KCl  2 ho  total,  Vio  sehr 
stark,  V20  =  0;  CaCb  8 ho  =  0;  MgCb  8 ho  =  0;  BaCb  8 ho  =  0. 

Die  Lösungen  von  Baryumchlorid  und  Kalziumchlorid  sind 
für  Bindungsversuche  besonders  geeignet,  da  sie  durch  Zusatz 
von  Natriumsulfat  oder  Natriumoxalat  ohne  weiteres  in  Koch¬ 
salzlösungen  umgewandelt  werden  können.  Damit  die  Lö¬ 
sungen  dabei  isotonisch  bleiben,  muss  die  im  Baryt  oder  oxal- 
saurem  Kalk  ausgefallene  Salzmenge  natürlich  durch  weiteren 
entsprechenden  Zusatz  von  konzentrierter  Kochsalzlösung  aus¬ 
geglichen  werden.  Da  bei  diesen  Massnahmen  weder  die  wirk¬ 
samen  Körper  des  Giftes  noch  auch  das  sonst  so  empfindliche 
Serumkomplement  irgendwelchen  Schaden  nehmen,  so  lassen 
sich  die  zugesetzten  Substanzen,  deren  Wirksamkeit  in 
Baryumchlorid-  oder  Kalziumchloridlösung  gehemmt  wird, 
jederzeit  auch  in  der  Flüssigkeit  wieder  nachweisbar  machen. 
Der  Bindungsversuch  zeigt  nun,  dass  die  Bindung  der  durch 
frisches  Meerschweinchenserum  komplettierbaren  Substanz  an 
das  Blut  auch  in  Baryumchlorid  und  Kalziumchloridlösung  ein- 
tritt.  Die  Hämolyse  bleibt  hier  deshalb  aus,  weil  das  Komple¬ 
ment  nicht  aufgenommen  wird;  es  ist  quantitativ  in  der  Flüssig¬ 
keit  aufzufinden,  sobald  das  Baryum  oder  Kalzium  entfernt  ist. 
Genau  das  gleiche  Verhalten  ist  auch  bei  der  Hämolyse  durch 
die  eigentlichen  durch  Vorbehandlung  mit  Blut  erzeugten 
Immunkörper  zu  konstatieren.  Auch  hier  hindern  Baryum¬ 
chlorid  und  Kalziumchlorid  die  Bindung  des  Komplementes  an 
die  mit  Immunkörper  beladenen  Blutkörperchen,  während  der 
Immunkörper  sich  ebenso  verhält  wie  in  Kochsalzlösung. 

V  ersuch: 

3  ccm  5  proz.  Rinderblutaufschwemmung  in  physiologischer 
BaCb-Lösung  werden  mit  0,6  ccm  0,1  proz.  Kobragiftlösung  in  BaCb- 
Lösung  vermischt  und  1,2  ccm  frisches  Meerschweinchenserum  zu¬ 
gefügt.  Nach  1  Stunde  bei  37°  wird  Blut  und  Flüssigkeit  durch  die 
Zentrifuge  getrennt.  Das  Blut  wird  in  3  ccm  0,8  proz.  NaCl-Lösung 
aufgenommen  und  auf  3  Röhrchen  verteilt.  Ein  Röhrchen  bleibt  ohne 
weiteren  Zusatz.  Es  tritt  nach  IV2  Stunden  bei  37°  keine  Lösung  des 
Blutes  ein.  Ein  Zusatz  von  0,2  ccm  Meerschweinchenserum  bedingt 
in  dem  anderen  Röhrchen  Hämolyse.  1  ccm  5  proz.  gewöhnliche 
Blutaufschwemmung  wird  dagegen  durch  0,2  Meerschweinchenscrum 
nicht  gelöst.  Dem  Abguss  wird  3,6  ccm  physiologische  Na-SCb- 
Losung  (Konzentration  1,29)  zugefügt  und  noch  0,19  ccm  NaCl-Lö- 
sung,  Konzentration  10  g  auf  100  ccm  aufgefüllt,  zugesetzt.  Der  Nieder¬ 
schlag  von  BaSCb  wird  durch  zentrifugieren  entfernt.  Die  gewonnene 
Flüssigkeit  wird  auf  3  Röhrchen  verteilt  und  jedes  mit  1  ccm  5  proz. 
Rinderblut  in  NaCl-Lösung  versehen.  Das  erste  bleibt  ohne  Zusatz, 
in  das  zweite  kommt  noch  0,2  ccm  Meerschweinchenserum,  in  das 
dritte  0,2  ccm  Kobragiftlösung  0.1  proz.  in  NaCl-Lösung.  In  allen 
drei  Röhrchen  tritt  nach  2  Stunden  bei  37 0  Hämolyse  ein,  die  in  dem 
eisten  und  zweiten  Röhrchen  wohl  als  Kobralezithinhämolyse  auf¬ 
zufassen  ist. 


y  10  u  c-  11  . 


3  com  gut  mit  0,8  proz.  NaCl-Lösung  ausgewaschenes  Riuder- 
üut  werden  mit  12  ccm  Immunserum  vom  Kaninchen,  das  durch  ein 
halbstündiges  Erwärmen  auf  60°  inaktiviert  -wurde,  versetzt  und 
nMlden  r?  belassen.  Dann  wird  je  Vs  mit  physiologischer 
iNaui-Losimg,  CaCb-,  BaCb-Lösung  gut  ausgewaschen,  nachdem 
erst  das  zugesetzte  Serum  abzentrifugiert  worden  ist.  Der  Immun- 
körper  ist  an  das  Blut  gegangen.  Während  das  erwärmte  Serum  mit 
C  ccm  normalem  Kaninchenserum  nach  2  Stunden  bei  37°  in  der 
Dose  von  0,05  ccm  1  ccm  5  oroz.  Rinderblut  in  NaCl-Lösung  total 
ost,  bedingen  2  ccm  des  Abgusses  unter  den  gleichen  Bedingungen 
keine  Hämolyse  mehr.  Das  mit  Immunkörper  beladene  Rinderblut 
wird  nun  5proz.  in  NaCl-,  BaCb-  und  CaCb-Lösung  aufgeschwemmt. 
t  .cc™  der_V  Aufschwemmungen  werden  dann  zu  gleichen  Teilen  mit 
frischem  Kaninchenserum  vermischt  und  1  Stunde  bei  37"  stehen 
gelassen.  In  Kochsalzlosung  ist  nach  dieser  Zeit  das  Blut  total  ge- 
mst,  in  CaCb-  und  BaCb-Losung  dagegen  gar  nicht.  Die  ungelösten 
Blutkorper  werden  niun  durch  die  Zentrifuge  von  der  Flüssigkeit  ge- 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2319 


noch  durch  Zentrifugieren 


trennt  mit  physiologischer  NaCl-Lösung  gewaschen  und  in  4  ccm 
NaCl-Lösung  bei  37  »  gehalten.  Es  tritt  keine  Losung  ein.  DieM,- 

güsse  werden  mit  4  ccm  physiologischer  Na»SC>4  oder 

i  ficiinff  (Konzentration  1,55)  versetzt  und  ausserdem  noch  zu  jedem 
0  2  ccm  10  proz.  NaCl-Lösung  zugefügt.  Nachdem  die  entstandenen 

’  ooc 

/ 

Niederschläge  von  BaSCL  und  Ca 

OOC 

entfernt  worden  sind,  lassen  sich  die  Flüssigkeiten  auf  ihren  Kom- 
Dlementgehalt  mit  Hilfe  von  immunkörperhaltigem  Rinderblut  aus¬ 
titrieren  Ergebnis:  Der  Komplementgehalt  ist,  wenn  man  die  vor¬ 
genommene  Verdünnung  in  Rechnung  zieht,  ebenso  gross,  wie  der  des 
Serums.  3/io  der  beiden  Abgüsse  lösen  total,  \2«  stark.  Das  Sei  um 
unter  den  gleichen  Bedingungen  1/io  total,  Wo  fast  total. 

Versuch: 

Abgestufte  Mengen  eines  durch  Erwärmen  auf  60°  inaktivierten 
Rinderblutimmunserums  vom  Kaninchen,  /io,  /io,  K>,  /so,  «, 

1  /so  ccm  werden  einerseits  in  NaCl-  andererseits  m  BaCb-Losung  mit 
je  1  ccm  5  proz.  Rinderblut  zusammengebracht.  Nach  1  Stunde  bei 
37°  wird  die  Flüssigkeit  durch  Zentrifugieren  entfernt  und  in  jedes 
Röhrchen  0,2  ccm  frisches  Kaninchenserum  mit  1  ccm  NaCl-Losung 
getan.  Die  Hämolyse  erfolgt  in  beiden  Reihen  vollkommen  gleich, 
Vso  ccm  Immunserum  total.  Der  Immunkörper  ist  in  BaCb-Losi  g 
genau  ebenso  aufgenommen  worden,  wie  in  NaLl-Losung. 

Die  Hemmung  der  Hämolyse  des  Schlangengiftes  in 
Baryumchlorid  kommt  dagegen  dadurch  zustande,  dass  dei 
aktive  Bestandteil  nicht  auf  das  Lezithin  wirken  kann  Das 
eigentliche  Kobralezithinhämolysin  wird  daher  nicht  gebildet. 
Der  hämolytische  Körper  selbst,  welcher  durch  die  Einwirkung 
der  betreffenden  Substanz  des  Kobragiftes  auf  das  Lezithin  ent¬ 
steht,  ist  in  Baryumchloridlösung  genau  ebenso  hämolytisch, 
wie  in  NaCl-Lösung. 

Versuch: 

Kobralezithinhämolysin  nach  der  Chloroformmethode  von  Ky es 
dargestellt,  wird  0,1  proz.  in  physiologischer  NaCl-  und  in  BaCb- 
Lösung  gelöst.  Dieser  Lösung  werden  in  abgestuften  Mengen  je 
1  ccm  5  proz.  Rinderblut  zugefügt,  das  einerseits  in  NaCl-,  anderseits 
in  BaCk-Lösung  aufgeschwemmt  ist.  In  beiden  Fallen  lost  öo  ccm 
total,  Wo  teilweise.  Die  Hämolyse  ist  nach  wenigen  Minuten  beendet. 

In  Zuckerlösung  erfährt  die  Kobralezithinhämolyse  gerade 
die  entgegengesetzte  Modifikation.  Die  fertige  hämolytische 
Substanz  wirkt  hier  schwächer  als  in  den  Salzlösungen. 


Versuch: 

Kobralezithinhämolysin  wird  0,1  proz.  in  physiologischer  NaCl- 
Lösung  und  in  physiologischer  Rohrzuckerlösung  (9,35  Proz.)  gelost 
und  abgestuft  je  1  ccm  5  proz.  Rinderblut,  das  ebenso  ent\\  eder  in 
NaCl-  oder  in  Zuckerlösung  aufgenommen  ist,  zugesetzt,  ln  NaCl- 
Lösung  erfolgt  totale  Lösung  bei  Zusatz  von  Wo  ccm,  durch  ,ioo  ccm 
keine  Lösung;  in  Rohrzuckerlösung  totale  Lösung  durch  W  ccm, 
durch  Wo  keine  Lösung.  Die  Hämolyse  ist  nach  wenigen  Minuten 
beendet. 

Dagegen  wird  die  Bildung  des  Kobralezithinhämolysins 
erleichtert.  Die  letztere  Beeinflussung  überwiegt  über  die 
erstere  und  so  kommt  es,  dass  die  Kobralezithinhämolyse  in 
Zuckerlösungen  besonders  ausgesprochen  ist.  Man  bemerkt 
die  Vermehrung  der  Hämolysinbildung  in  der  Zeiteinheit  schon 
dann,  wenn  man  Lezithin  in  erheblicher  Menge  (0,5  ccm 
0,05  proz.)  zufügt.  In  physiologischer  Zuckerlösung  erfolgt  die 
Hämolyse  dann  bei  gleicher  Kobragiftdose  rascher;  um  gleich- 
schnelle  Lösung  in  Kochsalzlösung  zu  erhalten,  ist  eine  grössere 
Qiftmenge  erforderlich,  als  die  in  Rohrzucker  ausreichende. 


Versuch: 

0,1  proz.  in  physiologischer  Rohrzuckerlösung  gelöstes  Kobragift 
wird  m  abgestuften  Mengen  Wo,  Wo,  Wo,  Wo  ccm,  mit  je  0,5  ccm 
0,05  proz.  Lezithin  in  Zuckerlösung  vereinigt.  Nach  Vz  Stunde  bei 
Zimmertemperatur  wird  immer  1  ccm  5  proz.  Rinderblut  in  Zucker¬ 
lösung  den  verschiedenen  Kobramengen  zugefügt.  Genau  auf  die 
gleiche  Weise  wird  gleichzeitig  eine  zweite  Reihe  in  NaCl-Lösung 
ausgeführt.  Die  Hämolyse  erfolgt  in  der  Zuckerlösung  rascher,  nach 
einigen  Minuten  hat  im  Zucker  Wo  ccnr  Kobralösung  gelöst,  in  NaCl- 
Lösung  erst  Wo  ccm. 

Am  ausgesprochensten  erweist  sich  der  Unterschied  aber 
dann,  wenn  man  das  Schlangengift  ohne  Lezithinzusatz  den 
Rinderblutkörperchen  zufügt.  Während  vom  Serum  getrenntes 
Rinderblut  in  physiologischer  NaCl-Lösung  auch  grossen  Dosen 
von  Kobragift  gegenüber  unempfindlich  ist,  wird  es  in  physio¬ 


logischen  Zuckerlösungen,  wie  Goebel6)  schon  beobachtete, 
auch  durch  mässige  Mengen  (0,0002  g  zu  1  ccm  5  proz.  Blut- 
aufschwemmung)  gelöst. 

Fragen  wir  uns  auch  hier,  durch  welche  der  beiden  Sub¬ 
stanzen  des  Giftes  die  Lösung  erfolgt,  so  lässt  sich  durch  einen 
Bindungsversuch  in  Kochsalzlösung  der  Nachweis  erbringen, 
dass  es  sich  nicht  um  den  immiunkörperähnlichen  Bestandteil 
handelt,  der  von  den  Blutkörpern  auch  dann  gebunden  wird, 
wenn  das  zur  Hämolyse  notwendige  Serumkomplement  fehlt. 
Der  in  Zuckerlösung  blutlösende  Bestandteil  wird  vom  Blut  in 
Kochsalzlösung  nicht  aufgenommen.  Zu  genau  dem  gleichen 
Resultat  kommt  man  auch,  wenn  man  Kobragiit  aut  Meei- 
schweinchenblut  in  Baryumchloridlösung  einwirken  lässt.  Das 
Meerschweinchenblut  gehört  ja  zu  den  Blutarten,  die  für 
Schlangengift  sehr  empfindlich  sind,  auch  dann,  wenn  kein 
Serumkomplement  oder  Lezithin  in  der  Flüssigkeit  sich  be¬ 
findet.  Die  Lösung  erfolgt  schon  in  Kochsalzlösung,  noch  leich¬ 
ter  in  Zuckerlösung,  in  Baryumchloridlösung  dagegen  erheblich 
schwerer. 

Vorversuch: 


0  1  proz.  Kobragiftlösung  wird  in  physiologischen  Lösungen  NaCl, 
B.aCb,  Traubenzucker  (6,154  Proz.)  hergestellt  und  m 
Mengen  8/io,  Wo,  W<>,  Wo,  V2o,  Wo,  Wo,  Weo,  W o  m  Röhrchen  \  erteilt. 
Meerschweinchenblut  wird  5  proz.  in  den  genannten  Lösungen  auf¬ 
genommen.  In  jedes  Röhrchen  mit  Kobragift  kommt  1  ccm  Meer¬ 
schweinchenblut-Aufschwemmung  in  der  entsprechenden  Losung. 
lM>  Stunden  bei  37°.  Ergebnis:  in  NaCl -Losung  Kobragift  /*»  ccm 
totale  Lösung,  Wo  ccm  keine  Lösung;  in  BaClt  Kobragift  /io  ccm 
keine  Lösung;  in  Traubenzuckerlösung  Kobragift  /so  ccm  totale  Lo- 
cimcr  1/,nn  rA'.m  keine  Lösung. 


V  ersuch: 

In  jedes  Röhrchen  kommt  Wo  ccm  0,1  proz.  Kobralösung  m 
physiologischer  BaCL-Lösung  und  1  ccm  5  proz.  Meerschweinchen¬ 
blut  in  BaCk  4  Stunden  bei  37°.  Es  tritt  nur  spurweise  Losung  ein. 
Die  Flüssigkeit  wird  nun  durch  die  Zentrifuge  von  den  Blutkorpern 
abgetrennt.  Man  wäscht  das  Blut  zweimal  mit  BaCL-Losung  und 
dann  nochmals  zweimal  mit  NaCl-Lösung  aus  und  stellt  es  in  den 
Brutschrank.  Es  erfolgt  keine  Lösung,  auch  nicht  bei  Zusatz  von 
0,4  ccm  0,05  proz.  Lezithin.  Der  Abguss  wird  entsprechend  mit 
physiologischer  Na2S04-  und  10  proz.  NaCl-Lösung  v  ersetz  .  r  o 
1  ccm  5  proz.  Meerschweinchenblut  total,  auch  nachdem  der  Babcn- 
Niederschlag  durch  die  Zentrifuge  entfernt  worden  ist. 

Nach  dem  Ausfall  der  Bindungsversuche  muss  demnach 
für  die  Lösung  der  Blutkörper  ohne  Lezithinzusatz  eine  Lezi¬ 
thinhämolyse  angenommen  werden.  Die  Lösung  der  in  Koch¬ 
salzlösung  unempfindlichen  Rinderblutkörper  in  Zuckerlösung 
ist  also  dadurch  zu  erklären,  dass  das  in  den  Blutkörperchen 
enthaltene  Lezithin  aus  irgendwelchen  Gründen  leichter  in  die 
wirksame  hämolytische  Substanz  umgewandelt  wird.  Sie  kann 
nicht  darauf  zurückgeführt  werden,  dass  die  Empfindlichkeit 
für  das  Kobralezithinhämolysin  zunimmt;  die  Wirkung  des  fer¬ 
tigen  Hämolysins  wird  ja  gerade  im  entgegengesetzten  Sinne 

durch  Zucker  beeinflusst.  . 

Die  eigenartigen  Erscheinungen  in  Zuk- 
kerlös  ungen,  die  wir  bei  der  Kobralezithin  - 
hämolyse  kennen  gelernt  haben,  lassen  auch 
wieder  auf  einen  ganz  anderen  Mechanismus 
schliessen,  als  er  bei  der  Blutlösung  du  rc  i 
Immunkörper  und  Komplement  v  o  r  1 1  e  g  t.  Die 
spezifische  Hämolyse  durch  komplettierte  Immunkörper  erfor¬ 
dert  in  Zuckerlösung  ja  grössere  Dosen  als  in  NaCl-Lösung  die 
Abschwächung  der  Wirkung  beruht  darauf,  dass  das  Komple¬ 
ment  schlechter  gebunden  wird,  während  der  Immunkörper 
sich  mit  dem  Blut  vereinigt. 

Wenden  wir  uns  nun  weiter  zur  Wirkung  der  aktiven  Sub¬ 
stanz  des  Schlangengiftes  auf  das  Lezithin,  so  liegen  2  Mög¬ 
lichkeiten  vor.  Das  fertige  Kobralezithinhämolysin  kann  ent¬ 
weder  im  Sinne  von  K  y  e  s  eine  Verbindung  von  Kobragüt  und 
Lezithin  sein,  ein  Toxolezithid,  oder  aber  ein  durch  fermenta- 
tive  Einwirkung  entstandenes  Derivat  des  Lezithins, _  das  mit 
den  Toxinen  nichts  zu  tun  hat.  Mit  der  Annahme  eines  ein¬ 
fachen  Spaltungsproduktes  lassen  sich  die  Analysen  der  Sub¬ 
stanz,  die  von  Lüdecke7)  und  v.  B  r  a  u  n""  ausgefuhrt  w  ur- 
den,  sehr  gut  vereinigen.  Die  Zusammensetzung  des  Hamo- 

Tzur  Kenntnis  ^des  Lelthtas' u°nd  der  Qlyzerinphosphorsäure. 
Oissertation,  Mttnche^lSOS.^  )907>  Bd.  4. 


2320 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


.\  snis  sümmi  mit  der  des  Lezithins  nach  Abzug  einer  Fettsäure 
imgefahi  uberein.  Ein  Bestandteil  des  Schlangengiftes  kommt 
dagegen  in  dem  molekularen  Aufbau  in  keiner  Weise  zum 
Ausdruck.  Zudem  ist  von  Neuberg  und  Rosenberg8) 
eine  Lipase  im  Schlangengifte  nachgewiesen,  und  ausserdem 
von  Friedemann9)  und  von  Wohlgemuth10)  auch  im 
pankrea  tischen  Saft  eine  Substanz  aufgefunden  worden,  welche 
dem  Kobragift  entsprechend,  mit  Lezithin  zusammen  Hämo- 
lyse  bedingt.  Für  die  Toxinnatur  des  Cobralezithinhämolysins 
sprechen  dagegen  nach  den  Angaben  von  K  y  e  s  die  Ergeb¬ 
nisse  der  Immunisierung  mit  dieser  Substanz.  Calmet'tes 
antitoxisches  Serum,  dessen  Antitoxin  durch  Vorbehandlung 
von  Pferden  mit  nativem  Schlangengift  erzeugt  wird,  erwies 
sjch  freilich  dem  fertigen  Kobralezithinhämolysin  gegenüber  als 
völlig  unwirksam,  obgleich  es  die  Bildung  dieses  Hämolysins 
verhindert.  Es  gelang  aber  durch  Injektion  des  sog.  Kobra- 
lezithids  bei  Kaninchen  ein  Serum  zu  gewinnen,  das  gegen 
nati\  es  Kobragift  ebenso  wie  Calmettes  Serum  schützt. 
Fy.es  gibt  weiter  an,  dass  dieses  Serum  der  vorbehandelten 
Kaninchen  auch  gegen  das  fertige  Kobralezithinhämolysin  stär¬ 
ker  wirkt  als  normales  Kaninchenserum,  und  das  ist  der 
springende  Punkt,  auf  den  es  allein  ankommt.  Denn  der  Schutz 
gegen  das  Kobragift  allein  ist  nicht  beweisend.  Ein  solches 
Antitoxin  kann  ja  auch  gegen  ein  lezithinspaltendes  Ferment 
gelichtet  sein  und  deshalb  zur  Entwicklung  kommen,  weil  in 
dem  eigentlichen  Hämolysin,  das  zur  Immunisierung  dient,  Fer- 
ment  sich  in  Lösung  befindet.  Diese  Möglichkeit  ist  in  der 
Beweisführung  von  Kyes  nicht  genügend  berücksichtigt.  Die 
Versuchsergebnisse,  welche  als  Beweis  für  eine  gelungene  Im¬ 
munisierung  gegen  das  fertige  Kobralezithinhämolysin  ange- 
fuhrt  werden,  sind  nicht  eindeutig.  Der  Unterschied  zwischen 
dem  Immunserum  und  dem  Normalserum  zeigte  sich  dem  Hä¬ 
molysin  gegenüber  nämlich  erst  dann,  wenn  die  Sera  eine  halbe 
Stunde  auf  64 0  erwärmt  worden  waren.  Frisches  Normal¬ 
serum  schützte  auch.  Kyes  nahm  an,  dass  durch  das  Er- 
w  armen  die  natürlichen  Antikörper  der  Kaninchensera  unwirk¬ 
sam  werden  und  so  der  eigentliche  Immunkörper  zur  Geltung 
gelangt.  Die  Erscheinung  konnte  aber  auch  auf  ganz  andere 
Weise  zustande  kommen.  Wir  haben,  um  darüber  Klarheit  zu 
gewinnen,  die  Immunisierungsversuche  mit  dem  Kobralezithin- 
hamolysin  wieder  aufgenommen. 

Die  Darstellung  des  Hämolysins  gelang  nach  der  Methode 
von  Kyes  ohne  Schwierigkeit,  als  wir  selbst  bereitetes,  ganz 
reines Ovolezithin  verwandten.  11  ccm  20  proz.  Lezithinlösung 
in  Chloroform  wurden  mit  22  ccm  1  proz.  Kobragiftlösung  in 
0,8  proz.  Kochsalzlösung  2  Stunden  lang  geschüttelt.  Das  durch 
,e  «  u,ge  abgetrennte  Chlororform  versetzten  wir  dann  mit 
der  tunftachen  Menge  Aether  und  erhielten  nach  einiger  Zeit 
einen  massigen,  weissen,  nicht  klebrigen  Niederschlag,  der 
wiederholt  mit  Aether  gewaschen  wurde.  Er  stellte  das  Hä- 
molysm  dar.  0,00002  g  dieser  Substanz  (Kobralezithinhämolysin 
a  °o  6  I  ccn?  •  5  proz*  Rinderblut  total,  0,00001  löste  nicht. 
a  U+1  “  S  Lezithin  wurden  etwa  1,206  g  gewonnen.  In  den 
Aether  waren  aus  10  ccm  der  Chloroformlösung  0,5642  g  eines 
sauren  Oeles ubergegangen,  das  nach  flüchtigen  Fettsäuren  roch 
im  auch  auf  Eis  nicht  erstarrte.  Der  Säuregrad  stimmte  mit 

,UnFfäF  iiberein-  0,5079  g  wurden  in  ab- 

wnM  nH°h01  Se  "St  u?d  der  Säuregrad  bestimmt.  16,5  ccm 
11/10  NaOH  waren  erforderlich,  bis  die  Lösung  gegen  Phenol- 

phthale",  neutral  reagierte  (0,5070  g  Oelsäu re  verbrauchen  nach 
..  echnung  17,6ccm  n/10  NaOH).  Die  Säure  wurde  als  Oel- 
saure  erkannt  Sie  gab  die  Permanganatreaktion  von  B  a  e  y  e  r 

u“UhPPT  a  Bl"duns;  ihr.B'eisaIz  war  in  Aether  vollkommen 
los  ich.  In  der  abzentrifugierten  NaCI-Lösung  war  noch  Kobra- 
gnt  nachweisbar  und  zwar  loste  der  Abguss  bei  Zusatz  von 
0,5  ccm  Lezithin  0,05  proz.  in  fünffacher  Menge  ebenso  rasch 
wie  die  zum  Versuch  benutzte  1  proz.  Lösung. 

Auch  aus  dem  von  E.  Merck  in  Darmstadt  bezogenen 
Otdez'tlnn,  das  ziemlich  viel  Säure  enthielt  (5,5  ccm  n/10 

ph  ,  mU  notwend,S.  um  1  8  in  Alkohol  gelöstes  Lezithin  für 
Phenolphthalein  zu  neutralisieren)  Hess  sich  das  Hämolysin  auf 
die  gleiche  Weise  darstellen.  Als  der  1  proz.  Kobralösung  in 


®)  Berlin.  Klin.  1907,  No.  2. 

U  Deutsche  med.  Wochenschr.  1907.  No.  15 
' )  Biologische  Zeitschr.  1907,  Bd.  5. 


No.  47. 

Kochsalzlösung  noch  der  40.  Teil  Na»CO.  n/10-Lösung  zugesetzt 
\v  ui  de  fiel  beim  Hinzufugen  des  Aethers  zu  dem  abgesaugten 
Chforoform  das  Hämolysin  als  Gallerte  aus.  Das  Präparat 
(Kobralezithinhämolysin  2)  war  ebenso  hämolytisch,  wie  das 

endet  16  ^amcdyse  war  auck  hier  in  wenigen  Minuten  be- 

Ohne  den  vorherigen  Alkalizusatz  erfolgte  beim  Versetzen 
es  abgesaugten  Chloroforms  mit  Aether  keine  Fällung.  Auch 
z.e. tonzusätz  veranlasste  keinen  Niederschlag  von  in  Aether 
unlöslicher  Substanz.  Trotzdem  war  das  Hämolysin  gebildet. 
?  Hess  sich  in  grosser  Menge  (0,32  g  aus  0,45  g  Lezithin)  durch 
Abdampfen  der  Flüssigkeit  im  Vakuum,  Waschen  des  Rück¬ 
standes  mit  Azeton  und  Aetherzusatz  rein  darstellen.  Die  hä-' 
molytische  Fähigkeit  war  die  gewöhnliche,  0,00002  g  löste  total 
1  ccm  5  proz.  Rinderblut  in  wenigen  Minuten.  Die  wässerige 
Flüssigkeit  hämolysierte  Rinderblut  bei  Lezithinzusatz  in  diesem 
Falle  nicht.  Es  Hess  sich  aber  nachweisen,  dass  Kobragift 
vorhanden  war  und  nur  durch  die  Säure  an  seiner  Wirkung  ge¬ 
hindert  wurde.  s 

Längere  Aufbewahrung  der  getrockneten  Präparate  hatte 
Abschwächung  der  hämolytischen  Funktion  zur 
Folge.  Kobralezithinhämolysin  1  und  Kobralezithinhämolysin  2 
losten  gleich  nach  der  Ausfällung  durch  Aether  1  ccm  Rinder- 
blut  5  proz  1/50  000  total,  1/100  000  nicht.  Nach  längerem 
htehen  in  Substanz  dagegen  1/25  000  total,  1/50  000  nur  teil¬ 
weise.  3  stundiges  Kochen  einer  1  proz.  Lösung  verursachte 
keine  nennenswerte  Veränderung,  2  ständiges  Kochen  von 
schaf?2'  LoSUngen  verringerte  dagegen  die  blutlösende  Eigen¬ 
löste  YnbSJ^  lpr0Z-  Lösung  in  kochendem  Wasser 

t  hT  yi  i,  (langer  in  wässriger  1  proz.  Lösung  ge¬ 

standen)  20000  total,  Kioo-o  stark,  nach  dem  3  ständigen  Erhitzen  in 

hitzenndeInnTaSrSer  1/T20000  tota1’,  V40000  ziemlich  stark!  Vor  dem  Er- 
tntaf  l/l  °-Z*  L°sVngfn  löste  Kobralezithinhämolysin  I  1/25000 

o  Aa-  ’  ,  0000  ^ilweise,  Kobralezithinhämolysin  II  ebenso.  "  Nach  dem 
h“^^!  der  0,1  proz.  Lösungen  in  kochendem  Wasser 
und  Lnh ri  1  a!ezithinhamolysin  I  Vioooo  total,  V20000  ganz  gering 

nd  ■  Kobralezithinhämolysin  II  1/moo  total,  ’/^ono  gar  nicht  Das 

»parat  w“?e  ^niger  abgeschwächt!  obgleich  es  vor  dem 
Erhitzen  ebenso  stark  war,  wie  das  andere. 

•  Mit  Hischbereiteten  Hämolysin  (Präparat  II)  haben 
wir  nun  Kaninchen  vorbehandelt.  Die  Tiere  erhielten  im  Ver¬ 
laufe  von  12  lagen  3  mal  10  ccm  einer  1  proz.  Lösung  subkutan 
eingespntzt.  Eine  Giftwirkung  zeigte  sich  trotz  der  grossen 
osen  nicht;  das  Allgemeinbefinden  wurde  in  keiner  Weise  ge- 

p?  ’  H|rp  tra5  kein  Eiweiss  auf.  An  der  Injektionsstelle 
ntstanden  Schwellungen,  die  nach  einigen  Tagen  verschwan¬ 
den.  4  und  6  Tage  nach  der  letzten  Injektion  wurde  Blut  aus 
der  Ohrvene  entnommen  und  durch  Defibrinieren  und  Zentri¬ 
fugieren  Serum  gewonnen.  Die  Sera  waren  vollkommen  klar 
und  ganz  frei  von  Hämoglobin.  Zum  Vergleiche  dienten  3  Sera 
\  on  normalen  Kaninchen  von  genau  dem  gleichen  Aussehen. 

Wir  überzeugten  uns  zunächst,  dass  in  der  Tat,  ent- 
sprechend  den  Angaben  von  Kyes,  ein  sehr  deutlicher  Unter¬ 
schied  zwischen  der  Wirkung  von  Immunserum  und  Normal¬ 
serum  zu  erkennen  ist,  wenn  die  Sera  %  Stunde  auf  64°  er¬ 
wärmt  worden  sind. 

V  ersuch: 

, jedes  Röhrchen  kommt  1/2oooo  g  Hämolysin  funsrefähr  zwei 
losende  Dose,,).  Dazu  die  Sera  ah  gestuft  ‘  ,o! ‘lo  LZ 

wTrd  in°ipHp?P"h6  i?eih|en  anReordnet-  Nach  einer  halben  Stunde 
pi,?  n  jedes  Kohrchen  L  ccm  5 proz.  Rinderblut  hinzugetan.  Nach 
einer  weiteren  halben  Stunde  Ergebnis : 

Immunserum  I.  1/25  ccm  keine,  V&o  mässige,  1/100  totale  Hämolyse. 

”  „ ,  lr°  ”  ”  ;/B0  -  V100  „ 

M  ”  inr-  ,'50  »  »  Vioo  fast  totale,  1/m  totale 

Normalserum  I.  */io,  2/10  mässige,  1/10  totale  Hämolyse. 

”  1L  '10  keine’  V20  mässige,  1/50  fast  totale,  1/100  totale 
’  I1L  4M  2/io  mässige,  1/10  totale  Hämolyse.  Hamolyse‘ 

H;.  E?  Z£ifte  u?’  tas,s  erwärmte  normale  Kininchensera  die 
w6?11 ' ch  ,das  Kobralezithinhämolysinpräparat  auch  nicht 

gHichartig  beeinflussen.  Die  Hemmung  durch  die  Immun¬ 
sei  a  war  aber  doch  eine  viel  ausgesprochenere, 
c.  1)as  Resultat  wurde  jedoch  ein  ganz  anderes,  wenn  wir 
herum,  Blut  und  Hämolysin  gleichzeitig  vereinigten  und  nur 
MinS6  ^afm°lysTe  berücksichtigten,  die  innerhalb  weniger 
J  nuten  eintrat.  In  diesem  Falle  schützten  die  erwärmten 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2321 


Immunsera  genau  ebenso  wie  die  erwärmten  Normalsera.  Da 
das  fertige  Kobralezithinhämolysin  im  Gegensatz  zu  dem  mit 
Lezithin  vereinigten  nativen  Kobragift  auch  in  den  kleinsten 
noch  wirksamen  Mengen  sehr  rasch  hämolysiert,  so  war  dieses 
Ergebnis  sehr  bemerkenswert.  Es  wies  darauf  hin,  dass  das 
spezifische  Antitoxin,  welches  sich  nur  im  Immunserum,  nicht 
aber  im  Normalserum  vorfindet,  gar  nicht  gegen  das  fertige 
Kobralezithinhämolysin  gerichtet  ist.  Zu  Gunsten  dieser  An¬ 
schauung  sprachen  auch  noch  andere  Momente.  Es  war  weiter 
zu  beobachten,  dass  eine  Blutlösung  nach  längerer  Zeit  über¬ 
haupt  nur  unter  der  Bedingung  eintritt,  dass  erhitztes  Normal¬ 
serum  zugefügt  wird.  Frisches,  nicht  erwärmtes  Serum  ver¬ 
langsamte  die  Hämolyse  nicht.  Weiter  war  zu  konstatieren, 
dass  die  Immunsera  in  frischem  Zustande  keine  stärkere  Hem¬ 
mung  bedingen,  als  normale  Sera  und  noch  mehr  fiel  der  Um¬ 
stand  ins  Gewicht,  dass  die  erwärmten  Normalsera  genau 
ebenso  antitoxisch  waren,  wie  die  nicht  erwärmten,  sobald  nur 
die  rasch  eintretende  Blutlösung,  die  für  das  fertige  Hämolysin 
ja  charakteristisch  ist,  Berücksichtigung  fand.  Alle  diese  Be¬ 
obachtungen  waren  mit  der  Voraussetzung  von  Kyes,  dass 
durch  das  Erwärmen  normales  Antitoxin  zerstört  wird,  un¬ 
vereinbar.  Sie  zeigten  auf  das  deutlichste,  dass  durch  das  Er¬ 
wärmen  des  Serums  nicht  eine  Hemmung  der  Hämolyse  weg¬ 
fällt,  sondern  etwas  Neues,  Hämolyse  Bedingendes,  hinzu¬ 
kommt.  Die  Deutung  dieser  sekundären  Hämolyse  war  bei 
ihrer  langen  Inkubationszeit  keine  schwierige.  Es  lag  nahe, 
an  eine  Kombination  von  Lezithin  und  nativem  Kobrabestand- 
teil  zu  denken.  In  dem  erwärmten  Serum  war  ja  Lezithin  vor¬ 
handen,  das  in  dem  frischen  Serum  nicht  in  gleicher  Weise 
für  Kobragift  angreifbar  zu  sein  brauchte,  und  das  Kobra¬ 
lezithinhämolysinpräparat  konnte  sehr  wohl  den  aktiven,  auf 
Lezithin  einwirkenden  Bestandteil  des  Giftes  in  Lösung  ent¬ 
halten.  Unsere  weiteren  Versuche  haben  die  Richtigkeit  dieser 
Erklärung  auf  mehrfache  Weise  sichergestellt. 

Wir  fanden  zunächst  nach  Lezithinzusatz  alle  jene  Erschei¬ 
nungen  wieder,  die  nach  dem  Erwärmen  der  Sera  zutage  treten. 
Der  Unterschied  zwischen  Immunserum  und  Normalserum 

kommt  genau  in  der  gleichen  Weise  zur  Geltung. 

Versuch: 

Es  werden  mit  jedem  Serum  2  Reihen  gemacht,  eine  ohne  Le¬ 
zithin,  die  andere  mit  0,5  ccm  0,05  proz.  Lezithin.  Die  Sera  werden 
in  der  Menge  von  4/io,  2/io,  1/io,  V20  ccm  mit  1  ccm  5  proz.  Rinder¬ 
blut  und  Vwooo  g  Kobralezithinhämolysin  (ungefähr  1,5  lösende  Dosen) 
vereinigt.  Nach  3  Stunden  ist  ohne  Lezithin  nirgends  Lösung  ein¬ 
getreten.  Mit  Lezithin  ist  Lösung  eingetreten  bei  Zusatz  von: 

Normalserum  1.  4/io  ccm  =  0,  2/io  ccm  =  total. 

„  2.  2/io  „  =  0,  Vio  „  =  * 

*  3.  4/io  „  =  0,  2/ io  „  =  „ 

Immunserum  1.  V10  ccm  =  0,  1/20  ccm  =  fast  total. 

*  2.  V io  „  =0,  V20  „  =  „  „ 

»  3.  1/ 10  „  =  0,  V20  „  =  gering. 

Wir  konstatierten  dann  ferner,  dass  in  dem  benutzten 
Hämolysinpräparat  in  der  Tat  natives,  auf  Lezithin  wirkendes 
Kobragift  in  erheblicher  Menge  vorhanden  war.  Die  kleinen 
Dosen  des  Hämolysins,  welche  keine  Hämolyse  mehr  bedingen, 
enthielten  noch  so  viel,  dass  bei  Lezithinzusatz  nach  längerer 
Zeit  Blutlösung  eintrat. 

V  ersuch: 

2  Reihen  mit  Kobralezithinhämolysin  II  7 40000,  Vsoooo,  llmooo,  1/32ocoo  g 
werden  angelegt.  In  jedes  Röhrchen  kommt  dazu  1  ccm  5  proz. 
Rinderblut.  Bei  der  ersten  Reihe  sonst  nichts,  bei  der  zweiten  je 
0,5  ccm  0,5  proz.  Lezithin.  Die  Hämolyse  tritt  ohne  Lezithin  sehr 
rasch  ein,  nach  wenigen  Minuten  bei  V40000  Hämolysin  fast  total,  und 
nimmt  dann  nicht  mehr  nennenswert  zu.  Durch  das  Lezithin  wird  die 
Hämolyse  anfangs  gehemmt,  mit  der  Zeit  aber  immer  mehr  verstärkt. 
Nach  24  Stunden  wird  folgendes  Ergebnis  konstatiert.  Ohne  Lezithin 
bei  740000  Hämolysin  fast  totale,  bei  1/moo  geringe,  bei  7160000  keine 
Lösung.  Mit  Lezithin  bei  1/i6oooo  Hämolysin  totale,  bei  7320000  fast 
totale  Hämolyse.  Lezithin  allein  hat  nicht  gelöst. 

Es  gelang  nun  weiter,  das  Hämolysinpräparat  durch  3  stän¬ 
diges  Erhitzen  in  1  proz.  Lösung  auf  100 0  so  zu  verändern,  dass 
es  durch  Lezithin  nicht  mehr  aktiviert  wurde,  ohne  dabei  an 
hämolytischer  Funktion  einzubüssen.  Wir  erhielten  damit  ein 
Kobralezithinhämolysin,  demgegenüber  alle  Sera,  auch  die  auf 
64 0  erwärmten,  gleich  wirksam  waren.  Die  Hemmung  des  er¬ 
hitzten  Hämolysins  durch  die  erwärmten  Normalsera  entsprach 
dabei  derjenigen  des  nicht  erhitzten  Präparates  durch  frische 

No.  47. 


Normal-  oder  Immunsera.  Der  ganze  Unterschied  zwischen 
Normal-  und  Immunserum  im  erwärmten  Zustande  war  ver¬ 
schwunden.  Aus  all  diesen  Tatsachen  geht  mit 
Sicherheit  hervor,  dass  das  durch  die  Im¬ 
munisierung  erzeugte  Antitoxin  nur  gegen 
das  im  Hämolysin  enthalten  e<  native  Kobra¬ 
giftwirkt,  nichtabergegendasfertigeKobra- 
lezithinhämolysin. 

Es  liegt  demnach  kein  Grund  mehr  vor,  dieser  Substanz 
eine  Toxinnatur  zuzuschreiben.  Alle  Hypothesen,  welche  auf 
dieser  Anschauung  beruhen,  bedürfen  der  Berichtigung.  Man 
kann  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  dass  ein  Deri¬ 
vat  des  Lezithins  vorliegt,  das  durch  fermentative  Abspaltung 
von  Oelsäure  entsteht,  ohne  dass  ein  Bestandteil  des  Giftes  sich 
mit  dem  Lezithinrest  verbindet.  Ueber  die  chemische  Konsti¬ 
tution  des  Kobralezithinhämolysins  und  über  die  Art  und  Weise 
seiner  Entstehung  sind  unsere  Untersuchungen  jedoch  noch 
nicht  abgeschlossen.  Wir  werden  auf  diese  Fragen  in  einer 
weiteren  Mitteilung  zurückkommen.  Nur  eines  möchten  wir 
schon  heute  erwähnen :  Wir  erhielten  aus.verschie- 
denen  Ovolezithin  Präparaten  auch  ohne 
Kobragift  eine  hämolytische  Substanz,  die 
sich  in  Bezug  auf  die  Löslichkeitsverhält¬ 
nisse  in  Wasser,  Alkohol,  Aether,  Azeton 
ebenso  verhielt,  wie  das  mit  Kobragift  dar¬ 
gestellte  Hämolysin.  Die  hämolytische  Funktion  war 
etwas  geringer  als  die  des  frisch  ausgefällten  Kobralezithin¬ 
hämolysins.  Die  stärksten  Präparate  verhielten  sich  nach  der 
Reinigung  mit  absolutem  Alkohol  ebenso  wie  die  mit  Schlangen¬ 
gift  gewonnenen  nach  längerer  Aufbewahrung;  1/25  000  g  löste 
1  ccm  5  proz.  Rinderblut  total,  1/50  000  teilweise,  die  Hämo¬ 
lyse  war  in  wenigen  Minuten  beendet.  Auch  in  Baryumchlo- 
ridlösung  trat  die  Blutlösung  unvermindert  ein.  Durch  zwei¬ 
stündiges  Erhitzen  der  0,1  proz.  Lösung  wurde  die  gleiche  Ab¬ 
schwächung  erzielt,  wie  bei  Kobralezithinhämolysin  1 
(1/10  000  g  löst  noch  total).  Eine  dem  nativen  Kobrabestandteil 
entsprechende  Substanz  war  in  diesem  Hämolysin  nicht  vor¬ 
handen.  Lezithinzusatz  verstärkte  die  Wirkung  nicht,  auch 
bei  der  Prüfung  mit  Zusatz  von  Kaninchenserum.  Alle  Kanin¬ 
chensera  verhielten  sich  dabei  gleich.  Eine  Vorbehandlung 
von  3  Kaninchen  mit  0,3  g  Lezithinhämolysin,  die  ganz  ent¬ 
sprechend  der  Immunisierung  mit  Kobralezithinhämolysin  vor¬ 
genommen  wurde,  hatte  keinerlei  Antitoxinbildung  zur 
Folge  11). 

Nach  alledem  hat  das  Lezithinhämolysin,  das  zuerst  als 
Kobralezithinhämolysin  nach  der  Einwirkung  von  Schlangen¬ 
gift  auf  Lezithin  zur  Beobachtung  kam,  seine  Bedeutung  für 
die  Immunitätslehre  verloren.  Es  verdient  aber  noch  immer 
ein  grosses  Interesse  als  ausserordentlich  wirksames  zellen¬ 
zerstörendes  Derivat12)  einer  im  Organismus  sehr  verbreite¬ 
ten  lebenswichtigen  Substanz. 


11 )  v.  Düngern  hat  schon  früher  auch  versucht,  mit  Ovo¬ 
lezithin  Antikörper  hervorzurufen.  Er  erhielt  nach  der  Vorbehand¬ 
lung  eines  Kaninchens  mit  grösseren  Mengen  dieser  Substanz  ein  Serum, 
das  die  Hämolyse  durch  Kobragift  und  Lezithin  etwas  stärker  hemmte 
als  das  vor  den  Lezithininjektionen  gewonnene  und  gefroren  auf- 
bewahrte  Serum  des  gleichen  Tieres.  Nachdem  das  nach  der  Vor¬ 
behandlung  entnommene  Serum  jedoch  einen  Tag  gestanden  hatte, 
wirkte  es  nicht  stärker  als  das  Kontrollserum.  Unter  den  in  Aether 
löslichen  Bestandteilen  der  Blutkörper  sind  auch  keine  Antigene  ent¬ 
halten.  Die  Anschauung  von  Bang  und  Forssmann  (Hofmeisters 
Beiträge  z.  ehern.  Phys.  u.  Pathol.,  Bd.  8,  1906),  dass  diese  Antigene 
in  Aether  und  kochendem  Benzol  löslich  sind,  ist  unrichtig.  Als  wir 
die  in  wasserfreiem  Aether  löslichen  Substanzen  von  150  ccm  Rinder¬ 
blut  bei  Kaninchen  intraperitoneal  einführten  (zwei  Versuche)  er¬ 
hielten  wir  keine  Spur  von  hämolytischen  Immunkörpern.  Die  Er¬ 
gebnisse  von  Bang  und  Forssmann  beruhen  vor  allem  auf  der 
Verwendung  von  wasserhaltigem  Aether,  in  dem  alle  möglichen  Sub¬ 
stanzen  löslich  sind;  vielleicht  sind  einige  Resultate  auch  so  zu 
erklären,  dass  natürliche  Hämolysine  für  Rinderblut  Vorlagen,  die  bei 
einzelnen  Kaninchen  Vorkommen  können. 

12)  Das  Lezithinhämolysin  löst  nicht  allein  rote  Blutkörperchen 
auf,  sondern  auch  Leukozyten  und  Epithelzellen.  Man  konnte  daher 
daran  denken,  diese  Substanz  als  Heilmittel  bei  Karzinom  und  Leu¬ 
kämie  zu  versuchen.  Die  Behandlung  mit  subkutanen  Injektionen 
der  1  proz.  Lösung  ist  bei  einem  inoperablen  Karzinomkranken  von 
Dr.  W  e  r  n  e  r  und  mir  in  unserem  Institute  eingeleitet,  v.  Düngern. 

2 


2322 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  37. 


Aus  der  medizinischen  Poliklinik  zu  Heidelberg  (Direktor: 

Qeheimrat  Prof.  Dr.  F  1  e  i  n  e  r). 

Zur  Frage  der  Dauererfolge  der  Lungenheilstätten. 

Von  Karl  Croissant. 

Die  günstigen  Erfahrungen,  die  man  bei  der  Behandlung 
der  Tuberkulose  besser  situierter  Stände  mit  der  Anstalts¬ 
behandlung  gemacht  hatte,  musste  den  Gedanken  nahe  legen, 
die  Vorzüge  dieser  Methode  auch  den  breiten  Schichten  der  Ar¬ 
beiterbevölkerung  zugute  kommen  zu  lassen,  unter  denen  die 
Tuberkulose  die  grössten  Verheerungen  anrichtet.  Zunächst 
suchte  die  private  Wohltätigkeit  diesen  Gedanken  in  die  Tat 
umzusetzen;  aber  erst  als  es  gelang  auf  dem  Weg  der  sozialen 
Gesetzgebung  grosse  Summen  aus  den  Mitteln  der  staatlichen 
Versicherungsanstalten  und  Krankenkassen  heranzuziehen, 
wurde  die  Bewegung  auf  eine  reelle  und  breite  Basis  gestellt. 
Rasch  erstanden  in  allen  Gauen  Deutschlands  eine  Anzahl  vor¬ 
züglich  ausgestatteter  Lungenheilstätten  und  gegenwärtig  bie¬ 
ten  87  Volksheilstätten  mit  8422  Betten  und  37  Privatanstalten 
mit  2000  Betten  eine  für  das  bestehende  Bedürfnis  annähernd 
genügende  Unterkunft.  Anfänglich  versprach  man  sich  wohl 
in  dem  allgemeinen  Enthusiasmus  ausserordentlich  viel  in  be¬ 
zug  auf  die  Anzahl  von  „Heilungen“  wie  in  der  Bekämpfung  der 
I  uberkulose  als  Volkskrankheit  überhaupt.  Pannwitz  hat 
der  Heilstättenbewegung  das  stolze  Wort  zum  Leitmotiv  ge¬ 
geben:  „Es  gibt  keinen  siegreichen  Kampf  gegen  die  Schwind¬ 
sucht,  der  nicht  damit  begänne,  dass  zahlreiche  Volksheil¬ 
stätten  im  wahren  Sinne  des  Wortes  geschaffen  würden.“  Lei¬ 
der  musste  man  mit  der  Zeit  einsehen,  dass  so  hohe  Ansprüche 
nicht  erfüllt  werden  konnten.  Besonders  als  die  zusammen¬ 
fassenden  Statistiken  des  Reichsversicherungsamtes  und 
Reichsgesundheitsamtes  die  wenig  günstigen  Erfolge  der  ersten 
Jahre  zusammenstellten  und  der  Oeffentlichkeit  vorlegten,  griff 
unverkennbar  in  den  interessierten  Kreisen  eine  gewisse  Ent¬ 
täuschung  Platz.  Die  Verhältnisse  wurden  auch  dadurch  nicht 
besser,  dass  sowohl  von  seiten  der  Heilstättenärzte  wie  der 
Versicherungsanstalten  zur  Verbesserung  der  Statistik  darauf 
gedrungen  wurde,  den  Volksheilstätten  möglichst  viel  initiale 
Fälle  zuzuführen  und  den  vorgeschrittenen  die  Aufnahme  zu 
erschweren;  vielmehr  war  diese  Massregel  eher  geeignet,  die 
Missstimmung  zu  verschärfen.  „Es  ist  die  heutige  Anstalts¬ 
behandlung  die  Behandlung  der  beginnenden  Fälle  geworden, 
eine  J  aktik,  die  natürlich  die  erzielten  Resultate  im  günstigsten 
Lichte  erscheinen  lässt,  die  aber  mit  den  berechtigten  Anforde¬ 
rungen  der  Humanität  und  öffentlichen  Gesundheitspflege  in 
schreiendem  Widerspruche  steht.“  Diese  Aeusserung  von 
G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  aus  dem  Jahre  1901  gibt  sicher  keine  allein¬ 
stehende  Ansicht  wieder,  sondern  es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
dass  das  Verfahren  auch  schon  in  weiteren  Kreisen  recht  dis¬ 
kreditiert  war  (vgl.  v.  Fetz  er,  1900,  Lungentuberkulose  und 
Heilstättenbehandlung). 

Im  folgenden  Jahre  zeigte  Hammer  (Münch,  med. 
Wochenschr.  1902,  No.  29),  dass  der  Unterschied  im  Erfolg 
der  Behandelten  tund  nicht  in  Heilstätten  Behandelten  kaum  ein 
erheblicher  sei.  Auf  der  recht  stürmischen  Sitzung  der  Ber¬ 
liner  medizinischen  Gesellschaft  vom  4.  Januar  1903  kam 
durch  zahlreiche  Zwischenrufe  der  anwesenden  praktischen 
Aerzte  die  Stimmung  offen  zu  Tage,  dass  fast  die  ganze  Ver¬ 
sammlung  den  gleichen  kritischen  Standpunkt  wie  der  Vor¬ 
tragende  einnehme,  und  noch  im  selben  Jahre  fasst  Walter 
Ambrosius  in  Hanau  (Münch,  med.  Wochenschr.  1903, 
No.  19)  seine  Beobachtungen  und  die  Stellung  einer  Anzahl 
Kollegen  in  den  Schlussatz  zusammen:  „Sehr  erbaulich  ist 
dieses  Resultat  nicht,  es  steht  im  Widerspruch  zu  der  Mehr¬ 
zahl,  eigentlich  allen  Veröffentlichungen  seitens  der  Anstalten, 
immerhin  ist  es  doch  noch  besser  als  die  Mehrzahl  der  Kol¬ 
legen,  mit  denen  ich  in  Briefwechsel  gestanden,  annehmen. 
Keiner  hat  sich  günstig  geäussert“.  Natürlich  blieben  dem¬ 
gegenüber  die  Heilstättenärzte  und  ihre  Freunde  nicht  ruhig. 
Wohl  gaben  sie  angesichts  der  ungünstigen  Tatsachen  zu,  dass 
die  Wirklichkeit  hinter  ihren  anfänglichen  Hoffnungen  zurück¬ 
bleibe,  dass  „es  notwendig  sei,  die  Erwartungen  herabzu¬ 
schrauben“;  doch  gegen  den  vollständigen  Radikalismus  mach¬ 
ten  sie  energisch  Front.  Mit  Erbitterung  bemerkt  Liebe: 
„Es  ist  jetzt  Mode  geworden,  den  Heilstätten  etwas  auszu¬ 


wischen.“  Er  weist  darauf  hin,  dass  nicht  den  Heilstätten, 
sondern  vor  allem  den  wirtschaftlichen  und  den  Wohnungs¬ 
verhältnissen,  die  grösste  Schuld  zufalle,  wenn  in  Kürze  die 
schönsten  Erfolge  wieder  eingerissen  werden.  Von  anderer 
Seite  (W  o  1  f,  K  ö  h  1  e  r,  Münch,  med.  Wochenschr.  1903)  wur¬ 
den  vor  allem  die  Mängel  der  Statistik  und  die  Schwierigkeit, 
daraus  endgültige  Schlüsse  zu  ziehen,  ins  Feld  geführt.  Unter 
anderen  haben  dann  R  umpf  und  vor  allem  W  e  i  c  k  e  r  in 
seinen  wegen  der  Exaktheit  viel  benützten  „Beiträgen  zur 
Frage  der  Volksheilstätten“  es  (unternommen,  mit  grossen 
Zahlenreihen  die  Heilstättenerfolge  in  ein  rechtes  Licht  zu 
rücken  und  die  gegnerischen  Vorwürfe  zu  entkräften.  Auch' 
unter  der  Zahl  der  in  der  Praxis  stehenden  Aerzte  fanden  sich 
warme  Verfechter  und  begeisterte  Verehrer  des  Systems.  In 
erster  Linie  ist  es  Reiche,  der  sein  grosses  Hamburger  Ma¬ 
terial  verarbeitet  und  an  der  Hand  davon  den  Beweis  für  seine 
Stellungnahme  erbracht  hat.  So  blieben  die  Ansichten  ge¬ 
teilt,  Freunde  und  Feinde  der  Heilstätten  hielten  sich  längere 
Zeit  die  Wage,  bis  dann  in  jüngster  Zeit  sich  die  Vorstösse 
gegen  die  Heilstättenbewegung  wieder  mehrten.  Zu  Beginn 
dieses  Jahres  unterzog  Grotjahn  mit  einem  Vortrag,  ge¬ 
halten  in  der  Gesellschaft  für  soziale  Medizin,  die  Heilstätten 
einer  schonungslosen  Kritik  und  sprach  direkt  von  einer  „Kri¬ 
sis  der  Heilstättenbewegung“.  Noch  viel  schärfer  ist  die  Pole¬ 
mik,  die  C  o  r  n  e  t  schon  vorher  geführt  hatte.  Er  führt  aus, 
dass  sowohl  der  wirtschaftliche  Nutzen  wie  der  Erfolg  der 
Heilstätten  im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrank¬ 
heit  so  ziemlich  gleich  Null  sei  und  resümiert  dann  seine  Er¬ 
fahrungen:  „Das  allgemeine  Urteil  geht  dahin:  die  Heilstätten 
haben  sich  in  der  Tat  nicht  bewährt“  (Cor  net:  Die  Tuber¬ 
kulose).  Diese  vernichtende  Kritik  erfuhr  auf  dem  jüngsten 
Kongress  der  Tuberkuloseärzte  in  Berlin  heftigen  Wider¬ 
spruch.  Es  wurde  C  o  r  n  e  t  in  erster  Linie  vorgeworfen,  dass 
er  seinen  Ausführungen  nur  jene  Statistik  zugrunde  gelegt 
hat,  die  den  Heilstätten  ungünstig  ist.  In  der  Tat  scheinen  seine 
Stellungnahme  zu  schroff  und  seine  Schlussfolgerungen  auf 
alle  Fälle  verfrüht  zu  sein.  Aber  auch  die  von  seiten  der 
Heilstätten  allein  veröffentlichte  Statistik  ist  kaum  einwand¬ 
frei.  Denn  so  wertvoll  statistische  Angaben  über  Dauererfolge 
auch  sein  mögen,  so  lässt  sich  doch  der  eine  oft  betonte  Nach¬ 
teil  nicht  ableugnen,  dass  man  den  ausgeführten  Zahlen  nicht 
ansehen  kann,  was  auf  Rechnung  des  Heilverfahrens  zu  setzen 
ist  oder  was  auch  ohne  besondere  Behandlung  hätte  erreicht 
werden  können.  Absolute  Zahlen  können  bei  einer  Krank¬ 
heit  mit  so  unglaublich  wechselvollem,  „proteusartigem“  Ver¬ 
lauf  wie  die  Tuberkulose  nur  sehr  schwer  über  den  Wert  oder 
Unwert  eines  Behandlungsverfahrens  einen  zwingenden  Be¬ 
weis  erbringen;  auch  „heilen  Tuberkulosen  der  Lunge  häufig,  ja 
ich  glaube  ausserordentlich  häufig  ohne  jede  Behandlung“ 
(Winternitz:  Blätter  f.  klin.  Hydrotherapie  1902,  No.  7). 
Darum  wäre  es  vorteilhaft  und  wünschenswert,  diese  Zahlen 
in  Beziehung  zu  bringen  zu  solchen,  welche  Kranke  betreffen, 
denen  der  Vorteil  einer  Anstaltsbehandlung  nicht  zuteil  ge¬ 
worden  ist.  Dies  ist  ein  Arbeitsfeld  für  den  einweisenden  Arzt. 
Es  ist  sein  Recht  und  seine  Pflicht,  an  dem  nichtbehandelten 
Patienten  einen  Massstab  zu  nehmen  für  die  Behandelten,  wenn 
er  mit  gutem  Gewissen  ein  therapeutisches  Verfahren  immer 
wieder  empfehlen  soll.  Nun  verfügt  allerdings  die  Mehrzahl 
der  praktischen  Aerzte  nicht  über  ein  Material,  das  gross  ge¬ 
nug  wäre,  der  Oeffentlichkeit  vorgelegt  zu  werden,  und  wo 
dies  der  Fall  ist,  gestattet  leider  die  berufliche  Ueberlastung 
selten  eine  Sichtung  und  Bearbeitung  der  Fälle. 

Der  eben  vorgelegte  Gedanke,  für  die  Behandelten  Ver¬ 
gleichswerte  zu  schaffen  an  Nichtbehandelten,  ist  durchaus 
nicht  neu.  Ausser  einer  Arbeit  von  Stadler  (Deutsches 
Archiv  f.  klin.  Med.,  Bd.  LXXV)  aus  der  Marburger  Poliklinik 
und  einer  von  Burckhardt  (Zeitschr.  f.  Tuberkulose, 
Bd.  IX)  aus  der  Baseler  Poliklinik  auf  die  ich  später  noch  zu¬ 
rückkommen  werde,  hat  Hammer  (1.  c.)  an  dein  Material 
der  Heidelberger  Poliklinik  eine  derartige  Untersuchung  an¬ 
gestellt.  Das  Resultat  ist  damals  nicht  sehr  zu  Gunsten  der 
Heilstätten  ausgefallen.  Seither  hat  sich  die  Anzahl  der  Fälle 
mehrmals  vervielfacht,  die  Beobachtung  sieht  auf  einen  län¬ 
geren  Zeitraum  zurück,  es  erschien  daher  von  Interesse,  die 
alten  und  die  neu  hinzugekommenen  Fälle  auf  ihren  gegen- 


19  November  1907. MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2323 


wärtigen  Stand  zu  prüfen,  Behandelte  und  Nichtbehandelte 
nach  Erfolg  und  Nichterfolg  zahlenmässig  nebeneinander  zu 
stellen. 

Das  Material  setzt  sich  fast  ausschliesslich  zusammen  aus 
Angehörigen  der  hiesigen  Ortskrankenkassen,  dazu  noch  einige 
Fälle  der  Qemeindekrankenversicherung.  Das  Behandlungs¬ 
verfahren  ist  hier  folgendermassen:  Wird  bei  einem  Kranken 
in  der  Distriktspraxis  oder  in  der  allgemeinen  Männer-  oder 
Frauensprechstunde  eine  tuberkulöse  Lungenaffektion  festge¬ 
stellt  oder  liegt  auch  nur  auf  Grund  von  Allgemeinerschei¬ 
nungen  der  Verdacht  einer  solchen  vor,  so  wird  der  Patient 
zunächst  zu  mindestens  4  regelmässigen  Temperaturmessungen 
am  Tage  angehalten,  die  genau  zu  notieren  sind.  Febrile  Fälle 
werden  bis  zur  Entfieberung  mit  Bettruhe  häuslich  behandelt 
oder  in  die  medizinische  Klinik  eingewiesen.  Zur  weiteren 
Beobachtung  werden  dann  die  Patienten  der  eigenen  Tuber¬ 
kulosesprechstunde  in  der  Poliklinik  zugeführt.  Hier  wird  für 
jeden  einzelnen  eine  besondere  Krankengeschichte  angelegt, 
Anamnese  und  Status  möglichst  sorgfältig  aufgenommen,  vor 
allem  aber  die  Diagnose  durch  genaue  Feststellung  und  wei¬ 
tere  Verfolgung  des  Lungenbefundes,  Untersuchung  des  Spu¬ 
tums  und  in  letzter  Linie  durch  die  diagnostische  Injektion 
gesichert.  Gerade  durch  dieses  letzte  Hilfsmittel  der  Diagnostik 
kommt  von  unserer  Seite  viel  leichtes  Material  zur  Einweisung, 
das  nicht  immer  einen  sicheren,  manchmal  ausser  leichten  Ver¬ 
änderungen  des  Atemgeräusches  gar  keinen  Lungenbefund  auf¬ 
weist  und  von  dem  es  oft  fraglich,  manchmal  geradezu  un¬ 
wahrscheinlich  ist,  dass  eine  progressive  (aktive)  Tuberkulose 
vorliegt.  Nach  einer  mehrwöchentlichen  Beobachtung  wird 
dann  für  diejenigen,  welche  für  eine  Kur  geeignet  erscheinen, 
ein  Heilverfahren  beantragt;  die  übrigen  werden  in  anderer 
Weise  weiter  behandelt.  Auch  später  werden  unsere  Patien¬ 
ten,  soweit  dies  möglich  ist,  weiter  verfolgt  und  die  Verände¬ 
rungen  des  Krankheitsverlaufes  in  der  Krankengeschichte  ein¬ 
getragen.  So  kommt  es,  dass  eine  Anzahl  von  Fällen  schon 
9  Jahre  ununterbrochen  in  ärztlicher  Kontrolle  stehen. 

Sämtliche  Patienten  der  Ortskrankenkasse,  die  seit  Be¬ 
ginn  des  Jahres  1898  bis  1.  Februar  1906  für  eine  Heilstätten¬ 
kur  vorgeschlagen  waren,  habe  ich  in  die  Bearbeitung  ein¬ 
bezogen.  Fälle,  deren  Kur  bis  1.  Mai  1906  nicht  abgeschlossen 
war,  blieben  unberücksichtigt.  Die  Beobachtung  sieht  also 
im  besten  Falle  auf  9  Jahre,  mindestens  aber  auf  1  Jahr  zu¬ 
rück.  Jede  willkürliche  Auswahl  der  Fälle  ist  dadurch  aus¬ 
geschlossen-,  dass  ich  mich  streng  an  das  von  der  Ortskranken¬ 
kasse  geführte  und  mir  gütigste  überlassene  Verzeichnis  der 
eingewiesenen  Patienten  hielt. 

Meinem  oben  vorgelegten  Gedanken  entsprechend  habe 
ich  die  Fälle  gesondert  in  Behandelte  und  Nichtbehandelte.  Als 
behandelt  gelten  alle,  die  eine  mindestens  6  wöchentliche  Be¬ 
handlung  in  einer  Lungenheilstätte  genossen  haben,  diese 
Dauer  entspricht  dem  Zeitraum,  der  auch  in  den  Aufstellungen 
des  Kais.  Gesundheitsamtes  und  der  Beiträge  Weickers 
als  unterste  Grenze  gilt.  Es  sind  407  Fälle  mit  ebensoviel 
Kuren,  dazu  14  einmalige  und  2  doppelte  Wiederholungen;  also 
insgesamt  423  Beobachtungen.  Die  durchschnittliche  Kur¬ 
dauer  beträgt  92,8  Tage,  steht  also  noch  etwas  über  dem  als 
notwendig  geforderten  Zeitraum  von  13  Wochen.  Die  Be¬ 
handlung  fand  statt  in  den  Lungenheilstätten:  Friedrichsheini, 
Schömberg,  Nordrach,  Hornberg,  Sandbach,  Forbach,  Bonn¬ 
dorf,  Säckingen,  Stammberg,  ganz  vereinzelt  bei  eventuellen 
Wiederholungskuren,  dem  jeweiligen  Wohnsitze  entsprechend, 
noch  in  anderen  Anstalten. 

Den  Behandelten  stelle  ich  an  Nichtbehandelten  166  Fälle 
gegenüber.  Sie  setzten  sich  zusammen:  1.  aus  jenen  Kranken, 
die  weniger  als  6  Wochen  behandelt  wurden,  teils  weil  sie  sich 
dem  Heilverfahren  entzogen,  teils  weil  sie  aus  disziplinarischen 
Gründen  entlassen  werden  mussten,  dazu  noch  9  Patienten, 
die,  als  zu  schwer  erkrankt,  keine  Aussicht  auf  Erfolg  boten, 
insgesamt  24  Fälle.  2.  Aus  denen,  bei  welchen  eine  Kur  über¬ 
haupt  nicht  zur  Ausführung  kam;  die  Gründe  dazu  sind:  Ab¬ 
lehnung  des  Antrages  durch  die  Landesversicherung,  wegen 
mangelhafter  Versicherung  in  51  Fällen,  wegen  zu  vorge¬ 
schrittener  Erkrankung  in  13  Fällen.  Den  Eintritt  verweigerten 
38;  nicht  reisefähig  waren  12  Patienten.  Der  Grund  der  Ab¬ 
lehnung  ist  unbekannt  in  29  Fällen.  Inwieweit  sich  Behandelte 


und  Nichtbehandelte  gleichstehen  in  Bezug  auf  die  Schwere  der 
Erkrankung,  darauf  habe  ich  später  noch  einzugehen;  dass  in 
sozialer  Hinsicht,  ein  bei  der  Beurteilung  der  Dauererfolge 
schwerwiegendes  Moment,  keine  bedeutenden  Differenzen  be¬ 
stehen,  zeigt  die  folgende  Berufstabelle. 


Berufstabelle. 


Be- 

Nicht 

handelt 

behandelt 

Männer 


Schlosser,  Schmiede,  Mechaniker,  Heizer  .  . 

Blechner,  Installateur . 

Schriftsetzer . 

Maler,  Tüncher,  Lakierer . 

Steinhauer . 

Gipser  . 

Maurer . 

Glaser,  Glasbläser,  Optiker . 

Schreiner . 

Küfer . 

Zimmermann . 

Posamentier,  Tapezierer . 

Stuhlmacher . 

Bürstenmacher . 

Schuhmacher,  Sattler  .  .  .  . . 

Bäcker,  Konditor,  Müller . 

Gerber,  Färber . 

Zigarrenarbeiter . 

Schneider  . 

Fuhrmann,  Packer . 

Buchbinder,  Kellner . 

Friseur  . . . 

Kaufmann,  Kanzlist . 

Hausburschen,  Diener  etc.  .  . 

Gärtner,  Tagner,  Gelegenheitsarbeiter  .  .  .  . 

Frauen 

Haushälterin,  Dienstmagd,  Monatsfrau  .  .  .  . 

Verkäuferin,  Buchhalterin . 

Packerin,  Zeitungsträgerin . 

Näherin  ......  . 

Kellnerin,  Büffetfräulein . 

Wärterin  . 

Modistin . 

Büglerin . 

Wäscherin . 

Zigarrenarbeiterin . .  •  • 

Summe 


U 

4 

11 

3 

16 

8 

4 

4 

3 

1 

18 

8 

7 

2 

22 

5 

2 

2 

3 

— 

6 

3 

4 

1 

5 

2 

3 

— 

6 

1 

2 

2 

4 

1 

11 

4 

12 

3 

6 

4 

5 

1 

19 

17 

22 

10 

29 

21 

47 

9 

31 

6 

7 

1 

14 

10 

9 

4 

5 

— 

2 

2 

5 

1 

2 

1 

11 

3 

407 


166 


Bei  einer  Anzahl  von  Patienten  spielen  äussere  Schädlich¬ 
keiten  eine  wichtige  Rolle.  Anorganischem  Staub  waren  aus¬ 
gesetzt:  86^  Behandelte,  41  Nichtbehandelte.  Organischem 
Staub:  51  Behandelte,  17  Nichtbehandelte.  Staubgemischen: 
12  Behandelte,  4  Nichtbehandelte.  Besonders  gefährdet  waren 
durch  die  Möglichkeit  der  Bleiintoxikation  27  Behandelte  und 
18  Nichtbehandelte,  durch  Tabakstaub  15  Behandelte  gegen¬ 
über  4  Nichtbehandelten.  Beruflich  bedingte  Unregelmässig¬ 
keiten  der  Lebensführung  (Kellner,  Heizer  etc.)  lag  vor  bei 
17  Behandelten  und  5  Nichtbehandelten. 


Einem  bei  derartigen  Zusammenstellungen  üblichen 
Brauche  folgend,  habe  ich  das  Material  nach  Stadien  eingeteilt. 
Als  Schema  habe  ich  die  Turban  sehen  Stadien  gewählt,  in 
der  von  Weicker  formulierten  Weise  (Beitr.  zur  Frage  der 
Volksheilstätten  IV.).  Obwohl  es  mir  durch  die  oben  erwähnte 
Art  der  Behandlung  und  genaue  Führung  der  Krankenge¬ 
schichten  nicht  schwer  geworden  ist,  die  Fälle  zu  klassifizieren, 
bin  ich  mir  wohl  bewusst,  dass  sowohl  dieser  wie  jeder  andere 
Modus  der  Stadieneinteilung  seine  grossen  Mängel  hat,  und 
durchaus  nicht  ausreicht,  um  ein  vollständig  klares  Bild  hin¬ 
sichtlich  der  Schwere  der  Erkrankung  zu  liefern,  abgesehen 
davon,  dass  alle  diese  Schemata  dem  subjektiven  Ermessen 
noch  einen  recht  grossen  Spielraum  bieten,  verdienen  noch 
viele  Momente,  wie  die  Dauer  und  vor  allem  die  Art  des  bis¬ 
herigen  Verlaufes,  Ernährungszustand,  Charakter,  die  häus¬ 
lichen  Verhältnisse  etc.  eine  besondere  Berücksichtigung,  laute i 
Dinge,  die  erst  recht  der  Willkür  des  Beurteilers  freien  Laut 
lassen.  Trotzdem  glaube  ich,  dass  man  den  Eindruck  gewinnen 
kann,  dass  unsere  Behandelten  ein  vorzügliches  Heilstat  en- 
material  vorstellen,  eine  Tatsache,  die  auch  von  den  Ansta,  s- 
ärzten  die  unsere  Kranken  in  Behandlung  nehmen,  mehrfach  be- 


2324 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


stätigt  wird  (vgl.  Rumpf,  Münch,  med.  Wochenschr.  1904, 
No.  38  und  Handbuch  der  chronischen  Lungenschwindsucht  von 
S  c  h  r  öder  und  B 1  u  m  e  n  f  e  1  d).  Ein  kleiner  Bruchteil 
der  hülle,  von  denen  keine  Krankengeschichte  vorliegt,  musste 
ohne  Angabe  des  Stadiums  geführt  werden.  Es  sind  meist 
solche  Patienten,  die  von  anderen,  besonders  auf  den  umliegen¬ 
den  Dörfern  tätigen  Aerzten  eingewiesen  wurden.  Die  Fälle 
sind  im  allgemeinen  schwerer  als  unsere,  was  schon  daraus 
hervorgeht,  dass  ein  nicht  geringer  Teil  überhaupt  als  zu  schwer 
abgelehnt  wurde. 

Bevor  ich  die  Resultate  der  Arbeit  vorlege,  muss  ich  in 
Kürze  bei  dem  schwierigsten  Punkte  der  Bearbeitung,  nämlich 
der  Art  und  Durchführung  der  Kontrolle  verweilen:  Alle  Pa¬ 
tienten  die  in  Heidelberg  oder  der  näheren  Umgebung  ansässig 
sind,  wurden  zur  persönlichen  Untersuchung  und  Exploration 
in  die  Poliklinik  bestellt.  Sie  sind  bis  auf  einen  verschwin¬ 
denden  Bruchteil  erschienen.  Diese  Art  der  Nachuntersuchung 
ist  der  im  allgemeinen  bei  der  Aufstellung  derartiger  Sta¬ 
tistiken  üblichen  und  leider  auch  nicht  anders  möglichen  Me¬ 
thode  durch  behördliche  Recherchen  oder  Fragebogen  des¬ 
wegen  um  vieles  überlegen,  weil  die  Fehlerquellen  dadurch  auf 
das  denkbar  kleinste  Mass  beschränkt  werden.  Es  ist  eine 
öfter  beobachtete  Tatsache,  dass  gerade  Phthisiker  ihren  Zu¬ 
stand  verkennen  und  darum  je  nach  ihrer  Hinneigung  zu  hypo¬ 
chondrischer  oder  euphorischer  Auffassung  ihrer  Lage  sehr 
leicht  Angaben  machen,  die  den  wirklichen  Verhältnissen  nicht 
entsprechen,  ja  ihnen  direkt  zuwiderlaufen. 

Dies  illustriert  folgende  Geschichte:  Ueber  einen  Patienten, 
dessen  Ermittelung  mir  längere  Zeit  Schwierigkeiten  gemacht  hatte, 
wurde  mir  von  behördlicher  Seite  die  Mitteilung  gemacht,  dass  er 
vollständig  gesund  und  arbeitsfähig  sei;  gegenwärtig  befinde  er  sich 
auf  Reisen.  Um  ein  übriges  zu  tun,  verschaffte  ich  mir  die  Adresse 
und.  schickte  ihm  einen  Fragebogen.  Bevor  die  Antwort  einlief,  traf 
ich  zufällig  den  behandelnden  Arzt  und  erfuhr,  dass  der  Patient  an 
einer  febrilen  progressiven  Phthise  leide  und  seit  2  Monaten  arbeits¬ 
unfähig  sei.  Der  nunmehr  mit  Spannung  erwartete  Fragebogen  ent¬ 
hielt  die  Angabe  des  Patienten,  er  sei  seit  seiner  Kur  immer  gesund 
und  arbeitsfähig  gewesen  bis  jetzt. 

In  dieser  Weise  habe  ich  von  meinem  Material  213  Fälle, 
172  Behandelte  und  41  Nichtbehandelte  persönlich  kontrolliert, 
also  mehr  als  die  Hälfte  der  Lebenden.  Bei  den  übrigen  Pa¬ 
tienten,  die  zu  weit  entfernt  wohnten,  blieb  mir  leider  kein  an¬ 
derer  Weg  als  die  Übersendung  von  Fragebogen.  Die  Ant¬ 
wort  war  in  den  meisten  Fällen  zweckentsprechend.  Wegen 
der  Verstorbenen  wandte  ich  mich  an  die  Standesämter  und 
Hess  mir  Zeit  und  Ursache  des  Todes  möglichst  genau  angeben. 
Diesen,  sowie  den  Polizeimeldestellen,  die  mich  bei  der 
Adressenermittelung  vielfach  unterstützten,  bin  ich  für  ihre 
Mithilfe  zu  grossem  Dank  verpflichtet.  Nicht  ermittelt  sind  52 
9  Proz.)  Patienten,  diejenigen  inbegriffen,  welche  keine 
brauchbaren  Angaben  machten.  Ganz  ausgeschieden  wurden 
8  Fälle,  von  denen  einer  an  akuter  Peritonitis  nach  perforativer 
Appendizitis,  2  an  Suizid  gestorben  sind. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Frage  der  Ausheilung  tuberkulöser 
Lungenherde  war  es  interessant  die  Befunde  der  Nachunter¬ 
suchung  mit  denen  der  früheren  LIntersuchung  zu  vergleichen 
Von  den  41  Nichtbehandelten,  die  zur  Kontrolle  erschienen 
waren,  hatten  zur  Zeit,  als  die  Kur  stattfinden  sollte,  keinen 
Lungenbefund  (d.  h.  nur  leichte  Veränderungen  des  Atmungsge¬ 
räusches  ohne  Dämpfung  und  ohne  katarrhalische  Erschei¬ 
nungen)  8  Patienten,  sicheren  Befund  33.  Ich  fand  den  ob¬ 
jektiven  Befund  schlechter  bei  7,  besser  bei  5,  ohne  Befund 
waren  5  (gegen  8).  Von  den  172  nachuntersuchten  Behandelten 
hatten  bei  der  Einweisung  keinen  Befund  21,  deutlichen  Be¬ 
fund  151.  Ich  fand  den  Befund  schlechter  bei  22,  besser  bei 
49,  ohne  Befund  52  gegen  21.  In  31  Fällen  könnte  man  also 
hier  von  einer  Heilung  resp.  Latentwerden  des  tuberkulösen 
Prozesses  sprechen. 

Massgebend  für  die  Beurteilung  des  Dauererfolges  war 
aber  nicht  der  Lungenbefund,  sondern  entsprechend  dem  Ziel, 
das  die  Volksheilstätten  erstreben,  der  Zustand  der  Erwerbs- 
fahigkeit.  Als  voll  erwerbsfähig  gelten  diejenigen,  die  minde¬ 
stens  */s  des  Jahreseinkommens  verdienen,  das  ihrem  Stande 
und  beruflichen  Verhältnissen  entspricht;  als  beschränkt  er¬ 
werbsfähig  die  zwischen  2/3  bis  Vs  und  als  nicht  erwerbsfähig 
die  weniger  als  Vs  dieses  Einkommens  verdienen;  ferner  zählen 
zu  der  letzten  Gruppe  die  Patienten,  die  seit  mehr  als  6  Wochen  I 


wegen  eines  tuberkulösen  Lungenleidens  keine  Arbeit  mehr 
verrichten  können.  Kranke,  die  aus  anderen  Gründen  erwerbs¬ 
unfähig  sind,  zählen  als  erwerbsfähig.  Eventuell  notwendig 
gewordene  Wiederholungskuren  zähle  ich  wie  in  der  amtlichen 
Statistik  als  Misserfolge  der  ersten  Kur  und  führe  sie  dann 
als  neue  Fälle.  Für  dieses  Vorgehen  halte  ich  mich  umsomehr 
berechtigt,  als  ich  feststellen  konnte,  dass  der  durchschnittliche 
Zwischenraum  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Kur  nicht 
mehr  als  22  Monate  betrug,  während  das  Reichsversicherungs¬ 
amt  einen  Erfolg  erst  dann  als  voll  betrachtet,  wenn  die  durch 
die  Kur  gewonnene  Arbeitsfähigkeit  2 — 3  Jahre  ununterbrochen 
gedauert  hat.  Zwar  lässt  sich  auch  auf  der  anderen  Seite  nicht 
bezweifeln,  dass  unter  den  für  eine  zweite  Kur  Vorgeschlagenen 
sich  manche  finden,  die  einer  Wiederholungskur  nicht  unbe¬ 
dingt  bedürfen,  „sondern  nach  der  Heilstätte  verlangen,  weil 
sie  wissen,  dass  man  dort  einige  Monate  recht  gut  leben  kann“. 
Sie  kommen  zum  Arzt  und  zählen  die  ihnen  wohlbekannten 
Symptome  auf,  bei  der  Untersuchung  gibt  dann  ihr  chronischer 
und  ganz  harmloser  Spitzenkatarrh  ihren  Angaben  einen  ob¬ 
jektiven  Stützpunkt  und  eine  neue  Einweisung  erscheint  nicht 
nur  gerechtfertigt,  sondern  direkt  notwendig.  Immerhin  glaube 
ich,  dass  die  Zahl  dieser  Sorte  von  Patienten,  wo  eine  auch 
nur  kurze  Beobachtungszeit  gegeben  ist,  nicht  allzugross  ist. 

Ich  lege  nun  die  Zusammenstellung  vor,  die  älteren  Jahr¬ 
gänge  habe  ich  zusammengefasst,  weil  die  geringe  Zahl  der 
Fälle  eine  getrennte  Aufstellung  nicht  lohnte. 


B 

e  h 

and 

e  1  t 

e. 

1898  und  1899 

1900  und  1901 

I. 

Stadium 

11. 

Stadium 

IU. 

Stadium 

i 

Stadium 

unbe¬ 

kannt 

Summa 

I. 

Stadium 

II. 

Stadium 

III. 

Stadium 

Stadium 

unbe¬ 

kannt 

Summa 

Voll  arbeitsfähig  . . 

3 

1 

1 

4 

17 

1 

18 

Davon  vorher  voll 

arbeitsfähig . . . 

— 

— 

— 

— 

_ 

—  7 

_ 

_  7 

Beschränkt  arbeits- 

fähig . 

2 

— 

— 

— 

2 

1 

_ 

1 

1 

3 

Kur  wiederholt . . . 

1 

1 

1 

1 

4 

7 

1 

8 

Nicht  arbeitsfähig 

bezw.  Rente  . . 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

4 

2 

1 

7 

Gestorben . 

3 

1 

1 

1 

6 

5 

5 

3 

4 

17 

Summa 

9 

3 

2 

2 

16 

34 

9 

4 

6 

53 

1902 

1903 

Voll  arbeitsfähig  . . 

41 

5 

_ 

3 

49 

78 

5 

8 

91 

Davon  vorher  voll 

arbeitsfähig . . . 

—  13 

— 

— 

—  1 

—  14 

—  32 

—  1 

—  33 

Beschränkt  arbeits- 

fähig . 

10 

— 

— 

— 

10 

9 

1 

1 

1 

12 

Kur  wiederholt  . . . 

3 

— 

— 

_ 

3 

6 

2 

1 

9 

Nicht  arbeitsfähig 

bezw.  Rente. . . 

4 

— 

_ 

1 

5 

4 

2 

1 

7 

Gestorben . 

5 

— 

1 

6 

10 

1 

1 

12 

Summa 

63  | 

5  1 

1  1 

4  1 

73 

107 

10  i 

2  1 

12  1 131 

1904 

1905  bis  1. 

Mai  1906 

Voll  arbeitsfähig  . . 

46 

4 

— 

8 

58 

19 

3 

2 

24 

Davon  vorher  voll 

arbeitsfähig . . . 

—  18 

— 

— 

_  2 

—  20 

—  4 

—  4 

Beschränkt  arbeits- 

fähig . 

6 

1 

— 

_ 

7 

6 

1 

7 

Kur  wiederholt  . . . 

2 

2 

_ 

1 

5 

l 

1 

Nicht  arbeitsfähig 

bezw.  Rente  . . 

1 

— 

__ 

1 

2 

2 

1 

1 

4 

Gestorben . 

3 

— 

1 

— 

4 

— 

1 

1 

Summa 

58  | 

7  1 

i  ! 

10  | 

76 

28  | 

5  1 

“  1 

4 

37 

Diese  Aufstellung  gibt  für  die  Heilstätten  ein  günstiges  Re¬ 
sultat.  Der  Prozentsatz  der  Dauererfolge  stimmt  im  allge¬ 
meinen  mit  den  von  Seiten  der  Heilstätten  veröffentlichten 
überein,  es  stehen  im  Gesamtdurchschnitt  der  9  Jahre  63,2 
Proz.  voll  arbeitsfähige  Behandelte  gegenüber  47,7  Proz.  der 
Nichtbehandelten,  10,6  Proz.  beschränkt  arbeitsfähige  Behan¬ 
delte  gegenüber  5,9  Proz.,  Nichtarbeitsfähige  bezw.  Renten¬ 
empfänger  allerdings  6,8  Proz.  gegenüber  5,3  Proz.;  dafür  aber 
^>7  Proz.  Verstorbene  gegenüber  41,1  Proz.;  oder  überhaupt 
Erfolg  der  Behandelten  in  73,8  Proz.  der  Fälle  bei  Unter- 
diückung  der  Wiederholungen  sogar  77,3  Proz.  gegenüber 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2325 


Nicht  Behandelte. 


1898 

und 

1899 

1900 

und 

1901 

I. 

Stadium 

1 

II. 

Stadium 

III. 

Stadium 

Studium 

unbe¬ 

kannt 

Summa 

I. 

Stadium 

II. 

Stadium 

III. 

Stadium 

Stadium 

unbe¬ 

kannt 

Summa 

Voll  arbeitsfähig . . 

4 

1 

5 

10 

1 

1 

3 

15 

Beschränkt  arbeite- 

arbeitsfähig. . . 

1 

— 

— 

1 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

Nicht  arbeitsfähig 

bezw.  Rente . . . 

1 

— 

1 

— 

2 

— 

— 

1 

— 

1 

Gestorben . 

2 

6 

7 

2 

17 

3 

2 

3 

9 

17 

Summa 

8 

7 

8 

3 

26 

13 

3 

5 

12 

33 

1902 

1903 

Voll  arbeitsfähig. . 

11 

1 

— 

3 

15 

12 

2 

— 

6 

20 

Beschränkt  arbeite- 

fähig . 

1 

1 

— 

— 

2 

1 

1 

— 

1 

3 

Nicht  arbeitsfähig 

bezw.  Rente. . . 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

— 

1 

3 

Gestorben  . 

2 

— 

2 

2 

6 

—  • 

— 

— 

4 

4 

Summa 

14 

2 

2 

5 

23 

15 

3 

— 

12 

30 

1904 

1905  bis  1. 

Mai  1906 

Voll  arbeitsfähig. . 

6 

— 

— 

2 

8 

5 

_ 

4 

9 

Beschränkt  arbeite- 

fähig . 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

1 

2 

Nicht  arbeitsfähig 

bezw.  Rente . . . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

2 

Gestorben  . 

1 

1 

1 

8 

11 

— 

— 

— 

7 

7 

Summa 

7 

1 

1 

10 

19 

6 

1 

— 

13 

20 

Gesamtsumme  von  1898  bis  1906. 
Behandelte. 


I. 

Stadium 

II. 

Stadium 

in. 

Stadium 

Stadium 

unbe¬ 

kannt 

Summa 

In 

Prozent 

Voll  arbeitsfähig  . 

204 

19 

21 

244 

63,2 

Davon  vorher  voll  arbeitsfähig  . 

—  75 

— 

— 

—  3 

—  78 

—20,2 

Beschränkt  arbeitsfähig . 

34 

3 

2 

2 

41 

10,6 

Kur  wiederholt . 

20 

6 

1 

3 

30 

7,7 

Nicht  arbeitsfähig  bezw.  Rente . 

15 

5 

1 

5 

26 

6,8 

Gestorben . 

26 

6 

6 

7 

45 

11,7 

Summa 

299 

39 

10 

38 

386 

j  100,0 

In  Prozent  vom  Ganzen 

77,4 

10,1 

2,6 

9,9 

100,0  | 

Nicht  Behandelte. 


Voll  arbeitsfähig  . 

48 

5 

1 

18 

72 

47,7 

Beschränkt  arbeitsfähig . 

4 

2 

— 

3 

9 

5,9 

Nicht  arbeitsfähig  bezw.  Rente  . 

3 

1 

2 

2 

8 

5,3 

Gestorben . 

8 

9 

13 

32 

62 

41,1 

Summa 

63 

17 

16 

55 

151 

100,0 

In  Prozent 

41,7 

11,3 

10,6 

36,4 

100,0 

53,6  Proz.  Diese  Nebeneinanderstellung  bedarf  allerdings  noch 
einiger  Erläuterungen  bezw.  Korrekturen.  Bei  einer  objektiven 
Prüfung  des  Materials  wird  man  sich  leicht  überzeugen,  dass 
unter  den  nichtbehandelten  Patienten  die  schweren  Fälle  stär¬ 
ker  vertreten  sind.  Es  befinden  sich  unter  ihnen  21  Kranke 
die  wegen  zu  weit  vorgeschrittener  Erkrankung  von  der  Be¬ 
handlung  überhaupt  ausgeschlossen  oder  bald  nach  Beginn 
derselben  zurückgeschickt  wurden;  sie  entstammen  mit  wenig 
Ausnahmen  der  Rubrik  „Stadium  unbekannt“  und  waren  von 
anderen  Aerzten  eingewiesen;  bis  auf  2  gegenwärtig  Erwerbs¬ 
unfähige  sind  alle  gestorben,  meist  noch  im  selben  Jahre. 
Weiter  ist  zu  beachten,  dass  die  dritten  Stadien  unter  den  Nicht¬ 
behandelten  gegenüber  den  Behandelten  prozentuarisch  über¬ 
wiegen  und  schliesslich,  dass  unter  den  Ersten  sich  13  be¬ 
finden,  die  beim  Abruf  nicht  reisefähig  waren.  Es  dürfte  diese 
letzte  Gruppe  allein  schon  genügen,  um  die  Zahl  derer  zu  kom¬ 
pensieren,  die  vielleicht  dem  Abrufe  deswegen  nicht  Folge 
leisteten,  weil  sie  sich  gesund  fühlten.  1 

Einen  bescheidenen,  aber  immerhin  zweifellosen  Vorteil 
der  Nichtbehandelten  bedeutet  die  Tatsache,  dass  ihre  Ar¬ 
beitsfähigkeit  231  Arbeitswochen  im  Durchschnitt  beträgt  ge¬ 
genüber  192  der  Behandelten.  Diese  merkwürdige  Erscheinung 
erklärt  sich  einfach  daher,  dass  die  ehemaligen  Heilstätten¬ 
pfleglinge  gelernt  haben  mit  grosser  Sorgfalt  und  Aengst- 


lichkeit  auch  auf  unbedeutende  Störungen  ihrer  Gesundheit  zu 
achten  und  darum  die  ärztliche  Behandlung  und  Kassenunter¬ 
stützung  öfter  in  Anspruch  nehmen,  als  diejenigen,  welche  eine 
solche  Erziehung  in  der  Heilstätte  nicht  genossen  haben.  Ganz 
besonders  möchte  ich  aber  noch  zwei  Punkte  hervorheben: 
von  den  63  Nichtbehandelten  des  Stadium  I.  sind  52  =  82,5 
Proz.  arbeitsfähig,  von  den  299  Behandelten  desselben  Stadiums 
238  =  79,6  Proz.  Es  zeigen  also  die  Nichtbehandelten  bessere 
Erfolge  als  die  Behandelten;  dass  unter  der  ersten  Gruppe 
zufällig  nur  „sehr  gutartige  Fälle“  sein  sollten,  ist  durchaus 
unwahrscheinlich  (vgl.  Köhler,  Münch,  med.  Wochenschr. 
1903,  No.  19).  Der  andere  Punkt  wirft  ein  interessantes  Licht 
auf  den  vielgebrauchten  Ausdruck  der  „durch  die  Kur  wieder¬ 
erlangten  Erwerbsfähigkeit“.  Von  den  244  voll  erwerbsfähigen 
Heilstättenpfleglingen  erfreuen  sich  schon  vor  der  Kur  78,  also 
nahezu  ein  Drittel,  der  vollen  Erwerbsfähigkeit  ohne  diejenigen 
in  Rechnung  zu  ziehen,  deren  Erwerbsfähigkeit  vorher  nur  be¬ 
schränkt  war.  Im  Hinblick  auf  diese  beiden  J  atsachen  müssen 
die  Erfolge  der  Heilstätten  in  initialen  Fällen  doch  zu  Be¬ 
denken  Anlass  geben.  Unser  Material  entspricht  den  bisherigen 
Wünschen  der  Anstaltsärzte  wie  kaum  ein  anderes,  indem  es 
fast  lauter  initiale  Fälle  enthält;  daran  hat  sich  aber  auch  in 
einem  gewissen  Grade  als  richtig  erwiesen,  was  von  verschie¬ 
denen  Seiten  schon  lange  vorausgesehen  wurde,  dass  die  Re¬ 
sultate  „durch  diese  Taktik  zwar  auf  dem  Papier  aber  nicht  in 
Wirklichkeit  besser  werden“.  Bei  gerechter  Würdigung  dieser 
Momente  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  die  Dauererfolge 
derHeilstättennichtallzusehrvonden  Resul¬ 
taten  der  ambulatorischen  Behandlung  ab¬ 
stechen. 

Diese  Beobachtung  deckt  sich  auch  grossenteils  mit  den 
Ergebnissen,  die  in  früheren  Arbeiten  niedergelegt  sind.  Bei 
Hammer  (1.  c.)  steht  einem  Erfolg  der  Behandelten  von  74 
Proz.  ein  solcher  der  Nichtbehandelten  von  69  Proz.  gegen¬ 
über.  Es  schien  mir  der  Mühe  wert,  die  Fälle  von  damals,  die 
allerdings  anders  als  diesesmal  gruppiert  sind,  nach  6 — 9  Jahren 
für  sich  getrennt  zusammenzustellen  und  mit  dem  Ergebnis  von 
damals  zu  vergleichen.  Von  den  72  behandelten  Patienten  sind 
jetzt  noch  voll  arbeitsfähig  21,  beschränkt  arbeitsfähig  5, 
nicht  arbeitsfähig  6,  gestorben  38  (2  nicht  ermittelt). 

13  Wiederholungskuren  sind  unberücksichtigt.  Von  den  55 
Nichtbehandelten  machten  später  noch  eine  Kur  durch  7  (davon 
2  tot,  5  arbeitsfähig).  Voll  arbeitsfähig  sind  17,  beschränkt 
arbeitsfähig  3,  arbeitsunfähig  bezw.  Rentenempfänger  sind  2, 
gestorben  23  (nicht  ermittelt  3).  Es  steht  also  sogar  einem 
Erfolg  der  Behandelten  in  37,1  Proz.  ein  Erfolg  der  Nichtbe¬ 
handelten  in  44,4  Proz.  der  Fälle  gegenüber.  Verstorben  sind 
von  ersteren  54,3  Proz.,  von  letzteren  dagegen  nur  47,9  Proz. 
Daraus  gehthervor,  dass  weder  ein  Gewinn  an 
ArbeitsfähigkeitnochanLebensdauervonder 
Heilstättenkur  für  längere  Zeit  garantiert 
wird.  Zu  einem  ähnlichen  Resultat  kommt  Stadler  (1.  c.). 
Er  vergleicht  seine  Nichtbehandelten  des  Stadiums  I.  und  II. 
mit  den  Kranken  Weickers  desselben  Stadiums  aus  der 
Heilstätte  Görbersdorf.  Seine  Zusammenstellung  ergibt:  „Im 
ersten  Jahre  haben  Volksheilstätte  und  Poliklinik  dieselbe  Zahl 
ihrer  Kranken  durch  den  Tod  verloren,  nach  2  Jahren  ist  da¬ 
gegen  die  Mortalität  der  Kranken,  welche  eine  Heilstättenbe¬ 
handlung  durchgemacht  haben,  um  7  Proz.,  nach  3  Jahren 
um  10,8  Proz.  geringer  als  bei  den  poliklinischen  Kranken1 . 
Aber  „schon  im  4.  Jahre  sind  von  den  Heilstättenkranken  6,3 
Proz.  mehr  als  von  den  poliklinischen  verstorben“.  Ob  die 
Tatsache,  dass  kaum  ein  Fünftel  der  Behandelten  das  Leben  um 
2  Jahre  länger  gefristet  wurde,  als  den  Nichtbehandelten  „hoch 
erfreulich“  sei,  lasse  ich  dahingestellt,  angesichts  der  Tatsache, 
dass  dafür  im  4.  Jahre  die  Mortalität  der  Behandelten  um  6,3 
Proz.  grösser  ist.  Jedenfalls  wird  auch  hieraus  ersichtlich, 
dass  für  die  Er  haitu  ng  des  Lebens  auf  längere 
Zeit  eine  Heilstättenkur  keine  Garantie  bie¬ 
tet.  Ob  dabei  der  Gewinn  an  Arbeitsfähigkeit  erheblich  sein 
kann,  ist  wohl  kaum  die  Frage. 

Im  Gegensatz  zu  den  beiden  letztgenannten  Autoren  hat 
Bu rckhardt  (l.c.)  bessereResultate.  Er  stellt  156Patienten.  die 
im  Verlauf  von  9  Jahren  in  der  Baseler  Heilstätte  verpflegt 
wurden,  371  poliklinisch  Behandelten  gegenüber.  Die  ersten 


232 6 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


haben  21,6  Proz.  Verstorbene,  die  letzten  38,3  Proz.  Auch 
stellt  sich  bei  ihm  die  Arbeitsfähigkeit  der  Davoser  um  vieles 
besser  als  die  der  Basler.  Seine  Aufstellung  lässt  allerdings 
einige  Einwürfe  zu.  Abgesehen  davon,  dass  sein  Material  zu 
zwei  Drittel  aus  Frauen  besteht,  die  sich  in  ihren  Dauererfolgen 
vielfach  anders  verhalten  als  männliche  Kranke,  lässt  seine 
Statistik  auch  dem  Bedenken  Raum,  dass  unter  seinen  Nicht- 
davosern  die  vorgerückten  Fälle  stärker  vertreten  sind. 
Burckhardt  ging  bei  seiner  Aufstellung  in  der  Weise  vor, 
dass  er  mit  gewissen  Einschränkungen  nachträglich  aus  den 
Krankengeschichten  solche  Patienten  aussuchte  und  zum  Ver¬ 
gleich  heranzog,  die  seinerzeit  für  eine  Kur  in  Davos  geeignet 
gewesen  wären,  ob  das  nachträglich  mit  genügender  Sicherheit 
sich  feststellen  lässt,  steht  dahin;  es  ist  doch -auch  wahrschein¬ 
lich,  dass,  wenn  im  Verlaufe  von  9  Jahren  nur  156  Patienten 
von  527  die  Segnungen  einer  Heilstättenkur  zuteil  werden 
konnte,  die  bestgeeigneten  den  Vorzug  hatten.  Seine  Angaben 
über  die  Dauer  der  Erkrankung  gestatten  kaum  einen  sicheren 
Rückschluss  auf  die  Schwere  der  Fälle.  Er  selbst  vermutet 
angesichts  der  Differenz  zwischen  seinen  und  Stadlers  Re¬ 
sultaten  „eine  Verschiedenheit  des  Materials“. 

Welche  Schlüsse  dürfen  wir  nun  aus  diesen  Untersuchungen 
und  speziell  aus  unserer  Aufstellung  ziehen?  Ist  es  wirklich 
erlaubt  aus  solchen  Ergebnissen,  auch  wenn  sie  nicht  so  glän¬ 
zend  ausfallen,  wie  man  eine  Zeitlang  mit  Sicherheit  erwartet 
hatte,  kurzerhand  die  Heilstätten  zu  verdammen  und  ihnen 
jeglichen  Wert  abzusprechen?  Ich  glaube  nein.  Allerdings 
erscheint  es  mit  der  Zeit  immer  unwahrscheinlicher,  dass  die 
Lungenheilstätten  je  dazu  kommen  werden,  mit  grossen 
Zahlen  einwandsfreier  Erfolge  zu  imponieren.  Darauf  haben 
auch  weitblickende  Anstaltsärzte  schon  vor  Jahren  verzichtet 
(vgl.  Wolf:  Münch,  med.  Wochenschr.  1903),  dafür  werden 
die  Heilstätten  ihr  Bestreben  hauptsächlich  darauf  richten 
müssen,  im  Einzelnen  gute  Erfolge  zu  erzielen.  Gerade 
bei  einzelnen  Fällen,  die  in  grossen  Statistiken  ganz  verschwin¬ 
den,  werden  oft  überraschend  gute  Erfolge  erzielt.  Solche  Pa¬ 
tienten,  die  vernünftig  genug  sind,  ihre  wiedergewonnene  GeT 
sundheit  durch  eine  zweckentsprechende  Lebensweise  festzu¬ 
halten,  sind  unter  der  grossen  Masse  mehr  geeignet,  durch 
ihr  Beispiel  über  Prophylaxe  und  Heilbarkeit  der  Tuberkulose 
belehrend  zu  wirken,  als  eine  Summe  populärer  Flugschriften 
und  polizeilicher  Anordnungen.  Derartige  Erfolge  lassen  sich 
allerdings  nicht  unmittelbar  zahlrenmässig  aufführen,  sie  zeigen 
sich  erst  nach  Jahren,  ohne  dass  ihr  Zusammenhang  mit  der 
Ursache  klar  zu  tage  tritt.  Damit  im  engsten  Zusammenhang 
steht  die  schon  oben  gestreifte  Frage  nach  der  Auswahl  des 
einzuweisenden  Materials.  Gewiss  geben  die  initialen  Fälle 
sehr  gute  Resultate,  dass  man  aber  dazu  keine  Heilstätten 
braucht,  geht  aus  unserer  Tabelle  hervor.  Behandelte  und 
Nichtbehandelte  des  ersten  Stadiums  haben  mindestens 
gleich  gute  Resultate.  Darnach  muss  es  doch  als 
irrationell  erscheinen,  auf  die  Einweisung  initialer  Fälle  so 
grosses  Gewicht  zu  legen;  wenn  man  den  zweiten  und  dritten 
Stadien  mehr  Platz  einräumen  wollte,  so  wäre  mehr  Gelegen¬ 
heit  gegeben,  Erfolge  der  oben  beschriebenen  Art  zu  erzielen; 
allerdings  müsste  dann  den  Heilstätten  mehr  Freiheit  in  Bezug 
auf  die  Kurdauer  belassen  werden,  so  dass  es  nicht  nötig  wäre, 
sich  mit  halben  Erfolgen  zu  begnügen.  Diese  werden  doch  bald 
wieder  eingerissen  und  Mühe  und  Kosten  waren  umsonst.  Eine 
sichere  Garantie  für  den  Bestand  dessen,  was  die  Heilstätten 
erreichen,  besteht  aber  erst  dann,  wenn  durch  eine  Verbes¬ 
serung  der  allgemeinen  hygienischen  Verhältnisse,  vor  allen? 
durch  eine  zielbewusste  Wohnungsreform  die  notwendigen  Vor¬ 
bedingungen  erfüllt  sind.  Dann  werden  sich  auch  die  Volks¬ 
heilstätten  ihrer  hohen  Aufgabe  der  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  als  Volkskrankheit  gewachsen  zeigen.  Der  jetzt  so  stark 
hervortretende  Pessimismus  ist  zwar  als  Reaktion  auf  die  hoch¬ 
gespannten  Erwartungen  natürlich,  aber  unberechtigt  und  die 
„Krisis“,  wenn  man  das  Wort  doch  einmal  gebrauchen  will, 
wird  überwunden  werden. 

Zum  Schlüsse  erfülle  ich  die  Ehrenpflicht,  Herrn  Geheim¬ 
rat  F  1  e  i  n  e  r  für  die  Ueberlassung  des  Materiales  und  für  sein 
stetiges  freundliches  Interesse  und  Herrn  Prof.  Hammer  für 
die  Anregung  und  tatkräftige  Unterstützung  bei  dieser  Arbeit 
meinen  wärmsten  Dank  abzustatten. 


Aus  der  orthopädisch-chirurgischen  Klinik  von  Prof.  Dr.  V  u  1  - 

p  i  u  s  in  Heidelberg. 

Plattfuss  und  Fusswurzeltuberkulose. 

Von  Dr.  Paul  Ewald,  Spezialarzt  für  Orthopädie  in  Ham¬ 
burg,  früher  Assistent  der  Klinik. 

Es  gehört  zu  den  menschlichen  Schwächen,  die  man  immer¬ 
während  an  sich  selber  und  anderen  beobachten  kann,  dass 
die  Beschäftigung  mit  alltäglich  vorkommenden  Dingen  und  Er¬ 
eignissen  die  Beobachtung  und  die  Aufmerksamkeit  abstumpft. 
So  geht  es  im  grossen  und  im  kleinen.  Ist  in  einem  Betriebe 
lange  Zeit  kein  Unglück  geschehen,  so  werden  die  einfachsten 
Sicherheitsmassregeln  ausser  Acht  gelassen.  Hat  der  Arzt  in 
hundert  Fällen  sich  keinen  Irrtum  in  der  Diagnose  zu  Schul¬ 
den  kommen  lassen,  so  ist  er  leicht  beim  hundert  und  ersten 
Fall  vollständig  befriedigt,  wenn  sich  bei  oberflächlicher  Unter¬ 
suchung  subjektive  und  objektive  Symptome  mit  dem  Krank¬ 
heitsbild,  wie  er  es  zu  sehen  gewohnt  ist,  im  allgemeinen 
decken,  und  er  wendet  die  übliche  Therapie  an.  Es  geht  ihm 
wie  auch  sonst  im  täglichen  Leben:  zuerst  wird  das  Gewohnte, 
Landläufige,  später  oder  gar  nicht  erst  die  Raritäten  in  Be¬ 
tracht  gezogen,  wobei  der  Anschauung,  ob  Seltenheit  oder 
nicht,  je  nach  der  Erfahrung  des  einzelnen  und  nach  dem  Zu¬ 
fall  der  weiteste  Spielraum  gesetzt  ist.  Was  dem  praktischen 
Arzt  in  jahrelanger  Tätigkeit  nur  einhalbdutzendmal  vielleicht 
zu  Gesicht  kommt  —  man  denke  etwa  an  die  L  i  1 1 1  e  sehe 
Krankheit  —  hat  eine  grössere  orthopädische  Anstalt  dauernd 
in  3 — 4  Exemplaren  vertreten.  Ein  weiterer  Punkt,  der  der 
richtigen  Diagnose  Schwierigkeit  in  den  Weg  stellt,  ist  das 
Gleich-  oder  Aehnlichsehen  der  Symptome  bei  verschiedenen 
Krankheiten  desselben  Organs  oder  verschiedener  zusammen¬ 
liegender  Organe.  Vor  ein  paar  Jahrzehnten  gab’s  nur  eine 
B  right  sehe  Nierenkrankheit,  heute  kann  man  pathologisch¬ 
anatomisch  nicht  nur,  sondern  auch  klinisch  weit  über  ein 
Dutzend  Nephritiden  auseinanderhalten  und  seine  therapeu¬ 
tischen  Bemühungen  danach  einrichten. 

So  ist  es  auch  mit  der  Diagnose  des  Plattfusses: 
eben  wegen  seiner  Häufigkeit  ist  man  leicht  geneigt,  in  jedem 
Fuss,  der  mehr  oder  weniger  Schmerzen  an  den  verschieden¬ 
sten  Stellen  hat  und  ausserdem  noch  das  Unglück  hat,  kein  oder 
nur  ein  geringes  inneres  Fussgewölbe  zu  besitzen,  einen  Platt¬ 
fuss  zu  vermuten  und  ihm  eine  gut  angemessene  Einlage  zu 
geben,  die  ja  meistens  —  eben  dann,  wenn  es  sich  um  den  sta¬ 
tischen  Plattfuss  handelt  den  gewünschten  Zweck  erfüllt, 
der  aber  auch  in  manchen  Fällen  die  Beschwerden  nicht  weg¬ 
nimmt,  sondern  wo  möglich  noch  steigert.  Ja,  Schanz1) 
geht  sogar  noch  weiter  und  redet  von  Plattfussbeschwerden 
ohne  Plattfuss,  ja  selbst  beim  H  o  h  1  f  u  s  s.  Müdigkeit, 
Schmerzen  nach  Anstrengung  im  Stehen  und  Gehen,  Schmer¬ 
zen  an  der  Innenseite  der  Fussohle  und  an  anderen  Stellen  oder 
auch  im  ganzen  Fuss  genügen  schon  zur  Diagnose  „Plattfuss“ 
und  zur  Verabreichung  der  manchmal  vom  Patienten  weniger 
als  vom  Arzt  geschätzten  Einlage.  Hier  wie  nirgends  kann 
man  in  wörtlichem  und  übertragenem  Sinne  das  Goethe  sehe 
Wort  anwenden:  „Legt  ihr  nicht  aus,  so  legt  ihr  unter!“ 

Kommt  zu  den  subjektiven  Beschwerden  eine  diffuse 
Schwellung  des  ganzen  Fusses  oder  auch  nur  Oedem 
auf  dem  Fussrücken  oder  an  den  Knöcheln,  die  auf  Druck 
stark  empfindlich  sind,  wird  ferner  über  heftige  Schmerzen 
bei  jedem  festen  Auftreten  geklagt,  so  handelt  es  sich  eben 
um  eine  akute  Verschlimmerung,  um  einen  „entzündlichen 
P  1  a  1 1  f  u  s  s“.  Plattfuss  oder  vielmehr  Plattfussbeschwerden 
ist  eben  für  viele  noch  heute  ein  Sammelbegriff,  dem  alle  Sym¬ 
ptome  (Schwellung,  Schmerzen,  pathologische  Stellung)  und 
auch  ihre  verschiedenartigen  Krankheitsprozesse  untergeordnet 
werden.  Das  Gefährliche  ist  dabei  nur,  dass  der  Irrtum  wegen 
def  unzweckmässigen  Behandlung  manchmal  verhängnisvoll 
werden  kann. 

Schanz2)  hält  sich  darüber  auf,  dass  vom  Arzt  häufig 
die  Fehldiagnose  chronischer  Rheumatismus,  Gicht,  Arthritis 
deformans  im  Fussgelenk  anstatt  entzündlicher  Plattfuss  ge¬ 
stellt  werde.  Die  Patienten  würden  mit  Salizyl,  feuchten  Um- 


1)  Schanz:  Ueber  Plattfussbeschwerden,  Plattrussdiagnose 
und  Plattfussbehandlung.  Zeitschr.  f.  orthop.  Chirurgie,  Bd.  VI,  1899. 

2)  1.  c. 


19.  November  19Ü7. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2327 


schlagen  und  Bettruhe  erfolgreich  behandelt,  bekämen  aber 
nach  zwei  Tagen  die  alten  Schmerzen  wieder.  Nun,  wer  weiss, 
ob  die  Fehldiagnose  „Plattfuss“  soviel  seltener  ist. 

Hasebroek3)  hat  in  einer  Arbeit  verschiedene  Erkran¬ 
kungen  des  C  h  o  p  a  r  t  sehen  und  L  i  s  f  r  a  n  c  sehen  Gelenkes, 
wie  sie  als  Folgeerscheinungen  von  Distorsionen,  rheumati¬ 
schen  und  gichtischen  Prozessen  sich  in  den  Gelenken  ab¬ 
spielen,  ausführlich  in  Bezug  auf  Diagnose  und  Behandlung  be¬ 
schrieben.  Ueber  Subluxationen  des  Os  naviculare,  über  Frak¬ 
turen  desselben  haben  in  neuerer  Zeit  andere  Autoren  [Gän¬ 
gele4),  Deutschländer5)]  berichtet.  Hier  kann  durch 
die  gewöhnliche  Plattfusstherapie  (Massage  und  Einlage)  we¬ 
nigstens  nicht  viel  geschadet  werden,  ja  eine  Einlage  kann 
oft  sogar  äusserst  zweckmässig  sein.  Direkt  geschadet  aber 
wird  dem  Patienten  bei  einem  Leiden,  das  sehr  leicht  die  Ten¬ 
denz  zum  Fortschreiten  haben  kann,  zumal  wenn  es  darin  noch 
durch  Zuwarten  und  Versäumen  des  günstigen  Augenblickes 
zum  Eingreifen  oder  gar  durch  die  Behandlung  unterstützt 
wird :  bei  der  Gelenk  -  und  Knochentuberkulose 
der  Fuss wurzel.  Ich  bin  in  der  Lage,  vier  Fälle,  die  in 
geringen  Zwischenräumen  an  der  Klinik  von  Prof.  V  u  1  p  i  u  s 
in  Heidelberg  zur  Beobachtung  kamen,  mitzuteilen.  Für  die 
Ueberlassung  des  Materials  bin  ich  Herrn  Prof.  V  u  1  p  i  u  s  zu 
Dank  verpflichtet. 

1.  Ein  20  jähriger  Student,  der  aus  gesunder  Familie  stammt, 
bis  dahin  aber  häufig  an  „Bronchialkatarrh“  gelitten  hat,  bekam  vor 
%  Jahren  Beschwerden  im  linken  Fuss,  die  sich  zunächst  in  starker 
Müdigkeit  nach  angestrengten  Säbelfechtiibungen  äusserten.  Eine 
eigentliche  Schmerzempfindung  war  zunächst  nicht  da,  trat  aber  zu¬ 
sammen  mit  vermehrter  Müdigkeit  ein  halbes  Jahr  später  auf;  er  er¬ 
wachte  öfters  nachts  mit  dem  Gefühl,  den  Fuss  im  Schlaf  an  der  Wand 
gestossen  zu  haben.  Er  suchte  darum  ärztliche  Hilfe  auf,  und  da 
neben  leichter  Schwellung  d.es  ganzen  Fusses  derselbe  in  fixierter 
Pronation  stand,  so  bekam  er  einen  Gipsverband  in  korrigierter  Stel¬ 
lung.  So  lange  Patient  diesen  trug,  hatte  er  keine  Schmerzen,  auch 
war  nach  14  Tagen  die  Schwellung  verschwunden  und  der  Fuss  konnte 
leidlich  supiniert  werden.  Sobald  er  aber,  mit  Stiefel  und  Einlage 
angetan,  auftreten  sollte,  stellten  sich  wieder  Schwellung  und  Schmer¬ 
zen  ein,  worauf  nochmals  ein  Gipsverband  angelegt  wurde,  wieder 
mit  demselben  Erfolge:  sobald  der  Fuss  ruhig  gestellt  war  und  nicht 
belastet  wurde,  hörten  die  Schmerzen  auf.  Als  aber  nach  weiteren 
4  Wochen  die  Schwellung  noch  weiter  bestand,  ausserdem  der  zu¬ 
nächst  diffuse  Schmerz  sich  genau  an  dem  inneren  Fussrand  lokali¬ 
siert  hatte,  und  man  jetzt  in  der  Tiefe  der  Sohle,  in  der  Keil-  und  Kahn¬ 
beingegend  Fluktuation  konstatierte,  so  wurde  über  diesem  Knochen 
eine  Inzision  vorgenommen,  die  ganz  in  der  Tiefe  auf  grünlichgelben 
Eiter  stiess,  der  aus  dem  Inneren  und  aus  der  Umgebung  des  völlig 
kariösen  Kuneiforme  I  hervorauoll.  Dieser  Knochen  wurde  völlig  ent¬ 
fernt,  ebenso  Teile  des  ebenfalls  partiell  erkrankten  Os  naviculare 
exkochleiert.  Erst  jetzt  —  nach  fast  einem  Jahr  —  hat  sich  die 
langsam  granulierende  Wunde  geschlossen,  der  Fuss  hat  eine  noch 
leidliche  Form  behalten  und  kann  zum  Gehen  noch  gerade  gebraucht 
werden,  hat  aber  wegen  des  Ausfalls  mehrerer  Knochen  am  inneren 
Fussrand  eine  regelrechte  Plattfussstellung  und  kann  nur  wenig 
supiniert  werden.  Der  Patient  tritt  mit  der  Ferse  auf  und  vermeidet 
möglichst  das  Abwickeln  des  Fusses.  Morgens  hat  der  Patient  ein 
unbehagliches  Gefühl,  so  dass  er  sich,  sobald  er  kann,  Stiefel  anzieht. 

Hier  lagen  die  Verhältnisse  für  den  Kranken  noch  relativ 
günstig,  da  in  dem  Moment,  wo  man  sich  auf  Grund  des  klar 
gewordenen  Befundes  zu  einem  chirurgischen  Vorgehen  ent¬ 
schloss,  die  Tuberkulose  sich  noch  nicht  über  das  ganze  Fuss- 
wurzelgebiet  verbreitet,  sondern  sich  auf  das  Os  cuneiforme  I 
und  naviculare  beschränkt  hatte,  nach  deren  Entfernung  die 
übrigen  Knochen  und  Gelenke  von  der  Tuberkulose  verschont 
blieben.  Im  nächsten  Falle  hatte  sich  der  Prozess  schon  weiter 
verbreitet  und  auch  das  Kuboid  mit  ergriffen,  so  dass  eine  aus¬ 
giebigere  Operation  nötig  wurde. 

2.  Der  16  jährige  Gärtnerlehrling  hat  eine  stark  an  Lungen¬ 
phthise  leidende  Mutter  und  selber  durchaus  phthisischen  Habitus. 
Er  hat  schon  mehrere  Male  „Spitzenkatarrh“  durchgemacht.  Seit 
einem  Jahr  sollen  Beschwerden  des  rechten  Fusses  bestehen,  die  sich 
ganz  allmählich  steigerten.  Patient  führt  sein  Leiden  selber  auf  an¬ 
gestrengtes  Fussballspielen  zurück,  weil  er  gewohnt  war,  den  Ball 
mit  dem  rechten  Fusse  wegzustossen.  Als  schliesslich  Schmerzen 
am  Innen-  und  Aussenrande  des  Fusses  auftraten,  suchte  er  ärztliche 


3)  Hasebroek;  Ueber  Mittel-Vorderfussbeschwerden  und 
deren  Behandlung.  Zeitschr.  für  orthop.  Chir.,  XI.  Bd. 

4)  G  äugele:  Ueber  einen  Fall  veralteter  Subluxation  des  Os 
naviculare  am  Fuss.  Zeitschr.  f.  orthop.  Chir.,  Bd.  15,  1906. 

5)  Deutschländer:  Verrenkungsbrüche  des  Naviculare  pedis 

und  deren  Folgezustände.  Arch.  f.  klm.  Chir.  1907,  Bd.  82. 


Hilfe  auf  und  bekam  zunächst  eine  Plattfusseinlage;  da  die  Schmerzen 
nicht  nachliessen,  einen  Gipsverband  in  redressierter  Stellung.  Nach 
Entfernung  des  Gipsverbandes  hatte  weder  die  Schwellung  des 
Fusses  abgenommen,  noch  waren  die  Schmerzen  zurückgegangen; 
Patient  musste  dauernd  das  Bett  hüten.  Man  fand  damals  eine 
enorme  Schwellung  des  ganzen  Fusses,  die  eigen¬ 
tümlich  zu  der  Magerkeit  des  Unterschenkels  kon¬ 
trastierte.  Die  Gegend  des  Navikulare  und  Kuboid  war  stark 
druckempfindlich.  Aktive  Pro-  und  Supination  war  so  gut  wie  gar  nicht 
möglich.  Das  Röntgenbild6)  (F,ig.  1)  zeigt,  verglichen  mit  dem  links- 


Fig.  1. 

seitigen,  sehr  deutliche  Veränderungen;  während  die  Articulatio 
cuneonavicularis  links  durch  scharfe  Striche  begrenzt  ist,  weist  sie 
rechterseits  verschwommene,  undeutliche  Konturen  auf.  Die  Knochen¬ 
ränder  ergeben  keine  scharf  abgeschnittene  Schatten,  sondern  sind 
unregelmässig,  wie  angefressen.  Der  ganze  Gelenkspalt  erscheint 
verbreitert.  Dieselben  Veränderungen  finden  wir  in  dem  Kalkaneo- 
kuboidalgelenk  und  in  der  Verbindung  vom  Os  cuboideum  mit  dem 
Os  metatarsale  V.  In  den  die  obengenannten  Gelenke  zusammen¬ 
setzenden  Knochen  finden  sich  in  den  Schatten  mehrere  helle  Flecken, 
die  der  Ausdruck  für  kariöse  Herde  oder  Granulationen  sind. 

Die  Operation  bestätigt  den  Röntgenbefund  durchaus:  das  Navi¬ 
kulare  ist  völlig  erweicht  und  mit  Granulationen  durchsetzt,  ebenso, 
das  Kuneiforme  I — III,  das  Kuboid,  der  vordere  Teil  des  Kalkaneus 
und  die  proximalen  Teile  der  Metatarsalia.  In  allen  Gelenken,  die 
dazu  gehören,  findet  sich  Eiter.  Da  man  so  konservativ  wie  möglich 
Vorgehen  will,  so  heilen  die  Wunden  durch  langsame  Granulationen 
erst  in  neun  Monaten,  nachdem  noch  mehrere  Male  Exkochleationen 
vorgenommen  worden  sind.  Jetzt  sind  die  Wunden  fest  vernarbt, 
der  Fuss  hat  allerdings  kein  Gewölbe  mehr,  aber  doch  eine  im  Ganzen 
leidliche  Form.  Vorerst  geht  Patient  nur  mit  einem  Schienenhülsen¬ 
apparat,  der  die  Körperlast  mit  dem  Condylus  medialis  tibiae  und 
Qapitulum  fibulae  aufnimmt  und  den  Fuss  entlastet. 

Auch  hier  konnte  also,  trotzdem  der  Prozess  schon  ziem¬ 
lich  weit  um  sich  gegriffen  hatte,  noch  der  Fuss  erhalten  wer¬ 
den,  und  man  darf  hoffen,  dass  wieder  ein  leidliches  Gehwerk¬ 
zeug  aus  ihm  wird.  Allerdings  zum  langen  Stehen  und  Gehen 
dürfte  er  sich  nicht  eignen,  der  junge  Mann  hat  daher  den 
Gärtnerberuf  aufgegeben  und  will  Schreiber  werden.  In  den 
beiden  letzten  Fällen  ist  durch  eine  lang  fortgesetzte  Behand¬ 
lung,  die  auf  einer  irrtümlichen  Diagnose  basierte,  leider  der 
richtige  Zeitpunkt  für  ein  erhaltendes  Vorgehen  verabsäumt 
worden,  es  handelte  sich  um  eine  typische  C  a  r  i  e  s  t  a  r  s  i, 
derentwegen  der  Fuss  amputiert  werden  musste. 

3.  Eine  53  jährige  Frau,  die  aus  gesunder  Familie  stammt  und 
äusserst  kräftig  und  gesund  aussieht,  .auch  an  den  Lungen  keine  kiank- 
haften  Veränderungen  aufweist,  hat  sich  vor  PA  Jahren  aut  unebenem 
Boden  den  Fuss  „vertreten“.  Sie  wurde  wegen  Plattfuss  behandelt, 
bekam  auch  schliesslich  eine  Einlage.  Bald  .darauf  wurde  sie  von 
einer  Kuh  auf  den  Rücken  des  kranken  Fusses  getreten,  wonach  der 
ganze  Fuss  anschwoll  und  Schmerzen  auftraten,  die  sich  nach  einigei 
Zeit  an  dem  inneren  Fussrand  lokalisierten.  Sie  musste  wieder  die 
Einlage  tragen.  Da  die  Beschwerden  sich  aber  nicht  besserten,  be¬ 
kam  sie  mehrfach  Gipsverbände,  die  sie  im  Ganzen  4  Monate  lang 
tfug  ohne  dass  dadurch  die  Schwellung  und  die  Schmerzen  geringei 
geworden  wären.  Es  wurde  massiert,  die  Einlagen  wurden  mehr¬ 
fach  gewechselt  und  probiert;  die  Schmerzen  blieben.  Als  die  riau 
in  unsere  Behandlung  trat,  war  der  Fuss  im  Ganzen  geschwollen, 
namentlich  aber  der  Fussrücken  und  der  innere  Fussrand;  beim  Auf¬ 
treten  war  die  Fusswölbung  verschwunden,  doch  musste  dies  aut  die 
allgemeine  Schwellung  zurückgeführt  werden.  Enorm  druckempfind¬ 
lich  war  die  Gegend  der  drei  Keilbeine,  der  Basen  der  Metatarsalia, 
das  Kuboid  und  das  Navikulare,  alle  namentlich  vom  f  ussrücken  her, 
während  die  Fusssohle  weniger  schmerzte.  Hier  sowohl  wie  aut  dem 

6)  Die  Pausbilder  sind  genau  nach  den  Platten  selbst  angefeitigt 
und  werden  hier  allein  mitgeteilt,  da  die  Bilder  durch  Kopieren  und 
Zinkotypie  erheblich  an  Deutlichkeit  verlieren.  An  anderer  btelle 
(Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen)  weiden  in 
anderem  Zusammenhang  die  Originalkopien  mitgeteilt  weiden. 


2328 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


f  ussrücken  war  Fluktuation  zu  fühlen.  Pro-  und  Supination  waren 
beschränkt,  dagegen  das  Sprunggelenk  frei.  Das  Röntgenbild 
(big.  2)  gab  auch  hier  das  Bild  einer  gewaltigen  Zerstörung,  die  sämt¬ 
liche  Fusswurzel-  und  Mittelfussknochen 
ergriffen  und  alle  Gelenkverbindungen 
zerstört  hatte,  sodass  auf  dem  Bilde  ein 
Konfluieren  sämtlicher  Knochen,  die  in 
ihrer  Spongiosa  voll  von  kariösen  Her¬ 
den  steckten,  zu  konstatieren  war.  Die 
Operation  ergab  den  tuberkulösen  Pro¬ 
zess  auf  einer  solchen  Höhe,  dass  an 
eine  Erhaltung  des  Fusses  nicht  mehr 
zu  denken  war.  Es  musste,  da  allein 
noch  der  Prozessus  posterior  calcanei 
nicht  ergriffen  war,  die  Amputation  des 
Fusses  nach  P  i  r  o  g  o  f  f  gemacht  wer¬ 
den.  i 

4.  Einem  65  jährigen  Landwirt,  der 
aus  gesunder  Familie  stammt,  dessen 
Sohn  aber  schon  seit  mehreren  Jahren 
an  Lungentuberkulose  leidet,  fiel  vor 
lVe  Jahren  ein  Heuwagenrad  auf  den 
linken  Fussriicken.  Er  konnte  noch 
arbeiten,  hatte  aber  seitdem  immer 
„ein  eigentümliches  Gefühl“  im  Fuss. 
Da  die  Beschwerden  nicht  ver¬ 
schwanden,  bekam  er  einen  Gipsver¬ 
band,  den  er  aber  drei  Wochen 
später  selber  abmachte.  Er  hat  dann  wieder  zu  arbeiten  versucht, 
musste  aber  immer  stundenlang  ruhen.  Ein  halbes  Jahr  später  hat 
er  sich  den  linken  Fuss  nochmals  „vertreten“  und  konnte  sich  seit¬ 
dem  nur  noch  unter  grossen  Schmerzen  forthelfen;  Gipsverbände, 
Massage,  Einlagen,  zuletzt  eine  Marzinowskischiene  und  ein  Hülsen¬ 
apparat  nützten  nichts.  Die  Schmerzen,  die  zunächst  nur  in  der  Stelle 
des  1.  Keilbeins  bestanden  haben  sollen,  breiteten  sich  nach  und 
nach  weiter  seitlich  und  nach  vorn  und  hinten  aus.  Der  Fuss  war 
in  stärkster  Pronations  Stellung  fixiert,  im  Ganzen  ge¬ 
schwollen  bis  hinauf  zum  Sprunggelenk;  hier  fand  sich  vor  dem 
äusseren  Knöchel  eine  stärkere  fluktuierende  Vorwölbung,  die  auf 
Punktion  flockigen  Eiter  ergab.  Erhebliche  Schmerzen  wurden  auf 
Druck  in  der  Gegend  des  1.  Keilbeins,  des  Navikulare  und  Talus¬ 
kopfes  angegeben.  Die  Muskulatur  des  linken  Beins  war  ganz  erheb¬ 
lich  abgemagert,  und  namentlich  der  Unterschenkel  stand  mit  seinem 
geringen  Umfange  in  auffallendem  Gegensatz  zu  dem  klumpigen  Fuss, 
der  schon  beim  blossen  Herunterhängen  sich  bläulich  verfärbte.  Das 
Röntgenbild  (Fig.  3)  zeigte  völlige  Zerstörung  des  Gelenkes 


Fig.  3. 


Fig.  2. 


zwischen  Talus  und  Navikulare,  ferner  auch  des  Gelenkes  zwischen 
Navikulare  und  Kuneiforme,  sowie  rarefizierende  und  kariöse  Vor¬ 
gänge  an  allen  Fusswurzel-  und  Mittelfussknochen,  inklusive  Kal- 
kaneus.  Der  I  aluskopf  war  erheblich  mitaffiziert.  Bei  der  Operation 
wuiden  alle  Knochen  kariös  und  erweitert  gefunden,  weshalb  zur 
supramalleolären  Amputation  geschritten  wurde.  Eine  Untersuchung 
det  erkrankten  Knochen  ergab  vollkommene  Uebereinstimmung  mit 
der  nach  dem  Röntgenblid  gestellten  Diagnose. 


Auf  die  ziemlich  allgemein  anerkannte  Tatsache,  dass  ge¬ 
rade  I  raumen  von  geringer  Heftigkeit,  wie  z.  B.  Distorsionen 
und  Kontusionen  bei  disponierten  Personen  häufig  Gelenk¬ 
tuberkulose  im  Gefolge  haben,  soll  an  dieser  Stelle  nicht  näher 
eingegangen  werden.  In  unseren  Fällen  war  immer  ein  Trauma 
angegeben,  teils  eine  einmalige  Verletzung,  teils  eine  längere 
Zeit  hindurch  vermehrte  Beanspruchung  des  später  erkrankten 
russes.  Wenn  sich  auch  manchmal  der  Patient  erst  nach  dem 


manifestwerden  der  tuberkulösen  Erkrankung  an  eine  stattge¬ 
habte  Verletzung  wieder  erinnern  wird  und  diese  wegen  des 
langen  Zeitintervalls  oder  der  gänzlichen  Bedeutungslosigkeit 
nicht  in  Frage  kommen  kann,  so  ist  doch  in  Anbetracht  der 
Wichtigkeit,  die  die  Frage  für  Berufsgenossenschaft  und  Unfall¬ 
verletzte  haben  kann,  darauf  hinzuweisen,  dass  örtliche  Ur¬ 
sachen  für  die  Entstehung  der  Knochen-  und  Gelenktuberkulosen 
von  grosser  Bedeutung  sind.  Dabei  kommt  für  die  Begut¬ 
achtung  nicht  in  Betracht,  ob  die  Befallenen  erblich  oder  per¬ 
sönlich  belastet  sind  oder  nicht. 

Das  aber  soll  hier  nochmals  ganz  besonders  betont  wer¬ 
den,  dass  ^  fast  jede  Fusswurzeltuberkulose  mit  „Plattfuss-  ' 
schmerzen“  und  mehr  oder  weniger  ausgesprochenen  objek¬ 
tiven  Plattfussymptomen  beginnt. 

•  R  a  b  1 ')  in  seiner  Statistik  der  Gelenktuberkulose 

bei  Besprechung  der  10  beobachteten  Fälle  von  C  a  r  i  e  s  t  a  r  s  i 
9  mal  ausdrücklich  angeführt,  entweder  dass  am  erkrankten 
Fuss  „die  Sohlenhöhlung  verschwunden“  oder  dieselbe  „abge¬ 
plattet“  oder  dass  „der  innere  Fussrand  konvex“  war,'  oder 
dass  Plattfnssneigung  leichten  mässigen  und  „allerhöchsten 
Grades“  bestanden  hat“.  Poncet  und  seine  iSchüler* * 8), 
sowie  Fröhlich9)  betrachten  eine  Anzahl  der  Fälle  von 
Tarsalgie  der  Adoleszenten  als  „rheumatisme 
tuberculeux“.  Sie  schliessen  dies  aus  der  positiven  Re¬ 
aktion,  die  eine  Tuberkulininjektion  ergab,  sowie  aus  dem  Ver¬ 
lauf  der  Erkrankung  (Abszess-,  Fistelbildung  usw.). 

Und  wie  folgenschwer  ein  diagnostischer  Irrtum  für  den 
Patienten  sein  kann,  wird  jedem  klar,  der  sich  die  Gelenk¬ 
verhältnisse  an  der  Fusswurzel  ins  Gedächtnis  zurückruft. 
Vom  C  h  o  p  a  r  t  sehen  bis  zum  L  i  s  f  r  a  n  c  sehen  Gelenk 
stehen  alle  miteinander  in  Verbindung;  darum,  wenn  ein  Kno¬ 
chen  erkrankt  ist,  und  es  zum  Durchbruch  in  ein  Gelenk 
kommt,  sind  die  anderen  und  damit  in  sehr  vielen  Fällen 
auch  der  Fuss  verloren.  Natürlich  kann  der  Prozess  auch 
manchmal  nur  1  oder  2  Knochen  befallen,  er  kann  sich  damit 
begnügen,  etwa  vom  Navikulare  auf  den  Talus,  oder  vom 
Kuboid  auf  den  Kalkaneus  überzugreifen.  Aber  meist  wird 
früher  oder  später  doch  eine  Diffusion  über  den  ganzen  Hinter- 
fuss  eintreten,  die  Architektur  des  Fusses  wird  zusammen¬ 
brechen  und  der  Zusammenhang  sämtlicher  Knochen  vernichtet 
werden.  Eine  gute  Spanne  Zeit,  von  Wochen  zu  Monaten 
kann  die  Erkrankung  auf  einen  Knochen  isoliert  bleiben.  Dann 
aber  werden  mit  einem  Male  in  kurzer  Zeit  alle  benachbarten 
Gelenke  in  Mitleidenschaft  gezogen,  und  die  Tuberkulose  ver¬ 
breitet  sich  auch  auf  die  übrigen  Knochen  des  Tarsus. 
Unsere  zwei  letzten  Fälle  sind  Beispiele  hierfür. 

Nun  ist  man  aber  in  der  Lage,  den  Fuss  zu  retten,  wenn 
man  frühzeitig  genug  den  zirkumskripten  Erkrankungsherd  er¬ 
kennt  und  beseitigt.  So  kommt  alles  auf  die  frühzeitige  Dia¬ 
gnose  an,  die  klinisch  manchmal  zwar  leicht,  häufig  aber  auch 
wegen  des  allgemeinen  Oedems  und  wegen  der  Schmerzen  an 
verschiedenen  Stellen  unmöglich  genau  zu  stellen  ist:  wenn 
man  auch  schliesslich  darauf  gekommen  ist,  dass  man  es  mit 
einem  tuberkulösen  Prozess  zu  tun  hat,  so  ist  damit  die  Lo¬ 
kalisation  noch  nicht  sicher  ergründet.  Und  darum  sind  ge¬ 
rade  für  dieses  Leiden  die  Röntgenstrahlen  so  bedeu¬ 
tungsvoll.  Sie  ermöglichen  die  genaue  Feststellung  des  kari¬ 
ösen  Herdes,  der  Synovialwucherung  oder  eines  mit  Eiter  um¬ 
spülten  Sequesters.  Es  soll  natürlich  nicht  als  Forderung  auf¬ 
gestellt  werden,  jeden  Plattfuss  zu  radiographieren,  aber  d  e  n- 
ken  soll  man  immer  —  namentlich  wenn  die  Be¬ 
schwerden  nur  an  einem  Fuss  vorhanden  sind 
oder  nach  einem  Unfall  auftreten  —  an 
einen  tuberkulösen  Prozess  eines  Fusswurzelknochens.  Wenn 
ausserdem  der  vermeintliche  statische  oder  traumatische  Platt¬ 
fuss  sehr  hartnäckig  ist  und  weder  durch  Bettruhe,  noch  durch 
Massage,  noch  durch  Gipsverband,  noch  durch  Einlagen  zu  be¬ 
seitigen  ist,  dann  soll  man  nicht  länger  zögern  und  zu  den 
Röntgenstrahlen  seine  Zuflucht  nehmen,  und  man  wird 
in  manchen  Fällen  den  Grund  der  Fortdauer  der  Schmerzen  und 


')  Rabl:  Zur  konservativen  Behandlung  der  tuberkulösen 

Knochen-  und  Gelenkleiden.  Wien,  Deutike,  1895. 

8)  Revue  d’orthopedie  1906. 

9)  Revue  d’orthopedie  1907. 


10.  November  190?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2320 


des  Misserfolges  der  eingeschlagenen  Behandlung  finden.  Wenn 
nicht  allzulange  zugewartet  ist,  kann  man  dann  immer  noch 
Befriedigendes  leisten  und  dem  Kranken  ein  leidliches  Geh¬ 
werkzeug  wieder  verschaffen. 


Zur  Augenentzündung  der  Neugebornen.  ) 

Von  Dr.  Fritz  Schanz,  Augenarzt  in  Dresden. 

In  einem  Vortrag  0,  den  Prof.  Greeff  auf  Veranlassung  des 
Unterrichtsministeriums  bei  Gelegenheit  der  Vorträge  über  Sy¬ 
philis  und  Gonorrhöe  den  praktischen  Aerzten  in  der  Charite 
zu  Berlin  1901  gehalten  hat,  hat  sich  derselbe  dahin  ausge¬ 
sprochen,  dass  der  Arzt,  der  eine  eitrige  Augenentzündung  der 
Neugeborenen  zu  behandeln  habe,  zunächst  feststellen  müsse, 
ob  es  sich  um  eine  Conjunctivitis  gonorrhoica  handle  oder  nicht. 
Er  sagt  dabei  wörtlich:  „Wir  haben  gesehen,  dass  unter  40 
Fällen  nur  14  als  dahingehörig  zu  betrachten  sind.  Bei  den 
übrigen  Eiterungen  würde  weiter  nichts  nötig  sein,  als  ab  und 
zu  eine  Ausspülung.  Sie  sind  völlig  harmlos  und  verschwinden 
nach  ein  paar  Tagen,  vorausgesetzt,  dass  sie  nicht  durch  un¬ 
nötige  Aetzungen  unterhalten  werden“.  Das  ist  der  Stand¬ 
punkt,  zu  dem  Greeff  durch  die  ätiologische  Forschung  ge¬ 
drängt  worden  ist.  Meiner  Ueberzeugung  nach  ist  ein  solcher 
Standpunkt  wegen  der  Konsequenzen,  die  sich  daraus  ergeben, 
sehr  gewagt.  Haben  sich  auch  in  den  40  Fällen,  die  Greeff 
da  anführt,  nur  14  mal  Gonokokken  gefunden,  so  ist  meiner 
Ueberzeugung  nach  noch  lange  nicht  erwiesen,  dass  damit  die 
gefährlichen  Fälle  erkannt  sind,  auch  unter  den  26  anderen 
Fällen  können,  soweit  meine  Erfahrung  reicht,  ernste  Fälle 
enthalten  sein,  die  eine  sorgfältigere  Behandlung  erheischen. 
Wir  besitzen  doch  in  der  Literatur  genug  Mitteilungen,  dass 
auch  ausser  dem  Gonokokkus  schwere  Blennorrhöen  von  an¬ 
deren  Mikroorganismen  erzeugt  werden  und  selbst  Groe- 
n  o  u  w,  auf  dessen  Untersuchung  die  Greeff  sehen  Ausfüh¬ 
rungen  im  Wesentlichen  basieren,  sagt  ausdrücklich,  dass  es 
auch  schwere  Fälle  von  Blennorrhoe  gibt,  in  denen  Gonokokken 
nicht  nachzuweisen  sind.  Ich  halte  es  daher  für  einen  gefähr¬ 
lichen  Rat,  den  Professor  Greeff  den  praktischen  Aerzten 
erteilt,  wenn  er  ihnen  rät,  die  gonokokkenfreien  Augenentzün¬ 
dungen  der  Neugeborenen  als  vollständig  harmlos  anzusehen 
und  von  ihnen  anzunehmen,  dass  sie  in  ein  paar  Tagen  schwin¬ 
den,  vorausgesetzt,  dass  man  sie  nicht  durch  unnötige 
Aetzungen  unterhält.  Ich  habe  als  Augenarzt  am  hiesigen 
Säuglingsheim  lange  Zeit  ein  recht  reichliches  Material  blen- 
norrhoischer  Kinder  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt;  da  viele 
davon  klinisch  behandelt  wurden,  so  hatte  ich  auch  Gelegen¬ 
heit,  sie  genauer  zu  untersuchen.  Ich  habe  mich  damals  sehr 
eingehend  mit  der  bakteriologischen  Prüfung  dieser  Fälle  be¬ 
schäftigt.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  wir  bei  den 
schweren  Blennorrhöen  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Fälle  Gonokokken  nachweisen  können,  aber  ich  habe  auch 
recht  schwere,  nicht  etwa  .durch  unnötige  Aetzungen 
erzeugte  Blennorrhöen  gesehen,  wo  ich  mit  grosser  Aus¬ 
dauer  gesucht  und  keine  Gonokokken  gefunden  habe. 
Andererseits  kenne  ich  eine  ganze  Anzahl  leichter  Augen¬ 
entzündungen  Neugeborener,  die  auch  klinisch  ganz  harmlos 
verliefen  und  bei  denen  die  Gonokokken  ohne  Mühe  nachge¬ 
wiesen  werden  konnten.  Diese  Befunde  sind  nichts  neues.  Sie 
decken  sich  ganz  mit  denen  anderer  Autoren.  Auch  die  Unter¬ 
suchungen  Groenouws  hatten  zu  demselben  Ergebnis  ge¬ 
führt.  Solche  Befunde  müssen  uns  zur  Vorsicht  mahnen,  dass 
wir  der  bakteriologischen  Diagnose  nicht  zu  viel  Bedeutung 
beimessen.  Ich  stehe  auf  dem  entgegengesetzten  Standpunkt 
von  Prof.  Greeff.  Ich  lasse  mich  bei  meinen  Massnahmen 
nicht  von  dem  bakteriologischen  Befund,  sondern  von  dem 
Krankheitsbild  allein  leiten  und  gebe  auch  in  meinen  Fortbil¬ 
dungskursen  den  praktischen  Aerzten  diesen  Rat. 

Dabei  ist  noch  ein  anderer  Gesichtspunkt  zu  berücksich¬ 
tigen.  Die  Deutung  des  bakteriologischen  Befundes  ist  gar 
nicht  so  leicht,  wie  dies  Herr  Prof.  Greeff  in  seinen  Aus¬ 
führungen  angenommen  hat:  Wir  haben  auf  der  Bindehaut  eine 


*)  Korreferat,  erstattet  in  der  Sitzung  der  ophthalmologischen 
Sektion  der  Deutschen  Naturforscherversammlung  zu  Dresden. 

U  Berl.  klin.  Wochenschr.  1901,  No.  6,  S.  181. 

No,  47. 


ganze  Anzahl  Gram-negativer  Diplokokken,  die  von  dem  Gono¬ 
kokkus  recht  schwer  zu  unterscheiden  sind,  Von  diesen  gono¬ 
kokkenähnlichen  Diplokokken  sollen  einige  auch  pathogen  sein, 
sollen  Krankheitsbilder  erzeugen  können,  die  denen  des  Gono¬ 
kokkus  gleichen.  Zu  solchen  Gram-negativen  Diplokokken  ge¬ 
hört  der  Meningokokkus,  der  Micrococcus  catarrhalis.  Ausser¬ 
dem  gibt  es  wahrscheinlich  noch  zahlreiche  andere  Gram¬ 
negative  Diplokokken,  die  gelegentlich  im  Bindehautsack  Vor¬ 
kommen.  Brons  erwähnt  als  solche:  den  von  Lingels- 
h  e  i  m  beschriebenen  Micrococcus  pharyngis  cinerus  flav.  I, 
II,  III,  Diplococcus  siccus,  den  Diplococcus  magnus  Rosen¬ 
thal,  Gram-negative  Sarzinen,  wie  sie  A  x  e  n  f  e  1  d  beschrieben, 
dann  die  Diplokokken  wie  sie  Krukenberg  beschrieben, 
von  denen  es  zweifelhaft  ist,  ob  sie  nicht  als  echte  Gono¬ 
kokken  zu  gelten  haben,  ferner  Diplokokken  wie  sie  Brons 
in  seinem  7.  Fall  beschrieben,  die  zu  keinem  der  aufgezählten 
Diplokokken  gehören  und  die  wiederum  den  Micrococcus  catar¬ 
rhalis  sehr  nahe  stehen.  Wer  je  versucht  hat,  diese  Mikro¬ 
organismen  auseinanderzuhalten  und  die  Schwierigkeiten  dabei 
kennt,  der  wird  die  bakteriologische  Diagnose  den  praktischen 
Aerzten  nicht  so  einfach  hinstellen,  wie  dies  Prof.  Greeff 
getan. 

Das  Studium  der  Gonokokken  hat  aber  ferner  noch  ge¬ 
zeigt,  dass  dieselben  viel  variabler  sind  als  wir  zuerst  ange¬ 
nommen  hatten.  Wir  wissen  jetzt,  dass  der  Gonokokkus,  wenn 
er  erst  einmal  auf  künstlichem  Nährboden  angegangen  ist,  je 
länger  er  auf  diesem  gezüchtet  wird,  seine  Eigenschaften  we¬ 
sentlich  verändert.  Die  Grenzen,  in  denen  er  variiert,  sind 
noch  recht  wenig  festgelegt.  Darum  ist  es  auch  schwer,  die 
oben  aufgezählten,  verwandten  Arten  von  ihm  scharf  abzu¬ 
trennen.  Ich  meinesteils  bin  der  Ansicht,  dass  viele  der  ange¬ 
gebenen  Unterscheidungsmerkmale  nicht  aufgeführt  werden 
würden,  wenn  sich  nicht  unter  diesen  Diplokokken  der  Erreger 
der  Blennorrhoe  befinden  müsste.  Je  mehr  sich  Fälle  finden, 
wo  man  auf  Gram-negative  Diplokokken  stösst,  ohne  ein  ent¬ 
sprechendes  Krankheitsbild  zu  sehen,  desto  mehr  neue  Eigen¬ 
schaften  sucht  man  an  dem  Gonokokkus  herauszufinden,  und 
man  weiss  dabei  ganz  genau,  dass  auch  diese  Unterscheidungs¬ 
merkmale  keine  durchgreifenden  sind.  Mir  scheint  es,  dass 
man  den  Befunden  Zwang  antut,  um  ja  an  der  bestehenden  Auf¬ 
fassung  nicht  rütteln  zu  lassen.  Ich  habe  meinen  Standpunkt 
in  dieser  Frage  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Karls¬ 
bad  schon  klargelegt.  Ich  bin  der  Ansicht,  dass  wir  den  Tat¬ 
sachen  weniger  Zwang  antun,  wenn  wir  annehmen,  dass  die 
verschiedenen  Bakterien,  die  wir  bei  Blennorrhoe  auf  der  Binde¬ 
haut  finden,  Nosoparasiten  sind,  Parasiten,  welche,  ohne  Er¬ 
scheinungen  zu  machen,  auf  der  gesunden  Schleimhaut  Vorkom¬ 
men  können,  welche  sich  bei  gewissen  Entzündungen  derselben 
reichlich  vermehren  und  welche  dann  den  Krankheitsprozess  in¬ 
sofern  beeinflussen,  als  ihre  Stoffwechselprodukte  auf  die  Ent¬ 
zündungserscheinungen  steigernd  einwirken.  Dass  der  Gono¬ 
kokkus  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  gefunden 
wird,  würde  sich  daraus  erklären,  dass  er  eben  mit  dem  eigent¬ 
lichen  Erreger  aus  der  Scheide  häufig  mit  übertragen  wird. 
Dieser  Standpunkt  hat  mich  mit  den  Erfahrungen  der  Praxis 
noch  in  keinen  solchen  Widerspruch  gesetzt,  wie  dies  bei  Prof. 
Greeff  der  Fall  sein  muss,  der  nach  seinem  Vortrag  der 
bakteriologischen  Diagnose  sicher  viel  zu  viel  Vertrauen  ge¬ 
schenkt  hat. 

Aus  den  Ausführungen  des  Prof.  Greeff  möchte  ich  noch 
einen  Satz  herausgreifen,  der  mir  ebenfalls  sehr  gewagt  er¬ 
scheint.  Er  sagt  ohne  jede  weitere  Einschränkung  wörtlich: 
„Ich  kann  garantieren,  dass,  wenn  ein  Fall  frühzeitig  genug  in 
die  Behandlung  kommt,  er,  ohne  dass  eine  Spur  zurückbleibt, 
in  allen  Fällen  geheilt  wird“.  Sollte  da  Herr  Prof.  Greeff 
nicht  etwas  zu  viel  versprochen  haben?  Sollte  er  nicht  auch 
schon  atrophische  oder  frühgeborene  Kinder  mit  Blennorrhoe 
frühzeitig  in  Behandlung  bekommen  haben,  wo  trotz  der  sorg¬ 
fältigsten  Behandlung  die  Hornhaut  Schaden  litt?  Sollte  er 
die  Fälle  nicht  kennen,  wo  Kinder,  obgleich  sie  frühzeitig  zur 
Behandlung  kommen,  bei  mangelhafter  häuslicher  Abwartung 
während  der  Behandlung  ernste  Komplikationen  bekommen? 

Dieser  Satz,  dass  man  für  den  günstigen  Verlauf  der  Blen¬ 
norrhoe  garantieren  könne,  wenn  die  Kinder  nur  frühzeitig  zur 
Behandlung  kämen,  findet  sich  ebenfalls  ohne  jede  weitere 

3 


2330 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Einschränkung  öfters  in  den  populären  Schriften,  in  welchen 
inan  das  Publikum  und  die  Behörden  über  die  Notwendigkeit 
der  obligatorischen  Einführung  der  C  red  eschen  Tropfen  und 
der  Anzeigepflicht  der  Blennorrhoe  zu  belehren  sucht.  Wie 
gefährlich  ein  solcher  Satz  ohne  jede  weitere  Einschränkung 
werden  kann,  ist  mir  bei  einem  gerichtlichen  Fall  so  recht  zum 
Bewusstsein  gekommen.  Ein  Rind  hatte  durch  Blennorrhoe 
schweren  Schaden  an  seinen  Augen  erlitten.  Das  Kind  war 
frühzeitig  in  ärztliche  Behandlung  gekommen,  der  Arzt  musste 
verreisen,  er  übergab  es  seinem  Vertreter  und  dieser  konsta¬ 
tierte  nach  einigen  Tagen  die  schwere  Komplikation.  Der  Vater 
suchte  dem  erst  behandelnden  Arzt  die  Schuld  an  dem  schlim¬ 
men  Ausgang  zuzuschieben  und  erstattete  Anzeige  bei  der 
Staatsanwaltschaft.  Dabei  hatte  man  auf  einen  solchen  Artikel 
Bezug  genommen,  dass  bei  frühzeitiger  Behandlung  keine  Kom¬ 
plikationen  Vorkommen  dürften.  Es  war  gar  nicht  leicht,  bei 
der  Staatsanwaltschaft  diese  Behauptung,  die  schwarz  auf 
weiss,  von  einer  medizinischen  Autorität  ausgesprochen,  dort 
vorlag,  zu  entkräftigen.  Ich  meine,  dass  wir,  wenn  wir  dem 
Publikum  Garantie  geben  wollen,  diese  mehr  einschränken 
müssen,  als  es  in  den  Fällen  angeführter  Art  geschehen  ist. 

Da  wir  hier  bei  der  obligatorischen  Einführung  der 
Crede  sehen  Tropfen  sind,  möchte  ich  dazu  auch  noch  etwas 
forensisches  aus  meiner  Praxis  erwähnen.  Ich  habe  5  Augen 
gesehen,  -welche  infolge  der  Crede  sehen  Tropfen  schwer  ge¬ 
schädigt  wurden.  Bei  diesen  Augen  handelt  es  sich  um  eine 
Verwechselung  von  10  proz.  mit  1  proz.  Höllenstei'nlösung.  Bei 
2  Augen  war  die  Lösung  wiederholt  eingeträufelt  worden,  ehe 
der  Irrtum  erkannt  wurde.  Die  Schädigung  war  eine  sehr 
schwere.  Die  Schuld  traf  den  Apotheker,  dem  der  Irrtum  sehr 
teuer  zu  stehen  kam.  Bei  den  anderen  3  Fällen  hatte  die  He¬ 
bamme  die  Lösung  verwechselt.  Solche  Fälle  sind  in  der 
Literatur  noch  eine  Anzahl  bekannt  und  mahnen  dazu,  statt  des 
Arg.  nitr.  ein  anderes  Mittel  zu  nehmen,  bei  dem  eine  ähnliche 
Verwechslung  weniger  Schaden  anrichten  kann.  Mag  man  über 
den  Erreger  der  Blennorrhoe  denken  wie  man  will,  er  ist  zwei¬ 
fellos  sehr  empfindlich  und  dürfte  auch  mit  harmloseren  Mit¬ 
teln  zu  vernichten  sein. 


Ueber  wechselndes  Vorkommen  der  Luesspirochäte. 

Von  Hans  Vorn  er. 

Als  im  Mai  1902  Riehl,  unser  damaliger  Chef  der  dermato¬ 
logischen  Abteilung  des  Krankenhauses  zu  St.  Jakob  vom  Vo¬ 
lontärarzt,  Herrn  Kollegen  Dr.  P  r  a  n  t  e  r  verlangte,  Gewebe¬ 
stückchen  mit  Argentum-nitricum-Lösungen  zu  imprägnieren 
und  Schnitte  von  denselben  anzufertigen,  legte  ich  damals 
beiden  einen  Schnitt  vor,  der  von  einem  gesilberten  Stück 
Primäraffekt  stammte.  Im  Gesichtsfeld  bemerkte  man  einen 
gut  gefärbten  kleinen  Hautnerven  und  eine  Anzahl  Spirochäten, 
ein  Bild,  wie  es  E  h  r  in  a  n  n  zuerst  publizierte.  Da  Riehl 
bezüglich  der  letzteren  sich  nicht  äusserte,  glaubte  ich,  dass 
es  sich  um  originelle  aber  belanglose  Niederschläge  handele. 
Diese  Ansicht  hatte  mich  auch  anfänglich  gegen  die  ersten 
Publikationen  über  die  Silberspirochäte  eingenommen,  bis  ich 
nach  Anfertigung  neuer  Präparate  und  Durchsicht  der  alten 
mich  überzeugen  konnte,  dass  hier  ein  Mikroorganismus  vorlag. 

Gefunden  sind  die  Spirochäten  in  allen  luetischen  Produk¬ 
ten.  Indessen  selbst  bei  denjenigen,  wie  breiten  Kondylomen 
und  Primäraffekten,  bei  welchen  sich  die  Mikroorganismen  am 
leichtesten  und  am  reichlichsten  finden,  ergibt  sich  bei  histo¬ 
logischer  Untersuchung  wohl  häufig  ein  positives  Resultat,  aber 
nicht  immer.  Nicht  blos  an  mit  Giemsa  gefärbten  Deckgläschen 
fällt  diese  Beobachtung  auf,  wie  manchmal  behauptet  worden 
ist,  sondern  auch  an  Schnittpräparaten  nach  L  e  v  a  d  i  t  i. 
Man  schreibt  dies  vielfach  Mängeln  der  Färbung  bezw.  Im-' 
prägnierung  oder  der  Untersuchung  zu.  B 1  a  s  c  h  k  o  meint, 
dass  vielfach  die  Schnittführung  hierzu  Veranlassung  gebe. 
Die  Spirochäten  sitzen  mitunter  nur  an  einer  einzigen  um¬ 
schriebenen  kleinen  Stelle.  Gelangt  der  Schnitt  in  eine  solche, 
so  finden  sich  dieselben  reichlich,  umgekehrt  ist  der  Schnitt 
leer. 

Andererseits  wird  auch  berichtet,  dass  Erosionen  und 
Papeln  der  Genitalien  etc.  frei  von  Spirochäten  sein  können. 


E  i  s  n  e  r  z.  B.  stützt  diese  Annahme  aus  Untersuchungen  mit 
Hilfe  des  Ultrakondensors. 

An  einer  Genitalpappel,  die  in  Serien  geschnitten  wurde, 
fand  sich  nicht  eine  Spirochäte,  während  andere,  die  gleich¬ 
zeitig  mit  Silber  imprägniert  und  weiter  behandelt  wurden, 
solche  aufwiesen.  Da  diese  Stücke  alle  (3)  von  einem  Patienten 
gleichzeitig  entfernt  wurden,  so  war  das  differente  Verhalten 
immerhin  auffällig. 

Bei  Krankheitsprodukten  anderer  Aetiologie  findet  man 
ebenfalls  die  betreffenden  Erreger  nicht  immer.  Hierbei  liegt 
der  Grund  gewöhnlich  darin,  dass  der  betreffende  Prozess  in 
einem  Zustand  der  Chronizität  oder  der  Rückbildung  sich  be-' 
findet.  Bei  der  Syphilis  liegen  vielleicht  die  Verhältnisse  etwas 
anders. 

Bei  einem  Studenten,  der  nach  einem  Primäraffekt  neben  einer 
Roseola,  Angina,  Drüsenschwellung  eine  Anzahl  etwa  linsengrosser, 
zum  Teil  etwas  nässender  Papeln  am  After  bekam,  schnitt  ich  bei  der 
ersten  Konsultation  eine  solche  ab  und  behandelte  Sie  in  der  be¬ 
kannten  Weise,  Silberimprägnierung,  Härtung  und  Einbettung.  Bei 
der  später  erfolgten  Durchsicht  der  Serienschnitte  ergab  sich,  dass 
nur  in  der  Mitte  ein  sehr  kleiner  Herd  von  Spirochäten  vorhanden 
war.  Das  Epithel  an  dieser  Stelle  fehlte.  Die  Spirochäten,  welche  das 
Aussehen  der  Pallida  hatten,  lagen  zwischen  den  Infiltratzellen.  Ihr  Ge¬ 
biet  entsprach  dem  eines  stumpfen  Kegels,  dessen  Basis  an  der  Ober¬ 
fläche  lag.  Nach  3  Tagen  entfernte  ich  wiederum  ein  Knötchen  und  be¬ 
handelte  es  in  gleicher  Weise.  Die  Durchsicht  dieser  Serie  ergab  ein 
vollkommenes  Fehlen  der  Keime.  Bei  d-er  nächsten  Vorstellung  des 
Kranken  gelang  es  wiederum,  eine  Papel  zu  gewinnen.  Fast  alle  Schnitte 
enthielten  Spirochäten.  Dieselben  durchsetzten  in  bald  mehr  oder 
weniger  ausgebreiteten  und  tieferen,  mitunter  sich  berührenden  Herden 
die  ganze  Effloreszenz.  Schliesslich  erhielt  ich  nochmals  eine  solche. 
Hier  fand  ich  nur  zwei  kleine  Stellen,  welche  in  ihrer  Grösse  und  Be¬ 
schaffenheit  denjenigen  ähnlich  waren,  welche  ich  bei  der  Unter¬ 
suchung  der  ersten  Papel  beobachtet  hatte.  Ihr  Durchmesser  be¬ 
trug  etwa  50  //  und  100  ß.  Die  Behandlung  mit  Schmierkur  begann 
vom  7.  Tage  nach  der  ersten  Vorstellung. 

Man  kann  dieses  Ergebnis  als  rein  zufällig  auffassen.  Es 
scheint,  als  ob  die  Menge  -der  Spirochäten  in  keinem  Verhältnis 
zur  Zeit  des  Bestandes  einer  Effloreszenz  steht.  Denn  alle 
Papeln  waren  gleichzeitg  entstanden  und  waren  von  gleicher 
Grösse  und  gleichem  Aussehen.  Es  ist  vielmehr  möglich,  dass, 
solange  die  Effloreszenz  besteht,  verschiedentlich  Wachstums- 
maxima,  -minima  und  zeitweise  vollständiges  Verschwinden 
miteinander  abwechseln.  Mit  diesen  Schwankungen  hat  die 
Formation  der  Effloreszenz  offenbar  nicht  zu  tun.  Dieselben 
haben  wohl  ihren  Grund  in  Verhältnissen,  welche  nicht  durch 
den  Allgemeinzustand  bedingt  sind,  sondern  in  der  einzelnen 
Effloreszenz  selber  liegen.  Möglichweise  haben  sie  auch  Ein¬ 
fluss  auf  die  Infektiosität. 


Aneurysma  aortae  nach  akuter  Aortitis. 

Von  Dr.  P.  Butter  sack  in  Heilbronn. 

Ueber  die  Entstehung  des  Aortenaneurysmas  nach  akuter 
Entzündung  der  Aorta  ist  noch  wenig  bekannt.  Es  spielen 
die  c  h  r  o  n  i  s  c  h  -  entzündlichen  Prozesse  durch  Lues,  Blei, 
Nikotin,  Nephritis  usw.  die  Hauptrolle,  weipi  nach  der  Aetio¬ 
logie  eines  vorhandenen  Aneurysmas  gefahndet  w-ird.  Wir  fin¬ 
den  die  arteriosklerotische  Narbe,  die  wir  auf  diesen  chronisch¬ 
entzündlichen  Prozess  beziehen  und  in  der  wir  den  Heilungs¬ 
vorgang  der  Entzündung  erblicken.  Erst  die  neuere  Zeit  hat 
sich  mit  den  Veränderungen  der  Aorta  im  Verlaufe  akuter 
Krankheiten  beschäftigt:  und  so  scheint  mir  der  folgende  Fall 
in  mancher  Hinsicht  von  allgemeinem  Interesse. 

Anamnese  und  Krankengeschichte. 

C.  Chr.,  Aufwärter,  49  Jahre  alt,  2  mal  verheiratet,  3  Kinder 
gestorben,  5  blühende  Kinder  leben.  War  früher  stets  gesund,  12 
Jahre  Soldat.  Keine  luetische  Infektion  zugegeben,  noch  Reste  einer 
solchen  nachweisbar.  Kein  Potus,  kein  Nikotinabusus.  A.  1899 
Cholel-ithiasis  mit  Ikterus.  A.  1904  Bronchitis  diffusa  febrilis  non 
tuberc.  von  6  Wochen  Dauer.  Von  da  ab  gesund.  Keine  Zeichen 
von  Herz-  oder  Lungenaffektion. 

A.  1906.  2.  Januar  erkrankt  Patient  akut  fieberhaft  mit  schmerz¬ 
hafter  Schwellung  der  grossen  Gelenke  der  Extremitäten  von 
typisch  polyarthritischen  Charakter.  Fieber  intermittierend  bis  39,5, 
Herz,  Lungen,  Urin  frei.  Puls  90 — 100,  ohne  nachweisbare  Anomalie. 
Atmung  regelmässig,  etwas  Husten  mit  weisslich  zähem  Auswurf. 
Starke  Allgemeinstörung.  Am  8.  Tage  dieser  akuten  Polyarthritis 
fühlt  Patient  plötzlich  in  der  Nacht  einen  neuen,  intensiven  Schmerz  in 
der  linken  Ellenbeuge.  Beim  ärztlichen  Besuch  liegt  der  Arm  un- 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2331 


beweglich,  die  Hautfarbe  vom  Ellbogengelenk  bis  zu  den  Fingern  fahl, 
keine  ödematöse  Schwellung.  Sensibilität  erhalten  in  den  Finger- 
snitzen  leichte  Parästhesien.  Druck  auf  die  geschwellte  Ellbogen¬ 
beuge  sehr  empfindlich,  man  fühlt  eine  diffuse  Härte,  keinen  deut¬ 
lichen  Strang.  Hintere  Gelenkgegend  frei.  Bewegungen  in  der 
Ellenbeuge  sehr  empfindlich.  Eieber  steigt,  keine  neue  Gelenkaffek- 
tion  die  im  Gegenteil  zurückgeht;  es  wird  fast  nur  über  die  linke 
Ellenbeuge  geklagt.  Am  Herzen  keinerlei  Veränderung,  keine  Ge¬ 
räusche,  keine  Verstärkungen  der  Töne.  Urin  frei.  Puls  rechts 

100 _ i lö  regelmässig,  rhythmisch,  Arterie  von  normaler  Spannung 

und  Füllung.  Puls  links  fehlt  an  Radialis  und  Ulnaris,  wo  er  gestern 
noch  vorhanden  gewesen.  Die  Pulsation  der  Brachialaiteiie  ist  bis  zur 
Kubitalbeuge  zu  verfolgen. 

Diagnose:  Embolie  der  linken  Art.  brachialis  an  der  Teilungs- 

Verlauf  günstig:  Die  Polyarthritis  geht  vollständig  zurück 
unter  Aspirin.  Die  mit  entzündlicher  Rötung  und  Schwellung  der 
Kilbitalgegend  einhergehende  Embolisierung  der  Arterie  bildet  ,  sic  i 
langsam  zurück.  Nach  6  Wochen  ist  der  verschwunden  gewesene 
Puls  an  der  Radialis  und  Ulnaris  wieder  nachzuweisen  und  kehrt  all¬ 
mählich  in  normaler  Stärke  zurück.  Nach  8  Wochen  wird  Patient 
genesen  entlassen.  Am  Herzen  waren  während  der  ganzen  Krank¬ 
heitsperiode  (I.  Etappe)  keinerlei  Veränderungen  nachzuweisen. 

Patient  schien  gesund,  war  beschwerdefrei,  tat  Dienst,  war 
ausser  Behandlung  6  Monate  lang  (II.  Etappe). 

Anfangs  September  trat  leichte  Heiserkeit  und  etwas  Hustenreiz 
mit  Schleimauswurf  auf,  am  15.  September  kam  Patient  zu  nur  wo 
ich  linksseitige  Rekurrensparese  konstatierte.  Itn  Zusammenhang 
mit  der  mir  bekannten  Krankengeschichte  und  der  Embolie  lag  der 
Gedanke  an-  Aortenaneurysma  sehr  nahe.  Die  Parese  wurde  zu¬ 
sehends  stärker.  Die  Medikation  (Jod)  half  nichts.  Ende  Novembei 
stellte  sich  leichte  Arrhythmie  der  Herzaktion,  vermehrter  1  racheal- 
katarrh  und  Husten  ein;  das  Allgemeinbefinden  litt  stark.  So  sandte 
ich  den  Kranken  zum  Zwecke  der  Behandlung  in  die  Tubmger 
Universitätsklinik  (Dezember  1906).  Nach  der  mir  von  Herrn  Prof. 
Dr  Romberg  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Krankengeschichte 
wurde  dort  am  Herzen  keine  wesentliche  Veränderung  konstatiert, 
die  Herztöne  waren  auch  jetzt  noch  rein,  II.  Pulmonalton  akzentuiei  t, 
ebenso  der  II.  Aortenton.  Starke  Arrhythmie,  keine  ExtiasystoL, 
ziemlich  äquale  Wellen;  keine  Oliver-Cardarelli,  keine  Verschiebung 
der  Trachea.  Puls  an  beiden  Radiales  gleich  gut.  Ueber  die  Röntgen¬ 
untersuchung  lautete  der  Bericht  folgendermassen:  „Ihre  Diagnose 
Aneurysma  aortae  können  wir  nur  bestätigen.  Die  Diagnose  selbst 
war  aber  bei  ihm  (selbst  mit  allen  röntgenographischen  Hilfs¬ 
mitteln)  nicht  leicht  zu  stellen,  da  der  Sitz  des  Sackes  ein 
ungewöhnlicher  und  schwer  zugänglicher  ist.  In  der  geraden 
Durchleuchtung  von  hinten  nach  vorne  und  umgekehrt  ist  nichts  von 
einem  Aneurysma  zu  sehen.  Die  Durchleuchtung  im  ersten  schrägen 
Durchmesser  zeigte  die  auf-  und  absteigende  Aorta  anscheinend  in¬ 
takt,  wenigstens  auf  der  Vorderfläche.  An  der  Rückseite  sah  man 
jedoch  eine  kleinapfelgrosse  Appendix  in  kugeliger  Form,  die  bei 
näherer  Untersuchung  synchron  mit  der  Aorta  grosse,  mit  dem  Herzen 
alternierende  Pulsationen  aufwies.  Nach  ihrer  Verschiebung  nach 
Drehung  des  Patienten  scheint  sie  im  absteigenden  Teile  des  Bogens 
zu  sitzen.  Das  Herz  ist  orthodiagraphisch  nicht  verändert.“  Der 
weitere  »Verlauf  im  Dezember  brachte  zunehmende  Verschlimmeiung 
der  Heiserkeit,  Abnahme  des  Appetits,  Rückgang  des  Körpergewichts. 
Damit  schloss  die  III.  Etappe  des  Krankheitsverlaufs,  bis  anfangs 
Janar  1907  ein  frischer  Anfall  von  akuter  Polyarthritis,  besonders 
in  den  Beinen,  Armen,  Fingern,  unter  hohem  irregulären  Fieber  ein¬ 
setzte,  der  bald  einen  septischen  Charakter  annahm  und  zuletzt  zu 
Abszessbildung  in  der  rechten  Inguinalgegend  führte,  t  12.  Februar 
1907.  —  Sektion  wurde  nicht  gestattet. 

Ueberblicken  wir  das  Krankheitsbild  in  seinen  verschie¬ 
denen  Phasen  noch  einmal,  so  finden  wir  einen  bis  dahin  ge¬ 
sunden  Mann,  der  im  Verlaufe  einer  akuten  fieberhaften  Poly¬ 
arthritis  eine  Embolie  der  linken  A.  brachialis  erwirbt,  die 
unter  örtlich  entzündlichen  Erscheinungen  sich  rückbildet.  Der 
gestörte  Kreislauf  stellt  sich  wieder  her.  Nach  6  Monaten  tritt 
ohne  Neuerkrankung  eine  linksseitige  Rekurrensparese  als 
Folge  eines  Aortenaneurysma  auf,  das  sich  rasch  vergrössert. 
Eine  neue  Arthritis  mit  septischem  Charakter  führt  zum  Tode. 

In 'diagnostischer  Hinsicht  wäre  die  E  m  b  o  1  i  e  d  e  r 
A.  brachialis  kurz  zu  besprechen ;  Eine  akute  Endarteriitis 
a.  brachialis  mit  sekundärer  Gefässverstopfung  durch  1  hrorn- 
bosierung  ist  auszuschliessen  durch  das  Fehlen  vorausge¬ 
gangener  örtlicher  Erkrankungssymptome  in  der  Kubitalbeuge 
und  durch  die  Plötzlichkeit  der  eingetretenen  Gefässver- 
stopfung.  B  ä  u  m  1  e  r  [7]  berichtet  über  einen  ganz  analogen 
Fall  aus  der  Freiburger  Klinik.  Woher  stammte  aber  der 
Embolus?  Er  konnte  nicht  aus  der  üblichen  Quelle,  nämlich 
aus  dem  Herzen  stammen.  Das  Herz  zeigte  während  und 
nach  der  Polyartlwitis  niemals  Zeichen  einer  Veränderung  in 
Tönen,  Grösse  und  Aktion,  selbst  im  Dezember  „war  das  Herz 


orthodiagraphisch  unverändert“.  Damit  sind  wohl  endokar- 
ditische  Veränderungen  am  Herzen,  welche  die  Embolie  hätten 
hervorrufen  können,  auszuschliessen.  Die  finale  Erscheinung 
der  Herzirregularität  trat  lange  erst  nach  der  Konstatierung 
des  Aneurysmas  auf  und  ist  als  Folge  der  vorhandenen  Kreis¬ 
laufstörung  zu  deuten.  Wenn  der  Embolus  aber  nicht  aus  dem 
Herzen  stammte,  so  musste  er  aus  dem  Gefässystem  stammen 
jenseits  der  Aortenklappen.  Hier  sind  nun  zwei  Möglichkeiten: 
entweder  nehmen  wir  an,  es  bestand  zur  Zeit  des  ersten  Poly¬ 
arthritisanfalls  ein  latentes  Aneurysma  aortae,  das  sich  unter 
dem  Einfluss  der  arthritisch-rheumatischen  Infektion  throm- 
bosierte  und  einen  Thrombus  zur  A.  brachialis  entsandte;  oder 
wir  nehmen  an,  dass  sich  eine  akute  rheumatische  Aortitis  ent¬ 
wickelt  hat,  wie  sich  sonst  eine  Endokarditis  entwickelt,  und 
dass  von  dieser  frischen  Stelle  aus  der  Embolus  fortgetragen 
worden  ist.  Zu  beweisen  ist  dieser  oder  jener  Vorgang  nicht. 
Gegen  das  Vorhandensein  eines  latenten  Aortenaneurysmas 
spricht  aber  wohl  der  Mangel  jedes  subjektiven  oder  objek¬ 
tiven  Merkmales  vor  der  Polyarthritis  und  das  Ruhigbleiben 
des  Herzens  in  der  akuten  Zeit,  was  bei  grösseren  infektiösen 
Vorgängen  am  Arterienrohr  (wie  z.  B.  eines  akut  veränderten 
Aneurysmas)  kaum  verständlich  wäre.  Andererseits  liegt  es  so 
ausserordentlich  nahe,  den  akuten  Gelenkrheumatismus,  die 
Embolie  und  das  Aortenaneurysma  in  einen  folgerichtigen  Zu¬ 
sammenhang  zu  bringen,  wenn  wir  das  Vorhandensein  einer 
akuten  verrukösen  Aortitis  annehmen.  Klinisch 
will  ich  auf  das  Symptomenbild  der  akuten  Aortitis  hier  nicht 
näher  eingehen.  Es  wird  von  französischer  Seite  (Huchard[l]) 
u.  a.)  als  feststehend  betrachtet  und  besonders  betont,  dass  die 
„Aortite  aigue“  zuweilen  plötzlich  zum  1  ode  führen  könne,  wie 
ich  annehme  auf  dem  Wege  der  Embolie.  Die  deutschen 
Autoren  erklären  die  Krankheit  für  selten  oder  bezweifeln  sie 
überhaupt.  Eine  umfangreiche  Literatur  gibt  H.  Arnsper- 
g  e  r  [2].  R  o  m  b  e  r  g  [3]  hält  es  nicht  für  angängig,  klinisch  eine 
akute  Aortitis  als  besonderes  Krankheitsbild  abzutrennen  (pag. 
723—724).  In  unserem  Falle  wies  eben  die  Embolie,  die  aus  dem 
Herzen  nicht  zu  erklären  war,  auf  einen  entzündlichen  Prozess 
in  der  Aorta  hin.  Die  pathologische  Anatomie  hat 
früher  die  Erkrankung  so  wenig  gekannt  wie  die  Klinik.  Erst 
in  neuerer  Zeit  ist  sie  als  Krankheit  sui  generis  gefunden  und 
damit  ihre  Berechtigung  erwiesen.  Ich  erwähne  Arnsper- 
g  e  r  (pag.  444),  R  o  m  b  e  r  g  (pag.  723),  T  h  o  r  e  1  (pag.  954 — 57) 
und  Kaufmann  (pag.  67).  T  h  o  r  e  1  sagt:  „es  ist  eine  Reihe 
von  Beobachtungen  bekannt  geworden,  in  denen  der  Endo- 
carditis  verrucosa  der  Herzklappen  analoge  Veränderungen  der 
Intima  aortae  beschrieben  worden  sind.  In  allen  diesen  Fällen 
lagen  mehr  oder  weniger  reichliche  polypöse  Erhebungen 
vor  Kaufmann  (a.  1907)  steht  auf  ähnlichem  Stand¬ 

punkt  und  bemerkt,  dass  „im  Gegensatz  zur  ordinären  Arterio¬ 
sklerose  der  Aorta  meist  unverkennbar  intensivere  ^  entzünd¬ 
liche  Veränderungen  der  Gefässwand  hier  vorliegend 

Wenn  wir  solche  Prozesse  nun  selten  auf  dem  Sektions¬ 
tische  finden,  so  kann  dies  einmal  an  der  Seltenheit  der  Er¬ 
krankung  überhaupt  liegen,  es  wäre  doch  aber  auch  möglich, 
dass  manche  später  gefundene  arteriosklerotische  Stelle  der 
Aorta  auf  eine  ausgeheilte  Wanderkrankung  der  Aorta  zuiiick- 
zuführen  wäre,  die  im  Verlauf  einer  akuten  Infektionskrankheit 
entstanden  gewesen  ist.  Der  endokardische  Prozess  ei  greift 
und  schädigt  einen  absolut  lebenswichtigen  und  ausserordent¬ 
lich  fein  organisierten  Körperteil,  das  Herz,  viel  intensiver 
_  während  das  Arterienrohr  nach  Anatomie  und  Funk¬ 
tion  weniger  sensibel  erscheint.  So  mag  es  kommen,  dass 
die  Aortitis  vielleicht  seltener  in  frischem  Stadium  gesehen 
wird,  weil  sie  seltener  zum  Tode  führt. 

Dass  aber  aus  der  Arteriosklerosis  aortae  das  Aneurysma 
sich  entwickelt  unter  Wirkung  des  Blutdrucks,  ist  klar  und 
auch  allgemein  anerkannt  (Kaufmann  pag.  8(1).  Bclion 
Rosenbach  sagt,  unter  den  a  r  t  e  r  i  i  t  i  s  ch  e  n I  rozes- 

sen,  welche  die  Voraussetzung  der  Aneurys- 

m  a  b  i  1  d  u  n  g  sind,  kommen  neben  den  Veran  Ge¬ 
rungen  der  Intima  die  mesarteriitischen  und  penarteruti- 
schei?  sehr  viel  häufiger  in  Betracht  als  man  im  Allgemeinen 

^TiMden  vorliegenden  Fall  möchte  ich  noch  auf  die  Akuität 
des  ganzen  Prozesses,  die  relative  Schnelligkeit  des^Gesamt- 


2332 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Verlaufs,  auf  Form  und  Sitz  des  Aneurysmas  hindeuten  und 
glaube  mit  Berücksichtigung  aller  Momente  die  Wahrschein¬ 
lichkeit  bewiesen  zu  haben,  dass  hier  im  Laufe  eines  halben 
Jahres  aus  einer  akuten  Aortitis  ein  Aortenaneurysma  ent¬ 
standen  ist. 

Literatur. 

1.  Huchar  d:  Les  maladies  du  coeur  et  des  vaisseaux.  Paris.  3.Aufl. 
—  2.  N.  Arnsperger:  Die  Aetiologie  und  Pathogenese  des  Aorten¬ 
aneurysma.  D.  Arch.  f.  klin.  Med.,  LXXVIII,  1903.  —  3.  Romberg: 
in  Ebstein-Schwalbe,  II.  Aufl.,  Bd.  I,  pag.  723.  Krankheiten  der  Kreis¬ 
laufsorgane.  —  4.  Chr.  Torei:  Pathologie  der  Kreislaufsorgane. 
B.  Gefässe,  I.  Arterien,  pag.  954 — 57.  —  5.  Kaufmann:  Lehrbuch 
der  speziellen  pathol.  Anatomie  1907,  IV.  Aufl.  —  6.  Rosenbach- 
Grundriss  der  Herzkrankheiten  1899,  pag.  265.  —  7.  Bäu  ml  er:  in 
Penzoldt-Stintzing,  II.  Aufl.,  III.  Bd.,  pag.  690—691. 


Kurzdauerndes  Oedem  der  Sehnervenpapille  eines  Auges, 
eine  Lokalisation  des  akuten  umschriebenen  Oedems 

(Q  u  i  n  c  k  e). 

Von  Dr.  C.  H  a  n  d  w  e  r  c  k  in  München. 


Von  Q  u  i  n  c  k  e  [1]  im  Jahre  1882  als  selbständiges  Krank¬ 
heitsbild  zuerst  charakterisiert,  ist  das  „akute  umschriebene 
Hautödem“,  wie  Quincke  das  Leiden  in  seiner  ersten  Mit¬ 
teilung  nannte,  seit  der  Zeit  nicht  nur  häufig  beobachtet  und 
beschrieben,  sondern  das  Krankheitsbild  auch  auf  Grund 
neuerer  Beobachtungen  wesentlich  erweitert  worden. 

Schon  in  seiner  ersten  Arbeit  schreibt  Quincke: 

„Von  ähnlichen  Schwellungen  können  gleichzeitig  auch  die 
Schleimhäute  befallen  werden,  so  namentlich  der  Lippen,  des  Gaumen¬ 
segels,  des  Pharynx-  und  Larynxeinganges,  sogar  bis  zu  solchem 
(jEciclc,  dass  erhebliche  Atemnot  entsteht.  Auch  auf  Magen-  und 
üai  mschleimhaut  dürften,  .  .  .  solche  umschriebene  Schwellungen  Vor¬ 
kommen.  In  einem  Falle  traten  auch  wiederholte  seröse  Ergüsse  in 
den  Gelenken  auf.“ 

Auf  die  darauffolgende  Kasuistik  und  die  allmähliche  Er¬ 
weiterung  des  Krankheitsbildes  soll  hier  nicht  näher  ein¬ 
gegangen  weiden;  es  seien  nur  die  grösseren  Arbeiten  von 
Joseph  [2J,  Schlesinger  [3]  und  Cassierer  [4]  er¬ 
wähnt,  in  denen  auch  die  Literatur  erschöpfend  angegeben  ist. 

1904  hat  Quincke  in  einer  mit  A.  Gross  [5]  gemein¬ 
sam  verfassten  Arbeit  wieder  zu  dem  „akuten  umschriebenen 
Oedem“  Q  das  Wort  ergriffen. 

Die  Autoren  kommen  zum  Schluss: 


„Umschriebene  Exsudation  auf  angioneurotischer  Grundlage 
scheint  also  ein  Vorgang  von  allgemeiner  Geltung  zu  sein,  er  kann 
S1CT  p?1-  d“  yerschiedensten  Organen  abspielen,  ist  aber  seiner  Natur 
und  Flüchtigkeit  nach  anatomischer  und  experimenteller  Untersuchung 
bis  jetzt  kaum  zugänglich.  Immerhin  darf  man  mit  ihm  rechnen  und 
vielleicht  liegt  dieser  so  flüchtige,  schwer  fassbare  Vorgang  manchen 
noch  dunklen  und  unerklärten  Krankheitsbildern  zu  Grunde,  wenn 
er  sich  in  tiefer  gelegenen,  schwer  kontrollierbaren  Organen  abspielt 
...  manche  auf  motorischem  wie  auf  psychischem  Gebiet  sich  ab- 
spielende  Störungen  zentralen  Ursprungs  mögen  so  entstehen. 

Freilich  sind  das  nur  Hypothesen,  für  welche  sich  nichts  als 
Analogien  in  der  Art  des  Verlaufes  und  der  Aetiologie  anführen  lassen.“ 

Diese  Anschauungen  bestärkten  mich,  eine  bei  einem  Falle 
von  akutem  umschriebenen  Oedem  beobachtete  kurzdauernde 
Schwellung  der  Sehnervenpapille  eines  Auges  ebenfalls  als  eine 
wohl  bisher  noch  nicht  beschriebene  Lokalisation  angioneuro¬ 
tischer  Lxsudation  aufzufassen. 


Frau  A.  H.  trat  Anfang  September  1906  in  meine  Behandlung 
Famihenanamnese  ohne  Belang. 

c *  I^t'eintii.n’  Dame™,n  73  Jahren>  ausser  arthritischen  Beschwerde 
H  16  Jahren  und  Krampfaderschwellungen  nie  ernstlich  kranl 

1906  Influenza*1  Jahr£n  herzleidend>  unregelmässiger  Puls,  Frühjat 

Q  .  BeiJhr7  ersten  Konsultation  klagte  Patientin  über  allgemein 
Schwache,  Appetitlosigkeit,  Verstopfung.  Die  Untersuchung  erea 
sklerotische  Myokarditis,  Sklerose  am  Ostium  aortae,  geringe  Skle 

(mH  Oä FF™"’  W.ie  T  Rad,alis-  Blutdruck  125  mm  H 
Unit  Gärtners  Luftmanometer  bestimmt).  Urin  mehrmals  unter 

sucht:  bpez.  Gew.  1009 — 1012,  kein  Eiweiss,  kein  Zucker  kein 

Zylinder  etc.  Zirkulationsstörungen  irgendwie  beträchtlicher  Natu 

Mai  1907?  he/ufnim%n0R  7äh!'?nd  der  bisherigen  Behandlung  (bi 
lai  I9(i/)  beobachtet.  Beide  Unterschenkel,  besonders  der  linkt 

Ver1cySigUde?Hantark  7?^?  ,du[ch  eine  elephantiasisähnlich 

tr JiiRung  der  Haut  und  des  Unterhautzellgewebes,  wohl  infolg 

l)  Bemerke:  „Oedem“  statt  „Hautödem“  der  1.  Publikation. 


Varikosität  der  kleinen  Hautvenen,  die  zum  Teil  deutlich  sichtbar  sind. 
Die  Behandlung  bestand  in  Verordnung  von  Tinct.  Chinae  comp,  et 
Tinct.  Rhei  vin  aa  von  Rhabarbertabletten,  ferner  in  kalten  Wicke¬ 
lungen  der  Unterschenkel  und  tagsüber  in  Anlegen  von  Flanellbinden. 

Mitte  September,  als  sie  sich  schon  wieder  wohler  fühlte,  wurde 
Pat.  durch  das  plötzliche  Auftreten  einer  ungefähr  walnussgrossen 
Schwellung  am  Hals  unter  dem  Unterkiefer,  die  nicht  juckte,  sich  nur 
durch  das  unangenehme  Gefühl  der  Spannung  bemerkbar  machte, 
sehr  erschreckt  und  liess  mich  rufen.  Bei  meiner  Ankunft  war  diese 
Schwellung  bereits  im  Verschwinden.  Insektenstich  wurde  geleugnet, 
auch  war  kein  Stich  zu  bemerken.  Die  Flüchtigkeit  der  Schwellung 
nur  mit  Spannungsgefühl  Hessen  nur  die  Deutung  als  akutes  um¬ 
schriebenes  Oedem  (Quincke)  zu.  Diese  Schwellungen  wieder¬ 
holten  sich  in  der  nächsten  Zeit  öfters,  fast  immer  am  Hals;  ausser¬ 
dem  kamen  während  dieser  Zeit  auch  einige  Anfälle  von  „plötzlichem 
Erbrechen  von  Magenwasser“  vor,  ohne  dass,  von  leichter  Appetit¬ 
losigkeit  abgesehen,  andere  Magenbeschwerden  bestanden  hätten. 
Ich  hatte  Pat.  beim  1.  Anfall  beruhigt  und  nur  geraten,  auf  regel¬ 
mässige  Darmtätigkeit  besonders  Obacht  zu  geben.  Sie  liess  mich 
auch  deshalb  nicht  mehr  rufen,  erzählte  mir  nur  gelegentlich  davon. 
Bemerken  will  ich  noch,  dass  Pat.  während  der  Zeit  zur  Anregung 
des  Kreislaufes  Stenol  (eine  Mischung  von  Koffein  und  Theobromin) 
in  kleinen  Dosen  (täglich  ca  0,1)  nahm,  auf  dessen  Genuss  sie  das 
Erbrechen  zurückführte.  Nach  zirka  4  Wochen  hörten  die  Anfälle  auf, 
und  der  Winter  war  anfallfrei;  das  Allgemeinbefinden  im  ganzen  ein 
gutes. 

Mitte  April  er.  a.  'berichtete  mir  Pat.  wieder  über  zwei  flüchtige 
Schwellungen  in  der  letzten  Zeit,  die  eine  am  Kinn,  die  andere  an 
der  Unterlippe. 

Am  19.  April  kam  sie  nachmittags  (3  Uhr)  in  meine  Sprech¬ 
stunde  in  grosser  Bestürzung:  vormittags  11  Uhr,  als  sie  lesend  auf 
ihrer  Chaiselongue  lag,  hatte  sie  auf  einmal  das  Gefühl,  als  ob  sie 
einen  Fremdkörper  im  Mund  habe;  keinen  Schmerz,  nur  ein  unbe¬ 
quemes  Gefühl.  Als  ich  die  Besichtigung  der  Mundhöhle  vornahm, 
war  die  ganze  linke  Hälfte  der  Zunge  stark  ödematös  geschwollen; 
keine  Rötung;  nirgends  im  Mund,  Rachen  eine  Spur  von  einer  Ent¬ 
zündung.  Patientin  gab  an,  dass  die  Schwellung  seit  dem  Auftreten 
sie  hatte  sie  selbst  im  Spiegel  beobachtet  —  schon  etwas  zurück¬ 
gegangen  sei.  Nach  allem  konnte  es  sich  nur  um  ein  akutes  um¬ 
schriebenes  Oedem  an  der- Schleimhaut  der  linken  Zungenhälfte  han¬ 
deln.  Das  Allgemeinbefinden  der  Pat.  war  ungestört,  sie  klagte  nur, 
dass  in  der  letzten  Zeit  der  Darm  wieder  schlechter  arbeite  und  sie 
sich  aufgetrieben  fühle.  Mit  Rücksicht  hierauf  verordnete  ich  T  r  o  u  s- 
s  e  a  u  sehe  Belladonnapillen,  zumal  Atropin  bei  Quincke  schem 
Oedem  angelegentlichst  empfohlen  wird;  ferner  liess  ich  den  Mund 
Otters  mit  kaltem  Wasser  spülen.  Tags  darauf  überzeugte  ich  mich, 
dass  die  Zunge  wieder  gänzlich  abgeschwollen  war;  Patientin  hatte 
aber  noch  ein  leicht  spannendes  Gefühl  an  der  Stelle,  das  auch  noch 
-mehiere  Tage  anhielt.  Von  einer  anderen  Schwellung,  die  Pat.  am 
Abend  vorher  (ebenfalls  am  19.  IV.)  über  dem  linken  Auge  beobachtet 
hatte,  war  nichts  mehr  zu  bemerken. 


Am  22.  IV.  wurde  ich  wieder  gerufen;  Patientin  erzählt  folgen¬ 
des:  am  20.  IV.  6  Uhr  nachmittags  habe  sie  beim  Betreten  eines 
Gartenzimmers  „einen  weissen  Schmetterling  herumfliegen  sehen“. 
Als  sie  dann  in  ihr  Wohnzimmer  zurückkehrte,  kam  es  ihr  vor  als 
ob  weisse  Blatter  immer  vor  ihr  zu  Boden  fielen  und  bei  näherer 
Beobachtung  merkte  sie,  dass  es  sich  nicht  um  eine  äusfsere  Er¬ 
scheinung,  sondern  um  einen  Vorgang  in  ihrem  Auge,  und  zwar  dein 
rechten,  handeln  müsse.  Am  anderen  Morgen  waren  die  hellen  Licht¬ 
erscheinungen  fast  verschwunden,  dafür  sah  sie  dunkle  keulenförmige 
Gebilde  voruberfliegen;  grössere  Gegenstände  konnte  sie  gut  er¬ 
kennen,  aber  das  ganze  Gesichtsfeld  kam  ihr  wie  verschleiert  vor. 
Eine  ganz  leichte  Schmerzempfindlichkeit  war  in  der  rechten  Schläfen¬ 
gegend  vorhanden.  Das  Allgemeinbefinden  war  gut;  von  seiten  der 
Zirkulationsorgane  war  keine  Aenderung  zu  bemerken. 

,  Herr  Kollege  S  c  h  n  e  i  d  e  r,  den  ich  als  Augenarzt  zur  Klärung 
der  Sehstorung  hinzuzog,  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  die  Be¬ 
funde  seiner  3  maligen  eingehenden  Untersuchungen  -niederzu¬ 
schreiben,  wofür  ich  ihm  zu  grösstem  Danke  verpflichtet  bin. 
HPrrU^np(rd,en??nd’Sfiner  L  Untersuchung  am  22.  IV.  07  schreibt 
77/  B  C?  ”n1  d.e  r:  ”Patientin,  die  früher  nie  augenkrank 

fch,  unter  Benutzung  einer  Konvexbrille  viel  mit  Lektüre 
leschattigte,  bemerkt  seit  1 /a  Jagen  auf  dem  rechten  Auge  Flimmern, 

oeSen e  D??^  7^  und>  Auftreten  „haxenförmigen“  Kör- 
perchen.  Die  Sehstoi  ungen  haben  seit  gestern  nicht  zugeriommen. 

Die  Funktionsprufung,  die  in  der  Wohnung  der  Patientin  nicht  mit  der 
erwünschten  Gründlichkeit  vorgenommen  v/erden  kann,  ergibt  auf 
beiden  Augen  bei  einer  Hyperopie  von  ca.  2,5  Dioptr.  eine  jedenfalls 

Gpsitrh?f?ri?nde  Herabsetzung  der  Sehschärfe  und  keine  auffällige 
Gesichtsfeldeinengung.  Aeusserlich  sind  an  dem  Auge  ke!ne  Ver¬ 
änderungen  wahrzunehmen;  im  Besonderen  fehlt  jede  Protrusion  des 
Bulbus  und  eine  Injektion  oder  Chemosis  der  Conjunktiva.  Die  Be- 

maohprf  Tv  ApSaPne  S  ist  frei  und  scheint  keine  Beschwerden  zu 

urrv e riep nn har  reagieren  PromPt.  Ophthalmoskopisch  fällt 

unverkennbar  eine  Schwellung  der  Papille,  deren  Prominenz  ca 

n?pDp0PttnennbetraSt’  ,auf-  Dle  Grenze  der  Papille  ist  verschwommen. 

Fvea  ist  mä^/e  n  Fr ''r"  ^"«venkopfes  "»‘I  seiner  zentralen 
rovea  ist  massig.  Die  Gefasse  sind  deutlich  zu  sehen  dip  Artpripn 

dünner  nnd  die  Venen  verbreitert  und  besoSdeüs  dort,'  wo  sÄ 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2333 


den  Rand  der  geschwellten  Papille  zur  Netzhaut  herabsteigen,  ge¬ 
schlängelt.  Im  übrigen  zeigen  die  Qefässe  und  der  Augenhintergrund 
keine  Abweichungen.“ 

Herr  Kollege  Schneider,  der  das  Auge  unvoreingenommen, 
d.  h.  ohne  Kenntnis  der  Krankengeschichte,  untersucht  hatte,  vei- 
mutete  als  Ursache  für  das  Oedem  der  Sehnervenpapille  eine.  .  to- 
rung  des  Blutabflusses  aus  dem  Auge,  doch  fielen  ihm  dabei  das 
Fehlen  stürmischerer  Erscheinungen  und  das  Ausbleiben  einer  Ver¬ 
schlimmerung  der  Sehstörungen  seit  dem  Beginn  —  die  Sehstorungen 
wurden  eher  als  schon  etwas  besser  angegeben  —  auf.  Als  ich  dann 
auf  Grund  der  Krankengeschichte  die  Vermutung  ausserte,  ob  nicht 
vielleicht  zwischen  den  bisher  aufgetretenen  Oedemen  und  dem 
Oedem  der  Sehnervenpapille  ein  Zusammenhang  bestehen  konnte, 
erklärte  er,  dies  nicht  ausschliessen  zu  können. 

Die  Behandlung  bestand  lokal  in  kühlen  Umschlagen  aufs  Auge, 
Entlastung  des  Darmes  (Belladonnapillen,  Pulv.  Liquiritiae  comp., 
Einläufen):  zur  Anregung  der  Zirkulation  wurde  verordnet:  3  mal 
täglich  5  Tropfen  Tinct.  Strophant.,  obwohl,  wie  hier  nochmals  aus¬ 
drücklich  erwähnt  sei,  keine  Verschlechterung  des  Blutkreislaufes 
zu  beobachten  war.  Urin  wie  früher  normal. 

Im  Laufe  der  Woche  besserten  sich  die  Sehstorungen  auffallend 
schnell.  2.  Untersuchung  durch  Dr.  Schneider:  „Als  nach  8  Tagen 
eine  neuerliche  Untersuchung  der  Patientin  vorgenommen  wurde, 
waren  die  Sehstörungen  allmählich  so  gut  wie  ganz  verschwunden 
und  überraschender  Weise  die  Erscheinungen  an  der  Papille  des 
rechten  erkrankten  Auges  völlig  zurückgegangen.  Vielleicht  konnte 
man  noch  eine  leichte  Schwellung  des  Sehnervenkopfes  an  seiner 
temporalen  Seite  konstatieren.  Die  Veränderungen  in  der  Gefäss- 
füllung  waren  zur  Norm  zurückgekehrt.“ 

Die  Pillen  nahm  Pat.  weiter,  mit  Strophanthus  wurde  langsam 
aufgehört:  vor  allem  aber  anempfohlen,  auf  regelmässige  Darment¬ 
leerung  zu  achten.  Weitere  Oedeme  traten  nicht  auf.. 

3.  Untersuchung  durch  Dr.  Schneider:  „Bei  einer  Unter¬ 
suchung  nach  weiteren  2t4  Wochen  in  meiner  Sprechstunde  fanden 
sich  beiderseits  normale  Verhältnisse;  der  Visus  betrug  nach  Kor¬ 
rektur  von  2,5  resp.  3,0  Dioptr.  Hvoeropie  7/is  des  normalen  und  das 
Gesichtsfeld  war  von  normaler  Grösse  und  ohne  Defekte. 

Kurze  Zeit  darauf  hatte  Patientin  wieder  einmal  ein  fluchtiges 
Oedem  und  zwar  am  linken  Mundwinkel;  danach  bis  jetzt,  Ende  Juni, 
keine  Anfälle  mehr. 

Bei  unserer  Patientin  handelt  es  sich  um  einen  ausge¬ 
sprochenen  Fall  von  akutem  umschriebenen  Oedem 
(Qu  i  nck  e),  bei  dem  die  flüchtigen  Schwellungen  nicht  nur  in 
der  Haut  und  dem  Unterhautzellgewebe  auftraten,  sondern 
auch  an  inneren  Organen,  wie  'an  der  Zunge  und  wohl  auch  an 
der  Magenschleimhaut  und  —  was  den  Fall  besonders  beach¬ 
tenswert  macht  —  an  der  Sehnervenpapille  des  rechten  Auges. 
Doch  ehe  wir  auf  die  Besprechung  dieser  so  höchst  merkwürdi¬ 
gen  Lokalisation  näher  eingehen,  betrachten  wir  kurz,  was  der 


Fall  sonst  beachtenswertes  bietet. 

Ungefähr  200  Fälle  mögen  bis  jetzt  in  der  Literatur  mit¬ 
geteilt  sein  —  Cassierer  konnte  1901  über  164  Fälle,  seine 
eigenen  mitgezählt,  berichten. 

Abgesehen  von  symptomatischen  flüchtigen  Oedemen  bei 
anderen  Erkrankungen,  meist  Nervenleiden,  wie  bei  Morbus 
Basedowii,  bei  Migräne  etc.,  teilt  Cassierer  die  Krankheit 
in  2  Gruppen  ein:  Fälle,  die  durch  toxische  Schädlichkeiten  her¬ 
vorgerufen  werden,  und  Fälle,  bei  denen  direkte  oder  indirekte 
Heredität  vorliegt.  Von  Heredität  ist  in  unserem  Falle  absolut 
nichts  nachweisbar,  das  hohe  Alter  der  Patientin  spricht  auch 
dagegen;  es  ist  schwer  denkbar,  dass  bei  jemandem,  der  here¬ 
ditär  zu  einer  nervösen  Erkrankung  veranlagt  ist,  das  frag¬ 
liche  Leiden  zum  ersten  Male  nach  dem  70.  Lebensjahr  in  Er¬ 
scheinung  treten  sollte.  Nebenbei  sei  hier  bemerkt,  dass  über¬ 
haupt  das  erste  Auftreten  O  u  i  n  c  k  e  sehen  Oedems  nach  dem 
70.  Jahr  zu  den  grössten  Seltenheiten  gehört.  Cassierer 
hat  nur  einen  Fall  in  diesem  Lebensalter  anführen  können. 
Müssen  wir  sonach  per  exclusionem  unseren  Fall  schon  in  die 
erste  Gruppe  Cassierers  einreihen,  so  liegen  direkt  auto¬ 
toxische  Einflüsse  dem  Zustandekommen  der  Krankheit  zu¬ 
grunde.  Unsere  Patientin  hatte  im  ganzen  bis  jetzt  flüchtige 
Oedeme  in  zwei  grossen  Anfällen,  den  einen  vorigen  Herbst, 
den  anderen  dieses  Frühjahr.  Jedesmal  gingen  den  Anfällen 
Zeiten  mit  unregelmässiger  Darmtätigkeit  voraus,  besonders 
das  letzte  Mal  konnte  ich  mich  von  der  stark  meteoristischen 
Auftreibung  des  Dickdarmes  überzeugen.  Beide  Male  sistierte 
das  Auftreten  der  Schwellungen  bald,  nachdem  für  geregelte 
Darmtätigkeit  gesorgt  wurde2 * *). 


2)  Die  bei  der  Patientin  schon  16  Jahre  früher  aufgetretenen 
chronischen  rheumatischen  Beschwerden  dürften  wohl  in  keinem 
Zusammenhang  zu  den  flüchtigen  Schwellungen  stehen.  Von  anderen 


Was  nun  die  einzelnen  Schwellungen  und  ihre  Lokali¬ 
sationen  betrifft,  so  sei  hinsichtlich  der  Oedeme  der  äusseren 
Haut  nur  erwähnt,  dass  lediglich  Schwellungen  im  Gesicht  und 
am  Hals  vorkamen.  Im  übrigen  sind  diese  Schwellungen  so 
eindeutig  und  schon  so  oft  beschrieben,  dass  wir  ohne  weiteres 
zu  den  Schwellungen  an  inneren  Organen  übergehen  können, 
und  hier  ist  die  Zungenschwellung  auch  schon  öfters  beschrie¬ 
ben,  auch  genau  einseitige  wie  in  unserem  Fall  (Land¬ 
graf  [6]).  Ob  das  Auftreten  von  Wassererbrechen  zur  Zeit 
der  Anfälle  auf  einer  ödematösen  Schwellung  der  Magen¬ 
schleimhaut  beruhte,  soll  nicht  bestimmt  behauptet  werden;  in 
derartigen  bis  jetzt  beschriebenen  Fällen  traten  dabei  die 
Magenerscheinungen  doch  mehr  in  den  Vordergrund  als  bei 
unserer  Patientin. 

Ist  nun  das  kurzdauernde  Oedem  der  Sehnervenpapille 
des  rechten  Auges  als  eine  Lokalisation  des  akuten  Oedems 
der  Patientin  aufzufassen? 


In  Bestätigung  meiner  schon  nach  der  ersten  gemein¬ 
samen  Untersuchung  geäusserten  Vermutung  fügte  Herr  Kol¬ 
lege  Schneider  dem  Berichte  über  seine  3.,  letzte  Augen¬ 
untersuchung  hinsichtlich  der  Diagnose  hinzu: 

„Im  vorliegenden  Falle  handelte  es  sich,  soweit  es  die 
Augen  betrifft,  um  ein  kurzdauerndes  Oedem  der  Sehneiven- 
papille  des  rechten  Auges,  dessen  Auftreten  und  Vei  lauf  jeden¬ 
falls  sehr  merkwürdig  ist  und  dessen  Aetiologie  nur  im  Zu¬ 
sammenhang  mit  der  sonst  bestehenden  Neigung  zu  lokalen 
Oedemen  vermutet  werden  kann.“ 

Auf  die  ophthalmologische  Differentialdiagnose  kann  ich 
hier  nicht  näher  eingehen  3).  Hier  soll  nur  das  Sehnervenödem 
in  Beziehung  zum  ganzen  Krankheitsbild  noch  etwas  näher  be¬ 
trachtet  werden.  Zur  Zeit  seines  Auftretens  hatte  Patientin 
eine  Anzahl  flüchtiger  Oedeme,  die  schwersten,  wie  das  Zun¬ 
genödem,  kurz  vorher  gehabt  und  einige  leichte  Hautodeme 
folgten  dem  Augenanfall  nach.  Wie  sonst  bei  den  Hautödemen 
und  bei  dem  Zungenödem  trat  die  Sehstörung  plötz  ich  ohne 
Vorboten  und  gleich  mit  vollster  Stärke  auf,  um  bald  an  In¬ 
tensität  nachzulassen  und  im  Verlauf  weniger  Wochen  ganz 
zu  verschwinden.  Für  die  Eruption  eines  Oui  nck  eschen 
Oedems  sind  2 H  Wochen  zwar  eine  ungewöhnlich  lange  Zeit, 
doch  muss  man  bedenken,  dass  das  Oedem  nach  einer  Woche 
ja  schon  fast  vollständig  geschwunden  war  und  nur  die  Seh¬ 
störung  noch  in  geringem  Masse  (hie  und  da  leichtei  Nebel) 
andauerte.  Zur  Erklärung  hierfür  muss  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  durch  die  Schwellung  der  Sehnervenpapille  eine 
Verengerung  der  Zentralarterie  und  somit  eine,  zeitweilige  Zir¬ 
kulationsstörung  zustande  kam,  die  ein  so  empfindliches  Organ, 
wie  die  Netzhaut  des  Auges  es  ist,  nur  langsam  uberwindet. 
Während  eine  ödematöse  Stelle  der  äusseren  Haut  nach 
Schwinden  des  Oedems  fast  keine  Nachempfindung  zurücklasst, 
ist  dies  bei  der  Netzhaut  leicht  verständlich.  Einen  Uebergang 
zwischen  dem  Abklingen  der  Erscheinungen  bei  der  äusseren 
Haut  und  der  Netzhaut  konnte  ich  nach  Angabe  der  sehr  fein 
beobachtenden  Patientin  bei  dem  Anfall  an  der  Zunge  be¬ 
obachten:  während  die  Dame  nach  Zurückgehen  der  Oedeme 
an  der  äusseren  Haut  keine  abnorme  Empfindung  an  den 
Stellen  bemerkte,  klagte  sie  noch  tagelang  nach  der  Zungen¬ 
schwellung  über  ein  Gefühl  des  Geschwollenseins  an  der  in- 
ken  Zungenhälfte.  Und  dass  bei  dem  engen  Raum  an  der  Ein¬ 
trittsstelle  der  Sehnervenfasern  durch  die  Lamina  cribrosa  ein 
einmal  aufgetretenes  Oedem  statt  Stunden  Tage  bis  zu  seinem 
völligen  Rückgang  braucht,  ist  wohl  auch  leicht  verständlich. 
Für  unsere  Deutung  der  Sehnervenpapillenschwellung  wichtig 
ist  vor  allem  der  Umstand,  dass  sie  im  Vergleich  zur  oph¬ 
thalmoskopischen  Beobachtung  ähnlicher  Schwellungen 
äusserst  schnell  verschwand,  und  zwar  bis  zur  vollen  Integri- 
it  der  betroffenen  Partien.  So  sehr  gerade  dies  Moment  für 
ie  Auffassung  des  in  Frage  stehenden  Sehnervenodems  als 


Ii5  OpHpTTI  (O 


an- 


nervösen  Leiden  war  nichts  zu  konstatieren,  wenn  auch  zugege 
werden  muss,  dass  es  sich  um  eine  „nervöse,  leicht  erregbare,  angs  - 
liehe“  Dame  handelte,  wie  dies  nach  Cassierer  sehr  häufig 

gegeben  wird.  ...... 

3)  Herr  Kollege  Schneider  beabsichtigt 

einer  ophthalmologischen  Zeitschrift  zu  berichten  und  wird  dies  dabei 
nachholen. 


über  den  Fall  in 


2334 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


zur  Vermutung  einer  verborgen  gebliebenen  Embolie  oder 
Thrombose  der  Arteria  centralis  passen,  die  ja  bei  der  vorhan¬ 
denen  Arteriosklerose  der  Patientin  leicht  möglich  gewesen 
wäre,  wenn  auch  jede  weitere  Begründung  zu  einer  solchen 
Annahme  fehlte.  Wie  weit  nun  das  Oedem  der  Sehnerven¬ 
papille  sich  zentral  im  Sehnerven  erstreckte  lind  ob  es  pri¬ 
mär  ein  Oedem  der  Sehnervenfasern  oder  der  Sehnerven¬ 
scheide  war,  lässt  sich  nicht  entscheiden;  vermutlich  ist  die 
Lokalisation  keine  ausgedehnte  gewesen.  Dies  ist  auch  für  uns 
von  untergeordneter  Bedeutung.  Das  Hauptergebnis  unserer 
Betrachtung  ist,  dass  das  kurzdauernde  Oedem  der  Seh¬ 
nervenpapille  als  Lokalisation  des  akuten  umschriebenen 
Oedems  in  unserem  Falle  zu  deuten  ist  und  nur  als  solches. 

In  der  Literatur  habe  ich  keinen  derartigen  Fall  verzeich¬ 
net  gefunden,  wenn  ich  auch  einräume,  dass  es  mir  nicht  mög¬ 
lich  war,  die  gesamte  ophthalmologische  Literatur  lückenlos 
einzusehen. 

Zerebrale  Symptome  im  allgemeinen  bei  Quincke  scher 
Krankheit  sind  in  der  Literatur  mehrfach  erwähnt  worden. 
Cassierer  sagt  darüber;  ,,Von  einigen  Symptomen  ist  es 
schwer  zu  sagen,  ob  sie  als  Allgemein-  oder  Lokalsymptome 
aufzufassen  sind,  in  erster  Linie  sind  da  die  zerebralen  Sym¬ 
ptome  zu  nennen,  die  sich  als  Mattigkeit,  Schläfrigkeit,  ja  als 
ausgesprochene  Somnolenz  dokumentieren  können  . . . . 4)  oder 
als  Kopfschmerzen  von  bisweilen  beträchtlicher  Intensität 4) 

oder  als  Schwindel,  psychische  Veränderungen .  Ihren 

höchsten  Grad  erreichten  sie  in  einer  von  U  1 1  m  a  n  n  [7] 
mitgeteilten  Beobachtung: 

„Der  Autor  glaubt  die  Krämpfe  auf  meningeale  Schwel¬ 
lungen,  die  den  an  der  Haut  beobachteten  analog  seien,  zurück¬ 
führen  zu  müssen:  wir  hätten  damit  ein  der  Meningitis  serosa 
sehr  ähnliches,  nur  vielleicht  durch  noch  flüchtigere  Ergüsse 
ausgezeichnetes  Krankheitsbild . “ 

Ein  ähnlicher  Fall  wurde  von  v.  R  a  d  [8]  noch  mitgeteilt. 

Wir  sehen,  dass  bei  akutem,  zirkumskripten  Oedem  mehr¬ 
fach  zerebrale  Symptome  beobachtet  wurden,  deren  Ent¬ 
stehung  durch  flüchtige  am  Zerebrum  lokalisierte  Schwellungen 
mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  vermutet  wurden.  Nach¬ 
dem  ein  glücklicher  Zufall  uns  nun  ein  kurzdauerndes  Oedem 
der  Sehnervenpapille  eines  Auges,  die  doch  als  ein  Hirnteil  zu 
betrachten  ist,  bei  einem  ausgesprochenen  Fall  von  akut-zir¬ 
kumskriptem  Oedem  direkt  beobachten  liess,  gewinnen  die  bis¬ 
her  beobachteten  Fälle  mit  zerebralen  Symptomen  in  ihrer  Deu¬ 
tung  als  Fälle  mit  Lokalsymptomen  im  oder  am  Gehirn  an 
Wahrscheinlichkeit,  die  sich  in  manchen  Fällen  fast  bis  zur 
Gewissheit  steigert.  Und  sind  uns  durch  die  Beobachtung 
unseres  Falles  die  zerebralen  Erscheinungen  als  Lokalsym¬ 
ptome  in  ihrer  Erklärung  verständlicher  geworden,  so  haben 
wir  dadurch  auch  au  Berechtigung  verloren,  an  der  Auffassung 
mancher  beschriebenen  Magen-  und  Darmsymptome,  Sym¬ 
ptomen  von  seiten  der  tieferen  Luftwege,  von  seiten  der  Nieren 
zu  zweifeln;  kurz  wir  können  wohl  nach  unserer  Beobachtung 
mit  um  so  grösserer  Wahrscheinlichkeit  schliessen:  „Um¬ 
schriebene  Exsudation  auf  angioneurotischer  Grundlage  scheint 
also  ein  Vorgang  von  allgemeiner  Geltung  zu  sein“  (Quincke 
und  Gross). 

Literatur. 

1.  Quincke:  Ueber  akutes  umschriebenes  Hautödem.  Monats- 
schr.  für  prakt.  Dermat.  1882,  No.  1.  Ausführlicher  behandelt  von 
Quinckes  Schüler  Dinkelacker:  Ueber  akutes  Oedem.  I.-D.,  Kiel 
1882.  —  2.  Joseph:  Ueber  akutes  umschriebenes  Hautödem.  Berl. 
klin.  Wochenschr.  1890,  No.  4.  —  3.  Schlesinger:  Das  akute  zir¬ 
kumskripte  Oedem.  Sammelreferat.  Zentralbl.  f.  d.  Grenzgebiete  d. 
Med.  u.  Chir.  I,  1898,  No.  5  und  —  Hydrops  hypostrophos.  Ein  Beitrag 
zur  Lehre  des  akuten  angioneurotischen  Oedems.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1899.  No.  35.  —  4.  Cassierer:  Die  vasomotorisch- 
troplüschen  Neurosen.  Monographie.  Berlin  1901.  S.  Karger.  — 

5.  H.  0  u  i  n  c  k  e  und  A.  G  r  o  s  s:  Ueber  einige  seltene  Lokalisationen 
des  akuten  umschriebenen  Oedems.  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1904,  No.  2.  —  6.  Landgraf:  Verhandlung  d.  laryngol.  Gesellsch. 
zu  Berlin  1895,  Bd.  VI.  p.  8.  —  7.  Ullinann:  Arch.  f.  Schiffs-  und 
Tropenhygiene  1889.  III  (ref.  Cassierer).  —  8.  Karl  v.  Rad:  Ein 
Beitrag  zur  Kasuistik  des  akuten  umschriebenen  Oedems  (Epilep¬ 
tische  Insulte  im  Verlauf  .des  Hydrops  hypostrophos).  Münch,  med 
Wochenschr.  1902,  p.  318. 


4)  Die  Autoren  sind  im  Original  nachzusehen. 


Buntfarbenmikrophotogramme.*) 

Von  Dr.  R  u  d.  Hoffman  n,  Assistent  an  der  K.  laryngo- 
logischen  Poliklinik  der  Universität  München. 

M.  H. !  Ich  erlaube  mir,  Ihnen  Mikrophotogramme  vorzu¬ 
legen,  die  mit  Lumiere  sehen  Autochromplatten  aufge¬ 
nommen  worden  sind.  Sie  sehen  z.  B.  hier  eine  Aufnahme  von 
Streptococcus  mucosus  im  Ausstrich.  Die  May  sehe  Färbung, 
welche  sich  zur  Darstellung  der  Kapseln  vorzüglich  eignet,  zeigt 
die  Kerne  tief  dunkelblau,  die  Kapselzone  hellblau  und  die 
Schleimhülle  rötlich  tingiert.  Die  umgebenden  Leukozyten  mit 
ihren  Granulationen  sind  entsprechend  gefärbt,  die  Wieder¬ 
gabe  entspricht  durchaus  den  Originalfarben.  Vergrösserung 
ca.  1200  fach. 

Diese  Platte  stellt  einen  Schnitt  durch  Läppchen  eines 
menschlichen  Pankreas  dar.  Das  Gangsystem,  die  zentro- 
azinären  Zellen  und  die  ihnen  nahe  verwandten  Langer- 
h  ans  sehen  Zellhaufen  heben  sich  distinkt  rosa  gefärbt  gegen 
die  Azini  ab,  deren  Randzone  tief  dunkelblau  erscheint.  Diese 
Differenzierung  gelang  mir  besonders  nach  Behandlung  der 
Schnitte  mit  verdünnter  Eisenchloridlösung.  Nachher  gründlich 
wässern  und  Färbung  mit  polychromen  Methylenblau  und  Eosin. 

Zur  Verwendung  kamen  "  L  u  m  i  e  r  e  sehe  Autochrom¬ 
platten.  Die  Aufnahme  erfolgt  wie  bei  gewöhnlichen  Mikro¬ 
photogrammen,  nur  ist  die  Dazwischenschaltung  eines  Lu¬ 
miere  sehen  Spezialgelbglases  unerlässlich.  Die  Expositions¬ 
zeit  betrug  4  resp.  5  Minuten  bei  mittlerer  Blende. 

Platten  und  Entwickler  können  durch  Mangs  t  &  Co., 
München,  Schillerstrasse  bezogen  werden. 


Fesselbandmass  für  genaue  Umfangmessungen. 

Von  Dr.  Karl  Wahl  in  München. 

Bei  meiner  ziemlich  ausgedehnten  Tätigkeit  als  Gutachter  in 
Unfallsachen  habe  ich  mich  immer  mehr  daran  gewöhnt,  den  objek¬ 
tiven  Untersuchungsbefund  nicht  schätzungsweise,  sondern  soviel 
wie  nur  irgendwie  möglich,  in  genauen  Zahlen  festzuhalten.  Nur 
auf  diese  Weise  ist  es  oft  möglich,  für  sein  Urteil  positive  Unterlagen 
zu  bekommen. 

Jede  Bewegung  in  den  Gelenken  sollte  aufs  exakteste  mit  dem 
Winkelmass,  jeder  wichtige  Umfang  an  den  Extremitäten  mit  dem 
Zentimetermass  festgestellt  werden. 


Während  nun  die  Messung  der  Winkel  mit  dem  Transporteur 
odei  noch  besser  mit  einem  graduierten  Tasterzirkel  keine  weiteren 
Schwierigkeiten  bietet,  habe  ich  mich  seit  Jahren  überzeugen  müssen, 
dass  die  Umfangmessung  mit  dem  frei  umgelegten  Bandmass  auf 
Genauigkeit  keinen  Anspruch  machen  kann. 

Schon  die  exakte  Anlegung  des  freien  Endes  des  Bandmasses 
macht  Schwierigkeiten.  Noch  schwieriger  ist  es  aber  bei  dieser 
Ait  der  Messung,  sich  Rechenschaft  zu  geben  von  der  grösseren 
oder  geringeren  Kraft,  mit  der  man  das  Glied  umschnürt.  Man 
kann  sich  durch  vergleichende  Messungen  jederzeit  von  der  grossen 
Ungenauigkeit  der  auf  diesem  Wege  gewonnenen  Masse  über¬ 
zeugen. 

Ich  habe  mir  deshalb  ein  Bandmass  konstruiert,  mit  dem  es 
möglich  ist,  Umfangmessungen  mit  der  denkbar  grössten  Genauigkeit 


")  Demonstration  in  der  Münchener  otolaryngologischen  Ge¬ 
sellschaft. 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2335 


auszuführen.  Wie  die  vorstehende  Zeichnung  zeigt,  benutze  ich 
dazu  ein  schmales  Bandmass,  das  in  Form  einer  Fessel  über  das 
zu  messende  Glied  geschoben  wird.  Bei  a  ist  das  Bandmass  durch 
einen  Bügel  aus  schmalem  Draht  geführt.  Wird  nun  das  freie  Ende 
des  Bandmasses  angezogen,  so  stellt  sich  der  Bügel  automatisch 
^f  den  Teilstrich  ein.  Es  ist  auf  diese  Weise  möglich,  Messungen 
bis  auf  den  Millimeter  genau  auszuführen.''') 

Aus  dem  chemischen  Laboratorium  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf. 

Ein  neues  Spektroskop.") 

Von  O.  Schümm. 

Das  Spektroskop  ist  als  eines  der  hervorragendsten  Hilfsmittel 
fiir  den  Forscher  auf  den  verschiedensten  Gebieten  der  Chemie,  Physik 
md  Astrophysik  bekannt  und  geschätzt.  -  Nicht  minder  wichtige 
Dienste  vermag  es  in  der  Biologie  und  speziell  in  der  praktischen 
Medizin  zu  leisten.  Dem  Gerichtsarzte  und  Gerichtschemiker  ist  es 
in  gewissen  Fällen  geradezu  unentbehrlich. 

1  Aber  auch  der  Kliniker  und  „praktische  Arzt“  wird,  sobald  ihm 
die  Anwendungsweise  und  das  Anwendungsgebiet  des  Spektroskops 
vertraut  sind,  nur  ungern  die  Vorteile  entbehren,  die  ihm  dessen  Bt- 

1  UtZ  Um  nun  die  Leistungfähigkeit  spektroskopischer  Untersuchungs¬ 
methoden  voll  auszunutzen,  ist  es  erforderlich,  sich  eines  solchen 
Spektroskops  zu  bedienen,  das  die  für  den  jeweiligen  Zweck  ge¬ 
eignetste  Konstruktion  besitzt.  .  ,  .  •  . 

Diese  scheinbar  selbstverständliche  Forderung  wird  in  vielen 
Fällen  nicht  genügend  berücksichtigt.  Handelt  es  sich  z.  B.  darum, 
in  einer  Flüssigkeit  die  Anwesenheit  sehr  kleiner  Mengen  eines  Farb¬ 
stoffs  (z.  B.  Blutfarbstoff)  festzustellen,  so  empfiehlt  es  sich,  ein 
Snektroskop  mit  geringer  Dispersion  (Ausdehnung  des  Spektrum)  zu 
benutzen.  Umgekehrt  ist  die  Anwendung  eines  Spektroskops  mit 
starker  Dispersion  geboten,  wenn  geringe  Verschiedenheiten  in  dei 
Lage  der  Absorptionsstreifen  zweier  einander  ähnlicher  Spektren  test¬ 
gestellt  werden  sollen.  _  . 

Das  bekannteste  Spektroskop  mit  starker  Dispersion  ist  der 
Bunsen-Kir  chhoff  sehe  Apparat.  Die  neueren  geradsichtigen 
Handspektroskope  rüstet  man  mit  einem  System  von  ^rmgeier, 
mittlerer  Dispersion  aus  um  eine  vielseitige  Anwendungsfahigkeit 
dieser  Apparate  zu  ermöglichen.  Ihre  Konstruktion  bringt  es  mit  sic  , 
dass  sie  in  Bezug  auf  Lichtstärke,  Scharfe  der  Absorptionsstreifen 
und  Bequemlichkeit  in  der  Handhabung  das  zurzeit  Erreichbare  noch 

'  '^Be^meinen  vielfachen  spektroskopischen  Untersuchungen  habe 
ich  es  unangenehm  empfunden,  dass  man  oft  nicht  in  der  Lage  ist. 
das  spektroskopische  Verhalten  von  Farbstofflösungen  in  befriedigen¬ 
der  Weise  festzustellen,  weil  eine  so  starke  a  1 1  ge  m  ei  n  e  Licht¬ 
absorption  eintritt.  dass  etwaige  charakteristische  Absorptionsstreifen 
nicht  wahrgenommen  werden  können.  Das  ist  z.  B.  der  Lall,  wen 
Flüssigkeiten  ausser  dem  Farbstoff,  der  spektroskopisch  nachgewiesen 
werden  soll,  noch  andere  Farbstoffe  als  Verunreinigung  enthalten, 
oder  wenn  die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  durch  suspendieite  Uofte 
getrübt  ist.  Der  durch  solche  Ursachen  bedingte  „Lichtveiiust  lasst 
sich  im  allgemeinen  nicht  vermeiden.  Ich  habe  mir  duher  die  nage 
gestellt,  ob  man  etwa  dadurch  günstigere  Bedingungen  für  die  spektro¬ 
skopische  Untersuchung  solcher  Materialien  schaffen  konnte,  dass 
man  denjenigen  Lichtverlust  vermindert,  der  durch  das  optische 
System  des  'Spektroskops  bedingt  ist.  Dieser  Lichtverlust  ist  auch  bei 
den  übrigens  vortrefflichen  geradsichtigen  Handspektroskopen  (z.  . 

von  Ze  iss.  Schmidt  und  Haensch)  gar  nicht  so  unbedeutend. 

Die  Spektroskope  mit  starker  oder  mittlerer  Dispersion  (Bim¬ 
se  n  -  K  i  r  c  h  h  o  f  f  scher  Apparat,  Z  e  i  s  s  sches  Handspektroskop) 
liefern,  entsprechend  dem  Grade  ihrer  Dispersion,  von  manchen  Faib- 
stoffen  so  verwaschene  Absorptionsstreifen,  dass  deren  i  ichtige  und 
sichere  Beurteilung  Schwierigkeit  bereitet.  Die  Untersuchung  solchei 
Materialien  würde  sich  erleichtern  lassen,  wenn  es  gelänge,  ein 
Spektroskop  herzustellen,  dessen  optisches  System  noch  wesentlich 
geringere  Dispersion  hätte,  als  die  geradsichtigen  Handspektroskope. 

Ich  habe  nun  diejenigen  Konstruktionen  von  Spektroskopen,  die 
für  den  Gebrauch  in  klinischen  und  chemischen  Laboratorien  fabriziert 
werden,  durchgerechnet  und  bin  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  dass  sich 
unter  Benutzung  der  zurzeit  verfügbaren  Hilfsmittel  ein  Spektioskop 
konstruieren  lassen  müsste,  das  den  gebräuchlichen  geradsichtigen 
Spektroskopen  m  Bezug  auf  Lichtstärke  und  Schärfe  der  Absorptions¬ 
streifen  überlegen  sein  würde.  _ 

Nach  mannigfachen  Versuchen1)  ist  es  mir  nun  gelungen,  ein 
Spektroskop  herzustellen,  das  den  gekennzeichneten  Anforderungen 

*)  Das  Fesselbandmass  (G.-M.  No.  317  776)  wird  von  F.  Prei¬ 
sin  g  e  r,  München,  Sendlingerstr.  52,  angefertigt  . 

*)  Nach  einem  in  der  Biologischen  Abteilung  des  ärztlichen  Ver¬ 
eins  Hamburg  gehaltenen  Vortrage  mit  gleichzeitiger  Demonstration. 

1)  Bei  der  mechanischen  Ausführung  der  zu  meinen  Versuchen  be¬ 
nutzten  Modelle  hat  mich  Herr  W.Gummelt- Hamburg  durch  wert¬ 
volle  Ratschläge  unterstützt,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle 
bestens  danke. 


in  höherem  Grade  entspricht,  als  die  bislang  gebräuchlichen  Apparate. 
Die  mit  diesem  Spektroskop  erzeugten  Spektra  vereinigen  in  sich  das 
praktisch  erreichbare  Maximum  von  „Lichtstärke“  mit  einer  solchen 
Längenausdehnung  des  Spektrums,  dass  die  Absorptionsstreifen  von 
Farbstoffen,  denen  wir  bei  der  Untersuchung  tierischer  Säfte  und 
Sekrete  begegnen,  in  grösstmöglicher  Schärfe  erscheinen,  ohne  doch 
so  schmal  zu  werden,  dass  sie  mit  den  Fraunhofer  sehen  Linien 
verwechselt  werden  könnten. 


/ 

' 


/ 


"  /  I  v\" 

/  /  i 


f-i 

feii 


Fig.  1. 


D 


Eine  derartige  Leistung  des  Spektroskops  liess  sich  nur  dadurch 
erzielen,  dass  ich  das  Prinzip  der  geradsichtigen  Spektroskope,  die 
ein  aus  mehreren  Prismen 
zusammengesetztes  Pris¬ 
mensystem  enthalten,  auf¬ 
gab  und  den  Apparat  nur 
mit  einem  Einzelprisma J) 
von  ganz  bestimmten  opti¬ 
schen  Eigenschaften  aus¬ 
rüstete.  Ein  solches  war 
nach  meinen  Angaben  in 
der  optischen  Werkstätte 
von  Karl  Z  e  i  s  s,  Jena,  aus 
einem  besonderen  Glasfluss 

,  O.  41  .  . 

(Fabrikmarke in  vor¬ 
züglicher  Qualität  herge¬ 
stellt  worden.  Die  ge¬ 
nannte  Firma  hat  auch  die 
fabrikmässige  Herstellung 
des  neuen  Spektroskops 
übernommen. 

Die  Handhabung  des 
Apparates  ist  sehr  bequem 
(Fig.  1,  Verwendung  als 
Handapparat,  bei  Tages¬ 
licht  oder  Lampenlicht). 

Zur  Beobachtung  von 
Farbreaktionen  in  Uhr¬ 
gläsern  etc.  empfiehlt  sich 
die  Benutzung  eines  Sta¬ 
tivs2  3).  Man  sieht  dann  in 
den  Apparat  hinein,  wie  bei 
einem  schräg  gestellten 
Mikroskop  (vgl.  Skizze  2). 

Dadurch  wird  ein  ruhiges 
'  und  sicheres  Beobachten 
ermöglicht 4). 


Fig.  2. 


Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe  von  den  Brustdrüsen 

aus. 

Erwiderung  auf  den  gleichnamigen  Artikel  des  Professors 
H.  W.  Freund  in  Strassburg,  d.  W.  No.  43,  1907. 

Von  Dr.  Oskar  Polano,  Privatdozent  und  Oberarzt  an 
der  Würzburger  Universitäts-Frauenklinik. 

In  einer  vor  kurzem  in  dieser  Wochenschrift  veröffentlichten 
Arbeit  (Münch,  med.  Wochenschr.  No.  35,  1907)  empfahl  ich  für  ge¬ 
wisse  Dysmenorrhöefälle  die  künstliche  Hyperämie  der  Brustdruse 
durch  die  Saugbehandlung  auf  Grund  klinischer  Erfolge,  die  ich  an 
der  Würzburger  Frauenklinik  hiermit  erzielt  hatte.  Zu  diesem  Ver¬ 
fahren  hatten  mich  theoretische  Vorstellungen  über  die  V  echsel- 

2)  Ein  auf  ähnlichen  Prinzipien  beruhender  Apparat  scheint  für 
astrophysikalische  Untersuchungen  von  N.  v.  Kon  ko  ly  benutzt 

worden  zu  sein.  v  c._..  . 

3)  Schmidt  und  Haensch,  Berlin,  stellen  ein  solches  -tativ 

in  sehr  geeigneter  Form  her.  .  ,  ,  .. 

4)  Auf  Wunsch  führt  die  Firma  Zeiss  den  Appaiat  aucli  mi 

Wellenläng. nskala  aus. 


beziehünxen  zwischen  Keim-  und  Brustdrüse  geführt,  die  ich  kurzweg 
als  Antagonismus  bezeichnete.  Diese  aphoristische  Bezeichnung  sollte 
gewissermaßen  nur  als  Erklärung  dienen,  wie  ich  zu  diese?  neuen 
!lf  den,  ,erfte,n  Bbck  sicherlich  etwas  fernliegenden  Form  der  Dys- 

mP/nPrr  Ji0ebehfaild  unf>  ffek°mmen  war.  Eine  nähere  Begründang 
i  einer  theoretichen  Vorstellung  unterliess  ich  absichtlich,  da  es  sich 
um  eine  rein  für  den  Praktiker  berechnete  Mitteilung  handelte  und 
imr  hierbei  die  Erörterung  noch  nicht  spruchreifer  Hypothesen  un- 
z\\  eckmassig  erschien.  Ein  soeben  erschienener  Aufsatz  von  H.  W 

sründune  Sähen  Z“  ^  VerS"che  etoer  ^fübrlicheren  Be-' 

„T  -Zu  C  ^n'd  bestreitet  zunächst  die  Möglichkeit  eines  Antagonismus 
kan1SpeF,-?iariUm  und  ?rustdriise-  Als  Gegenbewis  führt  efdTe  Te- 
cVarnpHnE  SChHnUng:-an’  da^s  es  bei  einiRen  Frauen  zur  Zeit  der  Men- 
\ aat  ”  zur  Hyperämie,  bisweilen  auch  zur  Sekretion  aus  den  Brust- 
diusen  kommt;  auch  in  der  Schwangerschaft  lässt  sich  eine  gleich- 
zeitige  Ldstung  von  Brustdrüse  (Kolostrumbildung)  und  Eie^rstock 
vulation,  Corpus-luteum-Bildung)  nachweisen.  In  allen  diesen  Fällen 
ann  man  daher  nach  F  re  und  nicht  von  Antagonismus,  sondern  von 
Koordination,  vielleicht  auch  von  Ursache  und  Wirkung  sprechen 

f  Bie  Yon  E  r  e  u  n  d  behauptete  Ovulation  während  der  Gravidi- 
*ab„  die  ®ine  wirkliche  physiologische  Leistung  des  Ovariums  dar- 

Be  ie„de^UrtaVd/rS7iihUUrchai,sde"  gewöhnlichen  anatomischen 

Befunden  Im  Gegenteil,  die  grosseren  Follikel  werden  unter  dem 

ähnliche' Peaküon'ts^  Un'd  z.eiRen  zusdeich  eine  luteinzellen- 

ahnliche  RealUion  (Seitz),  die  man  in  gewisser  Hinsicht  auf  gleiche 

der  Eeziduabild.ung  im  Uterus  setzen  kann;  vielleicht  ver- 
OvuMonT/  I  iLPprf,'°SiSd,C  Ze j ]verbreiternriir  im  Ovariim,  die 

im  Ute™  mV ,?en  e‘nS  re,K"  FollikeIs).  wie  die  Dezidua 
m  L  terus  die  Mensti  uation.  Dass  auch  in  ganz  verschwindenden 

ballen  einmal  periodische  Blutungen  aus  dem  graviden  Uterus  be- 

™ecr,kt  ,.werde.n-  aadert  nichts  an  dieser  Tatsache:  auch  nach  der 

S  Ifj11  (doppelseitige  Ovariotomie)  habe  ich  häufiger  ähnliche 

eerebF?aaUweednermnÄ  tkönn®n-  Dif  Rescel  bleibt,  dass  die  Schwan- 
gere  rrau  weder  ovuhert  noch  menstruiert.  Inwieweit  die  Kolostrum- 

ddung  durch  derartige  kurzdauernde  Gfaviditätsblutungen  vorüber 
gehend  beeinflusst  wird,  entzieht  sich  doch  wohl  iederffBeuHellu?g: 

^ich erlich  bildet  sich  im  Anschluss  an  iede  Menstruation  ma? 
das  Ei  befruchtet  werden  oder  nicht,  im  Eierstock  ein  Corpus  luteum 
d.  h.  eine  Anhäufung  epithelialer  Elemente,  denen  eine  biologische 

^rdesnekrakTr.isTrdÄuns^  ^nnnK°Tnersrer 

Ovari 

Ovulation  und  Corpus-luteum-Bildung  kommen  nacheinander ,  5 
Ämmher"ler  T°,E  °^ulat!0n  u,'d  Menstruation  „ach  de  alfce  neu 
reden  Inder  s  ihr  a'S°  „ka!;?  man  v0"  ei‘ier  Koordinati™  kTum 
Wirklina  !r u  '  h]  eS  allerdings  mit  der  Bezeichnung  Ursache  und 

SnÄ  nichfausschliesst1  fohTann  ab^nten  Befrif,  des  Ama- 

StamficTb  DiP',,hedeKif/  üni  mifbtberiehense'rum 'sprechen;  eben! 
i  h 'V  be  experimenteller  Immunisierung  das  Gift  als  Urs'irhp 

absic"  UchTew  hltW,rkTK  »>«elchnen.  Ich'hÄ  diesen UerS 
au  sich  men  gewählt,  weil  auch  die  Möglichkeit  hpsfphr  a-^ 

wmmmmi 

Corpus  luteum  verum)  und  de^mir^er^S^  (^strumbildung, 
setzen  wäre.  *  der  Antikorperbildung  gleichzu- 

Manmia  handelt Ces  sidi ^vo Ladern ^m^^^  zwjsche,n  Keimdrüse  und 
Gibt  p^  Hinicrsu  '  j  Cn  V01  .  em  um  die  Beantwortung  der  Fragen- 

KalpiprSE'SfS 

SSSlfillSE’SS 

Antagonismus  zwischen  ovarieller  TätigkeiUm  ’ engten Eine  fd’T 
Ovulation)  und  Brustdrüsenfunktion  sprechen.  Da  wir  eine  wirkliche 
Schatzung  über  die  Leistung  der  Brustdrüse  nu?  währlid  de? 
Schwangerschaft  resp.  im  Wochenbett  haben,  müssen  die  folgenden 
Beispiele  aus  dieser  Zeit  zunächst  entlehnt  werden  Agenden 

» «  }:  ZuJ  Zeit  des.  Stillens  pflegt  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die 

Menstruation  zu  sistieren.  Dass  dieser  Vorgang  nicht  als  einfacher 
utermer  zu  bezeichnen  ist.  hervorgerufen  durch  die  vor  allem  von 

Pei?i?ngs1ähivkeitUrHprrSrChht"’  Un'?t  sicherlich  bestehende  reflektorische 
Keizungstahigkeit  der  Gebärmutter  von  der  Brustdrüse  aus  macht 

sferi  nsiSndandD?phTheiIiliCh’  ,dass.die  .Frauen  zu  dieser  Zeit’  relativ 
c+ mV  S  udV  Dle,.  physiologische  Atrophie  des  Uterus  zur  Zeit  des 
Stillgeschäftes,  die  durchaus  von  der  einfachen  Involution  des  puer¬ 
peralen  Uterus  zu  trennen  ist,  kann  mit  dem  gleichen  Rechte  als  Folge 
J'ff"  Ovulation,  also  als  Analogon  der  Altersatrophie,  wie 
a  s  dei  reflektorisch  angeregten  Uteruskontraktionen  angesehen 


werden.  Wiederholte  Kontraktionen  bewirken  doch  in  der  Regel 
keine  Atrophie  der  muskulösen  Elemente. 

2.  „Bekannt  ist,  dass  während  einer  längeren  Laktation  nicht  nur 
eine  Atrophie  des  Uterus,  sondern  eine  solche  der  Ovarien  eintreten 
kann,  so  sehr,  dass  die  Menstruation  überhaupt  nicht  mehr  auftritt 
und  die  Frauen  steril.  bleiben.“  Ich  entlehne  diesen  Satz  wörtlich 
einer  soeben  von  Gramer  veröffentlichten,  sehr  interessanten 
Arbeit  (Monatschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäk.  1907,  Septemberheft),  die 
aber  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Ovarium  und  Brustdrüse 
wichtige  Anhaltspunkte  gibt.  Auch  in  diesen  Fällen  braucht  die 
Atrophie  der  Keimdrüsen  keineswegs  als  Folge  der  Uterusatrophie 
angesprochen  zu  werden,  sondern  beide  sind  koordiniert,  hervor¬ 
gerufen  durch  die  gemeinsame  Ursache  der  Brustdrüsenleistung 
Atrophie  der  Gebärmutter  bedingt  als  solche  nicht  die  Atrophie  der 
Ovarien,  da  sie  selbst  nach  der  gänzlichen  Ausschaltung  des  Uterus 
durch  Exstirpation  weiter  funktionieren  können. 

3.  Wenn  Frauen  trotz  ,des  Stillens  ihre  Periode  wieder  be¬ 
kommen,  wenn  also  die  Ovulation  wieder  eintritt,  so  erlischt  gar  nicht 
so  selten  die  Sekretion  der  Brustdrüsen.  Fast  regelmässig  lässt  sich 
a/i-TV wenigstens  zu  d>eser  Zeit  eine  vorübergehende  Verminderung  der 
Milchsekretion  feststellen,  soweit  dies  bei  der  vielfachen  Abneigung 
des  Säuglings  gegen  die  Milch  der  gerade  Menstruierenden  über¬ 
haupt  festzustellen  ist. 

4.  Durch  die  Entfernung  der  Ovarien  wird  die  Laktation  ge¬ 
steigert.  Kastrierte  Kühe  produzieren  während  zweier  Jahre  ebenso 
viel  Milch,  wie  solche,  die  inzwischen  gekalbt  haben,  eine  Er¬ 
fahrungstatsache,  die  von  der  Landwirtschaft  bekanntlich  vielfach 
veiveUct  wird.  Diese  Kastration  bedingt  eine  Atrophie  des  Uterus 
(NMieres  hierüber  bei  Jentzer  und  Beutner:  Zeitschr.  f.  Geb! 
u.  Gyn.,  Bd.  42  und  Sänger:  Monatsschr.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd  5 
Ergänzungsheft.) 

5.  Auch  beim  Menschen  hindert  die  Entfernung  von  Uterus  und 
Ovarien  bei  der  Entbindung  keineswegs  die  Milchsekretion,  steigert 
sie  vielleicht  sogar  entsprechend  den  sub  4.  erwähnten  Tatsachen 
Diese  Annahme  wird  durch  die  Beobachtung  Cramers  (1.  c.) 
wenigstens  nahegelegt,  dass  eine  Osteomalazische  bei  der  Uterus  und 
hede  Ovarien  im  Anschluss  an  den  Kaiserschnitt  entfernt  wurden 
ihr  Kind  11  Monate  stillte. 

Auch  über  das  Aufhören  der  Menstruation  und  Ovulation  (Ste- 
i  intat)  durch  künstliches  Hervorrufen  einer  Brustdrüsensekretion 
ausserhab  von  Schwangerschaft  sind  Beobachtungen  gemacht 
wer  ;en  (B  u  1 1  e  n  s  t  e  d  t),  auf  die  ich  aber  nicht  weiter  eingehe, 
da  sie  von  mchtärztlicher  Seite  stammen. 

Wenn  man  diese  angeführten  Tatsachen  zusammenfasst.  so  hat 
die  Annahme  eines  Antagonismus  zwischen  Brust-  und  Keimdrüse 
wie  ich  glaube,. eine  gewisse  Berechtigung. 

Ueber  das  innere  Wesen  dieser  Wechselbeziehungen  vermag  ich 
naturgemass  nichts  Sicheres  zu  sagen,  da  uns  .die  eigentliche  Ursache 
dei  Laktation,  Ovulation  und  Menstruation  völlig  ungeklärt  ist.  Ich 
denke  hierbei  allerdings  mehr  an  einen  biologisch-chemischen  als 
einen  rein  nervös-reflektorischen  Vorgang.  Hierfür  spricht  die 
interessante  Beobachtung  Cramers  (1.  c.).  der  nach  der  künst¬ 
lichen  Implantation  zweier  Keimdrüsen  bei  einer  Frau  mit  Eierstocks- 
atroDhie  eine  nützliche  Schwellung  und  Sekretion  der  Brustdrüsen 
beobachtete.  Eine  solche  plötzliche  sekretorische  Leistung  nach  der 
Implantation  körperfremden  Gewebes  (Eiweisses),  findet  sein  bio- 

!^SÄC?SAna,Sn  nUr,m  der  ebenfalls  als  Zellsekretion  aufzufassen- 
Vcn  AntiriorpeHnlcl.ung,  die  unter  diesen  Bedingungen  jederzeit  auftritt. 
Auch  die  von  Star  ling  experimentell  erzeugte  künstliche  Laktation 
nach  der  Iniektion  von  Embrvonenextrakt  gehört  hierher  (Stuttgarter 

Fw~mSS  90^  '  w!,e  d'ese  Erscheinungen  erinnern  ,an  das  plötzliche 
Linscluessen  der  Milch  3  Tage  nach  der  Geburt. 

,  WaS  nHn  das  Verfahren  selber  angeht,  so  behauptet  Freund, 
dass  es  zu  den  alleraltesten  Methoden  der  Dysmenorrhoebehandlung 

?  ^LSCha°n  H.lpP°krates  habe,  um  den  Menstrualfluss  auf¬ 
zuhalten,  das  Ansetzen  eines  möglichst  grossen  Schröpfkopfes 
empfohlen.  Zugleich  definiert  Herr  Freund  den  Begriff  Dvs- 
menorrhoe  als  gestörten  Ablauf  des  Menstruationsprozesses,  der  sich 
bald  durch  Schmerzen,  bald  durch  auffälliges  Verhalten  des  Blut¬ 
flusses  kennzeichnet.  Hiermit  stellt  sich  Herr  Freund  in  Gegen- 

Srfmf  der  SOnKSt  !iblich.en  Definition :  „Wenn  die  Menstruation  mit 
Schmerzen^  verbunden  ist,  so  nennt  man  diesen  Zustand  Dvs- 

menorihoe  (Gebhard:  Die  Menstruation  in  Veits  Handbuch  der 

PrÄ°  °Sie  '  F°aS  Ver,h,alten  des  Bbltes  kommt  dabei  nicht  in  Be- 
^a  bt\.  Y  Cre,u.nd  von  schmerzhafter  Dysmenorrhöe  spricht, 
mU?  dies  einp  Tautologie.  Ich  glaube  daher,  die  von  mir  angegebene 
Methode  der  Dysmenorrhoebehandlung  als  ein  Novum  ansprechen  zu 

d  ^  Lohne,.dabei  .In  den  Verdacht  zu  geraten,  mit  Hippokrates 
einen  Pnoritatsstreit  ausfechten  zu  wollen. 

b pstohf0 BeEerelnstimmung  in  unseren  Beobachtungen 
l  esteht  hinsichtlich  der  Beeinflussung  der  Periode  durch  die  Brust- 

SicheufchTst  hiPrhl6-  M-!nJes  postp°nieren  und  treten  schwächer  auf. 
mSC5  St  hl5rb?‘  mit  f  r  e  11  n-d  an  die  Reizung  des  Uterus  von  der 
isSn“hJ“kCn:  Ärdie  Beeinflussung  der  ovariellen  Funktion 
hnc  aT  auS5e, !uhrten  mindestens  ebenso  zu  berücksichtigen, 

eso nd e rs  beider  auffallenden  Erscheinung  des  Postoonierens. 

,  V()n  K  u  d  o  1  p  h  -  Heilbronn  (Zentralbl.  f.  Gvnäk.  1905  No  39) 
stammt  der  Vorschlag,  die  Amenorrhoe  durch  Reizung  der  Brust- 
arze’  also  durch  €ine  reflektorische  Anregung  von  Kontraktionen  zu 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2337 


behandlen.  Für  diese  Reizung  empfiehlt  er  als  erster  die  Klapp- 
schen  Sauggläser. 

Inwieweit  nun  diese  Behandlung  der  Dysmenorrhöe  als  Sug¬ 
gestionstherapie  anzusprechen  ist,  muss  die  weitere  Erfahrung  lehren. 
Wenn  man  ihren  Erfolg  auch  nicht  mit  mathematischer  Genauigkeit 
Vorhersagen  kann,  ein  Missstand,  den  sie  mit  zahlreichen  anderen 
therapeutischen  Verfahren  teilt,  so  nützt  sie  doch  in  geeigneten  Fällen; 
und  dies  ist  doch  schliesslich  das  Wichtigste.  Warum  nicht  die  von 
Freund  bestätigte  Veränderung  der  menstruellen  Ausscheidung  in 
geeigneten  Fällen  von  einer  Herabsetzung  der  pathologischen  Schmerz¬ 
haftigkeit  begleitet  sein  kann,  ist  schwer  zu  verstehen,  ebenso  schwer, 
wie  die  angebliche  Suggestion  bei  der  Wirkung  eines  Schröpfkopfes, 
mag  derselbe  an  den  Nates  oder  sonstwo  appliziert  sein.  Es  geht 
doch  nich  an,  einen  therapeutischen  Effekt,  den  wir  nicht  genau  erklären 
können,  einfach  als  Suggestion  zu  bezeichnen,  ebenso  wenig  wie  ein 
Schmerz,  für  den  wir  heute  noch  kein  klinisches  Subsirat  haben  — 
und  dies  ist  bei  der  Dysmenorrhöe  vielfach  der  Fall  —  als  hysterisch 
im  landläufigen  Sinne  bezeichnet  werden  darf. 

Wenn  wir  die  Theorie  dem  Experiment  und  der  klinischen  Beob¬ 
achtung  anpassen  und  nicht  den  umgekehrten  Weg  gehen,  so  erscheint 
mir  die  angegebene  Art  der  Dysmenorrhöebehandlung  und  die  ihr 
zu  Grunde  liegende  Theorie  von  dem  Antagonismus  zwischen  Reim¬ 
und  Brustdrüse  nicht  so  unberechtigt  zu  sein,  wie  H.  W.  Freund 
annimmt. 

Die  Funktion  der  Ohrmuschel. 

Von  Professor  Dr.  R.  G  e  i  g  e  1  in  Würzburg. 

In  einem  Artikel :  „Zur  Plastik  der  Missbildungen  der  Ohrmuschel“1) 
beschäftigt  sich  Herr  Uffenorde  auch  mit  meiner  'kleinen  Mit¬ 
teilung:  „Die  Bedeutung  der  Ohrmuschel  für  das  Hören“2).  „Wie  er 
nebenbei  bemerken'  möchte,  geht  das  neuerdings  von  G  e  i  g  e  1  in 
dieser  Hinsicht  mitgeteilte  von  irrtümlichen  Voraussetzungen  aus. 
Schon  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ist  im  wesentlichen  seine 
mitgeteilte  Auffassung  von  Kramer  iU.  a.  angenommen.  Er  glaubt, 
„die  Knorpel  der  Ohrmuschel  nehmen  die  Schallwellen  auf,  geraten 
in  Schwingungen  und  vermitteln  diese  Schwingungen  ohne  Ueber- 
gang  in  Luft  durch  lauter  feste  Teile  dem  Trommelfell“.“ 

Ob  hier  der  „Er“  Kramer  ist,  oder  ob  ich  es  bin,  weiss  ich 
nicht,  eine  Literaturangabe  fehlt  gerade  hier  und  in  der  ganzen 
Arbeit  Uffenordes  nur  bei  diesem  Namen.  Jedenfalls  wäre  es 
mir  interessant,  ob  Kramer  u.  a.  auch  schon  meine  oder  andere 
beweisende  Versuche  hierüber  angestellt  haben.  Von  irrtüm¬ 
lichen  Voraussetzungen  bin  ich  bei  meiner  Mitteilung  nicht  aus¬ 
gegangen,  weil  ich  überhaupt  gar  keine  Voraussetzung  gemacht  habe. 
Ich  habe  einfach  meine  Hände  bald  an  die  Ohrmuschel  angelegt,  bald 
nicht  und  berichtet,  was  dabei  herauskommt. 

Die  sogleich  folgenden  Sätze  Uffenordes:  „G  e  i  g  e  1  s  An¬ 
nahme,  dass  nur  der  das  Trommelfell  berührende  Zerumenpfropf  die 
Gehörswahrnehmung  wesentlich  herabsetze,  ist  falsch.  Sobald  dieser 
obturierend  ist,  hat  er  auch  sonst  die  Wirkung,  und  dadurch  ist  diese 
Auffassung  als  widerlegt  zu  betrachten“,  passen  hieher  wie  die  Faust 
aufs  Auge.  Welche  Auffassung  ist  denn  dadurch  widerlegt?  Die 
Auffassung,  dass  die  Ohrmuschel  die  Schallwellen  aufnimmt  und  dem 
Trommelfell  .  .  .  übermittelt?  Von  was  anderem  war  vorher  gar 
nicht  die  Rede. 

Der  Satz  Uffenordes:  „Endlich  ist  die  von  Oeigel  als 
allgemein  anerkannte  Auffassung  über  die  Zuleitung  der  Schall¬ 
wellen  zum  Trommelfell,  nämlich  dass  die  Ohrmuschel  die  Schall¬ 
wellen  sammele  und  wie  in  einen  Trichter  durch  Reflexion  in  den 
Gehörgang  hineinleite,  bereits  im  Jahre  1875  von  Mach  widerlegt“, 
klingt  ja  fast  so,  als  wenn  ich  der  gleichen  Ansicht  wäre,  sie  an¬ 
erkenne,  während  ich  ja  das  schnurgerade  Gegenteil  behauptet 
habe  und  auch  ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  schon  von  anderer 
Seite  die  gewichtigsten.  Bedenken  gegen  eine  solche  Auffassung  ge- 
äussert  wurden. 

Eine  weitere  Kuriosität:  „Nach  Geigel  wäre  ja  ein  Gehörgang 
fast  überflüssig,  die  Uebertragungsreihe  von  Ohrmuschel  auf  Trommel¬ 
fell  bei  uns  aber  wegen  der  verschiedenen  Gewebsarten  unzweck¬ 
mässig“. 

Das  soll  ich  gesagt  haben,  oder  ist  es  Herrn  Uffenordes 
Privatmeinung?  Ich  habe  wenigstens  in  meiner  früheren  Arbeit3) 
(pag.  190)  ausdrücklich  auf  die  gute  Verbindung  zwischen  Trommelfell 
und  Ohrmuschel  mit  den  Worten  hingewiesen,  dass  der  Knorpel  des 
äusseren  Ohres  (elastischer  Knorpel  bekanntlich)  sich  eine  Strecke 
weit  in  den  äusseren  Gehörgang  fortsetzt  und  mit  dem  Knochen  durch 
knorpelhartes  Bindegewebe  verbunden  und  das  Trommelfell  mit  dem 
Periost  des  knöchernen  Gehörgangs  verwachsen  ist. 

Uffenordes  Meinung.  „Unsere  Ohrmuschel  .  .  .  hat  offenbar 
nur  geringen  Wert  für  die  Gehörwahrnehmung  an  sich,  wohl  aber 
wesentlicheren  Wert  für  die  Lokalisation  der  Schallquelle“  ist  paradox. 
Wenn  die  Ohrmuschel  keinen  wesentlichen  Teil  der  Schallwellen  zum 
inneren  Ohr  fortleitet,  so  ist  auch  ihre  Stellung  zur  Schallquelle  nicht 
-  - -  PJj  C  '-*1  ^  j 

*)  Diese  Wochenschrift  No.  43,  p.  2130  ff. 

2)  Ebenda,  No,  30. 

3)  Virchows  Archiv,  Bd.  140. 


von  wesentlicher  Bedeutung  und  sie  kann  für  die  Lokalisation  der 
letzteren  keine  wesentlichen  Dienste  leisten. 

Auf  die  von  U  f  f  e  n  o  r  d  e  herangezogenen  Beispiele  aus  dem 
Tierreich  will  ich  lieber  nicht  eingehen.  Das  „Spiel  des  Gehörs 
beim  sichernden  Rehwild“  spricht  zu  deutlich  für  meine  Auffassung, 
da  ja  Reflexion  des  Schalles  nach  dem  äusseren  Gehörgang  auch  nach 
Uffenordes  Ansicht  nicht  in  Betracht  kommt.  Was  den  Wal¬ 
fisch  anbetrifft,  der  auch  anrückt,  der  zu  meinem  Bedauern  im 
Wasser  keine  äusseren  Ohren  mehr  hat,  solche  aber  als  Landtier 
früher  besessen  haben  soll,  so  wird  den  wohl  keiner  noch  gefragt 
haben,  wie  er  ohne  Ohrmuscheln  hört  und  wie  er  früher  mit  Ohr¬ 
muscheln  gehört  hat. 

Soweit  also  die  von  mir  erwiesene  akustische  Leistung  der  Ohr¬ 
muschel  in  Frage  kommt,  bin  ich  vollkommen  intransigent.  Ein 
anderes  ist  es  mit  der  Beurteilung,  inwieweit  auch  die  Luftleitung 
durch  den  äusseren  Gehörgang  wirksam  ist;  eine  Abschätzung  ist 
hier  schwierig  und  da  lasse  ich  mit  mir  reden.  Damit  komme  ich  auf 
den  oben  erwähnten  Satz  von  Uffenorde  über  den  mit  Watte 
verstopften  Gehörgang  mit  Vergnügen  zu  sprechen,  weil  er  mir  An¬ 
lass  gibt  zu  ein  paar  —  recht  bescheidenen  —  weiteren  Versuchen. 

Es  ist  Sache  der  subjektiven  Schätzung,  inwieweit  das  Gehör 
durch  einen  in  den  Gehörgang  gesteckten  Wattepfropf,  durch  Ze- 
rumen  usw.  leidet.  Uffenorde.  der  hierin  die  unvergleichlich 
grössere  Erfahrung  haben  muss,  schätzt  dies  höher  ein,  als  ich  es 
nach  eigener  Erfahrung  und  gelegentlicher  Beobachtung  an  anderen 
tue.  Uffenordes  Angabe,  dass  mit  Wasser  angefeuchtete  Watte 
das  Gehör  viel  beträchtlicher  herabsetzt,  einen  hohen  Grad  von 
Schwerhörigkeit  bewirkt,  ist  vollkommen  zutreffend,  ebenso,  dass 
„der  Versuch  von  G  e  i  g  e  1  dabei  mehr  positiv  ausfällt“,  ob  „mehr“ 
und  warum  wollen  wir  gleich  sehen.  Von  ..Resonanz“  darf  man  frei¬ 
lich  hier  nicht  snrechen,  die  kommt  dabei  überhaupt  nicht  in  Be¬ 
tracht,  denn  die  Resonanz  vermittelt  nur  den  leichteren  Uebergang 
von  Schwingungen  von  festen  Körpern  auf  Luft  durch  Vergrösserung 
der  Oberfläche,  wovon  hier  bei  Fortleitung  durch  lauter  feste  Teile 
gar  keine  Rede  ist. 

Verstopft  man  die  Ohren  mit  trockener  Watte  und  legt,  wie  ich 
ps  getan,  die  Hand  an  den  Helix,  so  erfolgt  eine  Verstärkung  des 
Schalls,  die  stärker  erscheint  als  ohne  Watte,  aber  vielleicht  nur  des¬ 
wegen.  weil  dabei  die  doch  auch  von  mir  angenommene  Luftleitung 
wegfällt,  ist  sie  deutlicher,  sie  braucht  nicht  absolut 
stärker  zu  sein.  Nimmt  man  nasse  Watte  zum  Versuch,  so  ist 
die  Schwerhörigkeit  eine  bedeutendere.  Anlegen  der  Hand  an  die 
Muschel  verstärkt  den  Schall  vielleicht  anscheinend  mehr  als 
an  freiem  Ohr,  jedenfalls,  wie  Kontrollversuche  rechts  und  links  mit 
trockener  und  nasser  Watte  deutlich  zeigen,  weniger  als  bei 
trockener  Watte. 

Nun  mache  man  mir  folgende  einfache  Versuche  nach: 

1.  Ich  verstopfe  das  Ohr  mit  nasser  Watte,  ich  höre  das  Ticken 
der  Taschenuhr  auch  bei  grösster  Annähpruing  nicht,  sofort,  aber  leis, 
wenn  ich  mit  der  Uhr  die  Muschel  berühre. 

2.  Ich  drücke  mit  dem  Finger  den  Tragus  gegen  die  Mündung 

des  äusseren  Gehörgangs.  Nicht  nur  wird  dadurch  die  Taubheit 
gegen  alles,  was  um  mich  vorgeht,  eine  völlige  (sehr  starke  Ge¬ 
räusche  natürlich  ausgenommen),  sondern  ich  höre  auch  die 
Taschenuhr  nicht  mehr,  wenn  sie  meine  Ohr¬ 
muschel  berührt.  Der  letztere  Umstand  weist  deutlich  dar¬ 
auf  hin.  dass  nicht  der  bessere  Verschluss  des  äusseren  Gehörgangs 
in  Versuch  2  gegen  Versuch  1  es  ist.  was  die  grössere  Taubheit  her¬ 
vorruft.  sondern  dass  durch  den  äusseren  Druck  der  Knorpel 
des  Gehörgangs  am  Schwingen  verhindert  wird, 
wie  es  der  Dämpfer  des  Pianoforte  an  den  Saiten  tut.  Bei  der 
nassen  Watte  in  Versuch  1  war  noch  „Knornel'eitung“  (wenn  ich 
diesen  Ausdruck  der  Kürze  wegen  brauchen  darf)  vorhanden,  mein 
Verkehr  mit  der  Aussenwelt  noch  ganz  gut  und  für  andere  unauf¬ 
fällig  möglich:  in  Versuch  2  bei  der  bekannten  Art,  ..sich  die  Ohren 
fest  zuzuhalten“,  nicht  mehr.  Alles,  was  in  Versuch  1  zu  hören  war. 
hat  der  Knornel  übermittelt  und  auch  der  offenbar  nicht  ungestört 
durch  den  dicht  anliegenden  nassen  Wattenfronf.  wie  sich  aus  dem 
beschriebenen  Gegenversuch  mit  trockener  Watte  ergibt.  Ich  glaube 
also  die  Leistung  der  Knorpelleitung  nicht  zu  hoch  eingeschätzt  zu 
haben.  _ 

Bei  einer  experimentell  zu  lösenden  Frage  ist  mir  die  Meinung 
anderer,  das  gilt  für  alle  von  Uffenorde  herangezogenen  Eides¬ 
helfer,  vollkommen  gleichgültig.  Ist  das  Ergebnis  meiner  Versuche, 
für  die  ich  niemandem  Dank  schulde,  weil  sie  alle  mit  den  Hilfsmitteln 
meines  Privatlaboratoriums  zu  bestreiten  waren,  richtig,  so  ergibt 
sich  die  Folgerung,  dass  man  sowohl  „Luftleitung“  als  auch  ..Knorpel- 
leitung“  dämpfen  muss,  um  das  Ohr  gegen  Schallwirkungen  taub  zu 
machen. 

Man  muss  also  entweder,  wie  allbekannt,  den  Tragus  gegen  den 
Meatns  acusticus  ext.  pressen  oder  man  muss  den  Rat  befolgen, 
den  Kirke  dem  vielerfahrenen  Dulder  Odvsseus  für  seine  Begegnung 
mit  der  Insel  der  Sirenen  mit  auf  den  Weg  gab: 

«AA«  ,  Frr'r  rf’ovar *  r’ksTifrrx' 

xvont/  (ferpr/na^  fitj  ns  äxovOfl 

Ttüv  «AAwi'4). 

4)  OAYZZEIAZ  XII.,  47. 


f 


2338 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


"^.^er  s^eur,e  vorbei,  und  verklebe  die  Ohren  der  Freunde 
Von  de!TandSeCrl!rasbZhöre.‘-)aChSe  der  Monisscheiben.  dass  niemand 

Man  nehme  also  zum  Verschluss  des  Gehörsrangs  eine  Masse  die 
auch  die  Schwingungen  des  Knorpels  zu  dämpfen  vermag! 

hoU  aamhch  ihre  ernste  Bedeutung.  Alljährlich  kommen 

bekanntlich  bei  Artilleristen  erhebliche  Störungen  des  Gehörs  Blu- 
“nJen  aus  dem  Ohr  u.  d'gl.  durch  den  gewaltigen  scharfen  Knall  der 
lodernen  Geschütze  vor.  Viel  besser  als  das  schon  eingeführte  Ver¬ 
stopfen  der  Ohren  mit  Watte  müsste  das  Andrücken  des  Tragus  an 
den  Gehorgang  etwa  durch  eine  federnde  Pelotte  oder  vielleicht 
Verschlu*s  mit  Wachs  nach  dem  Rat  der  schöngelockten 
Kirke  oder  wenigstens,  wenn  nichts  anderes  da  ist,  miit  nasser 
Watte  Schutzen. 

Ob  der  von  mir  eingenommene  Standpunkt  und  was  ich  über  die 
akustische  Leistung  der  Ohrmuschel  gefunden  habe  noch  in  anderer 

tr^'hfVetWa  bei1  p!astlschen  Operationen  an  der  Ohrmuschel  in  Be- 
racht  kommen  kann,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  U  f  f  e  n  o  r  d  e 
hat  mich  ja  auch  nur  „nebenbei“  abtun  wollen  und,  wie  ich  es  ver- 
standen  habe  hatte  er  bei  den  von  ihm  so  schön  und  erfolgreich 
mUp^?ceiiUhr7en  Operationen  nicht  akustische,  sondern  lediglich  kos¬ 
metische  Zwecke  im  Auge.  Den  Anlass  zu  einem  Angriff  auf  mich 
If  *hf  r.  v°m  Zaun  gebrochen;  hätte  er  es  nicht  getan  und  akustisches 
4wesenUb6rhaUPt  n‘Cht  betreten’  es  ware  vielleicht  besser  für  ihn 


No.  47. 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Ueber  die  Liquidationen  bei  psychiatrischen  Begutach- 
tungen,  vorzugsweise  in  Bayern.*) 

Von  W.  Weygandt  in  Würzburg. 

Bei  Gründung  des  bayerischen  Psychiatervereins  wurde  betont 
dass  neben  wissenschaftlichen  Fragen  auch  die  Standesinteres’ 
sen  von  ihm  gepflegt  werden  sollen.  Mit  Recht  haben  sich  die 
Jahresversammlungen  stets  auch  derartigen  Fragen  zugewendet  Zu 
solchen  kragen,  die  den  ganzen  Stand  berühren,  wenn  sie  auch 
zunächst  die  akademischen  Psychiater  angehen,  gehört  unter  an- 

•uwtx’  ob,es  angängi£  ist*  ™  gerichtlich-psychiatrischen  Unter¬ 
richt  Untersuchungsgefangene  vorzustellen,  o*der  die  andere  ob  eine 
Vorlesung  über  Psychiatrie  oder  gerichtliche  Psychiatrie  den  Stu¬ 
dierenden  der  Jurisprudenz,  die  verpflichtet  sind,  ausserhalb  ihres 
rachstiidiums  noch  nach  freier  Wahl  8  mal  eine  anderweitige  4stün- 
dige  Vorlesung,  ein  sogenanntes  Philosopbicum,  zu  belegen,  ebenfalls 
als  solches  Wahlkolleg  angerechnet  werden  könne.  Vor  2  Jahren 
schon  hat  sich  nun  unsere  Versammlung  der  Frage  der  Liquidationen 
gewidmet  und  nach  einem  Vortrage  unseres  Vorsitzenden1)  ein¬ 
stimmig  und  debattelos  beschlossen,  es  möge  der  Vorstand  angesichts 
des  unzureichenden  Satzes  von  10  Mark  für  ein  wissenschaftlich  be¬ 
gründetes  Gutachten  beim  Kgl.  Staatsministerium  der  Justiz  die  ge¬ 
nerelle  Bewilligung  eines  höheren  Betrages  in  solchen  Fällen  nach¬ 
suchen  und  event.  eine  Ergänzung  der  Gebührenordnung  hinsichtlich 
zeitraubender,  wissenschaftlich  begründeter  Gutachten  bei  den  Aerzte- 
kammern  anregen. 

Die  damaligen  präzisen  Ausführungen  unseres  Vorsitzenden  treffen 
mit  wenig  Modifikationen  auch  heute  noch  zu,  eine  generelle  Aende- 
rung  ist  nicht  erfolgt,  ebensowenig  eine  Ergänzung  der  Gebühren¬ 
ordnung.  wiewohl  die  zweijährige  Frist  seit  jener  Versammlung  hierzu 
ausreichend  gewesen  wäre,  guten  Willen  'bei  den  entsprechenden  In¬ 
stanzen  vorausgesetzt.  Es  bleibt  uns  nichts  übrig,  als  von  Zeit  zu 
Zeit  wieder  auf  die  Missstande  hinzuweisen,  da  sie  ja  nicht  nur  unser 
rach,  sondern  auch  indirekt  möglicherweise  die  Rechtspflege  schä¬ 
digen  können. 

Ich  möchte  das  Odium  auf  mich  nehmen,  hier  über  diese  Frage  zu 
sprechen,  ungeachtet  eines  Vorwurfes,  pro  domo  zu  reden.  Ich  bin 
ja  verhältnismässig  häufig  gutachtlich  tätig  und  lege  auch  darauf 
besonderen  Wert,  aus  wissenschaftlichen  Gründen  sowohl,  als  auch 
deshalb,  weil  ich  den  einen  oder  anderen  abgelaufenen  Fall  einmal 
•  ,,  n.t<-'rnphte  verwerten  kann.  Die  Liquidationshöhe  an  sich  könnte 
vielleicht  in  dem  einen  oder  anderen  Fall  einmal  gleichgültig  sein 
aber  sowohl  aus  Gerechtigkeitsgefühl,  als  auch  zur  Wahrung 
der  Wurde  des  ärztlichen  Standes  habe  ich  in  einer  Reihe  von  Fällen 
bei  denen  das  Missverhältnis  zwischen  Leistung  und  Entlohnung  ge- 
radezu  schreiend  war,  den  Versuch  gemacht,  etwas  anderes  als  die 
gewöhnlichen  Gebühren  zu  erreichen.  Ich  kann  weiterhin  darauf  hin- 

’)  J.  H.  Voss:  Odyssee. 

)  \oitiag,  gehalten  auf  der  Jahresversammlung  des  Vereins 
bayerischer  Psychiater,  München,  21.  Mai  1907. 

0  Vocke:  Liquidation  von  Sachverständigen-Gebiihren  bei 
Ds^cluatnschen  Begutachtungen,  Münch,  med.  Wochenschr.  1905.  S 
1090  Vergl.  auch  Tesdorpf:  Beitrag  zu  der  Frage  der  Ent¬ 
schädigung  ärztlicher  Gutachten  und  Vorbemühungen  seitens  der  Ge- 
richte  Munch,  med.  Wochenschr.  1904.  No.  45.  Vergl.  ferner  Bericht 

lon?  ^'e  f,tz*un?  der-  Aerztekamrr|er  Berlin-Brandenburg  vom  23  Mai 
1907.  im  Zentralanzeiger  für  Sanatorien,  1907,  No  17 


weisen,  dass  .ich  von  seiten  mancher  Richter  privatim  geradezu  er¬ 
mutigt  worden  bin,  die  Frage  wieder  einmal  aufzurollen. 

Zunächst  ein  Blick  auf  die  ausserbayerischen  Staaten. 

In  Preussen  gilt  das  Gesetz  vom  9.  März  1872,  die  Ver¬ 
ordnung  vom  17.  September  1876,  die  Gebührenordnung  vom  30  Juni 
1878  und  das  Gesetz  vom  21.  Juni  1897. 

Nach  der  deutschen  Gebührenordnung  für  Zeugen  und  Sachver- 
ständige  vom  30.  Juni  1878,  in  der  Fassung  der  Bekanntmachung  vom 
_n.  Mai  1898'),  erhält  nach  §  3  der  als  Sachverständiger  vernommene 
Medizinalbeamte,  soweit  er  nicht  zu  unentgeltlicher  Dienstleistung  ver¬ 
pflichtet  ist,  für  einen  Termin  bis  zu  3  Stunden  6  Mark,  für  jede 
weitere  Stunde  Mark  1.50.  Ferner  heisst  es  §  3  No.  6:  für  jedes 
andere,  mit  wissenschaftlichen  Gründen  unterstützte,  nicht  bereits  im 
1  ermin  zu  Protokoll  gegebene  Gutachten,  es  mag  sowohl  den  körper¬ 
lichen  oder  geistigen  Zustand  einer  Person  oder  eine  Sache  be¬ 
treffen  . 6—24  Mark. 

Die  höheren  Sätze  sind  insbesondere  dann  zu  bewilligen,  wenn 
eine  zeitraubende  Einsicht  der  Akten  notwendig  war,  oder  die  Unter¬ 
suchung  die  Anwendung  des  Mikroskops  oder  anderer  Instrumente 
oder  Apparate  erfordert,  deren  Handhabung  mit  besonderer  Schwie¬ 
rigkeit  verbunden  ist.  / 

Bei  fremder  Hilfe  zur  Reinschrift  werden  Kopialien  zum  Satze 
von  2  5  P  f  e  nnigen  für  den  Bogen  bewilligt. 

§  6:  Sind  zu  der  verlangten  sachkundigen  Ermittlung  besondere 
Vorbesuche  nötig,  so  ist,  falls  nicht  die  Voraussetzungen  vorliegen, 
unter  denen  Tagegelder  und  Reisekosten  liquidiert  werden  dürfen,  für 
jeden  Vorbesuch  eine  Gebühr  von  3  Mar  k  zu  bewilligen. 

Für  mehr  als  3  Vorbesuche  passiert  die  Gebühr  nur  insoweit, 
als  die  Vorbesuche  auf  ausdrückliches  Verlangen  der  requirierenden 
Behörde  gemacht  sind. 

Nach  diesen  Bestimmungen  wird  in  den  meisten  Fällen  verfahren, 
so  zwar,  dass  für  ein  Gutachten  mit  3  Vorbesuchen  24  +  9  Mark 
-  33  Mark  liquidiert  werden,  auch  wenn  es  sich  um  die  Begutachtung 
von  Anstaltsinsassen  nach  §  81  Str.P.O.  oder  §  656  C.P.O.  handelt. 

Manche  Irrenanstalten  führen  nun  ein  Formular,  das  sie  vor 
der  Aufnahme  eines  nach  §  81  überwiesenen  Falles  an  den  Landes¬ 
hauptmann  zur  Vermittlung  beim  Gericht  senden  und  das  unter 
anderem  in  Vordruck  den  Vermerk  enthält:  „auch  ersuchen  wir,  uns 
in  Gemässheit  des  §  6  Abs.  2  des  Gesetzes  vom  9.  März  1872  zu  er¬ 
mächtigen,  dass  wir  bei  dem  ....  so  viele  Vorbesuche  machen  und 
auch  zur  Liquidation  bringen  dürfen,  als  zur  Beurteilung  des  Geistes¬ 
zustandes  unbedingt  für  erforderlich  erachtet  werden.“  In  der  Regel 
wird,  dann  die  Ueberschreitung  von  3  Vorbesuchen  nicht  beanstandet. 

Mit  Recht  wird  nun  neuerdings  darüber  geklagt,  dass,  da  durch 
das  Kreisarztgesetz  die  Medizinalbeamten  eine  bessere  Stellung  be¬ 
kommen  haben,  die  Gebühren  niedriger  wurden  und  nun  dadurch  die 
nichtbeamteten  Aerzte  unter  dieser  Erniedrigung  der  Gebühren  leiden 
müssen.  Auch  die  Erhöhung  der  Reiseauslagen  durch  Fahrkarten¬ 
steuer  und  Eisenbahntarifreform  hat  keine  Erhöhung  der  Reiseent¬ 
schädigung  zur  Folge  gehabt. 

Der  Landtag  hat  in  Preussen  sich  über  eine  neue  Gebühren¬ 
ordnung,  deren  Entwurf  dreimal  vorgelegt  war,  nicht  einigen  können. 
Dieser  neue  Entwurf  erhöht  die  Höchstgebühr  für  ein  schriftlich  be¬ 
gründetes  Gutachten  von  24  M.  auf  30  M.  Es  handelt  sich  aber  nicht 
um  eine  Besserung,  da  in  Zukunft  die  Gebühren  für  die  Vorbesuche 
in  der  Gebühr  für  das  schriftliche  Gutachten  mit  inbegriffen  sind 
Während  früher  für  ein  schriftliches  Gutachten  nach  3  Vorbesuchen 
33  ~  24  +  3  X  3  M.  liquidiert  werden  konnten,  können  in  Zukunft  nur 
30  M.  gefordert  werden.  Freilich  besteht  die  Möglichkeit,  bei 
schwierigen  und  umfangreichen  Verrichtungen  die  Höchstgebiih’r  mit 
Genehmigung  des  Regierungspräsidenten  zu  überschreiten.  Es  ist 
abei  nicht  jedeimanns  Sache,  um  die  Bewilligung  in  jedem  einzelnen 
Falle  nachzukommen.  (Vergl.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1904, 

S.  397.)  Eine  derartige  Forderung  entspricht  nicht  der  Würde  der 
Stellung  des  Sachverständigen.  Der  Herausgeber  der  Zeitschrift  für 
Medizuialbeamte  (1907,  S.  159)  betont,  dass  der  neue  Entwurf  für  die 
sanitäts-  und  medizinal-polizeiliche  J  ätigkeit  vielfach  niedrigere  Ge¬ 
bührensätze  einstellt,  als  bisher  bewilligt  waren.  „Deswegeh  sind 
manche  Medizinalbeamte  der  Ansicht,  dass  die  bisherigen  Vorschriften 
trotz  ihrer  Mangelhaftigkeit  dem  neuen  Gesetz  und  Tarif  vorzuziehen 
seien.“  Der  gleiche  Einwand  ist  auch  berechtigt  im  Hinblick  auf  die 
Gebühren  für  gerichtsärztliche  Gutachten.  Man  will  das  Gebühren¬ 
gesetz  vom  9.  März  18/2  durch  ein  neues  ersetzen,  welches  dem 
heutigen  Werte  des  Geldes  und  der  kostspieliger  gewordenen  Lebens¬ 
haltung  Rechnung  trägt,  und  stellt  den  Psychiatern  für  ihre  verantwor- 
l'che,  aufreibende  und  zeitraubende  Gutachtertätigkeit  Gebühren  in 
Aussicht,  die  noch  geringer  sind,  als  das  Gesetz  von  1872  vorsieht. 
Der  Entwurf  bedarf,  bevor  er  nochmals  zur  Vorlage  kommt,  dringend 
einer  Aenderung  nach  der  hier  erörterten  Hinsicht.  Vor  allem 
mussten,  falls  das  noch  nicht  geschehen  ist,  auch  nicht  beamtete  Sach¬ 
verständige,  welche  über  eine  ausreichende,  praktische  Tätigkeit  auf 
dem  Gebiete  der  gerichtlichen  Psychiatrie  verfügen,  über  die  Anwend¬ 
barkeit  und  Bi  auchbarkeit  des  neuen  Tarifes  gehört  werden,  bevor  er 
wieder  dem  Abgeordnetenhause  zugeht. 

a  u  ’!  ^erausfe£el+n  von  P  e  t  r  i  und  Wegner,  Berlin  1900,  Verlag 
Albert  Nauck  &  Co.,  S.  23,  34. 


t 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2339 


In  Sachsen  wird  nach  der  Sächsischen  Gebührentaxe  vom 
19  März  1900  liquidiert,  doch  gibt  es  im  einzelnen  mannigfache  Ge¬ 
pflogenheiten.  In  den  Grossstädten  finden  sich  Gerichtsarzte  mit 
Fixum;  Bezirksärzte  erhalten  für  Armensachen  ein  kleines  Fixum. 

Entmündigungsgutachten  werden  von  zahlungsfähigen  Patienten 
mit  5_20  Mark  entlohnt.  Berufsgenossenschaften  zahlen  5— 100  Mark. 

In  strafrechtlichen  Gutachten  wird  selten  über  50  Mark  hinaus¬ 
gegangen  doch  kommen  auch  Liquidationen  von  100  Mark  vor. 

"  In  Württemberg  existiert  die  Kgl.  Verordnung,  betreffend 
die  Gebühren  der  Aerzte  etc.,  vom  17.  März  1899.  §  8:  Für  ein 

von  der  Behörde  verlangtes  ausführliches,  mit  wissenschaftlichen 
Gründen  unterstütztes,  nicht  bereits  im  Termin  zu  Protokoll  ge¬ 
gebenes  Gutachten,  es  mag  sowohl  den  körperlichen  oder  geistigen 
Zustand  einer  Person  betreffen . 8—25  Mark. 

Ausnahmsweise  darf  über  den  Höchstsatz  bis  zum  1%  fachen 
hinausgegangen  werden  in  solchen  Fällen,  in  denen  die  Leistung  einen 
so  ausserordentlichen  Aufwand  von  Zeit,  Muhe  und  Fleiss  erfordert, 
dass  derselbe  selbst  durch  den  Höchsttaxsatz  nicht  vergütet  sein 

9-  Sind  zu  der  verlangten  sachkundigen  Ermittelung  besondere 
Besuche  nötig,  für  jeden  Besuch  2-4  Mark.  Falls  mehr  als  3  Vor¬ 
besuche  nötig  sind,  ist  darüber  an  die  auftraggebende  Behörde  zu 

berichten..  ^  ärztiicjien  Mitglieder  des  Medizinalkollegiums  und 
die  Direktoren  der  Staatsirrenanstalten  haben  für  Obergutachten  den 
P/2  fachen  Betrag  der  Sätze  in  8  und  9  zu  beanspruchen. 

§  13:  Für  das  Anwohnen  bei  Terminen  kommen  in  Betracht  als 
Reisekosten:  Rückfahrkarte  2.  Klasse,  für  Auslagen  eine  einfache 
Karte  2  Klasse.  Für  Mühewaltung  Diäten  nach  besonderem  Re¬ 
gulativ  (für  den  Direktor  13  Mark  für  einen  vollen  Tag  mit  Ueber- 
nachten)  und  für  mündliche  Begutachtung  4—10  Mk.,  wenn  ein  schrift¬ 
liches  Gutachten  nicht  vorliegt  ....  6—16  Mark. 

Im  Grossherzogtum  Baden  wird  in  Straf-  und  Zivilsachen  nach 
Stundenberechnung  liquidiert,  die  Stunde  zu  2  Mark.  Im  komplizierten 
Fällen  mit  grossem  Aktenmaterial,  auch  in  Strafsachen,  kommen 
manchmal  erheblich  grössere  Beträge  als  bisher  erwähnt  in  Frage 
(Für  beamtete  Aerzte:  Badisches  Gesetz-  und  Verordnungsblatt  1887.1 

Die  Stundenberechnung  darf  nicht  engherzig  sein,  sonst  hatte 
sie  das  Bedenkliche,  dass  ein  umständlicher,  schwerfälliger  Gut¬ 
achter  sich  eigentlich  besser  dabei  steht  als  ein  erfahrener,  flott  ar¬ 
beitender  Sachverständiger. 

Im  Grossherzogtum  Hessen  betragen  die  Satze  des  Gut¬ 
achtens:  10  Mk,  für  Aktenstudien.  2 — 8  Mk.  für  Voruntersuchungen, 
20  Mk.  für  das  motivierte  Gutachten,  also  38  Mk.  in  Maximum. 

Bei  grösseren  Gutachten  wird  aber  doch  höher  liquidiert. 

Die  Anstaltsärzte  berechnen:  1.  Aktenstudien  20  Mk..  2.  Vorunter¬ 
suchungen  20  Mk..  mit  der  Motivierung,  dass  sie  nachtragach  er¬ 
gebenst  um  Bewilligung  dieses  Satzes  in  Hinblick  auf  die  umständ¬ 
lichen  Aktenstudien  bezw.  Voruntersuchungen  ersuchen.  3.  Gu 

achten  20  Mk.  ,  ,  ,  „„ 

Manchmal  wird  auch  nach  Reichsgebührenordnung  die  Stunde  zu 

2  Mk.  berechnet.  u  i 

In  der  rührigen  Vereinigung  für  gerichtliche  Psvchologie  und 

Psychiatrie  im  Grossherzogtum  Hessen  wurde  die  Frage  schon  be¬ 
stochen,  wobei  alle  Staatsanwälte  einstimmig  erklärten,  dass  grosse 
Gutachten  eine  andere  Honorierung  beanspruchen  müssten. 

In  Bayern  habe  ich  früher  mehrfach  nach  der  Reichsgebühren¬ 
ordnung  liquidiert,  so  noch  von  3  Jahren  in  einem  Falle,  in  em  ~m 
Beamter  auf  §  51  Str.G.B.  zu  begutachten  war.  und  die  Gebühren 
da  der  Betreffende  insolvent  war.  jedenfalls  der  Staatskasse  zur  Last 
fielen.  Angesichts  der  ausserordentlich  komplizierten  Natur  des 
Falles,  einer  riesigen  Aktenmenge  und  auch  der  bereits  vorliegenden 

3  Gutachten  war  eine  neuerliche  Begutachtung  meinerseits  unge¬ 

mein  zeitraubend  und  anstrengend,  zumal  die  lang  ausgedehnte  Be- 
obachtung  durch  Besuche  im  Untersuchungsgefängnis  zu  bewerk¬ 
stelligen  war.  Das  Aktenstudium  erforderte  gegen  20  Stunden,  etwa 
25  Stunden  betrug  die  auf  mehrere  Wochen  verteilte,  exoerimentell- 
Dsvchologische  und  andere  Methoden  erfordernde  ärztliche  Unter¬ 
suchung  im  Gefängnis,  das  Gutachten  belief  sich  auf  120  Seiten  und 
erforderte  allein  schon  eine  Kooiergebühr  von  18  Mk.  Nach  einigen 
Verhandlungen  mit  dem  Landgerichte  wurden  schliesslich  Mk.  184.50 
auf  spezifizierte  Liauidation  ausbezahlt.  ,  ,  ,. 

Seit  2  Jahren  jedoch  werden  alle  Liquidationen  beanstandet,  die 
irgendwie  über  die  K.  A.  V.  vom  17.  November  1902  hinausgehen, 
d  h  es  wurden  lediglich  10  Mk.  nach  §  3  No.  8  der  K.  A.  V.  vom 
17  November  1902  für  ein  Gutachten  bezahlt,  ganz  einerlei  wie  viel 
Mühe  und  Zeit  es  verursacht  hat.  Es  sind  mehrfach  nur  10  Mk 
bezahlt  worden  für  Gutachten  von  20—30  Seiten  in  Maschinenschrift. 
Es  kommen  auf  diese  Weise  manchmal  Stundenhonorare  heraus,  die 
nahe  an  die  Dienstmannstaxe  von  50  Pf.  heran  reichen. 

Von  vornherein  ist  die  nur  dem  Laien  auf  die  Lioben  kommende 
Frage  zu  beantworten:  warum  macht  man  so  ausführliche  Gutachten. 
Lässt  sich  dasselbe  nicht  auch  viel  kürzer  sagen?  Lesen  die  Richter 
überhaupt  das  Gutachten  oder  nur  sein  Resümee?  Hier  ist  zu  be¬ 
tonen.  dass  es  eben  in  erster  Linie  komplizierte  und  vie  fach  schon 
vorbegutachtete  Fälle  sind,  deren  erschöpfende,  womöglich  gegen¬ 
über  den  früheren  Gutachten  ganz  neue  Seiten  berührende  sachver¬ 
ständige  Würdigung  eben  ein  Eingehen  auf  alle  Einzelheiten  und  ein 


sorgfältiges  Abwägen  des  Für  und  Wider  auch  in  diagnostische!  Hin¬ 
sicht  erfordert.  Wer  es  mit  der  Sachverständigentätigkeit  ernst 
nimmt,  der  kann  nicht  auf  den  blossen  Eindruck  etwa  der  Hauptver¬ 
handlung  oder  einer  flüchtigen  Durchsicht  der  Anklageschrift  hin 
aussagen  sondern  muss  alles  verfügbare  Material  so  eingehend  und 
sorgfältig  berücksichtigen,  wie  es  seine  Gewissenhaftigkeit  ihm  zur 
Pflicht  macht. 


Nun  ist  eine  gelinde  Besserung  eingetreten  durch  den  Beschluss 
des  Obersten  Landesgerichts  München  vom  23.  April  1903,  nach  dem 
dieVorbereitungdes  Gutachtens  nach  Ziffer  7  besonders 
zu  entlohnen  ist.  Es  können  nun  also  bei  zeitraubenden  Unter¬ 
suchungen  und  Beobachtungen  noch  10  Mk.  extra  angesetzt  werden. 
Aber  auch  das  ist  wenig  genug.  In  einer  Begutachtungsangelegen¬ 
heit  belief  sich  danach  noch  das  Stundenhonorar  auf  nicht  ganz  8/  . 

Gelegentlich  wird  auch  gerichtlicherseits  behauptet,  dass  diese  Ge¬ 
bühr  sich  lediglich  auf  Untersuchungen  des  Rubnkaten,  nicht  aber  auf 
Aktenstudium  beziehe.  Kürzlich  sprach  sich  wieder  eine i Entscheidung 
des  Obersten  Landgerichts  vom  5.  April  1907,  Reg.  No.  345  07  (Blatter 
für  das  bayerische  Finanzwesen,  B.d.  XV,  S.  191),  dahin  aus,  dass 
Aerzte,  die  zu  einer  Dienstleistung  berufen  wurden,  für  ^  Zeitauf¬ 
wand  zum  Studium  der  Akten  n  i  c  h  t  s  zu  beanspruchen  haben.  Mit 
welchem  Recht  wird  den  Aerzten  zugemutet,  dass  sie  das  zur  Be¬ 
gutachtung  doch  unerlässliche  Aktenstudium,  das  bei  mir  m  dem  am 
1.  Juli  abgelaufenen  Jahr  80  Arbeitsstunden  betrug,  ohne  Entschädi¬ 
gung  leisten  müssen?  Um  so  bedenklicher  ist  eine  so. che  Ein¬ 
schränkung,  als  bei  mancher  Art  der  Begutachtung,  bei  Testaments¬ 
anfechtungen,  ja  die  Untersuchung  des  Rubrikaten  wegfallt,  dagegen 
das  Aktenstudium  meist  ungemein  umständlich  and  zeitraubend  ist. 

Eine  herbe  Ungerechtigkeit  war  es  auch,  dass  mehrfach  d  i  e  E  n  t- 
schädigung  für  B  aarauslagen  an  den  Ko  P*s 
strichen  wurde  mit  der  Motivierung,  es  sei  ja  e'"schrlühches  Gut¬ 
achten  verlangt  und  ein  solches  würde  eben  mit  10  Mk.  liquidiert.  In 
Fällen  ausführlicher  Gutachten  hätte  also  der  Sachverständige  die 
Wahl,  seine  kostbare  Zeit  durch  rein  mechanische  Schreibarbeit  zu 
vertrödeln  oder  aber,  wenn  es  sich  um  mehr  als  10  Mk.  Kopie¬ 
gebühr '  handelt,  für  die  Sachverständigentätigkeit  noch  aus  eigener 
Tasche  darauf  zu  zahlen. 

Neuerdings  wurde  jedoch  eine  Entscheidung  des  Obersten  Eandes- 
gerichtes  vom  31.  Dezember  1906  gefällt  (Revisionssregister  1128  06, 
Blätter  für  Rechtsanwendung  1907.  S.  261).  nach  der  auch  Ab¬ 
schriften  von  Gutachten  als  wirklicher  Aufwand  zu  er¬ 
statten  sind  nach  §  5  K.  A.  V.  vom  17.  November  1902,  so  gut  wie 
andere  Auslagen  für  Gehilfen  bei  Sektionen  chemischen  Unter¬ 
suchungen  usw.  Diese  Entscheidung  scheint  bei  den  zuständigen  Stel¬ 
len  noch  wenig  bekannt  zu  sein,  denn  nicht  nur  in  Wurzburg,  son¬ 
dern  auch  nach  einem  Beschlüsse  der  I.  Strafkammer  des  Kgl  Land¬ 
gerichtes  Nürnberg  vom  5.  Januar  1907  wurde  Liquidation  für  Schreib- 

^'^  Es'wurde  mir  auch  schon  die  Höhe  der  Kooiegebiihr  beanstandet 
mit  der  Bemerkung,  dass  nicht  mehr  als  10  Pf.  für  die  Seite  bezahlt 
werden  dürfe.  Wenn  es  sich  nun,  wie  es  in  einem  modernen  Be¬ 
triebe  selbstverständlich  sein  sollte,  um  die  weit  lesbarere  und  mehr 
auf  die  Seite  fassende  Maschinenschrift  handelt,  so  wird  man  kernen 
Maschinenschreiber  finden,  der  so  töricht  wäre,  für  10  Pf.  die  Seite 

zu  arbeiten.  .  n 

Ich  pflege  nun  die  Liquidation  so  einzurichten,  dass  ich  10  Mk. 
ansetze  für  das  Gutachten  nach  K.  A.  V.  vom  17.  November  190-, 
Anhang  zu  §  3.  No.  8.  ferner  10  Mk.  für  Aktenstudium und  Vorbe¬ 
reitung  unter  Hinweis  auf  die  oberstlandesgerichthche  -n  s<  ei- 
dung  vom  23.  Aoril  1903.  und  schliesslich  die  Kpoieauslagen  unter  Hin¬ 
weis  auf  die  oberstlandesgerichtliche  Entscheidung  vom  31.  Dezem- 

hCr  Trotz  dieser  Hinweise  und  Belege  wurde  mir  ^'TzJich  noch  die 
10  Mk -Gebühr  für  Vorbereitung  zu  einem  schwureerichthchen  lei  min, 
Aktenstudium  und  mehrere  Untersuchungen  im  Gefängnisse  erst  nach 
einem  besonderen,  schriftlich  ausgefertigten  Beschluss  des  beteiligten 
Richterkollegiums  angewiesen.  _ 

Betonen  will  ich  noch,  dass  diese  Gebühren  lediglich  Falle  be¬ 
trafen  bei  denen  die  Staatskasse  zahlungspfhchtig  ist.  Al  er  da. 
ist  eben  die  überwiegende  Majorität  der  einschlägigen  Falle,  vor  allem 
wird  ihre  Zahl  noch  dadurch  erhöht,  dass  auch  im  ZwOnrozesse  selbst 
ziemlich  wohlhabenden  Leuten,  die  ihre  Sohne  auf  der  Universität  stu¬ 
dieren  lassen,  manchmal  das  Armenrecht  verliehen  wird. 

Wie  verhält  es  sich  nun  mit  der  Bestimmung  des  U  K.  A.  . 
vom  17  November  1902,  wonach  die  beteiligten  Ministerien  ermächtigt 
sind,  im  Benehmen  mit  dem  Staatsministerium  der  Finanzen  in  b  e - 
sonderen  Fällen  einen  höheren  Betrag  zu  bewilligen  . 

Dass  es  wenig  angenehm  und  auch  kaum  sehr  würdevoll  ist, 
wenn  man  wesen  einer  Liauidationssache  2  Ministerien  .  m  Tat.ske, 
setzen  muss,  ging  schon  aus  den  Ausfuhrungen  Direktor  Vockes 
hervor.  Eine  grosse  Schwierigkeit  ist  es  auch,  zu  sagen  was 
besondere  Fälle?  Von  Rechts  wegen  sind  alle  diejenigen  r alle,  m 
denen  nicht  der  Gerichtsarzt,  sondern  ein  Psychiater  als  Spezialist 
herangezogen  wird,  in  denen  es  sich  vor  allem  um  eine  zweite  oder 
spätere  Begutachtung  in  einer  bereits  verhandelten  Angelegenh 
handelt,  kurzum  alle  komplizierten  Fälle  als  besondere  Falle  zu  er¬ 
achten. 


234 0 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


öesondere  Umstande  er  erfordern. 

,  Wenn  also  die  Umstände  eines  Falles  so  besondere  sind  da« 

S.ä„2,k'C,  ^rZlnicht  Treicht-  50  darin  auch  schon  da"  Z^ge 
5  «  besonderen  Kompliziertheit,  und  somit  wäre  es 

sie  desfl2  v“  a!5  b  e  i°  "  d  e  r  e  Fälle  auch  im 
inne  des  §  1 2  K.  A.  V.  vom  17.  November  1902  aufzufassen. 

bereits,^s^tbTsondeSrs*tkomplizierf‘‘^Uäu^E:efasst'UwerdenS  wenn^der 
eLrC  Ansta|tteüdbe™iesenUfi°h""<i  deS  §  *'  S,-P'°'  0der  §  656  ZP0- 

i  in,  ,nriaxl  stebt  es  iedocii  viel  schwieriger.  Ich  habe  mehrfach 
den  S  I-  herangezogen,  schon  aus  Interesse,  seine  Handhabung  kennen 

hebe  Tcht Y,T  He  ef  "iCht  besonders  zähe  Ncr™'  bat,  der  wende  ih" 

unS%i„T„hUkdhtlichYnVzeeTtaXhaUeiCh“Ch  Aerger'  "e“£  U"kost£" 

ÄSe^ss?s^rehShS 

angestellt  emen  1  /»  stundigen  Termin  wahrgenommen,  ein  Attest  und 

aChtin  vonT32  Seiten  geliefert  bei  einer  zahlungsfähig  er- 
scheinenden  brau  Ich  liquidierte  mit  Kopialien  Mk.  135.40.  Der  Ent- 

S  d?e  sfaatS  USS  7Urde  meinem  Grachten  entsprechend  abge- 

eiJf’Rdedukbni  d^r^T  ^S?mit  dieg  Kn?Sten  und  es  erfoI^te  daraufhin 
eine  Keduktion  der  Liquidation  auf  Mk.  80.40.  Ich  reichte  an  das 

Ministerium  ein  Gesuch  ein  nach  §  12  der  K  A  V  vom  17  No 

vember  1902,  das  abschlägig  beschieden  wurde. 

l  0  •  I\acd  e*n'Ker  Zeit  stellte  das  Stadtrentamt  Antrag  auf  Gebühren- 

statfflnSnvonSM  n,euerliabe  Herabsetzung  meiner  Gebühren 

Mammaen  von  M.  80.40  auf  nur  M.  22.40,  was  nebenbei  vesa;rt  hoi 

spräcI^ereChnUnS  aUf  Zeit  6iner  Honorierung  mit  40  Pf.  pro  Stunde  ent- 
Das  Amtsgericht  lehnte  den  Antrag  des  Rentamts  ab  während 
Mkra32h,40  sMt  Ä  h,dem  £S  die  auf 

stenum  der  Justiz  im  Einverständnis  mit  dem  Staatsministerium  der 
inanzen  gestattete  daraufhin,  dass  als  Vergütung  für  das  grosse  Gut- 
achten  der  Betrag  von  50  Mk.  statt  der  niedrigsten  Gebm™  aus  der 
Staatskasse  gezahlt  werde.  Daraufhin  erhielt  ich  Mk.  72  40  oder 
vielmehr  ich  musste  von  den  vorher  mit  ministerieller  Zustimmung 
bereits  ausbezahlten  Mk.  80.40  wieder  8  Mk.  unter  der  üblichen  An¬ 
statt^  61ner  Plandmig  binnen  8  Ta^en  an  das  Rentamt  zurücker- 

c,  +,,)y,as  der  Aufwand  für  die  geistige  und  Schreibarbeit  in  dem 
stattlichen  Aktenstoss  über  diese  Liquidation  betragen  haben  mag 

zahlten  S^MkTan61”  ?LdÜr+ft?  aber  die  sch!iesslicb  zurückbe- 

zaniten  8  Mk.  ganz  erheblich  ubersteigen. 

nM,vigr°nSehD  ne-un  unserer  gutachtlichen  Tätigkeit  her  ein  uner- 
quickhches  Bemühen  um  eine  einieermassen  standesgemässe  Ent¬ 
schädigung  für  die  aufgewendete  Mühe.  Nicht  vergessen  darf  wer¬ 
den,  dass  wir  als  osvchiatrische  Sachverständige  neben  unserer  Arbeit 
auch  noch  besondere  Unannehmlichkeiten  in  Kauf  nehmen,  die  keine 
andere  medizinische  Disziplin  kennt,  namentlich  fortgesetzte  Angriffe 
seitens  der  Oeffentlichkeit  wegen  unserer  Tätigkeit.  Ein  Teil  der 
Presse  kann  sich  nicht  genug  tun.  geradezu  die  Zunahme  der  Ver¬ 
brechen  auf  das  Konto  der  Exkuloierungen  infolge  psvchiatrischer 
I Begutachtung  zu  setzen.  Bald  nachdem  ich  kürzlich  vor  dem  Schwur- 
NoVp  ’lV  «wi  !ml?ezI,Ie,n’  der  die  Volksschule  in  Niederbayern  mit 
Sn  M  h  abSu°+,Vie"te  u,nd  aus  geringfügigem  Anlass  seinen  schlafen- 
den  Mitknecht  in  der  plumnsten  Weise  getötet  hatte,  für  minderwertig 

rr  ;!d  ,a  te  und  nun  die  Bestrafung  wegen  Totschlags  statt  Mordes 
ermöglicht  war,  wurde  diese  mildere  Bestrafung  seitens  eines  ge¬ 
lesenen  Blattes  geradezu  als  die  durch  die  Sachverständigen  ver¬ 
anlagte  Herausforderung  zu  einer  zweiten  Bluttat  bezeichnet,  bei  der 
ein  Knecht  seinen  Genossen  im  Schlafe  umgebracht  und  dann  beraubt 
hatte,  somit  ein  zweifelloser  Raubmord  begangen  war. 

,,„c  Ps  .s'ch  nicht  leugnen,  dass  die  oben  geschilderten  Zustände 
unseres  Liouidationswesens  wenig  haltbar  sind 

Vergleicht  man  die  Gebührenverhältnisse  Bayerns  mit  denen  der 
anderen  Staaten,  so  muss  man  zugeben,  dass  sie  hier  mag  auch 

rser  In  Rad^n  und  Dessen  manches  zu  wünschen  übrig 
bleiben,  doch  im  ganzen  das  unerfreulichste  Bild  darbieten 

So  berechtigt  es  auch  ist.  dass  die  Mittel  der  Staatskasse  nur  in 
7^tok(]nom‘schsten  Weise  verwendet  werden,  so  ist  der  geschilderte 
Zustand  mit  seiner  kleinlichen  Honorardrückerei,  die  in  manchen 
ba  len  bis  zu  einem  Stundenlohn  gelangt,  gegen  den  sich  ieder  bessere 
Ttidustriearbdter  mit  Recht  verwahren  würde,  der  Würde  unserer 
Rechtspflege  wie  auch  des  ärztlichen  Standes  keineswegs  angemessen 
Um  so  weniger  sollte  gerade  das  juristische  Ressort  unseres  Staats¬ 
wesens  auf  ein  derartiges  Sparen  um  jeden  Preis  ausgehen,  "als  es 
gerade  (he  odent  ichen  Mittel  am  wenigsten  in  Anspruch  nimmt  ja 

Sä'ÄwT WtrWU  V0"  Qe'dStrafe"  “  dC"  Staatsei'’k""f^" 

7.,  Es  emofiehlt  sich  daher  meines  Erachtens,  ärztlicherseits  von 
Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  darauf  hinzuweisen,  dass  es  im  Interesse 
einer  geordneten  Rechtspflege  liegt,  wenn  bei  Erstattung  von  Gut¬ 


achten  in  komplizierten  Fällen  wenigstens  einigermassen  der  Auf¬ 
wand  von  Zeit  und  Mühe,  der  zu  einer  gewissenhaften,  befriedi¬ 
genden  Erledigung  des  Falles  unerlässlich  ist,  auch  wirklich  vergütet 
wird. 

Daher  möchte  ich  eine  an  die  Ministerien  zu  richtende,  abermalige 
Resolution  im  Sinne  der  von  V  o  c  k  e  angeregten  Vorschlägen,  und 
gleichzeitig  eine  Eingabe  betreffs  einer  besseren  Berücksichtigung 
der  spezifisch  psychiatrischen  und  neurologischen  Tätigkeit  in  der 
Gebührenordnung  überhaupt.  Zweckmässig  würde  die  ganze  Aktion 
unterstützt  werden  durch  eine  Fühlung  mit  dem  Medizinalbeamten¬ 
verein. 

Während  in  der  Gebührenordnung  für  die  Gynäkologen  und 
Chirurgen  und  ganz  besonders  für  Zahnärzte  bei  den  unscheinbarsten 
Handgriffen  eine  besondere,  namhafte  Vergütung  vorgesehen  ist,  wird 
die  geistige  Arbeit  des  Psychiaters  nur  ganz  pauschal  mit  beschei¬ 
denen  Sätzen  bedacht  und  manche  Verrichtungen,  wie  die  Hypnose, 
existieren  überhaupt  nicht  für  die  Gebührenordnung. 

Ich  möchte  daher  folgendes  beantragen: 

L  Es  möge  seitens  des  bayerischen  Psychiatervereins  eine  Kom¬ 
mission  eingesetzt  werden,  die  bestimmte  Vorschläge  formuliert: 

a)  für  die  Liquidation  psychiatrischer  Begutachtung  vor  Ge¬ 
richt,  und 

b)  für  die  Stellung  psychiatrisch-neurologischer  Verrichtungen 
in  der  Gebührenordnung: 

2.  es  möge  der  Vorstand  zur  weiteren  Verwertung  dieser  Vor¬ 
schläge  in  Fühlung  treten  mit  dem  Medizinalbeamtenverein: 

3.  es  möge  der  Vorstand  mit  Unterstützung  des  Medizinalbeamten¬ 
vereins  in  dieser  Angelegenheit  eine  entsprechende  Eingabe  an  die 
einschlägigen  Ministerien  richten. 

(An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  lebhafte  Debatte  an;  s.  d. 
No.  S.  2357.) 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

L.  P  f  a  u  n  d  1  e  r  -  Graz:  MüIIer-Pouillets  Lehr¬ 
buch  der  Physik  und  Meteorologie  in  vier  Bänden.  2.  Band, 
1.  Abteilung,  3.  Buch:  Die  Lehre  von  der  strahlenden  Energie 
(Optik)  von  O.  L  u  m  m  e  r  -  Breslau.  10.  umgearbeitete  und 
vermehrte  Auflage.  _  880  Seiten  mit  754  Abbildungen  im  Text 
und  8  zum  Teil  farbigen  Tafeln.  Verlag  von  F.  Vieweg  und 
Sohn.  Braunschweig  1907.  Preis  15  Mk. 

Die  im  3.  Buche  des  gross  angelegten,  von  L.  P  f  a  u  n  d  - 
1  e  r  neu  herausgegebenen  MülLer-Pouillet  sehen  Lehr¬ 
buches  zur  Darstellung  gelangende  Optik  hat  der  Verfasser, 
O.  Lum  m  e  r,  vom  Standpunkte  des  modernen  Physikers  aus 
neu  bearbeitet,  was  zu  vielfachen  Aenderungen  gegenüber  der 
9.  Auflage  geführt  hat.  In  16  Kapiteln  werden  nunmehr  nach¬ 
einander  behandelt:  Das  Wesen,  die  Fortpflanzung  und  die 
Stärke  des  Lichtes  —  Reflexion  und  Brechung  des  Lichtes 
an  ebenen  Flächen  —  Reflexion  und  Brechung  des  Lichtes  an 
Kugelflächen  —  Prismatische  Farbenzerstreuung  —  Abbildung 
im  Sinne  der  Wellenlehre  —  Aberrationsfreie  spiegelnde  und 
brechende  Flächen,  kaustische  Kurven,  Astigmatismus  —  Er¬ 
weiterung  des  Abbildungsgebietes  bei  zentrierten  optischen  Sy¬ 
stemen  —  Das  Auge  und  die  Gesichtsempfindungen  —  Ueber 
die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwir¬ 
kung  optischer  Systeme  —  lieber  die  optischen  Instrumente  — 
Spektralanalyse  —  Umwandlung  strahlender  Energie  in  sicht¬ 
bare  Energie  —  Interferenz  des  Lichtes  —  Beugung  des  Lichtes 
Geiadlinige  Polarisation  des  Lichtes  —  Von  der  doppelten 
Brechung. 

Die  richtige  Würdigung  des  von  einer  Autorität,  wie  es 
O.  Lummer  auf  dem  Gebiete  der  Optik  ist,  Gebotenen,  muss 
einem  Fachmanne  überlassen  bleiben,  der  Mediziner  wird  bei 
der  Fülle  des  behandelten  Materials  wohl  schwerlich  in  die 
Lage  kommen,  .eine  gewünschte  Belehrung  in  dem  Buche 
nicht  zu  finden.  Sein  besonderes  Interesse  verdient,  was  im 
dritten  Kapitel  über  die  Brechung  an  beliebig  vielen  Kngel- 
flächen  mit  gemeinschaftlicher  Achse  wegen  der  Anwendung 
auf  das  Auge,  im  vierten  über  Spektrum  und  Spektrometer,  im 
fünften  über  die  Elemente  der  W^llenlehre,  im  sechsten  über 
Astigmatismus,  im  siebenten  über  Abbildungsfehler  mitgeteilt 
vird.  Ein  ganzes  Kapitel,  das  achte,  ist  der  physiologischen 
Optik  gewidmet.  Im  neunten  wird  die  Abbe  sehe  Lehre  von 
er  mikroskopischen  Bilderzeugung  und  das  Ultramikroskop,  im 
zehnten  die  optischen  Instrumente,  wie  photographische  Sy¬ 
steme  Projektionsapparate,  Mikroskop,  Fernrohr  und  Teleskop, 
im  elften  die  Spektralanalyse,  im  zwölften  Photochemie  und 
stehende  Lichtwellen,  welche  nach  einer  neuen  von  Raehl- 
m  a  n  n  ausgesprochenen  I  heorie  des  Sehens  auch  im  Auge  in 


1$.  November  190?. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Betracht  kommen  sollen,  besonders  berücksichtigt. 

Eine  Zierde  auch  dieses  Buches  sind  die  ausserordentlich 
zahlreichen,  tadellosen,  zum  Teil  farbigen  Abbildungen.  Das 
Buch  verdient  in  medizinischen  Kreisen,  welche  heute  mehr 
denn  je  der  Physik  im  allgemeinen  und  der  Optik  im  speziellen 
bedürfen,  die  weiteste  Verbreitung.  B  ii  r  k  e  r  -  Tübingen. 

H  e  i  d  e  n  h  a  i  n  M.:  Plasma  und  Zelle.  Erste  Abtei¬ 
lung:  Allgemeine  Anatomie  der  lebendigen  Masse.  Erste 
L  i  e  f  e  r  u  n  g:  Die  Grundlagen  der  mikroskopischen  Anatomie, 
die  Kerne,  die  Zentren  und  die  Granulalehre.  Jena  1907.  G. 
Fischer.  506  Seiten.  20  (16)  Mk. 

Die  vorliegende  Abhandlung  stellt  zugleich  die  14.  Liefe¬ 
rung  des  „Handbuchs  der  Anatomie  des  Menschen“,  heraus¬ 
gegeben  von  K.  v.  Bardeleben,  dar  und  die  erste  Lieferung 
der  Bearbeitung  der  Zelle  für  dieses  Handbuch.  H.  wählt  aber 
den  Titel  Plasma  und  Zelle,  womit  die  gesamte  lebendige  Ma¬ 
terie  des  Körpers  bezeichnet  werden  soll,  da  diese  nicht  aus¬ 
schliesslich  in  der  Form  „der  Zelle“,  sondern  auch  als  Inter¬ 
zellularsubstanz  etc.  vorkommt. 

Die  Darstellung  ist  eine  äusserst  eingehende  und  auf  brei¬ 
tester  Grundlage  angelegte,  welche  nicht  nur  auch  die  niederen 
Tiere,  sondern  selbst  die  pflanzliche  Zelle  vielfach  zum  Ver¬ 
gleiche  heranzieht.  In  der  vorliegenden  Lieferung  werden  be¬ 
handelt:  1.  Die  Grundlagen  der  mikroskopischen  Anatomie, 
wobei  ausser  einer  historischen  Einleitung  über  die  Entwick¬ 
lung  der  Zellenlehre  die  Theorie  der  Zellen  und  Gewebe  Haupt¬ 
gegenstand  der  Darstellung  ist.  2.  Die  Kerne  (Einleitung,  Hi¬ 
storisches;  lebender  Zustand,  Konservierung,  Färbung,  Chemie 
des  Kernes;  Anatomie  des  Kernes).  3.  Die  Zentren  (Nomen¬ 
klatur,  Geschichtliches,  Technik;  Zentriol,  Zytozentrum  oder 
Mikrozentrum,  Zentrosom  und  Sphäre  in  ihrem  gegenseitigen 
Verhältnis;  Morphologie  der  Zentren  Geissein  und  Zilien  in 
Verbindung  mit  den  Zentren;  Ubiquität  der  zellulären  Zentren 
und  Entstehung  der  Zentren  de  novo;  Verhältnis  der  Zentren 
zur  Mitose.  Der  Teilungsvorgang  bei  Mikrozentren  und  Zen¬ 
tralen;  Physiologische  Eigenschaften  der  Zentren).  4.  Die 
Granulalehre  (Lehre  Altmanns,  Drüsengranula,  Pigment¬ 
körner,  Mitochondria,  granuläre  Fettsynthese,  vitale  Granula¬ 
färbungen,  Kritik  und  Wahrheitsgehalt  der  Granulalehre,  Pro- 
tomerentheorie).  Die  Abhandlung  ist  mit  zahlreichen,  z.  T. 
mehrfarbigen,  fast  durchweg  ausgezeichneten  Abbildungen  ver¬ 
sehen.  Prof.  S  o  b  o  1 1  a  -  Würzburg. 

Prof.  Dr.  Georg  Sultan:  Grundriss  und  Atlas  der  spe¬ 
ziellen  Chirurgie.  I.  Teil.  J.  F.  Lehmanns  Verlag.  Mün¬ 
chen  1907.  Preis  geb.  M.  16.  ... 

Die  vorliegende  erste  Hälfte  der  speziellen  Chirurgie,  wel¬ 
cher  die  2.  Hälfte  als  Schluss  bald  folgen  soll,  umfasst  die 
Chirurgie  des  Kopfes,  Halses,  des  Thorax  und  der  Wirbelsäule 
inkl.  Rückenmark.  Der  Verfasser  war  bestrebt,  ein  kurz  ge¬ 
fasstes,  jedoch  alles  wesentliche  enthaltende  Buch  mit  dem 
Atlas  zu  verbinden.  Die  farbigen  Tafeln  und  Textabbildungen 
stammen  grossenteils  aus  'dem  Material  der  Göttinger  chirui- 
gischen  Klinik  von  Geh. -Rat  Braun,  z.  T.  aus  der  eigenen 
Beobachtung  des  Verfassers,  welcher  als  Chirurg  des  Kranken¬ 
hauses  Berlin-Rixdorf  über  ein  grosses  Material  verfügt.  Die 
Ausstattung  ist  glänzend;  die  Tafeln  sind  von  vollkommener 
Schönheit.  Der  Verf.  hat  es  aber  auch  verstanden,  den  Künst¬ 
lern  Schmitson  und  Braune  die  beste  Anweisung  zu 
geben.  Ich  finde  die  Darstellung  der  Hirnkompression  durch 
einen  meningealen  Bluterguss  auf  Tafel  1,  des  Carcinoma 
mammae  mit  ausgebreiteten  Hautmetastasen  auf  Taf.  37,  der 
Stauungsblutung  an  Kopf  und  Hals  nach  Rumpfkompression  auf 
Tafel  33  unübertrefflich  schön.  Höchst  originell^  sind  die  T  a- 
feln  14  und  15,  welche  die  Durchleuchtung  der  Stirnhöhle  und 
der  beiden  Highmorshöhlen  im  Dunkelzimmer  darstellen.  Im 
ganzen  enthält  der  Band  40  Tafeln  und  218  Textabbildungen 
auf  446  Seiten,  so  dass  eine  Fülle  typischer  Befunde  zur  bild¬ 
lichen  Darstellung  gebracht  ist.  H  e  1  f  e  r  i  c  h. 

Hans  G  a  z  e  r  t:  Proviant  und  Ernährung  bei  der  deutschen 
Südpolarexpedition  1901 — 1903.  VII.  Bd.,  1.  Heft  aus  „Deutsche 
Südpolarexpedition  1901—1903“.  Herausgegeben  im  Aufträge 
des  Reichsamtes  des  Innern  von  Erich  v.  D  r  y  g  a  1  s  k  i.  Ber¬ 
lin  1906.  Georg  Reimer.  73  Seiten.  Folio.  Preis  M.  7.50. 


2341 


Unter  den  Veröffentlichungen  über  die  Ergebnisse  der  deut¬ 
schen  Südpolarexpedition  dürfen  besonders  die  vom  Arzt  der 
Expedition,  Dr.  H.  G  a  z  e  r  t  niedergelegten  Erfahrungen  über 
den  Proviant  und  die  Ernährung  während  der  2  jährigen  Dauer 
der  Forschungsreise  Anspruch  auf  weiteres  Interesse  in  medi¬ 
zinischen  Kreisen  erheben.  Es  genügt  ein  Blick  in  die  ausführ¬ 
lichen  Mitteilungen,  um  zu  sehen,  wie  ausserordentlich  schwie¬ 
rig  und  mühevoll  die  Verproviantierung  einer  derartigen  Ex¬ 
pedition  ist,  wie  aber  auch  andererseits  eine  mit  Umsicht  und 
Sachkenntnis  geleitete  Zusammenstellung  des  wichtigsten  Teiles 
der  Ausrüstung  das  Unternehmen  fördern  half.  Drei  Punkte 
sind  dabei  zu  berücksichtigen :  Die  Mitnahme  genügen¬ 
der  Mengen,  eine  grösstmögliche  Abwechs¬ 
lung  in  der  Ernährung  und  die  Erhaltung  des 
Proviants  in  gutem  Zustande. 

In  dieser  Beziehung  hat  Verf.  bei  seiner  Auswahl  durchaus 
das  Richtige  getroffen,  so  dass  nach  der  Rückkehr  mit  voller 
Befriedigung  gesagt  werden  konnte,  dass  sich  alle  Anordnungen 
und  Massnahmen  in  bester  Weise  bewährt  haben. 

Die  Abhandlung  zerfällt  in  3  grosse  Abschnitte;  d  e  r  P  r  o  - 
viant  auf  See  und  auf  der  Winterstation,  die 
Getränke  auf  See  und  auf  der  Winterstation, 
der  Proviant  für  Schlittenreisen. 

Bei  der  Berechnung  des  Proviantes  ist  von  vornherein  zu 
berücksichtigen,  dass  das  Nahrungsbedürfnis  in  der  kalten  Zone 
bedeutend  vermehrt  ist  und  zwar  insbesondere  nach  Fetten 
und  Kohlehydraten,  weniger  nach  Eiweiss.  Im  allgemeinen 
wurde  für  die  mitzunehmende  Menge  das  V  oitsche  Kostmass 
zu  gründe  gelegt;  zu  berücksichtigen  ist  jedoch  auch  der  Ver¬ 
lust  der  durch  „Lekage“  herbeigeführt  werden  kann,  ebenso  der 
Mehrverbrauch  durch  Anlage  von  Stationen,  Depots  usw.  Fri¬ 
sches  Fleisch  ist  unbedingt  zur  Verhinderung  des  Skorbuts 
nötig.  Ist  es  unmöglich,  eine  genügende  Menge  lebender  Tiere 
mitzunehmen,  so  muss  durch  Jagd  der  fehlende  Teil  herbei¬ 
geschafft  werden.  Auch  die  sogen.  Trantiere  sind  geniessbar, 
da  das  Fleisch  nicht  tranig  schmeckt.  Ebenso  lassen  sich  Del¬ 
phine,  Albatrosse  und  andere  Sturmvögel,  besonders  in  der  ark¬ 
tischen  Zone  Robben  und  Pinguinen  verwerten.  Auf  den 
Dauerproviant  und  die  Konserven  ist  der  grösste 
Wert  zu  legen,  wobei  chemische  Konservierungsmittel  zu  ver¬ 
meiden  sind.  Wichtig  ist,  dass  alle  konservierten  Sachen,  z.  B. 
Dosenfleisch,  Dosengemüse  und  Kompotte  erst  ganz  kurz  vor 
der  Reise  bereitet  werden,  Dürrgemüse  und  Dürrobst  sollen  so 
frisch  als  möglich  zur  Trockne  kommen.  Salzfleisch  und 
Salzfische  sollte  man  nach  G  a  z  e  r  t  s  Erfahrungen  nur  für  die 
erste  Zeit  mitnehmen  oder  es  ganz  fortlassen.  Vorzüglich  haben 
sich  Räucherwaren  in  Gips,  noch  besser  aber  in  Schmalz  auf¬ 
bewahrt,  gehalten.  Die  Dinge  müssen  aber  in  Kisten  mit  Blech¬ 
einsätzen  verpackt  sein.  Ausser  Mehl  ist  eine  genügende  Menge 
Hartbrot  mitzunehmen,  für  den  Fall,  dass  das  Backen  des  Brotes 
auf  Schwierigkeiten  stösst.  Sehr  beachtenswert  ist  ferner  die 
Mahnung,  es  bei  der  Zusammenstellung  der  Speisen  ja  nicht  an 
Abwechslung  fehlen  zu  lassen;  auch  ein  gewisser  Luxus  darf 
gestattet  sein.  In  dieser  Beziehung  weist  die  Liste  der  mit 
geführten  Nahrungs-  und  Genussmittel  eine  sehr  stattliche  An¬ 
zahl  der  verschiedensten  Dinge  auf,  und  doch  hat  man  kaum 
etwas  als  unnötig  bezeichnen  müssen. 

An  Gewürzen  soll  kein  Mangel  sein,  da  sie  beim  Darnieder¬ 
liegen  des  Appetites  von  grösster  Wichtigkeit  sind.  Als  sehr 
praktisch  erwiesen  sich  die  Gewürzextrakte  und  Gewürzsalze 
von  Naumann  in  Dresden.  Ebenso  haben  sich  Kulturver¬ 
suche  von  Petersilie,  Kresse,  Senf  und  Radieschen  auf  dem 
Schiff  bewährt. 

Ein  besonderes  Wort  gebührt  der  Verwendung  von 
AlkoholaufPolarr  eisen.  Es  ist  viel  darüber  gestritten 
worden,  ob  die  Mitnahme  von  Alkoholizis  zweckmässig  sei 
oder  nicht;  berühmte  Polarfahrer  haben  ihn  von  vornherein 
abgelehnt,  andere  nicht  weniger  bedeutende  ihn  gutgeheissen. 
Die  deutsche  Südpolarexpedition  nahm  Alkohol  mit  und  alle 
Erfahrungen,  die  mit  dieser  Massregel  gemacht  wurden,  waren 
gut.  Es  wurde  nur  an  einigen  Tagen  etwas  Wein  oder  Bier  ge¬ 
reicht,  während  die  übrige  Zeit  Abstinenz  geübt  wurde.  Wäh¬ 
rend  der  Reise  von  den  Kerguelen  bis  zum  Eise  und  während 
des  Aufenthaltes  in  der  Polarzone  wurde  der  Alkohol  noch 
mehr  eingeschränkt.  Es  gab  nur  Sonntags  und  Donnei  stags 


2342 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


mittags  etwas  Wein  (K  Liter  für  4  Mann)  und  Sonntag,  Mittwoch 
und  Sonnabend  etwas  Bier  (%  Liter  für  2  Mann)  oder  etwas 
Branntwein.  Die  Wirkung  des  Alkohols  liegt  nach  Qazert 
bei  derartigen  Expeditionen  einzig  und  allein  auf  gesellige  nt 
Gebiet  und  er  beschreibt  rührend,  wie  in  der  ödesten  Zeit, 
wo  Alle  während  der  monatelangen  Winterstürme  an  die 
Innenräume  des  Schiffes  gebannt  waren  und  hie  und  da  auch 
einmal  eine  reizbare  Stimmung  auftrat,  sich  bei  einem  Glase 
Grog  die  stumme  Zunge  löste  und  ein  heiter  verbrachter  Abend 
wieder  über  eine  Reihe  schwerer  Tage  hinweghalf.  Selbstver¬ 
ständlich  verwirft  der  Verf.  alles  Uebermass  von  Alkohol,  aber 
im  Kampf  gegen  die  Monotonie  sei  er  ein  wertvoller  Bundes¬ 
genosse.  Die  Alkoholika  hielten  sich  gut  und  auch  das  pasteuri¬ 
sierte  Bier  fand  auch  nach  zweijähriger  Aufbewahrung  noch 
Abnehmer. 

Als  sonstige  Getränke  werden  besonders  Limonaden  emp¬ 
fohlen,  von  denen  Zitronenlimonade  aus  Zitronensäure  bereitet 
sich  am  besten  bewährte.  Das  Trinkwasser  stammte  im  Polar¬ 
gebiet  aus  geschmolzenem  Eis,  während  der  Reise  teils  aus 
destilliertem  Meerwasser,  teils  wurde  es  in  den  Häfen  von 
Kiel,  S.  Vincent,  Kapstadt,  Simonstadt  und  Ponta  Delgada  ein¬ 
genommen.  Destilliertes  Meerwasser  mit  geringen  Testieren¬ 
den  Mengen  Salz  hat  sich  zu  Trinkzwecken  besser  bewährt 
als  reinstes  destilliertes  Wasser. 

Besondere  Schwierigkeiten  bieten  sich  für  den  „Proviant¬ 
meister“  bei  der  Vorbereitung  zu  S  c  h  1  i  1 1  e  n  r  e  i  s  e  n,  da  es 
hierbei  sehr  auf  das  Gewicht  ankommt  und  die  Nahrungsmittel 
auf  Wochen  hinaus  in  sehr  konzentriertem  Zustande  mitge¬ 
nommen  werden  müssen.  Da  man  aber  auch  mit  dem  mitzu¬ 
nehmenden  Feuerungsmaterial  sich  einschränken  muss,  so  sind 
nur  Nahrungsmittel  zu  verwerten,  die  in  der  kürzesten  Zeit 
durch  Hitze  aufgeschlossen  werden  können.  Es  ist  praktisch 
neben  dem  gewöhnlichen  Brenner  auch  einen  solchen  für  Rob¬ 
benspeck  mitzunehmen,  um  nötigenfalls  damit  Heizungsmaterial 
zu  gewinnen.  Als  Fleischproviant  empfiehlt  sich  Pemmi- 
k  a  n,  ein  getrocknetes,  zerstampftes  und  mit  Fett  vermengtes 
Fleisch,  ebenso  südafrikanischer  B  i  1 1  o  n  g,  auch  Robben- 
fleisch,  stark  eingetrocknete  Salami  und  Zervelat¬ 
wurst  und  einiges  Büchsenfleisch.  Weiterhin  Eiweissprä¬ 
parate,  Kakes,  Schokolade,  getrocknete  Gemüse.  Vor  allen 
Dingen  muss  die  Menge  des  Proviantes  grösser  sein  als  ge¬ 
wöhnlich,  wegen  der  grossen  physischen  Anstrengungen  und 
der  Kälte.  G  a  z  e  r  t  rechnet  pro  Mann  und  Tag  200  g  Eiweiss, 
200  g  Fett,  445  g  Kohlehydrate  =  4500  Kalorien.  Als  Getränke 
sind  Thee  und  Kakao  zu  empfehlen,  Essen  von  Schnee  und  I 
Eis  ist  zu  vermeiden.  Auch  Alkoholika  verwirft  er  auf  dem 
Marsche.  R.  o.  Neumann  -  Heidelberg. 

E.  J.  Neisser:  Internationale  Uebersicht  über  Gewerbe¬ 
krankheiten,  bearbeitet  nach  den  Berichten  der  Gewerbeinspek¬ 
tionen  der  Kulturländer.  Bibliothek  für  soziale  Medizin  und 
Hygiene  und  Medizinalstatistik  und  die  Grenzgebiete  von  Volks¬ 
wirtschaft,  Medizin  und  Technik  (herausgegeben  von  Dr.  Ru¬ 
dolf  Le  nn  hoff).  Verlag  Gutenberg,  Druckerei  und  Verlag 
A.-G.,  Berlin  W.  35.  1907.  368  Seiten.  8°.  Mit  3  Tafeln’ 

Preis  M.  10.50. 

Entsprechend  dem  Titel  ist  vom  Verf.  ein  Buch  geschaffen 
worden,  welches  eine  internationale  Uebersicht 
über  die  Gewerbekrankheiten  gibt.  Man  wird  ermessen 
können,  welche  unendliche  Arbeit  damit  verbunden  war,  wenn 
man  bedenkt,  wie  schwierig  es  bei  den  zerstreuten  Angaben 
über  die  Gewerbekrankheiten  allein  schon  ist,  die  deutsche 
Literatur  in  ein  gemeinsames  Ganze  zu  verarbeiten.  Unter  Zu¬ 
ziehung  aller  Berichte  der  Gewerbeinspektionen  von  Deutsch- 
land,,  Oesterreich,  der  Schweiz,  England,  Frankreich,  Belgien, 
Niederlande,  Amerika  ist  eine  einheitliche  inhaltsvolle  Bearbei- 
tung  entstanden,  wofür  dem  Verfasser  alle  Interessenten,  ob 
raktiker,  Gelehrte  oder  Sozialpohtiker  Dank  wissen  werden. 

Das  I  atsachenmaterial  entspricht  den  Jahren  1905 _ 1906  und 

ist  eingeteilt  in  3  grosse  Abschnitte:  1.  Gewerbekrank¬ 
heiten,  2.  Sanitäre  Verhältnisse  in  den  Ar- 
beits  -  und  Unterkunftsräumen,  3.  Wohlfahrts- 
e  i  n  r  i  c  h  t  u  n  g  e  n,  wobei  stets  die  einzelnen  Kapitel  den  ver- 
schieden en  Ländern  entsprechend  nacheinander  abgehandelt 
sind.  Die  Benützung  des  amtlichen  Materials  verleiht  dem 


Ganzen  einen  erhöhten  Wert,  so  dass  nicht  nur  der  Hygieniker, 
der  die  Uebersichten  zu  Lehrzwecken  verwenden  wird,  son¬ 
dern  auch  der  Sozialpolitiker  und  Gewerbetechniker  nicht  nur 
wichtige  und  sichere  Hinweise  über  die  gewerblichen  Gesund¬ 
heitsschädigungen  findet,  sondern  auch  Einsicht  erhält,  wie  und 
inwieweit  die  bisherigen  Massnahmen  genügten  oder  ver¬ 
besserungsbedürftig  sind.  Anerkennend  hervorzuheben  ist 
auch  das  ausführliche  Sachverzeichnis,  welches  einmal 
die  Gewerbekrankheiten,  dann  die  sanitären  Verhältnisse  in  den 
Arbeits-  und  Unterkunftsräumen,  weiter  die  Wohlfahrtseinrich¬ 
tungen,  endlich  die  Gewerbekrankheiten,  Ursachen,  Symptome, 
Folgekrankheiten  und  die  Betriebs-  und  Berufsarten  in  syste¬ 
matischer  Ordnung  wiedergibt.  Ein  Anhang  über  die  Fabri¬ 
kation  von  bleihaltigen  Anstrichfarben  in  England,  Ventilation 
in  Gummifabriken  und  Hygiene  der  Sachsengängerei  vervoll¬ 
ständigt  das  wertvolle  Nachschlagewerk. 

R.  O.  Neumann  -  Heidelberg. 

Dr.  med.  Hermann  Rohleder:  Vorlesungen  über  Ge¬ 
schlechtstrieb  und  gesamtes  Geschlechtsleben  des  Menschen. 

2.  Auflage.  Berlin  1907.  Fischers  medizin.  Buchhandlung 
2  Bd.  600  und  545  Seiten.  20  Mark. 

Es  ist  nicht  ganz  unauffällig,  wenn  sich  ein  Buch,  das  die 
sexuelle  Frage  behandelt,  nicht  an  die  Laienwelt,  sondern  nur 
an  die  Aerzte  wendet.  „Das  Werk  soll  den  Arzt  in  den  Stand 
setzen,  alles  was  ihm  in  praxi  über  das  Sexualleben  vorkommt 
und  Vorkommen  kann,  beurteilen  zu  können.“  „Wissenschaft¬ 
lichkeit,  verbunden  mit  Klarheit  und  Kürze“  sind  das  Haupt¬ 
ziel  des  Verfassers  gewesen.  Wissenschaftlichkeit  und  Klarheit 
haben  die  früheren  Arbeiten  des  Verfassers  ausgezeichnet  und 
auch  in  diesem  Werke  wird  gerade  die  letztere  dem  Leser 
ein  grosser  Behelf  sein. 

Es  sind  immerhin  zwei  Bände,  welche  das  Gebiet  be¬ 
handeln,  und  nur  wer  weiss,  wie  angeschwollen  die  Literatur 
ist,  und  wie  viele  Fragen  noch  in  der  Schwebe  sich  befinden, 
der  wird  dem  Buche  auch  das  Prädikat  der  Kürze  beilegen. 

Um  so  wertvoller  ist  es,  dass  in  der  Weise,  wie  es  R  o  h  - 
leder  bereits  in  seinen  früheren  Werken  geübt  hat,  ein  ins 
Kleine  gehendes  Inhaltsverzeichnis  den  Leser  rasch  sich  zu¬ 
recht  finden  lässt.  Die  neue  Auflage  enthält  wesentliche  Ver¬ 
besserungen  und  Erweiterungen  gegenüber  der  1.  Auflage;  es 
kam  die  Besprechung  des  perversen  Geschlechtstriebes  und’des 
Automonosexualismus  hinzu. 

Ein  wesentlicher  Vorzug  des  Werkes  besteht  in  der  Be¬ 
handlung  des  rechtlichen  Zustandes  bezw.  der  für  eine  Aende- 
rung  unseres  Rechtes  gemachten  und  zu  machenden  Vor¬ 
schläge.  Da  ist  der  massvolle  Standpunkt  des  Verfassers  er¬ 
freulich.  In  der  F'rage  des  ärztlichen  Berufsgeheimnisses  lässt 
er  sich  nicht  durch  einseitige  Betonung  des  hygienischen  Stand¬ 
punktes  zu  der  Empfehlung  der  Lockerung  der  Schweigepflicht 
hinreissen. 


Der  1.  Band  behandelt  das  normale,  anormale  und  paradoxe 
( jeschlechtsleben.  Davon  ist  der  1.  Teil  mit  18  Vorlesungen 
dem  normalen  und  anormalen  Geschlechtstrieb  gewidmet,  der 
“•  7  eil  behandelt  in  10  Vorlesungen  die  normale  und  anormale 
Kehabitation,  der  3.  Teil  in  4  Vorlesungen  die  natürliche,  patho¬ 
logische  und  künstliche  Konzeption. 

Der  2.  Band  des  Werkes  ist  dem  perversen  Geschlechts¬ 
leben  des  Menschen  gewidmet. 

Zwei  allgemeine  Vorlesungen  behandeln  die  Klassifikation 
und  die  belletristische  und  wissenschaftliche  Literatur  dieses 
Gegenstandes.  Der  1.  Teil  hat  die  heterosexuellen  Perver¬ 
sionen  des  Menschen  zum  Gegenstand  und  handelt  ihn  in 
15  v  orlesungen  ab.  Der  2.  Teil  behandelt  in  11  Vorlesungen 
die  homosexuellen  Perversionen. 

De  lege  ferenda  fordert  R  o  h  1  e  d  e  r  den  völligen  Wegfall 
des  §  175,  aber  einen  Schutz  beider  Geschlechter  durch  einen 
Unzuchtsparagraphen,  und  die  Hinaufrückung  des  Schutzalters 
vom  14.  auf  das  16.  Lebensjahr. 


in  uci  leisten  voriesung  wird  der  Automonosexualismus 
besprochen. 

„  ^*.ls  d'eser  Aufzählung  mag  entnommen  werden,  welche 

rulle  des  Stoffes  in  tunlichster  Kürze  behandelt  wird.  Dieser 
<eichtum  des  Stoffes  verbietet  das  Eingehen  in  die  Besprechung 
er  einzelnen,  interessanten  Themata.  Der  Zweck  einer  aus¬ 
reichenden  Orientierung  des  praktischen  Arztes,  die  ihn  be- 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2343 


fähigt,  gegebenen  Falles  seinen  Kranken  mit  Rat  lind  Tat 
beizustehen,  ist  völlig  durch  das  Werk  Rohleders  erreicht. 

S  i  e  b  e  r  t. 

Taschenbuch  der  Krankenpflege  für  Krankenpflegeschulen, 
für  Aerzte  und  für  die  Familie.  Herausgegeben  von  Geh.  Medi¬ 
zinalrat  Dr.  L.  Pf  eif  f  er- Weimar.  .4.,  vollständig  umge¬ 
arbeitete  Auflage.  Mit  Abbildungen.  Weimar,  H.  B  ö  h  1  a  u  s 
Nachf.,  1907.  Preis:  5  M.  Seitenzahl:  444. 

Wir  haben  das  vorliegende  sehr  brauchbare  Werk  an 
dieser  Stelle  bereits  wiederholt  besprochen  und  erwähnen  nur, 
dass  sein  erster  Teil  alle  Prüfungsgegenstände  zur  Besprechung 
bringt,  welche  in  der  Bundesratsverordnung  vom  6.  März  1906, 
Krankenpflegepersonen  betreffend,  aufgeführt  sind,  während  der 
spezielle  Teil  die  Aufgaben  der  Pflege  bei  den  hauptsächlichsten 
Erkrankungen  zur  Darstellung  bringt.  Der  Anhang  enthält 
Angaben  über  die  Organisation  und  soziale  Stellung  der  Kran¬ 
kenpflegerinnen  in  Deutschland,  die  Verdeutschung  der  haupt¬ 
sächlich  gebrauchten  Arzneibezeichnungen,  eine  Zusammen¬ 
stellung  der  Lehrmittel  für  den  Krankenpflegeunterricht,  end¬ 
lich  ein  reichhaltiges  Stichwörterverzeichnis.  Das  Werk,  da¬ 
zu  bestimmt,  die  Krankenpflege  auf  einer  möglichsten  Höhe 
zu  halten  und  sie  vor  dem  Herabsinken  zu  einem  handwerks- 
inässigen  Lohngewerbe  bewahren  zu  helfen,  ist  unter  der  Mit¬ 
wirkung  einer  grossen  Zahl  angesehener  Männer  und  in  der 
praktischen  Krankenpflege  wohlerfahrener  Frauen  abgefasst. 
Für  eine  weitere  Ausgabe  ist  doch  zu  erwägen,  ob  nicht  ein 
etwas  grösserer  Druck  zur  Anwendung  kommen  könnte. 

Grassmann  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Herausgeg.  von 
Prof.  L.  Brauer.  Band  VIII.  Heft  2. 

Bliimel:  Zur  Behandlung  der  Lungentuberkulose  mit  Euka¬ 
lyptusöl.  ^  ,  ,  , 

B.  hat  an  dem  Material  der  W  elk  ersehen  Anstalt  Görbersdori 
die  von  Berliner  empfohlene  (a  priori  mangelhaft  fundierte)  Be¬ 
handlung  der  Lungentuberkulose  mit  Injektionen  von  Eukalyptusöl 
in  20  Fällen  nachgeprüft.  Er  sah  nie  nennenswerte  Besserungen,  da¬ 
gegen  häufig  sehr  unangenehme  Nebenwirkungen  und  warnt  vor 
dieser  ebenso  gefährlichen,  als  schädlichen  Therapie  dringend. 

ü.  L  i  e  b  e  -  Waldhof:  Einheitlichkeit  in  der  Behandlung  Lungen- 
li  i*3n  k  6 1* 

Die  Arbeit  enthält  eine  Fülle  beherzigenswerter  Gedanken  (denen 
allerdings  eine  Milderung  des  von  L.  beliebten  gewollt  burschikosen 
Stils  sehr  von  Vorteil  sein  würde).  Zuerst  fordert  L.  Einheitlichkeit 
der  Aufnahme  und  Einweisungsatteste,  weiter  eine  einheitliche 
Krankengeschichtsgrundlage  für  Heilstätten;  in  beiden  sollte  vor 
allem  auch  dem  Herz-  und  Gefässystem  und  dem  Nervenstatus  mehr 
Rücksicht  geschenkt  werden.  In  bezug  auf  Thermometrie  und  Fieber¬ 
auffassung  mahnt  Verf.  zur  Einigung.  Weiter  macht  er  auf  die  Dif¬ 
ferenzen  in  diätetischer  und  verwaltungstechnischer  Beziehung  auf¬ 
merksam  (Diät,  Alkohol,  Kleidung,  Körperpflege,  Beschäftigung  der 
Kranken  etc.).  Auch  eine  einheitliche  Regelung  des  Ausdrucks  der 
„Erfolge“  der  Behandlung  hält  L.  mit  Recht  im  Interesse  der  sta¬ 
tistischen  Bewertung  des  Materials  für  dringend  notwendig.  Ein 
besonderes  Kapitel  widmet  Verf.  den  verschiedenen  bisherigen  Be¬ 
mühungen  der  graphischen  Registrierung  der  Dhysikalischen  Befunde 
(F  r  e  u  d  w  e  i  1  e  r,  Holmgreen,  Sahli,  Jakob  u.  a.)  und  der 
Notwendigkeit  einer  einheitlichen  „Zeichensprache“.  Schliesslich 
diskutiert  er  eingehend  die  Frage  der  Stadieneinteilung  Turbans 
und  der  —  immer  zahlreicher  werdenden  —  Gegner  dieses  Schemas 
(Ranke,  H  i  n  s  c  h,  Thorspecken,  Kündig,  E  r  n  i  in  Ger- 
sau,  A.  Fraenkel,  Alb  recht  u.  a.).  (Es  ist  sehr  zu  wün¬ 
schen,  dass  die  Anregungen  Ls.  auf  fruchtbaren  Boden  fallen,  dass 
z.  B.  die  von  L.  nicht  ventilierte  Frage  der  Unterbringung  von  ge¬ 
heilten  Pleuritikern  und  anderen  suspekten  Prophylaktikern  in  Heil¬ 
stätten  einheitlich  geregelt  werde.  Ref.) 

S.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t  und  N.  Knobel:  Beiträge  zur  intravenösen 
Hetolbehandlung  bei  Tuberkulose. 

Verf.  haben  seit  5  Jahren  die  intravenöse  Hetolbehandlung  Tuber¬ 
kulöser  in  Reichenhall  geübt  und  in  den  Jahren  1905  und  1906  55  Pa¬ 
tienten  mit  Hetol  behandelt.  Sie  berichten  an  der  Hand  einiger  cha¬ 
rakteristischer  Fälle  über  die  sehr  guten  Resultate  der  Behandlung. 
Sowohl  der  lokale  Prozess,  als  auch  besonders  das  Allgemeinbefinden 
besserten  sich  auch  bei  Schwerkranken  des  II.  und  III.  Stadiums  ganz 
auffallend. 

M.  Weisz:  Ueber  das  Chromogen  des  Urochroms  als  Ursache 
der  Ehrlich  sehen  Diazoreaktion  auf  Grund  von  Untersuchungen  des 
Harns  bei  Lungentuberkulose. 

Die  in  Bezug  auf  die  physiologische  Chemie  und  klinische  Be¬ 
deutung  der  Diazoreaktion  gleich  interessante  Arbeit  eignet  sich  nicht 
zu  kurzem  Referat.  Hans  Curscjiman  n  -  Mainz. 


.Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie.  18.  Band,  2.  Heft.  Jena  1907,  Gustav  Fischer. 

10.  Hans  v.  Hab  er  er  (I.  Chirurg.  Univers. -Klinik  Wien): 
Appendicitis  chronica  adhaesiva. 

Verf.  schildert  Fälle  von  primär  chronischer,  anfallsfreier  Ap¬ 
pendizitis.  6  von  den  7  Kranken  waren  über  40  Jahre  alt;  unter  be¬ 
trächtlicher  Abmagerung  entwickelte  sich  eine  immer  hartnäckigere 
Verstopfung  mit  unbestimmten  Schmerzempfindungen  und  ohne  Tem¬ 
peratursteigerung,  so  dass  man  an  ein  stenosierendes  malignes  Neo¬ 
plasma  des  Verdauungstraktes  denken  musste.  Die  Zoekalgegend 
zeigte  nichts  Auffälliges,  der  McBurney  sehe  Punkt  war  nicht 
druckempfindlich.  Bei  der  Laparotomie  fanden  sich  Adhäsionen  am 
Zoekum,  ferner  an  der  Flexura  coli  linealis,  auch  an  der  Flexura 
sigmoidea.  Die  Appendix  zeigte  chronisch  entzündliche  Verände¬ 
rungen,  Narben,  Knickungen  oder  abnorme.  Wandverdickungen.  Nach 
der  Operation  (Lösung  der  Adhäsionen  mit  Uebernähung  wunder 
Stellen,  Appendektomie)  wurden  6  Kranke  völlig  beschwerdefrei  oder 
doch  wesentlich  gebessert;  1  Fall  ist  seit  4Vz  Jahren  geheilt. 


11.  L.  Eloesser:  Die  in  den  letzten  10  Jahren  an  der  Heidel¬ 
berger  chirurgischen  Klinik  beobachteten  Fälle  von  Pankreaserkran¬ 
kungen,  nebst  Beiträgen  zur  Klinik  der  Pankreasaffektionen  und  Be¬ 
merkungen  über  die  „C  a  in  m  i  d  g  e  sehe“  Urinprobe.  (Aus  der  chi¬ 
rurgischen  Klinik  und  dem  Samariterhaus  Heidelberg.) 

Die  59  geschilderten  und  ausführlich  besprochenen  Fälle  umfassen 
die  akute  und  chronische  Pankreatitis,  Tumoren  und  Zysten.  Die 
diagnostische,  ätiologische  und  technische  Seite  der  verschiedenen 
Krankheitsformen  wird  erörtert,  von  den  aufgestellten  Indikationen 
seien  folgende  erwähnt:  bei  Verdacht  auf  hämorrhagische  Pankrea¬ 
titis  ohne  unmittelbar  bevorstehenden  Kollaps  soll  sofort  eingegriffen, 
dabei  schonend  und  möglichst  rasch  operiert  und  eine  möglichst  voll¬ 
ständige  Entfernung  der  giftigen  Krankheitsprodukte  vorgenommen 
werden.  Bei  Feststellung  von  Fettnekrosen  im  Peritoneum  soll  auf 
das  hämorrhagische  Pankreas  am  besten  von  einem  zweiten  Schnitt 
in  der  linken  Lumbalgegend  (Lokalanästhesie)  eingegangen  und  hier 
drainiert  werden.  Bei  sicherem  Karzinom  ist  jeder  operative  Eingriff 
kontraindiziert;  besteht  die  Möglichkeit  einer  Pancreatitis  chronica 
oder  sonstwie  gutartiger  Choledochuskompression,  so  ist  die  Galle 
nach  aussen  oder  in  den  Darm  zu  leiten.  Die  Neigung  zur  Blutung 
wird  durch  innerliche  Gabe  von  Calcium  chloratum  vor  und  nach 
der  Operation  wirksam  bekämpft.  Ausgedehntere  Nachprüfungen  der 
C  a  m  m  i  d  ge  sehen  Reaktion  hält  Verfasser  für  wünschenswert. 

12)  Franz  Cohn  (Städt.  Allerheiligen-Hospital  Breslau):  Beitrag 
zur  Kasuistik  der  spontanen  Oesophagusruptur. 

Den  aus  der  Literatur  zusammengestellten  21  Fällen  fügt  Ver¬ 
fasser  einen  eigenen  bei:  46  jähriger  Potator.  Bei  einer  Magenspülung 
wird  durch  plötzliche  heftige  Wiirgbewegung  der  Schlauch  heraus¬ 
geschleudert,  welchem  sogleich  Blut  folgt;  heftiger  Schmerz  in  der 
Magengrube,  Kollaps;  nach  2Vz  Stunden  zunehmende  Schwellung  an 
der  rechten  Halsseite,  bei  Betastung  knisternd,  Ausbreitung  des 
Hautemphysems  über  Gesicht  und  I  horax.  Unter  zunehmendei 
Dyspnoe  Tod  14  Stunden  nach  der  Ruptur.  Obduktion:  Im  untersten 
Teil  des  Oesophagus  4  cm  langer  Riss,  Kommunikation  mit  dem 
Pleuraraum.  Starke  Adhäsionen  zwischen  Magen,  Leber,  Zwerchfell, 
Pleura  und  Oesophagus.  (Vor  9  Jahren  Pleuritis.)  Verf.  nimmt 
an,  dass  die  pleuritischen  Stränge  den  Oesophagus  bei  dem  heftigen 
Brechakt  an  seiner  Ausdehnung  hinderten,  so  dass  er  rupturierte,  ob¬ 


wohl  seine  Wand  normal  war. 

13)  M.  R  a  m  s  t  r  ö  m  -  Upsala:  Ueber  die  Funktion  der  Vater- 

Pacinischen  Körperchen. 

Da  sich  in  Gebieten  des  Peritoneum  parietale,  wo  lamellose  Ner¬ 
venendkörperchen,  besonders  Vater-Pacini  sehe  Köipeichen  ganz 
sicher  Vorkommen,  nicht  im  geringsten  auf  einfache  Berührungen 
oder  Druck  reagierten,  gibt  Verf.  die  alte  Vorstellung  von  diesen 
Körperp  als  Drucksinnsorgane  auf. 

14)  Ernst  Hagen  b  ach  -  Basel :  Experimentelle  Studie  über  die 
Funktion  der  Schilddrüse  und  der  Epithelkörperchen. 

Verf.  experimentierte  an  Katzen,  bei  welchen  die  anatomischen 
Verhältnisse  konstant  sind.  Wurden  die  Thyreoidea  und  die  inneren 
Epithelkörperchen  exstirpiert,  aber  die  äusseren  in  ihrer  Ernährung 
erhalten,  so  bildete  sich  typische  Kachexia  thyreopriva  aus  mit  Be¬ 
funden  analog  der  Athyreosis.  Tetanie  blieb  aus,  trat  aber  nacn- 
iträglich  hinzu,  wenn  man  die  beiden  zurückgebliebenen  Epithelkorper 
noch  entfernte.  Thyreoidea  und  Epithelkörperchen  sind  nach  Verf. 
sowohl  anatomisch  als  auch  entwicklungsgeschichtlich,  als  auch  .  unk  - 
tionell  differente  Organe.  Die  Erscheinungen  der  Kachexie  bespricht 
Verfasser  ausführlicher,  gibt  Abbildungen  der  im  Wachstum  gestörten 
Knochen.  Für  die  Technik  bei  Strumaoperationen  beim  Menschen 
empfiehlt  Verf.  halbseitig  zu  operieren,  bei  der  Ausschalung  der 
Rückseite  sich  hart  an  die  Struma  zu  halten  und  eher  ein  Stuck 
Kapsel  zurückzulassen,  ferner  die  Art.  thyr.  inf.  nahe  der  Stiuma 
zu  unterbinden,  also  eher  nach  der  Gabelung  111  den  Aesten  als  am 


Klinisches  Jahrbuch.  17.  Band,  3.  Heft, 
v  Li  n  gels  h  e  i  m:  Die  Feststellung  von  Meningokokken  in  den 
oberen  Luitwegen  bei  der  übertragbaren  Genickstarre. 

Polemik  gegen  eine  Arbeit  von  Westenhoeffer  111  Bd.  X 
dieses  Jahrbuchs. 

Hans  Alb  recht:  Beiträge  zur  Nasenprothese. 


2344 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Mo.  47. 


Vergleichende  Prüfung  der  bei  der  Prothese  der  ganzen  Nase 
in  Betracht  kommenden  Momente;  mit  kasuistischen  Mitteilungen. 

Ewen-Qrosz:  Die  neue  Prüfungsordnung  für  Aerzte  und  das 
praktische  Jahr  in  Ungarn. 

R.  G  r  e  e  f  f  und  Klausen:  Bericht  über  den  ersten  Trachom¬ 
kongress  in  Palermo. 

Besonders  eingehend  werden  die  Schutzmassregeln  behandelt. 

CI.  Schilling:  Die  Schulen  für  Tropenmedizin  in  England. 

Schilderung  der  Schulen  in  London  und  Liverpool  einschliesslich 
des  Lehrganges. 

G  ö  b  e  1 1:  Bericht  über  eine  Studienreise  nach  London  und  Paris. 

Schilderung^  der  Krankenhäuser  in  London  und  Paris  und  Be¬ 
richt  über  den  Stand  einzelner  Kapitel  der  Chirurgie  der  Harnwege 
in  England  und  Frankreich. 

0.  Lenz:  Ueber  die  im  Sommer  1905  in  St.  Johann-Saarbrücken 
beobachteter  Ruhrepidemie. 

Eingehende  klinische  und  bakteriologische  Schilderung.  Die 
Epidemie  war  auf  einen  mit  chronischer  Ruhr  behafteten  Soldaten 
zurückzuführen. 

Dieminger:  Ueber  die  Erfolge  der  Abtreibungskuren  bei 
Ankylostomiasis. 

D.  erzielte  97  Proz.  Heilungen  mit  seiner  Methode.  Er  hält  die 
L  e  i  ch  t  e  ns  t  e  r  n  sehe  Methode  nicht  für  genügend. 

v.  Westphalen:  Die  Wechselbeziehungen  zwischen  weib¬ 
lichen  Genitalorganen  und  Mastdarm. 

Klinischer  Vortrag.  Rud.  S  e  g  g  e  1  -  Geestemünde. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  42  bis  44. 

No.  42.  O.  E  h  r  h  a  r  d  t  -  Königsberg:  Hepato-Cholangio-Entero- 
stomie  bei  Aplasie  aller  grossen  üallenwege. 

E.  hat  in  dem  Fall  eines  6  Wochen  alten  Kindes  mit  schwerem 
angeborenen  Ikterus  und  stets  gallenlosen  Stühlen  den  Versuch  ge¬ 
macht,  durch  genannte  Operation,  d.  h.  Exzision  eines  entsprechenden 
Stücks  Leberparenchym  und  Daranbefestigen  einer  hohen  Jejunum¬ 
schlinge  Heilung  zu  erzielen,  und  hat,  wenn  auch  das  Kind  am  8.  Tag 
danach  einem  Durchfall  erlag,  doch  gallenhaltige  Stühle  erzielt  und 
sich  überzeugt,  dass  die  Operation  (die  4.  bisher  berichtete)  funk¬ 
tioneilen  Erfolg  hatte.  Der  Leberdefekt  wurde  mit  dem  Messer  ge¬ 
setzt  und  der  Gefahr  der  Abknickung  des  Darms  durch  einige 
Suspensionsnähte  an  der  Leberunterfläche  zu  begegnen  gesucht. 

No.  43.  Thorhild  R  o  v  s  i  n  g  -  Kopenhagen:  Indirektes  Hervor¬ 
rufen  des  typischen  Schmerzes  an  McBurneys  Punkt.  Ein  Bei¬ 
trag  zur  Diagnostik  der  Appendizitis  und  Typhlitis. 

Durch  2  betreffende  Fälle  auf  die  differentialdiagnostische  Be¬ 
deutung  dieser  Untersuchung  aufmerksam  geworden,  indem  flaches 
Auflegen  der  linken  Hand  links  und  Andrücken  derselben  mit  der 
rechten  Hand  gegen  Colon  descendens  bei  Appendizitis  den  typischen 
Schmerz  auslöste,  in  einem  2.  Fall,  der  auch  als  Appendizitis  im¬ 
ponierte,  bei  der  Operation  aber  als  ein  retroperitoneales  (peri¬ 
renales)  Exsudat  sich  erwies,  wohl  die  Schmerzhaftigkeit  bei  direktem 
Druck  auf  McBurneys  Punkt,  nicht  aber  solche  bei  dem  er¬ 
wähnten  Druck  von  links  her  zu  konstatieren  war,  hält  Th.  R.  dieses 
Verfahren  bei  allen  zweifelhaften  Fällen  von  Entzündung  und  Schmer¬ 
zen  in  der  rechten  Fossa  iliaca  von  differentialdiagnostischer  Bedeu¬ 
tung,  indem  es  nur,  wenn  der  Schmerz  von  einer  Erkrankung  der 
Appendix  oder  des  Zoekum  herrührt,  gelingt,  durch  Druck  auf  das 
gesunde  Colon  descendens  ihn  hervorzurufen.  Th.  R.  hält  das  Ver¬ 
fahren  auch  da,  wo  direkte  Palpation  gefährlich  oder  sehr  peinlich, 
für  hinreichend,  ersteres  zu  ersetzen,  d.  h.  schnell  und  gefahrlos  den 
typischen  Schmerz  an  McBurneys  Punkt  auszulösen. 

No.  43.  A.  S  c  h  m  i  n  k  e  -  Wiirzburg:  Ueber  Peritheliom  in  der 
Gegend  des  Handgelenks. 

Schm,  teilt  kurz  Krankengeschichte  und  histologischen  Befund 
von  2  Fällen  der  seltenen  Lokalisation  dieser  Tumoren  in  der  Gegend 
des  Handgelenks  (einer  an  der  Pulsstelle  des  Radialis,  der  zweite  in 
der  Mitte  des  unteren  Vorderarmendes)  mit.  Sehr. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  I.  Heft  20. 

L.  M.  B  o  s  s  i  -  Genua:  Die  künstliche  Geburt  mittels  der  schnellen 
mechanischen  Erweiterung  des  Uterushalses  und  die  mechanischen 
Dilatatoren. 

Die  vorliegende  Arbeit  enthält  eine  Verteidigung  der  forcierten 
Erweiterung  des  Muttermundes  mittels  des  Boss  i  sehen  Dila- 
tatoriums;  die  Ansichten  des  Verf.  über  den  Wert  der  Methode  haben 
sich  in  den  17  Jahren,  seitdem  er  sie  in  die  Geburtshilfe  als  neue 
Methode  eingeführt,  nicht  geändert.  Den  bisher  von  anderer  Seite 
erfundenen  Dilatatoren  spricht  Verf.  jeden  Wert  ab  für  die  Dilatation 
des  schwangeren  Uterus,  am  ehesten  brauchbar  sei  der  von  d  e 
Seigneux  angegebene;  das  Grundprinzip  seines  Dilatators  sei  die 
Kreuzung  der  Branchen.  Als  Beweis  für  die  Wirksamkeit  und  Brauch¬ 
barkeit  seines  Instrumentes  führt  Verf.  33  teils  von  ihm  selbst,  teils 
von  seinen  Assistenten  veröffentlichte  Arbeiten  an,  ferner  eine  grössere 
Zahl  von  Fällen. 

J.  E  i  s  c  h  e  r  -  Wien:  Historisches  zur  Verwendung  der  Hand¬ 
schuhe  in  der  Geburtshilfe. 

Bereits  1758  wurde  durch  Johann  Julius  Walbaum  in  der  „Be¬ 
schreibung  eines  Handschuhes  zu  der  Geburtshülfe“  ein  aus  dem  Blind¬ 
darm  vom  Schafe  gefertigter  Handschuh  beschrieben,  der  über  Mittel-, 


Gold-  und  Kleinfinger  gezogen  (Zeigefinger  und  Daumen  frei)  zur 
Erleichterung  der  Wendung  bestimmt  war. 

.  J ^  iS  S  «aun  11 "  0snabrück:  Die  Vereinigung  zur  Förderung 

des  deutschen  Hebammenwesens. 

Aufforderung  an  die  österreichischen  Kollegen,  nicht  eine  Sonder 
Vereinigung  zu  gründen,  sondern  der  bisher  bestehenden  treu  zu 
bleiben.  _  Für  einen  Sonderbund  der  österreichischen  Hebammen- 
1  ehr  er  sei  kein  Grund  vorhanden,  da  die  Verhältnisse  in  den  einzelnen 
deutschen  Staaten  untereinander  sicher  ebenso  verschieden  seien  wie 
etwa  zwischen  Preussen  und  Oesterreich. 

A.  Ri  eiänder  -  Marburg. 

c.  Arcl?'v , für  Verdauungskrankheiten  mit  Einschluss  der 

.  toft  wechselpathologie  und  der  Diätetik.  Redigiert  von  Prof 
Dr.  J.  Boas-  Berlin.  Bd.  XIII.,  Heft  4. 

.  25 1  7'  SJevert:  Zur  Frase  der  Bedeutung  der  Bestimmung 

UuQre|Chten  ^agengrenze  bei  motorischer  Insufüzienz  des  Magens 

EAWae^iTrd.)ZlniSChen  K1‘nik  d£r  Un‘Versität  Kiew-  Direktor:  Prof! 

S.  hat  Strauss’  bezw.  Michaelis’  Beobachtung  dass  die 
Erweiterung  der  rechten  Magengrenze  nach  rechts  bis  ’zu  einem 
gewissen  Grade  als  anatomisches  Merkmal  der  Insuffizienz  der  moto 

dfeCSdcherResuftSe0Ch£nnWerdeii  kann’  nachgePrüft  und  ziemlich 
die  Reichen  Resultate  erhalten,  indem  er  in  63  Proz.  der  Fälle  bei 

geschwächter  austreibender  Kraft  die  rechte  Magengrenze  9  cm 

von  der  Mittellinie  des  Körpers  entfernt  fand,  gegen  6  cm  unter  no? 

wpltn  ,yerhaltnisse7  S-  halt  dieses  Merkmal  für  das  diagnostisch 
vo  eie  gegenüber  der  Iatsache  der  Senkung  der  unteren  Maeen 

jtedoch  nur  fn  M  UUte.r  Sonst  gleichen  Verhältnissen" 

Uten  nut  in  54  1  roz.  der  Falle  zu  konstatieren  war. 

r_  _w2^  d orsten  J.  Son  He  11  mann:  Ueber  Sahlis  Desmoid- 

anstalt  Üpsata“)  ^  medlzinischen  Klinik  UJld  akadem.  Wasserheil- 

m  S  ad  H  s  Publikation  einer  neuen  Magenuntersuchungsmethode 
(Desmoidreäktion)  mi  Frühjahr  1905  gab  bekanntlich  Veranlassung 
zu  emer  ganzen  Reihe  zum  I  eil  allerdings  widersprechender  Kon- 
trolluntersuchungen ;  gleichwohl  ist  die  Mehrzahl  der  Untersucher 

sietlip  s!?  gelangt  dass  die  Sahli  sehe  Desmoidreaktion,  wenn 
sie  die  Sondenuntersuchung  auch  nicht  vollständig  zu  ersetzen  ver- 
mag,  ihr  in  mancher  Beziehung  doch  überlegen  ist  und  in  jedem 

LhrTtaibeSptQebFete  d6r  Magenunt'ersuchung  einen  grossen  Fort¬ 
schritt  bedeutet.  Fragen  wir  nun,  zu  welchem  Ergebnis  die  vor- 

ntetndnm  Untersuchungen  geführt  haben,  so  lautet  die  Antwort  wie 
HpSt'cD  h  Desmoidreaktion  stellt  eine  sehr  gut  vor  oder  selbst  statt 
dei  Sondenuntersuchung  anwendbare  Methode  dar,  wenn  es  sich 

oder  nirh?  rem?1* .festzusteHen.  ob  HCl  im  Magen  vorhanden  ist 
oder  nicht.  Fallt  nämlich  die  Desmoidreaktion  innerhalb  8  Stunden 
positiv  aus,  so  darf  man  daraus  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  auf 
Vorhandensein  von  HCl  schliessen  und  die  Sondenuntersuchung  kann 

fehiPnHCiTnHria  eni  ga+nz  unterbleiben.  Was  die  Verhältnisse  bei 
fehlender  HCl  anlangt,  so  ergab  sich  in  26  Fällen,  in  denen  die 

Sondierung  Mangel  der  HCl  ergeben  hatte.  21  mal  eine  Ueberein- 
stiiiiinung  der  Desmoidreaktion,  d.  h.  negativer  Ausfall  derselben. 

cholerüormis6  P  ^  &  "Melsungen:  Klinischer  Beitrag  zum  Ichthyismus 

Veranlassung  zu  vorliegender  Arbeit  gab  eine  im  Oktober  1906 
in  der  Heilstätte  zu  Melsungen  nach  Genuss  von  Schellfisch  aufgetrene 
Massenerkrankung,  von  139  Personen  zeigten  43  mehr  weniger  aus¬ 
gesprochene  Vergiftungserscheinungen.  Das  Krankheitsbild  charak¬ 
terisierte  sich  als  eine  akut  einsetzende  fieberhafte  Erkrankung,  aus¬ 
gezeichnet  durch  die  3  Symptome  Kopfschmerz,  Leibschmerz  und 
Dianhoe,  unterschied  sich  also  in  keiner  Weise  von  Cholera  nostras 
Däss  nun  in  diesem  Falle  tatsächlich  eine  einheitliche  Noxe,  hier 
Fischgift,  zu  Grunde  gelegen  und  demzufolge  von  Ichthyismus  cho- 
teritormis  gesprochen  werden  muss,  dafür  erbringt  Roepke  den  ab¬ 
solut  sicheren  ätiologischen  Nachweis.  Zum  Schlüsse  folgen  noch 
kurze  Ausführungen  über  die  im  Ganzen  gute  Prognose,  die  Therapie 
und  vor  allem  auch  die  Prophylaxe. 

m  u  28TH  a  u,s  m  a  11  n  -  Drei:  Ueber  das  Tasten  normaler  Magenteile. 

Nebst  Bemerkungen  zur  Höhenbestimmung  der  Bauchorgane. 

Mit  Recht  bemerkt  Hausmann  eingangs  seiner  Arbeit,  dass 
die  einfachen  physika hschen  Untersuchungsmethoden,  Auskultation, 

1  erkussion,  Palpation  leider  nur  wenig  in  ihrer  Entwicklung  fortge¬ 
schritten  sind,  weil  die  ganze  Gedankenrichtung  der  modernen  Dia- 
gnostik  auf  das  Laboratorium  und  auf  die  Klinik  mit  ihrem  ausge¬ 
dehnten  instrumentellen,  Inventar  abzielt.  Sein  Bestreben  ging  also 
da  .  I1’  ®!ne  Methode  ausfindig  zu  machen,  die,  wie  gesagt  ohne  einen 
weitläufigen  Apparat,  auch  im  Sprechzimmer  es  ermöglicht,  normale 
Magenteile  zu  tasten.  Nach  H.s  Ansicht  ist  diese  Möglichkeit  gegeben 
durch  die  Aivvyendung  der  I  iefenpalpation,  von  der  er  im  Vorliegen¬ 
den  eine  ausführliche  Schilderung  gibt.  Ein  absolutes  Hindernis  für 
die  Ausführung  ist  nur  der  Meteorismus  und  eine  Kombination  von 
1  ettbauch  mit  gespannten  Bauchdecken.  Die  Palpation  des  Pylorus 
wai  für  H.  des  weiteren  der  Ausgangspunkt  für  die  Palpation  der 
normalen,  grossen  Kurvatur,  die  in  25  Proz.  der  Fälle  möglich  war, 
wahrend  dies  beim  normalen  Pylorus  in  18  Proz.  der  Fälle  gelang. 

Es  ist  dies  ein  für  den  Wert  der  Tiefenpalpation  doch  genugsam 
sprechender  Erfolg,  wenn  man  bedenkt,  dass  vorher  mir  vereinzelte 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2345 


kasuistische  Beobachtungen  über  Palpation  normaler  Magenteile  be¬ 
kannt  waren  und  auch  O  b  r  a  s  z  o  w  und  Cohnheim  nur  unter 
ganz  bestimmten  Voraussetzungen  in  1  Proz.  ihres  Krankenmaterials 
den  Pylorus  getastet  hatten. 


29)  Rö  bin-  Warschau:  Ueber  vorübergehende  Pylorusver- 
engerung  und  über  vorübergehende  Stauung  der  Ingesta  im  Magen 

im  allgemeinen.  T  ,  .  .  ,  , 

Röbin  warnt  vor  der  in  den  letzten  Jahren  seiner  Ansicht 

nach  allzusehr  in  den  Vordergrund  getretenen  chirurgischen  Behand¬ 
lung  der  postulzerösen  Stenosen,  denn  sowohl  bei  Pyloritis  acuta  als 
auch  in  den  Fällen,  in  denen  der  Pylorus  vorübergehend  geknickt 
oder  ein  Spasmus  vorliegt,  kann  .die  Besserung  auch  bei  interner 
Behandlung  eine  dauernde  sein.  Des  weiteren  bespricht  Verfasser 
das  Vorkommen  leichterer  Stasen  im  Magen,  die  nicht  die  Folge  einer 
postulzerösen  Pylorusstenose  und  denen  bis  jetzt  wenig  Beachtung 
geschenkt  wurde,  die  aber  Zweifelsohne  vorhanden  sind  und  m  wel¬ 
chen  Fällen  die  interne  Behandlung  erst  recht  meist  von  hrfolg 
gekrönt  sei.  Sehr  zweckmässig  ist  R.s  Verfahren,  dem  Probeabend¬ 
essen  etwas  Bism.  subnitr.  beizufügen.  Finden  wir  nämlich  andern 
Tags  Kristalle  von  Schwefeibismut,  so  ist  das  ein  zwingender  Be¬ 
weis  von  Stagnation,  denn  Schwefeibismut  bildet  sich  infolge  Ein¬ 
wirkung  von  HsS  auf  Bism.  subnitr.;  FRS  aber  ist  ein  untrügliches 
Zeichen  der  ZerseteunK  von  Speisen  im  ff“:  d  „ .  Mflnchen. 


Archiv  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten. 

Heft.  1907. 


43.  Band. 


Nekrolog  für  Eduard  Hitzig. 

M  Nonne  und  F.  Apelt:  Ueber  fraktiomerte  Emweissaus- 
iällung  in  der  Spinalflüssigkeit  von  Gesunden,  Luetikern,  funktionell 
und  organisch  Nervenkranken  und  über  ihre  Verwertung  zur  Diffe- 
rentialdiagnose  der  Dementia  paralytica,  Tabes  dorsalis,  tertiären  und 
abgelaufenen  Syphilis.  (Aus  dem  allgemeinen  Krankenhause  Ham- 

^U1  ^ Ein PRef erat  über  die  modifizierte  Globulinuntersuchungsmethode 
der  Lumbalflüssigkeit,  die  Nonne  sehe  ,. Phase  I  Reaktion  findet  sich 
bereits  in  dieser  Wochenschrift  1907,  No.  42,  S.  2117.  Betreffs  dei 
Einzelheiten  der  Technik  und  der  Resultate  dieser  wertvollen  Untei- 
suchungsmethode  sei  auf  das  Original  der  interessanten  Arbeit  ver¬ 


wiesen.  .  . 

Kurt  Goldstein:  Ein  Fall  von  manisch-depressivem  Misch- 
zustand  (zugleich  ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Ideenflucht  und  den 

Halluzinationen).  (Aus  der  psychiatrischen  Universitätsklinik  zu 
Königsberg  i.  Pr.)  Hierzu  eine  Abbildung  im  Text. 

Ein  interessanter  Fall  von  manisch-depressivem  Mischzustand  mit 
Untersuchung  der  intrapsychischen  Funktionen,  Assoziationsprüfung, 
Versuchen  der  Beeinflussung  der  bestehenden  Gehörshalluzinationen 
durch  periphere  Reize  wird  in  extenso  beschrieben. 

Mehrfaches  Schwanken  von  Depression  zur  Exaltation  innerhalb 
eines  Tages,  mitunter  Wechsel  von  Stunde  zu  Stunde,  ja  mehlfaches 
Schwanken  innerhalb  einer  Stunde  konnte  hierbei  beobachtet  werden, 
daneben  das  Vorherrschen  von  Sinnestäuschungen.  Es  kamen  für 
kurze  Zeiten  die  verschiedensten  Mischungen  zur  Beobachtung,  so  die 
Verbindung  von  Gedankenhemmung  und  Ideenflucht,  dann  Ideenflucht 
bei  schwerer  und  schwerster  motorischer  Hemmung,  wobei  die  Ideen¬ 
flucht  im  Assoziationsexperiment,  wie  in  gelegentlichen,  besonders 
auch  schriftlichen  Aeusserungen  der  Kranken  nachzuweisen  war. 
Ganz  besonders  interessant  war  das  Vorkommen  von  Ideenflucht 
gleichzeitig  neben  nicht  nur  motorischer,  sondern  auch  intraps>  chi- 

scher  Hemmung.  .  ,  ,  , 

Beim  Zustandekommen  der  Ideenflucht  ist  nach  des  Veitassers 
Ansicht  die  Aufmerksamkeitsstörung  das  Wesentliche,  daneben  müsse 
man  aber  auch  „eine  Assoziationsstörung  im  Sinne  der  Erleichterung“, 
wenigstens  für  hohe  Grade,  wohl  anerkennen.  Weiter  kommt  hier¬ 
für  die  Ablenkbarkeit  durch  Sinneseindrücke  in  Betracht.  Damit  dieses 
Symptom  zustande  komme,  muss  zu  dem  passiven  Moment  der  Auf¬ 
merksamkeitsstörung  das  aktive,  die  psychische  Hyperästhesie,  hinzu¬ 
treten.  Die  Ablenkbarkeit  wirkt  einerseits  direkt  ideenfluchterzeugend, 
indem  die  sinnlichen  Eindrücke  die  Aufmerksamkeit  gefangen  nehmen 
und  so  ein  Abschweifen  von  der  Obervorstellung,  die  beim  normalen 
Denken  festgehalten  wird,  veranlassen  (sensugener  Faktor  der  Ideen¬ 
flucht),  andrerseits  schafft  sie  Material  für  den  Inhalt  der  Ideenflucht. 

Die  im  vorliegenden  Falle  beobachteten  Gehörshalluzinationen 
Hessen  sich  durch  periphere  Reize  hervorrufen,  kamen  zweifellos 
natürlich  auch  ohne  Anregung  durch  einen  Sinnesreiz  vor.  Zur  Er¬ 
zeugung  von  Halluzinationen  waren  ausser  Gehörsreizen  auch  Reize 
auf  anderen  Sinnesgebieten,  Berührungs-,  Schmerz-  und  Gesichtsreize 
geeignet,  allerdings  erst  bei  einer  rhythmischen  Aufeinanderfolge  und 
Wiederholung  des  einzelnen  Reizes.  Die  Beeinflussung  der  Halluzi¬ 
nationen  durch  einen  peripheren  Reiz  beschränkte  sich  auf  rein  formale 
Beziehungen,  auf  Rhythmus,  Tonhöhe,  Lautähnlichkeit.  Der  Inhalt  der 
Halluzinationen  stellte  sich  einfach  als  der  Ausfluss  der  allgemeinen 
Stimmungslage  dar.  Die  peripheren  Reize  und  die  Stimmung  wird 
man  sich  nur  als  unterstützende  und  modifizierende  Momente  bei  der 
Entstehung  der  Sinnestäuschungen  vorzustellen  haben. 

Arthur  Herrmann  Hübner:  Klinische  Studien  über  die  Melan¬ 
cholie.  (Aus  der  psychiatrischen  Klinik  der  Universität  Bonn.) 

Die  K  r  a  e  p  e  li  n  sehe  Melancholie  ist  keine  Erkrankung  sui 


generis.  Bei  dem  heutigen  Stande  unserer  Kenntnisse  muss  man  sie 
der  grossen  Gruppe  der  manisch-depressiven  Psychosen  zurechnen. 

Walther  Kürbitz:  Zur  pathologischen  Anatomie  des  Delirium 
tremens.  (Aus  der  Kgl.  psychiatrischen  Universitätsklinik  zu  Königs¬ 
berg  i.  Pr.)  Hierzu  Tafel  VII* 

Die  pathologisch-anatomischen  Untersuchungsbefunde  bei  9  Fällen 
von  Delirium  tremens  bestätigen  im  wesentlichen  die  früher  von 
anderen  Forschern  gemachten  Erfahrungen.  Es  finden  sich  chronische, 
auf  den  chronischen  Alkoholismus  und  akute,  auf  das  Delirium  zu  be¬ 
ziehende,  Veränderungen.  Chronisch  verändert  sind  die  atrophischen, 
intensiv  dunkelgefärbten  Zellen  der  Rinde,  die  genaue  Strukturverhält- 
nisse  nicht  mehr  erkennen  lassen.  Stets  findet  sich  stellenweise  Pig¬ 
mentanhäufung,  für  die  als  ätiologisches  Moment  die  vorkommenden 
Blutungen  verantwortlich  zu  machen  sind,  Gliawucherung  und  baser- 
ausfall. 

Die  akuten,  auf  das  Delirium  zu  beziehenden,  Veränderungen  be¬ 
stehen  in  einer  Quellung  und  Abrundung  der  Zellen  und  in  der  zen¬ 
tralen  Aufhellung  der  Nisslkörper.  Sie  haben  für  das  Delirium  als 
solches  nichts  spezifisches  und  finden  sich  bei  anderen  Autointoxika¬ 
tionspsychosen  auch.  Der  Markscheidenzerfall  nach  Marchi  (im 
Grosshirn  und  Kleinhirn,  speziell  im  Wurm)  beweist  zweifellos  einen 
akuten  r o z e s s 

Nur  die  Summe  aller  Veränderungen  ist  charakteristisch  für 
Zustände  infolge  einer  Infektion  oder  Intoxikation  und  zur  Beurteilung 
heranzuziehen 

Ed.  Phleps:  Die  diagnostische  Verwertung  der  Schalleitungs- 
veränderungen  des  Schädels  bei  intra-  und  extrakraniellen  Herd¬ 
erkrankungen.  (Aus  der  Universitätsklinik  für  Nerven-  und  Geistes¬ 
krankheiten  zu  Halle  a.  S.)  Hierzu  2  Abbildungen  im  Text. 

Fortsetzung  nächstes  Heft. 

Erwin  Niessl  v.  Mayendorf:  Das  Rindenzentrum  der  op¬ 
tischen  Wortbilder.  Hierzu  Tafel  VIII  und  IX  und  3  Figuren  im  Text. 

Das  Rindenzentrum  der  optischen  Wortbilder  liegt  an  der  Grund¬ 
fläche  des  linken  Hinterhauptlappens  und  überragt  an  Ausdehnung 
wohl  kaum  die  ihm  entsprechenden  kinästhetischen  und  akustischen 
Zentralorgane  im  Stirn-  und  Schläfenlappen.  Die  bei  Erkrankung  des 
tiefen  linken  Angularismarks  auftretende  Wortblindheit  ist  eine  sub- 
kortikalie,  diejenige  bei  Erkrankung  der  basalen  okzipitalen  Rinde 
eine  kortikale. 

Karl  Heilbronner:  Zur  Symptomatologie  der  Aphasie,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Beziehungen  zwischen  Sorachver- 
ständnis,  Nachsprechen  und  Wortfindung.  (Aus  der  psychiatrischen 
Klinik  der  Reichsuniversität  Utrecht.)  (Schluss.) 

Am  Schlüsse  der  sehr  umfangreichen,  zu  einem  kurzen  Referat 
nicht  geeigneten  Arbeit  stellt  Verf.  das,  was  unabhängig  von  strittigen 
Fragen  der  Auffassung  und  Erklärung  an  gesicherten  tatsächlichen  Er¬ 
gebnissen  aus  seinen  Beobachtungen  hervorgeht,  zusammen: 

„Bezüglich  der  Intensität,  in  der  bei  nicht  motorischen  Ajphasien 
Verständnis,  Nachsprechen  und  Wortfindung  gestört  sind,  besteht  kein 
gesetzmässiges  Verhältnis. 

Die  Restitution  sensorischer  Sprachstörungen  erfolgt  nicht  ge- 
setzmässig  so,  dass  sich  das  Nachsprechen  vor  dem  Sprachverständnis 
wieder  einstellt,  auch  nicht  regelmässig  so,  dass  das  Wortsinnver¬ 
ständnis  sich  rascher  bessert  als  die  Wortfindung. 

Bei  erhaltenem  Wortsinnverständnis  kann  trotz  fehlender  mo¬ 
torischer  Störung  das  Nachsprechen  gestört  sein. 

Die  Leitungsaphasie  im  Sinne  Wernickes  ist  als  klinisch  nach¬ 
gewiesener  Komplex  anzuerkennen. 

Nicht  nur  in  Fällen,  wo  mit  Verständnis  nachgesprochen  wird, 
sondern  auch  in  solchen,  wo  ohne  Rücksicht  auf  das  Verständnis 
„auf  Anhieb“  nachgesprochen  wird,  erfolgt  das  Nachsprechen  unver¬ 
standener  Fremdworte  resp.  sinnloser  Buchstabenkombinationen  sehr 
häufig  schlechter,  als  beim  Gesunden  und  auch  schlechter  als  das 
Nachsprechen  geläufiger  Worte  beim  gleichen  Kranken. 

Auch  wo  das  Sprachverständnis  erheblich  gestört  ist  und  das 
Nachsprechen  nicht  nachweislich  mit  Verständnis  geschieht,  können 
beim  Nachsprechen  vorzugsweise  die  Kategorien  von  Worten 
Schwierigkeiten  machen,  die  erfahrungsgemäss  auch  bei  der  Wort¬ 
findung  dazu  am  meisten  Anlass  zu  geben  pflegen.  __ 

Beim  Nachsprechen  können,  sofern  das  Sprachverständnis  er¬ 
halten  ist,  aber  auch  in  Fällen,  die  erhaltenes  Sprachverständnis 
nicht  nachweisen  lassen,  verbale  Paraphasien  auftreten,  die  den 
Fehlern  bei  Benennungsversuchen  sensorisch  resp.  amnestisch  Apha- 

sischer  analog  sind.  .. 

Ausnahmsweise  können  auch  bei  intaktem  Hörvermögen  beim 
Nachsprechen  analoge  Fehler  auftreten,  wie  sonst  bei  Schwerhörigen. 

Die  Störung  des  Nachsprechens  kann  sich  am  intensivsten  bei 

kleinen  Sätzchen  bemerklich  machen. 

Wortsinnverständnis  und  Satzsinnverständnis  können  in  ver¬ 
schieden  schwerem  Grade  und  in  wechselndem  Verhältnis  gestört  sein. 

Auch  wo  über  die  Störung  des  Wortsinnverständnisses  hinaus 
eine  Störung  des  Wortklangverständnisses  anzunehmen  ist,  kann  noch 
ein  gewisses  Mass  von  Verständnis  für  das  Fremdartige  ungewohnter 

Kombinationen  bestehen.  , 

Zahlen  können  nicht  nur  beim  Lesen  und  Schreiben,  sondern 
auch  bezüglich  des  Verstehens,  Nachsprechens  und  der  Wortfindung 
gegenüber  Gegenstandsbezeichnungen  resp.  Buchstaben  begünstigt 
sein.“ 

Zu  eingehendem  Studium  sei  die  Arbeit  angelegentlich  empfohlen. 


2346 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Rizor:  Jugendirresein.  (Aus  der  Kgl.  Universitätsklinik  und 
-Poliklinik  für  psychiatrische  und  Nervenkrankheiten  in  Göttingen.) 
Fortsetzung  im  nächsten  Heft. 

Nekrolog  Emanuel  Mendel. 

Berliner  Gesellschaft  für  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten. 
Referate. 

Gesellschaft  für  exnerimentelle  Psychologie. 

III.  Internationaler  Kongress  für  Irrenpflege  in  Wien. 

Germanus  F 1  a  t  a  u  -  Dresden. 


Allgemeine  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  psychisch-ge¬ 
richtliche  Medizin.  Band  64,  Heft  4.  1907. 

Zahn-  Stuttgart:  Akute  Hautablösungen  bei  progressiver  Para¬ 
lyse. 

Es  werden  11  Krankengeschichten  mitgeteilt  von  Paralytikern, 
bei  denen,  sei  es  kurze  oder  längere  Zeit  vor  dem  Tode,  akute,  pem¬ 
phigusartige  Hautablösungen  auftraten;  ferner  Oedem,  Herpes  zoster 
(ein  Fall).  Die  Blasen  ähneln  durchaus  Brandblasen;  unter  der  ab¬ 
gehobenen  Epidermis  befindet  sich  klare  gelbe  Flüssigkeit.  Ihrem  Um¬ 
fange  nach  konnten  diese  Hautablösungen  sehr  beträchtlich  sein,  so 
dass  grosse  Teile  des  Körpers  von  der  Epidermis  entblösst  waren. 
In  der  Verteilung  der  Hautablösungen  bestand  keine  Gesetzmässig¬ 
keit.  Niemals  konnte  ein  äusserer  Einfluss  beim  Zustandekommen 
derselben  nachgewiesen  werden.  Die  Blasen  heilten  wieder  ab  oder 
verwandelten  sich  auch  in  mehr  oder  weniger  tiefgreifende  brandige 
Geschwüre.  Pathologisch-anatomisch  keine  eindeutigen  Befunde.  — 
Der  sogen,  akute  Dekubitus  ist  nicht  lediglich  Folge  mechanischer 
Einflüsse,  sondern  eine  derartige  Hautgangrän  kann  sich  auch  ent¬ 
wickeln  ohne  jedes  äussere  Moment. 

Kürbitz-  Königsberg  i.  Pr. :  Alkohol  und  Selbstmord.  Nebst 
einigen  Bemerkungen  über  die  Zurechnungsfähigkeit  der  Trinker. 

20  Krankengeschichten;  bei  19  dieser  Kranken  handelte  es  sich 
um  chronische  Alkobolisten.  Ein  Teil  beging  den  Selbstmordversuch 
unter  dem  Einfluss  zahlreicher  ängstlicher  Sinnestäuschungen;  andere 
Kranke  handelten  im  Affekt,  ohne  dass  eine  tiefere  Bewusstseins¬ 
trübung  Vorgelegen  hätte.  Eine  Anzahl  der  geschilderten  Alkoholisten 
sind  wohl  zweifellos  endogen  geisteskrank;  dass  bei  ihnen  der 
Alkoholismus  ganz  anders  zu  bewerten  ist  als  bei  Menschen,  welche 
ihrer  inneren  Anlage  nach  geistig  gesund  sind,  liegt  auf  der  Hand. 

Lomer- Lüneburg:  Schädelmasse  und  Beruf. 

Eine  von  jenen  zahlreichen  Arbeiten  über  obiges  Thema,  welche 
völlig  wertlos  sind,  weil  die  betr.  Autoren  von  durchaus  falschen  Vor¬ 
aussetzungen  ausgehen  und  gar  nicht  wissen,  worauf  es  bei  der  Frage: 
Kopfumfang  etc.  ankommt. 

B  o  1 1  e  -  Bremen :  Assoziationsversuche  als  diagnostisches  Hilfs¬ 
mittel. 

Im  Original  nachzulesen. 

I  h  o  m  s  e  n  -  Bonn:  Dementia  praecox  und  manisch  depres¬ 
sives  Irresein. 

Kritisches  Referat  über  die  gegenwärtigen  Ansichten  dieser 
beiden  Krankheiten. 

Verhandlungen  psychiatrischer  Vereine. 

Kleinere  Mitteilungen.  Nekrolog  Moebius  und  Mendel. 

Literaturheft.  Der  alljährlich  der  Zeitschrift  beigegebene  Bericht 
über  die  psychiatrische  Literatur  erscheint  diesmal  (für  das  Jahr  1906) 
mit  einer  Anzahl  dankenswerter  Verbesserungen.  Der  früher  schwer 
empfundene  und  oft  gerügte  Mangel  eines  Inhaltsverzeichnisses  des 
Literaturberichts  ist  durch  Hinzufügung  eines  Sach-  und  Namens- 
regjsters  beseitigt.  Die  den  einzelnen  Abschnitten  vorgedruckten 
Literaturangaben  sind  alphabetisch  geordnet.  Naue  Mitarbeiter 
wurden  gewonnen. 

Die  Redaktion  des  Literaturheftes  haben  E.  S  c  h  u  1 1  z  e  -  Greifs¬ 
wald  und  0.  S  n  e  1 1  -  Lüneburg  übernommen.  Die  Mitarbeiter  sind: 
A.  \\  r  e  s  c  hn  e  r  -  Zürich  (Psychologie  und  Psychophysik),  E. 
Schultze-  Greirswald  (gerichtliche  Psychopathologie),  O.'  S  n  e  1 1  - 
Luneburg  (allgemeine  Psychiatrie),  W.  W  e  y  g  a  n  d  t  -  Würzburg 
Idiotie  und.  Imbezillität),  Umpfenbach  -  Bonn  (funktionelle  Psy¬ 
chosen!,  K.  A  1 1  -  Uchtspringe  (Neurosen  und  Schilddrüsenerkran- 
kungen ).  P  e  r  e  1 1  i  -  Grafenberg  (Intoxikationspsychosen),  Ma- 
tu  sch -Sachsenberg  (organische  Psychosen),  H.  Schröder- 
Luneburg  (Anstaltswesen  und  Statistik.) 

M.  Reich  ardt  -  Wiirzburg. 


Archiv  für  Hygiene.  63.  Band,  Heft  2.  1907. 

Jf°xT^S:.^ÜrZJ'.U[g:  Ueber  das  Wachstum  der  Bak 
terien  in  und  auf  Nährboden  höherer  Konzentration 

Die  Untersuchungen  bestätigen  die  schon  von  Wolf  un 

,  M  f  !ilnZ^  r  geum,ac!!ten  Beobachtungen,  dass  das  Bakterienwachstur 
au  i  den  gewöhnlichen  Nährböden  bis  zu  einem  Wassergehalte  vo 
50  Proz.  noch  vor  sich  geht.  J  o  r  n  s  konnte  aber  weiter  auch  ein 
wandirei  nachweisen,  dass  die  gefundenen  Tatsachen  auch  für  da 

’  R  nneAn  i?eS  Nahrbodeils’  speziell  von  Gelatine  Gel 
tung  haben  Bei  noch  höherer  Konzentration  war  es  schwierig  etwa 
Genaueres  über  das  Wachstum  im  Innern  zu  erfahren  da  bei  so  er 

sfchtigwJr ChtC  deS  Nährbodens  derselb-e  nicht  mehr  genügend  durch 

.  c?sK,.B-  Lehmann- Würzburg:  Studien  über  die  Zähigkei 
des  Fleisches  und  ihre  Ursachen.  K 


Verf.  referiert  im  Zusammenhang  über  eine  Reihe  von  Ar¬ 
beiten,  die  unter  seiner  Leitung  über  die  Zähigkeit  des  Fleisches 
angestellt  wurden.  Für  Interessenten  mag  wegen  der.  zahlreichen 
bemerkenswerten  Resultate  auf  das  Original  verwiesen  werden,  da 
hier  für  die  Wiedergabe  nicht  genügend  Raum  zur  Verfügung  steht. 
Die  Vielseitigkeit  der  Versuchsanohdnungen  geht  aus  der  Angabe 
der  einzelnen  Abschnitte  hervor:  Vergleich  der  Zähigkeit  von  Haut¬ 
muskel  und  Filet  des  Rindes  in  rohem  Zustand.  —  Die  Ursachen 
der  verschiedenen  Zähigkeit  verschiedener  Fleischsorten.  —  Einfluss 
des  Abhängens  auf  die  Zähigkeit  des  Fleisches.  —  Einfluss  der  Kälte 
auf  die  Zähigkeit  des  Fleisches.  —  Einfluss  des  Kochens  auf  die 
Fleischzähigkeit  und  die  dadurch  bedingte  Veränderung  des  Volumens 
und  des  Wassergehaltes.  —  Die  Gewichtsabnahme  des  Fleisches  und 
die  Gewichtszunahme  des  Bindegewebes  beim  Kochen.  —  Zähigkeit 
von  geräuchertem  Fleisch,  Sneck  und  Wurst.  —  Zähigkeit  von  Leber. 
Milz,  Niere,  Thymus.  Hirn,  Herz,  Zunge. ,  Die  Werte  der  Festigkeit 
wurden  mit  einem  eigens  konstruierten  „Beissapparat“.  Dexometer, 
bestimmt. 

3)  K.  B.  Le  h  m  a  n  n  -  Würzburg:  Die  Festigkeit  (Zähigkeit) 
vegetabilischer  Nahrungsmittel  und  ihre  Veränderung  durch  das 
Kochen. 

Durch  das  Kochen  verlieren  die  vegetabilischen  Nahrungsmittel 
stets  7«— -/io  der  früheren  Festigkeit.  Sie  sind  roh  wie  gekocht  fast 
durchweg  zarter  wie  die  eigentliche  Fleischnahrung,  die  zartesten 
gekochten  Tierorgane  (Thymus)  erreichten  nicht  ganz  die  gekochten 
egetabilien  und  übertreffen  sie  nur  ganz  ausnahmsweise  (Hirn) 
L)lf,  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  Kartoffel,  Kohlrabi,  Aepfel 
gelbe  Rüben,  Weissbrot,  Schwarzbrot,  Pumpernickel. 

,.  i  Y.;..L  u.b  u  b  a  r  a  -  Osaka:  Experimentelle  Untersuchungen  über 
die  Empfänglichkeit  und  Immunisierung  der  Kaltblüter  gegen  Pest. 

Verf.  machte  Infektionsversuche  an  Fischen.  Schildkröten,  Tri- 
tonen,  Schlangen,  alsdann  Versuche  mit  Pesttoxinen  und  Immuni¬ 
sier  ungs  versuche  an  Schildkröten.  Frösche,  Karpfen.  Goldfische  und 
I  ritonen  sind  für  Pest  sicher  empfänglich,  sowohl  Hei  intraperitonealer 
Infektion  als  auch  durch  Fütterung.  Schildkröten  und  Schlangen 
scheinen  immun  für  Pest  zu  sein.  Beobachtungen  an  Regenwürmern 
ergaben,  dass  dieselben  fast  immun  sind.  Pestbazillen  hielten  ihre 
irulenz  noch  nach  70  tägigem  Verweilen  im  Regenwurmkörner  Das 
pathologisch-anatomische  Bild  der  Pesterkrankung  bei  Kaltblütern  ist 
eine  lokale  Erkrankung  mit  allgemeiner  Intoxikation.  Pesttoxine  geben 
ueselben  \  eränderungen.  Schildkrötenserum  vermag  Frösche  und 
1  ritonen  vor  Pestinfektion  zu  schützen,  aber  nicht  Mäu«>e.  * 

R.  O.  Neumann  - Heidelberg. 

Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infektionskrankheiten.  1.  Heft 

58.  Band.  1907. 

•<  Jr  S  e  li  g  m  a  n in  -  Berlin:  Ueber  die  Reduktasen  der  Kuh¬ 
milch.  11. 

In  seiner  neuen  Abhandlung  geht  Verf.  nochmals  auf  seine  frühe¬ 
ren  Resultate  ein  und  stellt  fest,  dass  im  Gegensatz  zu  den  Annahmen 
von  Smidt,  Jensen  und  Brand  die  bisher  bekannten  Reduk- 
tionsvorgange  in  frischer  wie  in  älterer  Milch  nach  dem  Ergebnis 
der  vorliegenden  Untersuchungen  bakterieller  Natur'  sind 
und  dass  sich  das,  was  bisher  als  Fermentwirkung  angegeben  wurde 
nicht  als  solche  erwiesen  hat,  obwohl  er  das  Vorhandensein  von 
echten,  reduzierenden  Fermenten  in  der  Milch  nicht  für  aus¬ 
geschlossen  hält. 

2\ Tv-  Esmarch  -  Göttingen :  Die  Tageshelligkeiten  in  Göt¬ 
tingen  im  Jahre  1906. 

Verf.  hat  einen  kleinen  Apparat  konstruiert,  welcher  selbsttätig 
arbeitet  und  stets  das  Sonnenlicht  bezw.,  bei  bedecktem  Himmel, 
Licht  von  der  Stelle,  wo  die  Sonne  am  Himmel  gerade  steht,  senk¬ 
recht  durch  den  Spalt  in  das  Innere  des  Zylinders  gelangt.’  Dort 
wn  u  je  nach  der  Intensität  des  Lichtes  Chlorsilberpapier  geschwärzt 
so  dass  an  den  helleren  und  dunkleren  Kurven,  die  Helligkeitsschwan- 
klingen  deutlich  abzulesen,  sind.  Aus  praktischen  Gesichtspunkten 
unterscheidet  der  Verf.  6  verschiedene  Helligkeiten,  die  eine  In- 
tensität  von  über  3000  —  unter  100  NK.  angeben.  Bei  seinen  Unter¬ 
suchungen,  die  während  1906  ausgeführt  sind,  zeigt  sich,  dass  die 
Gesamttageshelligkeit  gar  keine  übermässig  grosse  genannt  werden 
kann,  denn  sogar  in  den  hellsten  Julitagen  betrugen  die  dunklen  Stun¬ 
den  16_  Stunden  auf  501  Gesamtstunden,  d.  i.  etwa  ein  Drittel.  Der 
Apparat  kostet  100  Mk.  und  wird  bei  Fuess  in  Steglitz  angefertigt. 

3)  M.  Mandel  bäum  -  München:  Zur  Streptokokkenfrage. 

Bei  Nachprüfungen  von  verschiedenen  Streptokokkenstämmen  er¬ 
gab  sich  unter  Hinzuziehung  von  Blutagar,  Blutbouillon  und 

Jalle  als  Nährböden,  dass  sich  ausser  dem  Streptococcus  lanceo- 
utus  und  Streptococcus  mucosus  auch  voni  Streptococcus  pyogenes 
•  Arten  unterscheiden  Hessen,  die  Verf.  als  Streptococcus  pathogenes, 
^treptococcus  mitior  und  Streptococcus  saprophyticus  bezeichnet.  Die 
lallenreaktion  ist  bei  den  letzten  3  Stämmen  negativ,  deutlich  wird 
det  Unterschied  in  Blutbouillon  durch  verschiedene  Verfärbung  und 
das  Auftreten  von  Hämolyse  (Str.  pathog.:  Hämolyse;  Bouillon  bur¬ 
gunderrot.  Str.  mitior:  allein  keine  Hämolyse;  Bouillon  braun.  Str. 
saproph..  allein  keine  Hämolyse;  Bouillon  karmoisinrot,  dann  bur¬ 
gunderrot. 

4)  C.  Ras  p- Bern:  Die  Einwirkung  der  Seifen  für  sich  und  in 
V  erbindung  mit  Phenol  auf  die  Bakterien  vom  chemischen  Stand¬ 
punkt  aus  betrachtet. 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2347 


Die  Seife  in  sehr  starker  Verdünnung  wirkt  besser  als  Phenol¬ 
seife  von  gleicher  Konzentration,  was  wohl  darin  begründet  ist, 
dass  der  Phenolzusatz  mit  dem  freien  Alkali  sich  bindet  und  dann 
die  Wirksamkeit  verloren  geht,  die  Desinfektionswirkung  wird  aber 
trotzdem  durch  Phenolzusatz  beträchtlich  gesteigert,  wenn  es 
in  richtigem  Prozentverhältnis  zugefügt  wird  (aa  -pts.).  Mit  der 
Temperaturerhöhung  trat  eine  Steigerung  der  Desinfektionswir¬ 
kung  ein.  .  iS  ,  ,  ,  nu  . 

5)  Kurt  Laubenheimer  -  (messen:  Zur  Aetiologie  der  Uhole- 

ZySt,Unterisuchung  von  36  Fällen  von  Gallenblasenerkrankungen.  Es 
fanden  sich  21  mal  =  58,3  Proz.,  darunter  18  mal  —  50  Proz  Bact. 
coli  in  Reinkultur,  ausserdem  noch  Bact.  pyocyaneum,  Streptokokken 
und  Staphylokokken,  Typhusbazillen,  Influenzabazillen  und  Kapsel- 
bazillen 

6)  Povl  H  e  i  b  e  r  g  -  Kopenhagen :  lieber  die  Dauer  der  letalen 

Scharlachfieberfälle  in  der  dänischen  Stadtbevölkerung,  Kopenhagen 
ausgenommen,  in  den  Jahren  1885—1900.  .  „  ,  ,  . 

Statistisches  Material:  Im  ganzen  kamen  704  Falle  in  Betracht. 
Von  sämtlichen  Todesfällen  treten  ca.  11 5  in  den  ersten  4  Tagen, 
1/3  in  den  ersten  6  Tagen,  die  Hälfte  in  den  -ersten  10  Tagen  ein. 
Nur  ca.  V25  später*als  im  Laufe  von  5  Wochen. 

7)  Karl  Klieneberger  -  Königsberg :  Klinische  und  kritische 
Beiträge  zur  Differenzierung  pathogener  „Proteusarten“  und  Beiträge 
zur  Wertung  der  „Proteusagglutination“. 

Als  Gruppencharakteristikum  der  Proteusgruppe  ist  die  ge¬ 
steigerte  Wachstumsenergie  (die  Fähigkeit  der  Sohwarmkolonien- 
bildung)  zu  betrachten,  während  Gramfärbung,  Verflüssigung  zu  Merk¬ 
malen  für  Unterabteilungen  Verwendung  finden  können.  Proteus¬ 
allgemeinerkrankungen  sind  sehr  selten.  Bei  Lokalerkrankungen 
kommt  Proteus  vulgaris  und  mirabilis  in  Betracht..  Normale  Men¬ 
schensera  agglutiinieren  Proteus  Zenker  und  Zopfii,  dagegen  I  10- 
teus  vulgaris  kaum.  Durch  Proteusimmunsera  gelingt  es,  die  I  ro- 
teusstämme  zu  charakterisieren. 

8)  Artur  L  u  e  r  s  s  e  n  -  Königsberg:  Ein  Fall  von  Flussver¬ 
unreinigung  durch  Abwässer  einer  Zellstoffabrik. 

9)  Taav  L  a  i  t  i  n  e  n  -  HeLsingforis :  Ueber  die  Einwirkung  der 

kleinsten  Alkoholmengen  auf  die  Widerstandsfähigkeit  des  tierischen 
Organismus  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Nachkommen¬ 
schaft.  .  ,  r,  ,  t/m 

Die  Versuche  mit  kleinsten  Mengen  Alkohol,  nur  0,1  ccm  pei  Kilo 
Tier  und  Tag  ergaben,  dass  die  Hämolysierbarkeit  der  roten  Blut¬ 
körperchen  des  Kaninchens  durch  fremdeis  Serum  befördert  ward, 
dass  die  normale  Widerstandsfähigkeit  des  tierischen  Organismus  tiii 
Infektionsstoffe  herabgesetzt  wird  und  dass  die  Mengen  einen  be¬ 
deutend  nachteiligen  Einfluss  auf  die  Nachkommenschaft  der  Ver¬ 
suchstiere  ausüben.  R-  O.  Neumann  - Heidelberg. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  45.  1907. 

1)  W.  H  i  s  -  Berlin:  Antrittsrede,  gehalten  zum  Beginn  der  Klinik 

am  29.  Oktober  1907.  „  Tjr  '  '  .... 

2)  G.  Joannovics- Wien  und  G.  Kapsa  m  mer  -  W  len : 
Untersuchungen  über  die  Verwertbarkeit  neuerer  Methoden  zur  Dia¬ 
gnose  der  Tuberkulose  im  Tierversuch. 

Die  Verff.  haben  Versuche  angestellt  zur  Nachprüfung  der 
Bloch  sehen  Methode,  bei  welcher  auf  Tuberkulose  verdächtiges 
Material  in  der  Leistengegend  ver impft  wird  und  die  Lymphdrüsen 
dann  einer  Quetschung  ausgesetzt  werden.  Hinsichtlich  dieset  Me¬ 
thode  kamen  sie  zur  Ansicht,  dass  dieselbe  einen  wesentlichen  Fort¬ 
schritt  bedeutet  und  schon  nach  14  Tagen  die  sichere  Diagnose^  einer 
vorhandenen  Tuberkulose  durch  das  I  ierexperiment  erlaubt,  ferner 
wurden  noch  die  Allerginprobe  von  v.  Pirquet,  sowie  die  Oph¬ 
thalmoreaktion  nach  Wolff-Eisner  und  Chantemesse  durch 
Versuche  an  Meerschweinchen  nachgeprüft.  Betreff  dieser  letzteren 
Methoden  ging  das  Ergebnis  der  Versuche  dahin,  dass  sie  nicht  ge¬ 
eignet  sind,  eine  vorhandene  tuberkulöse  Erkrankung  des  Meei- 

schweinchens  festzustellen.  . 

3)  S  c  h  n  ii  t  g  e  n  -  Berlin :  Die  Beschaffenheit  der  im  Harn  bei 
„Morbus  Brightii“  vorkommenden  Leukozyten. 

Verf.  hat  in  10  Fällen  von  Nephritis  mittels  der  neuen  Farbe¬ 
methoden  das  Sediment  untersucht  und  in  allen  Fällen  Lymphozyten 
gefunden.  Es  handelt  sich  jedoch  dabei  nicht,  wie  die  ältere  Auf¬ 
fassung  lautete,  um  Eiterkörperchen,  also  um  den  Vorgang  einer  Eite¬ 
rung,  sondern  um  das  Auftreten  von  Lymphozyten. 

4)  M.  Lewandowsky  -  Berlin :  Abspaltung  des  Farbensinnes 
durch  Herderkrankung  des  Gehirnes. 

Vergl.  Referat  Seite  1459  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

5)  C.  Michael  -Berlin:  Zur  Frage  der  Magensaftsekretion  bei 
Rektalernährung. 

Verf.  konnte  sich  durch  seine  Untersuchungen,  deren  Ergebnisse 
er  in  6  Tabellen  übersichtlich  mitteilt  und  deren  Methodik  genau 
angegeben  wird,  nicht  davon  überzeugen,  dass  durch  Rektalernährung 
es  auf  reflektorischem  Wege  zu  einer  Magensaftsekretion  kommt. 
Eine  deutlich  in  die  Erscheinung  tretende  Magensaftsekretion  resp, 
Vermehrung  der  Magensaftsekretion  konnte  sowohl  bei  den  als 
magengesund  anzusprechenden  als  auch  bei  magenkranken  Patienten 
weder  eine  halbe  noch  eine  Stunde  nach  Einverleibung  des.  Nähr- 
klysmas  festgestellt  werden.  Es  ikann  daher  eine  ausschliesslich 
rektale  Ernährung  während  mehrerer  Tage  zur  Entlastung  des  Ma¬ 


gens  durchgeführt  werden,  ohne  dass  es  zu  einer  unerwünschten 
Magensaftsekretion  kommt. 

6)  E.  Falk-Berlin:  Zum  Umformungsprozess  der  Wirbelsäule 
während  der  fötalen  Entwicklung. 

Vergl.  Referat  Seite  2259  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

7)  Dege-Berlin:  Die  Hernia  cruralis  pectinea  sive  Cloquetii. 

D.  stellt  die  bisherigen  Beobachtungen  dieser  Art  —  es  sind 
deren  13  —  zusammen  und  vermehrt  dieselben  durch  einen  von 
ihm  selbst  beobachteten  Fall,  welcher  eine  68  jährige  Frau  betraf. 
Dieselbe  wurde  operiert,  starb  aber  im  Operationsschock.  Im  An¬ 
schluss  an  diese  Fälle  werden  die  anatomischen  Verhältnisse  dieser, 
eine  Abart  der  Schenkelhernie  darstellenden,  Hernien,  sowie  der 
Entstehungsmechanismus  derselben  eingehend  beschrieben  und 
schliesslich  in  einer  tabellarischen  Uebersicht  die  hauptsäch¬ 
lichsten  Beobachtungen  und  Operationsergebnisse  aus  den  14  Fällen 
zusammengestellt. 

8)  M.  R  a  b  i  n  0  w  i  t  s  c  h  -  Kiew:  Ueber  die  Rückfalltyphus¬ 
epidemie  in  Kiew. 

Eine  Reihe  statistischer  Angaben  illustriert  das  häufige  Vor¬ 
kommen  von  Rückfalltyphusepidemien  in  Russland,  wie  solche  im  ge¬ 
ringeren  Grade  zeitweise  auch  in  Oesterreich,  aber  seit  lange  nicht 
mehr  in  Deutschland  Vorkommen.  Die  Unterlage  für  die  vorliegenden 
Mitteilungen  bilden  4080  Fälle,  wobei  Verf.  über  ca.  1000  eigene  Be¬ 
obachtungen  verfügt.  Die  Erkrankung  betraf  Männer  dreieinhalbmal 
so  oft  als  Frauen.  Von  den  sämtlichen  Kranken  starben  103  und  zwar 
78  Männer  und  18  Frauen,  7  ohne  Angabe  des  Geschlechts.  In  den 
sehr  interessanten  Ausführungen  über  die  Aetiologie  der  Erkrankung 
wird  eindrucksvoll  veranschaulicht,  wie  Hunger  und  wahrhaft  ent¬ 
setzliche  Wohnumgsverhältnisse  die  Hauptmomente  für  das  Auftreten 
solcher  grossen  Epidemien  wie  in  Kiew  sind,  woraus  sich  das  viel 
häufigere  Befallenwerden  der  ärmeren  Bevölkerung  ohne  weiteres 
erklärt.  Der  Verf.  bestreitet,  dass  die  Wanze  der  direkte  Ueber- 
träger  der  Obermeier  sehen  Spirille  ist,  wenn  sich  auch  im  Blute 
solcher  Wanzen,  welche  Kranke  gebissen  hatten,  noch  tagelang  zahl¬ 
reiche  Spirillen  nachweisen  lassen.  Verf.  hat  an  sich  selbst  mittelst 
auf  seine  Haut  aufgebundener  Wanzen  einen  Infizierungsversuch  ange¬ 
stellt,  welcher  jedoch,  trotzdem  die  verwendeten  Wanzen  Spirillen 
enthielten,  negativ  ausfiel.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Ueber- 
tragung  durch  Aufnahme  infizierter  Speisen  und  Getränke,  also  per  os 
erfolgt,  worauf  auch  die  klinischen  Erscheinungen  hindeuten,  welche 
im  Beginn  meistens  solche  einer  Erkrankung  des  Magendarmkanals 
darstellen.  Qrassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  45. 


1)  A.  B  r  e  n  t  a  n  0  -  Berlin:  Grundzüge  für  die  Behandlung  der 
Hernien. 

Fortbildungsvortrag.  (Schluss  folgt.) 

2)  M.  Martens-Berlin:  Zur  Technik  der  Operation  des  per¬ 
forierten  Magengeschwürs, 

Von  10  Kranken  mit  Naht  des  perforierten  Geschwürs  (operiert 
2Vs— 26  Stunden  nach  der  Perforation)  wurden  6  geheilt.  Verfasser 
kam  mit  der  Knopfnaht  aus,  die  meist  in  2  Etagen  angelegt  wurde. 
Ueber  die  Nahtstelle  fixiert  er  Netz  und  tamponiert  darauf.  Von 
Gastroenterostomie  sah  er  ab,  ebenso  von  der  Jejunostomie,  die  er 
jedoch  bei  sehr  grossen  schwierig  zu  schliessenden  Perforationen 
für  empfehlenswert  hält.  Die  Bauchhöhle  wurde  mit  Kochsalzlösung 
reichlich  gespült,  ausser  wenn  sie  noch  nicht  verunreinigt  w^r.  Bei 
zweifelhaften,  namentlich  älteren  Fällen  wurde  erst  ein  Zoekalschnitt 
gemacht  und  dieser  dann  als  Drainageöffnung  benutzt.  In  der  Nach¬ 
behandlung  bewährten  sich  Kochsalzinfusionen,  Rektaleinläufe.  Ver¬ 
fasser  betont,  dass  die  Diagnose,  mindestens  auf  Perforationspei  1- 
tonitis,  meist  nicht  schwierig  ist,  ferner  dass  man  Ulkuskranke  aui 
die  mögliche  Gefahr  einer  Perforation  hinweisen  solle,  damit  sie 
rascher  zur  Operation  kommen. 

3)  W  i  r  s  i  n  g  -  Berlin:  Ueber  Bleivergiftung  mit  Augenerkran- 

S30  jährige  Frau,  welche  versehentlich  Vs  Theelöffel  Mennige  (in 
Wasser)  eingenommen  hatte,  erkrankte  erst  10 — 14  Tage  später  unter 
schweren  Vergiftungserscheinungen;  auffällig  waren:  Verschontbleiben 
der  Extremitäten,  Koliken  in  der  Gallenblasengegend,  Augenaffek- 
tionen:  Mydriasis,  Neuritis  beider  Nervi  optici  mit  beginnender  Atio- 
phie  linkerseits,  isolierte  Parese  des  linken  Musculus  obliquus 

4)  Alfred  Alexander  -  Berlin:  Zur  Kasuistik  der  traumatischen 


Leberzirrhose» 

26  jähriger  Malm,  vor  3  Monaten  Stoss  mit  einer  Deichsel  vor 
den  Leib,  zunehmende  Schmerzen,  dann  Aszites,  wiederholte  1  unk- 
tion.  Nach  einigen  Monaten  unter  hochgradigen  Stauungserschci- 
nungen  Tod  an  Herzschwäche.  Bei  der  Sektion  fand  sich  zirkum¬ 
skripte  Leberzirrhose  um  die  Pfortader  herum,  anscheinend  auf  dem 
Boden  einer  subkapsulären  Blutung  entstanden. 

5)  R.  H  a  e  c  k  e  r  -  Marburg:  Klinischer  und  anatomischer  Bei¬ 
trag  zur  Kenntnis  der  doppelseitigen  Quadrizepssehnenruptur  har 

am  oberen  Rande  der  Patella.  . 

Die  genannte  Verletzung  erfolgte  bei  einem  53  jährigen  Mann, 
welcher  einen  drohenden  Fall  nach  rückwärts  durch  übertriebene 
Anstrengung  dieser  Muskeln  parieren  wollte.  Blutige  Naht,  naei 
12  Tagen  Tod  an  Lungenembolie. 


2348 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


6)  P.  A  1  s  b  e  r  g  -  Berlin :  Hyperalgesien  der  Haut  in  ihrer  Be¬ 
deutung  für  die  Gynäkologie. 

Von  200  Frauen  mit  gynäkologischen  Leiden  zeigten  17  über¬ 
empfindliche  Hautzonen  in  der  Unterleibsregion,  10  davon  waren  hy¬ 
sterisch.  Die  nicht  hysterischen  Zonen  waren  nur  durch  gröbere  Ver¬ 
fahren  (Erheben  von  Hautfalten)  zu  erkennen  und  lagen  gewöhnlich 
senkrecht  über  druckempfindlichen,  schmerzhaften  Krankheitsherden. 

7)  G.  F  r  i  c  k  e  n  h  a  u  s  -  Elberfeld:  Sind  die  modernen  Silber¬ 
präparate  frei  von  Aetzvvirkungen? 

Omorol  und  Sophol  zeigten  im  Tierversuch  Aetzwirkung.  Die 
nach  Omoroleinstäübungen  vorgekommenen  Gastralgien  sind  als  che¬ 
mische  Reizwir'kung  aufzufassen. 

8)  P.  Buttersack  -  Heilbronn :  Ueber  akute  Vergiftungen  nach 
Oelklystieren. 

Gallensteinkranke  Frau  bekam  2lA  Stunden  nach  Verabreichung 
eines  Oelklystiers  (250  ccm)  einen  akuten  bedrohlichen  Anfall  von 
Methämoglobinämie;  charakteristisch  war  die  blauviolette  Farbe  der 
Haut,  die  schokoladeartige  Farbe  des  Blutes.  Die  Therapie  bestand 
in  Analepticis  und  Sauerstoffinhalation.  Das  frisch  bezogene  „Se¬ 
samöl“  erwies  sich  bei  der  Untersuchung  als  Ol.  paraff.  flavum. 

R.  G  r  a  s  h  e  y  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 

No.  20.  1907. 

Huguenin:  Eine  bisher  übersehene  Wurzel  des  N.  glosso- 
pharyngeus  und  Vagus. 

Die  sensiblen  Fasern  des  Vagus  und  Glossopharyngeus  gelangen 
mit  den  Trigeminusfasern  zusammen  in  die  Substantia  gelatinosa 
der  Trigeminuswurzel,  die  Geschmacksfasern  in  das  Ganglion  des 
Fascicul.  solitarius.  Die  zahlreichen  Einzelheiten  wollen  im  Original 
nachgelesen  werden. 

Eugen  Bircher:  Eine  seltene  Schussverletzung.  (Aus  der 
Chirurg.  Abt.  d.  kantonalen  Krankenanstalt  zu  Aarau.)  (Schluss.) 

Der  klinisch  und  nach  Sektionsbefund  genau  beschriebene  Fall 
hatte  eine  Verletzung  von  Lunge,  Herz  und  Rückenmark  erlitten. 
Der  Verlauf  des  Schusskanals  und  die  nervösen  Störungen  boten 
grosses  Interesse.  Pat.  staub  erst  nach  4  Monaten.  Eingehende 
Epikrise. 

Köhl -Chur:  Ist  ein  Wechselstrom  von  120  Volt  Spannung 
lebensgefährlich? 

Eine  Wäscherin  fasste  eine  brennende  Lampe  an  der  Metall¬ 
fassung,  war  lange  bewusstlos  und  wäre  ohne  äussere  Hilfe  „zu 
Tode  elektrisiert“  worden. 

No.  21.  Benno  Schwabe  t. 

H.  S  u  1 1  e  r  -  St.  Gallen:  Beitrag  zur  akuten  und  chronischen  Ent¬ 
zündung  des  leeren  Bruchsackes.  (Schluss  folgt.) 

O.  A  m  r  h  e  i  n  -  Arosa:  Phthisiotherapeutisches  in  der  allge¬ 
meinen  Praxis. 

Enthält  zahlreiche  anregende  Notizen  über  Auskultation,  Tem¬ 
peraturmessung,  Fieberbehandlung  u.  a. 

F.  S  t  i  r  n  i  m  a  n  n  -  Luzern:  Zwei  abnorme  Urinbefunde  bei  Kin¬ 
dern. 

In  einem  Fall  fand  sich  nach  Pinselung  mit  Arnikatinktur  eine 
rotviolette  Färbung  (von  Thymol),  im  anderen  wachsartige  Zylinder 
und  spärliche  Leukozyten  ohne  sonst  anormales  Verhalten. 

P  i  s  c  h  i  n  g  e  r. 


Oesterreichische  Literatur. 
Wiener  klinische  Wochenschrift. 


No.  45.  Kraus,  Luxenberger  und  Ru  ss-  Wien:  Ist  die 

Ophthalmoreaktion  nach  Chantemessezu  diagnostischen  Zwecken 
bei  Typhus  verwertbar? 

Exti  akte  aus  toxischen  Typhusstämmen,  aus  Paratyphusbazillen 
B,  Kolibazillen  und  verdünntes  Tuberkulin  (1  : 50— 100)  zeigen  nach 
konjunktiyalen  Einträufelungen  ausser  geringer  Sekretion  nur  aus¬ 
nahmsweise  entzündliche  Erscheinungen.  Bei  typhösen  und  anders¬ 
artig  erkrankten  Menschen  rufen  sie  eine  meist  auf  die  Konjunktiva 
des  unteren  Lides  beschränkte  entzündliche  Reaktion  hervor.  Die 
Chantemesse sehe  Ophthalmodiagnose  ist  derzeit  für  Typhus 
nicht  brauchbar,  die  Serumdiagnose  nach  Gruber-Widal  immer 
noch  das  genaueste  diagnostische  Mittel. 


J.  H  a  1  b  a  n  -  Wien:  Zur  Frage  der  Graviditätshypertrichose. 

H.  hat  die  Graviditätshypertrichose  in  ganz  ausgesprochenem 
Masse  auch  experimentell  bei  Tieren  (Kaninchen)  verfolgen  können 
indem  er  vor  oder  während  der  Gravidität  Hautpartien  rasierte  und 
dann  ein  irn  Vergleich  zu  den  Konfrontieren  ganz  lebhaftes  Wachstum 
der  Haare  feststcllte.  Zum  Unterschied  mit  dem  Menschen,  wo  die 
Lanugohaare  der  Graviditätszeit  rasch  wieder  schwinden,  sah  er  bei 
Kaninchen  auch  noch  eine  puerperale  Hypertrichose. 

...  Sternberg-  Brünn :  Zur  Kasuistik  der  Nierendefekte  und 
Missbildungen  des  Urogenitalapparates. 

Genaue  Beschreibung  eines  Falles,  wo  bei  einem  Neugeborenen 
neben  anderen  Fehlbildungen  im  Urogenitalgebiet  ein  Mangel  der 
einen  Niere  zu  bestehen  schien.  Die  genaue  Untersuchung  ergab 
aber  eine  etwa  bohnengrosse,  als  Hydronephrose  charakterisierte 
Niere.  Solche  weitgehende  Rückbildung  im  intrauterinen  Leben  mag 
Otters  einen  völligen  Nierendefekt  Vortäuschen. 


F.  O  r  t  h  n  e  r  -  Wien:  Wachstum  und  Wachstumsstillstand  gut¬ 
artiger  und  bösartiger  Geschwülste. 

Zur  kurzen  Wiedergabe  nicht  geeignet. 

E.  Grossmann-Wien:  Ueber  einige  neue  Ouellen  der  ge¬ 
werblichen  Bleivergiftung  in  Wien. 

3  Fälle: 

a)  Edelsteinschleifer.  Herstellung  und  Verwendung  von  Blei¬ 
scheiben  zum  Polieren. 

b)  Hutmacher.  Imprägnieren  weisser  Damenhüte  mit  Bleiweiss. 

c)  Glasarbeiterin.  Hantieren  mit  durch  Miniumstaub  verun¬ 
reinigten  Fässern. 

Alle  drei  Kranke  wussten  von  ihrer  —  teilweise  ganz  über¬ 
flüssigen  —  Beschäftigung  mit  Blei  nichts  und  kamen  mit  unrichtiger 
Diagnose  in  Behandlung. 

A.  R  e  m  e  n  a  r-  Ofen-Pest:  Ueber  Rückenmarkanästhesierung. 

R.  bespricht  die  Technik  des  Verfahrens  und  die  allgemeinen 
klinischen  Erfahrungen,  welche  zu  gunsten  des  Tropakokains 
sprechen. 

M.  Neuburger-  Wien:  Die  Einführung  der  Impfung  in  Wien. 

Interessante  historische  Skizze,  welche  das  Auf  und  Nieder  der 
Impfbewegung  und  der  Blatternausbreitung  in  den  letzten  Jahren  des 
18.  und  im  ersten  Dezennium  des  19.  Jahrhiinderts°wiederspiegelt. 

R.  Irebitsch:  Die  Krankheiten  der  Eskimos  in  Westgrön¬ 
land. 

Nach  einer  Wiedergabe  der  von  anderen  Seiten  gemachten  An¬ 
gaben  (vor  allem  Meldorf)  berichtet  Verf.  kurz  über  die  eigenen 
Beobachtungen,  aus  denen  hervorzuheben  wäre,  das  Fehlen  der 
Lepra  und  der  Syphilis,  die  Häufiekeit  von  Epistaxie  und  der  Tuber¬ 
kulose  (Fehlen  des  Lupus),  die  Häufigkeit  von  Hautaffektionen  und 
speziell  einer  bestimmten,  scheinbar  durch  die  Haartracht  bewirkten 
Form  der  Alopezie. 

.  M.  Kronfeld  -  Wien :  Anton  Kerner  von  Marilaun  als  Me¬ 
diziner. 

Die  biographische  Skizze  bringt  in  die  Erinnerung,  dass  der  her¬ 
vorragende  Botaniker  seine  Laufbahn  als  Mediziner  begonnen  und 
als  solcher  bis  zur  Promotion  gelangt  ist,  um  sich  dann  den  Natur¬ 
wissenschaften  zuzuwenden. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

No.  29.  A;  K  a  r  s  c  h  u  1  i  n  -  Olrnütz:  Luxation  der  linken  Becken- 
hälfte,  kompliziert  mit  mehrfachen  Brüchen  der  Beckenknochen,  Kon¬ 
tusion  der  Harnblase,  Bruch  des  4.  und  5.  Lendenwirbels,  Ouetschung 
der  Weichteile  ad  Nates.  Heilung. 

Bemerkenswert  ist  die  Heilung  dieses  schweren  Falles,  während 
ähnliche  Fälle  in  Kürze  tödlich  zu  enden  pflegen.  Es  wurde  bei  der 
Behandlung  jeder  aktive  Eingriff,  speziell  die  Reposition  der  Luxation 
unterlassen  und  nur  die  strenge  Ruhelagerung  (Gipsbett)  durch¬ 
geführt. 

No.  30.  A.  Pilcz-Wien:  Zur  Tuberkulintherapie  bei  der  pro¬ 
gressiven  Paralyse. 

Früher  veröffentlichten  Fällen  fügt  P.  hier  weitere  vier  hinzu, 
wo  unter  der  Injektionskur  eine  ganz  erhebliche  Remission  der  Er¬ 
scheinungen  eingetreten  ist,  in  einem  Falle  sogar  bei  bereits  recht 
ausgeprägtem  Zustande,  allerdings  nur  auf  einige  Zeit.  Einen  Erfolg 
darf  man  sich  jedenfalls  am  ehesten  in  den  Anfangsstadien  ver¬ 
sprechen,  wie  sie  dem  Hausarzte  Vorkommen. 

No.  31.  A.  Horner- Wien:  Zur  Symptomatologie  der  Per¬ 
foration  des  Oesophagus  in  die  Luftwege. 

Klinisch  war  in  dem  hier  beschriebenen  Falle  das  von  Kraus 
schon  erörterte  Symptom  ausgeprägt,  dass  feste  Bissen  nicht  ge- 
schuckt  werden  konnten,  obwohl  die  Sondierung  kein  Hindernis  bot. 
Interessant  war  im  Röntgenbild  das  Eindringen  des  Wismutbreies  in 
den  linken  Bronehialbaum  zu  beobachten. 

No.  32.  W.  M  1  a  d  e  j  o  v  s  k  y :  Ein  Mittel  zur  Unterstützung  der 
Entfettungskur. 

Verf.  unterstützt  in  manchen  Fällen,  wie  er  angibt  meist  mit 
gutem  Erfolg,  die  Entfettungskur  auf  medikamentösem  Wege  durch 
..Pillen“  mit  folgender  wesentlicher  Zusammensetzung:  Giandul. 
Thyreoid.  Merck  0,05.  Theobrom,  natriosalicyl.  0,05,  Podophyllin  0,0025, 
Chinin,  mur.  0,025,  Extract.  Cascar.  Sagrad  0,005,  morgens  nüchtern 
vor  dem  Gebrauch  eines  alkalischen  Wassers  3 — 6  Stück  zu  nehmen. 
Bei  Komplikation  von  seiten  des  Gefässapparates  erhöht  er  die  Menge 
des  Podophyll,  und  des  Extract.  Sagrad. 

No.  32/33.  W.  Pexa-Prag:  Heilung  eines  traumatischen  Te¬ 
tanus  bei  einem  Kinde  durch  Serumbchandlung  und  infantiler  Pseudo¬ 
tetanus. 

Beschreibung  je  eines  Falles  von  Tetanus  und  Pseudotetanus. 
Die  sichere  prophylaktische  Wirkung  des  Tetanusantitoxin  scheint 
bereits  festzustehen.  Seine  Heilwirkung  bei  Erwachsenen  und  bei 
Neugeborenen  ist  noch  zweifelhaft,  dagegen  scheint  im  Kindesalter 
ein  günstiger  Einfluss  des  Serums  tatsächlich  zu  erfolgen.  Der 
Pseudotetanus,  dessen  Natur  noch  ganz  unaufgeklärt  ist,  hat  eine 
durchaus  gute  Prognose. 

Holländische  Literatur. 

Prof.  Louis  B  o  1  k  -  Amsterdam:  Pseudohermaphroditismus  mas- 
culinus  occultus.  (Nederl.  Tydschr.  voor  Geneeskunde,  II.,  No.  I). 

Das  Präparat  stammt  von  einem  70  jährigen  Manne  mit  auf¬ 
fallend  kleinem,  stark  nach  rückwärts  gebogenen  Penis,  dessen 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2349 


oerineale  Fläche  mit  dem  Skrotum  verwachsen  war.  In  der  Pars  pro- 
statica  und  membranacea  fanden  sich  drei  Ausbuchtungen:  ein  noch 
in  der  Pars  prostatica  gelegener  Blindsack,  darunter  in  der  Pars  mem¬ 
branacea  eine  zweite  sinusartige  Vertiefung,  auf  deren  Boden  ein 
enges  Foramen  in  einen  dritten  Sinus  führt. 

Diese  eigenartige  Rezessusformung  gibt  Verf.  Veranlassung, 
seine  eigene  von  der  gewöhnlichen  Entwicklungslehre  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane  abweichende  Ansicht  auseinanderzusetzen,  deren 
Quintessenz  etwa  folgendermassen  lautet:  Die  Vagina  entsteht  nur  im 
obersten  Teile,  etwa  zu  2/s  aus  den  Müll  er  sehen  Gängen,  der 
unterste  stammt  vom  Sinus  urogenitalis.  Das  Hymen  ist  kein  Deri¬ 
vat  des  Mül  ler  sehen  Hügels,  sondern  entsteht  aus  einer  paarig  an¬ 
gelegten  Falte  auf  den  Seitenwandungen  des  Sinus  urogenitalis.  Das 
Orificium  hymenale  ist  keine  Perforationsöffnung,  sondern  ein  pri¬ 
märer  Spalt.  Die  Vulva  ist  nicht  homolog  mit  dem  ursprünglichen 
Sinus  urogenitalis,  denn  vom  obersten  Stück  dieses  Sinus  gehört  der 
dorsale  Teil  zur  Vagina,  der  ventrale  schmälere  zur  Urethra. 

G.  C.  Ny  b  off:  Vaginale  Sectio  caesarea  bei  Eklampsie  und  bei 

Placenta  praevia.  (Ibid.,  No.  3.) 

Mitteilung  dreier  Krankengeschichten.  Eine  Frau  wurde  wegen 
Eklampsie,  zwei  wegen  Placenta  praevia  operiert.  Nur  im  ersten 
Falle  war  das  Kind  tot.  Mittels  der  vaginalen  Sectio  caesarea  kann 
man  innerhalb  weniger  Minuten  Kind  und  Plazenta  aus  dem  Uterus 
entfernen. 

D.  Stigter:  Ueber  die  medizinische  Bedeutung  der  Träume. 
(Ibid.,  No.  4.) 

Während  von  den  alten  ägyptischen  und  griechischen  Aerzten 
bei  der  Beurteilung  von  Krankheiten  ein  grosser  Wert  auf  das 
Traumleben  gelegt  wurde,  fällt  es  heute  keinem  Menschen  mehr  ein. 
solches  zu  tun,  wenn  auch  teilweise  mit  Unrecht. 

Träume,  welche  durch  äussere  Reize  (Geräusche,  Berührungen 
etc.)  ausgelöst  werden,  haben  keinen  praktischen  Wert.  Anders  die¬ 
jenigen,  welche  durch  im  Körper  selbst  vor  sich  gehende,  vor  allem 
pathologische  Prozesse  verursacht  werden. 

An  einer  Reihe  von  Beispielen  zeigt  Verf.  zunächst,  wie  4  räume 
die  Ursache  von  schweren  pathologischen  Zuständen,  besonders 
sexuellen  werden  können,  wenn  sie  sich  längere  Zeit  allnächtlich 

wiederholen  (Incubus  und  Succubus). 

Als  innere  Ursache  von  Träumen  nennt  er:  Fieber,  Kopikon- 
gestionen,  Herzkrankheiten,  Darmparasiten,  übeiladenen  Magen, 
langes  Wachen,  geistige  Ueberanstrengung,  Verdruss,  Exzesse  in 
venere  und  Menstruationsstörungen. 

Hungernde  träumen  von  reichbesetzter  Tafel,  ein  Patient  mit 
Karzinom  der  Kardia  und  schweren  Durstesqualen  von  grossen  Was¬ 
sermengen,  die  er  trinkt.  Im  allgemeinen  machen  Träume  von  Essen 
und  Trinken  im  Beginn  einer  Krankheit  die  Prognose  ungünstig,  in 
der  Rekonvaleszenz  aber  günstig  (Double). 

Dyspepsien  verursachen  Träume  von  unangenehmem  Geschmack, 
überladener  Magen  sowie  Herzkrankheiten  erzeugen  Alpdrücken. 
Darmparasiten  geben  Anlass  zu  erotischen  Träumen,  die  zu  Mastur¬ 
bation  führen.  Blutungen  (auch  drohende)  zeigen  sich  durch  „blu¬ 
tige“  Träume  an,  Erkrankungen  der  Atmungsorgane  geben  solche 
von  Müdigkeit.  Augenkranke  neigen  zu  \isionen,  Fieberkranke  zu 
ängstigen  Träumen.  Meningitis  setzt  häufig  mit  Halluzinationen  in 
der  Nacht  ein,  örtliche  Entzündungen  geben  oft  vorher  den  Platz 
im  Traume  an.  Es  ist  also  auch  das  Traumleben  eines  Kranken  für 
den  Arzt  von  Wichtigkeit. 

O.  Lanz:  Beiträge  zum  diagnostischen  und  therapeutischen 
Wert  der  Sauerstoffeinblasungen.  (Ibid.,  No.  5.) 

Hof  fas  Publikation  über  den  diagnostischen  Wert  der  Sauer- 
Stoffeinblasungen  veranlassten  Verf.  auch  deren  therapeutische  Be- 
deutung  zu  untersuchen.  ^ 

Nachdem  zunächst  die  Unschädlichkeit  für  die  Tunica  vaginalis 
propria  testis  festgestellt  worden  war,  wurde  versucht,  in  einem 
Falle  von  spitzen  Exostosen  am  Femur  die  Schmerzen  wegzubiingen. 
was  vollkommen  gelang.  Ebenso  diente  der  Sauerstoff  zur  Aufblasung 
von  Magen  und  Rektum,  sowie  zur  Blasenfüllung  bei  Sectio  alta. 

Die  Unschädlichkeit  für  die  Synovialis  wurde  ebenfalls  in 
2  Fällen  erwiesen.  Zu  therapeutischen  Zwecken  sind  bis  jetzt  intra¬ 
artikuläre  Einblasungen  in  verschiedenen  Fällen  von  traumatischei 
und  deformierender  Arthritis  behufs  Dehnung  der  Kapsel  versucht 
worden,  doch  war  nur  einmal  der  Erfolg  ein  dauernder.  Die  Schmel¬ 
zen  verschwanden  stets  unmittelbar  nach  der  Injektion. 

D.  H.  Beyerman:  Untersuchungen  über  Neuritis.  I.  Ueber 
die  Kerne,  welche  bei  Kaltblütern  die  Nervenregeneration  bewirken. 
(Ibid.,  No.  6.) 

B.  hat  seine  Untersuchungen  an  Fröschen  gemacht,  denen  er 
durch  Aetherinjektionen  Neuritis  erzeugte. 

Eine  essentielle  pathologische  Veränderung  bei  Neuritis  ist  das 
Absterben  der  Schwann  sehen  Kerne.  Die  erste  Erscheinung 
der  Regeneration  ist  eine  aktive,  rasch  verschwindende  Hyperämie. 
Rote  Blutkörperchen  legen  sich  zwischen  die  degenerierten  Fasern 
und  erzeugen  an  ihnen  regenerative  Veränderungen.  Die  ausgetre¬ 
tenen  Kerne  von  solchen  Blutkörperchen  teilen  sich  mitotisch,  legen 
sich  in  Reihen  zwischen  die  alten  Fasern  und  formen  neue.  Mitotische 
Teilungen  innerhalb  der  alten  Fasern  sind  selten.  Aus  dem  Hämo¬ 
globin  der  von  ihren  Kernen  verlassenen  roten  Blutkörperchen  ent¬ 
stehen  die  Pigmentkörner,  die  man  bei  beginnender  Regeneration 


an  allen  Fasern  antrifft.  Es  ist  morphologisch  kein  Unterschied  zwi¬ 
schen  diesem  Pigment  und  dem  der  Chromatophoren. 

W.  Einthoven-  Leiden,  F.  H.  W  i  e  r  i  n  g  a  und  E.  P.  Sny- 
ders:  Ein  dritter  Herzton.  (Ibid.,  No.  8.) 

Fernere  Untersuchungen  mittels  des  Saitengalvanometers  haben 
bei  verschiedenen  Kardiogrammen  das  Vorhandensein  von  neuen 
Schwingungen  kurz  nach  denen  des  II.  Tones  ergeben  und  müssen 
diese  als  dritter  H  e  r  z  t  o  n  erklärt  werden.  Befestigt  wird  diese 
Tatsache  durch  G  i  b  s  o  n  -  Oxford,  der  unabhängig  von  den  Beobach¬ 
tungen  der  Verfasser  zu  den  gleichen  Resultaten  gekommen  ist.  Da 
aber  dieser  dritte  Ton,  selbst  wenn  seine  Intensität  ihr  Maximum  er¬ 
reicht,  noch  immer  ungefähr  zweihundertmal  schwächer  ist  wie  dei 
erste  und  zweite,  so  ist  er  mittels  des  Stethoskops  wohl  kaum  zu 
hören.  Erzeugt  wird  er  wahrscheinlich  durch  die  Schwingungen  der 

Valvulae  semilunares  aortae.  .  . 

O.  J.  Wyn hausen:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Leukämie. 
(Aus  der  Klinik  von  Prof.  P  e  1,  Amsterdam.)  (Ibid.,  No.  9.) 

W.  beschreibt  einen  seltenen,  in  einigen  Monaten  letal  ver¬ 
laufenen  Fall  von  akuter  myeloider  Leukämie,  kompliziert  mit  1  uber- 
kulose.  24  jähriges  Mädchen  erkrankte  mit  Flecken  an  den  Beinen. 
Schüttelfrösten,  Schmerzen  im  Larynx,  Unterkieferschwellung,  Nasen¬ 
bluten,  multiplen  Knochenschmerzen.  Im  Urin  Spuren  von  Eiweiss 
ohne  Zylinder  und  bei  Heller  scher  Blutprobe  ein  schwarzer 
Niederschlag.  Der  Hämoglobingehalt  war  im  Anfang  70  Proz.,  am 
Schlüsse  23;  Chromozyten  3  220  000  gegen  1  910  000;  Leukozyten 
7000  gegen  87  300;  polynukleäre  neutrophile  Leukozyten  anfangs 
34  Proz.,  schliesslich  4  Proz.;  Lymphozyten  30  Proz.  gegen  4  Proz. 
Mononukleäre  lymphoide  Zellen  36  Proz.  gegen  75  Proz. 

C  De  Mo  oy:  Die  stählerne  Krankentragbahre.  (Ibid.) 

Verf.  hat  bereits  1878  im  Kriege  in  Atjeh  (Sumatra)  eine  äusserst 
praktische  Krankentragbahre  aus  Bambusstäben  konstruiert,  die  1883 
auf  der  internationalen  Kolonialausstellung  in  Amsterdam  mit  dei 
goldenen  Medaille  ausgezeichnet  wurde.  Die  neue  1  ragbahre  ist 
aus  Mannesmannröhren  gefertigt,  wiegt  8,3  kg  und  entsp riebt,  wie  die 
beigegebenen  Zeichnungen  erläutern,  den  weitgehendsten  Anforde¬ 
rungen  für  das  Schlachtfeld  sowohl,  wie  für  Schme,  Krankenhäuser  etc. 
Sie  eignet  sich  namentlich  für  schwierige  Krankentransporte  auf 
steilen  Treppen,  engen  Gängen  (Bergwerke !)  usw.  Lieferant  ist 
W  i  1 1  i  g,  s’Gravenhage,  Regentesselaan  No.  22. 

W.  Koster  und  P.  Th.  L.  Kan:  Eine  neue  Behandlungsweise 
von  eitrigen  chronischen  Erkrankungen  der  Thränenwege.  (Ibid.. 

N  '  Die  neue  Methode  besteht  in  der  permanenten.  Tage  und  Wochen 
lang  fortgesetzten  Drainage  des  Tränenqasengangs  mittels  eines  Sei¬ 
denfadens.  Es  wird  zunächst  eine  Hohlsonde  eingeführt,  die  mit 
einem  stählernen  Mandrin  versehen  ist,  an  dessen  Ende  sich  ein 
Oehr  befindet,  wodurch  der  Faden  gezogen  wird.  Der  Faden  wird 
zwischen  Nasenöffnung  und  Auge  geknotet  und  kann  beliebig  lange 
liegen  bleiben.  Die  beigegebenen  12  Krankengeschichten  beweisen 
die  vorzüglichen  erhaltenen  Resultate  besonders  bei  Dakryoblennor- 
rhöe  mit  und  ohne  Stenose  des  Ductus  lacrymalis  sowie  bei  Dakryo¬ 


zystitis.  .  „  . 

H.  W.  Takhenberg:  Appendices  epiploicae  in  einem  Bruch¬ 
sacke.  (Ibid.) 

Kasuistische  Mitteilung. 

Th.  H.  Van  de  Velde:  Das  Vorkommen  von  Blastomyzeten 
bei  Erkrankungen  der  weiblichen  Geschlechtsorgane.  (Aus  den 
Antonie  van  Leeuwenhoek-Laboratorium  zu  Haarlem.)  (I-bid.,  No.  11.) 

V  hat  bei  77  Patienten  mit  Erkrankungen  der  Geschlechtsorgane 
Blastomyzeten  gefunden,  die  in  24  Fällen  auf  verschiedenen  Nähr- 
oöden  weiter  zu  züchten  und  von  denen  13  neu  und  noch  nicht  be¬ 
schrieben  waren.  In  gesunden  Geschlechtsorganen  waren  sie  nie 
zu  finden.  Der  grösste  Teil  der  Fälle  betrifft  akute  Entzündungen 
der  Zervixschleimhaut,  gepaart  mit  Kolpitis  und  Vulvitis,  oder  rasche 
Verschlimmerung  von  schon  vorher  bestandenen  chronischen  intck- 
Lösen  Zuständen  namentlich  gonorrhoischer  Art.  .  • 

In  9  von  den  18  akuten  Erkrankungen  ist  die  Aetiologie  fest¬ 
gestellt:  .die  Patientinnen  hatten  sich  mit  infiziertem  Pumpenwasser 
die  Genitalien  gewaschen  und  die  Scheide  gespült.  Bei  ihnen  be¬ 
gann  die  Erkrankung  mit  einem  Gefühl  von  Jucken  und  Brennen,  ge¬ 
paart  mit  reichlicher  Abscheidung  von  graugelbem  Schleimeiter  und 
.deutlicher  Rötung  und  Schwellung  der  Vaginalwände  und  der  \ul\a. 
2  Ehemänner  erkrankten  an  eigenartiger  Balanitis. 

Bei  einer  Frau  wurden  im  4.  bis  6.  Monat  der  Laktationsperiode 
in  der  unter  aseptischen  Kautelen  der  Brust  entnommenen  Milch 
Blastomyzeten  derselben  Art  gefunden.  Das  Kiod  bekam  jedesmal 
grüne  Diarrhöe  mit  zahllosen  Hefezellen.  Die  Schwangerschaft  scheint 
die  Infektion  zu  begünstigen,  denn  es  wurde  bei  Id  schwangeren 
Frauen  Blastomyzetenkolpitis  und  Endometritis  cervicalis  festgestellt. 
2  davon  erkrankten  infolge  Katheterapplikation  mtra  partum  an 
Zystitis  mit  Hefezellen  im  Urin.  Dass  diese  Infektion  unter  Umstan¬ 
den  gefährlich  werden  kann,  zeigen  2  Fälle  von  veralteter  Sakto- 
salpinx  mit  eingedicktem,  lediglich  Blastomyzeten  und  Zelldetritus 
enthaltenden  Eiter.  Es  fanden  sich  ferner  in  einem  Falle  von  früh¬ 
zeitiger  Berstung  der  Eihäute  im  Fruchtwasser  ausserordentlich 
rasch  sich  vermehrende  Blastomyzeten,  wobei  untei  raschem  Zu  ¬ 
fall  der  Eihäute  Fieber  auftrat  und  Kind  und  Mutter  J^SnrSenen1  Frau 

Auch  im  Venenblute  einer  an  Puerperalfieber  verstorbenen  Frau 
fand  Verf.  ausser  einem  zur  Mesenterikusgruppe  gehörigen  Bazillus 


2350 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Blastomyzeten.  Diese  wurden  gleicherweise  gefunden  bei  akuter 
Vulvitis  und  Kolpitis  junger  Mädchen  und  kleiner  Kinder,  sowie  bei 
einer  Patientin  mit  Bartholinitis,  wobei  die  Driise  in  eine  Zyste  ver¬ 
wandelt  war. 

In  einem  Falle,  in  welchem  wegen  Schmerzen,  Blutung  und 
Kräfteverfall  die  Gebärmutter  entfernt  werden  musste,  sass  die 
Uteruswand  voll  miliarer  Abszesschen,  aus  welchen  Blastomyzeten  in 
Reinkultur  gezüchtet  werden  konnten. 

Häufig  finden  sie  sich  auch  bei  zerfallenden  Karzinomen,  wobei 
es  gleichfalls  zweimal  gelang,  sie  aus  dem  Blute  in  Reinkultur  zu 
züchten  (Blastomyzetensepsis). 

Dr.  S  c  h  1  o  t  h  -  Bad  Brückenau. 

Unfallheilkunde. 

T  h  i  e  m  -  Kottbus:  Ungleiche  Entwicklung  der  Beine  von  Möbel¬ 
tischlern.  (Monatsschr.  f.  Unfallheilk.  1907.  No.  5  u.  6.) 

T.  hatte  in  etwa  10  Fällen  stets  das  beim  Hobeln  zurückgestellte 
rechte  Bein,  auf  das  die  Tischler  sich  hauptsächlich  zu  stützen 
scheinen,  stärker  entwickelt  gefunden,  während  Friedrich- 
Landsberg  a/W.  auch  unter  5  gesunden  Tischlern  4  mal  beobachtet 
hatte,  dass  die  linke  Wade  des  vorgestellten  Beines  stärker  war. 
Bei  einer  zweiten  Untersuchungsreihe  an  35  Hobeltischlern  aus  einer 
Möbelfabrik,  von  denen  30  gesunde  Beine  ohne  Krampfadern,  alte 
Verletzungen  usw.  hatten,  ging  für  Thiem  abermals  hervor,  dass 
die  stärkere  Entwicklung  des  rechten  Beines  die  Regel  zu  sein  scheint. 

H.  Westermann  -  Riga :  Apoplexie  nach  Iridektomie.  (Ibid., 
No.  7.) 

Interessant  ist,  dass  im  Gutachten  der  Operation  ein  den  Ein¬ 
tritt  der  Apoplexie  möglicherweise  begünstigender  Einfluss  zuge¬ 
schrieben  wird,  in  dem  Sinne,  dass  die  Operation  vom  Moment  ihrer 
Ankündigung  bis  zu  ihrer,  dazu  noch  mit  Schmerzen  verbundenen 
Ausführung  (ohne  Narkose),  eine  durch  mehrere  Tage  andauernde 
seelische  Erregung  des  Patienten  mit  sich  gebracht  habe,  welche 
erfahrungsgemäss  einen  schädigenden  Einfluss  auf  die  Herztätigkeit 
und  die  Blutzirkulation  ausüben  könne. 

H  i  1 1  e  n  b  e  r  g -  Springe:  Zur  Begutachtung  von  Unfallverletz¬ 
ten.  (Aerztl.  Sachverständigenztg.  1907,  No.  14.) 

Ausführungen  und  Beispiele  für  die  Tatsache,  dass  die  klinischen 
Untersuchungsmethoden  bei  der  Entscheidung  der  Frage:  Simulation 
oder  Hysterie?  versagen  können;  weshalb  in  verdächtigen  Fällen 
eine  unablässige  Beobachtung  des  verdächtigen  Rentenempfängers 
in  seinem  Wirkungskreise  wichtig  ist  und  viel  Wert  darauf  gelegt 
werden  muss,  die  Rentenfeststellung  möglichst  bald  nach  dem  Ein¬ 
tritt  der  Entschädigungspflicht  der  B.  G.  zu  erledigen  und  schon  bei 
der  ersten  Untersuchung  womöglich  zu  einem  positiven  Resultat  be¬ 
züglich  der  Höhe  der  Rente  zu  kommen,  da  von  einer  häufigeren  Be¬ 
obachtung  und  Prüfung  der  Symptome  bei  Unfallhysterikern  oder  gar 
Simulanten  nicht  viel  für  eine  Klärung  der  Sachlage  zu  erwarten  ist. 
Auch  sollte  nach  Kräften  vermieden  werden,  solche  Verunfallte  einem 
Institut  zur  Beobachtung  zu  überweisen,  da  sie  dadurch  auf  eine 
Unklarheit  bei  den  begutachtenden  Aerzten  aufmerksam  gemacht 
werden  und  unwillkürlich  dazu  gelangen,  ihre  Leiden  deutlicher  zu 
manifestieren.  Deshalb  steigern  sich  auch  häufig  in  einer  Anstalt  die 
Klagen  mehr  und  mehr,  zumal,  da  sich  hier  Gelegenheit  findet,  mit 
anderen  Verletzten  sich  zu  besprechen  und  sich  von  diesen  beein¬ 
flussen  zu  lasen. 

Schliesslich  hält  Verfasser  es  für  wünschenswert,  dass  das 
Schiedsgericht,  falls  ihm  der  Vorgutachter  als  erfahrener,  zuverläs¬ 
siger  Gutachter  bekannt  ist,  selbst  bei  weitgehender,  aber  sicher 
begründeter  Rentenminderung,  das  Einholen  von  Obergutachten  bei 
klinischen  Instituten  und  dergleichen  nach  Kräften  einschränkt. 

(Mit  der  Forderung,  dass  der  Arzt  selbst  im  Wirkungskreise  des 
Verletzten  inkognito  Nachforschungen  anstellen  soll,  ob  und  inwieweit 
der  letztere  arbeitet,  kann  Referent  sich  nicht  in  so  weitgehendem 
Masse  einverstanden  erklären,  da  dies  keine  ärztliche  Aufgabe,  son¬ 
dern  Sache  des  Vertrauensmannes  ist.) 

A.  Li  ss  au  er:  Ueber  Rentenneurasthenie  und  ihre  Bedeutung 
für  das  Versicherungswesen.  (Heilstätte  Holsterhausen  bei  Werden 
a.  R.)  (Mit  2  Abbildungen.)  (Ibidem  No.  18.) 

Unter  Rentenneurasthenie  versteht  Verfasser  eine  Form  der 
Neurasthenie,  bei  der  der  Schwerpunkt  weniger  in  bestimmten  so¬ 
matischen  oder  psychischen  Anomalien,  als  vielmehr  in  der  krankhaft 
gesteigerten  Idee  von  der  eigenen  Erwerbsunfähigkeit,  verbunden  mit 
dem  krankhaft  gesteigerten  Verlangen  nach  Rentenbewilligung,  liegt. 
In  dem  mitgeteilten  Falle  handelte  es  sich  nicht  um  eine  Unfallfolge 
und  überhaupt  nicht  um  eine  Frage  der  Unfallversicherung,  sondern 
um  die  Beziehungen  dieser  Art  Neurasthenie  zur  Invalidenversiche¬ 
rung,  also  das  Analogon  in  der  Reichsinvalidenversicherung  zur  trau¬ 
matischen  Neurose. 

In  weitläufigen,  nicht  sehr  übersichtlich  gehaltenen  Erörterungen 
wird  die  Abtrennung  dieses  Krankheitsbildes  von  ähnlichen  postu¬ 
liert,  werden  Symptomatologie,  Prognose  und  Diagnose  ausführlich 
besprochen,  während  es  sich  in  Tat  und  Wahrheit  um  nichts  anderes 
handelt  als  um  das  von  der  Unfallversicherung  her  längst  bekannte 
Bild  des  im  Banne  dieses  Renten-„Begehrens“  stehenden  Neur¬ 
asthenikers,  dessen  Krankheit  eben  vorwiegend  die  fortwährende 
Beschäftigung  mit  dem  Rentenkampfe  und  die  hieraus  entspringen¬ 
den  Konsequenzen  sind.  Dass  dort  ein  Unfall,  hier  die  zum  Teil  ver¬ 
minderte  Erwerbsunfähigkeit  die  Basis  der  Rentenneurasthenie  ist. 


ist  doch  nur  ein  nebensächlicher,  kein  wesentlicher  Unterschied, 
und  rechtfertigt  nicht  ein  derart  in  die  Breite  gehendes  Expose  über' 
ein  angeblich  vollständiges  Novum,  sondern  nur  den  Hinweis  auf  die 
Analogie  zwischen  Unfallversicherung  und  Invalidenversicherung.  Was 
darüber  hinausgeht,  ist  ein  Streit  um  Worte. 

L  e  d  d  e  r  h  o  s  e  -  Strassburg:  Aerztliche  Gutachten  und  Renten¬ 
änderung.  (Ibidem  No.  19.) 

Auf  Grund  unliebsamer  Erfahrungen  fordert  L.  auf,  in  den  Akten 
nachzuforschen,  ob  die  ärztlichen  Urteile  zur  Motivierung  von  Renten¬ 
reduktionen  in  den  Entscheidungen  der  Berufsgenossenschaften  rich¬ 
tig  verwertet  worden  sind,  da  es  ihm  selbst  schon  oft  vorgekommen 
ist,  dass,  trotz  dem  negativen  Ergebnis  der  ärztlichen  Untersuchung 
in  Bezug  auf  wesentliche  Aenderung  der  Unfallfolgen,  in  dem  Be¬ 
scheide  der  Berufsgenossenschaft  an  den  Verletzten  zu  lesen  war,  dass 
neuerdings  von  ihr  eingehotte  Gutachten,  sowie  von  ihr  angestellte 
Ermittelungen  über  die  Lohnverhältnisse  und  Arbeitsleistungen  des 
Verletzten  ergeben  hätten,  dass  in  Bezug  auf  die  Unfallfolgen  we¬ 
sentliche  Besserung  eingetreten  sei. 

Im  Interesse  der  Aerzte  selbst  und  ihrer  ohnehin  schon  prekären 
Stellung  den  Verletzten  gegenüber,  ist  mit  Nachdruck  zu  inhibieren, 
dass  in^  dem  ‘Bescheide  das  vorgedruckte  „auf  Grund  des  ärzt¬ 
lichen  Gutachtens“  nicht  durchgestrichen  ist.  wenn  in  dem  Gut¬ 
achten  ausdrücklich  in  Abrede  gestellt  wurde,  dass  Besserung  der 
Unfallfolgen  eingetreten  sei,  und  wenn  die  Rentenreduktion  sich  nur 
durch  die  Lohnnachweise,  welche  in  dem  Bescheid  zitiert  werden, 
rechtfertigen  lässt;  oder  dass  in  dem  Bescheide  aus  einer  in  dem 
ärztlichen  Gutachten  festgestellten  Besserung  eine  wesentliche 
Besserung  gemacht  wird;  oder  dass  derjenige  Teil  eines  Gutachten¬ 
satzes,  welcher  Besserungstatsachen  enthält,  wörtlich  in  den  Bescheid 
übernommen,  aber  ein  abschwächender  Nachsatz  weggelassen  wird. 

Am  besten  wäre  zur  Vermeidung  solcher  Misshelligkeiten  die 
Einführung  eines  gleichmässigen  Formulars  bei  allen  Genossen¬ 
schaften,  in  welchen  das  Eingetretensein  wesentlicher  Veränderung 
oder  Besserung  vorgedruckt  sein  kann,  wo  dann  aber  die  Motivierung 
in  freier  Ausführung  zu  erfolgen  hat,  je  nachdem  ärztlicher  Befund 
und  das  Ergebnis  von  Erhebungen  oder  beides  massgebend  war.  Die 
in  dem  ärztlichen  Gutachten  namhaft  gemachten  Besserungstatsachen 
sind  dann  wörtlich  mit  Anführungszeichen  in  den  Bescheid  aufzu¬ 
nehmen.  ohne  etwa  wesentliches  hinzuzusetzen  oder  zu  verschweigen. 

Im  Anschluss  daran  beantwortet  L.  die  Frage:  „In  welchem  Um¬ 
fang  darf  und  soll  der  begutachtende  Arzt  in  Unfallsachen  von  der 
Annahme  eingetretener  weitgehender  Gewöhnung  an  die  Unfall¬ 
folgen,  ferner  von  Erhebungen  über  die  Arbeitsleistungen  der  Unter¬ 
suchten,  wie  sie  in  Lohnnachweisen,  in  Mitteilungen  der  Arbeitgeber 
oder  in  Berichten  von  Vertrauensmännern  ihren  Ausdruck  finden,  bei 
seinen  Abschätzungen  des  vorliegenden  Invaliditätsgrades  Gebrauch 
machen,  oder  sich  durch  dieselben  beeinflussen  lassen?“  mit  Recht 
dahin,  dass  es  im  Interesse  des  ärztlichen  Ansehens  geboten  ist,  so 
wenig  wie  irgend  möglich  Daten  für  das  Urteil  zu  verwerten,  dis 
ausserhalb  der  ärztlichen  Wahrnehmungssphäre  liegen. 

L  e  e  r  s  -  Berlin:  Ueber  die  Beziehungen  der  traumatischen  Neu¬ 
rosen  zur  Arteriosklerose.  (Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Med.,  1907, 
XXXIII.  Bd.,  Suppl.  H.) 

L.  vertritt  die  Ansicht,  dass  ein  Trauma  —  allerdings  auf 
disponiertem  Boden  —  Arteriosklerose  erzeugen  kann.  Die  Erschütte¬ 
rung  des  Gefässystems,  besonders  der  Media  daibei,  kann  zu  einer 
Schwächung  derselben  führen,  die  als  Ausgleich  die  fibröse  Entartung 
zur  Folge  haben  kann.  Damit  wäre  die  atheromatöse  Entartung 
angebahnt,  die  in  der  gleichzeitig  durch  den  Unfall  erzeugten  Er¬ 
krankung  des  Nervenapparates  fortwährend  durch  vasomotorische 
Störungen  neue  Nahrung  erhält. 

L.  geht  nicht  soweit  wie  Oppenheim,  der  die  Erhöhung  des 
Blutdruckes  bei  Traumatikern  als  Grund  ,  der  Disposition  derselben 
für  frühzeitige  und  schwere  Arteriosklerose  betrachtet,  sondern  er 
nimmt  an,  dass  die  letztere  in  den  meisten  Fällen  schon  latent  vor¬ 
handen  ist,  dann  aber  bei  Versagen  von  Regulierungsvorrichtungen 
im  Körper,  die  den  schädlichen  Einfluss  der  Arteriosklerose  auf  den 
Blutdruck  und1  den  Blutkreislauf  lange  Zeit  hindurch  auszugleichen 
vermögen,  durch  plötzliche  Blntdrucksteigerung  oder  Erschütterung 
bei  einem  psychischen  oder  körperlichen  Trauma  jedoch  unwirksam 
werden,  mit  plötzlich  bemerkbaren  Beschwerden  in  Erscheinung  tritt. 

In  diesem  Sinne,  d.  h.  durch  mittelbaren  Konnex  zwischen  Unfall 
und  Arteriosklerose,  sei  die  letztere  entschädigungspflichtig. 

L.  Tommellini:  Ueber  traumatische  Nephritis.  (Instit.  für  ge¬ 
richtliche  Medizin  an  der  Univers.  Genua.  (Ibidem  1907,  XXXIV.  Bd., 
1.  Heft.) 

Ohne  auf  die  Pathologie  des  Menschen,  bei  dem  auf  Grund  be¬ 
stehender  Krankheiten  oder  Intoxikationen  des  Organismus  ein  Trauma 
der  Niere  die  gelegentliche  Ursache  zur  Entwicklung  einer  typischen 
diffusen  Nephritis  wohl  sein  kann,  die  Schlüsse  aus  seinen  Experi¬ 
menten  übertragen  zu  wollen,  teilt  Verf.  die  Ergebnisse  der  letzteren 
mit:  Bei  Kaninchen  findet  infolge  von  Traumen  keine  Entwicklung 
einer  typischen  interstitiellen  Nephritis  statt,  sondern  es  kann  sich 
dabei  höchstens  um  durch  das  Trauma  gesetzte  Zonen  von  Narben¬ 
gewebe  handeln.  Weitere,  den  letzteren  Punkt  betreffende  Experi¬ 
mente  werden  in  Aussicht  gestellt. 

B.  K  e  n  y  e  r  e  s  -  Klausenburg  (Siebenbürgen):  Mitteilungen  zur 
gerichtsärztlichen  Beurteilung  von  Röntgenbildern:  Brüche  vor¬ 
täuschende  Veränderungen  am  Skelett  des  Oberarms  und  verborgene 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2351 


Brüche  desselben  in  Röntgenbildern.  (Mit  II  Tafeln  und  4  I  ext- 

fivuren.)  (Ibidem.)  .  .  ... 

Der  Hinweis  darauf,  dass  am  Olekranon,  an  der  Eminentia  capitat, 

der  Trochlea,  den  beiden  seitlichen  Knorren,  an  den  Mittelhand¬ 
knochen  an  den  distalen  Enden  der  Unterarmknochen,  am  Proc.  styl, 
ulnae  auf  dem  Röntgenbilde  Veränderungen  sich  zeigen  können  die, 
obwohl  nur  der  normalen  Entwicklung  der  Knochen  entsprechend, 
leicht  Brüche  Vortäuschen  können,  ist  von  grosser  Wichtigkeit 
ebenso  die  Mitteilung  der  umgekehrten  Fälle,  wo  sich  im  Rontgenbild 
der  bestehende  Bruch  kaum  verrät.  Die  vorzüglichen  Illustrationen 
erläutern  die  Einzelheiten  dieser  Tatsachen. 

Wimmer-  Kopenhagen :  Ueber  traumatische  Spatapoplexie. 

(Med.  Klinik  1907,  No.  8.)  .  J  .  '  ,. 

Vortrag  über  die  noch  strittige  Frage  der  Existenz  der  ti  aumati¬ 
schen  Spätapoplexie,  deren  Anerkennung  doch  wohl  in  einzelnen 
Fällen  zugelassen  werden  muss,  wenn  auch  die  Spätapoplexie  die 
grosse  Ausnahme,  die  spontane  Blutung  die  Hauptregel  ist.  Be¬ 
sondere  Beachtung  ist  dem  Vorhandensein  von  Augenmuskel¬ 
lähmungen  zu  widmen,  die  bei  gewöhnlicher  spontaner  Apoplexie  sehr 
selten  sind,  für  die  Spätblutung  aber  bis  zu  einem  gewissen  Grade 

pathognomonisch  zu  sein  scheinen.  „  ... 

1  *  Schwab-  Berlm-Schoneberg. 


Inauguraldissertationen.*) 

C  h  u  v  i  n  fasst  die  Ergebnisse  seiner  auf  Anregung  von  v.  Ley¬ 
den  angestellten  Untersuchungen  über  das  Verhalten 
der  Chloride  bei  Infektionskrankheiten  dahin  zu¬ 
sammen,  dass  der  NaCl-Stoffwechsel  bei  allen  Infektionskrankheiten 
im  Vergleich  zu  den  normalen  Verhältnissen  eine  bedeutende  Aen- 
derung  erfahre.  Bei  Pneumonie  ist  in  stufenweis  gesteigertem 
Masse  eine  NaCl-Retention  bis  zum  Höhepunkt  der  Krankheit  im 
Organismus  vorhanden;  mit  Eintritt  der  Krise  lässt  sich  noch  immer 
die  Retention  erkennen,  wenn  auch  in  geringerem  Masse,  dann  be¬ 
ginnt  die  Ausscheidung  stufenweis  zu  steigen.  Die  epikritische  Zu¬ 
nahme  stellt  sich  daher  nicht  sofort  nach  der  Krise,  sondern  erst 
nach  Tagen  ein.  Bei  Typhus  abdominalis  kann  bis  zum  völ¬ 
ligen  Aulhören  des  Fiebers  die  Kochsalzretention  konstant  beobachtet 
werden.  Das  stufenweise  Anwachsen  der  Ausscheidung  beginnt 
mit  dem  ersten  fieberfreien  Tage  und  kann  im  Verein  mit  einer  be¬ 
deutenden  Zunahme  der  Harnmenge  längere  Zeit  hindurch  anhalten. 
Bei  Malaria  ändert  sich  der  Chlorstoffwechsel  gerade  um  ent¬ 
gegengesetzten  Sinn  wie  bei  Pneumonie  und  Typhus,  ln  der  rieber- 
periode  ist  eine  Vermehrung  der  NaCl-Ausscheidung  vorhanden, 
während  in  der  Fieberpause  eine  Kochsalzretention  zu  finden  ist. 
Diese  Retention  erreicht  den  Höhepunkt  beim  Erloschen  des  Fiebers. 
In  der  definitiven  Rekonvaleszenz  nach  Heilung  durch  Chinin  tritt 
starke  Kochsalzausscheidung  mit  Polyurie  auf.  (Freiburg  l.  Br.f 

In  seiner  wertvollen,  aus  der  v.  Strümpell  sehen  Klinik  in 
Breslau  hervorgegangenen  Arbeit  liefert  Harald  Fowelin  einen 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  Leukämie.  Die  Arbeit  ver¬ 
dient  wegen  des  reichen,  ihr  zu  gründe  liegenden  Materials  von 
77  Krankengeschichten  Beachtung.  Im  Schlusskapitel  wir  d  über 
einige  mit  Röntgenstrahlen  behandelte  Fälle  berichtet.  Von  allen 
therapeutischen  Mitteln  wird  „ohne  Schwanken  der  Röntgen¬ 
therapie  der  Vorzug  gegeben;  ihre  negativen  Seiten  seien  ge- 
ringfügig  im  Vergleiche  zu  den  positiven  und  „wenn  man  auch  immer 
betonen  muss,  dass  eis  bisher  noch  nicht  möglich  gewesen  ist,  radikale 
Heilungen  durch  sie  zu  erzielen,  so  ist  es  doch  vielfach  möglich  ge¬ 
wesen,  den  Kranken  ihr  schweres  Los  erträglicher  zu  machen  und 
den  Exitus  letalis  auf  längere  Zeit  hinauszuschieben  .  (Breslau  1A/, 
138  S.) 

Ueber  eiserne  Fremdkörper  im  Augapfel  und 
die  Resultate  ihrer  Entfernung  hat  Emil  W  ö  r  t  z  Unter¬ 
suchungen  angestellt,  über  die  er  in  seiner  Dissertation  berichtet 
(Tübingen).  Die  an  der  Tübinger  Universitätsaugenklinik  gemachten 
Erfahrungen  über  die  Indikationen  der  Anwendung  des 
Volkmannschen  und  Hirschberg  sehen  Magneten 
gehen  im  allgemeinen  dahin,  dass  bei  frischen  Fällen  mit  relativ 
grossen  Eingangspforten  die  Anwendung  des  V  o  1  k  m  a  n  n  sehen  Ma¬ 
gneten,  in  allen  übrigen  aber  und  auch  nach  erfolglosem  Versuch 
mit  dem  V  o  1  k  m  a  n  n  sehen  Magnet  der  Hirschberg  sehe  den 
Vorzug  zu  verdienen  scheint. 

Berthold  Mutterer  berichtet  in  einer  Arbeit  aus  der  Pro- 
rektur  des  städtischen  Krankenhauses  r.  d.  I.  in  München  (Prosektor 
Priv.-Doz.  Dr.  Oberndorfer)  über  Darm  starre  bei  Peri¬ 
tonealkarzinose.  Der  Arbeit  liegt  ein  Fall  von  diffuser,  sekun¬ 
därer  Karzinose  zu  gründe,  ausgehend  von  einem  primären  Gallen¬ 
blasenkarzinom,  welches  gar  keine  Symptome  machte  und  in  dem 
keinerlei  Gallenkonkremente  gefunden  wurden,  was  deshalb  von 
besonderem  Interesse  ist,  weil  sich  in  dieser  Frage  2  Ansichten 
gegenüberstehen;  die  einen  erklären  das  Karzinom  durch  den  Reiz 
der  Steine  ausgelöst,  die  anderen  betrachten  den  Stein  als  das  se¬ 
kundäre,  indem  um  abgestossene  Karzinomzellen  als  Kern  die  Stein¬ 
bildung  erfolge.  Weiter  ist  im  beschriebenen  Fall  bemerkenswert 
die  Tatsache  eines  sekundären  Ovarialikarzinoms.  (Diss.  München.) 

Fritz  L  o  e  b. 


*)  Rezensionsexemplare  erbittet  Dr.  Fritz  Loeb,  München 
(Domfreiheit).  Besprechung  Vorbehalten. 


Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Halle.  Oktober  1907. 

20.  Loening  Karl:  Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen 
über  den  fiiweissstoffwechsel  im  Fieber.  Habilitionsschrift. 

21  Voigt  Karl:  Die  Peritonitis  tuberculosa  und  ihre  Behandlung. 
22.  Zimmer  mann  Felix:  Der  Typhus  abdominalis  nach  Beob¬ 
achtungen  an  der  Halleschen  medizinischen  Klinik  1900—1904. 


Universität  Leipzig.  Oktober  1907. 

Fromm  Friedrich:  Ein  Beitrag  zur  Pathologie  und  Diagnostik 

der  Gehirnzyistizerken.  .  , 

Göbel  Johann:  Zur  Aetiologie  und  Kasuistik  der  labes  m- 

fantilis.  r,  ,  ,  , 

lckert  Franz:  Zur  Kasuistik  des  Hydrocephalus  congemtus. 
Lehnerdt  Friedrich:  Zur  Kenntnis  der  Narbenstrikturen  und 
Narbenverschlüsse  nach  Intubation. 

Meissner  Hermann:  Zur  operativen  Behandlung  der  chroni¬ 
schen  Kieferhöhlenempyeme. 

Sasse  Wilhelm:  Ueber  die  Entfernung  von  Fremdkörpern  aus 
der  Speiseröhre  durch  Oesophagotomie. 

Zieschang  Karl.  Ueber  das  Skapularkrachen. 

Eck  er  mann  Alois:  Ueber  Narbenkarzinome. 

Hartwich  Werner :  Ein  Fall  von  Akromegalie. 

H  i  n  r  i  c  h  s  Willy:  Behinderung  der  Atmung  und  der  Nahrungs- 
aufnahme  durch  eine  zu  grösste  I  hymus  bei  'einem  10  Wochen 

alten  Kinde;  Operation,  Heilung.  .  .. 

Rosenthal  Theodor:  Ueber  den  Ausgang  der  fibrinösen  i  neu- 

monie  in  aputride  anämische  Nekrose. 

Staffhorst  Hermann:  Die  chronische  Knochenentzundung  am 
Ober-  und  Unterschenkel  infolge  des  militärischen  Dienstes. 
Stärke  Walter:  Ueber  Lokalanästhesie  mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  ihrer  Anwendung  in  der  Zahnheilkunde. 
Arnswalder  Alfred:  Resultate  der  offenen  Silbernaht  bei 
frischen,  subkutanen  Ouerfrakturen  der  Patella. 

Glaser  Kurt:  Ueber  60  Fälle  von  Lumbalanästhesie  am  Aadt- 

krankenhaus  zu  Görlitz.  .. 

Ru  pp  in  Karl:  Nachuntersuchungen  über  die  B  ohmsche 

Theorie  der  „habituellen“  Skoliose. 

Schwär  tz  Willy:  Ueber  einen  seltenen  Fall  von  Puerperal- 
fi'Cbcr 

Frl.  Wachs  muth  Margarethe  aus  Leipzig:  Ueber  das  Stiitz- 

gewebe  der  Milz.  .  .  _ 

Wiehe  Ernst:  Zwei  Fälle  von  zystenartiger  Erweiterung  des 

vesikalen  Harnleiterendes. 

Universität  Strassburg.  Oktober  1907. 

20  Nestner  Julius:  Tuberkulose  und  Schwangerschaft. 

21.'  Wolf  Johann:  Ueber  Heilung  der  tuberkulösen  Bauchfellentzün¬ 
dung  mit  und  ohne  Laparotomie. 


92. 

93. 

94. 

95. 

96. 

97. 

98. 

99. 
100. 
101. 

102. 

103. 

104. 

105. 

106. 
107. 
108 

109 

110 


Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Ein  Epilog  zur  passiven  Resistenz  der  Gemeindeärzte 
Viederösterreichs.  —  Honorierung  von  Krankheitsanzeigen.  - 
Die  Stellung  der  Bezirksärzte  zu  den  praktischen  Aerzten. 
Eine  freie  Aerztevereinigung  im  Abgeordnetenhause.  Ein 
ärztlicher  Automobilklub  in  Wien. 

Die  passive  Resistenz  der  Aerzte  Niederösterreichs  wurde 
am  25  Oktober  1.  Js.  aufgehoben.  Die  kaiserliche  Sanktion 
des  vom  niederösterreichischen  Landtage  angenommenen  Ge- 
setzes  in  welchem  den  Gemeindeärzten  resp.  deren  Witwen 
und  Waisen  eine  Pension  zugesichert  wurde,  wird  noch  im 
laufenden  Jahre  erfolgen.  Dadurch  wird  aber  der  Beschlu 
der  niederösterreichischen  Aerztekammer  vom  5.  Dezember 
1905  der  die  Vornahme  der  öffentlichen  Impfung  für 
Honorar  von  20  Hellern  pro  Kopf  als  standesunwurdig  be¬ 
zeichnet,  nicht  ausser  Kraft  gesetzt.  Dieser  gegen  den  Staat 
gerichtete  Anteil  der  passiven  Resistenz  bleibt  mithin  noc 

^  ei  f  r  6  ch  t 

Jetzt  kann  man  es  laut  sagen,  was  man  bisnun  aus  tak¬ 
tischen  Gründen  verschweigen  musste:  die  passive  Resistenz 
der  Landärzte  in  Niederösterreich  hat  nach  der  Ansicht  zahl¬ 
reicher  einsichtiger  Aerzte,  welche  die  Verhältnisse  gut  zu  be¬ 
urteilen  vermögen,  nach  keiner  Richtung  hin  den  angestrebten 
Effekt  gehabt,  sie  sollte  auch  in  dieser  Fo  r  m  von  keiner 
anderen  ärztlichen  Organisation  jemals  wiederholt  werden. 
Sie  se+zte  am  1  Februar  1906  ein  und  schon  ihre  lange  Andauer 
spricht  gegen  ihre  Wirksamkeit.  Die  einzelnen  Punkte  in 
welchen  die  passive  Resistenz  ihren  Ausdruck  erlangte,  be¬ 
zogen  sich  bekanntlich  auf  die  Vornahme  der  öffentlichen 


2352 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Impfung,  aut  die  Eindlingbehandlung  und  Untersuchung  der 
Schüblinge,  endlich  auf  die  Anzeigen  bei  Infektionskrankheiten. 
Die  Findlingbehandlung  entzog  der  niederösterreichische  Lan¬ 
desausschuss  der  Resistenzbewegung,  indem  er  Findling¬ 
kolonien  mit  fix  angestellten  und  entsprechend  besoldeten 
Aerzten  gründete,  eine  Institution,  welche  sich  bisnun  recht 
gut  bewährt  hat.  Die  öffentlichen  Impfungen  wurden  trotz  der 
Resistenz,  wenn  auch  nicht  von  den  vom  Lande  und  von  den 
Gemeinden  bezahlten  Aerzten,  dennoch,  und  zwar  von  den 
staatlich  bestellten  k.  k.  Bezirksärzten  vollzogen,  welche  die 
Regierung  dem  Landesausschusse  gewissermassen  zur  Ver¬ 
fügung  stellte.  Die  übrigen  Streikobjekte  waren  aber  derart 
beschaffen,  dass  sie  die  Landesbehörden,  gegen  die  sich  die 
Resistenz  richtete,  nicht  sonderlich  berührten.  So  war  es  mög¬ 
lich,  dass  diese  passive  Resistenz  mehr  als  1  Jahre  an¬ 
dauern  konnte. 

Wegen  der  Krankheitsanzeigen  und  wegen  der  öffent¬ 
lichen  Impfung  war  es  naturgemäss  im  Verlaufe  der  langen  Zeit 
zwischen  den  vom  Staate  und  den  vom  Lande  besoldeten 
Aerzten  zu  zahlreichen  schweren  Konflikten  gekommen,  welche 
teilweise  auch  im  Gerichtssaale  zum  Austrag  gelangten,  zu 
Konflikten  persönlicher  Art,  welche  auf  beiden  Seiten  arg  ver¬ 
stimmend  einwirkten,  sodass  deren  Nachklang  noch  viele  Jahre 
anhalten  dürfte.  Es  ist  aber  gewiss  nicht  gut,  wenn  die  Sachen 
sich  so  zuspitzen,  dass  unter  Kollegen,  welche  amtlich  und  auch 
nicht  amtlich  mit  einander  zahlreiche  Berührungspunkte  haben, 
eine  intensive  Feindschaft  entsteht,  die  nicht  im  Handumdrehen 
wieder  beseitigt  werden  kann. 

Die  Erstattung  von  Anzeigen  bei  Infektionskrankheiten 
verlangen  übrigens  gar  nicht  das  Land  und  die  Gemeinden,  der 
Staat  ist  es,  der  im  Interesse  der  Gesamtheit  darauf  besteht 
und  der  es  jedem  Arzte  gesetzlich  zur  Pflicht  macht,  ihm  das 
Auftreten  bestimmter  Infektionskrankheiten  zur  Anzeige  zu 
bringen.  Ohne  diese  informative  Tätigkeit  des  praktischen 
Arztes  ist  eine  geregelte  Prophylaxis  resp.  ist  die  Einleitung 
von  Massregeln,  welche  das  weitere  Entstehen  und  die  Ver¬ 
breitung  dieser  Infektionskrankheit  über  den  ganzen  Ort,  über 
mehrere  Städte  und  das  ganze  Land  verhindern  sollen,  nicht 
möglich.  Die  neuen  Strafgesetzentwürfe,  welche  die  öster¬ 
reichische  Regierung  in  den  letzten  Jahren  dem  Reichsrate  zur 
Beratung  vorlegte  und  zu  deren  Erledigung  unser  Parlament 
nicht  gelangte,  bedrohen  die  Unterlassung  einer  solchen  Krank¬ 
heitsanzeige  mit  100—200  fl.  Geldstrafe.  Der  Arzt  muss  also 
diese  Anzeigen  unentgeltlich  erstatten.  Die  Aerzte  in  Nieder¬ 
österreich,  welche  nicht  gegen  den  Staat,  sondern  gegen  die 
Landesbehörden  obstruieren  wollten,  haben  diesen  Resistenz¬ 
punkt,  nämlich  die  Verweigerung  exakter  Krankheitsanzeigen 
—  (sie  schreiben  nur:  Verdacht  auf  Scharlach,  Diphtherie 
etc.)  —  nur  deshalb  aufgenommen,  um  die  k.  k.  Bezirksärzte, 
welche  sich  nun  an  Ort  und  Stelle  um  alle  die  „verdächtigen“ 
Fälle  selbst  kümmern  sollten,  so  zu  beschäftigen,  dass  ihnen 
keine  Zeit  mehr  übrig  bliebe,  auch  noch  die  öffentliche  Impfung 
vorzunehmen.  Die  Bezirksärzte  haben  aber  beide  Funk¬ 
tionen  durchgeführt  —  wie  die  Gemeindeärzte  behaupten,  nicht 
ganz  einwandsfrei  — ,  die  ungeimpften  Kinder  wurden  aber 
dennoch  alle  geimpft,  es  gab  in  Niederösterreich  in  dieser  Zeit 
keine  grössere  Epidemie.  Auf  dem  im  September  1.  Js.  in 
Troppau  abgehaltenen  Aerztekammertage  kam  diese  Ange¬ 
legenheit  ebenfalls  zur  Diskussion  und  man  beschloss,  dahin  zu 
wirken,  dass  in  dem  von  der  Regierung  in  Aussicht  gestellten 
Reichsseuchengesetze  eine  Honorierung  der  Aerzte 
für  die  Erstattung  von  derlei  Anzeigen  vorgesehen  werde. 
Dieses  Verlangen  der  Aerzte  ist  gar  nicht  so  aussichtslos,  zu¬ 
mal  der  Reichsverband  der  österreichischen  Aerzteorgani- 
sationen  erst  jüngst  verlautbarte:  „Die  k.  k.  Statthalterei  in 
Triest  erklärte  mittels  Erlasses  vom  20.  September  1.  Js.  über 
Antrag  des  Kollegen  Dr.  Fink  in  Haidenschaft  (freie  Organi¬ 
sation  der  Aerzte  Istriens)  die  Honorierung  der  Infektions¬ 
anzeigen  mit  3  Kronen  pro  Anzeige  für  nicht  u  n  be¬ 
rechtig  t.“ 

Es  fällt  uns  bei  alledem  nicht  ein,  die  mutige  Tat  jener 
Männer,  welche  die  passive  Resistenz  der  Gemeindeärzte  in 
Niederösterreich  angeregt  und  unerschrocken  in  Wort  und 
Schrift  fortgeführt  haben,  hinterher  irgendwie  bekritteln  zu 
wollen.  Diese  Kollegen  verdienen  gewiss  alles  Lob  und  unsere 


vollste  Anerkennung,  zumal  ihnen  zur  Zeit  keine  andere  Form 
der  Obstruktion  gegen  unwürdige  Verhältnisse  und  unhaltbare 
Zustände  zur  Verfügung  stand.  Wir  wollten  nur  gezeigt  haben, 
dass  eine  Resistenzbewegung  der  Aerzte  in  dieserGestalt 
künftighin  nicht  nachzuahmen  sei,  da  sie  auf  die  Faktoren,  gegen 
welche  sie  gerichtet  war,  keinen  Eindruck  machte.  Mangels 
einer  wirklichen  wirtschaftlichen  Organisation  konnte 
die  Resistenz  aber  nicht  anders  gemacht  werden.  Erfreulicher¬ 
weise  macht  der  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Organisation  in 
Niederösterreich  gute  Fortschritte,  es  gehören  ihr  bereits  53 
Proz.  aller  Aerzte  in  Niederösterreich  an.  Im  Reichsverbande 
der  österreichischen  Aerzteorganisation  fehlen  nur  mehr  zwei  x 
Kronländer,  es  muss  gearbeitet  werden,  dass  demselben  alle 
Aerzte  Oesterreichs  angehören.  Wird  dies  der  Fall  sein,  dann 
könnte  eine  richtig  inszenierte  passive  Resistenz  der  Aerzte 
eines  Kronlandes  so  schwere  Folgen  nach  sich  ziehen,  dass  sie 
in  kürzester  Zeit  beendigt  werden  müsste. 

Die  niederösterreichische  Aerztekammer  mit  Ausnahme 
Wiens  hat  Ende  des  Vorjahres  an  das  Ministerium  des  Innern 
eine  Eingabe  gerichtet,  in  welcher  gebeten  wurde,  dieses  möge 
dahin  wirken,  dass  die  k.  k.  Bezirksärzte  sich  inbezug  auf  die 
Ausübung  der  Privat-  und  Konsiliarpraxis  strenge  an  die  von 
den  Aerztekammern  aufgestellten  Normen  halten;  das  Mini¬ 
sterium  des  Innern  solle  weiters  den  Bezirksärzten  die  An¬ 
nahme  gewisser  honorierter  Stellen  unbedingt  untersagen. 
Das  Ministerium  hat  nun  mit  einem  Erlasse  von  Ende  August 
1907  der  Aerztekammer  eröffnet,  dass  es  beide  Petita  ab¬ 
lehne.  Die  k.  k.  Bezirksärzte  seien  gesetzlich  vom  Beitritte 
zu  den  Aerztekammern. eximiert,  sie  können  also  auch  „in  ge¬ 
wissen  Belangen“  an  Beschlüsse  der  Aerztekammern  nicht  ge¬ 
bunden  werden.  In  zweiter  Beziehung  sei  das  angestrebte 
Verbot  deshalb  nicht  tunlich,  weil  es  überhaupt  wünschens¬ 
wert  sei,  dass  die  Bezirksärzte  sich  auch  praktisch  in  der  Heil¬ 
kunde  betätigen,  zumal  es  auch  in  gewissen  Verwaltungs¬ 
gebieten,  in  welchen  es  an  praktischen  Aerzten  fehlt,  ein  Gebot 
der  Notwendigkeit  sei,  die  Aerzte  der  landesfürstlichen  poli¬ 
tischen  Behörden  sich  zur  Uebernahme  gewisser  Stellen  bereit 
finden.  Die  Frage,  ob  und  welche  honorierte  Stellen  von  den 
Bezirksärzten  angenommen  und  bekleidet  werden  dürfen, 
könne  daher  nicht  generell  gelöst  werden,  sondern  müsse  die 
Beurteilung  von  Fall  zu  Fall  Vorbehalten  bleiben. 

Der  Erlass  des  Ministeriums  kam  jüngst  in  der  nieder¬ 
österreichischen  Aerztekammer  zur  Verlesung.  Man  beschloss 
nach  längerer  Debatte,  diese  Angelegenheit  als  Antrag  für  den 
nächsten  Aerztekammertag  zurückzustellen.  In  der  Diskussion 
wurde  auch  hervorgehoben,  dass  die  k.  k.  Militärärzte,  auf 
welche  das  Aerztekammergesetz  ebenfalls  keine  Anwendung 
findet,  von  ihrer  Behörde  die  Weisung  erhalten  haben,  sich  be¬ 
züglich  der  Privatpraxis  an  die  Bestimmungen  der  Aerzte¬ 
kammern  zu  halten.  Warum  auch  nicht?  Die  Normen  der 
Aerztekammern  in  bezug  auf  die  Ausübung  der  Privat-  und 
Konsiliarpraxis  sind  doch  derartige,  dass  sie  jeder  anständige 
Militär-  oder  Bezirksarzt  gerne  und  freiwillig  befolgt.  Oder 
fürchtet  das  Ministerium  des  Innern,  dass  es  bei  der  geringsten 
Einschränkung  im  Nebenerwerbe  seine  besseren  Bezirksärzte 
verlieren  könnte,  da  es  sehr  gut  weiss,  dass  auch  diese  Kate¬ 
gorien  von  Aerzten  für  seine  anstrengenden  Dienstleistungen 
im  Amte  nicht  entsprechend  bezahlt  wird?  Wie  dem  immer, 
so  erscheinen  uns  die  Petita  der  niederösterreichischen  Aerzte¬ 
kammer  keineswegs  unbillige  zu  sein,  sie  werden  auch  wieder¬ 
kehren  und  endlich  ihrer  Erfüllung  entgegengehen.  In  der 
Aerztekammer  wies  schliesslich  ein  Redner  darauf  hin,  dass  die 
Regelung  dieses  Verhältnisses  schon  jetzt  angebahnt  wurde  in 
bezug  auf  die  Stellung  der  k.  k.  Bezirksärzte  zu  den  Kranken¬ 
kassen;  es  sei  eine  Tatsache,  dass  die  meisten  Kassen  auf  Seite 
der  praktischen  Aerzte  stehen.  Wie  kann  auch  ein  Bezirksarzt, 
der  oft  tagelang  von  seinem  Standorte  entfernt  sich  auf  einer 
Bereisung  befindet,  zugleich  die  Funktion  eines  Kassenarztes 
klagenfrei  verrichten?  Man  kann  nicht  zwei  Herren  zu¬ 
gleich  dienen. 

Die  dem  Aerztestande  angehörenden  Abgeordneten  sowie 
eine  Anzahl  „ärztefreundlicher  Mitglieder“  unseres  Abgeord¬ 
netenhauses  haben  sich  zu  einer  freien  Aerztevereinigung  zu¬ 
sammengeschlossen,  deren  Konstituierung  demnächst  statt¬ 
finden  soll.  Diese  freie  Aerztevereinigung,  die  gegen  30 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2353 


Mitglieder  zählen  dürfte,  wird  sich  nicht  nur  die  Vertretung 
der  ärztlichen  Standesinteressen  zur  Aufgabe  machen,  sondern 
auch  im  allgemeinen,  öffentlichen  Interesse  hygienische  und 
humanitäre  Reformen  auf  dem  Gebiete  des  Sanitätswesens 
anstreben. 

Am  6.  November  hat  in  Wien  die  Konstituierung  eines 
„ärztlichen  Automobilklubs“  stattgefunden.  Zweck  des  Ver¬ 
eins  ist,  den  Aerzten  die  Anschaffung  (Miete)  von  Berufs¬ 
automobilen  zu  erleichtern,  sowie  die  Erhaltung  und  den  Be¬ 
trieb  so  weit  zu  verbilligen,  dass  dem  Arzt  das  Kraftfahrzeug 
mindestens  nicht  höher  zu  stehen  kommt,  als  die  bisher  für  ein 
Lohnfuhrwerk  gezahlten  Beträge.  Der  Redner  des  vorbe¬ 
reitenden  Komitees  führte  aus,  dass  die  Zeitersparnis,  die  ja 
durch  das  Automobil  zu  erzielen  sei,  gleichzeitig  eine  Kapitals¬ 
anlage  bedeute,  da  die  Aerzte  die  erübrigte  Zeit  ihren  Studien, 
der  Erholung  etc.  widmen  könnten.  Wie  wenig  Aerzte  gibt 
es  leider  in  Wien,  die  400 — 500  Kronen  monatlich  für  einen 
Wagen  zahlen  können,  wie  viele  Aerzte  dagegen,  denen  die 
paar  Krankenvisiten  tagsüber  so  viel  Zeit  übrig  lassen,  dass 
bei  ihnen  das  Sprichwort  time  is  money  wahrhaft  zu  Schanden 
wird.  Es  ist  jetzt  eine  Automobilsteuer  geplant.  Von  dieser 
Steuer  haben  die  Aerzte  nichts  zu  befürchten,  da  ihre  Fahr¬ 
zeuge,  als  zu  Wohlfahrtszwecken  dienend,  von  der  Besteue¬ 
rung  ausgenommen  sind.  Eine  Begünstigung,  welche  auch  nicht 
viel  Aerzte  interessieren  dürfte. 

14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie. 

vom  23.  bis  29.  September  1907. 

VII. 

Sektion  IV :  Berufshygiene  und  Fürsorge  für  die  arbeitenden 

Klassen. 

1.  Ueber  „die  Ermüdung  durch  Berufsarbeit“  referierte  zunächst 
Q.  M.-R.  Dr.  Roth-  Potsdam. 

Je  anstrengender  die  Arbeit  und  je  weniger  ausreichend  die 
Arbeitspausen  sind,  um  die  Ermüdungsstoffe  fortzuschaffen,  um  so 
früher  tritt  Ermüdung  ein.  Sonstige  Betriebsgefahren,  hohe  Tempe¬ 
raturen,  hohe  Feuchtigkeitsgrade,  heftige  Erschütterungen,  ge¬ 
zwungene  Körperhaltung,  einseitige  Inanspruchnahme  einzelner  Mus¬ 
ikein  usw.  begünstigen  den  vorzeitigen  Eintritt  der  Ermüdung,  die 
wieder  die  Ausserachtlassung  der  Massnahmen  des  persönlichen  Ar¬ 
beiterschutzes  zur  Folge  hat.  Das  gleiche  gilt  von  der  Aufnahme 
giftiger  Stoffe  in  den  Giftibetrieben. 

Unzureichende  Ernährung  und  ungeeignete  Lebensführung  mit 
Herabsetzung  der  Leistungsfähigkeit  begünstigen  den  vorzeitigen 
Eintritt  der  Ermüdung. 

Arbeiten,  die  an  die  Verantwortlichkeit  und  Aufmerksamkeit  der 
beschäftigten  Personen  besondere  Anforderungen  stellen  und  die  mit 
andauernder  geistiger  Anspannung  einhergehen,  sind  geeignet,  den 
vorzeitigen  Eintritt  der  Ermüdung  zu  begünstigen,  das  Gleiche  gilt 
unter  Umständen  von  Eintönigkeit  der  Arbeit. 

Bei  der  Zuteilung  der  Arbeit  muss  darauf  Bedacht  genommen 
werden,  dass  die  Arbeit  keine  Uebermiidung  zur  Folge  hat.  Es  hat 
deshalb  dauernde  sachverständige  Kontrolle  nach  der  Richtung  statt¬ 
zufinden,  dass  der  Leistungsfähigkeit  im  Einzelfall  in  geeigneter  Weise 
Rechnung  getragen  wird. 

Dr.  Eis  n  er:  Ist  es  schon  schwer,  den  eigentlichen  Zustand  der 
Ermüdung  und  dessen  Einwirkung  auf  die  Gesundheit  medizinisch  und 
physiologisch  klarzulegen,  so  ist  es  noch  schwieriger,  auf  dem  gesetz¬ 
lichen  Wege  eine  gesundheitsschädigende  Ermüdung  zu  verhindern. 
Im  übrigen  ist  anzunehmen,  dass  bei  der  heutigen  Regelung  der  Ar¬ 
beitszeit  bei  normalen  Arbeitern  und  normaler  Arbeitsdauer  ohne 
Ueberstunden  derartige  Gesundheitsschädigungen  kaum  Vorkommen. 

Prof.  Dr.  A.  I  m  b  e  r  t  -  Montpellier :  Man  kann  bei  Erwachsenen 
eine  Ermüdung  als  eingetreten  annehmen,  wenn  nach  der  periodischen 
Ruhezeit  (wöchentlicher  oder  auch  nur  Nachtruhe)  noch  Spuren  der 
Ermüdung  vorhanden  sind  und  die  ursprüngliche  und  normale  Pro¬ 
duktivität  nicht  wieder  erlangt  ist.  Handelt  es  sich  um  junge  Ar¬ 
beiter,  Kinder  oder  Jünglinge,  so  ist  von  Ermüdung  zu  sprechen, 
sobald  die  normale  und  physiologische  Entwicklung  des  Organismus 
gestört  wird  und  zurücktritt. 

Die  in  den  verschiedenen  Ländern  über  deren  Arbeitszustände 
angestellten  Untersuchungen  führen  zur  Annahme,  dass  gewisse  Ar¬ 
beiterkategorien  unter  gewerblicher  Lieberanstrengung  zu  leiden 
haben,  indes  sind  diese  Feststellungen  nicht  ganz  einwandfrei  und 
vorbehaltlos,  es  müssen  deshalb  genauere  Beobachtungen  unter  Ver¬ 
wendung  von  den  dem  Laboratorium  zur  Verfügung  gestellten  Ap¬ 
paraten  angestellt  werden. 

Dr.  T  reves -Turin;  Das  Bild  der  Uebermiidung  ist  durch  eine 
im  höchsten  Grade  variierende  Symptomalogie  bedingt.  Die  Er¬ 
scheinungen  erinnern  gewissermassen  an  diejenige,  die  infolge  von 
übermässiger  muskulärer  und  psychischer  Anstrengung  als  akute 
Ermüdungserscheinungen  einzutreten  pflegen. 


Es  handelt  sich  hiebei  um  übermässige  Ausgabe,  ungenügende 
Ruhe,  unvollständiges  Ausgleichsvermögen. 

Die  Ursache  der  Ermüdung  ist  nicht  einseitig  in  der  Arbeits¬ 
leistung  zu  suchen,  sondern  es  spielen  noch  eine  Reihe  von  Fak¬ 
toren  eine  Rolle,  wie  fehlerhafte  Konstitution,  ungeeignete  Lebens¬ 
führung  usw. 

2.  Ueber  „die  Erfolge  der  Unfallverhütung  in  Frankreich“  berichtet 
H.  M  a  m  y  -  Paris.  In  Frankreich  sind  Gesetze  erlassen  zur  Ver¬ 
hütung  von  Berufsunfällen,  deren  Ueberwachung  einer  grösseren 
Zahl  von  Gewerbeinspektoren  übertragen  ist,  ausserdem  gibt  es  pri¬ 
vate  „Vereine  zur  Unfallverhütung  bei  der  Arbeit“,  auch  wurde  ein 
Museum  der  Unfallverhütung  und  der  industriellen  Hygiene  ge¬ 
gründet. 

Der  Einfluss  dieser  Massnahmen  ist  in  Frankreich  ein  zweifellos 
erheblicher,  wenn  er  auch  zahlenmässig  noch  nicht  feststellbar  ist. 

Ueber  „die  Erfolge  der  Unfallverhütung  in  Italien“  referiert  Pon- 
t  i  g  g  i  a  -  Mailand:  In  Italien  haben  seit  kaum  13  Jahren  die  Ver¬ 
treter  der  italienischen  Industrie  angefangen,  sich  mit  der  Frage  der 
Unfallverhütung  eingehend  und  systematisch  zu  beschäftigen.  Es 
wurden  Vereine  von  Gewerbetreibenden  für  Unfallverhütung  ge¬ 
gründet,  später  wurden  staatliche  Besichtigungsbehörden  geschaffen 
zu  dem  Zwecke,  auch  die  widerstrebenden  Elemente  zur  genauesten 
Beobachtung  der  Gesetzesvorschriften  über  die  Unfallverhütung,  be¬ 
sonders  in  den  Fabriken  mit  Frauen-  und  Kinderarbeit,  zu  ver¬ 
anlassen. 

Eine  brauchbare  Statistik  über  die  Erfolge  der  eingeleiteten 
Massnahmen  steht  zurzeit  noch  nicht  zur  Verfügung,  jedoch  ist  be¬ 
reits  als  sicher  festgestellt,  dass  durch  die  genaue  Beachtung  ver¬ 
nünftiger  Vorbeugungsmassregeln  die  Zahl  der  Unfälle,  die  durch 
Motoren,  verschiedene  Werkzeuge,  Transmission  etc.  verursacht 
werden,  ganz  erheblich  eingeschränkt  werden,  während  jene  Kate¬ 
gorien  von  Unfällen,  deren  Verhütung  fast  ausschliesslich  von  der 
Sorgfalt,  der  Disziplin  und  der  Weitsichtigkeit  der  Arbeiter  ab¬ 
hängt,  eine  beklagenswerte  Zunahme  erfahren  hat. 

3.  Hygienische  Vorbildung  der  Gewerbeinspektoren. 

Referent  Dr.  B  e  r  g  m  a  n  n -Düsseldorf :  Für  den  naturwissen¬ 
schaftlich  vorgebildeten  Gewerbeaufsichtsbeamten  mit  Hochschulbil¬ 
dung  ist  die  Praxis,  verbunden  mit  fortgesetztem  eifrigen  Selbst¬ 
studium  die  beste  Lehrmeisterin  auf  dem  Gebiete  der  Gewerbe¬ 
hygiene.  Daneben  hat  jedoch  eine  dauernde  Unterstützung  von 
staatlicher  Seite  durch  Aufklärung  der  Beamten  über  die  Ergebnisse 
der  gewerbehygienischen  Forschungen  und  Erfahrungen  stattzu¬ 
finden. 

4.  Arbeiterwohnhäuser. 

Prof.  H.  A.  Nussbaum  -  Hannover :  Die  wichtigste  Aufgabe 
auf  diesem  Gebiete  ist  die  Gewinnung  einer  ausreichenden  Zahl  preis¬ 
werter,  weiträumiger,  dauerhaft  gebauter,  behaglich  eingerichteter 
und  gut  ausgestatteter  Wohnungen  mit  hohem  Wärme-  und  Wetter¬ 
schutz,  die  Freilage  des  Hauses  könne  eingeschränkt  werden,  soweit 
die  berechtigten  Ansprüche  an  die  Lichtfülle  und  Luftreinheit  der 
Wohnungen  es  zulasse;  notwendig  ist  aber  zur  Verhütung  der  Weiter¬ 
entwicklung  übertragbarer  Krankheiten,  dass  jede  Wohnung  im  Hause 
vollkommenen  Abschluss  hat  und  dass  die  gemeinsame  Benützung  von 
Nebenräumen  möglichst  beschränkt  wird. 

An  Räumen  sollte  jede  Wohnung  bieten:  1  Wohnzimmer,  1  Küche 
und  Speisezimmer  (Wohnküche)  und  1  Schlafzimmer  von  je  15  bis 
22  qm  Fläche  bei  einer  Höhe  von  2,60 — 3  m;  an  Nebenräumen  sind 
notwendig  1  Abort,  1  Altane,  einige  Wandschränke  und  1  Gelass 
zum  Aufbewahren  von  Speisen. 

Baustoffe  sollen  durchlässig  sein,  müssen  aber  gegen  Erdfeuchtig¬ 
keit  und  Schlagregen  um  so  vollkommener  geschützt  werden,  je 
durchlässiger  sie  sind. 

Prof.  Dr.  F.  Putzeys  empfiehlt  Gründung  von  Baugenossen¬ 
schaften  mit  staatlicher  Unterstützung,  zur  Gewinnung  gesunder  Woh¬ 
nungen  die  Niederlegung  alter  verseuchter  Stadtteile. 

5.  Fabrikbäder  und  Volksbadeanstalten. 

A.  Herzberg  und  O.  L  a  s  s  a  r  -  Berlin  sprechen  über  die 
Einrichtung  von  Volks-  und  Arbeiterbädern,  befürworten  namentlich 
die  Einführung  von  Schwimmunterricht  in  Naturbädern  in  Teich, 
Fluss  und  See,  und  in  Hallenschwimmbädern.  Die  Kran¬ 
kenkassen  und  die  Landes  v  ersiehe  rungsan  st  alten 
für  Arbeiter  bedürfen  der  gesetzlichen  Erlaubnis  und  behördlichen 
Anregung,  aus  prophylaktischen  und  gesundheitlichen  Gründen  das 
Badewesen  in  Stadt  und  Land  durch  finanzielle  Unterstützungen  zu 

Neben  Errichtung  von  Volksbädern  —  namentlich  Volks¬ 
brausebädern  —  sollte  auch  sonst  Vorsorge  für  Waschgelegenheit 
geboten  sein,  z.  B.  in  Bahnhöfen  etc.  ...  „ 

Simon  B  a  r  u  c  h-  New  York:  Da  die  Reinlichkeit  das  Hauptele- 
ment  der  Gesundheitspflege,  so  soll  überall  für  Gelegenheit  zu  warmen 
Reinigungsbädern  gesorgt  werden. 

6.  Die  gewerbliche  Bleivergiftung. 

G.  Reg.-Rat  Dr.  Wutzdorff  (Kais.  Gesundheitsamt  Berlin) 
verbreitet  sich  eingehend  über  die  verderblichen  Einflüsse  der  Blei¬ 
vergiftung  auf  den  menschlichen  Organismus,  über  die  noch  immer 
grosse  Verbreitung  dieser  Vergiftung  unter  Arbeitern,  welche  mit 
metallischem  Blei  oder  Bleiverbindungen  in  Berührung  kommen, 
über  die  Eintrittspforten  des  Bleis  in  den  menschlichen  Organismus 


2354 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


(entweder  durch  den  Mund  durch  Vermittlung  der  damit  beschmutz¬ 
ten  Hände  beim  Essen,  Rauchen,  Schnupfen  etc.  oder  von  den  Luft¬ 
wegen  aus  durch  Einatmen  von  bleihaltigem  Staub).  Der  Vortragende 
erörtert  die  in  Deutschland  zur  Bekämpfung  der  Bleivergiftung  er¬ 
lassenen  Vorschriften  und  weist  noch  auf  die  gesetzliche  Handhabe 
hin,  welche  in  den  §§  120  a  bis  e  der  Gewerbeordnung  enthalten  ist; 
die  Hauptaufgabe  bei  Verhütung  der  Bleivergiftung  fällt  aber  den 
Arbeitern  selbst  zu. 

Dr.  L.  T  e  1  e  k  y  bespricht  die  bisherigen  Statistiken  über  Blei¬ 
vergiftung  und  deren  Mängel  und  die  verschiedenen  Vorschriften 
zur  Verhütung  der  gewerblichen  Bleivergiftung  in  Oesterreich. 

Dr.  T  ö  t  h  -  Schemnitz  erörtert  hauptsächlich  die  Schädi¬ 
gungen  des  menschlichen  Organismus  durch  die  Bleivergiftung,  welche 
sich  nicht  nur  auf  die  verschiedenen  bekannten  Vergiftungserschei¬ 
nungen  beschränken,  sondern  auch  noch  eine  Widerstandsunfähigkeit 
gegen  andere  schädliche  Einflüsse  bedingen,  so  erreicht  z.  B.  der  Erz¬ 
hüttenarbeiter  kaum  ein  höheres  Lebensalter  als  50  Jahre,  er  stirbt 
vielmehr  meist  vor  dieser  Zeit,  häufig  infolge  von  Tuberkulose, 
Lungenentzündung,  Herz-  und  Nierenleiden  oder  anderen  Krank¬ 
heiten. 

E.  Mosny  und  Ch.  Laubry  berichten  über  die  in  Frank¬ 
reich  zur  Verhütung  der  Bleivergiftung  teils  getroffenen,  teils  noch 
zu  treffenden  Massnahmen,  unter  letzteren  namentlich  über  die  obli¬ 
gate  Anzeigepflicht  sämtlicher  Fälle  von  gewerblichen  Bleivergif¬ 
tungen  seitens  des  behandelnden  Arztes. 

7)  Neuere  Erfahrungen,  betreffend  die  Staubverbreitung  in  Ge¬ 
werbebetrieben. 

Jehle-Wien  erörtert  die  schädlichen  Folgen  der  Staubein¬ 
atmung,  welche  hauptsächlich  von  der  Form  der  feinsten  Teile  des 
Staubes  und  der  Ouantität  abhängen.  Eine  nähere  Untersuchung  über 
die  Staubart  in  den  verschiedenen  Betrieben  und  eine  genaue  Sta¬ 
tistik  über  Staubschädigungen  sei  notwendig,  dabei  sollten  die  Er¬ 
krankungen  der  Arbeiter  in  solchen  Gewerben,  bei  welchen  ver¬ 
schiedene  Stoffe  verarbeitet  werden  (z.  B.  bei  Drechslern:  Horn. 
Perlmutter,  Bernstein  etc.)  nach  den  einzelnen  Kategorien  gesondert 
registriert  werden. 

Gewerberat  Dr.  C  z  i  m  a  t  i  s  -  Solingen  spricht  über  die  zweck- 
mässigsten  Einrichtungen  zur  Entfernung  des  Staubes  (dieser  soll 
am  Orte  der  Entstehung  aufgefangen  und  abgeführt  werden),  Wasch¬ 
gelegenheit  in  den  Arbeitsstätten  etc. 

8.  Die  Gefahren  des  elektrischen  Betriebes  und  Hilfe  bei  Un¬ 
glücksfällen  durch  elektrischen  Starkstrom. 

Prof.  W.  K  ü  b  1  e  r  -  Dresden :  Die  Gefahr,  dass  irgendwo  ein 
Unfall  verursacht  werden  kann,  ist  um  so  geringer,  je  vollkommener 
die  in  Frage  kommenden  technischen  Einrichtungen  durch  die  Kon¬ 
struktion  beherrscht  werden,  d.  i.  je  besser  es  den  Konstrukteuren 
gelingt,  die  Vorbedingungen  für  den  Eintritt  des  Unfalls  auszu- 
schliessen.  Der  Gefahrengrad  wird  ausserdem  noch  erhöht  durch 
den  Mangel  an  Verständnis  für  die  einfachsten  elektrischen  Vorgänge 
bei  dem  grösseren  Teil  der  Bevölkerung.  Todesfälle  durch  Hoch¬ 
spannungsschläge  sind  relativ  selten,  der  Erfolg  der  Wiederbelebungs¬ 
versuche  hängt  aber  von  dem  Verständnis  des  zu  Hilfe  gerufenen 
Arztes  für  die  ihm  hier  zufallenden  Aufgaben  ab. 

Dr.  S.  Je  1 1  in  e  k  -  Wien:  Nach  den  bisherigen  Erfahrungen 
müssen  Spannungen  schon  von  50  Volt  und  auch  niedrigere  als  ge¬ 
fährlich  bezeichnet  werden;  ausser  der  Spannungsgrösse  kommen 
aber  noch  andere  Umstände  in  Betracht,  wie  Stromstärke,  Polzahl 
und  Zeit,  seitens  der  Individuen:  Stromausbreitunig,  Widerstand, 
Körperzustand.  Der  Gleichstrom  erscheint  vom  hygienischen 
Standpunkt  gefährlicher  als  der  Wechselstrom. 

Die  Gesundheitsstörungen  sind  teils  allgemeine,  teils  lokale 
(äussere).  Die  ersteren  bieten  oft  ein  wechselvolles  Bild,  weil 
Aeusserungen  bald  seitens  des  Bewusstseins,  bald  der  motorischen 
Sphäre,  ferner  auch  seitens  der  Herz-  oder  Lungentätigkeit  im  Vor¬ 
dergrund  stehen. 

Die  Hilfeleistung  besteht  in  Befreiung  aus  dem  Strom¬ 
kreise,  Lagerung  mit  etwas  erhöhtem  Kopfe,  künstliche  Atmung, 
Aderlass,  Lumbalpunktion,  subkutane  Kampher-  und  Adrenalininjek¬ 
tion,  neuerliche  Anwendung  des  tödlichen  Starkstroms. 

Zur  Vorbeugung  der  Gefahr  ist  notwendig  strenge  Durch¬ 
führung  der  Sicherheitsvorschriften,  Belehrung  der  Schuljugend  und 
Aufklärung  der  breiten  Volksmassen,  fortgesetztes  svstematisches 
Studium  und  Erforschung  der  sich  darbietenden  Erscheinungen  auf 
dem  neuen  Grenzgebiet  der  Medizin  und  Elektrotechnik. 

9)  Wie  können  die  gesundheitlichen  Gefahren  bei  Heimarbeitern 
herabgesetzt  werden? 

Ueber  diesen  Gegenstand  sprechen  Frl.  C.  D  o  s  e  -  Dresden.  Ge¬ 
werbeinspektor  Dr.  J  u  n  g  f  e  r,  Gewerberat  T  ranthan  -  Bielefeld 
und  B  o  u  1  i  s  s  e  t  -  Paris. 

Die  gesundheitlichen  Verhältnisse  in  den  Arbeitsstätten  der 
Heimindustriellen  haben  sich  p-egeniiber  jenen  in  Fabriken  und  Werk¬ 
stattbetrieben  in  den  letzten  20  Jahren  nicht  geändert,  für  die  Heim¬ 
arbeiter  in  den  Grossstädten  sind  sie  sogar  infolge  der  Verteuerung 
der  Mieten  etc.  ungünstiger  geworden.  Die  elenden  Zustände  in  den 
meisten  Heimarbeiterindustriezentren  machen  deshalb  ein  gesetzliches 
Eingreifen  erforderlich,  welches  sich  auf  Feststellung  von  Lohn¬ 
tarifen,  Ausdehnung  der  Zuständigkeit  der  bestehenden  Gewerbeauf¬ 
sichtsbehörden.  Ausdehnung  des  Krankenversicherungsgesetzes.  der 


Invaliditäts-  und  Altersversicherung,  der  Unfallversicherung,  einer 
Witwenversicherung  usw.  beziehen  soll. 

Auch  in  Frankreich  herrscht  grosses  Elend  unter  den  Heim¬ 
arbeitern  wegen  ungenügender  Entlohnung,  schlechter  Wohnungsver¬ 
hältnisse,  ungenügender  Nahrung,  Unreinlichkeit  usw. 

10.  Die  Ankylostomafrage. 

Dr.  Hayo  B  r  u  n  s  -  Gelsenkirchen  (Hygienisches  Institut):  Die 
Ankylostomiasis  ist  in  Deutschlan  d  eine  Berufskrankheit  der 
unterirdisch  beschäftigten  Bergarbeiter,  sowie  gelegentlich  der  Zie¬ 
geleiarbeiter.  In  den  Tropen  tritt  sie  in  der  ganzen  Bevölkerung 
weit  verbreitet  als  Volksseuche  auf. 

Man  muss  für  die  Verbreitung  der  Ankylostomiasis  direkt  eine 
örtliche  Disposition  als  Vorbedingung  haben. 

Die  Verseuchung  der  deutschen  Bergwerke  ist  ursprünglich  von 
Auswärts  erfolgt  (Italien,  Gotthardtunnelepidemie),  die  Verbreitung 
von  einer  Kohlengrube  zur  anderen  ist  hauptsächlich  durch  den  star¬ 
ken  Belegschaftswechsel  bedingt. 

Zur  Zeit  hat  die  Zahl  der  Wurmbehafteten  wieder  abgenommen, 
die  bei  der  jeweils  ersten  Untersuchung  gefundene  Zahl  der  Wurm- 
behafteten  betrug  auf  den  110  Schachtanlagen  im  rheinisch-west¬ 
fälischen  Kohlenrevier  zusammen  14  716,  bei  der  jeweils  letzten 
(März  1907)  noch  1252. 

Die  zur  Bekämpfung  angewandten  Massnahmen  haben  sich  also 
als  erfolgreich  erwiesen:  diese  Massnahmen  bestanden  in  Aufsuchung 
möglichst  aller  Wurmträger  (wiederholte  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  der  Fäzes  durch  einen  eigens  geschulten  Arzt)  und  Fern¬ 
haltung  derselben  von  der  Arbeit  im  Bergwerke:  Belehrung  der  Mann¬ 
schaften,  Einrichtung  genügender  Abort-  und  Waschgelegenheiten. 

G.-R.  Dr.  L  ö  b  k  e  r  -  Bochum:  Die  Infektion  mit  Ankylostomen 
(A.  duodenale  oder  A.  american.)  erfolgt  durch  Einwanderung  der 
eingekapselten  Wurmlarven  entweder  durch  den  Mund  oder  nach 
Verlust  der  Kapsel  durch  die  äussere  Haut  des  Menschen. 

Die  grosse  Zahl  der  Wurmbehafteten  fühlt  sich  gesund,  erst  bei 
Anwesenheit  einer  grösseren  Menge  von  lebenden  geschlechtsreifen 
Ankylostomen  werden  nach  längerer  Dauer  der  Infektion  in  einem 
nicht  genügend  widerstandsfähigen  Organismus  Krankheitserschei¬ 
nungen  ausgelöst.  Eine  Immunität  ganzer  Völkerschaften  gegen  die 
Ankylostomiasis  besteht  nicht. 

Die  Diagnose  ist  nur  durch  den  mikroskopischen  Nachweis  der 
Wurmeier  in  den  Fäzes  möglich. 

Selbstheilungen  können  Vorkommen  durch  allmähliges 
Absterben  der  Würmer,  durch  erfolgreiches  Abtreiben  der  Würmer 
wird  in  den  schwersten  Krankheitsfällen  vollständige  Wiederher¬ 
stellung  der  Gesundheit  erzielt. 

Als  zuverlässiges  Abtreibemittel  hat  sich  bisher  nur  Extract. 
filicis  mar.  aether.  und  das  Thymol  bewährt,  jedoch  sind  beide  Mittel 
nicht  ungefährlich  und  deshalb  mit  Vorsicht  anzuwenden. 

Prof.  E.  M  a  1  v  o  z  -  Lüttich  berichtet  über  das  Vorkommen  der 
Ankylostomiasis  in  Belgien,  dort  ist  diese  Krankheit  (Blutarmut 
der  Grubenarbeiter  parasitären  Ursprungs)  schon  seit  mindestens  30 
Jahren  verbreitet,  eine  systematische  Bekämpfung  setzte  aber  erst 
1898  ein;  die  Bekämpfungsmassnahmen  waren  auch  dort  von  Erfolg 
begleitet. 

Attendolo  Conti-  Cremona  betont  die  grosse  soziale  Be¬ 
deutung  der  Ankylostomiasis  wegen  ihrer  grossen  Verbreitung 
unter  den  Erdarbeitern,  eine  Krankheit  die  auch  bei  jugendlichen 
Personen  degenerative  Wirkungen  ausübt  und  so  zu  einem  Rassen- 
ver’fall  führen  kann. 

Er  empfiehlt  als  sicherstes  Abtreibungsmittel  Thymol  in 
grossen  Dosen  (8 — 10  g  pro  Dosis)  und  längere  Fortsetzung  der  Be¬ 
handlung,  oft  auf  mehrere  Monate. 

Wenn  die  Ankylostomiasis  mit  A  n  g  u  i  1 1  u  1  a  zusammen¬ 
fällt,  nimmt  die  Sache  im  allgemeinen  eine  ernstere  Wendung.  In 
diesem  Falle  bewirkt  Kalo  me  1  mit  Terpentin  die  Austreibung 
der  Parasiten. 

Ungelöschter  Kalk  (Wirkung  der  Hitze  und  der  Kalkmilch)  hat 
sich  zur  Vertilgung  der  Larven  der  Parasiten  in  den  Fäzes  als  tauglich 
erwiesen. 

11.  Ersatz  des  Quecksilbers  durch  unschädliche  Prozeduren. 

Gewerbeinspektor  Dr.  B.  H  e  u  c  k  e  -  Wesel:  Solange  zur  Ver¬ 
edelung  und  Verbesserung  des  Filzes  („Sekretage“  der  Felle)  die  An¬ 
wendung  von  Quecksilber  als  unentbehrlich  bezeichnet  wird,  besteht 
die  Gefahr  der  Quecksilbervergiftung  fort  und  es  ist  notwendig,  der¬ 
selben  auf  alle  Weise  vorzubeugen  (Reinlichkeit  seitens  der  Arbeiter, 
Wasch-  und  Badegelegenheit,  saubere  Arbeitsräume  mit  künstlicher 
Ventilation,  beim  Beizen  Tragen  von  Gummihandschuhen,  die  über 
das  Handgelenk  reichen,  bei  den  übrigen  Arbeiten  Tragen  von  staub¬ 
schützenden  Ueberkleidern,  Anstellung  von  nur  gesunden,  kräftigen 
Arbeitern,  ständige  ärztliche  Ueberwachung  des  •  Gesundheitszu¬ 
standes), 

12.  Ueber  die  Berufskrankheit  der  Caissonarbeiter  sprechen  Dr. 
Ph.  S  i  1  b  e  r  s  t  e  i  n  -  Wien,  Dr.  H.  v.  S  c  h  r  ö  t  t  e  r  -  Wien  und  Dr. 
J.  P.  L  a  n  g  1  o  i  s  -  Paris. 

Die  pathologischen  Erscheinungen  dieser  Krankheit  werden  durch 
rasche  Dekompression,  und  zwar  durch  das  Freiwerden  von 
Stickstoff  im  Wege  embolischer  Vorgänge  hervorgerufen  (Aeraemie). 

Die  DekompressiQn  muss  deshalb  langsam  erfolgen;  nach  dem 
Ergebnisse  der  Tierexperimente  kann  die  Dekompression  als  gefahr- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2355 


los  bezeichnet  werden,  wenn  der  Druckabfall  nicht  rascher  als  2  Mi¬ 
nuten  pro  Vio  Atmosphäre  und  zwar  gleichmässig  erfolgt. 

Um  die  Disposition  zur  Krankheit  möglichst  zu  verhüten,  soll 
der  Aufenthalt  bezw.  die  Arbeit  in  komprimierter  Luft  nicht  zu  lange 
währen,  in  zwei  vierstündigen  Schichten,  im  ganzen  S  Stunden  inner- 

halb  eines  Zeitraumes  von  24  Stunden.  .  .  T  n 

Im  allgemeinen  weisen  die  in  hochko'mpnmiertei  Luft  be¬ 
schäftigten  Caissonarbeiter  eine  grosse  Morbidität,  Invalidität  und 
Mortalität  auf,  es  sollen  deshalb  nur  kräftige  Arbeiter  verwendet  wer¬ 
den,  deren  Gesundheitszustand  einer  ständigen  ärztlichen  Ueber- 
wachung  zu  unterstellen  ist. 

13.  Hebung  der  Hygiene  der  arbeitenden  Klassen  durch  die  In¬ 
validenversicherung.  ,  ,  .  , 

G.  Reg.-Rat  Bielefel  dt,  Direktor  der  Landesversicherungs¬ 
anstalt  der  Hansastädte,  bespricht  die  Vorteile,  welche  die  Geld- 
leistungen  der  Invalidenversicherung  den  Arbeitern  und  inien  ranulien 
gewähren,  sowohl  durch  Heilbehandlungsmassnahmen,  als  auch  durch 
Unterstützung  privater  und  öffentlicher  Einrichtungen  zur  Erhaltung 
und  Förderung  der  Volksgesundheit  (Lungenheilstätten,  Auskunft-  und 
Fürsorgestellen,  Erholungsstätten,  Invalidenheime  etc.),  Anlage  von 
Kapitalien  der  Invalidenversicherung  in  Arbeiterwohnungen  usw. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  6.  November  1907. 

Herr  Falkenstein  bespricht  in  einem  längeren  Vortrage 
die  Wirkungen  und  Erfolge,  welche  er  mit  seiner  schon  öfter  emp¬ 
fohlenen  Behandlung  der  Gicht  mit  grossen  Dosen  Salzsäure  be¬ 
obachtet  hat.  Der  Redner  wiederholt  im  allgemeinen  nur  schon 
früher  Ausgeführtes,  dass  die  Alkaleszenz  des  Blutes  nicht  verringert 
wird  die  Nieren  ohne  Schwierigkeiten  den  Abgang  der  Chloride  ge¬ 
statten  Er  bespricht  die  neueren  Arbeiten  von  Brugsch  und 
Schittenhelm  und  theoretische  Einwände  von  anderer  Seite, 
die  er  allein  glaubt  durch  seine  an  300  Fällen  gesammelten  prak¬ 
tischen  -Erfahrungen  widerlegen  zu  können.  Er  selbst  nimmt  Salz¬ 
säure  seit  5  Jahren  mit  bestem  Erfolg.  Die  Säure  hilft  nicht  im 
akuten  Anfall,  und  darf  nicht  vor  der  Mahlzeit  gegeben  werden. 
Die  Wirksamkeit  der  Salzsäuretherapie  richtet  sich  nach  den  Krank¬ 
heitsfällen,  die  man  in  3  Gruppen  einteilen  kann:  1.  solche,  wo  das 
Leiden  erst  wenige  Jahre  dauert  und  keine  Abmagerung  bestand. 
Hier  sind  gute  Resultate  der  Kur  zu  verzeichnen  und  wahrschein¬ 
lich  dauernde  Heilungen  möglich.  2.  Fälle  von  chronischer  typischer 
oder  irregulärer  Gicht,  die  zu  erheblicher  Abmagerung  geführt  hat. 
Auch  hier  werden  wesentliche,  Besserungen  beobachtet.  3.  die 
schwersten  Fälle  der  chronischen  Gicht,  welche  trotz  der  Km  vor- 
schreiten. 

Herr  R.  Kutner  demonstriert  eine  Reihe  zystoskopischer 
Photographien  der  Harnleiter,  der  Balkenblase,  der  torförmigen  Oeff- 
nung  bei  Prostatahypertrophie,  von  Papillom  der  Blase,  Eiteraustritt 
aus  dem  Ureter,  von  Fremdkörpern.  Diese  Bilder  sollen  zeigen, 
dass  durchaus  stereoskopische  Erscheinung  auf  diese  Weise  erzeugt 
werden  kann.  Ein  anderes  neues  Verfahren,'  das  für  den  Unterricht 
besondere  Bedeutung  haben  soll,  erzeugt  transparente  Bilder  da¬ 
durch,  dass  auf  Zelluloidblätter  photographiert  wird,  die  zwischen 
2  Glasplatten  gelegt  ein  Diapositiv  bilden. 

Diskussion  zum  Vortrag  des  Herrn  F  a  1  k  e  n  s  t  e  i  n. 

Herr  Kraus  hat  auch  schon  Front  gemacht  gegen  die  alte 
Alkalitherapie  der  Gicht.  Bei  einer  gewissen  Zahl  von  Fällen  je¬ 
doch  löst  Salzsäure  Anfälle  aus.  Der  Grund  des  Erfolges  bei 
anderen  wiederum  liegt  in  der  Diät  und  nicht  in  der  mehr  oder  min¬ 
der  vorhandenen  Schwere  der  Krankheit.  Im  Anfall  ist  kein  Er¬ 
folg  zu  erwarten.  Das  beste  für  den  Gichtiker  sei  lange  fortgesetzte 
Diät  mit  purinfreien  Nahrungsstoffen. 

Herr  Brugsch:  Die  Gicht  ist  keine  ererbbare  Krankheit,  son¬ 
dern  eine  Erkrankung  des  Nukleinstoffwechsels.  Die  Ansicht,  dass 
bei  Salzsäureverminderung  im  Magen  Anfälle  entstehen,  ist  irrig. 
Die  Hauptsache  bei  der  Therapie  ist.  eine  neutralisierte  Diät. 

Herr  Falkenstein:  Wenn  Herr  Kraus  sagt,  dass  man  die 
Fleischkost  vermeiden  müsse,  so  kann  ich  diese  Ansicht  nicht  teilen. 
Eine  grosse  Zahl  von  Patienten  nehmen  seit  5  Jahren  die  Salzsäure 
und  fühlen  sich  dabei  gebessert,  das  ist  doch  wohl  das  Beweisende. 
Wenn  Herr  Brugsch  die  Gicht  für  eine  Nukleinstoffwechselerkran¬ 
kung  anspricht,  so  ist  das  nichts  Neues.  Positiv  zu  beobachten  sind 
die  Erfolge  der  Salzsäuretherapie,  welche  wahrscheinlich  die  anderen 
Theorien  alle  überdauern  wird. 

In  der  Diskussion  zum  Vortrage  des  Herrn  R.  Kutner 
bleiben  die  Ausführungen  des  Redners  von  Herrn  J  a  c  o  b  y  nicht  un¬ 
widersprochen.  Fritz  Koch. 


dieser  Zellen  im  Sputum  soll  für  Tuberkulose  sprechen,  selbst  wenn 
keine  Tuberkelbazillen  gefunden  werden.  W.  sucht  beim  Antreffen 
von  Lymphozyten  stets  eifriger  als  sonst  und  will  in  einer  Reihe 
von  Fällen  schliesslich  doch  noch  Bazillen  gefunden  haben.  An  seinen 
früher  aufgestellten  Behauptungen,  dass  der  Lymphozytenbefund  bei 
Pleuritis  für  Tuberkulose  spräche,  hält  Redner  unverändert  fest. 
(Die  vorgelegten  Präparate  waren  in  der  I  at  solche,  wo  der  geübte 
Untersucher  Verdacht  auf  Bazillen  hatte,  ohne  bisher  in  der  Lage 
gewesen  zu  sein,  Gründe  für  diesen  Verdacht  angeben  zu  können. 
Referent.) 

Diskussion:  Herr  L.  Michaelis  hat  bei  Pleuritis  die 
Angaben  von  W.  bestätigt  gefunden.  Er  frägt  an,  ob  eine  gewöhn¬ 
liche  chronische  Bronchitis  beim  Uebergang  in  Tuberkulose  auch 
dieses  Symptom  auf  weist. 

Herr  Arnheim  möchte  die  Behauptungen  W.s  mit  Reserve 
aufgefasst  wissen;  denn  diese  Befunde  kommen  häufig  bei  Pertussis 
vor,  wie  man  besonders  bei  Pyroninfärbungen  feststellen  kann. 

Herr  Wolff-Eisner:  Die  Schwierigkeiten  der  Beurteilung 
sind  hier  dieselben  wie  bei  der  Zytodiagnose  der  Pleuritis.  Man  muss 
degenerierte  Zellen  ganz  ausscheiden,  Keuchhusten  soll  daraufhin 
geprüft  werden,  vorläufig  bleibe  dahingestellt,  ob  wirkliche  Lympho¬ 
zyten  Vorkommen.  Auch  Epithelien  färben  sich  mit  P  a  p  p  e  n  h  e  t  m  s 
Pyronin  metallgrün  und  geben  zu  Täuschungen  Anlass.  Der  Ein¬ 
wand  von  Herrn  L.  Michaelis  ist  berechtigt  Da  jede  chro¬ 
nische  Bronchitis  durch  bakterielle  Infektion  bedingt  ist,  dürfen 
Lymphozyten  hier  nicht  gefunden  werden. 

Herr  Edwin  K  1  e  b  s  tritt  für  die  Möglichkeit  der  Immuni- 
sation  bei  Tuberkulose  auf  Grund  klinischer  Beobachtung  ein. 
Zu  erreichen  ist  dies  entweder  durch  lebende,  abgeschwächte 
Tb. -Kulturen  oder  durch  Immunstoffe  aus  den  Bazillen.  Mit 
Schildkröten-Tb.  sind  ermutigende  Resultate  erzielt  und  be¬ 
sonders  mit  Glyzerinextrakt  aus  entfetteten  Tb.-Bazillen  hat  er 
positive  Resultate  gezeitigt.  Bei  jeder  Zuführung  von  Tb.-Ba- 
zillen  verschleppen  Wanderzellen  diese  in  die  benachbarten 
Lymphdrüsen,  wo  sie  vermehrt  werden.  Es  kann  hierdurch 
aber  eine  schädliche  Leukozytose  im  Organismus  hervor¬ 
gerufen  werden,  die  zu  Splenomegalie  und  ähnlichen  Zuständen 
in  Leber  und  Lunge  führen  kann,  wodurch  allmählich  der  I  od 
in  Dyspnoe  eintritt.  Es  werden  sodann  Tierversuche  zui  Li- 
läuterung  der  Tuberkulocidinwirkung  angeführt.  —  Diese 
bei  der  Tuberkulose  vorkommende  Leukomatose  führt  anderer¬ 
seits  zu  den  Zuständen  Skrophulose,  Leukämie,  Pseudo-  . 
leukämie,  der  B  a  n  t  i  sehen  Krankheit  und  wahrscheinlich 
auch  der  Erythrohämie.  Alle  diese  Formen  werden  im 
Verlauf  heilender  oder  latenter  Tuberkulose  beobachtet, 
meist  aber  nicht  richtig  gedeutet.  Jedoch  kommen  ähnliche 
Zustände  auch  durch  Infektion  von  Ratten  mit  frischem,  mensch¬ 
lichem  Karzinom  vor.  Daher  sind  diese  Untersuchungen  zur 
Geschwulstlehre  beachtenswert,  weil  Lymphosarkome  schein¬ 
bar  primär  in  den  Lungen  auftreten,  ferner  wegen  der  unge¬ 
heuren  adenomatösen  Neubildung  der  Leber,  für  die  Karzinose 
und  für  die  Entstehung  des  Krebses  auf  dem  Boden  von  Lupus. 
Die  Tuberkulose  besteht  nach  K.  aus  einem  freien  und  einem 
eingekapselten  Bazillenstadium.  Das  Karzinom  entwickelt  sich 
erst  durch  protozoische  Infektion  auf  einem  (durch  Jb.?)  vor¬ 
bereiteten  Boden. 

Herr  Saul  demonstriert  Präparate  zur  Aetiologie  und  Biologie 

der  Tumoren.  S.  fand  in  Anlehnung  an  die  Untersuchungen  B  o  r  - 
reis  bei  3  Mäusen  den  Cysticercus  fasciolaris  in  der  Leber,  ein 
solcher,  der  lebend  war,  wurde,  in  4  Teile  geteilt,  je  einer  Maus  im¬ 
plantiert.  3  Mäuse  starben  unter  den  Erscheinungen  einer  chro¬ 
nischen  Intoxikation,  die  4.  bekam  einen  Tumor,  in  dessen  Mitte 
sich  das  Stück  des  implantierten  Zystizerkus  vorfand.  Dieses  wurde 
einer  anderen  Maus  implantiert  und  von  dieser  resorbiert.  Der 
erste  Tumor  stand  auf  der  Grenze  von  Fibrom.  Sarkom  und  Granu¬ 
lationsgewebe.  Einige  andere  Präparate  werden  demonstriert,  welc.ie 
sich  auf  andere  Möglichkeiten  der  Infektion  und  des  Wachstums 
dieser  Art  von  Tumoren  beziehen.  Fntz  U  o  c  h. 


Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  4.  November  1907. 

Herr  Wolff-Eisner  stellt  einige  Präparate  zur  Ansicht, 
welche  die  Bedeutung  der  Befunde  von  Lymphozyten  im  Sputum  und 
der  Pleuraflüssigkeit  erweisen  sollen.  Das  reichliche  Vorkommen 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

25.  Sitzung  vom  27.  April  1907. 
Vorsitzender:  Herr  F.  H  a  e  n  e  1. 

Herr  O.  Kaiser:  1.  Demonstration  einer  Extrauteringravidität, 
bemerkenswert  durch  ihren  symptomlosen  Verlauf  bis  in  den  o.  Monat. 
Operation  brachte  Heilung. 

2.  Demonstration  eines  Operationspräparates:  Vagina,  Uterus  une 
mannskopfgrosse  Ovarialzyste  in  toto,  vaginal  entfernt  bei  eine:  an 
Totalprolaps  leidenden  62  jährigen  Frau.  Heilung. 


2356 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


Tagesordnung: 

Herr  Beschorner:  Die  Stellung  der  Fürsorgestellen 
für  Lungenkranke  im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  als  Volks¬ 
krankheit. 

(Der  Vortrag  erschien  ausführlich  unter  den  Originalien 
in  No.  38  u.  39  der  Miinch.  med.  Wochenschr.) 

Diskussion:  Herr  Oehme  stimmt  mit  Vortragendem  im 
allgemeinen  und  im  besonderen  mit  der  Fürsorge  für  tuberkulöse 
Kinder  überein.  Er  bedauert,  dass  eine  derartige  Fürsorge,  die  ander¬ 
wärts  in  Deutschland  bereits  besteht,  in  Sachsen  noch  nicht  existiert.« 
Sie  dürfte  aber  in  baldiger  Zeit  zu  erwarten  sein.  Er  hält  die  Idee, 
ein  Heim  für  tuberkuloseverdächtige  Kinder  einzurichten,  für  sehr 
glücklich. 

Herr  Panse  weist  auf  die  eigentümliche  Art  der  Treppenreini¬ 
gung  in  Dresden  hin,  das  sogen.  Tonen.  Er  will  anregen,  dass  die 
Treppenhäuser  nicht  mehr  getont,  sondern  wirklich  gereinigt  werden. 

Herr  Qm  ein  er:  Die  Zahl  der  Todesfälle  geht  herunter,  weil 
wir  reicher  geworden  sind,  nicht  weil  der  Kampf  gegen  die  Tuber¬ 
kulose  geführt  wird.  Die  Heilstättenbehandlung  hält  er,  wie  sie  jetzt 
betrieben  wird,  da  sie  zu  kurz  ist,  für  zwecklos.  Er  hält  eine  viel 
längere  Zeit  für  notwendig. 

Herr  Crede  hält  ebenfalls  die  Zeit  der  Erholung  für  zu  kurz.  Er 
schlägt  vor,  Tuberkulöse  aufs  Land  zu  Landwirten  in  die  Arbeit  zu 
schicken,  vor  allem  Kinder.  Die  Fürsorgestellen  müssten  dies  ver¬ 
mitteln. 

Herr  C  a  h  n  h  e  i  m  hält  fürs  wichtigste  das  Erkennen  der  latenten 
Tuberkulösen  in  den  Familien.  Diesen  Kranken  kann  geholfen  werden. 
Er  weist  zum  Vergleich  auf  die  grossen  Erfolge  der  Leprahäuser 
in  Norwegen  und  in  Finnland  hin.  die  staatlich  organisiert  sind  und 
die  rücksichtslos  in  die  Familien  eingreifen.  C.  macht  auch  auf  Siid- 
westafriika  als  sehr  geeigneten  Aufenthaltsort  für  Tuberkulöse  auf¬ 
merksam. 

Herr  Qm  ein  er  meint,  dass  in  die  Heilstätten  nur  die  Leicht¬ 
kranken  kommen  und  hält  die  Statistiken  der  Heilstätten  für  nicht  ein¬ 
wandfrei,  da  unter  den  Behandelten  viele  Gesunde  mitgezählt  werden. 

Herr  Oehme:  Was  Herr  Qmeiner  behauptet,  hat  bereits 
C  o  r  n  e  t  gesagt;  er  selbst  hat  andere  Erfahrungen  gemacht  und  meint, 
dass  es  nur  selten  vorkommt,  dass  Gesunde  dort  behandelt  werden. 

Herr  T  e  u  f  f  e  1  regt  an,  dass  ein  kleiner  Prozentsatz  tuberkulose¬ 
verdächtiger  Kinder  aus  kinderreichen  Familien  an  kinderlose  Fa¬ 
milien  gegeben  werden  möchten. 

Herr  Lehmann  bezweifelt  die  Ausführbarkeit  des  Cr  e  be¬ 
sehen  Vorschlags.  Es  ist  ihm  nie  gelungen,  Kinder  aus  der  Industrie 
zur  Landwirtschaft  überzuführen. 

Herr  A.  Burkhard  pflichtet  den  Ausführungen  O  e  h  m  e  s  bei. 
Er  erklärt,  dass  Cor  net  seine  Behauptungen  bisher  nicht  bewiesen 
hat.  Er  hat  Nachuntersuchungen  bei  Heilstättenbehandelten  fürs 
Reichsgesundheitsamt  ausgeführt,  mehrere  Hunderte  untersucht  und 
hat  überraschend  günstige  Erfolge  gefunden,  bis  60  Proz.  Dauer¬ 
erfolge. 

Herr  Beschorner  (Schlusswort) :  Der  Vortragende  betont, 
dass  seiner  Ansicht  nach  gegenwärtig  der  Hauptwert  der  Lungenheil¬ 
anstalten  in  der  erzieherischen  Tätigkeit  zu  suchen  ist.  Dass  ver¬ 
hältnismässig  wenig  Heilungen  in  den  V  o  1  k  s  heilstätten  erzielt 
werden,  beruht  in  dem  zu  kurz  bemessenen  Aufenthalte  der  Lungen¬ 
kranken  in  den  Anstalten.  Der  Grund  hierfür  ist  zu  suchen  erstens 
in  der  bei  weitem  nicht  ausreichenden  Anzahl  der  zur  Verfügung 
stehenden  Volks  heilstätten  und  vor  allem  in  der  Gesetzgebung 
selbst,  die  nur  Wert  darauf  legt,  dass  durch  die  Behandlung  Ar¬ 
beitsfähigkeit  erlangt  wird.  Hierzu  genügt  ein  dreimonatlicher 
Aufenthalt  meistenteils,  zu  einer  Heilung  aber  nicht. 

Herrn  Crede  erwidert  der  Vortragende,  dass  Versuche,  Tuber¬ 
kulöse  besonders  des  jugendlichen,  noch  nicht  versicherungspflichtigen 
Alters  von  14 — 16  (17)  Jahren  und  aus  Heilstätten  Entlassene  in  land¬ 
wirtschaftlichen  Betrieben  unterzubringen,  bereits  von  ihm  gemacht 
wurden,  dass  es  aber  bei  der  leider  bestehenden  übertriebenen 
Furcht  vor  Ansteckung  und  bei  der  Beschränkungen,  die  man  für  die 
Beschäftigung  der  Kranken  fordern  muss,  schwer  ist,  die  Kranken 
unterzubringen.  Auch  die  Kranken  selbst  sind  häufig  schwer  zu  be¬ 
wegen,  in  den  landwirtschaftlichen  Beruf  einzutreten. 

Es  sind  auch  Versuche  in  der  von  Herrn  Teuf  fei  angegebenen 
Richtung  gemacht  worden.  Vortragender  hat  mehrmals  schwächliche 
Kinder  aus  tuberkulösen  Familien  zu  alleinstehenden,  kinderlosen,  ge¬ 
sunden  Frauen  und  Ehepaaren,  besonders  wenn  sie  auf  dem  Lande 
oder  in  gesunden  Vorstädten  wohnten,  in  Pflege  gegeben. 

Herr  Teuf  fei:  Ueber  Angina-Endokarditis  im  Kindes¬ 
alter. 


Naturwissenschafll.-medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  14.  Juni  190  7. 

Herr  Ehret:  Ueber  die  Beeinflussung  der  Herztätigkeit 
von  den  Gallenwegen  aus. 

Herr  F riedmann:  Ueber  den  Abbau  der  Amidosäuren. 


Sitzung  vom  2  8.  Juni  190  7. 

Herr  Faust:  Ueber  Bandwurm-  und  Schlangengift. 

Diskussion:  Herren  B  e  t  h  e,  H  e  u  b  n  e  r,  Faust,  Weil, 
B  a  e  r,  Faust,  C  a  h  n,  Heubner. 


Jahresversammlung  bayerischer  Psychiater 

in  München  vom  21.  Mai  1907. 

Herr  Weygandt:  Ueber  die  Liquidation  bei  psychi¬ 
atrischen  Begutachtungen,  vorzugsweise  in  Bayern.  (Der 

Vortrag  befindet  sich  unter  den  Originalien  dieser  Nummer.) 

Diskussion:  Herr  Kraussold  -  Bayreuth  fragt  an,  wie  es ' 
komme,  dass  er  für  die  Wartezeit  vor  dem  gerichtlichen  Termine 
niemals  eine  Entschädigung  erhalte,  wogegen  er  für  die  Wartezeit 
nach  dem  Termine  regelmässig  entschädigt  werde. 

Herr  V  o  c  k  e  -  Eglfing  glaubt,  dies  darauf  zurückführen  zu 
müssen,  dass  die  betr.  Entschliessung  in  ihrem  Wortlaut  nichts  von 
einer  eigentlich  doch  selbstverständlichen  Entschädigung  für  die 
Wartezeit  vor  dem  Termine  enthalte,  sondern  nur  von  einer  solchen 
für  die  Zeit  nach  dem  Termine  spreche,  was  dann  zu  einer  irrtüm¬ 
lichen  Auslegung  führte. 

Herr  Karrer-  Klingenmünster  ist  der  Ansicht,  dass  man  nach 
den  bestehenden  Vorschriften  für  die  Zeit  vor  dem  Termine  nichts 
liquidieren  könne,  auch  nicht,  wenn  man  gezwungen  sei,  schon  am 
Abend  vor  dem  Termine  abzureisen  und  auswärts  zu  übernachten. 
Die  Bezirksärzte  dagegen  erhalten  eine  höhere  Tagesgebühr,  wenn 
sie  übernachten  müssen:  das  gilt  aber  auch  nur  für  die  Bezirksärzte. 
K.  weiss,  dass  die  Absicht  besteht,  bei  der  nächsten  Regulierung  der 
Gebührenordnung  gerade  diese  Frage  zu  regeln,  bis  dahin  aber  sei 
nichts  zu  machen. 

Herr  K  u  n  d  t  -  Deggendorf  teilt  mit,  dass  auch  in  Richterkreisen 
diese  Verschiedenheiten  Aufsehen  erregt  haben;  eine  Abhandlung 
hierüber  werde  demnächst  von  seiten  eines  Richters  in  einer  juristi¬ 
schen  Zeitschrift  erscheinen.  Hinsichtlich  des  Aktenstudiums  er¬ 
klärt  K.,  er  selbst  weigere  sich,  ihm  privat  übersandte  Akten  zu 
studieren,  verlange  dafür  einen  eigenen  Termin,  sowie  die  Aus¬ 
einandersetzung  der  Akten  durch  einen  Richter. 

Herr  S  p  e  c  h  t  -  Erlangen  berichtet  über  die  gleichen  Schwierig¬ 
keiten  bei  Abfassung  von  Liquidationen,  namentlich  auch  bezüglich 
der  Wartezeit  vor  dem  Termine.  Er  hat  gehört,  dass  der  Amtsvor¬ 
gänger  des  derzeitigen  Ministers  des  Innern  selbst  diese  Zustände  als 
unwürdige  bezeichnet  habe.  Die  geringe  Bewertung  der  geistigen 
Arbeit  des  Psychiaters  im  Gegensatz  zur  höheren  Bewertung  der 
chirurgischen  und  gynäkologischen  Tätigkeit  durch  die  Gebühren¬ 
ordnung  sei  nur  zu  bedauern. 

Herr  Ungemach  -  Eglfing  hat  eine  oberlandesgerichtliche  Ent¬ 
scheidung  erzielt,  wonach  ihm  das  Aktenstudium  honoriert  wurde. 

Herr  V  o  c  k  e  -  Eglfing  teilt  mit,  dass  er  immer  eine  Entschädigung 
für  Wartezeit  vor  dem  Termine  erhalten  habe. 

Herr  K  r  ä  p  e  1  i  n  begriisst  die  Vorschläge,  welche  Weygandt 
gemacht  hat  und  rät,  man  solle  gelegentlich  darauf  hinweisen,  dass, 
falls  die  Honorierung  der  Gutachten  keine  Aenderung  erfahre,  eben 
die  Abfassung  der  Gutachten  eine  andere  werden  müsse. 

Hierauf  wird  seitens  der  Versammlung  die  Errichtung  der  von 
Weygandt  vorgeschlagenen  Kommission  beschlossen.  Als  Kom¬ 
missionsmitglieder  werden  gewählt:  S  p  e  c  h  t  -  Erlangen,  Wey¬ 
gandt-  Wiirzburg,  Ungemach  -  Eglfing. 

Es  wird  gebeten,  charakteristische  Fälle  einer  unangemessenen 
Gebühr  für  Sachverständigentätigkeit  den  Kommissionsmitgliedern 
mitzuteilen. 


XX.  Französischer  Chirurgenkongress, 

abgehalten  zu  Paris  am  7.  bis  12.  Oktober  1907. 

(Schluss.) 

Das  III.  Thema  betraf:  Karzinom  und  Tuberkulose  im  Zusammen¬ 
hang  mit  Unfall. 

Prof.  Segond  ist  Referent  über  das  erstere  Gebiet:  Karzinom 
und  Unfall.  Er  bespricht  die  bezüglichen  Bestimmungen  des  Gesetzes 
über  die  Haftbarkeit  und  die  oberstinstanziellen  Entscheidungen,  die 
in  Frankreich  sehr  gering  an  Anzahl  (1  Fall  von  Sarkom  der  Tibia), 
in  Deutschland  häufig  sind.  Aus  den  literarischen  Veröffentlichungen 
in  Frankreich  und  den  übrigen  Ländern  schliesst  S.,  dass  die  einwand¬ 
freie  Tatsache,  ein  Trauma  sei  die  direkte  Ursache  eines  Kar¬ 
zinoms,  nicht  festgestellt  sei;  aber  zahlreiche  Fälle  beweisen,  be¬ 
sonders  bezüglich  des  Sarkoms,  dass  das  Trauma  eine  Gelegen¬ 
heitsursache  abgebe  und  ein  chronologischer  Zusammenhang 
bestehe.  Eine  Prädisposition  des  Terrains,  allgemeiner 
oder  lokaler  Natur,  eine  Diathese  oder  chronische  Veränderungen 
(Narbe,  Fistel,  Geschwüre)  oder  ein  gutartiger  Tumor  (Ulcus,  Fibrom) 
scheint  notwendig  zu  sein.  Schliesslich  teilt  S.  das  ganze  Gebiet  in 
folgende  Unterabteilungen  ein :  A)  Unfallskranke,  bei  wel¬ 
chen  das  T  raum.a  unter  scheinbar  guter  Gesundheit 
und  an  einer  notorisch  gesunden  Körperstelle  sich 
eingestellt  hat.  Hiebei  sind  5  Bedingungen  erforderlich:  a)  Fest- 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2357 


Stellung  -des  Traumas,  b)  genügend  starke  Einwirkung  desselben, 
c)  vorherige  Unversehrtheit  der  betreffenden  Korperstelle,  d)  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Sitz  des  Tumors  und  des  Traumas  und  e)  die 
zeitliche  Aufeinanderfolge,  welche  diesen  Zusammenhang  möglich 
macht  (wenigstens  3  Wochen  bis  höchstens  3  Jahre).  Dazu  käme 
noch  die  histologische  Untersuchung  .des  Tumors  (nach  Exstirpation 
oder  Autopsie).  B)  Unfallskranke,  welche  schon  im  Moment  des 
Unfalls  krebskrank  -und  das  Trauma  an  einer  mehr  weniger 
vom  präexistierenden  Neoplasmaentfernten  Stelle 
erlitten  haben;  bezüglich  der  Haftpflicht  muss  man  hier  die  gewaltige 
Unterscheidung  zwischen  einem  vielleicht  zum  Karzinom  prädis¬ 
ponierten  und  einem  mit  ausgesprochenen  Krebs  behafteten  Indi¬ 
viduum  machen.  C)  Unfallskranke,  die  schon  mit  Krebs  be¬ 
haftet  waren  und  bei  denen  das  Trauma  an  der  Stelle  des 
päexi stierenden  Neoplasmas  stattgefunden  hat.  Diese 
Fälle  sind  nur  scheinbar  traumatischer  Natur:  Fraktur  unter  einer  ge¬ 
ringen  Einwirkung  bei  einem  Osteosarkom;  hier  ist  das  Trauma  nur 
von  nebensächlicher  Bedeutung  und  keine  Haftpflicht  vorhanden.  Aber 
durch  das  Trauma  kann  die  Neubildung  bedeutende  Verschlimmerung 
fast  unmittelbar  erfahren;  dann  ist  die  Haftpflicht  in  geringem  Um¬ 
fange  vorhanden.  D)  Unfallskranke,  d  i  e  <k  e  i  n  Karzinom  im 
Augenblick  des  Traumas  hatten,  aber  dasselbe  an 
einer  Stelle  erlitten,  die  zu  einer  späteren  kreb- 
sigen  Entartung  disponiert  ist  —  alte  Narben,  Fisteln,  Ge¬ 
schwüre,  Kallusbildung,  Fibrome,  Naevi  vasculosi  und  pigmentosi. 
In  Anbetracht  dieser  lokalen  Prädisposition  ist  die  Haftpflicht  eine 
verminderte.  E)  Unfallskranke,  welche  durch  spontane 
maligne  Degeneration  infolge  des  Traumas  kar- 
zinomatös  wurden.  Hier  ist  die  Haftpflicht  voll  und  ganz 

gegeben.  ,  ,  T. 

Zu  den  posttraumatischen  Veränderungen,  welche  zu  Karzinom 
führen  können,  möchte  S.  im  Gegensatz  zu  den  deutschen  Forschern 
nicht  die  chronischen  Entzündungen  der  inneren  Organe  oder  die 
traumatischen  Neurosen  rechnen.  Was  die  Schätzung  der  Rente  (des 
Schadenersatzes)  betrifft,  so  muss  sie  eine  erhöhte  sein,  denn  der 
maligne  Tumor  ist  von  diesem  Moment  an  unheilbar  und  muss  den 
Kranken  früher  oder  später  zum  Tode  führen.  Diese  Ausführungen 
Segonds  stehen  zum  Teil  im  Gegensatz  zu  den  gesetzlichen  Be¬ 
stimmungen,  die  er  entsprechend  abgeändert  wissen  möchte. 


J  e  a  n  b  r  a  u  -  Montpellier  ist  Referent  über  Tuberkulose  und 
Unfall  und  kommt  zu  folgender  Einteilung  dieses  Gebiets.  I.  L  o  k  a  1  e 
Tuberkulose,  die  im  Bereich  einer  Verletzung  zur 
Entwicklung  kommt;  hier  ist  ohne  Zweifel  das  Trauma  die  Ursache 
der  Tuberkulose  und  die  Haftpflicht  voll  und  ganz  gegeben.  II.  Lo¬ 
kale  Tuberkulose,  nach  Verletzungen  ohne  Wunde 
entstanden.  Jeanbrau  bespricht  hier  all  die  bezüglichen  Ex¬ 
perimente,  die  in  den  letzten  Jahren  ausgeführt  worden  sind  und 
kommt  auch  nach  seinen  eigenen  Untersuchungen  zu  dem  Schlüsse, 
dass  ein  Trauma  ohne  Wunde  lokale  Tuberkulose  nicht  hervonufen 
kann,  sondern  sich  darauf  beschränkt,  eine  an  der  Verletzungsstelle 
präexistierende  bazilläre  Affektion  wieder  zum.  Aufflackern  zu  bringen 
oder  zu  verschlimmern  oder  auf  -die  Verletzungsstelle  eine  an  anderer 
Stelle  schlummernde  Tuberkulose  zu  übertragen;  seltener  kommt  es 
vor,  dass  nach  dem  Unfall  die  tuberkulöse  Infektion  sich  einstellt  und 
an  der  verletzten  Stelle  einfach  eine  lokale  Prädisposition  schafft. 
III.  Allgemeine  Tuberkulose  infolge  von  offenen 
oder  geschlossenen  Verletzungen.  Die  allgemeine 
Tuberkulose,  welche  unmittelbar  nach  einem  Unfall  sich  manifestiert, 
ist  im  allgemeinen  nur  eine  einfache  Koinzidenz,  welche  durch  die 
Autopsie,  die  das  Alter  der  Veränderungen  feststellt,  zu  konstatieren 
ist.  Seltener  kann  ein  Unfall  den  Ausbruch  einer  tuberkulösen 
Meningitis  oder  einer  rasch  tödlichen  allgemeinen  tuberkulöse  bei 
einem  Tuberkulösen,  der  Träger  von  virulenten  Erkrankungsherden 
ist,  bewirken.  Die  Haftpflicht  hängt  in  solchen  Fällen  vom  Sektions¬ 
befunde  ab:  wenn  man  den  Initialherd  ganz  unbedeutend  findet,  kann 
man  annehmen,  dass  er  geheilt  wäre  und  der  Unfall  die  T  odesursache 
ist;  findet  man  aber  ausgedehnte,  multiple  Veränderungen  der  inneren 
Organe,  die  bald  den  To-d  hätten  herbeiführen  müssen,  so  ist  die  Haft¬ 
pflicht  eine  verminderte.  Der  oberste  Gerichts-  (Kassations-)  hof 
Frankreichs  hat  sich  auf  den  Standpunkt  gestellt,  dass  jeder  Unfall, 
welcher  eine  festgestellte  Rolle  beim  Ausbruch,  der  Verschlimmerung 
oder  Lokalisation  einer  Tuberkulose  spielt,  vollständig  der  Haftpflicht 
unterliegt.  Bis  auch  in  Frankreich  ein  Krankenversicherungs-  und 
Invaliditätsversicherungsgesetz  eingeführt  wird,  wünschte  Jeanbrau 
eine  Einschränkung  des  Gesetzes  in  dem  Sinne,  dass  sich  die  Haft¬ 
pflicht  auch  nach  dem  früheren  Zustande  des  Unfallverletzten  richtet. 
Segond  und  Jeanbrau  unterbreiten  dem  Kongresse  ein  Votum, 
wonach  die  bestehenden  Gesetze  in  dem  Sinne  abgeändert  werden 
sollen,  dass  es  eine  je  nach  dem  Vorleben  des  Verletzten  verschiedene 
(verminderte)  Haftpflicht  und  eine  dem  Schaden  wirklich  ent¬ 
sprechende  Entschädigung  gibt;  dieses  Votum  wird  auch  einstimmig 
vom  Kongress  angenommen. 

In  der,  der  Abstimmung  vorhergehenden,  Diskussion  bespricht 
T  h  i  e  m  s  -  Kottbus  die  deutschen  Gesetze,  welche  dem  Verletzten 
eine  Frist  von  2  Jahren  gewähren,  um  festzustellen,  ob  die  Tuber¬ 
kulose,  mit  der  er  behaftet  ist,  von  einem  erlittenen  Unfall  herrührt; 
das  deutsche  Gesetz  gewährt  volle  Rente  bei  Tuberkulose,  die  sich 
nach  einem  Unfall  entwickelt  oder  verschlimmert  hat,  ausser  bei 
Tuberkulose  von  Pleura  -und  Lungen.  Während  Thiems  den  Ein- 


• 

fluss  der  Tuberkulose  bei  Unfall  für  zweifellos  hält,  glaubt  er,  seien 
bezüglich  des  Karzinoms  noch  manche  dünkte  Punkte  zu  erklären, 
immerhin  ist  dem  Unfall  jeder  Einfluss  abzusprechen,  wenn  das 
Karzinom  weniger  als  3  Wochen  oder  später  als  2  Jahre  nach  dem 
Unfall  auftritt. 

G  i  o  r  d  a  n  o -Venedig  hält  es  nicht  für  richtig,  sich  an  eine 
bestimmte  Zeit  zu  binden,  da  wir  noch  nicht  genügend  über  -die  Ent¬ 
wicklungszeit  des  Karzinoms  unterrichtet  sind;  andererseits  führt  er 
an  Beispielen  aus,  wie  vorsichtig  man  bezüglich  der  Beurteilung  von 
Zusammenhang  zwischen  Trauma  und  Karzinom  sein  muss. 

Schwär  tz  und  T  e  de  n  at  -  Montpellier  stimmen  völlig  mit 
den  beiden  Referenten  ein  und  wünschen  eine  entsprechende  Ge¬ 
setzesänderung. 

Malherbe-Nantes  glaubt,  dass  im  allgemeinen  der  Unfall 
einen  schädlichen  Einfluss  auf  die  Iuberkulose  hat;  es  gibt  jedoch 
auch  Fälle,  wo  letztere  durch  den  Unfall  zur  Heilung  kam.  Die 
elektive  Wirkung  von  Narben  auf  das  Auftreten  von  Epitheliomen  ist 
feststehend;  die  diese  Narben  verursachenden  Unfallsverletzungen 
sind  daher  zum  Teil  für  die  entstehenden  Karzinome  verantwortlich 
zu  machen. 

E  s  t  o  n  -  Marseille  teilt  seine  persönlichen  Beobachtungen  mit 
und  fand  dabei  häufig  Unfall  als  Aufrührer  einer  latenten  Tuber¬ 
kulose,  die  vielleicht  ohne  diesen  Unfall  niemals  zum  Ausbruch  ge¬ 
kommen  wäre. 

Doyen  hält  den  traumatischen  Ursprung  mancher  tuberkulöser 
Erkrankungen  für  zweifellos  und  führt  dafür  ebenso  wie  für  den 
Zusammenhang  zwischen  Karzinom  und  Trauma  einwandsfreie 
Fälle  an. 

T  h  i  e  r  y  warnt  davor,  mit  den  Schlussfolgerungen  aus  diesen 
relativ  seltenen  Beobachtungen  zu  weit  zu  gehen;  der  Appetit  der 
Unfallskranken  wächst  immer  mehr  durch  das  Haftpflichtgesetz  und 
der  Einfluss  des  Unfalls  nimmt  bei  den  davon  Betroffenen  immer 
grösseren  Umfang  an. 

Coudray  -  Paris  ist  der  Ansicht  —  er  hat  250 — 300  eigene 
Beobachtungen  darauf  hin  untersucht  —  dass  ein  T  rauma,  ausge¬ 
nommen  direkte  Inokulation  durch  eine  offene  Wunde,  niemals  eine 
tuberkulöse  Erkrankung  verursacht;  Karzinom  sah  er  ebensowenig 
durch  eine  Verletzung  entstehen. 

Vanverts  findet  keinen  einwandfreien  Fall  von  Karzinom, 
der  durch  Unfall  bedingt  sei. 

Vidal-Arras  besitzt  (4)  sichere  Fälle,  wo  durch  direkte  oder 
indirekte  Verletzung  vorübergehende  Besserung  eines  Karzinoms 
aufgetreten  ist. 

Der  Kongress  brachte  noch  eine  grosse  Reihe  weiterer  Vor¬ 
träge,  besonders  über  die  Chirurgie  der  Extremitäten.  St. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 


Abteilung  für  freie  Arztwahl  des  ärztlichen  Bezirksvereins 

München. 

Ausserordentliche  Mitgliederversammlung  vom 

15.  November  1907. 

Der  Vorsitzende,  Herr  F.  Bauer,  widmet  zunächst  Herrn  Hof¬ 
rat  Dr.  Goss  mann  einen  vom  Gefühl  der  Dankbarkeit  getragenen 
Nachruf.  Die  Versammlung  erhebt  sich  zu  Ehren  des  Verstorbenen 
von  den  Sitzen. 

Er  gibt  bekannt,  dass  die  „Anleitung  zu  ökonomischer  Verord- 
nungsweise  in  den  Besitz  der  Abteilung  übergegangen  ist.  Ferner 
kommt  zur  Verlesung  ein  Schreiben,  betreffend  die  Einführung  der 
Sonntagsruhe  in  den  Apotheken,  dann  ein  Schreiben  der  Ortskranken¬ 
kasse,  laut  dem  sie  erklärt,  alle  Verordnungen  unbeanstandet  lassen 
zu  wollen,  nachdem  den  Patienten  wiederholt  von  seiten  einzelner 
Aerzte  erklärt  worden  sei,  dieses  oder  jenes  Heilmittel  sei  für  die 
Kasse  zu  teuer  und  könne  daher  nicht  verschrieben  werden.  Die 
Vorstandschaft  hat  hierauf  der  Kasse  empfohlen,  den  bisherigen  Modus 
(Begutachtung  aussergewöhnlicher  Verordnungen  durch  die  Arznei¬ 
mittelkommission)  bestehen  zu  lassen.  Hieran  knüpft  sich  eine  leb¬ 
hafte  Debatte,  in  der  Herr  Hecht  und  Herr  Epstein  die  Ein¬ 
führung  vo-n  Strafen  für  renitente  Mitglieder  der  Abteilung  verlangen, 
die  den  Kranken  absichtlich  derartige  Mitteilungen  machen.  Herr 
J  o  o  ss  findet  dieses  Vorgehen,  wo  es  bona  fide  geschieht,  nicht  falsch 
und  ist  der  Ansicht,  -dass  die  Mitglieder  der  Kasse  wissen  dürfen, 
dass  ihnen  statt  luxuriöser  Verordnungsweisen,  die  vielleicht  ange¬ 
nehmer  sind,  einfachere  geboten  werden.  Uebrigens  wünscht  er  für 
einzelne  Arzneimittel  die  Genehmigung  der  Kommission,  auf  welche 
ihn  die  Herren  Hecht,  Ei  n  h  o  r  n  und  Epstein  hinweisen.  Herr 
Bauer  erwähnt,  dass  anlässlich  der  Vorstandswahlen  der  Orts- 
kranikenkasse  in  einer  Versammlung  der  christlichen  Gewerkschaften 
eine  Anzahl  Rezepte  vorgelegt  worden  seien,  die  bedauerlicherweise 
von  Aerzten  als  Material  gegen  die  Kassenverwaltung,  indirekt  auch 
gegen  das  System  der  freien  Arztwahl  geliefert  worden  seien  mit 
der  unrichtigen  Behauptung,  sie  seien  notwendig,  aber  die  Kasse 
zahle  sie  nicht.  Im  weiteren  Verlauf  der  Diskussion  kommt  Herr 
Jooss  darauf  zurück,  dass  er  es  gar  nicht  für  angebracht  halte, 
wenn  wohlhabende  Patienten  durch  Anwendung  „eleganter  1  herapie 
in  der  Kassenpraxis  geradezu  veranlasst  werden,  der  Kasse  bei¬ 
zutreten.  Herr  Bauer  wünscht  in  Uebereinst-inmiung  mit  den 
anderen  Diskussionsrednern,  dass  Aeusserungen,  wie  die  oben- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


2358 


erwähnten,  den  Patienten  gegenüber  nicht  gemacht  werden  sollen,  da 
sie  den  Tatsachen  nicht  entsprechen. 

Herr  Perutz  referiert  (2)  über  die  Vertragskündigung  seitens 
der  Gemeindekrankenversicherung.  In  dem  diesbezüglichen  Schrei¬ 
ben  an  die  Abteilung  wird  der  Hoffnung  Ausdruck  verliehen,  dass 
eine  befriedigende  Lösung  der  Fragen  durch  gemeinsame  Arbeit  er¬ 
reicht  werde.  Die  Vertragskommission  hat  hierauf  eine  Denkschrift 
verfasst,  in  der  u.  a.  nachgewiesen  wird,  'dass  die  Zunahme  der  Extra¬ 
leistungen  wohl  keine  Steigerung  mehr  erfahren  werde,  dass  sie 
aber  auch  eine  Folge  der  Zunahme  der  Zahl  der  Behandelten,  der 
verlängerten  Unterstützungsdauer  und  der  alten,  nur  bei  der  G.K.V. 
noch  gültigen  Gebührenordnung  sei,  welche  die  Kasse  mehr  belastet 
als  die  neue.  Die  Steigerung  der  Zahl  der  Behandelten  ist  ein  Vor¬ 
teil  für  die  letzteren,  da  sie  eben  früher  meist  in  Privatbehandlung 
waren.  Die  Zahl  der  Erwerbsunfähigen  ist  gesunken.  Die  Kranken¬ 
geldsteigerung  ist  zurückzuführen  auf  die  Erhöhung  der  gesetzlichen 
Unterstützungsdauer,  auf  die  längere  Wartezeit  vor  dem  Eintritt  in 
Sanatorien.  Die  Verlängerung  der  durchschnittlichen  Krankheits¬ 
dauer  erklärt  sich  aus  der  häufigeren  Behandlung  chronisch  Kranker 
und  aus  obigen  Gründen.  Während  die  Krankenhausausgaben  etwas 
gefallen  sind,  ist  die  Behandlungsdauer  in  den  Krankenhäusern  ge¬ 
stiegen,  da  mehr  schwere  Fälle  dort  behandelt  wurden.  Die  Kom¬ 
mission  hatte  auch  angenommen,  dass  chronisch  Kranken  ein  längerer 
Aufenthalt  als  früher  ermöglicht  worden  sei,  so  dass  sie  bis  zur 
völligen  Wiederherstellung  der  Arbeitsfähigkeit  des  Vorteils  der  Kran¬ 
kenhausbehandlung  teilhaftig  werden  konnten.  Abgesehen  von  oben 
schon  erwähnten  Umständen  hat  dann  auch  die  neue  Arzneitaxe  die 
Arzneikosten  vermehrt,  und  zwar  um  514  Proz.  Der  G.K.V.  wurden 
Vorschläge  hinsichtlich  der  Krankenkontrolle,  der  Begutachtung  klei¬ 
ner  Heilmittel,  der  Einweisung  in  Sanatorien  und  der  Gebührenord¬ 
nung  gemacht,  nach  Erfahrungen,  die  man  bei  der  Ortskrankenkasse 
gemacht  hat.  Die  Verhandlungen  sind  auf  einem  guten  Wege. 

Als  Punkt  3  der  Tagesordnung  stand  die  Angelegenheit  H  ö  f  1  - 
m  ayr  auf  dem  Programm  (s.  Bericht  über  die  letzte  Sitzung).  Nach 
Verlesung  der  betreffenden  Schriftstücke  wurde  ein  Antrag  Nado- 
1  e  c  z  n  y  auf  U ebergang  zur  Tagesordnung  abgelehnt.  Eine  erregte 
Debatte  über  den  Zwischenfall  gipfelte  in  einer  Resolution  Bräuti¬ 
gam,  in  welcher  der  Vorstandschaft  das  volle  Vertrauen,  Herrn  H. 
aber  die  entschiedene  Missbilligung  der  Versammlung  wegen  seiner 
Aeusserungen  und  seines  Verhaltens  der  Vorstandschaft  und  der 
Mitgliederversammlung  gegenüber  ausgesprochen  wird.  Die  Vor¬ 
standschaft  hatte  in  einer  Aeusserung  des  Herrn  H.,  „sie  habe  in 
einer  Angelegenheit  (Regelung  der  Bäderverordnung)  nichts  tun 
wollen“,  den  Vorwurf  „nicht  unparteilicher  Behandlung  der  An¬ 
regungen  von  Mitgliedern“  erblickt.  In  der  Diskussion  wird  die  Art 
des  Vorgehens  des  Herrn  H.  allgemein  verurteilt  und  der  Vorstand¬ 
schaft  das  Vertrauen  ausgesprochen,  jedoch  wünschen  die  Herren 
Käst  1,  Kr  ecke,  v.  Dessauer,  Hecht  eine  weniger  scharfe 
Art  des  Vorgehens,  womit  sich  der  Vorsitzende,  unterstützt  von  den 
Herren  Schwertfeiner,  Krebs  und  H  e  i  t  z,  nicht  einverstan¬ 
den  erklärt.  Der  Antrag  Bräutigam  wird  zunächst  mit  38  gegen 
31  Stimmen  bei  7  Stimmenthaltungen  abgelehnt,  worauf  die  Vor¬ 
standschaft  demissioniert.  Später  wird  der  Antrag  auf 
Wunsch  von  Herrn  K  recke  ohne  den  Missbilligungspassus  an¬ 
genommen. 

4.  Interpellation  Sternfeld:  „Wie  verhält  sich  die  Abteilung 
zur  Erklärung  der  bayerischen  Bahnärzte,  welche  in  den  verschie¬ 
denen  Standesblättern  zugleich  mit  einem  Protest  verschiedener 
bayerischer  Bahnärzte  erschienen  ist?  Sollte  nicht  auch  ein  Protest 
seitens  der  Abteilung  erfolgen,  nachdem  Mitglieder  der  Abteilung  für 
freie  Arztwahl  (17  Bahnärzte)  an  der  gegen  die  freie  Arztwahl  ge¬ 
richteten  „Erklärung“  sich  gebunden  halten  müssen,  obwohl  die¬ 
selben  statutengemäss  und  nach  den  Beschlüssen  der  Aerztetage  ge¬ 
halten  sind,  sich  jeder  Stellungnahme  gegen  die  Durchführung  der 
freien  Arztwahl  zu  enthalten.“ 

Herr  Sternfeld  verliest  nochmals  die  bekannten  Erklärungen 
der  bayerischen  Bahnärzte,  ferner  eine  von  ihm  entworfene  Protest¬ 
resolution,  die  er  im  Verlaufe  der  Debatte  wieder  zurückzieht.  Herr 
R.  Schmidt  erklärt,  dass  die  Anregung  zu  jener  Erklärung  von 
Nürnberg  ausgegangen  sei,  dass  die  Bahnärzte  gegenwärtig  nicht  in 
der  Lage  seien,  die  freie  Arztwahl  zu  fördern,  ebensowenig  aber  als 
Gegner  auftreten  könnten,  nachdem  das  Ministerium  die  Kasse  als 
souverän  erklärt  und  diese  die  freie  Arztwahl  abgelehnt  habe.  An 
der  Diskussion  beteiligen  sich  die  Herren  S  t  e  r  n  f  e  1  d,  Epstein, 
Kastl,  Krecke,  Neuhaus,  Bauer,  Hecht  und  Kress.  Es 
wird  betont,  dass  die  Bahnärzte  an  den  Vorteilen  der  freien  Arzt¬ 
wahl  teilnehmen.  Ferner  werden  die  bekannten  Vorgänge  bei  der 
Generalversammlung  der  Bahnkrankenkasse  kritisch  beleuchtet.  Herr 
S  t  e  r  n  f  e  1  d  zieht  dann  im  Interesse  des  Friedens  seine  Resolution 
zugunsten  des  Antrag  Kastl  zurück,  der  da  lautet:  „Die  Angelegen¬ 
heit,  Rundschreiben  der  Vorstandschaft  des  Vereins  bayerischer  Bahn¬ 
ärzte  betreffend,  möge  die  Abteilung  vorerst  der  in  München  be¬ 
stehenden  Einigungskommission  überweisen  und  ihre  Delegierten  auf¬ 
fordern,  die  Interessen  der  Abteilung  für  freie  Arztwahl,  d.  h.  die 
Einführung  der  freien  Arztwahl  auch  bei  den  staatlichen  Kassen,  mit 
Nachdruck  zu  vertreten.“  Hierfür  sprechen  insbesondere  die  Herren 
Krecke,  Epstein  und  Hecht.  Der  Antrag  wird  angenommen. 

5.  Der  Antrag  der  Vorstandschaft:  ,,a)  Die  Ausnahmebestimmung 
im  Aerzteverzeichnis  „keine  Verpflichtung  zu  Besuchen“  soll  in  Weg¬ 


fall  kommen  und  b)  Konsiliarärzte  dürfen  keine  Sprechstundenpraxis 
ausüben“,  wird  von  jener  zurückgezogen. 

Schluss  der  Sitzung:  11  Uhr  20  Minuten. 

Präsenzliste:  96  Mitglieder  anwesend. 


Verschiedenes. 

Geräuschloses  Röntgeninstrumentarium  mit  Wehneltunterbrecher. 

Die  Firma  Reiniger,  Gebbert  &  Schall  in  Erlangen 
sendet  uns  nachstehende  Mitteilung: 

Wohl  die  unangenehmste  Eigenschaft  des  sonst  so  vorzüglichen 
Wehnelt  ist  sein  heulendes  Geräusch  bei  stärkerer  Belastung.  Um 
dieser  Eigenheit  willen  musste  er  bis  jetzt  möglichst  abseits  vom, 
Röntgenraum  und  anderen  bewohnten  Zimmern  aufgestellt  werden. 
Dazu  wurde  eine  Reihe  von  unschönen,  kostspieligen  Leitungen  nötig, 
welche  ausserdem  eine  vorzügliche,  teuere  Isolation  erfordern. 
Schliesslich  machte  die  Abstimmung  und  Einregulierung  des  Unter¬ 
brechers  wegen  Fehlens  der  sichtbaren  Wirkung  am  entfernten  In¬ 
duktor  nicht  unbedeutende  Schwierigkeiten. 

Diese  Uebelstände  vermeidet  vollständig  ein  kleiner  und  billiger 
Apparat,  welcher  von  der  Firma  Reiniger,  Gebbert  6c  Schall  und 
Filialen  bezogen  werden  kann.  Dieser  neue,  auf  physikalischen  Er¬ 
scheinungen  beruhende,  „Schalldämpfer  für  Wehneltunterbrecher“  be¬ 
steht  aus  einem  Porzellanhohlkörper,  in  dessen  Innerem  ein  Dia¬ 
phragma  aus  bestem  säurefestem  Gummi  ausgespannt  ist,  sodass 
zwischen  Gummi  und  Porzellan  ein  Luftraum  sich  befindet.  Dieser 
verhindert  durch  seine  Nachgiebigkeit  die  Entstehung  von  Span¬ 
nungen  in  der  unelastischen  Flüssigkeit,  welche  die  Quelle  der  Schall¬ 
schwingungen  und  Geräuschwellen  sind.  Der  Schall  wird  also  am 
Entstehen  gehindert. 

Irgendwelche  Nachteile  im  Betrieb  ergibt  der  Geräuschdämpfer 
nicht,  im  Gegenteil,  er  sorgt  für  eine  geordnete  Fliissigkeitszirkulation, 
indem  durch  die  Luft  die  erwärmte  und  gebrauchte  Flüssigkeit  nach 
oben  gerissen  wird  und  kühle  unten  eintritt.  Die  Befestigung  ist  aus 


der  Abbildung  ersichtlich.  Es  ist  pro  Wehneltstift  ein  Schalldämpfer 
nötig.  Mit  diesem  kann  der  Wehneltunterbrecher  im  Röntgenzimmer 
oder  in  den  Schutzhäusern  obiger  Firma  ohne  jede  Belästigung  auf¬ 
gestellt  werden.  Der  Geruch  des  Säuredampfes  wird  durch  Auf¬ 
giessen  einer  1 — 1  Vz -cm  hohen  Schicht  von  Paraffinöl  auf  die  Säure 
vollständig  unterdrückt. 

Therapeutische  Notizen. 

Das  S  a  1  i  t  findet  in  einer  Arbeit  von  Lemonon  (Gazette  des 
höpitaux  1907,  No.  107)  warme  Empfehlung.  Das  Salit,  der  Salizyl- 
äther  des  Borneols,  ein  Derivat  der  Salizylsäure,  wird  bei  sachter 
Einreibung  von  der  Haut,  auf  welcher  es  ein  gewisses  Wärmegfiihl 
ohne  lokale  Reizung  hervorruft,  leicht  absorbiert.  L.  behandelte  mehr 
als  100  Fälle  von  Rheumatismus,  und  zwar  besonders  von  chronischem, 
hartnäckigen,  mit  Saliteinreibungen  und  erzielte  in  65 — 70  Proz.  der 
Fälle  Heilung,  in  den  übrigen  fast  immer  Besserung.  Wenn  auch  bei 
Ischias  und  Interkostalneuralgie  gute  Resultate  erzielt  worden  sind, 
so  bleiben  doch  das  Hauptanwendungsgebiet  chronischer  Ge¬ 
lenkrheumatismus  und  Tendovaginitis.  Zu  diesen  Erfolgen 
kommt  noch  die  absolute  Unschädlichkeit  des  Mittels  und  dessen 
billiger  Preis.  St. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  16.  November  1907. 

—  Unter  den  Presseäusserungen  über  die  Berechtigung 
des  §  175  Str.G.B.,  welche  die  jüngsten  Berliner  Prozesse  hervor¬ 
gerufen  haben,  verdient  besondere  Beachtung  ein  Artikel  von 
Dr.  A.  Moll  in  Berlin,  der  in  No.  46  der  D.  med.  Wochenschr. 
erschienen  ist.  Moll,  der  selbst  einer  der  ersten  war,  der  eine 
Aenderung  des  Strafgesetzbuches  zugunsten  der  Homosexuellen  for¬ 
derte  und  auch  in  diesem  Artikel  an  dem  §  175  Kritik  übt,  wendet  sich 
mit  scharfen  Worten  gegen  die  wüste  Agitation  zur  Aufhebung  des 
Paragraphen,  die  seit  einiger  Zeit  die  breitesten  Massen  des  Volkes 
aufwühle,  mit  angeblich  wissenschaftlichem  Material  versehe  und 
dabei  ganz  falsche  Anschauungen  über  das  Geschlechtsleben  gross¬ 
ziehe.  Man  könne  sich  kaum  vorstellen,  wie  sehr  diese  allzu  öffent¬ 
liche  und  unwissenschaftliche  agitatorische  Behandlung  der  Frage 
die  Züchtung  der  Homosexualität  und  besonders  die 
Furcht  homosexuell  zu  sein,  vermehrt  habe.  Am  meisten  Unglück 
sei  unter  der  Jugend  angerichtet  worden,  unreife  Burschen,  17  und 
18  Jahre  alt,  hätten  sich,  durch  agitatorische  Vorträge  irregeführt, 
dem  homosexuellen  Leben  vollständig  in  die  Arme  geworfen.  Auch 


19.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2359 


die  Gewissenlosigkeit,  mit  der  heute  junge  Männer  von  älteren 
Männern  verführt  würden,  beruhe  zum  nicht  geringen  rl  eil  auf  diesen 
Agitationen.  Es  werde  gelehrt,  dass  eine  Homosexualität  nicht  an¬ 
gezüchtet  werden  könne  und,  was  einmal  bestehe,  unabänderlich  sei. 
Tatsächlich  könnten  aber  junge  Männer  zu  Homosexuellen  gezüchtet 
werden,  wenn  sie  anfingen  mit  Männern  geschlechtlich  zu  verkehren 
und  bei  ihnen  die  heterosexuelle  Reizbarkeit  dadurch  unterdrückt 
werde.  Moll  verweist  auf  zahlreiche  eigene  Erfahrungen  über 
solche'  von  erwachsenen  Homosexuellen  verführte  junge  Menschen 
und  betont  besonders  auch  die  Gefahr,  die  darin  besieht,  dass  Sol¬ 
daten,  die  auf  Grund  der  allgemeinen  Wehrpflicht  dem  Staate  an  ver¬ 
traut' werden  müssen,  hier  zu  Opfern  Homosexueller  werden  und 
später,  wenn  sie  wieder  an  den  heimatlichen  Herde  zurückkehren, 
diese  Dinge  mit  oder  ohne  eigene  Anlage  weiter  verbreiten. 
Moll  spricht  daher  nicht  mehr  von  Aufhebung,  sondern  von 
Neuregelung  des  §  175,  bei  welcher  er  weitgehende  Garantien 
gegen  die  Ausbreitung  perverser  Gewohnheiten  und  zum  Schutze  der 
Jugend  verlangt.  Damit  kann  man  sich  einverstanden  erklären,  wie 
überhaupt  die  Ansichten  Molls  im  Wesentlichen _  ganz  mit  dem 
übereinstimmen,  was  wir  in  No.  45  über  den  §  175  gesagt  haben. 

—  In  Sachsen  ist  die  Frage  einer  veränderten  Zu¬ 
sammensetzung  der  ersten  Kammer  dadurch  neuerdings 
akut  geworden,  dass  seitens  der  nationalliberalen  Fraktion  ein  ent¬ 
sprechender  Antrag  eingebracht  wurde,  der,  nach  Ansicht  des  Sächs. 
Korr.-Bl.,  die  erforderliche  Mehrheit  finden  dürfte.  Dieser  Antrag 
verlangt,  dass  neben  Vertretern  anderer  Berufskreise  auch  ein  von 
den  ärztlichen  Kreisvereinen  auf  Lebenszeit  gewähltes  Mitglied  der 
ersten  Kammer  angehören  soll.  . 

—  Der  Zentralverband  deutscher  Industrieller 
beschäftigte  sich  am  28.  Oktober  in  einer  Vertreterversammlung  mit 
der  Weiterführung  der  Sozialpolitik  und  fasste  in  bezug  auf  das 
Krankenversicherungswesen  folgenden  Beschluss: 

Die  MissStäpde  in  der  Verwaltung  der  Ortskrankenkassen,  die 
sich  in  zahlreichen  Orten  zu  einer  Hauptstütze  der  Sozialdemokratie 
entwickelt  haben,  sind  seit  langem  in  der  Industrie,  insbesondere  im 
Zentralverband  deutscher  Industrieller,  mit  ernster  Aufmerksamkeit 
verfoLgt  worden;  sie  haben  Anlass  zu  Erwägungen  geboten,  wie 
diesen  Missständen  abzuhelfen  sei.  Als  letzter  Grund  für  die  Macht¬ 
stellung  der  Sozialdemokratie  in  den  Ortskrankenkassen  und  teil¬ 
weise  auch  in  den  Betriebs-  und  Innungskrankenkassen  zeigt  sich 
dabei  immer  wieder  die  Verteilung  des  Stimmenverhältnisses  zwi¬ 
schen  den  Arbeitern  und  den  Arbeitgebern,  die  diese  von  vornherein 
zu  dauernder  Ohnmacht  gegenüber  den  sozialdemokratisch  beein¬ 
flussten  Arbeitervertretern  verurteilt.  Im  Zentralverbande  besteht 
aber  auch  darüber  volle  Klarheit,  dass  eine  Aenderung  dieses  Stim¬ 
menverhältnisses  ohne  gleichzeitige  Aenderung  des  Beitragsverhalt- 
nisses  der  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  zu  den  Krankenkassen  un¬ 
möglich  ist.  Daher  erklärt  sich  der  Zentralverband  namens  der  von 
ihm  vertretenen  grössten  und  bedeutendsten  1  eiles  der  deutschen 
Industrie  bereit,  die  Hälfte  der  Gesamtbeiträge  zu  den  Kranken¬ 
kassen  anstatt  des  bisherigen  Drittels  zu  übernehmen,  sofern  die  ver¬ 
bündeten  Regierungen  der  Industrie  die  Sicherheit  geben  wollen,  dass 
in  dem  Gesetzentwurf  über  die  Reform  der  Krankenkassen 

1.  der  Fortbestand  der  Betriebskrankenkassen  wesentlich  in 
demselben  Umfange  wie  in  der  Gegenwart  unter  Aufrechterhaltung 
der  Vorschriften  des  §  64,  1 — 5  des  Kr.V.G.  anerkannt  wird; 

2.  in  den  Ortskrankenkassen  und  Betriebskrankenkassen  Arbeit¬ 
geber  und  Arbeitnehmer  in  den  Vorständen  und  Generalversamm¬ 
lungen  je  die  Hälfte  der  Stimmen  führen; 

3.  in  den  Betriebskrankenkassen  der  Fabrikbesitzer  den  Vorsitz 
führt,  in  den  Ortskrankenkassen  ein  von  einer  hierzu  geeigneten  Be¬ 
hörde  zu  bestellender  unparteiischer  Vorsitzender  die  Verhandlungen 
leitet  und  mit  dem  Rechte  ausgestattet  wird,  bei  Stimmengleichheit 
den  Ausschlag  zu  geben; 

4.  eine  Sicherung  der  Aerzte  und  Apotheker  gegen  unbillige  An¬ 
forderungen  der  Krankenkassen  erfoigt,  andererseits  aber  auch  die 
öffentlich  rechtliche  Stellung  der  Krankenkassen  gegenüber  unbilligen 
Anforderungen  der  Aerzte  und  Apotheker  Schutz  findet.  Insbesondere 
erklärt  sich  der  Zentralverband  gegen  die  zwangsweise  Einführung 
der  freien  Arztwahl  und  wünscht  jedenfalls  die  Erhaltung  der  Mög¬ 
lichkeit,  die  sog.  beschränkt  freie  Arztwahl  einzuführen,  die  sich  bei 
den  Betriebskrankenkassen  bewährt  hat. 

—  In  der  vorigen  Woche  wurden  die  Herren  Geheimräte  Löb- 
ker,  Lent  und  L.  Pfeiffer,  sowie  Sanitätsrat  Heinze  vom 
Reichskanzler  empfangen,  um  die  Beschlüsse  des  Deutschen 
Aerztetags  in  Münster  betr.  die  gesetzliche  Regelung  der  Kassen¬ 
arztfrage  zu  überbringen. 

—  Am  7.  November  ist  in  Düsseldorf  in  einer  unter  dem 
Vorsitz  des  Oberpräsidenten  der  Rheinprovinz,  Frhr.  Dr.  v.  Schor¬ 
le  me r,  und  des  dortigen  Regierungspräsidenten  Schreiber  ab¬ 
gehaltenen  Versammlung  ein  „Verein  für  Säuglings  f  ü  r  - 
sorge  im  Regierungsbezirk  Düsseldorf'1  begründet 
worden.  In  mehrfacher  Hinsicht  unterscheidet  sich  dieses  neue  Unter¬ 
nehmen  von  ähnlichen,  über  die  in  der  letzten  Zeit  zu  berichten  war. 
Einmal  nämlich  sind  die  Mittel,  die  diesem  Verein  zur  Verfügung 
stehen,  sehr  hohe:  der  Verein  besitzt  bereits  heute  in  Baarmitteln 
und  einem  wertvollen  Grundstück  ein  Stammvermögen  von  ca.  /z  Mil¬ 
lion  Mark.  Ferner  werden  die  laufenden  'Mittel,  die  zur  Erreichung 
der  dem  Verein  gesteckten  Ziele  nötig  sind,  zum  grössten  Teil  durch 
Beiträge  sämtlicher  Stadt-  und  Landkreise  des  Regierungsbezirks 


Düsseldorf  aufgebracht,  die  beschlossen  haben,  nach  dem  Einkommen¬ 
steuersoll  unter  sich  die  erforderliche  Summe  zu  repartieren.  End¬ 
lich  ist  vertragsmässig  ein  enger  Zusammenhang  zwischen  der  Aka¬ 
demie  für  praktische  Medizin  einerseits  und  dem  „Verein  für  Säug¬ 
lingsfürsorge“  anderseits  hergestellt.  Durch  gemeinsame  Arbeit  mit 
dem  Verein  kann  sich  also  die  Akademie  nunmehr  an  der  wichtigsten 
Aufgabe  der  Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  beteiligen;  auch 
ist  eine  personelle  Union  insofern  hergestellt,  als  der  Direktor  der 
Klinik  für  Kinderheilkunde  auch  jeweils  Leiter  des  wissenschaftlichen 
Instituts  des  Vereins  für  Säuglingsfürsorge  sein  soll.  Zunächst  ist 
der  Bau  eines  Verwaltungsgebäudes  und  eines  Lehr-  und  Muster¬ 
stalles  beschlossen.  Zum  Vorsitzenden  des  Vereins  wurde  Professor 
Dr.  Schlossmann  bestellt,  dem  Herr  Geheimer  Regierungsrat 
v.  W  ä  t  j  e  n  und  Herr  Gustav  Klingelhöfer  auf  Haus  Horst  als 
Beisitzer  zur  Seite  stehen.  Zur  Geschäftsführerin  ist  Frln.  Dr.  Marie 
Baum,  bisher  Grossherzogi.  Badische  Fabrikinspektorin  berufen,  die 
sich  mit  der  Frage  der  Säuglingsfürsorge  wiederholt  erfolgreich  in 
wissenschaftlichen  Publikationen  beschäftigt  hat. 

—  Geheiimrat  Prof.  Dr.  Robert  Koch  ist  von  seiner  lYz  jährigen 
Expedition  nach  Ostafrika  glücklich  in  die  Heimat  zurückgekehrt. 
Am  14.  ds.  wurde  er  vom  Staatssekretär  des  Innern,  Staatsminister 
Dr  v.  Bethmann  -  Hollweg  empfangen,  der  ihm  zugleich 
namens  des  Kgl.  Prenss.  Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medizinalangelegenheiten  das  vom  Kaiser  vollzogene  Patent  als 
Kaiserlicher  Wirklicher  Geheimer  Rat  mit  dem 
Prädikat  Exzellenz  überreichte.  Im  Allerhöchsten  Aufträge 
sprach  der  Staatssekretär  des  Innern  dem  grossen  Forscher  zugleich 
die  wärmste  Anerkennung  aus  für  das  seinen  bisherigen  ausserordent¬ 
lichen  Verdiensten  um  Wissenschaft  und  Vaterland  sich  würdig  an¬ 
reihende  Wirken  zur  Bekämpfung  der  Schlafkrankheit. 

—  Den  Bemühungen  und  fördernden  Anregungen  des  Deut¬ 


schen  Zentralkomitees  für  Krebsforschung  ist  es 
gelungen,  auch  im  Auslande  die  Begründung  von  Komitees  oder  an¬ 
deren  Veranstaltungen  für  Krebsforschung  zu  bewirken,  so  dass  jetzt 
bereits  in  Dänemark,  England,  Japan,  Norwegen,  Oesterreich-Ungarn, 
Portugal,  Russland,  Schweden,  Spanien,  Vereinigten  Staaten  von 
Amerika  usw.  Komitees  oder  Institute  für  Krebsforschung,  zum  Teil 
verbunden  mit  Krebskrankenhäusern,  bestehen.  In  Deutschland  sind 
ausser  dem  Deutschen  Zentralkomitee  jetzt  vier  Landeskomitees  für 
Krebsforschung  in  Baden,  Bayern,  Württemberg  und  im  Hamburgi- 
schen  Staate  vorhanden,  während  in  anderen  Bundesstaaten  die  Er¬ 
richtung  solcher  in  Aussicht  genommen  ist.  Es  steht  daher  zu  hoffen, 
dass  die  „Internationale  Vereinigung  für  Krebsforschung“,  deren  Be¬ 
gründung  auf  der  Internationalen  Konferenz  in  Heidelberg  1906  be¬ 
schlossen  wurde,  demnächst  wird  erfolgen  können.  Das  Deutsche 
Zentralkomitee  für  Krebsforschung  tritt  am  Donners¬ 
tag  den  14.  ds.  Mts.,  in  Berlin  zu  einer  Sitzung  zusammen,  in 
welcher  Herr  Karl  Lewin:  „Ueber  den  histologischen  Wechsel  des 
Rattenkarzinoms  bei  der  Transplantation",  Herr  A.  Sticker:  „Uebei 
die  spontane  Heilung  und  die  Immunität  der  Krebskrankheit  nach  den 
Ergebnissen  der  modernen  experimentellen  Forschung  \oi  tragen 


M.  eine  Ver- 
e  r  Kinder- 
etc.  sind  bis 
Schriftführer, 


werden.  _  _  , 

—  „Ueber  die  Mängel  unser  es  Krankenpflege- 
wesens“  spricht  auf  Einladung  des  Vereins  für  Fraueninteressen 
in  München  am  Mittwoch  den  20.  November,  Abends  8  Uhr,  im  Pnn- 
zensaale  des  Cafe  Luitpold  die  Begründerin  und  Vorsitzende  der  „Be- 
rufsorganisation  weltlicher  Krankenpflegerinnen  ,  Schwester  Agnes 
Kar  11  aus  Berlin.  Wir  weisen  ausdrücklich  auf  diesen  Vortrag  hin, 
der  auch  Aerzte  interessieren  dürfte.  Freier  Eintritt. 

—  Am  15.  Dezember  1.  J.  findet  zu  Frankfurt  a. 

Sammlung  der  Vereinigung  südwestdeutsch 
ärzte  statt.  Anfragen,  Anmeldung  von  Vorträgen 
8.  Dezember  zu  richten  an  Dr.  Cahen-Brach, 

Frankfurt  a.  M.,  Eppsteinerstrasse  45. 

_  Cholera,.  Russland.  Vom  16.  Juli  d.  J.,  dem  Tage  des 

Ausbruchs  der  Seuche,  bis  zum  29.  Oktober  sind  angeblich  in  Russ¬ 
land  an  der  Cholera  10  107  Personen  erkrankt  (und  4772  gestorben), 
davon  614  (318)  in  der  Zeit  vom  23.-29.  Oktober.  Zufolge  einer 
anderweitigen  Mitteilung  sind  vom  29.  Oktober  bis  5.  November  in 
der  Stadt  Kiew  162  Personen  erkrankt  und  64  gestorben;  u.  a. 
sollen  dort  'in  einem  Kinderasyl  3  Ammen  und  48  von  den  61  ver¬ 
pflegten  Kindern  an  Cholera  erkrankt  und  25  Kinder  der  Seuche  er¬ 
legen  sein.  Kürzlich  hat  sich  in  Kiew  auch  der  Typhus  stark  ver¬ 
breitet;  nach  amtlichen  Angaben  von  städtischer  Seite  befanden 
sich  am  5.  November  etwa  4000  Typhuskranke  in  der  Stadt.  — 
Janan.  Vom  22.,  September  bis  6.  Oktober  sind  in  Sudjapan  123 
Personen  an  der  Cholera  erkrankt  (und  39  gestorben),  ausserdem 
wnrripn  im  choleraverdächtige  Erkrankungen  mit  4/  Todesfällen  ge¬ 


meldet,  p  ^  ^  ^  junj§>  yon  ,^en  pestkranken  in  der  Hauptstadt  war 
bis  zum  1.  November  noch  1  gestorben,  so  dass  die  Zahl  der  Pest¬ 
todesfälle  bis  zu  diesem  Tage  sich  auf  3  belief;  4  pestverdachtige 
Kranke  sind  nebst  ihren  Familien  vollständig  abgesondert.  —  Algier. 
In  Philippeville  sind  bis  zum  19.  Oktober  3  Pestfälle,  darunter  2 
tödlich  verlaufene,  vorgekommen;  die  Einschleppung  ist  wahrschein¬ 
lich  auf  dem  Seewege  erfolgt.  —  Britisch-Ostindien.  Vorn  22.  bis 
28  September  sind  in  ganz  Indien  9515  Personen  an  der  Pest  ge¬ 
storben  und  13  543  neue  Erkrankungen  gemeldet.  —  Japan  Auf 
Formosa  wurden  im  Juli  177  Erkrankungen  (und  160  Todesfälle) 
an  der  Pest  gemeldet.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  In  San 


2360 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  47. 


kranzisko  sind  vom  12. — 21.  Oktober  8  (insgesamt  nunmehr  73) 
Erkrankungen  mit  8  (46)  Todesfällen  an  der  Pest  festgestellt  worden. 

—  Genickstarre.  Preussen.  ln  der  Woche  vom  27.  Ok¬ 
tober  bis  2.  November  sind  18  Erkrankungen  (und  8  Todesfälle)  an¬ 
gezeigt  worden. 

—  In  der  44.  Jahreswoche,  vom  27.  Oktober  bis  2.  November 
1907,  hatten  von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste 
Sterblichkeit  Beuthen  mit  32,3,  die  geringste  Offenbach  mit  5,8  Todes¬ 
fällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller 
Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Barmen,  Beuthen,  an  Masern  und 
Röteln  in  Ulm,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Borbeck,  Kaiserslautern, 
Ulm  und  Worms,  an  Keuchhusten  in  Altenessen.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Prof.  Dr.  Paul  Lazarus,  Assistent  am  Krebsinstitut 
der  Charite  ist  zum  dirigierenden  Arzt  der  inneren  Abteilung  des 
Marienkrankenhauses  und  Dr.  Schirokauer  zum  Assistenten  am 
Medizinischen  Poliklinischen  Institut  ernannt  worden,  (hc.) 

Göttingen.  Habilitiert:  Dr.  med.  Schnitze,  Assistent  bei 
Prof.  Kaufmann  am  pathologischen  Institut  mit  einer  Probevor¬ 
lesung  „Ueber  die  pathologische  Anatomie  der  Tuberkulose“,  (hc.) 

Halle  a.  S.  Dr.  med.  Albert  O  p  p  e  1,  Oberassistent  am  ana¬ 
tomischen  Institut,  (früher  a.  o.  Professor  in  Freiburg  i.  Br.)  hat  sich 
mit  einer  Antrittsvorlesung  „Ueber  den  feineren  Bau  des  Magens“  in 
der  medizinischen  Fakultät  habilitiert. 

Königsberg  i.  Pr.  Seinen  70.  Geburtstag  feiert  am  19.  No¬ 
vember  der  ordentliche  Professor  und  Direktor  des  anatomischen 
Instituts  an  der  hiesigen  Universität  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Ludwig 
S  t  i  e  d  a.  (hc.) 

Leipzig.  Aus  dem  Lehrkörper  der  Universität  Leipzig  ist 
der  Privatdozent  für  innere  Medizin,  Dr.  med.  Max  Friedländer, 
ausgeschieden.  Dr.  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  (geb.  1841  zu  Leipzig),  lehrte 
seit  1864  an  der  Leipziger  Hochschule,  (hc.) 

Strassburg.  Habilitiert :  Dr.  Karl  S  t  a  r  g  ia  r  d  t.  bisher  Pri¬ 
vatdozent  und  erster  Assistenzarzt  bei  Prof.  Schirmer  an  der 
Augenklinik  in  Kiel,  für  Augenheilkunde  mit  einer  Antrittsvorlesung 
„Ueber  Protozoen  als  Krankheitserreger  am  Auge“,  (hc.) 

Graz.  Dozent  Dr.  Matzenauer  - Wien  wurde  zum  Extra¬ 
ordinarius  und  Leiter  der  dermatologischen  Klinik  ernannt.  Zahnarzt 
Dr.  r  r  a  u  n  e  r  -  Wien  wurde  zum  ausserordentlichen  Professor  er¬ 
nannt  und  ihm  die  Leitung  des  zahnärztlichen  Universitätsinstitutes 
übertragen.  Der  bisherige  I.  Assistent  der  chirurgischen  Klinik,  Pri¬ 
vatdozent  Dr.  Josef  H  e  r  1 1  e  wurde  vom  Gemeinderate  der  Stadt 
Graz  zum  Primarius  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen 
Krankenhauses  gewählt. 

Montpellier.  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  Rau¬ 
zier  wurde  zum  Professor  der  allgemeinen  Pathologie  und  Thera- 
peutik  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Dr.  Hache,  Professor  der  Histologie  an  der  medizinischen 
Schule  zu  Reims. 


Personalnachrichten. 


Die  Gemeinde  Obermais-Meran  bezieht  ihr  Trinkwasser  von  der 
Stadtgemeinde  Meran,  welche  im  Naiftale  eine  Hochquell¬ 
leitung  für  diesen  Ort  angelegt  hat. 

_Bei  Wassermangel  im  Hochsommer  hat  man  nun,  wie  seit  6 
bis  7  Jahren  gewohnheitsmässig,  zur  Vermehrung  des  Wassers  vom 
Naif  b  a  c  h  Wasser  in  das  hochgelegene  Reservoir  eingeleitet.  In¬ 
zwischen  hat  nun,  durch  den  seit  Ende  September  wochenlang 
andauernden  Regen,  der  Naif  b  a  ch  von  Aeckern  und  Wiesen,  die 
gedüngt  waren,  sowie  aus  Aborten  höher  gelegener  Bauern¬ 
höfe  durch  eine  grosse  Menge  kleiner  Rinnsale  Zufluss  erhalten. 

Bei  einer  Revision  des  Reservoirs  ist  in  demselben  fusshoher 
Schlamm  gefunden,  in  dem  sich  Regenwürmer  aufhielten. 

Von  diesem  Kloakenwasser  haben  nun  alle  Einwohner  Obermais’ 
und  die  zahlreichen  Kurgäste,  von  denen  Norddeutschland  und  be¬ 
sonders  Berlin  ein  bedeutendes  Kontingent  stellen,  getrunken  und 
so  ist  die  Epidemie  entstanden! 

Geradezu  unverantwortlich  haben  die  zuständigen  Gemeindebehör¬ 
den  Merans  aber  gehandelt,  dass  sie,  trotzdem  sie  von  diesen  Zustän¬ 
den  Kenntnis  haben  mussten,  dennoch  den  Weitergenuss  des  Wassers 
nicht  verhindert  haben!  Erst  am  25.  Oktober  erschien  in  allen 
Hotels  und  Pensionen  von  Obermais  eine  Bekanntmachung  des  Ge¬ 
meindevorstandes,  worin  vor  dem  Genuss  ungekochten  Wassers  ge¬ 
warnt  wurde!  Wäre  diese  Bekanntmachung  aber  schon  Ende  Sep¬ 
tember,  wo  man  um  die  Verunreinigung  wusste,  erschienen,  dann 
wäre  höchstwahrscheinlich  die  Epidemie  vermieden  oder  doch  wenig¬ 
stens  erheblich  beschränkt  worden! 

So  aber  konnte  sich  der  Typhus  weiter  entwickeln,  als  die  Saison 
in  vollem  Gange  war! 

Am  1.  November  endlich  veröffentlichte  die  Bezirkshauptmann¬ 
schaft  einen  durchgreifenden  Erlass,  worin  der  ganze  Tatbestand 
klargelegt  wurde. 

Die  k.  k.  Staatsanwaltschaft  in  Bozen  ist  nunmehr  eingeschritten, 
ebenso  ist  von  der  k.  k.  Statthalterei  in  Innsbruck  durch  den  Sani¬ 
tätsreferenten  Dr.  Ritter  v.  H  ab  e  r  1  e  r  die  Untersuchung  eingeleitet! 

Wer  ist  nun  der  Schuldige?  Vielleicht  ein  Ingenieur  vom 
Wasserwerk?  Die  Untersuchung  wird  vielleicht  darüber  Aufschluss 
bringen! 

Am  7.  November  erschien  eine  weitere  Bekanntmachung  der 
k.  k.  Bezirkshauptmannschaft,  wonach,  weil  seit  1.  November  kein 
neuer  Krankheitsfall  mehr  gemeldet  sei,  die  Weiterverbreitung  der 
Krankheit  wohl  verhütet  sei,  doch  wird  vor  Genuss  ungekochten 
Wassers  immer  noch  gewarnt. 

Dringend  notwendig  aber  erscheint  die  Bekanntgabe  dieser 
himmelschreienden  Zustände  in  der  ärztlichen  Fachpresse  sowohl, 
wie  in  der  gesamten  deutschen  Presse,  damit  diese  „Schlamperei“ 
öffentlich  gebrandmarkt  wird. 


Ergänzung  zu  meinem  Aufsatze: 

Ein  Mittel  zur  Erzielung  konstanter  Pole  bei  der  Wimshurst- 

Influenzmaschine. 

in  No.  44  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 

Von  Dr.  G.  M  a  y  e  r  h  a  u  s  e  n,  Hals  bei  Passau. 


(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Oscar  Müller,  fürstl.  reuss.  Medi¬ 
zinalrat,  appr.  1888,  in  München.  Dr.  Adam  Bauereisen,  appr. 
1901,  in  München. 


Briefkasten. 


Auf  mehrere  Anfragen  teilen  wir  mit,  .dass  die  von  Prof.  Emme¬ 
rich  in  den  Nummern  45  und  46  empfohlene  Pyozyanase  im  bakterio¬ 
logischen  Institut  des  Geh.  Kommerzienrates  K.  A.  L  i  n  g  n  e  r  in 
Dresden,  Kaitzerstr.  22,  hergestellt  und  von  demselben  probeweise 
und  unentgeltlich  an  Aerzte  abgegeben  wird. 


Korrespondenz. 

Typhus  in  Meran. 

Von  einem  deutschen,  z.  Z.  in  Meran  weilenden,  Arzte  wird 
uns  geschrieben: 

An  die 

Redaktion  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift 
wende  ich  mich,  um  der  ärztlichen  Presse  Mitteilung  zu  geben  von 
ungtaub hchen  Ereignissen,  die  in  diesem,  von  der  Natur  so  unver- 
haben  ‘Ch  verschwenderisch  ausgestatteten  Kurorte  stattgefunden 

Meine  Tochter  ist  am  16.  Oktober  hierselbst  an  sehr  schwerem 
1  yphus  erkrankt;  wenngleich  ich  schon  am  2.  Tage  unzweifelhaft  die 
Diagnose  feststel  te,  so  schwieg  ich  doch  einstweilen,  um  nach  der 
Entstehungsursache  zu  forschen. 

Inzwischen  aber  ist  hier  in  Obermais  in  der  ganzen  Ortschaft 
eine  umtangreiche  Epidemie  (bis  jetzt  sind  71  Fälle  bei  der  Be- 
^lrksliauptmannschaft  gemeldet)  ausgebrochen,  und  .dabei  ist  nach¬ 
dem  das  Vertuschungssystem  und  die  Geheimnisstuerei  seitens  der 
zuständigen  Gemeindebehörden  sich  nicht  mehr  aufrecht  erhalten 
liess,  folgendes  festgestellt: 


vor  Zeile  13  vom  Ende  ist  einzuschalten: 

Da  aber  wenn  die  Maschine  mit  unrichtigen  Polen  erst  einmal 
in  Gang  gesetzt  worden  ist,  es  bisweilen  —  wenn  auch  sehr  selten 
längere  Zeit  dauert,  bis  dieselbe  sich  wieder  „umstimmen“  lässt, 
so  tut  man  am  besten,  gleich  zu  Anfang  das  besagte 
Mittel  in  Anwendung  zu  ziehen,  ohne  erst  zu  pro- 
bieren  wie  die  Pole  spontan  auftreten  würden.  Man 
erhalten  diesem  ba e  stets  sofort  das  beabsichtigte  Resultat 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

wahrend  der  44.  Jahreswoche  vom  27.  Okt.  bis  2.  Nov  1907 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M )  11  (15*) 
Altersschw  (üb.  60  J.)  3  (9),  Kindbettfieber  -  (-),  and.  Folgen  der 
5ebui rt  2  (4  Scharlach  1  (-)  Masern  u.  Röteln  -  (1),  Diphth.  u. 
Krupp  -  (4),  Keuchhusten  —  (1),  Typhus  —  (1),  übertragb.  Tierkrankh. 

Rose  (Erysipel)  —  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 

7ube,rkuI\d  Lungen  24  (16)>  Tuberkul.  and. 
Org.  3(3),  Miliartuberkul.  —  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  11  (10), 
Muenza  -  (— ),  and.  übertragb.  Krankh.  5  (5),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  -  (2),  sonst.  Krankh.  derselb.  2  (2),  organ.  Herzleid.  22  (17), 
sonst.  Kr  d  Kre.slaufsorg  (einschl.  Herzschlag)  8  (5),  Gehirnschlag 
i  (  )\  Qe'steskrankh  1  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  5  (4),  and 
Krankh  d  Nervensystems  4  (4),  Magen-  u.  Darm.-Kat,  Brechdurchfall 
(emschl.  Abzehrung)  31  (34),  Krankh.  d.  Leber  3  (2),  Krankh.  des 
Bauchfells  (3),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  3  (4),  Krankh.  d. 

K^SCh!ech  9  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  13  (15), 
and  Neubildg.  (einschl  Sarkom)  2  (4),  Selbstmord  3  (4),  Tod  durch 
fremde  Hand  (  )  Unglücksfälle  2  (5),  alle  übrig.  Krankh.  4  (4). 

r  h  ^ie  ?CinnnZpb  deur  Sterbefälle  186  (189).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,6  (17,9),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,3  (12,1). 

)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche, 


Vera«  von  J.  F.  Lehatun  in  München.  -  Druck  von  E.  Mühlthelen  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.O.,  München." 


«e  Münchener  Medizinische  Wochenschrm 

^  Umfflo°J  “'^Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
K-  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion 
strasse  26  Bureauzeit  der  Redaktion  von  8V,-1  Uhr.  *  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 

•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


jt  6  — .  •  Übrige  BezuK»utum6u..6 -  -y 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 

Herausgegeben  von  . 

I. t. ingerer,  Ch. Bänraler,  0. r. Bollioier,  LMu,  UW  W  J...lch6l,  P.M,  I»  Me,  W,  F.f.te  e, 

54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Leipzig. 

lieber  Gefahren  und  Behandlung  der  Placenta  praevia.  ) 

Von  Professor  Zweifel. 

Es  ist  dies  ein  Kapitel,  welches  die  Aerzte,  solange  es 
Geburtshilfe  geben  wird,  immer  auf  das  Lebhafteste  be¬ 
schäftigen  muss,  weil  diese  Krankheit  zu  den  wechselvollsten 
und  heimtückischsten  des  Faches  gehört,  sodass  auch  ein 
kleiner  Beitrag  zur  Behandlung  von  grossem  Nutzen  sein  kann. 
Im  allgemeinen  ist  die  letztere  abgeklärt,  seitdem  der  (mm d- 
satz  zur  Anerkennung  durchgedrungen  ist,  dass  man  diirch 
die  Wendung  des  Kindes,  aber  ohne  die  L  x  1 1  a  k  - 
tion  anzuschliessen,  die  Blutungen  am  sichersten 
stillt  und  zugleich  die  Asepsis  am  besten  wahrt  Deswegen 
herrscht  das  Bestreben  vor,  die  Wendung  möglichst  bald ^  aus¬ 
zuführen,  auch  da,  wo  der  Muttermund  noch  mangelhaft  er¬ 
öffnet  ist,  also  die  sogenannte  kombinierte  Wendung,  die  in 
dieser  Form  gerade  für  Placenta  praevia  von  Praxton  li  i  c  k  s 
empfohlen  und  in  Deutschland  durch  die  Empfehlungen  von 
Hofmeier1),  Behm2),  W  y  d  e  r 3)  und  anderen  einge¬ 
bürgert  wurde.  , ,  , 

Die  Extraktion  darf  nicht  sofort  angeschlossen  werden, 
weil  bei  dem  noch  uneröffneten  Muttermund  leicht  Zervixrisse 
entstehen  können.  Doch  hat  dieses  frühe  Wenden  und  spate 
Extrahieren  die  unmittelbare  Folge,  dass  die  Sterblichkeit  der 
Kinder  gegen  früher  gestiegen  ist.  Die  besten  Resultate  der 
früheren  Behandlung  betrugen  10 — 16  Proz.  Sterblichkeit  der 
Mütter,  gewöhnlich  aber  30-40  Proz.,  während  die  oben  er¬ 
wähnten  Autoren  nur  noch  7,2  Proz.  der  Frauen  verloren.  ) 
Jede  Bearbeitung  aus  einer  grösseren  Anstalt  bringt  neue 
Anregungen  und  wenn  auch  nicht  gerade  neue  Verfahren,  so 
doch  Material  zur  Prüfung  und  Wertung  der  bisher  geübten. 
Auch  uns  hat  eine  Reihe  von  schlimmen  Erfahrungen  mehrere 
Wünsche  zur  Festigung  von  gewissen  Grundsätzen  der  Be¬ 
handlung  nahegelegt.  In  den  8  Jahren  1899—1906  Famen  in 
der  Leipziger  Universitäts-Frauenklinik  auf  11  757  Geburten 
178  Fälle  von  Placenta  praevia  vor,  von  denen  13  brauen 
starben,  was  eine  Sterblichkeitsziffer  von  7.8  Proz.  ausmacht. 
Wenn  dies  auch  gegenüber  den  früheren  Zeiten  als  günstig  be¬ 
zeichnet  werden  kann,  schwindet  doch  die  Zufriedenheit  mi 
dem  Ergebnis,  so  wie  man  die  Todesursachen  dei  einz^  m 
Fälle  ins  Auge  fasst,  denn  es  sind  3  Frauen  an  Kindbettheber 
und  10  an  Verblutung  gestorben.  Beide  Todesursachen  sind 
ein  Stein  des  Anstosses,  insbesondere  die  letztere,  weil  man 
den  Grundsatz  hat  und  mit  dem  Aufgebot  aller  Mittel  anstrebt, 
dass  niemand  an  Verblutung  unter  den  Händen  eines  Arztes 

*)  Nach  einem  in  der  Medizinischen  Gesellschaft  zu  Leipzig  am 
5.  November  1907  gehaltenen  Vortrag. 

0  Hofmeier:  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynakol.,  Bd.  VlU, 

S.  88,  1882.  D,  TV  q 

2)  Behm:  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynakol.,  Bd.  IX,  b.  ö/ö, 

1883 

’3)  Wyder:  Archiv  f.  Gynakol.,  Bd.  29.  S.  354,  1887.  — 

Nordmann  (Klinik  von  Dresden):  Archiv  f.  Gynakol..  Bd.  3-, 
S.  122,  1888.  —  Obermann  (Klinik  von  Leipzig):  Archiv  t. 

Gynä’kol.,  Bd.  32,  S.  148,  1888.  .  .  R ,  TT 

4)  Vergl.  J.  Veit  in  Müllers  Handbuch  f.  Geburtsh.,  Bd.  11, 

S.  75. 

No.  48. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

sterben  sollte.  Die  Fälle  von  Kindbettfieber  sind  eher  noch 
als  unvermeidbare  Unglücksfälle  zu  bezeichnen,  sofern  die 

Hebammen  und  Aerzte.  die  sich  in  die  ®e!?a"dl“n*  ^ 

Vorschriften  zur  Verhütung  angewendet  haben,  weil  es  alt¬ 
bekannt  ist  dass  alle  Personen  nach  einem  schweren  Blutvei- 
lust  für  die  Ansteckungskeime  empfänglicher  sind  und  dei  aus¬ 
gebrochenen  Krankheit  weniger  Widerstand  entgegenzusetzen 

VernAneedrei  in  unserer  Klinik  an  Kindbettfieber  Gestorbenen 
wurden  von  der  Stadt  eingeliefert,  wo  sie  schon  von  Hebammen 
und  Aerzten  untersucht,  bezw.  tamponiert  waren. 

Dieselbe  Gelassenheit  ist  iedoch  nicht  atu  Platz  für  die 
Todesfälle  an  Verblutung.  Wenn  eine  Frau  m  das  Institut 
gebracht  wird,  die  keinen  Puls  an  der  A.  radiahs  mehr  hat 
und  bei  uns  nach  Verlust  von  100-200  ccm  Blut  stirbt  so 
muss  sie  vorher  zu  viel  verloren  haben;  denn  so  viel  geht  bei 
Uder  natürlichen  Geburt,  ja  bei  der  Periode  ab  und  wird  von 
gesunden  Frauen  gar  nicht  empfunden.  Der  Blutabgang  wir 
in  der  hiesigen  Klinik  regelmässig  gemessen  und  stieg  bei  einem 
einzigen  der  hier  vorgekommenen  Sterbefälle  auf  1600  ccm  an, 
was  als  viel,  aber  doch  nicht  genug  bezeichnet  werden  kann, 
um  einem  ungeschwächten  Erwachsenen  das  Leben  zu 
Unter  den  178  Frauen,  die  in  den  8  Jahren  in  unserer  Klinik  . 
Beobachtung  kamen,  bat  eine  2200  ccm  Hut  verloren und 
diesen  Verlust  so  glatt  überstanden,  dass  sie  am  8.  4  a_e 
ihrem1 *  lebenden  Kind  wohlbehaiten  die  KUnik  verhes.^  4  Fratten 
verloren  1500  ccm  und  genasen  in  kurzer  Zeit.  14  hatten  > 
lus+e  zwischen  1000—1200,  ohne  davon  etwas  zu  spuren.  In 
dem  einen  Fall  von  starker  Blutung  mit  tödlichem  Ausgang 
war  das  Kind  rasch  ausgezogen  worden,  um  es  k 

stickungstod  zu  retten  und  dabei  ein  Riss  in  den  Mutterh  . 
entstanden.  Die  9  anderen  Frauen  waren  durch  grosse ^Blut¬ 
verluste  in  ihrer  Behausung  so  elend  geworden,  dass  sie  de 
weiteren  oft  nur  einige  Esslöffel  betragenden  Blutabgang  m 
der  Klinik  nicht  iibersteher,  konnten.  Man  ha  ein  den  sches 
Sprichwort  von  dem  Tropfen,  der  das  Fass  zum  Ueberflie-  > 
bringt.  Es  will  sagen,  dass  man  mit  unvorsichtigem  flandel 
leicht  eine  I  age  verschulden  kann,  bei  der  ein  grosser  Unfal 
bevorsteht,  die  aber  noch  verschleiert  ist  und  unerwartet  du  ch 
ein  unbedeutendes  Mehr  in  die  Erscheinung  tri  .  Da  es  sich 
bei  dem  Blutverlust  um  ein  „Leerlaufen  ,  nicht  um  ein  „Uebei 
fliessen“  handelt,  können  wir  diesen  Vergleich  meh*  anwenden 
sondern  eher  die  Verblutung  als  die  Bankerotter 

klärung  des  O  rgani  sm  u  s  b  e  z  ei  chn  en  ob  ein 

k  1  e  i  n  e  n  A  u  s  g  a  b  e  w  e  g  e  n i  f  r  u  h  e  r  k  o n  t  r  a h  e r  er 
grosser  Schulden  —  oder  Schuld!  Frauen,  die 
einen  gewaltigen  Blutverlust  gehabt  haben,  sind  innei  lieh  ge¬ 
schwächt,  ohne  dass  sie  selbst  oder  ihre  Angehörigen  es  so 
merken  wie  es  steht.  Sie  können  noch  einen  ganz  guten  Puls 
haben  und  vertragen  doch  in  diesem  7u'^nde  ><emen  zweiten 
Blutverlust  von  einiger  Bedeutung,  well  das  ve™re"  1 ?e 
gangene  Blut  nicht  in  wenigen  Tagen  ersetzt  vird.  L  as  . 
fich  eine  banausische  Wahrheit,  die  aber  doch  so  und  so  oft 
nifht  zum  Bewusstsein  dringt,  sonst  könnte  es  nicht  immer 
wieder  verkommen,  dass  uns  Frauen  in  so  ausgeblutetem  Zu¬ 
stande  in  die  Klinik  eingeliefert  werden,  dass  sie  oftmals 
Hausflur  oder  auf  der  Treppe  sterben.  .  .  ,  , 

Die  verzeichneten  Todesfälle  geben  noch  gar  nicht  das 
volle  Bild  der  grossen  Gefahr,  weil  viele  andere  stark  Aus- 


2362 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


geblutete  gerade  noch  am  Grabesrand  vorüber  kamen  und 
möchte  ich  an  dieser  Stelle  auf  eine  frühere,  ebenfalls  aus  dem 
Material  der  hiesigen  Klinik  geschöpfte  Arbeit  von  Dr.  Otto 
Beckmann'’)  verweisen,  welcher  vom  Jahre  1888 — 1900  auf 
14 187  Geburten  143  Fälle  von  Placenta  praevia  aus  den 
Journalen  auszog.  Darunter  fand  er  10  Verblutungstodesfälle 
und  einen  an  Sepsis.  2  Sepsisfälle  schloss  er  bei  der  Kritik  der 
Behandlung  aus,  weil  sie  schon  einen  Schüttelfrost  gehabt 
hatten,  als  sie  in  die  Anstalt  eingeliefert  wurden. 

Die  Jahre  1899 — 1900  kommen  in  den  beiden  Statistiken 
vor  und  müssen  diese  mit  zusammen  47  Placentae  praeviae  und 
darunter  1  Fall  von  Sepsis  und  3  Verblutungen  in  Abzug  ge¬ 
bracht  werden,  sodass  auf  insgesamt  274  Fälle  von  Placenta 
praevia  17  Verblutungen,  2  Kindbettfieberfälle,  die  schon  vor 
der  Einlieferung  einen  Schüttelfrost  hatten  und  3  Fälle  von 
Sepsis  kommen,  welche  aus  der  Behandlung  von  Aerzten  und 
Hebammen  der  Stadt  in  unsere  Anstalt  übergingen.  Die  Ge¬ 
samtmortalität  betrug  8  Proz.,  Beckmann  berechnete  unter 
Abzug  der  2  erwähnten  Fälle  7,8  Proz.  Auch  Beckmann 
fand  bei  seinen  Nachforschungen,  dass  bei  allen  Verblutungen 
eine  hochgradige,  oft  die  denkbar  hochgradigste  Blutarmut  zur 
Zeit  der  Einlieferung  in  die  Anstalt  bestand. 

Diese  Frauen  gaben  gewöhnlich  an,  dass  sie  vor  einigen 
Tagen  oder  1 — 2  Wochen  von  einer  schweren  Blutung 
überrascht  wurden  und  einen  halben  oder  einen  ganzen  Nacht¬ 
topf  voll  Blut  verloren,  d.  i.  1 — 2  Liter.  Natürlich  schickten 
sie  zum  Arzt,  der  aber  in  der  Regel  erst  ankam,  als  die  Blutung 
von  selbst  stand  und  nichts  weiter  empfahl  als  Bettruhe  und 
Stärkungsmittel  und  dazu  die  Anweisung  gab,  sofort  wieder 
nach  ihm  zu  schicken,  sobald  eine  neue  Blutung  eintreten  sollte. 


Diese  Ratschläge  müssen  wir  nach  der  Er¬ 
fahrung  an  unsererKlinik  als  ungenügend  be¬ 
zeichnen,  weil  zu  viel  dem  Zufall  überlassen 
wird,  ob  eine  neue  Blutung  komme  oder  nicht. 
Trotzdem  es  selbstverständlich  ist,  dass 
manche  Frau  im  weiteren  Verlaufe  von  einer 
Wiederkehr  der  Blutung  verschont  bleibt, 
kann  es  doch  nur  als  richtig  gelten,  Sicherheit 
gegen  eine  solche  zu  schaffen  und  so  zu  ver¬ 
fahren,  dass,  falls  sie  wiederkommen  sollte, 
sie  nicht  gefährlich  werden  kann.  Dieser  Schluss 
ist  auch  so  selbsverständlich,  dass  er  keiner  weiteren  Be¬ 
gründung  bedarf;  es  handelt  sich  allein  darum,  ob  es  Mittel  gibt, 
die  imstande  sind,  dieser  Forderung  zu  genügen.  Es  ist  selbst¬ 
verständlich  die  Frage  zu  bejahen  und  hat  man  in  der  Aus- 
stopfung  der  Scheide  ein  so  zuverlässiges  Mittel,  dass 
man  sich  wundern  muss,  wenn  auch  nur  von  einer  Seite  Ein¬ 
spruch  erhoben  wird.  Wir  kennen  natürlich  die  Gründe  des 
Widerspruchs,  dass  eine  richtig  ausgeführte  Stopfung  die  Unter¬ 
brechung  der  Schwangerschaft  bezw.  die  Einleitung  der  Ge¬ 
burt  zur  Folge  habe  und  die  oft  durch  lange  Zeit  fortgesetzte 
I  amponade  von  Tag  zu  Tag  die  Gefahr  der  Sepsis  vergrössere. 
Dies  trifft  jedoch  nur  zu,  wenn  man  zur  Tamponade  Gaze  oder 
Matte  benützt,  nicht  aber  für  den  Kolpeurynter  von  Braun 
\\  elcher  deswegen  für  solche  Fälle  unbedingt  vorzuziehen  ist 
Weder  bei  Tag  noch  bei  Nacht  darf  eine  solche  Frau  ohne  die 
Sicherheit  gegen  eine  neue  Blutung  gelassen  werden,  was  durch 
unsere  Sterbefälle  ohne  weitere  Worte  bewiesen  ist.  Auf¬ 
fallenderweise  ist  der  Gebrauch  des  Kolpeurynters  in  der  Praxis 
der  Aerzte  gegenüber  den  60  er  und  70  er  Jahren  des  19.  Jahr¬ 
hunderts  zurückgegangen,  seitdem  die  Sterilisierungsmöglich- 
keit  von  Watte  und  Gaze  verbessert  worden  ist.  Es  erklärt 
sich  dies  einfach  durch  die  Mängel  der  Gummiballons 
welche  durch  Liegen  an  der  Luft  brüchig  und  undicht  werden’ 
Wenn  man  jedoch  zur  richtigen  Zeit  vorsorgt,  so  hat  man  in  der 
Not  ein  brauchbares  Instrument  zur  Hand  und  dazu  ist  schon 
ausreichend,  dass  man  sie  nicht  an  der  Luft,  sondern  in  O  e  1 
oder  Glyzerin  auf  bewahrt,  in  dem  sie  Jahre  lang 
geschmeidig  und  dicht  bleiben.  Ihr  Vorteil  ist  gross,  weil  sie 
in  wenig  Minuten  durch  Auskochen  vollständig  desinfiziert 
können kUfZer  Zeit  mit  abgekochtem  Wasser  aufgefüllt  werden 


Selbstverständlich  kann  man  gegen  tadellos  keimfrei  ge¬ 
machte  Gaze  und  Watte,  die  aus  verschlossenen  Paketen  oder 
Büchsen  genommen  wird,  nichts  einwenden.  Aber  nachdem 
die  Pakete  oder  Büchsen  einmal  geöffnet  wurden,  ist  der  Rest 
des  Inhalts  unbrauchbar  und  muss  weggeworfen  oder  neu 
sterilisiert  werden.  Wie  oft  mag  das  im  Privathaus  und  in  der 
Praxis  der  Aerzte  unterlassen  werden?  Da  jedoch  die  Aus¬ 
stopfung  längere  Zeit  fortgesetzt  werden  muss,  erhöht  sie  die 
Gefahr  der  Sepsis  und  schädigt  durch  die  Austrocknung  der 
Scheide  den  natürlichen  Schutzapparat.  Ich  kann  mich  des  Ein¬ 
drucks  nicht  erwehren,  dass  seit  dem  häufigeren  Gebrauch  der 
„aseptischen“  Watte  und  Gaze  die  Erkrankungen  und  Sterbe¬ 
fälle  an  Sepsis  eher  häufiger  als  seltener  geworden  sind,  als  ' 
zur  Zeit  der  ausschliesslichen  Verwendung  des  Kolpeurynters! 

Wenn  kein  brauchbarer  Kolpeurynter  zur  Hand  und  die 
Watte  nicht  mehr  zuverlässig  keimfrei  ist,  so  kann  man  sie 
durch  Kochen  sterilisieren  und  nass  einlegen.  Aber  in  ge¬ 
wöhnlichem  Wasser  darf  sie  nicht  gekocht  werden,  denn  dieses 
löst  das  Blut  auf  und  verhindert  eher  eine  Gerinnung,  als  sie 
zu  befördern.  Um  das  Wasser  „styptisch“  zu  machen,  muss  es 
unbedingt  mit  Zusätzen  versehen  werden.  Es  genügt  dazu 
Kochsalz,  etwa  9—10  g,  d.  i.  2  Theelöffel  voll  auf  den  Liter, 
mit  gleichzeitiger  Ansäuerung  durch  einen  Theelöffel  voll  Essig¬ 
säure  oder  einen  Esslöffel  voll  starken  Essigs.  Andere  Styptika 
sind  gebrannter  Alaun  oder  Gerbsäure,  etwa  10  g  auf 
einen  Liter  Wasser. 


Durch  das  Kochen  in  solchen  Lösungen  können  die  Watte¬ 
bäusche  antiseptisch  und  styptisch  gemacht  werden.  Selbst¬ 
verständlich  soll  das  immer  nur  eine  Aushilfe  in  der  Not  sein 
und  ist  das  trockene  aseptische  Material  besser. 

Wir  sind  uns  wohl  bewusst,  dass  wir  mit  der  Lehre,  die 
starken  Blutungen  in  der  Schwangerschaft  recht  ernst  zu 
nehmen  und  lieber  vorbeugend  zu  handeln,  nichts  Neues  emp¬ 
fehlen,  sondern  diese  Grundsätze  sowohl  in  dem  eigenen  Lehr¬ 
buch  als  auch  in  denjenigen  von  Bumm,  Olshausen- Veit, 
Runge  und  auch  in  dem  neuesten  französischen  Werk  von 
Paul  Ba  r  b),  A.  B  r  i  n  d  e  a  u  und  J.  C  h  a  m  b  r  e  1  e  n  t  ver¬ 
treten  sind.  Und  doch  halten  wir  es  nicht  für  unwichtig,  zu 
dieser  Lehre  ausdrücklich  Stellung  zu  nehmen,  weil 
F  r  i  t  s  c  h  ')  in  einem  vor  kurzem  veröffentlichten  Aufsatz  eher 
dem  Gehenlassen  der  Schwangerschaftsblutungen  das  Wort 
redete.  Wenn  wir  auch  mit  seinen  anderen  Anschauungen 
übereinstimmen,  vermögen  wir  nach  unseren  traurigen  Er¬ 
fühl  ungen  nicht,  ihm  auch  hierin  zu  folgen.  Es  sei  nicht  in 
Abrede  gestellt,  dass  oftmals  eine  starke  Schwangerschafts¬ 
blutung  nur  einmal  auf  tritt  und  danach  die  Geburt  am  normalen 
Ende  mit  gutem  Verlaufe  für  Mutter  und  Kind  das  Zusehen  be¬ 
lohnt;  wir  gestehen  zu,  dass  die  Wiederkehr  starker  Blutungen 
nur  bei  Placenta  praevia  totalis  zur  Regel  gehört,  stellen  aber 
der  Lehre  von  der  grundsätzlichen  Verwerfung  der  Einleitung 
der  Geburt  die  Frage  gegenüber,  auf  welch  andere  Weise  die 
zweiten  starken  Blutungen  zu  vermeiden 
seien,  welche  trotz  aller  Eile,  mit  der  dann  der  Arzt  geholt 
wird,  die  Frauen  so  entkräften,  dass  sie  dem  Tod  verfallen 
sind?  Ich  antworte:  „Für  grösste  Vorsicht  nach 
jeder  ernsten  Schwangerschaftsblutung  und 
für  eine  aktive  Behandlung. 

Wir  haben  nach  Abschluss  dieses  Berichtes  im  Laufe  des 
bommersemesters  1907  2  Fälle  erlebt,  welche  Belege  für  diese  Sätze 
helern.  Die  eine  Frau  wurde  im  8.  Monat  von  einer  gewaltigen 
n11 Hg  überrascht,  die  nach  ihrer  Angabe  einen  Nachttopf  fast  an- 
fullte.  Sie  frug  mich  um  Rat,  wurde  am  gleichen  Tag  in  die  Klinik 

w°  zucr  ^-lcS?rüI1R  ,gesen  die  Wiederkehr  einer  neuen  Blu¬ 
tung  die  ersten  5— 6  Nachte  immer  ein  Kolpeurynter  eingelegt  wurde. 

Da  ri,>aF  hatt€n  igei£re-.  Wehun  begonnen’  'di'e  ohne  Folgen  blieben. 
La  die  Frau  in  der  Klinik  aushielt,  Hessen  wir  den  Kolpeurynter  weg 

bis  plötzlich  eine  zweite  heftige  Blutung  auftrat.  Sie  war  in  kür¬ 
zerer  Zeit  gestillt  .0^^^  weitere  Zwischenfälle  blieb  sie  Frau  noch 
Wochen  in  der  Klinnk  und  kam  sehr  leicht  und  von  einer  Blutung 
verschont  mit  einem  grossen  lebenden  Kinde  nieder.  Die  Plazenta 
zeig  e  am  voi  gelegenen  Lappen  ausgedehnte  Fibrinschwarten. 

Das  Gegenstück  bildet  eine  Frau  mit  Plazenta  praevia  totalis 
die  am  Ende  der  Schwangerschaft  2  Liter  Blut  verlor.  Zwei  Tage 
spater  neue  Blutung,  worauf  der  Arzt  sie  ausgezeichnet  mit  mehr  als 


t  ■  ■  ur,d  Therapie  der  Placenta 

Leipzig  1902. 


praevia. 


Dissertation, 


G)  La  pratique  des  accouchements  von  Paul  Bar 
de aii  und  J.  Chambrelent. 

')  D.  med.  Wochenschr.  1905,  No.  47,  S.  1881. 


A.  B  r  i  n  - 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2363 


30  grossen  Wattebäuschen  tamponierte  und  sie  m  die  Klinik  fahren 
iiess  Hier  wurde  sofort  die  kombinierte  Wendung  ausgefuhrt  unter 
Durchbohren  der  Plazenta,  weil  das  Umgehen  derselben  an  der 
Vorderwand  des  Uterus  nicht  in  die  Eiblase  zu  gelangen  gestattete. 
Es  wurde  ganz  langsam  im  Laufe  einer  Stande  extrahiert,  wobei 
nicht  nennenswert  Blut  verloren  ging,  aber  ein  kleiner  ^eivixriss 
entstand  der  geklemmt  wurde.  Trotzdem  bei  uns  der  Blutverlust  nur 
gering  war  und  nach  der  Ausstossung  der  Nachgeburt  vollkommen 
stand,  starb  die  Frau  einige  Stunden  danach  an  den  Erscheinungen 

der  akuten  Anämie.  ,  .  ,  ,  ü  .• 

Wie  gering  ist  der  Schaden  bei  der  erster.  Frau,  die 

3  Wochen  lang  umsonst  in  der  Klinik  auf  eine  Blutung  wartete, 
gegenüber  der  zweiten,  welche  durch  eine  bald  wiederkehrende 
zweite  stärkere  Blutung  alle  Widerstandskraft  verlor. 

Mit  der  Sorge  für  die  Mutter  ist  die  Aufgabe  dci  Gebui  ts- 
hüfe  nicht  erschöpft,  denn  auch  das  Kind  kommt  in  Frage 
und  muss  es  immer  als  ein  Misserfolg  bezeichnet  werden  wenn 
dieses  tot  geboren  wird  oder  an  den  Folgen  der  Gebui  t  stnbt. 
Doch  darf  die  Sorge  für  das  Kind  nicht  so  in  den  Yoideigiund 
gerückt  werden,  dass  die  Mutter  daran  zu  Schaden  kommt  oder 
gar  das  Leben  verliert;  denn  dem  Grundsatz  der  Laien,  wie 
er  seit  hunderten  von  Jahren  gilt  und  wohl  in  weiteren  hundert 
Jahren  ungemindert  gelten  wird,  ,,e  r  s  t  d  i  e  M  u  1 1  e  r,  dann 
das  K  i  n  d“,  schliesse  ich  mich  durchaus  an. 

Die  Rettung  des  Kindes  spielt  bei  den  neuen  Vorschlägen 
der  Behandlung  eine  hervorragende  Rolle  und  waren  wir  in  der 
hiesigen  Klinik  schon  aus  dem  Grunde  bestrebt,  alle  Vorschläge 
zur  Besserung  zu  prüfen,  weil  die  Ergebnisse  für  die  Kinder 
durch  die  kombinierte  Wendung  und  langsame  Extraktion  gegen 
früher  schlechter  geworden  sind.  Von  den  178  Frauen  mit 
Placenta  praevia  stammten  183  Kinder,  von  denen  3  in  Wegfall 
kommen  weil  die  Mütter  unentbumden  staiben  und,  aus  dei 
Differenz  zu  schliessen,  5  Zwillinge  geboren  wurden.  Von  den 
180  Kindern  kamen  79  lebend,  101  tot  zur  Welt  so  dass  sich  die 
primäre  Sterblichkeit  der  Geburt  selbst  auf  56,8  Proz.  stellt. 
Von  den  lebend  Geborenen  starben  jedoch  in  den  ersten  8  I  agen 
nochmals  24,  so  dass  von  allen  nur  55  lebend  die  Klinik  ver¬ 
lassen,  d.  i.  70  Proz.  Mortalität. 

Es  ist  dies,  ohne  Berücksichtigung  der  näheren  Umstände, 
eine  riesige  Sterblichkeit.  Diese  näheren  Umstände  klären  je¬ 
doch  manches  auf.  Zunächst  ist  zu  bemerken,  dass  bei  Pla¬ 
centa  praevia  sehr  viele  Frühgeburten  mit  kleinen,  lebens¬ 
unfähigen  Kindern  Vorkommen  und  wenn  wir  einmal  aus¬ 
einanderhalten,  wie  sich  die  spätere  Sterblichkeit  verhält  bei 
Kindern  über  und  unter  2500  g  Gewicht,  so  kommen  die 
obigen  Zahlen  in  ein  anderes  Licht.  Es  wurden 


Lebend  geboren 

Tot  geboren 

Lebend  entlassen 

Im  Jahre 

unter 

über 

unter 

über 

unter 

über 

2500  g 

2500  g 

2500  g 

1899 

4 

4 

6 

10 

. 

4 

1900 

5 

5 

3 

8 

n  2 

5 

1901 

l 

4 

3 

■  9 

1 

4 

1902 

1 

3 

4 

6 

.  0 

1 

1903 

5 

6 

8 

7 

0 

3 

1904 

6 

5 

11 

14 

i 

5 

1905 

5 

10 

3 

3 

2 

10 

1906 

6 

8 

5 

2 

2 

7 

Summa  der 
8  Jahre 

33 

45 

43 

59 

8 

39 

Die  Sterblichkeitsziffer  ist  ganz  wesentlich  beeinflusst 
durch  die  nachträglichen  Todesfälle  der  lebensunfähigen  Früh¬ 
geburten,  indem  von  33  Kindern  unter  2500  g  Gewicht  nicht 
weniger  als  24,  d.  i.  72,7  Proz.  post  partum  starben,  während 
die  Kinder  über  2500  g  Gewicht  nur  zu  13,3  Proz.  nachträglich 
untergingen.  Es  sind  diese  Zahlen  deswegen  von  Bedeutung, 
weil  sie  uns  lehren,  dass  es  ganz  aussichtslos  und  widersinnig 
wäre,  bei  Frühgeburten  um  des  Kindes  willen 
einen  gewagten  Eingriff  zu  Ungunsten  der 
Mutter  zu  unternehmen,  da  man  das  Schicksal  dieser 
Kinder  doch  -nicht  verbessern  könnte,  sondern  dass  es  allein 
richtig  sein  kann,  in  allen  Fällen  von  unreifen, 
klein  en  Kindern  ausschliesslich  das  Wohl  der 
Mutter  zu  berücksichtigen. 


Die  Operationen  wurden  in  der  Regel  von  den  Assistenten 
nach  den  Grundsätzen,  die  jetzt  in  Deutschland  allgemein  an¬ 
genommen  sind,  ausgeführt.  Vom  Jahre  1900  an  wurde  mög¬ 
lichst  bald  ein  Metreurynter  gelegt  und  wenn  der  Muttermund 
die  Extraktion  noch  nicht  gestattete,  Gewichte  angehängt  un 
bis  zum  Durchschneiden  des  Steisses  nicht  gezogen.  Natürlich 
ist  dabei  dem  Temperament  des  einzelnen  Assistenten  ein 
grosser  Spielraum  eingeräumt  und  es  ist  interessant,  dass  die 
Mortalitätsziffern  der  Kinder  in  den  verschiedenen  Jahren 
bemerkenswerte  Unterschiede  zeigen.  In  den  Jahren  1905/06 
ist  eine  aktivere  Behandlung  geübt  woiden,  indem  bäldei 
extrahiert  und  eigentlich  nach  d  ei  Wendung 
das  Kind  nicht  mehr  losgelassen,  aber  immer 
nur  ganz-langsam  angezogen  wurde.  Der  Unter¬ 
schied  zu  Gunsten  der  grösseren  Kinder  ist  augenscheinlich. 
Aber  wo  Licht  ist,  fehlt  auch  der  Schatten  nicht;  denn  es  er¬ 
eignete  sich  gerade  zu  dieser  Zeit  der  oben  erwähnte  Zervix- 
riss  mit  schwerer  Blutung  von  1600  g,  dem  die  Mutter  eilag, 
wenn  auch  hinzugefügt  werden  muss,  dass  es  eine  durch  voi- 
ausgehende  Blutung  geschwächte  Frau  war. 

Die  kritische  Beleuchtung  der  Ergebnisse  läutert  immer  die 
Grundsätze  der  Behandlung.  Da  es  als  sicher  gelten  kann,  un 
durch  unsere  Erfahrungen  belegt  wird,  dass  man  durch  eine  ak¬ 
tivere  Behandlung,  welche  immer  noch  durch  grosse  Vorsicht 
die  gefährlichen  Mutterhalsrisse  umgeht,  zu  Gunsten  der  Kmder 
mehr  tun  kann,  so  gilt  es  alle  Aufmerksamkeit  darauf  zu 
wenden,  diese  Risse  zu  vermeiden. 

Sie  entstehen  in  der  Regel  nur  beim  Durchziehen 
des  Kopfes  und  nur  da,  wo  der  äussere  Muttermund  sich 
straff  um  den  Hals  des  Kindes  legt,  und  mit  demselben  so  weit 
heruntergezogen  wird,  dass  er  unter  der  Symphyse  ohne  Spe¬ 
kula  sichtbar  wird.  Die  Umschnürung  ist  vorübergehend  und 
wenn  man  wartet,  so  kommt  bald  ein  Nachlass  dei  selben  und 
die  Retraktion  des  schnürenden  Saumes.  Beim  Warten  wird 
'es  keine  tiefen,  nachher  stark  blutenden  Halsrisse  geben.  Wer 
also  da  sich  noch  besinnt,  wird  der  Mutter  eine  grosse  Lebens¬ 
gefahr  ersparen. 

Warten  aber  ist  durch  die  Rücksicht  auf  das  Kind  misslich; 
denn  dieses  befindet  sich  während  dieser  Zeit  in  der  Gefahr  des 
Erstickungstodes.  Wenn  es  gelingt,  in  dieser  Lage  dem 
Kind  Luft  zuzuführen,  wird  jede  Einrede  und  jedes  Bedenken 
beseitigt.  Und  dies  ist  möglich,  indem  man  fast  immer  mit 
den  Fingern  einen  K  a  n  a  1  bis  zum  Mund  des 
Kindes  f  r  e  i  h  a  1 1  e  n  kann,  durch  den  esbei  den 
vorzeitigen  Atembewegungen  Luft  in  s  e ;  l  n  e 
Lungen  saugt.  Es  ist  aber  auch  in  jedem  solchen  Falle 
möglich,  einen  grösseren  Katheter  in  den  Mun^ 
des  Kindes  zu  führen,  der  es  vor  dem  Erstickungstod 
bewahrt  und  im  Interesse  der  Mutter  zuzuwarten  eilaubt. 

Diese  Methode,  von  der  ich  persönlich  oft  Gebrauch 
machte  und  die  ich  seit  vielen  Jahren  regelmässig  lehre  ), 
ändert  an  den  Grundsätzen  nichts  und  ist  bedingungslos  zu 
empfehlen.  Auch  Einkerbungen  in  den  schnürenden  Ring,  die, 
in  der  Sagittalebene  ausgeführt,  keine  Blutung  verschulden 
können,  sind  schon  vorgeschlagen  worden  und  an  sich  geeignet, 
zu  nützen,  wenn  das  Messer  dazu  bereit  gehalten  w  ird. 

Von  dem  Einlegen  der  Metreurynterblasen  haben  wir 
weder  in  Bezug  auf  sichere  Blutstillung,  noch  auf  rasche •  Ei¬ 
weiterung  des  Muttermundes  einen  Nutzen  gesehen  und  mochte 
ich  statt  weiterer  Ausführungen  auf  die  einzelnen  von  O.  Beck¬ 
mann  (1.  c.‘  S.  18)  geschilderten  Misserfolge  hinweisen. 
Sicher  sind  die  Gummiblasen  ganz  untauglich  bei  der  Placenta 
praevia  centralis. 

Natürlich  macht  es  viel  aus,  ob  es  sich  um  Placenta  prae¬ 
via  marginalis,  lateralis  oder  centralis  handelt,  weswegen  es 
nicht  verwunderlich  erscheinen  kann,  dass  aut  alle  Blasen¬ 
sprengungen  nur  ein  einziges  Kind  tot  kam;  aber  diese  Behand¬ 
lung  war  unter  den  178  Fällen  nur  10  mal  ausreichend.  Es  ist 
leicht,  den  künstlichen  Blasensprung  als  ein  ausgezeichnetes 
Mittel  zu  preisen,  wenn  man  nie  hinzuzusetzen  versäumt,  dass 
die  Möglichkeit  dazu  nur  verhältnismässig  selten  gegeben  ist. 


8)  Es  ist  das  Verfahren  mit  der  Hand  auch  von  R  ü  h  1  empfohlen. 
Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1907,  S.  958. 


1* 


2364 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Bei  der  bald  ausgeführten  kombinierten  Wendung  ist  die 
Unterscheidung  in  PI.  marginalis  und  centralis  nicht  mehr  so 
streng  durchzuführen  wie  früher,  wo  man  durch  die  Kolpeuryse 
eine  grössere  Erweiterung  des  Muttermundes  abwartete. 
Darum  hat  diese  Einteilung  nur  noch  einen  bedingten  Wert. 
Selbstverständlich  ist  die  PI.  pr.  centralis  immer  für  Mutter  und 
Kind  gefährlicher,  insbesondere  dann,  wenn  man  zum  Zwecke 
der  Wendung  die  Nachgeburt  durchbohren  muss.  Es  ist  kein 
Wunder,  wenn  in  solchen  Fällen  die  Kinder  immer  tot  kommen. 
Dagegen  kann  ich  von  selbst  ausgeführten  Operationen  in 
grösserer  Zahl  berichten,  bei  denen  ich  durch  Ablösen  des 
Plazentarlappens  nach  vorn  und  Umgehen  der  Nachgeburt  die 
Wendung  ausführen  und  dem  Kind  das  Leben  erhalten  konnte. 
Es  ist  zuzugeben,  dass,  wenn  die  Placenta  praevia  gerade  an 
der  Vorderwand  der  Gebärmutter  weit  hinaufreicht,  dies  unaus¬ 
führbar  und  die  Durchbohrung  nicht  zu  umgehen  ist;  aber  ich 
sehe  keinen  Grund  ein,  nicht  in  jedem  entsprechenden  Fall  den 
Versuch  zu  machen;  denn  wenn  man  den  Lappen  nicht  um¬ 
gehen  kann,  ist  es  immer  noch  Zeit  ihn  zu  durchbohren. 

Wir  haben  noch  zwei  Verfahren  zu  erwähnen,  obschon  wir 
dieselben  absichtlich  nie  anwendeten,  nämlich  den  vagi¬ 
nalen  und  den  abdominalen  Kaiserschnitt,  weil 
diese  Operationen  in  den  letzten  Jahren  von  verschiedenen 
Seiten  und  Ländern  in  Vorschlag  kamen.  Wenn  wir  mit  dem 
letzteren  Verfahren  beginnen,  das  von  Bermays9), 
Mattoli10)  und  Caruso11)  empfohlen  wurde  und  an 
unseren  Beobachtungen  die  Frage  prüfen,  ob  der  abdominale 
Kaiserschnitt  ein  einziges  Mal  den  Tod  einer  Mutter  hätte  ab¬ 
wenden  können,  so  kommen  wir  zu  dem  Schlüsse:  „nie“.  Alle, 
die  starben,  waren,  als  sie  in  die  Anstalt  eingeliefert  wurden, 
nicht  mehr  imstande,  den  kleinsten  Eingriff  auszuhalten.  Es 
wäre  undenkbar  gewesen,  eine  derselben  zu  narkotisieren, 
undenkbar,  eine  derselben  ohne  Betäubung  zu  schneiden,  weil 
der  Schmerz  den  sofortigen  Verfall  nach  sich  gezogen  hätte 
und  für  die  Kinder  wäre  diese  Entbindungsart  zwar  in  einzelnen 
Fällen  ein  Mittel  gewesen,  sie  noch  zu  retten,  ehe  die  Mütter 
den  letzten  Atem  aushauchten,  so  gleichsam  als  Sectio  caesarea 
in  moritura,  aber  nur  auf  Kosten  der  Mütter.  Natürlich  würde 
diese  Operation  für  die  Kinder  günstiger  werden,  wenn  sie 
nicht  in  der  äussersten  Not  erst  ausgeführt  würde.  Aber  es  ist 
in  diesen  Fällen  mit  dem  frühen  Eingriff  doch  ein  bedeutend 
höherer  Einsatz  an  Gefahr  für  die  Mutter  verbunden.  Wir 
dürfen  nicht  vergessen,  dass  der  Kaiserschnitt  in  der  all¬ 
gemeinen  Statistik  12  Proz.,  die  der  Placenta  praevia  bei  nicht 
vernachlässigten  Fällen  2  Proz.  beträgt.  Für  die  Kinder  würde 
diese  Entbindungsart  sicher  bessere  Ergebnisse  bringen  und  da 
sie  für  die  Mütter,  solange  diese  nicht  durch  schwere  Blutungen 
geschwächt  sind,  keine  grosse  Gefahr  bedeuten  würde,  scheint 
es  logisch,  dass  auch  bei  der  Placenta  praevia  der  abdominale 
Kaiserschnitt  in  Zukunft  eine  Rolle  spielen  könne,  weil  er  bei 
dem  engen  Becken  zu  demselben  Zwecke  als  durchaus  gerecht¬ 
fertigt  anerkannt  ist. 

Die  Bedenken  gegen  die  Verbreitung  des  abdominalen 
Kaiserschnittes  gründen  sich  wesentlich  auf  die  verschiedene 
Lebensaussicht  für  die  Kinder  bei  dem  engen  Becken  und  bei 
der  Placenta  praevia. 

Wir  haben  für  diese  letztere  Krankheit  oben  eine  all¬ 
gemeine  Sterblichkeit  der  Kinder  von  56,8  Proz.  berechnet. 
Würden  wir  nur  die  grossen  Kinder  berücksichtigen,  bei  denen 
verständiger  Weise  allein  der  Kaiserschnitt  in  Frage  kommen 
könnte,  so  wäre  die  Lebensaussicht  der  Kinder  bei  Placenta 
praevia  beträchtlich  besser.  Bei  dem  engen  Becken  dagegen 
wird  der  Kaiserschnitt  nur  dann  ausgeführt,  wenn  das  Kind 

auf  natürlichem  Wege  überhaupt  nicht  lebend 

zur  Welt  kommen  kann.  Das  ist  der  erste  und  ein  sehr  be¬ 
achtenswerter  Unterschied.  Der  zweite  ist  die  Sterblichkeit 
der  Mütter.  Sie  ist  bei  den  nicht  vernachlässigten  Fällen  von 
Placenta  praevia  sehr  günstig  und  beziffert  sich  aus  unseren 
178  —  nach  Ausschluss  der  vollständig  vernachlässigten  aus¬ 
gebluteten  Frauen  mit  3  Sterbefällen  —  auf  1,7  Proz. 

Wir  fassen  unser  Urteil  über  den  Vorschlag,  den  ab¬ 
dominalen  Kaiserschnitt  bei  der  Placenta  praevia  anzuwenden, 

a)  Journ.  of  the  American  med.  Assoc.  1894, 

“)  Arch.  ital.  dl  ost.  e  gin,  1899,  4. 

Ebenda,  Juli  1900. 


dahin  zusammen,  dass  er  die  ausgebluteten  Frauen  nicht  zu 
retten  vermöchte,  in  den  anderen  Fällen  aber  nicht  nötig  ist, 
weil  man  für  die  Mütter  auf  anderem  Wege  bessere  Ergeb¬ 
nisse  erreichen  kann  als  durch  ihn.  Den  Vorteil  für  die  Kinder 
so  sehr  in  den  Vordergrund  zu  stellen,  dass  die  Mutter  oft 
das  Leben  des  Kindes  mit  ihrem  eigenen  bezahlen  müsste,  ent¬ 
spräche  nicht  unserer  Auffassung. 

Der  vaginale  Kaiserschnitt  würde  den  grossen  Vorteil 
bieten,  weniger  Gefahr  für  die  Mütter  in  sich  zu  schliessen  als 
der  abdominale,  wenigstens  unter  der  Voraussetzung,  dass  der 
Schnitt  bis  zum  inneren  Muttermund  ausreicht,  um  das  Kind 
ohne  ein  Weiterreissen  durchzulassen.  Aber  die  Technik  dieser  ' 
Operation  ist  viel  zu  schwer  für  das  Privathaus  und  die  Ge¬ 
fahr  des  Weiterreissens  zu  gross,  als  dass  sie  gerade  für  diese 
zur  Blutung  tendierende  Krankheit  empfohlen  werden  könnte. 
Die  Frage,  ob  auch  nur  eine  der  in  unserer  Klinik  gestorbenen 
Frauen  durch  den  vaginalen  Kaiserschnitt  hätte  gerettet  werden 
können,  muss  ich  mit  denselben  Worten,  die  oben  für  die 
abdominale  Sectio  caesarea  gebraucht  wurden,  verneinen. 

Zusammengefasst  lauten  die  Hauptgrundzüge  der 
Behandlung: 

1.  Jede  stärkere  Blutung  in  der  zweiten  Hälfte  der 
Schwangerschaft,  die  den  Verdacht  auf  Placenta  praevia  er¬ 
weckt,  soll  wegen  der  riesigen  Gefahr  so  behandelt  werden, 
dass  eine  zweite  Blutung  nicht  etwa  der  Mutter  das  Leben 
kosten  kann.  Es  ist  dies  zu  erreichen,  indem  man  die 
Frau  für  einige  Zeit,  jedenfalls  eine  Woche 
lang,  tamponiert  hält,  falls  nicht  früher  die  Geburt 
eintritt. 

Zu  einer  so  lange  fortgesetzten  Tamponade  ist  der  Kol- 
peurynter  unersetzlich.  Es  ergibt  aber  die  Umständlichkeit 
dieser  vorbeugenden  Behandlung,  die  im  Privathause  schwer 
durchzuführen  ist,  dass  es  sich  empfiehlt,  wo  möglich  die  Kranke 
in  Anstaltsbehandlung  zu  übergeben. 

2.  Die  Kolpeurynter  lassen  sich  auf  Jahre  hinaus  dicht  er¬ 
halten,  wenn  man  sie  in  Oel  oder  Glyzerin  aufbewahrt. 

3.  Zur  Ausstopfung  muss  man  immer  „keimfreies 
Material“  benützen.  Hat  man  keinen  Kolpeurynter  zur 
Hand  und  ist  die  Watte  oder  Gaze  nicht  zuverlässig  keimfrei, 
so  kann  man  sie  durch  Kochen  in  Wasser,  dem  auf  den  Liter 
9  g  Kochsalz  und  ein  Esslöffel  voll  starken  Essigs  zugesetzt  sind, 
keimfrei  und  „styptisch“  machen.  Selbstverständlich  ist  dies 
nur  eine  Aushilfe  in  der  Not. 

4.  Für  die  Behandlung  der  Geburt  ist  wohl  die  Blasen¬ 
sprengung  ein  sicheres  und  wegen  ihrer  Leichtigkeit  das  emp¬ 
fehlenswerteste  Verfahren;  es  kann  jedoch  nur  ausreichen,  wo 
die  Blase  sich  vorwölbt  und  das  ist  bei  Placenta  praevia  selten 
der  Fall. 

5.  In  der  Regel  wird  die  Blutung  am  sichersten  und  bei 
bester  Wahrung  der  Asepsis  gestillt  durch  eine  möglichst  bald 
ausgeführte  Wendung,  bei  mangelhaft  eröffnetem 
Muttermund  durch  die  kombinierte  Wendung 
nach  Braxton  Hicks. 

6.  Die  Extraktion  soll  wegen  der  Gefahr  der  Mutterhals¬ 
risse  nicht  angeschlossen  werden,  wenn  der  Muttermund  nicht 
vollständig  oder  nahezu  ganz  eröffnet  ist. 

7.  Allerdings  bringt  dieses  Warten  die  Kinder  mehr  in  Ge¬ 
fahr,  und  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  eine  Beschleunigung  der  Ex¬ 
traktion  gelegentlich  zu  Gunsten  des  Kindes  erwünscht  wäre. 
Wo  ein  Einreissen  des  Muttermundes  nicht  zu  fürchten  ist,  darf 
man  je  nach  Lage  des  Falles  aktiver  Vorgehen,  und  weil  d  i  e 
Einrisse  nur  beim  Durchziehen  des  Kopfes 
entstehen,  ist  es  immer  noch  möglich,  durch  Warten  jn 
diesem  Stadium  der  Geburt  den  Riss  zu  verhüten  und  doch 
das  Kind  vor  dem  Ersticken  zu  bewahren,  wenn  man  seine 
Finger  so  hält,  dass  das  Kind  beim  Atemholen  Luft  in  seine 
Lungen  saugen  kann  oder  wenn  man  einen  Katheter  in  den 
Mund  einführt.  Auch  ohne  ein  Anziehen  und  ohne  die  Gefahr 
eines  Einreissens  zieht  sich  der  Muttermund  nach  einigen 
Minuten  über  den  Kopf  zurück. 

8.  Bei  Placenta  praevia  centralis  soll  man  zunächst  ver¬ 
suchen,  ob  man  mit  den  zwei  Fingern,  die  zur  kombinierten 
Wendung  eingeführt  werden,  nicht  vorn  über  der  Symphyse 
um  den  vorliegenden  Lappen  der  Placenta  herumgelangen 
könne,  weil  dies  dem  Kind  weniger  schadet,  als  das  Durch- 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2365 


bohren  der  Nachgeburt.  Falls  das  Umgehen  nicht  gelingt,  kann 
der  Geburtshelfer  jeder  Zeit  auf  die  Durchbohrung  zurcük- 
kommen  wobei  allerdings  kaum  noch  ein  Kind  am  Leben  bleibt. 
Dann  ist  es  nachher  auch  zwecklos,  die  Extraktion  eines 
solchen  Kindes  beschleunigen  zu  wollen. 

9.  Da  es  sich  bei  der  Placenta  praevia  sehr  oft  um  Früh¬ 
geburten  handelt,  soll  man  bei  diesen  keine  aktive  Behandlung 
einschlagen,  weil  dieselbe  doch  wenig  Aussicht  bietet,  das 
kleine  Kind  am  Leben  zu  erhalten  und  immer  für  die  Mutter 

gefährlicher  ist.  ,.  , 

10.  Gegenüber  einigen  neueren  \orschlagen,  die  Placenta 
praevia  mit  dem  abdominalen  oder  dem  vaginalen  Kaiserschnitt 
zu  behandeln,  verhalten  wir  uns  ablehnend.  Keine  der  bei  uns 
Gestorbenen  hätte  durch  eines  dieser  Verfahren  gerettet  werden 
können.  Dagegen  würde  sicher  bei  deren  Anwendung  die 
Sterblichkeit  eher  grösser  geworden  sein. 


Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Jena. 

Ueber  die  Blinddarmentzündung  der  Kinder.*) 

Von  Professor  Riedel. 

Die  Behandlung  der  Appendizitis  ist  eine  fertige  Sache; 
wer  Blinddarmentzündung  bekommt  und  selbst  disponieren 
kann,  soll  sich  sofort,  am  besten  im  Laufe  der  ersten  6  bis 
12  Stunden  operieren  lassen,  dann  kommt  er  überhaupt  nicht 
in  Gefahr;  nur  ganz  ausnahmsweise  tritt  die  Perforation  der 
Appendix  ohne  jegliche  Vorboten  ein;  ich  gebe  aber  zu,  dass 
diese  Vorboten  so  leicht  sein  können,  dass  selbst  der  ener¬ 
gischste  Kranke  sich  nicht  vor  dem  Durchbruche  operieren 
lassen,  kein  Arzt  zur  Operation  raten  wird.  Zwei  meiner 
Kranken  bekamen  Perforation  ihrer  Appendix,  nachdem  sie, 
ohne  zu  fiebern,  nur  wenige  Stunden  leichte  Leibschmerzen 
gehabt  hatten,  ein  dritter  erlebte  sie  im  Theater,  ein  vierter 
hatte  sich  einige  Tage  etwas  unwohl  gefühlt,  zahlreiche  Nord¬ 
häuser  getrunken,  focht  vormittags  Säbel,  ass  gut  zu  Mittag, 
schlief  X  Stunde  und  erwachte  durch  einen  fanatischen 
Schmerz  im  Leibe  infolge  der  Perforation  seiner  Appendix  in 
die  freie  Bauchhöhle.  Nun,  diese  4  Fälle  sind  Ausnahmefälle, 
für  gewöhnlich  geht  doch  ein  intensiver  Schmerz  der  Perfo¬ 
ration  vorher,  sodass  der  Kranke  rechtzeitig  auf  die  ihm 
drohende  Gefahr  aufmerksam  gemacht  wird.  Erwachsene 
dispositionsfähige  Kranke  können  sich  derselben  also  fast 
immer  entziehen;  ihnen  zu  Liebe  brauchte  kein  Wort  mehr  über 
die  Behandlung  der  Appendizitis  gesprochen  zu  werden. 

In  ganz  anderer  Lage  sind  diejenigen  Kranken,  die  nicht 
selbst  entscheiden  können,  das  sind  die  Kinder;  ihr  Wohl  und 
Wehe  hängt  von  der  Aufmerksamkeit  der  Eltern  resp.  des 
Pflegepersonals  ab,  und  dass  diese  heute  noch  vollständig  unge¬ 
nügend  ist,  das  lehrt  ein  Blick  in  meine  Statistik;  es  besteht 
ein  kardinaler  Unterschied  in  der  Sterblichkeit  von  Kindern  und 
Erwachsenen  nach  der  Appendizitisoperation;  das  Mitleid  mit 
den  unglücklichen  Kindern  veranlasst  mich,  nochmals  in  der 
Appendizitisfrage  das  Wort  zu  ergreifen;  hier  muss  unbedingt 
Wandel  geschaffen  werden. 

Zunächst  die  Statistik.  ,,La  statistique  est  le  mensonge 
en  chiffres.“  Dieser  viel  zitierte  Satz  ist  durchaus  zutreffend. 
Man  muss  immer  wissen,  nach  welchen  Grundsätzen  eine 
Statistik  aufgestellt  ist,  sonst  hat  sie  keinen  Wert.  Relativ 
wenig  Wert  hat  eine  Statistik  aus  einer  medizinischen  Ab¬ 
teilung,  weil  von  jeher  die  schlimmen,  prognostisch  ungünstigen 
Fälle  dem  Chirurgen  zugingen  und  weil  man  nie  wissen  kann, 
ob  die  als  geheilt  entlassenen  Fälle  wirklich  dauernd  geheilt 
bleiben;  ich  denke,  dass  wenigstens  die  Hälfte  der  als  geheilt 
entlassenen  Rezidiv  bekommt  und  dann  in  grosse  Gefahr  gerät. 
Etwas  besser,  aber  auch  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  ver¬ 
wenden  sind  Sammelstatistiken  praktischer  Aerzte;  der  eine 
ist  ein  scharfer  Diagnostiker,  der  andere  ein  mangelhafter;  jener 
stellt  die  Diagnose  auf  Appendizitis,  auch  wenn  unklare  Er¬ 
scheinungen  bestehen,  dieser  diagnostiziert  nur  die  typischen 
Fälle  mit  dem  „Exsudate“  oberhalb  des  Lig.  Poup.,  alles  andere 
ist  „Ileus“  oder  Peritonitis  aus  unklaren  Gründen.  Da  ich  selbst 


*)  Vortrag,  bestimmt  für  die  Naturforscherversammlung  in  Dres¬ 
den,  aber  nicht  gehalten.  Material  fortgeführt  bis  zum  30.  September 
1907. 


einmal  eine  Sammelstatistik1)  durch  praktische  Aerzte  einge¬ 
leitet  habe,  so  kenne  ich  die  gewaltigen  Differenzen  in  der  dia¬ 
gnostischen  Kraft  der  Aerzte  auf  diesem  Gebiete.  Am  interes¬ 
santesten  waren  mir  zwei  ältere  Sanitätsräte;  der  eine,  in  einer 
grossen  Stadt  tätig,  als  Autorität  auf  dem  Gebiete  der  inneren 
Medizin  geltend  erklärte  mir,  dass  er  noch  nie  einen  Kranken 
habe  an  Appendizitis  sterben  sehen,  der  andere  in  einem  klei¬ 
neren  Orte  praktizierende  lieferte  mir  eine  Liste  von  75  Fällen, 
von  denen  25  bei  konservativer  Behandlung  zu  Grunde  ge¬ 
gangen  waren.  Hätte  der  erste  alle  diejenigen  Kranken  sezieren 
lassen,  die  ihm  an  Peritonitis  oder  Ileus  gestorben  waren, 
so  wäre  er  zu  anderen  Anschauungen  gekommen.  In  der 
Privatpraxis  fehlen  die  Sektionen,  das  ist  der  hauptsäch¬ 
lichste  Einwurf,  den  man  gegen  diese  Sammelstatistiken  machen 
muss;  zahlreiche  atypisch  verlaufende  Fälle  von  Appendizitis 
werden  nicht  erkannt,  umgekehrt  die  von  den  weiblichen  Geni¬ 
talien  ausgehenden  Peritonitiden  ev.  als  Folgen  der  Appen¬ 
dizitis  gedeutet.  Immerhin  haben  Statistiken  der  Aerzte  inso¬ 
fern  einen  Wert,  als  sie  über  den  Endausgang  wenigstens  der 
typischen  Fälle  ein  ziemlich  sicheres  Urteil  erlauben  —  14  Proz. 
Mortalität  lieferte  meine  Sammelstatistik  über  1000  Fälle  —  so¬ 
dann,  weil  sie  die  Zahl  der  Rezidive  einigermassen  kennen 
lehren,  leider  auch  nicht  in  vollem  Umfange,  weil  nur  die 
wenigsten  Kranken  Jahr  und  Tag  hindurch  von  den  Aerzten 
verfolgt  werden  können. 

Zuverlässig  sind  also  die  Sammelstatistiken  der  Aerzte  in  keiner 
Weise,  aber  sie  tun  wenigstens  keinen  Schaden,  weil  es  sich  um  Zu¬ 
sammenstellung  abgelaufener  Fälle  handelt.  Erfolglos  und  schädlich 
zugleich  wird  die  jetzt  in  Szene  gesetzte  Sammelforschung  der  Ber¬ 
liner  Aerzte  sein.  Um  herauszubringen,  ob  operative  oder  kon¬ 
servative  Behandlung  bessere  Resultate  gibt,  muss  doch  ab  g  e¬ 
wartet  werden,  und  dieses  Abwarten  wird  zahllose  Kranke  ins 
Qrab  werfen,  weil  sie  zu  spät  zur  Operation  eingeliefert  werden, 
deshalb  ist  diese  Sammelforschung  so  ausserordentlich  schädlich. 
Sodann  wind  sie  erfolglos  sein  resp.  sie  wird  falsche  Resultate  er¬ 
geben,  weil  von  den  zu  spät  Operierten  sehr  viele  sterben  werden, 
die  bei  rechtzeitiger  Operation  hätten  gerettet  werden  können;  da 
ihr  Tod  aber  doch  der  Operation  zur  Last  gelegt  wird,  so  wird  das 
Endresultat  der  Forschung  wohl  das  sein,  dass  bei  fortgesetzter  kon¬ 
servativer  Behandlung  die  Endresultate  besser  sind,  als  bei  opera¬ 
tiver,  es  wird  also  ein  völlig  falscher  Schluss  gezogen  werden,  denn 
die  bei  fortgesetzter  konservativer  Behandlung  mit  dem  Leben  da¬ 
vonkommenden  Kranken  sind  eben  die  leichteren  Fälle,  die  schliess¬ 
lich  der  Operation  anheimfallenden  die  schwereren,  und  diese  gehen 
vielfach  deshalb  zugrunde,  weil  sie  zu  spät  operiert  werden. 

Zuverlässig  sind  lediglich  Statistiken  aus  chirurgischen 
Kliniken,  aber  auch  nur  dann,  wenn  alle  nicht  operierten 
Kranken  mitgezählt  und  sämtliche  Gestorbene  seziert  werden. 
Der  eine  Chirurg  operiert  nur  unter  relativ  günstigen  Verhält¬ 
nissen,  der  andere  versucht  dem  Tode  noch  sein  Opfer  zu  ent- 
reissen,  wenn  der  Fall  schon  sehr  bedenklich  aussieht.  Ich  habe 
immer  geglaubt,  es  sei  Aufgabe  des  Chirurgen,  bei  benignen 
Leiden  zu  operieren,  wenn  auch  nur  noch  ein  leiser  Schimmer 
von  Hoffnung  besteht,  den  Kranken  zu  retten.  Dement¬ 
sprechend  sind  hier  sämtliche  Kranke,  die  zur  Aufnahme  kamen, 
operiert  worden  mit  Ausnahme  von  4,  weil  dieselben  fast 
moribund  aufgenommen  wurden  und  auch  alsbald  d.  h.  nach 
wenigen  Stunden  starben.  Nicht  operiert  sind  ferner  4  Kranke, 
die  ich  auswärts  sah,  sie  waren  gleichfalls  dicht  vor  dem  Exitus; 
andere  auswärts  gesehene  sind  noch  operiert  worden,  meist 
schlechte,  zum  Teil  auch  gute  Fälle;  sie  sind  in  meine  Statistik 
aufgenommen. 

Alle  akut  erkrankten  sind  gleich  nach  Sicht  operiert  worden, 
gleichgülitg  ob  sie  bei  J  ag  oder  bei  Nacht  der  Klinik  zugingen. 
In  welchem  Stadium  der  Krankheit  Patient  auch  kommt,  ich 
halte  jedes  Abwarten  für  schädlich;  der  Eiter  muss  so  bald  als 
möglich  entfernt  werden,  das  ist  die  Hauptsache;  ob  dabei 
gleichzeitig  die  Appendix  entfernt  werden  kann,  das  hängt  von 
den  lokalen  Verhältnissen  ab;  ist  der  Abszess  gross,  die 
Appendix  nicht  sofort  sichtbar,  so  lasse  ich  sie  stecken,  ent¬ 
ferne  sie  später,  wenn  die  Wunde  fast  oder  ganz  geheilt  ist,  und 
zwar  in  jedem  Falle;  präsentiert  sich  die  Appendix  deutlich 
in  der  Wand  des  Abszesses,  so  wird  sie  natürlich  sofort  ex- 

stirpiert.  .  „  .  ,  . , 

Weil  jeder  akut  erkrankte  Patient,  wenn  er  noch  F  uls  hatte, 
sofort  operiert  ist,  stecken  in  meiner  Operationsliste  selbst- 


V  Berl,  klin.  Wochenschr.  1899,  No.  33. 


2366 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


verständlich  viele  ungünstige  Fälle,  die  an  anderen  Orten  viel¬ 
leicht  nicht  mehr  operiert  wären,  dort  also  in  den  Operations¬ 
listen  fehlen;  dieser  Umstand  verschlechtert  also  meine  Statistik 
in  ganz  erheblicher  Weise. 

Umgekehrt  wird  sie  auch  durch  den  gleichen  Umstand, 
durch  das  sofortige  Operieren  verbessert;  ich  habe  auch 
manche  relativ  leichte  Fälle  operiert,  weil  sie  unter  hohem 
Fieber  zu  stürmische  Erscheinungen  boten,  Individuen,  die 
lediglich  Springwürmer,  feste  Kotpartikel  usw.  in  der  Appendix 
hatten;  sie  wären  vielleicht  an  anderen  Orten  nicht  operiert 
worden.  Endlich  sind  viele  Kranke  intermediär  mit  leichtesten 
Symptomen,  nur  mit  Klagen  über  Schmerzen  oberhalb  des 
P  o  u  p  a  r  t  sehen  Bandes  operiert  worden,  Individuen  mit  Kot¬ 
steinen  (30)  und  anderen  Fremkörpern,  die  noch  keine  akuten 
Entzündungen  hervorgerufen  hatten.  Kranke  mit  Strikturen. 
Stenosen,  Obliterationen  etc.  etc.  Zirka  15  Proz.  meiner  Ope¬ 
rierten  waren  derartige  leichte  Fälle;  sie  dienen  wesentlich  zur 
Verbesserung  meiner  Statistik,  weil  die  Exstirpation  einer 
nicht  entzündeten  Appendix,  die  Appendikotomie  als  solche,  ja 
ein  absolut  gefahrloser  Eingriff  ist,  wenn  die  Basis- der  Appendix 
richtig  eingespült  und  mit  2  Reihen  von  Seiden-,  sodann  mit 
Katgutnähten  versorgt  wird.  Da  aber  in  allen  Statistiken  leichte 
und  schwere  Fälle  mit  verrechnet  werden,  so  kann  ich  meine 
leichten  230 — 40  Fälle  aus  meiner  Statistik  nicht  herauslassen, 
zumal  letztere  durch  die  schweren  resp.  sehr  schweren  er¬ 
heblich  belastet  ist. 

In  Jena  werden  96  Proz.  der  Gestorbenen  seziert,  gleich¬ 
gültig  ob  sie  daheim  in  ihrer  Behausung  oder  im  Krankenhause 
sterben,  das  Publikum  selbst  verlangt  energisch  die  Obduktion. 
Mit  Ausnahme  von  2  Kranken  sind  alle  seziert,  die  in  der  Klinik 
an  Appendizitis  gestorben  waren.  Diese  hatten  wohl  sicher 
Appendizitis,  desgleichen  die  auswärts  gestorbenen.  Dem  Um¬ 
stande,  dass  hier  fast  alle  Gestorbenen  seziert  werden,  ver¬ 
danke  ich  aber  die  Kenntnis  der  Tatsache,  dass  relativ  häufig 
bei  jüngeren  weiblichen  Individuen  speziell  bei  kleinsten  Mäd¬ 
chen  die  Bauchhöhle  von  den  Genitalien  aus  infiziert  wird,  auch 
ohne  dass  etwa  ein  Missbrauch  mit  denselben  getrieben  wäre.1') 
Nicht  weniger  als  10  kleine  und  grössere  Mädchen  sind  mit  den 
Erscheinungen  der  schwersten  Perforationsperitonitis  anschei¬ 
nend  infolge  von  Appendizitis  in  die  Klinik  eingeliefert  als 
solche  operiert  worden,  und  jedesmal  ergab  die  Obduktion 
entweder  sicher  oder  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  Infektion 
der  Bauchhöhle  auf  dem  Wege  der  weiblichen  Genitalien.  Zwei 
Kranke  hatten  gleichzeitig  Appendizitis  und  Salpingitis,  gingen 
lediglich  an  letzterer  zu  Grunde. 

Alle  diese  Kranken  fehlen  selbstverständlich  in  meiner 
Statistik;  an  Orten,  wo  nicht  systematisch  seziert  wird,  werden 
sie  in  der  Totenliste  der  Appendizitiskranken  stehen,  dieselbe 
im  ungünstigen  Sinne  beeinflussen;  die  meinige  wird  durch 
diese  Fälle  selbstverständlich  entlastet. 

Aus  den  vorstehenden  Ausführungen  ergibt  sich  wohl,  dass 
meine  Statistik  sowohl  nach  der  positiven,  wie  nach  der  nega¬ 
tiven  Seite  hin  eine  vollständig  einwandfreie  ist,  nach  der  posi¬ 
tiven,  weil  alle  Fälie,  die  ich  behandelt  habe,  erwähnt  sind,  nach 
der  negativen,  weil  nicht  auf  Appendizitis  beruhendeBauchfell- 
entziindungen  ausgeschlossen  sind.  Meine  Statistik  bezieht  sich 
auf  1532  Fälle  (955  männlichen,  577  weiblichen  Geschlechtes); 
Tuberkulose  (ca.  20  Fälle)  ist  nicht  berücksichtigt  worden. 

Die  Zusammenstellung  führt  bis  auf  den  Beginn  meiner  selb¬ 
ständigen  chirurgischen  Tätigkeit  im  August  1881  zurück;  damals 
operierte  ich  den  ersten  Kranken,  einen  17  jährigen  Knaben  mit  Kot¬ 
fistel,  entstanden  durch  Totalverlust  der  Appendix;  das  Loch  im 
Zoekum  (Abgangsstelle  der  Appendix)  wurde  vernäht,  der  Darm 
reponiert,  Patient  geheilt.  Ich  ahnte  damals  nicht,  welch  gewaltige 
Entwicklung  die  Appendizitisoperation  nehmen  würde.  Langsam, 
sehr  langsam  ist  die  Operation  ausgebildet  worden;  „die  Appendi¬ 
zitis  ist  kein  Gegenstand  der  Operation,  sie  heilt  von  selbst“,  das 
stand  damals  fest,  höchstens,  dass  ein  perityphlitischer  Abszess  ge¬ 
legentlich  gespalten  werden  muss.  Erst  7  Jahre  später,  am  7.  Okto¬ 
ber  1888  entfernte  ich  zum  ersten  Male  eine  Appendix,  nachdem 
2  Monate  zuvor  ein  Abszess  geöffnet  war;  aber  diese  Appendix  lag 
extraperitoneal.  Abermals  3  Jahre  später,  am  17.  November  1891 
(mein  20ster  Kranker),  exstirpierte  ich  im  Intervall  eine  intraabdomi¬ 
nell  gelegene,  mit  2  Strikturen  versehene  Appendix;  sie  war  nicht 
perforiert;  eine  im  distalen  Ende  perforierte  wurde  erst  am  17.  X.  93, 
eine  kotsteinhaltige  perforierte  am  24.  IX.  95  aus  freier  Bauchhöhle 

2)  Langenbecks  Archiv,  Bd.  81. 


entfernt.  Inzwischen  mehrten  sich  Fälle  mit  schweren  Erschei¬ 
nungen,  bei  denen  zunächst  der  Eiter  entleert,  später  die  Appendix 
entfernt  wurde;  erst  am  28.  IV.  97  gelang  die  eigentliche  Frühopera¬ 
tion;  18  Stunden  nach  Beginn  der  mit  39°  einsetzenden  Attacke 
wurde  die  kotsteinhaltige  perforierte,  mit  der  Spitze  in  einem  kir¬ 
schengrossen,  stinkenden  Abszesse  steckende  Appendix  aus  freier 
Bauchhöhle  entfernt  und  Heilung  erzielt.  Von  da  an  drängte  ich  auf 
früheste  Frühoperation,  doch  hat  es  Jahre  lang  gedauert,  bevor  ich 
mein  Ziel  erreichte;  bis  Ende  1898  wurde  nur  noch  eine  Frühopera¬ 
tion  gemacht,  20  Stunden  nach  Beginn  der  Attacke.  Von  nun  an 
erobert  langsam  die  Frühoperation  das  Terrain,  noch  einmal  zurück¬ 
geworfen  durch  die  bekannte  Berliner  Debatte,  immer  wieder  an¬ 
gegriffen,  aber,  in  Thüringen  wenigstens,  immer  populärer  werdend. 

Diesen  verschiedenen  Stadien  ungefähr  entsprechend,  ist 
das  Material  geordnet  worden;  die  in  den  verschiedenen  Zeit¬ 
abschnitten  erzielten  Resultate  demonstrieren  in  untrüglichster. 
Weise  die  gewaltigen  Fortschritte,  die  im  Laufe  der  Jahre  dank 
den  Aerzten  erzielt  worden  sind.  Betreffs  der  Todesursachen 
ist  zu  bemerken,  dass  die  Gestorbenen  meist  der  Peritonitis  er¬ 
lagen;  manche  sind  lediglich  an  Sepsis  gestorben,  viele  an 
Pneumonie,  drei  gingen  an  Embolien  der  Lungenarterie  von 
Thromben  in  der  linken  Vena  femoralis  aus  zu  Grunde;  alle 
diese  Todesfälle  sind  doch  indirekt  auf  die  Appendizitis  zurück¬ 
zuführen,  müssen  bei  Feststellung  der  Mortalität  mit  verrechnet 
werden. 

3  Kranke  sind  leider  an  den  Folgen  der  Operation  gestorben. 
Der  eine  vor  langen  Jahren  an  einer  Bauchdeckenphlegmone  zu 
einer  Zeit,  als  ich  den  Zickzackschnitt  noch  nicht  machte;  eine  ery¬ 
sipelartige  Entzündung,  wahrscheinlich  durch  ungenügend  desinfi¬ 
ziertes  Sublimatkatgut  hervorgerufen,  kroch  in  die  Tiefe  der  Wunde 
und  von  dort  in  die  Bauchhöhle.  Ein  Kind  hatte  schlecht  geatmet, 
erholte  sich  aber  durch  künstliche  Respiration.  Als  es  anscheinend 
ausser  Gefahr  war,  erfolgte  Transport  per  Trage  nach  der  Kinder¬ 
station;  unterwegs^  sistierte  die  Atmung  abermals  und  war  nicht 
wieder  hervorzurufen.  Im  dritten  Falle  hatte  man  in  meiner  Ab¬ 
wesenheit  eine  Kotfistel  im  Zoekum  vernäht,  sodann  die  Bauch- 
decikenwunde  geschlossen,  statt  zu  tamponieren;  das  Kind  bekam 
akute  Peritonitis.  Selbstverständlich  habe  ich  in  all  den  schwieri¬ 
gen  Fällen,  mit  multiplen  Eiterherden  im  Bauche  usw.,  gewiss  nicht 
immer  den  richtigen  Weg  eingeschlagen,  bald  zu  viel,  bald  zu  wenig 
unternommen,  so  dass  man  hernach  sich  sagen  musste,  ein  anderes 
Verfahren  wäre  besser  gewesen;  ob  es  zum  Ziele  geführt  hätte,  wäre 
ja  auch  fraglich  gewesen. 

Trotz  dieser  vereinzelter  Fehler  ist  der  erzielte  Prozent¬ 
satz  der  Gesamtmortalität  =  8,6  Proz.  wohl  der  beste,  der 
bis  jetzt  erzielt  ist.  Aber  er  würde  sich  unendlich  viel  günstiger 
stellen,  wenn  die  Statistik  nicht  belastet  wäre  mit  all  den  un¬ 
glücklichen  Fällen  der  Spätoperationen  aus  den  ersten  20 
Jahren.  Teilt  man  die  Todesfälle  (133)  in  2  gleiche  Abschnitte, 
so  fällt  die  erste  Hälfte  auf  die  ersten  346  operierten  Kranken 
=:  18  Proz.  Tote,  die  zweite  Hälfte  auf  1 182  Kranke  =  5,3  Proz. 
Tote. 

Instruktiv  ist  der  Vergleich  der  Mortalität  in  den  einzelnen 
Zeitabschnitten;  es  wurden  operiert: 

1.  Vom  August  1881  bis  31.  Dezember  1898  (17  Jahre)  124,  davon 
gestorben  23  =  18,5  Proz. 

2.  Vom  1.  Januar  1899  bis  31.  Dezember  1902  (4  Jahre)  228, 
davon  gestorben  34  =  15  Proz. 

3.  Vom  1.  Januar  1903  bis  31.  Dezember  1905  (3  Jahre)  639, 
davon  gestorben  47  =  7,3  Proz. 

4.  Vom  1.  Januar  1906  bis  30.  September  1907  (21  Monate)  =  541, 
davon  gestorben  29  =  5,3  Proz. 

Wir  sehen  also,  wie  die  Mortalität  dauernd  und  gleich- 
rnässig  sinkt.  Bleibt  der  Zugang  weiterhin  der  gleiche  —  im 
September  07  wurden  42  Kranke  operiert,  sodass  man  wohl 
sogar  auf  vermehrten  Zugang  hoffen  darf,  obwohl  immer  mehr 
Fälle  in  kleineren  Hospitälern  operiert  werden  —  so  werden 
nach  Ablauf  der  letzten  3  jährigen  Periode,  also  am  31.  De¬ 
zember  1908,  nicht  weniger  als  917  Kranke  im  Triennium  ope¬ 
riert  sein,  wahrscheinlich  mit  weniger  als  5,3  Proz.  Todes¬ 
fällen,  wenn  Laien  und  Aerzte  Thüringens  die  nachstehenden 
Ausführungen  für  zutreffend  erachten. 

Schuld  daran,  dass  ich  auch  für  die  letzten  20  Monate  noch 
mit  5,3  Proz.  Mortalität  zu  rechnen  habe,  sind  die  Kinder. 

Früher  gingen  auch  die  Erwachsenen  vielfach  mit  Per¬ 
forationsperitonitis,  mit  extrem  grossgezogenen,  lufthaltigen 
Abszessen,  mit  multiplen  Herden  im  Bauche  der  Klinik  zu;  das 
hat  mehr  und  mehr  aufgehört;  es  fordern  Torheit  und  Un¬ 
entschlossenheit  ja  immer  noch  ihre  Opfer,  doch  das  Gros  der 
Kranken  kommt  rechtzeitig.  Nach  wie  vor  aber  werden  die 
Kinder  in  schlimmem  Zustande  eingebracht,  es  ist  nur  ein  ge- 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2367 


ringer  Fortschritt  zu  verzeichnen;  nicht  nur  die  Gesamt¬ 
mortalität,  sondern  auch  die  Mortalität  in  neuester  Zeit  ist  sei 
Kindern  eine  unverhältnismässig  hohe.  Es  starben 
von  1222  Erwachsenen  =  82  =  6.7  Proz. 

310  Kindern  =  51  =  16,4  „ 

v 

Für  die  obigen  Zeiträume  berechnet 

a)  Erwachsene:  1.  108  mit  19  +  =  17,6  Pioz. 

'  2.  201  *  26  +  =  12,8  „ 

3.  502  „  25  +  =  5 

4.  441  „  12  +  =  2,9  „ 

b)  Kinder:  1.  U  .  \  +  Z% 

3.  137  „  22  -j - 16  „ 

4.  130  „  17  ~F  =  13  v  • 

Statt  2  9  Proz.  bei  Erwachsenen  haben  wir  also  13  Proz. 
Tote  bei  Kindern  unter  15  Jahren  in  den  letzten  21  Monaten 
eine  ganz  entsetzliche  Ziffer,  wenn  man  bedenkt  dass  diese 
Kinder  fast  sämtlich  durch  die  rechtzeitige  Operation  hatten 
gerettet  werden  können. 

Die  Gründe  für  diese  traurige  Erscheinung  hegen  auf  der 

1  Die  Eltern  sind  unachtsam  oder  im  Gegenteil  zu  zärtlich, 
sie  wollen  ihr  geliebtes  Kind  nicht  dem  Messer  übergeben. 

2.  Die  Diagnose  ist  bei  Kindern  schwerer  zu  stellen,  als 

bei  Erwachsenen.  ,  .  ,  .  . 

3.  Die  Appendizitis  der  Kinder  ist  aus  pathologisch-anatomi¬ 
schen  Ursachen  überhaupt  viel  gefährlicher,  als  die  Appen¬ 
dizitis  der  Erwachsenen. 

4.  Ganz  kleine  Kinder  sind  ausserordentlich  empfindlich 
gegen  Infektion  vom  Wurmfortsätze  aus. 

Der  wichtigste  Grund  für  die  hohe  Mortalität  der  Kinder 
ist  sub  1  erwähnt.  In  sehr  vielen  Fällen  wird  überhaupt  nicht 
zum  Arzte  geschickt,  wenn  ein  Kind  unter  Fieber  über  Leib¬ 
schmerzen  klagt.  Besonders  die  „Beerenzeit“  erfordert  zahl¬ 
reiche  Opfer.  „Der  Junge  hat  sich  überfressen  ,  als  ob  jemals 
ein  Junge  unter  Fieber  länger  dauernde  Schmerzen 
bekommt  nach  dem  Genüsse  von  Heidel-  oder  Erdbeeren, 
kurze  Zeit  anhaltendes  Bauchkneifen  hat  er  wohl,  aber  er 
fiebert  gewiss  nicht.  Bei  Kindern  setzt  aber  die  Appendizitis 
meist  mit  Fieber  ein,  wenn  auch  Ausnahmen  Vorkommen. 

Oft  spielt  ja  auch  Armut  eine  Rolle;  wenn  von  zahlreichen 
Kindern  in  einer  Familie  eines  über  Leibschmerzen  klagt,  sucht 
die  Mutter  sich  mit  Umschlägen  usw.  zu  helfen,  vermeidet  vor¬ 
läufig  den  Arzt.  Dieser  Uebelstand  wird  erst  beseitigt,  wenn 
nicht  bloss  die  männlichen  Arbeiter,  sondern  auch  ihre  Frauen 
und  Kinder  sämtlich  in  die  Krankenkassen  aufgenommen  sind. 

Dass  unverständige  Zärtlichkeit  eine  grosse  Rolle  spielt, 
das  beweist  ein  Blick  auf  die  obige  Zusammenstellung ,  Kindei 
werden  in  neuester  Zeit  doppelt  so  häufig  in  die  Klinik  ge¬ 
bracht  als  früher.  No.  1  und  2  zusammen  ergeben  352  Kranke, 
darunter  43  Kinder  =  12  Proz.;  No.  4  dagegen  weist  unter 
541  Kranken  schon  130  Kinder  auf,  also  24  Proz.  Vor  10  bis 
20  Jahren  erkrankten  aber  genau  so  viele  Kinder  als  jetzt  an 
Appendizitis,  wo  sind  sie  geblieben?  Verdorben,  gestorben, 
wenn  die  Krankheit  schwer  war;  zahlreiche  aus  jener  Zeit 
stammende  Kinder  sind  später  als  Erwachsene  wegen  immer 
wiederkehrender  Rezidive  hier  operiert  worden.  Aber  noch 
heute  wird  manches  Kind  durch  den  Unverstand  der  Angehörigen 
ins  Grab  geworfen,  zuweilen  geradezu  ermordet,  wofür  ich 
Beispiele  beibringen  könnte,  wenn  das  Zweck  hätte. 

Die  Diagnose  macht  nur  Schwierigkeiten  bei  ganz  kleinen 
Kindern.  Wenn  das  arme  Wesen  nur  schreit,  höchstens  mit  den 
Fingern  auf  den  Bauch  zeigt,  gar  nichts  sagt,  so  ist  der  Arzt 
natürlich  in  grosser  Verlegenheit.  Das  Kind  kann,  wenn  es  unbe¬ 
obachtet  war,  irgend  etwas  verschluckt  haben,  was  ihm  nicht 
bekam  oder  es  kann  beginnende  Intussuszeption  haben ;  auch  an 
massenhaft  vorhandene  Springwürmer  muss  man  denken.  Die 
schlimmste  Fehlerquelle  ist  aber  die  zentrale  Pneumonie,  weil 
diese  oft  mit  heftigen  Leibschmerzen  einsetzt.  Gewöhnt  man 
sich  daran,  genau  auf  die  Frequenz  der  Atemzüge  in  solchen 
unsicheren  Fällen  zu  achten,  so  lässt  sich  auch  eine  zentiae 
Pneumonie  diagnostizieren,  wenn  die  Perkussion  noch  ganz 
resultatlos  ist.  Auch  an  Angina  muss  man  denken.  Kinder 
und  Erwachsene  klagen  zuweilen  bei  Angina  über  Schmerzen 
rechts;  sie  haben  eben  eine  veränderte  Appendix,  event.  einen 


Kotstein  in  derselben  stecken  und  dieser  macht  sich  bemerk¬ 
bar,  wenn  eine  akute  Tonsillitis  Infektionsträger  in  den  Kieis- 
lauf  bringt. 

Wenn  Typhus  im  Orte  ist,  wird  er  selbstverständlich  zu 
berücksichtigen  sein,  ebenso  Scharlach.  Erkranken  kleine 
Mädchen  plötzlich  an  Peritonitis,  so  kommt  die  oben  bereits  er¬ 
wähnte  Infektion  auf  dem  Wege  der  Genitalien  in  erster  Lime 
in  Betracht.  Als  ich  voriges  Jahr  auf  die  Häufigkeit  diesei  In¬ 
fektion  aufmerksam  machte,  ergab  meine  statistische  Zu¬ 
sammenstellung,  dass  17  Proz.  der  kleinen,  mit  Peritonitis 
eingelieferten  und  unter  der  Diagnose  „Appendizitis  operierten 
Mädchen  von  den  Genitalien  aus  infiziert  waren.  Ich  habe  seit 
Jahresfrist  keinen  derartigen  Fall  wieder  gesehen,  wohl  aber 
glaube  ich,  ein  kleines  Mädchen  operiert  zu  haben,  das  eine 
solche  Infektion  glücklich  überstanden  hat.  Das  Kind  hatte 
wochenlang  mit  hochaufgetriebenem  Bauche  bei  40  Tempera¬ 
tur  zu  Hause  gelegen,  weil  es  nicht  transportiert  werden 
konnte;  es  kam  noch  mit  starkem  Meteorismus,  aber  fiebei frei 
und  in  gutem  Allgemeinbefinden  hier  an;  ich  wartete  wochen¬ 
lang  ab,  entfernte  endlich,  als  das  Kind  sich  erholt,  einen  flachen 
Leib  bekommen  hatte,  die  Appendix;  sie  erwies  sich  als  ganz 
gesund,  eine  Appendizitis  hatte  also  nicht  Vorgelegen. 

Etwas  grössere  Mädchen,  die  zum  ersten  Male  die  Periode 
bekommen,  klagen  ja  auch  öfter  über  Leibschmerzen,  fiebern 
etwas;  man  wird  in  solchen  Fällen  abwarten,  wenn  kein  Er¬ 
brechen  besteht.  .  ,  ,  .  _  ,  u 

Im  allgemeinen  ist  die  Diagnose  bei  mehr  als  4  Jahre  alten 
Kindern  recht  wohl  zu  stellen,  nur  muss  man  mit  dem  Umstande 
rechnen,  dass  selbst  sehr  geringfügige  Schädlichkeiten  in  der 
Appendix  bei  Kindern  ausserordentlich  stürmische  Erschei¬ 
nungen  hervorrufen  können.  Eine  Ansammlung  von  Spring¬ 
würmern,  in  Bildung  begriffene  Kotsteine,  Weinbeerkerne, 
Bürstenhaare  können  heftige  Attacken  veranlassen,  die  zum 
Teil  mit  stürmischem  Erbrechen  und  hohem  Fieber  einher¬ 
gehen. 

Eine  anatomisch  sichere  Diagnose  ist  also  nicht  zu  stellen, 
sie  ist  ja  auch  nicht  nötig  bei  der  Harmlosigkeit  der  Operation. 

Wichtig  und  interessant  ist  nun  weiter,  dass  die  Appen¬ 
dizitis  der  Kinder  als  solche  ein  schwereres  Leiden  ist, 
als  die  Appendizitis  der  Erwachsenen;  die  anatomischen  Be¬ 
funde  sind  günstiger  bei  letzteren,  wenn  man  vergleichende 

Untersuchungen  anstellt.  . 

Anatomische  Befunde  lassen  sich  in  ganz  einwandfreier 
Weise  für  a  1 1  e  operierten  Kranken  nicht  feststellen ;  wenn  man 
die  Operierten  gleichzeitig  alle  sezieren  würde,  käme  man  zu 
voller  Klarheit;  das  wollen  und  können  wir  nicht. 

Zahlreiche  Kranke  kommen  mit  bereits  perforierter  Appendix 
umd  mit  Abszess  zur  Operation;  der  Abszess  wird  geöffnet,  die 
Appendix  bleibt  zunächst  stecken,  wird  spater  entfernt.  Im  Abszess 
fand  sich  kein  Kotstein;  oft  wird  er  später  beim  Verbandwechsel 
gefunden,  oft  gewiss  auch  nicht,  nicht  selten  hat  er  sich  im  Eiwr 
aufgelöst.  Findet  man  bei  der  späteren  Operation  das  distale  Ende 
der  Appendix  perforiert,  so  kann  man  nie  sicher  wissen,  ob  dort  ein 
Kotstein  perforierte  oder  nicht,  wenn  man  primär  oder  beim  Ver¬ 
bandwechsel  keinen  Kotstein  fand;  oft  genug  verheilt  die  Spitze  der 
Appendix  spontan,  wenn  ein  Kotstein  am  distalen  Ende  entleert  war, 
wir  können  einer  solchen  Appendix  es  nicht  mehr  ansehen,  was 
ursprünglich  in  derselben  gespielt  hat.  Ist  eine  Appendix  im  mitüeren 
Dritteile  durch  Kotstein  ringsum  gangränös  geworden,  so  verheilt 
sie.  nicht  selten  mit  Bildung  einer  Stenose  an  ernst  gangraiiosen 
Stelle-  wir  finden  bei  der  zweiten,  also  der  Radikaloperation,  ein 
Appendix  mit  Stenose,  haben  vielleicht  den  ursprungUchen  Kotstei 
bei  der  Abszesseröffnung  übersehen,  wieder  bleibt  es  unkla., 
primär  Stenosenbildung  oder  Kotstein  vorlag. 

Oft  genug  entstehen  Stenosen  oder  Strikturen  an  der  Abgangs¬ 
stelle  der  Appendix  vom  Zoekum;  wir  durchschneiden  die  Appendix 
bei  der  Operation  %  cm  von  ihrem  Abgänge  vom  Zoekum,  Stulpen 
den  proximalen  Teil  derselben  ins  Zoekum  hinein  und  vernähen 
sie  in  drei  Schichten;  dabei  entgehen  uns  sicherlich  eine  Anzahl  von 
Stenosen  und  Strikturen,  die  der  sezierende  Anatom  finden  wur^ 

—  also  der  Chirurg  kann  wohl  für  die  Majorität  der  Falle  den  a 
tomischen  Befund  mit  Sicherheit  angeben,  ab<T  n‘cht  für  alle. . 

Nötig  ist  unbedingt  dazu  das  Aufschneiden  der  exstirpierten 

Appendix;  wer  Appendizes  härtet  und  d^n\?ue^Sn^hemverenge- 
mikroskopischen  Untersuchung,  dem  entgehen  zahlreiche  Verenge 
rungen  (Strikturen)  in  der  Appendix,  weil  man  dieselben  meist  nicht 
von  aussen  erkennen  kann;  ihm  entgehen  sogar  oft  genug  Obliter 
tionen  an  Zirkumskripter  Stelle  (Stenosen).  .  _ 

Ich  habe  mich  bemüht,  ein  möglichst  einwandfreies  ana¬ 
tomisches  Material  beizubringen.  Der  Zufall  hat  es  gefug  , 


2368 


MUFNCHFNeR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


dass  ich  im  Laufe  der  Zeit  fast  alle  exstirpierten  Appendizes 
von  Kindern  aufgeschnitten  habe,  während  die  von  Erwach¬ 
senen  systematisch  für  diesen  Aufsatz  erst  vom  1.  Januar  1906 
an  gespalten  wurden  (411  Fälle).  Früher  wurden  sie  vielfach 
eingelegt  zu  mikroskopischen  Untersuchungen.  Meine  Zu¬ 
sammenstellung  erstreckt  sich  also  auf  411  Erwachsene  und 
auf  sämtliche  310  Kinder. 


a)  Erwachsene  (12  -)-) 

1.  Vereiterte  Kotsteine . 

2.  Blande  Fremdkörper . 

3.  Knickungen,  Achsendrehungen  .  .  . 

4.  Appendicitis  granulosa . 

5.  Strikturen . 

6.  Stenosen . 

7.  Typh litis . 

b)  Kinder  (51  -p) 

1.  Vereiterte  Kotsteine . 

2.  Blande  Fremdkörper . 

3.  Knickungen,  Achsendrehungen  .  .  . 

4.  Appendicitis  granulosa . 

5.  Strikturen . 

6.  Stenosen . 

7.  Typhlitis . 


= 

114 

r= 

27,7  Proz.  (6 

+) 

= 

28 

= 

6,8 

V 

(i 

+) 

: — i 

20 

= 

4,8 

V 

= 

118 

= 

28,7 

71 

(3 

+) 

= 

109 

= 

26,5 

)} 

(1 

-w 

= 

10 

= 

2,4 

V 

(1 

+) 

= 

12 

= 

2,9 

V 

— 

121 

— 

39,0 

r> 

(35 

+) 

= 

24 

= 

7.7 

V 

= 

20 

= 

3,2 

7) 

= 

113 

= 

36,4 

V 

(13 

b) 

= 

27 

= 

8,7 

r> 

(3 

b) 

= 

7 

= 

2,2 

V 

8 

= 

2,5 

V 

In  dieser  Uebersicht  sind  vereiterte  Kotsteine  völlig  sicher 
notiert;  ich  habe  nur  ganz  einwandfreie  Fälle  sub  No.  1  regi¬ 
striert.  Wohl  aber  mag  mancher  Kranker  mit  vereiterter 
Appendicitis  granulosa  (No.  4)  einen  Kotstein  gehabt  haben,  der 
inter  oder  post  operationem  nicht  gefunden  wurde;  die  Zahl  der 
vereiterten  Kotsteine  ist  also  wahrscheinlich  noch  grösser  ge¬ 
wesen,  als  angegeben  ist.  Die  Diagnose  auf  Appendicitis  granu¬ 
losa  ist  nur  makroskopisch  nicht  mikroskopisch  festgestellt 
worden;  man  konnte  unmöglich  alle  Appendizes,  nachdem  sie 
der  Länge  nach  aufgeschnitten  waren,  wieder  mit  Katgut  ver¬ 
nähen,  härten  und  untersuchen.  Wo  Fremdkörper,  Strikturen 
und  Stenosen  fehlten,  da  habe  ich  Appendicitis  granulosa  ange¬ 
nommen;  bei  Achsendrehungen,  Knickungen  (No.  2)  hat  sie  auch 
wohl  oft  bestanden. 

Ich  verstehe  unter  Appendicitis  granulosa3)  eine  schleichend 
verlautende  Aftektion  der  Appendix,  wobei  die  L  i  e  b  e  r  k  u  h  n  sehen 
Drüsen  und  oft  auch  die  geschlossenen  Follikel  durch  Granulations¬ 
gewebe  auseinandergedrängt  und  allmählig  mehr  oder  weniger  zer¬ 
stört  worden.  Diese  Aftektion,  die  kaum  als  Entzündung  bezeichnet 
werden  kann,  kann  wohl  in  jedem  Stadium  still  stehen  oder  auch 
sich  weiter  entwickeln  bis  zu  ihrem  Endausgange,  der  Obliteration 
des  Wurmfortsatzes.  Oft  genug  wird  dieser  Entwicklungsgang  unter¬ 
brochen  durch  eine  akute,  auf  der  Basis  der  Appendicitis  granulosa 
einsetzende  Attacke  von  akuter  Entzündung.  Dann  wird  selbstver¬ 
ständlich  auch  der  noch  vorhandene  Rest  des  Epithels  zerstört;  die 
mikroskopische  Untersuchung  ergibt  nur  total  zerstörte  Gewebe.  1 
Man  muss  also  Appendices  untersuchen,  die  kurze  Zeit  nach  dem  Be¬ 
ginne  der  ersten,  sehr  leichten  Entzündung  entfernt  sind,  dann  findet 
man  noch  die  Veränderungen  so,  wie  sie  vor  der  Attacke  schleichend 
sich  entwickelt  hatten. 

In  6 — 12  Stunden  kann  sich  bei  fieberlos  einsetzender  Attacke  nicht 
gut  eine  Appendix  sonderlich  verändern.  Es  ist  natürlich  nicht  leicht, 
solche  Präparate  zu  beschaffen;  früheste  Frühoperation  ist  dazu  nötig. 
Bald  findet  man  die  Drüsen  fast  ganz  geschwunden,  bald  sieht  man 
die  Veränderung  erst  im  Beginne,  so  dass  man  im  Zweifel  ist,  ob 
überhaupt  die  Appendix  verändert  ist;  zwischen  beiden  Extremen 
liegen  zahlreiche  Zwischenstadien. 

Die  geschilderten  Veränderungen  erstrecken  sich  bald  auf  die 
ganze  Appendix,  bald  nur  auf  einzelne  Abschnitte  derselben,  proxi¬ 
mal  oder  distal  oder  an  beiden  Stellen  gleichzeitig.  Die  proximale 
resp.  auch  im  mittleren  Dritteile  der  Appendix  spielende  zirkum¬ 
skripte  Appendicitis  granulosa  führt  zur  Bildung  von  Strikturen  oder 
Stenosen  (Verengerung  oder  gänzlicher  Verschluss  der  Appendix  an 
umschriebener  Stelle);  die  distal  spielende  endet  mit  Obliteration  der 
Spitze  der  Appendix;  von  dort  kann  sich  die  Obliteration  immer  weiter 


3)  Zu  Erörterungen  über  die  Histologie  des  erkrankten  Wurm¬ 
fortsatzes  gehören  genaue  Darstellungen  auf  Tafeln;  in  den  Text  ge¬ 
druckte  Abbildungen  haben  ikaum  Wert  (vergl.  Albert  Asch  off: 
V  olkmanns  Vorträge  No.  435.  Chirurgie  121).  Ich  möchte  also 
hier  nicht  in  eine  Debatte  über  die  pathologische  Anatomie  der 
Appendizitis  eintreten,  zumal  Querschnittbilder  ja  sehr  verschieden 
gedeutet  werden  können.  Bemerken  will  ich  nur,  dass  schwerlich 
OÜ  i  roz.  .der  Appendizes  von  Frauen  und  Mädchen  durch  oft  wieder¬ 
holte,  akute,  symptomlos  verlaufende  Entzündungen  (A  s  c  h  o  f  f) 
oder  durch  Appendicitis  granulosa  (Riedel)  so  verändert  sind 
(Pankow,  diese  Zeitschrift  1907,  No.  30),  dass  Exstirpation  der 
Appendix  nötig  ist;  die  erwähnte  Form  von  Appendizitis  kann  ja 
jederzeit  spontan  durch  Obliteration  der  Appendix  ausheilen.  Nicht 
die  auf  der  Basis  der  Veränderung  einsetzende  Attacke;  desgleichen 
indizieren  sie  dauernde  Beschwerden. 


proximal  fortsetzen  bis  zur  totalen  Obliteration.  Nicht  selten  findet 
sich  proximal  Striktur  und  distal  Obliteration.  Proximale  Stenose 
führt  zur  Bildung  von  Hydrops  oder  Empyem  der  Appendix. 

Die  Appendicitis  granulosa  beginnt  schon  oft  bei  Kindern;  sie 
führt  aber  bei  ihnen  relativ  selten  zu  Strikturen  und  Stenosen;  zur 
Ausbildung  derselben  gehört  offenbar  sehr  lange  Zeit,  wahrscheinlich 
geht  meist  Jahr  und  Tag  darüber  hin,  bis  eine  Striktur  resp.  eine 
Stenose  vollendet  ist.  Dementsprechend  haben  wir  in  obiger  Zu¬ 
sammenstellung  zwar  sehr  häufig  Appendicitis  granulosa  bei  Kindern 
(36,4  Proz.)  gegenüber  den  Erwachsenen  mit  28,7  Proz.,  relativ  selten 
aber  Strikturen;  sie  fanden  sich  bei  Kindern  nur  in  8,7  Proz.,  bei 
Erwachsenen  in  26,5  Proz.  der  Fälle;  ebenso  sahen  wir  Obliteration 
im  distalen  Teile  sehr  viel  häufiger  bei  Erwachsenen  als  bei  Kin¬ 
dern.  Auf  die  Entwicklung  von  Strikturen  und  Stenosen  durch  zirku¬ 
läre  Gangrän  der  Appendix  bei  vereitertem  und  dann  ins  Zoekuin 
entleerten  Kotstein  gehe  ich  hier  nicht  weiter  ein,  zumal  dieser 
Bildungsmodus  relativ  selten  ist. 

Kotsteine  und  andere  Fremdkörper  verhalten  sich  oft  Jahr 
und  Tag,  gewiss  nicht  selten  das  ganze  Leben  hindurch  ruhig, 
desgleichen  ein  torquierter,  geknickter,  sowie  ein  an  Appen¬ 
dicitis  granulosa,  an  Striktur  oder  Stenose  leidender  Wurm¬ 
fortsatz.  Die  genannten  Anomalien  schaffen  immer  nur  die  Prä¬ 
disposition  für  die  Attacke,  mit  der  die  Krankheit  überhaupt  erst 
in  die  Erscheinung  tritt,  wenn  auch  manche  Patienten  schon 
vor  der  Attacke  gelegentlich  kurze  Zeit  ziehende  Schmerzen 
rechts  unten  oder  um  den  Nabel  herum  haben. 

Für  gewöhnlich  setzt  die  Attacke,  d.  h.  das  Eindringen  der 
Mikrokokken  oder  ihrer  Stoffwechselprodukte  in  die  Wand 
der  Appendix  ganz  unvermittelt  ein;  als  einzige  Ursache  kennen 
wir  das  Trauma  (Aufheben  einer  Last)  mit  nachfolgender  Blu¬ 
tung  in  die  kranke  Appendix,  doch  kommen  solche  Blutungen, 
die  ich  wiederholt  selbst  gesehen  habe,  auch  wohl  durch 
Fiustenstösse  zustande;  endlich  dürfte  das  plötzliche  Eindringen 
von  frischem  Kot  in  die  kranke  resp.  kotsteinhaltige  Appendix 
den  Anfall  auch  gewissermassen  traumatisch  auslösen. 

Diese  Attacke  setzt  nun  bald  leise,  bald  heftiger,  bald  ex¬ 
zessiv  ein.  Das  richtet  sich,  zum  Teil  wenigstens,  nach  der 
Basis,  auf  der  sie  sich  entwickelt,  doch  kann  sie  auf  jeder  Basis 
verschieden  stark  sein.  Die  leichtesten  Attacken  entstehen  bei 
aer  Stenose  mit  distal  davon  befindlichem  Hydrops  oder  Em¬ 
pyem;  die  „gefüllte  Bombe“  tut  wenig  oder  gar  keinen  Schaden, 
weil  sie  nicht  mit  dem  Lumen  des  Darmes  kommuniziert,  also 
kaum  Fäulniserreger  beherbergt. 

Sodann  folgt  der  Benignität  nach  die  Striktur,  weil  auch 
bei  ihr  die  Verbindung  des  distal  von  der  Striktur  gelegenen 
Abschnittes  der  Appendix  mit  dem  Darm  mehr  oder  weniger 
stark  gehindert  ist.  Ernster  ist  schon  die  Attacke  auf  dem 
Boden  der  Appendizitis  granulosa,  weil  hier  Kommunikation  mit 
dem  Zoekum  besteht.  Am  schlimmsten  sind  die  Anfälle  auf  der 
Basis  des  Kotsteines,  weil  sie  gleich  auf  schwer  putridem 
Boden  einsetzen  bei  offener  Verbindung  mit  dem  Zoekum. 

Nun  geht  aus  obiger  Zusammenstellung  hervor,  dass  Strik- 
turen  bei  Kindern  relativ  selten,  bei  Erwachsenen  sehr  häufig 
sind  (27:  109);  von  27  Kindern  mit  Strikturen  starben  3,  von 
109  Erwachsenen  nur  1,  so  gutartig  waren  die  Attacken  bei 
Erwachsenen,  obwohl  sie  in  weitaus  den  meisten  Fällen  zu 
Eiterung  resp.  Gangrän  distal  von  der  Striktur  geführt  hatten; 
die  3  Kinder,  die  zugrunde  gingen,  waren  ganz  besonders  stark 
vernachlässigt,  sonst  wären  sie  auch  am  Leben  geblieben. 
Also  gutartig  ist  die  Striktur  auch  bei  Kindern,  leider  ist  sie 
selten,  jedenfalls  dreimal  so  selten  als  beim  Erwachsenen,  wo¬ 
durch  letzterer  im  grossen  Vorteile  ist  gegenüber  dem  Kinde. 

Appendicitis  granulosa  ist  etwas  häufiger  beim  Kinde  als 
beim  Erwachsenen;  sie  fordert  beim  Kinde  sehr  erhebliche 
Opfer  (von  113  Fällen  13  t),  bei  Erwachsenen  auch  viel  weniger 
(von  118  Fällen  3  t),  doch  liegt  das  an  der  Vernachlässigung 
der  Kinder;  die  Chancen  sind  bei  beiden  Lebensaltern  im  übri¬ 
gen  fast  gleich. 

Geradezu  gewütet  hat  unter  den  Kindern  die  schlimmste, 
auf  der  Basis  des  vereiterten  Kotsteines  einsetzende  Attacke. 
Kinder  haben  den  Kotstein  häufiger  als  Erwachsene  (39,0:27,7 
Proz.),  sie  werden  mehr  vernachlässigt  als  diese,  daher  die 
ganz  extreme  Mortalität  (von  121  Kindern  35  f,  während  von 
114  Erwachsenen  auch  noch  viel  so  viele,  aber  doch  nur  6 
starben).  Dabei  sind  Kinder,  abgesehen  von  ganz  kleinen, 
ebenso  widerstandsfähig  gegen  Eiterungsprozesse  als  Er¬ 
wachsene;  sie  ertragen  sogar  mehr,  als  Leute  im  höheren 


Alter  weil  ihre  Lungen  nicht  der  Gefahr  der  hypostatischen 
Pneumonie  ausgesetzt  sind;  Kinder  brauchen  also  eben  so 
wenig  an  Appendizitis  zu  sterben,  als  Erwachsene. 

Aber  unerhört  verhallen  oft  diese  Klagen  gegenüber  harten 
Eltern-  auch  gibt  es  noch  Aerzte  genug,  die  kalt  dem  Jammer 
gegenüberstehen,  die  sich  nicht  entschlossen  können,  das 
kranke  Kind  rasch  dem  Chirurgen  zu  überweisen. 

Möchten  doch  die  Aerzte  in  erster  Linie  immer  bedenken, 
welch  namenloses  Unheil  sie  anrichten,  wenn  sie  bei  der  akut 
einsetzenden  Appendizitis  abwarten;  der  einmal  gemachte 
Fehler  lässt  sich  oft  genug  nicht  wieder  gut  machen,  man  soll 
und  darf  nicht  va  banque  spielen  mit  dem  Leben  des  Kranken, 
um  auszuprobieren,  ob  Heilung  wohl  auch  ohne  Operation 
glückt.  Auf  der  einen  Seite  steht  eine  fast  absolut  ungefähr¬ 
liche  Operation,  auf  der  anderen  Qual  und  Elend,  oft  genug  der 
Tod  In  keinem  Falle  können  wir  mit  S  i  c  h  e  r  h  e  i  t  sagen,  ob 
der  Kranke  ohne  Operation  ausheilen  wird  oder  nicht;  an  die 
Stelle  der  Unsicherheit  setze  man  die  Sicherheit,  nur  mit  dieser 
ist  dem  Kranken  gedient.  Es  schadet  nicht,  wenn  gelegent¬ 
lich  ein  Kind  mit  Oxyurien  oder  anderen  harmlosen  Fremd¬ 
körpern  operiert  wird  oder  wenn  sich  bei  der  Operation  heraus¬ 
stellt,  dass  lediglich  Typhlitis  vorliegt,  d.  h.  also  entweder 
wirkliche  Infiltration  des  Zoekum  oder  Adhäsionen  auf  dem¬ 
selben  (Rubrik  No'.  7  in  obiger  Zusammenstellung),  bei  intakter 
Appendix,  wer  alle  retten  will  —  und  das  ist  doch  unser  Ziel 

_ wird  gelegentlich  einen  diagnostischen  Fehler  machen,  aber 

dieser  Fehler  bringt  weiter  keinen  Nachteil,  als  dass  das  Kind 
2—3  Wochen  im  Bette  liegt,  während  das  Abwarten,  das  Aus¬ 
probieren  zahllose  Kinder  in  schwerste  Lebensgefahr  resp.  ins 
Grab  bringt.  Was  beim  Erwachsenen  hier  und  an  anderen 
Orten  erreicht  ist  (2,9  Proz.  Mortalität),  das  muss  auch  bei 
Kindern  erreicht  werden  und  bald  müssen  wir  noch  mehr  er¬ 
zielen,  nur  noch  die  begraben,  die  ganz  ohne  Vorboten  Perfo¬ 
ration  der  Appendix  bekommen  und  das  sind  kaum  1  Proz.  der 
Fälle. 


Beiträge  zur  Behandlung  der  tuberkulösen  Lungen¬ 
spitzenphthise  und  des  alveolären  Emphysems  durch 
operative  Mobilisation  des  in  der  oberen  Apertur  steno- 
sierten  und  des  starrdilatierten  Thorax. 

Von  W.  A.  Freund. 

Wenn  die  Menge  in  einem  zu  eng  gewordenen  Raume  durch 
eine  plötzlich  geöffnete  Tür  drängt,  so  geschieht  gemeiniglich 
im  Gedränge  manch  Unheil.  Erfahrungsgemäss  wird  jede  neue 
Operation  von  Anbeginn  durch  nichts  mehr  geschädigt  und  oft 
auf  lange  Zeit  diskreditiert,  als  durch  nicht  gehörig  indizierte 
und  schlecht  vorbereitete  Ausführung.  Und  wie  natürlich  und 
erklärlich  ist  diese  Uebereilung  gerade  bei  Operationen,  welche 
den  armen,  an  bisher  nicht  gut  oder  gar  nicht  heilbaren  Uebeln 
leidenden  Kranken  Heilung  versprechen.  Ich  erinnere  mich  der 
tief  deprimierten  Aeusserung  Billroths,  als  er  von  einer 
Konsultation  bei  einem  an  Magenkarzinom  leidenden,  im  letzten 
Stadium  der  Krankheit  sich  befindenden  Kranken,  den  er  ope¬ 
rieren  sollte,  zurückkehrte.  „Ich  erschrecke“,  sagte  er,  „über  die 
leichtherzige  Indikation  zur  Operation  bei  nicht  mehr  operier¬ 
baren  Kranken  und  sehe  in  der  unüberlegten  Ausführung  der¬ 
selben  grosses  Unheil  und  Schädigung  der  Operation  selbst“. 
Ich  selber  habe  dies  fast  ein  Menschenalter  hindurch  an  der 
Operation  des  Gebärmutterkrebses  mittelst  der  Abdominal- 
Totalexstirpation  erfahren. 

Um  solch  schädlichem  Vorgehen  bei  den  Thoraxoperationen 
einen  Riegel  vorzuschieben,  will  ich  die  Momente,  auf  welche 
sich  die  exakte  Diagnose  der  primären  Thoraxanomalien  stützt, 
hier  besprechen.  Ich  muss  dabei  vielfach  auf  meine  früheren 
Arbeiten  aus  den  Jahren  1858/59  rekurrieren  und  in  betreff  des 
anatomischen  Verhaltens  der  Thoraxanomalien  auf  die  dort 
gegebenen  Beschreibungen  verweisen:  für  die  Stenose  der 
oberen  Apertur  als  mechanische  Disposition  zur  phthisi- 
schen  Erkrankung  der  Lungenspitzen  hat  Dr.  Karl  Hart  in 
seiner  grossen  Arbeit:  „Ueber  die  mechanische  Disposition  usw. 
1906“  die  Resultate  seiner  Untersuchungen,  die  ich  durchaus 
bestätige,  in  mustergültiger  Weise  mitgeteilt.  Für  die  Leichen-  i 

Mn,  4-!, 


diagnose  der  starren  Dilatation  will  ich  aus  meinen 
früheren  Publikationen1)  folgende  Punkte  hervorheben. 

„Wenn  von  mancher  Seite  her  gelehrt  wird,  dass  bei  Eröffnung 
des  Thorax  in  den  ausgeprägten  Fällen  von  Tonnengestalt  die  em¬ 
physematose  Lunge  sich  geradezu  hervordrängt,  so  muss  ich  nach 
meinen  Erfahrungen  der  letzten  2  Jahre  in  dem  Sektionshause  des 
Friedrichshain-Kranken -hauses  dieses  Verhalten  einzig 
und  allein  auf  diejenigen  Emphyseme  der  Lunge  beschränken,  welche 
durch  ventilartige  Absperrung  der  Luftsäule  im  Bronchialbaum  oder 
durch  Zerreissung  des  Lungengewebes  mit  interstitiellem  Luftaustritt 
charakterisert  sind.  Beim  substantiellen  Emphysem  habe  ich  dieses 
Vordrängen  der  Lunge  bei  Eröffnung  des  Thorax  niemals  gesehen. 

Ja  im  Gegenteil  ziehen  sich  diese  emphysematosen  Lungen  bei  der 
Eröffnung  des  Thorax  besonders  bei  sehr  alten  Individuen,  wie  dies 
bekannt  ist  (E.  Kaufmann:  Lehrbuch  der  pathol.  Anatomie,  1904, 

S.  202,  u.  a.  Autoren),  sogar  zurück,  wenn  auch  nicht  so  stark  wie  die 
normale  Lunge.  Die  Leichenversuche  sind  mit  grosser  Genauigkeit 
so  ausgeführt  worden,  dass  auf  beiden  1  horaxseiten  die  Weichteile 
bis  auf  die  Pleura  der  Zwischenrippenräume  abpräpariert  wurden. 
Man  sah  die  Lungenränder  genau  an  der  durchsichtigen  Pleura  liegen. 
Eine  vorsichtige  Eröffnung  der  Pleura  durch  einen  Einstich  hatte  in 
den  meisten  Fällen  noch  keine  Lageveränderung  der  Lunge  zur  Folge. 
Dass  hierbei  die  Adhäsion  der  feuchten  Flächen  der  Pleurablättei  das 
wirksame  Moment  gibt,  dafür  spricht,  dass  erst  dann,  wenn  man  von 
dem  Stiche  aus  mit  der  Sonde  die  feucht  anhaftende  Lunge  in  dem 
Umkreis  der  Eröffnung  von  der  Pleura  abhob,  die  Lunge  vor  der 
zischend  einströmenden  Luft  in  den  J  horaxraum  mehi  odei  weniger 
stark  zurücksank.  Da  dieses  Moment  auch  bei  den  hochinter¬ 
essanten  neuen  Versuchen  über  Atmung  bei  Ueberdruck  und  Unter¬ 
drück  eine  wichtige  Rolle  spielt,  so  lassen  sich  die  Resultate  diesei 
Versuche  für  die  Beurteilung  der  Vorgänge  bei  der  starren  Dilatation 
vorderhand  nicht  benutzen. 

Entsprechend  dem  Entwicklungsgänge  der  Rippenknorpelano¬ 
malie  und  der  daran  sich  anschliessenden  fortschreitenden  starren 
Dilatation  des  Thorax  schlägt  dieses  Emphysem  seinen  Sitz  zunächst 
an  den  vorderen  Rändern  und  Flächen  der  Lunge  hinter  den  Rippen¬ 
knorpeln  und  ihren  Nachbarpartien  auf  und  verbreitet  sich  von  da 
aus  mit  der  zunehmenden  Dilatation  weiter.  Gerade  dieses  lokal 
beschränkte  Anfangsstadium  ist  einer  der  besten  Beweise  für  den 
hier  wirksamen  Kausalnexus.  Es  wird  wohl  niemand  annehmen 
wollen,  dass  ein  auf  die  Lungenränder  beschränktes  Emphysem  die 
darüber  liegende  beschränkte  Partie  des  knorpligen  und  knöchernen 

Thorax  so  umschrieben  vortreiben  könne -  Gerade  so  wie  nach  dei 

eben  gegebenen  Beschreibung  die  emphysematose  Lunge  bei  Er¬ 
öffnung  des  Thorax  sich  nicht  aus  der  Schnittöffnung  hervorwölbt, 
so  sinkt  auch  der  starr  dilatierte,  vom  Zwerchfell  her  eröffnete  Thorax 
nach  der  Exenterierung  der  Lunge  nicht  zusammen.  Wo  die  Ur¬ 
sache  der  konstanten  Ausdehnung  und  vermehrten  Spannung  im 
Thorax  liegt,  beweist  das  oben  erwähnte  Zurückspringen  der  Rippen, 
sobald  man  sie  von  ihren  Knorpeln  trennt.“ 

Entsprechend  dieser  Erfahrung  aus  Leichenexperimenten 
gestalten  sich  die  Verhältnisse  bei  der  direkten  Beobachtung 
der  Folgen  der  operativen  Durchschneidung  der  Rippenknorpel 
in  den  neuesten  Beobachtungen.  Bei  dem  erstoperierten  Falle, 
den  ich  in  meiner  Arbeit:  „Zur  operativen  Behandlung  gewisser 
Lungenkrankheiten,  insbesondere  des  auf  starrer  Dilatation 
beruhenden  alveolären  Emphysems  mit  einem  Operationsfalle“ 
(Ztschr.  f.  experim.  Pathologie  und  Therapie,  3.  Bd.,  1906)  be¬ 
schrieben  habe,  heisst  es  auf  S.  485: 

„Sofort  nach  Durchschneidung  des  Knorpels  fallen  die  befreiten 
Rippen  nach  ab-  und  einwärts  in  Exspirationsstellung  und  bewegen 
sich  bei  der  Atmung  in  normaler  Weise,  was  bei  dem  starren  Ver¬ 
halten  der  benachbarten,  nicht  operierten  Rippen  im  höchsten  Grade 
auffällt.“  . 

Bei  dem  zweitoperierten  Falle,  welchen  Herr  L.  Mohr  in 
seiner  Arbeit:  „Zur  Pathologie  und  Therapie  des  alveolären 
i  Emphysems“  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  27)  beschreibt, 
heisst  es  auf  Seite  9: 

„Nach  Durchschneidung  des  Knorpels  sieht  man,  wie  sofort  die 
Rippe  in  Exspirationsstellung  zurücksinkt.  In  den  durch  die  Resektion 
geschaffenen  Interstitien  sieht  man  unter  der  übrigens  gleichfalls  ver¬ 
dünnten  Pleura  die  Lungenränder  sich  respiratorisch  verschieben. 

Der  drittoperierte  Fall  von  den  Herren  Prof.  H.  P  ä  s  s  1  e  r 
und  Dr.  H.  Seidel  in  ihrem  „Beitrag  zur  Pathologie  und 
Therapie  des  alveolären  Lungenemphysems“  (Münch,  med 
Wochenschr.  1907,  No.  38)  beschrieben,  zeigt  die  eben  be¬ 
sprochenen  Verhältnisse  in  besonders  eklatanter  Weise: 

„Sofort  nach  Fortnahme  der  letzten  dünnen  Spange  macht  die 
vorher  unbewegliche  (erste)  Rippe  die  Atembewegung  in  ausgiebigei 
Weise  mit.  Rippenknorpel  2 — 5  werden  subperichondral  in  2  cm  Aus- 


Q  Ueber  primäre  Thoraxanomalien,  speziell  über  die  starre  Dila¬ 
tation  des  Thorax  als  Ursache  eines  Lungenemphysems.  Berlin  1906. 
Seite  22. 


2370 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


dehnung  reseziert  und  zwar  mühelos  unter  Durchtrennung  mit  der 
Giglisäge.  Die  durchtrennten  Rippen  federn  sofort  nach  innen  und 
unten,  bewegen  sich  in-  und  exspiratorisch  ausserordentlich  stark, 
was  im  Gegensatz  zu  den  nicht  durchtrennten  Rippen  besonders  auf¬ 
fällt.  In  der  durch  Fortnahme  des  zweiten  Rippenknorpels  ent¬ 
standenen  Lücke  sieht  man  unter  der  freigelegten  Pleura  die  normal 
gefärbte  Lunge  sich  bei  der  Atmung  verschieben.“ 

Das  Referat  über  einen  4.  Operationsfall,  den  Herr 
Dr.  Stieda  aus  Halle  auf  der  Dresdener  Naturforscherver¬ 
sammlung  neben  dem  eben  erwähnten  Pässler-Seidel- 
sehen  Falle  demonstriert  hat,  liegt  mir  nicht  vor*). 
Ich  bin  der  festen  Ueberzeugung,  dass  die  Beobachtung 
an  den  durchschnittenen  Rippenringen  dasselbe  Resultat  wie 
in  den  drei  ersten  Fällen  ergeben  haben  wird. 

Meine  eigentliche  mir  hier  gestellte  Aufgabe  beginne  ich 
mit  der  Wiedergabe  meiner  in  der  Schrift  „Der  Zusammen¬ 
hang  gewisser  Lungenkrankheiten  mit  primären  Rippenknorpel¬ 
anomalien,  1859“  gegebenen  Vorschriften  für  die  „Diagnostik 
der  Stenose  deroberen  Brustapert.u  r“.  —  Obenan 
habe  ich  dort  die  diagnostischen  Zeichen  des  normalen  Thorax 
am  lebenden  Menschen  gestellt.  Den  ersten  Passus,  die  In¬ 
spektion  des  Brustkastens  betreffend,  kann  ich  füglich  über¬ 
gehen.  Wer  sich  gewöhnt  hat,  die  zu  untersuchenden  Men¬ 
schen  vollkommen  nackt  anzusehen,  wird  sich  ein  verlassbares 
Bild  des  Thorax  eines  gesunden  Menschen  als  dauernden  Besitz 
fest  eingeprägt  haben.  Für  unseren  Zweck  der  Konstatierung 
der  pathologischen  Verhältnisse  ist  die  Besprechung  einiger 
bisher  weniger  geübten  Untersuchungsmethoden  von  Wichtig¬ 
keit.  Für  die  Palpation  habe  ich  folgende  Norm  aufgestellt: 

„Wir  fühlen  die  vorderen  RioDenknochenden  und  die  Rippen- 
knorpel  in  ihrer  exspiratorischen  Stellung:  und  in  ihrer  komplizierten 
inspiratorischen  Bewegung:.  Legfen  wir  einen  Finger  auf  den  oberen 
Rand  des  Manubrium  in  das  Jugulum.  so  fühlen  wir  eine  merkliche 
Erhebung  und  Vorwärtsbewegung  desselben.  Die  Sternalenden  der 
Klay ikeln  laufen,  nicht  stark  gekrümmt,  von  innen  vorn  zu  ihren  Akro- 
mialenden  nach  aussen  hinten  und  etwas  nach  oben.  Legt  man  die 
yol.arfldche  der  einen  Hand  auf  das  Manubrium.  die  der  anderen  auf 
die  Nackengegend,  so  erhält  man  nach  längerer  Uebung  ein  ungefähres 
Urteil  über  den  geraden  Durchmesser  und  die  inspiratorische  Erweite¬ 
rung  des  oberen  Brustabschnittes.“ 

Die  Palpation  des  ersten  Rippenknorpels  geschieht  folgen- 
dermassen: 


„Es  wird  die  Schulter  des  sitzenden  Individuums  möglichst  stark 
nach  vorn  und  innen  gebracht,  hierauf  gehoben  und  das  Gesicht  der 
Schulter  entgegengeführt,  so  dass  Nasenspitze  und  Schulter  sich 
gegpnse.bg  zu  nähern  suchen.  _  Bei  nicht  zu  fetten  und  muskulösen 
Weichteilen  entsteht  hierbei  eine  tiefe  Sunraklavikulargrube.  in  die 
der  Zeigefinger  oder  der  Zeige-  und  Mittelfinger  gut  von  oben  nach 
vorn  und  unten  unter  die  Klavikel  dringt.  Man  stösst  hier  auf  den 
oberen  Rand  und  einen  Teil  der  vorderen  Fläche  des  ersten  Rippen- 
knorpels  und  kann  ihn  eine  Strecke  sowohl  nach  hinten  bis  zum  An- 
satze  des  Muscul.  scalen.  antic.  und  dem  Uebertritte  der  grossen  Gefäss- 
und  Nervenstämme  als  auch  nach  vorn  verfolgen.  Der  Zeigefinger 
der  anderen  Hand  geht  zugleich  unterhalb  des  vorderen  Teiles  der 
Klavikel  nach  aufwärts  dem  oben  eingeführten  Finger  entgegen  So 
fühlt  man  die  glatte  Beschaffenheit  und  inspiratorische  Erhebung 
des  Knorpels,  bei  der  sich  zugleich  der  oberen  Rand  etwas  nach 
hinten  legt,  deutlich.  —  Ich  muss  hier  bald  bemerken,  dass  viele 

en sehen,  sich  nicht  leicht  an  diese  Prozedur  gewöhnen:  besonders 
schwer  wird  ihnen  eine  irgend  allgemein  ergiebige  Inspiration  in  dieser 

kei/Tmi  Ta  ,e^aber  frTfiCh  hi!rbei  auch  viel  an  der  Geschicklich¬ 
keit  und  Uebung  des  zu  Untersuchenden  sowohl,  als  auch  des  Unter¬ 
suchenden  der  bei  mangelnder  Geschicklichkeit  und  Uebung  die  Ex¬ 
ploration  lästig.  ja  (durch  Komnression  der  Nerven,  wobei  heftige 
lanzmierende  Schmerzen  durch  den  Arm  fahren)  schmerzhaft  machen 

Dann,mni,r  S-ec'  ?ehrTTw®nie  dei"  Stande  des  Knorpels  erkennt. 
Darum  ist  fleissiare  Uebung  dieser  Methode  überhaupt,  und  oft  eine 

Hcheren°T?pc Untersuchung  eines  Individuums  erforderlich,  um  zu 
sicheren  Resultaten  zu  gelangen. 

..Die  Mensuration  gibt  uns  die  Grössenverhältnisse  der 
oberen.  Apertur,  die  Länge  ihrer  Durchmesser  annähernd  genau  an 
Dass  sie  dies  nicht  genau  kann,  daran  ist  die  sehr  variierende  Dicke 
Jer  mitzumessenden  weichen  und  harten  Gebilde,  wie  bei  der  äusseren 

EnnlSTT ' V  SCh'"d:-  hier  f£H  selhst  Becken  mögliche 

Kontrolle  durch  eine  innere  Messung.  —  Nach  vielfachen  Unter¬ 
suchungen  habe  ich  nur  für  den  geraden  Durchmesser  der  oberen 
Apertur  sichere  Resultate  durch  die  äussere  Messung  erlangt.  —  Ich 
bediene  mich  für.  dieselbe  eines  grossen  Tasterzirkels,  an  dem  ein 
?ic\Th?tren  Und  em  mit  einem  Lnt  versehener  graduierter  Halbkreis 

L  ZV??:1“1'  Ist-  wie  Kl“*e  '"“I  mehrere  andere 
zum  Zweck  der  Beckenmessung  solche  angegeben  haben.  Die 
ausseren  Punkte,  die  dem  inneren  geraden  Durchmesser  genau  ent- 
so rechen,  sind  an  der  hinteren  Seite  des  Zwischenraums  des  Processus 

*)  Der  Fal1  ist  in  dieser  No.  S.  2373  ausführlich  beschrieben. 


spinosus  des  siebenten  Hals-  und  ersten  Brutwirbels;  an  der  vorderen 
Seite  der  höchste  Teil  der  vorderen  Fläche  des  Manubrium.  —  Man 
lässt  nun,  nachdem  man  sich  genau  über  diesen  Punkt  informiert 
hat,  das  Individuum  gerade  mit  herabhängenden  Armen  sich  hinstellen; 
empfiehlt  ihm,  seine  naturgemässe  Haltung  des  Kopfes  (mit  Vermei¬ 
dung  einer  etwaigen  üblen  Angewohnheit  des  Vornüberhängens  und 
ebenso  einer  forcierten  Rückwärtsbeugung)  beizubehalten  und  setzt 
jetzt  die  Schenkel  des  Zirkels  über  einer  Schulter  von  der  Seite  her 
an  jene  Punkte.  Sollte  der  hintere  Punkt  wegen  nahe  aneinander 
liegender  Processus  spinosi  oder  wegen  grosser  Derbheit  der  Weich¬ 
teile  schwierig  zu  erkennen  sein,  so  lasse  man  vorher  den  Kopf  stark 
nach  vorn  und  abwärts  beugen,  es  tritt  dann  der  Processus  spinosus 
des  siebenten  Halswirbels  stark  hervor,  und  man  kann  sich  alsdann 
die  gesuchte  Stelle  auch  bei  natürlicher  Haltung  des  Kopfes  merken. 
Man  akkommodiert  nun  die  Schenkel  des  Zirkels  so  gut  als  möglich, ' 
dass  sie  genau  auf  den  besprochenen  Punkten  liegen  und  kann  jetzt  so¬ 
gleich  den  Betrag  des  äusseren  geraden  Durchmessers  am  Gradbogen 
ablesen,  oder,  wie  ich  es  meistens  getan  habe,  den  festgestellten  Zirkel 
abnehmen  und  die  Abstandsweite  der  Schenkel  auf  ein  Zentimeter- 
mass  auftragen.  Bei  dieser  Messung  wird  zugleich  die  Neigung  der 
oberen  Apertur  bestimmt;  hängt  das  Lot  so,  dass  der  Faden  genau 
der  Fläche  des  graduierten  Halbkreises  anliegt,  so  zeigt  derselbe  ge¬ 
nau  die  Neigung  der  vom  Zirkel  gefassten  Ebene  an. 

Hierauf  wurde  jedesmal  die  Körperlänge  bestimmt.  Bei  einer 
Durchschnittslänge  von  160  cm  für  Männer  beträgt  der  äussere  gerade 
Durchmesser  im  Mittel  13  cm;  bei  Weibern  von  etwa  150  cm  Körper¬ 
länge:  11,5  cm.  Um  einen  ungefähren  Schluss  auf  den  inneren  geraden 
Durchmesser  zu  machen,  muss  man  von  der  gefundenen  Grösse  etwa 
8  cm  bei  Männern,  7  cm  bei  Weibern  abziehen.  —  Die  Neigung  der 
oberen  Apertur  zur  Horizontalebene  beträgt  für  Erwachsene  im  Mittel 
30  •  ■  Bei  neugeborenen  Kindern  von  etwa  51  cm  Körperlänge  be¬ 

trägt  der  äussere  gerade  Durchmesser  ungefähr  6  cm,  die  Neigung  8°; 
nach  zurlickgelegtem  ersten  Lebensjahr  bei  76  cm  Körperlänge  der 
erstere  7  cm,  die  letztere  10°.  Vom  8.  bis  10.  Lebensjahre  bei  125  cm 
Korperlänge:  der  erstere  9,3  cm.  die  letztere  20°  bis  22°;  vom  10.  bis 
15.  Lebensjahre  bei  138  cm  Körperlänge:  der  erstere  10  cm,  die 
letztere  25  °. 

Bei  der  Bestrebung,  den  queren  Durchmesser  der  oberen  Apertur 
durch  Messung  äusserer  Punkte  zu  bestimmen,  trifft  man  auf  die 
grössten  Hindernisse:  es  mangeln  hierbei  bei  der  tiefen  Einhüllung  des 
Köipers  der  ersten  Rippe  in  Weichteile  und  Knochengerüste  gerade¬ 
zu  alle  irgend  verwertbaren  Anhaltspunkte.  Da  ich  glaubte,  dass  die 
Schulterblätter  bei  ihrer  hinteren  und  seitlichen  Anlagerung  an  der 
oberen  Brustpartie  die  Grösse  des  Querdurchmessers  derselben  in 
irgend  einem  Verhältnisse  annähernd  angeben  müssten,  wofür  mir  die 
unter  der  Klavikel  vorragenden  und  meist  leicht  erreichbaren  Pro¬ 
cessus  coracoidei  am  geeignetsten  erschienen,  so  bestimmte  ich  die 
Abstandsweite  ( derselben  an  vielen  Individuen  vermittelst  eines 
Zentimeterbandes  neben  den  andern  vorher  beschriebenen  Messungen. 
Ich  muss  aber  sagen,  dass  dieselben  zu  keinem  konstanten  Resultate 
geführt  haben.  Eine  andere  an  der  Brust  schon  längst  geübte 
Messung,  die  des  Brustumfanges  unterhalb  der  Brustwarzen,  für  die 
Woillez  ein  neues  Messinstrument.  Zyrtometer,  angegeben  hat. 
gibt  ebenfalls  sehr  schwankende  Resultate,  wie  man  aus  den  unten 
angeführten  Fällen  ersehen  wird.  Q  —  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der 
Messung  der  Länge  des  Brustbeins  vom  oberen  Rande  des  Manu¬ 
el  riums  bis  zu  dem  unteren  des  Corpus  sterni.  (Die  Länge  des 
Processus  xiphoideus  variiert  sehr  bedeutend.)“ 

Den  Zustand  des  Knorpels  erkennt  man  durch  die  Nadel¬ 
untersuchung. 


, ,  .  V  /  ‘V,  C1,C  rrilcn  Iur  meseme  der  mittelstarken  Karlsbader 
Nadeln  (stählerne  sind  natürlich  unbrauchbar),  deren  Spitzen  vorher 
gut  geschliffen  werden.  Was  die  Technik  dieser  Methode,  wie  sie  in 
neuester  Zeit  geübt  wird,  überhaupt  anlangt,  so  verweise  ich  auf 
einen  Aufsatz:  Ueberblick  über  die  Akidopeirastik.  eine  neue  Unter- 
suchungsmethode  mit  Hilfe  snitziger  Werkzeuge  von  Prof.  Dr.  A  Th 
Middeldorpf.  )  —  Ich  bemerke  nur,  dass  eine,  geschickte*  und 
schnelle  Handhabung  der  sicher  geführten  Nadel  dem  Untersuchten 
kernen  irgend  erheblichen  Schmerz  verursacht;  ist  man  erst  durch 
die  Haut  und  eipe  unbedeutend  dicke  Lage  unter  ihr  liegender  Weich- 

KnoerneldrUngen’  S°  trifft  ^  Nadel  ba,d  auf  den  empfindungslosen 

„  -kS  ist, ffut’  zuerst  an  Leichen  sich  in  dieser  Untersuchungsmethode 

Lebenden  ausMhrt*  erSten  Ripi,enknorl’el-  ™n  sie  an 

Untersuchung  der  unteren  Rinoenknorpel  bis  zum  zweiten 
spannt  man  mit  dem  Zeigefinger  und  Daumen  der  linken  Hand  die 
Haut  quer  über  den  Knorpel  an  und  stösst  die  mit  der  Rechten  sicher 
gehaltene  Nadel  gerade  und  rasch  in  den  Knorpel.  Das  Eindringen  in 
denselben  ist  von  einem  eigentümlichen  Gefühle  begleitet,  das  eben 
besser  empfunden  als  beschrieben  werden  kann  und  darum  durch 
Ungerc  Erfahrung  angeeignet  und  geübt  wird.  Man  bezeichnet  dies 
uefuhl  wohl  am  besten  mit  „gleichmässig  elastisch“,  weil  man  merkt, 


„  Timrf  Umfang  variiert  sehr  nach  den  Kompensationsvorgängen 

SZ'Snä,,“«  (Volumenszunahme  e.c)  her 
3)  Zeitschi.  f.  kl  in.  Med.,  VII.  Jahrg.,  Heft  5. 


2371 


dass  man  einen  ununterbrochenen,  elastischen  Widerstand  zu  übei 
winden  hat.  Ebenso  charakteristisch  ist  das  Gefühl  beim  Heiaus- 
Sen  der  Nadel;  sie  folgt  gleichsam  verhältnismassig  schneller  unu 
leichter  als  man  nach  der  angewendeten  geringen  Zugkiaft  vei- 
muten  sollte;  sie  wird  „elastisch“,  anscheinend  mit  einem  vom 
Knorpel S  selbst  ausgehenden,  unterstützenden  Andrangen  gehoben. 

-  Von  einem  Geräusch  ist  bei  dieser  Untersuchung  keine  Andeutung. 

Die  Exploration  des  ersten  Rippenknorpels  ist  etwas  schwierigei , 
man  gelangt  sowohl  unterhalb  der  Klavikel  (am  inneren  Dritteil).  als 
auch  oberhalb  derselben  zum  Knorpel,  bür  den  ersten  W  eg  ist  mchts 
Besonderes  zu  bemerken;  von  oben  her  aber  stosst  man  die  Nadel 
h,  der  vorher  bei  der  Palpation  beschriebenen  Haltung  des  Indi¬ 
viduums  unter  steter  Leitung  des  linken,  aut  dem  zu  explonei  enden 
Knornel  ruhenden  Zeigefingers  ein.  —  Man  bemerkt  die  derbeie  Be¬ 
schaffenheit  des  ersten  Rippenknorpels  im  Vergleich  zu  den  unteren. 

Hierauf  untersucht  man  auf  dieselbe  Weise  die  Verbindung 
zwischen  Manubrium  und  Corpus  sterrii;  hier  dringt  man  wegen  dei 

Randmasse  schwerer  ein“4).  .  { 

Die  Anwendung  dieser  Untersuchungsmethoden  aut  die 

Diagnose  der  Thoraxanomalien,  zunächst  der  Stenose  bei  bei¬ 
derseitiger  Verkürzung  des  ersten  Rippenknorpels,  geschieht 

folgendermassen:  .  .  ,  .  , 

Der  durch  die  Inspektion  gewonnene  Eindruck  ist  der  des 
eigentlichen  Habitus  phthisicus.  Die  obere  Brustpartie  er¬ 
scheint  flach,  schmal  und  nach  hinten  unten  gegen  die  Wirbelsäule  ge¬ 
drängt;  das  Manubrium  liegt  stark  nach  hinten  geneigt.  Der  Hals  er¬ 
scheint  in  die  Länge  gezogen,  mager,  dünn;  das  Jugulum  ist  tief  aus¬ 
gehöhlt  und  seitlich  von  den  stark  vorspringenden  inneren  Klavikel- 
enden,  die  mehr  auf  der  vorderen  Fläche  des  Manubrium  zu  liegen 
scheinen,  scharf  begrenzt:  über  demselben  wölbt  sich  der  Hals  mit 
der  meist  starken  Schilddrüse  nach  vorn,  wahrend  an  der  hinteren 
Seite  eine  entsprechende  Vertiefung  sich  bemerkbar  macht,  daraus 
entsteht  die  häufige  (schwanhalsähnliche)  Biegung  des  Halses. 

Nach  aussen  hin  erscheint  die  obere  Brustgegend  vertieft  und 
durch  die  stark  vorspringenden,  sehr  gebogenen  Klavikeln  in  zwei 
Gruben  geteilt,  welche  durch  die  angespannte  Haut  mehr  oder  weniger 
abgedacht  werden.  -  Ein  Band  querüber  auf  die  vordere  Flache 
beider  Schultern  gelegt,  läuft  über  tiefe  Gruben  unterhalb  dei 
Klavikeln  auf  beiden  Brustseiten.  Weil  die  sternalen  Klavikelenden 
tiefer  und  mehr  nach  hinten  als  ihre  Akromialenden  liegen,  so 
erscheinen  die  Schultern  heraufgezogen  und  nach  vorn  gedrängt.  Der 
Angulus  Ludovici  und  das  zweite  Ripoenoaar  springen  spater  in  den 
meisten  Fällen  stark  vor.  Bei  der  Inspiration  sieht  man  die  ganze  von 
dem  ersten  Rippenringe  beherrschte  Gegend  mehr  oder  weniger  hinter 
der  Bewegung  der  unteren  Brustregionen  Zurückbleiben.  Ja  die  sich 
immer  schiefer  auf  das  Manubrium  stellenden  Klavikeln,  der  starker 
ausgeprägte  Angulus  Ludovici  und  der  immer  mehr  vorspi  nigende 
zweite  Rippenring,  samt  einer  geringen  Vorwärtsbewegung  dei 
Schultern  lassen  es  oft  erscheinen,  als  ob  diese  Gegend  inspiratorisch 
sich  sogar  verengte.  —  Clark0)  sagt  sehr  bezeichnend,  dass  die 
Regio  infraclavicularis  während  der  Respiration  fast  unbeweglich 
bleibt;  und  wenn  der  Kranke  sich  zu  einer  tiefen  Inspiration  sehr 
anstrengt,  so  scheint  der  obere  Thoraxteil  mit  Gewalt  unbeweglich 
zurückgehalten  zu  werden. 

Legt  man  einen  Finger  auf  den  oberen  Rand  des  Manubrium,  so 
fühlt  man  denselben  weit  nach  hinten  gedrängt  und  einen  manchmal 
vollständigen  Mangel  jeder  inspiratorischen  Hebung. 

Untersucht  man  den  ersten  Rippenknorpel  vermittelst  der  i  ai- 
pation,  so  stellt  sich  die  Verminderung  oder  der  Mangel  der  respi¬ 
ratorischen  Bewegungen  an  ihm  sehr  deutlich  heraus..  Zugleich  er¬ 
kennt  man  die  Kleinheit  des  Bogens  der  ersten  Ritme.  indem  man  sie 
schneller  nach  hinten  und  rückwärts  sich  biegen  fühlt,  als  es  nonnal 
der  Fall  sein  soll.  —  Die  Messung  ergibt  eine  im  Verhältnis  zum  Alter 
und  zur  Körpergrösse  zu  geringe  Länge  des  äusseren  geraden  Duich- 
messers.  Zu  bemerken  ist  hierbei,  dass  der  hintere  Zirkelschenke! 
sich  schwieriger  anlegen  lässt,  weil  die  Processus  spinosi  des  7.  Hals- 
und  1.  und  2.  Brystwirbels  meist  sehr  hart  übereinander  liegen. 
Diese  Verkürzung  des  geraden  Durchmessers  ist  schon  im  Jugend¬ 
alter  nachzuweisen.  Im  32.  Falle  beträgt  derselbe  bei  einem  1«  ja  '• 
138  cm  langen  Knaben  (von  einem  nhthisischen  Vater)  nur  9,2  cm; 
im  86.  Falle  bei  einem  19  jährigen  156  cm  langen  Mädchen  nur  9  cm. 

Die  Vergrösserung  des  Durchmessers  in  der  Inspiration  konnte 
bei  dem  oft  sehr  geringen  Zuwachs  nur  selten  mit  einiger  Genauigkeit 

gemessen  werden.  , 

Der  Neigungswinkel  der  oberen  Apertur  ist  vergrossert,  soaass 
er  bei  iungen  Individuen  zu  früh  die  Grösse  von  30°  erreicht  (z.  B. 
im  32.  Fall),  ja  dieselbe  selbst  hier  manchmal  (z.  B.  83.  und  86.  r all  1 

4)  Ein  einziges  Mal  begegnete  es  mir  bei  der  Exploration  des 

vorderen  Teiles  des  ersten  Rippenknorpels  unterhalb  der  Klavikel  bei 
einem  Mann,  dass  sich  beim  Herausziehen  der  Nadel  zeigte,  dass  eine 
oberflächliche  Hautvene  angestossen  war;  es  flössen  einige  1  ropten 
Blut  ab;  das  übrige  ergoss  sich  unter  die  Haut  und  bildete  eine  kleine 
halbkugelige  Hervortreibung.  Dieser  natürliche  Tampon  hinderte 
jeden  ferneren  Blutaustritt,  und  nach  einigen  Tagen  war  jede  bpur 
dieser  Erscheinung  verschwunden.  . 

5)  Die  Lungenschwindsucht  (übersetzt  von  Vetter  lodoj. 
(Traite  de  la  consomption). 


wie  im  späteren  Alter  bei  dieser  Anomalie  überschreitet;  32°  bis 
34  0  Der  4bstand  der  beiden  Processus  coracoidei  (äussere  quere 
Durchmesser)  ist  sehr  oft,  aber  nicht  immer  verfeinert  Die  Lange 
des  Sternum  und  des  Brustumfanges  hat  keine  konstanten  Verhält¬ 
nisse  geboten.  Die  Untersuchung  mit  der  Nadel  weist  hier  noch  m- 

Dte  viel  häufigere  Anomalie  der  Verkürzung  nur  des  einen  ersten 
Rippenknorpels  ist  durch  noch  prägnantere  Symptome  ausgedruckt, 
weil  sie  Asymmetrien  an  den  beiden  Brusthalften  hervorruft.  Hiei 
sieht  man  auf  der  kranken  Seite  die  tiefe  Supra-  und  Intraklayikula.- 
grube,  die  auf  der  gesunden  Seite  fehlt;  die  stark  gebogene  Klavikel. 
die  kürzer  ist,  steiler  nach  oben  verlauft,  und  mit  ihrem  Sternal¬ 
ende  mehr  nach  hinten  liegt,  als  es  an  der  gesunden  Seite  der  Fall  ist. 
Die  Schulter  der  affizierten  Seite  steht  oft  etwas  tiefer.  Das  Ma¬ 
nubrium  ist  in  seiner  oberen  Hälfte  sowohl  seitlich  zu  dei  kranken 
Seite  als  auch  nach  hinten  geneigt,  sodass  sein  unterer  Rand  von  dei 
kranken  Seite  von  unten  hinten  schräg  zur  gesunden  nach  oben  vorn 

'aUft  Die  Bewegung  der  oberen  Brustgegend  in  der  Respiration  findet 
nur  auf  der  gesunden  Seite  statt,  doch  auch  hier  massig  und  gemei  . 
Man  fühlt  sehr  deutlich  bei  der  Palpation  den  Unterschied  des  sich 
bewegenden  normalen  und  des  bewegungslosen  zu  kurzen  ersten 
Rippenknorpels,  ausserdem  den  kurzen  Bogen  der  ersten  Rmne  a 
der  affizierten  Seite.  Die  Verkürzung  des  äusseren  geraden  Durch¬ 
messers  ist  nicht  so  stark  ausgesprochen,  wie  bei  der  beiderseitigen 
Verkürzung,  doch  immer  noch  gut  bemerkbai  (im  73.  Fähe.  1U,2  c  ). 
Oft  trifft  man  die  Verbindung  zwischen  Manubrium  und  Corpus  steim 

sehr  ^ake^®glsche.denförrnige  verknöcherung  des  ersten  Rippen¬ 
knorpels  betrifft,  so  ist  die  des  zu  kurzen  Knorpels  und  zwar  einer 
oder  beider  Seiten  durch  dieselben  Zeichen  der  Inspektion  und  Men- 
suration  wie  sie  die  einfache  Verkürzung  bietet,  charakterisiert. 

Die  Palpation  des  Knorpels  selbst  aber  lässt  deutlich  die  rauhe 
und  höckrige  Oberfläche  bei  vorgerückter  Scheidenbildung  an  dem 
oberen  Rande  erkennen,  und  besonders  der  Akidopeirastik  ist.  hie 
ein  weites  Feld  geöffnet.  Ebenso  sind  für  die  Erkennung  der  Scheiden- 
bildung  am  ausgewachsenen  ersten  Rippenknorpel  die  beiden  letzt¬ 
genannten  Untersuchungswege  höchst  wichtig;  die  Inspektion  lasst 
hier  nur  die  mangelnde  Beweglichkeit  der  oberen  Biustregion  l 
Inspiration  erkennen;  die  Messung  ist  aber  für  die  Diagnose  dieser 

Anomalie  unbenutzbar.  .  .  ...  .  „ 

Vermöge  der  Nadel  erkennen  wir  schon  die  ersten  Anfänge  der 
Knochenscheidenbildung  und  zwar  an  der  vorderen  Flache  des 
Knorpels,  indem  wir  unterhalb  der  Klavikel.  und  am  oberen  Rande, 
indem  wir  von  der  Supraklavikulargrube  aus  emstehen.  Das  Gefühl 
der  auf  Knochen  stossenden  Nadelsiptze  ist  sehr  bezeichnend:  ein 
harter,  unelastischer  Widerstand,  ein  festes  Haften,  wenn  die  Nadel 
mit  Gewalt  etwas  eingetrieben  wird,  lässt  schon  eine  ziemliche  Dicke 
der  Knochenlage  vermuten;  während  das  plötzliche  Uebei winden  des 
Widerstandes  (mit  etwa  demselben  Gefühl,  wie  wenn  man  die  dünne 
Kriochenschale  bei  einem  von  der  Markhohle  hei  e n t; w l c k eiten  Kr« eb 
des  Knochens  durchstösst)  den  ersten  Beginn  der  Scheidenbildung 
verkündet.  Ausserdem  wird  die  Untersuchung  von  ®ine™ 
tümlichen,  rauhen  Geräusche,  welches  sogar  Umstehende  bemerken 
können,  begleitet.  Mittelst  der  Nadel  sind  wir  also  in  den  Stand 
gesetzt,  die  Scheidenbildung  des  ersten  Rippenknorpels  schon  m  mrem 
Beginne,  welcher  gerade  an  den  uns  zugänglichen  Stellen  (an  d 
vorderen  Fläche  und  dem  oberen  Rande)  statthat.  nach  lhi  er  Aus¬ 
breitung  in  Tiefe  und  Fläche  sicher  zu  erkennen.  Man  sieht  ein.  wie 
wichtig  in  dieser  Hinsicht  die  Nadeluntersuchung  bei  dem  im  aus¬ 
gewachsenen  Zustande  verknöchernden  Knorpel  ist.  indem  sie  schon 
in  frühen  Stadien  der  Krankheit  bei  sonst  oft  robusten  und  gut  ge¬ 
bauten  Individuen  mit  breiter  und  normal  aussehender  Brust  auf  jene 
bedeutungsvolle  Anomalie  aufmerksam  macht. 

Eine  in  den  späteren  Stadien  etwa  aufgetretene  Gelen  '- 
b  i  1  d  u  n  g  lässt  sich  ebenfalls  mit  ziemlicher  Sicherheit  diagnosti¬ 
zieren.  Zunächst  fällt  an  der  oberen  Brustgegend  die  respirat or'sche 
Beweglichkeit  auf.  deren  bedeutender  Grad  dem  ausseren  Arisehem 
welches  auf  eine  abnorme  Kürze  des  ersten  Knorpels  deutet,  du'el  aus 
nicht  entspricht;  auch  fühlt  man  vermittelst  des  Finges  die  erste  RmP<- 
sehr  frei  beweglich:  dabei  nimmt  man  sehr  staike,  rauhe  Knochen¬ 
höcker  wahr;  dringt  man  weiter  nach  vorn  und  innen,  wahrend  man 
mit  dem  Zeigefinger  der  anderen  Hand  unter  der  Klaviked  nach  oben 
sich  entgegenkommt,  so  trifft  man  in  dem  Verlaufe  des  Knorpels  au 
eine  stark  verdickte,  vorgewölbte  Partie,  auf  der  überdies  meist 
starke  Knochenhöcker  sich  befinden.  Liegt  diese  angeschwollene 
Stelle  für  die  Palpation  bequem  (mehr  der  Mitte  des  Knorpels  zu),  o 
kann  es  gelingen,  auf  der  Höhe  derselben  eine  rinncnartiKe  - 
tiefung  und  eine  Verschiebung  in  diesem/leile  bei  dei  Respirations 
bewegung  wahrzunehmen:  die  Nadel  weist  in  solchen  Fal 
eine  vollständige  Scheidenbildung  und  durch  ihr  Eindringen  m  den  auf 
der  Höhe  jener  Anschwellung  befindlichen  Spalt  die  Gelenkbiklung 
dem  ersten  Rippenknorpel  mit  Sicherheit  nach.  Auf  diese  Weise  ist 
es  mir  gelungen,  die  Diagnose  der  Gelenkbildung  bei  zwei  noch ' 
den  Frauen  (73.  Fall  und  ein  Fall  aus  der  Pnvatpraxis  eines  Kollege  , 
über  den  mir  die  genaueren  Daten  fehlen)  und  einmal  an  der  Leiche 
(43  Fall)  vor  der  Sektion  zu  stellen:  in  dem  letzteren  Falle  ist,  wie  zu 
ersehen  ist,  die  auf  geheilte  Tuberkulose  der  rechten  Lungenspitze  ge¬ 
stellte  Diagnose  bestätigt  worden.“ 


2372 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Für  die  Diagnose  der  starren  Dilatation  des  Thorax  habe 

ich  folgende  Norm  aufgestellt. 

„Was  die  sichtbaren  allgemeinen  äusseren  Charaktere  des 
emphysematosen  Habitus  am  Brustkasten  betrifft,  so  findet  man  die¬ 
selben  von  vielen  Autoren  gründlich  abgehandelt,  und  sie  sind  auch 
längst  dem  Praktiker  geläufig.  Ich  habe  die  Aufmerksamkeit  hier 
vorzugsweise  auf  die  Zeichen  der  partiell  fortschreitenden  starren 
Dilatation  des  Brustkastens  zu  lenken,  die  sich  natur- 
gemäss  dprch  Asymmetrie  der  beiden  rhoraxhälften  bemerklich 
macht.“ 

Bei  der  allgemeinen  starren  Dilatation  des 
Brustkastens  fällt  der  kurze,  unten  breit  auf  den  Schul¬ 
tern  aufsitzende  Hals,  die  verkürzte  Distanz  des  oberen  Randes 
des  Manubrium  vom  Schildknorpel  auf. 

„Die  Inspirationsbewegungen  gehen  in  abgebrochener  kurzer  Art, 
ruckweise  vor  sich,8)  es  rührt  dies  von  der  verminderten  Elastizität 
der  Rippenknorpel  her,  welche  im  Normalzustände  die  Bewegung  der 
Rippe  in  ihren  Gelenken  zu  einer  stetigen,  gleichmässigen  und  sanften 
macht.  Hier  wird  die  Rippe  mit  ihrem  Knorpel  bei  der  so  vermin¬ 
derten  Elastizität  in  ihren  Gelenken  von  den  Muskeln  plötzlich  her¬ 
aufgezogen. 

Die  Palpation  lässt  eine  ungleichmässige  Oberfläche,  starke  Bie¬ 
gung  des  Rippenknorpels  und  die  der  inspiratorischen  mehr  oder 
weniger  gleichkommende  exspiratorische  Stellung  desselben,  wie  die 
des  Rippenknochens  erkennen.  Das  Manubrium  steigt  in  der  In¬ 
spiration  sehr  wenig. 

Die  Mensuration  ergibt  oft  sehr  sichere  Anhaltspunkte.  Denn  der 
gerade  Durchmesser  der  oberen  Apertur  ist  bei  der  allgemeinen 
Dilatation  vergrössert  bis  zu  14,5  cm  und  der  Neigungswinkel  be¬ 
deutend  verkleinert:  22°  bis  20°  (S.  Fälle  89,  94,  99,  100)“. 

Die  Akidopeirastik  ist  hier  von  grösster  Wichtigkeit. 

„Sie  lehrt  sehr  früh  die  beginnende  Zerfaserung  des  Knorpels 
erkennen,  wenn  die  durch  die  Inspektion  und  Palpation  gewonnenen 
Resultate  noch  sehr  vage  und  ungenau  ausfallen  müssen.  Das  Ein- 
stossen  der  Nadel  in  den  zerfaserten  Knorpel  geschieht  schon  be¬ 
deutend  schwerer,  als  in  den  normalen;  man  hat  dabei  das  Gefühl  eines 
starren,  unelastischen  Widerstandes.  In  den  ersten  Stadien  der  Ent¬ 
artung,  in  denen  noch  eine  verschieden  dicke  Schicht  hyaliner 
Knorpelsubstanz  die  zerfaserte  innere  Partie  umgibt,  gelangt  die 
Nadel  erst  nach  dem  leichteren  früher  beschriebenen  Eindringen  durch 
die  peripherische  Schicht  zu  dem  vermehrten  Widerstande  des 
degenerierten  Zentrums.  Zieht  man  hier  die  Nadel  langsam  aus,  so 
merkt  man,  dass  sie  ziemlich  fest  haftet,  und  nachdem  sie  die  ent¬ 
artete  Stelle  meist  mit  einem  kleinen  Ruck  verlassen  hat,  lässt  sie  sich 
aus  der  peripherischen  Schicht  in  früher  beschriebener  Weise  leicht 
elastisch  herausheben.  Bei  der  den  ganzen  Knorpel  einnehmenden 
Zerfaserung  dringt  man  vornherein  nur  schwierig  tiefer  ein  und  zieht 
die  Nadel  ebenfalls  schwierig  und  mit  einem  Ruck  plötzlich  aus.  Man 
hat  bei  der  ganzen  Untersuchung  deutlich  das  Gefühl  eines  rauhen 
Körpers,  mit  dem  die  Nadelspitze  in  Berührung  kommt.  Geräusche 
habe  ich  nicht  vernommen.“ 

Die  Errungenschaften  der  modernen  klinischen  Diagnostik 
haben  zur  Befestigung  der  Diagnose  sowohl  der  Stenose  als 
auch  der  starren  Dilatation  Wesentliches  beigetragen.  In  erster 
Linie  ist  hier  die  R  a  d  i  o  s  k  o  p  i  e  zu  nennen.  Die  Stenose  der 
oberen  Apertur,  die  scheidenförmige  Verknöcherung  des  Knor¬ 
pels,  die  Gelenkbildung;  die  Veränderung  der  Rippenknorpel, 
ihre  Unbeweglichkeit  bei  der  starren  Dilatation,  das  Verhalten 
des  gedehnten  Zwerchfells,  alles  dies  ist  ungemein  klar  am 
lebenden  Menschen  zu  erkennen.  Ich  verweise  hierzu  auf  die 
Auseinandersetzung  in  meiner  Arbeit  „Ueber  primäre  Thorax¬ 
anomalien  usw.“,  Berlin  1906,  S.  26.)  Ist  die  Diagnose  der 
rhoraxanomalie  gesichert,  so  ist  die  Erkenntnis  der  daran  sich 
anschliessenden  Lungenaffektion  natürlich  von  der  nächst 
grössten  Wichtigkeit.  Die  neueren  diagnostischen  Be¬ 
mühungen  um  diesen  Punkt  werden  ungemein  fleissig 
ventiliert  und  haben  zu  verlassbaren  Resultaten  geführt. 
Bei  der  nun  zu  besprechenden  Aufstellung  der  Indikationen 
zur  operativen  Behandlung  der  Thoraxanomahen  spielt  dieses 
Moment  vielleicht  die  wichtigste  Rolle.  Denn  die  Thoraxano¬ 
malien  an  sich  stellen  keine  Indikation  zur  Operation  auf;  erst 
der  Zustand  der  sekundär  erkrankten  Lungen  spricht  Indikation 
oder  Kontraindikation  zur  operativen  Behandlung  aus.  Darum 
wird  der  innere  Mediziner  immer  das  letzte  Wort  in  der  Fixie¬ 
rung  der  Indikation  oder  der  Kontraindikation  zu  sprechen 


)  f  ournet  1.  c.  S.  279:  - Ces  mouvements  sont  tout  ä  fait 

charact^ristique  de  l’emphyseme  pulmonaire:  Inspiration  brusque, 
breve,  produite  par  une  sorts  de  mouvement  convulsif  dans  lequel  le' 
thorax  tout  entier,  et  comme  d’une  seule  piece,  est  fortement  souleve, 
les  parties  laterales  inferieures  de  la  poitrine  operant  presque  ä  eiles 
seules  le  mouvement  de  dilatation  —  cet.  cet.“ 


haben.  Ich  habe  in  meinem  Vortrage  in  der  Berliner  med.  Ge¬ 
sellschaft  am  27.  November  1901  als  Indikation  zur  Operation 
bei  der  Stenose  der  oberen  Apertur  die  sichere  Konstatierung 
dieser  Stenose,  besonders  erblich  Belasteter,  und  als  richtigen 
Zeitpunkt  die  Beobachtung  wiederholter,  auf  die  Spitze  be¬ 
schränkter  Affektionen  der  Lunge  hingestellt.  Ist  eine  tuber¬ 
kulöse  Affektion  der  Lungen  bis  unterhalb  des  zweiten  Rippen¬ 
ringes  nach  abwärts  gedrungen,  so  halte  ich  die  „Heilzeit“  für 
abgelaufen  und  glaube,  dass  die  Mobilisation  der  oberen  Aper¬ 
tur  keinen  günstigen  Erfolg  mehr  bewirken  kann.  Ebenso  muss 
die  Operation  unterbleiben  bei  Konstatierung  anderweitiger 
tuberkulöser  Erkrankungen,  z.  B.  des  Darmes. 

Die  Einschränkung  der  Indikation  zur  Operation  auf  Fälle 
beschränkter  Spitzenaffektion  beruht  auf  Schlüssen  aus  patho¬ 
logisch-anatomischen  Beobachtungen.  Trotz  Gelenkbildung, 
die  so  häufig  mit  geheilter  Spitzenphthise  verbunden  angetroffen 
wird,  haben  wir  fortschreitenden,  zum  letalen  Ende  führenden 
tuberkulösen  Prozess  beobachtet  und  haben  geglaubt,  dies  auf 
zu  späten  Eintritt  der  Gelenkbildung  nach  bereits  weit  vor¬ 
geschrittener  tuberkulöser  Affektion  beziehen  zu  sollen.  Ich 
konstatiere  aber  ausdrücklich,  dass  ich  diesen  für  den  ganzen 
Gegenstand  wichtigen  Punkt  für  nicht  abgeschlossen,  sondern 
weiterer,  auf  anatomischer  und  klinischer  Untersuchung  ba¬ 
sierender  Durchforschung  bedürftig  erachte. 

Glücklicherweise  hat  man  die  Furcht  vor  der  Operation 
an  dem  ersten  Rippenknorpel,  welche  die  Chirurgen  im  Jahre 
1857  auf  meine  Anfrage  noch  bedrückte,  neuerdings  überwunden. 
Die  glückliche  Exstirpation  von  Halsrippen,  und  vor 
allem  andern  die  neuesten  Erfahrungen  des  Herrn  Dr.  S  e  i  - 
d  e  1  haben  uns  von  dieser  Furcht  befreit.  In  der  oben  erwähn¬ 
ten  Arbeit  spricht  Seidel  sich  über  diesen  Punkt  folgender- 
massen  aus: 

„Hervorheben  möchten  wir  ausserdem,  dass  hier  zum  erstenmal 
der  Beweis  geliefert  wurde,  dass  auch  die  erste  Rippe  ohne  wesent¬ 
liche  Schwierigkeiten  gefahrlos  durchtrennt  werden  kann.  Dies  er¬ 
scheint  uns  wichtig  im  Hinblick  auf  den  von  Freund  gemachten, 
bisher  aber  noch  nicht  ausgeführten  Vorschlag,  bei  tuberkulösem 
Spitzenkatarrh  und  Enge  des  ersten  Rippenringes  letzteren  zu  durch- 
schneiden  7).  Es  ist  dazu  nicht  nötig,  auf  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  s 8)  Vorschlag 
zurückzukommen,  nach  welchem  zur  besseren  Freilegung  der  ersten 
Rippe  ein  Stück  vom  unteren  Rande  der  Klavikel  fortgenommen 
werden  soll.  Man  kann,  wie  Seidel  im  vorliegenden  Falle  zeigte, 
ohne  jede  Nebenverletzung  auskommen,  wenn  man  es  nicht  darauf  ab- 
sieht,  wie  gewöhnlich  bei  der  Rippenresektion,  etwa  mit  der  Rippen¬ 
schere  vorzugehen,  sondern  wenn  man  vielmehr  mit  der  Luer  sehen 
Zange  Stück  für  Stück  von  der  Rippe  abträgt.  Letztere  war  in 
unserem  Falle  ausserordentlich  dick,  so  dass  die  entstehende  Lücke 
in  ihr  sehr  tief  war.  Nimmt  man  in  solchen  Fällen  für  die  tieferen 
Schichten  kleinere  Zangen,  wie  sie  in  der  otiatrischen  Technik  üblich 
sind,  so  hat  man  auch  hier  ein  bequemes  Operieren.  Es  ist  auf  diese 
Weise  sogar  möglich,  sich  bis  ziemlich  weit  unter  die  Klavikel  durch¬ 
zuarbeiten.  Interessant  war  die  Beobachtung,  dass  sich  keine  Be¬ 
wegung  der  ersten  Rippe  zeigte,  so  lange  auch  nur  eine  schmale,  etwa 
2  mm  dicke  Spange  an  ihrer  bronchialen  Seite  sich  fand,  dass  aber  so¬ 
fort  die  ausgiebigsten  respiratorischen  Bewegungen  einsetzten,  sowie 
diese  letzte  Spange  durchtrennt  war.“ 

Das  Vorgehen  Seidels  der  Durchschneidung  auch  des 
ersten  Rippenknorpels  bei  starrer  Dilatation  ist  in  jeder  Hinsicht 
hochinteressant.  A  priori  hätte  ich  gegen  diese  Durch¬ 
schneidung  gesprochen,  weil  ich  dem  ersten  Rippenknorpel  die 
Rolle  einer  bei  der  Exspiration  des  Thorax  wirksamen  Feder¬ 
kraft  zugeschrieben  habe.  Der  gute  Erfolg  des  S  e  i  d  e  1  sehen 
Vorgehens  und  eine  weitere  Ueberlegung  rechtfertigen  auch 
für  künftige  Fälle  dieses  Vorgehen,  weil  bei  einer  gewissen  Ent¬ 
wicklung  der  starren  Dilatation  auch  der  erste  Rippenknorpel 
starr  ist,  so  dass  er  für  die  exspiratorische  Bewegung  nicht 
mehr  in  Frage  kommen  kann.  Die  zeitliche  Indikation  habe  ich 
an  mehreren  Stellen  so  umschrieben,  dass  ich  die  chirurgische 

7)  Ich  möchte  betonen,  dass  in  der  Mobilisation  und  Gelenk- 
bildung  an  der  stenosierten  oberen  Apertur  dem  Chirurgen  eine  Auf¬ 
gabe  gestellt  ist,  die  sich  auf  verschiedene  Art  lösen  lässt.  Mein  Vor¬ 
schlag  lehnt  sich  an  den  natürlichen  Kompensationsvorgang  an. 

s)  Ueber  diesen  Punkt  habe  ich  in  meiner  letzten  Mitteilung 
folgendes  geschrieben:  „Was  die  chirurgische  Ausführbarkeit  der 
Operation  anlangt,  so  ist  auch  nach  dem  Ausspruche  des  Herrn 
O.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  dieselbe  über  allem  Zweifel . . .  Derselbe  hat  mir 
ein  Verfahren  demonstriert,  vermöge  dessen  die  Durchschneidung  des 
ersten  Rippenknorpels  durch  horizontale  Abtragung  etwa  der  Hälfte 
der  Klavikel,  wodurch  sein  oberer  Rand  zugänglich  gemacht  wird, 
bedeutend  erleichtert  wird.“ 


2373 


26.  November  1907. 

Mobilisation  des  starr  dilatierten  Thorax  bei  alveolärem  Em- 

Sä-“1™'?“"« 

SÄSofv^'der'Mrophl  lÄeftE“  ‘iS- 

gewebes  STund  Seide  1  gebrachte 

Fassung  kann  ich  nur  vollständig  im  allgemeinen  und  einzelnen 

akzeptieren.  In  ihrer  Mdtedung  heisst  es^  Abwar(en  K  u. 

k„Ä  «««Sä 

ras? 

Operation  zu  unterstützen  -Wann  st aber  der  zeitpuni  f#r 

m  unserem  eisernen  Fal le  habe  w,r  de^Ze.tpunKt  zu^ 

gegeben  erachtet,  als  de  " Leistung  zur  Atmungsinsuffizienz 

“  I)  r|,»b!etdasiPdlSezÄ  der  späteste  sein  sollte, 
an  dem  die  Operation  vom  Arzt  vorgeschlagen  werden  soll. 

Von  den  Schlussfolgerungen  hebe  ich  noch  die  6.  de 

Hprrpn  Pässler  und  Seidel  hervor. 

Fin  Nutzen  ist  auch  dann  nicht  ausgeschlossen,  wenn  bereits 
sekundäre  Herzinsuffizienz  besteht  Einstweilen  ist  Jedoch  von  d 
Oneration  so  vorgeschrittener  Fälle  abzuraten. 

Einige  neuere  Beobachtungen  von  starrer  Dilatation 
Thorax  bei  jugendlichen  Indviduen,  die  ich  und  andeie  zu 
machen  Gelegenheit  gehabt  haben  scheinen  mir  v°n  ungemei 
grosser  Wichtigkeit  und  darum  will  ich  eine  Stelle  aus  me u  e 
Ichrift  vom  Jahre  1859,  die  diese  Punkte  bereits  behandelt 
wörtlich  mitteilen :  „Interessant  ist  die  Beobachtung,  welche  die 
Anfänge  dieser  Anomalie  schon  in  den  ersten  Lebenszeiten  auf- 
weist.  War  es  auch  hierbei  noch  nicht  gerade  der  Prozess  der 
Zerfaserung,  welcher  der  Vergrosserung  der  Rippenknorpel 
zugrunde  lag,  so  erwiesen  sich  dieselben  doch  schon  merklich 
härter,  fester  und  zeigten  neben  ihrer  ubermassigen  Entw  ic  - 
lung  auch  eine  auffallend  veränderte  Gestalt.  Siehe  den  28.  Fa 
in  der  Kasuistik  S.  109  und  die  zu  ihm  gehörige  Zeichnung 
Fig.  10.  Wichtig  ist  diese  Beobachtung,  weil  sie  den  durc 
Zahlen '  befestigten  Angaben  bewährter  Autoren,  dass  das 
eigentliche  Emphysem  oft  angeboren  und  erblich  sei  eine  solide 
tatsächliche  Basis  gibt,  wie  wir  sie  für  die  Erblichkeit  der 

Tuberkulose  gefunden  haben9)  .  ,  ,  . 

Der  Wichtigkeit  des  Umstandes  wegen  führe  ich  hiei  die 
Beschreibung  des  28.  Falles,  welcher  die  Leiche  eines  6  I  age 

alten  starken  Knaben  gibt,  wörtlich  an. 

Der  Körper  ist  55  cm  lang,  der  äussere  gerade  Durchmesser  der 
oberen  Brustapertur  5,2  cm,  der  äussere  quere  Durchmesser  9,3  cm, 
Brustumfang  30  cm.  Die  beiden  . 3.  1 Rippenknorpel  sind  gespal len.  Der 
1  RioDenknorpel  ist  sehr  breit,  der  rechte  steht  in  einer  exspiu 
torischen  Spiralstellung,  der  linke  verläuft  eben.  Das  Manubrium 
SÄSX  Die  rechte  Hälfte  der  oberen ,  Apertur ■  , s t  umfang- 
reicher  als  die  linke.  Alle  Rippenknorpel  sind  a™a  tnds  ,  ^eis| 
Das  Manubrium  ist  wenig  geneigt,  und  das  Profil  des  Sterm 
in  der  oberen  Hälfte  wenig  gebogen.  Die  obere  Apertur  steht  senk 
recht  auf  der  Wirbelsäule.  Die  Knorpel  schneiden  sich  knirschend 
und  etwas  schwieriger  als  sonst  bei  so  jungen  Kmdern  und  sind  mehr 
milchweiss,  als  bläulich  durchscheinend  Das  Sternum  ö,2  cm  und  sehr 
stark  entwickelt.  Der  innere  gerade  Durchmesser  2,2  cm,  der  inner 
quere  Durchmesser  4,6  cm, 

1.  linker  Rippenknorpel:  2,1  cm  1.  rechter  Rippenknorpel.  2,6  cm 

2.  -  ’  ”  \  ”  ”  3.5  ” 

3.  „  »  3,8  „  3.  „  v  39” 

4.  „  *  4  „  4.  »  ” 

Der  1.  linke  Ringknorpel  war  am  inneren  Ende  breit  1,2 '  cm.  am 
äusseren  9  mm.  Der  1.  rechte  Ringknorpel  war  am  inneren  Ende  breit 

1,3  c q g Y. 6 Ripp e  n  k  n  0  r  p  el  ist  mit  dem  Manubrium  durch  em 

Gelenk  verbunden.  .  „  .  ,  ,  ,  „  , 

Das  ungewöhnliche  dieses  Falles  hebt  sich  besonders  hei- 

vor,  wenn  man  dieselben  Masse  gegen  einen  gleichaltrigen, 

9)  Jackson  (bei  H  a  s  s  e  1.  c.  S.  404)  hat  in  Kenntnis  gebracht, 
dass  unter  28  an  ausgebildetem  Lungenemphysem  leidenden  Personen 
bei  18  die  Krankheit  erblich  schien,  indem  ihre  Eltern  (Vater  oder 
Mutter)  an  ähnlichen  Beschwerden  gelitten  hatten.  Dieser  Umstana 
erscheint  um  so  wichtiger,  da  gerade  von  14  Individuen,  bei  denen  das 
Leiden  von  früher  Jugend  an  bestanden  hatte,  bei  allen  14  nacn- 
gewiesen  werden  konnte,  dass  ihre  Eltern  asthmatischen  Zufälle 
unterworfen  gewesen  waren. 


aber  ganz  normalen  Fall  setzt,  wie  er  als  15.  auf  S.  106  folgen- 

dermassen  angegeben  wird: 

Knabe,  20  Tage  alt,  Körperlänge  55  cm. 

1.  linker  Rippenknorpel:  1,2  cm  1.  rechter  Rippenknorpel.  1,1  cm 
n  2,3  1  •  ” 


2. 

3. 

4. 


2,6 

2,8 


1. 

1. 

1. 


2,4 

2,6 


Mit  diesen  Mitteilungen  habe  ich  mich  desjenigen  1  ei  es 
der  Verantwortung,  der  bei  praktischer  Behau  ung  leses 
Gegenstandes  auf  mir  lastet,  entledigt  und  ich  habe  de 
Bedürfnisse,  das  in  dem  gegenwärtigen  Stande  dieser 
bedeutsamen  Sache  nach  meinem  Urteil 
Handeln  berufenen  Fachgenossen  zu  erfüllen  ist  nach 
Kräften  Genüge  getan.  Nur  ruhig  u.nd  fest  v  • 

Sind  wir  mit  unseren  Schlüssen  auf  dem  richtigen  Wege, .  d 
ist  unser  Vorgehen  im  besten  Sinne  des  Wortes  rationell  und 
stellt  ein  seltenes  Beispiel  dar  für  die  ideale  For^runJ’ 
welcher  unser  therapeutisches  Handeln  folgerichtig  sich 
unserer  Einsicht  in  das  Wesen  der  zu  behandelnäen  Krank¬ 
heiten  anschliessen  soll.  Hat  die  primäre  Anomalie  des  Brust 
kastens  in  bald  mehr  unmittelbarer,  bald  mehr  mittelbarer 
Weise  zur  Erkrankung  der  Lunge  geführt,  so  wird  die  opera¬ 
tive  Mobilisation  des  Thorax  auch  mehr  unmittelbar 
oder  mittelbar  zur  Heilung  der  Lunge  fuhren,  indem 
sie  die  Hindernisse  zur  Genesung  beseitigt  und  Er¬ 

krank  t  e  n  die  Fähigkeit  v  e  r  1  e  1  h  t,  _s  1  c  h  s  e  0 
-genesen  zu  machen:  bei  der  Phthise,  indem  sie  den 
Menschen  in  die  Lage  desjenigen  versetzt  welcher 
mit  elastischem  Thorax  und  von  unten  bis  oben  gut 
gelüfteten  Lungen  versehen  durch  alle  drohenden 
fahren  der  Bazilleninfektion  heil  hindurchgeht,  beim  E 
physem,  indem  sie  das  durch  Starrheit  gestörte  Spiel  des 
Respirationsmechanismus  zur  Norm  fuhrt,  Ein-  Ausatmung 
und  damit  die  Wirkung  der  vorher  gebundenen  Elastizität  der 
Lunge  wieder  freimacht.  Wenn  die  operative  Behänd  1  g 
der  Hand  besonnener  und  tüchtiger  Aerzte  gefahrlos  und  1 
ihren  weiteren  Folgen  unbedenklich  ist,  so  hat  die  Fordern  g 
,  nicht  zu  spät“  gerade  hier  ihre  volle  Berechtigung.  Dem  Sach¬ 
kundigen  braucht  diese  Forderung  gerade  bei  der  I  hthise  und 
dem  Emphysem  nicht  weiter  ausgeführt  zu  werden.  Die  Aul¬ 
gaben  der  hochwichtigen  Nachbehandlung  der  vor  der  Opera¬ 
tion  Genesenen,  die  Erweiterung  der  Indikationen  der  Operation 
auf  andere  krankhafte  Zustände  des  Thorax  und  der  Lungen, 
welche  einige  neuere  Erfahrungen  in  Aussicht  stellen,  werden 
Gegenstand  weiterer  Abhandlungen  sein. 

Wir  dürfen  diese  Erörterung  mit  vollem  Rechte  mit  dem 
Hippokratischen  Satze  schliessen: 

vovocov  (pvoieg  irjTQOi. 


Aus  der  Kgl.  Chirurg.  Universitätsklinik  des  Herrn  Geheimrat 
v.  B  r  a  m  a  n  11  in  Halle  a.  S. 

lieber  die  chirurgische  Behandlung  gewisser  Fälle  von 

Lungenemphysem.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  Alexander  Stieda,  Assistenzarzt 

der  Klinik. 

Die  chirurgische  Behandlung  der  Lungenkrankheiten  hat 
in  dem  letzten  Jahrzehnt  erhebliche  Fortschritte  zu 
gehabt.  Ich  verweise  auf  die  zusammenfass  enden  Referate 
über  den  Stand  der  Lungenchirurgie  von  Qu‘ncke  11 
G  a  r  r  e  auf  der  73.  Naturforscherversammlung  in  Ha  m  bürg 

auf  die  Vorträge  von  F  r  i  e  d  r  i  c  h  und  L  e“habr  t^  Aschen 
letzten  Chirurgenkongress  und  auf  die  Sauerbruch  sch 

Veröffentlichungen. 

Im  wesentlichen  waren  es  aber,  abgesehen  von  einzelnen 
Fällen  von  Lungentumoren  (besonders  Echinokokken)  u  - 

letzungen  der  Lunge,  eitrige  Prozesse  die  111  Angr  ff  genommen 
wurden.  Ein  weit  verbreitetes  chron^ches  Lungenleiden 
trotzte  bisher  noch  jeglicher  erfolgreichen  Behandlung  das 
chronische  alveoläre  Lungenemphysem,  obwohl  schon  vor 
nahezu  50  Jahren  Wilh.  Alex.  Freund  gegen  eine  bestimmte, 

*)  Nach  einem  auf  der  79.  Versammlung .  deutscher  Natur 
forscher  und  Aerzte  in  Dresden  am  17,  September  1907  gehalten m 
Vortrag. 


2374  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  _  No.  48. 


charakteristische  Lungentuberkulose  und  ein  ebensolches 
Lungenemphysem  chirurgische  Eingriffe  am  Thorax  vor¬ 
geschlagen  hatte.  Freund  begründete  diese  Vorschläge 
durch  den  Nachweis  primärer  pathologischer  Veränderungen 
am  Thorax  und  ihres  ätiologischen  bezw.  prädisponierenden 
Zusammenhanges  mit  jenen  Lungenkrankheiten. 

Er  beschrieb  eine  besondere  Thoraxanomalie  als  sogen, 
primäre  starre  Dilatation  des  Thorax. 

Bei  Emphysematikern,  namentlich  mittleren,  aber  auch 
jugendlichen  Alters,  konnte  Freund  eine  Degeneration  der 
Rippenknorpel  feststellen.  Schon  äusserlich  tritt  in  derartigen 
Fällen  eine  gut  nachweisbare  Umgestaltung  und  Veränderung 
der  Rippenknorpel  zwischen  Sternum  und  knöchernen  Rippen 
ein.  Infolge  einer  histologisch  leicht  erkennbaren  Umwandlung 
nehmen  die  Rippenknorpel  an  Volumen  zu,  an  Elastizität  da¬ 
gegen  erheblich  ab.  Diese  Entartung  beginnt  am  2.  und 
3.  Rippenknorpel  (rechts  häufiger  als  links)  und  kann  auf  dieses 
Rippenpaar  beschränkt  bleiben  oder  auf  alle  Rippenknorpel 
fortschreiten. 

Der  voluminöser  gewordene  Rippenknorpel  muss  natur- 
gemäss  Veränderungen  in  der  Stellung  der  ihm  benachbarten, 
mehr  weniger  beweglichen  Knochen,  dem  Sternum  und  der 
Rippe,  hervorrufen.  Infolge  des  Gelenkmechanismus  hinten  an 
der  Wirbelsäule  nimmt  die  Rippe  dabei  eine  inspiratorische 
Stellung  ein,  während  das  Brustbein  nach  vorn  und  oben,  event. 
bei  mehr  einseitiger  Affektion  auch  seitlich  verschoben  wird. 
Nehmen  die  Rippenknorpel  schliesslich  noch  mehr  an  Umfang 
zu,  so  müssen  sie  sich  selbst  über  einen  kürzeren  Radius  nach 
vorn  und  aussen  biegen.  Es  erleidet  so  allmählich  der  ganze 
Brustkorb  eine  Formveränderung:  es  entsteht  der  fassförmige 
Thorax  und  mit  ihm  als  Folgezustand  eine  Spannung  des 
Zwerchfells,  aus  dessen  Kuppelform  eine  mehr  abgeflachte 
Kugelform  wird.  Schliesslich  tritt  durch  die  dauernde  Dehnung 
infolge  der  Erweiterung  des  unteren  Thoraxabschnittes  auch 
eine  Atrophie  und  damit  eine  teilweise  Inaktivität  des  Dia¬ 
phragma  ein. 

Naturgemäss  wird  bei  derartigen  Gestaltsveränderungen 
der  Brustkorbs  auch  der  Zustand  der  Lunge  beeinflusst.  Weil 
die  Spannungszunahme  der  Lunge  sich  vornehmlich  an  den 
Rändern  der  Lunge  dokumentiert,  so  kann  man  bei  dem  Em¬ 
physem  infolge  starrer  Dilatation  des  Thorax  die  Anfänge  auch 
an  den  vorderen  Lungenrändern  beobachten. 

Dieser  primär  starr  dilatierte  Thorax  ist  nun 
nach  Freund  in  einer  bestimmten  Reihe  von  Fällen  auch 
die  Ursache  eines  alveolären  Lungenemphy¬ 
sems. 

Diese  Fälle  von  Lungenemphysem  bieten  bei  der  Eröffnung 
des  Thorax  an  der  Leiche  auch  das  gleiche  Verhalten  der 
Lungen  dar  wie  beim  Altersemphysem:  die  Lungen  kollabieren, 
während  sie  bei  dem  durch  irgend  eine  Stenosierung  des 
Bronchialbaumes  nach  tiefster  Inspiration  entstandenen  Em¬ 
physem  auch  nach  der  Thorakotomie  in  geblähtem  Zustande 
verharren. 

Selbstverständlich  beobachtet  man  bei  dieser  Art  des 
Lungenemphysems  auch  als  Kompensationsvorgänge  eine 
Hypertrophie  der  exspiratorischen  Hilfsmuskeln,  insbesondere 
auch  des  an  der  Innenseite  des  Sternum  und  dessen  Umgebung 
sich  ausbreitenden  Musculus  triangularis  sterni. 

Freund  schlug  nun  als  rationelles  Mittel  zur  Mobili¬ 
sation  des  starr  dilatierten  Thorax  die  „Exzision  keilförmiger 
Stücke  aus  den  degenerierten  Rippenknorpeln“  vor,  denn  aus 
der  beschriebenen  Formveränderung  erklärte  es  sich,  dass  bei 
der  Durchschneidung  eines  derartig  degenerierten  Rippen¬ 
knorpels  die  dann  gleichsam  frei  gewordene  Rippe  in  eine  der 
exspiratorischen  nahekommende  Stellung  zurücksinkt. 

Fast  ein  halbes  Jahrhundert  hat  die  Frage  der  Operabilität 
des  alveolären  Lungenemphysems  geruht,  jahrzehntelang 
waren  die  Freund  sehen  Untersuchungen  und  Vorschläge  in 
Vergessenheit  geraten,  bis  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  als  erster  im  März 
1906  auf  Anregung  von  Kraus  einen  Fall  von  Lungen¬ 
emphysem  operativ  angriff. 

Es  handelte  sich  um  einen  46  jährigen  Mann,  bei  dem  Anfang 
März  1906  unter  Lokalanästhesie  zuerst  auf  der  rechten  und  Ende 
April  desselben  Jahres  auch  auf  der  linken  Seite  des  Thorax  aus 
dem  2.  und  3.  Rippenknorpel  je  ein  ungefähr  Wz  cm  breites,  nach 
unten  zu  keilförmig  verjüngtes  Stück  herausgeschnitten  wurde.  Der 


Kranke,  der  an  hochgradigen  dyspnoischen  Anfällen  litt,  verspürte 
schon  nach  dem  ersten  operativen  Eingriff  einige  Erleichterung  und 
nach  der  2.  Operation  konnte  mehrere  Monate  später  noch  eine  an¬ 
haltende  Besserung  des  Befindens  konstatiert  werden. 

Dieser  Fall  ist  von  Freund  selbst  in  der  „Zeitschrift  für 
experimentelle  Pathologie  und  Therapie  (III.  Bd.,  1906)  ver¬ 
öffentlicht  worden. 

Trotz  des  entschieden  günstigen  Erfolges,  den  Hilde¬ 
brand  erzielt  hatte,  fand  die  F  r  e  u  n  d  sehe  Operation  zu¬ 
nächst  keine  weitere  Nachahmung,  bis  im  April  1907  in  der 
v.  Braman  n  sehen  Klinik  ein  zweiter,  aus  der  medizinischen 
Poliklinik  (M  o  h  r)  uns  zugewiesener  Fall  von  Lungenemphy- 
sem  zur  Operation  gelangte.  Bei  ihm  wurde  zuerst  auf  der 
rechten  Seite  von  der  2.  und  3.  knöchernen  Rippe  ein  4  bezw. 
3  cm  langes  Knochenstück  unter  sorgfältiger  Abtragung  des 
Periosts  entfernt  und  6K>  Wochen  später  auf  der  anderen  Seite 
von  v.  B  r  a  m  a  n  n  die  Resektion  von  5 — 6  cm  langen,  aus 
Knorpel  und  Knochen  bestehenden  Stücken  der  2.  bis  5.  Rippe 
hinzugefügt. 

Der  Fall  betraf  einen  46  jährigen  Glasermeister,  der  schon 
5  Jahre  lang  an  einem  hochgradigen  Emphysem  litt  und  dessen 
Leiden  durch  keine  medikamentöse  oder  andere  Therapie 
günstig  beeinflusst  wurde.  Ende  Juni  d.  J.  konnte  Mohr  den 
Kranken  als  sichtlich  gebessert  im  Verein  der  Aerzte  zu  H  a  1 1  e 
vorstellen  (vergl.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  27).  Eine 
kürzlich  vorgenommene  Nachuntersuchung  hat  aber  gezeigt, 
dass  die  zuerst  evidente  Besserung  keine  dauernde  war.  Ich 
bin  geneigt,  dieses  zweierlei  Umständen  zuzuschreiben:  einmal 
handelte  es  sich  um  einen  schon  sehr  hochgradigen  Fall,  ferner 
haben  sich  auf  der  zuerst  in  Angriff  genommenen  Seite  die  rese¬ 
zierten  Stücke  der  knöchernen  Rippen  zum  Teil  regeneriert. 
Der  Fall  ist  also  zurzeit  wie  ein  nur  einseitig  operierter  auf¬ 
zufassen.  Es  würde  in  Frage  kommen,  bei  diesem  Kranken 
auch  auf  der  rechten  Seite  noch  an  eine  Exzision  der  Rippen¬ 
knorpel  heranzugehen,  um  eine  dauernde  Besserung  zu  ver¬ 
suchen  *). 

Die  Naturforscherversammlung  in  Dresden  im  Septem¬ 
ber  d.  .1.  brachte  dann  zwei  neue  operativ  behandelte  Fälle 
von  chronischem  Lungenemphysem:  einen  von  Seidel  im 
Krankenhause  Friedrichstadt  zu  Dresden  operierten,  vorher 
von  P  ä  s  s  1  e  r  behandelten  50  jährigen  Kranken  und  einen  in 
der  v.  Bramann  sehen  Klinik  von  mir  gleichfalls  nach  der 
Freund  sehen  Methode  operierten  Einphysematiker,  im  Alter 
von  51  Jahren. 

Im  Falle  Pässler -  Seidel  (vergl.  diese  Wochenschr. 
1907,  No.  38)  wurden  in  Chloroformnarkose  die  Rippenknorpel 
der  ersten  bis  fünften  Rippe  der  einen  (rechten)  Seite 
durchschnitten  und  ungefähr  in  je  l%— 2  cm  Ausdehnung  re¬ 
seziert. 

Der  Erfolg  war  mit  Recht  —  wie  man  sich  bei  der  Vor¬ 
stellung  des  Operierten  überzeugen  konnte  —  zunächst  als  ein 
einwandsfreier  zu  bezeichnen.  Die  Beschwerden  des  Kranken 
waren  soweit  gehoben,  dass  er  —  vor  der  Operation  völlig 
arbeitsunfähig  —  nun  wieder  die  Arbeit  als  Werkmeister  in 
einer  Fabrik  hatte  aufnehmen  können. 

Im  Folgenden  will  ich  über  den  von  mir  operierten  Fall 
berichten,  der  ursprünglich  die  Klinik  wegen  eines  anderen 
chirurgischen  Leidens  (Exostose  am  Oberarm)  aufsuchte,  mir 
aber  gleichzeitig  wegen  seines  bestehenden  Lungenemphysems 
für  die  Freund  sehe  Operation  geeignet  erschien. 

Anamnese:  H.  T.,  51  jähriger  ehemaliger  Schiffer  aus  Pretitz, 
aufgenommen  17.  VI.  07.  Pat.  hat  angeblich  vor  einigen  Jahren  durch 
einen  Fall  eine  Quetschung  der  rechten  Schulter  erlitten.  Seit  ca. 

5  Monaten  empfindet  er  Schmerzen  bei  Bewegungen  des  rechten 
Armes.  In  letzter  Zeit  Zunahme  der  Beschwerden.  Deshalb  Auf¬ 
nahme  in  die  chirurgische  Klinik. 

Seit  3  Jahren  schon  will  Pat.  ausserdem  bei  anstrengender  Ar¬ 
beit  Luftmangel  haben.  In  dem  letzten  Jahre  nahmen  die  Atein- 
beschwerden  zu;  Pat.  kam  leicht  „ausser  Atem“,  wurde  überhaupt 
„kurzatmig“,  musste  häufig  die  Arbeit  unterbrechen.  Zweimal  schon 
fand  wegen  des  Lungenleidens  eine  erfolglose  Krankenhausbe¬ 
handlung  von  mehreren  Wochen  statt.  In  den  letzten  beiden  Mo¬ 
naten  erhebliche  Verschlimmerung  des  Zustandes;  Pat.  kann  keine 
20 Schritte  mehr  gehen,  ohne  dann  stehen  bleiben  zu  müssen;  Treppen¬ 
steigen  nur  unter  grössten  Beschwerden  möglich.  Nachts  kann  Pat. 
kaum  für  Stunden  im  Bett  bleiben,  muss  die  Nächte  meist  sitzend 


Q  Ich  behalte  mir  vor,  auf  diesen  Fall  in  einer  späteren  Arbeit 
nochmals  zurückzukommen. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2375 


26.  November  1907. 


im  Stuhl  zubringen.  Bisweilen  Anfälle  von  Dyspnoe.  Vor  einiger 
Zeit  hat  Pat.  seine  Arbeit  als  Schiffer  aufgegeben.  Jede  interne 
Therapie  bleibt  ohne  Erfolg. 

Status  praesens:  An  der  Vorderseite  des  rechten  Ober¬ 
arms,  der  Stelle  des  Pektoralisansatzes  entsprechend,  befindet  sich 
eine  uneben  höckerige  Exostose  von  ca.  5  cm  Länge  und  2  cm  Breite. 

Thorax:  Die  respiratorische  Ausdehnung  des¬ 
selben  ist  minimal;  bei  tiefster  Inspiration  dilatiert  sich  der 
Thorax,  unter  den  Achselhöhlen  gemessen,  um  Vz  cm,  in  Mammillen- 
höhe  um  1  cm.  Der  Brustkorb  zeigt  ausgesprochene  Fassform.  Die 
Rippenknorpel  sind  deutlich  abzutasten,  erscheinen  etwas  verbreitert 
und  nach  vorn  zu  konvex,  unelastisch.  Deutlicher  Gebrauch  der 
Hilfsmuskeln  beim  Atmen. 

Die  Lungengrenzen  liegen  vorn  unten  in  der  Mammillarlinie 
beiderseits  am  .unteren  Rand  der  8.  Rippe;  hinten  in  Höhe  des  12. 
Dornfortsatzes.  Das  Atemgeräusch  ist  leise.  Nur  vereinzeltes  Gie¬ 
men.  Atmung  angestrengt,  unter  ausgiebiger  Verwendung  der  äus- 
serlich  sichtbaren  Hilfsmuskeln.  Lungengrenzen  hinten  un¬ 
verschieblich. 

Herz  völlig  von  den  Lungen  Überlage  rt;  Töne  im  Wesent¬ 
lichen  normal,  nur  etwas  leise. 

Puls  klein,  etwas  beschleunigt,  ab  und  zu  irregulär.  Bauch¬ 
organe  ohne  Befund.  Epigastrische  Pulsationen.  Reflexe  lebhaft. 
Zyanose  der  Extremitäten  (wohl  ohne  Zusammenhang  mit  dem  Herz¬ 
befund!)  Keine  Oedeme.  Urinbefund  normal.  (Untersuchung  auch 
in  der  medizinischen  Poliklinik.  [Moh  r.J) 

25.  VI.  07.  Abmeisselung  der  Exostose  (S  t  i  e  d  a)  am  rechten 
Oberarm,  nach  Freilegung  derselben  durch  einen  Schnitt  am  vorderen 
Rande  des  Muscul.  deltoides. 

Da  Pat.  nach  dieser  Operation  einen  Verband  erhält,  der  auch 
den  Thorax  umgibt,  machen  sich  die  Beschwerden  von  seiten  seines 
Emphysems  wieder  stärker  geltend.  Pat.  willigt  deshalb  in  die  ihm 
vorgeschlagene  Operation  ein. 

8.  VII.  07.  0  p  e  r  a  t  i  o  n:  In  Chloroformnarkose  wird  zuerst  auf 
der  rechten  Seite  des  Thorax  ein  bogenförmiger  Schnitt  geführt 
(Konkavität  desselben  nach  aussen  gerichtet)  von  der  Gegend  der 
Articulatio  sternocostalis  II  beginnend  bis  fast  an  die  rechte  Mammilla 
heran.  Nach  Abpräparieren  der  Haut  wird  die  Muskulatur  des  Pec- 
toralis  major  in  ihrer  Faserrichtung  stumpf  durchtrennt,  um  nach¬ 
einander  den  2.,  3.  und  4.  Rippemknorpel  freizulegen.  Von  der  2.  Rippe 
wurden  2  cm  von  ihrem  knorpeligen  Teil  und  ausserdem  noch  2  cm 
knöcherner  Rippe  entfernt,  von  der  3.  und  4.  Rippe  je  2Vz — 3  cm  des 
Rippenknorpels  reseziert.  Dieses  geschieht  zunächst  in  der  gewohn¬ 
ten  Weise  subperiostal  mit  der  Rippenschere.  Danach  wird  erst  das 
Periost  bezw.  Perichondrium  auch  an  der  der  Pleura  anliegenden 
hinteren  Seite  sorgfältigst  im  Bereich  des  resezierten  Teiles  der 
Rippen  entfernt.  Die  scharfen  Knorpelkanten  der  Resektionsflächen 
werden  abgestumpft. 

Linkerseits  wird  die  vollständig  analoge  Operation  vor¬ 
genommen. 

Unter  der  spinnwebedünnen  Pleura,  die  unverletzt  bleibt,  sieht 
man  das  Spiel  der  Lunge  aufs  deutlichste.  Die  Lungenzeichnung  ist 
leicht  kenntlich.  Nach  Resektion  der  Rippenteile  sinken  die  gleich¬ 
sam  aus  ihrer  Starre  befreiten  Rippen  rasch  in  die  Exspirationsstellung 
zurück  und  bewegen  sich  bei  der  Atmung  deutlich.  Die  Pleura  zieht 
sich,  soweit  es  ihr  möglich  ist,  besonders  nach  Abtragung  des  ihr 
anliegenden  Perichondrium  resp.  Periost  tief  in  den  Brustraum  hinein. 
Vollständiger  Verschluss  der  Wunde  durch  Naht. 

9.  VII.  07.  Pat.  hat  mit  0,01  g  Morphium  die  Naht  leidlich  gut 
im  Bett  zubringen  können.  Mässige  Schmerzen  bei  der  Atmung. 
Atmung  regelmässig,  vollständig  frei.  Keinerlei  Schwächegefühl  oder 
Beklemmung. 

10.  VII.  07.  Pat.  steht  auf,  gibt  an,  freier  atmen  zu  können. 
Allgemeinbefinden  gut.  Pat.  kann  nachts  im  Bette  bleiben. 

12.  VII.  07.  Verbandwechsel.  Reaktionsloser  Wundverlauf. 
Entfernung  eines  Teiles  der  Nähte.  Pat.  hat  nachts  wieder  mehr 
Atembeschwerden,  muss  zum  ersten  Male  seit  der  Operation  für 
2  Stunden  das  Bett  verlassen. 

13.  VII.  07.  Nach  Lockerung  des  Verbandes  wieder  Wohl¬ 
befinden. 

17.  VII.  07.  Entfernung  der  letzten  Nähte.  Heftpflaster.  Die 
Atmung  des  Pat.  ist  sichtlich  freier,  das  subjektive  Befinden  wesent¬ 
lich  besser.  Pat.  hat  stets  wieder  seine  Nachtruhe,  auch  ohne  Nar¬ 
kotikum. 

24.  VII.  07.  Entlassung ’S  befund:  Die  Gegend  der  re¬ 
sezierten  Rippenteile  erscheint  etwas  ©ingesunken,  zieht  sich  beim 
tiefen  Luftholen  ein.  Bei  der  Inspiration  dilatiert  sich  der  Thorax 
•unter  den  Achselhöhlen  gemessen  über  1  cm,  in  Höhe  der  Mammillen 
fast  2  cm.  Die  Lungenlebergrenze  steht  in  der  Mammillarlinie  an  der 
8.  Rippe  und  zeigt  eine  Spur  Verschieblichkeit.  Herzdämpfung  fehlt. 
Hintere  untere  Grenzen  der  Lunge  in  der  Skapularlinie  an  der 
12.  Rippe;  kaum  verschieblich.  Atemgeräusch  über  den  beiden 
Unterlappen  hochgradig  abgeschwächt,  über  den  Oberlappen  lauter, 
aber  auch  noch  etwas  abgeschwächt.  Ueber  den  Lungenspitzen  ver¬ 
schärftes  Atmen.  Ueber  den  Oberlappen  einzelne  knackende  Ge¬ 
räusche.  Atmung  noch  deutlich  unter  Verwendung  der  Hilfsmuskeln. 
Epigastrische  Pulsationen. 


der  echten  Bindegewebs- 

treten  nun  bei  der  sog. 
des  Knorpels  —  und  um 


Nachuntersuchung2)  am  9.  VIII.  07:  Umfangsdifferenz 
bei  tiefster  In-  und  Exspiration  unter  den  Achseln  gemessen  ca.  2  cm, 
in  Mammillenhöhe  fast  3  cm.  Lungenlebergrenze  in  der  Mammillar- 
linie  am  oberen  Rand  der  8.  Rippe,  deutlich  verschieblich  in  ca.  2  cm 
Ausdehnung.  Hintere  untere  Grenze  der  Lunge  in  der  Skapularlinie 
an  der  12.  Rippe;  beiderseits  in  fast  2  Querfingerbreite  deutlich  und 
gut  verschieblich.  Herzdämpfung  fehlt. 

Nachuntersuchung2)  am  30.  VIII.  07.  Die  respira¬ 
torische  Ausdehnungsfähigkeit  des  Brustkorbes  hat 
weiter  zu  genommen;  namentlich  die  unteren  1  horaxpartien  sind 
bei  tiefer  Atmung  gut  beweglich.  Die  oberen  Partien  ziehen  sich 
im  Operationsgebiete  nicht  allzutief  ein.  Kleine  Herzdamp¬ 
fung  nachweisbar.  Die  Lungenlebergrenze  steht  im  6.  Inter- 
kostalrauin,  ist  um  1  cm  verschieblich  in  der  Mammillailinie.  Hin¬ 
tere  untere  Lungengrenze  in  der  Skapularlinie  an  der  11.  Rippe, 
um  1  cm  verschieblich.  Atemgeräusch  über  den  Spitzen  leicht 
verschärft,  sonst  abgeschwächt  über  den  Unterlappen,  über  den 
Oberlappen  entschieden  lauter.  Keine  bronchitischen  Gei  dusche.  Bei 
der  Atmung  werden  die  Hilfsmuskeln  kaum  mehr  verwendet.  Lpi- 
gastrische  Pulsationen  bestehen  fort.  Das  Allgemeinbefinden  des 
Patienten  ist  wesentlich  gebessert.  Derselbe  schläft  die  Nächte  ohne 
besondere  Störung  von  seiten  seiner  Lungen,  wie  ehemals.  ^ 

Der  Befund  an  den  exzidierten  Knorpelstucken 

ist  folgender:  ,  .  „  , 

Makroskopisch  schon  hat  der  Knorpel  seine  Farbe  auf¬ 
fällig  verändert.  Das  hyaline  Aussehen  hat  einer  mehr  gelblich- 
braunen  Färbung  Platz  gemacht.  Auf  dem  Durchschnitt  kann  man 
mehrere  Schichten  unterscheiden,  eine  mehr  gelbliche  aussen  und  eine 
schmutziggraue  im  Inneren.  Bei  dieser  Umwandlung  wird  der 
Knorpel  ausserordentlich  spröde  und  hart. 

Mikroskopischer  Befund:  Der  normale  hyaline  Knor¬ 
pel  enthält  ein  Fasergerüst,  das  nur  mit  ganz  besonderen  Methoden 
darstellbar  ist.  Diese  Fasern  zeichnen  sich  von  den  Bindegewebs¬ 
fasern  bekanntlich  dadurch  aus,  dass  sie  beim  Kochen  des  noch  un¬ 
veränderten  hyalinen  Knorpels  den  Knorpelleim  geben,  das  C  h  o  n  - 
drin,  das  different  ist  von  dem  O  s  s  i  n,  dem  Knochen-  oder  Binde- 
gewebsleim,  der  durch  das  Kochen 

fibrillen  erhalten  wird. 

Solche  echte  Bindegewebsfibrillen 
asbestartigen  Degeneration  —  c--- 

eine  solche  handelt  es  sich  hier  —  auch  am  ungefärbten  Knorpel  als 
gut  sichtbare  Fasern  gebietweise  auf,  Fasern,  die  also  schon 
dadurch  von  den  unveränderten  für  gewöhnlich  ganz  unsichtbaren 
Fasern  der  typischen  hyalinen  Knorpelgrundsubstanz  verschieden 
sind.  Ob  sie  aus  denselben  hervorgehen  oder  ob  sie  —  was  wahr¬ 
scheinlicher  zu  sein  scheint  nach  ihrem  Verlauf  und  ihrer  gebiet¬ 
weisen  Anordnung  —  ein  völliges  Novum  darstellen,  kann  man  noch 
nicht  entscheiden.  Unter  allen  Umständen  verhalten  sich  auch  diese 
neuen  Fasern  gegen  Färbungen  und  im  polarisierten  Lichte  genau 
wie  leimgebende  Fibrillen,  d.  h.  sie  sind  positiv  einachsig  doppel- 
brechend,  wie  das  Ebner  für  Bindegewebs-  und  Knochenfibrillen 
längst  nachgewiesen  hat.  Demgegenüber  ist  hervorzuheben,  dass 
der  unveränderte  hyaline  Knorpel  im  polarisierten  Lichte  gewöhn¬ 
lich  optisch  fast  indifferent  ist.  ,  .  .. 

Im  Querschnitt  des  Knorpels  sieht  man  diese  asbestartigen 
Faserbündel  in  der  Schnittfläche  oder  nur  wenig  gegen  dieselbe  ge¬ 
neigt  verlaufen;  von  vornherein  muss  aber  natürlich  für  den  Auf¬ 
bau  eines  wie  die  Rippenknorpel  besonders  auf  Biegung  und  Torsion 
beanspruchten  Organs,  wie  ja  ohne  weiteres  einleuchtet,  die  L  ä  n  g  s  - 
laserung  und  nicht  wie  hier  die  Querfaserung  als  die  günstigste  Bieg- 
samkeits-  und  Elastizitätsstruktur  bezeichnet  werden.  . 

Vielleicht  erklärt  sich  daraus  auch  das  wenig  günstige  Verhalten 
der  stark  asbestartig  degenerierten  Rippenknorpel  gegenüber  der  Be¬ 
anspruchung  auf  Elastizität,  wenn  man  sie  mit  noch  nicht  degene¬ 
rierten  vergleicht.  _ 

In  Längsschnitten  verlaufen  diese  Fasern  demgemäss  an¬ 
nähernd  quer  zur  Längsachse  der  Rippe,  _ 

Man  sieht  ferner  an  dem  Verhalten  der  Knorpel,  namentlich  an 
Gefrierschnitten,  dass  neben  den  widerstandsfähigen,  eigentlich  fase¬ 
rigen  Partien  auch  zahlreiche  Erweichungsterritorien  vorhanden  sind, 
die  aus  den  Schnitten  leicht  herausfallen,  weil  sie  eine  teils  krüme¬ 
lige,  teils  schleimig-pulpöse  Beschaffenheit  besitzen.  Es  kann  so 
^uch  zur  Auffaserung  und  Höhlenbildung  im  Inneren  der  Knorpel 

kommen. 

Aus  dem  näher  geschilderten  Befunde  bei  der  Nachunter¬ 
suchung  des  Patienten  8  Wochen  nach  der  Operation  geht  klar 
hervor,  dass  der  Zustand  desselben  wesentlich  gebessert  ist: 

Die  respiratorische  Ausdehnungsfähigkeit  des  Thorax  hat 
um  \y2 — 2  cm,  unter  den  Achselhöhlen,  und  um  2  2/2  cm  in 
der  Mammillenhöhe  gemessen,  zugenommen. 

Das  vermehrte  Volumen  der  Lungen  selbst  dagegen  hat 
deutlich  abgenommen;  die  Lungengrenzen  sind  allmählich 


2)  Diese  Nachuntersuchungen  wurden  in  freundlichster  Weise 
von  den  Herren  Prof.  Ad.  Schmidt  und  Oberarzt  Dr.  Lohrisch 
(mediz.  Poliklinik)  kontrolliert,  wofür  ich  auch  hier  meinen  Dank 
abstatte. 


2376 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


w  ie  aus  einem  Vergleich  der  verschiedenen  Befunde  bei  den 
Nachuntersuchungen  hervorgeht  —  mehr  hinauf  gerückt:  hinten 
aus  der  Höhe  des  12.  Dornfortsatzes  bis  zur  11.  Rippe,  vorn 
von  der  Höhe  der  8.  Rippe  bis  in  den  6.  Interkostalraum  hinein. 
Dabei  zeigen  die  Rippenränder  gegenüber  ihrer  früheren  bei¬ 
nahe  vollständigen  Unversdjieblichkeit  jetzt  eine  Verschieblich¬ 
keit  von  2 — 3  cm  Breite.  Auch  an  den  medialen  Rändern  der 
beiden  Lungen  zeigt  sich  die  Verkleinerung  des  Lungen¬ 
volumens  dadurch,  dass  eine  kleine  Herzdämpfung  nachweisbar 
geworden  war.  Bei  der  Atmung  ist  die  Aktion  der  Hilfs¬ 
muskeln  schliesslich  gar  nicht  mehr  nötig:  kurz,  die  ganzen 
Atmungsverhältnisse  sind  seit  der  Operation  ganz  andere  — 
bedeutend  günstigere  —  geworden.  Die  Bestimmung  der  Vital¬ 
kapazität  konnte  infolge  des  Mangels  geeigneter  Messapparate 
in  der  Zeit  vor  der  Operation  nicht  zum  Vergleich  herangezogen 
werden. 

Die  Vitalkapazität  betrug  bei  der  letzten  Vorstellung  durch¬ 
schnittlich  1650  ccm  (mediz.  Poliklinik). 

Was  die  Technik  anlangt,  so  muss  hervorgehoben 
werden,  dass  die  Operation  keineswegs  als  eine  schwierige 
zu  bezeichnen  ist.  Es  muss  natürlich  äusserst  vorsichtig  ope¬ 
riert  werden,  um  einen  Pneumothorax  zu  vermeiden.  Die 
Pleura  ist  bei  dem  starr  dilatierten  Thorax  ausserordentlich 
dünn  und  kann  also  sehr  leicht  einreissen. 

Man  geht  am  besten  so  vor,  dass  man  zunächst  die  Mus¬ 
kulatur  des  Pectoralis  major  in  der  Faserrichtung  stumpf  über 
den  Rippenknorpeln  auseinander  zieht  (wobei  die  Blutung  fast 
gleich  Null  sein  kann)  und  dann  nach  dem  Vorgänge  v.  Bra¬ 
un  anns  die  Rippenknorpel  zuerst  subperichondral  reseziert. 
Nachträglich  wird  dann  erst  das  der  Pleura  costalis  aufsitzende 
Perichondrium  sorgfältig  abpräpariert  und  entfernt.  Im  Gegen¬ 
satz  zu  Seidel  möchte  ich  doch  für  die  Wegnahme  auch 
dieser  hinteren  Perichondriumstreifen  plädieren,  weil  dieselben 
sich  bandartig  von  einer  Resektionsfläche  des  Knorpels  zur 
anderen  ausspannen,  und  erst  nach  Exstirpation  auch  dieser 
Streifen  die  Pleura  costalis  bei  der  Inspiration  gut  in  die  Tiefe 
sich  einziehen  kann,  wie  sich  das  bei  unseren  Operationen 
deutlich  zeigte.  Eine  Regenerierung  der  Rippenknorpel  von 
rückständigem  Perichondrium  ist  nach  den  Mitteilungen  von 
König  jun.  über  die  Kardiolyse  ja  weniger  zu  befürchten. 

Die  Resektion  der  Knorpel  wurde  mit  der  gewöhnlichen 
Rippenschere  ausgeführt,  die  vorspringenden  Kanten  der 
Resektionsflächen  mit  dem  Knochenmesser  vorsichtig  abge¬ 
rundet. 

Was  die  Auswahl  der  Rippen  betrifft,  so  kann  man 
sich  wohl  auf  die  2.  bis  4.  oder  5.  Rippe  beschränken  und  auch 
hier  nur  auf  die  Resektion  der  Rippenknorpel,  dann  allerdings 
in  einer  Ausdehnung  von  mindestens  2—3  cm,  natürlich  in  ge¬ 
messenem  Abstande  vom  Sternalrande  und  der  Art.  mammaria 
interna. 

Bei  der  zweiten  Rippe  halte  ich  die  Wegnahme  eines 
Stückes  des  knöchernen  Rippenteiles,  um  hier  einen  breiter 
klaffenden  Spalt  zu  schaffen,  für  gestattet,  weil  der  für  die 
Exspiration  in  Betracht  kommende  Musculus  triangularis  sterni 
mit  seinen  Zacken  für  gewöhnlich  an  der  zweiten  Rippe  sich 
noch  nicht  ansetzt.  Freund  fand  diesen  Muskel  bei  seinen 
Untersuchungen  zumeist  stark  hypertrophiert.  Bei  Wegnahme 
von  knöchernen  1  eilen  der  3.  bis  5.  Rippe  werden  die  Inser¬ 
tionspunkte  dieses  sich  gerade  an  den  Knochenknorpelgrenzen 
ansetzenden  Muskels  mit  entfernt.  Damit  wird  die  Funktion 
des  Muskels  stark  geschädigt. 

Die  Resektion  des  ersten  Rippenknorpels, 
wie  sie  meines  Wissens  schon  früher  von  Lenhartz  bei 
dessen  ausgedehnten  Lungenoperationen  wegen  Bronchiekta- 
sien  und  Gangrän,  und  jetzt  von  S  e  i  d  e  1  in  seinem  Falle  aus¬ 
geführt  ist,  halte  ich,  auch  ohne  die  von  Hildebrand 
empfohlene  Wegnahme  der  unteren  Hälfte  der  Klavikula  tech¬ 
nisch  sicherlich  nicht  für  sehr  schwierig;  sie  scheint  mir  aber 
einmal  die  Dauer  der  Operation  unnötig  zu  verlängern,  anderer¬ 
seits  auch  für  unseren  Zweck  aus  dem  Grunde  nicht  notwendig, 
weil  sich  beim  Lungenemphysem  doch  der  vermehrte  Span¬ 
nungszustand  am  frühesten  und  am  meisten  an  den  Rändern 
der  Lunge  bemerkbar  macht. 


Die  Resektion  des  ersten  Rippenknorpels  mag  also  nach 
der  Freund  sehen  Forderung  für  die  operative  Behandlung 
der  Spitzentuberkulose  reserviert  bleiben. 

Dagegen  möchte  ich  eher  einer  doppelseitigen 
Resektion  von  Rippenknorpeln  von  vornherein  in  einer 
Sitzung  das  Wort  reden.  Im  Hildebrand  sehen,  wie  im 
v.  B  r  a  m  ann  sehen  Falle  wurde  einige  Wochen  nach  der 
ersten  einseitigen  Operation  auch  die  andere  Seite  noch 
operativ  angegriffen,  und  auch  Seidel  zieht  schon  jetzt 
trotz  des  ausgezeichneten  Operationsresultates  bei  einseitiger 
Resektion  die  Möglichkeit  einer  Operation  auf  der  anderen 
Seite  in  Frage. 

Durch  die  einzeitige  doppelseitige  Ope-' 
ration  —  selbstverständlich  nur  bei  gleichmässig  auf 
beiden  Seiten  degenerierten  Rippenknorpeln  —  werden  sogleich 
möglichst  günstige  Bedingungen  für  eine  rasche  Wiederher¬ 
stellung  besserer  Atmungsbedingungen  geschaffen,  und  diesem 
Umstande  möchte  ich  gerade  den  so  guten  Erfolg  im  oben  näher 
beschriebenen  Falle  beimessen.  Irgend  ein  Schaden  oder  gar 
eine  Gefährdung  des  Lebens  kann  bei  Vermeidung  eines 
Pneumothorax  meines  Erachtens  auch  bei  doppelseitiger  Ent¬ 
fernung  der  Rippenknorpel  nicht  entstehen. 

Ich  muss  es  mir,  um  den  Rahmen  dieser  Mitteilungen 
nicht  zu  überschreiten,  versagen,  des  Näheren  hier  auf  die 
Aetiologie  des  chronischen,  alveolären  Lungenemphysems  und 
die  verschiedenen  Theorien  einzugehen. 

In  Anbetracht  aber  gerade  dieses  von  mir  operierten  Falles 
möchte  ich  durchaus  auf  die  noch  nicht  allgemein  anerkannte 
Möglichkeit  der  Entstehung  eines  Lungen¬ 
emphysems  durch  eine  primäre  starre  Dila¬ 
tation  des  Thorax  infolge  degenerativer  Prozesse  an  den 
Rippenknorpeln  hinweisen,  wie  sie  F  r  e  u  n  d  vor  fast  50  Jahren 
bereits  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  richtig  erkannt  hat. 

Dafür  spricht  besonders  die  an  meinem  Patienten  nach  der 
Operation  gemachte  Beobachtung,  dass  die  Lungengrenzen 
nach  der  Mobilisierung  des  Thorax  allmählich  mehr  und  mehr 
verschieblich  wurden  und  in  die  Höhe  rückten.  Wäre  in  diesem 
Falle  das  Volumen  pulmonum  auctum  das  Primäre  und  die 
starre  Dilatation  des  Thorax  das  Sekundäre,  so  würde  wohl 
schwerlich  sich  die  Lunge  so  wieder  gegen  die  Norm  hin 
zurückgebildet  haben,  wie  sie  es  getan  hat.  Dieses  kann 
natürlich  nur  geschehen,  wenn  noch  keine  Atrophie  der 
elastischen  Elemente  in  den  Lungen  durch  zu  lang  andauernde 
Dehnung  der  Lungenbläschen  bei  bestehendem  Emphysem 
eingetreten  ist. 

Dieses  führt  nun  auch  zur  Bestimmung  des  Zeit¬ 
punktes  der  Operation.  Derselbe  darf  nicht  zu 
spät  gewählt  werden,  nicht  erst,  wenn  eine  hochgradige  Herz¬ 
dilatation,  eine  starke  venöse  Stauung  der  Unterleibsorgane, 
insbesondere  der  Leber  und  Nieren  sich  ausgebildet  hat.  Ob 
dann  noch  die  Mobilisation  des  starren  Thorax  eine  günstige 
Beeinflussung  dieser  Folgezustände  ermöglicht,  muss  natürlich 
zweifelhaft  erscheinen. 

Die  Freund  sehe  Operation  ist  sicher  im  Stande,  gewisse 
Fälle  von  chronischem  Lungenemphysem,  die  auf  einer  pri¬ 
mären  Starre  des  Thorax  infolge  Degeneration  der  Rippen¬ 
knorpel  beruhen,  günstig  zu  beeinflussen  und  für  derartige  Fälle 
dringend  zu  empfehlen. 

Literatur. 

W.  A.  Freund:  Beiträge  zur  Histologie  der  Rippenknorpel  im 
normalen  und  pathologischen  Zustande.  Berlin  1858.  —  Derselbe* 
Der  Zusammenhang  gewisser  Lungenkrankheiten  mit  primären  Rip¬ 
penknorpelanomalien.  Erlangen  1859.  —  Derselbe:  lieber  pri¬ 
märe  Thoraxanomalien,  speziell  über  die  starre  Dilatation  des  Thorax 
als  Ursache  eines  Lungenemphysems.  Berlin  1906.  —  Derselbe: 
Zur  operativen  Behandlung  gewisser  Lungenkrankheiten,  insbeson¬ 
dere  des  auf  starrer  I  horaxdilatation  beruhenden  alveolären 
Emphysems.  Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  Therapie,  III.  Bd.,  1906. 
—  Derselbe:  Erwiderung  an  Hofbauer.  Ebenda,  IV.  Bd..  1907. 

-  L.  Mohr:  Zur  Pathologie  und  Therapie  des  alveolären  Lungen¬ 
emphysems.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  27.  —  Pässler- 
Seidel:  Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  des  alveolären 
Lungenemphysem.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  38. 


26.  November  1907.  MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2377 


Die  akute  tödliche  Vergiftung  durch  Benzoldampf. 

Von  L.  Lewin  -  Berlin. 

Praktische  Gesichtspunkte  machen  es  wünschenswert,  Ver¬ 
giftungen  mit  Benzoldampf  mitzuteilen,  umsomehr,  als  aus  den 
bisher  vorliegenden  Berichten  nur  sehr  selten  zu  erkennen  ist, 
ob  es  sich  um  solche  oder  um  Vergiftungen  mit  Benzin  handelt. 
Die  Verwirrung  ist  in  dieser  Beziehung  so  gross,  dass  kaum 
sechs  Fälle  als  einwandsfrei  dem  Benzol  zugeschrieben  werden 
können,  während  wahrscheinlich  eine  sehr  viel  grössere  Zahl 
sich  unter  denjenigen  finden,  die  als  Benzinvergiftungen  be¬ 
zeichnet  worden  sind.  Man  kann  zugeben,  dass  Benzol  und 
Petroleumbenzin  gewisse  ähnliche  Einwirkungen  auf  das  Zen¬ 
tralnervensystem  haben,  weil  beiden  eine  chemische  Beziehung 
zu  Mark-  und  Myelinstoffen  des  Nervensystems  zukommt.  Sie 
teilen  diese  Eigenschaft  mit  sehr  vielen  Körpern  aus  der 
aliphatischen  und  aromatischen  Reihe.  Aber  schon  innerhalb 
dieser  einen  Wirkungsähnlichkeit  lassen  sich  'bei  genauerem 
Zusehen  Unterschiede  in  der  Wirkungsstärke  erkennen,  und 
die  Unterschiede  wachsen,  sobald  man  anderweitige  Funktions¬ 
störungen,  die  durch  diese  Gifte  erzeugt  werden,  z.  B.  die 
durch  Benzoleinfluss  am  Fierzen  ablaufenden,  in  Betracht  zieht. 
Rechtfertigt  sich  schon  hierdurch  allein  eine  scharfe  toxiko¬ 
logische  Trennung  dieser  beiden,  chemisch  so  durchaus^  ver¬ 
schiedenen  Stoffe,  so  noch  vielmehr  durch  die  bisher  oft  zu¬ 
tage  getretene  Verschiedenheit  in  den  Verlaufsarten,  bezw.  in 
den  Nachkrankheiten  und  auch  in  den  materiellen  Verände¬ 
rungen,  die  in  der  Leiche  gefunden  werden,  und  die  für  Benzol 
in  den  üblichen  Grenzen  als  charakteristisch  bezeichnet  werden 
können.  Sollte  das  Benzol  eine  ausgedehntere  Verwendung  für 
technische  Zwecke  erlangen,  z.  B.  für  den  Automobilismus,  so 
werden  zahlreiche  akute  und  noch  mehr  chronische  Vergif¬ 
tungen  dadurch  nicht  lange  auf  sich  warten  lassen. 

Die  Strafkammer  des  Landgerichts  zu  W.  ersuchte  mich 
um  ein  Gutachten  in  der  Strafsache  wider  den  Chemiker  B.  und 
Genossen  wegen  fahrlässiger  Tötung  des  Arbeiters  B. 

Ein  mit  Benzol  und  a-Naphthylamin  beschickt  und  erwärmt  ge¬ 
wesener  Extraktionskessel  sollte  gereinigt,  d.  h.  von  Eisenkrusten  be¬ 
freit  werden.  Der  Kessel  war  nach  der  Aussage  des  Vorarbeiters 
22  Stunden  ungebraucht  gewesen,  nach  einer  anderen,  aber  be¬ 
strittenen  Angabe,  sei  er  jedoch  erst  am  Abend  entleert  worden.  Der 
Vorarbeiter  gibt  auch  an,  dass  der  Kessel  zweimal  mit  heissem  Dampt 
und  dreimal  mit  kaltem  Wasser  ausgespült  worden  sei.  Die  Nacht 
über  habe  er  mit  kaltem  Wasser  gefüllt  gestanden.  Der  Arbeiter  Sch. 
stieg  um  9  Uhr  morgens  in  den  Kessel,  in  den  durch  ein  6  bezw. 
10  mm  starkes  Rohr  Luft  geblasen  worden  sein  soll.  Nach  seinen 
eigenen  Aussagen  spielten  sich  die  weiteren  Vorgänge  folgender- 
massen  ab:  Er  merkte,  dass  es  im  Kessel  tropfte.  Er  verliess  nach 
einiger  Zeit  den  Kessel,  um  sich  zu  erholen.  Als  er  wieder  in  den 
Kessel  eingestiegen  war,  bemerkte  er  ein  stärkeres  Tropfen.  Er  riet 
einem  Hilfsarbeiter  zu,  den  Vorarbeiter  zu  holen  und  erhielt  von  dem 
Vorarbeiter  einen  Eimer  zum  Unterstellen  hinabgereicht.  Was  weitei 
geschah,  weiss  er  nicht,  weil  er  das  Bewusstsein  verlor.  Als  man 
ihn  nicht  mehr  arbeiten  hörte,  sah  man  hinein  und  fand  ihn  bewusstlos 
dasitzen.  Mehrere  Arbeiter  machten  den  vergeblichen  Versuch  den 
Bewusstlosen  herauszuholen.  Alle  empfanden  alsbald  eine  Betäubung 
und  standen  von  weiterem  ab. 

Der  Arbeiter  B.,  der  gleichfalls  den  Versuch  unternahm,  war 
noch  nicht  ganz  in  den  Kessel  gekrochen,  als  er  auch  schon  betäubt 
zusammenbrach.  Er  kroch  trotzdem  noch  durch  eigene  Kraft  wieder 
heraus,  und  nachdem  er  etwa  noch  10  Minuten  geatmet  hatte,  starb  er 
unter  nicht  mehr  feststellbaren  Symptomen.  Der  Arbeiter  Sch.  wurde 
von  einem  Ingenieur,  der  mit  einem  Sicherheitshelm  sich  versehen 
hatte,  herausgezogen.  Er  blieb  am  Leben. 

Das  von  mir  geforderte  Gutachten  sollte  die  Fragen  beantworten. 

„Ob  nach  dem  Obduktionsbefunde  anzunehmen  ist,  dass  der 
Tod  des  Arbeiters  B.  infolge  Einatmens  giftiger  Gase  eingetreten 
ist,  oder  ob  es  möglich  ist,  dass  ein  Herzschlag  die  Todesursache 
ist.“ 

Es  ist  zuvörderst  logisch  erforderlich,  einige  andere  präliminare 
Fragen  einer  kritischen  Untersuchung  zu  unterziehen. 

1.  War  Benzol  im  Extraktionskessel,  in  dem  der  Arbeiter  B. 

seinen  Tod  fand? 

Zwei  Möglichkeiten  müssen  für  das  Vorhandensein  von  Benzol 
in  dem  Kessel  in  Betracht  gezogen  werden.  Nach  dem  Loslösen  der 
Eisenschichten  konnte  es  hervortreten  und  frei  verdampfen.  Diese 
Ansicht  wird  von  einigen  Angestellten  der  Fabrik  vertreten.  Ausser 
dieser  Benzolquelle  wäre  an  diejenige  zu  denken,  die  in  den  Akten 
häufiger  erwähnt  wird,  und  die  sich  auf  ein  Eindringen  dieses  Stoffes 
in  den  fraglichen  Extraktionskessel  aus  einem  mit  ihm  in  Verbindung 

No.  48. 


stehenden  benachbarten  bezieht,  der  in  Tätigkeit  war,  als  >aas  Unglück 
sich  ereignete.  Es  scheint  unbestritten  zu  sein,  dass  sämtliche  in  dem 
speziellen  Werke  befindlichen  Maschinen  zu  dieser  Zeit  arbeiteten. 

Es  wird  behauptet,  dass  der  Hahn,  der  einen  Benzol  enthaltenden 
Kessel  mit  dem  leeren  verband,  undicht  gewesen  sei  und  dass  da¬ 
durch  Benzol  in  den  leeren  getropft  sei,  in  dem  Sch.  arbeiten  musste. 
Eine  Sicherung  nach  dem  gefüllten  Kessel  soll  nicht  vorhanden  ge¬ 
wesen  sein.  Es  fehlte  ein  Blindflantschen,  der  vorher  hätte  angebracht 
werden  müssen,  und  der  erst  während  oder  unmittelbar  nach  dem 
Unglück  eingezogen  worden  ist.  Die  Angeklagten  geben  dagegen  an, 
dass  zwar  der  besagte  Hahn  während  des  grössten  Teiles  der  Arbeit 
des  Sch.  dicht  war  und  erst  zuletzt  undicht  wurde,  dass  es  aber  nicht 
Benzol,  sondern  Wasser  mit  sehr  geringen  Spuren  von  Benzol  ge¬ 
wesen  sei,  was  in  den  Kessel  getropft  sei. 

Dass  es  in  den  Kessel,  in  dem  Sch.  arbeitete,  tropfte,  wird  somit 
auch  von  dieser  Seite  zugegeben.  Vor  allem  aber  sah  Sch.,  dass  es 
aus  der  Benzolleitung  anfangs  ganz  leicht  tropfte,  und  als  er  nach  dem 
Verlassen  des  Kessels  wieder  in  ihn  gestiegen  war,  dass  das  Tropfen 
erheblich  stärker  geworden  sei.  Er  rief  hinaus,  dass  es  tropfe  und 
verlangte  von  dem  draussen  befindlichen  Hilfsarbeiter  einen  Eimer. 

Er  gibt  bestimmt  an,  dass  das,  was  er  anfangs  mit  der  Schippe  aus 
dem  Kessel  geschaufelt  und  später  etwa  zu  einem  Viertel  Eimer  auf- 
gefangen  habe,  Benzol  gewesen  sei,  und  mit  derselben  Bestimmtheit 
versichert  der  draussen  befindlich  gewesene  Arbeiter,  dass  es  sich  um 
diesen  Stoff,  „in  der  Fabrik  W-Oel  genannt“  gehandelt  habe.  Selbst 
wenn  nichts  anderes  zur  Stütze  dieser  Meinung  vorläge,  müsste 
man  sie  für  genügend  wahrscheinlich  halten.  Denn  wie  könnte  man 
annehmen,  dass  diese  Arbeiter,  die  oft  mit  Benzol  gearbeitet  hatten, 
es  dieses  eine  Mal  nicht  erkannt  haben  sollten!  Sie  hatten  auch  keinen 
Anlass,  diese  Substanz  zu  fürchten;  denn  wenn  schon  der  Vorarbeiter 
und  der  Betriebsführer  behaupten,  dass  sie  nichts  von  den  mit  der 
Reinigung  der  Kessel  verbundenen  Gefahren  gewusst  haben,  dann 
kann  man  bei  den  Arbeitern  ein  solches  Wissen  sicherlich  nicht  vor¬ 
aussetzen. 

Man  muss  also  richtig  annehmen,  dass  Benzol  in  den  Kessel  ge¬ 
langt  ist  und  in  ihm  war,  und  mithin  auch  seine  Einwirkungen  auf 
die  in  dem  Kessel  befindlichen  Menschen  entfalten  konnte. 

2.  Wie  wirkt  eingeatmeter  Benzoldampf? 

Die  von  der  Verteidigung  aufgestellte  Behauptung,  dass 
„es  ausgeschlossen  und  noch  nie  beobachtet  worden  sei,  dass 
infolge  von  Einatmung  von  Benzoldämpfen  so  schnell  der  Tod 
oder  gar  nur  nennenswerte  Beschwerden  eintreten“,  i  s  t  i  n 
jedem  ihrer  Teilefalschundleichtwiderlegbar. 
Als  Beweis  dafür,  dass  Benzol  giftig  wirke,  braucht  man  nicht 
einmal  andere  Arten  seiner  Aufnahme  in  den  Körper  als  nur 
die  hier  in  Frage  kommende  heranzuziehen.  Der  in  die 
Lungen  von  Tieren  und  Menschen  in  genügender  Menge  e  in¬ 
trete  n  de  Dampf  des  Benzols  kann  Giftwirkungen  er¬ 
zeugen.  Vergiftungsvorgänge  am  Menschen  gaben  den  Anlass, 
den  gröberen  und  feineren  Mechanismus  derselben  an  d  ieren 
zu  studieren.  Man  gelangte  hierbei  bis  zu  der  heute  über¬ 
haupt  möglichen  Erkenntnisgrenze.  Die  Versuche  wurden  mit 
chemisch  reinem  und  unreinem  Benzol  an  vielen  Tieren  unter¬ 
nommen,  die  unter  Glocken  den  Dampf  einatmen  mussten.  Wie 
auch  immer  man  es  einrichtet  —  es  tritt  stets  Vergiftung  ein, 
auch  bei  verhältnismässig  geringer  Dampfkonzentration  und, 
wie  es  scheint,  energischer  und  nachhaltiger 
durch  das  unreine  Produkt.  Selbst  wenn  man  nur 
Luft  langsam  durch  Benzol  streichen  und  sie  dann  unter  die 
Glocke  eintreten  lässt,  erscheinen  Giftwirkungen  schon  nach 
4 _ 6  Minuten  oder  etwas  später  und  zwar  in  Gestalt  von  Be¬ 

wegungslähmung,  Krämpfen  und  Ausschaltung  des  Bewusst¬ 
seins  und  der  Empfindung.  Es  ist  freilich  anderen  und  mir 
bisher  weder  gelungen,  unter  solchen  Versuchsbedingungen  in 
wenigen  Minuten  eine  ganz  akute  tödliche  Vergiftung,  noch 
schwerere  Nachkrankheiten  zu  erzeugen.  Dies  liegt  aber  nicht 
an  dem  Gifte,  sondern  an  der  Tierorganisation  bezw.  der  Un¬ 
möglichkeit,  die  Dämpfe  genügend  konzentriert  in  die  Tiere  ein¬ 
treten  zu  lassen.  Die  Vorkommnisse  am  Menschen  lehren  weit 
mehr,  weil  die  subjektiven  und  objektiven  Bedingungen,  unter 
denen  sie  zustande  kommen,  viel  mannigfaltiger  sind. 

Ueber  vier  Gruppen  von  Erfahrungen  verfügt  man  hier: 

a)EinMenschkanndurchBenzoleinatmung 

akut  vergiftet  und  wieder  hergestellt  werden. 

So  sah  man  drei  Arbeiter,  die  in  einen  Benzollagerkeller 
hineingingen,  sofort  betäubt  zu  Boden  stürzen.  Man  zog  sie 
in  weniger  als  15  Minuten  heraus.  Von  ihnen  kam  emei  u  c 
zu  sich,  ein  anderer  verblieb  24  Stunden  im  Krankenhause  in 
tiefster  Gehirndepression  und  wurde  dann  hergestellt. 


2378 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


b)  A  u  c  h  nach  einer  leichten  akuten  Benzol¬ 
einwirkung  können  bei  einem  Menschen  lang 
anhaltende  Nachkrankheiten  sich  einstellen. 

Einen  solchen  Fall  habe  ich  selbst  gesehen  und  in  einem, 
dem  Reichsversicherungsamt  erstatteten  Obergutachten  *)  toxi¬ 
kologisch  beurteilt.  Hier  waren  eingetreten:  Rauschartiges  Ge¬ 
fühl,  Schwindel,  Uebelkeit,  später  Druck  und  Schmerzen  im 
Kopfe,  Atemnot,  Herzbeklemmungen  und  beim  Räuspern  Ent¬ 
leerung  blutigen  Schaumes.  Es  blieben  eine  gelbliche  Gesichts¬ 
farbe,  blasende  Herzgeräusche  und  eine  allgemeine  Nerven¬ 
abspannung. 

c)  Durch  die  wiederholte  Vergiftung  mit 
Benzol  im  Betriebe  sah  man  ein  chronisches 
Leiden  entstehen. 

Bei  Gelegenheit  einer  stärkeren  Giftaufnahme  kann  ein 
solcher  Arbeiter  mit  schwersten  akuten  Symptomen  erkranken. 
Hierfür  wurde  schon  vor  etwa  30  Jahren  ein  Beleg  gegeben. 
Ein  Arbeiter,  der  täglich  1000-1500  Kilo  Benzol  destillieren 
und  alle  paar  Tage  den  Destillationsapparat  reinigen  musste, 
wurde  nach  einer  derartigen  vierjährigen  Tätigkeit  „sonder¬ 
bar  ,  bekam  Krampfzustände  und  nach  einer  besonders  starken 
Einwirkung  Koma  und  Aufhebung  aller  Reflexerregbarkeit, 
halbseitige  Lähmungssymptome,  später  Delirien  u.  a.  m.  Als 
er  nach  seiner  Wiederherstellung  wieder  in  diesen  Betrieb  ge¬ 
gangen  war,  wurde  er  schon  nach  6  Tagen  rückfällig  mit 
Krämpfen,  Bewusstlosigkeit,  krampfhaften  Augenbewegungen 
und  Delirien. 

Es  ist  aber  auch  möglich,  dass  eine  Beschäftigung  von 
3  Wochen  bis  4  Monaten  in  mit  Benzoldampf  erfüllten  Räumen 
nach  vorgängigem  Kranksein  den  Tod  veranlasst.  Von  9  jungen 
Weibern  starben  unter  solchen  Bedingungen  4,  während  die 
anderen  von  ihrer  Erkrankung  wiederhergestellt  wurden. 

d)  Menschen,  dieakut  eine  grössere  Menge 
konzentrierten  Benzoldampfes  einatme  n, 
können  innerhalb  mehrerer  Minuten  bis  zu 
einer  Stunde  sterben. 

Diese  Möglichkeit,  die  mehrfach  zur  Wirklichkeit  geworden 
ist,  interessiert  in  dem  vorliegenden  Falle  ganz  allein.  Es 
starben  Arbeiter  akut,  nachdem  sie  nur  Minuten  in  einem  ben¬ 
zoldampferfüllten  Raume  geatmet  hatten.  Ein  solcher,  ein  kräf¬ 
tiger  junger  Mann,  war  bei  dem  Umkristallisieren  eines  che¬ 
mischen  Produktes  aus  Benzol  beschäftigt.  Das  anhaftende 
Benzol  sollte  in  einer  Schwingmaschine  entfernt  werden.  Der 
Arbeiter  hatte  vergessen,  die  Fenster  und  die  Tür  des  betreffen¬ 
den  Raumes  zu  öffnen,  bevor  er  sich  aus  ihm  nach  Vorschrift 
entfernt  hatte.  Bald  nachdem  er  ihn  zum  Abstellen  des 
Schwingkessels  wieder  betreten  hatte,  stürzte  er  mit  den  Wor¬ 
ten  heraus.  „Es  brennt,  ich  weiss  nicht,  ob  in  mir  selbst  oder 
in  dem  Lokal“,  taumelte,  fiel  zu  Boden  und  starb.  Ein  anderer, 
der  sofort  den  Raum  betrat,  fand  in  ihm  sehr  starken  Benzol¬ 
dampf. 

Aehnlich  liegt  ein  weiterer,  bereits  erwähnter  Fall.  Ein 
Arbeiter  geht  in  einen  Benzollagerraum  und  fällt  bewusstlos 
um.  Zwei  Mitarbeiter  eilen  ihm  zu  Hilfe  und  erleiden  das 
gleiche  Schicksal.  Zwei  von  den  drei  Vergifteten  werden  her- 
gestellt,  der  dt itte,  und  zwar  gerade  derjenige,  der 
die  kürzeste  Zeit  in  der  verderblichen  Atmo¬ 
sphäre  geatmet  hatte,  stirbt  in  der  Bewusstlosigkeit. 

Es  gibt  noch  mehr  akute  Benzolvergiftungen  mit  tödlicheni 
Ausgange.  So  w  urde  ein  Arbeiter,  der  mit  der  Reinigung  eines 
Kessels  beschäftigt  war,  in  welchem  eine  Masse  mit  Benzol 
ausgelaugt  werden  sollte,  betäubt  und  starb  nach  kurzer  Zeit, 
tiotzdem  der  Kessel  vorher  ausgekocht  und  hinreichend  wieder 
abgekühlt  war.  Beim  Entfernen  der  Rückstände  hatten  sich 
Benzoldämpfe  entwickelt. 

Die  vielleicht  wichtigsteUrsache  der  Giftwir- 
L  u  n  g  des  Benzols  liegt  in  dessen  Beziehungen  zum  Ner¬ 
vensystem.  das  dadurch  chemisch  verändert  wird.  Sind  die 
davon  in  das  Blut  eingetretenen  Mengen  gross,  so  setzen  die 
Vergiftungserscheinungen  stürmisch  ein  und  führen  schnell  zu 
einer  mehr  oder  minder  völligen  Ausschaltung  bezw.  Läh¬ 
mung  des  Gehirns  und  seiner  Anhänge.  Der  wissenschaftliche 
Nachweis  wurde  ferner  erbracht,  dass  unter  diesem  Einflüsse 
die  Blutgefässe  sich  erweitern,  der  Blutdruck  sinkt,  die  Herz- 

')  Lewin:  Aerztliche  Sachverständigenzeitung  1907,  No.  5. 


bewegung  beschleunigt  wird,  und  dass  in  das  Blut  Fett,  bezw. 
fettartige  Stoffe  übergehen  können,  die  im  Körper  durch  das 
eingedrungene  Benzol  gelöst  wurden.  Dadurch  ist  auch  die 
Möglichkeit  des  Entstehens  von  Fettverstopfung  von  Blut¬ 
gefässen  und,  davon  abhängig,  von  Blutungen  gegeben. 

Es  genügt  das  Vorstehende,  um  zu  beweisen,  dass  Benzol 
eine  Vergiftungskrankheit,  event.  mit  tödlichem  Ausgang  be¬ 
wirken  kann. 


3.  War  genug  Benzol  in  dem  Extraktionskessel  zum  Krank¬ 

werdenlassen? 

So  sicher  es  ist,  dass  in  dem  fraglichen  Kessel  zur  Zeit  als  der 
Arbeiter  Sch.  sich  darin  befand,  Benzol  und  Benzoldampf  enthalten 
waren,  ebenso  sicher  ist  es,  dass  seine  Menge  ausreichte,  um  gift¬ 
krank  zu  machen.  Jeder  der  Arbeiter,  der  ohne  Schutzvorrichtung 
in  den  Kessel  ging,  erfuhr  dies  an  sich.  Der  Arbeiter  J.  wollte  in  den 
Kessel  kriechen,  wurde  jedoch  „durch  ausströmende  Oase“  derart 
betäubt,  dass  er  nur  noch  mit  Mühe  zurückkommen  konnte.  Ein  Hilfs¬ 
arbeiter  kehrte  bei  dem  gleichen  Versuche  um,  als  er  merkte,  dass 
er  auch  von  den  Oasen  betäubt  wurde.  Er  atmete  kaum  eine  Minute 
in  dem  Kessel,  in  dem  es  nach  Benzol  roch.  Dies  reichte  aber  schon 
aus,  um  ihn  so  zu  betäuben,  dass  er  die  Versuche,  die  man  machte, 
um  den  B.  ins  Leben  zurückzurufen  nicht  mehr  wahrnehmen  konnte. 

Der  Arbeiter  Sch.  wurde  so  betäubt,  dass  er  auf  Rütteln  nicht 
reagierte.  Er  sass  steif  da,  hatte  Schaum  vor  dem  Munde  und 
Schweiss  im  Gesicht. 

Gegenüber  allen  diesen  Tatsachen,  die  darthun,  dass  betäubende 
Mengen  von  Benzoldampf  im  Kessel  vorhanden  waren,  ist  die  wenig 
bestimmte  des  Ingenieurs  S.  belanglos,  der  nach  der  Rettung  des  Sch. 
noch  einmal  ohne  Sicherheitshelm  in  den  Kessel  „gesehen“  hat  und 
„die  Gasentwicklung  nicht  derartig  stark  fand,  dass  man  nicht  ohne 
Helm  hätte  hineingehen  können.  Wäre  dem  wirklich  so  gewesen, 
so  hätte  er  sich  ja  nicht  den  Sicherheitshelm  aufzusetzen  brauchen, 
als  er  in  den  Kessel  ging.  Dass  er  es  tat,  setzt  mit  Sicherheit  voraus, 
dass  er  die  Luft  in  dem  Kessel  für  krankmachend  hielt.  Seinem 
Wissen  nach  konnte  er  diese  Eigenschaft  auf  das  Benzol  beziehen. 

Eine  einfache  Ueberlegung  lehrt,  dass  an  dem  fraglichen  Tage 
besonders  ungünstige,  krankmachende  Verhältnisse  in  dem  fraglichen 
Kessel  geherrscht  haben  müssen.  Denn  es  wird  wohl  nicht  das  erste 
Mal  gewesen  sein,  dass  der  Kessel  in  der  gleichen  Weise  gereinigt 
worden  ist.  Wären  die  äusseren  Arbeitsbedingungen  immer  die 
gleichen  gewesen,  so  wären  ohne  Zweifel  schon  früher 
Erfahrungen  über  da. durch  veranlasste  Vergiftung 
von  Arbeitern  gemacht  worden,  und  die  Fabrik  hätte 
durch  genügende  Instruktionen  der  Arbeiter  dem  vorgebeugt.  Solche 
frühere  Vorkommnisse  finden  sich  nicht  in  den  Akten  verzeichnet. 
Deshalb  kann  es  auch  nicht  nur  dasjenige  Benzol  gewesen  sein,  das 
aus  den  losgelösten  Eisenschichten  hervortrat  und  verdampfte,  son¬ 
dern  ein  Mehr  von  Benzol,  das  aus  irgend  einer  anderen  Quelle 
stammte.  Dafür  spricht  auch  die  Beobachtung  von  Sch.,  dass  an¬ 
fangs  die  Luft  im  Kessel  noch  erträglich  war,  später  aber,  als  das 
l  ropfen  zugenommen  hatte,  er  bewusstlos  wurde. 

Somit  muss  angenommen  werden,  dass  —  was  auch  der  An¬ 
geklagte  B.  zugibt  —  in  dem  Extraktionskessel  eine  Atmungsluft  war, 
die  durch  den  Gehalt  an  Benzol  eine  Giftwirkung,  nämlich  Betäubung, 
erzeugen  konnte. 

4.  War  der  Benzolgehalt  des  Kessels  genügend,  um  einen 

Menschen  töten  zu  können? 


Als  der  Arbeiter  B.  eine  jetzt  nicht  mehr  bestimmbare  Zeit  in 
der  Kesselluft  geatmet  hatte,  in  der  der  Arbeiter  Sch.  vergiftet  und 
bewusstlos  lag,  ereilte  ihn  das  vollkommen  gleiche  Schicksal.  Er 
wurde  vergiftet  und  bewusstlos.  In  bewusstlosem  Zustan.de  lag  er 
da.  Dei  Arbeiter  W.  nahm  an  ihm  die  künstliche  Atmung  vor.  Er 
machte  noch  einige  Atemzüge,  verschied  aber  mit  einem  Seufzer. 

Der  erste  Akt  der  1  ragödie  vollzog  sich  mithin  den  Symptomen 
nach  unter  den  gleichen  Verhältnissen  und  in  durchaus  gleicher  Weise 
wie  der  Unfall  des  Arbeiters  Sch.  DieseArtgleichheit  der 
Einwirkung  ist  un bezweifelbar  und  muss  besonders 
hervorgehoben  werden.  Das  Vorkommnis  ist  nach  allem, 
was  Erfahrung  und  Experiment  bisher  festgestellt 
ha  t,  die  Folge  einer  akuten  Benzolvergiftung.  Ist 
dies  abei  wähl,  dann  muss  auch  aus  dem,  was  weiter  dem  Arbeiter  B. 
zustiess,  zutreffend  erschlossen  werden  können,  dass  genug  Benzol¬ 
dampf  in  dem  Extraktionskessel  vorhanden  war,  und  genug  von  ihm 
davon  aufgenommen  wurde,  um  ihn  zu  töten.  Die  Vergiftung  des 
.  ch.  und  des  B.  unterscheiden  sich  nur  durch  die  Schwere  der  Ein- 
vnkung  von  einander.  Gäbe  es  auch  keine  einzige  der  früheren  und 
von  mir  vorstehend  angegebenen  Erfahrungen  über  Benzoltodesfälle, 
die  unter  ähnlichen  Verhältnissen  zustande  kamen,  so  würde  ich 
meinen  Augenblick  anstehen,  den  Fall  des  B.  als  einen  ersten  solchen 
zu  bezeichnen.  Die  Berechtigung  zu  dieser  Annahme  ist  aber  mit 
Rücksicht  auf  das  vorliegende  analoge  toxikologische  Material,  wenn 
möglich  noch  grosser  so  gross,  dass  sie  als  der  Ausdruck  wissen¬ 
schaftlicher  Wahrheit  angesehen  werden  muss.  Damit  erledigt  sich 
eigentlich  .auch  die  Frage  nach  der  Todesursache  des  B. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


26.  November  1907. 

Es  muss  jedoch  aui  die  Behauptung  eingegangen  werden,  dass 
dieser  Tod  „durch  Herzschlag“  eingetreten  sei.  Zu¬ 
erst  gab  ihr  der  Betriebsführer  bei  seiner  Vernehmung  Ausdruck,  und 
andere  bei  dem  Vorgänge  Beteiligte  teilten  sie.  Sinngemäss  läuft  eine 
solche  Annahme  darauf  hinaus,  den  Tod  des  B.  unter  Ausschaltung  des 
Benzoleinflusses  als  ein  nur  aus  inneren  körperlichen  Gründen  zu¬ 
stande  gekommenes  Ereignis  gelten  zu  lassen.  Als  Stütze  für  sie 
wird  in  der  Verteidigungsschrift  der  Sektionsbefund  am  Herzen  an¬ 
geführt.  Es  hatte  seine  normale  Grösse,  nämlich  die  der  geballten 
Faust  eines  Mannes.  Als  abnorm  ist  zu  bezeichnen:  dass  es  an  der 
Vorderfläche  mit  Fett  durchwachsen  war,  dass  die  Dicke  des  linken 
Ventrikels  22—24  mm  gegenüber  10—14  mrr>  in  der  Norm  betrug,  dass 
die  linken  Vorhofsklappen  leichte  Auflagerungen  besassen  und  die 
Ränder  etwas  verdickt  aussahen,  sowie  dass  die  Auskleidung  des 
Herzens  an  einigen  Stellen  grauweiss  verdickt  war.  Selbst  wenn  man 
auf  der  Grundlage  praktisch-toxikologischer  Erfahrungen  annimmt, 
dass  die  bedeutende  Wandstärke  des  linken  Herzventrikels  und  die 
Schlaffheit  und  Weichheit  des  Herzfleisches  des  rechten  zu  einem  Teil 
auf  Rechnung  der  akutesten  Einwirkung  des  zweifellos  auch  auf  das 
Herz  wirkenden  Benzols  zu  setzen  ist,  so  bleibt  noch  ein  Ueberschuss 
von  Krankhaftem  übrig,  das  der  kritischen  Betrachtung  mit  Bezug 
auf  die  Behauptung  unterworfen  werden  muss,  dass  es  an  sich  an 
dem  Tode  des  B.  Schuld  sei. 

Es  ist  mir  nicht  ungewohnt,  dass  bei  derartigen  Unfällen, 
die  zu  irgend  einer  Art  gerichtlicher  Behandlung  geführt  haben, 
von  einer  beteiligten  Seite  angeführt  wird,  dass  der  Ver¬ 
unglückte  nicht  durch  ein  Gift,  sondern  durch  ein  Herzleiden 
seine  Gesundheit  oder  sein  Leben  eingebüsst  habe.  Erst  ganz 
kürzlich  habe  ich  wieder  in  einem  dem  Reichs-Versicherungs¬ 
amte  erstatteten  Obergutachten  einen  solchen  Einwand  zu 
beleuchten  gehabt.  Hier  handelte  es  sich  um1  einen  durch 
Alkohol  zweifellos  an  seinem  Herzen,  schon  lange  vor  seinem 
Vergiftungstode  durch  schweflige  Säure,  schwer  krank  ge¬ 
wesenen  Mann.  Wer  die  Grundlagen  für  das  Zustandekommen 
von  Vergiftungen  kennt,  und  wer  viel  Vergiftungen  gesehen 
hat,  kann  unter  eingehendster  Würdigung  aller  in  Betracht 
kommender  Verhältnisse  meinem  pathologischen  Herzzustande 
für  das  Entstehen  einer  besonders  schweren  Vergiftung  bezw. 
des  Todes  nur  ein  prädisponierendes  Moment 
erblicken.  Es  ist  in  solchen  Fällen  wissenschaftlich  und 
praktisch  unannehmbar,  das  Gift  als  Krankheit  oder  den  Tod 
bewirkendes  Moment  auszuschliessen.  Ja,  es  hiesse  viel¬ 
leicht  drei  Viertel  aller  Vergiftungen,  wenn  nicht  gar  alle,  als 
Nichtvergiftungen  charakterisieren,  wenn  man  annehmen 
wollte,  dass  irgend  ein  während  des  Lebens  erkennbar  ge¬ 
wesener  oder  nach  dem  Tode  festgestellter  krankhafter  Zu¬ 
stand  allein  an  sich  zu  dem  vorzeitigen  Ende  eines  Men¬ 
schenlebens  geführt  habe,  obschon  als  nächstliegende  Aufgabe 
hierfür  eine  Giftwirkung  in  Frage  kommt.  Tatsächlich  liegen 
die  biologischen  Verhältnisse  so,  dass  fast  alle  menschlichen 
Erkrankungen  und  auch  die  Vergiftungskraukheiten  auch  bei 
bisher  Gesunden  eine  Disposition  erforderlich  machen,  und  zwar 
entweder  eine  zeitliche  oder  eine  dauernde.  Wie  wäre  denn 
sonst  die  tägliche  Erfahrung  zu  verstehen,  dass  von  mehreren, 
der  gleichen  materiellen  Unbill  unter  gleichen  äusseren  Bedin¬ 
gungen  ausgesetzten  Menschen  nur  einer  oder  der  andere  er¬ 
krankt,  oder,  wenn  mehrere  geschädigt  werden,  die  Symptome 
alle  möglichen  Stärkegrade  event.  bis  zur  Unterbrechung  der 
Lebensvorgänge  aufweisen?  Dies  geht  sogar  so  weit,  dass 
von  verschiedenen  gesunden  Tieren,  die  man  mehrmals 
unter  einer  Glocke  unter  gleichen  Versuchsbedingungen  bis  zum 
schweren  Kranksein  Benzoldampf  hat  e  inatmen 
lassen,  alle  sich  wieder  erholen,  dass  aber  nur  eines  von 
ihnen,  vermöge  seiner  sonst  sich  nicht  kundgebenden  indivi¬ 
duellen  Disposition,  im  Anschluss  an  die  Giftaufnahme  stirbt. 

Aber  selbst  wenn  man,  wie  ich  es  in  meinen  Werken  stets 
getan  habe,  der  individuellen  Disposition  eine  nicht  geringe 
Bewertung  zu  teil  werden  lässt,  so  ist  eine  solche  Stellung¬ 
nahme  doch  weit  entfernt  von  derjenigen:  bei  dem  Zusammen¬ 
wirken  einer  Vergiftungsursache  und  einer  Disposition  seitens 
des  Gehirns  oder  der  Lungen  oder  des  Herzens  die  erstere  als 
nicht  vorhanden  zu  betrachten  und  einen  eingetretenen  Tod 
auf  irgendwelche  nicht  näher  zu  charakterisierende  nächste 
Veranlassung,  z.  B.  die  Aufregung  über  ein  bestimmtes  Ereignis, 
zu  beziehen,  durch  welche  die  Disposition  an  und  für  sich  zum 
todbringenden  Leiden  sich  in  kürzester  Zeit  fortentwickelt  hat. 

Es  kann  zugegeben  werden,  dass  B.  ein  durch  sein  nicht  ganz 
normales  Herz  prädisponierter  Mensch  gewesen  sei,  ja  noch  mehr, 
dass  er  ein  Nieren-  und  Blasenleiden  gehabt  hat,  das 
ich  für  ein  durch  seine  Beschäftigung  mit  Naph- 


2379 


t  y  I  a  m  i  n  entstandenes  halte,  aber  es  ist  unumstößlich 
wahr,  dass  er  heute  noch  leben  würde,  wenn  nicht 
das  Benzol  akut  so  auf  ihn  eingewirkt  hätte,  wie  auf 
diejenigen,  die  vor  ihm  durch  dieses  Gift  umkamen.  Wäre  er 
schwer  herzkrank  gewesen,  so  hätte  er  nicht  nach  Ausweis  der 
Lohnlisten  vom  1.  Januar  bis  zum  31.  August  1906  an  200  Tagen 
arbeiten  können.  Sein  Herz  hätte,  allem  medizinischen  Ermessen 
nach,  sehr  lange  noch  normale  Arbeit  leisten  können.  Meiner  Ueber- 
zeugung  nach  wäre  er  früher,  freilich  auch  qualvoller,  durch  das  im 
Naphtylaminbetrieb  erworbene  Blasen-  und  Nierenleiden  als  durch 
die  Herzveränderungen  siech  geworden  und  gestorben. 

Er  hat  nur  kurze  Zeit,  aber  wahrscheinlich  in  einem  vom  Kessel¬ 
boden  sich  entwickelnden,  sehr  konzentrierten,  wenn  nicht  gar  in 
reinem  Benzoldampf  geatmet.  Er  nahm  diesen  Dampf  mit  der  vollen 
Atmungsintensität  eines  Gesunden  auf,  der  körperlich  alles  daran 
setzt,  um  einen  Menschen  zu  retten.  Es  drang  so  viel  davon  in  seine 
Blutbahn,  dass  nicht  nur,  wie  in  bisher  bekannt  gewordenen  Vergift¬ 
tungen  von  Menschen  und  Tieren  tiefe  Lähmung  seiner  Gehirnfunk¬ 
tionen  und  davon  abhängig  Atmungsstörungen  entstanden,  sondern 
auch,  wie  gleichfalls  schon  vor  ihm  bei  Menschen  und  Tieren  beob¬ 
achtet  wurde,  der  Tod  eintrat. 

Das  bisher  Gesagte  reicht  völlig  aus,  um  diesen  letzteren  mit 
Sicherheit  als  einen  Benzoltod  anzusprechen.  Es  kann  aber  noch  auf 
einen  Leichenbefund  hingewiesen  werden,  der  zu  einer  weiteren 
Stütze  dient.  Schon  vor  19  Jahren  wurden  bei  der  Sektion  eines 
durch  Benzoldampf  getöteten  Arbeiters  hier  und  da  im  Körperinnern 
kleinere  oder  grössere  Blutaustritte  beobachtet.  Es  ist  dann  später 
der  Nachweis  erbracht  worden,  dass  auch  bei  mit  Benzol  vergifteten 
Tieren  typisch  solche  Blutungen,  z.  B.  an  der  Magen-  und  Darm¬ 
schleimhaut,  Vorkommen.  Und  diese  Versuche  stellte  man  an,  nach¬ 
dem  bei  durch  Benzol  gestorbenen  oder  von  der  Vergiftung  wieder¬ 
hergestellten  Fabrikarbeiterinnen  solche  Blutungen  an  der  Haut  und 
an  inneren  Organen  festgestellt  worden  waren.  Es  gibt  jetzt  bereits 
eine  genügende  Zahl  weiterer  derartiger  Beobachtungen,  darunter 
auch  den  Fall,  den  ich  für  das  Reichsversicherungsamt  in  einem 
Obergutachten  behandelt  habe,  um  sagen  zu  können,  dass  diese  eine 
Teilerscheinung  der  durch  Benzol  im  Menschen  gesetzten  Verände¬ 
rungen  darstellten. 

Das  Sektionsprotokoll  über  B.  verzeichnet: 

a)  Blutaustritte  am  Eingang  der  Gefässe  in  die  rechte  Lunge. 

b)  In  der  Mitte  des  Magens  stecknadelkopfgrosse  rundliche 
schwärzlich  gefärbte  Blutaustritte. 

c)  Blutaustritte  derselben  Art  in  grösserer  Menge  an  6  ver¬ 
schiedenen  Stellen  im  Dünndarm. 

Selbst  wenn  man  die  unter  a)  genannten  als  zufällige  oder  besser 
durch  die  zweifellos  bei  B.  vorhanden  gewesenen  Atmungsstörungen 
bedingt  erklären  wollte,  so  fügen  sich  die  unter  b)  und  c)  genannten 
so  in  das  Bild  der  Benzolvergiftung  passend  ein,  dass  sie  auch  ur¬ 
sächlich  davon  abgeleitet  werden  müssen. 

Nach  alledem  beantworte  ich  die  mir  vom  Landgericht  vor¬ 
gelegte  Frage  nach  der  Todesursache  des  B.  dahin:  Der  Tod  ist 
durch  akute  Einatmung  von  Benzoldampf  erfolgt. 

Auf  Grund  dieses  Gutachtens  nahm  der  Gerichtshof  an,  dass 
„der  Tod  des  Arbeiters  B.  und  die  Körperverletzung  des  Ar¬ 
beiters  S.  durch  Benzolvergiftung  eingetreten  seien,  verneinte 
aber  eine  Fahrlässigkeit  der  Beteiligten  bei  Anwendung  der 
nach  Lage  der  Sache  gebotenen  Schutzmassregeln“. 


Lieber  den  Gebrauch  von  Chlorzinklösungen  bei  der 
Behandlung  der  Endometritis.*) 

Von  M.  H  o  f  m  e  i  e  r. 

M.  H. !  Vor  etwa  12  Jahren  habe  ich  in  der  Marti  n  sehen 
Monatsschrift  <einen  zur  forensischen  Begutachtung  gekomme¬ 
nen  Fall  veröffentlicht,  in  welchem  nach  der  intrauterinen  An¬ 
wendung  von  50  proz.  Chlorzink  nach  12  Stunden  unter  den  hef¬ 
tigsten  peritonitischen  Erscheinungen  der  Tod  eintrat.  Es  be¬ 
traf  dies  eine  junge  Person  von  20  Jahren,  bei  welcher  der  be¬ 
treffende  Arzt  nach  der  vergeblichen  Anwendung  verschiedener 
anderer  Medikamente  mit  einer  Intrauterinspritze  mit  sehr 
schmalem,  metallenem  Ansatzstück  2  ccm  dieser  Flüssigkeit  in 
den  Uterus  injiziert  hatte,  ohne  vorher  die  Zervix  zu  erweitern. 
Es  stellten  sich  sofort  die  heftigsten  Schmerzerscheinungen  ein; 
trotz  aller  Analeptica  kollabierte  die  Patientin  immer  mehr  und 
war  nach  12  Stunden  tot.  Die  an  der  exhumierten  Leiche  vor¬ 
genommene  Obduktion  ergab  eine  ziemlich  intensive  Peritoni¬ 
tis,  eine  weitgehende  Verätzung  der  Uterusschleimhaut,  aber 
weder  eine  Verätzung  der  Uteruswand,  noch  einen  Durchtritt 
der  Aetzflüssigkeit  durch  die  Tuben  (die  Schleimhaut  derselben 


*)  Nach  einem  in  der  fränkischen  Gesellschaft  für  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie  in  Wiirzburg  gehaltenen  Vortrag. 


3* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


2380 


wurde  durchaus  normal  befunden).  Wenn  auch  ein  Zweifel 
darüber  nicht  w  hl  bestehen  konnte,  dass  diese  Patientin  an 
den  Folgen  der  Chlorzinkanwendung  gestorben  war,  so  war 
doch  die  direkte  Todesursache  nicht  ganz  klar.  Die  Aetzwir- 
kung  allein  erklärte  den  schnellen  Tod  nicht,  vielmehr  schien 
eine  direkte  Giftwirkung  mit  im  Spiel  zu  sein.  Doch  konnte  ich 
damals  durch  Erkundigung  an  kompetenter  Stelle  und  auch  in 
der  Literatur  über  derartige  toxische  Wirkung  des  Chlorzink 
(ausgenommen  die  etwaige  Anwendung  vom  Magen  aus)  nichts 
erfahren. 

Der  Zufall  hat  es  gefügt,  dass  ich  kürzlich  wieder  in  einem 
ganz  analogen  Fall  als  Sachverständiger  zugezogen  wurde. 
Und  da  es  sich  in  diesem  Falle  nun  sicher  um  eine  von  der 
Scheide  aus  zustande  gekommene  Chlorzink-  bezw.  Zinkvergif¬ 
tung  handelt,  so  hielt  ich  die  Sache  für  wichtig  genug,  um  sie 
hier  zur  Sprache  zu  bringen.  Ich  will  den  Sachverhalt  zunächst 
so  darstellen,  wie  er  in  der  gerichtlichen  Verhandlung  von 
dem  angeklagten  Arzt  geschildert  wurde. 

Es  handelte  sich  um  eine  junge  22  jährige,  sonst  vollkommen  ge¬ 
sunde  Person,  die  mit  dem  Anliegen  zu  dem  Arzt  kam,  sie  von  einem 
lästigen  weissen  Fluss  zu  befreien.  Der  Arzt  will  nach  vorheriger 
Auswischung  der  Scheide  mit  Wattebäuschen  sich  die  Portio  im 
Cuscaspekulum  eingestellt  haben  und  nun  mit  einer,  1  ccm  fassenden 
B  r  a  u  n  sehen  Spritze  50  proz.  Chlorzink  in  den  Uterus  injiziert 
haben.  Da  infolge  mangelhaften  Schlusses  des  Ansatzstückes  das 
Meiste  vorbeifloss,  so  soll  noch  eine  zweite  Spritze  angewendet 
worden  sein.  Beim  Füllen  dieser  zweiten  Spritze  soll  das  in  der 
linken  Iiand  gehaltene  Fläschchen  mit  der  50proz.  Chlorzinklösung 
umgekippt  sein  und  sich  ein  Teil  seines  Inhaltes  (vielleicht  einige  Kubik¬ 
zentimeter)  in  die  Scheide  ergossen  haben.  Es  folgte  eine  Ausspülung 
der  Scheide  bei  noch  liegendem  Spekulum  mit  Va  proz. 
Lysollösung.  Gleich  nach  der  Behandlung  stellte  sich  heftiger 
Schmerz  ein,  der  mit  kurzen  Remissionen  zunahm,  zunehmender 
Kollaps,  Erbrechen,  und  bei  fast  bis  zuletzt  erhaltenem  Bewusstsein 
trat  trotz  aller  angewendeten  Mittel  nach  21 — 22  Stunden  der  Tod 
ein.  Die  am  4.  Tage  ausgeführte,  sehr  genaue  gerichtliche  Obduktion 
ergab  zunächst  eine  sehr  heftige  Peritonitis,  zunehmend  an  Intensität 
nach  dem  kleinen  Becken  zu.  Ferner  bestand  eine  Schwangerschaft 
etwa  der  6.  Woche.  Aber  mit  Sicherheit  war  das  Innere  des  Utenus 
sowohl  wie  die  Tuben  vollständig  intakt  und  zeigte  keine  Spur  von 
Verätzung.  Ebenso  sicher  konnte  eine  Perforation  irgend  eines  Or¬ 
ganes  durch  die,  besonders  genau  hierauf  gerichtete  Untersuchung 
ausgeschlossen  werden.  Dagegen  wurde  im  oberen  Teil  der  Scheide 
ein  über  hühnereigrosser  Wattebausch  gefunden,  um  welchen  herum 
die  ganze  Scheidenwand,  besonders  nach  hinten  hin,  stark  verätzt 
war.  Dieser  Wattebausch  sollte  nach  Angabe  des  Arztes  versehent¬ 
lich  in  der  Scheide  zurückgeblieben  und  durch  das  hintere  Blatt  des 
Spekulum  bei  der  Behandlung  verdeckt  worden  sein.  Die  sehr  genau 
ausgeführte  chemische  Analyse  der  Baucheingeweide  ergab  einen 
relativ  sehr  hohen  Gehalt  an  Zink,  der  einer  Menge  von  3,21  ccm 
einer  50  proz.  Chlorzinklösung  entsprach.  Alle  übrigen  Organe  waren 
gesund. 

Indem  ich  dahingestellt  sein  lassen  muss,  ob  alle  Einzel¬ 
heiten  bei  der  Behandlung  sich  genau  so  abgespielt  haben,  wie 
sie  hier  dargestellt  wurden,  bleibt  die  Tatsache  bestehen,  dass 
eine  absolut  gesunde  und  kräftige  junge  Person  nach  dem 
Hereinbringen  einer  grösseren  Menge  von  Chlorzink  in  die 
Scheide  (ohne  Verletzung  und  ohne  Durchtritt  des  Mittels  durch 
den  Uterus)  nach  22  Stunden  unter  schweren  Vergiftungs¬ 
erscheinungen  gestorben  ist.  Denn  eine  andere  Möglichkeit, 
durch  welche  das  Zink  in  den  Körper  bezw.  in  die  Bauchhöhle 
hätte  kommen  können,  war  vollkommen  ausgeschlossen.  Die 
Menge  des  in  den  Eingeweiden  gefundenen  Zink  ist  so  bedeu¬ 
tend,  dass  jedenfalls  eine  ausserordentlich  intensive  Resorption 
von  der  Scheide  aus  stattgefunden  haben  muss,  ohne  dass  die 
Aetzwirkung  als  solche  doch  wieder  genügend  gewesen  wäre, 
um  den  schnellen  Tod  zu  erklären.  Es  ist  gewiss  begreiflich, 
dass  diese  neue,  jener  ersten  so  vollkommen  analoge  Beobach¬ 
tung  von  neuem  den  Gedanken  erwecken  musste,  dass  es  sich 
hier  um  eine  Vergiftung  handeln  müsste.  Ich  habe  mich 
deswegen  von  neuem  danach  erkundigt,  ob  bei  äusserer  An¬ 
wendung  von  Chlorzinklösungen  etwas  über  Giftwirkung  be¬ 
kannt  sei,  und  eine  diesbezügliche  Rücksprache  mit  meinem 
Kollegen  Straub,  dem  Vertreter  der  Pharmakologie  in  Würz¬ 
burg,  ergab  denn  auch,  dass  nach  seiner  Ansicht  bei  der  An¬ 
wesenheit  von  Chlorzink  und  bei  einem  gleichzeitigen  Ueber- 
schuss  von  Serum  gewisse  Zinkalbuminatverbindungen  sich 
bilden  können,  welche  leicht  resorbierbar  sind  und  denen  eine 
intensiv  toxische  Eigenschaft  zukommt.  Herr  Kollege  Straub 
hat  auch  experimentell  diese  Frage  geprüft,  und  wir  haben  nach 
seinem  Rat  diese  Experimente  nachgemacht.  Wir  fügten  zu 


einer  gewissen  Menge  (5  ccm)  frischen  zentrifugierten  mensch¬ 
lichen  Blutserums  einige  Tropfen  (8)  einer  1,3  proz.  Chlorzink¬ 
lösung  zu,  so  lange,  bis  sich  trotz  energischem  Umschütteln 
ein  bleibender  Niederschlag  ergab.  Von  dieser  Lösung  haben 
wir  2  kräftigen  Kaninchen  2  mal  je  5  ccm  in  die  Ohrvene  ein¬ 
gespritzt.  Die  Wirkung  war  fast  momentan.  Während  das 
Kontrollier,  dem  wir  nur  reines  Serum  injiziert  hatten,  durch¬ 
aus  gar  keine  Erscheinung  zeigte,  waren  diese  beiden  kräftigen 
T  iere  nach  ganz  schnell  auftretenden  Lähmungserscheinungen, 
zunächst  der  vorderen  Extremitäten,  in  wenigen  (5 — 10)  Minu¬ 
ten  tot.  Wir  haben  das  Experiment  dann  noch  so  modifiziert, 
dass  wir  eine  grössere  Menge  (20  ccm)  dieser  Serumlösung 
Kaninchen  in  die  Bauchhöhle  spritzten.  Die  Resultate  waren 
hier  nicht  ganz  gleichmässig,  vielleicht  abhängig  von  der 
Widerstandskraft  der  Tiere  selbst.  Aber  in  einem  Fall  war  das 
Fier  gleichfalls  in  6  Stunden  tot,  nachdem  es  sehr  bald  auf¬ 
fallende  Krankheitserscheinnngen  zeigte.  Peritoneale  Reiz¬ 
erscheinungen  waren  bei  der  Obduktion  kaum  bemerkbar.  Wir 
haben  Kontrollversuche  auch  in  der  Hinsicht  gemacht,  dass  wir 
die  gleiche  Menge  der  Chlorzinklösung  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  versetzten  und  intravenös  injizierten.  Hier  war 
der  Erfolg  vollständig  negativ. 

Hiernach  scheint  es  in  der  Tat,  dass  es  gerade  die  spe¬ 
zifische  Verbindung  von  Zink  mit  Albuminaten  ist,  welche  die 
Giftwirkung  ausübt,  und  es  scheint  mir  auch  nicht  mehr  frag¬ 
lich,  dass  es  sich  bei  diesen  Todesfällen  wirklich  um  eine  rein 
toxische  Wirkung  gehandelt  hat.  Denn  die  Erscheinungen, 
unter  denen  diese  Kranken  starben,  waren  durchaus  die  einer 
schweren  Vergiftung.  Und  damit  gewinnt  die  Frage,  ob  es 
überhaupt  noch  erlaubt  ist,  50  proz.  Chlorzinklösungen  in  der 
Gynäkologie  zu  verwenden,  ein  ganz  akutes  Interesse.  Wenn 
auch  zuzugeben  ist,  dass  in  beiden  Fällen  ungewöhnlich  grosse 
Mengen  dieser  Flüssigkeit  zur  Verwendung  kamen,  und  dass 
sie  ungeschickt  und  nicht  nach  den  allgemein  üblichen  Vor¬ 
schriften  angewendet  worden  sind,  so  sieht  man  doch  aus  den 
beiden  Fällen  wieder,  wohin  in  der  Hand  Ungeübter  die  Emp¬ 
fehlung  solcher  heroischen  und  nach  meiner  Meinung  ganz  un¬ 
nötig  starken  Mittel  führen  kann.  Bei  der  augenscheinlich  in¬ 
tensiven  Giftigkeit  auch  geringer  Mengen  dieses  Giftstoffes 
kann  man  nicht  wissen,  ob  nicht  auch  bei  Anwendung  gerin¬ 
gerer  Mengen  einmal  die  Bedingungen  zur  Vergiftung  gegeben 
sein  könnten..  Nun  wird  aber  die  Anwendung  der  50  proz. 
Chlorzinklösung  nicht  nur  vielfach  noch  bei  der  Behandlung 
der  Endometritis,  sondern  auch  zur  Nachbehandlung  nach  der 
Ausschabung  inoperabler  Karzinome  etc.  verwendet.  Ohne 
verkennen  zu  wollen,  dass  die  nach  Abstossung  der  gebildeten 
Schorfe  eintretende  sehr  bedeutende  narbige  Retraktion  ge¬ 
legentlich  sehr  nützlich  sein  kann  (ist  doch  erst  kürzlich  von 
Blau  aus  der  Klinik  von  C  h  r  o  b  a  k  über  die  völlige  Aus- 
stossung  eines  mit  30  proz.  Chlorzink  14  Stunden  lang  aus¬ 
tamponierten  karzinomatösen  Uterus  berichtet  worden 1),  so  ist 
doch  die  Verwendung  dieser  starken  Lösungen  wegen  der  un¬ 
berechenbaren  Tiefenwirkungen  sehr  bedenklich.  Sie  wird 
aber  meiner  Ansicht  nach  vollkommen  unzulässig,  wenn  die 
Möglichkeit  derartiger,  intensiv  toxischer  Einwirkungen  be¬ 
steht.  Wir  werden  also  nach  meiner  Ansicht  den  Gebrauch 
dieser  konzentrierten  Chlorzinklösungen,  sobald  es  sich  nicht 
um  eine  rein  örtliche  Aetzwirkung  handeln  soll,  am  besten 
ganz  verlassen.  Wenigstens  sollten  diejenigen  Autoren,  welche 
mündlich  oder  literarisch  den  Gebrauch  derartiger  Medika¬ 
mente  noch  weiter  empfehlen,  sich  der  ganzen  Verantwortlich¬ 
keit  ihrer  Empfehlung  voll  bewusst  sein.  Dass  für  die  ge¬ 
wünschte  Aetzwirkung  auf  die  Uterusschleimhaut  andere,  weni¬ 
ger  gefährliche  Mittel,  wie  Formalin  und  konzentrierte  alko¬ 
holische  Karbollösungen  vollkommen  genügen,  haben  uns  die 
praktischen  Erfahrungen  -und  histologischen  Untersuchungen 
hinreichend  bewiesen.  Besonders  die  seit  vielen  Jahren  fast 
ausschliesslich  von  uns  verwendeten  konzentrierteren  (20  proz.) 
Alkohol-Karbol-Lösungen  möchte  ich  nochmals  dringend  emp¬ 
fehlen.  Beweisen  doch  auch  die  Untersuchungen  von  Rie- 
laender '),  dass  die  alkoholischen  Lösungen  nicht  nur  schnel¬ 
ler  und  energischer  in  die  Tiefe  dringen,  sondern  auch  schneller 
und  ausgiebiger  über  die  ganze  Fläche  diffundieren. 


U  Zentralbl.  f.  Gyn.  1907,  No.  4. 

2)  Zeitsch.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  51. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2351 


Gelungene  Transplantationen  durch  Aether  erzeugter 
Epithelwucherungen  der  Linse  des  Salamanders. 

Von  Friedrich  R  e  i  n  k  e,  ausserordentlicher  Professor  der 

Anatomie  in  Rostock. 

Im  Verlauf  meiner  methodisch  angestellten  Untersuchungen 
über  die  Bedingungen  der  mitotischen  Zellteilungen,  vom  rein 
biologischen  Standpunkt  aus,  hatte  ich  atypische  Wucherungen 
der  Linsenepithelzellen  („Epitheliome“)  durch  Injektion  von 
4  proz.  Aether  in  das  Auge  des  erwachsenen  Feuersalamanders 
erhalten.  0 

Z  F.  L.K.  L.E.K.  Z.F. 


Fig.  1.  Mit  4proz.  Aether  behandeltes  Li  ns  e  n  - 
epithel.  30  Tage  nach  der  Injektion.  „Epitheliom.“ 
LK  =  Linsenkapsel.  Z.F.  =  Zonulafasern.  L.E.K.  —  Linsenepithel¬ 
kerne.  d.K.  =  degenerierte  Kerne.  L.F.  =  Linsenfasern. 


Derartig  erzeugte  Epithelwucherungen  habe  ich  zu  Trans¬ 
plantationen  in  die  Bauchhöhle  benutzt.  Die  gewucherten  Lin¬ 
sen  wurden  unter  aseptischen  Kautelen  herausgenommen  und, 
in  physiologischer  Kochsalzlösung  zerkleinert,  anderen  Tieren 
in  die  Bauchhöhle  injiziert.  Die  Versuche  gelangen  mit  Leich¬ 
tigkeit.  Nach  60  Tagen  fan- 
l.k.  m.  l.e.k.  den  sich  im  parietalen 

Bauchfell  stecknadelkopf¬ 
grosse,  pralle  Knötchen,  teil¬ 
weise  von  dunkler  Farbe. 
Die  an  Serienschnitten  an- 
gestellte  mikroskopische  Un¬ 
tersuchung  ergab,  dass  nicht 
nur  die  injizierten,  von  der 
Linse  herstammenden  Epi¬ 
thelzellen  sich  erheblich  ver¬ 
mehrt  hatten  und,  wie  die 
vorhandenen  mitotischen 
—  Zellteilungen  zeigten,  noch 
weiter  wucherten,  sondern 
dass  auch  die  ganzen  Gebilde 


Fig.  2. 


Ebenso  wie  Fig.  1. 
Mitosen. 


von  Blutgefässen  und  Bindegewebe  durchwachsen  waren.  In 
diesem  bindegewebigen  Stroma  der  Knötchen  lagen  nesterweise 
die  Epithelzellen,  die  mit  Linsenepithelien  kaum  noch  Aehnlich- 
keit  zeigten,  sich  jedenfalls  nicht  in  Linsenfasern  umgebildet 
hatten.  Ausser  grossen,  vielkernigen  Zellen  kommen  auch  pig¬ 
menthaltige  Zellen  vor,  die  teilweise  mobil  gewordene  Iris- 
epithelien,  teilweise  Leukozyten  sind,  deren  Pigmentgehalt  aus 
der  Iris  stammt. 


Durch  die  Vorbehandlung  mit  Aether  und  vielleicht  auch 
durch  die  Transplantation  erscheint  der  spezifische  Charakter 
der  Linsenepithelien  umgewandelt  zu  sein.  Ausser  der  ge¬ 
wonnenen  verstärkten  Teilungs-  und  Wachstumsenergie  haben 
sie  die  Fähigkeit  verloren  zu  Linsenfasern  auszuwachsen  und 
ebenso  die  Fähigkeit,  das  Eindringen  der  Blutgefässe  und  des 
Bindegewebes  in  ihren  epithelialen  Zellverband  zu  verhindern. 
Letztere  Eigenschaft  beruht  vermutlich  auf  einem  negativen 
Tropismus,  der  bei  normalen  Linsenzellen  und  von  ihnen  abstam¬ 
menden  Lentomen  in  so  hohem  Grade  vorhanden  ist,  dass  hier 
bekanntlich  niemals  Blutgefässe  oder  Bindegewebe  hinein- 


G  F.  Reinke:  Ueber  Antreibung  und  Hemmung  mitotischer 
Zellteilungen  beim  normalen  und  pathologischen  Wachstum  der  Ge¬ 
webe.  Deutsche  Medizinal-Zeitung,  No.  53,  1907. 


wachsen.  Durch  diese  Vaskularisation  und  Stromabildung  wird 
das  mikroskopische  Bild  der  transplantierten  Geschwülste  viel 
komplizierter  als  das  der  ursprünglichen  Epitheliome  und 
ähnelt  dem  der  wirklichen  Karzinome.  Beobachtungen  von 

B.G.  B.K.  P  z.  R.Z. 


L.E.K. 


L.F. 


Fig.  3.  Mit  4  p  r  o  z.  Aether  behandeltes  und  in 
die  Bauchhöhle  transplantiertes  Linsen  epithel. 
60  Tage  nach  der  Tr  ansplantation,  90  1  age  nach  der 
Aether  inj  ektion.  L.F.  =  Linsenfaserrest.  L.E.K.  —  Linsen¬ 
epithelkerne.  R.Z.  =  vielkernige  Riesenzelle.  P.Z.  —  Pigmentzelle. 
B.K.  =  Blutkapillare.  B.G.  =  Bindegewebsstroma.  M.  —  Mitose. 
K.  —  bindegewebige  Kapsel,  den  Tumor  gegen  die  Bauchhöhle  ab¬ 
grenzend. 

längerer  Dauer  müssen  zeigen,  was  aus  diesen  Bildungen  weiter 
wird,  namentlich,  ob  ihr  Wachstum  unbegrenzt  ist  oder  ob  sie 
sich  vielleicht  im  Verlauf  der  Zeit  zurückbilden  und  untergehen. 
Immerhin  hoffe  ich  durch  diese  Methoden  die  Wachstumsbe¬ 
dingungen  der  Epithelzellen  nach  verschiedenen  Richtungen  hm 
biologisch  genauer  feststellen  zu  können. 


Neuere  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  chemischen 
Physiologie  des  Zellkernes. 

Von  Prof.  Dr.  H.  Steudel  in  Heidelberg. 

Als  Bestandteile  der  Zellkerne  kennt  man  seit  längerer  Zeit 
eine  Reihe  von  Substanzen,  die  unter  dem  Sammelnamen  dei 
Nukleoprotei'de  zusammengefasst  werden.  Man  sieht  diese 
Stoffe  an  als  Verbindungen  von  Eiweisskörpern  mit  einem  kom¬ 
plizierten  phosphorhaltigen  Atomkomplex,  der  seiner  sauren 
Eigenschaften  wegen  Nukleinsäure  genannt  worden  ist. 

Der  Ausgangspunkt  der  langen  Reihe  von  Untersuchungen 
über  die  Nukleoprotei’de  und  über  die  Nukleinsäuren  lag  ur¬ 
sprünglich  auf  histologischem  Gebiete.  Die  auffallenden  Unter¬ 
schiede  zwischen  Zellkern  und  Zellprotoplasma  in  ihrem  Ver¬ 
halten  zu  Säuren,  Laugen  und  Farbstoffen,  Unterschiede,  die 
man  schon  seit  langer  Zeit  durch  die  Beobachtungen  mit  dem 
Mikroskop  kannte,  hatten  von  jeher  zu  der  Frage  nach  dem 
Wesen  der  verschiedenen  Substanzen  des  Zelleibes  angeregt. 
Die  Untersuchungen  waren  aber  so  lange  fragmentarisch  ge¬ 
blieben,  als  man  sich  auf  die  mikroskopische  Analyse  be¬ 
schränkte:  erst  als  man  die  Untersuchung  der  Zellbestandteile 
mit  chemischen  Methoden  unternahm,  konnten  am  diesem  Ge¬ 
biete  grosse  Fortschritte  verzeichnet  werden;  es  entwickelte 
sich  allmählich  ein  neuer  Zweig  der  physioiogischen  Chemie . 
die  Histcchemie,  eine  Wissenschaft,  die  sich  als  letztes  Zu 
gesteckt  hat,  die  Bestandteile  der  Zelle  mit  Hl>fe  ^hemisc  e 
Methoden  ebenso  genau  zu  differenzieren  wie  es  der  Hist . 
unter  dem  Mikroskop  durch  Fixierung  und  Färbung  k-nn. 

Sollen  solche  chemischen  Untersuchungen  an  isoliert  -  - 

bestandteilen  ausgeführt  werden,  so  ist  dazu  vor  a  cni^uniiju- 
lichst  homogenes  Material  nötig,  das  nur  eine  einzig-  _ 
führt  und  das  in  grossen  Mengen  beschafft  werden  kann, 
zweite  Forderung  ist  dann,  nun  aus  diesen  Zellen  -neu  bestimm¬ 
ten  Bestandteil  frei  von  Beimengungen  zu  isolieren.  Als  Untc 
suchungsobjekt  für  solche  Forschungen  diente  zuerst  frischei 
Abszesseiter,  den  man  damals  (1869)  noch  in  den  chirui  gisc  len 
Kliniken  bekommen  konnte.  Mit  Hilfe  einer  künstlichen  Pepsin¬ 
verdauung  war  es  möglich,  die  Eiterzellen  vollkommen  von 


2382 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


ihrem  Protoplasma  zu  befreien,  so  dass  man  also  nun  in  -der 
Lage  war,  an  reinen  Zellkernen  Analysen  über  ihre  Zusammen¬ 
setzung  zu  machen.  Ausser  den  Eiterkörperchen  haben  in  spä¬ 
terer  Zeit  dann  vorzugsweise  die  Spermatozoen  einiger  Fisch¬ 
arten  (Lachs,  Stör,  Hering),  die  Zellen  der  Thymusdrüse  und 
die  Hefezellen  zu  Untersuchungen  über  die  Bestandteile  des 
Zellkerns  gedient.  Diese  letzteren  wurden  aus  rein  technischen 
Gründen  häufiger  verwandt,  eben  weil  man  sie  leicht  in  grösse¬ 
ren  Mengen  beschaffen  konnte. 

Als  Resultat  der  Analysen  wissen  wir  heute,  dass  in  allen 
Zellkernen  eine  phosphorhaltige  Substanz  mit  sauren  Eigen¬ 
schaften,  Nukleinsäure,  vorkommt,  die  an  gewisse  Eiweisskör¬ 
per  (Protamin,  Histon  usw.)  gebunden  ist.  Die  elementare  Zu¬ 
sammensetzung  der  Nukleinsäure,  wie  sie  aus  der  Thymus¬ 
drüse  oder  aus  dem  Heringssperma  gewonnen  wird,  kann  als 
C«  H57  Nis  O.30  P«  angenommen  werden.  Selbstverständlich 
sagt  diese  Summenformel  der  Elemente  an  und  für  sich  nicht 
viel  aus  und  um  die  besondere  Struktur  der  Substanz  kennen 
zu  lernen,  wurde  sie  durch  hydrolysierende  und  oxydierende 
Mittel  in  einzelne  Bruchstücke  gespalten,  die  für  sich  unter¬ 
sucht  wurden  und  die  dann  einen  Schluss  auf  die  Zusammen¬ 
setzung  des  ganzen  Moleküls  gestatteten. 

Führte  man  die  Hydrolyse  mit  siedenden  Mineralsäuren 
(Schwefelsäure,  Salzsäure,  Jodwasserstoffsäure)  aus,  so  erhielt 
man  an  Spaltungsprodukten  Körper,  die  sich  in  3  Gruppen  teilen 
lassen:  1.  Purinderivate,  2.  Pyrimidinderivate,  3.  Kohlehydrat¬ 
derivate,  ferner  Ammoniak  und  Phosphorsäure,  und  zwar  er¬ 
schien  der  gesamte  Phosphor  der  Nukleinsäure  als  Orthophos- 
phorsäure  wieder.  Was  diese  letztere  anbetrifft,  so  war  damit 
nicht  bewiesen,  dass  der  Phosphor  nun  auch  als  Orthophosphor- 
säure  im  Molekül  der  Nukleinsäure  vorhanden  war.  vielmehr 
waren  Anzeichen  vorhanden,  dass  er  sich  dort  in  der  Form  einer 
Metaphosphorsäure  vorfand.  Von  den  Purinderivaten  Hessen 
sich  Guanin,  Adenin,  Xanthin  und  Hypoxanthin  in  der  Zer¬ 
setzungsflüssigkeit  nachweisen,  von  Pyrimidinderivaten  Cyto¬ 
sin,  Uracil  und  Thymin  und  von  den  Derivaten  eines  Kohle¬ 
hydrates  Ameisensäure  und  Lävulinsäure.  Die  Mehrzahl  dieser 
Spaltungsprodukte  war  bisher  überhaupt  unbekannt  und  musste 
chemisch  erst  genau  untersucht,  ihre  Zusammensetzung  und 
Struktur  festgestellt  werden. 

Wenn  man  dagegen  die  Nukleinsäure  mit  oxydierenden 
Mitteln  (Salpetersäure)  in  der  Kälte  behandelte,  so  konnten  von 
Purinderivaten  nur  Guanin  und  Adenin  gewonnen  werden,  die 
wahrscheinlich  durch  hydrolisierende  Wirkung  der  Säure  ab¬ 
gespalten  worden  waren;  wurde  die  Zersetzungsflüssigkeit 
dann  weiter  in  der  Wärme  oxydiert,  so  konnten  ausser  Phos¬ 
phorsäure  Uracil,  Thymin,  Oxalsäure  und  eine  der  Zuckersäure 
isomere  Substanz,  die  Epizuckersäure,  isoliert  werden 

Aus  diesen  Befunden  und  aus  gleichzeitig  ausgeführten 
quantitativen  Bestimmungen  der  einzelnen  Spaltungsprodukte 
Hessen  sich  nun  eine  Reihe  von  Schlüssen  ziehen,  aus  denen 
man  eine  Vorstellung  von  dem  Aufbau  des  gesamten  Moleküls 
der  Nukleinsäure  gewinnen  konnte.  Zunächst  konnte  man  ein¬ 
mal  die  bei  der  Spaltung  mit  siedenden  Säuren  gefundenen  Zer¬ 
setzungprodukte:  Xanthin,  Hypoxanthin  und  Uracil  als  primäre 
Bestandteile  des  Nukleinsäuremoleküls  ausschalten.  Ihre  Bil¬ 
dung  beim  Sieden  mit  Mineralsäuren  ist  so  zu  erklären,  dass 
dabei  nicht  allein  eine  einfache  Hydrolyse  stattfindet,  sondern 
gleichzeitig  auch  eine,  wenn  auch  geringe,  Oxydation.  Damit 
fiel  auch  das  Ammoniak  als  primäres  Spaltungsprodukt  fort, 
seine  Entstehung  verdankt  es  eben  der  Oxydation  von  Guanin 
zu  Xanthin,  von  Adenin  zu  Hypoxanthin  und  von  Cytosin  zu 
Uracil. 

Coli&NöO  -p  H2O  =  Ca  Ü4  N4  O2  -|-  NH3. 

Guanin  Xanthin. 

C&HbNb  -p  IJ2O  =  C5H4N4O  -p  NTls. 

Adenin  Hypoxanthin. 

C4H&N3O  -f  H2O  =  C4H4N2O2  +  NÜ3. 

Cytosin  Uracil. 

Fs  blieben  also  an  stickstoffhaltigen  Spaltungsprodukten 
nur  4  übrig,  Guanin,  Adenin,  Cytosin  und  Thymin,  und  eine 
quantitative  Berechnung  der  im  Experiment  gefundenen  Mengen 
stimmte  befriedigend  überein  mit  den  Mengen,  die  verlangt 
waren,  wenn  diese  Körper  in  molekularen  Mengen  aus  der 
Nukleinsäure Jiervorgehen  sollten.  Man  konnte  also  dieses  Re¬ 
sultat  durch  folgende  Gleichung  ausdriieken: 


C43  H57  N16  O30P4  -p  4H2ü  =  CBIJ5N&O  -p  C&H&N5  ~p  CiHsNsO 

Nuclei'nsäure  Guanin  Adenin  Cvtosin 

-P  C5H6N2O2  -f-  C.'4  IJ44  O33  P4. 

Thymin. 

Dieser  Rest  C24  H44  O30  Pi  enthält  nun  die  Phosphorsäure, 
wie  oben  bemerkt,  in  Form  einer  Metaphosphorsäure  und  das 
Kohlehydrat,  von  dem  als  Derivate  bei  der  Säurespaltung 
Ameisensäure  und  Lävulinsäure,  bei  der  Oxydation  Oxalsäure 
und  Epizuckersäure  gefunden  sind.  Diese  Spaltungsprodukte 
entstehen  aber  nur  bei  dem  Abbau  eines  Zuckers  mit  6  Kohlen- 
■stoffatomen,  so  dass  also  dem  Kohlehydrat  der  Nukleinsäure 
eine  Hexose  zugrunde  Hegt.  Berücksichtigt  man  dies,  so  er¬ 
hält  man  für  den  Rest  4  Moleküle  Hexose  und  Tetrametaphos- 
phorsäure: 

C24H44O30P4  -p  4H20  +  20  =  4C«Hi208  +  4HPO3. 

Hexose  Tetrametaphosphorsäure. 

Von  dem  ganzen  Molekül  der  untersuchten  Nukleinsäure 
kann  man  sich  also  die  Vorstellung  machen,  dass  es  eine  Tetra¬ 
metaphosphorsäure  ist,  die  jedem  Phosphoratom  entsprechend 
eine  Kohlehydratgruppe  trägt,  und  ferner  eines  der  4  stickstoff¬ 
haltigen  Spaltungsprodukte,  Guanin,  Adenin,  Cytosin  und  Thy¬ 
min.  Merkwürdigerweise  zeigen  die  beiden  bisher  genau  unter¬ 
suchten  Nukleinsäuren,  die  Säure  aus  den  Kernen  der  Thymus¬ 
zellen  und  die  Säure  aus  den  Köpfen  der  Spermatozoen  des 
Herings  eine  weitgehende  Analogie,  sie  sind  wohl  identisch.  Es 
ist  dies  um  so  interessanter,  als  in  den  Spermatozoenköpfen 
keine  andere  phosphorhaltige  Substanz  vorkommt  und  an  dieser 
wichtigen  Stelle,  die  von  hervorragender  biologischer  Funk¬ 
tion  ist,  nun  also  die  Bindungsformen  des  Phosphors  genau  be¬ 
kannt  sind.  Man  hatte  früher  einmal  die  Frage  aufgeworfen,  ob 
bei  der  Befruchtung  chemische  Vorgänge  eine  Rolle  spielten, 
etwa  wie  die  Bindung  von  Säure  und  Base,  und  man  kann  heute 
wohl  behaupten,  dass  dies  wenig  wahrscheinlich  ist;  denn  der 
phosphorhaltige  Atomkomplex  spielt  dabei  wohl  kaum  als  sol¬ 
cher  eine  Rolle,  zumal  er  in  genau  derselben  Form  ja  in  den 
Kernen  der  Thymusdrüse  vorkommt  und  gewiiss,  sind  erst 
einmal  andere  Organe  genauer  daraufhin  untersucht,  sich  auch 
sonst  noch  in  anderen  Zellkernen  vorfinden  wird.  Auffallen 
muss  es  aber  immerhin,  dass  bei  der  Befruchtung  der  Phosphor 
in  Form  einer  substituierten  Kohlehydratphosphorsäure  in  das 
Ei  aufgenommen  wird,  in  einer  Form,  die  auch  im  ausge¬ 
wachsenen  Organismus  sich  findet. 

Ausser  diesen  Beziehungen  zu  den  Theorien  der  Vererbung 
haben  sich  aus  der  Strukturforschung  der  Nukleinsäure  noch 
andere  wichtige  Gesichtspunkte  ergeben.  Zunächst  ist  darauf 
hinzuweisen,  dass  in  der  Nukleinsäure  ein  grosses  Kohlehydrat¬ 
depot  vorhanden  ist;  über  die  Hälfte  ihres  Gewichtes,  rund 
53  Proz.,  gehören  einer  Hexose  an,  die  nun  nicht  wie  das  Glyko¬ 
gen  z.  B.  in  den  Leberzellen,  im  Protoplasma  liegt,  sondern 
fest*  im  Kern  der  Zelle  gebunden  ist  und  über  deren  physio¬ 
logisches  Verhalten  bisher  nichts  bekannt  ist. 

Ferner  haben  die  stickstoffhaltigen  Bestandteile  der  Nu¬ 
kleinsäure  unsere  Anschauungen  über  die  Physiologie  der  Harn¬ 
säure  wesentlich  erweitert.  Während  man  früher  bei  den  Be¬ 
trachtungen  über  die  Herkunft  und  den  Abbau  der  Harnsäure 
sich  im  wesentlichen  in  den  Bahnen  bewegte,  die  durch  die 
Untersuchungen  L  i  e  b  i  g  s  und  W  ö  h  1  e  r  s  vorgezeichnet 
waren,  hat  man  sich  jetzt  daran  gewöhnt,  die  Purinderivate, 
Guanin  und  Adenin,  also  Spaltungsprodukte  der  Nukleinsäuren! 
zum  Ausgangspunkt  der  IJeberlegungen  zu  rnachen.  Man  ist 
mehr  und  mehr  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die 
Harnsäure  das  Produkt  eines  Stoffwechselvorganges  in  den 
Zellkernen  ist,  da  ja  gerade  hier  ihre  nächsten  Vorstufen  in  der 
Oxydation  gefunden  sind.  Endlich  haben  die  Pyrimidinderi¬ 
vate,  Cytosin,  Uracil  und  Thymin,  neues  Licht  gebracht  in  die 
mannigfaltigen  Beziehungen,  die  zwischen  Harnstoff  und  Harn- 
saure  bestehen.  Sie  stellen  Mittelglieder  zwischen  diesen  bei¬ 
den  Körpern  vor,  die  jetzt  zum  ersten  Male  als  Bestandteile 
des  Organismus  aufgefunden  sind,  während  man  vordem  die 
Lücke  zwischen  Harnsäure  und  Harnstoff  in  bezug  auf  ihr 
physiologisches  Verhalten  nur  mit  Vermutungen  füllen  konnte. 

Stellt  man  die  Formelbilder  für  den  Kern  der  Harnsäure 
und  der  Purinbasen,  der  Pyrimidinkörper  und  des  Harnstoffs 
zusammen,  so  sieht  man  ohne  weiteres  die  Beziehungen,  die 
die  Pyrimidinkörper  sowohl  mit  der  Harnsäure  wie  mit  dem 
Harnstoff  verbinden. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2383 


— c 

N  — C 

N 

1 

1 

;  C-N 

yc 

1  I 
c  c 

1  1 

1 

c 

1 

i  —  C  — N 

N  — C 

N 

Purinkern 

Pyrimidinkern 

Harnstoffkern. 

Es  wird  nur  eine  Frage  der  Zeit  sein,  diese  Beziehungen 
nun  experimentell  biologisch  weiter  auszubauen. 

Ausser  diesen  echten  Nukleinsäuren,  wie  sie  hier  be¬ 
schrieben  sind,  sind  im  Organismus  nun  noch  Substanzen  auf¬ 
gefunden,  die  ihnen  ähnlich,  aber  einfacher  gebaut  sind.  Dahin 
gehört  die  Guanylsäure,  die  im  Pankreas  vorkommt;  bei  ihr 
wird  der  stickstoffhaltige  Teil  nur  durch  Guanin  repräsentiert, 
während  die  Kohlehydratgruppe  hier  keine  Hexose,  sondern 
eine  Pentose  ist.  Aehnlich  zusammengesetzt  wie  die  Guanyl¬ 
säure  ist  auch  die  Inosinsäure,  die  von  Liebig  im  Muskel¬ 
extrakt  aufgefunden  ist,  nur  besteht  ihr  stickstoffhaltiger  Teil 
statt  aus  Guanin  aus  Hypoxanthin,  sodass  man  sie  wohl  mit 
Recht  als  Hypoxanthylsäure  bezeichnen  kann.  Möglicherweise 
sind  diese  beiden  letzten  Substanzen,  die  Guanylsäure  und  die 
Inosinsäure,  irgendwie  mit  der  Nukleinsäure  genetisch  ver¬ 
knüpft,  sei  es  als  Vorstufen  des  Aufbaues  oder  als  Abbaupro¬ 
dukte  ’  Aufklärung  über  diese  Frage  wäre  wohl  noch  am  ersten 
von  der  Untersuchung  des  unreifen  Fischspermas  zu  erwarten, 
da  im  Hoden  ja  ganz  gewiss  die  im  reifen  Samen  vorhandenen 
grossen  Mengen  von  Nukleinsäure  nicht  von  Anfang  an  als 
solche  vorgebildet  sind. 


Aus  der  I.  inneren  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Dresden- 
Friedrichstadt  (Prof.  Dr.  Päss.ler). 

Die  8 1  u  m  p  f  sehe  Bolustherapie,  ihre  Verwendbarkeit  bei 
Diarrhöen  und  Meteorismus  verschiedenen  Ursprungs.*) 

Von  Dr.  Johannes  Görner,  II.  Arzt  der  Abteilung. 

M.  H.!  Die  therapeutischen  Versuche,  über  welche  ich 
Ihnen  berichten  will,  basieren  im  wesentlichen  auf  einer  Arbeit 
von  Stumpf1).  Ich  muss  auf  den  Inhalt  dieser  Arbeit  kurz 
eingehen,  bevor  ich  unsere  eigenen  Resultate  mitteilc. 

Durch  die  Beobachtung,  dassf  Leichen,  in  Tonboden  be¬ 
stattet,  sehr  lange  der  Fäulnis  widerstehen,  war  S tumpf  dar¬ 
auf  gekommen,  die  Bolus,  den  gewöhnlichen  feinpulverisierten 
weissen  Ton,  zu  Verbandzwecken,  insbesondere  bei  wuchern¬ 
den  Geschwürsprozessen,  zu  benützen.  Dabei  hatten  sich  viele 
ausserordentlich  günstige  Eigenschaften  dieses  Materials  ge¬ 
zeigt.  Vor  allem  Hessen  alle  entzündlichen  Prozesse  sowie  die 
ganze  Bakterienentwicklung  sehr  bald  nach. 

Diese  Beobachtung  Stumpfs  wurde  der  Anlass  zu 
Untersuchungen  im  Laboratorium  Hans  Büchners.  Hier 
nahm  Megele2 3)  die  Frage  nach  der  Ursache  der  günstigen 
Heilwirkung  des  Bolus  experimentell  in  Angriff.  Er  glaubte. sie 
in  dem  Nachweis  einer  bakterienhemmenden  Wir¬ 
kung  gefunden  zu  haben.  Und  zwar  machten  die  Expei  imente 
Megeles  die  Annahme  wahrscheinlich,  dass  die  antisep¬ 
tische  Eigenschaft  des  Tonpulvers  in  erster  Linie  auf  seiner 
austrocknenden  Wirkung  beruhe.  Die  letztei e  wurde 
auf  die  eigenartige  physikalische  Beschaffenheit  der  Bolus,  ins¬ 
besondere  auf  seine  äusserst  feine  Verteilung  bezogen. 

In  der  Folge  wurden  die  Angaben  Stumpfs  über  die 
günstige  Wirkung  der  Bolus  auf  Geschwürsprozesse  durch 
andere  Forscher  bestätigt.  So  betonten  Langeman  ), 
Horn4),  Fischer5),  Georgii6)  und  H  o  p  f  e  1  )  die  rasch 
desodorisierende  und  Zersetzungen  beseitigende  Wirkung  des 
Tonpulvers  bei  ulzerösen  und  namentlich  jauchig-ulzerosen 
Prozessen,  sowie  die  Verwendbarkeit  der  Bolus  auch  als 
aseptisches  V erbandmittel. 


*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  zu  Zwickau  in  der  freien  Ver¬ 
einigung  für  innere  Medizin  im  Königreich  Sachsen.  .  , 

1)  Ueber  ein  zuverlässiges  Heilverfahren  bei  der  asiatischen 
Cholera,  sowie  bei  schweren  infektiösen  Brechdurchfällen  und  über 
die  Bedeutung  des  Bolus  bei  der  Behandlung  gewisser  Bakterien¬ 
krankheiten.  Stübers  Verlag  (Würzburg)  1906. 

2)  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  12. 

3)  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  4. 

4)  u.  6)  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  12. 

«)  u.  7)  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  14. 


In  der  Folge  sah  Stumpf  ein,  dass  Megeles  Auffassung 
von  der  Boluswirkung  als  einer  intensiven  Wasserentziehung 
nicht  zutreffend  sein  könne,  da  es  sich  zeigte,  dass  auch 
feuchter  Bolusbrei  gleich  günstige  Wirkung 
wie  trockenes  Boluspulver  ausübte.  Schliesslich 
ergab  sich  die  Ueberzeugung,  dass  dem  Boluspulver  ein  d  i  - 
r  e  k  t  hemmender  Einfluss  auf  die  Entwicklung  der  Bakterien 
zugeschrieben  werden  müsse.  Und  zwar  kann  dieser  Einfluss 
nicht  auf  irgendwelchen  löslichen  bakterientötenden  Stoffen 
beruhen,  welche  in  der  Bolus  enthalten  sind,  sondern  er  beruht 
vielmehr  offenbar  gerade  darauf,  dass  1.  die  Bolus  absolut  un¬ 
löslich  im  Wasser  ist,  und  2.  dass  das  Material  aus  ganz  un¬ 
endlich  kleinen,  wie  schon  gesagt  absolut  unlöslichen,  und 
damit  auch  keinerlei  Nährmaterial  abgebenden  anorganischen 
Partikelchen  besteht.  Die  einzelnen  Boluskörnchen  sind  näm¬ 
lich  so  ausserordentlich  klein,  dass  sie  von  der  Grösse  der 
Bakterien  meist  um  ein  Vielfaches  übertroffen  werden.  Die 
bakterienhemmende  Wirkung  des  Materiales  erklärt  Stumpf 
nunmehr  damit,  dass  die  einzelnen  Teilchen  der  anorganischen 
Materie  die  Bakterien  mechanisch  einwickeln  und  so  ihre  wei¬ 
tere  Entwicklung  verhindern. 

Folgerichtig  kam  Stumpf  weiterhin  auf  die  Idee,  die 
antibakteriellen  Eigenschaften  der  Bolus  zur  Bekämpfung  bak¬ 
terieller  Zersetzungsvorgänge  im  Verdauungstraktus  zu  ver¬ 
wenden.  Er  versuchte  daher  zunächst  infektiöse  Brechdruch- 
fälle  mit  Bolusaufschwemmungen  zu  behandeln  und  sah  seiner 
Ueberzeugung  nach  ausgezeichnete  Erfolge.  Ja  sogar  bei 
einigen  Fällen  von  Cholera  asiatica  war  ein  scheinbar 
unzweifelhafter  Erfolg  zu  beobachten.  Nach  diesen  Angaben 
erschien  uns  eine  klinische  Nachprüfung  der  Stumpf  sehen 


Versuche  von  erheblichem  Interesse. 

Die  therapeutische  Verwendung  der  Bolus  ist  sehr  einfach. 
Schüttet  man  das  äusserst  feine  Pulver  unter  leichtem  Um¬ 
rühren  auf  reines  Wasser,  so  erhält  man  eine  selbst  bei  hoher 
Konzentration  der  Mischung  flüssig  bleibende  Aufschwem¬ 
mung,  die  fast  geschmacklos  ist  und  sich  ohne  jede  Unan¬ 
nehmlichkeit  trinken  lässt.  Eine  solche  trinkbar-flüssige  Auf¬ 
schwemmung  erhält  man  selbst  dann  noch,  wenn  man  zwei 
Teile  Bolus  mit  2%  Teilen  Wasser,  also  z.  B.  200  g  Bolus 
mit  %  Liter  Wasser  verrührt.  Das  Trinken  dieser  Aufschwem¬ 
mung,  selbst  in  grossen  Quantitäten  derselben,  ist  vollständig 
unschädlich,  wie  schon  Stumpf  im  Selbstversuch  nachwies, 
indem  er  lange  Zeit  hindurch  täglich  früh  nüchtern  250  g,  also 
^  Pfund,  Bolus  getrunken  hat,  ohne  den  geringsten  Nachteil 
zu  verspüren. 

Unsere  ersten  Versuche  einer  therapeutischenver- 
Wendung  machten  wir  bei  8  Fällen  von  akuter  Gastro¬ 
enteritis  (darunter  eine  schwere  Fischvergiftung!).  Ent¬ 
sprechend  dem  Umstand,  dass  tiefere  Veränderungen  des  Ver¬ 
dauungsapparates  in  diesen  Fällen  zu  fehlen  pflegen,  und  dass 
bakterielle  Zersetzungsprozesse  dabei  die  Hauptrolle  spielen, 
schienen  uns  diese  Fälle  für  die  Bolustherapie  besonders  ge¬ 
eignet.  1 

In  allen  Fällen  wurde  nach  einmaliger, 
höchstens  zweimaliger  Darreichung  von  Bo¬ 
lus  ein  fast  sofortiges  Aufhören  der  Durch¬ 
fällebeobachtet,  an  das  sich  unmittelbar  völ¬ 
lige  Rekonvaleszenz  anschloss.  Auch  das  ge¬ 
legentlich  gleich  zeitigbestehe  ndeErbrechen 


sistierte  sofort. 

Der  gewöhnliche  Verlauf  war  folgender:  Der  Kranke,  uei 
Dis  dahin  in  kurzen  Zwischenräumen  dünne  diarrhoische  Ent- 
eerungen  gehabt  hatte,  setzte  nach  Einnahme  von  50—100  g 
Bolus  in  den  nächsten  Stunden  noch  1 — 2  dünne  Stühle  ab. 
Dann  folgte  entweder  bald,  oder  nach  mehreren,  bis  10  Stunden, 
Din  stark  mit  Bolus  vermischter  Stuhl  von  normaler  Konsistenz. 
Bereits  jetzt  waren  in  den  meisten  Fällen  die  Diarrhöen  dau¬ 
ernd  geschwunden  und  nur  selten  mussten  wir  den  Bolus  nac  i 
ein  zweites  Mal  in  gleicher  Dosis  verabreichen.  . 

Nach  diesen  Erfolgen  gingen  wir  daran,  den  Bolus  auch  bei 
den  leichten  akuten  Magendarmkatarrhen  zu 
verwenden,  die  als  zufällige  Nebenerkrankungen  bei  Patienten 
aller  Art  zur  Beobachtung  kamen.  Unter  30  Fallen  hatten  wir 
27  mal  einen  vollen  Erfolg,  während  nur  3  Falle  nicht  ausge¬ 
sprochen  auf  das  Mittel  reagierten. 


2384 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Ganz  besonders  bemerkenswert  scheint  mir  der  Umstand 
zu  sein,  dass  wir  eine  gleich  günstige  Wirkung  wie  beim  Er¬ 
wachsenen  auch  bei  den  schweren  Brechdurchfällen  bobachten 
konnten.  Im  Ganzen  behandelten  wir  bisher  9  Säuglinge,  die 
an  Brechdurchfall  oder  einem  schweren  Magendarmkatarrh 
litten,  mit  Bolus.  In  5  Fällen  mit  ganz  frischen  Affektionen 
war  auch  hier  die  Wirkung  eine  sehr  befriedigende,  zum  Teil 
überraschend  gute.  Dagegen  versagte  das  Mittel  in  den  Fällen, 
die  in  schwer  kachektischem  Zustande  ins  Krankenhaus  kamen, 
und  alle  einen  schon  länger  bestehenden  stark 
schleimigenKatarrh  zeigten.  Bei  7  älteren  Kindern  von 
2 — 8  Jahren  mit  akuter  Gastroenteritis  war  die  Wirkung  völlig 
wie  bei  den  Erwachsenen.  Wir  haben  bei  Kindern  den  Bolus 
so  angewandt,  dass  wir  bei  einem  dreimonatlichen  Kind  10  g, 
bei  einem  sechsmonatlichen  25  g,  bei  älteren  Kindern  50  g  in 
wässeriger  Aufschwemmung  zu  trinken  gaben;  auch  von  den 
Säuglingen  wurde  das  milchig  aussehende  Getränk  ohne  jede 
Schwierigkeit  aus  der  Flasche  genommen.  Ausdrücklich  sei 
bemerkt,  dass  nach  den  oben  erwähnten  theoretischen  Voraus¬ 
setzungen  der  Bolustherapie  irgendwelcher  Zusatz 
zuderAufschwemmung,  insbesondere  eine  Mi¬ 
se  h  u  n  g  mitMilch  oder  Zucker,  unbedingt  ver¬ 
mieden  werden  muss.  Auf  der  Nichtberücksichtigung 
dieser  Vorschriften  beruhen  wahrscheinlich  die  unbefriedigen¬ 
den  Resultate,  welche  früher  S  e  i  t  z  bei  einer  Anzahl  von 
Säuglingen  zu  verzeichnen  hatte. 

Der  Umstand,  dass  auch  viele  nicht  eigentlich  infektiöse 
Durchfälle  mit  abnormer  Gärung  bezw.  mit  abnormer  Bak¬ 
terienentwicklung  im  Darm  verbunden  zu  sein  pflegen,  veran- 
lasste  uns,  unsere  Versuche  auch  auf  allerhand  Diarrhöen  ver¬ 
schiedenen  Ursprungs  auszudehnen.  So  behandelten  wir  5 
Fälle  sehr  intensiver  Durchfälle  bei  Influenza  in  der  ge¬ 
schilderten  Weise  mit  Bolus.  Der  Erfolg  war  ebenfalls  ein 
vollkommener.  Ein  besonders  bemerkenswerter  Fall  ist  der 
folgende:  Im  Verlauf  einer  schweren  Influenzapneumonie  traten 
bei  einer  Patientin  häufiges  Erbrechen  und  massenhafte  stark 
schleimige  Durchfälle  mit  sehr  starkem  Tenesmus  auf.  Hier 
hatte  die  Darreichung  von  Bolus  zunächst  nur  ein  Sistieren  des 
Erbrechens  zur  Folge.  Wir  machten  deshalb  eine  Eineiessung 
mit  100  g  in  das  offenbar  vorzugsweise  erkrankte  Rektum. 
Von  der  Eingiessung  wurde  nur  ein  kleiner  Teil  wieder  aus- 
gestossen.  die  Durchfälle  standen  sofort;  erst  48  Stunden 
später  erfolgte  eine  fast  normale  Entleerung. 

Weiterhin  dehnten  wir  unsere  Versuche  auf  die  Behand¬ 
lung  der  Durchfälle  bei  Darintuberkulose  aus.  Auch 
hier  glaubten  wir  nicht  so  sehr  an  eine  etwaige  direkte  Beein¬ 
flussung  der  geschwiirigen  tuberkulösen  Prozesse  im  Darm; 
wir  gingen  vielmehr  von  der  Tatsache  aus.  dass  die  diarrhoi- 
sohen  Stühle  bei  Danntuberkulose  ganz  gewöhnlich  mit  starken 
Fäulnis-  und  Zersetzungserscheinungen  abgesetzt  werden.  Wir 
haben  uns  in  unseren  Erwartungen  nicht  getäuscht.  Bei  23 
Fällen  schwerer  Darmtuberkulose  haben  wir  das  Mittel  ange¬ 
wandt.  Die  zum  Teil  ausserordentlich  heftigen  Durchfälle  si- 
stierten  gewöhnlich  sofort,  ausnahmsweise  erst  nach  zwei  Ro- 
lusdarreichi'oe'en,  und  machten  äusserlieh  normalen  Ent¬ 
leerungen  Platz.  Die  normale  Darmfunktion  hielt  stets  eine 
Zeitlang,  öfter  eine  ganze  Reihe  von  Tagen  an.  Traten  dann 
wieder  Durchfälle  auf.  so  wurde  das  Mittel  mit  dem  gleichen 
Frfolge  wiederholt  angewandt.  In  einigen  Fällen  wurden  so 
alle  2 — 3  Tage  regelmässig  50  g  Bolus  früh  nüchtern  ver¬ 
ordnet  und  wir  konnten  damit  den  Stuhl  dauernd  fast  normal 
erhalten.  Natürlich  haben  wir  es  in  diesen  Fällen  nur  mit 
einer  Palliativen  Therapie  zu  tun.  Dieselbe  hat  aber  den  grossen 
Vorteil  vor  der  Behandlung  mit  Opiaten  und  Tanninnräparaten, 
dass  sie  in  keiner  Weise  den  Appetit  stört,  auch 
niemals  Meteorismus  hervorruft  oder  die 
Durchfälle  nur  durch  eine  unangenehm  emp- 
funde  Obstipation  a  b  1  ö  s  t.  Ob  vielleicht  die  B^his- 
therapie  bei  Darmtuberkulose  auch  eine  gewisse  günstige  Wir¬ 
kung  unmittelbar  auf  die  ulzerativen  Prozesse  auszuüben  ver¬ 
mag.  etwa  in  der  Art,  wie  wir  das  vom  Wismutnulver  bei 
U’cus  ventriculi  kennen,  lasse  ich  dahingestellt.  Bei  20  der 
yon  uns  behandelten  Fälle  von  Darmtnberkulose  war  der  Er- 
folv  gut  oder  befriedigend,  nur  bei  3  Fällen  versagte  die  The- 
rrrie.  .... 


Nach  allen  diesen  günstigen  Erfahrungen  glaubten  wir 
wenigstens  einen  Versuch  mit  der  Bolustherapie  auch  bei 
einem  schweren  Fall  von  Darmamyloid  machen  zu  sollen. 
Es  handelte  sich  um  einen  jüngeren  Mann  mit  einer  alten  pu¬ 
triden  Bronchitis  und  Bronchiektasenbildung,  bei  dem  schon 
längere  Zeit  hindurch  die  Zeichen  einer  allgemeinen  Amyloidose 
bestanden,  als  heftige  Durchfälle  auftraten,  die  nach  Lage  der 
Sache  nur  auf  Darmamyloid  zu  beziehen  waren.  Durch  die 
spätere  Obduktion  wurde  in  der  Tat  ein  schweres  Darmamyloid 
festgestellt.  Auch  hier  war  der  palliative  Erfolg  ein  über¬ 
raschend  guter.  Sobald  profuse  Diarrhöen  auftraten,  wurde 
jedesmal  sofort  50  g  Bolus  in  der  üblichen  Form  verabreicht. 
Jedes  einzelne  Mal  sistierten  die  Durchfälle  nach  kaum  einer 
Stunde,  um  nun  immer  einer  mindestens  fünftägigen  Periode 
normaler  Stuhlentleerungen  Platz  zu  machen.  Natürlich  konnte 
der  Verlauf  des  Grundleidens  dadurch  nicht  aufgehalten  wer¬ 
den.  Wir  glauben  jedoch  nach  den  allgemeinen  Erfahrungen 
bei  Darmamyloid  annehmen  zu  dürfen,  dass  kein  anderes  Mittel 
bei  diesem  Zustande  einen  gleich  günstigen  Erfolg  gehabt  hätte. 

Speziell  auf  eine  in  Stumpfs  Arbeit  gegebene  Anregung 
hin  haben  wir  die  Bolustherapie  auch  einige  Male  bei  Ty¬ 
phus  abdominalis  angewandt.  Der  Natur  des  Krank¬ 
heitsprozesses  entsprechend  waren  wir  uns  von  vornherein 
klar,  dass  wir  hier  in  der  Bolustherapie  keine  Therapia  morbi 
zu  sehen  hätten,  wie  es  sich  Stumpf  wohl  gedacht  hat.  In 
der  Tat  haben  wir  auch,  wie  ich  vorweg  nehmen  will,  einen 
Einfluss  auf  den  Infektionsablauf  nicht  konstatieren  können. 
Von  unserer  Anschauung  ausgehend,  dass  wir  das  Grundleiden 
bei  den  Typhuskranken  nicht  würden  beeinflussen  können, 
haben  wir  das  Mittel  auch  nur  bei  solchen  Fällen  gegeben, 
wo  stärkere  Durchfälle  ein  Eingreifen  erwünscht  erscheinen 
Hessen.  Es  sei  bemerkt,  dass  wir  die  Typhusdurchfälle  ge¬ 
wöhnlich  nicht  als  Indikation  zu  besonderen  Eingriffen  ansehen. 
Immerhin  werden  starke  Durchfälle  das  Allgemeinbefinden  un¬ 
günstig  beeinflussen  können,  ein  mildwirkendes  Stopfmittel  kann 
also  nichts  schaden.  In  diesem  Sinne  war  auch  hier  der  Erfolg 
momentan  ein  sehr  befriedigender.  Die  Zahl  unserer  Fälle 
dieser  Kategorie  beträgt  allerdings  nur  drei.  Vielleicht  könnte 
der  Gedanke  nahe  liegen,  Typhusrekonvaleszenten,  die  noch 
Bazillenträger  sind,  mit  dem  Mittel  zu  behandeln.  In  der  Tat 
sahen  wir  gelegentlich  unter  diesem  Verfahren  die  Typhus¬ 
bazillen  aus  dem  Stuhl  sofort  verschwinden.  Ich  möchte  jedoch 
auf  diese  Beobachtung  nicht  zu  viel  Wert  legen,  da  erfahrungs- 
gemäss  bei  Bazillenträgern  auch  bazillenfreie  Stühle  Vorkom¬ 
men  und  da  die  Quelle  der  im  Stuhl  auftretenden  Bazillen  häufig 
ausserhalb  des  Darms  —  in  der  Gallenblase  —  zu  suchen  ist, 
von  wo  aus  sie  schubweise  mit  der  Galle  immer  wieder  von 
neuem  in  den  Darm  gelangen.  Mit  der  Rolustheraoie  kann  es 
aber  natürlich  nicht  gelingen,  eine  Einwirkung  auf  die  Entwick¬ 
lung  der  Tvphusbazillen  in  der  Gallenblase  auszuüben.  Da¬ 
gegen  scheint  es  mir  wohl  des  Versuches  wert,  in  Fällen,  wo 
eine  Infektion  mit  Tyohusbazillen  vermutet  wird.  Krankheits- 
erscheinungen  aber  noch  nicht  aufgetreten  sind,  die  Bolus¬ 
therapie  prophylaktisch  anzuwenden. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  auf  eine  Gruppe  von  Zu¬ 
ständen  Hinweisen,  bei  denen  eine  Verminderung  der  Bakterien¬ 
flora  und  damit  der  Zersetzungsprozesse  im  Darm  indirekten 
Nutzen  zu  schaffen  geeignet  ist.  Bei  Meteorismus  ver¬ 
schiedenen  Ursprungs  steht  zwar  die  vermehrte  Gasbil¬ 
dung  gegenüber  der  verminderten  Darmmotilität  meist  im 
Hintergrund,  immerhin  darf  man  annehmen,  meteoristische  Zu¬ 
stände  günstig  zu  beeinflussen,  wenn  man  die  Gärungsprozesse 
im  n^rm  nach  Möglichkeit  herabsetzt.  Wir  gaben  aus  diesen 
Gesichtspunkten  das  Bolusnulver  bei  Meteorismus  infolge  von 
chronischer  tuberkulöser  Peritonitis,  von  Leberzirrhose  und 
Herzaffektionen.  In  allen  Fällen  musste  die  Therapie  wieder¬ 
holt  in  längeren  oder  kürzeren  Pausen  angewendet  werden. 
Der  Erfolg  war  ein  mehr  oder  minder  vollkommener,  im  ganzen 
aber  ein  recht  ermutigender  und  befriedigender.  Neben  der 
bakterienhemmenden  Wirkung  fällt  hier  vielleicht  noch  die 
leichte  Anregung  der  Peristaltik  bei  Obstipierten  mit  ins  Ge¬ 
wicht. 

Zum  Schluss  fasse  ich  unsere  Beobachtungen  in  Folgendem 
zusammen:  '  .... 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2385 


Die  Darreichung  von  Bolus  alba  in  wässeriger  Aufschwem¬ 
mung  hat  sich  stets  als  absolut  unschädlich  erwiesen.  Als 
Dosis  für  den  Erwachsenen  hat  sich  die  Menge  von  50 — 100  g 
in  etwa  K  Liter  Wasser  bewährt.  Bei  Säuglingen  raten  wir 
10—30 g  Bolus  pro  dosi  zu  geben.  Die  Verabreichung 
hatmöglichstbei  leerem  Magen  zu  geschehen. 
Auf  diese  letzte  Vorschrift  möchte  ich  besonderes  Gewicht 
legen,  da  sonst  ein  Erfolg  oft  völlig  ausbleibt.  Irgendwelche 
Zusätze  zu  der  Aufschwemmung,  wie  Zucker  oder  Milch,  sind 
zu  widerraten.  Geschmackkorrigentien  sind  unnötig,  vielleicht 
aber  unschädlich. 

Besonders  geeignet  für  die  Bolustherapie  sind  akute  Magen¬ 
darmkatarrhe.  Hier  folgt  auf  die  rascheste  Sistierung  von  Er¬ 
brechen  und  Durchfällen  meist  sofortige  Rekonvaleszenz.  Chro¬ 
nische  Darmkatarrhe  bieten  weniger  günstige  Aussichten,  wer¬ 
den  aber  jedenfalls  oft  noch  gut  beeinflusst.  Als  einfaches 
Stopfmittel  lässt  sich  der  Bolus  bei  Durchfällen  aller  Art  vor¬ 
züglich  verwenden. 

Eines  Versuches  wert  erscheint  uns  die  prophylaktische 
Behandlung  von  Individuen  zu  sein,  bei  denen  eine  Infektion 
mit  Typhusbazillen  befürchtet  wird.  Ebenso  wäre  der  Ver¬ 
such  einer  Darmdesinfektion  vor  Operationen  am  Darm  zu 

machen. 

Ueber  die  Behandlung  von  Cholera  mit  Bolus  haben  wir 
keine  eigene  Erfahrung,  doch  scheinen  unsere  klinischen  Be¬ 
obachtungen  die  Empfehlung  Stumpfs  so  weit  zu  recht- 
fertigen,  dass  wir  gegebenenfalls  dringend  zu  einem  Versuch 
raten  würden. 


Aus  der  akademischen  Klinik  für  Hautkrankheiten  an  den  allge¬ 
meinen  städtischen  Krankenanstalten  in  Düsseldorf. 

Die  Behandlung  der  Epididymitis  und  der  Bubonen  mit 

Hyperämie.*) 

Von  Dr.  Karl  Stern,  Direktor  der  Klinik  und  Dozent  für 

Hautkrankheiten. 

Auf  dem  IX.  Kongress  der  Deutschen  dermatologischen 
Gesellschaft  in  Bern  (1906)  habe  ich  gelegentlich  der  Erörterung 
über  den  Vortrag  Schindlers  (Zur  Behandlung  der  Epidi¬ 
dymitis  gonorrhoica x)]  kurz  Erwähnung  getan  der  Erfahrungen, 
die  ich  mit  der  Behandlung  der  Epididymitis  mittelst  Stauung 
nach  Bier  gemacht  hatte.  Ich  erwähnte  damals  schon  kurz, 
dass  ich  in  etwa  40  Fällen  die  Stauungsbehandlung  mit  gutem 
Resultate  angewandt  hatte. 2)  Meine  Erfahrungen  haben  sich 
im  Laufe  dieses  Jahres  erheblich  erweitert,  sodass  ich 
glaube  ein  ziemlich  abschliessendes  Urteil  geben  zu  können. 
Mit  Rücksicht  auf  das  aktuelle  Interesse  der  ganzen  Frage 
habe  ich  die  Bubonenbehandlung  mit  in  die  Besprechung  tur 
heute  aufgenommen. 

Was  zunächst  die  EDididvmitis  betrifft,  so  schliesse  ich 
die  Besprechung  der  Epididymitis  tuberculosa  nur  ganz  kurz 
mit  ein.  weil  meine  Erfahrungen  sich  nur  auf  3  Fälle  beziehen. 
Diese  3  Fälle  sind  konsequent  nach  Bier  gestaut  und  teil¬ 
weise  mit  Abszessbildung,  teilweise  ohne  solche  so  weit  ge¬ 
bessert,  dass  sich  derbe  feste  Knoten  gebildet  haben,  die  z. 
reizlos  sind  und  nicht  schmerzen.  Es  ist  in  2  Fällen,  die  zur 
Kastration  eingewiesen  waren,  gelungen,  den  Prozess  soweit 
zum  Stillstand  zu  bringen,  dass  von  der  Kastration  abgesehen 
werden  konnte.  Die  Bildung  von  Abszessen  und  starkem  ..c  ro- 
nischem  Oedem“  stimmt  mit  den  Angaben  Biers  Kme- 
gelenktuberkulose.  Es  kommt  daher  gerade  bei  der  tuber¬ 
kulöse  darauf  an,  k  u  r  z  e  Stauung  zu  machen,  im  übrigen  mehr 
die  Heissluftbehandlung  anzuwenden. 

Von  Epididymitisgonorrhoica  kamen  im  ganzen 
75  Fälle  zur  Behandlung.  Abgesehen  von  einigen  Versuchen 
im  Anfang  mit  grossen  Sauggläsern,  in  die  der  Hoden 
ganz  hineingesaugt  wurde,  ist  in  der  überwiegenden  An¬ 


*)  Vortrag,  gehalten  in  der  Dermatol.  Sektion  der  Naturforscher¬ 
versammlung  in  Dresden,  19.  Sept.  1907. 

D  Verhandlungen  des  Berner  Kongresses.  Berlin  1907,  11.  l  eil, 

PaS’  afln  dem  offiziellen  Referat  im  Archiv  für  Dermatologie  ist  die 
Diskussionsbemerkung  Herrn  S  t  e  r  n  -  Görlitz  zugeschrieben,  ein  Irr¬ 
tum,  den  ich  zu  koirigieren  bitte. 


zahl  der  Fälle  die  Stauung  mittelst  Schlauch  ange¬ 
wendet  worden. 

Die  Technik  ist  verhältnismässig  einfach,  erfordert  aber 
insofern  Aufmerksamkeit,  als  man  besonders  im  Anfang  leicht 
zu  fest  den  Schlauch  anlegt.  Im  allgemeinen  gehen  wir  so 
vor  3),  dass  wir  —  wenn  irgend  möglich  nur  den  kran¬ 
ken  Hoden  stauen. 

Während  ein  Wärter  oder  der  Patient  selbst  den  ent¬ 
zündeten  Hoden  mit  der  einen  Hand  hochhebt  und  den  ge¬ 
sunden  mit  der  anderen  Hand  fortzieht,  legen  wir  den  Gummi¬ 
schlauch,  der  mit  Watte  umwickelt  ist,  um,  ziehen  ihn  mässig 
fest  an,  drehen  das  eine  Ende  um  das  andere,  klemmen  die 
Schnürstelle  mit  einer  Arterienklemme  oder  einer  Strauss- 
schen  Penisklemme  ab  und  lassen  den  Hoden  nach  unten.  Bei 
richtiger  Technik  muss  die  spontane  Schmerzhaftigkeit  fast 
momentan  aufhören.  Dieses  Aufhören  der  Schmerzhaftigkeit  ist 
ein  wichtiges  Zeichen  dafür,  dass  der  Stauungsschlauch  richtig 
liegt.  Hört  die  Schmerzhaftigkeit  nicht  sofort  oder  nach  kurzer 
Zeit  auf,  so  liegt  der  Schlauch  zu  locker,  beginnt  nach 
einer  kürzeren  Pause  wieder  stärkere  Schmerzhaftig¬ 
keit,  so  liegt  meist  der  Schlauch  zu  fest.  Es  ist  sehr  wichtig, 
durch  genaue  Kontrolle  die  richtige  Stauung  festzustellen. 
Liegt  der  Schlauch  richtig,  so  lassen  wir  die  Stauung  bei 
akuten  Entzündungen  bis  zu  20  Stunden  liegen.  Dann  wird 
der  Schlauch  entfernt,  der  Hoden  für  kurze  Zeit  hochgelagert 
und  nun  weitergestaut,  bis  zum  Aufhören  der  spontanen 
Schmerzhaftigkeit  und  der  intensiven  Empfindlichkeit  auf  Druck. 
Also  bei  der  akuten  Form  Dauer  Stauung. 

Wir  wollen  durch  die  Dauerstauung  die  Beseiti¬ 
gung  der  Schmerzen  erzielen.  Sobald  dies  erreicht 
ist,  kommt  die  zweite  Indikation,  die  Beseitigung  dei 

Infiltrate.  ..  ,  ,  , 

Dieser  Indikation  suchen  wir  zu  genügen  durch  kurze 
Stauung  und  durch  intensive  Anwendung  der  heissen  Luft, 
durch  heisse  Umschläge  und  durch  Dusche. 

Ich  benutze  hierzu  die  ja  auch  sonst  —  beispielsweise  ^zur 
Behandlung  der  .Ischias  —  vielbenutzte  Heissluftdusche.  Der 
Patient  wird  angewiesen,  die  neben  seinem  Bette .  stehende 
Dusche  unter  der  Decke  so  gegen  den  Hoden  zu  leiten,  dass 
der  Luftstrahl  aus  einer  Entfernung  von  etwa  5  cm  die  Skrotal- 
haut  trifft.  Lässt  man  den  erkrankten  Hoden  dicht  gegen  aie 
Haut  drängen,  so  lässt  sich  eine  Tiefenwirkung  durch  die 
dünne  Haut  hindurch  annehmen.  Wir  machen  ja  auch  sonst 
Gebrauch  von  der  Applikation  thermaler  Einwirkungen  auf  den 
Hoden,  durch  die  Skrotalhaut  hindurch,  dürfen  daher  auch  wohl 
annehmen,  dass  tatsächlich  eine  Tiefenwirkung  erfolgt. 
Ich  erinnere  nur  an  die  so  lange  Zeit  doch  sehr  beliebte  Ei  s  - 
blase  bei  der  Hodenentzündung.  Während  der  Nacht  erhält 

der  Patient  einen  feuchten  Umschlag. 

Die  Zahl  der  von  mir  in  der  Weise  behandelten  Falle  be¬ 
trägt  einschliesslich  der  Fälle  aus  meiner  Privatpraxis  75.  Im 
Laufe  der  letzten  3  Monate  habe  ich.  um  Vergleichsfälle  zu 
haben,  20  Fälle  mit  Punktion  behandeln  lassen,  nach 
dem  Vorschläge  von  Schindler.  Ueber  das  Resultat  wird 
später  berichtet  werden. 

Der  Erfolg  in  den  75  mit  Stauung  behandelten  Fallen  war 
bezüglich  der  Beseitigung  der  S  c  h  m  e  r  z  h  a  f  t  i  g  k  e  1 1  e  i  n 
guter.  Ob  man  mit  Saugglas  staut  oder  mit  Schlauch,  ist 
—  auch  wenn  man  es  richtig  macht  —  bezüglich  der  Beseiti¬ 
gung  des  Schmerzes  nicht  ganz  gleich,  die  S  c h  1  a  u  ch  Stau¬ 
ung  ist  der  Stauung  mit  Saugglas  überlegen.  Meine  Er¬ 
fahrungen  bestätigen  das,  was  ich  in  Bern  gesagt  habe,  somit 
auch  weiter,  dass  die  Beseitigung  des  Schmerzes  sich  durch 
richtig  angewandte  Stauung  mit  Schlauch  prompt  erzielen  lässt. 
Die  Schmerzbeseitigung  tritt  sofort  mit  der  richtigen  Stauungs¬ 
wirkung  ein,  ganz  genau  so,  wie  bei  einem  richtig  gestauten 

Kniegelenk.  ,  .  ... 

Die  Beseitigung  der  Schmerzhaftigkeit  gelingt  auch  bei  a  m- 
bulanter  Behandlung.  Mit  dem  richtig  liegenden 
Schlauch  kann  der  Patient  herumgehen. 


3)  Ueber  alle  Einzelheiten, 
Krankengeschichten  gibt  die 


besonders  der  Technik  und  der 
lLUc  Dissertation  meines  Assistenten 
Löwenberg  Auskunft.  Ueber  Hvperämiebehandlung  nach  B i  ej 
bei  Epididymitis  und  Arthritis  gonorrhoica.  Max  L  o  w  e  n  b  e  r  g.  1  )<)/ . 
Inaugural-Dissertation  München. 


2386 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Während  die  Beseitigung  des  akuten  Schmerzgefühls 
gut  kontrollierbar  ist,  ist  die  Erfüllung  der  zweiten  Indikation, 
die  Aufsaugung  der  Infiltrate,  schwieriger  zu  beurteilen. 

Um  mir  ein  Urteil  zu  bilden  über  die  Dauererfolge,  habe 
ich  Nachkontrollen  veranstaltet.  Soweit  die  Fälle  er¬ 
reichbar  waren,  hatte:  ich  schon  deshalb  ein  Interesse  daran, 
jene  wieder  zu  sehen,  weil  ich  in  Bern  darauf  hinwies,  dass 
in  einem  Fall,  der  gestaut  war,  nach  einen  halben  Jahr  Atrophie 
des  Hodens  festgestellt  wurde. 

Ich  habe  deshalb  Gelegenheit  genommen,  die:  im  letzten 
Jahr  mit  Stauung  behandelten  Fälle  nachzuuntersuchen.  Es  ist 
ja  schwierig,  bei  dem  starken  Wechsel  der  Bevölkerung  die 
Patienten  einer  Grossstadt  im  Auge  zu  behalten.  Immerhin  ist 
es  mir  gelungen,  einen  grossen  Teil  der  im  Laufe  des  Sommers 
behandelten  Fälle  nachuntersuchen  zu  können.  Bei  keinem  der 
Fälle  habe  ich  feststellen  können,  dass  irgend  eine  Atrophie 
vorhanden  war.  Da  wir  mittlerweile  in  der  Literatur  einige 
Fälle  von  Hodenatrophie  als  Folge  von  Epididymitis  gefunden 
haben,  die  L  ö  w  e  n  b  e  r  g  zusammengestellt  hat,  so  habe  ich 
heute  die:  Ueberzeugung,  dass  die  in  dem  einen  Falle  gefundene 
Atrophie  wohl  mit  d  e  r  E  p  i  d  i  d  y  m  i  t  i  s  in  Zusammen¬ 
hang  stehe,  dass  aber  die  Stauung  dafür  in 
keiner  Weise  verantwortlich  gemacht  wer¬ 
den  kann. 

Fragen  wir  nun,  welche  Vorteile  diese  Behandlungsmethode 
gegenüber  den  früheren  hat,  so  ist  ein  in  die  Augen  springender 
Vorteil  schon  erwähnt.  Er  besteht  in  der  promptesten  Be¬ 
seitigung  der  Schmerzhaftigkeit.  Der  Erfolg  ist  für  den  Pa¬ 
tienten  und  für  den  Arzt  ein  so  evidenter,  dass  wir  schon  aus 
.  diesem  Grund  volle  Veranlassung  haben,  der  Methode  unsere 
vollste  Aufmerksamkeit  zu  widmen.  Aber  die  Methode  er¬ 
füllt,  konsequent  durchgeführt,  auch  noch  eine  zweite,  nicht 
minder  wichtige  Indikation.,  Wissen  wir  doch,  besonders 
durch  die  Arbeit  von  Ben  tz  ler,  dass  die  Folgen  der  Epidi¬ 
dymitis  für  die  Potentia  generandi  ganz  bedeutsame  sind.  Die 
in  derbe  feste  Bindegewebsstränge  eingebetteten  Samenkanäl¬ 
chen  müssen  in  ihrer  Funktion  auf  das  Erheblichste  geschädigt 
werden.  Es  gelingt  nun,  durch  die  konsequente  Anwendung  der 
Dauerstauung  im  akuten  Stadium,  der  kurzen  Stauung  nach 
Ablauf  der  Schmerzhaftigkeit,  und  unter  gleichzeitiger  Anwen¬ 
dung  der  aktiven  Hyperämie  die  Bildung  dieser  Infiltrate  ent¬ 
weder  ganz  zu  verhindern,  oder  bereits  bestehende  zur  Auf¬ 
saugung  zu  bringen.  Bezüglich  der  Einzelheiten  verweise  ich 
auch  hier  auf  die  Arbeit  von  Löwenberg.  Gerade  be¬ 
züglich  dieses  Punktes,  der  Wiederherstellung  der  normalen 
Verhältnisse  habe  ich  eingehende  Nachuntersuchungen  veran¬ 
staltet,  und  gerade  das  ausserordentlich  günstige  Resultat  in 
dieser  Beziehung  veranlasst  mich,  nachdrücklichst  für  die  Hy¬ 
perämiebehandlung  einzutreten. '  Gegenüber  diesen  Vorteilen 
sind  uns  Nachteile,  die  der  richtig  angewandten  Stauung  zuzu¬ 
schreiben  wären  nicht  zur  Beobachtung  gekommen. 

Was  die  Bubonenbehandlung  angeht,  so  unter¬ 
scheidet  sich  diese  nicht  wesentlich  von  den  Grundsätzen,  die 
wir  durch  Bier  bezügl.  der  Behandlung  von  Phlegmonen  und 
lokalen  Eiterungen  kennen.  Naturgemäss  kann  bei  den  Bubonen 
nur  die  Anwendung  von  Sauggläsern  in  Frage  kommen. 
Meine  Erfahrungen  beziehen  sich  auf  25  im  letzten  Jahre  be¬ 
handelte  Fälle.  Die  durchschnittliche  Behandlungsdauer  betrug 
14,2  Tage,  worunter  allerdings  ein  Fall  von  strumösem  Bubo 
ist,  der  ohne  Erfolg  45  Tage  behandelt  wurde.  Unter  den  20 
klinisch  genau  beobachteten  Fällen  waren  6  rechts,  9  links  und 
5  beiderseits.  In  2  Fällen  gelang  es,  beginnende  Bubonen 
mit  starrer  Infiltration,  ohne  dass  es  zur  Eiterung  und  In¬ 
zision  kam,  zur  Ausheilung  zu  bringen,  ganz  entsprechend  den 
Erfahrungen,  die  ich  bei  lokalen  Eiterungen  aus  anderen  Ur¬ 
sachen  gemacht  habe.  In  allen  Fällen  waren  Ulzera  noch  vor¬ 
handen.  Die  kürzeste  Behandlungsdauer  betrug  7  Tage.  Bei 
den  mit  Eiterung  einhergehenden  Fällen  wurde  eine  kleine 
Stichinzision  gemacht  und  der  Eiter  mit  dem  Saugglas  aufge¬ 
saugt.  Ich  habe  übrigens,  wie  auch  wohl  die  meisten  Derma¬ 
tologen  schon  in  früheren  Jahren  Versuche  gemacht,  die  eine 
gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  Hyperämiebehandlung  insofern 
haben,  als  es  sich  hier  darum  handelte,  durch  Einspritzen  von 
2  proz.  Argentumlösung  den  Bubo  rasch  zur  Erweichung  und 
Einschmelzung  zu  bringen.  Hier  trat  auch  —  oft  unter  erheb¬ 


lichen  Temperatursteigerungen  —  eine  lokale  starke  Hyperämie 
ein,  und  es  gelang,  nach  Anlegung  einer  kleinen  Inzision,  den 
Bubo  rasch  zur  völligen  Ausheilung  zu  bringen.  Diese  und 
die  neueren  Erfahrungen  berechtigen  unweigerlich  zu  dem  Aus¬ 
spruch,  dass  bei  der  Bubonenbehandlung  die 
künstliche  Hyperämie  in  allererster  Linie  an¬ 
zuwenden  sei.  Grössere  eingreifendere  Operationen,  ins¬ 
besondere  die  hin  und  wieder  noch  geübte  totale  Ausräumung 
der  Leistendrüsen,  kann  man  wohl  machen,  um  seine  technische 
Fertigkeit  zu  zeigen,  sie  liegen  aber  nicht  im  Interesse  des 
Patienten.  Wir  haben  somit  in  der  konsequenten  Anwendung 
der  Hyperämie  nach  Bier  sowohl  bei  den  verschiedentlichen 
Komplikationen  der  Gonorrhöe  als  auch  bei  den  Bubonen  ein  ' 
hervorragendes  Mittel,  um  rasch  und  sicher  günstige  Resultate 
für  den  Patienten  zu  erzielen.  Die  bahnbrechenden  Arbeiten 
von  Bier  verdienen  daher  auch  in  der  dermatologischen  Praxis 
sowohl  in  theoretischer  wie  in  praktischer  Beziehung  vollste 
Aufmerksamkeit  und  verständnisvollste  Beachtung. 


Ueber  Dammschutz. 

Von  Privatdozent  Dr.  P.  M  a  t  h  e  s  in  Graz. 

Im  folgenden  möchte  ich  auf  einen  kleinen  Kunstgriff  beim 
Dammschutz  hinweisen,  den  ich  auf  Grund  längerer  Erfahrung 
empfehlen  zu  dürfen  glaube.  Zum  besseren  Verständnis 
schildere  ich  den  ganzen  Vorgang  des  Dammschutzes. 

Die  Gebärende  liegt  in  linker  Seitenlage;  das  linke  Bein 
ist  im  Hüft-  und  Kniegelenk  gebeugt  und  liegt  flach  auf  der 
Unterlage;  das  rechte  Bein  wird  abgespreizt,  nach  aussen  ge¬ 
dreht  und  von  einer  Gehilfin  am  Sprung-  und  Kniegelenk  ge¬ 
halten.  Die  linke  Hand  des  Geburtshelfers  geht  von  oben  zwi¬ 
schen  den  Beinen  der  Gebärenden  an  den  kindlichen  Schädel. 
Der  Daumen  steht  dicht  am  vorderen  Rand  des  Scheidenein¬ 
ganges  auf  dem  Hinterhaupt,  die  übrigen  4  Finger  liegen  flach 
ausgestreckt  auf  dem  Scheitel.  Der  Daumen  der  rechten  Hand 
und  der  2.  und  3.  Finger  werden  beiderseits  an  die  Stelle  des 
Dammes  gelegt,  unter  der  sich  jeweilig  die  Stirnhöeker  be¬ 
finden.  Ein  Wattefleck  zur  Bedeckung  des  Afters  ist  entbehr¬ 
lich,  weil  die  entsprechend  steil  gestellten  Finger  mit  dem  After 
nicht  in  Berührung  kommen  können,  ja  es  wird  bei  Benutzung 
eines  Wattefleckes  sogar  leichter  passieren  können,  dass  man 
mit  ihm  Unreinlichkeiten  vom  After  nach  vorne  bringt. 

Wenn  während  der  Wehe  der  Schädel  gegen  den  Damm 
andrängt,  tritt  zunächst  nur  der  linke  Daumen  in  Tätigkeit.  Er 
drängt  den  Schädel  durch  Druck  auf  den  Hinterhauptshöcker 
nach  rückwärts  in  der  Richtung  gegen  das  Steissbein  der  Ge¬ 
bärenden.  Dieser  Druck  ist  zur  Zurückhaltung  des  kindlichen 
Schädels  recht  wirksam.  Trotz  Wehen  und  Bauchpresse  ge¬ 
lingt  es,  mit  dem  linken  Daumen  allein  den 
Schädel  zurückzu  halten.  Abgesehen  von  dem  Vor¬ 
teil,  dass  damit  das  Hinterhaupt  unter  dem  Schambogen  her¬ 
vorgedrängt  wird,  ist  dies  deshalb  wertvoll,  weil  nur  eine  Hand 
und  die  nur  in  mässigem  Grade,  in  Anspruch  genommen  ist, 
während  die  andere  in  Ruhe  etwa  ausgetretenen  Stuhl,  Schleim 
oder  Blut  beseitigen  kann.  Ferner  kann  durch  den  leicht  do¬ 
sierbaren  Druck  der  Damm  nach  Belieben  präparatorisch  ge¬ 
dehnt  werden. 

Ist  nun  der  Schädel  nahe  am  Durchschneiden,  so  verlässt 
der  Daumen  seinen  Stützpunkt,  die  übrigen  vier  Finger  liegen 
flach  mit  ihren  Spitzen  dicht  an  der  hinteren  Kommissur,  kom¬ 
primieren  den  Schädel  in  dem  Umfange,  der  gerade  durchtreten 
soll,  durch  Druck  gegen  den  Schambogen  und  ziehen  ihn 
langsam  hinter  dem  Damm  hervor.  Die  Kompression  des 
Schädels  in  seinem  Durchtrittsumfang  wird  durch  Druck  der 
Finger  der  rechten  Hand,  die  nun  auch  dicht  an  der  Kommissur 
stehen,  unterstützt.  Gleichzeitig  kann  mit  dieser  Hand  der 
Damm  gegen  die  Mitte  zusammengeschoben  und  dadurch  viel¬ 
leicht  entspannt  werden. 

Auf  diese  Art  sind  mir  manche  Dämme  erhalten  geblieben, 
die  wegen  ihrer  Höhe  und  Straffheit  sehr  gefährdet  schienen. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2387 


Zur  Narkose  mit  erwärmtem  Chloroform. 

Von  Dr.  Haun  in  Gladenbach. 

Unlängst  las  ich  von  dem  Vorschläge  eines  Kollegen,  das 
Chloroform  bei  Narkose  auf  ca.  38 0  C  erwärmt  zu  verwenden, 
weil  man  die  Beobachtung  gemacht  habe,  dass  die  Chloroform¬ 
narkosen  in  den  Tropen  fast  völlig  ungefährlich  verliefen. 

Ich  habe  den  Vorschlag  sofort  aufgegriffen  und  sogleich 
einige  Narkosen  (bis  jetzt  8)  nach  dieser  Methode  ausgeführt, 
indem  ich  die  gefüllte  Chloroformtropfflasche  durch  in  heisses 
Wasser  Stellen  erwärmte  und  dies  während  der  Narkose  öfters 
wiederholte. 

Ich  konstatierte  folgendes:  1.  Die  Narkose  trat  anscheinend 
rascher  ein,  wie  früher,  bei  kaltem  Chloroform.  2.  Die  Nar¬ 
kose  verlief  anscheinend  leichter,  wie  früher;  das  Erwachen 
aus  der  Narkose  geschah  schneller,  das  Bewusstsein  war  sehr 
schnell  wieder  vollkommen  klar.  3.  Es  wurden  keinerlei  üble 
Nachwirkungen  bemerkt. 

Noch  ehe  ich  daran  ging,  die  Methode  zu  erproben,  suchte 
ich  für  dieselbe  eine  theoretische  Erklärung.  Diese  ist  offenbar 
folgende: 

Das  erwärmte  Chloroform  ist  leichter,  als  das  nicht  er¬ 
wärmte.  Folglich  schwimmt  das  erwärmte  Chloroformgas 
besser,  als  das  nicht  erwärmte. 

Der  Einatmungsluftstrom  enthält  demnach  bei  Verwendung 
von  erwärmtem  Chloroform  in  allen,  auch  den  obersten  und 
randständigen  Schichten,  feiner  verteiltes  Chloroformgas 
(grössere  Spannung  der  erwärmten  Gasmoleküle). 

Das  kalte  Chloroform  hingegen  ist  schwerer,  es  bewegt 
sich  im  Einatmungsluftstrom  mehr  in  dem  zentralen  Teile  des¬ 
selben  und  den  unteren  Schichten,  sinkt  schliesslich  (wenigstens 
zum  Teil)  mehr  und  mehr  und  setzt  sich  auf  den  Schleimhäuten 
der  Atmungswege  ab. 

Das  erwärmte  Chloroformgas  bleibt  länger  im  Luftstrom 
suspendiert,  gelangt  somit  auch  in  grösserer  Quote  bis  in  die 
Alveolen,  wird  dort  schnell  resorbiert  und  tritt  in  Aktion  an 
den  Ganglienzellen. 

Das  kalte,  schwerere  Chloroformgas  senkt  sich  aus  dem 
Einatmungsluftstrome  zu  Boden,  auf  die  Schleimhäute  der 
Bronchialwände,  wo  der  Luftstrom  geringere  Geschwindigkeit 
besitzt  (Sedimente  setzen  sich  da  ab,  wo  der  Strom  langsamer 
fliesst). 

Es  ergibt  sich  hieraus:  Bei  gleicher  Menge  verbrauchten 
Chloroforms  gelangt  vom  erwärmten  Chloroform  ein  grösserer 
Teil  direkt  an  die  Alveolen,  als  vom  nicht  erwärmten.  Vom 
kalten  Chloroform  schlägt  sich  ein  grösserer  Teil,  als  vom 
erwärmten,  bereits  auf  den  Schleimhäuten  der  Nase,  des 
Rachens,  der  Trachea,  der  Bronchien  nieder.  Diese  Quote  des 
verbrauchten  Chloroforms  trägt  zur  eigentlichen  Narkose  nichts 
bei;  denn  sie  gelangt  nicht  an  die  Alveolen.  Sie  wird  von  den 
Schleimhäuten  resorbiert,  und  zwar  nach  viel  längerer  Zeit, 
als  der  Teil  des  Chloroforms,  welcher  von  den  Alveolen  re¬ 
sorbiert  wurde.  Sie  wird  zum  grossen  Teil  erst  noch  resor¬ 
biert,  wenn  wir  die  Narkose  beendigt  haben  und  dürfte  haupt¬ 
sächlich  für  die  Nachwirkungen  verantwortlich  zu  machen  sein. 

Zweck  meiner  Ausführungen  soll  lediglich  der  sein,  dass 
die  Methode  weiter  geprüft  werde. 


Zur  Pubiotomie. 

Von  Dr.  Haun  in  Gladenbach. 

Eine  von  mir  mit  günstigem  Erfolge  für  Mutter  und  Kind  aus¬ 
geführte  Pubiotomie  veranlasste  mich  zu  folgender  Erwägung: 

Die  von  mir  operierte  24  jährige  Frau  hat  jedenfalls  die  besten 
Aussichten,  abermals  in  gleiche  Lage  zu  kommen.  Dann  also  wieder 
Pubiotomie  usw.  Derartige  Aussichten  dürften  für  die  betr.  Frau 
keineswegs  angenehm  sein. 

Könnte  man  nicht  prophylaktisch  eine  Pubio-Pelveo-Plastik 
machen  ?  Wenn  schon  eine  Pubiotomie  nötig  ist,  so  könnte  man  im 
Anschluss  an  dieselbe  ein  ca.  2 — 3  cm  breites  Stück  Zelluloid  oder 
dergl.  implantieren  und  einheilen  lassen. 

Bei  Gelingen  dieser  Operation  wäre  der  jungen  Frau  mit  dem 
engen  Becken  ein  für  allemal  geholfen. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  Graz. 

Ein  Sterilisationsapparat  für  Laboratoriumszwecke  unter 
Verwendung  von  strömendem  Dampf. 

Von  W.  Prausnitz. 

Seit  fast  20  Jahren  verwende  ich  zu  Laboratoriumszwecken 
einen  Sterilisationsapparat,  welcher  sich  sehr  gut  bewährt 
hat  und  deshalb  allgemein  empfohlen  werden  kann.  Zu  seiner 
Konstruktion  wurde  ich  veranlasst,  als  ich  seinerzeit  im  physio¬ 
logischen  Institut  in  München  grössere  Mengen  von  Nahrungs¬ 
mitteln  in  Einzelportionen  für  Ernährungsversuche  zu  sterili¬ 
sieren  hatte  und  mir  dabei  die  Benützung  des  Koch  sehen 
Dampfkochtopfes  nicht  unerhebliche  Unbequemlichkeiten  be¬ 
reitete. 


Eig.  1. 


Die  Einrichtung  des  Apparates  ist  aus  den  3  Abbildungen  ohne 
weiteres  verständlich.  Fig.  1  zeigt  den  geöffneten  Apparat.  Der  aus- 
nutzbare  eckige  Raum  hat  eine  innere 
Länge  von  38  cm,  eine  Höhe  (Seitenkante) 
von  30,5  cm  und  eine  Tiefe  von  20  cm.' 

Durch  ein  eingelegtes  horizontales  geloch¬ 
tes  Blech  kann  er  in  2  Etagen  geteilt  wer¬ 
den.  Diese  Grössenverhältnisse  gestatten, 
dass  gleichzeitig  in  dem  Apparat  2  grosse 
Drahtkörbe  mit  je  90—100  Reagenzgläsern 
oder  ca.  100  Petrischalen  hineingestellt 
werden  können. 

Der  Dampf  wird  aus  bekannten  Grün¬ 
den  von  oben  eingeleitet  und  tritt  unten 
heraus,  nachdem  er  die  kalte  Luft  vor  sich 
hergetrieben  hat.  Der  Dampf  wird  in 
einem  hinter  dem  Sterilisationskasten  be¬ 
findlichen  Gefäss  entwickelt  und  durch  das 
Rohr  D  in  den  ersteren  übergeleitet.  Der 
Dampfentwickler  ist  an  die  Wasserleitung 
angeschlossen;  seine  Füllung  erfordert  da¬ 
her  keinerlei  Arbeit;  auch  ist  ein  Durch¬ 
brennen  des  Bodens  ausgeschlossen,  wenn 
nicht  etwa  einmal  aus  Versehen  vergessen 
wird,  den  Hahn  der  Wasserleitung  zu 
öffnen.  Ist  der  Hahn  geöffnet,  so  sorgt 
der  Ueberlauf  Ue  (Figur  3)  dafür, 
dass  im  Dampfentwickler  die  stets  gleiche  Wassermenge  ent¬ 
halten  ist.  Der  Boden  des  Dampfentwicklers  ist,  wie  aus  den  3  Ab¬ 
bildungen  entnommen  werden  kann,  nicht  eben,  sondern  winklig  ge¬ 
knickt,  so  dass  die  Ausnützung  der  Wärme,  welche  durch  eine  unter¬ 
halb  angebrachte  Heizschlange  entwickelt  wird,  möglichst  voll¬ 
kommen  ist.  .  r~>  l. «  A 

Der  Dampf  tritt  nach  Verlassen  des  Apparates  in  ein  Rohr  A, 

welches  an  das  Rohr  angeschlossen  ist,  das  das  Ueberlaufwasser  ab¬ 
leitet;  durch  diese  Anordnung  wird  die  Kondensation  des  Damptes 
in  einfachster  Weise  durchgeführt,  ohne  dass  ein  Uebertritt  oes 
Dampfes  in  das  Labaratorium  erfolgen  kann.  (Fig.  3.) 

Die  langjährige  Erfahrung,  welche  an  solchen  Apparaten 
gemacht  wurde,  die  sich  schon  in  verschiedenen  Instituten 
sehr  gut  bewährt  haben,  veranlasste  mich,  denselben  hier 
zu  beschreiben  und  als  seine  wesentlichsten  Vorzüge  zu  emp¬ 
fehlen:  leichte  und  bequeme  Bedienung,  sicherer  Betrieb  und 
relativ  geringer  Gasverbrauch  bei  grossem  Beschickungsraum. 


2388 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Die  Firmen  F.  und  M.  L  a  u  t  e  n  s  c  h  1  ä  g  e  r  -  Berlin  und 
W.  J.  Rohrbecks  Nachfolger  in  Wien  sind  bereit,  solche 
Apparate  zu  liefern. 

- — 

Amerikanische  Reiseeindrücke.*) 

Von  Friedrich  Müller  in  München. 

Wer  die  Reise  nach  Amerika  antritt,  pflegt  sich  darauf 
gefasst  zu  machen,  auf  der  andern  Seite  des  Ozeans  alles 
anders  zu  finden  als  im  alten  Europa,  und  das  zum  Teil  mit 
Recht.  Schon  das  Bild  der  Strassen,  dann  die  ungemein  ge¬ 
steigerten  Verkehrsverhältnisse  und  manche  äussere  Lebens¬ 
formen  muten  den  Europäer  fremdartig  an. 

Aber  der  Eindruck  dieser  Verschiedenheiten  tritt  bald 
zurück  hinter  der  Ueberzeugung,  dass  uns  mit  jenem  Lande 
vieles  Gemeinsame  verbindet,  und  dies  gilt  ganz  besonders, 
wenn  wir  die  medizinischen  Verhältnisse  ins  Auge  fassen. 

Die  medizinische  Wissenschaft  Amerikas  ist  der  Deutschen 
auf  das  Engste  verwandt.  Wir  finden  dort  im  Wesentlichen 
dieselben  Anschauungen,  dieselben  Probleme  und  die  nämliche 
Art  des  Forschens,  und  wenn  wir  von  der  Sprache  absehen, 
so  könnte  ein  grosser  Teil  der  amerikanischen  medizinischen 
Literatur  ebensogut  in  Deutschland  geschrieben  sein.  Während 
uns  die  französische  Literatur  auf  vielen  Gebieten  der  Medizin, 
z.  R  dem  der  Stoffwechselpathologie  schwer  verständlich  er¬ 
scheint,  weil  sie  von  ganz  anderen  Vorstellungen  ausgeht, 
knüpft  die  amerikanische  Literatur  zum  grossen  Teil  eng  an 
die  deutsche  an,  und  trotz  der  Schwierigkeit,  welche  die  Er¬ 
lernung  der  deutschen  Sprache  dem  Ausländer  zumutet,  finden 
wir  bei  den  amerikanischen  Gelehrten  und  Aerzten  eine  er¬ 
staunliche  Kenntnis  der  deutschen  medizinischen  Literatur. 
Zweifellos  steht  die  amerikanische  Medizin  in  einem  engeren 
Verhältnis  zu  der  deutschen  als  zu  derjenigen  Frankreichs  und 
selb  .t  Englands. 

Diese  für  uns  erfreuliche  Tatsache  findet  dadurch  ihre 
Erklärung,  dass  viele  ausgezeichnete  deutsche  Aerzte  (ich  er¬ 
innere  nur  an  Knapp  und  Jacobi)  nach  den  vereinigten 
Staaten  ausgewandert  sind  und  dort  als  Lehrer  gewirkt  haben, 
und  dass  andererseits  eine  grosse  Zahl  der  massgebenden 
medizinischen  Gelehrten  Nordamerikas  auf  deutschen  Hoch¬ 
schulen  gearbeitet  hat,  unter  Virchow,  Cohnheim, 
W  e  i  g  e  r  t,  V  o  i  t,  W  i  n  c  k  e  1  und  anderen,  und  dass  sie  von 
diesen  ihren  Lehrzeiten  her  noch  lebhafte  Beziehungen  zu  den 
deutschen  Arbeitsstätten  und  zu  den  damals  gewonnenen 
Freunden  aufrecht  erhalten  haben.  —  Auch  jetzt  noch  geht  ein 
grosser  Strom  amerikanischer  Aerzte  nach  den  deutschen 
Universitäten,  um  hier  Anregung  zu  finden,  und  jeder  Deutsche 
wird  erstaunt  sein,  zu  sehen,  wie  gut  bekannt  die  ameri¬ 
kanischen  Aerzte  mit  unseren  Hochschulen  sind.  Man  kann 
sagen,  der  amerikanische  Arzt  kennt  Deutschland  und  die 


*)  Vortrag,  gehalten  im  ärztlichen  Verein  zu  München  am  29 
Mai  1907. 


deutsche  Sprache  besser,  als  der  deutsche  Arzt  Amerika  und 
die  englische  Sprache.  Viele  von  den  deutschen  Professoren, 
welche  in  den  letzten  Jahren  nach  Amerika  gereist  sind,  haben 
an  den  dortigen  Universitäten  ihre  Vorträge  in  deutscher 
Sprache  gehalten  und  sind  von  den  Studierenden  verstanden 
worden. 

Die  Anerkennung,  welche  die  deutsche  Medizin  bei  der 
rasch  aufstrebenden  amerikanischen  Wissenschaft  erfährt,  darf 
uns  mit  Stolz  erfüllen,  aber  wir  werden  aus  dieser  Tatsache 
auch  gewisse  Verpflichtungen  ableiten  müssen.  Wir  werden 
nicht  versäumen  dürfen,  auch  unsererseits  die  amerikanische 
Literatur  besser  kennen  zu  lernen  als  dies  bisher  der  Fall  war; 
das  ist  freilich  dadurch  erschwert,  dass  diese  in  noch  höherem' 
Grade  als  die  unserige  auf  zahllose  Zeitschriften  und  auf  die 
von  den  einzelnen  Spitälern  und  wissenschaftlichen  Instituten 
herausgegebenen  Publikationen  verzettelt  ist. 

Wenn  wir  sehen,  dass  die  amerikanischen  Fachgenossen 
gerne  anerkennen,  was  sie  der  deutschen  Medizin  verdanken, 
so  werden  wir  ebenso  bereitwillig  auf  die  Frage  eingehen 
müssen,  was  wir  von  Amerika  lernen  können.  Aus  diesem 
Grunde  sollen  auch  jetzt  weniger  jene  Punkte  Erwähnung 
finden,  in  welchen  die  ameiikatiischen  Verhältnisse  den 
deutschen  ähnlich  sind,  sondern  es  soll  hervorgehoben  werden, 
was  uns  dort  als  neu  und  bemerkenswert  erscheint. 

Beginnen  wir  mit  den  Universitäten:  Hier  ist  zu¬ 
nächst  zu  betonen,  dass  die  amerikanischen  Universities  nicht 
Fachschulen  in  unserem  jetzigen  deutschen  Sinne  darstellen, 
sie  verfolgen  vielmehr  den  Zweck,  eine  allgemeine  Bildung  in 
den  Geisteswissenschaften  oder  der  Mathematik  und  den  Natur¬ 
wissenschaften  zu  vermitteln,  und  sie  werden  nicht  nur  von 
denjenigen  jungen  Leuten  aufgesucht,  welche  sich  später  einem 
gelehrten  Beruf  zuwenden  wollen,  sondern  auch  von  solchen, 
welche  in  den  Kaufmannsstand,  die  Technik  und  Industrie  ein- 
treten,  die  sich  aber  zunächst  eine  wissenschaftliche  Bildung 
aneignen,  und  Beziehungen  zu  dem  geistigen  Leben  ihrer  Nation 
anknüpfen  wollen.  Deshalb  bilden  die  ehemaligen  Angehörigen 
der  grossen  Universitäten  eine  Art  geistiger  Aristokratie,  in 
welchem  Berufe  sie  auch  später  tätig  sein  mögen;  sie  haben 
z.  B.  in  New  York  ihren  Vereinigungspunkt  in  dem  grossartigen 
und  exklusiven  University  Club,  und  die  Erinnerungen  an  die 
Universitätszeit  werden  in  Amerika  mit  derselben  Liebe  ge¬ 
pflegt,  als  wie  bei  uns  in  Deutschland.  Nicht  leicht  wird  man 
im  Zimmer  eines  ehemaligen  Universitätsangehörigen  die 
Flagge  -seiner  Hochschule  vermissen. 

Von  diesen  Universitäten  sind  nur  einige  wenige  Staats¬ 
institute,  so  z.  B.  in  Michigan  und  besonders  in  den  westlichen 
Teilen  der  Union,  die  Mehrzahl  der  Universitäten  namentlich 
in  den  östlichen  und  zentralen  Teilen  sowie  auch  in  Kanada 
ist  durch  Stiftungen  reicher  Leute  gegründet  und  ausgebaut; 
sie  werden  unterhalten  durch  freiwillige  Beiträge  der  ehe¬ 
maligen  Universitätsangehörigen,  sowie  durch  die  von  den 
Studenten  zu  entrichtenden  Summen.  Diese  Beiträge,  welche 
von  den  Studierenden  für  das  Studienjahr  erhoben  werden,  sind 
recht  hoch,  sie  überschreiten  die  Summe,  welche  von  unseren 
Medizinstudierenden  für  Universitätsgebühren  und  Kollegien¬ 
gelder  durchschnittlich  entrichtet  werden.  Kollegiengelder  in 
unserem  Sinne,  welche  den  Universitätslehrern  zugute  kommen, 
sind  an  den  amerikanischen  Universitäten  und  Medizinschulen 
unbekannt,  und  da  auch  der  Gehalt  der  Professoren  meist  recht 
niedrig  ist,  so  ist  die  Stellung  der  Universitätsprofessoren  in 
Amerika  weniger  beneidet  und  weniger  gesucht  als  in  Deutsch¬ 
land.  Ein  Universitätsprofessor,  der  nicht  von  Hause  aus  wohl¬ 
habend  ist  oder  über  andere  Einkünfte,  z.  B.  aus  ärztlicher 
Praxis,  verfügt,  ist  dort  oft  nicht  imstande,  eine  Familie  zu 
gründen.  Die  gewaltigen  Summen,  welche  von  reichen  Gön¬ 
nern  den  Universitäten  zugewendet  werden,  sind  meistens  nur 
für  die  Errichtung  und  Ausstattung  neuer  Baulichkeiten,  ins¬ 
besondere  der  Bibliotheken  bestimmt,  für  die  Professoren  ge¬ 
schieht  nur  recht  wenig.  Hier  wird  Wandel  geschaffen  werden 
müssen,  sonst  wird  die  Anziehungskraft  der  akademischen 
Karriere  für  die  weniger  bemittelten  jungen  Kräfte,  und  schliess¬ 
lich  auch  die  soziale  Stellung  der  Universitätsprofessoren  Not 
leiden.  Energische  und  talentvolle  junge  Männer  werden  sonst 
vorziehen,  sich  anderen  Berufsarten  zuzuwenden,  die  ihnen 
mehr  Aussichten  auf  Erfolg  darbieten.  Die  Gönner  der  Uni- 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2389 


versitäten  sollten  bedenken,  dass  für  das  Gedeihen  einer  Hoch¬ 
schule  die  Professoren  wichtiger  sind  als  die  Gebäude. 

Zu  den  bedeutendsten  Universitäten  im  östlichen  Amerika 
gehören  die  Harvard- Universität  in  Boston,  die  Yale  Universität 
in  New  Haven,  Columbia  und  Cornell  in  New  York,  Johns  Hop¬ 
kins  in  Baltimore,  Pennsylvania  in  Philadelphia,  Annabour  in 
Michigan,  Princetown  u.  a.,  ferner  in  Kanada  die  McGill  Uni¬ 
versität  iii  Montreal  und  die  Universität  von  Toronto. 

Die  Stellung  des  Rektors  und  der  Dekane  dieser  Universi¬ 
täten  ist  wesentlich  anders  als  in  Deutschland.  Der  Rektor  be¬ 
hält  sein  Amt  viele  Jahre,  meist  auf  Lebenszeit  und  ebenso  ge¬ 
wöhnlich  auch  der  Dekan  der  Fakultäten.  Dadurch  gewinnen 
diese  Aemter  einen  viel  grösseren  Einfluss  auf  das  Gedeihen 
einer  Universität,  und  wenn  an  der  Harvard  Universität  ein 
Mann  von  der  Kraft  und  der  geistigen  Bedeutung  wie  Eliot 
seit  Jahrzehnten  das  Szepter  führt,  so  kann  er  seiner  Hoch¬ 
schule  ganz  den  eigenen  Charakter  aufprägen.  Auch  die  Yale 
Universität  zu  New  Haven  hat  in  H  a  d  1  e  y,  der  jetzt  als  Aus¬ 
tauschprofessor  nach  Deutschland  gekommen  ist,  einen  der¬ 
artig  bedeutenden  Rektor,  und  von  der  jüngsten,  der  Johns 
Hopkins  Universität  zu  Baltimore  kann  behauptet  werden,  dass 
sie  ihr  rasches  Aufblühen  und  ihren  anerkannten  ernsten  Ruf  in 
erster  Linie  dem  Organisationstalent  ihrer  Rektoren  (jetzt  ist 
es  der  Chemiker  Ira  R  e  m  s  e  n)  verdankt. 

Die  Studierenden  treten  ungefähr  mit  16  oder  17  Jahren 
in  diese  Universitäten  ein  und  beschäftigen  sich  dort  je  nach 
ihrer  Wahl  mehr  mit  klassischen  Studien  oder  mit  Mathematik 
und  Naturwissenschaften.  Gewiss  entspricht  dieser  Unterricht 
in  vieler  Beziehung  demjenigen  unserer  Gymnasien,  aber  die 
amerikanischen  Universitäten  überlassen  ihren  Schülern  die 
freie  Wahl,  ihre  Studien  nach  ihren  Interessen  und  Fähigkeiten 
einzurichten.  Auch  sind  die  Unterrichtsstunden  mehr  im  Sinne 
unserer  Universitätsvorlesungen  gehalten.  Ein  Blick  auf  die 
Wochenzeitung  der  Harvard  Universität  zeigt,  welch  reges 
geistiges  Leben  an  dieser  Universität  herrscht,  und  wie  viel  in 
öffentlichen  Vorträgen  aus  den  verschiedensten  Interessen¬ 
gebieten  der  Studierenden  geboten  wird.  Die  Harvard  Uni¬ 
versität  hat  ungefähr  4000  Studenten.  Sie  stellt  mit  ihren 
zahlreichen  wissenschaftlichen  Instituten,  ihrer  Bibliothek  und 
den  Sammlungen,  unter  denen  sich  auch  die  vom  Deutschen 
Kaiser  gestiftete  Sammlung  deutscher  Kunstwerke  befindet, 
einen  Stadtteil  für  sich  dar.  Die  Studierenden  wohnen  ge¬ 
meinschaftlich  in  grossen  Schlafhäusern  (Dormitories),  sie 
haben  ihre  eigenen  behaglich  ausgestatteten  Klubs,  von  denen 
sich  manche  bei  der  Aufnahme  ihrer  Mitglieder  nur  auf  die  vor¬ 
nehmsten  Familien  beschränken.  Die  Mahlzeiten  werden  haupt¬ 
sächlich  in  der  imposanten  Speisehalle  eingenommen,  deren 
Wände  mit  den  Büsten  und  Bildern  der  aus  Harvard  hervor¬ 
gegangenen  bedeutenden  Männer  geziert  sind.  Bekanntlich 
spielt  auf  den  amerikanischen  Universitäten  der  Sport  eine 
grosse  Rolle.  Auf  dem  riesigen  Spielplatz,  dem  Campus,  der 
Universität  finden  im  Freien  die  athletischen  Spiele  statt,  und 
ein  Amphitheater,  fast  von  der  Grösse  des  römischen  Colos¬ 
seums,  dient  für  die  Zuschauer,  wenn  die  Wettkämpfe  statt¬ 
finden. 

Der  Alkohol  spielt  im  amerikanischen  Universitätsleben 
keine  Rolle.  In  den  Speisehallen  wird  nur  Wasser  und  Thee 
verabfolgt.  Ferner  muss  betont  werden,  dass  unter  der  Stu¬ 
dentenschaft  in  sittlicher  Beziehung  strengere  Anschauungen 
herrschen  als  an  manchen  unserer  grossstädtischen  Universi¬ 
täten  oder  gar  an  denen  Frankreichs.  Doch  ist  dies  keine 
Eigentümlichkeit,  welche  in  Amerika  etwa  nur  den  Universi¬ 
täten  zukäme,  vielmehr  erkennt  man  ganz  allgemein,  dass 
überall  im  Strassenleben,  in  den  Plakaten  und  Schaustellungen, 
auch  in  den  illustrierten  Zeitungen  und  Witzblättern  alles  ver¬ 
mieden  ist,  was  als  lüstern  bezeichnet  werden  könnte.  Dies 
mag  zum  Teil  auf  strengere  polizeiliche  Aufsicht  zurück¬ 
zuführen  sein,  im  wesentlichen  ist  es  aber  das  Publikum  selbst 
und  sind  es  besonders  die  Frauen,  deren  gesundes  Empfinden 
und  energisches  Vorgehen  das  Auftreten  des  Schmutzes  in  Wort 
und  Bild  verhindert.  Damit  hängt  es  wohl  auch  zusammen, 
dass  die  Geschlechtskrankheiten  dort  eine  geringere  Rolle 
spielen  als  bei  uns,  dass  auch  in  grossen  Hospitälern  keine  Ab¬ 
teilungen  für  Geschlechtskranke  vorhanden  sind,  und  dass  die 
Tabes  nicht  so  häufig  ist  als  in  Deutschland  und  Frankreich. 


Wenn  der  Student  nach  drei-  oder  vierjährigem  Studium 
sein  Bakkalaureat  erworben  hat,  tritt  er  mit  etwa  21  oder 
22  Jahren  in  die  Fachschulen  ein.  Die  Studierenden  der 
Medizinschulen  sind  also  älter  als  durchschnittlich  in  Deutsch¬ 
land. 

Diese  Medizinschulen  stehen  zum  Teil  mit  einer  Universität 
in  Verbindung,  doch  ist  diese  Verbindung  meist  nicht  so  eng, 
als  die  der  medizinischen  Fakultäten  zu  den  Universitäten  in 
Deutschland.  Viele  und  namentlich  kleinere  Medizinschulen 
Amerikas  hängen  nicht  mit  Universitäten  zusammen  und 
manche  verlangen  von  ihren  Schülern  auch  nicht  einmal  den 
Nachweis  eines  vollendeten  Universitätsstudiums.  Daraus  er¬ 
gibt  sich,  dass  die  Medizinschulen  und  ihr  Studentenmaterial 
nicht  alle  auf  gleicher  Höhe  stehen. 

Da  Physik,  Chemie,  Zoologie,  vergleichende  Anatomie  und 
Entwicklungsgeschichte  sowie  die  allgemeine  Physiologie,  die 
sogen.  Biologie,  schon  auf  der  Universität  absolviert  worden 
waren,  so  kann  sich  der  Student  im  ersten  Jahre  seines  Medizin¬ 
studiums  ausschliesslich  der  Anatomie,  Physiologie  und  Histo¬ 
logie  widmen. 

Der  Unterricht  in  der  Physiologie  und  der  physiologischen 
Chemie  wird  in  mancher  Beziehung  etwas  anders  gehandhabt 
als  in  Deutschland,  indem  ein  grösseres  Gewicht  auf  die  prak¬ 
tischen  Uebungen  gelegt  wird.  Sämtliche  Studenten  führen  die 
ganze  qualitative  und  quantitative  Analyse  der  Milch,  des  Blutes 
und  des  Harns  durch.  In  der  Bellevue  medical  school  in  New 
York  hat  Mandel  die  Einrichtung  getroffen,  dass  die  Teil¬ 
nehmer  des  physiologischen  Kurses  zum  Schluss  einige  Tage 
bei  einer  bestimmten  Kost  leben  oder  selbst  hungern.  Der 
Gesamtharn  dieser  Versuchstage  wird  von  den  Studierenden 
selbst  einer  vollkommenen  quantitativen  Analyse  unterworfen, 
und  die  Resultate  werden  verglichen.  Noch  eingehender  waren 
die  Versuchsreihen,  welche  unter  der  Leitung  von  Chitten- 
d  e  n  und  Lafayette  B.  M  e  n  d  e  1  an  und  von  den  Studierenden 
der  Yale  Universität  ausgeführt  worden  sind.  Diese  Unter¬ 
suchungen  haben  bekanntlich  zu  dem  Ergebnis  geführt,  dass 
auch  bei  einer  sehr  geringen  Eiweisszufuhr,  und  bei  voll¬ 
ständiger  Abstinenz  von  Fleisch  das  Wohlbefinden  und  selbst 
die  Fähigkeit  zu  grossen  sportlichen  Anstrengungen  erhalten 
bleibt;  wir  werden  uns  kaum  der  Ueberzeugung  verschliessen 
dürfen,  dass  die  bei  unserer  Kost  meist  übliche  Menge  an 
Fleisch  und  an  Eiweissstoffen  im  allgemeinen  das  wirkliche  Be¬ 
dürfnis  übersteigt.  Es  wäre  von  nicht  geringer  volkswirt¬ 
schaftlicher  Bedeutung,  wenn  auch  bei  uns  die  Tatsache  allge¬ 
meiner  bekannt  würde,  dass  die  Fleischkost  ohne  Schaden  für 
die  Gesundheit  selbst  von  dem  schwer  arbeitenden  Mann  ent¬ 
behrt  werden  kann.  Eine  Fleischnot,  wie  wir  sie  vor  kurzem 
erlebt  haben,  würde  dann  weniger  schwer  empfunden  werden. 

Auch  in  der  präparativen  organischen  Chemie  werden  an 
die  Medizinstudierenden  ziemlich  hohe  Anforderung  gestellt; 
ich  konnte  mich  z.  B.  in  Cleveland  davon  überzeugen,  dass  in 
Anlehnung  an  Emil  Fischers  Leitfaden  Azetanilid,  Hippur¬ 
säure,  Phenylhydrazin  und  eine  Reihe  anderer  Präparate  in 
tadelloser  Reinheit  dargestellt  wurden. 

Die  physiologische  Chemie  ist  überall  von  der  experimen¬ 
tellen  Physiologie  getrennt. 

In  den  physiologischen  Uebungen  wird  Gewicht  darauf 
gelegt,  dass  die  Studierenden  die  einschlägigen  Versuche  selbst 
auszuführen  lernen.  Die  Physiologie  der  Sinnesorgane,  ins¬ 
besondere  die  physiologische  Optik,  wird  an  den  Apparaten  ge¬ 
übt;  vor  allem  wird  das  Tierexperiment  in  viel  höherem  Grade 
zum  Unterricht  herangezogen  als  bei  uns.  An  einer  Medizin¬ 
schule,  deren  Studentenzahl  160  beträgt,  werden  im  Jahre  un¬ 
gefähr  4000  Frösche  zum  Unterricht  gebraucht.  Bei  den 
Uebungen  über  die  Physiologie  des  Kreislaufs,  der  Atmung  und 
der  Verdauungsorgane  werden  hauptsächlich  Hunde  und  Katzen 
verwendet.  Die  Studierenden  werden  in  kleine  Gruppen  zu 
vier  oder  fünf  Mann1  verteilt,  jede  dieser  Gruppen  erhält 
ein  Tier  zugeteilt;  es  wird  Anweisung  gegeben,  wie 
das  Tier  zu  narkotisieren  ist,  wie  die  Kanüle  in  die  Karotis  ein¬ 
zuführen,  wie  der  Vagus  aufzusuchen  und  zu  reizen  ist.  Die 
Studierenden  haben  ihre  Beobachtungen  zu  machen  und  proto¬ 
kollarisch  aufzuzeichnen,  und  die  am  Kymographion  gewon¬ 
nenen  Kurven  werden  in  das  Protokollbuch  eingeklebt.  Der¬ 
artige  Uebungen  erfordern  natürlich  eine  sehr  grosse  Zahl  von 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


2390 


Apparaten;  ich  habe  im  physiologischen  Institut  zu  Philadelphia 
gesehen,  dass  jeder  dieser  zahlreichen  kleinen  Gruppen  von 
Studierenden  ein  Schrank  mit  den  gebräuchlichsten  Appa¬ 
raten,  darunter  ein  Schlitteninduktor  und  ein  grosses  Kymo- 
graphion  zur  Verfügung  stand.  Dieses  Institut  hatte  seine 
eigene  mechanische  Werkstätte,  in  welcher  alle  diese  Apparate 
hergestellt  werden.  Ein  Protokollbuch,  das  von  einem  der 
Studierenden  in  den  praktischen  Uebungen  des  Prof.  Lusk 
in  New  York  stammte,  und  das  mir  zur  Durchsicht  überlassen 
worden  war,  liess  deutlich  erkennen,  wie  sehr  die  Studierenden 
durch  diese  praktischen  Uebungen  zum  Denken  und  Beobachten 
angeregt  werden.  Es  ist  wohl  klar,  dass  durch  derartige  eigene 
experimentelle  Tätigkeit  mit  allen  ihren  Fehlern  und  Zufällig¬ 
keiten  ein  viel  besseres  und  fester  haftendes  Bild  von  dem 
physiologischen  Geschehen  erworben  wird,  als  wenn  der  Stu¬ 
dent  nur  rezeptiv  in  der  Vorlesung  von  den  Experimenten  hört 
und  die  Kurven  an  der  Tafel  sieht. 

Dieselbe  Bevorzugung  des  Tierexperiments  finden  wir 
auch  im  Unterricht  der  Pathologie,  der  Pharmakologie  und 
selbst  der  Chirurgie. 

Hier  muss  zunächst  betont  werden,  dass  der  Begriff  der 
Pathologie  etwas  anders  aufgefasst  wird  als  bei  uns.  An  den 
deutschen  Universitäten  wird  in  den  pathologischen  Instituten 
hauptsächlich  die  pathologische  Anatomie  und  Histologie  ge¬ 
lehrt;  in  Amerika  wird  grösseres  Gewicht  auf  die  allgemeine 
Pathologie  und  besonders  die  experimentelle  Pathologie  gelegt. 
Daran  mag  bis  zu  einem  gewissen  Grade  der  Umstand  Schuld 
sein,  dass  in  manchen  Staaten  der  Union  die  Erlaubnis  zur  Aus¬ 
führung  einer  Sektion  auch  in  den  Hospitälern  nur  mit  grosser 
Schwierigkeit  zu  erlangen  ist,  und  dass  dementsprechend  die 
Gelegenheit  einer  Leichenöffnung  relativ  selten  gegeben  ist. 
Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  eine  stärkere  Betonung  der 
experimentellen  Pathologie,  etwa  im  Sinne  von  C  o  h  n  h  e  i  m, 
Basch  und  H.  E.  H  e  r  i  n  g  grosse  Vorzüge  für  den  Unterricht 
hat.  An  dem  pathologischen  Institut  in  Baltimore,  welches 
unter  der  Leitung  von  Welch  steht,  hat  M  a  c  C  a  1 1  u  m 
diesen  Unterricht  in  der  experimentellen  Pathologie  ausgebildet. 
Er  zeigt  den  Studierenden  am  eröffneten  Thorax  des  Hundes 
die  Folgen  einer  Herzkompression  durch  Flüssigkeitsansamm¬ 
lung  im  Herzbeutel,  und  ihre  Wirkung  auf  Blutdruck  in  Venen 
und  Arterien.  Die  einzelnen  Klappenfehler  werden  demon¬ 
striert,  indem  mit  schneidenden  Hacken  die  Klappen  durch¬ 
schnitten  oder  indem  die  Ostien  durch  Fadenumschnürung  ver¬ 
engt  werden;  auch  bei  diesen  Klappenfehlern  werden  die  Folge¬ 
erscheinungen  durch  Registrierung  des  arteriellen  und  venösen 
Blutdruckes  illustriert.  Ich  konnte  einem  Versuch  beiwohnen, 
in  welchem  am  blossgelegten  Herzen  eines  Hundes  eine  Mitral¬ 
klappeninsuffizienz  angelegt  wurde,  und  war  überrascht  zu 
sehen,  wie  augenfällig  alsbald  die  Erweiterung  beider  Ventrikel 
und  des  linken  Vorhofs  sich  ausprägte,  und  wie  deutlich  das 
systolische  Geräusch  über  dem  Vorhof  zu  hören  war.  Auch 
sah  ich  die  Abklemmung  des  H  i  s  sehen  Ueberleitungsbündels 
mittels  der  von  Erlanger  angegebenen  Klemme;  es  liess 
sich  in  deutlichster  Weise  verfolgen,  wie  zuerst  Ueberleitungs- 
störungen  zwischen  Vorhof  und  Ventrikel  im  Rhythmus  von 
2:1,  3:1,  4:1  auftraten  bis  dann  nach  starkem  Anziehen  der 
Klemmschraube  ein  kurzer  Ventrikelstillstand  und  dann  eine 
völlige  Dissoziation  zwischen  Vorhof  und  Ventrikelbewegung 
mit  starker  Verlangsamung  der  letzteren  eintrat.  Auch  die 
Pathologie  anderer  Organe  wird  in  Experimenten  den  Stu¬ 
dierenden  gezeigt  und  von  diesen  selbst  ausgeführt,  so  die 
Lehre  von  den  Embolien  und  Thrombosen,  die  Pathologie  des 
Nervensystems,  des  Verdauungstraktus,  der  Leber  und  anderes 
mehr. 

Im  pharmakologischen  Institut  werden  von  den  Studieren¬ 
den  an  Hunden,  Katzen  und  anderen  Tieren  Experimente  aus¬ 
geführt,  um  die  Wirkung  der  Gifte  und  Arzneimittel  zu  stu¬ 
dieren.  In  dem  pharmakologischen  Kursus  des  Professors 
W  allace  in  New\ork,  dem  ich  beiwohnen  konnte,  waren 
etwa  40  Studierende  beschäftigt,  welche  in  Gruppen  zu  je  vier 
Mann  eingeteilt  waren.  Jede  dieser  Gruppen  hatte  einen  Hund 
zur  Verfügung,  der  aufgespannt  und  narkotisiert  wurde.  Einige 
dieser  Gruppen  studierten  die  Wirkung  der  Digitalis,  der 
Nitrite,  des  Atropins  und  anderer  Medikamente  auf  die  Herz¬ 
tätigkeit  und  den  Blutdruck,  andere  Gruppen  beobachteten  am 


eröffneten  Abdomen  den  Einfluss  von  Barium,  Strychnin, 
Physostigmin  und  Atropin  auf  die  Blutfülle  und  die  Bewegung 
der  Eingeweide.  Die  Studierenden  wurden  angehalten  über 
ihre  Beobachtungen  sorgfältig  Protokoll  zu  führen  und  diesem 
die  gewonnenen  Kurven  beizulegen.  In  einer  anderen  Kurs¬ 
stunde  wurde  die  Wirkung  des  Tatanustoxins  und  Antitoxins 
studiert. 

Wie  viel  fester  müssen  sich  diese  selbstgemachten  Beob¬ 
achtungen  dem  Gedächtnis  einprägen,  wie  sehr  müssen  sie  ge¬ 
eignet  sein,  klare  Begriffe  über  die  Wirkung  der  Arzneimittel 
zu  schaffen!  Der  Vortrag  und  auch  die  Demonstration  eines 
Versuches  durch  den  Lehrer  vermag  dies  nicht  in  gleichem 
Masse.  '■ 

Ein  neues  Gebiet  ist  das  der  experimentellen  Chirurgie, 
das  u.  a.  von  Cushing  in  Baltimore  betrieben  wird:  Die 
Studierenden  lernen  am  Tier  den  Wundverlauf  beurteilen,  sie 
üben  sich  in  aseptischen  Operationen,  und  zwar  nicht  nur  der 
Extremitäten,  sondern  auch  an  Magen  und  Darm,  den  Gallen¬ 
wegen,  den  Lungen  und  dem  Gehirn,  wobei  Gelegenheit  zu 
elektrischen  Reizungen  des  Gehirns  und  zum  Studium  der  Hirn¬ 
pathologie  gegeben  ist. 

Warum  scheuen  wir  uns  in  Deutschland  so  sehr,  das  Tier¬ 
experiment  zum  Unterricht  heranzuziehen?  Sollte  diese  Scheu 
wirklich  nur  eine  Folge  der  antivivisektionistischen  Agitation 
sein,  und  sollen  wir  uns  auch  weiter  durch  die  übertriebenen 
und  oft  geradezu  verlogenen  Aeusserungen  von  Leuten,  welche 
von  den  Leistungen  und  den  Bedürfnissen  der  Medizin  keine 
Vorstellung  haben,  abhalten  lassen,  das  zu  tun,  was  wir  für 
richtig  halten?  Ein  Naturforscher,  dem  es  ernstlich  darum 
zu  tun  ist,  die  Wahrheit  zu  erkennen,  wird  sich  niemals  von  der 
öffentlichen  Meinung  in  seinem  Handeln  beeinflussen  lassen. 
Er  wird  nur  sein  eigenes  Gewissen  über  die  Zulässigkeit  der 
Forschungsmethoden  befragen.  Wie  wenig  die  antivivisektio- 
nistische  Agitation  und  selbst  die  Einführung  gesetzlicher 
Schwierigkeiten  der  Ausführung  des  Tierversuchs  zu  For¬ 
schungszwecken  Eintrag  tun  kann,  geht  unter  anderem  daraus 
hervor,  dass  in  England  das  Tierexperiment  besonders  ge¬ 
pflegt  wird,  obwohl  es  gerade  dort  gesetzlich  nach  Kräften  ein¬ 
geschränkt  ist.  Wer  sich  heutzutage  in  der  Kunst  des  Tier¬ 
experiments  ausbilden  will,  wird  am  besten  tun,  die  englischen 
physiologischen  Institute  aufzusuchen.  Doch  hier  ist  nicht  die 
längst  entschiedene  Frage  zu  besprechen,  ob  das  Tierexperi¬ 
ment  für  Forschungszwecke  unentbehrlich  ist,  sondern  vielmehr 
diejenige,  ob  wir  es  im  praktischen  Unterricht  der  Physiologie, 
Pathologie  und  Pharmakologie  mehr  als  bisher  heranziehen 
sollen,  und  ob  die  Studenten  bei  den  einfacheren  Tierver¬ 
suchen  selbst  Hand  anlegen  dürfen.  Ich  möchte  die  Frage 
entschieden  bejahen,  und  ich  verspreche  mir  von  der  Uebung 
des  Tierexperiments  ein  besseres  Verständnis  für  viele  krank¬ 
hafte  Vorgänge.  Ist  es  nicht  ein  Unding,  dass  sich  in  Deutsch¬ 
land  viele  Aerzte  Spezialisten  für  Herzkrankheiten  oder  für 
Magen-  und  Darmkrankheiten  nennen,  welche  niemals  ein 
schlagendes  Herz  gesehen  oder  die  Bewegungen  des  Darms 
unter  der  Einwirkung  der  gebräuchlichen  Arzneimittel  beob¬ 
achtet  haben?  Die  Antivisektionisten  sagen,  das  Tierexperi¬ 
ment  verrohe  den  angehenden  Arzt;  das  Gegenteil  ist  richtig,  es 
schafft  Verständnis  und  vertieft  den  Respekt  für  das  Geheimnis 
des  Lebens. 

(Schluss  folgt.) 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

P.  v.  Baumgarten  und  F.  T  a  n  g  1:  Jahresbericht  über 
die  Fortschritte  in  der  Lehre  von  den  pathogenen  Mikro¬ 
organismen,  umfassend  Bakterien,  Pilze  und  Protozoen. 

Leipzig.  Verlag  von  S.  H  i  r  z  e  1.  19.  Jahrgang  1903,  1220  S., 
36  Mk.,  20.  Jahrgang  1904,  1106  S.,  32  Mk. 

Für  die  vorliegenden  neuen  Bände  der  Baumgarte  ri¬ 
schen  Jahresberichte  gilt  dasselbe,  was  in  den  früheren  Be¬ 
sprechungen  bemerkt  wurde;  sie  sind  nach  wie  vor  für  jeden, 
der  sich  mit  Bakteriologie  beschäftigt,  durch  die  Uebersichtlich- 
ktit  und  Reichhaltigkeit  ihres  Inhalts  ein  unentbehrliches  Nach- 
schlagewerk  geworden.  Das  Ziel,  das  sie  erstreben,  eine 
möglichst  w  ohlgeordnete  Sammlung  von  zuverlässigen  Re- 
ie raten  über  die  einschlägige  Literatur  zu  bieten,  erreichen  sie 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2391 


in  kaum  zu  übertreffender  Weise.  —  Eine  sehr  zweckmässige 
Aenderung  in  der  Anordnung  des  Stoffes  liegt  darin,  dass  die 
Redaktion,  um  der  stetig  zunehmenden  Ausdehnung  der  Materie 
enlgegenzuarbeiten,  darauf  verzichtet  hat,  blosse  Titel  im 
Literaturverzeichnis,  dessen  zugehörige  Arbeiten  nicht  referiert 
werden  konnten,  anzuführen;  so  ist  es  gelungen,  trotz  der 
wesentlichen  Vermehrung  der  Referate  den  Umfang  des 
Werkes  nicht  noch  weiter  zu  vergrössern. 

Grösste  Anerkennung  verdient  auch  das  rasche  Erscheinen 
der  Berichte.  So  liegt  der  Bericht  über  1904  bereits  seit 
November  1906  vor,  was  die  Bewältigung  einer  Riesenarbeit 
in  kurzer  Zeit  bedeutet,  wenn  man  bedenkt,  dass  z.  B.  der  Be¬ 
richt  über  1904  3469  Einzelarbeiten  grösstenteils  ausführlich 
referiert.  Oberndorfer  -  München. 

Adolph  Strümpell:  Lehrbuch  der  speziellen  Patho¬ 
logie  und  Therapie  der  inneren  Krankheiten.  2  Bände.  XVI., 
neu  bearbeitete  Auflage.  Verlag  von  F.  C.  W.  Vogel  in 
Leipzig.  Preis  20  M. 

Das  weltbekannte,  nunmehr  in  8  Sprachen  übersetzte 
Werk,  das  vielen  Generationen  von  Aerzten  eine  treffliche  und 
aufrichtig  geschätzte  Einführerin  in  das  weit  spezialisierte  Ge¬ 
biet  der  inneren  Medizin  geworden  ist,  erscheint  nunmehr  in 
der  16.  Auflage  in  veränderter  Gestalt  und  nach  den  mannig¬ 
fachsten  Richtungen  hin  erweitert  und  neu  bearbeitet.  Die 
scharfe  Konkurrenz  vor  allem  des  M  e  r  i  n  g  sehen  Sammel¬ 
werks  hat  eine  (äusserliche)  Beschränkung  auf  nur  2  Bände 
und  eine  sehr  dankenswerte  Herabsetzung  des  Preises  auf 
20  Mark  veranlasst. 

Der  grossen,  von  Jahr  zu  Jahr  wachsenden  Schwierigkeit, 
die  die  Beherrschung  und  Darstellung  des  weitverzweigten 
Gebietes  für  einen  Einzelnen  in  sich  birgt,  ist  sich  Verf. 
sehr  wohl  bewusst;  das  treffliche,  allen  in  seiner  weisen  Be¬ 
scheidenheit  vorbildliche  Vorwort  gibt  davon  Zeugnis.  Ge¬ 
wiss  wird  mancher  Leser,  dessen  Arbeitsgebiet  und  Interesse 
auf  einem  dem  Verf.  etwas  ferner  liegenden  Kapitel  liegt,  so 
manche  neuere  Spezialforschungsergebnisse  vermissen,  die 
ihm  wichtig  und  gesichert  dünken,  die  aber  der  gereiften 
Skepsis  und  Kritik  des  erfahrenen  Arztes  und  Pathologen  doch 
noch  nicht  als  Lehrgegenstand  für  den  angehenden  Praktiker 
als  geeignet  und  notwendig  erscheinen.  Das  gilt  z.  B.  auf  dem 
Gebiet  der  Herzkrankheiten  von  den  scharf  differenzierten 
Herzleiden,  auf  dem  Gebiet  der  Infektionskrankheiten  von  der 
Symptomatologie  der  obliterierenden  Perikarditis  (Fehlen  des 
Symptoms  der  diastolischen  Verschleuderung,  der  Kardiolyse- 
therapie  Brauer  s),  von  der  für  den  Praktiker  vielleicht  nicht 
scharf  genug  fixierten  Indikationstellung  für  CCL-Bäder  bei 
Herzleiden,  auf  dem  Gebiet  der  Infektionskrankheiten  von  der 
—  auch  für  den  Praktiker  —  allzu  knappen  Darstellung  des 
Paratyphus  und  anderem  mehr. 

Was  wollen  aber  solche  kleinen  Ausstellungen  besagen 
gegenüber  dem  grossen  Vorzug  der  Einheitlichkeit  in  der  Be¬ 
trachtungsweise  und  Darstellung!  Diese  Einheitlichkeit,  die 
durch  die  grosse  Erfahrung  und  berechtigte  Kritik  vor  der  Ge¬ 
fahr  der  Einseitigkeit  bewahrt  wird,  ist  sicher  ein  höchst  frucht¬ 
bares  didaktisches  Prinzip  und  durch  Sammellehrbücher 
einstweilen  noch  nicht  zu  erreichen.  Welcher  Form  des 
Lehrbuchs  die  Zukunft  gehören  wird,  muss  und  wird  sich  bald 
genug  entscheiden. 

Jedenfalls  ist  der  „neue  Strümpell“  nach  wie  vor  ein 
Werk,  auf  das  die  deutsche  Medizin  stolz  sein  kann,  das  viel¬ 
leicht  manche  in  den  engeren  Geleisen  der  Spezialforschung 
wandelnden  Jüngern  zeitweise  nicht  in  allem  befriedigt,  auf  das 
aber  der  angehende  und  der  schon  tätige  Arzt  —  für  ihn  ist  es 
vor  allem  geschrieben  —  stets  mit  der  alten  Freude  und  festem 
Zutrauen  zurückkommen  wird. 

Hans  Cursch  mann  -  Mainz. 

H.  Tillmanns:  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chirurgie. 

Verlag  von  Veit  &.  Co.,  Leipzig.  10.  Aufl.,  1907.  840  S. 

Preis  20  Mk. 

T  i  1 1  m  a  n  n  s  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chirurgie  liegt  in 
neuer  Auflage  vor,  die  durch  Berücksichtigung  der  neuesten 
Forschungen  und  durch  Beigabe  vieler  neuer  Abbildungen 
wieder  eine  wesentliche  Bereicherung  ihres  Inhalts  erfahren 


hat.  Das  Buch,  das  sich  durch  seine  klare  Darstellung  und 
seine  vorzügliche  Ausstattung  auszeichnet,  kann  Aerzten  und 
Studierenden  auf  das  wärmste  empfohlen  werden. 

v.  A  n  g  e  r  e  r. 

M.  Runge:  Lehrbuch  der  Gynäkologie.  III.  Aufl.  Ver¬ 
lag  von  Julius  Springer,  Berlin  1907.  Preis  10  M. 

Innerhalb  sechs  Jahren  die  dritte  Auflage;  das  zeigt  un¬ 
zweifelhaft,  dass  sich  Runges  Lehrbuch  gut  eingeführt  hat. 
Die  neue  Auflage  bringt  keine  wesentlichen  Veränderungen, 
doch  ist  den  jüngsten  Fortschritten  des  Faches  Rechnung  ge¬ 
tragen.  Das  zeigt  sich  insbesondere  in  der  Ergänzung  der 
Literaturhinweise;  neu  aufgenommen  ist  ein  Absatz  über  ver¬ 
schärfte  Asepsis,  ein  anderer  über  Lumbalanästhesie,  ferner 
ein  Karzinommerkblatt  und  endlich  ein  —  sehr  wichtiger  — 
Amhang  über  Sterilisierung  des  Weibes  durch  Entfernung  der 
Tuben.  Bei  der  Operation  der  Tubargravidität  ist  in  einer 
folgenden  Auflage  der  „vaginalen“  Operation  wohl  noch  etwas 
mehr  Rechnung  zu  tragen,  als  es  gegenüber  der  II.  Auflage 
schon  geschehen  ist  (vergl.  dazu  u.  a.  Vortrag  und  Diskussion 
Orth  mann  in  der  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gyn.,  60.  Bd., 
3.  H.).  Weiterhin  wird  eine  Revison  des  Kapitels  „Endo¬ 
metritis“  im  anatomischen  Teil  in  Frage  kommen.  Die  Ab¬ 
bildungen  des  Buches  haben  mehrfache  Verbesserung  und  Er¬ 
gänzung  erfahren.  Runges  „Gynäkologie“  ist  handlich,  voll¬ 
ständig  und  gediegen  ausgestattet  und  wird  sich  neue  Freunde 
zu  den  alten  erwerben.  Anton  H  e  n  g  g  e  -  München. 

C.  Ducroquet:  Traite  de  Therapeutique  orthopedique. 

Paris,  Jules  Rousset,  1907.  384  Seiten.  Preis  15  Fr. 

Das  Buch  bringt  genaueste  Vorschriften  zur  Herstellung 
der  Gipsverbände  und  der  abnehmbaren  Apparate  zur  Be¬ 
handlung  der  Spondylitis  und  der  Gelenktuberkulosen. 

Die  ausführliche  Beschreibung  ist  durch  zahlreiche  Abbil¬ 
dungen  illustriert. 

Der  Verfasser  geht  von  der  Tatsache  aus,  dass  heute  noch 
viele  Verbände  und  Bandagen  hergestellt  werden,  die  ihren 
Zweck  absolut  nicht  erfüllen.  Die  Ursache  sieht  der  Verfasser 
darin,  dass  die  Aerzte  von  der  Technik  zu  wenig  verstehen 
und  bei  der  Anfertigung  von  Apparaten  den  Bandagisten  zu 
selbständig  arbeiten  lassen.  An  diesem  wunden  Punkt  setzt  das 
Buch  von  Ducroquet  ein.  Der  Verfasser  sucht  der  Ban¬ 
dagentechnik  eine  anatomische  und  physiologische  Grundlage 
zu  geben,  er  zeigt,  an  welchen  Knochenpunkten  ein  Verband 
oder  ein  Apparat  seinen  Halt  gewinnt,  wie  die  Gelenkachse 
eines  Apparates  konstruiert  sein  muss,  um  die  physiologischen 
Gelenkbewegungen  zu  erlauben,  kurz,  er  zeigt,  dass  und  wie 
der  Arzt  bei  der  orthopädischen  Technik  denken  muss. 

Dieses  lobenswerte  Streben  des  Verfassers  hat  eine  vor¬ 
treffliche  Ausführung  erfahren.  Das  Buch  ist  auch  den 
deutschen  Lesern  warm  zu  empfehlen. 

F.  Lange-  München. 

Spielnachmittage  von  Hofrat  Professor  H.  R  a  y  d  t, 

Studiendirektor  der  Handelshochschule  zu  Leipzig,  Geschäfts¬ 
führer  des  Zentralausschusses  zur  Förderung  der  Volks-  und 
Jugendspiele  in  Deutschland.  2.  stark  vermehrte  Auflage.  1907. 
Leipzig  und  Berlin.  Druck  und  Verlag  von  G.  B.  Teubfie  r. 
Preis  Mk.  2.  139  Seiten. 

Dem  besten  Förderer  der  Volks-  und  Jugendspiele  in 
Deutschland,  dem  Abgeordneten  von  Schenckendorff 
ist  die  vorliegende  2.  Auflage  der  bekannten  vortrefflichen 
Schrift  gewidmet.  Dieselbe  erörtert  den  Wert  der  Leibes¬ 
übungen  im  allgemeinen,  jenen  des  Jugendspieles  in  gesund¬ 
heitlicher  und  erzieherischer  Richtung,  fordert  die  Einführung 
eines  allgemein  verbindlichen  Spielnachmittages  für  alle 
Schulen,  bespricht  die  Frage  der  Spielplätze  und  Spielaufsicht 
und  gibt  eine  Kritik  der  dieser  Einrichtung  entgegenstehenden 
Schwierigkeiten.  In  Braunschweig  und  Württemberg,  auch  an 
anderen  Orten  sind  obligatorische  Spielnachmittage  bereits  ein¬ 
geführt.  Wir  empfehlen  die  Schrift  speziell  für  die  Zwecke  der 
Propaganda,  gerade  auch  den  Hausärzten. 

Grassmann  -  München. 


2392 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.. 


No.  48. 


Neueste  Journalliteratur. 

Deutsches  Archiv  für  klinische  Medizin,  ßd.  91.  5.  u.  6.  Heft. 

19)  K-  S  c  h  1  e  i  p:  Ueber  Ringkörper  im  Blute  Anämischer.  (Aus 
der  med.  Klinik  zu  Freiburg  i.  Br.)  (Mit  Tafel  V.) 

Bei  schweren  Anämien  (perniziöse  Anämie,  akute  Leukämie, 
Pseudoleuikämie,  sekundäre  Anämie,  chronische  Bleivergiftung)  ent¬ 
halten  die  Erythrozyten  eigentümliche  Innenkörper  in  Form  kleiner, 
sehr  fein  gezeichneter  Ringe,  die  manchmal  Schleifen-  oder  bizarre 
Formen  zeigen.  Einzelne  Erythrozyten  enthalten  2 — 3  sehr  kleine 
Ringe,  hie  und  da  findet  sich  auch  ein  im  Plasma  frei  liegender  Ring. 
Diese  Ringkörper  sind  Produkte  einer  wahrscheinlich  abnorm  ge¬ 
steigerten  Neubildung  und  Weiterentwicklung  von  Erythroblasten  und 
stellen  jedenfalls  den  widerstandsfähigsten  Teil  des  Kernes  oder  der 
einzelnen  Kernteile  dar,  vielleicht  die  Rernmembran.  Diese  Be¬ 
obachtung  spricht  dafür,  dass  die  Entkernung  der  Normoblasten 
durch  Zerfall  des  Kerns  in  mehrere  gröbere  Partikel  erfolgt  und  nicht 
durch  Kernausstossnng. 

20)  Wiens:  Untersuchungen  über  die  Beeinflussung  des  pro¬ 
teolytischen  Leukozytenferments  durch  das  „Antiferment“  des  Blutes. 

(Aus  der  med.  Klinik  in  Breslau.)  (Mit  10  Kurven.) 

Bei  septischen  Erkrankungen  scheint  eine  Herabsetzung  des 
Hemmungstiters  und  eine  Vermehrung  des  proteolytischen  Ferments 
im  Blute  die  Regel  zu  .sein.  Als  Ursache  hierfür  sind  gesteigerte  Pro¬ 
zesse  leukozytärer  Natur  anzusehen,  die  zu  einem  vermehrten  Leuko¬ 
zytenzerfall  im  Organismus  führen.  Bei  den  tuberkulösen  Erkran¬ 
kungen  besteht  eine  Erhöhung  des  Hemmungstiters,  da  hier  die 
Lymphozyten  im  Vordergründe  stehen,  denen  eine  proteolytische  Fer- 
mentwirtkung  nicht  zukommt.  Bei  anderen  Erkrankungen,  z.  B. 
Anämien,  Blutungen,  malignen  Tumoren  etc.  fand  sich  der  Hemmungs¬ 
titer  im  allgemeinen  normal,  gelegentlich  sogar  vermindert. 

21)  O.  Hornung:  Ueber  atypische,  tachykardische  Paroxys- 
men.  (Aus  der  Kuranstalt  für  Herz-,  Nerven-  und  innere  Leiden, 
Schloss  Marbach  am  Bodensee.)  (Mit  16  Kurven.) 

Das  Auftreten  der  Tachykardie  war  in  den  beobachteten  3  Fällen 
wohl  dadurch  bedingt,  dass  reflektorische  Vorgänge  eine  Aenderung 
der  Zirkulation  in  bestimmten  arteriosklerotischen  Gefässgebieten  des 
Zentralnervensystems  hervorriefen,  eine  Störung,  die  dann  unmittel¬ 
bar  den  Anfall  auslöst,  sei  es  durch  verminderten  arteriellen  Zufluss 
oder  venöse  Stauung,  Anhäufung  von  Verbrauchsprodukten  der 
Organzellen  oder  sonstwie.  Wenn  dieser  tachykardische  Paroxysmus 
atypisch  verläuft,  so  dürfte  wohl  ein  Missverhältnis  zwischen  der 
für  normale  Leistungen  eben  noch  ausreichenden  Herzkraft  und  der 
nun  plötzlich  gesteigerten  Herztätigkeit  verantwortlich  zu  machen 
sein.  Ob  eine  Störung  der  Erregbarkeit  oder  Reizleitung  oder  der 
Kontraktilität  vorliegt  oder  ob  diese  3  Eigenschaften  des  Myokard  ge¬ 
litten  haben,  ob  die  Arrhythmien  in  den  Vorhöfen  oder  Ventrikeln 
entstehen,  war  nicht  festzustellen.  Veronal  coupierte  den  einen  Fall 
meist,  aber  nicht  immer.  Die  Wiederkehr  der  Anfälle  liess  sich  weder 
durch  Jod  noch  durch  Digitalis  vierhindern;  Digalen  brachte  sub¬ 
jektive  Erleichterung. 

22)  C.  Hoepffner:  Das  Sekundenvolumen  des  Herzens  bei 
gesunden  und  kranken  Menschen.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Strass¬ 
burg.) 

Bei  Herzgesunden  bewegt  sich  die  Amplitüde  zwischen  30  und 
70.  Die  Durchschnittszahl  der  Untersuchten  für  die  Amplitüde  ist  54. 
Aenderungen  der  Amplitüdengrösse  sind  fast  immer  auf  das  Steigen 
des  Maximums,  nur  selten  auf  das  Sinken  des  Minimums  zurück¬ 
zuführen.  Das  Amplitüdenfrequenzprodukt  schwankt  sehr  gering,  ob¬ 
wohl  beide  Werte  fortwährend  kleinen  Schwankungen  unterworfen 
sind;  den  Hauptanteil  daran  hat  die  Pulsfrequenz,  die  bedeutendere 
Schwankungen  aufweist.  Das  Einnehmen  der  Mahlzeit  steigert  das 
Amplitüdenfrequenzprodukt,  woran  beide  Werte  beteiligt  sind.  Bei 
fiebernden  Kranken  mit  normalem  Herzen  ist  die  Amplitüde  noch  kon¬ 
stanter  als  beim  Gesunden  und  bewegt  sich  meist  zwischen  40  und 
60.  Temperaturschwankungen  haben  auf  Amplitüde  und  Amplitüden- 
frequenzprodu'kt  keinen  regelmässigen  Einfluss.  Beim  Fiebernden 
hat  das  Bad  keinen  regelmässigen  Einfluss  auf  Pulsfrequenz  und 
Amplitüde.  Bei  Aenderungen  der  Weitbarkeit  der  Gefässe  ist  das 
Amplitüdenfrequenzprodukt  kein  Mass  für  die  Herzarbeit  mehr.  Im 
Kollaps  verkleinert  sich  die  Weitbarkeit,  das  Amplitüdenfrequenz¬ 
produkt  nimmt  zu. 

23)  J.  Grober:  Untersuchungen  zur  Arbeitshypertrophie  des 
Herzens.  (Aus  der  med.  Universitätsklinik  in  Jena.) 

Vergleicht  man  das  proportionale  Herzgewicht  muskeltätiger  und 
muskelruhiger  Tiere  der  gleichen  oder  nahestehender  Arten  mitein¬ 
ander,  so  findet  man,  dass  bei  den  ersteren  das  Herz  viel  grösser  ist 
als  bei  den  letzteren.  Da  die  Arten  miteinander  in  philogcnetischer 
Verbindung  stehen  (Stallkaninchen,  wilde  Kaninchen,  Hasen),  so  kann 
man  annehmen,  dass  sich  das  grössere  Herz  aus  dem  kleineren  und 
umgekehrt  entwickelt  habe  infolge  der  Veränderung  der  Musikel- 
tätigkeit.  An  dieser  Hypertrophie  des  Herzens  nehmen  im  wesent¬ 
lichen  der  linke  und  der  rechte  Ventrikel  teil;  unerwarteter  Weise 
der  letztere  stärker  als  der  erstere.  Diese  erheblichere  Hypertrophie 
der  rechten  Kammer  kann  auf  die  Druckverhältnisse  in  den  Lungen 
zurückgeführt  werden. 

24)  O.  Müller  und  K.  Blauel:  Zur  Kritik  des  Riva- 
R  o  c  c  i  sehen  und  Gärtner  sehen  Sphygmomanometers.  Unter¬ 


suchungen  bei  Amputationen.  (Aus  der  med.  und  Chirurg.  Klinik  zu 
Tübingen.)  (Mit  14  Kurven.) 

Es  gibt  bisher  keine  Methode  zur  unblutigen  Druckmessung 
beim  Menschen,  die  absolute  Werte  misst.  Die  relativ  genauesten 
Werte  für  den  systolischen  Druck  gibt  die  v.  Recklinghausen- 
sche  Modifikation  des  R  i  v  a  -  R  o  c  c  i  sehen  Apparates;  grössere 
Fehler  bedingt  das  Gärtner  sehe  Tonometer  auch  bei  Verwendung 
einer  breiten  Manschette;  doch  überschreiten  die  Fehler  dieser  bei¬ 
den  Methoden  nicht  den  Wert  von  20  Proz.  Die  Grösse  der  Fehler, 
welche  den  Blutdrucikapparaten  anhaften,  steht  in  direktem  Verhält¬ 
nis  zur  Breite  der  Binde,  ist  aber  auch  von  der  Stärke  der  Weich¬ 
teile  bei  gleich  breiter  Binde  abhängig.  Weit  grössere  Fehler  wer¬ 
den  bei  der  palpatorischen  Feststellung  des  diastolischen  Druckes 
gemacht;  die  diesbezüglichen  Methoden  (Sahli-Bingel, 
Strasburger)  sind  deshalb  ganz  unexakt.  In  den  grossen' 
Arterien  ist  das  Druckgefälle  beim  Menschen  gering;  unterhalb  der 
Radialis  bis  zu  den  Fingerarterien  wird  es  sehr  beträchtlich  und 
rasch.  Bei  der  Lösung  der  Frage  nach  der  Zuverlässigkeit  ver¬ 
schiedener  Blutdruckapparate  kann  nur  tastende  Empirie  zum  Ziele 
führen. 

25)  Tie  de  mann  und  H.  P.  Lund:  Klinische  Beobachtungen 
über  den  Einfluss  von  Kohlensäurebädern  und  gymnastischen 
Uebungen  auf  Herzkranke.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Strassburg.) 

Der  Wert  der  Behandlung  von  Kranken  mit  leichter  Herzinsuf¬ 
fizienz  mit  Kohlensäurebädern  —  bei  schwerer  Herzschwäche  sind 
diese  Bäder  kontraindiziert  —  liegt  anscheinend  vorwiegend  in  einer 
während  der  Behandlung  bestehenden  Aenderung  des  Kreislaufes 
(Steigerung  des  Blutdruckes  mit  Vermehrung  des  Sekundenvolumens 
und  Nachlass  des  Gefässtonus),  die  zu  einer  Besserung  des  sub¬ 
jektiven  Befindens  führt.  Die  Bäder  wurden  fast  ausnahmslos  gut 
vertragen;  bei  leichterer  Insuffizienz  kann  man  von  der  Badekur 
eine  nachhaltige  Besserung  erwarten.  Ob  in  den  Fällen,  in  denen 
neben  der  Badekur  noch  Digitalis  gegeben  werden  muss,  ein  besseres 
Resultat,  insbesondere  ein  Dauerresultat  zu  erwarten  ist,  erscheint 
fraglich. 

Die  günstige  Wirkung  der  manuellen  Heilgymnastik  scheint  in 
einer  Abnahme  des  pathologisch  erhöhten  Gefässtonus  und  einer 
hiedurch  bedingten  Besserung  der  Zirkulation  zu  bestehen.  Die  Herz¬ 
kraft  wird  durch  Beseitigung  der  Widerstände  im  arteriellen  Ge¬ 
fäßsystem  geschont.  Hiezu  kommt  dann  bei  den  Widerstandsbe¬ 
wegungen  eine  Uebung  des  Herzens  bezw.  eine  Wiedergewöhnung  an 
vermehrte  Tätigkeit.  Arteriosklerose  und  pathologisch  erhöhter  Blut¬ 
druck  bieten  bei  leichter  Herzinsuffizienz  keine  Kontraindikation  gegen 
schwedische  Gymnastik.  Natürlich  darf  die  Behandlung  keine  stär¬ 
keren  Anforderungen  an  die  Herzkraft  stellen,  sondern  die  Besserung 
der  Kreislaufstörung  muss  durch  Erleichterung  der  Herzarbeit  an¬ 
gestrebt  werden.  Das  scheint  durch  Massage,  passive  Bewegungen 
und  Atemübungen  erreicht  zu  werden. 

26)  F.  Port  und  O.  Schütz:  Zur  Kenntnis  des  Chloroms. 
(Aus  dem  pathologisch-hygienischen  Institut  und  der  inneren  Ab¬ 
teilung  des  Stadtkrankenhauses  zu  Chemnitz.) 

Krankengeschichte  und  Autopsiebefund.  Es  dürfte  sich  emp¬ 
fehlen,  den  Begriff  „Chlorom“  fallen  zu  lassen  und  die  betreffenden 
Veränderungen  mit  dem  Adjektiv  „chlorotisch“  zu  belegen;  der  vor¬ 
liegende  Fall  wäre  dann  als  „chlorotische“  akute  myeloide  Leukämie 
zu  bezeichnen. 

27)  W.  Weyrauch:  Ueber  einen  Fall  von  Spontanruptur  der 
Aorta.  (Aus  der  inneren  Abteilung  der  städtischen  Krankenanstalten 
zu  Elberfeld.) 

Interessante  kasuistische  Mitteilung. 

28)  E.  Gr  a  witz:  Die  Wasserbilanz  des  Blutes.  Bemerkungen 
zu  dem  gleichnamigen  Artikel  von  A.  P  1  e  h  n  auf  pag.  1,  Bd.  91  dieses 
Archivs. 

Prioritätsangelegenheiten  und  Polemik. 

29)  Besprechungen.  Bamberger  -  Kronach. 

Archiv  für  klinische  Chirurgie.  84.  Band,  1.  Heft.  Berlin 
Hirschwald,  1907. 

Arbeiten  aus  der  k.  k.  I.  chirurgischen  Klinik  in  Wien. 

1)  v.  Haberer:  Ueber  Versuche,  frisches  Nierengewebe  zu 
transplantieren. 

Vortrag  auf  dem  36.  Chirurgenkongress.  Referat  s.  pag.  1011 
dieser  Wochenschrift. 

2)  Leischner:  Erfahrungen  über  Rhinoplastik. 

L.  berichtet  über  29  von  v.  Eiseisberg  ausgeführte  partielle 
und  totale  Rhinoplastiken.  Die  Plastik  aus  der  Stirnhaut  kam  9  mal 
zur  Verwendung,  darunter  2  mal  zum  totalen  Ersatz  der  Nase  und 
4  mal  zur  Korrektur  der  Sattelnase.  Der  Ersatz  des  knöchernen 
Nasengerüstes  wurde  dabei  meist  durch  Bildung  eines  Hautperiost¬ 
knochenlappens  erzielt,  einmal  kam  eine  Tibiaspange  zur  Verwendung, 
die  aber  nekrotisch  wurde.  Bei  6  totalen  und  7  partiellen  Plastiken 
kam  die  italienische  Methode  zur  Verwendung:  das  Material  —  Haut¬ 
periostknochenlappen  —  wurde  meist  der  Ulnarseite  des  Vorderarms 
entnommen,  in  einigen  Fällen  wurde  ein  Wanderlappen  aus  der  Brust¬ 
haut,  der  erst  auf  den  Arm  verpflanzt  wurde,  gebildet;  auch  Periost¬ 
knochenlappen  aus  der  Tibia  wurden  mehrmals  in  die  lappenbildende 
Brusthaut  eingepflanzt.  Die  Resultate  waren  dabei  im  allgemeinen 
recht  gute,  nur  wurden  mehrmals  hartnäckige  Paiesen  am  Arme  be¬ 
obachtet.  Als  besonders  wichtig  für  ein  gutes  Resultat  erwies  es  sich. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2393 


den  Lappen  längere  Zeit  am  Mutterboden  zu  belassen  und  womöglich 
schon  hier  durch  Aufstellen  des  freien  Endes  zu  präformieren.  Ein 
Versuch  der  Nasenbildung  durch  direktes  Uebertragen  eines  Haut- 
periostknochenlappens  von  der  Patella  misslang  und  führte  zu  lang- 
dauernder  Parese  des  Beines.  ,  ,  . 

Die  freie  Ueberpflanzung  eines  Stückes  der  Ohrmuschel  bei 
Nasenflügeldefekten  wurde  3  mal  ausgeführt,  gelang  aber  nur  1  mal. 
Eine  Ueberpflanzung  des  Endgliedes  des  kleinen  Fingers  zur  Deckung 
eines  Septumdefektes  gelang,  führte  aber  nur  zu  massig  gutem  Re¬ 
sultat  Einmal  machte  E.  auch  den  Versuch,  die  überzählige  Zehe 
einer  anderen  Patientin  als  Wanderplastik  auf  den  Arm  einer  Kran¬ 
ken  mit  Septumdefekt  zu  verpflanzen,  doch  wurde  die  Zehe  gan¬ 
gränös.  Im  allgemeinen  ist  bei  solchen  komplizierten  Plastiken  das 
Risiko  grösser  als  der  Gewinn. 

L.  schliesst  aus  den  geschilderten  Erfahrungen,  dass  die  italie¬ 
nische  Methode  bei  etwas  schwierigerer  Technik  und  längerer 
Dauer  doch  auf  die  gleiche  Stufe  der  Leistungsfähigkeit  gebracht  wer¬ 
den  kann,  wie  die  indische  Methode.  Als  misslicher  Umstand  beider 
Verfahren  stehen  „nicht  immer  zu  vermeidende,  doch  meist  reparable 
Funktionsstörungen  einer  Extremität“  und  „bleibende  Narben  an  der 
Stirn“  einander  gegenüber. 

3)  C  1  a  i  r-m  o  nt:  Diagnose  und  Therapie  des  Basalzellenkrebses. 

CI.  beschreibt  19  Fälle  der  Erkrankung  unter  ausführlicher  Schil¬ 
derung  des  klinischen  und  histologischen  Befundes;  eine  grosse  Reihe 
von  guten  Abbildungen  illustrieren  das  Material. 

Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlüssen:  Die  Karzinome  der  Haut 
wenden  am  besten  nach  dem  histogenetischen  Prinzip  unterschieden 
in  Basalzellenkrebse  (nicht  verhornende),  Plattenepithel, krebse  (ver¬ 
hornende)  und  Uebergangsfonmen.  Die  Herkunft  der  Basalzellen¬ 
krebse  ist  nicht  'beschränkt  auf  die  in  der  Kontinuität,  befindlichen 
Basalzellenreihe  des  Oberflächenepithels,  sondern  sind  mit  inbegriffen 
als  Ausgangspunkt  embryonal  oder  postfötal  versprengte  Basalzellen¬ 
komplexe,  ebenso  wie  die  vornehmlich  von  der  Basalzellenschicht 
herstammenden  Anhangsgebilde  der  Haut.  Der  histogenetischen  Ein¬ 
teilung  entsprechen  klinische  Unterschiede,  welche  häufig  die  Tren¬ 
nung  des  nicht  verhornenden  von  dem  verhornenden  Karzinom  er¬ 
lauben.  Dem  Basalzellenkrebse  im  Bereiche  des  Gesichts  und  der  be¬ 
haarten  Kopfhaut  entspricht  meist  ein  tveischer  klinischer  Befund, 
der  die  von  Krompecher  hervorgehobenen  Merkmale  aufweist. 

Der  Basalzellenkrebs  in  der  Nähe  des  Auges  hat  eine  besondere 
Malignität,  die  ihm  an  anderen  Stellen  fehlt  und  lässt  auch  den  typi¬ 
schen  klinischen  Befund  vermissen.  Das  Ulcus  rodens  (Jacobs) 
gehört  dem  Basalzellenkrebse  zu. 

Das  histologische  Einteilungsprinzip  wird  weiterhin  durch  das 
Verhalten  gegenüber  den  Röntgenstrahlen  gestützt.  Der  Basalzellen¬ 
krebs  kann  selbst  bei  grosser  Ausdehnung  durch  die  Röntgentherapie 
vollständig  zum  Schwinden  gebracht  werden:  das  Resultat  ist  kos¬ 
metisch  vorzüglich  und  auch  in  Bezug  auf  Dauerheilung  nicht  un¬ 
befriedigend.  Verhornende  Karzinome  derselben  Ausdehnung  zeigen 
diese  günstige  Beeinflussung  durch  Röntgenstrahlen  nicht.  Zur  rich¬ 
tigen  Wahl  der  Therapie  kann  stets  die  Probeexzision  gefordert 
werden. 

Basalzellenkrebse  am  Rumpf  und  an  den  Extremitäten  sind  sel¬ 
tener.  Ihr  klinisches  Bild  kann  das  derselben  Tumoren  im  Gesichte 
sein.  Ebenso  können  Basalzellenkrebse  der  Schleimhaut  (am  welchen 
Gaumen)  im  Anfangsstadium  unter  einem  ähnlichen  Bilde  einhergehen. 

4)  v.  Frisch:  Ein  seltener  Fall  von  elephantiastischer  Ver¬ 
dickung  einer  Extremität,  nebst  einem  kasuistischen  Beitrag  zur  auto- 
chthonen  Elephantiasis. 

Beschreibung  eines  interessanten  Falles  von  enormer  elephan¬ 
tiastischer  Verdickung  eines  Beines  aus  unbekannter  Ursache,  die 
zur  Exartikulation  im  Hüftgelenk  zwang. 

5)  Clairmont:  Zur  Behandlung  der  entzündlichen  /Vlastdarm- 
strikturen. 

Zweck  der  Mitteilung  ist,  die  Dilatationsbehandlung  der  entzünd¬ 
lichen  Mastdarmstriktur  durch  Bougierung  ohne  Ende  von  einer  Dick¬ 
darmfistel  aus  neuerdings  zu  empfehlen.  Manche  Fälle  können  durch 
diese  Methode  vollständig  geheilt  werden;  selbst  in  Fällen,  die  unter 
dem  Bilde  des  Darmverschlusses  operiert  werden,  ist  eine  vollstän¬ 
dige  restitutio  ad  integrum  auf  diese  Weise  möglich.  Die  Dilatations¬ 
methode  ist  ausführbar,  auch  wenn  die  Fistel  weit  entfernt  vom  Anus 
liegt.  Kolostomie  und  Bougierung  ohne  Ende  sind  wirksamer  als 
die  Kolostomie  allein. 

20  Fälle  wurden  in  der  Klinik  beobachtet.  7  mal  wurde  die 
Kolostomie  angelegt,  die  anderen  Fälle  wurden  mit  Bougierung  vom 
Anus  aus  oder  mit  Rektotomie  behandelt.  Resektionen  wurden  nicht 
ausgeführt.  Von  den  7  kolostomierten  Patienten  wurden  6  mit  der 
Bougierung  ohne  Ende  behandelt;  darunter  kam  3  mal  die  Kotfistel 
wieder  zum  Verschluss. 

Die  Technik  der  Bougierung  ohne  Ende  ist  ausführlich  be¬ 
schrieben. 

Pichler  und  Ranzi:  Ueber  Immediatprothesen  bei  Unter¬ 
kieferresektionen. 

DieFritzschescheProthese  kamlmal  bei  Resektion  des  Bogens 
und  4  mal  bei  halbseitiger  Exartikulation  zur  Verwendung.  Der  kos¬ 
metische  Erfolg  war  4  mal  vollkommen,  nur  1  mal  durch  das  un¬ 
zweckmässige  Verhalten  des  Kranken  beeinträchtigt.  Die  schiefe 
Ebene  nach  Sauer  erwies  sich  bei  Verwendung  der  Immediatpro- 
these  als  entbehrlich. 


7)  Leischner:  Ueber  Epithelkörperchentranspiantation  und 
deren  praktische  Bedeutung  in  der  Chirurgie. 

v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  hat  im  Jahre  1892  durch  Tierversuche  nach- 
gewiesen,  dass  man  die  Schilddrüse  eines  Tieres  exstirpieren  und 
sowohl  ins  Peritoneum,  als  besonders  auch  zwischen  Faszie  und  Peri¬ 
toneum  einheilen  kann,  ohne  dass  die  1  iere  an  Tetanie  erkranken, 
erst  nach  Exstirpation  der  implantierten  Stücke  gingen  sie  an  Tetanie 
zugrunde.  Die  Epithelkörperchen  sind  in  der  Arbeit  von  v.  E  i  s  e  1  s  - 
b  e  r  g  nicht  berücksichtigt,  da  ihre  Funktion  damals  noch  nicht  be¬ 
kannt  war.  „  . . 

L  hat  die  Versuche  v.  E.s  nun  mit  Epithelkörperchen  allem 
wiederholt;  als  Versuchstiere  dienten  Ratten.  Wurden  bei  diesen  die 
beiden  Epithelkörperchen  nacheinander  in  einer  Zwischenzeit  von 
10  Tagen  bis  einem  Monat  in  die  Bauch  decken  überpflanzt,  so  traten 
''eine  Ausfallserscheinungen  auf.  Wurde  nach  3 — 4  Wochen  das  die 
Epithelkörperchen  enthaltende  Bauchwandstück  entfernt,  so  trat  stets 
Tetanie  am  nächsten  Tage  ein,  an  der  die  Tiere  eingingen.  Die  histo¬ 
logische  Untersuchung  erwies  die  vollständige  Erhaltung  der  trans- 
oUr,+’r'r+en  Epithelkörperchen.  Auch  die  Transplantation  fremder 
artgleicher  Epithelkörperchen  gelang  mehrmals  vollständig. 

Verf.  rät,  bei  Strumektomien  das  exstiroierte  Stück  stets  zu  re¬ 
vidieren  und  eventuell  anhaftende  Epithelkörperchen  sofort  unter 
die  Bauchfaszie  zu  reimolantieren.  Bei  Tetanie,  kommt  auch  ne 
Transplantation  eines  Epithelkörperchens  von  einem  gesunden  In¬ 
dividuum  in  Frage. 

8)  v.  Saar:  Ueber  Cystadenoma  mammae  und  Mastitis 

chronica  cystica.  „  .  , 

Die  ausführliche  Arbeit,  die  sich  auf  eingehende  histologische 
Befunde  von  4  Fällen  stützt  und  durch  Verarbeitung  einer  riesveen 
Literatur  auszeichnet,  eignet  sich  nicht  zu  kurzem  Referat.  Verf 
kommt  zu  folgenden  Schlussätzen:  Das  Cvstadenoma  mammae  ist 
eine  Neubildung,  bei  welcher  das  Epithel  die  führende  und  bestim¬ 
mende  Rolle  spielt. während  das  Bindegewebe  keinen  wesentlichen 
Einfluss  ausübt;  die  Veränderungen  in  diesen  sind  dem  epithelialen 
Prozess  bei-  und  untergeordnet.  Ein  Zusammenhang  mit  den  Involu¬ 
tionsprozessen  der  Drüse  ist  unverkennbar.  Das  Vorkommen  einer 
chronischen  zustenbildenden  Entzündung,  einer  Mactitis  chronica 
cvstica  im  Sinne  Königs,  ist  bisher  nicht  einwandfrei  bewiesen. 
Wo  in  einer  Zvstenmamma  eine  zweifellose  Entziind'mg  auftritt,  führt 
sie  zum  Untergang,  nicht  aber  zur  Neubildung  von  Zvsten. 

9)  Ranzi:  Untersuchungen  über  antigene  Eigenschaften  der 

Tumoren.  .  ,  .  .  ..  ,T,  . 

Die  durch  Tniektion  von  Tumormaterial  im  Tierkorner  (Kanin¬ 
chen.  Affe.  Mensch)  entstehenden  Antikörner  sind,  wie  Ws  Versuche 
mit  der  Präzipitations-  und  Komplementablenkungsmethode  lehren, 
für  Tumorgewebe  nicht  spezifisch,  vielmehr  sind  die  entstandenen  Re¬ 
aktionen  auf  menschliches  Fiweiss  zu  beziehen.  Einzelne  der  Tmmun- 
o.era  zeigten  auflösende  Eigenschaften  für  menschliche  Blutkörper¬ 
chen.  dagegen  konnte  eine  hämolytische  Wirkung  der  Tumorextrakte 
nicht  gefunden  werden. 

10)  v.  Frisch:  Zur  kongenitalen  Skoliose. 

Verf.  beschreibt  4  interessante  Fälle.  Bei  einem  löiährigen 
Mädchen  mit  Skoliose  zeigte  das  Röntgenbild  ein  überzähliges  keil¬ 
förmiges  WirHrdrndimient  in  der  Lendenwirbelsänle.  bestehend  in 
einem  halben  Körper  und  der  dazu  gehörigen  Bogenhälfte  mit  Guer- 
und  Pornfortsatz.  2  andere  Fälle  von  Skoliose,  betreffen  Prönerate 
des  Wiener  nathoWkehen  Museums-  in  einem  Falle  hec+eht  Defekt 
der  linken  Bogenhälfte  des  5.  Lendenwirbels  und  ein  zwischen  2.  und 
3  J  enderiwirhel  linkerseits  eincrecrheltp+es  Wirbelrndiment:  im 

anderen  Falle  sind  sogar  3  überzählige  Wirbelhälften  vorhanden,  von 
denen  eine  links  zwischen  11.  bis  12.  Brustwirbel,  die  2  anderen 
zwischen  1.  bis  2.  Lendenwirbel  eingeschaltet  sind.  .Endlich  he- 
förmig  von  links  eingeschaltetes  rinnentragendes  Wirbelrndiment 
schreibt  F.  noch  eine  Kranke  mit  Zervikalskoliose,  die  durch  ein  keil- 
hedingt  war.  H  6  i  n  c  k  6  -  Leipzig. 


Archiv  für  Gynäkologie.  Bd.  83.  Heft  I.  Berlin  1907. 

1)  Heinrich  v.  Bardeleben:  Strentokokkus  und.  Thrombose. 
Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Entstehungsbedingungen  der 
Streptokokken-Venenthrombose. 

Die  Untersuchungen  gliedern  sich  in  Infektion  des  strömenden 
und  des  stagnierenden  Blutes  bei  Einbringung  der  Streptokokken 
direkt  intravaskulär  und  indirekt  transparietal  (von  aussen  durch  die 
Gefässwand  hindurch).  Es  zeigte  sich,  dass  zwischen  Kokken  und 
Leukozyten  Wechselbeziehung  von  Wirkung  und  Gegenwirkung^  be- 
steht,  ferner  dass  die  Gefässwand  eine  spezifische  Widerstandskraft 
gegenüber  den  Streptokokken  besitzt.  Die  Streptokokkpnvenen- 
thrombose  kommt  nur  auf  idem  Wege  der  intravenösen  Blutinfektion 
zustande.  Schlüsse  für  die  Indikation  eines  operativen  Eingriffes  bei 
der  puerperalen  thrombophlebitischen  Pyämie. 

2)  Ercole  Cova:  Ueber  ein  menschliches  Ei  der  zweiten 
Woche.  (Aus  der  geburtshilflichen  gynäkologischen  Klinik  zu  Rom, 
unter  Leitung  von  Prof.  E.  Pestalozza.) 

Eine  regelmässig  menstruierte  Mehrgebärende  begann  nach  einer 
14  tägigen  Verzögerung  der  Menses  plötzlich  zu  bluten,  und  gebar 
nach  kurzen  Wehen  eine  Gewebsmasse,  die  als  vollständige  Dezidua 
mit  dem  jungen  Ei  erkannt  wurde.  Hinsichtlich  der  Einbettung  des 
l  Eies  stimmt  C.  der  von  Peters  vertretenen  Theorie  zu.  Die  Länge 


2394 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


des  Embryo  betrug  2,04  mm,  er  wurde  quer  geschnitten.  Eingehende 
histologische  Beschreibung. 

3)  J.  Fellaender:  Ein  Fall  von  Elephantiasis  endometrii 
iibrosarcomatosa  gigantoceilularis.  (Aus  der  L.  und  Th.  Landau- 
schen  Frauenklinik  in  Berlin.) 

Die  Gesell  wulstbildung  ging  aus  von  der  Gebärmuiterschleim- 
haut  einer  48 jährigen  111.  Para.  Vaginale  Radikaloperation;  nach 
7  Jahren  war  die  Frau  noch  vollständig  gesund.  Mikroskopische 
Untersuchung. 

4)  G.  Hedren:  Zur  Frage  der  Zerrung  und  spontanen  Trennung 
des  Uteruskörpers  vom  Collum  uteri  bei  Uterusmyomen.  (Aus  der 
pathologischen  Abteilung  des  Karolinischen  Institutes  zu  Stockholm.) 

Bei  einer  64  jährigen  Frau  mit  Uterusmyom  war  durch  Zerrung 
und  Verlängerung  der  Zervix  ein  Verschluss  des  Zervikalkanals  ein¬ 
getreten  mit  sekundärer  Bildung  einer  Hämatometra. 

5)  L.  Fraenkel:  Die  vaginale  Inzision. 

b.  bespricht  die  lechnik,  wie  sie  sich  ihm  herausgebildet  hat 
(Inzision  mit  der  Trokar-Kornzange),  die  Nachbehandlung  (Drainage 
init  Hartikautschukröhrchen,  Saugmethod-e)  und  die  Indikation:  die 
Frühinzision  der  in  der  Becken-Bauch-Höhle  gelegenen  entzündlichen 
Anschwellungen  ist  als  unschädlicher  und  wirksamer  konservativer 
Heilfaktor  zu  empfehlen.  Die  Methodik  Fraenkels  setzt  uns  in 
Stand,  die  para-  und  perimetritischen  Entzündungen,  die  mit  Bildung 
eines  noch  so  kleinen  Tumors  verlaufen,  von  der  Scheide  aus  früh 
zu  entspannen,  fast  ganz  ohne  Rücksicht  auf  Organ,  Sitz  und  Art  der 
Erkrankung. 

6)  Dans  Al  brecht:  Die  Beziehungen  der  Fiexura  sigmoidea 
zum  weiblichen  Genitale.  (Aus  der  II.  gynäkologischen  Klinik  in 
München.  Vorstand;  Prof.  Dr.  Amann.) 

Die  Arbeit  behandelt  insbesondere  die  pathologischen  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Flexur  und  Genitalapparat.  Diese  ergeben  sich 
aus  Veränderungen  der  Flexur  selbst  (Füllungszustand,  Sigmoiditis), 
aus  Veränderungen  im  Peritonealüberzuge  der  Flexur  (Perisigmoi¬ 
ditis)  und  aus  Erkrankungen,  die  auf  dem  Wege  des  Mesosigmoi- 
deums  durch  das  Subserosium  fortgeleitet  werden.  Kurz  erwähnt 
werden  noch  die  Neubildungen.  Die  Darstellungen  werden  durch  ent¬ 
sprechende  klinische  Beispiele  illustriert. 

.  Erich  Zur  helle:  Zur  Statistik  des  Gebärmutterkrebses. 

(Aus  der  kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Bonn.  Direktor:  Geheim¬ 
rat  Prof.  Dr.  H.  Fritsch.) 

Die  Statistik  aus  den  Jahren  1893  bis  1905  soll  einen  Ueberblick 
geben  über  die  Resultate  der  alten  (vaginalen)  Operationsmethode 
zum  späteren  Vergleich  mit  der  neuen  (abdominalen)  Methode.  All¬ 
seitig  durchgeführte  Statistik.  Anton  H  e  n  g  g  e  -  München. 


Zentraiblatt  für  Gynäkologie,  No.  45. 

c.  p.  R  a i  n e  r  i -  Vercelli  (Italien):  Experimenteller  Beitrag  zum 
Studium  der  dauernden  Beckenerweiterung  nach  Hebosteotomie. 

v  i  ia*  Eei  Kaninchen  die  Pubiotomie  gemacht  und  zwischen  die 
Knochenenden  kalzinierten  Knochen,  Kalbsrippen-  und  Introepiphysen- 
knorpel  von  Kaninchen  implantiert.  Die  Resultate  waren  nicht  sehr 
ermutigend;  es  entstand  an  der  Verwachsungsstelle  leicht  Nekrose 
oder  der  Fremdkörper  wurde  durch  Eiterung  ausgeschieden.  Manch- 

nn?  m -f+b  -?r  aUiCh  aIs.  Eruemdkörper  im  Bindegewebe  eingeschlossen. 
Die  Mitteilung  R.s  ist  übrigens  in  einem  Deutsch  abgefasst,  das  oft 
völlig  unverständlich  bleibt.  ’ 

K  u  n  t  z  s  c  h  -  Potsdam:  Kohabitationshindernis  infolge  von 
Hy  menalzyste  und  Vaginismus.  —  Konzeption  trotz  fehlender  De¬ 
floration. 

Die  seit  2  Jahren  steril  verheiratete  31  jährige  Frau  konsul- 
tierte  K.  wegen  Sterilität.  Hinter  dem  intakten  Hymen  fand  er  eine 
pflaumengrosse  Zyste  an  der  rechten  hinteren  Vaginalwand,  deren 
vordere  Wand  vom  Hymen  selbst  gebildet  wurde.  Exzision  des 
Hymens  und  der  Zyste,  Heilung.  3  Wochen  später  Abort  eines  wal- 
nussgrossen  Eies,  das  also  schon  vor  der  Operation  trotz  der  Vir- 
ginitat  vorhanden  gewesen  war. 

Abort”  Falk_Berlin:  Ein  Fa,l  von  Eversion  der  Tube  bei  tubarem 

Eine  23  jährige  II.  Para  erkrankte  plötzlich  unter  den  Erschei¬ 
nungen  innerlicher  Verblutung,  als  deren  Ursache  sekundäre  Tuben¬ 
ruptur  im  Anschluss  an  I  ubenabort  angenommen  wurde.  Bei  der 
Laparotomie  zeigte  sich,  dass  die  Tube  in  grosser  Ausdehnung  ever- 
tiert  war,  ohne  dass  es  am  Tubentrichter  zu  einer  Ruptur  gekommen 
uär.  Der  Fall  ist  eine  Stütze  für  die  Annahme  von  Werth  dass 
die  Ausstossung  des  Eies  bei  tubarem  Abort  auf  Kontraktionen  der 
ubenmuskulatur  zuruckgeführt  werden  muss,  ohne  dass  mechanische 
Ursachen  herangezogen  zu  werden  brauchen. 

hakendes  IpekSl™.“' ' Br“"n:  Der  Sira«”^  Snatel  als  selbst- 

Sch.  erreicht  dies  durch  Veränderung  des  Handgriffes  (s  Ahhild 
im  Original).  Zu  haben  bei  J.  L  e  i  t  e  r  in  Wien  zunf  Prefse  von  8  K. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Virchows  Archiv.  Bd.  189,  Heft  2  u.  3. 

der  malignen  Struma.^  a  n  s  h  a  n  s:  ^ber  die  epithelialen  Formen 

gibt  U-  ?eser  uAmfassenden  Studie  eine  ausführliche 
arstellun^  der  verschiedenen  Arten  der  bösartigen  Strumen.  Auf 
Grund  seiner  zahlreichen  Beobachtungen  schlägt  er  folgende  Ein¬ 


teilung  vor:  I.  die  wuchernde  Struma  (Adenokarzinom  von  Eisels- 
b  e  r  g),  2.  karzinomatöse  Struma,  3.  metastasierende  Kolloidstruma, 
4.  Parastruma,  I  umor  der  EpitheJkörper  oder  glykogenhaltige  Struma 
(Kocher),  5.  kleinalveoläre,  grosszeilige  Struma,  vielleicht  Struma 
postbrachialis  (G  e  t  z  o  w  a),  6.  Papilloma,  7.  Kankroid.  Die  Mehr¬ 
zahl  dieser  Formen  wird  auf  embryonale  Störungen  zurückgeführt. 
Ausser  eingehenden,  histologischen  Beschreibungen  finden  sich  der 
Abhandlung  zahlreiche  Abbildungen  beigefügt. 

7)  Paul  Ma  nass  e:  Zur  pathologischen  Anatomie  der  trauma¬ 
tischen  Taubheit.  (Ohrenklinik  zu  Strassburg.) 

Mikroskopische  Untersuchungen.  Das  Trauma  lag  15  Jahre 
zurück.  Als  hauptsächliche  Veränderungen  fanden  sich  Knochen- 
neubildung  im  Labyrinth  und  Atrophie  bezw.  Bindegewebsneubildung 
am  Ductus  cochlearis,  Ganglion  spirale,  an  den  feinen  Verzweigungen 
des  Höi  nerven  im  Labyrinth  und  am  Stamme  des  Nervus  acusticus. 

8)  E.  N  e  u  m  ann:  Aeltere  und  neuere  Lehren  über  die  Re¬ 
generation  der  Nerven. 

Kritische  Betrachtungen  über  den  heutigen  Stand  der  Lehre  von 
der  Nervenregeneration. 

9)  W.  K.  Wysso'ko  w  i  c  z:  Pharyngitis  keratosa  punctata. 

Bei  der  im  Titel  bezeichneten  Erkrankung  finden  sich  in  der 

Schleimhaut  des  Pharynx  kleine,  weissliche,  glänzende  Erhabenheiten. 
Mikroskopisch  zeigte  sich  eine  mehr  oder  minder  starke  Epithel- 
A  tTcdckang  und  Epitheldesquamation  und  ferner  stäbchenförmige 
Mikroorganismen,  die  Verf.  als  Krankheitserreger  auffasst. 

10)  Carl  Wellmann:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
rettsynthese  in  stark  veränderten,  insbesondere  in  kernlos  gewor¬ 
denen  Zellen. 

In  zerfallenem  Gewebe  kann  Fettsynthese  nur  dann  eintreten, 
wenn  der  Blut-  und  Lymphstrom  verlangsamt  und  damit  in  den 
betreffenden  Bezirken  eine  Vermehrung  des  Blutes  eingetreten  ist 

Wenn  die  Blut-  und  Lymphzufuhr  aufgehoben  ist,  tritt  keine  Fett¬ 
synthese  ein. 

Heft  3.  11)  E.  Martini:  Ueber  Mischtumoren  endothelialen 
Ursprungs  der  Speicheldrüsen.  (Pathol.  Institut  zu  Turin.) 

Histologische  Beschreibungen  von  6  Speicheldrüsentumoren 
und  anschliessende,  kritische  Besprechung  über  die  histogenetische 
Stellung  dieser  Geschwülste. 


JL W  W.  111)  I  11  . 


- -  1  vun  primärem  AuenoKarzmom  der  Lunge 

mit  flimmerndem  Zylinderepithel. 

Der  alveolär  gebaute  Tumor  fand  sich  bei  einem  18  jährigen, 
weiblichen  Individuum.  Ausser  der  vorliegenden  Beobachtung  sind 
uns  noch  3  Falle  von  Adenokarzinom  (Leber,  Magen,  Lunge)  bekannt, 
in  denen  sich  gleichfalls  Flimmerepithel  nachweisen  liess. 

13)  Bor  r  mann:  Ein  Fall  von  Lipom  des  Lig.  latum.  (Pro- 

sektur  des  herzogl.  Krankenhauses  in  Braunschweig.) 

Der  Tumor,  der  einen  grössten  Durchmesser  von  7  cm  aufwies 
sass  zwischen  den  Blättern  des  rechten  Lig.  latum.  Das  Lig.  rotun- 
dum  dieser  Seite  faserte  sich  auf  der  Flöhe  des  Lipoms  auf,  während 
es  hnks  ganz  normal  verlief.  Mit  dieser  Anomalie  hängt  auch  wohl 
die  Genese  des  Lipoms  zusammen. 

Wr  S2  0gawa:  Ueber  den  Bau>  die  eintretenden  Gefässe  und 
das  Wachstum  der  warzenförmigen  Angiome  der  Haut.  (Pathol. 

Institut  zu  norm.) 

w  ?+e  Ve,rsrösserung  der  Angiome  erfolgt  hauptsächlich  durch  das 
Wachstum  der  bereits  bestehenden  Gefässe  der  Länge  und  der  Weite 
nach,  nicht  aber  durch  Aussprossen  seitlicher  Zweige.  Infolge  des 
nicht  gleichmässig  stattfindenden  Wachstums  entstehen  buchtige  Dila¬ 
tationen  und  Schlängelungen. 

Kopenhagen  f '  Permin:  Ueber  Myel°m*  (Patholog.  Institut  zu 


jjiei  raue  von  (wahrscheinlich  myeloblastischem.  Ref.)  Myelom 

Jl?anneHrn  X?/"  iP6i’  5?  Und  60  Jahren-  Bei  allen  Fällen  Myelom¬ 
knoten  in  den  Wirbeln  bei  der  letzten  Beobachtung  auch  im  Sternum 

und  in  einer  Rippe.  Verf.  rechnet  das  Myelom  den  Sarkomatosen  zu. 
Berlin)  ^  ^aya:  Ueber  die  Phlebosklerose.  (Pathol.  Institut 


zu 


uiiicsuuu  wuraen  die  vena  cava  inferior  und  die  Vena  femo- 
lalis.  Die  Verdickung  der  Intima,  die  eine  Teilerscheinung  der 
Hypertrophie  der  ganzen  Gefässwand  darstellt,  besteht  aus  Muskel- 
räsern,  elastischen  Fasern  und  Bindegewebe.  Fettige  Degeneration 
und  Verkalkung  konnten  nicht  gefunden  werden.  Die  Hauptursache 
der  1  hlebosklerose  ist  in  einer  abnorm  gesteigerten  Inanspruchnahme 
der  Venen  zu  suchen. 

17)  H  W  E.  Ehlers:  Ein  Fall  von  wahrscheinlich  kongenitaler 
Hypertrophie  der  Oesophagusmuskulatur  bei  gleichzeitig  bestehender 

Göttingen  ) r  hyper  ropb,Scber  Pylorusstenose.  (Pathol.  Institut  zu 

co-  ^b  Mbr'i  ^a,nn-  Per_ Oesophagus  zeigt  eine  enorme  Hypertrophie 
nnto  r  i^ask1u'atur»  dlf  ln  den  oberen  Abschnitten  5— 8  mm,  in  den 
teien  bis  12  mm  dick  war.  Am  Pylorus  fand  sich  eine  eigenartige 

vonr2  mm  DicL' durchgängig.  Dßr  Pyl°rUS  W3f  "Ur  fÜr  eine  S°nde 

18)  W.  Ebstein:  Zur  Frage  von  der  Lepra  in  der  Malerei. 

findlirhp  nUpSmLnmodrSetZUnSen  beziehen  sich  auf  das  in  Kolmar  be- 
Antonhfs“0  Grüne  walds:  „Die  Versuchung  des  heiligen 

19)  Kleine  Mitteilung. 

wSchWa,be:  Ueber  die  Definit»on  des  Begriffes  „Missbil- 
n8en  ‘  S  c  h  r  i  d  d  e  -  Freiburg. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2395 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  46.  1907. 

1)  v.  Dünger  n  und  Coca-  Heidelberg:  Spezifische  Hämolyse 
der  durch  Osmium  fixierten  Blutkörperchen. 

Die  Verf.  haben  Untersuchungen  darüber  angestellt,  wie  sich 
die  unter  Einwitkung  von  Osmium  veränderten  Blutkörperchen  — 
dieselben  werden  durch  destilliertes  Wasser  nicht  mehr  wie  sonst 
aufgelöst  —  gegenüber  spezifisch  durch  Immunisierung  gewonnenen 
Hämolysinen  verhalten.  Die  Mitteilung  ist  zu  einem  kurzen  Auszug 
nicht  geeignet. 

2)  F.  Ei  c  h  1  e  r  -  Charlottenburg:  Ueber  die  adrenalin-ähnliche 
Wirkung  des  Serums  Nephrektoinierter  und  Nierenkranker. 

Verf.  hat  Kaninchen  beide  Nieren  exstirpiert  und  dann,  zur  Nach¬ 
prüfung  vorausgegangener  ähnlicher  Versuche,  das  Serum  dieser 
Tiere  mit  den  herausgenommenen  Bulbi  von  Fröschen  zusammenge¬ 
bracht.  Es  trat  hierbei  geringe  bis  starke  Erweiterung  der  Pupille 
auf.  Ferner  verwendete  er  zu  diesen  Versuchen  auch  das  Serum  von 
Tieren,  welche  durch  Urannitrat  in  den  Zustand  von  Nephritis  ver¬ 
setzt  worden  waren  und  sah  dabei,  dass  dieses  Serum  nur  eine 
gering  erweiternde  Wirkung  auf  die  Pupille  hatte,  die  Aszitesflüssig¬ 
keit  dieser  Tiere  aber  gar  keine.  Hinsichtlich  des  Blutdruckes  und 
der  Gefässverengerung  zeigte  sich  keine  adrenalinähnliche  Wirkung. 

3)  Michael  und  B  e  u  1 1  e  n  m  ii  1  le  r  -  Berlin:  Zur  Klinik  des 
Adams-Stokes  sehen  Symptomenkomplexes. 

Die  Verf.  teilen  die  an  einem  57  jährigen  Schlächtermeister  ge¬ 
wonnenen  Beobachtungen  mit,  bei  welchem  die  Pulszahl  in  der  Mi¬ 
nute  bis  auf  16  heruntersank  und  schwere  und  sehr  zahlreiche  epi- 
leptiforme  Anfälle  auftraten.  Auf  dem  Röntgenschirme  konnte  die 
isolierte  Tätigkeit  der  Herzkammern  direkt  beobachtet  werden.  Es 
liegt  ein  Fall  von  völliger,  wahrer  Dissoziation  vor. 

4)  L.  M  i  c  h  a  e  1  i  s  -  Berlin:  Präzipitinreaktion  bei  Syphilis. 

Verf.  hat  die  indirekte  Methode  Wassermanns  durch  die 

direkte  Präzipitation  mit  Leberextrakt  ersetzt  und  erhielt  mit  dem 
Serum  eines  hereditär  Syphilitischen,  wenn  es  mit  dem  Leberextrakt 
versetzt  wurde,  eine  Niederschlagsbildung,  während  ein  normales  Se¬ 
rum  eine  solihe  nicht  ergab.  Ferner  ist  aus  den  Versuchen  zu 
schliessen,  dass  der  Leberextrakt  das  Antigen,  das  Serum  den  Anti¬ 
körper  enthält. 

5)  E.  Ra u  t  e  nb  e  r  g  -  Königsberg:  Die  an  der  äusseren  Brust¬ 
wand  sichtbaren  Pulsationen  der  Vorhöfe. 

An  einem  15  jährigen  Mädchen  mit  Mitral-  und  Aorteninsuffizienz, 
sowie  relativer  Mitralinsuffizienz  konnte  Verfasser  Pulsationen  des 
rechten  und  linken  Vorhofes  aufnehmen,  jene  des  ersteren  von  einer 
Stelle  der  rechten  Brustwand  aus,  jene  des  letzteren  sowohl  vom 
Oesophagus  aus,  wie  auch  vom  zweiten  Interkostalraum. 

Der  Artikel  bringt  die  aufgezeichneten  Kurven.  Verf.  hat  noch 
2  Patienten  mit  Pulsationen  beider  Vorhöfe  beobachtet,  ferner  eine 
Anzahl  von  Fällen,  wo  die  Pulsationen  eines  Vorhofes  sichtbar  waren. 
Hinsichtlich  der  Schaukelbewegung  des  Herzens  gibt  Verf.  an,  dass 
die  rechte  Brustseite  nicht  nur,  wie  bisher  angenommen  wurde,  eine 
systolische  Vorwölbung  zeigt,  sondern  alle  Phasen  des  Vorhofpulses 
erkennen  lässt  und  bei  jugendlichen  Individuen  das  erste  Zeichen  der 
Trikuspidalinsuffizienz  sein  kann. 

6)  L.  F.  M  e  y  e  r  -  Berlin:  Ueber  Idiosynkrasie  der  Säuglinge 
gegen  Kuhmilch. 

Es  besteht  bisher  für  das  Vorkommen  dieser  Idiosynkrasie,  bei 
welcher  schon  einige  Tropfen  Kuhmilch  genügen,  um  ein  schweres 
Krankheitsbild  hervorzurufen,  keine  ausreichende  Erklärung.  Die  Un¬ 
tersuchungen  des  Verf.  zeigten,  dass  es  nicht  das  artfremde  Eiweiss 
ist,  welches  die  schädliche  Wirkung  ausübt.  Es  Hess  sich  nach- 
weisen,  dass  dieselbe  Menge  Kuhmilchmolke,  welche,  gleichzeitig 
mit  der  Brustmilch  gegeben,  deutliche  Reaktion  auslöste,  gänzlich 
einflusslos  blieb,  wenn  sie  in  den  leeren  Darm  kommt.  Das  Punctum 
saliens  scheint  im  Zusammentreffen  der  beiden  Milcharten  zu  liegen 
und  zwar  gibt  die  Kuhmilch  nur  den  Anstoss  zu  der  Erkrankung, 
deren  eigentliche  Ursache  in  der  Frauenmilch  gelegen  ist.  Dies  gilt 
für  sehr  kleine  Mengen  Kuhmilch,  während  grössere  Mengen  an  und 
für  sich  toxisch  wirken  können. 

7)  W.  E 1 1  i  n  g  e  r  -  Warschau:  Ueber  den  Wert  der  zyto- 
skopischen  Untersuchung  von  Trans-  und  Exsudaten. 

Es  wurden  im  ganzen  103  verschiedene  Ergüsse,  welche  von  89 
Kranken  stammten,  untersucht  und  berichtet  Verf.  im  einzelnen  über 
die  dabei  gewonnenen  Ergebnisse.  Im  ganzen  ergab  sich,  dass  die 
zytologische  Formel  der  untersuchten  Transsudate  nicht  mit  den 
Angaben  anderer  Autoren  übereinstimmt,  welche  behaupten,  dass  im 
Sedimente  von  Transsudaten  ausschliesslich  Endothelien  Vorkommen. 
Die  zytologische  Untersuchung  von  Ergüssen  allein  erlaubt  im  kon¬ 
kreten  Falle  kein  Urteil  über  die  Aetiologie  des  Ergusses. 

8)  W  o  h  1  b  e  r  g  -  Seehospiz  Kaiserin  Friedrich:  Ueber  Versuche 
mit  dem  Antituberkuloseserum  Marmorek. 

Verf.  hat  mit  dem  Serum,  welches  21  Tage  lang  in  einer  Menge 
von  je  5 — 10  ccm  rektal  beigebracht  wurde,  ausschliesslich  schwere 
Tuberkulosefälle  —  es  wird  über  16  berichtet  —  behandelt  und  hat 
auch  bei  den  ganz  schweren  Fällen  meist  eine  Besserung  des  Allge¬ 
meinbefindens  erzielt.  Sehr  günstig  war  die  Wirkung  bei  Fällen  von 
Skrophulose-  und  Drüsentuberkulose,  wo  in  kurzer  Zeit  eine  rapide 
Besserung  resp.  Heilung  erzielt  wurde.  5  Krankengeschichten  wer¬ 
den  mitgeteilt. 

9)  W.  G  i  1 1  e  r  m  a  n  n  -  Bad  Nauheim:  Struma  und  Herzkrank¬ 
heiten. 


Verf.  veröffentlicht  hiermit  seine  an  121  Patienten  mit  deutlicher 
Struma  und  myogener  Erkrankung  des  Herzens  gemachten  Erfah¬ 
rungen.  1 1  mal  bestand  ausgesprochener  Basedow,  in  den  anderen 
Fällen  waren  es  Kröpfe,  die  seit  Jahren  bestanden  und  zu  denen  sich 
eine  Herzerkrankung  hinzugesellt  hatte,  letztere  bestand  meist  in 
einer  Erkrankung  des  Herzmuskels,  seltener  in  einer  Herzdilatation. 
Verf.  betont  die  auffallend  schlechte  Reaktion  auf  Digitalis  bei  solchen 
Herzen,  das  bei  denselben  meist  auch  keine  Blutdrucksteigerung 
bewirkt.  Er  rechnet  alle  Kropfkardiopathien  zur  Familie  der  Base¬ 
dowkranken.  Vom  Gebrauch  der  Röntgenstrahlen,  sowie  des  Serums 
von  M  ö  b  i  u  s  sah  G.  keinen  Nutzen,  dagegen  einen  solchen  vom  Ge¬ 
brauch  der  leichteren  Nauhcimer  Badeformen,  sowie  von  kleineren 
Mengen  Jodnatrium  und  von  der  Anwendung  konstanter  Ströme, 
welche  er  alle  1—2  Tage  in  steigender  Intensität  durch  die  Drüse 
leitet.  Ueber  die  Versuche,  eine  reichlich  Fleisch  enthaltende  Diät 
bei  diesen  Kranken  anzuwenden,  will  Verf.  noch  kein  abschliessendes 
Urteil  abgeben.  Grassmann  -  München. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  46. 


1)  Robert  Koch-Berlin:  Schlussbericht  über  die  Tätigkeit  der 
deutschen  Expedition  zur  Erforschung  der  Schlafkrankheit. 

Die  Aufgabe  der  Expedition  ist  gelöst,  nachdem  sie  gefunden  hat, 
wie  man  der  Seuche  therapeutisch  und  prophylaktisch  beikommen 
kann.  Es  gilt  vor  allem,  die  Leichtkranken  durch  Blutuntersuchung 
(noch  vor  Auftreten  der  Lymphdrüsenschwellung)  ausfindig  zu  machen 
und  einer  fortgesetzten  Behandlung  mit  Atoxyl  zu  unterwerfen,  wel¬ 
ches  sich  allen  anderen  Mitteln  bis  jetzt  als  überlegen  erwies.  Selbst 
bei  den  Sch  werkranken  wurde  die  Mortalität  durch  Atoxyl  auf 
mindestens  den  10.  Teil  herabgesetzt.  Es  bewährten  sich  Doppel¬ 
injektionen  von  0,5  g  Atoxyl  in  10  tägigen  Pausen,  starke  Dosen  (1,0) 
bewirkten  in  mehreren  Fällen  dauernde  Erblindung.  Es  gelang  bis 
jetzt,  die  Kur  10  Monate  lang  fortzusetzen  und  das  Blut  während  dieser 
Zeit  trypanosomenfrei,  seinen  Träger  also  unschädlich  zu  machen. 
Eine  „Atoxylfestigkeit“  trat  dabei,  nicht  ein.  Im  ganzen  wurden 
1633  Fälle  behandelt.  Das  bis  vor  kurzem  noch  seuchenfreie  deutsche 
Gebiet  am  Viktoria-Nyanza  (Shirati,  Bukoba)  ist  jetzt  ebenfalls  von 
Schlafkrankheit  heimgesucht.  In  dem  von  Glossina  palpalis  freien 
Kisiba  erkrankten  Frauen,  welche  diese  Landschaft  nie  verlassen 
hatten;  sie  waren  anscheinend  durch  den  ehelichen  Verkehr  infiziert 
worden.  Ausser  den  therapeutischen  Massnahmen:  mindestens  4 
Monate  lange  Atoxylbehandlung  in  stehenden  Lagern,  kommen  fol- 
dende  prophylaktische  Massnahmen  in  Betracht:  Versetzung  eines 
Teiles  der  Bevölkerung  in  glossinenfreie  Gegenden.  Vertreibung  der 
Glossina  durch  Abholzen  der  betreffenden  Stellen  Ausrottung  der 
Krokodile,  von  deren  Blut  sich  die  Glossina  palpalis  nährt. 

2)  H.  E.  Hering-Prag:  Zur  Analyse  des  Venenpulses. 

Bemerkungen  zur  Methode  der  klinischen  Untersuchung  des 

Venenpulses  und  zur  Analyse  der  einzelnen  Kurvenwellen. 

3)  Schlay  er -Tübingen:  Zur  Frage  drucksteigernder  Sub¬ 
stanzen  im  Blute  bei  chronischer  Nephritis. 

Versuche  mit  Menschenserum  an  Rinderarterien  zeigten,  dass 
bei  der  chronischen  Nephritis  mit  Drucksteigerung  im  Serum  der 
Gehalt  an  peripherisch  wirkenden  adrenalinartigen  Stoffen  im  Ver¬ 
gleich  mit  Normalserum  in  der  Regel  vermindert  ist.  Die  Hypothese 
eines  Zusammenhanges  zwischen  der  nephritischen  Hypertension  und 
der  Nebennierenfunktion  hält  Verfasser  demnach  noch  für  unbe¬ 
wiesen. 

4)  W.  K  re  t  s  c  h  m  e  r  -  Wiesbaden:  Lymphozytose  des  Liquor 
cerebrospinalis  bei  Lues  hereditaria  tarda. 

Verfasser  beobachtete  starke  Lymphozytose  im  Liquor  cerebro¬ 
spinalis  bei  einem  nicht  antiluetisch  behandelten  hereditär  syphi¬ 
litischen  16  jährigen  Mädchen,  schwächere  bei  einem  15  jährigen 
Jungen,  der  eine  Jodkaliumbehandlung  durchgemacht  hatte. 

5)  A.  Brentano-Berlin:  Grundzüge  für  die  Behandlung  der 
Hernien.  (Schluss.) 

Fortbildungsvortrag. 

6)  Th.  G  o  1  d  e  n  b  e  r  g  -  Breslau :  Paraffinprothesen  als  Mittel  zur 
Militärdienstentziehung. 

In  3  Fällen  wurden  durch  Heilkünstler  mittels  Paraffin  künst¬ 
liche  Tumoren  am  Hals  etc.  erzeugt  zwecks  Befreiung  bei  der 

Musterung.  .....  iS  .  . 

7)  Albert  Mo  H- Berlin:  Inwieweit  ist  die  Agitation  zur  Auf¬ 
hebung  des  §  175  berechtigt? 

Betrachtungen  im  Anschluss  an  die  jüngsten  Sensationsprozesse. 
Vergl.  Referat  No.  47,  S.  2358.  R.  Grashey- München. 


Englische  Literatur. 

Charles  W.  Cathcart:  Massage  und  Bewegungen  in  der  Be- 
landlung  der  Frakturen.  (Scottish  Med.  and  Surg.Journ.,  Juli  1907. 

Verf.  empfiehlt  für  die  Mehrzahl  der  frischen  Knochenbruche,  so- 
ort  mit  Massage  und  Bewegungen  zu  beginnen.  Schienen  etc.  werden 
iur  angewendet,  um  das  gebrochene  Glied  schmerzfrei  zu  lagern  und 
im  zu  starke  Deformität  zu  verhüten.  Im  allgemeinen  foigt  v  ert.  den 
ron  Lucas  Champion  iere  angegebenen  Vorschriften. 

j.  S.Fraser  und  John  D.  Comrie:  Der  Nasopharynx  als  In- 
ektionsträger  bei  der  Zerebrospinalmeningitis.  (Ibid.) 

Die  von  den  beiden  Autoren  vorgenommenen  Untersuchungen 
verden  nach  dem  Studium  der  von  J  e  h  1  e  in  Schlesien  gemachten 
Jntersuchungen  vorgenommen,  als  eine  Epidemie  von  Genickstarr- 


2396 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


in  Leith  ihnen  das  notwendige  Material  darbot.  Sie  haben  gefunden, 
dass  heisse,  staubige,  schlecht  ventilierte  Lokalitäten,  die  sowohl  dem 
Wachstum  des  Meningokokkus  als  auch  der  Entstehung  von  Naso- 
pharyngealkatarrhen  förderlich  sind,  häufig  mit  der  Verbreitung  der 
epidemischen  Genickstarre  vergesellschaftet  sind.  Sehr  häufig  fand 
man  gesunde  Väter,  deren  Nasopharynx  den  Meningokokkus  beher¬ 
bergte;  sie  bringen  offenbar  ihren  Kindern  die  Infektion;  dafür  spricht 
auch,  dass  in  Leith  hauptsächlich  Kinder  der  unteren  Volksschichten 
ergriffen  werden.  Die  Verfasser  empfehlen,  alle  Personen,  die  mit  an 
Genickstarre  leidenden  Individuen  in  Berührung  gekommen  sind,  zu 
isolieren  und  die  Nase  und  den  Nasopharynx  derselben  bakteriologisch 
zu  untersuchen.  Findet  man  Meningokokken,  so  sind  diese  Hohiräume 
zu  desinfizieren  und  die  betreffenden  Personen  dürfen  erst  aus  der 
Isolierung  entlassen  werden,  wenn  Nase  und  Nasopharynx  bei  zwei 
aufeinander  folgenden  Untersuchungen  frei  gefunden  werden.  Die  Ar¬ 
beit  enthält  mehrere  interessante  Tabellen. 

James  Weir:  Die  Wiederbelebung  der  scheintotgeborenen 
Kinder.  (Glasgow  Medical  Journal,  Juli  1907.) 

Verf.  legt  das  grösste  Gewicht  auf  die  S  c  h  u  1 1  z  e  sehen  Schwin¬ 
gungen,  die  in  Verbindung  mit  Leissen  Bädern  (120°  F)  und  kühlen 
Anspritzungen  meist  genügen,  die  Atmung  anzuregen.  Auch  die  La¬ 
bor  d  e  sehen  rhythmischen  Traktionen  der  Zunge  sind  oft  nützlich. 
In  sehr  schweren  Fällen  hat  er  Nutzen  gesehen  von  der  Erweiterung 
des  Sphincter  ani;  ist  der  Muskel  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  Mus¬ 
keln  des  Körpers  noch  ziemlich  gespannt,  so  ist  das  von  guter  pro¬ 
gnostischer  Bedeutung.  Ist  der  Sphinkter  bei  Einführung  des  Fingers 
schon  völlig  erschlafft,  so  ist  die  Prognose  meist  völlig  hoffnungslos. 
Die  hier  gegebenen  Regeln  gelten  für  die  Fälle,  in  denen  die  Kinder 
zyanotisch  geboren  werden.  Besteht  bei  der  Geburt  starke  Blässe, 
so  setze  man  das  Kind  sofort  in  ein  heisses  Bad,  vermeide  aber  kalte 
Abreibungen  oder  Bespritzungen.  Gut  ist  es  dagegen,  die  Herzgegend 
mit  heissem  Wasser  abzugiessen.  Daneben  kommen  S  c  h  u  1 1  z  e  sehe 
Schwingungen,  Labordesche  Traktionen  und  Sphinkterdilatationen 
zur  Verwendung. 

G.  A.  G  i  b  s  o  n:  Die  Ursache  der  Herztätigkeit.  (Edinburgh  Med. 
Journal,  Juli  1907.) 

Verf.  beleuchtet  in  dieser  hübschen  Arbeit  die  Ansichten  der  ver¬ 
schiedenen  Autoren  über  die  neurogene  oder  muskuläre  Ursache  der 
Herztätigkeit.  Die  Embryologie  gibt  keiner  der  beiden  Seiten  einen 
Anhaltspunkt,  denn  das  Her.z  beginnt  zu  schlagen,  ehe  Nerven  und 
Muskeln  erscheinen.  Die  Anatomie  beweist  ebenfalls  nichts,  da  Mus¬ 
kel  und  Nerven  auf  das  engste  mit  einander  verwoben  sind  in  der 
Gegend,  in  der  die  Pulsation  beginnt.  Die  physiologischen  Tatsachen, 
soweit  wir  sie  kennen,  können  von  Anhängern  beider  Richtungen  zu 
ihren  Gunsten  gedeutet  werden,  dasselbe  gilt  von  pathologischen  Be¬ 
obachtungen.  Nur  die  klinischen  Phänomene  lassen  sich  weit  ein¬ 
facher  deuten,  wenn  man  die  neurogene  Theorie  für  die  richtige  hält. 
So  kommt  denn  auch  Verf.  zum  Schlüsse  seiner  Arbeit  zu  der  Ansicht, 
dass  der  letzte  Impuls  zur  Pulsation  doch  ein  nervöser  ist. 

William  Guy;  Lachgas  und  Aethylchlorid  als  Anästhetikum. 

(Ibid.) 

Für  Narkosen,  die  nicht  länger  als  90  Sekunden  zu  dauern  brauchen, 
empfiehlt  Verf.  als  bestes  Anästhetikum  Lachgas  und  Chloräthyl.  Man 
lässt  zuerst  5  Atemzüge  aus  einem  1  Gallone  Lachgas  enthaltenden 
Gummiballon  machen,  wobei  der  Patient  in  den  Ballon  ausatmet;  dann 
giesst  man  3  ccm  Aethylchlorid  in  den  Ballon  und  lässt  den  Kranken 
weiter  atmen.  Nach  25  Sekunden  schläft  der  Kranke  fest.  Zum  bes¬ 
seren  Verständnis  studiere  man  die  genaue  Abbildung  des  Apparates 
im  Original.  Für  Kinder  verwendet  Verf.  1,0  bis  2,0  Chloräthyl.  Ueble 
Nebenwirkungen  wurden  nie  beobachtet. 

G.  A.  Gordon:  Beobachtungen  über  den  Blutdruck  nach  heb 
tigen,  langen  Anstrengungen  bei  Athleten.  (Ibid.) 

Verf.  schliesst  aus  seinen  Beobachtungen,  dass  länger  fortgesetzte 
weniger  starke  Anstrengungen  den  Blutdruck  steigern,  dass  aber  sehr 
heftige  Anstrengungen  (Fussballwettspiel)  zu  einem  deutlichen  Sinken 
des  Blutdrucks  führen,  even.t.  nach  kurzer  vorhergehender  Steigerung. 

K.  W.  Monssarat;  Ueber  das  Nierensarkom  der  Kinder. 
(Ibid.) 

Nach  Beschreibung  zweier  von  ihm  erfolgreich  operierter  Fälle 
geht  Verf.  näher  auf  die  Erfolge  der  Operation  ein.  Walker,  der 
1897  über  145  in  der  Literatur  beschriebene  Fälle  berichtete,  fand  eine 
Sterblichkeit  von  36,4  Proz.  nach  der  Operation.  Verf.  hat  104  Fälle 
(1897—1906)  gesammelt  und  eine  Sterblichkeit  von  26  Proz.  fest¬ 
gestellt.  Die  kleinen  Kinder  ertragen  die  Operation  erstaunlich  gut, 
so  starben  von  10  Kindern  unter  1  Jahr  nur  2,  von  23  unter  2  Jahren 
nur  4.  Viel  ungünstiger  liegen  die  Erfolge  einer  Dauerheilung.  Von 
77  Fällen,  die  die  Operation  überstanden,  fand  er  in  58  Berichte  über 
den  weiteren  Verlauf.  40  von  den  58  starben  an  Rezidiv,  18  waren 
zur  Zeit  des  Berichtes  noch  gesund,  9  davon  mehr  als  2  Jahre  nach 
der  Operation.  Meist  tritt  das  Rezidiv  sehr  bald  nach  der  Operation 
ein,  in  einem  sehr  merkwürdigen  Fall  erkrankte  die  zweite  Niere 
4Va  Jahre  nach  der  Operation  an  Sarkom. 

A.  Francis  Dixon:  Warum  sind  die  grossen  Nervenbahnen  ge¬ 
kreuzt?  (Dublin  Journal  of  Aled.  Science,  Juli  1907.) 

Verf.  glaubt,  dass  die  Kreuzung  der  grossen  Nervenbahnen  ab¬ 
hängig  ist  von  der  Kreuzung  der  Gesichtsfelder,  die  zustande  kommt 
durch  die  Verwendung  einer  Linse  zur  Projizierung  eines  Bildes  auf 
der  Retina.  Die  Linse  invertiert  das  Gesichtsfeld  und  projiziert  rechts 
vom  Beschauer  liegende  Gegenstände  auf  die  linken  Hälften  seiner 


Retinae.  Diese  Kreuzung  wird  aufrecht  erhalten  durch  die  Anord¬ 
nung  der  Fasern  an  der  Commissura  optica.  Dies  findet  man  bei  allen 
Tieren  mit  binokularem  Sehen;  bei  Tieren  mit  monokularem  Sehen 
oder  bei  solchen,  deren  Augen  sich  nicht  ganz  unabhängig  von  ein¬ 
ander  bewegen,  sind  die  Verbindungen  des  N.  opticus  mit  dem  Gehirn 
anders  gestaltet  und  die  grossen  Nervenbahnen  viel  weniger  deutlich 
gekreuzt.  Die  Kreuzung  der  grossen  Nervenbahnen  beim  Menschen 
und  den  höheren  Tieren  bringt  jede  Seite  des  Körpers  in  Beziehung 
zu  der  korrespondierenden  Hälfte  des  Gesichtsfeldes  und  dies  ist  nach 
Verfassers  Meinung  der  Zweck  der  Faserkreuzung. 

George  G.  Packe:  Die  Aetiologie  und  Pathologie  des  Magen¬ 
krebses.  (Medical  Chronicle,  Juli  1907.) 

Die  Angaben  des  Verfassers  stützen  sich  auf  die  Sektionsproto¬ 
kolle  des  St.  Georges  Hospital  in  London  aus  den  Jahren  1890  bis  1900. 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  der  Magenkrebs  häufiger  ist,  als  der  Krebs 
irgend  eines  anderen  'inneren  Organes;  ferner  nimmt  Verf.  an,  dass 
obwohl  der  Krebs  überhaupt  in  der  Zunahme  begriffen  ist,  der  Magen¬ 
krebs  noch  stärker  zunimmt  als  andere  Krebse;  diese  Zunahme  ist  eine 
wahre  und  beruht  nicht  etwa  auf  verbesserter  Diagnostik  etc.  Männer 
erkranken  viel  häufiger  als  Frauen  an  Magenkrebs  (1,85  zu  l).  Am 
häufigsten  sterben  Personen  zwischen  50  und  60  Jahren  am  Magen¬ 
krebs.  Während  dieser  Periode  starben  32,01  der  Fälle.  Das  Durch¬ 
schnittsalter  für  Männer  ist  51,1  Jahr,  für  Frauen  46,2  Jahre,  für  beide 
Geschlechter  zusammen  49,3  Jahre.  Magenkrebs  ist  selten  mit  Syphilis 
vergesellschaftet;  vielleicht  erkranken  Personen,  die  Spuren  über¬ 
standener  Lungenphthise  zeigen,  weniger  leicht  an  Magenkrebs  als 
andere.  Weder  Beschäftigung,  noch  Verheiratung  (bei  Frauen)  scheint 
einen  Einfluss  auf  die  Häufigkeit  des  Magenkrebses  zu  haben.  Magen¬ 
krebs  kann  zweifellos  als  späte  Folge  eines  Magengeschwüres  auf- 
treten.  55,7  Proz.  der  Fälle  treten  am  Pylorus  auf.  Magenperforation 
tritt  meist  dann  ein,  wenn  der  Krebs  an  der  vorderen  Magenwand 
sitzt.  Zylinderzellenkrebse  sitzen  meist  am  Pylorus,  Plattenepithel- 
krebse  ergreifen  meist  den  ganzen  Magen.  Der  histologische  Bau  des 
Krebses  hat  keinen  Einfluss  auf  die  Ausbildung  von  Metastasen  oder 
auf  die  Ulzeration.  Bei  metastatischen  Krebsen  des*  Magens  sitzt 
der  Primärtumor  meistens  im  Oesophagus  oder  im  Pankreas. 

A.  S.  A  r  k  1  e:  Das  Leben  des  Kindes  in  den  Schulen  von  Liver¬ 
pool.  (Liverpool  Medico-Chirurgic.  Journal,  Juli  1907.) 

Verf.  entwirft  ein  sehr  trauriges  Bild  von  dem  Leben  vieler  Schul¬ 
kinder  in  Liverpool.  Er  untersuchte  2111  Kinder  aus  Elementar-  und 
366  aus  Sekundärschulen.  Er  hat  gefunden  und  belegt  dies  mit  vielen 
Beispielen,  dass  die  körperliche  Beschaffenheit  der  Kinder  in  den  Ele¬ 
mentarschulen  eine  sehr  traurige  ist  und  mit  dem  Alter  der  Kinder 
zunimmt.  Als  einziges  Hilfsmittel,  diesem  traurigen  Zustande  Abhilfe 
zu  schaffen,  sieht  er  an,  die  ärztliche  Ueberwachung  der  Schulkinder, 
die  stärkere  Berücksichtigung  der  körperlichen  Erziehung  und,  soweit 
dies  möglich  ist,  die  Verbesserung  der  häuslichen  Verhältnisse.  Vor 
allem  aber  hat  der  Staat  die  Pflicht,  die  hungernden  Kinder  zu  füttern, 
dies  ist  viel  wichtiger  als  ihre  Erziehung. 

T.  R.  Bradshaw:  Die  Spontanfraktur  der  Blasensteine.  (Ibid.) 

Verf.  berichtet  über  einen  dieser  interessanten  Fälle  und  sucht  zu 
ergründen,  wodurch  ein  Zerfall  dieser  Steine  zustande  kommen  kann. 
Er  glaubt,  dass  es  nur  vorkommt  bei  vollkommen  normalem,  sehr 
wasserreichen  Urin,  der  arm  an  stickstoffhaltigen  Körpern  ist. 

John  Hay:  Ueber  Lungenkrankheiten.  (Ibid.) 

.1.  M.  Buch  an  an:  Ueber  Lungensyphilis.  (Ibid.) 

J.  E.  McDougall:  Syphilis  der  Lunge  und  des  Larynx.  (Ibid.) 

John  Elliott:  Zwei  Fälle  von  Lungensyphilis.  (Ibid.) 

Interessante  Zusammenstellung  einer  Anzahl  von  Fällen  von 
Lungensyphilis,  die  zum  Teil  durch  die  Röntgenstrahlen  diagnostizier¬ 
bar  waren.  Näheres  in  den  Originalien. 

R.  W.  Murray:  Die  Ursachen  und  Behandlung  des  Leisten¬ 
bruches.  (Ibid.) 

Verf.  sucht  zuerst  nachzuweisen,  dass  in  jedem  Falle  von  Ingui¬ 
nalhernie  ein  präformierter  Sack  als  Ursache  anzusehen  ist,  d.  h.  dass 
der  Proc.  funicularis  offen  geblieben  ist.  Von  der  Weite  des  Bruch¬ 
sackhalses  am  inneren  Ring  und  von  der  Stärke  der  ihn  umgebenden 
Muskeln  hängt  es  ab,  ob  die  Eingeweide  in  den  Sack  eintreten  oder 
nicht.  Die  einzige  zweckmässige  Behandlung  ist  die  Operation,  die 
so  früh  wie  möglich  ausgeführt  .werden  sollte.  Der  Kernpunkt  der 
Operation  liegt  in  der  Beseitigung  jeder  Spur  eines  Peritonealtrichters. 
Er  spaltet  den  Inguinalkanal,  unterbindet  den  Sack  möglichst  hoch 
oben  und  entfernt  ihn,  dann  vernäht  er  die  Aponeurose  des  Obliquus 
externus  so,  dass  ihre  Lappen  übereinander  zu  liegen  kommen.  Die 
Hautnähte  werden  am  5.  Tage  entfernt. 

W.  Blair  Bell:  Die  Nachbehandlung  von  Laparotomien.  (Ibid.) 

Verf.  lässt  seine  Kranken  nach  der  Laparotomie  jede  von  ihnen 
gewünschte  Lage  einnehmen,  ja  er  vermeidet  ängstlich  das  längere 
Liegen  in  derselben  Stellung.  Das  Bettende  wird  stark  erhöht  und  in 
den  ersten  24  Stunden  erhält  der  Operierte  alle  4  Stunden  1  Pinte 
normaler  Salzlösung  per  rectum,  am  2.  Tage  werden  4,  am  dritten 
3  Einläufe  gemacht.  Dazwischen  wird  ein  Darmrohr  eingelegt.  Bei 
grosser  Unruhe  gibt  er  12,0  Bromidia  als  Klysma.  Am  zweiten  Abend 
gibt  er  Kalomel,  am  folgenden  Morgen  Terpentin  per  elysma.  (Etwas 
viel  Behandlung.  Ref.) 

Cutberth  W  a  1 1  a  c  e:  Diabetesgangrän.  (Practitioner,  Juli  1907.) 

Verf.  betont  auf  Grund  zahlreicher  genauer  Untersuchungen  der 
Gefässe,  dass  in  jedem  Falle  von  sogen.  Diabetesgangrän  die  Gefässe 


ausserordentlich  sklerosiert  sind  und  dass  es  sich  tatsächlich  in  diesen 
Fällen  um  Gangrän  durch  arteriosklerotische  Thrombose  handelt. 

R.  T.  W  i  1 1  i  a  m  s  o  n:  Ueber  Vibrationsgefuhle  bei  nervösen  Er¬ 
krankungen.  (Brit.  Med.  Jouin.,  20.  Juli  1907.)  cpi\ 

Verf  benutzte  zu  diagnostischen  Zwecken  eine  Stimmgabel  (C  ) 
von  9  Zoll  Länge.  Bei  allen  gesunden  Personen  erzeugt  diese  Stimm¬ 
gabel  ein  Vibrationsgefühl,  wenn  man  sie  auf  den  Proc.  styloides  der 
Ulna  auf  den  äusseren  oder  inneren  Malleolus,  auf  die  Innenfläche  dei 
Tibia  auf  die  Spina  anter.  super,  ilei  oder  auf  das  Sternum  aufsetzt. 
Meist  werden  auch  an  den  Wirbeln  und  noch  an  vielen  anderen  Punk¬ 
ten  Vibrationen  erzeugt.  Auf  den  Schädelknochen  wird  dagegen 
keine  Vibration  erzeugt.  Am  besten  zu  klinischen  Zwecken  eignen  sich 
der  Proc.  styloides  ulnae,  der  innere  Knöchel  und  die  Mitte  der  Innen¬ 
fläche  der  Tibia.  Verf.  glaubt,  dass  die  Vibrationsprobe  eine  sehr 
feine  Prüfung  für  leichte  Störungen  der  Sensibilität  ist.  Das  Vibrations¬ 
gefühl  ist  oft  verloren  gegangen,  wenn  das  Tastgefühl,  der  Schmerz 
und  der  Temperatursinn  noch  erhalten  sind,  z.  B.  bei  früher  I  abes, 
bei  leichter  peripherer  Neuritis  und  oft  bei  Dinbetes  mellitus.  Bei 
letzterer  Krankheit  findet  man  oft  nur  Verlust  des  Vibrationsgefühles 
bei  völligem  Fehlen  aller  anderen  nervösen  Symptome.  Bei  Krank¬ 
heiten,  die  ausschliesslich  die  motorischen  Nerven  ergreifen,  ist  das 
Vibrationsgefühl  nie  verändert  (z.  B.  bei  schweren  Fällen  von  amyo- 
tropischer  Lateralsklerose).  Bei  Paraplegie  nach  Wirbelkaries  und 
zuweilen  bei  spinaler  Lues  ist  der  Verlust  des  Vibrationsgefühles 
manchmal  das  erste  und  einzige  Zeichen  des  Ergriffenseins  sensibler 
Bahnen.  Bei  Hemianästhesie  findet  man  zuweilen  Verlust  des  Vibra¬ 
tionsgefühles,  wenn  man  die  Stimmgabel  an  den  Rand  des  Sternums 
(auf  der  Seite  der  Hemianästhesie)  setzt;  wird  dabei  die  Vibration  auf 
der  anderen  Seite  gefühlt,  so  handelt  es  sich  um  Hysterie  oder  Simu¬ 
lation.  .  „ 

Edward  J.  Cave:  Die  Bäderbehandlung  der  Neurasthenie. 


Verf.  glaubt,  dass  viele  Fälle  von  Neurasthenie  sehr  vorteilhaft 
in  den  Badeorten  behandelt  werden  können.  Er  beginnt  die  Behand¬ 
lung  aller  schwereren  Fälle  mit  einer  Mastkur.  Fette  Neurastheniker 
behandelt  man  am  besten  mit  einer  an  Kohlehydraten  armen  Nahrung. 
Sehr  wichtig  ist  langsames  Essen  und  gutes  Kauen.  Während  der 
Mahlzeit  darf  nicht  getrunken  werden.  Sonst  aber  spüle  man  den 
Körper  gut  durch,  indem  man  den  Kranken  nüchtern  grössere  Mengen 
warmen  Mineralwassers  trinken  lässt.  Ferner  sind  lang  dauernde 
heisse  Mineralbäder  gut.  Sehr  empfehlenswert  sind  „Nauheimer“ 
Bäder  und  die  schottische  Dusche.  Die  Arbeit  gibt  ein  gutes  Bild  der 
Behandlung  in  einem  englischen  Badeorte. 

Eustace  Smith:  Laryngismus  stridulus  beim  Neugeborenen. 
(Ibid.) 

Verf.  glaubt  nicht  an  den  Zusammenhang  zwischen  Rachitis  und 
Laryngismus;  dagegen  spricht  auch  dies  noch  viel  zu  wenig  bekannte 
Vorkommen  des  Laryngismus  bei  ganz  kleinen  Kindern.  Es  handelt 
sich  um  einen  Reflexkrampf,  der  meistens  von  Erkrankungen  des 
Nasopharynx  ausgelöst  wird.  In  allen  Fällen,  die  Verf.  gesehen  hat, 
handelte  es  sich  um  fast  völlige  Verlegung  des  Nasopharynx  durch 
adenoide  Wucherungen  und  um  starken  Katarrh.  Der  Spasmus  .ist 
in  vielen  Fällen  nicht  nur  auf  den  Larynx  beschränkt,  sondern  ergreift 
auch  die  Speiseröhre.  Dies  hat  er  nur  bei  ganz  jungen  Kindern  ge¬ 
sehen.  Man  kann  in  solchen  Fällen  nur  durch  die  Magensonde  er¬ 
nähren.  Verf.  gibt  einige  sehr  interessante  Krankengeschichten,  die 
mit  dem  Tode  enden.  Die  Prognose  dieser  Erkrankung  bei  kleinen 
Kindern  ist  sehr  ernst,  oft  tritt  der  Tod  durch  Erschöpfung  oder  durch 
Atelektase  der  Lunge  ein.  Therapeutisch  beseitige  man  so  rasch  als 
möglich  die  Ursache,  Katarrhe  behandele  man  mit  Naseneinträufe¬ 
lungen,  mit  Resorzinlösung.  Adenoide  Wucherungen  müssen  früh¬ 
zeitig  entfernt  werden.  Innerlich  gebe  man  Chloral,  dies  ermöglicht 
oft  die  Einführung  der  Magensonde.  Im  Anfall  ziehe  man  die  Zunge 
nach  vorn  und  reibe  das  Gesicht  mit  kaltem  Wasser. 


T.  Stacey  Wilson;  Der  Wert  rhythmischer  Uebuiigen  bei 
spastischen  Neurosen.  (Ibid.) 

Es  gelingt  nach  Verf.  Erfahrungen  meist  durch  sorgfältige  rhyth¬ 
mische  Uebungen  eine  neue  Art  der  Bewegung  anzuerziehen,  die  die 
fehlerhafte  spastische  beseitigt.  Man  darf  aber  nicht  nur  den  primär 
befallenen  Muskel  üben,  sondern  muss  alle  die  Muskelgruppen  mit 
berücksichtigen,  die  die  krankhaften  kombinierten  Bewegungen  an¬ 
genommen  haben.  Verf.  zeigt  dann  am  Bilde  des  Torticollis  spasticus, 
wie  er  die  Behandlung  leiten  will.  Ein  grosses  Gewicht  legt  er  darauf, 
dass  der  Kopf  von  einer  verständigen  Person  gestützt  wird  und  dass 
die  Uebungen  stets  in  derselben  Reihenfolge  und  im  selben  Rhythmus 
wiederholt  werden.  Er  empfiehlt  am  meisten  2  Sekunden  für  die  ein¬ 
zelne  und  4  für  die  kombinierte  Bewegung.  Die  Bewegungen  müssen 
mehrere  Minuten  hintereinander  wiederholt  werden.  Vor  allem  muss 
der  völlig  gestreckte  Kopfnicker  geübt  werden.  Wird  z.  B.  während 
des  Spasmus  das  Kinn  gegen  die  rechte  Schulter  gezogen,  so  mache 
man  häufig  eine  Uebung,  bei  der  bei  zurücikgehaltenem  Kopfe  das  Kinn 
von  der  Mittellinie  so  viel  wie  möglich  nach  aufwärts  und  links  be¬ 
wegt  wird.  Eine  andere  Uebung  besteht  darin,  das  Kinn  nach  rechts 
zu  erheben,  dann  es  soweit  zu  senken,  dass  es  beinahe  das  Brustbein 
berührt  und  es  dann  nach  links  zu  erheben.  Gleichzeitig  müssen  alle 
Nackenmuskeln  geübt  werden.  In  jedem  Falle  müssen  die  Be¬ 
wegungen  wochenlang  bis  zur  Ermüdung  der  Muskeln  fortgesetzt 
werden.  Auch  bei  anderen  Spasmen,  wie  sie  bei  verschiedenen  Be¬ 
schäftigungen  Vorkommen,  kann  man  durch  derartige  Uebungen 
Heilung  erzielen.  (Schluss  folgt.) 


Amerikanische  Literatur. 

A.  E.  Gal  Land:  Die  Wanderniere  als  Ursache  voit  Krankheiten 
der  Gallenwege.  (New  York  Med.  Journ.,  No.  11.) 

I.  Störungen  in  den  Gallenwegen  werden  hervorgerufen  durch 
Zug  oder  Druck  einer  prolabierten  Niere  auf  die  Gallengänge.  An¬ 
fangs  besteht  nur  geringe  Beweglichkeit  der  Niere  und  demnach  nur 
eine  geringe  Beeinflussung  der  Gallenwege,  mit  oder  ohne  Ikterus; 
daher  werden  diese  Verhältnisse  gewöhnlich  übersehen  oder  die  Niere 
kann  nicht  palpiert  werden,  indem  sie  ihre  normale  Lage  einnimmt, 
sobald  der  Kranke  sich  auf  den  Rücken  legt.  2.  Die  Anfälle  können 
beinahe  immer  sowohl  diagnostiziert  als  verhindert  werden,  indem  der 
Kranke  in  ein  Bett  gelegt  wird,  dessen  Fussende  etwa  um  10  Zoll 
erhöht  wird  und  die  Niere  durch  sorgfältige  Manipulation  wieder  in 
ihre  normale  Lage  gebracht  wird.  Verschlimmerungen  dieser  Ver¬ 
hältnisse  kann  vorgebeugt  werden  durch  eine  frühzeitige  Diagnose 
und  durch  sofortiges  Tragen  eines  speziell  zu  diesem  Zwecke  her¬ 
gestellten  Schnürleibes. 

E.  M.  v.  Eberts  und  W.  H.  P.  Hill:  Bakterielle  Inokulation 
bei  der  Behandlung  lokalisierter  Infektionen.  (Am.  Journ.  of  Med. 
Sc.,  Phila.,  CXXXIV,  No.  1.) 

Die  Verfasser  haben  im  allgemeinen  Hospitale  zu  Montreal 
14  Fälle  behandelt.  Darunter  waren  3  Fälle  epidemischer  Genickstarre 
und  4  Tuberkulosefälle.  Für  die  letzteren  wurde  das  TR  Tuberkulin 
Koch  gebraucht.  Die  Vakzine  für  die  anderen  Fälle  wurden  je  nach 
der  Infektion  auf  verschiedene  Weise  hergestellt.  Von  den  14  Fällen 
wurden  12  gänzlich  geheilt,  einer  gebessert  und  einer  (epidemische 
Genickstarre)  ging  mit  Tod  ab.  Unter  den  geheilten  Fällen  waren  2 
von  epidemischer  Genickstarre,  3  von  Tuberkulose  und  einer  von 
gonorrhoischer  Polyarthritis. 

J.  W.  B  r  and  e  i  s:  Blutsverwandtschaft  als  ein  Faktor  bei  Schar¬ 
lachimmunität.  (New  York  Med.  Journ.,  No.  4.) 

Verf.  beobachtete,  dass  wenn  in  den  ärmeren  Quartieren  der 
Stadt  New  York,  wo  die  Familien  gewöhnlich  kinderreich  sind,  ein 
Kind  vom  Scharlachfieber  ergriffen  wurde,  die  übrigen  Kinder  der¬ 
selben  Familie  dennoch  selten  erkrankten,  obgleich  sie  bei  den  be¬ 
stehenden  ungesunden  Wohnungsverhältnissen  der  Ansteckung  sehr 
ausgesetzt  waren.  Während  nach  Holt  50  Proz.  aller  Kinder,  die 
dem  Scharlachfieber  ausgesetzt  sind,  erkranken,  fand  Verf.,  dass  bei 
Kindern  derselben  Familie,  in  der  das  Fieber  auftritt,  durchschnittlich 
nur  10  Proz.  von  der  Krankheit  ergriffen  werden. 

H.  G.  Beck  und  W.  R.  Stokes:  Eine  epidemische  katar¬ 
rhalische  (Pneumokokken-)  Krankheit  der  oberen  Luftwege.  (Journ. 
Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  No.  11.) 

Die  Verfasser  hatten  in  ihrer  Praxis  Gelegenheit,  eine  seltsame 
Krankheit  zu  studieren  und  kommen  darüber  zu  folgenden  Schlüssen: 
Die  Krankheit  bietet  ein  ganz  eigenartiges  Bild  dar;  ihre  charak¬ 
teristische  Eigentümlichkeit  besteht  in  einer  eitrigen  oder  fibinösen 
Entzündung  der  Schleimhäute  der  Augen,  der  Nase  und  des  Rachens. 
Die  Infektion  kann  von  Kranken  auf  Gesunde  übertragen  werden.  Die 
erregende  Ursache  ist  der  Pneumokokkus,  welcher  in  seinen  kul¬ 
turellen  und  pathogenen  Eigenschaften  dem  Erreger  der  Lungenent¬ 
zündung  gleicht. 

O.  J.  Osborne:  Die  Diagnose  der  Niereninsuffizienz  und  die 
Behandlung  der  Urämie.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  No.  8.) 

Die  Urämie  ist  zu  einem  grossen  Teile  die  Folge  krankhafter  Ver¬ 
änderungen  in  der  Leber  und  nicht  bloss  der  Nieren.  Die  Diagnose 
der  Nephritis  darf  nicht  auf  zeitweiliges  Vorhandensein  von  Albumen 
und  Harnzylindern  im  Urin  gestützt  werden.  Nur  wenn  man  beständig 
Albumen  und  Zylinder  im  Harne  findet,  darf  man  Nephritis  annehmen, 

I  besonders  wenn  noch  die  folgenden  Symptome  hinzukommen:  Ge¬ 
ringere  Ausscheidung  von  Salzen,  grosse  Verminderung  oder  grosse 
Vermehrung  der  Harnmenge  von  niedrigem  spezifischem  Gewicht, 
Verdauungsbeschwerden,  Kopfweh,  zirkulatorische  Störungen  des  Ge¬ 
sichtssinnes. 

Bei  der  Behandlung  der  Urämie  verlange  man  vor  allem  absolute 
Ruhe,  Entziehung  aller  Nahrung,  selbst  der  Milch;  der  Kranke  darf 
nur  wenig  Wasser  trinken;  häufige  Kolonausspülungen  und  Wa¬ 
schungen  der  Haut  mit  warmem  Wasser  sind  von  Nutzen;  Blutent¬ 
ziehung  sollte  in  den  meisten  Fällen  vorgenommen  und  wiederholt 
werden,  wenn  der  Blutdruck  hoch  ist. 

W.  Meyer:  Behandlung  der  Lungenschwindsucht  mit  Tuber¬ 
kulin  (Koch).  (Med.  Record,  New  York,  No.  11.) 

Verf.  behandelte  25  Fälle  mit  Tuberkulin  und  wandte  dabei  so¬ 
wohl  Alt-  als  Neutuberkulin  an.  Er  findet,  dass  die  absprechende 
Kritik  der  Tuberkulintherapie  zum  grossen  Teile  gerechtfertigt  ist 
und  kommt  zu  folgenden  Schlussätzen:  1.  Eine  frühzeitige  Diagnose 
gibt  die  beste  Hoffnung  auf  eine  frühe  permamente  Heilung  (wobei 
Tuberkulin  als  Diagnostikum  gebraucht  wird).  2.  Fälle  in  einem  vor¬ 
gerückten  Stadium  sind  gewöhnlich  hoffnungslos.  3.  Heilung  ver¬ 
mittels  Tuberkulin  ist  möglich,  aber  ob  die  Heilung  eine  dauernde  sei, 
ist  soweit  noch  unentschieden.  4.  Nach  grossen  Dosen  von  1  uber- 
kulin  wurden  keine  üblen  Folgen  bemerkt,  selbst  nicht  am  Anfang  der 
Behandlung,  aber  es  ist  ratsam,  kleine  Dosen  zu  verabreichen,  indem 
grosse  Dosen  leicht  Symptome  hervorrufen,  welche  sowohl  den 
Kranken  als  den  Arzt  in  Aufregung  versetzen  könnten.  5.  In  den 
Fällen,  die  von  Fieber  begleitet  sind,  reduzieren  kleine  Dosen  die 
Temperatur.  6.  Die  Bazillen  nehmen  anfangs  an  Zahl  zu  und  der 
Husten  wird  zeitweilig  stärker,  aber  Besserung  tritt  früh  und  schnell 
ein.  7.  Bei  der  Tuberkulinbehandlung  nimmt  der  Kranke  an  Gewicht 


2398 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


zu,  die  Symptome  verschwinden  und  der  Patient  befindet  sich  in  jeder 
Beziehung  besser.  Das  gilt  natürlich  nur  von  einzelnen  wohlgewählten 
Fällen. 

D.  H.  Bergey:  Der  Gehalt  der  Kuhmilch  an  Leukozyten  und 
Streptokokken.  (Univ.  of  Penna.  Med.  Bull.,  Philad.,  No.  7.) 

I.  Unter  den  verschiedenen  Methoden  der  Feststellung  der  Ge¬ 
genwart  von  Eiter  in  der  Kuhmilch  ist  die  T  r  o  m  m  s  d  o  r  f  s  die  ein¬ 
fachste  und  zuverlässigste.  2.  Milch  enthält  stets  eine  gewisse  Zahl 
von  Leukozyten  und  Streptokokken:  nur  wenn  sie  in  sehr  vermehrter 
Zahl  auftreten,  weisen  sie  auf  pathologische  Veränderungen  im  Euter 
hin.  3.  In  allen  Fällen,  in  denen  die  Zahl  der  Leukozyten  hoch  ist,  wird 
man  auch  eine  relative  Vermehrung  der  Streptokokken  finden,  was  auf 
Euterentzündung  hindeutet.  4.  Sorgfältige  Palpation  des  leeren 
Euters  wird  gewöhnlich  eine  verhärtete  Stelle  in  den  infizierten  Teilen 
des  Euters  verraten. 

T.  M.  Rotch  und  C.  Flovd:  Der  opsonische  Index  und  der 
Tuberkulintest  in  der  Diagnose  der  Behandlung  der  Frühtuberkulose 
bei  Kindern.  (Journ.  Am.  Med.  Assoc.,  Chicago,  No.  8.) 

Das  Tuberkulin  und  der  opsonische  Index  sind  die  zwei  Mittel,  zu 
einer  frühzeitigen  Diagnose  der  Tuberkulose  zu  gelangen.  Tuber¬ 
kulin  ist  ein  wertvolles  Mittel,  aber  wenn  unvorsichtig  angewandt, 
kann  seine  Wirkung  sehr  schädlich  sein.  Der  opsonische  Index  kann 
für  die  Diagnose  der  Tuberkulose  von  grossem  Werte  sein  in  Fällen, 
in  denen  das  Tuberkulin  wegen  grosser  Schwäche  des  Patienten 
oder  wegen  hoher  unregelmässiger  Temperatur  nicht  angewandt 
werden  kann.  Der  Index  kann  entweder  hoch,  niedrig  oder  fluk¬ 
tuierend  sein.  Wenn  der  Index  niedrig  ist.  so  bedeutet  das  entweder 
Tuberkulose  oder  allgemein  verminderte  Widerstandskraft  gegen  den 
Tuberkulosebazillus.  Wenn  der  Index  hoch  ist.  so  dürfen  wir  an¬ 
nehmen,  dass  der  Körper  beständig  kleine  Quantitäten  tuberkulöser 
Produkte  aufnimmt,  welche  denselben  von  irgend  einem  Herde  zu 
vermehrter  Resistenz  stimulieren  und  daher  einen  hohen  Index  auf¬ 
recht  erhalten.  Wenn  dies  der  Fall  ist.  ist  Tuberkulose  immer  gegen¬ 
wärtig.  Von  noch  grösserem  Werte  ist  der  fluktuierende  Index,  in¬ 
dem  derselbe  eine  Ueberladung  des  Systems  mit  tuberkulösen  Pro¬ 
dukten  von  einem  tuberkulösen  Herde  anzeigt,  sodass  wir  eine  Reihe 
von  nositiven  und  negativen  Phasen  erhalten. 

P.  Brown:  Lungenschwindsucht  und  Röntgenstrahlen.  (Boston 
Med.  and  Surg.  Journ..  No.  13.) 

Schlussätze:  1.  Die  Röntgenstrahlen  sind  in  der  Diagnose  der 
Luneenschwindsucht  von  grossem  Werte.  2.  Indem  die  Röntgen¬ 
strahlen  es  uns  ermöglichen  sehr  feine  Veränderungen  im  Thorax 
wahrzunehmen,  sind  wir  oft  im  Stande,  die  Tuberkulose  in  einem 
früheren  Stadium  zu  erkennen  als  wir  es  vermittelst  des  Gehör-  und 
Tastsinns  vermögen.  Die  anderen  diagnostischen  Methoden  sollten 
jedoch  dabei  nicht  vernachlässigt  werden. 

J.  H.  Bar  ach:  Rlutdruckstudien  bei  Typhus  abdominalis, 
(New  York  Med.  Journ.,  No.  8.) 

Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlüssen:  1.  Der  Blutdruck  sinkt  von 
der  normalen  Höhe,  nachdem  der  Kranke  gezwungen  worden,  sich  zu 
Bette  zu  legen  und  verbleibt  so  bis  Besserung  eintritt,  worauf  er  zur 
normalen  Druckhöhe  zurückkehrt.  2.  Der  Blutdruck  wird  von  ihm 
eigenen  Faktoren  beherrscht  und  weist  kein  konstantes  Verhältnis  zu 
Puls  und  Temperatur  auf.  3.  Der  Blutdruck  mag  für  die  Diagnose 
von  Wert  sein:  für  die  Diagnose  der  Komplikationen  ist  er  von  un¬ 
zweifelhaftem  Werte.  4.  Der  Blutdruck  ist  von  Wichtigkeit  für  die 
Prognose.  Ein  stetig  fallender  Druck  bedeutet  ernste  Gefahr.  So¬ 
lange  der  Blutdruck  nicht  sehr  tief  sinkt,  dürfen  wir  bedeutende 
Reservekräfte  im  Körper  annehmen.  5.  Für  die  Behandlung  der 
Krankheit  ist  die  Beobachtung  des  Blutdruckes  von  grossem  Werte. 
F.i  lehrt  uns,  dass  wir  dem  Herzkollaps  durch  Vermehrung  des 
peripherischen  Druckes  Vorbeugen  sollen. 

W.  W.  K  i  n  g:  Ankylostomiasis,  ihr  Verlauf  und  ihre  Behandlung. 
(Journ.  Am.  Med.  Assoc..  Chicago.  No.  6.) 

Verf.  hatte  als  Mitglied  einer  Kommission,  die  von  der  Re¬ 
gierung  der  Vereinigten  Staaten  niedergesetzt  wurde,  reichlich  Ge¬ 
legenheit.  diese  Krankheit  während  der  Jahre  1899  bis  1906  in  Porto 
Rico  zu  studieren.  Nach  ihm  waren  mehr  als  90  Proz.  der  ländlichen 
Bevölkerung  Porto  Ricos  von  dieser  Krankheit  befallen,  und  wenig¬ 
stens  12  000  Fälle  kamen  unter  seine  direkte  Beobachtung.  Verf.  ist 
überzeugt,  dass  der  Parasit  in  weitaus  den  meisten  Fällen  durch  die 
Haut  in  den  menschlichen  Körper  gelangt.  Pathologische  Ver- 
«iruieriingen  fanden  sich  hauptsächlich  in  der  Leber  (Fettdegeneration) 
H,n.f  den  Nieren  (chronische  parenchymatöse  Nephritis).  In  einigen 
räilen  wurden  Ankylostomen  im  Magen  gefunden.  Die  meisten 
AnK\  lostomen  enthielt  das  Jejunum,  eine  geringere  Menge  das 
Duodenum.  Viele  Fälle  wiesen  Atrophie  der  Milz  auf.  Mit  Rücksicht 
auf  die  Heilmittel  wurden  ausgedehnte  Exoerimente  gemacht.  Filix 
nus  wurde  als  beinahe  wertlos  befunden,  obschon  ein  gutes  deutsches 
I  räparat  gebraucht  wurde.  Thvmol  ist  das  beste  aller  Mittel;  auch 
Beta-Naphthol  ist  sehr  wertvoll.  Es  mag  beigefügt  werden,  dass 
durch  die  Tätigkeit  dieser  ärztlichen  Kommission  die  Krankheit  fast 
ganz  von  der  Insel  verschwunden  ist. 

W.  B.  Har  1  and:  Der  Kehlkorf  bei  Tabes  dorsalis.  (Journ. 
Am.  Med.  Assoc..  Chicago.  No.  11.) 

Verf.  untersuchte  eine  grosse  Anzahl  von  Krahken,  die  an  Tabes 
dorsalis  litten,  mit  Rücksicht  auf  laryngeale  Affektiönen  und  kam  zu 
lolgenden  Resultaten:  1.  Im  Widerspruch  mit  den  Lehrbüchern  wird 
der  Kehlkopf  bei  Tabes  dorsalis  selten  ernstlich  in  Mitleidenschaft 


gezogen.  2.  In  seltenen  Fällen  tritt  im  Anfang  der  Krankheit  eine 
spasmodische  Abduktorenlähmung  auf,  ein  Umstand,  welcher  für  den 
Arzt  ein  Hinweis  auf  Tabes  dorsalis  als  die  mögliche  Ursache  sein 
sollte. 

L.  N.  Boston:  Ein  wertvolles  Zeichen  bei  Morbus  Basedowii. 

New  York  Med.  Journ.,  No.  7.) 

Der  Kranke  sitzt  auf  einem  Stuhl,  das  Hinterhaupt  fest  gegen  die 
Stuhllehne  gepresst.  Der  Arzt  hält  den  Zeigefinger  etwa  drei  Fuss 
über  dem  Kopf  des  Kranken,  welch  letzterer  angewiesen  wird,  mit 
den  Augen  dem  Finger  zu  folgen.  Der  Arzt  bewegt  seinen  Finger  in 
einem  Bogen  nach  vorn  und  abwärts  bis  zu  einem  Punkt,  der  in  der 
Mittellinie  des  Patienten,  auf  gleicher  Höhe  mit  dem  Kinne  steht. 
Während  nun  das  Auge  des  Kranken  dem  Finger  folgt,  kommt  es  zu 
einem  Punkt,  an  welchem  es  plötzlich  anhält,  ein  Lidkrampf  erfolgt  „ 
und  das  Lid  schliesst  sich  bedeutend  mehr.  Verf.  hat  dieses  Zeichen 
in  allen  Fällen  gefunden,  die  unter  seine  Beobachtung  kamen.  Das¬ 
selbe  darf  nicht  verwechselt  werden  mit  dem  Teil  von  Graefes 
Symptom,  welches  in  Unbeweglichkeit  des  oberen  Lides  mit  Zug  auf 
dasselbe  besteht. 

W.  B.  St  an  ton:  Der  Blutdruck  bei  der  Tuberkulose.  (Internat. 

Clin.,  Phila,  Vol.  III.) 

I.  Der  Blutdruck  ist  bei  der  Tuberkulose  gewöhnlich  niedrig; 
das  gilt  sowohl  vom  systolischen  als  vom  diastolischen  Druck. 
2.  Tageszeit,  Fieber,  Stadium  der  Krankheit  haben  keinen  Einfluss  auf 
den  Blutdruck.  3.  Tuberkulöse  Alkoholiker  weisen  einen  etwas 
höheren  systolischen  Druck  als  gewöhnlich  auf.  4.  Die  Nephritis  der 
Tuberkulose  erhöht  augenscheinlich  den  Blutdruck  nicht. 

A.  J.  Ochsn  er:  Endresultate  von  164  Fällen  von  Karzinom 
der  Brust,  die  in  einem  Zeiträume  von  14  Jahren  operiert  wurden. 
(Ami.  of  Surg.,  Phila,  Vol.  XLVI.  No.  1.) 

Bei  63  Fällen  war  es  unmöglich,  Erkundigungen  über  die  weiteren 
Schicksale  der  Patienten  einzuziehen.  Von  den  98  Patienten,  deren 
Schicksale  verfolgt  werden  konnte,  waren  54  noch  am  Leben.  Bei 
22  derselben  sind  mehr  als  fünf  Jahre  seit  der  Operation  verflossen. 
Von  den  44  Fällen,  die  mit  Tod  abgingen,  starben  nur  39  an  der 
Operation  oder  an  Rückfall  der  Krankheit.  Verf.  hat  während  der 
letzten  sechs  Jahre  alle  Patienten  nach  der  Operation  mit  Röntgen¬ 
strahlen  behandelt. 

W.  Bartlett:  Eine  einfache  Methode,  Steine  aus  dem  unteren 
Harnleiter  zu  entfernen.  (Surg.,  Gynaec.  and  Obstet.,  Chicago,  No.  3.) 

Das  Verfahren  ist  folgendes:  1.  Einschnitt  parallel  mit  dem 
äusseren  Rande  des  M.  rectus  abdominis,  von  der  Linea  semilun. 
Spigelii  bis  zum  Schambein.  Das  Bauchfell  wird  nicht  geöffnet,  son¬ 
dern  sorgfältig  gegen  die  Mittellinie  geschoben.  Auf  diese  Weise  wird 
der  Harnleiter  in  die  Wunde  gezogen.  2.  Der  Daumen  und  Zeigefinger, 
den  Harnleiter  fassend,  folgen  demselben  abwärts  bis  sie  den  Stein 
erreichen.  3.  Der  Stein  wird  mit  Daumen  und  Zeigefinger  gefasst  und 
über  demselben  ein  kleiner  Einschnitt  gemacht,  worauf  der  Stein 
durch  die  kleine  Oeffnung  gepresst  wird.  4.  Der  Harnleiter  wird  nicht 
genäht.  Ein  Drainageröhrchen  wird  eingesetzt  und  die  Wunde  mit 
Ausnahme  des  unteren  Endes  geschlossen. 

J.  W.  Bovee:  Die  Anwendung  von  Jodkatgut  in  der  Bauch¬ 
chirurgie.  (Am.  Journ.  of  Obstet.,  New  York,  No.  3.) 

Das  Katgut  wird  in  gewünschten  Längen  auf  Glasspulen  ge¬ 
wunden  und  in  die  folgende  Lösung  eingelegt:  Tinct.  Jod.  1  proz., 
Jodkali  lVs  proz.,  Alcohol.  absol.  97%  proz. 

Nach  Verlauf  von  14  Tagen  wird  das  Katgut  herausgcnommen 
und  in  kleinen,  trockenen,  luftdichten  Behältern  aufbewahrt.  Das  so 
behandelte  Katgut  hat  folgende  Vorzüge:  Es  ist  steril;  es  hat  in  den 
Geweben  eine  keimtötende  Wirkung;  es  hat  eine  grössere  Stärke 
und  widersteht  frühzeitiger  Absorption;  die  Herstellung  ist  einfach 
und  leicht.  A.  Allemann. 

Inauguraldissertationen.") 

Ueber  die  Behandlung  von  30  Genickstarre- 
kranken  mit  Jochmannscheni  Meningokokken- 
s  e  r  u  m  berichtet  Christian  Schöne  in  einer  Dissertationsarbeit 
aus  dem  städtischen  Krankenhaus  zu  Ratibor  (Breslau  1906).  Aus 
den  mitgeteilten  Untersuchungen  ergibt  sich,  dass  das  von  Joch- 
m  a  n  n  in  die  1  herapie  eingeführte  Meningokokkenserum  den  Krank- 
hcitsverlauf  günstig  beeinflusst.  Ausser  im  ausgebildeten 
Stadium  hydrocephalicum  sollte  das  Serum  in  jedem  Falle  stets  an¬ 
gewandt  werden.  Gaben  von  nur  2  mal  20  ccm  im  Abstand  von 
2  Tagen  haben  nur  in  seltenen  Fällen  Erfolg  (2:  10).  Anzuraten  sind 
grössere  Gaben:  30  ccm  täglich  wiederholt,  bei  Erwachsenen  auch 
mehr,  bis  eine  Wirkung  auf  die  Fieberkurve  ersichtlich  ist.  Intra¬ 
lumbale  Injektionen  scheinen  wirksamer  zu  sein  als  subkutane.  Die 
Kranken  sollen  12  Stunden  lang  nach  intralumbalen  Injektionen  mit 
dem  Kopfe  tief  gelagert  werden.  Wenn  vor  den  intralumbalen  Serum¬ 
injektionen  dieselbe  oder  eine  grössere  Flüssigkeitsmenge  durch 
Punktion  entleert  worden  ist,  haben  sie  nie  einen  Schaden  zur  Folge. 

W.  H.  Buchholz  hat  am  staatlich-hygienischen  Institut  in 
Bremen  seine  Untersuchungen  über  den  Nachweis  der 
Typhus  bazillen  im  Blute  (mit  besonderer  Be¬ 
rücksichtigung  des  Conradischen  Gallekult  ur- 


*)  Rezensionsexemplare  erbittet  Dr.  Fritz  Loeb,  München 
(Domfreiheit).  Besprechung  Vorbehalten. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2399 


Verfahrens)  angestellt  und  ist  zu  folgenden  Ergebnissen 
gekommen:  1.  Das  C  o  n  r  a  d  i  sehe  Gallekulturverfahren  bildet  eine 
wirkungsvolle  Ergänzung  der  bisher  üblichen  Verfahren  zum  Nach¬ 
weis  der  Typhusbazillen  im  Blut.  2.  Es  ergibt  vorzügliche  Resul¬ 
tate  für  die  Sicherheit  der  Diagnose  bereits  zu  einer  Zeit  der  Er¬ 
krankung.  in  der  die  übrigen  bakteriologischen  Hilfsmittel,  insbeson¬ 
dere  der  Nachweis  der  Bazillen  in  den  Entleerungen  und  die  W  i  d  a  1  - 
sehe  Probe  oft  versagen.  3.  Zur  Untersuchung  genügen  kleine  Blut¬ 
mengen,  wie  sie  aus  der  Fingerbeere  oder  dem  OhrläpDchen  zu  ge¬ 
winnen  sind.  Die  unmittelbare  Mischung  des  möglichst  aseptisch 
entnommenen  Blutes  mit  der  Galle  ist  am  enmfehlenswertesten. 
Die  Gerinnung  des  Blutes  verhindert  jedoch  den  Erfolg  der  Unter¬ 
suchung  auch  nicht.  4.  Das  mit  ca.  5  ccm  reiner,  steriler  Rinder¬ 
galle  gefüllte  Röhrchen  genügt  für  das  Kulturverfahren.  Infolge 
seiner  Billigkeit  und  Einfachheit  erscheint  es  auch  zum  Gebrauch  in 
der  Allgemeinpraxis  besonders  geeignet,  da  es  sich  nach  der  am 
Krankenbett  vorgenommenen  Mischung  der  Galle  mit  Blut  leicht 
verschicken  lässt.  5.  Die  Ausdehnung  des  Gallekulturverfahrens 
auch  auf  den  Nachweis  anderer  spezifischer  Erreger  im  Blut  erscheint 
aussichtsvoll.  (Dissertation,  Leipzig.) 

Karl  Thomas  berichtet  in  einer  wertvollen  Freiburger  Doktor¬ 
arbeit  (1907)  auf  Anregung  von  Prof.  C  1  e  mens  über  Urobili-no- 
gen,  seine  klinische  Bedeutung,  seine  chemischen 
Eigenschaften  und  seine  Farbenreaktionen  (,.E  h  r  - 
1  ich  sehe  Aldehyd-“  und  „E  i  g  e  1  b  e  Diazo  r  eaktion“). 
Das  Urobilinogen  ist  weder  in  reinem  Zustand  noch  ü'berhaunt  in 
fester  Form  bis  jetzt  erhalten  worden,  daran  ist  seine  grosse  Emn- 
findlichkeit  gegenüber  dem  Luftsauerstoff  unter  Lichtzutritt  schuld, 
durch  den  es  in  kurzer  Zeit  m  Urobilin  übergeführt  wird,  gegen  Hitze 
ist  es  relativ  beständig.  In  klinischer  Bedeutung  sind  Urobilin  und 
Urobilinogen  gleichwertig.  Aus  Galle  oder  Harn  fallen  sowohl  Uro¬ 
bilin  als  sein  Chromogen  am  besten  und  vollständigsten  aus.  wenn 
man  der  wässerigen  Lösung  Ammonsulfat  zusetzt.  Das  Urobilinogen 
ist  die  Ursache  der  „eigelben  Diazoreaktion“.  Fritz  L  o  e  b. 

Auswärtige  Briefe. 

Berliner  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Zur  Frage  des  ärztlichen  Berufsgeheimnisses.  —  Die  wirt¬ 
schaftliche  Organisation  geistiger  Arbeiter. 

Eine  Vorstellung  in  der  „Medizinischen  Gesellschaft“  hat 
den  Anlass  dazu  gegeben,  dass  die  Frage  des  ärztlichen  Berufs¬ 
geheimnisses  wieder  einmal  in  den  Vordergrund  des  all¬ 
gemeinen  Interesses  gerückt  wurde  und  dabei  von  einem  im 
allgemeinen  wenig  beachteten  Standpunkte  aus,  nämlich  dem 
der  wissenschaftlichen  Publizistik,  beleuchtet  wurde.  Der  Vor¬ 
fall  selbst  wurde  auch  von  einigen  Tageszeitungen  übernommen 
und  zum  Teil  in  unrichtiger  und  entstellter  Form  wiederge¬ 
geben.  Ein  Kollege  stellte  einen  in  wissenschaftlicher  und 
praktischer  Beziehung  interessanten  Fall  von  kriminellem  Abort 
mit  artefizieller  Verletzung  des  Uterus  vor.  Der  Vorsitzende 
unterbrach  ihn  jedoch  mit  der  Begründung,  dass  hier  von  einem 
Verbrechen  öffentlich  Kenntnis  gegeben  werde,  erklärte,  dass 
die  Mitteilung  als  nicht  geschehen  zu  betrachten  und  aus  dem 
Protokoll  zu  entfernen  sei.  Der  Vorstand  rektifizierte  sich  am 
Tage  darauf  selbst,  indem  er  den  Kollegen  benachrichtigte,  dass 
seine  Mitteilung  doch  vollständig  publiziert  werden  würde. 
Damit  könnte  der  spezielle  Fall  als  erledigt  gelten,  wenn  nicht 
mit  ihm  die  weit  wichtigere  Frage  angeschnitten  wäre,  inwie¬ 
weit  bei  wissenschaftlichen  Publikationen  ein  Konflikt  mit  der 
Schweigepflicht  des  Arztes  zu  befürchten  und  zu  vermeiden 
ist.  Die  Frage  ist  von  2  Seiten  her  zu  betrachten,  der  juri¬ 
stischen  und  der  ethischen.  Den  juristischen  Anforderungen 
dürfte  es  nicht  schwer  sein  zu  genügen.  Der  §  300  StGB, 
bedroht  Aerzte,  wenn  sie  unbefugt  Privatgeheimnisse  offen¬ 
baren,  die  ihnen  Kraft  ihres  Amtes,  Standes  oder  Gewerbes 
anvertraut  sind,  mit  Geld-  oder  Gefängnisstrafe.  Geschieht 
die  Veröffentlichung  eines  Falles  in  einer  Zeitschrift  oder  die 
Vorstellung  eines  Patienten  in  einer  Vereinssitzung  so,  dass 
die  betreffende  Person  nicht  kenntlich  wird,  geschieht  die 
Vorstellung  ausserdem  mit  Einwilligung  des  Patienten,  so  wird 
schwerlich  ein  Richter  die  Kriterien  einer  Offenbarung  von 
Privatgeheimnissen  oder  unbefugten  Handelns  finden  können. 
Im  vorliegenden  Falle  waren  übrigens  alle  Vorsichtsmassregeln 
getroffen  worden:  die  Patientin,  deren  Namen  selbstverständ¬ 
lich  nicht  genannt  wurde,  war  vorher  darüber  orientiert 
worden,  was  geschehen  sollte,  hatte  ihre  Einwilligung  zu  der 
Vorstellung  gegeben,  bei  der  sie  das  Gesicht  verhüllt  trug,  und 


war  auch  damit  einverstanden,  dass  sie  in  einem  abgesonderten 
Zimmer  von  einzelnen  Herren  unter  Assistenz  ihres  Arztes 
untersucht  werde.  Nun  ist  aber  vom  ethischen  Standpunkt  die 
Frage  aufgeworfen  worden,  ob  nicht  die  M  ö  g  1  i  c  h  k  e  i  t  vor¬ 
lag,  dass  die  Patientin  doch  kenntlich  und  so  das  Berufs¬ 
geheimnis  verletzt  würde.  Diese  Möglichkeit  kann  allerdings 
nicht  bestritten  werden;  wissenschaftliche  Sitzungen  sind, 
wenn  sie  auch  in  geschlossenen  Gesellschaften  stattfinden, 
gegen  die  Aussenwelt  nicht  undurchdringlich.  Auch  die  ge¬ 
legentlich  geäusserte  Auffassung,  dass  mit  der  Mitteilung  eines 
Krankheitsfalles  in  einer  ärztlichen  Versammlung  das  Geheim¬ 
nis  des  einen  Arztes  zu  dem  aller  Anwesenden  werde,  die  dann 
ihrerseits  zur  Geheimhaltung  verpflichtet  seien,  ist  juristisch 
nicht  einwandsfrei  und  praktisch  um  so  weniger  gültig,  je 
grösser  die  Versammlung  ist.  (Die  medizinische  Gesellschaft 
hat  über  1000  Mitglieder.)  Dazu  kommt,  dass  auch  ärztliches 
Hilfspersonal,  Bedienstete  u.  a.  in  der  Sitzung  zugegen  sein 
können,  dass  man  die  betreffende  Person  in  das  Versammlungs¬ 
lokal  hineingehen  sieht  und  dass  man  sich  später  den  Zu¬ 
sammenhang  konstruieren  kann  u.  dergl.  mehr.  Also  freilich, 
die  Möglichkeit  (aber  auch  nur  diese),  dass  bei  der  Vor¬ 
stellung  diskreter  Fälle  durch  irgendwelche  Zufälligkeiten  das 
Geheimnis  gelüftet  werden  könnte,  liegt  vor.  Welche  Schluss¬ 
folgerungen  sind  daraus  zu  ziehen?  Doch  nur  die,  dass  man 
die  Vorstellung  solcher  diskreter  Fälle  mit  den  denkbar  grössten 
Vorsichtsmassregeln  zu  umgeben  habe.  Und  dabei  dürfte  an 
eine  Form  der  Publikation  erinnert  werden,  bei  der  diese 
Vorsicht  besonders  geboten  ist,  nämlich  die  photographische. 
Man  sieht  nicht  selten  in  Zeitschriften  und  Sitzungen  die  Bilder 
von  Personen,  die  dadurch  völlig  kenntlich  werden,  und  die 
vielleicht  gerade  ein  Interesse  am  Gegenteil  haben  z.  B.  bei 
syphilitischen  Ulzerationen  oder  Exanthemen  im  Gesicht.  Bei 
der  Häufigkeit  der  Publikationen  dieser  Art  dürfte  es  zweifel¬ 
haft  sein,  ob  sie  stets  „befugt“  geschehen,  und  mehr  "noch,  ob 
den  ethischen  Grundsätzen  der  Wahrung  des  Berufsgeheim¬ 
nisses  im  vollen  Umfang  genügt  ist.  Bei  pathologischen  Pro¬ 
zessen  im  Gesicht  wird  es  vielleicht  genügen  müssen  und  jeden¬ 
falls  vorsichtiger  sein,  nur  Teile  des  Gesichts  in  der  Abbildung 
wiederzugeben. 

In  der  „Gesellschaft  für  soziale  Medizin“  sprach  Herr 
Regierungsrat  Leo  über  die  wirtschaftliche  Organisation  der 
geistigen  Arbeiter;  er  will  darunter  nur  solche  Vereinigungen 
verstanden  wissen,  welche  ausschliesslich  den  Zweck  haben, 
die  wirtschaftliche  Lage  und  die  Lebenshaltung  des  ganzen 
Standes  wie  der  einzelnen  Mitglieder  zu  heben,  nicht  aber 
solche,  welche  eine  Hebung  der  wissenschaftlichen  Leistungen 
oder  des  sozialen  Ansehens  des  Standes  zum  Ziele  haben. 
Unter  demEinfluss  der  modernen  Wirtschaftsentwicklung  haben 
sich  die  Arbeitgeber  und  Arbeiter  im  eigentlichen  Sinne  zu 
festen  Verbänden  zusammengeschlossen,  darum  ist  auch  für  die 
zwischen  ihnen  stehenden  und  mit  ihnen  vielfach  in  Berührung 
kommenden  Kopfarbeiter  eine  ähnliche  Organisation  notwendig 
geworden.  Ein  zweiter  Grund  ist  die  Verschiebung  der  Ein¬ 
kommensverhältnisse  bei  geistiger  bezw.  körperlicher  Arbeit 
zu  Ungunsten  der  ersteren.  Während  sich  das  Einkommen 
der  gewerblichen  Arbeiter  erheblich  gesteigert  hat,  ist  das  bei 
geistigen  Arbeitern  gar  nicht  oder  nur  in  geringem  Masse  der 
Fall  gewesen,  sodass  der  Unterschied  vielfach  auf  ein  Minimum 
reduziert  ist,  ja  mitunter  stehen  die  gewerblichen  Arbeiter  so¬ 
gar  günstiger  da.  Aus  den  Zahlen  des  Vortragenden  erfahren 
wir,  dass  unter  den  akademischen  Berufen  die  Aerzte  noch 
nicht  am  ungünstigsten  gestellt  sind.  Im  Bezirk  der  Berlin- 
Brandenburger  Aerztekammer  hat  die  Hälfte  der  Aerzte  ein 
Einkommen  von  4 — 5000  Mark,  bei  den  Ingenieuren,  Tech¬ 
nikern,  Chemikern  aber  haben  60  Proz.  ein  Einkommen  von 
nicht  mehr  als  2400  Mark  und  nur  17  Proz.  erreichen  mehr  als 
3000  Mark.  Es  kommt  hinzu,  dass  das  für  die  geistige  Aus¬ 
bildung  aufgewendete  Kapital  wesentlich  höher  ist  als  das  für 
körperliche  Ausbildung  erforderliche.  Als  ein  Muster  wirt¬ 
schaftlicher  Organisation  geistiger  Arbeiter  bezeichnet  Herr 
Leo  diejenige  der  Aerzte,  den  Leipziger  Verband,  der  ganz 
den  Charakter  einer  Gewerkschaft  trage  und  vom  Volks-  und 
staatswirtschaftlichen  Standpunkt  durchaus  anzuerkennen  sei. 
Auch  die  Privatbeamten-  und  Technikervereine  haben  ähn¬ 
liche  Bedeutung.  Im  Ausland  ist  der  Versuch  gemacht  worden, 


2400 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


auch  Staatsbeamte  in  solche  Organisationen  hineinzuziehen, 
er  ist  jedoch  überall  auf  den  Widerstand  des  Staates  gestossen. 
In  Deutschland  sind  solche  Bestrebungen  bei  den  Staats¬ 
beamten  wegen  ihrer  gesicherten  Stellung,  der  Pensions¬ 
berechtigung,  und  da  sie  in  Parlament  und  Presse  eine  zu¬ 
ständige  Stelle  zur  Anbringung  ihrer  Wünsche  haben,  nicht 
nötig  und  auch  nicht  möglich.  Für  die  im  freien  Wettbewerb 
tätigen  geistigen  Arbeiter  nimmt  die  organisatorische  Be¬ 
wegung  im  allgemeinen  einen  ruhigen  Verlauf;  es  müsse  aber 
daran  erinnert  werden,  dass  ihrem  Koalitionsrecht  auch  Gren¬ 
zen  gezogen  sind,  diese  sind,  ebenso  wie  bei  den  gewerblichen 
Arbeitern,  da  zu  suchen,  wo  das  öffentliche  Interesse  beginnt. 
Es  kann  wohl  erlaubt  sein,  zur  Erreichung  bestimmter  Zwecke 
den  Arbeitgebern  Verlegenheiten  zu  bereiten,  diese  dürfen  aber 
nicht  einen  öffentlichen  Notstand  zur  Folge  haben.  M.  K. 


Briefe  aus  Italien. 

(Eigener  Bericht.) 

Palermo.  —  Villa  Igea.  —  Universität.  —  Kongress  für 
innere  Medizin. 

Während  des  Kongresses  für  innere  Medizin,  der  dieses 
Jahr  vom  21.  bis  24.  Oktober  in  Palermo  stattfand,  hatte  ich 
Gelegenheit,  diese  schöne  Stadt  etwas  näher  kennen  zu  lernen 
und  freut  es  mich,  hier  vom  Gesichtspunkte  des  Arztes  und 
Hygienikers  darüber  berichten  zu  können. 

Wenn  man  bei  Sonnenaufgang  vom  Schiff,  das  am  Abend 
Neapel  verlässt,  die  Berge  Siziliens  zu  unterscheiden  beginnt, 
fühlt  man  sich  von  Freude  und  Bewunderung  erfasst.  Wenn 
die  Ueberfahrt  gut  war,  mit  ruhigem  Meere  und  Mondenschein, 
wie  in  meinem  Fall,  dann  ist  dieses  freudige  Gefühl  noch 
stärker  und  ungetrübter.  Wunderbar  und  eigenartig  ist  diese 
Insel  mit  ihren  charakteristischen  Bergen,  ihren  Städten  und 
Ruinen,  an  die  sich  die  ältesten  Erinnerungen  an  Griechenland 
und  Rom  und  an  die  bewegte  Periode  der  Geschichte  des 
Mittelalters  knüpfen.  Wie  viele  Völker  und  Rassen  haben  nicht 
hier  Fuss  gefasst  und  sich  gegenseitig  den  Besitz  dieser  Perle 
unter  den  Inseln  streitig  gemacht,  die  von  der  Natur  bevorzugt 
wie  keine  andere,  eben  deshalb  alle  Unbill  ewigen  Krieges 
und  Kampfes  auskosten  musste! 

Das  Klima  Siziliens  ist  eines  der  besten,  die  wir  kennen 
und  unter  den  bevorzugtesten  Städten  befindet  sich  gerade 
Palermo.  Es  ist  von  einer  fast  konstanten  Regelmässigkeit 
und  man  berechnet,  dass  auch  in  der  Regenperiode  keine  fünf 
Tage  vergehen,  ohne  dass  sich  die  Sonne  sehen  lässt,  und  sehr 
selten  ist  selbst  im  tiefsten  Winter  ein  Tag  anzutreffen,  der  nicht 
erlaubt,  dass  man  sich  etliche  Stunden  bei  angenehmer  Tem¬ 
peratur  im  Freien  aufhält.  In  einer  Rundfrage  des  „Lancet“ 
vom  Jahre  1897  heisst  es,  dass  sich  die  Insel  Sizilien  des 
mildesten  und  gleichmässigsten  Klimas  von  allen  Gegenden 
Europas  erfreut.  Nur  in  Ausnahmefällen  (4 — 5  mal  im  Jahre) 
sinkt  das  Thermometer  auf  den  Nullpunkt;  für  gewöhnlich  ist  die 
niederste  Temperatur  in  Palermo  nicht  unter  10°  und  auch  dies 
kommt  nur  selten  vor.  Palermo  hat  ein  Mittel  von  167  heiteren 
Tagen,  mit  wolkenlosem  Himmel,  62  Tage  sonnig,  mit  leichter 
Bewölkung,  136  Tage  mit  bedecktem  Himmel  und  116  Regen¬ 
tage.  Der  mittlere  tägliche  Temperaturunterschied  beträgt  7°. 
Catania,  Taormina,  Syrakus,  Girgenti  haben  noch  viel  weniger 
Regentage;  Catania  hat  z.  B.  282  sonnige  Tage  im  Mittel,  aber 
die  tägliche  Schwankung  ist  dafür  zirka  um  einen  Grad  höher. 
Das  Klima  Catanias  ist  trockener  als  jenes  Palermos,  was  viel¬ 
leicht  auf  die  Nähe  des  Aetna  zurückzuführen  ist.  Das  Klima 
Palermos  hat  einen  beruhigenden  Einfluss  auf  das  Nerven¬ 
system,  die  Schlaflosigkeit  und  verschiedene  Zustände  von 
Neurasthenie,  jenes  von  Catania  ist  mehr  tonisch  und  weniger 
beruhigend,  als  das  von  Palermo;  dasselbe  gilt  von  Taormina. 
Es  verdient  auch  hier  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die 
Sterblichkeit  an  Tuberkulose  eine  sehr  geringe  ist,  sie  steht 
unter  dem  gewöhnlichen  Mittel  Europas;  Catania  weist  die 
niedrigste  Ziffer  mit  1,42  Proz.  auf. 

In  Bezug  auf  Bequemlichkeit  und  Komfort  hat  Palermo  in 
den  letzten  Jahren  bedeutende  Fortschritte  gemacht  und  es 
gibt  nun  zahlreiche  Hotels  und  Pensionen,  in  denen  auch  die 
verwöhnteren  Fremden  sich  sehr  wohl  fühlen  können.  Be¬ 
sondere  Erwähnung  verdient  hier  die  „Villa  I  g  e  a“,  ein 


grossartiger  Bau  an  einem  sehr  schönen  Punkte  der  Conca 
d’oro,  wenige  Minuten  von  der  Stadt,  der  Raum  für  200  Per¬ 
sonen  bietet.  Ursprünglich  für  Brustkranke  bestimmt,  die  hier 
mit  einer  besonderen  Inhalationsmethode  des  Prof.  C  e  r  v  e  1 1  o 
von  Palermo  behandelt  werden  sollten,  wurde  es  bald  nach  der 
Eröffnung  in  ein  Hotel  umgewandelt,  welches  Personen,  die 
der  Ruhe  und  eines  warmen  gleichmässigen  Klimas  bedürfen, 
den  denkbar  angenehmsten  Aufenthalt  bietet.  Und  tatsächlich 
ist  es  jetzt  ein  bevorzugtes  Ziel  all  jener  kosmopolitischen 
Zugvögel  geworden,  die  das  rauhe  heimische  Klima  auf  die 
Suche  nach  Sonnenschein  und  Wärme  drängt.  Eine  elegante, 
internationale  kleine  Welt  bevölkert  nun  das  schöne,  wunder¬ 
voll  gelegene  Hotel,  das  vom  sanitären  und  hygienischen  Stand¬ 
punkt  aus  uneingeschränktes  Leb  und  wärmste  Empfehlung 
verdient.  V  i  1 1  a  I  g  e  a  liegt  auf  einer  kleinen,  üppig  grünenden, 
von  den  klaren  Wellen  des  tiefblauen  Meeres  umspülten  Halb¬ 
insel,  mit  einem  Panorama,  das  vielleicht  auf  der  Welt  einzig 
dasteht.  Der  Monte  Pellegrino,  an  dessen  Fuss  sie  sich 
schmiegt,  beschützt  sie  vor  jedem  rauhen  Wind  und  dient  ihr 
gleichzeitig  als  majestätischer  Hintergrund.  Er  ist  wirklich 
wundervoll,  dieser  charakteristische  Berg,  der  sich,  wie 
Goethe  sagt,  nicht  beschreiben  lässt;  golden  und  tiefblau 
schimmernd,  nackt  und  felsig,  einsam,  wie  ein  zürnender  Gi¬ 
gant,  versetzt  er  uns  mit  seiner  sonderbaren  Form  in  das  Reich 
der  Träume  und  der  Märchen.  Ich  wollte  ihn  besteigen,  um 
diesen  Riesen,  den  menschliche  Habsucht  so  gründlich  seines 
grünen  Gewandes  beraubt  hat,  etwas  näher  kennen  zu  lernen, 
und  es  gereichte  mir  zum  Trost,  auf  halber  Höhe,  dort,  wo  sich 
eine  Art  Hochplateau  ausdehnt,  auf  einen  Aufforstungsversuch 
zu  stossen,  der  die  besten  Resultate  verspricht.  Aber  warum 
dehnt  man  diesen  Versuch  nicht  weiter  aus?  Warum  stellt 
man  den  Berg  nicht  wieder  so  her,  wie  er  vor  Jahrhunderten 
war,  kultiviert  und  mit  ausgedehnten  Wäldern  bedeckt? 
Zweifelsohne  wäre  das  für  Palermo  auch  von  grösstem  hygie¬ 
nischen  Nutzen.  Dieselben  Verhältnisse  findet  man  leider  mehr 
oder  weniger  ausgeprägt  überall  in  Sizilien,  nur  in  der  Nähe 
des  Aetna  existieren  noch  ausgedehnte  Wälder  und  man  kann 
nur  wünschen,  dass  die  in  ganz  Italien  sich  ausbreitende  Be¬ 
wegung  (wir  haben  ja  sogar  ein  Nationalfest:  das  Baumfest; 
„Festa  degli  alber  i“)  zur  Aufforstung  der  ausgerotteten 
Wälder  in  absehbarer  Zeit  bemerkenswerte  Resultate  zeitige. 
Die  klimatischen  und  hygienisch-sanitären  Verhältnisse  Italiens 
werden  sich  immer  fühlbarer  verbessern,  wenn  erst  die  Liebe 
zum  Wald  und  die  Pflege  der  Pflanzen  Gemeingut  geworden 
sind. 

Die  Universität  Palermos  macht  zurzeit  eine  Periode  viel¬ 
versprechender  Transformationen  durch;  das  Institut  für  allge¬ 
meine  Pathologie,  sowie  jenes  für  Hygiene  sind  gut  dotiert  und 
stehen  auf  wirklich  bemerkenswerter  Höhe.  Die  neue  Kinder¬ 
klinik  ist  fast  vollendet,  sie  ist  ein  wahres  Juwel  der  Zweck¬ 
mässigkeit  und  des  guten  Geschmackes,  mit  allen  erdenklichen 
Bequemlichkeiten  in  Krankensälen  und  Laboratorien.  Dabei  ist 
in  Betracht  zu  ziehen,  dass  sie  ihre  Entstehung  völlig  privater 
Initiative  verdankt,  in  erster  Linie  den  Bemühungen  des 
Direktors  selbst,  Prof.  Jemma  von  Palermo.  Die  Regierung 
leistete  nur  einen  sehr  geringen  Beitrag  zur  Einrichtung.  Es 
ist  ein  wirklich  seltener,  fast  einzig  dastehender  Fall  in  Italien, 
wo  man  alles  von  der  Hilfe  der  Regierung  erwartet.  Die 
medizinischen  und  chirurgischen  Kliniken  befinden  sich  noch 
in  dem  alten  Krankenhaus  in  der  Altstadt,  aber  bald  werden 
auch  sie  neue,  besser  geeignete  Sitze  beziehen. 

Unter  den  auf  dem  Kongress  behandelten  Argumenten,  die 
das  meiste  Interesse  erregten,  befand  sich  das  Referat  des 
Dr.  Ascoli-Pavia  über  die  Schädelpunktur  zu  diagnosti¬ 
schen  und  Heilzwecken.  Die  Technik  ist  ziemlich  einfach;  man 
perforiert  mit  einem  Trepan  den  Schädel  und  exploriert  dann 
mittels  einer  Nadel  durch  das  entstandene  Loch.  Es  gibt  ver¬ 
schiedenen  Methoden,  um  die  Gefässe  zu  vermeiden.  In  einer 
schon  ziemlich  reichhaltigen  Statistik  wird  festgestellt,  dass 
die  Schädelpunktur  sich  bei  Gehirntumoren,  Hämorrhagien, 
Hydrozephalus  und  Zysten  sehr  günstig  erwiesen  hat  und  der 
Kraniotomie  vorzuziehen  ist,  da  sie  auch  die  Exploration  der 
ganzen  Hirnrinde  ermöglicht. 

Sehr  interessant  waren  auch  die  Mitteilungen  über  die 
Aetiologie  der  Malaria.  Die  Anophelestheorie,  die  dominierende 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


26.  November  1907. 


Theorie,  wurde  vom  Referenten  Prof.  A  s  c  o  1  i  -  Rom  ver¬ 
teidigt,  aber  die  Mehrheit  der  Kongressisten,  aus  Sizilien  und 
Unteritalien  stammend,  war  wenig  geneigt,  diese  Theorie  ohne  i 
weiteres  zu  akzeptieren,  zum  mindesten  nicht  in  ihrer  Ex¬ 
klusivität,  und  von  mehreren  Rednern  wurden  verschiedene 
Tatsachen  ins  Feld  geführt,  um  zu  beweisen,  dass  ausser  den 
Zanzaren  auch  andere  Faktoren  Transportmittel  für  den 
Malariakeim  werden  können.  So  wurde  in  einer  Ortschaft 
Unteritaliens  vor  etlichen  Jahren  mehr  als  ein  Drittel  der  Be¬ 
wohner  von  Fieberanfällen  erfasst,  die  für  malarische  gehalten 
wurden  und  doch  fand  man  nur  eine  verschwindend  kleine  Zahl 
von  Zanzaren,  obwohl  überall  peinlich  danach  gesucht  wurde. 
Wie  soll  man  bei  solch  gewaltigem  Missverhältnis  zwischen 
Ursache  und  Wirkung  den  Zusammenhang  zwischen  Malaria 
und  Zanzaren  erklären?  Und  dann,  warum  sind  im  Frühling, 
d.  h.  zur  Zeit,  in  welcher  die  Malariaanfälle  am  häufigsten  auf- 
treten,  die  Zanzaren  nur  in  sehr  beschränkter  Zahl  vorhanden, 
während  mit  ihrem  Anwachsen  das  Fieber  abnimmt?  Und  wie 
erklärt  man  die  Tatsache,  dass  die  Besatzung  des  Schiffes 
„A  rgo  s“  auf  hoher  See  von  der  Malaria  ergriffen  wurde,  ob¬ 
wohl  doch  auf  dem  Meer  keine  Zanzaren  existieren?  Die 
Leute  hatten  aber  schlechtes  Wasser  getrunken  und  der  Kapitän 
und  der  Schiffsarzt,  die  von  diesem  Wasser  nicht  getrunken 
hatten,  wurden  auch  nicht  vom  Fieber  erfasst. 

Mit  diesen  und  ähnlichen  Einwänden  suchte  man  die  famose 
Theorie  der  Miasmen  und  des  verdorbenen  Wassers  als  Trans¬ 
missionsmittel  der  Malaria  wieder  zu  Ehren  zu  bringen.  Prof. 
As  coli  widerlegte  mit  grosser  Genauigkeit  und  Klarheit 
diese  Verirrungen.  Wenn  man  von  Malariafällen  spricht,  muss 
man  sehr  vorsichtig  zu  Werke  gehen;  nur  eine  ganz  genaue 
Untersuchung,  besonders  auch  des  Blutes,  ermöglicht  es,  eine 
richtige  Diagnose  zu  stellen.  A  s  c  o  1  i  hatte  während  seiner 
Anwesenheit  in  Grosseto  oftmals  Gelegenheit,  festzustellen, 
dass  es  sich  in  Fällen,  die  unter  der  Bezeichnung  Malaria  ins 
Krankenhaus  gebracht  wurden,  um  Typhus  handelte  und  mit 
dem  Typhus  haben  die  Zanzaren  bekanntlich  nichts  zu  tun. 
Das  Missverhältnis  zwischen  der  geringen  Anzahl  von  Zan¬ 
zaren  und  der  grossen  Zahl  der  Kranken  im  Frühling  erklärt 
sich  damit,  dass  viele  dieser  Fälle  Rezidive  sind,  so  dass  der 
Fieberanfall  unabhängig  von  den  Zanzaren  eintritt.  Da  alle 
diese  Kranken  dann  zum  Chinin  greifen,  wodurch  die  Anfälle 
geheilt  und  neue  Erkrankungen  (da  die  Stiche  der  Zanzaren 
während  der  Chininbehandlung  ungefährlich  sind)  vermieden 
werden,  ist  es  einleuchtend,  dass  trotz  der  wachsenden  Zahl 
der  Zanzaren  die  Zahl  der  Malariafälle  zurückgeht.  Die  Mann¬ 
schaft  des  Schiffes  ,,Argos“  erkrankte  mit  Ausnahme  des  Kapi¬ 
täns  und  des  Schiffsarztes,  weil  beim  Anlaufen  eines  Hafens 
eben  gerade  die  Mannschaft  ans  Land  gegangen  und  dort  den 
Zanzaren  zum  Opfer  gefallen  war,  während  die  beiden  Offiziere 
das  Schiff  nicht  verlassen  hatten.  Uebrigens  hat  die  Theorie 
der  Miasmen  und  des  schlechten  Wassers  als  Malariaträger 
und  Verbreiter  doch  schon  seit  etlichen  Jahren  an  Halt  ver¬ 
loren,  seit  die  englische  Expedition  in  Ostia  auch  des  Nachts 
sozusagen  im  Freien  blieb,  d.  h.  nur  durch  die  Netzwände  des 
Hauses  vor  den  Zanzaren  bewahrt  wurde  und  den  ganzen 
Sommer  über  das  gleiche  Wasser  trank  und  die  gleichen 
Speisen  ass,  wie  die  Bevölkerung  des  Ortes  und  trotz  alledem 
nicht  von  Fieber  erfasst  wurde,  während  gleichzeitig  die  Ein¬ 
wohner  Ostias,  die  sich  damals  noch  nicht  durch  Metallnetze 
vor  den  nächtlichen  Eindringlingen  schützten,  wie  immer 
massenhaft  an  Malaria  erkrankten. 

Man  ist  also  doch  wohl  auf  gutem  Weg,  wenn  man 
mit  A  s  c  o  1  i  die  Anophelestheorie  verteidigt,  um  so  mehr,  als 
sie  ja  nicht  nur  eine  wissenschaftliche,  sondern  auch  eine  sehr 
praktische  Bedeutung  hat,  da  sie  uns  den  Feind  zeigt,  gegen 
den  wir  uns  verhältnismässig  leicht  verteidigen  können.  Natür¬ 
lich  darf  man  darüber  auch  die  Bonifikation  nicht  vernach¬ 
lässigen,  um  so  weniger,  als  man  ja  durch  das  Trockenlegen 
der  Sümpfe  und  der  stagnierenden  Wasser  den  Zanzaren  die 
Lebensbedingungen  untergräbt.  Der  nächste  Kongress  für 
innere  Medizin  wird  im  Oktober  kommenden  Jahres  in  Rom 
stattfinden  und  unter  den  gewählten  Themen  befinden  sich  jene 
der  Arrhythmien  und  der  Schädigung  durch  Hyperalimentation. 

Prof.  G  a  1 1  i. 


24Öi 


Vereins-  und  Kongressberichie. 

14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie. 

vom  23.  bis  29.  September  1907. 

VIII. 

Sektion  V :  Bekämpfung  der  ansteckenden  Krankheiten  und  Für¬ 
sorge  für  Kranke. 

1.  Die  einheitliche  Regelung  der  Prüfungsmetiiodik  für  Des¬ 
infektionsapparate. 

Prof.  v.  E  s  m  a  r  c  h  -  Göttingen:  Um  die  beabsichtigte  Wirkung 
eines  Desinfektionsapparates  zu  sichern,  sind  diese  einer  Prüfung 
vor  der  Ablieferung  sowie  auch  im  Laufe  der  Betriebszeit  in  periodi¬ 
schen  Zwischenräumen  zu  unterziehen,  dabei  ist  darauf  zu  achten, 
dass  niemals  Ueberhitzung  des  Dampfes  eintritt,  die  Sicherheits-  und 
Kontroll-einrichtungen  an  der  richtigen  Stelle  angebracht  sind  und  gut 
funktionieren. 

Festzustellen  ist  ferner  die  Eindringungsdauer  des  Dampfes  in 
geeignete  Objekte,  die  Wirkung  auf  Bakterientestobjekte  etc. 

Jedem  Apparate  ist  eine  eingehende  Instruktion  für  seine  Hand¬ 
habung  beizutügen  und  bei  jedesmaliger  Prüfung  den  Desinfektoren 
die  genaue  Beachtung  der  Instruktion  zur  strengsten  Pflicht  zu 
machen. 

D.  Sc.  S.  R  i  d  e  a  1  -  London  spricht  über  Prüfung  der  keim¬ 
tötenden  Wirkung  von  Karbolsäure  Präparaten  und  über  die 
Bedingungen,  unter  welchen  diese  Prüfungen  vorgenommen  werden 
müssen. 

2.  Kontrolle  der  Desinfektion. 

Dr.  C  z  a  p  1  e  w  s  k  i  -  Köln:  Um  die  Wirksamkeit  der  Desin¬ 
fektion  zu  gewährleisten  ist  eine  Kontrolle  der  Desinfek¬ 
tion  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  unerläss¬ 
lich  und  zwar  sowohl  eine  Kontrolle  der  laufenden  Desinfektion 
(während  der  Krankheit)  als  auch  der  S  c  h  lu  s  s  desinfektion  (nach 
Ablauf  der  Krankheit,  Wohnungswechsel,  Tod).  Eine  sichere  Kon¬ 
trolle  ist  nur  bei  der  amtlichen  Desinfektion  durch  amtlich 
geprüfte  Desinfektoren  gewährleistet.  Eine  solche  Desinfektion 
ist  deshalb  zu  fordern. 

Die  Kontrolle  erstreckt  sich  auf  die  Prüfung  der  vorgeschrie¬ 
benen  Beschaffenheit  der  sämtlichen  Desinfektionsmittel,  der  richtigen 
Ausführung  der  sämtlichen  Desinfektionsarbeiten,  Verhütung  von 
Sachbeschädigung  durch  die  Desinfektion  usw. 

Dr.  E.  S  c  h  m  i  d,  Direktor  des  schweizerischen  Gesundheitsamts 
in  Bern:  Die  Kontrolle  hat  namentlich  darauf  zu  achten,  dass  die  Des¬ 
infektion  in  zweckmässiger  Weise,  zur  richtigen  Zeit,  in  genügendem 
Umfange  und  unter  möglichster  Schonung  der  Objekte  stattfindet.  Bei 
der  Desinfektion  sollen  nur  solche  Systeme  von  Desinfektionsappara¬ 
ten  und  solche  Verfahren  und  Desinfektionsmittel  zur  Verwendung  ge¬ 
langen,  die  von  den  staatlichen  Sanitätsbehörden  geprüft  und  als-  ge¬ 
eignet  bezeichnet  bezw.  vorgeschrieben  worden  sind. 

Formaldehydapparate,  Pulverisateure  und  ähnliche  kleine  Appa¬ 
rate  sollten  auch  ab  und  zu  kontrolliert  werden. 

Die  fortlaufende  Desinfektion  bei  einer  übertragbaren 
Krankheit  wird  am  zweckmässigsten  von  dem  behandelnden  Arzte 
an  -der  Hand  einer  gedruckten  Instruktion  anzuordnen  und  zu  kontrol¬ 
lieren  sein,  wobei  dem  Amtsarzt  die  amtliche  Oberaufsicht  zufällt. 

Aufklärung  des  Publikums  über  Zweck  und  Bedeutung  der  Des¬ 
infektion  ist  deren  Durchführung  förderlich. 

Ed.  B  on  j  e  an -Paris,  Ingenieur  (Ministerium  des  Innern):  In 
Frankreich  ist  die  Meldung  aller  übertragbaren  Krankheiten,  die 
Desinfektion  und  die  Kontrolle  der  Desinfektion  durch  Gesetz  und 
Erlass  vorgeschrieben. 

Bei  der  Wahl  der  Desinfektionsmethoden  soll  genau  darauf  ge¬ 
achtet  werden,  dass  die  Kontrolle  leicht  und  sicher  ausgeführt  wer¬ 
den  kann. 

3.  Die  Krankenversicherung  und  ihr  sanitärer  Erfolg. 

Dr.  M  u  g  d  a  n  -  Berlin  berichtet  über  die  Einwirkung  -der  Kran¬ 
kenversicherung  auf  die  Hebung  der  Volksgesundheit  durch  ihre 
Leistungen  für  Krankheitsheilung,  Unterstützung  der  Angehörigen, 
Errichtung  von  Genesungsheimen  und  Walderholungsstätten. 

In  den  Jahren  1885 — 190-4  hatte  die  deutsche  Krankenversicherung 
ausgegeben  für  Krankengeld  1114629489  M.,  für  Aerzte  514803920  M., 
für  Heilmittel  402  757  651  M.,  für  Anstaltspflege  303  061  148  M.,  für 
Wöchnerinnenunterstützung  35  543  672  M.  und  für  Sterbegeld 
83  703  839  M. 

4.  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  Fürsorge  für  Phthisiker. 

Dr.  A.  C  al  m  e  t  t  e  -  Lille:  Die  Fürsorge  für  Schwindsüchtige 
muss  den  Kampf  gegen  die  Ansteckung  in  den  Familien  und  an  den 
Orten,  wo  viele  Menschen  Zusammenkommen,  zum  Hauptzweck 
haben. 

Calmette  hält  die  Infektion  mit  Tuberkulose  durch  Inhalation 
von  tuberkelbazillenhaltigem  trockenen  Staub  für  nur  von  ganz  unter¬ 
geordneter  Bedeutung  gegenüber  der  Infektion  durch  Genuss  von 
Milch  tuberkulöser  Kühe,  namentlich  im  Kindesalter. 

Die  Uebertragung  der  Tuberkulose  kann  bei  genügend  oft 
wiederholter  oder  lange  genug  dauernder  Ansteckungs- 
Gelegenheit  bei  jeder  Person  stattfinden,  mit  Ausnahme  derjenigen, 
-welche  durch  Heilung  einer  früheren  Erkrankung  grösseren  Wider¬ 
stand  erlangt  haben. 


2402 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Die  Tuberkulosebekämpfung  .sollte,  anstatt  ihre  Kraft  zu  zer¬ 
splittern  durch  verschiedene  Unternehmungen,  wie  Behandlung  der 
Kranken  in  Sanatorien  usw.,  mit  ihrer  Gesamttätigkeit  den  einzigen, 
wirklich  praktischen  Zweck  verfolgen,  nämlich  denjenigen,  die  Ver¬ 
siegung  d  ie  r  Quellen  der  Tuberkuloseansteckung 
h  e  r  'b  e  i  z  u  f  ü  .h  r  e  n. 

Dr.  H.  B  i  g  g  s,  Vorstand  des  Sanitätsamts  in  New  York  ver¬ 
langt,  dass  in  dem  direkten  Kampf  gegen  die  Schwindsucht  die  städti¬ 
schen  Gesundheitsbehörden  unbeschränkte  Macht  haben  und  befugt 
sein  sollten,  ausgedehnte  erzieherische  Massnahmen  zur  Durchführung 
gelangen  zu  lassen.  Er  fordert  die  gesetzliche  Anzeigepflicht  von 
Tuberkulose,  das  Markieren  aller  angemeldeten  Fälle  auf  besonders 
angefertigten  Plänen  der  Stadt,  welche  die  Verbreitung  der  Tuber¬ 
kulose  durch  die  Stadt  zeigen,  die  gesetzliche  Desinfektion,  Spezial¬ 
anstalten  für  Tuberkulöse  usw. 

Diese  Arbeit  der  Gesundheitsbehörden  sollte  gleichzeitig  unter¬ 
stützt  werden  durch  die  Arbeiten  der  verschiedenen  freiwilligen 
Armenpflegevereinigungen  und  solcher  Organisationen  wie  die 
„P  ii  1 1  e  r  sehe  Auskunfts-  und  Fürsorgestelle“. 

5.  Schutzimpfung  gegen  Typhus,  Pest  und  Cholera. 

R.  P  f  e  i  f  f  e  r  -  Königsberg:  Zur  Gewinnung  des  Impfstoffes  für 
die  aktive  Immunisierung  gegen  Pest  und  Cholera  sind,  wenn 
abgetötete  Kulturen  Verwendung  finden  sollen,  höchst  virulente  Bak¬ 
terienstämme  zu  benützen,  bei  Typhus  solche  Stämme,  deren  arteigene 
Eigenschaften,  wie  durch  Tier-  und  eventuell  Menschenimmuni¬ 
sierungen  nach  der  Methode  der  kleinsten  Impfstoffdosen  festgestellt 
werden  sollte,  besonders  stank  entwickelt  sind. 

Für  die  Herstellung  des  Impfstoffes  kommt  an  erster  Stelle  die 
Methode  von  Pfeiffer-Kolbe  (Abtötung  frischer,  höchstens 
24stündiger  Agarkulturen  bei  60°)  in  Betracht,  wegen  der  Gleich- 
mässigkeit  und  Leichtigkeit  der  Herstellung  und  der  quantitativen 
Dosierbarkeit  und  Haltbarkeit  des  so  gewonnenen  Impfstoffes.  Die 
Erfahrungen,  welche  zunächst  bei  Typhus  in  Siidwestafrika  an  einem 
grossen  Menschenmaterial  unter  ungünstigsten  äusseren  Bedingungen 
gemacht  wurden,  sprechen  für  die  Brauchbarkeit  dieser  Impfmethode. 
Auch  für  Pest-  und  Choleraimpfungen  liegen  ermutigende  Resultate  vor, 
Der  Pfeifferschen  Methode  verwandt  ist  die  von  HafLkin  an¬ 
gewandte  (Benützung  durch  Hitze  sterilisierter  Bouillonkulturen). 

Von  sonstigen  Methoden  ist  die  L  ö  f  f  1  e  r  sehe  (Abtötung  der  ge¬ 
trockneten  Kulturen  bei  120 — 150°  C)  bemerkenswert;  die  Impfstoffe 
von  S  h  i  g  a,  Ne  iss  er,  Wassermann,  B  r  i  e  g  e  r,  Meye,r, 
Bassenge  haben  gemeinsam,  dass  sie  an  Stelle  der  Vollbakterien 
Extrakte  benützten,  welche  aus  lebenden  oder  abgetöteten  Bak¬ 
terien  in  verschiedener  Weise  (Autolyse,  Schütteln  mit  destilliertem 
Wasser  oder  physiologischer  NaCl-Lösung)  hergestellt  werden. 

Theoretisch  durch  Pfeiffer  und  Friedberger  wohl 
fundiert  ist  der  Impfstoff  von  Besredka,  welcher  Mischungen  von 
Bakterien  mit  den  entsprechenden  spezifischen  Seris  injiziert.  In 
der  Praxis  begegnet  die  Anwendung  Schwierigkeiten,  weil  ein  Zu¬ 
viel  des  Serums  die  Antikörper  angreifende  Wirkung  des  Impfstoffes 
erheblich  zu  schädigen  vermag. 

Bei  allen  den  hier  genannten  Impfstoffen  fehlt  zur  Zeit  noch  die 
Erprobung  in  grossem  Massstabe. 

Die  Verwendung  lebender,  aber  bis  zur  Avirulenz  abge¬ 
schwächter  Pestkulturen  zu  Schutzimpfungszwecken  nach  K  o  1 1  e 
und  Streng  unterliegt  ernsten  Bedenken. 

Dr.  Richard  P.  S  t  r  o  n  g  -  Manila  spricht  über  den  Wert  der 
verschiedenen  Methoden,  mit  'besonderer  Bezugnahme  auf  Impfung 
mit  künstlichen  und  natürlichen  Pestaggressinen,  der  Nachweis  der 
bei  künstlich  geschützten  Tieren  erzielten  Immunität  (Untersuchung 
des  Blutes  auf  Agglutinine,  Bakteriolysine,  Opsonine,  antiinfektiöse 
Körper  etc.)  und  Untersuchung  der  Widerstandsfähigkeit  gegen  Pest¬ 
ansteckung. 

6.  Bekämpfung  der  übertragbaren  Genickstarre. 

Med. -Rat  Dr.  F  1  a  1 1  e  n  -  Oppeln:  Voraussetzung  für  eine  erfolg¬ 
reiche  Bekämpfung  der  Meningokokkenkrankheit  ist  die  Ausdehnung 
der  Anzeigepflicht  auf  alle  verdächtigen  Krankheits-  und  Sterbe¬ 
fälle  und  bakteriologische  Untersuchung  des  Rachenschleims,  die  sich 
meist  auch  auf  die  Umgebung  der  betreffenden  Person  zu  er¬ 
strecken  hat. 

Die  Kranken  sind  abzusondern,  deren  Abgänge  aus  Mund  und 
Nase,  sowie  die  hiermit  beschmutzte  Wäsche  durch  Desinfektion  un¬ 
schädlich  zu  machen,  am  besten  werden  auch  die  gesunden  Meningo- 
kokkenträger  abgesondert. 

Schulschliessungen  sind  selten  notwendig,  es  genügt  fast  stets 
die  Fernhaltung  der  als  Kokkenträger  erkannten  und  verdächtigen 
Schüler  und  Lehrer  vom  Unterricht. 

Allgemeine  Verkehrsbeschränkungen  sind  sehr  selten  erforder¬ 
lich  und  auch  kaum  durchführbar. 

Besonderer  Wert  ist  auf  die  Belehrung  der  Bevölkerung  über 
Verbreitungsweise  der  Krankheit  und  auf  persönliche  Prophylaxe  zu 
legen. 

Prof.  Dr.  W.  K  olle -Bern:  Für  die  Diagnose  der  epidemischen 
Genickstarre  muss  der  Nachweis  des  spezifischen  Erregers  verlangt 
werden  (Reinzüchtung  der  Meningokokken  und  Prüfung  der  Kulturen 
mittels  der  biologischen  Methoden,  Verhalten  gegenüber  einem  hoch¬ 
wertigen  Meningokokkenserum). 

Das  Genickstarreserum  kann  zur  Bekämpfung  der 
Seuche  herangezogen  werden  (sowohl  zu  diagnostischen,  als  auch 
Heil-  und  Immunisierungszwecken). 


Vorbedingung  für  die  praktische  Verwendung  des  Meningo¬ 
kokkenserums  ist  der  Nachweis  von  genügenden  Mengen  der  Agglu¬ 
tinine  und  Ambozeptoren  im  Serum  und  Feststellung  der  Schutzwirkung 
des  Serums  im  Tierkörper.  (Es  gelingt,  den  Meningokokken  eine 
solche  Pathogenität  für  Mäuse  zu  verleihen,  dass  eine  Prüfung  des 
Serums  auf  Schutzstoffe  gegenüber  der  Meningokokkeninfektion  an 
diesen  Tieren  möglich  ist.) 

7.  Verbreitungsweise  und  Bekämpfung  der  Pest. 

Dr.  Gaff ky- Berlin:  Die  Verbreitung  der  Pest  geschieht  in 
erster  Linie  durch  Ratten.  Pestinfizierte  Ratten  verschleppen  nicht 
nur  mittels  Schiffsverkehrs  die  Seuche  von  Hafen  zu  Hafen,  sondern 
pflanzen  auch  den  einmal  eingeschleppten  Pestkeim  von  Ort  zu  Ort. 

Bei  der  Uebertragung  von  Ratten  spielt  nach  Gaffkys  An¬ 
schauung  das  Ungeziefer  eine  sehr  wichtige  Rolle,  bei  der  Ueber¬ 
tragung  von  der  Ratte  auf  den  Menschen  ist  dies  noch  nicht  fest¬ 
gestellt. 

Auch  andere  Nagetiere  (Mäuse,  Arctomys  bobae)  können  die 
Verbreitung  der  Pest  vermitteln. 

Bei  der  Pest  der  Menschen  ist  die  Lungenpest  die  gefährlichste 
bezüglich  der  Uebertragung. 

Die  Uebertragung  kann  von  Personen  unmittelbar  und  durch  Ge¬ 
brauchsgegenstände,  Wäsche  etc.  mittelbar  erfolgen. 

Als  Schutzmassregeln  werden  empfohlen,  steter  Vernichtungs¬ 
kampf  gegen  Ratten  —  namentlich  in  Hafenstädten  und  auf  den 
Schiffen  — ,  ständige  ärztliche  Ueberwachung  der  Schiffsbevölkerung, 
Absonderung  aller  pestverdächtigen  Fälle  sowie  der  Pestkranken. 

Schutzimpfung  gegen  die  Pest. 

8.  Moderne  Typhusbekämpfung. 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  P.  F  r  o  s  c  h  -  Berlin:  Die  Infektion  durch 
Trink  -  oder  Gebrauchswasser  ist  für  die  Beurteilung  und 
die  Bekämpfung  des  endemischen  Typhus  von  sekundärer 
Bedeutung,  die  gewöhnliche  und  andauernde  Verbreitungs¬ 
art  des  endemischen  Typhus  ist  die  K  o  n  t  a  k  t  i  n  f  e  k  t  i  o  n,  be¬ 
sonders  begünstigt  wird  diese  durch  leichte  und  ambulatorische  Er¬ 
krankungsformen  und  durch  die  Existenz  von  Bazillenträgern.  Be¬ 
günstigende  Momente  für  die  Uebertragung  sind  überfüllte,  unhygie¬ 
nische  Wohnungen,  unsaubere  Gewohnheiten  der  Insassen,  die  Un¬ 
sitte  des  Zusammenschlafens  mehrerer  Personen  in  einem  Bette  usw. 

Von  Nahrungsmitteln  spielt  als  Trägerin  des  Giftes  die 
Milch  eine  besondere  Rolle. 

Geh.  Reg.-Rat  S  c  h  n  e  i  d  e  r  -  Saarbrücken :  Zur  Bekämpfung 
der  endemischen  Verbreitung  des  Abdominaltyphus  sind  systematisch 
geregelte  Massnahmen  notwendig,  desgleichen  auch  bei  anderen,  ähn¬ 
lich  verlaufenden  Krankheiten,  wie  Paratyphus  und  Ruhr.  Schnei¬ 
der  erörtert  nun  die  notwendigen  Ausstattungen,  welche  für  die  zur¬ 
zeit  im  Deutschen  Reiche  errichteten  Typhusbekämpfungsstationen 
notwendig  sind,  sowie  die  Aufgaben,  die  sie  zu  erfüllen  haben  und 
wie  sie  am  besten  denselben  gerecht  werden  können  (bakteriologische 
Untersuchungen,  örtliche  Ermittelungen  über  die  hygienischen  Ver¬ 
hältnisse  in  der  Umgebung,  Anordnung  von  Vorbeugungsmassnahmen, 
Unterweisung  von  Berufskrankenpflegern  und  Desinfektoren). 

Die  Absonderung  der  Dauerausscheider  nach  der  klinischen  Ge¬ 
nesung  darf  aus  wirtschaftlichen  Gründen  eine  Maximalzeit  nicht  über¬ 
schreiten,  die  auf  10  Wochen,  vom  Beginne  der  Krankheit  an  ge¬ 
rechnet,  festzusetzen  sein  dürfte,  die  Bazillenträger  .sind  zu  be¬ 
lehren,  dass  sie  selbst  einer  Weiterverbreitung  der  Krankheit  vorzu¬ 
beugen  suchen  durch  grosse  Reinlichkeit  und  Desinfektion  ihrer 
Ausleerungen;  strengere  Kontrollmassnahmen  sind  dagegen  not¬ 
wendig,  wenn  Personen  in  Frage  kommen,  die  bei  der  Erzeugung 
bezw.  dem  Vertriebe  von  Nahrungsmittenln  tätig  sind  oder  in  Irren¬ 
anstalten,  Gefängnissen  etc.  interniert  sind.  Höchst  angezeigt  ist  es, 
ein  Mittel  zu  suchen,  welches  die  Abtötung  der  Bazillen  bereits  im 
Menschen  vor  der  Ausscheidung  ermöglicht. 

E.  A  1  m  q  u  i  s  t  -  Stockholm  bezeichnet  die  K  o  c  h  sehe  Typhus¬ 
bekämpfung  als  auf  wissenschaftlichem  Grunde  ruhend,  indem  sie 
nicht  von  einem  einzigen  Prinzip  ausgeht,  sondern  alle  festgestellten 
ätiologischen  Tatsachen  berücksichtigt  und  überdies  die  Wissen¬ 
schaft  mit  wichtigen  neuen  Beobachtungen  bereichert  hat.  Sollten 
diese  Massnahmen  nicht  ausreichen,  so  müssten  neue  ausfindig  ge¬ 
macht  und  in  die  Praxis  eingeführt  werden.  In  Schweden  ist 
im  vorigen  Jahre  eine  fliegende  Typhusstation  eingerichtet  wor¬ 
den,  die  von  den  zentralen  medizinischen  Behörden  von  Stockholm 
aus  nach  bedrohten  Ortschaften  ausgesandt  wird. 

9.  Verhaltungsmassregeln  bei  Impflingen  zur  Verhütung  weiterer 
Ansteckung. 

Dr.  A.  G  r  o  t  h  -  München  bespricht  die  Möglichkeit  einer  Ueber¬ 
tragung  von  humanisierter  Lymphe  —  d.  i.  von  Kuhpookenimpfstoffen 
von  Impflingen  aus  —  auf  ungeimpfte  oder  nicht  mehr  oder  nicht 
genügend  gegen  Vakzine  geschützte  Personen,  welche  teils  unmittel¬ 
bar  durch  Berührung  der  Impfstellen  oder  mittelbar  durch  Zwischen¬ 
träger  erfolgt  und  für  gewöhnlich  eine,  wenn  auch  mit  örtlichen  Be¬ 
schwerden  verbundene,  doch  sonst  harmlose  Erkrankung  darstellt; 
gefährliche  Erscheinungen  können  aber  auftreten,  wenn  sich  die 
Vakzinepusteln  am  Auge  oder  in  dessen  Nähe  entwickeln  und  wenn 
an  Ekzem  leidende  Kinder  infiziert  werden. 

Dr.  B  r  e  y  e  r  -  Berlin  erörtert  die  gleiche  Frage  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  notwendigen  Vorbeugungsmassregeln,  nament¬ 
lich  warnt  er  vor  der  Impfung  ekzematöser  Kinder,  auch  wenn  nur 
mehr  Reste  des  abgelaufenen  Ekzems  des  Kopfes,  die  durch  eine 
rauhe,  schrundige  oder  rissige  Beschaffenheit  der  Haut  zu  erkennen 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2403 


sind,  bestellen.  Vor  allem  ist  eine  ausreichende  Belehrung  der  Be¬ 
völkerung  notwendig. 

10.  Die  allgemeine  Durchführung  der  Fleischbeschau  mit  Rück¬ 
sicht  auf  Krankheitsverhütung. 

Prof.  Dr.  R.  O  s  t  e  r  t  a  g  -  Berlin :  Durch  Fleischgenuss  können 
auf  den  Menschen  übertragen  werden:  1.  Zooparasiten  (Taenia 
saginata,  Taenia  solium,  Trichinella  spiralis,  mittelbar  auch  Ecchino- 
coccus  polymorphus  und  Ecchinococcus  multilocularis);  2.  Infek¬ 
tionskrankheiten  (Milzbrand,  Rotz,  Tollwut,  Tuberkulosis, 
Sepsis  intestinalis) ;  3.  Bakteriengifte  (Fäulnistoxine  und  das 
Toxin  des  Bacillus  botulinus);  4.  Chemische  Gifte,  die  dem  Fleisch  als 
Konservierungsmittel  oder  zur  Erhaltung  der  natürlichen  Farbe  zuge¬ 
setzt  werden  (Borsäure,  schweflige  Säure,  Formaldehyd  und  andere 
nicht  indifferente  Stoffe). 

Die  Uebertragung  dieser  im  Fleisch  enthaltenen  Stoffe  oder  ihm 
beigemischter  Schädlichkeiten  auf  den  Menschen  ist  durch  die  Mass¬ 
nahmen  der  Fleischbeschau  verhiitbar,  deshalb  empfiehlt  sich  überall 
die  obligatorische  Einführung  derselben. 

Dr.  FI.  M  a  r  t  e  1  (Vorsitzender  der  tierärztlichen  Aufsichtsbehörde 
der  Stadt  Paris)  vertritt  die  Anschauung,  dass  die  Fleischbeschau  nur 
dann  eine  durchgreifende  Wirkung  hat,  wenn  sie  auf  das  gesamte 
Gebiet  eines  Landes  ausgedehnt  wird  und  wenn  die  nötigen  Vorsichts- 
■massregeln  bezüglich  des  aus  dem  Auslande  eingeführten  Fleisches 
ergriffen  werden;  auch  können  gute  Resultate  nur  dann  erreicht  wer¬ 
den,  wenn  die  Tierärzte,  denen  die  Aufsicht  über  die  Fleischbeschau 
übertragen  ist,  alle  von  der  Wissenschaft  zur  Verfügung  gestellten 
Mittel  anwenden  und  die  Fleischbeschauer  verpflichtet  sind,  von  Zeit 
zu  Zeit  einen  Kursus  in  der  Tierarzneischule  oder  an  den  amtlichen 
Stellen  für  die  Fleischbeschau  durchzumachen. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  13.  November  1907. 

Herr  Muskat  zeigt  das  Röntgenbild  des  Unterarms  einer 
Patientin,  die  mit  dem  Ellenbogen  auf  ein  Nadelkissen  gefallen  war, 
an  der  Stelle  auch  eine  Einstichöffnung  aufwies  und  merkwürdiger¬ 
weise  über  Schmerzen  an  der  Beugeseite  des  Arms  klagte,  die  man  ihr 
zunächst  nicht  glaubte.  Das  Röntgenbild  zeigte  hier  in  der  Tat  eine 
Nadel,  welche  also  in  ganz  kurzer  Zeit  wohl  durch  die  starken 
Sehnen  nach  vorn  gepresst  war. 

Herr  Ledermann  stellt  mikroskopische  Bilder  von  einem 
Fall  von  Erythema  multiforme  vor.  Eine  Frau  von  62  Jahren  hatte 
Magen-  und  Darmbeschwerden,  etwas  Eiweiss  im  Urin.  Dann  trat 
Harnverhaltung  ein  und  es  bildeten  sich  Blasen  am  Körper.  Die 
Sektion  ergab  akuten  Magen-  und  Darmkatarrh,  Perikarditis,  Leber¬ 
zirrhose,  Arteriosklerose,  Pyelonephritis.  Fieber  hatte  nie  bestanden. 
Im  Urin  waren  Streptokokken  gefunden.  Die  mikroskopische  Demon¬ 
stration  betraf  Schnitte  durch  die  Haut  der  erkrankten  Stellen. 

Herr  Max  Mosse  stellt  aus  der  Senator  sehen  Poliklinik 
2  Fälle  vor.  Erstens  eine  Patientin  mit  Milztumor,  2Ys  Millionen  roten 
und  30 — 50  000  weissen  Blutkörperchen,  reichlich  Myelozyten  und 
Myeloplasten.  Der  Mageninhalt  war  normal,  die  Prognose  schlecht. 
Röntgenbehandlung  war  kontraindiziert.  Es  handelte  sich  nach  M. 
um  das  Bild  der  von  Leube  so  genannten  Pseudoleuikämie  oder 
chronischen  myeloiden  Leukämie. 

Herr  Kraus  fragt,  wie  lange  Herr  M.  den  Fall  kennt,  um  diese 
Diagnose  stellen  zu  können. 

Herr  M.  Das  Blutbild  ist  so  charakteristisch,  dass  ein  Irrtum 
ausgeschlossen  erscheint.  Ein  zweiter  Fall  wird  als  Adipositas 
dolorosa  vorgestellt.  Es  handelt  sich  um  grosse  Fettleibigkeit  bei 
einer  älteren  Frau  besonders  an  der  Rückseite  der  Arme,  welche  nach 
französischen  Autoren  das  Aussehen  einer  Hammelkeule  gewinnen. 
Hände  und  Gesicht  sind  frei.  Jodothyrinbehandlung  hatte  einigen  Er¬ 
folg.  Beim  Gasstoffwechsel  fanden  sich  keine  von  der  Norm  ab¬ 
weichenden  Werte. 

Herr  Ewald:  Diese  Krankheit  wurde  zuerst  vom  Amerikaner 
D  e  r  c  u  m  mit  wechselndem  Erfolge  in  der  angegebenen  Weise  be¬ 
handelt. 

Herr  Senator  hat  durch  Herrn  Mosse  diesen  Fall  vorstellen 
lassen,  weil  diese  Krankheit  trotz  ihres  gar  nicht  so  seltenen  Vor¬ 
kommens  fast  unbekannt  ist. 

Herr  Allen  stellt  2  faustgrosse  kollabierte  Mastdarmtumoren 
vor,  von  denen  einer  ein  benigner,  der  andere  ein  maligner  ist.  Eine 
Frau  verlor  seit  7  Jahren  eine  wässerige  Flüssigkeit  aus  dem  After, 
bis  zu  /s  Liter  pro  Jag.  Diese  enthielt  keine  Spur  Eiweiss,  keine  ver¬ 
dauende  Kraft.  Es  handelt  sich  also  um  eine  wässerige  Absonderung, 
bui  einmal  zeigte  sich  eine  Blutung.  Fortgesetzte  Verstopfung. 
Digital  fand  sich  ein  aus  kleinen  Papillomen  zusammengesetzter  Tu¬ 
mor,  welchen  die  Frau  durch  Pressen  nach  Aussen  stülpen  konnte. 
Eine  dabei  vorgenommene  Probeexzision  ergab  ein  Adenom.  Der 
zweite  Fall  betraf  eine  65  jährige  Frau,  die  den  Tumor  auch  heraus¬ 
stülpen  konnte,  der  ein  blumenkohlartiges  Gewächs  vorstellte,  das,  von 
Herrn  v.  Bergmann  exstirpiert,  sich  als  ein  Karzinom  erwies. 

Herr  Westenhöffer  stellt  ein  Präparat  vor,  auf  dem  sich  eine 
sehr  merkwürdige  lange  Anastomose  zwischen  Vena  lienalis  und 
spermatica  findet,  bei  einem  an  Pneumonie  gestorbenen  Patienten. 


Herr  W.  Braun:  Ueber  penetrierende  Verletzungen  des  Magen- 
darmtraktus  mit  Krankendarmdemonstration.  Br.  berichtete  über  eine 
Reihe  von  6  derartigen  Verletzungen  mit  5  Heilungen,  die  er  im 
Krankenhaus  am  Friedrichshain  operiert  hat.  Unter  den  geheilten 
Fällen  befand  sich  z.  B.  eine  Magen-,  Duodenum-,  Leber-,  Nieren¬ 
verletzung  (Uebernähung,  Nephrektomie),  eine  8  fache  Durchlöcherung 
des  Duodenum,  durch  Rehposten  (Resektion,  Keilexzision,  Ver- 
nähung)  und  eine  8  fache  Stichverletzung  des  Duodenums.  Im  An¬ 
schluss  an  seine  Fälle  bespricht  Br.  die  Symptome,  Indikationsstellung, 
das  operative  Vorgehen  und  die  Prognose  derartiger  Verletzungen. 
Letztere  hängt  im  Frieden  nicht  ab  von  dem  operativen  Eingriff  an 
sich,  sondern  von  der  Friihzeitgkeit  desselben.  Brs.  Fälle  wurden 
sämtlich  bereits  xk  bis  spätestens  1  Stunde  nach  der  Verletzung 
operiert. 

Herr  Piorkowski  (a.  G.)  berichtet  über  bakteriologische 
Untersuchung  der  bulgarischen  Sauermilch  Yoghurt,  welche  ja  in  der 
Tagespresse  der  letzten  Wochen  eine  grosse  Rolle  spiele  und  deren 
Genuss  der  Anlass  sein  soll,  dass  in  Bulgarien  viele  über  100  Jahre 
alte  Leute  Vorkommen.  (Nach  anderen  Erklärungen  sollen  die  meisten 
der  bulgarischen  alten  Bauern  ihr  wahres  Alter  nicht  kennen  und 
wenn  danach  gefragt,  stets  antworten,  100  Jahre,  daher  die  Entstehung 
des  Märchens.  Ref.) 

P.  fand  nun  angeblich  den  Yoghurtbazillus  und  konnte  Rein¬ 
kulturen  erzielen,  besonders  auf  Milchserumnährböden.  Temperatur¬ 
optimum  45  °.  Durch  Verimpfung  dieses  Bazillus  in  Milch  soll  man 
Yoghurt  erhalten.  Die  im  Handel  befindlichen  Yoghurtpräparate,  teils 
flüssig,  teils  ln  Tablettenform  wurden  von  P.  untersucht  und  der 
Bazillus  nur  in  einigen  von  ihnen  gefunden.  Derselbe  wächst  aerogen 
und  produziert  Milchsäure,  die  stark  desinfizierend  wirken  soll  und 
so  die  Darmfäulnis  herabsetzt.  Er  soll  nach  P.  mehr  Milchsäure  er¬ 
zeugen  als  die  heimische  Sauermilch  und  keinen  Alkohol  bei  der 
Gärung  bilden.  Die  höchsten  Milchsäurewerte  hatte  das  Berliner 
Handelsprodukt. 

Herr  Patschkowski  hat  praktische  Versuche  an  Patienten 
mit  Yoghurt  gemacht.  Bei  verschiedenen  Darmerkrankungen  war 
eine  Wirkung  zu  konstatieren,  bei  anderen  nicht.  Einige  Pat.  klagten 
über  den  Geschmack.  Derselbe  ist  verbessert,  wenn  man  Yoghurt  in 
abgekochtem  Weissbier  gibt.  Es  wird  erst  f.estzustellen  sein,  ob  wirk¬ 
lich  die  behauptete  Verringerung  der  Darmfäulnis  dem  Präparate  zu¬ 
kommt.  P.  gibt  Tabletten,  wo  es  nicht  auf  Hebung  der  Ernährung 
ankommt.  Schaden  hat  er  von  der  Anwendung  nicht  gesehen. 

Herr  Ewald:  Es  wird  doch  auch  vom  Kefyr  und  Kumys  be¬ 
hauptet,  dass  er  keinen  Alkohol  enthält. 

Herr  F.  Blumenthal  tritt  den  Behauptungen  Piorkowski 
energisch  gegenüber  und  sagt,  dass  schon  in  der  normalen  Milch 
geringe  Mengen  Alkohol  Vorkommen  und  dass  es  ganz  gleichgültig  ist, 
ob  im  Yoghurt  der  Alkoholgehalt  höher  oder  niedriger  sei.  Was  die 
Säuerung  anbetrifft,  so  ist  das  von  ihm  untersuchte  Berliner  Handels¬ 
produkt  nicht  saurer  als  eintägiger  Kefyr.  Viel  stärkere  Säuerung  ver¬ 
ursachte  ein  aus  Genf  übersandtes  flüssiges  Laktobazillin.  Milch¬ 
säure  fand  B.  im  Berliner  Yoghurt  einmal  überhaupt  nicht, 
sonst  in  minimalen  Mengen  (2  andere  Versuche).  Lakto¬ 
bazillin  Metschnikoff  bildete  in  12 — 16  Stunden  dagegen  reichlich 
Milchsäure.  Man  kann  also  die  einzelnen  Handelspräparate  nicht  ohne 
weiteres  von  einander  vergleichen.  Welches  für  den  Darm  das  beste 
ist  und  ob  sie  überhaupt  auf  den  Darm  einen  mehr  oder  weniger 
spezifischen  Einfluss  ausüben,  auf  diese  höchst  komplizierte  Frage 
einzugehen,  lehnt  B.  ab.  Fritz  Koch. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  29.  Oktober  1 907. 

Vortrag  des  Herrn  W.  So mba  rth  -  Charlottenburg 
auf  Aufforderung  der  Ortsgruppe  Hamburg  des  Leipziger 
wirtschaftlichen  Verbandes:  Arzt  und  Gesellschaft. 

Sitzung  vom  12.  November  1907 
gemeinsam  mit  der  Jahresversammlung  des  Vereins  der 
Aerzte  in  den  deutschen  Nordseebädern. 

Vorsitzender:  Herr  K  ü  m  m  e  1 1. 

Demonstrationen: 

Herr  Kellner  zeigt  einen  imbezillen  Insassen  der  Alsterdorfer 
Anstalt  mit  einer  seltenen  Deformierung  des  Oberkiefers.  Er  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  der  Oberkiefer  derjenige  Skeletteil  ist,  der 
am  seltensten  von  Abnormitäten  befallen  ist,  bespricht  die  entwick¬ 
lungsgeschichtliche  Bedeutung  dieses  Knochens  und  weist  auf  die  be¬ 
sonders  auffallende  Vor-  und  Grosskieferigkeit  in  dem  vorgestellten 
Falle  hin ;  in  dem  U-förmig  zusammengepressten  Oberkiefer  stehen  die 
Zähne  wie  beim  Fischmaul  hinter-  nicht  nebeneinander. 

Herr  Preiser  stellt  1.  ein  8  jähriges  Mädchen  vor,  das  früher 
Rachitis  gehabt  hat  und  bei  dem  seit  1  Jahr  hochgradige  Genua  valga 
sich  entwickelt  haben.  Die  späte  Entstehung,  die  Erhaltung  der  vollen 
Beweglichkeit  und  die  Schmerzlosigkeit  deuten  darauf  hin,  dass  es 


2404 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


sich  nicht  um  Rachitis,  sondern  um  kongenitale  Lues  handelt.  Die 
spezifische  Therapie  hat  guten  Erfolg. 

Herr  P  r  e  i  s  e  r  zeigt  ferner  einen  30  jährigen  Herrn,  der  im 
Juni  1907  mit  60  km  Geschwindigkeit  auf  seinem  Automobil  in  einen 
Graben  fuhr,  gerade  an  einer  Stelle,  wo  dieser  durch  eine  massive 
Brücke  quer  abgesperrt  war.  Etwa  Vz  m  über  der  Grabensohle  befand 
sich  ein  Tondrainrohr  als  Wasserdurchlass,  in  das  der  Patient  zu¬ 
fälligerweise  mit  seinem  Kopfe  so  hineinfuhr,  dass  die  Wucht  des 
Stosses  grösstenteils  vom  Schultergürtel  aufgefangen  wurde;  sein 
Kragen  war  harmonikaartig  zusammengequetscht.  Nach  kurzer  Be¬ 
wusstlosigkeit  wurde  Patient  in  ein  Dorf  transportiert,  wo  er  11  Tage 
zu  Bette  lag.  Am  25.  VI.  suchte  er  zu  Fuss  P.  auf.  Es  fand  sich  eine 
linkskonvexe  Lumbalskoliose,  rechtskonvexe  Dorsalskoliose  und  ein 
leichter  Gibbus  des  11.  und  12.  Brustwirbels,  typisches  Spondylitis- 
biicken,  ein  Bluterguss  in  der  Glutäalgegend  und  eine  geringe  Schmerz¬ 
haftigkeit  der  Lenden.  Das  Röntgenbild  ergab  eine  Kompressions¬ 
fraktur  des  11.  und  12.  Brustwirbels.  Vorübergehend  trat  Stei¬ 
gerung  der  Patellarreflexe  auf.  Es  liess  sich  feststellen,  dass  die 
Skoliose,  wie  man  hätte  annehmen  können  (Feinen:  Die  totale 
Achsendrehung  der  Lendenwirbelsäule,  Arch.  f.  Unfallheilk.,  Mechano- 
therap.  u.  Orthop.  1907),  nicht  die  Folge  der  Verletzung  war,  sondern 
alten  Ursprungs.  4  Monate  trug  der  Patient  ein  Gipskorsett,  jetzt  ein 
Hessingkorsett,  welches  er  noch  lange  Zeit  tragen  soll,  um  nicht  noch 
nachträglich  eine  Kümmell  sehe  Spondylitis  traumatica  zu  be¬ 
kommen.  Die  Beweglichkeit  der  Wirbelsäule  ist  jetzt  wieder  völlig 
normal. 

Herr  T  r  e  p  1  i  n  -  Sahlenburg  demonstriert  2  Kinder  mit  chirur¬ 
gischen  Nierenerkrankungen.  Im  1.  Fall  handelt  es  sich  um  die  Heilung 
einer  einseitigen  hämorrhagischen  Nephritis  durch  die  Edebohlssche 
Operation.  Durch  zystoskopische  Untersuchung  liess  sich  feststellen, 
dass  Blut,  Zylinder,  Eiweiss  etc.  nur  aus  der  rechten  Niere  stammten. 
Die  Freilegung  der  erkrankten  Niere  ergab  das  Fehlen  eines  zirkum¬ 
skripten  Prozesses,  zeigte  dagegen  die  Niere  im  Zustande  der  akuten 
Entzündung.  4  Wochen  nach  der  Dekapsulation  waren  die  Blutungen 
und  die  Albuminurie  verschwunden. 

Im  2.  Falle  fand  sich  bei  einem  7  jährigen  Knaben  ein  grosser 
Tumor  der  Niere,  der  die  Entfernung  des  Organs  und  der  ganzen 
Kapsel  nötig  machte.  Es  handelte  sich  um  ein  Rhabdomyosarkom, 
wie  sie  sonst  nur  bei  jüngeren  Kindern  (1. — 2.  Lebensjahre)  vor¬ 
zukommen  pflegen.  Jetzt  —  5  Monate  nach  der  Operation  —  ist  der 
Knabe  gesund  und  rezidivfrei. 

Herr  Appel  stellt  mehrere  Hautkranke  vor,  deren  Erkrankung 
durch  die  Toxine  des  Tuberkelbazillus  bedingt  sind;  1.  Lupus  ery¬ 
thematodes,  durch  Quecksilberlicht  (20  Sitzungen  —  2 — 3  mal  wöchent¬ 
lich  )  geheilt.  2.  Skrophuloderma,  junges  Mädchen,  seit  Jahren  in  Be¬ 
handlung;  jetzt  Tuberkulide  an  der  Streckseite  der  Finger.  3.  Mann 
mit  einer  tuberkulösen  Laryngitis  und  einem  Lupus  erythematodes  am 
Kinn  und  an  der  Zungenspitze,  günstig  beeinflusst  durch  Tuberkulin¬ 
injektionen. 

Herr  Lenhartz  berichtet  über  die  Erfahrungen,  die  auf  seiner 
Abteilung  im  Eppendorfer  Krankenhause  mit  der  C  a  1  m  e  1 1  e  sehen 
Ophthalmoreaktion  und  der  v.  Pirquet  sehen  kutanen  Tuberkulin¬ 
probe  bis  jetzt  gesammelt  worden  sind  und  demonstriert  an  einer 
Reihe  von  farbigen  Phtographien  das  Aussehen  der  beiden  Reaktionen. 
Ausserdem  führt  er  2  Kinder  vor,  die  beide  eine  frische  Ophthalmo¬ 
reaktion  zeigen;  bei  dem  einen  Kind  ist  auch  die  v.  P  i  r  q  u  e  t  sehe 
Reaktion  an  2  Inokulationssteilen  in  ausgesprochendster  Weise  er¬ 
kennbar,  während  die  Kontrollskarifikation  völlig  reaktionslos  ge¬ 
blieben  ist. 

Vortr.  hat  im  ganzen  bei  111  Personen  die  beiden  Reaktionen 
geprüft  und  ist  dabei  zu  folgenden  Resultaten  gelangt: 

1.  Gruppe:  Kranke,  die  klinisch  als  sicher  tuberkulös  erkannt 
waren:  37. 

Von  diesen  37  waren  15  bereits  mit  Tuberkulin  behandelt,  als  die 
Reaktionen  geprüft  wurden;  bei  den  übrigen  war  Pirquet  und  Cal- 
mette  stets  ausgesprochen  positiv. 

Von  den  15  mit  Tuberkulin  behandelten  Kranken  gaben:  6  nega¬ 
tiven,  4  angedeuteten,  2  deutlichen  ,und  3  fraglichen  Pirquet,  während 
die  Ophthalmoreaktion  bei  1 1  positiv  ausfiel ;  doch  war  sie  stets 
viel  schwächer,  wie  bei  den  andern  Kranken  unü  nur  bei  den 
beiden  Fällen,  die  auch  positiven  Pirquet  ergaben,  war  sie  ausge- 
sprochener,(beide  Kranke  hatten  erst  wenig  Tuberkulin  erhalten). 
Bei  2  war  die  Ophthalmoreaktion  fraglich,  bei  2  ist  sie  nicht  aus¬ 
geführt. 

II.  Gruppe.  Von  11  klinisch  als  tuberkulosefrei  zu 
betrachtenden  Personen  (9  Erwachsene!  2  Kinder)  gaben  4  Pirquet 
und  Calmette  positiv,  1  Pirquet  positiv;  von  den  übrigen  6  waren 
bei  3  beide  Reaktionen  negativ,  bei  2  Pirquet  negativ  (Calmette  nicht 
ausgeführt),  bei  1  Calmette  negativ  (Pirquet  nicht  ausgeführt). 

Bei  den  5  Fällen  mit  positivem  Ausfall  der  Reaktionen  handelte 
es  sich  um 

L  Kind  mit  Vitium  cordis;  hereditär  schwer  belastet. 

2.  Kind  mit  Chorea;  hereditär  schwer  belastet. 

3.  Erwachsene;  Perimetritis  post  abort.;  langanhaltendes  Fieber 
ohne  genügenden  Befund.  Heredität? 

4.  Erwachsene;  Darmkatarrh  mit  langhingezogenen  Temperatur¬ 
steigerungen.  Heredität? 

5.  Erwachsener  (gesunder  Mann);  hereditär  belastet. 


III.  Gruppe.  Von  den  63  klinisch  auf  Tuberkulose  ver¬ 
dächtigen  ergaben  23  Pirquet  und  Calmette  positiv.  (19  Er¬ 
wachsene,  4  Kinder);  von  diesen  23  sind  18!  nachweisbar  hereditär 
belastet. 

B  e  i  40  (26  Erwachsenen,  14  Kinder)  war  Pirquet  negativ, 
bei  36  Calmette  negativ  (bei  4  ist  Calmette  nicht  ausgeführt). 

Nach  einem  Hinweis  auf  die  praktisch  wichtige  Bedeutung  der 
beiden  Reaktionen  teilt  Vortr.  noch  mit,  dass  er  bei  einer  Anzahl  von 
Kranken,  .die  einen  positiven  Ausfall  der  Ophthalmoreaktion  und  der 
kutanen  Tuberkulinprobe  gezeigt  hatten,  hinterher  auch  das  Ver¬ 
halten  auf  die  Injektion  von  Alttuberkulin  geprüft  hat  und 
dass  er  dabei  feststellen  konnte,  dass  die  Kranken  stets  auch 
darauf  in  charakteristischer  Weise  reagierten. 

Dabei  stellte  sich  die  interessante  Tatsache  heraus,  dass  bei 
jeder  Tuberkulinreaktion  die  vorher  geprüfte  und  anscheinend  wieder 
normal  gewordene  Konjunktiva  von  neuem  injiziert  wurde. 

Vortr.  demonstriert  das  an  einer  Reihe  von  Kurven.  Weiterhin 
macht  Vortr.  auf  die  interessante  Beobachtung  aufmerksam,  dass  die 
15  unter  Tuberkulinbehandlung  stehenden,  klinisch  als  tuberkulös  er¬ 
kannten  Kranken  die  beiden  Reaktionen  entweder  gar  nicht  oder  nur 
in  geringem  Masse  zeigten  und  dass  die  Reaktionen  um  so  schwächer 
ausfielen,  je  mehr  Tuberkulin  die  Kranken  bereits  eingespritzt  be¬ 
kommen  hatten. 

Abweichend  von  den  Erfahrungen  v.  P  i  r  q  u  e  t  s  hat  Vortr.  eine 
ganz  beträchtliche  Zahl  Erwachsener  gesehen,  bei  denen  die 
Reaktionen  negativ  ausfielen  und  es  ist  nach  seiner  Ansicht  da  zu¬ 
nächst  keineswegs  ein  solcher  Unterschied  im  Verhalten  von  Er¬ 
wachsenen  und  Kindern  gegenüber  der  kutanen  Tuberkulinprobe  er¬ 
sichtlich,  wie  v.  Pirquet  dies  angegeben  hat. 

(Schluss  folgt.) 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Oktober  1907. 

Vorsitzender:  Herr  U  m  b  e  r. 

Schriftführer :  Herr  K  r  i  c  k  e. 

Herr  Deycke:  Prinzipien  nud  Grundlagen  meiner  spe¬ 
zifischen  Lepratherapie  mit  Ausblicken  auf  das  Tuberkulose- 
probiem. 

D.  bespricht  ziinächst  die  systematische  Stellung  und  Be¬ 
deutung  der  von  ihm  und  Reschad  B  e  y  gefundenen  S  t  r  e  p  - 
tothrixleproides.  Er  hält  diesen  Mikroorganismus  für 
sicher  n  i  c  h  t  identisch  mit  den  echten  Lepraerregern,  glaubt 
aber  an  die  freilich  stricto  sensu  nicht  zu  beweisende  Möglich¬ 
keit  eines  genetischen  Zusammenhanges.  Zu  dieser  Ansicht 
veranlassen  ihn  die  Art  und  Weise  der  Züchtung  und  die  eigen¬ 
artigen  günstigen  Beeinflussungen  des  leprösen  Prozesses, 
welche  mit  Injektionen  der  Streptothrix  leproides  an  Lepra¬ 
kranken  beobachtet  wurden.  Diese  Beobachtungen  gaben 
Anlass  zur  chemischen  Bearbeitung  und  Zerlegung  von  Massen¬ 
kulturen  der  Streptothricheen  auf  Milch.  Als  Resultat  wurde 
nach  langwierigen  Bemühungen  durch  ein  eigenes  Verfahren 
ein  eigenartiger  Eettkörper  isoliert,  der  sich  als  der  allei¬ 
nige  Träger  der  aktiven  Eigenschaften  der  Streptothrix- 
kulturen  herausstellte.  Dieser  Eettkörper,  das  N  a  s  t  i  n  ge¬ 
nannt,  chemisch  ein  echtes,  kristaliisierbares  Neutralfett,  ent¬ 
faltete  seine  Wirksamkeit  bei  Leprakranken  durchweg  nur 
auf  dem  Wege  von  Reaktionen,  die  sich  in  entzündlichen 
Erscheinungen  am  leprösen  Gewebe  mit  ausgedehnter  Bak- 
teriolyse  der  Leprabazillen  dokumentierten.  Da  einerseits  diese 
entzündlichen  Vorgänge  sich  unter  starker  Beteiligung  von 
Leukozyten  abspielten,  da  andererseits  Leprafälle  mit  aus¬ 
gesprochener  Leukopenie  sich  dem  Nastin  gegenüber  als 
refraktär  erwiesen,  dagegen  solche  mit  bestehender  Leu¬ 
kozytose  auffallend  leicht  und  intensiv  reagierten,  so  ergab  es 
sich  von  selbst,  dass  das  Augenmerk  auf  das  Verhalten  der 
Leukozyten  gerichtet  wurde.  Künstliche  Leukozytosen,  erzielt 
mit  intravenösen  Injektionen  von  Hetol  (zimtsaurem  Natron), 
verliefen  zunächst  resultatlos.  Wurde  aber  auf  der  Höhe  der 
Leukozytose  Nastin  injiziert,  und  zwar  bei  solchen  Patienten, 
die  sonst  überhaupt  nicht  auf  Nastin  reagierten,  so  wurden 
sehr  stürmische  Reaktionen  und  Bakteriolysen  hervorgerufen. 
Die  Ueberlegung,  dass  die  künstliche  Leukozytose  nur  der  Aus¬ 
druck  einer  chemischen  Verarbeitung  des  leukotaktischen 
Mittels,  i.  e.  der  Zimtsäure,  durch  die  Leukozyten  ist,  führte 
darauf,  die  weiteren  Schicksale  der  Zimtsäure  im  Körper  zu 
verfolgen.  Sie  wird  als  Hippursäure  ausgeschieden,  also  im 
Gewebe  zunächst  in  Benzoesäure  oxydiert.  Die  Benzoesäure 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2405 


erwies  sich  in  vivo  als  unwirksam,  dagegen  aktivierte  das 
intermediäre  Oxydationsprodukt  der  Zimtsäure,  der  Benzal- 
dehvd  (CeHs — CO  H)  das  Nastin  in  deutlicher  Weise,  aber  in 
nicht  stärkerem  Grade  als  die  Zimtsäure  selber.  Nebenbei  er¬ 
wies  sich  der  Benzaldehyd  als  der  erste  chemische  Körper,  der 
im  stände  ist,  freilich  nur  bei  hoher  Temperatur,  Tuberkel¬ 
bazillen  in  vitro  in  kurzer  Zeit  so  völlig  zu  entfetten,  dass  sie 
ihre  Säurefestigkeit  verlieren,  während  das  mit  den  gewöhn¬ 
lichen  Fettextraktionsmitteln  kaum  oder  nur  ausserst  schwei 
gelingt  Unter  diesen  Umständen  lag  es  nahe,  dass  das  wirk¬ 
same  Prinzip  in  der  Zimtsäure  resp.  im  Benzaldehyd  das  im 
Moment  der  Abspaltung  freiwerdende  B  e  n  z  o  y  1  r  a  d  1  k  a  1 
(GTFCO)  ist,  eine  Atomgruppe,  die  ja  auch  sonst  physiologisch 
(z.  B.  in  Kokain)  eine  wichtige  Rolle  spielt.  In  der  Tat  zeigte 
sich,  dass  derjenige  bekannte  Körper,  der  am  leichtesten  diese 
Gruppe  abspaltet,  das  B  e  n  z  oy  1  c h  1  o  r  l  d,  m  vitro  Tuberkel¬ 
bazillen  momentan  und  völlig  entfettet.  Weitere  ausgedehnte 
Versuche  an  leprakranken  Menschen  mit  einem  Gemisch  von 
Nastin  und  Benzoylchlorid  in  obiger  Lösung  zeigten  nun,  dass 
diese  Kombination  die  Nastintherapie  mit  einem  Schlage  aut 
eine  gesicherte  Basis  stellte,  so  zwar,  dass  bei  geeignetem 
Mischungsverhältnis  der  beiden  Substanzen  die  bakterio 
lytischen  Prozesse  an  den  Lepraerregern  sich  ohne  jede  reak- 
tionelle  Beteiligung  des  Körpers  abspielen.  Da  dadurch  die 
Gefahren  der  Nastinreaktionen  ausgeschaltet  werden,  so  steht 
Vortr  nicht  mehr  an,  seine  Lepratherapie  in  ihrer  jetzigen 
kombinierten  Form  der  allgemeinen  Anwendung  zu  empfehlen. 
Das  hervorstechendste  Moment  dieser  Behandlungsmethode 
besteht  darin,  dass  im  allgemeinen  der  lepröse  Prozess,  zum 
Stillstand  kommt  und  dass  in  vielen  Fällen  auch  die  Beseitigung 
der  Symptome  gewährleistet  wird,  obwohl  diese  nicht  allein 
von  der  Bakteriolyse  der  Leprabazillen,  sondern  auch  von 
manchen  anderen  Faktoren  abhängig  ist.  Da  Benzoylchlond 
a  1 1  e  i  n  bei  Leprakranken  im  spezifischen  Sinne  unwirksam  ist, 
so  fasst  Vortr.  theoretisch  die  ganzen  Vorgänge  so  auf,  dass 
er  das  Nastin  für  den  Immunkörper  hält,  das  Benzoyl  aber  für 
das  eigentlich  wirksame  Prinzip.  Letzteres  muss  ^ber  dui  ch 
den  Immunkörper  vor  vorzeitigem  Aufbrauch  geschützt  werden 
und  bedarf  gewissermassen  dessen  Führung,  um  an  die  Lepia- 
bazillen  heranzukommen  und  dort  seine  im  Sinne  der  Ent¬ 
fettung  eingeleitete  Wirkung  zu  entfalten. 


Interessant  und  erwähnenswert  sind  noch  die  quantitativen 
Beziehungen  zwischen  Nastin  und  Benzoylchlorid.  Lösungen, 
welche  Nastin  im  Ueberschuss  enthalten,  können  noch  starke 
Reaktionen  machen,  die  bei  Lepra  nervorum,  wo  dei 
entzündlich  reagierende  Herd  sich  im  Nervensystem  findet,  in 
Form  trophischer  Störungen  der  Haut  an  die  Peripheiie  pro¬ 
jiziert  werden.  Lösungen  dagegen,  die  Benzoyl  im  Uebei- 
schuss  enthalten,  lassen  die  Reaktionen,  wie  gesagt,  vermissen 
und  bringen  unter  Umständen  bei  Lepra  nervorum  selbst  aus¬ 
gedehnte  Anästhesien  zum  völligen  Schwinden. 


Die  Uebertragung  ähnlicher  Prinzipien  auf  die  Tuber¬ 
kulose  lag  von  vornherein  sehr  nahe.  Durch  eigene  Me¬ 
thoden  ist  es  Vortragenden  gelungen,  aus  1  uberkelbazillen 
einen  Fettkörper  zu  isolieren,  der  sowohl  chemisch  als  auch 
biologisch  (Wirkung  auf  Leprakranke)  mit  dem  Nastin 
identisch  zu  sein  scheint.  Bei  Tieren  lässt  sich  durch  Nastin- 
injektionen  ein  gewisser  Grad  von  Immunität  gegen  Tuber¬ 
kulose  erzielen,  der  abhängig  ist  von  der  I  oxizität  der  Tu- 
berkelbazillenstämme.  Beim  Menschen  sind  reine  Nastin-  und 
hoch  konzentrierte  Benzoylnastinlösungen  trotz  deutlich  nach¬ 
weisbarer  bakteriolytischer  Wirkung,  wahrscheinlich  wegen 
des  Freiwerdens  der  starken  Endotoxine,  eher  schädlich  als 
nützlich.  Dagegen  sind  mit  schwächeren  Benzoylnastin¬ 
lösungen  bei  Lupusfällen  schon  jetzt  sehr  beachtenswerte 
Resultate  erzielt  und  selbst  bei  schweren  anderen  Tuberkulose¬ 
formen  haben  sich  derartige  Lösungen  mindestens  als  durchaus 
unschädlich  erwiesen.  (Autoreferat.) 

(Schluss  folgt.) 


Aus  den  Pariser  medizinischen  Gesellschaften. 

AcadGmie  des  Sciences. 

Sitzung  vom  September  1907. 

L  a  v  e  r  a  n  bringt  zugleich  im  Namen  von  Thiroux  eine 
Arbeit  über  die  prophylaktische  Anwendung  der  arsenigen  Säure 
gegen  die  Trypanosomiasis.  Sie  kommen  zu  dem  Schlüsse,  dass  die 
arsenige  Säure  gegen  diese  keine  Präventivwirkung  hat,  die  mit 
jener  des  Chinins  gegen  Malaria  zu  vergleichen  wäre,  und  dass 
die  prolongierte  Anwendung  der  arsenigen  Säure  in  hohen  Dosen, 
wie  es  von  den  Deutschen  Lo  eff  ler  und  Riihs  vorgeschlagen 
werde,  gefährlich  sei. 

Sitzung  vom  28.  Oktober  1907. 

Ueber  eine  neue  Reaktionsart  der  Haut  auf  Tuberkulin  und  deren 
diagnostische  Verwendung  bei  der  Tuberkulose. 

Lignieres  und  Berger  haben  bei  ihren  Untersuchungen 
über  die  v.  Pirquet  sehe  Reaktion  beobachtet,  dass  die  Skarifika- 
tionen  nicht  unbedingt  zur  Manifestation  dieser  lokalen  Reaktion  not¬ 
wendig  waren;  wenn  man,  nachdem  die  Haut  rasiert  ist.  einige  Augen¬ 
blicke  die  Oberfläche  derselben  mit  abgetöteten  Bazillen  und  be¬ 
sonders  mit  Tuberkulin  reibt,  so  ist  die  Reaktion  eine  konstante. 
Aber  das  Tuberkulin  muss  rein.  d.  i.  ohne  Beifügung  von  Wasser 
angewandt  werden,  ja  es  ist  vorzuziehen,  ihm  einen  etwas  höheren 
Konzentrationsgrad  als  gewöhnlich  zu  geben.  Bei  gesunden  1  ieren 
erhält  man  durch  diese  Einreibung  keine  spezifische  Lokalreaktion, 
wenn  auch  manchmal  eine  geringe  mechanische  Reizung  (durch  das 
Rasieren),  aber  die  Haut  bleibt  geschmeidig  und  wird  nicht  ödematös; 
bei  Tuberkulösen  hingegen  tritt  nach  24  Stunden  eine  spezifische 
Lokalreaktion  ein.  Berichterstatter  möchten  dieser  Reaktion 
(nach  einfacher  Reibung)  den  Namen  Kutireaiktion,  der  v.  Pirquet- 
schen  (nach  Skarifikation)  die  Bezeichnung  Dermoreaktion  geben. 
Eine  Tuberkulininjektion,  gleichzeitig  gegeben,  verhindert  nicht  die 
Hautreaktion.  Kuti-  und  Dermoreaktion.  ebenso  wie  Ophthalmo¬ 
reaktion  kann  man  ohne  Schaden  gleichzeitig  anwenden.  St. 

Societe  medicale  des  höpitaux. 

Sitzung  vom  11.  Oktober  1907. 

Der  Pruritus  bei  Tabes. 

M  i  1 1  a  n  untersuchte  sorgfältig  die  Aetiologie  der  verschie¬ 
denen  Arten  von  reflektorischem  Jucken  und  fand  Tabes  dorsalis 
als  häufige  Ursache.  Unter  25  Fällen  von  Jucken  ohne  erkennbare 
Hautverämderung  war  6  mal  Tabes  zu  konstatieren.  Es  handelte  sich 
dabei  immer  um  höchst  undeutliche  Formen  der  letzteren  mit  er¬ 
höhten  Sehnenreflexen,  was  die  Diagnose  irreführt;  man  findet  je¬ 
doch  Harnbeschwerden,  lanzinierende  Schmerzen,  Lymphozvtose  im 
Liquor  cerebrospinalis  usw..  wobei  stets  genaue,  svstematische 
Untersuchung  vorhergehen  muss.  Von  den  6  Fällen  M.s  waren  3 
mit  Pruritus  analis,  einer  gleichzeitig  mit  solchem  und  periorbitalem 
und  Deritemporalem,  einer  mit  lumbalem  und  einer  mit  prästoma- 
kalem  Pruritus  behaftet:  das  ist  die  hartnäckigste  Art  von  After- 
iucken.  Der  tabische  Pruritus  tritt  anfallsweise,  in  sehr  heftiger 
Weise,  oft  mit  Schmerzen  verbunden,  besonders  bei  Nacht  auf  und 
verursacht  hochgradige  Schlaflosigkeit  usf.  Die  Behandlung  des 
tabetischen  Pruritus  fällt  mit  der  Allgemeinbehandlung  der  'Tabes 
zusammen:  von  den  Mitteln,  welche  imstande  sind,  die  Anfälle  zu 
lindern  und  zu  verringern,  ist  die  Lumbalounktion  eines  der  besten. 

L  a  m  v  berichtet  über  einen  Fall  von  Pruritus,  der  am  End- 
stadium  einer  sehr  schweren  Form  von  Tabes  bei  einer  50  iährigen 
Frau  beobachtet  wurde  und  ihr  mehr  Beschwerden  verursachte,  als 
die  sehr  heftigen  gastrischen  Krisen  und  die  lanzinierenden  Schmer¬ 
zen.  Das  Jucken  trat  in  Anfällen  an  der  Regio  dorsMumbalis  auf 
und  fand  nicht  durch  Morphium,  sondern  nur  durch  Stovainisation 
Linderung.  ^t. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Berlin-Brandenburger  Aerztekammer. 

Sitzung  vom  16.  November  1907  im  Ständehaus. 

Vorsitzender:  Herr  Becher. 

Am  Regierungstisch  Herr  Regierungsrat  v.  Gneist. 

Der  Vorsitzende  eröffnet  die  Sitzung  mit  einem  warm  empnin- 
denen  Nachruf  auf  die  beiden  verstorbenen  Vorstandsmitglieder  Geh.- 
Rat  Mendel  und  Prof.  Kossmann. 

Geschäftliches.  Der  Vorsitzende  verliest  das  Protokoll 
der  rheinischen  Kammer  vom  vergangenen  Sommer,  in  welchem  eine 
Beleidigung  der  Berliner  Kammer  enthalten  war.  den  Einspruch  des 
Berliner  Kammervorstandes  dagegen,  sowie  die  Erklärung  des  Herrn 
Dr.  Pfalz-Düsseldorf,  dass  er  den  gebrauchten  Ausdruck  unter 
Bedauern  zurücknähme. 

Herr  Schaeffer  beantragt,  fortan  die  Sitzungen  nicht  mehr 
um  2  Uhr,  sondern  abwechselnd  um  11  und  um  2  Uhr  beginnen  zu 
lassen.  Es  wird  beschlossen,  den  Sitzungsbeginn  in  Zukunft  auf 
11  Uhr  festzusetzen. 


2406 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


Herr  G  r  a  e  f  f  n  e  r  fragt  an,  ob  nach  dem  Tode  Kossmanns 
die  Tätigkeit  der  Kurpfuschereikommission  in  derselben  Weise  wie 
bisher  fortgesetzt  werden  soll.  Bis  zur  nächsten  Etatsberatung  soll 
es  so  bleiben. 

Als  Ersatz  fiir  die  verstorbenen  Vorstandsmitglieder  Mendel 
und  Kossmann  werden  gewählt  die  Herren  Bauer-  Charlotten¬ 
burg  und  S  t  ö  t  e  r  -  Berlin. 

Als  Mitglied  der  wissenschaftlichen  Kommission  wird  Herr  P  i  - 
stör  gewählt. 

Als  stellvertretendes  Mitglied  des  Aerztekammerausschusses  wird 
Herr  M  a  r  c  u  s  e  gewählt. 

Bericht  aus  der  Vertragskommission.  Referent  Herr  Munter. 

Der  Referent  weist  auf  die  unglaublichen  Zustände  in  Berlin  hin. 
dass  es  zahlreiche  Aerzte  gibt,  die  sich  weigern,  ihre  Kontrakte 
der  yertragskommission  der  Aerztekammer  vorzulegen.  So  sei  es 
erst  in  letzter  Zeit  vorgeikommen,  dass  ein  Arzt  eine  Kassenarztstelle 
an.  der  B  o  1 1  e  sehen  Meierei  angenommen  habe,  ohne  seinen  Vertrag 
vorzulegen,  da  er  wohl  wusste,  dass  derselbe  nie  genehmigt  wer¬ 
den  würde.  Ebenso  haben  von  den  ca.  180  Aerzten,  mit  denen  die 
rirma  Siemens  &  Halske  einen  Vertrag  abschliessen  wollte,  es  nur 
5  für  notwendig  gehalten,  diesen  Vertrag  der  Genehmigung  der  Aerzte¬ 
kammer  zu  unterbreiten.  Diese  Genehmigung  musste  versagt  wer- 
den,  trotz  der  verhältnismässig  günstigen  Bedingungen,  weil  ein 
10  jähriger  Kontrakt  vorgesehen  war,  die  Normativbestimmungen  aber 
solche  langjährigen  Verträge  absolut  verbieten.  Die  5  Aerzte,  denen 
auf  diese  Weise  die  Eingehung  des  Vertrages  unmöglich  gemacht 
sei,  bitten,  ihnen  ausnahmsweise  die  Unterschrift  zu  gestatten. 

Er  beantragt,  dass  die  Aerztekammer  ihre  Missbilligung  über  das 
Vorgehen  der  Aerzte  ausspreche,  welche  den  Ausschuss  der  Siemens 
und  Halske-Kasse  bilden. 

Im  Anschluss  an  dieses  Referat  wurden  folgende  Anträge,  unter¬ 
zeichnet  von  S  c  h  a  e  f  f  e  r.  S  t  e  r  n  b  e  r  g,  Munter,  Schön¬ 
heim  e  r,  verlesen: 

1.  Die  Aerztekammer  Berlin-Brandenburg  wiederholt  ihren  Be¬ 
schluss  vom  9.  II.  1907,  welcher  es  „für  die  Pflicht  jedes  Arztes  er- 
achtet,  Verträge,  die  er  mit  öffentlichen  oder  privaten  Kassen  oder 
ähnlichen  zur  Versorgung  mit  ärztlicher  Hilfe  dienenden  Institutionen 
abschliesst,  der  zuständigen  Vertragskommission  vorzulegen.“ 

2.  Die  Aerztekammer  erachtet  es  als  eine  selbstverständliche 
weitere  Pflicht  jedes  Arztes,  sich  dem  Ausspruch  der  Vertrauens- 
bezw.  Vertragskommission  auch  zu  fügen. 

3.  Die  Aerztekammer  ersucht  sämtliche  ärztl.  Vereine  (soweit  sie 
sich  überhaupt  mit  wirtschaftlichen  Fragen  beschäftigen),  diesen  Be- 
Schlüssen  nicht  nur  möglichste  Verbreitung  zu  verschaffen,  sondern 
auch  fiir  die  Durchführung  derselben  in  der  ihnen  geeignet  scheinen¬ 
den  Weise  Sorge  zu  tragen. 

4.  Die  Aerztekammer  ernennt  eine  Kommission  (erweiterte  Ver¬ 
tragskommission),  welche  in  einer  der  nächsten  Sitzungen  Vorschläge 
zu  unterbreiten  hat,  in  welcher  Weise  eine  Ahndung  der  beständig 
vorkommenden,  das  Rechtsgefühl  der  Kollegen  aufs  stärkste  ver¬ 
letzenden  Nichtbeachtung  obiger  Beschlüsse  eintreten  soll. 

5.  Die  Aerztekammer  beschliesst,  dass  die  für  die  Entschei¬ 
dungen  der  Vertrauens-  bezw.  Vertragskommission  für  Gross-Berlin 
geltenden  Normativbestimmungen  vom  28.  I.  1904  ausser 
Kraft  gesetzt  werden;  vielmehr  fällen  die  genannten  Kommissionen 
ihre  cntscheidungen  auf  Grund  freier  Würdigung  aller  beim  Abschluss 
von  Verträgen  mit  Krankenkassen  usw.  in  Betracht  kommenden 
Momente, 

und  von  Schaeffer  und  S  t  e  r  n  b  e  r  g  ausführlich  begründet.  An 
der  sehr  lebhaften  Diskussion  beteiligen  sich  die  Herren  P  e  v  s  e  r, 
dei  ein  weiteres  Beispiel  beibringt,  welche  Bedingungen  die  Kassen 
den  AerZten  zu  machen  wagen;  H  o  t  h,  der  sich  gegen  No.  5  der 
Anträge  wendet  und  eine  Revision  der  Normativbestimmungen 
vorschlägt,  Lennhoff,  der  aus  Rücksicht  für  die  schwer  geschädigten 
loyalen  Kollegen  für  eine  Aufhebung  der  ganzen  Vertragskom¬ 
mission  ist,  Seeligsohn,  Alexander,  Kramm.  welch  letzterer 
sich  als  einer  der  Ausschussärzte  der  Siemens  &  Halske-Kasse 
vorstellte.  Er  erklärte,  dass  der  von  Herrn  Peyser  gemachte 
Vorschlag,  alle  die  Aerzte,  die  den  Beschlüssen  der  Aerztekammer 
nicht  nachkommen.  aus  den  Ehrenstellen  in  den  Vereinen  zu  entfernen, 
ihm  gegenüber  vergeblich  sein  würde,  da  er  nach  wie  vor  das  Ver-j 
trauen  seines  Bezirksvereines  habe.  Herr  Mugdan  äusserte  sich 
dahin,  dass  der  Versuch  der  ehrengerichtlichen  Verfolgung  gegen 
jene  Ausschussärzte  auf  alle  Fälle  gemacht  werden  müsse. 

Von  obigen  Anträgen  werden  1 — 3  darauf  angenommen,  No.  4 
aber  abgelehnt.  No.  5  erhält  folgende  von  Pevser-Hessel- 
barth  vorgeschlagene  Fassung:  „Die  Normativbestimmungen  Vom 
-8.  I.  1904  werden  bis  zur  Annahme  neuer  Bestimmungen  durch  die 
Aerztekammer  ausser  Kraft  gesetzt,  vielmehr  fällen  die  genannten 
Kommissionen  ihre  Entscheidungen  auf  Grund  freier  Würdigung  aller 
in  Bett  acht  kommenden  Momente.  Für  die  Dauer  des  Provisoriums 
steht  gegen  die  Ablehnung  eines  Vertrages  seitens  der  Kammerver¬ 
tragskommission  die  Berufung  an  den  Vorstand  der  Aerztekammer 
frei.“ 

Die  Revision  der  Gebührenordnung.  Referent  Herr  Joachim. 

Hierzu  liegt  von  der  Provinz  Schlesien  der  Antrag  vor:  „Die 
Aerztekammer  für  die  Provirtz  Schlesien  ersucht  den  Kammeräus- 
schuss,  dass  derselbe  nach.  Anhörung  der  anderen  Kammern  ari  die 
zuständige  Behörde  das  Ersuchen  richte  auf  Revision  der  Gebühren¬ 


ordnung  durch  Aufnahme  derjenigen  Operationen  und  Verrichtungen 
in  dieselbe,  welche  bisher  in  der  Gebührenordnung  nicht  genannt 
sind.“  An  der  Hand  eines  eingehenden  gedruckten  Berichtes  unter¬ 
zieht  Joachim  die  Gebührenordnung  einer  Durchsicht  und  be¬ 
antragt  eine  Reihe  von  Aenderungen.  Um  die  „besonderen  Ver¬ 
richtungen“,  welche  namentlich  für  die  Spezialisten  von  Interesse 
sind,  einer  Revision  zu  unterziehen,  schlägt  er  die  Einsetzung 
einer  Kommission  vor,  in  welche  Vertreter  der  verschiedenen  Spezial¬ 
fächer  hineingewählt  werden  sollen.  Herr  Schönheimer  hält 
eine  umfangreiche  Aenderung  der  Taxe  weder  für  nötig  noch  ihre 
Durchführung  für  aussichtsvoll.  Er  will  nur  wenige  Aenderungen 
vorgenommen  wissen  und  hält  eine  Kommission  nicht  für  erforderlich. 
Es  wird  entsprechend  den  J  o  ach  im  sehen  Vorschlägen  beschlossen. 

Die  zahlreichen  anderen  Punkte  der  Tagesordnung  werden  ver¬ 
tagt. 

Schluss  der  Sitzung  7  Uhr.  R.  Schaeffer. 


Verschiedenes. 

Therapeutische  Notizen. 

Die  Behandlung  der  äusseren  (chirurgischen) 
I  uberkulose  bespricht  C  a  1  o  t,  der  bekannte  orthopädische  Chi¬ 
rurg  von  Berik  s.  M.,  in  einer  längeren  Arbeit  (Revue  de  Therapeutique 
medico-chirurgicale,  15.  Sept.  und  1.  Okt.  1907),  wobei  er  3  Hauptab¬ 
schnitte  unterscheidet,  je  nachdem  es  sich  um  Fälle  eitriger  Tuberkulose, 
trockener  oder  fungöser  und  offener,  mit  Fistel  verbundener  Tuber¬ 
kulose  handelt.  Es  seien  hier  nur  die  markantesten  Leitsätze  ange¬ 
führt.  Bei  eitriger  T  uberkulose  soll  man  nie  die  Abszesse 
öffnen  oder  es  zum  Spontanaufbruch  derselben  kommen  lassen, 
Calot  stellt  den  Grundsatz  auf:  bei  Tuberkulose  bringt  das  Messer 
selten  Heilung,  verschlimmert  oft  den  Zustand  und  bewirkt  immer 
Verunstaltungen.  Ausser  in  jenen  seltenen  Fällen  P  o  1 1  scher 
Krankheit,  wo  der  Abszess  schwer  zugänglich  ist,  müssen  alle  kalten 
Abszesse  durch  Punktionen  und  Injektionen  behandelt  werden;  be¬ 
züglich  letzterer  kommen  2  Mischungen  in  Betracht:  1.  eine  solche 
von  Oel  (60,0),  Aether  (40,0),  Kreosot  (4,0)  und  Jodoform  10,0  und 
2.  eine  von  Naphtol-Kampher-Glyzerin  (1  : 6).  Ist  der  Abszess  reif, 
erstere,  ist  er  noch  nicht  reif,  letztere  Mischung,  und  .zwar  von 
beiden  je  14  g  pro  Lebensjahr,  Maximalmenge  10  g  für  einen  Er¬ 
wachsenen;  alle  5 — 6  Tage  1  Injektion,  8 — 10  Einspritzungen  genügen 
gewöhnlich  zur  Heilung.  C.  erklärt,  dass  auch  mit  der  Heilung  der 
Abszesse  die  vorhandenen  Knochenveränderungen  und  das  Allgemein¬ 
befinden  gebessert  resp.  geheilt  werden.  19  instruktive  Abbildungen 
ergänzen  diesen  Teil  der  Arbeit.  Der  II,  Abschnitt  derselben,  mit 
27  Abbildungen  versehen,  bespricht  die  Behandlung  der  trockenen 
oder  fungösen  Tuberkulose.  Auch  hier  warnt  Calot  vor  dem 
Gebrauch  des  Messers,  das  „selten  Heilung,  oft  Verschlimmerung  und 
immer  Verstümmelung  der  Glieder  bringt“.  Vielmehr  kommen  hier 
drei  Eventualitäten  in  Betracht:  spontane  Resorption,  Uebergang  in 
Eiterung  (in  fast  der  Hälfte  der  Fälle)  und  Avas  am  seltensten  ist, 
Stationärbleiben,  wo  weder  Resorption  noch  Erweichung  der  fun¬ 
gösen  Herde  sich  einstellt,  sondern  2,  3,  6  Jahre  die  trockene  Tu¬ 
berkulose  ohne  nennenswerte  Veränderungen  bestehen  bleibt.  Um 
das  erste  Ziel,  die  Resorption,  zu  erreichen,  enmfiehlt  Calot  In¬ 
jektionen  von  Kreosot-Jodoform-Oel  in  der  .Dosis  von  2 — 10  g  und 
zwar  1  Injektion  pro  Woche  bis  zur  Anzahl  von  10  Injektionen.  Zur 
Erweichung  und  Eiterbildung  ist  dasNaphthol-Kampher-Glyzerin  in  der 
täglichen  Dosis  von  2 — 8g  (je  nach  Alter)  zu  injizieren;  gewöhnlich 
stellt  sich  gegen  den  4..  höchstens  5. — 6.  Tag  die  erwünschte  Fluk¬ 
tuation  ein.  Die  Behandlung  ist  dann  die  gleiche  wie  bei  den  primär 
eitrigen  Fällen  (mit  Punktion  und  Injektionen).  Der  Verlauf  ist  un¬ 
gefähr  der,  dass  zwei  Monate  für  die  Injektionen,  dann  2  Monate 
für  die  Kompressionsbehandlung  und  schliesslich  noch  6  Monate  völ¬ 
liger  Ruhe,  d.  i.  im  ganzen  ca.  1  Jahr  zur  Heilung  eines  Tumors 
albus  mit  der  Injektionsmethode  nötig  sind.  Nach  Ablauf  eines  Jahres 
kann  man  den  Patienten  gehen  resp.  die  Oberextremität  sich  be¬ 
wegen  lassen-,  wobei  -aber  immerhin  noch  6—12  Monate  lang  Vor¬ 
sicht  geboten  ist.  -Bezüglich  der  Injektionen  in  die  einzelnen  Gelenke 
gibt  C.  noch  eine  Reihe  praktischer,  durch  Abbildungen  illustrierter 
Anleitungen.  st. 

Das  Novokain  bespricht  Paul  R  e  y  n  i  e  r  in  einer,  auf  eigenen 
experimentellen  und  klinischen  Beobachtungen  gestützten  und  mit  den 
Angaben  aus  der  gesamten  Literatur  versehenen  Arbeit  (Revue  de 
Therapeutique  medico-chirurgicale,  1.  Nov.  1907).  Demnach  ist  die 
anästhetische  Wirkung  des  Novokains  ein  wenig  geringer  als  jene 
des  Kokains,  es  ist  demselben  aber  wegen  seiner  viel  weniger  toxi¬ 
schen  Wirkung  vorzuziehen  und  -auch  allen  anderen  in  letzter  Zeit  ge¬ 
priesenen  Ersatzmitteln  des  Kokains,  besonders  dem  Stovain.  Mit 
telativ  niederen  Dosen,  die  man  durch  Hinzufügung  von  Suprarenin 
noch  vermindern,  aber  ohne  Gefahr  auch  erhöhen  kann,  erzielt  man 
absolute  Anästhesie  mit  einer  Sicherheit,  die  man  mit  Kokain  und 
Stovain,  deren  Dosen  man  nicht  ohne  Gefahr  vermehren  kann.  nicht 
hat.  Diese  Anästhesie  scheint  von  ziemlich  langer  Dauer  zu  sein 
und  wird  mit  einer  denkbar  geringen  Gefahr  erzielt,  da  das  Novo¬ 
kain  leicht  zu  sterilisieren  ist  und  keinerlei  I^eizerscheinungen  ver¬ 
ursacht.  gt. 


26.  November  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2407 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  25.  November  1907. 

—  In  der  vorliegenden  Nummer  bringen  wir  einen  weiteren 
kasuistischen  Beitrag  zur  Freundschen  Operation  des 
Emphysems  und  gleichzeitig  eine  Aeusserung  W.  A.  Freunds 
selbst  zur  operativen  Mobilisation  des  in  der  oberen  Apertur  steno- 
sierten  und  des  starr  dilatierten  Thorax.  Der  Verf.  kommt  dabei 
ausführlich  auf  seine  Arbeiten  aus  den  Jahren  1858/59  zurück,  in  denen 
er  die  genannten  Thoraxanomalien  bereits  scharf  -kennzeichnete  und 
in  ihrer  Bedeutung  für  die  Entstehung  von  Tuberkulose  und  Emphysem 
erkannte.  Es  dürfte  ein  Unikum  in  der  Literatur  sein,  dass  ein 
fruchtbarer,  in  voller  Klarheit  ausgesprochener  Gedanke  fast-  ein  halbes 
Jahrhundert  brach  liegen  bleibt,  um  dann,  nach  48  Jahren,  von  dem¬ 
selben  Forscher,  den  bis  dahin  andere  Aufgaben  abgehalten  hatten, 
wieder  aufgenommen  und  mit  jugendlicher  Energie  durchgesetzt  zu 
werden.  Man  darf  dem  Verfasser  Glück  wünschen,  dass  es  ihm  ver¬ 
gönnt  ist,  diesen  Erfolg  zu  erleben.  Der  im  Anschluss  an  die 
Freund  sehe  Arbeit  von  Dr.  S  t  i  e  d  a  beschriebene  Fall  von 
Freund  scher  Operation  bildet  ein  interessantes  Gegenstück  zu 
dem  von  Pass  ler  und  Seidel  in  No.  38  d.  W.  mitgeteilten  Fall 
und  bestätigt  die  Erwartungen,  die  man  auf  grund  der  bisherigen 
Erfahrungen  auf  diese  Operation  setzen  durfte.  Die  Mitteilung  von 
Versuchen,  auch  die  Lungentuberkulose  nach  den  Freu  n  d  sehen  Vor¬ 
schlägen  zu  beeinflussen,  wird  nun  wohl  auch  nicht  mehr  lange  auf 
sich  warten  lassen. 

—  Der  preussisch-e  Apotheker-Kammerausschuss,  der  sich  in 
seiner  letzten  Sitzung  mit  dem  Entwurf  eines  Reichs-Apo¬ 
thekengesetzes  beschäftigte,  ist,  gleichwie  die  einzelnen  Kam¬ 
mern,  zu  einer  Ablehnung  des  Entwurfs  gekommen.  Die  Personal¬ 
konzession  werde  die  Grundlage  des  in  der  ganzen  Welt  angesehenen 
Apothekerstandes  erschüttern;  der  Ausschuss  halte  für  die  beste  Form 
der  Betriebsrechte  die  vererbliche  und  veräusserliche  Apotheke. 
Neugegründete  Apotheken  sollten  erst  nach  10  Jahren  verkäuflich  sein 
und  beim  erstmaligen  Verkauf  einer  ihrem  Wert  entsprechenden  Ab¬ 
gabe  unterliegen. 

—  Auf  Anregung  von  Dr.  A  r  m  i  t  hat  das  Medical-Political- 
Komitee  der  British  Medical-Assoziation  beschlossen,  es 
solle  eine  Unterkommission  die  Frage  des  Beitrittes  der 
Assoziation  zu  dem  internationalen  Verband  ge¬ 
gen  die  Kurpfuscherei  erörtern.  Die  einzelnen  Mitglieder 
waren  für  den  Anschluss  eingenommen  und  so  ist  zu  hoffen,  dass  der 
Verband,  der  bekanntlich  in  Berlin  anlässlich  des  internationalen  Hy¬ 
gienekongresses  ein  festes  Gefüge  erhielt  —  die  Geschäftsleitung  liegt 
bei  der  holländischen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der  Quacksalberei, 
die  Mitteilungen  über  den  Verband  erscheinen  im  „Gesundheits- 
lehrer“  —  nun  bald  ausser  Deutschland,  Oesterreich,  Holland, 
Dänemark  und  Frankreich  auch  England  umfassen  wird. 

—  Eine  zahlreich  besuchte  Vertrauensmänner -  Ver¬ 
sammlung  des  Leipziger  Wirtschaftlichen  Ver¬ 
bandes  hat  am  17.  November  in  Leipzig  stattgefunden  und  hat  sich 
auch  hier  wieder  eine  erfreuliche  Einstimmigkeit  in  der  Taktik  der 
Stellungnahme  zu  den  ärztlichen  Fragen  gezeigt. 

—  Als  Oberarzt  der  medizinischen  Abteilung  des  neuen  dritten 
städtischen  Krankenhauses  in  München  wurde  vom  Ma¬ 
gistrat  Privatdozent  Dr.  Herrn.  Kersch  ensteine  r,  bisher  Assi¬ 
stent  der  ersten  medizinischen  Klinik,  berufen. 

—  Ueber  das  Dr.  Senckenbergische  Neurologische 
Institut  in  Frankfurt  a.  M.  wird  uns  aus  Frankfurt  geschrieben : 
„Das  neue  Krankenhaus  in  Frankfurt  a.  M.  umgibt  sich  mehr  und 
mehr  mit  eigenen  wissenschaftlichen  Anstalten.  Früher  haben  wir 
über  die,  unter  Ehrlichs  Leitung  stehenden  Institute  für  experi¬ 
mentelle  Therapie,  für  Serumlehre,  für  Krebsforschung  berichtet. 
Jetzt  ist  auch  d,as  Dr.  Senckenbergische  Neurologische  Institut, 
unter  L.  Edinger$  Leitung,  welches  bisher  in  den  engen  Räumen 
des  alten  Senokenbergianums,  innerhalb  der  Stadt,  gelegen  war.  ge¬ 
meinsam  mit  der  Dr.  S  e  n  c  k  e  n  be  r  g  ische-n  Anatomie  in  einen 
neuen  Prachtbau  eingezogen.  Die  Arbeiten  des  Instituts  werden  von 
zwei  Abteilungsvorstehern  geleitet.  Für  die  vergleichende  Anatomie 
ist  Herr  Dr.  Ariens-Kappers,  bisher  Dozent  in  Amsterdam,  für 
die  pathologische  Anatomie  Herr  Dr.  Heinrich  Vogt,  Dozent  in 
Göttingen  berufen  worden.  Eine  ausreichende  Anzahl  Hilfskräfte  sind 
für  die  technischen  Aufgaben  gewonnen.  Das  Material  fliesst  aus 
zoologischen  Gärten,  dann  aber  in  grosser  Menge  aus  den  Frank¬ 
furter  und  auswärtigen  Kranken-  und  Irrenanstalten  zu.  Das  In¬ 
stitut  erkennt  seine  Aufgabe  einmal  in  der  Gewährung  von  Arbeits¬ 
plätzen,  Material  etc.  an  solche,  welche  die  normale  oder  patho¬ 
logische  Anatomie  des  Nervensystems  studieren,  oder  auf  diesem 
Gebiete  selbständig  Arbeit  leisten  wollen.  Diesen  steht  ausser  den 
sehr  reichen  Sammlungen  auch  eine  Bibliothek,  welche  fast  lückenlos 
die  einschlägige  Literatur  enthält,  im  Institut  zur  Verfügung.  Dann 
sollen  vom  Direktor  des  Instituts  und  den  Abteilungsvorstehern) 
Vorlesungszyklen  gehalten  werden,  welche  anatomische,  aber  auch 
klinische  Themata  betreffen,  und  schliesslich  übernimmt  das  Institut 
den  bereits  seit  1885  erscheinenden  Jahresbericht  über  die  Leistungen 
auf  dem  Gebiete  der  Anatomie  des  zentralen  Nervensystems,  gemein¬ 
sam  mit  Dr.  Wallenberg  in  Danzig.  Zu  auswärtigen  Mit¬ 
arbeitern  sind  die  Herren  Dr.  Kohnstamm  und  Quensel  in  Kö¬ 
nigstein,  Dr.  Bing  in  Basel  und  Dr.  Wallenberg  in  Danzig  er¬ 


nannt  worden.  Die  internationale  Vereinigung  -der  Akademien  hat 
das  Institut  als  Internationales  Hirnerforschungsinstitut  anerkannt.“ 

—  Die  Robert  Koch-Stiftung  zur  Bekämpfung  der 
Tuberkulose  soll  nunmehr,  nachdem  Koch  von  seiner  Ex¬ 
pedition  aus  Ostafrika  zurückgekehrt  ist,  in  nächster  Zeit  abge¬ 
schlossen  werden.  Die  Sammlung  hat  jetzt  bereits  die  Höhe  von 
126  000  M.  erreicht.  Weitere  Beiträge  werden  baldigst  erbeten  an 
das  Bankhaus  S.  Bleichröder,  Berlin,  Behrenstrasse  63. 

—  Aus  der  unter  dem  Vorsitz  des  Stadtrats  Münsterberg  stehen¬ 
den  Gobureckstiftung  für  Medizin  studierende 
Frauen  sollen  noch  für  das  Wintersemester  1907/08  Darlehen  ver¬ 
geben  werden.  Bewerberinnen  deutscher  Staatsangehörigkeit,  welche 
an  einer  deutschen  Universität  vollrechtlich  immatrikuliert  sind  und 
die  ärztliche  Vorprüfung  bestanden  haben,  werden  aufgefordert,  Be¬ 
werbungen  an  Frau  Dr.  Lydia  Rabinowitsch-Kempner,  Ber¬ 
lin  W  50,  Augsburgerstr.  57,58  einzusenden. 

-  Der  von  dem  Direktor  a.  D.  der  Deutschen  Seewarte.  Wirkl. 
Geh.  Rate  Dr.  Georg  v.  Neumayer  in  Neustadt  a.  H.  mit  einem 
anlässlich  seines  80.  Geburtstages  ihm  von  Freunden  und  Verehrern 
hiefür  gespendeten  Kapitalbetrage  von  21  500  Mark  errichteten,  haupt¬ 
sächlich  zur  Gewährung  von  Stipendien  an  junge  deutsche  Forscher 
auf  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften  bestimmten  Stiftung  unter 
dem  Namen  „Georg  v.  Neumayer-Spende“  in  Neustadt  a.  H.  wurde 
vom  Prinzregenten  von  Bayern  die  Genehmigung  erteilt. 

—  Am  1.  Januar  1908  wird  die  „Sammlung  klinischer  Vorträge“, 
begründet  von  Richard  v.  Volkmann,  sowie  die  Zentralblätter  für 
Chirurgie,  für  Gynäkologie  und  für  innere  Medizin  aus  dem  Verlag 
von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig  in  den  Verlag  von  Joh,  Ambr. 
Barth  in  Leipzig  übergehen.  In  der  Leitung  der  Blätter  werden 
Veränderungen  nicht  stattfinden.  Aus  dem  Verlag  von  Vogel  & 
Kreienbrink  wird  das  „Zentralblatt  für  Nervenheilkunde  und  Psy¬ 
chiatrie“,  herausgegeben  von  Professor  Robert  Gau  pp  am  1.  Ja¬ 
nuar  1908  ebenfalls  in  den  genannten  Verlag  übergehen. 

—  Von  der  4.  Auflage  von  Eulenburgs  Real-Enzyklo- 
p  ä  d  i  e  der  gesamten  Heilkunde  ist  der  2.  Band  dem  vor 
kurzem  angezeigten  ersten  rasch  gefolgt.  Er  umfasst  die  Artikel 
„Aspirin“  bis  „Brustdrüse“.  In  dem  Band  werden  u.  a.  Augen¬ 
muskellähmungen  und  Augenverletzungen,  Bazillen  -und  Bakterien, 
Blasenerkrankungen,  Blutanomalien,  Beschäftigungsneurosen,  Bron¬ 
chitis  und  Bronchialasthma  in  umfassenden  Darstellungen  behandelt. 
Ausser  zahlreichen  Textabbildungen  enthält  der  Band  8  farbige  Tafeln. 

—  In  3.  Auflage  erschien  „Einführung  in  die  Chemie 
in  leichtfasslicher  Form“  von  Prof.  Las  sar- Cohn  in  Königsberg 
i.  P.  (Verlag  von  Leopold  Vos-s  in  Hamburg,  Preis  3  M.).  Das  Buch 
hält,  was  der  Titel  verspricht.  Der  Verfasser  versteht  es  vortrefflich, 
dem  Neuling  die  anfangs  schwierigen  chemischen  Begriffe  und  Vor¬ 
gänge  klar  zu  machen.  Das  Buch  erfreut  sich  daher  grosser  Beliebt¬ 
heit  bei  den  Studierenden. 

—  Von  den  „Studi-es  from  the  Rockefel  ler  Insti¬ 
tute  for  Medical  Research“  ist  der  VI.  Band  soeben  er¬ 
schienen.  Der  Band  enthält  eine  Beschreibung  des  Institutes  und  -die  bei 
der  Einweihung  desselben  gehaltenen  Reden  und  im  Anschluss  daran 
eine  Sammlung  von  40  aus  dem  Institut  hervorgega-ngenen  bezw.  von 
ihm  unterstützten  Arbeiten.  Diese  Arbeiten  sind  sämtlich  in  anderen 
Journalen  bereits  erschienen  und  in  den  „Studies“  lediglich  die 
Sonderdrucke  vereinigt;  ein  sehr  empfehlenswerter  Modus  der  He¬ 
rausgabe  von  „Arbeiten  aus  dem  ....“;  er  ist  billig  und  bewahrt 
die  Arbeiten  des  Instituts  gleichzeitig  vor  dem  Schicksal,  an  einem 
wenig  zugänglichen  Publikationsort  begraben  zu  -sein. 

—  Der  4.  Kongress  für  Klimatot heraoie  und  Hy¬ 
giene  der  Städte  wird  vom  20. — 25.  April  1908  in  Biarritz  statt¬ 
finden.  Vorsitzender  Prof.  Pit  res  in  Bordeaux.  Mitgliedsbeitrag 
20  Fr  cs. 

—  Cholera.  Russland.  Vom  30.  Oktober  bis  5.  November 
sind.  410  Erkrankungen  und  192  Todesfälle  an  der  Cholera  gemeldet. 
In  der  Stadt  Kiew  zählte  man  zufolge  anderweitiger  Nachricht  vom 
6.— 11.  November  33  Erkrankungen  und  8  Todesfälle),  im  ganzen  da¬ 
selbst  bis  zum  11.  November  1249  (339).  —  Philippinen.  In  Manila 
wurden  vom  22. — 29.  September  28  Fälle  an  Cholera,  darunter  27 
tödliche,  gemeldet.  —  China.  In  der  internationalen  Niederlassung 
von  Shanghai  sind  vom  9. — 29.  September  68  Chinesen  an  der  Cholera 
gestorben  und  5  Nichtchinesen  erkrankt;  auf  die  letzte  Woche  ent¬ 
fielen  nur  7  Todesfälle,  sodass  mit  Beginn  des  Oktober  dort  die 
Cholera  erloschen  zu  sein  schien. 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  26.  Oktober  bis  2.  November  wurden 
9  neue  Erkrankungen  (und  6  Todesfälle)  an  der  Pest  gemeldet.  - 
Algier.  In  der  ersten  Novemberwoche  sind  in  Bona  3  Pestfälle  bei 
einem  Kürschner,  der  kürzlich  einen  Ballen  Fischotterfelle  aus  Phi- 
lippeville  erhalten  hatte,  bei  seiner  Tochter  und  einem  seiner  Arbeiter 
festgestellt  worden.  —  Britisch-Ostindien.  Vom  29.  September  bis 
5.  Oktober  sind  in  ganz  Indien  9643  Personen  an  der  Pest  gestorben 
und  13  341  neue  Erkrankungen  gemeldet.  In  Kalkutta  -starben  vom 
29.  September  bis  5.  Oktober  12  Personen  an  der  Pest.  —  Hong¬ 
kong.  Vom  1. — 28.  September  sind  in  der  Kolonie  9  Personen  an 
-der  Pest  gestorben.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  In  San 
Franzisko  sind  vom  22.-28.  Oktober  5  (insgesamt  nunmehr  78)  Er¬ 
krankungen  und  3  (49)  Todesfälle  an  der  Pest  festgestellt  worden.  — 
Queensland.  In  Cairns  -sind  am  4.  und  9.  September  2  Personen  an 
der  Pest  gestorben, 


2408 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  48. 


In  der  45.  Jahreswoche,  vom  3. — 9.  November  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Beuthen  mit  30,6,  die  geringste  Osnabrück  mit  8,4  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Altenessen,  Beuthen,  an  Masern  und  Röteln  in 
Gleiwitz,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Hannover,  Hof.  an  Unterleibs¬ 
typhus  in  Recklinghausen.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Der  Pharmakologe  Prof.  Oskar  Liebreich,  Ordi¬ 
narius  an  der  hiesigen  Universität  und  langjähriger  Leiter  des  phar¬ 
makologischen  Instituts,  hat  infolge  schwerer  Erkrankung  seine  Pro¬ 
fessur  niedergelegt.  —  Zwei  neue  Privatdozenten  habilitierten  sich 
in  der  Berliner  medizinischen  Fakultät:  Dr.  med.  Wilhelm  Liep- 
mann,  Assistenzarzt  bei  Geh. -Rat  Bumm  an  der  Universitäts- 
Frauenklinik  im  Charitee-Krankenhause,  für  das  Fach  der  Geburtshilfe 
und  Gynäkologie  und  Dr.  med.  Wollenberg.  Assistent  an  der 
Universitäts-Poliklinik  für  orthopädische  Chirurgie  als  Privatdozent 
für  orthopädische  Chirurgie,  (hc.)  —  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  med. 
Adalbert  T  obold  in  Berlin,  der  Senior  der  deutschen  Laryngologen, 
feierte  am  22.  ds.  den  80.  Geburtstag.  Aus  diesem  Anlass  wurde  ihm 
vom  Kaiser  der  erbliche  Adel  verliehen. 

Braun  schweig.  Der  Prosektor  am  Herzogi.  Krankenhause 
zu  Braunschweig,  Dr.  med.  Robert  Borrmann  ist  vom  Herzog- 
Regenten  mit  den  Geschäften  eines  ausserordentlichen  Mitgliedes 
des  Landes-Medizinalkollegiums  für  Hygiene  beauftragt  worden. 
Dr.  Borrmann  gehört  zugleich  dem  Lehrkörper  der  Göttinger  medi¬ 
zinischen  Fakultät  als  Privatdozent  für  pathologische  Anatomie  und 
Pathologie  an.  (hc.) 

Heidelberg.  Der  Assistent  der  Mediz.  Universitätsklinik^ 
Dr.  Paul  Morawitz,  hat  sich  habilitiert  mit  einer  Probevorlesung: 
„Ueber  Kompensationsvorgänge  im  Kreislauf“. 

Jena.  Die  Gesamtfreouenz  der  Universität  Jena  beträgt  im 
laufenden  Wintersemester  nach  dem  vorläufigen  Abschluss  1449.  gegen 
1366  im  Wintersemester  lOOö^.  Davon  sind  1366  immatrikulierte 
Studierende  (gegen  1275)  und  83  ausserordentliche  Hörer  (gegen  91), 
darunter  40  Frauen  (gegen  41).  (hc.) 

Königsberg  i.  Pr.  Dem  Privatdozenten  für  innere  Medizin 
an  der  Universität  Königsberg  i.  Pr.  Dr.  med.  Sally  Askanazy  ist 
der  Professortitel  verliehen  worden,  (hc.) 

Kopenhagen.  Zum  Rektor  der  Universität  für  das  neue  Uni¬ 
versitätsjahr  wurde  Prof.  Dr.  phil.  W  a  r  m  i  n  g.  zum  Dekan  der 
medizinischen  Fakultät  Prof.  Dr.  med.  Gram  gewählt. 

(Todesfälle.) 

Geheimrat  Dr.  v.  M  ü  h  1  i  g,  kaiserlicher  Botschaftsarzt,  am  10. 
November  ds.  in  Konstantinopel. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung.  Dr.  Friedrich  Steg  er,  appr.  1893,  in 
Nürnberg. 


Korrespondenz. 

Von  Stufe  zu  Stufe. 

In  der  Verhandlung  der  Klage  des  Dr.  Hans  Fischer  in  Berlin 
gegen  den  Redakteur  dieser  Wochenschrift  (s.  d.  W.  No.  46)  hatte 
der  klägerische  Anwalt,  Dr.  v.  Pannwitz,  laut  stenographischem 
Bericht,  Beweis  dafür  angeboten,  „dass  Kläger  bis  in  die  aller¬ 
jüngste  Zeit  Mitarbeiter  der  vornehmsten  Fachblätter  orthodoxer 
Richtung  gewesen  sei*  ;  unter  den  als  Beweis  dafür  namhaft  ge¬ 
machten  Zeitschriften  nannte  er  auch  die  „Medizinische  Zentral¬ 
zeitung“.  Dazu  schreibt  uns  nun  die  Redaktion  der  „Allg.  med.  Zen¬ 
tralzeitung“:  „Soweit  die  Allg.  med.  Zentralzeitung  in  Betracht  kommt, 
widerspricht  die  Behauptung  des  Herrn  Dr.  v.  Pannwitz  den  Tat¬ 
sachen.  Wir  haben,  wovon  sich  jeder  Interessent  leicht  bei  Durch¬ 
sicht  unserer  letzten  vier  Jahrgänge  überzeugen  kann,  nur  ein 
einziges  Mal  einen  Aufsatz  von  Dr.  Hans  Fischer  zur  Ver¬ 
öffentlichung  gebracht,  und  zwar  in  der  Nummer  vom  9.  April  1904, 
d.  h.  vor  mehr  als  3Vs  Jahren,  über  das  auch  von  anderen  Autoren 
empfohlene  Laktagol.  Dr.  Hans  Fischer  war  damals  soeben  erst 
nach  Berlin  gekommen,  von  seinem  früheren  Wirken  war  uns  nichts 
bekannt  und  in  Berlin  selbst  hatte  er  bei  der  Aerzteschaft  noch  nicht 
Anstoss  erregt,  so  dass  zur  Zurückweisung  seines  Beitrages  keine 
Veranlassung  vorlag.“ 

Wir  nehmen  von  dieser  Feststellung  gerne  Kenntnis.  Bis  zum 
Jahre  1903  ist  Dr.  H.  Fischer  auch  Mitarbeiter  der  M.  M.  W. 
gewesen.  Red. 


Typhus  in  Meran. 

Die  Kurvorstehung  Meran  ersucht  uns  um  Aufnahme  nachstehen¬ 
der  Zuschrift: 

„Im  Interesse  der  Wahrheit  gestatten  wir  uns,  die  die  Typhus- 
erkramkungen  im  Kurbezirke  Meran  betreffenden  Tatsachen  näher 
zu  beleuchten. 


Meran,  Ober-  und  Untermais  werden  nicht  von  einer,  sondern 
von  3  Wasserleitungen  versorgt.  Nur  die  kleinste  dieser  drei  Lei¬ 
tungen  wurde  infiziert  und  es  entstand  eine  typische  Explosionsepi¬ 
demie,  indem  nur  Bewohner  der  an  diese  kleinste  der  drei  Leitungen 
angeschlossenen  Häuser  erkrankten,  und  zwar  innerhalb  weniger 
T~?e.  Nicht,  wie  behauptet,  nacheinander,  sondern  alle  zur  Kenntnis 
der  Behörden  und  der  gesamten  Aerzteschaft  gekommenen  Fälle 
kamen  innerhalb  von  10  Tagen  zum  Ausbruche.  Bei  dieser  Sachlage 
konnte  von  einer  Vertuschung  nicht  die  Rede  sein.  Die  Aerzte  wur¬ 
den  durch  den  Ausbruch  überrascht,  es  erfolgte  sofortiges  Einschrei¬ 
ten  der  staatlichen  und  Landesbehörden,  das  innerhalb  von  vier 
Tagen  die  Quelle  der  Epidemie  aufdeckten.  Die  Massnahmen  der  Sani¬ 
tätsbehörden  und  der  Kurärzte  waren  so  exakt  getroffen,  dass  auch 
nicht  ein  einziger  Fall  von  Verschleppung1  konstatiert  werden  konnte, 
sondern,  wie  schon  erwähnt,  der  Ursprung  jedes  einzelnen  Erkran¬ 
kungsfalles  sich  mit  Sicherheit  auf  die  Verunreinigung  des  für  sich 
abgeschlossenen  und  mit  dem  übrigen  Wasserversorgungssystem 
nicht  im  Zusammenhänge  stehenden  Rohrstranges  zurückführen 
Hess. 

Die  Meldung  der  allerersten  Fälle  erfolgte  am  20.  Oktober  d.  J., 
am  nächstfolgenden  Tage  Einschreiten  des  Amtsarztes,  am  22.  Ab¬ 
sperrung  des  infizierten  Rohrstranges,  am  25.  Affichierung  in  den 
Häusern  des  Epidemiebezirkes  und  sofortige  Publikation  in  den  Lokal¬ 
zeitungen  und  Amtsblatt  der  Bezirkshauptmannschaft.  Wir  glauben, ' 
dass  bei  dieser  Sachlage  von  .Vertuschungssystem  und  Geheimnis¬ 
tuerei1  nicht  die  Rede  sein  kann.  Es  hat  auch  tatsächlich  seit  1.  No¬ 
vember  kein  weiterer  Erkrankungsfall  stattgefunden. 

Wir  bedauern  aus  eigenstem  und  tiefstem  Interesse  die  betrüb¬ 
lichen  Vorkommnisse,  negieren  durchaus  nicht  ein  Verschulden  ein¬ 
zelner  Organe,  müssen  aber  die  gemachten  Vorwürfe  der  .Schlam¬ 
perei  und  Vertuschung*  auf  das  entschiedenste  zurückweisen.  Im 
übrigen  ist  eine  Wiederholung  ähnlicher  Vorkommnisse  nicht  mehr 
möglich,  da  in  drei  Wochen  an  Stelle  der  infiziert  gewesenen  Leitung 
in  Obermais  eine  neue,  ganz  geschlossene  Hochauellenleitung  in 
Funktion  treten  wird,  deren  Verunreinigung  durch  einfliessendes  Bach¬ 
wasser  unmöglich  ist.“ 

Hochachtungsvoll 
Kurvorstehung  Meran: 

Dr.  Huber,  Kurvorsteher. 


Weihnachtsbitte! 

Schon  oft  habe  ich  mich  an  die  Herren  Kollegen  gewandt  mit 
der  Bitte,  der  Aermsten  unter  den  Arztwitwen  zu  gedenken  und  der 
Witwengabe  des  Leipziger  Verbandes  ein  Scherflein  zu  spenden. 
Jetzt  steht  das  Weihnachtsfest  vor  der  Tür  und  jeder  denkt  daran, 
wie  er  seinen  Lieben  eine  Freude  bereite.  Da  sollten  wir  auch 
nicht  vergessen,  dass  es  unter  den  Witwen  und  Waisen  unserer 
Kollegen  leider  noch  viele  gibt,  die  durch  den  Tod  des  Ernährers  in 
bitterste  Armut  und  Not  geraten  sind.  Inständig  bitten  diejenigen, 
die  bisher  eine,  wenn  auch  recht  bescheidene,  so  doch  regelmässige 
Rente  aus  der  Witwengabe  des  Leipziger  Verbandes  bezögen  haben, 
man  möchte  ihnen  zum  Weihnachtsfeste  die  Gewissheit  geben,  dass 
sie  auch  weiter  auf  die  ihnen  wertvolle  Hilfe  Aussicht  haben,  sehr 
viele  neue  Gesuche  liegen  vor,  die  einen  erschütternden  Eindruck 
gewähren  in  unendlich  viel  Armut.  Kummer  und  Leid.  Darum  Herzen 
und  Hände  auf!  Gedenket.  Kollegen,  zum  Weihnachtsfeste  der  Wit¬ 
wengabe  des  Leipziger  Verbandes! 

Ich  nehme  jederzeit  Gaben  gern  entgegen. 

Leipzig-Co.,  Südstrasse  121,  19.  November  1907. 

Hartmann. 


Übersicht  der  Sterbefälle  in  (München 

während  der  45.  Jahreswoche  vom  3.  bis  9.  November  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.l  14  (11*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  1  (3),  Kindbettfieber  —  ( — ),  and.  Folgen  der 
Geburt  1  (2),  Scharlach —  (D.  Masern  u.  Röteln  —  ( — 1.  Diphth.  u. 

Krupp  3  (2),  Keuchhusten  —  ( — ),  Tvphus  —  ( — 1.  übertragb.  Tierkrankh. 
— ■  ( — ),  Rose  (Ervsipel)  —  ( — ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervereift.)  2  (1),  Tuberkul.  d.  Lungen  17  (241,  Tuberkul.  and. 
Org.  3(3),  Miliartuberkul.  — ( — ).  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  14  (11), 
Influenza  —  ( — ■),  and.  übertragb.  Krankh.  1  (51,  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  3  (21.  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (21.  organ.  Herzleid.  13  (22), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag!  8  (81.  Gehirnschlag 
6  (91.  Geisteskrankh.  — (11,  Fraisen.  Eklamps.  d.  Kinder  4  (51,  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  4(41,  Magen- u.  Darm.-Kat..  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrungl  39  (31),  Krankh.  d.  Leber  2  (3).  Krankh.  des 
Bauchfells  —  ( — ),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  6  (9),  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  17  (131, 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  2  (2),  Selbstmord  2  (3),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (— ),  Unglücksfälle  4  (2),  alle  übrig.  Krankh.  5  (4). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  175  (186).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  16.6  (17,6),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  10,6  (12,3). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag;  von  J.  F.  Lehm  Inn  Bl  Manchen.  —  Druck  von  E.  Mlihlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q.,  München. 


#Ve  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
im  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  #  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

ji  6. — ,  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren :  Für  die  Redaktion  Anratf- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

lUlijerer,  Ch. Bäumler,  0. v. Bollinger,  H. Cnrschmaon,  B. Herich,  W. v. Leube,  G. Merkel,  J. r. Michel,  F. Penzoldl,  fl.«  Banke,  B. Spatz,  F.tJinckel, 


München.  Freiburg  i.  B. 


München. 


Leipzig. 


Kiel. 


Würzburg.  Nürnberg. 


Berlin. 


Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  49.  3.  Dezember  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Erfahrungen  mit  dem  künstlichen  Pneumothorax  bei 
Tuberkulose,  Bronchiektasen  und  Aspirationskrank¬ 
heiten.*) 

Von  Prof.  Dr.  Adolf  Schmidt  in  Halle  a.  S. 

Seit  etwa  2  Jahren  hat  man  in  Deutschland  begonnen,  sich 
für  eine  neue  Behandlungsmethode  der  Lungentuberkulose, 
speziell  der  einseitigen  Lungentuberkulose,  zu  interessieren. 
Die  Methode  verfolgt  den  Zweck,  die  erkrankte  Lunge  für 
längere  Zeit  aus  der  Atemtätigkeit  auszuschalten  und  dadurch 
die  Bedingungen  ihrer  Ausheilung  zu  fördern;  erreicht  wird  der¬ 
selbe  durch  künstliche  Erzeugung  und  Unterhaltung  eines 
(sterilen)  Pneumothorax.  F  o  r  1  a  n  i  n  i  [l],  der  Schöpfer  dieser 
Methode,  hat  sie  seit  1894  in  geeigneten  Fällen  angewendet,  und 
nach  seiner  vorjährigen  interessanten  Mitteilung  [2]  bei  einer 
grösseren  Anzahl  von  Patienten  sehr  erfreuliche  Resultate  er¬ 
zielt.  In  Amerika  hat  sich  die  neue  Therapie  schnell  einige 
eifrige  Anhänger  [3]  erworben,  doch  fehlt  es  noch  an  einer 
sicheren  Handhabe  zur  Beurteilung  ihrer  Resultate.  Bei  uns 
haben  Brauer  1 4]  und  ich  [5]  unabhängig  von  einander  das 
Verfahren  eingeführt;  ausser  uns  hat  bisher  nur  Lexer  [6] 
vor  kurzem  4  mittels  desselben  behandelte  Fälle  veröffentlicht. 

Meine  Mitteilung  auf  dem  23.  Kongress  für  innere  Medizin, 
worin  ich  die  bis  dahin  gewonnen  Resultate  besprach,  war  nur 
eine  vorläufige.  Im  folgenden  will  ich  über  meine  gesamten, 
inzwischen  erweiterten  Erfahrungen  kurz  berichten.  Die  aus¬ 
führliche  Publikation  erfolgt  in  den  ,, Beiträgen  zur  Klinik  der 
Tuberkulose“.  Ich  beschränke  mich  dabei  nicht  auf  die  Fälle 
von  Lungentuberkulose,  bei  welchen  ich  das  F  o  r  1  a  n  i  n  i  sehe 
Verfahren  versucht  habe,  sondern  ziehe  auch  die  an  Bron¬ 
chiektasen  und  Aspirationspneumonien  etc.  gemachten  Beob¬ 
achtungen  in  den  Kreis  der  Betrachtung.  Ich  betone  ferner  aus¬ 
drücklich,  dass  ich  meine  Versuche  ohne  Kenntnis  der  in  Italien 
und  Amerika  bereits  gewonnenen  Erfahrungen  begonnen  habe 
und  ursprünglich  andere  Ziele  als  die  Erreichung  eines  mög¬ 
lichst  vollständigen  und  langdauernden  Pneumothorax  erstrebt 
habe.  Nur  so  wird  es  verständlich,  dass  ich  mich  wiederholt 
mit  einer  einzigen  Infusion  begnügt  habe  und  dass  ich  ausser 
Stickstoff  resp.  Luft  auch  reinen  Sauerstoff  und  weiterhin  Koch¬ 
salzlösung  und  Olivenöl  infundiert  habe.  In  einer  kurzen  Notiz 
in  der  Deutschen  med.  Wochenschr.  (1906  No.  13),  in  welcher 
ich  gleichzeitig  mein  Verfahren  beschrieb,  habe  ich  schon  auf 
diese  Punkte  hingewiesen.  Gewissenhafte  Berichterstattung, 
auch  über  alle  Missgriffe  lind  Fehler,  ist  meiner  Meinung  nach 
notwendig,  wenn  wir  zu  einer  richtigen  Auffassung  über  den 
therapeutischen  Wert  des  F  o  r  1  a  n  i  n  i  sehen  Verfahrens  ge¬ 
langen  wollen. 

Im  Ganzen  habe  ich  an  24  Fällen  von  Lungenerkrankungen 
die  Kompressionstherapie  versucht  resp.  durchgeführt.  Davon 
waren  13  Lungentuberkulosen,  8  Bronchiektasen  und  3  Aspi¬ 
rationserkrankungen  (Pneumonien  oder  fötide  Bronchitiden). 
Ich  wende  mich  zunächst  zur  Besprechung  der  Lunger- 
tuberkulose  n. 


*)  Nach  einem  Vortrage  im  Verein  der  Aerzte  zu  Halle  a.  S. 
am  3U.  X.  07. 

No.  49. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Unter  den  13  Fällen  von  Lungentuberkulose  waren  2,  bei 
denen  die  Anlegung  eines  künstlichen  Pneumothorax  wegen 
ausgedehnter  Adhäsionen  der  Pleurablätter, 
nicht  gelang.  Allerdings  war  nur  bei  einem  derselben  der  Ver¬ 
such  der  Gasinfusion  oft  genug  an  verschiedenen  Stellen  wieder¬ 
holt  worden,  um  mit  Sicherheit  jede  Chance  ausschliessen  zu 
können.  In  einem  3.  Falle  gelang  es  zunächst  nur  an  einer  um¬ 
schriebenen  Stelle  der  Basis,  eine  Luftblase  zwischen  die  stark 
verwachsenen  Pleurablätter  zu  bringen.  Durch  konsequente 
Vergrösserung  derselben  konnte  schliesslich  der  ganze  Unter- 
und  Mittelappen  der  (rechten)  Lunge  komprimiert  werden.  Da¬ 
gegen  gelang  die  Lösung  der  Oberlappenverwachsungen  nicht, 
und  die  im  Oberlappen  befindliche  Kaverne  konnte  somit  nicht 
zum  Zusammenfallen  gebracht  werden.  Der  Patient  begab 
sich  später  in  chirurgische  Behandlung,  doch  ist  mir  nicht  be¬ 
kannt  geworden,  ob  es  sich  dabei  um  eine  ausgedehnte  Rippen¬ 
resektion  oder  um  einen  Versuch  zur  Lösung  der  Oberlappen¬ 
verwachsungen  gehandelt  hat.  Er  ist  an  den  Folgen  der 
Operation  gestorben. 

Erfahrungen  ähnlicher  Art  haben  alle  Autoren,  die  sich 
mit  dem  künstlichen  Pneumothorax  befasst  haben,  machen 
müssen.  Selbst  bei  sorgfältiger  Auswahl  der  geeignet  er¬ 
scheinenden  Fälle  stösst  man  nicht  selten  auf  Pleuraverwach¬ 
sungen,  wo  nach  dem  Ergebnis  der  Auskultation  und  Per¬ 
kussion  und  selbst  nach  der  Röntgendurchleuchtung  eine  freie 
Verschieblichkeit  der  beiden  Blätter  angenommen  werden 
musste.  Andererseits  gelingt  oft  noch  in  anscheinend  aus¬ 
sichtslosen  Fällen  die  Lösung  von  Verwachsungen. 

Man  kann  aus  diesen  Erfahrungen  für  die  therapeutische 
Verwertung  des  Pneumothorax  folgende  Lehren  ableiten: 

1.  Man  muss  bei  erstmaliger  Luftinfusion 
stets  gefasst  sein,  auf  eine  Pleuraverwach¬ 
sung  zu  s  t  o  s  s  e  n. 

2.  Unter  den  für  die  Kompressionstherapie 
geeignet  erscheinenden  Fällen  ist  bei  einem 
nicht  geringen  Teil  (nach  den  sämtlichen,  in 
Deutschland  veröffentlichten  Fällen  in  22,7 
Pr  o  z.)  die  Anlegung  des  kompletten  Pneumo¬ 
thorax  wegen  Pleuraadhäsionen  unmöglich. 

3.  Man  soll  sich  durch  einmaligen  Misser¬ 
folg  nicht  entmutigen  lassen,  sondern  an  ver¬ 
schiedenen  StellendiePunktionwiederholen, 
ev.  verschiede  negetrennte,  abgesackte,  Pneu- 
mothoraces  her  stellen.  Forlanini,  der  diese 
Regel  aufgestellt  und  selbst  strenge  befolgt  hat-,  hat  in  2  Fällen 
noch  nach  5  resp.  8  Monate  lang  fortgesetzten  Einblasungen 
eine  volle  Lungenkompression  erzielt. 

Bei  3  weiteren  Fällen  von  Lungentuberkulose  hatte  ich 
deshalb  keinen  Erfolg  zu  verzeichnen,  weil  die  Indikation 
zur  Kompressionstherapie  mit  Unrecht  ge¬ 
stellt  war.  Es  handelte  sich  bei  allen  dreien  um  eine  doppel¬ 
seitige  Erkrankung,  die  ausserdem  einmal  mit  Darmtuberkulose 
und  ein  anderes  Mal  mit  Diabetes  kompliziert  war.  Ich  war 
damals  —  die  Beobachtungen  fallen  in  die  erste  Zeit  meiner 
Versuche  —  noch  sehr  hoffnungsfreudig  und  erwartete  vor  allen 
Dingen  den  Erfolg  der  Kompression  in  so  kurzer  Zeit,  dass  ich 
nacheinander  beide  Seiten  der  Behandlung  hätte  unterwerfen 
können.  Diese  Erwartung  hat  mich  getäuscht,  und  ich  w  ii  r  d  e 
heute  die  Mite'irkrankun-g  der  anderen  Lunge 

1 


2410 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


als  eine  strenge  Kontraindikation  an  sehen,  es 
sei  denn,  dass  dieselbe  so  geringfügig  und  so 
langsam  entstanden  ist,  dass  ihre  spontane 
Ausheilung  mit  Wahrscheinlichkeit  erwartet 
werden  kan  n.  Denn  nicht  bloss  eine  gleichzeitige  doppel¬ 
seitige  Koinpressionsbehandlung  ist  unmöglich,  sondern  auch 
eine  sukzessive  in  dem  Sinne,  dass  erst  die  eine  und  dann  die 
andere  Seite  in  Angriff  genommen  wird.  Dazu  ist  die  Zeit, 
während  welcher  der  einmal  angelegte  Pneumothorax  unter¬ 
halten  werden  muss,  viel  zu  gross;  sie  wird  mindestens  ein 
Jahr,  in  der  Regel  aber  mehr  betragen. 

Ist  dagegen  die  Affektion  streng  einseitig,  so  macht  es 
nichts  aus,  ob  der  Prozess  mehr  oder  weniger  vorgeschritten 
ist.  Nur  muss  man  natürlich  bei  vorgeschrittenen  einseitigen 
Affektionen  auf  starke  Verwachsungen  gefasst  sein.  Man  darf 
auch  nicht  vergessen,  dass  eine  latente  Erkrankung  der  anderen 
Lunge  niemals  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  kann. 
Forlanini  sowohl  wie  Lexer  haben  je  einen  Fall  erlebt, 
wo  bald  nach  Anlegung  des  Pneumothorax  auf  der  affizierten 
Seite  die  anscheinend  gesunde  rapid  erkrankte,  und  For¬ 
lanini  hält  es  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  eine  zu  schnell 
bewirkte  Kompression  der  erkrankten  Lunge,  d.  h.  also  die 
Einblasung  eines  zu  grossen  Gasquantums  auf  einmal,  die  In¬ 
fektion  der  anderen  Lunge  begünstigen  event.  sogar  direkt  er¬ 
zeugen  könne.  Desselben  Eindrucks  habe  ich  mich  im  folgen¬ 
den,  ungünstig  verlaufenen  Falle  nicht  völlig  erwehren  können. 

19  jähriger  Schuhmacher,  vor  12  Wochen  mit  Blutsturz  erkrankt. 
Leidlicher  Ernährungszustand,  fieberfrei.  Infiltration  der  rechten 
Spitze,  linke  Lunge  anscheinend  frei.  Sputum  leicht  blutig,  tuberkel¬ 
bazillenhaltig.  ln  den  ersten  Tagen  des  Krankenhausaufenthaltes 
2  mal  Hämoptysis.  Bald  darauf  750  ccm  Luft  in  die  rechte  Pleura¬ 
höhle  infundiert,  4  Tage  später  weitere  1500  ccm.  Auftreibung  der 
rechten  Brustseite,  leichte  Zyanose  und  geringe  Dyspnoe.  Da  die 
Röntgenuntersuchung  das  Mediastinum  nach  links  verdrängt  zeigt, 
wird  2  1  age  nach  der  letzten  Einblasung  wieder  etwas  Luft  durch 
Punktion  entleert,  worauf  Erleichterung  auftritt.  Ca.  8  Tage  später 
tritt  auf  der  bisher  gesunden  linken  Lunge  ein  diffuser,  tuberkulöser 
Katarrh  auf,  welcher  schnell  fortschreitet  und.  trotzdem  später  ein 
linksseitiger  Pneumothorax  angelegt  und  3  Monate  unterhalten  wird, 
zum  Tode  führt. 

Ich  stimme  nach  dieser  Erfahrung  der  Forderung  For- 
laninis  zu,  dass  man,  auch  wenn  sonst  nichts  im  Wege 
steht,  doch  im  Anfang  lieber  öfter,  aber  stets 
nur  geringe  Mengen  Gas  auf  einmal  infun¬ 
dier  e  n  s  o  1 1,  bis  die  völlige  Kompression  erreicht  ist.  Aller¬ 
dings  halte  ich  eine  Beschränkung  auf  200—300  ccm,  wie 
Forlanini  will,  für  nicht  nötig.  500  ccm  und  selbst  750  ccm 
kann  man  nach  meiner  Erfahrung  beim  Fehlen  von  Pleura¬ 
adhäsionen  unbedenklich  auf  einmal  infundieren.  Kollaps¬ 
symptome  habe  ich  danach  nie  gesehen,  höchstens  gelegentlich 
bei  aufgeregten  Patienten  rein  psychisch  bedingte  Ohnmachts¬ 
anwandlungen.  Bei  Adhäsionen  muss  man  allerdings  oft,  der 
Schmerzen  wegen,  schon  früher  abbrechen. 

Noch  für  eine  andere  Frage  ist  der  mitgeteilte  Fall  von 
Interesse,  die  nämlich,  ob  eine  vorausgegangene 
Hämoptoe  die  Anlegung  des  künstlichen 
Pneumothorax  kontraindiziert?  In  unserem  Falle 
ist  nach  der  Kompression  keine  Blutung  mehr  erfolgt  und  in 
einem  weiteren  Falle  verhielt  es  sich  ebenso.  Ich  möchte  des¬ 
halb  mit  T  u  f  f  i  e  r  [7]  und  Schell  [8]  die  Hämoptoe  eher  als 
eine  Indikation,  denn  als  Kontraindikation  betrachten,  voraus¬ 
gesetzt  natürlich,  dass  man  sich  über  die  Seite,  aus  der  die 
Blutung  stammt,  völlig  im  Klaren  ist. 

Ich  gehe  weiter  zu  einer  Gruppe  von  4  Fällen  über,  bei 
welchen  ich  das  Ausbleiben  des  Erfolges  dem  Umstande  zu¬ 
schreibe,  dass  der  künstliche  Pneumothorax 
nicht  lange  genug  unterhalten  wurde.  Zwei 
dieser  Patienten  verweigerten  weitere  Einblasungen,  weil  sie 
bei  der  ersten  infolge  der  Lösung  von  Pleuraadhäsionen 
Schmerzen  gehabt  hatten.  Die  Schmerzen  waren  nicht  sehr 
heftig  gewesen,  aber  ich  hätte  gut  getan  gehabt,  eine  Morphium¬ 
einspritzung  vorauszuschicken.  Wenn  Pleuraadhä¬ 
sionen  gezerrt  oder  gelockert  werden,  dann 
macht  die  Luftinfusion  Schmerzen,  aber  nur 
dan  n.  Diese  Schmerzen  sind  nicht  zu  umgehen,  man  kann 
ihretwegen  nicht  auf  die  Kompression  verzichten.  Höchstens 


kann  man  sie  mildern  durch  Morphium  und  durch  sukzessive 
Infusion  kleiner  Gasmengen. 

Die  beiden  anderen  Patienten,  bei  denen  die  Infusion  ohne 
Schwierigkeiten  gelang,  verliessen  .das  Krankenhaus,  weil  sie 
sich  für  gesund  hielten.  In  der  Tat  hatte  bei  dem  einen  die 
einmalige  Einblasung  eine  auffallende  Besserung  des  Gesamt¬ 
befindens  und  des  lokalen  Befundes  eingeleitet,  während  der 
Erfolg  bei  dem  anderen  Patienten  lediglich  in  einem  unmittel¬ 
baren  Abfall  des  Fiebers  bestand. 

Dieser  plötzliche  Fieber  abfall  nach  der 
Lungenkompression,  den  ich  ebenso  wie  Brauer 
und  die  anderen  Autoren  wiederholt  auch  in  solchen  Fällen  be-x 
obachtet  habe,  bei  welchen  die  Besserung  nicht  anhielt,' 
erklärt  sich  meines  Erachtens  am  besten  aus  der  Verschlech¬ 
terung  der  Resorptionsbedingungen  in  der  kollabierten  Lunge. 
Von  dem  Augenblick  an,  wo  die  Lunge  zusammengefallen  ist, 
wird  die  Aufsaugung  der  Endotoxine  gestört  und  damit  sinkt 
das  Fieber,  sofern  es  nicht  durch  tuberkulöse  Herde  an  anderen 
Stellen  unterhalten  wird.  Gleichzeitig  wird  durch  die  Kom¬ 
pression  die  Expektoration  behindert;  Husten  und  Auswurf 
lassen  nach.  Es  wäre  verkehrt,  diese  Erschei¬ 
nungen  schon  als  Symptome  der  einsetzenden 
Heilung  zu  deuten:  so  schnell,  gewissermassen  kritisch, 
heilt  kein  tuberkulöser  Prozess. 

Nunmehr  komme  ich  zu  den  Fällen,  bei  welchen  ich 
von  einem  wirklichen  Erfolge  glaube  spre¬ 
chen  zu  können.  Es  sind  nur  2  unter  den  13  und  ich  teile 
ihren  Verlauf  in  kurzem  Auszuge  mit: 

N.,  43  jähriger  Arbeiter,  seit  4  Jahren  lungenleidend.  Schlechter 
Ernährungszustand,  Ueber  der  rechten  Spitze  Dämpfung,  Bronchial- 
atmen  und  Rasseln;  auch  r.  h.  u.  Rasseln.  Im  reichlichen,  eitrigen 
Auswurf  Tuberkelbazillen.  Nur  in  den  ersten  Tagen  etwas  Tempera¬ 
turanstieg.  1.  Luftinfusion  (1000  ccm)  am  10.  II.  06.  Am  23.  II. 
ist  die  Luft  ziemlich  vollständig  resorbiert,  die  Dämpfung  über  der 
rechten  Spitze  weniger  deutlich,  das  Rasseln  geringer  und  das  All¬ 
gemeinbefinden  besser.  2.  Infusion  (1500  ccm)  am  26.  II.  Resorption 
bis  zum  23.  III.  Weitere  Besserung  des  Lungenbefundes:  über  der 
rechten  Spitze  nur  verschärftes  Atmen,  kein  Rasseln  mehr.  Aus¬ 
wurf  nur  noch  sehr  spärlich,  schleimig.  Guter  Appetit,  anhaltende 
Gewichtszunahme.  3.  Infusion  (1000  ccm)  am  26.  III.  Die  Luft  ist 
am  30.  IV.  resorbiert.  Es  besteht  nur  noch  wenig  Husten,  und  der 
spärliche  Auswurf  ist  bazillenfrei.  Der  Lungenbefund  ist  fast  völlig 
negativ.  Subjektives  Wohlbefinden,  11  Pfd.  Gewichtszunahme.  Ent¬ 
lassung  am  12.  V.  06.  Der  Weisung,  sich  wieder  vorzustellen,  leistet 
Pat.  keine  Folge;  er  ist  später  nicht  mehr  aufzufinden. 

R.,  18  jähriger  Hausbursche,  leidet  seit  4—5  Wochen  an  Husten 
und  Auswurf.  Blass  und  abgemagert.  Ueber  der  rechten  Spitze 
Dämpfung  mit  Bronchialatmen  und  klingendem  Rasseln.  Mässiger 
Auswurf  mit  Tuberkelbazillen.  Leichte  Temperatursteigerungen. 

1-  Lufteinblasung  (1400  ccm)  am  26.  X.  06.  Da  die  Lunge  noch 
nicht  völlig  komprimiert  ist,  wird  schon  am  30.  X.  die  2.  Infusion 
(1300  ccm)  gemacht.  Danach  Abfall  der  Temperatur.  Nach  der 
3.  Infusion  (1500  ccm)  am  6.  XI.  nimmt  der  Auswurf  ab  und  ist 
vom  12.  XI.  ab  überhaupt  nicht  mehr  zu  erhalten.  Der  Pneumo¬ 
thorax  wird  durch  regelmässige  Einblasungen  dauernd  komplett  er¬ 
halten.  Entlassung  am  22.  XII.  06  mit  der  Weisung,  sich  alle  3 
Wochen  zur  neuen  Infusion  wieder  vorzustellen.  Kein  Eieber  und 
kein  Auswurf  mehr.  Das  anfangs  gesunkene  Körpergewicht  hat  sich 
in  der  letzten  Zeit  wieder  gehoben.  Allgemeinbefinden  sehr  gut. 
Der  Patient  folgt  leider  der  erhaltenen  Weisung  nicht  und  ist  auch 
später  nicht  wieder  aufzufinden. 

Dass  die  innerhalb  so  kurzer  Zeit  erzielte  Besserung  in 
diesen  beiden  Fällen  tatsächlich  eine  Folge  der  Kompressions¬ 
therapie  war,  lässt  sich  natürlich  nicht  beweisen;  wohl  aber 
hatten  wir  Aerzte  den  bestimmten  Eindruck,  dass  ohne  den 
künstlichen  Pneumothorax  ein  solcher  Erfolg  nicht  erreicht 
worden  wäre.  Von  einer  vollständigen  Ausheilung  kann  man 
selbstverständlich  erst  dann  sprechen,  wenn  nach  Wiederent- 
faltung  der  Lunge  und  nach  jahrelanger  Beobachtung  der  Pro¬ 
zess  nicht  wieder  von  neuem  auflebt.  In  Bezug  auf  die¬ 
sen  ausschlaggebenden  Punkt,  die  Datier  des 
Erfolges,  versagen  leider  nicht  bloss  meine 
Fälle,  sondern  auch  die  Mehrzahl  der  von 
anderen  Autoren  berichteten.  Bei  Brauers 
beiden  erfolgreichen  Fällen  erstreckt  sich  die  Beobachtungs¬ 
dauer  auf  3  Monate  und  1  Jahr,  bei  Lexers  wesentlich  ge¬ 
bessertem  Fall  I  ebenfalls  auf  3  Monate.  DieseZeiträume 
sind  noch  viel  zu  kurz  für  ein  abschliessendes 
Urteil.  Der  einzige,  welcher  über  langdauernde  Beobach¬ 
tungen  berichten  kann,  ist  Forlanini,  aber  er  teilt  in  seiner 


3.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


letzten  Veröffentlichung  nur  3  erfolgreiche  Fälle  mit,  von  denen 
2  im  Jahre  1905  in  Behandlung  genommen  wurden,  während 
allerdings  der  3.,  anscheinend  völlig  geheilte,  bis  auf  das  Jahr 
190?  zurückgeht.  Wie  gross  der  Prozentsatz  der  Dauererfolge 
unter  seinen  sämtlichen  25  Fällen  ist,  gibt  F  o  r  1  a  n  i  n  i  nicht  an, 
sondern  verweist  auf  eine  spätere  ausführliche  Publikation. 

Im  ganzen  dürfen  wir  aber  schon  heute 
sagen,  dass  die  Zahl  der  w  i  r  k  1  i  c  h  e  n  E  r  f  o  lg  e 
der  Kompressionstherapie  eine  beschränkte 
i  s  t.  Von  den  3  deutschen  Autoren  (Brauer,  Schmid  t, 
Lexer)  wurden  in  summa  22  Patienten  in  Behandlung  ge¬ 
nommen  und  nur  bei  5  ein  ausgesprochener  Erfolg  erzielt.  Da¬ 
bei  ist  indes  zu  bedenken,  dass  es  sich  um  erste  Versuche 
handelt  und  dass  —  speziell  unter  meinem  Material  —  ein  nicht 
geringer  Prozentsatz  wegen  falscher  Indikationsstellung  und 
inkonsequenter  Durchführung  der  Therapie  ausser  Rechnung 
gestellt  werden  muss.  Bei  strenger  Auswahl  der  Fälle  und 
einwandsfreiem  systematischen  Vorgehen  werden  die  Erfolge 
sicher  bessere  werden,  aber  es  werden  eben  auch  unter  der 
grossen  Anzahl  der  Lungentuberkulosen  nur  verhältnismässig 
wenige  geeignete  Fälle  übrig  bleiben.  Das  beweist  am  besten 
die  geringe  Zahl  von  25  Fällen,  die  F  o  r  1  a  n  i  n  i  innerhalb 
14  Jahren  unter  seinem  gesamten  Material  für  die  Kompres¬ 
sionstherapie  geeignet  befunden  hat. 

Fasse  ich  mein  Urteil  über  den  Wert  der 
Kompressionstherapie  bei  einseitiger  Lun¬ 
gentuberkulose  zusammen,  so  muss  man  sich 
darüber  von  vorneherein  klar  sein,  dass  sie 
niemals  zu  einer  Universalm  et  hode  oder  auch 
nur  zu  einem  wesentlichen  Faktor  in  der 
Schwind  suchtstherapie  heranwachsen  kann. 
Sie  wird  stets  für  eine  beschränkte  Zahl  von 
Fällen  reserviert  bleiben.  Innerhalb  dieser 
Grenzen  halte  ich  die  bisher  berichteten  Er¬ 
folge  immerhin  für  sehr  bemerkenswert,  wenn 
auch  ein  abschliessendes  Urteil  noch  aus- 
steht.  Strenge  Auswahl  der  Fälle,  langsame 
Einleitung  undkonsequente,  event.  über  Jahre 
sich  ausdehnende  Durchführung  der  Kom¬ 
pression  sind  die  Vorbedingungen  des  Er¬ 
folges. 

Ich  gehe  nunmehr  zu  den  Bronchiektasen  über. 
Es  sind  8  Fälle,  von  denen  wiederum  3  ausfallen,  weil  Pleura¬ 
verwachsungen  die  Anlegung  eines  Pneumo-  (resp.  Hydro-  oder 
Oleo-)  thorax  nicht  gestatteten.  Einer  dieser  Fälle,  zugleich  der 
einzige,  bei  welchem  ich  von  einem  Missgeschick  reden  kann, 
ist  bemerkenswert. 

Es  handelte  sich  um  einen  jungen  Menschen  mit  Emphysem  und 
Bronchiektasen.  Ich  infundierte  100  ccm  Oel,  gelangte  aber  offenbar 
nicht  in  die  Pleurahöhle,  sondern  durch  Verwachsungen  in  die  Lunge. 
Denn  unmittelbar  danach  expektorierte  Pat.  sehr  viel  Eiter,  auf  dem 
feine  Oeltropfen  schwammen.  Da  die  physikalischen  Zeichen  der 
Bronchiektasen  wegen  des  gleichzeitig  bestehenden  Emphysems  sehr 
unsichere  gewesen  waren,  glaubte  ich  zunächst  einem  abgesackten 
Empyem  zum  Durchbruch  in  die  Lunge  verholten  zu  haben,  zumal 
Pat.  sich  nach  dem  Ereignis  zunächst  sehr  erholte.  Nach  2  Monaten 
kam  er  indes  mit  den  Erscheinungen  einer  Lungengangrän  zurück. 
Glücklicherweise  war  das  Ergebnis  der  sofort  vorgenommenen  Ope¬ 
ration  ein  sehr  gutes,  so  dass  er  im  Ganzen  erheblich  gebessert 
aus  der  Affäre  hervorging. 

Dieser  Fall  lehrt,  dass  das  Hineingelangen  in  die  Lunge, 
so  gleichgültig  es  im  allgemeinen  bei  der  Infusion  von  Gasen 
ist,  bei  der  Verwendung  von  Oel  bedenkliche  Folgen  haben 
kann.  Das  Oel  hat  reizende  Eigenschaften,  es  erzeugt  in  der 
Pleura  eine  aseptische  Entzündung  mit  Exsudatbildung,  welche 
sich  über  Wochen  erstreckt.  Das  Oel  wird  dabei  in  eine 
Emulsion  verwandelt  und  langsam  aufgesaugt.  Gerade  dieser 
Eigenschaften  wegen  habe  ich  es  bei  Bronchiektasen  wieder¬ 
holt  gebraucht  und  möchte  es  auch  aus  der  Kompressions¬ 
therapie  nicht  völlig  ausgeschaltet  wissen,  da  es  u.  U.  zur 
Lockerung  fester  Adhäsionen  beitragen  kann.  Im  grossen  und 
ganzen  aber  wird  auch  bei  den  Bronchiektasen  die  Luftinfusion 
das  Normalverfahren  bilden.  Nur  muss  man  hier  noch  viel 
häufiger  und  mit  noch  viel  festeren  Pleuraverwachsungen 
rechnen  als  bei  der  Tuberkulose. 

Von  den  5  übrigen  Fällen  wurde  einer  unvollkommen,  d.  h. 
nur  mit  einer  Luftinfusion  behandelt  und  scheidet  dadurch 


241 1 


für  die  Beurteilung  aus.  Die  anderen  4  m  ü  s  s  e  n  sämt¬ 
lich  als  Misserfolge  bezeichnet  werden.  Be¬ 
sonders  deutlich  trat  die  Nutzlosigkeit  der  Kompressions¬ 
therapie  in  folgendem  Falle  zu  I  age. 

F.,  18  jährige  Almosenempfängerin,  klagt  seit  lYa  Jahren  über 
Husten  und  übelriechenden  Auswurf.  Kleine,  gut  genährte  Person. 
Gelegentlich  leichte  Temperatursteigerungen.  Ueber  den  Lungen 
hinten  unten  beiderseits,  besonders  links,  dauernd  Rasselgeräusche, 
keime  Dämpfungen,  kein  Bronchialatmen.  Schleimig-eitriger,  übel¬ 
riechender  Auswurf  (ca.  1  Weinglas  täglich)  ohne  elastische  Fasern 
■und  ohne  Tuberkelbazillen.  Gelegentlich  etwas  Blut  darin.  Es  wird 
erst  rechts,  später  links  ein  künstlicher  Pneumothorax  für  2—3  Wo¬ 
chen  angelegt,  ohne  dass  sich  Besserung  zeigt.  Bei  dem  zweiten 
Krankenhausaufenthalt  wird  links  (wo  das  Rasseln  konstanter  als 
rechts  ist)  ein  neuer  kompletter  Pneumothorax  angelegt  und  über 
-i  Monate  unterhalten.  Der  Auswurf,  welcher  in  der  ersten  Zeit  steh 
zu  vermindern  schien,  vermehrte  sich  später  wieder  zu  dem  früheren 
Quantum,  und  nach  der  Wiederentfaltung  der  Lunge  waren  auch 
wieder  Rasselgeräusche  hörbar. 

Den  Grund,  weshalb  die  Kompressionstherapie  bei  Bronchi¬ 
ektasen  versagt,  erblicke  ich  darin,  dass  die  anatomischen  Vei- 
änderungen  des  Lungengewebes  hier  in  der  Regel  so  hoch¬ 
gradige  sind,  dass  eine  Ausheilung,  wie  bei  der  I  uberkulose, 
nicht  möglich  ist.  Beruht  doch  die  Entstehung  der  Bronchi¬ 
ektasen  meistens  an  sich  schon  auf  irreparabelen  Schrumpfungs¬ 
prozessen.  Dazu  kommt,  dass  feste  pleuritische  Verwach¬ 
sungen  die  völlige  Kompression  der  Lunge  hier  noch  viel 
häufiger  hindern  als  bei  der  I  uberkulose.  Dennoch  will  ich 
nicht  in  Abrede  stellen,  dass  unter  günstigen  Bedingungen  auch 
bei  Bronchiektasen  durch  den  künstlichen  Pneumothorax  Er¬ 
folge  erzielt  werden  können,  vorausgesetzt,  dass  die  Kom¬ 
pression  lange  genug  unterhalten  wird.  So  berichtet  Brauer 
von  2  erfolgreich  behandelten  Fällen,  die  allerdings  bisher  erst 
2  U  resp.  4  Monate  unter  Beobachtung  waren. 

Ich  selbst  habe  früher  die  Chancen  der  Kompressions¬ 
therapie  bei  Bronchiektasen  für  günstiger  gehalten,  als  ich  es 
heute  tue  und  mich  auch  auf  dem  Münchener  Kongress  dem¬ 
entsprechend  ausgedrückt.  Damals  stand  ich  indessen  untei 
dem  frischen  Eindruck  der  erfreulichen  Ergebnisse  bei  den 
sogleich  zu  besprechenden  Aspirationser¬ 
krankungen,  die  ich  mit  den  Bronchiektasen  in  eine  Kate¬ 
gorie  gruppierte.  Diese  Gruppierung  war  falsch.  Die  Aspira¬ 
tionserkrankungen  (Pneumonien  und  fötide  Bronchitiden) 
stellen  im  Gegensatz  zu  den  Bronchiektasen  reparable  Affek¬ 
tionen  dar,  zumal  wenn  sie  frisch  sind. 

Dieser  Voraussetzung  entspricht  der  Er¬ 
folg  der  Kompressionstherapie,  der  in  den  3 
von  mir  beobachteten  Fällen  ein  auffallend 
guterwar.  In  dem  ersten  dieser  Fälle  handelte  es  sich  um 
eine  Aspirationspneumonie  bei  Pharynxkarzinom,  bei  dem 
zweiten  um  eine  fötide  Bronchitis  eines  Unterlappens  infolge 
von  Pigmentdurchbruch  einer  anthrakotischen  Bronchialdrüse, 
in  dem  dritten  um  eine  Kombination  von  fötider  Bronchitis  und 
Pneumonie  auf  unklarer  Basis.  Alle  3  Patienten  wurden  — 
soweit  die  Lungenaffektion  in  Betracht  kommt  —  geheilt,  und 
zwar  setzte  die  Heilung  unmittelbar  mit  dem  Beginne  der  Kom¬ 
pressionstherapie  ein. 

Zusammen  fassend  führen  also  meine  Er¬ 
fahrungen  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  Kom¬ 
pressionstherapie  bei  Bronchiektasen  in  der 
Regel  versagt,  dass  sich  ihr  dagegen  bei 
Aspirationserkrankungen  ein  aussichts¬ 
reiches  Feld  eröffnet. 

Soweit  die  Ergebnisse  meiner  Versuche.  Ich  glaube,  sie 
sind  geeignet,  das  Vorurteil,  welches  vorläufig  noch  weite 
Kreise  gegen  Versuche  mit  dem  künstlichen  Pneumothorax 
einnimmt,  zu  zerstreuen.  Dieses  Vorurteil  lichtet  sich  speziell 
gegen  die  Technik  und  ihre  vermeintlichen  Gefahren.  D  e  r 
Technik  seien  deshalb  noch  einige  Worte  ge- 
w  i  d  m  e  t. 

Während  Brauer  nach  dem  Vorgänge  von  M u  rphy 
bei  der  ersten  Infusion  1)  unter  Narkose  die  Pleura  costalis  mit 
dem  Messer  freilegt,  bevor  er  den  Troikart  einführt,  geht 
F  o  r  1  a  n  i  n  i  ohne  jede  Vorbereitung,  sogar  ohne  Lokal- 


Q  Die  folgenden  Infusionen  werden,  wenn  noch  eine  Gasblase 
in  der  Pleura  ist,  natürlich  stets  mit  einer  scharfen  Hohlnadel  ohne 
Vorbereitungen  gemacht. 


'2A\'l _ _ _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  Wo.  49. 


anästhesie,  mit  einer  feinen  scharfen  Hohlnadel  schräg  durch 
die  Weichteile  des  Interkostalraumes  hindurch  und  behauptet, 
dabei  stets  in  den  Pleuraspalt  gelangt  zu  sein,  vorausgesetzt, 
dass  an  der  Stelle  der  Punktion  keine  Verwachsung  bestand. 
Ich  selbst  habe  mich  stets  des  in  der  Deutsch,  med.  Wochenschr. 
1906,  No.  13  genauer  beschriebenen  stumpfen  Troikarts  mit 
scharfer  Geleitnadel  bedient  und  bin  mit  seiner  Leistung  so 
zufrieden,  dass  ich  keinen  Grund  habe,  ihn  zu  Gunsten  der 
anderen  Verfahren  aufzugeben.  Gegenüber  der  scharfen  Nadel 
bietet  er  den  Vorteil,  dass  man  beim  Durchstossen  der  Pleura 
costalis  ein  charakteristisches  Gefühl  hat  und  aus  seinem  ver¬ 
stärkten  Widerstand  häufig  schon  erkennt,  dass  eine  uner¬ 
wartete  Verwachsung  vorliegt.  Gegenüber  der  Brauer- 
schen  Methode  hat  er  die  Einfachheit  für  sich:  Narkose  ist  ent¬ 
behrlich,  Lokalanästhesie  dagegen  erwünscht.  Auch  rate  ich, 
bei  ängstlichen  Patienten  stets  eine  Morphiumeinspritzung  vor¬ 
auszuschicken,  um  die  Aufregung  zu  bekämpfen  und  die  bei 
Verwachsungen  unvermeidlichen  Schmerzen  erträglicher  zu 
machen. 

Als  Ort  der  Punktion  wählt  man,  wenn  nicht  vorhandene 
Adhäsionen  auf  eine  andere  Stelle  hinweisen,  am  besten  den 
9.  Interkostalraum  in  der  hinteren  Axillarlinie.  Man  ist  aber  daran 
keineswegs  gebunden,  sondern  kann  schliesslich  jede  andere 
zugängliche  Stelle,  an  der  nicht  die  Gefahr  einer  Verletzung 
des  Herzens  oder  der  grossen  Gefässe  besteht,  wählen.  Man 
soll  sogar,  wenn  man  das  erste  Mal  auf  eine  Adhäsion  stösst, 
die  Punktion  an  verschiedenen  anderen  Stellen  wiederholen, 
ehe  man  ganz  verzichtet. 

DieGefahr.durch  die  verwachsenen  Pleura¬ 
blätter  mit  dem  Troikart  in  die  Lunge  zu  ge¬ 
langen,  ist  leider  nicht  zu  umgehen.  Wenn  sie  auch  bei 
Benutzung  meines  stumpfen  Instrumentes  sicher  geringer  ist, 
als  bei  der  scharfen  Hohlnadel  F  o  r  1  a  n  i  n  s,  so  besteht  sie 
doch  auch  hier  und  ist  sogar  bei  Brauers  Methode  nicht 
unter  allen  Umständen  zu  vermeiden.  Glücklicherweise  ist 
dieses  Ereignis  in  der  übergrossen  Mehrzahl  der  Fälle  gänzlich 
bedeutungslos.  Ausser  dem  oben  geschilderten  Fall,  wo  ich 
Oel  in  die  Lunge  infundierte,  ist  mir  persönlich  niemals  ein 
unangenehmer  Zufall  passiert,  obwohl  ich  viele  Male  die  Luft  in 
die  Lunge  statt  in  die  Pleura  infundiert  habe.  Auch  Brauer, 
L  e  x  e  r  und  F  o  r  1  a  n  i  n  i  haben  keine  üblen  Zufälle  zu  ver¬ 
zeichnen  gehabt.  Nur  Lemke  berichtet,  dass  er  unter  53 
Fällen  einmal  eine  Hämoptoe  und  einmal  eine  rechtsseitige 
Hemiplegie  nach  der  Punktion  auftreten  sah,  offenbar  weil  er 
mit  der  Nadelspitze  direkt  in  ein  grösseres  Lungengefäss  ge¬ 
langt  war.  Um  derartige  Ereignisse  zu  vermeiden,  braucht 
man  nur,  bevor  man  das  Gas  infundiert,  den  Hahn  des  Troikarts 
einen  Augenblick  zu  öffnen  und  von  der  Einblasung  abzusehen, 
wenn  Blut  herausträufelt.  Ich  führe  zu  diesem  Ende  die  Nadel 
allein,  ohne  Verbindung  mit  der  Gasleitung,  ein,  also  nicht  mit 
dem  ausströmenden  Gas,  wie  L  e  x  e  r  und  Brauer. 

Aber  wie  gesagt,  die  Gefahr  in  ein  grösseres  Lungengefäss 
zu  gelangen,  ist  bei  Anwendung  der  stumpfen  Nadel  minimal. 
Wenn  nur  das  ausströmende  Gas  steril  ist  —  und  dafür  muss 
Sorge  getragen  werden  —  ist  das  Passieren  der  Lunge  völlig 
bedeutungslos. 

Nicht  immer  zu  vermeiden  und  eine  unangenehme  Zugabe 
ist  dagegen  das  Auftreten  von  subkutanem  Emphysem 
an  der  Punktionsstelle.  Es  entwickelt  sich  besonders,  wenn  der 
Kranke  nach  der  Punktion  hustet,  aber  es  bleibt  meist  zirkum¬ 
skript  und  verschwindet  in  wenigen  Tagen.  Die  Art  der  Punktion 
ist  für  seine  Entstehung  gleichgültig.  Recht  unangenehm  sind 
auch  die  bereits  erwähnten  Pleuraschmerzen,  welche 
regelmässig  entstehen,  wenn  Verwachsungen  durch  das  ein¬ 
strömende  Gas  gezerrt  oder  gelöst  werden.  Fehlen  Verwach¬ 
sungen,  so  habe  ich  niemals  über  Schmerzen  klagen  hören.  Da 
es  nicht  selten  gelingt,  die  pleuritischen  Adhäsionen,  wenn  sie 
nicht  allzufest  sind,  durch  die  Gasinfusionen  zu  lösen,  so  wird 
man  wegen  der  Schmerzen  nicht  auf  die  Kompressionstherapie 
\  eizichten  können.  Alan  kann  ihnen,  wie  bereits  hervorge¬ 
hoben  wurde,  nur  durch  Morphium  und  durch  sukzessive 
Infusion  kleiner  Gasmengen  begegnen.  Bei  empfindlichen  Pa¬ 
tienten  können  die  Pleuraschmerzen,  die  übrigens  nach  be¬ 
endeter  Infusion  in  der  Regel  schnell  nachlassen,  zu  Ohnmachts- 
anwandlungen  führen. 


Kollapserscheinungen  habe  ich  nur  ausnahms¬ 
weise  bei  oder  nach  der  Infusion  erlebt.  Ihre  Ursache  ist  ent¬ 
weder  starke  psychische  Aufregung  (also  ebenfalls  Ohn¬ 
mächten)  oder  die  Infusion  einer  zu  grossen  Menge  Gas  auf 
einmal,  derart,  dass  dadurch  das  Mediastinum  nach  der  anderen 
Seite  verdrängt  wird.  Letzteres  ist  mir  einmal  begegnet  (s.  d. 
erste  Krankengeschichte)  und  ist  leicht  zu  vermeiden,  wenn 
man  —  wie  es  F  o  r  1  a  n  i  n  i  fordert  und  ich  in  Zukunft  auch 
stets  tun  werde  —  nicht  mehr  als  500  bis  750  ccm  auf  einmal 
infundiert.  Auffallend  ist  es,  wie  wenig  Beschwerden  im  All¬ 
gemeinen  der  Pneumothorax  an  sich  macht.  Selbst  wenn  er 
in  einer  Sitzung  angelegt  wurde,  habe  ich  nur  selten  eine  An¬ 
deutung  von  Dyspnoe  und  niemals  wirkliche  Kreislaufstörungen 
gesehen. 

Das  infundierte  Gas  war  in  m  einen  V  er¬ 
suchenin  der  Regel  sterile  Luft  (anfangs  Sauerstoff). 
Wenn  die  Luft  auch  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Infusion  durch 
die  schnellere  Resorption  des  Sauerstoffes  an  Volumen  ver¬ 
liert,  so  ist  dieser  Nachteil  doch  so  gering  gegenüber  dem  Vor¬ 
teil  der  leichteren  Beschaffung,  dass  ich  keine  Veranlassung 
habe,  den  von  Brauer  und  F  o  r  1  a  n  i  n  i  benutzten  reinen 
Stickstoff  zu  adoptieren.  Ich  entnahm  die  Luft  einem  mit  Mano¬ 
meter  versehenen  Kupferzylinder,  in  welchen  sie  vorher  mittels 
einer  kleinen  Pneumatikpumpe  bis  zu  einem  Druck  von  3  At¬ 
mosphären  gepresst  worden  war.  Durch  ein  Reduzierventil 
strömte  die  Luft  zunächst  in  ein  Wattefilter  und  weiter  durch 
ein  langes  biegsames  Kupferrohr,  dessen  Ende  mit  dem  in  die 
Pleura  eingeführten  Troikart  verbunden  wurde.  An  dem  vor¬ 
her  geeichten  Manometer  konnte  das  infundierte  Quantum  ab¬ 
gelesen  werden.  Auch  dieser  Teil  meiner  Technik  ist  etwas 
einfacher  als  die  F  o  r  1  a  n  i  n  i  sehe,  bei  der  das  Gas  durch 
nachströmende  Sublimatlösung  aus  einem  graduierten  Zylinder 
ausgetrieben  wird. 

Im  allgemeinen  soll  das  Gas  im  künstlichen 
PneumothoraxnichtunterUeberdruckstehen. 

Um  dessen  sicher  zu  sein,  empfiehlt  es  sich,  vor  dem  Troikart 
ein  seitenständiges  Manometer  in  die  Gasleitung  einzufügen. 
Die  Regel  kann  aber  nicht  für  alle  Fälle  gelten,  denn  wo  Adhä¬ 
sionen  gelöst  werden  sollen,  muss  unter  Umständen  der  —  in 
diesen  Fällen  zunächst  unvollständige,  abgesackte  —  Pneumo¬ 
thorax  unter  Druck,  und  zwar  selbst  unter  erheblichen  Druck 
gesetzt  werden.  Auch  das  wird,  wenn  einmal  der  erste  Eingriff 
überwunden  ist,  meist  auffallend  gut  vertragen.  Wie  weit  man 
hierin  gehen  darf,  lässt  sich  nicht  generell  entscheiden. 
Weichen  die  Adhäsionen  dem  Luftdrucke  nicht,  so  tut  man  nach 
F  o  r  1  a  n  i  n  e  besser,  verschiedene  getrennte  Pneumothoraces 
anzulegen,  d.  h.  wenn  man  verschiedene  Eingangstore  finden 
kann. 

Diese  und  viele  andere  Fragen,  die  sich  während  der  Be¬ 
handlung  aufdrängen,  werden  durch  eine  sorgfältige  Röntgen¬ 
konti  olle  verhältnismässig  leicht  gelöst.  Ohne  Röntgenapparat 
ist  die  Durchführung  der  Kompressionstherapie  fast  unmöglich. 
Ich  verzichte  indes  hier  auf  die  Wiedergabe  von  Durchleuch¬ 
tungsbildern  und  verweise  hinsichtlich  aller  Details  auf  die  aus¬ 
führliche  Publikation. 

Literatur: 

1)  Forlanini:  Miinch.  med.  Wochenschr.  1894,  No.  15.  — 
2)  Derselbe:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  No.  17.  —  3) 
Murphy:  Journ.  Americ.  Assoc.  1898;  Lemke:  Ebenda  1899.  — 
4)  Brauer:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  No.  17  und  Mar- 
burgei  Universitätsprogramm  1906.  —  5)  Schmidt:  Deutsche  med. 
Wochenschr.  1906,  No.  13  und  Kongr.  f.  innere  Medizin  1906.  — 
6)  Lex  er:  Beiträge  z.  Klinik  d.  Tuberkulose,  8,  1907,  S.  101.  —  7) 
T  uffier:  Chirurgie  de  poumon.  Paris  1897.  —  8)  Schell:  The 
NewYork  medical  Journal  1898,  Oktober. 

Zur  Frage  des  kleinsten  Eiweissbedarfes.*) 

Von  Prof.  Dr.  J.  Förster  in  Strassburg. 

Die  Meinung  derer,  die  bei  den  Anordnungen  von  Kost¬ 
sätzen  in  erster  Linie  die  Verantwortung  auf  sich  zu  nehmen 
haben,  ist  seit  dem  Jahre  1890,  in  dem  ich  mich  bei  Gelegenheit 


*)  Referat,  erstattet  am  27.  September  1907  in  der  2.  Sektion 
des  14.  internationalen  Kongresses  für  Hygiene  und  Demographie  zu 
Berlin. 


).  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2413 


les  gleichfalls  in  Berlin  tagenden  internationalen  medizinischen 
(ongresses  gegen  die  Herabsetzung  der  Eiweissmenge  in  der 
iir  Massenernährung  bestimmten  Kost  aussprach  *),  nahezu  un¬ 
verändert  geblieben.  Nach  den  Ausführungen  der  Herren  Tiger- 
;  t  e  d  t  und  R  u  b  n  e  r  erscheint  es  vom  Standpunkte  der  prak¬ 
tischen  Ernährung,  besonders  für  die  Volksernährung  auch 
heute  noch  zweckmässig,  von  den  in  den  bisher  erprobten 
(ostrationen  enthaltenen  Eiweissmengen  nicht  erheblich  abzu- 
vVeichen.  Für  diese  Anschauung  sprechen,  wie  ich  damals 
schon  ausführte* 2),  auch  allgemein-physiologische  und  hygie- 
lische  Gründe,  deren  Besprechung  an  dieser  Stelle  ich  iiber- 
lommen  habe. 

1.  Geht  man  tiefer  in  die  Frage  der  Ernährung  des  Tier- 
sörpers  ein,  so  sieht  man,  dass  neben  den  verbrennlichen  Nähr¬ 
stoffen,  die  in  den  Bezeichnungen  Eiweiss,  Fett  und  Kohle- 
lydrate  zusammengefasst  werden,  abgesehen  von  den  sogen. 
Extraktivstoffen,  die  Abkömmlinge  jener  sind,  zum  Aufbau  und 
zur  Erhaltung  des  Körpers  anorganische  Stoffe  gehören,  die 
aei  der  Verbrennung  der  Organe  als  Asche  in  bestimmter 
Menge  Zurückbleiben.  Diese  Aschebestandtede  bilden  inner¬ 
ialb  des  lebenden  Körpers  mit  dem  Eiweiss  den  eigentlichen 
Zellbestand  und  stehen  daher  in  den  den  Pflanzen  und  Tieren 
entnommenen  Nahrungsmitteln  in  Beziehungen  zu  den  Eiweiss¬ 
stoffen.  Von  mehreren  der  Aschebestandteile  ist  bekannt  oder 
wird  angenommen  (Bunge),  dass  sie  im  Körper  nur  verwen¬ 
det  werden  können,  wenn  sie  in  organischer  Bindung  —  vereint 
mit  stickstoffhaltigen  Substanzen  —  aufgenommen  werden. 
Ist  die  Zufuhr  von  ihnen  im  gesamten  oder  von  einzelnen  da¬ 
von,  z.  B.  des  Eisens,  des  Kalkes,  der  Phosphorsäure,  un¬ 
genügend,  so  erkranken  die  mit  solch  aschearmem  Futter  ge¬ 
nährten  Tiere  und  gehen  zu  gründe.  In  welcher  Menge  un¬ 
verbrennliche  Stoffe  zur  Erhaltung  des  Bestandes  des  Kör¬ 
pers  unter  verschiedenen  Umständen  nötig  sind,  davon  ist  noch 
wenig  bekannt.  Viel  von  ihnen  bedarf  der  Tierkörper  wohl 
nicht;  man  nimmt  allgemein  —  erfahrungsgemäss  nicht  mit  Un¬ 
recht  —  an  3),  dass  sie  in  einer  aus  pflanzlichen  und  tierischen 
Nahrungsmitteln  gemischten  schmackhaften  Kost,  dann  in  der 
erforderlichen  Menge  zugeführt  werden,  wenn  in  ihr  aus¬ 
reichend  Eiweiss  enthalten  ist.  Diese  Annahme  erschien  um 
so  mehr  berechtigt,  als  aus  meinen  im  Jahre  1873  veröffent¬ 
lichten  Untersuchungen  4)  geschlossen  werden  durfte,  dass  die 
bei  der  Zersetzung  des  Eiweisses  im  Körper  freikommenden 
Aschebestandteile  nicht  vollständig  als  unbrauchbar  ausge¬ 
schieden,  sondern  teilweise  wieder  verwendet  werden.  In¬ 
dessen  sprechen  neuere,  von  mir  jüngst  im  Vereine  mit 
Dr.  H.  Kays  er  angestellte  Versuche  dafür,  dass  das  Ver¬ 
mögen  des  Tierkörpers,  freie  Aschebestandteile  zu  verwerten, 
ziemlich  enge  begrenzt  ist.  Tauiben  wurden  von  uns  mit  Wei¬ 
zen  gefüttert,  dem  ein  Teil  der  Asche  durch  Extraktion  ent¬ 
zogen  worden  war;  sie  erkrankten  nach  einiger  Zeit  unter 
bestimmten  charakteristischen  Erscheinungen.  Tauben,  die 
mit  dem  gleichen  Weizen,  aber  nach  Zusatz  der  durch  Verbren¬ 
nung  des  Extraktes  gewonnenen  Asche  gefüttert  wurden,  blie¬ 
ben  wohl  etwas  länger  gesund  als  die  Tiere,  die  den  asche¬ 
armen  Weizen  gefressen,  sie  erkrankten  aber  wenige  Tage  spä¬ 
ter  als  diese  unter  den  gleichen  Erscheinungen.  Vom  Tode 
konnten  beide  Gruppen  von  Versuchstieren  gleichmässig  da¬ 
durch  gerettet  werden,  dass  in  ihrem  Futter  rechtzeitig  der 
extrahierte  Weizen  durch  unbehandelten  ersetzt  wurde. 

Offenbar  weisen  die  Ergebnisse  der  Versuche  darauf  hin, 
dass  der  Tierkörper  zu  seiner  Erhaltung  einer  ausreichenden 
Menge  von  anorganischen  Substanzen  bedarf,  die  in  seiner 
Nahrung  in  Verbindung  mit  verbrennlichen  Stoffen,  d.  h.  mit 
stickstoffhaltigen  Zellbestandteilen  der  Nahrungsmittel,  enthal¬ 
ten  sind.  Da  bisher  weder  über  die  Art  dieser  Bindung,  noch 
über  die  Grösse  der  nötigen  Zufuhr  genügend  Erfahrungen  vor¬ 
liegen  —  besonders  für  den  Menschen  nicht  — ,  so  bleibt  für  die 
praktische  Ernährung  die  Forderung,  so  viel  Zellbestandteile, 


0  Verhandlungen  des  X.  internat.  mediz.  Kongresses  zu  Berlin, 
V.  Bd.,  Abteil.  XV,  S.  90.  Berlin  1891.  —  Siehe  auch  Münch,  med. 
Wochenschr.  1890,  No.  37  u.  38. 

2)  a.  a.  0.  S.  96  ff. 

3)  Förster:  Ernährung  und  Nahrungsmittel.  Pettenkofer 

und  Ziemssen,  Handbuch  der  Hygiene,  1.  Teil,  1.  Abteil.,  S.  63. 

*)  Zeitschr.  f.  Biologie,  9.  Bd.,  S.  297. 


d.  h.  Eiweiss  zuzuführen,  dass  der  Aschebedarf  unter  allen 
Umständen  gedeckt  ist.  Fette  und  Kohlehydrate  kommen  hier¬ 
für  natürlich  nicht  in  Betracht,  wenn  auch  das  Stärkekorn  nach 
den  auch  für  Ernährungsfragen  wichtigen  Untersuchungen  von 
Fouard5)  eine  geringe  Menge  von  Phosphorsäure  als  zu  seinem 
Bestände  gehörend,  besitzt. 

2.  Bei  der  Zersetzung  des  Eiweisses  werden  im  Körper  des 
Menschen  und  der  Tiere  mancherlei  Stoffe  gebildet,  die  für  die 
Funktion  der  Organe  und  das  Bestehen  des  Gesamtkörpers  eine 
hervorragende  Bedeutung  haben,  ohne  dass  ihre  Wirkung  bis 
jetzt  in  dynamische  Berechnungen  einbezogen  werden  kann. 
Fette  und  Kohlehydrate  beteiligen  sich,  so  viel  man  weiss,  an 
ihrer  Bildung  nicht;  als  Abbauprodukte  des  Eiweisses  sind  sie 
nachweislich  oder  vermutlich  stickstoffhaltig.  Wichtig  sind  be¬ 
sonders  die  Verdauungsfermente,  die  Stoffe  der  „inneren  Sekre¬ 
tion“  und  die  „Schutzstoffe“.  Die  Annahme  ist  gerechtfertigt, 
dass  die  Produktion  dieser  unentbehrlichen  Eiweissabkömm¬ 
linge  im  Verhältnis  zu  dem  Eiweissumsatze  im  Körper  steht. 
Erfahrungen  des  täglichen  Lebens  sprechen  in  diesem  Sinne. 
In  seinem  Referate  hat  R  u  b  n  e  r  schon  darauf  aufmerksam  ge¬ 
macht,  dass  Personen,  die  dauernd  geringe  Mengen  von  Ei¬ 
weiss  in  ihrer  Kost  aufnehmen,  zu  Erkrankungen  der  Verdau¬ 
ungsorgane  neigen,  und  bekannt  ist,  dass  Unterernährte 
schwere  Kost  nicht  gut  ertragen  und  Speisen  suchen,  die  ohne 
besondere  Darmarbeit  verdaut  Werden  können.  Im  Einklänge 
damit  stehen  die  Ergebnisse  experimenteller  Untersuchungen. 
In  ihren  wenig  beachteten  Versuchen,  die  fortgesetzt  und  wei¬ 
ter  ausgedehnt  zu  werden  verdienten,  haben  vor  Jahren  schon 
Zuntz  und  Rosenheim,  wie  ich  bei  früherer  Gelegenheit 
erwähnte5),  dargetan,  dass  Verdauung  und  Ausnützung  des 
Fettes  sich  bei  niedrigem  Eiweissumsatze  erheblich  ungünsti¬ 
ger  gestaltet  als  bei  eiweissreicher  Nahrung.  Dies  rührt  wohl, 
wie  man  kaum  zweifeln  kann,  davon  her,  dass  wenn  wenig 
Eiweiss  im  Körper  zerfällt,  weniger  und  schwieriger  Verdau¬ 
ungsfermente  geliefert  werden,  als  wenn  ein  kräftiger  Eiweiss- 
umsatz  besteht. 

Man  darf  erwarten,  dass  die  Verhältnisse  bei  der  Erzeu¬ 
gung  der  Schutzstoffe  ähnlich  liegen.  Vieles  weist  darauf  hin, 
dass  ein  kärglich  ernährter  Körper  eine  geringe  Widerstands¬ 
fähigkeit  gegen  Infektionskrankheiten  besitzt.  Die  Erfahrungen 
beim  Hungertyphus,  bei  der  Tuberkulose  usw.  reden  eine  deut¬ 
liche  Sprache.  Indessen  ist  nicht  bekannt,  wie  viel  hiebei  auf 
Rechnung  eines  niedrigen  Eiweissumsatzes  zu  bringen  ist. 
Auch  hier  kann  eine  Aufklärung  nur  durch  Versuche  gewonnen 
werden,  die  allerdings  manche  Schwierigkeiten  darbieten.  Aus 
Anlass  meines  Referates  für  den  erwähnten  medizinischen  Kon¬ 
gress  in  Berlin  hatte  ich  Untersuchungen  begonnen,  ohne  zu 
einem  sicheren  Ergebnis  zu  kommen.  Später  nahm  ich  gemein¬ 
sam  mit  Prof.  E.  Levy  die  gleiche  Frage  wieder  in  Angriff; 
wir  prüften,  ob  das  Widerstandsvermögen,  das  Vögel  gegen  die 
Infektion  mit  Milzbrandbazillen  zeigen,  bei  den  fettgemästeten 
Gänsen,  die  das  Material  für  die  Strassburger  Gänseleber¬ 
pastetenindustrie  liefern,  im  Vergleiche  zu  normal  gefütterten 
Tieren  vermindert  wäre.  Die  Versuche  führten  zu  keinem  ein¬ 
deutigen  Resultate,  da  sich  bald  herausstellte,  dass  die  Gänse 
bei  der  Fettmast  zwar  im  Verhältnis  zu  den  stickstofffreien 
Nährstoffen  wenig  Eiweiss,  im  ganzen  aber  doch  nicht  unerheb¬ 
liche  Mengen  davon  zugeführt  erhalten  hatten.  Gewissen  Er¬ 
folg  hatte  vor  einiger  Zeit  P.  Th.  Müller6),  der  den  Agglu¬ 
tinationstiter  immunisierter  Tiere  bei  reichlicher  und  ärmlicher 
Fütterung  festzustellen  suchte.  Mit  Milch  genährte  Tiere  liefer¬ 
ten  nach  der  Immunisierung  mit  einer  Bakterienart,  den  Pyo- 
zyaneusbazillen,  etwa  siebenmal  so  viel  Agglutinine  als  Tiere, 
die  mit  den  eiweissarmen  Kartoffeln  gefüttert  wurden;  allein 
bei  der  Immunisierung  mit  anderen  Bakterien  stand  die  Art  der 
Ernährung  nicht  in  Beziehung  zu  der  Produktion  der  Agglu¬ 
tinine.  Dass  M  ü  1 1  e  r  bei  seinen  Versuchen  stark  wechselnde 
Werte  fand,  ist  sicher  nicht  unerklärlich.  Die  Erzeugung  der 
Agglutinine  bei  der  Immunisierung  ist  die  Folge  eines  Reizes 
—  von  seiten  der  injizierten  Bakterien  —  auf  die  Zellen,  denen 
die  zur  Agglutination  beitragenden  Substanzen  entstammen. 


5)  Annales  de  Hnstitut  Pasteur  (1907)  t.  XXI,  p.  475. 
ß)  Verhandlungen  des  X.  internat.  med.  Kongresses,  a.  a,  O.,  S.  96. 
')  Archiv  für  Hygiene  (1904),  51.  Bd.,  S.  369  ff. 


2-11-4 


MU  EN  CHEN  ER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Gereizte  Zellen  und  Organe  aber  ernähren  sich  im  Körper  auch 
auf  Kosten  anderer  Zellen  und  Organe.  So  wächst  eine  ein¬ 
seitig  tätige  Muskelgruppe  bei  eben  zureichender  Ernährung, 
während  die  Masse  anderer  Muskeln  abnehmen  kann.  Ein 
bekanntes  Beispiel,  das  ich  seiner  Deutlichkeit  halber  anzu¬ 
führen  nicht  unterlassen  will,  liefert  der  Salm,  der  nach 
M  i  e  s  c  h  e  r  seine  bei  reicher  Meeresnahrung  stark  entwickel¬ 
ten  Rückenmuskeln  während  der  Wanderung  nach  dem  Ober¬ 
rhein  ohne  weitere  Nahrungsaufnahme  lange  Zeit  unverändert 
erhält,  sie  aber,  in  der  Nähe  der  Laichstellen  angekommen,  auf 
den  Reiz  einer  inneren  Sekretion  hin,  binnen  kurzer  Zeit  ein¬ 
schmilzt,  um  ihre  Substanz  zur  Entwicklung  der  Geschlechts¬ 
drüsen  zu  verbrauchen. 

Will  man  erfahren,  inwieweit  die  Produktion  der  Schutz¬ 
stoffe  durch  die  Grösse  des  Eiweissumsatzes  beeinflusst  wird, 
so  hat  man  die  Versuche  so  anzuordnen,  dass  die,  die  zu  prü¬ 
fenden  Stoffe  bildenden  Organe  nicht  durch  besondere  Reize 
zu  gesteigerter  Tätigkeit  veranlasst  werden.  Man  durfte  er¬ 
warten,  dass  dies  unter  gewöhnlichen  Umständen  bei  der  Pro¬ 
duktion  der  „Opsonine“  nicht  der  Fall  wäre.  Diese  sind  nach 
den  Untersuchungen  W  r  i  g  h  t  s  u.  a.  lösliche  Stoffe,  welche 
in  den  Tierkörper  eingedrungene  Fremdkörper,  wie  Mikro¬ 
organismen,  so  vorbereiten,  dass  sie  leicht  von  den  Leuko¬ 
zyten  angegriffen  werden  können;  sie  werden  anscheinend 
gleichmässig  während  des  normalen  Stoffwechsels  gebildet. 
Die  Ausführung  von  Versuchen  mit  Opsoninen,  die  grosse 
Arbeit,  Uebung  und  Geschick  verlangen,  nahm  mein  Assistent, 
Herr  Dr.  W.  F  o  r  n  e  t,  auf  sich,  der  ausführlich  an  anderer 
Stelle  berichten  wird.  Zunächst  wurden  Meerschweinchen  in' 
der  Hauptsache  mit  Gerste  gefüttert,  und  nach  einiger  Zeit 
der  „opsonische  Index“  ihres  Serums  für  Tuberkelbazillen 
bestimmt;  dabei  zeigte  sich,  dass  die  Produktion  der 
Opsonine  bei  verschiedenen,  so  gefütterten  Tieren  wäh¬ 
rend  der  Dauer  der  Monate  fortgesetzten  Fütterung 
gleichmässig  blieb.  Nun  erhielten  die  Tiere  in  gleicher 
Menge  wie  vorher  dieselbe  Gerste,  nachdem  ihnen  durch  ein 
bestimmtes  Verfahren,  ohne  sonstige  wesentliche  Veränderung 
ein  1  eil  des  Eiweisses  entzogen  worden  war.  Die  bisher  an- 
gestellten  Versuche  ergaben,  dass  der  opsonische  Index  der 
I  iere  abnahm,  sowie  sie  nur  kurze  Zeit  die  eiweissarme  Gerste 
frassen.  Die  Produktion  der  Opsonine  im  Tierkörper  steht 
also,  wie  wir  jetzt  schon  schliessen  dürfen,  in  quantitativen 
Beziehungen  zu  seinem  Eiweissumsatze:  mit  dessen  Sinken 
vermindert  sich  die  Menge  der  Substanzen,  denen  beim  Kampfe 
des  Körpers  gegen  Krankheitserreger  eine  Rolle  zugeschrieben 
w  erden  muss.  So  dürfte  denn  in  der  Tat  der  lang  angestrebte 
experimentelle  Nachweis  gelungen' sein,  dass  die  Höhe  des  Ei¬ 
weissumsatzes  ebenso  wie  zu  ausreichender  Verdauung  durch 
Einfluss  auf  die  Fermentbildung,  so  auch  zum  Schutze  gegen 
Infektionskrankheiten  beiträgt. 

Die  Ergebnisse  der  Ueberlegungen  und  Versuche  fasse  ich 
in  folgenden  Sätzen  zusammen: 

1.  Neben  Eiweiss,  Fett  und  Kohlehydraten  bedarf  der 
Mensch  zum  Aufbau  und  Erhaltung  seiner  Organe  noch  in  aus¬ 
reichender  Menge  anderer  Stoffe,  wie  z.  B.  Aschebestandteile 
In  den  Nahrungsmitteln  befinden  sich  diese  in  Verbindung  mit 
eiweissartigen  Substanzen  oder  sie  stehen  wenigstens  in  Be¬ 
ziehungen  zum  Eiweisse.  Es  ist  daher  zu  befürchten,  dass  bei 
niedriger  Eiweisszufuhr  die  Ernährung  auch  durch  Mangel  an 
Aschebestandteilen  leidet. 

2.  Bei  der  Zersetzung  des  Eiweisses  im  Körper  werden  ge- 
v  lsse  unentbehrliche  Stoffe,  Verdauungsfermente,  Stoffe  der 
„inneren  Sekietion  ,  Schutzstoffe  uswr„  die  Abkömmlinge  des 
Jv  eisses  sind,  gebildet.  Für  einzelne  davon  ist  nachgewiesen 
riir  die  anderen  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Produktion 
un  Verhältnis  zu  dem  Eiweisszerfall  im  Körper  steht.  Es  ist 
danei  zu  erwarten,  dass  bei  niedrigem  Eiweissumsatze  leicht 
Storungen  un  Wohlbefinden  und  Erkrankungen  infolge  Mangels 
an  den  genannten  Stoffen  eintreten. 

3.  So  lange  die  Verhältnisse  nach  beiden  Richtungen  hin 
und  qualitativ  und  quantitativ  nicht  mehr  als  ietzt  aufgeklärt 
sind,  ist  es  von  allgemein-physiologischen  und  hygienischen 
Gesichtspunkten  aus  für  die  Zwecke  der  praktischen  Ernährung 
ratsam,  einen  kräftigen  Eiweissumsatz  zu  unterhalten  und  sich 
nicht  aut  das  physiologische  Mindestmass  zu  beschränken,  mit 


dem  in  einem  gegebenen  Falle  das  sogen.  Stickstoffgleich¬ 
gewicht  erhalten  werden  kann. 


Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin  (Direktor; 

Geh.  Med. -Rat  Professor  Dr.  R  u  b  n  e  r). 

Ueber  passive  Ueberempfindlichkeit. 

Von  Dr.  Ulrich  Friedemann,  Assistent  am  hygienischen 

Institut. 

In  neuester  Zeit  hat  eine  von  Theobald  Smith  entdeckte 
und  nach  diesem  Forscher  benannte  Erscheinung  vielfach  die 
Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen.  Werden  Meerschweine  mit 
einem  Gemisch  der  L  +  -Dosis  von  Diphtheriegift  und  einer 
neutralisierenden  (sehr  geringen)  Menge  antitoxischen  Pferde¬ 
serums  gespritzt,  wie  es  bei  den  Serumprüfungen  zu  geschehen 
pflegt,  so  erkranken  diese  Tiere  unter  schweren,  häufig  zum 
Tode  führenden  Krankheitserscheinungen  akut,  sobald  man 
ihnen  später  (14  Tage  bis  3  Monate)  eine  Menge  von  5—6  ccm 
Pferdeserum  injiziert.  Otto,1)  der  im  Institut  für  experi¬ 
mentelle  Therapie  in  Frankfurt  a.  M.  diese  Versuche  wieder¬ 
holte,  konnte  die  Beobachtung  von  Theobald  Smith  vollinhalt¬ 
lich  bestätigen  und  fügte  derselben  interessante  Befunde  hinzu. 
Vor  allem  stellte  er  fest,  dass  auch  Pferdeserum  allein  an  Stelle 
des  1  oxin-Antitoxingemisches  die  eigentümliche  Veränderung 
des  Meerschweinorganismus  hervorruft,  nur  muss  die  Menge 
eine  sehr  geringe  sein  und  zwischen  erster  und  zweiter  Injektion 
mindestens  ein  Zwischenraum  von  2  Wochen  liegen.  Aller¬ 
dings  beobachtete  Otto  meistens  stürmischere  Erscheinungen, 
w  enn  bei  der  ersten  Injektion  Toxin  mit  verabfolgt  worden  war 
und  schreibt  diesem  daher  eine  Rolle  bei  dem  Zustandekommen 
des  Phänomens  zu.  In  sehr  eingehender  Weise  haben  sich 
dann  Rosenau  und  Anderson  2)  mit  der  Frage  beschäftigt 
und  ganz  genau  die  Bedingungen  studiert,  unter  denen  die  von 
I  heob.  Smith  beobachteten  Erscheinungen  zustande  kommen. 
•Die  Autoren  gelangten  insofern  zu  einem  von  Otto  etwas  ab¬ 
weichenden  Ergebnis,  als  sie  dem  Diphtheriegift  gar  keine 
Rolle  bei  dem  Zustandekommen  des  Phänomens  zuschreiben, 
vielmehr  mit  Serum  allein  die  gleichen  Erscheinungen  er¬ 
zeugen  konnten.  Wenn  dieser  letzte  Punkt  auch  noch  nicht 
ganz  aufgeklärt  ist,  so  dürfte  damit  doch  erwiesen  sein,  dass 
die  beobachtete  Erscheinung  in  das  Gebiet  der  Ueberempfind¬ 
lichkeit  oder  Anaphylaxie  fällt,  die  bereits  von  den  ver¬ 
schiedensten  Autoren  nach  wiederholten  Injektionen  von  To¬ 
xinen  oder  auch  gewöhnlichen  ungiftigen  Eiweisskörpern  be¬ 
obachtet  wurde.  Der  grosse  Fortschritt,  den  diese  Unter¬ 
suchungen  gebracht  haben,  besteht  aber  darin,  dass  dadurch 
die  Anaphylaxie,  welche  bisher  ein  recht  inkonstantes  Vor¬ 
kommnis  bedeutete,  zu  einer  leicht  reproduzierbaren  und  einer 
eingehenderen  Prüfung  zugänglichen  Erscheinung  geworden  ist. 

Bei  dem  grossen  Interesse,  welches  das  Phänomen  der 
Ueberempfindlichkeit 3)  im  Hinblick  auf  jene  Vorgänge,  die  sich 
unter  der  Einwirkung  der  Vergiftung  oder  Immunisierung  in 
den  Zellen  vollziehen,  beanspruchen  kann,  hat  es  an  Erklärungs- 
v eisuchen  dafür  nicht  gefehlt,  v.  Behring,  welcher  eine 
Anaphylaxie  gegen  Diphtherietoxin  bei  einem  Pferd  beob¬ 
achtete,  w  elches  grosse  Mengen  Antitoxin  im  Blut  aufwies, 
glaubte,  dass  es  sich  um  eine  histogene  Ueberempfindlichkeit 
handelte.  Diesen  Befund  hat  dann  Ehrlich  auf  Grund  der 
Seitenkettentheorie  dadurch  erklärt,  dass  bei  der  Immunisierung 
eine  Eihöhung  der  Avidität  der  Gewebsrezeptoren  stattfindet, 
v.  Pirquet  und  Schick4)  kamen  auf  Grund  ihrer  Beob¬ 
achtungen  bei  der  Serumkrankheit  zu  der  Ansicht,  dass  irgend 
ein  im  Blut  kreisendes  Reaktionsprodukt,  also  ein  Antikörper 
die  Ueberempfindlichkeit  bedinge.  Eine  ähnliche  Vorstellung 
entwickelt  A.  Wolff,  welcher  glaubt,  dass  bei  der  Immuni- 
sieiung  entstehende  Lysine  die  „Endotoxine  der  Eiweiss¬ 
körper  in  Freiheit  setzen.  Einen  Zusammenhang  zwischen 
dei  Ueberempfindlichkeit  und  der  Antikörperbildung  konnten 

*)  v.  L  e  u  t  h  o  1  d  -  Gedenkschrift,  1.  Bd. 

A  studx  <>f  the  cause  of  sudden  death  following  the  injektion 
of  horse  serum.  Washington  1906. 

)  Die  ausfühi  liehe  Literatur  über  den  Gegenstand  findet  s'ch  in 
den  lerwahnten  Arbeiten. 

)  Miinch.  med.  Wochenschr.  1906,  No.  2.  —  Die  Serumkrankheit. 
Leipzig  und  Wien.  1905.  Franz  D  e  u  ti  c  k  e. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2415 


auch  Isaac  und  Verf.5)  bei  wiederholten  Eiweissinjektionen 

an  Ziegen  feststellen.  „  .  ,  . 

Einer  experimentellen  Prüfung  zugänglich  erschien  nun  vor 
allem  die  Frage,  ob  in  der  Tat  Serumverändernngen  der  be¬ 
handelten  Tiere  an  dem  Zustandekommen  der  Ueberempfind- 
lichkeit  beteiligt  sind.  Ich  habe  daher  bereits  seit  längerer  Zeit 
Versuche  unternommen,  um  zu  prüfen,  ob  sich  die  Uebere.mp- 
findlichkeit  durch  das  Serum  auf  andere  Tiere  übertragen  lässt, 
ob  also  der  passiven  Immunität  eine  ,, passive  Ueberempfind- 
lichkeit“  gegenüber  steht.  _  a/[.aa 

Vor  kurzem  erschien  nun  eine  sehr  interessante  Mitteilung 
von  Otto"),  in  welcher  dieser  dieselbe  Frage  behandelt  und, 
wie  ich  gleich  vorweg  nehmen  möchte,  zu  den  gleichen  Re¬ 
sultaten  wie  ich  gelangt.  Trotzdem  glaube  ich,  dass  bei  der 
Wichtigkeit  des  Gegenstandes  eine  Bestätigung  der  Resultate 
Ottos  durch  meine  Versuche  nicht  ganz  ohne  Wert  sein  wird. 

Da  es  natürlich  vollständig  ausgeschlossen  ist,  bei  einem 
normalen  Tier  vollständig  das  Blut  durch  das  eines  über¬ 
empfindlichen  Meerschweines  zu  ersetzen,  so  musste  man  von 
vornherein  darauf  gefasst  sein,  die  Krankheitserscheinungen 
weniger  ausgesprochen  zu  finden  als  bei  den  überempfindlichen 
Tieren  selbst.  Es  schien  mir  daher  vor  allem  wichtig,  nicht 
nur  den  Tod  der  Tiere  oder  Krankheit  ganz  allgemein  zu  regi¬ 
strieren,  sondern  die  einzelnen  Symptome  eingehender  zu  stu¬ 
dieren,  um  auch  geringere  Abweichungen  von  der  Norm  be¬ 
schreiben  zu  können.  , 

Erhält  ein  überempfindliches  Meerschwein  intraperitoneal 
5  ccm  Pferdeserum,  so  stellen  sich  die  ersten  Symptome  öfteis 
schon  nach  wenigen  Minuten,  häufig  aber  erst  nach  längerer 
Zeit  die  bis  zu  einer  halben  Stunde  währen  kann,  ein.  Zu¬ 
nächst  beginnt  das  Tier  heftig  und  wiederholt  mit  den  Pfoten 
über  die  Nase  zu  fahren,  als  ob  es  dort  einen  heftigen  Juckreiz 
verspürt.  Dabei  bringt  es  eigentümliche  krächzende  und 
schmatzende  Laute  hervor,  die  den  Eindruck  machen,  dass  es 
einen  unangenehmen  Reiz  im  Rachen  empfindet.  Bald  beginnt 
es  sich  auch  an  anderen  Körperstellen  zu  kratzen.  Häufig  er¬ 
folgt  bereits  in  diesem  Stadium  Entleerung  von  Urin  und  Kot. 
Nach  diesem  Prodromalstadium  kann  nun  der  weitere 
Verlauf  ein  verschiedener  sein.  In  einem  Teil  der  Fälle  stellen 
sich  lähmungsartige  Erscheinungen  ein,  welche  meist  in  den 
hinteren  Extremitäten  beginnen  und  sich  darin  äussern,  dass  das 
Tier  bei  Gehversuchen  auf  die  Seite  fällt;  dabei  scheint  es  sich 
weniger  um  eigentliche  Lähmungen,  als  vielmehr  um  grosse 
Schwäche  zu  handeln.  Schliesslich  bleibt  das  J  ier  in  Seiten¬ 
lage  liegen,  wobei  die  Atmung  tief  und  angestrengt  ist.  (Paia- 
lytischeS  Stadium.)  Von  diesen  Erscheinungen  kann  das  Tier 
sich  erholen  oder  es  erfolgt  der  Tod  durch  Atemlähmung.  In 
einem  anderen  Teil  der  Fälle  setzen  nach  dem  Prodromal¬ 
stadium  sofort  heftige  Krämpfe  ein  (konvulsivisches  Stadium), 
wobei  die  Tiere  sich  hoch  aufbäumen  und  häufig  um  ihre  Längs¬ 
achse  drehen.  Unter  schwerster  Dyspnoe  erfolgt  meist  der 
Tod,  wenn  auch  bisweilen  hier  noch  eine  Wiederherstellung 
eintreten  kann.  Diese  Symptome  können  sich  natürlich  auch 
in  der  verschiedensten  Weise  kombinieren. 

Schliesslich  möchte  ich  noch  ein  Symptom  erwähnen, 
welches  meistens  beobachtet  wird  und  darum  von  Wichtigkeit 
ist,  weil  es  meist  auch  bei  geringen  Graden  der  Ueberemptind- 
lichkeit  beobachtet  wird;  das  ist  eine  sehr  starke  Hyperalgesie 
der  Haut,  welche  die  Tiere  schon  bei  den  schwächsten  Be¬ 
rührungen  schreien  lässt  und  häufig  viele  Stunden  anhält. 

Nach  dieser  Beschreibung  gehe  ich  zur  Schilderung  der 
eigentlichen  Versuche  über. 

I.  Versuchsreihe. 

8  Meerschweine  von  240 — 270  ig  erhalten  am  5.  XI.  06  je  0,27  ccm 
Testgift  +  0,005  ccm  Diphtheriepferdeserum  (ca.  325  fach)  subkutan. 

Am  9.  XI.  06  werden  die  Tiere  aus  der  Karotis  entblutet.  Es 
resultieren  etwa  30  ccm  etwas  blutiges  Serum. 

3  Meerschweine  von  265 — 275  g  erhalten  je  10  ccm  dieses  Serums 
intraperitoneal. 

Meerschwein  I  nach  3  Stunden  5  ccm  Pferdeserum  sub¬ 
kutan.  —  Keine  Symptome. 

Meerschwein  II  nach  3  Stunden  5  ccm  Pferdesenini  sub¬ 
kutan.  —  Keine  Symptome. 


5)  Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  Therapie,  1.  Bd. 
n)  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  34. 


Meerschwein  III  nach  20  Stunden  5  ccm  Pferdesernm  sub¬ 
kutan.  —  10  Minuten  nach  der  Injektion  beginnt  das  Tier  heftig  zu 
schreien,  wobei  Urin  und  Kot  abgeht.  Dann  folgen  heftige  Krämpfe 
und  nach  diesen  Paresen,  wobei  das  Tier  auf  die  Seite  fällt.  Er¬ 
holung. 

Die  7  entbluteten  Meerschweine  (eines  starb  infolge  des  Ader¬ 
lasses)  erhalten  am  folgenden  Tag  je  5  ccm  Pferdeserum  subkutan. 
3  sterben,  die  4  anderen  erkranken  und  erholen  sich. 

II.  Versuchsreihe. 

3  Meerschweine  von  ca.  250  g  erhalten  am  3.  XII.  06  0,027  Test¬ 
gift  +  V 4000  Pferdeserum. 

Am  15.  I.  07  werden  die  Tiere  entblutet  und  liefern  15  ccm  Serum, 
welches  einem  290  g  schweren  Meerschwein  injiziert  wird  (10  ccm 
intraperitoneal,  der  Rest  subkutan). 

Am  16.  I.  07  intraperitoneale  Injektion  von  5  ccm  Pferdeserum. 

Nach  einiger  Zeit  beginnt  das  Tier  sich  zu  kratzen,  wobei  es 
schmatzende  Laute  ausstösst.  Dann  stellt  sich  Schwäche  ein,  wobei 
das  Tier  auf  die  Seite  fällt.  Erholung. 

Kontrolle:  Die  3  entbluteten  Tiere  erhalten  am  folgenden 
Tag  5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal:  2  sterben;  1  krank,  er¬ 
holt  sich. 


III.  Versuchsreihe. 


07  je  0,027  ccm 


7  Meerschweine  von  250 — 300  g  erhalten  am  15. 

Testgift  +  0,001  ccm  Pferdeantitoxin. 

Die  Tiere  werden  am  22.  II.  07  entblutet  und  liefern  20  ccm 
Serum. 

i  n  I  erhält  10  ccm  Serum  subkutan,  gleich  darauf 
intraperitoneal.  —  Keine  Symptome. 

Tag  wieder  5  ccm  intraperitoneal.  —  Keine 


Meerschwe 
5  com  Pferdeserum 
Am  folgenden 
Symptome. 

Meerschwe 


i  n  II  erhält  10  ccm  Serum  subkutan,  am  folgen¬ 
den  Tag  5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal.  —  Bald  nach  der  Injek¬ 
tion  Urinentleerung.  Dann  Kratzen.  Unter  dyspnoischen  Erschei¬ 
nungen  macht  das  Tier  lebhafte  Fluchtbewegungen,  springt  mehr¬ 
mals  aus  dem  Käfig.  Erholung. 

Kontrolle:  Von  den  7  entbluteten  Tieren  starben  2  nach  der 
Entblutung.  Die  anderen  5  erhalten  am  folgenden  1  ag  je  5  ccm 
Pferdesernm  intraperitoneal,  davon  sterben  4,  eines  erholt  sich. 

IV.  Versuchsreihe. 

10  Meerschweine  von  230 — 270  g  erhalten  je  0,001  ccm  Pferde¬ 
serum  subkutan  am  8.  III.  07. 

Am  8.  IV.  07  werden  5  entblutet  und  liefern  15  ccm  Serum. 
Meerschwein  I,  250  g,  erhält  am  9.  IV.  07  10  ccm  sub¬ 
kutan,  am  10.  IV.  07  2  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal.  —  Einige 
Zeit  nach  der  Injektion  Kratzen.  Sonst  keine  Symptome. 

M  e  ie  r  s  c  h  w  e  i  n  II,  250  g,  erhält  am  9.  IV.  07  4  ccm  subkutan, 
am  10.  IV.  07  2  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal.  —  Keine  Sym¬ 
ptome.  , 

Kontrolle:  Von  den  entbluteten  Tieren  stirbt  1,  die  anderen 
erhalten  am  folgenden  Tag  je  5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal. 

1  stirbt,  2  erholen  sich  nach  der  Krankheit,  1  bleibt  gesund. 

Am  10.  IV.  07  werden  die  anderen  5  Meerschweine  entblutet 
und  liefern  16  ccm  Serum. 

Meerschwein  1,  250  g,  erhält  16  ccm  Serum  subkutan  am 
11.  IV.  07,  am  12.  IV.  07  Injektion  von  5  com  Pferdeserum  intra¬ 
peritoneal.  Keine  Symptome. 

V.  Versuchsreihe. 

9  Meerschweine  von  ca.  250  g  erhalten  je  0,027  Testgift  +  0,003 

Pferdeantitoxin  am  2.  V.  07.  ,  or. 

Am  30.  V.  07  werden  die  Tiere  entblutet  und  liefern  30  ccm 

^  Meerschweinchen  I,  250  g,  erhält  5  ccm  Sei  um  subkutan 
und  5  ccm  intraperitoneal.  Am  folgenden  lag  5  ccm  Pferdeserum 
intraperitoneal.  Nach  10  Minuten  beginnt  das  Kratzen,  dann  wird 
das  Tier  schwach  und  fällt  auf  die  Seite.  Erholung. 
Meerschweinchen  II.  250  g,  Behandlung  wie  bei 

Sonst  keine  Symptome.  -  ... 

Meerschweinchen  III,  250  g,  Behandlung  wie  bei 

Sonst  keine  Symptome.  (  ,  „ 

Kontrolle:  Die  entbluteten  Tiere  erhalten  am  folgenden  lag 

ebenfalls  5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal.  4  J  iere  starben,  5 
überleben,  davon  sind  4  kaum  erkrankt. 

VI.  Versuchsreihe. 

250  g  erhalten  je  0,027  Testgift  +  0,003 


Kratzen. 

Kratzen. 


Tiere  entblutet.  Die  Sera  werden 


8  Meerschweine  von  ca 
Pferdeantitoxin  am  7.  V.  07. 

Am  15.  VI.  07  werden  die 

Ketr  Meerschweinchen  I  erhält  3,5  ccm  Serum  (stammend  von 
Tieren,  die  der  Injektion  von  5  ccm  Pferdesernm  erlagen >.  Am  W- 
een  den  Jag  5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal.  Keine  Symptome. 

Meerschweinchen  II  erhält  7,5  ccm  Serum  (stammend 
von  2  Tieren  die  beim  Entbluten  starben).  Am  folgenden  Tag  5  ccm 
Pferdeserum  intraperitoneal. 


2416 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


M  e  ie  r  s  c  h  .w  e  i  n  c  h  e  n  III  erhält  10  ccm  Serum  (stammend  von 

4  Heren,  die  erkrankten,  sich  aber  erholten.  Am  folgenden  Tag 

5  ccm  Pferdeserum  intraperitoneal.  Keine  Symptome. 


VII.  Versuchsreihe. 

7  Meerschweine  erhalten  folgende  Gemische 


0,29  Testgift  +  0,005  Pferdeantitoxin  (13.  VI.  07). 
0,29  Testgift  +  0,001  Pferdeantitoxin  (17.  V.  07). 
0,29  Testgift  +  0,0025  Pferdeantitoxin  (20.  VI.  07). 
0,29  Testgift  +  0,002  Pferdeantitoxin  (3.  V.  07). 
0,29  I'estgift  +  0,0033  Pferdeantitoxin  (1-4.  VI.  07). 


7.  0,29  Testgift 
Entblutung  am 


0,012  Pferdeantitoxin  (4.  VI.  07). 

18.  VII.  07. 

Meerschweinchen  I,  300  g.  erhält  am  19.  VII.  07  8,5  ccm 
Serum  subkutan  (stammend  von  2  Tieren  die  nach  Injektion  von 
Pferdeserum  starben  und  1  das  nach  schwerer  Erkrankung  sich  er¬ 
holte).  Am  20.  VII.  07  5  cc-m  Pferdeserum  intraperitoneal.  Bald 
nach  der  Injektion  beginnt  sehr  heftiges  Kratzen,  dabei  starkes 
Krächzen.  Dann  stellt  sich  Schwäche  ein  und  Neigung  auf  die 
Seite  zu  fallen.  Erholung. 

Meerschweinchen  II.  300  g,  erhält  10  ccm  Serum  (stam¬ 
mend  von  4  Tieren  die  nur  leicht  krank  waren).  Keine  deut¬ 
lichen  Symptome. 

Ueberblicken  wir  die  Versuchsprotokolle,  so  ergibt  sich 
in  der  Tat,  dass  es  in  vielen  Fällen  gelingt,  die  Anaphylaxie 
durch  das  Serum  überempfindlicher  Meerschweine  auf  andere 
I  iere  zu  übertragen.  Im  ganzen  wurden  18  Meerschweine  mit 
anaphylaktischem  Serum  behandelt.  Davon  erkrankten  5 
schwer  (II.  Stadium),  3  zeigten  Prodromalsymptome,  10  blieben 
gesund.  Unter  diesen  10  befinden  sich  3,  welche  das  Pferde¬ 
serum  am  gleichen  Tag  erhalten  hatten  wie  das  anaphylaktische 
Serum.  In  dieser  Weise  verfuhr  ich  bei  meinen  ersten  Ver¬ 
suchen,  ging  dann  aber,  da  ich  bei  diesem  Verfahren  keine  Re¬ 
sultate  erzielte,  dazu  über,  das  Pferdeserum  erst  am  folgenden 
'rage  einzuspritzen.  Ich  kann  daher  die  Beobachtung  Ottos 
vollständig  bestätigen,  dass  die  passive  Ueberempfindlichkeit 
nur  dann  eintritt,  wenn  ein  Tag  nach  der  vorbereitenden  In¬ 
jektion  verstrichen  ist.  Ob  ich  noch  bessere  Resultate  erzielt 
hätte,  wenn  ich  wie  Otto  mehrere  Tage  gewartet  hätte,  muss 
ich  vorläufig  dahingestellt  sein  lassen.  Ferner  finden  sich  unter 
den  missglückten  Versuchen  auch  solche,  bei  denen  das  Serum 
von  Tieren  benutzt  wurde,  die  nur  mit  Pferdeserum  vor¬ 
behandelt  waren.  Wenn  ich  natürlich  auch  aus  den  wenigen 
Versuchen  keine  Schlüsse  in  dieser  Hinsicht  zu  ziehen  wage, 
so  ist  die  Tatsache  doch  gut  in  Einklang  zu  bringen  mit  der 
Annahme  Ottos,  dass  dem  Toxin  bei  dem  Zustandekommen 
der  Anaphylaxie  eine  unterstützende  Rolle  zukommt. 

Diese  Versuche  beweisen  ebenso  wie  die  Ottos,  dass 
die  Ueberempfindlichkeit  durch  einen  im  Serum  ’  krei¬ 
senden  Antikörper  bedingt  wird,  eine  Vermutung,  die 
ja  bereits  v.  Pirquet  und  Schick  ausgesprochen  hatten. 
Natürlich  wäre  es  aber  zu  weit  gegangen,  histogene  Ursachen 
der  Anaphylaxie  ganz  leugnen  zu  wollen.  Wenn  körperfremde 
untigene  Substanzen  in  den  Organismus  eingeführt  werden,  so 
vollziehen  sich  offenbar  primäre  Veränderungen  im  Zellstoff- 
v echscl,  die  nur  zum  Teil  an  den  im  Serum  auftretenden  Aus¬ 
scheidungsprodukten  erkannt  werden  können.  Es  ist  daher 
schi  wohl  möglich,  dass  auch  in  den  Zellen  ein  veränderter  Zu¬ 
stand  besteht,  welcher  diese  empfindlicher  macht.  Damit  wäre 
cs  vielleicht  in  Einklang  zu  bringen,  dass  wie  Otto  und  früher 
bereits  v.  Behring  beobachteten,  Ueberempfindlichkeit  und 
Immunität  bei  ein  und  demselben  Tier  nebeneinander  Vor¬ 
kommen  können.  I  iere,  welche  in  ihrem  Serum  grosse  Mengen 
von  Antitoxin  beherbergen,  können  hochgradig  überempfindlich 
sein  (v.  Behring)  und  umgekehrt  kann  das  Serum  von 
1  leren,  welche  nicht  anaphylaktisch  sind,  die  Ueberempfindlich¬ 
keit  aut  andere  'I  iere  passiv  übertragen.  Es  deutet  dies  wohl 
da  rau  i  hin,  dass  in  den  Geweben  gewisse  Aenderungen  des  Zell- 
stonw  echsels  vorliegen,  die  aus  deu  im  Blut  erscheinenden  Re¬ 
aktionsprodukten  nicht  erschlossen  werden  können  und  für  die 
kcaKtion  im  Organismus  von  massgebender  Bedeutung  sind 
kur  die  merkwürdige  Tatsache,  dass  das  anaphylaktische 
berum  nur  wirkt,  wenn  es  einige  Zeit  vor  dem  Pferdeserum 
mjizieit  wird,  mochte  ich  vorläufig  die  von  Otto  gemachte 

Dr  A,rnn!!rCI'  dies .Diphtherieprüfungstiere,  die  mir  von  Herrn 
wurden,0 11  s  0  n  1,1  liebenswürdigster  Weise  zur  Verfügung  gestellt 


Erklärung  akzeptieren,  dass  die  wirksame  Substanz  von  den 
Körperzellen  gebunden  werden  muss.  Gerade  in  neuester  Zeit 
sind  ja  von  verschiedenen  Seiten  Beobachtungen  mitgeteilt 
worden,  welche  dafür  sprechen,  dass  bei  der  Immunisierung 
Reaktionsprodukte  auftreten  können,  welche  auf  Bestandteile 
des  eigenen  Organismus  wirken.  In  diesem  Sinne  dürfte 
wenigstens  die  von  Levaditi,  Fleischmann  und 
Michaelis  gefundene  Tatsache  zu  deuten  sein,  dass  das 
Serum  Luetischer  mit  normalem  Lebersaft  eine  Komplement- 
ablenkung  gibt.  Ich  erinnere  auch  an  die  sehr  interessanten 
Beobachtungen  von  Donath  und  Lausteiner  bei  der 
paroxysmalen  Hämoglobinurie  und  der  progressiven  Paralyse, 
bei  denen  es  zur  Bildung  von  Autohämolysinen  kommt.  Da  die 
ins  Serum  übertretenden  Reaktionsprodukte  wohl  jedenfalls 
mit  anderen  Bestandteilen  der  Zelle  in  chemischer  Verbindung 
gestanden,  hatten,  so  ist  es  verständlich,  dass  sie  auch  nach 
ihrer  Loslösung  aus  dem  Zellverband  Affinitäten  zu  normalen 
Zellbestandteilen  besitzen  können. 

Im  Anschluss  hieran  möchte  ich  noch  über  eine  Versuchs¬ 
reihe  berichten,  in  der  ich  festzustellen  suchte,  ob  auch  bei  dem 
klassischen  Beispiel  der  Anaphylaxie,  nämlich  der  Tuberkulin- 
überempfindlichkeit  eine  passive  Uebertragung  durch  das 
Serum  tuberkulöser  Tiere  möglich  ist. 

Versuch  VIII. 

•  ,*m  ,1]-  )  •  07  wei‘den  21.  Meerschweine  von  verschiedenem  Ge¬ 
wicht  mit  I  uberkelbazillenaufschwemmungen,  die  durch  Mischung 
\on  Kulturen  des  humanen  und  des  bovinen  Typus  tiergestellt  waren 
intraperitoneal  injiziert.  Am  5.  VI.  07  wird  den  Tieren  aus  der 
Kaiotis  Blut  entnommen,  wobei  35  ccm  Serum  (A)  resultieren. 
Meerschweinchen  I,  270  g  j 

”  M’  g  |  erhalten  am  5.  VI.  07  ie  10  ccm  Serum  (A). 

»  III,  245  g  J 

»  IM  235  g  erhält  am  6.  VI.  07  5  ccm  Serum  (A). 

VI  ?30°  ”  t  r  0  1 1  e  11 :  Meerschweinchen  V,  •  240  g,  Meerschweinchen 

,H-  j41!?  erhalten  am  7.  VI.  07  je  0,4  ccm  Alttuberkulin 

(nochst).  Die  Tiere  machen  einen  leichtkranken  Eindruck;  doch  ist 
irgend  ein  Unterschied  gegenüber  den  Kontrollen  nicht  zu  kon¬ 
statieren. 

Die  entbluteten  Tiere  gehen  sämtlich  nach  0,4  ccm  Alttuberkulin 
im  Verlauf  eines  I  ages  zu  gründe.  Die  Sektion  ergibt  in  den  tuber¬ 
kulösen  Herden  die  für  die  I  uberkulinwirkung  charakteristischen 
Veränderungen. 

Eine  Uebertragung  der  ruberkulinüberempfindlichkeit  auf 
normale  Meerschweine  ist  also  nicht  gelungen;  doch  möchte  ich 
diesem  negativen  Ergebnis  keine  zu  grosse  Bedeutung  beilegen. 
Hat  es  sich  doch  auch  bei  der  Serumanaphylaxie  ergeben,  dass 
ganz  bestimmte  Bedingungen  für  das  Zustandekommen  der 
Passiv  eil  Ueberempfindlichkeit  erfüllt  werden  müssen.  Viel¬ 
leicht  würden  sich  auch  bei  genauer  Verfolgung  der  Gewichts¬ 
and  Temperaturkurve  bessere  Resultate  erzielen  lassen. 


An  die  Mitteilung  dieser  Befunde  möchte  ich  noch  einige 
theoretische  Erörterungen  knüpfen.  Die  Möglichkeit  der  Ueber- 
tiagung  dei  Ueberempfindlichkeit  durch  das  Serum  Überemp¬ 
findlichei  Tiere  ist  geeignet,  für  die  Auffassung  der  Giftwirkung 
neue  Gesichtspunkte  zu  liefern.  Offenbar  müssen  wir  in  dem 
Vorgang  der  Vergiftung  nicht  lediglich  die  Einwirkung  eines 
Hemden  Agens  auf  den  Organismus  erblicken,  sondern  dabei 
auch  alle  jene  Reaktionen  berücksichtigen,  welche  die  Zellen 
unter  dem  Einfluss  des  geänderten  Zellstoffwechsels  ausführen8) 
Die  mitgeteilten  Versuche  zeigen,  dass  es  dabei  nicht  nur  zur 
Bildung  immunisierender,  sondern  auch  anaphylaktisierender 
Substanzen  kommt.  Wie  diese  nach  Seruminjektionen  erst 
beim  zweiten  Eingriff  in  Wirksamkeit  treten,  so  könnten  an 
sich  giftigere  Substanzen  schon  viel  schneller  zu  einer  Ueber- 
empfindhchkeit  führen,  die  dann  schon  auf  den  Ablauf  der 
Intoxikation  resp.  Infektion  von  Einfluss  ist.  Wie  weit  bei  den 
eigentlichen  Toxinen  derartige  Momente  mitspielen,  möchte  ich 
dahingestellt  sein  lassen.  Es  wäre  aber  in  Betracht  zu  ziehen 
ob  nicht  bei  denjenigen  Bakterien,  bei  denen  trotz  aller  Be¬ 
mühungen  die  Herstellung  eines  Giftes  in  vitro  bisher  nicht 
gelang,  die  Giftwirkung  durch  eine  während  der  Infektion  vom 
Körper  gebildete  Substanz  zustande  kommt.  Die  Infektion  mit 
einem  derartigen  Krankheitserreger  müsste  daher  für  den  Or- 

s)  Vergl.  v.  Pirquet  und  S  c  h  i  c  k  1.  c. 


3.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2417 


ranismus  vollkommen  unschädlich  sein,  wenn  dieser  die  Fähig¬ 
keit  zur  Bildung  der  anaphylaktisierenden  Substanz  verloren 
h  f  Derartige  Fälle  sind  nun  in  der  lat  von  bobern- 
h  e  i  m  a)  beim  Milzbrand  und  von  W  e  i  1  ,n)  bei  der  Infektion  der 
Kaninchen  mit  Hühnercholerabazillen  beobachtet  worden 
Hochimmunisierte  Tiere  sind  gegen  die  Infektion  durchaus  nicht 
geschützt.  Es  kann  sogar  zu  einer  richtigen  Sepsis  kommen 
ohne  dass  die  Tiere  dabei  erkranken  (S  ob  e  r  nheim).  Auch 
bei  dem  gegen  den  Milzbrand  refraktären  Frosch  ha  ten  sich  die 
Bazillen  ohne  eine  Erkrankung  hervorzuruten  \  Diese  hoch¬ 
interessanten  Befunde,  die  nach  den  bisherigen  Vorstellungen 
ganz  unverständlich  sind,  würden  durch  die  obige  Annahme 
eine  ungezwungene  Erklärung  finden,  Weiterhin  scheint  mir 
die  schon  gelegentlich  der  B  a  i  1  sehen  Tuberkuloseversuche 
von  Pirquet  und  Schick  diskutierte  Vermutung,  dass  an 
der  Agressinwirkung  Stoffe  beteiligt  sind,  die  der  infizier  e 
Organismus  bildet,  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  zu  sein.  Dass 
es  auch  bakterielle  Antigene  mit  Aggressmwirkung  gibt  ist  a 
durch  die  Versuche  von  Wassermann  und  C 1 1  r  o  n,  sov  le 
von  Levy  und  Fornet12)  namentlich  für  Halbparasiten  sicher¬ 
gestellt.  Aber  gerade  die  bereits  zitierte  von  W  e  1 1  bei  dei 
Hühnercholera  beobachtete  Erscheinung,  dass  trotz  der  Be¬ 
handlung  mit  Antiaggressin  die  Hühnercholerabazillen 
sich  im  Peritoneum  der  geschützten  Tiere  zunächst  in  gleicher 
Weise  vermehren  wie  bei  unbehandelten  Tieren  scheint  m 
einer  Erklärung  im  B  a  i  1  sehen  Sinne  Schwierigkeiten  zu  be¬ 
reiten.  Ich  halte  es  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  es  sich  in 
diesen  Versuchen  um  eine  Immunisierung  gegen  vom  Olga 
mus  gebildete  anaphylaktisierende  Substanzen  handelt. 

Die  Apoplexie  des  Nierenlagers. 

Von  Hofrat  Dr.  Doll  in  Karlsruhe. 

In  den  „Aerztlichen  Mitteilungen  aus  und  für  Baden“  (1906, 
No  20)  berichtete  ich  über  einen  Fall  von  Apoplexie  des 
Nierenlagers“  unter  der  Ueberschrift:  „Ein  Fall  von  ausge¬ 
dehnter  Blutung  in  die  Fettkapsel  einer  Niere  ™t  todhehem 
Ausgang“.  Die  Bezeichnung  „Apoplexie  des  Nierenlagers  , 
die  ich  als  kurz  und  prägnant  beizubehalten  vorschlug,  stammt 
aus  Wunderlich s  Pathologie  und  Therapie  vom  Jahre 
1856  Bd.  III.  Dort  ist  unter  den  Affektionen  des  Nierenlagers 
Seite  426  angeführt:  Die  Apoplexie  des  Nierenlagers.  Es  heisst 

dai*Ü ^Ursachen :  Stoss,  Verletzungen.  Erschütterungen,  zuweilen  auch 

kein' Anatomische ^  Oiaraktere:  mehr  oder  minder  starke  iUissige  oder 
geronnene  Blutlachen  in  der  Umgebung  der  Niere  oder  in  der  Niere 

kapsel.  Plötzliche  heftige  Schmerzen  in  der  Nierengegend, 

Geschwulst  fluktuierender  Art  im  Bauch,  Qhnmachten  und  so^ 
Zustand.  Entzündung  des  Peritoneums  und  Jod  Zremlic h 
kommen  auch  geringere  Blutungen  ohne  alle  oder  doch  ohne  betrac 

liehe  und  sichere  Symptome  vor.  .  sie  eine 

Niemals  ist  jedoch  die  Diagnose  so  sicher,  dass  aut  sie 

Therapie  gegründet  werden  könnte.“ 

Es  war  dies  der  einzige  Hinweis  auf  derartige  Vorkomm¬ 
nisse,  den  ich  hatte  auffinden  können.  Mein  sonstiges ;  Nac h- 
suchen  in  der  mir  zugänglichen  Lehrbuch-  und  Zeitschriften¬ 
literatur  war  ergebnislos  gewesen.  Ebenso  war  mir  auf  münd¬ 
liche  Anfrage  bei  einem  pathologischen  Anatomen  von  rach  der 
Bescheid  geworden,  dass  ihm  unter  seinem  Sektionsmaterial 
etwas  derartiges  nicht  erinnerlich  sei.  Demnach  müssen  w 
Blutungen  in  die  Nierenfettkapsel  von  solcher  Ausdehnung,  dass 
sie  klinisch  als  selbständiger  Symptomenkomplex  m  die  Er¬ 
scheinung  treten,  sehr  selten  sein.  . 

Bei  der  augenscheinlich  grossen  Seltenheit  dieser  Art  von 
Apoplexie  des  Nierenlagers“  ist  es  umso  merkwürdiger ,  dass 
mir  das  bekannte  Gesetz  von  der  Duplizität  der  Falle  fast  genau 
nach  Jahresfrist  einen  zweiten  gleichartigen  Fall  zutuhrte.  ße 
dem  ersten  Fall  brachte  erst  die  Autopsie  Klarheit  über  das, 
was  vorlag.  In  den  dem  Sektionsbericht  angefügten  epikriti- 
schen  Betrachtungen  (1.  c.)  glaubte  ich  die  Frage,  ob  eine  Apo- 

fl)  Kölle-Wassermann:  Handib.  d.  pathog.  Mikroorga¬ 
nismen,  Bd.  4,  2,  S.  813. 

10)  Arch.  f.  Hygiene.  Bd.  54,  S.  1 70—180. 

11)  Ditthorn:  Arch.  f.  Hygiene.  Bd.  57,  b.  aid. 

!-’)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  No.  26. 

No.  49^ 


plexie  des  Nierenfettlagers  am  Lebenden  diagnostiziert  werden 
könne,  bejahen  zu  dürfen.  Tatsächlich  konnte  bei  dem  zweiten 
Fall,  wo  sich  die  Analogie  der  Erscheinungen  mit  deinen  des 
ersten  Falles  geradezu  aufdrängte,  die  Diagnose  intra  vitam 
richtig  gestellt  werden. 

Es  soll  nun  im  Folgenden  der  erste  Fall  in  kurzem  Referat, 
der  zweite,  der  auf  der  Grundlage  dei  früheren  Erfahrung 
besser  und  mit  mehr  Verständnis  beobachtet  und  untersucht  ist, 
ausführlicher  mitgeteilt  werden.  Aus  beiden  zusammen  wird 
sich  dann  das  Symptomenbild  am  Kranken  und  das  anatomische 
Bild  an  der  Leiche  aufzeichnen  lassen. 

I  Fall.  60  jähriger  Beamter  mit  deutlicher  Arteriosklerose, 
Herzhypertrophie  und  chronischer  Nephritis.  Er  erkrankt  am  späten 
Abend  des  19.  Mai  1906  mit  einem  heftigen,  in  der  Gegend  der  linken 
Niere  lokalisierten  Schmerzanfall.  Am  nächsten  und  übernächsten 
Tae  ie  eine  gleichartige  Schmer.zattacke.  Nach  dem  3.  Anfall  auf¬ 
fallend  niedrige  Temperatur  (36,2),  nachdem  die  Körperwärme  vorher 
(um  38  u)  erhöht  gewesen  war..  Bei  dem  vielten  Schmerzanfall  a 
22  Mai  Erscheinungen  schwerer  Morphiumvergiftung  nach  einer  In¬ 
jektion  von  PA  cg,  derselben  Dosis,  die  bei  den  früheren  Anteilen  ohne 
Nebenwirkungen^  geblieben  war.  Die  auffallend  starke  Morphin- 
Wirkung  konnte  erst  später  als  Symptom  der  sonst  mJht  in  die  Augen 
fallenden  Anämie  gedeutet  werden.  Vom  dritten  Jag  der  Erkrankung 
an  wird  eine  tumorartige,  sehr  schmerzhafte  Resistenz  an i  der .linken 
Bauchseite  nachweisbar,  weiterhin  eine  grosse  prallelastische  je 
schwulst  mit  glatter  Oberfläche.  Am  dritten  Tag  abends  Anstieg 
der  Temperatur  auf  39,2  °.  Links  hinten  unten  Dampfung  und  Bron¬ 
chialatmen,  am  folgenden  Tag  dieselben  Verdichtungserscheinungen 
auch  im  rechten  Unterlappen,  links  noch  pleuritisches  Reiben.  D 
neben  rapider  Kräfteverfall  und  zeitweise  Trübung  des  Sensonums. 
In  den  letzten  24  Stunden  sehr  starker  Meteorismus  bei  durch¬ 
gängigem  Darm  mit  konsekutiver  äusserster  Atemnot.  In  den  letzten 
StSn  vor  dem  Tode  kam  noch  in  der  linken  Lendengegend  eine 
ca.  halbhandgrosse  blauschwarze  Verfärbung,  desgleichen  an  dei 
linken  Skrotalhälfte  eine  blutige  Suffusion  zum  Vorschein.  Exitus 
am  24  Mai  also  am  5.  l  ag  nach  dem  ersten  Schmerzanfall. 

Aus  dem  Sektionsbefund  sei  folgendes  hervorgehoben: 
Hypertrophie  des  linken  Ventrikels,  Sklerose  der  Koronararterien, 
Aorta  mit  reichlichen  Atheromherden.  Beide  Lungenunterlappen 
hvpostatisch  verdichtet,  links  geringe  Fibrinauflagerungen.  Das 
Zwerchfell  steht  besonders  in  seiner  linken  Hälfte  sehr  hoch.  Lebei 
anämisch  Därme  sehr  stark  gebläht,  das  Peritoneum  glatt  und 
spiegelnd  In  der  linken  Bauchseite  findet  sich  retro-peritoneal  ge¬ 
legen  ete  grosser  Tumor  von  blauschwarzer  Farbe  und  prallelastischer 
Konsistenz  Der  Tumor  ist  von  eliptischer  Gestalt  etwa  von  der 
Form  eines  grossen  Brotlaibes.  Nach  oben  reicht  er  bis  in  die  hoch¬ 
gedrängte  Zwerchfellskuppe,  sein  unteres  etwas  spitzer  ausgehendes 
Ende  verläuft  in  der  Richtung  des  linken  Ureters  bis  nahe  an  die 
Blase  Die  Umgebung  der  Geschwulst,  parietales  Peritoneum,  Mesen- 
feriurä  und  Bauchfellüberzug  der  Blase  sind  stellenweise  blutig 
suftundiert.  Wie  am  Lebenden  schon  konstatiert,  erstreckt  sich  d  e 
Blutunterlaufung  bis  unter  die  äussere  Haut  in  der  linken  Lenden¬ 
gegend  und  an  der  linken  Skrotalhälfte.  Auf  dem  Durchschnitt  erweist 
sich  der  Tumor  als  bestehend  aus  abwechselnden  Schichten  von  Fett¬ 
gewebe  und  geronnenem  Blut.  Das  gelbe  Fett  bildet  zu  der  dunkel- 
b  lausch  Warzen  Blutfarbe  einen  höchst  auffallenden  Kontrast.  Die 
Lagerung  der  einzelnen  Schichten  ist  eine  ziemlich  regelmassige  zu¬ 
einander  ihre  Dicke  ist  verschieden,  etwa  zwischen  /»  und  3  cm 
schwankend.  Das  ganze  Bild  hat  eine  frappante  Ähnlichkeit  mit 
einer  gewissen  Sorte  von  sogen.  Blutwürsten,  bei  denen  Speck  in 
Brocken  und  Streifen  in  die  Blutmasse  eingelagert  ist.  Von  dem 
Blutfett-Tumor  völlig  umschlossen  und  augenscheinlich  komprimiert 
hegt  die  sehr  anämische  linke  Niere  in  ihrer  -takten  Dich t  und  ohne 
Substanzverlust  abziehbaren  Capsula  propria.  Unter  dieser  keine 
Blutung  Die  rechte  Niere  von  etwas  anämischem  Aussehen,  ate 
weit  weniger  wie  die  linke,  erscheint  makroskopisch  nicht  verändert. 

II  Fall.  Korpulenter,  untersetzt  gebauter  41  jähriger  Mann. 
Patient  hat  immer  sehr  gut  gelebt,  in  baccho  et  in  venere  rta 
extravagiert.  Mit  20  Jahren  wurde  Syphilis  akquiriert.  Diese  E 
krankung  erwies  sich  als  sehr  hartnäckig,  denn  trotz  8  Hg-Kuren, 
teils  Einreibungen,  teils  Injektionen,  traten  immer  wieder  bis  111 
jüngste  Zeit  hinein  spezifische  Erscheinungen  teils  sekundärer,  teils 
tertiärer  Natur  auf.  Vor  1  Jahr  bestand  noch  ein  Ulcus  an  der  rechten 
Wade  seit  August  1906  eine  gummöse  Geschwulst  am  Zungengrund. 
Auf  kombinierte  Quecksilber-  und  Jodbehandlung  gingen  beide 

psgss&szssiSSEs 
£Slri=äS= 

SäsäS-äkä 

redU  Zwischendurch  lief  dann  in,  Jahr 

Erkrankung.  Ca.  8  Wochen  nach  einer  Trippennfektion  stellte  si 


241* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


hohes  Fieber  ein,  das  sich  mit  .interkurrenten  Schüttelfrösten  mehrere 
Wochen  hinzog.  Von  -dem  damals  behandelnden  Arzt,  Herrn  Hofrat 
Fr.  J  ross,  dessen  gütiger  Mitteilung  ich  diese  letzten  Daten  ver¬ 
danke,  und  dem  zur  Konsultation  zugezogenen  Qeh.  Rat  Kussmaul 
wurde  die  Diagnose  auf  linksseitigen  paranephritischen  Abszess  auf 
der  Grundlage  einer  aszendierten  Gonorrhoe  gestellt.  Als  man 
chirurgisches  Eingreifen  erwog,  brach  der  Abszess  in  den  Darm 
durch,  alle  Erscheinungen  schwanden  und  es  trat  rasche  Genesung  ein. 

Als  ich  am  13.  Mai  07  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Prof.  S  t  a  r  c  k 
die  häusliche  Behandlung  übernahm,  war  der  Pat.  wegen  leichter 
I  emperatursteigerungen  und  allgemeinen  Schwächegefühls  bei  gänz¬ 
lich  mangelndem  Appetit  und  absoluter  Schlaflosigkeit  bettlägerig 
geworden.  Herz  ca.  2  Finger  breit  nach  links  von  der  Mammillarlinie 
verbreitert,  Herztöne  rein,  keine  Geräusche  oder  besondere  Akzente, 

J  uls  um  100,  mässig  kräftig,  beide  Radialarterien  rigide  und  ge¬ 
schlängelt.  Die  Pulsation  und  die  pulsatorische  Verschiebung1) 
beider  Brachialarterien  war  auch  an  den  gestreckten  Armen  über 
dem  Ellbogen  deutlich  sichtbar.  Hypostatischer  Katarrh  hinten  unten 
beiderseits.  Urinmenge  reichlich,  2—3  Liter  in  24  Stunden,  geringe 
Eiw  eisstriibung,  spärliche  hyaline  Zylinder.  Die  Leber  war  mit 
stumpfem  Rand  durch  Palpation  und  Perkussion  als  vergrössert  nach¬ 
weisbar.  Die  nächsten  8  Tage  brachten  in  dem  Zustand  des  Kranken, 
ausser  dass  die  Fieberbewegungen  zurückgingen,  keine  wesentliche 
Aenderung. 

Am  21.  Mai  erfolgte  ein  leichter  zerebraler  Insult  mit  Parese  des 
rechten  Armes  und  des  rechten  Beines.  Während  die  Gehirner¬ 
scheinungen  in  einigen  Tagen  langsam  abklangen,  stellten  sich  an  den 
Nachmittagen  und  Abenden  wieder  Fieberbewegungen  ein  zwischen 
.  7to  und  38,8  schwankend,  um  von  da  an  nicht  mehr  zu  verschwinden 

Am  30.  Mai  abends  klagte  der  Kranke  plötzlich  über  heftige 
Schmerzen  im  Unterleib,  zunächst  diffus,  dann  mehr  auf  die  linke 
Seite  lokalisiert.  Für  Stuhlentleerung  war  gesorgt,  der  Darm  gut 
urchgangig,  der  Leib  weich,  nur  die  linke  Bauchseite  bei  der  Pal¬ 
pation  etwas  empfindlich.  Derartige  Schmerzattaken,  ganz  plötzlich 
und  anscheinend  ohne  äussere  Veranlassung  einsetzend,  wiederholten 
sich  nun  in  zunehmender  Intensität  jeweils  1—2  mal  in  24  Stunden 
Sie  konnten  nur  durch  Morphiuminjektionen  und  sonstige  narkotische 
Mittel  erträglich  gemacht  werden.  Immer  präziser  wurde  die 
Schmerzempfindung  in  das  linke  Hypochondrium,  in  die  linke  Bauch- 
seite  bis  nahe  an  den  Hüftbeinkamm  und  in  die  linke  Lendengegend 
lokalisiert.  Auch  wurde  diese,  ganze  Region  gegen  Palpationsdruck 
zunehmend  empfindlicher.  Ebenso  lösten  Bewegungen  und  Lage- 
Wechsel  (Aufachten  auf  die  Seite  legen  u.  dgl.)  Schraerzempfindung 
ri'-mT  weiten  Tag  nach  dem  ersten  Schmerzanfall  an  war  das 
^iefuhl  der  vermehrten  Resistenz  unverkennbar  und  in  abermals 
-  lagen  war  ein  grosser,  glatter,  prallelastischer,  bei  Druck  sehr 
schmerzhafter  bei  der  Atmung  sich  nicht  verschiebender  Tumor 

se it sC  *d  u  rch 1 P fiYT  3  e  1  ^ 1  c  h  en a b bä 11  g>  ge  n  Partien  des  Abdomens  linker- 
f'  ?  durch  Palpation  und  I  erkussion  deutlich  nachweisbar.  Weiter 
nach  innen  zu  folgte  durch  das  davor  gelagerte  Colon  descendens 

fchay^Nehen ' B' i?d  ^eiterhin  rein  tympanitischer  Darm- 
vf  m  NS  d  Entwicklung  dieser  Geschwulst  ging  eine  deutliche 
V  erschlechterung  des  Allgemeinbefindens  und  des  Kräftezustandes 
einher.  Der  Puls  wurde  frequenter  (120—140  Schläge),  die  Puls  wehe 

Mö!tler  Undi  s9j?wacher-  Auch  das  Kolorit  der  Haut  und  der  Sc'hleim- 
lautc  wurde  blasser.  Doch  war  dies  nur  für  die  durch  die  Erfahrung 
leim  ersten  Fall  geschärfte  Aufmerksamkeit  erkennbar  drängte  sich 
dem  Beobachter  nicht  ohne  Weiteres  auf.  Bei  der  Un  ersuchung  der 
Ruckenflache  fand  sich  vom  2.  Juni  ab  zunehmend  links  hinten  unten 

is  zui  -pitze  der  Skapula  reichende  Dämpfung  mit  aufgehobenem 
A tmungsgerauseh  und  fehlendem  Stimmfremitus.  Am  4.  Juni  wurde 
in  der  linken  Lumbalgegend  eine  teigig-ödematöse  flache  etwa  band 

merkt  r°Am  *4“  'd^  bTläulich  'durchschimmernde  Anschwellung  be- 
nn*  1  -kAT  f*  und  5-  Jun1’  den  beiden  letzten  Tagen  zeigte  der 
Unterleib  starke  meteoritische  Auftreibung  bei  durchgängigem  Darm 
Durch  den  Meteorismus  wurde  die  grosse  Gpsrhwnict  r 
weniger  deutlich  erkennbar.  Am  Abend®  des  d. 

S  [m,;juni  s^tzteaoc51  J’e  ein  Schmerzanfall  ein.  Am  Vormittag  des 

1  ::a^riKr*  selT  verfallen  bei  fadenförmigem  Puls  und 

Exitus.  ~  S  1  °  k  6  S  schem  Atmen.  Nachmittags  4  Uhr  erfolgte  der 

Sektion  am  6.  Juni  .abends  7  Uhr. 

Irn  rechten  Pleuraraum  wenig  Flüssigkeit,  links  etwas  mehr  Dpr 
nke  Unterlappen  durch  frische  pleuritische  Auflagermigen  an  seiTe 
ntci  lache  mit  dem  pleuralen  Zwerchfellüberzug  verklebt  Der 
linke  Unterlappen  hypostatisch  verdichtet,  in  geringerem  Masse  auch 

de  1  linken  ‘W"  HypfrtmKÄtaüS 

h^tt^efi^^n^  F  ^'sse^  ®  ^'^^dnn^und^schiiff^mi^starker 
bet  auflagerung  In  der  Aorta  ascendens  einzelne  kleine  Atherom 

nachweisbar  '  e'"e  B‘UtUn£  °der  ei"  Erweichungsherd  nicht 


No.  40, 


A  ,  V  Yfrgh  ”Dl'e  sichtbare  Pulsation  der  Arteria  brachialis  bei 
.1  tenosklerose  .  (Wiener  klin.  Rundschau  1907,  No.  13  u.  14.) 


förmiges,  ca.  2  Hand  grosses  Blutgerinnsel.  Das  Mesenterium  und 
ei ltoneum  parietale  ist  an  mehreren  Stellen  blutig  imbibiert  Leber 
gross,  derb,  graugelb,  auf  dem  Schnitt  in  ausgedehnten  ’  Partien 
höckerig  und  gekörnt  mit  verwischter  azinöser  Struktur  —  also  als 
hypertrophische  Leberzirrhose  zu  bezeichnen. 

Rechte  Niere  gross,  schlaff,  die  Kapsel  stellenweise  adhärent.  an 
der  Oberfläche  narbige  Einziehungen,  auf  dem  Durchschnitt  auffallend 
blass,  fleckig-weiss  aussehend,  also  mehr  das  Bild  der  grossen 
weissen  Niere.  Milz  dem  oberen  äusseren  Pol  des  gleich  zu  be¬ 
schreibenden  grossen  Tumors  flach  aufgelagert,  weich,  sonst  ohne 
Besonderheiten.  Nach  Ausräumung  der  gesamten  Raucheingeweide 
pi  äsender t  sich  in  der  linken  Bauchseite  hinter  Magen,  Colon  trans- 
versum  und  descendens  retroperitoneal  gelegen  ein  grosser 
blauschwarzer  I  umor  von  glatter  Oberfläche  und  prallelastischer 
Konsistenz  Er  reicht  nach  oben  bis  in  die  linke  Seite  der  Zwerch¬ 
fellkuppel  diese  empordräng^nd,  überragt  in  seiner  Mitte  nach  rechts 
,l.]m  1—2  biagerT  breit  die  Medianlinie  der  Lendenwirbelkörper 
füllt  die  ganze  lmke  Lendengrube  aus  und  erstreckt  sich  nach  unten 
bis  an  die  lmke  Seite  der  Blase.  Der  Tumor  hat  die  Form  eines  grossen 
länglichen  Brotlaibes  mit  einem  oberen  und  unteren  etwas  verjüngten 
a  igei  tmdeten  Pol.  Die  Geschwulst,  in  toto  herausgenommen,  misst 
.  dei  Lange  33  cm,  an  der  grössten  Breite  20  cm  und  an  der  dicksten 
Stelle  von  hinten  nach  vorn  13  cm.  Das  Gesamtgewicht  betrug 
schätzungsweise  3%-4  Pfund.  Beim  Durchschneiden  zeigt  der  Tumor 
folgende  Struktur:  Eine  äussere  Schicht  in  wechselnder  Dicke  (etwa 
2—5  cm)  besteht  aus  geronnenem  Blut  ohne  sonstige  Beimengungen 
Davon,  wie  von  einer  Schale  umschlossen,  liegt  der  eigentliche  Kern 
des  lumors,  bestehend  aus  einer  Mischung  von  geronnenem  Blut  und 
Fettgewebe  .in  abwechselnden  Lagen  und  Schichtungen. 

Das  Bild  ist  sehr  eigenartig  und  wechselnd,  je  nach  dem  ver- 

KCrno?en,fnnHIFCHenVerhaltnM  ,der  gleichsam  in  einander  geschobenen 
S°.N  d  Fettmassen.  Ueberwiegt  an  Masse  das  schwarze  Blut 
mit  dazwischen  liegenden  gelben  Fettinseln,  so  ist,  wie  in  der  Be¬ 
schreibung  des  ersten  Falles  hervorgehoben,  die  Aehnlichkeit  mit 
einer  Blu  wurst  frappant.  An  anderen  Stellen  wieder  prävaliert  das 
Fettgewebe,  und  seine  Zellgewebsinterstitien  sind  nur  von  einem 
wenige  Millimeter  breiten  schwarzen  Blutstreifen  eingenommen.  Hier 
L  der  Yei gleich  mit  der  zierlichen  Zeichnung  einer  von  dunklem 
Geäder  durchzogenen  gelben  Marmorplatte  zutreffender.  Mitten  in 
dieser  Fettblutgeschwulst  eingebettet  fand  sich  die  linke  Niere  Sie 
war  auffallend  klein,  schlaff,  welch  und  blass.  Aus  ihrer  Capsula 

anfPdPmknnnt  h  S  u  °!!,W  Subftanzverlust  ausgelöst  werden.  Si^war 
ihrefoT^en ’S  •VOn  b  assgelber  Farbe  und  liess  namentlich  in 
cL  5  D  ?  !  lne  richt>ge  Strukturzeichnung  für  die  makro¬ 

skopische  Betrachtung  fast  ganz  vermissen.  Unter  der  Capsula 

Hn°Pnna  TT  k-ein  BluterSuss,  dagegen  fand  sich  am  oberen  NRrenpol 
ein  unregelmassiger,  ca.  1  cm  langer  Riss  in  der  Cansuh  nmnria 
und  der  Nierenoberfläche.  Der  Riss  führte  in  eine  zirka  kirschkern- 
giosse  buchtig  unregelmässige  Höhle,  welche  der  Tiefe  nach  etwa  die 
Rindensubstanz  durchsetzte.  Diese  kleine  Höhle  war  mit  Sich 
lesthaftenden  Blutgerinnseln  ungefüllt. 

Rin+n?  drängtu  sich.dif  Vermutung  auf,  dass  hier  die  Quelle  der 
dnrluT  fu  .suchei?  sei,  doch  konnte  die  makroskopische  Betrachtung 
däruber  keinen  sicheren  Aufschluss  geben.  Die  linke  NiTTTYT 
ein  Stuck  der  Blutfettgeschwulst  wurden  an  das  pathologische  In- 
S  I  U  in  Heidelberg  übersandt.  Mit  der  gütigen  Erlaubnis  des  In¬ 
stitutes  mache  ich  von  dem  Ergebnis  der  dort  ausgeführten  Unter- 
up  ung  Gebrauch.  Der  Defekt  im  oberen  Nierenpol  wurde  als 
nekrotische  Partie  angesprochen.  Als  Ursprung  der  Blutung  wurde 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  ein  arteriosklerotisch  verändert^ 

L  a|s  'angenommen  und  zwar  eine  von  den  kleinen  Arterien  welche 

hätSt  de^R,HdeRf^icht  der,  Niere  in  die  Capsula  fibrosa  eintretel  Es 
.att.  also  die  Blutung  nach  der  einen  Seite  in  geringem  Umfang  in  die 

Bes?" t 'U chun°^  'es"  Stückes6  Bh^ tf^ttgesch w^ 

Bestätigung  des  makroskopischen  Bildes,  d.  h  einer  ausgedehnten 
Durchtrankung  des  Fettgewebes  mit  Blut.  ausgedehnten 

sklprnpQeh  rvS  e-  nDaSS  bei  beiden  Kranken  schwere  arterio¬ 
sklerotische  Veränderungen  Vorlagen  und  dass  diese  die  Qrund- 

lage  abgaben  für  die  Apoplexie  des  Nierenlagers  unterliegt 

wohl  keinem  Zweifel.  Also  besteht  auch  in  der  Aetiologie  eine 

vo  kommene :  Analogie  mit  der  Apoplexia  cerebri.  Im  ers  en 

ta  zweiten  FallVh)!  Ve"ia  Verb°  ~  Alter  Sklerose 

zweiten  raue  bei  einem  relativ  jugendlichen  Individuum 

der  ^  dCmi)1ann“  schwer  gefässschädigenden  Boden 
bu  Syphilis  und  des  Alkoholismus  gewachsen  Bei  beiden 

mdnZy,in?rurie  I»Trophhle'  bei  beide"  a“h  A&mÄ 
na  Zylindrurie,  als  Zeichen  chronischer  Nierenläsion.  Dass 

deC^eRiChtd0niSLC  1611  .N)erenerkrankungen  meist  mit  Erhöhung 

«SÄ  «'S.“' ’gÄ  Und  S°mit  GefässraP*-en  be- 


,1  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2419 


Sehr  bemerkenswert  ist  es,  dass  der  zweite  Patient  14 
lahre  vorher  einen  linksseitigen  paranephritischen  Abszess  mit 
Durchbruch  in  den  Darm  durchgemacht  hatte.  Soll  man  hier 
ein  blindes  Walten  des  Zufalls  annehmen  oder  soll  man  der 
Vermutung  Raum  geben,  dass  die  an  die  Paranephritis  sich  an¬ 
schliessende  Narbenbildung  eine  prädisponierende  „schwache 
Stelle“  sollte  hinterlassen  haben?  So  allgemein  ausgedrückt, 
mag  die  Sache  einigermassen  plausibel  klingen,  doch  ist  nicht 
recht  abzusehen,  inwiefern  die  Narbenbildung  schwere  skle¬ 
rotische  Gefässerkrankung  und  Gefässruptur  begünstigen 

sollte. 

Aus  dem  Verlauf  der  Apoplexie  des  Nierenlageis,  wie  er 
sich  in  beiden  Fällen  in  so  auffallender  Uebereinstimmung  ab¬ 
spielte  bedürfen  noch  einige  Punkte  einer  kritischem  Betrach¬ 
tung  '  Beide  Kranke  fieberten.  Nach  dem  Einsetzen  der 
Schmerzanfälle  als  Ausdruck  der  schubweisen  Blutungen  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  die  alsbald  beginnende  Resorption  ausge¬ 
tretenen  Blutes  die  unregelmässigen  Fieberbewegungen  mitbe¬ 
dingte.  Dass  die  Aufsaugung  grösserer  Blutergüsse,  auch  völlig 
aseptischen  Charakters,  Steigerungen  der  Körperwarme  her- 
vorrufen  kann,  dürfte  wohl  allgemein  anerkannt  sein.  Im  ersten 
Fall  lag  einmal  scheinbar  unvermittelt  dazwischen  ein  tiefer 
Abfall  bis  auf  36,2  °.  Er  stellt  wohl  die  unmittelbare  Kollaps¬ 
wirkung  einer  frischen  ausgiebigen  Blutung  dar.  Die  stärkeren 
Erhebungen  der  Temperatur  in  den  letzten  Tugen  und  Stunden 
finden  in  beiden  Fällen  ihre  Erklärung  in  den  hinzutretenden 
Lungen-  und  Pleurakomplikationen. 

Der  Aufbau  der  Tumoren  in  seiner  Gesamtheit  betrachtet, 
lässt  folgende  Erklärung  für  deren  Entstehung  zu:  Die  Blutung 
erfolgte  in  die  Fettkapsel  der  Niere  hinein  und  zwar  in  der 
Weise,  dass  die  Binde-  und  Zellgewebsinterstitien_  zwischen 
den  Fettlappen  und  -läppchen  das  Blut  aufnahmen,  fortleiteten 
und  von  ihm  mehr  oder  weniger  ausgefüllt  wurden.  Nachdem 
die  ganze  Fettkapsel  mit  Blut  vollgesogen  war  wie  ein 
Schwamm,  trat  das  Blut  aus  der  Fettkapsel  heraus  und  bildete 
eine  immer  noch  extraperitoneal  gelegene  Rindenschicht  von 
Blut  allein,  um  den  Blutfettumor  herum.  Als  dann  auch  hier 
die  Spannung  zu  stark  wurde,  durchbrach  das  Blut  irgendwo 
den  Peritonealüberzug  und  ergoss  sich  in  die  freie  Bauchhöhle. 
Die  bloss  aus  geronnenem  Blut  bestehende  Rindenschicht  war 
bei  dem  ersten  Fall  nicht  mit  der  Deutlichkeit  zu  erkennen, 
auch  hatte  ein  Durchbruch  durch  das  Peritoneum  mit  Er- 
giessung  in  die  freie  Bauchhöhle  dort  nicht  stattgefunden. 
Wenn  ich  in  der  Erinnerung  die  beiden  Fett-Blut-Geschwülste, 
welche  die  beiden,  etwa  ein  Jahr  auseinander  liegenden  Obduk¬ 
tionen  lieferten,  miteinander  vergleiche,  so  ist  ferner  als  kleinei 
Unterschied  hervorzuheben,  dass  wohl  überhaupt  in  dem  ersten 
Fall  das  Fettgewebe  quantitativ  einen  grösseren  Teil  der  Ge¬ 
samtgeschwulst  ausmachte.  Die  Fettbalken  zwischen  den 
Streifen  geronnenen  Blutes  waren  auf  der  Schnittfläche  im  all¬ 
gemeinen  breiter  und  reichlicher.  Dies  erweckte  bei  der  ersten 
Obduktion  die  Vermutung,  dass  vorher  schon  eine  geschwulst¬ 
artige  Fettanhäufung  in  dem  linken  Nierenlager  bestand,  dass 
es  sich  also  um  eine  Blutung  in  ein  präformiertes  Lipom  han¬ 
delte.  . 

Die  Blutung  ist  vermutlich  bei  beiden  Kranken  schubweise 
erfolgt.  Jede  neue  Blutung  hat  dann  durch  Verdrängung  der 
Umgebung,  Druck  und  Zerrung  einen  Schmerzanfall  ausgelöst. 
Kam  der  Gegendruck  der  anwachsenden  Geschwulst  dem 
Druck  des  ausströmenden  Blutes  gleich,  so  konnte  die  Blutung 
für  einige  Zeit  zum  Stehen  kommen.  Hatte  die  Geschwulst 
durch  allmähliche  Verdrängung  der  umgebenden  Baucheinge¬ 
weide  sich  wieder  Platz  geschafft,  so  liess  der  verminderte 
Gegendruck  wieder  eine  neue  Hämorrhagie  zu.  Aus  den  bei¬ 
den  Krankengeschichten  ist  ersichtlich,  dass  die  Schmerzanfälle 
in  ziemlich  regelmässigen  Intervallen  (1 — 2  mal  in  24  Stunden) 

auftraten.  . 

Sehr  wichtig  ist  die  Frage:  Was  bildet  bei  der  beschrie¬ 
benen  Apoplexie  des  Nierenlagers  die  unmittelbare  1  odes- 
ursache?  An  der  Hand  unserer  beiden  Beobachtungen  lässt 
sich  zunächst  negativ  sagen:  lediglich  Tod  durch  Anämie  in¬ 
folge  innerer  Verblutung  lag  nicht  vor.  Leider  wurde  bei  den 
Obduktionen  versäumt,  die  Blut-Fett-Geschwülste  zu  wiegen. 
Schätzungsweise  mag  jede  derselben  3/4 — 4  Pfd.  gevmgen 
haben.  Im  ersten  Fall  dürfte  etwa  die  Hälfte,  im  zweiten  rall 
etwa  zwei  Drittel  der  gesamten  Tumormasse  aus  geronnenem 


Blut  bestanden  haben.  Berücksichtigt  man  das  höhere  spezi¬ 
fische  Gewicht  des  Blutes  gegenüber  dem  Fettgewebe,  so  wird 
angenommen  werden  dürfen,  dass  beim  ersten  Fall  höchstens 
2X>,  im  zweiten  Fall  höchstens  3  Pfund  Blut  verloren  gegangen 
sind.  Nun  gelten  5  Pfund  Blut  als  die  Menge,  welche  als  ein¬ 
maliger  Verlust  beim  Erwachsenen  sicher  tötet,  doch  sind 
Todesfälle  nicht  selten  auch  bei  4  Pfund  Blut  und  darunter  be- 
obachtet. 

Diese  Zahlen  beziehen  sich  auf  einmalige  rasche  Blutungen, 
während  langsame,  mit  Unterbrechungen  und  Nachschüben  auL 
tretende  Hämorrhagien  leichter  ertragen  werden  können.  In 
unseren  beiden  Fällen  ist  die  unmittelbare  1  odesursache  in 
erster  Linie  in  der  Druckwirkung  der  rasch  wachsen  den 
Geschwülste  auf  ihre  Umgebung  zu  suchen.  Langsam,  inner¬ 
halb  Monaten  und  Jahren  anwachsende  Tumoren  im  Bauch¬ 
raum  können  bekanntlich  ein  weit  grösseres  Volumen  en  eichen, 
bis  sie  durch  Druck  und  Verdrängung  deletär  werden.  Die  all¬ 
mähliche  Vergrösserung  derartiger  Geschwülste  lässt  der  Um¬ 
gebung  genügende  Zeit  zur  Anpassung  und  zum  Ausweichen 
Unsere  raschwachsenden  Blut-Fett-Geschwülste  drängten 
namentlich  das  Zwerchfell  mächtig  empor.  Sie  bewirkten  da¬ 
durch  Kompression  und  Verdichtung  der  unteren  Lungenlappen 
und  Exsudatbildung  in  die  Pleurahöhlen  mit  konsekutiver  Be¬ 
einträchtigung  von  Atmung  und  Blutzirkulation. 

Eine  sehr  auffallende  Erscheinung  war  in  beiden  Fällen  der 
starke  Meteorismus.  Er  vermehrte  seinerseits  noch  die 
Hochdrängung  des  Diaphragmas  und  wirkte  auf  Atmung  und 
Herztätigkeit  in  hohem  Grad  erschwerend  und  schädigend  ein. 
Besonders  im  ersten  Fall  bildete  die  gewaltige  Gasauftreibung 
des  Unterleibes  ein  höchst  auffallendes  und  für  den  Kranken 
äusserst  qualvolles  Symptom.  Bei  den  Sektionen  fanden  sich 
Dünn-  und  Dickdarm  ziemlich  gleichmässig  von  der  meteo- 
ristischen  Aufblähung  betroffen.  Zur  Erklärung  dieses  allein 
schon  lebenbedrohenden  Meteorismus  muss  auch  die  Druck¬ 
wirkung  der  Geschwülste,  deren  rasches  Wachstum  eine  Adap¬ 
tierung  nicht  zuliess,  auf  die  Blutgefässe  und  den  Nei\ enappaiat 
des  Darmes  herangezogen  werden. 

Dass  die  klinische  Diagnose  der  Apoplexie 
des  Nierenlagers  ohne  besondere  Schwierigkeiten  mög¬ 
lich  ist,  demonstriert  der  zweite  Fall.  Da  der  palpa- 
torische  Nachweis  der  rasch  anwachsenden  Geschwulst 
das  Schlussglied  in  der  diagnostischen  Kette  bildet,  .  so 
ist  eine  einigermassen  sichere  Diagnose  nur  dann  möglich, 
wenn  die  Blutung  ausgedehnt  genug  ist,  um  einen  fühlbaren 
Tumor  zu  erzeugen.  Kleinere  Apoplexien  des  Nierenlagers  — 
die  Möglichkeit  ihres  Vorkommens  ist  wohl  nicht  von  der  Hand 
zu  weisen  —  dürften  nach  wie  vor  unerkannt  bleiben.  Sie 
können  auch  als  relativ  harmlose  und  das  Leben  nicht  direkt 
bedrohende  Vorkommnisse  angesehen  werden. 

Das  Symptomen  bild  der  Apoplexie  des  Nierenlagers, 
wie  es  unsere  beiden  Fälle  in  auffälliger  Gleichartigkeit  boten, 
setzt  sich  aus  den  folgenden  charakteristischen  Zügen  zu¬ 
sammen  :  ,  . 

1.  Gefässchädigende  und  blutdrucksteigernde  Affektionen, 
wie  Arteriosklerose,  chronische  Nephritis,  Lues  und  Alkohohs- 
mus,  kommen  als  aetiologische  Grundlagen  in  Frage. 

2.  Auftreten  von  kolikartigen  Schmerzen  in  einzelnen  An¬ 
fällen",  die  sich  in  kurzen  Intervallen  folgen.  Die 
Schmerzen  sitzen  in  der  Nierengegend,  sie  werden  als  unerträg¬ 
lich  heftig  und  dumpf-bohrend  bezeichnet.  Sie  strahlen  nach 
hinten  aus  nach  der  Lumbalgegend,  nach  unten  nach  dem  Daim- 
beinkamm  zu,  nicht  in  das  Skrotum  oder  den  Penis.  _ 

3  Die  Gegend,  in  der  die  Schmerzen  lokalisiert  sind,  zeigt 
bald  Schmerzhaftigkeit  bei  Druck,  desgleichen  bei  Lage- 


Wechsel. 

4  In  der  Nierengegend,  hinter  dem  Kolon  gelegen,  wird 
mit  zunehmender  Deutlichkeit  für  Perkussion  und  Palpation 
ein  sehr  druckempfindlicher,  prall-elastischer,  bei  dei  Atmung 
sich  nicht  verschiebender,  länglicher  lumor  mit  verwaschenei 
Abgrenzung  gegenüber  der  Umgebung  erkennbar. 

5  Während  des  Verlaufs  mässiges,  remittierendes  Eieber. 
Gegen  Schluss  höhere  Temperatursteigerungen.  Zwischen¬ 
durch  gelegentliches  tiefes  Absinken  der  Körperwärme  (Kol- 

|  O  T-)C  P  ) 

6.  Erscheinungen  mässiger  Anämie.  Rascher  Kräfteverfall 
und  Pulsverschlechterung. 

2* 


2420 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


7.  Hochdrängung  des  Zwerchfells,  Verdichtungserschei- 
nungen  in  den  unteren  Lungenlappen  und  Exsudatbildung  in  den 
Pleurahöhlen. 

8.  Starker  zunehmender  Meteorismus,  der  in  seiner  höch¬ 
sten  Entwicklung  die  Geschwulst  undeutlicher  werden  lässt. 

9.  Auftreten  teigiger  Hautanschwellung  in  der  Lumbal¬ 
gegend,  blauschwarze  Blutsuffusion  daselbst  und  am  Skrotum. 

Bei  den  beiden  beschriebenen  Fällen  war  das  linke 
Nierenlager  von  der  Apoplexie  betroffen.  Daraus  auf  eine  Be¬ 
vorzugung  der  linken  Seite  zu  schliessen,  ist  natürlich  nicht 
angängig.  Es  ist  anzunehmen,  dass  bei  der  Entwicklung  der 
Blut-Fett-Geschwulst  auf  der  rechten  Seite  das  Krankheitsbild, 
besonders  wegen  der  alsbald  eintretenden  Kollision  mit  der 
Leber  ein  etwas  anderes  sein  wird.  Beim  Sitz  auf  der  rechten 
Seite  kommt  bei  den  ersten  Schmerzanfällen  differentialdia¬ 
gnostisch  auch  noch  die  Cholezystitis  in  Frage. 

Wir  kommen  damit  überhaupt  zu  differentialdiagnostischen 
Erwägungen.  Bei  den  ersten  Schmerzattacken,  noch  ehe  eine 
Geschwulst  nachweisbar  ist,  wird  man  an  Nierenkolik  bezw. 
bei  rechtsseitigem  Sitz  auch  an  einen  Cholezystitisanfall  den¬ 
ken.  An  Heftigkeit  geben  sie  diesen  Schmerzattacken  nichts 
nach,  können  auch  mit  dem  bekannten  subjektiven  Vernich¬ 
tungsgefühl  verbunden  sein.  Als  Unterscheidungsmerkmale  ist 
hier  auf  folgendes  hinzuweisen:  Die  Schmerzanfälle  bei  der 
Apoplexie  des  Nierenlagers  folgen  einander  drauf  und  drein,  die 
Intervalle  betragen  6,  12,  höchstens  24  Stunden.  Die  Schmer¬ 
zen  strahlen  mehr  nach  der  Lendengegend  und  dem  Hüftbein¬ 
kamm  aus,  nicht  nach  der  Blase  oder  nach  Schulterblatt  und 
Schulter,  wie  bei  der  Gallensteinkolik.  Sehr  bald  wird  die 
ganze  betreffende  Oberbauchseite,  die  seitliche  abhängige  Par¬ 
tie  und  nach  hinten  die  Lumbalgegend  ausgesprochen  druck¬ 
empfindlich.  Desgleichen  wird  Lagewechsel  in  der  ganzen 
Region  schmerzhaft  empfunden,  so  dass  die  Kranken  ruhige 
Rückenlage  einhalten.  Anurie,  Blutharnen,  Konkrementabgang 
oder  sonstige  pathologische  Harnbestandteile  fehlen  natur- 
gemäss.  Die  Albuminurie  und  Zylindrurie  in  unseren  beiden 
Fällen  haben  selbständige  Bedeutung  und  werden  als  not¬ 
wendige  Begleiterscheinungen  nicht  anzusehen  sein.  Ist  erst 
einmal  die  Geschwulst  im  Abdomen  nachweisbar  geworden, 
so  taucht  als  diagnostische  Konkurrenz  so  ziemlich  das  ganze 
Heer  der  Unterleibstumoren  auf.  Solide  Nieren-,  Milz-  oder 
Pankreasgeschwülste  (Sarkome  und  Karzinome)  werden  sich 
mehr  hart  und  höckerig  anfühlen,  auch  bei  anderer  Form  eine 
schärfere  Abgrenzung  von  der  Umgebung  gestatten.  Hydro- 
und  Pyonephrosensäcke  bieten  Fluktuation,  sollen  mit  der 
Atmung  meist  verschieblich  sein,  auch  pflegen  entsprechende 
Harnveränderungen  nicht  zu  fehlen.  Paranephritische  Abszesse 
werden  mehr  das  Bild  einer  hochfieberhaften  Erkrankung,  even¬ 
tuell  mit  Schüttelfrösten  bieten,  sie  werden  allgemeine  Schmerz¬ 
haftigkeit,  aber  nicht  kolikartige  Schmerzanfälle  bedingen. 

Besondere  Erwähnung  verdienen  noch  die  zystischen 
Nebennierentumoren,  wie  sie  neuerdings  unter  der  Bezeichnung 
„Struma  suprarenalis  cystica  haemorrhagica“  beschrieben 
sind  ■)•  Es  handelt  sich  hier  um  mächtige,  bis  mannskopf¬ 
grosse,  im  rechten  oder  linken  Hypochondrium  gelegene  zysti¬ 
sche  Geschwülste.  Sie  gehen  hervor  aus  einer  Nebennieren¬ 
blutung,  einer  Nebennierenapoplexie.  Nach  Arnaud 3)  ver¬ 
laufen  Nebennierenblutungen  in  mehr  als  der  Hälfte  der  Fälle 
(sein  Sammelmaterial  umfasst  80  Fälle)  latent  und  ohne  sicht¬ 
bare  Rückäusserung  auf  den  Organismus,  in  seltenen  Fällen 
dagegen  entw  ickeln  sich  daraus  unförmige  Abdominaltumoren. 
Zum  Vergleich  mit  unserer  Blut-Fett-Geschwulst  des  Nieren¬ 
lagers  interessieren  uns  gerade  diese  aus  Hämorrhagien  hervor¬ 
gegangenen  grossen  Nebennierenzysten.  Ueber  einen  Fall 
dieser  Art  aus  der  Züricher  Klinik,  der  von  Krön  lein  mit 
ungünstigem  Ausgang  operiert  wurde,  berichtet  Heu  sehen 
m  der  oben  zitierten  Arbeit.  6  weitere  einschlägige  Fälle  stellt 
er  aus  der  Literatur  zusammen.  Diese  Zysten  sind  langsam 
im  Laufe  von  Monaten  und  Jahren  herangewachsen.  Sie  haben 
öfters,  wie  angenommen  wird  bei  Nachschüben  der  Blutung,  zu 
Schmerzanfällen,  zu  „schmerzhaften  Krisen“ 
geführt,  offenbar  aber  nur  in  grösseren  Intervallen.  In 
dt-iu  aus  dei  Züricher  Klinik  ausführlich  beschriebenen  Fall 


-)  Dr.  Karl  Hen  sehen:  Ueber  Struma  suprarenalis  cystica 
haemorrhagica.  Beitr.  z.  klin.  Chirurgie,  Bd.  49,  p.  217. 

!)  Cit.  von  H  e  n  s  c  h  e  n,  p.  240  ff. 


hatte  die  grosse  zystische  Geschwulst  annähernd  Kugelform, 
sie  war  bei  Druck  nicht  schmerzhaft,  bot  deutliche  Fluktuation 
und  keine  respiratorische  Verschieblicnkeit.  Von  Interesse  ist 
die  grosse  Toleranz  der  Umgebung  gegenüber  diesen  ganz  all¬ 
mählich  wachsenden  Tumoren.  Mächtige  Empordrängung  des 
Zwerchfells,  starke  Verlagerung  des  Herzens,  sowie  die  Kom¬ 
pression  beträchtlicher  Lungenteile  wurden  mit  verhältnis¬ 
mässig  geringen  Beschwerden  geraume  Zeit  ertragen.  Das 
ein  und  andere  Mal  war  die  grosse  Zystengeschwulst  überhaupt 
nur  ein  zufälliger  klinischer  oder  anatomischer  Befund.  Im 
schroffen  Gegensatz  hierzu  sahen  wir  unsere  rapid  wachsenden 
Blut-Fett-Geschwülste  durch  eine  räumlich  weniger  ausge¬ 
dehnte,  aber  brüske  Verdrängung  der  Nachbarorgane  in 
wenig  lagen  den  Ted  herbeiführen.  Ueberhaupt  sind  hervor¬ 
zuheben  als  die  beiden  wichtigsten  und  wesentlichsten  klini¬ 
schen  Unterscheidungsmerkmale  für  die  das  Produkt  der  Apo¬ 
plexie  des  Nierenlagers  darstellende  Blut-Fett-Geschwulst 
gegenüber  der  Gesamtheit  der  anderen  Unterleibstumoren,  iein- 
mal  das  rasche  Aufeinanderfolgen  der  Schmerzattacken,  sodann 
die  Entstehung  einer  umfänglichen  Geschwulst  in  der  Nieren¬ 
gegend  in  ganz  kurzer  Frist  sozusagen  unter  den  Hän¬ 
den  des  Beobachters. 

Da  sich  der  Versuch  dieser  diagnostischen  und  differential¬ 
diagnostischen  Schilderung  nur  auf  2  Fälle  stützt,  so  ist  wohl 
möglich,  ja  wahrscheinlich,  dass  weitere  einschlägige  Beobach¬ 
tungen  den  einen  oder  anderen  Zug  an  diesem  Bild  modifizieren 
oder  neue  Züge  demselben  hinzufügen  werden. 

Um  nun  noch  kurz  auf  die  Therapie  bei  der  Apoplexie  des 
Nierenlagers  einzugehen,  so  drängt  sich  die  Frage  in  den  Vor¬ 
dergrund,  ob  etwa  ein  kühner  operativer  Eingriff  einige  Aus¬ 
sicht  auf  ^Erfolg  bieten  könnte.  Das  letzte  Wort  hat  hier  natür¬ 
lich  der  Chirurge  von  Fach  zu  sprechen,  doch  mögen  auch  dem 
Internisten  einige  allgemeine  Betrachtungen  gestattet  sein.  Was 
wäre  Zweck  und  Ziel  einer  chirurgischen  Intervention?  Die 
Stillung  der  Gefässblutung.  Also  wäre  auf  dem  Weg  der  La¬ 
parotomie  einzugeheir,  die  teils  noch  flüssige,  teils  geronnene 
retroperitoneale  Blutansammlung  auszuräumen,  das  rupturierte" 
Gefäss  aufzusuchen  und  zu  versorgen.  Wenn  man  aber  die 
mutmassliche  anatomische  Lage  des  blutenden  Gefässes  be¬ 
denkt,  so  würde  sich  die  Notwendigkeit  ergeben,  in  der  tiefsten 
Tiefe  der  Bauchhöhle  unter  stets  neuer  Blutüberschwemmung 
die  Nierenfettkapsel  nach  einem  spritzenden  Gefäss  zu  durch¬ 
wühlen.  Oder  sollte  man  lieber  von  einem  lumbalen  Schnitt 
aus  eindringen?  Man  würde  hier  mitten  in  die  Blut-Fett- 
Geschwulst  hineinfallen  und  jeder  Orientierungsmöglichkeit  be¬ 
laubt  sein.  Ein  anderer  Gedanke  wäre  der,  von  vorn  von  der 
Bauchhöhle  aus  die  ganze  Blut-Fett-Geschwulst  samt  der  darin 
eingeschlossenen  Niere  unter  Ligierung  der  Nierengefässe  in 
toto  zu  exstirpieren.  Die  arterielle  Versorgung  der  Nieren¬ 
fettkapsel,  die  Arteriae  adiposae  entspringen  bekanntlich  aus 
der  Arieria  renalis  kurz  vor  deren  Eintritt  in  die  Niere.  Bei 
unseren  beiden  Obduktionen  war  die  Entfernung  der  Ge¬ 
schwulstmasse  im  ganzen,  selbst  nachdem  die  sämtlichen  son¬ 
stigen  Baucheingeweide  ausgepackt  waren,  recht  schwierig  und 
umständlich.  Namentlich  war  die  Auslösung  aus  dem  tiefen 
lumbosakralen  Bett,  wo  ja  eine  genaue  Abgrenzung  von  der 
hinteren  Bauchwand  überhaupt  nicht  besteht,  recht  mühsam. 
Das  würde  sich  am  Lebenden  zu  einem  technisch  kaum  aus¬ 
führbaren  Eingriff  gestalten.  Dabei  kommt  als  Erschwerung 
noch  hinzu,  dass  der  Eingriff  an  einem  schon  erheblich  ge¬ 
schwächten  Individuum  mit  defektem  Zirkulationsapparat  vor¬ 
zunehmen  wäre.  Andererseits  wollen  wir  nicht  vergessen, 
dass  die  moderne^  chirurgische  Technik  schon  manches  über¬ 
wunden  hat,  was  für  unüberwindbar  galt,  und  dass  gegenüber 
Affektionen  mit  sonst  ganz  infauster  Prognose  auch  xcenig  aus¬ 
sichtsvollen  Encheiresen  eine  Berechtigung  zuzuerkennen  ist. 

Aus  dei  inneren  Abteilung  des  Elisabethhospitals  in  Bochum 

(Chefarzt:  Dr.  Nage  1). 

Zur  Therapie  der  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica. 

Von  Max  Többen,  Medizinalpraktikant. 

Die  dem  Elisabethhospital  zugehenden  Fälle  von  Meningitis 
cerebrospinalis  epidemica  werden  z.  Z.  behandelt  mit  Injek¬ 
tionen  von  Meningokokkenheilserum  (hergestellt  im  Königl. 
Institut  für  Infektionskrankheiten  in  Berlin)  und  Lumbalpunk- 


a. 


Dezember  1907. _ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2421 


tionen  Durch  die  Punktion  wird  eine  genaue  Diagnose  er¬ 
möglicht-  in  jedem  Falle  von  Meningitis  wurde  die  Zerebro¬ 
spinalflüssigkeit  bakteriologisch  untersucht  (grösstenteils  vom 
bakteriologischen  Untersuchungsamt  in  Bochum)  Schon  ma¬ 
kroskopisch  ergibt  die  Zerebrospinalflüssigkeit  mit  Wahrschein¬ 
lichkeit  Aufschluss  über  den  Krankheitsprozess;  erscheint  die 
Flüssigkeit  klar,  so  liegt  bei  sonst  ausgesprochen  memngitischen 
Ercheinungen,  falls  die  Krankheitserscheinungen  schon  mehrere 
Tage  Dauer  hatten,  fast  sicher  eine  Meningitis  tuberculosa  vor; 
ist  der  Liquor  dagegen  trübe,  so  verstärkt  das  den  Verdacht 
auf  eine  echte  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica;  nur  m 
sehr  wenigen  Fällen  ergab  bei  getrübter  Flüssigkeit  die  Sektion 
eine  Meningitis  tuberculosa.  Dagegen  haben  wir  bei  echter 
Meningitis  cerebrospinalis  epidemica  nur  äusserst  selten  und 
dann  nur  in  den  ersten  Krankheitstagen  einen  ganz  klaren 
Liquor  gesehen.  Die  Punktion  wird  hier  jedesmal  wiederholt, 
wenn  das  Fieber  ansteigt,  wenn  über  Kopfschmerzen  geklagt 
wird,  Erbrechen  einsetzt  oder  die  Somnolenz  zunimmt.  Die 
Aenderung  in  dem  subjektiven  Befinden  des  Patienten  nach  dei 
Punktion  war  oft  so  auffallend,  dass  den  Krankenschwestern 
bald  der  Nutzen  der  Punktion  augenfällig  wurde.  Namentlich 
wurde  oft  das  Bewusstsein  klarer,  die  Kopfschmerzen  nahmen 
ab  unruhige  Kranke  wurden  ruhiger  und  der  Schlaf  ein  besse¬ 
rer,  das  Erbrechen  liess  nach;  auf  die  Nackenstarre  scheint  die 
Punktion  keinen  nennenswerten  Einfluss  auszuüben.  Die  Menge 
der  bei  der  Punktion  abgelassenen  Flüssigkeit  betrug  25  -40  bis 
höchstens  50  ccm;  traten  Kopfschmerzen  auf,  so  wurde  die 
Punktion  sofort  abgebrochen.  Irgend  welche  schädliche  rol- 
gen  der  Punktion  kamen  hier  nicht  zur  Beobachtung.  Ist  die 
F’unkticnsnadel  gut  geschärft,  so  ist  der  Eingriff  nicht  sehr 
schmerzhaft  und  kann  ohne  jede  Anästhesie  gerade  so  gut  Ver¬ 
tragen  werden,  wie  eine  Aszites-  oder  Pleurapunktion.  Ob  die 
Punktion  allein  auch  auf  den  Krankheitsprczess  einen  heilenden 
Einfluss  ausübt,  ist  schwer  zu  entscheiden;  man  kann  sich  ja 
vorstellen,  dass  durch  ein  periodisches  Ablassen  des  Liquoi , 
d.  h.  also  durch  Vermeidung  eines  zu  hohen  Druckes  eine 
Schädigung  wichtiger  Flirnteile  vermieden  werde.  Allerdings 
hält  z.  B.  R  omberg *)  die  Lumbalpunktion  bei  der  Genick¬ 
starre  nur  in  den  seltensten  Fällen  für  indizieit,  da  hier  die 
Schädigung  lebenswichtiger  Teile  durch  erhöhten  Druck  ganz 
gegen  die  entzündlichen  Veränderungen  zurückzutreten  pflege, 
die  Lumbalpunktion  solle  hier  meist  nur  diagnostische  Auf¬ 
gaben  erfüllen.  Auch  andere  Autoren  können  die  Lumbal¬ 
punktion  als  einen  Heilfaktor  nicht  anerkennen;  so  hat  z.  B. 
Kr  oberl 2)  einen  Heilerfolg  nach  der  Lumbalpunktion  in 
keinem  Falle  beobachtet.  Dieudonne3 4)  sagt,  dass  die 
Punktion  für  das  Endergebnis  des  Falles  von  keinem  deutlichen 
Erfolg  sei.  Auch  B  r  o  e  r  ’)  hat  in  bezug  auf  das  Befinden  des 
Patienten  keinen  wesentlichen  Vorteil  in  der  Punktion  er¬ 
blicken  können.  Lenhartz  5 *)  glaubt  dagegen  an  Hand  eines 
grösseren  Materials,  dass  durch  die  regelmässig  und  häufig 
wiederholte  Lumbalpunktion  der  Krankheitsprozess  entschieden 
günstig  beeinflusst  werde  und  dass  man  imstande  sei,  dadurch 
die  drohende  Lebensgefahr  öfter  abzuwenden.  Ebenso  tritt 
Vo'rschütz0)  für  die  Lumbalpunktion  ein,  allerdings  in  Ver¬ 
bindung  mit  Bier  scher  Stauung.  Nach  den.  Erfahrungen 
Jo  chm  an  ns7 *)  erzielt  man  den  besten  Erfolg  mit  Lumbal¬ 
punktionen  im  Verein  mit  Seruminjektionen.  Dem  glauben  auch 
wir  uns  anschliessen  zu  sollen.  Bis  Mitte  Juni  4.  J.  wurden  hier 
alle  Meningitisfälle  nur  mit  Punktion  behandelt,  neben  der  üb¬ 
lichen  symptomatischenTherapie.  Von  da  an  wurde  das  K  o  1 1  e- 
W  assermann  sehe  Serum  neben  der  Punktion  verwandt. 
Die  Injektionen  werden  subkutan  gemacht  und  nur  in  schweren 
Fällen  intradural,  ohne  dass  wir  hier  davon  einen  wesentlich 
besseren  Erfolg  gesehen  hätten,  als  von  der  subkutanen  Me- 


l)  Romberg  in  v.  Meri  11  g  s  „Lehrbuch  der  inneren  Medizin“, 
Auf).  1905,  S.  131. 

-’)  Ueber  7  Fälle  von  epidemischer  Genickstarre  etc.  von  Ln. 
E.  K  r  ö  b  e  r.  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  35,  28.  Aug.  1906. 

3)  Dr.  Dieudonne  etc.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906, 

No.  35. 

4)  Dr.  Broer:  Münch,  med.  Wochenschr.,  24.  Juli  1906. 

5)  H.  Lenhartz:  Münch,  med.  Wochenschr.,  21.  März  1905, 

No.  12.  „ 

“)  Vor  schütz:  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  M.  11  u.  1-. 

7)  Joch  mann:  Deutsche  med.  Wochenschr.  1906,  No.  20. 


thode.  3  mal  beobachteten  wir  bei  29  mit  Serum  behandelten 
Fällen  den  Ausbruch  eines  Exanthems.  Bezüglich  der  Injek¬ 
tionsmenge  hielten  wir  uns  an  die  dem  Heilserum  beigegebene 
Gebrauchsanweisung,  wonach  Kinder  unter  einem  Jahre  5  ccm, 
ältere  10  ccm  und  Erwachsene  20  ccm  bekommen  sollen.  Ging 
nach  dieser  Dosis  das  Fieber  nicht  herab,  resp.  wurde  das 
Allgemeinbefinden  des  Kranken  kein  besseres,  so  wurde  die 
Injektion  wiederholt.  Das  Fieber  fiel  bei  den  hiesigen  Fällen, 
meist  am  2.  Tage  nach  der  Injektion.  Bei  erneutem  Fieber¬ 
anstieg  und  bei  Eintreten  von  Erbrechen,  Kopfschmerzen,  über¬ 
haupt  bei  Verschlimmerung  des  Krankheitsbildes  wurde  erneut 
injiziert  neben  der  immer  wiederholten  Punktion. 

Das  Ergebnis  der  Behandlung  der  hiesigen  Genickstane- 

fälle  ist  folgendes:  .  . 

Von  66  (seit  1.  Januar  1907)  Fällen  von  Meningitis  cerebro¬ 
spinalis  epidemica  (nur  mikroskopisch  resp.  kulturell  ,esP- 
durch  die  Sektion  sicher  gestellte  Fälle  finden  hier  Berück¬ 
sichtigung)  starben  31  =  47  Proz.  Mortalität.  Davon  wurden 
37  Fälle  ohne  Serum  nur  mit  Punktionen  behandelt  mit  einer 
Mortalität  von  56,7  Proz.  (21  Todesfälle).  Die  übrigen  29  mit 
Serum  und  Punktionen  behandelten  Fälle  ergaben  eine  Mor¬ 
talität  von  34,5  Proz.  (10  Todesfälle).  Davon  kamen  in  Be¬ 
handlung;  _  ,  ~ 

Am  1. — 2.  Krankheitstage  12  Fälle  mit  2  Todesfällen  16.6  1  10z. 

M01  talität.  •  li  t*  j  z  11 oz  d  'y 

Am  3. — 4.  Krankheitstage  4  Fälle  mit  1  Todefall  —  2o  1  10z. 

Mortalität.  ,  .  .....  __.OAT 

Am  5_ 6.— 7. Krankheitstage  7  Fälle  mit  3  Todesfällen— 42,9  1  10z. 

Mortalität.  .  ^ 

Am  8.  und  folgenden  Krankheitstagen  6  Falle  mit  4  Todesfällen 

66,6  Proz.  Mortalität. 

Es  ergibt  sich  also,  dass  die  Erfolge  bei  unseren  Fallen  um 
so  besser  waren,  je  früher  die  Kranken  der  Serumbehandlung 
unterzogen  werden.  Zu  einem  ähnlichen  Ffrgebnis  kommt  auch 
Wassermann8).  Allerdings  ergibt  der  ja  gerade  bei  dei 
Meningitis  cerebrospinalis  sich  zeigende  Wechsel  in  bezug  auf 
die  Schwere  der  Krankheitsbilder  —  dementsprechend  schwan¬ 
ken  die  sich  in  der  Literatur  findenden  Mortalitätsangaben 
zwischen  20  und  80  Proz.  —  die  grosse  Schwierigkeit,  irgend 
einer  therapeutischen  Massnahme  eine  sichere  Heilkraft  zuzu¬ 
schreiben.  Und  doch  erscheint  uns  bei  Gegenüberstellung 
unserer  nur  mit  Punktionen  und  der  mit  Serum  und  Punktionen 
behandelten  Fälle  diese  kombinierte  Therapie  die  aussichts¬ 
vollere.  Jedenfalls  ermutigen  die  bisher  erzielten  Resultate 
dazu,  in  jedem  Falle  von  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica 
das  Serum  in  ausgiebigstem  Masse  anzuwenden;  erst  grössere 
Versuchsreihen  können  über  den  Wert  des  Serums  ein  ab¬ 
schliessendes  Urteil  fällen. 


3000  Aethylchloridnarkosen. 

Von  Dr.  Herrenknecht,  Privatdozent  in  Freiburg  i/B. 

Bei  Abfassung  meiner  Arbeit  über  Aethylchlorid  und 
Aethylchloridnarkose  D  hatte  ich  eigene  Erfahrung  bei  etwa 
250  Narkosen,  und  heute  nach  fast  4  Jahren  hat  die  Zahl  meiner 
'Narkosen  mit  Aethylchlorid  die  Zahl  von  3000  schon  über¬ 
schritten. 

Schon  daraus  geht  hervor,  dass  mich  das  Aethylchloi  id 
als  Narkotikum  befriedigt  hat,  und  ich  bin  sogar,  wie  die  meisten 
Aerzte  und  Zahnärzte,  die  es  kennen  gelernt  haben,  ein  treuer 
und  begeisterter  Anhänger  dieses  Mittels  geworden. 

Vor  4  Jahren  habe  ich  18  000  als  mutmassliche  Zahl  der  bis 
dahin  mit  Aethylchlorid  vorgenommenen  Narkosen  bezeichnet 
und  heute  berechnet  sich  die  Zahl  wohl  nach  Hunderttausenden, 
da  das  Mittel  nicht  nur  in  Deutschland,  England,  der  Schweiz 
und  anderen  europäischen  Ländern,  sondern  hauptsächlich  auch 
in  Nordamerika  eine  sehr  grosse  Verbreitung  gefunden  hat. 
Eine  bestimmte  Zahl  lässt  sich  aber  auch  nicht  annähernd  genau 
angeben,  dazu  wären  statistische  Erhebungen  nötig,  die  sich 
auf  die  Kliniken,  die  Aerzte  und  Zahnärzte  der  verschiedenen 
Länder  erstrecken  müssten. 

Ausser  bei  Zahnextraktionen  hat  sich  das  Mittel  bei  vielen 
anderen,  kurzdauernden  Operationen  sehr  gut  bewährt,  ins¬ 
besondere  bei  Eröffnung  von  Abszessen,  Inzisionen  von  Pana- 


8)  Wassermann:  Deutsche  med.  V  < 

*)  Verlag  von  G.  Thieme,  Leipzig  P> 


..nschr.  No.  39.  1907. 


2422 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


ritien,  7  onsillektomien,  Nasenoperationen,  Parazentesen  des 
i  rommelfelles,  Behandlung  von  Frakturen  und  Luxationen  u.  a. 

Das  Mittel  hat  sich  besonders  auch  in  der  geburtshilflichen 
und  gynäkologischen  Praxis  sehr  bewährt,  wofür  spricht,  dass 
z.  B.  in  der  Freiburger  Universitäts-Frauenklinik  bisher  etwa 
500  Aethylchloridnarkosen  gemacht  wurden  und  zwar  zu 
inneren  Untersuchungen,  inneren  Beckenmessungen,  Metreu- 
rysen,  Beckenausgangszangen,  Zervixdilatationen,  Abortaus¬ 
räumungen,  zur  Einleitung  jeder  anderen  Inhalationsnarkose 
u.  a.  In  der  chirurgischen  Klinik  fand  das  Mittel  etwa  20  mal, 
ebenfalls  mit  befriedigendem  Erfolg,  Anwendung  zu  Zahn¬ 
extraktionen  und  Eröffnung  von  Abszessen.  Auch  kenne  ich 
eine  ganze  Reihe  von  Aerzten  und  Zahnärzten,  die  in  hunderten 
von  Fällen  Aethylchlorid  zur  Narkose  verwendet  haben. 

Im  Ganzen  bin  ich  der  Anwendungsweise,  wie  ich  sie  in 
meiner  erwähnten  Arbeit  beschrieben  habe,  und  dem  Instru¬ 
mentarium  treu  geblieben,  und  ich  will  in  Folgendem  mich 
darauf  beschränken,  nur  das  anzuführen,  was  zur  Erzielung 
einer  befriedigenden  Narkose  hauptsächlich  zu  berücksichtigen 
ist,  und  was  sich  durch  die  grössere  Erfahrung  anders  heraus¬ 
gestellt  hat,  als  ich  früher  angenommen  hatte. 

Als  Maske  verwende  ich  immer  noch  dieEsmarcn  sehe  Chloro¬ 
formmaske  mit  meiner  Modifikation,  die  darin  besteht,  dass  die 
Maske  mit  einem  undurchlässigen  Gummistoff  so  überzogen  wird, 
dass  durch  einen  Metallbügel  ein  Hohlraum  zwischen  Flanellüberzug 
und  Gummiüberzug  entsteht.  Der  Gummiüberzug  erhält  in  der  Mitte 
eine  etwa  fünfpfennigstückgrosse  Oeffnung,  durch  die  das  Aethyl¬ 
chlorid  auf  den  Flanellüberzug  gespritzt  wird.  Der  rings  etwa  zwei 
Zentimeter  vorspringende  Rand  des  Gummiüberzuges  wird  möglichst 
dicht  an  das  Gesicht  angepresst,  sodass  die  Inspirationsluft  fast  nur 
durch  die  Oeffnung  in  der  Maske  zutreten  kann  und  den  mit  Aethyl¬ 
chlorid  angefeuchteten  Flanellüberzug  durchdringen  muss. 

Es  ist  sehr  wichtig,  dass  die  Maske  richtig  anliegt  und 
deswegen  ist  die  einzige  Aufgabe  einer  Hilfsperson  die,  die 
Maske  vor  das  Gesicht  zu  halten.  Das  Aufspritzen  des  Aethyl- 
chlorids  und  die  Beobachtung  des  Pulses  usw.  geschieht  durch 
den  Operateur  oder  durch  einen  Assistenten. 

Bei  der  Exspiration  entweicht  die  Luft  zum  Teil  durch  den 
runden  Ausschnitt  des  Gummiüberzuges,  zum  Teil  auch  an  den 
Stellen,  die  dem  Gesicht  nicht  dicht  anliegen.  Um  zu  vermeiden, 
dass  bei  der  Exspiration  allzuviel  Aethylchlorid  unverbraucht 
verloien  geht  —  man  bemerkt  oft,  wie  die  Aethylchlorid- 
dämpfe  sichtbar  herausgeschleudert  werden  —  pflege  ich  zur 
Ersparung  des  Aethylchlorids  während  der  Exspiration  mit 
einer  Fingerkuppe  den  Ausschnitt  der  Maske  zu  verschliessen. 
Die  Luft  entweicht  dann  nur  am  Rande  der  Maske,  ohne  den 
Flanellüberzug  zu  durchdringen,  wodurch  dann  mit  der  Exspi- 
lationsluft  fast  nur  Aethylchloriddämpfe,  die  die  Lunge  passiert 
haben,  entweichen. 

Bei  Beginn  der  Inspiration  wird  der  Finger  jeweils  sofort 
wieder  entfernt,  die  Luft  wird  dann  hauptsächlich  durch  den 
Ausschnitt  des  Gummiüberzuges  und  durch  den  Flanellüberzug 
inspiriert  und  hier  mit  neuen  Aethylchloriddämpfen  gesättigt. 

Hierdurch  erreiche  ich  eine  solche  Ersparnis  an  Aethyl¬ 
chlorid,  dass  ich  gewöhnlich  mit  2,0  bis  3,0  g  Aethylchlorid  für 
eine  Narkose  auskomme  und  fast  nie  mehr  als  5,0  g  gebrauche 
Aus  diesem  Grunde  verwende  ich  auch  nicht  mehr  die  je  5  g 
enthaltenden  Tuben,  sondern  nur  die  graduierten  50—100  g  ent¬ 
haltenden  Glastuben  mit  automatischem  Verschluss.  Die  Kosten 
für  die  einzelne  Narkose  werden  dadurch  geringer.  Bei  Ver- 

5g-luben  kostet  eine  Narkose  mindestens 
Mk.  0,40,  bei  Verwendung  von  50  g-Tuben  etwa  Mk.  0,25  und 
ua  ich  aber  das  Aethylchlorid  in  Blechgefässen  von  einem 
Kilogramm  beziehe  und  in  50  g  haltige  Glastuben  selbst 
abzmhe  so  kostet  das  Aethylchlorid  für  eine  Narkose  nur 
etwa  Mk.  0,05,  da  das  Kilogramm  Aethylchlorid  in  Metall- 

dlC  Tner  wi.eder  verwendet  werden  kann,  nur 

o  Mk.  kostet.  Das  Abfüllen  ist  sehr  einfach  vorzunehmen. 

(Nebenbei  bemerkt,  fülle  ich  auch  die  Mischung  von  Aethvl- 
chlorid  und  Methylchlorid,  die  zur  Erreichung  von  lokaler 
Anästhesie  schneller  und  besser  wirkt,  als  Aethylchlorid  allein, 

M »Jl?eZügSQÜ*ne:,Dr\  Robisc|i.  München,  von  wo  auch  die 
;  7s*\e  bezogen  werden  kann,  wenn  man  sich  dieselbe  nicht  selbst 
aniertigen  will;  die  nähere  Beschreibung  und  Abbildung  der  Maske 
findet  sich  auf  pag.  14  und  16  meiner  Arbeit. 


in  derselben  Weise  und  mit  demselben  finanziellen  Erfolg 
selbst  ab.) 

Da  ich  zahlreiche  Patienten  mit  dem  besten  Erfolge  und 
ohne  unangenehme  Begleiterscheinung  mit  Aethylchlorid 
narkotisiert  habe,  die  schwere  Lungen-  und  Herzveränderungen 
hatten,  entschliesse  ich  mich  viel  leichter,  auch  solche  Patienten 
einer  Narkose  zu  unterziehen,  als  früher,  wo  man  fast  allein 
auf  Chloroform  und  Aether  angewiesen  war. 

Mehrere  Patienten  wurden  narkotisiert,  die  eine  akute 
Bronchitis  hatten,  oder  die  einige  Tage  zuvor,  infolge  von 
Lungentuberkulose  Lungenblutungen  hatten,  oder  die  an 
asthmatischen  Anfällen  litten,  ohne  dass  der  Verlauf  der 
Narkose  oder  die  Krankheit  unangenehm  beeinflusst  wurden. 

Auch  bei  Patienten  mit  Klappenveränderung  des  Herzens 
oder  Arteriosklerose  und  unregelmässiger  Herztätigkeit  sah 
ich  nie  während  oder  nach  der  Narkose  eine  Störung. 
Eine  Frau  war  infolge  von  Verdauungsstörungen  und  tage- 
angen  Zahnschmerzen  derart  elend  und  anämisch,  dass  der 
Radialpuls  kaum  zu  fühlen  war.  Nur  mit  Widerstreben  ent¬ 
schloss  ich  mich  zur  Narkose,  dieselbe  verlief  aber  sehr  gut 
und  nach  einigen  Inhalationen  von  Aethylchlorid  war  der  kleine 
Radialpuls  deutlicher  zu  fühlen;  unangenehme  Nachwirkungen 
stellten  sich  auch  hier  nicht  ein. 

In  fünf  Fällen  gelang  es  mir  nicht,  eine  Narkose  zu  erzielen. 
Einen  Fall  habe  ich  schon  in  meiner  Arbeit  beschrieben.  Hier¬ 
bei  handelte  es  sich  um  eine  Patientin  mit  chronischer  Nephritis, 
wo  10  g  Aethylchlorid  zur  Anwendung  kamen  und  wo  wegen 
heftiger  Abwehrbewegungen  die  Maske  wieder  entfernt  wurde, 
ehe  noch  eine  narkotische  Wirkung  erzielt  worden  war. 

Diese  Patientin  hatte  etwa  fünf  Minuten  lang  einen  sehr  ver- 

T  ww m  1 C rVrki'e  111  ei!  Pl,lls’  ,klaffte  über  Kopfweh  und  über  schmerzhaften 
Druck  am  Hals,  sah  elend  und  blass  aus  und  hatte  das  Gefühl  starken 

Uwn1S  ab,er  kei,?en  Brechreiz-  Die  Patientin  erholte  sich  sehr 
schnell  wieder  vollständig  ohne  besondere  Massnahme,  Sie  wurde 
nur  horizontal  gelegt.  Um  Idiosynkrasie  gegen  Aethylchlorid  —  die 
\C1  s.onst  'lle,  beobachtet  habe  —  handelte  es  sich  hierbei  nicht, 
da  ich  enuge  Wochen  voiher  bei  derselben  Patientin  mit  5  g  Aethvl- 
eniond  eine  ganz  befriedigende  Narkose  erzielt  hatte.  Hier  war 
der  schlechte  Erfoig  wohl  auf  Vaguserregung  durch  das  Aethylchlorid 
zuruckzufuhren,  wozu  die  Nephritis  und  die  Nervosität  das  ihrige 
eitrugen.  Eine  Schädigung  der  Nieren  durch  das  Aethylchlorid 
wurde  weder  hier,  noch  in  einem  anderen  Fall  beobachtet. 

ln  einem  Falle  Hess  ich  etwa  5  g  inhalieren  und  gab  den  Versuch 
eine  Narkose  zu  erzielen,  deswegen  auf,  weil  der  Patient  über  uner- 
traghehes  Herzklopfen  klagte.  Der  Patient,  ein  iunger  Herr,  litt,  wie 
ich  nachher  erfuhr  schon  längere  Zeit  an  Arrhythmie  des  Pulses,  die 
von  den  ihn  behandelnden  Aerzten  auf  Herzmuskelveränderung  infolge 
einer  früher  durchgemachten  schweren  Infektionskrankheit  zurückge- 
fuhrt  wurde.  Der  Patient  war  ein  eifriger  Bergsteiger  und  hatte  kurz 
voiher  eine  grössere  anstrengende  Tour  gemacht. 

,  U  einem  anderen  Falle  handelte  es  sich  um  eine  hochgradig  neur- 
asthenische,  ängstliche  Patientin,  bei  der  Chloroform  ebenso  ver- 
*n  einem  solchen  Falle  würde  ich  künftighin  eine  Stunde  vor 
Einleitung  der  Narkose  0,01  Morhium  und  0,0002  Skopolamin  injizieren 
und  ich  bin  uberzeugt,  dass  damit  in  jedem  Falle  schnei!  eine  be- 
i!i  !vi  6  Ijarkose  zu  erzielen  wäre,  und  zwar  nicht  allein  mit  Aethyl- 
cnlorid,  sondern  auch  mit  jedem  anderen  Inhalationsanästhetikum. 

Die  Erfahrungen,  die  in  der  hiesigen  Frauenklinik  unter 
Piofessor  Krönig  gemacht  wurden,  wo  sehr  häufig  skopo- 
laminisierte  Patienten  noch  Aethylchlorid  erhalten,  sprechen 
dafür,  dass  die  Kombination  von  Morphiumskopolamin  und 
Aethylchlorid  nicht  nur  keine  besonderen  Gefahren  einschliesst, 
sondein  sogar  immer  zu  einem  schnell  eintretenden,  vollstän¬ 
digen  Schlafzustand  führt,  ohne  besondere  Nachwirkungen  im 
Gefolge  zu  haben. 

In  den  anderen  Fällen,  wo  keine  Narkose  erzielt  wurde, 
v  aren  es  Patienten,  die  gleich  nach  den  ersten  Atemzügen, 
*L0C  |  (die  das  Aethylchlorid  zur  Wirkung  gekommen  war,  die 
Maske  vom  Gesicht  wegrissen  und  trotz  allen  Zuredens  nicht 
mein  zu  veranlassen  waren,  sich  die  Maske  nochmals  auflegen 
zu  lassen  und  bei  denen  man  aber  die  gewaltsame  Einleitung 
der  Narkose,  wie  dies  ja  mitunter,  hauptsächlich  bei  Kindern 
notig  ist,  vermeiden  wollte. 

In  einigen  Fällen  wurde  die  Narkose  nur  mit  Aethylchlorid 
eingeleitet  und  ohne  Unterbrechung  mit  Chloroform  unterhalten. 
a.  B.  in  einem  Falle,  wo  eine  veraltete  Luxation  des  Ober¬ 
en  nies  längere  Zeit  eine  vollständige  Muskelerschlaffung  nötig 
machte  und  in  einem  anderen  Falle,  wo  eine  87  jährige  Dame 
w  egen  einer  Blasensteinoperation  längere  Zeit  in  tiefer  Narkose 


3.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2423 


verbleiben  musste.  Oefters  wurde  die  Narkose  längere  Zeit 
bis  zu  20  Minuten  unterhalten.  Hierbei  wird  so  verfahren,  dass 
nach  eingetretener  Narkose  die  Maske  ruhig  liegen  bleibt  und 
nur  wieder  neues  Aethylchlorid  aufgespritzt  wird,  wenn  der 
Patient  zu  reagieren  anfängt.  Für  jede  Minute  ist  etwa  ein 
weiteres  Gramm  Aethylchlorid  erforderlich. 

In  einigen  Fällen  wurde  kurz  nach  Ablauf  der  Narkose  eine 
zweite  eingeleitet,  wobei  zu  bemerken  war,  dass  zur  zweiten 
Narkose  noch  weniger  Aethylchlorid  aufgespritzt  werden 
musste,  als  zur  ersten.  Der  Verlauf  auch  der  zweiten  Narkose 
war  immer  durchaus  befriedigend. 

Unangenehme  Nachwirkungen,  wie  Erbrechen  oder  Uebel- 
keit  traten  nur  selten  auf  und  nur  dann,  wenn  eine  längere  oder 
tiefe  Narkose  oder  zwei  Narkosen  hintereinander  eingeleitet 
wurden.  Einigemale  sah  ich  direkt  anschliessend  an  die  Nar¬ 
kose  leichte,  kurzdauernde  hysterische  Anfälle. 

Gesunde,  kräftige  Patienten  lasse  ich  nach  normaler  Nar¬ 
kose,  wenn  nötig,  ohne  Begleitung  sofort  nach  Hause  gehen. 
Nur  schwächliche,  anämische  oder  nervöse  Patienten  pflege  ich 
während  einer  Viertelstunde  sich  erholen  zu  lassen  und  ich 
sorge  dafür,  dass  sie  von  Jemanden  nach  Hause  begleitet 
werden,  da  dieselben  mitunter  noch  längere  Zeit  über  Schwin¬ 
delgefühl  klagen.  Nur  sehr  selten  wurde  über  länger  an¬ 
haltendes  Kopfweh  geklagt,  das  aber  nach  Verabreichung  von 

0,5 _ 1,0  Aspirin  bald  und  vollständig  verschwand. 

Entgegen  meiner  früheren  Erfahrung  habe  ich  manche 
Patienten  ganz  zusammenhanglos  sprechen  und  Lieder  singen 

gehört.  ,  ,  ,.  ~  .. 

Wichtiger  aber  ist  meine  Beobachtung,  dass  die  1  raume 

häufig  erotischen  Inhalt  haben.  Die  Frau  eines  Arztes  z.  B.,  die 
in  Gegenwart  ihres  Mannes  narkotisiert  wurde,  hatte  die  Vor¬ 
stellung,  es  sei  ihr  Gewalt  angetan  worden,  und  der  Eindruck 
haftete  so  fest  in  ihrer  Erinnerung,  dass  es  sehr  schwer  war, 
sie  davon  zu  überzeugen,  dass  sie  nur  geträumt  habe. 

Auch  bei  Männern  kommt  es  mitunter  zu  Träumen  mit 
erotischem  Inhalt.  Aus  Gesichtsausdruck  und  dem  übiigen 
Verhalten  der  Patienten  kann  oft  auf  den  Inhalt  des  Traumes 
geschlossen  werden.  Häufig  erinnert  sich  der  Patient  nicht 
mehr  an  die  Träume,  oder  will  sich  wenigstens  nicht  mehr 

daran  erinnern.  . 

Einmal  behauptete  eine  Patientin  ganz  fest,  sie  wäre 
während  der  Narkose  auf  den  Kopf  geschlagen  worden,  und  sie 
beschuldigte  nachher  mit  aller  Bestimmtheit  als  Täter  einen 
Herrn,  der  bei  der  Narkose  überhaupt  nicht  zugegen  war. 

Ein  anderes  Mal  glaubte  ein  Patient,  er  sollte  ermordet 
werden,  und  da  diese  Vorstellung  sich  einstellte,  ehe  er  voll¬ 
ständig  narkotisiert  war,  ist  es  nur  unter  Anwendung  von 
grosser  Kraft  möglich  gewesen,  sich  vor  seiner  energischen 
Verteidigung  zu  schützen. 

Im  übrigen  sind  meine  Erfahrungen  ungefähr  dieselben  ge¬ 
blieben,  wie  ich  sie  in  meiner  Arbeit  niedergelegt  habe. 

Nach  meiner  grösseren  Erfahrung  glaube  ich  viel  Stadien 
der  Aethylchloridnarkose  unterscheiden  zu  dürfen,  nämlich. 

1.  das  pränarkotische,  analgetische  Stadium, 

2.  das  Exzitationsstadium, 

3.  das  Stadium  des  tiefen  Schlafes  und 

4.  das  postnarkotische,  analgetische  Stadium. 

Von  vornherein  will  ich  bemerken,  dass  vom  zweiten,  dem 
Exzitationsstadium  nur  sehr  selten  etwas  zu  bemerken  ist.  Ge¬ 
wöhnlich  tritt  das  dritte  Stadium  schon  nach  34  bis  1 34  Minuten 
ein,  ohne  jedes  Symptom  einer  vorausgegangenen  Exzitation. 
Nur  bei  Alkoholikern  oder  nervösen  und  aufgeregten  Patienten 
sieht  man  hie  und  da  Exzitationserscheinungen.  Diese  sind  mit 
Sicherheit  auch  bei  derartigen  Patienten  zu  vermeiden,  wenn 
man  vor  der  Narkose  Morphium  oder  noch  besser  Morphium¬ 
skopolamin  gibt. 

Das  erste  Stadium  ist  hauptsächlich  dadurch  charakterisiert, 
dass  Puls-  und  Atmungsfrequenz  abnimmt,  die  Atmung  tiefer 
wird  und  mässige  Muskelspannung  auftritt,  die  sich  oft  auch 
dem  Auge,  z.  B.  durch  Krümmung  der  Finger  oder  Flexions¬ 
stellung  der  Füsse  bemerkbar  macht.  Bei  Untersuchung  der 
Augen  werden  wir  wohl  fast  immer  finden,  dass  die  Bulbi  nach 
innen  oben  gerichtet  sind. 

Eine  Untersuchung  der  Augen  mache  ich  jetzt  aber  nicht 
mehr,  weil  die  Pupillen  in  der  Aethylchloridnarkose  kein 


charakteristisches  Verhalten  zeigen  und  weil  der  Kornealreflex 
sehr  spät,  erst  nachdem  Analgesie  längst  eingetreten  ist,  zu 
verschwinden  pflegt,  die  Untersuchung  der  Augen  aber  den 
Eintritt  der  Narkose  nur  immer  verzögern  würde. 

Kurz  dauernde  operative  Eingriffe,  etwa  solche  von  einer 
Dauer  von  34  bis  1  Minute,  z.  B.  die  Extraktion  einiger  Zähne, 
Spaltung  eines  Abszesses,  Inzision  eines  Panaritiums,  können 
sehr  gut  im  ersten  Stadium  vorgenommen  werden.  Der  Patient 
fühlt  hierbei,  dass  etwas  mit  ihm  geschieht,  er  hört  z.  B.  das 
Krachen  beim  Zahnziehen,  er  schreit  vielleicht  auch  laut  auf. 
Nach  vollständigem  Erwachen  gibt  er  aber  fast  regelmässig  an, 
keine  Schmerzen  gefühlt  zu  haben,  wohl  aber  habe  er  gemerkt, 
dass  etwas  gemacht  wurde.  Ein  Kollege  z.  B.,  dem  im  ersten 
Stadium  der  Narkose  ein  schweres  Panaritium  aufgeschnitten 
wurde,  schimpfte  laut  und  fragte:  „Was  will  denn  der  ver¬ 
fluchte  Kerl“;  er  machte  aber  gar  keine  Abwehrbewegungen 
und  gab  nach  dem  Erwachen  an,  nicht  die  geringste  Schmerz¬ 
empfindung  gehabt  zu  haben. 

Wie  ich  früher  schon  angab,  verschwindet  das  Gehör¬ 
vermögen  zuletzt  und  stellt  sich  zuerst  wieder  ein  und  oft 
wissen  die  Patienten  nach  dem  Erwachen,  was  gesprochen 
wurde  und  deswegen  befolgen  sie  oft  auch  das,  was  man  ihnen 
zu  tun  befiehlt.  Analgesie  ist  aber  doch  vorhanden. 

Ist  das  erste  Stadium  überschritten  und  zeigen  sich 
Exzitationserscheinungen,  muss  mit  Aufgiessen  von  Aethyl¬ 
chlorid  fortgefahren  werden,  bis  das  dritte  Stadium  eingetreten 
ist,  und  dieses  Stadium  ist  gekennzeichnet  durch  Muskel¬ 
erschlaffung  und  vollständige  Reaktionslosigkeit  auf  äussere 
Reize  usw.  Oft  hört  man  das  Schwirren  des  vollständig  er¬ 
schlafften  Gaumensegels.  Der  Patient  bietet  das  Bild  eines 
ruhig  Schlafenden. 

Ganz  ähnlich  wie  im  ersten  Stadium  ist  das  Verhalten  der 
Patienten  im  vierten  Stadium,  nur  dass  die  Patienten  oft  einen 
vollkommen  wachen  Eindruck  machen.  Sie  spülen  z.  B.  auf 
Aufforderung  den  Mund  aus,  legen  sich  dann  ruhig  wieder  hin, 
schreien  oft,  wenn  der  operative  Eingriff  fortgesetzt  wird, 
machen  aber  keine  Abwehrungsbewegungen,  denn  Schmerzen 
fühlen  sie  ja  keine  oder  keine  nennenswerten,  wie  sie  nachher 
gewöhnlich  versichern.  Wichtig  ist  hierbei  die  Fragestellung. 
Man  darf  nicht  fragen:  „Hatten  Sie  Schmerzen“  oder  ähnlich, 
sondern:  „Nicht  wahr,  Sie  spürten  wohl  vielleicht  etwas,  aber 
Schmerzen  hatten  Sie  keine?“,  worauf  man  fast  immer  eine 
bejahende  Antwort  erhalten  wird. 

Das  vierte  Stadium  fehlt  fast  nie  und  auch  dann  nicht,  wenn 
das  dritte  Stadium  gar  nicht  erreicht  war,  und  nach  Eintritt  des 
ersten  Stadiums  mit  der  Verabfolgung  von  Aethylchlorid  auf¬ 
gehört  worden  war.  Das  Ende  auch  des  vierten  Stadiums  er¬ 
kennt  man  daran,  dass  der  Patient  Abwehrbewegungen  macht 
und  über  Schmerzen  klagt.  Ist  in  einem  solchen  Falle  die 
Operation  noch  nicht  beendigt,  so  kann  sofort  unbedenklich 
eine  neue  Narkose  eingeleitet  werden.  Da  Aethylchlorid  kein 
Angst-  oder  Erstickungsgefühl  verursacht,  pflegen  sich  die 
Patienten  fast  immer  gerne  wieder  einer  neuen  Narkose  zu 
unterziehen,  was  man  bei  den  anderen  Mitteln  gewöhnlich 
nicht  sagen  kann. 

Zweckmässigerweise  vergewissert  man  sich  vom  Eintritt 
des  ersten  bezw.  dritten  Stadiums  der  Narkose  dadurch,  dass 
man  dem  Patienten  die  Haut  des  Unterarmes  oder  der  Hand 
kneift  und  frägt,  ob  er  etwas  fühle.  Erfolgt  keine  Antwort,  ist 
Analgesie  vorhanden,  und  mit  der  Operation  kann  begonnen 
werden. 

Ist  eine  länger  andauernde  Narkose  erwünscht,  dann  stehe 
ich  noch  auf  demselben  Standpunkt  wie  früher,  dass  es  am 
besten  ist,  die  Narkose  mit  Aethylchlorid  einzuleiten  und  mit 
Aether  oder  Chloroform  zu  unterhalten. 

Eine  schwere  Störung,  einen  Kollaps  oder  dergl.  habe  ich 
nie  erlebt,  auch  nicht  bei  Kombination  von  verschiedenen  An- 
ästhetizis,  was  ich  darauf  zurückführe,  dass  ich  mit  Aethyl¬ 
chlorid  sparsam  und  vorsichtig  umgehe. 

Die  bis  zum  Jahre  1903  eingetretenen  Unglücksfälle  bei 
Aethylchlorid  habe  ich  einzeln  kritisch  behandelt,  und  glaube 
nachgewiesen  zu  haben,  dass  mit  Ausnahme  eines  einzigen 
Falles,  wo  aber  der  Patient  in  3  Minuten  10,0  Aethylchlorid 
erhalten  hatte,  kein  einziger  mit  zweifelloser  Berechtigung  dem 
Aethylchlorid  zugeschrieben  werden  kann,  und  auch  die  mii 


2424 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


seither  bekannt  gewordenen  schweren  Erscheinungen  und 
i  odesfälle  während  der  Aethylchloridnarkose  darf  man  nicht 
ohne  weiteres  auf  das  Aethylchlorid  zurückführen.  Teilweise 
handelte  es  sich  um  Narkosen,  die  nur  mit  Aethylchlorid  ein¬ 
geleitet  und  mit  Chloroform  fortgesetzt  worden  waren,  teilweise 
um  Patienten  mit  derart  starken  Veränderungen  im  Gefäss- 
oder  Atmungssystem,  dass  auch  die  Schockwirkung  der  Opera¬ 
tion  allein  einen  Unglücksfall  herbeiführen  konnte  und  ausser¬ 
dem  wurden  immer  Masken  verwendet,  von  denen  ich  nicht 
sicher  bin,  ob  sie  die  Garantie  boten,  dass  jeweils  genügend 
frische  Luft  zutreten  konnte,  denn  sehr  wichtig  ist  es,  darauf 
zu  achten,  dass  die  exspirierte  Luft  nicht  wieder  eingeatmet 
wird,  dass  also  nicht  etwa  eine  Wirkung  der  Kohlensäure  zu 
der  des  Aethylchlorids  hinzutritt.  Gefährlich  ist  natürlich  bei 
einem  so  intensiv  wirkenden  Mittel,  das  imstande  ist,  so  schnell 
eine  Narkose  herbeizuführen,  wenn  in  kurzer  Zeit  zu  viel  ge¬ 
geben  wird.  Die  Narkosenbreite  ist  bei  Aethylchlorid  offenbar 
nicht  gross  und  kann  deswegen  leicht  überschritten  werden, 
und  es  darf  deswegen  nicht  immer  wieder  neues  Aethylchlorid 
auf  die  Maske  aufgespritzt  werden,  um  ja  sicher  eine  tiefe 
Narkose  zu  unterhalten.  Das  Aethylchlorid,  das  sich  noch  nach 
eingetretener  Narkose  unverdampft  auf  dem  Flanellüberzug 
vorfindet,  genügt  gewöhnlich,  um  die  Narkose  noch  etwa 
3  Minuten  zu  unterhalten,  die  Maske  braucht  nur  ständig  und 
dicht  liegen  zu  bleiben. 

Wenn  der  Patient  zu  reagieren  anfängt,  wäre  es  noch  Zeit 
genug,  neues  Aethylchlorid  aufzuspritzen,  um  ihn  schnell  wieder 
in  tiefen  Schlaf  zu  versetzen.  Wie  ich  aber  schon  sagte,  halte 
ich  es  für  besser,  dass,  wenn  eine  Narkose  von  längerer  Dauer 
als  5  Minuten  nötig  ist,  Aethylchlorid  nur  zur  Einleitung  der 
Narkose  und  zur  Verlängerung  derselben  Aether  oder  Chloro¬ 
form  verwendet  wird. 

Nach  den  Tierversuchen  und  den  anderwärts  bei  Patienten 
gemachten  Erfahrungen  pflegt  bei  Aethylchlorid  die  Atmung 
zuerst  zu  sistieren  und  dann  erst  pflegt  die  Herztätigkeit  nach¬ 
zulassen.  Daher  dürfte  bei  drohender  Gefahr  sofortige  künst¬ 
liche  Atmung,  vielleicht  verbunden  mit  Herzmassage,  einen 
Unglücksfall  immer  verhindern,  da  das  so  flüchtige'  Mittel 
schnell  wieder  aus  dem  Körper  entweicht. 

Ich  freue  mich  aber,  berichten  zu  können,  dass  ich  bei  der 
grossen  Zahl  meiner  Aethylchloridnarkosen  noch  nie  die  Zu¬ 
flucht  zur  künstlichen  Atmung  oder  zu  Kainpher  nehmen  musste. 

Bei  genauer  Kenntnis  des  Mittels,  Beherrschung  der  Nar¬ 
kosentechnik  und  vorsichtiger  Anwendung  ist  nach  meiner 
festen  Ueberzeugung  das  Aethylchlorid  das  ungefährlichste  An- 
asthetikum,  das  wir  bis  heute  haben,  wobei  ich  selbst  das  Lach¬ 
gas  einschliesse. 


Aus  dem  Frauenspital  Basel-Stadt. 

Der  Begriff  „Kindbettfieber“  und  über  die  damit  zu- 
sammenhängende  Anzeigepflicht. 

Von  Otto  v.  H  e  r  f  f. 


Der  offizielle  Bericht  über  die  Sitzung  der  „Vereinigung 

^r°rderrgd^sdeutschen  Hebammen wesens“,  (in  Dresden 
Pl/L  zu  der  ich  infolge  eines  Versehens  meinerseits  leider 
nicht  rechtzeitig  gekommen  bin,  ist  soeben  erschienen.  0 
Einiges,  was  dort  beraten  oder  gesagt  worden  ist,  zwingt  mich 
nachträglich  zu  einigen  Bemerkungen.  Vor  allem  die  Er¬ 
örterung  :  was  soll  unter  Kindbettfieber  ver- 
s  t  a  n  den  werden?  Eine  Frage  freilich,  die  oft  besprochen 
worden  ist  und  die  dennoch  angeblich  nicht  beantwortet  werden 
kann.^  Ich  entnehme  aus  dem  Bericht  darüber  folgendes: 

Wo rl’v'Vu  ue  au.’  dass  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  das 

beze  chnrn  bdl  leba  r  ubeRrhaupt  nicht  eine  bestimmte  Krankheit 
Lzeichnet,  dass  diese  Bezeichnung  ein  Sammelname  für  Er¬ 
krankungen  infektiöser  Art  im  Wochenbett  ist. 2) 


1907, 


P  Monatsschr.  f.  üeburtsh.  u.  Qynäkol.,  ßd. 


XXVI,  pag. 


'  kbcZu  möchte  ich  gleich  vorweg  bemerken  dass  in  dies 
v  Aus$pruche  zum  mindesten  eine  Ungenauigkeit  liegt  M 

w  nd  und  verstent  noch  heute  unter  Kindbettfieber  nur  die 

vorhin  er"  rkrankungen  der  Genitalwunden,  die  durch  die  Gebur 
0!  gange  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  gesetzt  werden  niem 


No.  49. 


Weiter  wurde  von  Po  teil  ausgeführt,  dass  die  Fiktion, 
dass  jedes  Fieber  an  sich  schon  Kindbettfieber  oder  mindestens 
kindbettfieberverdächtig  sei,  eine  falsche  Auffassung  sei,  da  die 
meisten  Fälle  (sic!)  ja  gar  nicht  Kindbettfieber,  seien,  sondern 
erfahrungsgemäss  milde  ablaufen  und  dass  sich  hinterher  kein 
Kindbettfieber  einstelle.  Denn  von  Alters  her  würden  nur  die 
schweren,  gefährlichen  Erkrankungen  infektiöser  Art  als  Kind¬ 
bettfieber  bezeichnet,  die  leichten  Erkrankungen  ganz  derselben 
Art  fielen  aber  nicht  unter  diesen  Begriff.  So  kommt  Poten 
zu  dem  Satz :  Unter  Kindbettfieber  im  Sinne  des 
p  r  eussischen  Landesseuchengesetzes  vom 
28.  August  1 905  sind  entsprechend  den  medi¬ 
zinischen  1  raditionen  und  dem  herrschenden 
Sprachgebrauch  nur  die  schweren  Erkran- 
ku  n  gs  formen  bei  Wöchnerinnen  zu  verstehen2*). 

Ich  will  noch  erwähnen,  dass  in  der  sich  anschliessenden 
Beratung  zunächst  Dietrich,  als  Vertreter  der  K.  preus- 
sischen  Regierung,  Bedenken  gegen  diese  Begriffsbestimmung 
erhob,  weil  die  Entscheidung,  was  schwere  Erkrankung  sei, 
praktisch  undurchführbar  sei,  und  Olshausen  erklärte,  dass 
nach  seiner  Ueberzeugung  es  unmöglich  sei,  genau  zu  defi¬ 
nieren,  was  Puerperalfieber  sei. 

Gegen  die  oben  wiedergegebene  Auffassung  Potens 
über  den  Begriff  Kindbettfieber  möchte  ich  mich  auch  an  dieser 
Stelle  nachdrücklichst  wenden,  wiewohl  ich  schon  anderswo 
meine  Ansichten  darüber  mitgeteilt  habe. 3) 

Jeder  wissenschaftliche  Fortschritt  ist  gefährdet,  er  wird 
selbst  vollständig  gehemmt,  sobald  die  Wissenschaft  Rücksicht 
auf  äussere  Momente,  z.  B.  auf  Tradition,  nimmt.  Das  lehrt 
auch  die  Geschichte  der  Medizin  zu  allen  Zeiten.  Man  braucht 
zu  diesem  Ende  gar  nicht  auf  das  „finstere“  Mittelalter,  oder 
auf  Michael  Servetus,  auf  H  a  r  v  e  y  zurückzugreifen. 
Nein,  auch  in  unserer  Zeit  sehen  wir  oder  erleben  wir  es,  was 
für  Folgen  durch  die  Rücksichtnahme  auf  Traditionen’  ent¬ 
stehen.  Es  sei  nur  auf  Semmel  weis  hingewiesen,  dessen 
Lehren  an  den  Klippen  der  medizinischen  Tradition  gründlich 
gescheitert  sind,  auf  Josef  L  i  s  t  e  r,  dem  beinahe  das  gleiche 
Schicksal  zu  Teil  geworden  wäre,  wenn  sich  die  deutsche 
Wissenschaft  seiner  nicht  angenommen  hätte. 

Wie  kann  man  angesichts  solcher  hoher  Beispiele,  die  sich 
auch  für  so  geringe  Fragen,  wie  die  vorstehende  beliebig  ver¬ 
mehren  lassen  bei  Festlegung  des  Begriffes  „Kindbettfieber“ 
irgendwie  Rücksicht  auf  medizinische  Tradition,  auf  einen  herr¬ 
schenden  Sprachgebrauch  des  Volkes  und  dergleichen  mehr 


X  . n  m  v?.  n-T  Intektlöse  Erkrankungen  im  Wochenbett, 
Balteriimten  usw  51  erysipe1,  Scharlach’  Ansine"  mit  schweren 

mir-  r  “d  der  Durchsicht  dieser  Zeilen  im  Drucke  werden 
TWcdn  Vo’b^nchtie  llber  die  Vereinigung  zur  Förderung  des 
Deutschen  Hebammenwesens,  Berlin  1908  Karger)  übersandt. 

HHtq+h h^6r  dfn  Allsfubrungen  Potens  auf  S.  4  muss  ich  nachdrück- 

dt  lPiSE“' w”*  aaS!  CS  ,einen  schweren  logischen  Fehler  bedeutet, 
d  e  leichten  Wundentzundungen  des  Wochenbettes,  weil  leicht  .und 

mg  gefährlich,  von  den  schweren  gleichartigen  Erkrankungen  ab- 
utiennen,  diese  nur  als  Kindbettfieber  bezeichnen  zu  wollen.  Diese 
Folgerung :  ist  ebenso  schief  und  falsch,  als  es  die  Abtrennung  einer 

S  iSrhtnn8'  S ^nSma  ohne  -Uschlag,  eines  Typhus  ambulans. 
eines  leichten  Abfuhrens  von  schwerem  Scharlach,  Typhus  oder  Cho- 

era  sein  wurde,  gar  aus  dem  Grunde,  weil  das  Volk  die  erstere  nicht 

a‘‘  5-f  letztere ansieht!  Boten  fühlt  offenbar  das  Schiefe  in  seinen 

Frolf T  V ,1en  Mut’  die  Folgerungen  zu  ziehen. 

hp™nlJ  g  n  d'e  ’.’Trad,ltl0n  (!)  zu  machen.  Ich  muss  noch  einmal 
betonen  eine  fi eie  Wissenschaft  ist  niemals  an  den  gewöhnlichen 
.  piachgebrauch  gebunden,  sie  ist  jederzeit  verpflichtet,  einem  alt¬ 
hergebrachten  Namen  eine  neue  Bedeutung  zu  geben,  wenn  dieses 
die  Fortschritte  des  Wissens  erfordert.  Man  denke  z  B  an  die 
lancierte  Bedeutung  der  Bezeichnungen  Sepsis  und  Pyämie!  Nur 
des. Unterrichtes  halber  verfechte  ich,  diese  Namen  durch  Bakteriämie 

b rmi c  If°  n'i r h f  1 1 p?  YS€tZ€n!  Die  Bezeichnung  ..Kindbettfieber“ 
taucht  nicht  fallen  gelassen  zu  werden,  weil  es  ein  bezeichnenrlpc 

umfassendes  Wort  ist.  Allerdings  muss  dieser  Sammelbegriff  auch 
lf(, die.  le,cbten  UI1d  beginnenden  Fälle  von  Wundentzündung  aus- 
g  dehnt  werden,  was  logisch  keinerlei  Schwierigkeiten  bereitet  Wie 
denn  auch  Baisch  (Med.  Klinik  1907,  H.  10)  ganfrichtig  bemeGt 
gehören  zum  Begriff  Kindbettfieber  zwei  Tatsachen,  nämlich  dass  es 
haiGelH1  muss. t,on- Von  Geburtswunden  durch  pathogene  Keime 

hilfe  Bda STninnbTSieber  in,v-  Wickels  Handbuch  der  Geburts- 
schientm  ’  '  1  ’  pag>  333,  Auch  ftir  si(?h  im  Buchhandel  er- 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2425 


nehmen  ?  Das  ist  mir  völlig  unverständlich,  das  ist  ein  schwerer 
Fehler,  den  Poten  begeht.  Die  Tradition,  der  Sprachgebrauch 
haben  sich  den  Ansichten  und  den  Bedürfnissen  einer  Wissen¬ 
schaft  anzubequemen  und  nicht  umgekehrt.  Darüber  kann  ja  gar 
kein  Zweifel  herrschen.  Mit  Zunahme  unserer  Kenntnisse  muss 
manches  Getrennte  zusammengefasst,  manches  aber  auch  aus¬ 
geschieden  werden,  ein  Begriff  muss  daher  erweitert  oder 
enger  begrenzt  werden.  Das  ist  stets  so  in  der  Wissenschaft 
gewesen  und  wird  es  hoffentlich  auch  stets  so  sein.  Das  gilt 
auch  vom  Begriffe  Kindbettfieber.  Man  würde  auch  keinen 
besonderen  Widerstand  finden,  wenn  das  Studium  der  Ge¬ 
schichte  der  Wissenschaft  allgemeiner  geübt  werden  würde. 

Wir  wissen  alle  und  dieses  wird  von  Niemanden  bestritten, 
dass  alle  Wundinfektionskrankheiten  ausschliesslich  durch 
Lebewesen  —  Spalt-  und  Sprosspilze  —  verursacht  werden, 
dass  diese  Wundinfektionskrankheiten,  gleichgültig,  an 
welchem  Körperteile  sie  auftreten  mögen,  stets  zunächst  eine, 
wenn  auch  gelegentlich  sehr  geringfügige  örtliche  „Entzün¬ 
dung“  auslösen,  die  als  solche  besteht  und  ausheilt,  die 
aber  jederzeit  sich  über  den  ganzen  Körper  ausbreiten  und  den 
Tod  herbeiführen  kann. 

Die  Unterschiede  sind  nicht  prinzipieller  Art,  sondern  nur 
in  der  Wichtigkeit  des  Ortes,  der  Organe,  die  ergriffen  werden, 
in  der  Zeit  der  Aufeinanderfolge  oder  Ausbreitung,  in  der 
Schwere  der  Erscheinungen  zu  suchen,  d.  h.  sie  werden  durch 
Nebenumstände  begründet,  die  aber  das  Wesen  der  Wund¬ 
infektion  als  solche  nicht  treffen  oder  abändern.  Sie  können 
daher  auf  die  Bestimmung  eines  Begriffes  keinen  Einfluss  ge¬ 
winnen. 

Diese  Wundinfektionskrankheiten  kommen  im  Wochen¬ 
bette  an  Genitalwunden,  die  durch  die  Geburt  entstanden  sind, 
in  ganz  der  gleichen  Weise  wie  an  anderen  Körperteilen  vor. 
Nur  eines  ist  verschieden:  das  anatomische  und  vielleicht  selbst 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  das  biologische  Verhalten  der 
Genitalorgane  und  ihrer  Umgebung.  Diese  allein  geben  den 
sich  hier  abspielenden  Wundinfektionskrankheiten  ein  beson¬ 
deres,  aber  damit  lange  nicht  grundverschiedenes  Gepräge. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  kann  man  es  ja  recht- 
fertigen,  wenn  diese  Wundinfektionskrankheiten  durch  eine  be¬ 
sondere  Bezeichnung,  z.  B.  Kindbettfieber,  Wochenbettfieber, 
zusammengefasst  werden.  Es  fallen  somit  unter  die  Bezeich¬ 
nung  „Kindbettfieber“  alle  Wunderkrankungen  in  den  Ge¬ 
schlechtsteilen  einer  Wöchnerin,  sofern  sie  durch  Lebewesen  — 
Spaltpilze  —  bedingt  werden,  unabhängig  davon,  welche  ört¬ 
lichen  oder  allgemeinen  Folgen  für  den  Körper  daraus  entstehen 
mögen.  Die  Mannigfaltigkeit  der  Spaltpilzarten,  die  Vielheit 
der  örtlichen  und  allgemeinen  Folgen  ihrer  Ansiedelung  als  Aus¬ 
druck  des  Kampfes  zwischen  Körper  und  den  Keimen,  ändert 
nichts  an  dem  Wesen  des  Kindbettfiebers  als  einer  echten  Spalt¬ 
pilzerkrankung  der  Geburtswunden,  als  einer  echten  Wund¬ 
infektionskrankheit.  Kindbettfieber  ist,  wenn  man  will,  eine 
W  u  n  d  e  n  t  z  ü  n  d  u  n  g,  eine  Wundvergiftung,  die  ört¬ 
lich  begrenzt  sein  kann,  die  aber  auch  durch  Uebertritt  der 
Spaltpilze  und  deren  Gifte  in  die  Lymph-  oder  Blutbahnen  zu 
schweren  und  schwersten  Allgemeinerkrankungen  führt,  d.  h. 
zur  Blutentzündung  =  Bakteriämie,  oder  zur  Blut¬ 
vergift  ung=  Toxinämie.  An  diese  können  sich  wiederum 
sehr  mannigfache  Gewebs-  und  Organentzündungen  an- 
schliessen.  So  gelange  ich  zur  Begriffsbestimmung: 

Kindbettfieber  werden  die  Keimerkran¬ 
kungen  aller  jener  Wunden,  die  unter  den 
G  e  b  u  r  t  s  v  o  r  g  än  g  e  n  vom  Damm  bis  in  die  Ge¬ 
bärmutterhöhle  hinein  entstanden  sind,  ge¬ 
nannt. 

Diese  Erklärung  4)  umgrenzt  alle  möglich  vorkommenden 
Fälle,  die  leichtesten  wie  die  schwersten  Erkrankungen.  Sie 
ist  denkbar  einfach  und  durchsichtig,  sie  steht  im  vollsten  Ein¬ 
klang  mit  allen  bekannten  Tatsachen,  sie  widerstreitet  unseren 
jetzigen  Kenntnissen  auf  dem  Gebiete  der  Wunderkrankungen 
nicht  im  geringsten,  sie  kann  daher  jeder  wissenschaftlichen 


4)  Man  hat  statt  Kindbettfieber  „Infektion“  zu  sagen  vorgeschla¬ 
gen.  Das  ist  natürlich  ein  Versteckensspielen  mit  einem  an  sich  zu¬ 
treffenden  Worte,  aber  einem  Fremdworte,  die  man  im  allgemeinen 
sorgfältig  vermeiden  soll.  (Eckstein:  Gynäkologische  Rund¬ 
schau.  I.  Jahrg.,  1907,  pag.  730.) 

No.  49. 


Kritik  standhalten.  Allerdings  nur  einer  solchen  wissenschaft¬ 
lichen  Kritik,  die  sich  vollständig  von  der  Rücksichtnahme 
auf  irgendwelche  medizinische  Tradition  oder  irgendwelchen 
Sprachgebrauch  oder  Volksanschauung  freimacht,  die  nur  der 
Fahne  der  Wissenschaft  folgt. 

Diese  wissenschaftliche,  wie  ich  überzeugt  bin,  einwands¬ 
freie  Erklärung  dessen,  was  man  unter  Kindbettfieber  zu  ver¬ 
stehen  hat,  deckt  sich  nicht  mit  den  Bedürfnissen  der  staatlichen 
Gesundheitsfürsorge,  sie  ist  für  diese  zu  weit.  Dieses  muss 
zugegeben  werden,  ist  aber  durchaus  kein  Grund,  deshalb  die 
obige  Erklärung  als  falsch  hinzustellen  und  sie  daher  fallen  zu 
lassen.  Eine  Wissenschaft  darf  sich  nie  durch  ein  Gesetz  oder 
irgend  ein  staatliches  Bedürfnis  in  ihren  Schlussfolgerungen 
beeinflussen  lassen. 

Würden  die  Wundinfektionskrankheiten,  somit  auch  jene 
des  Wochenbettes,  das  Kindbettfieber,  etwa  durch  Wasser,  Luft 
oder  Erde  verbreitet  werden  können,  wie  dieses  beim  Typhus, 
der  Cholera,  den  Pocken,  der  Pest,  dem  Scharlach  usw.  der 
Fall  sein  kann,  so  müssten  zweifellos  nicht  nur  alle  leicht  fie¬ 
bernden,  sondern  auch  alle  gesunden,  fieberfreien  Wöchne¬ 
rinnen  isoliert  werden,  diese  letzteren,  weil  sie  als  „Bazillen¬ 
trägerinnen“  ebenso  gefährlich  werden  könnten,  wie  so 
mancher  gesunde  Mensch  in  einem  solchen  Stadium  bei  den 
oben  erwähnten  Krankheiten  es  ist.  Das  ist  aber  glücklicher¬ 
weise  nicht  der  Fall.  Kindbettfieber  entsteht  nur,  wenn  die 
Lebewesen  —  Spaltpilze  — ,  die  erfahrungsgemäss  Wund¬ 
infektionskrankheiten  verursachen,  irgendwie  auf  und  in  die 
Geburtswunden  der  Kreissenden  und  Wöchnerinnen  übertragen 
werden  oder  auch  selbständig  von  ihrer  eigenen  Körperober¬ 
fläche  einwandern.  Sie  müssen  aber  auch,  und  das  ist  sehr 
wichtig,  günstige  Bedingungen  für  ihr  Gedeihen  finden.  Auf 
diesen  sehr  wichtigen  Umstand  hier  näher  einzugehen,  würde 
viel  zu  weit  führen,  ausserdem  habe  ich  mir  an  anderer  Stelle 
Mühe  gegeben,  diese  verwickelten  Verhältnisse  entsprechend 
unseren  jetzigen  Kenntnissen  zu  schildern  5 * 7)-  Von  verhältnis¬ 
mässig  geringer  Bedeutung  ist  es,  woher  diese  Keime  her¬ 
stammen,  sofern  es  sich  nur  um  Fremdkeime  und  nicht  um 
Eigenkeime  der  Wöchnerin  handelt.  Nirgends  ist  bisher  der 
einwandfreie  Beweis  geliefert  worden,  dass  Keime,  die  aus 
einem  schweren  Kindbettfieber  herstammen,  gefährlicher  sind, 
als  jene  aus  einer  leichten  Endometritis,  aus  einem  Wochenbett¬ 
geschwür  oder  aus  einem  an  sich  sehr  unschuldigen  Panaritium, 
aus  einer  Aknepustel,  aus  einer  Tränenkanaleiterung  oder  aus 
einer  Mandelentzündung  usw.  Dieses  schon  um  deswillen 
nicht,  weil  der  wichtigste  Eiterpilz  des  Wochenbettfiebers,  der 
Streptokokkus,  jederzeit  seine  Angriffskraft  (Virulenz)  rasch 
steigern  kann.  Spaltpilze,  die  etwa  als  Eigenkeime  bei 
Wöchnerin  A  nur  eine  leichte  örtliche  Entzündung  ohne  jed¬ 
wede  allgemeine  Erscheinungen  hervorgerufen  haben,  ja  selbst 
solche  aus  einem  normalen  Wochenflüsse,  können,  auf  frische 
Wunden  der  Wöchnerin  B  überpflanzt,  nunmehr  als  Fremd¬ 
keime  die  gefährlichsten  Wundentzündungen  auslösen.  Wir 
treffen  hier  auf  ganz  die  gleichen  Verhältnisse,  wie  etwa  bei 
den  Typhusinfektionen,  die  durch  die  Spaltpilze  eines  sonst 
völlig  gesunden  „Bazillenträgers“  verursacht  werden.  Und  in 
der  Tat  werden  zweifellos  die  wenigsten  schweren  Kindbett- 
fieberfälle  durch  Uebertragung  von  einer  Schwerkranken  auf 
eine  andere  Wöchnerin  verursacht.  Beweise  für  diese  Tat¬ 
sache  habe  ich  in  meiner  Abhandlung  über  Kindbettfieber  mit¬ 
geteilt  °)-  Ich  schätze  diese  Möglichkeit  auf  etwa  10  Proz.,  wie 
denn  die  Hebammen  wohl  nur  in  rund  20  Proz.  sicher  an  der 
Entstehung  eines  schweren  Kindbettfieberfalles  schuld  haben 
werden,  und  in  sehr  vielen  anderen  Fällen  sie  die  Verant¬ 
wortung  mit  Aerzten  zu  tragen  haben  '). 

Zu  erwägen  ist  ferner,  dass  sich  Uebertragungen  von  einer 
Wöchnerin  auf  die  andere,  wie  überhaupt  eine  Infektion  mit  der 


5)  iS.  Kindbettfieber,  1.  c.  p.  417  u.  i. 

fl)  1.  c.  p.  396,  397. 

7)  Aus  einer  bemerkenswerten  Mitteilung  von  Dohr  n  (Sonder¬ 
abdruck  aus  dem  offiziellen  Bericht  der  XXII.  Hauptversammlung  des 
Preussischen  Medizinalbeamtenvereins)  entnehme  ich,  dass  in 
127  Fällen  von  Kindbettfieber  mit  festgestellter  Aetiologie  bei  82  Proz. 
nicht  die  Schuld  an  den  Hebammen  gelegen  hat.  In  18  Proz.  wurde 
ein  Verschulden  der  Hebamme  nachgewiesen,  in  27  Proz.  sind  über¬ 
haupt  Verstösse  der  Hebammen  vorgekommen.  In  25  Proz.  von 
186  Fällen  waren  ärztliche  Eingriffe  vorgenommen  worden. 

3 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


2426 


grössten  Sicherheit  und  Leichtigkeit  vermeiden  lassen.  Es  ge¬ 
hört  dazu  bekanntlich  nur  die  gehörige  Reinlichkeit,  d.  h.  zu¬ 
verlässige  Desinfektion  der  Hebamme,  aber  auch  des  Arztes, 
der  Kreissenden  und  der  Instrumente. 

Alles  dieses  zusammen,  man  könnte  fast  sagen  „mildernde 
Umstände",  erlauben  es  der  Gesundheitsbehörde,  von  so 
strengen  Massnahmen,  wie  sie  bei  den  oben  genannten  In¬ 
fektionskrankheiten  durchaus  notwendig  sind,  dem  Kindbett¬ 
fieber  gegenüber  abzusehen.  Sie  braucht  daher  weder  die 
Zahl  der  Leichterkrankten,  noch  gar  die  der  Bazillenträger,  d.  h. 
die  der  gesunden  Wöchnerinnen  zu  kennen.  Aus  den  gleichen 
Erwägungen  ist  die  Vorschrift,  kindbettfieberverdächtige  Fälle 
anzuzeigen,  unnötig.  Jede  Temperatursteigerung  im  Wochen¬ 
bett,  deren  Quelle  nicht  sofort  klar  zutage  tritt,  ist  zwar  mit 
Recht  kindbettfieberverdächtig,  auch  im  aiten  Sinne  des  Wortes, 
weil  ja  eine  ganze  Anzahl  schwerer  und  schwerster  Wund¬ 
infektionskrankheiten  zunächst  mit  oft  sehr  geringfügigen, 
harmlos  aussehenden  Erscheinungen  beginnen.  Das  sind  Tat¬ 
sachen,  die  nicht  bestritten  werden  können.  Aber  das  Kind¬ 
bettfieber  ist  nicht  so  verbreitungsfähig,  wie  etwa  Cholera  und 
daher  entfällt  die  Notwendigkeit,  verdächtige  Fälle  anzuzeigen. 
Es  genügt  für  die  Zwecke  der  Gesundheitsbehörden,  nur  das 
Vorkommen  schwerer  Erkrankter  kennen  zu  lernen,  weil  sie 
voraussetzen  müssen,  dass  die  Desinfektionen  gehörig  vor¬ 
genommen  werden,  um  an  der  Hand  dieser  Fälle  immer  wieder 
einen  starken  Druck  zur  Befolgung  der  nötigen  Sicherheits¬ 
massnahmen  auszuüben,  der  allerdings  in  gleicher  Weise  auf 
Hebammen  wie  auf  Aerzte  wirken  müsste,  wenn  ein  durch¬ 
greifender  Erfolg  erzielt  werden  soll.  Die  Wirkung  des  Ein¬ 
greifens  der  Gesundheitsbehörde  ist  verhältnismässig  selten 
eine  direkt  vorbeugende,  als  weit  mehr  im  Grunde  genommen 
eine  belehrende  und  erzieherische  —  und  das  ist  meines  Er¬ 
achtens  vollkommen  hinreichend.  Hierzu  genügt  es,  das  Auf¬ 
treten  und  die  Zahl  der  schweren  Kindbettfieberfälle  rechtzeitig 
und  rasch  kennen  zu  lernen.  Der  Staat  muss  aber  unbedingt 
angeben,  was  er  unter  schweren  Fällen  verstanden  wissen  will, 
um  Klarheit  in  die  Anzeigepflicht  zu  bringen.  Das  ist  bei 
einigermasen  gutem  Willen  durchaus  möglich  und  ohne  jed- 
welche  Schwierigkeit  durchzuführen,  wie  ich  selbst  bei  meiner 
Uebersiedelung  von  Halle  a.  S.  nach  Basel  erfahren  habe.  Ich 
fand  auch  in  Basel  die  Verordnung  vor,  „Wochenbettfieber“ 
anzuzeigen.  Ich  wandte  mich  an  die  Sanitätsbehörde  und  erbat 
mir  nähere  Erläuterung,  was  als  Kindbettfieber  zu  melden  sei. 
Es  w  ui  de  mir  bedeutet,  dass  nur  die  schweren  Fälle  anzuzeigen 
seien,  vor  allem  die  Bakteriämien  und  Toxinämien  aller  Art, 
schwerere  örtliche  Erkrankungen  mit  Allgemeinerscheinungen, 
wie  Pelveozellulitis,  Pelveoperitonitis,  Peritonitis.  Es  entfällt 
daher  die  Anzeige  aller  Wundfieber  (Resorptionsfieber), 
Wochenbettgeschwüre,  örtliche  Entzündungen  ohne  Allgemein¬ 
erscheinungen,  z.  B.  leichtere  Endometritiden,  Thrombophlebi¬ 
tiden  usw.  Ich  befinde  mich  seitdem  nicht  im  Zweifel,  was 
anzuzeigen  ist  und  kann  so  die  Bemühungen  der  Sanitäts¬ 
behörde  nach  Kräften  unterstützen.  Warum  soll  es  anderswo 
nicht  möglich  sein,  die  gleiche  oder  eine  ähnliche  Richtschnur 
den  Aerzfen  zu  geben?  Ich  betone  ganz  besonders  den  Aerzten 
diese  allein  tragen  die  volle  Verantwortlichkeit  für  den  betr’ 
rad.  Derartige  Anzeigen  kann  selbstverständlich  nur  ein  gut 
vorgebildeter  Arzt  machen,  weil  nur  er  allein  über  die  dazu 
notigen  Kenntnisse  verfügt.  Darüber  ist  gewiss  nicht  zu 
streiten.  Hebammen  sind  dazu  nicht  im  geringsten  befähigt  und 
werden  auch  nicht  dazu  ausgebildet.  Man  kann  ihnen  nur  die 
1  nicht  überbürden,  bei  jeder  Fiebersteigerung  unbedingt  auf  die 
Zuziehung  eines  Arztes  zu  dringen,  gleichzeitig  aber  auch  der 
Gesundhedsbehörde  eine  Anzeige  darüber  zu  erstatten.  Hält 
das  Fieber  an,  so  müsste  die  Hebamme  dieses  in  einer  zweiten 
u  QZC-fC  .m,f  den>  S^crn  ein  Arzt  nicht  zugezogen  worden  ist, 

1  n  i,niCf  !?  sR<ÜIten  vorkommen  wird.  Auf  diese  Weise  ist 
der  Behörde  die  Möglichkeit  gegeben,  den  Fall  im  Auge  zu  be- 

k midia  gegebenenfalls  bei  dem  zugezogenen  Arzt  nähere  Er- 
f  ngeRn  einzuziehen  und  das  nötige  zu  veranlassen.  Dass 
Ä/h  BAehorde11  eine  indirekte  Kontrolle  über  die  Anzeige- 

solchestj  hn'T  gegeben  ^ird’  lie2t  auf  der  Hand.  Aber 
ahm  nPininb  de5  Jetzigen  Zuständen  auf  diesem  Gebiete  im 
not“  "ur,  dnngend  zu  wünschen,  ja  selbst  unbedingt 
g‘  bme  nichtige  Frage  ist  allerdings  die,  inwiefern  der  Be¬ 


hörde  durch  eine  solche  Anzeigeverpflichtung  Lasten  er¬ 
wachsen  werden.  Nehme  ich  die  Verhältnisse  aus  meiner  An¬ 
stalt  als  Muster,  so  würden  bei  10  000  Geburten  der  Jahre 
1896—1905,  die  ungefähr  einer  Stadt  von  400  000  Einwohnern 
gemäss  der  Geburtenziffer  von  25  Prom.  Berlins  entsprechen 
werden,  1000  Anzeigen  jährlich  zu  erwarten  sein,  wenn  die 
Anzeigepflicht  bei  der  ersten  Temperatursteigerung  auf  38,1° 
gestellt  wird.  Wird  eine  Anzeige  erst  bei  der  zweiten  Steige¬ 
rung  der  Temperatur  vorgeschrieben,  so  vermindert  sich  diese 
Zahl  auf  jährlich  750  Fälle,  bei  dreitägigem  Fieber,  entsprechend 
den  Vorschriften,  die  in  Sachsen  gelten,  aber  auf  350  Mel¬ 
dungen.  Von  diesen  Fällen  werden  ungefähr  230  auf  Kindbett¬ 
fieber  beruhen,  jedoch  nur  etwa  50 — 60  auf  schwereren  Er-' 
krankungen,  wie  Endometritis  mit  Allgemeinerscheinungen, 
Peritonitis,  Bakteriämie  usw.,  wie  oben  ausgeführt  worden  ist. 
Bei  dieser  Berechnung  ist  die  Voraussetzung  zu  machen,  dass 
wirklich  sorgfältig  gemessen  wird.  Eine  solche  Sorgfalt  wird 
aber  im  Privathause  auf  das  Messen  erfahrungsgemäss  nicht 
verwendet,  so  dass  obige  Zahlen  maximale  sind.  Tatsächlich 
werden  sehr  viel  weniger  Anzeigen,  a/3 — K> ,  der  obigen  Zahlen 
einlaufen  und  die  Belastung  der  Sanitätsbeamten  doch  nicht  so 
gross  ausfallen,  als  man  auf  den  ersten  Blick  zu  glauben  ver¬ 
meint.  Diese  könnten  übrigens  mit  einem  Eingreifen  bis  zur 
Meldung  des  zugezogenen  Arztes  oder  bis  zum  zweiten  Bericht 
der  Hebamme  gut  warten.  Wird  Hebammen  die  Beant¬ 
wortung  bestimmter  Fragebogen,  etwa  auf  einer  Karte,  auf¬ 
erlegt,  so  liesse  sich  die  Arbeit  für  den  Amtsarzt  gewiss  sehr 
erleichtern.  So  werden  operative  Fälle  —  Zange,  Wendungen, 
N  a  c  h  geburtslösungen  —  von  Haus  aus  kindbettfieber¬ 
verdächtig  sein,  da  in  25 — 40  Proz.  der  schweren  Erkrankungen 
solche  Eingriffe  vorgenommen  zu  sein  pflegen.  Hingegen 
werden  Bemerkungen,  wie  Schmerzen  in  der  Brust  auf  Mastitis 
deuten  usw.  Im  ersteren  Falle  wird  der  Amtsarzt  sich  sofort 
an  den  Hausarzt  zu  wenden  haben,  im  letzteren  zunächst  die 
Sache  auf  sich  beruhen  lassen  können. 

Was  dann  mit  der  Hebamme,  die  ja  so  häufig  mehr  oder 
weniger,  wenn  nicht  ganz  unschuldig  ist,  zu  geschehen  hat,  ist 
eine  andere  sehr  wichtige  Frage.  Meine  Ansichten  darüber 
habe  ich  in  meiner  Abhandlung  über  das  „Kindbettfieber“ 
niedergelegt.  Ich  will  daher  an  dieser  Stelle  nur  betonen,  dass 
ich  ein  Gegner  einer  längeren  Schutzfrist  bin.  Mag  eine  solche 
noch  so  lange  dauern,  sie  wird  nicht  im  Stande  sein,  die  Zahl 
der  Kindbetifieberfälle  wesentlich  einzuschränken,  da  die 
\\  eiligsten  dieser  Fälle  durch  Verschleppung  von  einem  Fall  auf 
den  anderen  bedingt  werden.  Sie  ist  nur  solange  zu  fordern, 
bis  der  Amtsarzt  die  Quelle  der  Infektion  gefunden  und  ge¬ 
gebenenfalls  diese  unschädlich  gemacht  hat.  Das  wird  in  der 
Regel  in  einem  bis  zwei  Tagen  durchführbar  sein. 


Aus  dem  Nachtigalkrankenhause  in  Anecho. 

Ein  kleiner  Beitrag  zu  den  Fällen,  bei  denen  bei  Hernio- 
tomien  der  Processus  vermiformis  als  alleiniger  Innalt 
des  Bruchsackes  gefunden  wurde. 

Von  Dr.  Günther,  Kaiserl.  Regierungsarzt  in  Togo. 

Einem  grossen  J  eil  der  Aerzte  dürfte  bekannt  sein,  dass 
schon  hie  und  da  als  äusserst  seltener  Befund  bei  Bruchopera- 
tionen  in  der  rechten  Leistengegend  der  Processus  vermiformis 
allein  im  Bruchsacke  gefunden  wurde.  Mitunter  mag  wohl 
auch  der  Fall  eingetreten  sein,  dass  sich  die  im  Bruchsack  be¬ 
findliche  Appendix  entzündete  und  so  der  Sitz  von  Verschwä- 
j  ungen  wurde.  Hatte  der  Patient  Glück,  so  kapselte  sich  wohl 
hie  und  da  auch  der  entstandene  Abszess  ab,  ohne  dass  sich 
die  Entzündung  auf  die  freie  Bauchhöhle  ausdehnte.  Wie  oft 
mag  man  dann  diese  ulzeröse  Appendizitis  für  einen  einfachen 
Drüsenabszess  gehalten  haben,  bis  erst  das  etwaige  Auftreten 
eines  Kotabszesses  den  Arzt  zu  näherer  Untersuchung  ver- 
anlasste,  wobei  er  dann  erst  feststellte,  dass  es  sich  um  eine 
Appendizitis  handelte  und  er  zu  seiner  Verwunderung  erst  be¬ 
merkte,  dass  ein  Leistenbruch  vorlag,  dessen  Inhalt  die  Appen¬ 
dix  war)  Bei  der  äusserst  spärlichen  Literatur,  die  mir  hier  in 
Airika,  ferne  von  dem  Heimatlande,  zur  Verfügung  steht,  ist 
es  mir  leider  versagt,  auf  weitere  Fälle  hinzuweisen,  in  denen 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2427 


die  Appendix  als  alleiniger  Inhalt  in  einem  Bruchsack  gefunden 


In  dem  von  mir  operierten  Falle  handelte  es  sich  um  einen 
schwarzen,  ganz  intelligenten  Missionslehrer  Der  betreffende  Pa- 
den  gab  bei  der  ersten  Konsultation  an,  dass  er  seit  etwa  zwei 
Monaten  eine  kleine  Schwellung  der  rechten  Leistengegend  bemerke 
In  letzter  Zeit  sei  die  Geschwulst  auch  schmerzhaft  geworden  und 
sehe  er  sich  durch  die  aufgetretenen  Schmerzen  veranlasst,  sich  einer 

eventuellen  Operation  zu  unterziehen.  . 

Bei  der  Inspektion  wird  bei  dem  sehr  mageren  Patienten  eine 
kaum  merkliche,  etwas  längliche  Hervorwölbung  der  rechten  Leisten¬ 
gegend  wahrgenommen.  Beim  Husten  tritt  dieselbe  etwas  deutlicher 
L  Tage  Bei  der  Palpation  fühlt  man  eine  bleistiftahnliche  etwa 
4  cm  lange  Geschwulst,  die  sich  seitlich  verschieben  lasst.  Man  hat 
den  Eindruck,  als  ob  dieselbe  etwas  höckerig  und  von  fester  Kon¬ 
sistenz  sei.  Der  Nachweis,  dass  sich  die  Geschwulst  in  dei  Gegend 
des  rechten  äusseren  Leistenringes  in  die  Bauchwand  hinein  fort¬ 
setzt  gelingt  ohne  weiteres.  Eine  Verkleinerung  durch  leichtes 
Zusammenpressen  oder  Wegdrücken  der  Geschwulst  ist  unmöglich. 
Die  Perkussion  hätte  in  unserem  Falle  natürlich  keine  Aufklärung 
über  den  etwaigen  Inhalt  der  Geschwulst  geben  können. 

Es  wird  angenommen,  dass  es  sich  um  eine  äussere  rechts¬ 
seitige  irreponible  Leistenhernie  handelt.  Der  Inhalt  des  Bruchsackes 
wird  für  Netz  gehalten,  das  sich  ja  erfahrungsgemäss  körnig  anfuhlt, 
die  Bruchgeschwulst,  insofern  Netz  den  alleinigen  Inhalt  derselben 
bildet,  von  festerer  Konsistenz  erscheinen  lässt  und  schon  recht  bald 
mit  dem  Bruchsack  Verwachsungen  eingeht. 

Bei  der  Operation  selbst  wird  ein  fingerförmiger  Strang,  der 
fast  mit  den  nebeneinander  liegenden  Elementen  des  Samenstranges 
verwachsen  ist,  isoliert.  In  der  Gegend  des  inneren  und  ausseren 
Leistenringes  wurde  eine  ringförmige  Einschnürung  wahrgenommen. 
Ebenso  konnten  leichtere  Erscheinungen  auch  noch  an  zwei  anderen 
peripher  gelegenen  Stellen  konstatiert  werden.  An  diesen  wie  an  den 
Punkten,  die  dem  äusseren  und  inneren  Leistenring  entsprachen, 
wurden  strangförmige  Wandverdickungen  gefunden,  die  wohl  das 
Resultat  von  Verklebungen  und  Längsfalten  sind.  Der  Leistenkanal 
erwies  sich  ziemlich  eng.  Bei  der  Eröffnung  des  Bruchsackes  fand 
ich  in  demselben  statt  Netz  einen  akut  entzündeten  Appendix. 
Zwischen  dem  Processus  vermiformis  und  dem  Bruchsack  bestanden 
feste  Adhäsionen.  Nach  Isolierung  und  Resektion  des  entzündeten 
Appendix  wurde  die  Radikaloperation  nach  B  a  s  s  i  n  i  angeschlossen. 
Die  Heilung  erfolgte  primär. 


Nach  den  an  dem  Bruchsack  gemachten  Feststellungen:  der 
Fingerform,  der  festen  Verwachsung  des  Bruchsackes  mit  dem 
Samenstrang,  den  ringförmigen  Einschnürungen,  den  strang¬ 
förmigen  Verdickungen  des  Bruchsackes,  sowie  der  Enge  des 
Leistenkanales  hat  es  sich  also  hier,  wenn  ich  mich  auf  die  Ar¬ 
beiten  von  Hansen  beziehe,  um  einen  sog.  kongenitalen 
Bruchsack  gehandelt.  Sicherlich  aber  ist  der  Bruch  in  diesem 
Falle  nicht  dadurch  entstanden,  dass  sich  eine  Verwachsung 
des  im  Proc.  vagin.  liegenden  Hodens  mit  der  Appendix  gebildet 
hat  zu  einer  Zeit,  zu  der  der  Hoden  noch  im  Bereiche  der 
Bauchhöhle  lag,  so  dass  die  Appendix  beim  Deszensus  dem 
Hoden  hüte  folgen  müssen.  Graser  weist  in  seiner  Lehre 
von  den  Hernien  auf  derartige  angeborene  Verwachsungen  hin. 
Der  von  mir  operierte  Fall  gehört  aber,  wie  wir  bestimmt  be¬ 
haupten  können  zu  den  frischen  Hernien,  in  denen  der  Bruch¬ 
sack  vermutlich  auch  schon  vorgebildet  war.  Dafür,  dass  der 
Bruch  erst  kürzlich  entstanden  gewesen  sein  muss,  spricht  die 
Anamnese  und  die  Faltenbildung  am  Bruchsack,  die  wohl  all¬ 
gemein  als  ein  Zeichen  frischer  Brüche  anerkannt  wird.  Die 
peripher  der  Bruchpforte  gelegenen  Einschnürungen  sind  durch 
ein  schubweises  Tiefertreten  der  Bruchgeschwulst  zu  erklären. 
Nach  der  Arbeit  von  Hansen  gehört  auch  eine  Verlötung  des 
Bruchsackes  mit  dem  Samenstrang  zu  den  Hauptanzeichen 
kongenitaler  Bruchsäcke.  In  unserem  Falle  kann  aber  wohl  die 
feste  Verwachsung  des  Bruchsackes  mit  dem  Samenstrang  die 
Folge  der  vorhandenen  Entzündung  der  Appendix  sein,  indem 
sich  die  Entzündung  auf  die  nähere  Umgebung  ausdehnte. 


Mag  auch  der  hier  erwähnte  Fall  nicht  gerade  etwas  Neues 
bringen,  so  ist  er  doch  mitteilenswert,  da  es  doch  immerhin 
ein  merkwürdiger  Befund  ist,  wenn  man  auch  schon  das  Vor¬ 
handensein  der  verschiedensten  Organe  der  Bauchhöhle  in 
Bruchsäcken  konstatiert  hat,  die  Appendix  allein  als  Bruch¬ 
inhalt  bei  einer  Herniotomie  vorzufinden,  und  lässt  sich  dieser 
Befund  durch  eine  grosse  freie  Beweglichkeit  eines  in  grosser 
Ausdehnung  mit  dem  Peritoneum  überzogenen  Zoekums  er¬ 
klären,  da,  falls  der  Bruch  nicht,  wie  oben  erwähnt,  beim  Des¬ 
zensus  des  Hodens  entstanden  ist,  die  Appendix  nur  durch  freie 
Beweglichkeit  des  Zoekums  in  einen  Leistenbruch  gelangen 
kann.  Fs  wäre  aber  auch  anzunehmen,  dass  das  Zöekum  durch 


vorhandene  Verwachsungen  mit  dem  Dünndarm  herabgezogen 
wurde  und  so  beim  Tiefertreten  desselben  die  Appendix  in  den 
Bruch  gelangte,  oder  die  Appendix  mit  dem  sie  überziehenden 
parietalen  Blatt  des  Peritoneums,  das  als  Bruchsack  immer 
tiefer  gerückt  ist,  in  dem  Bruch  im  Leistenkanale  zutage  trat. 
Nach  meiner  Ansicht  kann,  wie  schon  oben  bemerkt,  der  Bruch¬ 
sack  wohl  kongenital  vorgebildet  gewesen  sein.  Es  ist  aber 
nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  sich  der  Bruchsack  wohl 
auch  erst  während  des  extrauterinen  Lebens  durch  Einwir¬ 
kungen  der  Bauchpresse  gebildet  haben  kann.  Durch  die 
wiederholte  Inanspruchnahme  derselben  beim  Husten,  Schreien, 
Erbrechen,  bei  erschwerter  Defäkation  oder  beim  Heben 
schwerer  Lasten  kann  es  hier  manchmal  wohl  auch  bei  einem 
engen  Leistenkanal  zu  einer  Ausstülpung  des  Bauchfelles 
kommen,  die  sich  allmählich  bei  Fortdauer  einer  gesteigerten 
Inanspruchnahme  der  Bauchpresse  durch  Lockerung  und  Deh¬ 
nung  des  um  den  inneren  Bruchring  gelegenen  Bauchfellteiles 
und  Verschiebung  desselben  gegen  den  Bruchsack  hin  erklären 
lässt.  Die  durch  die  oben  angeführte  freie  Beweglichkeit  des 
Zoekums  tiefer  getretene  oder  durch  Verwachsungen  desselben 
mit  dem  Dünndarm  herabgezogene  Appendix  konnte  dann  wohl 
auch  so  in  die  Ausstülpung  gelangen,  die  sich  dann  mehr  und 
mehr  vergrösserte. 

Der  angeführte  Fall  erregt  aber  nicht  nur  dadurch,  dass  bei 
ihm  die  Appendix  als  alleiniger  Bruchinhalt  gefunden  wurde 
unser  Interesse,  sondern  auch  dadurch,  dass  er  durch  eine 
leichte  Appendizitis  kompliziert  war.  Doch  will  ich  mich,  um 
nicht  zu  weitschweifig  zu  werden,  nicht  noch  auf  das  Gebiet 
dieser  Art  von  Blinddarmentzündung  wagen. 

Literatur. 

1  Graser:  Die  Lehre  von  den  Hernien.  Handb.  der  prakt. 
Chirurgie,  Bd  3,  1900.  —  2.  S  u  1 1  a  n:  Atlas  und  Grundriss  der  Unter¬ 
leibsbrüche,  1901.  —  3.  Hansen:  Ueber  die  Häufigkeit  angeborener 
Bruchsäcke.  Archiv  f.  klin.  Chirurgie,  Bd.  28,  1905. 


Aus  der  akademischen  Klinik  für  Augenheilkunde  in  Düsseldorf 

(Direktor :  Dr.  Pfalz). 

Alter  Fremdkörper  im  Oberkiefer  als  Ursache  akut 
einsetzender  blenorrhoe-ähnlicher  Bindehauteiterungen. 

Von  Assistenzarzt  Dr.  Max  Thörey. 

Die  hier  abgebildeten  Röntgenaufnahmen  sind  wohl  die  ersten 
dieser  Art,  die  bis  jetzt  veröffentlicht  worden  sind.  Sie  rühren  von 
einem  31  jährigen  Manne  her,  bei  dem  eine  abgebrochene  Messer¬ 
klinge  seit  vier  Jahren  in  der  linken  Augen-,  Kiefer-  und  Nasenhöhle 
und  der  Nasenscheidewand  sass,  ohne  dass  der  Kranke  davon  wusste. 
Die  Erscheinungen,  die  der  Fremdkörper  seit  5  Wochen  veranlasst 
hatte,  bestanden  in  einer  starken  Eiterung  aus  dem  Bindehautsack, 
die  nach  einer  vorübergehenden  Anschwellung  und  leichten  Schmerz¬ 
haftigkeit  am  1.  Unterlide  plötzlich  eingetreten  war.  Es  war  eine 
heftige  Bindehautentzündung  angenommen  und  dementsprechend 
3  Wochen  lang,  aber  erfolglos,  behandelt  wmrden. 


Dann  war  der  Kranke  der  Klinik  für  Augenheilkunde  überwiesen 
worden.  Hier  fiel  zunächst  auf,  dass  die  ausserordentliche  Starke 
der  Eiterung  —  wenige  Minuten  nach  Auswaschung  schwamm  das 
Auge  schon  wieder  in  Eiter  —  in  keinem  rechten  Verhältnis  zu  den 
verhältnismässig  geringfügigen  Veränderungen  an  der  Bindehaut  und 
den  Lidern  stand.  Da  schlechter  Geruch  aus  der  Nase  bestand,  wurde 
der  Kranke  zunächst  der  Klinik  für  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenheilkunde 
(Geh.-Rat  Keimer)  zugeführt. 


2428 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Hier  fand  sich  links  Schleim-Eiter  im  unteren  und 
mittleren  Nasengang  und  etwa  4  cm  vom  Naseneingang 
entfernt,  eine  Eisenspange,  die  von  der  unteren  Muschel  quer 
durch  die  Nasenhöhle  zur  Nasenscheidewand  verlief  und  sich 
medialwärts  verjüngte.  Sie  war  auch  bei  stärkster  Kraftanwen¬ 
dung  mit  der  Zange  unbeweglich.  Die  Richtung  des  Fremdkörpers 
zeigte  lateral  aufwärts  genau  auf  das  Ende  einer  Hautnarbe, 


die  leicht  verschieblich  war  und  im  Bogen  entlang  der  lateralen 
Hälfte  des  oberen  Augenhöhlenrandes  verlief,  dann  dem  lateralen 
Augenhöhlenrande  folgte  und  in  der  lateralen  Hälfte  des  unteren 
Augenhöhlenrandes  endete.  Der  Knochenrand  erwies  sich  an  dieser 
Stelle  bei  Betastung  als  verdickt,  eine  derbe  festsitzende,  flache,  etwa 
pflaumengrosse  Anschwellung  am  unteren  Boden  der  Augenhöhle  er¬ 
schwerte  das  Vordringen  des  Fingers  zwischen  Augapfel  und  Boden 
der  Augenhöhle.  Nun  fanden  wir  auch,  dass  das  Unterlid,  nicht  voll¬ 
ständig  umgekehrt  werden  konnte,  weil  die  Uebergangsfalte  mit  üer 
Anschwellung  in  fester  Verbindung  stand.  Nachdem  wir  den  Eiter, 
der  den  Boden  des  Bindehautsacks  immer  bedeckte,  gründlich  weg¬ 
gespült  hatten,  fand  sich  auch  die  Quelle  der  Eiterung:  Der  laterale 
Teil  des  unteren  Bindehautsacks  senkte  sich  als  feiner  Spalt  stark  in 
die  Tiefe,  und  etwa  lateral wärts  von  der  Mitte,  zwischen  zwei  kleinen 
Wülsten  war  eine  feine  Fistelöffnung,  durch  die  man  mit  einer  nach 
unten  und  etwas  nach  hinten  gerichteten  Sonde  auf  einen  harten 
rauhen  Körper  stiess,  der  dem  Krepitationsgefühle  nach  mehr  den  Ein¬ 
druck  von  Metall  als  von  Knochen  machte.  Der  Kranke  erzählte  nun 
auf  Befragen,  dass  er  vor  4  Jahren  einen  Stich  in  die  Gegend  des 
L  Auges  bekommen  habe,  der  von  oben  her  geführt  sein  müsse;  die 
Klinge  sei  vermutlich  von  der  Stirn  abgeglitten  und  habe  dann  die 
Wange  verletzt.  Die  Wunde  sei  am  nächsten  Tage  genäht  worden 
und  nach  wenigen  Tagen  vollständig  geheilt  gewesen. 

.....  Diagnose  war  hiermit  klar  und  die  Röntgenaufnahme  be¬ 
stätigte  sie. 

Zur  Entfernung  des  Fremdkörpers,  die  Herr  Dr.  Pfalz  und 
Herr  ueheimrat  Keimer  gemeinschaftlich  ausführten,  wurde  ent- 
an?  unteren  Augenhöhlenrande,  aber  um  Einziehung  der  Narbe 
und  Ektropium  zu  vermeiden,  einige  Millimeter  unterhalb  desselben, 
auf  den  Jochbogen  eingeschnitten.  Der  überragende  Rand  der  Augen¬ 
höhle  und  einige  periostale  und  kallöse  Wucherungen  wurden  abge¬ 
tragen,  bis  die  Klinge  ein  wenig  freilag.  Darauf  folgte  sie 
<Lchwachen  Zuge  einer  Kneipzange  ohne  Schwierig¬ 
en^  hP* * * SJLTar  nmit  emeu  SSlch*  von  Schleim  und  schwarzem 
Rost  bedeckt  und  von  sehr  üblem  Gerüche.  Sie  war  5,3  cm  lang, 

1,3  cm  breit.  Die  Wunde  wurde  vernäht  und  das  Auge  feucht  ver- 

m  3‘,und  4;  Tage  bestand  serös-eitrige  Sekretion  aus  zwei 
Stichkanalen,  dann  trat  vollkommene  feste  Vernarbung  ohne  Ent¬ 
stellung  ein  Die  Eiterung  aus  dem  Bindehautsack  war  vom  1.  Tage 
yol^tandlg  verschwunden.  Die  Prüfung  der  Sensibilität  im  Be- 
ÄS  Nervus  infraorbitalis,  sowie  die  Durchleuchtung  und  pro- 

£rinilthe  AaUSSinU^n8  der  Kieferhohle  ergaben  normalen  Befund,  der 
Kranke  wurde  10  Tage  nach  der  Operation  geheilt  entlassen. 

Das  Vorkommen  von  abgebrochenen  Messerklingen  in  der 

^Föiip’d^1  Uüd  Nasenhöhle  ist  selten;  ich  fand  nur 

körn  r  in  ,?enAhtet’  ,d.?™ntuer  nur  einen,  in  dem  der  Fremd¬ 
körper  in  der  Augenhöhle  bemerkt  wurde.  Die  Mechanik  der 


Verletzung  ist  nach  dem  Gesagten  klar,  sie  ist  in  allen  be¬ 
schriebenen  Fällen  anscheinend  die  gleiche  gewesen.  Das 
lange,  symptomlose  Verweilen  von  Fremdkörpern  in  den  hier 
beteiligten  Körperhöhlen  und  die  schnelle  Heilung  nach  Entfer¬ 
nung  derselben  sind  häufig  beobachtet  worden. 

Auf  das  Bestehen  der  Fistel  in  unserem  Falle  sei  noch 
besonders  hingewiesen,  da  Fisteln  neben  Tumor,  Druckemp- 
findlichkeit  und  Jbewegungsbeschränkung  als  ein  wichtiges  Sym¬ 
ptom  von  Fremdkörpern  in  der  Augenhöhle  gelten,  sie  treten 
fast  stets,  wenn  auch  oft  erst  nach  längerer  Zeit,  auf,  wie  dies 
die  Arbeiten  von  M  i  t  k  e  w  i  t  s  c  h,  G  a  1 1  u  s,  P  e  t  e  r  s  2)  u.  A. 
lehren.  Doch  verweilten  bisweilen  grössere  Fremdkörper 
z.  B.  abgebrochene  Stricknadeln,  Knochenstücke  [T  e  i  1 1  a  i  s’ 
Brandenburg  u.  a.  ”)J  auch  ohne  Fistelbildung  jahrelang 
in  derAugenhöhle.  In  unserem  Falle  dürfte  die  Fistel  erst  mit 
dem  Beginn  der  Eiterung  nach  Durchbruch  eines  Abszesses 
in  den  bindehautsack  entstanden  sein,  darauf  weist  die  Vor¬ 
geschichte  hin;  dass  die  Bindehaut  von  vornherein  verletzt  ge¬ 
wesen  sei  und  etwa  eine  feine  Haarfistel  sich  damals  schon 
gebildet  habe,  machen  weder  die  Vorgeschichte  noch  die  ana¬ 
tomischen  Verhältnisse  wahrscheinlich. 

Weshalb  plötzlich  die  Eiterung  eintrat,  bleibt  unklar. 
Möglicherweise  war  eine  oberflächliche  Hautverbrennung,  die 
dei  Kianke  angeblich  2  Monate  früher  am  inneren  Augen¬ 
winkel  erlitten  hatte  und  die  bald  wieder  geheilt  war,  in  irgend 
einer  Weise,  vielleicht  durch  gelegentliches  Drücken  und  Reiben 
am  Lide  dabei  wirksam.  Im  Sekretausstrich  wurden  einzelne 
Gram-positive  Kokken  und  zahlreiche  schlanke  Gram-negative 
Stäbchen,  die  haufenweise  zwischen  und  z.  T.  auch  innerhalb 
der  Eiterzellen  lagen,  getunden. 

Der  Beiund  an  der  Bindehaut  sei,  als  differentialdiagnos- 
tisch  bemerkenswert,  hier  ergänzt.  Bei  leichter  Schwellung 
der  Lider  bestand  massige  Verdickung  und  Trübung  der  Con- 
junetiva  palpeörae  interioris  et  fornicis  inferioris,  sie  war  him¬ 
beerfarbig  mit  grauem  Schimmer  und  zeigte  mässige  Follikel¬ 
schwellung.  Die  Conjunktiva  palpebrae  superioris  et  fornicis 
superioris  war  gerötet,  leicht  geschwellt,  aber  glatt,  die  Con- 
junctiva  bulbi  hyperämisch,  unten  verdickt  und  getrübt,  oben 
durchscheinend.  Je  näher  der  Hornhaut,  desto  normaler  war 
sie.  Alle  diese  Veränderungen  waren  in  der  Nähe  der  Fistel¬ 
öffnung  am  stärksten  ausgesprochen  und  um  so  schwächer, 
je  weiter  sie  davon  entfernt  waren,  z.  B.  waren  die  Mei- 
b  o  o  m  sehen  Drüsen  am  Unterlide  nur  in  der  Mitte,  am  Ober- 
hde  gar  nicht  verschleiert,  tpisklerale  Injektion  fehlte.  Der 
vorbehandelnde  Arzt  hatte  an  chronische  Blennorrhoe  oder 
akutes  Trachom  gedacht.  Gegen  erstere  musste  besonders 
der  regionäre  Charakter,  gegen  letzteres  besonders  die  Lo¬ 
kalisation  der  Haupterscheinungen  und  das  Fehlen  einer  Horn¬ 
hautreizung  sprechen. 


.  r  veilaui  war  in  ähnlichen  Fällen  nicht  so  günstig  wie  im 
unsiigen.  So  war  bei  Steckis  Krankem  eine  Entstellung 
durch  Ektropium  und  2  mit  Granulationen  umgebene  Fisteln 
aut  der  Wunde  eingetreten  und  in  Kirchgässers  Fall 
wurde  die  Messerklinge,  die  seit  9  Jahren  im  Jochbogen,  in 
der  Kcilbem-  und  Nasenhöhle  und  im  harten  Gaumen  sass,  bis 
in  die  Mundhöhle  reichte,  und  seit  einem  halben  Jahre  Kopf¬ 
schmerz  und  stinkenden  Ausfluss  verursacht  hatte,  unter  grosser 
nstrengung  erst  entfernt  nachdem  die  Kieferhöhle  eröffnet 
und  ein  Stuck  der  horizontalen  Gaumenplatte  mit  einem  Stück 
des  Alveolarfortsatzes  und  2  Zähnen  weggemeisselt  war  (!). 

, e*a rkT«er  /vi  dj6r  ba  von  ^  e  n  th.  Der  Stich  war  hier  durch 
das  Oberlid,  den  vorderen  Abschnitt  des  Augapfels  und  das 
n  erlid  gegangen.  Die  Hautwunden  waren  vernäht  worden. 
Am  8.  Tage  trat  Tetanus,  am  17.  Exitus  ein,  erst  bei  der 
Autopsie  wurde  die  Messerklinge  in  der  Keilbeinhöhle  gefunden. 
Sie  leichte  4  mm  weit  aus  der  Superficies  orbitalis  in  die  Augen- 

letalen  BäckenUZahnes.Ch  Unt“  “*  Unter  das  Zahnfleisch 


Solche  Beobachtungen  lehren  uns,  wie  auch  Genth  be¬ 
tont,  eindringlich  die  Wichtigkeit  der  alten  Regel,  bei  allen 


/)  König:  Lehrbuch  der  spez.  Chirurgie  1885 '86  _  Stecki- 

ve r w"0 W L s e n s c  h^  1  S8(f ^485°  *  ?  •  L~ 

Wochenschr  isos  f  8  r  “  K  1  r  c  h  g  a  s  s  e  r :  Deutsche  med. 

S .  55  1895’  S’  3L  “  Qenth:  Zeitschr.  f.  Augenheilk.  1903, 


Jena'  1897M  P^tVrs-' M^8^'  556‘  0  ä  1 1  u  InauÄ 

Cna3lbT7‘  .{  et.ers-  Munch-  med.  Wochenschr.  1900,  S.  360. 

Ki„  tr!i  £  1 1 1  ä  i  s :  Gaz.  med.  de  Nantes  1892/3,  XI,  p.  192.  R( 

t  AuS.  Js“nd,t’  S-  534-  B  -  „  d  e  „  b  b  r  g:  Are 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2429 


Verletzungen  in  der  Nähe  knöcherner  Höhlen  sich  genau  zu 
überzeugen,  dass  kein  Fremdkörper  eingedrungen  sei. 

Wenn  auch  der  jetzt  verpönten  Sondierung  der  Wunden 
hier  nicht  das  Wort  geredet  werden  soll,  so  sollte  doch  keine 
derartige  Wunde  genäht  oder  durch  Verband  endgültig  ge¬ 
schlossen  werden,  ehe  man  den  Stillstand  der  Blutung  ab¬ 
gewartet,  und  sie  gründlich  ausgespült  und  betrachtet  hat. 

Unser  Fall  zeigt  auch  wieder,  wie  wertvoll  in  allen  Fällen 
von  unbestimmten  Augenerscheinungen  eine  genaue  Unter¬ 
suchung  der  Nase  ist. 

Meinen  verehrten  Chef,  Herrn  Dr.  P  f  a  1  z,  erlaube  ich  mir 
für  die  Anregung  zu  dieser  Mitteilung  und  Ueberlassung  des 
Falles  meinen  ergebensten  Dank  abzustatten. 


Ueber  einen  interessanten  Fall  von  einem  Fremdkörper 

in  der  Nase. 

Von  Dr.  M  ü  h  1  e  n  k  a  m  p  in  Qelsenkirchen,  jetzt  in  Düsseldorf. 

Am  6.  September  1907  kam  ein  Patient  zu  mir  und  klagte  über 
Brennen  und  Jucken  in  der  Nase.  Bei  der  Untersuchung  sah  ich  in 
der  linken  Nasenhälfte  direkt  neben  der  Scheidewand,  senkrecht 
zum  Nasenboden  einen  3  cm  langen  und  1  cm  breiten  schwarzgrauen 
Streifen.  Als  ich  den  Patienten  fragte,  ob  ihm  zufällig  etwas  in  die  Nase 
geraten  sei,  sagte  er:  Nein.  Ueberrascht  wurde  ich  durch  den  eigen¬ 
tümlichen  Klang  der  durch  das  Berühren  des  Sondenknopfes  mit  dem 
Fremdkörper  entstand.  Mit  einer  Fremdkörpernadel  versuchte  ich  den 
Gegenstand  zu  umfassen.  Da  die  Nadel  mir  bei  dem  Versuche  den 
Fremdkörper  herauszuziehen  abbrach,  nahm  ich  eine  sehr  kräftige 
Nadel.  Mit  dieser  gelang  es  mir  den  Gegenstand  aus  seiner  Lage 
zu  bringen.  Da  der  Patient  über  heftige  Schmerzen  klagte  und  eine 
starke  Blutung  bei  fortwährendem  Tupfen  mir  das  Gesichtsfeld  ver¬ 
deckte,  tamponierte  ich  vorsichtig  die  Nase.  Am  anderen  Morgen 
nach  Entfernung  der  Tamponade  sah  ich  den  Gegenstand  wieder, 
aber  in  einer  anderen  Lage.  Mit  der  Kornzange  gelang  es  mir  nun 
leicht  den  losgelösten  Gegenstand  dem  Patienten  aus  der  Nase  heraus¬ 
zuziehen.  Es  handelte  sich  um  eine  gut  5  cm  lange  und  fast  l'/äcm 


Gezeichneter  Umriss  der 
Messerklinge. 


Durch  die  Fremdkörpernadel 
entstanden. 


breite,  abgebrochene  Messerklinge.  Als  der  Patient  die  Klinge  sah 
erzählte  er  mir,  dass  er  vor  ca.  2  Jahren  bei  einer  Schlägerei  ge¬ 
stochen  sei.  Als  ich  daraufhin  den  Nasenrücken  genauer  betrachtete 
sah  ich  eine  kleine,  winzige,  strichförmige  Narbe.  Das  Messer  ist 
bei  der  Schlägerei  durch  den  Nasenrücken  in  den  knöchernen  1  eil 
des  Gaumenbogens  eingedrungen  und  dort  abgebrochen.  Die  Wunde 
auf  dem  Nasenrücken  ist  zugewachsen.  2  Jahre  lang  hat  die  Messer¬ 
klinge  reaktionslos  bis  vor  kurzem  in  der  Nase  verweilt. 


Em  neuer  Apparat  zur  Vibrationsmassage  der  Prostata. 

Von  Dr  med.  A.  Gunsett,  Spezialarzt  in  Strassburg  i.  E. 

Die  bisher  angegebenen  und  im  Handel  befindlichen  Vibratoren 
für  die  Prostata  hatten  alle  ganz  erhebliche  Nachteile. 

Hauptsächlich  wurde  unangenehm  empfunden,  dass  bei  allen 
diesen  Apparaten  der  wirksame,  vibrierende  Punkt,  also  das  Ende 
der  Motorachse  nicht  an  der  Prostata  selber,  sondern  ausserhalb 
des  Afters  lag.  Die  Instrumente  setzten  sich  als  massive  Kolben 
von  diesem  Punkte  an  zur  Prostata  fort.  Das  die  Prostata  berührende 
Ende  wurde  infolgedessen  nur  in  ganz  geringem  Masse  in  Schwingung 
gesetzt  und  von  einer  wirksamen  Erschütterung  der  Prostata  konnte 
keine  Rede  sein,  höchstens  fiel  die  Aftergegend  in  den  Vibrations¬ 
bezirk  und  gerade  dieser  Umstand  machte  die  Behandlung  ziemlich 
schmerzhaft.  Es  ist  deshalb  nicht  zu  verwundern,  wenn  bis  jetzt 
die  Vibrationstherapie  der  Prostata  sich  wenig  Geltung  verschaffen 
konnte. 

Durch  die  Konstruktion  des  Prostata-Zentrifugal-Vibrators  wurde 
diesen  Uebelständen  abgehoben.  Das  Instrument  ist  nicht  mehr  massiv 
wie  früher,  sondern  erreicht  die  Prostata  als  schwach  keulenförmig 
endigendes  Rohr,  das  etwa  in  seiner  Mitte  mit  einem  ringförmigen 
Ansätze  versehen  ist.  Im  Endkolben  des  Rohres,  also  direkt  auf  der 
Prostata  ist  ein  kleines  Schwunggewicht  an  einer  Welle  exzentrisch 
angebracht. 


Je  schneller  das  Schwunggewicht  rotiert,  desto  stärker  oszilliert 
der  Vibrator.  Es  ist  also  auf  eine  gute  Regulierbarkeit  des  Motors 
in  der  Tourenzahl  zu  sehen.  Die  Einfachheit  der  Konstruktion  und 
die  reichliche  Dimensionierung  der  Lager  machen  den  Apparat  un¬ 
verwüstlich. 


Behufs  Sterilisierung  durch  Auskochen  wird  die  Welle  mit  den 
Schwunggewichten  herausgenommen,  was  nach  Lösung  des  Bajonett¬ 
verschlusses  leicht  möglich  ist. 


Man  erreicht  durch  diese  Konstruktion: 

1.  Ein  absolutes  Stilliegen  des  Apparates  im  After,  sodass  jetzt 
von  einer  Schmerzhaftigkeit  der  Prozedur  nicht  die  Rede  sein  kann. 
Auch  die  Einführung  des  Apparates  ist  nicht  schmerzhafter  als  die 
des  Fingers. 

2.  Liegt  der  vibrierende  Teil  jetzt  direkt  auf  der  Prostata,  wo¬ 
durch  eine  direkte  Erschütterung  derselben  erfolgt. 

Die  Indikationen  der  Prostatavibrationsmassage  decken  sich  mit 
denjenigen  der  Prostatamassage  überhaupt.  Es  kommen  also  in  Be¬ 
tracht  alle  Formen  der  chronischen  Prostatitis,  beginnende  Hyper¬ 
trophie  und  vor  allem  die  durch  Prostataerkrankungen  bedingten  For¬ 
men  der  Impotenz. 

Hierfür  empfehle  ich  noch  besonders  den  Apparat  in  Verbindung 
mit  galvanischem  oder  faradischem  Strom  oder  mit  beiden  zugleich, 
wenn  es  die  Stromquelle  erlaubt.  Die  Elektrodenschrauben  hierzu 
werden  an  der  Welle  angebracht.  Die  andere  Elektrode  wird  auf  die 
Lendenwirbelsäule  gelegt. 

Ich  habe  mit  dieser  kombinierten  Methode  gerade  bei  Impotenz 

sehr  gute  Resultate  erzielt.  .  ,  .  .  . 

Der  Apparat  wird  von  der  Firma  Reiniger,  Gebbert  cc 
Schall  in  den  Handel  gebracht  und  findet  sich  bereits  in  deren 
Katalog. 


Watte-  und  Gazekästchen  für  den  Sprechzimmergebrauch. 

Von  E)r.  L.  Grünwald  (Bad  Reichenhall— München). 


Das  abgebildete  Kästchen  besteht  aus  Nickelblech,  hat  eine  qua¬ 
dratische  Grundfläche  von  II  cm  Seitenlänge  und  ist  16  cm  hoch. 
Durch  eine  horizontale  und  eine  vertikale  Scheidewand  ist  das  Innere 
in  3  Fächer  abgeteilt.  Das  unterste  enthält  eine  ausziehbare  Lade,  in 
welcher  Raum  für  2  meiner  seiner¬ 
zeit*)  beschriebenen,  sterilen  Ver¬ 
bandschachteln  vorhanden  ist.  Der¬ 
selbe  soll  hauptsächlich  zur  Unter¬ 
bringung  einer  mit  Penghawar 
Yambi,  zur  Blutstillung,  gefüllten 
und  einer  mit  Vioformgazestreifen 
beschickten  Schachtel  dienen. 

Die  beiden  oberen  Fächer  mün¬ 
den  vorne  in  je  einen,  durch  eine 
aufstellbare,  lange  Klappe  ver¬ 
schlossenen,  Schlitz.  Im  Fache  I 
liegt  eine  mit  randgewebten  Gaze¬ 
streifen  von  2,8  cm  Breite  und  10  m 
Länge  belegte  Papierrolle,  im  II.  eine 
ebensolche  mit  je  5  cm  breiten,  kur¬ 
zen  Wattestreifen  versehene.  Die 
einzelnen  Streifen  decken  sich  an 
ihren  Rändern  dachziegelförmig,  so 
dass  beim  Herausziehen  des  Papier¬ 
streifens  und  nach  Abnahme  des 
vorliegenden  Streifens  immer  das 

Ende  des  nächsten  zum  Vorschein  .  „  ,  „ 

kommt,  aber  nur  so  weit,  dass  er  durch  die  überfallende  Klappe  voll¬ 
kommen  gedeckt  wird. 

Der  obere  Deckel  wird  nur  zum  Einführen  neuer  Rollen,  also 
selten,  geöffnet  und  ist  sonst  immer  geschlossen.  Das  die  Schub¬ 
lade  deckende  Querfach  ist  durchlöchert,  so  dass  nach  Herausziehen 
der  ersteren  der  ganze  Kasten  samt  den  ohnedies  steril  gelieferten 
Rollen  jederzeit  im  strömenden  Dampf  oder  Formalin  sterilisiert  wer¬ 
den  kann.  Die  Anbringung  der  Verbandstreifen  auf  Papierrollen 
sichert  eine  vollkommen  sterile  Entnahme,  da  zum  Vorziehen  immer 
nur  der  vorstehende  Papierrand  angefasst  wird  und  die  .  treuen 

selber  nicht  berührt  werden  brauchen.  + 

Angefertigt  wird  dieses  Kästchen  von  der  Firma  Hermann  Katsch. 
München.  Preis  des  Kästchens  ohne  Füllung  M.  18.  ,  mit  rullung 
M.  20.—. 


*)  Münchener  medizinische  Wochenschrift  1904,  No.  51. 


2430 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  W0CHENSCE1RIFT. 


No.  40. 


Amerikanische  Reiseeindrücke. 

Von  Friedrich  Müller  in  München. 

(Schluss.) 

Im  klinischen  Unterricht  sehen  wir,  dass  in  Amerika 
die  Demonstrationen  und  Vorträge  im  klinischen  Hörsaal  zu¬ 
rücktreten  hinter  den  praktischen  Uebungen  auf  der  Abteilung. 
Die  Studierenden  sind  nach  Jahrgängen  in  verschiedene  Klassen 
eingeteilt,  und  der  Unterricht  für  die  Anfänger  ist  getrennt  von 
dem  der  Vorgerückteren.  Dieses  System,  das  wir  übrigens 
auch  in  den  Münchener  medizinischen  Kliniken  befolgen  und 
welches  überall  dort  eingeführt  zu  werden  verdient,  wo  zwei 
oder  drei  parallele  Kliniken  an  einer  Hochschule  bestehen,  hat 
grosse  Vorzüge:  Der  klinische  Unterricht  für  Anfänger  darf 
nur  die  Kenntnis  der  Anatomie  und  Physiologie  voraussetzen 
und  bringt  nicht  viel  anderes  als  die  Anwendung  der  allge¬ 
meinen  Pathologie  auf  den  Menschen,  während  die  Klinik  für 
Vorgerücktere  sich  mehr  in  die  Einzelfragen  vertiefen  kann 
und  vor  allem  den  therapeutischen  Fragen  grösseren  Raum  ge¬ 
währt.  Wenn  Anfänger  und  Vorgerückte  zusammen  untei  - 
richtet  werden,  so  ist  es  unvermeidlich,  dass  die  ersteren  vieles 
nicht  verstehen,  was  für  die  letzteren  berechnet  ist,  und  dass 
der  Vorgerücktere  durch  die  Wiederholung  der  ihm  bereits  ge¬ 
läufigen  Grundbegriffe  gelangweilt  wird. 

Der  klinische  Unterricht  findet  in  Amerika  hauptsächlich 
in  der  Weise  statt,  dass  die  Studierenden  eines  Jahrganges  in 
kleine  Gruppen  verteilt  und  einzelnen  Lehrern  zugewiesen 
werden.  Jedem  Studierenden  werden  einige  Patienten  über¬ 
geben,  die  er  auf  der  Abteilung  nach  allen  Richtungen  zu  unter¬ 
suchen  hat,  auch  die  Untersuchung  des  Harns,  des  Blutes  und 
Sputums  muss  ausgeführt  werden.  Die  Studierenden  haben 
eingehende  Krankengeschichten  zu  führen  und  erscheinen  bei 
der  Visite  ihres  Lehrers  mit  dicken  Krankengeschichtsbündeln 
unter  dem  Arm.  Die  Kontrolle  dieser  Krankengeschichten  und 
überhaupt  die  Ueberwachung  und  Anleitung  der  Studierenden 
auf  der  Krankenabteilung  erfordert  natürlich  zahlreiche  Lehr¬ 
kräfte,  und  zwar  sind  es  vor  allem  die  jüngeren  Lehrkräfte, 
die  etwa  unseren  Privatdozenten  und  Extraordinarii  ent¬ 
sprechen,  welche  mit  der  Leitung  dieser  Uebungen  betraut 
sind.  Die  jüngeren  Lehrer  haben  ferner  zwei-  oder  dreimal 
wöchentlich  Repetitorien  abzuhalten,  in  welchen  den  Studenten 
die  Aufgabe  gestellt  wird,  für  jede  Stunde  ein  bestimmtes  Ka¬ 
pitel  aus  dem  an  dieser  Medizinschule  im  Gebrauch  befindlichen 
Lehrbuch,  z.  B.  aus  Oslers  System  of  Medicine,  durchzu¬ 
nehmen  und  darüber  in  der  nächsten  Stunde  Rede  und  Antwort 
zu  stehen.  Der  Repetitor  kann  sich  dabei  von  dem  Fleiss  der 
Schüler  überzeugen,  er  erkennt,  ob  die  Grundbegriffe  festsitzen, 
und  der  Studierende  hat  die  Möglichkeit,  seine  Fragen  und 
Zweifel  auszusprechen. 

Dieses  System  des  Einpaukens  und  der  Fleisskontrolle  ist 
den  deutschen  Universitäten  fremd.  Bei  uns  ist  es  vollkommen 
ütin  Studierenden  selbst  überlassen,  ob  er  etwas  lernen  will 
oder  nicht,  und  der  Lehrer  steht  namentlich  an  unseren 
gi össei  eil  Hochschulen  oft  nur  in  recht  geringem  Zusammen¬ 
hang  mit  seinen  Zuhörern.  Mancher  von  uns  kümmert  sich  nur 
wenig  darum,  wie  viel  oder  wie  wenig  der  Student  von  seinen 
Vorlesungen  versteht.  Gewiss  sollen  unsere  Universitäten 
Hochschulen  im  wahren  Sinne  des  Wortes  bleiben,  und  die  Vor¬ 
träge  sollen  in  erster  Linie  für  die  begabteren  und  fleissigsten 
unter  den  Studierenden  eingerichtet  sein.  Es  ist  nicht  richtig, 
eie  geistige  Nahrung  für  die  Besten  zu  verkürzen,  weil  sich 
auch  dumme  und  faule  Menschen  zu  den  Hochschulen  drängen 
Es  ist  aber  auch  nicht  erlaubt,  diese  letzte  Kategorie  von  Stu¬ 
denten  ganz  zu  vernachlässigen,  und  es  liegt  ein  gewisser  gei- 
stigei  Hochmut  darin,  wenn  die  Vorlesungen  auf  einem  so 
hohen  Niveau  gehalten  werden,  dass  eben  nur  die  begabtesten 
und  ileissigsten  Studenten  davon  wirklichen  Nutzen  haben. 
Konnte  nicht  auch  bei  uns  manches  geschehen,  um  die  Lücken 
m  den  Kenntnissen  der  Studierenden  auszufüllen  und  um  die 
Grundlagen  zu  befestigen,  ohne  welche  ein  weiteres  Ver¬ 
ständnis  der  Vorlesungen  unmöglich  ist?  Besteht  unter  unseren 
‘  u!dierenden  wirklich  kein  Bedürfnis  nach  solchen  Repeti¬ 
torien  und  Paukkursen,  wie  sie  an  den  amerikanischen  Medizin¬ 
schulen  üblich  sind?  Gewiss  es  besteht  und  es  wird  auch  be- 
tnedigt,  aber  meist  extra  muros  der  Universitäten.  Es  ist  be¬ 


kannt,  dass  hier  in  München,  wie  auch  an  anderen  Universitäten 
solche  Paukkurse  zur  Vorbereitung  auf  das  Examen  in  manchen 
Fächern  der  Medizin  gelesen  werden,  namentlich  in  solchen, 
welche  grosse  Ansprüche  an  das  Gedächtnis  stellen.  Dass 
solche  Paukkurse  bei  dem  Studium  der  Jurisprudenz  noch  viel 
verbreiteter  und  dort  als  eine  fast  legitime  und  notwendige  Er¬ 
gänzung  der  Universitätsvorlesungen  angesehen  sind,  ist 
bekannt.  Neuerdings  haben  die  Paukkurse  auch  bei  den  Stu¬ 
dierenden  des  Polytechnikums  Eingang  gefunden,  weil  viele 
von  ihnen  nicht  imstande  sind,  dem  hohen  Fluge  der  mathe¬ 
matischen  Vorlesungen  zu  folgen.  Dass  also  derartige  Nach¬ 
hilfen  notwendig  sind,  wird  kaum  bestritten  werden  können. 
Wäre  es  hier  nicht  besser,  diese  Repetitorien  in  den  Rahmeil 
der  Hochschule  selbst  aufzunehmen  und  zu  legitimieren,  als  sie 
jenen  unkontrollierbaren  Repetitoren  zu  überlassen,  die  ausser¬ 
halb  der  Universitäten  ihre  Kurse  abhalten?  Sie  mögen  manch¬ 
mal  recht  gute  Lehrer  sein,  oft  aber  bestreben  sie  sich  mehr, 
die  Examenskandidaten  auf  die  Eigenheiten  der  Examinatoren 
einzudrillen,  als  ihnen  zu  einem  wirklichen  Eindringen  in  den 
wissenschaftlichen  Stoff  zu  verhelfen.  —  Wenn  Repetitorien 
nach  amerikanischem  Muster  auch  bei  uns  zur  Einführung 
kommen  sollten,  so  dürften  sie  selbstverständlich,  dem  Geiste 
unserer  Universitäten  entsprechend,  nicht  obligatorisch  sein. 
Es  müsste  vielmehr  den  Studenten  freigestellt  werden,  ob  sie 
sich  daran  beteiligen  wollen  oder  nicht.  Jeder  Zwang  würde 
schädlich  wirken.  Vielen  jungen  Lehrkräften  unserer  Universi¬ 
täten,  welche  sich  jetzt  mit  kleinen  und  schlecht  besuchten 
Spezialvorlesungen  begnügen  müssen,  würde  sich  dadurch  ein 
nützliches  Feld  der  Tätigkeit  eröffnen,  auf  welchem  sie  ihre 
Lehrbegabung  entfalten  könnten.  Freilich  hat  diese  Einrich¬ 
tung,  wie  wir  an  dem  Beispiel  der  amerikanischen  Universitäten 
sehen,  auch  gewisse  Schattenseiten,  indem  die  jungen  Lehr¬ 
kräfte,  nämlich  die  älteren  Assistenten  und  die  jüngeren  Pro¬ 
fessoren  durch  die  Kurse  und  Abteilungsübungen  ganz  ausser¬ 
ordentlich  stark  in  Anspruch  genommen  werden,  so  dass  ihnen 
für  eigene  wissenschaftliche  Arbeit  weniger  Zeit  übrig  bleibt, 
als  dies  bei  dem  Nachwuchs  unserer  Universitäten  die 
Regel  ist. 

Die  strengere  Aufsicht  und  die  bessere  Nachhilfe,  welche' 
den  amerikanischen  Medizinstudierenden  zuteil  wird,  muss  sich 
natürlich  im  Examen  und  beim  Praktizieren  in  den  Kliniken 
geltend  machen.  Der  Kliniker  kann  an  seine  Zuhörer  grössere 
Anforderungen  stellen,  weil  er  sie  besser  und  gleichmässiger 
vorbereitet  weiss.  Ich  war  oft  erstaunt  darüber,  wie  gut  die 
amerikanischen  Studenten  über  die  ihnen  zngewiesenen  Patien¬ 
ten  Auskunft  zu  geben  vermochten.  In  einer  klinischen  Vor¬ 
lesung  von  Prof.  B  a  r  k  e  r  in  Baltimore,  bei  der  ich  anwesend 
v  ar,  wurde  eine  Patientin  vorgestellt,  welche  am  Tage  vorher 
in  das  Hospital  eingetreten  und  dem  Praktikanten  zugeteilt 
v  01  den  war.  Prof.  Bark  er  frug  den  Praktikanten  sofort 
nach  der  Diagnose,  dieser  anwortete,  es  hanidle  sich  um  einen 
Fall  von  Adams-Stokes  scher  Krankheit  und  begründete 
die  Diagnose  in  vollkommen  zutreffender  Weise,  er  wusste  Be¬ 
scheid  darüber,  dass  das  Symptomenbild  auf  eine  Störung  des 
Leitungsbündels  zurückgeführt  wird,  er  kannte  die  einschlägi¬ 
gen  Tierexperimente,  er  hatte  die  Kurven  studiert,  welche  von 
dem  Assistenzarzt  am  selben  Tage  von  Herzstoss,  Karotis  und 
Jugularis  aufgenommen  worden  waren,  und  auf  die  Frage 
Barkers,  ob  er  die  Literatur  über  diese  Krankheit  nach¬ 
gelesen  hätte,  gab  er  zu,  dies  sei  ihm  wegen  der  Kürze  der 
Zeit  erst  zum  kleinen  Teil  möglich  gewesen.  Es  versteht  sich 
von  selbst,  dass  nach  dieser  Einleitung  der  Vortrag  des  Lehrers 
auf  einer  ganz  anderen  Stufe  einsetzen  konnte,  als  dies  an  vielen 
deutschen  Kliniken  möglich  gewesen  wäre.  —  Bei  den  Herter- 
lectures  über  die  pathologische  Chemie  der  Verdauung  und  des 
intermediären  Stoffwechsels,  welche  ich  an  der  Bellevue  medi¬ 
cal  school  in  New  York  gehalten  habe,  konnte  ich  in  recht 
schwierige  Details  der  organischen  Chemie  eindringen,  ohne 
dass  die  Zuhörerzahl  im  Laufe  der  Vorlesungen  sich  vermindert 
hätte.  In  Deutschland  hätte  sich  bei  einer  derartigen  Vor- 
lesungsr  eihe  die  Zahl  der  Zuhörer  wohl  bald  vermindert,  und 
z\\  ar  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  chemischen  und 
physiologischen  Vorkenntisse  bei  vielen  nicht  hingereicht 
hätten,  um  folgen  zu  können.  Dabei  besteht  in  Amerika  nicht, 
wie  man  glauben  könnte,  ein  Kollegienzwang;  wie  sollte  in 


2,  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2431 


einem  Lande,  das  die  persönliche  Freiheit  über  alles  schätzt, 

ein  solcher  Zwang  möglich  sein?  . 

Die  medizinischen  Institute,  welche  ich  an  zahlreichen 
Universitäten  gesehen  habe,  sind  sehr  verschieden.  Manche 
gleichen  im  Innern  mehr  Fabrikräumen  und  sind  mit  der  denk¬ 
barsten  Einfachheit  ausgestattet,  sie  lassen  oft  noch  die  Ent¬ 
stehung  aus  kleinen  Anfängen  erkennen  und  zeigen  die  einzelnen 
Abteilungen:  Anatomie,  Physiologie  und  Chemie,  Pathologie 
und  Pharmakologie  unter  einem  Dach  vereinigt.  Andere  da¬ 
gegen  sind  von  höchster  Opulenz  5  Wände  und  Fussboden  und 
selbst  Türen  aus  Marmor  oder  aus  prächtigen  Hölzern,  wie 
denn  überhaupt  in  Amerika  zur  Innendekoration  der  Häuser  die 
herrlichsten  Holzarten  verwendet  werden. 

In  der  Harvard  Medical  School  zu  Boston  hegen  um  einen 
Rasenplatz  angeordnet  fünf  grosse  Paläste  aus  weissem  Mar¬ 
mor,  welche  das  Verwaltungsgebäude  der  Schule,  das  ana¬ 
tomische,  physiologische,  pharmakologische  Institut  behei- 
bergen.  Die  Pracht  dieser  Gebäude  in  ihrem  äusseren  An¬ 
sehen,  wie  auch  in  ihrer  inneren  Einrichtung  steht  in  Deutsch¬ 
land  ohne  Vergleich  da.  Das  pathologische  Institut,  welches 
unter  der  Leitung  des  den  deutschen  Lesern  wohl  bekannten 
Prof  Council  mann  steht,  verfügt  über  gewaltige  Mittel, 
es  stehen  ihm  im  Jahre  ungefähr  40  000  Dollar  zur  Verfügung. 
Durch  diese  Dotierung  wird  es  ermöglicht,  dass  das  Institut 
an  den  verschiedenen  Spitälern  der  Stadt  Filialen  unterhalten 
kann,  deren  Material  dem  Zentralinstitut  zu  Gute  kommt.  Das 
Einbetten,  Schneiden  und  Färben  der  mikroskopischen  Prä¬ 
parate,  wie  auch  die  ganze  Schreibarbeit  wird  nicht  von  den 
Aerzten,  sondern  von  eigenen  Hilfskräften,  und  zwar  meistens 
von  weiblichen  Hilfskräften,  besorgt.  Ein  eigener  Präparator 
stellt  die  für  die  Sammlung  bestimmten  Schaupräparate  her. 
Wie  viel  mehr  könnte  an  deutschen  Instituten  geleistet  werden 
und  wie  viel  Zeit  könnte  den  Aerzten  erspart  werden,  wenn  für 
die  untergeordneten  Arbeiten,  z.  B.  für  die  Herstellung  dei 
mikroskopischen  Präparate,  technisch  geschulte  Hilfskräfte 
vorhanden  wären. 

Die  Kliniken  und  Ambulatorien  der  Medizinschulen  sind 
meistens  nicht  in  Hospitälern  untergebracht,  welche  der  Schule 
selbst  gehören,  sondern  die  verschiedenen  Spitäler  der  Stadt, 
seien  sie  von  der  Stadtgemeinde  oder  von  wohltätigen  Stif¬ 
tungen  unterhalten,  öffnen  dem  klinischen  Unterricht  ihre 
Pforten.  Daraus  ergibt  sich  der  Missstand,  dass  die  einzelnen 
mit  der  Schule  verbundenen  Spezialkliniken  oft  sehr  weit  von 
einander  entfernt  sind,  dass  sie  meist  über  ungenügende  La¬ 
boratorien  und  Hörsäle  verfügen,  weil  die  Hospitalverwaltung 
daran  kein  Interesse  hat,  und  dass  die  Medizinschule  nicht 
immer  ausreichenden  Einfluss  auf  die  Besetzung  der  Oberarzt¬ 
stellen  mit  geeigneten  Lehrern  besitzt.  Die  Johns  Hopkins 
Universität  macht  hier  eine  rühmliche  Ausnahme,  indem  ihre 
Kliniken  von  der  Universität  selbst  in  nächster  Nähe  zu  den 
anderen  medizinischen  Instituten  errichtet  und  mit  Labora¬ 
torien  ausreichend  versehen  sind.  Die  medizinische  Fakultät 
der  Johns  Hopkins  Universität  zu  Baltimore  hat  sich  vor  allem 
durch  die  begeisternde  Tätigkeit  und  durch  das  Organisations¬ 
talent  von  Welch  zu  ihrer  jetzigen  unbestrittenen  Höhe  ent¬ 
wickelt.  Er  hat  es  verstanden,  Männer  wie  den  Internisten 
Osler,  den  Chirurgen  H  a  1  s  t  e  d  und  den  Gynäkologen 
Kelly  heranzuziehen,  denen  sich  dann  der  Anatom  Mall, 
der  Physiologe  H  o  w  e  1 1  und  die  Nachfolger  Oslers, 
Barker  und  T  h  a  y  e  r,  sowie  andere  jüngere  Kräfte  würdig 
anschlossen. 

Neben  diesen  Hochschulen  der  Medizin  und  zum  Teil  in 
Verbindung  mit  ihnen  bestehen  eine  Reihe  von  Instituten, 
welche  nur  oder  in  erster  Linie  der  wissenschaftlichen  For- 
suchung  dienen,  u.  a.  das  Rockefeiler  Institute  for  medical 
tesearch  in  New  York,  das  Phipps  Institute  for  the  study  and 
prevention  of  tuberculosis  in  Philadelphia,  das  Gratwick 
Cancer  research  institute  in  Buffalo,  das  Institut  für  Infektions¬ 
krankheiten  in  Chicago  und  die  Carnegie  Institution  in  Washing¬ 
ton.  Unter  diesen  ist  das  Rockefeller  Institute  wohl  das  be¬ 
deutendste;  es  ist  mit  der  grössten  Opulenz  eingerichtet  und  ver¬ 
fügt  über  eine  Reihe  schöner  Laboratorien  für  experimentelle 
Pathologie  und  Physiologie,  für  physiologische  Chemie,  Bak¬ 
teriologie  und  vergleichende  Zoologie.  Es  steht  unter  der 
Leitung  von  J.  F  1  e  x  11  e  r,  dessen  Studien  über  Dysenterie  und 


Zerebrospinalmeningitis  als  allgemein  bekannt  angesehen 
werden  können;  seiner  besonderen  Leitung  untersteht  das  bak¬ 
teriologische,  serotherapeutische  und  das  für  Krebsforschung 
bestimmte  Laboratorium.  Die  physiologische  Abteilung  des  In¬ 
stituts  ist  Meitzer  anvertraut,  seine  und  seiner  Schüler  Ar¬ 
beiten  beschäftigen  sich  hauptsächlich  mit  der  Innervation  des 
Verdauungstraktes,  sowie  mit  toxikologischen  Problemen.  Das 
physiologisch-chemische  Laboratorium  wird  von  L  e  v  e  n  e  ge¬ 
leitet,  der  sich  dem  Studium  der  Eiweissspaltungsprodukte  zu¬ 
gewandt  und  neue  Methoden  für  ihre  Isolierung  ausgearbeitet 
hat;  ich  kann  mich  nicht  erinnern,  diese  Spaltungsprodukte, 
insbesondere  die  schwer  darstellbaren,  sowie  einige  Peptide 
schon  in  so  tadellos  krystallinischer  Form  gesehen  zu  haben, 
wie  in  der  Sammlung  dieses  Instituts.  Unter  den  anderen  Mit¬ 
arbeitern  des  Rockefeiler  Institute  sei  noch  O  p  i  e  und  C  a  r  e  1 1 
genannt.  Opie  beschäftigt  sich  mit  den  weissen  Blut¬ 
körperchen  und  mit  den  Fermenten  der  Leukozyten  und 
Lymphhozyten,  sowie  mit  dem  Studium  ihrer  Antifermente  in 
den  Exsudaten,  C  a  r  e  1 1  pflegt  das  Gebiet  der  experimentellen 
Chirurgie;  ich  konnte  Experimenten  Zusehen,  in  welchen  er 
die  Nierenarterien  bei  der  Katze  transplantierte,  und  die  rechte 
mit  der  linken  Niere  vertauschte.  Diese  feinsten  Arteriennahten, 
bei  denen  unter  anderm  Stücke  der  Aorta  exstirpiert  und  wieder 
vernäht,  oder  Extremitätenarterien  auf  die  Venen  überpflanzt 
werden,  gelangen  in  tadelloser  Weise,  indem  die  Naht  fort¬ 
während  mit  Vaseline  schlüpfrig  erhalten  wurde,  die  Heilung 
erfolgte  ohne  Thrombenbildung  mit  einer  lineären  feinen  Narbe. 
Hoffentlich  ist  dieser  Kunst  noch  eine  ausgedehnte  Anwendung 
beim  Menschen  beschieden.  Zu  den  Mitarbeitern  des  Instituts 
gehört  auch  Theobald  Smith,  der  bekannte  Ergründer  des 
Texasfiebers.  —  Es  herrscht  am  Rockefeiler  Institute  ein  reger 
wissenschaftlicher  Forschergeist;  in  gemeinsamen  Sitzungen 
werden  die  gewonnenen  Resultate  ausgetauscht,  die  in  fünf 
Bänden  vorliegenden  Veröffentlichungen  des  Instituts  enthalten 
eine  Fülle  wertvollen  Materials,  und  sollen  den  deutschen 
Lesern  zum  Studium  angelegentlichst  empfohlen  sein. 

Um  einen  näheren  Anschluss  des  Instituts  an  die  praktische 
Medizin  zu  erreichen,  soll  demnächst  eine  Krankenstation  er¬ 
richtet  werden  nach  dem  Muster  der  Krankenabteilung  des 
Berliner  Instituts  für  Infektionskrankheiten. 

Von  den  Spitälern  ist  zu  erwähnen,  dass  sie  durch¬ 
schnittlich  kleiner  sind  als  unsere  deutschen  Krankenanstalten. 
Krankenhäuser  von  dem  Umfang  der  Berliner,  Hamburger, 
Kölner  oder  Münchener  finden  sich  in  Amerika  nicht.  Es  kommt 
dies  wohl  daher,  dass  die  Krankenanstalten  in  Amerika  mit 
wenigen  Ausnahmen  durch  wohltätige  Stiftungen  errichtet  und 
von  diesen  oder  durch  freiwillige  Beiträge  unterhalten  werden. 
Die  in  diesen  Spitälern  behandelten  Kranken  gehören  ganz 
überwiegend  den  ärmsten  Bevölkerungsklassen  an,  von  deren 
Elend  wir  uns  kaum  einen  Begriff  machen,  und  sie  werden 
unentgeltlich  auf  Kosten  des  Krankenhauses  verpflegt.  Da  eine 
obligatorische  Krankenversicherung  in  Amerika  ganz  unbe¬ 
kannt  ist,  und  da  auch  die  kommunale  Armenfürsorge  im 
Argen  liegt,  so  fehlen  natürlich  in  den  dortigen  Krankenhäusern 
alle  jene  Kategorien  von  Kranken,  welche  auf  Kosten  der  Ver¬ 
sicherungskassen  oder  der  Gemeinden  verpflegt  werden.  Ge¬ 
rade  diese  Art  von  Patienten  macht  aber  bei  uns  bekanntlich 
die  grosse  Mehrzahl  der  Krankenhausinsassen  aus,  und  durch 
die  von  den  Kassen  und  den  kommunalen  Armenverwaltungen 
entrichteten  Beiträge  werden  bei  uns  die  Krankenhauskosten 
hauptsächlich  gedeckt.  Amerikanische  wie  auch  englische 
Aerzte,  welche  unsere  Krankenhäuser  besuchen,  äussern  sich 
voll  Erstaunen  über  die  grosse  Zahl  von  Kianken,  welche  in 
unseren  Hospitälern  ein  Recht  auf  freie  Verpflegung  haben,  und 
über  die  gewaltigen  Summen  die  hierfür  notwendig  sind;  dei 
Umfang  unserer  sozialen  Gesetzgebung  ist  ihnen  nur  schwer 
verständlich.  In  der  Tat  wird  sich  auch  der  Deutsche  e  1  st  im 
Ausland,  wo  derartige  Einrichtungen  fehlen,  vollkommen  klar 
darüber,  welche  Segnungen  für  die  Volkswohlfahrt  unsere 
deutsche  soziale  Gesetzgebung  zur  Folge  hat.  Mag  auch  die 
Wohltätigkeit  reicher  Leute  grosse  Summen  für  Spitalbauten 
und  für  Verpflegung  armer  Leute  aufbringen,  so  reichen  doch 
diese  Leistungen  nicht  entfernt  heran  an  jene  gewaltigen  Aut- 
wendungen,  welche  in  Deutschland  von  den  Versicherungs- 
kassen,  von  den  Gemeinden  und  dem  Staat  für  Krankeiiptlege 


2432 


und  Armenfürsorge  dargebracht  werden.  Das  ist  ein  Gebiet, 
auf  welchem  uns  keine  andere  Nation  gleichkommt,  und  auf  das 
wir  stolz  sein  können. 

Neben  den  armen  Kranken,  welche  auf  Kosten  des  Spitals 
verpflegt  werden,  finden  sich  in  den  meisten  amerikanischen 
Krankenhäusern  auch  selbstzahlende  Patienten;  sie  entrichten 
pro  I  ag  ungefähr  einen  Dollar.  In  einigen  Krankenhäusern, 
z.  B.  dem  von  Albany,  ist  die  Einrichtung  getroffen,  dass  selbst¬ 
zahlende  Patienten  gegen  einen  nur  wenig  höheren  Betrag  in 
eine  besondere  Abteilung  der  dritten  Klasse  aufgenommen 
werden;  diese  Krankenzimmer  sind  dann  mit  weniger  Kranken¬ 
betten  belegt,  und  mit  Blumen,  Bildern  und  besserem  Mobiliar 
freundlicher  ausgestattet.  Es  ist  dies  eine  Einrichtung,  wie  wir 
sie  auch  in  vielen  unserer  deutschen  Irrenanstalten  kennen. 
Sie  kommt  dem  Mittelstand  und  den  Gebildeten  der  wenig 
bemittelten  Kreise  zu  Gute.  Diese  Einrichtung  einer  besseren 
Abteilung  der  dritten  Klasse  fehlt  an  unseren  öffentlichen 
Krankenhäusern  fast  durchweg,  diese  sind  bisher  fast  aus¬ 
schliesslich  für  die  Arbeiter  und  Dienstboten  bestimmt.  Es  ist 
bei  uns  unendlich  viel  geschehen  zum  Wohl  der  armen  Be¬ 
völkerungskiassen,  während  für  den  Mittelstand  wenig  Sorge 
getragen  worden  ist.  Der  Arbeiter,  welcher  einer  Kasse  ange¬ 
hört,  oder  alle  jene  Kranken,  welche  als  mittellos  auf  Kosten 
der  Gemeinde  verpflegt  werden,  haben  das  Recht  unentgelt¬ 
licher  Aufnahme  in  unsere  Krankenhäuser,  den  kleinen  Beamten 
oder  Gewerbetreibenden,  den  Lehrern  und  den  anderen  Ge¬ 
bildeten  unter  den  weniger  bemittelten  Ständen  ist  es  dagegen 
recht  schwer  gemacht,  für  sich  oder  ihre  Familienangehörigen 
Aufnahme  in  den  Krankenhäusern  zu  finden,  denn  einmal  sind 
die  von  den  Krankenhäusern  verlangten  Verpflegungskosten 
grossenteils  zu  hoch,  als  dass  sie  bei  einer  längeren  Krank¬ 
heitsdauer  erschwinglich  wären,  und  dann  ist  auf  unseren 
Sälen  dritter  Klasse  das  Publikum  oft  nicht  derart,  dass 
gebildete  und  feinfühlige  Leute  sich  darunter  wohl  fühlen 
würden.  Eine  werktätige  Mittelstandspolitik  sollte  dafür  Sorge 
tragen,  dass  den  erwähnten  Kreisen  die  Aufnahme  in  die 
Krankenhäuser  erleichtert  und  angenehmer  gestaltet  würde. 

Neben  den  Krankenzimmern  dritter  Klasse  für  selbst¬ 
zahlende  Patienten  finden  sich  in  den  meisten  amerikanischen 
Krankenhäusern  auch  Krankenzimmer  erster  und  zweiter 
Klasse,  und  es  zeigt  sich,  dass  auch  die  wohlhabenden  Kreise 
von  der  Krankenhausbehandlung  iimmer  mehr  Gebrauch 
machen,  nicht  bloss  in  jenen  Fällen,  wo  etwa  den  Junggesellen 
oder  alleinstehenden  Damen  eine  häusliche  Pflege  nicht  möglich 
ist,  sondern  auch  bei  ansteckenden  Krankheiten  und  bei  vielen 
anderen  Krankheitsfällen,  wo  eine  Entfernung  des  Kranken 
aus  dem  Haushalt  oder  eine  besonders  schwierige  Pflege  not¬ 
wendig  erscheint.  Diese  Krankenzimmer  erster  und  zweiter 
Klasse,  für  welche  ein  täglicher  Verpflegungssatz  von  vier 
Dollar  und  mehr  verlangt  wird,  sind  ungemein  praktisch, 
elegant  und  doch  einfach  eingerichtet;  sie  sind  oft  mit  einem 
eigenen  Badezimmer  und  Kloset  versehen,  bisweilen  sind  zwei 
benachbarte  Zimmer  durch  eine  Türe  verbunden,  damit  An¬ 
gehörige  des  Patienten,  z.  B.  die  Mutter  eines  Kindes,  im 
Krankenhaus  wohnen  und  sich  in  die  Pflege  teilen  können. 

Im  allgemeinen  wird  man  sagen  können,  dass  sich*  die 
innere  Einrichtung  der  Krankenhäuser  Amerikas  von  den 
modernen  Anstalten  Deutschlands  nicht  wesentlich  unter¬ 
scheidet.  Fieilich  ist  in  manchen  Hospitälern  der  vereinigten 
Staaten  und  Kanadas  eine  grössere  Opulenz  entwickelt  als  bei 
uns,  und  namentlich  die  Operationsräume  mit  ihren  Wand¬ 
verkleidungen  aus  weissem  Marmor  oder  Glasplatten  finden 
in  Deutschland  nicht  oft  ihres  Gleichen.  Was  den  Grundplan 
der  Krankenhäuser  anbetrifft,  so  sehen  wir  dort  nur  selten 
das  Barackensystem,  welches  bei  uns  vor  zwanzig  und  dreissig 
Jahren  das  herrschende  war.  Es  erfordert  ein  zu  grosses 
Bebauungsareal  und  ist  wegen  seiner  Weitläufigkeit  unprak¬ 
tisch  für  den  ärztlichen  Dienst  und  den  Verwaltungsbetrieb. 
Zwei-  und  selbst  vielstöckige  Krankenhausbauten  sind  die 
Regok  Durch  passende  Orientierung  der  Krankenräume  nach 
deF  Sonnenseite  und  durch  moderne  Ventilationseinrichtungen 
i4t  auch  bei  vielstöckigen  Krankenhäusern  für  ausreichend 
Licht  urtdi  LitfnS&rge  getragen.  Die  Küche  und  die  Wasch- 
räüiM?,  4>etctpDü»8ie  5m  das  Krankenhaus  aufsteigen,  wenn  sie 
mk^tnrterraim-iangebmcht'isind,  sind  entweder  in  Nebenhäuser 


No.  49. 


oder  in  das  oberste  Geschoss  verlegt.  Zahlreiche  Lifts  ver¬ 
binden  die  einzelnen  Stockwerke.  Bei  allen  vielstöckigen 
Gebäuden  muss  natürlich  auf  die  Feuersgefahr  besondere 
Rücksicht  genommen  werden.  Iin  städtischen  Krankenhaus 
zu  New  York  sah  ich  einen  sehr  originellen  Feuerrettungs¬ 
apparat;  er  bestand  aus  einem  grossen  Schlot,  der  aussen  am 
Hause  angebracht  und  von  den  Krankenräumen  leicht  zugäng¬ 
lich  war;  in  diesem  Schlot  befand  sich  eine  schraubenförmig 
gebogene  Eisenplatte,  die  mit  Graphit  geglättet  war  und  eine 
Rutschbahn  darstellte.  Der  Kranke  wird  oben  auf  diese  Platte 
gesetzt  und  gleitet  durch  seine  Schwere  rasch  und  ohne  Gefahr 
zum  unteren  Ausgang  herunter. 

In  allen  amerikanischen  Krankenhäusern  ist  ausgiebig 
Sorge  getragen  für  die  Freiluftbehandlung.  Grosse  Veranden 
an  der  Stirnseite  der  Krankenpavillons,  ferner  aber  auch  das 
Dach  des  Hauses  und  die  Dächer  der  Verbindungsgänge  sind 
dazu  eingerichtet,  und  zwar  werden  nicht  bloss  die  ausser  Bett 
befindlichen  Patienten  auf  Liegestühlen  dem  Genuss  der  freien 
Luft  ausgesetzt,  sondern  es  werden  vielfach  auch  schwerere 
bettlägerige  Kranke,  selbst  solche  mit  I^neumonien  bei  Tag  und 
manchmal  sogar  bei  Nacht  bei  offener  Luft  behandelt;  die 
Wärterin  sitzt  oft  im  Pelz  neben  dem  Krankenbett,  während 
der  Kranke  selbst  die  Kälte  kaum  empfindet.  Die  Resultate 
sollen  sehr  befriedigend  sein. 

Unter  den  schönsten  Krankenhäusern,  welche  ich  be¬ 
suchen  konnte,  sei  das  St.  Lukes  Krankenhaus  und  das  Mount 
Sinai  Hospital  zu  New  York,  das  Krankenhaus  in  Albany  und 
das  Royal  Victoria  Hospital  zu  Montreal  genannt. 

Die  ärztliche  Leitung  der  Krankenhäuser  ist  in  Amerika 
meist  ganz  anders  eingerichtet  als  in  Deutschland.  Während  es 
bei  uns  die  Regel  ist,  dass  die  Leitung  der  Abteilung  einem 
einzigen  dirigierenden  Arzt  unterstellt  ist,  dass  dieser  die  ganze 
Verantwortung  trägt  und  mit  Ausnahme  einiger  Urlaubswochen 
das  ganze  Jahr  im  Dienst  steht,  sind  an  den  meisten  ameri¬ 
kanischen  Krankenhäusern  eine  grosse  Anzahl  leitender  Aerzte 
gleichzeitig  tätig.  Jeder  von  ihnen  hat  nur  eine  relativ  kleine 
Anzahl  von  Betten  unter  sich,  sodass  die  Patienten  eines 
giossen  Krankensaales  oft  unter  mehrere  Oberärzte  verteilt 
sind.  Auserdem  führen  diese  leitenden  Aerzte  ihr  Amt  nur 
einige  Monate  des  Jahres,  um  es  dann  wieder  in  andere  Hände 
zu  übergeben.  Keiner  dieser  leitenden  Aerzte  bezieht  einen 
Gehalt,  und  deshalb  können  sie  den  Spitälern  auch  weniger 
Zeit  widmen  als  dies  bei  uns  von  den  Oberärzten  mit  Recht  ver¬ 
langt  wird.  Die  Oberärzte  erscheinen  nicht  täglich,  sondern 
nur  an  einigen  bestimmten  Tagen  der  Woche  im  Spital. 

Dieses  System  hat  den  Vorteil,  dass  zahlreiche  Aerzte  mit 
dem  Krankenhaus  in  Verbindung  stehen,  ihr  Interesse  für  das 
Krankenhaus  betätigen  können  und  aus  dem  Krankenhausdienst 
Anregung  und  Förderung  ihres  Wissens  und  Könnens  erfahren. 
Aber  den  Vorteilen,  welche  die  Aerzte  aus  diesem  System  ge¬ 
winnen,  stehen  erhebliche  Nachteile  gegenüber.  Es  fehlt  an 
einer  einheitlichen  ärztlichen  Leitung,  namentlich  in  thera¬ 
peutischer  Beziehung,  und  das  muss  sich  bei  den  operativen 
Fächern  noch  mehr  geltend  machen,  als  in  der  inneren  Medizin. 
Keiner  der  Aerzte  ist  für  das  Ganze  verantwortlich,  die  An¬ 
leitung  und  Schulung  der  Assistenten  wie  auch  des  Wart¬ 
personals  muss  darunter  Not  leiden.  Man  gewinnt  den  Ein¬ 
druck,  dass  bei  diesem  System  die  Oberwärterin  und  der 
Assistent  grösseren  Einfluss  auf  die  Leitung  der  Abteilung 
gewinnen,  als  der  dirigierende  Arzt.  Dazu  kommt  als  weiterer 
Missstand,  dass  auch  die  Assistenten  sehr  häufig  wechseln  und 
nur  kurze  Zeit  im  Amt  bleiben,  weil  sie  angehalten  sind,  an 
verschiedenen  Spitälern  Dienste  zu  leisten.  Der  ältere  Assi¬ 
stent,  der  in  mehrjähriger  Dienstzeit  gründlich  geschult  und 
erprobt  ist,  welcher  die  rechte  Hand  und  der  Vertrauensmann 
des  Chefarztes  ist,  und  der  auch  der  Oberwärterin  eine  ge¬ 
nügende  Autorität  entgegensetzen  kann,  ist  dort  selten  anzu- 
treffen.  Unbestreitbar  ist  aber,  dass  eine  mehrjährige  Assi¬ 
stententätigkeit,  wie  sie  an  unseren  grossen  deutschen  Spitälern 
und  an  den  Kliniken  üblich  ist,  das  ausgezeichnetste  Mittel  zu 
einer  wirklich  gründlichen  Heranbildung  des  Nachwuchses  dar¬ 
stellt.  Von  diesen  Ueberlegungen  ausgehend,  haben  denn 
auch  Osler  und  seine  Mitarbeiter  am  Johns  Hopkins  Hospital 
zu  Baltimore  mit  der  sonst  üblichen  Einrichtung  gebrochen 
und  haben  für  die  ärztliche  Leitung  das  vJEirimannsystem“  und 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2433 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


eine  mehrjährige  Assistentenlaufbahn  eingeführt;  ich  denke, 
dass  dieses  Beispiel  künftig  verbreitete  Nachahmung  finden 

wird,  zum  Nutzen  der  Spitäler.  ...  ,,  .  . 

Mit  allen  grösseren  Hospitälern  ist  ein  eigenes  pathologi¬ 
sches  Institut  verbunden,  in  welchem  jedoch  nicht  nur  die 
Sektionen  ausgeführt  werden,  sondern  auch  die  bakterio¬ 
logischen  Untersuchungen,  die  feineren  Untersuchungen  des 
Blutes,  des  Harns  und  Sputums  vorgenommen  werden.  In 
vielen  dieser  pathologischen  Institute  werden  auch  die  Angaben 
von  W  r  i  g  h  t  -  London  über  das  Verhalten  der  Opsonine  des 
Blutes  bei  den  verschiedenen  Krankheiten  nachgeprüft.  Nach¬ 
dem  die  Lehren  W  r  i  g  h  t  s  anfangs  mit  grosser  Begeisterung 
aufgenommen  worden  waren,  scheint  neuerdings  über  ihre 
diagnostische  und  therapeutische  Brauchbarkeit  am  Kranken¬ 
bette  eine  gewisse  Ernüchterung  stattgefunden  zu^  haben. 
Manche  dieser  pathologischen  Institute  der  grossen  Kranken¬ 
häuser  sind  Stätten  ernster  wissenschaftlicher  Forschung.  In 
dem  pathologischen  Institut,  welches  mit  der  grossen  staat¬ 
lichen  Irrenanstalt  von  New  York  auf  Wards  Island  verbunden 
ist,  werden  die  Gehirnsektionen  in  mustergültiger  Weise  aus- 
geführt.  Dem  leitenden  Arzt,  Dr.  Adolph  Meyer,  stehen  nicht 
weniger  als  vier  Hilfskräfte  zur  Verfügung:  Ein  Mann  zerlegt 
die  gehärteten  und  eingebetteten  Gehirne  mit  dem  Mikrotom  in 
Serienschnitte,  diese  werden  von  zwei  weiblichen  Angestellten 
gefärbt  und  montiert,  ein  Zeichner  überträgt  die  Umrisse  der 
Hirnrinde  und  der  Ganglien  sowie  die  pathologischen  Herd¬ 
veränderungen  und  Degenerationsfelder  mit  verschieden¬ 
farbigen  Tinten  auf  Glasplatten;  diese  Glasplatten  werden  auf¬ 
einander  gelegt  und  zu  Blöcken  verbunden.  Wenn  man  nun 
diesen  Glasplattenblöck  gegen  das  Licht  hält  und  hindurchsieht, 
erhält  man  ein  prachtvolles  körperliches  Bid  von  den  Krank¬ 
heitsherden  und  den  von  ihnen  ausgehenden  Degenerations¬ 
bahnen.  Ich  habe  dort  solche  Reproduktionen  von  Erweichungs¬ 
herden  im  Hinterhauptslappen  gesehen,  an  welchen  der  Ver¬ 
lauf  der  (degenerierten)  Sehbahn,  bezw.  des  unteren  Längs¬ 
bündels  mit  einer  Deutlichkeit  zum  Ausdruck  kam,  die  von 
keiner  Beschreibung  oder  Abbildung  erreicht  werden  kann. 

Mit  vielen  der  grossen  Krankenhäuser  sind  Wärterinnen¬ 
schulen  verbunden,  die  in  besonderen,  dem  Spital  benachbarten 
Häusern  untergebracht  sind.  Diese  bchulen  haben  nicht  nui  die 
Aufgabe,  diejenigen  Krankenwärterinnen  auszubilden,  welche 
für  das  Spital  selbst  bestimmt  sind,  sondern  auch  solche,  welche 
später  in  die  freie  Praxis  gehen  wollen.  Die  Ausbildung  ge¬ 
schieht  in  zwei-  bis  dreijährigen  Kursen  und  umfasst  die  Grund¬ 
begriffe  der  Anatomie  und  Physiologie,  der  Bakteriologie  und 
der  sich  darauf  aufbauenden  Lehre  der  Asepsis  und  der  In¬ 
fektionskrankheiten.  Ausserdem  haben  sich  die  Zöglinge  auch 
in  der  Krankenküche  und  unter  der  Leitung  der  Oberschwester 
in  allen  Teilen  der  eigentlichen  Krankenpflege  zu  üben.  Die 
Kraukenwärterinnen  der  amerikanischen  Hospitäler  stehen 
durchschnittlich  höher  als  bei  uns,  sie  sind  besser  vorgebildet, 
und  werden  dementsprechend  von  den  Aerzten  mit  Zuvor¬ 
kommenheit  behandelt. 

Zum  Schluss  noch  einige  Worte  über  den  ärztlichen 
Stand.  Es  herrscht  in  Amerika  dieselbe  Ueberproduktion 
an  Aerzten  als  wie  bei  uns,  und  daraus  ergeben  sich  auch  die¬ 
selben  Nachteile,  welche  uns  leider  so  wohl  bekannt  sind.  Die 
Zahl  der  ärztlichen  Firmenschilder,  welche  bei  einem  Gang 
durch  die  Strassen  New  Yorks  ins  Auge  fallen,  ist  unglaublich 
gross.  Dementsprechend  ist  das  Einkommen  der  Aerzte  durch¬ 
schnittlich  keineswegs  hoch,  oft  geringer  als  bei  uns,  obwohl 
die  Lebenshaltung  teurer  ist. 

Die  Ausbildung  der  Aerzte  hat  in  den  letzten  Jahrzehnten 
grosse  Fortschritte  gemacht,  und  während  früher  ein  Arzt,  der 
aus  Deutschland  nach  Amerika  ging,  sicher  war,  ein  besonders 
grosses  Vertrauen  bei  der  Bevölkerung  auf  Grund  seiner  Aus¬ 
bildung  an  deutschen  Hochschulen  zu  finden,  ist  dies  jetzt  nicht 
mehr  der  Fall.  Der  an  den  guten  amerikanischen  Schulen  aus¬ 
gebildete  Arzt  steht  jetzt  ebenso  hoch.  Ich  möchte  betonen, 
dass  ich  die  Mitteilung  nicht  etwa  von  amerikanischen  Aerzten, 
sondern  gerade  von  deutschen  Kollegen  erhalten  habe,  die 
selbst  auf  deutschen  Universitäten  ihre  Studien  vollendet  hatten. 
Es  soll  dies  eine  Warnung  für  solche  sein,  welche  da  glauben, 
dass  sie  in  Nordamerika  leichter  Aussicht  auf  Fortkommen 
finden  werden  als  bei  uns. 


Der  rasche  Fortschritt  der  ärztlichen  Wissenschaft  und  das 
Verlangen  des  Publikums,  dass  der  Arzt  mit  den  neuesten  Er¬ 
rungenschaften  vertraut  sei,  veranlasst  eine  nicht  geringe  Zahl 
der  Aerzte  und  namentlich  der  Landärzte,  ihre  Tätigkeit  von 
Zeit  zu  Zeit  zu  unterbrechen,  und  die  Spitäler  der  grossen 
Städte  zu  ihrer  Fortbildung  aufzusuchen,  ln  New  York  besteht 
eine  eigene  Postgraduate  School,  welche  dem  Zweck  der  ärzt¬ 
lichen  Fortbildung  gewidmet  ist,  also  ein  Institut,  das  dieselben 
Ziele  verfolgt  als  wie  die  neuen  deutschen  Akademien  in  Köln 
und  Düsseldorf  und  wie  unsere  Fortbildungskurse  für  Aerzte 
und  ihr  Zentrum,  das  Kaiser-  und  Kaiserin-Friedrich-Haus  in 
Berlin.  An  diesem  Fortbildungsunterricht  New  Yorks,  der  in 
grosser  Blüte  steht,  sind  in  erster  Linie  auch  einige  deutsche 
Aerzte,  u.  a.  Beck  und  Einhorn,  beteiligt.  Dieser  Fort- 
bildüngsunter rieht  zeitigt  vorzügliche  Früchte,  er  trägt  dazu  bei, 
dass  man  auch  in  den  einsamsten  Gegenden  dei  vei  einigten 
Staaten  Landärzte  findet,  welche  ganz  auf  der  Höhe  der  Zeit 
stehen. 

Unter  den  beschäftigten  Aerzten  der  grossen  Städte  ist  es 
vielfach  Sitte,  dass  sie  von  einem  oder  zwei  Assistenten  unter¬ 
stützt  werden,  denen  es  insbesondere  auch  obliegt,  die  Arbeiten 
im  Laboratorium  auszuführen.  Die  Untersuchung  der  Patienten 
in  der  Sprechstunde  geschieht  meist  mit  grosser  Genauigkeit, 
und  zwar  sind  es  die  Kranken  selbst,  welche  von  ihrem  Arzt 
eine  sehr  eingehende  Untersuchung  fordern;  Blutdruckbestim- 
mungen,  Sphygmogramme,  eine  sorgfältige  Analyse  des  Blutes 
durch  Hämoglobinbestimmung,'  Zählung  und  Färbung  der  Blut¬ 
körperchen,  ferner  eine  detaillierte  Untersuchung  des  Tages¬ 
harns  auf  Chlor,  Stickstoff,  Zucker-  und  Eiweissgehalt  u.  a., 
sind  die  Regel.  Die  Anamnese  wie  auch  der  Status  wird  ge¬ 
wöhnlich  auf  Karten  eingetragen,  der  Befund  des  Urins,  des 
Blutes,  des  Mageninhaltes  auf  besonderen  Karten,  welche  im 
Laboratorium  ausgefüllt  werden.  Diese  Kartensammlung, 
welche  die  Krankengeschichte  vieler  Jahre  umfasst,  bildet  bei 
manchen  Aerzten,  die  ich  besucht  habe,  ein  stattliches  Archiv. 

Die  regen  wissenschaftlichen  Interessen,  welche  unter  den 
Aerzten  herrschen,  äussern  sich  in  zahlreichen  wissenschaft¬ 
lichen  Gesellschaften  und  Vorträgen.  In  New  York  haben  die 
Aerzte  aus  eigenen  Kräften  die  medizinische  Akademie  ge¬ 
gründet,  deren  stattliches  Gebäude  im  Zentrum  der  Stadt  ge¬ 
legen  ist,  und  mehrere  Hörsäle,  sowie  eine  bedeutende  Biblio¬ 
thek  enthält.  An  dieser  Akademie  werden  seit  einigen  Jahren 
auch  die  Harvey  Lectures  gehalten,  zu  denen  Gelehrte  aus  allen 
Teilen  der  Vereinigten  Staaten  und  auch  aus  Europa  heran¬ 
gezogen  werden.  Hans  Meyer-Wien  hat  den  Eröffnungs¬ 
vortrag  gehalten,  auch  C.  v.  Noorden  hat  dort  die  deutsche 
Klinik  vertreten. 


Jeder,  der  Amerika  bereist,  wird  die  Ueberzeugung  ge¬ 
winnen,  dass  es  ein  mächtiges,  reiches  und  in  raschem  Fort¬ 
schritt  begriffenes  Land  ist.  Rerum  novarum  cupidus  setzt  der 
Amerikaner  alle  neuen  Ideen  rasch  in  die  lat  um,  und  ei  wird 
bei  seinen  Neuschöpfungen  nicht  durch  das  Schwergewicht  dei 
historischen  Entwicklung  gehemmt,  das  bei  uns  den  Fortschritt 
verlangsamt  und  oft  erschwert.  Aber  gerade  dieser  Mangel 
an  geschichtlicher  Entwicklung  ist  auch  die  Ursache,  dass  in 
Amerika  trotz  bewunderungswürdiger  Energie  und  trotz  des 
Aufwandes  grosser  Mittel  der  Erfolg  nicht  immer  den  Hoff¬ 
nung  entspricht,  und  dass  für  neue  Aufgaben  oft  schwer  die 
richtigen  Männer  gefunden  werden.  Besonders  auf  dem  Ge¬ 
biete  der  Wissenschaften  und  des  wissenschaftlichen  Untei- 
richts  bedarf  es  zur  Hervorbringung  eines  Stabes  geeigneter 
Persönlichkeiten  längerer  Zeiträume,  einer  Reihe  von  Gene¬ 
rationen,  von  denen  die  eine  auf  den  Schultern  der  anderen 


steht 

Jeder  Amerikaner  ist  von  dem  stolzen  Bewusstsein  durch¬ 
drungen,  einer  grossen  Nation  anzugehören,  welche  zu  hohen 
Zielen  berufen  ist,  und  die  einmal  durch  ihre  gewaltige  Entwick¬ 
lung  alle  anderen  Völker  in  den  Schatten  drängen  wird  Diese 
jugendliche  Begeisterung,  die  freudige  Iatkraft  ist  sichei  ein 
wichtiger  Hebel  des  Fortschrittes.  Jene  Verdrossenheit  von 
der  manche  unsere  Zeitungen  schreiben,  dass  sie  in  Deutschland 
herrscht,  würde  man  vergeblich  in  Amerika  suchen.  Abei 
diese  Zeitungen  tun  uns  Unrecht,  wenn  sie  von  Pessimismus 
sprechen.  Die  Achtung  und  die  aufrichtig  gemeinte  breund- 


No.  49. 


'434 


schalt,  welche  der  gebildete  Amerikaner  dem  deutschen  Voll 
und  besonders  der  deutschen  Wissenschaft  entgegenbringt  be- 
luht  vielmehr  darauf,  dass  er  auch  uns  als  eine  energische  und 
im  Fortschreiten  begriffene  Nation  schätzt,  die  nicht  gewillt  ist 
selbstzufrieden  auf  ihren  Errungenschaften  auszuruhen. 


Reisen  macht  bescheiden.  Es  ist  nützlich,  sich  davon  zu 
überzeugen  dass  in  fremden  Ländern  und  jenseits  des  Meeres 
Mariner  wohnen,  die  ihre  Sache  ebenso  gut  und  in  manchen 
1  unkten  besser  machen  als  wir.  Selbstzufriedenheit  und  Selbst¬ 
überschätzung  gedeiht  nirgends  besser  als  im  engen  Kreise  zu 


Aerztliche  Standesangelegenheiten. 

Ein  Vorschlag  für  die  Neuregelung  der  Verpflegsätze 
in  den  städtischen  Krankenanstalten. 

Von  Dr.  Eritz  Schanz  in  Dresden. 

Feu  letzten  Jahren  sind  eine  ganze  Anzahl  unserer  grösseren 
Städte  daran  gegangen,  die  Verpflegsätze  in  ihren  Krankenanstalten 
zu  erheben.  Die  Krankenanstalten  bilden  jetzt Timm ^  grosse^  Aus¬ 
gabeposten  in  dem  städtischen  Haushalt.  Dieser  Posten  ist  ganz 
nicht  etwa  bloss,  weil  die  Verpflegung  in  den  An 

gÄ 

Wohu 

sie  kö^nenlü^diese  AMfüÄ^er 'StradifblriS™01 We?3 

«ÄÄ.  ÄÄÄ  I 

\yelche  Berufsgenossenschaften  und  die  Alters  „„  ’ 

Sicherung  zur  Krankenfursorge  verpflichtet  sind  Ai'  v alld'nver- 
sta  teil  der  grossen  tmnl  •  u  iet  smd-  ]n  den  Krankenan- 

Ortsarme  wefche  tenJur?  f„  rCh  auss,erdf">  ™ch  eine  Anzahl 
Armenbehörden  haben  P  niese  4  Krankenfursorge  auswärtiger 

Mittel  zu  il, reu  Aufgaben  eihaben  welchen  sie  die 

städtischen  Mitteln  sind  sie  nicht  angewiesen  Unterstlltzimg  alls 

«Ä  ÄÄÄ  sfndanso"si'„nd  “esT’ 
Die  Heimarbeiter  b'auci i  W  r  h  Krankenfursorge  haben. 

trotz  der  hohen  städtischen  Zuschüsse  StpJerpfle?s^tz®n 
Anspruch  nehmen  die  Vornfipo-v-it-,  ■  i  T1S  Krankenhaus  nicht  in 

sehe!  Zuschuss To'nrmt  so wtedte  Dfr  ftäd,i- 

fast  ausschliesslich  den  versicherten  ££  J  1  *  geordnet  sind, 
solche  Unterstützungen  an  die  KAmi-Pni  ra  ken  zu  gute-  Wie  weit 
bekannten  Ortskrankenkasse  von  Uip^if  Milen^Dort*  bl  ^  f ' r 

fs 

Ä?  Ä  Ä„el.  t 

liehen  erst  den  Krankenkassen  '  i?rP  tr?lChuSSe  der  Stadt  ermög- 
zu  schicken.  Die  Krankenkassen  vm  i  k'  ank<rn  In  Jas  Krankenhaus 
kenhauskosten  zu tra*S die  Kra"- 
so leben  Kranken  das  anderthalbfache  vr  h, nen  ”'ür  zur  Pflicht, 
Dass  die  Krankenkassen  die  Verpflegskost^lhl^il5  zu.  zahlen- 

Ä  sehr 

Folgen  möglich  1Cwäreb.er  h'  °b  e,ne  Aenderung  nicht  ohne  solche 
die  iibHgenhiifFrag^kommenden^esichfspunkte^^^1^ zu  beleifchten! 


t  i  Zuschüsse,  welche  jetzt  den  Krankenkassen  aus  dem 
h\t!  laCte  se wahrt  werden,  gestatten  denselben,  ihren  Mitgliedern 
fcxtialeistungen  zu  gewähren.  Von  wem  die  Kassen  diese  Mittel  er 
ffuJtSn*  \vlr'dvden  Mitgliedern  nicht  bewusst.  Die  gute  Geschäfts 
auÄSSf68  versteht  es  augenscheinlich  aus  den  Beiträgen 
auch  die  txtraleistungen  zu  bestreiten.  Dass  solche  Lxtraleistim^ 
zum  grossen  1  eil  nur  mit  Zuhilfenahme  des  Stadtsäckels  möglich  sind 
wird  dabei  nicht  erwähnt.  Man  muss  sich  fragen ^  hlt  eine  Stadt-’ 
eiwaltung  kein  Interesse  daran,  dass  diese  Unterstützungen  den 
Unterstützte, .direkt  gewährt  werden,  braucht  sie  dazu  Te  Ver" 
m  ttlung  der  Krankenkassen?  Wäre  es  nicht  möglich,  die  Kranken- 
ptlegsatze  so  einzurichten,  dass  diejenigen,  denen  die  gesetzlichen 
inriohvh2011  der  Krankenkassen  den  Krankenhausaufenthalt  nicht  er¬ 
möglichen,  durch  die  Stadt  direkt  unterstützt  würden?  Wie  wäre  es 

f  iesst  lCenVTein?en  Sen  Eetrag’  der  -ietzt  den  Krankenkassen  zu- ' 
i  äch  b,iPdr  VpK  nkenFf  egamt  zur  v ^rfügung  stellen,  das  davon  je 
sni  mpd  Vei  mogenslage  und  dem  Familienstand  Unterstützung  an 
Bnh  yTahrt>  bfJ  denen  die  Kramkenkassenunterstützung  zur  Kran 
kenhauspflege  nicht  ausreicht?  Bei  diesem  Modus  würde  die  Ve  - 
teihmg  der  städtischen  Mittel  eine  wesentlich  gerechtere  Von  den 

r  a±enkam enmitgliedern  sind  viele  dem  anderthalbfachen  des 
Krankengeldes  ausreichend  unterstützt.  Viele  Mitglieder  der  Kran- 
kenkassen  sind  als  Gesellen,  Gehilfen  etc.  Mitglieder  geworden  und 
bleiben  es  als  selbständige  Gewerbetreibende,  wenn  sie  das  ver 

gibteeUsn1nP  E[nk°mmei1  langst  überschritten  haben.  Wieviel 

gibt  es  in  den  Krankenkassen  ledige  Leute,  die  nahe  der  oberen 
Gienze  des  versicherungspflichtigen  Einkommens  stehen  sollte  für 

terstutzung  sein.  Konnten  die  Unterstützungen,  welche  diese  er 
halten mcht  solchen  zugewandt  werden,  die  es  nötiger ^  braucht 
Uare  es  ein  Fehler,  wenn  solche  Kranke,  aus  der  eigenen  Tasche 

SrSn  pehWaf  zu  , den.  Verpflegkosten  zuzuzahlen  hätten?  Wieviel 
gibt  es  heute  in  den  Krankenhäusern  Kranke,  welche  den  angenehmen 

Fsd  wibe^slhf  nv.,tU  wnthaltK  naChi  Möglichkeit  auszudehnen  suchen, 
ns  waie  sehr  gut,  wenn  bei  solchen  Patienten  dadurch  dass  sip 

te resse  geweck?  wfrde  ^ ,  Klein,igk'eit  beizutragen  haben,  ein  In- 
zSmS  F,Jä  bald  ^;icder  aus  dem  Krankenhaus  heraus- 
ukommen  Fs  wäre  kein  Fehler,  wenn  dadurch  die  Frequenz  der 
Krankenanstalten  etwas  zurückging.  q  nz  aer 

f n i o-p 11 / man  di€Se  Verhältnisse  kennt,  wird  man  vielleicht  dem 
folgenden  Vorschlag  Beachtung  schenken:  Die  Stadt  stellt  allen  Ein 

kÄrÄ6*4  °b  sie  Krankheit  versichert  sind  oder' 

,  das  Krankenhaus  mietfrei  zur  Verfügung,  ausserdem  aber  dem 

fe  Ä^an?  Betrag*  dcr  der  Summe  entsprichf  welche 
!iicVd  Fkenkass,en  zuseüossen  ist.  Diese  Summe  verwendet 

Hich^überstSgt^uml  ID  ,Krailke;  d'erien  Einkommen  2Ü00  M. 

p m  .uü orstugt  und  die  trotz  des  anderthalbfachen  Krankengeldes 

Eli  ei  tsp,eercheandeerSIBet?f  bclbstkoftei,1.  der  Verpflegung  zu  bezahlen, 
jenen  ' lfeÄ«ent?n  S  h?“Ste  fr,eihfh  auch  für  die  wirtschaftlich 
gestellt  wpnffn te  F  ’  nitkt  versicherten  Kranken,  zur  Verfügung 

nSte  schon  Tu  S°Ichen  iietrag  habei>  d'o  Gemeinden  auch 

a  ’  ?  1  bezahlen,  nur  wird  er  jetzt  verrechnet  von  seiten  des 

Armenamtes  und  gilt  als  Armenunterstützung.  Was  kann  der  Kranke 
dafür,  dass  er  durch  seine  Krankheit  gezwungen  wird  ArSenuSter 

ttbeÄögUch  seta?  Se"‘  di“’  warum  sollte  es  "idl‘ 

ho].  Die  Verteilung  dieser  beiden  Summen  aus  dem  städtischen  Haus 

Ha  dhdes  ZU  erfol?Ä“Ä 

leicht  eemeSrv>  e,meS  Ausw?‘ses  über  den  Familienstand 
sch ieht  D\f  m  u  ■■ V.ertelIung  vornehmen  kann,  als  es  jetzt  ge¬ 
ht.  Die  Muhe  wurde  gering  sein  gegenüber  den  Vorteilen  iii> 

Mittein^kommento  DiC  Vert'eilun2  der  aus  städtisch«, 

jvmiein  Kommenden  Unterstützungen  wird  eine  gerechtere  Dip 

^Qüe^ÄÄ“rnse"  --en. -i^: -  SS: 

rar  ä  sx? 

StÄÄ  ypr.  ein  Interes“JS 

Betten  rascher  fl;6,  J*  denken-  Und  wenn  auch  so  eine  Anzahl 

vÄä 

Stützt  sicr  dabei  Jnf  ffJSCh?St«Ilt,en  Nichtversicherten.  Man 
Geschäftsverkehr  wird  an  den,  ffrösse?e„  Abnehmer  ,r„S  de"' weite'"' 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2435 


gehenden  Vergünstigungen  noch  verdient,  hier  wird  zugesetzt.  Man 
setzt  bei  den  Bessersituierten,  den  Versicherten  mehr  zu,  weil  sie  in 
grösserer  Anzahl  diese  Unterstützungen  in  Anspruch  nehmen,  als 
bei  den  Schlechtersituierten,  die  gar  keinen  Anspruch  an  irgend  eine 
Unterstützung  haben.  Ihnen  versagt  man  die  weitgehende  Unter¬ 
stützung,  die  man  jenen  gewährt,  eben  weil  sie  nur  einzeln  und  für 
ihre  Person  um  solche  bitten.  Das  ist  ein  Unrecht,  und  da,  wo  man 
diese  Ansicht  teilt,  dürfte  der  obige  Vorschlag  vielleicht  Beachtung 
finden. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Nagel:  Handbuch  der  Physiologie  des  Menschen.  In 

4  Bänden.  Braunschweig  1907.  Fr.  Vieweg  &  Soll  n. 

Die  2.  Hälfte  des  2.  Bandes  —  Preis  20  M.  —  enthält  in 
vortrefflicher  Ausstattung: 

„Die  Absonderung  des  Hauttalges  und  des  Schweisses“ 
von  R.  Metz  n  er  -  Basel ; 

„Die  Physiologie  der  Leber“  von  E.  W  e  i  n  1  a  n  d  - 
München; 

„Die  Physiologie  der  Aufsaugung  und  Verdauung“  von 

O.  Cohnheim  -  Heidelberg; 

„Die  äussere  Arbeit  der  Verdauungsdrüsen  und  ihr  Mecha¬ 
nismus“  von  L.  Pawlow  -  St.  Petersburg ; 

„Ueber  den  Mechanismus  der  Resorption  und  der  Sekre¬ 
tion“  von  E.  Overton  - Lund ; 

„Die  histologischen  Veränderungen  der  Drüsen  bei  ihrer 
Tätigkeit“  von  R.  M  e  t  z  n  e  r,  letztere  Abhandlung  durch  zahl¬ 
reiche  Abbildungen  im  Text  und  auf  2  kolorierten  Tafeln  illu¬ 
striert. 

Alle  diese  Abhandlungen  erfordern  ernstes  Studium  und 
Kenntnis  der  neueren  Chemie  und  sind  denn  auch  in  hohem 
Grade  belehrend,  wie  für  den  speziellen  Fachmann,  so  nicht 
minder  für  den  sich  mit  den  Ernährungs-  und  Verdauungs¬ 
krankheiten  beschäftigenden  internen  Arzt.  Die  Befürchtung, 
dass  die  vielfache  Arbeitsteilung  störend  sein  dürfte,  ver¬ 
schwindet  fast  völlig,  wenn  man  sich  mit  sich  stetig  steigern¬ 
dem  Interesse  in  das  Werk  vertieft.  Die  einzelnen  Abhand¬ 
lungen  fügen  sich  infolge  weiser  Beschränkung  und  gegenseiti¬ 
ger  Rücksichtnahme  der  einzelnen  Autoren  zu  einem  harmo¬ 
nischen  Ganzen  und  bildet  insbesondere  die  hervorragende 
Arbeit  P  a  w  1  o  w  s,  in  dessen  geistige  Werkstätte  man  einen 
tiefen  Einblick  gewinnt,  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  der  kla¬ 
ren  und  übersichtlich  zusammenfassenden  Darstellung  Cohn¬ 
heims.  Typisch  für  sämtliche  Abhandlungen  ist  die  kri¬ 
tische  Sichtung  der  Forschungsergebnisse,  die  sich  frei  von  der 
Geltendmachung  einer  subjektiven  Lehrmeinung  hält. 

In  dem  1.  Teile  der  2.  Hälfte  des  4.  Bandes,  welcher  die 
Physiologie  des  Nerven-  und  Muskelsystems  enthält,  wird 

„Die  allgemeine  Physiologie  der  quergestreiften  Muskeln“ 
von  M.  v.  F  r  e  y  -  Würzburg ; 

„Die  allgemeine  Physiologie  der  glatten  Muskeln“  und 

„Die  spezielle  Bewegungslehre  mit  Ueberblick  über  die 
Physiologie  der  Gelenke“,  erstere  nach  dem  Tode  von  Prof. 

P.  Schultz  übernommen  und  in  dessem  Sinne  durchgeführt, 
von  R.  du  Bois-Reymond  -  Berlin  besprochen 

Wie  bei  der  Physiologie  der  Verdauungsorgane  hauptsäch¬ 
lich  die  Gesetze  der  Chemie  in  Anwendung  kommen,  so  setzt 
dieser  Abschnitt  des  grosszügigen  Gesamtwerkes  nächst  guter 
anatomischer  Vorbildung  genauere  Kenntnisse  in  der  Physik, 
speziell  in  der  Mechanik  voraus,  natürlich  unter  der  Berück¬ 
sichtigung,  dass  der  menschliche  Körper  die  Bedingung  der 
Starrheit  nur  annähernd  erfüllt.  Auf  der  physikalischen  Grund¬ 
lage  erhält  aber  dieses  Kapitel  der  Physiologie  den  gesichertsten 
Ausbau.  Die  Darstellung  ist  ebenso  wie  in  den  übrigen  Ab¬ 
schnitten  eine  klare  und  wissenschaftlich  hochstehende.  Sehr 
belehrend  ist  eine  diesem  Teilbande,  dessen  Preis  6  M.  ist,  bei¬ 
gegebene  Tafel,  welche  die  Bewegung  der  Beine  beim  Gehen 
nach  0.  Fischer  in  exakter  Zeichnung  ersehen  lässt.  Mit 
grösstem  Interesse  wird  dem  Abschlüsse  des  Gesamtwerkes, 
der  noch  im  Laufe  dieses  Jahres  erfolgen  soll,  entgegengesehen. 

S  e  gg  e  1. 

Sir  Hermann  Weber  and  F.  Parkes  Weber:  Climato- 
therapy  and  Balneotherapy.  The  climates  and  Mineralwater 
health  resorts  of  Europe  and  North  Africa.  Verlag  von  Smith, 

Eider  and  C  o.  London  1907.  Preis  15  s.  =  15  M. 


Die  dritte,  wesentlich  vermehrte  Auflage  des  bekannten 
Werkes  bildet  einen  stattlichen  Band  von  833  Seiten.  Der  erste 
Teil  beginnt  mit  einer  kurzen,  klaren  Darstellung  der  klima¬ 
tischen  Faktoren  und  ihrer  physiologischen  Wirkungen.  Die 
Klimate  werden  in  der  bekannten  Weise  eingeteilt  in  See-  und 
Küstenklima  und  kontinentales  Klima.  Von  diesen  werden  noch 
unterschieden  Höhenklima  und  Klima  der  mittleren  Höhen  und 
des  Tieflandes.  Besonders  hervorgehoben  wird  das  auf  See¬ 
reisen  wirksame  rein  ozeanische  Klima.  Dann  werden  in  sel¬ 
tener  Vollzähligkeit  die  klimatischen  Kurorte  in  Europa  und 
Nordafrika  nach  geographischen  Gruppen  geschildert.  Will¬ 
kommen  wird  manchem  eine  sich  daran  anschliessende  kurze 
klimatische  Charakterisierung  der  bedeutendsten  europäischen 
Städte  sein. 

Im  zweiten  Teil  werden  nach  einem  kurzen  hydrothera¬ 
peutischen  Kapitel  die  Mineralquellen  in  der  üblichen  Klassi¬ 
fikation,  ihre  Wirkungen  und  Indikationen  mit  Berücksichtigung 
der  neueren  wissenschaftlichen  Anschauungen  ausführlich  dar¬ 
gestellt.  Dabei  wird  auf  die  Wichtigkeit  aller  anderen  bei  einer 
Kur  in  Betracht  kommenden  Faktoren  entsprechend  hin¬ 
gewiesen.  Ebenso  gehen  dem  dritten  Teil  recht  beherzigens¬ 
werte  allgemeintherapeutische  Betrachtungen  voran.  Seinen 
Hauptinhalt  bildet  eine  Aufzählung  der  einzelnen  Erkrankungs¬ 
formen,  ihre  physikalisch-diätetische  Behandlung  und  die  dafür 
geeigneten  Kurorte. 

Wissenschaftlicher  Fleiss  und  namentlich  eine  reiche  prak¬ 
tische  Erfahrung  haben  hier  gemeinsam  ein  vortreffliches  Buch 
geschaffen.  Es  wird  jedem  auf  diesem  wichtigen  Gebiete  ärzt¬ 
licher  Tätigkeit,  das  sich  zunächst  noch  in  ganz  vorwiegendem 
Masse  auf  gereifte  ärztliche  Erfahrung  stützen  muss,  ein  will¬ 
kommener  und  zuverlässiger  Ratgeber  sein.  Ein  umfangreiches 
Literaturverzeichnis  und  vor  allem  ein  sorgfältiges  Register 
verdienen  noch  besondere  Erwähnung. 

Dr.  Schroth  -  Bad  Reichenhall. 

Dun  bar:  Leitfaden  für  die  Abwasserreinigungsfrage. 

Verlag  von  R.  Oldenbourg,  München  und  Berlin.  386  Sei¬ 
ten  und  147  Abbildungen  im  Text.  Preis  9  M. 

Der  auf  dem  Gebiet  der  Abwasserfrage  bekannte  Autor 
bringt  in  seinem  eben  erschienenen  Leitfaden  eine  umfassende 
Uebersicht  aller  bisher  diskutierten  und  praktisch  erprobten 
Verfahren  der  Abwasserreinigung  zur  Darstellung,  die  bei  der 
heutigen  Wichtigkeit  dieser  Dinge  überall  willkommen  sein 
wird.  Von  den  beiden  grossen  Kapiteln  „Zur  Entwick¬ 
lung  der  Abwasserfrage“  und  „Der  gegenwär- 
tigeStandderAbwasserbehandlung“  beansprucht 
jedes  für  sich  das  vollste  Interesse,  da  der  Verf.  die  Fülle  der 
Literatur  über  diesen  Gegenstand  klar  gesichtet  und  kritisch 
verarbeitet  hat,  so  dass  ein  umfassendes  und  übersichtliches 
Bild  der  ganzen  Materie  entstanden  ist.  Wertvoll  erscheint  die 
eingehende  Benutzung  der  englischen  Literatur  und  Be¬ 
sprechung  der  englischen  Verhältnisse,  da  ja  gerade  aus  jenem 
Lande  die  Kenntnis  der  meisten  einschlägigen  Verfahren  und 
Reformen  zu  uns  herüber  gekommen  sind.  Ob  man  wird  der 
subjektiven  Auffassung  des  Verf.  über  die  verschiedenen  Me¬ 
thoden  in  allen  Punkten  folgen  wrollen,  mag  dahingestellt  blei¬ 
ben.  Dies  ist  schon  allein  wegen  der  verschiedenen  Auffassung 
über  manche  Verfahren  nicht  möglich,  aber  man  wird  doch  das 
Buch  nach  eingehender  Lektüre  nicht  ohne  Nutzen  aus  den 
Händen  legen,  selbst  wenn  man  über  einzelne  Dinge  ganz 
anderer  Meinung  ist.  Sehr  zu  begrüssen  sind  die  vielen  an¬ 
schaulichen  instruktiven  Abbildungen  in  Deutschland  und  Eng¬ 
land  ausgeführter  Systeme,  die  mehr  als  breite  Beschreibungen 
über  die  Anlagen  orientieren.  Da  wTir  im  Zeichen  des  biologi¬ 
schen  Reinigungsverfahrens  stehen,  so  war  auch  zu  erwarten 
dass  dieser  Art  der  Abwasserreinigung  vom  Verf.  das  grösste 
Interesse  bei  der  Bearbeitung  entgegengebracht  wurde,  ohne 
dass  andere  anerkannte  Methoden  vernachlässigt  worden 
sind.  R.  0.  N  e  u  m  au  n  -  Heidelberg. 

.Jugendspiele  an  den  Mittelschulen.  Vortrag  von  Dr.  Martin 
Vogt,  kgl.  Gymnasiallehrer.  Verlag  der  „ärztlichen  Rund¬ 
schau“  (Otto  G  m  e  1  i  n  -  München).  Preis  Mk.  1,20,  Seiten¬ 
zahl  50. 

4* 


2436 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Der  in  der  Müchener  Elternvereinigung  gehaltene  Vortrag 
fordert  gegenüber  den  hochgespannten  Ansprüchen  des  mo¬ 
dernen  Lebens  und  gegenüber  den  nachgewiesenen  Schädi¬ 
gungen  durch  die  Schule  mit  Nachdruck  eine  harmonische 
Ausbildung  von  Geist  und  Körper.  Dieses  Ziel  kann  am  besten 
dadurch  erreicht  werden,  dass  nach  dem  Vorschläge  des  Verf. 
der  Spielbetrieb  zum  Range  eines  eigentlichen  Schulfaches  er¬ 
hoben  und  mit  vollem  Ernst,  wie  andere  Schulfächer  auch, 
durchgeführt  wird.  Gerade  die  Turnspiele  sind,  wie  Vogt 
überzeugend  ausführt,  sowohl  in  gesundheitlicher,  als  be¬ 
sonders  auch  in  erzieherischer  Richtung  von  grösstem  Werte 
für  die  heran  wachsende  Jugend.  Leider  werden  bisher  die 
Spiele  nicht  so  fleissig  besucht,  als  es  nötig  wäre  und  können  die 
Gründe,  aus  welchen  dies  versäumt  wird,  in  ihrer  grössten 
Mehrheit  nicht  als  stichhaltig  anerkannt  werden.  Bei  der 
Kritik  derselben  bekommen  die  Eltern  der  Schüler  manch 
goldene  Wahrheit  durch  den  Verf.  zu  hören.  Eine  weitere  For¬ 
derung,  welche  aufgcstellt  werden  muss,  besteht  darin,  dass  die 
Spieltage  von  häuslichen  Aufgaben  freigehalten  werden  müssen. 
Zeit  hiefür  kann  durch  eine  grössere  Intensität  bei  der  Bear¬ 
beitung  der  Hausaufgaben  sicher  gewonnen  werden,  ein  Satz, 
welchen  Verf.  an  der  Hand  einer  so  recht  aus  dem  Leben 
geschöpften  treffenden  kleinen  Skizze  recht  anschaulich  macht. 
Verf.  fordert,  dass  mindestens  ein  Nachmittag  jeder  Woche 
für  die  Turnspiele  reserviert  werden  muss  und  ferner,  dass 
beim  Spiel  selbst  alles  Sportsmässige  zu  vermeiden  ist.  Die 
Lektüre  des  Vortrages  zeigt,  dass  derselbe  nicht  nur  von  einem 
mit  warmer  Liebe  für  die  Jugend  erfüllten  Manne  geschrieben 
ist,  sondern,  dass  dem  Verfasser  auch  eine  sehr  reiche  per¬ 
sönliche  Erfahrung  auf  diesem  Gebiete  zur  Seite  steht.  Dürfen 
und  können  solche  Männer  noch  lange  Prediger  in  der  Wüste 
bleiben?  Allerdings  hält  es  schwer,  neue  Volkssitten  zu 
schaffen,  gar  eine  solche,  welche  der  modernen  Bequemlichkeit 
und  Verweichlichung  so  scharf  die  Spitze  bieten  will.  Nicht 
alle  Kinder  können  für  die  Pflege  des  Körperlichen  gewonnen 
werden,  denn  manche  derselben  sind,  das  wissen  wir  Aerzte 
oft  bei  einem  einzigen  Blicke  in  die  betreffende  Familie,  ganz 
unentrinnbar  dem  geistiger  und  körperlicher  Gesundung  ab¬ 
holden  Geiste  der  Familie  anheim  gegeben.  Aber  jedenfalls 
müssen  Worte,  wie  jene  des  vorliegenden  Vortrages,  eben  weil 
sie  gut  sind,  immer  wieder  gesagt  werden  und  dann  wird  es 
wohl  kaum  fehlen,  dass  schliesslich  die  Saat  doch  aufgeht. 

Grassmann  -  München. 

Alfred  v.  L  i  n  d  h  e  im:  Saluti  juveiitutis.  Der  Zusammen¬ 
hang  körperlicher  und  geistiger  Entwicklung  in  den  ersten 
zwanzig  Lebensjahren  des  Menschen.  Eine  sozial-statistische 
Untersuchung.  Mit  mehreren  Abbildungen,  zahlreichen  Ta¬ 
bellen  und  graphischen  Darstellungen  im  Text,  sowie  5  zum 
Teil  farbigen  Tafeln.  Leipzig  und  Wien,  Franz  D  e  u  t  i  c  k  e, 
1908.  Preis  brochiert  10  M.  (564  S.,  Lexikonformat.) 

v.  Lindheim,  ein  niederösterreichischer  Landtags¬ 
abgeordneter,  Nichtarzt,  weiteren  Kreisen  durch  ein  früheres 
sozial-statistisches  Werk  „Saluti  aegrorum“  bekannt  geworden, 
hat  es  nunmehr  unternommen,  in  neueren  Untersuchungen 
„jenen  inneren  Zusammenhang  aufzuweisen,  der  zwischen  der 
körperlichen  und  geistigen  Entwicklung  der  heranwachsenden 
Jugend  besteht  und  der  von  so  überaus  schwerwiegender  Be¬ 
deutung  ist  nicht  nur  für  den  ganzen  Lebensgang  des  Einzelnen, 
sondern  in  weiterer  Konsequenz  auch  für  die  Zukunft  des 
Staates.“  Natürlich  ging  es  über  die  Kraft  eines  Einzelnen,  das 
umfangreiche  statistische  und  empirische  Material  für  das  aus¬ 
gedehnte  Werk  zu  sammeln,  das  ja  die  allerverschiedenartig¬ 
sten  Gesichtspunkte  ins  Auge  zu  fassen  hatte.  Deshalb  wählte 
sich  v.  L  i  n  d  h  e  i  m,  eine  Anzahl  ausgezeichneter  Mitarbeiter, 
zumeist  Aerzte,  die  in  ausführlichen  Gutachten  über  die  ein¬ 
zelnen  behandelten  Themen  sich  aussprachen.  Joseph  hat 
die  Frage  der  Vererbung  bearbeitet,  Hochsinger  hat  zwei 
Abhandlungen  über  „Erbsyphilis  und  Jugend“  und  über  „Sy¬ 
philis  und  Säuglingsernährung“  geschrieben,  von  Seiffert 
stammt  ein  Beitrag  „über  die  kulturelle  und  soziale  Bedeutung 
üei  Kindersterblichkeit  ,  von  Zappe  rt  eine  Arbeit  „über  die 
Entwicklung  des  Kindes  im  neutralen  Kindesalter“.  Hovorka 
hat  sich  „über  die  Ursachen  der  orthopädischen  Erkrankungen 
im  jugendlichen  Alter  und  deren  Abhilfe“  ausgesprochen, 


Hamburger  über  „Auge  und  Erziehung“,  Alt  über  „die 
Fürsorge  gegenüber  schwerhörigen  und  taubstummen  Kin¬ 
dern“,  Burgerstein  „über  den  Zusammenhang  körperlicher 
und  geistiger  Entwicklung  im  Schulalter“,  Berze  „über 
psychische  Störungen  des  Kindesalters  und  des  der  Entwick¬ 
lungshöhe  vorausgehenden  Alters“,  Altmann  „über  die  Re¬ 
form  der  Jugendfürsorge“.  Schliesslich  ist  dann  noch  eine 
warmherzige  Programmrede  des  österreichischen  Justiz¬ 
ministers  Klein  bei  Eröffnung  des  Wiener  Kinderschutzkon¬ 
gresses  wiedergegeben.  Die  Ausführungen  v.  L  i  n  d  h  e  i  m  s 
selbst  bilden  den  Rahmen,  in  dem  die  einzelnen  Gutachten  er¬ 
scheinen.  Dadurch,  dass  jedem  Referat  der  Gedanke  zugrunde 
gelegt  ist,  dass  es  keine  gesunde  Entwicklung  des 
Geistes  gibt,  wo  nicht  ein  gesunder  Körper 
diese  Entwicklung  ermöglicht,  gewinnt  das  Ganze 
trotz  der  ansehnlichen  Zahl  seiner  Mitarbeiter  an  Einheitlich¬ 
keit.  Wie  dies  bei  allen  ähnlichen  Werken  der  Fall  ist,  sind  die 
von  den  verschiedenen  Autoren  stammenden  Arbeiten  nicht 
völlig  gleichwertig.  Bei  einzelnen  Artikeln  hat  man  den  Ein¬ 
druck,  dass  grössere  Kürze  eine  eindringlichere  Wirkung  her¬ 
vorgebracht  hätte,  andererseits  bilden  die  Fülle  des  den 
diversen  Kapiteln  zugrunde  gelegten  Erfahrungmaterials  ebenso 
wie  die  vielfachen  statistischen  Zusammenstellungen  eine 
Fundgrube  für  denjenigen,  welcher  den  Kinderschutzbestre¬ 
bungen  noch  ferne  steht,  insbesondere  für  den  nicht  medizinisch 
Vorgebildeten.  Bei  dem  juristischen  Kapitel  des  Staatsanwalts¬ 
substituts  Dr.  A  1 1  m  a  n  n  sind  naturgemäss  die  österreichi¬ 
schen  Gesetzesbestimmungen  in  den  Vordergrund  gestellt.  Hier 
wäre  eine  für  die  grosse  Zahl  der  reichsdeutschen  Leser  be¬ 
stimmte  Ergänzung,  welche  ebenso  so  eingehend  die  deutschen 
Gesetze  und  deren  Mängel  darlegt,  bei  einer  folgenden  Auflage 
dringend  zu  empfehlen.  Das  Resultat  der  gesamten,  in  dem  um¬ 
fangreichen  Werk  niedergelegten  Forschungen  ist  schliesslich 
noch  einmal  in  einer  eingehenden  Besprechung  von  dem  be¬ 
kannten  Wiener  Heilpädagogen  Th.  Heller  zusammengefasst. 
Ein  Schlusskapitel  „Die  Forderungen  an  den  Staat  und  an  die 
Gesellschaft“  zieht  die  Konsequenzen  aus  den  wissenschaft¬ 
lichen  Ergebnissen  der  einzelnen  Abschnitte.  Wesentlich  kürzer 
sind  dieselben  in  18  Leitsätzen  ausgedrückt,  die  zumeist  un¬ 
bedingte  Zustimmung  verdienen. 

Die  —  allerdings  nicht  leichte  —  Lektüre  des  Werkes  sei 
allen  denen  angelegentlichst  empfohlen,  die  sich  um  die  soziale 
Fürsorge  für  unsere  gesamte  Jugend  kümmern.  Der  Autor, 
der,  an  der  Schwelle  des  Greisenaltes  stehend,  sich  noch  so 
mühevoller  Arbeit  unterzogen  hat,  möge  auch  die  Freude  er¬ 
leben,  dass  wenigstens  ein  Teil  der  wertvollen  Anregungen 
des  Buches  zur  Ausführung  kommt. 

Albert  Uffenheimer- München. 

Beschreibung  der  Militärkuranstalten  und  Genesungsheime 
vom  Standpunkt  der  Gesundheitspflege  aus.  Herausgegeben 
von  der  Medizinalabteilung  des  K.  Preussischen  Kriegsmini¬ 
steriums.  Mit  5  Plänen  und  36  Tafeln.  Berlin,  E.  Mittler 
1907.  123  S. 

In  Wort  und  Bild  sind  die  13  Militärkuranstalten  und  Ge¬ 
nesungsheime  der  preussischen  Armee  geschildert,  sodass  der 
Sanitätsoffizier  sich  daraus  die  für  seine  Entscheidungen  über 
eine  Kur  notwendige  Kenntnis  jeder  Anstalt  verschaffen  kann. 
Die  Mitteilungen  über  Lage,  Bau,  Einrichtung  und  Betrieb 
geben  dem  Arzt  und  dem  Techniker  Gelegenheit,  sich  über 
praktische  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiet  zu  unterrichten. 
Kurbedürftige,  namentlich  des  Offizier-,  Sanitätsoffizier-  und 
Beamtenstandes  können  ferner  daraus  die  sie  interessierenden 
Einzelheiten  über  die  Aufnahmebedingungen  u.  a.  kennen  ler¬ 
nen;  für  diese  kommen  besonders  in  Betracht  die  für  alle 
deutschen  Offiziere  bestimmte  Wilhelms-Heilanstalt  in  Wies- 
baden  und  das  Genesungsheim  Villa  Hildebrand  zu  Arco  in 
Südtirol.  D  i  e  u  d  o  n  n  e  -  München. 

Schneidemühl:  Spezielle  Pathologie  und  Therapie 
der  Haustiere.  (Für  Tierärzte,  Aerzte  und  Studierende.)  II.  Teil. 
Berlin,  Trenkel,  1907. 

Der  zweite  jetzt  vorliegende  Teil  von  Schn.s  Spezieller 
I  athologie  und  Therapie  der  Haustiere  reiht  sich  würdig  der 
1.  Abteilung  an.  Ei  umfasst  in  übersichtlicher  Form  die  Krank- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2.  Dezember  1907. _ _ _ 

heiten  des  Blutes  und  Stoffwechsels,  Organkrankheiteii,  Kiank- 
lieiten  der  Harn-  und  Geschlechtsorgane,  die  Milchfehler  und 
Krankheiten  der  Bewegungsorgane  und  des  Nervensystems. 
Trotz  des  grossen  Umfanges  des  zn  behandelnden  Gebietes  hat 
der  Verfasser  es  verstanden,  bei  hinreichender  Ausfuhi  hchkeit 
jede  Weitschweifigkeit  zu  vermeiden.  Vielleicht  wären  manchem 
Leser  mehr  Abbildungen  erwünscht  gewesen.  Von  den  we¬ 
nigen  vorhandenen  dürften  die  in  Fig.  47  und  48  gegebenen 
Trypanosomenbilder  nicht  mehr  ganz  den  Anforderungen,  die 
wir  bei  der  heutigen  Technik  an  instruktive  Abbildungen  stellen 
müssen,  entsprechen.  _  _  Küster-  Freibur  g. 

Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  Heilkunde.  Herausgegeben  von  Kretz 
in  Wien  XXVIII  Bd.  (Neue  Folge,  VIII.  Bd.)  Jahrg.  1907. 
Heft  10. 

1)  Pollitzer:  Beiträge  zur  Morphologie  und  Biologie  der 

neutrophilen  Leukozyten.  (Aus  der  N  eus  s  e  r  sehen  Klinik  in  Wien.) 

Verfasser  stellt  sich  in  scharfen  Gegensatz  zu  den  Untersuchungen 
Ameths,  der  die  Kernbilder  der  Leukozyten  als  Ausdruck  ver¬ 
schiedener  Entwicklungsstadien  betrachtet,  derart,  dass  die  einkerni¬ 
gen  die  jüngsten,  unreifen,  die  mehrkernigen  die  ältesten,  ausgereiften 
Formen  darstellen  mit  entsprechenden  Zwischenstufen,  und  aus  dem 
Zahlenverhältnis  der  reifen  und  unreifen  Leukozyten  klinisch  wichtige 
Schlüsse  z  B.  bei  Infektionskrankheiten,  zieht.  Nach  1  o  1 1  i  t  z  e  i 
haben  diese  Kernbilder  mit  einer  aufsteigenden  Entwicklung  nichts  zu 
tun  alle  Myelozyten  und  Leukozyten  sind  von  Anfang  an  polynukleai 
oder,  wie  es  korrekterweise  heissen  muss,  polvmorphkei  mg.  Die 
falsche  Deutung  des  Kernbildes  beruht  zum  Teil  auf  ungeeigne¬ 
ter  Färbung  (Triazidfärbung),  zum  Teil  auf  der  zufälligen 
Silhouette,  die  der  fixierte  Kern  gerade  auf  dem  Objektträger  dar¬ 
bietet.  Die  Entwicklungslinie  des  Myelozytenstammes  wird  durch 
etwas  ganz  anderes  bestimmt:  durch  die  allmähliche  Stiuktuiiei ung 
des  Chromatinis  und  die  Abnahme  der  Blaufärbung  des  Protoplasmas 
bei  der  Leishman-Romanowsky-Methode.  Von  den  sonstigen  Aus¬ 
führungen  ist  von  Interesse,  dass  Verfasser  die  Granulierung  der 
Leukozyten  nicht  als  Einschlüsse  im  Protoplasma,  sondern  als  eine 
zusammenhängende  Masse  von  wabenförmigem  Bau  halt,  die  zwi¬ 
schen  Kern  und  Protoplasma  eingeschaltet  ist,  sowie  dass  er  —  mit 
älteren  Autoren  —  an  eine  Teilungsfähigkeit  der  reifen  Leukozy.en 
im  Blute  glaubt. 

2)  Kretz:  Angina  und  septische  Infektion.  (Aus  der  Piosektui 

des  Franz-Joseph-Spitals  in  Wien.)  ... 

Lvmphdrüsenveränderungen  am  Halse  (Schwellung.  Hyperämie 
usw.)  finden  sich  bei  zahlreichen  infektiösen  Prozessen,  so  z.  B.  auch 
bei  Appendizitis.  Von  den  in  den  Halsdrüsen  deponierten  Kiaim- 
heitserregern,  meist  Kokken,  kommt  es  im  späteren  Leben  ott  zu 
Infektionen  allgemeiner  Art  oder  zu  Entzündungsprozessen  in  ent¬ 
fernten  Organen. 

3)  Pappenheim:  Beiträge  zum  Zellstudium  der  Zerebro¬ 
spinalflüssigkeit.  (Aus  Picks  psychiatrischer  Klinik  in  Prag.) 

Jede  Zerebrospinalflüssigkeit  übt  auf  weisse  Blutzellen  einen 
schädigenden  Einfluss  aus.  Der  Liquor  der  Paralytiker  enthält  ii ne i  - 
dies  noch  ein  bei  56°  C  unwirksam  werdendes,  weisse  Blutkörperchen 
schädigendes  Agens.  Die  im  Liquor  auftretenden,  von  Blutzelilen  ver¬ 
schiedenen  Elemente  sind,  wenigstens  zum  Teile,  degenerierte  Leuko¬ 
zyten.  Bändel-  Nürnberg. 

Beiträge  zur  Klinik  der  Tuberkulose.  Herausgeg.  von 
Prof.  L.  Brauer.  Band  VIII.  Heft  3. 

P.  Barchasch:  Zur  Pathologie  der  Magentuberkulose. 

Die  Arbeit  bringt  neben  einer  vollständigen  Uebersicht  über  die 
bisherige  Literatur  (53  Arbeiten)  die  Schilderung  zweier  Sektionsfälle: 
i.  Tuberkulöse  Narbenstenose  des  Pylorus.  2.  Solitärtuberkel  des 
Pylorus.  In  beiden  Fällen  konnte  die  Diagnose  intra  vitam  nicht  ge¬ 
stellt  werden.  Verf.  kommt  zu  folgenden  Schlüssen:  1.  es  wurden 
5  anatomische  Formen  der  Magentuberkulose:  Geschwür,  Miliar¬ 
tuberkel,  Solitärtuberkel,  tumorartige  Wucherung  und  narbige  Py¬ 
lorusstenose  beobachtet;  2.  in  der  Aetiologie  der  Pylorusstenose  muss 
man  neben  anderen  Prozessen  auch  der  Tuberkulose  einen  Platz  an¬ 
weisen;  3.  die  histologische  Untersuchung  aller  Pylorusstenosen  wird 
die  Zahl  der  tuberkulösen  ver grossem;  4.  Katarrh  und  motorische  In¬ 
suffizienz  bilden  prädisponierende  Momente  für  die  Tuberkuloseinfek¬ 
tion  des  Magens. 

S.  Kitamura:  Ueber  subapikale  Lungenfurchen  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zur  Genese  der  tuberkulösen  Spitzenphthise, 

Auf  die  Untersuchungen  W.  A.  Freunds,  B  i  r  c  h-  H  i  r  sc  Il¬ 
feld  s,  S  c  h  m  o  r  1  s  und  Harts  eingehend,  gibt  Verf.  einen  Beitrag 
zur  mechanischen  Deponierung  einer  Lungenspitze  zur  Tuberkulose: 
Bei  einem  5  jährigen  Kinde  fand  sich  subapikal  links  eine  5  cm  lange 
und  5  mm  tiefe  Furche,  die  durch  die  anormal  verlaufende,  eine  scharfe 
Pleurafalte  bildende  Art.  subclavia  hervorgerufen  war;  entsprechende 
Stenose  des  Bronchus  und  lokale  Atelektase;  auf  diesen 


2437 


Spitze  nabsehn. ittalleinbesehränkte  Tu  bc  r  k  ul  o  s  c. 

Zickgraf:  Ueber  den  Gehalt  des  Speichels  an  Rhodankalium 

bei  Tuberkulösen.  ,  ,  . 

Z  prüfte  die  Angabe  Edtngers  und  1  reupels,  dass  bei 

Lungentuberkulose  eine  Verminderung  bezw.  Aufhebung  des  Rhodan¬ 
gehaltes  des  Speichels  erfolge,  mittels  der  Methode  von  Solei  a 
und  der  von  Trevira  nu  s  nach.  In  60  Fällen  aller  Stadien  fand  er . 
dass  die  Lungentuberkulose  (auch  die  schwersten  Formen)  den  Kho- 
dangehalt  der  Parotis  und  auch  des  Submaxillarspeichels  nicht  ver- 

andCJ.’  Mitul  es  cu -Bukarest:  Beiträge  zur  systematischen  Be¬ 
handlung  der  Lungentuberkulose. 

M.  geht  von  der  durch  die  Autorität  Kochs  und  Corncts 
gestützten  Anschauung  aus,  dass  die  Heilstättenbehandlung  allein  noch 
keinen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  Tuberkulosemorta htat  gehabt 
habe,  gibt  weiter  einen  sehr  dankenswerten  U eberblick  über  den 
jetzigen  Stand  der  Theorie  und  Praxis  der  1  uberkuhntherapie  (K  o  c  h, 
Denys,  Beranek);  er  empfiehlt  dringend  für  alle  diejenigen 
Tuberkulösen,  die  sich  eine  lang  fortgesetzte  hygiemsch-diatetische 
Behandlung  pekuniär  nicht  leisten  können,  neben  physikalischen  Fak¬ 
toren  auch  mit  spezifischen  Mitteln  (also  I  nberkul in )  zu  behandeln. 

P.  Schlippe:  Ueber  periodisch  auftretende  Hämoptoe. 

Mitteilung  zweier  Fälle  von  Phthise,  in  denen  Hämoptysen  legcl- 
mässig  mit  der  Periode  oder  an  Stelle  der  ausbleibenden  Menstruation 
auftraten;  in  einem  Fall  Tod  in  der  Hämoptoe.  Verf  erklärt  sich  für 
die  Möglichkeit  einer  vikariierenden  Hämoptoe  auch  bei  gesunden 
Lungen,  wenn  die  Zahl  derartiger  Fälle  bei  genauer  Kritik  auch  aut 
eine  recht  geringe  zusammenschrumpfen  muss.  Prognostisch  sind  die 
menstruellen  Hämoptysen  Phthisischer  nicht  günstiger  oder  anders 
zu  deuten,  als  die  extramenstruell  auftretenden. 

Th.  Jannsen:  Inwiefern  wird  das  Auftreten  von  Lungen¬ 
blutungen  durch  Witterungsverhältnisse  beeinflusst?  ...  -p 

Aus  der  sehr  interessanten,  mit  mehreren  meteorologischen  la¬ 
beilen  versehenen  Arbeit  geht  im  wesentlichen  hervor  dass  Blutungen 
besonders  häufig  bei  bedecktem  Himmel  oder  relativ  hoher  Feuchtig¬ 
keit  der  Luft  auftreten.  Dass  raschere  Luftdruckschwankungen  ätio¬ 
logisch  wichtig  sind,  ist  unwahrscheinlich.  . 

Hans  Curschmann  -  Mainz. 

Zeitschrift  für  Tuberkulose.  Band  XI.  Heft  5. 

Aufruf  für  die  Begründung  einer  Robert  Koch-  Stiftung  zur 
Bekämpfung  der  Tuberkulose. 

Ku  ttn  e  r- Berlin:  KehlkoDftuberkulose  und  Schwangerschaft. 

W.  Freudenthal  -  NewYork :  Ueber  den  deletären  Einfluss 
der  Schwangerschaft  auf  die  Larynxtuberkulose. 

Kuttner  legt  unter  neinlich  genauer  Berücksichtigung  der 
bisher  veröffentlichten  etwa  230  Fälle  dar.  dass  die,  wenn  auch  sehen 
vorkommende  Verbindung  von  Kelilkopftuberkulose  und  Schwanger¬ 
schaft  stets  eine  ungünstige  Prognose  gibt  und  dass  auch  die  Kindei 
geringe  Lebensaussicht  haben.  Betreffs  des  praktischen  Vorgehens 
sind  drei  Gruptien  zu  unterscheiden.  Erstens  diejenigen,  bei  denen 
uer  Versuch,  die  Mutter  zu  retten,  von  vornherein  aussichtslos  ist. 
Da  versucht  man  wenigstens  das  Kind  zu  erhalten.  Zweitens  diejeni¬ 
gen,  bei  denen  das  Kehlkopfleiden  so  gering  ist,  dass  man  Hoffnung 
haben  kann,  sie  auch  ohne  Eingriff  durchzubringen.  Und  endlich  die 
anderen,  bei  denen  ein  Nichtstun  in  90  Proz.  ein  Todesurteil  bedeutet. 
Hier  soll  man  zeitig  genug  eingreifen,  um  noch  den  künstlichen  Abort 
einleiten  zu  können.  Demi  die  künstliche  Frühgeburt  hat  gewöhn¬ 
lich  keinen  Zweck  mehr,  da  sie  die  erkrankte  Frau  zu  sehr  mitnimmt. 

Freudenthal  ist  im  allgemeinen  derselben  Ansicht. 

Krause- Hannover:  „Spezifisches“  Tuberkulin.  Eine  neue  Be¬ 
handlungsmethode.  bisher  erprobt  an  Tuberkulose  der  Lungen,  Drüsen 

und  des  Kehlkopfes.  „  „  ^  innrx 

Eine  kurze  Mitteilung  von  früher  (Bd.  9.  H.  6.  Pef.  51,  1906) 
wird  hier  mehr  ausgeführt  und  auch  durch  einzelne  Fälle  belegt.  Fs 
handelt  sich  also  darum.  Tuberkulin  bezw.  Bazillenemulsion  zu  vet  - 
wenden,  die  von  dem  Kranken  selbst  stammt.  Soweit  das  nicht  mög¬ 
lich  ist,  kann  man  sogar  neutrale  Bazillen  durch  Verimpfung  auf 
Serum,  das  von  dem  Kranken  stammt,  zu  spezifischen  machen. 

F.  W.  Forbes  Ross- London:  Tuberculosis-Anti-Tuberculosis.  — 
Tuberculo-Theranv  in  Tuberculosis. 

•  Durch  rohes  tuberkulöses  Fleisch,  für  dessen  Darreichung  vei- 
schiedene  Vorschriften  gegeben  werden,  soll  „spezifisch“  behandelt 
werden.  Fs  soll  soweit  kommen,  dass  raw  tuberculous  meat  in  keiner 

Anstalt  mehr  fehlen  darf.  ^  ,  ... 

George  S  i  r  a  c  o  f  f  -  Eleonoren-Heilstätte  l.  O.-W.:  Ein  wichtiges 
äusserliches  Symptom  der  beginnenden  Lungen-  und  Bronchialdrüsen- 

tuberkülose.  .  x  ,  .  ...  ...  ,  , 

Auf  der  Seite,  auf  der  die  Bronchialdrüsen  tuberkulös  verändert 

sind,  zeigt  sich  eine  auffällige  Sichtbarkeit  der  I  emooralvenen. 

Bernheim  und  D  i  e  u  p  a  r  t  -  Paris:  La  pretuberculose. 

Die  Verf.  fragen,  was  eigentlich  diese  pretuberculose  ist  und 
schildern  als  solche  mehrere  allgemeine  Diathesen.  und  zwai  den 
Alkoholismus,  die  Erblichkeit.  Syphilis  und  Anämie.  Sodann  werden 
alle  möglichen  Anzeichen  dieser  pretuberculose  besprochen. 

Zusammenkunft  der  Chefärzte  süddeutscher  Lungenheilanstalten 

in  Baden-Baden,  7.  bis  9.  September  1907.  .  .  .. 

Diese  Versammlung  war  namentlich  deshalb  interessant,  weil 
eine  Reihe  technischer  Fragen  behandelt  wurde:  einheitliches  Schema 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


2438 


niid  einheitliche  Bezeichnung  des  Lungenbefundes,  Assistenzarztfrage. 
Aufnahmeformular,  Dinge,  die  in  einer  Kommission  noch  weiter  zum 
allgemeinen  Nutzen  bearbeitet  werden  sollen. 

Bericht  über  die  VI.  Internationale  Tuberkulosekonferenz. 

Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 

Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  red.  von  P.  v.  B  r  u  n  s. 

55.  Band,  3.  Heft.  Tübingen,  Lau  pp.  Oktober  1907. 

R.  K  ii  h  n  e  r  gibt  aus  der  Tübinger  Klinik  eine  Arbeit  über  die 
Kpulis  und  die  Resultate  ihrer  Behandlung  und  berichtet  über  alle  im 
Verlauf  von  35  Jahren  in  dieser  Klinik  stationär  und  ambulatorisch 
behandelten  Fälle  dieser  Tumoren,  von  denen  63,38  Proz.  auf  das 
weibliche,  33,62  auf  das  männliche  Geschlecht  treffen  (also  fast  2/s 
bei  weiblichen  Patienten  beobachtet  wurden).  K.  berichtet  seine 
Beobachtungen  betr.  Alter,  Lokalisation,  histologischen  Befund  (2A « 
betrafen  Riesenzellensarkome).  Die  Prognose  der  ätiologisch  noch 
unklaren  1  umoren  ist  bei  operativer  Behandlung  günstig,  die  Epulis 
heilt  bei  entsprechender  radikaler  Behandlung  fast  immer,  wie  auch 
die  Nachforschungen  über  die  betreffenden  Patienten  ergeben.  Drei¬ 
mal  wurde  die  Operation  verweigert  und  erlagen  die  Patienten  später 
ihrem  Leiden,  bei  1  Fall  ist  Spontanrückbildung  eingetreten.  91,12 
Pr°z.  wurden  durch  die  Operation  bleibend  geheilt,  in  8,86  Proz.  der 
Fälle  kam  es  zu  Rezidiven,  von  denfen  aber  auch  die  Mehrzahl  geheilt 
wurde,  sodass^  sich  die  Heilungsziffer  durch  die  Operation  auf  97,4 
Proz.  stellt.  K.  gibt  kurze  krankengeschichtliche  Notizen  über  seine 
Fälle. 

Aus  der  Münchener  Klinik  berichtet  Richard  Besteimeyer 
über  Schussverletzungen  und  bearbeitet  das  Material  der  v.  Anger  er¬ 
sehen  Klinik  aus  den  letzten  10  Jahren  (244  Fälle,  222  bei  Männern,  22 
bei  weiblichen  Patientinnen);  da  das  Material  an  anderen  Verletzungen 
(z.  B.  1823  Quetschwunden,  475  Stichwunden)  ein  viel  grösseres, 
so  berechnet  sich  die  Frequenz  der  Schussverletzungen  mit  7,5  Proz. 
der  \  erwundungen  als  eine  relativ  kleine.  B.  betrachtet  zunächst 
die  Kopfschüsse,  fast  sämtlich  mit  Revolver  erzeugt  (64  bei  Männern, 

7  bei  Weibern),  zum  grossen  Teil  Selbstmordversuche  (55).  Die 
rechte  Regio  temporalis  zeigt  sich  als  die  überwiegend  häufige  Ein¬ 
schussstelle  (37  Fälle).  20  waren  nur  Weichteilschüsse,  34  waren  un¬ 
zweifelhafte  Gehirnschüsse  68  Proz.  boten  so  schwere  Erscheinungen, 
dass  Erhaltung  des  Lebens  ausgeschlossen  war.  Operatives  Ein¬ 
greifen  wurde  bei  23  als  aussichtslos  nicht  versucht,  auch  bei  den 
übrigen  11  zeigte  sich  dazu  keine  Indikation,  nur  bei  2  wurde  wegen 
\  ermutung  grösserer  Knochensplitter  der  Einschuss  des  Knochens 
rreigelegt  und  einige  Knochenteile  entfernt.  3  Fälle  von  Gehirn¬ 
schüssen  erlagen  hinzugetretener  Infektion,  4  Fälle  sicherer  Gehirn¬ 
schüsse  gingen  mit  Einheilung  des  Projektils  in  Heilung  über.  Die 
Röntgenphotographie  ist  bei  Schädelschüssen  als  das  wesentlichste 
diagnostische  Hilfsmittel  auszuscheiden.  Von  10  Halsschüssen  ist  bei  7 
die  Kugel  in  der  Tiefe  des  Halses  eingeheiit,  1  mal  wurde  dieselbe  am 
6.  Tag  ausgehustet  und  1  mal  wegen  oberflächlicher  Lage  exzidiert 
Von  49  Brustschüssen  (44  durch  Revolver)  waren  35  Selbstmörd¬ 
ers116’  bei  35  perforierten  Thoraxschüssen  kam  es  28  mal  (80  Proz.) 
zu  Hämatothorax,  in  57  Proz.  zu  blutigem  Sputum.  Auch  aus  B.s 
Fällen  geht  die  günstige  Prognose  der  reinen  Lungenschüsse  hervor, 
indem  16  Fälle  normalen  Verlauf  nahmen.  In  2  Fällen  wurde  wegen 
vermuteter  gleichzeitiger  abdominaler  Verletzung  laparotomiert  (ohne 
Nachteil)  in  5  Fällen  penetrierender  Brustschüsse  kam  es  zu  Empyem, 
das  4  mal  nach  der  Eröffnung  langsam  ausheilte,  1  mal  durch  fort¬ 
schreitende.  Perikarditis  zum  Ende  führte.  Frühzeitiges  Eingreifen 
nach  König  am  2.  oder  3.  Tag  nach  der  Verletzung  (Entleerung  des 
Hämatothorax)  hält  B.  besonders  indiziert  bei  ausgedehntem  Em¬ 
physem  oder  grösserem  Pneumothorax.  Bei  25  Bauchschüssen  han¬ 
delte  es  sich  22 mal  um  männliche  Individuen,  6mal  um  Tent.  suicidii 
14  mal  um  unglückliches  Hantieren  mit  der  Waffe,  nur  4  Fälle  waren 
nicht  perforierend,  von  den  21  perforierenden  wurden  3  moribund 
(innere  Verblutung)  eingeliefert.  1  Fall  von  Magenschuss  kam  erst 
ri  1  der  Verletzung:  zur  Aufnahme,  bot  keine  dringende  In- 

dukation  zur  Operation  und  heilte  bei  konservativer  Behandlung,  von 
den  übrigen  17  penetrierenden  Verletzungen  wurden  alle  operiert. 

'S  gerettet,  und  zeigt  sich,  dass  die  innerhalb  der  ersten  4  Stunden 
Operierten  die  besten  Resultate  gaben  (6  geheilt,  3  gestorben):  unter 
8  Fällen  von  Magendarmverletzung,  die  nicht  mit  schwerer  Blutung 
kompliziert,  wurden  5  gerettet  (63  Proz.  Heilung),  von  den  mit 
grosserer  Blutung  komplizierten  gelang  es  nur  1  Fall  zu  retten.  Im 
allgemeinen  geben  die  Darmschüsse,  wenn  sie  gleich  innerhalb  der 
ersten  Stunden  zur  Operation  kommen,  recht  günstige  Prognose; 
sehr  ungünstig  ist  selbe  aber  für  gleichzeitige  Brust-  und  Bauch¬ 
schüsse  (3  operierte  und  2  nicht  operierte  Fälle  verliefen  letal).  Zum 
Schluss  behandelt  B.  die  Schussverletzungen  der  Extremitäten  von 
denen  53  die  obere  (36  die  Hand).  35  die  untere  Extremität  be¬ 
trafen  und  gibt  auch  hier  entsprechende  krankengeschichtliche  No¬ 
tizen,  darunter  zahlreiche  interessante  Einzelbeobachtuno-en  z  B 
eine  Schussverletzung  des  N.  radialis.  durch  Naht  geheilt  iisw. 

Aus  der  Grazer  Klinik  gibt  Max  H  o  f  m  a  n  eine  Arbeit  zur  Serum¬ 
behandlung  des  Tetanus,  worin  er  über  30  Fälle  von  Tetanus  be¬ 
richtet  und  zwar  zunächst  über  13  mit  subkutanen  Seruminjektionen 
behandelte  Fälle  (mit  53,8  Proz.  Mortalität),  dann  über  endoneurale 
Seruminjektionen,  über  die  bisher  10  Fälle  aus  der  Literatur  vor- 
hegen,  denen  H.  einen  anreiht  und  die  bei  der  sicheren  experimen¬ 
tellen  Grundlage  der  endoneuralen  Applikationsweise  des  Serums 


dringend  zum  Sammeln  weiterer  Erfahrungen  auffordern,  dann  be¬ 
richtet  H.  über  16  mit  Duralinfusionen  behandelte  Fälle,  unter  denen 
sich  schwerste  und  prognostisch  ungünstige  Tetanusfälle  (auch  solche 
mit  kurzer  Inkubationszeit)  fanden  und  bei  denen  die  Mortalität 
(12,5  Proz.  Mortalität)  eine  so  auffallend  geringe  ist,  dass  sie  zu 
weiteren  Versuchen  entschieden  ermuntern  muss.  Die  Duralinfusion 
wird  in  der  Weise  vorgenommen,  dass  wie  zur  Lumbalanästhesie  der 
Duralsack  zwischen  3.  und  4.  Lendenwirbel  punktiert  und  20  ccm 
Liquor  cerebrospinalis  abgelassen  wurde,  dann  die  volle  Dosis  des 
flüssigen  Antitoxin  (Höchst,  20  ccm  =  100  A.-E.),  bei  Kindern  even¬ 
tuell  die  Hälfte,  langsam  injiziert  wurde.  I11  schweren  Fällen  wurde 
der  Punktion  eine  Morphiuminjektion  von  0,01  vorausgeschickt.  Ge¬ 
wöhnlich  wurde  die  erste  Duralinfusion  sofort  nach  Aufnahme  des 
Patienten  vorgenommen,  dann  in  Pausen  von  2—3—4  Tagen  bis 
zum  Eintritt  manifesten  Rückganges  der  Erkrankung  die  Lumbalpunk¬ 
tion  und  Duralinfusion  wiederholt,  an  den  Zwischentagen  wurden  nur 
subkutane  Injektionen  gegeben.  H.  führt  die  einzelnen  Kranken¬ 
geschichten  näher  an. 

Aus  der  gleichen  Klinik  gibt  Karl  Fischer  einen  Beitrag  zur 
Nierenchirurgie  und  referiert  darin  u.  a.  über  einen  Fall  geschlosse¬ 
ner  Hydronephrose  bei  34  jährigem  Patienten,  für  Pankreaszyste  ge¬ 
halten,  der  durch  abdominelle  Nephrektomie  geheilt  wurde  und  einen 
Fall  von  hydronephrotischer  Steinniere,  mit  Nephrolithotomie  und 
Plastik  am  Beckenursprung  des  Ureters  geheilt. 

Ed.  S  t  r  e  i  s  s  1  e  r  bespricht  aus  der  gleichen  Klinik  das 
v.  H  a  c  k  e  r  sehe  Triangel  zur  ambulanten  Extensionsbehandlung  der 
Oberarmbrüche,  d.  h.  ein  aus  Pappschiene  konstruiertes,  mit  Flanell¬ 
binde  in  situ  gehaltenes,  leicht  herzustellendes  Triangel,  das  eine  ge¬ 
wisse  Extensionsstellung  gewährleistet,  und  das  leicht  mit  einer  wirk¬ 
samen  elastischen  Extensionsvorrichtung  kombiniert  werden  kann 
Os.  d.  Abbild.). 

Friedrich  Dieffenbach  bespricht  ebenfalls  aus  der  Grazer 
Klinik  die  Behandlung  des  Pes  equinovarus  mit  keilförmiger  Ex¬ 
zision  aus  dem  Tarsus  und  schildert  mehrere  Fälle,  die  12  resp. 
17  Monate  nach  der  doppelseitigen  Keilexzision  resp.  3  Tage  nach  der 
einseitigen  Exzision  ein  in  bezug  auf  die  Gestalt  vollkommen  zu¬ 
friedenstellendes  und  funktionell  vorzügliches  Resultat  ergaben  (s 
d.  Abbild.). 

Josef  P  0  1 1  a  k  bespricht  aus  der  gleichen  Klinik  v.  Hackers 
Modifikation  der  Heiden  liain  sehen  prophylaktischen  und  zugleich 
definitiven  Blutstillung  bei  Operationen  am  Halse,  insbesondere  bei 
Trepanationen. 

v.  Hack'er  empfiehlt,  nur  jenseits  der  geplanten  Schnittlinie 
Umstechungen  auszufiihreii  und  legt  statt  der  fortlaufenden  Naht 
nur  Knopfnähte  an,  so  dass  nach  Knüpfung  der  1.  die  2.  und  jede  fol¬ 
gende  gerade  noch  innerhalb  des  anämisierenden  Bereiches  des  vor¬ 
ausgegangenen  beginnt.  Gegen  die  Lappenbasis  zu  werden  die  Um¬ 
stechungen  beiderseits  noch  etwas  über  deren  Enden  hinausgelegt. 
P.  schildert  an  15  Einzelbeobachtungen  v.  H.s  das  Verfahren  und 
seine  Vorteile  und  betont  noch  besonders,  dass  es  nach  den  be¬ 
treffenden  klinischen  Erfahrungen  gar  keinen  Nachteil  bringt,  wenn 
man  die  Lappenbasis  unbekümmert  um  die  Verlaufsrichtung  der  Ge- 
fässe  wählt,  ja  es  ist  nach  den  zahlreichen  Anastomosen  (s.  Merkel: 
Handbuch  der  top.  Anat.)  bei  Anwendung  des  v.  H. sehen  prophylak¬ 
tischen  Blutstillungsverfahrens  sogar  von  Vorteil,  die  Basis  des 
Lappens  so  anzulegen,  dass  kein  Hauptast  in  dieselbe  eintritt. 

Sehr. 


Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  45  bis  46. 

No.  45.  Paul  J  0  1 1  k  o  w  i  t  z  -  Oppeln ;  Ueber  die  Behandlung 

von  Fingerbrüchen. 


J.  empfiehlt  speziell  für  die  Fingerbrüche  der  Grundphalanx.  die 
in  ^eiaaei  cxt€iision  nicht  ohne  Dislokation  heilen  würden,  eine  ein¬ 
fache  Verbandmethode,  wie  sie  auf  Prof.  Wagners  Abteilung  sich 
seh!  bewährte,  nämlich  Fauststellung  des  Fingers  (bei  der  nur  das 
Nagelglied  gestieckt  bleibt)  über  einen  in  der  Vola  fixierten  fest¬ 
gewickelten  Watteballen,  womit  sich  auch  eine  gewisse  Distension 
erreichen  lässt  und  die  sonst  so  häufig  eintretende  Dislokation  mit 
nach  cei  Sti  eckseite  des  Fingers  offenem  Winkel  sich  vermeiden 
asst.  Die  event.  nachteiligen  Folgen  derartiger  Fixation  auf  die  Nach- 
larfitiger  lassen  sich  durch  bei  Verbandwechsel  (anfangs  wöchentlich, 
dann  _  mal  wöchentlich)  vorgenommenen  Uebungcn  leicht  vermeiden. 


nippe 


rvaisei sw'erm :  zur  Nach¬ 


behandlung  bei  Laparotomien. 

v-  H.  schliesst  sich  der  Empfehlung  des  Physostigmins  zur  Nach¬ 
behandlung  Laparotomierter  seitens  Vogels  völlig  an  und  hat  in 
zahlreichen  Fällen  gute  Erfolge  gesehen,  v.  H.  injiziert  sofort  nach 
der  Operation  1  mg  Physostigmin  und  wiederholt  die  Injektion  drei¬ 
stündlich  bis  Darmbewegungen  eintreten  (kneifendes  Gefühl),  dann 
wird  ein  Darmrohr  eingelegt,  das  ca.  1  Stunde  liegen  bleibt,  aus  dem 
ie  Daimgase  entweichen.  Am  läge  nach  der  Operation  wird  durch 
Glyzerinklysma  meist  mühelos  der  1.  Stuhl  erzielt.  Die  Vorteile  des 
veirahrens  (meist  waren  2 — 4  Injektionen  nötig)  sind  Vermeidung 
von  Adhäsionen  (Ileus)  etc.  durch  frühzeitige  Anregung  der  Peristaltik, 
erhutung  postoperativen  Meteorismus,  Möglichkeit  frühzeitiger  in¬ 
tensiver  Ernährung  der  Laparotomierten.  Forciertes  Abführen  vor 
Laparotomien  hält  v.  H.  mit  Vogel  für  schädlich,  da  es  post¬ 
operativer  Darmatonie  Vorschub  leistet.  Sehr. 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2439 


Hegars  Beiträge  zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 
Bd.  XII,  Heft  1.  Leipzig,  G.  Th  i  eine.  1907. 

0.  v.  H  erf  f- Basel:  Darf  man  die  Zange  bei  hohem  Gesichts¬ 
stande  anlegen?  .  ,  ,  .  ,  ,  „ 

Ein  interessanter  Geburtsfall  beweist,  dass  auch  bei  hohem  Quer¬ 
stande  des  Gesichts  die  Zange  Nutzen  schaffen  kann,  dass  man  sie 
daher  versuchen  soll,  ehe  man  zur  Perforation  des  lebenden  Kindes 
schreitet,  sofern  die  Wendung  nicht  mehr  möglich  ist  oder  versäumt 
wurde;  die  Operation  ist  aber  nichts  für  Anfänger  und  man  soll  da¬ 
mit  nicht  eilig  sein;  stets  ist  eine  Achsenzugzange  zu  gebrauchen. 

O.  v.  H  e  r  f  f  -  Basel  :  Zur  Entwicklungsmechanik  der  Placenta 
circumvallata,  sowie  ihre  klinische  Bedeutung. 

Besprechung  der  verschiedenen  Ansichten  über  Entstehung  der 
Placenta  circumvallata;  man  ist  bisher  über  Vermutungen  und  un¬ 
beweisbare  Annahmen  nicht  hinausgekommen.  Die  klinische  Be¬ 
deutung  ist  nicht  gering,  nicht  nur  bezüglich  vorkommender  Aborte, 
Störungen  der  Nachgeburtsperiode  (in  42  Proz.)  und  besonders 
manuelle  Lösungen  und  Eihautretention.  , 

G  Schickele  - Strassburg  i.  E.:  Studien  zur  Pathologie  der 
menschlichen  Plazenta.  II.  Teil:  Die  Schicksale  retinierter  abgestor¬ 
bener  Eier.  (Cf.  Bd.  X  dieser  Beiträge.) 

Die  ausführliche  und  fleissige  Arbeit  behandelt  mit  Hille  sehr 
instruktiver  zahlreicher  Abbildungen  und  Tafeln  die  Frage  nach  ver¬ 
schiedenen  Richtungen  hin;  die  Veränderungen  sind  ganz  be¬ 
stimmte  und  betreffen  Gefässveränderungen  innerhalb  der  Cho¬ 
rionzotten,  Ablagerung  von  Kalk,  subchoriale  Hämatome  etc.  Als 
die  ältesten  Veränderungen  in  den  retinierten  Plazenten  abgestor¬ 
bener  Früchte  sind  die  Thrombosen  bezw.  Fibrinherde  anzusehen. 
Die  Zirkulationsstörungen  mit  ihren  Folgen  haben  in  Sch.s  Fällen 
wahrscheinlich  den  Fruchttod  herbeigeführt;  gerade  die  langsame 
Entwicklung  der  beschriebenen  Veränderungen  'ist  wohl  auch  die 
Ursache,  dass  das  Ei  nicht  ausgestossen  wird. 

E.  Scholl-  Tübingen:  Das  Blutungs-,  Schmerz-  und  Altersbild 
der  gynäkologischen  Erkrankungen. 

Berücksichtigt  werden  Entzündungen  des  Uterus,  Lageverande- 
rungen  der  Genitalien,  Geschwülste  des  Uterus,  Erkrankungen  der 
Tuben,  Geschwülste  der  Ovarien,  Erkrankungen  des  Peritoneums 

und  Schwangerschaftsstörungen.  .  ,  .  .  . 

M.  0  g  a  t  a  -  Osaka:  Neue  Methoden  zur  Wiederbelebung  schein¬ 
tot  geborener  Kinder.  ,  ,  ^  „ 

Für  die  leichten  Fälle  von  Asphyxie  wendet  O.  ein  „Schlagen  , 
für  die  „schwereren  ein  „Schwingen"  an;  die  erstere  Methode  ähnelt 
der  von  Maas  an  Erwachsenen,  nur  schlägt  0.  in  regelmassigen 
Intervallen  auf  die  Herzgegend,  während  man  bisher  diese  Gegend 
drückte.  Das  Schwingen  geschieht  so,  dass  man  mit  der  einen  Hand 
die  Beine  des  Kindes  fixiert,  mit  der  anderen  das  Kind  vom  Lacken 
her  nach  vorn  bis  auf  den  Fussrücken  drängt;  bei  schwereren  Fallen 
lässt  man  im  Nacken  los  und  das  Kind  nach  unten.  lallen.. 

K.  H  e  g  a  r  -  Freiburg  i.  B.:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  infantilen 
Uterus  und  zur  Würdigung  seiner  klinischen  Bedeutung. 

Es  lässt  sich  eine  Reihe  von  Anomalien  des  Uterus  als  aut  an¬ 
geborenen  Entwicklungsstörungen,  besonders  Infantilismus,  beruhene 
zu  einer  Gruppe  zusammenfassen;  dies  sind  Hypoplasie,  Infantilismus, 
angeborener  und  virgineller  Prolaps,  angeborene  Verlängerung  des 
supra-  und  infravaginalen  Teiles  des  Halses,  konische  Form  de’ 
Portio  mit  Stenose  des  Os  externum.  Die  klinische  Bedeutung  kenn¬ 
zeichnet  sich  durch  eine  Reihe  von  Störungen  des  Sexuallebens.  Men¬ 
struationsbeschwerden,  Koitusverletzungen,  Vaginismus,  Sterilität, 
Aborte  und  Geburtsstörungen. 

M.  Sch  wab -Erlangen:  Multiple  Adenomyomata  uteri  m  kar- 
zinomatöser  Degeneration. 

Der  Fall  betraf  eine  37  Jahre  alte  Frau.  . 

H  K  e  r  m  a  u  n  e  r  -  Heidelberg:  In  die  Blase  einwandernder 
Gazetupfer  mit  Hilfe  des  Zystoskops  diagnostiziert  und  entfernt. 

Der  sehr  interessante  Fall  ist  der  erste,  bei  dem  die  Diagnose 
vorher  sicher  gestellt  wurde;  das  Gazestück  war  über 

A.  May  er -Heidelberg:  Solitärer  Dezidualpolyp  am  normalen 

Ende  der  Schwangerschaft.  ,  . .  ,  ITm 

M.  nimmt  an,  dass  es  sich  in  seinem  Falle  um  deziduale  Um¬ 
wandlung  eines  früher  schon  bestehenden  Polypen  gehandelt  , 

Schluss  des  Heftes:  Referat  über  die  Sitzung  der  Oberrheinischen 
Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  vom  1°-  f*1-  1JUJ  zu 
Baden-Baden.  Vogel-  Aacnen. 

Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Band  60, 
Heft  3.  Stuttgart  1907,  F.  E  n  k  e. 

1)  Otto  Paul  Mansfeld- Ofen-Pest:  Zur  Diagnose  der  Ma- 

hßni  Die^teressante  Arbeit  illustriert  die  Schwierigkeit  der  Diagnose 
des  Adenoma  malignum  und  ähnlicher  histologischer  »Grenztai  , 
von  denen  eine  ganze  Zahl  beschrieben  und  abgebildet  wird.  Fehlen 
beim  malignen  Adenom  die  Symptome  klinischer  Mahgnitat.  wird  also 
beim  Kürettement  nur  zufällig  ein  Adenom  gefunden,  so  ist  ein 
Abwarten  und  wiederholtes  Kürettieren  berechtigt.  Bei  Adenom  der 
Portio,  der  Zervix  und  des  Myometriums,  sowie  bei  "Ir, 

ist  radikales  Operieren  nur  notwendig,  wenn  .u"stdlb5fenB  ^ss  sie 
dazu  zwingen.  Initiale  Schleimhautkarzmome  sind  so  selten,  dass  sie 


praktisch  keine  Bedeutung  haben.  Wiederholtes  Kürettieren  ist  bei 
diesen  zu  verwerfen  und  die  Radikaloperation  vorzuziehen. 

2)  F.  Schenk  und  A.  Sitzen  frey  -  Prag :  Gleichzeitiges 
Karzinom  des  Magens,  der  Ovarien  und  des  Uterus  mit  besonderer 
Berücksichtigung  ihrer  operativen  Behandlung  und  der  histologischen 
Befunde. 

Die  Arbeit  ist  eine  Bestätigung  der  in  der  letzten  Zeit  sich 
befestigenden  Ansicht,  dass  gleichzeitiges  Vorkommen  von  Magen- 
und  Eierstockkrebs  nichts  seltenes  ist  und  dass  der  Magenkrebs  die 
primäre  Erkrankung  darstellt.  3  einschlägige  Beobachtungen  liegen 
der  Arbeit  zu  gründe.  Die  Fälle  sind  insofern  bemerkenswert,  als 
auch  ein  Ucbergreifen  bezw.  ein  Auftreten  von  Metastasen  im  und 
am  Uterus  stattfand.  Trotzdem  das  Magenkarzinom  das  primäre 
ist,  können  die  ■Ovarialkarzinommetastasen  die  ersten  Erscheinungen 
machen;  das  Magenkarzinom  braucht  überhaupt  nicht  diagnostizierbar 
zu  sein.  In  geeigneten  Fällen  ist  der  Versuch,  beide  Erkrankungs¬ 
herde  operativ  anzugreifen,  berechtigt.  Die  Verf.  schliessen  damit, 
dass  sie  die  Ansicht  aussprechen,  die  systematische  Entfernung  auch 
der  makroskopisch  nicht  veränderten  Ovarien  bei  Magen-  und  Darm¬ 
karzinomoperationen  seitens  der  Chirurgen  würde  die  Dauerresultate 
dieser  Operationen  bei  Frauen  im  geschlechtsreifen  Alter  verbessern. 

3)  F.  Prinzing-Ulm:  Die  örtlichen  Verschiedenheiten  der 

Zwillingshäufigkeit  und  deren  Ursachen.  ,  .. 

Die  Höhe  der  Fruchtbarkeit  ist  ohne  Einfluss  aui  die  Mehrhngs- 
häufigkeit.  Die  Verschiedenheiten  im  Prozentsatz  geburtenreicher 
Frauen  und  älterer  Mütter  genügen  für  sich  nicht  zur  Erklärung  der 
örtlichen  Unterschiede  in  den  Mehrgeburtsziffern;  man  muss  datier 
annehmen,  dass  die  Zahl  der  Frauen,  die  Neigung  zu  Mehrgeburt 
haben  bei  den  einzelnen  Rassen  und  Volksstämmen  verschieden 
gross  'ist'  wahrscheinlich  ist  das  Auftreten  dieser  Neigung  als  Va¬ 
riation  aufzufassen;  wichtig  für  die  Konstanz  der  Mehrgeburtsziffern 
ist  die  Tatsache,  dass  die  Varietät  sich  häufig  als  solche  vererbt. 

4)  A.  Blau -Wien:  Zur  Entstehung  der  subchorialen  Zysten  der 
Plazenta 

Die  "subchorialen  Zysten  entstehen  aus  der  Wucherung  und  De¬ 
generation  von  Zellen  —  und  zwar  nach  der  Ansicht  der  meisten 
Forscher  „fötaler“,  dem  Trophoblast  entstammender  Langh  ans¬ 
scher  Zellen.  Aber  auch  die  Genese  aus  Blutergüssen  oder  Ver- 
flüssigungsprodukten  des  Infarktes  ist  möglich.  Beschreibung  von 

3  Fällen  • 

5)  Ä.  Fuchs -Breslau:  Polymorphzellige  Tumoren  der  Cervix 

Uter'*Zwei  Fälle  von  frühzeitig  zur  Beobachtung  und  Operation  ge¬ 
kommenem  Sarkom  der  Zervix.  Grosse  Seltenheit!  Pilzförmige, 
sehr  blutreiche,  fast  gallertige  Neubildungen.  Totalexstirpation.  1. 
Fall  4  Monate  post  operationem  noch  rezidivfrei;  Fall  -  rezidiviene 

4  Wochen  nach  der  ersten  Entlassung  und  kam  3  Monate  spater  zum 

^X'tU6)  V.  A  1  b  e  c  k  -  Kopenhagen:  Bakteriurie  und  Pyurie  bei 

Schwangeren  und  Gebärenden.  .  , 

Die  sehr  lesenswerte  Arbeit  kann  nicht  in  allen  Einzelheiten  be¬ 
sprochen  werden.  Sie  ist  das  Ergebnis  einer  solchen  Fülle  von  ■ 
genauesten,  exakten  und  erschöpfenden  Untersuchungen,  dass  wo  i 
bisher  keine  derartige  monographische  Bearbeitung  dieser  Leiden 
sich  mit  ihr  vergleichen  lässt.  Sie  imponiert  einmal  durch  die  grosse 
Zahl  der  Fälle,  dann  durch  die  in  jedem  Falle  vorgenommene  Zysto- 
skopie,  Uretersondierung,  bakteriologische  und  histologische  Sedi¬ 
mentuntersuchung  usw.  Verf.  zieht  aus  seiner  Arbeit  folgende 
Schlüsse-  Die  Pyelitis  kommt  bei  Kreissenden  wie  auch  bei  Schwan¬ 
eeren  sehr  häufig  vor.  Man  trifft  Fälle  mit  starkem  Fieber  und 
mit  Schmerzen  in  der  Nierengegend,  aber  auch,  und  zwai  viel  häu¬ 
figer  Fälle  ohne  Fieber  und  oft  auch  ohne  Schmerzen,  solche  Falle 
wurden  früher  für  katarrhalische  Zystiten  gehalten. 

Die  Pyelitis  fängt  immer  in  der  Schwangerschaft  an  und  bddet 
eine  eigenartige,  von  der  Schwangerschaft  «^a"gige  ICn mkh' eit  Dre 
Prognose  ist  oft  eine  ernste,  in  seltenen  Fallen,  weil  die  akuten 
Erscheinungen  das  Leben  der  Patientin  direkt  tedroben r.^™”enW“; 
figer  weil  die  Pyurie  in  eine  langdauernde  Bakteriurie  ubergenen 
kann  die  die  Patientin  für  längere  Zeit  noch  arbeitsunfähig  machen 

’  oe;  aer  Behandlung  der  Fälle  mit  Fieber  hat  man  sicn  in 
der  Schwangerschaft  möglichst  lange  abwartend  zu  verhalten;  denn 
selbst  sehr  starke  Fieberfälle  und  Schmerzen  können  bei  ruhiger 
Bettlage  von  selbst  zurückgehen,  um  erst  bei  der  Geburt  oder  über¬ 
haupt  nicht  wieder  zn,  erscheinen.  ...  . 

7l  ä  S  c  h  ii  t  z  e  -  Königsberg :  Eine  seltene  Beobachtung  der 
Kombination  von  Karzinom,  diffusem  Adenom  und  Tuberkulose,  nebst 
Bildung  von  Psammomkörpern  im  Uterus  einer  40  jährigen  Nulhpara. 

eine  Auflockerung  des  Myometriums  zur  Folge  g* shabt,  s io  dass  tue r  me 

ziemlich  zahlreiche  Psammomkörper,  welche  sich  durch 


2440  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  No.  49. 


misches  Verhalten  als  aus  phosphorsaurem  Kalk  mit  Eisen  gebildet 
erwiesen. 

8)  E.  Gr.oss-Prag:  Multiple  gutartige  Geschwülste  der  Vulva 
(Adenoma  hidradenoides). 

Die  histologische  Untersuchung  multipler  warziger  Knoten  von 
Erbsengrösse  an  der  Vulva  einer  43  jährigen  Erau  ergab,  dass  es  sich 
um  Adenome  von  schweissdrüsenähnlichem  Aufbau  handelte. 

9)  M.  B  a  r  b  e  r  i  o  -  Neapel:  Ueber  einen  höchst  seltenen  Fall 
von  Kalzifikation  der  Uteruswand,  besonders  in  der  Umgebung  der 
Uterushöhle. 

Die  53  jährige  Patientin  bemerkte  bei  einer  Vaginalspülung,  dass 
das  zurückfliessende  Wasser  Kalkschüppchen  enthielt.  Eine  erheb¬ 
liche  Metrorrhagie  veranlasste  sie,  zum  Arzt  zu  gehen.  Nun  fand  sich 
eine  Hypertrophie  und  Erweiterung  des  Uterus,  dessen  Schleimhaut 
von  Kalkablagerungen  durchschossen  w$r.  Diese  wurden  ausge¬ 
löffelt  und  histologisch  und  chemisch  untersucht.  Aetiologie  dunkel. 
Arteriosklerose!  Ueber  das  weitere  Schicksal  der  Patientin  wird 
nichts  gesagt.  Werner-  Hamburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  47. 

A.  H  a  r  t  j  e  -  Elberfeld:  Zur  Lehre  von  den  hyperplastischen 
Veränderungen  der  Uterusschleimhaut. 

H.  bestätigt  die  Angaben  T  h  >e  i  1  h  a  b  e  r  s,  Hit  s  c  h  m  a  n  n 
und  Adlers,  sowie  Schwab  s,  dass  papilläre  Drüsen  zur  Zeit 
der  prämenstruellen  Schwellung  eine  physiologische  Erscheinung  sind, 
man  in  solchen  Fällen  also  nicht  von  glandulärer  Endometritis  oder 
Hypertrophie  reden  darf,  ln  dem  bisherigen  Sinne  gibt  es  überhaupt 
keine  glanduläre  Hypertrophie  der  Uterusmukosa;  was  man  bisher 
dafür  gehalten,  war  eine  physiologiscne,  für  die  prämenstruale  Zeit 
charakteristische  Drüsenveränderung.  Auch  die  Hyperplasia  glandu¬ 
laris  ist  nach  H.s  Untersuchungen  kein  haltbarer  Begriff  mehr,  ebenso¬ 
wenig  wie  die  interstitielle  Hyperplasie,  die  auch  als  prämenstruales 
Zeichen  anzusehen  ist.  Als  sicher  pathologisch  sind  erst  prä¬ 
menstruale  Bilder  in  der  Zeit  vom  9.  bis  14.  Tage  post  menses  an¬ 
zusehen.  Solche  Bilder  findet  man  in  Schleimnautpolypen,  Adeno- 
fibromyomen,  bei  den  sog.  zirkumskripten  Hyperplasien  vor,  viel 
seltener  bei  Adnexerkrankungen. 

G  a  1 1  e  -  Hirschberg  i.  Schl.:  Ein  Fall  von  Geburt  ohne  Blut¬ 
verlust. 

Es  handelte  sich  um  eine  38  jährige  II.  Para,  bei  der  während  der 
1.  und  2.  Geburtsperiode  überhaupt  Kein  Tropfen  Blutes  verloren 
ging.  Die  Plzaenta  blieb  4Vs,  Stunden  retiniert;  trotz  Erschlaffung 
des  Uterus  entleerte  sich  auch  bei  seiner  Kontraktion  nach  Rei¬ 
bungen  des  Fundus  weder  flüssiges  noch  geronnenes  Blut.  Erst  nach 
Expression  der  Plazenta  entleerte  sich  etwa  1  Kinderlöffel  voll  Blut. 
Nacn  Ahlfeld  sollen  unter  6600  Geburten  nur  5  ohne  jeglichen 
Blutverlust  vorgekommen  sein. 

Jaeggy  - Bern:  Uterusspülkatheter. 

Das  neue  des  Katheters  besteht  darin,  dass  das  Spülrohr  durch 
eine  Längsscheidewand  in  2  Hälften  geteilt  ist,  die  durch  Drehung 
des  ersteren  abwechselnd  als  Einfluss-  oder  Ausflussrohr  fungieren, 
wodurch  Verstopfungen  des  Rohrs  durch  Gerinnsel  oder  dgl.  leicht 
eliminiert  werden.  Zu  haben  bei  Klopfer  in  Bern. 

J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  I.  21.  Heft. 

1)  E.  Jaeggy-Bern:  Die  Kolpektomie  nach  Peter  Müller. 

(Aus  der  Berner  gynäkologischen  Klinik.) 

Verf.  empfiehlt  die  von  P.  Müller  zur  Heilung  von  Prolapsen 
älterer,  nicht  mehr  menstruierender  Frauen  angegebene  Methode 
der  Kolpektomie.  Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dass  eine  Hydrometra 
nie  zur  Entwicklung  kam.  Genaue  Beschreibung  der  Operations¬ 
methode. 

2)  E.  G  a  1 1  a  t  i  a  -  Laibach:  Behandlung  der  Ischias  mit  ß-Eukain- 
injektionen.  (Aus  der  gynäkologisch-geburtshilflichen  Abteilung  des 
Landesspitales  in  Laibach.  (Prof.  Dr.  Alfred  v.  V  a  1  e  n  t  a.) 

Verf.  behandelte  in  3  mitgeteilten  Fällen  Ischias  bei  gynäko¬ 
logischen  Leiden  mit  /f-Eukaininjektionen  (lProm.  ß-Eukain  mit 
8  Prom.  Kochsalz,  10  ccm  fassende  Spritze,  im  ganzen  70— 100  ccm 
Injektionsflüssigkeit  auf  mehrere  Tage  hintereinander  verteilt)  mit 
befriedigendem  Erfolge. 

3)  Felice  La  Torre-Rom:  Vom  innerlichen  Vorgang  der 
Uterusblutstillung  post  partum.  (Mit  12  Figuren  im  Texte.) 

Fortsetzung  folgt. 

4)  E.  E  k  s  t  e  i  n  -  Teplitz:  Die  Vereinigung  zur  Förderung  des 
deutschen  Hebammenwesens. 

Erwiderung  auf  den  Artikel  von  Rissmann  in  I,  20  der  „G. 
R.“.  E.  strebt  keine  „Sezession  der  Oesterreicher  aus  obiger  Ver¬ 
einigung  an“,  sondern  sein  Wunsch  ist,  dass  die  österreichische 
Vereinigung  in  engster  geistiger  Fühlung  mit  dem  deutschen  Schwe¬ 
sterverein  in  ihren  Bestrebungen  zum  Siege  gelange. 

A.  Rieländer  -  Marburg. 

Monatsschrift  für  Kinderheilkunde.  3ßanü  VI.  No.  8.  (No¬ 
vember  1907.) 

l)  Arthur  Keller:  Milchwirtschaftliches. 

In  dieser  Ergänzung  des  kürzlich  referierten  1.  Artikels  (Bd.  VI, 
No.  3)  berichtet  K.  über  die  holländische  Mustermilchwirtschaft 


Oud-Bussem.  Dort  werden  die  neucingestellten  Kühe  einer  minde¬ 
stens  10  tägigen  Quarantäne  sowie  der  Tuberkulinprobe  unterworfen. 
Verdächtige  Tiere  werden  sofort  verkauft.  Gerade  unter  den  milch¬ 
reichen  Kühen  ist  die  Tuberkulose  relativ  häufig  (für  die  Frage  der 
übermässigen  Ausnutzung  der  Ammen  in  manchen  Anstalten  bedeu¬ 
tungsvoll?).  Die  regelmässigen  Bakterienzählungen  der  Milch  er¬ 
gaben  Schwankungen  zwischen  1200  und '20  000  Keimen  pro  Kubik¬ 
zentimeter.  Die  vorhandenen  besonderen  Melkräume  werden  in 
Oud-Bussem  nicht  benutzt. 

2)  Referate. 

3)  Berichte. 

Aus  der  letzten  Rubrik  sei  die  Eingabe  des  Bundes  für  Mutter¬ 
schutz,  betreffend  Mutterschaftsversicherung,  die  in  extenso  wieder¬ 
gegeben  ist,  hervorgehoben. 

4)  Referate  aus  der  böhmischen  pädiatrischen  Literatur. 

Albert  U  f  f  e  n  h  e  i  m  e  r  -  München. 

Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.  ßd.  66,  Heft  3. 

9)  G.  B.  Allaria:  Untersuchungen  über  Lösungen  im  Säug- 
lingsmagen.  (Aus  der  Mediz.  Klinik  der  Königl.  Universität  Turin. 
Direktor:  C.  B  0  z  z  0  1  o.) 

Die  mit  dem  gesamten  Apparate  der  modernen  physikalisch- 
chemischen  Methoden  angestellten  Untersuchungen  ergaben,  dass 
dem  Säuglingsmagen  eine  osmoregulierende  Funktion  bezüglich  des 
Mageninhaltes  nicht  beizumessen  ist  —  eine  Gastroisotonie  im 
Sinne  von  Strauss  und  Roth  —  also  nicht  besteht.  Beobachtet  konnte 
nur  werden,  dass  die  Lösungen  im  Säuglingsmagen  dazu  neigen,  sich 
langsam  mittels  Molekularwechsels  dem  Grade  der  osmotischen  Kon¬ 
zentration  des  Blutes  zu  nähern.  Das  häufige  Anzeichen  der  Hyp- 
osmose  ist  durch  den  stark  hyposmotischen,  verschluckten  Speichel 
vorgetäuscht.  Der  Verf.  weist  auf  die  Wichtigkeit  hin,  die  der 
molekularen  Konzentration  der  Kindernahrung  speziell  im  Säuglings¬ 
alter  zukommt,  sowohl  in  der  Physiologie  der  Ernährung  wie  der 
alimentären  Therapie  des  Kindes.  (Hierzu  4  Tabellen.) 

10)  H.  L  e  h  n  d  0  r  f  f  -  Wien :  Ueber  das  Wangenfettpolster  der 
Säuglinge.  (Aus  dem  Karolinenkinderspital  in  Wien.  Dir.:  Primär. 
Doz.  Dr.  Knöpf elmacher). 

Verf.  bestimmte  die  Jodzahl  des  Bich  ätschen  Polsters  und 
fand  dieselbe  stets  niedriger  als  diejenige  des  Subkutanfettes  der 
Wangen  und  Nates,  auch  als  die  des  Fettpolsters  aus  der  Achsel 
und  Kniekehle  (47  zu  59  und  63).  Aermer  an  leicht  schmelzbarer 
Oelsäure  und  reicher  an  den  schwerer  einschmelzbaren  Fettsäuren 
—  Palmitin-  und  Stearinsäure  —  widersteht  das  Saugpolster  länger 
als  die  übrigen  Fettdepots  bei  Atrophikern  der  Einschmelzung.  Die 
Bedeutung  des  Wangenpolsters  in  physiologischer  Beziehung  lässt 
der  Verf.  offen,  neigt  jedoch  der  von  Gehewe  und  Ranke  ge- 
äusserten  Meinung  zu,  dass  das  Körperchen  als  Widerlager  in  der 
Wange  auf  dem  Muse,  buccinator  liegend,  verhindere,  dass  bei  dem 
entstehenden  negativen  Druck  in  der  Mundhöhle  beim  Saugakte  der 
schwach  entwickelte  Muskel  mit  der  Wange  zwischen  die  Kiefer 
aspiriert  würde.  „Saugpolster“  v.  Rankes. 

11)  W.  Birk-  Ueber  den  Magnesiumumsatz  des  Säuglings. 
(Aus  der  Universitätskinderklinik  zu  Breslau.  Dir.  Ad.  Czerny.) 

Die  vom  Verf.  angestellten  Untersuchungen,  welche  in  Gemein¬ 
schaft  mit  Dr.  Rothbergs  Versuchen  über  den  Kalkstoffwechsel 
(dieses  Jahrbuch,  Bd.  66,  S.  69)  an  Säuglingen  vorgenommen  wurden. 
Hessen  erkennen,  dass  die  Prävalenz  verschiedener  organischer 
Nahrungskomponenten  (Fett,  Kohlehydrat)  den  Mineralstoffwechsel, 
speziell  die  Magnesiumbilanz  wesentlich  zu  beeinflussen  imstande  ist. 
So  konnte  B.  eine  gute  Retention  bei  Magermilch,  also  bei  fettarmer 
Ernährung  beobachten.  Anreicherung  der  Nahrung  mit  Kohlehydra¬ 
ten  —  sei  es  zur  fetten  (Vollmilch)  oder  zur  entfetteten  Nahrung 
(Magermilch)  wirkt  verschlechternd  auf  die  Magnesiumbilanz.  Die 
Fälle  von  negativer  Mg-Bilanz  bei  Vollmilch  will  Verf.  nicht  ver¬ 
allgemeinert  wissen,  glaubt  nur,  dass  es  unter  dem  Bilde  einer 
schlechten  Fettresorption  (Seifenstühle)  zu  einer  relativen  Magne- 
siumverarmung,  einem  partiellen  „Mineralstoffhunger“  kommen  könne. 
Im  Original  einzusehen  sind  die  einleitenden  Bemerkungen,  welche  in 
Anlehnung  an  die  Untersuchungen  Willstätters  über  das  Chloro¬ 
phyll  der  Pflanzen  entstanden  sind. 

Kleine  Mitteilungen: 

Paul  Rasmus:  Ein  Fall  von  Seelenstörung  im  frühen  Kindes¬ 
alter.  (Aus  dem  Maria-Anna-Kinderhospital  zu  Dresden.  Leiter: 
Hofrat  K  1  e  m  m.) 

E.  F  u  h  r  m  a  n  n :  Ueber  die  angeborene  relative  Pylorusstenose 
des  Säuglings.  (Aus  dem  Alexander-Stift  für  Frauen  zu  St.  Peters¬ 
burg.) 

Kasuistische  Mitteilungen. 

Vereinsberichte.  —  Literaturbericht,  zusammengestellt  von 
L.  L  a  n  g  s  t  e  i  n.  —  Besprechungen. 

O.  Rom  m  e  1  -  München. 

Virchows  Archiv,  ßd.  190,  Heft  1. 

1)  Karl  Petren:  Ueber  das  gleichzeitige  Vorkommen  von 
Akromegalie  und  Syringomyelie  (zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage  nach 
dem  Vorkommen  von  Akromegalie  ohne  Veränderung  der  Hypo- 
phvsis). 

Das  Wesentliche  des  Inhaltes  .ist  im  Titel  angegeben.  Eingehende 
klinische  und  pathologisch-anatomische  Beobachtungen  au  zwei  Fällen. 
Ausführliche  Literaturangabe. 


) 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2441 


2)  Hans  Käthe:  Partielle  Verdoppelung  der  Speiseröhre.  (Pa- 

tholog.  Institut  zu  Halle  a.  S.)  .  .  . 

Bei  einem  48  jährigen  Arbeiter  fand  sich  eine  hochgradige,  durch 

ein  Karzinom  bedingte  Stenose  des  Oesophagus  in  der  Hohe  der  Luft¬ 
röhrenteilung.  Dicht  unterhalb  der  Qeschwuls  lag  in  der  Sub- 
mukosa  ein  5/4  cm  langer,  mit  Faserepithel  ausgekleideter  Kanal,  dei 
mit  der  Speiseröhre  in  Verbindung  stand.  , 

3)  Basil  Winogradow:  Zur  Frage  der  Kali  chloricum-Ver- 

«riftune.  (Bakteriol.  Institut  zu  Kiew.) 

Klinische  Beobachtungen  an  5  Fällen.  Ein  Mal  konnte  Met- 
hämoglobin  schon  in  den  ersten  24  Stunden  nachgewiesen  werden. 
Zum  Schlüsse  werden  Versuche  an  Hunden,  Katzen  und  Kaninchen 
mitgeteilt,  denen  chlorsaures  Kali  und  Natron  teils  in  die  Vena  temo- 
ralis  injiziert  oder  durch  eine  Sonde  in  den  Magen  eingeführt  wurden. 
Bei  akuter  Kali  chloricum-Vergiftung  tritt  der  Tod  durch  Herzlahmung 
ein.  Es  fand  sich  eine  fettige  Degneration  der  Herzmuskelfasern. 
Ausser  den  bekannten  Veränderungen  an  Nieren,  Lunge,  Leber  und 
Knochenmark  wurde  in  jedem  Falle  Fettembolie  m  der  Lunge  kon- 

statiert  • 

4)  Y.  Saigo:  Ueber  die  Altersveränderungen  der  Ganglien¬ 
zellen  im  Gehirn.  . .  ... 

Die  Altersatrophie  der  Ganglienzellen  -ist  eine  pigmentose 
Atrophie.  Ausser  dieser  Veränderung  sieht  man  in  solchen  Gehirnen 
eine  Verdichtung  der  Gliasubstanzen.  Den  Ganglienzellen  dicht  an¬ 
gelagert  findet  man  Zellen,  die  von  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f  als  Makro¬ 
phagen  aufgefasst  werden,  jedoch  weiter  nichts  als  Gliazellen  dai- 
stellen. 

5)  Julius  Arnold:  Die  Rolle  der  Zellgranula  bei  der  hämato¬ 
genen  Pigmentierung,  nebst  Bemerkungen  über  entzündliche  Zell¬ 
formen. 

Die  bei  der  hämatogenen  Pigmentierung  in  den  Zellen  aut- 
tretenden  sideroferen  Körner  sind  zum  grossen  Teil  umgewandelte 
Plasmosomen  bezw.  Granula  der  Zellen,  welche  Hämoglobin  auf¬ 
genommen  haben.  Für  die  Aufnahme  von  Hämoglobin  und  die  Ent¬ 
stehung  sideroferer  Granula  ist  die  Bildung  globuliferer  Zellen  nicht 
ausschliessliche  Bedingung;  vielmehr  kann  Hämoglobin  auch  ohne  eine 
solche  von  den  Zellen  aufgenommen  und  durch  deren  Plasmosomen 
bezw.  Granula  umgesetzt  werden.  Eine  diffuse  Färbung  des  Zyto¬ 
plasmas  der  Zellen  kann,  muss  aber  nicht  nachweisbar  werden,  ln 
den  verschiedenen  Zellformen  (lymphozytären,  myelozytären,  pseudo¬ 
eosinophilen  und  eosinophilen,  Bindegewebszellen,  Endothelien,  Epi- 
thelien,  Drüsenzellen  usw.)  können  siderofere  Granula  entstehen,  ohne 
dass  die  Zellen  phagozytäre  Eigenschaften  ausüben  oder  besitzen. 
Eine  direkte  Umwandlung  von  Blutkörperchentrümmern  in  eosinophile 
oder  pseudoeosinophile  Granula  findet  nicht  statt.  Aus  dem  morpho¬ 
logischen  und  biologischen  Verhalten  der  eosinophilen  und  pseudo- 
eosinophilen  Granula  darf  geschlossen  werden,  dass  sie  als  umge¬ 
wandelte  Strukturbestandteile,  Plasmosomen,  aufzufassen  sind.  Ob 
und  inwieweit  Hämoglobin  an  dem  Aufbau  der  pseudoeosinophilen  und 
eosinophilen  Granula  beteiligt  ist,  lässt  sich  zurzeit  nicht  entscheiden. 
Es  müsste  im  diesem  Falle  nicht  eine  einfache  Aufnahme,  sondern  eine 
Umsetzung  durch  die  Granula  angenommen  werden. 

6)  'S.  Kit  amu  ra:  Ueber  sekundäre  Veränderungen  der  Bron¬ 
chien  und  einige  Bemerkungen  über  die  Frage  der  Metaplasie. 

Sekundäre  Erkrankungen  der  Bronchien  können  auf  endo- 
bronchialem  und  ektobronchialem  Wege  entstehen.  Bei  der  Tuber- 
kulose  finden  sich  zuerst  katarrhalische  Veränderungen,  auf  deren 
Boden  sich  dann  tuberkulöse  Prozesse  entwickeln  können.  Bei  diesem 
Schleimhautkatarrh  finden  sich  Veränderungen  des  Bronchialepithels, 
das  zu  einem  plumpkubischen  Epitbel'werden  kann.  Es  zeigen  sich 
ferner  in  grösseren  Bronchien,  die  mit  tuberkulösen  Kavernen  in  Ver¬ 
bindung  stehen,  manchmal  Faserepithelbezirke,  die  eine  typische  Horn¬ 
schlicht  besitzen.  Bei  den  auf  ektobronchialem  Wege  entstehenden 
sekundären  Erkrankungen  sind  vor  allem  Schädigungen  des  Knorpels 
und  der  Muskulatur  vorhanden.  Im  Knorpel  konnte  hin  und  wieder 
schon  ziemlich  frühzeitig  Kalkablagerung  nachgewiesen  werden,  an 
die  sich  dann  und  wann  Knochenbildung  anschloss.  Diese  Bildung 
von  Knochen,  wie  auch  die  Entstehung  des  Faserepithels  in  den 
Bronchien  fasst  Verfasser,  der  unter  v.  Hansemann  gearbeitet  hat, 
als  echte  Metaplasie  auf.  Die  neueren  Untersuchungen  über  diese 
Frage  sind  im  dieser  Arbeit  jedoch  noch  nicht  berücksichtigt. 

Schrid.de-  Freiburg. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  47.  1907. 

1)  Ph.  Mahler-Prag:  Ueber  einen  Fall  von  Diphtheriebazillen- 
und  Streptokokkensepsis. 

Im  Blute  der  betr.  Patientin,  einer  31  jährigen  Frau,  fanden  sich 
sowohl  Diphtheriebazillen  als  auch  Streptokokken,  weshalb  ausser 
dem  Diphtherieserum  auch  das  Aronson  sehe  und  T  a  v  e  1  sehe 
Streptokokkenserum  injiziert  wurde,  worauf  sich  an  den  Injektions¬ 
stellen  eine  grössere  Hautme'krose  entwickelte.  Ausgang  in  Heilung. 
Der  Verf.  berichtet  eingehend  über  die  Ergebnisse  der  kulturellen 
Blutuntersuchungen.  Wahrscheinlich  sind  beide  Bakterienarten  von 
einem  Krankheitsherd  in  den  Halsorganen  aus  in  die  Blutbahn  ge¬ 
langt;  die  Hauterkrankung  ist  als  eine  durch  das  Serum  bedingte 
toxische  Nekrose  aufzufassen. 

2)  S  c  h  n  ii  t,g  e  n  -  Berlin :  Ueber  Ernährung  mit  eisenhaltiger 

Kuhmilch. 


Diese  Kuhmilch  stammt  von  Kühen,  welche  mit  einem  be¬ 
stimmten,  von  W.  B  0  n  a  t  z  -  Berlin  ausgedachten  Trockeniutter  ge¬ 
füttert  Sind,  Von  9  Fällen,  welche  längere  Zeit  hindurch  mit  solcher 
Milch  ernährt  wurden,  wird  der  Blutbefund  mitgeteilt.  Im  ganzen 
wurde  eine  Zunahme  der  roten  Blutkörperchen  und  eine  Abnahme  dei 
weissen,  sowie  gleichmässige  Zunahme  des  Hämoglobingehaltes  kon¬ 
statiert.  Die  Patienten,  welche  ein  gutes  Allgemeinbefinden  er¬ 
reichten,  tranken  täglich  etwa  einen  Liter  Eisenmilch  und  gebrauchten 

diese  Kur  4 — 6  Wochen  lang.  .  . 

3)  Paula  P  h  i  1  i  p  p  s  o  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  die  Beein¬ 
flussung  der  elektrischen  Erregbarkeit  bei  tetaniekranken  Kindern0 
durch  den  galvanischen  Strom. 

Gelegentlich  von  Untersuchungen  über  den  Einfluss  von  perkutan 
den  peripheren  Nerven  zugeführtem  Kalzium  konnte  die  Verfasserin 
beobachten,  dass  bei  allen  untersuchten  tetaniekranken  Säuglingen 
sich  eine  deutliche  lokale  Herabsetzung  der  elektrischen  Erregbar¬ 
keit  nach  8—10  Minuten  dauernder  Galvanisation  zeigte.  Dieser 
herabsetzenden  Wirkung  des  Stromes  scheint  eine  kurz  andauernde 
Phase  der  Steigerung  der  Erregbarkeit  mit  damit  verbundenei  Ent¬ 
artungsform  der  Kathodenzuckungen  voranzugehen._  Dadurch  ist 
beim  Menschen  zum  ersten  Male  eine  zahlenmässig  feststellbare 
Einwirkung  des  galvanischen  Stromes  auf  die  Erregbarkeit  der  mo¬ 
torischen  Nerven  nachgewiesen. 

4)  S.  Cohn -Berlin:  Ueber  die  Ophthalmoreaktion  auf  Tuber- 

Eine  10  proz.  Tuberkulinlösung  erzeugt,  in  den  Konjunktivalsaok 
eingeträufelt,  bei  Tuberkulösen  eine  heftige  Kunjunktivitis.  Nach 
den  Versuchen  von  W  olff-Eisner  genügt  zur  Hervorrutung  dei 
Reaktion  auch  eine  1  proz.  Lösung.  Verf.  hat  an  310  Patienten  diese 
Methode  nachgeprüft  und  fand,  dass  bei  Anwendung  einer  lproz. 
Lösung  ein  positiver  Ausfall  der  Reaktion  nicht  absolut  gegen  Tubei- 
kulose  spricht,  da  50  Proz.  der  schweren  Phthisiker  nicht  reagieren. 
Leichte  und  mittelschwere  Phthisen  reagieren  nur  ausnahmsweise 
negativ.  Bei  Typhuskranken  zeigte  sich  auffallend  häufig  positive 
Reaktion,  besonders  in  der  Rekonvaleszenz.  Eine  längere  Zeit  nach 
der  Einträufelung  gemachte  Tuberkulininjektion  vermag  die  lokale  Re¬ 
aktion  am  Auge  wieder  hervorzurufen  oder,  falls  sie  vorher  nicht 
erfolgt  war,  zu  erzeugen.  Eine  einmalige  Einträufelung  ruft  bei 
nichttuberkulösen  Erwachsenen,  nicht  bei  Säuglingen,  nach  genügend 
langer  Zeit  eine  Ueberempfindlichkeit  des  Auges  hervor,  in  das  emge- 
träufelt  wurde. 

5)  K.  Br  ucik- Batavia:  Zur  forensischen  Verwertbarkeit  und 
Kenntnis  des  Wesens  der  Komolementbildung. 

Verf.  hat  Untersuchungen  darüber  angestellt,  ob  es  mit  Hilfe  der 
N  c  i  s  s  c  r  -  und  Sachs  sehen  Konmlcmentbildung  gelingt,  Diffe- 
renzen  zwischen  eiweisshaltigen  Flüssigkeiten  derselben  Art  aufzu¬ 
finden.  Es  ging  daraus  hervor,  dass  ein  gegen  Affenblut  gerichtetes 
Immunserum,  welches  mit  Affenblut  in  einer  Verdünnung  1  :  400  noch 
Hämolysehemmung  zeigt,  mit  Eiter  und  Sperma  erst  in  einer  .Verdün¬ 
nung  1  : 25,  mit  Menschenblut  überhaupt  keinen  Ausschlag  gibt.  Im 
ganzen  schliesst  Verf.,  dass  die  Präzipitinreaktion  ihre  Bedeutung 
zur  Unterscheidung  von  Tier-  und  Menscheneiweiss  beibehalt.  dass 
die  Komplementbindungsmethode  ersterer  Methode  in  mancher  Hin¬ 
sicht  überlegen  ist  und  sie  ergänzt.  Die  Komplementbindungsmethode 
ermöglicht  auch  eine  Differenzierung  der  die  verdächtigen  Flecke  an 
Kleidungsstücken  etc.  bedingenden  eiweisshaltigen  Körperflüssig¬ 
keiten  wie  Blut.  Eiter.  Sperma.  Das  sollte  bei  forensischen  Unter¬ 
suchungen  womöglich  berücksichtigt  werden. 

6)  A.  Rosenberg  - Berlin:  Kalter  Abszess  des  Kehlkopfes. 

Bei  einem  58  jährigen  Mann,  welcher  mehrere  Wochen  hindurch 

heiser  war,  fand  sich  an  der  linken  Kehlkopfseite,  am  Stimmband, 
eine  runde  Anschwellung,  welche  sich  als  ein  subepithelialer  Abszess 
durch  die  Inzision  erwies.  Es  ist  zu  vermuten,  dass  gelegentlich 
des  Erbrechens,  an  welchem  der  betreffende  Kranke  vorausgehend 
gelitten  hatte,  eine  Blutung  stattgefunden  und  sich  daraus  der  Abszess 
entwickelt  hatte.  Solche  Beobachtungen  gehören  zu  den  giossen 
Seltenheiten. 

7)  A.  Schlesinger-  Berlin:  Operative  Behandlung  trau¬ 
matischer  Meningitis. 

Vergl.  Referat  hierüber  Seite  2260  der  Münchener  med.  Wochen¬ 
schrift  1907. 

8)  H.  B  e  i  t  z  k  e  -  Berlin :  Ueber  die  anatomischen  Grundlagen 

der  Herzschwäche.  .  , 

Für  die  bei  Intoxikationen  vorkommenden  Herzschwächen  sind 
histologische  Veränderungen,  welche  anzuschuldigen  wären,  nur  in 
geringem  Umfange  aufzufinden,  doch  spielt,  wenn  schwere  und 
schwerste  Grade  vorliegen,  die  fettige  Degeneration  wohl  eine  Polle. 
Auch  bei  den  Infektionen,  selbst  bei  vielen  Fällen  von  Diphtherie- 
herzlähmungen.  ist  der  histologische  Befund  gewöhnlich  ein  nur  ge¬ 
ringfügiger.  Eine  grosse  Rolle  snielt  bei  solchen  Fällen  die  Lähmung 
der  Vasomotoren.  Für  die  bei  Hvpertronhie  des  Herzens  einsetzende 
Herzschwäche  betont  Verf.,  dass  die  Hvpertronhie  im  allgemeinen 
immer  noch  als  eine  für  den  Organismus  nützliche  Ausgleichs  Verän¬ 
derung  anzusehen  ist.  Doch  erlahmen,  ohne  dass  hierüber  histo¬ 
logische  Veränderungen  Aufschluss  geben,  hvoertronhische  Herzen 
leichter  als  andere.  Grass  mann  -  München. 


2442 


MUFNCHFNHR  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  47. 

])  A.  C  r  a  m  e  r  -  Göttingen:  Die  Behandlung  der  arterioskleroti¬ 
schen  Atrophie  des  Grosshirns. 

Wenn  sich  die  Prodrome  der  Krankheit  zeigen,  bestehend  in  der 
I  rias  :  Kopfschmerzen,  Schwindel  und  zunehmende  Gedächtnis¬ 
schwache,  kann  man  mit  einer  entsprechenden  Schonungstherapie  und 
Medikamenten  (Jod,  Brom)  sehr  wesentliche  Besserungen  erzielen. 

2)  Adolf  S  t  r  ii  m  p  e  1 1  -  Breslau :  Ueber  die  Vereinigung  der 
labes  dorsalis  mit  Erkrankungen  des  Herzens  und  der  Gefässe.  Nebst 
Bemerkungen  zur  allgemeinen  Pathologie  der  Tabes. 

Da  man  bei  ausgesprochener  Tabes  verhältnismässig  häufig 
Aorteninsuffizienz  und  Aortasklerose  findet,  verfolgte  Verf.  auch  den 
umgekehrten  Weg  und  forschte  bei  Herzkranken,  besonders  solchen 
mit  arteriosklerotischen  Herzbeschwerden,  sorgfältig  nach  einzelnen 
tabischen  Symptomen.  Er  fand  die  letzteren  (besonders  wichtig  ist 
die  reflektorische  Pupillenstarre)  erstaunlich  häufig,  meist  handelte  es 
sich  aber  nur  um  Zeichen  der  sogen,  rudimentären  Tabes.  Dabei 
war  in  10  von  16  solchen  Tabesfällen  sicher  oder  höchst  wahrschein¬ 
lich  Syphilis  vorausgegangen,  in  welcher  Verfasser  die  Conditio  sine 
qua  non  der  Tabes  erblickt.  Schwere  Arteriosklerose,  arterioskleroti¬ 
sche  Herzerkrankungen  und  tabische  Symptome  fasst  er  als  gleich¬ 
zeitige  Folge  derselben  oder  mindestens  nahe  verwandter  toxischer 
metasyphilitischer  Schädlichkeiten  auf.  Damit  die  Störungen  sich  ent¬ 
wickeln,  müssen  eine  Reihe  begünstigender  Umstände  Zusammen¬ 
wirken,  deren  Bedeutung  er  an  der  Hand  einer  Formel  erläutert. 

3)  A.  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  -  Berlin :  Ueber  neuere  Immunisierungs¬ 
verfahren. 

Referat  für  den  XIV.  internationalen  Kongress  für  Hygiene  zu 
Berlin.  (Siehe  Bericht  in  dieser  Wochenschrift.) 

4)  Ad.  Schmidt  und  H.  Lohr  i  sch  -  Halle :  Ueber  die  Be¬ 
deutung  der  Zellulose  für  den  Kraftwechsel  der  Diabetiker. 

Nach  einem  Vortrag  auf  der  Dresdener  Naturforscherversamm¬ 
lung.  Ref.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  42,  Seite  2111. 

5)  H.  I  i  1 1  m  a  n  n  s  -  Leipzig :  Die  allgemeine  Behandlung  der 
Luxationen. 

Klinischer  Vortrag. 

6)  E.  B  u  m  m  -  Berlin :  Die  Behandlung  der  Eklampsie. 

Klinischer  Vortrag.  (Prinzip  der  Schnellentbindung.) 

7)  Johann  v.  B  ö  k  a  y  -  Ofen^Pest:  Der  Wert  der  systematischen 
Lumbalpunktion  in  der  Behandlung  der  Zerebrospinalmeningitis. 

Der  Heileffekt  der  Quincke  sehen  Lumbalpunktion  bei  Zere¬ 
brospinalmeningitis  beruht  nicht  nur  darauf,  dass  der  innere  Hirn¬ 
druck  mechanisch  verringert  wird,  sondern  auch  darin,  dass  patho¬ 
gene  Bakterien  in  grösserer  Anzahl  abgehen  und  der  Körper  von  toxi¬ 
schen  Substanzen  befreit  wird.  In  schwereren  Fällen  ist  die  Lumbal¬ 
punktion  in  1 — 3  tägigen  Zwischenräumen  zu  wiederholen.  Die  Er¬ 
folge  werden  an  Krankengeschichten  und  Fieberkurven  erläutert. 

8)  C.  K  r  e  i  b  i  c  h  -  Prag:  Ueber  die  durch  den  faradischen  Pinsel 
hervorgerufene  Entzündung  der  normalen  Haut. 

Die  histologische  Untersuchung  von  faradisch  genügend  gereizter 
Haut  zeigte  die  charakteristischen  Veränderungen  einer  angioneuroti- 
schen  Entzündung. 

9)  ly  Lewandows  ky-Bern:  Zur  Pathogenese  und  Therapie 
der  multiplen  Abszesse  im  Säuglingsalter. 

Da  diese  Abszesse  durch  Staphylokokken  verursacht  werden, 
welche  in  die  Schweissdrüsenausführungsgänge  eindringen,  bewährten 
sich  therapeutisch  Schwitzprozeduren  mit  unmittelbar  nachfolgenden 
Sublimatbädern. 

00  Wilhelm  Sternberg-Berlin:  Küche  für  Entfettungskuren. 

Aus  dem  gekochten,  zerkleinerten  und  dann  pulverisierten  Liga¬ 
mentum  nuchae  lassen  sich  viele  schmackhafte  Speisen  zubereiten 
auch  Brote  für  Diabetiker,  wobei  das  Pulver  das  Mehl  ersetzt. 

11)  A.  I)  e  u  t  s  c  h  -  Frankfurt  a.  M.:  Ein  Untersuchungsstuhl  für 
das  Sprechzimmer. 

Der  abgebildete  Liegestuhl  lässt  sich  durch  Umklappen  in  einen 
gewöhnlichen  Lehnstuhl  verwandeln,  welcher  unauffällig  im  Zimmer 
steht  und  wenig  Platz  wegnimmt. 

12)  W  e  d  erhake- Düsseldorf:  Dauernd  steriles  Fadenmaterial. 

Silberseide  und  Silberkautschukseide  bleiben  in  Duranatriplex- 

packung  (Spule  in  einem  Gläschen  mit  Fadenloch,  das  ganze  in  einem 
zweiten  Gläschen  mit  antiseptischer  Flüssigkeit)  dauernd  steril  und 
stets  sofort  gebrauchfertig;  billiger,  sparsamer  Betrieb. 

R.  Grashey  -  München. 


Oesterreichische  Literatur. 
Wiener  klinische  Wochenschrift. 


No .46.  K.  Landsteiner,  R.  M  ü  1 1  e  r  und  O.  Pötzl-Wien: 

Ueber  Komplementbildungsreaktionen  mit  dem  Serum  von  Dourine- 
tieren. 


Bei  mit  Dourine  geimpften  Kaninchen  zeigte  das  Serum 
Ürganextrakten  des  normalen  Meerschweinchens  Komplementbildi 
wahrend  vor  der  Infektion  die  Reaktion  negativ  gewesen  war, 
A.  Kraus- Prag:  Uebertragungsversuche  mit  Rhinoskler 
-Neuerliche  Untersuchungen  des  Verfassers  haben  ergeben,  d 
sich  an  der  Haut  weisser  Mäuse  durch  Impfung  mit  Rhinosklen 
bu/dlen  die  für  Rhinosklcrom  bisher  als  charakteristisch  gelten 


Zellveränderungen  erzeugen  lassen,  dass  aber  dieselben  Verände¬ 
rungen  durch  den  Bazillus  Friedländer  hervorgerufen  werden.  Ob 
der  Rhinosklerombazillus  der  wirkliche  Krankheitserreger  ist,  bleibt 
demnach  eine  offene  Frage. 

E.  Glas -Wien:  Beiträge  zur  Pathologie  der  Nasenchondrome. 

Beschreibung  zweier  Fälle  und  des  histologischen  Befundes.  Das 
Chondrom  der  Nase  ist  als  eine  maligne,  auf  eine  embryonale  Anlage 
zurückzuführende  und  mit  embryonaler  Wachstumsenergie  ausge¬ 
stattete  Geschwulstform  zu  bezeichnen. 

S.  J  e  1 1  i  n  e  k  -  Wien:  Die  Gefahren  des  elektrischen  Betriebes 
und  Hilfe  bei  Unglücksfällen  durch  Starkstrom. 

Referat,  erstattet  auf  dem  14.  internationalen  Kongress  für  Hy¬ 
giene  und  Demographie. 

A.  F  r  e  u  n  d- Reichenberg:  Kokain  als  Mittel  gegen  das  Er¬ 
brechen  nach  der  Narkose. 

Das  zur  Nachprüfung  empfohlene  Verfahren  besteht  darin,  dass 
gegen  Schluss  der  Narkose  (Morphium-Skopolamin,  B  i  1 1  r  o  t  h  sehe 
Mischung  oder  Aether)  eine  subkutane  Koikaininjektion  (0,025  g  bei 
Männern,  0,02  g  bei  Frauen)  gegeben  wird.  Ohne  schlechte  Begleit¬ 
erscheinung  wurde  die  Häufigkeit  des  Erbrechens  von  etwa  einem 
Drittel  auf  ein  Zehntel  herabgesetzt,  dagegen  wurde  das  Späterbrechen 
nicht  beeinflusst.  Ausserdem  fand  sich  bei  den  Kranken  ein  Gefühl  der 
Euphorie  und  gesteigerter  Blutdruck  ausgeprägt. 

J.  P  a  w  i  n  s  k  i  -  Warschau:  Ueber  die  Behandlung  der  Brust¬ 
bräune  (Angina  pectoris). 

Zur  kurzen  Wiedergabe  ist  der  klinisch-therapeutische  Ueber- 
blick  nicht  geeignet. 

R.  Magenauer-Graz:  Grenzgebiete  der  Dermatologie  und 
Syphilis. 

Vorlesung  bei  Uebernahme  der  dermatologischen  Klinik. 

No.  47.  K.  W  a  1  k  o  -  Prag:  Ueber  den  therapeutischen  Wert  des 
Oeles  und  Knochenmarks  bei  Magenkrankheiten. 

Die  sekretions-  und  schmerzhemmende  Wirkung  des  Oeles,  das 
von  den  meisten  Kranken,  zumal  in  der  Form  des  Sardinenöles  gut 
vertragen  wird,  macht  es  in  der  Behandlung  der  Flyperästhesie  des 
Magens,  bei  frischen  und  alten  Geschwüren,  bei  Stenosen  und 
bei  Säureiibersekretion  zu  einem  wertvollen  therapeutischen  Mittel, 
wie  es  auch  als  Träger  anderer  Medikamente  sich  gut  eignet.  So 
lassen  sich  geeigneterweise  Schüttelmixturen  mit  Wismut  oder  Natr. 
bicarbon.,  Magnes.  ust.  etc.  darreichen.  Von  grösseren  Gaben  ist 
Verf.  mehr  abgekommen,  er  geht  in  der  Regel  nicht  über  1—2  Ess¬ 
löffel,  höchstens  100  g  hinaus.  Das  Knochenmark  übt  ebenfalls  eine 
stark  sekretionshemmende  Wirkung  aus  und  ist  ein  sehr  zweck¬ 
mässiges  Nahrungsmittel. 

E.  G  e  r  g  ö  -  Ofen-Pest:  Ueber  den  wissenschaftlichen  und  prak¬ 
tischen  Wert  der  A  1  e  x  a  n  d  e  r  sehen  Röntgenbilder  mit  plastischer 
Wirkung. 

G.  rühmt  an  den  auf  dem  diesjährigen  Kongress  der  Deutschen 
Röntgengesellschaft  vorgezeigten  Bildern,  dass  sie  in  wissenschaft¬ 
licher  und  praktischer  Hinsicht  einen  wesentlichen  Fortschritt  be¬ 
deuten  und  manche  Details  erst  durch  sie  zur  deutlichen  Anschau¬ 
ung  gelangen. 

A.  Herz- Wien:  Zur  Diagnose  der  Eventratio  diaphragmatica. 

Beschreibung  eines  Falles,  wo  die  Diagnose  durch  die  Röntgen- 
uiitersuchunig  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  gestellt  werden  kann. 
Der  gleichmässig  gerundete  Schatten,  welcher  das  untere  Lungenfeld 
begrenzt,  zeigt  gleichsinnige  Bewegung  mit  der  rechten  Zwerchfell¬ 
seite.  Die  unterhalb  des  Schattens  zeigen  normale  respiratorische 
Bewegungen. 

P.  U  r  b  a  c  h  -  Wien-Döbling:  Ueber  akute  Psychosen  nach  Ope¬ 
rationen  am  Gallengangsystem. 

U.  stellt  5  Fälle  —  ungefähr  5  Proz.  des  zugrundeliegenden 
Materiales  —  zusammen,  welche  nach  mehr  oder  weniger  bedeutenden 
Eingriffen  zur  Entfernung  der  Gallensteine  an  auffallenden  psychiatrisch 
nicht  leicht  bestimmt  zu  definierenden  Verwirrungszuständen  erkrank¬ 
ten,  die  einige  Tage  nach  der  Operation  auftraten  und  nach  etwa  2 
bis  3  Wochen  abgelaufen  waren.  Eine  der  Kranken  blieb  nach  einer 
Rezidivoperation  geistig  ganz  unverändert.  Vereinzelte  derartige  Vor¬ 
kommnisse  sind  auch  von  Kehr  und  Merkel  mitgeteilt. 

P.  Es  au -Bonn:  Pankreaszyste  als  Ursache  einer  Stenose  der 
Flexura  coli  sinistra. 

Die  Stenose  kam  dadurch  zustande,  dass  die  Flexur  über  einer 
vom  Pankreasschwanze  ausgehenden  Zyste  sozusagen  ritt  und  spitz¬ 
winklig  abgekniokt  war.  Daneben  bestand  eine  ausgedehnte  Nekrose 
des  Eimgeweidefettes.  Wiederherstellung  durch  Operation,  die  sich 
mit  der  Spaltung  und  Vernähung  des  Zystensackes  mit  dem  unteren 
Wundwinkel  begnügen  ■  musste. 

Ch.  Sch  warz-Wien:  Ueber  einen  mit  Röntgenstrahlen  be¬ 
handelten  Fall  von  Mediastinaltumor  nebst  Bemerkungen  über  den 
Rückbildungsmechanismus  bestrahlter  Geschwülste. 

Der  Fall  zeichnet  sich  vor  ähnlichen  durch  Röntgenbestrahlung 
rückgängig  gewordenen  rumoren  durch  die  rapide,  nach  halbstündiger 
Dauer  der  ersten  Bestrahlung  erfolgte  Abnahme  der  Geschwulst 
und  der  Dyspnoe  aus.  Der  Rückbildung  ging  hier  keine  Anschwellung 
des  Tumors  voran.  Der  Vorgang  entspricht  wohl  dem  von  Pod- 
w  i  s  o  t  z  k  y  so  bezeichneten  Autophagismus  und  Autolyse. 

B.  Mayrhofer  -  Innsbruck:  Ueber  die  Aufgaben  der  zahnärzt¬ 
lichen  Institute  und  die  Notwendigkeit  ihres  Ausbaues  zu  Kliniken. 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2443 


Antrittsvorlesung  bei  Eröffnung  des  erweiterten  zahnärztlichen 
Universitätsinstitutes.  Die  günstigen  Erfahrungen,  welche  M.,  -der 
zu  der  Behandlung  einschlägiger  Fälle  auf  der  chirurgischen  Klinik 
zugezogen  wird,  hierbei  gemacht  hat,  begründen  seine  Forderung, 
für  die  Behandlung  und  Nachbehandlung  gewisser  Zahnkranken  auch 

klinische  Abteilungen  mit  Betten  einzurichten. 

Bergeat  -  München. 


Wiener  klinische  Rundschau. 

No  26/26.  M.  Haj  ek- Wien:  Ueber  die  Indikationsstellung  zu 
den  radikalen  Eingriffen  bei  der  entzündlichen  Erkrankung  der  Nasen¬ 


nebenhöhlen.  Ai 

Die  Anschauungen  gehen  unter  den  Autoren  noch  weit  aus¬ 
einander.  H.  befürwortet  im  allgemeinen  ein  zuwartendes  Verfahren. 
Die  akuten  Entzündungen  heilen  sehr  häufig  unter  Bettruhe,  Aspirin 
und  Schwitzen  aus.  Die  radikale  Behandlung  der  Oberkieferhohlen- 
entzündung  (Eröffnung  vom  unteren  Nasengang  her)  ist  streng  ge¬ 
nommen  nur  bei  komplizierenden  Knochenerkrankungen  angezeigt, 
sie  muss  aber  öfter  aus  sozialen  und  psychischen  Rücksichten  aus¬ 
geführt  werden.  Bei  der  hartnäckigen  Stirnhöhlenentzündung  ge¬ 
nügt  fast  stets  die  Resektion  der  mittleren  Muschel,  um  dem  Eiter 
Abfluss  zu  schaffen.  Schwindet  darnach  im  Laufe  von  Wochen  und 
Monaten  der  Kopfschmerz  nicht,  so  kommt  die  Radikaloperation  in 
Betracht-  notwendig  erscheint  sie  bei  Erkrankung  des  Knochenge¬ 
rüstes  und  bei  Verdacht  des  Uebergreifens  der  Entzündung  auf  die 
Hirnhäute.  Die  Erkrankungen  der  Siebbein-  und  der  Keilbeinhöhle 
erfordern  eine  genaue  Individualisierung  bei  möglichst  konservativem 

Verhalten.  .  ,  _  .  , 

No.  27.  A.  Pilcz-Wien:  Zur  diagnostischen  Bedeutung  der 


Lumbalpunktion.  ,  ,  ,  T  * 

Beschreibung  eines  Falles  von  subakuter  tuberkulöser  Lepto- 
meningitis,  der  klinisch  bemerkenswerter  Weise  die  Korsakow- 
schen  Symptome  zeigte,  und  der  zu  den  Ausnahmsfällen  auch  deshalb 
zählt,  weil  die  Lumbalpunktionsflüssigkeit  absolut  klar  war  und  auch 
nach  dreitägigem  Stehen  klar  blieb. 

No.  28/36.  W.  Pi  tha-Prag:  Ueber  Plazentartumoren. 

Zusammenstellung  von  63  (3  eigenen)  Fällen. 

No  29  K  Lengfellner- Berlin:  Die  wissenschaftlichen  und 
praktischen  Postulate  bei  Herstellung  der  Plattfusseinlagen  und  deren 

Anwendung  in  der  Praxis.  „ 

L.  fordert,  dass  die  Einlage  genau  nach  dem  individuellen  russe, 
daher  unbedingt  nach  einem  guten  Fussgipsmodell  angefertigt  wird: 
ferner  dass  sie  auch  ohne  Unterstützung  durch  einen  Klotz  nicht 
heruirtergetreten  wird.  Weiter  soll  sie  leicht  sein  ;und  ein  elastisches 
Auftreten  zulassen.  Diesen  Anforderungen  entsprechen  die  näh  ei  be¬ 
schriebenen  Aluminium-Zelluloid-Einlagen  mit  Stahlband  oder  Stahl¬ 
bandfeder  und  bei  Patienten  von  grossem  Körpergewicht  die  dicken 
Durana-Ledereinlagen.  Bergeat-  München. 


Englische  Literatur. 

(Schluss.) 

Charles  P.  C  bilde:  Der  erziehliche  Einfluss  der  Krebsfrage. 

Verf  verlangt  (was  ja  in  Deutschland  schon  vielfach  mit  Ei  folg 
gemacht  wurde)  verständige  und  ruhige  Aufklärung  des  Publikums 
über  mehrere  Punkte  der  Krebsfrage.  Vor  allem  daiiibei,  dass  früh¬ 
zeitig  operierte  Krebse  heilbar  sind,  dass  der  Krebs  im  Beginn  weder 
Schmerzen,  noch  allgemeine  Krankheitssymptome  erzeugt  und  dass 
alle  Störungen  gewisser  Organe  im  höheren  Lebensalter  (Mundhohle, 
Verdauungsorgane,  Uterus  und  Brust)  den  Patienten  sofort  veran- 
lassen  müssen,  durch  einen  guten  Arzt  sofort  die  Möglichkeit  des 
Krebses  ausschliessen  zu  lassen,  da  nur  die  frühzeitige  Entdeckung 
und  Operation  Aussicht  auf  Heilung  gewährt.  Die  Hausärzte  können 
in  'dieser  Beziehung  viel  zur  Aufklärung  des  Publikums  beitragen,  aber 
auch  Hebammen  und  Krankenpflegerinnen,  die  Frauen  der  Geistlich¬ 
keit  etc.  sollten  durch  Wort  und  Schrift  über  diese  Punkte  aufgeklärt 
werden,  um  dann  selbst  wieder  Aufklärung  in  das  Publikum  zu 

bringen.  ,  , 

Charles  Gordon  Mackay:  Zur  Lösung  der  Krebsfrage,  (Ibid.) 

Verf.  gibt  eine  überaus  interessante  Krankengeschichte:  Einem 
37  jährigen  Fräulein  wurde  im  November  1904  ein  Brustkrebs  in  der 
jetzt  üblichen  radikalen  Weise  entfernt.  Es  handelte  sich  um  Skirrhus. 
Januar  1906  zeigte  sie  sich  wieder  mit  Knötchen  in  der  Narbe,  einem 
grösseren  Knoten  unter  dem  Schüsselbein  und  Vorwölbung  des  Ster¬ 
nums.  Da  eine  weitere  Operation  aussichtslos  schien,  gab  man  ihr 
Röntgenbehandlung  bis  zur  Rötung  und  Schuppung  der  Haut.  Die 
Krankheit  schien  zum  Stillstand  zu  kommen.  Im  August  1906  kam 
sie  wieder  in  das  Hospital  mit  starker  Verschlimmerung  des  örtlichen 
Rezidives  und  mit  einem  Erguss  in  der  linken  Pleura.  Durch  Aspi¬ 
ration  wurden  1200  ccm  blutiger  Flüssigkeit  aus  der  linken  und  300  ccm 
aus  der  rechten  Pleurahöhle  entleert.  14  Tage  später  wurden  900  ccm 
blutiger  Flüssigkeit  entleert.  Die  Patientin  wurde  rasch  schlechter 
und  wurde  als  unheilbar  im  November  entlassen.  Schlucken  und 
Atmung  waren  sehr  behindert  und  rasch  bildete  sich  ein  dem  cancer 
en  cuirasse  entsprechendes  Krankheitsbild  aus.  Vom  27.  auf  den 
28.  Dezember  trat  ganz  plötzlich  eine  wesentliche  Besserung  der 
Schluck-  und  .Atembeschwerden  auf:  von  dieser  Zeit  an  besserte  sich 
das  Allgemeinbefinden  rapid  und  Mitte  Februar  war  die  Kranke  ganz 


wohl,  das  lokale  Rezidiv  war  vollkommen  verschwunden.  Verf.  sucht 
eine  Erklärung  dieser  merkwürdigen  Erscheinung  zu  geben  und 
glaubt,  dass  eine  Autoinokulation  durch  das  Serum  des  Pleura¬ 
ergusses  stattgefunden  habe.  (Leider  wissen  wir,  dass  viele  Krebs¬ 
kranke  pleuritische  Ergüsse  bekommen,  ohne  dass  dies  den  Zustand 
günstig  beeinflusst;  immerhin  ist  der  Fall  ein  interessanter  Beitrag  zur 
Frage  des  spontanen  Verschwindens  maligner  Tumoren,  das  sicherlich 
zuweilen  vorkommt.  Refer.) 

P.  Lenthal  Cheatle:  Entzündungsvorgänge  in  den  hinteren 
Wurzelganglien  bei  Hautkrebsen.  (Ibidem.) 

Schon  früher  (Brit.  Med.  Journ.  13.  April  1903)  hat  Verf.  Fälle 
von  Hautkrebsen  beschrieben,  bei  denen  Degenerationsvorgänge  in 
den  hinteren  Spinalwurzelganglien  beobachtet  wurden,  die  die  be¬ 
treffenden  Hautabschnitte  versorgten.  Diese  Degenerationsvorgänge 
fehlten  in  den  entsprechenden  Ganglien  der  anderen  Seite  vollkommen. 
Jetzt  beschreibt  er  zwei  Fälle  von  Hautkrebsen,  bei  denen  der  Krebs 
in  der  Hautverteilung  eines  Ganglion  entstand  und  dann  allmählig 
auf  die  Hautverteilungen  benachbarter  Ganglien  Übergriff.  Man  fand 
bei  der  Sektion  deutliche  Entzündungsvorgänge  ln  dem  Ganglion, 
das  die  zuerst  ergriffene  Haut  versorgte  und  nur  Degenerationsvor¬ 
gänge  in  den  Ganglien,  die  die  später  befallenen  Hautteile  versorgten. 

F.  Creighton  Wellman:  Ueber  in  Zecken  gefundene  Körperchen 
nach  Fütterung  mit  Filaria  perstans.  (Ibidem.) 

Verf.  fütterte  in  Westafnilka  Zecken  mit  Embryonen  der  Filaria 
perstans  (Manson)  und  er  fand  in  diesen  Zecken,  die  sich  von  Men¬ 
schenblut  nähren  (Ornithodorus  moubata)  Körperchen,  die  er  für  Ent¬ 
wicklungsstufen  der  Filaria  ansieht.  Er  hält  also  die  Zecke  für  den 
Zwischenwirt  und  glaubt,  dass  der  Entwicklungszyklus  ein  direkter 
ist,  d.  ih.  Mensch,  Zecke,  Mensch. 

W.  H.  B.  Brook:  Die  Diagnose  und  Behandlung  der  Appendi¬ 
zitis.  (Ibid.,  13.  Juli  1907.) 

Bei  leichten  Anfällen  fordert  Verf.  absolute  Bettruhe  und  sehr 
beschränkte  Nahrungszufuhr;  er  gibt  nur  Eiweisswasser  oder  stark 
verdünnten  Fleischsaft.  Daneben  heisse  Kompressen  auf  die  Zoekal- 
gegend.  Den  Stuhlgang  befördere  man  nicht  vor  dem  5.  und  wenn 
ein  Abszess  sich  bildet,  nicht  vor  dem  7.  Tage.  Gegen  die  Flatu¬ 
lenz  gibt  man  Salol.  In  keinem  Falle  gebe  man  Opium  oder  seine 
Derivate.  Hat  ein  Patient  2  Anfälle  überstanden,  so  entferne  man 
den  Wurm  im  Intervall.  Sehr  akut  einsetzende  Fälle  sind  womöglich 
innerhalb  der  ersten  12  Stunden  zu  operieren.  Bildet  sich  ein  Abszess, 
so  warte  man  womöglich  bis  zum  5  Tage  und  entleere  dann  den 
Eiter,  womöglich  ohne  die  Bauchhöhle  zu  eröffnen,  den  Wurm  ent¬ 
ferne  man  nur.  wenn  er  ohne  Mühe  auffindbar  ist.  suche  aber  nicht 
darnach. 

A.  H.  Burgess:  Die  Appendizitisfälle  eines  Jahres.  (Ibidem.) 

Verf.  operierte  im  vergangenen  Jahre  47  Fälle.  6  Frühfälle 
heilten,  von  19  Abszessen  starben  2  (10,5  Proz.).  Von  19  Fällen 
mit  diffuser,  zunehmender  Peritonitis  starb  keiner.  Von  3  Fällen  all¬ 
gemeiner  Peritonitis  starben  2  (66,6  Proz.).  Verf.  verlangt  die  mög¬ 
lichst  frühzeitige  Entfernung  des  erkrankten  Wurmes,  da  das  Ab¬ 
warten  bis  ein  Abszess  sich  gebildet  hat  gefährlich  ist.  Man  kann 
dann  auch  häufig  den  Wurm  nicht  entfernen  und  bekommt  Fisteln  oder 
muss  später  wegen  erneuter  Beschwerden  nochmals  operieren. 

J.  Lynn  Thomas:  Die  Behandlung  der  Folgeerscheinungen  des 
Magen  und  Duodenalgeschwüres.  (Ibidem.) 

Kann  ein  Kranker  mit  Magenperforation  (Schusswunde  im  Kriege) 
nicht  sofort  operiert  werden,  so  lege  man  ihn  flach  auf  den  Rücken, 
entleere  durch  Aushebern  dien  Magen  und  gebe  Morphium,  um  die 
Schmerzen  und  die  Peristaltik  zu  beseitigen.  Man  gebe  nur  per 
rectum  Ernährung  und  Wasser.  Bei  der  Operation  verfahre  man 
so  rasch  als  möglich.  Wenn  angängig  schliesse  man  die  Oeffnung, 
alle  Ausspülungen  der  Bauchhöhle  sind  zu  verwerfen,  man  reinige 
dieselbe  trocken  und  drainiere  ausgedehnt  event.  auch  von  einer  be¬ 
sonderen  Oeffnung  oberhalb  der  Symphyse  aus.  Auspacken  der 
Därme  ist  absolut  zu  verwerfen. 

Gilbert  Barling:  Zur  Frage  der  Nephrektomie.  (Ibidem.) 

Verf.  hat  gefunden,  dass  nach  der  Mehrzahl  der  grösseren  Opera¬ 
tionen  (die  die  Niere  nicht  betreffen)  die  Harnstoffausscheidung  zu¬ 
erst  stark  ansteigt;  nach  der  Nephrektomie  steigt  sie  noch  stärker 
an  und  kehrt  langsamer  zur  Norm  zurück.  Die  vermehrte  Harnstoff¬ 
ausscheidung  beruht  teilweise  auf  der  Narkose  und  teilweise  auf  der 
Absorption  (nicht  septischer  Wundsekrete).  Er  berichtet  dann  über 
39  Nephrektomien  mit  1  Todesfall.  In  38  Fällen  gelang  es,  selbst 
sehr  grosse  Nieren  ohne  Rippenresektion  vom  Lumbalschnitt  aus  zu 
entfernen  (21  Pyonephrosen  durch  Stein  oder  Tuberkulose,  12  Hydro- 
nephrosen,  2  Hypernephrome,  2  sekundäre  Nephrektomien  wegen 
Blutung  nach  Steinextraktionen,  1  Papillom  des  Nierenbeckens  und 
1  Zystenniere). 

J.  B.  He  liier:  Vereiterte  Vaginalzysten.  (Ibidem.) 

Verf.  glaubt,  dass  zuweilen  starke  Leukorrhöen  auf  Vereiterung 
vaginaler  Zysten  beruhen,  die  bei  nicht  sorgfältiger  Untersuchung 
leicht  übersehen  werden.  Er  beschreibt  2  einschlägige  Fälle  bei 
Jungfrauen,  die  er  durch  Eröffnung  und  Auskratzung  der  Zysten  heilte. 
Er  glaubt,  dass  die  Zysten  von  G  ä  r  t  n  e  r  sehen  Gängen  herstammen, 

W.  S.  Patton:  Vorläufige  Mitteilung  über  den  Lebenszyklus 
•  einer  bei  Culex  pipiens  vorkommenden  Herpetomonasart.  (Ibidem.) 

Die  Herpetomonasart  und  eine  Crithidia  der  Wasserwanze,  die 
Verf.  studierte,  haben  ein  Entwiiciklungsstadium.  in  dem  sie  den 
Leisbinan-Donovan-Körperchen  sehr  ähnlich  sind;  die  Herpetomonasart 


2444 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


des  t9u.lex  pipiens  vermehrt  sich  ebenso  wie  die  des  Menschen.  Um 
uie  1  riihstufen  dieser  Parasiten  zu  finden,  muss  man  den  Hinter-  und 
Mitteldarm  der  Larven  und  Nymphen  dieser  Insekten  untersuchen. 
Diese  beiden  Parasiten  verbringen  ihre  ganze  Entwicklungszeit  in 
diesen  Insekten  und  haben  keine  Beziehungen  zu  Blutparasiten.  Es 
scheint,  dass  sie  durchaus  von  den  Trypanosomen  zu  trennen  sind. 

Charles  J.  Heath:  Ueber  die  Wiederherstellung  des  Gehörs  bei 
Operationen  wegen  Otitis  media.  (Ibid.) 

Veif.  beginnt  eine  Arbeit  damit,  dass  er  für  die  chronische  Ohr- 
eiterung  den  Namen  „Ohrappendizitis“  vorschlägt,  eine  wenig  glück¬ 
liche  Neuerung.  Er  glaubt,  nachdem  er  mehr  als  500  Operationen 
gemacht  hat,  dass  in  jedem  Falle  chronischer  Ohreiterung  das  Antrum 
mastoideum  erkrankt  ist.  Er  beschreibt  dann  eine  Operation,  bei 
der  bei  sehr  gründlicher  Ausräumung  des  Antrums  und  Wegmeisse- 
lung  aller  den  Abfluss  hindernden  Teile  doch  das  Trommelfell  resp. 
die  Reste  desselben  und  damit  das  Gehör  erhalten  bleibt.  Macht  man 
die  Operation  nicht  zu  spät,  so  wird  eigentlich  in  jedem  Falle  das  Ge¬ 
hör  verbessert. 

Thomas  Wilson:  Die  Beckenentzündungen  der  Frauen.  (Lan- 
cet,  6.  Juli  1901.) 

Bei  akuten  septischen  (puerperalen)  Erkrankungen  hat  Verf. 
keinen  Nutzen  von  der  Entfernung  des  Uterus  und  der  Anhänge  ge- 
sehen.  Bei  chronischen  Entzündungen  operiert  er,  wenn  häufige  An¬ 
falle  von  Pelveoperitonitis  vorangegangen  sind  oder  wenn  die  Frau 
arbedsumähig  ist.  Sind  die  Organe  nicht  zu  sehr  vergrössert  und 
leidlich  beweglich,  so  operiert  er  per  vaginam,  sonst  vom  Bauche  aus- 
in  jedem  Falle  bevorzugt  er  die  Radikaloperation  bei  der  auch  der 
Uterus  mitentfernt  wird. 

^Mson  Cheyne:  Zur  Operation  der  intermittierenden 
Hydronephrose.  (Ibid.) 

Verf.  hat  nachdem  er  die  Einmündungsstelle  des  Ureters  in 
das  Nierenbecken  durch  eine  Plastik  von  innen  her  erweitert  hat,  den 
ganzen  Ureter  mit  dem  ihm  anliegenden  Beckenteil  als  ein  Oval  aus¬ 
geschnitten  und  im  tiefsten  Teile  des  Nierenbeckens  wieder  einge¬ 
pflanzt,  so  dass  der  Urin  guten  Abfluss  hatte.  Beide  Fälle  wurden 
glatt  geheilt.  Abbildungen  im  Original. 

„  9  La  m  bk  in:  Ein  verbessertes  Präparat  für  intramuskuläre 

Quecksilberinjektionen.  (Ibid.) 

Verf.  verwendet  folgende  Formeln:  Hydrargvrum  10,0,  Creosot. 
absolut.  10.0,  Acid.  camphor.  10,0.  Palmitinbasis  ad  100  0.  10  Tropfen 
dieser  ilüssigen  Salbe  enthalten  0,06  metallisches  Ouecksilber.  Calo- 
"l®1'  7’  C^osot.  absolut.  10.0,  Acid.  oamphor.  10.0,  Palmitinbasis 
r  ’n0  JroP,fen  enthalten  0,03  Kalomel.  Der  Schmelzpunkt 

liegt  bei  37  C.  Das  Palmitin  ist  im  Organismus  löslich  und  man 
vermeidet  die  nicht  ganz  ungefährliche  Einverleibung  des  unlöslichen 
Paraffins.  Ferner  sind  die  auf  diese  Weise  gemachten  Kalomel- 
einspritzungen  vollkommen  schmerzlos. 

Perey  W  G.  S  a  r  g  e  n  t  und  Harold  A.  Kisch:  Die  Trennung 
der  Pfannenepiphyse  des  Femur.  (Ibid.) 

Die  traumatische  Trennung  der  Pfannenepiphvse  des  Femur  ist 
durchaus  nicht  so  selten,  wie  häufig  geglaubt  wird.  Die  Erkennung 
dieser  Verletzung  ist  deshalb  besonders  wichtig,  weil  es  scheint,  als 
ob  alle  Falle  von  Coxa  vara  adolescentium  auf  einer  derartigen  Epi¬ 
physenlösung  beruhen.  Die  Verfasser  beschreiben  genauer  die  Art 
der  Verletzung  und  bilden  sie  ab. 

..  MllC-e  Laylor:  Der  °DS0™sche  Index  und  die  Agglutinierung 
bei  Meningitis  cerebrospinalis.  (Ibid.) 

Es  scheint  nach  Verf.  Untersuchungen,  als  sei  ein  abnorm  hoher 
ndrfX  RCKt;n  ??n  Meningokokkus  pathognomonisch  für 
Meningitis  cerebrospinalis  (dasselbe  gilt  für  den  Index  für  Tuberkel¬ 
bazillen  bei  Meningitis  tuberculosa).  Ein  normaler  Index  verneint 
nicht  in  jedem  Falle  das  Bestehen  einer  Meningitis  cerebrospinalis. 
Fs  gelingt  durch  die  Bestimmung  des  opsonischen  Index  und  die 
Agglutinierung  die  verschiedenen  Arten  der  Meningokokken  von¬ 
einander  zu  unterscheiden.  Will  man  eine  Vakzine-  oder  Serum- 

Pr!inü?  +ng  ver^ucl?en-  so  sehe  man  darauf,  dass  die  betreffenden 
I  raparate  von  Meningokokken  gemacht  werden,  die  mit  den  in  dem 
speziellen  Falle  vorhandenen  übereinstimmen. 

A.  C.  H  u  d  s  o  n  und  P.  N.  Panton:  Ueber  ungewöhnlichere 
Formen  der  Konjunktivitis.  (Ibid.)  n  e 

flip  VpTdliChf  hf^riologische  Untersuchungen  vieler  Fälle  haben 
?en  Deberzeugung  gebracht,  dass  in  vielen  Fällen  Sta- 

kfn  v  b-S  wer  aureus)  und  Streptokokken  als  einzige  Er- 
eger  akuter  Konjunktivitiden  anzusehen  sind.  Im  allgemeinen  ver 

LTdkTmO  Td  t0k0lken ■  dia  heTftiyeren  Entzündungen,  doch  wech¬ 
selt  dies  mit  der  Idiosynkrasie  des  Individuums.  Sowohl  bei  Staphylo- 

i'ShVi.ePT0,tkeFk?ni“',k,ivi,is  kön"€"  si<*  Membranen 
hilden  Echte  diphtheritische  Entzündungen  sind  selten,  häufig  finden 

sich  aber  diphtheroide  Bazillen,  die  jedoch  die  Art  der  Entzündung 
din  !  Ji  heeii,U  l'SRe":n  Es  Ist  dl,rchaus  unwahrscheinlich,  dass  diese 
PnJnlT'ifJ1  ?azi  crJ  ;SIch  ln  Diphtheriebazillen  umwandeln  können. 

I  neumokoikkenkonjunktivitis  ist  in  London  überaus  selten. 

Robert  Ki  rkUn  d:  Das  Zusammenarbeiten  zwischen  Inter¬ 
nisten  und  Chirurgen.  (Brit.  Med.  Journ.,  6.  Juli  1907.) 
i  c,r f->  c'n  Internist,  steht  leider  noch  auf  dem  heutzutage  etwas 
komisch  wirkenden  Standpunkt,  dass  der  Internist  berufet  sei  die 

?endndpf  S  akUle!'  Erkrankungen  der  Bauchhöhle  zu  machen,  wäh¬ 
rend  der  Chirurg,  der  erst  später  hinzugerufen  werden  soll,  dann  die 
peration  machen  soll,  wenn  der  Internist  den  richtigen  Zeitpunkt  für 


gekommen  halt.  Er  vergisst  dabei  ganz,  dass  heutzutage  der  Chirurg 
der  täglich  Autopsien  in  vivo  ausführt  und  stets  Gelegenheit  hat.  seine 
Diagnose  zu  kontrollieren,  meist  ein  viel  besserer  Diagnostiker  ist 
als  der  Internist,  der,  da  doch  nicht  alle  seine  Kranken  sterben,  doch 
Zeit,  u11  -ZeE  Gelegenheit  zur  Selbstkritik  hat.  Sonst  aber 
enthalt  die  Arbeit  vieles  Gute.  Interessant  ist,  dass  es  dem  Verf 
bei  Duodenalgeschwüren  mehrmals  gelang,  unterhalb  der  Rippen  und 
reents  vom  Rektus  eine  weiche,  runde  Schwellung  zu  fühlen,  die  sich 
als  ein  grosses  Blutgerinnsel  im  Duodenum  herausstellte.  Auch  die 
auch  vom  Refer.  mehrfach  beobachteten  rezidivierenden  Attacken 
von  Ikterus  bei  Duodenalgeschwüren  sind  wichtig,  da  sie  gelegentlich 
zar  Diagnose  Cholelithiasis  führen.  Bei  chronischem  Magenulcus 
rat  Verf.  zur  Operation,  wenn  der  Kranke  nach  2  monatlicher  kon¬ 
servativer  Behandlung  nicht  gebessert  ist  oder  wenn  nach  vorüber¬ 
gehender  Besserung  bald  wieder  ein  Rückfall  eintritt.  Das  Duodenal¬ 
geschwür  ist  sehr  gefährlich.  Von  10  Fällen,  die  Verf.  in  den  2  letz- 
en  Jahren  sah,  starben  6  an  Blutung;  2  entzogen  sich  der  Wetter¬ 
beobachtung  1  heilte  nach  der  Eröffnung  eines  subphrenischen  Ab¬ 
szesses  und  1  nach  der  Anlegung  einer  Gastroenterostomia  posterior 
Diese  Zusammenstellung  beweist  wohl  am  besten,  dass  das  Duodenal- 
gehörtVUr  mC  ^  ln  den  Bereicb  der  Chirurgie  wie  der  inneren  Medizin 

100  Fällen °g (Ibid  )Pringle:  Lumba,anästhesie  mit  Stovain  in 

Untei  den  100  Operationen  waren  12  Fälle  von  Appendizitis 
1  Pyonephrose,  6  Amputationen  (2  Oberschenkel,  31  Hernienopera¬ 
tionen  und  3  Prostatektomien.  In  22  Fällen  versagte  die  Methode 
teilweise  (/)  oder  ganz.  Die  Nebenwirkungen  des  Stovains  waren 
ausserst  gering  Verf.  benutzte  die  B  i  e  r  sehe  Formel  mit  Epirenan, 
ure  Losung  wird  von  B  i  1 1  o  n  in  Paris  in  sterilen  Ampullen  hergestellt 
Gelegentlich  wurde  die  Manipulation  am  Peritoneum  schmerzhaft 
empiunden.  Eine  sehr  fette  Frau  mit  eingeklemmter  Nabelhernie  die 
in  extremis  zur  Operation  kam,  starb  auf  dem  Tische,  doch  glaubt 
Verb,  dass  das  Stovain  an  diesem  Tode  unschuldig  ist- 

.William  Robertson:  Ueber  eine  Epidemie  von  Zerebrospinal- 
meningitis.  (Brit.  Med.  Journ.,  27.  Juli  1907.) 

innr.^,S  bandeE  sRh  um  die  Epidemie  in  Leith,  die  im  Dezember 
906  begann.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Krank- 
idt  ansteckend  ist,  aber  nicht  der  Erkrankte  selbst,  sondern  eine 
Zwischenperson  beherbergt  und  verschleppt  die  Kokken  im  Nasen- 
sclileim.  Es  scheint,  dass  die  Krankheit  vom  Kontinent  aus  auf 
Schiffen  eingeschleppt  wurde.  Die  ersten  Fälle  betrafen  die  Familien 
von  5  verschiedenen  Arbeitern,  die  auf  demselben  Dampfer  die  La- 
ung  gelöscht  hatten.  Petrischalen,  die  im  Maschinenraum  dieses 
Dampfers  aufgestellt  wurden,  zeigten  Kulturen  von  Meningokokken. 
Die  Infektion  scheint  durch  die  Nahrung  zu  erfolgen,  in  manchen 
Fallen  auch  durch  die  Atmung.  Von  83  Fällen  starben  62.  Serum- 
tlierapie  hatte  keinerlei  Einfluss,  weder  prophylaktisch,  noch  kurativ. 
Lumbalpunktionen  und  Einspritzungen  von  Lysol  waren  wenig  er- 
mubgend.  Die  beste  palliative  Wirkung  hatten  häufige,  heisse  Bäder. 
Die  Bekampiung  der  Epidemien  gelingt  nicht  durch  die  Isolierung  der 
Erkrankten  und  Desinfektion  der  Häuser,  man  muss  vielmehr  den 
Zwischenträger  unschädlich  machen.  Verf.  liess,  nachdem  ein  Er¬ 
krankter  entfernt  und  die  Wohnung  desinfiziert  war,  durch  eine  Pfle- 
gerni  die  Nasen  aller  Hausbewohner  mit  Chlorinwasser  ausspülen 
und  die  Halse  mit  demselben  Mittel  sprayen.  Diese  Behandlung  wurde 
3ma  in  zweitägigen  Zwischenräumen  wiederholt.  Auch  Formamint- 
pastillen  sind  nützlich.  Nur  in  einem  Falle  kam  es  in  einem  Hause  zu 
einer  zweiten  Erkrankung  nachdem  diese  prophylaktische  Behandlung 
eingefubrt  war. 

E  M.  Corner:  Die  häufigste  Hernie  des  Kindesalters  und  ihre 
Bedeutung.  (Lancet,  13.  Juli  1907.) 

Verf.  hat  an  dem  grossen  Materiale  des  Great  Ormond  Street 
Kinderhospitales  und  des  St.  Thomas  Hospitales  festgestellt,  dass  eine 
mediane  Bauchhernie  zwischen  den  oberen  Rektusabschnitten  die 
häufigste  Hernie  des  Kindesalters  ist.  Es  hande't  sich  eigentlich 
immer  um  eine  erworbene  Hernie  infolge  abnormer  Gasbildung.  Er 
gfaubt,  dass  dieser  Umstand  auch  dafür  spricht,  dass  die  Mehrzahl 
der  übrigen  Hernien  des  Kindesalters  erworbene  sind  und  nicht  an¬ 
geborene. 

Die  uw:  Zur  Behandlung  des  Lupus.  (Ibid.) 

,  den  lupösen  Herd  mit  Chloräthyl  und  reibt  dann 

kräftig  rohe  Salzsaure  hinein.  Bei  grossen  Herden  muss  man  Chloro- 
lorm  geben.  Auch  Lupus  der  Nasenschleimhaut  ist  gut  auf  diese 
Weise  zu  behandeln,  nachdem  die  Lupusmassen  zuerst  fortgekratzt 
wurden.  Meist  genügen  2—4  Aetzungen  in  4— 6  wöchentlichen 
Zwischenräumen. 

Howard  F.  \\  arner:  Akute  Bleienzephalopathie  nach  dem  Ge¬ 
brauch  von  Diachylonoillen.  (Ibid.) 

Der  Fall  ist  dadurch  besonders  interessant,  dass  die  Kranke 
lachylonpillen  genommen  hatte,  um  einen  Abort  herbeizuführen, 
eine  in  England  immer  mehr  zunehmende  Unsitte.  Auch  in  diesem 
a  e  trat  der  Abort  prompt  ein,  die  Kranke  machte  aber  eine  schwere 
mzephalopathie  durch,  die  erst  5  Wochen  später  einsetzte. 

Everitt  E.  Norton:  Zum  prophylaktischen  Gebrauch  des  Diph¬ 
therieserums.  (Ibid.) 

•  Am  6.  Jänuar  erkrankten  2  Kinder  in  einem  grossen  Alumnat 
a^rTe7n[ford  aa  Diphtherie,  trotz  sorgfältiger  Isolierung  der  Kranken 
und  {  Überwachung  der  anderen  erkrankten  in  den  nächsten  Tagen 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2445 


noch  18  und  bis  zum  10.  Februar  66.  Am  10.  Februar  wurden  die 
noch  übrigen  251  Kinder  genau  bakteriologisch  untersucht,  bei  16 
wurden  sichere  oder  verdächtige  Diphtheriebazillen  gefunden,  diese 
Kinder  wurden  isoliert  und  gespritzt  mit  1000  Einheiten.  Alle  anderen 
Kinder  erhielten  prophylaktisch  500  Einheiten  Serum.  Am  21.  Februar, 
27.  Februar,  und  2.  März  trat  je  eine  Erkrankung  an  Diphtherie  auf. 
Am  6.  März  wurden  alle  Kinder  nochmals  mit  500  Einheiten  geimpft. 
Am  12.  April  trat  noch  1  Fall,  am  10.  Mai  noch  2  Fälle  auf.  Damit 
erlosch  die  Epidemie.  Es  traten  also  nach  der  Schutzimpfung  noch 
8  Fälle  auf.  Ausser  einem  leichten  Exanthem  bei  2  Kindern  wurden 
unangenehme  Nebenwirkungen  nicht  beobachtet.  Verf.  glaubt,  dass 
die  Einspritzungen  dem  Weiterschreiten  der  Epidemie  ein  Ende  ge¬ 
setzt  haben.  J.  P.  zum  Busch  - London. 

Belgische  Literatur. 

A.  van  Gebuchten  - Löwen :  Die  chirurgische  Behandlung 
der  Gehirntumoren.  (Handelingen  van  het  X.  Vlaamsch  natuur-  en 
geneeskundig  Congres.) 

Bei  der  chirurgischen  Behandlung  eines  Gehirntumors  muss  1. 
die  allgemeine  Diagnose  des  Vorhandenseins  eines  Tumors  gestellt 
sein,  2.  die  Lokalisation  desselben  bekannt  sein,  3.  der  Tumor  leicht 
zu  erreichen  sein.  Diese  letzte  Bedingung  ist  leider  nicht  in  vielen 
Fällen  erfüllt.  Zu  erreichen  sind  die  oberflächlichen  und  seitlichen 
Teile  des  Gehirns,  obwohl  6s  auch  Tumoren  der  Oberfläche  gibt, 
welche  keine  deutliche  Lokalisation  gestatten,  weil  sie  keine  analysier¬ 
bare  äusserliche  Erscheinung  hervorrufen.  Wenn  man  statistisch 
erforscht  wie  viele  Hirntumoren  operierbar  waren  und  wie  viele 
von  den  operierten  zu  einem  günstigen  Resultat  kamen,  so  findet 
man  eine  erstaunlich  geringe  Zahl,  nach  v.  G.  sogar  nicht  2  Proz. 
Verf.  gibt  die  Beschreibung  einiger  seiner  Fälle  und  rät,  die  Lo¬ 
kalisationsdiagnose  so  früh  wie  möglich  festzustellen:  ebenso  muss 
früh  operiert  werden,  ganz  besonders  wenn  Stauungspapille  und 
Verminderung  der  Sehschärfe  vorhanden  sind.  Der  Einschnitt  und 
die  Schädelöffnung  müssen  sehr  gross  sein,  damit,  wenn  die  Lo¬ 
kalisation  auf  einige  Zentimeter  unrichtig  war,  ein  bestehender  Tumor 
nicht  übersehen  werde. 

Weymeersch  - Brüssel:  Die  Wirkung  menschlichen  Plazenta¬ 
extraktes  auf  das  Herz  und  die  Gefässe.  (Bulletin  de  la  societe 
royale  de  Sciences  medicales  et  naturelles,  Juli  1907.) 

Verf.  glaubt  nicht,  dass  die  Eklampsie  verursacht  wird  durch 
Resorption  von  Plazentatoxinen.  Er  hat  Plazentaextrakte  normaler 
Frauen  untersucht,  und  auch  solcher  Frauen,  welche  vor  der  Ent¬ 
bindung  an  aklamptiischen  Erscheinungen  gelitten  hatten.  Diese  Ex¬ 
trakte  (in  physiologischer  Kochsalzlösung)  wurden  an  Hunden  unter¬ 
sucht.  In  allen  Fällen  war  der  Blutdruck  der  Hunde  deutlich  er¬ 
niedrigt,  der  Herzschlag  beschleunigt.  Das  Sinken  des  Blutdruckes 
wird  durch  Dilatation  der  Gefässe  verursacht.  Nach  einigen  Ein¬ 
spritzungen  wird  die  Wirkung  weniger  deutlich:  die  Tiere  scheinen 
sich  an  das  Extrakt  zu  gewöhnen.  Plazentaextrakte  sind  wenig  giftig 
und  verhindern  die  Blutgerinnung.  Es  wurde  zwischen  dem  Plazenta¬ 
extrakte  kranker  und  gesunder  Frauen  kein  Unterschied  gefunden. 
Die  Erhöhung  des  Blutdruckes  bei  der  Eklampsie  oder  als  erstes 
Symptom  der  Krankheit  beruht  also  nicht  auf  Resorption  von  Toxinen 
aus  der  Plazenta. 

L.  D  e  s  g  u  i  n  -  Antwerpen:  Epidemische  Magen-  und  Darm¬ 
pneumokokkeninfektion.  (Academie  de  Medecine  de  Belgique.  Juli 
1907.) 

Während  des  Winters  1906 — 1907  entstanden  zahlreiche  Fälle 
abnormer  Pneumokoikkeninfektionen  in  Antwerpen;  mit  Typhus  ab¬ 
dominalis  hatten  sie  eine  gewisse  Aehnlichkeit.  Epidemisch  herrschte 
diese  letzte  Krankheit  nicht.  Die  Darmpneumokokkenkrankheit  fängt 
plötzlich  mit  Schmerzen,  Fieber  und  Erbrechen  an.  Wenn  das  Fieber 
fehlt,  so  ist  jedoch  der  Puls  beschleunigt.  Benommenheit  fehlt,  Me¬ 
teorismus  ist  gewöhnlich  vorhanden,  Durchfall  nicht  konstant.  Nasen¬ 
bluten  kommt  auch  vor.  Gewöhnlich  kommt  es  zu  Eiterungen  und 
sehr  oft  zu  peritonealen  Abszessen;  diese  können  sich  spontan  nach 
aussen  öffnen  oder  müssen  operativ  geöffnet  werden.  Die  Diagnose 
ist  nicht  leicht.  Pneumokokkenserodiagnose  wurde  oft  angewendet, 
auch  kommen  viele  anamnestische  Momente  mit  in  Betracht.  Die 
Prognose  ist  oft  ungünstig  und  der  Tod  ist  in  einigen  Fällen  sehr  bald 
zu  fürchten.  Sobald  eine  Eiterung  entsteht,  muss  eingegriffen  wer¬ 
den.  Die  Anwendung  des  Antistreptokokkenserums  soll  gute  Re¬ 
sultate  gegeben  haben. 

L  a  u  w  e  r  s -Kortrylk:  Karzinome  des  Corpus  uteri.  (Hande¬ 
lingen  van  het  X.  Vlaamsch  Natuur-  en  geneeskundig  Congres.) 

Hysterektomie  in  Fällen  von  Karzinom  des  Korpus  ist  seltener 
als  bei  Karzinom  der  Zervix.  Verf.  hat  alle  Patienten,  welche  er 
für  Korpuskarzinome  seit  mehr  als  drei  Jahren  operierte,  gründ¬ 
lich  untersucht  und  gibt  die  genaue  Beschreibung  seiner  zwanzig 
Fälle.  Ganz  vortrefflich  hat  sich  die  Hysterektomie  bewährt,  bis 
1900  per  vaginam,  nachher  per  laparotomiam  gemacht.  Von  den 
20  sind  7  an  Rezidiven  gestorben,  1  zufällig  verunglückt.  12  sind 
nach  mehr  als  3  Jahren  in  vollständiger  Gesundheit,  1  sogar  seit 
siebzehn  Jahren.  Alle.  Fälle  wurden  mikroskopisch  untersucht. 

Leon  Fredericq  -  Lüttich :  Das  Bestehen  eines  systolischen 
„Plateaus“  im  Sphygmogramm  bei  älteren  Leuten.  (Archives  inter¬ 
nationales  de  Physiologie.  15.  Juni  1907,  Bd.  V,  Heft  1.) 

Verf.  glaubt,  das  die  Kliniker  sich  in  der  Deutung  der  sphygmo- 
graphischen  Besonderheiten  zu  viel  entfernt  haben  von  den  physio¬ 


logischen  Tatsachen.  Die  Kurve  des  Intraventrikulardrucks  besteht 
beim  normalen  Tier  aus  einem  sterilen  Anstieg,  einem  systolischen 
Plateau  und  einem  steilen  Abfall.  Hätten  die  Arterienwände  keine 
Elastizität,  so  wäre  das  Sphygmogramm  genau  das  Bild  des  Intra- 
ventrikulardruckes.  Beim  normalen  Menschen  spielt  die  Elastizität 
eine  wichtige  Rolle  und  alteriert  die  Form  der  Kurve  ganz  erheblich. 
Bei  älteren  Leuten  ist  die  Elastizität  der  Arterienwände  vermindert 
und  das  ursprüngliche  systolische  Plateau  erscheint  auf  der  sphyg- 
mographischen  Kurve  wieder. 

A.  Hannecart  -  Brüssel :  Hernien  der  Netzfortsätze.  (Journal 
medical  de  Bruxelles.  8.  August  1907.) 

Auf  dem  Dickdarm  (Sigma)  werden  oft  Fettansammlungen  ge¬ 
troffen,  welche  sogar  eine  Appendixform  annehmen  können,  und 
daher  als  „Appendices  epiploiques“  beschrieben  wurden.  Solche  Fort¬ 
sätze  können  in  Hernien  auftreten  oder  die  Ursachen  einer  Darm- 
striktur  werden.  Verf.  gibt  mehrere  Literaturangaben  und  beschreibt 
einen  Fall,  bei  welchem  er  eine  Dickdarmhernie  fand,  während  ge¬ 
schwollene  Fettfortsätze  die  Ursache  der  Strangulation  waren.  In 
einem  der  Fortsätze  hatte  eine  erhebliche  Blutung  stattgefunden, 
wodurch  die  Hernie  stark  geschwollen  war. 

L.  D  e  s  g  u  i  n  -  Antwerpen :  Die  Behandlung  der  Frakturen. 
(Journal  medical  de  Bruxelles.  15.  August  1907.) 

Verf.  wendet  sich  gegen  Schematismus  in  der  Behandlung  von 
Knochenbrüchen.  Es  werde  der  Massage  ein  zu  grosser  Raum  zu¬ 
gestanden.  Die  Hauptsache  in  der  Behandlung  ist  eine  möglichst  gute 
Wiederherstellung  der  Funktionen;  der  Zweck  ist  nicht  eine  schöne 
radiographische  Platte!  Am  besten  hat  sich  die  zweckmässige  Uebung 
gezeigt:  Mobilisieren  und  massieren  sind  ganz  verschiedene  Sachen; 
das  erstere  verdient  mit  grosser  Sorgfalt  überall  wo  es  möglich  ist, 
angewandt  zu  werden;  das  zweite  ist  oft  unzweckmässig,  sogar 
schädlich. 

V.  Peche  re  -  Brüssel:  Nierentuberkulose  ist  bei  interner  Be¬ 
handlung  heilbar.  (Journal  medical  de  Bruxelles.  12.  September 
1907.) 

Verf.  nimmt  an,  dass  vorgeschrittene  Nierentuberkulose  die  Ne¬ 
phrektomie  unvermeidlich  macht.  Wenn  jedoch  die  Krankheit  früh 
genug  erkannt  wird,  so  ist  es  möglich  die  Operation  zu  vermeiden. 
Oft  genug  heilt  die  Nierentuberkulose  von  selbst,  geradeso  wie  es 
in  vielen  anderen  Geweben  der  Fall  ist.  Es  kommt  öfters  vor,  dass 
in  den  Nieren  die  Anwesenheit  von  Tuberkelbazillen  bei  der  Autopsie 
festgestellt  wird,  ohne  dass  eigentliche  Tuberkel  gebildet  wurden, 
daher  darf  man  sagen,  dass,  wenn  auch  eine  Niereninfektion  mit 
Tuberkelbazillen  häufig  vorkommt,  die  eigentliche  Nierentuberkulose 
(Eiterungen,  Kavernen  usw.)  relativ  selten  ist.  Die  Ursache  dieser 
Tatsache  ist  die  siklerosierende  Reaktion  der  Gewebe,  welche  die 
Heilung  herbeiführt.  Verf.  hat  schon  mehrmals  Fälle  publiziert,  bei 
denen  im  Harn  vorhandene  Tuberkelbazillen  vollständig  verschwan¬ 
den.  Es  kommt  darauf  an,  die  Krankheit  früh  genug  zu  erkennen 
und  zu  behandeln,  ehe  das  Nierengewebe  selbst  geschädigt  ist. 

W  y  b  a  u  w  -  Spaa. 

Inauguraldissertationen.*) 

Die  Untersuchungen  von  Paul  Dunker  (aus  dem  phar¬ 
makologischen  Institut  zu  Giessen)  über  die  Sättigung  des 
Tierkörpers  mit  Chloroform  während  der  Narkose 
haben  ergeben,  dass  bei  hinreichend  langer  Einatmung  eines  genau 
gestellten  Chloroformdampfgemisches  die  ausgeatmete  Luft  eben¬ 
soviel  Chloroformdampf  enthält  als  die  eingeatmete,  d.  h.  es  tritt 
eine  vollkommene  Absättigung  des  Körpers  für  den  betreffenden  Par- 
tiardruck  des  Chloroforms  ein.  (Diss.  Giessen  1907,  44  Seiten.) 

Salvisberg'  weist  in  einer  Arbeit  Ueber  die  Wirkung 
v  o  n  D  i  g  i  t  a  I  i  s  und  Digitalisglykosiden  auf  die  n  Or¬ 
ganismus  verschiedener  Wiederkäuer  (Bern  1907 ) 
nach,  dass  die  Folia  digitalis  purpur.,  per  os  gegeben,  den  Organismus 
der  Wiederkäuer  nicht  zu  beeinflussen  vermögen.  Es  vertragen  bei¬ 
spielsweise  Kühe  die  für  Pferde  angegebene  tödliche  Dosis  von  25 
bis  30g  der  trockenen  Fingerhutblätter  mehrere  Tage  hintereinander 
ganz  reaktionslos.  Rind,  Ziege  und  Schaf  verhalten  sich  den  Blättern 
gegenüber  ganz  gleich,  dabei  ist  es  gleichgültig,  ob  man  dieselben  in 
Substanz  oder  als  Infus  gibt.  Trotz  hoher  und  andauernder  Gaben 
konnte  bei  keinem  dieser  Wiederkäuer  eine  kumulative  Wirkung 
konstatiert  werden.  Im  Magen  der  Wiederkäuer  werden  die  wirk¬ 
samen  Bestandteile  der  roten  Fingerhutblätter  in  der  Weise  umge¬ 
formt,  gebunden  oder  zerstört,  dass  sie  für  den  Organismus  der 
Wiederkäuer  wirkungslos  sind.  Versuche  mit  intravenöser  Einführung 
zeigten  hingegen,  dass,  wenn  der  Wiederkäuermagen  vollständig  aus¬ 
geschaltet  wird,  die  Digitalis  ebensogut  und  ganz  gleich  auf  das 
Herz  wirkt,  wie  bei  irgend  einem  Säugetier. 

Einer  Arbeit  von  Walter  v.  Stoutz  über  Trauma  und 
Lungentuberkulose  unter  Berücksichtigung  der 
Bestimmungen  des  Unfallversicherungsgesetzes 
(Leipzig  1907,  78  Seiten)  liegt  das  Material  von  Dr.  Weickers 
Lungenheilanstalten  in  Görbersdorf  zu  gründe.  Verfasser  will  nach 
den  Akten  möglichst  objektiv  die  Sicherheit,  Wahrscheinlichkeit  oder 
Möglichkeit  des  Zusammenhanges  der  Lungentuberkulose  mit  dem 
Trauma  beurteilen  unter  Berücksichtigung  der  Bestimmungen  des 

*)  Rezensionsexemplare  erbittet  Dr.  Fritz  Loeb,  München 
(Domfreiheit).  Besprechung  Vorbehalten. 


2446 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


U.-V.-Q  .und  der  einschlägigen  Bestimmungen  des  Reichsversiche¬ 
rungsamtes.  Er  versucht  ferner,  darzulegen,  ob  und  inwieweit  die 
während  der  Behandlung  der  Kranken  geklagten  subjektiven  Be¬ 
schwerden  mit  dem  objektiven  Befund  in  Einklang  stehen. 

Fritz  L  o  e  b. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Marburg.  Juli  bis  Oktober  1907. 

17.  v.  d.  Velden  Reinhard:  Koordinationsstörungien  des  Kreislaufs. 
(Habilitationsschrift.) 

18.  Reins  Heinrich:  Zur- Kasuistik  schwerer  Bluterkrankungen  in 
Schwangerschaft.  Geburt  und  Wochenbett. 

19.  B  i  r  t  Eduard:  Ueber  Hypophysiserkrankung  mit  spezieller  Be¬ 
rücksichtigung  der  okularen  Symptome. 

20.  Bohlmann  Ferdinand  August:  Zur  direkten  Bestimmung  des 
Schlagvolumens  des  Herzens. 

21.  Schenck  August:  Beitrag  zur  Frage  der  systematisierten  Nävi. 

22.  Rockstroh  Johannes:  Ueber  Riickenmarksanalgesie. 

23.  J  aussen  Theodor:  Inwiefern  wird  das  Auftreten  von  Lungen¬ 
blutungen  durch  Witterungsverhältnisse  beeinflusst? 

24.  Munk  Alexander:  Uebertragung  bei  Antefixatio  uteri. 

Universität  Würzburg.  Oiktober  1907. 

33.  Fraenkel  Georg:  Beiträge  zur  manuellen  Lösung  der  Plazenta. 

34.  Katz  Theodor:  Das  Sarkom  der  unteren  Abschnitte  der  Gebär¬ 
mutter. 

35.  Kolb  Ludwig:  Zur  Symptomatologie  der  Parietallappen-Erkran¬ 
kungen. 

36.  Plass  Hans:  Bulbärsymptome  und  Anosmie  bei  Syringomyelie. 

37.  Urano  Fumihiko:  Neue  Versuche  über  die  Salze  des  Muskels. 

38.  V  o  s  w  i  n  k  e  1  Fritz:  Ueber  die  Häufigkeit  und  Ursachen  der 
Sterilität. 

Auswärtige  Briefe. 

Breslauer  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Breslau,  November  1907. 

Die  Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur.  — 
Die  hygienische  Sektion.  —  Die  Wasserkalamität.  —  Genick¬ 
starre.  —  Tollwutstation.  —  Universitäts-Irrenklinik.  —  Die 
freie  Arztwahl  in  Breslau.  —  Die  Kinderärzte. 

Die  Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur 
hat  ein  hochbedeutsames  Ereignis  zu  verzeichnen,  die  Ein¬ 
weihung  ihres  Gesellschaftshauses  auf  der  Matthiasinsel.  Auf 
dem  historischen  Oderinselchen,  unweit  des  alten  Universitäts¬ 
gebäudes,  erhebt  sich  das  Gelehrtenheim,  in  welchem,  wie  die 
Inschrift  über  dem  Portal  verkündet,  „Scientiae  et  Patriae!“, 
der  Wissenschaft  und  dem  Vaterlande  gedient  werden  soll. 
Diese  Inschrift  ist  wohl  in  Anlehnung  an  das  Siegel  der  Ge¬ 
sellschaft  aus  dem  Jahre  1810  („Naturae  et  patriae“)  gewählt 
worden.  In  No.  50  des  Jahrgangs  1903  dieser  Wochenschrift 
schrieben  wir  zur  Hundertjahrfeier  der  Schlesischen  Gesell¬ 
schaft  für  vaterländische  Kultur:  „Was  sollen  wir  der  Gesell¬ 
schaft  zu  ihrer  Säkularfeier  wünschen?  Was  wünscht  sie  sich 
selbst?  1811  finden  wir  in  den  „Bulletins“,  also  8  Jahre  nach 
Gründung  der  Gesellschaft,  dass  man  lange  gehofft  hatte,  vom 
Staat  ein  Grundstück  geschenkt  zu  erhalten; 
1825  war  man  glücklich,  im  umgebauten  Börsenhause  sich 
eine  Etage  gesichert  zu  haben;  1896  setzte  man  auf  die  Aktien¬ 
gesellschaft  „Breslauer  Vereinshaus“  die  schönsten  Hoffnungen, 
welche  kläglich  scheiterten.  1903  endlich  schrieb  die  Tages¬ 
presse: 

„In  gerechter  Würdigung  der  hohen  Bedeutung  der  Ge¬ 
sellschaft  als  lebensvoller  Mittelpunkt  freier  wissenschaftlicher 
Bestrebungen  ist  nun  auch  der  Breslauer  Magistrat  gewillt,  den 
auf  Gewinnung  eines  geeigneten  eigenen  Heims  gerichteten 
dringenden  Wünschen  der  Gesellschaft  die  langersehnte  Er¬ 
füllung  zu  ermöglichen,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  er  der 
Stadtverordnetenversammlung  vorschlägt,  der  Gesellschaft  auf 
der  Ostspitze  der  Matthiasinsel  ein  passendes  Grundstück, 
dessen  Wert  auf  22  500  M.  veranschlagt  ist,  zu  Erbbaurecht 
unter  billigen  Bedingungen  zu  überlassen  und  ihr  ausserdem 
noch  7500  M.  bei  Ausführung  des  Baues  zu  zahlen.  Man  darf 
sich  der  zuversichtlichen  Hoffnung  hingeben  dass  die  Vertreter 
der  Stadt  in  ihrer  nächsten  Sitzung  dem  Anträge  des  Magistrats 
einmütig  zustimmen  und  dadurch  als  wohlgesinnte  Donatoren 
der  Jubi!  rin  die  höchste  Freude  bereiten  werden,  die  ihr  über¬ 


haupt  zuteil  werden  kann:  ihren  100.  Geburtstag  mit  der 
sicheren  Aussicht  feiern  zu  können,  dass  sie  nun  für  alle  Zu¬ 
kunft  im  eigenen  Heime  der  Pflege  idealer  vaterländischer 
Interessen  noch  weit  erfolgreicher  als  bisher  werde  dienen 
dürfen.“ 

Nun  endlich  ist  der  Traum  in  Erfüllung  gegangen,  der  Bau 
ist  vollendet,  ein  stolzes  Wasserschloss  —  auf  drei  Seiten  nur 
durch  schmalen  Hofgang  von  den  hohen  Ufern  des  Stromes 
getrennt;  eine  grosse  Terrasse,  die  Plattform  des  unteren  Rund¬ 
baues,  welche  man  vom  grossen  Sitzungsaal  im  Obergeschoss 
betritt,  gibt  Gelegenheit,  an  Sommerabenden,  wenn  kühle  Lüfte 
über  den  Wassern  wehn,  Erquickung  nach  geistiger  Anstrengung 
zu  finden.  Bei  der  Eröffnungfeier  am  27.  Oktober  waren  fast 
sämtliche  Behörden  durch  ihre  Spitzen  vertreten.  Als  Erster 
bestieg  unser  greiser  Dichter  Geh.  Justizrat  Prof.  Dr.  Felix 
Dahn  das  Rednerpult,  um  mit  folgenden  sinnreichen,  Poesie 
atmenden  Versen  dem  Hause  die  Weihe  zu  geben: 

Wir  sind  zuweilen  wohl  gescholten  worden. 

Dass  allzu  zahlreich  unsre  Ziele  sei’n. 

Und  diese  Zahl  ist  kleiner  kaum  geworden. 

Seit  unser  Wahlspruch  umgewandelt  ward 

Aus  „naturae  et  patriae“  in  „scientiae  et  patriae“. 

Den  Tadlern  sei  jedoch  getrost  entgegnet: 

„Habt  ihr  den  Regenbogen  nie  geseh’n? 

Der  Farben  Vielheit  macht  ihn  schön  und  ganz. 

Habt  Ihr  den  starken  Speerbund  nie  geschaut? 

Der  Schäfte  Vielheit  macht  ihn  unzerbrechbar.“ 

So  lasst  uns  auch  in  diesem  neuen  Heim 
Manchfalt’ge  Kräfte  mannigfach  erproben: 

Nichts  Menschliches  erachten  wir  uns  fremd. 

Und  dass  wir  hier  auf  einer  Insel  tagen, 

Bedeute  nicht  die  Absperrung  vom  Leben: 

Das  Leben  unsres  Volkes,  unsrer  Zeit 
Soll  ringsher  seine  Wellen  zu  uns  spülen. 

Und  'inselhaft  soll  unser  Bau  nur  ragen 
Als  edles  Eiland  aus  dem  wüsten  Treiben 
Der  Gegenwart  nach  Gold  und  nach  Genuss. 

Auf  unsrer  Insel  hier  soll  eine  Zuflucht 
Der  reine  Dienst  des  Idealen  finden; 

Hierher  soll  flüchten,  wem  der  Lärm  des  Tags, 

Der  Hader  der  Partei’n  den  Frieden  stört. 

Auf  diesem  Eiland  soll  Ein  Kultus  nur 
Betrieben  werden  Einer  Priesterschaft, 

Der  heil’ge  Kult  des  Schönen,  Guten,  Wahren! 

In  diesen  Namen  weih’  ich  dieses  Haus. 

Die  Festrede  hielt  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr. 
Fo  er  st  er;  derselbe  gab  einen  hochinteressanten  Rückblick 
auf  die  Geschichte  der  Gesellschaft.  Eine  ganz  besondere 
Weihe  erhielt  das  Fest  durch  die  seitens  des  Oberpräsidenten 
Grafen  Zedlitz-T  rützschler  gemachte  Mitteilung,  dass 
auch  der  Kaiser  mit  warmem  Interesse  von  der  Feier  Kenntnis 
genommen  und  als  Weihegeschenk  die  Marmorbüste  des  Königs 
Friedrich  Wilhelm  III.  und  seine  eigene  der  Gesellschaft  dar¬ 
bringe.  Ein  grosses  Festmahl,  an  welchem  über  200  Personen 
teilnahmen  bildete  den  Schluss  der  Eihweihungsfeier.  Die  ein¬ 
fach  edle  und  hoch  geschmackvolle  Innendekoration  sämtlicher 
Räume  kam  bei  der  Fülle  elektrischer  Beleuchtungskörper 
modernster  Art  zu  wunderbarer  Geltung  und  eine  verschwen¬ 
derische  Lichtflut  ergoss  sich  aus  den  Fenstern  des  stolzen  Ge¬ 
lehrtenschlosses  in  die  im  Dunkel  ruhende  Nachbarschaft  und 
auf  die  schweigende  Flut  des  Stromes.  Nunmehr  wird  auch 
eine  gesteigerte  Lichtflut  geistiger  Arbeit  aus  den  Arbeitssälen 
der  Gesellschaft  hervorgehen  und  die  Berichte  der  medizini¬ 
schen  und  der  hygienischen  Sektion  werden  sehr  bald  davon 
Zeugnis  geben.  Besonders  die  letztere  hätte  eine  Neubelebung 
sehr  nötig;  denn  nehmen  wir  den  letzten  Jahresbericht  (den  84.) 
der  Gesellschaft  zur  Hand,  so  sehen  wir  nicht  ohne  Be¬ 
schämung,  dass  den  241  Seiten,  welche  mit  den  Verhandlungen 
der  medizinischen  Sektion  im  Jahre  1906  gefüllt  sind,  nur  10 
Seiten  der  hygienischen  Sektion  gegenüberstehen.  Freilich, 
Hermann  C  o  h  n  lebt  nicht  mehr,  welcher  der  Selbes.  Gesellsch. 
f.  vaterl.  Kultur  42  Jahre  angehörte  und  die  letzten  14  Jahre 
Mitglied  ihres  Präsidiums  und  zugleich  des  Vorstandes  der  Sek¬ 
tion  für  öffentliche  Gesundheitspflege  gewesen.  Fast  alle  Re¬ 
sultate  seiner  wissenschaftlichen  Arbeiten  —  und  deren  Zahl 
war  Legion  —  brachte  er  in  der  hygienischen  Sektion  zur 
Sprache.  Und  derjenige,  der  ihm  in  dem  genannten  Jahres¬ 
bericht  einen  verehrungsvollen,  rühmenden  Nekrolog  schrieb, 
der  2.  Sekretär  der  Sektion,  Geheime  Medizinalrat  Prof.  Dr. 


2.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT- 


2447 


J  a  c  o  b  i,  ist  ihm  vor  kurzem  ganz  plötzlich  in  den  Tod  gefolgt. 
Wenn  man  will,  so  kann  man  den  Verlust  dieser  beiden  um  die 
hygienische  Sektion  hochverdienten  Männer  als  genügende  Er¬ 
klärung  für  den  Rückgang  der  Verhandlungen  ansehen;  man  ist 
gewissermassen  verwöhnt  gewesen,  —  aber  das  Wiederauf¬ 
blühen  der  Sektion  kann  nur  eine  Frage  kurzer  Zeit  sein,  da 
wir  uns  wohl  der  Hoffnung  hingeben  dürfen,  dass  der  uns  ver¬ 
bliebene  erste  Sekretär,  Geheime  Medizinalrat  Professor  Dr. 
F  1  ti  g  g  e,  die  verwaiste  Stätte  mit  der  Sonne  seines  uner¬ 
müdlich  schaffenden  Geistes  endlich  beglücken  wird.  Wir 
haben  oft  Gelegenheit  gehabt,  von  den  Verdiensten  Flügges 
um  die  Hygiene  der  Stadt  Breslau  zu  berichten;  seine  Arbeits¬ 
kraft  schien  unerschöpflich,  wurde  aber  leider  durch  die  un¬ 
glückliche  Wasserkalamität,  von  welcher  Breslau  vor  nun  fast 
2  Jahren  heimgesucht  worden  und  welche  auch  jetzt  nur  ein 
provisorisches  Ende  gefunden,  derart  in  Anspruch  genommen, 
dass  man  sich  nicht  zu  wundern  braucht,  wenn  für  die  Be¬ 
strebungen  der  hygienischen  Sektion  nicht  viel  Zeit  erübrigt 
werden  konnte.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort.  über  die  Breslauer 
Wasserverhältnisse  zu  berichten,  —  soviel  möge  indessen  ge¬ 
sagt  sein,  dass  die  nicht  zum  mindesten  durch  Flügges 
Bemühungen  eingeführte  Grundwasserversorgung  bis  zum 
Frühjahr  1906  ein  so  vorzügliches  Leitungswasser  lieferte,  dass 
die  Breslauer  sich  rühmten,  keine  andere  Stadt  käme  ihr  in 
dieser  Hinsicht  gleich.  Dann  brach  plötzlich  das  Unglück 
herein:  das  Leitungswaser  färbte  sich  durch  Beimengungen 
von  Mangan  schmutzig  braun,  wurde  nicht  nur  ungeniessbar, 
sondern  auch  für  technische  Zwecke  jeglicher  Art  unbrauchbar. 
Ueber  die  Quelle  der  Manganzuströmung  stehen  sich  die  ver¬ 
schiedensten  Ansichten  noch  heute  gegenüber,  die  natürlich  in 
der  Stadtverordnetenversammlung,  der  auch  Flügge  ange¬ 
hört,  die  verschiedensten  Vertreter  gefunden.  Es  war  nun  für 
Flügge  ein  schwieriger  Standpunkt  geworden,  die  nicht  aus¬ 
bleibenden  Vorwürfe  in  gewissen  Organen  der  Tagespresse 
einerseits  ebendaselbst  in  dem  erforderlichen  populärverständ¬ 
lichen  Ton,  andererseits  in  Fachzeitschriften  streng  wissen¬ 
schaftlich  zu  entkräften.  Es  bedarf  keiner  besonderen  Ver¬ 
sicherung,  dass  diese  Entkräftung  ihm  überzeugend  gelungen  ist. 
Leider  wurde  es  durch  allerhand  parteiliche  Quertreibereien 
für  Flügge  unmöglich,  als  Sachverständiger  weiter  mitzu¬ 
arbeiten  und  sein  Austritt  aus  der  Sachverständigenkommission 
bedeutete  zu  der  alten  Kalamität  eine  neue,  zu  der  unver¬ 
schuldeten  eine  absichtlich  heraufbeschworene.  Nach  allen 
Richtungen  hin  hat  Flügge  die  Hygiene  der  Stadt  Breslau 
günstig  beeinflusst.  Von  besonders  grosszügiger  Art  waren 
seine  Studien  bezüglich  der  Genickstarre  in  Schlesien 
und  seine  Bemühungen  um  die  Einrichtung  der  Tollwut- 
Station  in  Breslau.  Auf  dem  in  Bremen  anfangs  Sep¬ 
tember  tagenden  Deutschen  Verein  für  öffentliche  Gesundheits¬ 
pflege  hielt  Flügge  an  erster  Stelle  einen  Vortrag  über  die 
speziell  in  Oberschlesien  so  verheerend  aufgetretene  Genick¬ 
starre,  über  deren  Verbreitungsweise  und  Bekämpfung.  Die 
einzige  Ansiedlungsstätte  der  Meningokokken,  von  der  aus  die¬ 
selben  auf  die  Umgebung  übergehen  können,  findet  sich,  wie 
Flügge  betont,  im  oberen  Teil  des  Rachens.  Bei  der  Unter¬ 
suchung  von  Familienmitgliedern  und  von  Soldaten  des  gleichen 
Mannschaftszimmers  sind  bei  etwa  70  Proz.  Meningokokken 
gefunden  ohne  Krankheitserscheinungen.  Die  Kokken  ver¬ 
bleiben  durchschnittlich  3  Wochen  im  Rachen  der  Befallenen 
und  scheinen  sich  auf  andere  Menschen  nur  durch  frisches, 
feuchtes  Rachensekret  zu  verbreiten.  Da  die  Kokken  beim 
Genickstarrekranken  früh  (meist  vom  5.  Krankheitstage  ab) 
verschwinden,  während  sie  bei  den  Trägern  3  Wochen  im 
Rachen  haften,  so  sind  letztere  bei  der  Ausbreitung  der 
Meningokokken  in  erster  Linie  beteiligt.  Aus  der  grossen  Zahl 
der  infizierten  Träger  erkranken  an  Genickstarre  nur  wenige 
disponierte  Individuen,  namentlich  Kinder.  Bei  der 
grossen  Zahl  der  Kokkenträger  sind  Freiheits-  und  Verkehrs¬ 
beschränkungen  für  dieselben  undurchführbar.  Es  bleibt  nichts 
übrig,  als  den  mutmasslichen  Kokkenträgern  kurze  Merkblätter 
einzuhändigen,  in  denen  ihnen  Vorsicht  im  Verkehr  mit  anderen 
Menschen  für  die  nächsten  Wochen  dringend  empfohlen  wird. 
Weiterhin  ist  die  übrige  Bevölkerung  auf  die  Gefahr,  die  von 
jenen  Trägern  ausgeht,  in  geeigneter  Weise  hinzuweisen.  Ganz 
besonders  gelten  diese  Vorsichtsmaßregeln  gegenüber  Kin¬ 


dern.  Schulkinder  aus  Häusern  mit  Genickstarreerkran¬ 
kungen  sind  für  3  Wochen  vom  Schulbesuch  und  vom  Verkehr 
mit  anderen  Kindern  fernzuhalten.  Der  Vortrag  Flügges 
wurde  mit  lebhaftem  Beifall  aufgenommen.  —  Was  die  Toll¬ 
wutstation  in  Breslau  betrifft,  welche  am  28.  Juli  vorigen 
Jahres  eröffnet  worden,  so  schliesst  sich  dieselbe  unmittel¬ 
bar  an  das  hygienische  Institut  der  Universität  an.  Die  innere 
Einrichtung  entspricht  ziemlich  genau  der  in  Berlin  an  das 
Institut  für  Infektionskrankheiten  angegliederten  Wutschutzab¬ 
teilung.  Bereits  in  den  ersten  8  Monaten  unterzogen  sich  179 
Gebissene  auf  der  Station  einer  je  21  tägigen  Behandlung  (d.  h. 
täglich  einer  Injektion).  Zweifellos  hat  die  Einrichtung  der 
Wutschutzstation  in  Breslau  bewirkt,  dass  die  Gebissenen  sich 
in  weitaus  grösserer  Zahl  zur  Schutzimpfung  einfinden  und 
weit  früher  als  bisher,  da  sie  nur  in  Berlin  eine  solche  Behand¬ 
lung  durchmachen  konnten.  Auf  eine  ziemlich  starke  Probe 
wurde  die  Leistungsfähigkeit  der  Station  in  vergangener  Woche 
gestellt,  wo  ein  tollwütiger  Jagdhund  von  Breslau  aus  mehrere 
Tage  das  Gelände  bis  Oppeln  und  Falkenberg  unsicher  machte. 
In  letzterem  Orte  wurde  ihm  endlich,  nachdem  er  zahlreiche 
Menschen  gebissen,  der  Garaus  gemacht.  28  von  diesem  einen 
Hunde  gebissene  Menschen  stellten  sich  zur  Behandlung  in 
hiesiger  Tollwutstation  ein.  —  Auch  eine  andere  neue  Uni¬ 
versitätseinrichtung,  die  am  1.  April  ds.  Js.  endlich  eröffnete 
k.  Universitäts-Irrenklinik,  bedeutet  nebenher 
einen  nennenswerten  Fortschritt  für  die  Krankenpflege  der 
Stadt,  welche  sich  das  Recht  für  35  Betten  vertragsmässig  in 
derselben  gesichert  hat.  Unser  städtisches  Irrenhaus  ist  seit 
Jahren  bis  zur  äussersten  Grenze  seiner  Belegbarkeit  (ca.  200 
Plätze)  in  Anspruch  genommen.  Jene  35  Betten  in  der  Uni¬ 
versitätsklinik  geben  für  die  Dauer  keine  ausreichende  Abhilfe, 
vielmehr  ist  eine  bedeutende  Erweiterung  des  städtischen 
Irrenhauses  beschlossen.  Diese  Erweiterung  erscheint  um  so 
mehr  geboten,  als  der  Stadtgemeinde  als  eigenem  Landarmen- 
verbande  neuerdings  die  Verpflichtung  auferlegt  worden  ist, 
geisteskranke  Verbrecher  teils  nach  Ablauf  ihrer  gericht¬ 
lichen  Strafe,  teils  aber  auch  unter  Aussetzung  der  Strafvoll¬ 
streckung  gemäss  Ministerialerlass  nicht  nur  in  ihrem  eigenen, 
sondern  auch  im  öffentlichen  Sicherheitsinteresse  aufzunehmen. 
Um  die  anderen  Kranken  dem  schlechten  Einflüsse  solcher 
geisteskranken  Gewohnheitsverbrecher  zu  entziehen,  ist  es 
dringend  geboten,  diese  geisteskranken  Verbrecher  in  be¬ 
sonderen  Krankenräumen  unterzubringen.  Schliesslich  will  der 
Magistrat  durch  Errichtung  des  Erweiterungsbaues  eine  An¬ 
zahl  Einzelzimmer  für  Privatkranke  schaffen.  Die  Unter¬ 
bringung  von  Privatkranken  ist  jetzt  nur  in  Privatirrenanstalten 
gegen  verhältnismässig  recht  hohe  Verpflegungssätze  und  auch 
dies  nicht  einmal  immer,  möglich.  Es  ist  in  der  Tat  verwunder¬ 
lich,  dass  sich  in  Breslau  bei  dem  zweifellos  vorliegenden  Be¬ 
dürfnis  nicht  längst  eine  Privatirrenanstalt  besseren  Stils  auf¬ 
getan  hat;  sie  würde  nach  unserer  Ansicht  glänzend  gedeihen. 
Freilich  sind  die  Kosten  der  Einrichtung  viel  erheblicher  als 
bei  irgend  anderen  Krankeninstituten.  Für  den  Lehrstuhl 
der  Psychiatrie  an  hiesiger  Universität  bedeutete  die 
Eröffnung  der  K.  Psychiatrischen  und  Nervenklinik  einen  unge¬ 
heuren  Fortschritt.  Jahrelang  war  der  Unterricht  in  der 
Psychiatrie  von  der  Liebenswürdigkeit  der  städtischen  Be¬ 
hörden  abhängig  und  der  derzeitige  Universitätslehrer  Prof. 
Dr.  B  o  n  h  ö  f  f  e  r  konnte  bei  der  Einweihung  der  Klinik  nicht 
umhin,  die  Verdienste  der  Stadt  Breslau  um  die  Universität 
auch  in  dieser  Hinsicht  anzuerkennen.  Die  innere  Einrichtung 
der  Universitäts-Irrenklinik  entspricht  natürlich  vollständig 
dem  neuesten  wissenschaftlichen  Standpunkt;  es  ist  alles  ver¬ 
mieden,  was  an  eine  Irrenanstalt  erinnern  könnte.  Je  natür¬ 
licher  und  freundlicher  das  Aussehen  eines  Raumes  ist,  um  so 
weniger  werden  die  darin  befindlichen  Geisteskranken  in  Er¬ 
regung  geraten.  Die  Fenster  sind  nicht  vergittert, 
Zwangsmittel  in  keiner  Weise  vorgesehen.  Nur  4  Isolier¬ 
zimmer  sind  vorhanden.  Selbst  Besuche  in  den  Kranken¬ 
zimmern  werden  nach  Möglichkeit  gestattet.  Das  Publikum 
soll  von  dem  Krankendienst  in  der  Klinik  Kenntnis  nehmen 
können.  Die  Oeffentlichkeit,  sagt  B  o  n  h  ö  f  f  e  r,  hat  ein  Recht, 
sich  über  den  Stand  der  psychiatrischen  Wissenschaft  und 
Praxis  ein  Urteil  zu  bilden.  —  Nunmehr  dürfte  die  medizinische 
Fakultät  der  Universität  Breslau  nach  allen  Richtungen  hin  der- 


2448 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


art  opulent  ausgestattet  sein,  dass  die  jungen  Herren  Kollegen 
in  spe  eigentlich  in  Schaaren  der  alten  Wratislawia  Zuströmen 
müssten.  Wir  im  Osten  sind  indessen  gewöhnt,  Geduld  zu 
haben.  An  Kollegen,  die  sich  heilbeflissen  in  Breslau  nieder¬ 
lassen,  hat  es  nie  gefehlt  und  fehlt  es  auch  jetzt  nicht,  gerade 
so  wenig  wie  in  Berlin,  obgleich  nach  Rabes  sachverstän¬ 
digem  Werke  ,,Aerztliche  Wirtschaftskunde“  die  kassenärzt¬ 
lichen  Verhältnisse  hier  ebenso  traurig  liegen  wie  in  Berlin. 
Für  den  sich  hier  niederlassenden  praktischen  Arzt,  welcher 
von  der  freien  Arztwahl  zu  profitieren  gedenkt,  wird  es  wohl 
zweckmässig  sein,  den  fleissigen  und  instruktiven  Aufsatz  von 
San. -Rat  Dr.  Max  Kamm  in  Breslau  ,,Die  freie  Arztwahl  in 
Breslau“  (Aerztl.  Vereinsblatt  vom  22.  Okt.  1907)  eingehend 
zu  studieren.  Er  lernt  daraus,  dass  zurzeit  39  Krankenkassen 
(mit  etwa  18  000  Mitgliedern  und  etwa  1500  Familien)  mit  dem 
Aerzteverein  in  Kontrakt  stehen  und  dass  die  Aerzte  in  Summa 
etwa  70  000  Mark  von  diesen  gezahlt  erhalten. 

Bei  gieichmässiger  Verteilung  würden  etwa  240  Mark  auf 
den  Kopf  des  Arztes  entfallen,  aber  wie  Kamm  sehr  richtig 
bemerkt:  „Ungleich  verteilt  sind  des  Lebens  Güter“  und  so 
gehen  tatsächlich  50  Proz.  der  praktischen  Aerzte  fast  leer  bei 
der  Honorierung  aus,  weil  sie  wenig  oder  gar  nicht  in  An¬ 
spruch  genommen  wurden,  bei  den  Spezialisten  gar  71  Proz. 
Das  Gesamtresultat  Kam  m  s  ist  etwa  folgendes: 

1.  Die  Spezialisten  schneiden  bei  der  Breslauer  freien 
Arztwahl  viel  schlechter  ab  als  die  Praktiker. 

2.  Die  höchsten  Einnahmen,  welche  einige  Praktiker  er¬ 
reichen,  kommen  bei  den  Spezialisten  überhaupt  nicht  vor. 

3.  Eine  Nr.  1  (Einnahme  von  600 — 1200  Mark)  erreichen 
nur  2  Spezialisten  im  Gegensatz  zu  19  Praktikern. 

4.  Umgekehrt  finden  sich  die  schlechten  Einnahmen  (soll 
heissen  0 — 50  Mark)  viel  mehr  bei  den  Spezialisten  als  bei  den 
Praktikern,  im  Verhältnis  von  33  (unter  90)  zu  35  (unter  174). 

5.  Ganz  ungünstig  sind  bisher  die  finanziellen  Resultate 
für  die  Gynäkologen,  Kinderärzte  und  innere  Kliniker,  schlecht 
auch  für  die  Chirurgen,  nicht  günstig  bei  den  Nervenärzten, 
etwas  besser  bei  den  Hals-  etc.  Aerzten,  leidlich  bei  den  Oph¬ 
thalmologen,  gut  nur  für  die  Dermatologen. 

Zum  Tröste  für  die  jetzt  noch  wenig  oder  gar  nicht  be¬ 
schäftigten  Kollegen  sei  aber  gesagt,  dass  sobald  neue  Kassen 
zur  freien  Arztwahl  hinzutreten,  auch  sie  gute  Aussicht  haben, 
ihre  ärztliche  Tätigkeit  auszudehnen;  neben  persönlichen 
Eigenschaften  spielt  hauptsächlich  die  Wohnungslage  dabei 
eine  Rolle. 

Und  bei  dieser  —  natürlich  nur  im  Lichte  der  Kranken- 
kassenbehandlung  —  Misere  der  Spezialärzte  glaubte  der  Verein 
der  Breslauer  Aerzte  sich  doch  noch  besonders  von  gewissen 
Spezialitäten  geschädigt  und  hat  am  10.  Oktober  d.  J.  einen  Be¬ 
schluss  gefasst,  der  wohl  nur  durch  eine  übergrosse  Erregung 
gerechtfertigt  werden  kann.  Der  Unmut  richtete  sich  gegen  die 
Kinderärzte,  deren  Gepflogenheit  es  zu  sein  scheine,  im 
Hause  des  Patienten  und  unabhängig  vom  Hausarzt  zu  be¬ 
handeln  und  dadurch  die  Interessen  der  praktischen  Aerzte,  ins¬ 
besondere  der  „Hausärzte“  schwer  zu  schädigen.  Ein  Antrag 
wurde  angenommen,  wonach  es  den  Kollegen,  die  dies  wün¬ 
schen,  gestattet  sein  soll,  sich  „praktischer  Arzt  und  Kinderarzt“ 
zu  nennen.  Man  wird  diesen  Beschluss  nicht  allzu  tragisch 
nehmen  dürfen,  denn  glücklicherweise  sind  bei  dem  Zustande¬ 
kommen  desselben  so  viele  Formfehler  begangen  worden,  dass 
die  Aufhebung  desselben  keinen  allzugrossen  Schwierigkeiten 
begegnen  dürfte.  Aber  die  Herren  Kinderärzte  und  auch  andere 
werden  gelernt  haben,  dass  es  nicht  weise  ist,  den  Sitzungen 
des  Vereins  fernzubleiben,  wenn  wichtige  Interessen  auf  der 
Tagesordnung  stehen.  Im  übrigen  scheint  eine  Regelung  der 
Spezialarztfrage  durch  die  wissenschaftliche  Deputation  un¬ 
mittelbar  bevorzustehen.  W. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

14.  Internationaler  Kongress  für  Hygiene  u.  Demographie 

vom  23.  bis  29.  September  1907. 

IX. 

Sektion  VIA:  Wohnungshygiene,  Hygiene  der  Ortschaften  und 

Gewässer. 

1.  Wohnungsiiirsorge  für  Minderbemittelte. 

E.  Cacheux  -  Paris  berichtet  über  private  und  öffent¬ 
liche  Wohlfahrtspflege  zur  Erzielung  billiger 
Wohnungen  'in  Frankreich.  Die  Privat  Wohltätigkeit 
unterstützt  Personen,  die  ausser  Stande  sind,  ihre  Miete  zu  bezahlen, 
sie  verbessert  Wohnungen,  die  sich  in  schlechtem  Zustande  befinden 
und  stellt  sie  sodann  Arbeitern,  die  einer  solchen  Hilfe  würdig  sind, 
zur  Verfügung;  seit  einigen  Jahren  ist  sie  auch  an  die  Erbauung 
billiger  Wohnungen  herangegangen.  Die  öffentliche  Wohlfahrts¬ 
pflege  in  Paris  beschäftigt  sich  ebenfalls  mit  der  Wohnungsver¬ 
besserung;  nachdem  sie  den  Gesellschaften  zur  Herstellung  billiger 
Wohnungen  300,000  Er.  auf  Hypotheken  geliehen,  hat  sie  auf  einem 
ihr  gehörigen  Bauplatz  nunmehr  auch  selbst  Häuser  erbauen  lassen. 

Cacheux  bezeichnet  es  ferner  als  wünschenswert,  dass  die 
Wohltätigkeitsanstalten,  die  Klöster,  Hospize  und  andere  Wohlfahrts¬ 
anstalten  den  Arbeitern  soviel  gesunde  und  billige  Wohnungen  her- 
stellen,  als  nur  irgend  möglich  ist. 

Henry  R.  A  1  d  r  i  d  g  e,  Sekretär  des  Nationalrats  für  Wohnungs¬ 
reform,  London,  verlangt  ebenfalls,  dass  Herstellung  von  billigen 
Wohnhäusern  von  Privatunternehmungen,  philanthropischen  Gesell¬ 
schaften  und  durch  Fürsorge  der  Stadtbehörden  erfolgen.  Fahr¬ 
gelegenheit  wird  auch  von  ihm  als  ein  integrierender  Teil  der 
Wohnungsfrage  bezeichnet  und  wenn  nötig,  sollen  besondere  Strassen- 
bahnzüge  für  Nachtarbeiter  vorgesehen  werden,  wie  man  sie  in  Lon¬ 
don  eingeführt  hat. 

2.  Die  Ledigenheime. 

Dr.  K-  Singer,  Direktor  des  statistischen  Amtes  der  Stadt 
München;  Wo  eine  stark  fluktuierende  Bevölkerung  wie  in  den  Gross¬ 
stadtzentren  des  Verkehrs  und  der  Industrie  vorhanden  ist,  sollen 
moderne  Unterkunftshäuser,  welche  nach  Art  der  englischen  Rowton- 
häuser  mit  allen  hygienischen  und  wirtschaftlichen  Vorzügen  aus¬ 
gestattet  sind,  im  Interesse  dieser  fluktuierenden  Elemente  sowohl  wie 
der  gesamten  Bevölkerung,  die  dadurch  von  der  sonstigen  Unter¬ 
bringung  dieser  Elemente  entlastet  wird,  geschaffen  werden.  Die 
Anlage  ist  aber  nur  dann  rentabel  möglich,  wenn  sie  in  grossem  Mass¬ 
stab  erfolgen  kann. 

Für  die  Unterbringung  ständig  beschäftigter  Personen  innerhalb 
der  Grenzen,  wie  sie  durch  das  sonstige  Angebot  von  Wohnungs¬ 
gelegenheit  für  ledige  Personen  bedingt  werden,  erscheinen  Heime 
nach  dem  Muster  der  Stuttgarter  Arbeiterheime  als  zweck- 
mässigste  Lösung.  Insbesondere  für  weibliche  Personen  sind  die¬ 
selben  wohl  in  kleinerem  Masssabe  zu  errichten. 

Hofrat  Dr.  R.  Mar  esch- Wien  tritt  ebenfalls  für  Gründung 
von  Ledigenheimen  ein,  deren  Herstellung  besonders  in  der 
Nähe  von  reichen  Arbeitsgelegenheiten,  also  vornehmlich  in  Gross¬ 
st  ä  d  t  e  n  und  Fabrikorten  geboten  ist.  Der  zu  wählende  Typus 
des  Heims  ist  abhängig  von  den  örtlichen  Verhältnissen  und  der 
voraussichtlichen  Zahl  der  Heimbewohner  und  deren  Zahlkraft. 

Prof.  Luigi  Pa  g  li  a  n  i  -  Turin  erörtert  die  Bedingungen,  die 
an  ein  Ledigenheim  bezüglich  ihrer  baulichen  Herstellung  und  Ein¬ 
richtung  zu  stellen  sind,  er  verlangt  u.  A.  bezüglich  des  Luftmass  bei 
Einzelzimmern  einen  Luftraum  von  nicht  weniger  als  30  cbm  bei 
3  m  Höhe,  bei  Zimmern  für  2  Personen  20  cbm  für  1  Person,  die 
Fensterfläche  soll  mindestens  Ve  der  Grundfläche  des  Zimmers  be¬ 
tragen. 

3.  Bericht  über  die  Erfolge  der  mechanischen,  chemischen  und 
biologischen  Abwässerklärung. 

Prof.  Schmidtmann  -  Berlin :  Mit  jeder  Art  der  Abwässer¬ 
klärung  lassen  sich  Erfolge  in  einer  für  die  praktischen  Erfordernisse 
ausreichenden  Weise  erzielen,  Voraussetzung  ist  nur,  dass  das  Ver¬ 
fahren  nach  den  Verhältnissen  des  Einzelfalls  richtig  gewählt  wird; 
ein  für  alle  Fälle  passendes,  allgemein  befriedigendes  und  allgemein 
verwendbares  Verfahren  der  Abwasserklärung  gibt  es  nicht. 

Den  verhältnismässig  sichersten  Erfolg  für  die  einwandfreie  Be¬ 
seitigung  von  Abwasser,  insbesondere  wo  es  sich  um  grosse  Mengen 
handelt,  bietet  die  Reinigung  durch  Verteilung  auf  ausreichenden 
Liandflächen  von  geeigneter  Beschaffenheit  (Berieselung, 
Eduardsfelder  Verfahren,  intermittierende  Bodenfiltration,  Untergrund¬ 
berieselung).  Die  durch  den  natürlichen  biologischen  Prozess  der 
Bodenbehandlung  zu  erzielende  Reinigungswirkung  kann  in  ähnlicher 
Weise,  abgesehen  von  der  Beeinflussung  der  Infektionsstoffe,  durch 
•  das  künstliche  biologische  Verfahren  erreicht  werden. 
Die  Ausbildung  des  letzteren  im  einzelnen,  wie  u.  a.  die  Art  der  Vor¬ 
klärung  und  die  der  Nachklärung,  hängt  von  den  Verhältnissen  des 
Finzelfalls,  insbesondere  von  der  Beschaffenheit  des  Vorflutens  ab. 

Das  Ziel  der  biologischen  Abwässerreinigung  durch  künstlich  auf¬ 
geschichtetes  Material  (Füll-  und  Tropfkörper)  muss  die  Schaffung 
eines  fäulnisunfä 'hige-h  Abflusses  sein. 

Die  chemische  Abwässerreinigung  ist  zurzeit  in  den  Hinter¬ 
grund  gedrängt;  es  ist  jedoch  in  manchen  Fällen,  namentlich  wenn 


3.  Dezember  1907 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2*149 


gewerbliches  Abwasser  in  Frage  kommt,  die  Anwendung  von  che¬ 
mischen  Fällungs-  oder  Bindemitteln  für  sich  allein  oder  in  Verbindung 
mit  anderen  Klärverfahren  auch  jetzt  noch  wertvoll  oder  gar  unent¬ 
behrlich. 

Die  mechanische  Abwässerklärung  durch  Becken,  Brunnen 
oder  Türme  hat  sich  bei  günstigen  Vorflutverhältnissen  und  zweck¬ 
mässiger  Durchbildung  bisher  bewährt. 

Für  die  Beurteilung  der  Einwirkung  gereinigter  Ab¬ 
wässer  auf  die  Vorflut  ist  neben  der  chemischen  und 
bakteriologischen  auch  die  biologische  U  n t e  rsuc h  u  n  g, 
namentlich  der  festsitzenden  Massen  (Schlamm,  Boden,  Uferbesatz) 
auszuführen,  welche  in  der  Fauna  und  Flora  ein  von  der  augenblick¬ 
lichen  Beschaffenheit  des  fliessenden  Wassers  unabhängiges  Durch¬ 
schnittsbild  von  dem  Zustande  des  Flusses  bietet. 

Gilbert  J.  Fowler  -  Manchester  bespricht  die  Behandlung  der 
Abwässer  unter  tropischen  Verhältnissen,  die  in  ihrer  Zusammen¬ 
setzung  verschieden  von  der  europäischen  sind  und  bei  deren  Klärung 
die  dort  vorhandenen  Verhältnisse  bezüglich  Temperatur,  Wasser¬ 
zufuhr  pro  Kopf.  Gebrauch  und  Diät  des  Volkes  berücksichtigt  werden 
müssen;  es  gelingt  bei  richtigem  Verfahren  eine  ausgezeichnete  Reini¬ 
gung  auch  der  konzentrierten  Abwässer  der  Eingeborenen. 

4.  Die  bisherigen  Erfahrungen  über  Trennungssystem  der  Ab¬ 
wässer.  _  ,  ,,  ,  „ 

C.  G  ü  r  1 1  e  r  -  Berlin :  Getrennte  Behandlung  der  Haus- 
wässer  einschliesslich  Fäkalien  und  mancher,  event.  in  bestimmter 
Weise  vorbehandelter  gewerblicher  Abwässer  einerseits,  der  Nieder¬ 
schlagswasser  anderseits,  hat  sich  bisher  im  allgemeinen  bewährt. 

Bei  der  Wahl  des  Systems  kommen  hygienische  und  tech¬ 
nische  Gesichtspunkte  in  Frage,  zumeist  hat  bisher  aber  die 
Kostenfrage  den  Ausschlag  gegeben.  Beim  Trennsystem  sind 
häufig  die  Kosten  für  Anlage  und  Betrieb  der  Kanalisation  und  der  Ab¬ 
wässerreinigung  geringer  als  beim  Mischsystem. 

Prof.  Hof  er -Baden  bei  Wien  tritt  für  die  Vorteile  technisch 
richtig  angelegter  und  ausgeführter  Trennungssysteme  ein,  weil  sie 
den  vom  hygienischen  Standpunkte  aufgestellten  Forderungen  der 
reinlichen,  vollständigen  und  raschen  Wegschaffung  der  Hauswässer 
aus  Haus  und  Stadt  entsprechen.  Das  ..Trockenlaufen“  von  Kanälen, 
die  in  sehr  starkem  Gefälle  liegen,  hat  in  der  Regel  keine  fühlbaren 
U ebelstände  im  Gefolge.  Bei  Rohrkanälen  sind  Steinzeugrohre  den 
Zementrohren  vorzuziehen. 

H.  Alfred  Röchlin  g -London  betont,  dass  nicht  allgemeine 
Regeln  für  die  Wahl  zwischen  Misch-  und  Trennsystem  sich  aufstellen 
lassen,  sondern  dass  jeder  einzelne  Fall  nach  seinen  Umständen  be¬ 
handelt  werden  muss. 

5.  Verwertung  und  Beseitigung  des  Klärschlammes  aus  Reini¬ 
gungsanlagen  städtischer  Abwässer. 

Stadtrat  M  e  t  z  g  e  r  -  Bromberg:  Die  Entschlammung  der  Ab¬ 
wässer  ist,  um  die  Erzeugung  unnötig  grosser  Schlapimmengen  zu  ver¬ 
meiden,  nur  so  weit  zu  treiben,  als  es  die  Beschaffenheit  der  Vorflut 
oder  die  auf  die  Entschlammung  folgende  Reinigungsart  bedingen. 

Das  Rieselverfahren  ist  hinsichtlich  der  Schlammverwertung  und 
Schlammbeseitigung  allen  anderen  Reinigungsmethoden  überlegen. 

Die  Ansammlung  des  Schlammes  in  der  Umgebung  der  Klär¬ 
anlage  ist,  sofern  diese  in  der  Nähe  der  Stadt  liegt,  zu  vermeiden,  da 
Belästigung  durch  Geruch,  durch  massenhafte  Ansammlung  von 
Fliegen  und  anderen  Insekten  nicht  zu  vermeiden  sind 

Eine  Kläranlage  soll  nicht  eher  zur  Ausführung  kommen,  bis  nicht 
alle  die  spätere  Behandlung  des  Schlammes  betreffenden  Fragen  ent- 
giiltig  und  unter  Vermeidung  der  bekannten  Uebelstände  im  Prinzipe 
entschieden  sind,  denn  die  Frage  der  Verwertung  und  Beseitigung  des 
Schlammes  spielt  bei  der  Herstellung  von  Kläranlagen  eine  sehr  wich¬ 
tige  Rolle. 

6.  Ueber  den  Einfluss  geklärter  Abwässer  auf  die  Beschaffenheit 
der  Flüsse. 

Dr.  K  i  s  s  k  a  1 1  -  Berlin:  Die  Veränderungen,  die  die  Vorfluter 
durch  die  Einleitung  gereinigter  Abwässer  erleiden,  sind  verschieden 
nach  Menge  und  Beschaffenheit  dieser  Abwässer,  Menge,  Beschaffen¬ 
heit  und  Bewegung  des  Flusswassers,  Beschaffenheit  des  Flussbettes, 
Möglichkeit  des  Sauerstoffzutritts  und  der  Planktonwucherung. 

Die  Wirkung  der  verschiedenen  Reinigungsmethoden  ist  ver¬ 
schieden,  am  wenigsten  leistet  die  mechanische  Klärung,  etwas  mehr 
die  chemische  Klärung,  noch  günstiger  stellt  sich  das  Oxydationsver¬ 
fahren;  Rieselfelder  halten  unter  Umständen  alle  pathogenen  Bakterien 
mit  Sicherheit  zurück.  Primäre  Fäulnis  soll  im  Vorfluter  bei  natür¬ 
licher  oder  künstlicher  biologischer  Klärung  nicht  mehr  Vorkommen; 
bei  anders  gereinigten  Abwässern  beweist  sie,  dass  die  Wahl  des  Reini¬ 
gungsverfahrens  in  Bezug  auf  die  Grösse  des  Vorfluters  unrichtig  ge¬ 
troffen  war.  Gelangen  organische  Nährstoffe  in  massiger  Menge  in 
kleine  Vorfluter,  so  kann  sich  eine  starke  Entwicklung  sar>rophytischer 
Keime  einstellen  oder  Verpilzung  und  sekundäre  Fäulnis  zustande 
kommen.  Nitrate  und  Nitrite  können  Veranlassung  zur  Wucherung 
höherer  oder  niederer  grüner  Pflanzen  geben,  deren  Fäulnis,  speziell 
wenn  es  sich  um  Algen  handelt,  ebenfalls  Belästigung  hervorruft. 

Dr.  B  ordas-  Paris  bespricht  die  Vorbedingungen  der  Einleitung 
von  Abwässern  in  Flussläufe  und  fordert  vor  allem,  dass  die  Abwässer 
von  ihren  krankheitserregenden  Keimen  befreit  werden,  zu  welchem 
Zwecke  es  genügt,  das  gereinigte  Abwasser  mit  hypermangansaurem 


Kalk  oder  Natron  oder  mangansaurem  Natron  usw.  in  Dosen  von  50  cg 
pro  Kubikmeter  zu  behandeln. 

7.  Neuerungen  auf  dein  Gebiete  der  Trinkwasserfiltrationstechnik. 

Eugen  Götze,  Direktor  des  W asserwerks  in  Bremen :  Doppel¬ 
sandfiltration  und  Vorklärung  mit  schwefelsaurer 
Tonerde  ergänzen  vorteilhaft  die  bisherige  Sandfiltration  in  Fällen, 
wo  letztere  nicht  zureicht.  Da  nicht  eingearbeitete  Filter  nicht  zuver¬ 
lässig  in  ihrer  qualitativen  Leistung  sind,  so  ist  ein  Nachfilter, 
das  als  eingearbeitetes  Filter  hinter  ein  anderes,  noch  unvollkommen 
arbeitendes  Filter  geschaltet  wird,  imstande,  ohne  Schwierigkeit  die 
geringen  Reste  der  Verunreinigung,  die  gelegentlich  im  Filtrat  noch 
vorhanden  sind,  zu  beseitigen;  bei  Hochwasser,  wo  das  Angebot 
von  Nährstoffen,  die  als  die  Bakterienmenge  des  Rohwassers  ins  Filter 
gelangen,  für  dessen  biologische  Wirkung  zu  gross  ist,  soll  immer 
Nachfiltration  erfolgen. 

Die  Vorklärung  mit  schwefelsaurer  Tonerde  ver¬ 
legt  einen  grösseren  Teil  der  Reinigungsarbeit  in  das  Klärbecken  und 
verbessert  dort  das  Rohwasser  und  macht  es  leichter  filtrierbar. 

Schwefelsäure  Tonerde  im  Verhältnis  von  etwa  1:50  000  bis 
1 :  25  000  zum  Rohwasser  zugesetzt,  verwandelt  auch  stark  von  tonigen 
Suspensionen  oder  von  Algen  getrübtes  oder  von  Huminsubstanzen 
gesättigtes  in  klares,  durchsichtiges  Rohwasser,  dem  nur  noch  geringe 
Verunreinigungen  anhaften,  welche  durch  Filtration  leichter  beseitigt 
werden  können,  als  wenn  das  Rohwasser  nicht  vorbehandelt  ist.  — 
Die  Verunreinigungen  werden  vom  Ton  in  Flocken  niedergeschlagen, 
das  Tonerdehydrat  und  der  entstehende  Gips  sind  hygienisch  unbe¬ 
denklich,  Vorsicht  muss  nur  in  der  Hinsicht  geübt  werden,  dass  das 
zu  behandelnde  Wasser  auch  wirklich  imstande  ist,  die  freiwerdende 
Schwefelsäure  in  Gips  (schwefelsauren  Kalk)  umzuwandeln. 

Dr.  Ed.  I  mbe  au  x,  Ingenieur  in  Nancy:  Die  langsamen 
Filter  mit  Bildung  einer  Membran  sind  noch  immer  zu  empfehlen,  wenn 
die  Membran  sich  leicht  bildet  und  bestehen  bleibt,  wenn  der  Abfluss 
gleichmässig  und  regelmässig  ist  und  wenn  eine  genaue  bakterio¬ 
logische  Ueberwachung  gesichert  ist.  Die  Bildung  der  Membran  kann 
durch  Zusatz  gewisser  Substanzen,  besonders  koagulierender  Mittel, 
gefördert  werden,  während  ein  Zusatz  von  schwefelsaurem  Kupfer 
sie  vor  Störungen  durch  niedrige  Organismen  bewahrt.  Die  Ge¬ 
schwindigkeit  und  Dauerhaftigkeit  des  Filters  werden  durch  eine  vor¬ 
angehende  oder  eine  mehrfache  Filtration  erheblich  gesteigert. 

Die  raschen  Filter  (mechanische  oder  amerikanische)  sind  be¬ 
sonders  für  Flusswässer  passend,  die  einen  grossen  Teil  des  Jahres 
trübe  bleiben  (gallertiger  Ton)  und  die  ebenso  wie  farbiges  Wasser 
(gelb)  einer  chemischen  Präzipitation  (koagulierende  Mittel)  be¬ 
dürfen,  um  klar  zu  werden. 

Die  intermittierende  Filtration  oder  die  Zwischenlegung 
einer  Schicht  oxydierender  Substanzen  (Polarit.  Karboferrit  u.  a.)  ist 
empfehlenswert,  wenn  es  sich  um  Wässer  handelt,  die  durch  orga¬ 
nische  Substanz  stark  verunreinigt  sind. 

Die  Wahl  unter  den  verschiedenen  Verfahren  hängt  von  der  Natur 
der  zu  behandelnden  Wässer  ab  (besonders  Trübung  und  Gehalt  an 
organischen  Substanzen),  von  den  örtlichen  Verhältnissen  und  den 
verfügbaren  Mitteln  zur  ersten  Einrichtung. 

8.  Ozonisierung  des  Wassers  für  Städte. 

Jules  Courmont  und  Leon  Lacomme  - Lyon  berichten  über 
die  Ergebnisse,  zu  denen  die  industrielle  Herstellung  und  Verwendung 
des  Ozons  für  die  Sterilisierung  des  Trinkwassers  in  Frankreich  ge¬ 
führt  hat.  Die  Methoden  können  nach  den  gemachten  Erfahrungen  nur 
auf  klares  Wasser  Anwendung  finden,  d.  h.  direkt  auf  Quell¬ 
wasser.  welches  sich  nie  trübt,  obwohl  es  verunreinigt  ist,  oder  nach 
Filtrierung  auf  Quellwasser,  welches  sich  trüben  kann,  und  auf 
Flusswasser. 

Da  die  Ergebnisse  der  Ozonisierung  des  Wassers  nicht  immer 
vollkommen  befriedigende  sind,  so  ist  ständige  Kontrolle  der  Apparate 
und  häufige  bakteriologische  Untersuchung  des  so  behandelten  Was¬ 
sers  notwendig. 

9.  Erfahrungen  über  Talsperrenwasser. 

Prof.  F  r  ä  n  k  e  1  -  Halle :  Das  Talsperrenwasser  ist  seiner 
Herkunft  nach  im  wesentlichen  als  Oberflächenwasser  anzu¬ 
sehen,  enthält  mitunter  aber  nicht  unerhebliche  Mengen  von  Grund- 
und  Regenwasser.  Wasser,  aus  der  Tiefe  von  2% — 3  m  aus 
dem  Sammelbecken  genommen,  hat  im  Sommer  wie  im  Winter  in  der 
Regel  den  Jahresdurchschnitt  von  Wärm  e,  der  beim  Ge¬ 
brauch  des  Trinkwassers  besonders  angenehm  empfunden  wird. 

Die  Keimzahl  nimmt  nach  der  Tiefe  stark  ab,  so  dass  man 
von  einer  Sandfiltration  oder  Bodenberieselung  absehen  kann,  wenn 
die  Lage  der  Talsperre  eine  Verunreinigung  durch  Abwässer  von 
Städten,  Dörfern  etc.  und  auch  sonstige  Verunreinigung,  z.  B.  infolge 
Benutzung  zu  Bootfahrten  usw.,  mit  Sicherheit  ausschllesst. 

Wo  jedoch  keine  absolute  Gewähr  hierfür  gegeben  ist,  ist  Säube¬ 
rung  des  Talsperrenwassers  erforderlich. 

Im  ganzen  ist  das  Talsperrenwasser  dem  Oberflächenwasser,  d.  h. 
dem  Inhalt  von  Flüssen  und  Seen  etc.,  für  die  Versorgung  der  Men¬ 
schen  weitaus  vorzuziehen,  weil  es  meist  ärmer  an  verunreinigenden 
Stoffen  ist  und  weil  ihm  infolge  gleichmässiger  Temperatur  ein  erheb¬ 
lich  grösserer  Wohlgeschmack  zukommt. 

10.  Ueber  moderne  Beleuchtungsarten  und  ihre  hygienische 
Bedeutung. 

Prof.  Dr.  F.  Erismami  -  Zürich  empfiehlt  vor  allem  die  An¬ 
wendung  des  indirekten  (diffusen  oder  zerstreuten)  Lichter,  da 


2450 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


bei  direkter  Beleuchtung  eine  gleichmässige  Verteilung  des  Lichtes 
nicht  zu  erreichen  ist  und  Blendungserscheinungen  nicht  vermieden 
w  erden  können.  Verlangt  wird  eine  Lichtstärke  von  25—30  Lux 
(Meterkerzen)  für  Räume,  in  welchen  nur  gelesen  und  geschrieben 
wird,  50  Lux  für  solche,  in  welchen  feinere  Handarbeiten  oder  Zeich¬ 
nungen  ausgefiihrt  werden.  Die  Kombination  des  direkten  mit  dem 
indirekten  Lichte  in  Form  der  halbindirekten  (gemischten)  Be¬ 
leuchtung,  mit  den  Licht  nach  unten  teilweise  durchlassenden  Schirmen 
(Milchglas,  Ueberseeglas)  gibt  an  und  für  sich  eine  bedeutendere  Platz¬ 
helligkeit  als  das  rein  .indirekte  Licht,  bei  starken  Lichtquellen  (elek¬ 
trisches  Bogenlicht),  bei  denen  die  Schirme  sehr  beleuchtet  werden, 
treten  aber  die  unangenehmen  Begleiterscheinungen  (ungleichmässige 
Lichtverteilung,  Schattenbildung,  Blendung)  störend  auf;  die  ge¬ 
mischte  Belichtung  ist  deshalb  nur  für  kleine  Lichtquellen  zu  empfehlen. 
Da  es  schwer  ist,  eine  gut  funktionierende  indirekte  Beleuchtung 
dauernd  gleich  wirkend  zu  erhalten,  so  ist  dem  Unterhalte  der  Instal¬ 
lation  grosse  Aufmerksamkeit  zu  widmen  (Reinhaltung  der  Korke, 
Reinigung  der  Reflektoren  und  Brenner,  rechtzeitige  Erneuerung  der 
Glühkörper). 

Prof.  R  e  i  c  h  e  n  b  a  c  h  -  Breslau:  Die  wirtschaftliche  Ueber- 
legenheit  der  modernen  Lichtquellen  beruht  im  allgemeinen  darauf, 
dass  der  leuchtende  Körper  eine  höhere  Temperatur  besitzt.  Dadurch 
wird  ein  grösserer  Prozentsatz  der  zugeführten  Energie  in  Licht  um¬ 
gesetzt,  die  Wärmeproduktion,  die  als  hygienischer  Nachteil  angesehen 
werden  muss,  also  geringer. 

Bei  denjenigen  Beleuchtungsvornichtungen,  denen  die  Energie  in 
Form  eines  Brennstoffes  zugeführt  wird,  kommt  als  weiterer 
Vorteil  die  geringere  Verunreinigung  der  Luft  durch 
die  Verbrennungsprodukte  hinzu.  Die  höhere  Tem¬ 
peratur  der  modernen  Lichtquellen  hat  eine  Aenderung  der  Farbe 
des  Lichtes  zur  Folge,  insoferne  als  in  ihnen  die  kurzwelligen 
Strahlen  reichlicher  vertreten  sind;  damit  ist  eine  geringe  Herab¬ 
setzung  der  Sehschärfenhelligkeit  verbunden,  die  aber  durch  Erhöhung 
der  Quantität  des  Lichts  wieder  ausgeglichen  werden  kann. 

W.  We  d  d  i  n  g  -  Gross-Lichterfelde  bezeichnet  in  hygienischer 
Beziehung  bei  der  Beleuchtung  erforderlich  Fortfall  von  Verbren¬ 
nungsprodukten,  möglichst  geringe  Wärmeentwicklung,  Gleichmässig- 
keit  in  der  Lichterzeugung  und  Lichtverteilung,  diesen  Forderungen 
kommt  das  elektrische  Glühlicht  vollkommen,  das  elektrische  Bogen¬ 
licht  in  hohem  Grade  nach. 

11.  Bedeutung  der  künstlichen  Ventilation. 

Baurat  F.  R  u  p  d  e  1  -  Hamburg:  Für  Krankensäle,  Versammlungs¬ 
räume,  Konzertsäle,  Theater,  Hörsäle,  Bureau-  und  Verwaltungsräume 
mit  vielen  Arbeitsstellen  usw..  in  welchen  die  Luft  in  besonderem 
Mass  einer  Verunreinigung  ausgesetzt  ist,  reicht  die  natürliche  Ven¬ 
tilation  mittels  Fensterlüftung  nicht  aus,  hier  muss,  um  eine  Beein¬ 
trächtigung  der  Gesundheit  zu  vermeiden,  künstliche  Ventilation  ver¬ 
langt  werden. 

Von  den  verschiedenen  Systemen  der  künstlichen  Ventilation 
kann  als  das  vollkommenste  die  P  u  1  s  i  o  n  s  -  oder  Drucklüftung 
angesehen  werden,  deren  Anlage  und  Betriebkosten  aber  auch  am 
grössten  sind.  Letztere  wachsen  überhaunt  mit  der  grösseren  Voll¬ 
kommenheit  der  Ventilationssysteme  und  können  wegen  ihrer  Höhe 
leicht  in  ein  Missverhältnis  zu  dem  hveienischen  Wert  kommen:  bei 
der  Wahl  eines  Systems  müssen  deshalb  alle  Verhältnisse  aufs  sorg¬ 
fältigste  abgewogen  werden. 

12.  Die  Ranchnlage  in  Grossstädten. 

Prof.  Max  Rubn  er- Berlin:  Unter  den  Ursachen  der  schlechten 
Beschaffenheit  der  Städteluft  nimmt  die  Russ-  und  Rauchentwicklung 
aus  Stein-  und  Braunkohlenbrand  die  erste  Stelle  ein.  Für  den  Grund 
dieser  Luftverunreinigung  ist  die  Menge  der  Kohle,  ihre  Beschaffen¬ 
heit  und  die  Verwendungsweise  massgebend.  Die  Menge  Russ  be¬ 
trägt  nach  vcrgenommenen  Messungen  in  Berlin  0,140  mg  pro  Kubik- 
rnet  ;r. 

Ferner  ist  in  der  Stadtluft  mehr  COs  vorhanden  als  in  der  Land¬ 
luft,  mehr  flüchtige,  verbrennliche  Kohlenstoffverbindungen,  mehr 
schweflige  und  salpetrige  Säure. 

Die  mit  Russ-  und  Rauchgasen  geschwängerte  Luft  kann  an  sich 
schädlich  auf  den  Menschen  wirken,  diese  Beimengungen  verändern 
aber  auch  sonst  die  physikalischen  Eigenschaften  der  Atmosphäre 
(Beeinträchtigung  der  Sonnenscheindauer,  grössere  Absorption  der 
Sonnenstrahlen,  Schädigung  des  Pflanzenwachstums)  und  bringen  da¬ 
durch  indirekt  vielseitige  gesundheitliche  Nachteile;  eine  Beseitigung 
dieser  Ucbelstände  durch  polizeiliche  Massnahmen  ist  deshalb 
notwendig. 

Dr.  A  s  c  h  e  r  -  Königsberg  i.  Pr.:  Die  Russ-  und  Rauchver- 
unremigung  erhöht  die  Sterblichkeit  an  Lungenkrankheiten.  Unter 
den  Kohlenarbeitern  des  Ruhrgebietes  ist  sie  dopDelt  so  hoch  als  unter 
den  gleichalterigen  Einwohnern  des  gesamten  Königreichs  Preussen, 
in  England  ist  sie  unter  Kohlenarbeitern,  Kohlenträgern,  Kaminkehrern 
und  Russhäiiidlern  um  ein  mehrfaches  höher  als  unter  den  Land¬ 
arbeitern.  Die  Tuberkulose  verläuft  in  den  Rauchgegenden  schneller; 
Experimente  an  Kaninchen  haben  die  obigen  Sätze  bestätigt. 

Die  Bekämpfung  des  Kohlenrauches  gehört  in  Kulturländern  zu 
CU:  v  ~ 11 1  igsten  hygienischen  Aufgaben  und  zur  Lösung  derselben 
emprichlt  sich  ein  internationales  Vorgehen. 


13.  Ueber  Strassenhygiene. 

Schottelius-  Freiburg  i.  B. :  Die  Aufgabe  der  Strassen- 
hygiene  besteht  in  der  Fürsorge  für  die  gesundheitliche  Sicherung 
des  Verkehrs  auf  den  Strassen  durch  zweckmässige  Strassenbefe- 
stigung,  Beseitigung  der  durch  den  Staub  entstehenden  wirtschaft¬ 
lichen  Unzuträglichkeiten  und  Schädigungen  der  Gesundheit,  sowie 
— -  bei  Neuanlagen  —  in  der  Beschaffung  ausreichender  Licht-  und 
Luftmengen  in  den  Strassen  der  Städte,  besonders  dringlich  ist  aber 
die  Bekämpfung  der  Staubplage,  weil  hiedurch  auch  noch 
eine  Verminderung  des  Staubes  in  den  Häusern  erzielt  wird. 

Zur  Bekämpfung  der  Staubplage  empfiehlt  sich  Belehrung  des 
Publikums  über  die  wirtschaftliche  und  gesundheitliche  Bedeutung 
des  Strassenstaubes,  technisch  richtige  Anlage  der  Strassen  und 
zweckentsprechende  Auswahl  des  Materials  für  die  Strassenbe- 
festigung,  rationelle  Reinigung  der  Strassen  und  staubfreie  Weg¬ 
schaffung  des  Strassenkehrichts  (Verwendung  von  Sauguppraten  zur' 
Beseitigung  des  Strassenstaubes,  regelmässige  ausgiebige  Be- 
sprengung  der  Strassen  mit  Wasser  oder  durch  Bindung  des  Staubes 
mittels  wasserlöslicher  Oele,  Teerung  oder  mit  asphaltischen  Stoffen). 

GugLielminotti  -  Monte  Carlo  und  Paris  berichtet  über  die 
günstigen  Erfolge  der  von  ihm  in  Monaco  1901  zuerst  in  Europa 
wissenschaftlich  und  offiziell  durchgeführten  Versuche  verschiedener 
Strassenimprägnierungen  und  speziell  der  Teerung.  —  Steinkohlen¬ 
teerung  verhärtet  die  Chausseestrasse  derart,  dass  sie  Asphaltstrassen 
ähnlich  sehen,  kein  Schlamm  bei  Regen,  wenig  Staub  im  Sommer. 
Voraussetzung  dieser  günstigen  Erfolge  ist,  dass  zu  Teerung  eine  gut 
erhaltene,  gut  gereinigte,  trockene  .Strasse  gewählt  und  nur  bei 
warmem  Wetter  geteert  wird.  Auf  1  Quadratmeter  rechnet  man  1200 
bis  1500  g  Teer,  d.  i.  Kostenaufwand  von  12 — 15  Zentimes. 

Bei  schwerem  Lastenverkehr  hält  allerdings  die  Teerung  nicht 
lange  an,  für  solche  Strassen  solle  aber  überhaupt  nicht  Makadam 
zur  Bedeckung  benützt  werden,  sondern  Asphalt-,  Holz-  oder 
Steinpflaster. 

Auf  guten  Strassen,  welche  nur  alle  3—4  Jahre  neu  eingedeckt 
werden,  hält  die  Teerung  6—8  Monate  und  verlängert  um  1—2  Jahre 
die  Dauer  der  Strasse. 

In  Städten  und  Kurorten  sollen  sich  Vereine  zur  Bekämpfung 
der  Staubplage  namentlich  auf  den  von  Automobilen  stark  be¬ 
fahrenen  Strassen  bilden. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vorn  18.  November  1907. 

Herr  Bleichröder  demonstriert  einen  abgestorbenen  Fötus 
im  6.  oder  7.  Monat  mit  unbekannter  Todesursache.  Die  Sektion  er¬ 
gab  eine  Verlagerung  des  Magens,  der  Milz  und  des  Dünndarms 
in  die  Brusthöhle,  also  eine  Hernia  diaphragmatica.  Ausserdem  fan¬ 
den  sich  ein  überzähliger  Ureter  und  eine  abnorme  Kommunikation 
beider  Nieren. 

Herr  Löwy  hält  diesen  Befund  nicht  für  genügend  zur  Erklä¬ 
rung  des  Todes.  Er  selbst  hat  vor  mehreren  Jahren  ein  Kind  mit 
Hernia  diaphragmatica  und  Eventration  vorgestellt,  das  erst  nach  der 
Geburt  starb. 

Herr  E.  Klebs  zeigt  eine  Ratte,  welche  vor  150  Tagen  tuber¬ 
kulöses  Sputum  inhaliert  hatte  und  dann  mit  K.s  Serum  behandelt  war. 

Die  Lunge  weist  keine  Veränderungen  auf,  dagegen  sind  die  BronchDl- 
driisen  stark  vergrössert,  das  Herz  ist  hypertrophisch,  es  besteht 
atrophische  Leberzirrhose. 

Herr  E.  Schlesinger:  Zur  Injektionsbehandlung  der 
Neuralgien. 

Die  echte  Neuralgie  ist  heute  immer  noch  eine  Erkrankung 
dunkler  Aetiologie,  sofern  nicht  Malaria  oder  Lues  vorliegt. 
Eine  neue  Gesichtspunkte  bietende  symptomatische  Behandlung 
hat  zuerst  C.  L.  Schleich  angegeben,  der  Kokain  in  die 
schmerzenden  Nerven  injizierte.  Später  übte  Lange  diese 
Methode  aus,  bis  man  einsah,  dass  es  weniger  auf  die  Qualität, 
des  eingespritzten  Mittels  als  auf  die  mechanische  Wirkung 
der  Injektion  ankommt  und  jetzt  Kochsalzlösung  oder  Oel 
injiziert.  Um  die  von  Schi  eich  beabsichtigte  Leitungs¬ 
unterbrechung  des  Nerven  zu  verstärken,  hat  man  auch  in 
den  Nervenstamm  selbst  injiziert  und  auch  Alkohol  dazu 
verwendet.  Bei  rein  sensiblen  Nerven  wie  z.  B.  dem  Trige¬ 
minus  ist  dies  berechtigt.  Bei  gemischten  Nerven  wie  z.  B. 
dem  Ischiadikus  kann  man  dadurch  Lähmungen  erzeugen. 
Dass  dies  nicht  öfter  eintritt,  liegt  daran,  dass  der  Nerv  aus¬ 
weicht.  Spritzt  man  nach  dem  Vorschlag  W.  Alexanders 
die  Flüssigkeiten  nicht  erwärmt  ein  in  die  Umgebung  des 
Nerven,  so  erhält  man  sofortige  Erfolge.  Noch  bessere  Re¬ 
sultate  will  Sch.  erzielt  haben  durch  tiefe  Abkühlung  der 
Injektionsflüssigkeit:  Er  injiziert  von  einer  Kochsalzlösung 
von  der  Temperatur  0°  bei  Ischias  10  ccm,  bei  Trigeminus- 


3.  Dezember  1907. _  MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT.  2451 


neuralgie  2  ccm  an  den  Schmerzpunkten.  Bei  chronischer 
Ischias  liegen  die  Schmerzpunkte  aber  nicht'  an  den  bisher 
angenommenen  Stellen,  sondern  viel  weiter  oberhalb  in  der 
Nähe  des  Trochanters  und  Darmbeinkammes,  da  hier  nicht 
mehr  der  Nerv  selbst,  sondern  das  Periost  und  die  kon¬ 
trahierte  Muskulatur  schmerzt.  Selbst  bei  hartnäckigen  Fällen 
erreicht  man  augenblicklich  Schmerzlosigkeit,  ohne  nachher 
nötig  zu  haben,  eine  unblutige  oder  blutige  Dehnung  vorzu¬ 
nehmen.  Tritt  später  wieder  Schmerz  auf,  so  genügt  eine 
nochmalige  Injektion,  um  diesen  dauernd  zu  beseitigen.  Auch 
bei  Diabetikern  waren  die  gleichen  Resultate  zu  erzielen, 
ebenso  bei  Gicht,  auf  deren  Grundlage  70Proz.  aller  Neuralgien 
fussen,  was  man  bisher  nicht  genügend  betont  hat.  Auch 
bei  akuter  Ischias  ist  die  Methode  anwendbar,  doch  sind 
erst  wenige  Fälle  so  behandelt.  Ebenso  günstig  wie  die 
Stovainsuprarenininiektionen  Rrause’s  bei  Supraorbital¬ 
neuralgie  wirkt  die  Methode  von  Sch.,  ferner  bei  Kokzy- 
godynie  und  den  Gürtelschmerzen  der  Tabiker. 

Herr  Peritz  glaubt,  dass  die  Temperatur  und  die  Substanz  der 
Injektionen  irrelevant  sind,  mit  Ausnahme  des  Alkohols,  der  gute 
Dienste  leistet,  falls  man  ihn  bei  Trigeminusneuralgie  ins  Foramen 
supra-  oder  infraorbitale  injiziert.  Die  chronische  Ischias  ist  überhaupt 
keine  Neuralgie  (nach  der  Definition  des  Vortragenden),  da  die  an¬ 
gegebenen  schmerzenden  Stellen  nicht  vom  Ischiadikus,  sondern  den 
Nn.  clunium  superiores  innerviert  werden.  Es  handelt  sich  um  My¬ 
algien,  die  durch  Anästhesierung  der  Haut  nicht  zu  treffen  sind,  son¬ 
dern  nur  durch  die  von  P.  eingeführten  tiefen  intramuskulären  Injek¬ 
tionen. 

Herr  Remak  warnt  auf  Grund  der  bei  experimenteller  Injek¬ 
tion  von  Aether  in  die  Nerven  beobachteten  Erscheinungen  vor  den 
Alkoholinjektionen. 

Herr  Kraus:  Die  Injektionsmethode  ist  eine  Wohltat  für  viele 
Kranke,  die  ins  Krankenhaus  kommen,  nachdem  alle  anderen  Behand¬ 
lungsmethoden,  besonders  die  physikalischen,  ohne  Erfolg  geblieben 
waren. 

Herr  Roshmann  weist  auf  die  Bedeutung  der  suggestiven 
Wirkung  des  Verfahrens  hin.  Vor  der  Exzision  .des  Nerven  bei  Tri¬ 
geminusneuralgie  ist  jedenfalls  die  Alkoholinjektion  zu  versuchen. 

Herr  W.  Alexander:  Die  Schmerzen  der  chronischen  Ischias 
rühren  von  der  Körperhaltung  des  Kranken  und  den  dadurch  ent¬ 
standenen  Muskelkontrakturen  her.  Durch  Injektion  in  diese  lähmt 
man  sie  und  der  Ausgleich  kann  stattfinden.  Die  Flüssigkeit  der  In¬ 
jektion  muss  geringere  als  Körpertemperatur  haben.  Er  halte  es  für 
unmöglich,  unter  Zimmertemperatur  zu  injizieren,  da  die  Flüssigkeit 
in  der  Spritze  diese  Temperatur  sofort  annimmt. 

Herr  B  r  i  e  ge  r:  Die  Erfolge  der  physikalischen  Behandlung  kön¬ 
nen  sich  mit  denen  der  Injektion  sehr  wohl  messen,  sobald  sie  nur 
richtig  angewandt  werden. 

Herr  Schlesinger:  Ob  man  die  Folgen  einer  akuten  Ischias 
als  chronische  Neuralgie  oder  als  Myalgie  bezeichnet,  ist  gleich.  Es 
kommt  nur  darauf  an,  den  Kranken  schmerzfrei  zu  machen.  Da  er 
mit  seinen  Injektionen  auskomme,  brauche  er  keine  tiefen  Injektionen 
zu  machen.  Jedenfalls  könne  er  eine  Nachprüfung  der  Methode  ver¬ 
langen. 

Herren  Kraus  und  Nicolai:  Ueber  die  Solidarität  der 
beiden  Herzhälften. 

Die  Solidarität  beider  Herzhälften,  d.  h.  die  gleichzeitige 
Aktion  des  linken  Vorhofs  mit  dem  rechten,  sowie  beider 
Ventrikel  war  seit  Einführung  der  graphischen  Methoden  an¬ 
genommen  worden.  Tatsächlich  kommt  aber  unter  Um¬ 
ständen  eine  Dissoziation  der  beiden  Ventrikel  vor ,  wie 
Redner  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  mit  den  neuen 
verbesserten  Elekrodiagrannnen  nachweist.  Es  gibt  nämlich 
Fälle,  bei  denen  die  Kontraktionszahl  der  Vorhöfe,  erkennbar 
durch  die  Zahl  der  Venenpulse  am  Halse,  zusammenfällt  mit 
der  des  linken  Ventrikels,  durch  den  Radialpuls  kontrolliert, 
oder  auch  der  des  rechten  Ventrikels,  was  nur  durch  die 
Elektrodiagrammatik  sichtbar  gemacht  werden  kann.  Die 
isolierte  Ventrikelkontraktion  auf  dem  Elektrodiagramm 
lässt  sich  studieren  entweder  durch  isolierte  Reizung  desselben 
beim  Tier  (Methode  des  Extrasystolen)  oder  durch  Ableitung 
von  einer  Körperhälfte  des  Menschen.  In  dieser  Weise  ist 
bei  einem  64  jährigen  Manne  durch  längere  Zeit  beobachtet 
worden,  wie  auf  2  Zusammenziehungen  der  Vorhöfe  und  der 
1.  Kammer  nur  eine  der  rechten  Kammer  kam.  Ebenso  wurde 
gefunden,  dass  bei  Mitralklappenfehlern,  Sklerose,  sowie  bei 
blossem  Infantilismus  trotz  regelmässiger  Schlagfolge  ein 
Ueberwiegen  der  1.  Kammerkontraktion  gegen  die  rechte 
stattfindet. 


Die  Feinheit  dieser  funktionellen  Herzdiagnosen  kann 
sich  an  Sicherheit  vollständig  messen  mit  der  pathologisch- 
anatomiscnen  Diagnose,  wenn  sie  diese  natürlich  auch  nicht 
ersetzen  kann,  und  wird  zu  einer  Lokalisation  der  Affektionen 
am  Herzen  führen,  wie  sie  jetzt  in  der  Neurologie  geübt  wird. 

Fritz  Koch. 

(Sitzung  vom  27.  November  1907,  siehe  Seite  2461.) 


Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Offizielles  Protokoll.) 

» 

Sitzung  vom  8.  Mai  1 907. 

Herr  Clemens:  Fall  von  hereditärer  Chorea. 

Bemerkenswert  ist,  dass  die  26  jährige  Patientin,  die  seit  2  Jahren 
mit  sehr  ausgeprägten  choreatischen  Erscheinungen  behaftet  ist,  noch 
bis  vor  kurzer  Zeit  gearbeitet  hat. 

Herr  Clemens:  Einige  neuere  Gesichtspunkte  in  der  diäte¬ 
tischen  Behandlung  der  Nierenkrankheiten. 

Der  Vortragende  bespricht  die  experimentellen  Grundlagen  und 
die  Indikationen  einer  chlorarmen  Kost  und  die  Frage  der  Beschrän¬ 
kung  der  Flüssigkeitszufuhr. 

Herr  Neck  demonstriert  a)  einen  wegen  diffusen  Korpus¬ 
karzinoms  exstirpierten  Uterus  und  einen  zweiten  Uterus,  welcher 
wegen  maligner  Adenombildung  entfernt  wurde.  Dazu  mikro¬ 
skopische  Präparate. 

b)  Weiter  stellt  Herr  Neck  einen  40jährigen  Lehrer  vor,  bei 
welchem  er  vor  einem  Jahr  wegen  Karzinom  das  rechte  Stimmband 
entfernt  hatte.  Nach  Unterminierung  der  Schleimhaut  wurde  die 
Kehlkopfschleimhautwunde  durch  Katgutnähte  geschlossen.  Der 
Operierte  hält  jetzt  täglich  6  Stunden  Unterricht.  Die  Stimme  ist  nur 
leicht  belegt.  An  Stelle  des  entfernten  Stimmbandes  wölbt  sich  eine 
kleine  Schleimhautfalte  bei  der  Phonation  im  Kehlkopfspiegelbild  vor. 

c)  Weiter  wird  ein  10  jähriger  Junge  vorgestellt,  bei  welchem 
sich  die  infolge  Eiterung  total  nekrotisch  gewordene  rechte  Tibia 
vom  Periost  aus  völlig  regeneriert  hat.  Der  Junge  geht  ohne  jede 
Störung. 

d)  Demonstration  eines  infolge  chronischer  Perityphlitis  völlig 
obliterierten  Wurmfortsatzes.  Die  Kranke  hatte  nie  einen  typischen 
Anfall,  aber  bei  Füllung  des  Zoekums  ständig  einen  dumpfen  Schmerz. 
Der  Wurmfortsatz  war  nach  hinten,  innen  und  oben  geschlagen  und 
an  der  Zoekumwand  festgewachsen.  Bei  der  Füllung  musste  das 
Zoekum  auf  dem  Wurmfortsatz  reiten.  Dadurch  wurden  dann  Be¬ 
schwerden  ausgelöst.  Seit  Entfernung  des  Wurmes  fühlt  sich  die 
Kranke  völlig  wohl. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

I.  Sitzung  vom  12.  Oktober  1907. 

Vorsitzender:  Herr  F.  FI  a  e  n  e  1. 

Demonstrationen: 

Herr  Rudolf  Panse  erklärt  Schläfebein  und  Kleinhirn  von 

folgendem  Fall. 

36  jähriger  Potator  mit  seit  20  Jahren  bestehender  Ohreiterung. 

15.  VIII.  Seit  14  Tagen  Schmerz  im  rechten  Ohr  und  Kopf,  seit 
8  Tagen  Schwindel.  Rechts  taub.  Kein  Schwindel  und  Nystagmus 
bei  Drehen,  Stehen,  Gehen,  Bücken  mit  geschlossenen  Augen  und 
warmen  und  kaltem  Ausspritzen.  Vergeblich  gestaut. 

16.  VIII  Freilegung  der  Mittelohrräume  zeigt  feste  Granulationen 
in  der  Stapesgegend  und  Antrum,  nirgends  Eiter  oder  Fistel.  Danach 
wechselnde  Schmerzen  und  Fieber  bis  38,5.  Puls  nie  unter  65. 
Stärkste  Kopfschmerzen.  Augenhintergrund  normal.  Ohr  heilt  nor¬ 
mal. 

25.  IX.  2  mal  trockene  Lumbalpunktion.  Nächsten  Nachmittag 
Koma,  Tod. 

Sektion:  starker  Hydrozephalus,  frische  und  alte  Blutungen, 
kirschgrosser  Kleinhirnabszess  mit  Porus  acusticus  int.  verwachsen. 
Kleinhirn  ins  Hinterhauptloch  hineingepresst,  Druckfurche,  dabei 
trockene  Lumbalpunktion.  Schläfebein  zerbricht  beim  Herausnehmen, 
sodass  der  Fazialis  heraushängt  und  die  Granulation  abreisst.  Das 
ovale  Fenster  steht  offen. 

Herr  Strubeil:  Beiträge  zur  Immunitätslehre  (über 
Opsonine).  (Der  Vortrag  ist  in  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
No.  44  erschienen.) 

Diskussion:  Herr  H.  Becker  fragt  nach  der  Möglichkeit 
der  Anwendung  der  Opsonierung  beim  Menschen,  da  doch  eine  grosse 
Unsicherheit  in  der  Dosierung  bestehe. 

Herr  Strub  eil  antwortet,  dass  jederzeit  die  Methode  beim 
Menschen  anwendbar  sei,  in  England  und  Amerika,  wie  eine  reich¬ 
haltige  Literatur  beweist,  auch  schon  oft  angewandt  worden  sei. 
Zuerst  findet  die  Bestimmung  des  opsonischen  Index  statt.  Dann 
impft  man  mit  der  Bakterienvakzine  und  kontrolliert  in  abgemessenen 
Intervallen  das  Steigen  oder  Fallen  des  opsonischen  Index.  Bei 
Tuberkulose  nimmt  man  das  Neutuberkulin  Koch. 

Man  beginnt  mit  V soo  Milligramm  und  beobachtet  das  Verhalten 
!  des  betreffenden  Patienten  und  den  Opsoningehalt  des  Blutes.  Ab- 


2452 


MUENCHENER  MEDI ZINISCHE  W ÖCHENSCH R  I  FT. 


No.  49. 


Beschlagenheit,  Kopfschmerz  etc.  treten  in  der  negativen  Phase  auf 
Fieberreaktion  soll  vermieden  werden.  Die  Misserfolge  Kochs  be- 
i  uhen  hauptsächlich  aut  der  zu  starken  Dosierung. 

Herr  Hans  Haenel  betont  die  vom  Vortragenden  selbst  er- 
.  ahnten  Schwierigkeiten  der  Feststellung  des  opsonischen  Index,  der 
häufigen  Schwankungen  bei  ein  und  demselben  Individuum  unter- 
schon  durch  äussere  Momente,  die  oft  srar  nicht  vermeidbar 
wären,  beeinflusst  würde,  z.  B.  durch  Perkussion  des  Thorax,  tiefe 
Inspiration,  wie  Vortragender  selbst  hervoreehoben  habe. 

Herr  G.  Schmor  1  erwähnt  einen  Fall  von  wirkungsvoller 
Opsomerung  bei  Furunkulose,  den  er  Gelegenheit  hatte  zu  sehen  In 
einem  2.  Falle  von  Furunkulose,  der  auch  von  demselben  Herrn,  einem 
ehemaliger  Schüler  W  rights  behandelt  wurde,  versagte  die  Opso- 
nierung  aber  völlig. 

Eine  Panazee  ist  also  die  Methode  nicht. 

Herr  S  t  r  u  b  e  1 1  antwortet  Herrn  Haenel,  dass  der  opsonische 
Index,  wie  er  in  seinem  Vortrage  bereits  hervorgehoben  habe,  nicht 
wesentlich  schwanke  beim  gesunden  Menschen,  schwankend  sei  er 
beim  Kranken  mit  allgemeiner  Infektion  infolge  der  reichen  Auto- 
Inokulationen.  Ein  Patient  mit  Lungenkarzinom  und  starker 
hthise  z.  B.  autoinokuliere  sich  selbst  fortwährend,  daher  die 
brüsken  Schwankungen  des  Index,  daher  die  Schwierigkeit,  ia  ev. 

nmöglichkeit  solchen  Kranken  mit  einer  Vakzinetherapie  zu  helfen. 
Diese  Therapie  darf  dann  nur  bei  strengster  Bettruhe  angewendet 
werden.  Er  beschreibt  die  Methode  der  Anwendung  näher.  Herrn 
Schmorl  erwidert,  er.  cDss  natürlich  nicht  für  alle  Fälle  die  Me- 
Mode  passe,  nichtfüralle  Infektionsträger  existieren 
Opsonine.  Eine  Panazee  sei  sie  selbstverständlich  nicht.  Immer¬ 
hin  sei  jeder  Erfolg  wertvoll. 


Fränkische  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Frauen¬ 
heilkunde 

(Offizielles  Protokoll.) 

XVII.  Sitzung;  Bamberg,  20.  Oktober  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Menge. 

Schriftführer:  Herr  Zacharias. 

Herr  Griinebaum  -  Bamberg :  Ueber  Scheiden-Varix- 
blutung  in  der  Schwangerschaft.  (Der  Vortrag  erscheint  in 
extenso  in  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  H  o  f  m  e  i  e  r  fragt  an.  ob  der  ganze  Varix 
im  ersten  Falle  nicht  dicker  wie  eine  Stricknadel  gewesen  sei. 

.  Heir  Griinebaum:  In  mortua  war  er  nicht  dicker,  in  viva 
wonl  sicher. 

P  hf^rr  H  o  f  m  e  i  e  r  hält  die  Beobachtung  für  eine  sehr  seltene 
selbst  "at  nur  einen  einzigen  Fall  von  tödlicher  Varixblntmi^  in 
Hessen  erlebt.  Der  Varix  befand  sich  an  den  äusseren  Geschlechts¬ 
teilen. 

Herr  Grünebaum  nimmt  an.  dass  der  intensive  Juckreiz  in 
'  er  Vagina,  an  dem  die  Patientin  litt,  sie  zum  Kratzen  veranlasste 
und  dass  dadurch  vielleicht  der  Varix  zum  Platzen  gebracht  wurde, 
in  extr amati  imonieller  Koitus  war  jedenfalls  auszuschliessen. 

Herr  Piltz  berichtet  unter  Demonstration  makroskopischer  und 
mikroskopischer  Präparate  iih-r  Gn-en  Fall  von  trauben- 
tormigem  Sarkom  des  Uterus.  Der  Tumor  ging  von  der  hinteren 
Zervixwand  aus  und  erwies  sich  als  Chondrosarkom.  Trotz¬ 
en!  eist  /^Wochen  seit  Beginn  der  Erkrankung  bezw.  seit  Auf¬ 
treten  von  Symptomen  verflossen  waren,  war  bereits  eine  Metastase 
u  e,nei  BeckenlymDhdrü.se  bei  der  abdominellen  Totalexstirpation 
rmch^uweisen.  Primäre  Heilung. 

Ausführliche  Veröffentlichung  erfolgt  anderen  Ortes. 

Herr  Zacharias  zeivt  2  kleinfaustgrosse  Oberflächenpaoillome 
nes  övariums,  die  von  einer  29  jährigen  Nullipara  stammen  und 

?'arAr  dagn-e"n !  ai  "  e  M  e  t  a  s  t  a  s  e  n  auf  dem  Peritoneum 

verursacht  hatten.  Die  Patientin  ging  an  Tetanus  zu  gründe. 

Ferner  berichtet  er  unter  Demonstration  der  dazu  gehörigen 
I  rapnrate  über  eine  40  jährige  IIT.  Para,  welche  vor  zwei  lahren 
-um  letzten  Male  entbunden  hatte  und  neuerdimos  7  Monate  amenor- 
j  misch  war.  Nach  4  Monate  dauernder  Amenorrhoe  trat  eine  leichte 

DlhelhGin^  Klfrstr0phe  (;i'V  seit  dieser  Zeit  bräunlicher  Ausfluss. 

beibefinden.  Abmagerung.  Die  Untersuchung  ergab  einen  ver¬ 
besserten,  etwa  faustgrossen  Uterus,  nicht  sehr  weich,  von  verschie- 

"Uss-d  ^bortion2’  V°n  V°ni  "aCh  hint€n  abffeühttet-  Diagnose: 

f.an7?!f?i^inlneen  peineriT  3  r  n  >  e  r  sehen  Blase  Spontangeburt  des 
4 •  O ,  *es:  Das  El  entspricht  etwa  dem  3.-4.  Monat.  Es  zeigt 
mWe  Blntschwarten  um  seine  Hüllen  und  zahlreiche  suhrhoriale 
namatome.  Fruchtwasser  war  noch  vorhanden.  Die  offenbar 
■mnz  nnh-eitm  abgestorbene  Frucht  war  Dlatfe-edriickt  und  17  mm. 

i  .  an  kn  .Augenpunkten  gut  erkennbar.  Die  Frau  war  mit  der' 
Diagnose  Extrauterinschwangerschaft  in  die  Klinik  gesandt  worden 

Ohrwurm  hp°'?"  n  df monstriert :  1.  einen  aus  der  Blase  entfernten 
> eTnen 'vttinYl  ^  ^  r,etlnifTrt  eine  Ostitis  hervorgerufen  hatte. 
Üifnunfn  4' Wnrüp  CXS^  "  6/o  U  erus  mit  Chorionepithelioma  ma- 
lignum.  4  Wochen  nach  der  Operation  Hess  sich  eine  Metastase 


Blase  (Demonstration  des  zysto- 


in  der  Sclieidenwand  und  in  der 
skopischen  Bildes)  feststellen. 

Herr  Menge  zeigt  einen  durch  Laparotomie  entfernten  extra- 
uterinen  Frucntsack,  der  ein  fast  ausgetragenes  lebendes  Kind’ent- 
halten  hat  und  ausschliesslich  aus  dem  rechten  Ovarium  gebildet  ist. 
Hechte  1  ube  zieht  schlank  bis  zum  offenen  abdominellen  Ende  über 
dem  1  iuc.it sack  hin.  Rechtes  Ovarium  nicht  nachweisbar.  Zwischen 
Fruchtsackwand  und  Uterus  spannt  sich  das  Ligamentum  ovarii 
proprium  aus.  Linke  Adnexe  gesund.  Eine  reine  Ovarial¬ 
schwangerschaft  mit  lebendem  Kinde  ist  an  sich  eine  grosse 
Seltenheit.  Der  Fall,  von  dem  das  Präparat  stammt,  wird 
aber  dadurch  noch  besonders  bemerkenswert,  dass  neben  dem  leben¬ 
den  extrauterineri  Fötus  auch  noch  ein  lebendes,  fast  ausgetra¬ 
genes  intrauterin  liegendes  Kind  vorhanden  war,  das  in  Kopf- 
age  spontan  geboren  wurde,  bevor  die  Laparotomie  zur  Ausführung 
kam,  ohne  dass  der  extrauterine  Eruchtsack  zerriss.  Die  Kreissende 
\var  vom  Arzt  mit  der  Diagnose:  Partus  mit  einem  durch  einen  Tumor 
gebildeten  Geburtshindernis  in  die  Klinik  geschickt  worden  und 
hatte  bei  ihrer  Aufnahme  eine  längere  Eisenbahnfahrt  hinter  sich. 
Die  operative  Entwicklung  des  extrauterinen  Kindes  und  die  Ent¬ 
fernung  des  Ovarialsackes  mit  der  Plazenta  bot.  obwohl  Verwach¬ 
sungen  Vorlagen,  keine  Schwierigkeiten.  Die  Kreissende  hat  so  gut 
wie  kein  Blut  verloren.  Mutter  und  Kinder,  die  beide  an  der  Mutter¬ 
brust  trinken,  sind  wohlauf. 

Herr  Hofmeier:  Ueber  die  Beziehungen  der  Mvome 
zur  Sterilität. 


Durch  neuere,  eigene  Beobachtungen  und  durch  den 
Widerspruch  veranlasst,  den  seine  früheren,  mehrfach  schon 
dargelegten  Ansichten  über  die  Beziehungen  der  Myome  zur 
Sterilität  in  der  Bearbeitung  des  betreffenden  Kapitels  durch 
O  Ishause  n  (Veits  Handbuch,  II.  Aufl.)  und  Wertheim 
(Winckels  Handbuch,  Bd.  II)  gefunden  haben,  hat  H.  von  Neuem 
das  Material  der  Klinik  und  seiner  Privatkranken  durcharbeiten 
lassen,  um  die  einschlägigen  Fragen  zu  klären.  Das  Material 
umfasst  jetzt  im  Ganzen  946  Fälle  von  Myomen.  Von  diesen 
Kranken  waren  205  =  21,6  Proz.  unverheiratet,  von  den  Ver¬ 
heirateten  waren  192  =  25,9  Proz.  steril  verheiratet.  Die 
durchschnittliche  Schwangerschaftszahl  derjenigen,  die  ge¬ 
boten  hatten,  betrug  3,67,  blieb  also  unter  der  durchschnitt¬ 
lichen  ehelichen  Fruchtbarkeit  (4,5)  in  Deutschland  um  1  zurück. 
Diese  Verminderung  der  Fertilität  ist  auf  grosse  Anzahl  von 
,, Einkind  Sterilität  zurückzuführen.  Es  befanden  sich  unter  den 
fiuchtbaren  Frauen  dieser  Art  106,  die  nur  einmal  schwanger 
gewesen  waien.  Nach  Abzug  dieser  Frauen  ist  die  Fertilität 
dei  übrigen  durchaus  nicht  vermindert.  Sie  beträgt  bei  423 
Frauen  4,45.  Um  die  Frage  zu  prüfen,  wie  weit  denn  die  fest¬ 
gestellten  Myome  an  der  primären  oder  sekundären  Sterilität 
die  Schuld  tragen,  wurden  (wie  früher)  das  durchschnittliche 
Alter  und  die  durchschnittliche  Dauer  der  sterilen  Fhen  fest¬ 
gestellt:  das  erstere  betrug  bei  den  primär  Sterilen  40,75,  bei 
den  sekundär  Sterilen  41,8  Jahre,  die  letzteren  14,5  und  15,25 
Jahie.  Das  Resultat  ist  also  für  beide  Kategorien  von  Frauen 
genau  das  Gleiche,  nämlich,  dass  sie  vom  26.  Lebensjahre  an 
verheiratet,  steril  geblieben  sind  oder  dass  sie  nach  einer 
bereits  vorher  erfolgten  Geburt  von  dieser  Zeit  an  steril  ge¬ 
bheben  sind.  Bei  der  Seltenheit  des  Auftretens  der  Fibrome 
vor  dem  26.  Lebensjahre  wird  man  ohne  weiteres  sagen 
können,  dass  bei  diesen  zahlreichen  -Frauen  die  Fibrome  nicht 
die  Ursache  dei  Sterilität  gewesen  sein  können,  auch  nicht 
bei  denjenigen  Frauen,  die  in  der  ersten  Zeit  ihrer  Ehe  bereits 
einmal  konzipieit  hatten.  Denn  da  die  erste  Schwangerschaft 
schon  vor  das  26.  Lebensjahr  fallen  würde  und  zu  dieser  Zeit 
jedenfalls  dei  Uterus  noch  als  normal  und  gesund  angesehen 
werden  muss,  andererseits  Myome  sich  doch  nicht  so  schnell 
entwickeln  und  die  zweite  Schwangerschaft  der  ersten  bei 
sonst  gesundem  Genitalapparate  in  der  Regel  in  den  nächsten 
Jahren  zu  folgen  pflegt,  so  muss  es  auch  hier  höchst  unwahr¬ 
scheinlich  erscheinen,  dass  die  so  viel  später  beobachteten  und 
ganz  symptomlos  entwickelten  Myome  die  Ursache  der  Ste- 
1  ilität  gewesen  sind.  Die  Tatsache  nun,  dass  von  der  Gesamt¬ 
zahl  der  946  myomkranken  Frauen  396  gar  nicht  und  106  nur 
einmal  konzipiert  haben,  im  Ganzen  also  502  d.  h.  mehr  wie 
50  Proz.  gar  nicht  oder  nur  einmal  schwanger  wraren,  ist  so 
auffallend,  dass  sie  gewiss  nicht  zufällig  sein  kann.  Der  Vor¬ 
tragende  sieht  die  einzig  hierfür  zulässige  Erklärung  darin,  dass 
der  Ausfall  der  physiologischen  Funktion  des  Uterus,  wenn 
nicht  die  Entstehung,  so  doch  die  Entwicklung  der  Fibrome 
begünstige.  Die  auffallende  Häufigkeit,  mit  welcher  gerade 
m\ omkianke  Frauen  in  sehr  späten  Lebensjahren  noch  kon- 


3.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2453 


zipieren,  spricht  sogar  dafür,  dass  bei  ihnen  die  physiologische 
Funktion  der  Generationsorgane  länger  erhalten  bleibt,  wie 
bei  anderen  Frauen.  Die  Komplikation  von  Schwangerschaft  , 
mit  Myom  wurde  im  Ganzen  54  mal  d.  h.  in  6  Proz.  der  Fälle 
beobachtet. 

Diskussion:  Herr  G  r  ii  n  b  a  u  m  -  Nürnberg  hat  eine 

48  jährige  Frau  operiert,  -die  ein  kindskopfgrosses  Myom  besass  und 
20  mal  geboren  hatte. 

Herr  R  o  se  n  f  e  1  d  -  Nürnberg  berichtet,  dass  er  nach  der  Ge¬ 
burt  eines  Kindes  vom  behandelnden  Arzte  zu  der  Entwicklung  eines 
angeblich  vorhandenen  2.  Kindes  gerufen  wurde.  Es  handelte  sich 
jedoch  um  ein  submuköses  Myom.  Das  Wochenbett  war'  fieberhaft. 
Ausstossung  eines  nekrotischen  Myoms.  Offenbar  war  bei  der 
„Blasensprengung'1  eine  Verletzung  am  Myom  gesetzt  worden. 

Herr  Menge  bestreitet  die  Möglichkeit,  dass  bestehende 
Myome  sich  in  der  Gravidität  und  im  Wochenbett  zurückbilden  und 
dass  deshalb  alte  Jungfern  besonders  häufig  Myome  haben,  durchaus 
nicht.  Gar  nicht  so  selten  kommen  aber  auch  junge  Frauen,  die 
Myome  haben  und  einige  Jahre  steril  verheiratet  sind,  in  die  Sprech¬ 
stunde  ihrer  Sterilität  wegen.  Er  erinnert  sich  dabei  einer  jungen 
Frau,  die  längere  Zeit  steril  verheiratet  war  und  zahlreiche  Myome 
im  Uterus  hatte.  8  Myome  wurden  abdominell  enukleiert.  Ys  Jahr 
nachher  wurde  die  Frau  schwanger  und  gebar  dann  ein  ausgetragenes 
Kind.  (Der  Fall  ist  von  Glöckner  näher  beschrieben  worden;  conf. 
Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1907,  No.  5,  S.  156).  Bezüglich  der  sekundären 
Sterilität  bei  Myom  glaubt  er,  dass  Adnexerkrankungen,  perimetrische 
Prozesse  daran  schuld  sind. 

Herr  Hofmeier:  Verminderte  Sterilität  besteht  bei  Myom¬ 
kranken,  aber  nur  bei  denen  mit  Einkindersterilität,  bei  den  anderen 
nicht.  Von  welchen  Kleinigkeiten  eine  Sterilität  manchmal  abhängen 
kann,  ist  aus  folgendem  Fall  ersichtlich.  Eine  35  jährige  Frau  war 
15  Jahre  steril  verheiratet  und  wollte  nun  ein  Kind  adoptieren.  Dazu 
brauchte  sie  ein  Zeugnis,  dass  sie  nicht  mehr  gebären  würde.  Die 
Genitalien  waren  normal,  ebenso  das  Sperma  des  Mannes.  Nach 
einer  Uterussondierung  wurde  die  Frau  schwanger. 

Herr  Zacharias:  Zwei  mit  Antitoxin  „Höchst“  be¬ 
handelte  Fälle  von  Tetanus  nach  gynäkologischen  Operationen. 

(Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  in  dieser  Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Menge  möchte  wissen,  ob  die  beiden 
Herren,  die  bei  der  Operation  der  Patientinnen,  die  an  Tetanus  er¬ 
krankten,  beteiligt  waren,  auch  in  den  10  Tagen  zwischen  diesen 
beiden  Operationen  in  der  Klinik  mit  operiert  haben. 

Herr  Zacharias  will  sich  hierüber  noch  informieren.*) 

Die  nächste  Sitzung  soll  im  Januar  1908  in  Nürnberg  stattfinden. 


Aerztiicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ausserordentliche  Sitzung  am  9.  Sept.  1907, 
abends  7  Uhr,  im  Hörsaal  der  Senckenbergischen  Bibliothek. 

Vorsitzender:  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer ;  Herr  S  e  1  i  g  m  a  n  n. 

Protokollverlesung. 

Vorschlag  des  Gesamtvorstandes:  Erlass  einer  Bekanntmachung 
betr.  Erhöhung  der  Honorarsätze. 

Herr  Jul.  Schmidt  hat  an  den  Vorstand  ein  Schreiben  ge¬ 
richtet,  worin  der  Erlass  einer  solchen  Bekanntmachung  angeregt 
und  auf  die  beigelegte  Annonce  der  Aerzte  zu  Mainz  verwiesen  wird. 
Nach  eingehender  Diskussion  wird  ein  Antrag  des  Herrn  Eier- 
mann,  der  eine  häufige  Wiederholung  der  Bekanntmachung,  ein 
Verpflicbturigsschreiben  auf  Einhaltung  bestimmter  Sätze  und  Aus¬ 
hang  letzterer  im  Wartezimmer  verlangt,  abgelehnt  und  der  drei¬ 
malige  Erlass  folgender  Bekanntmachung  in  den  hervorragendsten 
Zeitungen  der  Stadt  beschlossen,  sowie  eine  redaktionelle  Notiz  zum 
Hinweis  auf  die  im  Annoncenteil  erscheinende  Bekanntmachung  den 
Zeitungen  als  Wunsch  des  Vereins  beigefügt,  wie  folgt: 

a)  Bekanntmachung. 

Aerztiicher  Verein  Frankfurt  a.  M. 

i  „ 

Der  Aerztliche  Verein  zu  Frankfurt  a.  M.  gibt  folgendes  bekannt: 

Die  bisherigen  Honorarsätze  in  der  Privatpraxis  erfahren  eine 
angemessene  Erhöhung  entsprechend  den  gesteigerten  Ansprüchen 
der  Lebensführung  und  in  Uebereinstimmung  mit  _dem  Vorgehen  der 
ärztlichen  Vereine  in  anderen  grossen  Städten. 

Telephonische  Konsultationen  werden  berechnet  wie  Konsul¬ 
tationen  in  der  Sprechstunde. 

Für  die  Nachtbesuche  in  der  Zeit  von  9  Uhr  abends  bis  7  Uhr 
morgens,  sowie  für  solche  Besuche,  welche  am  Tage  auf  Verlangen 
des  Kranken  oder  seiner  Angehörigen  sofort  oder  zu  einer  bestimmten 
Stunde  gemacht  werden,  sieht  die  Gebührenordnung  erhöhte 
Sätze  vor. 


*)  Beide  Herren  waren  in  der  Zwischenzeit,  in  der  14  Opera¬ 
tionen  ausgeführt  wurden,  mehrfach  an  diesen  beteiligt. 


Erhöhte  Sätze  sollen  ferner  eintreten  für  Besuche  und  Konsul¬ 
tationen,  welche  an  Sonn-  und  Feiertag  Nachmittagen  verlangt  werden. 

Bei  jeder  Erkrankung  wird  die  erste  Untersuchung  doppelt  be¬ 
rechnet. 

Werden  mehrere  zu  einer  Familie  gehörende  und  in  derselben 
Wohnung  befindliche  Kranke  bei  einem  Besuche  des  Arztes  be¬ 
handelt,  so  wird  für  eine  Person  ein  Besuch,  für  jede  weitere  die 
Hälfte  der  Besuchsgebühr  berechnet. 

b)  Redaktionelle  Notiz: 

Wie  aus  dem  Annoncenteil  ersichtlich,  hat  der  hiesige  ärztliche 
Verein  nach  dem  Beispiele  anderer  Vereinigungen  in  Grossstädten  in 
seiner  letzten  Sitzung  den  Beschluss  gefasst,  eine  zeitgemässe  Er¬ 
höhung  der  Honorare  in  der  Privatpraxis  —  sowohl  für  Beratungen 
in  der  Sprechstunde,  Besuche  im  Hause  des  Kranken,  als  auch  für 
spezialärztliche  Bemühungen  —  eintreten  zu  lassen. 

Insbesondere  hat  der  Verein  es  für  nötig  gehalten,  höhere  Sätze 
für  ärztliche  Inanspruchnahme  ausserhalb  der  üblichen  Tageseintei¬ 
lung  aufzustellen,  d.  h.  für  Beratungen  ausserhalb  der  Sprechstunde 
und  für  solche  Besuche,  die  von  den  Patienten  sofort  oder  zu  einer 
bestimmten  Stunde  des  Tages  oder  nach  morgens  9  Uhr  und  nach 
Schluss  der  Nachmittagssprechstunde  verlangt  werden.  Die  immer 
mehr  sich  ausdehnende  Grossstadt  und  die  dadurch  geschaffenen 
grösseren  Entfernungen  lassen  es  wohl  begründet  erscheinen,  dass 
solche  ausser  der  täglichen  „Besuchstour“  gewünschte  Besuche  ihres 
für  sie  erforderlichen  Zeitaufwandes  wegen  auch  höher  angerechnet 
werden.  Die  tägliche  Erfahrung  lehrt  überdies,  dass  nur  ein  ver¬ 
schwindender  Bruchteil  dieser  Extrabesuche  in  dem  Zustand  des 
Erkrankten  eine  wirkliche  Begründung  findet,  und  dass  durch  eine 
solche  unnötige  Aenderung  der  Besuchseinteilung  des  Arztes  andere 
Kranke  hintanstehen  müssen.  Die  rechtzeitige  Anmeldung  von  ge¬ 
wünschten  Besuchen,  auch  wenn  sie  nicht  dringend  sind,  liegt  also 
im  Interesse  einer  geordneten  Versorgung  der  Kranken. 

Bestellungen  und  Beratungen  an  Sonn-  und  Feiertagen,  besonders 
Besuche  am  Sonntag  Nachmittag  - —  selbstverständlich  von  plötzlichen 
Erkrankungen  abgesehen  —  nach  Möglichkeit  zu  umgehen,  ist  ein 
berechtigter  und  sicherlich  dem  Publikum  einleuchtender  Wunsch  der 
Aerzte. 

Ersuchen  des  Verbandes  für  freie  Arztwahl  betr.  die  Einführung 
der  freien  Arztwahl  in  der  Armenpflege. 

Die  Kommission  der  vereinigten  Krankenkassen  unterstützt  vom 
Aerzteverband  wünschen  die  Einführung  der  freien  Arztwahl  in 
der  Armenpflege  und  sucht  der  Verband  hiezu  die  Unterstützung 
des  Vereins  nach.  Es  wird  beschlossen,  dass  sich  der  Verein  den 
Wunsch  des  Aerzteverbandes  zu  eigen  macht  und  mit  den  Motiven 
der  Stadtverordnetenversammlung  zugehen  lässt.  Herr  K  i  r  c  h  - 
heim  übernimmt  persönlich  die  Uebermittelung. 

Bitte  des  Aerzteverbands,  die  bevorstehende  Eröffnung  des  Neu¬ 
baus  des  katholischen  Krankenhauses  betr.  Der  Verband  ersucht 
um  einen  Vereinsbeschluss,  die  Einführung  der  freien  Arztwahl  in 
der  III.  Klasse  dieses  Krankenhauses  bei  der  Verwaltung  nachzu¬ 
suchen.  Der  Antrag  des  Herrn  Eiermann,  in  diesem  Sinne  bei 
der  Verwaltung  vorstellig  zu  werden,  wird  mit  20  gegen  11  Stimmen 
angenommen.  Ein  im  Laufe  der  Diskussion  eingegangener  Antrag  des 
Herrn  Hey  der:  Der  Aerztliche  Verein  beschliesst,  den  Aerztever- 
bandsvorstand  zu  ersuchen,  mit  allen  Mitteln  dahin  zu  wirken,  dass 
möglichst  bald  seitens  der  städtischen  Krankenanstalten  versuchs¬ 
weise  2  Säle  zur  Verfügung  gestellt  werden,  in  welchen  Kranke 
III.  Klasse  nach  dem  System  der  freien  Arztwahl  durch  die  Aerzte 
ihres  Vertrauens  behandelt  werden  können,  wird  als  Material  dem 
Aerzteverband  überwiesen. 


Verein  der  Aerzte  in  Halle  a.  S 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  30.  Oktober  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Veit. 

Schriftführer :  Herr  Herschel. 

Herr  Schwartze  wird  anlässlich  seines  70.  Geburts¬ 
tages  zum  Ehrenmitglied  erwählt. 

An  Stelle  des  nach  Berlin  übergesiedelten  Herrn  Sobe  rn- 
h  e  i  m  wird  Herr  S  t  i  e  d  a  zum  2.  stellvertretenden  Vor¬ 
sitzenden  gewählt. 

Herr  Schmidt:  Erfahrungen  mit  dem  künstlichen 
Pneumothorax  bei  Tuberkulose,  Bronchiektasen  und  Aspira¬ 
tionserkrankungen.  (Der  Vortrag  befindet  sich  unter  den 
Originalien  in  dieser  Nummer.) 

Diskussion:  Herr  Winternitz  teilt  mit,  dass  er  in  der 
Lage  sei,  einen  unfreiwilligen  Beitrag  zur  Frage  der  Einwirkung 
eines  Pneumothorax  auf  tuberkulöse  Lungenprozesse  zu  liefern.  Er 
hat  bei  einem  Patienten  mit  linksseitiger  Spitzeninfiltration  und  mittel¬ 
grossem  pleuritischen  Exsudat  die  Pleurapunktion  vorgenomrnen  und 
dieselbe  nach  acht  Tagen,  als  sich  das  Exsudat  rasch  erneuerte, 
wiederholt.  Dabei  entstand  nach  Beendigung  der  Punktion  durch 
einen  technischen  Fehler  ein  äusserer  Pneumothorax,  der,  wie  des 
Näheren  dargelegt  wird,  innerhalb  vier  Wochen  vollständig  resorbiert 


24n4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


wurde  und  einen  durchaus  günstigen  Einfluss  auf  den  weiteren  Ver¬ 
lauf  des  tuberkulösen  Lungenprozesses  zu  nehmen  schien. 

Herr  v.  Bramann  schlägt  vor,  bei  Bronchiektasen  die  von 
Lenhartz  empfohlene  Operation  zu  versuchen. 

Herr  S  t  r  u  b  e  fragt,  ob  der  Druck  im  Pleuraraum  manometrisch 
gemessen  sei;  er  verspricht  sich  vom  künstlichen  Pneumothorax  Er¬ 
folg  bei  Lungenblutung. 

Herr  Käthe  spricht  seine  Bedenken  aus  gegenüber  der  vom 
Vortragenden  betonten  Ungefährlichkeit  des  kleinen  operativen  Ein¬ 
griffes.  Herr  Schmidt  glaubt,  dass  bei  bestehenden  Verwach¬ 
sungen  der  Pleurablätter  nicht  .selten  die  Lunge  angebohrt  wird  und 
beim  Einleiten  des  Gases  dieses  ins  Lungengewebe  gelangt,  oder 
sogleich  durch  eröffnete  Alveolen  bezw.  Bronchien  ausströmen  kann, 
ohne  weiteren  Schaden  anzurichten.  Dies  ist  der  günstige  Ausgang, 
dej  jedoch  a  priori  keineswegs  für  alle  Fälle  angenommen  werden 
dai f.  Das  (ias  kann  sich  auch,  zumal  es  unter  einem  gewissen 
I  »jucke  einströmt,  im  interstitiellen  Gewebe  ausbreiten,  ein  inter¬ 
stitielles  Emphysem  verursachen,  das  sich  ins  Mediastinum  fortsetzt 
und  schliesslich  zu  einer  Kompression  der  Trachea  und  zur  Ver¬ 
legung  der  Glottis  zu  führen  vermag. 

Weiterhin  fragt  K.  den  Vortragenden,  ob  Beobachtungen  da¬ 
rüber  bestehen,  wie  sich  Lungen  nach  Aufhebung  eines  monatelang 
künstlich  unterhaltenem  Pneumothorax  verhalten,  ob  sie  sich  wieder 
auszudehnen  und  so  ihre  physiologischen  Funktionen  wenigstens  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  zu  übernehmen  vermögen  oder  ob  sie  dau¬ 
ernd  atelektatisch  bleiben.  Letzteres  ist  in  Analogie  zu  anderen 
krankhaften  Prozessen,  die  eine  Aufhebung  des  negativen  Druckes 
bezw.  das  Auftreten  eines  Ueberdruckes  im  Pleuraraum  bedingen, 
anzunehmen.  Bestehen  nämlich  derartige  Bedingungen  einige  Zeit,’ 
z.  B.  infolge  eines  pleuritischen  Ergusses,  überhaupt  eines  raum- 
\ei  mindernden  Momentes  innerhalb  des  Thorax,  die  zu  einer  völligen 
Kompressionsatelektase  geführt  haben,  so  verlieren  die  nunmehr  auf¬ 
einander  liegenden  Alveolarwände  ihr  Epithel  und  verwachsen  mit¬ 
einander.  Die  einsetzende  diffuse  bindegewebige  Wucherung  führt 
schliesslich  zu  ausgedehnter  Narbenbildung,  zur  Kollapsinduration. 
Zwar  treten  in  diesem  Narbengewebe,  ausgehend  von  Bronchen  oder 
erhalten  gebliebenen  Alveolen,  regenerative  Prozesse  des  Epithels 
aui,  die  im  mikroskopischen  Bilde  meist  als  drüsenartige  Bildungen 
mit  kubischem  bis  zylindrischem  Epithel  erscheinen.  Jedoch  sind  sie 
aui  Grund  diesei  Beschaffenneit  des  Epithels  und  auf  Grund  ihres 
anders  gearteten  Verhaltens  zu  den  umgebenden  Blutgefässen  nicht 
imstande,  funktionell  die  ursprünglichen  Alveolen  zu  ersetzen. 

In  Rücksicht  auf  die  Kollapsinduration  als  wahrscheinliche  Folge 
auf  diese  schwere  anatomische  Strukturveränderung,  die  einer  gänz- 
liehen  Ausschaltung  der  einen  Lungenhälfte  von  der  Atmung  gleich- 
bedeutend  ist,  muss  naturgemäss  eine  besonders  strenge  Indikation 
für  die  Einleitung  des  künstlichen  Pneumothorax  verlangt  werden. 

Herr  Ad.  Schmidt  (Schlusswort) :  Herrn  S  t  r  u  b  e  gebe  ich 
durchaus  recht,  wenn  er  eine  manometrische  Messung  der  in  den 
Pleuraraum  gepressten  Luft  verlangt;  man  macht  dies  zweckmässig 
so,  dass  man  seitlich  an  die  Gasleitung  ein  kleines  Wasser-  oder 
(J u e c ksi  1  b e r m anometer  anschliesst.  Bei  Lungenblutungen  ist  der 
künstliche  Pneumothorax  vielfach  mit  Erfolg  angelegt  worden  (Tuf- 
1 1  er,  S  che  1 1,  L  o  n  u  s),  doch  darf  man  nicht  vergessen,  dass  wir 
vielfach  nicht  wissen,  aus  weicher  Lunge  die  Blutung  stammt.  Voraus¬ 
setzung  einer  günstigen  Wirkung  bei  Hämoptoe  ist  ferner,  dass  die 
Pleui ablätter  nicht  verwachsen  sind.  Herrn  Käthe  erwidere  ich 
dass  wir  zurzeit  noch  keine  Erfahrungen  darüber  haben,  ob  nach  lang- 
dauernder  Lungenkompression  eine  Induration  der  Lunge  eintritt* 

. ie ,.,a- hrscheinlichikeit.  spricht  dafür.  Ein  interstitielles  Emphysem 
!f.  %Lsher  b.ei  den  Infusionen  noch  nicht  vorgekommen.  Was  endlich 
die  Bronchiektasentherapie  betrifft,  so  stehe  ich  ganz  auf  dem  chi¬ 
rurgischen  Standpunkt,  glaube  aber,  dass  ausgedehnte  Rippenresek¬ 
tionen,  zumal  in  der  Jugend,  im  allgemeinen  grössere  Erfolge  ver¬ 
sprechen  als  die  Eröffnung  der  bronchiektatischen  Höhlen  selbst. 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  12.  November  1907 
gemeinsam  mit  der  Jahresversammlung  des  Vereins  der 
Aerzte  in  den  deutschen  Nordseebädern. 
Vorsitzender:  .Herr  K  ü  m  m  e  1 1. 

(Schluss.) 

Vortrag  des  Herrn  N  i  k  o  1  a  s  -  Westerland-Sylt: 

W  interkuren  an  der  Nordsee. 

In  dem  durch  eine  grosse  Zahl  von  Tabellen  illustrierten 
Vortrage  werden  vor  allem  2  Punkte  behandelt:  1.  Ist  das 
Klima  für  eine  Winterkur  geeignet?  2.  Sind  die  hygienischen 
und  sonstigen  Einrichtungen  derartig,  dass  sie  den  Ansprüchen 
und  Lebensbedürfnissen  von  gebildeten  Kurgästen  entsprechen? 
Heide  Fragen  sind  zu  bejahen.  Es  ist  vor  allem  der  Ansicht 
entgegenzutreten,  als  ob  der  Winter  an  der  Nordsee  besonders 
rauh  und  kalt  sei.  Im  Gegenteil  weisen  die  Nordseebäder  im 
W'mter  die  geringsten  Kälteerscheinungen  auf.  Hervorzuheben 


ist  die  geringe  Zahl  der  Schneetage,  der  Stürme,  der  Nebel, 
überhaupt  die  auffallende  Milde  des  Klimas,  die  sich  auch  in 
der  Vegetation  dokumentiert.  Dabei  ist  die  Luft  bakteriologisch 
rein,  besonders  bei  Seewind.  Diese  Keimfreiheit  ist  besonders 
wertvoll  für  Katarrhkranke.  Bekannt  ist,  dass  das  Heuasthma, 
das  Bronchialasthma  und  das  Katarrhalstadium  des  Keuch¬ 
hustens  bei  Seewind  rasch  verschwinden.  Ostwind  macht  ge¬ 
legentlich  Rezidive. 

Auch  in  hygienischer  Beziehung  stehen  die  meisten  Bäder 
auf  der  Höhe,  insofern  als  sie  Wasserleitung,  Kanalisation, 
Krankenhäuser  und  Isolierhäuser,  Desinfektionsapparate,  kom¬ 
munale  Elektrizitätswerke  etc.  haben.  In  gesellschaftlicher  Be¬ 
ziehung  werden  die  grössten  Anstrengungen  gemacht,  den ' 
Winterkurgästen  den  Aufenthalt  so  sympathisch  wie  möglich  zu 
gestalten.  Redner  wünscht,  dass  Aerzte  und  Laien  erfahren 
sollen,  welche  ungeheueren  Schätze  in  Bezug  auf  Stählung  und 
Kräftigung  von  Körper  und  Geist,  ebenso  wie  in  Bezug  auf 
Verhütung  und  Heilung  von  Krankheiten  uns  an  den  Küsten  und 
insbesondere  auf  den  Inseln  unserer  Nordsee  das  ganze 
Jahr  zu  Gebote  stehen. 

Vortrag  des  Herrn  Kok -Borkum:  Klinische  Er¬ 
fahrungen. 

Die  Frage,  welche  Fälle  eignen  sich  zu  einer  Winterkur 
an  der  Nordsee,  ist  dahin  zu  beantworten,  dass  alle  die  Krank¬ 
heiten,  die  im  Sommer  mit  Erfolg  an  die  Nordsee  gesandt 
werden,  auch  im  Winter  dort  Heilung  finden.  Redner  geht  kurz 
die  einzelnen  Kategorien  durch:  1.  Erkrankungen  der  Atmungs¬ 
organe;  hierbei  bespricht  er  die  Therapie  des  Asthmas,  die  ge¬ 
radezu  glänzende  Erfolge  verspricht,  wenn  sie  nicht  zu  früh  ab¬ 
gebrochen  wird.  2.  Blut-  und  Stoffwechselerkrankungen:  An¬ 
ämie,  Chlorose,  Hinweis  auf  die  günstigen  Resultate  beim  chro¬ 
nischen  Ekzem.  3.  Nervöse  Erkrankungen:  Neurosen,  Hysterie, 
Neurasthenie.  Schliesslich  bespricht  Vortragender  noch  die  Er¬ 
folge  bei  der  Tuberkulose. 

Diskussion:  Herr  T  r  e  p  1  i  n  -  Sahlenburg  bestätigt  die 
meteorologischen  Beobachtungen,  auf  denen  Herrn  Nicolas  Aus- 
fiih ru ngen  beruhen.  Obwohl  der  letzte  Winter  einer  der  strengsten 
wai,  »die  je  beobachtet  wurden,  war  die  Zahl  der  Tage,  in  denen  ein 
Aufenthalt  im  Freien  unerquicklich  gewesen  wäre,  nur  sehr  klein. 
Das  Wirksame  in  der  Behandlung  der  Tuberkulose  (offene  chirur¬ 
gische  Tuberkulosen  und  Bronchialdrüsentuberkulose)  ist  die  See¬ 
luft,  nicht  das  Seebad.  Seine  Erfahrungen  bei  100  Kindern,  die 
in  der  Nordheimstiftung  überwinterten,  sind  sehr  güte.  Die 
Erfolge  im  Winter  sind  ebenso  gut,  wie  im  Sommer.  —  Was  das 
Asthma  anbelangt,  so  ist  ein  vierteljähriger  Kuraufenthalt  nicht  im¬ 
stande,  dauernde  Heilung  zu  bringen.  Kamen  die  Kinder  nach 
/4  Jahr  nach  Hamburg  zurück,  so  trat  das  Asthma  wieder  auf. 

Herr  Gmelin-  Wyk  a/Foer  möchte  besonders  auf  die  Zunahme 
der  roten  Blutkörperchen  und  des  Hämoglobingehaltes  hinweisen. 
Asthmatiker  müssen  viel  länger  an  der  See  bleiben,  ehe  man  einen 
Dauererfolg  erwarten  kann. 

Herr  N  i  k  o  1  a  s  hat  40  Fälle  von  Asthma  behandelt,  die 
13  Wochen  an  der  See  blieben.  Davon  ist  die  Hälfte  definitiv  ge¬ 
heilt.  In  den  übrigen  Fällen  trat  das  Asthma  nach  der  Rückkehr  ins 
tägliche  Leben  wieder  auf,  aber  meist  in  schwächerer  Form  und  in 
anders  verlaufenden  Anfällen.  Was  die  beste  Zeit  für  eine  Winterkur 
anbelangt,  so  eignet  sich  besonders  gut  das  letzte  Jahresquartal,  auch 
Januar  und  Februar,  weniger  der  März. 

Herr  Lenhartz  erkennt  wohl  an,  dass  die  Ausführungen  der 
Kollegen  aus  den  Seebädern  uns  gezeigt  haben,  dass  das  Klima  nicht 
ungünstig  für  eine  Winterkur  ist.  Trotzdem  möchte  er  darauf  hin- 
weisen,  dass  die  intensive  Sonnenwirkung  in  den  südlicheren  Kurorten 
und  in  den  Höhenkurorten  der  Schweiz  etc.  doch  ein  ganz  wesentlicher 
Kurfaktor  ist.  Ob  wirklich  die  chronischen  katarrhalischen  Affek¬ 
tionen  in  der  feuchten  Nordseeluft  rasch  und  definitiv  zur  Ausheilung 
kommen,  möchte  er  vorläufig  noch  bezweifeln. 

Herr  Kok  bejaht  diese  Frage  und  weist  darauf  hin,  dass  auch  die 
von  einer  Nordseewinterkur  Heimkehrenden  sonnengebräunt  sind. 

Werner. 


Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  Hamburg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  22.  Oktober  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Umber. 

Schriftführer :  Herr  K  r  i  c  k  e. 

(Schluss.) 


D  i  sku  s  s  i  o  n:  Herr  Unna:  Mit  Herrn  Deyke  stimme  ich 
J ^lkomm.en  überein,  dass  ich  das  ziemlich  allgemein  ver- 
bieitete  Vorurteil,  die  Lepra  sei  unheilbar,  nicht  teile  und  der  soeben 
gehörte  Vortrag  hat  mich  noch  mehr  in  dieser  seit  22  Jahren  von 


3.  Dezember  1907 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2455 


mir  verfochtenen  Ansicht  bestärkt.  Denn  er  zeigt  wieder  einmal 
deutlich,  dass  man  auf  sehr  verschiedenen  Wegen  der  Lepra  bei¬ 
kommen  kann.  Dass  aber  die  Methode  von  Herrn  D.  so  ganz  aus 
dem  Rahmen  des  bisher  auf  diesem  Gebiete  geleisteten  herausfalle, 
wie  es  die  Ansicht  vieler  Kollegen  zu  sein  scheint,  das  leuchtet  mir 
doch  nicht  recht  ein. 

Herr  D.  benutzt  zu  seinen  Injektionen  ein  Pflanzenfett,  u.  zw. 
eine  leprafremde  Substanz,  wie  wir  andern  bei  früheren 
Injektionen  auch.  Es  ist  nicht  wie  beim  Tuberkulin  der  Bazillus 
selbst,  der  das  Heilmittel  liefert.  Herr  D.  nimmt  nur  eine  Ver¬ 
wandtschaft  seines  Streptothrix  mit  dem  Leprabazillus  an.  Ich 
möchte  diese  Möglichkeit  ruhig  bei  Seite  lassen,  da  sie  nur  ein  stö¬ 
render  Faktor  bei  der  objektiven  Beurteilung  der  Methode  ist.  indem 
sie  dieselbe  mit  einem  Nimbus  von  Ausschliesslichkeit  und  beson¬ 
derer  Rationalität  bekleidet.  Wir  haben  eine  solche  Beziehung  zum 
Leprabazillus  gar  nicht  nötig.  Immunisieren  wir  doch  mit  Vakzine 
gegen  Variola,  brauchen  Hefeprodukte  gegen  den  Eiterkokkus  und 
wissen  andererseits,  dass  alle  Tuberkuline,  trotzdem  sie  vom  Tu¬ 
berkelbazillus  stammen,  deshalb  noch  keine  ausreichenden  Heilmittel 
gegen  Tuberkulose  sind.  Auch  wenn  Herr  D.  den  Streptothrix  ganz 
anderswo  gefunden  hätte,  würde  uns  das  Nastin  im  Kampfe  gegen 
die  Lepra  Willkommen  sein,  vorausgesetzt,  dass  es  wirklich  die 
Lepra  zu  heilen  im  stände  ist.  Sehen  wir  also  zu,  wie  weit  nach  den 
bis  heute  von  Herrn  D.  mitgeteilten  Erfahrungen  von  einer  Heilune 
der  Lepra  gesprochen  werden  kann.  Zunächst  zu  der  praktischen 
Seite  der  Frage. 

Ich  habe  seit  1891  vier  Injektionsperioden  erlebt:  Kochs  Tuber¬ 
kulin,  Heb  ras  Thiosinamin,  Eleischsaft  nach  eigener  Methode, 
Serum  von  Carrasquilla.  Alle  diese  Methoden  kamen  darin 
überein,  dass  sie  auf  die  begleitenden  Zirkulationsstö¬ 
rungen  der  Haut  einen  starken,  auf  den  eigentlichen  B  a  - 
zilleninfarkt  einen  sehr  geringen,  wenn  auch  wahrnehmbaren 
Einfluss  übten.  Nun  sind  es  aber  diese  Schwellungen  und  Oedeme, 
welche  hauptsächlich  das  abschreckende,  hässliche  Aussehen  der 
Leprösen  bedingen.  Nach  Abklingen  des  Reaktionsfiebers  sehen  die 
Patienten  daher  regelmässig  viel  frischer  aus  und  fühlen  sich  besser; 
die  Stockung  und  Lähmung  der  Zirkulation  um  die  Lepraherde  herum 
ist  förmlich  wie  durch  eine  Explosion  gesprengt.  Das  sind  die  Mo¬ 
mente,  die  jeder  Arzt,  der  sie  zuerst  erlebt,  für  gewaltige  Besserungen, 
für  den  Beginn  der  Heilung  betrachtet  und  es  ist  dem  Entdecker 
eines  solchen  neuen,  reaktiven  Mittels  nicht  zu  verdenken,  wenn  er 
ein  Radikalmittel  gegen  die  Lepra  gefunden  zu  haben  glaubt.  Aber 
wir  haben  unter  den  verschiedenen  Knotenformen  der  Lepra  einen 
Prüfstein,  das  ist  die  kleinknotige,  eigentliche  Kutislepra, 
Kaposis  „kleinpapulöses  Leprom“.  eine  allerdings  seltenere  Form. 
Bei  dieser  ist  die  Subkutis  frei;  es  fehlen  die  Oedeme  und  elephan- 
tiastischen  Schwellungen;  die  kleinen,  wachsartig  durchscheinenden, 
gelblichen  Knötchen  sind  einzeln  in  die  Kutis  eingesprengt.  Vor 
dieser  Form  haben  alle  von  mir  durchprobierten  Injektionen  bisher 
Halt  gemacht;  die  Knoten  waren  nach  den  Reaktionen  ganz  un¬ 
verändert.  Wenn  das  Nastin  diese  Form  ebenso  günstig  verändern 
würde,  wie  die  gewöhnlichen  Knoten,  so  stände  es  allein  hierdurch 
über  allen  mir  bekannten,  früheren  Injektionsmitteln.  Herr  D.  spricht 
in  seiner  Abhandlung  von  „torpiden  Fällen,  welche  selbst  nach 
wochenlangen  Injektionen  keine  Aenderung  erkennen  lassen“.  Sollten 
das  vielleicht  solche  Fälle  von  echten  Kutislepromen  sein?  Im  all¬ 
gemeinen  ist  es  für  ein  wirklich  spezifisch  sein  sollendes  Mittel 
bedenklich,  wenn  es  überhauDt  Fälle  gibt,  die  nicht  darauf  reagieren. 
Für  meine  von  aussen  angreifende,  dermatologische  Behandlung,  die 
keine  spezifische  sein  will,  gibt  es  natürlich  solche  unangreifbare 
Fälle  nicht. 

Ein  anderer  fraglicher  Punkt  sind  die  „schwersten  Fälle“.  Herr 
D.  versteht  darunter  solche,  bei  denen  innere  Organe  ergriffen  und 
die  Patienten  anämisch  und  kachektisch  sind.  Für  die  dermatologische 
Behandlung  bilden  diese  Zustände  kein  Hindernis.  Herr  D.  schliesst 
diese  Fälle  aber  von  der  Nastinbehandlung  aus,  obwohl  gerade  diese 
am  meisten  einer  spezifischen  Behandlung  bedürften. 

Das  hängt  mit  einem  dritten  wesentlichen  Punkte  zusammen, 
damit  nämlich,  dass  Nastin  „kein  ungefährliches“  Mittel  ist  und  einer 
sehr  genauen  Dosierung  bedarf.  Wie  weit  es  bei  dieser  Gefahr  einer 
zu  hohen  Reaktivierung  uns  gerade  da  helfen  kann,  wo  eine  starke 
Wirkung  nötig  ist,  eine  übergrosse  schädlich  ist,  dafür  haben  wir 
wieder  einen  Prüfstein  im  leprösen  Auge.  Wir  können  die 
Lepra  des  Auges  fast  in  allen  Fällen  bemeistern,  wenn  wir  frühzeitig 
bei  der  ersten  Röte  der  Konjunktiva  den  Limbus  corneae  aus¬ 
brennen,  wie  es  Herr  Kollege  Franke  bei  vielen  seiner  Lepra¬ 
patienten  getan  hat.  Das  gilt  aber  nur  für  die  gewöhnlichen  Fälle, 
wo  die  Lepra  das  Auge  von  aussen  ergreift.  Handelt  es  sich  um  eine 
embolische  Iritis  oder  eine  bereits  vorgeschrittene  Ophthalmie,  dann 
versagt  die  dermatologische  Behandlung  und  es  wäre  ein  Glück, 
wenn  hier  die  Nastinbehandlung  hilfreich  eintreten  könnte. 

Auf  einen  vierten  Punkt,  das  Fieber  nach  den  Nastininjek- 
tionen,  lege  ich,  falls  das  Nastin  sonst  nur  gut  wirkt,  kein  besonderes 
Gewicht  und  wir  haben  soeben  gehört,  dass  bei  der  neuesten  Modi¬ 
fikation  der  Nastinbehandlung  dasselbe  fast  ganz  zu  vermeiden  ist. 
Herr  D.  führt  es  auf  den  Zerfall  von  Bakterieneiweiss  zurück.  Aber 
es  muss  doch  nicht  ausser  acht  gelassen  werden,  dass,  wenn  bei  der 
dermatologischen  Behandlung  die  Bazillen  durch  Kali,  Hitze  oder 
Pyrogallol  massenhaft  zu  gründe  gehen,  kein  Fieber  eintritt,  womit 


dem  Patienten  besonders  deshalb  gedient  ist,  weil  man  kontinuierlich 
weiter  behandeln  kann  und  nicht  immer  das  Abklingen  von  Allge¬ 
meinsymptomen  abzuwart:.*  braucht. 

Eine  besondere  Hoffnung  setze  ich  auf  die  Wirkung  des  Nastins 
bei  Anästhesien;  hier  wirkt  die  dermatologische  Behandlung 
allerdings  günstig,  aber  viel  zu  langsam  und  es  wäre  sehr  gut,  wenn 
sich  die  Erfahrung  von  Herrn  D.  über  die  rasche  Besserung  von 
Anästhesien  bestätigen  sollte. 

Im  Ganzen  aber  muss  ich  sagen,  dass  nach  den  Angaben  von 
Herrn  D.  seine  Methode  gewisse  Grenzen  findet,  nämlich  bei 
den  torpiden,  den  schwersten  und  den  zu  stark  reagierenden  Fällen, 
Grenzen  die  für  die  dermatologische  Behandlung  nicht  existieren. 

Innerhalb  dieser  Grenzen  nun  scheint  es  mir  möglich,  dass  das 
Nastin  in  vielen  Fällen  einen  radikalen  Heilerfolg  bei  Lepra  erzielt. 
Das  können  wir  aber  heute  noch  nicht  wissen.  Erst  in  diesem  Jahre 
hat  die  Methode  ihre  definitive  Gestalt  gewonnen  und  Herr  D.  wird 
mir  zugeben,  dass  wir  bei  dem  allbekannten  schleichenden  Cha¬ 
rakter  der  Lepra  erst  in  4 — 5  Jahren  sicher  wissen  können,  ob  die 
mit  dieser  Methode  heute  behandelten  Fälle  gesund  geblieben  sind. 
Diese  Forderung  ist  bei  einer  Reihe  von  mir  geheilten  Leprösen, 
wie  ich  das  in  meinem  Lissaboner  Referat  (1906)  über  Lepratherapie 
mitgeteilt  habe,  erfüllt  und  ich  kann  heute  diesen  Fällen  wiederum 
2  neue  anfügen.  Einer  betrifft  einen  sehr  schweren,  schon  fast  aufge¬ 
gebenen  Fall,  der  mit  akuter  Manie  kompliziert  war,  und  nun  schon 
4  Jahre  völlig  gesund  geblieben  ist. 

Und  auch  sonst  ist  es  mit  der  Heilung  der  Lepra  nicht  so  schlecht 
bestellt,  wie  Herr  D.  anzunehmen  scheint.  In  jenem  Referat  konnte 
ich  mehr  als  60  Autoren  namhaft  machen,  die  über  teils  geheilte,  teils 
wesentlich  gebesserte  Leprafälle  verfügen.  (Autoreferat.) 

(Fortsetzung  der  Diskussion  in  der  nächsten  Sitzung.) 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  3.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  M  a  1 1  h  e  s  spricht  über  neuere  Untersuchungs- 
methoden  und  demonstriert  dieselben  an  Kranken. 

Sitzung  vom  17.  Juni  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Füth:  Heutiger  Stand  in  der  Frage  der  becken¬ 
erweiternden  Operationen  und  über  Tierversuche  zur  Erzielung 
einer  dauernden  Beckenerweiterung  nach  Symphysiotomie. 

(Vergl.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1907,  No.  24,  S.  682—685  und 
S.  692—693.) 

Sitzung  vom  15.  Juli  1907. 

Vorsitzender  >  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer:  Herr  Klein  jun. 

Herr  Drey  er:  Demonstration  eines  Präparates  von  Spirochaete 
pallida  (vergl.  Sitzung  vom  13.  Mai  1907). 

D  r  e  y  e  r  zeigt  ein  nach  der  alten  Levaditimethode  angefertigtes 
Schnittpräparat  eines  Lichen  syphiliticus,  den  er  vor  einigen 
Wochen  wegen  einiger  Besonderheiten  (starkes  Jucken,  Mangel 
anderer  syphilitischer  Erscheinungen)  vorstellte.  Verhornung  der 
Follikelscheide  und  Verbreiterung  der  Bindegewebsscheide  sind  neben 
dem  Infiltrat  die  hier  erkennbaren  anatomischen  hauptsächlichen  Ver¬ 
änderungen.  Typische  enggewundene  Spirochaetae  pallidae  finden 
sich  hauptsächlich  in  der  äusseren  gequollenen  Bindegewebsscheide, 
in  geringerer  Anzahl  in  der  inneren  Haarscheide,  nirgends  anderswo 
in  der  ganzen  Schnittserie  eines  halben  Knötchens.  Von  dem  dia¬ 
gnostischen  Wert  des  Befundes  abgesehen  liegt  in  der  Typizität  der 
Lagerung  der  Spirochäten  ein  Moment  für  die  Bedeutung  ihrer  Rolle, 
dessen  es  heute  allerdings  kaum  noch  bedarf. 

Herr  Oscar  Wolff:  Beiträge  zur  Herzchirurgie. 

Bei  den  perforierenden  Herzwunden  sind  die  Verletzungen 
des  Perikards  und  der  darüber  liegenden  Pleura  von  grosser 
Wichtigkeit.  Beide  können  sehr  klein  sein  —  bei  einem  per¬ 
forierenden  Herzschuss  fand  sich  sogar  in  autopsia  der  Herz¬ 
beutel  unverletzt;  dann  ergiesst  sich  das  Blut  aus  einem  der 
verletzten  Ventrikel  in  den  nahezu  geschlossenen  Herzbeutel, 
während  es  zunächst  die  hinteren  und  tiefer  gelegenen  Nischen 
ausfüllt,  steigt  es  allmählich  höher,  bis  dann  ein  allseitiger  kon¬ 
zentrischer  Druck  auf  das  Herz  zustande  kommt  und  eine  me¬ 
chanische  Lähmung  des  Herzmuskels  herbeiführt,  die  man  wohl 
zweckmässig  als  Kompressionslähmung  des  Herzens  be¬ 
zeichnen  kann.  Diese  Form  findet  ihre  Analogie  in  der  Korn- 


'•456 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


pressionslähniung  des  Gehirns  bei  Ruptur  der  Arteria  meningea 
media.  Ist  dagegen  die  Pseudoperikardialöffnung  eine  sehr 
grosse,  so  kann  sich  der  Blutstrom  in  die  geöffnete  Pleurahöhle 
ergiessen,  und  es  tritt  hier  der  Tod  durch  Verblutung  ein,  ähn¬ 
lich  wie  bei  Ruptur  der  Tube  mit  Blutung  in  die  freie  Bauch¬ 
höhle,  wenn  nicht  spontane  Blutstillung  oder  operative  erfolgt. 

Für  die  Diagnose  bieten  beide  Formen  ihre  Besonderheiten. 
Während  bei  der  ersten  eine  vorn  über  und  neben  dem  Ster¬ 
num  entstehende  Dämpfung,  die  kurz  nach  einer  Verletzung 
entsteht,  nur  eine  Blutansammlung  im  Perikardialraum  dar¬ 
stellen  kann,  finden  wir  bei  der  zweiten  Form  die  Symptome 
des  linksseitigen  Hämothorax  mit  einer  bedeutenden  Anämie 
und  Hautblässe,  hervorgerufen  durch  den  starken  Blutverlust 
in  die  geräumige  Pleurahöhle.  Zu  einer  Anämie  höheren  Grades 
kann  es  bei  der  ersten  Form  der  Verletzung  schon  darum  nicht 
kommen,  weil  der  Herzbeutel  nur  ca.  800  ccm  Flüssigkeit  fasst. 
Hier  finden  wir  demnach  keine  anämische,  sondern  mehr  eine 
livide  Verfärbung.  Beiden  Formen  eigentümlich  ist  ein  an¬ 
haltendes  heftiges  Erbrechen,  das  nicht  durch  die  Anämie  be¬ 
dingt  sein  kann,  weil  es  auch  ohne  diese  beobachtet  wurde, 
das  man  aber  kennen  muss,  weil  es  schon  wiederholt  irrtüm¬ 
licherweise  Anlass  zu  Laparotomien  gegeben  hat.  Bezüglich 
der  Operation  kommt  es  auf  die  richtige  Ausnutzung  des  Mo¬ 
mentes  an,  wo  nach  Spaltung  der  Perikards  aus  dem  Herzen 
die  Blutung  erfolgt.  Am  besten  ist  es,  sofort  mit  2  Fingern 
einzugehen,  die  Herzspitze  nach  aussen  zu  luxieren  und  mit 
einer Kugelzange  zu  fassen.  Zieht  man  an  ihr,  so  steht  die  Blutung 
sofort.  Diese  Methode  vermeidet  einmal  die  Gefahr  der  Sepsis, 
weil  die  Hände  möglichst  wenig  in  Berührung  mit  der  Wunde 
kommen,  vermeidet  auch  am  ehesten  die  Gefahren  der  Blutung, 
beides  Momente,  die  bisher  die  Prognose  am  meisten  gefährdet 
haben. 


Naturwissenschafll.-medizinischer  Verein  zu  Strassburg. 

(Medizinische  Sektion.) 

(Bericht  des  Vereins.) 


Sitzung  vom  8.  November  1907. 

Herr  Ledderhose:  Ueber  Darmausschaltung. 

Unter  Anführung  eigener  Beobachtungsfälle  werden  die 
hauptsächlichsten  Indikationen  für  die  Enteroanastomose  und 
die  eigentliche  Darmausschaltung  erörtert.  In  3  Fällen  von 
akutem  Ileus  nach  Appendizitis,  infolge  von  Abknickung  des 
Dünndarms  in  Adhäsionen,  wurde  durch  die  Ueokolostomie 
Heilung  erzielt.  Zweimal  wurde  in  derselben  Weise  mit  Erfolg 
bei  chronischem  Ileus  operiert,  der  durch  Darmabknickung 
dicht  proximal  von  einem  Meck  e  [sehen  Divertikel  und  durch 
Stenose  einer  eingeklemmt  gewesenen,  durch  Herniotomie  be¬ 
freiten  Dünndarmstelle  bedingt  war.  3  mal  wurde  die  Ana- 
stomose  bei  inoperablem  Zökumkarzinom,  1  mal  bei  lleo- 
Zökaltuberkulose  ausgeführt.  Einer  dieser  Patienten  ging 
24  Stunden  nach  der  Operation  an  den  Folgen  von  akutem  Ileus 
zu  Grunde,  von  den  3  anderen  wurden  zwei  wesentlich  ge¬ 
bessert.  Ausführlicher  wird  über  einen  Fall  von  gleichzeitiger  I 
bilateraler  und  unilateraler  (mit  Ueokolostomie)  Darmaus-  I 
Schaltung  wegen  nach  appendizitischer  Abszesseröffnung  zu¬ 
rückgebliebener  Dünndarmfistel  berichtet. 

Diskussion:  Herren  Ewald,  Ledderhose,  v.  Reck- 
Unghausen,  Ehret,  Cahn. 


Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  zu  Würzburg. 

(Eigener  Bericht.) 

XI.  Sitzung  vom  7.  November  1907. 

Herr  F.  Riedinger:  a)  Vorstellung  eines  Falles  von  Tumor- 
bildung  nach  Fraktur. 

Bei  einem  50  jährigen  Manne  hatte  sich  im  Anschluss  an  eine 
i  raktur  des  linken  Oberschenkels  im  Laufe  mehrerer  Jahrzehnte  eine 
enorme  Geschwulst  an  der  Grenze  zwischen  oberem  und  mittlerem 
drittel  der  Extremität  entwickelt.  Aut  Grund  der  Radiogramme,  die 
an  der  Stelle  der  stärksten  Anschwellung  Aufhellung  des  Schattens 
mit  eingelagerten  spärlichen  dunklen  Stellen  zeigen,  stellt  R.  fest,  dass 

fibrosa  hTr  lelt  V°n  Recklinghaus'en  zuerst  beschriebene  Ostitis 

b)  Ueber  Exostosen  am  Kniegelenk. 

Demonstration  der  Radiogramme  zweier  intraartikulär  gelegener 
Exostosen  des  Femurs,  die  mit  gutem  Erfolg  operiert  wurden. 


Herr  Schmincke:  a)  Endokardiale  Taschenbildung  bei  Aorten¬ 
insuffizienz. 

Demonstration  zweier  Präparate,  die  oberhalb  der  insuffizienten 
Aortenklappen  eine  deutliche  Taschenbildung  zeigen. 

b)  Ueber  das  Aneurysma  der  Pars  membranacea  septi  ventri- 
ciilorutn. 

Erbsengrosse  Ausstülpung  in  das  Lumen  des  rechten  Ventrikels. 
Vortr.  betont,  dass  zum  Zustandekommen  derartiger  Anomalien  ab¬ 
norme  Grösse  des  Septum  membranaceum  und  abnorm  hoher  Druck 
im  Ventrikel  erforderlich  sind. 

c)  Ueber  linksseitige  Konusstenosen. 

Viel  seltener  als  die  Stenosen  der  Arteria  pulmonalis  sind  die  der 
Aorta.  Vortr.  demonstriert  die  Präparate  eines  solchen  Falles  und 
fügt  bei,  dass  man  zur  Erklärung  desselben  nur  an  eine  schon 
embryonal  angelegte  Hyperplasie  der  Konusmuskulatur  denken  kann.- 

M. 


IX.  Französischer  Kongress  für  innere  Medizin. 

Abgehalten  zu  Paris  vom  14.  bis  16.  Oktober  1907. 

Nach  der  Eröffnungsrede,  welche  der  1.  Präsident  des  Kon¬ 
gresses,  Prof.  Debove,  hielt,  trat  G.  C  a  r  r  i  e  r  e  -  Lille  als  Re¬ 
ferent  in  die  Besprechung  des  I.  Hauptthemas  des  Kongresses,  die 
Hämophilie,  ein.  Dieselbe  ist  ein  gewöhnlich  kongenitales,  oft  here¬ 
ditäres,  manchmal  auch  erworbenes  Krankheitsbild,  welches  durch 
eine  im  allgemeinen  anhaltende  Neigung  zu  äusseren  oder  inneren 
Blutungen,  spontan  oder  auf  ein  geringes  Trauma  entstehend,  in  Ver¬ 
bindung  mit  einer  speziellen  Brüchigkeit  der  Gefässwände  oder  einer 
schweren  Gerinnbarkeit  des  Blutes,  die  auf  eine  Verminderung  oder 
Mangel  an  diese  Koagulation  bewirkenden  Fermenten  zuriiekzu- 
riihren  ist,  charakterisiert  ist.  Die  Hämophilie  überträgt  sich  be¬ 
sonders  auf  Knaben,  selten  auf  Mädchen.  Die  Heredosyphilis  spielt 
häufiger  eine  Rolle,  als  man  bis  jetzt  angenommen  hat:  nur  in 
-7  Proz.  der  Fälle  war  jede  Spur  einer  solchen  auszuschliessen.  Die 
Hämophilie  ist  häufiger  in  den  nördlichen  Ländern,  in  Frankreich  selbst 
kommen  6  Proz.  der  Fälle  im  Süden,  30  Proz.  im  Nordwesten  und 
64  Proz.  im  Nordosten  vor.  Der  Einfluss  der  Kälte,  der  Feuchtigkeit 
scheint  eine  gewisse  Rolle  zu  spielen,  da  die  Bluter  zuweilen  Besse¬ 
rung  oder  Heilung  in  warmen  Ländern  finden.  Auffallend  ist  der 
grosse  Kinderreichtum  in  Bluterfamilien.  Die  Blutungen  'kommen 
entweder  als  Schleimhaut-  (Epistaxis-,  Wund-,  Gebärmutter-)  oder 
subkutane  oder  submuköse  (Ekchymosen,  Petechien),  interstitielle 
(Hämatom)  oder  Gelenks-  (Hämarthros)  Blutungen  vor.  Der  Urin  ist 
meist  normal.  Die  Blutuntersuchung  ergibt:  Oligozythämie  mit  nor¬ 
maler  Form  der  Blutkörperchen,  verminderte  Gerinnbarkeit.  Der 
Verlauf  des  Leidens  ist  ein  wechselnder,  anfallsweiser,  zuweilen 
zum  lode  führend  mit  perniziöser  Anämie,  zuweilen  Heilung  in  der 
Pubertätszeit.  Bezüglich  der  pathologischen  Anatomie 
weiss  man  nichts  und  die  zahlreichen  Theorien  über  die  Pathogenese 
beweisen,  dass  hierüber  noch  nichts  feststeht.  Gefäss-  (angeborene 
oder  erworbene  Schwäche  derselben)  und  Blut-  (Mangel  an  koagu¬ 
lierenden  Fermentep,  Störungen  in  der  Natur  der  Plasma-Eiweiss- 
körper)  -theoiie.  Die  Behandlung  umfasst  Aufenthalt  in  heissen 
Ländern,  am  Meere  oder  in  Höhenluft,  stärkende  Kost,  Fe,  As  als 
allgemeine  Mittel,  Kalksalze,  Gelatine,  Serumtherapie  gegen  die  Blu¬ 
tungen.  C.  hat  Chlorkalzium  in  der  Dosis  von  0,2  g  pro  Tag  und 
fiii  jedes  Lebensjahr  angewandt  —  bei  Misserfolg  'kann  man  diese 
Dosis  auch  3  und  4  fach  nehmen —  in  folgender  Formel:  Calc.  chlo- 
rat.  4,0,  Sirup.  Menth.  50,0,  Aqu.  100,0.  Gelatine  gibt  weniger  kon¬ 
stante  Resultate:  20 — 30  g  per  os,  15  g  per  rectum  pro  Tag.  Die 
Serumtherapie  besteht  darin,  dass  man  alle  10—15  Tage  eine  In¬ 
jektion  von  20—40  ccm  Kanincheh-,  Pferde-,  Ochsen-  oder  Menschen¬ 
serum  macht;  um  Erfolg  zu  haben,  muss  sie  sehr  lange  fortgesetzt 
weiden.  Bei  lokalen  Blutungen  muss  je  nach  dem  Fall  entsprechend 
•eingeschritten  werden. 

Der  Korreferent  Marcel  Labbe  bespricht  besonders  die  Theo- 
rien  über  die  Pathogenese  und  fasst  sie  in  4  Gruppen  zusammen: 
a)  Gefass-  (Veränderung  der  Gefässwand),  b)  Zirkulations-  (Hyper¬ 
tension),  c)  nervöse,  d)  Bluttheorie.  Letztere  findet  am  meisten  An¬ 
hänger.  verzögerte  Gerinnbarkeit,  welcher  Sedimentierung  vorher¬ 
geht,  retraktiler  Blutkuchen  sind  die  Koagulationseigenschaften  bei 
den  Hämophilen.  Labbe  erklärt  diese  Anomalien  der  Gerinnbar¬ 
keit  besonders  in  einem  Mangel  oder  unvollständiger  Bildung  von 
1  lasmose,  die  wiederum  von  Insuffizienz  der  Profermente,  der  Kina¬ 
sen  oder  Ca-Salze  herrühren.  Der  Zustand  der  Leber  scheint  eine  ge¬ 
wisse  Rolle  bei  der  Pathogenese  der  Hämophilie  zu  spielen,  aber  L. 
stimmt  nicht  mit  Gilbert  und  Lereboullet,  welche  aus  der 
familiären  Hämophilie  eine  Art  Cholämie  machen,  überein. 

C.  W  eil  beschreibt  seine  I  echnik  der  Seruminjektionen,  die 
ihm  in  11  Fällen  seit  2  Jahren  konstante  Erfolge  gegeben  haben; 
als  prophylaktisches  oder  Heilserum,  frisch  vom  Pferd  entnommen, 
kann  das  Serum  sogar  die  fehlerhafte  Blutzusammensetzung  modi¬ 
fizieren. 

S  a  b  i  azes  empfiehlt^  die  Präventivbehandlung  der  Hämophilen, 
indem  man  von  Jugend  auf  alle  Verletzungen  und  alle  Ursachen  von 
Hamorrhagien  zu  vermeiden  sucht.  *  S.  berichtet  sodann  über  einen 
all  von  Lymphomatöse  mit  akuten  hämorrhagischen  Erscheinungen, 
die  durch  Sekundärinfektionen  hervorgerufen  wurden. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2457 


3.  Dezember  1907. 


Per  rin -Nancy  hat  systematische  Untersuchungen  bei  Leber¬ 
zirrhose  gemacht  und  konstatiert,  dass  die  Anämie  bei  Zirrhose 
unter  der  Abhängigkeit  der  Leberveränderung  steht,  wie  es  die  gegen 
die  Leberinsuffizienz  gerichtete  Therapie  (Opotherapie  und  Allge- 
meinbehandlung)  und  die  dadurch  erzielte  Besserung  beweisen. 

Deschamps  glaubt  nicht  an  die  Wirkung  des  Eisens  und 
der  Opotherapie  bei  der  Anämie  und  für  ihn  fasst  sich  die  Behandlung 
in  guter  Ernährung  und  Bädern  zusammen. 

Ueber  das  II.  Thema  des  Kongresses:  Behandlung  des  einfachen 
Magengeschwüres  ist  L  i  n  o  s  s  i  e  r  -  Vichy  Berichterstatter.  Von 
den  zahlreichen  Theorien  über  die  Pathogenese  des  Ulcus  hält  er 
jene  von  der  Autodigestion  für  die  einzig  richtige  und  leitet  daraus 
die  für  die  Behandlung  sich  ergebenden  Indikationen  ab.  Die  Rolle 
des  Magensaftes  ist  vorherrschend  bei  der  Entstehung  des  Ulcus, 
es  ist  fast  immer  gleichzeitige  Hyperazidität  vorhanden,  aber  man 
muss  noch  irgend  eine  andere  Ursache,  einen  locus  minoris  resisten- 
tiae,  welcher  die  günstigen  Bedingungen  schafft,  zulassen.  Das  einmal 
entstandene  Leiden  heilt  trotzdem  spontan  aus  und  die  Behandlung 
muss  daher  bestrebt  sein,  die  Vernarbung  zu  begünstigen  und  die, 
die  Heilung  hindernden  Ursachen  zu  beseitigen.  Der  Mittel,  diesen 
Zweck  zu  erreichen  gibt  es  3  Gruppen:  diätetische,  medikamentöse 
und  chirurgische.  Die  erstere  besteht  darin,  absolute  Ruhe  zu  hal¬ 
ten.  keinerlei  Nahrung,  sogar  kein  Wasser,  per  os  zu  nehmen,  die 
einfachen  Wassereinläufe  scheinen  dem  Organismus  genügend  Flüs¬ 
sigkeit  zuzuführen.  Was  die  Ernährung  per  rectum  (durch  Einläufe) 
betrifft,  so  glaubt  auch  L  i  n  o  s  s  i  e  r,  dass  dieselbe  keinen  oder  nur 
geringen  Nährwert  hat,  aber  der  psychische  Eindruck  auf  den  Kran¬ 
ken  —  er  glaubt  sich  genährt  —  ist  ein  sehr  wichtiger  und  vorteil¬ 
hafter.  Die  Ernährung  per  rectum  kann  ungefähr  eine  Woche  lang 
stattfinden,  dann  vorsichtig  und  allmählich  Wiederaufnahme  der  Nah¬ 
rung  per  os:  Zuckerwasser,  Milch,  Eier,  Schleimsuppen.  Alkalische 
Wässer  nur  bei  anhaltenden  Schmerzen,  gegen  die  Obstipation  Karls¬ 
bader  Salz,  Arsenikpräparate  gegen  die  Anämie.  Die  Nahrung  für 
einen  mit  Magengeschwür  Behafteten  muss  folgende  4  Bedingungen 
erfüllen:  1.  Darf  sie  keinerlei  Reizung  auf  die  Magenwände  ausüben, 
muss  flüssig  oder  halbflüssig,  nicht  zu  heiss,  nicht  zu  kalt  sein. 
2.  möglichst  kurze  Zeit  im  Magen  verweilen.  3.  möglichst  wenig  die 
Magensekretion  anregen  und  4.  die  Magenwände,  wenn  möglich,  der 
verdauenden  Wirkung  entziehen  (Eiweissernährung).  Es  ist  selten, 
dass  man  auf  diese  Weise  nicht  Heilung,  wenigstens  für  den  Augen¬ 
blick,  erzielt,  sie  ist  aber  sehr  oft  keine  definitive  und  der  Kranke 
muss  noch  lange  Zeit  eine  sehr  strenge  Diät  beobachten.  Erst  wenn 
diese  Behandlungsart  gar  keinen  Erfolg  gebracht  hat,  wird  man  zur 
chirurgischen  Behandlung  greifen:  die  Gastroenterostomie  kommt  hier 
vor  allem  in  Betracht,  zumal  in  Fällen  von  spastischer  oder  Narben¬ 
stenose  des  Pylorus. 

Castaigne  unld  D  u  j  a  r  i  e  r  berichten  über  die  Kom¬ 
plikationen  des  Ulcus  ventriculi  und  deren  Behandlung. 

Mögen  diese  Komplikationen  perakut  (akute  allgemeine  Peri¬ 
tonitis  und  foudroyante  Blutung)  oder  akut  (Abszess  um  den 
Magen  herum  und  sekundäre  Verwachsungen)  oder  chronisch  (Peri¬ 
gastritis,  Stenose,  Narbenbildung  in  Pylorus  oder  Kardia)  sein,  man 
muss  nach  festgestellter  Diagnose  operieren,  ausser  bei  sehr  heftiger 
Blutung,  wo  Operation  nur  rascheren  Tod  bedeutet.  Für  die  Opera¬ 
tion  selbst  muss  sich  der  Chirurg  durch  die  Umstände  leiten  lassen 
(Pyloroplastik,  Pylorektomie,  Gastroenterostomie,  Resektion  des  Ulcus 
usw.).  Ein  Ulcus  mit  karzinomatöser  Umwandlung  muss  stets  ope¬ 
riert  werden.  Die  Diagnose  bezüglich  dieser  Uebergangsform  fassen 
Berichterstatter  fo.lgendermassen  zusammen:  Wenn  man  bei  einem 
Kranken,  der  die  klassischen  Symptome  des  Ulcus  geboten  hat,  die 
Schmerzen  in  hartnäckiger  und  heftiger  Weise  weiter  bestehen  sieht, 
wenn  Abmagerung,  Blutarmut  im  ausgeprägten  und  fortschreitenden 
Grade,  unaufhörliches  Erbrechen,  Magenblutungen  (Melaenaj  vorhan¬ 
den  sind,  so  muss  man  an  die  Möglichkeit  einer  Karzinombildung 
denken. 

In  der  Diskussion  treten  die  Chirurgen  Doyen,  Hartmann, 
M  o  n  p  r  o  f  i  t,  T  u  f  f  i  e  r  für  die  operative  Behandlung  des  Magen¬ 
geschwürs  ein  und  besprechen  deren  Dauerresultate. 

B  o  u  v  e  r  e  t  -  Lausanne  behandelt  das  Ulcus  mit  Spülungen  von 
1  proz.  Eisenperchlorid  und  Alkalien;  die  Milch  gibt  er  in  Form  von 
Breien. 

Mathiieu  wünscht,  dass  man  in  den  Statistiken  genauer  an¬ 
gebe,  welches  der  Sitz  und  die  Beschaffenheit  des  behandelten  Ulcus 
seien.  Bei  der  medikamentösen  Behandlung  muss  das  Ziel  sein,  die 
Kontraktionen  der  Magenwand  zu  mässigen  und  die  Wirkung  des 
Magensaftes  abzuschwäcben.  Debove  igab  zu  diesem  Zwecke  Al¬ 
kalien  in  sehr  hohen  Dosen,  M.  gibt  nicht  mehr  als  das  zur  Schmerz¬ 
linderung  nötige  Quantum. 

Er  emo  nt  hat  experimentell  an  Hunden  die  Heilung  des  Ulcus 
durch  medikamentöse  Mittel  beobachtet. 

Ba  r  d  erinnert  daran,  dass  die  Spontanheilung  des  Ulcus  durch 
die  Feststellung  bei  Sektionen  bewiesen  ist. 

Das  III.  Hauptthema  des  Kongresses  betraf  die  Behandlung  der 
mit  Exophthalmus  verbundenen  Struma.  Die  Referenten  Gilbert  Bal¬ 
let  und  Detherm  besprechen  die  verschiedenen  Theorien  über  die 
Pathogenese  der  Bayles  sehen  Krankheit  (Neurose,  funktionelle  oder 
organische  Erkrankung  der  Medulla  oblongata,  Störung  des  sympathi¬ 
schen  Systems;  glandulären  Ursprung.  Veränderung  des  Schilddrüsen¬ 
gewebes).  Bei  nervösem  Ursprung  kämen  therapeutisch  Medikamente 


und  physikalische  Mittel,  auch  Sympathizektomie  in  Betracht,  bei 
Schilddriisenerkrankumg  Opotherapie,  Thyroidektomie,  Ligatur  der 
Schilddriisenarterien.  Von  diesen  Behandlungsarten  hat  keine  Dauer¬ 
resultate  ergeben.  Man  hat  ferner  die  Radiotherapie,  Elektrisierung 
der  Schilddrüse,  Serum  von  entthyreoidisierten  Tieren,  Na.  sali- 
cylicum  angewandt;  aber  all  diese  Behandlungsmethoden  zählen  eben¬ 
soviel  Erfolge  wie  Misserfolge.  Das  erklärt  sich  durch  die  Tatsache, 
dass  man  nicht  genügend  die  verschiedenen  Symptome  des  Morbus 
Basedowii  in  Betracht  zieht.  Man  muss  vor  allem  eine  der  Ursachen, 
welche  auf  dem  einen  oder  anderen  reflektorischen  Wege  eine  über¬ 
mässige  Funktion  der  Schilddrüse  herbeiführen,  zu  ergründen  suchen 
und  sie  unterdrücken.  Eine  der  ersten  Indikationen  wird  immer  sein, 
das  Gesamtnervensystem  durch  Ruhe,  Hydrotherapie,  entsprechende 
Hygiene  und  therapeutische  Mittel  zu  beruhigen.  Die  Hämatotherapie 
(Serum  oder  Blut  von  entthyreoidisierten  Tieren),  galvanischer  oder 
galvanofaradischer  Strom,  Na.  salicyl.  müssen  zuerst  angewandt  und 
nur  die  akuten  und  schweren  Fälle  dürfen  operiert  werden. 

S  a  i  n  t  o  n,  der  Korreferent,  erklärt,  die  Basedow  sehe  Krank¬ 
heit  sei  kein  einheitliches  Krankheitsbild,  sondern  ein  Symptom,  wel¬ 
ches  verschiedenen  Ursachen  entspringt.  Dieses  Symptom  ist  auf 
eine  Störung  in  der  Funktion  der  Schilddrüse  im  Allgemeinen  zurück¬ 
zuführen,  kann  aber  auch  als  Ursache  die  Erkrankung  anderer  Drüsen 
mit  innerer  Sekretion,  die  beim  Stoffwechsel  eine  Rolle  spielen,  haben. 
Immerhin  scheint  es  eine  essentielle  Basedow  sehe  Krankheit  zu 
geben,  welche  in  primärer  Störung  der  Schilddrüsensekretion  besteht; 
sie  wäre  der  Behandlung  mit  'Schilddrüsensaft  zugänglich,  aber  ein 
wirklich  spezifisches  Mittel  sieht  S.  auch  darin  nicht.  Er  vergleicht 
die  Basedowsche  Krankheit  mit  dem  Diabetes,  der  eine  Störung 
in  der  Zuckerbildung,  welchen  Ursprungs  sie  auch  sei,  darstellt.  Im 
Falle  des  Misserfolgs  muss  man  eine  Behandlungsmethode  nach  der 
anderen  versuchen,  welche  beim  Gelingen  zum  diagnostischen  Prüf¬ 
stein  werden  können.  Bei  gewissen  Formen  hat  die  Allgemein¬ 
behandlung,  wie  Isolierung,  Ruhe,  Elektrizität,  tonische  oder  sedative 
Medikamente  einen  unbestreitbaren  Wert,  indem  sie  die  initiale  Ner¬ 
venstörung  bekämpft. 

Doyen  ist  absoluter  Gegner  der  inneren  Behandlung  und  führt 
stets  die  Thyreoidektomie  aus. 

Lancereaux  ist  überzeugt,  dass  die  Aetiologie  des  Basedow 
im  Nervensystem  liegt  und  wandte  deshalb  Chinin  in  hohen  Dosen 
(1,0 — 1,5  g)  an;  in  12  Fällen  hatte  er  damit  völligen  Erfolg. 

A  b  a  d  i  e  -  Paris  lässt  2  Theorien  zu  Recht  bestehen:  die 
Schilddrüsen-  und  die  vasomotorische  (Erregung  der  Vasodilatation 
des  Halssympathikus)  und  sieht  daher  die  Sympathizektomie  als  die 
wirksamste  und  am  wenigsten  gefährliche  Operation  an. 

Gilbert  Ballet  möchte  die  Kranken  den  Händen  des  Chirurgen 
überlassen,  wenn  die  medikamentöse  Behandlung  erfolglos  war  und 
die  Erscheinungen  schwere  sind. 

Leopold  Levi  und  H.  de  Rothschild  erinnern  daran,  dass  die 
Basedowsche  Krankheit  experimentell  beim  Menschen  durch 
Schilddrüseneinnahme,  durch  Vibrationsmassage  eines  Kropfes  und 
durch  Jodbehandlung  von  Strumen  erzeugt  worden  ist.  Das  Schild¬ 
drüsenextrakt  wirkt  in  manchen  Fällen  Basedow  scher  Krankheit 
als  Regulator  eines  gestörten  Gleichgewichts  in  der  Sekretion,  welches 
in  Uebereinstimmung  mit  der  Veränderung  in  den  Jod-  und  Phosphor¬ 
absonderungen  der  Schilddrüse  steht. 

Kocher-  Bern  ist  überzeugt,  dass  bei  der  Basedow  sehen 
Krankheit  immer  Störungen  in  der  Schilddrüsenfunktion  vorhanden 
sind,  mögen  sie  primärer  oder  sekundärer  Natur  sein;  er  hat  283 
Fälle  operiert  und  immer  histologische  Veränderungen  der  Schild¬ 
drüse  gefunden.  Die  Operationsmethoden  waren  Thyreoidektomie 
oder  Ligatur  oder  beide  vereint.  209  Fälle  wurden  geheilt;  3  Proz. 
Todesfälle. 

G  a  u  t  i  e  r  -  Genf  spricht  sich  nach  längerer  Ausführung  für 
die  Theorie  der  Intoxikation  durch  übermässige  Funktion  der  Schild¬ 
drüse  aus  und  führt  hiefiir  3  Arten  von  Beweisen  an:  1.  die  unver¬ 
gleichlich  viel  grössere  Häufigkeit  des  Basedow  sehen  Symptomen- 
bildes  bei  Kropfkranken,  2.  die  Erscheinungen  von  Schilddrüsenintoxi¬ 
kation,  die  man  bei  Strumapatienten,  welche  Jod  genommen  haben, 
beobachtet  und  3.  die  Herzerscheinungen  toxischen  Ursprungs,  welche 
raschen  Tod  bei  den  wegen  Struma  operierten  herbeiführen  können. 
G.  verwirft  schliesslich  als  unsinnig  die  Behandlung  mit  Schilddrüsen¬ 
extrakt  und  empfiehlt  Jodlösungen  Der  os. 

Renon  empfiehlt  als  rein  symptomatisches,  unschädliches  und 
zuweilen  sehr  wirksames  Mittel  die  Anwendung  von  Hypophysis- 
P  u  1  v  e  r. 

P  a  r  i  s  o  t  -  Nancy  hat  in  3  Fällen  von  Basedow  vollen  Erfolg  mit 
Hypophysisextrakt  gehabt  und  findet  diesen  Erfolg  auch  im  Experi¬ 
mente  begründet:  intensive  zusammenziehende  Wirkung  auf  die  Schild¬ 
drüse  n g e f ä s s e  und  antitoxische  Wirkung  des  Hypophysis-  gegenüber 
dem  Schilddrüsenextrakt. 

Von  sonstigen  Fragen  wurde  wieder  eingehend  jene  erörtert, 

ob  die  Lungentuberkulose  durch  die  Lungeneinatmung  oder  vom  Darm 
aus  entsteht, 

Kuss  und  Nobecourt  haben  zu  diesem  Zwecke  bei  Kindern 
im  Alter  von  1 — 3  Jahren  die  Tuberkulose  der  Mesenterialdrüsen 
studiert  und  glauben  nicht,  dass  mit  dem  Vorhandensein  derselben  ein 
Beweis  für  den  intestinalen  Ursprung  der  konstatierten  Lungenver¬ 
änderungen  gegeben  sei.  Vielmehr  könnte  man  dafür  andere,  min¬ 
destens  ebenso  wahrscheinliche  Hypothesen  aufstellen  und  zwar  1. 


2458 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCEIENSCHRIFT. 


No.  49. 


sekundäre  Tuberkulose  in  einem  Stadium,  wo  sie  nicht  mehr  eine 
völlig  latente  ist,  2.  Ansteckung  durch  den  Verdauungskanal,  die  bei 
einem  schon  tuberkulösen  Individuum  sich  noch  hinzugesellt  und  3. 
sekundäre  Lokalisation  in  den  Drüsen  auf  dem  Wege  der  Lymph- 
oder  Blutgefässe. 

Vallee  hält  die  Rolle  der  Inhalation  bei  der  Entstehung  der 
j  uberkulose  der  Respirationswege  fiir  unleugbar,  aber  auch  die  In¬ 
fektion  durch  die  Verdauungswege  fiir  sehr  leicht  und  häufig  vor¬ 
kommend.  Bei  der  Aetiologie  der  Tiertuberkulose  spielt  die  letztere 
Art  der  Infektion  eine  vorherrschende  Rolle.  Welches  beim  Men¬ 
schen  der  häufigste  Weg  der  Tuberkuloseinfektion  ist,  das  zu  be¬ 
stimmen  dürfte  unmöglich  sein.  In  praktischer  Hinsicht  ist  das  auch 
ohne  Bedeutung;  die  geltenden  prophylaktischen  Massregeln  haben 
ihren  vollen  Wert  und  ist  nur  zu  wünschen,  dass  man  sich  beeile, 
auch  gegen  die  grosse  Gefahr,  welche  die  Milch  tuberkulöser  Tiere 
bietet,  die  notwendigen  Massnahmen  zu  treffen. 

Debove  glaubt,  man  kann  nicht  genug  auf  die  grosse  Gefahr 
hinweisen,  welche  in  der  Milch,  die  oft  Tuberkelbazillen  enthalte, 
liege,  und  der  Kongress  kommt  auf  seine  Anregung  zu  dem  ein¬ 
mütigen  Votum,  „dass  in  Anbetracht  der  Häufigkeit  der  Uebertragung 
der  Tuberkulose  durch  Milch  in  den  öffentlichen  Etablissements  nur 
genügend  lange  abgekochte  Milch  verteilt  werden  dürfe“. 

Letulle  möchte  in  erster  Linie  darauf  hinweisen,  dass  man 
das  Studium  der  tuberkulösen  Ansteckung  und  das  experimentelle 
Studium  der  bazillären  Infektion  nicht  vermischen  dürfe:  diese  beiden 
kragen  seien  einander  nicht  parallel.  Dann  hebt  er  die  ausserordent¬ 
liche  Schwierigkeit  hervor,  die  Resultate  der  Sektionen  fiir  die  Aetio¬ 
logie  zu  verwerten.  Er  bespricht  der  Reihe  nach  einige  Eintritts¬ 
wege  für  die  T  uberkulose,  auf  die  man  ehedem  grosses  Gewicht 
legte,  und  zeigt,  dass  der  Eintritt  durch  die  Urogenitalorgane  eine 
Legende,  dass  die  primäre  1  uberkulose  der  Haut  eine  völlige  Aus¬ 
nahme  darstellt,  ebenso  sei  es  mit  der  primären  Tuberkulose  der 
I  onsillen  oder  den  adenoiden  Vegetationen.  L.  studiert  schliesslich 
nach  seinen  auf  eine  grosse  Anzahl  von  Autopsien  gestützten  pa¬ 
thologisch-anatomischen  Betrachtungen,  den  Darmkanal  als  Eingangs¬ 
pforte  für  die  Tuberkulose  und  berichtet  über  3  Fälle,  wo  die  Autopsie 
mit  nahezu  völliger  Sicherheit  eine  Infektion  vom  Darme  aus  fest¬ 
stellen  konnte;  es  geht  daraus  hervor,  dass  man  in  dieser  Be¬ 
ziehung  die  primäre  I  uberkulose  des  Darmes  oder  Mesenteriums  beim 
erwachsenen  wohl  beachten  muss. 

A  r  1  o  i  n  g  -  Lyon  leugnet  nicht  die  Ansteckung  durch  Inhalation, 
er  hält  sie  aber  für  selten  im  gewöhnlichen  Leben;  die  Ansteckung 
\  om  Darme  aus  ist  jedenfalls  viel  häufiger.  Man  muss  sich  aber 
bezüglich  der^  Prophylaxe  nach  allen  Seiten  sicher  stellen. 

Bai  d  -  Genf  hält  für  den  Hauptfaktor  beim  Erwachsenen  die 
Ansteckung  durch  das  Zusammenwohn  en,  im  jugend¬ 
lichen  Alter  spielt  die  Uebertragung  auch  eine  gewisse,  wenn  auch 
sehr  geringe  Rolle. 

^  Jousset  erklärt  unter  grossem  Beifall  des  Kongresses:  die 
1  uberkulose  ist  eine  erbliche  Eamilienkrankheit;  sie  ist  weder  vom 
Darm  aus  noch  durch  die  Lungen  übertragbar,  eine  tuberkulöse  An¬ 
steckung  gibt  es  nicht,  das  sei  eine  verwerfliche  Theorie. 

Debove  findet  eine  Gefahr  tuberkulöser  Ansteckung  (vom 
Darme  aus)  in  d  e  r  jetzt  immer  mehr  überhandnehmenden  Organ- 
s  a  1 1 1  h  e  i  a  p  i  e :  wenn  die  Aerzte  die  Kranken  frischen  Saft  von 
Leber,  Nieren  usw.  nehmen  lassen,  so  müssten  sie  sich  auch  über  den 
uesundiieitszustarid  der  betreffenden  Tiere  vergewiss€ni.  Bisher 
habe  man  von  solchen  Vorsichtsmassregeln  nichts  gehört. 

Die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  Tuberkulin  bespricht 
Guinard-Bligny;  dieselbe  liefert  zwar  bessere  Resultate  als  jene 
mit  den  verschiedenen  Serumarten  (von  immunisierten  Pferden  oder 
Ziegen),  aber  das  Tuberkulin  kann  wegen  der  damit  verbundenen 
Gefahren  —  in  unerfahrenen  Händen  —  in  die  tägliche  Praxis  keinen 
Eingang  finden  G.  bedient  sich  des  gewöhnlichen  K  o  c  h  sehen  Tu- 
berkulins,  vom  Institut  Pasteur  dargestellt,  beginnt  mit  1/25 o  mg  und  er- 

°b*  d!e.  D°S1S  nUirraie  8m10  lage’  Die  von  ihm  behandelten  Kran- 
^e.n.  sch'enfn  wirklichen  Nutzen  vom  Tuberkulin  zu  haben,  nicht  nur 
wahrend  der  Imektionen.  sondern  auch  nach  Aussetzen  derselben- 
sorgfältig  gehandhabt  ist  jedenfalls  die  Tuberkulinkur  unschädlich. 

i  „n„Leiedde.Mlt  es  *ür  zweifellos,  dass  das  Tuberkulin  beim 
Lupus  vulgaris  einen  günstigen  therapeutischen  Einfluss  hat,  ohne  dass 

kann.hm  J6d0Ch  611160  regelmiissiKen  Heilungswert  beimessen 

*  ,e  S  t  e  1 1  a  -  Louvain  zeigt  sich  als  enthusiastischer  Anhäno-pr 
du  I  uberkulinbehandlunig  der  Tuberkulose;  die  Statistik  der  von  ilim 
behandelten  Palle  ergibt  viel  bessere  Resultate  als  die  in  allen  an- 
deren  Statistiken  enthaltenen:  mit  Ausnahme  der  sehr  vorgeschrit¬ 
tenen  balle  wurden  die  meisten  Fälle  durch  Tuberkulin  geheilt  und 
wenn  auch  zuweilen  keine  Vernarbung  eintrat  und  Kavernen  bestehen 

so  dass  SdieSlpatiS  wehnigs,"'ls  des  Allgemeinbefindens, 

so  dass  die  I  atienten  ihrer  Beschäftigung  wieder  nachgehen  kön 

neu  u  s  r.;  wenn  ferner  bei  mit  Tuberkulin  vorbehandeHen Fällen l\n 
zuHick.  ei0tntt’  S°  S6ht  Cr  raSch  bei  Wiederaufnahme  der  Behandlung 

B  e  c  o  -  Brüssel  kam  während  der  6  Jahre,  wo  er  Tuberkulin  an 
p andte,  zu  viel  weniger  günstigen  Resultaten  wie  de  Stella-  die 

V'-  naSle  vnrhanden  sind,  bestehen  in  einer  Besserung  des 
gemuiibefindens  und  in  einer  viel  grösseren  Widerstandskraft  der 
tuberkulösen,  aber  man  beobachtet  keine  lokale  Wirkung  auf  die 


tuberkulösen  Affektionen  und  es  ist  nicht  leicht,  festzustellen,  ob  die¬ 
selben  Resultate  nicht  durch  hygienische  Massnahmen  zu  erzielen 
sind. 

Bauer  hat  150  Tuberkulöse  mit  dem  B  e  r  a  n  e  k  sehen  Tuber¬ 
kulin  behandelt  und  glaubt  an  eine  spezifische  Wirkung  auf  die  tuber¬ 
kulösen  Erk  rank  ungen  und  Bildung  einer  aktiven  Immunisation;  auch 
bei  fiebernden  Kranken  hat  er  mit  Tuberkulin  Erfolge  gehabt.  Wenn 
man  äusserst  vorsichtig  mit  dem  Tuberkulin  vorgeht,  immer  zwei¬ 
mal  dieselbe  Dosis  injiziert  und  keinen  Zwischenfall  erlebt,  so  er¬ 
zielt  man  im  allgemeinen  bei  der  chronischen  Tuberkulose  eine  lang¬ 
same  und  fortschreitende  Besserung;  ist  man  auf  der  Dosis  ange¬ 
langt,  die  gerade  noch  am  besten  vertragen  wird,  so  wiederhole  man 
dieselbe  2—3  mal  pro  Woche  mehrere  Monate  hindurch. 

Stephani-  Montana  und  Qouraud  -  Paris  haben  mit  dem 
I  uberkulm  D  enys  gute  Resultate  erzielt,  aber  man  muss  es  sehr 
vorsichtig  anwenden. 

Mantoux  hat  in  systematischer  Weise  die  Ophthalmo- 
I  !a  1  i° !'  be'  zweihundert  gesunden  Personen  im  Alter  von 
-  bis  16  Jahren  ausgeführt.  Von  16  Kindern  (8  Proz.),  welche  positiv 
reagierten,  erwiesen  sich  bei  der  klinischen  Untersuchung  nur  3  als 
verdächtig  auf  Tuberkulose,  während  10  Kinder,  welche  nicht  reagiert 
haben,  bei  der  Perkussion  und  Auskultation  dem  ersten  Stadium 
(nach  u  i  an  eher)  entsprechende  Anomalien  aufwiesen.  M.  glaubt 
datier,  dass  die  Ophthalmoreaktion,  mag  sie  positiv  oder  negativ  smn 
mit  grosser  Reserve  gedeutet  werden  muss. 

~  Scherb-Algier  hingegen  kommt  zu  folgenden  Schlüssen.  Die 
Ophthalmoreaktion  ist  ein  diagnostisches  Mittel  von  grosser  Sensi¬ 
bilität  und  besonders  interessant,  wenn  positiv  in  den  Fällen,  wo  man 
sie  nach  dem  klinischen  Befunde  nicht  erwartete,  oder  wenn  negativ 
dann,  wo  man  mit  Recht  sie  anzunehmen  schien.  Bei  Säuglingen 
scheint  sie  berufen,  die  besten  Dienste  zu  tun. 

B  a  rie -  Paris  bespricht  den  Herzumfang  bei  der  Lungentuber¬ 
kulose.  Die  Tuberkulose  kann  auf  das  Herz  wirken,  indem  sie  ein- 
ache  funktionelle  Störungen  oder  Veränderungen  bald  allgemeiner 
bald  rein  tuberkulöser  Natur  hervorruft;  aber  ohne  so  tiefgehende 
Veränderungen  zu  bewirken,  kann  sie  auch  das  Volumen  des  Herzens 
untei  gewissen  Bedingungen  verändern.  Wenn  auch  ganz  ausnahms¬ 
weise,  so  kommt  doch  die  Herzerweiterung  und  -vergrösserung  bei 
I  uberkulose  vor,  während  die  Atrophie  eine  ziemlich  häufige  Begleit¬ 
erscheinung  derselben  bekanntlich  ist.  Erstere  kommt  nach  B.  unter 
3  Umstanden  vor:  1  wenn  die  Lungentuberkulose  mit  einem  or¬ 
ganischen  Herzleiden  (Klappenfehler,  chronischer  Myokarditis  usw.). 

mit  Stenose  der  Arteria  pulmonaris  und  3.  wenn  sie  mit  Ver¬ 
dauungsstörungen  bei  gewissen  übererregbaren,  neuropathisch  veran¬ 
lagten  Individuen  verbunden  ist. 

..  «  !  1  s,s  a  11 4d  ,und  S  i  c  a  r  d  empfehlen  die  S  c  h  1  ö  s  s  e  r  sehe 

Methode  der  A  1  k  o  h  o  1  i  n  j  e  k  t  i  o  n  e  n  nicht  nur  bei  primären 
sog.  essentiellen  Neuralgien  des  Trigeminus,  sondern  auch  bei 
sekundären;  so  haben  sie  mit  Erfolg  in  2  Fällen  von  Zungenkrebs 
einem  Fal.  von  Sarkom  des  Unterkiefers,  2  Fällen  von  Ulzerationeri 
uer  Nasenflügel  usw.  diese  Injektionen  ausgeführt  und  damit  die  sehr 
heftigen  Schmerzen  rasch  gestillt. 

Har  vier  wandte  die  B  i  e  r  sehe  Methode  hei  Tripper¬ 
rheumatismus  an;  dieselbe  wirkt  schmerzstillend,  resolvierend 
und  entzündungshemmend,  also  in  dreifacher  Richtung  Der 
unmittelbare  Schmerznachlass  nach  Anlegung  der  elastischen  Binde 
ermöglicht  frühzeitige  passive  Bewegungen  und  verhindert  dadurch 
Gelenkssteifigkeit.  Auch  bei  den  chronischen  Formen  mit  Ankylose 
scheint  die  resolvierende  Wirkung  der  Stauungstherapie  evident 
zu  sein. 

Dopter  bringt  173  neue  Fälle  zur  Serumtherapie  der  Dys¬ 
enterie,  so  dass  sich  die  Gesamtsumme  der  von  ihm  behandelten  Fälle 
7 U,r  5-  ”  fe.niebt-  324  derselben,  die  .sicher  tödlich  waren,  haben  nur 
/  Todesfälle  ergeben.  Bei  mittelschweren  Fällen  genügen  gewöhn- 
hch  X  ccm  Serum,  bei  schwere,,  kann  man  40,  60,  ja  100  ccm  Sch 
injizier  en.  Es  ist  kein  Unterschied  in  den  Resultaten,  ob  die  Dys¬ 
enterie  den  Typ  Shiga  oder  Flexner  gezeigt  hat. 

,.  a  !  *  0  ‘  s  'bespricht  die  Behandlung  der  Kinderdiarrhöe  durch 
die  Trockenkost;  von  der  Ansicht  ausgehend,  dass  das  in  der  Milch 
en  hakeue  Wasser  und  nicht  die  Nährstoffe  das  Schädliche  sind,  emp- 

k-C  fQ  ,mo?1'chste  Einschränkung  der  Wasserzufuhr  und  trockene 
Kost  (bchweizerkase). 

Eine  Reihe  weiterer  Mitteilungen  brachte  noch  der  Kongress 
deren  Einzelanfuhrung  füglich  unterbleiben  kann  St 


Vereinigung  französischer  Urologen 

XI.  Versammlung  vom  10.  bis  12.  Oktober  1907  zu  Paris. 

Zur  Pathogenese  und  Behandlung  nicht  tuberkulöser  Prostata¬ 
abszesse. 

Oraison-Bordeaux  hatte  das  Referat  über  dieses  Thema, 
n  er  rostataabszess  versteht  man  nicht  nur  die  ausgedehnten  Eiter- 
ansaminlunigen  urethralen  Ursprungs,  sondern  auch  die  follikulären 

Sph,We  k  eren,  ,erstf  Stadium  bilden,  und  die  periprosta- 
S  Pblegmonen’  •WJeIche  als  ein  späteres  Stadium  anzusehen  sind. 
Ausser  allgemein  prädisponierenden  Ursachen  spielen  bei  der  Ent- 

ti!fnh<°0g-dar  Prostataabszesse  2  Hauptfaktoren  eine  Rolle:  Zirkula- 
S  i^arderUnJien-  _?le,  In  Anbetracht  der  reichlichen  Beckengefässe 
°ehi  häufig  sind,  und  das  Eindringen  pathogener  Keime.  Dieselben 


3.  Dezember  1907. 


können  spontan  oder  unter  dem  begünstigenden  Einfluss  eines  1  rau- 
mas  in  die  Vorsteherdrüse  gelangen;  es  sind  dies  Staphylokokkus, 
Gonokokkus  —  viel  häufiger  als  man  allgemein  glaubt  —  Strepto¬ 
kokkus  und,  Bacillus  coli,  ausnahmsweise  auch  andere  Bakterien, 
wie  der  Pneumokokkus.  Der  Ausgangspunkt  dieser  Mikroorganismen 
ist  ein  wechselnder,  meist  die  Harnröhre.  Diese  kann  gesund  sein 
und  die  Virulenz  seiner  normal  vorhandenen  Keime  gelegentlich  von 
intraurethralen  Eingriffen  sich  steigern,  meist  aber  handelt  es  sich 
um  akute  oder  noch  häufiger  um  chronische  Urethritis.  Die  Infektion 
kann  auch  von  anderer  Seite  herkommen,  selten  von  aussen  infolge 
einer  Verletzung,  häufiger  vom  Darme  her  oder  irgend  einer  Stelle 
des  Organismus  infolge  einer  allgemeinen  oder  scheinbar  lokalen 
Infektionskrankheit  (Influenza,  Furunkulose  etc.).  Die  Eiterung  geht 
meist  auf  das  periprostatische  Zellgewebe  über,  der  Abszess  kann 
sich  schliesslich  mit  Uebergang  der  Eiterung  in  verschiedenen  Rich¬ 
tungen  und  hartnäckigen  Fisteln  komplizieren.  Die  Behandlung  des 
Prostataabszesses  kann  zuerst  eine  präventive  sein,  indem  man  die 
akute  oder  chronische  Urethritis,  die  Darm-  oder  Blasenaffektionen 
und  die  akute  oder  chronische  Prostatitis  zu  bekämpfen  sucht.  Ist 
einmal  Eiterung  vorhanden,  so  sind  3  Behandlungswege  vorhanden: 
der  urethrale,  rektale  oder  perineale.  Ersterer  —  Massage  und  Spü¬ 
lungen  ein  bis  mehrere  Male  pro  Tag  —  ist  bei  mittelschweren  Fällen 
ohne  hochgradige  Reaktion  angezeigt,  in  allen  schwereren  Fällen 
empfiehlt  Referent  den  rektalen  Weg:  unter  Zuhilfenahme  eines  Spie¬ 
gels  ist  die  Inzision  leicht  auszuführen,  die  Erfahrung  lehrte,  dass  die 
Berührung  mit  denEäkalmassen  keine  weiteren  Infektionen  verursacht, 
dass  Hämorrhagien,  wenn  sie  Vorkommen,  leicht  zu  stillen,  Harn- 
röhren-Mastdarm-Fisteln  selten  sind  und  die  Drainage  leicht  auszu¬ 
führen  ist.  Den  perinealen  Operationsweg  verurteilt  O.  im  all¬ 
gemeinen,  da  die  Blutungen  nicht  so  leicht  zu  stillen,  wie  bei  der  vor¬ 
hergenannten  Operationsart,  urethro-perineale  oder  einfache  peri¬ 
neale  Fisteln  häufig  sind,  die  Heilung  langsam  vonstatten  geht  und 
schliesslich  die  Gefahr  besteht,  dass  die  Ejakulationskanäle  beschädigt 
werden.  Dies  ist  also  eine  Operation,  welche  auf  alte  oder  kompli¬ 
zierte  Fälle  oder  solche,  wo  der  Abszess  Neigung  hat,  sich  gegen 
das  Perineum  auszubreiten,  zu  beschränken  ist.  Die  Heilung  muss 
manchmal  durch  allgemein  tonische  Mittel  ergänzt  und  die  Kompli¬ 
kationen  (diffuse  Eiterung  usw.)  müssen  je  nach  dem  Falle  behandelt 
werden. 

Hartmann  und  Lavenant  -  Paris  erklären  den  Prostata- 
Abszess  für  eine  seltene  Krankheit,  da  sie  nur  33  solche  Fälle  bei 
11  000  im  Spital  Lariboisiere  behandelten  Fällen  beobachtet  haben. 
Die  häufigste  Ursache  ist  akute  Blennorrhagie,  dann  septischer  Kathe¬ 
terismus.  Ein  Teil  (12)  der  Abszesse  kam  durch  einfache  medika¬ 
mentöse  Behandlung  zur  Heilung,  die  anderen  mussten  inzidiert  wer¬ 
den;  H.  und  L.  wählten  ausschliesslich  den  perinealen  Weg,  und  zwar 
die  transversale  Perineotomie. 

N  o  g  u  e  s  -  Paris  ist  Anfänger  der  exspektativen  Behandlung; 
die  spontane  Oeffnung  der  Prostataabszesse  in  Harnröhre  oder  Mast¬ 
darm  ist  häufig  und  die  Heilung  dadurch  rascher  zu  erzielen.  Es  sind 
jedoch  2  strikte  Indikationen  zur  Operation  vorhanden:  erhöhte  Tem¬ 
peratur  (39°  in  der  Achselhöhle)  und  besonders  komplette  Harn¬ 
verhaltung.  N.  zieht  ebenfalls  die  perineale  Operation  vor. 

Rafin-Lyon  ist  Anhänger  der  exspektativen  Behandlung. 

L  o  u  m  e  a  u  -  Bordeaux  hat  27  Fälle  nichttuberkulöser  Abszesse 
der  Prostata  beobachtet,  wovon  9  als  Komplikation  der  Hypertrophie, 
die  übrigen  18  waren  meist  auf  eine  sehr  weit  zurückreichende  chro¬ 
nische  Gonorrhöe,  welche  anscheinend  gutartig  war  und  schleichend 
auf  die  Prostata  überging,  zurückzuführen. 

Andre-  Nancy  glaubt,  dass  die  meisten  Prostataabszesse,  so¬ 
wohl  die  bei  jungen  Leuten  infolge  von  Gonorrhöe,  wie  die  bei  alten 
als  Komplikationen  der  Hvpertrophie  beobachteten,  spontan  in  Harn¬ 
röhre  oder  Mastdarm,  selten  in  die  Blase  sich  öffnen;  zieht  sich  die 
Spontanöffnung  zu  lange  (über  8  Tage)  hinaus,  so  muss  man  operativ - 
Vorgehen, 

G  e  n  o  u  v  i  1 1  e  -  Paris  hebt  gewisse  Fälle,  wo  die  Prostata¬ 
infektion  lanige  Jahre  latent  bleibt,  und  die  Urinretention  hervor,  be¬ 
sonders  die  unvollständige,  welche  die  Prostataabszesse  begleiten 
kann.  Bezüglich  der  Behandlung,  deren  Grundstock  die  Massage 
bilden  soll,  ist  er  Anhänger  der  exspektativen  Methode. 

D  e  s  n  o  s  -  Paris  teilt  nicht  den  allgemeinen  Optimismus,  da  es 
Fälle  gibt,  welche  nach  anfangs  gutartigen  Verlauf  plötzlich  schlimme 
Erscheinungen  von  Allgemeininfektion  bewirken.  In  diesem  Moment 
ist  es  nicht  ratsam,  zu  operieren,  während  baldigste  Inzision  diese 
Zufälle  verhütet;  dieselbe  muss  eine  ausgiebige  sein,  der  rektale 
Weg  ist  weniger  gut  als  der  perineale. 

Mi  net -Paris  erklärt  in  längerer  Ausführung,  dass  die  ver¬ 
schiedenartige  Auffassung  von  der  Prognose  der  Prostataabszesse 
von  der  Konfusion  in  der  Statistik  herriihre,  indem  man  die  sehr 
häufigen  kleinen,  paraurethralen  Abszesse  und  die  sehr  seltenen 
grossen  Abszesse  der  Prostatalappen  (besonders  durch  die  rektale 
Untersuchung  zu  konstatieren)  zu  wenig  unterscheide. 

In  der  Besprechung  über  Urethritis  chronica  und  Strikturen  sind 
Reynes,  Hamonic  und  Desnos  darin  übereinstimmend,  dass 
ausgedehnte  Strikturen  häufig  mit  der  goutte  militaire  Zusammen¬ 
hängen  und  dieselben  oft  zur  Urethrotomie  mit  einer  oder  mehrfachen 
Inzisionen  drängen.  Der  Morgentropfen  stellt  nach  R.s  Ausführungen 
die  schleimig-eitrige  Absonderung  eines  chronischen  Entzündungs- 


2459 


Prozesses  der  Urethra  mit  Neigung  zu  fibröser  Narbenbildung  dar. 
Die  Behandlung  dieser  chronischen  Fälle  kann  zwar  mit 
Instillationen  erfolgen,  besseren  Erfolg  haben  aber  meist  die 
Dehnungen  (Benique,  Kollmann,  Oberlände  r),  welche  der 
Harnröhre  ihre  normale  Weite  wieder  geben  und  gleichzeitig  Aus¬ 
fluss  und  Entzündungszustand  zur  Heilung  bringen. 

Le  Für  führt  2  Fälle  an,  wo  zirkuläre  Elektrolyse  rasche  Heilung 
einer  traumatischen  Striktur  und  der  Prostatitis  herbeiführte. 

Nogues  bespricht  die  Polypen  in  der  Harnröhre  des  Weibes 
und  deren  pathologische  Anatomie;  es  handelt  sich  hiebei  um  gut¬ 
artige  Neubildungen,  welche  einen  ausgesprochen  entzündlichen 
Charakter  haben. 

D  e  s  n  o  s  -  Paris  erinnert  bezüglich  der  Pathogenese  der  Tuber¬ 
kulose  der  unteren  Harnwege  daran,  dass  dieselbe  zwar  meist  in 
der  Niere  ihren  Ausgangspunkt  hat,  dass  aber  die  weitere  Aus¬ 
dehnung  (auf  Blase  und  Harnröhre)  durch  die  allgemeine  Zirkulation 
erfolgen  kann;  die  Prostata  scheint  zuweilen  der  Ausgangspunkt  der 
Infektion  zu  sein  und  die  Gelegenheitsursache  dieser  Lokalisation  im 
allgemeinen  die  chronische  gonorrhoische  Urethritis. 

Hamonic-  Paris  bespricht  die  Anwendung  des  Argentum  col- 
loidale  bei  den  Affektionen  der  Harnwege.  H.  hat  das  Elektrargol 
direkt  in  die  erkrankten  Hoden,  Nebenhoden  oder  Prostata  injiziert; 
es  genügt,  das  betreffende  Organ  an  den  meist  erkrankten  Stellen 
anzustechen  und  eine  gewisse,  je  nach  dem  Grade  der  Erkrankung 
und  der  individuellen  Empfänglichkeit  verschiedene  Menge  Flüssig¬ 
keit  zu  injizieren. 

J  e  a  nb  r  o  u  -  Montpellier  wendet  bei  akuten  und  chronischen 
Blasenaffektionen  das  Kollargol  an,  und  zwar  geben  die  Injektionen 
von  1 — 3  proz.  Kollargol  ebenso  gute  Resultate,  wie  die  Arg.-nitr.- 
Einspritzungen,  haben  aber  den  grossen  Vorteil,  nicht  schmerzhaft 
zu  sein. 

D  u  h  o  t  -  Brüssel  wendet  seit  ca.  4  Monaten  das  Elektrargol 
gegen  akute  und  chronische  Gonorrhöe  an,  hat  aber  keine  nennens¬ 
werten  Erfolge  damit  erzielt. 

Jungano-  Neapel  bringt  eine  bakteriologische  Studie  über  die 

Infektionen  der  Harnwege  (die  bei  den  verschiedenen  Erkrankungen 
in  Harnröhre,  Blase  und  Nieren  gefundenen  Bakterien)  ferner  ge¬ 
meinsam  mit  Albarran  einen  Beitrag  zum  Studium  der  Antikörper 
bei  einigen  gonorrhoischen  Affektionen  (Rheumatismus,  Ureterozysti- 
tis,  Ureteropyelitis,  Prostataeiterung);  diese  Untersuchung  der  Anti¬ 
körper  war  fast  in  allen  Fällen  positiv.  Bei  aller  Anerkennung  dieser 
Methode  sind  jedoch  Albarran  und  Jungano  überzeugt,  dass 
sie  eine  Laboratoriumsmethode  bleiben  und  für  die  Praxis  keine 
greifbaren  Resultate  liefern  wird. 

L  o  u  m  e  a  u  spricht  über  die  Radiotherapie  des  Prostatakarzi¬ 
noms  und  der  Hypertrophie,  welche  der  Prostatektomie  nicht  zugäng¬ 
lich  ist.  In  einem  Falle  von  Prostatakarzinom  erzielte  er  nach 
6  Sitzungen  von  12 — 15  Minuten  Dauer  bedeutende  Lokal-  und  All¬ 
gemeinbesserung,  leider  zwang  aber  eine  leichte  Radiodermitis  am 
Perineum  zum  Aussetzen  der  Behandlung;  ebenso  glaubt  er  nach  den 
guten  Erfolgen  von  Mosakowicz  und  Lassueur,  dass  die 
Röntgentherapie  in  allen  Fällen  von  Prostatahypertrophie,  wo  die 
■Prostatektomie  nicht  zur  Anwendung  kommen  kann,  ein  gutes  Mittel, 
sei  es  am  Anfang  oder  in  einem  späteren  Stadium  dieser  Affektion,  ist. 

P  a  u  c  h  e  t  -  Amiens  und  Legueu  empfehlen  zur  Ausführung 
der  Prostatektomie  die  Rachistovainisation;  ebenso  werden  die  Bla- 
sentumoren  leichter  mit  dieser  als  der  Allgemeinnarkose  ooeriert  und 
auch  für  die  Operationen  an  den  Nieren  kann  die  Rachianästhesie  zur 
Anwendung  kommen. 

R  e  y  n  e  s  -  Marseille  verwendet  mit  Vorteil  zur  Allgemein¬ 
narkose  die  Alkohol! l)-Chloroform(2)-Aether(l)-Mischung:  die  An¬ 
ästhesie  tritt  damit  leicht  ein,  ohne  Exzitation,  rasches  Erwachen, 
nie  oder  fast  nie  Erbrechen. 

Georges  Luys  demonstriert  die  schönen  Resultate,  welche  er 
bei  der  Behandlung  der  Blasentumoren  auf  endovesikalem  Wege  mit 
seinem  Zystoskop  mit  direktem  Bild  erzielt  hat;  hauptsächlich  in¬ 
diziert  für  diese  Methode  sind  die  kleinen  Papillome  der  Blase. 

Heresko  -  Bukarest  bespricht  die  funktionelle  Nierenunter¬ 
suchung  und  gibt  der  A  1  b  a  r  r  a  n  sehen  (subkutanen  Phloridzin-) 
Probe  auf  Grund  von  18  Fällen  den  Vorzug  vor  allen  anderen 
Methoden.  St. 


Aus  den  französischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Academie  de  medecine. 

Sitzung  vom  8.  Oktober  1907. 

Entzündliche  Tuberkulose  und  Spätrachitis. 

Poncet  und  Leriche  glauben,  dass  die  Knochen-Gelenk- 
Deformitäten  der  Entwicklungsjahre,  wie  Skoliose,  Genu  valgum, 
schmerzhafter  Plattfuss,  Coxa  vara  usw.  meist  auf  eine  mildere  Form 
von  Tuberkulose  zurückzuführen  sind.  Das,  was  man  Spätrachitis 
nennt,  wäre  also  einer  entzündlichen  Tuberkulose  zuzuschreiben,  die 
sich  in  ganz  spezieller  Weise  entwickelte.  Diese  Tuberkulose,  die 
unter  ungewöhnlichen  und  von  der  Regel  abweichenden  Formen  auf- 
tritt,  bildet  nicht  weniger  eine  Drohung  für  die  Zukunft,  was  vom 
prophylaktischen  und  therapeutischen  Standpunkt  aus  zu  beachten  ist. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2460 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  49. 


\  ersuche  einer  neuen  Therapie  der  Tuberkulose,  gegründet  auf  die 
antitoxische  Wirkung  der  Leber. 

L  emo  ine  und  Gerard-Lille  gingen  von  der  Beobachtung 
aus.  dass  die  Galle  und  die  Gallensäuren  gegenüber  gewissen  Giften 
und  besonders  dem  Schlangengifte  eine  antitoxische  Wirkung  haben, 
und  studierten  nun  diese  Wirkung  auf  das  tuberkulöse  Gift.  Sie 
naben  in  das  Peritoneum  des  Meerschweinchens  zuerst  Bazillen  in¬ 
jiziert  und  dann  subkutane  Injektionen  von  Cholesterin  und  von 
einem  Extrakt,  das  durch  Behandlung  der  Galle  mit  Aether  ent- 
standen  ist,  gemacht.  Diese  Injektionen  haben  keinerlei  ungünstigen 
tiniluss  sei  es  loikaler  oder  allgemeiner  Art  gehabt  und  scheinen 
in  der  I  at  den  tuberkulösen  Prozess  in  der  Entwicklung  gehemmt 
zu  haben.  Die  Versuche,  welche  bei  Tuberkulose  des  Menschen  in 
a  cn  Stadien  derselben  angestellt  wurden,  haben  gleicherweise  gün- 
i  R6a  i  esu  tate  ge£e.ben:  Abnahme  des  Nachtschweisses,  des  Fiebers, 
der  Abgesehlagenheit,  Verminderung  der  Pulsfrequenz,  Aufhören  der 
Appetitlosigkeit.  Ermutigt  durch  diese  Erfolge  werden  L.  und  G 
ihre  Versuche  fortsetzen. 

Sitzung  vom  15.  Oktober  1907. 

Zur  Aetiologie  und  Pathogenese  mancher  Fälle  von  Tetanus. 

Vincent  -  Val-de-Gräce  hatte  in  gemeinschaftlichen  Unter¬ 
suchungen  mit  V  a  i  1 1  a  r  d  gefunden,  dass  der  N  i  c  o  1  a  i  e  r  sehe 
Bazillus  sich  bei  Verletzungen  oder  Operationen  unter  den  2  Haupt¬ 
bedingungen:  Bakterienassoziation  und  ausgesprochene  Zerreissung 
der  Gewebe  entwickelt.  Der  Tetanusbazillus  ist  also  nicht  an  sich, 
sondern  nur  gelegentlich  ein  pathogener  Saprophyt;  die  Be- 
welche  seine  Entwicklung  begünstigen,  sind  genau  jene, 
weiche  die  leukozytäre  Abwehr  regulieren.  Gleicherweise  kann  der 
etanusbazillus  durch  schlecht  sterilisiertes  Nahtmaterial  sich  ent¬ 
wickeln  unter  der  Bedingung,  dass  noch  andere  diese  Entwicklung 
begünstigende  Keime  vorhanden  sind.  Die  leukozytäre  Abwehr, 
durch  Miki  obenassoziation  und  durch  die  Zerrquetschung  der  Ge¬ 
webe  behindert,  kann  dies  durch  Anwesenheit  von  Blutgerinnseln 
im  Blute  noch  mehr  sein.  Eingeschlossen  in  den  Blutkuchen  können 
die  J  etanussporen  von  den  Phagozyten  nicht  erreicht  werden  V 
hat  dafür  den  experimentellen  Beweis  erbracht;  wenn  man  beim 
1  e i  e  ein  subkutanes  steriles  Hämatom  künstlich  erzeugt  und  mitten 
hinein  I  etanussporen  injiziert  oder  wenn  man  —  was  noch  einfacher 
1S  777  ;unter  die  Haut,  in  die  Muskeln,  in  das  Peritoneum  frisches 
sterilisiertes  Blut  und  Tetanussporen  injiziert,  dann  folgt  fast  un- 
mittelbar  Tetanus  nach.  Die  für  die  Praxis  wichtige  Schlussfolge¬ 
rung  aus  diesen  Versuchen  ist,  verdächtige  Wunden  von  Blutgerinn¬ 
seln  zu  reinigen  und  eine  rigorose  Blutstillung  vorzunehmen;  anderer¬ 
seits  ist  es  gut  ausser  der  ersten  Injektion  von  Tetanüsheilserum 
eine  zweite  nach  Verlauf  von  8  Tagen  vorzunehmen. 

Sitzung  vom  22.  Oktober  1907. 

,  S  a  ü.u  e,.  und  T  r  '  b  0  n  haben  experimentell  festgestellt,  dass 
das  Naphthalin  ein  Blutgift  dadurch  ist.  dass  Kohlenoxyd  entsteht, 
wenn  aphthalin  in  den  Organismus  durch  die  Verdauungsorgane 
oder  die  Lungen  eingeführt  wird.  Die  Naphthalindämpfe  stellen  den 
lypus  langsamer  Asphyxie  bei  den  Tieren  dar,  einer  Asphyxie,  die 
um  so  gefährlicher  ist,  als  sie  langsam  sich  einstellt  und  nur  lang¬ 
sam  sich  wieder  verteilt. 

Mo  u  reu  bringt  neue  Untersuchungen  über  die  Gasentwick¬ 
lungen  der  Thermalquellen,  über  Radioaktivität  und  das  Vorhanden¬ 
sein  seltener  Gase  und  Stoffe  (Helium,  Argon,  Neon)  in  denselben. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Aesculapian  Society. 

Sitzung  vom  4.  Oktober  1907. 

Einige  allgemeine  Grundsätze  der  Magentherapie. 

Vor?!wL?pt  ?  r-°7  °  A^ieS  /unachst  auf  die  physiologischen 
hi  f  rP' ei,  der  ,Abs°ud«rung  des  Magensaftes  obwalten, 

(i‘ 7  f  d  Qescbmadksempfindung  regen  vermittelst  des  Vagus 

es  wiclnkrAlmoef  hn  wS  nhTa  tS  ^  Magendrüsen  an.  Deshalb  ist 
cs  wichtig,  die  subjektiven  Idiosynkrasien  in  Bezug  auf  den  Ge- 

ze?«H,aChPinphr  ailSSer  ac,htv  zu  Iassen-  Unter  Umständen  ist  es  ange- 
i  +  atienten.  welche  zu  einem  Uebermass  im  Essen  neigen 

Kos f  ru!  ZfUo dtam pffn,  ducrch  die  Einförmigkeit  und  Reizlosigkeit  der 
Kost  Das  fortgesetzte  Sezermeren  der  Magendrüsen  am  Fundus 

dukteaJonredSen  pCih  Ch5miSChe  s.toffe-  welcbe  als  Verdauungspro- 
dukte  von  den  Pylorusdrusen  aufgenommen  werden.  Bekanntlich 

wechselt  der  Gehalt  an  Salzsäure  im  Magen  erheblich,  während  das 

Mbwindet"1  R?-  konstant,  blf lbt  and  nur  bei  atrophischer  Gastritis  ver- 
schvvindet.  Bei  vermindertem  HCl-Gehalt  kann  die  Darreichung  von 

Akahe"  den  Mahlzeiten  sehr  wohl  eine  nützliche  wTSg  ent- 
al ten  durch  Auflösung  des  in  solchen  Fällen  oft  reichlich  vorhandenen 
.  chleims  im  Magen,  während  solche  Medikamente  im  Stadium  der 

nacl‘  de"  Mahlzeiten,  jedenfalls  unzweckmässig 

kiiiVnt  S  Fak  e  SI,ld  bei-  H''Perazidität  kontraindiziert;  sie  wir- 
ui  entschieden  anregend  auf  die  Absonderung  von  Salzsäure  wie 
u  ’crhaupt  des  Magensaftes.  Beim  Ulcus  ventriculi  hat  Redner  die 
medikamentöse  Behandlung  wenig  befriedigend  gefunden,  insofern  als 


Rezidive  ungemein  häufig  eintraten.  Er  empfiehlt  die  Gastrojejuno- 
stomie  bei  Fallen  mit  anhaltendem  Schmerze,  entsprechendem  ob- 
;KV.  %en  Befunde,  wiederholten  Blutungen  oder  Verengerung  des 
Pförtners.  Besteht  keine  Stenose,  so  kann  die  Operation  doch  von 
wert  sein,  indem  sie  die  Hyperazidität  beseitigt,  was  herbeigeführt 

•V1ndiwnnSt<71S  wokl  d'Hrch  das  Regnrgitieren  von  alkalischem  Darm- 
nihalt  (I  ankreassekret)  und  andernteils  durch  eine  Abkürzung  der 
Reizung  der  Magendrüsen  durch  den  Speisenbrei,  indem  dieser 
schneller  als  vorher  den  Magen  verlässt.  Zum  Schluss  werden  einige 
asuistische  Mitteilungen  angeführt  und  die  Verwendung  der  Röntgen- 
strahkn  besprochen.  Mit  letzteren  erhält  man  ein  sehr  deutliches 
ßIld\z-Ay-  bei  Magenerweiterung,  durch  Eingeben  von  etwa  15  g  Bis¬ 
mut  in  Milch  suspendiert.  p{, 

Edinburgh  medico-chirurgical  Society. 


Sitzung  vom  3.  Juli  1907. 

Ueber  das  Anlegen  einer  Stützleiste  bei  abnorm  beweglicher  Niere. 

n,-CoiA;  TbomSoa  führte  zunächst  aus,  dass  die  eigentliche 
Ui sache  dei  Nierensenkung  und  der  Entstehung  einer  Wanderniere 
noch  immer  Gegenstand  der  Kontroverse  sei.  Seiner  Meinung  nach 
kann  man  weder  der  Gravidität  und  dem  Kindbett  noch  dem' engen 
Schnuren  eine  grosse  ätiologische  Bedeutung  zuschreiben.  Ebenso 
nabe  man  die  Beteiligung  von  Traumen  hierbei  stark  überschätzt. 
Dass  che  rechte  Seite  so  erheblich  viel  häufiger  Sitz  des  Leidens 
als...  dl.e.  bnke  rJst.  lässt  sich  nur  auf  den  Druck  der  Leber 
zui uckfuhren.  Ueberhaupt  verdienen  die  anatomischen  Verhältnisse 
eine  ausgiebige  Berücksichtigung.  An  der  Niere  spaltet  sich  die 
.ascia  transversalis  in  2  Blätter,  welche  das  Organ  umschliesseir 
oben  und  an  den  beiden  Seiten  desselben  sind  diese  beiden  Blätter 
mit  einander  verwachsen,  nicht  aber  am  unteren  Ende,  und  in 
diesem  Zwischenraum  ist  die  Niere  ohne  viel  Stützwerk  verankert. 
Bei  Nierensenkung  nun  spielt  diese  Faszie  eine  analoge  Rolle  wie 
der  Bruchsack  bei  der  Intestinalhernie.  Operative  Eingriffe  sind 
abei  nur  bei  einem  geringen  Prozentsatz  indiziert,  wenn  ein  direkter 
Zusammenhang  zwischen  den  Symptomen  und  dem  Grundleiden  nach¬ 
weisbar  ist.  Man  kann  mit  verschiedenen  Methoden  zum  Ziele  ge- 
™e.n-.  U]e  .zweckmässigste  Operation  ist  aber  die  Bildung  einer 
7  FFzleiste,  einer  Art  von  Bort,  wie  dies  namentlich  von  Harris 
in  Uhrkago  und  anderen  amerifkanischen  Autoren  empfohlen  ist.  Man 
ulu  t  eine  Inzision  von  der  Spitze  der  12.  Rippe  nach  unten  und 
voine  m  der  Richtung  des  ’M.  obliquus  externus  aus;  nach  Durch- 
trennung.  der  3  Schichten  der  Abdominalmuskeln  in  der  üblichen 
weise  wird  die  hintere  Lage  der  Fascia  perirenalis  durchtrennt  und 
die  Niere  freigelegt.  Nach  Entfernung  des  perirenalen  Fettgewebes 
am  unteren  Pole  der  Niere  werden  Einzelnähte  in  der  Weise  an¬ 
gelegt,  dass  das  parietale  Peritoneum  -und  die  vordere  Schichte  der 
ei  n  enalfaszie  an  der  Vorderfläche  der  Niere  zusammengefügt  wer- 
den.  wahrend  hinten  die  Aponeurosis  lumbaris  mit  der  hinteren 

nnrici.Le/  haS<7.ia  .De.nre"ali*  vereinigt  wird.  Am  gründlichsten 
und  sichersten  gelingt  das  Vernähen,  wenn  das  Peritoneum  an  der 
Aussenseite  des  Kolons  inzidiert  wird. 

J.  M.  C  o  .tter  i  1 1  meint,  dass  keine  Methode  gute  Resul+ate 
liefert,  wenn  die  Patienten  nicht  länger  als  3  Wochen  die  Rücken¬ 
lage  innehalten.  Um  gegen  Rezidive  sich  zu  sichern,  müssen  die 
Operierten  6  Wochen  Bettruhe  haben.  Er  verfährt  in  der  Weise 
dass  er  das  perirenale  Fett  auf  der  oberen  und  äusseren  Fläche  des 
Oiganes  entfernt  und  letzteres  dann  in  der  oberen  hinteren  Partie 
•des  Sackes  durch  Ausstopfen  des  unteren  Hohlraumes  mit  grossen 
Gazetampons  festhält. 

H.  .1.  S  t  i  1  e  s  glaubt,  dass  man  zweckmässig  so  verfahren  könnte, 
t  ass  man  oben  Suturen  anlegt  und  unten  ein  Stiitzbort  bildet. 

Die  Behandlung  von  Dementia  paralytica  und  von  Tabes  dorsalis 

mit  Vakzine  und  Antisera. 

Tord  Robertson  und  M  a  c  R  a  e  haben  verschiedene  Prä¬ 
parate  zu  diesem  Zwecke  hergestellt.  Zunächst  stellten  sie  Kul- 
turen :  von1  2  Typen  von  diphtheroiden  Bazillen  her,  welche  für  die 
Bereitung  der  Vakzine  und  der  Antisera  Verwendung  fanden.  Aller- 
umgs  sei  anzunehmen,  dass  auch  andere  Mikroorganismen  an  der 
loxamie  der  progressiven  Paralyse  und  der  Tabes  beteiligt  seien. 
Vert.  haben  nun  mit  den  abgetöteten  Kulturen  dieser  Bazillen  8  Fälle 
von  Paralyse  und  einen  Iabiker  geimpft.  Sie  erklären,  dass  im 
somatischen  und  psychischen  Zustand  der  Kranken  eine  ganz  deut¬ 
liche,  wenn  auch  nach  einigen  Wochen  wieder  vorübergehende  Bes- 
sefung  zu  konstatieren  gewesen  sei.  Bei  dem  einen  Patienten  hielt 
ie  Besserung  sogar  ein  Jahr  lang  an  bis  zu  seiner  Entfernung  aus 
der  Anstalt.  Seit  einem  Jahr  haben  Redner  Versuche  mit  einem' Anti- 

vnnU!!inh+UnS2ef  uhrt'R  llaben.  12  Schafe  immunisiert  mit  Kulturen 
von  diphtheroiden  Bazillen,  welche  sie  den  Paralytikern  und  Tabikern 

entnommen  haben.  Sie  verabreichen  gewöhnlich  20  ccm  subkutan 
oder  per  os  Die  lokale  Reaktion  scheint  selten  störend  hervor- 

fnncrw-  gelf,geatbcb  zeiete  sich  Erythem  oder  eine  Urtikaria.  Die 
konstitutionelle  Wirkung  äusserte  sich  teils  durch  eine  binnen  12 
Stunden  einsetzende  und  nach  24  Stunden  wieder  verschwindende 
ätu,rstIe1lgerang  auf  3f  «der  darüber  und  durch  Schläfrigkeit. 
Trprrmr  lJnbehagen.-  gelegentlich  durch  Erregungszustände  und 
f  S1,nd  26  Paralytiker  und  2  Tabiker  behandelt 

vordem  Von  12  Paralytikern,  welche  Redner  3  Monate  selbst  in 


MUENÜHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2461 


j.  Dezember  1907. 


Behandlung  hatten,  hätten  10  eine  augenfällige  Besserung  gezeigt. 
Auch  die  von  Kollegen  mit  diesen  Mitteln  ausgeführten  Behandlungs- 
versuche  hätten  günstige  Resultate  ergeben. 

G.  M.  Robertson  machte  eine  Mitteilung  über  das  Vorhanden¬ 
sein  eines  Bazillus  (Muirheads  diphtheroider  Bazillus)  im  Blute 
von  Paralytikern  und  über  das  Verhalten  des  B.  paralyticus.  Die 
Bezeichnung  B.  paralyticus  stammt  von  Ford  Robertson,  der 
diesem  von  ihm  von  den  Schleimhäuten  der  Paralytiker  entnommenen 
Bazillus  ätiologische  Bedeutung  zuschrieb.  G.  M.  R.  hat  dagegen  aus 
dem  Blute  und  der  Zerebrospinalflüssigkeit  von  7  Paralytikern  diph- 
theroide  Bazillen  gewonnen  und  gezüchtet,  doch  stimmte  diese  Art 
nicht  mit  dem  Ford  Robertson  sehen  B.  paralyticus  überein. 
Ueberhaupt  hat  G.  M.  R.  bei  seiner  recht  umfangreichen  Reihe  von 
Untersuchungen  keine  Bestätigung  der  Angaben  des  Vorredners  er¬ 
halten. 

T.  S.  C 1  o  u  s  t  o  n  konstatiert,  dass  er  einen  ganz  auffallenden 
klinischen  Erfolg  der  Robertson  sehen  Impfungen  an  den  Para¬ 
lytikern  beobachtet  habe. 

L.  C.  Bruce  hat  3  der  erwähnten  Patienten  sehr  genau  unter¬ 
sucht;  bei  2  derselben  konnte  an  der  Diagnose  kein  Zweifel  ob¬ 
walten.  Injektionen  von  R.schem  Serum  bewirkten  eine  prompte 
fieberhafte  Reaktion,  während  andere  Sera,  antirheumatisches,  anti- 
bacillus-coli,  polyvalentes  Antistreptokokkenserum  wirkungslos  blie¬ 
ben.  Trotz  vieler  Versuche  gelang  es  ihm  aber  nicht,  aus  dem 
Blute  der  Paralytiker  einen  Mikroorganismus  zu  gewinnen. 

Obstetrical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  3.  Juli  1907. 

Ueber  Vereiterung  einer  Ovarienzyste  durch  Bacillus  typhosus. 

F.  E.  Taylor  schilderte  folgende  Beobachtung:  Eine  37jährige 
Frau,  Mutter  von  4  Kindern-,  akquirierte  Abdominaltyphus,  und  im 
Verlaufe  der  Rekonvaleszenz  wurde  ein  frei  beweglicher  Tumor  im 
Abdomen  konstatiert.  Die  Geschwulst  nahm  allmählich  an  Grösse  zu, 
ohne  aber  sonstige  Symptome  zu  verursachen.  Etwa  nach  Jahres¬ 
frist  kam  Pat.  zur  Operation.  Man  fand  eine  stark  entzündliche, 
hyperämische  Zyste  des  Unken  Eierstocks,  die  mit  einigen  Ver¬ 
klebungen  am  Omentum  festsass.  Die  Zyste  wurde  unverletzt  ent¬ 
fernt,  und  die  Genesung  ging  völlig  glatt  von  statten.  Der  manns¬ 
kopfgrosse  Tumor  erwies  sich  als  eine  unilokuläre  Zyste  mit  grünlich¬ 
gelbem,  geruchlosem  Eiter,  aus  welchem  eine  Reinkultur  von  B. 
typhosus  gezüchtet  wurde.  Dies  wurde  durch  eingehende  Unter¬ 
suchungen  noch  bestätigt.  Eine  Probe  mit  dem  Serum  der  Patientin 
ergab  die  'Wi  da  Ische  Agglutination  bei  einör  Verdünnung  von 
1  : 1000  innerhalb  einer  Stunde.  Redner  nimmt  an,  dass  die  Typhus¬ 
bazillen  vermittelst  des  Blutstrornes  in  die  Zyste  eingedrungen  sein 
müssen,  und  er  hält  diesen  Fall  für  einen  Beweis  dafür,  dass  diese 
Mikroorganismen  eitererregende  Eigenschaften  besitzen. 

H.  R.  Spencer  bezweifelt  die  Beweiskraft  der  W  i  d  a  1  sehen 
Reaktion;  es  sei  auch  merkwürdig,  dass  dieser  Mikroorganismus 
12  Monate  lang  in  der  Ovarialflüssigkeit  fortleben  sollte. 

Taylor  erwidert,  dass  die  W  i  d  a  1-sche  Reaktion  zwar  nicht 
unfehlbar  aber  bei  genauer  Befolgung  der  nötigen  Kautelen  betreffs 
Verdünnung  und  Zeitgrenze  zweifellos  zuverlässig  sei. 

P  h  i  1  i  p  p  i  -  Salzschlirf. 


Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  27.  November  1907. 

Herr  L.  Langstein:  Das  Problem  der  künstlichen  Er¬ 
nährung  der  Säuglinge. 

Wenn  auch  die  Bestrebungen  dahin  gehen,  dem  Säugling 
die  Mutterbrust  zu  sichern,  darf  darüber  das  Studium  der 
künstlichen  Ernährung  nicht  vernachlässigt  werden.  Es  muss 
untersucht  werden,  inwieweit  Verschiedenheiten  in  der  Zu¬ 
sammensetzung  der  Frauen-  und  Kuhmilch  in  Betracht  kommen. 
Unterschiede  bestehen  darin,  dass  das  Fett  der  Frauenmilch 
oleinreicher  ist  als  das  der  Kuhmilch,  ferner  hat  die  Kuhmilch 
bedeutend  mehr  Kasein  und  weniger  Albumin,  die  Frauenmilch 
weniger  Kasein  und  mehr  Albumin.  Die  Kohlehydrate  werden 
im  wesentlichen  durch  den  Milchzucker  repräsentiert,  in  bezug 
auf  die  einzelnen  Salzkomponenten  scheint  die  Frauenmilch 
sehr  grossen  Schwankungen  unterworfen  zu  sein.  Bei  Er¬ 
nährung  mit  Kuhmilch  treten  in  den  Fäzes  der  Kinder  Partikel 
auf,  die  ähnlich  wie  Kaseinflocken  aussehen  und  Stickstoff  und 
Phosphor  enthalten.  Deshalb  glaubte  man,  dass  hier  der 
Schaden  dieser  Ernährung  zu  finden  sei.  Heubner  und 
Czerny  wiesen  nach,  dass  Derivate  des  Fettes  jene  Brocken 
ausmachen.  Jetzt  sieht  man  die  Schädigung  darin,  dass  bei 


Kuhmilchnahrung  artfremdes  Eiweiss  die  Darmzellen  umspült 
und  giftig  wirkt,  wie  man  es  bei  parenteraler  Zuführung 
experimentell  erwiesen  hat.  Auf  der  Heubner  sehen  Klinik 
angestellte  Versuche  haben  jedoch  Unterschiede  in  der  Ver¬ 
daulichkeit  beider  Eiweissarten  nicht  ergeben.  Der  Organis¬ 
mus  baut  vom  ersten  Lebenstage  an  das  Eiweiss  bis  zu  den 
tiefsten  Bruchstücken  ab.  Pepsin  und  Trypsin  bringt  das  Neu¬ 
geborene  auf  die  Welt  und  im  5.  Fötalmonat  ist  schon  Erepsin 
vorhanden.  Auch  biologische  Unterschiede  beider  Eiweiss¬ 
arten  sind  nicht  stichhaltig.  Auch  klinische  Argumente  können 
die  Frage  nicht  lösen.  Einen  Fortschritt  von  grosser  Be¬ 
deutung  bildet  die  Erkenntnis,  dass  Kuhmilchfett  einen  schädi¬ 
genden  Faktor  bei  der  künstlichen  Ernährung  bildet.  Es  feiert 
die  Buttermilch  ihre  Triumphe,  wo  es  heisst,  die  Schädigung 
durch  Fett  zu  vermeiden.  Zuviel  Kohlehydrate  können  Zucker 
oder  Mehlnährschaden  hervorrufen,  beim  Säugling  Fieber¬ 
steigerungen.  Aber  auch  Fehlen  von  Zucker  ruft  beim  Säug¬ 
ling  akute  Atrophie  und  Exitus  hervor.  Die  Bedeutung  der 
Salze  für  die  Ernährung  liegt  noch  in  den  Anfängen.  Hin¬ 
gewiesen  sei  auf  die  Untersuchungen  von  Ludwig  F.  Meyer 
und  von  Löb  in  seinem  Buche: ,, Ueber  die  Dynamik  der  Lebens¬ 
vorgänge“.  Die  Lehre  von  den  Ionen  wird  auch  hier  noch 
spätere  Triumphe  feiern.  Es  darf  nicht  die  Wirkung  und  das 
Schicksal  eines  einzelnen  dieser  Bestandteile  studiert  werden, 
sondern  ihre  Wechselwirkung  auf-  und  zueinander.  Redner 
geht  dann  ein  auf  die  Frage,  ob  rohe  oder  gekochte  Milch  zu 
verabreichen  ist  und  nachdem  er  auch  diese  noch  nicht  für 
im  einen  oder  andern  Sinne  entschieden  erklärt,  fordert  er  vor 
allem  in  Zukunft  für  diese  Fragen  der  künstlichen  Ernährung 
mehr  Kritik  und  warnt  vor  einseitigem  Schematismus  auf  Grund 
theoretischer  Spekulationen. 

Herr  Carl  Lew  in:  Experimentelle  Beiträge  zur  Morpho¬ 
logie  und  Biologie  bösartiger  Geschwülste.  (Mit  Demon¬ 
strationen  am  Projektionsapparat.) 

Die  Untersuchungen  werden  an  einem  Rattenkarzinom 
ausgeführt,  das  die  klinischen  Eigenschaften  des  menschlichen 
Krebses  besitzt.  Histologisch  war  der  primäre  Tumor  ein 
Adenokarzinom  der  Mamma,  dies  blieb  er  bei  Ueberimpfung 
bis  zur  3.  Generation,  hier  bildete  er,  subkutan  verimpft,  ein 
Kankroid,  das  sich  seinerseits  entweder  als  Kankroid  oder  als 
Mischgeschwulst  von  Kankroid  und  Adenokarzinom  weiter¬ 
impfen  lässt.  Das  Stroma  dagegen  bildet  Bindegewebsge- 
schwülste,  die  sich  als  Spindelzellen  und  Rundzellensarkome 
weiterimpfen  lassen.  Zwischen  Karzinom  und  Sarkom  be¬ 
stehen  auch  gemeinsame  immunisatorische  Beziehungen,  so  wie 
das  von  Ehrlich  zuerst  gefunden  ist.  Es  gelingt  durch  In¬ 
jektion  von  normalem  Blut  bei  den  Ratten  einen  erheblichen 
Grad  von  Immunität  gegen  Karzinom  und  Sarkom  zu  erzielen. 
Es  gelang  L.  auch  durch  Verimpfung  mit  Rattenkarzinom 
Mäuse  gegen  Mäusekrebs  fast  vollkommen  zu  immunisieren 
und  ebenso  durch  aktive  Immunisierung  das  Tumorenwachs- 
tum  zu  verhindern.  Zum  Schluss  folgen  Demonstrationen  der 
sehr  schönen,  entsprechenden  mikroskopischer.  Präparate. 

Fritz  Koch. 

Berichtigung.  Bei  dem  am  21.  II.  07  von  Herrn  M  o  s  s  e 
vorgestellten  Fall  von  Blutkrankheit  hat  es  sich  nicht,  wie  angegeben, 
um  Leukämie,  sondern  um  chronische  myeloide  Leukanämie  bei  absolut 
und  relativ  hohen  Werten  der  Eosinophilen  und  Mastzellen  gehandelt. 


Verschiedenes. 

QHh'acababra,  ist  ein  cabalifTisches  und  magisches  Wort,  welches 
wider  das  Fieber  und  andere  Krankheiten  in  dieser  Figur 

abracadab  ra 
abracadabr 
abracadab 
abracada 
a  b  r  a  c  a  d 
a  b  r  a  c  a 
a  b  r  a  c 
a  b  r  a 
abr 
a  b 
a 

auf  einen  Bcttul  yi  fdireibeti ,  mit  bent  Kvaiufen  au  beit  VaU  yt  (fangen ,  eon 
einigen  abevgldubtfdieu  Leuten  recommendivet  wirb.  (3-  3-  2Bot)t$  63a^o= 
pjjplacium.  2eip$ig,  1740.)  F.  L. 


MUENCH.ENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  40. 


2462 


Therapeutische  Notizen. 

Ueber  die  Behandlung  der  Herzkranken  in  i  t  Sol¬ 
bädern  hat  Boehr  in  Kreuznach  ausgedehnte  Erfahrungen  ge¬ 
sammelt  (Ther.  Monatsh.  1907.  10).  Die  Behandlung  bestand  in  Ver¬ 
meidung  jeder  körperlichen  Ueberanstrengung,  Enthaltung  von  Herz- 
giiten  (Nikotin.  Alkohol),  leichter  Widerstandisgymnastik  und  Ter¬ 
rainkur,  regelmässigen  Bädern  (34— 28  0  C,  12  Minuten  Dauer  6  Liter 
Soole). 

Unter  den  so  behandelten  155  Kranken  war  bei  136  Fällen  der 
Erfolg  ein  recht  guter.  In  vielen  Fällen  wurden  die  heftigen  Be¬ 
schwerden  vollständig  und  —  was  das  Wichtigste  ist  —  auf  lahre 
hinaus  beseitigt.  '  Vr 

Bei  der  Behandlung  der  Arteriosklerose  ist  es  nach 
Minkowski  die  wichtigste  Aufgabe,  die  Arbeit  der  Gefäss- 
muskulatur  richtig  zu  beurteilen.  Bei  der  vor  allen  Dingen  not¬ 
wendigen  Regelung  der  Lebensweise  muss  denjenigen  Organen,  die 
übermässig  zu  arbeiten  gezwungen  waren,  mehr  Ruhe  gewährt 
werden,  während  die  wenig  in  Anspruch  genommenen  Organe  zu 
erhöhter  Tätigkeit  angeregt  werden  sollen.  Ein  Uebermass  der  Blut¬ 
drucksteigerung  ist  zu  vermeiden.  Sportliche  Uebungen  jeder  Art 
sind  verboten,  besonders  das  Radfahren.  Bei  starker  Herzinsuffizienz 
ist  absolute  Ruhe  zunächst  das  wichtigste.  Bei  erzielter  Erholung 
des  Heizens  beginne  man  mit  Bädern,  angefangen  von  lauwarmen 
indifferenten  Bädern  bis  zu  Kohlensäure-  und  Solebädern.  Zur  Herab¬ 
setzung  der  Widerstände  in  den  Gefässen  empfehlen  sich  vor  allen 
Dingen  leichte  Ableitungen  auf  den  Darm.  Auch  die  geistige  Arbeit 
ist  genau  zu  regeln;  psychische  Erregungen  sind  zu  vermeiden.  Die 
Sorge  für  den  Schlaf  muss  man  sich  sehr  angelegen  sein  lassen.  Die 
Nahi  ung  sei  eine  gemischte,  nicht  zu  voluminöse,  eine  leicht  verdau¬ 
liche  und  nicht  zu  stark  gewürzte.  Die  Genussmittel  brauchen  nicht 
völlig  verboten  zu  werden.  Von  Medikamenten  empfiehlt  sich  vor 
allen  Dingen  das  Jodkali.  (Ther.  Monatsh.  9,  1907.)  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  2.  Dezember  1907. 

—  Die  Verhandlung  der  Beleidigungsklage,  die  das 
E  h  i  engericht  desAerztlichen  Bezirksvereins  Miin- 
chen  gegen  Prof.  Quidde  angestrengt  hat,  weil  dieser  den  gegen 
Dr.  H  u  t  z  1  e  r  gefällten  Schiedsspruch  als  „grob  fahrlässig“  bezeichnet 
hatte,  nahm  am  28.  v.  Mts.  vor  dem  Schöffengerichte  in  München  ihren 
Antang.  Die  Verhandlungen  nehmen  deshalb  einen  grossen  Umfang 
an,  weil  das  Gericht  beschlossen  hat,  nachzuprüfen,  auf  Grund  welchen 
Materiales  das  Ehrengericht  zu  seinem  Spruche  gekommen  ist.  Es 
wird  somit  die  ganze  Affäre  des  Giselakinderspitals  durch  'umfassende 
Zeugenvernehmungen  klargestellt.  Bei  Abschluss  dieser  Nummer 
dauert  die  Beweisaufnahme  noch  fort. 

bsdische  Aerztekammer  beschloss  in  ihrer 
oi deutlichen  Sitzung  vom  31.  Oktober  ds.  Js.,  eine  Aerztliche 
U  n  t  e  r  stützungskasse  neu  zu  errichten  und  an  die  einzelnen 
ärztlichen  Vereine  des  Landes  den  Antrag  zu  stellen,  die  alte  Unter¬ 
stützungskasse  aufzulösen  und  deren  Vermögen  an  die  Aerztekammer 
zu  übergeben.  Die  Satzungen  der  neuen  Kasse  wurden  beraten  und 
weraen  in  der  angenommenen  Fassung  der  Regierung  zur  Ge¬ 
nehmigung  vorgelegt.  —  Med.-Rat  Dr.  Blume-  Philippsburg  er¬ 
stattete  ein  ausführliches  Referat  über  „die  sogenannten  ärzt¬ 
lichen  Familien  vebträge‘‘i  die  weder  in  materieller  noch 
m  ideeller  Beziehung  mehr  den  Interessen  des  ärztlichen  Standes  ent¬ 
sprechen,  sondern  im  Gegenteil  geradezu  ein  Hemmschuh  für  die 
freie  Entwicklung  der  ärztlichen  Tätigkeit  sind  und  Missbräuche  in 
Gefolge  führen,  welche  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes  schwer 
zu  schädigen  geeignet  sind.  Die  Kammer  nahm  eine  Resolution  ein¬ 
stimmig  an,  in  der  es  für  dringend  geboten  erklärt  wird,  dass  auch  die 
sog.  Famihenverträge  nur  mit  Genehmigung  der  betr.  ärztlichen 
Vereine  abgeschlossen  werden;  in  Fällen,  in  denen  derartige  Ver¬ 
träge  zu  Schädigungen  der  ärztlichen  Standesinteressen  geführt  haben, 
sollen  sie  eventuell  zum  Gegenstand  eines  ehrengerichtlichen  Ver¬ 
fahrens  gemacht  werden.  —  Schliesslich  gelangte  noch  der  „Fall 
•Sintenis  zur  Verhandlung,  der  von  allgemeinem  Interesse  ist. 
Dr.  S.  aus  Dorpat,  jetzt  in  Villingen,  erhielt  vom  gr.  bad.  Ministerium, 
Jic  A.pprobation  unter  Entbindung  von  iden  vorgeschriebenen  Prii- 
Jungen,  auf  Grund  der  Bekanntmachung  vom  9.  Dezember  1869,  wo¬ 
nach  „die  Entbindnug  von  den  ärztlichen  Prüfungen  auf  Grund  wissen¬ 
schaftlich  erprobter  Leistungen  nur  dann  zulässig  ist,  wenn  der  Nach¬ 
stehende  nachweist,  dass  ihm  von  seiten  eines  Staates  oder  einer 
Gemeinde  amtliche  Funktionen  übertragen  werden  sollen“.  Dr  S 
sollte  nun  als  Armenarzt  der  Stadt  Villingen  mit  aufgestellt  werden 
und  sich  mit  den  anderen  Herren  in  das  ausgeworfene  Aversum  teilen, 
wobei  auf  seinen  Anteil  240  Mark  fielen.  Bisher  hat  aber  das 
Ministerium  eine  Armenarztstelle  nicht  als  amtliche 
I  unktion  beti  achtet.  Da  der  Fall  S.  zu  ganz  unhaltbaren  Konse¬ 
quenzen  führen  würde,  wird  beantragt,  beim  Ministerium  um  Zurück¬ 
ziehung  der  dem  Dr.  S.  erteilten  Approbation,  die  auf  Grund  falscher 
Voraussetzungen  erteilt  wurde,  vorstellig  zu  werden.  Die  Kammer 
beschliesst  demgemäss.  (Aerzt.  Mitteilungen  aus  und  für  Baden 
J907,  No.  21.) 


—  Man  schreibt  uns  aus  Wien:  Am  23.  November  1.  J.  wurde 
das  25  jährige  Jubiläum  des  Wiener  neurologischen  Insti¬ 
tutes,  einer  Schöpfung  des  Hofrates  Prof.  Dr.  Heinrich  Ober¬ 
st  e  i  n  e  r,  festlich  begangen.  Vertreter  des  Unterichtsministeriums, 
mehrerer  ärztlicher  Gesellschaften,  zahlreiche  Mitglieder  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät,  Schüler  und  Kollegen  des  Gefeierten  wohnten  der 
intimen  Feier  bei  Hofrat  Ober  st  einer,  der  am  13.  1.  M.  sein 
60.  Lebensjahr  vollendete,  hat  dem  Universitätsinstitute,  das  sich  eines 
Weltrufes  erfreut,  eine  kostbare  Bibliothek  und  eine  reiche  Präparaten- 
sammlung,  welche  zahlreiche  Unika  enthält,  und  zu  deren  Erhaltung 
und  Komplettierung  einen  sehr  grossen  Geldbetrag  geschenkt  und  sich 
hierdurch,  noch  mehr  aber  durch  zahllose  wertvolle  wissenschaftliche 
Beiträge  über  die  Anatomie  und  Physiologie  des  Zentralnervensystems, 
ferner  durch  Unterweisung  zahlreicher  Schüler,  welche  unter  seiner  . 
Leitung  die  neurologische  Forschung  förderten,  grosse,  bleibende  Ver¬ 
dienste  erworben.  Alle  diese  Verdienste  wurden  bei  der  Feier  von 
den  Professoren  v.  Frankl -  Hochwart,  P  a  1 1  a  u  f,  Redlich, 

C  h  r  o  b  a  k,  v.  Wagner-Jauregg,  E  x  n  e  r  u.  a.  in  schwung¬ 
vollen  Reden  und  Glückwünschen  gebührend  gewürdigt.  Die  Schüler 
Obersteiners  hatten  eine  Marmorbüste  des  Gefeierten  vom 
Künstler  Kauft  ungen  anfertigen  lassen,  welche  in  Hinkunft  das 
neurologische  Institut  zieren  soll,  sie  hatten  eine  „Obersteiner-Fest¬ 
schrift“  in  2  Bänden  und  40  Beiträgen  zustande  gebracht,  welche  vom 
Dozenten  Dr.  Marburg  überreicht  wurde.  Hofrat  Obersteiner  ist 
auch  seit  1872  Leiter  einer  berühmten  Privatirrenanstalt  und  fungiert 
seit  1902  als  Präsident  des  Vereins  für  Psychiatrie  und  Neurologie  in 
Wien.  Sehr  bekannt  und  viel  studiert  ist  Obersteineris  „An¬ 
leitung  beim  Studium  des  Baues  der  nervösen  Zentralorgane“,  ein 
grundlegendes  Werk,  welches  schon  zahlreiche  Auflagen  erlebt  hat 
und  in  mehrere  fremde  Sprachen  übersetzt  wurde.  Die  periodisch 
erscheinenden  „Arbeiten  aus  dem  Wiener  neurologischen  Institute“ 
bergen  neben  anderen  Fachblättern  Obersteiners  zahlreiche  Pu¬ 
blikationen,  sowie  die  seiner  Schüler  aus  dem  In-  und  Auslande.  Ob 
seiner  Herzensgüte  und  ob  seines,  den  Aerzten  jederzeit  entgegen¬ 
gebrachten  Wohlwollens  erfreut  sich  Obersteiner  schliesslich 
allgemeiner  Liebe  und  neidloser  Bewunderung.  Am  Abend  des  Fest¬ 
tages  vereinigte  ein  Bankett  zahlreiche  Freunde  und  Schüler  des 
Jubilars.  —  Vor  etwa  drei  Jahren  hat  die  Regierung,  die  Besitzerin 
der  uranhältigen  Erzschachte  in  Joachimsthal  in  Böhmen,  der  kaiser¬ 
lichen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  10  000  kg  Laugen¬ 
rückstände  des  Uranerzes  für  den  Preis  von  ebensovielen  Kronen 
zur  Verfügung  gestellt.  Diese  Laugenrückstände  wurden  nun  in  einer 
chemischen  Fabrik  in  der  Nähe  Wiens  während  der  drei  Jahre  ver¬ 
arbeitet,  d.  h.  wiederholten  Lösungen  und  fraktionierten  Krystalli- 
satlonen  unterworfen,  bis  endlich  2,6g  Radium  (richtiger  Radium¬ 
bromid)  resultierten.  Das  kostbare  Material  wurde  dem  Wiener 
physikalischen  Universitätsinstitute  des  Professor  Dr.  Franz  Exner 
überwiesen  und  daselbst  sollen  nunmehr  die  Wärme-  und  Emanations¬ 
verhältnisse  des  Radiums  studiert  werden.  Einen  Teil  des  Radiums 
(0,6  g)  hat  die  Akademie  der  Wissenschaften  dem  bekannten  Radium- 
forscher,  dem  englischen  Physiker  Sir  William  Ramsay  leihweise 
übermittelt.  Ueberdies  wird  in  Joacliimstal  selbst  weiteres  Radium 
fabriziert,  so  dass  das  kostbare  Präparat  ln  einigen  Jahren  auch  für 
medizinische  Zwecke  in  genügender  Menge  vorhanden  sein  dürfte. 

—  Die  Freiburger  medizinische  Klinik  erlässt  unter  Mitwirkung 
namhafter  innerer  Kliniker  einen  Aufruf  zur  Errichtung  eines  Denk¬ 
mals  für  Adolf  Kussmaul,  welcher  vom  Jahre  1863 — 1876 
als  Professor  in  Freiburg  tätig  war.  Beiträge  zu  dem  Denkmal  wer¬ 
den  an  die  Dresdener  Bank  in  Freiburg  erbeten. 

—  Für  den  Nobelpreis  des  Jahres  1907  wurde,  wie  ver¬ 
lautet,  L  a  v  e  r  a  n,  der  Entdecker  des  Malariaparasiten,  in  Vorschlag 
gebracht. 

—  Zum  Direktor  des  neu  zu  erbauenden  Staatskrankenhauses 
Barmbeok  bei  Hamburg  wurde  Doktor  Rumpel  gewählt. 

—  Anlässlich  des  Besuches  des  Kaiserpaares  in  London  haben  fol¬ 
gende  deutsche  Aerzte  Auszeichnungen  erhalten:  Sir  Felix 
Sem  on,  der  aus  Deutschland  stammende  berühmte  Laryngologe,  den 
Kronenorden  II.  Klasse,  Dr.  Karl  Fürth,  Oberarzt  der  inneren  Ab¬ 
teilung  und  Dr.  J.  P.  zum  Buse  h,  Oberarzt  der  chirurgischen  Ab¬ 
teilung  am  Deutschen  Hospital  in  London,  den  Roten  Adlerorden 
IV.  Klasse. 

—  Am  1 1.  November  wurde  durch  Dekret  des  Unterrichtsmini¬ 
sters  die  medizinische  Fakultät  zu  Paris  wegen  gro¬ 
ber  Ausschreitungen  der  Studierenden  bis  zum 
31.  Dezember  d.  .1.  geschlossen.  Auf  die  erledigten  Lehr¬ 
stühle  der  Histologie  (M.  Duval)  und  der  Anatomie  (Poirier) 
wurden,  weil  die  Fakultät  einer  Zersplitterung  der  Kräfte,  wie  sie 
besonders  durch  die  umfangreiche  Tätigkeit  P  o  i  r  i  e  r  s  als  Chirurg 
und  städtischer  Hospitalarzt,  die  er  neben  seiner  Stellung  als  ordent¬ 
licher  Professor  der  Anatomie  entwickelte,  hervorgerufen  war,  für 
die  Zukunft  Vorbeugen  wollte,  unter  Uebergehung  der  in  Frage  kom¬ 
menden  Pariser  Dozenten  zwei  Professoren  aus  Nancy,  P  r  e  n  a  n  t 
und  N  i  c  o  1  a  s,  berufen,  die  eine  ärztliche  Praxis  nie  ausgeübt  hatten. 

Die  Studierenden  ergriffen  Partei  für  die  übergangenen  Pariser  Dozen¬ 
ten  und  verhinderten  durch  ungeheuerliche  Lärmszenen  die  Antritts¬ 
vorlesungen  der  neuen  Professoren.  Darauf  beantragte  der  Dekan 
die  Schliessung  der  medizinischen  Fakultät,  die  nunmehr  erfolgt  ist. 


Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2463 


o. 


Da  hiedurch  alle  Examina  aufhören  und  das  laufende  Trimester  nie¬ 
mand  angerechnet  wird,  trifft  die  Massregel  die  an  den  Skandalen 
unbeteiligte  grössere  Masse  der  Studierenden  sehr  schwer. 

—  Internationaler  Laryngologenkongress.  Im 
Jahre  1908  ist  ein  Halbjahrhundert  verflossen,  seitdem  in  Wien  die 
klinische  Laryngologie  und  Rhinologie  durch  Tiirck- 
Czermak  begründet  worden  ist.  Zur  Erinnerung  daran  wird  vom 
21.  bis  25.  April  1908  in  Wien  ein  internationaler  Laryngo-Rh'ino- 
logen-Kongress  abgehalten  werden.  Mit  ihm  soll  eine  T  ii  rck- 
C  z  e  r  m  a  k  -  Gedenkfeier  und  eine  laryngo-rhinologische  Ausstellung 
verbunden  werden,  (hc.) 

—  Der  3.  Annual  Report  of  the  Henry  Phipps  In¬ 
stitute  f  o  r  the  Study,  Treatment  and  Prevention 
o  f  Tuberculosis  in  Philadelphia  gibt  einen  Bericht  über  die 
Tätigkeit  des  Institutes  von  Februar  1905  bis  Februar  1906.  Die 
Versuche  zur  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  Maraglianoserum 
waren  im  Berichtsjahre  fortgesetzt  worden.  Sie  erstrecken  sich  jetzt 
über  2  Jahre  und  scheinen  für  das  Serum  ungünstig  zu  sein;  jeden¬ 
falls  hat  sich  ein  praktischer  Wert  bisher  nicht  ergeben.  Im  Uebrigen 
gibt  der  Bericht  ein  interessantes  Bild  vom  Kampfe  gegen  die  Tuber¬ 
kulose  in  Philadelphia. 

—  Verehrer  des  verstorbenen  Prof.  v.  Bergmann  seien  auf 
ein  im  Verlag  von  Rieh.  Bong  erschienenes  Kunstblatt  hin¬ 
gewiesen,  das  nach  dem  bekannten  Gemälde  von  Franz  S  k  a  r  b  i  n  a 
den  grossen  Chirurgen  in  seiner  Klinik  zeigt,  umgeben  von  seinen 
Assistenten  und  Schülern  und  diesen  den  Gang  einer  eben  begonnenen 
Operation  erläuternd.  Das  Blatt  ist  ausgezeichnet  ausgeführt  und 
kann  als  Weihnachtsgeschenk  bestens  empfohlen  werden. 

— Cb  olera.  Russland.  Vom  30.  Oktober  bis  5.  November  sind 
zufolge  einer  amtlichen  Bekanntmachung  im  Regierungsanzeiger 
nicht,  wie  angegeben  war,  410  Choleraerkrankungen  (und  192  Todes¬ 
fälle),  sondern  542  (243)  vorgekommen.  In  der  Stadt  Kiew  zählte  man 
vom  11. — 18.  November  zufolge  anderweitiger  Mitteilung  41  Erkran¬ 
kungen  (und  6  Todesfälle),  im  ganzen  daselbst  bis  zum  18.  November 
1290  (345);  die  Zahl  der  Cholerakranken  in  den  Krankenhäusern 
wurde  am  18.  November  auf  80  angegeben.  Auch  Typhus  und  Schar¬ 
lach  haben  sich  in  der  Stadt  weiter  ausgebreitet  und  viele  Opfer 
gefordert.  —  Britisch-Ostindien.  In  Kalkutta  starben  vom  6. — 19.  Ok¬ 
tober  101  Personen  an  der  Cholera.  —  Persien.  In  der  Quarantäne- 
Station  Astara  sind  zufolge  einer  Mitteilung  vom  20.  November  2 
Gholerafälle  festgestellt  worden.  —  Japan.  In  Kobe-Hiogo  sind  vom 
7. — 22.  Oktober  57  neue  Erkrankungen  (und  60  Todesfälle)  an  der 
Cholera  gemeldet,  sonst  im  Hiogo-Ken  24  (22),  in  der  Stadt  Osaka 
vom  8.— 20.  Oktober  29  (20),  in  dem  Bezirk  Osaka  23  (20). 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  2. — 9.  November  sind  6  neue  Pest¬ 
erkrankungen  (und  3  Todesfälle)  gemeldet.  —  Algier.  In  Philippevilile 
sind  neue  Pestfälle  am  4.  November  festgestellt  worden.  —  Britisch- 
Ostindien.  Vom  6. — 12.  Oktober  sind  in  ganz  Indien  9277  Todesfälle 
und  13  349  neue  Erkrankungen  an  der  Pest  gemeldet.  —  Japan.  In 
Osaka  sind  vom  7. — 20.  Oktober  41  Pestfälle,  darunter  39  tödlich  ver¬ 
laufene,  gemeldet;  insgesamt  sind  dort  laut  Angabe  des  Sanitäts¬ 
amtes  im  Laufe  dieses  Jahres  138  Personen  erkrankt  und  131  ge¬ 
storben.  —  Mauritius.  Vom  6.  September  bis  10.  Oktober  wurden 
auf  der  Insel  32  neue  Erkrankungen  und  26  Todesfälle  an  der  Pest  fest- 
gestellt.  —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  In  San  Franzisko  sind 
vom  29.  Oktober  bis  4.  November  6  (insgesamt  nunmehr  84)  Er¬ 
krankungen  und  6  (55)  Todesfälle  an  der  Pest  festgestellt  worden. 

—  In  der  46.  Jahreswoche,  vom  10. — 16.  November  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Danzig  mit  31,2,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  7,7 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  an  Masern  und 
Röteln  in  Bochum,  Gera,  Gleiwitz,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Kott- 
bus,  an  Keuchhusten  in  Potsdam.  V.  d.  K.  G.-A. 

(H  ochse  h  ul  nachrichte  n.) 

Berlin.  Vier  neue  Privatdozenten  haben  sich  in  der  Berliner 
medizinischen  Fakultät  eingeführt:  Dr.  med.  Rudolf  Staehelin, 
Oberarzt  an  der  ersten  medizinischen  Klinik,  mit  einer  Antritts¬ 
vorlesung  über  „Das  Fieber“,  Dr.  med.  Ernst  Friedmann  mit  einem 
Vortrag  „Ueber  dein  Abbau  der  Karbonsäuren  im  Tierkörper“, 
Dr.  E.  G  i  e  r  k  e  mit  einer  Vorlesung  über  das  Thema  „Was  haben  die 
experimentellen  Forschungen  für  den  Mäusekrebs  gelehrt?“  und  Dr. 
Paul  Bernhard  Kr  o  einer,  Oberarzt  bei  Geh.  Rat  Bumm  an  der 
Frauenklinik.  Kroemer  sprach  über  „Erfolge  und  Aufgaben  der 
modernen  Geburtshilfe  und  Gynäkologie4 .  (hc.) 

Breslau.  Prof.  Dr.  med.  Willy  Anschütz,  Privatdozent 
und  Oberarzt  an  der  chirurgischen  Klinik  hat  einen  Ruf  an  die  Uni¬ 
versität  Kiel  als  ordentlicher  Professor  der  Chirurgie  und  Direktor  der 
chirurgischen  Klinik  als  Nachfolger  des  vom  Lehramte  zurück¬ 
getretenen  Geh.  Med. -Rats  Dr.  H.  Helfer  ich  erhalten,  (hc.) 

Marburg.  In  der  Marburger  medizinischen  Fakultät  habili¬ 
tierte  sich  Dr.  med.  Dankwart  Ackermann,  Assistent  bei  Prof. 
S  c  h  e  n  ck  am  physiologischen  Institut,  mit  einer  Antrittsvorlesung: 
„Ueber  den  sechsten  Sinn“.  (hc.) 

Rostock.  Der  Spezialarzt  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
Dr.  Adolf  Ben  necke  hat  sich  für  dieses  Fach  an  der  hiesigen 
Universität  habilitiert.  Seine  Habilitationsschrift  ist  betitelt:  Studien 
über  Gefässerkrankungen  durch  Gifte.  In  seiner  Antrittsvorlesung 


sprach  er  über  „Frauenarbeit  in  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie“. 
—  Die  Gesamtfrepuenz  der  Universität  beträgt  691  Studierende  gegen¬ 
über  683  im  Wintersemester  1906/07,  die  Zahl  der  immatrikulierten 
Studierenden  648  gegen  645.  Darunter  befinden  sich  137  Mediziner 
gegen  100  im  Wintersemester  1906/07. 

(Todesfälle.) 

Dr.  Th.  SLnizin,  früher  Professor  der  externen  Pathologie  an 
der  med.  Fakultät  zu  Moskau. 


Personalnachrichten. 

(Bayer  n.) 

Militärsanitätswesen. 

Ernannt:  zum  Divisionsarzt  bei  der  2.  Division  der  General¬ 
oberarzt  Dr.  Schmidt,  Regimentsarzt  des  4.  Chev.-Reg.,  unter 
Verleihung  eines  Patents  seines  Dienstgrades;  zum  Dozenten  am 
Operationskurs  für  Militärärzte  der  Oberstabsarzt  Dr.  Mandel,  Re¬ 
gimentsarzt  des  9.  Feld-Art. -Reg.;  zu  Regimentsärzten  die  Oberstabs¬ 
ärzte  und  Bataillonsärzte  Dr.  Laib  le  des  3.  Inf.-Reg.  im  4.  Cev.- 
Reg.  und  Dr.  W  ö  s  c  h  e  r  des  1.  Train-Bat.  im  9.  Feld-Art.-Reg.;  zum 
Bataillonsarzt  im  1.  Train-Bat.  der  Stabsarzt  Dr.  Schönwert, 
Dozent  am  Operationskurs  für  Militärärzte. 

Abschied  bewilligt:  dem  Generaloberarzt  Dr.  Fischer, 
Divisionsarzt  der  2.  Division,  unter  Verleihung  des  Charakters  als 
Generalarzt  mit  der  gesetzlichen  Pension  und  mit  der  Erlaubnis  zum 
Forttragen  der  Uniform  mit  den  für  Verabschiedete  vorgeschriebenen 
Abzeichen. 

Versetzt:  die  Oberärzte  Dr.  Wald  mann  vom  4.  Inf.-Reg. 
zum  2.  Inf.-Reg.  und  Dr.  Hirsch  vom  2.  Inf.-Reg.  zum  16.  Inf.-Reg., 
letzterer  unter  Beförderung  zum  Stabsarzt  (überzählig);  der  Assi¬ 
stenzarzt  der  Reserve  Dr.  Theobald  Fürst  (Hof)  in  den  Friedens¬ 
stand  des  3.  Feld.-Art.-Reg. 

Befördert:  zum  Stabsarzt  (überzählig)  der  Oberarzt  Dr. 
Mengert  des  10.  Inf.-Reg.. 


Korrespondenz. 

Die  Beschwerdekommission  der  oberbayerischen  Aerztekammer. 

Wir  erhalten  folgende  Zuschrift: 

ln  No.  46  der  Münch,  med.  Wochenschr.  unter  Tagesgeschicht¬ 
liche  Notizen  wird  über  die  Ablehnung  der  im  Organiisationsentwurfe 
der  Mittelfränkischen  Aerztekammer  vorgesehenen  ßeschwerde- 
kommission  in  der  Oberbayerischen  Aerztekammer  berichtet  und  dabei 
darauf  hingewiesen,  „dass  der  Bezirksverein  München  die  Aerzte¬ 
kammer  bereits  als  höhere  Instanz  in  wirtschaftlichen  Streitigkeiten 
anerkannt  habe  in  dem  Vertrag,  den  die  Vorstandschaft  mit  einer 
grossen  Zahl  ihrer  Mitglieder  abgeschlossen  habe,  dass  er  also  die 
Schaffung  dieser  Beschwerdekommission  gar  nicht  verweigern 
könne“.  In  einer  Fussnote  wird  der  Wortlaut  des  Absatzes  5  des 
Vertrages  aufgeführt  und  daran  die  Bemerkung  geknüpft:  „Da  die 
Tätigkeit  der  bisher  bei  der  Aerztekammer  bestehenden  Kommission 
zur  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne  des  §  12  d.  A.  V.  v. 
9.  Juli  1895  bestimmt  umgrenzt  ist,  so  schwebt  die  in  dem  Vertrage 
vorgesehene  höhere  Instanz  z.  Z.  in  der  Luft“. 

Hiezu  ist  folgendes  zu  bemerken:  Vorstehende  in  der  dies¬ 
jährigen  Tagung  der  Aerztekammer  geäusserten  Bedenken  wären  ver¬ 
ständlich  gewesen  im  Herbste  1903,  als  die  Verpflichtung  —  nachheriger 
Vertrag  —  im  Bezirksvereine  vorgelegt  wurde.  Damals  war  die  Be¬ 
fugnis  der  Aerztekammer,  sich  mit  wirtschaftlichen  Fragen  zu  be¬ 
fassen,  nicht  klar  festgelegt  und  deshalb  wären  Bedenken  gegen  die 
Zuständigkeit  der  Beschwerdekommission  berechtigt  gewesen.  Aber 
derartige  Bedenken  wurden  in  den  langwierigen  Verhandlungen  über 
Verpflichtung  bezw.  Vertrag  niemals  geäussert.  In  den  Verhandlungen 
der  Oberbayerischen  Aerztekammer  1903  kam  es  über  diese  Befugnis 
zu  lebhaften  Erörterungen  und  diese  wurde  dann  durch  die  Mi- 
nisteriälentschliessung  vom  Juli  1904  den  Kammern  zugebilligt.  Die 
damaligen  Delegierten  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  München  hatten 
ein  grosses  Interesse  daran,  dass  den  Aerztekammern  dieses  Recht 
zugeslanden  werde,  weil  im  Herbst  desselben  Jahres  die  Verpflich¬ 
tung  (Vertrag)  im  Vereine  vorgelegt  wurde,  in  welcher  die  Be- 
schwerdekommis.'sion  der  Aerztekammer  bereits  als  höhere  Instanz 
vorgesehen  war  und  zwar  mit  Bezug  auf  Absatz  4  d.  §  12  d.  A.  V., 
in  welohem  das  Verbleiben  im  Verein  demjenigen  versagt  werden 
kann,  welcher  sich  des  ärztlichen  Standes  unwürdig  gezeigt  hat 
und  ein  gedeihliches  Zusammenwirken  im  Vereine  nicht  erwarten 
lässt.  Es  bestand  damals  und  besteht  wohl  auch  heute  kein 
Zweifel  darüber,  dass  ein  Kollege,  der  einen  unter  Kollegen 
geschlossenen  Vertrag  bricht,  deis  ärztlichen  Standes  unwürdig 
ist.  Kommt  im  konkreten  Falle  das  Ehrengericht,  dem  die 
Sache  zunächst  zu  unterbreiten  ist,  nach  Lage  der  Ver¬ 
hältnisse  zur  Ansicht,  dass  ein  Vertragsbruch  vorliegt,  so  hat 
es  diese  Ansicht  dem  Plenum  des  Bezirksvereines  vorzulegen  und 
dieses  kann  die  Entscheidung  des  Ehrengerichtes  bestätigen  oder  ver¬ 
werfen.  Im  ersteren  Falle,  in  welchem  selbstverständlich  das  Ver¬ 
bleiben  des  Vertragsbrüchigen  im  Vereine  ausgeschlossen  ist,  steht 
demselben  die  Berufung  an  die  bestehende  Beschwerdekommission 
der  Aerztekammer  in  Bezug  auf  Abs.  4  d.  §  12  zu.  Die  im  V  er- 


2464 


MüeKchkner  MLI HZJNISCtfE  WOCHENSCHRIFT. 


Mo.  49. 


t  r  nr  e  v  o  r  g  e  s  e  h  ene  höhere  Instanz  besteh!  de  m  nach 
de  facto.  Der  im  mittelfränkischen  Entwürfe  vorgesehenen  —  nach 
unserer  Ansicht  unnötigen  —  Beschwerdekommission  müsste  erst 
diese  Befugnis  ausdrücklich  zu  erkannt  werden. 

Dr.  K  a  s  t  '1 . 

Die  hier  versuchte  Auslegung  der  Bestimmungen  der  Ziffer  5  des 
„Vertrags“,  die  übrigens  Herrn  Dr.  Kastl  erst  nachträglich  einge- 
tallen  zu  sein  scheint,  denn  in  der  Aerztekammer  erwähnte  er  davon 
nichts,  ist  offenbar  unrichtig.  Wenn  Ehrengericht  (als  Schiedsgericht) 
und  Plenum  in  einem  gegebenen  Falle  aussprechen,  dass  eine  Ver¬ 
letzung  des  Vertrags  vorliege,  so  folgt  damit  noch  keineswegs  der 
Ausschluss  des  betreffenden  Mitgliedes  aus  dem  ßezirksverein,  gegen 
die  dem  Betroffenen  allerdings  'die  Berufung  an  die  Beschwerdekom¬ 
mission  der  Aerztekammer  zustünde.  Vielmehr  stellt  der  Vertrag  aus¬ 
drücklich  eine  Berufungsinstanz  in  Aussicht  gegen  die  Entscheidung, 
dass  der  Vertrag  verletzt  sei.  Erst  wenn  diese  Berufungsinstanz  die 
Verletzung  des  Vertrages  bestätigt  hat,  kann  das  Plenum  des  Be¬ 
zirksvereins,  je  nach  der  besonderen  Lage  des  Falles,  den 
•  us Schluss  des  Betreffenden,  soferne  er  Mitglied  des  Bezirksvereins 
ist  beschhessen.  Dass  die  Auslegung  des  Herren  Dr.  K  a  s  1 1  falsch  ist, 
geht  allein  aus  dem  Umstand  hervor,  dass  der  Vertrag  von  vielen 
Aerzten  unterzeichnet  wurde,  die  nicht  Mitglieder  des  Bezirks¬ 
vereins  sind.  Diese  können  vom  Bezirksverein  auch  nicht  ausge¬ 
schlossen  werden  und  -können  sich  darum  auch  nicht  an  eine  Be¬ 
rufungskommission  wenden,  deren  ausschliessliche  Aufgabe  ist,  Be- 
schwenden  gegen  den  Ausschluss  aus  dem  Bezir'ksverein  zu  ent- 
scheiden.  Wo  bliebe  also,  wenn  Dr.  Kastl  Recht  hätte,  die  Be¬ 
rufungsinstanz  für  jene  Unterzeichner  des  Vertrags,  die  nicht  Mit¬ 
glieder  des  Bezirksvereins  sind?  Unsere  Behauptung  in  No.  -46  dass 
die  in  dem  Vertrage  vorgesehene  höhere  Instanz  bei  der  Aerzte¬ 
kammer  zurzeit  nn  der  Luft  schwebt,  besteht  sonach  zu  Recht,  solange 
nicht  entweder  der  Wirkungskreis  der  „Kommission  zur  Erledigung  von 
Beschwerden  im  Sinne  des  §  12  der  A.  V.  vom  9.  Juli  1895“  durch 
Kammerbescnluss  auf  Streitigkeiten  in  wirtschaftlichen  Fragen  aus¬ 
gedehnt  wird,  was  bisher  nicht  geschehen  ist,  oder  eine  besondere 
Beschwerdekommission,  wie  von  Hofrat  Mayer  vorgeschlagen,  ge- 
bildet  wird.  Dass  die  im  Vertrag  vorgesehene  Berufungsinstanz  in 
den  3  Jahren,  die  der  Vertrag  in  Kraft  ist,  nicht  gebildet  wurde,  mag 
a  s  ein  Uebersehen  betrachtet  und  entschuldigt  werden.  Dass  sich 
aber  die  Männer,  die  für  den  Vertrag  verantwortlich  sind,  auf  er¬ 
folgten  Vorhalt  weigern,  diese  vertragsmässige  Instanz  in  einer  Weise 
die  jeden  Zweifel  ausschliesst,  zu  schaffen,  fordert  den  Protest  heraus- 
j'l  H"  erzeichrler  des  Vertrages  sollten  darüber  im  Bezirksverein 
Aufklärung  verlangen.  Der  Versuch,  den  Vertrag  nachträglich  aus 
opportunistischen  Erwägungen  zu  interpretieren,  muss  das  Vertrauen 
in  unsere  Organisation  aufs  schwerste  erschüttern.  Red. 


Idiotenfürsorge  in  Deutschland. 

Erklärung. 

W  ie  ich  der  Augsburger  Abendzeitung,  No.  325,  S.  4,  entnehme 
sind  in  der  9.  öffentlichen  Sitzung  des  Landrates  von  Oberbayerip 
München,  _U.  November,  seitens  des  Landrates  Jochner  Aeusse- 
rungen  von  mir  aus  einem  in  der  Münchener  medizinischen  Wochen¬ 
schrift  190/,  No.  3,  erschienenen  Aufsatz  „Ueber  den  Stand  der  Idioten- 
tursoige  m  Deutschland“  heftig  angegriffen  worden.  Es  wurde  be¬ 
hauptet,  dass  die  Zwangsstühle,  die  meinem  Aufsatz  zufolge  in  der 
flegeanstalt  Attl  benutzt  wurden,  nicht  vorhanden  seien;  „und  ehe¬ 
mals  heisst  es  weiter,  „seien  sie  nur  angewendet  worden  zum  Schutz 
&r  &"ken  ge/en  selbst“.  Ferner  wurde  im  Landrat  gesagt, 
di  hatte  aus  den.  Statuten  entnehmen  können,  dass  die  Brüder  in 
Attl  durch  Kostentziehung  etc.  nicht  strafen  dürfen,  wie  ich  das  be¬ 
hauptet  hatte.  Man  hoffe,  dass  ich  feststelle,  dass  ich  mich  geirrt  habe. 

•  Demgegenüber  muss  ich  erklären,  dass  ich  bei  einem  Besuche 
l  Attl  am  11.  April  1903  mit  eigenen  Augen  in  -einem  Zimmer  7  Kranke 
n  Zwangsstuhlen  antraf  und  auch  in  anderen  Räumen  noch  dieses 

nut5?.nJÄete<r?eq,U1SR  emtr  lrreiipfIege  vergangener  Zeiten  in  Be¬ 
nutzung  fand.  Dieser  Besuch  diente  mit  zur  Vorbereitung  eines  auf 

ah p n J ^ SiVoe rSMmm imn  des  Bayerischen  Psychiatervereins  zu  Mün¬ 
chen  am  19.  Mai  1903  gehaltenen  Vortrages  über  „Die  Fürsorge 

z/itf  SWfAhSTge  uKlnd:er  in  Bayern“,  erschienen  in  der  Allgemeinen 
Zeitschrift  iur  I  sychiatrie  1903,  und  auf  ihn  bezog  sich  meine  in  dem 
W  ochenschnftaufsatz  enthaltene  Angabe,  die  ich  in  einem  Bericht  auf 
der  Jahresversammlung  des  Deutschen  Vereins  für  Psychiatrie  in 

stühknirh/Aih"1  19?6’  aUufrtC-  , Wenn  gegenwärtig  in  Attl  Zwangs¬ 
stuhle  nicht  mehr  gebraucht  werden,  so  sind  sie  eben  in  der  kurzen 

dassCdenZepLad  ge'Chaf5t  W°uden-  La,ldrat  J-  lässt  «elbst  erkennen, 
dass  sie  „ehedem  gebraucht  wurden;  das  „ehedem“  bezieht  sich 

& ^!fiaU,frhnS^einaCh  aUf  6ine  Sehr  junge  Vergangenheit.  Es  geht 
jetzt  also  auch  ohne  das,  was  man  aus  Unkenntnis  zum  Schutze  der 
j  ankerMur  notwendig  hielt.  Der  bedauernswürdige  Unfall  des  Priors, 
du  an  den  1  olgen  einer  Bissverletzung  seitens  eines  Kranken  starb’ 
Zs\nd  ßWpde’  naSS  kejneSfWegS  nur  harmlose  Kranke  dort  untergebracht 
kei? der  Pswhiatp"1  Laufe  ^er  l'etzten  Jahre  gesteigerte  Aufmerksam- 
flussdauT  dl hcr  der  Schwachsinnigenfürsorge  einen  Ein- 
hSJl£  BnricW“'**"  ausge.ibt 


Hinsichtlich  der  Behauptung,  dass  die  Brüder  in  Attl  durch  Kost¬ 
entziehung  etc.  nicht  strafen  dürfen,  schlage  man  doch  einfach  die 
gedruckten  und  von  der  Regierung  genehmigten  Satzungen  der  An 
stalt  auf.  Die  Satzungen  der  Anstalt  für  männliche  Unheilbare  in 
Attl,  gedruckt  in  Wasserburg  1889  in  der  Fr.  Dempfschen  Buch¬ 
druckerei,  sagen  Seite  16  §  41  schwarz  auf  weiss:  „Übertretungen 
der  Satzungen  der  Anstalt,  der  Hausordnung,  werden  durch  den  Vor 
stand  -der  Anstalt  durch  ...  4)  Abzug  an  der  Kost  .  .  .  bestraft“ 

SoSnZU?g?  der  St'  J(>sefsversorgungsanstalt  Ursberg,  Augsburg 
1898.  Druck  des  literarischen  Institutes  von  Haas  &  Qrabherr.  sagen 
Seite  16  s  08:  „Als  Strafen  dürfen  in  Anwendung  kommen:  3)  Ent- 
ziehung  des  Zwischenbrodes,  8)  .  .  .  Entziehung  von  einer  oder  zwei 
Mahlzeiten“.  Der  Herr  Landrat  hätte  sich  also  in  diesem  Punkte  ohne 
Mühe  etwas  genauer  informieren  können. 

Wenn  es  auch  für  -den  Landrat  eines  Kreises  in  finanzieller 
Hinsicht  angenehmer  erscheint,  dass  die  Unkosten  für  einen  Teil 
seiner  Geisteskranken  durch  Bettel  und  milde  Gaben  statt  durch 
Steuern  aufgebracht  werden,  so  haben  doch  die  Irrenärzte  die  Pflicht 
auf  die  Anomalie  hinzuweisen,  dass  öffentliche  Fürsorge  für  er¬ 
wachsene  Geisteskranke,  Blinde  und  Taubstumme  besteht,  aber  nicht 
ini  jugendliche  geistig  Abnorme,  Idioten  und  Schwachsinnige,  und 
dass  ausserdem  wenigstens  ein  Teil  der  erwachsenen  Irren  so¬ 
zusagen  als  Kranke  zweiter  Klasse  ohne  stete  ärztliche  UeberwachuiK 
in  1  degeanstalten  versorgt  werden  und  hierbei  Zwangsjacken  und 
Zwangsstühle,  ferner  Kostentziehung  und  andere  „Strafen“  in  An¬ 
wendung  kommen. 

n  /^a?  ei freulicherweise  die  Verwendung  von  Zwangsstühlen  in  der 
allerletzten  Zeit  in  Attl  abgestcllt  werden  sein,  so  habe  ich  im  übrigen 
doch  keine  Silbe  von  meinen,  wohlbegründeten  kritischen  Aeusse- 
rungen  zurückzunehmen. 

Prof.  Dr.  W.  Weygandt- Würzburg. 


Burschikoser  Brief  an  Herrn  Dr.  Hans  Curschmann  in  Mainz. 

Sehr  geehrter  Herr  Kollege! 

Sie  werfen  mir  in  Ihrer  sonst  so  günstigen  und  ehrenden  Besprechung 
meines  Aufsatzes  in  den  „Beiträgen“  (d.  W.  No.  47)  einen  burschikosen 
Sie  sind  darin  übrigens  nicht  der  erste:  Auch  mein  engerer 
Kollege  Wo  1 1  f  war  mit  meinem  Tone  einmal  nicht  zufrieden.  Warum 
ne  imen  me  aber  Anstoss  daran?  Müssen  denn  wissenschaftliche 
Aufsätze  immer  in  einem  bestimmten  Duktus  und  immer  nach  dem 
Schnürchen  gehen?  Wenn  nur  der  Inhalt  gut  ist!  Es  kann  ja  —  Sie 
wissen  das  aus  den  Meistersingern  —  dann  auch  aus  dem  tollen  Ge- 
k; eis  der  Abeiiteur-blau  Rittersporn-Weis  mit  hoch  Tannen-  und  stolz 
Jünglings- Ton  em  ganz  feines  Lied  herausspringen.  In  der  Litera- 
tui  wird  hschers  Buch,  die  Denkwürdigkeiten  eines  Arbeiters 
besonders  deshalb  gelobt,  weil  er  sich  von  der  üblichen  lackierten’ 
Schreibweise  losgemacht  und  (ganz  unbewusst)  seine  Schreibart 
angewen-det  hat.  Unser  einer  kann  leider  nicht  mehr  so  naiv  sein 
deshalb  ist  es  bei  uns  „gewollt“.  So  lassen  Sie  doch  auch  dem 
L  l  e  b  e  seine  Liebe-Weis.  Das  Leben  ist  so  ernst,  mir  auch,  warum 
soll  man  dann  nicht  in  guter  Laune  auch  mal  ein  klein  wenig  den 
Schalk  nutläuten  lassen?  Ich  will  gar  nicht  sagen,  dass  alle  wissen¬ 
schaftlichen  Aufsatze  trocken  seien,  beileibe  nicht.  Aber  wenn  man 
mal  auf  Eigenton  gerat,  mag  er  schliesslich  auch  urwüchsig  sein,  so 
macht  mir  wenigstens  das  immer  Freude.  Man  sieht  doch  eher  den 
ganzen  Keil  dahinterstehen,  als  wenn  es  so  ganz  etikettenmässig  zu¬ 
geht,  nicht? 

Mit  kollegialer  Hochachtung  begrüsst  Sie 
Ihr  unverbesserlicher 

Georg  Liebe-  Waldhof  Elgershausen. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  46.  Jahreswoche  vom  10.  bis  16.  November  1907. 
Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen :  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  14  (14*) 
Altersschw  (üb.  60  J.)  5  (1),  Kindbettfieber  -  (-),  and.  Folgen  dei 
5eburt  ~  (U  Scharlach  -  (-),  Masern  u.  Röteln  1  (-),  Diphth.  u 
Krupp  o  (2),  Keuchhusten  — •  (— ),  Typhus  —  (— ),  übertragb.  Tierkrankh, 
L  Rose  (Erysipel)  —  (— ),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
?  i3)V  Tuhejkul-  d.  Lungen  20  (17),  Tuberkul.  and, 
Org.  2  (3),  Mihartuberkul.  1  (— ),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  16  (14), 
Influenza  1  (— ),  and  übertragb.  Krankh.  4  (1),  Entzünd,  d.  Atmungs- 
organe  4  (3),  sonst.  Krankh.  derselb.  —  (— ),  organ.  Herzleid.  25  (13), 
sonst.  Kr. .d;  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  8  (8),  Gehirnschlag 
t  (6>>  Geisteskrank!!.  1  (-),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  1  (4),  and 
£aakh;  d- Nervensystems  4  (4)  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 

rI?,  m  nAb  wTg)  i39)\  Pankh‘  d-  Leber  6(2),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (— )  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  5  (4),  Krankh.  d. 

Ha[nMU‘u^^Sch/echts^rg‘  5  (6b  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  14  (17), 
and.  Neubildg.  (einschl  Sarkom)  -  (2),  Selbstmord  3  (2),  Tod  durch 
fremde  Hand  -  (-)  Unglücksfälle  3  (4),  alle  übrig.  Krankh.  2  (5). 

Tan  DlC  mmn  p  dCu  Ster.befälle  193  (175).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18,3  (16,6),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  13,2  (10,6). 


VerUe  von  I.  F.  Lehmann  io  München.  —  Druck 


)  Die  eingeklamn  erten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A.Q..  München 


0<e  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
K  Umfang  von  durchschnittlich  6—7  Bogen.  *  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  A-  *  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 
6.—.  •  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnulf¬ 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/»—  1  Uhr.  *  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  « 


Medizinische  Wochenschrift. 


ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 

lUÄngerer,  CUäumler,  O.v.  Bollinger,  H. Curschmann,  H. Helferich,  W.v.Leube,  ß. Merkel,  J. v. Michel,  F.PenzoIdl,  H.v  Ranke,  B. Spatz,  F. v. Winckel, 

München.  Freiburg  i.  B.  München.  Leipzig.  Kiel.  Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  München.  München.  München. 


No.  50.  10.  Dezember  1907.  „  R,edak!io";  Dr;  B-  Arnulfstrasse  26. 

Verlag:  F.  Leliniann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  Kgl.  nied.  Universitäts-Poliklinik  zu  Königsberg  i.  Pr. 

(Direktor:  Prof.  Dr.  J.  Schreiber). 

Die  Analyse  des  Extrasystolen  im  Bilde  der  Vorhof¬ 
pulsation.*) 

Von  Privatdozent  Dr.  E.  Rautenberg,  I.  Assistenzarzt. 

Die  bisherige  Erforschung  der  ösophagealen  Vorhof¬ 
pulsation  hat  uns  über  die  n  o  r  m  a  1  e  Tätigkeit  des  Herzens 
einige  wichtige  und  kaum  geahnte  Aufschlüsse  gegeben.  Ich 
erwähne  hier  nur  eine  Tatsache,  die  auch  für  die  folgenden  Aus¬ 
führungen  von  besonderer  Wichtigkeit  ist,  nämlich  die  Möglich¬ 
keit,  durch  diese  Registrierung  der  Vorhofpulsation  die  Zeit¬ 
dauer1)  für  Vorhof-  und  Kammersystole  graphisch  zu  fixieren 
und  zu  berechnen,  was  bisher  durch  keine  der  bekannten  Unter¬ 
suchungsmethoden  möglich  war.  - —  Die  weitere  Frage  ist  nun 
die,  wie  weit  wir  mit  Hilfe  der  Registrierung  des  Vorhofpulses 
unsere  bisherigen  Kenntnisse  der  u  n  r  e  g  e  1  m  ä  s  s  i  g  e  n  Herz¬ 
tätigkeit  bestätigen  resp.  erweitern  können.-)  . 

Zur  Beantwortung  dieser  Frage  will  ich  von  der  Be¬ 
sprechung  der  einfachsten  Fermen  der  Herzarrhythmien,  der 
Extrasystolen,  ausgehen  und  die  diesbezüglichen  Ver¬ 
hältnisse  bei  der  ventrikulären  und  aurikulären  Extrasystole  an 
der  Hand  zweier  Beobachtungen  besprechen. 

a)  Die  ventrikuläre  Extrasystole. 

D.  Sch.,  50jähr.  Tischlerfrau,  klagt  seit  2  Monaten  über  Op.pres- 
sionsgefühl.  Guter  Ernährungszustand,  massige  Sklerose  der  peri¬ 
pheren  Arterien.  Dilatation  des  Herzens  nach  links.  Systolisches  Ge¬ 
räusch  über  der  Spitze.  Klappender  11.  Aortenton.  Perioden  regel¬ 
massiger  Herztätigkeit  wechseln  mit  solchen  unregelmässiger  Tätig¬ 
keit  ab,  in  denen  —  oft  minutenlang  —  ein  grosser  und  ein  kleiner  Puls, 
der  von  einer  Pause  gefolgt  wird,  Vorkommen.  Entsprechend  dem 
unregelmässigen  Pulse  ist  jedesmal  ein  stärkerer  und  schwächerer 
Spitzenstoss  fühlbar  und  zwei  aneinander  gekoppelte  Tonpaare  hörbar. 
—  Venenpuls  undeutlich  sichtbar,  nicht  registrierbar. 

Registrierung  der  Pulsationen: 

1.  Spitzenstoss  und  Radialarterie  (Eig.  1).  An  solchen 
Kurven,  in  denen  normale  Pulse  mit  den  beschriebenen  unregel¬ 
mässigen  Pulsen  wechseln,  ist  leicht  erkennbar,  dass  ein  Bige- 


Fig.  1. 


Fall  mit  ventrikulären  Extrasystolen. 


*)  Nach  einer  Demonstration  auf  der  79.  Naturforscherversamm¬ 
lung  in  Dresden  am  18.  September  1907. 

*)  Rautenberg:  Deutsch.  Arch.  f.  kLln.  Med.,  Bd.  91,  1907. 
2)  s.  auch  die  Arbeiten  von  Mimkowisk'i  (Zeitschr.  f.  klin. 
Med.  Bd.  62)  und  Joachim  (Berl.  klin  Wochenschr.  1907,  8  und 
No.  50. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

minus  die  doppelte  oder  fast  die  doppelte  Länge  eines  normalen 
Pulses  hat,  dass  es  sich  also  um  Extrasystolen  mit  kompen¬ 
satorischer  Pause,  also  wahrscheinlich  ventrikuläre  Extra¬ 
systolen  handelt.  Bei  genauerer  Betrachtung  ist  neben  der 
Kleinheit  des  Extrapulses  auch  seine  Extraverspätung  erkenn¬ 
bar.  Der  normale  Radialpuls  hat  nämlich  von  der  Erhebung 
des  Kardiogramms  0,16  Sek.  Zeitdifferenz,  der  Extrapuls  (s.  auch 
Eig.  2)  0,22  Sek.,  also  eine  Verspätung  von  0,06  Sek.  Dagegen 
zeichnet  sich  in  bekannter  Weise  die  dem  Extrapulse  folgende 
Welle  durch  ihre  Grösse  und  die  Schnelligkeit  ihres  Auftretens 
aus  (0,136  Sek.).  So  weit  können  wir  bei  Benutzung  der  ge¬ 
wöhnlichen  Registriermethoden  die  pathologischen  Vorgänge 
erkennen. 

2.  Vorhof  pulsation.  Eine  weitere  und  eingehendere 
Analyse  dieser  im  Herzen  sich  abspielenden  Vorgänge  ist  nun 
durch  gleichzeitige  Aufnahme  der  Vorhofpulsation  möglich.  In 
Eig.  2  sehen  wir  bei  gleichzeitiger  Registrierung  von  Spitzen- 


Eig.  2. 


as  =  Vorhofsystolen,  vs— D  =  Kammersystolen;  vsi— Di  —  Kammcr- 
extrasystole;  im  Anschluss  daran  retrograde  Vorhofsystole  asi. 


\ 

stoss,  linkem  Vorhof  und  Radialpuls  zwischen  zwei  normalen 
Pulsen  eine  Extrasystole  eingeschaltet.  Entsprechend  der  nor¬ 
malen  Systole  zeigt  die  Vorhofpulsation  die  normale  Form, 
nämlich  die  durch  die  Vorhofsystole  bedingte  as-Welle,  die 
Ventrikelzaeke  (vs)  und  den  folgenden  diastolischen  Abfall  bei 
D  (Beginn  der  Ventrikeldiastole).  Etwas  komplizierter  er¬ 
scheint  die  nun  folgende  Formation  der  Vorhofkurve,  jedoch  ist 
mit  Hilfe  des  gleichzeitig  registrierten  Kardiogramms  die  erste 
Welle  (vsi)  leicht  als  Ventrikelzacke  der  Extrasystole  zu  er¬ 
kennen.  Die  ihr  folgende  zweite  Welle  ist  wohl  kaum  anders 
aufzufassen,  als  der  Ausdruck  einer  inzwischen  auftretenden 
Vorhofsystole  (asO,  deren  Welle  sich  auf  die  durch  die  Ven¬ 
trikelaktion  ausgelösten  Bewegungen  der  Vorhofkurve  auf¬ 
setzt.  Mit  dem  nun  folgenden  Punkt  Di  erreicht  diese  der 
Extrasystole  des  Ventrikels  entsprechende  Aktion  ihr  Ende. 
Darauf  folgt  die  kompensatorische  Pause,  in  der  der  Vorhof  sich 
mit  Blut  füllt  (Anstieg  der  Kurve).  Mit  der  darauf  folgenden 
neuen  as-Welle  beginnt  die  Herzrevolution  von  neuem. 

Bei  näherem  Zusehen  lässt  sich  zunächst  ein  Unterschied 
in  der  Dauer  der  Kammersystolen  feststellen  und 
zahlenmässig  berechnen;  die  Extrasystole  (vsi — Di)  zeichnet 
sich  nämlich  durch  eine  kürzere  Dauer  gegenüber  den  normalen 


Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  64),  sowie  meine  Deutung  der  Vorhofpul¬ 
sation  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  21). 


1 


2466 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


Systolen  aus.  Während  diese  eine  Zeitdauer  von  0,-438  Sek. 
haben,  läuft  die  Extrasystole  in  0,4  Sek.  ab.  An  anderen  Auf¬ 
nahmen  betragen  diese  Zeiten  0,438  Sek.  und  0,4  Sek.  resp. 
0,48  Sek.  und  0,41  Sek. 

Ferner  zeigt  sich  an  der  abgebildeten  Kurve  eine  gewisse 
Eigentümlichkeit  im  Auftreten  der  Vorhofsystole  asi.  Obgleich 
wir  erwarten  müssten,  dass  der  Rhythmus  der  Vorhofkontrak¬ 
tion  unbeeinflusst  bleiben,  dass  also  die  Abstände  der  einzelnen 
as-Wellen  stets  die  gleichen  sein  sollten,  zeigt  sich  bei  den 
meisten  Extrasystolen  ein  verfrühtes  Auftreten  der  asi-Welle. 
In  Fig.  2  bezeichnet  die  Spitze  des  Pfeiles  (Punkt  n)  die  Mitte 
des  Abstandes  zwischen  vorhergehender  und  folgender  as, 
also  die  Stelle,  an  der  bei  regelmässigem  Rhythmus  die  Er¬ 
hebung  der  gesamten  as-Welle  zu  erwarten  wäre,  asi  er¬ 
hebt  sich,  wie  gesagt,  an  den  meisten  Kurven  vor  Punkt  n  und 
die  Entfernung  ihres  Fusspunktes  von  Punkt  n  bedeutet  also 
die  Verfrühung.  Diese  beträgt  an  meinen  Kurven  0,03  bis 
0,05  Sek.,  wechselt  also  etwas.  Dagegen  steht  der  Beginn 
der  ventrikulären  Extrasystole  (vsi)  zu  dieser  Vorhofsystole 
(asi)  in  einem  sehr  konstanten  Verhältnisse,  die  Zeitdiffe¬ 
renz  vsi — asi  beträgt  nämlich  auf  allen  Kurven  0,09  Sek. 
Diese  Verfrühung  der  Vorhofsystole  und  dieses  feste  Ge- 
bundensein  an  die  vorhergehende  Extrasystole  des  Ventrikels 
lässt  die  Vermutung  aufkommen,  dass  die  Vorhofsystole  asi 
keine  normale,  regelmässige  Systole  ist,  sondern  infolge  rück¬ 
läufiger  Leitung  des  Extrareizes  vom  Ventrikel 
auf  den  Vorhof  vorzeitig  ausgelöst  wird,  also  dem  Anscheine 
nach  eine  retrograde  Extrasystole  desVorhofes 
ist.  Der  Zeitabstand  vsi— asi  =  0,09  Sek.  würde  dann  die 
Ueberleitungszeit  vom  Ventrikel  auf  den  Vorhof  dar¬ 
stellen.3)  —  Der  physiologische  Rhythmus  des  Herzens  bleibt 
durch  diesen  Vorgang  unbeeinflusst,  da  die  nächste  Vorhof¬ 
systole  zu  normaler  Zeit  durch  den  physiologischen,  von  der 
\  ene  herkommenden  Reiz  ausgelöst  wird. 

In  unserem  Falle  scheint  eine  solche  retrograde  Ueber- 
leitung  nach  dem  Vorhofe  regelmässig  eingetreten  zu  sein.  Je 
früher  nun  in  derartigen  Fällen  die  ventrikulären  Extrasystolen 
auftreten,  desto  mehr  muss  sich  die  retrograde  Vorhofsystole 
asi  verfrühen.  Falls  dagegen  die  Extrasystolen  nur  wenig  später 
als  z.  B.^  in  Fig.  2  beginnen  würden,  so  müsste  der  rückläufige, 
den  Vorhof  treffende  Reiz  mit  dem  normalen  Reize  zusammen¬ 
fallen,  asi  würde  dann  an  normaler  Stelle  liegen.  Ein  solches 
Verhalten  trifft  wohl  in  denjenigen  meinen  Kurven  zu,  von  denen 
ich  oben  erwähnte,  dass  asi  sich  auch  0,09  Sek.  hinter  vsi,  aber 
zu  normaler  Zeit  erhebt. 

b)  Die  aurikuläre  Extrasystole. 

N.  O.,  60  jähriger  Mann.  Pyloruskarzinom  mit  beträchtlicher  Re¬ 
tention  des  Mageninhaltes.  Beginnende  Kachexie.  Puls  an  einigen 
1  agen  regelmässig,  an  anderen  Tagen  in  Extrasystolen  (Fig.  3) 
schlagend,  so  dass  auf  2  oder  3  normale  Pulse  ein  verfrühter  kleiner 
ifS  i  t0^'  Pas  Fehlen  einer  kompensatorischen  Pause  spricht 
dafür,  dass  es  sich  um  aurikuläre  Extrasystolen  handelt.  Oefters 
konnte  übrigens  der  kleine  Extrapuls  nicht  gefühlt  werden,  so  dass 
dann  eine  längere  Intermission  vorzuliegen  schien.  - —  Spitzenstoss 
Venenpuls  nicht  sichtbar,  nicht  registrierbar. 


bei  meinen  bisherigen  Untersuchungen  kaum  gefunden  habe, 
j  nämlich  die,  dass  die  Bewegung  des  Vorhofes  fast  ausschliess¬ 
lich,  die  Bewegung  des  Ventrikels  nur  in  geringem  Grade  zum 
Ausdruck  kam.  Auf  diese  Weise  sind  die  Ventrikelzacke  (vs) 
und  Punkt  D  weniger  deutlich,  die  Wellenbewegungen  der  Vor¬ 
hofsystole  (as)  um  so  schöner  ausgeprägt.  Der  Rhythmus  des 
Vorhofpulses  von  ca.  0,7  Sek.  wird  in  der  abgebildeten  Kurve 
durch  eine  vierte,  vorzeitig  auftretende  Vorhofsystole  asi  ge- 
;  stört.  Während  die  3  vorhergehenden  Vorhofkontraktionen  die 
Dauer  von  0,1  Sek.  haben,  braucht  diese  Extrasystole  0,11  Sek. 
zu  ihrem  Ablauf  und  zeichnet  sich  ausserdem  in  der  Mehrzahl 
meiner  Kurven  durch  die  auffällige  Höhe  ihrer  Welle  aus.  Diese 
erhebt  sich,  während  der  Ventrikel  sich  noch  in  Systole  be¬ 
findet.  Zwar  markiert  sich  der  Endpunkt  dieser  Ventrikel¬ 
systole  in  der  Kurve  nicht,  seine  Lage  (D)  lässt  sich  aber  leicht 
feststellen,  da  der  Beginn  (vs)  dieser  Ventrikelsystole  markiert 
ist  und  die  beiden  vorhergehenden  Systolen  0,37  Sek.  betragen. 
Danach  ergibt  sich,  dass  der  Ventrikel  noch  während  der  gleich¬ 
zeitigen  Extrasystole  (asi)  des  Vorhofes  (etwa  nach  dem 
zweiten  Dritteil  derselben)  sein  Ende  erreicht.  Der  Pfeil  in 
Fig.  4  markiert  die  Lage  dieses  rekonstruierten  Punktes  D. 

Besonders  bemerkenswert  ist  nun  das  Verhalten  des  Ven¬ 
trikels  nach  Ablauf  der  aurikulären  Extrasystole.  Obgleich  er 
nämlich  erst  0,035  Sec.  vorher  in  Diastole  getreten  ist,  so  geht 
er  sofort  im  Anschluss  an  die  aurikuläre  Extrasystole  in  erneute 
Systole  (vsi — Di)  über.  Diese  unterscheidet  sich  von  den  vor¬ 
hergehenden  normalen  Systolen  des  Ventrikels  durch  eine  nur 
ganz  geringe  Verkürzung;  sie  hat  nämlich  gegenüber  der  oben 
angeführten  Dauer  einer  normalen  Kammersystole  von 
0,37  Sek.  eine  solche  von  0,35  Sek.  Dauer.  Uebrigens  zeigt  die 
graphische  Darstellung  dieses  Teiles  der  Vorhofkurve  auch  in¬ 
sofern  eine  Abweichung  von  den  entsprechenden  anderen 
Stellen,  als  sich  die  Kurve  hier  höher  erhebt  und  bei  Di  stets 
einen  tieferen  Abfall  zeigt.  —  Die  zu  dieser  Extrasystole  ge¬ 
hörige  recht  kleine  Extrapulswelle  (E)  zeigt  eine  deutliche 
Extraverspätung.  Die  Zeitdifferenz  zwischen  normaler 
Kammersystole  und  ihrem  Puls  in  der  Subklavia  beträgt 
0,11  Sek.,  am  Extrapulse  hingegen  ca.  0,17  Sek. 

An  diese  durch  die  aurikuläre  Extrasystole  verursachte  un¬ 
mittelbare  Störung  der  Herztätigkeit  schliesst  sich  als  weitere 
Folge  die  bekannte  Aenderung  im  Rhythmus  der  Vorhofpulse 
an,  die  fortan,  nachdem  das  alte  Tempo  unterbrochen  ist,  in 
neuem  Rhythmus  erfolgen,  ohne  dass  wie  z.  B.  bei  den  ventri¬ 
kulären  Extrasystolen  die  phyisologische  Reizperiode  erhalten 
bleibt.  In  Fig.  4  ist  dieser  Uebergang  in  einen  neuen  Rhythmus 
deutlich  sichtbar.  Dabei  ist  jedoch  eine  Erscheinung  hervor¬ 
zuheben,  die  sich  auf  allen  meinen  Kurven  wiederholt,  dass 
nämlich  die  auf  die  aurikuläre  Extrasystole  erfolgende  erste 
normale  Vorhofsystole  nicht  im  normalen  Abstande  der  Vor¬ 
hofsystolen  auftritt,  sondern  sich  etwas  verspätet.  Während 
der  normale  Abstand  as— as  =  0,7  Sek.  beträgt,  ist  der  Abstand 
asi— as  =  0,84  Sek.,  die  Verspätung  also  0,14  Sek.  Eine  Er¬ 
klärung  für  diese,  wie  es  scheint,  gesetzmässige  Erscheinung 
unseres  Falles  glaube  ich  in  der  Eigentümlichkeit  der  die  Vor- 

Eig.  4. 


Fig.  3. 


Radialis 


Pall  mit  aurikulären  Extra¬ 
systolen  (E). 


Art.  subkl. 


link.  Vorhof 


as  = 


Vorhofsystolen,  vs— D  =  Kammersystolen;  asi  =  aurikuläre  Extrasvstole,  im  An¬ 
schluss  daran  vorzeitige  Systole  (vsi — Di)  der  Kammer. 


Die  Registrierung  des  Vorhof  pulses  ergab 
nun,  dass  es  sich  durchweg  um  aurikuläre  Extra¬ 
systolen  handelte.  Die  Kurve  zeigte  (Fig.  4)  übrigens  eine  ge- 
v  isse  Eigentümlichkeit,  die  ich  in  dieser  ausgesprochenen  Form 


)  Anm.  b.  d.  Korrektur:  Weitere  gleichartige  Beobachtungen  ze 
gen  dasselbe  Verhalten  (Ueberleitungszeit  =  0,09  Sek.,  Verfrühung  d< 
aunkul.  Extrasystole  =  0,05  und  0,07  Sek.),  so  dass  an  dieser  Det 
tung  einer  retrograden  Leitung  des  'Extrareizes  nicht  zu  zweifeln  is 


kammer  treffenden  Extrareize  zu  erblicken,  die  sich,  wie  die 
physiologische  Erfahrung  lehrt,  vom  Vorhof  aus  meist  nach 
allen  Richtungen  fortzupflanzen  pflegen,  also  sowohl  nach  der 
Kammer  als  auch  nach  den  Venenmündungen.  So  können  wir 

—  indem  wir  den  Ausführungen  Wenckebachs4)  folgen 

—  annehmen,  dass  auch  hier  die  von  dem  Extrareize  ausgelöste 


U  Wenckcbach:  Arch.  f.  (Anatomie  u.)  Physiol.  1903,  S.  62  f. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WÖCHENSCHR1ET 


10.  Dezember  1907.  _ _ 

Kontraktion  sich  retrograd  nach  der  Vene  fortgepflanzt  und 
das  dort  vorhandene  Reizmaterial  vernichtet  hat.  Da  bis  zu 
diesem  Momente  bereits  eine  gewisse  Zeit  vci  streicht  und 
ferner  bis  zur  Erneuerung  des  physiologischen  Reizes  die  nor¬ 
male  Pulsperiode,  also  0,7  Sek.  erforderlich  ist,  so  resultiert 
daraus  jene  oben  genannte  Verspätung  (asi— as  —  0,84  Sek.) 

Fig.  5. 


2467 


Vorkammer 


Kammer 

Schematische  Darstellung  der  in  Fig.  4  registrierten  aurikulären  Extra¬ 
systole  und  ihrer  Rückwirkung  auf  die  physiologische  Reizerzeugung. 

I Zahlen  =  0  1”  der  Originalaufnahme  entnommen;  die  in  Klammern 
1  ’  ’  gesetzte  Zahl  ist  berechnet. 

_ jn  pig.  5  habe  ich  zur  näheren  Erläuterung  eine  schematische 

Darstellung  dieses  Vorganges  gegeben  an  der  Hand  des  von 
Wenckebach  abgebildeten  Schemas.  Aus  demselben  lasst 
sich  leicht  das  Zeitintervall  zwischen  letzterem  normalen  Impuls 
an  der  Vene  und  dem  Eintreffen  des  von  der  Vorkammer  fort¬ 
geleiteten  Extrareizes  berechnen;  es  beträgt  0,54  Sek. 

Erst  nach  diesen  Vorgängen  ist  der  Rhythmus  im  Abläufe 
des  Pulses  der  einzelnen  Herzabteilungen  (Vene,  Vorkammer, 
Kammer)  hergestellt,  ihre  Systolen  erfolgen  nunmehr  in  nor¬ 
maler  Weise. 

In  beiden  beschriebenen  Fällen  konnte  man  bereits  duich 
die  alleinige  Registrierung  des  arteriellen  Pulses  resp.  des 
Spitzenstosses  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  einen  Schluss 
auf  die  Natur  der  Rhythmusstörung  ziehen;  auch  ist  es  keine 
Frage,  dass  man  in  anderen  Fällen,  bei  registrierbarem  Venen¬ 
pulse  mit  vielleicht  noch  grösserer  Wahrscheinlichkeit  die 
Frage  nach  der  Natur  der  Extrasystolen  hätte  entscheiden 
können.  Immer  aber  wird  man  zugeben  müssen,  dass  wir  mit 
keiner  anderen  Methode  eine  derartig  befriedigende  und  exak  e 
Analyse  jener  am  Herzen  stattfindenden  Vorgänge  hätten  vor¬ 
nehmen  können,  wie  es  uns  hier  mit  Hilfe  der  Vorhof pulsation 
möglich  gewesen  ist. 

Zum  Schlüsse  will  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  es  bei 
Vermehrung  derartiger  Beobachtungen  gelingen  muss,  die 
Dauer  der  refraktären  Phase  des  Ventrikels  gegen¬ 
über  Extrareizen  festzustellen.  In  unserem  zweiten  Falle  war 
es  jedenfalls  möglich  zu  berechnen,  dass  sie  0,035  Sek.  nach 
Ablauf  der  Ventrikelsystole  bereits  vorübergegangen  war. 

Zylindrurie  und  Albuminurie. 

Von  Dr.  Paul  Asch,  Privatdozent  der  Universität  Strass¬ 
burg  i.  Eisass. 

M.  H.!  Die  Frage  der  Albuminurie  hängt  eng  zusammen 
mit  derjenigen  der  Zylindrurie.  Ich  möchte  dahei  auf  diese 
beiden  Fragen  vom  experimentellen  Standpunkte  aus  näher 
eingehen.  Die  diesbezüglichen  Beobachtungen  habe  ich  ge¬ 
legentlich  der  Versuche  gemacht,  die  ich  zwecks  Prüfung  des 
Einflusses  der  verschiedenen  Bakterien  und  ihrer  Stoffwechsel¬ 
produkte  auf  die  Niere  an  60  Hunden  ausgeführt  habe.  Ich 
habe  dabei  den  Urin  meiner  Versuchstiere  ziemlich  häufig 
eiweissfrei  befunden  oder  nur  minimale  Spuren  von  Albumen 
nachweisen  können,  selbst  wenn  derselbe  als  Zeichen  bestehen¬ 
den  Nierenleidens  Zylinder  verschiedenster  Art  enthielt  und 
die  histologische  Untersuchung  der  Nieren  sehr  schwere  Lä¬ 
sionen  erkennen  liess.  Einige  Beispiele  werden  Ihnen  dies 
veranschaulichen. 


*)  Nach  einem  Diskussionsvortrag  auf  dem  I.  Kongress  'der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Urologie,  Wien,  5.  Oktober  1907. 

U  Zentralbl.  f.  Harn-  und  Sexualorgane,  Bd.  13,  H.  5  u.  6,  sowie 
H.  12;  ferner  Bd.  14,  H.  4;  ferner:  Ueber  den  Einfluss  der  bakteriellen 
Stoffwechselprodukte  auf  die  Niere.  Strassburg,  Verlag  von 
L.  B  e  u  s  t. 


Bei  einem  Hunde,  dem  ich  die  durch  Hitze  von  100° 
abgetöteten  Kulturen  des  Bacillus  enteritidis  Gaertner  in  die 
Arteria  renalis  injiziert  hatte,  bot  der  Harn  nie  Eiweiss  dar, 
dagegen  zahlreiche  weisse,  weniger  rote  Blutkörperchen  und 
viele  granulierte,  weniger  epitheliale  und  Pigmentzylinder.  Das 
Tier  wurde  einen  Monat  nach  dem  Versuch  getötet.  Der 
mikroskopische  Befund  der  Niere  war  folgender:  Im  Vorder¬ 
gründe  stehen  die  Veränderungen  des  Gefässystems.  Sämtliche  Ge- 
fässe,  Kapillaren,  Gefässschlingen  der  Glomeruli  sind  mit  Blut  über¬ 
füllt.  Die  Wandungen  der  Arterien  und  Venen,  besonders  der  erste- 
ren,  sind  in  ihren  3  Schichten  verdickt.  Daran  schlosst  sich  eine 
Wucherung  des  perivaskulären  Bindegewebes.  Die  Gefässschlingen 
der  Glomeruli  sind  z.  T.  hyalin  degeneriert,  einzelne  Glomeruli  ge¬ 
schrumpft,  viele  mit  der  verdickten  Kapsell  verwachsen.  Das  Endo¬ 
thel  der  sehr  stark  ausgedehnten  Kapillaren  ist  in  Proliferation  be¬ 
griffen.  Das  Epithel  der  Harnkanälchen  zeigt  Desquamation  und  ge- 
ringe  körnige  Degeneration;  doch  sind  die  Kerne  meist  gut  gefäibt. 
Das  Lumen  ist  in  der  Regel  von  einer  körnigen  Masse  eingenommen, 
die  manchmal  abgestossene  Epithelzellen  umschliesst.  DL  Hain¬ 
kanälchen  erscheinen  im  ganzen  aufgetrieben,  erweitert.  Hier  und 
da  sieht  man  leichte  interstitielle  Bindegewebswucherung,  die  in  ein¬ 
zelnen  Fällen  auf  meist  hyalin  entartete  Glomeruli  übergreift.  Häu¬ 
fig  sind  interstitielle  Blutextravasate  vorhanden.  Die  in  rl  em¬ 
min  g'scher  Lösung  gehärteten  Präparate  lassen  starke  Verandi- 
rungen  erkennen:  am  meisten  von  Verfettung  ergriffen  sind  die 
Zellen  der  H  e  n  1  e  sehen  Schleifen,  die  in  allen  ihren  Teilen  mit  Fett¬ 
tröpfchen  angefüllt  sind.  Oft  auch  befinden  sich  Fetttröpfchen  in 
grosser  Zahl  in  körnigen  Zylindern,  die  das  Lumen  dieser  Kanäle 
einnehmen.  In  zweiter  Linie  sind  die  Schaltstücke  betroffen.  Stellen¬ 
weise  sind  die  geraden  Harnkanälchen  mit  ganz  .schwarz  gefärbten 
Zylindern  gefüllt,  ohne  dass  notwendigerweise  ihre  Epithelzellen 
selbst  verfettet  waren.  Diese  Zylinder  'Stammen  offenbar  von  hohei 
gelegenen  Abschnitten  des  Kanälchensystems  und  sind  mit  dem 
Harnstrom  hierher  gelangt.  Der  Verfettungsprozess  ist  hauptsächlich 
auf  die  Zone  limitans  lokalisiert.  Also  haben  wir  es  hier  mit  schwe¬ 
ren  Läsionen  der  Niere  —  Hyperämie  der  Blutbahnen  und  Degenei  a- 
tion  der  Harnkanälchen  —  zu  tun,  ohne  dass  im  Urin  Eiweiss  hatte 
nachgewiesen  werden  können.  Im  folgenden  Fall,  der  zugleich  als 
Beitrag  zur  Klinik  der  Tuberkulose  des  uropoetischen  Systems  dienen 
kann,  hatte  ich  bei  einem  Hunde,  dem  ich  lebende  ruberkelbazi  len 
in  die  Arteria  renalis  injiziert  hatte,  innerhalb  6  Wochen  trotz  täglich 
genauester  Urinuntersuchungen  nur  einmal  Spuren  von  Eiweiss  und 
nie  Zylinder  im  Harn  gefunden.  Die  mikroskopsiche  Untersuchung 
liess  in  der  Nierenrinde  überaus  zahlreiche  Tuberkel  mit  Riesenzellen 
erkennen..  Die  gewundenen  Harnkanälchen  sind  z.  T.  nekrotisch 
Aus  diesen  kurzen  Mitteilungen  geht  die  Notwendigkeit 
hervor,  bei  jedem  Verdacht  auf  Nierenerkrankung  sich  nicht 
mit  dem  Nachweis  von  Albumen  zu  begnügen,  sondern  auch 
den  Urin  einer  mikroskopischen  Untersuchung  zu  unterwerfen. 
Es  ist  ja  in  neuester  Zeit  auch  von  klinischer  Seite  auf  diesen 
Punkt  aufmerksam  gemacht  worden.  Schwa  r  zk  o  p  f  )  hat 
5  Beobachtungen  von  chronischer  Nephritis  veröffentlicht,  bei 
denen  der  Harn  stets  eiweissfrei  war,  aber  immer,  wenn  auch 
manchmal  nur  in  geringer  Zahl,  Zylinder  enthielt.  Auch 
Stewart2 3)  sowie  Bock4)  haben  ähnliche  Beobachtungen 
gemacht.  In  solchen  Fällen  wird  man  vielleicht  durch  kurz¬ 
dauernde  Zufuhr  grösserer  Kochsalzmengen  und  durch  Mas¬ 
sage  der  Niere  eine  vorübergehende  Albuminurie  erzeugen 

können.  ,  ,  .  .  , 

Wie  sind  nun  aber  diejenigen  Fälle  zu  erklären,  in  welchen 

man  trotz  bestehender  schwerer  Nierenläsionen  keine  Zylinder 
im  Urin  finden  kann?  Gestatten  Sie  mir,  hier  die  Ergebnisse 
von  Heubner5)  und  von  T  r  e  u  1 1  e  i  n  6)  mit  meinen  eigenen 
experimentellen  Beobachtungen  zu  vergleichen.  1  reutlein 
fand  in  einem  solchen  Falle  im  Urin  reichliche  Bakterien,  be¬ 
sonders  B.  coli,  und  macht  diese  für  die  Auflösung  der  Zylinder 
verantwortlich,  sei  es  dass  dieselbe  bei  gleichzeitig  bestehen¬ 
der  Zystitis  in  der  Blase  vor  sich  gehe  oder  wahrscheinlicher 
im  Nierenbecken  oder  gar  schon  in  den  Harnkanälchen.  Dabei 
dürfte  der  Uebergang  des  B.  coli  aus  dem  Darm  durch  das 
Blut  in  die  Niere,  wie  er  von  Posner')  und  seinen  Schülern 
J.  Coh n  und  L  e  w  i  n  7)  schon  längst  klargelegt  wurde,  sowie 


2)  Zur  Diagnose  chronisch  nephritischer  Prozesse.  Münch. 

med.  Wochenschr.  1903,  No.  35. 

3)  Ref.  im  Zentralbl.  f.  innere  Med.  1894,  No.  24.  . 

4)  Die  Diagnose  der  Herzmuskelerkrankungen.  Stut -gart  190- . 

5)  Bemerkungen  zur  Scharlach-  und  Diphtherieniere.  Munch. 

med.  Wochenschr.  1903,  No.  4.  .  ... 

«)  Ueber  das  Fehlen  von  Zylindern  im  Urin  von  Nephritikern. 

Münch,  med.  Wochenschr.  1903,  No.  35. 

7)  Infektion  und  Selbstinfektion.  Berl.  Klinik  1895,  H.J 35. 
Ueber  die  Durchgängigkeit  der  Darmwand.  Berl.  klm.  Wochenschr. 
1900,  No.  26.  —  Ueber  Selbstinfektion  vom  Darme  aus.  Berl.  klm. 


2468 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


der  von  mir  ‘)  experimentell  nachgewiesene  Umstand  von  Be¬ 
deutung  sein,  dass  schon  die  im  Blut  zirkulierenden  Stoff¬ 
wechselprodukte  des  B.  coli  durch  Alteration  der  Niere  die 
Niederlassung  der  Bakterien  in  diesem  Organe  vorbereiten.  Ich 
habe  ferner  bei  meinen  Versuchen  die  Beobachtung  machen 
können,  dass  die  durch  Bakterien  oder  deren  Stoffwechsel¬ 
produkte  hervorgerufenen  hämatogenen  Nierenläsionen  sich 
zuerst  in  den  äusseren  Rindenschichten  entwickeln,  was  meines 
Erachtens  auf  die  besonders  starke  Ausbreitung  der  Lymph- 
bahnen  und  die  hier  herrschende  Verlangsamung  des  Blut- 
laufes  zurückzuführen  ist.  Von  diesen  Rindenschichten  aus 
werden  die  abgestorbenen  Nierenteile  und  die  hier  gebildeten 
Zylinder  nur  schwer  mit  dem  Harnstrom  nach  aussen  ge¬ 
schwemmt  werden  und  daher  in  loco  zugrunde  gehen.  Dabei 
v  erden  die  Bakterien,  welche,  wie  ich  experimentell  nach- 
gc  wiesen  habe,  gerade  diese  I  eile  der  Niere  am  meisten  und 
am  schnellsten  überschwemmen,  sowie  ihre  Toxine  eine  ge¬ 
wichtige  Rolle  spielen.  Erst  wenn  die  gesetzten  Läsionen  sich 
ausbreiten,  werden  auch  die  mehr  nach  dem  Nierenbecken  zu 
ge  egenen  Nierenteile  erkranken;  diese  stehen  aber  in  direktem 
usammenhang  mit  den  grösseren  Ausführungsgängen  der 
Nieren  und  werden  daher  die  daselbst  entstandenen  Zerfall¬ 
produkte  leichter  nach  aussen  kommen  können.  Dass  auch  das 
Auftreten  von  Albuminurie  mit  der  Lokalisation  der  Erkran¬ 
kungsherde  in  Zusammenhang  stehe,  ist  daher  eine  berechtigte 
ermutung,  die  vielleicht  durch  weitere  Experimente  gestützt 
werden  konnte.  Für  diese  Annahme  spricht  die  schon  von 
V  h  arcot  )  in  neuerer  Zeit  auch  von  C  a  s  t  a  i  g  n  e  und  R  a  t- 
liery  )  nachgewiesene  herdweise  Erkrankung  der  Niere  bei 
chronischer  Nephritis.  Ich  möchte  ferner  die  Frage  aufwerfen, 
ob  die  entzündliche  resp.  degenerative  Natur  der  bestehenden 
Nierenveranderungen  nicht  von  Einfluss  auf  die  Eiweissaus- 
st\^ldun.g  komme  somit  zu  einer  sehr  wichtigen  Tat- 

n^  ie’.dle.e,benfalls  aus  meinen  Tierversuchen  sich  ergibt,  dass 

krankheimn  6dUntnr  dT  Namen  Nephritis  kursierende  Nieren- 
Krankhe  ten  durchaus  keine  entzündlichen  Prozesse  sondern 

nur  solche  degenerativer  Art  bieten.  Es  fragt  sich  nun  ob  bei 

Prozessfni  hhTde"  NierenleidS!  das  Vorwiegen  entzündlicher 
rozesse  nicht  eine  grossere  Eiweissausscheidung  verursacht 

wahrend  beim  Bestehen  von  nur  degenerativen  Veränderungen’ 
bleibenSkanne  ^  amyloiden' jede  Eiweissausscheidung  unter- 


Aus  dem  Hospice  de  Bicetre  (ärztlicher  Leiter:  Professor 

Pierre  Marie). 

Untersuchungen  über  den  Mendel-Bechterew  sehen 

Fussrückenreflex.*) 

Von  Dr.  med.  E.  Osann,  Nervenarzt  in  Hannover 
Auf  Anregung  von  Herrn  Prof.  Pierre  Marie  hab-  ich 
etrrmme,\neUe  ,UnterSUch-^en  über  den  Mendel- 

S  e  Fussrückenreflex  anzustellen.  Herr 

Hos  tice  de  R  AT  d,aS  «rosse  Krankenmaterial  des 
fiigung  gestellt  e  *n  llebenswür'digster  Weise  zur  Ver- 

•  wCr  F^ückenreflex  wurde  zuerst  weiteren  Kreisen  durch 

bekamietr°MnetnCdUThi<:i,riI  M,e  "  d  e  '  s  IU  aus  dem  Jahre  1904 
bekannt.  M  e  n  d  e  1  beschreibt  darin  zunächst  einen  normalen 

ei  gesunden  Individuen  konstanten  Reflex.  Beklopfe  man  mit 

dem  I  erkussionshammer  den  lateralen  Teil  des  Fussrückens 

cn\a  m  der  Gegend  des  Os  cuboideum  und  cuneiforme  III  so 

bis  ,  /eile"  T  mehr  °der  minder  deutliche  ExTension  der  2 
R  •  :  :cle>  am  ausgeprägtesten  sei  dies  an  der  2.  und  3.  Zehe 
ci  Jedem  Gesunden  sei  die  Extension  verbunden  mit  einem 
Vorspnngen  der  Sehnen  des  M.  extensor  digg,  brevis  sichtba^ 
sorein  das  betreffende  Individuum  seine  Muskeln  nicht  allzu 

^-■esar»*«  - »™- 

urologica  l’907,  Bd  j,°No.  ^epl,r,tes  =hroniques  hematuriques.  Folia 

der  tfesHllschaTdeuts^Vi^NerveiUdrteHin  Dresd'en  aaHiem^nStnkT,'llltti 
aber  wegen  Zeitmangel  nicht  mehr  gehalten  werdem  °" 


tremitäten  bedingten,  kehre  sich  diese  normale  Extension  der 
4  kleinen  Zehen  in  eine  Flexion  um.  In  allen  diesen  Fällen  sei 
zugleich  der  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Reflex  positiv.  Es  entspreche 
emnach  m  diesen  Fällen  der  Extension  der  grossen  Zehe  beim 
Bestrejchen  der  FussoWe  eine  Flexion  der  übrigen  Zehen  beim 
Beklopfen  des  Fussrückens.  Allerdings  fand  Mendel  den 
neuen  Reflex  weniger  konstant  als  den  Babinski  sehen  Re¬ 
flex  und  konstatierte  oft  ein  normales  Verhalten  der  4  kleinen 
Zehen  bei  positivem  Babinski. 

Bald  nach  dieser  Veröffentlichung  machte  nun  v.  Bech- 
t  e  r  e  2]  um  Neurol.  Zentralbl.  geltend,  dass  er  schon  hn 
Februar  1901  gelegentlich  eines  Vortrages  in  einer  Peters- 
burger  wissenschaftlichen  Versammlung  denselben  Reflex  als' 
„  1  arsophalangealreflex“  beschrieben  habe.  Das  Referat  war 
jedoch  an  so  versteckter  Stelle  erschienen,  dass  der  neue  Re- 
flex  nicht  weiter  bekannt  geworden  war.  v.  Bechterew 
rand  den  pathologischen  (Beugereflex  ebenfalls  bei  organischen 
Erkrankungen  des  Zentralnervensystems  mit  pathologisch  ge¬ 
steigerter  Reflexerregbarkeit,  und  zwar  „fast  konstant“  bei 
organischen  Lähmungen,  sowohl  „i  n  ia  1 1  e  n  F  ä  1 1  e  n,  wo  der 
p  a  b  1  n  s  k  i  sehe  Reflex  vorhanden  war“,  als  auch  i  n  v  i  e  1  e  n 
a  e  n  in  denen  dieser  fehlte  oder  undeutlich  war.  Die  von 
VI  e  n  de  1  bei  Gesunden  beschriebene  normale  Extension  der 
Zonen  hingegen  fand  v.  Bechterew  nur  inkonstant.  Er 
erklärt  diese  Extensionsbewegungen  durch  eine  mechanische 
Heizung  der  Extensores  digg.  com.  longus  et  brevis. 

In  einer  Bemerkung  zu  dieser  Mitteilung  v.  Bechte- 
r  e  ws  erklärte  Mendel  [3],  dass  er  in  den  meisten  Punkten 
mit  v.  B  e  c  h  t  e  r  e  w  ubereinstimme.  Auch  er  habe  nachträg¬ 
lich  einige  Falle  konstatiert,  in  denen  der  Beugereflex,  den  er 
ubiigens  bei  Gesunden  nie  gefunden  habe,  bei  fehlendem  .  Ba¬ 
binski  vorhanden  gewesen  sei.  Im  Widerspruch  stehe  er  je- 
doch  mit  v.  Bechterew  darin,  dass  er  in  vielen  Fällen  von 
positivem  „Babinski“  den  Beugereflex  vermisst  habe,  und  fer- 
ner,  dass  er  den  Extensionsreflex  bei  Gesunden  stets  konstant 

kn  a  tm-fhRben  -In  eJn.er  !^eihe  von  Fällen  panischer  Erkran¬ 
kung  (mit  Babinski  schein  Reflex  oder  ohne  denselben)  er- 

n?  nmia£  abngens  von  der  Mitte  des  Fussrückens  aus  eine 
normale  Extension,  vom  vorderen  äusseren  Teile  dagegen  eine 
Mexionsbewegung.  s  s 

Im  vorigen  Jahre  hat  Mendel  [4]  dann  weitere  Unter¬ 
suchungen  über  seinen  Reflex  veröffentlicht.  Bei  85  Fällen 
von  Hemiplegie  fand  er  denselben  26 mal  positiv  den  Ba- 
bui  sk  ischen  Reflex  37  mal  positiv.  In  59  Fällen  von  orga¬ 
nischer  Paraparese  (meist  Myelitis  und  multiple  (Sklerose)  fand 
er  Positiven  Fussrückenreflex  35  mal  und  positiven  „Babinski“ 

45  mal.  Bei  allen  144  Fällen  fand  er  beide  Reflexe  48  mal  zu- 
gjeich  posibv  und  49  mal  zugleich  negaitv.  34  mal  war  Ba¬ 
binski  allein  vorhanden  und  13  mal  der  Fussrückenreflex 
allem  positiv.  ,Mlt  fnderen  Worten  war  also  in  den  144  Fällen 
dei  Babinski  sehe  Reflex  82 -mal  positiv  (=  57  Proz  )  der 
Fussrückenreflex  61  mal  positiv  (=  42,4  Proz.).  ’  ' 

.  h e i n e i  belichtet  üräffner  [5]  in  einer  Arbeit  über  die 
Reflexe  von  1 16  Hemipiegikern,  dass  er  den  Babinski  sehen 
Reflex  73,ma  (—  62,9  Proz.),  den  Fussrückenreflex  36  mal 

i  26 o  Pr1°Z,)  P°SltlV  gefunden  habe.  Dabei  fand  er  den  letz¬ 
teren  2  mal  positiv  bei  negativem  „Babinski“. 

In  diesem  Jahre  wurden  schliesslich  noch  von  Liss- 
m  a  n  n  L6J  die  Resultate  neuer  Untersuchungen  über  den  Fuss- 
ruckenreflex  mitgeteilt.  Derselbe  fand  ihn  bei  21  Fällen  von 
Hemiplegie  8  mal  positiv,  während  „Babinski“  10  mal  vorhan¬ 
den  war.  Positiven  Fussrückenreflex  bei  fehlendem  Babinski“ 

k0jFe-nr  Jed°Ch  n'cht  konstatieren.  Ausserdem  fand  er  nodi 
m  4  Fallen  von  zerebraler  Kinderlähmung,  2  Fällen  von  orgu- 
mscher  Hemiparese  1  Fall  von  Lues  cerebrospinalis  und 

mnft  ?1  Myelltls  beidc  Reflexe  positiv.  Bei  2  Fällen  von 
•  uiltip  er  Sklerose  und  1  Fall  von  kombinierter  Systemerkran 

döTspft1  beginn^nder  Paralyse  fand  sich  „Babinski“  auf  bei¬ 
den  Seiten,  der  Fussrückenreflex  jedoch  nur  einseitig. 

hoi  ?^FmiegenSatZ  zu  L  1  s,sm  a  11  n  hoante  O.  B.  Meyer  [7] 
iivpnSFF  -  I°n  °J?aniuChen  Nervenerkrankungen  einen  posi- 
iven  Fussrückenreflex  bei  negativem  oder  undeutlichem  Ba 

bmski  teststellen  In  einigen  Fällen  davon  entwickelte  "sich 
der  Babinski  sehe  Reflex  erst  später  und  war  der  positive 
Euss rucken reflex  gewissermassen  als  Vorläufer  des  Ba 
b  i  n  s  k  i  sehen  Phänomens  anzusehen.  '  * a " 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ich  komme  nun  zu  meinen  eigenen  Untersuchungen.  Be¬ 
vor  ich  jedoch  auf  die  speziellen  zahlenmässigen  Resultate  der¬ 
selben  eingehe,  will  ich  einige  Fragen  allgemeiner  Natur  be¬ 
rühren.  Wie  wir  gesehen  haben,  befinden  sich  Mendel  und 
v.  Bechterew  in  einigen  Punkten  in  striktem  Gegensatz. 
Ich  glaube,  dass  da  vielleicht  meine  Befunde  vermitteln  können. 
Zunächst  ist  es  die  Frage  über  den  normalen  Extensionsreflex 
Mendels,  den  v.  Bechterew  für  mechanisch  bedingt 
und  inkonstant  hält.  Ich  habe  den  normalen  Reflex  bei  50  Ner¬ 
vengesunden,  die  ich  an  einer  inneren  Abteilung  des  H  ö  p  1 1  a  1 
N  e  c  k  e  r  in  Paris  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  geprüft  D. 
Einerseits  kann  ich  Mendel  beipflichten,  da  ich  den  Reflex 
fast  konstant  und  meist  sehr  deutlich  gefunden  habe.  Nur  bei 
einem  an  Altersschwäche  leidenden  80  jährigen  Mann  von  sehr 
atrophischer  Muskulatur  vermisste  ich  ihn.  Andererseits 
konnte  ich  jedoch  in  Uebereinstimmung  mit  v.  Bechterew 
mit  Sicherheit  feststellen,  dass  es  sich  bei  der  Extensionsbewe¬ 
gung  um  eine  mechanische  Reizung  des  M.  extensor  digitorum 
brevis  (nicht,  wie  v.  Bechterew  annimmt,  des  longus  und 
brevis)  handelt,  um  einen  sog.  id  io  muskulären  Reflex. 

Der  M.  extensor  digitorum  brevis  entspringt  an  der  oberen 
und  lateralen  Fläche  des  Fersenbeins,  zieht  dann  schräg  medial- 
wärts  unter  den  Sehnen  des  langen  Zehenstreckers  hindurch 
und  setzt  mit  4  Sehnen  für  die  4  ersten  Zehen  lateral  an  den 
Sehnen  des  langen  Zehenstreckers  an,  um  mit  diesen  zu  ver¬ 
schmelzen.  Von  H  e  n  1  e  ist  der  Muskelbauch,  der  zur  Grund¬ 
phalanx  der  grossen  Zehe  zieht,  abgetrennt  und  als  M.  extensor 
hallucis  brevis  bezeichnet  worden.  Man  reizt  den  kurzen 
Zehenstreoker  am  besten  in  der  von  Mendel  angegebenen 
Gegend  am  Os  cuboideum  und  cuneiforme  tertium,  lateral  von 
den  Sehnen  des  Extensor  digitorum  longus,  die  man  sich  leicht 
abtasten  kann.  Dort  liegt  der  Muskel  dicht  unter  der  Haut 
und  man  kann  beim  Klopfen  mit  dem  Perkussionshammer,  be¬ 
sonders  bei  dünner  Haut,  in  vielen  Fällen  die  Kontraktion  des 
Muskels  und  die  Entstehung  eines  Muskelwulstes  sehen.  In 
den  meisten  Fällen,  wenn  nicht  gerade  die  mechanische  Muskel¬ 
erregbarkeit  erhöht  ist,  erhält  man  nicht  eine  Kontraktion  aller 
Muskelbäuche  auf  einmal,  sondern  muss  jeden  einzelnen  reizen, 
und  zwar  ist  der  Reizpunkt  für  den  M-uskelbauch,  der  die 
2.  Zehe  extendiert,  dicht  lateral  von  der  Sehne  des  Extensor 
longus  digiti  minimi;  die  Reizpunkte  für  die  Extension  der  3. 
und  4.  Zehe  liegen  entsprechend  weiter  lateralwärts.  (Ich  will 
diese  Reizpunkte  für  den  kurzen  Zehenstrecker  für  die  Folge  der 
Kürze  halber  als  ,, Muskelpunkte“  bezeichnen.)  Im  Gegensatz 
zu  Mendel  nun  habe  ich  stets  nur  eine  Extension  der  2.  bis 
4.  Zehe,  niemals  eine  solche  der  5.  Zehe  erhalten.  Dagegen 
konnte  ich  bei  meinen  50  Nervengesunden  in  21  Fällen  eine 
allerdings  schwächere  und  schwerer  auszulösende  Extension 
der  grossen  Zehe  erhalten,  indem  ich  den  betreffenden  Muskel¬ 
bauch  durch  die  ihn  zum  Teil  verdeckenden  Sehnen  des  langen 
Zehenstreckers  hindurch  reizte.  Nur  liess  sich  hier  der  rich¬ 
tige  Reizpunkt  manchmal  erst  nach  mehreren  Versuchen  fin¬ 
den.  Dieses  Verhalten  findet  durch  die  anatomische  Gliederung 
des  M.  extensor  brevis,  der,  wie  schon  gesagt,  mit  4  Köpfen  die 
4  ersten  Zehen  versorgt,  seine  völlige  Erklärung. 

Soviel  über  den  Extensionsreflex  bei  Gesunden.  Bei  Ner¬ 
venkranken  kommt  zuweilen  ein  Fehlen  jeder  Reflexbewegung 
vor.  Schon  Mendel  hat  das  konstatiert  bei  Fällen  von  Polv- 
neuritis  und  Poliomyelitis.  Bei  Tabikern  fand  er  nur  in  ganz 
wenigen  Fällen  ein  Fehlen  des  Reflexes.  Ich  selbst  fand  Feh¬ 
len  jeder  Reflexbewegung  bei  je  einem  Fall  von  amyotrophi- 
scher  Lateralsklerose,  F  r  i  e  d  r  e  i  c  h  scher  Krankheit  und 
multipler  Sklerose.  Ferner  bei  einem  Fall  von  syphilitischer 
Paraplegie,  bei  dem  allerdings  Oedeme  an  den  Füssen  be¬ 
standen,  und  bei  einem  Hemiplegiker  auf  der  gesunden  Seite, 
auf  der  er  seine  Extensoren  dauernd  angespannt  hielt.  Bei 
diesen  2  letzten  Kranken  ist  das  Fehlen  wohl  nur  durch  ein 
äusseres  Moment  bedingt.  Bei  11  Tabikern  fand  ich  im  Gegen¬ 
satz  zu  Mendel  ein  häufiges  Fehlen,  nämlich  5  mal  auf  bei¬ 
den  Seiten  und  3  mal  auf  1  Seite.  Allerdings  handelte  es  sich 
um  sehr  vorgeschrittene  Fälle,  die  zum  Teil  jahrelang  im  Bett 
lagen  und  starke  Ankylosen  und  Arthropathien  aufwiesen.  Also 


1)  Herrn  Dr.  Ach  and,  in  dessen  Abteilung  ich  die  Unter¬ 
suchungen  vornehmen  konnte,  bin  ich  dafür  zu  grossem  Dank  ver¬ 
pflichtet. 


2469 

auch  hier  sind  es  lediglich  wohl  äussere  Momente,  die  das 
Fehlen  bedingen.  Man  kann  demnach  aus  dem  alleinigen 
Fehlen  des  Reflexes  keine  diagnostischen  Schlüsse  ziehen. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  das  Fehlen  des  idiomuskulären  Ex¬ 
tensionsreflexes  für  das  Zustandekommen  des  pathologi¬ 
schen  Flexionsreflexes  bei  Beklopfen  des  Fuss- 
rückens  notwendig  ist.  Das  ist  nicht  der  Fall.  Denn  wie 
dies  auch  Mendel  schon  in  seiner  Bemerkung  zu  den 
v.  Bechterew  sehen  Ausführungen  beschrieben  hat,  gibt  es 
Fälle,  in  denen  man  von  der  Mitte  des  Fussrückens  aus,  dort, 
wo  sich  also  die  Muskelpunkte  für  den  Extensor  brevis  be¬ 
finden,  eine  deutliche  Extension  erhält,  während  man  dagegen 
mehr  distal  und  lateral,  dicht  am  Zehenansatz  eine  deutliche 
Flexion  der  Zehen  erhält.  Man  kann  somit  den  Extensions¬ 
reflex  als  Gradmesser  für  die  Stärke  des  pathologischen 
Reflexes  benutzen  und  auf  diese  Weise  einen  voll  ausgebildeten 
oder  ganz  positiven  und  einen  unvollkommenen  oder  par¬ 
tiellen  Flexionsreflex  vom  Fussrücken  aus  unterscheiden. 
Beim  ganz  positiven  Fussrückenreflex  erhält  man  eine 
ausgiebige  Flexion  der  2.  bis  5.  Zehe  vom  ganzen  Fussrücken 
(auch  von  den  Muskelpunkten)  aus.  Bei  hochgradig  gestei¬ 
gerter  Reflexerregbarkeit  erhält  man  bisweilen  sogar  bei  Be¬ 
klopfen  der  Knöchel  eine  Flexion  der  Zehen.  In  manchen 
Fällen  sieht  man  bei  Reizung  der  Muskelpunkte,  wie  gewisser- 
inassen  Extension  und  Flexion  um  die  Vorherrschaft  kämpfen, 
wie  dann  meist  die  Flexion  überwiegt;  man  sieht  dann  manch¬ 
mal,  wie  die  2.  Zehe,  deren  Muskelbauch  direkt  getroffen  wird, 
extendiert  wird,  während  -die  3  übrigen  Zehen  flektiert  wer¬ 
den.  Beim  partiellen  Reflex  dagegen  erhält  man  von 
den  Muskelpunkten  aus  eine  deutliche  Extension  der 
2.  bis  4.  Zehe,  manchmal  auch  der  1.  bis  4.  Zehe,  während  man 
von  den  distalen  Partien  des  Fussrückens  (von  der 
Gegend  der  Metaphalangen)  aus  eine  deutliche  Flexions¬ 
bewegung  der  2.  bis  5.  Zehe  bekommt. 

Es  fiel  mir  nun  in  einigen  Fällen  von  Hemiplegie  auf, 
dass  ich  hier  auch  auf  der  gesunden  Seite  bei  Be¬ 
klopfen  des  distalen  Teils  des  Fussrückens  eine  allerdings  viel 
schwächere  Flexion  der  Zehen  erhielt,  die  mit  der  der 
anderen  Seite  deutlich  kontrastierte.  Ich  habe  daraufhin  bei 
Nervengesunden  nachgeprüft  und  konnte  bei  50  Fällen  28  mal 
ganz  minimale  Reflexbewegungen  erhalten,  die  17 mal 
in  einer  geringen  Abduktion,  11  mal  in  einer  geringen  Flexion 
zu  bestehen  schienen.  Manchmal  war  es  bei  dem  schwachen 
Ausschlag  der  Bewegung  schwer  zu  entscheiden,  ob  eine  Ab¬ 
duktion  oder  eine  Flexion  vorlag.  Ich  nehme  an,  dass  es 
sich  hier  um  eine  direkte  Reizung  der  Mm.  lumbricales  und 
interossei  handelt,  die  einerseits  die  Zehen  ad-  bezw.  abdu- 
zieren,  andererseits  aber  auch  die  Grundphalangen  gegen  die 
Metaphalangen  beugen.  Dass  eine  dementsprechende  Reflex¬ 
bewegung  bei  vielen  Nervengesunden  eintritt,  mag  daran 
liegen,  dass  in  diesen  Fällen  die  genannten  Muskeln  durch 
äussere  Umstände  (dünne  Haut  und  weite  Interphalangeal- 
räume)  für  den  Klopfreiz  besonders  günstig  liegen. 

Ich  gebe  nun  zu,  dass  durch  diese  normalerweise  schon 
auftretenden  Flexions-  bezw.  Abduktionsbewegungen  die  Be¬ 
urteilung  des  partiellen  Fussrtickenreflexes  erschwert  wird. 
Es  gehört  jedenfalls  einige  Uebung  und  praktische  Erfahrung 
dazu,  am  zu  entscheiden,  ob  die  Flexion  -der  Zehen  schon  patho¬ 
logisch  ist  oder  nicht.  Dies  gilt  besonders  für  doppel¬ 
seitige  spastische  Paresen.  Bei  einseitiger  Lähmung  da¬ 
gegen  bietet  der  Unterschied  in  der  Stärke  der  Flexionsbewe¬ 
gung  zwischen  der  kranken  und  gesunden  Seite  ein  gutes  Kri¬ 
terium. 

Ich  komme  nun  zu  den  zahlenmässigen  Ergebnissen 
meiner  Untersuchungen.  Ich  habe  im  ganzen  132  Fälle  von 
organischer  Erkrankung  des  Nervensystems  untersucht,  und 
zwar  81  Hemiplegien,  20  zerebrale  Kinderlähmungen,  unter 
denen  7  Fälle  von  Athetose  double  mitgerechnet  sind,  10  syphi¬ 
litische  Paraplegien,  6  multiple  Sklerosen,  6  Syringomyelien, 
4  kombinierte  Systemerkrankungen,  worunter  1  Fall  von 
Fried  reich  scher  Erkrankung  mitgerechnet  ist,  3  tuberku¬ 
löse  Kompressionsmyelitiden,  1  traumatische  Rückenmarksver¬ 
letzung  und  1  amyotrophische  Lateralsklerose.  Wie  die  Vor¬ 
untersucher  habe  auch  ich  zum  Vergleich  den  B  a  b  i  n  s  k  i  - 
sehen  Reflex  herangezogen.  Ich  fand  im  ganzen  den  Ba- 
b  in  ski  sehen  Reflex  110  mal  positiv  (=  83,3  Proz.),  den 


2470 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


Fussrückenreflex  87  mal  positiv  (=  65,9  Proz.).  Und  zwar 
war  der  ganz  positive  Reflex  51  mal  vorhanden  (=  38,6  Proz.), 
der  partielle  Reflex  36  mal  (=  27,3  Proz.).  Es  fanden  sich 
beide  Reflexe  negativ  17  mal,  beide  zusammen  positiv  82  mal, 
„ßabinski“  allein  positiv  28  mal  und  der  Fussriickenreflex  allein 
positiv  5  mal.  Es  muss  allerdings  betont  werden.,  dass  sich 
bei  positivem  Fussriickenreflex  niemals  ein  direkt  plan¬ 
tarer  Babinski  scher  Reflex  fand.  Entweder  notierte  ich 
„unbestimmt“  oder  „Neigung  zur  Dorsalflexion“;  bei  einem  von 
diesen  Fällen  (Hemiplegie)  war  der  eigentliche  „Babinski“  un¬ 
bestimmt,  wohl  aber  fand  sich  dafür  das  Babinski  sehe  Fächer¬ 
phänomen;  bei  einem  zweiten  Fall  (zerebrale  Kinderlähmung) 
waren  beide  grossen  Zehen  unter  die  anderen  Zehen  sub- 
luxiert,  so  dass  dadurch  eine  Extension  mechanisch  verhindert 
war.  Was  den  Fussriickenreflex  anbelangt,  der  diesen  5  Fäl¬ 
len  von  negativem  bezw.  unbestimmtem  „Babinski“  gegen- 
iiberstand,  so  handelte  es  sich  3  mal  (bei  2  zerebralen  Kinder¬ 
lähmungen  und  1  multiplen  Sklerose)  um  einen  ganz  positiven, 
2  mal  (bei  2  Hemiplegikern)  um  einen  partiellen  Reflex.  Ausser¬ 
dem  ist  noch  zu  bemerken,  dass  in  2  Fällen  von  doppelseitiger 
Hemiplegie  und  in  einem  Falle  von  Syringomyelie  der  Fuss- 
riickenreflex  beiderseits  positiv  war,  „Babinski“  aber  nur  ein¬ 
seitig.  Andererseits  war  in  2  anderen  Fällen  von  Syringo¬ 
myelie  2  mal  der  B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Reflex  doppelseitig,  der 
Fussrückenreflex  nur  einseitig  positiv. 

Beim  Vergleichen  meiner  Resultate  mit  denen  anderer 
Untersucher  finde  ich,  dass  die  38,6  Proz.  für  den  ganz  posi¬ 
tiven  Reflex  ungefähr  den  Befunden  Mendels  entsprechen, 
der  in  42,4  Proz.  der  Fälle  seinen  Reflex  feststellte,  aber  nicht 
den  Unterschied  in  der  Reflexstärke  berücksichtigt  hat.  Die 
Totalsumme  meiner  positiven  Fälle  unter  Hinzurechnung  der 
Fälle  von  partiellem  Reflex  beträgt,  wie  schon  gesagt, 
65,9  Proz.  und  hält  ungefähr  die  Mitte  zwischen  den  Be¬ 
funden  Mendels  und  v.  Bechterews.  Die  Ansicht  des 
letzteren  jedoch,  dass  der  Fussrückenreflex  konstanter  sei  als 
der  Babinski  sehe  Reflex,  kann  ich  nach  meinen  Befunden 
nicht  bestätigen.  Wohl  aber  glaube  ich  aus  den  wenn  auch 
seltenen  Befunden,  dass  der  Fussrückenreflex  auch  ohne  gleich¬ 
zeitigen  positiven  „Babinski“  vorkommt,  entnehmen  zu  können, 
dass  der  Mendel-Bechterew  scheReflex  eine  wert¬ 
volle  Bereicherung  unserer  diagnostischen  Hilfsmittel  darstellt 
und  bislang  zu  wenig  berücksichtigt  worden  ist. 

Betreffs  des  Babinski  sehen  Reflexes  ist  es  mir  aufge¬ 
fallen,  dass  ich  ihn  häufiger  (um  20 — 30  Proz.  mehr)  gefunden 
habe,  als  andere  Untersucher.  Ich  glaube,  dass  dies  zum  Teil 
an  der  Gleichmässigkeit  des  Krankenmaterials  in  Bicetre 
(im  Gegensatz  z.  B.  zu  einem  poliklinischen  Material)  liegt,  da 
es  sich  zumeist,  wie  das  für  ein  Siechenhaus  natürlich  ist,  um 
alte,  ausgeprägte  Fälle  handelte.  Andererseits  aber  muss  ich 
darauf  hinweisen,  dass  die  in  Frankreich  geübte  Untersuchungs¬ 
methode  mit  der  Nadel  eine  bessere  Dosierung  des  Reizes  ge¬ 
stattet  und  wohl  feinere  Resultate  gibt  als  die  bei  uns  übliche 
Streichung  mit  dem  Perkussionshammerstiel.  Ausserdem  habe 
ich  mich  streng  an  die  Mahnung  Babinskis  gehalten,  der 
empfiehlt,  seinen  Reflex  an  allen  Teilen  der  Fussohle  zu  suchen 
und  dabei  den  lateralen  Rand  als  Prädilektionsstelle  besonders 
zu  berücksichtigen.  So  erhielt  ich  in  nicht  weniger  als  6  Fäl¬ 
len  nur  vom  äussersten  lateralen  Rande  der 
Fussohle  einen  positiven  „Babinski“,  während  ich  von  der 
Mitte  derselben  eine  Flexion  bezw.  einen  unbestimmten  Reflex 
erhielt. 

Nun  noch  einige  Worte  über  das  Wesen  und  die  Entstehung 
des  Fussrückenreflexes.  Mendel  und  v.  Bechterew 
setzen  ihn  ganz  analog  dem  Babinski  sehen  Reflex.  L  i  s  s  - 
m  a  n  n  hat  bei  Säuglingen,  bei  denen  M  e  n  d  e  1  zu  keinem  Re¬ 
sultate  kam,  Untersuchungen  angestellt,  und  will  hier  bis  zum 
4.  Lebensmonat  einen  positiven  Fussrückenreflex  erhalten 
haben.  Lissmann  schliesst  infolgedessen  ebenfalls  auf 
eine  Kongruenz  des  Fussrückenreflexes  mit  dem  Babinski- 
schen  Reflex.  Ich  selbst  hatte  auch  Gelegenheit,  im  H  ö  p  i  t  a  1 
N  e  c  k  e  r  einige  Säuglinge  vom  2.  bis  4.  Lebensmonat  zu 
untersuchen,  bin  aber  ebensowenig  wie  Mendel  zu  einem 
Resultat  gekommen,  da  es  mir  nicht  gelang,  bei  der  dauernden 
motorischen  Unruhe  derselben  eine  isolierte  Flexions-  oder 
Extensionsbewegung,  die  auf  den  doch  relativ  nur  geringen  und 


kurzdauernden  Klopfreiz  zurückzuführen  gewesen  wäre,  zu 
beobachten. 

Meiner  Ansicht  nach  ist  eine  weitergehende  Analogie  zwi¬ 
schen  den  beiden  Reflexen  schon  deshalb  ausgeschlossen,  weil 
der  Babinski  sehe  Reflex  ein  reiner  Hautreflex  ist,  während 
durch  das  Klopfen  beim  Fussrückenreflex  doch  vor  allem  tiefere 
Teile  (Knochen  und  Muskeln)  erschüttert  werden  und  den  Reiz 
weiterleiten.  Bei  meinen  Untersuchungen  sind  mir  nun  ver¬ 
schiedene  Eigentümlichkeiten  aufgefallen,  die  vielleicht  eine 
Handhabe  für  die  Erklärung  des  Zustandekommens  des  posi¬ 
tiven  Fussrückenreflexes  bieten.  Ich  fand  erstens,  dass 
derselbe  eine  gewisse  Beziehung  zum  Fussklonus  hat.  Dies' 
gilt  besonders  für  den  voll  ausgebildeten  Fussrückenreflex,  der 
in  51  Fällen  vorhanden  war,  davon  34  mal  zugleich  mit  Fuss¬ 
klonus  und  5  mal  zugleich  mit  angedeutetem  Fussklonus.  Von 
den  12  Fällen,  in  denen  bei  ganz  positivem  Fussrückenreflex 
der  Fussklonus  oder  eine  Andeutung  desselben  fehlte,  bestanden 
in  8  Fällen  ausgesprochene  Spasmen  der  Beugemuskulatur,  die 
zum  Teil  so  stark  waren,  dass  sie  die  Entstehung  von  Fuss¬ 
klonus  verhindert  haben  mochten;  in  1  Fall  bestand  Andeutung 
von  Zehenklonus  und  nur  in  3  Fällen  fehlten  Zeichen,  die  eine 
erhöhte  Reizbarkeit  der  Beugemuskulatur  erkennen  Hessen. 
Fussklonus  ohne  Mendel-Bechterew  sehen  Reflex  fand 
ich  nur  5  mal.  Für  den  partiellen  Fussrückenreflex  bestand 
ebenfalls  eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  dem  Fussklonus, 
doch  war  sie  hier  weniger  in  die  Augen  springend,  da  ersterer 
häufiger  war.  Ich  konnte  zweitens  als  weitere  Besonder¬ 
heit  feststellen,  dass  bei  Auftreten  des  Mendel-Bechte¬ 
rew  sehen  Reflexes,  mochte  er  nun  ganz  positiv  oder  nur 
partiell  sein,  die  mechanische  Erregbarkeit  der  Beugemusku¬ 
latur  an  der  Planta  pedis  auf  Klopfreiz  gesteigert  war.  (Haupt¬ 
sächlich  kommt  hier  wohl  der  Flexor  digitorum  brevis  in  Be¬ 
tracht.)  Ich  bekam  bei  Beklopfen  der  Fussohle,  in  vielen  Fällen 
auch  bei  Beklopfen  des  Kalkaneus  eine  ausgiebige  Zehenbeu¬ 
gung  in  allen  Fällen,  wo  der  M  e  n  d  e  1  -  B  e  c  h  t  e  r  e  w  sehe 
Reflex  positiv  war,  mit  Ausnahme  von  2  Fällen.  Nachprüfungen 
der  Erregbarkeit  der  Zehenbeuger  an  der  Planta  pedis  bei 
Gesunden  ergaben,  dass  die  Muskeln  hier  wohl  wegen  der 
Dicke  der  darüberliegenden  Fascia  plantaris  auf  Klopfreize  nor¬ 
malerweise  ziemlich  schwer  ansprechen.  Bei  50  Nervenge¬ 
sunden  erhielt  ich  30  mal  eine  nur  ganz  minimale  Flexion 
der  2.-5.  Zehe.  (Dieser  Prozentsatz  entspricht  den  Befunden 
bei  Reizung  der  Interossei  und  Lumbrikales  von  Gesunden.) 
Drittens  und  letztens  ist  noch  bemerkenswert,  dass  in  fri¬ 
scheren  Fällen  von  Hemiplegie  der  Mendel-Bechterew - 
sehe  Reflex  stark  hinter  dem  Babinski  sehen  Reflex  zurück¬ 
trat.  So  konnte  ich  in  11  Fällen  von  Hemiplegie,  die  nicht 
länger  als  1  Jahr  bestanden  (2  davon  konnte  ich  am  Tag  nach 
der  Apoplexie  untersuchen),  den  B  a  b  i  n  s  k  i  sehen  Reflex 
10  mal,  den  Mendel-Bechterew  sehen  Reflex  nur  3  mal 
und  zwar  in  der  partiellen  Form  feststellen.  Die  beiden  ganz 
frischen,  1  Tag  alten  Hemiplegien  wiesen  beide  „Babinski“ 
bei  negativem.  „Mendel-Bechterew“  auf. 

Aus  all  diesen  Umständen  glaube  ich  den  Schluss  ziehen 
zu  können,  dass  der  positive  Fussrückenreflex  durch  die  bei 
organischen  Paresen  so  häufige  Hypertonie  der  Beugemuskeln 
des  Fusses  und  der  Zehen  bedingt  ist,  während  bekanntlich 
der  Babinski  sehe  Reflex  vom  Muskeltonus  ganz  unab¬ 
hängig  ist.  Bei  Hypotonie  oder  normalem  Muskeltonus 
wird  man  im  Allgemeinen  einen  positiven  „Mendel-Bechterew“ 
nicht  erwarten  dürfen.  Einige  gegenteilige  Beobachtungen 
(speziell  ein  Fall  von  Hemiplegie  mit  Tabes  und  geringer  Hypo¬ 
tonie)  legen  mir  die  Vermutung  nahe,  dass  der  Fussrücken¬ 
reflex  vielleicht  ein  erstes  und  feinstes  Kennzeichen  von  be¬ 
ginnenden  spastischen  Reizzuständen  in  der  Beugemuskulatur 
darstellt.  Ob  nun  für  den  Reflex  ein  eigenes  Reflexzentrum  im 
Gehirn  oder  Rückenmark  anzunehmen  ist,  oder  ob  man  sich  das 
Zustandekommen  der  Reflexbewegung  durch  direkte  Fortlei¬ 
tung  des  Reizes  vom  Fussriicken  auf  die  im  Reizzustande  be¬ 
findliche  Beugemuskulatur  im  Sinne  der  Tonustheorie  denken 
soll,  diese  Frage  soll  hier  nicht  entschieden  werden. 

Schliesslich  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass 
v.  Bechterew  eine  Analogie  des  Fussrückenreflexes  mit 
dem  von  ihm  beschriebenen  Beugereflex  der  Finger  angenom¬ 
men  hat.  Dieser  Beugereflex  tritt  nach  v.  Bechterew  bei 
Beklopfen  des  Dorsum  carpi  und  der  Basis  der  Metakarpal- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2471 


knochen  auf  und  ist  häufig  bei  organischer  Reflexsteigerung 
(z  B  bei  organischen  Hemiplegien)  zu  beobachten.  Auch  ich 
konnte  diesen  Fingerbeugereflex  bei  meinen  81  Hemiplegien 
55  mal  feststellen.  Rontrollversuche  an  Gesunden  habe  ich  hier 
allerdings  nicht  gemacht.  Ich  möchte  mich  der  Ansicht 
v.  Bechterews,  dass  die  Beugereflexe  am  Hand-  und  am 
Fussrücken  analoge  Reflexe  sind,  anschliessen. 

Ich  resümiere,  indem  ich  meine  Resultate 

noc h  einmal  kurz  zusammenfasse: 

1  Der  normale  ExtensionsreflexMe  ndels  ist  ein 
sogen  idiomuskulärer  Reflex  und  entsteht  durch  di¬ 
rekte  Reizung  des  M.  extensor  digitorum  brevis.  Er  ist  bei 
Gesunden  fast  konstant.  Sein  Entstehen  kann  aber  durch  äus¬ 
sere  Momente  (Oedeme,  Gelenkveränderungen,  willkürliche 
Anspannung  der  Gelenkstrecker  und  atrophische  Muskulatur) 

verhindert  werden.  . 

2.  Das  Fehlen  des  Extensionsreflexes  allein  ist 

von  keiner  speziellen  diagnostischen  Bedeutung,  gewinnt  aber 
dadurch  einen  gewissen  Wert,  dass  es,  sofern  dies  nicht  duich 
die  angeführten  äusseren  Momente  erklärt  wird,  bei  Auftreten 
des  pathologischen  Beugereflexes  in  den  starker 
ausgeprägten  Fällen  eintritt,  während  dies  in  den  schwacher 
ausgebildeten  nicht  der  Fall  ist.  Das  Fehlen  oder Vorhanden¬ 
sein  des  Extensionsreflexes  dient  somit  gewisser  - 
massen  als  Gradmesser  des  Mendel-Bechterew- 
schen  Reflexes,  und  man  kann  infolgedessen  2  Unter¬ 
abteilungen  desselben  unterscheiden,  nämlich  einen  ganz  po¬ 
sitiven  und  einen  partiellen  ,,M  endel-Bechte- 
r  e  w*\ 

3. "  Der  Mendel-Bechterew  sehe  Reflex  tritt  auf  in 
Fällen  von  organischer  spastischer  Parese  der  unteren  Ex¬ 
tremitäten.  Er  besteht  in  vielen  Fällen,  in  denen  der  Ba- 
b  i  n  s  k  i  sehe  Reflex  vorhanden  ist;  jedoch  ist  er  nicht  so  um¬ 
fassend  wie  dieser  Reflex.  In  seltenen  Fällen  findet  sich  auch 
ein  positiver  ,, Mendel-Bechterew  bei  negativem  odei  unbe¬ 
stimmtem  „Babinski“. 

4.  Trotzdem  beide  Reflexe  vielfach  zusammen  Vorkommen, 
besteht  doch  keine  Wesengleichheit  zwischen  ihnen.  Während 
der  Babinski  sehe  Reflex  als  reiner  Hautreflex  unabhängig 
ist  vom  Muskeltonus  der  unteren  Extremitäten,  scheint 
für  das  Zustandekommen  des  Mendel-Bechtere  w  sehen 
Reflexes  das  Bestehen  von  (oft  geringfügigen)  hypertonischen 
Zuständen  der  Fuss-  und  Zehenbeugemuskulatur  Vorbedingung 
zu  sein.  In  auffallend  häufigen  Fällen  tritt  ,,Mendel-Bechteie\v 

zusammen  mit  Fussklonus  auf. 

5.  Eine  deutliche  Analogie  findet  sich  zwischen  dem  M  en¬ 
de  1  -  B  e  c  h  t  e  r  e  w  sehen  Reflex  und  dem  von  v.  Bech¬ 
terew  beschriebenen  Beugereflex  der  Finger. 

Zum  Schluss  spreche  ich  Herrn  Prof.  Pierre  M  a  r  i  e  für 
die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und  sein  überaus  liebenswürdiges 
Entgegenkommen  meinen  verbindlichsten  Dank  aus. 

Literatur: 

1  Kurt  Mendel:  Ein  Reflex  am  Fussrücken.  Neural.  Zentralbl. 
1904,  No.  5.  —  2.  v.  B  e  ch  t  e  r  e  w:  Ueber  einen  besonderen  Beuge¬ 
reflex  der  Zehen.  Neurol.  Zentralbl.  1904,  No.  13.  3.  Kurt  Men  de  1. 

Bemerkungen  zu  vorstehender  Mitteilung.  Neurol.  Zentralbl,  1904, 
No.  13.  —  4.  Kurt  Mendel:  Ueber  den  Fussrückenreflex.  Neurol. 
Zentralbl.  1906,  No.  7.  —  5.  Gräffner:  Einige  Studien  über  Re¬ 
flexe,  besonders  an  Hemiplegikern.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906, 
No.  11.  —  6.  Li  ss  mann:  Neue  Untersuchungen  über  den  dorsalen 
Fussrückenreflex.  Münch,  med.  Wochenschr.  1907,  No.  21.  - 
7.  O.  B.  Meyer:  Zur  Kenntnis  des  Fussriickenreflexes.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  1907,  No.  34. 


Aus  der  Diakonissenanstalt  in  Flensburg. 

Ueber  Nierendekapsulation  bei  Eklampsie. 

Von  Dr.  O.  Franck,  Assistenzarzt. 

Seit  E  d  e  b  o  h  1  s  nach  seinen  blendenden  Erfolgen  in  der 
Behandlung  der  Nephritis  mit  methodischer,  doppelseitiger  Ent¬ 
kapselung  der  Niere  diese  Dekapsulationstherapie  auch  auf  das 
Feld  der  Eklampsie  übertrug,  fand  sein  Vorschlag  zunächst  nur 
sehr  geringen  Widerhall.  Seinen  ersten  beiden  glänzenden 
Fällen,  im  Jahre  1903  und  1904  veröffentlicht,  konnte  er  im 
Jahre  1906  noch  einen  dritten,  ebenso  glücklich  ausgegangenen, 
hinzusetzen,  ohne  dass  sich  weder  im  Inland  noch  im  Ausland 


ein  Nachahmer  fand.  Erst  langsam  erhoben  sich,  zuerst  in 
Frankreich  und  England  und  schliesslich  auch  in  Deutschland 
vereinzelte  Stimmen,  welche  seine  Methode  auch  für  gewisse 
Fälle  von  Eklampsie  anerkannten  und  ihre  praktische  Ver¬ 
wertbarkeit  erprobten. 

Diese  laue  Aufnahme  war  in  der  altgewohnten  Eklampsie- 
therapie  nur  zu  sehr  begründet.  Wir  besitzen  seit  Hal¬ 
be  r  t  s  m  a  in  der  sofortigen  Entbindung  ein  Mittel,  welches  in 
75  Proz.  der  Fälle  die  schweren  Erscheinungen  der  Eklampsie 
beseitigt.  Bei  den  übrigen  25  Proz.  handelte  es  sich  meist  um 
verlorene  Fälle,  verschleppte  oder  besonders  schwere,  denen 
man  nach  operativer  Entbindung  einen  so  schweren  Eingriff 

nicht  mehr  zuzumuten  wagte.  _ 

So  erklärt  es  sich,  wenn  die  Literatur  bislang  nur  neun 
Fälle  aufweist,  von  denen  die  drei  letzten  in  Deutschland  zur 
Dekapsulation  kamen.  Wir  fügen  denselben  einen  zehnten  bei, 
welchem  die  neun  früheren  in  ganz  kurzem  Auszuge  voran- 

^eh^alM  (Edeibohls:  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1906,  No.  25). 
23  jährige  I.  Gravida.  Urämie  und  Eklampsie  am  Ende  des  8.  Monats. 

5  heftige  Eklampsieanfälle  innerhalb  16  Stunden.  Aceouchementforce 
während  des  5.  Anfalles.  Verschwinden  der  Konvulsionen  fm 
46  Stunden  mach  der  Entbindung.  Dann  Wiederauftieten  _  der  EK- 
lamnsieanfälle.  6  schwere  und  4  leichtere  Konvulsionen  innerhalb 
18  Stunden.  Dekapsulation  beider  Nieren  72  Stunden  nach  der  E 
bindung.  Keine  weiteren  Anfälle;  vollständige  und  rasche  Genesung. 

Fall  II  (Edebohls:  ebenda.)  20  jährige  I.  Gravida.  Gegen 
Ende  der  Schwangerschaft  3  T age  lang  tiefe  Urämie.  I  'otzhcli  hdtige1 
Eklampsieanfall,  völlige  Erblindung  und  tiefes  Koma.  Beinahe ^gänz¬ 
liche  Suppressio  urinae,  nur  1.44  g  Urea  in  ~4  Stund  .  t}on 

tion.  Muttermund  fest  geschlossen  keine  Wehen.  Ppek?Pl?, 
beider  Nieren  im  zweiten  schweren  eklamptischen  Anfälle,  -  Stunden 
nach  dem  ersten.  Keine  weiteren  Anfälle,  freier  Urinlauf.  pat' 

den  der  Erblindung  und  Wiederkehr  der  Besinnung.  Zustand  der  Pat 
nicht  weiter  besorgniserregend.  2  Tage  später  Zangengeburt,  Uri 

um  mal  j  j  jjj  (g  ld  e  b  o  h  1  s:  ebenda).  20  jährige  Primipara.  24  Stun¬ 
den  nach  normaler  Geburt  schwerer  eklamptischer  Anfall,  dem  noch 

6  schwere  und  mehrere  leichtere  innerhalb  7  Stunden  folgten.  Urii 
menge  in  den  26  Stunden  vor  der  Operation  500  ccm  mit  1,5  g  Eiweiss 
und  2,5  g  Urea.  Dekapsulation  beider  Nieren  im  8.  schweren  ^n  a!  ‘ 
In  den  8  folgenden  Stunden  zwei  weitere  Anfälle.  Nach  24  Stunde 
Rückkehr  des  Bewusstseins.  Vollständige  Genesung. 

Fall  IV.  (Chambrelent  und  Pousson  als  Bericht  von 
Pinara  zitiert  ebenda).  21  jährige  Primipara,  Eklampsieanfalle 
einige  Stunden  nach  Beginn  der  Geburtswehen.  4  Anfalle  vor  der 
Entbindung.  Geburt  des  Kindes  nach  manueller  Dilatation  der  Zei  vix, 
16  Stunden  nach  Beginn  der  Wehen.  Eine  halbe  Stunde  nach  der  E  - 
bindung  3  schwere  Eklampsieanfälle,  gefolgt  von  Koma.  Beinahe  voll 
ständige  Anurie.  Nur  200  ccm  Urin  in  40  Stunden  von  Beginn  der 
Wehen  bis  zur  Dekapsulation.  Beiderseitige  Nierendekapsulation  um 
rechtsseitige  Nephrotomie,  24  Stunden  nach  der  Entbindung.  Ui 
absonderung  sofort  wieder  hergestellt.  Koma  verschwindet  am 
3.  Tage.  Vollständige  Genesung.  . 

Fall  V  (Polano:  Zentralbl.  f.  Gynäk.  No.  1,  1907).  38  jährige 
IX.  Gravida.  13  Stunden  nach  normaler  Geburt  ein  2  Minuten 
dauernder  eklamptischer  Anfall,  darauf  ein  ebenso  lang  dauernder  ge¬ 
folgt  von  tiefem  Koma.  Urinmenge  sinkt  bis  auf  150  ccm  m  12  Stunden 
am  10.  Tage  p.  p.  Albumen  1  Prom.  Dekapsulation  beider  Nieren. 
3  Stunden  später  Albumen  0.75  Prom.  Die  Urinmenge  steigt  auf 
920  ccm  in  19  Stunden.  Dann  Kollaps  und  Exitus  unter  dem  Bilde  des 

Lungenödems.  (CavaHlon  u,nd  Triillat,  zitiert  bei  Gauss; 

Zentralbl.  f.  Gynäkol.,  No.  19,  1907).  „Eine  trotz  Accouchement  force 
fortbestehende  schwere  Eklampsie  ging  mit.  der  60  Stunden  post 
partum  vorgenommene  Decapsulatio  renum  in  Heilung  über. 

Fall  VII  ( Jardine  Edebohls,  zitiert  ebenda).  „Die  post  partuni 
bestehende  4V2  Tage  dauernde,  fast  völlige  Anurie  wurde  durch  die 
Operation  nicht  behoben:  die  Pat.  starb  einen  Tag  post  Operationen; 
plötzlich  unter  rapidem  Verfall  der  Herzaktion  Unruhe,  Schmerzen 
im  Abdomen  bei  klarem  Bewusstsein.  Die  Obduktion  ergab  eine 
starke  Kongestion,  mässige  Vergrösserung  und  ausgedehnte  Infarktion 

beider  Nieren.“  . 

Fall  VIII  (Gauss:  Zur  Behandlung  der  Eklampsie  mit  De¬ 
capsulatio  renum.  Zentralbl.  f.  Gynäkol.  1907,  No.  19).  25  jährige 

Primipara.  Beim  Blasensprung  der  erste  eklamptische  Anfall  von 
Ya  Minute  Dauer.  Trotz  Forzeps  nach  dem  2.  eklamptischen  Anfälle 
(nach  einer  Stunde)  stündlich  ein  ca.  30  Sekunden  dauernder  Anfall. 
Daher  12  Stunden  p.  p.  Decapsulatio.  Der  Eiweissgehalt  des  Urins 
sank  von  1  Prom.  vor  der  Operation  langsam  auf  A  Prom.  und 
schliesslich  auf  0  Prom.  14  Stunden  p.  0.,  während  die  Ui  inmenge, 
welche  in  den  24  Stunden  vor  der  Operation  625  ccm  betrug,  sich  in 
den  ersten  3  Tagen  p.  0.  verdoppelte  und  verdreifachte.  Ebenso  sank 
das  spezifische  Gewicht  von  1022  auf  1007.  Der  Fall  ging  in  \o 
ständige  Heilung  über. 


2472 


iy  va-  m'  (°.aU uSi  e.be»da).  18  jährige  I.  Para.  Gravid,  mens 

nckaMu?äti^fmv  nSrChF  «nfalIe’  Urjn  e'!thii,t  36  Prom-  Albanien,  daher 
j Jckapsiilation  vor  Entleerung  des  Uterus.  Nach  der  Operation 

caC'  7Ci Stunden"  ^  l"ld  eb?nSo  !a,lkr  dauernd-  so  dass  nach 

erst  Hessenau*  Anf-TU?151”!“"*  .geschritten  werden  musste.  Hierauf 
nS,  n,  k  u-A  1  nach  und  sistierten  schliesslich  ganz  4  Stunden 

auf  llrinrmfcntbinFUnS:  Dle  Dekapsul  ation  blieb  ohne  jeden  Einfluss 
auf  Urinmenge,  Eiweissgehalt  und  spezifisches  Gewicht. 

fall  X  (eigene  Beobachtung).  26jährige  III  Para  wird  nm 

in  ab  ^Pat  'br'fb  d^'^V  Uhr’  ei,'krelicfcrt-  Eriihere  Geburten  nor- 
\/ 1 .  •  • c.  efindet  sich  angeblich  im  4.  Schwangerschaftsmon ate 
oi  einigen  lagen  war  dem  Manne  schon  aufgefallen,  dass  Pat  bei  der 
Arbeit  mit  Gesicht  und  Schulter  zuckte.  Danach  sei  “e  bettläeerS 

vo7°dpdrenFilnrd reS  traten  eklamPt*sche  Anfälle  auf,  die  sich  am  Tage 
der  Einheferung  in  kurzen  Zwischenräumen  jagten. 

i  ei  Em  I  ieferung  vollständige  Bewusstlosigkeit  tiefe 

lotten  ”v„er  ’ü“  Tractal  rasseln,  die  Kornelireflexe  er-' 

loschen.  Vor  dem  Munde  grosse  Mengen  leicht  rötlich  gefärbten 

Schaumes.  Temp.  37,9,  Puls  128,  klein  und  fadenfömfc; Blase leer" 

I  rn  iibngen  besteht  „Status  eclampticus“,  alle  10  Minuten  ein 
schwerer  Anfall  von  30-50  Sekunden  Dauer.  Cm 

na  r  kn  st  ^  Accouchement  force  in  ganz  oberflächlicher  Chloroform- 
arkose.  Dei  Zeryikalkanal  wird  stumpf  dilatiert  und  der  ca  20  rm 
lange  Eotus  extrahiert.  Manuelle  Entfernung  der  Plazenta  un'd~Tam 

Anfälle.  65  Ü,CTUS-  Wäl,re,,d  Ausräumung  .rote  Narkose  v™r' 

Von  9—11  Uhr  wieder  5  Anfälle. 

Phinm  sükntan.  Sehr  S‘arker  Anfa"  von  50  Sekunde"  Dauer.  Mor- 

M  UD!£  i.?a^ze  Nacht  darauf  ununterbrochen  weitere  Anfälle  in 
ca.  halbstündiger  Pause  durchschnittlich  V%  Minute  lang 
,  ,6  Uhr  morgens  werden  die  Anfälle  heftiger  und  länger  (50  Se 

künden  Wehere  Morphiumdarreichung  ohne  Erfolg. 

wonnenU  enthälter4  UP?  der.  1  amponade;  Urin,  durch  Katheter  ge- 
,.Q'nenn’  enthalt  4  1  rom.  Albumen.  Menge  127  ccm  soez  Gewieht 
Vo,  Reaktion  sauer.  Sediment  enthält  viel  Zylinder 

39  9  l2Dier'A„™;erfbhein"n2ribUnd-  Puls  140,  kaum  fühlbar.  Temp. 

.  •  Uie  Anfälle  jagen  sich  ununterbrochen  bis  zur  Dauer  von 

Wl'ri  1  r,  Sauzen  33  Anfälle  in  den  17  Stunden  der  Beobachtung 
I- /!'  Uhr  Decapsulatio  renum  ohne  jede  Narkose  Typischer  Schrüir" 
sehm  t  ms  auf  d  e  Fettkapsel,  zunächst  rechts  Spal  unu  der  FeV 
Upsel  und  Luxation  der  rechten  Niere,  die  nicht  vererössfrt  ist  n t 

isi  Vb'b.  I!nke,  Niere  luxiert-  die  dunkelrot  und  stark  Geschwollen 
wie  leblos  dalau, 

Kochsalz, nfusionen.  Sauerstoffinhalationen  Kamphe,. 

noch  40  Sek- Dauer' we,chem 

ÄSi"^^ ‘hintereinander,  VÜ  llllVÜ  5  ^„/‘Snz 

Aenderung  im  Befinden  der  Pat  endiTtt  ^  '“'  Anfalle  eme  deutliche 

die  eteto  Eichen  bierR  tie,fen  Koma  liegen  hatte,  traten  Jetzt 

M™  Ä geni  ss ""wS  mIIÄ  ?“'■  V  erke""‘  iE“ 
auf.  Temp.  37.6,  Puls  1 12  äw^vcfu?!  7  nUfal'e  ‘ret.en  mehr 
unruhig  und  klagt  iiber  Riickenschmerzenl  "  1St  Pad  e,was 

2  Tene^SuppefVrichteund^?^6"^«',  hTn^n  Tassen  Milch  und 

Eiweiss  mehr  (s.  u.).  *  Wchhche  Unnentleerung,  kein 

wechselnd  Untersuchurte  Reber-  Verband- 

benn  äs  & 

nicht  mehr  zu  fühlen,  kühle  Extremitäten1'  a! um“  |mor)lbul*d-  Puls 
sonders  rechts  Dämpfung  und  Rasseln  l  ?  nh"  b^den  Lungen,  be- 
Sektionsergebnis-  Uterus  iiftnw  p-UJlr-,Tlttags  fcxitus  leta,is- 
toneum  spiegelnd  glatt  Beid<-  m 6  Puckblldpig  begriffen,  Peri- 
herausgenommen,  sind  schon  fest  niiwii  duinb  d‘.e  Operationswunde 
dem  Durchschnitte  ist  T  »hrer  Umgebung  verklebt.  Auf 

opak.  Mi k rosk! : 6 A k u t e  D^renchvm^Nip6 v,b Te ’ 1  e r E  die  Schnittfläche 
fmden  sich  zahlreiche  bronchopneumon.  Herte  be‘de"  L,"’Se" 
massenl  Urmsekretion  «'»ielt  sich  „ach  der  Dekapsutation  folgender- 

fieubjnj'l',  RcÄn',saCt!'eT'ÄjhnnlieSSa  Dat'  untfr  Sich)  246  ccm-  SP«, 
rote  Blutkörper  und  Blutzylbider  r°"''  t'ecllme',t  zahlreiche 

reichlich'zySr"5  m  CCm'  SpCZ'  Qew'  !022'  A|humen  !4  Pr„m„ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


sSÄMaw,tsa 

II  Uir  abends  109  ccm,  Albumen  %  Prom 

kiar,/dmil(elge<ibgeund1a„“mketaeZ'7vl?W|'  '°-6'  Albu"le"  y‘  prom., 
Epithelien.  ’  kelne  Zyllnder'  wenig  Blutkörper  und 

10  Uhr  morgens  (spontan)  117  ccm  s,pez  Gew  in?*  c 

bumen,  wenig  Zylinder.  P  ’  uew*  1U36-  sPur  AI- 

fcÄÄ,  tÄ0”-  1025'  Albumen  0  Prom- 

Fall  t„.n  'U  n?cuh  ?inen  kurzen  Rückblick  auf  diesen  letzten 
komatöse  Eklampsie,  'dif  teo'z  operativer ^mbindu^  ‘if 

dem  Suppressio  urinae  mit  4  Prom  Albumen  n;T  d 
wurde  noch  verschlechtert  durch  das  Auftreten  der  Anfällen 
den  ersten  Schwangerschaftsmonaten,  öle  Anfälle  sistieren 
fast  ?dRt  nfh  1er  0peratlon  mit  zweimaliger  Unterbrechung 

Sää:ä"  ■  -  -  —  - " 

den  Ersten  ?4mcftngH  VOrher  12l  cc">  ir'  16  Stunden,  steigt  in 

s  ch  nitbi  «  P-  ?•  a,;f  741  ccm  (abgesehen  von  dem, 

1313  cm  nM  Ffa"?en  !es.s>’  "adl  weiteren  26  Stunden  auf 
1313  ccm.  Dei  Eiweissgehalt  sinkt  von  4  Prom  am  er^nn 

(T  Prom .  °-  aUf  %  Pr°m-  Und  «  P«™..  am 

Die  Temperatur  geht  in  24  Stunden  von  39  9  zur  Norm 
erab  und  mit  ihr  sinkt  die  Pulsfrequenz  von  140  auf  11? 

Auch  das  tiefe  Koma  hellt  sich  am  Tage  p.  o.  etwas  auf 
ns  das  hewusstsem  nach  2  Tagen  ganz  klar  wird. 

Am  Ende  des  zweiten  Tages  setzte  dann  mit  hohem  Fieber 
-rilC—  eül’  Wdche  den  ^günstigen  Ausgang  herbei- 

Unteil  diesen  Umständen  darf  es  wohl  kaum  bezweifelt 
'i.errd^’  dass4ld,e  offensichtliche  Wendung  zum  Besseren  nicht 
ui  „post  hoc  sondern  auch  „propter  hoc“,  nämlich  infolge  der 
Nierendekapsulation  eingetreten  ist.  Die  Pat.  wzar  geradezu 

sir°bnnpnd’  1,na  dleuer  l]mstand  schl‘en  die  Vornahme  einer  an 
n  ,uen  und  111  lhren  Konsequenzen  noch  nicht  ganz  sicheren 
Operabon  zu  rechtfertigen.  .  Das  war  vielleicht  gerade  der 
eh ler,  denn  der  mit  Sicherheit  zu  erwartende  -ungünstige  Aus¬ 
gangkonnte  nur  dazu  dienen,  den  Wert  dieser  Operation  zu  dis- 

f5preF  „Wenn  aber  bei  der  vollständigen  Aussichtslosig¬ 
keit  des  Falles  eine  so  überraschende  Besserung  eintrat  so 
daif  dei  schliesslich  doch  erfolgte  Tod  der  Methode  nicht  zur 
Uas  werden.  Im  Gegenteil  muss  auch  dieser  Fall  als 

Bev  eis  für  den  Wert  der  Dekaosulationstherapie  bei  Eklampsie 
aufgefasst  werden  und  als  Warnung,  dieselbe  nicht  zu  spät 
anzuwenden.  p 

Die  Technik  der  Operation  selbst  bietet  keinerlei 
Schwierigkeiten,  höchstens  könnte  die  Vornahme  der  Luxa- 
lon  g/of  ereAnforderungen  an  die  Geduld  und  die  Geschick¬ 
lichkeit  des  Operateurs  stellen.  Doch  lehrt  der  Fall  von 
G  a  u  s  s,  dass  auch  ohne  Luxation  der  Niere  eine  Dekapsulation 
ui  sdu  und  ohne  Kontrolle  des  Auges  technisch  möglich  ist 
Wenngleich  in  unserem  Falle  bei  der  abnorm  hohen  Lage  die 
Luxation  nicht  zu  umgehen  war.  so  scheint  doch  diese  Methode 
fazu  berufen,  diesen  an  sich  nicht  schweren  Eingriff  noch  zu 

schäffenC^en  Und  de'"  ^pera-‘cn  weiteren  Eingang  zu  ver- 

Die  Wirkungsweise  der  DekaDsulation  liegt  noch  ganz  im 
Dunkeln,  insbesondere  dürfte  die  Theorie  der  Entspannung  - 
\\  ciugstens  soweit  es  die  Eklampsie  angeht  —  nicht  mehr  auf- 

ZU  erAntrnnSein^  Denn  nifgends  findet  sich  in  den  aller- 
arts  ausführlichen  Operationsberichten  etwas  über  Glau- 

kom  oder  Hervorquellen  der  Niere  nach  Spaltung  der  Kapsel, 
da,  I  olano  betont  noch  besonders,  dass  von  einer  Entsnan- 

SmFall^k61?  Unp  nierdurch  möglichen  Druckentlastung  in 
Edphrfbl  keae+R,edc  gewesen  sei  und  bemerkt,  dass  auch 
-debohls  selbst  die  Spannung  der  Niere  vermisst  Auch 
G  a  u  s  s  findet  „keinerlei  Spannung“. 

Interessänt  ist  der  Umstand,  dass  die  Besserung  mit  einer 

unserem  Fa)fee  wfrS'3kelt  in"ner  |4  Stundcn  °-  eintrat.  In 
unserem  Falle  war  das  ausserordentlich  hervorstechend  und 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2473 


auch  P  o  1  a  n  o  betont  es  besonders,  und  nennt  es  auffallend, 
dass  auch  bei  E  d  e  h  o  h  1  s  sich  die  gleiche  Zeitangabe  findet. 
Freilich  ist  auch  bei  anderen  gar  keine  oder  eine  längere  Zeit¬ 
dauer  bis  zum  Eintreten  der  Besserung  verzeichnet. 

Nimmt  man  dazu  noch  den  Umstand,  dass  sich  in  unserem 
Falle  72  Stunden  p.  o.  bei  der  Sektion  beide  Nieren  fest  verlötet 
mit  der  Umgebung  fanden,  so  ist  die  Vorstellung  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen,  dass  erst  eine  nach  bestimmter  Zeit  eintretende 
Verklebung  mit  neuen  Abflussbahnen  —  etwa  im  Sinne  der 
Talma  sehen  Operation  —  die  Entlastung  der  Niere  zuwege 
bringt. 

Ziehen  wir  zum  Schluss  noch  das  Fazit  aus  allen  10  uns 
zu  Gebote  stehenden  Fällen,  so  hat  zunächst  2  mal  die  Opera¬ 
tion  ganz  sicher  im  Stiche  gelassen  (VII  und  IX).  Insbesondere 
lehrt  Fall  IX,  dass  die  Empfehlung  E  d  e  b  o  h  1  s\  vor  der  Ent¬ 
leerung  des  Uterus  die  Dekapsulation  vorzunehmen,  als  nicht 
unbedingt  gerechtfertigt  erscheint.  In  2  weiteren  Fällen  (V  und 
X)  ist  ein  günstiger  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Eklampsie  zum 
mindesten  wahrscheinlich,  während  in  den  übrigen  6  Fällen 
eine  auffallend  rasche  Genesung  erzielt  wurde.  In  8  Fällen  war 
der  Uterus  zuvor  entleert  worden,  hiervon  blieb  ein  Fall  durch 
die  Dekapsulation  unbeeinflusst  (VII),  2  mal  wurde  die  Dekapsu¬ 
lation  vor  der  Entleerung  des  Uterus  vorgenommen  (II  und  IX), 
doch  nur  in  1  Falle  mit  Erfolg  (II). 

Ueber  die  Mortalität  dieser  Operation  lässt  sich  nach  den 
vorliegenden  10  Fällen  schwer  etwas  sagen.  Es  mag  dahin¬ 
gestellt  bleiben,  ob  der  unglückliche  Ausgang  im  Falle  VII  der 
Methode  zur  Last  fällt,  jedenfalls  ist  der  Kollaps  im  Falle  V 
mehr  eine  Folge  des  bestehenden  Leidens  als  der  Dekapsula¬ 
tion,  und  vollends  kann  in  unserem  Falle  (X)  an  einen  Zu¬ 
sammenhang  zwischen  Tod  und  Dekapsulation  kaum  gedacht 
werden. 

Aber  selbst  wenn  sich  die  Mortalität  dieser  Operation,  die 
bisher  zumeist  nur  in  verzweifelten  Fällen  vorgenommen 
wurde,  so  hoch  (30  Proz.)  bezifferte,  würde  doch  der  Satz  seine 
Geltung  behalten,  dass  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  bei 
der  nach  Entleerung  des  Uterus  fortbestehenden  Eklampsie  die 
sofortige  Dekapsulation  angezeigt  ist. 

Welche  Rolle  sie  vor  Entleerung  des  Uterus  zu  spielen  be¬ 
rufen  ist,  wird  erst  die  Zukunft  lehren. 


Aus  der  Provinzial-Hebammenlehranstalt  zu  Osnabrück  (Direk¬ 
tor:  Dr.  R  i  s  s  m  a  n  n). 

Ueber  die  postoperativen  Lungenkomplikationen  und 
Thrombosen  nach  Aethernarkosen. 

Von  Dr.  A.  O  1 1  e,  ehemaligem  Assistenten  der  Anstalt. 

Wer  die  letzten  Jahrgänge  der  chirurgischen  und  gynäko¬ 
logischen  Fachzeitschriften  durchsieht,  wird  auf  eine  grosse 
Anzahl  Arbeiten  stossen,  welche  sich  mit  der  Inhalationsnarkose 
und  ihren  Gefahren  befassen.  Die  verschiedensten  Wege  hat 
man  eingeschlagen  und  die  mannigfaltigsten  Hilfsmittel  ange¬ 
wendet,  um  die  Hauptgefahren  der  Inhalationsnarkose,  die 
Asphyxien  und  die  postoperativen  Lungenkomplikationen  und 
Thrombosen,  zu  vermeiden.  Wenn  nun  auch  diesen  Bestre¬ 
bungen  nicht  der  Erfolg  versagt  worden  ist,  so  lehren  uns  so¬ 
wohl  die  fortwährend  noch  erscheinenden  diesbezüglichen  Ar¬ 
beiten  als  auch  die  veröffentlichten  Statistiken,  dass  das  er¬ 
strebte  Ziel  —  die  vollkommene  Gefahrlosigkeit  der  Narkose  — 
noch  lange  nicht  erreicht  ist.  Was  insbesondere  die  postopera¬ 
tive  Pneumonie  betrifft,  so  kommt  dieselbe,  besonders  nach 
Laparotomien,  noch  relativ  sehr  häufig  vor,  was  folgende,  der 
uns  zur  Verfügung  stehenden  Literatur  entnommene  Statistik 
beweist. 

Bibergeil  berichtet,  dass  bei  3909  Laparotomien  283 
=  7,2  Proz.  Lungenkomplikationen  vorkamen;  Czerny  er¬ 
lebte  bei  1300  von  ihm  Laparotomierten  52  =  4  Proz.  Pneu¬ 
monien,  von  denen  41  nach  Inhalationsnarkose  auftraten; 
Läven  gibt  an,  dass  bei  9755  Operierten  der  Leipziger  Klinik 
180  mal  (1,8  Proz.)  Pneumonie  auftrat;  unter  diesen  waren  1829 
Laparotomierte  mit  98  =  5,4  Proz.  Pneumonien.  Die  Pneu¬ 
moniemortalität  betrug  63  Proz..  Kümmell  verlor  2,4  Proz. 
seiner  Laparotomierten  an  Pneumonie,  ohne  dass  er  die  Alters¬ 
und  agonalen  Pneumonien  mitrechnet;  Trendelenburg 

No.  50. 


verzeichnet  1  Proz.  Pneumonien  überhaupt,  nach  Laparotomien 
aber  5  Proz.  und  es  starben  von  85  an  Pneumonie  Erkrankten 
52,  also  über  die  Hälfte;  Kausch  berechnet  unter  Benutzung 
der  H  e  n  1  e  sehen  Statistik  bei  1880  Laparotomierten  der 
v.  Mikulicz  sehen  Klinik  45  Pneumonien  (2,4  Proz.)  mit 
28  Todesfällen.  Diesen  verhältnismässig  ungünstigen  Zahlen 
können  nun  zwar  günstigere  Resultate  anderer  Kliniken  gegen¬ 
übergestellt  werden ;  ich  verweise  nur  auf  Pfannenstiel, 
der  in  der  glücklichen  Lage  ist,  sagen  zu  können,  bei  über 
2000  Aethernarkosen  keinen  Fall  an  Pneumonie  verloren  und 
in  den  letzten  Jahren  überhaupt  keine  postoperativen  Pneu¬ 
monien  mehr  beobachtet  zu  haben,  und  in  der  Provinzial- 
hebammenlehranstalt  zu  Osnabrück  haben  wir  bei  den  nach 
unserer  Methode  ausgeführten  Narkosen  nicht  nur  keine  Pneu¬ 
monien  beobachtet,  sondern  auch  bezüglich  der  Schleimsekre¬ 
tion,  Bronchitis  und  der  Thrombosen  denkbar  günstige  Re¬ 
sultate  erzielt.  Umsomehr  können  wir  aus  Statistiken  wie  den 
oben  angeführten  die  Berechtigung  herleiten,  dass  jeder  Opera¬ 
teur  der  in  dem  Kampfe  mit  den  Komplikationen  nach  Nar¬ 
kosen  durch  irgend  ein  Mittel  einen  Schritt  vorangemacht 
zu  haben  glaubt,  dieses  auch  an  die  Oeffentlichkeit  bringt,  da¬ 
mit  andere  Operateure  nachprüfen,  verbessern  und  für  ihre 
Patienten  Nutzen  daraus  ziehen  können.  Deshalb  möge  es 
uns  gestattet  sein,  die  Technik  der  Aethernarkose,  wie  sie  in 
unserer  Anstalt  seit  Mai  1900  geübt  wird  und  der  wir  die  oben¬ 
genannten  günstigen  Resultate  verdanken,  mit  einigen  er¬ 
läuternden  Bemerkungen  kurz  anzugeben. 

Die  zu  Operierende  hat  vor  der  Operation,  besonders  bei 
schlechtem  Gebisse,  häufiger  ihren  Mund  mit  einem  desinfi¬ 
zierenden  Mundwasser  auszuspülen,  am  Abend  vor  der  Opera¬ 
tion  inhaliert  sie  >2  Stunde  lang  den  Dampf  einer  Kochsalz¬ 
lösung  mit  Thymol  und  Spirituszusatz,  diese  Inhalation  wird  am 
nächsten  Morgen  kurz  vor  Beginn  der  Narkose  wiederholt. 
U  Stunde  vor  Beginn  der  Narkose  wird  0,01  Morph,  mur.  sub¬ 
kutan  injiziert.  Als  Narkosenmittel  gebrauchen  wir  den  Sche¬ 
ring  sehen  Narkosenäther,  als  Aethermaske  dieJ  uillard- 
D  u  m  0  n  t  sehe.  Die  Narkose  macht  nur  ausnahmsweise  ein 
Arzt,  fast  immer  die  zweite  Hebamme.  Das  Einleiten  der  Nar¬ 
kose  geschieht  nicht  im  Operationssaal,  sondern  in  einem 
ruhigen  Vorzimmer.  In  die  Aethermaske  werden  nun  zu  Be¬ 
ginn  der  Narkose  in  einem  kleinen  Messglas  abgemessene 
10  ccm  Aether  hineingeschüttet,  nach  2  Minuten  20  ccm,  nach 
wieder  2Minuten  10  ccm  und  jetzt,  wenn  volle  Narkose  erzielt 
ist,  alle  5  Minuten  5  ccm,  falls  noch  kein  tiefer  Schlaf  erzielt 
ist,  zunächst  noch  10  ccm.  Selbst  bei  länger  dauernder  Nar¬ 
kose  kommt  man  aus,  wenn  man  alle  5  Minuten  5  ccm  Aether 
gibt  und  ab  und  zu  einmal  10  ccm.  Nach  der  Operation  wird 
die  Operierte  vor  kaltem  Luftzug,  dem  sie  besonders  leicht  beim 
Rücktransport  in  das  Krankenzimmer  ausgesetzt  sein  kann, 
durch  übergelegte  Decken  und  ein  über  das  Gesicht  gelegtes 
warmes  Tuch  geschützt.  Das  Bett  ist  angewärmt  mit  Wärm¬ 
flaschen.  Eine  Wache  setzt  sich  neben  die  immer  noch  nicht 
aus  der  Narkose  Erwachte,  lässt  den  warmen  Dampf  aus  dem 
Inhalationsapparat  vor  Mund  und  Nase  der  Operierten  strömen 
und  leistet  ferner  bei  etwa  sich  einstellendem  Erbrechen  die 
nötige  Hilfe. 

Die  Resultate,  die  mit  dieser  Narkosenmethode  erzielt  wur¬ 
den,  sind  wie  gesagt  sehr  günstige.  In  den  7  Jahren,  während 
welchen  auf  diese  Weise  narkotisiert  wurde,  haben  wir  keine 
einzige  ernste  Lungenkomplikation,  weder  schwere  Bron¬ 
chitis,  noch  überhaupt  eine  Pneumonie  zu  verzeichnen.  Da¬ 
gegen  haben  wir  mehreremale  bei  schon  bestehenden  Lungen¬ 
komplikationen  narkotisieren  müssen  (Lungentuberkulose, 
Asthma,  Bronchitis),  ohne  dass  sich  jemals  die  Bronchitis  we¬ 
sentlich  verschlimmert  hätte  und  Temperatursteigerungen  auf¬ 
traten.  Erwähnt  mag  hier  werden,  dass  bei  schon  bestehenden 
Lungenerkrankungen  die  Operierten  längere  Zeit  und  häufiger 
inhalieren  und  dass  auch  wir  natürlich  diese  Lungenkatarrhe, 
wenn  möglich,  vorher  zur  Abheilung  kommen  lassen. 

Unser  Operationsmaterial  besteht  nur  aus  Frauen,  doch 
handelt  es  sich  zum  Teil  um  grosse,  länger  dauernde  Opera¬ 
tionen  (abdominale  und  vaginale  Uterusexstirpationen,  grosse 
Prolaps-  und  Myomoperationen),  teilweise  auch  um  Opera¬ 
tionen  nichtgynäkologischen  Charakters  (Darmresektionen, 
Magenresektion,  Gastroenterostomie,  Cholezystektomie  etc.). 


2474 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  SO. 


Fragen  wir  uns  nun,  weshalb  unsere  Narkose  die  Schleim¬ 
häute  des  Rachens  und  der  Lungen  in  so  geringem  Grade  affi- 
ziert  und  weshalb  wir  auch  keine  Thrombosen  beobachteten, 
so  glauben  wir  die  Ursache  gefunden  zu  haben: 

1.  In  der  Art,  wie  wir  den  Aether  zuführen. 

2.  In  den  prophylaktischen  Massnahmen, 
insbesondere  den  Inhalationen  vor  und  nach 
der  Narkose. 

ad  1.  Die  Methode,  genau  abgemessene  Aetherquanta  in 
bestimmten  Zeitabschnitten  auf  die  Maske  zu  giessen,  wurde  bei 
uns  eingeführt,  als  im  Mai  1900  in  der  „Monatsschrift  für  Ge¬ 
burtshilfe  und  Gynäkologie“  V  a  s  e  n  i  u  s  über  diese  Art  der 
Narkose  berichtete;  sie  hat  sich  im  Laufe  der  Jahre  so  gut  be¬ 
währt,  dass  wir  nie  wieder  von  ihr  abgegangen  sind.  Ihre 
Vorzüge  sind  verschiedene.  Zunächst  weiss  der  Narkotiseur 
genau,  wie  viel  Aether  er  in  den  einzelnen  Zeiten  dem  zu 
Narkotisierenden  zuführt,  eine  Ueberdosierung  ist  vollkommen 
ausgeschlossen,  ja  man  kann  sogar  einem  im  Narkotisieren  völ¬ 
lig  ungeübten  Laien  getrost  die  Maske  mit  der  Dosierungsvor¬ 
schrift  übergeben,  ein  Vorteil,  welcher  besonders  für  die  in 
kleineren  Krankenhäusern  ohne  Assistenz  operierenden  Aerzte 
und  auch  für  die  Draussenpraxis  wichtig  ist.  Der  Verbrauch 
an  Aether  ist  gering.  Im  Durchschnitt  gebrauchen  wir  für 
eine  einstündige  Narkose  100  g  Aether. 

In  ganz  vereinzelten  Fällen,  meistens  wenn  Potatorium  vor¬ 
liegt,  war  das  Einleiten  der  Narkose  mit  selbst  grösseren 
Aethergaben  schwierig.  Wir  haben  alsdann  Chloroform  zur 
Hilfe  genommen,  bis  Schlaf  eingetreten  war  und  haben  die  Nar¬ 
kose  mit  Aether  fortgesetzt.  In  solchen  Fällen  raten  wir  auch, 
um  das  Einleiten  des  tiefen  Schlafes  ruhiger  und  schneller 
durchführen  zu  können,  0,015 — 0,02  Morph,  muriat.  zu  injizieren, 
während  wir  gewöhnlich  nur  0,01  Morphium  geben.  Gibt  man 
überhaupt  kein  Morphium  vorher,  so  gebraucht  man  mehr 
Aether  und  die  Narkose  ist  nicht  so  ruhig. 

Ein  weiterer  Vorzug  ist  die  geringe 
Schleimsekretion.  Wir  sind  sehr  selten  einmal  ge¬ 
zwungen  mit  einem  Tupfer  Schleim  und  Speichel  aus  dem 
Munde  zu  entfernen,  während  doch  gerade  die  lästige  Schleim¬ 
sekretion  und  die  mit  ihr  in  Zusammenhang  stehende  Aspira¬ 
tionspneumonie  von  den  Gegnern  der  Aethernarkose  ins  Feld 
geführt  wird.  Auffallend  war  uns  nun,  dass  wir  gerade  die 
beiden  letzterwähnten  Vorzüge  unserer  Narkose,  den  geringen 
Aetherverbrauch  und  die  äusserst  geringe  Schleim-  und  Spei¬ 
chelsekretion  vermissten,  als  wir  experimenti  causa  einige  Nar¬ 
kosen  mit  dem  von  uns  etwas  modifizierten  J  u  n  k  e  r  sehen 
Narkoseapparat  machten.  Bei  Anwendung  dieses  Apparates, 
dessen  Flasche  man  bei  Aetherverwendung  in  warmes  Wasser 
stellen  muss,  um  das  Gefrieren  zu  vermeiden,  brauchten  wir 
annähernd  die  doppelte  Aethermenge  und  hatten  fortwährend 
mit  einem  gestielten  Tupfer  den  Schleim  zu  entfernen,  während 
die  Narkotisierten  viel  mehr  würgten  und  in  ihrer  Atmung  be¬ 
hindert  waren.  Da  wir  nun  stets  den  gleichen  Aether  ge¬ 
nommen  haben  und  immer  dieselbe  Person  die  Narkose  leitete, 
kann  in  dieser  Richtung  der  Grund  für  diese  auffallende  Tat¬ 
sache  nicht  gefunden  werden. 

Uns  scheint  es  vielmehr  wahrscheinlich  zu  sein,  dass  durch 
das  Zusammenpressen  des  Gummiballons  am  Junker  chen 
Apparat  ein  Luftstrom  mit  zu  heftiger  Gewalt  durch  den  Aether 
getrieben  wird.  Der  Aether  wird  ja  förmlich  aufgewirbelt  von 
diesem  Luftstrom.  Letzterer  trifft  sodann  als  stark  konzen¬ 
trierter  Aetherdampf  stossweise  auf  Nase  und  Mund  des  Nar¬ 
kotisierten  und  wird  von  diesem  eingeatmet.  Vielleicht  wer¬ 
den  sogar  winzig  kleine  Aetherteilchen  durch  den  Luftstrom 
mitgerissen.  Es  ist  aber  bekannt  und  auch  Pfannenstiel 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  Aetherdämpfe  die  Schleimhaut 
der  zuführenden  Luftw'ege  nur  dann  reizen,  „wenn  sie  in  sehr 
konzentrierter  Form  eingeatmet  werden  oder  wenn  gar  Aether 
in  Tröpfchenform  der  Inspirationsluft  beigemengt  wird“. 

Bei  Anwendung  der  von  uns  geübten  Narkosenart  atmet 
der  Narkotisierte  eine  nur  durch  das  Ein-  und  Ausatmen  be¬ 
wegte  relativ  ruhige  Luft  ein,  welche  den  Aetherdampf  enthält. 
Dieser  Aetherdampf  entsteht  durch  einfaches  Verdun¬ 
sten  des  auf  den  in  der  Maske  befestigten  Flanellbausch  auf¬ 
gegossenen  Aethers  ohne  Mitwirkung  eines  Luftstromes;  seine 
Konzentration  kann  durch  die  Grösse  und  Häufigkeit  der  auf¬ 


gegossenen  Aethermengen  und  das  mehr  oder  weniger  dichte 
Abschlüssen  der  Maske  reguliert  werden.  Es  ist  bei  Ver¬ 
wendung  dieser  Narkosenart  also  sicher  ausgeschlossen,  dass 
Aether  in  Subtanz  auf  die  Schleimhaut  der  Luftwege  kommt, 
es  ist  ferner  die  Konzentration  der  Inspirationsluft  mit  Aether¬ 
dampf  eine  gleichmässigere. 

Pfannen  stiel  hat,  wie  oben  gesagt  wurde,  ebenfalls 
sehr  günstige  Resultate  mit  der  Aethernarkose  erzielt.  Er  ver¬ 
wendet  die  Wauscher-Grossmann  sehe  Beutelmaske. 
Ausdrücklich  nun  warnt  Pfannenstiel  davor,  den  den 
Aether  enthaltenden  Beutel  der  Maske  zu  schütteln,  denn  „durchs 
das  Schütteln  werden  nicht  nur  unnütz  konzentrierte  Dämpfe' 
entwickelt,  sondern  es  wird  der  Aether  geradezu  zersprengt 
in  feinste  I  röpfchen,  welche  sich  den  Dämpfen  beimischen  und 
so  in  die  Luftwege  gelangen.  Es  kommt  auf  diese  Weise  der 
Aether  in  Substanz  auf  die  Schleimhaut  des  Rachens,  des  Kehl¬ 
kopfes  und  der  Trachea“.  Also  auch  Pfannenstiel  will 
den  an  ruhiger  Luft  und  in  Ruhe  befindlichen  Aether  verdunsten 
und  so  einatmen  lassen,  dasselbe  Prinzip,  welches  wir  bei 
unserer  Narkosenart  haben. 

Um  so  auffallender  ist  es,  dass  Pfannenstiel  die  Juil- 
1  a  r  d  sehe  Maske  für  geradezu  gefährlich  hält,  weil  bei  ihrer 
Anwendung  die  Aetherdämpfe  in  zu  konzentrierter  Form  in 
die  Lunge  gelangen  sollen  und  weil  die  J  u  i  1 1  a  r  d  sehe  Maske 
„von  vornherein  eine  schnelle  Erstickung  anstrebt“.  Unseres 
Erachtens  hat  es  der  Narkotiseur  bei  Anwendung  der  Juil- 
1  a  r  d  sehen  Maske  vollkommen  in  der  Hand,  durch  Aufgiessen 
grösserer  oder  kleiner  Aethermengen  die  Konzentration  der 
Dämpfe  zu  bestimmen,  die  Maske  an  und  für  sich  strebt  aber 
keine  „schnelle  Erstickung“  an,  sondern  dieses .  haben  nur 
unserer  Ansicht  nach  falscher  Weise  die  Narkotiseure  getan, 
indem  sie  durch  ein  um  die  Maske  gelegtes  Tuch  die  Luftzufuhr 
fast  vollkommen  und  dauernd  abschnitten. 

Um  sich  zunächst,  wie  es  richtig  ist,  auf  eine  den  zu  Nar¬ 
kotisierenden  möglichst  schonende  und  wenig  aufregende  Weise 
in  die  Narkose  „einzuschleichen“  (Kröme  r),  kann  man  an¬ 
fangs  entweder  die  leere  Maske  Vorhalten,  oder  die  mit  Aether 
versehene  Maske  aus  einem  kleinen  Abstande  ganz  allmählich 
dem  Gesichte  näherbringen,  so  dass  der  Patient  nicht  durch  die 
plötzlich  auf  ihn  einwirkenden  konzentrierten  Aetherdämpfe 
aufgeschreckt  wird  und  reflektorischer  Atemstillstand  oder  ganz 
oberflächliche  unregelmässige  Atmung  die  Folge  dieses  falschen 
Vorgehens  ist. 

Pfannenstiel  sagt  selbst,  dass  im  Anfänge  der  Nar¬ 
kose  ein  geringer  Grad  von  Kohlensäureintoxikation  für  die 
Erzielung  des  Schlafes  förderlich  sei,  deshalb  muss  man,  wie 
Krömer  sagt,  die  Wauscher  sehe  Beutelmaske  im  Beginn 
der  Narkose  häufig  fest  aufdrücken,  „eventuell  bei  zu  weitem 
Mundstück  den  Zugang  der  freien  Aussenluft  an  den  Nischen 
seitlich  vom  Nasenrücken  mit  kleinen  Wattebäuschen  ver¬ 
stopfen“.  Dasselbe  Ziel  erreichen  wir,  indem  wir  nach  scho¬ 
nendem  Beginn  der  Narkose  ein  Tuch  locker  um  die  Maske 
schlagen,  sobald  aber  der  Schlaf  eingetreten  ist,  wird  dieses 
Tuch  teilweise  oder  gänzlich  entfernt  und  mit  schwachen 
Aetherdämpfen  die  Narkose  unterhalten. 

Um  Missverständnissen  vorzubeug.en  soll  hier  noch  gesagt 
werden,  dass  wir  nicht  nur  die  J  u  i  1 1  a  r  d  sehe  Maske  für  die 
einzig  geeignete  halten,  sondern  auch  jede  andere,  welche  ge¬ 
stattet,  die  Konzentration  der  Aetherdämpfe  genau  zu  regu¬ 
lieren  und  bei  deren  Anwendung  es  absolut  vermieden  werden 
kann,  dass  kleine  Aetherteilchen,  sei  es  durch  Schütteln  der 
Maske  oder  Durchführen  eines  Luftstromes  durch  den  Aether 
sich  der  Atmungsluft  beimischen  können. 

ad  2.  Die  prophylaktischen  Massnahmen,  welche  wir 
treffen,  sind  zunächst  die  allgemein  üblichen.  Akute  Erkran¬ 
kungen  der  Respirationsorgane  sollen,  wenn  möglich,  vor  der 
Operation  zur  Abheilung  kommen,  die  Kranken  werden  bei 
nüchternem  Magen  operiert.  Besonderes  Gewicht  legen  wir 
auf  die  Vermeidung  jeglicher  plötzlicher  Abkühlung  vor,  wäh¬ 
rend  und  nach  der  Narkose.  Vorzüglich  bei  dem  Transporte 
der  Operierten  aus  dem  überheizten  Operationssaal  auf  das 
Krankenzimmer  über  häufig  lange,  kühle  Flure,  deren  Fenster 
nicht  geschlossen  wurden,  können  solche  Abkühlungen  statt¬ 
finden,  weshalb  bei  uns  der  Körper  der  Operierten  bei  dem 


10.  Hezember  190?. 


MÜENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2475 


Rücktransport  sorgfältig  mit  warmen  Decken,  das  Gesicht  mit 
einem  warmen  Tuche  zugedeckt  wird. 

Nicht  unterlassen  werden  dürfen  Mundspülungen  mit  einer 
desinfizierenden  Lösung  vor  der  Operation. 

EinweiteresundzwarsehrwichtigesHilfs- 
mittel  nicht  nur  bei  der  Aether-  sondern  bei 
jeder  Inhalationsnarkose  überhaupt  glaube 
ich  gefunden  zu  haben  in  den  von  meinem  Chef, 
Herrn  Direktor  Dr.  Riss  mann  zuerst  ange¬ 
wandten  Inhalationen,  welche  regelmässig 
vorundnachderNarkosebeiden  Patientinnen 
ausgeführt  werden.  In  unserer  Anstalt  hat  eine  jede 
Patientin  am  Abend  vor  der  Operation,  K  Stunde  vor  und  un¬ 
mittelbar  nach  der  Operation  je  >2  Stunde  den  einem  kleinen 
handlichen  Inhalationsapparate  entströmenden  warmen  Wasser¬ 
dampf  zu  inhalieren.  Der  bei  uns  gebräuchliche  Apparat  ist 
der  mit  Mundstück  versehene  verbesserte  Apparat  von  Sigle. 
In  dem  Arzneigläschen  des  Apparats  befindet  sich  folgende 
Arzneilösung:  Thymol  0,2,  Ascid.  salicyl.  1,0,  Spirit.  5,0,  Aq. 
fervid.  ad  200,0.  Durch  den  aus  dem  Dampfkessel  ausströmen¬ 
den  Dampfstrom  werden  fortwährend  von  der  genannten 
Arzneilösung  kleine  Mengen  mitgerissen,  welche  sich  in  fein¬ 
zerstäubter  Form  dem  Dampfstrom  beimischen  und  eingeatmet 
werden.  Durch  manche  Versuche,  besonders  auch  von 
M.  Saenger  - Magdeburg,  ist  nachgewiesen  worden,  dass 
diese  fein  verstäubten  Flüssigkeiten  zum  grössten  Teile  schon 
gegen  die  vielfach  verzweigten  und  gebogenen  Wandungen 
der  oberen  Luftwege  anprallen  und  sich  hier  teilweise  zu  klei¬ 
nen  Tropfen  vereinigen,  also  nicht  bis  in  die  kleinsten  Ver¬ 
zweigungen  der  Bronchien,  die  Alveolen,  eingeatmet  werden. 
Aber  selbst  wenn  dieses  der  Fall  ist,  so  steht  es  doch  fest,  dass 
erstens  die  oberen  Luftwege  direkt  von  dem  Dampfstrom 
und  der  in  ihm  suspendierten  Inhalationsflüssigkeit  getroffen 
werden,  dass  zweitens  aber,  wie  auch  Saenger  zugibt,  die¬ 
jenige  Inhalationsflüssigkeit,  welche  sich  in  kleinen  Tropfen 
auf  den  Wandungen  der  oberen  Luftwege  angesammelt  hat, 
nun  durch  die  Kraft  des  inspirierten  Luftstromes  bis  in  die  tief¬ 
sten  Verzweigungen  der  Luftwege  befördert  werden  kann. 
Bei  den  Inhalationsnarkosen,  vorzüglich  der  Aethernarkose, 
sind  aber  gerade  die  oberen  Luftwege  diejenigen  Organe, 
welche  auch  direkt  von  den  Narkosendämpfen  getroffen  wer¬ 
den  und  durch  das  sich  in  ihnen  ansammelnde  Sekret  die  Ge¬ 
fahr  der  Aspirationspneumonie  bedingen.  Was  liegt  also  näher, 
als  dass  man  solche  durch  inhalierte  Dämpfe  verursachte  Schä¬ 
digungen  auch  wieder  durch  Inhalation  geeigneter  Mittel  be¬ 
kämpft.  Solche  geeignete  Mittel  sind  aber  in  erster  Linie  wohl, 
wie  E.  B  e  c  k  e  r  sagt,  die  zu  den  Benzolderivaten  gehörenden 
flüchtigen  ätherischen  Oele.  Diese  Mittel  üben,  wie  bewiesen 
und  bekannt  ist,  einen  sekretvermindernden  eintrocknenden 
Einfluss  auf  Schleimhäute  aus.  Becker  hat  einen  von  dem 
unserigen  etwas  abweichenden  Weg  eingeschlagen,  indem  er 
ein  derartiges  Oel,  das  Latschenöl  (Oleum  Pini  Pumilionis)  dem 
Aether  unmittelbar  vor  dem  Gebrauche  in  einer  Konzentration 
von  1  : 200  zusetzt  und  nun  mit  diesem  Gemisch  die  Narkose 
macht,  während  wir,  wie  gesagt,  schon  am  Abend  voi  der 
Narkose  ein  Benzolderivat,  das  Thymol,  mit  w  a  1  m  e  in 
Wasserdampf  inhalieren  lassen,  diese  Inhalation  /=  Stunde 
vor  Beginn  der  Narkose  wiederholen  und  so  einerseits  durch 
die  Inhalation  an  und  für  sich  die  Schleimhäute  der  oberen  Luft¬ 
wege  schon  vorbereiten  und  kräftigen,  bevor  die  schädigenden 
Narkosendämpfe  ihre  Wirkung  ausüben,  andererseits  aber 
durch  das  in  dem  Inhalationsdampfe  enthaltene  rhymol,  wie 
wir  glauben,  die  Sekretion  der  oberen  Luftwege,  auf  die  das 
Thymol  bei  der  Inhalation  in  feinverteilter  Form  gebiacht 
wird,  beschränken.  Ausser  dem  von  Becker  angewandten 
Oleum  Pini  Pumilionis  und  dem  von  uns  verwandten  1  hymoi 
gibt  es  noch  eine  Reihe  anderer  Mittel,  welche  geeignet  waren 
und  in  den  Inhalatorien  bei  Katarrhen  der  Luftwege  1111t  Ei  - 
folg  angewandt  sind;  ich  nenne  nur  noch  das  Menthol,  Eukaiyp- 
tol  und  das  Terpentinöl.  Letzteres  ist  ja  seit  langem  schon  be¬ 
kannt  wegen  seiner  günstigen  Wirkung  in  der  Behandlung 
fötider  Lungenerkrankungen.  Auffallend  war  es  uns  au ch,  d  s 
in  einer  Narkosenstatistik  vonF.Zahradm  c  k  y  eine  Reih  ei- 
folge  von  421  Narkosen  aufgeführt  ist,  die  mit  einem  Gemisch 
von  Chloroform  und  Spirit,  therebinth.  gemacht  wurden  und 
ohne  ernste  Zwischenfälle  verliefen. 


Die  Bedienung  des  Inhalationsapparates  ist  eine  denkbar 
einfache.  Der  kleine  Apparat  wird  gewöhnlich  von  einer  Pfle¬ 
gerin  gehalten,  kann  jedoch  sehr  gut  auch  auf  ein  neben  das 
Bett  gestelltes  Tischchen  gesetzt  oder  von  der  Patientin  selbst 
gehalten  werden.  Einige  Minuten,  nachdem  die  unter  dem 
Wasserkessel  befindliche  Spiritusflamme  angeziindet  wurde, 
entströmt  dem  vertikal  gestellten  Röhrchen  der  Dampf.  Eine 
Explosionsgefahr  ist  nicht  vorhanden,  da  sich  auf  dem  Wasser¬ 
kessel  ein  Sicherheitsventil  befindet.  Die  Patientin  atmet  nun 
diesen  Dampfstrom  mit  regelmässigen,  tiefen  Atemzügen  bei 
geöffnetem  Munde  ein.  Gerade  auf  das  tiefe  E  i  n  - 
und  Ausatmen  nach  der  Operation  legen  wir 
besonderes  Gewicht,  da  durch  dasselbe  noch  eine  aus¬ 
giebige  Lüftung  der  Lungen  bewirkt  wird.  Wir  lassen  deshalb 
auch  diejenigen  Patientinnen,  welche  sehr  schwach  sind  und 
nach  der  Operation  längere  Zeit  Rückenlage  einzuhalten  haben, 
oder  bei  denen  die  Lungen  leichte  katarrhalische  Erscheinungen 
bieten,  gleich  nach  der  Operation  und  von  da  an  täglich  etwa 
3  mal  inhalieren,  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  dadurch  erzielte 
ausgiebige  Durchlüftung  der  Lungen.  Diese  letztgenannten  In¬ 
halationen  machen  wir  dann  aber  nicht  mit  Thymolzusatz, 
sondern  nur  mit  einer  Kochsalzlösung  und  die  Erfolge,  welche 
wir  mit  ihnen  erzielt  haben,  bestätigen  vollkommen  die  gün¬ 
stigen  Resultate,  welche  aus  den  Inhalatorien  berichtet  werden. 
Manche  schon  längere  Zeit  bestehende  Bronchitis  mit  quälen¬ 
dem  Husten  sahen  wir  nach  regelmässig  ausgeführten  Inhala¬ 
tionen  innerhalb  3 — 4  Tagen  schwinden.  Die  günstige  Wirkung 
dieser  regelmässigen  Inhalationen  erstreckt  sich  aber  noch  wei¬ 
ter.  Wir  vermeiden  durch  dieselbe  nicht  nur  eine  Sekretstau¬ 
ung  und  Hypostasenbildung  in  den  Lungen,  sondern  wirken 
durch  die  regelmässigen  tiefen  Inspirationen  anregend  und  för¬ 
dernd  besonders  auf  den  venösen  Blutkreislauf.  Man  hat  nun 
in  neuerer  Zeit,  einem  amerikanischen  Beispiele  folgend,  auch 
bei  uns  vorgeschlagen,  durch  möglichst  frühes  Aufstehenlassen 
der  Laparotomierten  die  Gefahr  der  Ihrombose  zu  verringern. 
Ohne  die  Zweckmässigkeit  dieses  Vorgehens  an  und  für  sich 
kritisieren  zu  wollen,  muss  doch  zugegeben  werden,  dass  das 
Aufstehen  schon  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Laparotomie 
auf  die  Wundheilung  oft  einen  ungünstigen  Einfluss  ausuben 
kann  und  für  schwächliche  Kranke,  bei  denen  ja  die  Gefahr  der 
marantischen  Thrombose  noch  erhöht  ist,  sicher  manche  Un¬ 
annehmlichkeiten  mit  sich  bringt.  Das  aber,  was  durch  das 
frühe  Aufstehenlassen  bei  den  Operierten  in  der  Hauptsache 
erreicht  werden  soll,  nämlich  die  Anregung  der  Blutzirkulation, 
glauben  wir  viel  schonender  und  in  ausgiebiger  Weise  durch 
die  Inhalationen  zu  erreichen,  welche  noch  in  ihrer  Wirkung 
unterstützt  werden  durch  vorsichtigen,  aber  häufigen  Lage¬ 
wechsel  und  Bewegungen  der  Extremitäten.  Diesem  unserem 
Vorgehen  glauben  wir  um  so  mehr  Bedeutung  beilegen  zu 
müssen,  als  ja  vorzüglich  unter  dem  weiblichen  Operations- 
material  sich  manche  stark  abgeblutete  und  stark  herunter¬ 
gekommene,  durch  viele  kurz  aufeinander  folgende  Ge  ur  en 
und  schwere  Arbeit  geschwächte,  erschöpfte  Patientinnen  be¬ 
finden,  für  die  eine  längere  Bettruhe  verbunden  mit  guter  Er¬ 
nährung  die  allerbeste  Erholung,  gleichsam  eine  Mastkur  dar¬ 
stellt.  Deshalb  kann  man  denjenigen  nicht  Unrecht  geben, 
welche  besonderes  Gewicht  darauf  legen,  dass  solche  I  atien- 
tinnen  gerade  einige  Zeit  hindurch  Bettruhe  einhalten,  und  ich 
habe  mich  persönlich  an  manchem  Falle  von  der  vorzüglichen 
Wirkung  dieses  Vorgehens  überzeugen  können. 

Schliesslich  mag  auch  noch  erwähnt  werden,  dass  das  n- 
halieren  vor  der  Narkose  auf  manche  ängstliche  Patientin  1- 
sofern  eine  günstige  Wirkung  ausubt,  dass  sie  durch  das  V 
halten  der  Narkosenmaske  nicht  mehr  so  sehr  beunruhig  w  , 
nachdem  sie  sich  von  der  Ungefährlichkeit  des  Inhalations- 
apparates  überzeugt  hat. 

Wenn  wir  somit  die  Inhalationen,  besonders  mit  Zusatz 
von  Thymol  oder  ähnlichen  die  Sekretion  der  Schleimhäute 

herabsetzenden  Mitteln,  als  wichtiges  H  Apfhernar- 

die  Inhalationsnarkosen  überhaupt,  vorzüglich  d  s 

kosen  warm  empfehlen  können  so  ™ss,e* ?“  h  - 
dieser  Arbeit  jedoch  nochmals  betonen,  dass  a  h 

tige  und  vorsichtige  Zufuhr  der  Aetherdamp c  nacn 
den  oben  angegebenen  Prinzipien  für  eine  ebenso  wichtige  Be¬ 
dingung  halten,  welche  uns  eine  gute  Narkose  mit  ziemlic  - 


2476 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Sicherheit  garantiert.  Bei  richtig  ausgeführter  Technik  aber 
ist  die  Aethernarkose  im  Gegensätze  zu  der  Chloroformnarkose 
mit  ihren  bisher  nicht  zu  vermeidenden  relativ  zahlreichen 
I  odesfällen  als  beinahe  ungefährlich  zu  bezeichnen.  Das  aber 
ist  um  so  mehr  zu  begriissen,  als  ja  die  Lumbalanästhesie  über¬ 
haupt  nur  bei  Operationen  unterhalb  des  Zwerchfells  in  Be¬ 
tracht  kommt,  und  ferner  eine  grosse  Anzahl  derjenigen  Fälle, 
bei  welchen  das  Operationsfeld  vollkommen  im  Bereiche  der 
durch  Lumbalinjektionen  zu  erreichenden  Anästhesie  liegt,  für 
die  Allgemeinnarkose  reserviert  bleiben  muss,  sei  es,  dass  es 
sich  um  Rinder  unter  14  Jahre  oder  sehr  ängstliche,  aufgeregte 
Frauen  handelt,  oder  dass  starke  Verkrümmungen  der  Lenden¬ 
wirbelsäule  oder  septische  Erkrankungen  vorliegen.  Wenn 
man  ferner  immer  noch  einen  gewissen  Prozentsatz  „Versager“ 
zu  verzeichnen  hat  und  die  noch  oft  auftretenden  unangenehmen 
Nebenerscheinungen  der  Lumbalanästhesie  in  ihren  mehr  oder 
weniger  schweren  Formen,  von  der  tödlichen  Lähmung  des 
Atmungszentrums  bis  herab  zu  Kopfschmerz  und  Uebelkeit,  in 
Rechnung  bringt,  so  wird  man  sicher  zurzeit  noch  eine  gute 
Aethernarkose  in  manchen  Fällen  als  harmloser  gegenüber  der 
Lumbalanästhesie  vorziehen.  Die  Gynäkologen  "werden  dieses 
um  so  eher  tun,  als  ja  trotz  gut  funktionierender  Anästhesie 
Operationen,  bei  denen  am  Beckenperitoneum  oder  dem  Band¬ 
apparat  des  Uterus  gezerrt  werden  muss,  oft  recht  schmerz¬ 
haft  von  den  Patientinnen  empfunden  werden,  wenn  ich  auch 
nicht  leugnen  will,  dass  auch  wir  in  geeigneten  Fällen,  zu 
denen  ich  besonders  grosse  Prolapsoperationen  alter  Frauen 
rechne,  die  Lumbalanästhesie  einer  langen  Aethernarkose  vor¬ 
ziehen  und  auch  öfters  mit  sehr  gutem  Erfolge  angewendet 
haben. 


Literatur: 

1.  Bibergeil:  Ueber  Lungenkomplikationen  nach  Bauchopera¬ 
tionen.  (Zentralbl.  f.  Chir.  1906,  No.  5,  Ref.)  —  2.  Läwen:  Ueber 
Lungenkomplikationen  nach  Bauchoperationen.  (Zentralbl.  f.  Chir. 
1907,  No.  4,  Ref.)  —  3.  KelLing:  Ueber  Pneumonien  nach  Laparo¬ 
tomien.  Bericht  über  die  Verhandl.  d.  Deutsch.  Gesellsch.  f.  Chirurgie, 
XXXIV.  Kongr.  (Zentralbl.  f.  Chir.  No.  30,  Jahrg.  1905.  —  4.  J.  P  f  a  n  - 
nen  stiel:  Ueber  die  Vorzüge  der  Aethernarkose.  (Zentralbl.  f. 
Gynäkol.  No.  1,  1903.)  —  5.  Kroemer:  Die  Technik  der  Aether¬ 
narkose  an  der  Frauenklinik  zu  Giessen.  (Zentralbl.  f.  Gynäkol.  No.  1, 
1903.)  6.  Vasenius:  Ueber  die  Narkose  bei  Laparotomien  und 

bei  geburtshilflichen  Operationen.  (Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäk. 
1900,  Bd.  XI,  Heft  5  Ref.)  —  7.  M.  S  a  e  n  g  e  r:  Ueber  .die  Inhalation 

zerstäubter  Flüssigkeit.  (Münch,  med.  Wochenschr.  No.  21,  1901.)  _ 

!S.  M.  Säen  ge  r:  Zur  Aetiologie  der  Lungentuberkulose.  (Arch  f 
path.  Anatomie  u.  Physiol.  u.  f.  klin.  Medizin,  Bd.  167,  p.  116.)  — 
9.  M.  Sa  eng  er:  Zur  Aetiologie  der  Staubinhalationskrankheiten. 
nS'  i  path’  Anatomie  u-  Physiol.  u.  f.  klin.  Med.,  Bd.  164,  p.  367.)  — 
Kl.  M.  Saenger:  Zur  Behandlung  von  Katarrhen  der  Luftwege  und 
"tl,  Lungen  mit  Arzneidämpfen.  (Wien.  klin.  Rundschau  1904,  No.  34 
und  3a.)  —  11.  L  Ro  s  e  n  f  e  1  d:  Die  Technik  der  Inhalation.  (Zeit- 
schr  f.  arztl.  Fortbild.,  III.  Jahrg.,  1906,  No.  2.)  —  12.  O.  P  r  e  1 1  e:  Be- 
?nn-hM|ins^Tnd  Erfahrungen  über  warme  Inhalationen.  (Med.  Klinik 
nb’  NT  ~  JA  E-  B  e  c  k  e  r:  Zur  Aethernarkose.  (Zentralbl.  f. 

r/'r\  1  m/’f ^nn-^w\T  ~7  14'  F>  Zahradnicky:  Narkosenstatistik. 

h  f'  Cihlir'  N°‘  ’  1903’  Ref,')  —  15.  F.  F  o  e  r  s  t  e  r:  Wie  lange 
sol  en  wir  nach  Laparotomien  die  Patienten  im  Bette  halten?  (Zen- 
tralbl.  f.  Gynäkol.  1905,  No.  48,  Ref.) 


Ueber  die  Wertlosigkeit  des  Zusatzes  von  Nebennieren¬ 
präparaten  bei  der  Lumbalanästhesie. 

\  on  Dr.  Friedrich  Michelsson. 

Auf  dem  XXXIV.  Chirurgenkongress  sowohl,  als  auch  in 
allen  ihren  grundlegenden  Publikationen  betonen  Bier,  der 
ochöpier  der  Lumbalanästhesie  und  sein  Mitarbeiter  auf  die¬ 
sem  Gebiet,  D  ö  n  i  t  z,  die  Wichtigkeit  des  Zusatzes  von  Neben- 
merenpraparaten  bei  der  Lumbalanästhesie.  Auf  Grund  dieser 
autoritativen  Aeusserungen  hat  sich,  soweit  es  sich  wenigstens 
nach  den  Literaturangaben  beurteilen  lässt,  ohne  weitere  Nach- 
prufung  der  brauch  ausgebildet,  bei  der  Lumbalanästhesie  stets 
Anasthetika  mit  Adrenahnzusatz  zu  verwenden,  obgleich  m  E 
der  Nutzen  eines  solchen  Zusatzes  sich  weder  theoretisch  noch 
praktisch  stutzen  lässt. 

Bekanntlich  basiert  Biers  Empfehlung  eines  Zusatzes 
von  Nebennierenpräparaten  in  erster  Linie  auf  einer  experimen¬ 
tellen  Arbeit  von  D  ö  n  i  t  z,  durch  welche  dieser  den  Nachweis 
erbracht  zu  haben  glaubt,  dass  das  Adrenalin  die  Giftigkeit  des 


No,  50. 

damals  noch  allgemein  verwendeten  Kokains  auch  bei  der 
lumbalen  Applikation  bedeutend  herabsetzt. 

Ganz  abgesehen  davon,  dass  eine  Tatsache,  die  für  das 
Kokain  Geltung  hat,  noch  lange  nicht  auch  bei  allen  anderen 
Anästhetizis  zu  Recht  zu  bestehen  braucht,  halten  die  Schluss¬ 
folgerungen,  die  Dönitz  aus  seiner  Experimentalarbeit  zieht 
der  Kritik  nicht  stand. 

Die  direkte  Veranlassung  zu  den  Versuchen  Dönitz’ 
einer  „Kokainisierung  des  Rückenmarks  unter  Verwendung 
von  Adrenalin“,  bildeten  die  Arbeiten  Brauns,  durch  die  die 
grosse  praktische  Bedeutung  der  Verwendung  von  Adrenalin 
bei  der  Lokalanästhesie  zuerst  festgestellt  worden  ist.  Auf 
Grund  dieser  Untersuchungen  von  Braun  schien  es  D  ö  n  i  t  z 
naheliegend,  auch  bei  der  Lumbalanästhesie  einen  gleichen 
Nutzen  vom  Adrenalin  zu  erwarten.  Es  ist  wohl  offenbar,  dass 
Dönitz  hierbei  ganz  ausser  acht  gelassen  hat,  dass  die  Ver¬ 
hältnisse  der  lumbalen  und  lokalen  Anästhesie  ganz  verschieden 
liegen.  Bei  der  lokalen  Anästhesie  droht  die  Gefahr  der  Ver¬ 
giftung  durch  die  Resorption  des  Giftes  durch  das  Zirkulations- 
sv stein,  und  dieser  (jefahr  kann  daher  dank  der  gefässver- 
engenden  Wirkung  des  Adrenalins  durch  dieses  Mittel  erfolg- 
j  eich  vorgebeugt  werden,  wobei  durch  die  Verlangsamung  der 
Resorption  noch  der  weitere  Nutzen  entsteht,  dass  das  An- 
ästhetikum  seine  W  irksamkeit  am  Applikationsort  intensiver 
entfalten  kann.  Bei  den  üblen  Zufällen  bei  der  Lumbal¬ 
anästhesie  dagegen  spielt  das  Gefässystem  gar  keine  oder 
nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle,  denn  wie  Heineke  und 
L  ä  w  e  n  nachgewiesen  haben,  werden  sogar  grössere  Mengen, 
als  die  bei  dei  Lumbalanästhesie  verwendeten,  auf  einmal 
intravenös  injiziert  anstandslos  vertragen,  während  sie  bei 
subduraler  Injektion  den  Tod  hervorrufen.  Dieser  Umstand 
findet  seine  Erklärung  darin,  dass  der  Tod  bei  der  Lumbal¬ 
anästhesie  infolge  der  Verschleppung  des  Giftes  durch  die 
Zerebrospinalfl iisigkeit  zum  verlängerten  Mark  verursacht  wird, 
wie  es  schon  Bier  vermutete  und  wie  es  unter  anderem 
durch  die  klassischen  Versuche  von  Heineke  und  Läwen 
bewiesen  ist. 

Dass  diese  Verschleppung  des  Anästhetikums  durch  die 
Zerebrospinalflüssigkeit  durch  einen  Zusatz  von  Adrenalin 
ebenso  wirksam  verhütet  werden  könnte,  wie  die  Resorption 
des  Giftes  dmen  die  Blutbahnen  erscheint  aber  a  priori  gar 
nicht  so  naheliegend,  wie  Dönitz  anznnehmen  geneigt  war, 
doch  ist  andererseits  die  Möglichkeit  einer  günstigen  Beein¬ 
flussung  der  Neben-  und  Nachwirkungen  der  Lumbalanästhesie 
mittelst  Kokain  bei  Verwendung  von  Adrenalin  auch  nicht  ohne 
v  eitei  es  von  der  Hand  zu  weisen,  da  es  denkbar  wäre,  dass 
das  Adrenalin  ein  Gegengift  des  Kokains  ist,  was  Bier  auch 
als  mögliche  Folgerung  aus  den  Versuchen  von  Dönitz  hin¬ 
stellt.  Doch  wenden  wir  uns  vorerst  zu  dieser  Arbeit  selbst 
und  prüfen  wir,  wieweit  das  vorliegende  Tatsachenmaterial 
derartige  Voraussetzungen  zulässt. 

Seine  Versuche,  die  in  zwei  Reihen  zerfallen,  stellte  D  ö  - 
n  i  t  z  an  Katzen  an.  In  der  ersten  Versuchsreihe  wurde  das 
Kokain  und  Adienalin  gleichzeitig  in  den  Subduralraum  einge¬ 
führt,  wobei  Dönitz  die  letale  Dosis  bei  0,06  g  Kokain  lie¬ 
gend  fand,  während  die  Tiere  von  Eden,  der  seinen  Katzen 
nur  Kokain  allein  injizierte,  nicht  mehr  als  0,018  g  vertrugen. 
Da  die  volle  Adrenalinwirkung  erst  nach  1  Minute  eintritt  und 
in  diesem  Zeitraum  schon  ein  beträchtlicher  Teil  des  Kokains 
die  Applikationsstelle  verlassen  hat,  was  aus  den  schon  in  1  bis 
3  Minuten  nach  der  Injektion  auftretenden  allgemeinen  Intoxi¬ 
kationserscheinungen  ersichtlich  war,  so  injizierte  Dönitz 
in  einer  zweiten  Versuchsreihe  den  Tieren  zuerst  1  ccm  einer 
zur  Hälfte  mit  Wasser  verdünnten  offizineilen  Adrenalinlösiung 
(1  :  1000),  worauf  er  nach  5  Minuten  die  nötige  Kokaindosis 
nachschickte. 

Bei  dieser  Versuchsanordnung  starben  seine  Tiere  erst  bei 
einer  Dosis  von  über  0,11  g.  Auf  Grund  dieser  Versuche  hält 
Dönitz  es  für  erwiesen,  dass  durch  Hinzufügung  von  3 
Tropfen  einer  Adrenalinlösung  von  1  :  1000  die  Giftigkeit  des 
Kokains  ums  dreifache  herabgesetzt  wird  und  bei  vorausgehen¬ 
der  Injektion  von  1  ccm  einer  Lösung  von  1  :  2000  gar  ums  fünf¬ 
fache;  und  da  hierbei  die  durch  diese  Adrenalinmengen  er¬ 
zeugte  Anämie  des  Rückenmarks  keinerlei  üble  Folgen  zeitigt, 
so  steht  Dönitz  nicht  an,  der  Verwendung  von  Adrenalin  bei 
der  Lumbalanästhesie  warm  das  Wort  zu  reden,  besonders  da 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2477 


nach  seinen  Beobachtungen  die  zur  Anästhesierung  notwendige 
Kokaindosis  durch  den  Adrenalinzusatz  herabgesetzt  wird. 

Da  diese  Versuche  zu  so  günstigen  Ergebnissen  geführt 
hatten,  so  ist  es  ja  nur  verständlich,  das  Bier  und  Dönitz 
alsbald  zur  Verwendung  des  Adrenalins  in  der  chirurgischen 
Praxis  schritten.  Bereits  1904  konnten  sie  über  109  Lumbal¬ 
anästhesien  unter  Verwendung  von  Adrenalin  berichten.  Ana¬ 
log  der  zweiten  Versuchsreihe  von  Dönitz  wurde  den  Kran¬ 
ken  zuerst  die  gleiche  Menge  Adrenalin  oder  Epirenan  injiziert, 
worauf  nach  Minuten  0,005 — 0,02  g  Kokain  nachgeschickt  wur¬ 
den.  Die  auf  diese  Weise  erzielte  Anästhesie  war  bis  auf  5 
Fälle  befriedigend,  bedrohliche  Nebenerscheinungen  wurden 
hierbei  keinmal  beobachtet,  dagegen  wurden  die  Nachwirkungen 
nicht  selten  für  die  Patienten  recht  unangenehm,  doch  gewann 
Bier  hierbei  im  allgemeinen  den  Eindruck,  dass  durch  den 
Adrenalinzusatz  die  Heftigkeit  der  Neben-  und  Nachwirkungen 
im  Vergleich  zu  seinen  früheren  Erfahrungen  herabgesetzt  wird. 
Als  Beweis  dafür,  dass  durch  das  Adrenalin  die  Kokainwirkung 
lokalisiert  wird,  führt  B  i  e  r  die  Beobachtung  an,  dass  bei  Ver¬ 
wendung  von  Adrenalin  die  Anästhesie  nicht  so  weit  reicht 
wie  bei  der  reinen  Kokainisierung,  weshalb  zur  Erzielung  einer 
vollkommenen  Anästhesie  der  unteren  Rumpfhälfte  bei  Adre¬ 
nalinzusatz  eine  grössere  Kokainmenge  notwendig  ist  und  die 
Einstichstelle  höher  gewählt  werden  muss.  Eine  befriedigende 
Erklärung  der  Wirkungsweise  des  Adrenalin  bei  der  Lumbal¬ 
anästhesie  zu  geben,  erklärt  Bier  sich  ausser  stände.  Einer¬ 
seits  hält  er  es  für  möglich,  dass  infolge  der  durch  die  Adrenalin¬ 
wirkung  hervorgerufenen  Blutarmut  der  Rückenmarkshäute 
eine  Strömung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  zur  Injektionsstelle 
entsteht,  wodurch  ein  Aufsteigen  des  Giftes  zum  verlängerten 
Mark  verhindert  wird,  andererseits  hält  er  es  nicht  für  ausge¬ 
schlossen,  dass  das  Adrenalin  ein  direktes  Gegengift  des  Ko¬ 
kains  ist,  da  jenes  den  Blutdruck  steigert,  während  er  durch 
Kokain  herabgesetzt  wird. 

Diese  beiden  angeführten  Arbeiten  bilden  die  Grundlage 
für  die  Einführung  des  Adrenalins  in  die  Lumbalanästhesie.  Wie 
wir  gesehen  haben  folgert  Dönitz  die  entgiftende  Wirkung 
des  Adrenalins  bei  der  Kokainisierung  des  Rückenmarks  aus 
einem  Vergleich  der  von  ihm  erhaltenen  Zahlen  mit  den  Zahlen 
von  Eden;  obgleich  er  sich  selbst  die  Unzulässigkeit  eines 
solchen  Verfahrens  nicht  verhehlt.  Hätte  er  sich  nur  der  Mühe 
unterzogen,  die  von  ihm  und  Eden  gefundenen  letalen  Dosen 
pro  Kilogramm  Tier  zu  berechnen,  so  hätte  er  sich  leicht 
davon  überzeugen  können,  dass  sie  beide  dieselben  Werte  ge¬ 
funden  haben  und  hätte  sich  vor  dem  Trugschluss  einer  ver¬ 
meintlichen  entgiftenden  Wirkung  des  Adrenalins  bewahrt. 

Eden  gibt  die  für  die  Katze  tödliche  Dosis  auf  Grund  seines 
Versuches  16  mit  etwa  0,018  an.  Im  Versuchsprotokoll  heisst 
es:  Grauweissschwarze  Katze.  2  Pfund.  1  proz.  Kokainlösung 
2  Spritzen  =  0,02.  Speichelfluss.  Weite  Pupillen.  Anästhesie. 
Nach  12  Minuten  unter  leichten  klonischen  Krämpfen  Exitus. 

Nach  Abrechnung  von  2  Teilstrichen,  die  in  der  Kanüle  blei¬ 
ben  und  somit  nicht  in  den  Subduralraum  gelangen,  hat  das 
2  Pfund  schwere  Tier  0,018  g  Kokain  erhalten,  an  denen  es 
nach  12  Minuten  unter  mässigen  allgemeinen  Vergiftungs¬ 
symptomen  zu  gründe  geht. 

Dönitz  stützt  sich  bei  der  Bestimmung  der  letalen  Ko¬ 
kaindosis  auf  seinen  Versuch  V.  Das  bei  diesem  Versuch  ver¬ 
wandte  Tier  wog  2610  g  und  ihm  wurden  0,06  Kokain  +  3 
Tropfen  offizielle  Adrenalinlösung  injiziert,  denen  es  nach 
4  Stunden  erlag.  Nach  der  notwendigen  Korrektur  sind  ihm  also 
0,054  subdural  injiziert  worden,  was  pro  Kilogramm  0,020  aus¬ 
macht.  Es  ergibt  sich  also,  dass  nach  den  Versuchen  Edens, 
die  letale  Kokaindosis  bei  subduraler  Applikation  für  die  Katze 
bei  0,018  pro  Kilogramm  liegt,  während  Dönitz  0,020  fand. 
Von  einer  dreimal  grösseren  Dosis,  die  die  Tiere  bei  Adrenalin¬ 
zusatz  vertragen,  kann  daher  keine  Rede  sein  und  der  ein¬ 
zige  logisch  mögliche  Schluss  aus  dieser  V  e  r  - 
suchsreihe  von  Dönitz  ist,  dass  das  Adrenalin 
bei  gleichzeitiger  subduraler  Anwendung 
keinerlei  entgiften  deWirkungaufdasKokain 
aus  ii  b  t.  Zu  diesem  Schluss  gelangt  auch  T  h  i  e  s  auf  Grund 
seiner  Parallelversuche,  bei  denen  das  Versuchstier  Kokain- 
Adrenalin,  das  Kontrollier  nur  Kokain  erhielt,  wobei  stets  die¬ 
selbe  Kokainlösung  gebraucht  wurde.  Aus  diesen  Versuchen 
geht  hervor,  dass  die  Vergiftungserscheinungen  bei  den  Kon¬ 
frontieren  nicht  nur  nicht  schwerer,  sondern  gleich  stark  oder 


auch  leichter  waren,  ja  in  einem  Fall  blieb  das  gleichschwere, 
mit  der  gleichen  Menge  Kokain  behandelte  Kontrolltor  am 
Leben,  während  das  Versuchstier,  welches  Kokain  und  Adre¬ 
nalin  erhalten  hatte,  zu  gründe  ging.  Die  Behauptung  von  der 
entgiftenden  Wirkung  des  Adrenalins  lässt  sich  daher  nicht  auf¬ 
recht  erhalten,  auch  nicht  durch  die  Ergebnisse  der  zweiten 
Versuchsreihe  von  Dönitz,  aus  der  hervorgeht,  dass  nach 
vorhergehender  Injektion  von  1  ccm  einer  Adrenalinlösung  von 
1  : 2000  die  letale  Kokaindosis  für  die  Katze  bei  subduraler 
Anwendung  auf  0,046  pro  Kilogramm  steigt.  Auch  hier  zeigen 
uns  die  Versuche  von  T  h  i  e  s,  dass  dem  Adrenalin  dabei  keine 
Rolle  zmkommt.  Den  Hauptfaktor  sieht  T  h  i  e  s  in  der  durch 
die  vorhergehende  Injektion  von  1  cm  Flüssigkeit  hervorge¬ 
rufenen  Verdünnung  der  Kokainlösung.  Um  die  Verhältnisse 
bei  beiden  Tierreihen  annähernd  gleich  zu  gestalten  injizierte 
er  daher  den  Konfrontieren  vor  der  Kokaineinspritzung  1  ccm 
physiologischer  Kochsalzlösung;  dabei  erwies  es  sich,  dass  die 
Versuchstiere  durchaus  nicht  toleranter  gegen  das  Kokain  waren 
als  die  Konfrontiere,  im  Gegenteil  überlebte  im  Versuch  16 
das  um  %  Pfund  leichtere  Konfrontier  die  Injektion,  an  der  das 
Versuchstier  zu  gründe  ging.  Thies  glaubt  nur,  dass  die 
Vergiftungserscheinungen  bei  vorheriger  Adrenalininjektion 
später  auftreten,  doch  scheint  mir  auch  das  nicht  auf  die 
Adrenalinwirkung  zurückzuführen  sein,  sondern  erklärt  sich 
wohl  dadurch,  dass  die  Konfrontiere  durchweg  leichter  waren. 

Jedenfalls  ist  aber  durch  die  Versuche  von  T  h  i  e  s  die  Wir¬ 
kungslosigkeit  des  Adrenalins  als  Entgiftungsmittel  des  Kokains 
bei  der  Lumbalanästhesie  erwiesen.  Thies  verwahrt  sich 
aber  am  Schluss  seiner  Arbeit  ausdrücklich  dagegen,  dass  seine 
Mitteilung  als  Versuch  angesehen  werden  könnte,  den  Vor¬ 
schlag,  die  Lumbalanästhesie  durch  gleichzeitige  Anwendung 
von  Adrenalin  zu  verbessern,  zu  bekämpfen.  Allerdings  war 
durch  seine  Versuche  die  zweite  Möglichkeit  der  Wirkungs¬ 
weise,  die  Bier  für  das  Adrenalin  in  Anspruch  nimmt,  noch 
nicht  widerlegt. 

Auch  H.  Braun  spricht  sich  für  die  Möglichkeit  aus,  dass 
durch  das  Adrenalin  an  der  Injektionsstelle  eine  lokale  Druck¬ 
erniedrigung  stattfindet,  zu  deren  Ausgleich  eine  zur  Injektions¬ 
stelle  absteigende  Strömung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  ein- 
tritt,  die  ein  Hinaufsteigen  des  Giftes  zur  Medulla  verhindert. 

A  priori  ist  die  Möglichkeit  der  Entstehung  einer  solchen 
Strömung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  gewiss  nicht  zu  leugnen, 
wenn  sie  meines  Wissens  bis  jetzt  auch  noch  nicht  erwiesen  ist. 
Doch  wenn  wir  sie  auch  als  Tatsache  annehmen,  so  ist  der 
Nutzen  von  ihr  kaum  nennenswert.  Bei  Tieren,  besonders 
Katzen,  ist  überhaupt  das  Entstehen  einer  solchen  Strömung 
kaum  anzunehmen.  Der  Subduralraum  der  Katze  bildet  nur 
einen  engen  Spalt,  der  sehr  wenig  Zerebrospinalflüssigkeit  ent¬ 
hält.  Werden  nun  in  diesen  Raum  2  ccm  Flüssigkeit  injiziert 
(1  ccm  Adrenalinlösung  +  1  ccm  Kokainlösung),  so  wird  der 
Raum  von  dieser  Flüssigkeitsmenge  ausgefüllt  und  diese  Flüs¬ 
sigkeitssäule  bietet  der  geringen  Menge  Zerebrospinalflüssig¬ 
keit,  die  sich  im  Subduralraum  der  Katze  befindet,  einen  viel 
zu  starken  Widerstand,  als  dass  eine  nennenswerte  Strömung 
zur  Injektionsstelle  entstehen  könnte.  Im  Gegenteil,  durch 
diese  Injektion  muss  bei  der  Katze  nicht  ein  Zustrom  der  Zere¬ 
brospinalflüssigkeit  zur  Injektionsstelle,  sondern  ein  Hinauf¬ 
drängen  derselben  zum  Schädel  hervorgerufen  werden.  Beim 
Tiere  ist  also  der  günstige  Erfolg  einer  vorherigen  Adrenalin¬ 
injektion  neben  der  bedeutenden  Verdünnung  des  Anästheti- 
kums  in  dem  mechanischen  Hindernis  zu  suchen,  das  die  mit 
dem  Adrenalin  injizierte  Flüssigkeitsmenge  der  Ausbreitung  des 
Giftes  nach  oben  im  Subduralraum  entgegensetzt.  Nach  einer 
einfachen  Ueberlegung  müsste  daher  eine  vorherige  Injektion 
eines  indifferenten,  oder  gefässerweiternden  Mittels  sich  noch 
wirksamer  erweisen,  da  durch  diese  nicht  wie  durch  das  Ad¬ 
renalin  die  Kapazität  des  Subduralraums  vergrössert  wird,  und 
die  injizierte  Flüssigkeitsmenge  unter  einem  höheren  Druck 
steht  und  einen  stärkeren  Widerstand  leisten  kann.  Man  könnte 
sich  daher  versucht  fühlen,  gerade  durch  diesen  Umstand  die 
günstigeren  Resultate  Thies  bei  vorheriger  Injektion  von 
physiologischer  Kochsalzlösung  zu  erklären. 

Dass  beim  Menschen  mit  seiner  recht  beträchtlichen  Menge 
Zerebrospinalflüssigkeit *)  eine  recht  starke  Strömung  unter 
Umständen  entstehen  kann,  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln;  und 


1)  Nach  Räuber  60 — 200  g. 


2478 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


es  ist  wohl  auch  anzunehmen,  dass  eine  solche  bei  den  ersten 
klinischen  Versuchen  Biers  wahrscheinlich  auftrat,  doch  nur 
so  lange,  als  er  die  Regel  beobachtete,  die  Patienten  während 
der  Operation  mit  erhöhtem  Oberkörper  zu  lagern.  Seitdem 
aber  dann  auf  seinen  Rat,  fast  allgemein  die  Beckenhochlage¬ 
rung  in  Anwendung  kam,  ist  auch  diese  Möglichkeit  der  Wir¬ 
kungsweise  des  Adrenalins  ausgeschlossen.  Damit  eine  Strö¬ 
mung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  bergauf  entstände,  müsste 
an  der  Injektionsstelle  ein  so  hoher  negativer  Druck  herrschen, 
wie  er  durch  die  gegebenen  Verhältnisse  niemals  hervorgerufen 
werden  kann.  Als  mechanisches  Hindernis  kann  eine  für  den 
Menschen  so  geringfügige  Flüssigkeitsmenge  auch  nicht  in  Be¬ 
tracht  kommen,  der  Nutzen  einer  vorherigen  Adrenalininjek¬ 
tion  beruht  beim  Menschen  daher  ausschliesslich  auf  der  Ver¬ 
dünnung  des  Anästhetikums,  das  bei  Verwendung  von  ge¬ 
brauchsfertigen  adrenalinhaltigen  Lösungen  auch  noch  fort¬ 
fällt.  Somit  hat  der  Zusatz  von  Nebennierenpräparaten  in  der 
jetzt  allgemein  üblichen  Form  keinerlei  prophylaktischen  Wert. 
Die  Beobachtungen  von  H  e  i  n  e  k  e  und  L  ä  w  e  n  sprechen 
meiner  Anschauung  nach  nur  scheinbar  gegen  diesen  Satz. 

Die  klinischen  Beobachtungen,  die  diese  beiden  um  die 
Erforschung  der  Frage  der  Lumbalanästhesie  verdienten  Auto¬ 
ren  veranlassen,  sich  ebenfalls  für  Verwendung  von  Neben¬ 
nierenpräparaten  bei  der  Lumbalanästhesie  auszusprechen, 
scheinen  mir  durchaus  nicht  zu  dieser  Auffassung  der  Frage  zu 
zwingen.  Heineke  und  Läwen  sahen  nämlich  bei  Ver¬ 
wendung  von  Stovain-  und  Novokainlösungen,  die  erst  nach 
dem  Zusatz  von  Nebennierenpräparaten  sterilisiert  worden 
waren,  ein  rapides  Aufsteigen  der  Anästhesie,  das  mit  ausser¬ 
ordentlich  heftigen  Nebenwirkungen  einherging.  Da  sie  bei 
Verwendung  von  Lösungen,  denen  erst  nach  der  Sterilisation 
Nebennierenpräparate  zugesetzt  worden  waren,  keine  solche 
Beobachtungen  zu  verzeichnen  hatten,  so  nehmen  sie  an,  dass 
diese  Erscheinungen  einer  Zersetzung  der  Nebennierenpräpa¬ 
rate  zuzuschreiben  sind  und  leiten  daraus  die  enorme  Wichtig¬ 
keit  des  Zusatzes  von  Nebennierenpräparaten  bei  der  Lumbal¬ 
anästhesie  ab.  .  Dieser  Schluss  scheint  mir  nicht  gerechtfertigt, 
denn  sowohl  wir,  als  auch  eine  Reihe  anderer  Chirurgen  haben 
bei  Verwendung  von  Anästhetizis  ohne  Nebennierenpräparaten 
niemals  derartige  Zwischenfälle  zu  beklagen  gehabt,  es  kann 
sich  hier  also  nicht  nur  um  eine  blosse  Ausschaltung  der  Ad¬ 
renalinwirkung  handeln.  Ich  glaube  allerdings  auch,  dass  in  , 
den  von  Heineke  und  Läwen  beschriebenen  Fällen  trotz  ' 
der  fraktionierten  Sterilisation  eine  Zersetzung  des  Adrenalins 
stattgefunden  hatte,  die  aber  nicht  durch  Aufhebung  der  spe¬ 
zifischen  Adrenalinwirkung  verderblich  wurde,  sondern  durch 
Bildung  toxischer  Substanzen,  sei  es  nun,  dass  die  Zerfallpro¬ 
dukte  des  Adrenalins  selbst  starke  Nervengifte  vorstellten  oder 
diese  erst  sekundär  durch  Einwirkung  der  Adrenalinkompo¬ 
nenten  auf  das  Anästhetikum  entstanden. 

Als  Beweis  für  den  Nutzen  des  Adrenalinzusatzes  können 
diese  Beobachtungen  jedenfalls  nicht  angesehen  werden,  sie 
scheinen  mir  vielmehr  den  Gedanken  der  möglichen  Schädlich¬ 
keit  eines  solchen  Zusatzes  nahe  zu  legen  und  ich  bin  der  An¬ 
sicht,  dass  nicht  selten  gerade  der  Zusatz  von  Nebennieren- 
präpai aten  die  Ursache  der  unangenehmen  Nachwirkungen  bei 
der  Lumbalanästhesie  ist,  besonders  bei  Verwendung  ge¬ 
brauchsfertiger  adrenalinhaltiger  Lösungen. 

Zu  den  subjektiv  am  unangenehmsten  empfundenen  Nach¬ 
wirkungen  gehören  die  nach  der  Lumbalanästhesie  so  häufig  be¬ 
obachteten  Kopf-  und  Rückenschmerzen,  die  wohl  unstreitig  als 
die  Folgen  einer  aseptischen  Meningitis  aufzufassen  sind.  Da- 
fiii  spricht  die  etwa  6 — 8  Stunden  nach  der  Iniektion  auf¬ 
tretende  Temperatursteigerung  und  vor  allem  die  Beobach¬ 
tungen  von  R  a  v  a  n  t  und  A  u  b  o  u  r  g,  die  bei  der  mikro¬ 
skopischen  Untersuchung  die  Zerebrospinalflüssigkeit  schon 
einige  Stunden  nach  der  Kokainisierung  des  Rückenmarks  stark 
getrübt  fanden.  Diese  Trübung  wird  durch  polynukleäre 
Leukozyten  und  Lymphozyten  hervorgerufen,  deren  Zahl  in 
den  ersten  3—4  Tagen  immer  mehr  anwächst,  um  dann  all¬ 
mählich  wieder  abzunehmen  und  am  15—20  Tage  ganz  aus 
der  Zerebrospinalflüssigkeit  zu  schwinden. 

Diese  Meningitis  bedingt  wie  jede  Entzündung,  eine  lokale 
reaktive  Hyperämie,  die  wiederum  eine  Anämie  des  Hirns  her- 
vormft,  durch  die  die  Kopfschmerzen  zu  erklären  sind,  daher 
wird  jede  stärkere  Reizung  der  Rückenmarkshäute  Kopf¬ 


schmerz  verursachen.  Wie  wir  wissen  sind  die  Rückenmarks¬ 
häute  gegen  sauer  reagierende  Substanzen  sehr  empfindlich, 
nun  ist  aber  das  Adrenalin  besonders  in  nicht  mehr  frischen  Lö¬ 
sungen  dazwischen  nicht  nur  saurer  Reaktion,  sondern  ent¬ 
hält  sogar  freie  Salzsäure.  Eine  solche  Lösung  muss  daher 
einen  starken  entzündlichen  Reiz  auf  die  Rückenmarkshäute 
ausüben  und  kann  die  fälschlicherweise  nur  dem  Anästhetikum 
zugeschriebenen  unangenehmen  Nachwirkungen  auslösen. 

Doch  auch  die  Verwendung  frischer  neutralreagierender 
Adrenalinlösungen  scheint  mir  bei  der  Lumbalanästhesie  nicht 
ratsam.  Der  einzige  wirklich  erwiesene  Nutzen  des  Adrenalin¬ 
zusatzes  ist  die  Verlängerung  der  Dauer  der  Lumbalanästhesie, 
Diese  Verlängerung,  die  durch  die  verlangsamte  Resorption 
des  Anästhetikums  bedingt  ist,  kann  jedoch  kaum  praktische 
Bedeutung  beanspruchen,  da,  wie  wir  uns  mehrfach  überzeu¬ 
gen  konnten,  auch  ohne  Zusatz  von  Nebennierenpräparaten 
selbst  grössere  intraperitoneale  Eingriffe,  wie  Gastroentero¬ 
stomien,  Enteroanastomosen,  Appendektomien  usw.,  vollkom¬ 
men  schmerzlos  ausgeführt  werden  können,  wenn  man  nur  die 
richtige  Dosis  und  Einstichstelle  wählt  und  genügend  steile 
Beckenhochlage  anwendet.  Die  durch  das  Adrenalin  hervor¬ 
gerufene  Verlangsamung  der  Resorption  bietet  daher  keinen 
Vorteil,  bedeutet  vielmehr  einen  Nachteil,  da  infolgedessen  die 
Rückenmarkshäute  länger  mit  dem  meist  als  Reiz  auf  sie  wir¬ 
kenden  Anästhetikum  in  Berührung  bleiben  und  die  Entzün¬ 
dungserscheinungen  mit  ihren  Folgen  heftiger  sind.  Diese 
theoretischen  Erwägungen  haben  in  unseren  allerdings  noch 
nicht  sehr  zahlreichen  klinischen  Beobachtungen  ihre  volle  Be¬ 
stätigung  gefunden.  Nachdem  wir  jetzt  keine  Nebennierenprä¬ 
parate  mehr  anwenden,  haben  wir  nach  Tropakokain  niemals 
und  nach  Stovain  nicht  einmal  halb  so  oft  Nachwirkungen  zu 
beobachten  Gelegenheit  gehabt,  irgendwelche  Nebenwirkungen 
sahen  wir  niemals.  Ich  glaube  diese  günstigen  Erfolge  dem 
Fortlassen  der  Nebennierenpräparate  zuschreiben  zu  müssen 
und  halte  daher  die  Verwendung  von  Nebennierenpräparaten 
bei  der  Lumbalanästhesie  nicht  nur  für  unnütz,  sondern  sogar 
schädlich  2). 

Literatur: 

A.  Bier:  Ueber  den  jetzigen  Stand  der  Rückenmarksanästhesie 
und  ihre  Berechtigung  gegenüber  anderen  Anästhesierungsmethoden. 
Verhandl.  der  Deutsch.  Gesellsch.  für  Chir.  1905.  IT,  S.  115.  —  Bier 
und  Dönitz:  Rückenmarksanästhesie.  Münch,  med.  Wochenschr. 
1907.  S.  593.  —  A.  D  ö  n  i  t  z:  Kokainisierung  des  Rückenmarks  unter 
Verwendung  von  Adrenalin.  Ibidem  1903.  S.  1452.  —  A.  Dönitz: 
Technik.  Wirkung,  spezielle  Indikation  der  Rückenmarksanästhesie. 
Verhandl.  der  Deutsch.  Gesellsch.  für  Chir.  1905.  II,  S.  527.  —  Eden: 
Tierversuche  über  Rückenmarksanästhesie.  Deutsche  Zeitschr.  f. 
Chir..  Bd.  67,  S.  37.  —  H.  H  e  i in  e  k  e  und  A.  Läwen:  Exnerimentelle 
Untersuchungen  über  Lumbalanästhesie.  Arch.  f.  klin.  Chir.,  Bd.  81, 
S.  373.  1906,  —  H.  Heineke  und  A.  Läwen:  Erfahrungen  über 
Lumbalanästhesie  mit  Stovain  und  Novokain,  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Neben-  und  Nachwirkungen.  Beiträge  z.  klin.  Chir., 
Bd.  50.  S.  632.  1906.  —  Ravant  et  Aubourg:  Le  liauide  cdphalo- 
rachidien  aores  Ja  rachicocainisation.  La  semaine  medicale  1901, 
p.  204.  —  J.  Thies:  Wird  die  Giftigkeit  des  Kokains  durch  Kombi¬ 
nation  mit  Adrenalin  herabgesetzt?  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.,  Bd.  74. 
S.  434,  1904. 


Ueber  Epididymitis  erotica.* *) 

Von  Prof.  Dr.  Ludwig  Waelsch  in  Prag. 

Gelegentlich  der  Untersuchung  von  Männern,  welche  mich 
wegen  anderer  Genitalerkrankungen  als  Tripper  konsultierten, 
habe  ich  mehrfach  in  den  Nebenhoden  eigentümliche  Verände¬ 
rungen  beobachtet,  für  welche  ich  mir  eine  Erklärung  nicht 
geben  konnte. 

Es  waren  dies  mehr  weniger  umschriebene  Verdichtungen 
des  Gewebes,  die  zumeist  im  Schwänze  eines  oder  beider  Ne¬ 
benhoden  sassen,  manchmal  auch  den  Kopf  ergriffen,  auf  Druck 
nicht  schmerzhaft  waren  und  ungefähr  jenem  klinischen  Bild 


•)  Wie  ich  aus  einer  mir  erst  nach  Abschluss  meiner  Arbeit  zu¬ 
gänglich  gewordenen  kurzen  Mitteilung  von  Bier  in  No.  43  der 
„Mediz.  Klinik“  1906  ersehe,  verwendet  er  jetzt  vorzugsweise  Tropa¬ 
kokain  ohne  Zusatz  von  Nebennierenpräparaten.  Die  näheren  Gründe 
hierfür  sind  leider  nicht  angegeben. 

*)  Nach  einem  auf  der  79.  Naturforscherversammlung  zu  Dresden 
gehaltenen  Vortrag. 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2479 


entsprachen,  das  wir  nach  abgelaufener  akuter  Epididymitis  als 
restliche  Infiltrationen  des  Gewebes  zu  sehen  gewohnt  sind. 

In  jenen  Fällen,  in  welchen  eine  oder  mehrfache  gonor¬ 
rhoische  Infektionen  in  der  Anamnese  zugegeben  wurden,  trö¬ 
stete  ich  mich  beim  Deutungsversuche  dieser  unklaren  Fälle 
anfänglich  damit,  dass  mir  eine  durchgemachte  Epididymitis 
verschwiegen  wurde;  andererseits  dachte  ich  daran,  dass  es 
in  Analogie  zu  den  von  vornherein  chronisch  verlaufenden 
Prostatitiden  (und  die  meisten  chronischen  Prostataentzün¬ 
dungen  sind  auf  diese  Weise  entstanden)  in  seltenen  Fällen  auch 
zu  derartig  schleichend  verlaufenden,  von  vornherein  chroni¬ 
schen  Epididymitiden  während  akuter  oder  chronischer  Go¬ 
norrhöe  kommen  könne. 

Durch  die  Publikation  von  P  o  r  o  s  z  auf  die  von  ihm  so¬ 
genannte  „Epididymitis  sympathica“  aufmerksam  gemacht, 
deren  Symptome  mir  wohl  bekannt  waren,  versuchte  ich  nun 
durch  in  gewisser  Richtung  sich  bewegende  Fragen  bei  Auf¬ 
nahme  der  Anamnese  Aufschlüsse  über  diese  eigenartige  Affek¬ 
tion  zu  bekommen  und  es  gelang  mir  durch  Beobachtung  ein¬ 
schlägiger  Fälle,  welche  verschiedene  Stadien  dieser  Erkran¬ 
kung  darstellten,  ihre  Genese  aufzuklären. 

Als  Epididymitis  sympathica  bezeichnet  P  o  r  o  s  z  jenen 
Symptomenkomplex,  der  von  den  Laien  nach  P  o  r  o  s  z  als 
„Bräutigamshodenentzündung“  bezeichnet  wird.  Diese  Be¬ 
nennung,  welche  aber  das  Wesen  der  Affektion  nur  teilweise 
trifft,  ist  bei  uns  wenigstens  nicht  gangbar,  sie  wird  vielmehr 
mit  dem  Namen  „Bräutigamsschmerzen“  bezeichnet. 

Es  sind  dies  Symptome,  welche  den  Laien  besonders  dann, 
wenn  er  ein  böses  Gewissen  hat,  sehr  erschrecken,  da  sie  sich 
äussern  in  einer  rasch  eintretenden  sehr  schmerzhaften  An¬ 
schwellung  der  Nebenhoden,  die  auf  das  drei-  und  vierfache 
und  darüber  vergrössert,  prall  gespannt,  beim  Sitzen,  Stehen 
und  Gehen  grosse  Schmerzen  bereiten.  Der  Anschwellung 
gehen  häufig  ziehende  Schmerzen  in  den  Leisten  voraus,  oder 
begleiten  sie.  Auch  Schmerzen  in  den  Oberschenkeln  der  be¬ 
treffenden  Seite,  die  eventuell  bis  in  die  Waden  ausstrahlen,  wer¬ 
den  angegeben.  Diese  Schwellung  tritt  dann  auf,  wenn  ge¬ 
schlechtliche  Erregungen,  sei  es  durch  psychische,  sei  es  durch 
mechanische  Reize  ausgelöst  wurden,  aber  nicht  zum  normalen 
Abschluss,  der  Ejakulation  geführt  haben;  sie  klingt  nach 
längerem  oder  kürzerem  Bestände,  besonders  rasch  bei  hori¬ 
zontaler  Lagerung  des  Körpers  und  Hochlagerung  der  Ho¬ 
den  ab. 

Wenn  aber  immer  neue  Reize  einwirken,  besonders  dann, 
bevor  die  bestehende  Schwellung  abgeklunsren  ist.  so  kann  es 
nach  P  o  r  o  s  z  geschehen,  dass  die  „Epididymitis“  so  hoch¬ 
gradig  wird,  dass  der  Patient  tagelang  ans  Bett  gefesselt  wird. 

Da  dieses  Symptomenbild  nach  Po  ros  z  „sozusagen  von 
selbst,  ohne  nachweisbare  und  begreifliche  Ursache“  entsteht, 
so  bezeichnet  er  es  mit  dem  Namen  der  Epididymitis  ..sym¬ 
pathica“  in  Analogie  zu  anderen  in  ihrer  Aetiologie  unklaren 
Erkrankungen.  Ich  will  hier  gleich  vorwegnehmen,  dass  ich 
diese  Bezeichnung  nicht  akzeptieren  kann,  denn  die  Symptome, 
wie  Porosz  sie  darstellt,  haben  sicher  nichts  mit  einer 
Entzündung  zu  tun  und  sind  auch  nicht  „von  selbst  oder  ohne 
nachweisbare  und  begreifliche  Ursache“  entstanden. 

Dass  das  Symptomenbild  der  „Bräutigamsschmerzen 
keine  Entzündung  der  Nebenhoden  darstellt,  die  uns 
von  der  gonorrhoischen  Epididvmitis  her  wohlbekannt  ist, 
ergibt  die  Untersuchung  der  von  ihnen  befallenen  Männer.  Ab¬ 
gesehen  von  den  bereits  geschilderten  Symptomen,  tastet  man 
nämlich  oberhalb  des  vergrösserten  Nebenhodens  eine  bedeu¬ 
tende  Erweiterung  der  Venen  des  Plexus  pampiniformis,  welche 
strotzend  mit  Blut  gefüllt  sind  und  kann  zwischen  ihnen  das 
häufig  ebenfalls  etwas  geschwollene  und  druckschmerzhafteVas 
deferens  tcistcn 

Die  rasche  Entwicklung  der  Affektion,  die  maximal  ge¬ 
füllten  Venen,  das  rasche  Abklingen  der  Erscheinungen,.  ferner 
auch  die  Aetiologie,  geschlechtliche  Erregung,  welche  ja  auch 
sonst  zu  Veränderungen  der  Gefässflillung  im  Sexualapparat, 
hervorgerufen  durch  nervöse  Einflüsse  führt,  lassen  mit  Sicher¬ 
heit  annehmen,  dass  auch  diese  von  Porosz  fälschlich  als 
Nebenh-)denentziindung  bezeichnete  Affektion  keine  Entzün¬ 
dung  ist,  sondern  eine  Folge  von  auf  Nerveneinflüsse  zurück¬ 
zuführenden  Kongestionen. 


Unter  normalen  Verhältnissen  geht  diese  Kongestion  rasch 
zurück.  Wenn  aber  die  geschlechtliche  Erregung,  welche  sie 
auslöst,  längere  Zeit  in  besonderer  Stärke  fortbesteht,  ohne 
zum  natürlichen  Abschluss  zu  kommen,  so  erreicht  diese  Kon- 
gestionierung  bedeutende  Höhe  und  klingt  dann  nur  langsam 
ab.  Wenn  endlich  die  einzelnen  Reize,  welche  diese  lang¬ 
dauernde  akute  Hyperämisierung  bewirken  und  unterhalten, 
sich  auch  noch  häufen,  so  kann  es  geschehen,  dass  diese  kon¬ 
gestiven  Zustände  sich  sozusagen  stabilisieren  und  auf  ihrem 
Boden  sich  noch  weitere  Veränderungen  in  den  befallenen 
Organen  entwickeln. 

Es  ist  eine  wohlbekannte  Erfahrung,  dass  auch  unter  ge¬ 
wöhnlichen  Umständen  bei  geschlechtlicher  Erregung  die  drü¬ 
sigen  Organe  des  Genitales  Hyperämisierungen  unterliegen.  So 
wissen  wir,  dass  die  Prostata,  sowie  die  Drüsen  der  Harn¬ 
röhre  an  der  genitalen  Blutüberfüllung  teilnehmen,  und  dass 
auch  beim  Weibe  das  äussere  und  innere  Genitale  in  der¬ 
selben  Weise  auf  sexuelle  Reize  reagiert. 

Durch  Häufung  oder  exzessiv  lange  Dauer  oder  besondere 
Stärke  dieser  Reize  können  sich  dann  als  Folge  dieser  Hy¬ 
perämisierungen  Veränderungen  in  den  weiblichen  Genital¬ 
organen  entwickeln,  welche  klinisch  und  pathologisch-anato¬ 
misch  das  Bild  der  chronischen  Entzündung  darstellen.  So 
sind  z.  B.  nach  Coitus  interruptus  Entzündungen  der  inneren 
Sexualorgane  der  Frauen  beschrieben  worden. 

Die  geschlechtliche  Erregung,  welche  zu  akuter  Hyperämi¬ 
sierung  dieser  Organe  Veranlassung  gibt,  erreicht  nicht  ihre 
Höhe,  da  der  sie  auslösende  Impuls  vorzeitig  unterbrochen 
wird  und  es  geht  dann  die  bestehende  Hyperämie  nur  sehr 
langsam  zurück.  Als  Folge  dieser  Zustände  können  dann  dau¬ 
ernde  Zirkulationsstörungen  entstehen,  welche  das  Auftreten 
chronischer  Entzündung  begünstigen  oder  direkt  bewirken. 

So  sagt  z.  B.  K  i  s  c  h,  dass  abgesehen  von  dem  Insult  auf 
das  gesamte  Nervensystem  der  Coitus  interruptus  Blut¬ 
stockungen  im  Uterus  und  dessen  Adnexen  hervorbringt,  welche 
auf  die  Dauer  zu  chronischer  Metritis  mit  Erschlaffung  des 
Uterus,  katarrhalischer  Erkrankung  der  Schleimhaut,  Oopho¬ 
ritis,  Perimetritis  etc.  führen.  Kisch  zitiert  dabei  die  gleich¬ 
artige  Meinung  anderer  Gynäkologen  (V  a  1  e  n  t  a,  E  1  i  s  c  h  e  r, 
L  i  e  r  und  Ascher  etc.). 

D  ö  d  e  r  1  e  i  n  spricht  sich  bei  Erörterung  der  Ursachen  der 
hyperplastischen  chronischen  Endometritis  in  folgender  Weise 
aus:  „ _ Diesen  Ursachen,  welche  teils  durch  direkte  Ein¬ 

wirkung  auf  die  uterine  Blutzirkulation,  teils  auf  dem  Wege 
nervöser  Erregung  die  Endometritis  erzeugen,  möchte  ich  als 
nahe  verwandt  anfügen  perverse  geschlechtliche  Reizung, 
welche  ganz  zweifellos  Hyperplasie  der  Uterusschleimhaut  ver- 
anlassen  kann 

Es  sind  dies  einmal  onanistische  Reizungen,  wie  auch 
namentlich  prohibitiver  Geschlechtsverkehr,  Coitus  reservatus 
etc.;  alle  sexuellen  Reizungen  haben  vermehrte  Blutzufuhr  zu 
den  Genitalien  zur  Folge,  welche  bei  nicht  normalem  Ablauf 
der  Geschlechtsbetätigung  nicht  von  der  finalen  Depletion  ge¬ 
folgt  sind,  und  bei  häufiger  Wiederholung  zu  einer  dauernden, 
zu  Gewebswucherung  führenden  Kongestion  führt . 

Beim  Manne  sehen  wir  ähnliche  Veränderungen  derselben 
Natur,  wie  schon  erwähnt,  aus  denselben  Ursachen  entstehen; 
ich  erinnere  nur  an  die  chronische  Prostatitis  und  Urethritis 
der  Masturbanten,  sowie  an  jene  seltenen  chronischen,  nicht 
gonorrhoischen  Prostatitiden,  als  deren  Ursache  ebenfalls  Coi¬ 
tus  interruptus  beschuldigt  wird. 

Ich  konnte  selbst  leichte  katarrhalische  Reizerscheinungen 
der  Prostata,  sowie  auch  der  Harnröhre  bei  erwachsenen 
Männern  sehen,  welche  nicht  Masturbanten  waren,  sich  auch 
nicht  exzessiv  sexuell  betätigten,  sondern  im  Gegenteil  ziemlich 
abstinent  lebten,  dafür  aber  als  „erotische  Naturen“,  wie  ich 
sie  nennen  möchte,  geschlechtlichen  Erregungen  leicht  zugäng¬ 
lich  waren,  sich  ihnen  auch  gerne  aussetzten,  ohne  die  letzten 
Konsequenzen  zu  ziehen. 

Die  Prostata  war  in  diesen  Fällen  etwas  vergrössert,  emp¬ 
findlich,  entleerte  katarrhalisches  Sekret  und  verursachte 
manchmal  ein  Gefühl  von  Völle  im  After;  im  Urin  fanden  sich 
bald  mehr,  bald  weniger  Fäden,  die  Eiterzellen  enthielten; 
gonorrhoische  Infektion  war  in  allen  Fällen  mit  Sicherheit  aus- 
zuschliessen. 


2480 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ob  das  Gefühl  von  Schwere  und  Völle  in  den  Hoden  und 
Nebenhoden,  über  welches  diese  Individuen  manchmal  direkt 
klagten,  besonders  wenn  schon  längere  Zeit  nach  dem  letzten 
Koitus  vergangen  war,  auch  auf  die  vorerwähnten  hyper- 
ämischen  Zustände  allein  zurückzuführen  ist  (die  verschie¬ 
dene  Grösse  der  Hoden  desselben  Individuums  zu  verschie¬ 
denen  Zeiten,  wird  ja  auch  darauf  teilweise  zurückgeführt), 
oder  ob  es  sich  bei  ihnen  handelte  um  infolge  gesteigerter  ge¬ 
schlechtlicher  Erregbarkeit  und  Erregung  auch  gesteigerter 
Funktion  der  Hoden,  welche  ebenfalls  in  den  Schwankungen 
der  Grösse  ihren  Ausdruck  finden  soll,  muss  ich  dahingestellt 
sein  lassen.  Ebenso  muss  ich  die  Frage  offen  lassen,  ob  diese 
\  ergrösserung  der  Hoden  eine  Folge  -der  gesteigerten  Ge¬ 
schlechtslust  ist,  die  zu  hyperämischer  und  sekretorischer 
Volumszunahme  Veranlassung  gibt,  oder  ob  umgekehrt  die 
Schwellung  der  Hoden  infolge  ihrer  stärkeren  Füllung  erregend 
wirkt  auf  die  Zentralorgane,  welche  der  Begattung  vorstehen 
(G  o  1 1  z),  sei  es  durch  direkten  Nervenreiz,  sei  es  auf  indirek¬ 
tem  Wege  durch  uns  vorläufig  nicht  näher  bekannte  Produkte 
der  inneren  Sekretion  der  Hoden  und  vielleicht  auch  der  Pro¬ 
stata. 

Wir  wissen  über  die  einschlägigen  physiologischen  Ver¬ 
hältnisse  viel  zu  wenig,  als  dass  wir  uns  über  die  patho¬ 
logischen  ein  Urteil  gestatten  könnten. 

Jedenfalls  steht  fest,  dass  bei  geschlechtlich  erregbaren 
und  auch  geschlechtlich  anspruchsvolleren  Männern  (und  dies 
ist  ja  eine  in  Laienkreisen  weit  verbreitete  Kenntnis)  verschie¬ 
den  schmerzhafte  Anschwellungen  der  Hoden  und  Nebenhoden 
oder  Spannungsgefühle  in  denselben  zur  Beobachtung  kommen, 
wenn  der  Geschlechtsverkehr  nicht  regelmässig  in  gewissen 
Zwischenräumen  vollzogen  wird. 


potente  Patient,  der  während  der  Abwesenheit  vom  Hause  voll¬ 
kommen  abstiniert,  häufig  hat,  ist  der  Zustand  besser. 

Ich  fand  im  Kopf  und  Schwanz  des  linken  Nebenhodens  eine 
knotige,  nicht  besonders  schmerzhafte  Verdichtung,  auch  der  Samen- 
stiang  ist  etwas  verdickt  und  empfindlich,  im  Schwanz  des  rechten 
Nebenhodens  hess  sich  ein  kirschgrosser,  massig  derber  Knoten 
nicht  besonders  schmerzhaft,  nachweisen.  Der  Harn  vollkommen 
fadenfrei,  keine  Striktur;  Prostata  gesund,. 

Ich  riet  dem  Patienten  nur  ein  Suspensorium  zu  tragen  und 
sprach  die  Ueberzeugung  aus,  dass  die  Affektion  nach  seiner  Heim¬ 
kunft  von  selbst  verschwinden  werde. 

Die  geschilderten  Symptome  lassen  sich  nach  den  ver¬ 
schiedenen  Graden  ein  und  derselben  Veränderung,  die  ihnen 
zugrunde  liegt,  in  3  gleichartige,  aber  graduell  verschiedene' 
Symptomenbilder  einteilen :  Das  erste  —  die  sog.  „Bräutigams- 
sch merzen  —  stellen  das  Bild  einer  akuten  Hyperämie  dar, 
v  eiche  rasch  einsetzt  und  rasch  verschwindet,  dement¬ 
sprechend  sind  auch  die  sie  begleitenden  subjektiven  und  ob¬ 
jektiven  Symptome  akute. 

Beim  zweiten  Grade  häufen  sich  die  diese  Kongestion  her- 
» oi i ufenden  Reize;  durch  Summierung  ihrer  Wirkungen  kommt 
es  zu  einer  chronischen  Hyperämiisierung  (Fall  1  meiner  Be¬ 
obachtung);  infolge  dieser  chronischen  Hyperämisierung 
können  sich  dann  Zustände  entwickeln,  welche  klinisch  denen 
einer  chronischen  Entzündung  vollkommen  gleichen  (Fall  2 
meiner  Beobachtung). 


Allen  diesen  Veränderungen  ist  gemeinsam,  dass  sie  durch 
sexuelle  Reize  ausgelöst  werden.  Man  könnte  demnach  diese 
Ursache  durch  das  Beiwort  „erotica“  zum  Ausdruck  bringen 
und  von  einer  Hyperaemia  acuta  erotica,  von  einer  Hyperaemia 
chronica  erotica  (der  Hoden  und  Nebenhoden)  und  endlich  von 
einer  Epididymitis  erotica  sprechen. 


Bin  typisches  Beispiel  dafür  bot  mir  ein  32  jähriger  Mann.  Er 
kiagte  über  Rückenschmerzen  und  schmerzhaftes  Druckgefühl  in  den 
Hoden,  wenn  er  nicht  jede  Woche  mindestens  zweimal  den  Beischlaf 
ausiibte.  Nach  Koitus  verschwanden  diese  Beschwerden.  Patient 
hatte  vor  9  Jahren  einen  unkomplizierten  Tripper  durchgemacht,  der 
nach  zweimonatlicher  Dauer  geheilt  war;  eine  Epididymitis  stellt  er 
ausdrücklich  in  Abrede. 

Ich  fand  im  Urin  des  ungemein  kräftigen  Mannes  eine  geringe 
Zuckermenge.  Er  enthielt  keine  Tripperfäden;  die  Prostata  war  nor¬ 
mal,  in  ihrem  Sekrete  keine  Eiterzellen.  Der  rechte  Nebenhoden  war 
etwas  vergrössert  und  derber  als  der  linke,  leicht  empfindlich,  auch 
der  Hoden  schien  etwas  grösser.  Am  Tag  nach  dem  Geschlechts¬ 
verkehr  waren  die  geschilderten  Veränderungen  geschwunden,  eben¬ 
so  auch  die  subjektiven  Beschwerden. 

Drei  Monate  später  kam  Patient  wieder  mit  einer  frischen 
Gonorrhoe,  die  einen  ungemein  langwierigen  Verlauf  nahm  und  nach 
einem  halben  Jahre  so  weit  geheilt  war,  dass  Patient  nur  mehr  wenige 
eiterzellenhaltige  Tripperfäden  ohne  Gonokokken  im  Harn  aufwies. 
Im  Gefolge  der  Gonorrhöe  hatte  sich  auch  eine  chronische  Prostatitis 
entwickelt. 

Während  der  Behandlung  machte  die  geschlechtliche  Abstinenz 
c'em  I  atienten  viel  zu  schaffen;  neben  den  erwähnten  Beschwerden 
klagte  er  noch  über  Harndrang,  der  ihn  sehr  belästigte,  wenn  er 
längere  Zeit  nicht  koitiert  hatte. 

r>.  D  dieser  Zeit  hatte  ich  reichlich  Gelegenheit,  mich  von  der 
Richtigkeit  seiner  Angaben  bezüglich  des  Zusammenhanges  seiner 
Nebenhodenvergrösserung  mit  geschlechtlicher  Abstinenz  zu  über¬ 
zeugen. 

Einen  zweiten  Fall,  der  das  klassische  Bild  einer  nicht  so 
lasch  nach  Koitus  abklingenden,  sondern  länger  bestehenden 
Verdichtung  der  Nebenhoden  darbot,  konnte  ich  im  heurigen 
Jahre  beobachten. 


Ein  35  jähriger  Mann  konsultierte  mich  wegen  einer  ziemlicl 
schmerzhaften  Anschwellung  beider  Nebenhoden.  Er  hatte  vor  E 
Jahren  einen  leichten  Tripper  von  einmonatlicher  Dauer  ohne  Korn 
plikationen  durchgemacht.  Er  ist  II  Jahre  verheiratet,  seine  Frai 
ist  vollkommen  gesund,  ebenso  vSeine  Kinder.  Vor  zirka  5  Jahret 
verspürte  er  plötzlich  während  einer  Vergnügungsreise,  die  ihn  längen 
Zeit  vom  Hause  abhielt,  schmerzhafte  Anschwellungen  in  beider 
Nebenhoden,  die,  öfters  auftre^end,  nach  zirka  einer  halben  bis  einei 
stunde  wieder  verschwanden.  Dabei  ziehende  Schmerzen  in  der 
Leisten.  Dies  wiederholte  sich  mehrmals  innerhalb  14  Tagen  unc 
verschwand  dann  von  selbst  spurlos.  Vor  ungefähr  2  Monaten 
wahrend  einer  längeren  Abwesenheit  vom  Hause,  traten  neuerlich 
diese  Anschwellungen  auf,  um  aber  diesmal  erst  nach  längeren: 
Bestände  zu  verschwinden  und  zwar  erst,  nachdem  sich  Patient  in' 
Dett  gelegt  und  Umschläge  mit  essigsaurer  Tonerde  gemacht  hatte 

^  huliT1  fU<i!\  1111  *er  dJ?seT  Behandlung  die  Schmerzen  schwanden, 
so  blieben  doch  knotige  Verdickungen  der  Nebenhoden  zurück  welche 
1  atienten  grosse  Sorgen  machen,  zumal  in  den  letzten  Tagen'  wieder 
Schmerzen  dazu  getreten  sind.  Nach  Pollutionen,  welche  der  sehr 


Die  geschilderte  Affektion  ist  in  doppelter  Hinsicht  von 
Interesse.  Vor  allem  differentialdiagnostisch  gegenüber  gonor¬ 
rhoischer  Epididymitis,  ferner  ist  auch  die  Möglichkeit  nicht 
von  der  Hand  zu  weisen,  dass  infolge  derartiger  Hyperämien 
und  Epididymitiden,  Ernährungsstörungen  im  Bereiche  des 
Hodens  und  des  Nebenhodens  sich  entwickeln  können,  welche 
Sterilität  des  Mannes  zu  bewirken  imstande  sind. 

Literatur. 

Porosz:  Ueber  Epididymitis  sympath-ica  et  blennorrhoica. 
Monatshefte  f.  prakt.  Dermatologie,  B,d.  33.  —  Kisch:  Das  Ge¬ 
schlechtsleben  des  Weibes.  Wien  1907.  —  D  öder  lein:  Die  Ent¬ 
zündungen  der  Gebärmutter,  im  Handbuch  der  Gynäkologie  von 
Veit.  II.  Auflage. 


Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  Katharinenhospitals  in 
Stuttgart  (Direktor:  Professor  Dr.  Steinthal). 

Ein  Fall  von  Totalexstirpation  einer  Pankreaszyste. 

Von  Dr.  W  a  Her  Schmidt,  Oberarzt. 

Seit  die  Untersuchungen  Wohlgemnths  über  den  Ein¬ 
fluss  der  Kost  auf  die  Pankreassekretion  bekannt  geworden 
sind,  wurden  noch  mehrere  Fälle  veröffentlicht,  in  denen 
es  wie  bei  dem  Patienten  von  Woh  Egern  uth  und  Ka¬ 
re  w  sky  gelang,  durch  strenge  Diabeteskost  und  häufige 
Verabreichung  kleiner  Gaben  von  Natron  bicarbonicum  schon 
längere  Zeit  bestehende  Pankreasfisteln  binnen  kurzem  zur 
Heilung  zu  bringen.  Es  lag  nahe,  diese  Diät  nach  Pan- 
kreas  Operationen  prophylaktisch  anzuwenden, 
um  der  Entstehung  einer  Pankreasfistel  möglichst  vorzubengen. 
Ich  hatte  im  Mai  dieses  Jahres  dazu  Gelegenheit  bei  folgendem 
Fall : 

Marie  F.,  20  jähriges  Dienstmädchen  (No.  961/1907),  hatte,  wie 
sie  angab,  erstmals  im  Sommer  1906  heftigere  Bauchschmerzen  gehabt, 
auch  später  ab  und  zu  wieder,  besonders  im  November  1906.  Da  sie 
im  November  zufällig  im  Spital  war  (wegen  einer  nicht  spezifischen 
linksseitigen  Leistendriiseneiterung),  konnte  ein  solcher  Schmerz- 
anfall  von  uns  beobachtet  werden.  Sie  klagte  damals  über  kolikartige 
Schmerzen  bald  im  ganzen  Bauch,  bald  mehr  rechts  unten,  hatte  da¬ 
bei  weiche  Bauchdecken,  keine  Temperatursteigerung,  keine  Ver¬ 
dauungsstörungen.  Die  Schmerzen  verloren  sich  bei  Bettruhe,  leichter 
Kost  und  unter  Eisbeutel  nach  wenigen  Tagen  wieder.  Danach  war 
sie  beschwerdefrei  und  arbeitsfähig,  bis  sie  Anfang  Mai  1907,  während 
sie  gerade  in  der  Kirche  war,  ohne  ersichtlichen  Anlass  heftige 

-  chmerzen  links  oben  im  Baach  bekam,  sodass  sie  kaum  noch  nach 
Hause  kam  und  ins  Bett  musste.  Da  die  Schmerzen  nicht  nachliessen, 
kam  sie  am  7.  Mai  in  die  Sprechstunde  und  am  10.  zur  Aufnahme  ins 

-  pital.  Sonst  war  sie  ihrer  Angabe  zufolge  immer  gesund  gewesen. 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2481 


Sie  konnte  sich  insbesonders  keiner  Verletzung  und  keiner  Bauch- 
erkrankung  entsinnen;  auch  hatte  sie  noch  nie  geboren. 

Aufnahmebefund.  Mittelgrosses,  gut  genährtes,  gesund  aus¬ 
sehendes  Mädchen.  Körpertemperatur  normal.  Kein  Ikterus.  Bauch 
ist  nicht  aufgetrieben,  weich.  Die  Bauchdecken  lassen  sich  leicht  tief 
eindrückem;  nirgends  fühlt  man  eine  abnorme  Resistenz,  nirgends  ist 
eine  abnorme  Dämpfung.  In  der  linken  Oberbauchgegend  bei  Druck 
angeblich  stärkere  Schmerzen.  Zunge  nicht  belegt.  Verdauung  unge¬ 
stört.  An  den  Darmentleerungen  nichts  Auffälliges.  Urin  ohne  krank¬ 
hafte  Bestandteile.  Schmerzen  werden  hauptsächlich  bei  körper¬ 
lichen  Anstrengungen,  sowie  bei  direktem  Druck,  weniger  in  der 
Ruhe,  verspürt  und  nach  links  oben  im  Bauch  verlegt.  Im  übrigen 
zeigte  die  Kranke,  abgesehen  von  angeborenen  Finger-  und  Zehen¬ 
defekten,  zwei  angeborenen  queren  Furchen  hinten  unten  am  rechten 
Unterschenkel  und  einer  Operationsnarbe  in  der  linken  Leistengegend 
(von  der  Drüseneiterung  herrührend)  nichts  auffälliges. 

Der  Zustand  blieb  bei  Bettruhe,  feuchter  Einpackung  des  Bauchs, 
leichter  Kost  und  Karlsbader  Salz  unverändert.  Wiederholte  genaue 
Abtastung  des  Bauchs  ergab  nichts  Besonderes.  Erst  am  15.  Mai 
fühlte  man,  während  das  Mädchen  halb  nach  rechts  gedreht  war,  in 
der  linken  Oberbauchgegend  einen  etwa  faustgrossen,  kugeligen, 
prallen  Tumor,  der  lebhaft  druckempfindlich  war.  Er  war  sehr  leicht 
verschieblich,  rückte,  wenn  sich  die  Kranke  ganz  auf  die  rechte 
Seite  legte,  fast  bis  zur  Mittellinie,  blieb  aber  oben  im  Epigastrium, 
und  verschwand  bei  Rückenlage  ganz  unter  dem  linken  Rippenbogen. 
Milzdämpfung  war,  auch  wenn  der  Tumor  gegen  die  Mitte  gerückt 
war,  an  normaler  Stelle  vorhanden.  Ob  die  linke  Niere  an  normalem 
Platz  war,  wenn  der  Tumor  median  lag,  war  nicht  sicher  nachweisbar. 
Bei  gründlicher  Darmentleerung  veränderte  sich  der  Tumor  nicht. 
Die  Geschwulst  war  so  beweglich,  wie  eine  Wanderniere  oder  ein 
Darmtumor. 

Da  ich  glaubte,  die  Beschwerden  mit  dem  Tumor  in  Zusammen¬ 
hang  bringen  zu  müssen,  entschloss  ich  mich  zur  Operation. 

Am  18.  Mai  eröffnete  ich  in  ruhiger  Aethernarkose  die  Bauch¬ 
höhle  in  dem  oberen  Teil  der  Linea  alba.  Im  Bauchfellraum  keine 
freie  Flüssigkeit.  Serosa  blass,  glänzend.  Man  fühlt  sofort  den 
Tumor,  der  vom  Ligamentum  gastrocolicum  bedeckt  ist  und  links 
neben  der  Wirbelsäule  liegt.  Beim  Versuch,  den  Tumor  gegen  die 
Mittellinie  herüber  zu  wälzen,  wird  sofort  der  Puls  schlecht,  während 
Atmung  und  Aussehen  sich  nicht  verändern.  Nachdem  man  den 
Tumor  in  die  alte  Lage  hat  ziurücksinken  lassen,  wird  der  Puls  rasch 
wieder  gut.  Das  wiederholt  sich  bei  weiteren  Versuchen  jedesmal. 
Das  Ligamentum  gastrocolicum  wird  stumpf  in  Fingerlänge  einge¬ 
rissen.  Jetzt  sieht  man  den  blaugrau  schimmernden  Tumor  direkt 
vor  sich;  er  sitzt  dem  Pankreasschwanz  fest  auf  mit  einer  etwa  taler- 
grossen  Basis,  sonst  ist  der  Tumor  nur  am  grössten  Teil  seiner  Ober¬ 
fläche  durch  lockere  flächenhafte  Adhäsionen  mit  dem  retroperi- 
tonealen  Gewebe  verklebt.  Er  lässt  sich,  grösstenteils  stumpf,  aus- 
1  Ösen,  wobei  nur  mehrere  kleinere  Venen  unterbunden  werden  müssen. 
Um  die  Zyste  ganz  herauszubekommen,  wird  an  ihrer  Basis  eine  flache 
Schicht  Pankreasgewebe  mit  entfernt. 

Der  dadurch  gesetzte  Pankreasdefekt  ist  fast  talergross,  aber 
oberflächlich,  sodass  die  Kontinuität  des  Pankreas  nicht  unterbrochen 
und  auch  der  Hauptausführungsgang  nicht  verletzt  ist.  Die  Pankreas¬ 
wunde  blutet  kaum.  Sonst  sieht  das  Pankreas  unverändert  aus.  Das 
Bett  der  Zyste  wird  mit  2  Drains  an  der  linken  Niere  vorbei  durch 
einen  Lumbalschnitt  nach  hinten  hinaus  drainiert.  Ausserdem  wird 
ein  Drain,  begleitet  von  2  Jodoformgazestreifen,  von  der  Pankreas¬ 
wunde  aus  durch  den  Schlitz  im  Ligamentum  gastrocolicum  und  die 
Bauchwunde  neben  dem  Nabel  herausgeführt.  Im  übrigen  wird  der 
Schlitz  im  Ligament  und  die  Bauchdeckenwunde  bis  auf  die  kleine 
ramponliicke  durch  Naht  verschlossen.  Aseptischer  Deckverband. 

Die  Kranke  war  am  Schluss  der  Operation  etwas  kollabiert,  er¬ 
holte  sich  aber  auf  Kampher  und  Digalen  rasch.  Die  Körpertemperatur 
erreichte  mit  38,3°  im  Rektum  am  Abend  des  übernächsten  Tags 
ihren  Höhepunkt  und  wurde  bald  ganz  normal;  auch  die  Pulszahl  ging 
nach  wenigen  Tagen  von  110—120  auf  80—90  und  schliesslich  auf 
70 — 80  herab.  Beide  Wunden  heilten  ganz  glatt.  Die  Darmtätigkeit 
kam  bald  wieder  in  Gang;  am  5.  Tag  erfolgte  der  erste  Stuhl.  Die 
Kranke  erhielt  nach  der  Operation  eine  vollkommen  kohlehydratfreie 
Nahrung  und  vom  2.  Tag  an  häufige  kleine  Gaben  von  Natron  bi- 
carbonicum.  Das  nur  in  den  ersten  Tagen  reichlichere,  dann  immer 
spärlicher  werdende  Sekret  an  beiden  Drainagestellen  enthielt,  wie 
häufige  Untersuchungen  ergaben,  Pankreasfermente;  Kleister  wurde 
sofort  verflüssigt  (diastatisches  Ferment);  Karminfibrin  färbte  fil¬ 
triertes  Serket  im  Brutschränke  nach  1  Stunde  meistens  rosa  bis 
schwach  rot  (peptonisierendes  Ferment);  mit  Lackmus  blaugefärbte 
Milch  färbte  sich  meist  im  Laufe  einer  Stunde  durch  Freiwerden  von 
Fettsäuren  rosa  oder  rot  (fettspaltendes  Ferment).  Doch  war  die  Se¬ 
kretion  vom  3.  Tag  an  spärlich  und  immer  fehlte  der  für  Pankreas¬ 
saft  charakteristische  fade  Geruch.  Am  10.  Tag  wurde  das  vordere 
Drain  samt  den  Tampons  entfernt;  die  Drainagestelle  lieferte  noch  eine 
Zeltlang  Sekret  mit  Pankreasfermenten,  schloss  sich  dann  im  Laufe  der 
3.  Woche.  Die  hinteren  Drains  blieben  zunächst  noch  liegen. 

Am  13.  Tag  wurden  versuchsweise  statt  der  bisherigen  strengen 
Diabeteskost  Kohlehydrate  gegeben  und  Natron  weggelassen.  Der  Er¬ 
folg  war,  dass  die  Sekretion  aus  beiden  Fisteln  alsbald  viel  reichlicher 
wurde  und  den  charakteristischen  faden  Geruch  bekam.  Die  Ferment- 

No.  50. 


Wirkung  war  die  gleiche  wie  bisher.  Vom  16.  Tag  an  wurde  wieder 
strenge  Diabeteskost  und  Natron  gegeben,  worauf  die  Sekretion  aus 
beiden  Fisteln  prompt  wieder  auffällig  an  Menge  abnahm  und  den  faden 
Geruch  ganz  verlor.  Das  diastatische,  das  eiweissverdauende  und  das 
fettspaltende  Ferment  war  aus  dem  Sekret  der  hinteren  Fistel  nach 
wenigen  Tagen,  aus  dem  der  vorderen  Fistel  etwas  später  (13.  VI.) 
verschwunden.  Bald  wurden  auch  die  hinteren  Drains  entfernt  und 
die  beiden  Fisteln  schlossen  sich  nun  vollends  rasch.  Nach  völliger 
Vernarbung  beider  Wunden  ging  man  in  der  5.  Woche  allmählich 
wieder  zu  kohlehydrathaltiger  Nahrung  über  und  liess  das  Natron 
weg,  ohne  dass  irgend  eine  Störung  eintrat.  Das  Mädchen,  das  in¬ 
zwischen  das  Bett  verlassen  hatte,  fühlte  sich  vollkommen  wohl  und 
frei  von  Beschwerden;  ihre  Verdauung  war  immer  ungestört  ver¬ 
laufen;  ihr  Harn  war  bei  häufigen  Untersuchungen  (auch  während  der 
Absonderung  des  Pankreassekretes)  stets  frei  von  krankhaften  Be¬ 
standteilen  befunden  worden.  Am  10.  Juli  wurde  sie  aus  dem  Spital 
entlassen.  Bei  emer  Nachuntersuchung  Mitte  August  war  sie  in  gutem 
Ernährungszustand  und  beschwerdefrei. 

Die  pathologisch-anatomische  Untersuchung  des  Präparates 
durch  den  Prosektor  Med.-Rat  Dr.  Walz  ergab: 

„Die  Zyste  stellt  in  gehärtetem  Zustand  einen  rundlichen  Tumor 
dar  mit  glatter  Oberfläche.  An  einer  Stelle  findet  sich  eine  flache, 
rundliche  Verdickung  in  Ausdehnung  von  ca.  4  cm  und  7  mm  Dicke 
von  drüsenartigem  Aussehen  (Pankreas).  In  der  Nähe  der  Drüsen¬ 
reste  ist  eine  halbkugelförmige  Prominenz  der  Zyste  von  414  cm 
Durchmesser,  während  die  Stelle,  wo  der  Drüsenrest  aufsitzt,  etwas 
eingezogen  ist.  Das  Gewicht  der  gehärteten  Zyste  beträgt  320  g. 
Die  Farbe  ist  schwarzblau  durchschimmernd.  Auf  dem  Durchschnitt 
erweist  sich  der  schokoladebraune  Inhalt  geronnen,  von  sulziger  Kon¬ 
sistenz.  Eine  ziemlich  gleichmässige,  ca.  0,25 — 0,2  cm  dicke,  durch¬ 
scheinende  Kapsel  bildet  die  äussere  Hülle.  Der  Drüsenrest  springt 
auf  dem  Durchschnitt  spitzwinklig  in  das  Lumen  der  Zyste  vor;  von 
der  Spitze  des  Winkels  zieht  sich  ein  gelbrötlicher,  3  mm  breiter 
Streifen  zur  Aussenseite  der  erwähnten  Vorbuckelung,  anscheinend 
eine  Tochterzyste  abgrenzend;  doch  ist  die  Konsistenz  dieses  Strei¬ 
fens,  von  welchem  sich  ein  Fortsatz  im  zentralen  Teil  der  grossen 
Zyste  verliert,  von  gleicher  sulziger  Beschaffenheit,  wie  der  übrige 
Zysteninhalt. 

Mikroskopisch  besteht  die  Kapsel  aus  derbem  Bindegewebe  mit, 
besonders  in  der  Nähe  des  Drüsenrestes,  zahlreichen  kleinen  Blut¬ 
gefässen.  Zwischen  den  Bindegewebsfasern  liegen  mässig  zahlreiche 
flachspindelige  Kerne.  Gegen  das  Zystenlumen  fehlt  jeglicher  Zell¬ 
belag.  Von  dem  Pankreasrest,  dessen  Läppchen  parellel  zur  Zysten¬ 
wand  in  die  Länge  gezogen  und  verschmälert  sind,  ist  die  Zystenwand 
durch  lockeres  Bindegewebe  abgegrenzt.  Doch  liegen  einzelne  Läpp¬ 
chen  unmittelbar  ohne  Grenze  der  Zystenwand  selbst  an.  An  der 
Spitze  des  in  das  Zystenlumen  vorspringenden  Winkels,  der  aus  Pan¬ 
kreasläppchen  gebildet  ist,  ist  die  Zystenwand  etwas  verdickt,  jedoch 
abgerundet  und  ohne  bindegewebigen  Fortsatz  in  das  Innere  der  Zyste. 
Zu  beiden  Seiten  des  vorspringenden  Winkels  teilt  sich  die  Zysten¬ 
wand  und  umschliesst  zwei  kleine  linsenförmige  Hohlräume.  Der 
Inhalt  der  Zyste  ist  von  bräunlichgelber,  bei  Eosinfärbung  leuchtend 
roter  Farbe  und  lässt  grösstenteils  noch  die  Zusammensetzung  aus 
roten  Blutkörperchen  mit  einzelnen  weissen  Blutkörperchen  er¬ 
kennen.  Einer  der  kleineren  Hohlräume  enthält  kein  Blut.  Die  Läpp¬ 
chen  des  Pankreas  zeigen  gute  Kernfärbung  der  Epithelien;  zwischen 
den  einzelnen  Läppchen  findet  sich  zerstreut  neben  lockerem  Binde¬ 
gewebe  reichliches  Fettgewebe.  —  Nach  diesem  Befund  handelte  es 
sich  nicht  um  eine  echte  „Zyste“,  sondern  um  eine  hämorrhagische 
Zyste.“ 

Wann  die  Zyste  oder  vielmehr  die  Hämorrhagie,  die  zur 
Entwicklung  einer  Pseudozyste  führte,  entstanden  ist,  ist  aus 
der  Anamnese  nicht  zu  ersehen.  Einer  Verletzung  erinnerte 
sich  die  Kranke  nicht  und  ihre  sonstigen  Angaben  geben  auch 
keinen  festen  Anhaltspunkt.  Bei  den  plötzlichen  Schmerzen  An¬ 
fang  Mai  1907  kann  die  Pseudozyste  wohl  nicht  erst  entstanden 
sein,  wenn  die  mikroskopische  Untersuchung  der  2/4  Wochen 
später  entfernten  Zyste  schon  eine  Kapsel  aus  derbem  Binde¬ 
gewebe  ergab.  Dagegen  könnte  man  sich  vorstellen,  dass 
Anfang  Mai  eine  Verschlimmerung  stattgefunden  hat,  die  ihren 
pathologisch-anatomischen  Ausdruck  in  der  mit  einer  Tochter¬ 
zyste  verglichenen  Ausbuchtung  der  Zyste  in  der  Nähe  der 
Basis  haben  könnte.  Dass  die  starken  Beschwerden,  über  die 
die  Kranke  beim  Eintritt  ins  Spital  klagte,  mit  der  Zyste  in 
Zusammenhang  standen,  ist  wohl  anzunehmen,  da  sie  nach  der 
Operation  verschwunden  waren  und  blieben.  Die  grosse  Be¬ 
weglichkeit  der  Zyste,  die  in  unserem  Fall  an  eine  Wanderniere 
denken  liess,  ist  auch  von  anderen  gelegentlich  bei  Zysten,  die 
vom  Pankreas  schwänz  ausgehen,  beobachtet  worden.  Für 
die  plötzliche  Pulsverschlechterung  bei  Zug  an  der  Zyste  wäh¬ 
rend  der  Operation  darf  man  vielleicht  die  Nachbarschaft  des 
Plexus  coeliacus  zur  Erklärung  nehmen  und  an  reflektorische 
Vorgänge  denken.  Das  Wichtigste  an  dem  Fall  ist,  dass  der 
Verlauf  nach  der  Operation  die  Wohlgemuth  sehen  Be¬ 
obachtungen  über  den  Einfluss  der  Kost  auf  die  Pankreassekre- 

3 


2482 


MIJETNCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


tion  bestätigt  und  unsereErwartung,  es  werde  durch  prophylak¬ 
tische  \  erabi  eichung  von  Diabeteskost  und  Natron  gelingen,  die 
Ausbildung  einer  Pankreasfistel  zu  verhindern,  erfüllt  hat.  Es 
ist  allerdings  durch  beide  Drainagen  einige  Wochen  ein  Sekret 
abgc flössen,  das  Pankreasferment  enthielt  und  deshalb  wohl, 
wenn  auch  seine  Zusammensetzung  und  Wirkung  nicht  genau 
die  gleiche  wie  bei  normalem  Pankreassekret  war,  als  Pan¬ 
kreassekret  angesprochen  werden  kann.  Aber  die  Sekretion 
war  doch,  so  lange  die  Diät  eingehalten  wurde,  immer  nur  ganz 
geling  an  Menge  (die  reichlichere  Sekretion  in  den  ersten 
“  I  agen  nach  der  Operation  kommt  nicht  auf  Rechnung  der 
Pankreaswunde),  so  dass  auch  der  charakteristische  fade  Ge¬ 
ruch,  dei  sonst  bei  Pankreasfisteln  das  ganze  Zimmer  erfüllt, 
sich  nicht  bemerklich  machte.  Erst  mit  Aenderung  der  Diät 
am  13.  lag  post  op.  wurde  das  Sekret  auf  einmal  viel  reich¬ 
licher  und  fad  riechend,  um  aber,  nach  Rückkehr  zur  Diabetes¬ 
kost  mit  Natron  sofort  wieder  nachzulassen  und  den  Geruch  zu 
verlieren  und  bald  überhaupt  ganz  zu  versiegen.  Es  ist  aber 
ausser  Zweifel,  dass  die  Wohlgemuth  sehe  Diät  in  unserem 
rall  einen  starken  Einfluss  auf  die  Pankreassekretion  gehabt 
hat  und  man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  dieser  Diät  auch 
das  frühzeitige  völlige  Versiegen  der  Pankreasfistel  zuschreibt. 

Es  leuchtet  ohne  weiteres  ein,  von  welchem  Wert  es  ist, 
die  Pankreassekretion  in  dieser  Weise  regeln  zu  können.  Man' 

wird  nun  bei  allen  Fällen  von  Pankreas  v  e  r  1  e  t  z  u  n  g  _ 

sei  es  durch  I  rauma,  sei  es  bei  einer  Operation  —  die  Se¬ 
kretion  zu  beschränken  suchen,  um  den  gefürchteten  Folgen  der 
Ausflüsse  von  Pankreassekret  vorzubeugen  und  es  liegt  auch 
nahe,  bei  Pankreaserkrankungen  das  kranke  Organ 
zu  schonen,  gleichsam  ruhig  zu  stellen,  indem  man  d  i  e  Kost, 
die  das  Pankreas  am  wenigsten  zur  Sekretion  reizt  wählt' 
Leider  stand  mir  letzter  Zeit  kein  Fall  zur  Verfügung  (Pankreas¬ 
erkrankungen,  wenigstens  solche  die  bis  jetzt  der  Diagnose 
beim  Lebenden  zugänglich  sind,  sind  ja  verhältnismässig  selten), 
bei  dem  ich  den  Einfluss  der  Diabeteskost  auf  ein  erkranktes 
Pankreas  hätte  beobachten  können.  Aber  es  ist  zu  hoffen,  dass 
bei  dem  regen  Interesse,  das  man  den  Pankreaserkrankungen 
heutzutage  entgegenbringt,  doch  da  oder  dort  ein  sich  gerade 
darbietender  Fall  zu  weiteren  Studien  in  dieser  Richtung  be¬ 
nützt  wird. 


Im  Anschluss  an  diese  Mitteilung  möchte  ich  noch  kurz  von 
einem  Fall  belichten,  bei  dem  es,  wie  bei  den  verschiedenen 
in  diesem  Jahre  von  anderen  veröffentlichten  Fällen,  gelang 

durch  die  Wo  h  1  g  e  m  u  t  h  sehe  Diät  eine  alte  Pankreasfistei 
zur  Heilung  zu  bringen. 


Es  ist  der  Patient  J.  M.,  Spezereihändler  aus  Waiblingen,  dessen 
Krankengeschichte  ich  in  No.  38  der  Deutsch,  med.  Wochenschr  1906 
wiedergegeben  habe.  Bei  ihm  war  10  Tage  nach  Operation  einer 
Pancreatitis  haemorrhagica  eine  Fistel  entstanden,  die  anfangs  (No¬ 
vember  1905)  bis  zu  einem  Liter  Pankreassekret  in  24  Stunden  lieferte. 
Die  Sekretion,  die  den  Kranken  anfangs  ausserordentlich  belästigte 
war  allmählich  von  selbst  bis  auf  100—150  ccm  in  24  Stunden  (Herbst 
1906)  und  weiter  bis  auf  20—30  ccm  in  24  Stunden  (Juli  1906)  zurück¬ 
gegangen.  Sie  geniert  den  Kranken  jetzt  nicht  mehr  viel;  er  hatte  das 
in  dei  Fistel  seitlich  leclits  am  Ba/uche  steckende  dünne  Drainrohr  durch 
einen  Schlitz  im  Hemd  in  eine  flache,  kleine  Schnapsflasche  geleitet,  die 
er  in  einer  I  asche  im  Hemd  trug.  Für  die  Unterbringung  des  täglich 
ausihessenden  Sekrets  war  so  gesorgt  und  der  Mann  ging  dabei  ruhig 
seinem  Beruf  nach  und  fühlte  sich  auch  so  vollkommen  wohl,  dass  es 
Muhe  hielt,  ihn  zu  bereden,  für  einige  1  age  zur  Durchführung  strenger 
Diabeteskur  und  zur  Beobachtung  ins  Spital  zu  kommen.  Bei  der 
Aufnahme  am  23.  VII.  1907  war  das  Sekret,  dessen  Menge  in  24  Stun¬ 
den  höchstens  noch  20  30  ccm  betrug,  trübe,  von  unangenehmem 
laden  (  ierucli  und  enthielt  ein  diastatisches,  eiweissverdauendes  und 
eni  iettspaltendes  Ferment.  Nach  Einleitung  strenger  Diabeteskost 
mit  Natron  nahm  die  Sekretmenge  ab,  ohne  ihr  chemisches  Verhalten 
zu  andern.  Beim  Austritt  aus  dem  Spital  am  31.  VII.  betrug  die 
Sekretmenge  noch  3—5  ccm  in  24  Stunden  und  das  Sekret  enthielt 
noch  Pankreasfermente.  4m  11.  VIII.  zeigte  sich  der  Kranke  wieder. 
Fr  hatte  angeblich  auch  zu  Hause  sich  streng  an  die  verordnete  Kost 
gehalten  und  am  7.  VIII.  war  die  Sekretion  versiegt.  Die  Fistel,  die 
I  /»  Jahre  lang  Pankreassekret  geliefert  hatte,  war  in  der  Tat  fest 
geschlossen  und  sie  ist  auch  bis  jetzt  (Mitte  September  1907)  ge¬ 
schlossen  geblieben,  ohne  dass  sich  das  Wohlbefinden  und  das  gute 
Aussehen  des  Herrn  geändert  hätte. 


Ein  Fall  von  Schweinerotlauf  beim  Menschen  und 
dessen  Heilung  durch  Schweinerotlaufserum. 

Von  Dr.  A.  W  e  1  z  e  1,  Emmerich  a.  Rh. 

Dass  der  Bazillus  •  des  Schweinerotlaufes  auch  für 
den  Menschen  infektiös  ist  und  bei  ihm,  allerdings 
meist  in  abgeschwächtem  Masse,  ein  Krankheitsbild 
ei  zeugt,  welches  dem  beim  Tiere  auftretenden  ähnlich 
sieht,  ist  in  den  letzten  Jahren  durch  mehrfache  Mit¬ 
teilungen  erwiesen.  Durchweg  handelte  es  sich  um 
Eikrankungen  von  Tierärzten,  die  sich  bei  der  Ausführung 
ei  heutzutage  allgemein  angewandten  Schutzimpfungen  gegen 
den  Schweinerotlauf  infizierten.  Bekanntlich  wird  zur  Immuni-' 
sierung  der  Schweine  gegen  den  Rotlauf  das  sogenannte  Si¬ 
multanverfahren  nach  Lorenz  angewendet.  Dieses  besteht 
ann,  dass  die  I  iere  ausser  einer  ihrem  Körpergewicht  ent¬ 
sprechenden  Dosis  eines  hochwertigen  Immunserums  auch  eine 
geringe  Menge  (etwa  1  Tropfen)  einer  Reinkultur  von  Rotlauf¬ 
bazillen  unter  die  Haut  erhalten.  Wenn  durch  irgend  ein  Miss¬ 
geschick  bei  der  Impfung  der  meist  unruhigen  Tiere  eine  Ver¬ 
letzung  an  der  Hand  des  Operateurs  eintritt,  so  ist  die  Gelegen¬ 
heit  zur  Infektion  mit  der  Reinkultur  gegeben. 

So  berichtet  Never  m  a  n  n  *)  über  drei  Fälle,  in  denen  die 
ei  etzung  durch  einen  Stich  mit  der  Impfnadel  in  einen  Finger 
erfolgte.  Er  führt  auch  den  Fall  eines  Metzgers  an,  der  beim 
Schlachten  eines  rotlaufkranken  Schweines  eine  frische  Wunde 
an  dei  Efand  hatte.  In  allen  diesen  Fällen  traten  nach  Ablauf 
\  on  12  Stunden  bis  3  Jagen  stechende  Schmerzen  und  An- 
schwellung  des  Fingers  bezw.  der  Hand,  meist  mit  blauroter 
Verfärbung  und  teilweise  mit  Bildung  von  Knötchen  auf.  In 
m-1.1!6!11  Slle  Wl,rde  der  Heilungsverlauf  von  den  angewandten 
Mitteln  (Einreibung  mit  Jodvasogen,  Umschläge  mit  essigsaurer 
loneide  oder  Sublimat)  wesentlich  beeinflusst  und  schwankte 
dessen  Dauer  zwischen  drei  und  acht  Wochen. 

Nevermann  berichtet  a.  a.  O.  auch  über  den  Fall  eines 
I  lerarztes,  der  sich  beim  Impfen  an  dem  zersplitterten  Rande 
eines  Kulturröhrchens  unerheblich  am  Finger  verletzte.  Nach 
kürzet  Zeit  machten  sich  an  der  Stichstelle  grosse  Schmerzen 
bemerkbar.  Der  zugezogene  Arzt  behandelte  den  allmählich 
blaurot  angeschwollenen  Arm  mittelst  Kälte,  essigsaurer  Ton¬ 
eide,  später  operativ  und  mit  Einspritzungen  von  Argentum 
colloidale.  Eiterherde  wurden  nicht  gefunden.  Am  vierten 
l  äge  starb  der  Patient  auf  dem  Transport  zu  einer  Klinik.  Ge¬ 
sicht,  Ohren,  Hals  und  Hände  des  Toten  waren  kupferfarben 
oder  blaurot  gefärbt.  Leider  wurde  die  Diagnose  nicht  bak¬ 
teriologisch  festgestellt,  immerhin  hat  Nevermanns  Ver¬ 
mutung,  dass  die  Infektion  durch  Rotlaufbazillen  den  Tod  direkt 
herbeigeführt  habe,  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlich¬ 
keit  für  sich. 

Bei  der  Durchsicht  dieser  Fälle  ist  es  auffallend,  dass  trotz 
des  täglichen  Hantierens  mit  Schweinerotlaufserum  keiner  der 
erkrankten  Tierärzte  auf  den  Gedanken  gekommen  ist,  die  Wir¬ 
kung  einer  Heildosis  besagten  Serums  an  sich  selbst  zu  er¬ 
proben.  Ich  habe  in  der  Literatur  nur  einen  derartigen  Fall 
gefunden,  nämlich  den  des  Tierarztes  Hennig  -).  Dieser  hatte 
sich  am  Zeigefinger  der  rechten  Hand  durch  einen  Stich  mit 
der  Kanüle  der  Rotlaufkiilturspritze  infiziert.  Es  trat  schon 
am  nächsten  J  age  eine  heftige  Schwellung  der  Unterhaut  am 
rechten  Zeigefinger  ein,  die  nach  einigen  Tagen  zurückging, 
während  sich  an  der  Hand  ein  schmerzhaftes  Erythema  migrans 
ausbildete.  Auf  den  Rat  des  Kreistierarztes  Paul  wurde  eine 
Rotlaufinjektion  gemacht.  Noch  am  Abend  desselben  Tages 
war  die  Hand  schmerzlos,  das  Erythem  verschwunden  und 
schon  am  nächsten  Tage  konnte  die  bis  dahin  im  Verbände  ge¬ 
tragene  Hand  vollständig  gebraucht  werden. 

Auch  ich  bin  in  der  Lage  über  einen  ähnlichen  Fall  zu  be- 
i  ich  teil,  den  ich  genau  beobachten  konnte  und  der  mich  durch 
den  Heilerfolg  der  vorgenommenen  Seruminjektion  geradezu 
verblüffte. 

Herr  Kreistierarzt  L.  verletzte  sich  am  24.  September  ds.  Js.  be: 
Injektion  einer  Reinkultur  von  Rotlaufbazillen,  indem  die  mit  Kultur 
gelullte  Kanüle  der  Injektionsspritze  ihm  in  die  Kutis  der  Dorsalseite 
des  Nagelgliedes  des  rechten  Daumens  drang  und  eine  etwa  3  cm 


o}  Jahres- Veterinfirber.  der  beamteten  Tierärzte  Preussens  1905. 
)  Berliner  tierärztl.  Wochenschr.  1907,  No.  28. 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2483 


lance  oberflächliche  Risswunde  verursachte;  an  einzelnen  Stellen 
luoll  ein  Tröpfchen  Blut  hervor.  Erst  nach  10  Minuten  erfolgte  ein 
Abwaschen  der  Hände  mit  Seifenwasser,  keine  Desinfektion,  kein 

Verband  der  Wunde.  v  _ 

Am  nächsten  Morgen  (25.  VIII.)  Auftreten  einer  Rötung  und  ge¬ 
ringen  Schwellung  in  der  Umgebung  der  Wunde,  die  aber  in  den 
nächsten  24  Stunden  beinahe  völlig  verschwinden. 

Am  26.  nimmt  Herr  L.  wiederum  an  einer  grossen  Anzahl  von 
Schweinen  Impfungen  vor;  bei  dieser  Gelegenheit  gelangt  die  noch 
nicht  geheilte  Wunde  aufs  neue  mit  Kulturen  in  Berührung. 

27  VIII.  Auftreten  einer  bedeutenden  Rötung  und  Schwellung, 
die  sich  über  das  ganze  Nagelglied  des  Daumens  erstreckt;  zugleich 
bestehen  sehr  starke  stechende  Schmerzen. 

Am  28.  VIII.  sah  ich  den  Patienten  zum  ersten  Male  und  zeigte 
sich  mir  "folgendes  Bild :  Der  linke  Daumen  ist  in  seiner  distalen 
Hälfte  ringsum,  besonders  auch  an  der  Innenseite,  teigig  infiltriert 
und  blaurötlich  verfärbt.  Die  Rötung  zeigt  zungenförmige  Ausläufer, 
der  Schmerz  ist  erträglich. 

29.  VIII.  Die  Schmerzen  nehmen  zu,  ebenso  die  Rötung  und  die 
Schwellung;  der  Daumen  erscheint  um  gut  Vs  vergrössert;  es  zeigen 
sich  nirgends  Anzeichen  einer  Eiterung,  es  besteht  kein  Fieber.  Um 
11  Uhr  vormittags  wird  eine  B  i  e  r  sehe  Stauung  vorgenommen,  die 
Binde  um  die  Mitte  des  Oberarms  angelegt;  es  erfolgt  mässiges 
Stauungsödem,  die  Schmerzen  nehmen  im  Laufe  des  Nachmittags 
etwas  ab.  Gegen  Mitternacht  wird  die  Binde,  die  sich  gelockert  hatte, 
vom  Patienten  abgenommen. 

30.  VIII.  vormittags  10Vs  Uhr.  Das  Stauungsödem  am  Unterarm 
ist  verschwunden,  dagegen  haben  die  Rötung  und  Schwellung  am 
Daumen  erheblich  zugenommen  und  erstrecken  sich  auch  auf  den 
gesamten  Daumenballen  und  den  Zeigefinger;  die  Schmerzen  werden 
als  stark  stechende  bezeichnet.  Innerhalb  der  diffusen  Rötung  er¬ 
scheinen  etwas  dunklere,  mehr  bläulichrot  gefärbte  kleine  Felder. 
Vom  Daumen  ausgehend  zeigt  sich  über  der  Innenseite  des  Unter-  und 
Oberarms  bis  an  die  Stelle,  an  der  am  Tage  vorher  die  Stauungsbinde 
angebracht  war,  ein  genau  verfolgbarer  und  abgegrenzter  roter  Strang 
oberflächlicher  entzündeter  Lymphgefässe;  die  Axillardrüse  ist  nicht 
geschwollen,  Temperatur  37,0. 

Bei  dem  unzweifelhaften  Fortschreiten  der  Erkrankung  ent¬ 
schloss  ich  mich  —  zugleich  dem  Wunsche  des  Patienten  entsprechend 
—  zu  einer  Injektion  mit  Rotlaufserum.  Von  diesem  (Susserin- 
Hüchst)  wurden  8  Vs  ccm  (1  ccm  pro  10  kg  Körpergewicht)  unter  den 
üblichen  Kautelen  in  das  Unterhautzellgewebe  eines  Oberschenkels 
und  des  Bauches  eingespritzt.  Die  Injektion  war  absolut  schmerzlos 
und  zeigten  die  Injektionsstellen  auch  später  keine  Spur  von  Reaktion. 

Um  1  Uhr  liess  mir  Patient,  dem  ich  Bettruhe  anempfohlen  hatte, 
per  Telephon  mitteilen,  die  Schmerzen  hätten  schon  eine  halbe  Stunde 
nach  der  Einspritzung  nachgelassen.  Als  ich  um  4  Uhr  nachmittags 
ihn  aufsuohte,  bot  sich  mir  folgendes  Bild;  Der  Daumen  ist  ganz  be¬ 
deutend  abgeschwollen,  die  Rötung  am  Daumenballen  und  Zeigefinger 
ist  verschwunden,  am  Daumen  in  geringem  Masse  noch  vorhanden; 
von  dem  lymphangi  tischen  Strang  am  Unter-  und 
Oberarm  ist  keine  Spur  mehr  zu  sehen.  Die  Schmerzen 
sind  völlig  verschwunden,  am  Daumen  besteht  etwas  Juckgefühl. 

31.  VIII.  Der  Daumen  ist  völlig  abgeschwollen,  die  Haut  sieht 
runzelig  aus,  hie  und  da  zeigen  sich  in  dieser  noch  dunkler  gefärbte 
Stellen.  Schmerzen  fehlen  völlig,  Herr  L.  gebraucht  die  Hand  und 
den  Daumen  wie  früher.  —  In  den  folgenden  Tagen  schuppt  sich  die 
Haut-  des  Fingers  allmählich  ab. 

Es  wird  wohl  kaum  einem  begründeten  Zweifel  begegnen, 
wenn  man  bei  dem  rapiden  Rückgang  sämtlicher  Erscheinungen 
in  diesem  Falle,  wie  auch  in  dem  oben  mitgeteilten,  die  Hei¬ 
lung  mit  der  Einverleibung  des  spezifischen  Heilserums  in  Ver¬ 
bindung  bringt. 


Ueber  Nagelpigmentation  bei  sekundärer  Syphilis. 

Von  Hans  Vorn  er. 

In  der  Münch,  med.  Wochenschr.  habe  ich  vor  einem  halben 
Jahre  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  es  bei  Onychia  luetica 
zu  einer  durch  Imprägnierung  mit  natürlichem  Pigment  hervor¬ 
gerufenen  Dunkelung  bis  Schwärzung  der  Finger-  event.  der 
Zehennägel  kommen  kann.  Dieses  seltene  Vorkommen  hatte 
ich  an  zwei  Fällen  beobachtet. 

Vor  kurzem  habe  ich  wiederum  eine  Pigmentierung  der 
Fingernägel  bei  einem  luetischen  Patienten  gesehen,  die  insofern 
sich  vor  den  früheren  Beobachtungen  auszeichnet,  als  entzünd¬ 
liche  Veränderungen  fehlten.  Der  Krankheitsverlauf  ist  kurz 
folgender; 

Der  Patient  E.,  21  Jahre  alt,  der  abgesehen  von  den  Infektions¬ 
krankheiten  des  Kindesalters  immer  gesund  gewesen  war,  suchte 
mich  zunächst  im  Juni  vorigen  Jahres  wegen  einer  Gonorrhöe  auf, 
die  eine  Behandlung  bis  Dezember  notwendig  machte. 

Ende  März  dieses  Jahres  infizierte  er  sich  mit  Syphilis,  Mitte 
Mai  traten  2  Ulzerationen  an  dem  Rande  des  Präputium  auf,  die  den 
Charakter  von  Primäraffekten  hatten  und  in  Ausstrichpräparaten  mit 


Giemsa  färbbare  Spirochäten  von  den  Eigenschaften  der  Pallida 
enthielten,  im  Juni  trat  eine  Angina  auf,  die  sich  durch  ihre  dunkel- 
rote  Farbe  auszeichnete  und  sich  hierdurch  scharf  gegen  die  vor¬ 
deren  blässeren  Gaumenpartien  abhob.  Innerhalb  der  geröteten  Par¬ 
tie  der  Gaumenbögen,  des  Zäpfchens  und  der  Tonsillen  bestanden 
blassgraue  bis  silbergraue,  leicht  erhabene,  ca.  2—4  mm  grosse,  runde 
oder  ovale  Plaques.  Drüsen  am  Halse  und  am  Nacken  deutlich  ge¬ 
schwollen.  Gleichzeitig  besteht  Haarausfall  an  zahlreichen  Stellen 
des  behaarten  Kopfes.  Die  Stellen  sind  zirka  pfennigstückgross 
gleichmässig  verteilt.  Haarausfall  an  den  einzelnen  Stellen  nicht  ab¬ 
solut  und  nicht  scharfrandig.  Der  Patient  weigert  sich,  sich  einer 
Allgemeinkur  mit  Hydrargyrum  zu  unterziehen.  Aus  diesem  Grunde 
nimmt  er  Jod  und  inhaliert  mit  Sublimat  1:2000. 

In  der  gleichen  Zeit  zeigten  sich  an  der  Lunula  der  Fingernägel 
dunkle  bis  schwärzliche  Stellen,  die  von  Woche  zu  Woche  peripher- 
wärts  an  Grösse  Zunahmen.  Die  Verfärbung  war  nicht  an  allen 
Nägeln  eine  gleichmässige.  An  der  linken  Hand  war  allein  der 
Nagel  des  5.  Fingers  stark  verfärbt.  Er  war  fast  vollständig  dunkel¬ 
schwarz  bis  auf  die  äussere  Partie,  die  etwas  heller  erschien.  Am 
4.  und  3.  Finger  bemerkte  man  nur  einige  dünne  Längsstreifen  von 
bräunlicher  bis  schwärzlicher  Pigmentierung  auf  dem  Nagel.  An 
demjenigen  des  Zeigefingers  war  besonders  dunkel  die  äussere  und 
innere  Seite  verfärbt,  während  die  Mitte  nur  einige  angedeutete 
Längsstreifen  aufwies.  Am  Daumennagel  war  besonders  die  Innen¬ 
seite  schwarz  verfärbt  bis  zur  Mitte,  während  die  Aussenseite 
von  längsstreifiger  Pigmentierung  besetzt  ist.  Die  Nägel  der 
anderen  Hand  waren  fast  symmetrisch  befallen.  Nur  hatte  der 
Daumennagel  mehr  Pigment  auf  der  Aussenseite  aufzuweisen.  Der 
3.  und  4.  Finger  zeigten  eine  noch  erheblichere  Pigmentierung  als 
an  der  anderen  Hand.  Dabei  war  besonders  bemerkenswert,  dass 
die  Oberfläche  der  Nägel  vollkommen  normal  gestaltet  war,  ihre 
normale  Glätte  und  ihren  gewöhnlichen  Glanz  aufwies.  An  allen 
Fingern  waren  und  blieben  der  Nagelfalz  sowie  der  Nagelrand,  wie 
überhaupt  die  Finger  selbst  vollkommen  frei  von  irgendwelchen  ent¬ 
zündlichen  Erscheinungen.  Nachdem  die  Veränderung  diesen  Grad 
erreicht  hatte,  liess  ich  weisse  Präzipitatsalbe  einreiben,  und  zwar 
an  der  Endphalanx  der  Finger.  Die  Affektion  war  in  ca.  12  Wochen 
verschwunden. 

Aus  der  Krankengeschichte  geht  wohl  unzweifelhaft  her¬ 
vor,  dass  der  betreffende  Patient  Lues  hatte  und  im  3.-4.  Monat 
eine  Pigmentierung  der  Nagelsubstanz  akquirierte,  die  mit 
seiner  Lues  wohl  im  Zusammenhang  steht.  Wie  in  den  früheren 
Fällen  zeigte  sich,  dass  die  Verfärbung  nicht  etwa  oberflächlich 
war,  sondern,  soweit  sich  durch  Abschaben  verfolgen  liess,  bis 
auf  den  Grund  der  Nagelsubstanz  reichte. 

Die  Veränderung  in  den  beiden  anderen  Fällen^  trat  un¬ 
gefähr  in  der  gleichen  Zeit,  ebenfalls  im  4.  Monat  der  Krankheit, 
auf  und  zwar  im  Anschluss  an  eine  Paraonychia  luetica, 
während  in  diesem  Falle  keine  Veränderung  sich  zeigte.  Es 
könnte  sich  also  hier  um  eine  echte  Pigmentsyphilis  der  Nägel 
gehandelt  haben.  Vielleicht  hat  eine  sehr  leichte  oder  rasch 
vorübergehende  Erkrankung  der  Nagelmatrix  Vorgelegen,  die 
sich  der  Beobachtung  entzog.  Denn  auch  in  den  früheren 
Fällen  trat  die  Pigmentierung  erst  erheblich  später  nach  dem 
Beginn  der  entzündlichen  Erscheinungen  auf. 


Aus  dem  Elisabethkrankenhaus  zu  Kassel. 

Steril- Rohkatgut.*) 

Von  Dr.  F  r.  K  u  h  n,  dirigierender  Arzt. 

Kürzlich  ging  durch  die  Tagesblätter  folgende  Notiz  aus 
Bologna  in  Italien: 

In  der  Stadt  herrscht  ein  lebhafte  Aufregung  über  das  Bekannt- 
wer.den  einer  Starrkrampfepidemie  in  der  Klinik  von  S.  Orsola.  Die 
Klinik  ist  infolge  Verfügung  des  Ministeriums  geschlossen  worden, 
da  keiner  der  behandelnden  Chirurgen  es  mehr  wagte,  eine  Operation 
vorzunehmen.  Der  erste  Fall  ereignete  sich  vor  wenigen  Wochen, 
wo  ein  Patient  nach  der  Amputation  eines  Beines  plötzlich  am 
Tetanus  erkrankte  und  starb.  Bedenklicher  wurde  noch  die  Sache, 
als  kurz  nach  diesem  ersten  Fall  eine  Frau,  ebenfalls  nach  einer 
Operation,  am  Starrkrampf  starb.  Der  Fall,  der  die  Schliessung 
der  Klinik  im  Gefolge  hatte,  ist  folgender:  Ein  Mann  hatte  eine  leichte 
Bruchoperation  durchgemacht.  Die  Wunde  war  bereits  gut  ver¬ 
narbt  und  der  Patient  sollte  in  wenigen  Tagen  entlassen  werden, 
als  er  plötzlich  vom  Starrkrampf  befallen  wurde.  Er  liegt  jetzt  schwei- 
krank  darnieder  und  ist  mit  zwei  Aerzten  und  zwei  Pflegern  streng¬ 
stens  isoliert.  Von  dem  Leiter  der  Klinik,  Professor  M  a  g  n  i,  sind  die 
umfassendsten  Vorsichtsmassregeln  getroffen  worden,  sodass  zu  hoffen 
ist  dass  die  schreckliche  Krankheit  keine  weiteren  Opfer  fordern 
wird  Prof.  Guido  T  i  z  z  o  n  i,  ein  bekannter  Forscher,  speziell  auf 
dem  Gebiete  des  Tetanus,  hat  auf  eine  Anfrage  nach  der  Ursache 


*)  Vortrag,  gehalten  auf  der  79.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte.  Dresden  1907. 

3* 


248  4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  50. 


dieser  Epidemie  sehr  zurückhaltend  geantwortet  und  seine  Ansicht 
dahin  ausgesprochen,  dass  cs  langwieriger  Studien  und  Unter- 
suchun^n  bedarf,  um  die  Ursache  mit  Sicherheit  festzustellen.  E  r 
erinnert  an  einen  Fall,  d  e  r  i  n  derKlinikfürGeburts- 
hilfe  zu  Pisa  vorgekommen  ist  und  bei  dem  er  nach 
mehreren  Monaten  feststellen  konnte,  dass  nicht 
genügend  desinfiziertes  K  -a  t  g  u  t  die  Ursache  der 
Erkrankung  war. 

Meine  Herren!  Sie  werden  sich  erinnern,  dass  ich  auf  dem 
letzten  Chirurgenkongresse1)  zu  Berlin  1907,  6  sichere  Fälle2) 
von  Uebertragung  von  Wundstarrkrampf,  vermittelt  durch  Kat- 
gut,  mitteilte;  ferner  sprach  ich  damals  von  einer  Reihe  wahr¬ 
scheinlicher  Fälle  und  nannte  ihre  Autoren  in  der  Literatur* 
endlich  zählte  ich  noch  sehr  viele  mögliche  auf. 

Zu  diesen  Fällen  kommen  noch  einer  von  B  a  s  s  i  n  i,  einer 
von  R  i  e  d  i  n  g  e  r  und  zwei  von  Borchard,  letzterer  nach 
persönlicher  Mitteilung.  Die  erwähnten  9  Tetanusfälle  würden 
durch  die  4  aus  Bologna  auf  13  ergänzt. 

Wenn  nun  auch  diese  Uebertrag  ungeii  von  T  e  - 
t  a  n  u  s  durch  Katgut  eine  Ausnahme  sind,  und  relativ  selten, 
so  geben  sie  doch  und  ihr  Vorkommen  einen  Fingerzeig  für  die 
Bewertung  unseres  derzeitigen  Katgutmaterials  und  noch  mehr 
der  derzeitigen  Methoden  seiner  Desinfektion.  Vor  allem  bleibt 
wichtjg  zu  betonen,  dass  der  jüngste  der  von  mir  mitgeteilten 
ralle,  der  Fall  von  Martin  aus  der  Qreifswalder  Klinik 
aus  dem  Jahre  1906  sich  auf  K  r  ö  n  i  g  s  Katgut,  das  doch  als 
einwandsfrei  gilt,  bezieht. 

So  sehr  wir  daher  wissen,  dass  diese  Infektionen  nicht 
nnmci  gleich  solche  mit  Tetanus  sind,  so  sicher  beweisen  diese 
Falle,  dass  die  Desinfektion  des  Katgut,  auch  nach  Krönig 
oft  recht  unzureichend  ist. 

Meine  Herren!  Um  Ihnen  die  Erklärung  zu  geben,  für  die 
Schwierigkeiten,  den  Katgutfaden  zu  sterilisieren,  möchte  ich 
Ihnen  anbei  die  Herstellung  eines  Fadens,  und  seinen  ganzen 
Aufbau  und  die  vielen  Manipulationen,  die  mit  ihm  vorge¬ 
nommen  werden  müssen,  bevor  er  im  Handel  erscheint,  ad 
oculos  demonstrieren. 

üWHifzu  eidnne.rf  ,ich  Sie  vorher  an  die  Darstellung,  die  ich 
über  diesen  Punkt  im  vorigen  Jahre  in  der  Münchener  medi- 

ZeiT^^äf r^fu  S*\ ’  lind  an  die  Abführungen  in  der 

Sühprh  rn  öf  H  C  llITrgie  1  ,Über  die  Behan'dlung  mit  Jod  und 

arbeiting  von  Katgut™“ *  ^  S°nStigen  Methoden  der  Be' 

viUUU'U  dleser  Darstellungen  glaube  ich,  dass  von  den 
kaum  S?.™"  Aerzten  die  täglich  Katgut  verwenden, 
aum  Hundert  sich  voll  bewusst  sind,  was  sie  mit  der 
lnbringung  des  Fadens  in  den  Körper  eigentlich  tun. 

M  a  kaiim  bewusst  sein,  welche  F  ü  1 1  e  v  o  n 

Material  allem  es  schon  ist,  aus  der  sich  ein  Faden,  insbe- 

sondere  ein  dickerer  aufbaut,  ferner  welche  Breite  von 
lejtlache,  welche  Ausdehnung  an  Infektions 

Möglichkeit11  zuFfT  Fh  d  n  rePräsentiert,  und  welche  enorme 
Möglichkeit  zur  Einhüllung  von  Schmutz  er  beim 

Drehen  in  sich  birgt.  Gerade  über  diesen  Schmutz  und  die 
fn  keit’  uT S£ -  buen  aus  dem  einmal  schon  fertigen  Faden 

eingeheiÄreUet'  m'Ch  ^  der  ZeitSChrift  fÜr  CMrurgie *> 

ich  SSÄpS®  Z“  gebe"'  “ige 

DarnlhÄnQ£lfrn-  Sind  hier  1  bis  mehrerer  noch  frische,  ungedrehte 
armhalften,  teils  imprägniert,  teils  nur  in  Alkohol  susnendiert-  Hip 

aus  dem  Kork  herausgeleiteten  Enden  sind  gedreht  und  leie  art  S 

fl n? der  r  f,  UfiParate  weIde"  lhne"  dieg  elrme  S  chfum  p? 
r» ••  ^  ^  ^  beweisen.  An  anderen  Präparaten  aufcrehlaspnpn 

Darmen  oder  abgebreiteten  Hälften  zeige  ich  Ihnen  die  B  r  e  D  e  d  e? 

n.  TJ  Kuhn.  Verhandlungen  des  Chirurgenkongresses  1907  Berlin 
ie  Resorptionsverhältnisse  des  Frischdarmkatgut  (Kuhn)  im  Ver 
gleiche  mit  anderen  Nähmaterialien  nach  Versuchen  in  de?  v  ' 
deren  Augenkammer  des  Kaninchens.  ^cnen  m  der  vor- 

R  ö  s  S  lo'r-  t*? ammenstellung  erfolgte  in  einem  Artikel:  Kuhn  und 

?chrlft  No ui  u!  47,  1906.”  d  K  *  *  *  U  ^  deUtSche  kli"‘  Wochen- 

Wochen^ch?.  ni9ÄUhrm  SeSUndC"  Schlachttier.  Münch,  med. 

z'ÄÄäH.wl'*1“"  o/ oicr  sBefbSESSjt’  R 

D  1.  C. 


Oberfläche,  und  wie  viel  Schmutz  man  mit  diesen  ein¬ 
wickeln  kann. 

Dieser  Schmutz  wird  in  dem  Faden  ausserordentlich  gut 
geschützt,  und  auch  gegen  eine  etwaige  Desinfektion  sehr  ge¬ 
sichert,  um  so  gewisser  wird  er  aber  in  der  Wunde  frei,  wenn 
der  Faden  wieder  quillt  und  langsam  aufgelöst  wird. 

Diesen  Voraussetzungen  entsprechen  bekanntlich  die  Re¬ 
sultate  bei  der  klinischen  Verwendung  des  seitherigen  Katgut. 
Da  diese,  w  ie  oben  angedeutet,  oft  sehr  schlecht  gewesen  be- 
f reift  sich  die  Forderung,  Katgut  überhaupt  aus  der  Chirurgie' 
tortzulassen. 

.....  Dementgegen  stehen  aber  bekanntlich  eine  Reihe  klinischer 
Wünsche,  und  vor  allem  die  Veranlassungen  (wie  Schleimhaub- 
nähte,  fortlaufende  Nähte  an  schwer  zugänglichen  Stellen  oder 
in  der  Nähe  infektiöser  Herde),  in  denen  wir  ein  resorbier¬ 
bares  Faden  material  brauchten. 


Um  dieses  nun  ganz  einwandsfrei  zu  erhalten,  habe  ich 
bekanntlich  die  Forderung  aufgestellt,  dass  für  die  Herstellung 
des  Katgut  d  ie  Gesetze  und  Gepflogenheiten  des 
chirurgischen  Operationszimmers  mit  allen  hy¬ 
gienischen  und  aseptischen  und  antiseptischen  Details  in  die 
Fab  rik  zu  übertragen  sind,  mit  anderen  Worten,  dass 
von  A  bis  Z,  also  von  der  Entnahme  des  Darmes  im  Schlacht¬ 
haus  bis  zum  definitiven  I  rocknen  ein  Faden  in  aseptisch  ge¬ 
schulten  Händen  bleibt. 

Die  Verhältnisse  müssten  ungefähr  dieselben  sein  wie  in 
den  L  y  mp  hinstituten  oder  den  Serumfabrike  n,  wo 
natm  gemäss  nach  streng  aseptischen  Regeln  verfahren  wird 
über  deren  Durchführung  die  Sanitätsbehörde  ängstlich  wacht. 

n  Überlegung  dieser  Analogie  muss  es  eigentlich  recht 
auffallen,  dass  Katgutfabriken  in  der  seitherigen  Form  über¬ 
hauptmöglich  gewesen  und  noch  sind,  und  dass  sich  die 
Sanitätsbehörde  nicht  schon  längst  der  Frage 
der  Herstellung  und  Lieferung  des  Katgut  für 
D  in  ische  Zwecke  an  genommen  hat,  und  direkt  ge¬ 
setzliche  Forderungen  für  die  Katgutfabrikation  formuliert  hat. 

Die  Erfüllung  solcher  Forderungen  verlangt  naturgemäss 
eine  Summe  von  Spezialeinrichtungen  sowohl  was  die  Ge¬ 
winnung  als  die  Weiterverarbeitung  betrifft.  Solche  Spezial¬ 
einrichtungen  erstrecken  sich  zunächst: 

1.  Auf  die  Methode  der  Entnahme  im  Schlachthause  und 
Lieferung  nach  der  Fabrik  in  zuverlässig  einwandfreier  Weise. 

2.  Auf  eigene  Spezialarbeitsräume  in  der  Fabrik  mit  -des¬ 
infizierbaren  Geräten  und  Gebrauchsgegenständen. 

3.  Auf  eine  besondere  Erziehung  und  Ausbildung  des  Ar¬ 
beitspersonals,  das  sich  der  Katgutherstellung  widmet*  es 
müsste  dieses  einen  Teil  der  Ausbildung  der  Lazarettgehilfen 
haben. 

4  Auf  die  Erfindung  und  die  Einrichtung  von  einer  Reihe 
von  Spezialmaschinen,  zum  Schlitzen,  Schleimen,  Drehen  und 
I  rocknen  der  Fäden,  welche  die  einwandsfreie,  tunlichst  asepti¬ 
sche  Bearbeitung  der  Fäden,  auch  fabrikmässig,  garantieren. 

Um  Ihnen,  m.  H.,  nun  alles  das  Gesagte  recht  verständlich 
zu  machen,  demonstriere  ich  Ihnen  anbei,  -zunächst  an  kleineren 
Apparaten  für  den  Laboratoriumsgebrauch,  die  Herstellung  und 
Bearbeitung  der  Katgutfaden  nach  meinen  Vorschlägen 

Meine  kleineren  Apparate  °)  dürften  für  grössere  Anlagen 

zur.  fabrikmassigen  Herstellung  eines  wirklichen  Sterilkatgut 
vorbildlich  sein.  * 

M  °  de 1 11 .zeigt  einen  Apparat  zum  Schlitzen  der  Därme.  Das 
Anfassen  dei  Faden  durfte  in  Fabriken  am  besten  mit  sterilisierbaren 
Gummifingern  geschehen.  (Demonstration.) 

■  °i  d  zeigt  einen  Apparat  zum  Schleimen  der  Fäden.  An 

«daUe  Teile  auskochbar.  (Demonstration.) 

Modell  3  zeigt  einen  sterilisierbaren  Apparat  zum  Drehen 
und  Trocknen  der  sterilen  Darmfäden.  (Demonstration.) 

Ich  sage  „sterilen  Darmfäden“..  Denn  zwischen  der  An- 
Wendung  von  Apparat  2  und  3  hat  der  seither  tunlichst  reinlich 

Darmfaden3  e1neVörp  fChtS^^SSregcn  der  AsePsis  behandelte 
uarmtaden  eine  definitive  Schlussdesinfekt inn 

erfahren,  deren  Vollkommenheit,  wenn  möglich,  durch  Inn¬ 
ungen  geprüft  wird!!  NB.  Alles  vor  dem  Drehen!! 

tion  erfolgen!  ^  ^  Unter  kehlen  Umstanden  eine  Neuinfek- 

)  Die  Apparate  sind  in  der  Zeitschrift  für  Chirurgie  abgebildet. 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2485 


Die  Desinfektion  erfolgt,  wie  anderen  Ortes  auseinander¬ 
gesetzt,  mittels  Jod-  und  Silberlösungen.  Auf  diese  Weise  er¬ 
halten  wir  einen  absolut  einwandfreien  J  o  d  f  a  d  e  n  und  eben¬ 
solchen  S  i  1  >b  e  r  f  a  d  e  n  oder  resorbierbaren  Silberdraht. 

Dem  Vorgehen  in  dieser  Beziehung  und  den  chemischen 
Details  müssen  wir  noch  einige  Betrachtungen  widmen. 


Die  Einzelheiten  der  chemischen  Bearbeitung  sind  nicht  so 
einfach,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  erscheint. 

Wir  Hessen  uns  ihre  Ausarbeitung  sehr  angelegen  sein  und 
widmeten  der  chemischen  Seite  dieser  Dinge  eine  grosse  Reihe 
experimenteller  Versuche. 

Um  den  jeweils  auf  diesem  oder  jenem  Wege  erhaltenen 
Faden  zu  prüfen,  benützten  wir  lebende  Nährböden  gleichsam 
als  Testobjekte,  und  machten  auf  ihnen,  in  ihnen  und  an  ihnen 
gleichsam  Implantationsversuche  mit  unseren  Katgutfäden.  Als 
solche  Testobjekte  empfahlen  sich 

a)  das  Auge  des  Kaninchens,  wegen  seiner  Emp¬ 
findlichkeit  einerseits,  seiner  Durchsichtigkeit,  welche  den 
Faden  zu  verfolgen  erlaubt,  andererseits; 

b)  das  Ohr  des  Kaninchens,  wegen  seiner  Dünnheit 
und  besonderen  Beschaffenheit  der  Haut; 

c)  die  H  a  u  t  d  e  s  M  e  n  s  c  h  e  n,  die  schon  seit  langem  ge¬ 
bräuchlich. 

Jeder  dieser  Testböden  bietet  besondere  Vorteile  und  er¬ 
gibt  besondere  Gesichtspunkte  zur  Beurteilung  7). 

In  Kürze  sind  unsere  Resultate  nun  folgende: 

Ich  übergehe  hier  die  Ergebnisse  an  den  einzelnen  Or¬ 
ganen  (die  ich  in  der  Hauptarbeit7)  nachzusehen  bitte),  und 
teile  die  Resultate  im  allgemeinen  ein, 

1.  in  solche  in  infektiöser  Beziehung, 

2.  in  solche  in  Beziehung  auf  Reizung  der  Gewebe  und 
Resorption. 

1.  Was  die  infektiöse  Seite  der  Frage  anbelangt,  so  haben 
wir  durch  exakte  und  einwandfreie  experimentelle  Versuche 
bewiesen,  dass  unsere  Katgutfabrikate  absolut 
steril  sind,  dass  aber  Fabrikate  anderer  Zubereitung 
nicht  zuverlässig  sterilisiert  sind. 

Die  Ergebnisse  unserer  zahlreichen  Experimente  sind  in 
jener  grossen  Arbeit:  Kuhn  und  Rössler:  Versuche  mit 
Katgut  etc.,  die  alsbald  in  der  Zeitschr.  f.  Chir.  als  II.  Teil  er¬ 
scheint,  nachzusehen. 

2.  Was  die  Frage  der  Reizung  und  Resorption  anbelangt,  be¬ 
darf  es  einer  besonderen  Erörterung:  Wir  müssen  uns  in  dieser 
Beziehung  über  einige  prinzipielle  Punkte  klar  sein. 

Der  Hauptpunkt  ist: 

a)  Es  gibt  keine  Resorption  ohne  eine  Art 
Reizung  resp.  Leukozytenbewegung,  viel¬ 
mehr  sind  Reizung  bis  zu  einem  gewissen 
Grade,  oder  mindestens  eine  seröse  Durchtränkung  mit  einer 
gewissen  Leukozytenansammlung  Voraussetzungen, 
Vorbereitungen  und  Begleiterscheinungen 
der  Resorption  eines  auflösbaren  Fremdkörpers  in  einer 
Wunde. 

Chemisch  ganz  indifferente,  z.  B.  nicht  auflösbare  (asep¬ 
tische),  also  nicht  resorbierbare  Körper  reizen  nicht,  während 
auflösbare  in  jedem  Falle  eine  gewisse  Reizung  machen. 

Katgut,  als  Prototyp  eines  auflösbaren  Körpers  muss 
also  in  jedem  Falle  eine  gewisse  Chemotaxis  machen. 

b)  Zusätze  zu  diesem  Katgut  können  nach  2  Richtungen 
wirksam  gemacht  werden: 

a)  sie  können  die  unerlässlichen  Reizerscheinungen  mildern, 

ß )  sie  können  das  Hauptziel,  die  endlichen,  den  Reizerschei¬ 
nungen  folgenden,  resorptiven  Vorgänge  fördern. 

Nach  diesen  beiden  Richtungen  bedürfen  die  Zusätze  bei 
der  chemischen  Bearbeitung  eines  eingehenden,  kritischen  Stu¬ 
diums.  Jedenfalls  steht  soviel  fest,  dass  es  sich  emp¬ 
fiehlt,  zu  dem  Faden,  der  denn  nun  einmal  physiologischer¬ 
weise  gewisse  Reizvorgänge  veranlasst,  Zusätze  zu 
machen,  welche  diese  Vorgänge  in  bestimmte  Wege  leiten. 


7)  Die  Einzelheiten  der  Versuche  und  zahlreiche  weitere  Er¬ 
gebnisse  ersehe  man  aus  der  Arbeit  von  Kuhn  und  Rössler: 
Rohkatgut,  vom  Schlachttier  ab,  durchaus  steril  bearbeitet  vor 
dem  Drehen  mit  Jod  oder  Silber  desinfiziert  und  imprägniert.  Der 
Arbeit  II.  Teil  (der  alsbald  in  der  Zeitschr.  f.  Chir.  erscheinen  wird). 


Es  vergleichen  sich  diese  Verhältnisse  mit  anderen  sero¬ 
logischen  und  Implantationsfragen  resorbierbarer  Materialien. 

Dabei  bedarf  daher  zunächst  die  Art  und  Form  und  dann 
die  Menge  der  zu  übertragenden  Substanz  des  aufmerksamsten 
Studiums. 

a)  Was  die  Qualität  des  einzuführenden  Kör¬ 
pers  betrifft,  steht  nach  unseren  Versuchen  fest,  dass  gewisse 
Körper,  z.  B.  Chromsäure,  Formalin,  Alkohol  etc.,  wegzublei¬ 
ben  haben,  dass  aber  gewisse  Jod-  und  Silberverbindungen 
sich  empfehlen. 

b)  Was  die  Menge  der  ein  zu  führen  den  Sub¬ 
stanzen  betrifft,  so  erscheint  jeder  Ueberschuss  freier,  leicht 
löslicher  Körper,  z.  B.  nicht  gebundenes  Jod  oder  unmetal¬ 
lisches  Silber,  ungünstig,  indem  sie  die  Gewebe  reizen;  dagegen 
scheint  aber  das  Vorhandensein  eines  Dauerkörpers,  der 
schwer  löslich  die  Resorptionsvorgänge  begleitet  und  über¬ 
dauert,  günstig  und  erstrebenswert. 

Diese  Betrachtungen  und  Beobachtungen  führten  zu  unse¬ 
ren  Jod  -  und  Silberdesinfektionen  und  weiter  zu 
unseren  Imprägnierungen  mit  anderen  Verbindungen 
eben  dieser  Salze. 

Die  Firma  Merck-  Darmstadt  hat  die  Herstellung  über¬ 
nommen,  sowohl  eines  Steril-Rohkatguts  für  Kliniker,  zu  eventueller 
eigener  Weiterbearbeitung,  als  auch  sofort  gebrauchsfertiger,  ein¬ 
wandsfrei  steriler  Präparate  für  die  Praxis. 


Ramiezwirn  als  chirurgischer  Faden. 

Von  Dr.  Max  Madlener  in  Kempten. 

Die  Fadenfrage  ist  für  jeden  operierenden  Arzt  eine  überaus 
wichtige.  Wenn  man  verschiedene  Operateure  bei  ihrer  Arbeit  be¬ 
trachtet,  so  sieht  man,  dass  fast  jeder  sich  eines  andern  oder  wenig¬ 
stens  eines  anders  präparierten  Fadens  bedient.  Am  meisten  wird  die 
nicht  resorbierbare  Seide  zu  oberflächlichen  und  versenkten  Nähten, 
wenn  letztere  einer  stärkeren  oder  länger  dauernden  Beanspruchung 
ausgesetzt  sind,  benützt,  das  resorbierbare  Katgut  zu  Unterbindungen 
und  versenkten  Nähten.  Ich  habe  in  den  letzten  11  Jahren,  seitdem 
ich  an  der  chirurgischen  Abteilung  des  Distriktsspitals  Kempten 
operiere,  die  verschiedensten  Materialien  angewendet  —  Silberdraht, 
Bronzedraht,  Fil  de  Florence,  Seide  (einfach  ausgekocht,  als  Sublimät- 
seide,  als  Silberkautschukseide),  Zelluloidzwirn,  Formalin-, .  Kumol- 
und  Jodkatgut  —  und  wenn  ich  nach  dieser  nicht  ganz  kleinen  Er¬ 
fahrung  ein  neues  Material  empfehle,  das  an  155  Operationen  aus¬ 
geprobt  ist,  so  dürfte  eine  solche  Empfehlung  vielleicht  den  einen  oder 
andern  Operateur  zu  einer  Nachprüfung  veianlassen. 

Seit  Juni  dieses  Jahres  verwende  ich  R  a  m  i  e  z  w  i  r  n  als 
chirurgischen  Faden.  Ramie  (Urtica  nivea)  ist  eine  unserer  gemeinen 
Brennessel  ähnliche  Pflanze,  die  in  China,  den  Sundainseln  und  Indien 
wächst  und  auch  in  andern  warmen  Ländern  angebaut  wurde.  Aus 
dem  Bastteil  ihrer  Rinde  wird  die  sehr  zähe  Ramiefaser  gewonnen, 
die  im  gebleichten  Zustande  einen  schönen,  seidenähnlichen  Qlanz 
hat.  Das  aus  der  Faser  hergestellte  Ramiegarn  wird  erst  seit  wenigen 
Dezennien  in  Europa  in  geringem  Umfang  zu  verschiedenen  Geweben 
und  zur  Seidenimitation  verwendet. 

Der  Ramiezwirn  zeichnet  sich  durch  seine  grosse 
Festigkeit  aus;  er  ist  ungefähr  doppelt  so  fest  wie  Leinenzwirn 
und,  wie  unsere  unten-  zu  erwähnenden  Messungen  ergeben  haben, 
in  trockenem  Zustand  nicht  ganz  so  fest  wie  ein 
Seidenfaden,  im  nassen  wesentlich  fester  wie 
dieser.  Ramiezwirn  ist  spezifisch  leichter  wie  Leinenzwirn  und 
Seide,  er  dehnt  sich  bei  Zug  etwa  4  mal  weniger  wie  Seide.  Die 
Oberfläche  des  Ramiezwirns  ist  nicht  so  schön  glatt  wie  die  des 
Seidenzwirns,  da  beim  Ramiezwirn  feinste  Fäserchen  abstehen,  was 
jedoch,  wie  unsere  Erfahrung  gezeigt  hat,  von  keinerlei  Nachteil  ist. 
Ramie  ist  bedeutend  billiger  als  Seide. 

Nach  einigen  Versuchen  bin  ich  zu  einer  Präparat ion  des 
Fadens  gelangt,  die  ähnlich  ist  der  von  Kocher  angegebenen 
Zubereitung  der  Sublimatseide.  Die  Stränge  werden  je  12  Stunden  in 
Aether  und  96  proz.  Alkohol  gelegt,  dann  werden  die  Fäden  in  einer 
Länge  von  8—10  Metern  auf  Gazetupfer  aufgewickelt  und  diese 
Knäuel  15  Minuten  in  1  prom.  wässeriger  Sublimatlösung  gekocht. 
Bei  Beginn  der  Operation  werden  die  Fadenknäuel  aus  der  Lösung 
in  eine  sterile  Schale  gelegt  und  von  da  die  Fäden  entnommen.  Das 
Einlegen  in  Alkohol  vor  dem  Gebrauch  empfiehlt  sich  nicht,  weil  der 
mit  wässeriger  Lösung  imbibierte  Faden  zugfester  ist  als  der  mit 
Alkohol  getränkte.  . 

Ich  habe,  wie  erwähnt,  seit  Juni  dieses  Jahres  den  neuen  Zwirn 
bei  155  Operationen  versucht.  Aus  diesen  seien  diejenigen  Eingriffe, 
bei  welchen  mehr  oder  weniger  Fadenmaterial  versenkt  liegen  blieb, 
hervorgehoben1:  8  Kropfoperationen,  41  Bruchoperationen  (32  nach 
Bassini,  davon  6  doppelseitig,  4  nach  Czerny  bei  Kindern,  5  Radikal¬ 
operationen  von  Schenkelhernien)  und  46  Laparotomien  (teils 
chirurgische,  teils  gynäkologische).  Schon  bei  den  ersten  Operationen 
sah  ich,  dass  der  Faden,  was  Festigkeit  anlangt,  allen  billigen  An- 


2486 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


forderungen  entsprach.  Da  weiterhin  die  Einheilung  der  Fäden,  die 
in  der  Wunde  liegen  blieben,  sich  mindestens  ebenso  glatt  gestaltete 
wie  bei  den  früheren  Materialien,  so  habe  ich,  um  den  Zwirn  gründlich 
zu  erproben,  seit  5.  September  1.  Js.  das  bisher  noch  teilweise  ver¬ 
wendete  Katgut  weggelassen  und  bei  aseptischen  Operationen  zu 
allen  äusseren  und  versenkten  Nähten  und  zu  allen  Unter¬ 
bindungen  Sublimat-Ramiezwirn  verwendet. 

In  Anschauungen  aufgewachsen,  welche  die  Versenkung  von 
vielem  unresorbierbaren  Material  perhorresziereu  und  ausgiebigen 
Gebrauch  des  Katguts  lehren,  entschloss  ich  mich  zu  der  Verwendung 
von  nur  unresorbierbaren  Fäden  bloss  deshalb  leicht,  weil  Kocher 
was  ich  aber  selbst  nie  erprobt  hatte  —  zu  fast  allen  Ligaturen 
und  Suturen  die  unresorbierbare  Seide  verwendet.  Um  natürlich 
nicht  zu  viel  totes  Material  in  der  Wunde  liegen  zu  lassen,  nahm  ich 
wie  Kocher  möglichst  feine  Nummern,  was  bei  der  grossen 
Zugfestigkeit  der  Ramie  leicht  zu  machen  war.  Seit  5.  September 
habe  ich  so  bei  75  Operationen  nur  Ramiezwirn  verwendet.  Darunter 
sind  6  Kropfoperationen,  6  Mammaamputationen  mit  Ausräumung  der 
Achselhöhle,  25  Bruchoperationen  (17  nach  Bassiwi,  davon  2  doppel¬ 
seitig,  4  nach  Czerny),  ]  Radikaloperation  einer  Kolossalleistenhernie 
mit  Kastration  und  3  Radikaloperationen  einer  Schenkelhernie,  19 
Laparotomien  (2  Gastroenteroanastomosen,  1  Cholezystektomie, 

1  Radikaloperation  eines  grossen  Nabelbruchs,  2  Appendizektomien, 

1  Laparotomie  wegen  Perforationsperitonitis,  2  abdominale  Total¬ 
exstirpationen  des  Uterus,  5  supravaginale  Amputationen  des  Uterus, 
3  Kystomektomien,  2  Salpingektomien  mit  Ventrifixur).  Bei  sämt¬ 
lichen  Laparotomien  fand  die  Vereinigung  der  Bauchdecken  durch 
isolierte  Naht  der  einzelnen  Schichten  statt. 


Bei  der  Beurteilung  der  Resultate  scheidet  1  Fall,  die  Laparotomie 
wegen  Perforationsperitonitis,  die  am  Operationstage  zum  Exitus  ge¬ 
langte,  aus.  In  1  Fall  von  Laparotomie  stiess  sich  ein  Bauchdecken- 
faden  ab  und  in  1  Fall  von  Mammaamputation  mit  Ausräumung  der 
Achselhöhle  und  Entfernung  des  Pektoralis  eiterten  4—8  Wochen 
nach  der  Operation  einige  Ligaturen  aus,  ferner  eiterte  die  Kolossal¬ 
leistenhernie  wegen  Retention  von  Wundsekret  in  der  grossen  Skro- 
talhöhle,  endlich  entleerte  sich  bei  der  einen  abdominalen  Tortal¬ 
exstirpation  des  Uterus  ein  kleiner,  nur  wenig  Fieber  verursachender 
Abszess  durch  die  Scheide  bei  reaktionsloser  Heilung  der  Bauch¬ 
wunde;  alle  übrigen  erwähnten  Fälle  heilten  per  primam  und  auch 
nachträglich  fand,  soweit  die  Beobachtung  reicht,  keine  Ausstossung 
von  Fäden  statt.  Nach  diesen  Erfahrungen  glaube  ich  sagen  zu  dürfen, 
dass  der  R  a  mi  e  zwirn  ein  sehr  brauchbarer,  u  n  resor¬ 
bierbarer  F  a  d  e  n  i  s  t,  der  an  Zugfestigkeit  die  Seide 
ü  b  e  r  t  r  'i  f  f  t,  längeres  Auskochen  ohne  merkbare 
Schwächung  aus  hält  und  wesentlich  billiger  als 
Seide  ist. 

Herr  Direktor  Den  zier  der  Kemptener  mechan.  Baumwoll- 
zwirnerei,  A.-O.,  hatte  die  Güte,  mit  mir  an  dem  Dynamometer  der 
rabnk  die  F  e  s  t  i  g  k  e  i  t  des  Ramiezwirns  zu  messen.  Ein 
unpräparierter  trockener  Seidenfaden  No.  1,  riss  bei  einer  durch¬ 
schnittlichen  Zuggrösse  von  4900  g,  ein  ebenso  dicker  trockener  roher 
Ramiezwirnfaden  bei  3400  g  Belastung.  Dieselbe  Fadenstärke  zeigte, 
wenn  man  beide  Fäden  mit  Aether  und  Alkohol  behandelte  und* 
A :  Stunde  in  Sublimatlösung  kochte  und  die  Messung  an  den  nassen 
1  üden  vornahm,  ein  Verhalten,  das  die  Ueberlegenheit  des  Ramie¬ 
zwirns  .in  frappanter  Weise  offenbarte:  Seide  riss  bei  durch- 
schnittl  ich  4100  g  Belastung,  Ramie  erst  bei  5600  g. 

Die  hirma  S  t  i  e  f  e  n  h  o  f  e  r  in  München,  Karlsplatz  6,  stellt 
präparierten  Ramiezwirn  in  sorgfältig  ausgesuchter  Qualität  und 
zwar  in  6  verschiedenen  Stärken  her.  Die  Firma  teilt  mir  mit,  dass 
al  e  grosseren  Geschäfte  medizinischer  Bedarfsartikel  den  Zwirn 


Der  Ramiezwirn  wird  in  2  Formen  abgegeben: 

ail  l'  iFiU  .Bedarf  in  Strängen,  die  mit  Aether, 

in  °ihc°  MUnd.  Sub!l™at  behandielt  sind.  Dieser  Faden  braucht  nur 
15  Minuten  in  Sublimatlöisung  ausgekocht  zu  werden,  aus  der 
er  beim  Gebrauch  entnommen  wird. 

2.  Für  die  Bedürfnisse  des  prakt.  Arztes  in  srte- 
ii  1  e  n  1  a  p  pd  os  e  n  in  Fadenlängen  von  2VS  und  10  Metern.  Dieser 
Zwirn  ist  ebenfalls  mit  Aether,  Alkohol  und  Sublimat  behandelt,  dann 
bocken  sterilisiert.  Vor  dem  Gebrauch  empfiehlt  sich  Anfeuchtung 
mit  Sublimatlosung,  da  nasser  Faden  zugfester  ist  als  trockener 
Ramiezwirn  steril  in  Pappdosen  dürfte  wohl  das  billigste  steril  ver¬ 
packte  radenmaterial  sein. 


Ein  einfacher  Gärungssaccharometer  für  den  prakti¬ 
schen  Arzt.1) 

von  Dr.  Adolf  Basler,  Privatdozent  und  Assistent  am 
physiologischen  Institut  in  T  übingen. 

Trotzdem  durch  genaue  Untersuchungen  von  Lohnstein2) 
gezeigt  wurde,  dass  der  einfachste  Gärungssaccharometer  von  Ein- 
10  rn  '  zur  quantitativen  Bestimmung  von  Zucker  durchaus 


J)  Ich  sage  der  und  nicht 
Miesche  r,  G  r  ii  t  z  n  e  r  u. 


das  Saccharometer,  wie 
.  der  Hämometer  sagen 


un- 

auch 

(vgl. 


geeignet  ist,  hat  er  sich  doch  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  dem  Ge¬ 
brauch  der  Aerzte  erhalten. 

Die  Erklärung  für  diese  auffallende  Erscheinung  liegt  meines 
Erachtens  darin,  dass  die  Handhabung  des  alten  .Saccharometers  viel 
einfacher  ist  als  die  des  von  Lohn  stein4)  an  seine  Stelle  ge¬ 
setzten  Apparates. 

Wir  besitzen  nämlich  in  dem  L  o  h  n  s  t  e  i  n  sehen  einen  Apparat, 
mit  dem  man,  wenn  sauber  gearbeitet  wird,  recht  genaue  tiuantirtanve 
Bestimmungen  ausführen  kann.  Aber  die  Handhabung  dieses  Sac¬ 
charometers  erfordert  ziemlich  viel  Mühe  und  Geduld.  Das  sorgfältige 
Einfetten  des  Glasstöpsels,  das  Durchbohren  des  seitlichen  Loches' 
und  das  Einstellen  auf  den  Nullpunkt  sind  alles  verhältnismässig  zeit¬ 
raubende  Operationen,  die  dem  mitten  in  der  Praxis  stehenden  Arzt 
recht  lästig  erscheinen  mögen.  Am  schlimmsten  ist  aber  die  Reini¬ 
gung  nach  dem  Gebrauch,  wobei  nach  Vorschrift  des  Erfinders  das 
Quecksilber  für  mehrere  Versuche  im  Apparat  verbleiben  muss. 
Schon  nach  kurzem  Gebrauch  setzt  sich  Unsauberkeit  zwischen 
Quecksilber  und  Glas  fest  und  bei  jeder  Entleerung  findet  ein,  wenn 
auch  noch  so  geringer  Verlust  an  Quecksilber  statt.  Es  muss  des¬ 
halb  von  Zeit  zu  Zeit  das  Quecksilber  wieder  auf  sein  ursprüngliches 
Gewicht  gebracht  werden. 

Ich  war  deshalb  bestrebt,  einen  Apparat  zu  konstruieren,  welcher 
trotz  einfacherer  Handhabung  eine  ebenso  genaue  quantitative  Be¬ 
stimmung  des  Zuckers  ermöglicht  und  nach  dem  Gebrauch  sich  in 
allen  seinen  Teilen  mit  Leichtigkeit  reinigen  lässt.  Bei  der  Her¬ 
stellung  meines  Saccharometers  suchte  ich  folgende  zwei  Bedingungen 
zu  erfüllen: 

1.  dass  die  Flüssigkeitsmenge,  deren  abgeschiedene  Kohlen¬ 
säure5)  zur  Bestimmung  benützt  wird,  während  der  Gärung  stets  die 
gleiche  bleibt  (was  auch  bei  dem  L  o  h  n  s  t  e  i  n  sehen  Apparat  der 
Fall  ist)  und 

2.  dass  die  nachträgliche  Absorption  von  Kohlensäure  möglichst 
eingeschränkt  wird.  Letzteres  suchte  ich  dadurch  zu  erreichen,  dass 
das  Gas  über  gesättigter  Kochsalzlösung  aufgefangen  wird,  welche 
bekanntlich  Kohlensäure  viel  weniger  absorbiert  als  Wasser.  Dies 
ist  auch  der  Grund,  weshalb  Vierordt8)  bei  seinen  klassischen 
Untersuchungen  über  die  ausgeatmete  COa  die  Exspirationsluft  nicht 
über  Wasser,  sondern  über  konzentrierter  Kochsalzlösung  auffing. 

Diesen  Anforderungen  entsprechend  musste  dem  Apparat  die 
im  Folgenden  beschriebene  Gestalt  gegeben  werden. 

Als  Reservoir  für  5  ccm  mit  Hefe  versetzten  Diabetesharn  dient 
das  zylindrische  Glasgefäss  A  auf  beistehender  Figur,  das  mit  einem 


°  u  vli. Sinusse  11  weruen  Kann,  .dessen  Ko 

ui  eine  mit  Blei  beschwerte  Holzplatte  C  eingelassen  ist,  die  zugleit 
‘Vs  den  ganzen  Apparat  dient.  An  der  dem  Stöpsel  gegei 

uberliegenden  Seite  geht  das  Üefäss  in  den  Hahn  E  und  dieser 
eine  etwa  3  cm  lange  und  2nnn  weite  Glasröhre  D  über.  Die« 
ilasi  öhre  mündet  nun  ihrerseits  in  den  Teil  des  Saccharometer 
w  cleliei  dazu  dient,  die  abgeschiedene  CO2  aufzufangen.  Er  b( 
stellt  aus  einem  oben  zugeschmolzenen,  etwa  1  cm  weiten  Glasrohr  I 

4S, 

,:-  Qrl.ÜtznierF-Ei"  eillfacber  Hämometer  für  den  praktischen  Arz 
Munch,  med.  Wochensohr.  1905,  No.  30),  weil  es  sich  um  eine 
Messer  und  nicht  um  ein  Mass  Q Uiqov )  handelt. 

m  .  \r  Th-  Lp  b  nst  ei  n:  Ein  neues  Gärungssaccharometer.  Alls 
med  Zentralzrtg  Bd.  67,  S.  1059,  1898  und  Berl.  klin.  Wochenschr 
Md.  35,  S.  866,  189S. 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2487 


von  welchem  in  der  Nähe  des  Hahnes  ein  nach  oben  gekrümmtes 
und  dann  mit  dem  ersteren  parallel  verlaufendes  zweites  Glas  rohr  G 
abzweigt,  das  von  der  gleichen  Weite  und  gleich  lang  ist,  aber  oben 
offen  endet.  Der  Inhalt  des  Reservoirs  A  ist  so  gross,  dass  über  dem 
Harn  eine  kleine  Luftblase  stehen  bleibt.  Wird  nun  das  Aufnahmege- 
fäss  A  mit  5  ccm  Harn  und  hierauf  das  Glasrohr  F  mit  gesättigter 
Kochsalzlösung  gefüllt,  so  'kann  letztere  nicht  in  das  Glasröhrchen  D 
hinabsteigen,  da  die  in  demselben  befindliche  Luft  nicht  entweichen 
kann.  Der  Harn  und  die  Kochsalzlösung  stehen  also  an  keiner  Stelle 
in  Berührung.  Die  bei  der  Gärung  entstehenden  Kohlensäureblasen 
steigen  naturgemäss  in  der  zuckerhaltigen  Flüssigkeit  in  die  Höhe 
und  vermischen  sich  mit  der  zwischen  dem  Harn  und  der  konzen¬ 
trierten  Kochsalzlösung  befindlichen  Luft.  Das  Kohlensäureluftgemisch 
dehnt  sich  entsprechend  der  fortschreitenden  Gärung  immer  mehr 
aus  und  infolgedessen  steigt  diejenige  Gasmenge,  welche  neu  hinzu¬ 
gekommen  ist,  in  Form  von  Blasen  von  der  Mündung  der  engen 
Glasröhre  aus,  in  die  Höhe,  und  sammelt  sieh  über  der  konzentrierten 
Kochsalzlösung  in  dem  Rohr  F  an.  Dadurch  wird  ein  Teil  der  Koch¬ 
salzlösung  in  das  Rohr  G  verdrängt.  Aus  dem  Volumen  der  COa 
lässt  sich  der  Zuckergehalt  der  Lösung  bestimmen.  Um  diesen  direkt 
in  Prozenten  ablesen  zu  können,  ist  jedem  Apparat  ein  Reiter  K 
beigegeben,  der  auf  jedem  Schenkel  eine  Skala  trägt.  Die  rechte  ist 
bestimmt  für  die  Ablesung  bei  einer  Temperatur  von  37°  C,  die 
linke  für  gewöhnliche  Zimmertemperatur  (20°  C). 

Da  die  Kochsalzlösung  in  dem  offenen  Schenkel  um  so  höher  steht 
je  mehr  Kohlensäure  bei  der  Gärung  produziert  wurde,  so  steht  das 
Gas  nicht  immer  genau  unter  dem  gleichen  Druck.  Man  müsste  des¬ 
halb  streng  genommen  den  offenen  Schenkel  vor  jeder  Ablesung  bis 
zu  einer  bestimmten  Höhe  auffüllen.  Die  Volumenabnahme  des 
Gases,  die  durch  einen  Ueberdruok  von  einigen  Zentimetern  Kochsalz¬ 
lösung  bedingt  ist,  ist  aber  so  gering,  dass  sie  vernachlässigt  wer¬ 
den  kann.  Ich  habe  mich  natürlich  auch  direkt  durch  den  Versuch 
überzeugt,  dass  ein  Auffüllen  des  offenen  Schenkels  mit  gesättigter 
Kochsalzlösung  bis  zu  einem  mehrere  Zentimeter  höheren  Niveau  an 
dem  Ergebnis  nichts  ändert. 

Die  gesamte  aus  dem  Zucker  entstehende  Kohlensäuremenge 
wird  auch  bei  meinem  Apparate  nicht  angesammelt;  denn  auch  die 
gesättigte  Kochsalzlösung  absorbiert  Kohlensäure.  Aber  die  Ab¬ 
sorption  ist  immerhin  soweit  in  den  Schranken  gehalten,  dass  eine 
0,1  proz.  Zuckerlösung  noch  deutlich  zu  erkennen  ist,  was  bei  dem 
E  i  n  h  0  r  n  sehen  Apparate  bei  weitem  nicht  der  Fall  ist. 

Um  einerseits  die  Gärung  sich  möglichst  rasch  abspielen  zu 
lassen,  andererseits,  um  immer  unter  denselben  Bedingungen  zu  ar¬ 
beiten,  habe  ich  es  für  am  zweckmässigsten  gefunden,  den  ganzen 
Apparat  einer  Temperatur  von  ungefähr  37°  C  auszusetzen.  Diese 
Temperatur  habe  ich  deshalb  gewählt,  weil  die  Thermostaten,  welche 
sich  jetzt  in  allen  grösseren  Krankenhäusern  befinden,  gewöhnlich 
auf  Körpertemperatur  eingestellt  sind. 

Der  Harn  muss  vor  jedem  Versuch  ausgekocht  werden,  damit 
sich  keine  freie  Kohlensäure  in  demselben  befindet.  Da  bei  dem 
Kochen  aber  stets  eine  gewisse  Flüssigkeitsmenge  des  Harnes  ver¬ 
loren  geht,  empfiehlt  es  sich,  das  betreffende  Quantum  des  Harnes 
zuerst  abzumessen  und  dann  erst  zu  kochen. 

Zur  genauen  Abmessung  des  Urins  sind  jedem  Apparate  bei¬ 
gegeben: 

1. EinMessgefäss  zu  5ccm  (H  der  Abbild.).  Dasselbe  hat  dieGestalt 
eines  Reagenzglases,  an  dem  5  ccm  mit  einem  Strich  bezeichnet  sind. 
Es  ist  enger  als  die  den  meisten  Saccharometern  beigegebenen  Mess- 
gefässe,  weil  sich  ein  etwas  engeres  Rohr  beim  Schütteln  des  aus¬ 
gekochten  Harnes  mit  Hefe  vollkommener  mit  dem  Finger  ver- 
schliessen  lässt,  so  dass  keine  Flüssigkeit  verloren  geht,  was  bei  den 
weiteren  Gläsern  häufig  der  Fall  ist. 

2.  Eine  ungraduierte  Pipette  mit  Gummihütchen  .1.  Dieselbe  hat 
den  Zweck,  das  genaue  Auffüllen  des  Messgefässes  bis  zum  1  eil- 
strich  durch  tropfenweises  Einfliessenlassen  des  Harnes  zu  er¬ 
leichtern. 

Ausführung  der  Zucker  bestimmun  g. 

Um  noch  einmal  die  Handhabung  bei  Anstellung  der  Gärungs¬ 
proben  der  Reihe  nach,  wie  sie  ausgeführt  werden,  zusammenzu¬ 
stellen,  so  verfährt  man  wie  folgt: 

Man  misst  von  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  5  ccm  ab,  was 
dadurch  geschieht,  dass  man  das  jedem  Apparat  beigegebene  Mess- 
gefäss  H  bis  zur  Marke  füllt.  Am  leichtesten  gelingt  dies,  wenn  man 
das  Gefäss  zunächst  nicht  ganz  bis  zur  Marke  füllt  und  den  Rest  des 


3)  M.  Einhorn:  Zum  Gärungssaccharometer.  Deutsche  med. 
Wochenschr.,  Bd.  17,  S.  463.  1891. 

4)  Th.  Lohnstein:  Ueber  Gärungssaccharometer,  nebst  Be¬ 
schreibung  eines  neuen  Gärungssacoharometers  für  unverdünnte 
Urine.  Münch,  med.  Wochenschr.  1899,  No.  50.  Den  ersten  Apparat 
von  Lohnstein  habe  ich  ausser  Acht  gelassen,  da  er  sich,  soviel 
ich  weiss,  nie  recht  eingebürgert  hat.  Er  ist  beschrieben  Berl.  klin. 
Wochenschr.,  35,  S.  866,  1898  und  Allg.  med.  Zentralztg.,  67,  S.  1059, 
1898. 

5)  Wenn  im  folgenden  von  Kohlensäure  gesprochen  wird,  so  ist 
darunter  stets  zu  verstehen  das  Kohlensäureanhydrid  CO2. 

8)  K.  Vier  or. dt:  Physiologie  des  Atmens,  mit  besonderer 
Rücksicht  auf  die  Ausscheidung  der  Kohlensäure.  Karlsruhe  1845, 
S.  10. 


Harnes  tropfenweise  mit  der  Pipette  J  zufliessen  lässt.  Dann  wird 
der  abgemessene  Harn  in  dem  Gefäss  über  der  Gasflamme  gekocht 
und  wieder  abgekühlt.  Sodann  bringt  man  ein  Stückchen  Hefe  von 
der  Grösse  einer  Erbse  hinein  und  schüttelt,  indem  man  das  offene 
Ende  mit  dem  Daumen  verschliesst,  gut  durch,  bis  die  Flüssigkeit 
ein  gleicbmässiges  milchiges  Aussehen  hat. 

Hierauf  dreht  man  den  Apparat  um,  sodass  der  Stöpsel  B  nach 
oben  zu  liegen  kommt,  verschliesst  den  Hahn  E,  füllt  den  mit  Hefe 
geschüttelten  Harn  in  das  Glas  A  und  verschliesst  dasselbe  wieder 
mit  dem  Glasstöpsel  B.  Jetzt  wird  der  Apparat  auf  die  am  Glas¬ 
stöpsel  B  angebrachte  Holzplatte  C  gestellt,  also  in  die  Lage  ge¬ 
bracht,  in  der  er  auf  der  Skizze  abgebildet  ist.  und  die  oben  offene 
Röhre  G  mit  gesättigter  Kochsalzlösung  gefüllt.  Durch  mehrmaliges 
Neigen  des  Apparates  wird  das  oben  verschlossene  Glasrohr  F  mit 
Kochsalzlösung  bis  oben  hin  gefüllt,  wodurch  das  offene  Rohr  G  leer 
wird.  Jetzt  wird  der  Hahn  E  geöffnet  und  der  Apparat  einer  Tem¬ 
peratur  von  37°  C  äusgesetzt.  Nach  24  Stunden  erfolgt  die  Ablesung. 

Genauigkeit  des  Apparates. 

Im  Verlaufe  von  anderthalb  Jahren  habe  ich  eine  sehr  grosse  Zahl 
von  Untersuchungen  mit  meinem  Apparate  vorgenommen  in  der 
Weise,  dass  Ich  mir  Zuckerlösungen  von  bekanntem  Prozentgehalt 
herstellte  und  durch  die  Gärungsprobe  ihre  Konzentration  ermittelte. 

Auch  Diabetesharne,  deren  Zuckergehalt  auch  mit  dem  Polari¬ 
sationsapparat  bestimmt  wurde,  habe  ich  in  der  gleichen  Weise  unter¬ 
sucht.  Bei  dieser  Gelegenheit  habe  ich  mich  überzeugt,  dass  mein 
Apparat  ebenso  genau  arbeitet  wie  der  L  0  h  11  s  t  e  i  n  sehe.  Bei 
vielen  nacheinander  ausgeführten  Untersuchungen  mit  den  gleichen 
Zuckerlösungen  schwankte  der  Unterschied  der  Ablesung  nur  um 
kleine  Bruchteile  eines  Zehntel  Prozentes.  Jedenfalls  ist  man  im¬ 
stande,  z.  B.  0,85  von  0,9  Proz.  zu  unterscheiden.  Auf  eine  Ge¬ 
nauigkeit,  welche  sich  auf  wenige  Hundertstel  Prozent  erstreakt, 
will  ich  mich  prinzipiell  nicht  einlassen,  und  zwar  aus  folgendem 
Grunde: 

Jeder  Gärungsprobe  haften,  so  wie  sie  gewöhnlich  angestellt 
wird,  gewisse  Fehler  an.  Einer  der  wichtigsten  ist  begründet  in  dem 
Temperaturwechsel,  dem  der  Apparat  unterworfen  wird.  Zunächst 
.wird  der  Saccharometer  gefüllt  bei  Zimmertemperatur,  dann  aber  in 
eine  Temperatur  von  37°  C  gebracht.  Die  unvermeidliche  Folge  ist 
die,  dass  sich  die  Luftmenge,  welche  über  der  Flüssigkeit  steht, 
etwas  ausdehnt,  und  es  wird  eine  Luftblase  aufsteigen,  welche  nicht 
durch  die  Gärung  veranlasst  ist,  sondern  lediglich  durch  die  Aus¬ 
dehnung  der  Luft  in  der  Wärme.  Nun  ist  ja  bei  Anfertigung  der 
Skala  allerdings  eine  gewisse  Ausdehnung  der  Luft  durch  eine  Tem¬ 
peraturerhöhung  mit  in  Betracht  gezogen.  Aber  die.  Zimmer¬ 
temperatur  ist  nicht  konstant.  Man  müsste  deshalb  streng  genommen 
für  jede  Zimmertemperatur  eine  bestimmte  Korrektur  anbringen  oder 
eine  andere  Skala  anwenden. 

Ausser  diesem  Fehler  gibt  es  aber  noch  zahlreiche  andere,  welche 
einzeln  aufzuzählen  viel  zu  weit  führen  würde.  Sie  alle  kommen 
natürlich  umsomehr  in  Betracht,  je  geringer  der  Prozentgehalt  an 
Zucker  ist.  Deshalb  ist  die  relative  Genauigkeit  am  geringsten  in 
dem  Intervall  von  0—0,1  Proz.  und  wird  mit  zunehmender  Konzen¬ 
tration  immer  grösser.  Die  erwähnten  Fehler  können,  wenn  sie  be¬ 
kannt  sind,  vermieden  werden  und  dadurch  könnte  die  Genauigkeit 
meines  Apparates  noch  bedeutend  erhöht  werden;  aber  damit  schien 
mir  nicht  der  Zweck  dieses  einfachen  Saccharometers  erfüllt  zu  sein. 
Verzichtet  man  hingegen  auf  eine  grössere  Genauigkeit  als  3 4 5  20  Proz., 
dann  können  alle  diese  Fehler  vernachlässigt  werden. 

Die  grösste  Genauigkeit  ist  dann  zu  erzielen,  wenn  die  Tem¬ 
peratur,  bei  welcher  die  Gärung  vorgenommen  wird,  stets  konstant 
bleibt.  Kommt  es  jedoch  weniger  auf  ganz  genaue  Bestimmungen  an 
und  hat  man  keinen  Raum  mit  gleichbleibender  Temperatur  zur  Ver¬ 
fügung,  dann  kann  man  die  Untersuchung  bei  gewöhnlicher  Zimmer¬ 
temperatur  vornehmen.  Dieselbe  ist  so  gedacht,  dass  man  den 
Apparat  zunächst  ungefähr  2 — 3  Stunden  an  eine  warme  Stelle  des 
Zimmers,  etwa  in  die  Nähe  eines  Ofens  stellt,  bis  die  Gärung  in  Gang 
kommt.  Ist  dieses  eingetreten,  dann  kann  der  Apparat  weggenommen 
werden;  und  an  einer  anderen,  nicht  so  warmen  Stelle  des  Zimmers 
wird  dann  auch  die  Ablesung  an  der  Skala  für  Zimmertemperatur  vor¬ 
genommen. 

Will  man  aus  irgend  einem  Grunde  bei  einer  anderen  Temperatur 
als  der  vorgesehenen  die  Gärung  vor  sich  gehen  lassen,  so  braucht 
man  sich  nur  eine  Skala  für  diese  Temperatur  herzustellen,  indem 
man  Zuckerlösungen  von  verschiedener  bekannter  Konzentration  in 
dem  Apparat  bei  der  gewünschten  Temperatur  vergären  lässt  und  die 
dabei  entstehende  Kohlensäuremenge  durch  einen  Strich  an  der 
Uebergangsstelle  von  Gas  und  Kochsalzlösung  auf  dem  Reiter  ver¬ 
zeichnet.  Ist  die  Skala  einmal  hergestellt,  dann  kann  man  auch  wie¬ 
der  direkt  ablesen. 

Dieser  Apparat  ist  in  der  beschriebenen  Form  bestimmt  für 
Zuckerlösungen  zwischen  0.1  und  1  Proz.  Will  man  also  damit  kon¬ 
zentriertere  Lösungen  untersuchen,  so  muss  man  den  Harn  ent¬ 
sprechend  verdünnen. 

Apparat  für  konzentriertere  Harne. 

Um  das  Verdünnen  zu  vermeiden,  konstruierte  ich  für  1  bis 
10  proz.  Lösungen  ein  anderes  Modell,  welches  im  wesentlichen  dem 
beschriebenen  gleich  gebaut  ist,  dessen  Reservoir  aber  viel  kleiner 
und  nur  zur  Aufnahme  von  0,5  ccm  Flüssigkeit  bestimmt  ist. 


2488 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


-in  die  geringe  Flüssigkeitsmenge  möglichst  genau  abmessen 
zu  können,  habe  ich  dem  Apparat  eine  kleine,  geeichte  Pipette  zu 
o.n  ccm  beigegeben.  Das  Füllen  des  Apparates  geschieht,  wie  ich 
geturnten  habe,  am  zweakmässigsten  in  der  Weise,  wie  es  Lohn- 
stein  für  seinen  Saccharometer  angibt.  Mit  der  Pipette  bringt 
man  1,5  ccm  Harn  in  das  Reservoir.  Hierauf  zerreibt  man  ein  etwa 
bohnengrosses  Stuck  Hefe  mit  ungefähr  der  doppelten  Menge  Wasser 
zu  emem  Brei  und  bringt  mit  der  Pipette  von  diesem  Brei  2  bis 
4  J  ropten  zu  der  Losung.  Dann  setzt  man  den  Glasstöpsel  auf,  dreht 
uncl  füllt  ihn,  wie  den  zuerst  beschriebenen,  mit 
gesättigter  Kochsalzlösung.  Die  Ablesung  geschieht  in  der  gleichen 
/eise  wie  bei  dem  beschriebenen  Saccharometer  für  schwache  Kon- 
zentiation,  nur  bezeichnen  hier  die  Teilstriche  ganze  Prozente.  Auch 
diesem  Apparat  sind  zwei  Skalen  beigegeben,  die  eine  für  eine  Tem¬ 
peratur  von  37  C,  die  andere  für  Zimmertemperatur  (20°  C). 

... ;  iie  '?.e’.en  Apparate  werden  von  Herrn  Glasbläser  Otto  Lud¬ 
wig  in  Tübingen  geliefert. 

- - 


Geburt  und  Tod  bei  den  Wasuaheli. 

Von  Dr.  H.  Krauss,  früherem  Bahnarzt,  Daressalam. 

I.  Geburt. 

Die  Entbindung  findet  in  der  Hütte  der  Gebärenden  statt 
™er  und  Kinder  dürfen  nicht  zugegen  sein.  Die  Frau  hockt  auf 
Matten  am  Boden,  angelehnt  an  die  Brust  einer  anderen,  ebenfalls 
am  Boden  sitzenden  Frau.  Die  Hebamme  hat  ihre  Hände  gereinigt 
und  sitzt  zwischen  den  Beinen  der  Gebärenden,  untersucht  aber  die 
1  rau  nicht  innerlich.  Die  Schamhaare  der  Gebärenden  wurden  schon 
Sn- Einreiben  mit  Asche  entfernt;  ein  Rasiermesser  darf 
lazu  nicht  benutzt  werden.  Wenn  die  Schamspalte  zu  eng  erscheint 

ef nge s chn ft te n .  beiderSeitS  etwas  nach  linten  mit  dem  Rasiermesser 

Das  austretende  Kind  wird  von  der  Hebamme  aufgenommen 
Die  Habelschnur  reisst  von  selbst  ab  und  wird  dann  abgebunden' 
Nach  der  Geburt  wird  6  Tage  lang  die  Scham  der  Wöchnerin  mit 
sehr  heiss em  Wasser  abgespiilt.  Am  2.  oder  3.  Tage  nach  der  Ent¬ 
bindung  kommt  die  Nachgeburt  gelegentlich  eines  Stuhlganges  von 
selbst;  wenn  sie  nicht  kommt,  wird  sie  nicht  durch  besondere  Hand¬ 
griffe  entfernt,  sondern  die  Frau  stirbt.  Nabelschnur,  Eihäute  und 
Nachgeburt  werden  von  der  Hebamme  ausserhalb  des  Hauses  ein¬ 
gegraben,  ebenso  nach  7  lagen  der  abgefallene  Nabelschnurrest  und 
die  abrasierten  Haare  des  Kindes. 

Der  Name  des  Kindes  wird  gleich  nach  der  Geburt  vom  Vater 
bestimmt.  Mein  Junge  erhielt  von  seinem  Vater  Hamur  den  Namen 
Mzee,  der  Alte,  und  nennt  sich  nun  Mzee  bin  Hamur.  Das  Mäd- 
chen  erhalt  nur  den  Namen  seines  Vaters,  die  Tochter  des  Isa  z  B 
heisst  Bijisa. 

Zur  Namennennung  findet  ein  grösseres  Fest  nicht  statt.  Mit 
4—5  Jahren  wird  der  Knabe  beschnitten  und  legt  sich  dabei  selbst 
einen  Namen  bei.  Dieses  Ereignis  wird  mit  grossem  Feste  gefeiert. 

Die  Kinder  trinken  6  Monate  lang  nur  an  der  Mutterbrust.  Dann 
crhaJtea  fie  blM  ,zum  Ende  des  zweiten  Jahres  neben  Brei  ebenfalls 

ü°  **Mutterm!  ch;  .So  .lange  das  Kind  an  der  Mutter  trinkt,  darf 
der  Mann  nicht  bei  seiner  Frau  schlafen,  sonst  würde  das  Kind 
an  den  Beinen  gelähmt. 

o  7\/i  Zvyi!!!nge  gelten  als  Unglück  und  wurden  früher  getötet.  Wenn 

7  v  a!fk£  bifn  emej11  Stengel  oder  2  Früchte  in  einer  Hülle  sitzen 
(„Vielliebchen  )  werden  sie  nicht  gegessen;  wer  sie  isst,  bekommt 
Zwillinge  In  früherer  Zeit  wurden  auch  die  Kinder,  bei  denen  die 
Backenzahne  vor  den  Schneidezähnen  kamen,  getötet 
in  t  derlQeburt  «t  das  Negerkind  hell,  wird  aber  in  den  nächsten 

DiIrffnicS+ChfTaru;  +Wenn  dau  nicht  erfolgt  und  das  Kind  ein  Albino 
iseruj  ist,  furchtet  man  sich  vor  demsejben  und  niemand  will  mit 

ihm  zu  tun  haben.  Als  Unglückskinder  gelten  ferner  solche  mit  ge¬ 
spaltenen  Lippen,  mit  überzähligen  Fingern  und  Zehen,  sowie  Kin- 
ube,vdeilen  die  oberen  Schneidezähne  vor  den  unteren  kommen. 
abgcgelTcn1  der  werden  meis*  an  die  Erziehungshäuser  der  Missionen 

Hause^blefben^113111^1111^  mÜSSen  Mutter  und  Kind  7  Tage  lang  im 

Die  Schwangerschaft  beträgt  bei  einem  Knaben  9—12  Monate 
bei  einem  Mädchen  8—9  Monate.  ’ 

W?nn  di®  Frau  während  der  Schwangerschaft  sehr  rührig  ist, 
ai betet  und  kocht,  so  wird  sie  einen  Knaben  gebären;  wenn  sie 
aber  den  ganzen  lag  schläft,  geht  sie  mit  einem  Mädchen  schwanger. 

dem  Rücken1  Hegfn.re  Fr3U  S°ü  nie  aUf  der  Seite’  sondern  stets  auf 

,  ^ena  e‘ne  ^au  keine  Kinder  bekommt,  geht  sie  zum  Arzt,  der 
gibt  ihr  Medizin,  dass  sie  schwanger  wird. 

Wenn  einer  Frau  alle  Kinder,  die  sie  geboren  hat,  sterben  so  ver- 
mu  et  man,  dass  ihre  Klitoris  zu  sross  sei:  dieselbe  wird  mit  etaem 
Rasiermesser  abgetragen  und  heisses  Wasser  auf  die  Wunde  be¬ 
gossen.  Dann  bleiben  die  späteren  Kinder  am  Leben. 

20  Rp  Hebamme  bekommt  für  eine  Entbindung  5.  10,  ja  bisweilen 

H.  Tod. 

Venn  ein  Wasuaheli  gestorben  ist,  so  werden  die  Verwandten 
desselben  benachrichtigt.  Dieselben  kommen  in  dem  Hause,  in  dem 


der  Tote  liegt,  zusammen.  Die  Leiche  liegt  auf  einer  Bettstelle 
einem  schnurüberspannten,  auf  4  Füssen  ruhenden  Rahmen,  und  ist 
mit  einem  J  uche  überdeckt.  Den  Leidtragenden  wird  das  Antlitz 
des  roten  gezeigt.  Die  Verwandten  beraten  nun,  durch  welche 
Krankheit  wohl  der  Tod  emgetreten  sei.  Vermutet  man  Vergiftung 
so  wird  die  Leiche  von  einem  Freund  des  Verstorbenen  geöffnet 
und  Herz  und  Leber  besichtigt.  Wenn  diese  ganz  schwarz  aussehen 
so  spricht  das  für  Vergiftung;  denn  das  gewöhnliche  Gift  dini 
madim  Metall,  wird  in  der  Gegend  von  Koindoa  Irangi  gekauft) 
bewirkt,  dass  alles  Blut  aus  den  Gliedern  ins  Innere  des  Körpers  zu- 
ruckweicht  und  so  sehen  die  Organe  ganz  schwarz  aus.  Liegt  nun 
eni  J1,m°rd  vor,  so  wird  nach  dem  Mörder  gefahndet  und  der¬ 
selbe  dem  Gericht  überliefert,  früher  wurde  er  lebendig  verbrannt. 

Leichenöffnung  findet  auch  statt,  wenn  einer  im  Kriege  erschossen 
wurde.  Denn  erst  nachdem  die  Kugel  herausgeschnitten,  darf  die 
Leiche  beerdigt  werden,  anderenfalls  müsste  der  ganze  Stamm  durch 
feindliche  Kugeln  sterben. 

....  )^ar  edler  erschlagen  oder  erstochen  worden,  so  wurde  der 
S°rdeMr  auch,  erstochen  oder  er  wurde  in  Matten  gebunden,  mit 
Steinen  beschwert  und  ins  Meer  geworfen 

i?er  Begrabllisplatz  liegt  ausserhalb  des  Dorfes.  Die  Gräber 

II  t  denneiSdLS0^"r:entKert’  ,?aSS  d.er  K°pf  der  Leiche  "ach  Mekka 
sieht  denn  die  Kustenbewohner  sind  zumeist  Mohammedaner. 

Die  Leiche  wird  von  den  Verwandten  gleichen  Geschlechts  ee- 
waschen,  aus  dem  Leib  wird  aller  Darminhalt  sorgfältig  ausgepresst 

wa?16  D^nTwL^d^T16-  neSt°Pft’-  die  ZUVOr  wohlr>echend  gemacht 
wär  Dann  wird  die  Leiche  in  ein  ganz  neues  Tuch  (sanda)  ein- 

Of?w  rd  nd  rUn  er  nlte,r  KIaffe  der  Angehörigen  zu  Grabe  getragen. 
Oft  wird  unten  im  Grabe  eine  seitliche  Nische  angebracht.  Dahinein 
wird  die  Leiche  gebettet,  die  Nische  dann  durch  ein  Brett  und 

FLi  abgesyb  ,os^en  Tund  das  Grab  mit  Erde  aufgefüllt.  Besondere 
Beigaben  erha  t  die  Leiche  nicht,  nur  wenn  der  Tod  durch  eine 

Sn^^LKdank&eit;  Wr1€  Aussatz-  erfolgt  ist,  wird  das  Messer,  der 
Stock  und  der  Esstopf  mit  ins  Grab  gegeben. 

kt  m  T\e  daUfrt.  d,‘.e  Todenklage,  an  der  sich  auch  die  Frauen  der 
Nachbarschaft  beteiligen.  Während  dieser  Zeit  dürfen  sich  die 
Angehörigen  des  \  erstorbenen  nicht  waschen,  nicht  rasieren,  nicht 
kämmen  und  müssen  auf  der  Erde  schlafen.  Nach  dieser  Zeit  wird 
das  sanze  Haus  und  alles  Hausgeräte  gereinigt  und  geräuchert-  die 
Bewohner  baden  und  schmücken  sich,  ziehen  frische,  weihrauch¬ 
duftende  Kleider  an  und  halten  ein  grosses  Festessen 

Die  Gräber  sind  meist  nur  durch  2  Hölzer  oder  Steine  ge¬ 
kennzeichnet;  über  den  Gräbern  der  Dorfhäuptlinge  wird  oft  eine 

s  Pe!,nte^Ut?u€rbaUt  \uf  dem  Qrabe  der  Ml]tter  oder  des  Freundes 
WeihrauchSaürarZe  UntCr  em€m  kIeinen  Strohdach  eine  Schale  mit 

Wenn  einer  von  einem  Grabe  etwas  wegnimmt,  so  kommt  der 
Verstorbene  zu  ihm  im  Traume  und  sagt:  „Warum  hast  du  mir  mein 
Eigentum  weggenommen?“  Und  der  Dieb  wird  krank  und  kann 

aufs  S  STht"1"  "  a"eS  Z“r"CkKbracht  untI  W*ihr“‘:h 

....  Leichenverstümmelung  kam  früher  vor,  die  Manjemas  assen  die 
Hände  und  Fusse  der  Leichen.  Jetzt  kommt  das  kaum  mehr  vor 
Man  furchtet  das  Gericht  der  Weissen. 

Als  ich  meinen  Jungen  fragte,  warum  er  sich  nicht  gerne  photo- 
graphieren  liesse,  entgegnete  er:  Wenn  ich  tot  bin.  dann  lebt  doch 
mein  Bild  fort  und  meine  Mutter  weint  dann,  so  oft  sie  das  Bild  sieht- 
darum  ist  das  Photographieren  nicht  gut. 

Einmal [fragte  ich  meinen  Jungen:  „Wenn  jemand  gestorben  ist 
kommt  er  dann  wieder  zurück?“  Der  Junge  lachte  sehr,  dann  sagte 
C!7  Du  andere  Leute  so  etwas  fragst,  so  werden  sie  sich 

idle  fürchten  und  davonlaufen;  denn  Sterben  ist  etwas  Böses!“ 

Referate  und  Bücheranzeigen. 

Professor  Dr.  Elias  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f,  II.  Direktor  des 
Institut  Pasteur,  Paris:  Beiträge  zu  einer  optimistischen  Welt¬ 
auffassung.  Mit  Erlaubnis  des  Verfassers  ins  Deutsche  über¬ 
setzt  von  Heinrich  M  i  c  h  a  1  s  k  i.  309  S.gr.  8°.  Mit  27  Text¬ 
abbildungen.  München,  J.  F.  Lehmanns  Verlag.  Preis  ge¬ 
heftet  M.  6. — ,  gebunden  M.  7. — . 

Es  ist  ein  interessantes  und  anregendes  Buch,  das  hier 
vorliegt.  Der  geistreiche  \erf.  gibt  zunächst  einen  ausführ¬ 
lichen  Ueberblick  über  seine  Lehre,  dass  die  Alterserscheinungen 
in  dcn  ^  erschiedenen  Organen  des  Körpers  sich  erklären  durch 
erfolgreiche  Angriffe  von  Fresszellen  (Makrophagen)  auf  die 
alternden  und  geschwächten  funktionell  wichtigen  Elemente  der 
Organe.  Die  Makrophagen  entstehen  in  vielen  Fällen  aus  dem 
Jtützgewebe  der  Organe  durch  Vermehrung  der  Bindegewebs- 
kerne  (Hirn  und  Muskeln).  Bei  Leber  und  Niere  sind  es  mit 
dem  Blutstrom  eingewanderte  Phagozyten,  die  die  gleiche 
unktion  ei  füllen.  Die  Einwände,  die  man  gegen  diese  An¬ 
se  lauung  gemacht  hat,  werden  in  einer  Reihe  von  Einzelaus- 
fuhrungen  zurückgewiesen.  An  zahllosen,  stellenweise  in  etwas 
willkürlicher  Reihenfolge  mitgeteilten  Beispielen  über  das 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


10.  Dezember  1907. 

I  ebensalter  der  verschiedenen  Tierklassen  prüft  der  Verf.  die 
bisher  aufgestellten  Anschauungen  und  Formeln  fui  die  Ur  Sache 
des  verschieden  langen  Lebens  der  einzelnen  Klassen  und  Arten. 

Es  wird  die  im  allgemeinen  grössere  Lebensdauer  der  Kalt¬ 
blüter  und  Vögel  gegenüber  den  Säugetieren,  der  grosseren 
Tiere  gegenüber  den  kleinen,  der  sich  langsam  vermehrenden 
gegenüber  den  sich  rasch  vermehrenden,  der  langsam  wach¬ 
senden  gegenüber  den  raschwüchsigen  Geschöpfen  besprochen 
und  hervorgehoben,  dass  durch  diese  Feststei hingen  zwar 
manches  erklärt  wird,  vieles  aber  auch  absolut  dunkel  bleibt. 
Besonders  ist  die  lange  Lebensdauer  der  warmblütigen,  1  asch¬ 
wüchsigen,  zum  Teil  lange  und  reichlich  Eier  produzierenden 
kleineren  Vögel,  z.  B.  Enten,  gegenüber  der  kurzen  Lebens¬ 
dauer  so  vieler  grosser  Säugetiere  eine  auffallende  und  dun. 
keine  der  angedeuteten  Betrachtungen  erklärbare  Tatsache.  In 
eingehender  vergleichend-anatomischer  und  biologischer  Be¬ 
trachtung  entwickelt  dann  M.  die  überraschende  Theone,  da s  s 
die  Ausbildung  des  Dick-  und  Blinddarmes 
als  Kotrezeptakulum  schuld  sei,  dass  so  viele 
Säugetiere  und  die  Laufvögel  eine  relativ 
zu  kurze  Lebensdauer  besitzen.  Die  starke  Ent¬ 
wicklung  dieser  zur  Kotaufspeicherung  dienenden  Organe  sei 
bei  diesen  Tieren  notwendig,  um  ihnen  Gelegenheit  zu  geben, 
besser  einem  Feinde  entkommen  oder  eine  Beute  verfolgen  zu 
können.  Da  beim  raschen  Lauf  keine  Fäkalien  entleert  werden 
können  und  jedes  Stehenbleiben  einen  Schaden  für  das  1  ler 
bedeute,  so  hätten  sich  Fäkalienreservoire  im  Koiper  ent¬ 
wickelt.  Diese  ursprünglich  nützliche  Einrichtung  sei  aber 
schädlich  dadurch  geworden,  dass  sich  im  Darm  Fau1"^- 
prozesse  abspielten,  die  die  Gesundheit  bedrohen  durch  Ueber- 
gang  von  Fäulnisgiften,  gelegentlich  auch  von  Mikroorganismen 
in  die  Blutbahn.  Die  Beweise  für  diese  Iheone  im  einzelnen 
mögen  im  Buche  selbst  nachgelesen  werden.  Manche  ei- 
scheinen  überraschend  einleuchtend,  andere  sind  weniger  über¬ 
zeugend.  Besonders  anerkennenswert  ist,  dass  der  Vertasser 
auch  auf  die  Schwächen  seiner  Theorie  hinweist. 

Neben  den  alten  diätetischen  Mitteln,  das  Leben  zu  ver¬ 
längern,  empfiehlt  M.  auf  Grund  eigener  8  jähriger  Erfahrung 
zur  Einschränkung  der  Darmfäulnis  und  Erleichterung  der 
Darmentleerung  dentäglichen  Genussvoll  A  Liter 
Milch,  die  nach  vorhergehendem  Kochen  mit 

geeignetenMilchsäurebakteriengesau  e  r  t  i  s  t. 

Er  empfiehlt  vor  allem  den  aus  bulgarischer  Sauermilch  ge¬ 
wonnenen  Bacillus  bulgarus  als  stärksten  Säurebildner,  dem 
nur  der  Nachteil  anhaftet,  auch  Fette  anzugreifen  und  manch¬ 
mal  einen  etwas  talgigen  Geschmack  der  Milch  hervor¬ 
zubringen.  Daneben  rät  er  auch  den  Bacillus  paralacticus,  dei 
weniger  aber  wohlschmeckendere  Säure  liefeit. 

Die  späteren  Abschnitte  des  Buches  stehen  mit  der  Trage 
der  Lebensverlängerung  in  einem  sehr  lockeren  Zusammen¬ 
hang,  so  auch  das  Kapitel  über  ,,die  psychischen  Rudimente 
des  Menschen“  (sic),  in  denen  eine  Menge  anregender  psycho¬ 
logischer  Beobachtungen  an  Menschen  und  Affen  mitgeteilt  sind. 
Der  Zweck  dieses  Teiles  ist,  die  in  M.s  früherem  Buch  mit 
Energie  verfochtene  These,  die  tatsächliche  Abstammung  des 
Menschen  vom  Affen  durch  weitere  Beobachtungen  zu  stützen. 

Im  nächsten  Abschnitt  behandelt  Verf.  Analogien  und 
Unterschiede  zwischen  Tierstaat  und  Menschenstaat.  Die 
Schlussabschnitte  beschäftigen  sich  dann  mit  W  eltanschauungs- 
fragen  und  verfolgen  den  Zweck,  einem  zu  kräftiger  Weiter¬ 
arbeit  begeisterten  Optimismus  neue  Anhänger  zu  gewinnen 
im  Kampfe  gegen  den  resignierten  skeptischen  Pessimismus 
vieler  Menschen.  Von  grossem  Interesse  ist  dabei  M.s  Inter¬ 
pretation  von  Goethes  „Faust“,  in  dem  er  vor  allem  das  Schick¬ 
sal  eines  sich  vom  Pessimismus  zum  Optimismus  durchringen¬ 
den  Menschen  erblickt. 

Die  Sprache  des  Buches  ist  schlicht  und  für  jeden  Ge¬ 
bildeten  leicht  verständlich.  Die  Uebersetzung  ist  befriedigend, 
wenn  auch  da  und  dort  die  französischen  Kunstausdrücke  nicht 
ganz  richtig  wiedergegeben  sind.  So  z.  B.  enthält  der  Harn 
nach  deutschem  Ausdruck  Aetherschwefelsäure  und  nicht 
„Schwefelätherverbindungen“,  wie  der  Uebersetzer  schreibt. 
Doch  sind  solche  Versehen  nicht  so  häufig,  dass  sie  den  Genuss 
des  anregenden  Buches  schädigen  könnten.  Niemand  wird  es 
aus  der  Hand  legen,  ohne  durch  den  liebenswürdigen,  geist- 


2489 


reichen  und  vielseitigen  Autor  wertvolle  wissenschaftliche  und 
ethische  Anregung  empfangen  zu  haben. 

K.  B.  L  e  h  m  a  n  n. 

Jahresbericht  der  Kgl-  Psychiatrischen  Klinik  in  München 
für  1904  und  1905.  München  1907.  J.  F.  Lehmanns  Verlag. 

An  der  am  7.  November  1904  eröffneten  Klinik  wirken  14 
Aerzte,  wodurch  eine  derartig  bequeme  Diensteinteilung  er¬ 
möglicht  ist,  dass  jedem  Arzt  jährlich  einige  Monate  für  wissen¬ 
schaftliche  Zwecke  zur  Verfügung  stehen.  Bei  dieser  reichlichen 
ärztlichen  Versorgung,  dem  sehr  zahlreichen  Wartepersonal,  das 
nahezu  eine  Pflegeperson  für  zwei  Kranke  bietet,  und  der  weit¬ 
räumigen  Unterbringungsgelegenheit  der  Patienten  ist  eine 
zellenlose  Behandlung  selbstverständlich.  Für  'A  der  Kranken 
ist  Bettruhe  durchgeführt,  Arzneien  werden  sehr  wenig  ver¬ 
ordnet,  Alkohol  ist  ganz  verpönt;  häufig  werden  die  namentlich 
für  manische  Erregung  recht  wirksamen  Dauerbäder  ange¬ 
wendet,  seltener  nur  bei  manchen  unruhigen  Katatonikern  die 
feuchte  Einwickelung. 

Das  anatomische  Laboratorium  verfügt  über  13  Arbeits¬ 
plätze,  das  psychologische  über  6  verschiedene  Räumlichkeiten. 
In  Referierabenden,  Vorträgen  und  Publikationen  spiegelt  sich 
das  wissenschaftliche  Bestreben  der  Aerzte  wieder. 

Von  dem  reichhaltigen  klinischen  Bericht  sei  hervor¬ 
gehoben,  dass  auf  das  Jahr  1905  ca.  1600  Aufnahmen  fielen, 
davon  990  Männer.  Nicht  weniger  als  628  =  39,4  Proz.  waren 
mehr  oder  weniger  unmittelbar  infolge  des  Alkoholismus  er¬ 
krankt;  an  Verpflegungsgeldern  allein  beanspruchten  diese 
Trinker  des  Jahres  1905  den  Betrag  von  17  350  M.  20  Pf.  Auf¬ 
fallend  ist,  dass  auf  80  paralytische  Männer  39  Frauen  kamen. 
Die  Paranoia  war  nur  einmal  vertreten.  Die  nachahmenswerte 
Münchener  Einrichtung,  dass  bei  Selbstmordversuchen  über¬ 
raschte  Personen,  soweit  eine  chirurgische  Behandlung  nicht 
notwendig  ist,  der  psychiatrischen  Klinik  überwiesen  werden, 
führte  zur  Aufnahme  von  39  Männern  und  34  Frauen,  von 
denen  niemand  als  völlig  gesund  bezeichnet  werden  konnte. 
33  Todesfälle  kamen  1905  vor.  Weygand t. 

Dr.  H.  Schäfer,  Oberarzt  a.  D.  der  Irrenanstalt  Fried¬ 
richsberg  in  Hamburg:  Populär-Psychiatrie  des  Sokrates 
redivivus.  Gespräche  über  den  kleinen  Unverstand.  Preis 

M.  2.50.  .  , 

Eine  eigenartige,  auf  alle  Schablonen  verzichtende  Schrift 
liegt  vor  uns.  Von  dem  Tessnowprozess,  in  dem  nach  psychi¬ 
atrischer  Auffassung  ein  Mensch,  der  in  epileptischem  Dämmer¬ 
zustand  mehrere  Personen  getötet  hat,  vom  Schwurgei  icht 
zum  Tode  verurteilt  worden  ist,  trotz  der  zahlreichen  Gut¬ 
achten  unserer  ersten  Autoritäten,  geht  das  Büchlein  aus  und 
bemüht  sich,  die  Laienwelt  zu  bessern  und  zu  bekehren,  indem 
es  Interesse  für  psychiatrische  Fragen  zu  erwecken  und  Kennt¬ 
nisse  zu  verbreiten  sucht.  Mit  Recht  kann  es  bedauern,  dass 
viele  Gebildete  nicht  wissen,  was  Schuldbewusstsein  oder 
Wahnidee  oder  Dämmerzustand  ist;  als  ich  einmal  vor  Gericht 
einen  hysterischen  Dämmerzustand  festgestellt  hatte,  machte 
der  ahnungslose  Berichterstatter  einer  angesehenen  Tages¬ 
zeitung  daraus  einen  „Dämonenzustand“!  Wer  viel  mit 
Juristen  zusammenzuarbeiten  hat,  wird  im  günstigen  Falle 
deren  guten  Willen  anerkennen,  muss  aber  oft  genug  noch  weit 
reichende  Verständnislosigkeit  in  den  zahlreichen  psychiatri¬ 
schen  Fragen  samt  allen  möglichen  bedenklichen  Konsequenzen 
konstatieren. 

Um  nun  dem  Laien,  wozu  ja  in  psychiatrischen  Dingen 
nicht  nur  der  Jurist,  sondern  leider  auch  die  Mehrheit  der  Medi¬ 
ziner  gehört,  in  besonders  packender,  eindringlicher  Weise 
die  grundlegenden  Lehren  der  forensischen  Psychiatrie  zu  pre¬ 
digen,  bedient  sich  Schäfer  der  Gesprächsform.  Er  lässt 
den  Geist  des  alten  Sokrates  auf  hypnotischem  Umwege  auf¬ 
erstehen;  der  trunkfröhliche  Philosoph  trifft  drei  Mediziner, 
die  zur  Irrenpflege  in  Beziehung  stehen,  einen  Professor  der 
Psychiatrie,  einen  Physikus  und  einen  Anstaltsdirektor.  In 
einer  Reihe  von  Gesprächen  des  klassischen  Denkers  und 
Menschenkenners  mit  den  drei  Aerzten  werden  die  brennend¬ 
sten  Fragen  in  der  Beurteilung  geistig  Abnormer  abgehandelt. 
„Kleiner  Unverstand“  werden  die  mannigfachen  Krankheiten 
genannt,  die  nicht  so  auffällig  sind,  dass  der  Laie  sie  erkennt, 


2490 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


0  r  a  s  s  m  a  n  n  -  München. 


zunächst  der  Schwachsinn.  Von  den  36  Einzelkapiteln  seien 
besonders  hervorgehoben  das  über  Gedächtnis-  und  Urteils¬ 
kraft,  über  Kindermisshandlungen  und  unerziehbare  Kinder, 
dann  das.  neuerdings  so  Aktuelle  über  mörderische  Kinder- 
mädchen,  über  den  Eifersuchtswahn  der  Trinker,  über  „Kinder¬ 
lieb“,  über  die  Mina  Wagner  usw.  Das  Vorbild  der  platoni¬ 
schen  Dialoge  spiegelt  sich  in  manchen  Einzelheiten  wieder, 
im  ganzen  aber  wird  die  ernste  Materie  in  einem  frischen, 
burschikosen,  geradezu  feuchtfröhlichen  Tone  vorgetragen. 
Mag  es  manchen  Leser  auch  zum  Kopfschütteln  nötigen,  wenn 
Sokrates  von  seinem  Dienste  als  Landwehrhauptmann  spricht 
und  mit  Henkell  trocken  und  Scharzhofberger  Auslese  auf  die 
psychiatrische  Hygiene  und  alles  mögliche  andere  anstösst, 
so  hat  doch  der  Verf.  darin  nicht  ganz  unrecht,  dass  dem  Zweck 
des  Huches  damit  vielleicht  mehr  gedient  ist,  als  durch  trockene 
und  langweilige  Tonart.  Besonders  glücklich  gewählt  sind  die 
zahli  eichen  Beispiele  aus  dem  Leben,  die  alle  möglichen  Miss¬ 
stände  einer  Verkennung  psychischer  Abnormitäten  in  foro 
gi  eil  illustrieren.  Nicht  eingehen  will  ich  auf  manche  wider¬ 
sprucherweckende  Einzelheiten,  wie  die  Angabe,  dass  kein  Fall 
angeborener  homosexueller  Anlage  bekannt  sei,  oder  die 

endung  gegen  den  Austausch  zwischen  akademischen  und 
Anstaltspsychiatern.  Den  Reformvorschlägen  ist,  zum  grössten 
I  eil  wenigstens,  guter  Erfolg  zu  wünschen. 

Ohne  Anregung  wird  niemand  das  Buch  aus  der  Hand 
Icgen-  Weygandt. 

Prof.  E.  Lesser:  Lehrbuch  der  Haut-  und  Geschlechts¬ 
krankheiten  für  Studierende  und  Aerzte.  Leipzig,  F.  C. 
Vogel.  1906.  401  S.  Pe;s  8  Mk.  12.  umgearbeitete  Auflage. 

Zur  Empfehlung  des  bekannten  Lesser  sehen  Lehrbuchs 
viele  Worte  zu  sagen,  ist  überflüssig.  Die  Tatsache,  dass 
das  vielfach  umgearbeitete,  durch  Zugabe  neuer  Tafeln  er¬ 
gänzte  Werk  seit  dem  Jahre  1886  zwölf  Auflagen  erleben 
konnte  spricht  am  besten  für  die  Beliebtheit  und  Brauchbarkeit 
desselben.  Durch  die  Entdeckung  des  Erregers  der  Syphilis  ist 
das  Studium  der  Pathogenese  dieser  Erkrankung  auf  eine  neue 
sichere  Basis  gestellt  worden.  Die  neu  gewonnenen  Tatsachen 
der  ätiologischen  und  experimentellen  Syphilisforschung  haben 
dem  auch  in  der  neu  vorliegenden  Auflage  eine  gründliche  Dar¬ 
stellung  getunden.  Wenn  der  Verfasser  anderseits  zu  einer 
gewissen  \orsicht  mahnt,  voreilige  Schlüsse  vermeidet  und 
betont,  dass  die  Erfahrungen,  welche  im  Laufe  von  Menschen¬ 
altern  durch  sorgsame  Beobachtung  gewonnen  wurden,  nicht 
aut  einmal  über  den  Haufen  geworfen  werden  dürfen,  so  wird 
man  diesen  Standpunkt  als  durchaus  richtig  bezeichnen  müssen. 

K  o  p  p. 

G .  Ughetti:  Auf  dem  Wege  der  Wissenschaft.  Autori- 
Lei,  ziv  C  wmZU.nkr  R°n  Pr0f>  °r-  Qiovanni  G  a  1 1  Wien  und 
Preis'  l’80M  he  m  BraUmÜ  er>  1907>  Seitenzahl  135- 

Hm,!C,hohabe  Teijten  dieser’  voni  Uebersetzer  Seiner  Kgl. 
Fsstvs  rni?Z  Ludvig  Ferdinand  von  Bayern  gewidmeten 
s  Skf  i  rgrrsem  Vergnügen  gelesen.  Ughetti  ist  ein 
Schriftsteller  dem  eine  leichte  Feder  zu  Gebote  steht  und  der 
ebenso  den  überlegen  lächelnden  Humor  des  tiefen  Menschen¬ 
kenners  besitzt,  wie  eine  ausserordentliche  Feinheit  und  Lie¬ 
benswürdigkeit  der  stilistischen  Darstellung.  Wenn  auch  der 
Stoff  zum  grossen  1  eile  aus  dem  italienischen  Universitätsleben 
entnommen  oder  mindestens  dort  vom  Verf.  erlebt  ist  so  wird 
jedermann  zugeben,  dass  manche  der  vom  Verf  ' mit  bald 
liebenswürdiger,  bald  schärferer  Satire  geschilderten  Verhält- 

DaseEgssave  Dcutsc.hIaad  2anz  ausgezeichnet  passen. 

•  Cssay  »»Die  Illusionen  der  Wissenschaft“  darf  unbedingt 
eine  ernstere  Betrachtung  für  sich  beanspruchen  und  sagt  fn 
manchen  Beziehungen  sehr  gründlich  die  Wahrheit.  Die  kleinen 
biographischen  Skizzen,  welche  die  Schluss  bilden,  sind  trotz 
lircr  aphoristischen  Form  von  besonderer  Schärfe  der  Charak- 

onsiede?gvP  in  Kr  Tu  Wie  kleine’  aber  feine  Medaü- 

ons  der  geschilderten  Forscher,  nämlich  Moleschott 

BiHroth,  Helmholtz,  B  i  z  z  o  z  e  r  o.  1 1, 


A.  De  N  o  r  a:  Ruhloses  Herz.  Gedichte.  Mit  Buchschmuck 

von  Felix  Schulze.  Leipzig.  Verlag  von  L.  Staack- 
m  an  n,  1908.  167  S. 

Die  Gedichtsammlung  des  Kollegen  Dr.  N  o  d  e  r,  des  Mit¬ 
arbeiters  der  „Jugend“,  ist  kein  einheitlicher  Band,  sondern  ent¬ 
hält  7  Abschnitte:  „Frauen,  Florenz,  Romanzen  und  Balladen, 
Didaktisches,  Stimmungen  und  Bilder,  Freie  Rhythmen,  Fürs 
Brettl“.  Es  ist  klar,  dass  diese  Zusammenstellung  keine  ein¬ 
heitliche  Stimmung  aufkommen  lässt.  Das  Talent  eines  Dichters 
kann  auch  nicht  auf  so  verschiedenen  Gebieten  ein  gleich 
starkes  sein.  So  wechselt  denn  auch  manches  Zarte  mit  recht 
Derbem,  dem  Stoff  wie  Stil  nach,  ab.  Es  ist  darum  auch  schwer 
wie  es  gern  geschehen  sollte,  durch  Anführung  eines  einzelnen 
Gedichtes  an  dieser  Stelle  das  Interesse  für  das  ganze  Büchlein 
zu  wecken.  Wer  aber  den  ganzen  Menschen  und  sein  viel¬ 
raches  Fühlen  kennen  lernen  will,  der  schaffe  sich  den 
Gedichtenband  an:,  es  weht  ihn  daraus  das  leidenschaftliche 
Herz  des  Dichterkollegen  an  —  und  Dichter  haben  das  Recht, 
mehr  wie  andere  leidenschaftlich  zu  sein  —  mit  manchem 
warmen,  manchem  grossen  und  auch  manchem  derben  Worte 
und  Gedanken.  Max  Nassauer  -  München. 

Ida  B  o  y  Ed.:  Fast  ein  Adler.  Roman.  Dresden.  Verlag 

von  Carl  R  e  i  s  s  n  e  r,  1907.  416  S. 

Die  bekannte  Schriftstellerin  führt  den  Leser  auffallend 
sachkundig  in  ärztliches  Milieu:  Ein  junger  Forscher,  als 
Mensch  eine  blendende  Erscheinung,  glaubt,  ein  Krebsmittel 
entdeckt  zu  haben.  Halb  Idealist,  bleibt  er  bei  dem  Glauben  an 
seine  Entdeckung,  halb  rühm-  und  ehrsüchtiger  Mann,  hält  er 
an  seinen  Entdeckung  fest,  nachdem  ihr  Wert  ziemlich  zweifel¬ 
haft  geworden  war.  Die  vielfache  direkte,  wie  indirekte  Reklame 
die  er  in  der  Grossstadt  und  deren  Gesellschaft  betätigt  und  ge- 
niesst,  ist  nicht  ohne  das  Wissen  wirklich  bestehender  Ver¬ 
hältnisse  geschildert.  Diesem  blendenden  Arzte  ist  ein  stiller, 
nur  der  Wahrheit  dienender  Arzt  gegenübergestellt.  Den 
Lesern  der  Münch,  med.  Wochenschr.  dürfte  die  Schilderung 
dieser  beiden  Charaktere  und  ihres  Schicksals  manches 
Intel  esse  bieten.  Ueber  den  Wert  oder  die  literarische  Be¬ 
deutung  des  Romanes  mit  seinem  Beiwerk  der  Liebesver- 
wicklungen  der  weiteren  Personen  zh  urteilen,  ist  hier  nicht 
dei  Platz.  Max  Nassauer-  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Klinisches  Jahrbuch.  18.  Band,  1.  Heft. 

Dieses  Heft  bringt  ausschliesslich  Arbeiten  über  das  Desinfek¬ 
tionsmittel  Autan. 

bn  £  e  Ui  n  g  e  i  spricht  sich  in  seinen  Untersuchungen  aus  dein 
Göttinger  hygienischen  Institut  dahin  aus,  dass  die  Desinfektions¬ 
wirkung  nicht  annähernd  so  sicher  ist  wie  bei  den  erprobten  Ver- 
tahren.  Zu  dem  gleichen  Resultat  kommt  Beck  bei  der  Nach¬ 
prüfung  iim  Flügge  sehen  Institut  in  Breslau.  Er  rubriziert  es  in 
den  Improvisationsverfahren,  die  nur  dann  anzuwenden  sind,  wenn 
eine  Desinfektionsanstalt  nicht  zu  erreichen  ist.  Wesentlich  günstiger 
aussert  sich  Franck  -  Wiesbaden,  der  das  Autanverfahren  den 
P  rdor<fÜ  c/esenüber  für  gleichwertig  erachtet,  ähnlich 

rn  Rpr  inl  ui!  d  S  c  ^  n  e  1  der  (Institut  für  Infektionskrankheiten 
A„m  v  ’  dil  -Ur  lloch  eine  billige  Herstellung  des  Autan  fordern. 
Auch  K  rchgasser-Hilgermann  kommen  zum  gleichen  Re- 
ts™,  In  e'ner  zweiten  Arbeit  betonen  die  beiden  letzten  Autoren 
noch  besonders,  dass  die  Schrankdesinfektion  von  Bettzeug  und 
Kleidungsstücken  mit  Autan  sehr  wohl  mit  der  Dampfdesinfektion  in 
Konkurrenz  treten  kann  Das  wird  besonders  bei  Typhus,  Ruhr  und 

vorgeschriebenBfstt'aCht  kommen’  eine  Zimmerdesinfektion  nicht 
rgesenneoen  ist.  Rudolf  S  e  g  ge  1  -  Geestemünde. 


\\  a  1  drd19V07Ür  kUnische  Chirurgie-  84.  Bd.  2.  Heft.  Hirsch- 

H„  D  *  JacobsDlaI.:  Zur  Histologie  der  spontanen  Heilung  des 
Hautkrebses.  (Chirurgische  Klinik  in  Jena.)  Mit  1  Tafel. 

an  der  Sch Hf^  eine^ak bf G  tonst  ffesundien  46  jährigen  Manne 

cicr  Schlafe  eine  als  dache  Narbe  erscheinende  Hautveranderuii" 

UlzeriL6  S1Chtbare  QescuhTulstbild^g  an  ihrem  Rande  und  o  ne 
Ulzeration  zu  zeigen,  sich  langsam  vergrösserte  und  innerhalb  von 
2  Jahren  10  pfenmgstückgross  wurde.  Die  auf  Skroid  gesteh  e 
den^Pand  Wl'rde  dur?h  dle  histologische  Untersuchung  bestätigt-  in 
ze  h!n  ™  flf  P,er  Narbe  ffnden  sidl  die  Charakteristik  che  n  EpHh  e  1- 

Ä  r  Zen,T  der 

gestaltetes  Karzinonr  ÄÄSÄ 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2401 


13)  Hashimoto  und  Tokuoka:  Ueber  die  Schussver¬ 
letzungen  peripherer  Nerven  und  ihre  Behandlung  (Tubulisation). 

Die  Verfasser  berichten  über  ihre  grossen,  im  russisch-japani¬ 
schen  Kriege  gesammelten  Erfahrungen,  die  sich  auf  27  Fälle  von 
Nervenverletzungen  an  der  oberen  Extremität  und  2U  an  der  unteren 
erstrecken;  am  häufigsten  war  der  rechte  Radialis  befallen.  Da  die 
meisten  Verwundeten  erst  nach  50 — 300  Tagen  in  Behandlung  kamen, 
so  war  nicht  mehr  festzustellen,  ob  der  Nerv  primär  verletzt  war, 
oder  ob  die  Ausfallserscheinungen  Folge  der  Heilungsvorgänge  waren. 
Vollständige  Nervendurchtrennung  wurde  nur  7  mal  beobachtet, 
scheint  demnach  ziemlich  selten  zu  sein.  In  den  meisten  Fällen  han¬ 
delte  es  sich  um  partielle  Verletzungen  der  Nerven  mit  Zerreissung 
und  Zertrümmerung  der  benachbarten  Weichteile  und  Knochen,  durch 
deren  Heilung  erst  sekundär  der  Nervenstamm  infolge  der  Narben- 
iind  Kallusbildung  oder  Entzündung  in  seiner  Leitungsfähigkeit  un¬ 
terbrochen  wurde.  Die  lädierten  Nervenpartien  waren  an  der  Stelle 
der  Verletzung  verdickt  und  sklerosiert  und  in  Narbengewebe  oder 
Kallusmassen  eingebettet.  Obgleich  es  dringend  wünschenswert  ist, 
dass  im  Kriege  die  Nervenverletzung  bereits  an  der  Front  diagnosti¬ 
ziert  wird,  lässt  sich  die  primäre  Nervennaht  wegen  des  Mangels 
an  Zeit  und  Platz  für  den  Krieg  nicht  empfehlen.  Die  Naht  sollte 
im  Kriege  nicht  unter  5  Wochen  nach  der  Verwundung  gemacht  wer¬ 
den  Nicht  wen'ge  Fälle  von  Nervenschussverletzungen  heilen 
ohne  Operation  durch  frühzeitige  mediko-mechanische  Behandlung; 
oft  ist  jedoch  ein  chirurgischer  Eingriff  nötig.  Bei  der  Nervenver¬ 
letzung  ohne  Kontinuitätstrennung  findet  die  Nervendehnung  nur  noch 
selten  Anwendung;  betreffs  der  Frage,  ob  man  die  Neurolysis  allem 
oder  die  Resektion  machen  soll,  sprechen  die  Erfahrungen  der  Ver¬ 
fasser  mehr  für  die  erstere,  das  weniger  eingreifende  Verfahren. 
Mehr  als  höchstens  100  Tage  nach  der  Verletzung  soll  man  ohne 
Qrund  nicht  mit  der  Operation  warten.  Die  Neurolysis  führten  die 
Verfasser  meist  folgendermassen  aus:  Aufsuchen,  Freilegen  und  Iso¬ 
lieren  des  Nerven  aus  denn  umgebenden  Kallus-  und  Narbengewebe; 
wetzsteinförmige  Exzision  spindelförmig  aufgetriebener  Partien 
des  Nerven  und  Naht  des  dadurch  entstandenen  Schlitzes  mit  Kat- 
gut-  Einscheiden  der  gelösten  Nervenpartie  in  eine  der  Länge  nach 
aufgeschnittene,  die  veränderte  Nervenstelle  oben  und  unten  um 
2 — 3cm  überragende,  nach  Foramitti  präparierte  Kalbsarterie. 
Naht  der  Kalbsarterie  mit  Katgut,  Verlagerung  des  eimgescheideten 
Nerven  in  gesunde  Muskelschicht  der  Umgebung. 

In  den  Fällen,  wo  durch  einen  totalen  Defekt  die  Nervennaht 
notwendig  wurde,  wurden  die  Enden  durch  Dehnung  aneinanderge¬ 
bracht,  vernäht  und  ebenfalls  in  eine  Kalbsarterie  eingescheidet.  Bei 
grossen  Defekten  kam  die  Methode  von  Vanlair  und  Sick- 
Sänger  zur  Verwendung.  Die  Resultate  der  Verfasser  waren  im 
allgemeinen  recht  gute;  die  schlecht  ausgehenden  Fälle  waren  fast 
alle  zu  spät  zur  Behandlung  gekommen.  Das  Verfahren  der  Ein- 
Scheidung  nach  Foramitti  hat  isich  vorzüglich  bewährt. 

15)  Bibergeil:  Bericht  über  353  komplizierte  Frakturen. 
(Chirurg.  Abteilung  des  Krankenhauses  am  Urban  in  Berlin.) 

Zu  kurzem  Referate  nicht  geeignet. 

17)  Wrede:  Die  Stauungsbehandlung  akuter  eitriger  Infek¬ 
tionen.  (Chirurg.  Klinik  in  Königsberg.)  Fortsetzung  folgt. 

19)  B  o  g  u  1  j  u  b  o  f  f :  Ueber  Unterbindung  des  Darmes.  (Chirurg. 
Fakultätsklinik  in  Kasan.) 

Die  an  36  Tieren  ausgeführten  Experimente  ergaben  wie  die 
früheren  Versuche  von  Ge  n  ersieh,  dass  die  I  iere  bei  einfacher 
Unterbindung  des  Darmes  durch  einen  Seidenfaden  oder  Metalldraht 
in  etwa  der  Hälfte  der  Fälle  am  Leben  bleiben;  die  Darmwand  ver¬ 
klebt  und  verwächst  hinter  dem  durchschneidenden  Faden  und  das 
Lumen  des  Darmes  stellt  sich  nach  kurzer  Zeit  wieder  her.  Eine 
zugleich  mit  der  Darmunterbindung  hergestellte  Enteroanastomose, 
die  die  Unterbindungsstelle  ausschaltete,  hatte  auf  den  Prozess  der 
Wiederherstellung  des  Darmlumens  gar  keinen  Einfluss. 

12)  An  schütz:  Neue  Beiträge  zur  Leberresektion.  (Chirurg. 

Klinik  in  Breslau.)  „  „  ,  . 

14)  Kar  ewski -Berlin:  Die  chirugische  Behandlung  der 

Lungenaktinomykose.  _  .  .  , 

16)  Schloff  er -Innsbruck:  Allmähliches  Entstehen  einer 

Luxatio  femoris  centralis. 

18)  Krause-Berlin:  Zur  Kenntnis  der  Rückenmarkslahmungen. 

Vorträge  auf  dem  36.  Chirurgenkongress.  Referate  s.  No.  16 
bis  20  dieser  Wochenschrift.  H  e  ine. k  e -Leipzig. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  90.  Band,  4.-6.  Heft. 
Leipzig,  Vogel,  Oktober  1907. 

16)  Schaad:  Ein  Fall  von  erworbener  Nierendystopie  mit 

Hydronephrose.  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Nierendystopie. 

Bei  dem  17  jährigen,  unter  dem  Bilde  der  akuten  Appendizitis 
erkrankten  Konditor,  der  vor  4  Jahren  einen  Fall  auf  den  Bauch  er¬ 
litten  hatte,  fand  sich  rechts  vom  Promontorium  die  hydronephrotisch 
veränderte  rechte  Niere,  die  exstirpiert  wurde.  Komplikation  der  Ge¬ 
nesung  durch  Darmverschluss  infolge  von  Verwachsungen.  Seitliche 
Anastomose  zwischen  Ileum  und  Colon  transversum,  Heilung. 

An  der  Hand  von  Zeichnungen  nach  Rekonstruktionsmodellen 
von  Zumstein  bespricht  Verf.  übersichtlich  zunächst  die  kon¬ 
genitale  Nierendystopie. 


Eine  erworbene  Nierendystopie  kann  direkt  im  Anschluss  an 
ein  Trauma  bei  einem  zu  Wanderniere  prädisponierten  Individuum 
zustande  gekommen,  wie  Verf.  für  seinen  Fall  annimmt.  Gewöhnlich 
macht  erst  eine  pathologische  Veränderung  der  dystopierten  Niere 
klinische  Erscheinungen. 

In  der  Diagnostik  der  Nierendystopie  spielt  neben  der  Palpa¬ 
tion  etc.  die  Zystoskopie  mit  Ureterenkatheterismus  sowie  die 
Radiographie  event.  als  Pyelographie  nach  V  ü 1 cke  r  und  Lichte  n- 

berg  eine  Rolle.  . 

Das  therapeutische  Vorgehen  bei  der  Nierendystopie  (Dislokation 
mit  Fixation  oder  Exstirpation)  und  speziell  bei  der  Nierendystopie 
mit  Hydronephrose  (Nephrotomie,  plastische  Operationen,  Nephrekto¬ 
mie)  richtet  sich  ganz  nach  dem  gegebenen  Falle,  die  Methode  der 
Exstirpation  nach  der  Lage. 

17)  Jenckel:  Atresia  acquisita  intestini. 

Verf.  bringt  je  einen  Fall  von  Atresia  acquisita  int.  nach  In¬ 
karzeration  und  nach  Strangulation. 

Bei  einer  46  jährigen,  nach  Herniotomie  einer  Schenkelherme 
mit  nachfolgender  Tamponade  eingelieferten  Frau  wurden  wegen 
Kotfistel  2  fest  verwachsene  Darmschenkel,  von  denen  die  Fistel 
ausging,  reseziert.  Das  Präparat  zeigte  Blindverschluss  der  ab¬ 
führenden  Darmschlinge.  J.  glaubt,  dass  infolge  des  Zurückschiebens 
einer  Dünndarmschlinge  2  Schlingen  des  Darmes  .in  analoger  Weise 
wie  bei  der  retrograden  Inkarzeration  eingeklemmt  wurden,  wobei 
die  Zwischenschlinge  der  Obliteration  verfiel.  Literaturangabe  von 

5  Fällen.  _  .  0x  , 

Im  2.  Falle  wurde  bei  einer  38  jährigen  Frau  ein  Strangulations- 
ileus  durch  Murphyanastomose  zwischen  Ileum  und  Colon  trans¬ 
versum  beseitigt;  einem  Ileusrezidiv  nach  15  Monaten  eilag  die 
Patientin.  Bei  der  Sektion  fand  sich  beim  Verfolgen  des  Dünndarms 
von  der  Anastomose  zum  Zoekum  „plötzlich  ein  blinder  Verschluss 
dieses  Darmes  etwa  58  cm  unterhalb  der  Anastomose“. 

Beim  Zustandekommen  spielte  nach  J.  Umschnürung  durch  einen 
peritonitischen  Strang  mit  linearer  Neikrose  der  Schniirstelle  :eine 
Rolle.  Nur  1  ähnlicher  Fall  in  der  Literatur  (Ha  dl  ich). 

Warnung  vor  Anwendung  des  Murphyknopfes  zur  seitlichen  Ana¬ 
stomose  bei  Stenosen  des  Darmes.- 

18)  Helfer  ich:  Zur  Prognose  und  technischen  Ausführung  der 

Gastroenterostomie.  .  x  .  ,  , 

Bei  einem  wegen  Magendilatation  gastroenterostomierten  (re- 
trocolica  posterior)  Patienten  mit  postoperativen  Zirkulussymptomen 
fand  sich  der  abführende  Schenkel  durch  Verklebung  verschoben  und 
komprimiert.  Lösung  der  Verklebungen  mit  Nachbehandlung  in  auf¬ 
recht  sitzender  Stellung,  die  H.  seitdem  nach  Gastroenterostomie 
wegen  benigner  Erkrankungen  in  Verbindung  mit  „sanftem  Schütteln 
des  Rumpfes“  empfiehlt,  brachte  Heilung.  Einzelne  technische  Be¬ 
merkungen  zur  Gastroenterostomie  im  Original. 

19)  Graf:  Ein  Beitrag  zur  Chirurgie  der  gutartigen  Magen¬ 
erkrankungen.  ,  .  ,  jr  t  ,  VV  „ 

Von  95  vom  April  1899  bis  Dezember  190o  in  der  Kieler  Klinik 
wegen  gutartiger  Magenerkrankungen  operierten  Patienten  konnte  G. 
57  nachuntersuchen,  von  den  übrigen  24  noch  lebenden  grösstenteils 
Nachricht  erhalten. 

Aus  der  Zusammenfassung  der  für  den  Fachmann  sehr  lesens¬ 
werten  Arbeit  sei  hervorgehoben: 

„Bei  den  gutartigen  Magenerkrankungen  ist  die  Gastroentero¬ 
stomie  die  zurzeit  dominierende  Methode.“  Ihre  Vorteile  sind,  seht 
geringe  Mortalität,  4/s  (Ptose,  Atome)  bis  3U  (narbige  Pylorusstenose) 
Dauererfolge,  Heilung  beim  Ulcus  pylori  in  2h  und  beim  mchtsteno- 
sierendien  Ulcus  in  der  Hälfte  der  Fälle.  ...  . 

„Die  Jejunostomie  ist  möglichst  einzuschränken  (Unzuverlässig¬ 
keit  hauptsächlich  bei  Blutungen).  xT  ,  ,  .  ...  , 

Die  besonders  bei  Verdacht  auf  maligne  Neubildung  lnzidierte 
Resektion  des  Ulcus  ist  als  Normalverfahren  noch  nicht  empfehlens- 
wert. 

Die  bisherigen  Erfolge  der  Gastroenterostomie  (50  Proz.  Hei¬ 
lungen)  beim  nichtstenosierenden  Ulcus  des  Magenkörpers  sind  unter 
erweiterter  Indikationsstellung  besserungsfähig. 

„Für  Ptose  und  Atonie  ist  der  Gastroenterostomie  der  Vorzug 
zu  geben  vor  der  Pexis  und  Plikatio  allein.“ 

20)  1 1  o  und  Soycsima:  Beitrag  zur  operativen  Behandlung 

der  Hirschsprungschen  Krankheit.  _ .  ,  '  . 

Der  14  jährige  Patient  wurde  durch  inkomplete  Kolonaussclial 
tung  nach  erfolgloser  Enteroanastomose  und  Koliplikatio  geheut. 
Verf  sind  der  Ansicht,  dass  die  Fälle  Hirsch  spru  n  g  sehet 
Krankheit,  die  bei  der  gewöhnlichen  internen  Behandlung  sich  nicht 
bessern  wollen,  durch  partielle  Darmausschaltung  erfolgreich  be¬ 
handelt  werden  können,  dass  aber  die  Fälle  von  Mar  f  a  n  s  kon¬ 
genitaler  Obstipation  (Pseudomegalocoton  cong.)  meist  selbst  heilen. 

21)  Frangenheim:  Ueber  Knochenbildung  im  menschlichen 
Penis  (sogen.  Penisknochen). 

Bei  einem  56  jährigen  Patient  wurde  aus  dem  Dors-um  pcuis 
eine  5  cm  lange,  2  cm  breite  Knochenplatte  operativ  entfernt..  Nac  i 
der  eingehenden  histologischen  Untersuchung  wird  das  vorwiegend 
in  der  inneren  Schicht  der  Tunica  albuginea  gelegene  Knochen¬ 
gewebe  auf  direkte  Weise  im  Bindegewebe  gebildet. 

Die  Aetiologie  der  Penisknochenbildung  ist  ebenso  unklar,  wie 
die  sonst  in  Organen  vorkommenden  Knochenneubildungen.  Zu 
einem  Vergleich  mit  dem  Os  priapi  der  1  iere  ist  vorläufig  kein  nmu. 
vorhanden.  Litteratur. 


•  1  ^!l-r  6  1  ‘  ,^eitraß  zur  Pathologie  der  Fettgewebswuche- 
rungen  im  Kniegelenk. 

nioc; ^'|tte'pn5*  eincs  Falles  in  dem  die  entzündliche  fibröse  Hvper- 

ÄdM*CW??s  Unt6r  d'em  Lgt'  patellare  mit  solitärem  Knie- 
gelenlcshpom  kompliziert  war.  Exstirpation,  Heilung. 

m  iTi1  v  f  11  b  n  h  n:  Ueber  Mastitis  chronica  cystica. 

.  ,  Naph  krltischer  Besprecnung  der  Literatur  der  Zystenbildungen 

in  der  Mamma  bei  der  „Maladie  cystique  des  mammelles“  (Re  eins) 

s’'nmL+Ve7'  makroskoPiscIie  und  histologische  Beschreibung  von 
ist  S  nVfV‘MaT^  mit  Mastitis  chr-  cystica.  Die  Erkrankung 
Zystenbildung  aufzufassen2’  S°"dem  a‘S  chronische  Entzündung  mit 
-M)  Biidinger:  Die  Aetiologie  der  Hodenretention. 

Psiioi  1  5er»!  sein  Operationsverfahren  bei  Retentio  testis  ing 
in  V  h-  ld  be.spr,cht  sodann  nach  Einteilung  des  Kryptorchismus 
retention  u”koJ?pll?ierte  Hodenretention,  2.  die  komplizierte  Hoden- 
etention,  3.  die  innere  Hodendystopie  die  Aetiologie. 

nr  .  unkomplizierte  Hodenretention  hat  eine  bedeutende 

praktische  V  ichtigkeit  (90—95  Proz.  aller  Hodenretentionen)“.  Aetio- 
spielen  die  Hauptrolle  mechanische  Hindernisse  (Verwach- 
hucio611  dCS  7oden?  oder  Nebenhodens  durch  peritonitische  Ad- 
sd  ff  jp/rif  peritoneale  Narben  und  Adhäsionen  in  der  Nachbar- 
schait  des  Hodens.  Die  übrigen  Hypothesen  verwirft  Verf 

875  Fällen  6  SnCr:  Erfahrungen  mit  der  Lumbalanästhesie  in 

des  Moabt778^,RliCknnmarksaIUlsthesien  der  chirurgischen  Abteilung 
des  Moabiter  Kiankenhauses  wurden  114  mit  Stovain,  354  mit  Novo¬ 
kain-  uprarenm  und  407  mit  Stovain-Adrenalin  gemacht. 

des  K  r  o  n^r  söhpr?  g  6 r U  fwie  eine  technische  Modifikation 

7  sck Pn  Verfahrens  (tiefere  Punktion  und  Abfliessenlassen 

n?p  Liquor  nach  Eintritt  der  Anästhesie)  wurden  wieder  aufgegeben 

die  Qriinde  noch 

und  Kollapscn 

2Zma  tTFV  ^  U"d  HyPOglossuslähnTung.  ^ 

-  7  der  bo,d  Inf°lse  eitriger  Meningitis,  die  mit  der  An- 
asthesie  in  Zusammenhang  gebracht  wird,  auf.  In  einem  Todesfall 

spiSisdepidbem.teri0l0SiSCh'e  Untersuchung  *eine  Meningitis  cerebro- 

Von  60  mit  Stovain-Adrenalin  anästhesierten,  bezüglich  des 

47  ^  weniger2  sCAwSeS 

Append?zitideUnPtSebiet  ^  d'e  Lumbalanästhesie  waren  Hernien  und 

fvl-  Kmitiaindiziert  ist  sie  bei  septischen  Prozessen,  kollabierten  Pat 
de?' N?eren%S  Zentralnervensystems  und  event.  bei  Erkrankungen 
nfch,N;e^"iatFe7te^X'mmeriUn£  bft‘  Diabetik«"  «  konnte 

Tarsufuud  VefalarsuFT  ^  aUSSedehnte"  Reaktionen  an, 

Verf  kam  zu  folgenden  Schlussätzen: 

„1.  Die  ausgedehnten  Resektionen  am  Tarsus  und  Metatarsus 

tVmpStationeTim gTChen  VSrtei!f;  und  sind  gegebenenfalls  fast  ‘stets 
n  pu  tat  Ionen  im  Tarsus  oder  Metatarsus  vorzuziehen. 

le treues'  Pp^dtJt60-  eia  -eHolgreiches‘.  d.  h.  ein  der  Amputation  iiber- 
legeneSpResuEät  in  65  Proz.  der  Fälle,  -bei  einer  Mortalität  von 

j  nif  Hauptindikation  für  die  Resektionen  gibt  die  Tuberkulose 
•  ,  h  ,  iepbJstef  Resultate  gibt  die  Resektion  im  jugendlichen  Alter 

Sberiege'ne^Res  111,“!:  Tf  Pjahre"'(bei  d™f  ein  Amputation 
erzielt  wurde^  ’  Proz-  mit  einer  Mortalität  von  9,1  Proz. 

Erfolg  4er  reSeZierte"  Kn°Chm  iS‘  Wr  de" 

6.  Will  man  einigermassen  in  Sicherheit  auf  einen  guten  Frfolv 
für  den'FmsrazUuSeStenra"f  bedaCht  Sei"'  mhldes‘ens  2  Stutzpunkte 

Metatärsi6  der  S  ResektioT  ^  tlz SS 

dunecht  zu  erhalten.  Man  darf  vielmehr  ruhig  die  3  inneren  Meta 

losen  FusT“  ren  “  erhä“  einen  fu"ktio"el1  und  kosmetisch  tadel" 

F  I  ö  r  c  k  e  n  -  Wiirzburg 


H  Monatsschrift  fiir  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  Bd.  XXVI 

«pplliS 

perio.  Mal,ler-Siogen:  Appendicitis  in  graviditate  et  in  puer- 

l„-snJl?hf 'vfh,lus?  a"  di,e  ausführliche  Schilderung  eines  eigenen  Falles 

schaft  und  im  Wochenbett  selten  trotzdem hiI v  ibcj!wan'2er‘ 
dir  das  Zustandekommen  der  akuten  Erkrankung  ta  de°r  SchSget” 


Schaft  nicht  wesentlich  verändert  sind.  Die  Gefahr  eines  Rezidiv«;  kt 
m  dieser  Zeit  nicht  erhöht,  höchstens  unter  de?  Geburt  infolge  von 
Zerrungen  an  alten  Herden.  Bei  akuter  wie  akut  rezidivierende? 
so?  S'hS  1Sudle  rechtzeitige  Operation  vorzunehmen.  Der  Uterus 
labei  nipht  entleert  werden,  sondern  es  ist  die  Erhaltung  dir 
j  angei  schalt  anzustreben.  Die  Drainage  durch  das  hintere  Schei 
dengewo Ibe  ist  selbst  auf  die  Gefahr  hin,  dass  es  zur  OeSurt  kommt" 
eine  Infektion  der  Uterushöhle  nicht  allzusehr  zu  fürchten 

handlunr.ank°W"FreibUrg:  Z“r  Fr3ge  der  peritonealen  Wundbe- 

v.  Experimentelle  Versuche  in  dieser  Frage  ergeben  das«;  dip 
Verschorfung  des  parietalen  und  viszeralen  Peritoneums ’  ohne  Rb 

Sen  führ,®  mfdhhÖhl04  meil‘  “  slatter  PertenSuuTdeJw^n'ä: 
machen  ^5?’  V',1  Ausnahmefällen  zu  Adhäsionsbildung.  Wund- 

sääsäjtk  isiäISt 

Vp.r?  Yf/Jiep-Mi°chuni:^Die  0steomaIakie  in  Westfalen. 

17  ope?  ert  Po4rrnFTei  T™  ,0ste+onialaki’e  behandelt.  Davon  wurden 
schuft  mi  Rp  I  0>  Totalexstirpation  resp.  Kastration  bei  Schwanger¬ 
schaft  mit  Beckenenge  in  10  Fällen.  2  Todesfälle  Kastration  rXn 

folge  Ermüdung  des  Muskel-  und  Bandappamtfs  nach  Verlegung 
des  Koi  Perschwergewichtes  durch  die  gebückte  Stellung  Dip  Fr_ 

formation  ^ie^wOfdp  hÖrt  iauf  ,Und  damit  die  fortschreitende  De- 
Stüt7pn  h'pc  V°  uerdep  .wieder  hart  und  funktionieren  wieder  als 

dta  Au  schaltagT;  OvJ,  '}®"'eS  E?tfacta  Krankheit  ist  durch 
schaff  unmöglich  gew0?LÜ  °”  Und  dam‘l  d"er  neuen  Sckwa„ger-  , 

träge3  zur  Pubiptomie."  ^(Schluss  )  Ckem'sc*le  “"<<  histologische  Bei- 

beschMtl«nPeS”m»“H  St“p  e"  a",  "“'S1“-  Katzei1  a"d  Kaninchen 
Pubio  mfiestel  P  d5  Knochenvereinigung  an  der 

r  uoiotomiestelle.  Aus  histologischen  und  chemischen  TTntei- 

eiT  fpQ?en  e7jbJ  Sich’  dass  die  Knochenwunde  in  der  Regel  nur  durch 
Di7  ?rit  S-  sfraffes>  viel  Knorpel  enthaltendes  Bindegewebe  ausheilt 
,end  niSChe  ?rupdfubstanz  besteht  aus  Glutin  und  Chondrin  wäh- 
rend  anorgamschie  Salze  fast  ganz  fehlen.  Der  Grund  warum  keine 
knocheine  Vereinigung  zu  stände  kommt,  liegt  in  der  weiten  Ent 
Knocheneadea  von  einander.  Eine  PseudaHh  ose  ent 

Säte  bSsIgFSt  rrvSChWer-  Die  Da««iohanI  vou  Milch- 
mehr  dei  Sa bteLlt TPCf«  ?te,  Vereip!gupg  nicht,  dagegen  wird  viel- 
edi.ziprf h  •  bindegewebig-knorpeligen  Ersatzstückes  sehr 
Tagen  ?nd  vtn7sp  ^nanderre/ben  der  Knochenenden  in  den  ersten 

r  ssss 

sehr  fest,7to“hS%,?Ä"bSäneZr’  „taM  Binde>!eweb*  wird  da"" 
tuberkutaso.ly'ReiC"enber8::  Z“r  Kasuislili  der  Popillären  Zervix- 

Die  Entstehung  des  Falles  führt  Verf.  bei  dem  21jährigen  Müd 

imbmi 3 dl reE?kran k?ngdidepr'ei,pn ;Proz*ss  zurück •  Dafür'  sprechen 
leocn  uer  Erkrankung  des  Peritoneum  die  Symptome  schleimi«- 

Sjrt,A“s  uss  nach  längerer  amenorrhoischer  Zeit.  Dies  deutet  mi 
nt  Mitbeteihgung  des  Gesamtorganismus  und  auf  Korpuserkrankung 
hm.  Auszuschhessen  ist  eine  direkte  Infektion.  rvurpuserKrankuns: 

■  Z  a  n  g  e  m  e  i  s  t  e  r  -  Königsberg:  Ueber  die  Aussichten  der 
kokken.  Und  PaSS,ven  Iltlmunfsierung  der  Menschen  gegen  Streplo- 

siere^ltnurdmusfade?rie.!1mta{nm  kan-n  man  ein'en  anderen  irnmuni- 
Eigenschaften  hahe?  d,w-  I^munFsieren  benutzte  Stamm  gewisse 
Vn  k  r  en  haben,  die  wir  ihm  aber  anzüchten  können  Die  er«;tp 

orbedingung  für  die  Inimunkörperproduktion  ist  die  Pathogenität 
schen^ ;truenP?kTtk,en+ltamm'.es  für  das  zu  immunisierende 
S f~n ,l  d  Tierpa  bo^enilat  sind  grundverschieden.  Bedingung  für 

der  Streptokokken!4“112  ‘m  1,erkörI>er  ist  fer»e''  die  Lebensfähigkeit 
.  ,  . Von  grosser  praktischer  Bedeutung  ist  dass  Tiere  dip  cvu  „nrh 
erhöhtaF^l-  «"deitamunisierongserlcrankpnKertolthabä  ctae 

ÄÄÄey1?'  Streptokokkeninfektionen  haben 

einer  Tierart,  für 


10.  Dezember  1907. 


MtJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ 2493 


f  ns  virulent  sind.  Eine  Möglichkeit  der  passiven  Immunisierung 
besteht  in  der  Uebertragung  des  Serum  von  Rekonvaleszenten  nach 
Streptokokkeninfektion.  Weinbrenner  -  Magdeburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  46. 

E.  Gross-Prag:  Zur  operativen  Behandlung  der  Inversio  uteri 

nuerperalis  inveterata.  .... 

G.  berichtet  über  einen  Fall  puerperaler  Inversion  bei  einer 
23  jühr  I  Para,  die  sich  nach  einer  Zangenextraktion  entwickelte. 
Pie  Inversion  entstand,  als  die  Plazenta  mittels  Crede  und  leichtem 
Zug  an  der  Nabelschnur  entfernt  wurde.  Die  manuelle  Reposition  ge¬ 
lang  scheinbar  leicht;  Tamponade.  Bei  Erneuerung  der  Tamponade 
war  der  Uterus  wieder  invertiert  und  kcmnte  nicht  mehr  reponiert 
werden.  Sechs  Monate  später  kam  Pat.  zur  Operation.  Zuerst  wurde 
die  Kolpo.köliotomie  nach  Küstne  rversucht,  gelang  aber  wegen 
Adhäsionen  nicht.  Erst  durch  nachfolgende  Laparotomie,  Lösung  der 
Adhäsionen  und  Spaltung  der  hinteren  Uteruswand  gelang  die  Re¬ 
inversion.  Heilung.  Als  Ursache  der  Inversion  bezeichnet  G.  schwere 
Atonia  uteri.  Zur  Behandlung  inveterlerter  Inversionen  empfiehlt 
G.  1.  unblutige  vorsichtige  Repositionsversuche,  2.  die  Küstn  er¬ 
sehe  Kolpoköbotomie,  3.  bei  Verwachsungen  die  Laparotomie,  4. 
bterusexstirpation  nur  bei  unstillbaren  Blutungen  bei  einer  der  ge¬ 
nannten  Operationen,  septischer  Infektion  oder  Perforation  des  Uterus. 

J.  W  e  r  n  i  t  z  -  Odessa:  Ueber  verschleppte  Querlagen  und  die 

Dekapitation.  f  „  ,  fi  ... 

Im  Anschluss  an  5  Fälle  verschleppter  Querlage  empfiehlt  W. 
bei  fester  Einkeilung  der  Schulter  die  Exartikulation  des  vorgefallenen 
Armes,  wodurch  die  Deikapitation  wesentlich  erleichtert  wird.  Die 
Sohonumg  der  mütterlichen  Weichteile  ist  die  Hauptbedingung  bei  der 
Dekapitation.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  I.  Heft  22. 

A.  v.  Mars -Lemberg:  Ein  Beitrag  zur  gynäkologischen  Unter¬ 
suchung  durch  die  Schelde. 

Verf.  empfiehlt  zur  Differentialdiagnose  von  Zysten  der  Vagina 
und  den  Douglas  vorwölbenden  Tumoren  einerseits,  Scheidenhernien 
oder  im  Douglas  liegenden  Darmschlingen  anderseits,  die  Per¬ 
kussion  von  der  Vagina  aus.  Zu  diesem  Zwecke  Hess  er  sich  vom 
Instrumentenmacher  ein  säulenförmiges  Plessimeter  von  12  cm  Länge 
aus  Hartgummi  anfertigen;  mit  diesem  Instrumente  konnte  er  in 
einem  Falle  von  Adnexitis  duplex  einen  im  Douglas  adhärenten  und 
das  hintere  Scheidengewölbe  herabdrängenden  Tumor,  der  als  Adnex¬ 
tumor  angesprochen  war,  als  Darmschlinge  diagnostizieren. 

Felice  LaTorre  -  Rom:  Vom  innerlichen  Vorgänge  der  Uterus¬ 
blutstillung  post  partum.  (Mit  12  Figuren  im  Text.)  (Fortsetzung  und 
Schluss.) 

Die  Arbeit  enthält  neben  einer  Kritik  der  bisherigen  Literatur 
über  dieses  Thema  mikroskopische  Untersuchungen  über  den  Vor¬ 
gang  des  Gefässverschlusses  am  puerperalen  Uterus  von  Meer¬ 
schweinchen.  A.  Ri  eiänder  -  Marburg. 

Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und  all¬ 
gemeinen  Pathologie.  Jahrgang  1907.  42.  Band.  1.  Heft. 

1)  R.  Giani:  Neuer  experimenteller  Beitrag  zur  Entstehung  der 
Cystitis  cystica.  (Aus  dem  Institut  der  Chirurg.  Klinik  der  Universität 
Rom.) 

Die  vorliegende  Arbeit  erweitert  die  frühere  Mitteilung  des  Verf. 
im  Pathol.  Zentralblatt,  der  zufolge  es  G.  gelungen  war,  durch  Ein¬ 
führen  aseptischer  Fremdkörper  in  die  Harnblase  von  Kaninchen  das 
typische  Bild  der  Cystitis  cystica  zu  erzeugen;  hier  zeigt  Verf.,  dass 
nach  möglichst  vollständiger  Auskratzung  der  Blasenschleimhaut  in 
gewissen  Regenerationsstadien  das  gleiche  Bild  (makroskopisch  und 
histologisch),  jedoch  als  eine  vorübergehende  Erscheinung  auftritt. 
Werden  ferner  bei  dem  Verschluss  der  operativ  eröffneten  Blase 
Schleimhautlappen  versenkt,  so  entstehen  durch  Epithelproliferation 
hier  Zysten,  die  aber  auch  die  Tendenz  haben,  sich  später  mit  dem 
Blasenlumen  wieder  zu  vereinigen,  eine  Gefahr  für  das  Individuum 
bedingen  sie  offenbar  nicht. 

2)  W  i  e  t  i  n  g  und  Hamdi:  Ueber  die  physiologische  und  patho¬ 
logische  Melaninpigmentierung  und  den  epithelialen  Ursprung  der 
Melanoblastome.  Ein  primäres  Melanoblastom  der  Gallenblase.  (Aus 
dem  Kaiserl.  Osmanischen  Lehrkrankenhause  Giilhane  in  Konstanti- 
uopel.) 

Die  Verfasser  haben  durch  Untersuchungen  an  pigmentierten 
Schnauzen  junger,  z.  T.  neugeborener  Hunde  festgestellt,  dass  die 
Pigmentbildner  (Melanoblasten)  Epithelzellen  sind  und  dass  alle 
basalen  Epithelzellen  diese  Eigenschaft  besitzen.  Auch  für  die 
Negerhaut  stellen  die  Verfasser  eine  Zufuhr  von  Pigment  aus  dem 
Bindegewebe  ins  Epithel  entschieden  in  Abrede,  dagegen  glauben  sie 
eine  Abfuhr  des  Pigments  aus  dem  Epithel  und  zwar  durch  Leukozyten 
und  Fibroblasten  nachweisen  zu  können.  Des  weiteren  entnehmen  die 
Verfasser  ihren  vergleichend  anatomischen  Untersuchungen,  dass  alles 
Pigment  des  Auges  in  der  Retina  entsteht,  dass  die  Chorioidea  von 
ihr  aus  sekundär  pigmentiert  wird  und  dass  das  Pigment  weiter 
auf  dem  Weg  der  Lymphbahnen  in  die  Skleren  und  Optikusscheide 
abgeführt  wird. 


Die  Beobachtungen  an  Pigmentnävi,  wie  an  melanotischen  Sar¬ 
komen  und  Karzinomen  bestätigen  den  Verfassern  die  Anschauung, 
dass  nur  die  epithelialen  Zellen  der  Melaninpigmentbildung  fähig  sind 
und  zwar  sowohl  die  ektodermalen  wie  die  entodermalen  Epithelien, 
den  mesodermalen  Zellen  fehlt  diese  Fähigkeit. 

(Der  beschriebene  primäre  Gallenblasentumor  scheint  dem.  Ref. 
nicht  ganz  ein  wandsfrei  zu  sein.) 

3)  Robert  M  e  y  e  r  -  Berlin  :  Zur  Pathologie  der  Uterussarkome. 

Bei  Besprechung  der  muskelz eiligen  Sarkome  („Sarcoma 

myomatoides  und  Leiomyoma  malignum  uteri“)  betont  M.  prinzipiell, 
dass  sich  normale,  reffe  Muskulatur  nie  in  Sarkomgewebe  umwandle, 
sondern  dass  es  sich  hiebei  um  maligne  destruierende  Wucherungen 
mehr  oder  weniger  deutlicher  meist  aber  nicht  ganz  ausgereifter 
Muskelzellen  handle,  „ohne  dass  im  Anfangsstadium  besondere  Struk¬ 
turveränderungen  an  diesen  sichtbar  sein  müssten“.  Dann  berichtet 
M.  unter  Schilderung  zweier  Fälle  über  das  seltene  Alveolär¬ 
sarkom  des  Uterus  und  endlich  über  das  Lipomyosarcoma 
intramu  r  a  1  e  und  das  Ade  nolipo  sarcoma  polyposum 
uter  i. 

4)  S.  Saltzkow:  Zur  Histologie  der  Ependymitis  granularis. 

(Aus  der  Prosektur  des  Kantonspitals  zu  St.  Gallen.) 

In  der  vorliegenden  Arbeit  sind  die  sorgfältigen  Untersuchungen, 
über  die  S.  in  der  Tagung  der  D.  Pathol.  Gesellschaft  zu  Stuttgart  1906 
summarisch  berichtet  hat,  einzeln  niedergelegt.  Am  ausgesprochen¬ 
sten  und  konstantesten  findet  sich  die  Ependymitis  granularis  bei 
Hydrocephalus  internus  (bes.  bei  Paralyse  und  seniler  Demenz),  zu¬ 
weilen  aber  auch  bei  normalen  Gehirnen. 

Nach  S.  handelt  es  sich  um  eine  chronisch  verlaufende  entzünd¬ 
liche  Gliawucherung,  die  von  der  Umgebung  eines  Blutgefässes  ihren 
Ausgang  nimmt;  die  epithelialen  Einschlüsse  der  Ependymknötchen 
kommen  infolge  von  Abschnürung  des  präformierten  Ventrikelepithels 
durch  das  wuchernde  Gliagewebe  zustande. 

5)  Th.  Tschisto  witsch:  Ueber  Strukturbesonderheiten  der 
entzündlichen  Neubildungen,  welche  durch  Einführung  von  Bestand¬ 
teilen  der  Tuberkelbazillen  entstanden  sind.  (Aus  dem  ehern.  Labo¬ 
ratorium  des  K.  Instituts  für  experim.  Medizin  zu  St.  Petersburg.) 

Die  durch  Alkohol-,  Aether-  und  Chloroformextraktion  aus 
Tuberkelbazillen  gewonnene  gelbbraune  wachsartige  Masse  wurde 
als  Emulsion  Meerschweinchen  subkutan  einverleibt,  in  einer  zweiten 
Versuchsreihe  wurden  die  entfetteten  Tuberkelbazillenleiber  dazu  ver¬ 
wandt  und  in  beiden  Fällen  die  Reaktion  des  Organismus  auf  diese 
Körper  studiert.  In  der  ersten  Versuchsreihe  entsteht  eine  starke 
exsudative  Entzündung  d.  i.  ein  aseptischer  Abszess  ev.  mit  fibröser 
Abkapselung  und  unter  Entwicklung  zahlreicher  Fremdkörperriesen¬ 
zellen,  in  der  zweiten  Versuchsanordnung  folgt  der  beginnenden  exsu¬ 
dativen  Entzündung  sehr  rasch  die  Entwicklung  eines  Granuloms,  das 
die  Bazillenleiber  einschliesst  und  binnen  2 — 3  Wochen  zur  spurlosen 
Resorption  kommt. 

6) G.  Schorr  -  St.  Petersburg:  Selten  mächtige  regeneratorische 
Hyperplasie  des  linken  Leberlappens  bei  syphilitischer  Verschrumpfung 
des  rechten  Leberlappens.  (Aus  dem  Pathol.  Institut  der  Deutschen 
Universität  zu  Prag.) 

Die  betr.  Beobachtung  betraf  einen  38  jähr.  Hausierer,  der  unter 
den  Erscheinungen  der  Leberzirrhose  zu  Grunde  ging;  neben  der 
Deformität  der  Leber  legt  Verf.  besonderes  Gewicht  auf  die  mikro¬ 
skopischen  Veränderungen  beim  „Umbau  des  Lebergewebes“. 

7)  G.  del  Conte:  Einpflanzung  von  embryonalem  Gewebe  ins 
Gehirn.  (Aus  dem  Institut  für  allgem.  Pathologie  der  K-  Universität 
zu  Neapel.) 

Die  in  das  Hundehirn  implantierten  Organstückchen  wurden 
meist  (Niere,  Oesophagus,  Thymus,  Leber,  Harnblase)  rasch  und  völlig 
resorbiert,  nur  implantiertes  Hypophysen-,  Hautbindegewebe  und 
Knorpelgewebe  zeigte  Weiterentwicklung,  besonders  im  letzteren 
Fall  entstanden  stets  kleine  Enchondrome,  einmal  sogar  Knochen. 

8)  W.  Koch:  Ueber  das  Ultimum  moriens  des  menschlichen 
Herzens.  Ein  Beitrag  zur  Frage  des  Sinusgebietes.  (Aus  dem  Pathol. 
Institut  zu  Freiburg  i.  Br.) 

Während  Tawara  den  Beginn  seines  Reizleitungssystems  in 
dem  Umrandungsigebiet  der  Koronarvene  sucht,  hat  Wenckebach 
auf  Grund  anatomischer  Untersuchungen  die  Ursprungsreize  an  die 
Einmündungsstelle  der  oberen  Hohlvene  in  den  rechten  Vorhof  ver¬ 
legt.  K.  wendet  sich  auf  Grund  histologischer  Studien  und  Unter¬ 
suchungen  am  überlebenden  Herzen  totgeborener  Frühgeburten  und 
Föten  gegen  die  Anschauung  Wenckebachs  und  ist  geneigt,  wie 
Tawara  den  Ursprung  der  automatischen  Herzreize  in  den  Trichter 
der  Vena  coronaria  cordis  zu  verlegen.  H.  M  e  r  k  e  1  -  Erlangen. 

Zeitschrift  für  experimentelle  Pathologie  und  Therapie. 

Bd.  IV,  Heft  2. 

15)  A.  Wassermann  und  J.  C  i  t  r  o  n :  Ueber  die  Beziehungen 
des  Serums  zu  gewissen  Nährstoffen  (Glykogen,  Albumosen,  Pepton). 

(Aus  dem  K-  Institut  für  Infektionskrankheiten  in  Berlin.) 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

16)  D.  Pletnew:  Experimentelle  Untersuchungen  über  Herz¬ 
arrhythmie.  (Aus  dem  Institut  für  allgemeine  Pathologie  in  Moskau.) 

Der  Verfasser  erzeugte  bei  Hunden  Erhöhung  des  endokardialen 
Druckes  durch  elektrische  Reizung  des  Vasomotorenzentrums,  oder 
subklav.,  oder  femoralis,  oder  durch  Abklemmung  der  Aortenwurzel. 


2494 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No?  50. 


subklav.  oder  femorales,  oder  durch  Abklemmung  der  Aortenwurzel 
Durch  die  Druckerhöhung  nach  der  ersten  Methode  wurde  meist  eine 
Arrhythmie  durch  Auftreten  von  Extrasystolen,  welche  zuweilen  zu 
einer  kontinuierlichen  Bigeminie  führten,  hervorgebracht,  ohne  dass 
eine  Abhängigkeit  von  der  Grösse  der  Druckerhöhung  zu  konstatieren 
war.  Bei  der  Druckerhöhung  durch  Infusion  kam  es  zu  einer  Ver¬ 
langsamung  der  Herztätigkeit  mit  Vergrösserung  der  einzelnen  Kon¬ 
traktionen,  aber  abgesehen  von  ganz  vereinzelten  Extrasystolen  nicht 
/'u  Arrhythmie.  Bei  Abklemmung  der  Aortenwurzel  kam  es,  wenn 
die  Halsnerven  nicht  durchschnitten  waren,  zu  einer  schnell  vorüber¬ 
gehenden  Verlangsamung  der  Herztätigkeit,  dann  zur  Tachykardie; 
wenn  die  Halsnerven  durchschnitten  waren,  war  die  Beschleunigung 
unbedeutend.  Die  bei  beiden  Formen  beobachtete  Arrhythmie  entsteht 
durch  Vorhofs-  und  Ventrikelextrasystolen. 

Di  H.  L  eh  n  d  o  r  f  f  und  A.  Baumgarten:  Zur  Chemie  der 
Zerebrospinalflüssigkeit.  (Aus  dem  Karolinen-Kinderspital  in  Wien.) 

Die  Verfasser  fanden  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  von  ver¬ 
schiedenen  Fällen  meistens  Milchsäure;  das  Vorhandensein  derselben 
ist  also  diagnostisch  nicht  verwertbar;  es  scheint  jedoch,  als  ob  sich 
die  Milchsäure  besonders  reichlich  bei  Entzündungen  der  Gehirnhäute 
vorfindet. 

..  e.s  S  n  r:  Funktionelle  Prüfung  der  normalen  und 

pathologischen  Leber.  (Aus  der  II.  med.  Abteilung  und  dem  pathol 
Laboratorium  des  k.  k.  Rudolfspitals  in  Wien.) 

Der  Verfasser  untersuchte,  wie  weit  zugeführte  Aminosäuren  im 
hgamsmus  verbrannt  werden;  die  Bestimmung  der  Aminosäuren  im 
Ham  geschah  so,  dass  20  ccm  Harn  mit  Phosphorwolframsäure-Salz- 
saure  ausgetallt  wurden,  das  Filtrat  davon  bei  40— 45  0  im  Vakuum  zur 
I  rockne  eingeengt  wurde;  der  Rückstand  wurde  dann  bei  50°  wasserfrei 
gemacht  und  dann  mit  einem  wasserfreien  Gemenge  von  Alkohol- 
mylalkohol  auf  kochendem  Wasserbad  6  Stunden  extrahiert,  wodurch 
der  Harnstoff  entfernt  wird.  Im  Filtratrückstand  wird  dann  der  N 

vonhibvifJ^nhI  bestimmt:.  Die  Versuche  ergaben,  dass  bei  Zufuhr 
von  GlykokoM,  Asparaginsaure,  Alanin  und  Leucin  selbst  grössere 
i engen  davon  vom  normalen  Organismus  verwertet  werden  In¬ 
fektionskrankheiten,  Herzaffektionen,  Nervenerkrankungen  lassen 
keinen  Einfluss  auf  die  normale  Verarbeitung  erkennen.  Bei  de- 
Phücerifnden  Deberaffektionen  (Lebersyphilis,  Fettleber,  Leberzirrhose 

5tänS°inVHf  ftU+n  ff  -Trde?.  ?e  geführten  Aminosäuren  nicht  voll¬ 
ständig  in  Harnstoff  ubergefuhrt,  sondern  teilweise  wieder  als  solche 
ausgeschieden.  Andere  Leberaffektionen,  wie  Icterus  catarrh.,  Stau- 
mgsleber,  Leberkrebs,  Hessen  keine  besondere  Störung  der  Ver- 

thodeUe?vflhr  Q^m(?äUreo-  erl^fnnen-  Bei  der  Ausarbeitung  der  Me- 

Ä"  J?  unanweiidbar^st" 
stimmten  AeTSohol  SSen!"  den  Zl"'  be- 

19)  R.  Kolb;  Ueber  die  Ausnützung  der  Nahrung  während  des 
Gebrauches  von  Marienbader  Kreuz-  und  Ferdinandsbrunnen  (Aus 
™ren  A'btei1-  des  Frietirichstädter  Krankenhauses  in  Dresden  ) 
B!e  Ergebnisse  der  Versuche  des  Verfassers  sind;  Bei  einer  leicht 

v o n° " M  aH* en  b  a der* S K m?7  S ' F ^ ^ ^  ^lorienwert  bringt  die  Aufnahme 
f  .  de  ,  .  z~  und  Eerdinandsbrunnen  in  den  üblichen 
Mengen  fast  regelmassig  eine  Verschlechterung  der  Ausnützung  mit 

0^  durch  den  Kot  betrug  in  5  Tagen  4*22  g  N 

10,95^g  Kohlehydrate  und- 17,29  g  Fett  im  Maximum.  "  ’ 

.  ‘  r'fäl  ki^Eeber  die  durch  Adrenalininjektionen  an  Kaninchen 

heryorgerufenen  Gefässveränderungen  und  deren  experimentelle  Be 
einflussung.  (Aus  der  med.  Klinik  in  Graz.)  exPer|menteiie  Be- 

nalinlösuneeenIO(0f)4Se?ner  int/aven°ser  Injektion  von  1  prom.  Adre- 
imosungen  (0,03 — 2,0  ccm)  regelmässig  auftretenden  Gefässvpr 

anderungen,  welche  in  einer  von  der  Muskelschicht  der  Arterien  aus¬ 
gehenden  Nekrose  bestehen,  lassen  sich  nach  den  Experimenten  des 
Verfassers  durch  gleichzeitige  subkutane  Injektion  von  Staoludo 
kokkenku  turen  geringer  Virulenz  wesentlich  vermindern  in  manchen 
FaHen  völlig  verhüten.  Dass  dabei  nicht  der  Ausfall  der  Blutdruck 
Steigerung  die  Arterionekrose  verhütet,  zeigte  sich  bei  einigen  Ver 
suchen,  bei  welchen  die  Druckmessung  deutliche  Steigerung  des  vor- 
cr  normalen  Druckes  nach  den  Adrenalininjektionen  erkennen  Hess 

taktische  h  Anhäufung  6  Ä*rC?  Ko|?ke,’iniektionen  bewirkte  chemo! 
Experimente  mit  gleichzeitiger  Injektion  von  Adrenalin  und  Tennen 

Unterschiede %  'gegenüber^  lenen  n"L.q“"titafive’  keine  qualitativen 
«™TdernliVe  bkd  bei  der  StaphylokotteSViodZa(!indt “ei' 

«»ÄÄ  »  sJSS 


Lymphbildung  zum  Ausdruck  kommende  Erhöhung  des  Stoffwechsels 
ue  toxische  Komponente  des  Adrenalins  unschädlich  gemacht. 

,  -D  E;  Klemperer;  Leber  die  Einwirkung  des  Kamphers  auf 
das  Herzflimmern.  (Aus  dem  physiol.  Institut  in  Berlin.) 

Die  Versuche  des  Verfassers  am  Langen dorff sehen  Herz- 
praparate  ergaben,  dass  der  Kampher  zwar  nicht  das  Herzflirmnern 
legelmassig  beseitigt,  aber  die  Auslösung  des  Flimmerns  erschwert- 
ues  zeigte  sich  auch  bei  Versuchen  am  normalschlagenden  Katzen- 
und  Hundeherz.  Strophanthin  hatte  dieselbe  Wirkung  wie  Kampher 
mimhch  Verminderung  der  Reizbarkeit  des  Herzens  für  den  fara- 
L  SC h?o\SiroiTn  and  Erschwerung  des  Flimmerns,  Koffein  dagegen  nicht. 
,.  Bucura:  Ueber  den  Uebergang  von  Arzneistoffen  in 

die  Frauenmilch.  (Aus  der. Klinik  Chrobak.) 

Der  Verfasser  konnte  den  Uebergang  von  Jod,  Quecksilber 
Aspirin,  Arsen  und  Brom  in  die  Frauenmilch  bei  innerlicher  An¬ 
wendung  naclnveisen. 

•  B  °.n  'i  i  S  e  r;  Die  Substituierung  des  Chlors  durch  Brom 

im  tierischen  Körper.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  zu  Berlin.) 

Der  Verfasser  konnte  bei  einem  Hunde  den  Tod  durch  Chlor- 

in'pifnn  dVrcl\ .Pf' reichuii?  von  Bromnatrium  aufhalten.  Die  Unter- 
uchung  des  Blutes  von  Hunden,  welche  bei  chlorarmem  Futter  5  bis 
10  g  Bromnatrium  täglich  erhielten,  ergab,  dass  eine  völlige  Ver‘- 

reirhPn,ndalnCH°fS  im  Ser^m  darch  Broni  stattfand,  aber  keine  An- 

Himi  S  u  Ha  ?ge"en-  Das  Broni  war  auf  das  Blutserum  und  die 
Blutkörperchen  gleichmassig  verteilt.  Der  Gehalt  des  Blutes  an 
Kalium  und  Natrium  war  normal. 

ol.|Ar”i,0  u:  Zur  Bilanz  des  Stoffwechsels  bei 

Sklerodermie.  (Aus  der  hydrotherap.  Anstalt  in  Berlin  ) 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  an  einem  Fall  von  diffuser 
Sklerodermie  ergaben  keine  Störung  des  Eiweissstoffwechsels,  aber 
eine  beträchtliche  Verschlechterung  der  Ausnützung  der  eiweiss- 
haltigen  Nahrungsmittel.  Die  Harnsäureausscheidung  war  nahe  an 
der  unteren  Grenze  des  normalen. 

.  tt  u'"  ^  p  b  1 1 1  e  11  E  e  I  ni  und  J.  Sch  m  i  d:  Ablauf  des  Nuklein¬ 
stoffwechsels  in  menschlichen  Organen.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  und 
der  inneren  Abteilung  des  Charlottenburger  Krankenhauses  Westend  ) 

...  Dj®  Untersuchungen  der  Verfasser  an  den  frischen  Organen 
wahrend  oder  gleich  nach  der  Geburt  verstorbener  Kinder  ergaben 
das  Vorhandensein  eines  intensiv  wirkenden  urikolytischen  Fermentes 

T  IT  Nm'li  der-  Leber  und  den  Muskeln,  ferner  einer  Nuklease 
(welche  Nukleinsäure  unter  Befreiung  der  Purinbasen  aufzuspalten 

iyn  d?n  andpSnn^der  Lelfr  und  linA  den  MuskeIn>  wahrscheinlich  auch 
plrmpnipc  ;  ^  die  Anwesenheit  eines  desamidierenden 

mentes,  welches  die  Aminopurine  in  die  Oxypurine  umwandelt, 
vod’tvnd llch  die  Anwesenheit  der  Xanthinoxydase,  wodurch  Hypo- 
xanthm  m  Xanthin  und  dieses  zu  Harnsäure  oxydiert  wird.  Das 
urikolytische  Ferment  ist  wahrscheinlich  auch  ziemlich  weit  ver¬ 
breitet  m  den  Organen,  nicht  aber  im  Blute. 

leber”6  Dieselben:  Ablauf  des  Nukleinstoffwechsels  in  der  Schweine- 

•i  P'5  Untersuchungen  ergaben  sowohl  das  Vorhandensein  des 
urikolytischen,  wie  des  desamilierenden  Fermentes,  sowie  der  Xanthin¬ 
oxydase  und  der  Nuklease.  Der  Einfluss  der  Fermente  ist  auf  die  in 
körpereigener  Bindung  vorhandenen  Purinkörper  intensiver,  als 
v  enn  dieselben  irei  oder  als  Nukleinsäure  zugesetzt  werden. 

.  h-  Br.u  gsch  und' S  chitten  heim;  Zur  Stoffwechsel- 
Pathologie  der  Gicht.  I.  Mitteilung.  Der  Harnsäuregehalt  des  Blutes 
bei  Purinfreier  Kost.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Nach  den  Untersuchungen  der  Verfasser  besitzt  das  Blut  der 
Jichtiker  einen  deutlich  nachweisbaren  Harnsäuregehalt  trotz  wochen- 

kebip^r^rfna  angH  Purinfrei.heit  der  Nahrung,  während  bei  Normalen 
^eme  endogene  Harnsaure  im  Blut  sich  nachweisen  lässt. 

28)  Dieselben:  Zur  Stoffwechselpathologie  der  Gicht  II  Mit 
teilung.  Beziehungen  zwischen  Blut  und  Harnsäure. 

Im  Hammelblut  konnten  die  Verfasser  kein  urikolytisches  Fer 

SÄ" ,ande" auch  keine  Bild»«  v.»  Ä- 

29)  M.  Pfaundler  und  E.  Moro:  Ueber  häinolvtische  «suh. 
stanzen  der  Milch.  (Aus  der  Kinderklinik  in  München.) 

■  i  ^  j  Verfasser  gelangten  zu  folgenden  Ergebnissen  HämnlvticpJi 
wjrkende  freie  Zwischenkörper  sind  in  den  untersuchten  Milcharten 

Ziegen'  Z  ***™™**»  Methoden  nicht  nachweisbai-  kÄ 
Ziegen-  und  Kaninchenmilch  enthalten  hämolytisches  Komnlement 
wpüf  Milchärten,  besonders  die  Frauenmilch  üben  eine  den  Nach 

Seh[  erscEwerende  hämofysenhem- 
hindern  diesen  Nachweis  KoniPlementablenkungsphänomene  be- 

(,  Moro:  Ueber  das,  bakteriolytische  Alexin  der  Milch 

’  SnTohiTy  IJ!StutUn  U,nd  der  Kinderklinik  in  München.) 

31)  Ph.  Brugsch  und  A.  Schiften  h^tm*  7..*  u  . 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2495 


exogene  Harnsäure  nicht  geeignet.  Nukleinsaures  Natron  dagegen 
wird  grösstenteils  resorbiert.  Der  Üichtiker  scheidet  nach  Ver¬ 
bitterung  der  Nukleinsäure  und  nukleinhaltiger  Organe  weniger  Harn¬ 
säure  bezw.  weniger  Purin  N.  aus  als  der  Gesunde.  Der  Rest  der 
Purinbasen,  der  nicht  als  Purin  N.  erscheint,  wird  als  Harnstoff  bezw. 
Ammoniak  eliminiert,  beim,  üichtiker  aber  ist  die  Harnstoffbildung 
aus  den  Purinkörpern  verlangsamt.  Der  Integrativfaktor  der  Harn¬ 
säurezerstörung,  die  Zahl  mit  welcher  der  Wert  der  exogenen  Harn¬ 
säure  zu  multiplizieren  ist,  um  die  Menge  der  in  dem  Blut  eingefuhrten 
Harnsäure  zu  erhalten,  ist  bei  der  Gicht  verändert,  um  so  grosser, 
je  langsamer  die  Harnsäure  und  Harnstoffelimination  vor  sich  geht. 
Die  Purinbasen  werden  bei  der  Gicht  sowohl  absolut  wie  lelativ  in 
normaler  Breite  ausgeschieden.  Die  Purinbasenumbildung  zu  Harn¬ 
säure  geht  bei  der  Gicht  sehr  verlangsamt  vor  sich.  Beim  Gichtiker 
handelt  es  sich  nicht  um  eine  renale  Retention  von  Harnsäure  wie  bei 
schweren  Nephritiden  mit  Urämie. 

32)  Dieselben:  Zur  Stoffwechselpathologie  der  Gicht.  IV.  Mit¬ 
teilung.  Ueber  den  Befund  von  Harnsäure  in  den  Organen. 

Bei  einem  an  Urämie  verstorbenen  Nephritiker  wurde  in  einer 
Niere  0,15  g  Harnsäure,  in  der  Leber  0,1  g  Harnsäure  isoliert,  ausser¬ 
dem  aus  der  Leber  noch  1,1g  Guanin,  1,7  g  Adenin  (als  Pikrat  ge¬ 
wogen),  0,38  Xanthin  und  0,25  g  Hypoxanthin  isoliert.  Die  Harnsäure¬ 
ablagerung  in  der  Leber  ist  wahrscheinlich  wie  jene  in  der  Niere  durch 
einen  Defekt  der  Urikolyse  neben  verminderter  Ausschwemmung 
verursacht. 


33)  Dieselben:  Zur  Stoffwechselpathologie  der  Gicht.  V.  Mit¬ 
teilung.  Ueber  den  Abbau  von  Glykokoll  und  Alanin  beim  gesunden 
und  gichtkranken  Menschen. 

Beim  Gichtiker  ist,  wie  die  Versuche  zeigen,  die  Aminosäureaus¬ 
scheidung  mit  dem  Urin  gegen  die  Norm  nicht  verändert  und  wird 
auch  durch  Zufuhr  von  Harnsäure  oder  Nukleinsäure  nicht  beein¬ 
flusst.  Von  20  g  Glykokoll  schied  der  Gesunde  0,23  g  aus,  Gichtiker 
von  40  g  Glykokoll  0,71g,  bezw.  0,42  g;  von  racemischem  Alanin  schied 
der  Gesunde  bei  einer  Aufnahme  von  35  g  0,51  g  Alanin,  Gichtiker 
bei  Aufnahme  von  15  g  Alanin  0,65,  bezw.  0,41  g  aus;  also  sowohl 
Glykokoll  als  Alanin  werden  vom  Gichtiker  wie  vom  Normalen 
zersetzt. 

34)  Dieselben:  Zur  Stoffwechselpathologie  der  Gicht.  VI.  Mit¬ 
teilung.  Pathogenese  der  Gicht. 

Das  Gesamtresultat  der  vorhergehenden  5  Arbeiten  ist  folgendes: 
Die  Erscheinungen  bei  der  Gicht  beruhen  nicht  auf  einer  renalen 
Retention  der  Harnsäure,  sondern  auf  einer  Störung  des  gesamten 
Purinstoffwechsels.  Es  handelt  sich  um  eine  verlangsamte  Purinbasen¬ 
umbildung  zu  Harnsäure  (auch  für  den  endogenen  Purinstoffwechsel 
gültig),  ferner  um  eine  verminderte  bezw.  verlangsamte  Zerstörung 
der  Harnsäure;  Störungen  des  Aminosäurestoffwechsels  bestehen  nicht. 
Schon  eine  geringe  Erhöhung  des  Blutharnsäurespiegels  ruft  einen 
Gichtanfall  hervor,  der  durch  Ablagerung  von  Uraten  in  den  Gelenk¬ 
knorpeln  mit  nachfolgender  durch  die  Reaktion  der  Körpersäfte  be¬ 
dingter  Entzündung  sich  zu  erkennen  ergibt,  während  Uratablage- 
rungen  in  inneren  Organen  ganz  symptomlos  verlaufen  können.  Im 
I.  Depressionsstadium  des  Gichtanfalls  ist  die  endogene  Harnsäure  im 
Harn  vermindert,  bei  Vermehrung  der  endogenen  Harnsäure  im  ve¬ 
nösen  Blut;  wenn  dann  durch  die  reaktive  Entzündung  ein  Teil  der  abge¬ 
lagerten  Harnsäure  auf  phagozytärem  Wege  wieder  gelöst  wird,  so 
wird  die  Ausschwemmung  der  Harnsäure  wieder  grösser,  im  darauf¬ 
folgenden  II.  Depressionsstadium  ist  der  endogene  Harnsäurerest  im 
Harn  wieder  vermindert  durch  verminderte  Bildung  von  Harnsäure. 
Durch  Schonung  der  harnsäurebildenden  und  zerstörenden  Kräfte 


können  diese  wieder  gefördert  und  gestärkt  werden. 

35)  F.  Samuely:  Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  L.  H  i  r  s  c  h- 
stein:  Die  Beziehungen  des  Glykokolls  zur  Harnsäure.  (Aus  der 
med.  Klinik  in  Göttingen.) 

Die  von  Hirsch  stein  nach  seinen  Versuchen  angenommene 
Umwandlung  von  Harnsäure  in  Glykokoll  in  stark  alkalischer  Lösung 
konnte  der  Verfasser  in  keiner  Weise  bestätigen. 


36)  W.  Siegel:  Ein  Stoffwechselversuch  bei  Urannephritis  am 
Hunde.  (Aus  der  II.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Der  Versuch  bestätigte,  dass  die  Elimination  von  HaO,  N,  NaCl, 
P2O5  bei  Nephritis  keine  bestimmten  Gesetze  befolgt;  das  NaCl  des 
Kotes  zeigte  nur  minimale  Schwankungen.  Bei  einsetzender  Aus¬ 
schwemmung  von  Pi*Or,  im  Harn  wurde  auch  im  Kot  mehr  davon  aus¬ 
geschieden.  Vermehrte  Wasserzufuhr  rief  prompte  Reaktion,  jedoch 
ohne  vermehrte  Elimination  harnfähiger  Substanzen  hervor. 


37)  H.  Weber:  Ueber  Immunisierungs-  und  Behandlungsver¬ 
suche  bei  Trypanosomenkrankheiten.  (Aus  dem  Laboratorium  der 
hydrotherap.  Anstalt  in  Berlin.) 

Zusammenfassender  Bericht,  zu  einem  Referate  nicht  geeignet. 

Lin  de  mann  -  München. 


Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  48.  1907. 

1)  C.  B  e  n  d  a  -  Berlin:  Das  Lumieresche  Verfahren  der  Far¬ 
benphotographie  im  Dienste  der  Medizin. 

Das  Referat  hierüber  findet  sich  S.  2260  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  1907. 

2)  H.  Braun -Prag:  Ueber  den  Nachweis  der  Antigene  mittels 
der  Komplementfixationsmethode. 


Der  Verf.  steht  den  Angaben  über  den  Nachweis  kleinster  im 
Serum  gelöster  Bazillenstoffe  bezw.  der  Antigene  für  die  einzelnen 
Infektionskrankheiten  noch  sehr  skeptisch  gegenüber.  Er  unternahm 
es,  die  Tauglichkeit  des  Wassermann-Bruck  sehen  Verfahrens 
zum  Nachweis  geringer  Mengen  von  Typhusantigenen  nachzuprüfen 
und  berichtet  im  einzelnen  über  die  von  ihm  angestellten  Unter¬ 
suchungen.  Als  Resultat  derselben  steht  fest,  dass  man  mit  der 
Was  s  ermann -  Bruck  sehen  Methode  mittels  eines  stark  wirk¬ 
samen  Immunserums  geringe  Mengen  eines  hoch  konzentrierten,  anti¬ 
genreichen  Extraktes  nachweisen  kann,  und  dass  die  Methode  zum 
Nachweis  der  Antikörper  mittels  solcher  Extrakte  brauchbar  ist, 
dass  sie  aber  bereits  bei  Antigenmengen  versagt,  welche  unvergleich¬ 
lich  grösser  sind,  als  sie  in  Körperflüssigkeiten  je  Vorkommen  können. 

3)  L.  Langstein:  Das  Problem  der  künstlichen  Ernährung 
der  Säuglinge. 

Vergl.  hierüber  den  Bericht  der  Berl.  med.  Gesellsch.  vom 
27.  November  1907. 

4)  Th.  Escherich  -  Wien :  Zur  Organisation  der  Säuglings¬ 
fürsorge  mit  spezieller  Berücksichtigung  der  Wiener  Schutzstelle. 

E.  wendet  sich  gegen  Salge,  welcher  betreffs  Wien  in  einem 
Artikel  kürzlich  angeführt  hatte,  dass  dort  jede  Arbeiterfrau  die  künst¬ 
liche  Säuglingsnahrung  umsonst  erhalte,  während  die  Stillprämie  nur 
70  Heller  in  der  Woche  betrage.  Ueber  die  Wirksamkeit  der  Still¬ 
prämien  hegt  Escherich  keine  zu  grossen  Hoffnungen.  Er  betont 
die  ethischen  und  sozialen  Bedenken  der  Stillprämien  und  erörtert  die 
Gründe,  welche  in  Wien  aus  Not  zur  Gewährung  einer  kleinen  Geld¬ 
prämie  an  stillende  Mütter  geführt  haben.  Die  Milchküche  'darf  auch 
nach  seiner  Ansicht  keineswegs  die  Verbreitung  der  Brusternährung 
herabsetzen,  wie  E.  an  der  Einrichtung  der  Wiener  Schutzstelle  aus¬ 
einandersetzt.  In  Wien  hat  es  sich  als  zweckmässig  erwiesen,  gleich¬ 
sam  als  Stillprämie  eine  Milchzuweisung  bis  zum  Ende  des  1.  Lebens¬ 
jahres  zu  gewähren. 

5)  Falkenstein  -  Grosslichterfelde :  Rückblick  auf  die 
5  jährigen  Beobachtungen  bei  der  Salzsäuretherapie  der  Gicht. 

Vergl.  Referat  hierüber  auf  S.  2355  der  Münch,  med.  Wochenschr. 

1907. 

6)  E.  G.  O  r  t  h  m  a  n  n  -  Berlin:  Zur  instrumentellen  Uterusper¬ 
foration  bei  Abort. 

Vergl.  Referat  über  den  bezeichneten  Vortrag  auf  S.  1344  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

7)  H.  M.  Hyman  s  und  L.  Polak  Daniels-  Den  Haag,  Holland : 

Ueber  die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  M  a  r  m  o  r  e  k  schein 
Serum.  (Schluss.) 

8)  F.  U  m  b  e  r  -  Altona:  Magensaftsekretion  bei  Rektalernährung. 

Gegenüber  der  kür'zlichen  Mitteilung  von  C.  Michael  über 
diese  Frage  führt  Umber  aus,  dass  Michael  seine  früheren  An¬ 
gaben  nicht  ganz  genau  verstanden  habe  und  dass  daher  die  Versuchs¬ 
anordnung  Michaels  nicht  ganz  einwandfrei  zu  halten  sei.  Er 
konnte  an  einem  neuen  Falle  mit  Magenfistel  und  vollständigem,  tief- 
sitzendem  Oesophagusverschluss  feststellen,  dass  ein  eingeführtes 
Nährklysma  unmittelbar  nach  der  Einverleibung  eine  wirksame 
Magensaftsekretion  auslöste,  womit  seine  früheren  Angaben  neuer¬ 
dings  bestätigt  werden.  Es  folgt  noch  eine  Erwiderung  von 
Michael  auf  vorstehende  Mitteilung,  welcher  seinerseits  durch 
neue  Untersuchungen  seine  Angabe  bestätigt  findet. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  48. 

1)  G  0  1  d  s  c  h  e  i  de  r  -  Berlin:  Ueber  die  Behandlung  des  apo- 
plektischen  Insults.  Klinischer  Vortrag. 

Den  Aderlass  hält  Verf.  für  indiziert,  wenn  Bluterguss  sicher 
diagnostiziert  und  Kopfkongestion  nebst  vollem  gespannten  Puls  vor¬ 
handen  ist. 

2)  A.  Wassermann  -  Berlin :  Ueber  neuere  Immunisierungs¬ 
verfahren.  (Schluss.) 

3)  E.  F  r  a  n  k  e  -  Hamburg:  Ueber  Ophthalmoreaktion  bei  Tuber- 
kulose. 

Die  Reaktion  wurde  in  keinem  Fall,  in  dem  sie  mit  Sicherheit 
erwartet  werden  konnte,  vermisst,  in  mehreren  zweifelhaften  Fällen 
gab  sie  einen  wichtigen  diagnostischen  Hinweis  ab. 

4)  Hernian  E  p  p  e  n  s  t  e  i  n  -  Breslau:  Akute  Leukämie  und 
Streptokokkensepsis. 

In  einem  Fall  von  akuter  lymphatischer  Leukämie  wurden  intra 
vitam  aus  dem  Blut,  post  mortem  aus  Milz,  Lymphdrüsen  und  Kno¬ 
chenmark  Streptokokken  in  Reinkultur  gezüchtet.  Eine  Eintrittspforte 
für  die  Kokken  war  nicht  aufzufinden.  Die  isolierten  weissen  Blut¬ 
körperchen  und  das  Knochenmark  zeigten  keine  verdauende  Wir¬ 
kung  auf  Gelatine  oder  Löfflerserum.  Die  grossen  Lymphozyten  bil¬ 
deten  die  Hälfte  aller  weissen  Blutkörperchen,  waren  also  offenbar 
nicht  Träger  eines  prtoeoly tischen  Fermentes. 

5)  Heinrich  Lang- Erfurt:  Ueber  die  Behandlung  der  Harn- 
röhrenstrikturen  mit  Fibrolysin. 

Eine  seit  53  Jahren  bestehende,  nach  Harnröhrenruptur  entstan¬ 
dene  und  eine  seit  3  Jahren  bestehende  postgonorrhoische  Striktur 
wurden  durch  Fibrolysinkur  sehr  schön  dehnungsfähig,  der  Erfolg 
hielt  vorläufig  17,  bezw.  14  Wochen  an. 


2496 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5(1. 


6)  Michael  C  o  h  n  -  Berlin :  Kalk,  Phosphor  und  Stickstoff  im 
Kindergehirn. 

Untersuchungen  an  13  jugendlichen  Gehirnen  ergaben  folgendes: 
Im  Kindergehirn  nimmt  während  der  ersten  Jahre  der  relative  N- 'Je¬ 
halt  und  der  üesamtphosphor  etwas  ab,  der  Extraktivphosphor  etwas 
zu;  der  Kalkgehalt  nimmt  namentlich  anfangs  beträchtlich  ab  (stärkere 
Entwicklung  des  kalkarmen  Hirnmarks).  In  2  Gehirnen  von  tetanie¬ 
kranken,  im  Stimmritzenkrampfanfall  gestorbenen  Säuglingen  war 
der  Wert  für  N  und  Ca  normal,  fiir  H-O  und  P  leicht  erhöht. 

7)  S  t  r  e  i  t  z  -  Greifswald:  Ein  Fall  von  Pneumokokkenperitonitis. 

4  jähriges  Kind,  plötzlich  mit  heftigem  Leibschmerz,  Erbrechen 

und  hohem  Lieber  erkrankt,  Diarrhöen;  nach  wenigen  Tagen  Besse¬ 
rung,  dann  Entwicklung  eines  Empyems  der  Bauchhöhle,  wiederholte 
Punktion,  dünner  grünlicher  Eiter  mit  Streptococcus  lanceolatus; 
Laparotomie;  allmählicher  Verfall.  Autopsie:  alte  Pleuropneumonie 
mit  anschliessendem  subphrenischen  Abszess,  von  hier  aus  Peritonitis, 
welche  in  akutem  Nachschub  tötete. 

_  8)  Francis  Harb  Etz  und  Olaf  S  ch  e  e  1  -  Christiania:  Akute 
Poliomyelitis  und  verwandte  Krankheiten. 

•  Pathologisch-anatomische  Untersuchungen  aus  den  Epidemien  in 
Norwegen  1903 — 1906.  Auf  Grund  ihrer  eingehenden  Untersuchungen 
nehmen  Verfasser  an,  dass  die  akute  Poliomyelitis  eine  Infektions¬ 
krankheit  ist,  die  durch  ein  lebendes  Virus  hervorgerufen  wird.  Die 
anatomische  Ausbreitung  spricht  dafür,  dass  von  einer  primären  In¬ 
fektion  der  Pia  aus  die  Entzündung  sich  an  deren  Oberfläche  rapid 
ausbreitet  und  längs  den  unzählbaren  Gefässscheiden  nach  innen  zur 
Zentrainervensubstanz  fortschreitet.  Sie  ist  in  letalen  Fällen  sicher, 
wahrscheinlich  ebenso  in  den  nicht  letalen  Fällen  über  das  ganze 
Rückenmark,  Medulla  oblongata  und  Pons  und  über  grosse  Teile  des 
■Gehirns  ausgebreitet.  Je  nach  der  vorwiegenden  Lokalisation  ent¬ 
stehen  Uebergänge  zur  akuten  Bulbärparalyse,  Meningoenzephalitis, 
wahrscheinlich  auch  zur  transversellen  Myelitis,  dagegen  nicht  zur 
Polyneuritis  und  epidemischen  Zerebrospinalmeningitis.  Als  Eingangs¬ 
pforten  scheinen  die  Tonsillen,  vielleicht  auch  der  Darmkanal  in  Be¬ 
tracht  zu  kommen. 

9)  E  n  s  1  i  n  -  Brandenburg  a.  H. :  Ein  Beitrag  zur  familiär  auf¬ 
tretenden  Cataracta  congenita. 

Mitteilung  eines  Stammbaumes  (4  Generationen);  mehrere  wur¬ 
den  in  der  Breslauer  Universitätsaugenklinik  operiert. 

ln)  Ernst  B  a  r  t  h  -  Berlin :  Die  differentialdiagnostische  Bedeu¬ 
tung  der  organischen  und  funktionellen  Aphonie. 

Verf.  warnt  davor,  bei  bestehenden  organischen  Veränderungen 
im  Kehlkopf  jede  gleichzeitige  Stimmstörung  auf  die  ersteren  zu  be¬ 
ziehen;  die  letzteren  können  vielmehr  rein  .funktionell  sein. 

.  Georg  M  e  nd  e  ls  oh  n-Stolp:  Zwei  Fälle  von  Vergiftung 
mit  Muskatnuss. 

ln  beiden  Fällen  führte  der  Genuss  von  drei  zerriebenen  Muskat¬ 
nüssen  (Hausmittel)  zu  vorübergehenden  Vergiftungserscheinungen: 
im  einen  Fall  Bewusstseinstrübung,  Dyspnoe,  weite  Pupillen,  Trocken¬ 
heit  im  Hals;  im  anderen  starke  motorische  Unruhe,  kühle  Extremi¬ 
täten,  kalter  Schweiss,  in  beiden  Fällen  kleiner,  sehr  frequenter  Puls. 

R.  Grashey  -  München. 


welche  innerhalb  2  Wochen  bis  zum  normalen  Zustande  gedieh.  Zwei 
ähnliche  Fälle  sind  von  Moor  und  von  de  Vri.es  beschrieben.  Die 
Sehnervenschädigung  besteht  zunächst,  wie  Palermo  an  Kaninchen 
erwiesen  hat,  in  einer  interstitiellen  Entzündung  ohne  ophthalmo¬ 
skopischen  Befund. 

K.  R  e  i  c  h  e  r  -  Marburg:  Ueber  neuere  Methoden  quantitativer 
Pepsinbestimmung. 

Kurzes  Referat  über  die  Methode  von  Hammerschlag, 
M  e  1 1  e,  V  o  1  h  a  r  d,  J  a  k  o  b  y  und  F  o  u  !  d,  welche  beiden  letzteren 
sich  ihre  besondere  Einfachheit,  Genauigkeit  und  Schnelligkeit  emp¬ 
fehlen. 

Fh.  Esche  rieh:  Hermann  Freiherr  von  Widerhofer  183^ 
bis  1901. 

Festrede  bei  der  Aufstellung  seiner  Büste  in  der  Aula  der  Uni¬ 
versität  Wien.  Bergeat  - München.  ' 

Italienische  Literatur. 

Pcrez  bringt  aus  der  Klinik  Roms  einen  Beitrag  zur  Milz¬ 
exstirpation.  (il  policlinico,  Mai-Juni  1907.) 

Nach  der  Splenektomie  entsteht  in  der  grösseren  Mehrzahl  der 
Fälle  eine  Leukozytose,  charakterisiert  durch  Vermehrung  der 
Lymphozyten  und  weiter  auch  der  eosinophilen  Zellen;  nur  bis¬ 
weilen  trifft  man  eine  Vermehrung  der  polynukleären  und  grossen 
mononukleären  Zellen.  Keinerlei  Gesetz  lässt  sich  feststellen  über 
die  Dauerperiode  dieser  Leukozytose:  sie  schwankt  von  wenigen 
Tagen  und  mehreren  Monaten  bis  Jahren. 

Die  Wegnahme  der  einfach  hypertrophischen  Milz  hat  im  übrigen 
keine  klinisch  wahrnehmbaren  Störungen  zur  Folge:  die  verschie¬ 
denen  Funktionen  der  Milz,  die  blut-  und  lymphbildende,  die  anti¬ 
toxische  und  antibakterielle,  werden  von  anderen  Organen  in  so 
schneller  und  prompter  Weise  übernommen,  dass  es  zu  störenden 
Symptomen  nicht  kommt.  Jedenfalls  wurde  in  der  bei  weitem 
grösseren  Mehrzahl  der  Fälle,  wie  auch  in  den  beiden,  deren  Befund 
P.  aufs  genaueste  beschreibt,  keine  Veränderung  der  Schilddrüse,  der 
Lymphdrüsen,  keine  Spur  von  Schmerzen  bei  Druck  auf  die  langen 
Röhrenknochen  wahrgenommen;  ebensowenig  ist  dies  bei  den  splen- 
ektomierten  Fieren  der  Fall.  In  Fällen,  wo  zufällig  längere  Zeit  nach 
der  Milzexstirpation  aus  irgendwelchen  Ursachen  eine  Laparotomie 
gemacht  werden  musste,  fand  man  auch  keine  Anschwellung  der 
Mesenterialdrüsen.  Allerdings  sind  einige  Beobachtungen  anderer 
Autoren,  so  von  C  e  c  i,  L  ö  h  1  e  i  n,  C  r  e  d  e,  Winkler,  H  ö  r  z, 
bekannt  geworden,  in  welchen  Schilddrüsenschwellungen,  Lymph- 
driisenschwellungen  und  Veränderungen  der  Tonsillen  und  des  sub¬ 
mukösen  Pharynxgewebes  gefunden  wurden. 

Die  verminderte  Toxizität  des  Urins,  welche  von  verschiedenen 
Autoren  nach  Milzexstirpation  gefunden  wurde,  die  Erhöhung  der 
bakteriziden  Eigenschaft  des  Blutserums  sprechen  für  ein  promptes 
vikariierendes  Eintreten  anderer  Organe  mit  gleicher  Funktion. 

Lascialfare:  Ueber  Milzzysten. 

Dieselben  sind  einzuteilen  in  Echinokokkuszysten,  in  seröse  und 
serös-blutige  Zysten.  Alle  3  Formen  gehören  im  ganzen  zu  den 
seltenen  Befunden  und  L.  hat  alle  Fälle  aus  der  ganzen  Literatur  zu¬ 
sammenzustellen  sich  bemüht. 


Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  48.  H.  S  p  i  t  z  k  y  -  Graz:  Die  Anwendung  der  Lehre  von  dei 
Regeneration  und  Heilung  durchschnittener  Nerven  in  der  chirurgi¬ 
schen  Praxis. 

Referat,  erstattet  auf  der  79.  Versammlung  deutscher  Natur¬ 
forscher  und  Aerzte. 

L  Teleky:  Die  gewerbliche  Bleivergiftung  in  Oesterreich. 

Vorgetiagen  auf  dem  14.  Internationalen  Kongress  für  Hygiene 
■und  Demographie. 

L.  Riedl:  Erfolgreiche  Anwendung  gefässerweiternder  Ein¬ 
spritzungen. 

Mit  einer  5  10  proz.  Lösung  von  Suprarenin  in  sterilem  Wasser 
weniger  erfolgreich  ist  Kokain,  die  Schleich  sehe  Lösung  oder  ein- 
acnes  Wasser),  in  die  Haut,  ohne  ins  Unterhautzellgewebe  einzu¬ 
dringen,  injiziert,  behandelte  K-  bereits  eine  namhafte  Zahl  von  War¬ 
zen  und  erreichte  in  derRegel  eine  vollständigeRückbildung  denselben. 

nahe  der  Warze  ausgeführt  und  hat  eine  quaddel- 
T  t‘S,e  Infiltration  zur  Folge.  Sie  wird  zuerst  je  nach  2—3,  später  nach 
Fihr  agen  wiederholt,  bis  die  Warze  völlig  geschwunden  ist.  Bei 
Ä  Naevis  Uicus  rodens  war  kein  Erfolg  zu  erzielen,  dagegen 

fnrSnVSp  b  /  entzundllchei?  Vorgängen,  wie  Furunkeln  und  Kondy¬ 
lomen  eher  etwas  zu  erreichen. 

ficialis'deGra.°VaC:  Aneurysi?a  verum  Sterne  temporalis  super- 

Die  etwa  haselnussgrosse  Geschwulst  fand  sich  bei  einer  73  jähr. 
Frau  und  war  ohne  Trauma  entstanden.  Operation. 

A.  Saraf off- Wien:  Ein  Fall  von  Neuritis  retrobulbaris  als 
Folge  von  Jodoformintoxikation. 

ZweTJali8:e  Injektion  von  Jodoformglyzerin  in  einen  Psoas- 
abszess;  ^5  läge  nach  der  ersten,  4  Tage  nach  der  zweiten  stellte  sich 
Nebelsehen  ein,  so  dass  schliesslich  der  Kranke  nicht  mehr  lesen  und 
schreiben  konnte.  Nach  3  Wochen  begann  die  Wiederherstellung, 


Er  fügt  diesen  Fällen  3  neue,  von  ihm  operierte  Fälle  hinzu,  und 
zwar  1  Blutzyste  und  2  Hydatidenzysten  betreffend. 

Bei  der  Blutzyste,  vollständig  innerhalb  des  Milzgewebes,  han¬ 
delte  es  sich,  wie  in  den  meisten  Fällen  dieser  Art,  um  eine  trau¬ 
matische  Entstehung,  (il  policlinico,  Juli  1907.) 

Mastrosimone  (aus  dem  pathol.-anat.  Institut  des  Prof, 
v.  S  c  hr  ö n  -  Neapel:  Ueber  Hypernephrome  und  die  Genese  und 
Aetiologie  maligner  Nierentumoren  suprarenalen  Ursprungs.  (il 

policlinico,  Juli  1907.) 

Der  Tumor  maligner,  schnell  rezidivierender  Art  gehörte  zu  den 
mit  „Struma  maligna“  von  G  r  a  w  i  t  z  bezeichneten  Geschwülsten, 
aber  bemenkenswerterweise  konnte  als  sein  Ausgangspunkt  das 
Epithel  der  Tubuli  urinfrei  nachgewiesen  werden  und  die  schrittweise 
Umbildung  des  kanikularen  Epithels  in  das  der  neoplastischen  Tubuli 
konnte  genau  verfolgt  werden.  Die  Aehnlichkeit  der  neoplastischen 
Zellen  mit  denen  der  Nebennierenrindensubstanz  zeigt  die  Rückkehr 
zum  Embryonalstatus  der  Nierenelemente  an.  Der  Glykogengehalt 
spricht  nicht  für  den  suprarenalen  Ursprung,  sondern  nur  für  die 
Malignität  des  T  umors,  der  Fettgehalt  des  Zellprotoplasmas,  welcher 
ein  Charakteristikum  der  Zellen  der  tiefen  Schicht  der  Rindensubstanz 
der  Nebenniere  sein  soll,  kann  auch  nur  von  regressiver  Meta¬ 
morphose  herrühren.  In  summa  glaubt  L.  aus  diesem  Falle  den 
Schluss  ziehen  zu  können,  dass  die  Aetiologie  der  Hypernephrome 
wie  der  malignen  Tumoren  anderer  Körperteile  und  Organe  anstatt 
in  versprengten  Embryonalgewebskeimen  (die  Durante-Cohn- 
heimsche  Iheorie)  heute  mit  mehr  Aussicht  in  besonderen  bisher 
unbekannten  Mikroorganismen  zu  suchen  sei  und  dies  umsomehr, 
da,  während  versprengte  Nebennierenkeime  häufig  und  oft  in  ver¬ 
schiedenen  Organe  verstreut  sich  finden,  doch  die  Tumoren,  welche 
auf  sie  zu  beziehen  sind,  auf  die  Niere  beschränkt  bleiben. 

Betagh:  Ueber  retrograde  Metastase  bei  einem  Lympho¬ 
sarkom  des  Testikels.  (Il  policlinico.  August  1907.  ) 

Es  handelt  sich  um  ein  Hodenneoplasma,  welches  B.  nach  dem 
mikroskopischen  Befunde  als  Lymphosarkom  bezeichnet,  mit  schnei- 
lern  \\  achstum.  Die  Eigentümlichkeit  war  eine  einzige  klinisch  wahr- 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2497 


nehmbare  Metastase  in  der  entgegengesetzten  Seite  der  supraklavi¬ 
kulären  Lymphdrtisengruppe,  ohne  dass  auf  dem  ganzen  Zwischen¬ 
wege  irgendwelche  metastatischen  Knoten  sich  bemerkbar  gemacht 
hatten  Für  eine  solche  retrograde  Beförderung  von  Geschwulst- 
keimen  durch  den  Lymphstrom  glaubt  B.  einen  Verschluss  der  Mün¬ 
dung  des  Ductus  thoracicus  annehmen  zu  müssen. 

Finocchiaro:  Einfluss  der  Enukleation  und  der  Dekapsulation 
auf  den  anatomischen  und  funktionellen  Zustand  der  Niere.  (II  poli¬ 
clinico.  Juli  und  August  1907.) 

F.  beschreibt  ausführlich  das  Resultat  einer  Reihe  von  Tier¬ 
experimenten,  ferner  einige  in  'der  chirurgischen  Klinik  Roms  er¬ 
hobene  Befunde,  um  zu  dem  Schlüsse  zu  kommen,  dass  die  Nieren- 
dekapsulation  auf  Fälle  von  essentieller  Hämaturie  und  Nephralgien 
zu  beschränken  und  nicht  auf  Fälle  von  Nephritis  im  allgemeinen 

auszudehnen  sei.  .  ,  .  , 

Die  Funktion  der  dekapsulierten  Niere  erhöht  sich  in  den  ersten 
3—4  Tagen  nach  der  Operation:  der  Urin  zeigt  eine  Vermehrung  des 
Harnstoffes,  schnellere  Ausscheidung  des  Methylenblau  und  des  In¬ 
digokarmins;  eine  Erhöhung  des  kryoskopischen  Quotienten.  Alsdann 
kehrt  er  zur  Norm  zurück  und  bleibt  normal,  bis  die  Versuchstiere 
getötet  wurden  (60  Tage).  Die  Dekapsulation  führt  bei  Hunden  zur 
Bildung  einer  neuen  Kapsel,  ausgehend  von  intertubulärem  Binde¬ 
gewebe  und  von  Kapselresten.  Die  neue  Kapsel  ist  mehr  als  doppelt 
so  stark  wie  die  normale  und  ist  vollständig  50  Tage  nach  der 
Operation.  Mit  der  Neubildung  der  Kapsel  gehen  in  der  ersten 
Zeit  degenerative  Vorgänge  der  Nierensubstanz  einher:  trübe  Schwel¬ 
lung  und  eine  Granulationsphase  in  der  Rinde,  weiterhin  senken  sich 
von  der  neuen  Kapsel  Bindegewebszapfen  in  die  Kortikalsubstanz  der 
Niere,  welche  die  Tubuli  contorti  wie  die  peripherischen  Glomeruli 
verändern. 

Nach  60  Tagen  zeigt  sich  neue  Kapsel,  gebildet  von  zwei  Schich¬ 
ten,  von  einer  äusseren  mehr  sklerosierten  und  einer  mehr  laxen 
inneren  um  die  Kortikalsubstanz:  die  letztere  scheint  ein  Prolifera- 
tionsgewebe,  ausgehend  von  intertubulärem,  interstitiellem  Binde¬ 
gewebe  und  von  der  neuen  Kapsel,  welches  die  äusserste  Rinden¬ 
schicht  der  funktionierenden  Elemente  zerstört  hat.  In  diesem  Sta¬ 
dium  hat  das  Restparenchym  seine  physiologische  Beschaffenheit. 

Goggia:  Zur  Frage  des  Unizismus  des  Tuberkelbazillus,  für 
welchen  die  M  a  r  a  g  1  i  a  n  o  sehe  Schule  eintritt,  bringt  G.  neue 
Experimente  und  Beobachtungen.  (Gazzetta  degli  osped.,  No.  81, 
1907.) 

Der  Tuberkelbazillus  erweist  sich  veränderlich  je  nach  dem 
organischen  Medium,  in  welchem  er  lebt.  Er  wird  verschieden 
durch  ein  und  dasselbe  Serum  agglutiniert  je  nach  der  Tierspezies, 
an  welche  er  sich  adaptiert  hat. 

Bo  norme:  Ueber  den  alimentären  Ursprung  der  Tuberkulose. 

(Gazzetta  degli  osped,  No.  84,  1907.) 

B.  hat  die  Sektionsprotokolle  von  769  an  Tuberkulose  verstor¬ 
benen  Individuen  aus  dem  pathologisch-anatomischen  Institut  zu  Padua 
vom  Jahre  1889  bis  heute  zur  Beantwortung  der  Frage  nach  der 
Häufigkeit  des  alimentären  Ursprungs  zu  verwerten  gesucht.  Selbst¬ 
verständlich  war  für  den  obersten  Teil  der  Verdauungswege  die 
Frage,  ob  alimentär,  ob  inhalatorisch  nicht  zu  entscheiden. 

In  Bezug  auf  intestinalen  Ursprung  der  Tuberkulose  kommt  B. 
nach  sorgfältiger  Sichtung  aller  Protokolle  und  auf  Grund  seiner  aus¬ 
führlichen  Arbeit  zu  hohen  Zahlen. 

Bei  Individuen  bis  zu  15  Jahren  war  in  23  Proz.  der  Gesamtfälle 
ein  alimentärer  Ursprung  der  Tuberkulose  zu  konstatieren:  bei 
solchen  von  16 — 55  Jahren  in  16  Proz.  und  bei  solchen  von  über 
55  Jahren  in  6,25  Proz. 

Scordo  und  Eranchini:  Stoffwechseluntersuchungen  bei 
zwei  Basedowkranken,  ausgefiihrt  in  der  medizinischen  Klinik  zu 
Florenz,  ergaben  starke  Vermehrung  der  Kalk-  wie  der  Magnesium¬ 
ausscheidung  durch  Urin  wie  durch  die  Fäzes,  ferner  starke  Ver¬ 
mehrung  der  Ausscheidung  der  Phosphorsäure  durch  die  Fäzes,  Ver¬ 
mehrung  der  Erdphosphate  im  Urin,  geringe  Vermehrung  der  Harn¬ 
säure  im  Urin,  geringe  Verminderung  der  Oxydationsprozesse,  nach¬ 
weisbar  durch  das  Verhalten  des  Harnsäurestickstoffs  zum  Gesamt¬ 
stickstoff  des  Urins.  Therapeutisch  würde  sich  daraus  der  Schluss 
ergeben,  die  innere  Darreichung  der  Phophorsäure  mit  der  des 
Kalkes  und  des  Magnesiums  bei  Basedowkranken  zu  verbinden. 
(II  policlinico,  Juli  1907.) 

Der  Physiologe  Cavazzani  -  Ferrara  berichtet  über  die  toxi¬ 
schen  Eigenschaften  der  Albumosen  von  Bence  Jones.  (II  poli¬ 
clinico,  Juni  1907.) 

Dieselben  sind  seit  ihrer  Entdeckung  viel  studiert  und  klassi¬ 
fiziert,  ohne  dass  ihre  Bedeutung  vollständig  klargelegt  ist.  Sie 
finden  sich  im  Urin  von  Personen,  welche  an  multipler  Sarkomatose 
des  Knochenmarks  leiden  und  die  experimentelle  Prüfung  ihrer  Wir¬ 
kung  an  Tieren  schien  bestimmt  Aufschluss  über  einige  Symptome 
dieser  Krankheit,  so  der  Muskelschwäche,  Parese,  vasomotorischen 
Störungen,  Hyperämien,  namentlich  aber  auch  die  noch  dunkle 
Funktion  des  Knochenmarks  zu  geben. 

C.  entnahm  die  Körper  dem  Urin  einer  an  Knochenmarksarko- 
matose  leidenden  Patientin  und  stellte  seine  Untersuchungen  an  Frö¬ 
schen,  Meerschweinchen,  Kaninchen  und  Hunden  an. 

Die  Bence  Jones  sehen  Albumosen  erwiesen  sich  für  die  ge¬ 
nannten  Tiere  toxisch,  besonders  auf  das  Nervensystem,  es  wurden 
auffallender  Kräfteverfall,  Tachykardie,  Dyspnoe,  vasomotorische  Stö¬ 


rungen,  Temperaturschwankungen  beobachtet.  Die  Erscheinungen 
waren  schnell  vorübergehende,  was  C.  mit  der  von  ihm  nachge¬ 
wiesenen  schnellen  Ausscheidung  der  Albumosen  durch  die  Nieren 
erklärt. 

Vielleicht  rühren  die  bei  Sarkomatose  des  Knochenmarks  be¬ 
obachteten  Erscheinungen,  unter  welchen  allgemeine  Schwäche  und 
intermittierendes  Fieber  besonders  bemerkenswert  sind,  von  im  Blute 
zirkulierenden  Albumosen  her.  Wie  sich  diese  Albumosen  bei  Kno- 
chenmarkssarkomatose  bilden  und  wie  sie  in  den  Kreislauf  gelangen, 
das  zu  bestimmen  ist  weiteren  Untersuchungen,  welche  über  die  noch 
dunkle  Funktion  des  Knochenmarkes  Licht  verbreiten  dürften,  Vorbe¬ 
halten. 

Massalongo:  Ueber  Hemiplegia  dolorosa  und  das  Thalamus- 
symptom  Deierine-Boussy. 

Mit  „Thalamussymptom  Dejerine-Boussy“  bezeichnet  man 
einen  bestimmten,  bei  Hemiplegia  dolorosa  auftretenden  Symptomen- 
komplex,  abhängig  von  dem  Sitz  des  apoplektischen  Herdes  im 
Thalamus. 

Der  Schmerz  ist  bei  dieser  Hemiplegieform  zentralen,  zerebralen 
Ursprungs,  ausserordentlich  intensiv  und  rebellisch  gegen  jede  Be¬ 
handlung,  so  dass  er  nicht  mit  anderen  Schmerzen,  wie  sie  häufiger 
bei  Hemiplegischen  auftreten,  verwechselt  werden  kann.  Das  Sym¬ 
ptom  wird  im  ganzen  sehr  selten  konstatiert  (bis  jetzt  sind  14  Fälle 
gesammelt)  weil  Hämorrhagien  und  Erweichungen  im  Thalamus 
opticus  für  gewöhnlich  schnellen  Tod  herbeiführen.  Es  ist  nötig,  dass 
die  Kranken  den  Anfall  längere  Zeit  überleben,  damit  das  Symptom 
zu  stände  kommt.  Der  genannte  Symptomenkomplex  ist  differential¬ 
diagnostisch  leicht  zu  unterscheiden  von  kortikaler  Hemiplegie  und 
von  Hemiplegien  hysterischer  Art.  Meist  ist  die  Hemiplegie  eine 
leichte,  schnell  vorübergehende  und  ohne  Kontrakturen;  dagegen  ist 
die  Hemianästhesie  eine  persistente.  Ausserordentlich  heftig  sind 
die  Schmerzen  der  gelähmten  Seite,  paroxysmenartig  auftretend  und 
jeder  Behandlung  trotzend.  Es  kommt  zu  Hemiataxie  und  zu  mehr 
weniger  vollständiger  Astereognosie  und  zu  choreaathetotischen  Be¬ 
wegungen  in  den  Gliedern  der  gelähmten  Seite. 

Die  Sektion  ergab  im  Falle  M.s  in  der  rechten  Hemisphäre  einen 
kleinen  Erweichungsherd,  welcher  einen  grossen  Teil  des  Thälamus 
opticus  und  besonders  den  Nucleus  externus  desselben  betraf,  ferner 
einen  sehr  kleinen  Teil  des  hinteren  Segments  der  Capsula  interna. 

Der  Herd  erreichte  kaum  die  Grösse  einer  Kirsche.  (II  poli¬ 
clinico,  August  1907.) 

Ten  de:  Zur  Bakteriologie  der  Nosokomialgangrän.  (II  pori- 
clinico,  Juli-August  1907.) 

Im  Hospital  San  Giovanni  in  Laterano  in  Rom  herrschte  2% 
Jahre  lang,  hartnäckig  allen  Mitteln  trotzend,  eine  Form  von  Hospital¬ 
brand,  charakteristisch  durch  nekrotisierende  Ulzera  der  Kutis,  welche 
T.  auf  den  Pseudodiphtheriebazillus  Löffler-Hofmann  zurück¬ 
führt.  Zu  diesem  Bazillus,  welcher  den  Vorgang  der  Nekrose  des 
Granulationsgewebes  ein'leitet,  gesellten  sich  sekundär  andere 
Keime  hinzu,  so  Staphylococcus  aureus  und  albus,  Kofibazillus  und 
Bacillus  pyocyaneus,  welche  den  putriden  Zerfall  des  nekrotischen 
Gewebes,  die  zweite  Phase  der  Nosokomialgangrän,  einleiteten. 

Die  Nosokomialgangrän  ist  ätiologisch  und  pathogenetisch  keine 
Unität,  und  dadurch  erklärt  sich  ihr  klinischer  Polymorphismus,  wel¬ 
cher  den  alten  Autoren  so  wohl  bekannt  war. 

Gironi:  Klinischer  Beitrag  zur  Stovainanästhesie,  gesammelt 
im  Hospital  zu  Ravenna.  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  81.) 

1.  Stovain  wirkt  zur  Rückenmarksanästhesie  angewandt  auch 
in  hohen  Dosen  nicht  toxisch. 

2.  Man  braucht  es  nicht  anzusäueren,  noch  auch  mit  anderen 
aktiven  Stoffen  zu  mischen. 

3.  Die  Anästhesie  ist  fast  immer  eine  vollständige  von  Nabel¬ 
höhe  abwärts. 

4.  Die  Anwendung  des  Stovains  ist  nicht  kontraindiziiert  durch 
Alter.  Arteriosklerose  und  Herzkrankheiten. 

5.  Da  das  Stovain  keine  ernstlichen  Unzuträglichkeiten  hat,  so 
ist  eis  der  Chloroformnarkose  vorzuziehen  in  allen  chirurgischen 
Eingriffen  unterhalb  des  Nabels. 

Baccelli-Rom  rühmt  in  einer  Vorlesung  die  Resultate  der 
intravenösen  Injektion  von  Strophanthin  (1  mg  in  10  g  physiologischer 
Kochsalzlösung)  bei  essentieller  paroxystischer  Tachykardie. 

Die  Wirkung  ist  teine  unmittelbare  in  den  heftigsten  Fällen,  in 
welchen  plötzlicher  Stillstand  des  Herzens  zu  drohen  scheint.  Von 
über  250  Pulsschlägen,  welche  an  der  Radialis  nicht  zu  zählen  und 
am  Herzen  nur  als  Undulationen  bemerkbar  waren,  sank  derselbe 
nach  dreimaliger  Injektion  auf  80.  Ebenso  besserten  sich  alle  durch 
die  Kreislaufsstörung  'herbeigeführten  bedrohlichen  Erscheinungen.  So 
lange  wie  der  Puls  noch  Neigung  zu  Unregelmässigkeiten  zeigte, 
wurde  mit  dem  Mittel  (Va  mg  pro  dosi  intravenös)  fortgefahren. 

Das  Strophanthin  wirkt  nicht  auf  den  Vagus,  nicht  auf  die  Bulbär- 
zentren,  sondern  auf  die  Ganglien  des  Herzens,  welche  als  die  regula¬ 
torischen  Zentren  zu  betrachten  sind. 

Bei  der  essentiellen  paroxystischen  Tachykardie  handelt  es  sich 
nach  B.  um  eine  Neurose  nicht  des  Vagus,  wie  vielfach  angenommen 
wird,  sondern  der  Herzganglien  und  besonders  derjenigen  des  rechten 
Vorhofs  in  der  Nachbarschaft  der  Einmündungsstelle  der  beiden  Hohl¬ 
venen.  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  80.) 

Giacoca:  Ueber  Phytin  und  sein  Verhalten  im  Körper.  (Gaz¬ 
zetta  degli  osped.  1907,  No.  81.) 


Q.  berichtet  über  eine  Reihe  von  Versuchen  mit  Phytin.  Phy¬ 
tin  ins  Blut  injiziert  ist  sehr  giftig  und  führt  fast  augenblicklich  den 
Tod  herbei  .unter  schweren  tetanusähnlichen  Anfällen. 

In  weniger  grossen  Quantitäten  bewirkt  es  bei  Fröschen  fibril¬ 
läre  Zuckungen,  wie  Zuckungen  ganzer  Muskeln;  bei  Hunden  Dys- 
pnoea,  Orthopnoe  und  Paralyse  der  respiratorischen  Zentren. 

Durch  den  Magen  eingeführt  ist  es  viel  weniger  toxisch,  aber 
wegen  kumulativer  Wirkung  ist  es  notwendig,  von  Zeit  zu  Zeit  das 
Mittel  auszusetzen. 

.  ,  II as  Phytin  ist  ein  wenig  stabiles  Präparat  und  zersetzt  sich 
leicht  in  wässeriger  Lösung,  auch  wenn  es  im  Eisschrank  aufgehoben 
wird. 

Fe  d  eil  i  -  Pisa;  Ueber  den  therapeutischen  Gebrauch  der  Folia 
Boldi. 

PI.®  BJätter  dieses  in  Südamerika  (Chile)  einheimischen  Baumes, 
dort  seit  Alters  von  den  Bewohnern  angewandt,  sollen  eine  spezifische 
Wirkung  auf  die  Aktivierung  der  Leberzelle,  die  Verflüssigung  .der 
Galle  und  ihre  Ausscheidung  entfalten,  auch  bei  Kolikanfällen  von  vor¬ 
züglicher  sedativer  Wirkung  sein.  Amerikanische  und  französische 
Aerzte  haben  dieselbe  seit  2  Dezennien  viel  angewandt  und  neuer¬ 
dings  auch  die  Aerzte  Italiens,  namentlich  Bolognas  in  Form  der 
1  inctura  Boldi  und  der  Dosis  von  20—50  Tropfen.  (J.  W.  Neger 
berichtet  über  diese  Pflanze  im  Pharmaz.  Zentralbl.,  Dresden  1901 
pag.  401.) 

.....  P-  .verftigt,  wie  er  mitteilt,  über  günstige  Erfahrungen  mit  dem 
Mittel  in  allen  Fällen  von  Cholelithiasis  und  ihren  Komplikationen. 
Auch  experimentelle  Versuche  an  Tieren  bestätigten  die  galleverflüssi- 
gende  und  galileaussch eidende  Wirkung,  (il  policlinico,  Juni  1907,) 

1  a  n  t  u  r  r  i  wandte  in  einem  Falle  von  schwerer  Osteomalazie, 
welcher  der  gewöhnlichen  Behandlung  mit  Phosphor,  Kalk,  Eisen 
Arsen  usw.  hartnäckig  widerstand,  die  von  Bossi- Genua  emp¬ 
fohlene  Adrenalintherapie  an. 

Die  Besserung  nach  den  ersten  Injektionen  V»  Pr avaz sehen 
Spritze  pro  die  einer  1  prom.  Adrenalinllösung  war  eine  sehr  auf¬ 
fallende. 

...  Binnen  wenigen  Wochen  trat  bei  der  26  jährigen  Kranken,  welche 
über  ein  halbes  Jahr  im  Bette  zugebracht  hatte,  vollständige  Heilung 
ein.  (Gazzetta  degli  osped.  1907,  No.  81.) 

Hager-  Magdeburg. 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten. 

C  e  1 1  i;  Chinintannat  in  Fällen  von  idiosynkrasischer,  selbst  hämo- 
globinnnscher  Intoleranz  gegen  in  Wasser  lösliche  Chininsalze.  (Arch 
für  Schiffs-  und  Tropenhygiene,  Bd.  XI,  H.  17.) 

Um  Erfolg  bei  Chininbehandlung  zu  haben,  muss  man  es  in  der 
angenehmsten  Form  geben.  Das  Chinintannat  wird  langsam  aber 
vollkommen  resorbiert  und  zeichnet  sich  durch  geringe  Toxizität  aus 
Es  bewährte  sich  infolgedessen  in  Fällen,  bei  denen  nach  wasser¬ 
löslichen  Salzen  Hämoglobinurie  auftrat.  Zugefügte  Krankenge¬ 
schichten  von  5  Fällen  sollen  die  günstige  Wirkung  des  Tannats  er¬ 
weisen;  allgemeine  Schlussfolgerungen  sind  noch  nicht  erlaubt. 

R,  K°hlbrugge- Utrecht:  Chinintannat  bei  Malaria.  (Daselbst, 
Jt>d.  XI,  H.  20.)  i 

Das  Chinintannat  ist,  anknüpfend  an  die  Mitteilung  Cellis  in  Heft 
17.  auch  bei  sehr  idiosynkrasischen  Personen  und  in  grossen,  ja 
grössten  Dosen  verabreicht  ganz  unschädlich,  zumal  wenn  man '  die 
zuweden  nicht  gewünschte  adstringierende  Wirkung  durch  geeignete 
Diät,  Massage  oder  andere  Hilfsmittel,  neutralisiert.  Um  weniges 
toxischer,  doch  sehr  teuer  ist  das  Aristochinin.  Nur  die  mit  an¬ 
organischen  Säuren  kombinierten  Chininpräparate  rufen  Intoxikationen 
hervor. 

Wellmann-Benguella:  Die  Morphologie  der  in  Yawspapeln 
gefundenen  Snirochäte.  (Englisch.)  Daselbst  Band  XI,  H.  17 

Die  von  Wellmann  gleichzeitig  und  unabhängig  von  Castel- 
am  gefundene  Spirochaete  Dertennuis  (Castell  ani)  ist  morpho¬ 
logisch  von  der  Sp.  pallida  (Schau dinn)  nicht  zu  unterscheiden- 
doch  muss  sie  bei  der  intensiven  Verschiedenheit  ihrer  pathologischen 
ko  le  als  spezifisch  angesehen  werden.  In  ulzeriert-en  Papeln  fanden 
sich  noch  fernere  Spirochäten,  darunter  besonders  Spir.  refringens 
Ibchaudinn). 

t  ^ I  s  cIl  e  r -Berlin;  Beobachtungen  über  Chininprophylaxe  bei 
Malaria.  (Daselbst  Bd.  XI.  H.  17.)  y 

....  I^kj^Irtete  während  der  Regenperiode  Dezember  1905  bis 
Marz  1906  auf  der  Station  Namutoni  (Deutsch-Südwestafrika)  die  Wir- 
•  Stren5  Td  energisch  durchgeführten  Chininprophylaxe. 
d6r  Statl™  erkrankten  an  Malaria  tropica  31.  Bei 
sämtlichen  44  dessen  sich  Plasmodien  der  tropischen  Malaria  im  Blut 

zahSpTH-  Be‘einem  der  Nichterkrankten  waren  die  Parasiten  sehr 
b'v  -U  V™  Qe^lchttfeld  eines  dünn  ausgestrichenen  Blut- 
der"och  nicht  mit  lieber  Erkrankten  hatte  irgend- 
"e  d?e  Storung  des  Allgemeinbefindens  oder  Temperatursteigerung. 

D  PronüviS1'  Erkrankten  yer*i|I  die  Malaria  stets  sehr  leicht. 
Wc  ,  y.aktke,r  reagierten  im  Erkrankungsfalle  auf  das  Chinin 

fieberl"  *  *  ^  Nlchtprophylaktiker.  Es  kam  nie  zu  Schwarzwasser- 

k  ii  z:  Ueber  Ankylostoma  und  andere  Darmparasiten  der 
Kamerunneger.  (Daselbst,  Bd.  XI,  H.  19.)  “rmparasnen  aer 

Hip  nflf  70  Pr07T;  VOn  insgesamt  m  untersuchten  Kamerunnegern, 

1  nicht  w egen  Darm-  oder  Wurmsymptomen  in  Behandlung  kamen, 


fand  sich  Ankylostoma.  Vielfach  waren  verschiedene  Parasitenarten 
\0manJen:  emer  barg  5  verschiedene  Spezies.  Das  kindliche  Alter 
stellte  die  grösste  Anzahl  und  die  schwersten  Erscheinungen.  Als  Be¬ 
gleiterscheinung  war  mehrfach  Geophagie  vorhanden. 

.  iT  »J--1  f  b  0  r  .n  '  Hamburg :  Uebertragung  von  Filarienkrankheiten 
durch  Mucken.  (Daselbst,  Bd.  11,  H.  20.) 

Verfasser  hat  für  Hundefilarien  nachgewiesen,  dass  die  Ueber- 
tragumg  durch  den  Mückenstich  geschieht,  und  schliesst,  dass  auch 
die  sich  völlig  analog  verhaltenden  Menschenfilarien  auf  dieselbe 
Art  übertragen  werden.  Filarien  bleiben  ausserhalb  des  Körpers 
tagelang  am  Leben,  einem  gesunden  Hunde  eingespritzt,  monatelang 
Im  Muckenmagen  trifft  man  3-4  mal  mehr  Filarien  als  dem  von  der 
Mucke  autgenommenen  Blutquantum  zu  entsprechen  scheint.  Für  die 
nfektion  mit  Blutfilarien,  d.  h.  jenen  Filarien,  deren  Larvenstadien 
als  mikroskopisch  kleine  Würmchen  im  Blute  angetroffen  werden' 
wahrend  die  zugehörigen  Elterntiere  im  Blut-  oder  Lymphgefäss- 
system  oder  im  Bindegewebe  der  betreffenden  Wirte  schmarotzen 
sind  nur  bestimmte  Muckenspezies  empfänglich.  Die  Entwicklung  der 
von  einem  Hunde,  der  aus  Rom  stammt,  gesaugten  Filarien  (wahr¬ 
scheinlich  Larven  der  Filaria  recondita  Grass!)  ging  im  Anopheles 
maculipennis  stets  vonstatten,  während  bei  Stegomvia  callopus  immer 
mir  m  etwa  20  Pro*,  der  infizierten  Mücken  die  Filarien  ansreTte 
Schnitte  durch  saugende  Mücken,  die  nach  mühevollen  Versuchen  auf 
sehr  sinnreiche  Art  gewonnen  wurden,  zeigten,  dass  und  wie  die 
riiarien  am  die  Haut  des  gestochenen  Tieres  gelangen  Zum  Ein¬ 
dringen  in  die  Haut  benutzen  einige  Filarien  vielleicht  den  Stichkanal 
wenn  die  Stilette  wieder  herausgezogen  sind.  Sie  vermögen  aber 

onenbar  auch  ohne  Benutzung  desselben  unmittelbar  in  die  Haut  ein- 
zudringen. 

(Daselbst  ^d 1  XI  H^oT*01  Palliativbehandlung  der  Elephantiasis. 

In  nicht  zu  veralteten  und  nicht  mit  Geschwüren  komplizierten 
Falten  von  Elephantiasis  erzielen  Fibrolysininjektionen,  Gummibinden¬ 
wicklungen  bei  Bettruhe,  zuletzt  nach  Resorption  von  Unterhautzell- 

BesserungPera^Ve  Entfernun'g  von  S<treifen  der  überflüssigen  Haut 

(DaseVsÄxI'H:  20"?  Pf,anzensme  ln  de"  deu,5chc"  Xolonie„. 

Zusammenfassung  der  Arbeiten  Briegers  und  Krauses.  Er- 
\\ ähnenswert  ist  besonders:  Zur  Pfeilgiftbereitung  werden  hauptsäch¬ 
lich  Apocvnae e n gl vko s i  de,  meist  stickstofffreie  Verbindungen  ver¬ 
wendet  Zum  Vergiften  von  Menschen,  zum  Fischfang,  zum  Vergiften 
der  Krokodile  bedienen  sich  die  Eingeborenen  stickstoffhaltiger  Ver¬ 
bindungen,  die  sie  aus  alkaloidhaltigen  Pflanzen,  hauDtsächlich  Strych- 
nosarten  gewinnen.  Die  chemische  und  pharmakologische  Unter¬ 
suchung  der  zahlreichen  giftigen  und  therapeutisch  wirksamen  Pflan¬ 
zen  Afrikas  ist  nicht  nur  in  wissenschaftlicher,  sondern  auch  in  medi¬ 
zinisch  praktischer  und  ökonomischer  Hinsicht  für  die  Kolonien  von 
weittragender  Bedeutung.  Die  Schlangengifte  sind  Drüsensekrete,  die 
nicht  zum  Fangen  der  Nahrung  nötig  sind,  sondern  deren  fermentative 
Kraft  für  die  Schlange  erforderlich  ist.  um  die  nicht  zerkleinerte  Nah¬ 
rung  mit  Haut  und  Haar  verdauen  zu  können.  Es  ist  gelungen,  ein  Se¬ 
rum  gegen  Natterngift.  ein  Serum  gegen  Viperngift  und  ein  polvvalentes 
^eium  herzustellen.  Die  pflanzlichen  und  tierischen  Gifte  sind  nichts 
anderes  als  Stoffwechselprodukte  beim  Aufbau  oder  Abbau  der  Er- 
na h rumgspr odu kte  des  tierischen  oder  pflanzlichen  Organismus. 

Viereck:  Studien  über  die  in  den  Tropen  erworbene  Dy- 
senterie.  (Beiheft  1,  zum  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropenhygiene, 

Die  Studien  sind  aufgebaut  auf  das  Dvsenteriematerial  des  See- 

IcoanDSkrarikenbal,ses  m  Hamburg,  das  während  der  Jahre  1900 _ 1905 

6-  Fälle  aus  allen  Weltgegenden  umfasst.  Bei  37  wurden  lebende 
A  möben  im  Stuhl  gefunden.  13  mal  amöbenverdächtige  Gebilde.  12  mal 
blieb  die  Untersuchung  auf  Amöben  negativ  Bei  zwei  der  letzteren 
wurde  durch  die  Agglutinationsprobe  mit  Shiga-Kruse-Bazillen  das 
nestehen  einer  bakteriellen  Ruhr  wahrscheinlich  gemacht.  Die  Euro¬ 
päer  bringen  also  häufiger  eine  Amöbenruhr  als  eine  Bakterienruhr  mit 
!\ji  x  a»*S‘.  ,Ber  Beffinm  der  Erkrankung  fiel  vorzugsweise  in  die 
Monate  Mai  bis  August  (Infektionsort  lag  meist  nördlich  des  Aequa- 
tors).  Das  Maschinenpersonal,  das  mit  farbigen  Hilfsarbeitern  am 
meisten  in  Berührung  kommt,  zeigte  die  grösste  Erkrankungszahl. 

le. ,.  Dysenterie  ist  durch  einen  chronischen,  wechselvollen, 

rezidivierenden  Charakter  ausgezeichnet  und  gefährdet  die  Gesund¬ 
heit  und  das.  Leben  des  Erkrankten  im  hohen  Grade.  Konstante  Unter¬ 
schiede  zwischen  den  in  den  verschiedenen  Ländern  erworbenen 
vsenterien  traten  klinisch  nicht  hervor.  Theraoeutisch  wurden  bei 
a ulten  Fallen  die  besten  Erfolge  von  Simaruba-Granatrinden-Dekokt 
gesehen;  es  wurde  mit  Onium  und  später  mit  Tannineinläufen  kom- 
himert.  Be.  ganz  chronischen  und  ganz  leichten  Ruhrfällen  genügte 
Karlsbader  Salz.  Wirkliche  Rückfälle  schienen  selten  zu  sein.  Die 
durchschnittliche  Behandlunesdauer  betrug  26  Tagt.  3  Kranke  star¬ 
ben.  Verf.  unterscheidet  die  nichtoathogene  Entamoeba  coli,  die  patho¬ 
genen  Entamoeba  histolvtica  .und  Entamoeba  coli  Loesch  und  nimmt 
an,  dass  sich  aus  der  letzten  Grunne  noch  verschiedene  Amöben¬ 
spezies  abtrennen  lassen.  _  Weitere  Mitteilungen  über  die  Amöben  und 
cie  pathologische  Anatomie  werden  durch  vorzügliche  Reoroduktionen 
erganzt-  (Schluss  folgt.) 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2499 


Ophthalmologie. 

Birch-Hirschfeld:  Weiterer  Beitrag  zur  Wirkung  der 
Röntgenstrahlen  auf  das  menschliche  Auge.  (v.  Gräfes  Archiv, 

Bd.  LXVI,  Heft  1,  S.  104-119.) 

Aus  den  Beobachtungen  des  Verf.  ist  zu  entnehmen,  dass  thera¬ 
peutisch  von  Bestrahlung  von  Choroidealsarkomen  nichts  zu  erwarten 
ist  Dagegen  wurde  trotz  möglichsten  Schutzes  der  bestrahlten 
Augen  bei  mikroskopischer  Untersuchung  gefunden  Vakuolisation  und 
Chromatolyse  der  Netzhautganglienzellen  und  vakuolisierende  De¬ 
generation  der  Gefässe  der  Netzhaut,  im  geringen  Grade  auch  der 
Iris  und  des  Ziliarkörpers.  Verf.  nimmt  an,  dass  diese  Verände¬ 
rungen  an  den  Netzhautganglienzellen  ebenso  direkte  Strahlenwir¬ 
kungen  sind  wie  die  am  Gefässendothel  und  macht  ausdrücklich  auf 
die  Schädlichkeit  der  X-Strahlen  und  Radiumstrahlen  für  das  Auge 
aufmerksam  entgegen  den  öfter  in  der  Literatur  zu  lesenden  Angaben. 

Suprareninum  syntheticum.  (Pharmaz.  Zeitung  No.  45,  1907.) 

Gegenwärtig  gelangt  durch  die  Höchster  Farbwerke  synthe¬ 
tisches  Suprarenin  in  den  Handel. 

Nunmehr  hat  das  Präparat  vermehrtes  praktisches  Interesse 
gewonnen,  zumal  es  in  dieser  Form  um  mehr  als  die  Hälfte  billiger 
ist  als  das  „Adrenalin“  genannte,  nicht  synthetisch  gewonnene 

Produkt.  ....  .  c 

Die  pharmakologische  Untersuchung  des  synthetischen  Supra- 

renins  wurde  im  pharmakologischen  Institut  der  Universität  Breslau 
vom  Privatdozenten  Dr.  Joh.  Biberfeld-  ausgeführt.  Sie  ergab, 
dass  das  neue  Präparat  in  seiner  Wirkung  identisch  ist  mit  den  aus 
Organen  gewonnenen  Nebennierenpräparaten.  Das  synthetische  Su¬ 
prarenin  scheint  etwas  stärker  und  gleichmässiger  zu  wirken  als  das 
aus  Nebennieren  hergestellte,  was  jedenfalls  auf  die  absolute  che¬ 
mische  Reinheit  des  ersteren  zurückzuführen  ist.  Auch  sind  die  Lö¬ 
sungen  des  synthetischen  Suprarenins  besser  haltbar.  Die  jeweils 
benötigte  Menge  der  Lösung  kann  vor  Gebrauch  durch  Auskochen 
sterilisiert  werden,  ohne  dass  die  Wirksamkeit  leidet.  Die  blutdruck¬ 
steigernde,  gefässverengiernde.  Dupillenerweiternde  und  diuretische 
Wirkung  mit  Zuckerausscheidung  ist  also  die  gleiche  wie  die  des 
aus  Nebennieren  hergestellten  Suprarenins.  Die  vergleichende  Un¬ 
tersuchung  bezüglich  Giftigkeit  ergab  ebenfalls  genau  überein¬ 
stimmende  Resultate  zwischen  dem  synthetischen  -und  natürlichen 

Suprarenin.  ,  _  ,  , 

Das  synthetische  Suprarenin  wird  von  deit  Farbwerken  vorm. 
Meister,  Lucius  &  Brüning  in  Höchst  a.  M.  als  salzsaures  Salz  in 
steriler  Lösung  1  :  1000  unter  der  Bezeichnung  Solutio  Supraremm 
hydrochlorici  synthetici  in  Fläschchen  zu  5  und  10  ccm  in  den  Handel 

gebracht.h  i  i  i ;  Wejtere  und  histologische  Untersuchungen 

über  den  unter  dem  Bilde  der  knötchenförmigen  Hornhauttrübung  ver¬ 
laufenden  chronischen  Lupus  der  Hornhaut.  (Arch.  f.  Augenheilk., 

Bd.  LV,  Heft  2.)  f  .  , .  , 

Im  Anschluss  an  frühere  Mitteilungen  führt  We  h  r  1 1  aus.  dass 
die  knötchenförmige  Hornhauttrübung  als  eine  spezifische  cli  1 011  ische 
Entzündung  und  zwar  eine  tuberkulöse  zu  betrachten  sei. 

Römer:  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  sympathischen  Ooh- 
thalmie.  Ueber  die  Aufnahme  von  Infektionserregern  in  das  Blut 
bei  intraokularen  Infektionen.  (Ibidem  Heft  4.) 

Verf.  spricht  sich  in  diesem  Teile  der  Arbeit  entschieden  für  die 
Berlin  sehe  Auffassung  der  sympathischen  Ophthalmie  als  spe¬ 
zifische  Metastase  aus.  ,  , . 

Er  führt  den  Nachweis,  dass  vom  Auge  aus  Infektionserreger 
und  zwar  Bakterien  wie  Protozoen  in  das  Blut  gelangen  können. 
Diese  Infektionserreger  können  auf  dem  Wege  der  Blutbahn  in  die 
Uvea  des  anderen  Auges  dringen,  wo  sie  ihre  charakteristische  Lo¬ 
kalisation,  sowie  die  geeignetsten  Wachstumsbedingungen  finden. 

Davids:  Die  grossen  Ausspülungen  nach  Kalt  bei der  Be¬ 
handlung  der  Blennorrhoea  adultorum.  (Klin.  Monatsbl.  f.  Augen¬ 
heilk.  August-September  1907.)  . 

Nach  den  Erfahrungen  der  Göttinger  Umversitatsaueenklimk  sind 
die  Kalt  sehen  Irrigationen  bei  Blennorrhoe  der  Neugeborenen  nicht 
anzuwenden,  da  hiebei  Hornhauttrübungen  und  Vergrösserung  be¬ 
stehender  Geschwüre  beobachtet  wurden,  während  allerdings  die  Er¬ 
scheinungen  seitens  der  Konjunktiva  prompt  zurückgingen.  a gegen 
hat  sich  die  Kalt  sehe  Methode  bei  der  Blennorrhoea  adultorum  sehr 
bewährt.  Die  grossen  Ausspülungen  wurden,  wie  Kalt  es  vor¬ 
schreibt,  in  den  ersten  Tagen  dreimal,  später  zweimal  ausgefuhrt, 
bis  zum  Aufhören  der  Sekretion.  Gleichzeitig  wurden  Sublimat-Eis- 
umschläge  gemacht  und  der  Konjunktivalsack  zwischen  den  grossen 
Ausspülungen  mit  hypermangamsaurem  Kali  aus  der  Undme  berveseb 
so  oft  sich  Sekret  ansammelte.  Bei  Hornhautaffektionen  leichteren 
Grades  wurde  diese  Behandlung  ruhig  fortgesetzt,  bei  schweren 
Hornhauterkrankungen  liess  man  die  Eisumsohlage  weg  und  legte 
eventuell  zeitweilig  Verband  an.  Nachts  wurden  die  grossen  Aus¬ 
spülungen  ausgesetzt  und  nur  Sublimateisumschläge  und  Ausspülungen 
mit  der  Undine  vorgenommen.  Als  Lösung  wurde  Kali  hvperm. 
1  :  15  000  gebraucht  und  die  grossen  Ausspülungen  in  der  Wense  ge¬ 
macht,  dass  die  Flüssigkeit  aus  dem  Irrigator  (mit  2  Liter  Inhalt) 
durch  einen  Gummischlauch,  der  mit  einer  abgestumpften  Gla.^smtze 
versehen  ist,  in  den  Konjunktivalsack  ergossen  v/ird  aus  einer  Hobe 
von  30  cm,  wenn  möglich  bei  ektropionierten  Lidern  oder  auch,  indem 
die  Lider  etwas  auseinander  gezogen  werden.  Die  Vorteile  dieser 
Behandlung  sind  folgende: 


1.  Die  Kaltschen  Ausspülungen  können  sofort  in  jedem  Falle 
angewandt  werden. 

2.  Sie  machen  keine  Schmerzen,  sondern  schaffen  den  Kranken 
Linderung. 

3.  Nach  den  grossen  Ausspülungen  nimmt  die  stärkste  Eiterung 
schon  vom  zweiten  Tage  an  auffallend  ab. 

4.  Eine  Schädigung  der  Hornhaut  tritt  nicht  ein,  vielmehr  werden 
Hornhautprozesse  oft  günstig  beeinflusst. 

5.  Es  gelingt  durch  die  Kaltschen  Ausspülungen  Augen  zu 

retten,’  die  früher  vollständig  verloren  gingen.  Rhein. 


Inauguraldissertationen.*) 


M.  Wolpiansky  liefert  in  einer  Züricher  Dissertation  (1906) 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  abdominalen  Fettge- 
websnekro.se.  Es  kann  im  Verlaufe  der  Pankreasfettgewebs- 
n elkrose  eine  derartig  beträchtliche  Lebervergrösserung  (Fettleber) 
zu  stand-e  -kommen,  dass  man  eine  primäre  Leberaffektion  vor  sich 
zu  haben  glaubt.  Zur  Diagnose  der  Fettgewebsnekrose  sind  Punk¬ 
tionen  sehr  zu  empfehlen;  die  eingehende  histologische,  bakterio¬ 
logische  und  chemische  (Nachweis  der  Fettspaltung)  Untersuchung 
wird  die  sonst  äusserst  schwierige  Diagnose  sicherstellen.  Es  be¬ 
steht  bei  abdominaler  Fettgewebsnekrose  eine  ansehnliche  Leuko¬ 
zytose  und  eine  Vermehrung  des  Fibrins  im  Blute,  Befunde,  die  eben¬ 
falls  zur  Erkennung  des  Leidens  beitragen.  Die  Entstehung  der  rett- 
gewebsnekrose  kann  nur  durch  den  Ausfluss  des  Pankreassaftes  (Fer¬ 
menttheorie)  erklärt  werden.  Für  die  weitere  Entwicklung  des  Lei¬ 
dens  ist  aber  auch  der  sekundären,  bakteriellen  Infektion  vom  Darme 
aus  eine  grosse  Bedeutung  zuzuschreiben. 

Ueber  Gallen  steinileus  berichtet  J.Reissner  in  einer 
Dissertationsarbeit  aus  der  evangelischen  Diakonissenanstalt  Brom¬ 
berg  (Breslau  1907,  34  Seiten).  Dieses  Leiden  findet  sich  besonders 
bei  älteren  Frauen.  Die  Steine  kommen  fast  ausnahmslos  durch 
Perforation  (oft  ganz  symptomlos)  in  den  Darm.  Wenngleich  es 
sich  dabei  meist  um  grössere  Steine  handelt,  so  ist  -doch  die  Verlegung 
des  Darmlumens  nicht  lediglich  durch  ein  Missverhältnis  zwischen 
Steingrösse  und  Darmlumen,  sondern  in  der  Regel  durch  reflektorische 
Krämpfe  der  gereizten  Darmwand  zu  erklären.  Die  Steine  können 
im  Darm  oft  lange  Zeit  latent  bleiben,  ebenso  wie  recht  grosse 
Steine  per  vias  naturales  abgehen  können.  _  Kommen  die  Patienten 
in  nicht  zu  desolatem  Zustande  zur  Operation,  so  ist  die  I  lognose 
keinesfalls  so  schlecht  zu  stellen,  wie  es  sich  scheinbar  aus  der 
Statistik  ergibt. 

Ferdinand  Osthelder  berichtet  in  seiner  Arbeit  aus  dem 
Pharmakologischen  Institut  in  München  (Prof.  v.  Tapp  ein  er)  über 
einige  Beobachtungen  über  die  p h o t o dy n a m  1  s c h e 
Wirkung  auf  Zellen  (P  a  r  a  m  a  e  c  i  e  n).  Er  stellt  folgende 

Thesen  au  nachzuweisen,  dass  der  photodynamischen  Er¬ 

scheinung  bei  Zellen  eine  Periode  vorausgeht,  während  welcher  die 
fluoreszierenden  Lösungen  eindringen  müssen,  bevor  sie  ihre  Licht¬ 
wirkung  entfalten  können.  Denn  die  Tiere,  die  vor  der  Belichtung 
längere  Zeit  oder  ganz  kurz  im  Dunkeln  in  den  Lösungen  waren,  star¬ 
ben  im  Lichte  zu  gleicher  Zeit. 

2.  Daraus  kann  aber  der  Schluss,  dass  die  Wirkung  keine  intra¬ 
zellulare  ist,  nicht  gezogen  werden,  denn  -die  zur  Entfaltung  d 
photodynamischen  Wirkung  nötige  Menge  kann  sehr  rasch  ns  Zell¬ 
innere  eindringen.  Vielleicht  geht  besonders  im  Lichte  -das  Ein¬ 
dringen  —  nach  vorhergegangener  Schädigung  der  Aussenmem- 

brail3.  D i e h zur3 Entf alt u ng  der  photodynamischen  Reaktion  nötigen 
Substanzmengen  sind  äusserst  klein.  Selbst  Konzentrationen  vot 
1:50  000  000  mol  von  Rose  Bengale  sind  bei  Sonnenlicht  ausreichend. 

4.  Somit  geht  hervor,  dass  die  zur  Photodynarme  notigen  Sub¬ 
stanzmengen  in  den  Paramaecien  selbst  mikroskopisch  nicht  fest¬ 
stellbarem  ^uoreszieremie  Stoffe  jns  Zellinnere  eindringen  und  diese 
eingedrungenen  Lösungen  oder  Substanzteilchen  photodynamisch  wir¬ 
ken  können,  zeigen  R  ose-Ben  gale-o  de  r  Eos  in  v  ersuch  e  b  e  t  denen  au : 

der  Aussenlösung  durch  wiederholtes  Ze.ntrJ“51®^n  0<?®r 
filtrieren  aller  Farbstoff  entfernt  war,  wie  Kontrollversucne  zeigten. 

6 "Bei  Dichloranthracendisulfosäure  gelang  der  Nachweis  des 
Eindringens  nicht.  Der  Unterschied  zwischen  den  Fluoreszincn  -und 
diesem  ^Körper  liegt  vielleicht  darin  dass. 

Paramaecien  diese  Substanz  besonders  leicht  den  Tieren  entzogen 
werden  kann.  (München  1907,  45  S.)  Fritz  L  o  e  b. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Berlin.  November  1907. 

56  Leipuner  Esther:  Zur  chirurgischen  Behandlung  des  Ileus 

57. '  pr  i  win-  Richard:  Ueber  -die  Behandlung  der  Kniescheibenbruche 

58.  Sfr^chfe^d  Ludwig:  Untersuchungen  über  die  Hämagglutina- 
tion-  und  ihre  physikalischen-  Grundlagen. 


*)  Rezensionsexemplare  erbittet  Dr.  Fritz  Loeb,  München 
(Domfreiheit).  Besprechung  Vorbehalten. 


2500 


MULNCHFNFR  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


15.  Popp  Julius:  Ueber  freie  Qelenkkörper. 

16.  Deitmar  Josef:  Die  Symptomatologie  der  Halsrippen  des 
Menschen. 

17.  \V  eck  Martin:  Ueber  Nabelschnurbruch  mit  konsekutiver  akuter 
I  eritonitis;  operative  Behandlung  und  Heilung. 

IS.  Boeder  lein  Friedrich:  Ein  primäres  Adenokarzinom  des  Na- 
bels.  (Aus  dem  patholog.  Institut  Erlangen.) 

^ 7  r  ünb  a  u  m  Edgar:  CMorretention  bei  künstlich  erzeugtem 
Fieber. 


Universität  Freiburg.  November  1907. 

41.  Hayward  Edgar:  Ein  Fall  von  Invagination  des  Zoekums. 

42.  Pro  eil  Friedrich:  Ueber  Sehstörungen  nach  Blutverlust. 

43.  Grade  n  wit  z  Benno:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  des 
Ulcus^  ventriculi,  mit  besonderer  Berücksichtigung  eines  Falles 
der  Freiburger  chirurgischen  Klinik. 

44.  Heye  Richard  G.  H. :  Klinische  Untersuchungen  über  die  von 
P.  Zweifel  angegebene  vaginale  Austupfung  zur  Verhütung  der 
Fieberanfälle  im  Wochenbett  an  der  Hand  von  800  Geburten  an 
der  Freiburger  Universitäts-Frauenklinik. 

Universität  Greifswald.  November  1907. 

21.  Hentze  Rudolf:  Ueber  einen  Fall  von  „Elephantiasis  permagna“ 
und  den  Nutzen  der  Behandlung  mit  C  u  r  s  c  h  m  a  nn  scher  Drai¬ 
nage  des  Zellgewebes. 

Universität  Kiel.  Juli  bis  November  1907. 

27.  R  oisn  e  r  Karl:  Zur  Symptomatologie  und  Diagnose  der  Meningitis 
tuberculosa. 

28.  Ko  o  p  ma  nn  Johann:  Die  Hasenscharten  an  der  Klinik  von  April 
1899  bis  Juli  1907. 

29.  Kraftmeier  Otto:  Plastischer  Ersatz  bei  Defekt  der  Nase  und 
Deformität  der  Oberlippe. 

30.  Winkel  mann  Adolf  Tobias:  Ueber  subpatellare  Lipome. 

31.  Fründ  Heinrich:  Pyelophlebitische  Leberabzesse  nach  Appendi¬ 
zitis. 

32.  Halle  Rudolf:  Zur  Kasuistik  von  Chondrombildungen  an  den 
knöchernen  Gelenkenden.  Ein  Fall  von  Osteochondrom  der  Tibia. 

33.  Nawitzky  Edmund:  Ein  Fall  von  Appendizitis  im  Brustsack  bei 
einem  neunwöchigen  Kinde. 

34.  Unverfehrt  Laurenz:  Ein  Fall  von  doppelseitiger  Schleim- 
beutelentzündung  an  der  Ferse  bei  Exostosenbildung  am  Kal- 
kaneus. 

Universität  München.  November  1907. 

115.  Bernhardt  Hans:  Ueber  die  Vererbung  der  inneren  Knochen- 
arcmtektur  beim  Menschen  und  die  Teleologie  bei  Julius  Wolf  f 

116.  Bernhard  Gottfried:  Ueber  Erysipelgangrän  des  Hodensackes 
und  der  Penishaut. 

117.  Wal  1  e  n  s  t  ein  Joseph:  Kasuistischer  Beitrag  zur  Lehre  von 
der  endemischen  Dysenterie. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

XXVII.  Oberrheinischer  Aerztetag 

zu  Fr  e  i  b  u  r  g  i.  Br.  am  4  Juli  1907. 

Herr  O.  Eschbacher:  Referat  über  den  35.  Deutschen 
Aerztetag. 

,.  Her,r.  75b‘  ^at  B  ä  u  m  1  e  r  stellt  einen  Fall  von  wahrscheinlich 
thrombotischer  Hemiplegie  infolge  von  Verschluss  der  linken  Karotis 

bei  einem  jungen,  erst  31  jährigen  Mann  vor.  In  den  einleitenden 
emci  kungen  macht  er  darauf  aufmerksam,  dass  man  in  neuerer  Zeit 
den  Arterienerkrankungen  auch  in  der  Praxis  ein  zunehmendes  In¬ 
teresse  entgegenbringe,  dass  dabei  aber  häufig  verschiedenartige 
Aiterienerkrankungen  zusammengeworfen  würden.  Insbesondere 
herrsche  bezüglich  der  häufigsten  Erkrankung  der  Arterien,  der 
Ai tei losklerose,  vielfach  noch  die  irrige  Meinung,  dass  es  sich  dabei 
stets  um  eine  hauptsächlich  mit  dem  Altern  in  Zusammen¬ 
lang  stehende,  durch  das  ganze  Arteriensystem  von  der  Aorta 
aus  lus  in  die  feinsten  Verzweigungen  sich  gleich  mässig  aus- 
jueitende  Erkrankung  handle.  Nur  fiir  eine  verhältnismässig  kleine 

/  UrXnH0n  hu  en  ,sei  e!ne  deurartige  diffuse  Arterienveränderung 
zutr^frend,  wahrend  schon  bei  ganz  jugendlichen  Men- 
s  ch  en  re  in  o  r  1 1 1  c  h  e  und  beschränkt  bleibende  Ver- 

könnenngVnr11!,u!.,n^eilnen  Arter7ngebieten  nachgewiesen  werden 

können.  Vor  allem  sind  esverschiedenelnfektionskrank- 
l  n  1  V1’  1  n  s  b  c  so  n  d  e  r  e  d  i  e  S  y  p  h  i  I  i  s,  aber  auch  die  Tuber- 
,andfre’  ,die  211  derartiger,  zunächst  ganz  be¬ 
schrankt  bleibender  Arteriitis  Anlass  geben.  Ein  sehr 
bemerkenswerter  Fall  solcher  ganz  beschränkter,  zu  bedeutende 
Verengerung  wenn  nicht  zu  völligem  Verschluss  mehrere? 
giossei  Arterien  führender  Erkrankung  mit  schweren 
o  ge  zustanden  im  Gehirn  stelle  der  vorliegende  Fall  dar 

“eF-f  audb  wif  ausserordentlich  wichtig  es 

ist,  i  n  1  ul  len  von  intrakranieller  Erkrankung  eine 
genaue  Untersuchung  der  grossen  G  e  f  ä  s  s  e  am  Hals 


vor  zu  nehmen.  Nur  dadurch,  dass  man  in  diesem  Fall  von 
rechtsseitiger  Hemiplegie,  in  welchem  die  letztere  nicht 
plötzlich,  sondern  wie  bei  Thrombosierung  kleinerer  Gefässgebietc 
nach  vorausgegangenen  leichteren  und  sehr  beschränkten  Erschei¬ 
nungen  eingetreten  war.  die  Spannungsverhältnisse  in  den  Karotiten 
hatte  prüfen  wollen,  sei  man  dazu  gekommen  zu  finden,  dass  in  d  er 
linken  Karotis  überhaupt  kein  Puls  zu  fühlen  ist 
Auch  vom  Arterienrohr  ist  nichts  zu  fühlen  und  die  einzige  ganz 
schwache,  wahrscheinlich  einer  anderen  kleinen  Arterie  angehörende 
Pulsation  findet  sich  links  in  der  Tiefe  neben  dem  Schildknorpel  und 
Zungenbein. 

Aber  nicht  nur  die  linke  Karotis,  sondern  auch  noch  zwei 
andere  dem  Arcus  aortae  zugehörende  Arteriengebiete 
zeigen  überraschende  Veränderungen.  In  der  linken,  wie  in 
dei  rechten  Radialarterie  ist  nur  ein  ganz 
schwacher,  bei  kühler  Temperatur  gar  kein  Puls  zu 
t  u  h  1  e  n,  und  zwar  nicht  etwa  deshalb,  weil  die  Radialarterien  ober¬ 
halb  der  Handwurzeln  einen  ungewöhnlichen  Verlauf  haben,  sondern 
weil  allen  fühlbaren  A  r  m  a  r  t  e  r  Fe  n  überhaupt  zu 
wenig  Blut  z  u  g  e  f  ii  h  r  t  wird.  Auch  die  A  r  t  e  r  i  a  bra- 
chialis  zeigt  beiderseits  nur  eine  ganz  schwache  Pulsation, 
an  der  Art.  subclavia  ist  links  sowohl  wie  rechts  weder 
unter-  noch  oberhalb  der  Schlüsselbeine  irgend 
etwas  zu  fühlen.  Die  einzige  normale,  vielleicht  etwas  weitere 
Arterie  von  den  dem  Aortenbogen  entspringenden  Gefässen  ist  die 
rechte  Karotis. 

Die  Aeste  der  linken  Karotis  am  Gesicht  und  Kopf  (Art. 
maxillaris  und  Art.  temporalis)  zeigen  nur  eine  minimale  Füllung  und 
oft  kaum  fühlbaren  Puls. 

Die  ophthalmoskopische  Untersuchung  ergibt  ganz 
normale  Verhältnisse  und  völlig  gleiche  Gefässfüllung 
in  beiden  Netzhäuten.  Dagegen  besteht  Strabismus  tdivergens  -der 
Augen  und  Amblyopie  des  rechten  Auges. 

Von  erweiterten,  den  Blutzufluss  zu  den  Armen  unterhaltenden 
Knilateralen  ist  nirgends  etwas  zu  fühlen.  Sehr  auffallend  ist  das 
Verhalten  der  Brachial-  und  namentlich  der  Radial  arterien 
bei  warmer  und  dann  lebhaft  geröteter,,  kaum  zyanotischer  Haut  der 
Ai  me  und  Hände.  Die  Radialis  ist  dann  deutlich  und  von  mässigem 
Umtang  zu  fühlen,  als  ein  weiter,  völlig  zusammen  drück- 
barer  Strang.  Schiebt  man  die  Haut  über  der  Arterie  hin  und  her, 
ba^  ld^r.  ästende  Finger  dabei  den  Eindruck  eines  mässig  ge¬ 
füllten  Gefässes,  doch  ist  d  i  e  Pulsation  nur  eine  äusserst 
schwache.  Werden  bei  kühlem  Wetter  die  Hände  kalt,  so  sind  sie 
stark  zyanotisch  und  die  Radialarterie  ist  dann  viel  enger,  ein  Puls 
jn  derselben  überhaupt  nicht  zu  fühlen. 

Die  subkutanen  Venen  am  Handrücken  und  Vorderarm  sind  dann 
stärker  gefüllt.  Gedunsenheit  ist  aber  auch  dann  weder  an  den  Händen 
und  Armen,  noch  im  Gesicht,  das  zu  allen  Zeiten  stark  und  gleich- 
gerötet  erscheint,  vorhanden.  Auch  hatte  der  Kranke  nie  über 
I  arästhesien  in  den  Händen,  noch  über  irgend  welche  mit 
diesen  eigentümlichen  K  r  e  i  s  1  a  u  f  :s  v  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  e  n  in 
Z  u  s  a  mm  e  ii  hang  steh  ende  Störungihrer  Gebrauchs¬ 
fähigkeit  bis  zum  Eintritt  der  Lähmungserscheinungen  zu  klagen 
gehabt.  Diese  traten  zuerst  auf  am  8.  März,  d.  h.  während  der 
Arbeit  fühlte  M.  wiederholtes  Venzogenwerden  des 
Mundes  nach  der  linken  Seite  hin.  Dies  wiederholte  Geh 
am  9.  März  vormittags  während  der  Arbeit  bei  sonstigem 
völligem  Wohlbefinden,  aber  alsbald  gesellte  sich  dazu 
Plötzlich  eine  starke  Pronationsdrehung  des 
rechten  Vorderarmes  und  Einwärtsdrehung  des 
rechten  Beines.  Dies  ging  rasch  vorüber  und  er  konnte  weiter 
ai beiten.  Das  Bewusstsein  war  dabei  ganz  ungestört 
Nach  10  Minuten  ein  zweiter  ähnlicher  Anfall.  Auch  nach  diesem 
völliges  Wohlbefinden.  Am  10.  März  (Sonntag)  nachmittags  wieder 
zwei  solche  Anfälle  mit  einem  Zwischenraum  von  etwa 
o  Minuten  Sonst  keinerlei  Störung.  Er  legt  sich  jedoch  nachmittags 
0  Ubr  ins  ßett>  versuchte  zu  schwitzen  und  nahm,  um  dies  zu  fördern 
um  /  Uhr  ein  Heublumenbad,  kam  jedoch  auch  darauf  nicht  in 
v  ^  weiss.  Er  schlief  bis  7  Uhr  am  arideren  Morgen.  Beim  Versuch 
aufzustehen,  fiel  er,  als  er  sich  auf  den  Bettrand  setzen  wollte,  zurück 
und  bemerkte,  d  a  s  s  d  a  s  rechte  Bein  und  der  rechte  Arm 
gelähmt  waren.  Keine  Bewusstseinsstörung.  Keine 
S  t  o  r  u  n  g  d  es  Sprachvermögen  s. 

Beim  Eintritt  in  die  Klinik  am  13.  Mai  bestand  auch  eine  sehr  aus¬ 
gesprochene  spastische  Hemiparese,  im  Bein  geringer  als  im 
Arm  im  Gesicht  nur  bei  stärkeren  mimischen  Bewegungen,  nament- 
'ch  beim  Lachen  der  Unterschied  in  der  Innervation  zu  Ungunsten  der 
rechten  Seite  bemerkbar. 

•  r  Zx? n  *s*  durchaus  nichts  Abnormes  nach- 

weisbar  Der  Herzspitzenstoss  ist  schwach  an  normaler  Stelle 
fühlbar,  die  Herzdämpfung  reicht  nach  rechts  nur  bis  zur  Mitte  des 

"  crtiums,  Die  Herztöne  sind,  in  allen  Stellungen  untersucht, 
völlig  rein. 

Das  einzig  Auffallende  am  I  horax  ist  eine  die  ganze  Breite  des 

f„nin!iimSD0bifrha- b  de,‘  Herzdämpfung  einnehmende  leichtere  Dämp- 
ung  des  Perkussionsschalles.  Links  überschreitet  dieselbe  im  1.  Inter¬ 
kostalraum  das  Brustbein  etwas.  Eine  Pulsation  ist  nirgend  zu  sehen. 

f  e  h  \  p  nSv7'  n  Vrf-e  p.rscbe  i_n  ungen  eines  Aneurysmas 
f  e  h  1  e  n  v  o  1 1  s  t  a  n  d  1  g.  Am  Röntgenbild  (die  Platte  wird  gezeigt) 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2501 


ist  ein  der  Dämpfung  entsprechender,  jenseits  des  linken  Sternal- 
r  and  es  etwas  hellerer,  leicht  bogenförmig  verlaufender  Schatten 

SiChtDie  Auskultation  über  dem  linken  Schlüsselbein  ergibt  völlig  rein 
fortgeleitete  Herztöne,  während  entlang  der  stark  pulsierenden  '  echten 
Karotis  der  erste  Ton  von  einem  kurzen  rauhen  (jerausch  begleitet 
ist  Bei  Aufsetzen  des  Stethoskops  auf  das  Sternalende  des  .  chlussel- 
beins  hört  man  ein  kurzes,  scharfes  systolisches  Geräusch,  jedoch  nur 
vvenn  der  Kranke  liegt,  nicht  wenn  er  steht.  (Venengerausch?) 

Was  die  partielle  Verengerung  oder  den  Verschluss  der  1  i  n  ken 
Karotis  und  der  beiden  Arteriae  subclaviae  verursachte, 
■ist  völlig  dunkel.  M.  stammt  von  gesunden  Eltern,  hat  zwei 
gesunde  Geschwister,  will  ausser  Keuchhusten  im  2.  Lebensjahr 
nie  eine  schwere  Krankheit  gehabt  haben.  Zweimal  hat  er  Verletzungen 
erlitten  das  erste  Mal  im  Jahre  1902  an  Fingern  der  rechten,  das 
zweite  Mal  am  kleinen  Finger  der  linken  Hand.  Diese  sind  ohne 
Zwischenfälle  geheilt.  Er  war  bis  zu  dem  Eintritt  der  Lähmung  als 
Schlosser  in  einem  Elektrizitätswerk  beschäftigt  gewesen. 

Für  Lues  sind  keinerlei  Anhaltspunkte,  für  Tuberkulose 
(mediastinale  Lymphdrüsen?)  keine  irgendwie  sicheren  vorhanden. 
Arteriosklerose  ist  nicht  nachweisbar,  embolischer  V  e  i  - 
Schluss  der  bet  r.  grossen  Arterien  von  aus  dem  Herzen 
stammenden,  etwa  mit  einer  latenten  Mitralstenose  in  Ver¬ 
bindung  stehenden  Thromben  ist  mit  Sicherheit  auszuschliessen.  Bei 
der  jetzt  nahezu  2  Monate  dauernden  Beobachtung  des  Kranken 
würden  irgend  welche  darauf  hindeutende  Erscheinungen  nicht  ent¬ 
gangen  sein.  Das  Herz  ist  vollkommen  gesund  auch 
fehlen  an  ihm  alle  etwa  als  Folgezustände  der  Arterienanomalie  zu 
betrachtenden  Veränderungen  (kompensatorische  Hypertrophie  des 

linken  Ventrikels).  ,  .  ,  ,  ,  ... 

An  Mitralstenose,  die  von  allen  Herzfehlern  am  leichtesten  uber¬ 
sehen  werden  kann,  würde  am  ehesten  zu  denken  sein,  wenn  bei 
einem  noch  jungen,  scheinbar  gesunden  Menschen  Thrombo- 
ai teriitis  an  grösseren  Arterien  auftritt.  Ein  Fall  dieser  Art  ist  früher 
in  der  Klinik  zur  Beobachtung  gekommen  bei  einem  Kranken,  der 
übrigens  wegen  seiner  ganz  typische  Erscheinungen  darbietenden 
Mitralstenose  schon  vor  dem  Eintritt  der  Arterienverschlüsse  in  der 
Klinik  bekannt  war,  wodurch  die  Diagnose  erleichtert  wurde.  Dieser 
Fall  ist  in  der  Dissertation  des  Herrn  S.  Haff  n  er  vom  Jahre  1898 
beschrieben. 

Herr  Ho  che:  Die  Behandlung  der  Schlaflosigkeit.  (Der 
Vortrag  eignet  sich  nicht  zu  einem  kurzen  Referate.) 

Herr  Hirsch:  Koronarsklerose  und  Angina  pectoris  mit 
Demonstration.  (Der  Vortrag  ist  bereits  an  anderer  Stelle  ver¬ 
öffentlicht.) 


Herr  Krönig:  Uebung  und  Schonung  in  der  Geburts¬ 
hilfe  und  Gynäkologie. 

Herr  G  o  1  d  m  a  n  n  bespricht  einige  Fälle,  bei  denen  er  mit  Erfolg 
die  suprapubische  Prostatektomie  nach  Frey  er  ausgeführt  hat. 
Seine  Fälle  betreffen  Patienten  im  65.,  74.  und  78.  Lebensjahre,  bei 
denen  die  Prostatektomie  wegen  totaler  akuter  oder  totaler  chro¬ 
nischer  Harnretention  indiziert  war.  Die  Operation  wurde  in  Mor¬ 
phium-Skopolaminnarkose,  entsprechend  den  Angaben  von  Frey  er, 
ausgeführt  und  wurde  ausnahmslos  gut  vertragen.  G  o  1  d  m  a  n  n 
empfiehlt  als  Hautschnitt  den  Längsschnitt  mit  möglichster  Schonung 
der  geraden  Bauchmuskeln  und  zur  Nachbehandlung  die  breite  Drai¬ 
nage  der  Blase  nach  der  Vorschrift  F  r  e  y  e  r  s.  In  seinem  ersten 
Falle  hatte  er  wegen  geringfügiger  postoperativer  Blutung  die  voll¬ 
ständige  Naht  der  Blase  mit  Einlegung  eines  Dauerkatheters  versucht, 
musste  aber  wegen  schwerer  Nachblutung,  die  sich  selbst  14  läge 
nach  der  Operation  wiederholte,  die  Blase  von  neuem  eröffnen.  G. 
behält  sich  spätere  Mitteilungen  über  seine  Erfahrungen  vor. 

Da  die  Operation  fast  ausnahmslos  bei  älteren  Leuten  ausgeführt 
werden  muss,  empfiehlt  er  aufs  wärmste  die  Morphium-Skopolamin¬ 
narkose,  welche  gut  vertragen  wird  und  die  Anwendung  von  Chloro- 
form-Aether  fast  ganz  entbehrlich  macht. 


Herr  Axenfeld:  Akromegalie  und  Sehstörung. 

Bei  einer  ca.  30  jährigen  Patientin  mit  typischer  Akromegalie 
mittleren  Grades  hat  sich  langsam  eine  homonyme  links¬ 
seitige  Hemianopsie  ausgebildet.  Da  diese  Hemianopsie  je¬ 
doch  schon  bald  in  die  andere  Gesichtsfeldhälfte  Übergriff,  besonders 
auf  dem  rechten  Auge,  so  ist  die  Läsion  in  den  linken  1  ractus  opticus 
dicht  hinter  dem  Chiasma  zu  lokalisieren,  also  noch  in  .den  Bereich 
der  Hypophysis  cerebri.  Es  sind  schon  mehrfach  Fälle  bekannt  ge¬ 
worden,  wo  Wucherungen  der  Hypophyse  ausnahmsweise  zunächst 
nicht  die  Mittellinie,  d.  h.  das  Chiasma  trafen,  sondern  mehr  nach 
hinten  mit  einer  Traktuskompression  (homonyme  Hemianopsie)  oder 
auch  nach  vorn  mit  einer  Schädigung  der  intrakraniellen  Optizi  (kon¬ 
zentrische  Einengung)  einsetzten. 

Die  Diagnose  einer  Hypophysisvergrösserung  Hess  sich  auch 
durch  die  Röntgenphotographie,  welche  Herr  Privatdozent  Dr.  Obei  st 
anfertigte,  bestätigen.  Die  Erweiterung  der  Sella  turcica  war  dabei 
sehr  deutlich. 

Ophthalmoskopisch  bestand  mässige  einfache  Optikusatrophie, 
entsprechend  der  Erfahrung,  dass  ganz  vorn  am  Optikuseintritt  ge¬ 
legene  intrakranielle  Tumoren  nur  relativ  selten  Stauungspapille 


machen,  weil  sie  den  Zugang  zu  den  Scheidenräumen  zumeist  ver- 
lcgd!. 

Auch  in  diesem  Fall,  wie  so  oft  bei  Akromegalie,  war  seit 
Jahren  Amenorrhoe  vorhanden.  .Die  Untersuchung  ci  gab 
infantile  Genitalien.  Vortragender  erinnert  daran, 
dass  auch  ohne  Akromegalie  Prozesse  in  der  Gegend  der  Hypo¬ 
physe  in  besonderem  Masse  und  sehr  die  Funktion  der  weib¬ 
lichen  Genitalien  stören  können;  da  sie  gleichzeitig  sehr 
oft  die  Nervi  optici  lädieren,  entsteht  so  das  früher  als  Seh¬ 
nervenatrophie  bei  Amenorrhoe  oder  Uterus  infantilis  be- 
zeichnete  Bild,  von  dem  jedoch  Vortragender  und  Y  a  m  a  - 
g  u  c  h  i  nachgewiesen  haben,  dass  es  nur  Symptome  derselben 
zerebralen  Ursache  darstellt,  eine  Auffassung,  die  durch  neuere 
Untersuchungen  von  Müller-  Breslau  und  Harvey- 
C  u  s  h  i  n  g  bestätigt  wurde.  , 

Vortr.  hat  in  diesem  Falle,  wie  in  ähnlichen,  schliesslich 
mit  interner  Darreichung  von  Hypophysistabletten 
(Merck)  behandelt,  eine  Therapie,  gegen  die  allerdings  theo¬ 
retisch  Bedenken  erhoben  werden  können.  Da  aber  die  Frage 
noch  keineswegs  entschieden  ist,  ob  eine  Steigerung  oder  eine 
Abnahme  der  Hypophysenfunktion  bei  der  Akromegalie  und 
den  anderen  Ernährungsstörungen  eine  entscheidende  Rolle 
spielt,  hat  Vortr.  den  genannten  therapeutischen  Versuch  ge¬ 
macht  und  damit  eine  erhebliche  Besserung  des  Sehens  erzielt, 
insbesondere  eine  erhebliche  Vergrösserung  der  Gesichtsfelder, 
die  zurzeit  ( J4  Jahr  dauernder  Gebrauch  der  Tabletten)  anhält. 
Dabei  ist  allerdings  zu  berücksichtigen,  dass  auch  sonst  ge¬ 
legentlich  Schwankungen  der  akromegalischen  Sehstörung  be¬ 
schrieben  sind. 

Herr  L.  A  s  c  h  o  f  f :  Ueber  die  Dreiteilung  des  Uterus,  das 
untere  Uterinsegment  (Isthmussegment)  und  die  Placenta 
praevia. 

Vortragender  betont  den  grossen  Wert,  welche  die  von 
S  a  p  p  e  y,  Werth,  Veit,  Küstner,  v.  Rosthorn  u.  a. 
mehrfach  angeregte  Dreiteilung  des  Uterus  sowohl  für  die 
physiologische  Veränderung  desselben  in  der  Schwangei  schaft, 
wie  auch  für  pathologische  Prozesse  bei  der  Plazentarbildung 
besitzt.  Mit  einer  solchen  Dreiteilung  würde  auch  das 
schwierige  Problem  der  Abgrenzung  des  inneren  Muttermundes 
eine  bessere  Lösung  als  bisher  finden.  Vortragender  bespricht 
ausführlicher  die  von  ihm  bereits  in  früheren  Arbeiten  genauer 
festgelegten  Begrenzungen  dieser  3  Abschnitte,  von  denen  das 
Cavum  uteri  vom  Fundus  bis  zum  Orificium  internum  anatomi- 
cum,  der  Isthmus  vom  Orificium  internum  anatomicum  bis  zum 
Orificium  internum  histologicum  und  das  Cavum  cervicis  vom 
Orificium  internum  histologicum  bis  zum  Orificium  externum 
reicht.  Die  von  Rüge  und  Strassmann  schon  hervor¬ 
gehobene  Sonderstellung  der  Isthmusschleimhaut  bei  Tubar- 
gravidität  wird  an  einem  Präparate,  welches  von  Herrn  Dr. 
W.  H.  Schnitze  im  Archiv  für  Gynäkologie,  Bd.  81,  genau 
beschrieben  worden  ist,  noch  einmal  erläutert.  Diese  Isthmus¬ 
schleimhaut  nimmt  an  der  dezidualen  Reaktion  in  charakteristi¬ 
scher  Weise  teil.  Sie  gleicht  darin  also  im  Gegensatz  zur  Zei- 
vixschleimhaut  der  Schleimhaut  des  Corpus  uteri.  Doch  be¬ 
trägt  die  Dicke  der  dezidualen  Schwellung  nur  ungefähr  Ys  der 
Schleimhautschwellung  im  Corpus  uteri.  Umgekehrt  gleicht 
der  Isthmus  bezüglich  seiner  Muskulatur  mehr  der  Zervix,  da 
der  Isthmus  im  Verlaufe  der  Schwangerschaft  mehr  durch  pas¬ 
sive  Dehnung  zur  Vergrösserung  der  Eikammer  herangezogen 
wird  und  sich  dabei  zum  unteren  Uterinsegment  umwandelt. 
Diese  eigenartige  Zwischenstellung  des  Isthmus  bei  dem  physio¬ 
logischen  Umbau  des  graviden  Uterus  rechtfertigt  erst  recht 
seine  schärfere  Abgrenzung  auch  am  ruhenden  Uterus. 

Die  relativ  geringe  Mächtigkeit  der  dezidualen  Dicke,  die 
sich  im  Isthmus  entwickelt,  macht  es  auch  verständlich,  wenn 
bei  einer  relativ  tiefen  Insertion  des  Eies,  bei  welchei"  der  Isth¬ 
mus  mit  zur  Eieinnistung  verwandt  wird,  diese  Einnistung  bis 
an  die  Muskelgrenze  oder  gar  in  dieselbe  hinein  erfolgt.  Noch 
deutlicher  muss  diese  zerstörende  Wirkung  der  Eieinnistung 
hervortreten,  wenn  etwa  das  Gebiet  derselben  bis  auf  die 
Zervixhöhle  übergreift,  wobei  dann  gemäss  dem  schon  von 
Franque,  Hitschmann,  H  o  f  f  m  e  i  e  r  und  Schauta 
gebrauchten  Vergleiche  ganz  ähnliche  Bilder  wie  bei  der  Tubar- 
schwangerschaft  auftreten  müssen  und  das  Ei  sich  bis  in  die 
Muskulatur  hineinwühlt.  Auf  einen  derartigen  eindeutigen,  von 


2m 


dem  Vortragenden  und  A  h  1  f  e  I  d  t  publizierten  Fall  sowie  auf 
einen  von  Kerniauer  veröffentlichten,  wird  noch’  besonders 

aüfedasebüurins‘enndm7  de'"  Vebergreifen  der  pl“entation 
Wandzerstftrunv'  J  I  Z(e7‘xgeblet  imn,er  s‘ärker  werdende 
rnht  H  0/  ^  ^  uf  den  anatomischen  Verhältnissen  be- 
n  ht,  erklärt  auch  das  klinische  Bild  der  Adhärenz  dieser  tiefen 
Plazentarbildungen.  Sie  erklärt  auch  den  eintretenden  Ver 
Schluss  des  engen  Zervixkanales  analog  dein  Verschluss  des 
Tubenlumens  bei  der  Tubengravidität.  S*  des 

•  yo1  tagender  stellt  der  klinischen  Einteilung  eine  anato 
mische  Einteilung  der  Placenta  praevia  zur  Seite  Als 
I  lacenta  praevia  Simplex  wäre  eine  solche  Vu  he 

geringem  t!/ alt  P  7""  |°rPUS  daS  Isthmus«ebidt  nur  zu 
germgem  teil  als  Placenta  praevia  isthmica  eine 

deQCie/hbei  we.lchem  neben  dem  Corpus  uteri  der  grösste  Teil 

wordenTst  nfe  Plfc"?  IStl™US  m“  in  Beschlag  Senommen 
\v  oraen  ist.  Die  Placenta  praevia  Simplex  entspräche  dem 

sogen  üefen  Sitz  der  Placenta,  die  Placenta  praevia  isIhmS 

wäre  dienp|Parc7'atmarginaliS-  •  Als  dritte  und  seltenste  Form 
wäre  die  Placenta  praevia  cervicalis  zu  nennen 

welche  der  bisherigen  Placenta  praevia  totalis  entspricht  bei 

welcher  die  Zervixwand  selbst  mit  in  den  Bereich  der  Placen- 

tationssphare  hmeinbezogen  worden  ist.  (Der  Vortrag  er 

No  3ni.)aU  ChCr  Ü1  der  BerL  klin*  Wochenschr .1907, 

Her  i  Roos  stellt  einen  Hall  mit  Adams-Stokes  schem 

ä  (oe“  “b- d“  s 

Or;£""dS“ 

ää  äs: 

aieses  der  Palpation  und  Inspektion  so  schwer  zugänglichen 

a  n  df+n  Wer4  des  Röntgenverfahrens  hervor.  Wegen  der 
vorgeschrittenen  Zeit  muss  sich  der  Vortragende  auf  die  De 

“ “ÄZif  Mt”  7?  kUrZe  diag™^hee«m 

.,e  Descnranken.  Die  Bilder  bringen  die  Hüfteelenksver 

anderungen  dem  Alter  nach.  Neben  den  angebo  Inen  Luxa 
honen  wird  die  angeborene  Coxa  vara  herllSben  Im 
Kindesalter  uberwiegen  die  Koxitiden  meist  tuberkulöser  Natur 

“J  Röntgenbild  gar  nicht  so  selten  nalhwelstaren 
Knochenherden  und  ihren  Ausgängen  in  I  nya+inn  pr0 

Wanderung  etc.  Auch  das  BIM eil “  IlthoSen lS 
obturatona  wird  demonstriert.  Es  folge!  dann  lege!  das  e! dl 
der\\  achstumspenodc  die  verschiedenen  Formen  der  Schenkel 
halsverbiegung;  Im  Mannesalter  kommen  die  traumatischen 

selten  ^  Altei^  ^ar  ^icht^so 

hauptsächlich  VVe^ 

primären  und  metastatischen  Tumoren.  S’  d 

tomie?11  Bruning:  ChoIezystostomie  oder  Cholezystek- 

,  Beii  ^ortra£ende  schildert  zunächst  an  der  Hand  von  I  irht 

kS,!rchlrUWnHTeChmÜ deivbeide"  Operationsverfahrem  ^ 
kn  scher  \Vuidigung  der  Vor-  und  Nachteile  derselben  emn 

löilels*  undVlner  neuen  TTracheal^anülll^011  e‘"eS 

Extensionsverfahrens. 

Uute^^uü^Vn^"!  SÄ'b«.'  bei 


muenchenek  medizinische  Wochenschrift. 


No.  so. 


Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  2.  Dezember  1907. 

Demonstrationen: 

Herr  B  öiiniger:  Schimmelmyzelfäden  im,  mittelst  Katheters 
entnommenen,  Urin  eines  Kranken.  Hinweis  darauf,  dass  die  Schdm- 

e,lne  s,r0lSSiere  Bedeutung  für  die  menschliche  Patho¬ 
logie  lieben  Junten  als  gemeinhin  angenommen. 

Herr  Ehr  mann:  Kurze  Demonstration  seiner  Methode  des 

idrrvp!nnaChW?SeS  im  Blute:  Erweiterung  der  Pupille  eines  in  Blut 
der  Vena  cava  bezw.  in  mit  Adrenalin  (V2  Millionstel  Gramm)  ver- 

wirken  ®eb/?cht.e"  Eroschauges.  Auch  andere  Substanzen' 

„aiIk  c  f  ’  ber  erst  in  viel  grosseren  Dosen,  so  Ammoniak,  karbamin- 
saures  Ammoniak,  Bariumchlond;  nicht  winkt  Cholin.  Im  Blut  zweier 

wohW  AmmiS  '  ^  aUCh  ^  ^^erweiternde  Subslanz" 

c„PhDjSkUSSion:  Herr  K  r  a  u  s  fordeH  E.  auf,  über  seine  Unter- 
blrlite  a“ge‘meSra  gr0SSeren  Vor,rag  zu  berichten;  derselbe  ist 

h  p‘skussion  zum  Vortrage  des  Herrn  Kraus  und 
Herrn  Nikolai:  Ueber  die  Solidarität  der  beiden  Herz- 
naiiten. 

Herr  Ke h fisch  begrüsst  den  Vortrag  des  Herrn  Kr.,  der  die 
ge  treitirage,  ob  es  wirklich  eine  Hemisystolie  gebe  endlich 
und  zwar  in  positivem  Sinne  entschieden  habe. 

P,p,  be,rr  Eraenkel:  Die  von  Kr.  angewendete  Methode  des 
fclektrokardiogrammes  ist  wohl  schwierig  und  nicht  so  ganz  sicher 
und  er  erinnere  an  Engelmanns  Aeusserung  in  der  physiologischen 
bfwn  daSS  V  siS  di,e  Kurve  von  Kr-  nicht  erldaPreyn  könne  6 

Fr  wolle  im  Anschluss  eine  Kurve  von  einem  18  jährigen  Herz¬ 
kranken  demonstrieren,  bei  welchem  im  Rezidiv  eines  Oelenkrheuma- 

Rnrvp*  i“nd  ZWifr  Unter  Str°Phanthus  der  Puls  auf  30  herabging-  die 
Kurve  iasse  erkennen,  dass  immer  auf  eine  Ventrikelkontraktion  zwei 

,yHe?zblo?ks“?ktl°nen  k0mmen’  es  bestand  also  das  Symptom  des 

Herr  Bönniger:  Bisher  habe  sich  die  Klinik  gesträubt  eine 
Hemisystolie  anzuerkennen,  weil  der  Beweis  fehlte-  es  scheint  dass 
die  neue  Methode  diesen  erbringen  könne.  Die  Kurve  Fraen’kels 
könne  er  nicht  anerkennen,  da  geringe  Verschiebungen  des  aufge¬ 
setzten  Instrumentes  schon  Täuschungen  erzielen. 

Praktiker  fr/  a  J-s:  mui1:  seinem  Vortrage  das  Interesse  der 

Ja  bbe,r  UJ  die  neuen  Methoden  der  Herzuntersuchung  wecken 
wollen.  Und  es  dürfte  mit  diesen  so  gehen  wie  ehedem  mit  der 

hatten. tatl0n>  ^  manche  Praktiker  damals  auch  für  unnötig  gehalten 

Trp  der  hemisystolie  meine  er  nicht,  dass  immer  eine  absolute 
ErT  111  aer  1  atlglkeit  beider  Herzhälften  stattfindet,  sondern  eine 
skordanz;  diese  ist  nicht  nur  beim  Menschen  mittels  des  Elektro- 

zu  sehenammS  fest’zustellen’  sondern  auch  im  Tierexperiment  direkt 

Hans  K  o  h  n. 

Medizinische  Gesellschaft  zu  Chemnitz. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  13.  März  1907. 

StirnhöhÄ!raiigUeber  llie  K 1 1  U  a  "  sche  Operation  der  chronischen 

Der  Vortragende  gibt  zunächst  einen  Ueberblick  über  die  Ent- 
wickeiung  dieser  Operation  und  stellt  dann  einen  Kranken  vor, 
welchen  er  14  Tage  vorher  operierte  hatte.  Es  wurde  nach  dem 
Vorgehen  von  K  i  ll  i  an  eine  Supraorbitalspange  gebildet  und  die 
vordere  Stirnhohlenwand  völlig  entfernt,  ebenso  der  Stirnhöhlen- 
öden  weggenommen,  ausserdem  die  vorderen  und  mittleren  Sieb- 
b  l-elIen,  ausgeraumt.  Der  Vortragende  demonstriert  an  dem 
Kranken  das  vorzügliche  kosmetische  Resultat  nach  dieser  Operation. 
Ausser  einer  leichten  Abflachung  in  der  rechten  Stirnhöhlengegend 

stellmg  1 ™  Verla“f  der  All^nbraue  ist  k6inerlö  Ent- 

i1eriA  CImmenS:  Peber  die  Hirschsprungsche  Krankheit. 

n;3o-*m  ^nS^dRUSif  a?i  eine  kurze  Uebersicht  über  Symptomatologie, 
lagnose  und  Behandlung  der  Affektion  demonstriert  der  Vortragende 
einen  von  ihm  beobachteten  Fall.  Es  handelt  sich  um  einen  ISr 

wurde"’  EMer  Mutier  im-  19%  inS ,  Stadtkrankenhaus  aufgenommen 
wurde.  Die  Mutter  gab  nur  an,  dass  das  Kind  stets  an  schlechter 

ulauung,  Erbrechen,  Verstopfung,  abwechselnd  mit  Durchfall  ge¬ 
litten  habe.  In  letzter  Zeit  sei  es  sehr  schwach  nehme  dauernd  7h 

nnnier“0 gehabt  ^labe26^83  daSS  6S  dnea  dicken  Leib  „schon 

immer  geiiabt  habe.  Das  Kind  wog  bei  der  Aufnahme  ^ 

cinei  hauptsächlich  auf  die  Verdauungsbeschwerden  gerichteten’  Be- 

hand  iing  schwankte  das  Gewicht  zwischen  4600  und  5150  g  Es  be- 

s  anden  massige  Zeichen  der  Rachitis:  eine  offene  Fontanelle  ve?- 

dickte  Epiphysen,  Knorpel  etc.,  anhaltender  Schnupfen,  Sekretion  aus 

dem  linken  Ohr,  mässige  Bronchitis.  Der  Stuhl  erfolgte  1-4  mal  am 

}  age,’.  -ar  ba,abg  dünn,  gelegentlich  auch  gut  geformt,  enthielt  häufig 

m  c  reichlich  unverdautes  Kasein.  Das  auffallendste  war  eine 


Auftreibung  des  Leibes,  die,  wenn  auch  wechselnd  stark,  doch  durch¬ 
gehend  wesentlich  stärker  war,  als  sonst  bei  Rachitis.  Line  Ver¬ 
besserung  der  Leber  oder  Milz  war  nicht  nachweisbar  Als  eine 
monatelang  durchgeführte  diätetische  und  antirachitische  Behandlung 
(Phosphorlebertran)  gar  keinen  Erfolg  zeitigte,  dachten  wir  mehi  und 
mehr  an  das  Vorhandensein  von  Hirse  hsprun  g  scher  Krankheit. 
Zwar  ergab  ein  Aufblasen  des  Kolon  keine  deutliche  Verlagerung  des¬ 
selben  doch  fiel  uns  in  Zeiten  von  Verstopfung  häufig  auf,  dass  feste 
Kotballen  überwiegend  oder  ausschliesslich  auf  der  1  echten  beite  des 
T  pihes  dem  sonstigen  Verlaufe  des  Colon  ascendens  entsprechend 
L  ’  palpabel  waren.  Dagegen  schien  uns 

zu  sprechen,  dass  auch  vom  After 
aus-  gleich  oberhalb  desselben 
grosse  Massen  harten  Kotes  fühl¬ 
bar  waren.  Doch  bestätigte  eine 
aus  äusseren  Gründen  erst  Mitte  Fe¬ 
bruar  vorgenommeme  Röntgenauf¬ 
nahme  unsere  lange  gehegte  Ver¬ 
mutung.  Site  sehen  hier  das  Photo¬ 
gramm  des  nach  S  c  h  ü  1  e  mit 
Wismutsuspension  gefüllten  Darmes. 
(Der  leichteren  Wiedergabe  wegen 
gebe  ich  hier  eine  Umrisszeichnung 
des  Negativs  wieder.) 

Es  ergibt  sich  daraus,  dass  die 
Flexura  sigmoidea  in  eine  grosse 
Schleife  verlängert  und  weithin  nach  rechts  verlagert  ist,  so  dass  die 
Umschlagstelle  mit  der  Flexura  coli  dextra  im  Bilde  zusammenfallt. 
Sehr  auffällig  sind  einige  schmälere  und  hellere  Darmpartien,  eine 
am  aufsteigenden,  zwei  am  absteigenden  Schenkel.  Man  ist  ver¬ 
sucht  an  eine  Kompression  des  Darmes  durch  Strange,  als  Reste  eines 
abgel'aufenen  entzündlichen  Prozesses  zu  denken.  Irgend  welche 
Symptome  eines  solchen  Vorganges  sind  freilich  weder  klinisch  be¬ 
obachtet,  noch  anamnestisch  angegeben  worden.  In  jedem  raue 
kann  der  Prozess  nur  eine  sekundäre  Rolle  gespielt,  erst  nach  Ein¬ 
treten  der  Verlagerung  eingesetzt  haben. 

Nachdem  die  anderweitige  Behandlung  erfolglos  geblieben  war, 
applizierten  wir  von  Anfang  Februar  an  Oelklystieie.  Seitdem  nimmt 
der  Knabe  ganz  regelmässig  zu,  wiegt  heute  6  kg. 

(Nachtrag:  Bis  Anfang  Juli  hat  der  Patient  ganz  regelmassig 
weiter  bis  IOV2  kg  zugenommen,  trotzdem  die  Oelklystiere  schliess¬ 
lich  eingeschränkt  und  im  letzten  Monat  ganz  weggelassen  wurden. 
Der  Kottumor  auf  der  rechten  Seite  ist  verschwunden. 

Herr  Nauwerck  demonstriert  die  Präparate  eines  Falles  von 
Ochronose,  Herr  Clemens  bespricht  den  klinischen  Befund,  speziell 
die  gleichzeitig  vorhandene  Alkaptonurie.  Der  Fall  wird  von  Herrn 
Dr.  A.  Wagner  ausführlich  veröffentlicht  werden. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 


II.  Sitzung  vom  19.  Oktober  1907. 

Herr  Prüsmann:  a)  Demonstration  einer  Geschwulst,  welche 
klinisch  als  auch  anatomisch  sehr  interessant  ist.  Eine  21  jährige  Frau, 
die  am  Ende  der  Schwangerschaft  sich  befand,  klagte  über  Atemnot 
und  Schmerzen  im  Leib.  Es  fand  sich  eine  derbe  Resistenz  zwischen 
dem  hochgedrängten  Zwerchfell  und  dem  nach  rechts  verdrängten, 
bis  an  den  Rippenbogen  reichenden  Uterus.  8  J  age  später  wurde  die 
Frau  von  einem  ausgetragenen,  lebenden  Knaben  entbunden.  Die 
Schmerzen  nahmen  jetzt  stark  zu,  die  Geschwulst  war  herabgetreten 
und  nahm  die  ganze  Leibeshöhle  ein.  Da  am  3.  Tage  p.  p.  die  l  em- 
peratur  auf  39°  stieg,  entschloss  sich  Prüsmann  zui  sofortigen 
Operation.  Es  wurde  ein  über  9  Pfund  schwerer,  solider,  allseitig  ver¬ 
wachsener  Tumor  entwickelt,  der  vom  Ovarium  auszugehen  schien. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte  das  interessante  Bild  einer 
Mischgeschwulst  von  Myxosarkom  und  disseminierendem 
Karzinom.  Pat.  wurde  am  21.  Tag  aus  der  Klinik  gesund  ent¬ 
lassen. 

b)  Demonstration  einer  von  ihm  angegebenen  Uterushaltezange. 

Herr  Hans  Haenel:  Eine  Rotgrünblindheit  durch  Schnee¬ 
blendung.  (Selbstbeobachtung.) 

An  den  beiden  Osterfeiertagen  d.  J.  machte  ich  bei  greller  Sonne 
ohne  Schneebrille  eine  Skiwanderung  über  das  Riesengebirge,  am 
1.  Tage  9,  am  2.  7  Stunden  dem  blendenden  Schneelicht  ausgesetzt. 
Bei  den  Rasten  in  den  Bauden  am  1.  Tage  bemerkte  ich  mehrmals 
beim  Eintritt  in  das  Zimmer  vorübergehend  einen  rötlichvioletten 
Schatten  über  den  Gegenständen,  was  wohl  der  mir  damals  unbe¬ 
kannten  Erythropsie  entsprach,  von  mir  aber  nicht  weiter  beachtet 
wurde.  Am  Abende  des  ersten  Tages  wurde  ich  in  dem  von  un¬ 
geschützt  brennendem  Azetylenlicht  erleuchteten  Speisesaal  der  Prinz- 
Heinrich-Baude  durch  das  fahle,  farblose  Aussehen  von  Personen  und 
Gegenständen  höchstlich  belästigt.  Ich  schob  es  auf  diese  ungewohnte 
Beleuchtung,  dass  die  Gesichter  eine  Art  Leichenfarbe  hatten,  dass 
Teller,  Zifferblatt  der  Uhr  etc.  unangenehm  grüngelb  schimmerten,  die 


Flamme  des  Zündholzes  wie  ein  gelbe  bengalische  Flamme  leuchtete, 
die  Zigarette  gelb  statt  rot  glühte  usw.  Am  nächsten  Morgen  hatte  ich 
mich  über  die  Störung  beruhigt,  fand  aber  auch  bei  Tageslicht  den 
Saal  unfreundlich,  farblos,  kalt.  Bei  der  folgenden  Wanderung  fiel 
mir  gelegentlich  einmal  auf,  dass  eine  weggewoifene  Apfelsinenschale 
viel  gelber  als  am  vorhergehenden  Morgen  auf  dem  Schnee  jag,  die 
Landschaft  war  aber  im  ganzen  nicht  darnach  angetan,  mir  einen 
Mangel  an  Farbensinn  nahezulegen,  sie  bestand  ja  fast  nur  aus  den 
drei  Farben  weiss,  blau  und  dunkelgrün.  Dass  das  Letztere,  die 
Tannenwälder  fast  schwarz  gegen  den  Schnee  sich  abhoben,  erklärte 
ich  mir  aus  der  Luftperspektive.  Auch  dann  bemerkte  ich  meinen 
Defekt  noch  nicht,  als  aus  einer  Risswunde  der  Hand  tropfendes  Blut 
diese  und  den  Schnee  schokoladenbraun  färbte,  ich  eikläite  mir  die 
Erscheinung,  nachdem  ich  den  „Schmutz  als  Blut  erkannt  hatte,  als 
eine  unter  dem  Einflüsse  der  atmosphärischen  Bedingungen  unge¬ 
wöhnlich  rasche  Oxydation  desselben.  Der  wirkliche  Charakter  dei 
Sehstörung  wurde  mir  erst  klar,  als  ich  am  Nachmittage  Fünfpfennig¬ 
marken  kaufen  wollte:  wie  ich  auf  den  braunen  Marken,  die  ich  mehi- 
mals  zurückwies,  weil  ich  sie  für  Dreipfennigmarken  hielt,  die  Ziffer  5 
entdeckte,  stellte  ich  endlich  die  Diagnose  „akute  Rot-Grünblindheit 
bei  mir.  Nun  legte  ich  mich  auf  bewusstes  Vergleichen.  Am  augen¬ 
fälligsten  war  natürlich  der  Ausfall  bei  den  roten  und  giünen  Signal¬ 
laternen  auf  den  Bahnhöfen:  beide  unterschieden  sich  in  nichts  von 
einander,  erschienen  gleichmässig  als  ein  gedämpftes  Gelb  und  waien 
nur  durch  ihre  geringere  Helligkeit  von  den  anderen  ungefärbten  Lich¬ 
tern  zu  unterscheiden.  Die  Masse  der  anderen  Gegenstände  war  da¬ 
durch  charakterisiert,  dass  aus  ihnen  Rot  und  Grün  abfiltriert  war; 
als  vorherrschende  Farbe  der  Umgebung  blieb  ein  stumpfes  schmutzi¬ 
ges  Gelbbraun  bis  Olivenbraun  zurück.  Die  Mütze  des  Stationsvor¬ 
stehers,  die  Unifor-mkragen  der  Soldaten,  die  Bände  der  Eckstein¬ 
bibliothek  unterschieden  sich  durch  nichts  von  den  Zypressen  auf 
einem  Friedhof,  dem  stumpfen  Graugrün  der  Vorfrühlingswiesen  oder 
dem  grellen  Giftgrün  einer  Karrikaturwiese  in  einer  Simplizissimus- 
nummer.  Alles  wurde  Gelbbraun.  Bei  einem  Handwagen  voll  Apfel¬ 
sinen  musste  ich  mich  erst  durch  genaueres  Betrachten  der  Form  der 
Früchte  überzeugen,  dass  nicht  Zitronen  dort  feilgehalten  wurden. 
Goldene  Gegenstände,  die  Ringe  etc.,  hatten  die  schöne  hellgelbe 
Farbe  des  gediegenen  Goldes  in  den  Mineralsammlungen  wieder  an¬ 
genommen.  Von  den  täglich  gesehenen  Gegenständen  der  häuslichen 
Umgebung  hatte  fast  kein  einziger  seinen  Farbenton  behalten;  ich 
konnte  mich  an  dem  Bemerken  der  zahlreichen  Veränderungen  über¬ 
zeugen,  wie  exakt  unter  normalen  Verhältnissen  das  absolute  Farben¬ 
gedächtnis  sein  kann:  Möbel,  Tapeten,  Bucheinbände,  Schreib¬ 
materialien,  Bronzen,  Teppiche  etc.  stimmten  nicht  mehr;  alle  Ge¬ 
tränke,  Speisen,  Fleisch,  Gebäcke,  Kompote  hatten  unappetitliche 
und  unwahrscheinliche  Beschaffenheit  angenommen.  Die  Bilder  an  den 
Wänden  waren  z.  B.  fast  unkenntlich  geworden.  Blumen  wurden  je 
nach  ihrer  Nuance  in  einen  dunkelbraunen  Farbenton  oder  in  violette 
Abstufungen  verwandelt;  auffällig  war  dabei,  dass  in  der  auffälligsten 
Rotmischung,  dem  Violett,  die  Störung  von  Anfang  an  am  wenigsten 
bemerkbar  war  oder  sich  jedenfalls  am  raschesten  verlor:  Veilchen, 
Amethysten  u.  a.  waren  gegen  die  gewohnte  Schattierung  am  wenig¬ 
sten  verändert.  Die  Untersuchung  am  Spektrum  bestätigte  diese  Be¬ 
obachtung.  —  Am  störendsten  im  Berufe  war  die  Veränderung  im  Aus¬ 
sehen  der  Menschen:  sie  hatten  sämtlich  die  Gesichtsfarbe  schwerer 
Herzfehler:  wächsernblass  mit  einem  Einschlag  ins  lkterische,  dazu  die 
blauen  Lippen,  Wangen  und  Schleimhäute  der  ausgesprochenen 
Zyanose.  Es  bedurfte  jedesmal  von  neuem  einer  merklichen  Willens¬ 
anstrengung  von  meiner  Seite,  die  beängstigenden  Assoziationen,  die 
sich  für  den  Arzt  an  einen  solchen  Anblick  knüpfen,  trotz  der  Kenntnis 
der  subjektiven  Natur  derselben  zu  unterdrücken.  Kurios  war  es,  dass 
natürlich  auch  die  Familienbildnisse  an  den  Wänden,  die  schönen 
Mädchen  in  den  Zigarrenkistendeckeln  etc.  sämtlich  dekompensierte 
Herzfehler  hatten.  Augenspiegeluntersuchungen  erwiesen  sich  als 
gänzlich  ausgeschlossen:  alle  Patienten  zeigten  die  porzellanweisse 
Papille  der  Optikusatrophie.  —  Die  Störung  betraf,  wie  ich  schon  am 
zweiten  Abend  durch  Achten  auf  das  periphere  Sehen  feststellen 
konnte,  niemals  die  ganze  Netzhaut;  der  Ausfall  von  Rotempfindung 
war  von  Anfang  an  ausgesprochener  als  der  der  Griinempündung,  die 
nie  ganz  fehlte,  sondern  nur  in  hohem  Grade  abgeschwächt  war. 
Einen  gewissen  Widerspruch  bedeutet  es,  dass  Orange  in  Gelb  ver¬ 
wandelt  wurde,  Violett  dagegen,  wie  gesagt,  kaum  verändert  war  und 
jedenfalls  am  schnellsten  wiederkehrte.  —  Erst  am  10.  Tage  konnten 
die  Stilling sehen  Tafeln  wieder  sämtlich,  wenn  auch  mit  grosser 
Mühe,  gelesen  werden,  das  Skotom  bildete  sich  von  der  Peripherie 
nach  dem  Zentrum  langsam  zurück,  an  der  Fovea  centralis  war  es 
erst  nach  6  Wochen  ganz  geschwunden.  Fälle  dieser  Art  sind  bisher 
noch  nicht  veröffentlicht;  ihre  Kenntnis  kann  aber  von  praktischer  Be¬ 
deutung  werden  insofern,  als  die  Eisenbahnverwaltungen  darauf  Rück¬ 
sicht  zu  nehmen  hätten,  so  gut  wie  sie  die  Untersuchungen  auf  ange¬ 
borene  Farbenblindheit  in  den  Bereich  ihrer  Schutzmassregeln  ziehen. 
Ein  einziger  Fall  wie  der  hier  beschriebene  bei  einem  Lokomotiv¬ 
führer  oder  Weichensteller  kann  um  so  verhängnisvoller  werden,  als 
der  Eintritt  der  Störung  nicht  gleich  bemerkt  wird,  ja,  wie  in  meinem 
Falle,  sicher  fast  2  Tage  lang  der  Feststellung  durch  den  Betroffenen 
selbst  entgehen  kann.  Die  Forderung  von  Schutzbrillen  im  Wintei 
für  das  im  Freien  tätige  Bahnpersonal  und  entsprechende  Anweisungen 
für  ihr  Tragen  ist  trotz  der  anscheinenden  Seltenheit  des  Vorfalles 
ohne  Frage  berechtigt. 

\ 


2504 


Herr  Best:  Rotgrünblindheit  nach  Schneeblendung. 

Zu  der  interessanten  Selbstbeobachtung  von  Herrn  Haenel 
möchte  ich  mir  erlauben,  einige  theoretische  Ausführungen  zu  geben. 
Zunächst  wäre  die  Diagnose  zu  begründen.  Von  vorgelegten 
Wollproben  wurden  blaue,  violette  und  purpurne  mit  leichter  Blau¬ 
beimischung  als  gleichfarbig  und  zwar  als  blau  bezeichnet;  ebenso 
giiiue,  gelbbraune  und  rote  verwechselt  und  als  braun  angegeben. 
l<ote  oder  grüne  Wollen  war  Herr  H.  nicht  imstande  herauszusuchen. 
Von  S  t  i  1 1  i  n  g  sehen  Tafeln  werde  1  schwer,  111  und  V  teilweise  die 
übrigen  nicht  erkannt  bis  auf  X  (Blaugelb).  Ein  helles  Rot  wurde  mit 
einem  dunklen  Qriin  als  gleichhell  angegeben.  Das  Spektrum  erschien 
am  roten  Ende  verkürzt,  am  violetten  normal  lang.  Die  rote  Kalium- 
hme  wurde  überhaupt  nicht,  auch  nicht  als  helle  Linie  erkannt;  die 
lote  Lithiumlime  erschien  am  3.  Tage  als  braun,  die  grüne  Thallium- 
linie  als  weiss.  Qieichungen  mit  spektralen  Farben  konnten'  nicht  auf¬ 
gestellt  werden,  da  ein  bezüglicher  Apparat  nicht  zur  Verfügung  stand. 
Die  Erscheinungen  bildeten  sich  anfangs  sehr  rasch,  später  langsam 
zurnck  bis  zur  Norm.  Am  3.  Tage  war  die  Rotgriinblindheit  auf  ein 
zentrales  Skotom  von  10 0  beschränkt,  während  anfangs  die  Peripherie 
auch,  wenngleich  schwächer  betroffen  war.  —  Es  handelt  sich  also  um 
Rotgrünblindheit  mit  verkürztem  Spektrum  (=  Rot¬ 
blindheit  —  Protanopie). 

Sehschärfe,  Netzhautadaptation,  ophthalsmoskopischer  Befund 
waren  normal. 

Die  gewöhnliche  Folge  der  Schneeblendung  ist  .^Schneeblindheit“ 
eine  Entzündung  der  äusseren  Teile  des  Auges  durch  ultraviolette 
Strahlen.  Davon  lag  hier  nichts  vor.  Von  seiten  der  Netzhaut  sind 
“aeü  Schneeblendung  hauptsächlich  hemeralopische  Störungen  beob¬ 
achtet,  die  hier  auch  fehlten.  Gleichwohl  steht  der  Fall  von  Herrn 
Haenel  nicht  ohne  Beziehung  zu  gewissen  Blendungsfolgen,  wenn¬ 
gleich  er  bis  jetzt  der  einzige  seiner  Art  ist. 

Beobachtet  man  spektrale  Farben  sehr  hoher  Intensität,  so  gehen 
rot  und  gelbgrun  nach  gelb  hin  über,  blaugriin  und  violett  nach  blau; 
bei  sehr  hoher  Intensität  werden  alle  Farben  weiss;  Analoges  findet 
sich  bei  lang  dauernder  zentraler  Fixation.  Mit  diesem  Zurücktreten 
von  rot-grun  zu  gunsten  von  gelb-blau  könnte  die  Blendungsrotgrün- 
bhndheit  in  Beziehung  stehen. 

Bei  längerer  Blendung  durch  weisses  Licht  tritt  E  r  y  t  h  r  o  p  s  i  e 
ein.  wie  Fuchs  gezeigt  hat,  als  physiologische  Folge.  Es  wäre  denk- 
bar;  dass  dieses  Rotsehen  als  Reizungserscheinung  im  Bereiche  des 
Rot-Grunsmnes  aufzufassen  wäre,  während  in  unserem  Falle  ein 
Ausfall  dieser  Qualität  der  Sehsubstanz  vorläge. 

Aus  verschiedenen  Gründen  lässt  sich  vermuten,  dass  an  der 
Blendungsrotgriinblindheit  von  Herrn  Haenel  Blendung  durch 
sichtbare  Stiahlen  die  Ursache  sind,  nicht  ultraviolette.  Fine  Haut¬ 
verbrennung  wie  sie  ultraviolette  Strahlen  hervorrufen,  bestand  nur  in 
geringstem  Grade,  eine  Entzündung  des  äusseren  Auges  gar  nicht 
.  r  ^onir,?tai?dpunkt  der  verschiedenen  Farbentheorien  aus  lässt 
sich  die  Blendungsrotgriinblindheit  nicht  gut  mit  einer  Dreikompo¬ 
nententheorie  vereinigen.  Eine  D  r  e  i  f  a  r  b  e  n  t  h  e  o  r  i  e,  auf  Grund 

n1  AusfaI1  einer  langwelligen  Komponente  im  Fall 
Haenel  annehmen  musste,  macht  nicht  verständlich,  warum  ausser 
Rot  gerade  Grün  am  stärksten  betroffen  ist;  man  würde  bei  Zugrunde- 

"  Linen  und^fan^nV"  1  2  SCh6n  K-UrYe  ge,b  noch  am  meisten  und  die 
S  K  dA  b  f  n  Toniam  wenigsten  geschädigt  annehmen.  Auch 

d  e  nei  Mi  a  ipe'ner  Komponente  die  Empfindung  weiss  nicht  mög- 
Fan  -fif  n*  +-M  *  der  v'  K  r  1  e  s  sehen  Zonentheorie  würde  der 
ball  eher  stimmen,  wenn  man  sich  einen  Ausfall  in  den  durch  4  Farben 
besbmmten  ^zentraleren  Nervenabschnitten  denkt;  aber  gerade  fh? 

,,I  rotanopie  nimmt  v.  Kries  einen  Ausfall  in  dpn  n-mh  3  iz 

gegliederten  PeripherenAbschni^efdes  Sehorgan  an  ZwX' 
los  ordnet  sich  der  Fall  ein  in  Herings  Theorie  der  Qegenfanben' 
als  ein  Ausfall  der  rotgrünen  Qualität  der  Sehsubstanz,  wobei 

wurdem  a°Ch  spater  rückgängige  Verkürzung  des  langwelligen 
Spektrumendes  als  vorübergehende  Schädigung  von  diesbezüglichen 
Empfangsstoffen  der  Netzhaut  zu  deuten  wäre  Letzter^  Hitfs 

SdieH  uL\5lSU  gtiwlsSeV‘a“fnhd,inablerSe« 

glaubt  nicht,  dass  dieser  Fall  beweisend  ist 
Bedeutung 

»g£?  4  sSÄt,  ts 

auch  nicht  iui  bewiesen,  sondern  nur  für  wahrscheinlich  Die  nrak 
kommen  wird.  Der  Führer  hat  doch  immer  seine  scTwarze  Maschine" 

%  Ini  Hochgebirge^6111  ^  LiChtflUle  *'  Q.nS'Ä 

C  >"“  C  a  , 

‘‘"^ebenen  Tuberkulinreaktion  am  Auge  de?  sog p,' 
Ophthalmoreaktion  zeigen.  Der  eine  ist  ein  lamm  ’  .p  sogen. 

£«6SSi«£g@£ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  SO. 


einem  rechtsseitigen  pleuritischen  Exsudat  in  das  Carolahaus  ge¬ 
schickt  wurde  und  bei  dem  die  tuberkulöse  Aetiologie  seiner  Er¬ 
krankung  ausser  allem  Zweifel  steht,  da  sich  seine  Mutter  zur  Zeit 
w  egen  Larynx-  und  Lungentuberkulose  auf  meiner  Abteilung  befindet 
JJie  Reaktion  wird  folgendermassen  angestellt;  Es  wird  ein 

Ipt°rafnfpifmea  1  Pn0^'  1  uberkulin!ösung  in  den  Konjunktivalsack  ein- 
getrautelt  und  soll  dann  nach  3—5  Stunden  eine  Reaktion  eintreten 
die  in  einer  Injektion  der  Conjunctiva  palpebralis  besteht  und  die 
dem  Kranken  keinerlei  Beschwerden  verursacht. 

C  i  t  r  o  n  hat  diese  Ophthalmoreaktion  an  90  Kranken  der  2.  medi¬ 
zinischen  Klinik  zu  Berlin  nachgeprüft  und  das  Resultat  seiner  Unter 
suchungen  in  einer  Julisitzung  der  Berliner  med.  Gesellschaft  mitgeteilt 

gesteht^  4UCh  v  IuberkuI°se  mit  Positiver  Ophthalmoreaktion  vor- 
aSf  lü'TifhpT  Kranken  setzten  sich  zusammen  aus  31  Tuberkulösen, 
??  t!,1  k  lbf .^uloseverdachtigen  und  45  Nichttuberkulösen.  Bei  den' 
i>  ö  U  I1  Tr  r  6  Reaktion  positiv  in  25  Fällen  und  negativ 
n  6  Fallen.  Unter  den  6  negativen  Fällen  befanden  sich  2  kachektische 
und  1  moribunder  Kranke,  über  den  Zustand  der  übrigen  3  gibt 

die  P^Hneme  A“?ku.nft*  den  14  Tuberkulose  verdächtigen  war 
cie  Reaktion  positiv  in  11  Fällen,  und  zwar  waren  dies  Fälle  von 
^  pondylitis,  Peritonitis  und  Pleuritisexsudation  und  ein  Fall  mit  all 

undn1n'Cgenp?|l!b  6  le".  TemE,era,“ren  °h"e  leien  objektiven  Befund 
n  3  bal!en  negativ.  Bei  den  45  Nichttuberkulösen  war  die 
Reaktion  nur  in  einem  Falle  positiv,  in  den  übrigen  44  negativ. 

Alf+nhArL  ri°  Vhai  ZU  semen  Reaktionen  eine  1  proz.  Lösung  von 
Alttuberku  in  Koch  verwandt.  Die  Reaktion  trat  nach  12—24  Stunden 

^def1Ch?en  auf  und  verschwand  spontan  nach  2—4  Tagen  Sie 

dfe  tK>a nPp Üe - , me/sten  Fallen  In  einer  so  milden  Konjunktivitis ’  dass 
die  Kranken  überhaupt  nichts  merkten.  Nur  in  4  Fällen  trat  1 

skrrüur  Konjunktivitis  auf  und  in  einem  Falle,  und  zwar  bei'  einem 
ski  ofulosen  Kinde,  eine  eitrige  Konjunktivitis  die  aber  h  ! 
spiechender  Behandlung  sehr  leicht  wieder  heilte.  Fieber  oder  All¬ 
gemeinerscheinungen  beobachtete  C  i  t  r  o  n  nie.  Er  kommt  auf  seine 
Untersuchungen  hin  zu  folgendem  Schluss:  Die  Ophthalmoreaktion 
ist  in  hohem  Masse  geeignet,  ein  Hilfsmittel  für  die  Diagnostik  des 

rie  iSt  leicht  a^uwenden!“  bedarf 
■  .  Dosierung  und  keiner  7  emperaturmessung,  der  Patient  ist 

Cmh^±frei’-  ?ie  Keaktion  gelingt  bei  Erwachsenen  und,  was1  vor 
allem  w  chfg  ist,  auch  bei  Fiebernden.  Ueher  die  Zuverlässieke 
Kea,kb0';  auss(rrt  er  sich  folgendermassen:  Ein  positiver  Ausfall 

Ich  habe  diese  Ophthalmoreaktion  während  der  lefzfpn  WinnUpn 

rSbSJklliölSn7sItSSnksV'heVer^  «nd^l 

£=si#a~Ss 

worden “„“Ts  KrankenhausTbehaS 

scheinungen  *  zeigte  ein  .^‘^  tuberkulösen  Krankheitser- 

iääi'X 

Kranen  ^mjf'Mag^jTgeschwüren^N^^08^"^1^^’  Anäjrbeny'aus 

Koch' »  ^meine^n*  Versuchen'  vmUSEPeTelktioS  Äf? 

pSSSaas 

bei  denen mit sehr ^starke  Pp, w-d  besta"d  bei  einige“’  besonders 
Reihe  der  Fälle  war  auch Z  r  •  Copjunptlva  palpebralis,  bei  einer 

auf,  und  «ÄS  Ä* 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2505 


in  dem  betreffenden  Auge.  Die  Reaktion  lief  aber  in  allen  Fällen 
ohne  jede  Behandlung  und  ohne  Spuren  zu  hinterlassen  ab.  Fieber 
oder  Störungen  des  Allgemeinbefindens  sind  von  uns  in  keinem  Falle 
beobachtet  worden. 

Auf  Grund  meiner  Untersuchungen  kann  ich  somit  dem  Urteile 
Citrons  über  den  Wert  dieser  neuen  Tuberkulinprobe  in  allen 
Punkten  beistimmen.  Die  Ophthalmoreaktion  ist  zweifellos  ein 
ausserordentlich  brauchbares  und  zuverlässiges  Hilfsmittel  für  die 
Diagnostik  der  tuberkulösen  Erkrankungen  und  wird  meiner  Ueber- 
zeugung  nach  bei  ihrer  leichten  Anwendbarkeit  und  ihrer  Unschäd¬ 
lichkeit  sehr  bald  zum  Allgemeingut  der  praktischen  Aerzte  werden. 

Etwas  störend  war  bei  unseren  Untersuchungen  der  Umstand, 
dass  sich  die  Tuberkulinlösung,  der  natürlich  kein  konservierendes 
Mittel  zugefügt  werden  darf,  sehr  leicht  zersetzt  und  dann,  wie  wir  das 
mehrfach  habe  beobachten  können,  nicht  mehr  brauchbar  ist.  Auch 
diesem  kleinen  Uebelstund  ist  jetzt  abgeholfen;  denn  wie  ich  heute 
im  Inseratenteile  der  letzten  Nummer  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
gelesen  habe,  wird  im  Institut  Pasteur  zu  Lille  unter  Kontrolle  C  a  1  - 
mettes  eine  Vz  proz.  Tuberkulinlösung  hergestellt  und  unter  dem 
Namen  Tuberkulintest  gebrauchsfertig  in  Ampullen,  zu  2—3  Reak¬ 
tionen  genügend,  versandt.  Diese  Einrichtung  wird  ohne  Zweifel  viel 
zur  weiteren  Verbreitung  dieser  Reaktion  beitragen. 

Diskussion:  Herr  Buch  hat  eine  Reihe  von  Fällen  unter¬ 
sucht;  der  letzte  Fall  hat  ihn  jedoch  veranlasst,  vorsichtig  zu  sein. 
Bei  einem  Mädchen  von  20  Jahren  mit  Spitzentuberkulose  trat  nach 
2  Einträufelungen  von  je  Vz  und  1  Tropfen  eine  so  intensive  hämor¬ 
rhagische  Konjunktivitis  auf.  dass  der  Zustand  ein  ziemlich  ernster 
war  und  die  Beschwerden  ausserordentlich  stark  waren. 

Herr  Heyman  n,  der  diesen  Fall  mitbehandelt,  glaubt  auch,  dass 
die  Möglichkeit  einer  lokalen  Gefahr  für  das  Auge  vorliegt  und  dass 
man  unter  Umständen  eine  tuberkulöse  Iritis  hervorrufen  könnte. 

Herr  W  ter  t  h  e  r  glaubt,  dass  in  dem  Fall  Buchs  durch  die 
zweimalige  Instillation  die  lokale  Reizung  zu  erklären  sei,  ähnlich  wie 
bei  Injektionen  mit  Alttuberkulin.  Er  fügt  hinzu,  dass  man  auch  auf 
der  Haut  ähnliche  Reaktionen  hervorrufen  könne  nach  Skarifikation 
und  Einträufelung. 

Herr  Baron:  Gerade  diese  üblen  Erfahrungen  am  Auge  haben 
Pirquet  veranlasst,  die  Impfung  auf  die  Haut  vorzunehmen.  Er 
glaubt,  die  Pirquet  sehe  Methode  bevorzugen  zu  sollen. 

Herr  Best  fragt  an,  ob  die  Lösung  von  Tuberkulin  nicht 
schwächer  wie  1  proz.  genommen  werden  könne.  2  Tropfen  ent¬ 
sprächen  da  schon  1  mg,  einer  Dosis,  die  bei  subkutaner  thera¬ 
peutischer  Injektion  schon  recht  hoch  gelte. 

Herr  Buch  hat  zuerst  einen  Tropfen  einer  Vs  proz.  Lösung  und 
erst  nach  5 — 6  Tagen  einen  Tropfen  einer  1  proz.  Lösung  in  das  Auge 
gebracht. 

Herr  Brückner  glaubt,  dass  auch  das  P  i  r  q  u  e  t  sehe  Ver¬ 
fahren  nicht  ganz  gefahrlos  sei. 

Herr  Burkliardt  bevorzugt  das  Pirquet  sehe  Verfahren  und 
die  Vakzination  nach  S  i  e  g  e  r  t. 

Herr  Schubert  beantwortet  die  Frage  des  Herrn  Best  dahin, 
dass  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  noch  eine  Vz  proz.  Tuberkulinlösung 
für  die  Reaktionen  genügt,  da  das  vom  Institut  Pasteur  zu  Lille 
versandte  Tuberkulintest  in  dieser  Konzentration  hergestellt  wird. 
Herrn  Heymann  kann  er  mitteilen,  dass  C  i  t  r  o  n  die  Ungefährlich¬ 
keit  der  Ophthalmoreaktion  bei  einem  Kinde  mit  Iristuberkulose  be¬ 
obachtet  hat.  Die  Einträufelung  in  die  gesunde  Konjunktiva  bewirkte 
eine  deutliche  Reaktion  derselben,  die  erkrankte  Iris  bleibt  dagegen 
vollkommen  unbeeinflusst.  Herrn  Baron  endlich  erwidert  er,  dass 
die  v.  Pirquet  sehe  Impfreaktion  bei  Erwachsenen  keinen  dia¬ 
gnostischen  Wert  besitzt,  da  alle  darauf  reagieren.  Dieselbe  kann  nur 
bei  Kindern  als  differentialdiagnostisches  Mittel  verwendet  werden. 

Herr  Baron  glaubt,  dass  schon  vor  Calmette  das  Ein¬ 
träufeln  in  das  Auge  vorgenommen  worden  sei. 

Herr  Schubert  erwidert  Herrn  Baron,  dass  die  Ophthalmo¬ 
reaktion  allerdings  zuerst  von  einem  Deutschen  angegeben  worden  ist. 
Wolff-Eisner  hat  in  der  Diskussion,  die  sich  an  die  Demon¬ 
stration  v.  Pirquets  in  der  Berl.  med.  Gesellsch.  anschloss,  bereits 
die  Beobachtung  mitgeteilt,  dass  das  Einträufeln  einer  10  proz.  Tuber¬ 
kulinlösung  in  den  Konjunktivalsack  bei  Tuberkulösen  eine  Reaktion 
hervorruft.  V.allee  hat  diese  Angaben  Wolff-Eisners  an 
tuberkulösen  Pferden  und  Rindern  nachgeprüft,  erhielt  aber  so  starke 
Reaktionen,  dass  er  die  Ophthalmoreaktion  mit  so  konzentrierter 
Tuberkulinlösung  fiir  die  tierärztliche  Praxis  nicht  empfehlen  konnte. 
Das  Verdienst  Calmettes  ist  es,  dass  er  eine  weniger  starke 
Tuberkulinlösung  angewendet  und  empfohlen  hat. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  am  16.  September  1907, 
abends  7  Uhr,  im  Hörsaal  der  Senokenbergischen  Bibliothek. 
Vorsitzender;  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer :  Herr  S  e  1  i  g  m  a  n  n. 

Herr  Ewald:  Stoffwechselstörungen  als  Grundlage  von  Psy¬ 
chosen.  (Vergl.  Ewald:  Stoffwechselpsychosen.  Wiirzburg,  Ra¬ 
bitz  s  c  h,  1907.) 


Die  moderne  Psychiatrie  begnügt  sich  im  Gegensatz  zu  den 
anderen  Disziplinen  der  Medizin  mit  Ergründung  der  Symptomenbilder 
auf  psychologischer  Basis.  In  der  Erforschung  der  Ursachen  der 
Geisteskrankheiten  ist  bisher  wenig  getan.  Hierfür  ist  man  zu¬ 
nächst  auf  das  Tierexperiment  angewiesen,  das  allerdings  nur  ele¬ 
mentare  Veränderungen  der  Psyche  berücksichtigen  kann.  Ver¬ 
wertbar  sind  die  Erscheinungen  des  Winterschlafs  und  der  Ver¬ 
suche  an  Stickstofffröschen,  die  dartun,  dass  mit  einer  Herabsetzung 
des  Sauerstoffgaswechsels  Zustände  verbunden  sind,  die  zu  einer  He¬ 
rabsetzung  aller  höheren  geistigen  Funktionen  führen  bei  Erhaltensein 
der  vegetativen.  Gewisse  Stuporzustände  beim  Menschen  lassen 
sich  hierzu  in  Parallele  stellen.  Die  theoretische  Betrachtung  er¬ 
gibt,  dass  bei  pathologischer  Herabsetzung  des  Sauerstoffgaswechsels 
im  menschlichen  Organismus  geistige  Anomalien  resultieren  müssen, 
die  durch  Verlangsamung  der  Ideenassozialionen  und  motorische 
Hemmung  charakterisiert  sind,  bei  pathologischer  Vermehrung  des 
Sauerstoffgaswechsels  solche  mit  Beschleunigung  des  Gedankenablaufs 
und  motorischer  Ungebundenheit.  Wenn  man  die  Bildung  von  Auto¬ 
toxinen  im  Körper  annimmt,  die  auf  den  Sauerstoffgaswechsel  Bezug 
haben,  und  die  unter  normalen  Verhältnissen  abgebaut  werden,  so 
muss  bei  Versagen  dieser  Schutzvorrichtungen  unter  Anwendung  der 
Ehrlich  sehen  Seitenkettentheorie  eine  psychische  Anomalie  mit 
abwechselnd  positiven  und  negativen  Phasen  entstehen,  eine  zirku¬ 
läre  Form  von  Irresein.  Bei  Anwendung  von  Untersuchungsmetho¬ 
den,  die  vorzugsweise  für  exogene  Psychosen  geeignet  erscheinen, 
ergab  sich,  dass  bei  verschiedenen  Formen  von  Alkoholvergiftung, 
Epilepsie  und  bei  Paralyse  schwere  Störungen  in  der  Alkaleszenz, 
dem  spezifischen  Gewicht  und  der  spezifischen  Sauerstoffkapazität 
des  Blutes  bestehen,  die  als  Folgeerscheinungen  des  gestörten  Sauer¬ 
stoffgaswechsels  anzunehmen  sind.  Deduktion  und  Induktion  führen 
somit  zu  demselben  Resultat,  dass  gewisse  Geisteskrankheiten 
Folgezustände  von  Anomalien  des  Sauerstoffgaswechsels  sind. 

Diskussion:  Herr  Blum:  Der  Herr  Vortragende  hat  ge¬ 
sagt,  es  sei  bisher  noch  nicht  gelungen,  Geisteskrankheiten  bei 
Tieren  zu  erzeugen;  ich  habe  aber  im  Jahre  1902  über  „Geisteskrank¬ 
heiten  im  Gefolge  von  experimentell  erzeugten  Autointoxikationen: 
Psychosen  thyreopriver  Hunde“ 1)  berichten  können  und  habe  auch 
in  der  Folgezeit  bei  meinen  Studien  über  die  Schilddrüse  noch  man¬ 
ches  psychisch  erkrankte  Tier  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt. 

Entfernt  man  Hunden,  die  längere  Zeit  fleischlos  ernährt  wor¬ 
den  sind,  die  Schilddrüsen,  so  überlebt  eine  gewisse  Anzahl  der 
Tiere  den  Eingriff  und  bietet  ohne  oder  nach  vorausgegangener  Te¬ 
tanie  das  Bild  vollkommener  Gesundheit.  Füttert  man  diese  Tiere 
dann  einschleichend  mit  Fleisch,  so  erkrankt  ein  nicht  unbeträcht¬ 
licher  Teil  unter  schweren  psychischen  Störungen:  Halluzinationen, 
Charakterveränderungen,  Stupor,  krankhafte  Bewegungsphänomene 
treten  in  ausserordentlich  sinnfälliger  Weise  auf. 

Es  liegen  hier  also  Geisteskrankheiten  vor,  die  durch  eine  ge- 
wissermassen  normale  Autointoxikation  nach  Wegnahme  des  ent¬ 
giftenden  Organes  hervorgerufen  werden  sind. 

Meiner  Ueberzeugung  nach  ist  in  diesen  Beobachtungen  ein 
Beleg  dafür  gegeben,  dass  aus  der  Erkrankung  von  entgiftenden  Or¬ 
ganen  im  Körper  Geisteskrankheiten  entstehen  können.  Die  psych¬ 
iatrische  Forschung  möge  diesen  verheissungsvollen  Weg  weiter  be¬ 
schreiten! 

Herr  La  quer:  Zur  Frage  der  „Psychosen“  bei  Tieren,  die 
Ewald  ablehnt,  macht  L.  darauf  aufmerksam,  dass  N  i  s  s  1  auf  der 
Badener  Wanderversammlung  vor  Jahren  die  typische  Kranken¬ 
geschichte  und  die  charakteristischen  anatomischen  Hirnverände¬ 
rungen  eines  „Paralytischen  Hundes“  beschrieben,  dass  ferner  Drex- 
ler-  Prag  interessante  Studien  über  Hysterie  bei  Tieren  veröffent¬ 
licht  hat. 

Herr  Hirsch:  1.  Wenn  dauernde  Sauerstoffnot  des  Organismus 
Psychosen  bewirkt,  warum  entstehen  solche  nicht  bei  Zuständen 
chronischer  Zyanose? 

2.  Je  nach  dem  Grade  des  chronischen  O-Mangels  sollen  Stupor 
oder  Melancholie  auf  treten.  Psychomotorische  Hemmung  und  Ver¬ 
stimmung  sind  aber  doch  qualitativ  ganz  verschiedene  Zustände,  die, 
wie  die  klinische  Erfahrung  lehrt,  völlig  unabhängig  voneinander  an¬ 
getroffen  werden  können.  Ja,  es  kann  sich  sogar  Stupor  mit  Er¬ 
regung  verbinden  (manischer  Stupor);  während  nach  der  Theorie 
des  Vortragenden  Erregung  doch  ein  Zeichen  von  Sauerstoffüber¬ 
fluss  im  Organismus  sein  soll. 

3.  Kann  die  O-Verarmung,  die  Vortragender  bei  Stuporösen  ge¬ 
funden  hat,  nicht  eine  Folge  der  fast  absoluten  motorischen  Ruhe 
solcher  Kranker  sein  und  der  durch  diese  Bewegungslosigkeit  be¬ 
dingten  Herabsetzung  des  O-Bedürfnisses? 

Herr  Tecklenburg:  Eine  Verwirklichung  des  Experimentes, 
die  unter  dem  Einflüsse  eines  negativ  beeinflussten  Sauerstoffgasstoff¬ 
wechsels  entstehende  Funktionsänderung  der  Psyche  zu  studieren, 
findet  sich  gelegentlich  in  klinischer  Beobachtung.  Es  handelt  sich 
um  jene  Fälle  ganz  akuter  Myokarditis,  bei  denen  es  plötzlich  zum 
Erlahmen  der  Herzkraft  und  einer  Behinderung  des  Sauerstoffgas¬ 
stoffwechsels  kommt;  wenn  man  selbstverständlich  vor  Infektionen, 
Intoxikationen,  Autointoxikationen  absieht,  unter  deren  Einflüsse  die 
Veränderung  der  Psyche  auf  anderem  Boden  sich  abspielt,  so  ergibt 
die  oben  erwähnte  lediglich  durch  die  akut  erlahmende  Herzkraft 


1)  Neurol.  Zentralbl.  1902,  No.  15. 


2506 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  50. 


bedingte  Beeinflussung,  ein  anderes  Bild.  Es  kommt  durch  die 
herabgesetzte  Sauerstoffzufuhr  zu  akutem  Verwirrtsein,  zu  Delirien, 
für  die  die  Bezeichnung  Kohlensäuredelirien  am  Platze  ist. 

Herr  Ewald  (Schlusswort):  Die  Untersuchungen  über  Staupe¬ 
encephalitis  bei  I  ieren  und  die  psychischen  Anomalien  bei  thyreoid- 
ektomierten  1  ieren,  die  mit  dem  Myxödem  und  Kretinismus  des 
Menschen  in  Vergleich  gesetzt  sind,  haben  eine  wesentliche  Be¬ 
reicherung  unserer  Kenntnisse  gebracht.  Bei  der  psychischen  Ver¬ 
änderung  der  I  iere,  die  durch  Störungen  des  Sauerstoffgaswechsels 
entsteht,  handelt  es  sich  aber  um  eine  parallel  gehende  Erscheinung 
zwischen  der  Intensität  des  Sauerstoffgaswechsels  und  der  Intensität 
der  psychischen  Reaktionen,  um  Ursache  und  Wirkung.  Sie  können 
somit  in  ganz  anderer  Weise  für  die  Erkenntnis  der  Psychosen  ver¬ 
wertet  werden.  Aus  theoretischen  Erwägungen  abzuleiten,  ob  es 
sich  bei  der  negativen  Phase  einer  Sauerstoffautointoxfkationspsychose 
um  Melancholie  oder  Stupor  handelt,  erscheint  zu  schwierig,  erst  die 
bewiesene  Differenz  vorhandener  Störungen  kann  hier  Aufschlüsse 
geben.  Die  Zyanose  bei  inkompensierten  Herzfehlern  kann  natür¬ 
lich  keine  Psychose  hervorrufen,  da  hier  genügender  Ausgleich  durch 
die  blutbildenden  Elemente  geschaffen  wird  und  ausserdem  auch  im 
Venenblut  ein  ansehnlicher  Sauerstoffvorrat  stets  vorhanden  ist.  Die 
beobachtete  Herabsetzung  der  O-Sp.  im  Blute  bei  einem 
epileptischen  Stupor  kann  nicht  als  Folgeerscheinung  der  herab¬ 
gesetzten  Bewegung  aufgefasst  werden;  denn  diese* würde  bei  der 
kurzen  Zeit,  seit  der  der  Stupor  bestand,  nicht  eine  Verminderung 
oder  chemische  Veränderung  des  Hämochroms  im  Blute  hervor¬ 
rufen  können. 

Herr  Sippe  I:  Ueber  die  klinische  Bedeutung  der  Riickwärts- 
lagerung  des  Gebärmutterköroers. 

Der  Vortragende  sucht  an  der  Hand  bestimmter  Fälle  den  Zu¬ 
sammenhang  lokaler  und  allgemeiner  (nervöser)  Beschwerden  mit  der 
Lageveränderung  nachzuweisen  und  die  Allgemeingültigkeit  des 
Satzes  von  V  e  d  e  1  e  r  zu  widerlegen,  nach  welchem  die  Retroflexio 
zwar  ein  anatomisch-physiologisches  Interesse,  aber  keine  ana¬ 
tomisch-pathologische  Bedeutung  habe.  (Der  Vortrag  erscheint  in 
der  Monatsschr.  f.  Geburtsh.  1907,  Bd.  II.) 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  26.  November  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Kümmel  1. 

Demonstrationen : 

Herr  Wichmann  berichtet  über  eine  Reihe  von  Versuchen,  mit 
denen  er  seit  längerer  Zeit  beschäftigt  ist,  deren  Zweck  ist,  innere 
Organe  zu  sensibilisieren,  um  sie  für  die  Wirkung  der  Röntgenstrahlen 
wirksamer  zu  gestalten.  Er  brachte  einem  Kaninchen  mittels  Schlund¬ 
sonde  10  ccm  einer  2  proz.  Eosinlösung  bei  und  bestrahlte  es  dann  mit 
schwachen  Strömen.  Es  zeigte  sich  eine  elektive  Wirkung  auf  die 
Magenschleimhaut,  die  brüchig  und  angeätzt  erschien.  In  2  Fällen  von 
. i  S  °,P  k  a  ^  V  sk  a  \  z  ‘ 11  0  ni  versuchte  W.  nach  diesen  Ideen  eine 
ehandlung,  die  in  einem  Falle  ohne  jedes  Resultat  war,  während  in 
dem  anderen  im  Verlauf  einer  stürmischen  Reaktion  ein  Abgang  von 
umormassen  erfolgte  und  dadurch  die  Stenose  durchgängig  wurde. 

Herr  Deneke  berichtet  über  die  Erfahrungen,  die  er  in  der 
Behandlung  der  krupoösen  Pneumonien  mit  dem  Deutschmann- 
schen  Serum  gemacht  hat.  Im  Ganzen  wurden  32  Fälle  behandelt  an¬ 
fangs  mit  recht  günstigem  Resultat,  später  mit  Ergebnissen,  die  doch 
einer  sehr  strengen  Kritik  bedürfen.  D.  muss  zugeben,  dass  die  In- 
jekOon  niemals  Schaden  verursachte:  ein  abschliessendes  Urteil  über 
seine  Wirksamkeit  lässt  sich  noch  nicht  fällen.  Vorläufig  -hält  er  eine 
Herl  Wirkung  nicht  für  erwiesen.  Das-s  von  den  32  Kranken  9  starben, 
st  nicht  der  Grund  der  Zurückhaltung,  denn  es  handelte  sich  um 
besonders  ungünstige  Falle:  mehr  schon  bedeutet  die  fehlende  Ein- 
wirkung  auf  den  Fieber  verlauf.  In  mehr  als  der  Hälfte  der  Fälle 
hatte  die  Entfieberung  mit  der  Seruminjektion  nichts  zu  tun. 

VnnPHei  r  ,D  e  u  *  s  c  h  m  a  n  11  stellt  2  Patienten  vor;  beiden  sollte  von 
Kollegen  je  ein  Auge  entfernt  werden.  Dem  einen  wegen  starker 
Reizung  nach  gonorrhoischer  Infektion  mit  Hornhautbeteiligung  dem 
anderen  wegen  bereits  ausgesprochener  sympathischer  Entzündung 
des  ..  Auges  infolge  operativer  Infektion  -des  ersten.  Tn  beiden  Fällen 
gelan-'  es  durch  Imektion  von  ..Heilserum  Deutsch  mann“  nicht 
r  die  Augen  zu  erhalten,  sondern  ihnen  sogar  ein  brauchbares  Seh¬ 
vermögen  zu  retten.  Im  Anschluss  hieran  erläutert  Herr  D.  das  Wesen 
sunes  Heilserums,  das  sich  von  allen  anderen  bekannten  Seris  schon 
dadurch  unterscheidet,  dass  es  nicht  wie  jene  etwa  durch  subkutane 

S  vonHef  reT'm,t  Bakterie,lprodl,kten,  sondern  durch  Verfütte- 
rung  von  Hefe  an  Tiere  gewonnen  wird.  Es  handelt  sich  also  dabei 

uin  komplizierte  chemische  Vorgänge,  als  deren  Endprodukt  ein  noch 
unbekannter  Stoff  in  das  Serum  der  Tiere  übergeht,  welcher  mit  diesem 
-  crum  auf  den  Menschen  übertragen,  die  Eigenschaft  hat  den  Zellen 
des  menschlichen  Organismus  „Energie“  zuzuführen,  d.  h.  diese  Zellen 
shAk  Pf?  KCRen  .Infektionserreger  zu  unterstützen.  Daraus  ergibt 

'4r»m^hÄrwte^1ldrv  ;-”eilserum“  "<<**  -ein  ..Spezifisches 
rum  nan  lelt  w  |e  7.  B.  Diphtherieser-um  etc.,  sondern  nur  um  ein 

Hilfsmittel  für  den  erkrankten  Orstanismus;  oh  dieser  mit  P,“enmo- 


ikokken  infiziert  -ist,  ist  ganz  gleichgültig.  Der  menschliche  Organismus 
muss  also  durch  das  Serum  unterstützt  werden. 

Der  Effekt  hängt  sowohl  ab  von  der  Wertigkeit  des  Serums, 
die  natürlich  schwanken  kann,  namentlich  da  zur  Zeit  dieselbe  noch 
nicht  bestimmt  werden  kann,  als  auch  von  dem  Grade,  d.  h.  der 
Schwere  der  Infektion  im  gegebenen  Falle,  endlich  von  dem  Arzt,  der 
beides  in  Erwägung  ziehen  und  danach  die  Serumbehandlung  dirigieren 
muss,  namentlich  in  bezug  auf  die  jedesmalige  Dosis  und  die  Dauer 
der  Behandlung.  Betrachtet  man  von  diesem  Standpunkte  die  Be¬ 
handlung  der  Pneumonie,  so  gewinnt  -die  Frage  ein  ganz  anderes 
Ansehen.  So  dankbar  Herr  D.  dem  Herrn  Deneke  ist,  dass  er  die 
Versuche  mit  dem  Serum  überhaupt  aufgenommen  hat,  so  ist  doch 
festzustellen,  abgesehen  davon,  dass  die  von  Herrn  Deneke  hier 
ausgestellten  Kurven  einen  recht  günstigen  Eindruck  machen,  1.  dass 
eine  einmalige  kleine  Dosis  von  2 — 3  ccm  Serum  keine  „Heildosis" 
für  eine  Pneumonie  sein  kann,  noch  dazu  wenn  schwere  Kompli¬ 
kationen  bestehen,  wie  in  den  schlecht  ausgegangenen  Deneke  sehen 
Fällen,  sondern  dass  hier  mehrmals  wöchentlich,  und  unter  Umständen 
4  6  ccm  injiziert  werden  muss,  2.  dass  man  nun  und  nimmer  verlangen 
kann,  dass  -nach  einer  einzigen  Anfangsinjektion  keine  Nachikrank- 
heit,  wie  -ev.  Pneiimokokkensepsis  sich  einstellt,  die  dann  übrigens 
erst  recht  mit  Seruminjefktionen  zu  bekämpfen  ist,  und  3.  dass  man  den 
Scheinerfolg,  nämlich  Temperaturabfall  am  7.  oder  8.  Tage  sehr  ein¬ 
fach  dadurch  vermeidet,  dass  man  eben  an  ev.  spontan  kritischen 
Tagen  nicht  injiziert.  Herr  Deutschmann  hebt  dann  hervor,  dass 
die  Seruminjektion  sofort  auf  das  Allgemeinbefinden,  Hebung  des 
Pulses  und  der  Leb-en-senergie  einen  hervorragend  günstigen  Einfluss 
ausübt  und  fordert,  da  für  vollste  Unschädlichkeit  der  Seruminjek¬ 
tionen  garantiert  werden  könne,  zur  eifrigsten  Selbstnachprüfung 
seitens  der  Kollegen  auf. 

...,Berr  ^ulff  demonstriert  einen  aus  Aegypten  stammenden, 
3o  jährigen  Patienten,  der  seit  1-4  Jahren  an  Harnbeschwerden  leidet, 
bei  dem  es  sich  um  eine  Bilharzia-haematobia-ErkranRung  handelt. 

Zystoiskopisch  finden  sich  die  Zeichen  einer  chronischen  Zystitis,  im 
L  i  insediment  fanden  sich  Eier  von  Distomum  haematobium,  ferner 
Amöben  und  Schimmelpilze. 

Herr  Plaut  demonstriert  gefärbte  und  ungefärbte  Präparate 
von  diesen  Mikroorganismen  und  erläutert  an  Proiektionsbildern  ihr 
biologisches  Verhalten. 

Heil  Deutschländer  stellt  eine  17 jähr.  Patientin  vor,  bei 
welcher  durch  Schädeltrepanation  (Freilegung  der  linken  Zentral¬ 
furche)  rechtsseitige  Krämpfe  und  eine  rechtsseitige  Fazialisparese 
zum  Verschwinden  gebracht  wurden,  die  von  einer  zerebralen  Kinder- 
lahmurig  herrührten.  Bemerkenswert  war  der  vollkommen  negative 
Operationsbefund. 

Herr  D.  demonstriert  ferner  die  Präparate  -eines  Falles  von  Milz- 
tumor  mit  hypertrophischer  Leberzirrhose,  bei  dem  nach  Exstirpation 
der  Mdz,  deren  Grösse  30  :  18  :  12  cm  und  deren  Gewicht  1750  g  -be¬ 
trug,  eine  rasche  Rückbildung  der  L-eberschw-ellung  und  -eine  auf¬ 
fallende  Steigerung  der  Urinsekretion  erfolgte.  Der  22  jährige  Patient 
-starb  plötzlich  mitten  in  der  Rekonvaleszenz  an  -einer  akuten  Throm¬ 
bose  der  Vena  m-esaraica  superior.  Der  vollkommen  normale  Blut- 
befund  sowie  das  frühzeitige  Auftreten  eines  Asizlites  im  Anfangs¬ 
stadium  spricht  gegen  die  Deutung  des  Falles  als  B  an  ti  sche  Krank¬ 
heit. 

Herr  Engelmann  stellt  eine  Patientin  vor,  bei  der  er  eine 
neue  Operationsmethode  für  die  Kieferhöhlenempveme  mit  gutem  Er¬ 
folge  ausgeführt  hat.  Der  Vorzug  dieser  von  Kr  etschmann  und 
Friedrich  angegebenen  Methode  ist  der.  dass  die  Operation  nicht 
entstellt  und  die  untere  Muschel  erhalten  bleibt. 

,  Hei  i  R  ü  d  e  r  zeigt  eine  Patientin^  die  wegen  Blasen-krampf  und 
heftiger  Harnbeschwerden  monatelang  als  ..blasenkrank“  von  ver¬ 
schiedenen  Aerzten  in  Krankenhäusern  etc.  behandelt  wurde  und  bei 
der  die  Lagekorrektur  des  retroflektierten  Uterus  -durch  eine  A  1  e  x  an¬ 
der  -  A  d  a  m  is  sehe  Operation  die  grossen  Beschwerden  mit  einem 
bchlage  beseitigte. 

Vortrag  des  Herrn  Kö  n  i  g  -  Altona:  Studien  aus  dem 
Gebiete  der  Knochenbrüche.  (Cf.  diese  Wochenschr.  No.  42 , 
pag.  2113.  Ref.  79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und 
Aerzte  in  Dresden.  Abteilung  für  Chirurgie.)  Werner 


Allgemeiner  ärztlicher  Verein  zu  Köln. 

(Bericht  des  Vereins.) 

Sitzung  vom  7.  Oktober  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Strohe  I. 

Schriftführer :  Herr  G  e  r  h  a  r  t  z. 

Herr  .1  o  r  e  s  demonstriert  a)  Herzinfarkt  bei  starker  Arterio¬ 
sklerose  der  Koronararterien. 

b)  einen  Fall  von  Lymphangitis  carcinomatosa  der  Lungen  nach 
primärem  Magenkarzinom.  Der  Kranke  hatte  einige  Tage  vor  dein 
ode  eine  auffallende,  stetig  zunehmende  Zyanose  dargeboten.  Als 
deren  Ursache  deckte  die  mikroskopische  Untersuchung  der  Lungen 
zahlreiche  Verlegung  von  kleinen  Aesten  der  Pulmonalarterien  durch 
Geschwulstthromben  auf. 


10. 


Dezember  1907. 


MIJENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT^ 


2507 


Hprr  Dreesmann  stellt  2  Patienten  vor,  welche  an  Carcinoma 
H?rr  hatten  Der  erste  Patient  hatte  ein  ausgedehntes 

laryngis  gelitten hat  .  ^  Pharynx  sowie  auch  die  rechte 

Karzinom,  welches  bei  temporärer  Resektion  des 

nnterkfder^a wurde^due  halbseitige  Pharyngektomie  und  Laryng- 

die  Sprache  zu  er¬ 
möglichen.  führten  infolge  bald  auftretenden  Rezidivs  zu  keinem  be- 
friedigenden  Resultat.  waf  d„e  halbseitige  Laryngektomie 

f  ÄÄ  Weise  ein  ‘ neu« 

■  i  ccQti+pn  Fall  von  chronischem  Gelenkrheumatismus  vor.  T  ei 
in ehreÄ  ehr zXi-es  Mädchen,  welches  subakut  im  Alter  von 
5  Jahren Tn  Be  Ä-  zunächst  an  den  Füssen  und  Knien  er- 
J  vlt  np  'weitere  fieberlose  Verlauf  führte  zur  knöchernen  An- 

sowie  die  Kiefergelenke  waren  noch  beweglich  geblieben,  erstei 
waren  allerdings  nicht  ganz  frei  von  Veränderungen.  Besonder 
Interesse  gewinnt  der  Fall  noch  durch  die  ausserordentlich  starken 
Knochenverbiegungen  an  den  Vorderarmen  und  Oberschenkeln  Im 
Anschluss  an  den  Fall  bespricht  der  Vortragende  die  verschiedenen 
Arten  der  rheumatischen  Gelenkerkrankungen  und  betont  vor  allem, 
dass  da  die  Aetiologie  dieser  Erkrankung  noch  unaufgeklärt  wäre,  ein 
prinzipielles  Unterscheidungsmerkmal  zwischen  den  verschiedenen 
Formen  nicht  bestände.  Der  Vortragende  ist  der  Auffassung,  dass  m 
diesem  Falle  eine  bakterielle  Infektion  die  Ursache  der  Erkrankung 
gewesen  ist,  und  dass  die  Knochenverbiegungen  durch  die  auf  die 
Fpiphysenlinien  fortgepflanzten  Entzündungen  hervorgerufen  wurden. 
Der  Fall  ähnelt  vollständig  dem  von  Bruck  in  der  Deutschen  medi¬ 
zinischen  Wochenschrift  im  Jahre  1897  veröffentlichten. 

Medizinische  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

(Offizielles  Protokoll.) 

S  i  t  z  u  n  g  v  o  m  22.  Oktober  1907. 
Vorsitzender:  Eterr  Curschma  n  n. 

Schriftführer :  Herr  R  i  e  c  k  e. 

Herr  S  e  i  f  f  e  r  t  gibt  weitere  Bemerkungen  im  Anschluss 
an  seinen  Vortrag  zur  grossstädtischen  Milciiversorgung. 

Diskussion:  Herren  Eber,  Thier  sch,  Lange,  I  Di¬ 
rn  a  n  n  s  und  S  e  i  f  f  e  r  t. 

Sitzung  vom  5.  November  1907. 
Vorsitzender :  Herr  Curschmann. 
Schriftführer:  Herr  Ri  ecke. 

Herr  Zweifel  spricht  über  Gefahren  und  Behandlung  der 
Placenta  praevia.  (Erschien  als  Originalartikel  in  der  Münch, 
med.  Wochenschr.  No.  48.) 

Herr  Riecke:  Zur  therapeutischen  Verwendung  des 
Schwefels.  (Erscheint  als  Originalartikel  in  der  Deutschen  med. 
Wochenschrift.) 

Diskussion:  Herr  Stich  a.  G. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Neuer  Standesverein  Münchener  Aerzte. 


Sitzung  vom  4.  Dezember  1907. 

Nach  Mitteilung  des  Einlaufes,  welcher  wichtigere  Dinge  nicht 
brachte,  berichtete  der  1.  Vorsitzende,  Herr  Bergeat,  zunächst  über 
den  Verlauf  und  die  Verhandlungsgegenstände  der  1.  Sitzung  des  sog. 
Einigungsausschusses  am  2.  Dezember.  Betreff  der  doit  zui  Beratung 
gestellten  Frage  über  die  Reihenfolge  des  Vorsitzes  unter  den  be¬ 
teiligten  ärztlichen  Vereinigungen  erklärte  sich  die  gutbesuchte  Ver¬ 
sammlung  nach  dem  Referate  ihres  Vorsitzenden  und  kurzer  Dis¬ 
kussion  mit  dem  Vorschläge  einverstanden,  dass  der  Vorsitz  im  nini- 
gungsauisschuss  alljährlich  wechseln  und  das  Los  die  Reihen  ich  ge  ei 
in  Betracht  kommenden  Vereine  entscheiden  solle.  Bezüglich  üer 
Frage  der  Aufhebung  der  Karenzzeit,  welche  gleichfalls  den  Eini¬ 
gungsausschuss  beschäftigt  hatte,  berichtete  Herr  Eergea  ,  ass 
er  gemäss  wiederholten  früheren  Stellungsnahmen  des  Neuen  Standes¬ 
vereines  auch  im  Einigungsausschuss  sich  auf  das  unzweideutigste 
für  die  völlige  Aufhebung  der  Karenzzeit  ausgesprochen  tobe.  Doch 
empfehle  er  den  dort  gestellten  vermittelnden  Antrag,  mit  welchem 
sich  die  Versammlung  auch  einverstanden  erklärte,  dass  zunächst  die 
Karenzzeit  auf  die  ersten  2  Jahre  nach  erlangter  Approbation  einzu¬ 
schränken  sei.  ln  dem  diesbezüglichen  Vereinsbeschlusse  wurde  aus¬ 
gesprochen,  dass  der  Neue  Standesverein  nach  wie  vor  im  Prinzip 
die  völlige  Aufhebung  der  Karenzzeit  wünsche  und  anstrebe,  dass  ei 


aber  den  jetzt  vorgeschlagenen  Modus  als.  einen  begrüssemswerten 
Schritt  auf  dem  Wege  dahin  ansehe.  Als  3.  Punkt  der  Beratungen  im 
F  in  iernnersn  ns  Schuss  hatte  eine  Kommission  des  ärztlichen  Beziiks- 
S3ÄA  Detailvorschläge  betreff  eüKtr  «« 
der  Honorarsätze  in  .der  Privatpraxis  vorgelegt.  Diese  Leitsätze 
welche  bekannt  gegeben  wurden,  wurden  Ms  zu .  Jeeit^elJ^? 
radikal  und  mit  den  Anschauungen  sehr  vieler  Kollegen  unvereinhai 
erklärt  Dagegen  wurde  im  Prinzip  die  Notwendigkeit  und  Berecht  - 
gung  einer  Erhöhung  der  Honorare  in  der  Privatpraxis  anerkannt  und 
den  Mitgliedern  empfohlen,  sich  etwa  entsprechend  dem  in  Nürnberg 
eingeschlagenen  Modus  zu  verhalten,  ohne  dass  die  Mitwirkung  dei 
öffentlichen  Presse  in  Anspruch  zu  nehmen  sei.  Emen  weiteren  Pun 
der  Tagesordnung  bildete  die  Besprechung  der  gegenwärtigen  Lage, 
in  erster  Linie  des  Konfliktes  und  der  sich  daran  anschliessenden  Voi- 
standskrisis  in  der  Abteilung  für  freie  Arztwahl  über y^e  che  der 
Vorsitzende  einen  kurzen  Ueberblick  gab,  der  vom  2.  Vorsitzenden 
Herrn  L  u  k  a  s,  bezüglich  bemerkenswerter  Punkte  aus  der  Genese 
und  dem  Verlaufe  dieses  Konfliktes  ergänzt  wurde.  Mit  dein  Rund¬ 
schreiben  einer  grösseren  Gruppe  von  Kollegen  aller  Richtungen, 
welche  eine  Liste  für  die  Neuwahl  der  Vorstandschaft  der  Abteiluug 
aufgestellt  hat,  erklärte  man  sich  einverstanden  und  gab  hinsichtlich 
der  Mitglieder  des  Neuen  Standesvereines  dem  Wunsche  Ausdruck, 
dass  sie  isioh  zur  entscheidenden  Versammlung  der  Abteilung  zahl¬ 
reich  einfinden  möchten. 

Im  Rahmen  der  Besprechung  der  gegenwärtigen  Lage  gab  so¬ 
dann  der  1.  Vorsitzende  eine  von  der  Versammlung  augenscheinlich 
in  ihrer  verdienten  Bedeutung  gewürdigte,  sehr  ruhige  and  gehalt¬ 
volle  Epikrise  jener  Angelegenheit,  welche  in 'der  allerletzten  Zeit  e  r 
Gesellschaft  und  speziell  die  Aerzteschaft  Münchens  in  Spannung  er¬ 
halten  hatte,  nämlich  des  Prozesses  der  Ehrenrichter  des  ärztlichen 
Bezirksvereins  München  gegen  Herrn  Prof.  Q  u  i  d  d  e  in  Sachen  d  - 
Giselakinderspitals.  Hiezu  führte  der  Vorsitzende  aus  Selbst  die 
glänzendste  Freisprechung  Prof.  Quid  des  hätte  man  als  em  Gluck 
betrachten  müssen  gegenüber  dem  Rückzüge  der  Ehiennchte 
S™  AÄlusse  des  Prozesses.  Sie  hätten  ihn  durchführen  müssen 
in  ihrem  Interesse,  in  dem  Interesse  des  von  ihnen  vertretenen  Be 
zirksvereins,  der  Herren  Trumpp  und  H  e  c  k  e  r  und  auch  des  ver¬ 
storbenen  Dr.  H  u  t  z  1  e  r.  Er  vermöge  es  nicht,  sich  in  die  Anschau¬ 
ungen  der  Kläger  hineinversetzen,  aus  denen  heraus  dieselben  bei 
der  ganzen  Lage  des  Prozesses  zur  Rückziehung  der  Klage  ge¬ 
kommen  seien.  ^  Die  Niederlage  des  Ehrengerichts  «sei  eine  Nieder¬ 
lage  auch  des  ärztlichen  Bezirksvereins,  in  dessen  Auftrag 
der  Prozess  begonnen  worden  sei,  sie  bedeute  jedoch  abti  zu¬ 
gleich  eine  Niederlage  des  Systems,  in  dessen  Bekämpfung  der  Neue 
Standesverein  Münchener  Aerzte  seinerzeit  gegründet  worden  sei. 
Für  uns  können  die  Erscheinungen  des  Prozesses  nur  'ejn  neues  Glied 
in  der  Kette  von  Ereignissen  bilden,  welche  in  den  letzten  Jamet 
einen  Niedergang  in  der  Stellung  des  ärztlichen  Bezirksvereines  Mün¬ 
chen  verschuldet  haben.  Die  Ursache  liege  vornehmlich  in  dem  Um¬ 
stande,  dass  in  letzterem  die  Führung  z.  T  in  die  Hand  von  Männern 
gelegt  wurde  und  diesen  verblieben  ist,  welche  sich  nicht  allen 
Anforderungen  solcher  Stellungen  gewachsen  zeigten,  sie  liege  abei 
auch  in  dem  innerhalb  des  ärztlichen  Bezirksvereins  herrschen¬ 
den  Opportunismus,  welcher  bei  zahlreichen  kritischen  \organge 
es  sich  stets  in  erster  Linie  'habe  angelegen  sein  lassen,  unter 
Verzicht  auf  eine  tiefere  Kritik  durch  Vertrauensvota  vorhan¬ 
dene  Krisen  zu  verschleiern.  Er  müsse  aber  doch  der  Hoffnung  Aus¬ 
druck  verleihen,  dass  die  herbe  Kritik,  welche  der  Prozess  in  der 
Oeffentlichkeit  mit  sich  brachte,  diejenige  Reorganisation  beforderi 
und  beschleunigen  würde,  welche  unser  ehrlicher  kollegialen  Wide  - 
Spruch  in  so  langer  Zeit  nicht  habe  erreichen  können.  Redner  ver¬ 
breitete  sich  dann  noch  über  ärztliche  Ehrengerichte  überhaupt  und 
führte  dazu  aus,  es  sei  unzweifelhaft  die  Organisation  unserer  Be¬ 
zirksvereine  und  der  Ehrengerichte  derselben  an  sich  eine  gesunde. 
Noch  nicht  lange  sei  es  her,  dass  aber  auch  das  Verfahren  bei  dem 
Ehrengerichte  des  Bezirksvereins  vor  aller  Oeffentlichkeit  hatte  tee¬ 
stehen  können.  Wir  brauchen  eine  Ehrengerichtsordnung,  um  die  Nor¬ 
men  festzustellen,  welche  ein  korrektes  Verfahren  ermöglichen.  Was 
wir  aber  in  erster  Linie  brauchen,  sind  gute  Ehrenrichter  und  dieses 
Amt  solle  nur  Männern  zufallen  von  klarem  Urteil,  ausgereifter  Lebens¬ 
erfahrung  und  einer  Ueberzeugungsfestigkeit,  welche  sie  nach  dem 
gefassten  Urteil  auch  mit  der  ganzen  Person  tür  ihr  Urteil  emtreten 
lasse.  Solche  Männer  könnten  auch  nach  patriarchalischem  Ge¬ 
brauche  gute  Urteile  fällen,  anderen  Männern  sei  es  selbst  bei  schön¬ 
ster  Ehrengerichtsordnung,  bestem  Willen  und  einer  t  ides  optima 
nicht  möglich,  ihrem  Amt  gerecht  zu  werden.  An  diese  mit  grossem 
Ernste  aufgenommenen  Darlegungen  schloss  sich  eine  kurze  Diskus¬ 
sion  an.  Den  letzten  Punkt  der  Tagesordnung  bildete  die  Beratung 
einer  Schiedsgerichtsordnung  für  den  Neuen  Standes¬ 
verein,  innerhalb  weicher  man  «sich  in  sehr  anregender  Diskussion, 
an  welcher  sioh  die  Herren  Spatz,  Becker,  v.  B  a  e  ye  r.Hof  1  - 
inayr,  Jochner,  Neustätter,  Grassmann.  Grunewald. 
Kaspar  in  wiederholten  Ausführungen  beteiligten,  zunächst  über 
einige  allgemeine  Gesichtspunkte  für  die  Schaffung  einer  derartigen 
Schiedsgerichtsordnung  aussprach.  Gegenstand  dieser  Diskussion, 
welche  zeigte,  dass  es  selbst  bei  recht  weit  auseinandergehenden  An¬ 
sichten  über  dieselbe  Sache  möglich  ist,  durchaus  auf  dem  Boden 


2508 


bildete  beL,rdeTsediP  Ter  freund!S,chaft!ichen  Kollegialität  zu  bleiben, 

Perf^  d?eeMithUilfJe  furÄ 

S3Ä  Ä  SaSwSSss* 

(irassmann  -  München. 

Abteilung  für  freie  Arztwahl  des  ärztlichen  Bezirks  Vereins 

München. 


ü  n g  vom 


Ausserordentliche  Mitgliederversamm 

6.  Dezember  1907. 

Ange^genhdit'll  ö  M  nfa  de.r.  letzten  Sitzung,  soweit  es  die 

'bekannt  gegeben  in  dem  Herr  H  n’f 7"  ^  em  ßr!ef  der  Vorstandschaft 
trag  aus  der  lete/ln  r  «oflmayr  entsprechend  einem  An- 

Pflichtverletzung  von  s e i  t  eH* d ’des  Vorvvurfs  der 

VOÄ 

Äenhi»?  *7“ an" SS?,“  J^'  Am!  z“>.  ^  ^le  Ortei 

verlesen,  in  welchem  Aenderungen  gescltebS  ^  famtäts  verbands 
den.  Hierzu  bemerkt  Herr  H  iV  u  keschaIt  lchei  Art  angezeigt  wer- 
von  seiten  des  Sanitätsverbandes  cPir!fS  dlese  Bestimmungen  auch 

Ä  &  ÄKS  ?  ‘  S 

tiÄr  t7riVT :T  “S 

Mitgliedern  te  Uipziger  ÄÄ“  Kranke"'kasse"  .und  den 
Vertrag  wurde  ÄJSntolÄ  MltSSM  Aattf'  D- 
3  Kassenvertretern)  überwiesen  Fr  cmi  •  2-  A.n  Aerzten  und 
örtliche  Organisation  hesS  “  Kraft  ,reten'  wo  keine 

stardschatttgeantworteVhdLlsn /dit  *Tlhll.te-c  A"se,eüenh,=it  der  Vor- 
mell  noch  saehlirh  ai't  uS  er  de,n  Inbalt  lhrer  Zuschrift  weder  be¬ 
antworten  wird  Herr  Sa  1  anerk<:nnt  und  heute  hierauf  mündlich 
rend  dieser  Verhandiun 4n  d?.„  U?S  “v  der  Vor.taemle  wäh- 
beiden  Parteien  absceiehnt  wird  da  di  at>8:e'^"  mo|äe.  was  aber  von 
Herr  Bauer  Ä'Ä?  f*  eanze  Vorstandschaft  und  nicht 
hierauf  die  Erklärung  1  h  acht  korTe-  Herr  Höflmayr  gibt 
schon  öfter  erwähnten  npe  PfS-  6'  k”  der  vorletzten  Sitzung  mit  der 
Vorwurf  der  I Jf  1  ich t ver  1  Ftl,rntfn ? ' lf+b f. r R 11 " d ° r  Vorsta”dschaft  den 
auch  schon  damals  die  7uri\X?  -ht  hab5  machen  wollen  und  übrieens 
-sitzenden  wSsDrurhsä^ ruckwe.sung  desselben  von  seiten  des  Vor- 

«imJS  öbe  die™a«  Ob  dfr vTmen  1Pbe-  Er  "'“"seht  ehe  Ab- 
Hine  Debatte  wird  „S  diese, Krk'iirune  *•»#*■ 

erklärt  sich  Herr  Bauer  mit  ScP  f  m ‘  der  Vorstan*chaft 
dauert,  dass  sie  nicht  früher  erfolgt  Ist. ^ amn*  befriedig:t  und  *>*■ 

HecGG,  ^ob^iese  l’rf'dp^ho8?^'1111112,  V<>rstandswahl,  fragt  Herr 
satzungsgemäss  für  die  folgenden  |usJ^ror'dentIic'hen  Versammlung 
könne.  Herr  B  a  u  e  r  erklärt driacc3  dabr,e  vorgenommen  werden 
sionen  in  der  ordentlichen  VW« SS ,  dle  Vorsitzenden  der  Kommis- 
müssen.  Herr  Hirt  legt  in  fT  l"!8  nocl,ma's  bestätigt  werden 
ihre  Riicktritteer,kiä™fno„mX  te1lenraS:  T  V°rata"dsch,ft  nahe, 
dankt  der  Vorstandschaft  für  ihrp  ihici  n.  zu  as.sen.  Herr  Geh  1  es 
deren  Wiederwahl,  ebenso  Herr  IV  p^fi lgen  Lei£tungen  und  wünscht 
beantragt  Hebergang  zur  Ta^sordnifn^h3  US'T-  ,Herr  v*  Dessauer 
Vorschläge,  d.  h  sofortige  Dm-rhteh  bezugIlch  d’er  vornergehenden 
'kommt  nochmals  auf  seinen  ?„♦ chiuh™"*  der  Wahl.  Herr  Hirt 
hehlt  nach  einigen  scherzhaften Rp  ZTCk'  Herr  M  ö  I-l  n  e  r  emp- 
herigen  Vorstandschaft.  Der  AnS"?  Wiederwahl  der  bis- 
hierauf  mit  88  gegen  87  Stimmen  k  ■  c  °c.e  SS  a'u'e  r  wird 
angenommen.  Herr  H  a  rt  te  li"  bl  6  Stimmenthaltungen 
-'er  Vorstandschaft  ebeni,  Herr  Ei?h„  S'Ch  ns“''dar'sch  mit 

"nd  Götz  lehnen  eine  Wahl  /n  ,  ^  '  ,n  h  0  r  n-  Die  Herren  Uhl 
Die  Herren  M  i  r  a  b  e  a  u  und  n  n  i  i  '  Sle  v<>rgeschlagen  wurden,  ab. 
Antrag  Hirt,  während  Herr  F  n  c  t  ™  9  '!  ",  untej;stützen  nochmals  den 
da  die  Vorstandsehaft  nicht  ihre  Demissünftn11  Zariicknahme  wünscht, 
dem  andere  Wahlvorschläge  gcmX  stari  k°tme,  nach- 

zu  nächst  nur  den  ersten  Vor  eit™  na  -  n,d-  Herr  Hecht  empfiehlt 
fallen  1(16  Stimmen  auf  HemiV B au e  ^C"'.  "",s  «Schicht  Es 

KhLrwei^s{!r.^i,rK 

Arzneimittel kommission  Herl  , K.  ,  "k  f°t"  1°  k‘""mission  "l,d  der 

sitzenden  der  ae  tl/ ™n  ^ 


dei  Honorarkontrollkommission,  deren  11  Vorsitzender  Herr  Harn"1 


11  Hhr.  Präsenzliste:  200  Mitglieder. 


Nadoleczny. 


Verschiedenes« 

Von  Stufe  zu  Stufe. 

De  s  Urteil  in  der  Beleidigungsk'atrp  dp«  rit-  h  t?  • 

Kegen  den  Redakteur  dieser  Wochenschrift  hat  ,  hIansI  h  s  c  h  e  r 
presise  vielfach  Aufsehen  erreet  nl  h  ln  der  arzthchett  Fach- 

sten  Blätter,  Berlin,  klin.  w7»cheiischr  tmd  U'ld  ,angesehen- 

schrift,  haben  ihrem  Befremdipn  uhPr  U  nd  putsche  med.  Wochen¬ 
eingehend  beschäftigt  sich  mit  dem  ,'das.  Urte)l  Ausdruck  gegeben; 

«•  «•  '"'«„des  ausfühlt!  ^Dic  Kanze  Sache  iS  Im  ^  Korr-g'-  *» 
aus  dem  grossen  Knmnfp  a  i  "..ac  C  s  lm  Grunde  eine  Episode 

«emtlnUhÄ  SS^iÄ  Kegen  das 

deter  Arzt  der  sich  in  hp„  n •  *  l  Ein  wissenschaftlich  gebil- 

seinem  ärztlichen  Namen  und^Titef  1 E a e r  1 11  ^ sf  ^tellt,  der  mit 
eines  Medikasters  deckt  und  dpr  <-P-  as  bedKeschaftIiche  Treiben 
Stand,  in  der  eSJörSdlten  Weise  SV?"“;  den  ärzt,ichea 

cm  solcher  Ueberläufer  hat  ^ich  selbs^geH^hW^V^ h  Verunflirn’Pft’ 
erregenden  Prozesse  sreeen  F  m ,!f i.  cbtTet*  In>  'dem  aufsehen- 
auch  ein  Atzt  Dr  med  V  *  u ^  "L  o3  r  d  e  n  k  6  t  te  r  war 
Schlinge  geraten.  Das  Gericht  ha?  üft"  Hel.<erlfelfcr  n|it  in  die 
strafe  noch  E  I,  r  v  e  r  1  rl,  w  '"e6"  Aizt  m,sser  Oe«ül*nls- 
Arzt,  der  dem  Medikasw  inh'-l  gt  der  Erwägung,  dass  der 
damit  seine  Ehre  al,s\rzt  a"gd  sein®  Dienste  gewidmet  hatte, 
den  Schmutz  gezogVn  h^be  SeblIdeter  Mensch  in 

pressef,'Cb1ptrdkI  anständise'1  Presse,  insbesondere  der  ärztlichen  Fach¬ 
es  will  uns  a u sis e r o r d e n tl ich*  tJecteokHoh  e^'h  hiCr  vorzugehen-  Und 
Kritik,  bei  welcher  wie  wen K  ^  h  erSfhe,nen’  wenn  bei  solcher 
sicht  einer  p  e  s  ö  n  Gehen  Bel  eVfJf*enden  Fal,e-  Jede  A  b  - 
als  ausgeschlossen  lPr,qphtPf  u  d  g  u  n  g  von  vornherein, 
zelnen,  vielleicht  etwas  is  -hm-fp.,  A wc.rder|  muss>  wegen  eines  ein- 
so  schwere  Strafverurteitog  wegen' BS&rerfS“1'"1™3“’* 

nach  dfr  am  7  Dezemter,  also  5  Wochen 

gung  des  Urtpik  dP-  ,  '  zuKestellten  schriftlichen  Ausferti- 

mitgeteilte  Satz  (,  darauf  dasl  Dr  ^ETs^h1161  Aufnah.me  von  uns 

SSSÄÄaS-Saaa 

H.  E.techfr6?  Sannt nenmUe1eh:,erriCitli0he  Ve™Heilung  Dr. 
kämm pr  fm  r  ‘  R  e  -Amtlichen  Nachrichten  der  Aerzte- 

enthalten  folgende  BSntmacTungbUFg  Und  den'  Stadtkreis  BcrIbi 

Dr.  Untersuchungssache  wider  den  Arzt 

174  ob  _kr  h;  A  Wdmersdorf,  Fasanen, strasse  54  —  E  G 

des  Unterzeichneten'  QeSt ^,7ree,,tskr*«Ke  Urteil' 

straft  Vordem  mtt  deT  V^öffentlichung^feseT  fiS?1d5ng  17- 

Berlin,  den  9.  November  1907. 

Aerztliches  Ehrengericht  für  die  ProvinzBranden 
hur«  und  den  Stadtkreis  Berlin  d 

Auch  aus  seinem  Militärverhältnis  als  Stabsarzt  d  Res  ist 
schlichtem  Abschied  "bgegaüfen  Militflrran*"s‘«  vom  Mai  1907  mit 


ÄV/VÄTW  Ka^.  r/ÄÄ 

zelnen  A  UersWassen  ^H-eziffern  für  die  ein- 

f-  Medizmalaugeligenheitcn  f907?No.  21).  Altersklasse"  (Minist-BI. 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


p  ü  r  den  Weihnachtstisch  empfiehlt  das  Direktorium  der 
V  e  r  s  i  ch  e  r  u  n  g  s  k  a  s  s  e  für  die  Aerzte  Deutschlands 
a.  G.  zu  Berlin  seine  Witwen  Versicherung^  und  seine 
S  t  e  r  b  e  k  a  s  s  e.  Zu  bekannt  ist  das  Elend,  das  mit  dem  Tode  des 
Ernährers  über  so  viele  deutsche  Arztfamilien  hereinbricht,  als  dass 
es  nötig  wäre,  viele  Worte  zu  verlieren  über  die  Vorteile,  ja  über 
die  Notwendigkeit  einer  derartigen  Fürsorge  für  die  Hinterbliebenen, 
und  über  die  Pflicht  eines  jeden  Arztes,  beizeiten  für  seine  Familie 
zu  sorgen.  Die  „Versicherungskasse“  ist  unter  allen  in  Betracht 
kommenden  Instituten  bei  gleicher  Sicherheit  den  ärztlichen  Standes¬ 
verhältnissen  am  besten  angepasst.  Für  sich  selbst  erbittet  die  Kasse 
als  Weihnachtsgeschenk  die  stiftende  Mitgliedschaft  der 
deutschen  Aerzte  hämmern  und  Standesvertre¬ 
tungen  nach  dem  Vorgänge  der  Aerztekammern  von  Westpreussen, 
Hannover  und  Schleswig-Holstein.  Alle  informierenden  Drucksachen 
sind  von  der  Geschäftsstelle,  Berlin  NO  18,  Landsberger  Platz  3, 
gratis  zu  beziehen.  —  Für  bayerische  Aerzte  kommt  als  Witwen- 
und  Waisenversioherung  in  erster  Linie  der  Pensionsverein  für  Wit¬ 
wen  und  Waisen  bayerischer  Aerzte  (Hofrat  Daxen’berger,  Miin- 
chen-Gern)  in  Betracht. 

Therapeutische  Notizen. 

Die  Behan-dlum.  gdesKeuchhustens  soll  nach  Rie  y  h  e  r 
vor  allen  Dingen  eine  hygienisch-diätetische  sein  (Ther.  Monatshefte 
1907,  No.  10).  Längerer  Aufenthalt  im  Freien  wirkt  günstig  auf  die 
Anfälle,  höhere  Kältegrade  und  feuchtkalte  Luft  sind  zu  meiden.  Der 
Luftwechsel  hat  keine  Bedeutung,  die  Zweizimmerbehandlung  ist 
empfehlenswert.  Fiebernde  Kinder  gehören  unbedingt  ins  Bett.  Die 
gegen  den  Keuchhusten  empfohlenen  Medikamente  versprechen  nicht 
viel  Erfolg,  am  besten  bewährt  haben  sich  Chinin,  Pertussin,  Pyrenol. 
Reyher  gibt  mit  gutem  Erfolg  Belladonna  mit  Brom.  Für  ältere 
Kinder  verschreibt  er  Infus,  rad.  Ipecacuanhae  0,5/180,0,  Extract.  Bella- 
donnae  0,08,  Natrii  bromati  2,0 — 4,0,  Syrup.  althaea  200,0,  MDS. 
3  stündlich  1  Kinderlöffel  voll.  Kr. 

Die  Psoriasisbehandlung  geschieht  nach  Frank  H.  B  a  - 
rendt  (Ther.  Monatsh.  11,  1907)  am  besten  in  folgender  Weise:  Die 
Schuppen  werden  mit  Sapo  viridis  im  heissen  Bad  entfernt,  auf  be¬ 
sonders  hartnäckige  Stellen  wird  Bimsstein  eingerieben.  Die  be¬ 
haarten  Teile  werden  mit  Seifenspiritus  vorbehandelt.  Als  bestes  Heil¬ 
mittel  empfiehlt  sich  Chrysarobin,  das  als  lOproz.  Salbe  morgens  und 
abends  eingerieben  wird.  Zum  Schutze  der  gesunden  Haut  wird  ein 
Streupulver  eingepudert.  Das  Chrysarobin  wird  so  lange  eingerieben, 
bis  die  roten  Effloreszenzen  weisis  und  die  umgebende  Haut  rot  werden. 
Danach  wird  die  Haut  mit  Unguent.  Hydrargyri  album  eingerieben. 
Für  besonders  schwierige  Fälle  empfiehlt  sich  Eugallol.  Zur  Allge¬ 
meinbehandlung  ist  Arsenik  zu  verwenden.  Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  9.  Dezember  1907. 

—  Der  im  Aufträge  des  Aerzt liehen  Bezirksvereins 
München  von  dessen  Ehrengericht  gegen  den  Gemeindebevoll¬ 
mächtigten  Dr.  Quid  de  wegen  Beleidigung  angestrengte 
Prozess  (s.  vor.  No.  S.  2462)  hat  nach  3  tägiger  Verhandlung  am  2.  ds. 
■mit  der  Zurückziehung  derKlage  geendet.  Die  Kläger  Hessen 
erklären,  dass  sie  den  Satz,  Dr.  Hutzier  habe  durch  sein  Verhalten 
auch  nach  allgemein  bürgerlichen  Begriffen  Treu  und  Glauben  ver¬ 
letzt,  nicht  in  das  Urteil  des  Ehrengerichts  aufgenommen  hätten,  wenn 
ihnen  schon  damals  das  Material  vorgelegt  worden  wäre,  das  durch 
die  schöffengerichtliche  Verhandlung  erhoben  wurde.  Da  es  illoyal 
sei,  auf  einer  als  unhaltbar  erkannten  Klage  zu  verharren,  hätten  sie 
die  Klage  zurückgezogen.  Der  Eindruck,  den  dieser  Ausgang  in  ärzt¬ 
lichen  Kreisen  machte,  war  niederschmetternd.  Bei  der  Schwere  der 
dem  Ehrengericht  gemachten  Vorwürfe  hätte  selbst  ein  Freispruch 
nicht  so  demütigend  wirken  können,  wie  diese  Selbstpreisgabe  der 
Kläger. 


*)  Eine  Witwenrente  von  jährlich  600  M.  kostet  an  Vierteljahrs¬ 
prämien: 


bei  der  Versicherungskasse  für 

bei  dem  Preuß.  Beamt.  Verein 

die  Aerzte  Deutschlands  ohne 

mittels  einer  Lebensversicherung 

Riickgewähr 

und  mit  Riickge- 

in  Höhe  von  15000  JL  bei  4%iger 

währ  aller  Einzahlungen  im  Falle 
des  vorzeitigen  Todes  der  Frau: 

ohneRückg.  mit  Rückg. 

Verzinsung 

f.  d.  25jähr. 

JC  32.— 

X  4L  — 

Jt  73.50 

v  v  30  „ 

„  34.50 

*  44.50 

„  85.50 

„  „  35  „ 

„  37.- 

*  49.- 

*  99.- 

*  *  40  „ 

»  41.- 

„  55.- 

*  117.- 

4S 

„  46.50 

„  63.50 

„  139.50 

n  »  50  „ 

„  53.50 

„  74.- 

„  171.- 

2509 


Der  Vollständigkeit  halber  sei  nachgetragen,  dass  die  Klage  er¬ 
folgte  wegen  einer  öffentlichen  Erklärung  des  Dr.  Quid  de,  er  halte 
das  Urteil  des  Ehrengerichts  für  eine  unbedachte  und  ungerechtfertigte 
Vernichtung  fremder  Ehre,  das  Verhalten  der  Herren,  die  das  Urteil 
gefällt,  es  anders  gemeint  und  doch  nicht  schleunigst  in  aller  Form 
zurückgenommeu  oder  klargestellt  hätten,  halte  er  für  „unerhört“,  und 
das  Ehrengericht  habe  —  nicht  absichtlich,  aber  grob  fahrlässig  — 
dazu  beigetragen,  Dr.  H  u  t  z  1  e  r  in  den  Tod  zu  treiben.  Auf  die 
Verhandlung  einzugehen  ist  hier  nicht  der  Platz.  Für  uns  entsteht  nur 
die  Frage,  ob  durch  die  Verhandlung,  durch  die  der  ganze  Fall  H  u  t  z  - 
■1  e  r  durch  Zeugen  eingehend  dargestellt  wurde,  sich  etwas  ergeben 
hat,  was  eine  Korrektur  unserer  in  No.  15  gegebenen  Schilderung 
nötig  machen  würde.  Das  ist  nicht  der  Fall:  wir  haben  kein  Wort 
von  dem  -dort  Gesagten  zurückzunehmen.  Das  gilt  namentlich  auch 
von  unserer  Beurteilung  des  Verhaltens  Dr.  H  u  t  z  1  e  r  s.  Die  Ver¬ 
handlung  hat  ergeben,  dass  der  Vorwurf  des  Ehrengerichts, 
„Dr.  Hut  zier  habe  durch  sein  Verhalten  auch  nach  allgemein  bür¬ 
gerlichen  Begriffen  Treu  und  Glauben  verletzt“  nicht  haltbar  war; 
sie  hat  aber  ebenso  den  Eindruck  bestärkt,  dass  Dr.  H  u  t  z  1  e  r 
kollegial  nicht  gehandelt  hat,  als  er  nach  ausgebrochenem  Konflikt 
mit  den  älteren  Kollegen,  den  Gründern  des  Spitals,  seinen  früheren 
Chefs  und  Lehrern,  es  auf  die  Kraftprobe  ankommen  Hess  und  so 
dazu  beitrug,  jene  aus  dem  Spital  zu  entfernen.  Vollkommen  intakt 
gehen  aus  dem  Prozess  hervor  die  Kollegen  Hecker  und  T  r  u  m  p  p. 
Wenn  auch  ihre  Ansicht,  dass  sie  nicht1  nur  ein  moralisches,  son¬ 
dern  auch  ein  tatsächliches  Recht  auf  die  Spitalleitung  gehabt  hätten, 
sich  als  irrig  erwies,  so  hat  doch  die  Verhandlung  nicht  das  geringste 
Verschulden  der  beiden  Herren  ergeben,  es  sei  denn  allzu  grosse  Nach¬ 
giebigkeit  und  Gutmütigkeit  Herrn  Dr.  Hutzier  gegenüber.  Eine 
schwere  Einbusse  an  Ansehen  erleidet  dagegen  durch  den  Prozess 
das  Ehrengericht  des  Aerztlichen  Bezirksvereins.  Nicht  nur,  dass 
die  Herren  zugeben  mussten,  dass  ihr  Urteil  über  Dr.  H  u  t  z  1  e  r  sich 
in  seinem  wichtigsten  Punkte  nicht  aufrecht  erhalten  lasse,  es  wur¬ 
den1  ihnen  auch  eine  Reihe  von  Verstössen  gegen  die  Geschäfts¬ 
ordnung  und  Formfehler  nachgewiesen,  die,  wenn  ihre  Bedeutung 
auch  vom  Anwalt  des  Beklagten  stark  übertrieben  wurde,  doch  einen 
recht  ungünstigen  Eindruck  machten. 

Wer  erinnert  sich  angesichts  dieses  Zusammenbruchs  nicht  jener 
denkwürdigen  Vorgänge  des  Jahres  1904,  als  Verwaltungsgerichts¬ 
präsident  v.  Kahr  wegen  einer  Bemerkung  im  Reichsrat,  es  sollten 
in  den  ärztlichen  Ehrengerichten  mehr  Juristen  als  Beisitzer  bei¬ 
gezogen  werden,  von  einem  Mitgliede  der  Vorstandschaft  des  Be¬ 
zirksvereins  in  unqualifizierbarer  Weise  angegriffen  worden  war  und 
Dr.  K  a  s  1 1,  deswegen  im  Bezirksverein  interpelliert,  namens  der  Vor¬ 
standschaft  erklärte,  diese  stehe  sachlich  ganz  auf  dem  Boden  jenes 
Angriffs?  Damals  erhoben  sich  auf  diese  sie  nicht  befriedigende  Er¬ 
klärung  hin  etwa  ein  Dutzend  Kollegen,  verbessern  den  Saal  und  den 
Bezirksverein  für  immer  und  —  gründeten  den  Neuen  Standesverein 
Münchener  Aerzte.  Welch  eine  Ironie  des  Schicksals,  dass  derselbe 
Dr.  K  a  s  1 1,  der  die  Mitwirkung  von  Juristen  bei  den  ärztlichen  Ehren¬ 
gerichten  zurückweisen  zu  müssen  glaubte,  nun  selbst  wegen  einer 
von  ihm  geleiteten  Ehrengerichtsverhandlung  so  schlimm  unter  die 
Räder  gekommen  ist! 

Es  ist  eine  Ueberhebung,  wenn  wir  glauben,  die  Hilfe  von  Juristen 
bei  unseren  Ehrengerichten  ganz  entbehren  zu  können.  Wenn  es 
sich  um  -die  Schlichtung  unbedeutender  kollegialer  Zwistigkeiten  han¬ 
delt,  trifft  dies  gewiss  zu.  Wenn  es  sich  aber  darum  handelt,  über  die 
Ehre  eines  Kollegen  Recht  zu  sprechen,  so  ist  das  eine  so  wichtige 
Sache,  dass  auch  die  Formen,  in  denen  sich  die  Untersuchung  und 
Verhandlung  vollzieht,  korrekt  sein  müssen  und  dass  das  Urteil  auch 
nach  juristischen  Begriffen  einwandfrei  sein  muss.  Wie  der  vor¬ 
liegende  Fall1  lehrt,  sind  ärztliche  Ehrenrichter  nicht  immer  befähigt 
zu  solcher  auch  äusserlich  einwandfreien  Führung  einer  Verhandlung 
und  darum  empfiehlt  sich  in  Ehrensachen  die  Beiziehung  fachmänni¬ 
schen  richterlichen  Rates.  Mit  juristischer  Bevormundung  hat  das 
nichts  zu  tun.  Dass  das  Urteil  im  Sinne  ärztlicher  Auffassung  ge¬ 
sprochen  wird,  wird  dadurch  nicht  verhindert;  das  beweisen  die  gün¬ 
stigen  Erfahrungen^  die  mit  den  preussischen  ärztlichen  Ehrengerich¬ 
ten  gemacht  wurden. 

Es  sind  daher  juristische  Beisitzer  für  unsere  ärztlichen  Ehren¬ 
gerichte  zu  fordern;  es  ist  aber  ferner  das  Recht  der  Zeugenladung 
für  sie  zu  verlangen.  Dr.  Q  u  i  d  d  e  hat  vor  Gericht  das  Ehrengericht 
des  ärztlichen  Bezirksvereins  einen  öffentlichen  Skandal  genannt,  weil 
es  keine  Laien  als  Zeugen  vernehmen  könne.  Es  kann  dies  nicht,  weil 
es  sie  weder  laden  noch  beeidigen  kann.  Wir  hoffen,  dass  Herr 
Dr.  Quid  de  im  Landtag  dahin  wirken  wird,  dass  den  ärztlichen 
Ehrengerichten  das  Recht,  Zeugen  zu  laden  und  zu  vereidigen,  ge¬ 
geben  und  iso  diese,  wie  wir  zugeben,  durchaus  unvollkommene  In¬ 
stitution  verbessert  wird.  Auch  die  Regierung  hat,  wie  uns  scheint, 
ein  lebhaftes  Interesse  daran,  angesichts  der  an  den  ärztlichen  Ehren¬ 
gerichten,  die  doch  einen  Teil  der  staatlichen  ärztlichen  Organisation 
bilden,  geübten  öffentlichen  Kritik,  die  Frage  der  Reorganisation  dieser 
Einrichtung,  die  seit  dein  Jahre  1901  schlummert,  von  neuem  in 
Angriff  zu  nehmen.  Nach  den  Ereignissen  der  jüngsten  Zeit  kann 
diese  Frage  nicht  mehr  von  der  Tagesordnung  verschwinden,  onne 
eine  Lösung  gefunden  zu  haben. 


25  lü 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  30. 


-  Die  Vertrauensmännerversa  m  mlung  des  Leip¬ 
ziger  Verbandes,  die  am  17.  v.  Mts.  in  Leipzig  stattfand,  hat 
sich  eingehend  mit  der  Frage  der  weiteren  Durchführung  der  freien 
Arzt  w  a  h  1  beschäftigt.  Die  Versammlung  ist  dabei  zur  Aufstel¬ 
lung  nachstehender  Grundsätze  gekommen: 

„Wenn  auch  unsere  Forderungen  zur  Regelung  des  ärztlichen 
Dienstes  bei  den  Krankenkassen  durch  wiederholte  Beschlüsse  der 
deutschen  Aerztetage  unverrückbar  festgelegt  sind,  so  sind  ange¬ 
sichts  der  Widerstände  der  vereinigten  Verbände  der  Orts-  und 
Betriebskrankenkassen  und  der  Haltung  der  Regierung  die  Aussichten 
auf  Berücksichtigung  derselben  im  Krankenversicherungsgesetz  sehr 
gering.  Die  vierte  Vertrauensmännerversammlung  des  Leipziger  Ver¬ 
bandes  ist  deshalb  entschlossen,  auf  dem  bisher  mit  Erfolg  betretenen 
Wege  der  Selbsthilfe  weiter  zu  gehen  und  an  den  Direktiven  des 
Geschäftsausschusses  und  den  Beschlüsen  der  Vertrauensmännerver¬ 
sammlung  vom  6.  November  1904  unbedingt  festzuhalten.  Sie  betont 
nochmals: 

1.  Es  soll  bei  Abschluss  neuer  Verträge  und  bei  jeder  sich 
bietenden  Gelegenheit  die  freie  Arztwahl  erstrebt  werden. 

2.  Insbesondere  soll  die  freie  Arztwahl  überall  da  eingeführt 
werden,  wo  sich  die  beteiligten  bisherigen  Kassenärzte  in  ihrer  Mehr¬ 
heit,  wenigstens  zu  zwei  Drittel,  dazu  bereitfinden  lassen,  oder  wo 
die  ärztliche  Organisation  über  die  allgemeine  Durchführung  der 
freien  Arztwahl  bindende  Beschlüsse  gefasst  hat. 

.3.  Der  Besitzstand  von  Kollegen  (an  fixierten  Kassenarztstellen) 
ist  zu  berücksichtigen  und  bei  Einbussen  eine  zeitlich  begrenzte  Ein¬ 
kommengarantie  in  Erwägung  zu  ziehen. 

4.  Wo  sich  die  Inhaber  fester  Kassenarztstellen  nicht  dazu  bereit 
finden  lassen,  soll  die  Aufbesserung  der  Honorare  ebenfalls  ange¬ 
strebt  und  die  freie  Arztwahl  allmählich  dadurch  eingeführt  werden, 
dass  ohne  Zustimmung  der  zuständigen  Vertragskommission  niemand 
Kassenarztstellen  übernimmt,  die  durch  Verzug  oder  Tod  oder  durch 
Kündigung  seitens  der  Kasse,  die  der  ärztliche  Verein,  die  Vertrags- 
ikoinrmssion  oder  die  staatliche  Standesvertretung  als  berechtigt  an¬ 
sieht,  frei  werden. 

5.  Im  Interesse  eines  wirksamen  Zusammenschlusses  ist  bei  jeder 
geplanten  Erhöhung  kassenärztlicher  Honorare  auf  organisatorischem 
Wege  darauf  Rücksicht  zu  nehmen,  dass  kein  zur  Kassenpraxis  be¬ 
reiter  Arzt  von  dieser  ausgeschlossen  bleibt. 

6.  Die  Einführung  der  freien  Arztwahl  muss  das  Endziel  aller 
organisatorischen  Bestrebungen  sein  und  bleiben.  Deshalb  hat  uer 
L.  W.  V.  überall  da  einzugreifen,  ihre  Einführung  überall  da  zu  unter¬ 
stützen,  wo  die  beteiligten  Kassenärzte  in  ihrer  Mehrheit,  wenigstens 
zu  zwei  Drittel,  damit  einverstanden  sind,  jedoch  niemals  gegen  ihren 
Willen.  Wenn  die  örtlich  beteiligten  Kollegen  sich  geeinigt  haben, 
hat  er  einzugreifen.  B  Fs  dahin  erstreckt  sich  seine  Tä¬ 
tigkeit  nu  r  auf  die  Belehrung  über  die  Vorzüge  des  Systems  der 
freien  Arztwahl  und  auf  den  Ausgleich  und  die  Versöhnung  vor¬ 
handener  Gegensätze. 

7.  Bei  unseren  Bestrebungen  auf  Förderung  unserer  wirtschaft¬ 
lichen  Standesinteressen  gilt  es  als  vornehmstes  Gebot,  die  Schädi¬ 
gung  einzelner  Kollegen  zu  vermeiden.  Deshalb  fordert  die  vierte 
Vertrauensmännerversammlung  die  Sektionsvorstände  und  Vorsteher 
der  Ortsgr uppen  auf,  allenthalben  energisch  auf  die  Errichtung  von 
Garantieabkommen  im  Sinne  der  in  Münster  i.  W.  angenommenen 
Pfälzischen  Leitsätze  hinzuwirken.4* 

Durch  diese  Leitsätze  wird  die  vielumstrittene  Frage,  was  unter 
„beteiligten  Aerzten  im  Sinne  der  Direktiven  des  Geschäftsaus- 
schusses  zu  verstehen  sei,  entschieden.  Es  sind  also  nicht,  wie 
noch  in  Münster  eine  starke  Strömung  verlangte,  die  ortsansässigen 
organisierten  Aerzte,  sondern  die  bisherigen  Kassenärzte,  die  in  ihrer 
(-/3)  Mehrheit  zustimmen  müssen,  wenn  eine  Kasse  mit  Hilfe  des 
Leipziger  Verbandes  der  freien  Arztwahl  zugeführt  werden  soll.  Auch 
sonst  sind  die  Leitsätze  in  gemässigtem  Geiste  gehalten,  so  dass 
sie  einen  günstigen  Eindruck  nicht  verfehlen  werden. 

-  Die  diesjährige  Plenarsitzung  des  verstärkten 
über  medizinal  ausschusses  findet  Montag,  den  16  De¬ 
zember  und  an  den  folgenden  Tagen  vormittags  9  Uhr  im  Sitzungs- 
saal  des  Kgl.  Staatsministeriums  des  Innern  statt.  Beratungsgegen- 
stande  sind: 

1.  Das  Apothekenwesen  (Entwurf  eines  Reichsapothekengesetzes, 
Entwurf  einer  Kgl.  Verordnung,  die  Apothekerkammern  betreffend). 
Referenten:  Herr  Apotheker  Dr.  v.  Pieverling  und  Herr  Geh. 
Regierungsrat,  Universitätsprofessor  Dr.  Paul. 

2.  Die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst. 

3.  Errichtung  geschlossener  Trinkerasyle  in  Bayern.  Mass¬ 
nahmen  gegen  den  Missbrauch  geistiger  Getränke.  Errichtung  von 
Heilstätten  für  Alkoholkranke. 

—  Wie  die  Frankfurter  Zeitung  aus  Köln  berichtet,  nahm  eine 
zahlreich  besuchte  Mitgliederversammlung  der  dortigen  Krankenkasse 
eine  Entschliessung  an,  durch  welche  das  System  der  freien  Arzt¬ 
wahl  für  undurchführbar  erklärt  wird.  Als  dringendste  Pflicht  der 
Kassenvorstände  wird  es  bezeichnet,  mit  allen  zu  Gebote  stehenden 
Mitteln  eine  Aenderung  dieses  Systems  bei  den  in  Betracht  kommen¬ 
den  Kassen  zu  bewirken,.  Hierzu  wird  seitens  des  L.  V.  bemerkt,  dass 
die  Ausgaben  der  Ortskrankenkasse  für  die  in  Fabriken  des  Gemeinde¬ 
bezirks  Köln  beschäftigten  Personen  nur  dadurch  in  angeblich  un¬ 


erträglichem  Umfange  gestiegen  sind,  weil  die  seit  1897  zur  Zufrieden¬ 
heit  der  Kasse  arbeitende  Einrichtung  der  ärztlichen  Nachunter¬ 
suchungen  aus  formellen  Gründen  abgeschafft  wurde,  da  die  Verpflich¬ 
tung  der  Kassenmitglieder,  vor  der  ärztlichen  Nachuntersuchungs¬ 
kommission  zu  erscheinen,  im  Kassenstatut  nicht  vorgesehen  war. 
Der  Kassenvorstand  unterliess  es  jedoch,  einen  zur  Aufnahme  dieser 
Verpflichtung  in  die  Satzungen  erforderlichen  Generalversammlungs¬ 
beschluss  herbeizuführen,  auch  wurden  die  Nachuntersuchungen  bei 
den  Versicherten  nach  Möglichkeit  unbeliebt  gemacht  und  letztere 
in  den  Versammlungen  gegen  diese  Einrichtung  aufgewiegelt.  Dieses 
Verhalten  des  Vorstandes  war  gleichbedeutend  mit  einer  Förderung 
der  Simulation  und  jeder  anderen  Form  der  unberechtigten  Verwen¬ 
dung  von  Kassenmitteln. 

—  Am  3.  ds.  fand  in  Berlin  die  feierliche  Grundsteinlegung  zum 
„Auguste  Viktoria-Haus  zur  Bekämpfung  der  Säug¬ 
lingssterblichkeit  im  Deutschen  Reiche“  statt.  Der  zu¬ 
künftige  Leiter  der  Anstalt,  Privatdozent  Dr.  Keller  erhielt  den 
Professortitel,  ebenso  die  Kinderärzte  Dr.  Hugo  Neumann,  Dr. 
B  e  n  d  i  x  und  Dr.  Cassel. 

—  Im  Kai  serin  - Friedrich-Hause  hielt  am  Geburtstage 
der  verewigten  Fürstin  die  Kaiserin-Friedrich-Stiftung,  der  die  Unter¬ 
haltung  des  Hauses  obliegt,  ihre  Hauptversammlung  ab.  Aus  dem 
Jahresbericht  ging  hervor,  dass  im  abgelaufenen  Jahre  stattgefunden 
haben:  1.  für  Aerzte  vom  Zentralkomitee  für  das  ärztliche  Fortbil¬ 
dungswesen  veranstaltet  29  Kurse,  ferner  2  Vortragszyklen  mit  zu¬ 
sammen  24  Vorträgen,  und  vom  „Seminar  für  soziale  Medizin“  ver¬ 
anstaltet  7  Vorträge;  2.  für  Studierende  1U  Universitätskurse  von 
ausserordentlichen  Professoren  und  Dozenten  der  Medizin;  3.  ge¬ 
meinnützige  Kurse  und  Vorträge  des  „Vaterländischen  F'rauenvereins“ 
(1U  Vorträge),  des  „Samaritervereins  vom  Roten  Kreuz“  (24  Kurs¬ 
stunden),  des  „Vereins  freiwilliger  Krankenpfleger  im  Kriege  vom 
Roten  Kreuz“  (Samariterkurse).  Die  Dauerausstellung  für  die  ärzt¬ 
lich-technische  Industrie  ist  von  ca,  5000  Personen  besucht  worden. 
Was  endlich  die  staatliche  Sammlung  ärztlicher  Lehrmittel  anlangt,  so 
ist  die  Benutzung  ihrer  Objekte,  die  unentgeltlich  nicht  allein  für  die 
Zwecke  des  Universitäts-  und  Aerzteunterrichts,  sondern  auch  für  die 
Förderung  des  Anschauungsunterrichts  im  Dienste  der  Volksbelehrung 
verliehen  werden,  eine  stetig  zunenmende. 

Am  14.  November  fand  die  erste  Jahressitzung  des 
Deutschen  Institutesfür  ärztliche  Mission  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.  statt.  Nach  dem  Geschäftsbericht  bestand  die  Arbeit  des 
ersten  Geschäftsjahres  in  einer  umfangreichen  Werbetätigkeit  zur  Ver¬ 
breitung  einer  allgemeineren  Kenntnis  über  die  humanitären,  kultu¬ 
rellen  und  religiösen  Ziele  der  ärztlichen  Mission,  sowie  zur  Auf¬ 
bringung  der  Mittel  zum  Bau  und  Betrieb  des  missionsärztlichen 
Institutes  in  Tübingen,  wofür  im  ganzen  112  000  M.  aufgebracht  wer¬ 
den  konnten.  Als  zukünftiger  Leiter  des  Institutes  wurde  Dr.  Fie- 
big-Jena  gewonnen,  dem  langjährige  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete 
sowohl  der  Tropenkrankheiten  a's  auch  der  Missionstätigkeit  zur 
Seite  stehen.  Für  Bau  und  innere  Einrichtung  des  Institutes  sind 
250  000  M.  erforderlich,  von  denen,  nachdem  der  Bauplatz  im  Werte 
von  30  000  M.  gestiftet  wurde,  noch  mindestens  40  000  M.  aufzubringen 
sind,  ehe  der  Bau  in  Angriff  genommen  werden  kann.  Zweck  des 
Institutes  ist  bekanntlich  ausser  der  Ausrüstung  der  Missionäre  mit 
den  notwendigsten  ärztlichen  Kenntnissen,  die  Ausbildung  junger  Me¬ 
diziner  für  den  Dienst  als  Aerzte  in  den  Arbeitsgebieten  aller  deutschen 
und  schweizerischen  evangelischen  Missionsgesellschaften,  die  da¬ 
durch  auch  für  die  Pionierarbeit  vorgebildet  werden,  die  dem  deut¬ 
schen  Arzt  in  unseren  Kolonien  als  schöne  Aufgabe  zufällt. 

■ —  In  G  ö  1 1  i  n  g  e  n  bildete  sich  mit  Beginn  des  Wintersemesters 
eine  Vereinigung  der  K  1  i  n  i  z  i  s  t  e  n,  die  einen  engeren  Zu¬ 
sammenschluss  der  Kollegen  zu  gemeinsamer  Interessenvertretung,  zu 
Einführung  in  soziale  Fragen  des  ärztlichen  Standes,  sowie  zur  engeren 
Verbindung  mit  den  Dozenten  der  medizinischen  Fakultät  und  den 
Klinizisten  der  übrigen  deutschen  Universitäten  bezweckt.  Es  sollen 
in  Verfolgung  dieser  Ziele  monatlich  einmal  ordentliche  Versamm¬ 
lungen  mit  Vorträgen  und  Diskussionen,  ferner  alle  14  Tage  zwanglose 
KLinikerabende  stattfinden,  Vorbedingung  für  die  Aufnahme  in  die 
Vereinigung  ist  das  Bestehen  des  Physikums  an  einer  deutschen 
Universität. 

—  Mit  Bezug  auf  die  Arbeit  des  Herrn  Prof.  W.  A.  Freund 
in  No.  48  d.  W.  ersucht  uns  Herr  Dr.  Adolf  Mayer,  prakt.  Arzt  in 
Naisa  b.  Bamberg  zu  konstatieren,  dass  er  die  Resektion  der 
1.  Rippe  bei  Lungenspitzen  phthise  bereits  in  einer  im 
Jahre  1905  erschienenen  Broschüre  „Ueber  eine  operative  Behand¬ 
lungsweise  der  vorgeschrittenen  Lungenschwindsucht“  angeregt  habe. 

In  der  Tat  wird  in  der  genannten  Broschüre  dieser  Vorschlag  gemacht. 
Im  Fiebrigen  ist  der  Inhalt  dieser  seltsamen  Broschüre  durchaus  un¬ 
wissenschaftlich  und  für  Laien  geschrieben,  wie  folgender  Satz  zur 
Genüge  beweist:  „Phthisiker  im  vorgeschrittenen,  hoffnungslosen  Sta¬ 
dium  —  oder  deren  Angehörige  —  wollen  sich  mit  dem  Verfasser 
in  Verbindung  setzen  behufs  Erwägung  der  Vornahme  dieser  Ope¬ 
ration“. 

—  Der  29.  Baineologenkongress  wird  vom  5.  bis 
9.  März  1908  in  Breslau  tagen.  Bei  dieser  Gelegenheit  wird  die 
Enthüllung  des  von  der  Baineologischen  Gesellschaft  gestifteten  Denk¬ 
mals  für  Hermann  Brehmer  stattfinden.  Anmeldungen  von  Vor¬ 
trägen  sind  zu  richten  an  den  Generalsekretär  der  Baineologischen 


10.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2511 


Gesellschaft,  Herrn  Qeheimrat  Dr.  Brock,  Berlin  NW.,  Thomasius- 

st lasse  “i'egenüber  der  grossen'  Zahl  klinischer  Spezialzeitschriften, 
über  welche  die  deutsche  Literatur  verfügt,  war  die  englische  Literatur 
bisher  arm  an  geeigneten  Archiven  für  grössere  wissenschaftliche  Ar¬ 
beiten  "  Diesem  Mangel  soll  eine  neue  Zeitschrift  abhelfen,  die  von 
O  s  1  er  Bradford,  Qarrod,  R.  Hutchinson,  R  o  1 1  e  s  t  o  n 
und  Haie  White  unter  dem  Namen  „T  he  Quart  erly  Journal 
o  f  M  e  d  i  c  i  n  e“  begründet  wurde  und  deren  1.  Heft  soeben  erschien. 
Die  neue  Zeitschrift  kommt  in  Oxford  (Clarendon  Press),  wie  der 
Name  sagt,  vierteljährlich,  heraus  und  kostet  25  sh.  für  den  Jahrgang, 

ins  Ausland  26  sh.  6  d.  .........  c 

—  Durch  Erlass  des  preussischen  Medizinalmimsters  vom  8.  No¬ 
vember  1.  J.  werden  die  Provinzialschulkollegien  und  Regierungen  auf 
die  von  den  Professoren  Hofrat  Dr.  M.  Q  ruber  und  Hofrat 
Dr  Kraepelin  in  München  herausgegebenen  „Wandtafeln 
zu’r  Alkoholfrage“,  als  geeignet,  die  Belehrung  über  die  Alko¬ 
holgefahr  wirksam  zu  unterstützen,  besonders  aufmerksam  gemacht 
und  beauftragt,  die  Leiter  der  Lehranstalten  empfehlend  311  f  das 

Werk  hinzuweisen.  „  XI  ,  .  ,  ,  , 

_  Cholera.  Russland.  Vom  6.— 12.  November  sind  nach  den 

amtlichen  Angaben  im  Regierungsanzeiger  an  der  Cholera  in  ganz 
Russland  403  Personen  erkrankt  (und  225  gestorben).  In  der  Stadt 
Kiew  sind  zufolge  anderweitiger  Nachricht  während  der  am  23. 
November  abgelaufenen  Woche  nur  3  Personen  an  der  Cholera  ge¬ 
storben  und  14  neu  erkrankt;  in  den  Krankenhäusern  der  Stadt  be¬ 
fanden  sich  am  25.  November  angeblich  noch  33  Cholerakranke.  — 
Türkei.  Zufolge  einer  Mitteilung  vom  29.  November  sind  in  der 
Quarantänestation  Sinope  am  Schwarzen  Meere  30  russische  Pilger 
an  der  Cholera  erkrankt  und  mehrere  von  ihnen  gestorben. 

_  Pest.  Aegypten.  Vom  16. — 23.  November  wurden  23  neue 

Erkrankungeu  (und  8  Todesfälle)  an  der  Pest  gemeldet.  —  Tunis. 
Zufolge  einer  Mitteilung  vom  30.  November  ist  in  der  Stadt  Tunis  ein 
weiterer  Pestfall  vorgekommen.  Auch  in  Biserta  ist  1  Person  an 
der  Pest  erkrankt.  —  Britisch-Ostindien.  Vom  13. — 19.  Oktober  sind 
in  ganz  Indien  9338  Todesfälle  und  12  987  neue  Erkrankungen  an  der 
Pest  gemeldet.  —  Straits  Settlements.  In  Singäpore  sind  am  23. 
Oktober  wiederum  2  Pestfälle  vorgekommen.  —  Zanzibar.  Zufolge 
einer  weiteren,  genaueren  Mitteilung  wurden  Mitte  Oktober  in  Zanzi¬ 
bar  2  tödlich  verlaufene  Krankheitsfälle  beobachtet,  von  denen  nach 
dem  Ergebnisse  der  bakteriologischen  Untersuchung  der  eine  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit,  der  andere  mit  Sicherheit  als  Pestfall 
erkannt  worden  ist.  —  Brasilien.  In  Rio  de  Janeiro  wurden  vom  19. 
August  bis  27.  Oktober  45  Erkrankungen  und  14  Todesfälle  an  der 
Pest  gemeldet.  —  Queensland..  In  Cairns  wurden  nach  den  bis  zum 
5.  Oktober  reichenden  amtlichen  Meldungen  iseit  dem  21.  September 
6  Pesterkrankungen  mit  4  Todesfällen  festgestellt. 

—  In  der  47.  Jahreswoche,  vom  17. — 23.  November  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Zabrze  mit  26,7,  die  geringste  Schöneberg  mit  7,7  Todesfällen 
pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel  aller  Gestorbenen 
starb  an  Scharlach  in  Beuthein,  an  Diphtherie  und  Krupp  in  Linden. 

V.  d.  K.  G.-A. 


(H  0  c  h  s  c  h  u  1  n  a  c  h  r  i  c  h  t  e  n.) 

Berlin.  Dr.  med.  Edgar  G  i  e  r  k  e,  bisher  Privatdozent  für 
allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie  an  der  Universität 
Freiburg  i.  Br.  wurde  von  Geheimrat  Orth  als  Abteilungsassistent 
und  Leiter  der  histologischen  Abteilung  an  das  pathologische  Institut 
der  hiesigen  Universität  berufen.  Gleichzeitig  wurde  er  als  Privat¬ 
dozent  in  die  Berliner  medizinische  Fakultät  übernommen,  (hc.) 
—  Vom  preussischen  Kultusministerium  ist  ein  Ruf  an  den  ordentlichen 
Professor  der  Pharmakolgie  an  der  Wiener  Universität,  Dr.  med. 
Hans  Horst  Meyer  ergangen,  als  Nachfolger  des  schwererkrankten 
Professors  und  Direktors  des  pharmakologischen  Instituts  Berlin  Geh.- 
Rats  Liebreich,  (hc.) 

Breslau.  Dr.  med.  Wilhelm  Danielsen  habilitierte  sich 
für  Chirurgie.  Antrittsvorlesung:  Die  Ergebnisse  der  Resorptions¬ 
forschung  für  die  Behandlung  akuter  Entzündungen. 

Erlangen.  Dieser  Tage  starb  hier  der  Syndikus  Herr  Uni¬ 
versitätsrat  Re  titsch  im  66.  Lebensjahr,  der  sich  während  seiner 
fast  18  jährigen  Amtsführung  die  grössten  Verdienste  um  die  Ver¬ 
waltung  der  Universität  erworben  hat.  Eben  jetzt,  wo  der  gross¬ 
artige  Neubau  der  hiesigen  Frauenklinik  unter  Dach  gekommen  ist, 
erleidet  die  hiesige  Universität  wieder  den  Verlust  ihres  Ordinarius 
für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  Prof.  Dr.  Menge,  der  einen  Ruf 
nach  Heidelberg  als  Nachfolger  Rosthorns  erhalten  und  ange¬ 
nommen  hat. 

F  r  e  i  b  u  r  g  i.  Br.  Die  Gesamtzahl  der  Studierenden  an  der 
hiesigen  Universität  beträgt  im  laufenden  Wintersemester  1814,  gegen 
1744  im  Wintersemester  1906/07.  Davon  sind  580  (546)  Mediziner 
und  Pharmazeuten.  —  Für  das  Fach  der  Pharmakologie  habilitierte 
sich  an  der  hiesigen  Universität  der  Assistent  am  pharmakologischen 
Institut  Dr.  phil.  et  med.  Hermann  F.ü  h  n  e  r.  Dr.  F  ü  h  n  e  r  war 
bisher  am  Würzburger  pharmakologischen  Institut  unter  Professor 
Straub  tätig  und  folgte  demselben  mit  1.  Oktober  d.  J.  nach  Frei- 
burg  i.  Br.  (hc.) 

Giessen.  Der  hiesigen  Universität  ist  vom  Verein  hessischer 
Zahnärzte  der  Betrag  von  2000  Mark  übergeben  worden.  Die  Zinsen 


dieser  Stiftung,  die  den  Namen  „K  0  c  h  -  S  t  i  f  t  u  n  g  d  e  s  Vereins 
hessischer  Zahnärzte“  führen  soll,  sollen  nach  der  Begrün¬ 
dung  eines  zahnärztlichen  Institutes  der  Universität  dem  Leiter  des¬ 
selben  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  zur  Verfügung  gestellt  werden. 

G  ö  1 1  i  n  g  e  n.  Universitätsfrequenz :  Evangelisch-theologische 
Fakultät  102,  juristische  Fakultät  441,  medizinische  Fakultät  188,  Philo¬ 
logische  Fakultät  1126.  Mithin  Gesamtzahl  der  Immatrikulierten  1857. 
Dazu  kommen  221  zum  Hören  berechtigte  nicht  immatrikulations¬ 
fähige  Personen,  darunter  149  Frauen.  Mithin  Gesamtfrequenz  2073. 

Greifswald.  Die  Gesamtzahl  der  an  der  hiesigen  Universität 
im  laufenden  Semester  immatrikulierten  Studierenden  beträgt  803, 
gegen  816  im  vorigen  Wintersemester,  davon  in  der  medizinischen 
Fakultät  186  (179).  (hc.) 

Halle  a.  S.  Von  der  Kaiserlichen  Leopoldinisch-Karolinischen 
Deutschen  Akademie  der  Naturforscher  in  Halle  wurde  als  Mitglied 
neu  aufgenommen  der  Privatdozent  für  Pädiatrie  an  der  Universität 
und  leitende  Primararzt  der  Kinderabteilung  am  St.  Johannesspital 
in  Budapest,  Dr.  Felix  v.  Szontagh.  (hc.) 

Heidelberg.  An  der  hiesigen  Universität  sind  im  laufen¬ 
den  Winterhalbjahr  insgesamt  1676  Studierende  immatrikuliert  gegen 
1603  im  vorigen  Winterhalbjahr,  davon  385  (327)  Mediziner.  —  Als 
Nachfolger  des  nach  Wien  berufenen  Direktors  der  Universitäts- 
Frauenklinik  hat  Prof.  M  e  n ge  -  Erlangen  einen  Ruf  erhalten.  —  Dem 
Fonds  zur  Errichtung  eines  Krebsinstitutes  in  Heidelberg  sind  nach  der 
„Chronik4  weitere  reiche  Schenkungen  im  Betrage  von  zusammen 
55  181  M.  30  Pf.  zugeflossen,  so  dass  die  Gesamtsumme  derselben 
jetzt  878  185  M.  82  Pf.  (davon  220  M.  Jahresbeiträge)  ausmacht,  (hc.) 

Kiel.  Professor  Dr.  Willy  Ansch  ü  t  z,  bisher  in  Breslau,  hat 
am  5.  Dezember  die  Leitung  der  chirurgischen  Klinik  als  Nachfolger 
Geh.-Rat  H  e  1  f  e  r  i  c  h  s  übernommen. 

Marburg.  Dr.  med.  Rudolf  Häcker,  bisher  Privatdozent  für 
Chirurgie  und  Assistenzarzt  an  der  chirurgischen  Klinik  zu  Greifswald, 
der  mit  1.  Oktober  1907  seinem  Chef,  Geh.  Rat  Prof.  Friedrich, 
als  erster  Assistenzarzt  an  die  Marburger  chirurgische  Klinik  folgte, 
wurde  in  den  Lehrkörper  der  dortigen  medizinischen  Fakultät  als 
Privatdozent  übernommen.  —  Die  Gesamtzahl  der  an  der  hiesigen 
Universität  im  laufenden  Wintersemester  immatrikulierten  Studieren¬ 
den  beträdt  1670,  gegen  1443  im  vorigen  Wintersemester;  davon 
in  der  medizinischen  Fakultät  261  (219).  (hc.) 

München.  In  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  in  München 
wurden  in  diesem  Herbst  durchgreifende  Aenderungen  ausgeführx. 
Das  vor  6  Jahren  im  Hofe  der  Frauenklinik  erbaute  Hebammenschul¬ 
gebäude  wurde  zu  einer  ganz  neu  eingerichteten  gynäkologischen 
Krankenabteilung  umgewandelt.  Der  grosse,  nach  modernen  Grund¬ 
sätzen  erbaute  Gebärsaal  wurde  zum  Operationssaal  bestimmt  und 
die  anstossenden  Räumlichkeiten  zu  Desinfektions-  und  Vorbereitungs¬ 
räumen.  Die  von  L  a  u  t  e  n  s  c  h  1  ä  g  e  r  in  Berlin  gelieferten  Sterili¬ 
sationsapparate  entsprechen  den  neuesten  Anforderungen.  Da  das 
ganze  Haus  für  diesen  Zweck  zur  Verfügung  steht,  können  60—80 
Kranke  unter  den  günstigsten  hygienischen  Bedingungen  Aufnahme 
finden.  Die  Krankenpflege  ist  in  'die  Hände  der  barmherzigen 
Schwestern  gelegt.  Die  oft  beklagten  Missstände  des  nunmehr  aus¬ 
schliesslich  der  Geburtshilfe  dienenden  alten  Vordergebäudes  werden 
durch  einen  in  Aussicht  genommenen  Neubau  in  absehbarer  Zeit  eben¬ 
falls  beseitigt  werden.  Dr.  phil.  Franz  Doflein,  Privatdozent  für 
Zoologie  und  vergleichende  Anatomie  und  zweiter  Konservator  an 
der  zoologischen  Sammlung  des  Staates,  wurde  ohne  Aenderung  seiner 
Stellung  an  dieser  Sammlung  zum  ausserordentlichen  Professor  für 
Systematik  und  Biologie  der  1  iere  an  der  hiesigen  Universität  er¬ 
nannt.  (hc.) 

Münster  i.  W.  An  der  hiesigen  Universität  sind  in  diesem 
Wintersemester  1606  Studierende  immatrikuliert  und  101  Hörer  zu¬ 
gelassen.  Die  Geisamtfrequenz  beträgt  demnach  1707.  Eine  erhebliche 
Steigerung  hat  wiederum  die  Zahl  der  Studierenden  der  Medizin  auf- 
zu weisen,  welche  das  erste  Hundert  bereits  überschritten  hat  und 
auf  120  immatrikulierte  Studierende  angewachsen  ist;  dazu  kommen 
dann  noch  21  Studierende  der  Zahnheilkunde.  —  In  dem  ersten  Prü¬ 
fungsjahr  der  ärztlichen  Vorprüfung  an  der  hiesigen  Universität, 
welches  iseit  Einsetzung  der  Prüfungskommission  an  der  hiesigen 
Universität  mit  dem  1.  Oktober  d.  J.  seinen  Abschluss  gefunden  hat, 
haben  sich  28  Studierende  der  Medizin  der  ärztlichen  V  0  r  p  r  ü  - 
fung  unterzogen,  wovon  17  Examinanden  bestanden,  darunter  3  mit 
dem  Prädikate  sehr  gut.  Seit  dem  1.  Oktober  d.  J.  haben  sich  inner¬ 
halb  der  ersten  6  Wochen  dieses  Wintersemesters  noch  8  Studierende 
der  Medizin  der  ärztlichen  Vorprüfung  unterzogen,  wovon  einer  nicht 
bestand.  —  Dem  Kgl.  Kreisarzt  und  Vorsteher  des  Medizinalunter¬ 
suchungsamtes  in  Münster  i.  W.,  Dr.  med.  Alwin  Besserer,  ist  ein 
Lehrauftrag  für  gerichtliche  Medizin  (für  Juristen)  an  der  Universität 
Münster  erteilt  worden,  (hc.) 

Rostock.  An  der  hiesigen  Universität  sind  im  laufenden  Se¬ 
mester  648  Studierende  immatrikuliert,  gegen  653  im  Wintersemester 
1906/07,  davon  in  der  medizinischen  Fakultät  137  (gegen  100).  (hc.) 

Tübingen.  Die  Zahl  der  immatrikulierten  Studierenden  in 
diesem  Semester  beträgt  1578  gegenüber  1522  im  Wintersemester 
1906/07,  dazu  kommen  108  Hörer.  Die  Medizinerzahl  ist  263  (darunter 
6  weibliche)  gegenüber  215  im  letzten  Wintersemester. 


2512 


AU  ENCHKNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


No.  50. 


•  •  L\ m *  rVxu‘  ,  1)r*  ßraillon  wurde  zum  Professor  der  medi¬ 
zinischen  Pathologie  ernannt. 

.  .  Clermont.  Dr.  Maurin  wurde  zum  Professor  der  medi¬ 
zinischen  Klinik,  Dr.  P-iollet  zum  Professor  der  Histologie  er- 
ernannt.  s 

Grenoble.  Dr.  T  e  r  m  i  e  r  wurde  zum  Professor  der  Phy¬ 
siologie  ernannt.  y 

p.  ir£>e1m£uerg;.I^ls  Privaidozent  wurde  zugelassen  und  bestätigt 

•  ’lcd-  rheopml  Zalewski  für  Ohrenheilkunde. 

•  •  .  an,l1es''.  Margu-ery  wurde  zum  Professor  der  medi¬ 
zinischen  Chemie  ernannt. 

•  ■  r  d5',-  Dem  or'dentlichen  Professor  und  Direktor  der  II.  medi¬ 
zinischen  Klinik  an  der  hiesigen  deutschen  Universität,  Obersanitätsrat 
Vr-  ^d;  R^olf  Jaks  ch  Ritter  von  Wartenhorst,  wurde 
der  Titel  eines  Hofrates  verliehen. 

Rouen.  Dr.  Halipre  wurde  zum  Professor  der  Histologie 
ernannt. 

,  ,  wien  Dr.  med.  Karl  Landsteiner,  Privatdozent  für  pa¬ 
thologische  Anatomie  und  Assistent  am  pathologisch-anatomischen 
der  Wiener  Universität,  wurde  zum  Proseiktor  im  K  K 
Wilhelminenspital  daselbst  ernannt. 

Zürich.  Der  a.  o.  Professor  der  Pharmakologie  und  Direktor 
des  pharmakologischen  Institutes  an  der  Universität  Zürich,  Dr.  Max 
C  1  o  e  1 1  a,  wurde  zum  ordentlichen  Professor  ernannt. 
(Todesfälle.) 

n  rDeI  a'  °- Profess.or  an  der  Universität  Breslau,  Geh.  Medizinalrat 
Dr.  Ludwig  Hirt,  Spezialarzt  für  Nervenkranke,  ist  im  Alter  von 
63  Jahren  gestorben. 

Der  Dresdener  Kinderarzt,  Geh.  Hofrat  Dr.  Unruh,  ist  nach 
langem  Leiden  in  Weisser  Hirsch  bei  Dresden  gestorben 

Der  mit  einem  ausgesprochenen  poetischen  Talent  begabte  prak¬ 
tische  Arzt  Dr.  med.  Artur  Po  llack  ist  in  Dresden  gestorben. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Niederlassung:  Dr.  Spiegel  in  Albersweiler,  Dr.  L  a  s  - 

'  C  s  1IL^weibrucken>  IDr-  R  ö  d  i  g  e  r  als  Spezialarzt  für  Hals 
Nasen  und  Ohren  m  Landau.  ’ 

Versetzt:  Der  Bezirksarzt  I.  Klasse  Dr.  Hermann  Gros  in- 

ÄÄ  entsprechend,  in  gleicher  Eigenschaft  nach 

Erledigt:  Die  Bezirksarztstelle  I.  Klasse  in  Parsberg.  Be- 
\v  ei  ber  um  dieselbe  haben  ihre  vorschriftsmässig  belegten  Gesuche 

7u‘  d2e9r  nae_n  Vorgesetzten  K.  Regierung,  Kammer  des  Innern,  bis 
zum  22.  Dezember  1.  J.  einzureichen-, 

rrzt  aeDti°r,rT™nnLiVledi?inalnt  Dr-  Emil  Qesse1  e,  K.  Bezirks- 
,  m-  u  m.Traanstei'i<  <m  Alter  von  76  Jahren.  Dr.  Hans  Baur 
in  Manchen,  im  Alter  von  40  Jahren.  aur 


Korrespondenz. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

er  ÄiiiJs“  d/;  bSSÄ  W^h»»^ 

r^Äa"m„cT-  ^ww*"  —  ä 


Idiotenfürsorge  in  Deutschland. 

Mi  t  Vr  f  der 

ÄJSSS;  dfe  f  r  U  h  er  MSt  fÜr  Ä 

bei  der  Pflege  nicht  mehr  im  mi  llbllch  gewesenen  Zwangsstühlc 

MÜSSS**  — 

s£S££\SS  H  “  -  -  « 

r:  ran  H  “  ■  r. 

ter  Pfleglinge  bestimmt  sind  Niemals  abeVwfrd"  ^ 

^h,„g  dieser  Pflegeans.altiT;»^»« 

Verl»«  voi  I - -  München  -  Druck  von 


werde!  ^  *****  Abnorme  die  Strafe  dei'  Kostentziehung  verhängt 

Hofiat  Dr.  Jochner,  Landratsreferent. 

R.  Otto:  Zur  Frage  der  Serumüberempiindlichkeit. 

(Berichtigung  zu  dem  gleichlautenden  Aufsatze  in  No.  34  dieses  lahr- 
.  ,  ,  ganges.) 

SchtuLSeV  häese„*bSChni,‘e  **  oW**"  A,,fsa,zes  muss  «  ™r 

„Auch  Gay  und  Southard  sind  der  Ansicht  dass  die  mit 
gi  os-sen  bezw.  vielfachen  Dosen  vorbehandelten  Meerschweinchen  so 
ange  refiaktar  sind,  als  bestimmte  (lassimflierbare)  Substanzen  des 

rieht  nT',“"!8  V°,"  den  Zelle"  ",,ch  nicht  eliminiert  sind .wodurch  die 
nicht-neutralisier baren  Anaphyla-ktun-e  verhindert  werden  die  Zellen 
zu  stimulieren;  diese  letzteren  sind  —  wie  sie  annehmen’—  dieselbe 
t.,u  stanz’  welch-e  bei  der  Blutübertragung  auf  normale  Tiere  dies^ 

HerS s"dI,Cwi2TC2‘s  Nf 1 1  Untersuchungen*  kS„  wl? 

nicht  teilend  oben  geführt  wurde  -  diese  Annahme 


3.  Abgang: 


dienstfähig: 

%o  der  Erkrankten 
gestorben: 

°/oo  der  Erkrankten 
dienstunbrauchbar 
mit  Versorgung 
ohne  „ 

Auf  Grund  vor  der 
Einstellung  in  den  Militär¬ 
dienst  vorhanden  gewese¬ 
ner  Leiden  als  dienstun¬ 
brauchbar  erkannt  und 
entlassen : 

anderweitig: 

in  Summa: 


4.  Bestand 

bleiben 

31.  Okt.  1907 


in  Summa: 

°/oo  der  Iststärke: 
davon  im  Lazarett: 
davon  im  Revier: 


25 
.  94 
1634 


1 

3 


1055 

18,4 

777 

278 


2 

20,4 

2 


GntlrtfS  Z5er,3  aufÄdü'irtcn  Gestorbenen  haben  gelitten  an- 

A-SsserhaM“’  L“"f " -fuberkulose,  Blinddarmentzündung  ie  " ' 

Selbstmord  (&hä„genr)!  'e"  Behandlu"*  »•»*>  '  Mann  infolge  von 

Monateok?ober'1dVMaiii  dei  Arme€  d"rch  Tod  betr“e  demnach  im 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

wa  rend  der  47.  N»vember  .907. 

Krupp  3  (5),  Keuchhusten  L  2,  Typhus'L  VFiuFrtrLi! 

7yrvRe?g^f,yt.e\3nük?dIf“"di"^“0- 

Org.  4  ::2)  M  ar  ubeiku  l  V  '  l  L“nge?  L  (20)-  Tuberkul.  and. 
Influenza  1  {IttiTlttFgb’KrtktTM^Ll^”6 * * * *!,™!?11'!,*3  1*0. 
Organe  6  (4)  sonst.  Krankh Xselb  4  (£,( Ü’rga"' itzleid  ToTF 

7  (6)  Geisteskrankff  tn(eiFCl"'  »  ie).  Geliir,  scldag 

trnnU  fw  r  1  1  (1)>  Fraisen.  Eklamps.  d.  Kinder  6  m  and 

(einschi  ^zehrung^l^tSd)  ^Kra^kh61!.  'Leb^T1  * 

Bauchfells  2  (1),  and.  Kränkln  d.  V  Jauungsorg  3 %)  KKra„kh  / 

h 

remDfe  SfsLizim  vy  st»  ,i«\S  » ? f 

Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  l 7^9  D r5‘S f ” h  mUf -JaS 
dem  L  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  13,1(13*2)  ’  ^  d‘C  UbCr 

- - -J  Die  ein^eklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche 

E  MUhlthalrrs  Bnch-  und  Kunstdruckerei  A  oTM^en 


rtu  Münchener  Medizinische  Wochenschrirt  ersehe  nt  wöchentlich 
K  Umfane  von  durchschnittlich  6-7  Bogen.  .  Preis  der  einzelnen 
Nummer  80  4-  *_  Bezugspreis  in  peutschland^^yiertejjahrhch 

IÄ  6.-< 


m.  -  ...  r  . - :  ,  _ .  j  ,  , 

Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zn  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arnuif- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  8V»— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


Herausgegeben  von 


No.  51.  17.  Dezember  1907. 


Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26. 
Verlag:  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a. 


54.  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  med.  Klinik  in  Heidelberg  (Professor  K  r  e  h  1). 

Die  Technik  der  Opsoninbestimmung  und  ihre  Anwen 
düng  bei  Lungentuberkulose. 

Von  Dr.  Rene  B  i  n  e  und  Dr.  Henry  L  i  s  s  n  e  r. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Näher  an  den  Bauch  des  Röhrchens  darf  mail  nicht  mit  der 
Flamme  gehen,  da  sonst  das  Blut  verbrennt.  Beim  Erkalten  zieht 
sich  das  Blut  weiter  in  das  Glasröhrchen  zurüclk  und  man  kann  auch 
das  gebogene  Ende  zuschmelzen. 

Dies  ist  aber  nicht  nötig,  wenn  das  Serum  .sofort  gebraucht  wird. 
Um  das  Verbrennen  des  Blutes  beim  Zuschmelzen  zu  vermeiden,  ist 
Unerfahrenen  das  Verschliessen  des  Röhrchens  mit  Wachs  zu  emp¬ 
fehlen. 


Obgleich  bereits  fünf  Jahre  vergangen  sind,  seit  Sir  Almoth 
E.  Wright  Mitteilungen  über  die  Entdeckung  der  Opsonine 
machte  und  die  Wichtigkeit  der  Bestimmung  des  Opsonin¬ 
gehaltes  des  Blutes  bei  der  Vakzinebehandlung  akuter  und 
chronischer  Infektionskrankheiten  betonte,  sind  in  Deutschland 
erst  wenige  daran  gegangen,  die  Untersuchungen  W  rights 
nachzumachen,  die  Resultate  nachzuprüfen. 

Die  meisten  deutschen  Arbeiten,  welche  die  Opsoninfrage 
behandeln,  beschäftigen  sich  vorzugsweise  mit  theoretischen 
Erwägungen  über  Wesen  und  Bedeutung  der  Opsonine. 

Die  wenigen  praktischen  Arbeiten  kommen  zum  Teil  zu 
andern  Resultaten,  als  wie  sie  Wright  mitteilt. 

Diese  Unterschiede  in  den  Resultaten  beruhen  sicher 
grösstenteils  auf  der  verschiedenen  Technik. 

Denn  diese  ist  so  kompliziert,  dass  schon  kleine  Ab¬ 
weichungen  von  W  rights  Vorschrift  zu  Differenzen  in  den 
Ergebnissen  führen  können.  Die  Technik,  wie  sie  Wright 
und  seine  Schüler  zur  Zeit  anwenden  und  wie  wir  sie  in 
W  rights  Institut  erlernen  und  praktisch  ausüben  durften, 
ist  nirgends  erschöpfend  beschrieben. 

Wir  folgten  einer  Aufforderung  des  Herrn  Dr.  Anis- 
p  e  r  g  e  r,  das  Verhalten  des  opsonischen  Index  bei  Tuberkulin¬ 
behandlung  zu  untersuchen  und  wollen  zugleich  mit  der  Mit¬ 
teilung  der  Resultate  unserer  Untersuchungen  die  bei  diesen 
angewandte  Technik  beschreiben. 

Weinstein  hat  zwar  seine  Technik  mitgeteilt,  aber  die 
Darstellung  ist  nicht  vollständig  genug,  um  dem  Anfänger  zu 
ermöglichen,  darnach  zu  arbeiten,  und  gerade  in  neuerer  Zeit 
hat  Wright  wichtige  Verbesserungen  der  Technik  eingeführt. 
Kämmerers  Technik  ist  nicht  einwandsfrei,  da  er  zu  wenig 
Zellen  zählt  und  seine  Emulsionen  nicht  gleichmässig  hergestellt 
sind.  Widersprechen  müssen  wir  nach  unseren  Resultaten  vor 
allem  auch  der  Behauptung,  dass  die  Phagozytose  bei  Brut¬ 
schranktemperatur  und  bei  Eistemperatur  gleichstark  sei. 

S  t  r  u  b  e  1 1,  welcher  auch  im  Wright  sehen  Institut  ge¬ 
arbeitet  hat,  stellt  die  Mitteilung  seiner  Resultate  in  Aussicht, 
gibt  aber  zunächst  nur  einen  Ueberblick  über  den  Stand  der 
Opsoninfrage  und  über  W  r  i  g  h  t  s  Forschungen. 

Zur  Bestimmung  des  opsonischen  Index  der  Kranken  haben 
wir  nötig: 

1.  Normalsera  als  Kontrollsera, 

2.  Serum  des  Kranken, 

3.  gewaschene  Blutkörperchen, 

4.  Bakterienemulsion. 

Das  Serum  gewinnt  Wright,  indem  er  mit  dem  bei  kleiner 
Flamme  spitz  ausgezogenen  Ende  des  neben  abigebildeten  geschlos¬ 
senen  gebogenen  Glasröhrchens  (Fi'g.  l)  nahe  der  Nagelwurzel  in 
den  Finger  sticht,  in  dem  man  durch  Umwickeln  des  zentralen  Firnger- 
enides  das  Blut  etwas  gestaut  hat.  Beide  Enden  des  gebogenen  Glas¬ 
röhrchens  werden  abgebrochen  und  das  Blut  durch  das  kurze  ge¬ 
bogene  Ende  (a),  dessen  Lumen  nicht  zu  klein  sein  darf,  aufgesogen. 
Das  gerade  Ende  (b)  wird  4 — 5  cm  von  dem  Bauch  des  Röhrchens 
entfernt  wieder  zugeschmolzeü.  i. 

No.  51. 


Man  lässt  das  Blut  gerinnen  und  befördert  die  Abscheidung  des 
Serums,  indem  man  das  Glasröhrchen  mit  dem  gebogenen  Ende  an 
den  Rand  eines  Zentrifugenglases  anhängt  und  zentrifugiert.  Das  ge¬ 
bogene  Ende  wird  dann  abgeschnitten,  und  man  entnimmt  das  Serum 
mit  der  Glas'kapillare. 

Zur  Gewinnung  der  Blutkörperchen  bringt  man  einige  Tropfen 
Blut  in  eine  kleine  Glastube,  die  zu  2/a  mit  einer  1,5  proz.  Lösung  von 
zitronensaurem  Natron  gefüllt  ist.  Die  Lösung  von  Natr.  citr.  ver¬ 
dirbt  isehr  schnell,  deshalb  ist  es  praktisch,  sich  mittels  der  von 
Parke,  Davis  &  Co.  nach  W  rights  Angaben  hergestellten 
Tabletten  ä  1,5  g  Natr.  citr.  täglich  frische  Lösungen  zu  bereiten. 
Das  Blut  wird  gut  mit  der  Lösung  gemischt  und  dann  zentrifugiert,  bis 
die  Blutkörperchen  sich  abgesetzt  haben.  Die  klare  Flüssigkeit  wird 
abpipetiert  und  die  Blutkörperchen  mit  0,85  proz.  Kochsalzlösung 
(auch  von  Kochsalz  werden  Tabletten  ä  0,85  und  1,5  g  hergestellt) 
gemischt,  wieder  zentrifugiert  und  die 
Flüssigkeit  abpipettiert.  Dann  werden 
die  Blutkörperchen  durch  Schütteln  % 
gleichmässig  verteilt  und  sind  ge¬ 
brauchsfertig.  Es  ist  nicht  mehr  nötig, 
die  Leukozyten  abzusondern,  wie  es 
die  frühere  Technik  verlangte.  Diese 
Blutkörperchen  können  von  jeder  be-  \ 

1  leb i gen  Person  genommen  werden:  der 
Untersucher  entnimmt  sie  am  besten 
sich  selbst  und  muss  täglich  das  nötige 
Quantum  frisch  bereiten,  da  die  Blut¬ 
körperchen  sich  durch  mehrstündiges 
Stehen  verändern. 

Die  Herstellung  der  Bakterienemul- 
sion  ist  je  nach  dem  Bakterium,  mit  dem 
man  arbeitet,  verschieden.  Für  Unter¬ 
suchungen  bei  Tuberkulose  ist  es  bei 
weitem  am  besten,  die  aogetöteten,  ge-  J 
trockneten  Bazillen  zu  benützen,  wie 
man  sie  von  den  Höchster  Farbwerken 
bezieht.  Eine  kleine  Menge  dieses  Prä¬ 
parates  wird  in  einem  Achatmörser  zu 
einem  feinen  Pulver  zersto'ssen,  dann 
wird  tropfenweise  1,5  proz.  Kochsalz¬ 
lösung  zugegeben,  bis  zunächst  eine 
Paste  und  dann  eine  dickflüssige  Emul-  , 
sion  entsteht.  Da  sehr  leicht  Knollen¬ 
bildung  eintritt,  muss  man  mit  beson¬ 
derer  Sorgfalt  arbeiten.  Die  Emulsion  ] 
wird  1  Stunde  bei  60°  C  im  Wasser¬ 
bade  sterilisiert.  Sie  bleibt  aber  nicht 
länger  als  höchstens  10  Tage  benii 
es,  die  Emulsion  in  einem  Glasröhrchen  aufzubewahren,  dessen 
eines  Ende  dünn  ausgezogen  ist.  In  diesem  nach  unten  gerichteten 
Ende  setzen  sich  etwaige  Knollen  ab  und  können  entfernt  werden, 
wenn  man  das  Ende  abschneidet.  Das  Absetzen  der  Knollen  kann 
man  durch  Zentrifugieren  beschleunigen.  Die  Emulsion  ist  dann 
noch  darauf  zu  prüfen,  ob  genügend  Bazillen  darin  vorhanden  sind, 
sonst  ist  sie  nicht  zu  gebrauchen. 

Um  Emulsionen  anderer  Bakterien  herzustellen,  wird  eine  Qese 
einer  24  stiindigen  Agarkultur  mit  0,85  proz.  Kochsalzlösung  zerrieben 
und  dann  die  Mischung  mit  dieser  Lösung  durch  mehrmaliges  Auf¬ 
ziehen  und  Ausblasen  in  einer  dicken  Pipette  vorgenommen. 

1 


Eig. 


cm 


Serum 

Lufrschjcnr 

Bazillen 

Luftschicht 

Marke 

Leukozyten 

Fig.  2. 
itzbar. 


Fig.  1. 

Am  besten  ist 


2514 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No. 


Von  der  Bakterienemulsion,  vom  Serum  des  Kranken  und  von  den 
gewaschenen  Blutkörperchen  wird  je  ein  Teil  in  eine  Glaskapillare  von 
16  cm  Länge  (big.  2)  aufgesogen,  auf  einen  Objektträger  heraus¬ 
geblasen,  gründlich  gemischt  und  wieder  aufgesogen.  Die  Kapillare 
endigt  auf  der  einen  Seite  mit  einer  Erweiterung  von  ca.  Vz  cm 
Durchmesser,  an  welche  eine  Gummisaugkappe  angesetzt  wird.  Wenn 
die  Mischung  wieder  angesaugt  ist,  wird  das  Kapillarende  zuge¬ 
schmolzen. 

Dei  beschriebene  Mischprozedur  muss  rasch  gemacht  werden, 
um  die  spontane  Phagozytose  auf  das  Mindestmögliche  zu  be¬ 
schränken. 

Die  gefüllte  Kapillare  wird  in  dem  Brutschrank  bei  37°  C  20 
Bis  30  Minuten  belassen.  Tr  ee  mann  hat  einen  Brutschrank  kon¬ 
struiert,  der  in  getrennten  Röhren  20  Kapillaren  aufnehmen  kann. 
Er  nennt  den  Apparat  Opsonizer  (Fig.  3). 


Fig.  3. 


Nach  20—30  Minuten  wind  die  Kapillare  aus  dem  Brutschrank  ge¬ 
nommen,  das  zugeschmolzene  Ende  abgeschnitten  und  der  Inhalt  zur 
Untersuchung  benützt.  Man  macht  einen  Objektträger  durch  Reiben 


mit  Schmirgelpapier  rauh,  bringt  einen  Tropfen  aus  der  Kapill; 
auf  ihn  und  streicht  diesen  mit  einem  Ausbreiter  (Fig.  4)  aus. 
ist  dies  ein  Objektträger,  dessen  schmaler  Rand  etwas  konkav  j 
formt  ist.  Am  Ende  des  Ausstriches  ist  die  Dicke  der  Schicht 
geringsten,  hier  sind  am  meisten  Leukozyten  beisammen.  Der  Ai 
strich  wird  in  einer  gesättigten  Lösung  von  Sublimat  2—3  Minuten  la 
fixiert. 

Die  Färbung  auf  Tuberkelbazillen  wird  nach  Zieh  1 -Ni  eis 
gemacht;  bei  der  Entfärbung  richtet  man  sich  nach  der  Farbe  c 
erwähnten  dünnsten  Schichtpartie.  Bei  Untersuchungen  mit  ander 
Bakterien  benutzt  man  andere  Methoden,  Karbolthionin  u.  dgl.  me 

In  derartigen  Präparaten  gelingt  es  leicht  100  Leukozyten' 
zählen,  oft  haben  wir  150 — 200  ohne  Mühe  zählen  können. 

Im  Durchschnitt  sollen  in  der  Mischung  2—4  Tuberkelbazillen  ( 
jeden  Leukozyten  kommen,  von  anderen  Bakterien  3—8.  Wenn  me 
Bakterien  vorhanden  sind,  ist  das  Zählen  schwieriger,  sind  es'w 
niger,  wird  die  Zählung  ungenau. 

Die  Durchschnittszahl  der  von  einem  Leukozyten  aufgenommen 
Bakterien  ist  der  phagozytische  Index.  Als  Norm  wird  die  Durc 
schnittszahl  von  mindestens  3  gesunden  Personen  aufgestellt,  der 
Sera  man  einzeln,  nicht  gemischt,  untersucht. 

Der  phagozytische  Index  des  Patienten  geteilt  durch  den  nc 
malen  phagozytischen  Index  P.J.  gibt  den  opsonischen  Index  d 
Patienten. 

z.  B.  Norm.  100  Leukozyten  enthalten  350  Bakterien  P.J.  =  3,= 

Serum  des  Patienten.  100  Leukozyten  enthalten  200  Bakterii 
P.J.  =  2,00;  O.J.  2,00/3,50  =  0,6. 

Oder:  Serum  des  Patienten.  100  Leukozyten  enthalten  455  Ba 
terien  P.J.  =  4,55,  O.J.  =  4,55/3,55  =  1,3. 

Die  beschriebene  Technik  muss  mit  grösster  Sorgfalt  au: 
geführt  werden.  Die  geringste  Abweichung,  z.  B.  Anwendur 
einer  zu  dicken  oder  zu  dünnen  Emulsion,  unsorgfältig  g( 
waschener  Blutkörperchen,  wechselnder  Temperaturen,  ve 
schiedener  Brutdauer,  das  Zählen  von  weniger  als  100  Lenke 
zyten,  macht  die  Resultate  unzuverlässig. 

Anstatt  der  Methoden,  welche  empfohlen  wurden,  um  di 
Bakterienemulsion  immer  gleichdick  zu  machen,  die  Vei 
gleichung  mit  chemischen  Emulsionen,  die  Zählung  der  ii 
Kubikmillimeter  vorhandenen  Bakterien,  schlagen  wir  vor,  das 
man  jede  Emulsion  durch  Bestimmung  der  phagozytischen  Zal 
mittels  seines  eigenen,  normalen  Serums  prüfen  soll.  Man  mus 
bei  jeder  Prüfung  annähernd  dasselbe  Resultat  erhalten. 

Der  in  nachstehender  Tabelle  (I)  aufgeführte  Versuc 
wurde  zu  wiederholten  Malen  mit  stets  gleichem  Ergebnis  aus 
geführt.  Es  ist  die  Bestimmung  der  phagozytischen  Zahl  be 
Anwendung  verschiedener  Kombinationen  von  Leukozyten,  uni 


I. 

R.B. 

Leukozyten 

-f  R.B. 

Serum 

+ 

T.B.-Emulsion 

A 

— 

— 

— 

a)  37»  — 

20  Min.  - 

-  100  Leukozyten 

375  TB. 

b)  18°  — 

99 

180 

II. 

H.  L. 

99 

+  FI.  L. 

99 

+ 

99 

99 

99 

c)  0°  — 

99 

99 

75 

a)  37°  — 

99 

358 

b)  18°  — 

99 

170 

III. 

R.  B. 

99 

1  +  H.  L. 

99 

+ 

99 

99 

99 

c)  0°  — 

99 

99 

68 

99 

a)  37°  — 

374 

b)  18°  — 

99 

187 

IV. 

H.  L. 

99 

+  R.B. 

99 

-f 

99 

99 

99 

c)  0°  — 

99 

99 

72 

99 

a)  37°  — 

99 

383 

b)  18°  — 

99 

99 

183 

V. 

R.  B. 

99 

+  R.B. 

„  [10  M.  bei  60o  C.] 

4- 

i 

99 

99 

99 

c)  0°  — 

99 

99 

76 

99 

VI. 

H.  L. 

99 

+  H.  L. 

>>  [  »  >>  V  ] 

+ 

99 

99 

99 

37°  — 

n 

99 

16 

99 ■ 

VII. 

R.  B. 

.. 

-f  NaCl 

Lösung  0,85 °/o 

+ 

99 

99 

99 

37°  — 

99 

99 

18 

99 

VIII. 

H.  L. 

99 

+  » 

9t  99 

+ 

99 

99 

99 

37°  — 

99 

99 

14 

99 

IX. 

R.  B. 

99 

+  ö 

+ 

99 

99 

99 

37o  — 

99 

99 

16 

99 

X. 

FI.  L. 

99 

+  0 

+ 

99 

1  99  . 

99 

37°  — 

99 

99 

15 

99 

XI. 

R.  B. 

99 

-f  R.  B. 

Serum 

+ 

37o  — 

) 

99 

99 

7 

99 

9) 

99 

99 

I  gemischt, 

sofort 

XII. 

H.  L. 

» 

+  H.  L. 

99 

+ 

99 

99 

99 

untersucht 

99 

7 

99 

XIII. 

R.  B. 

n 

+  R.B. 

99 

-j-  T.B. -Emulsion  B 

99 

6 

99 

XIV. 

H.  L. 

>9 

+  H.  L. 

, 

4- 

99 

9) 

99 

37o  — 

20  Min. 

>> 

55 

99 

1 

370  — 

99  ‘ 

99 

50 

9 9 

17.  Dezember  1907. 


MUENGHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2515 


Serum  verschiedener  normaler  Personen  und  verschiedener 
Vorbehandlung  der  Sera  bei  Anwendung  verschiedener  Emul¬ 
sionen  und  verschiedener  Temperaturen,  sowie  verschiedener 
Mischungszeit. 

Aus  diesem  Versuch  lassen  sich  folgende  Schlüsse 
ziehen: 

1.  Das  Serum  enthält  Substanzen,  welche  die  Bakterien 
so  beeinflussen  (schmackhaft  machen),  dass  sie  von  der  Phago¬ 
zyten  leichter  aufgenommen  werden  und  diese  Substanzen 
werden  durch  10  Minuten  langes  Erhitzen  auf  60°  C  zerstört, 
sind  also  thermolabil. 

2.  Der  phagozytische  Index  hängt  von  dem  angewandten 
Serum  ab,  nicht  von  den  Leukozyten  und  ihrer  Herkunft. 

3.  Die  Phagozytose,  welche  bei  37 0  am  schnellsten  und 
heftigsten  eintritt,  ist  bei  0 0  C  auf  weniger  als  Vs  herabgedrückt. 

4.  0,85  proz.  Kochsalzlösung  befördert  ebensowenig  die 
Phagozytose  als  inaktiviertes  Normalserum. 

5.  In  den  wenigen  Sekunden,  welche  man  zur  Mischung 
von  Blutkörperchen,  Serum  und  Emulsion  braucht,  kann  sicher 
keine  nennenswerte  Phagozytose  eintreten. 

6.  Die  Gleichmässigkeit  der  Dicke  der  Emulsionen  ist  zur 
Vergleichung  der  Untersuchungsresultate  Vorbedingung. 

Wir  fanden,  dass  der  opsonische  Index  unserer  eigenen 
Normalsera  durch  längeres  Stehen  sich  stark  veränderte,  wenn 
das  Serum  auch  vollkommen  steril  gehalten  wurde.  Man  muss 
also  immer  frische  Sera  verwenden. 

Um  auf  anderem  Wege  festzustellen,  ob  der  phagozytische 
Index  vom  Serum  oder  von  den  Leukozyten  abhängig  ist, 
machten  wir  den  Versuch,  durch  Bestrahlung  der  einzelnen 
Mischungsteile,  von  Serum,  Bazillenemulsion  und  Leukozyten, 
mit  Röntgenstrahlen  verschiedener  Qualität  und  durch  Kom¬ 
bination  bestrahlter  und  nichtbestrahlter  Mischungsteile  irgend¬ 
welche  Veränderungen  des  phagozytischen  Index  zu  bewirken. 
Wir  konnten  aber  bis  jetzt  bei  keiner  Versuchsanordnung  irgend 
einen  Einfluss  der  Bestrahlung  konstatieren. 

W  r  i  g  h  t  und  seine  Mitarbeiter  haben  unter  Kontrolle  der 
Bestimmung  des  opsonischen  Index  die  Behandlung  einer 
ganzen  Reihe  von  Infektionskrankheiten  mittels  Bakterienvak¬ 
zinen  mit  Erfolg  durchgeführt. 

Der  opsonische  Index  ändert  sich  infolge  der  Einspritzung 
spezifischer  Vakzine  in*  ganz  typischer  Weise.  W  r  i  g  h  t  selbst 
sagt:  „Auf  die  Vakzineinspritzung  folgt  eine  Periode  der  Intoxi¬ 
kation,  die  sich  durch  einen  Rückgang  der  antibakteriellen  Kraft 
des  Blutes  charakterisiert.  Diese  „negative  Phase“  ist  mehr 
oder  weniger  heftig  und  dauert  mehr  oder  weniger  lang,  je 
nachdem  die  Dosis  des  eingespritzten  Vakzines  grösser  oder 
kleiner  war.  Im  ersteren  Falle  kann  sich  die  negative  Phase 
in  Störung  des  Allgemeinbefindens  und  Erhöhung  der  Tem¬ 
peratur  auch  klinisch  ausdrücken.  Im  letzteren  Falle  kann  die 
negtive  Phase  ohne  klinische  Begleiterscheinungen  auftreten. 
Auf  die  negative  Phase  folgt  eine  positive  Phase.  Diese  posi¬ 
tive  Phase,  deren  Charakteristikum  eine  Steigerung  der  anti¬ 
bakteriellen  Kraft  des  Blutes  ist,  entspricht  einer  Periode  er¬ 
höhter  Widerstandsfähigkeit.  Die  Kurve,  deren  Verlauf  die 
Veränderungen  der  antibakteriellen  Kraft  des  Blutes  verdeut¬ 
licht,  steigt  in  vielen  Fällen  zu  einer  scharfen  Spitze  an  und 
sinkt  zuerst  verhältnismässig  rasch  und  nachher  langsamer.“ 

Der  Zweck  der  Bestimmung  des  opsonischen  Index  bei 
Vakzinebehandlung  ist  der,  den  günstigen  Zeitpunkt  für  die  er¬ 
neute  Vakzineeinspritzung  zu  ermitteln.  Eine  Einspritzung 
während  einer  negativen  Phase  vermindert  die  Widerstands¬ 
fähigkeit  des  Patienten  noch  mehr,  ist  also  von  direktem 
Schaden.  Eine  Einspritzung  während  einer  positiven  Phase 
dagegen  steigert  noch  die  Widerstandsfähigkeit  und  hat  als 
Endresultat  eine  andauernde  Erhöhung  der  Immunität.  Das 
Ideal  einer  Reaktion  auf  Vakzineeinspritzung  ist,  wenn  nach 
einer  minimalen  negativen  Phase  eine  möglichst  hohe  positive 
Phase  erzielt  wird. 

Unter  fortgesetzter  Kontrolle  durch  die  Opsoninbestim¬ 
mung  behandelten  W  r  i  g  h  t  und  seine  Mitarbeiter  Staphylo¬ 
kokkeninfektionen,  Tuberkulose  in  allen  ihren  Formen,  Gono¬ 
kokkeninfektion,  Infektionen  mit  Kolibazillen,  Streptokokken 
usw.  Speziell  bei  Staphylokokkeninfektion  waren  die  mit  der 
Vakzinebehandlung  erzielten  Erfolge  sehr  ausgesprochen.  Es 
handelte  sich  vielfach  um  Fälle,  welche  von  keiner  anderen  Be¬ 


handlung  beeinflusst  worden  waren.  Während  unseres  Aufent¬ 
haltes  in  London  hatten  wir  Gelegenheit,  verschiedene  dieser 
Fälle  zu  beobachten  und  uns  von  der  Wirksamkeit  der  Vakzine¬ 
behandlung  zu  überzeugen. 

In  Fällen  von  Karzinom,  in  denen  übler  Geruch  und  starke 
Gewebszerstörung  oft  durch  den  Mikrococcus  neoformans 
(D  o  y  e  n)  verursacht  werden,  sollen  diese  unangenehmen  Er¬ 
scheinungen  durch  die  spezifische  Vakzinebehandlung  beseitigt 
werden.  Einen  Einfluss  auf  das  Wachstum  des  Karzinoms  hat 
die  Behandlung  nicht. 

Ausgezeichnete  Erfolge  wurden  bei  Haut-,  Knochen-  und 
Drüsentuberkulose  erzielt.  Man  kann  in  diesen  Fällen  durch 
die  Vakzinebehandlung  bei  geeigneter  Wahl  der  Dosis  und  bei 
Kontrolle  der  Einspritzungszeiten  eine  dauernde  Erhöhung  des 
opsonischen  Index  und  deutliche  klinische  Besserung  erreichen. 
Die  Erhöhung  des  opsonischen  Index  ist  dagegen  bei  Lungen¬ 
tuberkulose  ausserordentlich  schwierig. 

Die  von  W  r  ig  h  t  benützten  Vakzinen  werden  praktisch  auf  die¬ 
selbe  Art  hergestelilt.  Man  züchtet  die  Bakterien  von  dem  zu  be¬ 
handelnden  Patienten.  W  r  i  g  h  t  nimmt  von  dieser  Rege!  die  Sta¬ 
phylokokken  aus,  da  er  bei  der  grossen  Anzahl  der  Staphylokokken¬ 
infektionsfälle,  die  er  behandelt,  nicht  den  eigenen  Stamm  des  Pa¬ 
tienten  benutzen  kann.  Er  stellt  diese  Vakzine  auf  folgende  Art  her. 
Der  Staphylokokkus  aureus,  albus  und  citreus  wird  in  Bouillon  ge¬ 
züchtet,  und  dann  auf  Verunreinigung  untersucht.  Flache  Flaschen  mit 
Agar  werden  dann  mit  der  betreffenden  Bouilllonlkultur  geimpft,  um  ein 
reichliches  Wachstum  zu  gewährleisten,  und  die  Flaschen  mit  der 
Agarseite  oben,  der  Bouillonseite  unten,  in  den  Brutschrank  gelegt. 
Nach  Verlauf  von  24 — 36  Stunden  werden  die  gewachsenen  Bakterien 
mit  0,85  Proz.  Kochsalzlösung  abgewaschen  (indem  man  sie  mit 
einer  feinen  geschlossenen  Glaspipette  ablöst),  in  ein  steriles  Rohr 
geigossen  und  das  Rohr  zugeschmolzen.  Dieses  wird  eine  halbe  Stunde 
lang  heftig  geschüttelt,  dann  eine  Stunde  lang  bei  60°  C  sterilisiert. 
Jetzt  wird  das  Ende  geöffnet,  wenige  Tropfen  in  ein  Uhrglas  ge¬ 
gossen  und  das  Rohr  zugeschmolzen.  Man  macht  eine  Kultur,  um  sich 
zu  vergewissern,  dass  alle  Bakterien  getötet  sind.  Man  untersucht 
einen  Ausstrich  um  Verunreinigung  auszuschliessen.  Dann  wird  mit 
einer  Pipette  ein  Teil  dieses  Vakzines  mit  einem  Teil  Blut,  das  man 
erhält  indem  man  sich  in  den  Finger  sticht,  vermischt,  und  diese 
Flüssigkeit  mit  Kochsalzlösung  nach  Belieben  verdünnt.  Die  Ver¬ 
hältnisse  richten  sich  nach  der  Konzentration  des  Vakzines.  Dann 
macht  man  einen  Ausstrich  und  zählt  mindestens  500  Erythrozyten, 
und  notiert  die  Zahl  der  Bakterien  im  selben  Gesichtsfeld.  Dies  ge¬ 
schieht  am  besten  indem  man  die  Gesichtsfelder  einteilt.  Dazu  dienen 
vier  Glasfäden  die  man  kreuzweise  in  das  Okular  legt.  z.  B.  das 
Vakzine  ergibt  500  Bakterien  auf  1000  Erythrozyten.  Demnach  ent¬ 
hält  1  cmm  Vakzine  2  500  000  Bakterien,  und  1  ccm  2  500  000  000. 
Das  Vakzine  wird  am  bequemsten  in  sterilisierten  Flaschen  mit  50  com 
0,85  proz.  Salzlösung  aufbewahrt,  die  auch  sterilisiert  ist,  und  der 
man  ein  Viertel  1  proz.  Lysollösung  zugegeben  hat.  Man  misst  die 
entsprechende  Menge  ab  und  spritzt  dann  so  viel  von  dem  konzen¬ 
trierten  Vakzine  in  die  Salzlösung,  dass  1  ccm  50  000  000  Kokki  ent¬ 
hält.  Alle  Flaschen  werden  mit  Gummikappen  verschlossen  und  mit 
Paraffin  überzogen,  sogar  noch  ehe  man  das  konzentrierte  Vakzine 
dazugibt.  Fünfzig  Millionen  Staphylokokken  ist  die  Dosis,  die 
W  r  i  g  h  t  meistens  anwendet,  wenn  er  einen  neuen  Fall  zu  behandeln 
beginnt.  Sollte  das  obenerwähnte  Vakzine  der  Staphylokokken 
Aureus,  Albus  und  Zitreus  nicht  in  jedem  einzelnen  Fall  das  er¬ 
wartete  Resultat  ergeben,  so  muss  man  den  Eigenstamm  des  Pa¬ 
tienten  selbst  benützen. 

Der  Zweck  unserer  Untersuchungen  war  nun,  den  Verlauf 
der  Kurve  des  opsonischen  Index  bei  diagnostischer  und  thera¬ 
peutischer  Tuberkulinimpfung  zu  beobachten. 

Diesen  Untersuchungen  stellten  sich  Schwierigkeiten  ent¬ 
gegen,  da  das  stationäre  Material  der  Klinik,  welches  längere 
Zeit  hindurch  beobachtet  werden  konnte,  fast  ausschliesslich 
aus  schweren  Fällen  von  Lungentuberkulose  besteht.  Bei 
diesen  Patienten,  bei  denen  Fieber,  Pulsbeschleunigung  und 
Husten  trotz  Bettruhe  fortdauern,  kommt  es  nach  W  r  i  g  h  t  s 
Auffassung  fortgesetzt  zu  Autoinokulationen  mit  Tuberkulo- 
toxinen.  Es  ist  ja  bekannt,  dass  jede  Bewegung  eines  Gewebes, 
welches  Sitz  einer  aktiven  Tuberkulose  ist,  unbedingt  Bak¬ 
terienprodukte  in  den  Kreislauf  bringt,  und  Allgemeinstörungen 
hervorruft,  während  nur  absolute  Ruhe  imstande  ist,  eine  In¬ 
fektion  auf  einen  Körperteil  zu  beschränken. 

Nach  W  r  i  g  h  t  stören  aber  die  Autoinokulationen  den 
Effekt  der  Vakzineinfektionen,  so  dass  wir  vielfach  ganz  un¬ 
regelmässigen  Verlauf  der  Kurve  des  opsonischen  Index  be¬ 
obachten. 

Bei  gesunden  Individuen  fanden  wir  den  Index  entweder 
konstant  von  gleicher  Grösse  oder  er  schwankte  nur  innerhalb 

l* 


2516 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


ganz  beschränkter  Grenzen  von  Tag  zu  Tag.  Wir  machten  an 
6  Personen  mehr  als  100  Beobachtungen  während  der  Dauer 
von  30  Tagen.  Niemals  war  der  Index  unter  0,8  oder  1,2,  und 
nur  12  mal  nicht  zwischen  0,9  und  1,1  (Normalkurven  Figur  5 


Dass  auch  Leiclittuberk ulöse  durch  besondere  Einflüsse 
Schwankungen  des  opsonischen  Index  bekommen,  zeigt  Fig.  12. 


Fig.  8. 


Fig.  5. 

und  6).  Dahingegen  konnten  wir  in  20  Fällen  von  Lungentuber¬ 
kulose  und  2  Fällen  von  Peritonealtuberkulose  bisweilen  sogar 


1  23¥56789  10111213ft151617181$202122232lt25262728293031 


Fig.  6. 


bei  den  zwei  ersten  Untersuchungen  Werte  von  unter  0,8  und 
über  1,2  konstatieren. 

Therapeutisch  wurde  die  D  e  n  y  s  sehe  Bouillon  filtre  an¬ 
gewandt.  In  einem  Falle,  dessen  Kurve  (Fig.  7)  wir  beigeben, 


Wir  erhielten  sie  von  einer  Person,  der  wir  Serum  entnommen 
hatten,  um  es  als  normales  Serum  zur  Kontrolle  zu  verwenden. 
Die  grossen  Ausschläge  des  Index  brachten  uns  darauf,  dass  die 


Fig.  9. 


Person  tuberkulös  sein  müsse,  was  sich  auch  bestätigte,  Durch 
langes  Tanzen  trat  eine  ganz  besonders  starke  Abweichung  des 
Index  von  der  Norm  auf. 


Fig.  7. 

konnten  wir  nach  jeder  Einspritzung  einen  unverkennbaren  Ein¬ 
fluss  feststellen.  In  anderen  Fällen  spielte  offenbar  die  Auto¬ 
inokulation  eine  so  beträchtliche  Rolle,  dass  sie  die  Einflüsse 
überwog,  welche  sonst  zu  typischen  Kurven  führen. 

Um  die  Schwierigkeiten  zu  zeigen,  welche  der  Beurteilung 
des  Einflusses  der  therapeutischen  Einspritzungen  in  solchen 
Fällen  entgegenstehen,  geben  wir  die  Kurven  von  4  Kranken, 
von  denen  zw^ei  Einspritzungen  erhielten,  zwei  nicht  (Fig.  8 
bis  11).  Alle  Kurven  zeigen  grosse  Ausschläge. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  wir  in  Fällen,  bei  denen  die  Auto¬ 
inokulation  keine  solche  Rolle  spielt,  also  in  leichteren  Fällen 
von  Lungentuberkulose,  gute  Resultate  mit  der  Tuberkulin¬ 
therapie  unter  Kontrolle  der  Opsoninbestimmung  erzielen,  dass 
vir  aber  in  den  vorgerückten  Fällen,  in  denen  wegen  des 
um  cgelmässigen  Auftretens  von  Autoinokulationen  der  opsoni¬ 
sche  Index  so  starke  Schwankungen  aufweist,  von  Ein¬ 
spritzungen  nicht  viel  Nutzen  sehen  werden, 


In  einem  anderen  Falle,  bei  dem  zuerst  Zweifel  über  die 
Natur  eines  Aszites  bestanden,  sprach  ein  auffallend  niedriger 


Fig.  11. 

opsonischer  Index  für  Tuberkulose  des  Peritoneums  und  der 
weitere  klinische  Verlauf  bestätigte  die  Diagnose. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2517 


Dies  sind  nur  kleine  Beweise  für  die  Möglichkeit  der  An¬ 
wendung  der  Opsoninbestimmung  für  die  Diagnose. 


Auch  bei  der  diagnostischen  Tuberkulinreaktion  kann  man 
aus  der  Opsoninbestimmung  Schlüsse  ziehen.  Fig.  13  ist  die 
Kurve  einer  Patientin,  bei  der  wegen  Verdacht  auf  Lungentuber¬ 
kulose  diagnostische  Einspritzungen  von  Alttuberkulin  gemacht 
wurden.  Klinisch  wurde  erst  nach  der  5.  Einspritzung  eine 
Reaktion  konstatiert,  während  unsere  täglichen  Opsonin¬ 
bestimmungen  schon  beim  dritten  Male  eine  deutliche  Reaktion 
erkennen  liessen. 


Die  intensivere  Verwertung  der  Bestimmung  des  opsoni¬ 
schen  Index  für  die  Ueberwachung  der  Tuberkulintherapie  und 
die  Tuberkulindiagnostik  scheitert  noch  an  der  Kompliziertheit 
der  Arbeitsmethode.  Immerhin  glauben  wir,  gezeigt  zu  haben, 
wie  weit  die  Methode  bei  der  Lungentuberkulose  verwendbar 
ist.  Ob  die  Methode  Eingang  finden  kann  in  unser  Rüstzeug 
diagnostischer  und  therapeutischer  Hilfsmittel,  das  müssen  erst 
weitere  und  ausgedehntere  Untersuchungen  entscheiden. 

Anmerkung:  Kurz  vor  Abschluss  unserer  Arbeit  hatten  wir 
noch  Gelegenheit  zwei  Fälle  von  Staphylokokkusinfektion  zu  beob¬ 
achten  und  zu  'behandeln,  einen  3  Monate  vergeblich  behandelten  Fall 
von  Sylkosis  und  ein  Fall  von  Drüsenabszess  in  der  Achselhöhle. 

Beim  ersten  Falle  handelte  es  sich  um  zahlreiche  grosse  Pusteln, 
welche  inzidiert  und  mit  5  proz.  Resorzinlösung  bedeckt  waren.  Der 
opsonische  Index  für  den  aus  den  Pusteln  gezüchteten  Staphylo- 
coccus  aureus  war  0,85.  Es  wurde  Staphylokokkenvakzin  in  der 
Dosis  von  10  000  000  Staphylokokken  injiziert.  5  Tage  darnach  war 
der  opsonische  Index  1,29.  Abermalige  Injektion  der  gleichen  Dosis; 
nach  2  Tagen  Index  1,15.  4  Tage  darnach  wird  der  Patient  völlig 

geheilt  entlassen. 

Der  zweite  Fall  hatte  nach  einem  Trauma  der  Hand  eine  bis  zur 
Brust  aufsteigende  Dermatitis  mit  Blasenbildung  bekommen.  In  der 
Achselhöhle  entstanden  darauf  unter  heftigen  Schmerzen  Driisenab- 
szesse.  Die  Abszesse  wurden  inzidiert,  doch  konnten  wegen  der  Der¬ 
matitis  keine  weiteren  lokalen  Applikationen  angewendet  werden. 
Der  opsonische  Index  war  2  Tage  nach  der  letzten  Inzision  0,68.  Es 
wurde  eine  Injektion  von  Staphylokokkenvakzine  (100  000  000  Sta¬ 
phylokokken)  gemacht.  Zwei  Tage  darnach  war  der  Index  0,89,  die 
Schmerzen  waren  ganz  verschwunden,  die  Inzisionswunden  waren 
trocken,  die  Dermatitis  war  verschwunden,  der  Patient  konnte  nach 
weiteren  3  Tagen  entlassen  werden.  Auch  dem  Unvoreingenommenen 
war  die  rasche  Heilung  beider  Fälle  auffallend. 

Literatur. 

1)  Löhlein:  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  30,  1907.  —  2) 
S  a  u  e  r  b  e  c  k:  Neue  Tatsachen  und  Theorien  in  der  Immunitäts¬ 
forschung.  Lu  barsch -  Ostertags  Ergebnisse,  XI.  Jahrgang, 
1907.  —  3)  Weinstein:  Berl.  klin.  Wochenschr.,  No.  30  und  39, 


1907.  —  4)  Boel'ke:  Deutsche  med.  Wochenschr.,  No.  37,  1907.  — 
5)Kämmerer:  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  39,  1907.  —  6)  S  t  r  u- 
bell:  Münch,  med.  Wochenschr.,  No.  44,  1907.  —  7)  Hektoen: 
Zentralblatt  für  Bakteriologie,  20.  Aug.  1907.  —  8)  Rotch  und 
Floyd:  Jour.  Arner.  Med.  Ass.  24.  Aug.  1907.  —  9)  W  right: 
Lancet,  17.  und  24.  Aug.  1907. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  der  Universität  Strassburg 
(Dir.:  Qeh.  Rat  Prof.  Dr.  Moritz). 

Vergleichende  Untersuchungen  über  die  Typhusdiagnose 
mittels  Bazillenemulsion  und  Fickerschem  Diagnostikum. 

Von  Dr.  P.  Schrumpf,  Assistent  an  der  Klinik. 

Ich  habe  im  Laufe  des  vergangenen  Sommers  auf  Ver¬ 
anlassung  von  Herrn  Prof.  Moritz  das  Serum  der  1  yphus- 
kranken  der  Klinik  auf  sein  Agglutinationsvermögen  gleich¬ 
zeitig  mit  Bakterienemulsionen  und  mit  dem  Fick  er  sehen 
Typhusdiagnostikum  geprüft.  Es  haben  sich  dabei  häufig  bei 
beiden  Methoden  verschiedene  Resultate  ergeben,  die  ich  hier 
kurz  mitteilen  möchte. 

Ficker1)  selbst  hält  sein  Diagnostikum  für  unbedingt 
zuverlässig;  derselben  Ansicht  sind  J.  M  e  y  e  r  J),  Ehrsam  l). 
Skutezky4),  Walther5),  J.  Blum6),  Flat  au  und 
W  i  1  k  e  7),  S  a  d  1  e  r 8).  E  i  c  h  1  e  r  9)  war  mit  den  Erfolgen  des 
Diagnostikum  bei  Gelegenheit  einer  Reise  in  den  Tropen  sehr 
zufrieden  und  glaubt  entgegen  Ficker  nicht,  dass  seine  Ver¬ 
wendbarkeit  durch  die  Sonnenhitze  beeinträchtigt  würde. 
Selter10)  dagegen  hat  mit  dem  Ficker  sehen  Diagnostikum 
in  6  Fällen  negative  Resultate,  obwohl  die  Agglutination  mit 
irischen  Bazillenaufschwemmungen  positiv  war;  es  handelte 
sich  jedoch  um  Rekonvaleszenten;  er  hält  ferner  das  Diagnosti¬ 
kum  nicht  für  zuverlässig  in  Fällen,  wo  es  auf  Frühdiagnose 
ankommt.  —  Verwoot11)  bekam  mit  dem  Diagnostikum  in 
99  Fällen  16  mal  negative  und  17  mal  zweifelhafte  Resultate, 
während  die  Agglutination  mit  lebenden  Kulturen  in  allen  Fällen 
positiv  ausfiel.  G  ü  1 1 1  e  r  12)  konnte  in  8  Fällen  eine  Typhus¬ 
diagnose  mit  lebenden  Kulturen  stellen,  während  es  mit  dem 
Diagnostikum  noch  nicht  gelang.  M  i  n  e  1 1  i 3J)  stellte  Unter¬ 
suchungen  über  die  Verwertbarkeit  der  Paratyphusdiagnostika 
A  und  B  an  und  fand,  dass  ihre  Agglutinierbarkeit  ziemlich 
dieselbe  war  als  die  junger  lebender  Kulturen. 

Meine  Beobachtungen  erstrecken  sich  auf  48  Fälle  von 
Typhus  abdominalis  und  2  Fälle  von  reinem  Paratyphus  B. 
Die  Agglutination  wurde  geprüft  gleichzeitig  mit  frischen 
Emulsionen  von  eintägigen  Kulturen  von  Typhus-  und  Para¬ 
typhus  B-Bazillen  und  mit  dem  Fick  ersehen  Typhus-  und 
Paratyphus  B-Diagnostikum.  Letzteres  wurde  jede  Woche 
frisch  direkt  von  Merck  bezogen ;  auf  den  Etiketten  der 
Fläschchen  waren  folgende  Nummern:  31  505,  49  307,  56  407, 
72  907,  74  407,  76  407,  76  807.  Das  Diagnostikum  wurde  meist 
innerhalb  der  8  Tage  nach  Empfang  aufgebraucht;  es  wurde  an 
einem  kühlen  dunklen  Ort  aufbewahrt.  Es  wurde  ganz  nach  der 
Vorschrift  Fickers  angewandt,  ausser  dass  ich  sterile  Röhr¬ 
chen  und  Pipetten  benützte,  um  das  Reinigen  mit  Alkohol- 
Aether  zu  vermeiden.  Die  Agglutinationen  mit  Bakterienauf¬ 
schwemmungen  wurden  makroskopisch  teils  von  mir  in  der 
Klinik,  teils,  im  hiesigen  bakteriologischen  Institut  von  Herrn 
Dr.  F  o  r  n  e  t,  dem  ich  hiermit  für  seine  Liebenswürdigkeit  bei 
der  Mitteilung  seiner  Resultate  meinen  besten  Dank  ausspreche, 
teils  gleichzeitig  von  Dr.  F  o  r  n  e  t  und  mir  ausgeführt.  Auf 
Paratyphus  A  wurde  nur  ganz  ausnahmsweise  geprüft. 

U  M.  Ficker:  Berl.  klin.  Wochenschr.,  1903,  No.  45,  p.  1021. 

2)  J.  Meyer:  Berl.  klin.  Wochenschr.,  1904,  No.  7,  pag.  166. 

3)  Ehrsam:  Münch,  med.  Wochenschr.,  1904,  LI.  pag.  612.^ 

4)  Skutezky:  Zeitschr.  f.  Heilkunde,  1904,  XXV,  pag.  253. 

5)  W  a  ,1 1  h  e  r :  Deutsche  med.  Wochenschr.,  1904,  pag.  1193. 

11)  J.  Blum:  Münch,  med.  Wochenschr.,  1904,  LI,  pag.  1829. 

7)  Fla  tau  und  Wilke:  Münch,  med.  Wochenschr.,  1905,  LII, 
pag.  100. 

8)  Sa  dl  er:  Berl.  klin.  Wochenschr.,  1905,  pag.  255. 

9)  Eichler:  Münch,  med.  Wochenschr.,  1905,  LII,  pag.  110. 

19)  Selter:  Münch,  med.  Wochenschr.,  1905,  LII,  pag.  108. 

11  j  Verwoot:  Neederlandsche  Tijdsschrirt  voor  Geneeskunde, 
1904,  21,  II.  Teil. 

12)  Güttler:  Berliner  klin.  Wochenschr.,  1904,  No.  51—52. 

13)  Mine  Hi:  Zeitralbl.  f.  Bakteriologie  etc,  I.  Abt.,  XLI,  Ori¬ 
ginale,  pag.  583. 


2518 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Bei  den  meisten  Fällen  wurde  die  Agglutinationsfähigkeit 
des  Serums  mehrmals  an  verschiedenen  Krankheitstagen  ge¬ 
prüft.  Ich  halte  es  für  unnötig,  alle  von  mir  untersuchten  Fälle 
hier  anzuführen;  ich  begnüge  mich  mit  denjenigen,  wo  die  Ver¬ 
schiedenheit  der  Ergebnisse  der  Bazillen-  und  Diagnostikum- 
agglutination  am  auffälligsten  ist.  Bei  Anwendung  von 
Ficker  schein  Diagnostikum  wurde  das  Serum  auf  Vso  und 
/loo,  bei  Anwendung  von  Bazillenemulsion  auf 1  h oo  und  V200  ver¬ 
dünnt.  In  den  folgenden  Tabellen  begnüge  ich  mich  damit, 
durch  das  +  und  O-Zeichen  anzugeben,  ob  die  Agglutination 
positiv  oder  negativ  war,  ohne  den  Grad  der  Verdünnung  an¬ 
zuführen,  der  für  meine  Zwecke  übrigens  nebensächlich  ist. 


Fall  1.  Q.  Emil,  25  J.,  mittelschwerer  Fall  von  Typhus. 


1 

C/5 

-*— » 

’S  rj 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Datum 

js  So 

c  -*-» 

CT3 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat. 

B. 

V- 

Ü2 

1: 

50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

i> 

:20ü 

5.  VII.  07 

7 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

4- 

0 

10.  VII.  07 

12 

0 

0 

0 

0 

4 

4- 

4- 

4 

12.  VII.  07 

14 

0 

0 

0 

0 

-4- 

4 

4 

u 

13.  VII.  07 

15 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

4- 

0 

15.  VII.  07 

17 

0 

0 

0 

4 

4- 

4- 

0 

27.  VII.  07 

29 

4- 

0 

0 

4- 

4- 

4 

0 

31.  VII.  07 

33 

1 

4 

0 

0 

4- 

4 

4 

0 

J;s  a*so  ^'er  die  Agglutination  mittels  Diagnostikum  erst  am 
1/.  Krankheitstag  positiv  geworden.  Paratyphus-B-Diagnostikum 
versagte  vollständig. 


In  Blut,  Stuhl  und  Urin  waren  keine  Typhus-  oder  Paratyphus- 
bazillen  nachweisbar. 


Fall  2.  N.  Johann,  17  J.,  schwerer  Typhus  abd.,  Exitus  5  Tage 

nach  der  Aufnahme., 


1 

C/5 

’S  ^ 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Datum 

g  -+-» 

Typhus 

Parat.  B. 

Tvhpus 

Parat.  B. 

»— 

X 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

1:200 

17.  VII.  07. 

11 

0 

0 

0 

0 

4- 

0 

4 

0 

19.  VII.  07. 

13 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

4 

0 

0 

22.  VII.  07. 

*)  Blut 

*) 

aus  c 

4- 

1 

er  Le 

4 

iche. 

0 

0 

4 

0 

0 

Trotz  schwerster,  rasch  tödlich  endender  Infektion,  versagte  das 
Diagnostikum.  Typhusbazillen  wurden  im  Blut,  nicht  im  Stuhl  und 
Urin  nachgewiesen. 


Fall  5.  M.  Franziska,  mittelschwerer  Fall  von  Typhus  abd. 


Datum 

Krankheits¬ 

tage 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

1:200 

10.  VIII.  07 

13 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

12.  VIII.  07 

15 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

0 

0 

15.  VIII.  07 

18 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

Typhusdiagnostikum  versagt. 

ln  Blut,  Stuhl  und  Urin  wurden  keine  Typhus-  oder  Paratyphus¬ 
bazillen  nachgewiesen. 


Fall  6.  J.  Aug.,  20  J.,  schwerer  Fall  von  Typhus  abd. 


1 

C/3 

•4-i 

'S  0 
"5 

c  -4-* 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Datum 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50  1:100 

1 :50 

1:100 

1:100  1:200 

1:100 

1:200 

2.  VIII.  07 

31 

0  0 

0 

0 

0 

0 

0 

16.  VIII.  07 

45 

0  j  0 

0 

0 

4  4 

4 

0 

Typhus-  und  Paratyphus-ß-Diagnosfikum  versagen. 

In  Blut  und  Stuhl  waren  Typhusbazillen,  iim  Urin  nicht. 


^ a  G  7 .  M.  Emil,  *43  J.,  leichter  Fall  von  Typhus  abd. 


Datnm 

4 

1 

C/5 

-4-» 

’S  QJ 

I  * 

G  4-* 

C3 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhu: 

Parat.  B. 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

1:200 

22.  VII.  07 

’S 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

4 

0 

23.  VII.  07 

M— 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

0 

24.  VII.  07 

<D 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

0 

27.  VII.  07 

<D 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

0 

31.  VII.  07 

-4-> 

0 

0 

0 

0 

4 

) 

4 

0 

7.  VIII.  07 

03 

Oh 

0 

0 

0  • 

0 

0 

0 

0 

0 

.  Typhus-  und  Paratyphus-B-Diagnostikum  versagen. 

Die  Untersuchung  von  Blut,  Stuhl  und  Urin  auf  Typhus  und  Para¬ 
typhusbazillen  fiel  negativ  aus. 


Fall  8.  E,  Fridolin,  27  J.,  mittelschwerer  Fall  von  Typhus  abd. 


Fall  3.  N.  Anton,  27  Jahre,  schwerer  Fall  von  Typhus  abd. 


Datum 

I 

C/5 

4—» 

i  0 

•5  biO 

•5  « 

V- 

Sk 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

[Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1 : 100 1 1:200 

17.  VII.  07. 
27.  VII.  07. 
31.  VII.  07. 

15 

25 

29 

4 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

4 

4 

4 

4 

4 

•  0 

0 

0 

0 

0 

später  nicht  mehr! 


Typhusbazillen  wurden  im  Stuhl,  nicht  im  Blut  und  Urin  nach¬ 
gewiesen. 


Fall  4.  D.  Gustav,  22  J„  mittelschwerer  Fall  von  Typhus  abd. 


ankheits- 

tage 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Datum 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

V- 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

1:200 

19.  VII.  07 

5 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

4 

0 

0 

27.  VII.  07 

23 

0 

0 

0 

0 

4* 

0 

0 

29.  VII.  07 

25 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

31.  VII.  07 

28 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

Hier  versagte  das  Typhusdiagnostikum  ganz. 

Blut  und  Stuhl  enthielten  Typhusbazillen,  der  Urin  nicht. 


Datum 

Krankheits¬ 

tage 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50 

1: 

100 

1:50 

1:100 

1:100 

1 :200 

1:100 

1 :200 

19.  VII.  07 

13 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

0 

0 

22.  VII.  07 

16 

0 

0 

0 

0 

4 

4 

0 

0 

24.  VII.  07 

18 

4 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

27.  VII.  07 

21 

4 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

31.  VII.  07 

25 

4 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

Hiei  ist  die  Agglutination  mittels  Diagnostikum  anfangs  negativ, 
wird  erst  später  positiv. 

Im  Stuhl  waren  Typhusbazillen  nachweisbar,  im  Blut  und  Urin 
nicht. 


Fall  9.  H.  Carl,  schwerer  Fall  von  Typhus  abd. 


Datum 

Krankheits¬ 

tage 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

1:200 

31.  VII.  07 

8 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

3.  VIII.  07 

11 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

7.  VIII.  07 

15 

0 

0 

0 

0 

4 

0 

0 

0 

Völliges  Versagen  des  Diagnostikum,  trotz  Schwere  des  Falles. 
Das  Blut  enthielt  Typhusbazillen,  der  Stuhl  und  der  Urin  nicht. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2519 


Fall  10.  R.  Margarete,  20  J.,  Fall  von  Paratyphus  B;  aus  dem  Blut 
wurde  Paratyphus  B  in  Reinkultur  gewonnen. 


- - - - 

1 

C/5 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Datum 

inkhe 

tage 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

Cu 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1:200 

1:100 

1:200 

4.  VII.  07 

11 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

13.  VII.  07 

20 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

-f 

0 

15.  VII.  07 

22 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

17.  VII.  07 

24 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

27.  VII.  07 

34 

Rezul. 

0 

0 

+ 

0 

0 

0 

+ 

+ 

29.  VII.  07 

36 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

Trotzdem  hier  die  Agglutination  von  Paratyphus-B-Emulsionen 
und  bei  starker  Serumverdünnung  immer  positiv  war,  war  sie  es  mit 
dem  Diagnostikum  nur  einmal,  vorübergehend,  bei  Gelegenheit  eines 
Rezidivs. 

Aus  dem  Blut  wurden  Paratyphus-B-Bazillen  in  Reinkultur  ge¬ 
züchtet,  aus  Stuhl  -und  Urin  nicht. 


Fall  11.  H.  Carl,  16  J.,  Fall  von  Paratyphus  B;  aus  dem  Blut 
wurde  Paratyphus  B  in  Reinkultur  gewonnen. 


Datum 

Krankheits¬ 

tage 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50 

1:100 

1:50 

1 : 100 

1:100 

1:200 

1: 

100 

1:200 

8.  VII.  07 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

0 

12.  VII.  07 

— 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

0 

17.  VII.  07 

— 

0 

0 

0 

0 

0 

0  - 

0 

27.  VII.  07 

— 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

29.  VII.  07 

— 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

31,  VII.  07 

— 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

Hier  versagte  das  Diagnostikum  für  Typhus  und  Paratyphus  voll¬ 
ständig. 

Das  Blut  enthielt  Paratyphus-B-Bazlillen  in  Reinkultur,  in  Stuhl 
und  Urin  waren  sie  nicht  nachweisbar. 


Fall  12.  G.  Angelic  a,  28  J.,  Fall  von  Typhus  abd.,  mittelschwer. 


Datum 

Krankheits¬ 

tage 

Diagnostikum 

Bazillenemulsion 

Typhus 

Parat.  B. 

Typhus 

Parat.  B. 

1:50 

1:100 

1:50 

1:100 

1:100 

1  :200 

1:100 

1:200 

13.  VII.  07 

21 

i 

-t- 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

15.  VII.  07 

23 

+ 

+ 

0 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

27.  VII.  07 

35 

+ 

+ 

0 

+ 

4- 

0 

31.  VII.  07 

39 

4 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

4- 

0 

In  diesem  Fall  war  die  Agglutination  mit  Diagnostikum  aut  Typhus 
positiv,  mit  Bazillenemuls'ion  dagegen  negativ;  dies  ist  auch  einer 
der  wenigen  Fälle,  -bei  denen  das  Paratyphus-B-Diagnostikum  nicht 
versagte. 

Aus  dem  Blut  wurden  Typhusbazillen  gezüchtet,  aus  Stuhl  und 
Urin  nicht. 


Es  ist  dies  der  zweite  Fall,  bei  dem  das  Diagnostikum  bessere 
Dienste  leistete  wie  die  Bazillenemulsion.  Paratyphus-B-Diagnostikum 
versagte. 

Die  Untersuchung  von  Blut,  Stuhl  und  Urin  auf  Typhus-  und 
Paratyphusbazillen  fiel  negativ  aus. 


In  den  anderen  untersuchten,  sicheren  Typhusfällen, 
stimmten  Agglutination  auf  Typhus  mittels  Diagnostikum  und 
mittels  Bazillenemulsion  mit  einander  überein.  Ausser  bei  den 
in  den  Tabellen  aufgezeichneten  Fällen  versagte  das  Para¬ 
typhus  B-Diagnostikum  durchweg,  obwohl  die  Agglutination 
von  Paratyphus  B-Bazillenemulsionen  in  über  der  Hälfte  von 
Fällen  positiv  war. 

Zusammengefasst  sind  meine  Resultate  mit  dem  Ficker- 
schen  Diagnostikum  kurz  folgende: 

In  10  Fällen  von  49,  in  denen  eine  sichere  In¬ 
fektion  mit  Typhusbazillen  vorhanden  war, 
war  die  Agglutination  mit  dem  Diagnostikum 
negativ,  mit  einer  frischen  Bazillenemulsion 
positiv  (rund  20  Proz.);  in  6  dieser  10  Fälle  war 
mit  dem  Diagnostikum  eine  Agglutination  bei 
Prüfung  an  verschiedenen  Krankheitstagen 
überhaupt  nicht  zu  erzielen;  bei  3  davon  trat 
die  Agglutination  mit  dem  Diagnostik  um  erst 
im  späteren  Verlauf  der  Krankheit  ein;  bei 
einem  bestand  sie  anfangs  und  verlor  sich 
später.  Die  Erfolge  mit  dem  Paratyphus  B- 
Diagnostikum  sind  also  mangelhafte.  Sieht 
man  von  den  Fällen  von  Mischinfektion  von 
Ty  phus  - und  Par  atyphusB-Bazillenab,  woein 

positives  Resultat  mit  dem  Paratyphus  B- 
Diagnostikum  eine  ganz  seltene  Ausnahme 
darstellte,  und  beschränkt  sich  auf  die  zwei 
Fälle  von  reiner  Paratyphus  B-Infektion,  so 
sieht  man,  dass  das  Diagnostikum  bei  dem 
einen  ganz  versagte,  bei  dem  anderen  bloss 
vorübergehend  auf  kurze  Zeit  brauchbar  war, 
obwohl  wir  es  mit  schwerkranken  Patienten 
zu  tun  hatten. 

Es  sind  demnach  meine  Resultate  mit  dem  Ficker  sehen 
Diagnostikum  andere,  als  die  der  meisten  meiner  Vorarbeiter. 
Ueber  die  Gründe  dieser  Abweichung  können  nur  Vermutungen 
(Verwendung  nicht  stark  agglutinierender  Kulturen  bei  der 
Herstellung?)  aufgestellt  werden.  Bei  der  verbreiteten  An¬ 
wendung,  die  das  Diagnostikum,  vor  allem  wegen  seiner  be¬ 
quemen  und  ungefährlichen  Handhabung,  in  der  Praxis  haben 
dürfte,  erscheint  es  uns  angezeigt,  auf  seine  (derzeitige)  Un¬ 
sicherheit  hinzuweisen. 

Ich  möchte  zum  Schlüsse  noch  eine  Beobachtung  mitteilen, 
die  ich  speziell  bei  den  Sera  angestellt  habe,  bei  denen  das 
Diagnostikum  in  jeder  Verdünnung  versagte,  obwohl  die  Ag¬ 
glutination  von  Bazillenemulsionen  auch  in  hoher  Verdünnung 
positiv  war.  In  diesen  Fällen  trat  nämlich  eine  auffällige 
Klärung  der  Serum-Diagnostikummischung  ein,  ohne  Bildung 
eines  Niederschlages,  so  dass  ich  den  Eindruck  hatte,  als  ob  die 
Bazillenpartikelchen  aufgelöst  oder  gewissermassen  verdaut 
würden ;  vielleicht  handelt  es  sich  dabei  um  irgend  eine  Enzym¬ 
wirkung,  jedoch  habe  ich  für  diese  Anschauung  keinen  festen 
Beweis  finden  können. 

Eine  Beeinflussung  der  Agglutination  mittels  des  Diagnosti- 
kums  im  günstigen  Sinne  durch  Brutschranktemperatur  oder 
durch  längeres  Stehen  habe  ich  nicht  nachweisen  können. 

Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Tübingen  (Prof.  R  o  m  b  e  r  g). 

Untersuchungen  über  das  funktionelle  Verhalten  der  6e- 
fässe  bei  trophischen  und  vasomotorischen  Neurosen.  ) 

Von  Dr.  Hans  Curschmann  - Mainz. 

Wer  die  Lehre  von  den  trophischen  und  vasomotorischen 
Neurosen  an  der  Hand  der  neueren  zusammenfassenden  Dar¬ 
stellungen  durchgeht,-  dem  werden  mannigfache  Widersprüche 
in  der  Auffassung  einiger  „typischer“  Krankheitsbilder  nicht 
entgehen;  auch  die  Nomenklatur  und  die  Systematisierung  des 
Stoffs,  wie  sie  z.  B.  C  a  s  s  i  e  r  e  r  bringt,  können  nicht  in  allen 
Punkten  befriedigen. 

Die  Verschiedenheit  in  der  Auffassung  der  genannten  Zu¬ 
stände  erklärt  sich  vor  allem  aus  den  verschiedenen  Gesichts¬ 
punkten  und  Interessen  ihrer  Beobachter:  auf  der  einen  Seite 


*)  Vortrag,  gehalten  auf  der  Versammlung  südwestdeutscher 
Neurologen  und  Irrenärzte  in  Baden-Baden,  Juni  1907. 


2520 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Autoren,  wie  N  o  t  h  n  a  g  e  1,  die  über  den  lokalen  Erscheinungen 
nie  die  Veränderungen  des  Allgemeinzustandes,  hier  die  des 
ganzen  Kreislaufs  übersahen;  auf  der  anderen  Seite  Beobachter 
mit  rein  neurologischen  Interessen, 'die 'den  symptomatologischeji 
Teil  ihrer  Aufgabe  gewissenhaft  erfüllten,  aber  eine  genügende 
Berücksichtigung  der  allgemein  pathologischen  Gesichts¬ 
punkte  vermissen  Hessen. 

Als  Beispiel  hierfür  diene  die  Lehre  von  den  Akro- 
paraesthesien:  Schon  der  Name  erscheint  wenig  glück¬ 
lich;  er  könnte  eben  so  gut  die  subjektiven  Symptome  mancher 
Tabes  oder  vieler  leichter  Fälle  von  Polyneuritis  bezeichnen. 
Cassierer  scheidet  nun  im  Gegensatz  zu  Nothnagel 
ziemlich  scharf  zwischen  den  Akroparästhesien  in  i  t  und  denen 
ohne  manifeste  vasomotorische  Erscheinungen  im  Anfall. 
Vasomotorische  Störungen  gehören  also  nach  Cas¬ 
sierer  überhaupt  nicht  unbedingt  zur  Akroparästhesie  im 
Sinne  E.  S  c  h  u  1  z  e  s. 

Dem  gegenüber  möchte  ich  bemerken,  dass  mir  dieser 
Standpunkt,  speziell  der  Trennung  in  zwei  Gruppen,  recht  an¬ 
fechtbar  erscheint.  Genaue  klinische  Beobachtung  und  scharf 
sondierende  Anamnese  führen  uns  stets  zu  dem  Resultat 
Nothnagels,  nämlich  zur  Annahme  der  Konstanz  pri¬ 
märer  vasomotorischer  Störungen  bei  den  genuinen  Akro¬ 
parästhesien. 

Auch  die  Auffassung  der  Erythromelalgie  als  einer 
im  wesentlichen  selbständigen  Neurose,  wie  sie  Cas¬ 
sierer  gibt,  muss  einigen  Widerspruch  erregen.  Ich  glaube, 
dass  die  anfallsweise  auftretende,  partielle  arterielle  Hyperämie 
der  Körperenden  weit  häufiger  eine  Teilerscheinung, 
eine  Phase  im  Ablauf  der  vasoKonstriktorischen 
Neurose  (wie  die  Akroparästhesien  wohl  besser  zu  be¬ 
zeichnen  wären)  ist,  als  eine  genuine  Krankheit.  Ich  habe  sie 
auch  in  Fällen  von  Vasomotorenkrampf  der  Peripherie  im 
Anginapektorisanfall  zweimal  beobachtet. 

In  Bezug  auf  den  Morbus  Raynaud  scheint  mir  die 
herrschende  Lehre  gleichfalls  nicht  ganz  frei  von  Schematismus 
zu  sein.  Auch  hier  möchte  man  die  nahe  Verwandtschaft  mit 
den  ersten  Gruppen  schärfer  betont  wissen;  eine  Artgleich¬ 
heit,  die.  uns  in  nicht  seltenen  Fällen  die  Entscheidung  recht 
schwer  macht:  handelt  es  sich  noch  um  eine  benigne  vaso- 
konstriktorische  Neurose  oder  schon  um  eine  beginnende 
symmetrische  Gangrän? 

Die  Unsicherheit  und  die  Widersprüche  in  der  sympto- 
matologischen  Auffassung  und  Gruppierung  der  vasomotor¬ 
ischen  und  trophischen  Neurosen  entsprechen  nun  zweifellos 
dem  zur  Zeit  noch  zu  konstatierenden  Mange!  an  festen  Vor¬ 
stellungen  über  das  eigentliche  Wesen  der  zu  Grunde  liegen¬ 
den  Prozesse,  insbesondere  derStörungen  derGefäss- 
a  k  t  i  o  n.  Planmässige  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
nach  dieser  Richtung  liegen  bisher  noch  nicht  vor.  Und  doch 
müsste  gerade  die  Feststellung  des  Zustandes  der  peripheren 
Gefässe  in  Anfall  und  im  Intervall  des  Leidens  als  Basis  zu 
betrachten  sein,  auf  der  sich  eine  richtige  Auffassung  der  patho¬ 
logischen  Physiologie  dieser  interessanten  Neurosen  aufbauen 
könnte.  Die  Beobachtung  allein  genügt  nun  erfahrungsgemäss 
zur  Beurteilung  von  vasomotorischen  Störungen  - — -  auch 
peripherer  Art  —  nicht.  Am  geeignetsten  erschien  mir  hierzu 
eine  Methode,  die  das  funktionelle  Verhalten  des  arteriellen 
Gefässystems  in  prägnanter  Weise  prüft  und  veranschaulicht: 
die  Plethysmographie. 1 *  3) 

Es  erscheint  wohl  angebracht,  mit  wenigen  Worten  auf  die 
Art  dieser  Methode  einzugehen:  von  Romberg  und  Otfried 
Müller  wurde  sie  vor  etwa  4  Jahren  zum  Zweck  der 
Reaktionsbestimmung  bei  normalen  und  arteriosklerotischen 
Arterien  aufs  neue  in  das  Rüstzeug  der  klinischen  Kreis¬ 
laufsbeobachtung  eingeführt.  Die  wichtigen  Ergebnisse  O. 
Müllers  über  die  Gefässreaktion  von  Arteriosklerotikern 
haben  unseren  Betrachtungskreis  in  dieser  Frage  wesentlich 
erweitert.  Müller  bestätigte  zuerst  die  Arten  der  normalen 
Reaktion  der  peripheren  Gefässe  bei  Applikation  verschiedener 
Reize  auf  den  nicht  im  Plethysmographenkasten  befindlichen 

1  Die  hui  bei  Morbus  Raynaud  gemachten  Untersuchungen  von 

U  a  s  t  e  1 1  i  n  o  und  C  a  r  d  i  (II  Morgagni  1895,  I,  p.  625,  zit.  bei 
kassiere  r  S .  314)  wurden  mir  durch  Zufall  erst  nach  Abschluss 

meiner  Untersuchungen  und  dieser  Arbeit  bekannt. 


proximalen  Teil  der  Extremität;  er  konnte  bei  Uebertragung 
auf  die  rotierende  Tremmel  feststellen,  dass  Kältereize  regel¬ 
mässig  einen  plötzlichen  Abfall,  Wärmereize  eine  langsamere, 
nicht  so  konstante  Zunahme  im  Volumen  der  distalen  Extremi¬ 
tätenenden  hervorbringen;  körperliche  Schmerzen  und  dys- 
phorische  Affekte  hatten  einen  ähnlichen  Effekt  auf  das 
Plethysmogramm,  wie  Kältereize.  Bei  Arteriosklerotikern 
waren  diese  Reaktionen  nun  vermindert  oder  fehlten  —  je 
nach  Grad  der  Erkrankung  —  auch  ganz. 

Diese  Methode,  'die  die  Gefässreaktion  auf  äussere  Ein¬ 
flüsse  hin  erkennen  lässt,  schien  mir  zur  Anwendung  bei  den 
genannten  Neurosen  demnach  besonders  geeignet,  weil  bei 
ihnen  abnorme  oder  mangelhafte  Reaktionen  auf  äussere  Rei?e 
hin,  ganz  besonders  auf  Kälte,  oft  genug  objektiv  zu  beobachten 
sind  und  auch  subjektiv  häufig  in  den  Klagen  der  Kranken 
hervortreten.  Ausserdem  konnten  die  Versuche  eventuell  die 
Frage  entscheiden:  bestehen  dauernde  Zustandsver¬ 
änderungen  (etwa  der  Tonus)  der  Gefässe?  Oder  ist  die  An¬ 
sicht,  die  Schulze  und  Cassierer  über  eine  (oben 
charakterisierte)  Gruppe  von  Akroparästhesien  ausgesprochen 
haben,  richtig,  dass  nämlich  die  Gefässverengerung  eine  relativ 
untergeordnete,  der  Störung  der  sensiblen  Nerven  jedenfalls 
nur  koordinierte  Teilerscheinung  des  Anfalls  ist,  dass  sie 
erst  jedesmal  im  Anfall  entsteht. 

Ich  stellte  nun  meine  plethysmographischen  Unter¬ 
suchungen  genau  nach  den  Angaben  0.  Müllers  an,  auch 
unter  Benützung  seines  Petroleumschwimmers  für  die  Schrei¬ 
bung;  ein  elektrisch  betriebenes  Kymographion  nahm  die 
Kurven  auf,  auf  denen  ausserdem  die  Zeitschreibung  und  die 
Dauer  der  Reaktionseingriffe  mechanisch  vermerkt  wurden. 
Das  Volumen  der  Extremität  wurde  jedesmal  bestimmt,  um 
den  Grad  der  Reaktion  —  der  Verengung  oder  Erweiterung  des 
(iliedes  —  nach  Volumprozenten  ausdrücken  zu  können. 

Meine  Untersuchungen  machte  ich  nun  an  5  Fällen  von 
Morbus  Raynaud,  einem  Fall  von  Sklerodermie  mit  Wirbel¬ 
steifigkeit,  der  auch  aspyktische  Anfälle  der  Peripherie  auf¬ 
wies,  weiter  an  3  typischen  Fällen  von  Akroparästhesien  zum 
Teil  gemischt  mit  Erythromelalgien,  an  einem  Fall,  dessen 
Akroparästhesien  das  Produkt  einer  alkoholischen  Polyneuritis 
waren;  weiter  an  2  Fällen  von  intermittierendem  Hinken  und 
schliesslich  an  einem  Fall  von  angioneurotischem  Oedem  der 
Hände.  Die  Untersuchung  wurde,  wenn  irgend  möglich,  bei  jedem 
Patienten  2 — 3  mal  zu  verschiedenen  Zeiten  wiederholt,  eine 
Forderung,  die  man  bei  den  Fehlerquellen  der  nicht  leichten 
Methode  mit  0.  M  ü  1 1  e  r  durchaus  stellen  muss. 

Regelmässig  fügte  ich  dieser  Untersuchung  noch  eine 
genaue  physikalische  Untersuchung  des  Herzens  und  der  Ge¬ 
fässe,  sowie  des  Blutdrucks  hinzu. 

Die  Resultate  waren  nun  im  einzelnen  kurz  folgende: 

In  2  schweren  Fällen  von  hereditärem  M.  Raynaud  (P. 
Lins  er),  Knaben  von  13  und  9  Jahren,  deren  Hände  dauernd 
Kälte,  Zyanose  und  trophische  Störungen  leichterer  aber 
mannigfachster  Art  zeigten,  fehlte  bei  häufiger  Untersuchung 
jegliche  Reaktion  auf  Kälte  (Abb.  l);  der  eine  Fall  zeigte  auf 
Wärme,  beide  auf  Kompression  des  Oberarms  das 
paradoxe  Phänomen  der  Senkung  der  plethys¬ 
mographischen  Kurve  (Abb.  2),  also  der  auf  Zunahme  der 
Vasokonstriktion  beruhenden  Volumsverminderung  des  Vorder¬ 
arms  und  der  Hand.  Dies  Phänomen  Hess  sich  auch  ohne 
Plethysmographen  im  warmen  Bade  und  bei  Kompression  des 
Arms  durch  Zunahme  der  Blässe  der  Hand  konstatieren. 

2  weitere  mittelschwere  Fälle  von  M.  Raynaud  (Mädchen 
von  31  Jahren  und  Mann  von  29  Jahren)  zeigten  Fehlen 
jeglicher  Kälte-,  Wärme-,  Schmerz-  und  Affekt- 
r  e  a  k  t  i  o  n  am  betroffenen  Arm,  gleichviel  ob  sie  frei  von  sub¬ 
jektiven  Störungen  waren,  oder  gerade  eine  vasokonstrik- 
torische  Schmerzattacke  durchgemacht  hatten.  Ein  5.  Fall  von 
beginnenden  M.  Raynaud  (35  jährigen  Frau)  gab  niemals  Kälte¬ 
reaktion,  keine  Schmerz-  und  Affektreaktionen,  nur  einmal  die 
Andeutung  einer  Wärmereaktion. 

In  sämtlichen  Fällen  zeigte  sich  die  Radialarterie  eng,  mässig 
rigide,  nicht  geschlängelt;  der  Blutdruck  war  normal;  stärkere  Blut- 
druckschwanlkungen  im  Anfall  fehlten  stets. 

Ebenso  fehlte  in  dem  erwähnten  mit  Raynaudsymptomen 
der  Hände  verlaufenden  Fall  von  Sklerodermie  die 
plethysmographische  Reaktion  sowohl  auf  Kälte  und  Wärme, 


1 7.  Dezember  1007. 


MUENCHFNER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2521 


wie  auf  Schmerz  und  Affekte  bei  häufiger  Untersuchung  stets 
absolut;  Patient,  58  Jahre,  hatte  enorm  verdünnte  und  ge¬ 
schrumpfte  Finger  und  sehr  enge  und  etwas  rigide  Arterien. 
Während  der  Plethysmographie  war  sie  frei  von  Anfällen. 

3  Fälle  von  typischen  Akroparästhesien  vaso¬ 
motorischen  Ursprungs,  von  denen  eine  nach  dem  Anfall 
typische  Erythromelalgie  zeigt,  ergaben  folgendes:  bei  mehr¬ 
maliger  Untersuchung  (nie  im  Anfall,  aber  einige  Male  bald 


Schliesslich  sei  noch  über  die  plethysmographische  Re¬ 
aktion  bei  angioneurotischem  O  e  d  e  m  berichtet:  Bei 
der  40  jährigen  Frau,  die  seit  Jahren  an  einem  mit  Hyperämie 
einhergehenden,  ziemlich  derben  Oedem  beider  Hände  und 
Unterarme,  dessen  Umfang  sehr  wechselte,  litt,  ergab  die 
plethysmographische  Kurve  folgendes:  Die  Reaktionen  auf 
Kältereiz  und  auch  auf  Schmerz  erfolgten  in  annähernd  n  o  r  - 
mal  er  Breite  (Abbild.  4),  die  normale  Wärmereaktion 


Wärmereiz. 


Paradoxe  Reaktion. 


Kältereiz. 


darnach)  reagierten  sämtliche  Fälle  (Personen  zwischen  27  bis 
36  Jahren)  niemals  auf  Wärme  und  Kälte,  während 
die  eine  auf  Schmerz  und  Affekt,  die  andere  nur  bei  Affekt  noch 
eine  regelmässige,  wenn  auch  mässige  Reaktion  normaler  Art 
aufwies. 

Von  differentialdiagnostischem  Interesse  war,  dass  eine 
Frau,  deren  Akroparästhesien,  wie  das  Fehlen  der  Sehnen¬ 
reflexe  und  die  Anamnese  wahrscheinlich  machten,  toxisch- 
polyneuritischer  Natur  waren,  sich  plethysmographisch  völlig 
normal  verhielt  und  trotz  ihres  Alters  (58  Jahre)  noch  ca.  1,0  Vo¬ 
lumprozent  Verengerung  bei  Kältereiz  zeigte. 


Vasodilatation  und  Volumzunahme  der  Extremität  —  Hess  sich 
dagegen  niemals  erzielen.  Dazu  sei  bemerkt,  dass  Patientin 
von  asphyktischen  Symptomen  an  den  Händen  völlig  frei  war. 

Wenn  es  erlaubt  ist,  aus  dem  noch  relativ  geringen  Material 
von  Fällen  und  Untersuchungen  Schlüsse  zu  ziehen,  so  möchte 
ich  dies  in  folgendem  Sinne  tun: 

Bei  M  o  r  b.  Raynaud  und  Sklerodermie  mit 
Raynauderschein  ungen  zeigen  die  Arterien 
der  erkrankten  Extremitäten  enden  per¬ 
manent  bei  sehr  verschiedenen  Graden  des 
Leidens  und  bei  allen  Altersstufen  das  Fehlen 


Abbildung  4. 


Abbildung  5. 


i  \ 


Die  Untersuchung  des  Herzens  ergab  in  diesen  Fällen  von 
Akroparästhesien  (auch  auf  dem  Röntgenschirm)  keine  Be¬ 
sonderheiten).  Auch  der  —  stets  normale  —  Blutdruck  zeigte 
insofern  kein  anormales  Verhalten,  als  die  Blutdruckverände¬ 
rungen  im  Anfall  und  ausserhalb  desselben  nur  sehr  geringe 
und  inkonstante  waren,  im  Gegensatz  zu  den  starken  Steige¬ 
rungen  des  Drucks,  die  ich  bei  asphyktischen  Anfällen  der 
Peripherie  bei  echter  Angina  pectoris  gefunden  habe. 

Von  den  Fällen  von  intermittierendem  Hinken 
konnte  ich  zufällig  nur  2  zur  plethysmographischen  Unter¬ 
suchung  bringen. 

Die  eine  Patientin  (Potatrix)  zeigte  das  Fehlen  beider  Fuss- 
pulse  beiderseits,  der  andere  Patient,  ein  älterer  Mann,  nur  ein¬ 
seitig;  bei  beiden  fehlte  an  den  betr.  Extremitäten  jegliche  Re¬ 
aktion  auf  Kälte  (Abbild.  3),  Wärme,  Affekt  und  Schmerz. 

No.  51. 


der  n  o  r  m  alen  Gefässreaktionen;'  bisweilen  kommt 
eine  paradoxe  Reaktion  vor  im  Sinne  einer  Gefässverengerung 
auf  Wärmeeinwirkung.  Wir  müssen  also  eine  dauernde  Zu¬ 
standsveränderung  der  befallenen  Extremitätenenden  an¬ 
nehmen.  Ob  wir  in  allen  Fällen  anatomische  Verände¬ 
rungen  der  Arterienwandung  vermuten  sollen,  erscheint  mir 
bei  den  meist  geringfügigen  Arterienveränderungen  der  bekannt 
gewordenen  Obduktionsfälle  der  Literatur  recht  zweifelhaft. 
Eher  möchte  ich  mich  für  eine  T  onusveränüerung  der 
Arterie  aussprechen,  für  eine  dauernde  Vasokonstriktion. 

Man  könnte  dieser  Deutung  nun  entgegenhalten,  dass  das 
Fehlen  der  Gefässreaktion  oder  deren  Herabsetzung  vielleicht 
in  dem  äusserst  dürftigen  Ernährungszustand  der  Haut  und  der 
Muskeln  der  betr.  Extremitäten,  den  wir  ja  besonders  bei  tro- 
phischen  Neurosen  stets  konstatieren  können,  seine  Erklärung 

2 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


2522 


findet.  Der  Gedanke,  dass  die  Gefässmuskulatur  in  derartig 
allgemein  atrophischen  Teilen  ebenfalls  Schaden  leidet  und 
damit  die  Reaktionsbreite  des  Gefässes  auf  Reize  hin,  liegt  ja 
nicht  fern.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Plethysmographische 
Untersuchungen  an  äusserst  schlecht  genährten  und  in  Bezug 
auf  ihre  Muskulatur  sehr  reduzierten  Patienten  ergaben  viel¬ 
mehr,  dass  die  Reaktionsbreite  der  Gefässe  an  den  Extremi¬ 
täten  derartiger  Personen  absolut  nicht  verringert  zu  sein 
braucht.  Beifolgende  Kurven  äusserst  magerer  und  muskel¬ 
schwacher  Menschen  zeigen  durchaus  normale  Reaktionsaus¬ 
schläge  auf  Temperaturreize  hin  (Abbild.  5).  Wir  können  den 
genannten  Einwand  also  fallen  lassen  und  uns  zu  der  Annahme 
entschliessen,  dass  der  Reaktionsverlust  der  Arterien  bei  der 
Raynaud  sehen  Krankheit  eine  spezifische  Erschei¬ 
nung,  eine  primäre  Gefässi  nnervations  Stö¬ 
rung  darstellt. 

Dasselbe  plethysmographische  Resultat  wie  die  genannten 
trophischen  Neurosen  ergaben  nun  die  Fälle  von  inter¬ 
mittierendem  Hinken,  einem  Leiden,  das  man  dem 
M.  Raynaud  in  mancher  Beziehung  als  recht  verwandt  ansehen 
muss.  Hier  kann  uns  aber  der  Reaktionsverlust  der  Arterien 
weniger  wundernehmen,  weil  wir  fast  stets2 * * S)  arteriosklerotische 
Prozesse  als  Ursache  des  Leidens,  der  vasokonstriktorischen 
Anfälle,  annehmen  müssen;  wir  wissen  aber  durch  die  Unter¬ 
suchungen  der  Marburger  Poliklinik  unter  Romberg,  in  wie 
relativ  frühen  und  jugendlichen  Stadien  der  Arteriosklerose  die 
plethysmographische  Reaktion  der  Arterien  Schaden  leiden 
kann. 

Viel  auffallender  ist  das  konstante  Fehlen 
der  Gefässreaktionen  auf  Temperaturreize  in 
unseren  Fällen  von  Akroparästhesien  vaso- 
konstriktorischer  Art,  gleichviel,  ob  die  Untersuchung 
im  Intervall  oder  bald  nach  einem  Anfall  vorgenommen  wurde, 
in  Fällen,  die  ihrem  Lebensalter  und  ihrem  Gefässverhalten 
nach  normale  Reaktionen  hätten  erwarten  lassen. 

Auch  hier  müssen  wir  also  dauernde  Tonusver¬ 
änderungen  konstriktorischer  Art  annehmen, 
wenn  auch  wahrscheinlich  nicht  des  Grades  und  der  Konstanz, 
wie  bei  Tlen  Gefässen  der  Extremitäten  von  M.  Raynaud¬ 
kranken.  Jedenfalls  zeigt  auch  das  funktionelle 
Verhalten  der  Gefässe  recht  deutlich  die 
schon  eingangs  betonte  nahe  Verwandtschaft 

dervasokonstriktorischenAkroparästhesien 

mit  der  symmetrischen  Gangrän. 

Ob  die  plethysmographische  Kontrolle  der  Gefässreaktion 
der  Differentialdiagnose,  der  Prognose  und  der  eventuellen 
rufung  der  Wirkung  therapeutischer  Eingriffe  praktisch  dienst¬ 
bar  gemacht  werden  kann,  möchte  ich  bei  der  technischen 
Schwierigkeit  der  Methode  dahin  gestellt  sein  lassen.  Zu  einem 
unei  hott'e  ich  durch  diese  Untersuchungen  anzuregen:  nämlich 
’ci  \  asomotorischen  und  trophischen  Neurosen  nicht  einseitig 
symptomatologisch  zu  beobachten,  sondern  dem  funktionellen 
Verhalten  der  Gefässe  diejenige  Aufmerksamkeit  zu  widmen, 
die  die  primäre  Störung  in  einem  Krankheitsbild  verdient. 


^itenL  tiii  f  6  ™lt:  Oppenheim,  -dass  in  allerding 
H  ,  al  cn  ,der  Symptomemkomplex  des  intermittierende 

striktion  Zr  °hne  v  ArtenoJklerose  durch  eine  genuine  Kon 
/er  peripheren  Fussarterien  entstehen  kann.  Ic 
toliachtete  wenigstens  2  Falle,  junge  Dienstmädchen  vo 

F_c,“.  * a  ren»  die  die  typischen  .subjektiven  und  objektive 

Urscheinungen,  auch  das  Fehlen  der  Fusspulse  zeigten  ohn 

S  lFi,"dTVhe  Erschei"“n«en  der  Arteriosklerose  aufeuweiser 
AsrtiVi? Iler ft,"!  denjenigen  mit  anfallsweise  auftretende 
Vn?i  d  H  ?e  (dl,e  ja  auch  zu  starken  Motilitätsstörungen  führt 

lons  ^i  Uf,rnbP?rntr,Ch,eiden  iTh  abcr  doch  durch  die  dauernde  Puls 
siskeit  der  betr.  Arterien.  Ich  möchte  dazu  auffordern  bei  unklare] 

,  j .  hartnäckigen  Schmerzen  und  Parästhesien  in  den  Füssen  aucl 
sulhef  vielleinw'rS0"f  MCtYJe"  Zustan'd  der  Fussarterien  zu  unter 


Aus  der  Poliklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkranke 
zu  Giessen  (Direktor:  Prof.  Dr.  Leutert). 

Die  Verwertung  des  negativen  Resultates  der  bakterio¬ 
logischen  Untersuchung  des  Sinusblutes  für  die  Differen¬ 
tialdiagnose  zwischen  otitischer  Sinusthrombose  und 
anderen  noch  nicht  manifesten,  hochfieberhaft  ver¬ 
laufenden  Erkrankungen. 

Von  Dr.  Franz  Nuernberg,  I.  Assistent. 

Die  Diagnose  der  otitischen  Sinusthrombose  beruht  zur 
Zeit  fast  ausschliesslich  auf  der  Temperaturmessung.  Nach 
Leutert  ist  jede  Temperatur  von  über  39°,  soferne  sie  auf 
eine  Mittelohrentzündung  bezogen  werden  muss,  das  akute 
Stadium  der  Paukenentzündung  mit  Eiterverhaltung  abgelaufen 
und  Meningitis  auszuschliessen  ist,  als  sicheres  Symptom  einer 
Sinuserkrankung  anzusehen.  Diese  Art  der  Diagnosenstellung 
hat  jedoch  noch  einige  Nachteile,  so  gross  auch  der  Fort¬ 
schritt  gegenüber  der  früher  meist  erst  zu  spät  möglichen 
Diagnosenstellung  ist.  Zunächst  sind  diejenigen,  allerdings 
seltenen  Fälle  auf  diese  Weise  allein  nicht  diagnostizierbar, 
in  welchen  die  Temperatur  wegen  zeitweilig  teilweisen  oder 
völligen  Abschlusses  des  Thrombus  durch  angelagerte,  noch 
nicht  infizierte  I  hrombenmassen  die  schablonenmässige  Höhe 
nicht  erreicht;  sodann  die  nicht  allzu  seltenen,  in  welchen  gleich¬ 
zeitig  eine  andere,  erfahrungsgemäss  mit  hohem  Fieber  einher¬ 
gehende  Erkrankung,  z.  B.  eine  Angina,  vorliegt.  Während  im 
ersten  Fall  der  Nachweis  der  hier  fast  (ausschliesslich  in  Betracht 
kommenden  Streptokokken  in  dem  durch  die  Punktion  ge¬ 
wonnenen  Blut  (falls  der  Thrombus  unterhalb  oder  oberhalb 
der  Punktionsstelle  liegt,  bei  der  selteneren  Aspiration  von 
Eiter  ist  die  Diagnose  ohne  weiteres  gegeben)  eine  wesent¬ 
liche  Stütze  für  die  Diagnose  der  Sinusthrombose  abgibt  bezw. 
sie  sichert,  kann  der  gleiche  Befund  schon  bei  dem  Verdacht 
des  gleichzeitigen  Bestehens  einer  anderen  erfahrungsgemäss 
hochfieberhaft  verlaufenden  Erkrankung  die  Diagnose  nicht 
sichern,  da  ja  die  Mikroorganismen  infolge  der  anderen  Er¬ 
krankung  ins  Blut  gelangt  sein  können;  sind  doch  Strepto¬ 
kokken  beispielsweise  auch  bei  Angina  im  Armvenenblut  ge¬ 
funden  worden.  Leutert  hat  nun  versucht  die  Differential¬ 
diagnose  in  letzteren  Fällen  in  der  Weise  zu  sichern,  dass  er 
Sinus-  und  Armvenenblut  gleichzeitig  entnahm  und  Kulturen 
anlegte.  Er  ging  dabei  von  dem  Gedanken  aus,  dass  eine  Ver¬ 
mehrung  der  Streptokokken  im  Blute  selbst  auch  bei  schweren 
Pyämien,  wenn  überhaupt,  erst  kurze  Zeit  ante  exitum  nach 
vollständigem  Erlöschen  der  Abwehrkräfte  des  Blutes  statt- 
fmdet  (vergleiche  Canon:  „Die  Bakteriologie  des  Blutes  bei 
Infektionskrankheiten“,  Jena,  Gustav  Fischer,  1905),  und  dass 
weiterhin  die  von  einem  Thrombus  in  das  Blut  gelangten  Strepto¬ 
kokken,  so  lange  die  bakteriziden  Eigenschaften  des  Blutes 
funktionieren,  alsbald  von  diesen  abgetötet  werden,  so  dass 
sie  bereits  im  Armvenenblut  kulturell  nicht  mehr  nachweisbar 
sind.  L  e  u  t  e  i  t  stützte  sich  hierbei  auf  die  zahlreichen  nega¬ 
tiven  Resultate  der  aus  dem  Armvenenblut  an  Pyämie  Er¬ 
krankter  angelegten  Kulturen,  welche  in  der  Literatur  nieder¬ 
gelegt  sind.  Dagegen  war  es  andererseits  sehr  wahrscheinlich, 
dass  die  aus  dem  Sinusblut  bei  Vorhandensein  eines  Thrombus 
angelegten  Kulturen  stets  ein  positives  Resultat  ergeben  wür¬ 
den,  da  das  Material  entweder  aus  einem  von  der  Punktions¬ 
nadel  getroffenen  randständigen  J  hrombus  stammen  konnte, 
oder  die  soeben  erst  ins  Blut  gelangten  Bakterien  erst  so  kurze 
Zeit  dessen  bakterientötenden  Eigenschaften  ausgesetzt  waren, 
dass  eine  wesentliche  Abnahme  der  Vitalität  noch  nicht  einge¬ 
treten  war.  Wenn  daher  die  von  dem  gleichzeitig  entnom¬ 
menen  Sinus-  und  Armvenenblut  angelegten  Kulturen  ein 
starkes  Ueberwiegen  der  Kolonienzahl  zugunsten  des  Sinus¬ 
blutes  ergeben  sollten,  so  dürfte  angenommen  werden,  dass  die 
Sinuspunktionsstelle  dem  Thrombus  erheblich  näher  lag  als  die 
Punktionsstelle  der  Armvene.  Bei  vorhandener  Felsenbein¬ 
erkrankung  konnte  als  Sitz  des  Thrombus  alsdann  nur  der 
Sinus  sigmoideus  bezw.  trnnsversus  oder  petrosus  superior, 
sowie  der  Bulbus  venae  jugularis  in  Betracht  kommen.  Letz¬ 
te!  er  jedoch  nur,  wenn  dicht  in  seiner  Nähe  punktiert  worden 
war  oder  infolge  der  Grösse  des  Thrombus  rückläufige  Strö¬ 
mungen  im  Sinus  sigmoideus  entstanden  waren.  Tatsächlich 
erhielt  jedoch  Leutert  in  sämtlichen  bisher  auf  diese  Weise 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


untersuchten  4  Fällen  von  Sinusthrombose  —  darunter  eine 
isolierte  Thrombose  des  Bulbus  venae  jugularis  —  das  Re¬ 
sultat,  dass  das  Sinusblut  zahlreiche  (bei  der  Bulbusthrombose 
erheblich  weniger)  Kolonien  von  Streptokokken  in  Reinkultur 
lieferte,  während  die  vom  Armvenenblut  angelegten  Kulturen 
stets  völlig  steril  blieben 1).  In  einem  5.,  später  noch  zu  er¬ 
wähnenden  Fähe  von  beginnender  Thrombenbildung  blieben 
auch  die  Sinusblutkulturen  steril. 

Es  ist  jetzt  noch  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  sich  bei 
dem  kurzdauernden  aber  bereits  mit  hohem  Fieber  einhergehen¬ 
den  Vorstadium  der  Sinusthrombose,  der  Entzündung  der  äus¬ 
seren  Sinuswand,  von  welcher  aus  wohl  nicht  nur  Toxine, 
sondern  auch  schon  Mikroorganismen  in  die  Blutbahn  gelangen, 
ebenfalls  Bakterien  in  der  Blutbahn  kulturell  nachweisen  lassen. 
Alsdann  könnte  die  Differentialdiagnose  zwischen  dem  Vor¬ 
stadium  und  der  Sinusthrombose  selbst  durch  die  bakteriologi¬ 
sche  Untersuchung  allein  nicht  gestellt  werden.  Es  müsste 
dann,  wie  bisher,  nach  Freilegung  des  Sinus  der  Abfall  oder 
Nichtabfall  des  Fiebers  innerhalb  dreier  Tage  abgewartet  wer¬ 
den,  ehe  die  Diagnose  auf  Sinusthrombose  gestellt  werden 
könnte,  falls  der  Thrombus  nicht  direkt  erkennbar  ist. 

Theoretisch  ist  es  aber  nun  als  sehr  wahrscheinlich  zu  be¬ 
trachten,  dass  die  Bakterien  in  den  genannten  Uebergangs- 
fällen,  in  welchen  eine  Thrombose  noch  nicht  vorhanden,  und 
die  bakterizide  Kraft  des  Blutes  noch  voll  erhalten  ist,  sofort 
vom  Sinusblut  abgetötet  werden,  die  Kulturen  also  steril 
bleiben.  Wir  konnten  bisher  nur  einen  derartigen  Fall  be¬ 
obachten;  die  Temperatur,  welche  nach  der  Ausräumung  des 
Warzenfortsatzes  und  breiter  Freilegung  des  Sinus  sofort  ab¬ 
fiel,  war  allerdings  nur  auf  38,5  gestiegen,  die  Kulturen  des 
Sinusblutes  blieben  steril.  Dagegen  war  das  Resultat  der 
Sinusblutkulturen  auch  in  dem  vorhin  genannten  5.  Falle 
negativ,  in  welchem  zweifellos  bereits  eine  leichte  Thromben¬ 
bildung  im  Sinus  stattgefunden  hatte;  denn  die  Temperatur 
fiel  zwar  am  3.  Tage  nach  der  Entleerung  eines  am  Sinus 
gelegenen  Abszesses  ab,  stieg  aber  am  10.  Tage  plötzlich  von 
36,4  auf  40,1,  nachdem  der  Patient  zum  ersten  Male  aufgestan¬ 
den  war,  um  noch  am  gleichen  Tage  definitiv  wieder  abzufallen, 
nachdem  sich  der  Patient  wieder  zu  Bett,  gelegt  hatte.  Da 
somit  die  vom  Sinusblut  angelegten  Kulturen  selbst  bei  schon 
vorhandener  geringer  Thrombenbildung  steril  bleiben  können, 
so  ist  das  umsomehr  für  diejenigen  Fälle  anzunehmen,  in  wel¬ 
chen  eine  Thrombenbildung  noch  nicht  stattgefunden  hat. 
Allerdings  müssen  erst  zahlreiche  weitere  Untersuchungen  die 
Richtigkeit  dieser  Annahme  bestätigen. 

Von  Wichtigkeit  erscheint  Leutert  zur  Klärung  der 
Auffassung  über  die  bakterizide  Kraft  des  Blutes  die  ver¬ 
gleichende  Untersuchung  des  Sinus-  und  Jugularisblutes  bei 
Sinusthrombose.  In  frischen  Fällen  liegt  die  Möglichkeit  vor, 
dass  sich  bereits  deutliche  Unterschiede  in  der  Kolonienzahl 
des  Sinus-  und  Jugularisblutes  geltend  machen.  Diese  ver¬ 
gleichende  Blutuntersuchung  ist  zwar  zweimal  in  der  Qies¬ 
sener  Ohrenklinik  bei  entsprechenden  Fällen  vorgenommen 
worden  und  ergab  in  dem  eingangs  erwähnten  Fall  isolierter 
Thrombose  des  Bulbus  venae  jugularis  in  XA  ccm  Jugularisblut 
3  Streptokokkenkolonien  gegen  24  Kolonien  in  der  gleichen 
Menge  des  Sinusblutes;  im  zweiten  oa.  3000  Kolonien  im  Sinus¬ 
blut  gegen  0  Kolonien  im  Jugularisblut;  doch  ist  in  beiden  Fällen 
das  Blut  leider  erst,  wenn  auch  direkt  nach  der  Unterbindung 
der  Jugularis  entnommen  worden.  Im  ersten  Fall  war  zwar 
die  Vena  faciei  comni.  ebenfalls  unterbunden  worden,  doch 
können  die  Bakterien  inzwischen  nach  unten  gesunken  sein. 
Im  zweiten  Fall  war  dagegen  die  Vena  faciei  nicht  mit  unter¬ 
bunden  worden,  das  durch  die  Punktion  gewonnene  Blut 
stammte  daher  aus  dieser,  und  die  Kulturen  mussten  ebenso 
steril  bleiben,  wie  die  von  dem  Armvenenblut  angelegten.  Eine 
ausführlichere  Mitteilung  hat  Leutert  in  der  Festschrift  zu 
Schwartzes  70.  Geburtstage  veröffentlicht.2) 

Bei  der  Konstanz  der  bisher  vorliegenden  Untersuchungs¬ 
befunde  —  ausser  den  genannten  Fällen  ist  in  einem  nur  das 
Sinusblut  untersucht  worden,  es  wuchsen  zahlreiche  Strepto¬ 


P  Die  Untersuchungen  wurden  vom  Hygienischen  Institut  in 
Qiessen  .ausgeführt. 

2)  Die  Diagnose  der  otitischen  Sinusthrombose  mittels  bakterio¬ 
logischer  Blutuntersuchung.  Arch.  f.  Ohrenheilk.,  Bd.  74. 


2523 


kokkenkolonien  —  hatte  nun  die  Schlussfolgerung  eine  gewisse 
Berechtigung,  dass  man  in  diagnostisch  zweifelhaften  Fällen  bei 
negativem  Untersuchungsresultat  des  Sinusblutes  eher  an  eine 
andere  noch  nicht  manifest  gewordene  hochfieberhafte  Erkran¬ 
kung  denken  müsse,  als  an  Sinusthrombose. 

Der  folgende  Fall,  welcher  vielleicht  auch  noch  in  anderer 
Beziehung  ein  gewisses  Interesse  beanspruchen  dürfte,  diene 
hierfür  als  Beispiel. 

Alma  SB.,  30  Jahre  alt,  Tagelöhnersfrau  aus  A.  Aufgenommen 
den  22.  VII.  07. 

Die  Frau  gibt  an,  seit  einem  Jahre  an  linksseitigem  Ohrenlaufen 
zu  leiden.  Bei  weiteren  Fragen  fällt  es  auf,  dass  sich  die  Patientin 
zumeist  vor  der  Antwort  etwas  besinnt;  zuweilen  scheint  sie  auch 
Worte  zu  verwechseln,  sodass  die  Antwort  der  gestellten  Frage  nicht 
ganz  entspricht.  Sie  klagt  über  Schmerzen  im  linken  Ohr,  sowie  im 
vorderen  Teil  der  linken  Kopfhälfte.  Nach  brieflicher  Mitteilung  des 
Arztes  besteht  die  Ohreiterung  erst  seit  8  Tagen.  Eine  Begleiterin, 
welche  mit  der  Patientin  in  demselben  Hause  wohnt,  gibt  an,  dass 
letztere  seit  2  Tagen  nicht  mehr  klar  im  Kopfe  sei,  sie  habe  ihre 
Kinder  nicht  mehr  erkannt.  Der  Ehemann  teilt  mit,  dass  seine  Frau 
im  8.  Monat  der  Schwangerschaft  stehe. 

Status  22.  VII.  Die  in  gutem  Ernährungszustand  befindliche 
Patientin  macht  einen  schwerkranken  Eindruck,  sie  stöhnt  und  deutet 
auf  Befragen  nach  der  Ursache  ihrer  Schmerzen  auf  das  linke  Ohr 
und  die  linke  Kopfseite.  Weiteres  ist  aus  ihr  nicht  herauszukriegen; 
sie  deutet  auf  alle  Fragen  nach  dem  Ohr;  nur  wenn  letztere  so  gestellt 
sind,  dass  sie  nur  mit  ja  oder  nein  zu  antworten  braucht,  antwortet 
sie  ohne  Besinnen  und  stets  richtig.  Sie  macht  den  Eindruck,  als  ob 
sie  alles  richtig  auffasste,  aber  die  entsprechende  Antwort  nicht  geben 
könne.  Das  rechte  Trommelfell  ist  normal,  doch  ist  eine  exakte  Hör¬ 
prüfung  nicht  möglich,  da  die  Patientin  anscheinend  ihre  Gedanken 
nicht  auf  diese  Untersuchung  konzentrieren  kann.  Nach  der  Stimm¬ 
gabelprüfung  scheint  das  rechte  Ohr  normalhörig,  das  linke  taub  zu 
sein.  Der  linke  Qehörgang  ist  so  verengt,  dass  die  obere  und  untere 
Qehörgangswand  fast  aneinander  liegen.  In  der  Tiefe  liegt  ein  wenig 
stinkender  Eiter,  das  Trommelfell  ist  nicht  sichtbar  zu  machen.  Bei 
vorsichtiger  Sondierung  stösst  man  in  der  Tiefe  nicht  auf  Knochen, 
sondern  auf  einen  anscheinend  elastischen  Widerstand.  Der  linke 
Warzenfortsatz  ist  äusserlich  unverändert,  jedoch  stark  druck-,  die 
linke  Kopfhälfte  klopfempfindlich.  Allgemeine  Hyperästhesie;  Patel- 
larreflexe  gesteigert.  Kein  Babinski,  ikein  Fussklonus,  keine  Läh¬ 
mungserscheinungen,  nur  der  rechte  (entgegengesetzte)  Mundwinkel 
hängt  ein  wenig,  aber  deutlich  herab.  Herz  und  Lungen  ohne  Befund. 
Urin  eiweiss-  und  zuckerfrei.  Temperatur  37,6  (Puls  120),  37,4 
(Puls  94),  37,5  (Puls  88),  36,5,  36,9.  Einlegen  eines  mit  2  proz.  Höllen¬ 
steinlösung  getränkten  Gazestreifens  in  den  linken  Gehörgang. 

23.  VII.  Pat.  will  gut  geschlafen  haben,  doch  geben  die  übrigen 
Patienten  an,  dass  sie  sehr  unruhig  gewesen  sei  und  öfter  gestöhnt 
habe;  sie  scheint  demnach  das  Gedächtnis  verloren  zu  haben.  Tem¬ 
peratur  36,5,  36,8,  36,9,  36,8,  36,9,  36,7;  Puls  zwischen  62  und  100 
schwankend.  Keine  Uebelkeit,  kein  Erbrechen.  Respiration  regel¬ 
mässig.  Augenhintergrund  normal;  Sehprüfung  wegen  Apathie  un¬ 
möglich  (Dr.  Happe,  Augenklinik).  Pat.  klagt  nicht,  deutet  aber 
auf  das  linke  Ohr,  sieht  heute  bedeutend  besser  aus  als  gestern.  Sie 
spricht  alle  vorgesprochenen  Sätze  richtig  nach,  mit  Ausnahme  län¬ 
gerer,  schwierigerer  Worte,  bei  welchen  sie  Silben  weglässt.  Wenn  sie 
aus  eigener  Initiative  spricht,  verwechselt  sie  einzelne  Worte,  sodass 
es  schwer  fällt,  sie  zu  verstehen,  sie  ist  jedoch  klar,  weiss,  wo  sie  ist 
und  antwortet  mit  ja  und  nein  stets  richtig.  Lässt  man  sie  ihren 
Namen  schreiben,  so  macht  sie  bei  ihrem  Vornamen  Alma  2  Striche 
zu  wenig,  dagegen  schreibt  sie  ihren  längeren  Zunahmen  richtig  und 
leidlich  leserlich;  andere  Worte  hingegen  schreibt  sie  falsch.  Vor¬ 
gehaltene  Gegenstände  kann  sie  mit  Ausnahme  des  Glases  überhaupt 
nicht  bezeichnen,  sie  quält  sich  das  Wort  zu  finden,  findet  es  aber 
auch  nicht,  wenn  man  ihr  mit  der  Frage,  „was  macht  man  damit“, 
helfen  will;  sie  wehrt  dann  ab,  sie  nicht  weiter  mit  Fragen  zu  quälen. 
Zählen  kann  sie,  auch  leichte  Additionen,  z.  B.  addiert  sie  richtig 
2  +  3  =  5;  bei  weiteren  Exempeln  aber  antwortet  sie  mit  „weiss 
nicht“  oder  schüttelt  abwehrend  mit  dem  Kopfe. 

24.  VII.  Nach  Aussage  der  übrigen  Patienten  hat  sie  ruhig  ge¬ 
schlafen,  erst  gegen  morgens  etwas  gestöhnt.  Bei  der  Visite  liegt  sie 
ruhig,  verneint  auf  Befragen,  dass  sie  Schmerzen  habe,  zeigt  aber  bei 
allen  Fragen  auf  ihr  linkes  Ohr.  Die  Dnuckempfindlichkeit  am 
Warzenfortsatz  ist  dieselbe  geblieben.  Der  linke  Gehörgang  ist  ein 
wenig  weiter  geworden,  doch  sind  Einzelheiten  in  der  Tiefe  nach 
Abtupfen  von  wenig  stinkendem  Eiter  nicht  zu  erkennen.  Abends 
wieder  ziemlich  heftige  Schmerzen.  Temperatur  36,8,  36,6,  36,9,  37,7, 
37,8,  37,5,  Puls  6S  bis  98.  Diagnose:  Chronische  Warzenfortsatz¬ 
eiterung  wahrscheinlich  mit  Cholesteatombildung.  Schläfenlappen- 

äbS76SS 

25.  VII.  Temperatur  36,4  (Puls  68),  36,5  (Puls  82).  Operation 
(Aethernarkose).  Befund:  Der  äussere  Teil  der  knöchernen  hinteren 
Gehörgangswand  fehlt  bis  auf  eine  schmale  Brücke.  In  den  Zellen  des 
Warzenfortsatzes  Granulationen,  Antrum  und  Recessus  epitympanicus 
mit  Cholesteatommassen  ausgefüllt.  Gehörknöchelchen  fehlen.  Die 
Dura  liegt  vom  Antrum  bis  dicht  an  den  Sinus  heran  frei  und  ist  mit 
grauroten  Granulationen  bedeckt.  Der  Sinus  wird  in  seinem  oberen 
Teile  dicht  unter  dem  oberen  Knie  freigelegt;  er  scheint  von  normaler 

2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


2524 


har.be  zu  sein.  Es  wird  hierauf  zuerst  in  der  Mitte  der  freiliegenden 
Dura,  dann  tiefer,  dicht  am  Antrum  in  das  Gehirn  punktiert;  beide 
Male  füllt  sich  die  Spritze  mit  erweichten  üehirnmassen  ohne  Eiter. 
Trepanation  auf  den  Schläfenlappen  nachdem  nur  wenig  mehr  Haare 
abrasiert  sind.  Nach  Durchtrennung  des  Musculus  temporalis  wird 
der  sehr  dünne  Schädelknochen  in  Fünfzigpfennigstückgrösse  weg- 
gemeisselt  und  nach  verschiedenen  Richtungen  punktiert.  Anscheinend 
bei  geradem  Eingehen  füllt  sich  die  Spritze  mit  Eiter.  Zu  den  nach¬ 
folgenden  4 — 5  Inzisionen  stand  leider  kein  gerades  Messer  mehr  zur 
Verfügung;  es  musste  ein  vorn  abgebogenes  Tenotom  (chirur¬ 
gisches)  benützt  werden,  mit  dem  es  nicht  gelang,  den  Abszess  zu 
treffen.  Temperatur  37,4,  36,4.  Fortsetzung  der  Operation  am  folgen¬ 
den  Tage,  nachdem  die  Schmerzen  unvermindert  fortbestanden  hatten. 
Die  Punktionskanüle  wird  etwas  mehr  nach  hinten  eingeführt  und 
füllt  sich  bei  Aspiration  mit  Eiter.  Hierauf  wird  die  Kanüle  liegen 
gelassen  und  das  Messer,  dieser  entlang  geführt.  Es  entleeren  sich 
etwas  über  2  Esslöffel  stark  stinkenden  Eiters.  Nachmittags  und 
abends  frei  von  Beschwerden.  Temperatur  36,2  (Puls  76),  36,8,  36,8, 
37  (Puls  92),  39,1  (Puls  116),  37,8  (Puls  100). 

27.  VII.  Temperatur  37,5,  36,8.  Verbandwechsel,  da  der  Ver¬ 
band  durchtränkt  ist;  es  entleert  sich  ca.  1  Teelöffel  Eiter  aus  der 
Operationswunde.  Wehen.  Verlegung  nach,  der  Frauenklinik,  wo  die 
Patientin  alsbald  nach  ihrer  Ankunft  ein  ausgetragenes  Kind  gebar  3). 

28.  VII.  bis  2.  VIII.  Normaler  Verlauf  ohne  Temperatursteigerung. 
Tagsüber  Verbandwechsel.  Amnestische  Aphasie  noch  vorhanden, 
doch  antwortete  die  Patientin  sicherer.  Temperatur  abends  38,9 
(Puls  120).  Patientin  klagt  wieder  über  Schmerzen  in  der  linken 
Wange  und  zeigt  aber  auf  die  Gegend  der  Operationswunde.  Keine 
Kopfschmerzen,  kein  Erbrechen. 

3.  VIII.  Temperatur  37,6  (Puls  10*4),  38,1  (Puls  121).  Patientin 
zeigt  wieder  nach  der  Operationswunde  und  spricht  von  Schmerzen 
in  der  Backe,  es  wird  jedoch  angenommen,  dass  sie  das  Wort  mit  Ohr 
verwechselt.  Die  Operationswunde  etwas  schmierig  belegt,  speziell 
im  oberen  Teile  des  Schnittes.  An  der  linken  Halsseite  leichte  Rötung 
und  Druckempfindlichkeit,  die  sich  etwas  nach  der  linken  Wange 
herüberzieht.  Die  Jugularis  nicht  druckempfindlich.  Patientin  hatte 
ihr  Kind  nicht  nähren  können;  keine  Anzeichen  beginnender  Mastitis; 
trotz  dem  Hochbinden  der  Brüste  und  Alkoholiumschläge.  Temperatur 
abends  38,8,  39,1. 

4.  VIII.  Unruhiger  Schlaf.  Stuhl  auf  Einlauf;  keine  Anzeichen 
von  Meningitis.  Klagen  über  Schmerzen  in  der  Ohrwunde.  Tem¬ 
peratur  38,0  (Puls  106),  39,8  (Puls  118),  39,8  (Puls  120). 

5.  VIII.  Zurückverlegung  nach  der  chirurgischen  Klinik.  Tem¬ 
peratur  38,5,  37,5,  37,8,  37,6.  Innere  Organe  ohne  pathologischen 
Befund. 

6.  VIII.  Temperatur  37,3,  38,8,  39,0.  Es  wird  beschlossen,  den 
Sinus  so  weit  als  möglich  nach  unten  freizulegen.  Beim  Abnehmen 
des  Verbandes  sind  die  Wundränder  gerötet,  besonders  der  untere 
Wundwinkel,  dessen  nächste  Umgebung  etwas  infiltriert  ist.  Dagegen 
ist  die  weitere  Umgebung,  insbesondere  die  Gegend  vor  dem  Ohr, 
blass.  Nach  breiter  Freilegung  des  Sinus  wird  aus  dessen  unterem 
Teil  1  ccm  Blut  mittels  der  Punktionsspritze  entnommen,  gleichzeitig 
entnimmt  ein  Assistent  die  gleiche  Menge  Blut  aus  der  Vena  mediana 
mittels  Kanüle.  Da  Verdacht  auf  Erysipel  vorliegt,  wird  die  Wunde 
feucht  verbunden.  Temperatur  38,8,  38,9. 

7.  VIII.  Sämtliche  Platten  sind  steril  geblieben.  Die  Wundränder 
sind  heute  blass.  Etwas  Schmerzen  bei  Druck  auf  die  Gegend  vor 
dem  Tragus,  doch  ist  daselbst  weder  Rötung  noch  Infiltration  nach¬ 
weisbar.  Aphasie  noch  unverändert.  Keine  Kopfschmerzen,  kein  Er¬ 
brechen.  Es  scheint  ein  geringer  Grad  von  Benommenheit  zu  be¬ 
stehen.  Stuhl  auf  Einlauf.  Etwas  Eiweiss  im  Urin.  Die  Untersuchung 
der  Genitalien  durch  Herrn  Dr.  Cohn  (Frauenklinik)  ergibt:  Brüste 
ohne  Befund.  Uterus  gut  zurückgebildet.  Wenig  Sekretion  aus  der 
Vagina.  In  letzterem  mikroskopisch  keine  Streptokokken.  Tem¬ 
peratur  38,3,  39,5,  40,0,  39,2,  38,9. 

8.  VIII.  Temperatur  39,2,  39,8.  Es  wird  beschlossen,  den  Sinus 
nach  vorangegangener  Jugularisunterbindung  zu  eröffnen.  Nach  Ab¬ 
nahme  des  Verbandes  bemerkt  man  jedoch  nunmehr  eine  etwa  2  cm 
breite,  vor  dem  linken  Ohr  gelegene,  sich  gegen  den  übrigen  Teil  der 
Wange  bei  Betrachtung  von  hinten  her  scharf  abhebende  Zone.  Diese 
ist  nicht  gerötet,  wohl  aber  etwas  infiltriert  und  auf  Druck  etwas 
schmerzhaft.  Hiermit  ist  die  Diagnose  Ervsipel  gesichert  und  die 
Operation  wird  unterlassen.  Die  Ohrwunde  ist  etwas  trocken,  die 
W  undränder  jedoch  blass.  Es  wird  eine  weitere  Punktion  des  Sinus 
nach  Abtupfen  des  Sinus  mit  Wasserstoffsuperoxyd  genau  an  der 
noch  erkennbaren  früheren  Einstichstelle  ohne  Narkose  vorgenommen 
und  3  Kulturen  angelegt.  Temperatur  40,5,  40,2,  39,9. 

9.  VIII.  Auf  allen  Platten  sind  ziemlich  zahlreiche  Staphylokokken¬ 
kolonien  (aureus  und  albus),  weniger  Streptokokken  gewachsen 
Normaler  Verlaut  des  Erysipels,  mit  meist  hohem  Fieber,  welches 
am  14.  V III.  heruntergeht,  aber  erst  am  16.  endgültig  abfällt. 

Die  Patientin  ist  jetzt  noch  in  poliklinischer  Behandlung  wegen 
der  Radikaloperationswunde4).  Die  Hirnabszesswunde  ist  geheilt. 


)  Im  Hii nabszesseiter  kulturell  Bacterium  coli  und  als  Neben- 
nerund  Staphylokokken  (Hygien.  Institut). 

i  .  \  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Die  Radikaloperationswunde 

ist  geheilt.  Patientin  zeigte  am  2.  IX.  noch  amnestische  Aphasie, 


Noch  leichte  aphasisch-alektische  Erscheinungen.  Patientin  sieht 
blühend  aus  und  hat  bedeutend  an  Gewicht  zugenommen,  doch 
hat  sie  keinerlei  Erinnerung  der  überstandenen  Krankheit,  auch  nicht, 
dass  sie  in  dieser  Zeit  geboren  hat. 

E  p  i  k  r  is  e:  Das  am  2.  August  (8  Tage  nach  der  Radikal¬ 
operation,  7  nach  der  Entleerung  des  HirnabszesseS  und  6  nach 
erfolgter  Entbindung)  auftretende  hohe  Fieber  konnte  auf 
beginnende  Mastitis,  Puerperalfieber,  Meningitis  und  Sinus¬ 
thrombose  bezogen  werden.  Die  ersten  beiden  Möglichkeiten 
wurden  von  Herrn  Dr.  Cohn,  Assistenten  der  Frauenklinik 
ausgeschlossen.  Auch  Meningitis  schied  aus,  nachdem  in  den 
ersten  Tagen  des  hohen  Fiebers  weder  Kopfschmerzen  noch 
Erbrechen  noch  erheblichere  Unruhe  aufgetreten  war.  Der  Ver¬ 
dacht  auf  Erysipel  tauchte  am  5.  Fiebertage  nach  Feststellung 
einer  Infiltration  am  unteren  Wundwinkel  auf,  obgleich  die  Tem¬ 
peratur  am  Tage  zuvor  abgefallen  war.  Doch  konnte  sich 
dieser  Verdacht  nicht  zur  Diagnose  verdichten,  da  diese  In¬ 
filtration  und  die  Rötung  schon  am  folgenden  Tage  zurück¬ 
gegangen  war.  Da  auch  sonst  keine  Erkrankung  nachgewiesen 
werden  konnte,  welche  das  hohe  Fieber  verursacht  haben 
konnte,  so  blieb  als  Erklärung  nur  noch  die  Sinusthrombose 
übrig,  deren  Vorhandensein  bei  der  ausgedehnten  Zerstörung 
im  Warzenfortsatz  an  sich  nicht  unwahrscheinlich  war.  Dass 
der  Sinus  bei  der  Totalaufmeisselung  makroskopisch  unver¬ 
ändert  erschienen  war,  beweist  erfahrungsgemäss  nichts  gegen 
das  Bestehen  einer  infektiösen  Thrombose.  Wir  hätten  daher 
am  7.  August  (6.  Fiebertag)  zur  Sinusoperation  schreiten 
müssen,  nachdem  die  Temperatur  am  Tage  vorher  wieder 
auf  39 0  angestiegen  war,  wenn  uns  nicht  der  negative 
Befund  der  bakteriologischen  Untersuchung  des  Sinus¬ 
blutes  Zurückhaltung  auferlegt  hätte.  Die  hohe  Kontinua, 
welche  jedoch  nunmehr  einsetzte,  und  die  bei  Sinus¬ 
thrombose  als  besonders  gefahrdrohend  angesehen  werden 
muss,  veranlasste  uns  dann  allerdings,  die  Sinusoperation 
und  Jugularisunterbindung  für  den  folgenden  Tag  in  Aus¬ 
sicht  zu  nehmen,  zumal  wir  auf  Erysipel  nach  6  tägigem 
Bestehen  der  hohen  Temperaturen  nicht  mehr  rechnen  zu 
können  glaubten;  da  erschien  am  Morgen  des  7.  Fiebertages 
endlich  die  Infiltrationszone  vor  dem  linken  Ohr  und  erklärte  die 
Herkunft  des  Fiebers.  Tatsächlich  hat  uns  aber  doch  der  nega¬ 
tive  Befund  der  bakteriologischen  Untersuchung  des  Sinus¬ 
blutes  vor  einem  unnötigen  grösseren  Eingriff  bewahrt. 

Der  Befund  von  Staphylokokken  und  Streptokokken  in  dem 
bei  der  zweiten  Punktion  gewonnenen  Sinusblut  ist  darauf  zu¬ 
rückzuführen,  dass  die  Sinuswand  und  besonders  die  Einstich¬ 
stelle  2  1  age  lang  mit  dem  Eiter  des  Warzenfortsatzes  in  Be¬ 
rührung  gestanden  hatte.  Auch  das  Abtupfen  mit  Wasserstoff¬ 
superoxyd  hatte  nicht  das  Hineingelangen  dieser  Bakterien  von 
der  Einstichstelle  in  die  Punktionsspritze  verhindern  können. 
Dass  die  genannten  Bakterien  etwa  tatsächlich  im  Blute  ge¬ 
kreist  hätten,  ist  deshalb  nicht  anzunehmen,  weil  bei  Erysipel 
bisher  meines  Wissens  nur  Streptokokken  und  diese  nur  in  den 
tödlich  verlaufenden  Fällen  gefunden  worden  sind.  Wir  können 
daher  aus  dieser  Erfahrung  den  Schluss  ziehen,,  dass  die  bak¬ 
teriologische  Untersuchung  des  durch  Punktion  gewonnenen 
Sinusblutes  nur  dann  Beweiskraft  hat,  wenn  die  Punktion  an 
einer  frisch  freigelegten  Stelle  des  Sinus  vorgenommen  wor¬ 
den  war. 

Unsere  bisherigen  bakteriologischen  Untersuchungen  des 
Sinusblutes  bei  Sinusthrombose  —  5  Fälle  mit  stets  positivem 
Resultat  (Streptokokken)  —  sind  an  Zahl  zu  gering,  als  dass 
man  jetzt  schon  sichere  Schlüsse  auch  aus  dem  negativen  Be¬ 
fund  ziehen  könnte.  Das  wäre  erst  berechtigt,  wenn  die  Kon¬ 
stanz  entsprechender  positiver  bakteriologischer  Befunde  an 
einem  grossen  Material  erwiesen  wäre.  Ein  derartiges  Mate¬ 
rial  steht  aber  dem  einzelnen  erst  im  Laufe  von  Jahren  zur 
Verfügung.  Daher  glaubten  wir  schon  heute  die  Aufmerksam¬ 
keit  auf  diese  Möglichkeit  der  Diagnosenstellung  lenken  zu  dür¬ 
fen.  Immerhin  kann  man  vielleicht  schon  jetzt  sagen,  dass  man 
bei  bakteriologisch  negativem  Sinusblutbefund  die  Sinusopera¬ 
tion  um  einige  Tage  zu  verschieben  berechtigt  ist,  da  in  diesem 
Falle  selbst  bei  Vorhandensein  einer  kleinen  thrombotischen 
Anlagerung  die  Gefahr  noch  keine  grosse  ist.  Voraussetzung 
ist  hierbei  jedoch,  dass  die  Punktion  möglichst  tief  in  der  Nähe 
des  Bulbus  venae  jugularis  und  während  höherer  Temperaturen 
vorgenommen  wird,  da  man  sonst  Gefahr  läuft,  besonders  bei 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2525 


isolierter  Thrombose  des  Bulbus  venae  jugularis  ein  negatives 
Resultat  zu  erhalten,  obgleich  eine  erhebliche  Thrombenbildung 
vorliegt. 

Aus  der  chirurgischen  Abteilung  der  kantonalen  Krankenanstalt 
zu  Aarau  (Chef:  Dir.  Dr.  H  e  i  n  r.  Bi  r  eher). 

Die  Behandlung  der  Nierentuberkulose  mit  Röntgen¬ 
strahlen. 

Von  Dr.  Eugen  B  i  r  c  h  e  r,  Assistenzarzt. 

Die  Behandlung  der  Nierentuberkulose  gilt  heute  allgemein 
als  eine  chirurgische.  Von  der  rein  internen  Behandlung  ist 
prognostisch  nicht  viel  günstiges  zu  erwarten.  Aber  nicht  bei 
allen  Fällen  von  Nierentuberkulose  kann  ein  operativer  Ein¬ 
griff  stattfinden.  Bei  einer  ziemlich  grossen  Zahl  der  Fälle  muss 
eine  interne  Therapie  Platz  greifen.  Casper1)  hat  Nach¬ 
forschungen  darüber  angestellt,  welchen  Verlauf  die  intern 
behandelten  Fälle  nehmen.  Er  hat  dabei  in  zwei  Gruppen  unter¬ 
schieden,  in  operationsfähige  und  nicht  operationsfähige  Fälle. 
Zu  den  nicht  operationsfähigen  Fällen  müssen  diejenigen  ge¬ 
rechnet  werden,  bei  denen  die  Nierentuberkulose  nur  eine 
Erscheinung  der  allgemeinen  Tuberkulose  ist,  oder  bei  der  die 
funktionelle  Nierendiagnostik  einen  operativen  Eingriff  aus¬ 
schloss.  Die  Prognose  dieser  Fälle  ist  als  sehr  infaust  zu 
betrachten.  Die  meisten  derselben  gehen  nach  Strümpell2) 
in  einigen  Monaten  bis  1 — 2  Jahren  unaufhaltsam  dem  letalen 
Ende  entgegen.  Heilungen  kommen  nur  äusserst  selten  vor. 
Hie  und  da  einmal  ein  Stillstand  des  Leidens. 

In  diesen  Fällen  müssen  wir  mit  gebundenen  Händen  dem 
Verfalle  des  Erkrankten  Zusehen,  und  wir  sind  nur  imstande, 
den  Verlauf  etwas  zu  mildern.  Hierbei  treten  die  Terpentin-, 
Quajakol-  und  Kreosotpräparate  in  ihr  Recht  und  die  gehörige 
Durchspülung  des  Körpers  mit  reichlicher  Flüssigkeit.  Nach 
Stern3)  leisten  jedoch  in  diesen  Fällen  die  Harnantiseptika 
herzlich  wenig  und  auch  lokal  in  der  Blase  angewandte  Mittel 
versagen  vollständig. 

Zu  diesen  so  völlig  infaust  verlaufenden  Erkrankungen  ge¬ 
hören  vor  allem  auch  diejenigen  Fälle,  bei  denen  beide  Nieren 
von  der  tuberkulösen  Affektion  ergriffen  sind  (S  c  h  m  i  d 4). 

Ganz  anders  sind  die  Resultate,  die  der  operativen  Therapie 
bei  der  einseitigen  Nierentuberkulose  beschieden  gewesen  sind. 
Ueberraschend  glänzende  Erfolge  hat  sie  auf  diesem  Gebiete 
aufweisen  können.  Mit  der  Vervollkommnung  der  funktionellen 
Nierendiagnostik  werden  diese  Resultate  stets  noch  günstiger 
werden,  indem  die  infolge  der  Operation  eintretenden  Todes¬ 
fälle  stets  an  Zahl  abnehmen.  Zudem  sind  wir  auch  immer 
mehr  in  den  Stand  gesetzt,  schon  frühzeitig  die  Erkrankung 
einer  Niere  zu  diagnostizieren  und  danach  unser  Handeln  ein¬ 
zurichten. 

Je  eher  die  Nephrektomie  des  erkrankten  Organes  aus¬ 
geführt  werden  kann,  um  so  sicherer  dürfen  wir  auf  einen 
definitiven  Erfolg  hoffen.  Nach  Küster5 *)  starben  von  300  mit 
Nephrektomie  behandelten  Nierentuberkulosen  28,33Proz.  früher 
oder  später.  Dauernde  Heilung  durch  Operation  konnte  in 
35  Proz.  der  Fälle  festgestellt  werden.  Darunter  befinden  sich 
eine  ganze  Anzahl  von  Fällen,  die  bis  zu  8,  11  ja  20  Jahren 
vollständig  geheilt  geblieben  sind.  Die  noch  recht  hohe  Mor¬ 
talität  bei  der  Operation  rührt,  wie  neuerdings  von  Casper0) 
dargetan  wird,  daher,  dass  die  zweite,  nicht  operierte  Niere 
schon  insuffizient  war  und  den  Tod  durch  Urämie  verursachte. 
Durch  die  Verbesserung  in  den  Untersuchungsmethoden  ist 
die  Operationsmortalität  bei  Kümmel!  auf  8,5  Proz,  bei 
Casper  auf  7,1  Proz.  gesunken.  Auch  die  Zahl  der  später 
eingetretenen  Todesfälle  ist  erheblich  zurückgegangen.  K  ü  m  - 
mell  und  Israel  haben  nur  noch  9,1  Proz.  Spätmortalität  zu 
verzeichnen,  während  Czerny  49,7  Proz.,  Kroenlein 
24  Proz.,  Küster  29,5  Proz.  der  Nephrektomierten  an  späteren 
Folgen  verloren  (Suter  7). 

0  Casper:  Deutsche  Klinik,  Bd.  IV,  3.  Abt.,  Lief.  117. 

2)  Strümpell:  Lehrbuch,  Bd.  2. 

3)  Stern:  In  Mehrings  Lehrbuch. 

4)  Schmidt  In  Penzoldt  und  S  t  i  n  t  z  i  n  g,  Bd.  IV. 

5)  Küster:  D.  Chirurgie,  Lief.  52,  B. 

°)  C  a  s  p  e  r:  1.  c. 

7)  Suter:  Korrespondenzbl.  f.  Schweizer  Aerzte  1903. 


Durch  die  verfeinerten  Untersuchungsmethoden,  die  wir 
in  der  funktionellen  Nierendiagnostik  besitzen,  wird  wohl  die 
Zahl  der  Operationsmortalität  herabgesetzt,  aber  die  Zahl  der¬ 
jenigen  die  zur  Operation  befähigt  erscheinen,  wird  auch  ver¬ 
mindert.  Eine  grosse  Anzahl  derjenigen,  die  man  früher  ohne 
weiteres  der  Operation  zu  unterziehen  wagte,  werden  heute 
von  der  Operation  ausgeschlossen.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dass  sich  hie  und  da  doch  mal  Einer  darunter  befindet,  der 
trotz  ungünstiger  Untersuchungsresultate  die  Operation  den¬ 
noch  überstanden  hätte.  Wir  treffen  noch  eine  Anzahl,  bei 
denen  der  funktionelle  Befund  der  anderen  Niere  ein  unsicherer 
ist,  bei  dem  eine  Nephrektomie  nur  einen  zweifelhaften  Erfolg 
erzielen  könnte. 

Dann  aber  finden  wir  auch  eine  ganze  Gruppe  von  Er¬ 
krankten,  die  rundweg  die  Operation  verweigern  und  absolut 
einer  Belehrung  durch  den  Arzt  unzugänglich  sind.  Was  soll 
nun  mit  all  diesen  Fällen  geschehen.  Die  Prognose  ist  ernst  zu 
stellen.  Die  interne  medikamentöse  und  roborierende  Therapie 
bietet  nicht  grosse  Aussichten  auf  Erfolg.  Es  gibt  wohl  ver¬ 
einzelte  Fälle,  bei  denen  der  Prozess  spontan  zum  Stillstände 
kommen  kann,  es  sind  jedoch  herzlich  wenige.  Unter  52  Fällen 
von  Nierentuberkulose  hat  C  a  s  p  e  r 8)  nur  3  Fälle  gesehen,  die 
die  Operation  verweigert  hatten  und  bei  denen  ein  Stillstand 
im  Prozesse  eingetreten  war.  Alle  bis  jetzt  angewandten 
Medikamente  und  lokalen  Applikationen  haben  nur  einen  ge¬ 
ringen,  gewöhnlich  temporär  bleibenden  Erfolg  aufzuweisen 
gehabt. 

Wir  haben  hier  Gelegenheit  gehabt,  bei  zwei  Patientinnen, 
die  an  lokalisierter  Nierentuberkulose  litten,  ein  neues  Ver¬ 
fahren  anzuwenden.  Wir  bestrahlten  die  erkrankte  Nierenseite 
mit  Röntgenstrahlen  und  setzten  diese  Kur  längere  Zeit  hin¬ 
durch  fort.  Der  Erfolg  war  ein  recht  befriedigender  und  zeigte 
sich  auch  nach  mehr  als  2  Jahren  als  vorhanden. 

Fall  1.  Anamnese:  A.  D.,  25jährige  Fabrikarbeiterin.  Ein¬ 
tritt  in  die  Krankenanstalt:  6.  VI.  1904.  Stammt  aus  tuberkulös  be¬ 
lasteter  Familie.  Mit  9  Jahren  bildete  sich  ein  Pott  scher  Buckel 
aus.  1902:  Halsentzündung  mit  Abszessbildung.  Winter  1903  wieder¬ 
um  Halsabszess,  dabei  kein  Fieber.  Im  Januar  1904  begannen  beim 
Urinieren  in  beiden  Inguinalgegenden  heftige  Schmerzen  aufzutreten, 
ln  der  Gegend  der  Blase  waren  sie  sehr  brennend.  Keine  Schmerzen 
in  der  Nierengegend.  Alle  30  Minuten  Drang  zur  Miktion.  Urin  war 
stets  trüb  und  eiterhaltig.  Seit  14  Tagen  sei  er  rötlich  geworden. 
Menses  regelmässig,  ohne  Beziehung  zu  der  Affektion'.  Keine  Kopf¬ 
schmerzen,  nie  Schwellungen  von  Beinen  oder  Gesicht.  Kein  Herz¬ 
klopfen.  Schmerzen  in  letzter  Zeit  geringer  geworden,  hauptsäch¬ 
lich  vor  dem  Urinlösen  auftretend.  Zirka  10  Miktionen  pro  24  Stun¬ 
den.  Litt  stets  etwas  an  Husten.  Stuhl  in  Ordnung.  Appetit  gut.  Im 
Winter  bei  Beginn  der  Erkrankung  starke  Abmagerung,  in  letzter 
Zeit  eher  wieder  Zunahme  des  Gewichtes.  Mutter  an  chronischer 
Nierenentzündung  gestorben. 

Arztberioht  von  Dr.  Deck-Brugg:  Trat  Mitte  März  in  meine 
Behandlung  wegen  Pyohämaturie,  Fieber,  Abmagerung,  Anämie.  Dys¬ 
urie  und  Pollakurie  etwas  gebessert.  Stets  noch  Eiter  und  Blut  im 
Urin.  Starker  Verdacht  auf  eine  rechtsseitige  Nierentuberkulose,  da¬ 
her  zur  chirugischen  Radikalbehandlung  empfohlen. 

Statuts:  Kleine  missgestaltete  Person.  6.,  7.,  8.  und  9.  Brust¬ 
wirbel  bilden  eine  starke  Kvphoskoliose.  Thorax  infolgedessen  de¬ 
formiert.  Lungen:  normale  Perkussion.  Vesikuläratmen.  Keine  An¬ 
zeichen  einer  spez.  Infektion.  Herz  o.  B. 

Abdomen  weich,  Palpation  schmerzlos,  auch  bei  bimanuellem 
Druck  auf  Nieren  und  Ureteren.  Druck  in  der  Blasengegend  ist 
äusserst  schmerzhaft,  keine  Dämpfung,  keine  Tumoren.  Vaginal  nihil. 

Urin  trübe,  reichlich  mit  Eiter  versetzt:  mikroskopisch  grosse 
keilförmige  Plattenepithelien,  dicke  hvaline  Zvlinder.  Reichlich  Eiter¬ 
körperchen,  teilweise  im  Zerfall  begriffen.  Stets  subfebrile  Tempera¬ 
turen  in  den  ersten  8  Tagen'  des  hiesigen  Aufenthaltes. 

Vom  6.  VI.  bis  i3.  VI.  schwankt  die  Urinmenge  von  1200  bis 
2000  ccm.  Jeden  Tag  ist  der  Tuberkelbazillennachweis  positiv.  Täg¬ 
lich  9 — 10  Miktionen. 

Am  11.  VI.  Untersuchung  mit  dem  Segregateur  von  Luys.  Die 
ersten  Urinpartien  rechts  sind  ziemlich  klar,  der  Urin  wird  dann 
trübe.  Links  kommt  gar  nichts.  Mikroskopisch  rechts  Tuberkel- 
bazillen  positiv.  Links  jedoch  reichlicher.  Eiweiss  PAProm.  nach 
Esbach. 

Unter  Saloltherapie  und  Fol.-uvae-ursi-Thee,  Milchdiät  und  Bett¬ 
ruhe  wird  der  Urin  etwas  reichlicher  und  klarer.  Der  mikroskopische 
Befund  bleibt  derselbe.  Gewichtszunahme  von  2  Pfund. 

22.  VI.  Zystoskopie  und  Injektion  von  Indigokarmin.  Die 
Schleimhaut  der  Blase  ist  stark  gerötet,  besonders  im  1  rigonum 
Lieutaudii.  Der  rechte  Ureter  funktioniert,  doch  ist  der  Urin  erst 


8)  Casper:  1.  c. 


2526 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


trübe,  dann  gefärbt.  Links  ist  gar  Lein  Ureter  vor  Trübung  zu  sehen. 

Diagnose:  Tuberculosis  renum.  Cystitis  tbc. 

Unter  derselben  Behandlung  bleibt  der  Zustand  derselbe.  Der 
Eiweissgehalt  des  Urins  nimmt  etwas  ab.  Das  Qewicht  der  Pat.  um 
2  kg  zu. 

Am  15.  VII.  wird  begonnen  die  Nieren  der  Patientin  mit  Röntgen 
zu  bestrahlen.  Bauchlage  der  Patientin,  Tägliche  Bestrahlung  wäh¬ 
rend  15  Minuten  mit  mittelharten  Röhren.  Der  Röntgenabstand  bleibt 
stets  20 — 25  cm.  Roborierende  Therapie  wird  daneben  getrieben. 
Dazu  treten  tägliche  Blasenspülungen  mit  5  proz.  Borlösung. 

9.  VIII.  Die  Menge  des  Urins  ist  dieselbe  geblieben,  doch  ist  er 
etwas  klarer  geworden.  Blasenepithelien  spärlich.  Keine  Zylinder 
mehr,  keine  Nierenepithelien.  Eiterkörperchen  noch  in  reichlicher 
Menge  vorhanden.  Blutgehalt  gering.  Seit  dem  30.  VII.  keine  Tu¬ 
berkelbazillen  mehr  nachweisbar.  Eiweiss  1  Prom.  Esbach. 

1-4.  VIII.  Zystoskopisch.  Rötung  der  Blasemschleimhaut  abge¬ 
nommen,  nur  noch  im  Trigonum  Lieutaudii.  Ureter  rechts  funktioniert 
gut,  klar  bläulicher  Urin.  Gewichtszunahme  3  kg. 

15.  VIII.  Die  Röntgenbestrahlung  muss  unterbrochen  werden, 
da  ein  leichtes  Oedem  aufgetreten  ist. 

Vom  30.  VIII.  bis  30.  IX.  wiederum  Bestrahlung  mit  Röntgen. 
Täglich  Spülung  der  Blase  mit  2  proz.  Borlösung.  Die  Urinmenge  ist 
durchschnittlich  1800  ccm  in  4—5  Miktionen  täglich.  Der  Urin  ist  be¬ 
deutend  klarer  geworden.  Eiweiss  nur  noch  spurweise  vorhanden. 
Tuberkelbazillennachweis  negativ.  Wenig  Epithelien  der  Blase.  Nur 
noch  wenig  Eiterkörperchen.  Patientin  fühlt  sich  subjektiv  wohl 
Keine  Schmerzen  in  der  Blasengegend. 

14.  X.  wird  Patientin,  da  sich  in  den  14  Tagen  ohne  besondere 
Therapie  keine  Aenderungen  gezeigt  haben,  gebessert  entlassen. 

Wiedereintritt  7.  III.  1907.  Seit  der  Entlassung  hat  Patientin 
sich  stets  wohl  gefühlt  und  war  beschwerdefrei.  Vor  ca.  2  Monaten 
traten  die  alten  Schmerzen  wieder  auf  wie  vor  3  Jahren.  „Sie  möchte 
sich  wieder  bestrahlen  lassen“  war  ihr  Wunsch. 

Status.  Herz  und  Lungen  o.  B.  In  der  Gegend  der  linken  Niere 
und  der  Blase  druckempfindlich.  Urin  gelb,  hell,  wenig  Sediment. 
1  uberkelbazillennachweis  positiv.  Nach  Esbach  leichte  Trübung. 

Iherapie:  Diät,  Bettruhe,  tägliche  Röntgenbestrahlung  mit 
mittelharten  Röhren. 

,  4.  IV.  Schmerzfrei  im  Rücken.  Leichtes  Wasserbrennen-  Urin 

Prom.  Eiweiss.  Reichlich  Nubekula.  Wenig  Lymphozyten  «und 
Blasenepithelien.  Keine  Zylinder  und  Bazillen. 

Vom  20.  IV.  Röntgenbestrahlung  ausgesetzt.  Eiweiss  nur  noch 
spurweise,  einzelne  Epithelialzylinder. 

3.  V.  Kein  Eiweiss  mehr.  Keine  Bazillen  mehr.  Wenig  Blasen- 
epithelien.  Keine  Zylinder.  Gewichtszunahme.  Subjektives  Wohl¬ 
befinden.  Gebessert  entlassen. 


a  N  “•  Anamnese:  A,  J„  36  jährige  Hausfrau.  Eintritt  in 
die  Krankenanstalt  29.  VI.  1904.  Patientin  stand  seit  25.  Mai  1907 
v  egen  P\  elozystitis  in  Behandlung  von  Dr.  Kuhn,  Bremgarten 
I  emperaturen  bis  39.  Im  Urin  reichlich  Tuberkelbazillen.  Häufig 
stai  ke  Schmerzen  in  der  linken  Nierengegend.  Daher  zur  eventuellen 
Nephrektomie  eingewiesen. 

Im  Winter  1903/04  unbedeutende  Kreuzschmerzen,  diese  nahmen 
im  rruhjahr  1904  sehr  zu,  zugleich  trat  starke  Gewichtsabnahme  auf. 

om  15  V.  19.  VI.  stets  39 — 40  Temperatur.  Urinuntersuchung  in 
ßern  soll  lur  eine  eitrige  Nierenbecikenentzündung  gesprochen  haben. 
Schlaflosigkeit  trat  ein,  der  Urin  wurde  trübe. 

Früher  stets  gesund  gewesen,  stammt  aus  gesunder  Familie. 
Mann  leidet  seit  mehreren  Jahren  an  einem  chronischen  Katarrhe  und 
lat  einen  phthiisischen  Habitus.  Die  Kinder  sind  gesund.  Ein  Knabe 
jedoch  starb  an  einer  tuberkulösen  Gehirnentzündung.  Machte 
3  Geburten  normal  durch,  ohne  je  Puerperalfieber  gehabt  zu  haben. 

...  Status  Grazile  abgemagerte  Frau,  sehr  schwach.  Lunge 
u  >ei  all  reines  Ves-ikuläratmen.  an  der  linken  Spitze  etwas  verlängertes 
Exspirium.  Herzbefund  o.  B.  Temp.  stets  38—39°. 

Abdomen.  Leber  und  Magen  normale  Grenzen.  Keine  ver- 
grosserte  Nieren  sind  zu  konstatieren.  Palpation  nirgends  schmerz- 
baft.  Miktion  alle  zwei  Stunden,  dabei  leicht  brennende  Schmerzen 
am  Ende  der  Miktion,  besonders  der  Urethra 

"  3  Pr°m-  Eiweiss  nach  Esbach,  sehr  trübe,  1500  pro  die, 
massenhaft  flockige  Eitermassen.  Mikroskopisch  Eiterkörperchen  in 
grosser  Anzahl.  Staphylokokken  und  Tuberkelbazillen  in  grosser 
Anzahl.  Ziemlich  viel  Blasen-  und  Nierenbeckenepithelien. 

stoskople  mit  Indigokarmininjektion.  Ausgebreitete 
Geschwüre  in  der  Ureterengegend  links.  Ureter  rechts  sondert  regel¬ 
mässig  15  Minuten  später  klaren  bläulichen  Urin  ab.  Links  ist  der 
re,  e^nJJht  ^eutlich  zu  sehen.  Sekretion  sehr  gering,  graubläulich 

^r.n  if  Utr-  1Segre-5,atlon  naoh  Luys  ergibt  rechts  vollkommen 
klaren  Urin,  der  keine  Tuberkelbazillen  enthält.  Links  kommt  be¬ 
deutend  weniger  Urin,  der  stark  mit  Eiter  durchsetzt  ist.  Tuberkel- 
bazillennachweis  positiv.  mucmci 

T?j££rntA  tV  Tu-be?ul°sif  renis  sinistra.  Cystitis  tuberculosa. 

Indizierte  Therapie  der  linksseitigen  Nephrektomie  wird  von  der 

auf  das'V^tsclliedensteV^rweleerE11  ‘r°tZ  <WnKlicher  Vorste"’*"^" 

WOC.ÄS  %  »Äasr  SÄ 


Abstand  25  cm.  Tägliche  Bestrahlung  von  15  Minuten.  Blase  täglich 
mit  2  Proz.  Borlösung  gespült.  Roborierende  Therapie:  Bettruhe 
Diät.  ’ 

30.  VII.  Hat  um  2ikg  zugenommen.  Sieht  besser  aus.  Im  Urin 
wenig  Blasen-  und  Nierenbeckenepithelien.  Ebenso  ist  der  Urin 
klarer  geworden.  Die  Miktion  ist  seltener.  Tuberkelbazillen  positiv. 
Eiweiss  nur  noch  in  Spuren  vorhanden.  Temperatur  ist  in  kurzer 
Zeit  auf  36 — 37  °  abgesunken.  Appetit  ist  bedeutend  reger  geworden. 

Bis  zum  15.  VIII.  ist  an  der  bestrahlten  Rückenpartie  ein 
Röntgenerythem  aufgetreten,  das  zum  Aussetzen  der  Bestrahlungen 
zwingt.  Pat.  hat  4  kg  zugenommien,  sieht  gut  aus,  subjektiv  fühlt  sie 
sich  wohl.  Seit  8  Tagen  darf  sie  aufstehen. 

29.  VIII.  Fühlt  sich  so  wohl,  dass  sie  auszutreten  wünscht,  was 
gegen  unseren  Rat  geschieht.  Will  im  Kanton  Schwyz  noch  eine 
Luftkur  machen.  Beim  Austritt  zeigte  der  Urin  nur  noch  geringe 
Trübungen.  Eiweiss  war  nur  in  Spuren  vorhanden.  Tuberkelbazillen 
waren  in  den  letzten  acht  Tagen  keine  mehr  nachzuweiisen  gewesen. 
Im  Urin  wurden  niemals  Zylinder  irgendwelcher  Art  gefunden.  Als 
gebessert  entlassen. 

Aprü  1907  zeigt  sich  die  Patientin,  die  so  blühend  und  körperlich 
kräftig,  dass  sie  von  Aerzten  und  Wartepersonal  nicht  mehr  erkannt 
wird.  Sie  kommt  um  zu  danken.  Nach  der  Entlassung  sei  es  langsam 
immer  besser  geworden,  und  seit  Pfingsten  1905  nach  einem  Kur¬ 
aufenthalt  im  Kanton  Schwyz  sei  sie  nun  vollkommen  gesund,  und 
führe  den  Haushalt  und  das  Geschäft  wieder.  Nur  hie  und  da  habe  sie 
noch  etwas  Schmerzen;  im  Rücken.  Der  Urin  ist  klar,  schön  hellgelb, 
kein  Eiweiss,  kein  Sediment.  Tuberkelbazillenbefund  ist  negativ.  Mi¬ 
kroskopisch  ist  nichts  mehr  zu  konstatieren. 

An  Hand  dieser  zwei  Fälle  können  wir  konstatieren,  dass 
in  den  progredienten  tuberkulösen  Prozessen,  die  in  Fall  1 
in  beiden  Nieren,  in  Fall  2  in  der  linken  Niere  lokalisiert  waren, 
ein  Stillstand  eingetreten  ist.  Wir  wollen  nicht  sagen,  dass 
eine  Heilung  weder  im  klinischen,  noch  im  anatomischen  Sinne 
eingetreten  sei.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  im  Falle  2 
auch  anatomisch  eine  Heilung  eingetreten  ist,  indem  der 
Herd  der  Tuberkulose  bindegewebig  abgekapselt  wurde.  In 
beiden  Fällen  ist  durch  den  häufigen  Nachweis  der  Tuberkel¬ 
bazillen  im  Urine  die  klinische  Diagnose  „Nierentuberkulose“ 
sichergestellt  gewesen.  Unzweifelhaft  haben  durch  den  ein¬ 
geschlagenen  therapeutischen  Weg  beide  Fälle  eine  erhebliche 
Besserung  in  ihrem  zu  Beginne  der  Behandlung  ziemlich  de¬ 
solaten  Zustand  erfahren. 

Wir  möchten  diese  Besserung  nicht  im  Verschwinden  der 

1  uberkelbazillen  aus  dem  Urine  sehen.  Denn  der  Nachweis 
derselben  gelingt  häufig  nicht,  wenn  auch  noch  Bazillen  vor¬ 
handen  sind.  Vor  allem  war  die  rasche  Aenderung  des  Urins 
in  seinem  makro-  wie  mikroskopischen  Verhalten  auffallend. 
Der  vorher  sehr  eiterhaltige  Urin  wurde  rasch  klar,  die  körper¬ 
lichen  Elemente  verschwanden  aus  ihm,  der  Eiweissgehalt  nahm 
ab.  Das  tägliche  Suchen  nach  den  Bazillen  gab  auch  ein  nega¬ 
tives  Resultat,  das  bei  den  vielen  Untersuchungen  nicht  ganz 
ausser  acht  gelassen  werden  darf. 

Zudem  war  eine  rasch  zunehmende  Kräftigung  des  all¬ 
gemeinen  Zustandes  zu  konstatieren  und  es  trat  ziemlich  früh¬ 
zeitig  ein  konstant  bleibender  Fieberabfall  ein.  Das  erfreu¬ 
lichste  an  dem  ganzen  Erfolge  war  das,  dass  die  Besserung  eine 
anhaltende  gewesen  ist.  In  Fall  2  ist  nach  3  Jahren  ein  voll¬ 
kommen  günstiger  Zustand  zu  konstatieren  gewesen,  trotzdem 
die  Frau  in  einem  ziemlich  kläglichen  Zustande  bei  ihrer  Auf¬ 
nahme  gewesen  war.  In  Fall  1  hielt  die  Besserung  ebenfalls 

2  Jahre  an,  im  Zustande  trat  dann  eine  Verschlimmerung  ein, 
die  aber  rasch  behoben  war. 

In  beiden  Fällen,  bei  denen  der  tuberkulöse  Prozess  der 
Niere  schon  auf  die  Blase  übergegriffen  hatte,  dürfen  wir  mit 
dem  Resultate  unserer  Therapie  zufrieden  sein.  Die  Prognose 
der  Nierentuberkulose  ist  ungünstig,  interne  medikamentöse 
Therapie  hilft  nur  wenig.  Wir  haben  doch  eine  anhaltende  Bes¬ 
serung  erzielt  und  die  Beschwerden  von  seiten  der  Blase  völlig 
beheben  können. 

Den  erzielten  Erfolg  möchten  wir  unbedingt  der  Einwir¬ 
kung  der  Röntgenstrahlen  auf  die  erkrankten  Nieren  zu¬ 
schreiben.  Die  angewandte  roborierende,  hygienisch-diäteti¬ 
sche  Therapie  wäre  kaum  imstande  gewesen,  in  dieser  kurzen 
Zeit  eine  derartige  Veränderung  des  allgemeinen,  wie  des 
lokalen  Zustandes  hervorzubringen. 

.,^en  Röntgenstrahlen  muss  unbedingt  ein  schädigender 
Einfluss  auf  die  Entwicklung  der  Tuberkelbazillen  zugestanden 
werden.  Ob  dieser  Einfluss  ein  direkter  oder  indirekter  sei, 
ist  nicht  sicher  zu  entscheiden.  Wahrscheinlich  beeinflussen 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2527 


die  Röntgenstrahlen  auf  beiden  Wegen  den  Tuberkelbazillus. 
Von  Rieder“)  ist  auf  experimentellem  Wege  der  Nachweis 
geleistet  worden,  dass  die  Röntgenstrahlen,  besonders  die  darin 
enthaltenen  y-Strahlen,  imstande  sind,  den  Tuberkelbazillus  in 
seiner  Entwicklung  zu  hemmen  und  in  seiner  Virulenz  herab¬ 
zusetzen.  Von  F  r  a  n  z  i  u  s  10),  Bonomo  und  Gross  u), 
Holzknecht 12),  Spieler13)  u.  a.  konnten  die  Rieder- 
schen  Erfahrungen  in  jeder  Beziehung  bestätigt  werden. 
Pott 14),  Bergonie  und  M  o  n  jour lö)  haben  keine  wesent¬ 
liche  Störung  der  Tuberkelkulturen  erzielen  können. 

Andererseits  verfügt  die  röntgenologische  Literatur  über 
eine  ganze  Anzahl  von  Publikationen,  in  denen  klinisch  ein 
Einfluss  auf  tuberkulöse  Erkrankungen  durch  die  Bestrahlungs¬ 
therapie  nachgewiesen  ist.  Es  handelt  sich  dabei  nicht  nur  um 
die  zahlreichen  Fälle  von  Lupus,  wie  sie  von  Newcomet  w) 
neuerdings  zusammengestellt  worden  sind.  Bergonie1') 
konnte  tuberkulöse  Lymphdrüsen  zum  Verschwinden  bringen. 
R  e  v  i  1 1  e  t 1S),  Rendu  et  du  C  a  s  t  e  1 19)  sahen  günstigen 
Einfluss  auf  Lungentuberkulose.  Neuerdings  empfehlen 
R  e  d  a  r  t,  B  u  r  r  e  t,  Bloch10)  bei  Gelenk-  und  Knochen¬ 
erkrankungen  die  Bestrahlungstherapie.  Pancoast21)  ver¬ 
wandte  die  Strahlen  gegen  die  Tuberkulose  von  Lunge,  Kehl¬ 
kopf  und  Bauchfell.  Wir  selbst 22)  haben  kürzlich  im  Anschluss 
an  Ausset  et  Bodard23)  über  die  Behandlung  der  Bauch¬ 
felltuberkulose  mit  Röntgenstrahlen  berichtet.  Wir  verfügen 
über  14  derartig  behandelte  Fälle,  davon  sind  8  vollständig  ge¬ 
heilt,  5  mit  einer  Beobachtungsdauer  von  mehr  als  1  Jahre, 
2  sind  gebessert,  1  ungebessert  und  2  sind  gestorben. 

Ueberall  sind  günstige  Berichte  über  den  Erfolg  dieser 
Therapie  anzutreffen  gewesen,  und  nur  wenige  haben,  wie 
Rodet  et  Bertin-Sans24),  ungünstige  Erfolge  gesehen. 
Diese  klinischen  Erfolge  konnten  L o  r  t  e  t  et  Genond25) 
wie  F  i  o  r  e  n  t  i  n  i  e  Luraschi2“)  auch  experimentell  an 
Tierversuchen  bestätigen.  Die  Erfolge  bei  diesen  beiden  Fällen 
von  Nierentuberkulose  bieten  also  nichts  Ueberraschendes  dar, 
und  sie  durften  wohl  nach  den  günstigen  Erfolgen,  die  wir  bei 
der  Behandlung  der  Bauchfelltuberkulose  gesehen  hatten,  er¬ 
wartet  werden. 

Es  muss  nun  zugegeben  werden,  dass  bei  den  Nieren  mit 
der  Bestrahlung  vorsichtig  vorgegangen  werden  muss.  Schon 
von  Holz  kn  echt  ist  darauf  aufmerksam  gemacht  worden, 
dass  die  Epithelien  des  Nierenparenchyms  sehr  empfindlich 
gegen  diese  neueren  Strahlen  seien  und  es  leicht  zur  Desqua¬ 
mation  dieser  Epithelien  kommen  könne.  In  unseren  beiden 
Fällen  haben  wir  nie  eine  üble  Wirkung  beobachten  können. 
Wie  von  B  u  s  c  h  k  e  und  Schmidt27)  neuerdings  nach¬ 
gewiesen  worden  ist,  sind  die  Nierenepithelien  viel  wider¬ 
standsfähiger  gegen  diese  Strahlen,  als  bisher  angenommen 
worden  ist,  und  geschädigt  werden  sie  erst  durch  ganz  inten¬ 
sive  Bestrahlungen.  Tritt  diese  Epithelzerstörung  ein,  dann 
tritt,  wie  von  Schulz  und  Hoffmann 28)  nachgewiesen 


9)  Rieder:  Münch,  med.  Wochenschr.  1898. 

lü)  Franzius:  Zentralblatt  für  Bakteriologie,  1897. 

11 )  Bonomo  und  Gross:  Giom.  med.  1897. 

12)  Holz  kn  echt:  Wien.  med.  Presse  1901. 

13)  Spieler:  Wien.  med.  Presse  1901. 

14) Pott:  Lancet  1897. 

15)  Bergonie  und  Mo  n  jour:  Bull,  de  l’acad.  de  med.  1897. 
w)  Newcomet:  Rei.  Schmids  Jahrbücher,  Bd.  291. 

17)  Bergonie:  Journ.  de  Bordeaux  1905. 

18)  Revillet:  Revue  de  la  Tbc.  1897. 

19)  R  e  n  du  et  d  u  Ca  d  e  I :  Soc.  med.  des  höpitaux. 

20)  Redart,  Bur  r  et,  Bloch:  Ref.  Zentralblatt  für  Chi¬ 
rurgie,  No.  22,  1907. 

21)  Pancoast:  Ref.  Schmids  Jahrbücher,  291.  Bd.  und 
Zentralblatt  für  Chirurgie,  22,  1907. 

22)  B  i  r  c  he  r:  Die  chronische  Bauchfelltuberkulose.  Aarau,  Ver¬ 
lag  Sauerlaender,  1907. 

23)  A  u  s  s  e  t  e  t  Bodard:  Archive  de  l’electricite  med.  Tome  I. 

24)  R  o  d  e  t  e  t  B  e  r  t  i  n  -  S  a  n  s :  Compt.  rend,  et  mem.  du  congr. 
de  la  Tbc.,  Paris  1898. 

2r>)  L  o  r  t  e  t  et  Genou  d:  Semaine  med.  1896. 

20)  F  i  o  r  e  n  t  i  n  i  e  Luraschi:  Atti  della  ,soc.  med.  Lombarda 

1897. 

27)  Buschke  und  Schmidt:  Deutsche  med.  Wochenschr., 
1905,  No.  13. 

25)  Schulz  und  Hoffmann:  Deutsche  Zeitschrift  für  Chi¬ 
rurgie,  Bd.  79. 


worden  ist,  eine  starke  interstitielle  Bindegewebswucherung 
auf,  die  zur  Atrophie  von  Gloinerulis  führen  kann. 

Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  diese  interstitielle  Binde¬ 
gewebswucherung  auf  elektivem  Wege  durch  die  Röntgen¬ 
strahlen  ausgelöst  und  angeregt  wird.  Diese  Bindegewebs¬ 
wucherung  dürfte  aber  auch  den  pathologischen  Vorgang  bilden, 
der  zum  Stillstand  des  tuberkulösen  Prozesses  führt.  In  den 
einzelnen  Tuberkeln  können  durch  diese  Bindegewebswuche¬ 
rung  die  typischen  Tuberkelelemente  zum  Zerfall  gebracht 
werden,  wie  dies  experimentell  für  die  Bauchfelltuberkulose 
von  verschiedenen  Forschern  (Kischensky,  Nannotti, 
B  a  c  c  o  c  c  h  i  u.  a.)  nachgewiesen  worden  ist. 

Wir  sind  entfernt  davon,  auf  Grund  dieser  beiden  günstigen 
Fälle  die  Röntgenbestrahlung  zur  Behandlung  der  Nierentuber¬ 
kulose  zu  empfehlen.  Die  Behandlung  muss,  wenn  immer 
möglich,  eine  radikal-chirurgische  bleiben,  und  mit  anderer 
Behandlung  soll  und  darf  keine  Zeit  verloren  gehen.  Für  die¬ 
jenigen  Fälle  jedoch,  die  das  Unglück  haben,  nicht  mehr  opera¬ 
tionsfähig  zu  sein,  oder  die  sich  weigern,  die  Operation  vor¬ 
nehmen  zu  lassen,  ist  es  tunlich,  einen  Versuch  mit  Röntgeno¬ 
therapie  zu  wagen.  Man  kann  dabei  nichts  verlieren,  sondern 
nur  gewinnen. 


Zur  Radikaloperation  des  Oesophagusdivertikels. 

Von  Dr.  H,  Gehle  in  Bremen. 

Das  seltene  Vorkommen  des  Pulsationsdivertikels  des 
Oesophagus,  die  geringe  Zahl  der  mit  glücklichem  Erfolg  radikal 
operierten  Fälle  veranlasst  Verfasser,  in  nachstehenden  Zeilen 
einen  von  ihm  mit  gutem  Erfolg  operierten  Fall  der  Oeffent- 
lichkeit  zu  übergeben,  besonders  da  bei  der  Operation  in  von 
den  bisher  geübten  Methoden  abweichender  Weise  ver¬ 
fahren  wurde. 

Im  Frühjahr  1903  stellte  sich  der  damals  69  jähr.  Patient,  ein 
kräftig  gebauter  Mann,  welcher  in  seinem  Berufe  als  Küpermeister 
stets  noch  tätig  war,  Herrn  Dr.  Rupprecht  -  Bremen  vor,  der  ihn 
mit  der  Diagnose  „Oesophagusdivertikel“  an  den  Verfasser  verwies. 
Die  Diagnose  war  in  der  weiter  unten  beschriebenen  Weise  gestellt 
worden.  Der  Patient  war  bis  zu  seinem  65  Jahre  niemals  ernstlich 
krank  gewesen,  hatte  sich  stets  eines  guten  Appetits  erfreut.  Im 
Jahre  1900  bemerkte  er  zuerst  beim  Schlucken  von  Speisen  ein 
knurrendes  Geräusch,  das  allmählich  so  zunahm,  dass  es  den  Tisch¬ 
nachbarn  auffällig  wurde.  Nach  etwa  1  Jahr  musste  Patient  einen 
grossen  Teil  der  genossenen  Speisen  wieder  ausspucken,  während 
er  Getränke  bei  sich  behalten  konnte.  Dieser  Zustand  verschlimmerte 
sich  nach  und  nach  so  sehr,  dass  Patient  während  des  Essens  oft 
aufstehen  und  einen  Teil  der  genossenen  Speisen  erbrechen  musste; 
bald  geschah  dieses  auch  mit  kaltem  Getränk,  während  warmes 
weniger  leicht  erbrochen  wurde.  Ein  von  einem  Arzt  gemachter 
Versuch,  den  Magen  auszupumpen,  gelang  nicht;  die  Schlundsonde 
konnte  nicht  in  den  Magen  geführt  werden;  ihre  Einführung  verur¬ 
sachte  heftige  Schmerzen,  sodass  Patient  seine  Beschwerden  lieber 
weiter  ertrug  bis  zum  Frühjahr  1905;  jetzt  waren  dieselben  so 
schlimm  geworden,  dass  er  es  vermeiden  musste,  in  Gegenwart 
anderer  Personen  zu  essen,  da  das  meiste  Genossene  sofort  erbrochen 
wurde.  Er  hatte  im  Laufe  der  genannten  Jahre  nicht  unbeträchtlich 
an  Gewicht  verloren,  konnte  aber  in  seiner  Stellung  noch  arbeiten. 
Nachdem  Herr  Dr.  Rupprecht  nach  der  Anamnese  und  dem 
Sondenbefunde  (dieselbe  stiess  21  cm  hinter  der  vorderen  Zahn¬ 
reihe  auf  ein  Hindernis  und  schob  sich  dann,  wenn  man  sie  vor¬ 
sichtig  weiter  führte,  wieder  mit  der  Spitze  aus  dem  Munde  heraus) 
die  Diagnose  auf  Oesophagusdivertikel  gestellt  hatte.  Hess  sich  die¬ 
selbe  mit  dem  Röntgenbilde  mit  vollster  Sicherheit  bestätigen.  Die 
mit  Schrot  gefüllte  Sonde  glitt  hinter  der  Cartilago  cricoidea  nach 
links  ab,  beschrieb  einen  Bogen  nach  rechts,  bog  sich  nach^  rechts  __ 
aufwärts,  sodass  sich  ihre  Spitze  an  der  noch  im  oberen  Teil  des 
Oesohpagus  befindlichen  Sondenpartie  hinaufschob.  Eine  Schwellung 
am  Halse  liess  sich  niemals  nachweisen,  wohl  weil  Patient  alles  sehr 
bald  erbrach.  Es  wurde  dem  Patienten  der  Vorschlag  einer  radikalen 
Operation  gemacht  oder  derjenige  einer  Gastrostomie.  Da  derselbe 
sich  zu  beiden  Vorschlägen  schwer  entschüessen  konnte,  der  Kräfte- 
zustand.  und  die  Ernährung  noch  ziemlich  gut  waren,  so  wurde 
vorläufig  von  einer  Operation  abgesehen.  Im  Juni  1905  stellte  sich 
Patient  mir  wieder  vor:  das  Leiden  hatte  sich  beträchtlich  ver¬ 
schlimmert,  sodass  er  alle  genossenen  Speisen  und  Getränke  sofort 
wieder  erbrechen  musste;  er  hatte  beträchtlich  an  Gewicht  ver¬ 
loren,  geringe  Anstrengungen,  Gehen,  wurden  ihm  sehr  schwer,  er 
konnte  seine  Stellung  nicht  mehr  ausfüllen.  Der  Untersuchungs¬ 
befund  war  der  gleiche  wie  im  Frühjahr  1903.  So  entschloss  ich  mich, 
da  Patient  jetzt  eine  Operation  dringend  wünschte,  eine  Lebens¬ 
gefahr  vorlag,  zur  Radikaloperation  und  machte  dieselbe  am  3.  Juli 
1905.  Narkose  anfangs  mit  Chloroform,  später  mit  Aether;  Schnitt 
am  Innenrande  des  linken  M.  sternocleidomastoideus;  dieser  und  die 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


;28 


grossen  Halsgefässe  werden  mit  Haken  nach  aussen  gezogen,  der 
Oesophagus  freigelegt,  welcher  sich,  wie  der  hinter  ihm  liegende, 
m  der  Höhe  der  Cartilago  cricoidea  beginnende,  Divertikelsack  bei 
jedem  Atemzuge  deutlich  aufblähten.  Der  Sack  lässt  sich  leicht,  mit 
Gazetupfern  angefasst,  bis  vor  die  Hautwunde  ziehen;  er  erweist  sich 
als  leer.  Es  wird  in  seine  höchste  Stelle  ein  kleines  Loch  gemacht, 
mit  einem  scharfen  Löffel  die  Schleimhaut  möglichst  entfernt,  in  das 
Loch  eine  dünne,  dasselbe  ausfüllende  Schlundsonde  bis  in  den  Magen 
geführt;  nun  wird  der  Sack  um  ca.  180°  um  seine  Längsachse  ge¬ 
dreht,  mit  einer  1  abaksbeutelnaht  (Katgut)  an  3  Stellen  fest  auf  die 
Schlundsonde  zusammengezogen,  nachdem  vorher  die  betreffenden 
Stellen  etwas  wund  gemacht  waren;  sodann  wird  die  Sackpartie  um 
die  für  die  Schlundsonde  gemachte  Oeffnung  herum  ebenfalls  leicht 
w  und  gemacht  und  durch  mehrere  Katgutnähte  mit  der  oberfläch¬ 
lichen  Halsfaszie  vernäht;  die  Hautwunde  wird  mit  Silkworm  ver¬ 
näht.  Der  Patient  hatte  den  Eingriff  gut  ertragen,  hatte  keinerlei 
Nachwirkungen  von  der  Naiikosc,  so  dass  ich  schon  am  ersten  (dem 
Operationstage)  und  zweiten  Tage  stündlich  abwechselnd  Vk  Liter 
flüssige  Nahrung  geben  konnte,  in  den  folgenden  4  Tagen  2  stündlich 
‘4  Liter,  dazu  Portwein  und  Eier.  Am  6.  Tage  wurde  die  Schlund¬ 
sonde  aus  der  Wunde  entfernt  und  Patient,  da  flüssige 
Nahrung  in  massiger  Menge  beim  Schluckakt  aus  der  Wundöffnung 
herauskam,  noch  8  Tage  lang  mit  durch  den  Mund  jetzt  leicht  ein¬ 
führbarer  Schlundsonde  2  stündlich  mit  flüssiger  Nahrung  und  Eiern 
ernährt.  Nach  8  Tagen  konnte  Patient  weiche  feste  Nahrung  schluk- 
kem  (also  14  Tage  nach  der  Operation)  nach  weiteren  2  Tagen  auch 
flüssige  Nahrung:  nach  ca.  4 — 5  Wochen  war  die  Hautwunde  ganz 
geschlossen  und  Patient  verliess  nach  6  Wochen  mit  einer  Zunahme 
von  31  Pf d.  die  (Klinik,  und  ist  heute  noch  ein  kräftiger  und  ge¬ 
sunder  Mann,  der  seine  Stellung  wieder  ganz  ausfüHen  kann,  isst 
und  trinkt  in  normaler  Weise;  es  ist  also  eine  Verlagerung  des  Oeso¬ 
phagus  durch  den  narbig  sich  zusammenziehenden  Divertikelsack, 
die  man  befürchten  konnte  —  nach  2  Jahren  —  nicht  eingetreten. 


Wie  ich  oben  sagte,  hat  mich  zur  Veröffentlichung  des  vor¬ 
stehenden  Falles  auch  der  Umstand  bewogen,  dass  ich  ihn  in 
abweichender  Weise  operiert  habe.  Unter  der  geringen  Anzahl 
der  Fälle  von  Oesophagusdivertikel,  welche  radikal  operiert 
wurden  Veiel,  (Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie,  Band 
XXVII)  stellt  im  Jahre  1900  23  Fälle  zusammen  —  finden  sich 
nur  7  Fälle,  von  denen  aber  zwei  nach  6  Tagen  resp.  8  Wochen 
letal  endeten,  bei  denen  die  Oesophaguswunde  per  primam 
heilte,  die  übrigen  behielten  Oesophagusfisteln  von  4  Tagen  bis 
16  Wochen;  dieser  Umstand  veranlasste  v.  Bergmann 
(Langenbecks  Archiv  Band  43)  zu  der  Bemerkung,  dass  man 
auf  eine  Verheilung  der  durch  die  Naht  geschlossenen  Oeso- 
phagnswunde  kaum  rechnen  könnte,  da  die  Bewegungen  beim 
Schlucken,  auch  wenn  Nahrung  nicht  durch  den  Mund  auf¬ 
genommen  würde,  an  den  Fäden  zerrten  und  dadurch  ebenso 
die  Heilung  hinderten,  wie  die  an  den  Fäden  hängen  bleiben¬ 
den  und  sich  schnell  zersetzenden  Sekret-  und  Speisereste.  Ein 
in  den  ersten  1  agen  eintretendes  Auseinanderweichen  der 
Oesophagusnaht  bringt  ausserdem  die  Patienten  leicht  in  die 
Gefahr  einer  jauchigen  Mediastinitis,  wie  es  in  einem  mir  pri¬ 
vatim  mitgeteilten  Falle  geschah;  ferner  liess  man,  um  die 
Oesophaguswunde  möglichst  zu  schonen,  die  Patienten  noch 
kürzere  oder  längere  Zeit  fasten  und  ernährte  sie  per  clysma. 
Die  letzten  beiden  1  atsachen  hatten  mich  für  meinen  schon  in 
seiner  Ernährung  recht  reduzierten  Patienten,  dessen  Hohes 
Alter  den  Eingriff  schon  bedenklich  erscheinen  liess,  besorgt 
gemacht;  wir  werden  freilich  nur  an  heruntergekommenen  In¬ 
dividuen  operieren,  da  die  Patienten,  vielleicht  auch  der  Arzt, 
sich  zu  einer  Operation  wohl  nur  entschliessen  werden,  wenn 
alle  anderen  Versuche  zur  Heilung  oder  besseren  Ernährung 
(Sondenbehandlung,  mit  oder  ohne  Elektrizität,  Nahrungsauf- 
,  na.hme  in  verschiedener  Lage  etc.)  nicht  zum  gewünschten  Ziele 
.ii  n cn.  So  entschloss  ich  mich,  angesichts  des  bequem  vor  die 
lautwunde  zu  ziehenden  Sackes  zu  der  eben  geschilderten 
Operationsform,  die,  soweit  mir  die  Literatur  zu  Gebote  stand 
noch  nicht  gemacht  wurde;derFall  vonNicoladoni(Wien.med.’ 
Wochenschr.  1879,  No.  52),  den  ich  nach  der  Operation  kennen 
, 1  nie,  äimelt  in  der  Art  der  Operation  dem  meinigen ;  N  i  c  o  1  a  - 
dom  vernähte  die  Ränder  einer  Ektasie  oberhalb  einer 
Narbenstenose  direkt  mit  der  äusseren  Haut.  Lässt  sich  der 
I  hvertikelsack  bis  an  die  Hautwunde  ziehen,  ohne  den  Oeso- 
l>  idgus  zu  zerren,  so  ist  mit  dem  von  mir  eingeschlagenen 
peraticnsvertahren  viel  gewonnen;  die  Operation  lässt  sich 
vut  schneller  ausführen,  als  eine  mit  der  grössten  Vorsicht 
auszufuhrende  Oesophagusnaht,  die  bei  dem  stets  dünnen  Sack 
JoppeL  schwer  ist,  in  der  Liefe,  man  entgeht  der  Gefahr  des 
Ausenianderw  eichens  der  Oesophagusnaht  und  den  dadurch 


drohenden  Gefahren  und  kann  den  Patienten  direkt  nach  der 
Operation  ernähren.  Das  angefrischte  Innere  des  Divertikels 
wird  nach  Entfernung  der  Sonde  bald  verkleben. 


Aus  dem  St.  Louis  Skin  and  Cancer  Hospital. 

Die  Behandlung  des  inoperablen  Uteruskarzinoms  mit 

Azeton.*) 

Von  Dr.  GeorgGellhorn,  Instructor,  Medical  Department, 
Washington  University,  St.  Louis,  Mo.,  U.  S.  A. 

Vor  etwa  einem  halben  Jahre  veröffentlichte  ich  im  Jour¬ 
nal  of  the  American  Medical  Association  (27.  April  1907)  eine 
vorläufige  Mitteilung  über  eine  neue  Behandlungsmethode  des 
inoperablen  Uteruskarzinoms  mittels  Azeton.  Ich  erlaube  mir, 
an  dieser  Stelle  über  das  gleiche  Thema  zu  berichten,  weil  ich 
annehme,  dass  der  kurze  Artikel  der  Beachtung  seitens  der 
deutschen  Fachgenossen  entgangen  ist,  hauptsächlich  aber,  weil 
fortgesetzte  Untersuchungen  andauernd  zufriedenstellende  Re¬ 
sultate  ergeben  haben. 

Dass  ein  dringendes  Bedürfnis  für  Verbesserungen  der 
1  herapie  beim  inoperablen  Uteruskarzinom  vorhanden  ist,  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen.  Wenn  auch  die  Bestrebungen,  das 
Uteruskarzinom  durch  frühe  Diagnose  und  neue  Operations¬ 
methoden  radikal  zu  heilen,  das  Interesse  für  die  sog.  inoperab¬ 
len  Fälle  zeitweilig  etwas  in  den  Hintergrund  gedrängt  bat,  so 
stehen  wir  doch  in  der  Praxis  bei  weitem  häufiger  jenen  trau¬ 
rigen,  rettungslos  verlorenen  Fällen  gegenüber,  die  wir  zwar 
nicht  dauernd  zu  heilen  vermögen,  deren  Leiden  aber  zu  lindern 
unsere  vornehmste  Aufgabe  ist. 

Was  haben  wir  nun  bisher  in  dieser  Beziehung  erreicht? 
Die  mit  so  grosser  Begeisterung  von  England  aus  inaugurierte 
Trypsinbehandlung  hat  ihre  Versprechungen  nicht  erfüllt.  Ich 
habe  damit  nur  Misserfolge  erlebt,  und  die  meisten  anderen 
Autoren  scheinen  Gleiches  beobachtet  zu  haben.  Auch  die 
Röntgenstrahlen  lassen  uns  beim  Uteruskarzinom  im  Stich.  Im 
Krcbshospital  zu  St.  Louis  haben  wir  die  auch  anderwärts  ge¬ 
machte  Beobachtung  nur  bestätigen  können,  dass  die  Röntgen- 
stiahlen  nicht  in  die  liefe  der  Leibeshöhlen  zu  dringen  und  da¬ 
selbst  maligne  Geschwülste  zu  zerstören  vermögen.  Die  Zahl 
der  gegen  das  inoperable  Uteruskarzinom  empfohlenen  Mittel 
ist  Legion,  aber  sie  alle  haben  der  Nachprüfung  nicht  stand¬ 
halten  können.  Ich  erinnere  hier  nur  an  die  Versuche  mit  Cheli- 
donium  majus,  über  das  W  i  n  t  e  r  schon  1897  auf  dem  Gynäko¬ 
logenkongress  in  Leipzig  den  Stab  brach;  an  das  Cancroin  von 
Adamkiewicz;  an  die  Einverleibung  von  Schilddrüsen¬ 
substanz;  an  Einspritzungen  von  Alkohol,  Essigsäure,  Sublimat, 
Schlangengift,  Terpentin,  Methylenblau  etc.;  an  die  Verwen¬ 
dung  von  Elektrizität;  an  die  Herstellung  von  Krebssera  usw. 
Das  Formalin  ist  bei  genügend  starker  Konzentration  zu 
schmerzhaft,  bei  grösserer  Verdünnung  aber  unwirksam.  Ueber 
die  in  allerneuester  Zeit  eingeführte  Behandlung  mit  Fermenten 
hegen  noch  keine  definitiven  Berichte  vor. 

Man  ist  deshalb  nach  allen  Abwegen  immer  wieder  zu  der 
längst  geübten  Auskratzung  des  Karzinoms  zurückgekehrt,  der 
man  eine  gründliche  Verschorfung  mit  dem  Thermokauter  oder 

Chlorzink  folgen  lässt.  Es  steht  fest,  dass  man  mit  dieser 
Methode  zuweilen  überraschend  gute  Resultate  hat,  die  auch 
in  vereinzelten  Fällen  von  längerer  Dauer  sind.  Sehr  ein¬ 
leuchtend  erscheint  mir  der  Vorschlag  von  Lomer,  diese 
Auskratzungen  in  regelmässigen  Zwischenräumen  von  1  bis 
2  Monaten  aufeinander  folgen  zu  lassen.  Leider  habe  ich  aber 
die  Beobachtung  gemacht,  dass  man  die  Kranken  oder  deren 
Angehörige  nur  sehr  schwer  zu  solchen  wiederholten  Opera¬ 
tionen  veranlassen  kann,  und  ich  vermute,  dass  andere  Gynäko¬ 
logen  der  gleichen  Schwierigkeit  begegnet  sind. 

Nun  ist  aber  zu  betonen,  dass  der  gute  Erfolg  der  Aus- 
kratzung  durchaus  nicht  gleichmässig  ist.  In  der  Mehrzahl  der 
alle  treten  vielmehr  die  alten  Symptome  schon  nach  sehr 
kurzer  Zeit  wieder  auf.  Sonst  hätten  ja  auch  Pryor  in 
Amerika  und  K  r  ö  n  i  g  in  Deutschland  keine  Veranlassung  ge- 
habt,  die  Unterbindung  der  Aa.  hypogastricae  zur  Verringerung 
der  Blutungen  zu  empfehlen,  und  Küstner  und  Gott- 


'  vuurdg,  genauen  in  der  79.  Versammlung  Deut 
ierscher  und  Aerzte  in  Dresden  am  17.  September  1907. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2529 


schalk  hätten  nicht  ihre  Zuflucht  zur  Vernähung  der  Scheide 
genommen,  um  den  stinkenden  Ausfluss  wenigstens  für  eine 
kurze  Zeit  auszuschalten.  Ganz  abgesehen  davon,  dass  auch 
diese  Operationen  durchaus  nicht  immer  den  gewünschten 
Zweck  erreichen. 

Wir  stehen  nach  wie  vor  den  3  Hauptsymptomen  des  in¬ 
operablen  Gebärmutterkrebses:  Blutungen,  Ausfluss  und  Ge¬ 
ruch,  machtlos  gegenüber.  Von  diesen  ist  das  letztgenannte, 
der  üble  Geruch,  bei  weitem  das  schlimmste,  weil  es  nicht  nur 
die  Patientinnen  selbst,  sondern  auch  deren  Umgebung  so  affi- 
ziert,  dass  den  der  Hilfe  am  meisten  bedürftigen  Kranken  die 
nötige  Pflege  entzogen  wird.  Das  ist  nicht  nur  im  Familien¬ 
kreise  der  Fall,  wo  alle  Bande  der  Liebe  und  Freundschaft  zu 
zerreissen  drohen,  sondern  auch  in  Hospitälern,  wo  eine  ein¬ 
zige  derartige  Patientin  einen  ganzen  Krankensaal  verpesten 
kann  und  die  Genesung  der  anderen  Patienten  schädigt.  In 
einem  Hospital  vollends,  das,  wie  das  St.  Louis  Skin  and  Cancer 
Hospital,  nur  Krebskranke  aufnimmt,  werden  diese  Fälle  zu 
einer  ernsten  Gefahr  für  den  Betrieb  der  Anstalt.  Man  kann  es 
den  Krankenwärterinnen  kaum  verübeln,  wenn  sie  sich  wei¬ 
gern,  auf  ihrem  Posten  auszuharren,  wird  es  ja  doch  selbst  den 
Anstaltsärzten,  die  nicht  fortwährend  in  den  Krankensälen  sind, 
schwer,  ihren  Pflichten  nachzukommen.  Die  übrigen  Krebs¬ 
kranken  aber  leiden  ausser  unter  ihrer  eigenen  Affektion  nun 
auch  noch  von  der  ihrer  Nachbarn. 

Es  war  darum  für  uns  zu  einer  zwingenden  Notwendigkeit 
geworden,  den  unerträglichen  Geruch  aus  dem  Hospital  zu 
bannen.  Nach  1A  jährigen  mannigfaltigen  Versuchen  gelang 
es  mir,  in  dem  Azeton  ein  Mittel  zu  finden,  das  den  gewünschten 
Anforderungen  in  zufriedenstellender  Weise  entsprach. 

D,as  Azeton  (Essiggeist,  Essigalkohol,  Spiritus  pyro-aceticus 
Dimethyl-keton,  CsHeO)  entsteht  bei  der  trockenen  Destillation  essig¬ 
saurer  Salze  oder  aus  Essig-säuredämpfen  bei  Rotglut.  Es  findet  sich 
daher  u.  a.  im  rohen  Holzessig.  Ich  erwähne  das  nur,  um  zu  zeigen, 
dass  Azeton  kein  Geheimmittel  ist.  Im  menschlichen  Organismus  soll 
es  sich  spurenweise  im  normalen  Harn  finden  und  wird  stets  -bei 
Fieber,  bei  Hungerdiät  oder  bei  reiner  Fleischdiät  angetroffen.  Sein 
Vorkommen  im  Harne  der  Diabetiker  ist  wohlbekannt;  auch  bei  chro¬ 
nischen  Magen-Darmleiden,  in  Exsudaten  und  Transsudaten  ist  es  be¬ 
obachtet  worden.  Neuerdings  hat  -man  es  sogar  im  Urin  bei  Extra¬ 
uterinschwangerschaft  gefunden. 

Azeton  ist  eine  transparente,  farblose,  leicht  bewegliche  Flüssig¬ 
keit  von  eigentümlich  angenehmem  Geruch  und  brennendem,  an 
Pfefferminze  erinnernden  Geschmack.  Auf  der  Haut  ruft  es  ein  Kälte¬ 
gefühl  hervor.  In  neuerer  Zeit  ist  Azeton  vielfach  als  Härtungsmittel 
für  mikroskopische  Zwecke  benutzt  worden.  Da  es  äusserst  hygro¬ 
skopisch  ist,  so  schrumpfen  Gewebsstückchen  rapide  im  Azeton  und 
werden  schon  nach  mehr  als  einer  halben  Stunde  zu  hart,  um  noch 
mit  dem  Mikrotom  geschnitten  werden  zu  können. 

Ich  versuchte  nun,  diese  Laboratoriumstechnik  auf  die 
Praxis  zu  übertragen.  Wenn  es  nämlich  gelänge,  die  ulze- 
rierende  Oberfläche  eines  Karzinoms  in  vivo  zu  härten,  so  muss 
der  Ausfluss  und  mit  ihm  der  Geruch  so  lange  verschwinden, 
bis  die  fixierte  Partie  sich  abgestossen  hat.  Die  nunmehr  wie¬ 
der  freiliegende  Geschwürsoberfläche  kann  von  neuem  gehärtet 
werden.  Vielleicht  gelingt  es  auch  noch,  durch  parenchyma¬ 
töse  Injektionen  von  Azeton  tiefer  gelegene  Partien  oder  gar 
den  ganzen  Tumor  zu  härten  und  damit  die  maligne  Neubildung 
wenigstens  zeitweise  unschädlich  zu  machen.  Meine  Versuche 
nach  dieser  Richtung  hin  sind  indes  noch  nicht  abgeschlossen. 

Die  bisher  geübte  Technik  wird  nun  in  folgender  Weise 
ausgeführt.  Zunächst  wird  die  ulzerierende  Karzinomfläche 
sehr  gründlich  ausgeschabt.  Die  resultierende  Wundhöhle  wird 
sorgfältig  ausgetrocknet  und  nun  1 — 2  Esslöffel  reinen  Azetons, 
das  in  jeder  Apotheke  erhältlich  ist,  durch  ein  Röhrenspekulum 
in  die  Wunde  gegossen.  Dazu  muss  die  Patientin  in  Becken¬ 
hochlagerung  gebracht  werden.  Man  unterbricht  jetzt  die  Nar¬ 
kose,  lässt  aber  die  Patientin  15 — 30  Minuten  in  ihrer  Lage. 
Dann  wird  durch  das  Spekulum  der  Krater  mit  einem  schmalen 
Streifen  Gaze  austamponiert,  der  das  überschüssige  Azeton 
aufsaugt,  soweit  es  nicht  in  die  Gewebe  eingedrungen  oder 
verdunstet  ist.  Nunmehr  wird  die  Patientin  wieder  in  Horizon¬ 
tallage  gebracht,  das  Spekulum  entfernt  und  zum  Schluss  der 
untere  Abschnitt  der  Vagina  und  die  Vulva  mit  sterilem  Wasser 
abgespiilt  und  getrocknet. 

Der  Gazestreifen  wird  nach  24  Stunden  aus  der  Scheide 
gezogen,  und  die  Patientin  verlässt  am  2.  oder  3.  Tage  das 
Bett.  Die  Nachbehandlung,  die  am  5.  Tage  nach  der  Aus- 

No.  51. 


kratzung  einsetzt,  kann  ambulant  vor  sich  gehen.  Das  Becken 
der  Patientin  wird  durch  untergeschobene  Kissen  erhöht  und 
ein  Röhrenspekulum  bis  in  die  Wundhöhle  eingeschoben.  Im 
Laufe  der  Behandlung  muss  man  allmählich  zu  kleineren  Num¬ 
mern  der  Röhrenspekula  übergehen.  Das  Spekulum  wird  wie¬ 
der  mit  Azeton  gefüllt  und  von  der  Patientin  selbst  X  Stunde 
lang  feistgehalten.  Die  Behandlung  ist  ganz  schmerzlos,  so  dass 
Narkose  unnötig  wird,  nur  muss  man,  wenn  man  nach  einer 
halben  Stunde  das  überschüssige  Azeton  durch  das  Spekulum 
herauslaufen  lässt,  Vulva  und  Perineum  vor  Benetzung  mit  der 
Flüssigkeit  schützen.  Diese  Behandlung  erfolgt  im  Anfang 
3  mal  wöchentlich;  allmählich  kann  man  die  Intervalle  zwischen 
den  einzelnen  Sitzungen  verlängern,  wenn  der  gewünschte  Er¬ 
folg  augenscheinlich  wird.  Falls  sich  die  Patientinnen  dazu 
verstehen,  ist  es  zweckmässig,  die  Auskratzung  im  Sinne  von 
Lomer  alle  1 — 2  Monate  zu  wiederholen.  Dabei  haben  wir 
die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  Operation  weniger  blutig 
war  und  eine  viel  geringere  Ausbeute  an  nekrotischem  Krebs¬ 
gewebe  ergab,  so  dass  die  Narkose  häufig  unnötig  wurde. 

Wenn  wir  uns  noch  einmal  die  erste  Auskratzung  mit 
daranschliessender  Azetoneingiessung  vergegenwärtigen,  so 
beobachten  wir  als  unmittelbaren  Effekt  folgendes:  Eine  etwa 
vorhandene  leichte  Blutung  steht  sofort.  Die  Oberfläche  des 
Kraters  bedeckt  sich  mit  einem  dünnen  weisslichen  Ueberzug; 
da,  wo  noch  etwas  Blut  nachgesickert  war,  ist  die  Verfärbung 
hellbraun.  Die  normale  Scheidenschleimhaut  zeigt  keine  Ver¬ 
änderung.  Auf  der  Vulva  und  der  äusseren  Haut  bringt  die  Be¬ 
netzung  mit  Azeton  eine  schwach  weissliche  Verfärbung  her¬ 
vor,  die  bald  spontan  verschwindet.  Die  Aetzung  mit  Azeton 
ist  nicht  schmerzhaft,  und  nur  an  der  äusseren  Haut  wird  dabei 
ein  leichtes  Brennen  verspürt,  -das  aber  durch  kühles  Wasser 
sofort  beseitigt  werden  kann.  Schmerzstillende  Mittel  wurden 
niemals  angewendet. 

Schon  nach  wenigen  Tagen  wird  die  Verringerung  des 
üblen  Geruches  deutlich  erkennbar.  Der  Ausfluss,  der  zuerst 
wässeriger  wird,  verschwindet  allmählig  vollständig,  und  zu¬ 
gleich  verschwindet  auch  der  Fötor.  Aber  auch  die  Blutungen 
werden  geringer  oder  bleiben  überhaupt  aus  —  wenigstens 
in  den  bisher  behandelten  Fällen.  Nur  in  einem  Falle  von 
primärem  Karzinom  der  ganzen  vorderen  Scheidenwand  blieb 
der  volle  Erfolg  aus,  obwohl  auch  hier  eine  deutliche  Bes¬ 
serung  vorhanden  war,  weil  es  uns  aus  technischen  Gründen 
nicht  gelang,  das  Azeton  lange  genug  auf  die  ganze  Scheiden¬ 
wand  einwirken  zu  lassen. 

Nach  zwei-  bis  drei  Wochen  war  fast  ausnahmslos  eine 
bedeutende  Verkleinerung  des  Kraters  unverkennbar.  Die 
Wände  der  Wundhöhle  waren  glatt  und  fest.  Polypöse  Wu¬ 
cherungen,  die  sich  hätten  leicht  abkratzen  lassen,  waren  nicht 
mehr  vorhanden. 

Wegen  der  Abwesenheit  von  Blutungen  und  Ausfluss  hob 
sich  das  Allgemeinbefinden  der  Kranken  zusehends.  Natürlich 
übte  das  Azeton  keinen  Einfluss  aus  auf  den  im  Innern  des 
Körpers  vordringenden  Krankheitsprozess,  und  wo  das  Kar¬ 
zinom  bereits  benachbarte  Organe  oder  Nervenstämme  er¬ 
griffen  hatte,  musste  nach  wie  vor  zu  schmerzstillenden 
Arzneien  gegriffen  werden. 

Es  fragt  sich  nun  nur  noch,  ob  das  Azeton  im  Organismus 
absorbiert  würde.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  sowohl  vor 
Beginn,  als  auch  während  der  Dauer  der  Behandlung  zahlreiche 
Urinuntersuchungen  auf  Azeton  gemacht,  die  jedoch  stets  ne¬ 
gativ  ausfielen. 

Zur  Illustration  des  Gesagten  füge  ich  hier  kurz  die  Kran¬ 
kengeschichte  eines  besonders  erfolgreichen  Falles  bei. 

Frau  R.  W.,  33  Jahre  alt,  wurde  am  15.  August  1906  im  Hospital 
-aufgenommen.  Seit  3  Monaten  hat  sie  fast  andauernd  geblutet,  seit 
2  Monaten  hat  sie  auch  heftige  Schmerzen  im  Unterleibe.  Sie  hat 
neuerdings  stark  an  Gewicht  verloren.  Die  Untersuchung  ergab  ein 
Blumenkohlgewächs  der  Vaginalportion:  die  vordere  Scheidenwand 
und  das  linke  Pararnetrium  waren  gleichfalls  ergriffen.  Lokale  Appli¬ 
kation  von  Trypsin  in  Form  der  Lotio  pancreatis,  zwei  Monate  lang 
fortgesetzt,  blieb  erfolglos.  Am  10.  Oktober  1906  wurde  sie  von  Herrn 
Prof.  W  e  r  t  h  e  i  m  aus  Wien,  der  damals  gerade  zum  Besuch  in 
St.  Louis  wieilte,  untersucht  und  für  inoperabel  erklärt. 

Am  13.  Oktober  und  3.  Dezember  1906  wurde  eine  gründliche 
Auskratzung  mit  nachfolgender  Paquelinisierung  vorgenommen,  die 
aber  -nur  einen  vorübergehenden  Erfolg  hatte.  Mikroskopisch  wurde 
die  Diagnose:  Karzinom  bestätigt.  Am  5.  Januar  1907  wurde  sie 
von  neuem  aufgenommen.  Sie  hatte  in  letzter  Zeit  mehrere  heftige 

3 


2530 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Blutungen.  Dazu  war  noch  ein  stinkender  Ausfluss  getreten,  und  die 
Krebskachexie  war  deutlich  ausgeprägt.  Der  Tumor  hatte  jetzt  die 
ganze  obere  Hälfte  der  Vagina  ergriffen  und  war  tief  in  das  linke  Para- 
metrium  eingedrungen.  Die  vaginale  Untersuchung  rief  eine  lebhafte 
Blutung  hervor.  Am  11.  Januar  1907  wurde  in  Aethernarkose  das 
Karzinom  von  neuem  ausgekratzt  und  ausgebrannt. 

Vom  17.  bis  28.  Januar  wurde  'die  Azetonbehandlung  in  der  oben 
beschriebenen  Weise  jeden  zweiten  Tag  ausgeführt.  In  dieser  Zeit 
Baten  keine  Blutungen  ein.  und  der  Geruch  war  deutlich  verringert. 
Zeitweise  war  ein  rötlicher  Ausfluss  vorhanden. 

31.  Januar:  Normale  Menstruation. 

6.  bis  12.  Februar:  Die  Azetonbehandlung  wird  fortgesetzt.  Es 
ist  noch  ein  leichter  Ausfluss  ohne  Geruch  und  ohne  Blutungen  vor¬ 
handen. 

21.  Februar:  Die  Patientin  ist  seit  einer  Woche  wieder  arbeits¬ 
fähig.  Sie  sieht  gesund  aus  und  hat  seit  6  Wochen  nicht  mehr  an 
Gewicht  verloren.  Der  Krater  hat  sich  verengt,  dass  selbst  das 
kleinste  Spekulum  nur  mit  Mühe  eingeführt  werden  kann.  Die  Wand 
des  Kraters  ist  fest  und  blutet  nicht  nach  der  Untersuchung.  Die 
Induration  des  linken  Parametriums  hat  nicht  zugenommen.  Die  ge¬ 
samte  Tumormasse  scheint  etwas  mehr  beweglich  zu  sein.  Es  ist 
kein  Ausfluss  mehr  vorhanden;  auch  Blutungen  sind  nicht  mehr  ein¬ 
getreten. 

22.  Februar:  In  Aethernarkose  wird  der  Krater  sorgfältig  küret- 
tiert,  jedoch  ist  die  Ausbeute  sehr  klein.  Die  abgekratzten  Gewebs- 
partikel  sind  hart.  Die  Blutung  ist  sehr  leicht.  Diese  Auskratzung 
weist  einen  deutlichen  Unterschied  gegen  alle  früheren  auf,  insofern 
damals  gro’sse  Quantitäten  schwammigen  Gewebes  unter  lebhafter 
Blutung  entfernt  wurden.  Der  heutigen  Gurettage  wird  eine  Azeton- 
eingiessung  in  der  üblichen  Weise  angeschlossen. 

5.  März:  Pat.  hat  die  Operation  glatt  überstanden.  In  den 
letzten  drei  Tagen  hat  sie  normal  menstruiert. 

15.  März:  In  der  Zwischenzeit  ist  die  Azetonbehandlung  regel¬ 
mässig  dreimal  wöchentlich  angewandt  worden.  Pat.  fühlt  sich  völlig 
gesund  und  sieht  blühend  aus.  Sie  gibt  an,  dass  sie  beim  Koitus  nicht 
mehr  blute.  Die  Scheide  ist  sehr  eng.  Von  Ausfluss  oder  Geruch 
ist  keine  Spur  mehr  zu  entdecken. 

Ich  sah  die  Patientin  zum  letzten  Male  kurz  vor  meiner  Abreise 
am  1.  Juli  d.  J.  Durch  häusliche  oder  andere  Arbeiten  in  Anspruch 
genommen,  hat  sie  sich  nur  ein-  bis  zweimal  wöchentlich  zur  Behand¬ 
lung  eingefunden.  Sie  sieht  völlig  gesund  aus  und  hat  über  nichts 
mehr  zu  klagen. 

Auch  an  einem  nicht  gynäkologischen  Falle  wandte  ich  das 
Azeton  an,  um  mich  durch  den  Augenschein  besser  von  der  Wirkung 
des  Mittels  überzeugen  zu  können.  Es  handelte  sich  um  eine  Greisin 
von  mehr  als  80  Jahren,  die  im  Februar  d.  J.  in  einem  beklagens¬ 
werten  Zustande  im  Hospital  aufgenommen  wurde.  Die  rechte  Seite 
des  Gesichtes  war  von  einem  karzinomtösen  Geschwür  eingenommen, 
das  an  der  Haargrenze  beginnend  bis  zum  unteren  Rande  der  Mandi¬ 
bula  reichte,  nach  vorn  sich  bis  etwa  zum  Mundwinkel  und  Nasen¬ 
flügel  erstreckte,  während  es  nach  hinten  bereits  den  grösseren  Teil 
des  Ohrläppchens  zerstört  hatte.  Die  unregelmässigen  Ränder  dieses 
Geschwürs  waren  induriert  und  hoben  sich  durch  die  tiefdunkelrote 
Farbe  ihrer  Bedeckung  von  der  umliegenden  Haut  ab.  Der  Boden  des 
Geschwürs  war  uneben  infolge  von  schwammigen  Wucherungen  und 
an  einzelnen  Stellen  so  tief,  dass  der  Knochen  zu  Tage  trat.  Feine 
ristelgänge  konnten  bis  in  die  Mundhöhle  verfolgt  werden.  Der  gelb¬ 
liche  Eiter,  der  das  gesamte  Geschwür  bedeckte,  verbreitete  einen 
aashaften  Geruch.  Die  Patientin  war  schon  eine  geraume  Zeit  in 
einem  der  städtischen  Spitäler  in  St.  Louis  ganz  erfolglos  behandelt 
worden.  Die  Azetonbehandlung,  die  hier  allerdings  erhebliche  tech¬ 
nische  Schwierigkeiten  zu  überwältigen  hatte,  brachte  eine  schnelle 
Aenderung  des  Zustandes  hervor.  Schon  am  18.  Mai  d.  J.,  als  ich 
die  Patientin  in  der  medizinischen  Gesellschaft  in  St.  Louis  demon¬ 
strierte,  konnte  man  deutlich  konstatieren,  dass  die  Geschwürsränder 
nicht  mehr  über  das  umgebende  Niveau  hervorragen  und  dass  die 
blässere  Kpidermis  über  die  Ränder  hinweg  ein  bis  zwei  Zoll  weit  auf 
das  eigentliche  Geschwür  vorgedrungen  war,  so  dass  das  letztere  er¬ 
heblich  kleiner  geworden  war.  Das  Geschwür  selbst  war  nunmehr 
\  iel  flacher;  der  Knochen  war  überall  bedeckt  von  einer  mehr  gleich- 
massigen  Schicht  eines  Gewebes,  das  makroskopisch  gesunden  Granu¬ 
lationen  ähnelte.  Dabei  war  das  Geschwürsekret  viel  weniger  reich¬ 
lich  und  hatte  fast  keinen  üblen  Geruch  mehr.  Diese  lokale  Besserung 
Inelt  an  bis  zum  Tode  der  Patientin,  die,  wie  ich  dem  Sektions- 
pi  otokoll  entnehme,  am  20.  Juli  einem  Herzleiden  erlegen  ist. 

In  der  obenbeschriebenen  Weise  habe  ich  in  den  ersten  6 
Monaten  d.  J.  etwa  ein  Dutzend  Patientinnen  behandelt.  In 
keinem  dieser  Fälle  blieb  eine  Besserung  aus.  Relativ  am  ge¬ 
ringsten  war  sie  bei  dem  erwähnten  Falle  von  Scheiden¬ 
krebs,  bei  dem  die  Lokalisation  des  Karzinoms  der  Azeton¬ 
anwendung  zu  grosse  technische  Schwierigkeiten  bereitete; 
am  deutlichsten  war  sie  bei  dem  angeführten  Falle  von  Car¬ 
cinoma  portionis.  Während  nach  den  Statistiken  die  Lebens¬ 
dauer  der  Uteruskarzinome  im  Durchschnitt  ungefähr  230  Tage 
beträgt,  war  in  diesem  Falle  die  Patientin  etwa  ein  Jahr  nach 
Auftritt  der  ersten  Erscheinungen  symptomatisch  wenigstens 


völlig  wieder  hergestellt.  Ich  will  aber,  um  Missverständnissen 
vorzubeugen,  ausdrücklich  betonen,  dass  es  sich  bei  der  Aze¬ 
tonbehandlung  nur  um  eine  palliative  Therapie  handeln  kann. 
Einige  meiner  Kranken  sind  denn  auch  schon  ihrem  Leiden  er¬ 
legen;  die  anderen  werden  ihnen  in  absehbarer  Zeit  nachfolgen, 
aber  das  eine  ist  sicherlich  erreicht  worden,  dass  ihre  qual¬ 
vollsten  Symptome  gelindert,  wo  nicht  ganz  beseitigt  wurden. 

Es  gehört  eine  gewisse  Ueberwindung  dazu,  mit  einer 
neuen  Methode  der  Krebsbehandlung  vor  ein  medizinisches 
Forum  zu  treten.  Wir  alle  sind  so  oft  in  unseren  Hoffnungen 
enttäuscht  worden,  dass  wir  recht  skeptisch  geworden  sind. 
Ich  habe  daher  alle  Verallgemeinerungen  sorgfältigst  vermieden 
und  mich  streng  an  die  Beobachtungen  gehalten,  die  ich  an 
meinen  eigenen  Fällen  gemacht  habe.  Die  Azetonmethode  war 
ursprünglich  nur  ersonnen,  um  den  unerträglichen  Geruch  zu 
beseitigen;  dabei  stellte  sich  unerwarteterweise  heraus,  dass 
auch  Blutungen  und  Ausfluss  günstig  beeinflusst  werden  konn¬ 
ten.  Da  die  Behandlung  mit  Azeton  ganz  harmlos  und  so  ein¬ 
fach  ist,  dass  sie  von  jedem  Praktiker  ausgeführt  werden  kann, 
fühle  ich  mich  berechtigt,  das  Verfahren  hiermit  den  deutschen 
Fachgenossen  zur  Nachprüfung  zu  unterbreiten. 


Aus  dem  Deutschen  Krankenhaus  in  Konstantinopel. 

Eine  schwere  Komplikation  der  akuten  Gonorrhöe. 

Von  Dr.  M  ü  h  1  i  g,  Oberarzt  der  inneren  Abteilung. 

Patient  ist  der  24  Jahre  alte  N.  Th.  in  Konstantinopel.  Er  ist 
W1?.  kräftiger  Konstitution,  war  stets  gesund  und  ist  mit  keiner  here- 
düaren  Beiastung  behaftet.  Am  28.  X.  05,  4  Tage  nach  einem  Bei¬ 
schlaf,  bemenkte  er  Schmerzen  beim  Urinieren,  häufigen  Harndrang 
und  einen  gelblich-grünen  Ausfluss  aus  der  Harnröhre.  Er  liess  sich 
ambulatorisch,  angeblich  mit  Jane  Eschen  Ausspülungen  mit  einer 
Losung  von  übermangansaurem  Kali  behandeln  und  suchte  am  3.  XI. 
meine  Hilfe  im  deutschen  Krankenhause  auf,  da  er  heftige  Schmerzen 
am  rechten  Hoden  verspürte.  Die  Untersuchung  ergab  folgendes- 
ziemlich  reichlichen  gelblichen  Ausfluss  aus  der  Harnröhre  welcher 
Gonokokken  in  grosser  Menge  enthielt,  starke  Schwellung,  Rötung 
und  Schmerzhaftigkeit  des  rechten  Nebenhoden,  Temperatur  38,2. 
Der  unter  den  grössten  Schmerzen  gelassene  Urin  ist  trübe  —  aaich 
die  zweite  Portion  —  und  reagiert  alkalisch.  Filtriert  enthält  er 
wedei  Eiweiss  noch  Zucker.  Die  genaue  Untersuchung  der  übrigen 
Organe  fiel  negativ  aus.  Die  Behandlung  bestand  in  Bettruhe,  Milch¬ 
diät,  Hochlagerung  des  Hoden  und  Bleiwasserumschlägen.  Inner- 
lich  verordnete  ich  4  mal  täglich  2  Gonosankapseln.  In  den  beiden 
darauffolgenden  Tagen  begann  die  Temperatur  zu  fallen,  der  Harn- 
drang  liess  nach,  der  Urin  klärte  sich  und  reagierte  sauer.  Auch 
die  Schmerzhaftigkeit  des  Nebenhoden  liess  nach.  Am  6.  XI.  morgens 
schmerz-  und  fieberfrei.  Gonosan  wird  ausgesetzt.  Am 
Abend  des  6.  XI.  trat  unter  heftigen  Allgemeinerscheinungen,  Kopf¬ 
schmerzen,  Frösteln,  Erbrechen,  Steigerung  der  Temperatur  auf  38,9, 
eine  Schwellung  und  Rötung  des  entsprechenden  Samenstranges  auf. 
Derselbe  fühlte  sich  hart  an  und  war  auf  Druck  äusserst  empfindlich. 
Am  darauffolgenden  Tage  morgens  starker  Schüttelfrost,  Seiten- 
stiche  auf  der  rechten  Brust,  Dyspnoe  und  rein  blutiger,  hellroter 
Auswurf.  Temperatur  40,1,  Puls  120.  Die  Untersuchung  ergab  fol¬ 
gendes.  Herz  vollständig  normal.  Lungen:  linke  intakt,  über  dem 
i  echten  Unterlappen  kleinblasiges  Rasseln.  Die  mikroskopische  Unter¬ 
suchung  des  ausgehusteten  Blutes  förderte  nichts  Nennenswertes 
zutage.  8.  XI.  Temperatur  morgens  40,0,  anhaltende  Dyspnoe  mit 
starkem  Hustenreiz,  heftige  Seitenstiche,  blutiger  Auswurf  noch  vor- 
handen,  Puls  120.  An  die  Stelle  des  Ikleinblasigen  Rasseins  trat  jetzt 
Dämpfung  und  bronchiales  Atmen  auf.  Verstärkung  des  Stimm- 
rnemitus.  Patient  bekam  Pr  i  es  s  n  i  t  zsche  Umschläge  um  die 
Brust  und  Morphium  subkutan.  Nachdem  dieser  schwere  Zustand 
bis  zum  11.  XL  (Temperaturen  zwischen  40  morgens  und  40,5  abends, 

I  uls  110—120)  gedauert,  trat  unter  allmählichem  Nachlassen  der 
bedrohlichen  Erscheinungen  und  Aufhören  des  blutigen  Auswurfes 
ein  lytischer  Abfall  der  Temperatur  ein.  Am  20.  XI.  hörte  man 
nui  noch  vereinzelt  kleinblasiges  Rasseln  über  dem  befallenen'  Unter¬ 
lappen,  die  Temperatur  war  normal.  Inzwischen  war  auch  die  Ent¬ 
zündung  des  rechten  Nebenhoden  bis  auf  eine  geringe  Schwellung 
zurückgegangen,  desgleichen  die  Samenstrangentzündung  bis  auf  eine 
geringe  fühlbare  Härte.  Der  noch  bestehende  Harnröhrenausfluss 
enthielt  reichlich  Gonokokken.  Patient  fühlte  sich  vollständig  wohl, 
da  tiat  am  24.  XI.  eine  leichte  linksseitige  Epididymitis  gleichzeitig 
mit  einer  Entzündung  des  entsprechenden  Samenstranges  auf.  Der 
Eamenstrang  war  auf  Druck  sehr  schmerzhaft,  die  Haut  über  ihm 
rötlich  und  auffallend  ödematös.  Am  26.  XI.  klagte  Patient  über 
Stiche  auf  der  linken  Brust.  Am  27.  XI.  Schüttelfrost,  Temperatur 
41,0,  Dyspnoe,  Puls  126,  Hämoptoe.  Die  Schmerzen  auf  der  Brust 
waren  so  heftig,  dass  sie  nur  mit  hohen  Dosen  Morphium  subkutan 
bekämpft  werden  konnten.  Dieser  schwere  Zustand  hielt  bis  zum 
30.  XI.  an.  Die  Temperatur  schwankte  zwischen  39,5  und  40,0,  der 
Puls  zwischen  100  und  120.  Die  Atemnot  war  andauernd  gross. 


17c  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2531 


Der  blutige  Auswurf  dauerte,  wenn  auch  in  geringerer  Stärke,  fort. 
U^ber  dem  linken  Unterlappen  hörte  man  am  27.  XI.  nur  abge¬ 
schwächtes  Atmen.  Die  Perkussion  ergab  anfangs  «tympanitisch  ge¬ 
dämpften  Schall,  der  am  30.  XI.  in  absolute  Dämpfung  überging. 
Am  2.  XII.  beginnt  der  Zustand  sich  zu  bessern.  Unter  allmählichem 
Abfall  des  Fiebers  nimmt  die  Atemnot  ab.  Puls  in  den  nächsten 
Tagen  100 — 80.  Der  blutige  Auswurf,  in  welchem  mikroskopisch 
wiederum  nichts  Abnormes  nachgewiesen  werden  konnte,  hielt  in 
leichter  Form  noch  bis  zum  8.  XII.  an.  Von  da  ab  trat  Patient  in  die 
Rekonvaleszenz  ein.  Es  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Entzündung 
des  linken  Nebenhoden  und  Samenstranges  am  6.  XII.  abgelaufen 
und  der  Lungenbefund  folgender  war:  am  4.  XII.  wiederum  tym¬ 
panitisch  gedämpfter  «Schall  und  Knisterrasseln,  welches  bis  zum 
12.  XII.  anhielt.  Da  der  Ausfluss  aus  der  Harnröhre  noch  nicht  be¬ 
deutend  nachgelassen  hatte,  bekam  Patient  vom  20.  XII.  ab  3  bis  2 
bis  1  mal  täglich  2  «Kapseln  Oleum  Santali  Savaresse.  Seit  dem 
1.  I.  06  kein  Ausfluss  mehr,  der  sich  auch  trotz  Aussetzens  des  San- 
tals  am  4.  I.  bis  zur  Entlassung  des  Patienten  aus  der  Anstalt  am 
12.  I.  nicht  wieder  einstellte.  Ich  hatte  Gelegenheit,  den  Kranken 
noch  am  22.  I.  und  1.  II.  06  in  meiner  Sprechstunde  zu  unter¬ 
suchen  und  konnte  feststellen,  dass  er  vollständig  geheilt  war. 

Es  handelt  sich  in  unserem  Falle  um  die  wohl  sehr  seltene, 
meines  Wissens  nach  noch  nicht  beschriebene  Komplikation  von 
Gonorrhöe  mit  doppelseitigen  Lungeninfarkten.  Da  das  Herz 
vollständig  intakt  war,  so  lassen  sich  diese  Lungenembolien, 
welche  zu  Lungeninfarkten  geführt  haben,  nur  durch  periphere 
Thromben  erklären.  Unter  den  Thromben  des  Gebietes  der 
Vena  cava  inferior  sind  die  bekanntesten:  die  marantischen 
Thrombosen  der  unteren  Extremitäten  —  Phlebitis  im  Verlaufe 
des  Typhus  abdominalis  — ,  Thrombose  in  den  Eierstocks-  und 
Gebärmuttervenen  bei  puerperalen  Infektionen,  Thrombose  der 
Mastdarm-  und  Nierenvenen.  Auch  dysenterische  Prozesse 
können  zu  derartigen  pathologischen  Erscheinungen  führen, 
sogen.  „Enteropneumonien“.  In  dieses  Kapitel  gehört  auch  die 
Fettembolie  der  Lungen,  welche  bisweilen  bei  Knochenbrüchen 
eintreten  kann.  Unser  Fall  lehrt,  dass  auch  eine  Thrombose  der 
Venae  spermaticae  internae  im  Verlaufe  einer  Deferentitis  sper- 
matica  gonorrhoica  gelegentlich  zu  einer  Lungenembolie  führen 
kann. 

ib  _ 

Hodenhautgangrän  nach  Gebrauch  von  Jodtinktur. 

Von  k.  u.  k.  Regimentsarzt  Dr.  Oskar  Hanasiewicz, 
Chefarzt  der  Militärunterrealschule  in  Güns,  gewes.  Operateur 
an  der  I.  chirurgischen  Universitätsklinik  Hof  rat  Prof.  Frhr. 
v.  Eiseisberg  in  Wien. 

Bekanntlich  sieht  man  in  der  ärztlichen  Praxis  bei  Behand¬ 
lung  von  Entzündungen  eine  sehr  grosse  Verschiedenheit  der 
therapeutischen  Massnahmen;  jeder  Arzt  bekundet  hierin  eine 
andere  Auffassung  und  selbst  in  der  Anwendung  der  einfachsten 
äusserlichen  Mittel,  bei  denen  eine  Variation  kaum  möglich  er¬ 
scheint,  herrscht  vielfacher  Wechsel.  Man  wäre  geneigt  an¬ 
zunehmen,  dass  wenigstens  beim  Gebrauch  der  äusserlichen 
Mittel  die  Indikationsstellung  im  Verlaufe  der  Zeiten  eine  kon¬ 
formere  und  stabilere  geworden  ist,  doch  ist  dem  nicht  so  — 
dies  beweisen  am  besten  unzählige  Fälle  aus  der  Praxis. 

Wie  oft  hat  man  Gelegenheit,  bei  einem  Patienten  wegen 
eines  äusserlichen  Entzündungsprozesses  in  kurzer  Zeitfolge 
zwei  verschiedene  —  warme  und  kalte  —  Umschläge  verordnen 
zu  sehen.  Für  diesen,  auch  dem  Patienten  auffallend  raschen 
Wechsel  der  therapeutischen  Massregel,  muss  dann  die  be¬ 
ruhigende  Phrase  herhalten,  die  Individualität  des  Patienten 
vertrüge  diesen  oder  jenen  Umschlag  nicht. 

Diese  Unsicherheit  in  der  Anwendung  zeigt  sich  aber  nicht 
nur  bei  den  Umschlägen,  sondern  auch  bei  anderen  äusser¬ 
lichen  Mitteln,  wie  z.  B.  Jodtinktur. 

Von  der  durch  die  allgemeine  Erfahrung  bekannten  Tat¬ 
sache  ausgehend,  dass  hyperämisierend  wirkende  äusserliche 
Mittel,  wie  warme  Kataplasmen,  Priessnitzumschläge,  Jod¬ 
tinktur  etc.  in  vielen  Fällen  bei  Entzündungen  von  günstigem 
Heilerfolge  sind  —  werden  Viele  zu  schablonenhafter  Medi¬ 
kation  verleitet  und  manchmal  durch  recht  peinliche  Misserfolge 
überrascht. 

Ein  krasses  Beispiel  für  die  nicht  vorsichtige  Indikations¬ 
stellung  beim  Gebrauch  von  Jodtinktur  ist  folgender  Fall: 

Anamnese:  F.  O.,  19  Jahre  alter  Patient,  Kutscher,  gibt  bei 
seiner  am  27.  V.  lfd.  Js.  erfolgten  Aufnahme  in  das  Günser 
Zivilspital  folgende  Vordaten  an:  In  frühester  Kindheit  hatte  er  nach 
Angaben  seiner  Eltern  Rachitis;  seither  gesund  bis  zum  23.  V.,  — 


an  diesem  Tag  bekam  er  scheinbar  ohne  Ursache  —  Hodenschmerzen, 
die  Hoden  schwollen  an  und  wurden  hart.  Der  herbeigerufene  Land¬ 
arzt  verordnete  ihm  Umschläge  und  eine  braune  Flüssigkeit,  mit 
welcher  er  sich  die  Ho«den  öfters  einpinselte.  Die  Schmerzhaftigkeit 
und  Schwellung  nähmen  aber  immer  mehr  zu,  sodass  er  sich  auf 
Anraten  seines  Arztes  am  27.  V.  in  das  hiesige  Zivilspital  trans¬ 
portieren  Hess. 

Status  praesens:  Von  mittlerer  Statur,  blasser  Hautfarbe, 
mässig  entwickelter  Muskulatur.  Beide  Tibiaknochen  säbelscheiden¬ 
förmig  abgeplattet  und  leicht  konvex  nach  vorne  gebogen.  Respi- 
rations-  und  Zirkulationsorgane  normal. 

Der  Hodensack  hochgradig  geschwollen,  etwa  so  gross,  wie  der 
Kopf  eines  Neugeborenen,  die  Skrotalhaut  «dunkelblaurot,  ödematös, 
heiss  anzufühlen.  Wegen  der  starken  entzündlichen  Schwellung  und 
Spannung  konnten  die  Hoden  nicht  palpiert  werden. 

Temperatur  38,4—39,2°.  Stuhl  auf  Einlauf;  keine  Harn¬ 
beschwerden.  Abdominalorgane  normal. 

Auf  eine  schriftliche  Anfrage  äusserte  sich  der  betreffende  Arzt, 
welcher  ihn  früher  behandelte,  «dass  er  beim  Patienten  Nebenhoden¬ 
entzündung  diagnostizierte  und  Bleiwasserumschläge  nebst  Jod¬ 
tinkturpinselungen  verordnete,  nebenbei  teilte  er  noch  mit,  dass  er 
anfänglich  wegen  der  Schwellung  eine  Skrotalhernie  vermutete! 

Trotz  Hochlagerung  bei  vollständiger  Bettruhe  —  wird  das  Aus¬ 
sehen  der  Skrotalhaut  schon  nach  24  Stunden  immer  schlechter;  die 
«blaurote  Verfä«rbung  bekommt  bald  stellenweise  fleckig  schmutzig 
braune  Nuancen. 

Am  30.  V.  früh  ist  die  Verfärbung  schmutzig  graubraun  und 
erstreckt  sich  über  die  ganze  Vorderfläche  des  Skrotums;  an  einzelnen 
Stellen  ist  die  Epidermis  in  Blasen  aufgehoben,  der  Blaseninhalt  ist 
trübe,  übelriechend.  3  Droz.  Wasserstoffsuperoxydlösung  wird  auf 
Gaze  gegossen  und  damit  das  Skrotum  bedeckt. 

31.  V.  Wird  die  Skrotalhaut  an  der  Vorderfläche  deutlich  gan¬ 
gränös  und  übelriechend  und  löst  sich  am  2.  VI.  vollständig,  lappen¬ 
förmig  ab. 

Beide  Hoden  liegen  mit  einer  grossen  Strecke  ihrer  Funikuluse 
frei  vor,  nur  an  den  seitlichen  Teilen  und  gegen  den  Damm  zu  ist 
normale  Hautbedeckung  übrig  geblieben. 

Unter  profuser  Eiterung  bildeten  sich  in  den  nächsten  Tagen 
Granulationen,  welche  die  freiliegenden  Hoden  überwucherten.  — 
Spülungen  mit  3proz.  Wasserstoffsuperoxydlösung. 

10.  VI.  Die  Granulationen  dunkelrot,  sehr  dicht,  sezernieren 
bereits  weniger  Eiter.  Befinden  gut,  kein  Fieber. 

17.  VI.  Hautersatz  durch  Transplantation  nach  Thiersch. 

Die  Granulationsfläche  wurde  durch  Perhydrol-  und  physio¬ 
logische  Kochsalzberieselung  gereinigt,  die  Vorderfläche  beider  Ober¬ 
schenkel  gewaschen. 

Nun  wurden  mittels  eines  flachen  Amputationsmessers  teils 
Rasiermessers  von  der  Oberschenkelhaut  beider  Seiten,  nach  der 
üblichen  Weise  ganz  dünne  Hautläppchen,  die  nur  aus  Epidermis  und 
obersten  Schichten  des  Koriums  bestanden,  gewonnen,  welche  aus 
einer  warmen  physiologischen  Kochsalzlösung  mittels  Sonden  auf 
Spateln  aufgezogen  wurden,  und  dann  auf  die  Granulationsflächen 
ausgebreitet.  Zur  vollständigen  Bedeckung  waren  zwei  etwa  6  cm 
lange  und  2,5  cm  breite  und  6 — 7  kürzere  schmälere  Hautläppchen 
notwendig.  Die  Granulationen  waren  trocken  und  reizlos.  Verband: 
sterile  weiche  Leinwandläppchen  dick  mit  Vaselin  bestrichen,  Krtill- 
gaze,  Befestigung  mit  T-Binden. 

Patient  erhielt  vor  der  Operation  eine  Morphiuminjektion;  von 
einer  Narkose  wurde  abgesehen,  da  man  befürchten  konnte,  dass  er 
sich  durch  jähe  Bewegungen  während  des  Aufwachens  aus  der  Nar¬ 
kose  die  Läppchen  herunterstreifen  könnte. 

Nach  der  Operation  erhielt  er  ferner  grössere  Dosen  von  Opium¬ 
tinktur,  damit  er  in  den  zwei  ersten  Tagen  ohne  Stuhlgang  sei  und  sich 
vollkommen  ruhig  verhalten  könne. 

Patient  lag  3  Tage  vollkommen  ruhig  in  Rückenlage. 

20.  VI.  Verbandwechsel.  Die  Läppchen  haften  gut,  kein  einziges 
ging  mit  den  Verbandstoffen  ab,  ihr  Aussehen  blassrosa.  Salbenver¬ 
band. 

25.  VI.  Die  Läppchen  erscheinen  etwas  geschrumpft. 

28.  VI.  Ohne  Verband.  Die  Läppchen  vollständig  angeheilt.  Die 
Hautdefekte  an  «den  Oberschenkeln  im  Abheilen  begriffen. 

Der  Defekt  war  ursprünglich  ein  so  gross  ausgedehnter, 
das  Freiliegen  des  Hodens  so  hochgradig,  dass  ich  einige  Tage 
schon  eine  Kastration  in  Erwägung  zog;  doch  zeigten  sich 
glücklicherweise  bald  so  kräftige  Granulationen,  dass  ich  ab¬ 
zuwarten  und  eine  T  h  i  e  r  s  c  h  sehe  Transplantation  zu 
machen  beschloss,  die  mir  auch  vollkommen  gelang. 

Die  Aetiologie  der  Nebenhodenentzündung  dieses  Falles 
blieb  leider  unaufgeklärt.  Patient  hatte,  als  er  anfangs  Juli  das 
Spital  verliess  keinerlei  Ausfluss  aus  der  Harnröhre;  bei  der 
Angabe  der  anamnestischen  Daten  negierte  er  eine  venerische 
Infektion,  die  Möglichkeit  eines  Traumas  gab  er  aber  zu. 

Viel  mehr  scheint  aber  die  Ursache  der  aufgetretenen 
Hodenhautgangrän  aufgeklärt  zu  sein.  Dieselbe  ist  mit  Be¬ 
stimmtheit  auf  die  Anwendung  von  Jodtinktur  zurückzuführen. 

3* 


2532 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Nach  L  e  x  e  r  kommt  es  bei  akuten  Entzündungen  oft 
durch  Gebrauch  von  hyperämisierenden  Mitteln,  wie  auch  Jod¬ 
tinktur,  „durch  starkes  Anwachsen  der  Hyperämie  zu  einer  ver¬ 
mehrten  Exsudation,  welche  durch  Druck  auf  die  ohnehin 
schon  geschädigten  Gewebe  die  Auflösung  des  Gewebes  be¬ 
schleunigt  oder  schwere  Zirkulationsstörungen  mit  ausge¬ 
dehnter  Nekrose  bedingt.“ 

Es  wären  daher  in  der  ärztlichen  Praxis  die  äusserlichen 
hyperämisierenden  Mittel  bei  akuten  Entzündungen  ganz 
zu  meiden  und  sich  lieber  nur  auf  Ruhigstellung  und  Hoch¬ 
lagerung  zu  beschränken,  in  chronischen  oder  in  Fällen  von 
gelinden  Entzündungen  hingegen  wäre  ihr  Gebrauch  indiziert. 


Hypertrophie  der  Lan  g er  h  ans  sehen  Pankreasinseln. 

Bemerkungen  zu  der  Mitteilung  von  Prof.  Dr.  Lazarus 
in  No.  45  dieser  Wochenschrift. 

Von  K.  A.  Heiberg,  K.  Frederikshospital  in  Kopenhagen. 

Bilder  'der  La  n  ge  r  h ans  sehen  Inseln  • —  genau  wie  die  bei 
phlori'dzinvergifteten  Meerschweinchen  bei  den  interessanten  Unter¬ 
suchungen  des  Herrn  Prof.  Dr.  Lazarus  abgebildeten  —  kann  man 
aus  gewissen  Gegenden  des  normalen  Pankreas  dieses  Tieres 
auch  immer  erhalten  und  braucht  hier  keineswegs  „suchen  zu  müssen 
bis  man  eine  Insel  trifft“;  vergl.  De  witts  Untersuchungen  (Journ’ 
of  expemm.  Med, leine  Bd.  8,  1906),  von  deren  Richtigkeit  ich  mich  be¬ 
züglich  dieses  Punktes  überzeugt  habe.  Das  Hauptgewicht  muss 
daher  auf  die  gleichmässige  Verbreitung  dieses  Bildes  über 
das  ganze  Gewebe  gelegt  werden;  an  und  für  sich  sind  die  Bilder 
genau  wie  die  abgebi'ldeten  Fig.  1  oder  2  (S.  2222—3)  kein  sicheres 
H\  perplasiesymptom;  ja  De  w  i  tt  hat  sogar  als  grössten  Diameter  des 
Inseldurchschnittes  bis  zu  1  mm  gemessen. 

Eine  Hyperämie,  wie  die  nachgewiesene,  lässt  sich  also  nun  nach 
1  rof.  Lazarus’  Verfahren  künstlich  hervorrufen;  sie  ist  doch  auch 
ohnedies_  gelegentlich  (vergl.  auch  De  witts  Abbildungen  [1.  c.j 
—  S.  205  und  215  von  Ratten  und  Fröschen)  an  verschiedenem 
Material  aus  unbekannten  Gründen  anzutreffen. 


Ziele  und  Wege  des  Unterrichtes  in  der  Frauenheilkunde*) 

Von  Otto  v.  Franqne. 

M.  H.!  Ehe  wir  die  eigentliche  Wanderung  in  die  Gebiete 
der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  in  denen  ich  Ihnen  Führer 
sein  soll,  beginnen,  möchte  ich  mir  einige  wenige  allgemeine 
Bemerkungen  über  den  Unterricht  in  diesen  Fächern  erlauben 
mochte  gewissermassen  das  Ziel  stecken,  dem  wir  zusammen 
zustreben  wollen,  und  die  Wege  bezeichnen,  auf  denen  es  viel¬ 
leicht  erreichbar  ist.  Wird  doch  in  unserer  kritikfrohen  Zeit 
immer  wieder  die  Frage -aufgeworfen,  ob  überhaupt  der  Unter¬ 
richt  an  den  Universitäten  imstande  ist,  Ihnen  das  zu  geben 

wa-l  S1<5,  fuI  ,lhr  zukünftiges  ärztliches  Leben  brauchen.’ 
Wahrend  auf  der  einen  Seite  über  die  zunehmende  Speziali- 
sieiung  der  ärztlichen  Kunst  und  Wissenschaft  geklagt  und  von 
un5  Lehrern  ein  allzu  tiefes  Eingehen  in  spezialistische  Fragen 
und  Uebungen,  also  ein  Zuviel  befürchtet  wird,  hält  man  uns 
andererseits  vor,  dass  wir  Sie  nicht  genügend  vorbereitet  auf 
ic  edurfnisse  des  praktischen  Lebens  entlassen,  dass  wir 
Ihnen  also  zu  wenig  mit  auf  den  Weg  geben. 

So  las  ich  kürzlich  in  einer  ärztlichen  Rundschau1)  fol¬ 
gende  Aeusserung  eines  praktischen  Arztes  gelegentlich  der 

FwIXh8  Ur‘  nTer5unstfehler:  ”Aber  hier  muss  die 
rtiVlÄ  zum  grössten  Teil  die  Schuld  auf  sich  nehmen; 
die  Belehr,,, ,K  soll  nicht  als  unzulänglich  bezeichnet  werden 
sonder"  es  wird  auf  die  allgemeine  geburtshilfliche  Praxis  die 

Verfass  ‘  "iCR  «e"on.'men.“  Weiterhin  meint  der 

Verrasser  „Zu  diesem  Behufe  (nämlich  zur  besseren  Vor 

FftontUhg  Ff  ue  Pr,axis)  müssten  die  medizinischen  Fakul¬ 
täten  ihre  Engherzigkeit  ablegen  und  auch  dem  praktischen 

Aizte  der  ihnen  geeignet  erscheint,  die  Lehrfreiheit  gestatten.“ 
lieber  den  in  diesem  Satze  gelegenen  ethischen  Vorwurf 
SarhpH  1W1V*L01?  • ruhig  hinwe2£ehen,  zumal  es  ja  gar  nicht 
aph  Hdervhaklltatun’  sondern  der  Regierungen  und  gesetz- 
gebenden  Körperschaften  ist,  über  die  Vorbildung  der  Aerzte 

zu  olLAen„‘.rWtSVOrleSUng  £elesMtlich  Uebernahme  der  Klinik 

uischen ^1  nstituten  Ui  i" 

quenzen.  Aerztliche  Rundschau,  München,  17.  August*  1907  .  K°'Ke" 


Bestimmungen  zu  treffen.  Aber  sachlich  müssen  wir  Lehrer 
angesichts  solcher  Behauptungen  uns  immer  wieder  fragen: 
Ist  unsere  Art  des  Unterrichts  genügend  oder  gibt  es  eine 
andere  Art  desselben,  die  vielleicht  zu  besseren  Ergebnissen, 
als  sie  besonders  nach  Ansicht  der  Unzufriedenen  jetzt  erreicht 
werden,  führen  könnte?  Wenn  ja,  dann  dürfen  und  würden 
wir  keinen  Augenblick  zögern,  sie  anzunehmen,  und  zwar 
einerlei,  von  wem  sie  uns  geboten  würde. 

Aber  schon  in  der  einen  Kluge,  die  man  am  häufigsten 
hört,  in  jener  über  die  mangelnde  Gewandtheit  junger  Aerzte 
am  Krankenbett  und  in  technischen,  namentlich  operativen 
Dingen  liegt  eine  gewisse  Verkennung  des  Zieles,  das  wir  im 
medizinischen  Unterricht  erreichen  wollen  und  können.  'Gewiss  ' 
wird  gerade  der  Frauenarzt  den  Vorteil  einer  gewandten 
Technik  nicht  unterschätzen,  und  wir  Lehrer  werden  immer 
bestrebt  sein,  Ihnen  so  viel  davon  zu  übermitteln,  als  eben  in 
den  kurzen  Lern  iah  ren  möglich  ist.  Aber  Sie  als  vollendete 
Techniker  in  die  Welt  zu  schicken,  das  ist  einfach  unmöglich 
und  es  soll  offen  ausgesprochen  sein,  dass  dies  gar  nicht  das 
Ziel  des  Universitätsunterrichtes  ist  und  sein  kann.  Nicht  ge¬ 
wandte  Spezialisten,  die  jeden  Handgriff  mit  der  Sicherheit  eines 
Automaten  ausführen,  wollen  wir  in  erster  Linie  heranbilden, 
sondern  tüchtige,  allgemein  gebildete  praktische  Aerzte,  die  sich 
durch  eigenes  Denken  und  selbständiges  Urteil  auch  einmal  in 
einer  ihnen  neuen  Situation  zurecht  finden  können.  Dazu  ge¬ 
hört  aber  vor  allem  eine  gediegene  theoretische  Vorbildung, 
namentlich  in  der  Geburtshilfe.  Während  sonst  in  den 
klinischen  Fächern  die  theoretischen  Kollegien  vielfach  für  ent¬ 
behrlich  gehalten  werden,  muss  es  als  unerlässlich  für  die  nutz¬ 
bringende  Beobachtung  am  Gebärbett  und  für  eine  natur- 
gemässe  und  daher  zweckentsprechende  Behandlung  der  dort 
auftretenden  Störungen  bezeichnet  werden,  dass  der  angehende 
Arzt  vorher  mit  den  Grundzügen  der  Geburtshilfe  sich  be¬ 
kannt  gemacht  hat.  Dass  die  so  erlangten  Kenntnisse  und  Vor¬ 
stellungen  für  ihn  wirksames  Leben  gewinnen,  dazu  bedarf  es 
dann  allerdings  einer  möglichst  oft  wiederholten  eigenen  Be¬ 
obachtung  am  Gebärbett  und  ich  möchte  Sie  dringend  bitten, 
die  Gelegenheit,  die  Ihnen  hierzu  in  der  Klinik  geboten  wird, 
so  eifrig  als  irgend  möglich  zu  benützen. 

Wenn  es  uns  auch  nicht  möglich  ist,  Ihnen  in  einem  Se¬ 
mester  alle  Störungen  und  durch  dieselben  nötig  gemachten 
Operationen  am  Gebärbett  zu  zeigen,  so  werden  Sie  doch  die 
wichtigsten  derselben  miterleben  können  und  jedes  solche  Er¬ 
lebnis  bedeutet  für  Sie  eine  wertvolle  und  durch  nichts  ersetz¬ 
bare  Stärkung  Ihrer  Leistungsfähigkeit  im  späteren  Berufs¬ 
leben. 


Aber  die  Grundlage  aller  praktischen  Geburtshilfe  ist  und 
bleibt  eine  genaue  Kenntnis  des  normalen  Geburtsvorganges 
und  seiner  Variationen,  und  da  glaube  ich  behaupten  zu  können, 
dass  es  nur  die  Schuld  des  Studierenden  selbst  sein  kann,  wenn 
er  ohne  eine  solche,  auf  eigene  wiederholte  Erfahrung  gestützte 
Kenntnis  die  Universität  verlässt.  Aber  die  Kritiker  verlangen 
mehr:  der  Student,  sagen  sie,  soll  die  geburtshilflichen  Opera¬ 
tionen  nicht  nur  gesehen,  er  soll  sie  auch  an  der  Lebenden  ge¬ 
übt  haben. 


inuii  iremcn  zugegeDen  werden,  dass  die  Einübung 

dei  geburtshilflichen  Operationen  am  Phantom  für  manche  der¬ 
ben  ein  recht  unvollkommener  Ersatz  für  die  Operations- 
er  ahrung  an  der  Lebenden  ist.  Aber  man  kann  doch  auch 
sagen,  wer  am  Phantom  gut  und  exakt  zu  arbeiten  sich  ge- 
\\  öhnt  hat,  wem  hier  die  notwendigen  Technizismen  in  Fleisch 
und  Blut  übergegangen  sind,  der  wird  auch  nicht  den  Kopf  ver¬ 
lieren,  wenn  er  zum  ersten  Male  an  der  Lebenden  eingreifen 
muss  und  wird  namentlich  dann  nicht  direkt  schlecht  operieren 
wenn  er  die  Operation  ein  oder  mehrere  Male  in  viva  hat  richtig 
ausfuhren  sehen.  Nicht  die  operative  Routine  ist  die  Haupt¬ 
sache  in  der  Geburtshilfe,  sondern  die  Stellung  einer  richtigen 
Diagnose  und  Prognose  und  auf  Grund  dieser  die  Aufstellung 
einer  streng  sachlich  begründeten  Indikation  für  einen  etwa  not¬ 
wendigen  Eingriff  Nicht  wer  am  gewandtesten  operiert,  son- 
ern  wer  seine  Operationsindikation  am  schärfsten  und  ge¬ 
wissenhaftesten  abwägt,  wird  als  geburtshilflicher  Praktiker 
eien  grössten  Segen  verbreiten.  Es  gehört  oft  mehr  Mut  und 

rU •  ™aktarstaike  ^az^’  elne  VOn  einem  unverständigen  Publikum 
dringend  verlangte  Operation,  die  man  als  überflüssig  erkannt 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2533 


hat,  abzulehnen,  als  einen  scheinbar  glänzenden,  aber  eigentlich 
nicht  ganz  gerechtfertigten  Eingriff  erfolgreich  durchzuführen. 
Es  wird  eine  Hauptaufgabe  des  geburtshilflichen  Unterrichtes 
sein.  Sie  in  dieser  Beziehung  auf  die  richtigen  Weg  zu  leiten. 

Unmöglich  aber  ist  es,  Ihnen  allen  eine  wirkliche  Einübung 
der  Operationen  an  der  Lebenden  teil  werden  zu  lassen;  sollte 
sie  gewährt  werden,  so  müsste  ja  der  grösste  Teil  der  ge¬ 
bärenden  Frauen  einer  solchen  Kunsthilfe  bedürftig  sein,  damit 
wir  nur  die  nötige  Anzahl  der  Fälle  aufbringen  könnten.  So 
weit  ist  es  glücklicherweise  noch  nicht  mit  unserer  Frauen¬ 
welt.  Niemand  wird  aber  den  Leitern  der  Kliniken  zumuten 
wollen,  dass  sie  indikationslose  Operationen  zu  Uebungs- 
zwecken  der  Studierenden  zulassen  sollten,  eine  Zumutung,  die 
mit  den  einfachsten  Grundsätzen  der  Humanität  im  allgemeinen 
und  im  besonderen  mit  der  Verantwortung  gegenüber  den 
Frauen,  die  sich  der  Klinik  anvertrauen,  vollständig  unverein¬ 
bar  wäre. 

Wie  aber  der  vorhin  erwähnte  Appell,  auch  die  Praktiker 
mit  der  geburtshilflichen  Ausbildung  der  Studierenden  zu  be¬ 
trauen,  hier  Abhilfe  schaffen  sollte,  ist  mir  nicht  verständlich. 
Ich  gebe  zu,  dass  in  der  Aussenpraxis  im  allgemeinen  wohl 
etwas  mehr  operiert  wird,  als  in  der  Klinik,  schon  jetzt  häufig 
genug  nicht  gerade  im  Interesse  und  zum  Vorteile  der  Ge¬ 
bärenden.  Noch  viel  weniger  aber,  als  wie  in  Klinik  oder 
Poliklinik,  könnte  der  Praktiker  im  Privathause  den  Studieren¬ 
den  selbst  eingreifen  lassen,  er  könnte  ihm  eben  nur  wieder 
das  Zusehen  gestatten. 

Das  ist,  wie  schon  betont,  freilich  ausserordentlich  förder¬ 
lich  und  lehrreich  —  aber  doch  nur  bis  zu  einem  gewissen 
Grade;  zum  selbständigen,  erfolgreichen  Operateur  wird  man 
dadurch  natürlich  nicht. 

Selbständig  und  erfahren  wird  man  überhaupt  erst  dann, 
wenn  man  die  volle  Verantwortung  trägt,  wenn  man  wirklich 
allein  steht  und  selbst  über  sein  Tun  und  Lassen  entscheiden, 
für  die  Folgen  selbst  einstehen  muss.  Das  gilt  wohl  für  alle 
Lebenslagen  und  Berufe,  nirgends  vielleicht  aber  in  solchem 
Umfang,  wie  für  den  ärztlichen  Beruf  und  in  diesem  wieder  für 
die  Geburtshilfe. 

Es  ist  also  ein  Unsinn,  wenn  man  verlangt,  dass  der  junge 
Arzt  und  Geburtshelfer  seine  Laufbahn  als  Meister  seines 
Faches  beginne:  keine  Art  der  Vorbildung  wird  ihm  das  ermög¬ 
lichen,  er  kann  es  erst  im  Laufe  der  Jahre  werden,  und  keinem 
wird  dabei,  namentlich  auf  operativem  Gebiete,  die  eine  oder 
andere  bittere  Erfahrung  erspart  bleiben. 

Aber  andererseits  darf  wohl  daran  erinnert  werden,  dass 
Sie,  was  gerade  den  geburtshilflichen  Unterricht  betrifft, 
wesentlich  besser  daran  sind,  als  noch  ihre  Vorgänger  vor 
wenigen  Dezennien.  Denn  seitdem  ist  unsere  Ausrüstung  mit 
Lehrmitteln  der  verschiedensten  Art,  die  namentlich  die  oft 
schwierige  räumliche  Vorstellung,  und  Verständnis  und  Uebung 
überhaupt  sehr  wesentlich  erleichtern,  eine  unvergleichlich 
bessere  geworden. 

Ich  glaube  Ihnen  aus  vollster  Ueberzeugung  sagen  zu 
dürfen:  Wenn  Sie  die  Ihnen  in  den  klinischen  Semestern  ge¬ 
botenen  Lern-  und  Uebungsmöglichkeiten  in  der  Geburtshilfe 
gewissenhaft  ausnützen,  können  Sie  auch  mit  vollem  Ver¬ 
trauen  auf  das  erworbene  Rüstzeug  in  die  Praxis  treten  und 
Sie  werden  sich  auf  Grund  der  Ihnen  geläufigen  allgemeinen 
Grundsätze  auch  in  selteren  und  verwickelteren  Situationen 
zurecht  finden  und  mit  Ehren  bestehen  können. 

Keineswegs  ist  es  ausgeschlossen,  dass  Sie  mit  der  Zeit  in 
der  Praxis  sich  selbst  zu  Meistern  und  Förderern  des  Faches 
entwickeln  und  dann  werden  Ihnen  auch  Ihre  ehemaligen  aka¬ 
demischen  Lehrer  gerne  und  ohne  Engherzigkeit  lauschen. 
Die  Lehrfreiheit  in  wissenschaftlichen  Veröffentlichungen  und 
Diskussionen  besteht  ja  praktisch  für  jeden,  der  etwas  Neues 
zu  sagen  weiss.  Ausdrücklich  möchte  ich  hier  erwähnen,  dass 
gerade  die  Geburtshilfe  Praktikern  in  nicht  akademischen 
Stellungen  die  grössten  Fortschritte  verdankt.  So  hat  einer  der 
grössten  Geburtshelfer  aller  Zeiten  und  Länder  William 
S  m  e  1 1  i  e,  als  Praktiker  sich  zu  diesem  Range  emporge¬ 
schwungen,  17  Jahre  lang  auf  dem  Lande  wirkend,  erst  später 
in  London  und  erst  als  55  Jähriger  begann  er  dort  seine  offizielle 
Lehrtätigkeit.  Unter  den  geburtshilflichen  Klassikern  Deutsch¬ 
lands  nimmt  der  Hamburger  Arzt  Justus  Heinrich  Wigand 


eine  hervorragende  Stellung  ein,  der  Erfinder  der  äusseren 
Wendung  und  des  nach  ihm  benannten  Handgriffs  für  Extraktion 
des  nachfolgenden  Kopfes.  Er  hat  nie  eine  akademische 
Stellung  bekleidet  und  doch  sind  seine  Lehren  mit  ausschlag¬ 
gebend  gewesen  für  den  Sieg  der  natürlichen  Geburtshilfe  in 
Deutschland. 

Auch  heutigen  Tages  beteiligen  sich  zahlreiche  Praktiker 
an  dem  Ausbau  unserer  Wissenschaft  und  zwar  mit  grossem 
Erfolge;  es  braucht  nur  daran  erinnert  zu  werden,  dass  die 
modernste  der  geburtshilflichen  Operationen,  der  Schambein¬ 
schnitt,  von  einem  Praktiker,  Leonardo  G  i  g  1  i,  erfunden  und 
auch  von  einem  einfachen  praktischen  Arzte  ,  B  o  n  a  r  d  i,  in 
einem  Bauerndorfe  zum  ersten  Male  ausgeführt  worden  ist. 

Es  ist  also  durch  nichts  berechtigt,  eine  starre  Schranke 
zwischen  dem  Geburtshelfer  in  der  Klinik  und  auf  dem  platten 
Lande  aufrichten  zu  wollen. 

Eines  freilich  muss  zugegeben  werden:  die  Schwierigkeit, 
die  allgemeinen  geburtshilflichen  Grundsätze  durchzuführen 
ist  grösser  im  Privathause,  als  in  der  Klinik  und  der  praktische 
Arzt  ist  öfters  gezwungen,  Kompromisse  mit  ungünstigen 
äusseren  Umständen  einzugehen.  Gewiss  ist  auch  dieser 
Unterschied  gerade  in  den  letzten  Jahren  grösser  geworden, 
als  er  früher  war,  wo  dem  Kliniker  im  allgemeinen  keine 
anderen  Methoden  zur  Verfügung  standen,  als  sie  auch  der 
alleinstehende  Arzt  erfolgreich  anwenden  konnte.  Denn  der 
Fortschritt,  den  Antisepsis  und  Asepsis  allen  operativen  Ge¬ 
bieten  gebracht  hat,  hat  in  erster  Linie  die  Gefahr  der  grossen 
geburtshilflichen  Eingriffe  gemindert,  die  früher  auch  in  den 
Kliniken  nur  allzuhäufig  totbringend  waren,  jetzt  aber,  dort,  wo 
die  äusseren  Verhältnisse  planmässig  auf  das  Günstigste  ge¬ 
staltet  werden  können,  fast  gefahrlos  erscheinen.  Ist  es  da 
merkwürdig,  dass  häufiger  wie  früher  in  schwierigen 
Situationen,  die  eben  durch  die  angedeuteten  grösseren  chirur¬ 
gischen  Eingriffe  am  besten  beherrscht  werden,  der  Kliniker 
und  der  unter  gleichen  Verhältnissen  arbeitende  Krankenhaus¬ 
arzt  mehr  erreichen  wird,  als  der  alleinstehende  Arzt  im  Privat¬ 
hause?  Muss  deshalb  eine  andere  Geburtshilfe  für  die  Klinik, 
eine  andere  für  die  Aussenpraxis  gelehrt  werden?  Ich  glaube 
nicht,  dass  man  es  so  auffassen  darf. 

Das  Verhältnis  ist  kein  anderes,  wie  in  den  übrigen 
medizinischen  Disziplinen.  Kein  Arzt  wird  beispielsweise  auf 
dem  Dorfe  bei  einem  Verunglückten,  dem  die  Räder  eines  Last¬ 
wagens  über  den  Leib  gegangen  sind,  wegen  der  bedrohlichen 
abdominalen  Symptome  die  Laparotomie  machen,  sondern  er 
wird  den  Verletzten  in  eine  chirurgische  Klinik  oder  Abteilung 
überführen  lassen,  wo  der  unter  Umständen  lebensrettende 
Eingriff  in  der  Bauchhöhle  z.  B.  die  Exstirpation  der  rupturierten 
Milz,  ausgeführt  werden  kann.  Ist  die  Ueberführung  nicht 
möglich,  so  wird  der  Arzt  nach  besten  Kräften  die  ihm  zu  Ge¬ 
bote  stehenden  Mittel  in  Anwendung  ziehen,  aber  er  weiss, 
dass  sie  nicht  die  bestmöglichen  und  sichersten  sind,  und  nur 
die  Macht  der  äusseren  Verhältnisse  halten  ihn  ab,  diese 
letzteren,  die  grossen  chirurgischen  Eingriffe,  die  er  allein  nicht 
ausführen  kann,  anzuwenden  oder  anwenden  zu  lassen. 

Selbst  in  der  meist  nicht  zu  folgenschweren  raschen  Ent¬ 
schlüssen  drängenden  inneren  Medizin  lassen  sich  Analoga 
finden.  Jeder  Arzt  weiss,  dass  eine  schwere  Hysterie  mit 
der  grössten  Aussicht  auf  Erfolg  in  einer  geschlossenen  Anstalt 
behandelt  werden  kann,  und  er  wird  die  Erkrankte,  wenn  er 
irgend  kann,  einer  solchen  zuführen.  Liegt  es  nicht  in  seiner 
Macht,  so  wird  er  eben,  wieder  als  Notbehelfe,  die  ihm  ver¬ 
fügbaren  Mittel  anwenden  in  dem  Bewusstsein,  dass  er  das 
Beste  für  die  Kranke  tut,  was  er  tun  kann,  aber  nicht  das 
absolut  Beste. 

Genau  so  ist  es  in  der  Geburtshilfe,  nur  dass  die  plötzlich 
auftretenden  Notlagen  hier  leider  viel  häufiger  sind,  als  im 
Gebiete  der  Chirurgie  und  inneren  Medizin.  Beim  engen 
Becken,  bei  der  Eklampsie,  bei  Geschwulstbildungen,  um  nur 
einige  Beispiele  zu  nennen,  werden  oft  die  grossen,  in  der  Klinik 
am  besten  durchführbaren  Eingriffe  am  meisten  für  die  Er¬ 
haltung  von  Mutter  und  Kind  erhoffen  lassen.  Der  Arzt  wird 
sich  also,  wenn  er,  wie  meist,  analoge  Verhältnisse  nicht  her- 
steilen  kann,  in  erster  Linie  bestreben,  die  Schwangere  oder 
Gebärende  rechtzeitig  der  Klinik  zuzuführen.  Geht  es  nicht, 
so  wird  er  zu  den  von  ihm,  dem  Alleinstehenden,  anwendbaren, 


3Ö34 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


weniger  komplizierten,  aber  auch  weniger  Erfolg  versprechen¬ 
den  Methoden  greifen  und  mit  diesen  retten,  was  zu  retten  ist. 
Die  Aufgabe  des  geburtshilflichen  Lehrers  ist  es  also,  den 
Studierenden  in  erster  Linie  mit  diesen  letzteren  Methoden  ver¬ 
traut  zu  machen. 

Aber  er  würde  eine  schwere  Unterlassungssünde  begehen, 
wollte  er  den  Studierenden  nur  das  überliefern  und  zeigen,  was 
dieser  draussen  selbst  mit  Aussicht  auf  Erfolg  ausführen  kann. 
Nein,  er  muss  ihm  zeigen,  was  überhaupt  als  Maximum  thera¬ 
peutischer  Leistung  zur  Zeit  erreichbar  ist  unter  Heranziehung 
aller,  auch  der  kompliziertesten  Hilfsmittel  und  muss  ihn  so 
erkennen  lassen,  in  welchen  Fällen  voraussichtlich  in  klinischer 
Behandlung  mehr  geleistet  werden  kann,  in  welchen  Fällen  es 
also  seine  Pflicht  sein  wird,  zum  rechtzeitigen  Eintritt  in  die¬ 
selbe  zu  raten.  Es  wird  wohl  immer  unmöglich  sein,  dass  der 
praktische  Arzt  die  grossen  Operationen  mit  derselben  Sicher¬ 
heit  beherrscht,  wie  der  Kliniker,  aber  er  muss  sie  kennen, 
ihren  Wert,  ihre  Gefahren  beurteilen,  ihre  Indikation  stellen 
können.  Ausführen  wird  er  sie  nur,  wenn  kein  anderer  Aus¬ 
weg  vorhanden  ist,  wie  z.  B.  beim  Kaiserschnitt  aus  absoluter 
Indikation. 

Freilich  wird  der  Arzt  bei  der  hier  vorgeschlagenen 
Arbeitsteilung  noch  viel  mit  dem  Vorurteil  des  Publikums  zu 
kämpfen  haben,  dem  es  noch  nicht  genügend  klar  geworden  ist, 
dass  eine  zu  erwartende  schwer  pathologische  Geburt  z.  B.  bei 
engem  Becken,  ebensowohl  in  die  Klinik  gehört,  wie  ein  zu 
exstirpierendes  Magen-  oder  Uteruskarzinom. 

Ist  aber  der  Arzt  spezialistisch  ausgebildet,  kann  er  die¬ 
selben  günstigen  äusseren  Bedingungen  des  Erfolges,  wie  in 
der  Klinik  hersteilen,  dann  steht  natürlich  nichts  im  Wege,  dass 
er  eben  sowohl  die  schwer  pathologische  Geburt  wie  das 
Uteruskarzinom  draussen  genau  so  behandelt,  wie  man  sie  in 
der  Klinik  behandeln  würde.  Aber  diese  spezialistische  Aus¬ 
bildung  kann  nicht  in  den  Universitätsjahren  erworben  werden. 

Ich  gewinne  hier  einen  natürlichen  Uebergang  zu  einer 
kurzen  Besprechung  der  Verhältnisse  in  der  Gynäkologie:  hier 
kann  es  uns  noch  viel  weniger  darum  zu  tun  sein,  eine 
spezialistische  Ausbildung  der  Studierenden  zu  erstreben. 
Denn  fast  niemals  ist  hier  die  Situation  eine  so  dringliche,  wie 
sonst  in  der  Geburtshilfe.  Die  gynäkologische  Therapie,  so¬ 
weit  sie  eine  operative  ist,  fällt  nicht  in  den  Rahmen  der.  Tätig¬ 
keit  des  praktischen  Arztes.  Selbstverständlich  müssen  Sie 
aber  auch  hier  die  gebräuchlichen  Methoden,  ihre  Indikationen, 
ihre  Gefahren  und  Erfolge  kennen  lernen,  um  ein  eigenes  Urteil 
darüber  zu  haben,  was  Sie  als  Hausärzte  ihren  Patientinnen 
raten  sollen.  Aber  eine  Einübung  der  Operationen  am  Phantom, 
wie  es  vorgeschlagen  und  manchenorts  geübt  wurde,  halte  ich 
für  den  Studenten  weder  für  erforderlich,  noch  für  erspriess- 
lich,  weil  das  Operieren  am  blutleeren  Präparate  allzuleicht 
falsche  Vorstellungen  von  den  Verhältnissen  an  der  Leben¬ 
den  gibt. 

Wer  operativ  tätig  sein  will,  der  muss  nach  den  Uni¬ 
versitätsjahren  sich  die  nötige  Zeit  zu  der  erforderlichen  spezi¬ 
ellen  Ausbildung  nehmen.  Dabei  rechne  ich  die  einfachsten 
Eingriffe,  wie  die  Uterusausschabung,  Probeexzision,  Ab¬ 
tragung  gestielter  Polypen  und  ähnliches  nicht  zu  den  Ope¬ 
rationen.  Nur  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  auch  diese 
nur  solange  unschuldige  Eingriffe  bleiben,  als  bei  ihrer  Durch¬ 
führung  die  Asepsis  strenge  gewahrt  bleibt.  Also  nur  dann 
wird  der  Praktiker  sie  auf  sich  nehmen  dürfen,  wenn  er  für 
die  Asepsis  vor-  und  nachher  sicher  einstehen  kann. 

Soweit  die  Therapie  eine  nicht  operative  ist,  bildet  sie  ein 
allerdings  nicht  immer  dankbares  Feld  der  Betätigung  auch 
für  den  praktischen  Arzt.  Abgesehen  von  den  natürlich  er¬ 
forderlichen  Kenntnissen  über  die  Aetiologie,  die  pathologisch¬ 
anatomischen  Grundlagen,  den  klinischen  Verlauf  und  die  Pro¬ 
gnose  der  hier  in  Frage  kommenden  Leiden  ist  es  aber  vor 
allem  die  Diagnose  und  die  Indikationsstellung,  welche  für  den 
künftigen  Praktiker  von  Wichtigkeit  sind.  Nicht  zu  ver¬ 
gessen  ist  hiebei,  dass  auch  eine  genaue  Berücksichtigung 
des  ( iesamtorganismus  erforderlich  ist,  um  den  etwaigen 
Zusammenhang  von  Unterleibsbeschwerden  mit  anderweit 
loKu.hsiu teil  Likrankungen  aufzuklären.  Auch  auf  unserem 
Gebiete  sollen  Sie  immer  den  kranken  Menschen  als  Ganzes 
betrachten  und  beurteilen,  nicht  nur  das  Organ,  über 


welches  er  gerade  klagt.  Es  mag  als  Beispiel  daran  erinnert 
sein,  wie  oft  ein  sogar  anscheinend  recht  ernstes  gynäko¬ 
logisches  Leiden  vorgetäuscht  wird  durch  eine  mehr  weniger 
tief  gehende  Störung  im  Nervensystem.  Noch  häufiger  viel¬ 
leicht,  wie  der  als  Hausarzt  konsultierte  Praktiker  Anlass  hat, 
sich  nach  dem  Zustand  der  Genitalsphäre  zu  erkundigen,  hat 
vielleicht  der  gynäkologisch  konsultierte  Ursache,  auf  den  All¬ 
gemeinstatus  besondere  Rücksicht  zu  nehmen. 

Mögen  Sie  aber  nach  Vollendung  der  Vorbereitungsjahre 
sich  der  allgemeinen  Praxis  widmen  oder  mögen  Sie  sich  ein 
Spezialfach  auswählen:  Nicht  die  manuelle  Geschicklichkeit 
wird  es  im  einen  wie  im  anderen  Falle  in  erster  Linie  sein,  die 
Ihnen  innere  Befriedigung  und  äusseren  Erfolg  gewährleistet, 
sondern  neben  einem  gefestigten  Wissen  vor  allem  äusserste 
Gewissenhaftigkeit  in  der  Anwendung  desselben.  Ich  schliesse 
mit  dem  Wunsche,  dass  beide  Ihnen  ständige  Begleiter  auf  der 
künftigen  ärztlichen  Laufbahn  sein  mögen. 


Hebammenwesen  und  Hebammenreform.*) 

Von  Bezirksarzt  Dr.  Henkel  in  München. 

Wir  leben  in  einer  Zeit  der  ausgesprochensten  Gegensätze; 
fast  unvermittelt  prallen  die  verschiedenartigsten  Meinungen  auf¬ 
einander,  und  jede  wird  mit  dem  bestmöglichen  Aufwand  von  Scharf¬ 
sinn  und  Dialektik  vernehmlich  verkündet. 

Wir  sahen  erst  in  jüngster  Zeit  bei  uns  in  München  eine  starke 
Strömung,  dahinführend,  dass  der  Stand  der  Hebammen  eigentlich 
keine  Daseinsberechtigung  habe;  dass  Aerzte  und  wohl  noch  näher¬ 
liegend  Aerztinnen,  allein  zur  Geburtshilfe  geeignet  seien;  und  diese 
Geburtshilfe  wiederum  würde  sich  am  besten  in  modernen  Frauen¬ 
heimen  betätigen  lassen,  in  welchen  man  .in  musterhafter  Einrichtung 
und  Pflege  >en  gros  arbeitet  und  die  Hebammen  erst  recht  nicht 
braucht. 

Hi  eg  egen  regt  sich  eine,  wie  mir  scheint,  noch  mächtigere 
Strömung,  welche  daran  festhält,  dass  der  Hebammenstand  unbedingt 
nötig  ist,  ja  dass  er,  wenn  nicht  vorhanden,  notwendig  erfunden 
werden  müsste.  Der  Hebammenstand  müsste  zu  einer  idealen  Höhe 
gebracht  werden,  von  welcher  er  freilich  sehr  weit  fern  ist;  eine 
Reform  des  Hebammenwesens  in  durchgreifendem  Masse,  von  Grund 
aus,  sei  daher  unabweislich. 

Die  Vervollkommnung  des  Hebammenstandes  im  höchsten 
Grade  vertritt  Brenn  ecke;  seine  und  seiner  Gesinnungsgenossen 
Leitsätze  sind: 

Die  Hebammen  sollen  eine  höhere  oder  mittlere  Töchterschul¬ 
vorbildung  haben  —  oder  in  besonderer  Vorprüfung  eine  solche 
höhere  Bildung  aufgewiesen  haben. 

Die  Ausbildung  erfolgt  in  einem  Jahreskurse,  und  zwar  am  besten 
in  zwei  Abteilungen;  nach  den  ersten  fünf  Monaten  haben  sie  die 
Qualifikation  als  Wochenbettpflegerinnen,  nach  weiteren  fünf  Mo¬ 
naten  Lehrzeit  sind  sie  ausgebildete  Hebammen,  oder  besser  genannt 
Frauenschwestern. 

Diese  approbierten  Personen  werden  staatlich  angestellt;  jeder 
Verwaltungsbezirk  wird  in  bestimmte  Distrikte  eingeteilt;  die  Ange¬ 
stellten  erhalten  ein  Gehalt. 

Die  materielle  Lage  der  Hebammen  wird  günstig  gestaltet  und 
ihrer  höheren  Stellung  gemäss  gesichert  durch  eine  entsprechende 
Gebührenordnung,  wie  durch  Alters-  und  Invaliditätsversicherung. 

Diese  Forderungen  sind  von  ihren  Urhebern  eingehend  und  sach- 
gemäss  begründet  worden;  es  würde  zu  weit  gehen,  wenn  ich  heute 
in  unserer  Kammersitzung  die  interessanten  Ausführungen  vortragen 
würde;  sie  sind  aber  der  grössten  Beachtung  würdig. 

Es  haben  auch  diese  Forderungen  einen  fachkundigen  und 
bereiten  Fürsprecher  gefunden  in  einer  Denkschrift,  welche  der  Pro- 
fessor  an  der  Kgl.  Hebammenschule,  Herr  Dr.  Max  Stumpf  jüngst 
vei  fasst  und  in  liebenswürdiger  Weise  auch  an  den  Vorsitzenden 
der  Aerztekammer  für  Oberbayern  gesandt  hat. 

Die  Denkschrift  liegt  heute  gleichfalls  auf  und  ich  ersuche  die 
Kollegen,  hiervon  Einsicht  zu  nehmen. 

Wenn  ein  langjähriger  Lehrer  von  Hebammen,  der  die  Sache  und 
die  Personen  von  Grund  aus  kennt,  dazu  kommt,  sich  den  Ansichten 
und  Vorschlägen,  die  ich  soeben  kurz  dargelegt  habe,  voll  und  ganz 
anzuschliessen,  so  ist  das  von  grosser  Bedeutung. 

Eine  Stelle  seiner  Denkschrift  mutet  geradezu  tragisch  an.  Nach¬ 
dem  Stumpf  eingehend  beschrieben,  wie  unzulänglich  die  allge¬ 
meinen  Kenntnisse  sind,  welche  die  Hebammenschülerinnen  besitzen, 
wie  mit  diesem  Materiale  kein  Dauererfolg  bei  allen  Bemühungen  er¬ 
reicht  wird,  schildert  er,  wie  er  seine  eigenen  Schülerinnen  nach 
Jahren  bei  den  Wiederholungskursen  wiedergesehen  und  in  einem 
Bildungstand  gefunden^  habe,  der  keine  Spur  des  früher  Erlernten 
mehr  erkennen  Hess.  S  tum  Df  sagt  wörtlich:  „Es  musste  mir  leider 
klar  werden,  dass  meine  Lehrtätigkeit  vergeudet  war,  dass  Alles  nur 
äusserlich  haften  geblieben  ist“. 


*)  Referat  zur  oberbayerischen  Aerztekammer  1907. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2535 


So  sehr  wir  dem  Herrn  Professor  Recht  geben  müssen  in  der 
Beurteilung  der  Verhältnisse  und  in  dem  Verlangen  nach  gründlicher 
Verbesserung,  möchte  ich  doch  nicht  anerkennen,  dass  seine  Lehr¬ 
tätigkeit  eine  so  vergebliche  gewesen  ist.  Den  sehr  Minderwertigen, 
wie  er  sie  in  den  Wiederholungskursen  wiederzusehen  pflegt,  steht 
in  der  Praxis  draussen  eine  Reihe  von  achtbaren  und  kenntnisreichen 
Hebammen  gegenüber,  bei  denen  sein  Wort  nicht  auf  sterilen  Grund 
fiel  und  reichliche  Früchte  getragen  hat.  Aber  Hilfe  tut  Not  —  darin 
stimmen  wir  Alle  überein. 

Freilich  müssen  gegen  die  vorgetragenen  Pläne 
Bedenken  erhoben  werden. 

In  den  Vorschlägen,  wie  sie  in  der  Denkschrift  des  Herrn  Pro¬ 
fessors  Dr.  Stumpf  niedergelegt  sind,  wird  ausgeführt,  dass  die 
Zukunftshebammen,  die  Frauenschwestern,  einen  besonderen  Zweig 
der  Krankenschwestern  oder  Pflegeschwestern  darstellen  sollten, 
einen  besonders  geachteten  Zweig  —  mit  dem  Ehrenkleid  der 
Schwestern.  Neben  ihnen  oder  richtiger  unter  ihnen  wirken  die 
Wochenbettpflegerinnen. 

Iph  halte  dies  für  sehr  weitgehend;  ein  kleiner  Schritt  weiter 
nach  rechts  und  wir  bekommen  Klosterschwestern  als  Hebammen. 

Ob  es  praktisch  durchführbar  ist,  bei  einem  Lebensberufe  eine 
solche  Organisation  zu  besitzen,  ist  nicht  wahrscheinlich.  Bei  den 
Krankenschwestern  ist  es  doch  anders.  Diese  scheiden  meistens  frühe., 
aus  ihrem  Beruf;  sie  verheiraten  sich  auch  und  machen  dann  selten 
noch  Schwestern. 

Die  Hebammen  wollen  aber  auch  verheiratet  ihren  Beruf  aus- 
iiben;  viele  werden  überhaupt  erst  ais  Frauen  den  Hebammenberuf 
ergreifen. 

Man  könnte  sonach  nur  einen  kleineren  Teil  der  Hebammen  als 
Schwestern  in  einem  Asyle  vereinigen. 

Ein  grosses  Bedenken  erregt  auch  die  Frage  der  Einschränkung, 
beziehungsweise  der  Aufhebung  der  Freizügigkeit.  Sachsen  hat  ja 
eine  solche  Beschränkung,  und  man  kann  gewiss  sagen  —  beati  oder 
beatae  possidentes.  Auf  die  Umfragen,  die  über  diesen  Punkt  bei 
den  ärztlichen  Standesvertretungerl  in  Preussen  gehalten  wurden, 
haben  sich  Berlin,  Brandenburg,  Rheinprovinz,  Westfalen,  Schlesien 
für  die  Freizügigkeit  erklärt.  Das  ist  bezeichnend;  es  sind  die  Pro¬ 
vinzen  und  Gegenden  des  lebhaften  Verkehrs,  der  Grossstädte,  der 
Industrie.  Die  Gegenden  mit  geringem  Verkehr,  die  weniger  be¬ 
völkerten  und  gesuchten,  würden  bei  der  Zuweisung  der  Hebammen 
besser  fahren. 

Die  Freizügigkeit  in  unserer  Zeit  wieder  aufzuheben,  wird  leb¬ 
haftem  Widerspruch  begegnen. 

Bezüglich  der  Vorbildung  der  Hebammen  wird  man  nur  allmählich 
grössere  Anforderungen  stellen  können. 

'  Die  Organisation,  wie  sie  Professor  Stumpf  in  Ueberein- 
stimmung  mit  Brennecke,  Wiltrich  und  anderen  vertritt,  ist 
aber  ein  Ideal,  und  einem  Ideale  muss  man  immer  nachstreben. 

Wollen  wir  nun  unsere  eigenen  Hebammenverhältnisse  näher 
betrachten. 

Wir  haben  Hebammen  und  wir  brauchen  sie  auch,  der  Arzt  er¬ 
setzt  die  Hebamme  nicht.  Man  ist  den  Beweis  schuldig  geblieben, 
dass  in  den  Ländern,  welche  kein  staatlich  geschultes  Hebammen¬ 
material  besitzen,  in  welchen  der  Arzt  unter  Zuziehung  von  Warte¬ 
personal  die  Geburten  besorgt,  das  Wohl  der  Mütter  und  Kinder 
besser  gewahrt  wird.  Die  letzteren  sollen  nach  sehr  beachtenswerten 
Erfahrungen  in  den  Rheinlanden  schlechter  wegkommen.  Man  hat 
da  statistisch  beobachtet,  dass  der  Kinderverlust  bei  nicht  von  He¬ 
bammen  geleiteten  Geburten  ein  sechsfacher  gewesen  ist! 

Wo  freilich  solche  Verhältnisse  bestehen,  wie  in  Ländern  engli¬ 
scher  Zunge,  wird  eine  Aenderung  von  jenen  bekämpft  werden,  welche 
eine  Schädigung  ihres  Erwerbes  befürchten  müssen. 

Auch  die  Aerztin  ist  nicht  imstande,  die  Hebammen  zu  ersetzen. 
Weder  Arzt  noch  Aerztin  werden  auf  die  Dauer  Zeit  finden,  den  müh¬ 
seligen,  langwierigen  Dienst  einer  Hebamme  vor,  während  und  nach 
der  Entbindung  auszuüben,  diesen  Dienst,  der  auch  gelernt  sein  will 
und  bittere,  nervenschwächende  Stunden,  ja  Tage  mit  sich  bringt. 

Das  Weib  ist  die  natürliche  Beiständerin  des  Weibes  in  den 
Nöten  der  Geburt. 

Aerztinnen  gibt  es  ja,  und  ihre  Zahl  wird  sich  noch  stetig 
mehren ;  insbesondere  in  ausserdeutschen  Ländern.  Die  Zahl  der 
Medizin  studierenden  Damen  an  den  Schweizer  Universitäten  ist 
grösser,  wie  der  männlichen  Kandidaten.  Ich  erblicke  darin  gar 
kein  Uebel;  es  entspricht  den  modernen  Anschauungen  und  Anforde- 
rungeik 

Aber  für  gewisse  Sparten  der  grossen  ärztlichen  Praxis,  ins¬ 
besondere  für  Chirurgie  ünd  operative  Geburtshilfe,  sind  die  Frauen 
weniger  geschaffen. 

Sie  werden  in  Geburtshilfe  nur  dann  wesentlich  nützen,  wenn 
sie  sich  allen  Diensten  der  heutigen  Hebamme  bereitwillig  und  pflicht¬ 
eifrig  unterziehen. 

Ich  halte  es  daher  für  natürlich,  dass  ein  grosser  Prozentsatz  der 
immerhin  sehr  verschieden  ausgebildeten  weiblichen  Medizinstudieren¬ 
den  Europas  sich  dem  Hebammenberuf  zuwendet,  d.  h.  dem  Stande, 
der  sich  mit  der  vollen  Behandlung,  mit  der  Leitung  der  Geburt,  wie 
mit  der  Pflege  der  Wöchnerin  und  des  Kindes  befasst,  der  nicht  not¬ 
wendig  noch  eine  Wärterin  für  die  Zeit  des  Wochenbettes  braucht, 
sondern  die  Angehörigen,  besondere  Krankheitsfälle  ausgenommen, 
als  alleinige  Stütze  benötigt. 


Und  darin  liegt  der  grosse  Wert  des  Hebammenstandes! 

Die  Hebamme  muss  so  ausgebildet  sein,  dass  sie  sofort  'krank¬ 
hafte  Vorgänge  bei  der  Gehurt  und  im  Wochenbett  zu  erkennen  ver¬ 
mag;  sie  muss  so  geschult  sein,  dass  sie  die  volle  Pflege  der  Mutter, 
wie  die  Fürsorge  für  den  Säugling  zu  übernehmen  imstande  und 
bereit  ist.  Daher  kann  keine  Wärterin  die  Hebamme  ersetzen.  Durch 
einseitige  Ausbildung  von  Wärterinnen  würde  nur  ein  verderbliches 
Pfuschertum  gezeitigt  werden.  Daher  kann  Arzt  und  Aerztin  die 
Hebamme  nicht  ersetzen. 

Es  ist  ein  alter,  ehrwürdiger,  notwendiger  Stand.  Tüchtige 
Hebammen  waren  zu  allen  Zeiten  hoch  im  Ansehen! 

Der  Romane  nennt  sie  weise  Frauen,  weil  sie  weise  sein  müssen 
in  Rat  und  Tat,  weil  von  ihrem  Wort  und  Handeln  das  Befinden 
von  Mutter  und  Kind,  das  Heil  und  Glück  der  Familie  abhängt. 

Am  deutschen  Wort  „Hebamme“  haben  sich  schon  manche  ge- 
stossen,  als  nicht  salonfähig  und  geeignet,  eine  wirklich  Gebildete 
herabzusetzen. 

Und  doch  ist  es  so  bezeichnend. 

Die  Hebamme  soll  in  der  Stunde  der  Wehen  und  Bedrängnis 
die  Not  der  Mutter  wenden  und  das  Kind  heben  zum  Lichte  des 
Tages;  sie  soll  aber  Kraft  ihres  Amtes  Mutter  und  Kind  gesund  er¬ 
halten  als  Amme;  sie  soll  sich  als  erste  annehmen  um  die  Mutter¬ 
brust  und  die  Ernährung  des  Kindes,  auf  dass  nicht  das  junge  Leben 
im  Entstehen  durch  Vernachlässigung  Leichtsinn  und  Thorheit  wieder 
vernichtet  werde. 

Hebamme  ist  ein  kerniges,  aber  altvaterisches  Wort!  Frauen¬ 
schwester  ist  modern,  aber  eine  recht  unbestimmte,  dünne  Bezeich¬ 
nung;  ein  besonderes  Gewicht  lege  ich  indessen  nicht  auf  den  Titel, 
nur  auf  den  Gehalt,  den  Wert  der  Persönlichkeit. 

Man  ist  heutigen  Tages  gewohnt,  bei  Mängeln  gleich  über 
die  Organisation  herzufallen;  man  zieht  los  über  Bureaukratismus, 
über  Verordnungen  und  gesetzliche  Bestimmungen  und  lässt  kein 
gutes  Haar  daran,  ohne  Haupt  und  Haare  genau  zu  kennen. 

Wenn  man  sich  die  Mühe  nimmt,  die  Fürsorge,  welche  gerade 
der  bayerische  Staat  von  lange  her  dem  Hebammenwesen  zuwandte, 
zu  betrachten,  die  bestehenden  Verordnungen  und  Dienstanweisungen 
wörtlich  kennen  zu  lernen,  so  wird  man  die  Fürsorge  des  Staates 
anerkennen  müssen. 

Der  Staat  muss  immer  mit  dem  jeweils  Möglichen,  mit  den  vor¬ 
handenen  Mitteln,  rechnen,  mit  den  gegebenen  Verhältnissen,  er 
kann  nichts  vorschreiben,  was  nicht  durchführbar  ist. 

Die  im  Jahre  1899  erschienene  Dienstanweisung  und  die  Ge¬ 
bührenordnung  berücksichtigen  den  Wirkungskreis  und  das  Wohl  der 
Hebammen  in  allen  Teilen;  was  der  Abänderung  bedarf,  kann  un¬ 
schwer  besorgt  werden. 

Ich  möchte  aber  zu  besonderer  Würdigung  die  'im  oberbaye¬ 
rischen  Kreisamtsblatt  vom  Jahre  1859  erschienene  Regierungsent- 
schliessung  über  die  alljährlichen  Nachprüfungen  der  Hebammen  emp¬ 
fehlen. 

Mit  welcher  Sorgfalt  wird  hier  die  Fortbildung  der  Hebammen 
behandelt;  nach  vollendeter  Prüfung  (heisst  es  in  der  Entschliessung) 
ist  den  Hebammen  noch  namentlich  in  Erinnerung  zu  bringen  die 
Sorge  für  das  Selbsstillen  der  Mütter,  die  Sorge  für  Erhaltung  des 
Augenlichtes  der  Neugeborenen,  Vermeidung  von  Pfuschereien, 
zweckmässige  Pflege  und  Ernährung  der  Neugeborenen,  ja  selbst 
Aufsicht  auf  Kostkinder  u.  a.  m. 

Auch  die  früheren  Instruktionen  behandeln  die  Verhältnisse  der 
Hebammen  erschöpfend;  ja.  die  Hebamme  musste  früher  einen 
Diensteseid  schwören. 

Die  Amtsärzte  wurden  immer  wieder  darauf  hingewiesen,  wie 
wichtig  und  notwendig  die  Ueberwachung  und  Förderung  des  Heb¬ 
ammenwesens  ist. 

Bei  dem  allem  wird  sich  kein  Arzt  der  Ueberzeugung  ver- 
schliessen,  dass  Verbesserungen  im  Hebammenwesen  dringend  not¬ 
wendig  sind;  eine  Reihe  gut  gemeinter  Bestimmungen  sind  nicht 
zu  gehörigem  Vollzug,  zu  rechter  Wirkung  gekommen. 

Stillstand  allein  bedeutet  im  wissenschaftlichen  Leben  schon 
Rückschritt;  der  Lehrstoff  hat  sich  bereichert.  Die  Zeiten  sind  andere 
geworden. 

Verbesserung  ist  geboten  in  der 

Vorbildung. 

Hier  ist  —  zweifellos  mit  vollem  Recht  —  eine  möglichst  gute 
und  gründliche  Schulbildung  zu  fordern. 

Prof.  Stumpf  bemerkt  sehr  richtig,  dass  in  dieser  Beziehung 
gar  kein  Fortschritt  zu  verzeichnen  ist,  dass  zum  guten  Teil  ein 
völlig  ungebildetes  unzulängliches  Personal  der  Lehranstalt  zugeführt 
wird,  mit  welchem  wenig  auzufangen  ist. 

Aus  meiner  Erfahrung  kann  ich  bestätigen,  dass  eine  ansehn¬ 
liche  Zahl  junger  Hebammen  ihrer  allgemeinen  Bildung  halber,  wie 
in  Anbetracht  ihrer  Kenntnisse,  schlechter  erscheinen,  wie  die  älteren 
und  alten. 

Diese  Zufuhr  minderwertigen  Materiales  ist  um  so  bedauerlicher, 
als  keineswegs  Not  an  Hebammen  vorhanden  ist.  Unsere  oberbaye¬ 
rischen  Bezirke  sind  mit  solchen  reichlich  bedacht.  Die  mir  bekann¬ 
ten  zu  reichlich.  Welche  Folgen  das  hat,  hat  Stumpf  gleichfalls 
überzeugend  dargelegt. 

Weniger  Hebammen,  und  namentlich  lieber  weniger  Hebammen, 
als  solche  von  ungenügender  Qualität;  jeder  etwas  grössere  Ort. 
sagen  wir  über  400  Einwohner,  muss  heute  schon  zwei  haben,  weil 


ja  -eine  gerade  beschäftigt  sein  könnte.  Aus  dem  gleichen  Grund 
müssten  allenthalben  2  Aerzte  sitzen. 

Wo  aber  zu  viel  Hebammen  sind,  lässt  die  Ausbildung  in  der 
Praxis  zu  wünschen  übrig;  dazu  kommen  auch  die  leidigen,  neidigen 
Konkurrenzerscheinungen. 

Verwerflich  ist  auch  die  Gepflogenheit,  dass  Gemeinden,  die  eine 
Hebamme  angeblich  dringend  benötigen,  oft  ganz  ungeeignete  Per¬ 
sonen  in  Vorschlag  bringen  und  verlangen,  dass  diese  noch  beson¬ 
ders  berücksichtigt  werden.  Nicht  selten  werden  dann  solche 
tüchtigen  Bewerberinnen  vorgezogen. 

Wo  wirklich  ein  Hebammenmangel  besteht,  lässt  sich  heutigen 
Iages  'leicht  abhelfen. 

Biese  Verhältnisse  erweisen,  wie  wichtig  die  Stellung  und  das 
hingreifen  des  Amtsarztes  ist. 

Demselben  ist  seit  Langem  die  Auswahl,  die  Prüfung,  die  Ueber- 
wachung  des  Hebammenwesens  übertragen  und  seitens  der  Staats¬ 
behörde  besondere  Sorgfalt  zur  Pflicht  gemacht  worden. 

Diese  Pflicht  ist  eine  ernste,  ich  gestehe,  oftmals  nicht  genug  ge¬ 
würdigte. 

Der  Amtsarzt  kann  hier  von  anderer  Seite,  namentlich  von  den 
Kollegen  in  Stadt  und  Land,  wirksamst  unterstützt,  er  kann  aber 
nicht  ersetzt  werden. 

Dem  Amtsarzt  obliegt  vom  Anfang  an  die  Sorge  für  das  Heb¬ 
ammenpersonal;  die  Vroprüfung  zum  Beruf  ist  mit  besonderer  Gründ¬ 
lichkeit  zu  betätigen,  die  Auswahl  kritisch  vorzunehmen;  ungeeignete 
I  ersonen  sind  ohne  Nachsicht  zuriickzuweisen. 

Verbesserung  ist  geboten  in  der 

Ausbildung. 

Uebereinstimmend  kommen  die  Sachverständigen  zu  dem  Urteile, 
dass  ein  4  bis  5  monatlicher  Unterrichtskurs  ungenügend  ist.  Die 
Zeit  ist  zu  kurz,  um  den  ganzen  Lehrstoff  in  Fleisch  und  Blut  über¬ 
gehen  zu  lassen.  Der  Kurs  sollte  mindestens  9  Monate  dauern. 

der  kürzeren  Zeit,  wie  sie  jetzt  zu  Gebote  steht,  begreifen  die 
Schülerinnen,  aber  sie  ergreifen  und  behalten  zu  wenig.  Wie  ein 
brüchiger  Firniss  auf  trockenem  Grunde  springt  das  Gelernte  wieder 
ab,  nur  was  später  alltäglich  vorkommt,  wird  allmählich  eigener 
Besitz  und  praktische  Kenntnis. 

Dieser  Mangel  macht  sich  natürlich  am  meisten  fühlbar,  wenn 
es  sich  um  das  Verständnis,  die  Regeln,  die  Handhabung  der  Anti¬ 
sepsis  und  Asepsis  handelt.  Auf  der  Schule  oberflächlich  erkannt  und 
enit  verschwindet  das  wieder;  der  tägliche  Schlendrian  lehrt  die 
leichtsinnige  Hebamme:  „es  geht  auch  so!“ 

.  Vergessen  däif  man  nicht  den  Hebammen  allein  nachsagen, 
nicht  nur  am  dürren,  auch  am  grünen  Holze  kommt  es  allgemein  vor. 

ie  rasch  vergisst  der  humanistisch  Gebildete  sein  Griechisch 
mm  seine  Geschichte,  wie  rasch  vergisst  der  Arzt  manches,  wenn  er 
vom  Universitätsstudium  hinausgeworfen  ist  in  die  Praxis!  Der 
grosse  Praktiker  nimmt  es  häufig  mit  der  Antisepsis  auch  nicht  mehr 
so  genau! 

Sollen  wir  da  zu  strenge  denken  von  der  Hebamme?  Sie 
kommt  unvermittelt  in  den  Strom  des  Lebens,  sie  wird  Gattin  und 
Mutter  sie  hat  Sorge  und  Not,  Kummer  in  ihrer  Familie  —  und  da¬ 
bei  soll  sie  noch  wissenschaftlich  arbeiten,  sich  fortbilden!  Wahrlich 
ein  Mann  bedenkt  nicht,  welch  starken  Rückhalt  von  Kenntnissen, 
welch  moralischen  Halt  eine  solche  Frau  haben  muss,  um  über 
Wasser,  um  auf  der  Höhe  zu  bleiben. 

■  uDaiibt  es  nur  eine  Vorkehrung:  gründlicher,  andauernder  Unter- 
i icht;  die  weniger  gebildete  Hebamme  bedarf  dessen  in  höherem 

haben"’  ^  Pf  anze  der  BildunS  muss  Zeit  zum  Finwurzeln 

Die  Hebamme  muss  für  ihren  Lehrstoff,  für  ihre  Aufgaben  bei 
der  Geburt  und  im  Wochenbett  volles  Verständnis  erlangen,  sie  muss 
I  ag  und  Nacht  sehen  und  begreifen,  was  Reinlichkeit  und  Reinlich¬ 
keitspflege  was  Schmutz  ist,  und  welches  Heer  von  Schädlichkeiten 
von  Krankheitskeimen  die  Unreinlichkeit  mit  sich  bringt;  sie  muss 
die  einfachen!,  aber  bestimmten  Methoden  Monate  lang  üben,  um  sie 
voll  zu  erfassen  und  fürs  Leben  zu  behalten. 

...  .^ar  .dadurch,  dass  sie  mit  diesen  Kenntnissen  mit  vollem  Ver¬ 
ständnis  ihren  Beruf  ausübt,  wird  sie  ihrem  Stand  und  ihrer  Person 
Achtung  verschaffen  und  segensreich  winken. 

Ein  besonderes  Augenmerk  wird  auch  im  Kurse  der  Pflege  des 
i  eingeborenen  und  der  Ernährung  des  Säuglings  zuzuwenden  sein. 

Dm  Ansicht  hervorragender  Fachmänner,  dass  die  Hebamme 
dazu  nicht  das  notige  Verständnis  habe,  dass  ein  solcher  Unterricht 

sLhnidam[tZe;„kn  iCh  nicht;teÜen-  Es  ««t  «m  Beruf  ber  Heb  amme! 
sich  damit  zu  befassen,  und  sie  wird  es  lernen. 

ist  vun  L®5rbuch*  mH  welchen  Lehrmitteln  zu  unterrichten 

ist,  will  ich  nicht  naher  erörtern. 

Das  lebendige  Wort  des  erfahrenen  Lehrers,  der  Jahr  um  Jahr 
am  Platze  ist,  wird  den  grössten  Nutzen  stiften.  Die  Lehrkräfte  sol- 

mannnLhtZirT,hN?h ^echsJln!  Bei  finer  solchen  Hauptsache  darf 
man  ment  im  Neb  e  n  amte  wirken! 

in  ncuuenr  7CfhilepaHvUpSCr  Stelle.n°S  des  Umstandes  gedenken,  dass 
SiiSn  fi  r2!  Briefkurse  ™  Ausbildung  von  Hebammen  empfohlen 
in  \  1  -d  e  1  ochter  und  Frauen  gebildeter  Stände.  M  e  e  r  m  a  n  n 

Mannheim  soll  einen  solchen  Kurs  bereits  eröffnet  haben. 

Diesem  Unternehmen  kann  man  gewiss  sympathisch  gegenüber- 

&ÄÄ,Ä*,e,c1' R,auben- dass  auf  Jiese  Wdse 


i  (  s°lcher  Anstalt  ausgebildete  weibliche  Personen  sollten  be¬ 
hufs  Erlangung  der  Approbation  als  Hebamme  zur  staatlichen  Prii- 
r.unR  zuselassen  werden.  Es  wird  dann  die  Zukunft  lehren,  ob  sich 
die  Zahl  der  m  Privatschulen  Gebildeten  in  einem  Grade  mehrt,  dass 
sie  n3en  bedeutsamen  Faktor  bilden,  und  ob  diese  höher  Gebildeten 
auch  dem  platten  Lande  zugute  kommen. 

Verbesserung  ist  —  zumal  in  unseren  bestehenden  Verhält¬ 
nissen  —  geboten  in  der 

Fortbildung. 

Auch  in  dieser  Richtung  ist  dem  Amtsärzte  eine  wichtige  Rolle 
übertragen. 

...  bab<;n  'n  Bayern  alte  und  zum  Teil  eingehende  Vorschriften 

über  Nachprüfungen  der  Hebammen;  die  Staatsbehörde  erklärt  dabei 
ausdrücklich  die  Notwendigkeit  fortgesetzter  Ueberwachung,  Aus¬ 
bildung  und  Fortbildung. 

Diese  Nachprüfungen  können  aber  bei  dem  jetzigen  Durch- 
scnnittsgrad  der  Hebammenbildung  nicht  genügen,  selbst  wenn  sie 
möglichst  sorgfältig  zum  Vollzüge  kämen. 

Es  wurden  daher  von  höchster  Stelle  Wiederholungskurse  ins 
Leben  gerufen. 

Damit  kam  man  einem  dringenden  Bedürfnis  entgegen.  Am 
^itze  eines  Amtsarztes  kann  das  nicht  gemacht  werden;  die  Kosten 
sind  kaum  geringer,  der  Erfolg  aber  weit  unsicherer,  als  wenn  die 
Hebammen  zur  Hebammenschule  einberufen  werden. 

Diese  Einrichtung  muss  besser  ausgestaltet  werden;  sie  muss 
syst  cm  t 1  s  c  h  und  allgemein  zur  Durchführung  gelangen. 

....  Mindestens  alle  8  Jahre  sollte  jede  Hebamme  auf  2  Wochen  einen 
Wiederholungskurs  durchmachen.  Ungenügende  Hebammen  könn- 
en  auf  bezirksärztlichen  Antrag  früher  einberufen  werden,  bezw. 
etwas  langer  im  Kurse  verbleiben. 

•  Hjl.  so,lche  Wiederholungskurse  werden  jetzt  schon  nicht  ge¬ 
ringe  Mittel  von  Staats  wegen  ausgegeben. 

Bisher  konnte  man  aber  eine  Hebamme  nicht  zwingen;  sie  musste 
selbst  ein  Gesuch  um  Aufnahme  in  den  Repetitionskurs  einreichen- 
wenn  sie  das  nicht  tut,  muss  die  Sache  unterbleiben. 

Selbst  die  Min.-E.  vom  3.  Dez.  1906,  in  welcher  es  heisst:  Nöti- 
nurnn  4"  den  Hebammmen  gemäss  §  41,  Abs.  3  der  V.-O.  vom 

V  dle  Teilnahme  an  einem  Wiederholungskurs  auch  gegen 
ihren  Willen  auferlegt  werden“,  bestimmt:  „es  ist  tunlichst  darauf 
hinzu  wirken,  dass  die  Meldungen  zu  den  Kursen  freiwillig  erfolgen“. 

Wer  die  Verhältnisse  der  Hebammen  als  Amtsarzt  kennt,  wird 
den  Widerstand  derselben  gegen  die  Einberufung  in  die  Wieder¬ 
holungskurse  zu  würdigen  wissen. 

Und,  sind  es  ältere  Frauen,  bei  welchen  häufig  nicht  viel  zu 
bessern  ist,  sind  es  jüngere,  die  in  den  Marasmus  der  Schlamperei 
vei 1  fallen  sind,  alle  fassen  den  Vorschlag  als  Strafe  auf,  als  öffentliches 
Zeichen  der  Unfähigkeit,  das  sie  in  den  Augen  der  Hebammen  und 
des  1  ublikums  herabsetzt;  sie  weigern  sich  mit  der  Motivierung, 
ass  sie  hiedurch,  wie  durch  die  vierwöchentliche  Abwesenheit  den 
grössten  Schaden  erleiden;  sie  führen  alle  möglichen  materiellen 
und  familiären  Behinderungsgründe  an;  der  Amtsarzt  erntet  noch 
Feindschaft  und  die  ausgeworfenen  öffentlichen  Mittel  erfüllen  nicht 
ihren  Zweck. 

Die  Wiederholungskurse  müssen  allgemein  obligatorisch  sein 

Alsdann  konnten  auch  die  bezirksärztlichen  Nachprüfungen 
welche  eine  Art  Appell  bedeuten,  alle  2  Jahre  stattfinden  und  gründ¬ 
licher  betätigt  werden;  sie  sind  und  bleiben  wichtige  Kontrollver- 
sammlungen  oder  Kontrolluntersuchungen. 

Zum  Schlüsse  kämen  wir  noch  auf  die  materielle  Lage  der 
Hebammen  zu  sprechen. 

Es  wird  vielfach  darüber  geklagt,  dass  die  Hebammen  schlecht 
entlohnt  werden;  weit  seltener  nimmt  man  sich  die  Mühe,  sich 
hierin  genauer  zu  informieren. 

Die  Staatsregierung  trifft  hiebei  kein  Verschulden.  Die  Ge¬ 
bührenordnung  wie  wir  sie  seit  1899  besitzen,  billigt  den  Hebammen 
ausreichendes  Honorar  für  ihre  Bemühungen  zu. 

Im  allgemeinen  ist  ja,  wie  bei  den  Aerzten,  die  Bezahlung  der 
Hebammen  der  freien  Vereinbarung  überlassen:  im  besonderen  sind 
die  Grenzen  der  Gebührenordnung  so,  dass  die  Hebammen  zufrieden 
sein  können  und  auch  zufrieden  sind,  wenn  sie  das  hier  angesetzte 
erhalten. 

Nur  ein  Beispiel: 

Wenn  man  die  Behandlung  einer  einfachen  Geburt  in  der  Nähe 
mit  der  für  10  Tage  vorgeschriebenen  Besorgung  nach  dem  Mittel¬ 
satz  berechnet,  so  ergibt  sich  die  Summe  von  M.  36,65;  dabei  ist  gar 
keine  Voruntersuchung,  keine  Extraleistung,  kein  Nachtbesuch  berück¬ 
sichtigt  mit  der  Entfernung  von  der  Wohnung  wachsen  die  Gebühren 
ganz  erklecklich. 

Die  Hebammen  haben  aber  selbst  ihre  Löhne  durch  verwerfliches 
Konkurrenzgebahren  und  Brotneid  der  krassesten  Form  seit  Jahr¬ 
scheint1  S°  berakgeidrückt,  dass  kaum  ein  Stand  schlechter  bezahlt  er- 

Wie  es  gegenwärtig  ist,  sind  Bauern  und  Städter,  ja  oft  die 
Gemeindespitze  selbst,  der  Ansicht,  dass  der  Hebamme  nur  ein  höheres 

Nü?tu rabeichnisse1111,6 ’  ^  dCm  Eande  bekommt  sie  ja  noch  manche 

r  y -ü  ^eEer|r  d?r  Gemeinden  ist  das  um  so  verwerflicher,  als 
die  früher  vielfach  ausgesetzten  Gemeindezuschüsse  und  Warte¬ 
gelder  fast  überall  in  Wegfall  gekommen  sind. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2537 


Das  kann,  ja  das  muss  sofort  besser  werden,  wenn  die  He¬ 
bammen  sich  selbst  zu  heben  bestrebt  sind;  der  Unterstützung  des 

Staates  sind  sie  sicher.  .  .  ,  ... 

In  der  Tat  haben  sich  die  Hebammen  zuerst  bei  Rechnungen  für 
die  öffentlichen  Rassen,  für  die  Armenpflege  besonnen  und  gewagt, 
nach  der  Gebührenordnung  Forderungen  zu  stellen. 

So  ist  es  gekommen,  dass  die  Armenpflege,  insbesondere 
auch  der  Armenpflegschaftsrat  der  Hauptstadt  München  über 
die  hohen  Rechnungen  der  Hebammen  Klage  führen,  die  aller¬ 
dings  sehr  häufig  in  einem  ganz  merkwürdigen  Gegensatz  zu  den 
Rechnungen  stehen,  welche  andere  zahlungsfähige  Leute  erhalten. 

Das  sind  noch  ungesunde  Zustände.  Der  Staat  hat  es  aber  dabei 
nicht  fehlen  lassen!  Er  hat  seit  Langem  die  Grundlage  einer  bes¬ 
seren.  einer  gehörigen  Bezahlung  der  Hebammen  geschaffen. 

Die  Behörden,  die  Aerzte  und  Amtsärzte  sollten,  soviel  ihnen 
möglich,  mitwirken,  was  staatlich  verordnet  ist,  auch  zum  Vollzug 
gelangen  zu  lassen;  es  ist  fast  lächerlich,  dass,  wie  es  jetzt  geschieht, 
die  Armenpflege  mehr  für  geburtshilfliche  Leistungen  zahlen  muss, 
wie  Wohlhabende,  wie  das  Gros  der  Bevölkerung. 

Um  Weiterungen  und  vielfach  aufgetauchte  Meinungsverschieden¬ 
heiten  und  Bedenken  zu  verhüten,  ist  es  allerdings  als  wünschens¬ 
wert  zu  bezeichnen,  dass  für  öffentliche  Kassen  und  Armenpflege  die 
Hebammen  einen  bestimmten  Mindestsatz  —  ähnlich  den  Aerzten 
—  zu  berechnen  haben.  . 

Die  Bestimmung  der  Gebührenordnung,  dass  bei  solchen  Rech¬ 
nungen  der  Durchschnittssatz  nicht  überstiegen  werden  darf,  sollte 
eine  Aenderung  erfahren. 

Eine  Revision  der  Gebührenordnung  ist  zu  empfehlen! 

Endlich  möchte  ich  die  wiederholt  angeregte  Schaffung  einer 
Kranken-,  Unfall-  und  insbesondere  einer  Invaliditäts-  und  Altersver¬ 
sicherung  für  Hebammen  als  notwendig  und  erspriesslich  bezeichnen. 

Für  die  ernsten  Pflichten,  welche  die  Hebamme  vom  ersten  Tage 
ihrer  Tätigkeit  ab  zu  erfüllen  hat,  für  die  Wichtigkeit  des  Standes, 
dessen  Tüchtigkeit  allein  verbürgt,  dass  in  jeder,  auch  der  ärmsten 
Familie  durch  die  Pflege  der  Mutter  in  den  schweren  Stunden  der 
Geburt  Wohl  und  Glück  gewahrt  bleibt,  muss  angesichts  der  sich 
immer  steigernden  Anforderungen  auch  eine  ergiebige,  standesge- 
mässe  Entlohnung  und  Versorgung  lebhaft  befürwortet  werden. 

Hiemit  glaube  ich,  so  gedrängt  wie  möglich,  ein  Referat  über 
unser  Hebammenwesen  erstattet  zu  haben.  Ich  meine,  dass  eine 
bestimmt  gefasste  Resolution  nicht  zweckmässig  ist.  Die  hier  in 
Betracht  kommenden  Punkte  sind  so  schwieriger  Art,  dass  sie  nicht 
durch  Vereinsbeschlüsse  auf  grund  eines  Vortrages  praktisch  zu  er¬ 
ledigen  sind.  ,  .  ... 

Um  erfüllbare  Forderungen  präzis  herauszuarbeiten,  bedurfte  es 


eingehender  Beratungen.  ,  .  _  ,,  ,  XT 

„Geld  regiert  die  Welt“  —  ist  nur  zu  wahr!  Zu  all  den  Neue¬ 
rungen,  wie  sie  als  Hebammenreform  verlangt  werden,  gehölt  Geld, 
viel  Geld,  besonders,  wenn  wir  Hebammen  mit  Gehalt  anstellen 
wollen,  aber  auch  schon  zur  Ausbildung,  wie  sie  als  dringend  not¬ 


wendig  erachtet  wird.  , 

Auch  die  geeigneten  vorgebildeten  Personen  sind  nicht  so  rasch 
zur  Hand,  wenn  es  auch  nicht  zweifelhaft  ist,  dass  der  Zudrang 
solcher  mit  der  Hebung  des  Standes  ein  grösserer  werden  wird. 

Sicherlich  verdient  die  Hebammenfrage  volle  Würdigung  und 
sollte  mit  vereinten  Kräften  einer  gedeihlichen  Lösung  entgegenge¬ 
führt  werden. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

S.  F  r  ä  n  k  e  1  -  Wien  ;  Deskriptive  Biochemie  mit  be¬ 
sonderer  Berücksichtigung  der  chemischen  Arbeitsmethoden. 

639  Seiten  mit  einer  Spektraltafel.  Verlag  von  J.  E.  Berg¬ 
mann,  Wiesbaden,  1907.  Preis  17  Mk. 

Was  nach  des  Verfassers  Ansicht  der  physiologischen 
Chemie  am  meisten  fehlt,  ist  gleichsam  eine  chemische 
Anatomie  der  Gewebe,  insbesondere  aber  eine  chemische 
Histologie.  Diesem  vom  Verfasser  als  statisch  bezeichneten 
Teil  wäre  ein  dynamischer,  chemisch-physiologischer  Teil  an¬ 
zureihen.  Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  hat  Verfasser  das 
Buch  geschrieben,  das,  ohne  dass  diese  Trennung  in  zwei  Teile 
besonders  zum  Ausdruck  kommt,  eine  Beschreibung  der  im 
tierischen  Organismus  vorhandenen  Substanzen  und  eine  An¬ 
leitung  zu  ihrer  Isolierung,  quantitativen  Bestimmung  und 
Synthese  enthält.  Die  Anleitung  ist  nach  des  Verfassers  Ab¬ 
sicht  so  gehalten,  dass  ein  mit  chemischen  Arbeiten  Vertrauter 
ohne  weiteres  darnach  verfahren  kann. 

In  34  Kapiteln  behandelt  der  Verfasser  nacheinander;  Fett¬ 
säuren,  Fette,  Oxyfettsäuren  —  Polykarbonsäuren  —  Kohlen¬ 
wasserstoffe,  Alkohole,  Ketone  —  Kohlehydrate  —  geschwefelte 
Alkohole,  Aether,  Säuren  —  Aliphatische  Basen  —  Guanidin 
und  Derivate  —  Harnstoff  und  Derivate  —  Aminofettsäuren  — 
Pyrimidinderivate  —  Purinderivate  —  N-haltige  Substanzen 
unbekannter  Konstitution  —  Im  Gehirn  vorkommende  Stoffe 

No.  51. 


(Lipoide)  —  Nukleinsäuren  —  Sulfosäuren  —  Jodhaltige  Sub¬ 
stanzen  —  Hydroaromatische  Verbindungen — Gepaarte  Gallen¬ 
säuren  —  Aromatische  Verbindungen  —  Mit  Glykokoll  gepaarte 
aromatische  Säuren  —  Chinolinderivate  —  Aromatische  Basen 

_ Säuren  aus  Harn  unbekannter  Konstitution  —  Eiweisskörper 

_  Spaltungsprodukte  des  Eiweisses  und  deren  Derivate  — 

Methodik  der  Untersuchung  und  Isolierung  der  Eiweiss¬ 
spaltungsprodukte  —  Systematik  der  Eiweisskörper  —  Al- 
buminoide  —  Eiweisskörper  mit  prosthetischen  Gruppen  —  Das 
Hämoglobin  und  seine  Derivate  —  Höhere  Spaltungsprodukte 
der  Eiweissstoffe  —  Farbstoffe  —  Fermente  (Enzyme)  — 
Chemie  der  Organe,  Sekrete  und  Exkrete. 

In  prägnanter  Form  wird  Vorkommen  und  Eigenschaften 
sehr  zahlreicher,  in  physiologisch-chemischer  Beziehung  wich¬ 
tiger  Stoffe  beschrieben  und  eine  so  leicht  zu  befolgende  An¬ 
leitung  zu  ihrer  Darstellung  gegeben,  dass  diese  bei  einiger 
Vertrautheit  mit  den  chemischen  Arbeitsmethoden  gelingen 
muss.  Zahlreich  sind  die  Literaturangaben,  ein  ausführliches 
Sach-  und  Autorenregister  ermöglicht  ein  rasches  Zurecht¬ 
finden  im  Buche.  B  ii  r  k  e  r  -  Tübingen. 

Lenzmann -Duisburg:  Die  Pathologie  und  Therapie 
der  plötzlich  das  Leben  gefährdenden  Krankheitzustände. 

Fischer,  Jena  1907.  522  S.  Preis  9  M.,  geb.  10  M. 

Das  hier  vorliegende  Werk  stellt  etwas  ganz  neues  dar. 
Das  in  ihm  abgehandelte  Gebiet  umfasst  sowohl  die  Innere 
Medizin,  wie  die  Chirurgie,  wie  die  Geburtshilfe  und  greift 
hinüber  auf  zahlreiche  Spezialfächer.  Das  Buch  konnte  so  nur 
geschrieben  werden  von  einem  viel  erfahrenen  Praktiker,  der 
das  grosse  Gebiet  der  Heilkunde  von  Grund  aus  beherrscht 
und  bei  ausgedehnter  chirurgischer  Fähigkeit  das  Interesse 
für  die  einfacheren  Anforderungen  des  ärztlichen  Berufes  nicht 
verloren  hat.  Bei  den  Krankheiten  des  Gehirns  bespricht  Verf. 
mit  der  gleichen  Sorgfalt  die  einfache  Ohnmacht  wie  die  Con- 
tusio  cerebri;  bei  den  Krankheiten  des  Digestionsapparates 
werden  für  die  Behandlung  der  hochgradigen  Diarrhöe  ebenso 
eingehende  Vorschriften  gegeben  wie  für  die  Behandlung  des 
eingeklemmten  Bruches.  Man  muss  nur  staunen  über  die  Ge¬ 
schicklichkeit,  mit  der  der  Verf.  den  grossen  Stoff  bewältigt 
hat.  Nicht  genug  anzuerkennen  sind  auch  die  theoretischen 
Erörterungen,  die  L.  manchen  Kapiteln  vorausgesetzt  hat,  die 
das  Verständnis  der  betr.  Erkrankung  und  ihre  zweckmässige 
Behandlung  in  hohem  Grade  erleichtern. 

Ueber  die  Ausdehnung  und  Anordnung  des  Stoffes  im  ein¬ 
zelnen  kann  man  wohl  noch  besondere  Wünsche  haben,  im 
allgemeinen  muss  man  aber  der  vom  Verf.  gewählten  Dar¬ 
stellung  volle  Anerkennung  zollen.  Bei  den  Herzerkrankungen 
dürfte  ein  kurzer  Hinweis  auf  die  Erscheinungen  der  Herzver¬ 
letzungen  wohl  angezeigt  sein.  Bei  den  Erkrankungen  der 
Bauchhöhle  vermisst  Ref.  eine  zusammenhängende  Darstellung 
der  stumpfen  Bauchverletzungen  mit  Hinweis  auf  die  Wichtig¬ 
keit  ihrer  baldigsten  Behandlung. 

Für  den  Praktiker  stellt  das  Buch  ein  ausserordentlich 
brauchbares  Hilfsmittel  auf  den  Berufswegen  dar,  dessen  sorg¬ 
fältiges  Studium  nur  angelegentlich  empfohlen  werden  kann. 
Das  Buch  wird  sich  bald  viele  Freunde  gewinnen. 

K  r  e  c  k  e. 

Les  Autoplastics  levres,,  joues,  oreilles,  tronc,  membres  par 
Ch.  Nelaton  et  L.  Ombredanne.  Paris,  S  t  e  i  n  h  e  i  1, 
1907. 

Das  mit  291  guten  Figuren  illustrierte  Werk,  ein  Teil 
des  von  P.  Berger  und  H.  Hartmann  herausgegebenen 
Handbuches  der  operativen  Medizin  und  chirurgischen  Thera¬ 
pie,  gibt  eine  übersichtliche  Darstellung  der  Plastiken  und 
Lappenüberpflanzungen.  Nach  historischer  Darstellung  der 
Entwicklung  dieser  chirurgischen  Hilfen  wird  zunächst  die 
Restauration  der  Unterlippe,  dann  der  Oberlippe,  dann  beider 
zugleich  nach  den  verschiedenen  Methoden  eingehend  be¬ 
sprochen  und  zwar  sowohl  primärer  als  sekundärer  Ersatz  der 
zu  Verlust  gegangenen  betr.  Teile,  dann  die  Plastik  der 
Wangengegend,  die  Behandlung  narbiger  Liefersperre  etc.,  die 
Plastiken  am  Ohr,  die  am  Rumpf  und  den  Extremitäten,  wobei 
die  verschiedenen  Methoden  der  Ueberpflanzung  gestielter 
Lappen  vom  Thorax  etc.  auf  Hand  und  Arm,  die  Methoden  zur 
Beseitigung  von  narbigen  Kontrakturen,  SchwimmhautbiL 

4 


1 538 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


düngen  etc.  aufs  beste  berücksichtigt  werden.  Die  Darstellung 
ist  durchgehends  klar  und  durch  die  Abbildungen  gut  illustriert. 
Es  ist  selbstverständlich,  dass  manche  Methoden  bei  uns  mehr 
geübt  sind,  andere  Methoden  anscheinend  von  den  französi¬ 
schen  Chirurgen  bevorzugt  werden,  manche' Operationen  bei  uns 
unter  anderem  Namen  bekannt  sind,  doch  ist  die  Darstellung 
durchaus  nicht  auf  die  vorzugsweise  französischen  Methoden 
beschränkt,  vielmehr  eine  Reihe  neuerer  auch  von  deutschen, 
englischen  und  amerikanischen  Chirurgen  angegebener  pla¬ 
stischer  Methoden  berücksichtigt,  sodass  das  Werk,  ohne  zu 
grossen  Umfang  zu  erhalten,  doch  über  alle  bewährten  Me¬ 
thoden  guten  Aufschluss  gibt  und  als  sehr  übersichtlich  und 
brauchbar  bezeichnet  werden  muss.  Schreiber. 

Czermak:  Die  aiigenärztlichen  Operationen.  2.  ver¬ 
mehrte  Auflage.  Herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Elschnig. 
Berlin  und  Wien,  1907.  Urban  und  Schwarzenberg. 

Das  an  Klarheit  der  Darstellung  und  Reichhaltigkeit  des 
Inhaltes  hervorragende  in  dieser  Wochenschrift  wiederholt  be¬ 
sprochene  Czermak  sehe  Buch,  welches  nunmehr  vergriffen 
ist,  hat  in  dem  Nachfolger  Czermaks  auf  dem  Lehrstuhle  der 
Prager  deutschen  Universität  den  berufenen  Bearbeiter  der 
2.  Auflage  gefunden.  Vorläufig  ist  die  1.  Hälfte  des  1.  Bandes 
(326  Seiten)  zum  Preise  von  10  Mark  erschienen.  Das  ganze 
Werk  soll  statt  des  bisherigen  einen,  zu  voluminös  gewordenen 
Bandes  nun  2  Bände  umfassen,  ca.  40  Mark  kosten  und  noch 
im  Laufe  dieses  Jahres  vollständig  werden.  Die  Einteilung 
des  Buches  ist  ganz  die  gleiche  geblieben,  es  ist  überhaupt 
nahezu  vollständig  unverändert  abgedruckt,  nur  sind  Zusätze 
des  Neubearbeiters  in  Klammern  angefügt,  wodurch  auch  einige 
neue  Abbildungen  notwendig  wurden.  Diese  Ergänzungen 
sind  ganz  im  Geiste  des  ursprünglichen  Verfassers  gehalten 
und  behandeln  nicht  neue  Anschauungen,  sondern  neu  einge¬ 
führte  Operationsmethoden  bezw.  Modifikationen  von  solchen. 

Im  bisher  erschienenen  Halbbande  sind  enthalten:  Die 
Instrumentenlehre,  Aseptik,  Operation  und  Nachbehandlung 
im  Allgemeinen  und  vom  besonderen  Teil  die  Operationen  an 
den  Lidern  und  an  der  Bindehaut.  Die  Ausstattung  ist  wie 
bei  der  1.  Auflage  eine  vorzügliche.  S  e  g  g  e  1. 

Prof.  Dr.  Fr.  Mracek:  Handbuch  der  Hautkrankheiten. 

XX.— XXIII.  Abteilung.  640  S.  130  Abb.  im  Text.  Wien,  Alfr. 

H  ö  1  d  e  r  s  Verlag.  Preis  jeder  Abt.  5  Mk. 

Das  grosszügig  angelegte  Werk  geht  seinem  Abschlüsse 
entgegen.  Auch  die  neu  erschienenen  Abteilungen  verdienen 
vollauf  die  uneingeschränkte  Anerkennung,  welche  zum  Aus¬ 
druck  zu  bringen  mir  bei  Besprechung  der  ersten  Bände  eine 
Freude  war.  Wenn  ich  bei  dieser  Gelegenheit  feststelle,  dass 
der  Zwischenraum  in  zeitlicher  Beziehung  zwischen  dem  Er¬ 
scheinen  der  einzelnen  Abteilungen  ein  zuweilen  recht  grosser 
war,  so  möchte  ich  damit  keinen  Tadel,  sondern  nur  das  Be¬ 
dauern  aussprechen,  dass  wir  nicht  etwas  schneller  in  den 
Besitz  eines  so  vortrefflichen  Werkes  kommen  konnten.  —  In 
den  vorliegenden  Abteilungen  finden  wir  eine  treffliche  Dar¬ 
stellung  der  Dermatomykosen  von  Plaut,  welche  eine 
eingehende  Besprechung  der  botanischen  Streitfragen  und  der 
modernen  Forschungsmethoden  bringt,  und  sich  ebenso  durch 
objektive  Würdigung  der  umfangreichen  Literatur,  als  durch 
sorgfältige  Berücksichtigung  der  für  die  Praxis  wichtigen 
neueren  therapeutischen  Methoden  auszeichnet.  Darauf  folgt 
eine  Abhandlung  über  die  ätiologisch  noch  nicht  völlig  auf¬ 
geklärte  „creeping  disease“  von  Rille  und  R  i  e  k  e 
und  eine  Darstellung  des  Pruritus  cutaneus  von  A. 
Sack.  Der  letztgenannte  Autor  behandelt  auch  das  grosse 
Gebiet  der  Zoonos  en  der  Haut.  Wenn  auch  auf  diesem 
Felde  verhältnismässig  weniger  neue  Kenntnisse  und  Er¬ 
fahrungen  der  jüngsten  Zeit  entstammen,  so  verdient  doch  her- 
\  oi  gehoben  zu  werden,  dass  Verf.  die  Literatur  durchaus  be¬ 
herrscht,  und  auch  die  neuesten  Resultate  der  Pathologie  und 
Therapie  der  einheimischen  wie  auch  der  tropischen  Zoonosen 
eingehend  beiiicksichtigt.  —  Ein  Gebiet  von  aktuellstem 
Intei esse,  die  Ergebnisse  der  modernen  ätio¬ 
logischen  und  experimentellen  Syphilisfor- 
s.c  u, n  S  behandelt  Prof.  R.  Krauss,  der  durch  seine  per¬ 
sönliche  Mitarbeit  an  diesen  Problemen  wohl  als  ein  besonders 


berufener  Bearbeiter  dieses  Gebietes  gelten  darf.  Hier  ist 
hervorzuheben,  dass  an  der  ätiologischen  Bedeutung  der  Spiro- 
chaeta  pallida  Schaudinn  nicht  länger  zu  zweifeln  ist,  dass 
eine  Anzahl  von  Methoden  ausgearbeitet  ist,  welche  den  Nach¬ 
weis  der  Spirochäta  sowohl  im  Ausstrichpräparat  als  auch  im 
Gewebe  durch  eine  verhältnismässig  einfache  Technik  ge¬ 
statten.  Die  Bedeutung  der  experimentellen  Uebertragung  der 
Syphilis  auf  anthropoide  und  niedere  Affen,  deren  Technik,  die 
Verwendbarkeit  dieser  Methoden  zu  diagnostischen  Zwecken, 
die  experimentellen  Arbeiten  über  Immunität  bei  der  Syphilis, 
das  Streben,  Immunkörper  nachzuweisen  und  durch  Tier¬ 
passage  abgeschwächtes  Syphilisvakzin  zu  finden,  die  Versuche 
aktiver  und  passiver  Immunisierung  zur  Begründung  einer 
ätiologischen  Syphilistherapie,  endlich  auch  die  Begründung 
einer  wirksamen  persönlichen  Prophylaxe  durch  Desinfektion  ' 
werden  in  ebenso  anregender  als  prägnanter  Art  auf  Grund 
der  zahlreichen  Publikationen  der  jüngsten  Zeit,  und  persön¬ 
licher  Forschungsergebnisse  zur  Darstellung  gebracht.  —  A. 
Sack  behandelt  die  Haarerkrankungen.  Aus  diesem 
Abschnitt,  der  durchaus  auf  der  Höhe  des  ganzen  Werkes  steht, 
hebe  ich  beiläufig  hervor,  dass  der  Autor  die  parasitäre 
Aetiologie  der  Alopecia  areata  nicht  für  genügend  gestützt  hält. 
Im  Hinblick  auf  die  von  mancher  Seite  empfohlene  Behandlung 
der  Hypertrichosis  faciei  (Bart  bei  Frauen  und  jungen  Mädchen) 
mit  Röntgenstrahlen  gibt  er  zu  bedenken,  dass  bei  den  not¬ 
wendigen  häufigen  Widerholungen  die  Gefahr  der  Dermatitis- 
erzeugung,  Verätzung  und  Nekrose  —  trotz  aller  Vorsicht  — 
nicht  zu  gering  anzuschlagen  ist,  sodass  er  nicht  den  Mut  hat, 
diese  Methode  zu  rein  kosmetischen  Zwecken  zu  empfehlen. 

—  Buschke  widmet  den  unter  der  Bezeichnung  Haut- 
blastomykose  zusammengefassten  Affektionen  eine  eben¬ 
so  ausführliche  als  gründliche  Besprechung.  Die  genannte 
Materie  gestaltet  sich  dadurch  sehr  schwierig,  dass  allem  An¬ 
scheine  nach  mehrere  sowohl  in  Bezug  auf  ihre  botanische  Stel¬ 
lung,  wie  auch  in  Bezug  auf  pathogene  Wirkung  verschiedene 
Faktoren  zusammengestellt  wurden,  und  die  durch  diese  Para¬ 
siten  hervorgerufenen  Krankheiten  in  einer  Gruppe  vereinigt 
werden  sind.  Es  sind  drei  Gruppen  von  Sprosspilzen  in  ätio¬ 
logischer  Beziehung  zu  berücksichtigen:  1.  eigentliche  Hefen, 

2.  Oidien  aus  der  Gruppe  des  Oidium  albicans,  3.  die  von  den 
amerikanischen  Forschern  sogenannten  Oidiomyzeten.  Bei 
dem  grossen  Interesse  der  ganzen  Frage  und  bei  dem  grossen- 
teils  noch  herrschenden  Dunkel  in  ätiologischer  und  klinischer 
Beziehung  wird  man  dem  Autor  gewiss  beipflichten,  wenn  er 
es  unternommen  hat,  alle  einzelnen  in  der  Literatur  nieder¬ 
gelegten  Beobachtungen  einer  eingehenden  kritischen  Beur¬ 
teilung  zu  unterziehen,  und  daran  anschliessend  auch  die  hier¬ 
hergehörigen  tierischen  Infektionskrankheiten  und  die  experimen¬ 
tellen  Beobachtungen,  welche  er  selbst  und  andere  (besonders 
S  a  n  f  e  1  i  c  e)  gemacht  haben,  anzureihen.  Die  ganze  Frage 
der  pathogenen  Sprosspilze  ist  auch  deshalb  von  besonderem 
Interesse,  weil  man  hoffte,  durch  das  Studium  derselben  in  die 
dunkle  Aetiologie  des  Krebses  eindringen  zu  können.  Damit 
scheint  es  nun  allerdings  definitiv  Nichts  zu  sein.  —  J.  H  e  1 1  e  r, 
dem  wir  bereits  eine  grössere  Monographie  über  die  Erkran¬ 
kungen  derNägel  verdanken,  hat  es  unternommen,  diesen 
Abschnitt  für  das  Handbuch  zu  bearbeiten.  Der  Anlage  des 
grossen  Werkes  entsprechend,  werden  hier  nur  die  idio¬ 
pathischen  Nagelerkrankungen  ausführlich  behandelt,  bei  der 
Darstellung  der  Nagelveränderungen  bei  allgemeinen  Haut¬ 
krankheiten  beschränkt  sich  der  Autor  auf  Ergänzungen  zu 
dem  in  früheren  Kapiteln  von  anderen  Verf.  bereits  Gesagtem. 
Schliesslich  wird  ein  Abriss  der  Nagelerkrankungen  bei  den 
anderen  das  Hautorgan  nicht  betreffenden  Affektionen  ge¬ 
geben.  —  Der  Beginn  einer  Arbeit  von  Pal  tauf  über  die 
lymphatischen  Erkrankungen  und  Neubil¬ 
dungen  der  Haut  beschliesst  die  XXIII.  Abteilung.  Da 
erst  ein  Druckbogen  vorliegt,  muss  ich  mir  die  Besprechung 
Vorbehalten.  K  o  p  p. 

Dr.  Karl  August  Ger  har  di:  Das  Wesen  des  Genies. 

2.  stark  erweiterte  Auflage  mit  einem  Anhang:  Das  Genie  und 
seine  Beziehungen  zum  altsprachlichen  Unterricht.  H.  J  a  u  e  r. 
1907.  Leipzig,  Verlag  von  Oskar  H  e  1 1  m  a  n  n.  149  Seiten. 
Preis  2.40  M. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2539 


Wir  haben  schon  gelegentlich  der  Besprechung  der  ersten 
Auflage  an  dieser  Stelle  die  Grundgedanken  der  in  mancher 
Hinsicht  sich  originell  lesenden  Ausführungen  des  Herrn  Kol¬ 
legen  üerhardi  erwähnt  und  machen,  da  der  Verf.  abge¬ 
sehen  von  zwei  Erweiterungen,  wesentliche  Aenderungen  an 
seiner  Darstellung  nicht  vorgenommen  hat,  Interessenten  gerne 
auf  die  flott  geschriebene,  in  manchen  Punkten  zum  Wider¬ 
spruch  reizende  Schrift  aufmerksam.  Der  Anhang  bringt  eine 
scharfe  Stellungsnahme  des  Verf.  zum  altsprachlichen  Unter¬ 
richt,  dessen  Bedeutung  für  die  Ausbildung  des  modernen  Men¬ 
schen  infolge  der  traditionellen  einseitigen  Beschäftigung  mit 
der  antiken  Kultur  ganz  erheblich  überschätzt-  wird.  Dem 
Werte  des  altsprachlichen  Unterrichts  muss,  wie  Verf.  an  einer 
Reihe  von  Beispielen  anschaulich  darlegt,  die  praktische  und 
sittliche  Bedeutung  der  Naturwissenschaften  für  das  moderne 
Leben  mit  grösster  Betonung  gegenüber  gestellt  werden.  Wie 
ei  ergisch  sich  der  Verf.  gegen  die  Altphilologie  wendet,  möge 
durch  den  Schlussatz  seines  Aufsatzes  veranschaulicht  werden: 
Der  Fortbetrieb  des  altsprachlichen  Unterrichtes  bedeutet  eine 
unverantwortliche  Schädigung  der  deutschen  Jugend  und  eine 
würdelose  Undankbarkeit  gegen  die  unermessliche  Anzahl 
genialer  Geister,  welche  das  deutsche  Volk  hervorgebracht  hat. 
Referent  stimmt  hinsichtlich  des  Dogmas  von  der  Unersetzlich- 
keit  des  lateinischen  Unterrichtes  mit  den  Ausführungen  des 
Verf.  in  den  meisten  Punkten  überein. 

Grass  mann  -  München. 

Neueste  Journalliteratur. 

Archiv  für  Gynäkologie.  83.  Bd.,  II.  Heft.  Berlin  1907. 

1)  Kr  ui  ege  r  und  Offergeld:  Der  Vorgang  von  Zeugung, 
Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett  an  der  ausgeschalteten 
Gebärmutter.  Experimentelle  und  klinische  Beiträge  zur  Lehre  des 
gesamten  Generatiomsprozesses  nach  Durchtrennung  des  Rücken¬ 
markes. 

Bericht  über  den  Geburtsverlauf  bei  2  Frauen,  deren  jede  im 
8.  Monat  der  Schwangerschaft  durch  einen  Sturz  eine  völlige  quere 
Zerstörung  des  Rückenmarkes  —  in  der  Höhe  des  2.  Lendenwirbels 
bezw.  des  10.  Brustwirbels  —  erlitt.  Die  eine  Frau  gebar  2  Monate 
nach  dem  Unfall  spontan,  die  andere  kam  3  Monate  nach  dem  Un¬ 
fall  mit  Zwillingen  spontan  nieder;  alle  3  Kinder  lebten.  Die  erste 
Frau  starb  am  11.  Wochenbettstage  an  eitriger  Pyelonephritis,  die 
zweite  am  9.  Wochenbettstage  an  eitriger  Leptomeningitis.  —  Aus¬ 
gedehnte  Tierexperimente. 

Schlussätze:  Für  die  Vorgänge  des  gesamten  Generationspro¬ 
zesses  sind  ohne  irgend  welchen  Einfluss  das  Gehirn,  die  Medulla  ob- 
longata,  das  Rückenmark  bis  herab  zum  10.  Brustwirbel,  der  Vagus 
und  Splanchnikus  und  die  spinalen  Nerven.  Der  Sympathikus  wirkt 
nur  durch  Beeinflussung  der  Zirkulationsverhältnisse.  Dem  —  in 
der  Gegend  zwischen  11.  Brust-  und  2.  Lendenwirbel  gelegenen  — 
lumbalen  Gebärzentrum  kommt  nur  eine  den  Geburtsverlauf  modi¬ 
fizierende  und  unterstützende  Wirkung  zu. 

2)  C.  Pr  ade  11a:  Zur  Frage  der  künstlichen  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  wegen  Lungentuberkulose.  (Aus  der  Universitäts- 
Frauenklinik  in  Zürich.) 

1035  Fälle  aus  der  Literatur,  22  Fälle  aus  der  Züricher  Frauen¬ 
klinik.  Die  Indikation  muss  von  Fall  zu  Fall  gestellt  werden.  Die 
künstliche  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  bei  Lungentuberkulose 
ist  an  sich  berechtigt  durch  den  Nachweis,  dass  positive  Erfolge  durch 
die  Unterbrechung  erzielt  werden.  Vorsichtsmassregeln,  welche  die 
Deckung  des  Arztes  gegenüber  Gesetz  und  Publikum  bezwecken, 
müssen  beachtet  werden. 

3)  Fritz  Ke  rmauner:  Lymphangiom  der  Tube.  (Aus  der 
Universitäts-Frauenklinik  Heidelberg.) 

Faustgrosser  myomatöser  Uterus,  in  der  rechten  Tube  ein  bohnen¬ 
grosser  Knoten,  der  sich  mikroskopisch  als  Neubildung  erweist,  be¬ 
stehend  aus  Wucherung  der  Lymphgefäsiskapillaren  von  anatomisch 
bösartigem  Charakter  mit  starkem  Hervortreten  der  Endothelpro¬ 
liferation. 

4)  Sch  eff  zeck:  Beiträge  zur  Extrauterin-  und  Nebenhorn¬ 
gravidität.  (Tubo-Ovarialgravidität.  Intraligamentär  entwickelte 
Tubargravidität.  Ausgetragene  Schwangerschaft  im  verschlossenen 
Nebenhorn.  Ruptur  der  verschlossenen  graviden  Hälfte  eines  Uterus 
bilocularis.  Haematometra  im  rudimentären  Nebenhorn.)  (Aus  der 
Provinzial-Hebammenlehranstalt  zu  Breslau.  Direktor:  Dr.  P. 
Baum  m.) 

Klinische  und  anatomische  Beschreibung  der  genannten  5  Fälle. 

5)  Hjalmar  Forssner:  Zur  Behandlung  der  entzündlichen  Ad¬ 
nexerkrankungen.  (Aus  der  gynäkologischen  Klinik  des  Kranken¬ 
hauses  Sabbatsberg  zu  Stockholm,  Direktor:  Prof.  Dr.  F.  West  er  - 
m  a  r  k.) 

Von  1555  konservativ  behandelten  Patientinnen  sind  8  gestorben. 
Von  456  Frauen  mit  entzündlichen  Adnexerkrankungen  aus  den  Jahren 


1900 — 1905  wurden  83  operiert.  Von  den  wegen  Salpingo-Oophoritis 
aufgenommenen  Frauen  sind  9  Proz.  mit  Rezidiv  wieder  aufgenommen 
worden  und  ca.  6  Proz.  haben  sich  später  operieren  lassen.  Die 
Primärresultate  der  exspektativen  Behandlung  sind  im  allgemeinen 
gut;  die  Behandlung  dauert  aber  für  eine  nicht  unbeträchtliche  An¬ 
zahl  Patientinnen  viele  Monate.  Bei  der  Indikation  zur  Operation 
sind  die  sozialen  Verhältnisse  der  Patientin  sehr  zu  berücksichtigen. 

6)  Kurt  F  r  a  n  k  e  n  s  t  e  i  n  -  Köln :  Ueber  die  Bedeutung  der  Re- 
sectio  uteri  bei  Myomen  zur  Erhaltung  der  Menstruation  nach  der 
Operation.  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Kiel.  Direktor: 
Prof.  Dr.  Wert  h.) 

Von  168  operierten  Myomfällen  (mit  Einschluss  von  61  poly¬ 
pösen  Myomen!)  starben  2  Frauen.  Durch  hohe  Amputation  deis 
Uterus  und  Erhaltung  der  Ovarien  gelang  es  in  15  Fällen,  den  Frauen 
die  Menstruation  zu  erhalten;  in  13  weiteren  Fällen  versagte  das 
gleiche  Verfahren,  doch  konnten  in  %  dieser  13  Fälle  wenigstens 
die  Ausfallserscheinungen  vermieden  werden.  Die  primären  Erfolge, 
wie  die  Dauerresultate,  ergeben  keine  Nachteile  der  Uterusresektion. 

Anton  H  e  n  g  g  e  -  München. 

Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  LXI.  Band, 

I.  Heft  1907.  Stuttgart,  F.  Enke. 

Sämtliche  Arbeiten  dieses  Heftes  stammen  aus  der  Kgl. 

II.  gynäkol.  Klinik  München.  Vorstand:  Prof.  Dr.  J.  A.  Amann. 

1)  Amann:  Ureterdeckung  und  Drainage  bei  ausgedehnter 
Beckenausräumung  wegen  Uteruskarzinom. 

Cf.  diese  Wochenschr.  1907,  No.  28,  pag.  1411. 

2)  Alb  recht:  Die  praktische  Verwertbarkeit  der  Leukozyten¬ 
bestimmung  für  die  Diagnose  entzündlicher  Erkrankungen  des  weib¬ 
lichen  Genitale. 

Cf.  diese  Wochenschr.  1907,  No.  26,  pag.  1307. 

3)  H  örrmann:  Was  leistet  die  konservative  Behandlung  bei 
entzündlichen  Erkrankungen  der  Adnexe  und  des  Beckenbindege¬ 
webes?  Mit  spez.  Berücksichtigung  der  Belastungs-  und  Heissluft¬ 
behandlung.  Beitrag  zur  klinischen  Behandlung  dieser  Erkrankungen. 

Cf.  diese  Wochenschr.  1907,  No.  3,  pag.  145. 

4)  Brunner:  Doppelseitiges  metastatisches  Ovarialkarzinom 
bei  primärem  Karzinom  der  Fiexura  sigmoidea. 

Kasuistischer  Beitrag.  Es  wurden  bei  der  61  jährigen  Patientin 
Uterus  und  OvarUn,  sowie  der  primäre  Darmkrebs  exstirpiert. 
Heilung. 

5)  Logothetopulos:  Ueber  Genitaltuberkulose  bei  doppel¬ 
seitigem  Dermoidkystom. 

Bei  der  27  jährigen  Patientin  wurde  anfangs  die  Diagnose  auf 
Pelveoperitonitis  exsudativa  gestellt.  Zunächst  Behandlung  mit  Punk¬ 
tion  und  Inzision  (Colpotomia  posterior).  Nach  Sicherung  der  Dia¬ 
gnose  durch  Probeexzision  aus  der  Wand  der  neben  dem  Uterus  ge¬ 
lagerten  Tumoren  wird  die  Radikalexstirpation  ausgeführt.  Beschrei¬ 
bung  des  makroskopischen  und  mikroskopischen  Befundes. 

6)  Yasuzo  Karaki:  Ueber  primäres  Karzinom  der  weiblichen 
Harnröhre, 

Verf.  stellt  28  Fälle  aus  der  Literatur  zusammen,  denen  er  einen 
eigenen  hinzufügt.  Pat.  war  53  Jahre  alt.  Die  Exstirpation  wurde 
vorgenommen.  Nach  3  Monaten  Rezidiv  in  der  Scheide,  das  durch 
eine  neue  Operation  beseitigt  wurde. 

7)  Rotlauf:  Ueber  Haematoma  vulvae. 

Scheidenhämatome  treten  in  der  überwiegenden  Zahl  der  Fälle 
infolge  von  puerperalen  Traumen  auf.  Nichtpuerperale  Hämatome 
sind  viel  seltener.  Der  beschriebene  Fall  gehört  in  die  zweite  Kate¬ 
gorie  und  verdankt  seine  Entstehung  einem  Fall  auf  die  Genitalien’. 
Die  Behandlung  bestand  in  Bettruhe  und  Applikation  einer  Eisblase, 
wodurch  die  Schwellung  spontan  zurückging. 

W  e  r  n  er  -  Hamburg. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  48. 

G.  W  i  n  t  e  r -Königsberg  i.  Pr.:  Zur  Aetiologie  der  Hyperemesis 
gravidarum. 

Während  früher  die  Hyperemesis  gravidarum  als  reine  Reflex¬ 
neurose  gedeutet  wurde,  werden  seit  Williams  die  schweren,  bis¬ 
weilen  letal  verlaufenden  Fälle  als  Toxämie  aufgefasst,  die  zu 
Degeneration  und  Nekrose  der  zentralen  Teile  der  Leberazirri  nebst 
Verfettung  der  Nierenepithelien  geführt  hat.  Auch  W.  hat  einen  töd¬ 
lich  verlaufenen  Fall  mit  gleichem  Befunde  beobachtet.  Er  hält  je¬ 
doch  Neurose  und  Toxämie  nur  für  verschiedene  Stadien  desselben 
Krankheitsbildes.  Die  Hyperemesis  beginnt  stets  als  reine  Reflex¬ 
neurose;  kommt  sie  in  diesem  Stadium  nicht  zur  Heilung,  so  kann 
durch  Schädigung  der  Leber  und  Nieren  eine  Retention  von  Schwan¬ 
gerschaftsgiften  entstehen,  welche  zur  tödlichen  Intoxikation  führt. 
Therapeutisch  empfiehlt  W.  im  neurotischen  Stadium  neben  Ruhe  etc. 
besonders  reichliche  Wasserzufuhr,  am  besten  per  rectum.  Bei  Intoxi¬ 
kationserscheinungen  ist  der  künstliche  Abort  ins  Auge  zu  fassen. 

R  i  e  m  a  n  n  -  Breslau :  Warzenschutz  durch  Gaudanin. 

Nach  R.s  Erfahrungen  an  der  Breslauer  Provinzial-Hebammen- 
lehranstalt  werden  mit  dem  Gaudanin  keine  besseren  Resultate  er¬ 
zielt,  als  mit  den  bisher  üblichen  Methoden. 


4* 


2540 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5!. 


G.  F  o  ss  ati- Mailand:  Ueber  Nerven  in  der  Nabelschnur  und 
in  der  Plazenta. 

Fine  Erwiderung  an  Bucura,  der  die  Nerven  in  der  Plazenta 
und  Nabelschnur  leugnet.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Gynäkologische  Rundschau.  Jahrgang  I.  23.  Heft. 

1 )  Josef  H  o  1 1  6  s  und  Karl  Eisenstein-  Szeged :  Die  tuber¬ 
kulöse  Aetiologie  der  Dysmenorrhöe  und  ihre  Behandlung  mit 
Spenglers  Tuberkulinpräparaten.  (Vorläufige  Mitteilung.) 

Die  Verfasser  machten  die  Beobachtung,  dass  bei  der  Behandlung 
tuberkulös  erkrankter  Frauen  mit  S  p  e  ri  g  1  e  r  sehen  Tuberkulinprä- 
paraten  schwere,  von  den  Patientinnen  sehr  unangenehm  empfundene 
dysmenorrhoische  Erscheinungen  verschwanden;  aus  diesem  Grunde 
empfehlen  sie,  diesbezügliche  Versuche  anzustellen,  und  behalten  sich 
selbst  die  Veröffentlichung  weiterer  Resultate  vor. 

2)  G.  R  a  i  n  e  r  i  -  Vercelli:  Infektionswege  des  Fruchtwassers. 
Ueber  den  Durchgang  der  Bakterien  und  Toxine  durch  die  Eihäute. 
(Mit  8  Textfiguren.)  Fortsetzung  folgt. 

A.  Ri  eiänder  -  Marburg. 

Archiv  für  Hygiene.  63.  Band.  III.  Heft.  1907. 

1)  Kenji  Saito-Kyoto:  Ueber  die  Bedeutung  des  Bacillus  coli 
communis  als  Indikator  für  Verunreinigung  von  Wasser  mit  Fäkalien. 

Die  Untersuchungen  des  Verf.  führten  zu  dem  Resultat,  dass  es 
unmöglich  sei,  aus  der  Menge  der  nachgewiesenen  Kolibakterien  in 
einem  Wasser  auf  den  Grad  der  Verunreinigung  zu  schliessen.  Es 
ist  erstens  das  B.  coli  commune  in  jedem  Brunnenwasser  vorhanden 
und  dann  konnte  mehrfach  die  Beobachtung  gemacht  werden,  dass  in 
ein  und  derselben  Wasserprobe  bei  Verwendung  grösserer  Mengen 
Kolibazillen  nicht  gefunden  werden  konnten,  dagegen  bei  Verwen¬ 
dung  geringer  Mengen  Wasser  Hessen  sie  sich  nach  weisen.  Die 
Anzahl  der  im  Brunnenwasser  vorhandenen  Keime  steht  also  in  keinem 
Verhältnis  zu  der  leichteren  oder  schwierigeren  Nachweisbarkeit. 

2)  Ludwig  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  -  Berlin :  Untersuchungen  über  die 
Hämagglutination  und  ihre  physikalischen  Grundlagen. 

3)  Karl  K  i  s  s  k  a  1 1  -  Berlin:  Die  Wärmeabgabe  der  Menschen  in 
ungleichmässig  temperierten  Räumen. 

4)  Franz  W  eiden  reich  -  Strassburg:  Zentrosomen  oder  Kern¬ 
reste  in  den  Erythrozyten  des  normalen  strömenden  Blutes? 

Verf.  wendet  sich  gegen  die  Meinung  N  i  s  sie  s,  welcher  die 
von  Weidenreich  beschriebenen  chromatischen  Körnchen  vieler 
kernloser  Erythrozyten  des  normalen  Blutes  für  Zentrosomen  hält, 
während  W  ei  de  n  r  e  i  ch  sie  für  Kernreste  anspricht.  Die  N  i  s  s  1  e  - 
sehe  Auffassung  entbehre  jeden  Beweises. 

5)  Claudio  F  e  r  m  i  -  Sassari:  Die  Wirkung  verschiedener  che¬ 
mischer  Agentien  auf  das  Wutvirus. 

Es  wurden  34  verschiedene  chemische  Stoffe  in  ihrer  Wirkung 
auf  das  Wutvirus  geprüft,  indem  gewisse  steigende  Mengen  der 
Substanzen  mit  Wutvirus  zusammengemischt  und  alsdann  Mäusen 
injiziert  wurden.  Am  stärksten  wirkte  Sublimat  und  zwar  bei  einer 
Verdünnung  von  noch  1  :  131  000.  Ihm  folgten  Silbersalze  (1  :  67  000) 
alsdann  Kupfersulfat  (1  : 26  000),  Mineralsäuren,  z.  B.  Schwefelsäure 
1:20  200.  Bei  weitem  schwächere  Wirkung  übten  Ammoniak,  Na- 
triumfluorat,  Salizylsäure,  Chloroform  usw.  aus.  Chlornatrium  zeigte 
die  schwächste  Wirkung. 

Bei  Versuchen,  die  Schmerzhaftigkeit  bei  Injektionen  von  Schutz¬ 
stoffen  zu  mindern,  ergaben  sich  Kokain  und  Olokain  als  wirksamste 
Mittel.  Sie  beeinflussen  die  Wirksamkeit  des  Wutvirus  nicht.  Ob 
das  Virus  in  konzentriertem  oder  verdünnten  Glyzerin  aufbewahrt 
\\iid,  übt  weder  auf  die  Widerstandsfähigkeit  des  Virus,  noch  auf  die 
uikuhationsperiode  irgend  einen  Einfluss  aus.  Letztere  schwankt  zwi¬ 
schen  5  6  I  agen.  R.  o.  Neu  mann  -  Heidelberg. 

Soziale  Medizin  und  Hygiene  (vormals:  Monatsschrift 
für  soziale  Medizin).  Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 
II.  Bd.  11.  Heft.  November  1907. 

Alf.  F  i  s  c  he  r  -  Karlsruhe:  Die  Mutterschaftsversicherung  und 
ihre  praktische  Durchführung. 

Das  beste  Mittel  im  Kampf  gegen  die  Säuglingssterblichkeit  ist 
das  Stillen.  Für  seine  möglichst  allgemeine  Anwendung  ist  nicht  allein 
die  gesetzliche  Fernhaltung  der  Wöchnerinnen  von  der  Arbeit  auf 
einige  Wochen,  sondern  auch  eine  entsprechende  Unterstützung  für 
diese  Zeit  nötig.  Der  Plan  einer  staatlichen  Mutterschaftsversicherung 
nach  dem  Vorschlag  von  May  et  ist  wegen  der  hohen  Kosten  in  ab- 
senbai  er  Zeit  nicht  ausführbar.  An  manchen  Orten  bestehen  durch 
Stiftungen,  kommunale  oder  private  Wohltätigkeit  und  Vereinstätig- 
eit  Einrichtungen,  die  durch  Gewährung  von  Stillprämien,  durch 
Ueberlassung  von  Hauspflegerinnen  und  durch  andere  Beihilfen  für 
Mutter  und  Kind  in  den  ersten  Wochen  nach  der  Entbindung  sorgen. 
Die  Wochnerinnenunterstützung  auf  dem  Prinzip  der  Selbsthilfe  exi¬ 
stiert  in  bescheidenem  Umfang  in  Wien  und  in  Mailand,  in  grösserer 
Ausdehnung  in  Frankreich  (Mutualite  materielle).  Verf.  empfiehlt  als 
das  gegenwärtig  geeignete  System  die  Kombination  öffentlicher 
oder  privater  Zuwendungen  mit  Beitragsleistungen  von  seiten  der 
ieilnehinerinnen.  Auf  diesem  Boden  wird  zurzeit  in  Karlsruhe  eine 
Mutterschaftskasse  ins  Leben  gerufen. 


S.  Sterling-  Lodz:  Die  russische  Gesetzgebung  betreffend  die 
ärztliche  Hilfe  für  Fabrikarbeiter,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Lodzer  Verhältnisse.  (Fortsetzung  folgt.) 

F.  P  e  r  u  t  z  -  München. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  49.  1907. 

1)  A.  W  e  s  t  p  ha  1  -  Bonn:  Ueber  hysterische  Pseudotetanie  mit 
eigenartigen  vasomotorischen  Störungen. 

Verf.  teilt  2  Fälle  mit,  welche  durch  Verbindung  mit  vasomotori¬ 
schen  Störungen  ein  eigenartiges  Krankheitsbild  darstellen.  Bei  der 
ersten,  43  jährigen  Frau,  Epileptikerin  mit  aphatischen  Störungen,  zeig¬ 
ten  sich  chronische  Krämpfe,  besonders  an  den  oberen  und  unteren 
Extremitäten.  Dabei  traten  an  letzteren  regionär  Zyanose  und  ar¬ 
terielle  Anämie  in  sehr  hohem,  wechselndem  Grade  auf  und,  was  be-  „ 
sonders  bemerkenswert  ist,  verschwanden  während  dieser  Anfälle  die  ' 
Fusspulse  vollständig.  Letztere  Erscheinung  wurde  sonst  noch  nicht 
beobachtet.  In  letzter  Zeit  trat  erhebliche  Besserung  des  Krankheits¬ 
bildes  ein.  Bei  der  2.  Kranken,  einer  hysterischen  44  jährigen  Frau, 
waren  tonische  Krampfanfälle  an  den  oberen  Extremitäten  und  in 
der  Kaumuskulatur  von  Zyanose  und  Kälte  der  Finger  begleitet. 

.  ^  lUn'd  H.  Braun-Prag:  Ueber  Antikörperbefunde 

bei  Lues,  Tabes  und  Paralyse. 

Die  Verf.  geben  folgende  Zusammenfassung:  Der  Wass  er¬ 
mann-  Bi  u c k sehen  Reaktion  bei  Lues,  Tabes  und  Paralyse  fehlt 
in  bezug  auf  das  Antigen  und  dementsprechend  auch  in  bezug  auf 
den  Antikörper  jede  Spezifität.  Die  mit  dieser  Methode  nachge¬ 
wiesenen  Antikörper  stellen  Autoantikörper  gegen  eigene  Zellstoffe 
dar.  Der  Antikörpernachweis  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  bei 
I  abeis  und  Paralyse  beweist  weder  direkt  noch  indirekt  den  Zu¬ 
sammenhang  dieser  Erkrankungen  mit  Lues,  weil  der  Beweis,  dass 
die  Antikörper  im  Gehirn  resp.  Rückenmark  gebildet  sind,  fehlt!  viel¬ 
mehr  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  dieselben  aus  dem  Blute  stammen 
eine  sehr  grosse  ist.  Der  Gehalt  von  Autoantikörpern  in  den  Säften 
dieser  Kranken  ist  ein  Beweis  dafür,  dass  es  zu  degenerativen  Ver¬ 
änderungen  an  Zellen  und  üewebsresorption  gekommen  ist.  Ob  diese 
Autoantikörper  eine  diagnostische  Bedeutung  erlangen  werden,  muss 
erst  abgewartet  werden. 

3)  M.  M  o  s  s  e  -  Berlin  :  Chronische  myeloide  Leukanämie. 

Der  beschriebene  Fall  (50jährige  Frau)  ist  ausgezeichnet  da¬ 
durch,  dass  relative  Veränderungen  in  den  Leukozytenwerten  voll¬ 
kommen  entsprechend  dem  Zustande  der  chronischen  myeloiden  Leu¬ 
kämie  sich  vorfanden. 

4)  A.  Buschike  und  P.  Mul  ze  r  -  Berlin:  Weitere  Beobach¬ 
tungen  über  Lichtpigment. 

Die  Verf.  hatten  Gelegenheit,  Hautstücke  zu  untersuchen,  wel¬ 
che  sie  mit  der  Quarzlampe  bestrahlt  hatten.  Es  zeigten  sich  Pig¬ 
mentflecken,  die  sich  allmählich  etwas  vergrösserten.  Nach  dem 
histologischen  Befunde  scheint  es  wohl  zweifellos,  dass  das  Licht¬ 
pigment  im  Epithellager  autochthon  entsteht.  Die  Verf.  erörtern  die 
genetische  Beziehung  des  Hautpigmentes  zum  Licht  und  kommen 
unter  Anführung  von  Experimenten,  welche  sie  mit  Verfütterung  von 
Farbwurzeln  an  Kaninchen  angestellt  hatten,  zu  dem  Schlüsse,  dass 
das  Hautpigment  wahrscheinlich  nicht  dem  Lichte  seine  Entstehung 
verdankt,  sondern  anderen  unbekannten  Faktoren.  Die  tropischen 
Länder  sind  vielleicht  infolge  der  Wirkung  einer  Auslese  von  farbigen 
Menschen  bewohnt. 

5)  B.  C  h  a  j  e  s  -  Berlin-Schöneberg:  Zur  Kenntnis  „traumatischer 
Epithelzysten“. 

Der  32  jährige  Patient,  von  dem  das  beschriebene  Präparat 
stammt,  war  2—3  Jahre  vorher  von  einer  fallenden  Leiter  am  Kopfe 
getroffen  worden,  wo  sich  eine  kleine  knorpelharte  Geschwulst  ent¬ 
wickelte.  Der  I  umor,  dessen  mikroskopische  Struktur  beschrieben 
wird,  zeigte  eine  hornartige  Beschaffenheit. 

6)  R  he  in-d  o  r  f  -  Berlin:  Ziliatendysenterie. 

Verf.  gibt  in  seinem  Vortrag  eine  Uebersicht  über  das  Vorkommen 
von  Ziliaten  beim  Menschen  und  erörtert  an  demonstrierten  Darm¬ 
präparaten,  welche  geschwiirige  Prozesse  aufwiesen,  die  klinischen 
Erscheinungen  und  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen 
durch  eingewanderte  Ziliaten. 

7)  E.  Warschauer  - Berlin:  Zur  Thyreoideaerkrankung  durch 
Jodintoxikation. 

Eine  28  jährige  kräftige  Person  bekam  auf  eine  leichte  Schmier¬ 
kur  und  grössere  Jodkalimengen  hin  ein  sehr  intensives  Erythem,  so¬ 
dann  entwickelte  sich  unter  Durchfällen  eine  hochgradige  Abmagerung. 
Später  zeigte  sich  wiederholtes  Anschwellen  der  vorher  nicht  ver¬ 
grösserten  Thyreoidea,  überhaupt  das  Bild  einer  schweren  Base¬ 
dowschen  Krankheit.  Auf  Behandlung  mit  Thyreoideatabletten,  so¬ 
wie  später  Natrium  phosphoricum  trat  schliesslich  Heilung  ein. 

8)  B.  S  k  1  a  r  e  k  -  Berlin :  Ueber  die  Aetiologie  der  Stomatitis 
mercurialis  und  deren  Therapie  mittels  Formamint. 

Verf.  referiert  über  die  verschiedenen  Theorien  betreff  Entstehung 
der  merkuriellen  Stomatitis.  Wichtig  sind  jedenfalls  lokale  Reize  und 
bakterielle  Einwirkungen.  Gegen  letztere  hat  Verf.  Formamintabletten 
angewendet,  täglich  ca.  6 — 10  Stück  und  sah  davon  sehr  guten  pro¬ 
phylaktischen  Erfolg. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2541 


9)  H.  M.  Hy  m  ans  und  L.  Polak  D  a  n  i  e  1  s  -  Den  Haag  (Hol¬ 
land):  Ueber  die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  Marmorek- 
schem  Serum. 

Nachdem  die  Verf.  mit  den  Seruminjektionen  schlechte  Erfah¬ 
rungen  gemacht  hatten,  gingen  sie  zur  rektalen  Anwendung  des  Se¬ 
rums  über.  Sie  berichteten  zunächst  über  die  Erfahrungen  anderer 
Autoren,  die  im  allgemeinen  günstig  lauten  und  sodann  über  ihre 
eigenen,  an  21  Fällen  teils  innerer,  teils  chirurgischer  Tuberkulose. 
Sie  verwendeten  täglich  5  ccm  mittelst  Glyzerinspritze  zu  Klysmen, 
Bei  schwerer  Lungentuberkulose  erreichten  sie,  wie  die  mitgeteilten 
Krankengeschichten  des  näheren  erkennen  lassen,  in  vereinzelten 
Fällen  gute  Resultate,  wie  man  sie  sonst  höchst  wahrscheinlich  nicht 
erreicht  haben  würde.  Bei  chirurgischer  Tuberkulose  sahen  sie  in 
fast  allen  Fällen  eine  heilende  Wirkung  des  Serums,  sodass  man  an 
einer  spezifischen  Wirkung  desselben  nach  ihrer  Meinung  nicht  zwei¬ 
feln  darf.  Die  Wirkung  des  Serums  erscheint  um  so  besser,  je  früher 
es  angewendet  wird. 

10)  Hugo  Marx-Berlin:  Haft-  und  Terminsfähigkeit. 

Der  Artikel  bringt  die  gesetzlichen  Bestimmungen  über  die 
Haftfähigkeit.  Absolute  Haftunfähigkeit  bedingen  alle  Erkrankungen, 
deren  Natur  zu  jeder  Zeit  die  Möglichkeit  des  Eintritts  lebensge¬ 
fährdender  Zufälle  erwarten  lässt,  und  die  daher  die  ständige  An¬ 
wesenheit  einer  sachverständigen  Pflegeperson  in  unmittelbarer  Nähe 
des  Kranken  notwendig  machen,  sowie  auch  komplizierte  spezialärzt¬ 
liche  Eingriffe,  welche  im  Interesse  der  Erhaltung  des  Lebens  nötig 
sind.  Verf.  bespricht  sodann,  unter  besonderer  Betonung  der  Lungen¬ 
tuberkulose,  die  Gründe  für  die  zeitliche  oder  relative  Haftunfähig¬ 
keit.  Hinsichtlich  der  ärztlichen  Bestätigung  von  Verhandlungsun¬ 
fähigkeit  wird  grosse  Zurückhaltung  empfohlen.  Verhandlungsunfähig- 
ikeit  kann  z.  B.  durch  schwere  organische  Herzkrankheiten,  durch 
Epilepsie  oder  Hysterie  mit  häufigen  Krampfanfällen  bedingt  werden. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  1907.  No.  49. 

1 )  Ernst  Schwalbe  -  Karlsruhe :  Neuere  Forschungen  über  Ent¬ 
stehung  und  Morphologie  der  Geschwülste. 

Ueberblick  über  die  theoretischen  und  praktisch-experimentellen 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Geschwulstlehre  (Morphologie,  for¬ 
male  und  kausale  Genese). 

2)  H  ä  n  d  e  1  -  Berlin :  Beitrag  zur  Frage  der  Komplementab¬ 
lenkung. 

Vortrag  auf  dem  14.  internationalen  Kongress  für  Hygiene  und 
Demographie,  siehe  Referate  in  dieser  Wochenschrift. 

3)  F  e  h  r  -  Berlin:  Sehnervenerkrankung  durch  Atoxyl. 

In  2  Fällen  trat  während  der  Injektionskur  eine  Sehstörung  auf; 
gleichmässige  Weissfärbung  der  ganzen  Sehnervenscheibe  und  Ver¬ 
engung  der  Netzhautarterien,  starke  Gesichtsfeldeinschränkung  bei 
guter  zentraler  Sehkraft;  auch  die  Puoillenreaktion  blieb  normal  er¬ 
halten.  Nach  Aussetzen  des  Mittels  besserte  sich  der  Befund  all¬ 
mählich. 

4)  Jacaues  J  o  s  e  p  h  -  Berlin  :  Die  Korrektur  der  Schiefnase. 

An  23  Fällen  erprobte  Verfasser  2  neue  Operationsverfahren  (ab¬ 
gebildet),  welche  intranasal  auszuführen  sind:  bei  Schiefheit  des  knor¬ 
peligen  Nasenrückens  wird  der  viereckige  Knorpel  mittelst  Seiden- 
faden  an  den  Oberkieferrand  der  entgegengesetzten  Seite  herange¬ 
zogen.  Bei  Schiefheit  der  knöchernen  Nase  wird  aus  dem  Processus 
nasalis  des  Oberkiefers  und  zwar  aus  der  Breitseite  der  Schiefnase 
ein  keilförmiges  Stück  ausgesägt,  die  andere  Seite  linear  durchtrennt; 
danach  Apparatbehandtung. 

5)  W.  Lu  b  1  i  n  s  k  i -Berlin:  Wann  ist  die  Radikaloperation  der 
Nebenhöhlen  der  Nase  notwendig? 

Bei  der  akuten  Kieferhöhlenentzündung  ist  meist  kein  Eingriff, 
selten  Punktion  nötig;  bei  der  chronischen  veranlassen  Zahnleiden 
und  Knochenkaries  eine  Operation.  Bei  akuter  Stirnhöhleneiterung 
kann  man  den  Abfluss  in  der  Regel  durch  Adrenalin  und  Kokain  und 
Saugbehandlung  ohne  Resektion  der  mittleren  Muschel  erreichen:  bei 
der  chronischen  indiziert  Gefährdung  von  Auge  oder  Hirn  die  Radikal- 
oDeration.  Siebbein-  und  Keilbeinhöhle  erkranken  in  der  Regel  in 
Verbindung  mit  einer  oder  beiden  grossen  Höhlen  und  haben1  auch 
dieselben  Indikationen  hinsichtlich  Radikaloperation  wie  diese. 

6)  E.  B  a  r  t  h  -  Berlin:  Ueber  die  Physiologie  der  Tonsillen  und 
die  Indikation  zu  ihrer  Abtragung. 

Vortrag  im  Verein  für  innere  Medizin  am  21.  X.  07.  Ref.  Münch, 
med.  Wocbenschr.,  No.  45,  Seite  2260. 

7)  E..G  a  r  d  e  m  i  n  -  Berlin:  Ueber  Spirosal,  ein  neues  äusserlich  | 
an^uwendendes  Antirheumatikum,  nebst  Bemerkungen  über  Nov- 
aspirin. 

Das  neue  Mittel,  der  Monoglykolsäureester  der  Salizylsäure,  be¬ 
währte  sich  bei  akutem  und  chronischem  Gelenkrheumatismus.  Tn 
hartnäckigen  Fällen  wurde  zweckmässig  gleichzeitig  Aspirin  oder 
Novaspirin  in  kleinen  Dosen  gegeben. 

8)  Otto  R.o  t  h  s  c  h  i  ld  -  Frankfurt  a.  M.:  Ein  Fall  von  retro¬ 
bulbärer  teratoider  Geschwulst  (K  r  o  e  n  1  e  i  n  sehe  Operation). 

Kirschgrosser  retrobulbärer  Tumor,  zwischen  Periorbita  und  Mus¬ 
keltrichter  auf  der  temporalen  Seite  des  Auges  gelegen,  wurde  nach 
der  K  r  a  e  n  1  e  i  n  sehen  Methode  unter  Erhaltung  des  Bulbus  und  r 


'seiner  Motilität  entfernt.  Histologischer  Charakter  der  Geschwulst 
zweifelhaft-  nach  8  Monaten  noch  rezidivfrei. 

9)  Kurt  Torkel-Breslau:  Abbrechen  der  Kanüle  bei  Lumbal¬ 
punktion. 

Die  zwecks  Lumbalanästhesie  eingesteckte  Nadel  brach  infolge 
raschen  Aufrichtens  der  Kranken  ab,  wurde  mittels  Längsschnittes  und 
nach  Abmeisselung  eines  grösseren  Stückes  vom  4.  Dornfortsatz  im 
Zwischenwirbelknorpel  gefunden. 

10)  Stein-Haina:  Anwendung  B  i  e  r  scher  Stauung  bei  Ver¬ 
brennung. 

Anfangs  schmerzlindernde  Wirkung;  später  scheint  auch  der 
Narbenschrumpfung  entgegengewirkt  zu  werden. 

11)  G.  E  d  1  e  f  s  e  n  -  Hamburg:  Ueber  Einnehmegläser  und  Tropf¬ 
gläser.  (Schluss  folgt.) 

12)  Ernst  Zitielmann  -  Bonn:  Die  Haftung  des  Arztes  aus  ärzt¬ 
licher  Behandlung.  (Schluss  folgt.) 

R.  Grashey  -  München. 

Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXVII.  Jahrg. 
No.  22.  1907. 

Carl  S  t  ä  u  b  1  i  -  Basel:  Zur  Frage  Typhus  —  Paratyphus.  (Vor¬ 
trag,  gehalten  am  Schweizerischen  Aerztetag  in  Neuchätel.) 

Anschauliche  Zusammenstellung  der  diagnostischen  Hilfsmittel 
und  Schwierigkeiten  bei  Typhus  und  den  verwandten  Infektionskrank¬ 
heiten.  „Vom  praktisch-klinischen  Standpunkt  aus  können  die  unter 
dem  Bilde  des  Typhus  abdominalis  auftretenden  Paratyphusinfektionen 
eigentlichen  Typhen  gleichgestellt  werden.“ 

H.  S  u  1 1  e  r  -  St.  Gallen:  Beitrag  zur  akuten  und  chronischen  Ent¬ 
zündung  des  leeren  Bruchsackes.  (Schluss.)  Mit  6  Fig. 

Genaue  Besprechung  der  bisher  bekannten  Fälle  und  eines 
eigenen  Falles,  der  auch  bakteriologisch  untersucht  würde  und  bei 
dem  zu  der  chronischen  Entzündung  eine  akute  hinzukam. 

P  i  s  c  h  i  n  g  e  r. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  49.  P.  E  h  r  1  i  c  h:  Bemerkungen  zu  den  Aufsätzen  des  Herrn 
Dr.  Orthner:  „Das  Wesen  der  Avidität  der  Zellen  zu  den  Nähr¬ 
stoffen  und  die  Entstehung  der  Geschwülste  aus  verlagerten  Keimen“. 
Wien.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  41  und  „Wachstum  und  Wachs¬ 
tumsstillstand  gutartiger  und  bösartiger  Geschwülste“,  ibidem 
No.  45. 

E.  verweist  darauf,  dass  er  und  Alb  recht  bereits  vor  O.  die 
Geschwulstbildung  durch  ein  Differential  der  Aviditäten  zu  den  Nähr¬ 
stoffen  zu  erklären  versuchten  und  sodann  auf  die  Schwierigkeiten, 
die  Geschwulstbildung  durch  eine  Umwandlung  von  in  verlagerten 
Zellen  angesammelten  chemischen  Spannkräften  in  lebendige  Energie 
zu  erklären. 

A.  Biedl  und  Th.  Off  er- Wien:  Ueber  Beziehungen  der 
Duktuslymphe  zum  Zuckerhaushalte.  Hemmung  von  Adrenalinwir¬ 
kungen  durch  die  Lymphe. 

Nach  den  Versuchen  der  Verf.  kommt  der  Lymphe  eine  dia- 
statische  Wirkung  auf  Glykogen  und  eine  geringere  solche  auf  Stärke, 
ausserdem  eine  intensive  glykolvtische  Fähigkeit  gegenüber  Dextrose 
und  Lävulose  zu.  Die  dem  Ductus  thoracicus  (an  Hunden)  ent¬ 
nommene  Lymphe  hemmt  ferner  die  von  dem  Adrenalin  am  ausge¬ 
schnittenen  Froschauge  bewirkte  Pupillenerweiterung  und  sie  ver¬ 
hindert  auch  das  Zustandekommen  der  durch  Adrenalinzufuhr  be¬ 
dingten  Glykosurie  bei  Hunden  und  Kaninchen. 

A.  K  ii  r  t  h  i  -  Davos:  Die  Differentialfärbemethoden  der  Tuber¬ 
kuloseerreger. 

K.  macht  genaue  Angaben  über  die  Technik  und  Erfolge  der  von 
Spengler  geübten  Untersuchungsmethoden  (Pikrinfärbung,  Hüllen¬ 
färbungen.  Z  i  e  h  1  -  S  p  e  n  g  1  e  r  färbung  und  eine  neue  Phagozyten¬ 
färbung  Spenglers).  Für  die  quantitative  Darstellung  der  Ba¬ 
zillen  ist  die  Pikrinfärbun'g  die  beste.  Die  neue  Methode  Speng¬ 
lers  bezweckt  den  genauen  Nachweis  der  phagozytierten  Bak¬ 
terien.  sie  färbt  das  Protoplasma  malachitgrün,  den  Kern  der  Zellen 
mit  Methylenblau,  die  Bazillen  mit  Karbolfuchsin  nnd  gibt  eine  Vor¬ 
stellung  von  dem  Grade  der  vorhandenen  Phagozytose  und  Chemo¬ 
tropismus. 

A.  Adler- Wien:  Zur  Aetiologie,  Diagnostik  und  Therapie  der 
Nephrolithiasis. 

A.s  Betrachtungen  führen  zu  dem  Schluss,  in  der  Nephrolithiasis 
eine  häufige  typische  Erkrankung  eines  minderwertigen  Harnapparates 
zu  sehen:  teils  handelt  es  sich  um  eine  morphologisch  minderwertige 
Tektonik  der  Nieren  (tote  Winkel  in  den  Harnkanälen)  teils  um  Fehl¬ 
bildungen  gröberer  Art  an  den  Nieren  oder  Ureteren  mit  Beziehungen 
zu  den  Missbildungen  anderer  Organe:  die  Familienanamnese  er¬ 
gibt  sehr  oft  hereditäre  Momente,  daneben  auch  oft  das  Bestehen 
von  Enuresis  bei  dem  Patienten  selbst  oder  seinen  Verwandten. 

9  Krankengeschichten. 

V.  Blum-  Wien :  Die  Grenzen  der  Leistungsfähigkeit  des  radio¬ 
graphischen  Konkrementnachweises. 

Der  grosse  diagnostische  Wert  der  Radiographie  erleidet  in  ge¬ 
wissen  Fällen  eine  Einbusse  dadurch,  dass  nicht  vorhandene  Kon- 


2542 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


kremente  als  solche  angenommen,  oder  wirklich  vorhandene  nicht 
sichtbar  werden.  Dabei  spielen  namentlich  bei  der  ersteren  Kate¬ 
gorie  technische  Fehler  und  Missdeutungen  anderer  Affektionen  eine 
Rolle,  andererseits  bildet  die  grosse  Transparenz  der  reinen  Harn¬ 
säuresteine  eine  erhebliche  Schwierigkeit,  wie  öfters  auch  das  flüssige 
Medium,  in  dem  der  Stein  suspendiert  ist,  das  Hervortreten  desselben 
stört;  dem  wird  in  vielen  Fällen  durch  die  Luftaufblähung  der  Blase 
vorgebeugt.  Bei  einseitigen  Nierensymptomen  müssen  immer  beide 
Nieren  untersucht  werden  (reno-renaler  Reflex!).  Bei  kleineren  Kon¬ 
krementen  darf  nur  eine  unmittelbar  vorher  gemachte  radiographische 
Aufnahme  die  Indikation  zu  einer  Operation  bilden. 

S.  W e  i  n  b erger- Pöstyen:  Zur  Therapie  der  Tuberkulose. 

Bei  einer  Anzahl  von  rezidivierenden  bronchitischen  und  tuber¬ 
kulösen  Katarrhen  wird  das  Rezidiv  von  einem  Nasenkatarrh  einge¬ 
leitet  und  es  kann  die  Nase  als  Weg  der  Neuinfektion  angesehen 
werden.  Hier  scheint  die  wiederholte  Auswischung  des  Nasen¬ 
einganges  mit  2  proz.  Karbolsäure  bisweilen  auf  den  Verlauf  des 
Katarrhs  einen  günstigen  Einfluss  auszuiiben. 

O.  M  a  r  b  u  r  g  -  Wien:  Zur  Geschichte  des  Wiener  neurologi¬ 
schen  Institutes. 

Nach  einer  Rede  zur  Feier  des  25  jährigen  Gründungsfestes  des 
Institutes. 


Prager  medizinische  Wochenschrift. 


No.  34.  F.  W  o  1  f  n  e  r  -  Marienbad:  Zur  Einführung  von  Speisen 
aus  entmehlten  Kartoffeln  in  der  Diät  der  Fettleibigen  und  der  Zucker¬ 
kranken  in  Marienbad. 

Verf.  empfiehlt  mit  Wärme  die  Einführung  der  von  W.  Stern- 
berg  (refer.  Münch,  med.  Wochenschr.  1906,  S.  1428)  angegebenen 
Speisen  aus  entmehlten  Kartoffeln  mit  Anweisungen  zur  Zubereitung. 

No.  35.  O.  v.  F  r  a  n  q  u  e  -  Prag:  Zur  Statistik  und  Methodik 
der  Myomoperationen. 

Um  nur  einzelne  Punkte  herauszugreifen  sei  erwähnt,  dass  bei 
201  Operierten  die  Gesamtmortalität  4,8  Proz.,  davon  durch  Infektion 
1,49  Proz.  beträgt.  Diese  Infektionsfälle  entfallen  als  4,54  Proz.  auf 
44  vaginale  und  nur  als  0,65  Proz.  auf  154  abdominale  Operationen. 
Die  regelmässige  abdominale  Operation  bildete  die  supravaginale 
Amputation,  nur  bei  besonderer  Indikation  erfolgte  die  Totalexstir¬ 
pation.  Eine  erhebliche  Rolle  spielen  bei  den  Kranken  infolge  der 
Blutverluste  die  teilweise  tödlich  verlaufenden  Thrombosen  und  Em¬ 
bolien;  für  diese  und  damit  für  die  Gesamtzahl  wird  die  häufigere 
Anwendung  der  Spinalalgesie  gewiss  zu  einer  Besserung  der  Pro¬ 
gnose  beitragen. 

E.  H  a  i  m  -  Budweis:  Die  Appendizitis  eine  Infektionskrankheit. 

H.  erörtert  die  Analogien,  welche  zwischen  der  Appendizitis  und 
anderen  Infektionskrankheiten  bestehen:  Das  zu  gewissen  Jahres¬ 
zeiten  sich  häufende  Auftreten,  die  verschiedene  Bösartigkeit  in  ge¬ 
wissen  Epidemien  und  in  verschiedenen  Landstrichen,  den  Zusammen¬ 
hang  mit  Anginen.  Nach  H.s  Wahrnehmung  fällt  die  Streptokokken¬ 
appendizitis  im  Anschluss  an  Anginen  vorzugsweise  in« die  Monate 
Oktober,  November  und  März,  April,  während  sich  die  Kolifälle  über 
das  ganze  Jahr  verteilen. 

No.  37.  A.  G  a  r  k  i  s  c  h  -  Prag:  Demonstration  zur  karzinoma- 
tösen  Degeneration  der  Myome  und  zur  Entstehung  pseudosarkoma- 
töser  Partien  in  Uteruskarzinomen. 

Der  genau  beschriebene  Fall  ist  durch  die  Ueberschrift  cha¬ 
rakterisiert. 

No.  39.  L.  Moll-Prag:  Zur  Kenntnis  der  Kolizystitis  und  ihrer 
Komplikationen  (Kolimeningitis)  bei  Säuglingen. 

Krankengeschichte  eines  10  tägigen  Knaben  mit  Kolizystitis,  bei 
uem  sich  eine  Meningitis  einstellte.  In  der  Lumbalpuniktionsfliissig- 
m war.  ^as  Bact.  c°l*  nachzuweisen.  Die  Obduktion  ergab  eitrige 
Meningitis,  der  Eiter  enthielt  das  Bact.  coli.  M.  erwähnt  noch  einen 
zweiten  Knaben  mit  Kolizystitis,  bei  dem  die  Infektion  der  Blase 
wohl  durch  die  Ausspritzungen  des  Präputialsackes  wegen  Balanitis 
vermittelt  wurde.  Bemerkenswert  ist  die  günstige  Wirkung  des 
Urotropins. 


DN2'  49;  K  r  e  i  b  i  c  h  und  A.  Kraus-  Prag:  Erfahrungen  übe 
die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Atoxyl. 

Das  Ui  teil  des  Verf.  geht  dahin,  dass  sich  das  Atoxyl  besonder 
im  dntten  Stadium  der  Lues  zu  bewähren  scheint,  mehr  oder  wenige 
deutlich  reagieren  auch  die  anderen  Stadien.  Oft  kommen  bald  Rez: 
^ive,  bisweilen  wirkt  das  Atoxyl  beim  Versagen  des  Hg  viel  öfte 
nst  aber  das  umgekehrte  der  Fall.  Das  Mittefist  durchaus  nicht  ur 
gefallt  lieh,  bei  vorsichtigem  Gebrauch  sind  aber  seine  Nebenwii 
kungen  leicht  zu  beherrschen. 

h»  N’°'  e  u  'd  •  -  Frag  und  A.  S  e  1  i  g  -  Franzensbad:  Uebe 

Herz-  und  Blutbefunde  bei  Lungentuberkulose. 

...,D‘e  Blutuntersuchungen  haben  zu  keinem  einheitlichen  Resulta 
gerührt,  die  Eosinophilie  scheint  weder  für  irgend  ein  Stadium  de 
Lungentuberkulose  charakteristisch  noch  in  prognostischer  Beziehun 
von  Bedeutung  zu  sein.  Die  orthodiagraphischen  Herzbestiinmunge 
ere  iben  aber  im  allgemeinen  eine  abnorme  Kleinheit  des  Herzens  de 
i  hthisiker,  die  als  eine  disponierende  Abnormität  der  Anlage  de 
Organismus  aufzufassen  sein  dürfte.  s 


No.  42.  W.  W  i  e  c  h  o  w  s  k  i  -  Prag:  Zur  Harnsäurefrage. 

Die  Arbeit  befasst  sich  in  ihren  Schlussfolgerungen  hauptsächlich 
mit  dem  Unterschied  der  Harnsäure-  und  AHantoinausscheidung  im 
Harn  beim  Menschen  und  bei  den  Säugetieren:  Beim  ersteren  viel 
Harnsäure,  wenig  Allantoin,  bei  letzteren  umgekehrt.  Zur  Erklärung 
bestehen  drei  Möglichkeiten:  das  nur  in  ganz  geringer  Menge  irn 
Harn  erscheinende  Allantoin  wird  beim  Menschen  grösstenteils  vorher 
weiter  abgebaut,  oder  die  Harnsäure  wird  überhaupt  in  anderer  Weise 
abgebaut  als  beim  Säugetier,  oder  die  Harnsäure  wird  im  Menschen 
überhaupt  nicht  zersetzt,  sondern  bildet  ein  terminales  Stoffwechsel¬ 
produkt.  Letztere  Annahme  scheint  nach  den  bisherigen  Versuchen 
die  richtige  zu  sein. 

W.  K u  1 1  e  1  w  a  s  c  he  r  -  Prag:  Erfahrungen  mit  Sajodin. 

Die  an  56  Kranken  der  v.  Jaksch  sehen  Klinik  gemachten  Er¬ 
fahrungen  bestätigen  im  allgemeinen  das  günstige  Urteil  über  daS 
Präparat,  das  bei  gleicher  Wirksamkeit  weniger  ausgesprochene 
Nebenerscheinungen  macht  und  deshalb  bei  empfindlichen  Kranken 
leichter  und  länger  zu  geben  ist  als  das  Jodnatrium.  Ein  Vorzug 
besteht  auch  in  der  bequemen  Dosierung  und  Geschmacklosigkeit, 
ein  Nachteil  in  dem  teuren  Preis.  B  e  r  g  e  a  t  -  München. 

Schwedische  und  finnische  Literatur.*) 

F.  W.  W  a  r  f  w  i  n  g  e  -  Stockholm:  Ueber  Chlorose  als  eine  spe¬ 
zifische  Krankheit  und  über  Eisen  als  spezifisches  Heilmittel  gegen 
dieselbe.  (Deutsch  erschienen  in  Nordiskt  medicimskt  Arkiv  19(37, 
Abt.  II  [Innere  Med.],  H.  1.) 

In  dieser  Arbeit  hat  Verf.  die  reichen  Erfahrungen  niedergelegt, 
welche  er  als  Direktor  eines  der  grössten  Krankenhäuser  in  Stock¬ 
holm  während  24  Jahren  gesammelt  hat;  von  Chlorose  hat  er  in 
dieser  Zeit  (1879 — 1903)  683  Fälle  beobachtet.  Es  folgt  hier  das 
vom  Verf.  selbst  gegebene  Resümee  (in  einigen  Punkten  vom  Ref. 
etwas  abgekürzt). 

1.  Anstatt  die  Chlorose  in  dem  unbestimmten  Ausdruck  Anä¬ 
mie  einzuschliessen,  muss  man  sie  als  eine  ganz  spezifische, 
essentielle  Krankheit  betrachten.  2.  Sie  zeichnet  sich  durch 
ihr  spontanes  Auftreten  (ohne  jede  erkennbare  Ursache)  aus. 
3)  In  ätiologischer  Hinsicht  muss  man  ihre  Unabhängigkeit 
von  allem  anerkennen,  was  Anämie  erzeugt,  von 
Mangel  an  guter  Nahrung  und  von  anderen  antihygienischen  Verhält¬ 
nissen,  von  Digestionsstörungen,  von  Störungen  des  Nervensystems, 
von  Heredität  usw.  infantile  Beschaffenheit  des  Gefäss-  und  Ge¬ 
schlechtsapparates  kann  auch  nicht  mit  wirklicher  Chlorose  in  Zu¬ 
sammenhang  gebracht  werden.  4..  5.  und  6.  Das  Krankheits¬ 
bild  ist  ganz  prägnant  etc.  7.  Das  Wesen  der  Chlorose  ist 
zwar  dunkel,  muss  aber  in  einer  gewissen  Blutveränderung 
bestehe  n,  wobei  mangelhafte  Neubildung  roter  Blutkörperchen  sich 
einigermassen  geltend  macht,  die  Hauptsache  aber  doch  die  ist,  dass 
die  innere  Beschaffenheit  derselben  verändert  ist,  indem  ein  Hinder¬ 
nis  ihnen  im  Wege  liegt,  das  für  ihre  normale  Funktion  so  nötige 
Hämoglobin  in  hinlänglicher  Menge  zu  a  s  s  i  m  i  1  i  e  - 
r  e  n.  8.  Mehrere  Umstände  stützen  die  Annahme,  dass  dieses  Hin¬ 
dernis  durch  ein  Gift  verursacht  wird,  welches  die  katalytische 
Eigenschaft  des  Protoplasmas  der  roten  Blutkörperchen,  u.  a.  die 
Bildung  von  Hämoglobin  aus  den  Hämatogenen  der  Nahrung  zu  ver¬ 
mitteln,  reduziert.  9.  Es  deuten  viele  Umstände  daraufhin,  dass  die 
Chlorose  eine  von  Bildung  toxischer  Stoffe  begleitete  Infektions¬ 
krankheit  ist  (typischer,  bisweilen  gelind  febriler  Verlauf,  Nei¬ 
gung  zu  Rezidiven,  epidemisches  Auftreten  usw.).  10.  Betreffs  der 
Behandlung  können  zwar  diätetische  Vorschriften  unterstützend 
wirken,  an  und  für  sich  nützen  sie  aber  gar  nichts.  11.  Die  allein 
nutzbringende  Wirkung,  und  zwar  in  einer  ganz  eklatanten,  spe¬ 
zifischen  Weise,  übt  hierbei  das  Eisen  aus.  12.  Dass  die  W  i  r  k  u  n  g 
des  Eisens  nicht  eine  lokale,  im  Darmkanale  sich  voll¬ 
ziehende  ist,  geht  aus  dem  ganz  ebenso  günstigen  und  raschen  Effekt 
bei  subkutaner  Einspritzung  desselben  (und  zwar  in  un¬ 
gefähr  1/6  der  gewöhnlichen  Dosis)  hervor.  13.  (Die  Wirkung  der 
Eisenpräparate  setzt  ihre  Absorption  voraus.  14.  Die  spezifische 
Wirkung  gegen  die  Chlorose  wird  sowohl  von  anorganischen  Eisen¬ 
mitteln  als  von  solchen  organische^  Verbindungen,  hervorge¬ 
bracht,  welche  wie  Eisenalbuminate  etc.  m  i  t  d  e  n  gewöhnlichen 
R  e  a  g  e  n  t  i  e  n  E  i  s  e  n  r  e  a  k  t  i  o  n  geben.  15.  Ganz  u  n  w  i  r  k- 
s  a  m  sind  dagegen  solche  Eisen  Verbindungen;  die,  wie 
Ferrozyankalium  einerseits.  Hämoglobin,  Hämatin,  Hämol  u.  dgl. 
anderseits,  d  a  s  Eise  n  so  fest  ,g  e  b  u  n  d  e  n  h  alte  n,  dass  es 
keine  Eisenreaktion  gibt.  16.  Die  Chlorose  erfordert  für  ihre  Heilung 
solche  anorganische  oder  organische  Eisenpräparate,  die  int 
Blute  und  den  übrigen  Säften  des  Organismus  mehr  oder  weniger 
vollständig  dissoziiert  werden,  um  (ebenso  wie  gegen  che¬ 
mische  Reagentien )  die  volle  Eisen  Wirkung  aus  ii  be  n 
zu  können.  17.  Man  muss  aus  mehreren  schon  angeführten  Grün¬ 
den  annehmen,  dass  das  medikamentöse  Eisen  nicht 
assimiliert  wird,  nicht  in  das  Hämoglobin molekiil 
hineingeht,  um  den  bestehenden  Mangel  zu  decken.  18.  Die 


U  Wenn  anderes  nicht  angegeben  wird,  sind  die  referierten  Ar¬ 
beiten  schwedisch  erschienen. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2543 


Versuche,  die  .man,  um  das  Gegenteil  zu  beweisen,  an  anämisierten 
Tieren  angestellt  hat,  widersprechen  einander  sehr;  zu  der  unfehlbaren 
Wirkung  des  Eisens  bei  der  Chlorose  haben  sie  jedenfalls  gar  keine 
Beziehung,  da  die  bei  den  Tieren  hervorgebrachte  Anämie  ja  durch¬ 
aus  nicht  mit  der  Chlorose  identifiziert  werden  kiann.  19.  Fände  auch 
Assimilation  des  medikamentösen  Eisens  statt,  so 
hätte  doch  seine  Anwendung  bei  der  Behandlung  der  Chlorose  gar 
keinen  Zweck,  da  von  niemandem  geleugnet  wird,  dass  die  in  der 
Nahrung  befindlichen  Eisenverbindungen  wenigstens  viel  besser  für 
die  Hämoglobinbildung  sich  eignen.  20.  Ebensowenig  darf 
man  annehmen,  dass  die  Eisenpräparate  bei  der  Chlorose  da¬ 
durch  ihre  Wirkung  ausüben,  dass  sie  einen  (kräftigen  Reiz 
auf  die  blutbildenden  Zellen  des  Knochenmarkes 
ausüben,  da  man  in  den  untersuchten  Fällen  der  genannten  Krankheit, 
im  Marke  nie  krankhafte  Veränderungen  hat  finden 
können.  21.  Man  dürfte  also  annehmen  können,  dass  unter  dem  Ein¬ 
flüsse  der  durch  die  Dissoziation  der  medikamentösen  Eisenveribin- 
dungen  in  den  Säften  des  Organismus  freigemachten  Eisenionen  der 
Verlauf  der  bei  Chlorose  herabgesetzten  Hämoglobinbildung  bedeu¬ 
tend  befördert  wird,  indem  die  Eisenionen  als  Katalysa¬ 
toren  die  Zerlegung  der  wahrscheinlich  vorhan¬ 
denen,  für  di  e  H  ä  m  o  g  1  o  b  i  n  b  i  1  d  u  n  g  hinderlichen 
giftigen  Stoffe  beschleunigt,  und  dies  zwar  der  Kon¬ 
zentration  der  Eisenionen  proportional.  22.  Für  die  rasche  und  sichere 
Heilung  der  Chlorose  sind  daher  (besonders  weil  ein  grosser  Teil  des 
Eisens  im  Darmkanaile  nicht  resorbiert  wird)  grosse  Eisen¬ 
gaben  nötig;  eine  Kur  bei  den  gewöhnlichen  eisenhaltigen  Brunnen 
kann  also  wenig  leisten.  23.  Die  Behandlung  muss  so  lange  (wenig¬ 
stens  6  Wochen)  fortgesetzt  werden,  bis  das  Blut  sich  völlig 
normal  erweist.  —  Die  Blutbefunde  (Zahl  der  roten  Blutkörperchen 
und  Hämoglobingehalt)  in  zahlreichen  Fällen  von  verschiedenartigen 
Anämien  und  besonders  von  Chlorose  sind  graphisch  dargestellt  wor¬ 
den;  ebenso  teilt  Verf.  eiine  Reihe  von  Kurven  mit,  welche  die  Ein¬ 
wirkung  von  verschiedenen  Eisenpräparaten  beleuchten.  Die  Litera¬ 
tur  über  die  Chlorose  und  über  die  Eisentherapie  wird  eingehend  be¬ 
sprochen. 

Ragnar  F  r  i  b  e  r  g  e  r  -  Upsala:  Versuche  über  die  Wirkung  des 
Morphiums  bei  verschiedenen  Anwendungsarten.  (Verhandlungen 
des  Aerztevereins  zu  Upsala  1906—07,  H.  5 — 6.) 

Verf.  fasst  die  Ergebnisse  seiner  Arbeit  folgendermassen  zu¬ 
sammen:  1.  Bei  subkutaner  Injektion  ist  die  Morphiumwirkung  von  be¬ 
deutend  längerer  Dauer  als  bei  Einnehmen  des  Mittels  per  os  und 
so  viel  intensiver,  dass  Injektion  von  1  cg  denselben  oder  noch 
stärkeren  Effekt  gibt  als  das  Einnehmen  von  3  cg  zwischen  den  Mahl¬ 
zeiten.  2.  Die  volle  Wirkung  tritt  ebenso  schnell  ein,  wenn  das  Mittel 
zwischen  den  Mahlzeiten  per  os  eingegeben,  wie  wenn  es  subkutan 
injiziert  wird,  wird  dagegen  bedeutend  verzögert,  wenn  das  Morphium 
während  einer  Mahlzeit  eingenommen  wird;  in  letzterem  Falle  zeigt 
sich  die  Wirkung  schwächer,  als  wenn  das  Mittel  nüchtern  genommen 
wird.  3.  Applikation  per  rectum  entspricht,  was  die  Wirkung  betrifft, 
am  meisten  dem  Eingeben  bei  leerem  Magen.  —  Als  Indikator  auf 
die  Morphiumwirkung  hat  Verf.  die  Morphiummiose  benutzt;  die 
Brauchbarkeit  dieses  Indikators  wird  ausführlich  besprochen.  Bei  der 
Messung  der  Pupillen  hat  Verf.  die  . früher  von  ihm  angegebene  Me¬ 
thode  verwendet  („Ueber  die  Messung  der  Pupillenweite“,  Upsala 
1903). 

Torsten  H  e  1 1  m  a  n  -  Upsala:  Ueber  Sahlis  Desmoidreaktion. 
(Verhandlungen  des  Aerztevereins  zu  Upsala  1906 — 1907,  H.  5 — 6.) 

Verf.  hat  bei  54  Patienten  teils  den  durch  die  Sonde  gewonnenen 
Magensaft  untersucht,  teils  die  Desmoidreaktion  angestellt.  Bei  letz¬ 
teren  hat  er  „Desmoidpillen  mit  Methylenblau“  von  der  Firma 
G.  P  o  h  1,  Schönbaum,  verwendet.  Zahlreiche  Versuche  über  die  Ein¬ 
wirkung  von  ausgehebertem  Magensaft  auf  die  Pillen  im  Reagenz¬ 
glase  haben  gezeigt,  dass  das  Fabrikat  genau  und  homogen  ist.  Im 
wesentlichen  ist  Verf.  zu  folgenden  Resultaten  gelangt:  In  sämtlichen 
(17)  Fällen,  in  welchen  die  Reaktion  innerhalb  8  Stunden  positiv  aus- 
gefallen  ist,  war  freie  HCl  im  Mageninhalt  nachgewiesen,  und  bei 
Durchmusterung  der  Literatur  hat  Verf.  nicht  weniger  als  83  Fälle  ge¬ 
funden,  welche  diesen  Befund  bestätigten;  gegen  denselben  sprechen 
nur  2  Fälle  aus  der  Literatur.  Die  positive  Desmoidreaktion  hat 
somit  —  besonders  ols  Vorprobe  — einen  unbestreitbaren  Wert,  indem 
man  bei  positivem  Ausfall  der  Reaktion  innerhalb  etwa  8  Stunden 
mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  annehmen  kann,  dass  freie  HCl  vor¬ 
handen  ist.  Bel  Abwesenheit  von  freier  Salzsäure  ist  die  Probe 
zwar  regelmässig  innerhalb  der  genannten  Zeit  negativ  geblieben, 
die  negative  Reaktion  kommt  aber  auch  unter  anderen  Umständen 
vor  — r  In  nicht  wenigen  von  den  Fällen  des  Verfassers  sogar  bei 
hoher  I  otalazidität  mit  reichlicher  Menge  freier  Salzsäure  —  und 
ist  somit  diagnostisch  nicht  verwertbar.  Die  Versuche  des  Verf. 
sprechen  entschieden  gegen  die  Annahme,  dass  die’  Kapseln  nur  durch 
Darmidigestion  geöffnet  werden  können. 

W.  W  e  r  n  s  t  e  d  t  -  Stockholm:  Zur  Frage,  ob  Kasein  in  den 
Säuglingsfäzes  vorkommt.  (Hygiea  1907,  H.  9.) 

Verf.  hat  genaue,  direkt  mikroskopische  und  mikrochemische 
Untersuchungen  vorgenommen,  einerseits  über  die  Kaseinkoiagula  im 
Mageninhalt,  anderseits  über  sog.  „Kaseinflocken“  in  den  Säuglings¬ 
fäzes.  Er  findet  die  letzteren  in  ihrer  feineren  Struktur  durchaus  von 


den  Koagula  im  Mageninhalt  abweichend;  sie  bestehen,  wie  die  übrige, 
nicht  zu  Klümpchen  zusammengeballte  Fäkalmasse,  grösstenteils  aus 
Bakterien,  Fett  und  Seifen;  sie  geben  wie  diese  eine  sehr  schwache 
Reaktion  (schmutzig  rosa-  bis  schokoladebraune  Verfärbung)  auf  das 
M  i  1 1  o  n  sehe  Reagens  und  ihr  Eiweissgehalt  scheint  demnach  höch¬ 
stens  eiin  sehr  geringer  zu  sein. 

Die  Kaseinkoagula  im  Mageninhalt  enthalten  dagegen,  neben  viel 
Fett  und  keinen  Seifen,  sehr  reichlich  Eiweiss  und  nehmen  deswegen 
bei  der  Mi  llon  sehen  Reaktion  eine  andere,  und  zwar  intensive, 
schwarzrote  Farbe  an. 

Dagegen  hat  Verf.,  besonders  in  Fäzes  von  ausschliesslich  mit 
Kuhmilch  ernährten  Säuglingen  —  niemals  bei  Brustkindern,  nicht 
ganz  selten  bei  Allaitement  mixte  —  andere  meistens  etwas  grössere 
Klumpen  beobachtet,  deren  Struktur,  Fettgehalt,  Seifenmangel  und 
Verhalten  zu  Milions  Reagens  durchaus  mit  den  Kaseinkoageln 
im  Mageninhalt  oder  mit  Käse  übereinstimmen;  sie  sind  im  Gegen¬ 
satz  zu  den  „Kaseinflocken“  in  den  Stühlen  —  welche  Verf.  Fett- 
seifenklumpen  nennen  will  —  nur  an  der  Oberfläche  von  Bilirubin  gelb 
verfärbt,  sind  im  Innern  fast  rein  weiss,  ähneln  was  Aussehen  und 
Konsistenz  betrifft,  gewöhnlichem  Käse  oder  sehr  oft  einem  kleinen 
Stück  Wachsstock.  Mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  glaubt  Verf. 
daher  annehmen  zu  können,  dass  es  sich  hier,  aber  nicht  bei  den 
gewöhnlichen  Dyspepsieklümpchen,  wirklich  um  Kasein  handelt 
und  schlägt  für  die  letzt  beschriebenen  Klumpen  den  Namen  Milch- 
koagel  oder  Käsekliimpchen  vor.  Ob  diesen  jedenfalls  nicht  sehr 
seltenen  Bildungen  pathologische  Bedeutung  zukommt,  muss  bis  auf 
weiteres  dahingestellt  bleiben;  sicher  kommen  sie  auch  bei  gut  ge¬ 
deihenden  Säuglingen  vor. 

In  sehr  vielen  Stühlen,  besonders  diarrhoischen,  findet  Verf.  im 
äusseren  nicht  besonders  hervortretende,  kleinere  Partikel,  die  auch 
mit  dem  M  i  llo  n sehen  Reagens  jene  intensive,  schwarzrote  Farbe 
annehmen  und  wohl  auch  undigerierte  Reste  der  Milchkoagel  im 
Mageninhalt  sind.  (Autoreferat.) 

Edvard  Welander-  Stockholm:  Zur  Frage  der  Syphilisbehand- 
lung  mit  Injektionen  von  Salizylsäurequecksilber  und  Merkuriolöl. 
(Hygiea  1907,  Heft  7.) 

Das  Sal.-Hg  ist  in  Aszitesflüissigkeit,  in  der  Flüssigkeit  aus  einer 
Ovarialzyste  und,  was  (besonders  wichtig  ist,  im  Blutserum  wesent¬ 
lich  löslicher  als  das  Thymol-Hg,  Kalomel  und  Merkuriol  (ziffern- 
mässige  Angaben).  In  Uebereinstimmung  hiermit  wird  das  injizierte 
Sal.-Hg  bedeutend  schneller  resorbiert  als  die  anderen  wasserunlös¬ 
lichen  Hg-Präparate;  dabei  wirdes  auch  erheblich  schneller  aus  dem 
Körper  wieder  eliminiert.  Hierüber  ausführliche  vergleichende  Unter¬ 
suchungen.  Mit  Hinweis  auf  seine,  durch  eine  Reihe  früherer  Unter¬ 
suchungen  begründete  Auffassung  von  der  Wirkungsweise  des  Queck¬ 
silbers  befürwortet  Verf.  die  Anwendung  von  Sal.-Hg-injektionen  (mit 
der  T  h  a  1  m  a  n  n  sehen  Nasenbehandlung  kombiniert),  wenn  es  gilt, 
im  Frühstadium  der  Syphilis  bösartige  oder  für  die  Umgebung  ge¬ 
fährliche  Symptome  zu  schnellem  Verschwinden  zu  bringen.  Das 
Merkuriolöl  ist  dagegen  bei  der  intermittenten  Präventivbehandlung 
von  grossem  Nutzen.  Eine  ziemlich  'umfassende  Kasuistik  beleuchtet 
die  Vorteile  der  Sal.-Hg-behandlung  in  Fällen  genannten  Charakters. 
Besondere  Aufmerksamkeit  widmet  Verf.  der  Frage  über  die  Gefahr, 
welche  bei  Merkuriofinjektionen  durch  Bildung  von  Hg-Depots  droht; 
er  teilt  einige  (zum  Teil  histologisch  untersuchte)  Fälle  von  solchen 
Depots  mit,  in  welchen  bösartige  Komplikationen  zustande  gekom¬ 
men  sind.  Bei  geeigneten  Dosen  und  besonders  wenn  man  nicht 
intramuskulär,  sondern  in  die  tiefste  Schicht  des  subkutanen  Ge¬ 
webes  injiziert,  ist  diese  Gefahr  indessen  ziemlich  gering. 

K.  G.  L  e  n  n  a  n  d  e  r  -  Upsala:  Ueber  Schmerzen  im  Bauche  und 
besonders  über  Schmerzen  bei  Ileus.  (Hygiea  1907,  Heft  7.) 

Der  Aufsatz,  welcher  auf  dem  Kongresse  der  American  Med. 
Association  im  Juni  1907  als  Einleitung  zur  Diskussion  über  „Ileus“ 
vorgetragen  wurde,  bringt  eine  kurze  Uebersicht  über  die  bekannten 
Untersuchungen  des  Verfassers  über  die  Sensibilitätsverhältnisse  in  der 
Bauchhöhle  und  über  Bauchschmerzen.  Verf.  gibt  zuirn  Schlüsse  fol¬ 
gende  Zusammenfassung  (vom  Ref.  etwas  abgekürzt):  Bei  der  Be¬ 
urteilung  von  Schmerzen  im  Bauche  und  besonders  bei  „Iieus“- 
symptömen  ist  zu  bemerken:  1.  und  2.  Die  Schmerzen  entstehen  nicht 
in  den  Eingeweiden,  welche  von  Nn.  vag.  et  sympath.  innerviert  wer¬ 
den,  Sondern  nur  in  der  Bauchwand  und  besonders  in  der  parietalen 
Serosa  und  Subserosa,  welche  von  zerebrospinalen  Nerven  innerviert 
werden:  3.  Jede  Dehnung  von  den  natürlichen  Verbindungen  des 
Magens  und  des  Darmes  mit  der  Bauchwand  sowie  von  band-  und 
strangförmigen  Adhärenzen  zu  diesen  ist  sehr  schmerzhaft.  4.  Das¬ 
selbe  gilt  von  jeder  Verschiebung  der  parietalen  Serosa.  5.  Die  mei¬ 
sten  Krankheiten  mit  „Ileus“  sind  im  Anfang  mit  verstärkter,  vielleicht 
in  der  Mehrzahl  ider  Fälle  unregelmässiger  Peristaltik  verbunden. 

6.  Chemisch  differente  Gemenge  —  wie  der  Ventrikel-,  Gallenblase-, 
Darm-  oder  Abszessinhalt  —  rufen  schwere  Schmerzen  hervor,  wenn 
sie  mit  dem  gesunden  oder  hyperämischen  Peritoneum  parietale  in 
Berührung  kommen  (Perforationsschmerz).  7.  Auch  die  geringfügigste 
Peritonitis,  die  „peritoneale  Reizung“,  vermehrt  in  hohem  Grade  die 
Empfindlichkeit  der  parietalen  Serosa.  8.  Diese  Empfindlichkeit  wird 
mit  zunehmender  Entzündung  zuerst  noch  mehr  gesteigert,  nimmt  aber 
in  vielen  Fällen,  wenn  die  Entzündung  einen  sehr  hohen  Grad  erreicht 
hat,  wieder  ab  und  kann  sogar  völlig  verschwinden. 


2544 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Derselbe:  Temporäre  Gastrostomie  bei  Magen-  und  Duo¬ 
denalgeschwüren,  besonders  bei  perforierenden  Geschwüren  mit 
gleichzeitiger  Retention.  (Hygiea  1907,  No.  8.) 

Im  Anschluss  an  einen  genau  beschriebenen,  mit  Gastrostomie 
(später  auch  mit  Gastroenterostomie)  behandelten  Fall  von  per¬ 
forierendem  Ulcus  ventriculi  diskutiert  Verf.  diie  Indikationen  ider  tem¬ 
porären  Gastrostomie.  Zum  Schlüsse  gibt  er  folgende  Zusammen¬ 
fassung  (vom  Ref.  etwas  abgekürzt):  Durch  die  temporäre  Gastro¬ 
stomie  kann  man  den  Magen  in  Ruhe  versetzen;  durch  die  Fistel  kann 
man  das  Innere  des  Magens,  ohne  den  Patienten  zu  belästigen,  mit 
Ausspülungen  behandeln.  Die  Fistel  ist  am  besten  an  der  Pars  pylorica 
zu  machen.  Die  Gastrostomie  soll  ausgeführt  werden:  1.  in  denjeni¬ 
gen  Fällen  von  akuter  Magendilatation,  in  welchen  Magenausspülungen 
nicht  schnell  zur  Genesung  führen;  2.  in  Fällen  von  Dünndarmpara- 
ly.se,  in  welchen  auch  der  obere  Teil  des  Dünndarmes  affiziert  ist; 
3.  bei  Operationen  wegen  perforierendem  Ulcus  ventriculi  oder  duodeni 
mit  Stenose  an  Pylorus  oder  Duodenum,  wenn  der  Allgemeinzustand 
des  Patienten  oder  die  Ausdehnung  der  Peritonitis  die  Gastrojejuno- 
stomie  verbietet;  4.  bei  perforierten  Geschwüren,  wenn  man  das  Ge¬ 
schwür  nicht  sicher  genug  verschliessen  kann;  wenn  man  5.  Veranlas¬ 
sung  hat  zu  vermuten,  dass  mehrere  Geschwüre  vorhanden  sind; 
wenn  6.  der  Grad  der  Peritonitis  Darmparalyse  befürchten  lässt; 
7.  neben  Jejunostomie  bei  chronischen  Geschwüren  mit  Stenosesym¬ 
ptomen,  wenn  der  Allgemeinzusfand  die  an  sich  indizierte  Gastro- 
jejunostomie  nicht  erlaubt. 

Patrik  FI  a  g  1  u  n  d  -  Stockholm :  Ueber  Frakturen  an  dem  Epi¬ 
physenkern  des  Kalkaneus  im  Jugendalter.  (Verhandlungen  des 
Aerztevereins  zu  Upsala  1906 — 1907,  H.  5 — 6.) 

Der  Aufsatz  ist  in  erweiterter  Form  auch  im  Arch.  f.  klin.  Chir. 
erschienen. 

H.  W  a  sen  i  u  s -Helsingfors:  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Uteruskontraktionen  bei  gebärenden  Frauen  und  über  den 
Einfluss  des  Aethers  und  des  Morphiums  auf  dieselben.  (Verhand¬ 
lungen  des  finnischen  Aerztevereins  Bd.  XLIX,  No.  7.) 

Um  einen  festen  Grund  für  die  Beurteilung  derjenigen  Fälle  zu 
gewinnen,  in  welchen  Aether  oder  Morphium  angewandt  wurden, 
teilt  Verf.  in  der  ersten  Abteilung  seiner  Arbeit  ausführliche  Versuche 
über  die  Uteruskontraktionen  unter  physiologischen  Verhältnissen  mit. 
In  sämtlichen  Versuchen  hat  Verf.  die  Methode  Westermarks 
(Skandinav.  Arch.  f.  Physiol.,  Bd.  IV,  1892  und  Arch.  f.  Gynäkol. 
Bd.  61)  angewandt;  der  intrauterine  Druck  wurde  in  der  Höhe  des 
Beckeneingangplanes  gemessen.  In  der  ersten  Abteilung  werden 
sämtliche  Faktoren,  welche  den  intrauterinen  Druck  hervorrufen  und 
beeinflussen,  sowohl  die  konstant  einwirkenden  als  die  periodischen 
und  zufälligen  genau  berücksichtigt;  die  Ergebnisse  lassen  sich  nicht 
in  einem  kurzen  Referate  zusammenfassen,  sondern  muss  auf  das  Ori¬ 
ginal  hingewiesen  werden;  zahlreiche  Tabellen  und  Kurven  illu¬ 
strieren  die  Resultate  (welche  somit  auch  dem  Ausländer  zum  grossen 
Teile  verständlich  werden).  Die  Versuche  mit  Aeternarkose  haben  zu 
folgenden  Ergebnissen  geführt:  Die  obstetrische  Narkose  (das  Weib 
hat  gegen  die  Wehen  noch  deutlich  reagiert)  hat  keinen  Einfluss  auf 
den  intrauterinen  Druck,  verlängert  die  Pausen  nicht,  beeinflusst  weder 
die  Dauer  der  Wehen,  noch  die  Kraft  der  Kontraktionen,  setzt  aber 
die  Kraft  der  Bauchpresse  etwas  herab.  Die  tiefe  Narkose  hat  eben¬ 
falls  keinen  Einfluss  auf  den  intrauterinen  Druck,  verlängert  aber  die 
Pausen,  verkürzt  die  Dauer  der  Wehen,  verringert  die  Kraft  der 
Kontraktionen  und  erlahmt  die  Bauchpresse.  Im  Anfang  scheint  der 
Aether  das  Kontraktionsvermögen  des  Uterus  zu  stimulieren;  nach 
Aufhören  der  Narkose  gewinnen  die  Wehen  spätestens  nach 
20  Minuten  ihre  ursprüngliche  Kraft  wieder.  Die  Wehenkurve  be¬ 
hält  während  der  Narkose  ihre  Form  bei.  Ueber  das  Morphium  lau¬ 
ten  die  Schlussfolgerungen:  0,015  g  subkutan  im  Anfang  der 
Dilatationsperiode  verzögert  die  Entbindung,  indem  die  Pausen  ver¬ 
längert,  die  Wehen  kürzer  werden,  und  der  Maximaldruck  herab¬ 
gesetzt  wird.  Der  Einfluss  des  Morphium  ist  schon  gegen  Ende  der 
ersten  Halbstunde  bemerkbar,  dauert  3— 3Vz  Stunden.  Dagegen 
scheint  0,015 — 0,02  g  am  Ende  der  Dilatationsperiode  oder  in  der 
Expulsionsperiode  gegeben,  keine  oder  nur  eine  ganz  geringfügige, 
schnell  vorübergehende  Einwirkung  auf  die  Entbindung  auszuüben. 

Emil  Jus  e  l  i  u  s  -  Finlartd :  Sphincter  pupillae,  dessen  embryo¬ 
logische  Entstehung  und  Entwicklung.  (Verhandlungen  des  finnischen 
Aerztevereins  Bd.  XLIX,  No.  7.) 

Verf.  hat  11  menschliche  Embryonen  von  9  om  Länge  ab  unter¬ 
sucht.  Die  Ergebnisse  seiner  Arbeit  fasst  er  in  folgenden  Punkten 
zusammen:  1.  Die  Entwicklung  des  Sphinkter  aus  dem  vorderen 
Ektodenmalblatt  in  der  sekundären  Augenblase  beginnt  bei  der  Fötus¬ 
länge  von  8—9  cm.  und  zwar  aus  Zellen,  welche  nahe  der  Umbiegungs¬ 
stelle  der  beiden  Ektodermblätter  an  der  zukünftigen  Pupillaröffnung 
liegen.  2.  Die  Umwandlung  des  Ektoderms  in  Muskulatur  geht  etwas 
früher  oder  etwa  gleichzeitig  mit  dem  Uebergang  des  Ektoderms 
im  Pigmentepithel  vonstatten.  3.  Dieser  beginnt  an  der  Irisbasis 
in  dem.  vorderen  Blatte  und  schreitet  gegen  den  Pupillarrand  vor, 
setzt  sich  von  hier  aus  in  dem  hinteren  Blatte  fort  und  erreicht 
wieder  die  Irisbasis  bei  der  Fötuslänge  von  19  cm. 

Carl  Tigerstedt-  Helsingfors:  Zur  Kenntnis  der  Verhält¬ 
nisse  im  Gefässystem  bei  Vermehrung  der  Blutmenge.  (Verhand¬ 
lungen  des  finnischen  Aerztevereins  Bd.  XLIX,  No.  7.) 


Verf.  hat  einerseits  defibriniertes  Kaninchenblut,  anderseits  die 
Ringer  sehe  Lösung  (5000  ccm  HaO,  45  g  NaCl,  1,5  g  KCl, 

1  g  CaCh,  1  g  NaHCÜ3  und  5  g  Dextrosie)  an  Kaninchen 
transfundiert,  das  Blut  in  Mengen  von  25 — 40  ccm;  die  Ringer  sehe 
Lösung  in  derselben  oder  etwas  grösserer  Menge.  Um  Koagulation 
zu  vermeiden,  wurden  10  mg  Hirudin  in  20  ccm  physiologischer  NaCl- 
Lösung  injiziert.  Das  Blutvolumen  wurde  in  der  Aorta  ascendens 
mit  einer  10,4  ccm  fassenden  Stromuhr  (nach  Robert  Tigerstedt) 
gemessen;  der  Blutdruck  wurde  peripher  von  der  Stromuhr  mit  einem 
Hg-Manometer  registriert.  Die  wichtigsten  Ergebnisse  der  Versuche 
sind  folgende:  Bei  Injektion  einer  Flüssigkeit  von  geringerer  Viskosität 
als  das  Blut,  wird  die  Viskosität  des  Blutes  und  damit  der  Widerstand 
gegen  den  Blutstrom  in  den  Arterien  herabgesetzt;  infolge  dessen 
kann  das  Herz  die  vermehrte  Blutmenge  ohne  zu  ermüden  beherr¬ 
schen.  Nach  Injektion  einer  Flüssigkeit  mit  hoher  Viskosität  (hier' 
Blut),  ruft  dagegen  jede  Vermehrung  des  Sekundenvolumens  eine 
Steigerung  des  Blutdruckes  hervor,  wodurch  das  Herz  leicht  über¬ 
anstrengt  wird.  Wenn  der  Druck  eine  gewisse  Höhe  erreioht,  kann 
das  Herz  das  hinreichende  Blutvolumen  nicht  austreiben;  eine  Stau¬ 
ung  tritt  ein.  Nach  einer  Injektion  von  einer  Flüssigkeit  mit  ver¬ 
hältnismässig  geringer  Viskosität,  wird  das  Sinken  des  Blutdruckes 
dadurch  verhindert,  dass  das  Herz  ein  bedeutend  grösseres  Volumen 
als  vorher  austreibt.  Während  das  Herz  fast  augenblicklich  auf  Ver¬ 
änderungen  der  Blutmenge  reagiert,  scheinen  die  Gefässe  dies  be¬ 
deutend  langsamer  zu  tun.  Dass  jedoch  auch  die  Gefässe  für  das 
Beibehalten  eines  konstanten  Druckes  eine  grosse  Bedeutung  haben, 
ist  keineswegs  zu  verneinen.  G.  Forssner  -  Stockholm. 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten. 

(Schluss.) 

B entmann  und  Günther:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Try¬ 
panosoma  gambiense.  (Beiheft  2,  zum  Archiv  für  Schiffs-  und  Tropen¬ 
hygiene,  Bd.  XI.) 

Das  Ausgangsmaterial  wurde  zwei  Europäern  entnommen,  von 
denen  der  eine  im  Hinterland  von  Kamerun,  der  andere  in  Uganda 
infiziert  war.  Ersterer  litt  an  Trypanosomiasis,  letzterer  ging  im 
Seemannskrankenhaus  an  Schlafkrankheit  zu  gründe.  Die  Stämme 
wurden  in  Tierpassagen  fortgezüchtet.  Die  vergleichenden  Unter¬ 
suchungen  des  Baues  beider  Stämme  haben  wesentliche,  morpho¬ 
logische  Unterschiede  nicht  ergeben.  Die  Grössenmasse  des  Zell¬ 
körpers  und  seiner  morphologischen  Bestandteile  zeigten  innerhalb 
beider  Stämme  Schwankungen  von  gleicher  Breite.  Die  experi¬ 
mentelle  Infektion  der  Versuchstiere  erzeugte  in  allen  Tiergruppen, 
mit  Ausnahme  der  Meerschweinchen  eine  chronische,  fast  stets  töd¬ 
lich  verlaufende  Krankheit.  Bei  zwei  Affen  des  Ugandastammes  wurde 
einige  Tage  vor  dem  Tode  typische  Somnolenz  beobachtet.  Pathogene 
Unterschiede  der  beiden  Stämme  haben  sich  lediglich  in  dem  Grade  der 
Virulenz  ergeben.  Durch  Weiterzüchten  der  Trypanosomen  in  homo¬ 
genen  Passagen  bei  Mäusen,  Ratten  und  Affen  Hess  sich  eine  Virulenz¬ 
steigerung  erzielen,  die  ungefähr  denselben  Grad  erreichte.  Das 
Krankheitsbild  und  der  pathologische  Effekt  zeigten  bei  den  Kaninchen 
und  Meerschweinchen  einen  von  den  übrigen  Versuchstieren  völlig 
abweichenden  Typus.  Die  Meerschweinchen  belassen  eine  Art  natür¬ 
licher  Speziesresistenz.  Natürliche  Uebertragung  des  Trypanosoma 
durch  Läuse  auf  Ratten  wurde  nicht  beobachtet.  Nach  intraperi¬ 
tonealer  Infektion  von  Mäusen  und  Ratten  fand  zunächst  lebhafte  Ver¬ 
mehrung  der  Parasiten  in  der  Bauchhöhle  statt,  bis  der  Uebertritt 
in  den  Blutkreislauf  erfolgte.  Hier  scheint  eine  zweite  Periode  der 
Vermehrung  einzusetzen.  Nach  einigen  Tagen  waren  die  Parasiten 
plötzlich  verschwunden.  Im  weiteren  Verlauf  wurde  periodisches 
Auftreten  und  Verschwinden  beobachtet.  Auch  hier  erläutern  recht 
gute  Lithographien  und  Photographien  den  Text. 

Kaether:  Die  Medizin  in  China.  (Deutsche  militärärztliche 
Zeitschrift,  Bd.  16,  H.  18,  19.  20.  21.) 

Sehr  lesenswerte  Arbeit,  die  vielseitige  Details  über  die  chinesi¬ 
schen  Ansichten  vom  menschlichen  Körper,  seinen  Krankheiten  und 
ihrer  Heilung  bringt  und  in  ihrem  letzten  Teil  die  medizinischen  Be¬ 
strebungen  des  modernen  China  beleuchtet. 

Schilling:  Immunisierung  von  Rindern  gegen  Tsetsekrankheit. 
(Deutsches  Kolonialblatt  1907,  H.  18.) 

Die  dem  Verf.  vom  Reichskolonialamt  gestellte  Aufgabe  bestand 
darin,  zu  ermitteln,  ob  die  von  ihm  1902  und  1904  gegen  Nagäna  vor¬ 
behandelten  Rinder  immun  seien  oder  nicht.  Er  kommt  zu  dem 
Schluss,  dass  es  mit  seiner  Methode  nicht  gelingt,  Rinder  gegen  die 
Tsetsekrankheit  in  ihrer  schwersten  Form  zu  schützen.  Die  verschie¬ 
denen  Naganastämme  sind  von  sehr  verschiedener  Virulenz,  sodass 
die  Nagana  je  nach  der  Oertlichkeit,  an  welcher  die  Infektion  erfolgte, 
verschieden  schwer  verläuft.  Atoxyl  und  Farbstoffe  haben  keinen 
nennenswerten  Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Erkrankung.  Bei  zu¬ 
nehmender  Kultivierung  des  Bodens  scheint  die  Seuche  zurückzu¬ 
gehen.  Versuche  in  der  Heimat  sind  nicht  nur  an  den  kleinen  Labo¬ 
ratoriumstieren.  sondern  auch  an  grösseren  Haustieren  anzustellen. 

Riegel:  Zur  Frage  der  Trinkwasserversorgung  der  Landungs¬ 
korps.  (Marinerundschau  1907,  Heft  10.) 

Das  von  Eben  angegebene  „tragbare  Berkef eidfilter  M.  1905“ 
hat  geringes  Gewicht,  kleine  Abmessungen,  Möglichkeit  schneller 
Gebrauchsfertigkeit  (Vz  Minute),  genügende  Ergiebigkeit  (1  Liter 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2545 


Wasser  in  der  Minute)  und  genügend  lange  Keimdichtigkeit.  Nach¬ 
teile  sind  rasche  Verschlammung  bei  stark  verunreinigten  Wässern, 
Abnutzung  der  Kerze  bei  der  Reinigung  und  dadurch  bedingte  mäs- 
sige  Lebensdauer,  Notwendigkeit  der  Ausbildung  besonderer  Be¬ 
dienungsmannschaften  und  Unsicherheit  der  länger  gebrauchten  Kerze 
in  bezug  auf  Keimdichtigkeit.  Riegel  hält  das  Filter  nach  seinen 
Laboratoriumsversuchen  für  die  Landungskorps  unserer  Auslands- 
schiffe  für  geeignet. 

Teizo  Iwai:  Statistische  Studien  über  Polymastia  unter  den  Ja¬ 
panern.  (The  Lancet,  14.  Sept.  1907,  S.  753.) 

Ueberzählige  Brustwarzen  finden  sich  bei  den  Japanern  bis  zur 
Höchstzahl  von  6  in  1,7  Proz.  der  Männer,  und  5,2  Proz.  der  Frauen. 
Der  Sitz  isit  meist  oberhalb  der  Brustwarzen  am  vorderen  Rand  der 
Achselhöhle  oder  am  Oberarm  und  zwar  öfter  links  als  rechts.  Die 
Missbildung  ist  erblich.  Bei  ausgebildeten  Brustdrüsen  tritt  nach 
etwaigen  Geburten  Milchsekretion  auf. 

R.  Cook:  Schlafkrankheit.  (Daselbst,  26.  Oktober  1907, 
S.  1160.) 

Die  Punktion  der  geschwollenen  Halsdrüsen  ist  die  beste  dia¬ 
gnostische  Methode,  doch  misslingt  auch  in  ausgesprochenen  Fällen 
hin  und  wieder  der  Nachweis  von  Trypanosomen,  während  oft  bei 
im  ersten  Stadium  stehenden  Fällen  sich  reichlich  Trypanosomen 
finden.  Zur  Bekämpfung  wurden  in  Uganda  vier  Punkte  beobachtet: 
Isolierung  der  sicher  an  Schlafkrankheit  leidenden,  zwangsweise  Ent¬ 
fernung  aller  Eingeborenen  von  Plätzen  mit  Tsetsefliegen,  Ausrottung 
von  Tsetse  an  Landungsstellen,  Märkten  und  Wasserplätzen,  Be¬ 
lehrung  der  Eingeborenen  über  die  Verbreitungsweise  der  Krankheit 
und  die  Bedeutung  der  Ausrottung  des  Unterholzes  in  Tsetsegegen- 
den.  Die  Eingeborenen  lehnen  im  allgemeinen  die  Verbreitung  der 
Schlafkrankheit  durch  die  Tsetse  ab.  Wohnungen  weit  genug  vom 
Seeufer  und  weisse  Kleider  schützen  den  Europäer  (nach  Koch). 
Atoxyl  ist  das  beste  Mittel,  entweder  nach  Koch  an  zwei  aufeinander¬ 
folgenden  Tagen  mit  einem  Zwischenraum  von  18  Tagen  subkutan 
in  Dosen  von  etwa  0,5  gegeben  oder  häufiger  (Koch  hat  später  die 
Zwischenraumzeiten  auch  gekürzt.  Der  Ref.) 

M  o d  d e  r  - Kalutara  (Ceylon):  Uebertragung  von  Yaws  durch 
Zecken.  (Journal  of  tropical  Medicine,  Bd.  X,  H.  11,  1.  Juni.) 

Verfasser  folgert  aus  epidemiologischen  Beobachtungen  und  unter 
Verwertung  von  Analogieschlüssen,  dass  Zecken  Frambösie  über¬ 
tragen.  Der  experimentelle  Nachweis  wird  nicht  erbracht. 

Critien:  Einige  Beobachtungen  über  Blutseruinreaktion  bei 
Tuberkulose  und  Mittelmeerfieber  in  Malta.  (Daselbst  Bd.  X,  H.  11, 
1.  Juni.) 

Positive  Blutserumagglutination  des  Micrococcus  melitensis  lässt 
oft  eine  beginnende  Tuberkulose  übersehen,  während  das  Maltafieber 
weit  zurückliegt  oder  nur  als  leichte  Nebenerscheinung  besteht.  Posi¬ 
tive  Reaktion  bei  Verdünnungen  von  Rio  und  stärkeren  Verdünnungen 
ist  stets  beweisend  für  Maltafieber.  Tuberkulöse  Erkrankungen  sind 
nie  imstande  das  Serum  zu  einer  für  den  Microc.  melitensis  DOsitiven 
Reaktion  zu  veranlassen.  Bestehen  bei  erfolgender  Agglutination 
nicht  eindeutige  klinische  Zeichen,  so  ist  sorgfältige  und  dauernde 
Untersuchung  und  Beobachtung  auf  Tuberkulose  geboten. 

Simpson:  Ueber  Pest  (Croonian  Lectures).  (Daselbst  Bd.  X, 
H.  13,  14,  15.  16,  17.) 

Ausführliche  Vorlesungen  über  Geschichte,  soziale  Effekte,  Klinik, 
Epidemiologie,  Bekämpfung.  Ausbreitungsart,  Immunisierung  und  Be¬ 
handlung  der  Pest  mit  vielen  lesenswerten  Einzelheiten. 

Hunter  und  Koch:  Beriberi  in  Hongkong.  (Daselbst,  Bd.  X, 
H.  16.  15.  August  1907.) 

Die  Angaben  beziehen  sich  auf  die  von  1895  bis  1904  im  Tung- 
Wah-Hospital  in  Hongkong  beobachteten  Fälle.  Die  Zahl  der  Zu¬ 
gänge  an  Beri-Beri  stieg  jährlich,  und  zwar  etwa  4  mal  so  schnell 
als  die  Bevölkerungzahl.  Es  wurden  wesentlich  mehr  Männer  als 
Weiber  behandelt.  Die  meisten  Kranken  standen  im  Alter  zwischen 
20  und  30  Jahren,  also  im  Alter  der  rüstigsten  Betätigung.  Die  jähr¬ 
liche  Zugangskurve  zeigte  ihren  Höhepunkt  in  den  Monaten  Juli, 
August  und  September,  also  in  der  zweiten  Hälfte  der  heissen,  feuch¬ 
ten  Zeit.  Ausser  der  seltenen  perakuten,  fast  stets  tödlichen  Form 
lassen  sich  alle  Fälle  auf  zwei  Grundformen  zurückführen,  die  wasser¬ 
süchtige  und  die  atrophische  Form.  Die  vorzügliche  Beschreibung  des 
Krankheitsbildes  bringt  nichts  wesentlich  neues.  Diagnostisch  sind 
die  wichtigsten  Punkte  Anästhesien  an  den  Beinen,  Oedeme  vor  den 
Schienbeinen,  Druckschmerz  der  Wadenmuskeln,  Verlust  der  Knie¬ 
reflexe.  Herzbeschwerden.  Die  Durchschnittsbehandlungsdauer  be¬ 
trug  40 — 42  Tage,  die  Durchschnittsmortalität  48,6  Proz.  (Japan  2,5 
bis  3,7  Proz.,  Holländisch  Indien  2  bis  6  Proz.).  Es  zeigten  sich  in¬ 
dividuelle  und  jährliche  Verschiedenheiten  im  Verlauf  der  Fälle.  Be¬ 
ruflich  ergreift  die  Krankheit  vorzüglich  Kulis.  Doch  ist  fast  keine 
Berufsklasse,  die  auf  Handarbeit  angewiesen  ist,  frei  von  Fällen.  Die 
Krankheit  erscheint  im  engeren  Sinne  weder  kontagiös  noch  infektiös. 
Länge  der  Inkubation  und  der  Latenz  sind  unbekannt.  Erscheinungen 
nach  Ansteckungsgelegenheit  treten  .auf  am  31.  bis  103.  Tage.  Eine 
Attacke  prädisponiert  zur  Erwerbung  einer  zweiten.  10  Proz.  der 
Erkrankten  litten  schon  früher  an  Beriberi.  Jährliche  Reinfektionen 
kommen  vor.  Prophylaktisch  ist  Hebung  der  hygienischen  Be¬ 
dingungen,  besonders  der  Wobnungs-,  Ernährungs-  und  Abwässer¬ 
hygiene  wesentlich.  Behandlung  ist  symptomatisch. 

No.  51. 


G  r  a  1 1  a  n :  Ueber  Schwarzwasserfieber  in  Sierra  Leone.  (Jour¬ 
nal  of  the  Royal  Arrny  Medical  Corps,  Bd.  IX,  H.  9.) 

Das  Schwarzwasserfieber  setzt  Malariainfektion  voraus.  Die 
Parasiten  sind  oft  spärlich  und  schwer  zu  finden.  Vielleicht  ist  eine 
bestimmte,  den  gewöhnlichen  malignen  Tertianafieberpapasiten  ver¬ 
wandte  Spezies  für  die  Entstehung  des  Schwarzwasserfiebers  ver¬ 
antwortlich  zu  machen,  die,  während  sie  Pigment  nicht  bildet,  viel¬ 
leicht  eine  toxische,  die  Hämolyse  bewirkende  Substanz  absondert. 
Die  Krankheit  befällt  keine  Neulinge.  Mechanischer  und  medikamen¬ 
töser  Schutz  vor  Malaria  vermindert  die  Zahl  der  Schwarzwasser¬ 
fieberfälle. 

T  reherne:  Chinin  bei  Malaria.  (Daselbst  Bd.  IX,  H.  3,  S.  276.) 

Chininprophylaxe  hat  so  wenig  Wirkung  gezeigt,  dass  sie  sich  für 
Truppen  in  Malariagegenden  nicht  rechtfertigen  lässt.  Chinin 
soll  ni(?ht  schematisch  täglich  zur  selben  Zeit,  sondern  eine  Stunde  vor 
dem  zu  erwartenden  Anfall  gegeben  werden. 

Ashburn  und  G  r  a  i  g  (Manila) :  Tropenkrankheiten  auf  den 
Philippinen.  (The  Military  Surgeon,  Bd.  XXI,  H.  3.) 

Aus  den  Mitteilungen  der  Verfasser  seien  einige  bemerkens¬ 
werte  Beobachtungen  erwähnt.  Die  Filaria  Philippinensis  ist  eine 
bis  dahin  unbeschriebene  Spezies,  die  sich  während  ihrer  14 — 15  tägi¬ 
gen  Entwicklung  im  Culex  fatigans  und  im  Blut  des  Wirtes  von  den 
bekannten  Filarien  unterscheiden  lässt.  Sie  kommt  nicht  perio¬ 
disch  im  Blut  vor,  sondern  ist  dauernd  nachweisbar.  —  For¬ 
schungen  über  die  Aetiologie  des  Denguefiebers  überzeugten  die 
Verff.,  dass  im  Blut  weder  ein  Bakterium  noch  ein  Protozoon  weder 
kulturell  noch  mikroskopisch  nachzuweisen  ist.  Da  jedoch  intravenöse 
Uebertragung  von  Dengueblut  bei  Gesunden  Dengue  erzeugte,  liegt 
der  Krankheit  vielleicht  ein  ultramikroskopisches  Lebewesen  zu¬ 
grunde.  Uebertragung  ist  möglich  und  pflegt  wahrscheinlich  vor  sich 
zu  gehen  durch  Culex  fatigans.  Inkubationszeit  3  Tage  und  14  Stun¬ 
den.  —  Die  Entamoeba  coli  ist  wohl  von  der  Entamoeba  dvsenteriae 
(=  hystolitica,  d.  Ref.)  zu  unterscheiden.  Erstere  wurde  unter 
100  Untersuchten  bei  72  gefunden,  die  keine  Krankheitszeichen  boten, 
letztere  bei  2,  die  an  Dysenterie  litten. 

Holton  C.  Curl:  Chirurgische  Dysenteriebehandlung.  (Daselbst 
Bd.  XXI,  H.  4.) 

Bei  einer  grossen  Zahl  von  mittelschweren  Fällen,  bei  denen 
auf  innerem  Wege  trotz  aller  Versuche  Besserung  nicht  erzielt 
wurde,  ist  chirurgische  Behandlung  dringend  zu  empfehlen.  Auch 
bei  schweren  Fällen,  mit  sicherer  Aussicht  auf  letalen  Ausgang,  kann 
die  Operation  noch  unerwartete  Erfolge  bringen.  Der  Zweck  der 
Operation,  Spülflüssigkeiten  in  direkte  Verbindung  mit  der  erkrank¬ 
ten  Darmschleimhaut  zu  bringen,  wird  erreicht,  entweder  durch  Ein- 
nähung  des  amputierten  Appendix  in  die  Bauchwand  oder  durch  Ein- 
nähung  und  spätere  Eröffnung  des  Zoekum.  Die  erste  Methode  hat 
die  Nachteile  des  kleinen  Lumen,  der  Neigung  zur  Nekrose  des  ein¬ 
genähten  Appendixstiiakes,  der  oft  unumgänglichen  Zerrung  des  Zoe¬ 
kum  und  der  Schwierigkeiten,  die  oft  dem  Versuch  des  Fistelscblusses 
entgegentreten.  Ihre  Vorteile  sind:  Kürzere  Operationsdauer,  Mög¬ 
lichkeit,  sofort  nach  Einnähung  zu  irrigieren,  geringere  Verwach¬ 
sungen.  Verf.  zieht  die  Zoekostomie  vor.  Von  20  Fällen  ge¬ 
nasen  11.  Es  starben  5,  davon  1  an  Tuberkulose  und  3  schon  bei  der 
Operation  Hoffnungslose.  2  besserten  sich,  2  sind  noch  in  Be¬ 
handlung. 

Percy  M.  Ashburn:  Tropenkrankheiten  auf  den  Philippinen. 

(Daselbst  Bd.  XXI,  H.  4.) 

Yaws  kommt  nur  in  einigen  Gegenden  der  Philippinen  vor.  In 
allen  untersuchten  Fällen  wurde  das  Treponema  pertennuis  (C  a  s  t  e  1- 
1  a  n  i)  zahlreich  nachgewiesen.  Es  ist  in  der  Form  nicht  vom 
Treponema  pallidum  (Schau  dinn)  zu  unterscheiden.  Ueber¬ 
tragung  auf  niedere  Affen  gelang.  Zur  Ausbreitung  der  Seuche  ist 
heisses,  trockenes  Wetter  günstig.  Die  Dauer  der  unbehandelten 
Krankheit  schwankt  von  3  Monaten  zu  mehreren  Jahren.  7  von 
9  Fällen  waren  Kinder.  Die  Krankheit  erscheint  direkt  kontagiös. 
doch  nur  bei  vorhandenen  Hautverletzungen  oder  in  geringem  Grade., 
Ausser  papulösen  und  ulzerösen  Prozessen  sah  Verf.  eine  eigentümliche 
Knochenauftreibung,  die  er  auf  Yaws  zurückführt.  Yaws  und  Syphilis 
sind  verschiedene,  aber  ähnliche  Erkrankungen.  Erstere  zeigt  Uni¬ 
formität  der  Erscheinungen,  keinen  genitalen  Primäraffekt,  epidemische 
Verbreitung  besonders  unter  den  Kindern,  (keine  Iritis  und  keine  Haar¬ 
verluste,  typische  Form  der  Bildungen  und  Impfbarkeit  auf  niedere 
Affen. 

Lepra-  und.  Tuberkelbazillen  lassen  sich  durch  Färbemethoden 
nicht  unterscheiden. 

Von  28  untersuchten  eingeborenen  Geisteskranken  zeigten  23 
Darmparasiten  (6  Uncinaria).  Hymenolepis  nana  wurde  nicht  ge¬ 
funden. 

Clarence  L.  Cole:  Necator  americanus  bei  Eingeborenen  der 
Philipninen.  (Daselbst  Bd.  XXI,  H.  4.) 

Eine  Kompagnie  von  „Philippine  Scouts“  war  zu  52  Proz.  mit 
Necator  americanus  infiziert.  Es  gibt  mehrere  Varietäten  .von  Necator 
americanus.  Die  auf  den  Philippinen  meist  gefundene  wird  unter  Bei¬ 
fügung  von  Abbildungen  beschrieben. 

Holcomb:  Die  Bilharziosis  Westindiens  und  das  Schistomum 
Mansoni  (Sambon  1907).  (United  States  Naval  Med.  Bulletin  Bd.  1, 
H.  2). 


5 


2546 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Das  Schistomum  Mansoni  ist  eine  wohlcharakterisierte  und  wohl- 
unterschiedene  Spezies.  Anfolgendes  Schema  gibt  die  Unterschiede 
des  Schistomum  haematobium  und  Schistomum  Mansoni. 


Schistonfum  haematobium  Schistomum  Mansoni 


1.  Eier  werden  zumeist  abgelegt 
in  die  Submukosa  des  Geni- 
tourinaltrakts. 

2.  Eier  werden  mit  dem  Urin  ent¬ 
leert. 

3.  Eier  haben  einen  dornartigen 
Fortsatz  am  Ende. 

4.  Folgen  der  Infektion  sind:  Hä¬ 
maturie,  polypöse  Bildungen 
der  Blasenschleimhaut,  Zystitis, 

Pyelitis,  Blasensteine  und  peri¬ 
neale  Fisteln. 

5.  Farbe  des  Männchens  milch- 
weiss. 

6.  Der  ventrale  Sauger  des  Männ¬ 
chens  entspricht  dem  halben 
Durchmesser  des  Schistomum- 
körpers,  an  der  Stelle  des  Sitzes 
d.  ventralen  Saugers  gemessen. 

7.  Eier  stehen  mit  ihrer  Längs¬ 
achse  der  Längsachse  des  Ei¬ 
leiters  parallel. 

8.  Ausbreitungsgebiet  fällt  mit 
dem  des  Schistomum  Mansoni 
nicht  zusammen.  (Kapkolonie.) 

Mischinfektionen  kommen  vor.  Es  entleerte  dann  der  Darmkanal 
Eier  mit  seitlich  gesteiftem  Dorn,  der  Urogenitalkanal  Eier  mit  ter¬ 
minal  gestelltem  Dorn:  einen  verbürgten  Fall  der  Entleerung  von 
beiden  Sorten  von  Eiern  mit  den  Fäzes  erklärt  Verf.  so,  dass  bei 
dem  Kranken  Männchen  und  Weibchen  des  Schistoma  Mansoni  zu¬ 
gegen  waren,  doch  nur  Weibchen  vom  Schistoma  haematobium. 
Das  Männchen  der  ersten  Spezies  habe  zweifellos  das  Weibchen  der 
zweiten  in  die  Gewebe  des  Darmkanals  gelockt.  Bau  und  Entwick¬ 
lung  des  Schistomum  Mansoni  werden  beschrieben;  Kasuistik  von  10 
in  Westindien  beobachteten  Fällen  ergänzt  die  Mitteilung. 

Vale  nee:  Alopecie  und  Marine.  (Archives  de  Medicine  Navale 
Bd.  28,  H.  6.) 

Alopecie  galt  früher  für  infektiös.  Demgemäss  wurden  Kahl¬ 
köpfige  vom  Besuch  höherer  Schulen  Frankreichs  ausgeschlossen. 
Zurzeit  scbliesst  Kahlköpfigkeit  vom  Besuch  höherer  Schulen  nicht 
aus.  Für  die  Einstellung  zum  Heeresdienst  ist  je  nach  der  Art  des  Lei¬ 
dens  den  Aerzten  freie  Hand  gelassen.  Zum  Marinedienst  wird  auch 
heute  der  Kahlköpfige  nicht  zugelassen.  Verf.  weist  auf  die  Wider¬ 
sprüche  hin  und  fordert  Aenderung  der  für  die  Einstellung  zum 
Marinedienst  gültigen  Bestimmungen. 

W  1  a  d  y  t  s  c  h  k  o  -  Moskau :  Ueber  den  Einfluss  der  offenen 
See  und  des  Schaukelns  auf  einige  Psychosen.  (Dissertation  der 
Moskauer  Universität.) 

Verf.  begleitete  einen  Transport  geisteskranker  Offiziere  und  Sol¬ 
daten  nach  dem  Fall  von  Port  Arthur  auf  dem  Rückweg  nach  Odessa. 
Ueberfahrtdauer  70  Tage.  Er  kommt  zu  folgenden  Schlussätzen- 
Seereisen  auf  offenem  Meer,  die  mit  Schaukeln  verbunden  sind,  können 
bei  bis  dahin  Geistesgesunden  Geisteskrankheiten  hervorrufen. 
Psychisch  Erkrankte,  am  meisten  depressiv  Erkrankte,  neigen  zur  See¬ 
krankheit.  Am  wenigsten  hat  die  Seekrankheit  Zutritt  bei  Mania- 
kahschen,  Patienten  mit  Amentia  und  Alkoholpsychosen.  Seitliches 
Schaukeln  zeigt  sich  gefährlicher  als  Kielschaukeln.  Durch  Seekrank¬ 
heit  wurde  die  Geisteskrankheit  ungünstig,  durch  die  Seefahrt  bei 
ruhigem  Wetter  günstig  beeinflusst.  Wurden  Geisteskranke  nicht 
seekrank,  so  wurde  auffällige  Besserung  ihres  Geisteszustandes  bis 
zum  V  erschwinden  der  Psychose  während  der  Seereise  beobachtet. 

Jordansky  und  Klodnitzky:  Ueber  Pestinfektion  durch 
Insekten.  (Russische  medizinische  Rundschau  Bd.  V,  H.  8.) 

Wanzen,  die  sich  am  Blute  pestinfizierter  Tiere  oder  Menschen 
vollgesogen  haben,  stellen  eine  ungeheure  Infektionsgefahr  dar.  Die 
I  estbazillen  töten  die  Wanzen  nicht,  sondern  nehmen  in  ihnen  an 
\  ii u lenz  zu.  In  'den  ersten  3  lagen  enthielt  das  von  Wanzen  ge- 
saugte  Blut  ebensoviel  Pesterreger,  als  das  Blut  der  Maus,  bei  der 
die  Infektion  erfolgte.  Vom  3.  bis  6.  Tage  fand  man  im  Wanzenblut 
Reinkulturen  von  Pesterregern,  die  sich  am  8.  bis  10.  Tage  in  In- 
\  olutionsformen  auflösteii.  Das  Erscheinen  der  Involutionsformen 
läht  mit  den  Veränderungen  der  Struktur  des  Blutes  zusammen. 
Mäuse,  die  mit  einer  aus  dem  infizierten  Wanzenblut  hergestellten 
Emulsion  geimpft  wurden,  gingen  an  Pest  zugrunde,  am  schnellsten, 
s\  c n n  das  Blut  den  Wanzen  6 — 8  Tage  nach  dem  Vollsaugen  ent¬ 
nommen  war.  z  u  r  Verth-  Berlin. 


1.  Eier  werden  zumeist  abgelegt 
in  die  Submukosa  von  Kolon 
und  Rektum,  ferner  in  die  Leber. 

2.  Eier  werden  mit  dem  Kot  ent¬ 
leert. 

3.  Eier  haben  einen  dornartigen 
Fortsatz  an  der  Seite. 

4.  Infektionsfolgen  sind  Kolitis, 
Leberzirrhose,  Leberabszess. 


5.  Männchen  dunkler  gefärbt. 

6.  Der  ventrale  Sauger  d.  Männ¬ 
chens  entspricht  2,3  des  Durch¬ 
messers  d.  Schistomumkörpers, 
an  der  Stelle  seines  Sitzes  ge¬ 
messen. 

7.  Eier  treten  zur  Längsachse  ge¬ 
neigt  in  den  Eileiter  ein. 

8.  Hat  andere  Ausbreitungsge¬ 
biete.  (Puerto  Rico.) 


Inauguraldissertationen.*) 

Joannis  Karamitsas  hat  im  Aufträge  von  Prof.  v.  Tap¬ 
peiner  und  mit  Unterstützung  von  Privatdozent  Jodlbauer  im 
pharmakologischen  Institut  zu  München  Untersuchungen 
über  die  Wirkung  des  Lichtes  auf  das  oxydierende, 
intrazelluläre  (bisher  wurden  mit  Ausnahme  der  Zymase  nur  ausser¬ 
halb  der  Zelle  wirkende  Fermente  untersucht)  Fe  r  m  e  n  t  Peroxy¬ 
dase  und  die  Sensibilisierung  durch  fluores¬ 
zierende  Stoffe  angestellt,  über  die  er  in  seiner  gehaltvollen 
Dissertation  berichtet  (München  1907,  35  S.).  Er  fasst  seine  Ergeb¬ 
nisse  kurz  in  folgenden  Sätzen  zusammen:  I.  Die  Peroxydase  ist  durch 
Licht  ziemlich  leicht  angreifbar,  vor  allem  durch  die  ultravioletten 
Strahlen.  2.  Die  Empfindlichkeit  des  Fermentes  gegenüber  sicht¬ 
barem  Licht  kann  durch  Eosinzusatz  gesteigert  werden.  Diese  Sen¬ 
sibilisierung  tritt  in  den  Versuchen  deutlich  hervor,  bei  denen  die 
ultravioletten  Strahlen  möglichst  abfiltriert  sind.  Jedenfalls  ist  das 
Sensibilisierungvermögen  sehr  gering.  3.  Im  Gegensatz  zu  Eosin  sind 
Methylenblau  und  dichloranthracendisulfonsaures  Natron  für  Per¬ 
oxydase  keine  Sensibilisatoren.  4.  Die  Wirkung  der  sichtbaren  Strah¬ 
len  auf  Peroxydasen  tritt  wesentlich  nur  bei  Sauerstoffanwesenheit 
ein,  ist  somit  eip  Oxydationsvorgang.  5.  Die  Wirkung  der  ultravio¬ 
letten  Strahlen  findet  sowohl  bei  Sauerstoffen-  wie  Abwesenheit 
statt. 

Einer  Arbeit  von  Hugo  Grünwahd:  D  3  s  Erysipel  auf 
der  ersten  medizinischen  Abteilung  in  den  Jahren 
1896—1905  liegen  157  Fälle  der  Klinik  Prof.  v.  Bauers  (München) 
zu  gründe.  Die  Mortalität  betrug  46,8  Proz.  (Zürich.) 

Der  Arbeit  von  D.  Lessitschkoff:  Ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  des  G  e  s  i  c  h  t  s  e  r  y  s  i  p  e  1,  seine  Häufigkeit 
und  Mortalität  liegen  107  Fälle  des  Genfer  Kantonalhospitals 
zu  gründe.  Die  Mortalität  betrug  7,01  Proz.  (München  1907.) 

Ueber  Erysipel  im  Kindesalter  berichtet  R.  Kunin  in 
einer  Arbeit  aus  dem  KinderSpital  Zürich.  Der  Arbeit  liegen  64  Fälle 
zu  gründe;  die  Mortalität  betrug  11,21  Proz.  (Genf  1906.) 

Bei  Hodentuberkulose,  die  die  einzige  tuberkulöse  Mani¬ 
festation  im  einzelnen  Fall  sein  kann,  ist  die  Kastration  die 
Methode  der  Wahl;  bei  frühzeitiger  Ausführung  derselben  sind  die 
augenblicklichen  und  späteren  Resultate  -sehr  günstige.  Zugleich  hat 
die  Kastration  in  diesen  Fällen  einen  vorzüglichen  Einfluss  auf  das 
Allgemeinbefinden,  welches  sich  darnach  „rapid“  hebt.  Ueber  die 
Spätresultate  der  Behandlung  der  Hodentu. ber- 
kulose  mittels  Kastration,  von  M.  I  Li  eff  (Lausanne). 

Ueber  das  Pseudoadenoma  ad  amantin  um  berichtet 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Diagnose 
und  Therapie  Hermann  Dreybladt  in  einer  Arbeit  aus  der 
chirurgischen  Klinik  zu  Berlin.  Er  kommt  zu  folgenden  Thesen: 
Die  von  den  Zahnkeimen  ausgehenden  Geschwülste,  sind  ihrer  mikro¬ 
skopischen  Struktur  nach  am  besten  als  „Pseudoadenoma  adaman- 
tinum“  zu  bezeichnen.  Diese  Tumoren  sind  ihrem  Charakter  nach  den 
gutartigen  zuzurechnen,  müssen  jedoch  ihres  ausgedehnten  Wachs¬ 
tums  wegen  wie  maligne  Tumoren,  d.  h.  durch  Exartikulation  der 
Kieferhälfte  behandelt  werden.  In  der  Nachbehandlung  ist  auf  eine 
sofort  eingeleitete,  sachgemäss  durchgeführte  Prothesenbehandlung 
zu  achten.  —  Das  Literaturverzeichnis  umfasst  5  Seiten.  (Berlin  1907, 
58  Seiten.)  Fritz  L  0  e  b. 

Neu  erschienene  Dissertationen. 

Universität  Erlangen.  September — November  1907. 

13.  Henneke  Karl:  Ein  Fall  von  Carcinoma  recti  et  linguae. 

14.  Lack  mann  Wilhelm:  Ueber  manisch-depressives  Irresein  im 
Kindesalter. 

Universität  Heidelberg.  Oktober  und  November  1907. 

20.  Eloesser  Leo:  Die  in  den  letzten  10  Jahren  an  der  Heidel¬ 
berger  chirurgischen  Klinik  beobachteten  Fälle  von  Pankreas- 
erkrankungen,  nebst  Beiträgen  zur  Klinik  der  Pankreasaffek¬ 
tionen,  und  Bemerkungen  über  die  „Cammidgesche“  Urin¬ 
probe. 

Universität  Jena.  September — November  1907. 

27.  Hesse  Gustav:  Die  Epulis.  (Habilitationsschrift.) 

28.  Holland-Letz  Rudolf:  Statistisches  aus  der  Augenklinik  zu 
Jena. 

29.  Meyer  Theodor:  Geschichte  des  römischen  A.erztestandes.  (Ha¬ 
bilitationsschrift.) 

30.  Ortlepp  Max:  Ueber  Fremdkörper  im  Kniegelenk. 

31.  Sctfrink  Reinhold:  75  Myomfälle  aus  der  Universitätsfrauen¬ 
klinik  zu  Jena. 

32.  Klunker  Hermann  Paul:  Ueber  Verbrennungen  des  Auges. 

33.  G  e  r  1  a  c  h  Alfred:  Ueber  die  Erfolge  bei  konservativer  und  opera¬ 
tiver  Behandlung  entzündlicher  Adnextumoren,  vom  1.  Oktober 
1904  bis  1.  Oktober  1906. 


*)  Rezensionsexemplare  erbittet  Dr.  Fritz  Locb,  München 
(Domfreiheit).  Besprechung  Vorbehalten. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2547 


Universität  Strassburg.  November  1907. 

22.  Pauli  R.:  Ueber  Dauererfolge  der  A  1  e  x  a  n  d  e  r  -  A  d  a  m  s  - 
sehen  Operation  bei  Retroflexio  uteri  und  bei  Prolaps. 

23.  Rexilius  Wilhelm:  Zur  Chirurgie  des  Ureters  beim  Weibe. 

24.  Bauer  Friedrich:  Ueber  die  Konstitution  der  Inosinsäure  und 
die  Muskelpentose. 

Auswärtige  Briefe. 

Wiener  Briefe. 

(Eigener  Bericht.) 

Aus  der  Gesellschaft  für  physikalische  Therapie  in  Wien.  — 
Prof.  Lorenz  über  die  orthopädische  Chirurgie  als  Spezial¬ 
fach.  —  Eine  Entgegnung  Prof.  Alex.  Fraenkels. 

In  Wien  ist  eine  „Gesellschaft  für  physikalische  Therapie“ 
gegründet  worden.  In  der  Eröffnungssitzung,  welche  am 
27.  November  unter  dem  Präsidium  des  Dozenten  Dr.  Max 
Herz  stattfand,  sprachen  Hofrat  Prof.  Dr.  Winternitz 
über  die  Entwicklung  der  Hydrotherapie  an  der  Schule,  Prof. 
Dr.  v.  N  o  o  r  d  e  n  über  physikalische  Behandlung  bei  Nieren¬ 
krankheiten,  schliesslich  Regierungsrat  Prof.  Dr.  A.  Lorenz 
über  die  orthopädische  Chirurgie  als  Spezialfach.  Der  Vortrag 
des  Herrn  Prof.  Lorenz  erregte  Aufsehen,  er  wurde  in  den 
Kreisen  der  Chirurgen  lebhaft  besprochen  und  fand  aus  diesen 
Kreisen  heraus  eine  energische  Abwehr.  Wir  geben  vorerst 
eine  Skizze  des  Lorenz  sehen  Vortrages. 

Die  orthopädische  Chirurgie  hat  sich  als  Kind  der  allge¬ 
meinen  Chirurgie  zur  Spezialität  entwickelt,  sie  verdient  auch 
ihre  volle  Selbständigkeit  und  eine  Vergrösserung  ihres  Arbeits- 
.gebietes,  weil  der  Acker,  den  die  orthopädische  Chirurgie  jetzt 
mit  so  grossem  Erfolge  bebaut,  bis  vor  etwa  20 — 25  Jahren 
nahezu  brach  gelegen  habe.  In  den  letzten  zwei  Dezennien 
hat  sich  die  orthopädische  Chirurgie  erfolgreich  durchgesetzt. 
Wohl  gab  es  schon  früher  Orthopäden  von  Namen,  Lorenz 
zitiert  die  Namen  Stromeyer,  Dieffenbach  und  vor 
allem  Vo.lkmann,  das  waren  aber  blutige  Chirurgen,  die 
zumeist  noch  mit  dem  Messer  arbeiteten,  während  die  moderne 
orthopädische  Chirurgie  in  erster  Linie  mit  ganz  anderen  Be¬ 
helfen  vorgeht.  Die  Hilfsmittel  der  orthopädischen  Chirurgie  sind 
vielseitig  und  kompliziert.  Aus  der  allgemeinen  Chirurgie  ent¬ 
lehnte  sie  nur  einen  Meissei  und  ein  Tenotom,  mit  welchen  sie 
ganz  kleine  Verletzungen  setzt,  die  auch  ganz  gefahrlos  sind. 
Es  besteht  für  den  chirurgischen  Orthopäden  keine  zwingende 
Notwendigkeit  zum  Operieren,  der  ihm  zur  Behandlung  über¬ 
wiesene  Kranke  könnte  mit  seiner  Deformität  auch  alt  werden; 
wenn  also  der  Orthopäde  eingreift,  dann  muss  der  Eingriff  auch 
ganz  ungefährlich  sein. 

Ein  Klumpfuss  oder  eine  ander  Deformität  des  Fusses,  eine 
Verkrümmung,  eine  Ankylose  oder  eine  Flexionskontraktur  in 
Kniegelenken,  sie  alle  blieben,  insolange  nur  die  generelle  Chi¬ 
rurgie  sich  ihrer  annahm,  entweder  ungeheilt,  oder  sie  wurden 
mit  Meissei  und  Messer  zurecht  gebracht;  jetzt  werden  diese 
und  andere  Deformitäten  ohne  jede  Verstümmelung  und  ohne 
jedes  Risiko,  vielfach  auch  bei  ambulatorischer  Behandlung,  auf 
ganz  ungefährliche  Weise  der  Heilung  zugeführt.  Bei  Schiefhals 
wurde  früher  lediglich  eine  Besserung  erzielt,  die  bald  wieder 
verloren  ging;  jetzt  werden  solche  Fälle  in  14  Tagen  ambula¬ 
torisch  und  ohne  Bettlager  rezidivfrei  geheilt.  Die  kongenitale 
Luxation  des  Hüftgelenkes  beseitigt  man  jetzt  mit  einem  ein¬ 
zigen  Handgriffe,  der,  richtig  und  mit  entsprechender  Kraft  ge¬ 
übt,  ein  glänzendes  Heilresultat  ergibt.  Ueberhaupt  spielt  die 
nackte  Hand  hier  eine  grosse  Rolle,  ihr  verdankt  die  ortho¬ 
pädische  Chirurgie  die  schönsten  Erfolge.  Das  modellierende 
Redressement,  ein  Drücken,  Kneten,  Biegen  etc.  mit  der  unbe¬ 
waffneten  Hand,  korrigiert  eine  schlechte  Form  des  Fusses, 
es  kann  sogar  eine  konträre  Form  herbeiführen,  welche  durch 
den  fixen  Verband  stabilisiert  wird.  Soll  das  modellierende  Re¬ 
dressement  einen  Erfolg  haben,  so  muss  durch  wiederholte 
Manipulationen  jedes  Zurückschnellen  in  die  frühere  Form  ver¬ 
hütet  werden;  die  behandelten  Gebilde  müssen  ihre  Elastizität 
verloren  haben,  was  bei  dem  früher  geübten  forcierten  Re¬ 
dressement  nicht  der  Fall  war.  Das  Modellieren  ist  nach 
Lorenz  eigentlich  nur  forcierte  Massage,  die  nicht  nur 
Weichteile,  sondern  auch  Knochen  und  Gelenksverbindungen 
angreift.  Hierbei  und  nach  Anwendung  anderer  Hilfsmittel  der 


chirurgischen  Orthopädie  spielt  wieder  der  Gipsverband  eine 
wichtige  Rolle.  Die  Ausbildung  der  Verbandstechnik  ist  ein 
spezielles  Verdienst  der  orthopädischen  Chirurgie. 

Lorenz  bespricht  sodann  eingehend  das  spezialistische 
Instrumentarium  der  orthopädischen  Chirurgie,  deren  grossen 
Erfolge  bei  der  konservativen  Behandlung  der  tuberkulösen  Ge¬ 
lenksentzündungen,  die  Fortschritte  in  der  Behandlung  der 
Spondylitis  und  die  geringen  Erfolge  in  der  Therapie  der  Sko¬ 
liose.  Eine  veraltete  Skoliose  ist  als  unheilbar  anzusehen;  hier 
kann  nur  eine  symptomatische  Behandlung,  welche  die  Be¬ 
schwerden  und  die  Schmerzen  beseitigt,  eingeleitet  werden, 
wofür  die  Kranken  ebenfalls  sehr  dankbar  sind.  In  der  Pro¬ 
phylaxe  und  in  der  Behandlung  der  beginnenden  Skoliose  er¬ 
blickt  die  orthopädische  Chirurgie  dagegen  ihre  dankbare  Auf¬ 
gabe. 

Das  Gebiet  der  orthopädischen  Chirurgie  wäre  aber  zu 
erweitern,  zumal  die  Behandlung  der  Frakturen  und  Luxationen 
wäre  ihr  zuzuführen.  Macht  sie  doch  tagtäglich  selbst  Frak¬ 
turen  und  behandelt  dieselben  erfolgreich;  übergibt  man  ihr 
doch  jetzt  vielfach  deform  geheilte  Frakturen  zur  Korrektur, 
was  eine  grössere  Leistung  voraussetzt.  Auch  die  Behandlung 
von  Unfalls  folgen  sollte  ihr  billigerweise  überlassen  werden. 
Sie  sollte  zur  „Chirurgie  der  Bewegungsappa¬ 
rate  des  Körpers“  erweitert  werden  und  man  sollte  ihre 
volle  Selbständigkeit  anerkennen;  im  Gegensatz  zur  „Einge¬ 
weidechirurgie“  könnte  man  sie  dann  als  „äussere  Chirurgie“ 
bezeichnen  und  diese  zwei  Zweige  der  Chirurgie  sollten  an  den 
grossen  chirurgischen  Kliniken  gleichmässig  gepflegt  werden. 
Diese  Arbeitsteilung  wäre  sowohl  im  Interesse  der  Kranken  als 
auch  der  studiernden  Jugend  gelegen. 

Lorenz  weist  zum  Schlüsse  darauf  hin,  wie  auch  a  n  - 
d  e  r  e  Zweige  sich  bereits  vom  Stamm  der  grossen  Chirurgie 
getrennt  haben.  Die  Urologen  haben  sich  des  uropoetischen 
Systems  und  des  männlichen  Genitale,  die  Gynäkologen  des 
weiblichen  Genitalschlauches  und  seinen  Adnexe  bemächtigt; 
der  Gesichtsschädel  gehört  den  Rhinologen  und  Stomatologen, 
der  Kehlkopf,  die  Trachea  und  auch  der  Oesophagus  den 
Laryngologen,  die  sich  wohl  auch  der  Lungenchirurgie  be¬ 
mächtigen  werden;  die  Neurologen  schlagen  schon  eine  neuro¬ 
logisch-chirurgische  Behandlung  ein,  die  Otochirurgen  dringen, 
wenn  sie  es  für  notwendig  halten,  auf  das  Gehirn  und  i  n  das 
Gehirn  ein;  an  die  Krebse  und  an  andere  chirurgische  Infek¬ 
tionskrankheiten  wird  vielleicht  bald  der  Serotherapeut  heran¬ 
treten  und  selbst  die  Magen-Darmchirurgie  wird  vielleicht  ihre 
spezialistischen  Vertreter  erhalten.  So  entwickeln  sich  in  und 
aus  der  grossen  Chirurgie  naturgemäss  viele  chirurgische  Spe¬ 
zialitäten,  es  muss  die  Zeit  kommen,  da  die  früher  alles  um¬ 
fassende  Chirurgie  untergegangen  sein  wird.  Neben  vielen 
anderen  „Chirurgien“  wird  dann  aber  auch  die  „Chirurgie  der 
Bewegungsapparate  des  Körpers“  blühen  und  grosse  Erfolge 
haben.  Sie  wird  sodann  miteinstimmen  in  dem  Rufe:  Die 
Chirurgie  ist  tot  —  es  leben  die  Chirurgien! 
Soweit  Professor  Lorenz. 

Ihm  antwortet  Dr.  Alexander  Fraenkel,  Professor  der 
Chirurgie  und  Redakteur,  der  „Wiener  klinischen  Wochen¬ 
schrift“,  in  seinem  Blatte  in  einem  Artikel,  der  „Chirurgie  — 
Chirurgien“  betitelt  ist.  Bei  voller  Anerkennung  der  Berechti¬ 
gung  der  Spezialitäten  warnt  er  doch  davor,  zugunsten  der  Ent¬ 
wicklung  der  Spezialitäten  den  Unterricht  auf  der 
hl  och  sch  ule  zu  zerstückeln  und  was  organisch  zu¬ 
sammengehört,  aus  unsachlichen  Gründen  trennen  zu  wollen. 
Geradezu  undiskutierbar  erscheint  ihm  die  Forderung  von 
Lorenz,  die  „mechanische  Chirurgie“  als  selbständige  und 
gleichwertige  Disziplin  von  der  übrigen  Chirurgie,  die  man  als 
„Eingeweidechirurgie“  gerade  noch  gelten  lassen  will,  zu 
trennen.  Die  Chirurgie  war  vor  der  Reform  der  Wundbehand¬ 
lung  tatsächlich  nur  eine  mechanische  Chirurgie;  das  war  ihr 
Grundstock  seit  jeher  und  ist  es  noch  heute.  Sie  umfasst  das¬ 
jenige,  womit  der  chirurgische  Lehrer  in  der  Klinik  die  Schüler 
vor  allem  vertraut  machen  soll,  denn  sie  ist  die  Chirurgie  des 
täglichen  Lebens,  die  zum  grossen  Teile  in  das  Wirkungsgebiet 
und  die  Kompetenz  des  praktischen  Arztes  fällt.  Die  mecha¬ 
nische  Chirurgie  ist  vielleicht  für  eine  Zeitlang  in  den  Hinter¬ 
grund  des  klinischen  Interesses  getreten,  aber  die  wichtigsten 
Grundlagen,  Methoden  und  Behelfe  der  modernen  und  modern- 


2548 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


steil  Chirurgie  sind  noch  immer  von  der  alten  Chirurgie  über¬ 
nommen. 

F  r  a  e  n  k  e  I  will  keineswegs  die  Fortschritte  leugnen, 
welche  die  moderne  Orthopädie  in  der  Ausbildung  der  un¬ 
blutigen  Methoden  bei  Reduktion  der  angeborenen  Hüftgelenks¬ 
luxationen  angebahnt  hat,  er  anerkennt  es  neidlos,  dass  Lorenz 
sich  einen  wohlgemessenen  Anteil  an  diesem  Fortschritte  zu¬ 
schreiben  darf,  aber  —  davon  abgesehen  —  würde  die  gesamte 
zeitgenössische  Orthopädie  durchaus  gar  nicht  schlecht  fahren 
und  nicht  allzugrosse  Einbusse  erleiden,  wenn  sie  noch  auf  jener 
Stufe  stünde,  die  sie  —  um  nur  die  Namen  deutscher  Chirurgen 
zu  nennen  —  einem  Stromeyer,  Dieffenbach,  Lan- 
genbeck,  König,  Volkmann,  Billroth,  Albert, 
Mikulicz,  Nicoladoni  usw.  zu  danken  hatte.  Unter  der 
Aegide  solcher  Männer  wäre  die  Orthopädie  gewiss  nicht  jener 
ganz  unglaublichen  spezialistischen,  handwerksmässigen  Ent¬ 
artung  verfallen,  die  als  das  C  a  1  o  t  sehe  Verfahren  zur  Re¬ 
dression  des  spondylitischen  Buckels  noch  in  ebenso  trauriger 
als  frischer  Erinnerung  steht,  wobei  kaum  ein  moderner  Ortho¬ 
päde  ein  Wort  der  Verurteilung  fand,  vielmehr  die  meisten  darin 
wetteiferten,  sich  durch  eine  kleine  Modifikation  einen  Anteil 
an  dieser  „Errungenschaft“  zu  sichern. 

F  r  a  e  n  k  e  1  führt  sodann  aus,  dass  die  Klinik  die  Pflicht 
habe,  ihren  Jüngern  des  Berufes  das  Ganze  des  Faches 
in  möglichster  Vollständigkeit  zu  bieten,  zumal  aber  den  Be¬ 
dürfnissen  des  täglichen  Lebens,  den  beruflichen  Anforderungen 
und  Aufgaben  Rechnung  zu  tragen,  wie  sie  sich  dem  auf  sich 
selbst  gestellten  Arzte  immer  wieder  darbieten.  In  diesem 
Sinne  müsse  also  die  Orthopädie  nach  wie  vor  ein  integrieren¬ 
der  Bestandteil  des  klinischen  Unterrichtes  in  der  Chirurgie 
bleiben.  Auch  der  Verletzungen  und  der  Unfälle  kann  die  chi¬ 
rurgische  Klinik  nicht  entraten,  sie  gehören  ihr  als  unumgäng¬ 
licher  Lehrbehelf. 

In  letzterer  Hinsicht  müssen  wir  als  Referent  erklärend 
beifügen,  dass  von  anderer  Seite  in  jüngster  Zeit  auch  die  Idee 
propagiert  wurde,  dass  die  Objekte  der  frischen  Verletzungen 
und  Unfälle,  bei  welchen  die  Wiener  Rettungsgesellschaft  die 
erste  Hilfe  leistet,  in  Hinkunft  nicht  mehr  zerstreut  und  je  nach 
vorhandenem  Platze  in  irgend  ein  Spital  gebracht  werden 
sollten,  sondern  dass  unter  besonderer  Leitung  eine  eigene 
Abteilung  für  Verletzungen  geschaffen  werde,  in 
welche  alle  Fälle  von  Unfällen  jeder  Art  gebracht  werden 
könnten.  Fraenkel  nimmt  also  auch  gegen  diese  Idee  Stel¬ 
lung,  wünscht,  dass  für  solche  Fälle  stets  der  genügende  Beleg¬ 
raum  geschaffen  werde  (es  müssten  an  den  zwei  chirurgischen 
Kliniken  stets  einige  leere  Betten  zur  Verfügung  stehen),  sodann 
müsste  ein  Permanenzdienst  der  Studierenden  eingerichtet 
werden,  ähnlich  organisiert,  wie  ihn  die  geburtshilfliche  Klinik 
seit  jeher  aufweist. 

Prof.  F  r  a  e  n  k  e  1  schliesst :  Die  Chirurgie  ist 
nicht  tot;  sie  ist  lebensfähiger  und  lebenskräftiger  als  je. 
Sie  fühlt  sich  stark  genug,  ihre  Grenzen  mit  aller  Entschieden¬ 
heit  und  mit  sieghafter  Zuversicht  gegen  alle  usurpatorischen 
Gelüste  zur  vollen  Wiederherstellung  und  ungeschmälerten 
Erhaltung  ihres  Besitzstandes  zu  schützen.  Daneben  mögen 
die  „Chirurgien“  gedeihen  und  wachsen  und  die  Früchte,  die  sie 
in  ernster  und  ehrlicher  Arbeit  ernten,  sind  ihnen  herzlich  ge¬ 
gönnt.  Dass  die  Ansichten,  welchen  Prof.  Fraenkel  hier  in 
so  beredter  Weise  Ausdruck  gegeben  hat,  auch  von  unseren 
ersten  klinischen  Lehrern  gebilligt  werden,  ist  selbstverständ¬ 
lich  und  wird  dies  nur  der  Vollständigkeit  halber  hier  erwähnt. 

Vereins*  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  4.  Dezember  1907. 

Herr  Eger  und  Herr  Levy-Dorn  demonstrieren  einen  18 jähr. 
Mann,  dessen  Wachstumsanomalien  und  Stoffwechselstörungen  (ali¬ 
mentäre  (Jlykosurie)  auf  Akromegalie  hinweisen.  Ferner  Gewichts¬ 
zunahme,  Struma,  Persistenz  der  Thymus,  grosse  Nebenhöhle  und 
^ella  turcica  (Röntgen),  Asymmetrie  der  Stirnhöhlen. 

Herr  Posner:  Demonstration  von  Sperma  bei  Dunkelfeldbe- 

leuchtung. 

Dabei  sieht  man  mehr  als  gewöhnlich,  nämlich  mehr  Zyto¬ 
plasma  am  Mittelstück  und  teilweise  auch  ober-  bezw.  unterhalb  des¬ 


selben,  Granula  im  Schwanzteil,  Plasmahiille  um  den  Kopf  (Hinweis 
auf  Arbeit  von  Ries). 

Diskussion:  Herr  Fürbringer  bestätigt  nach  dem  soeben 
Gesehenen  die  Angaben  P.s. 

Herr  C.  Benda:  Die  Demonstration  bestätige  seine,  von  anderer 
Seite  bestrittene  Angabe,  dass  die  Spermie  eine  vollkommene  Zelle 
ist,  denn  der  bisher  in  seinem  Verbleib  rätselhaft  gebliebene  Zellrest 
hafte  den  Spermien  wirklich  an,  wie  man  im  Dunkelfeld  sehen  könne. 

Diskussion  zum  Vortrage  des  Herr  Langstein: 
Ueber  künstliche  Säuglingsernährung. 

Herr  Heubner:  Der  von  Langstein  gebrauchte  Ausdruck 
„Nährschaden“  an  Stelle  von  Verdauungsstörung  zeige,  dass  man  die 
Schädigungen  jetzt  nicht  mehr  im  Darm,  sondern  gewissermassen  jen¬ 
seits  desselben  in  der  ganzen  Konstitution  suche.  Dies  rühre  daher, 
dass  die  anatomische  Untersuchung  der  Darmwand  nicht  zum  Ziele  ge¬ 
führt  habe;  dass  Stoffwechseluntersuchungen  gelehrt  hätten,  dass  die 
Resorption  im  Darm  auch  bei  schweren  Störungen  nicht  wesentlich 
gestört  sei;  dass  es  niemals  gelungen  sei,  mit  Darminhalt  kranker 
Säuglinge  beim  Tiere  Störungen  zu  erzeugen. 

Man  lege  also  jetzt  auf  die  Beschaffenheit  der  Stühle  weniger 
Gewicht,  als  auf  die  ganze  Beschaffenheit  des  Kindes  und  ebenso 
nicht  mehr  so  viel  Wert  auf  das  Körpergewicht,  als  auf  die  Hautfarbe 
und  -beschaffenheit,  Derbheit  des  Unterhautzellgewebes,  Kraft  der 
Muskulatur. 

Herr  Finkeist  ein:  Das  Problem  der  künstlichen  Ernährung 
habe  eine  wissenschaftliche  und  eine  praktische  Seite. 
Für  die  erstere,  die  Erforschung  der  Ursachen  der  Schädigungen 
eigne  sich  besonders  das  Neugeborene  bis  zum  14.  Tage.  Er 
habe  deshalb  an  grossen  Serien  von  solchen  die  künstliche  Ernährung 
unter  den  verschiedensten  Bedingungen  durchgeführt,  z.  B.  mit 
Molk  e.  Dabei  gedeihen  fast  100  Proz.  so  gut,  wie  an  der  Mutter¬ 
brust;  ebenso  gut  gediehen  sie  bei  Magermilch.  Aber  in  dem  Mo¬ 
ment,  in  welchem  man  der  Molke  Fett  oder  Zucker  zusetzt,  er¬ 
gibt  sich  in  einer  erheblichen  Zahl  ein  Fehlschlag.  Es  lag  also  der 
Schluss  nahe,  dass  das  Fett  oder  der  Zucker  daran 
Schuld  seien.  Doch  sei  dieser  Schluss  einzusohränken,  denn  als 
Eiweiss  und  Fett  und  Kohlehydrate  der  Molke  von  Frauen¬ 
milch  zugesetzt  wurden,  gediehen  die  Säuglinge  ebenso  gut,  wie 
bei  einfacher  Frauenmilch.  Die  Nährstoffe  der  Kuhmilch  tragen  also 
nicht  allein  die  Schuld,  auch  die  Molke  allein  ist  es  nicht,  aber  wenn 
die  Kinder  die  Nährstoffe  in  Kuhmilch-Molke  bekommen,  .so  erkran¬ 
ken  viele  von  ihnen.  Daraus  folgt,  dass  nicht  die  Nährstoffe,  sondern 
das  Medium  ihrer  Darreichung  das  Entscheidende  ist.  Es  scheint 
also  das  Problem  zurzeit  darin  zu  liegen,  welchen  Einfluss  das  Medium 
auf  die  Darmfermente  und  Zellen  der  Darmwand  ausiibt.  Daraus 
könnte  man  leicht  eine  neue  Hypothese  ableiten,  er  wolle  dies  aber 
lieber  unterlassen,  es  gäbe  deren  schon  genug. 

In  praktischer  Hinsicht  sei  aus  allen  Arbeiten  der  Pädiatrie  noch 
nicht  viel  gewonnen  worden,  man  habe  nur  gelernt,  die  Ueber- 
ernährimg  als  schädlich  zu  betrachten,  das  Fett  als  besonders  leicht 
zu  Schäden  führend  anzusehen,  ebenso  ein  Zuviel  an  Kohlehydraten. 
Dies  seien  alles  negative  Resultate.  Das  einzig  Positive  sei  die  Er¬ 
kenntnis,  dass  Maltose  und  Dextrin  bei  künstlicher  Ernährung  emp¬ 
fehlenswerter  seien,  als  die  von  der  Natur  gebotene  Form  der  Kohle¬ 
hydrate.  Aber  auch  diese  Erkenntnis  führe  schon  auf  J.  L ie  b  i  g  zu¬ 
rück. 

Immerhin  könne  man  bei  Aufmerksamkeit  auch  jetzt  schon  ganz 
gute  Erfolge  bei  künstlicher  Ernährung  erzielen,  die  Forschung  solle 
sich  zunächst  dem  Studium  der  Molke  zuwenden. 

Herr  U.  Friede  mann  beleuchtet  das  Problem  von  der  bio¬ 
logischen  Seite,  wie  dies  von  W  assermann  zuerst  geschehen, 
dessen  Schlüssen  er  aber  nicht  folgen  kann. 

Herr  F  u  ch  s  weist  als  Praktiker  darauf  hin,  dass  es  auch  Kinder 
gibt,  die  selbst  an  der  besten  Mutterbrust  nicht,  überhaupt  bei  keiner 
Ernährung  gedeihen;  es  müssen  also  konstitutionelle  Momente  mit 
im  Spiele  sein. 

Herr  Senator:  Er  ersuche  Herrn  Langstein  um  eine 
Aeusserung  über  die  abnorme  Durchlässigkeit  der  Darmwand  für  art¬ 
fremdes  Eiweiss;  vielleicht  liege  darin  eine  der  Ursachen  der  Schädi¬ 
gungen. 

Herr  Wassermann:  Seine  biologischen  Versuche  (Präzipitin- 
bildung  nach  Einspritzung  artfremden  Eiweisses)  hätten  die  geringeren 
Leistungen  der  künstlichen  Ernährung  gegenüber  der  natürlichen  auf¬ 
geklärt.  Früher  habe  Heubner  dies  anerkannt,  jetzt  widerspreche 
die  Heub  ne  r  sehe  Schule  in  Herrn  Langstein  dieser  Auffassung 
und  damit  sich  selbst.  Der  kindliche  Darm  lasse  nur  die  homologen 
Eiweisse  durch,  nicht  aber  die  heterologen,  dafür  spräche  auch  F'  i  n  - 
ke  Ist  eins  Angabe  von  der  Gefährlichkeit  der  Molke,  die  eben 
reich  an  heterologem  Eiweiss  ist.  Die  neuen  Anschauungen  der  Pädia¬ 
ter  bergen  die  Gefahr  eines  Rückfalls  in  jene  Zeiten  in  sich,  wo  man 
künstliche  Nährpräparate  als  vollwertigen  Ersatz  der  Muttermilch  be¬ 
trachtete. 

Herr  Heubner:  Man  könne  die  Experimente  Wasser¬ 
manns  anerkennen,  ohne  seine  Schlüsse  für  die  Praxis  daraus  zu 
ziehen.  Wenn  Wassermann  ihn  als  Zeugen  in  Anspruch  nehme, 
so  läge  da  ein  Missverständnis  vor.  Der  von  biologischer  Seite  ge¬ 
kommene  Tropfen  Beimischung  in  die  pädiatrische  Auffassung  habe 
genug  geschadet. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2549 


Herr  Noeggerath:  Auf  die  biologische  Verschiedenheit  des 
menschlichen  und  tierischen  Eiweisses  habe  zuerst  Morgenroth 
mittels  der  Präzipitinbildung  hingewiesen,  also  müsste  dieser  sich 

beklagen.  . 

Herr  Orgler:  Ein  Fall  der  Breslauer  Klinik,  in  welchem  ein 
Kind  an  der  Brust  der  eigenen  Mutter  nicht  gedieh,  sehr  gut  aber  bei 
Kuhmilch,  spräche  gegen  Wassermanns  Auffassung.  Auch  andere 
Erfahrungen  täten  dies. 

Herr  Wassermann:  Er  habe  keine  Hypothese  gegeben,  son¬ 
dern  feststehende  naturwissenschaftliche  Tatsachen.  Die  von  bak¬ 
teriologischer  Seite  gekommene  Hilfe  könne  den  Kinderärzten  nur 
nützen,  wie  das  Diphtherieserum  beweise. 

Herr  Langstein:  Er  nehme  trotz  der  Bedenken  Fr  ie  de¬ 
in  a  n  n  s  die  Wassermann  sehen  Befunde  als  feststehend  an. 
Aber  sind  wir  berechtigt,  solche  Tierexperimente  auf  den  Menschen 
zu  übertragen,  zumal  im  Tierexperiment  das  Eiweiss  parenteral  ein¬ 
verleibt  wird?  Das  artfremde  Eiweiss  wird  bei  oraler  Zufuhr  schon 
im  Magen  zerstört,  kommt  also  gar  nicht  in  den  Kreislauf,  kann  also 
nicht  die  Ursache  der  Schädigungen  sein.  Hans  Kohn. 


Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Dresden. 

(Offizielles  Protokoll.) 

III.  Sitzung  vom  26.  Oktober  1907. 

Herr  W  e  r  t  h  e  r:  Ueber  Tuberkulide. 

Yortr.  schildert  den  Polymorphismus  der  Hauttuberkulosen: 

1.  des  Lupus,  2.  der  kolliquativen,  3.  der  ulzerösen,  miliaren 
und  nichtmiliaren  Hauttuberkulosen,  4.  der  Tuberkulide.  Die 
Tuberkulide  sind  Exantheme  der  Tuberkulose,  d.  h.  auf  häma¬ 
togenem  Wege  hervorgerufene  Ausschläge.  Vortragender  be¬ 
schreibt  folgende  klinische  Formen  derselben:  1.  Lichen 
scrophulosorum,  2.  das  papulo- nekrotische  T. 
oder  folliclis.  In  einem  typischen  Falle  zeigte  die  histologische 
Untersuchung,  dass  es  sich  um  einen  anämischen  Hautinfarkt 
handelte.  Präparate  und  Abbildungen  dazu  werden  demon¬ 
striert.  3.  das  einschmelzende  Tuberkulid,  auch  pustu- 
löses  oder  akuliformes  genannt.  Dabei  kommen  oberflächliche 
Pusteln  und  tiefere  Einschmelzungen,  welche  den  Papillar¬ 
körper  vernichten  und  nur  mit  Narbe  heilen,  vor.  Ein  ein¬ 
schlägiger  Fall,  von  welchem  zwei  Moulagen  demonstriert 
werden,  zeigt  als  Elementareffloreszenz  ein  hämorrhagisches 
Knötchen  von  blauschwarzer  Farbe  (hämorrhagischer  Infarkt). 
Dieses  fällt  entweder  trockener  Nekrose  anheim:  es  stösst  sich 
ab  und  hinterlässt  ein  noch  immer  hämorrhagisch  verfärbtes 
Grübchen.  Oder  es  bildet  sich  um  das  Knötchen  herum  eine 
Gewebseinschmelzung,  welche  in  ein  grösseres  Geschwür 
übergeht.  4.  Das  Erythema  induratum,  auch  Lupus  pernio 
genannt:  dieses  ist  den  Erythema  nodosum-Arten,  welche  bei 
verschiedenen  Infektionskrankheiten  symptomatisch  Vorkom¬ 
men  (Syphilis,  Gonorrhoe,  Ulcus  inolle,  septische  Bubonen), 
analog;  es  hat  aber  die  spezifische  Eigenschaft,  dass  es  ulzerös 
zerfallen  kann.  Es  hat  den  langsamsten  Verlauf  von  allen 
Tuberkuliden  und  hinterlässt  unter  Umständen  plattenartige, 
harte  Einlagerungen  in  und  unter  der  Haut,  welche  nur  noch 
von  geringem  lividen  Erythem  an  der  Oberfläche  begleitet  sind. 
Histologisch  findet  sich  dabei  ein  an  der  Grenze  des  Fett¬ 
gewebes  gelegener  Herd:  am  Rande  desselben  Granulations¬ 
gewebe,  im  Zentrum  fibröses  Bindegewebe  mit  Resten  ela¬ 
stischer  Fasern,  die  epitheloiden  Zellen  des  Granulations¬ 
gewebes  nach  dem  Zentrum  zu  nekrotisierend.  Die  demon¬ 
strierten  Präparate  zeigen  bei  1.  typische  Tuberkel,  dicht  unter 
der  Epidermis,  teils  perifollikulär,  teils  ganz  unabhängig  von 
Follikeln;  bei  2.  und  4.  mehr  oder  weniger  unbestimmtes 
Granulationsgewebe;  stets  eine  vorwiegende  Erkrankung  der 
Blutgefässe. 

Vortragender  betont,  dass  alle  diese  vier  klinischen  Formen 
gemischt  an  einem  Kranken  Vorkommen  können,  dass  ferner 
Uebergänge  von  einer  in  die  andere,  auch  Uebergänge  von 
Tuberkuliden  in  die  anderen  Tuberkulosenformen  Vorkommen. 

Er  hebt  die  gemeinsamen  Eigenschaften  der  Tuberkulide 
hervor:  1.  das  schubweise  Auftreten  mit  toxischen  Allgemein¬ 
erscheinungen  bei  irgendwie  sonst  tuberkulösen  Menschen, 

2.  der  gutartige  klinische  Verlauf  (spontane  Heilung),  3.  die  sym¬ 
metrische  Lokalisation  mit  Bevorzugung  der  Extremitäten¬ 
streckseiten,  4.  die  entzündlichen  Lymphome  (Erythem,  Blutaus¬ 
tritt,  u.  a.  Schmerzhaftigkeit)  und  die  histologischen  Befunde. 
Diese  alle  beweisen,  dass  die  Tuberkulide  hämotogene  Derma¬ 
tosen  sind.  Ihr  klinischer  Polymorphismus  entspricht  dem 


aller  anderwärts  beobachteten  hämatogenen  Hautentzündungen. 

Es  wird  ferner  erörtert,  ob  die  Ursachen  der  letzteren: 
Toxine,  Bazillen  oder  etwa  beides  gleichzeitig  sein  können. 
Die  letztere  Annahme  erklärt  uns  am  meisten.  Bei  etwaigen 
Bazillenemboli  handelt  es  sich  um  wenig  virulente  oder  schon 
abgestorbene  Bazillen. 

Für  den  praktischen  Arzt  ist  die  Kenntnis  der  Tuberkulide 
wichtig:  weil  sie  in  vielen  Fällen  von  prämonitorischer  Be¬ 
deutung  sind.  Ihr  Auftreten  muss  den  Arzt  veranlassen,  einen 
latent  gebliebenen  tuberkulösen  Herd  zu  suchen.  Oft  wird  auf 
diese  Weise  ein  tuberkulöser  Spitzenkatarrh  entdeckt  werden, 
oder  ein  in  der  Achselhöhle  verborgener  tuberkulöser  Drüsen¬ 
tumor  gefunden  werden.  Wenn  dies  nicht  zutrifft,  so  bleibt  das 
Tuberkulid  ein  wichtiger  diagnostischer  Hinweis  bei  später 
auftretenden  Erkrankungen!  z.  B.  bei  einer  Halswirbelent¬ 
zündung  oder  einer  Meningitis.  Auch  die  Ueberreste  der 
Tuberkulide  (feine  weisse  Narben,  mit  pigmentiertem  Saum, 
später  auch  ohne  diesen,  lokalisiert  um  die  Ellenbogen  und  Kniee 
herum)  gestatten  noch  eine  retrospektive  Diagnose.  (Auto- 
referat.) 

Diskussion:  Herr  Galewsky  glaubt,  dass  diese  Frage 
eine  der  schwierigsten  in  der  heutigen  Dermatologie  sei  und  dass 
weder  die  Aetiologie  absolut  geklärt,  noch  die  Abgrenzung  dieser 
Gruppe  feststehend  sei;  für  ihn  liege  das  Eigenartige  dieser  Erkran¬ 
kungsformen  nur  darin,  dass  die  Tuberkulide  sich  in  einer  Reihe  von 
Punkten  (Benignität,  schubweises  Auftreten,  Vorkommen  bei  Per¬ 
sonen  mit  Drüsen-  und  Knochentuberkulose  etc.)  in  nichts  von  dei 
Tuberkulose  unterscheiden:  sicher  gehören  bisher  der  Lichen  scrophu¬ 
losorum  und  die  Folliclis  hierher,  schon  das  Erythema  induratum  ist 
ihm  in  der  Pathogenese  noch  nicht  ganz  sicher.  Interessant  ist  für 
ihn  insbesondere  das  Verhältnis  der  Sarkoide  zu  den  1  uberkuliden. 
Er  zeigt  die  Moulage  eines  derartigen  Falles  und  demonstriert  solche 
von  Folliclis  und  Lichen  scrophulosorum. 

Herr  Panse  wünscht  Mitteilung  von  Herrn  Werther  über 
Prognose  und  Therapie. 

Herr  Werther:  Die  modernen  zahllosen  Krankheitsnamen  und 
Rubriken  in  der  Dermatologie  sind  ein  Unglück.  Sie  schrecken  Aerzte 
und  pathologische  Anatomen  vom  Studium  derselben  ab.  Es  muss 
deshalb  danach  gestrebt  werden,  wo  es  möglich  ist,  die  Vielheit  unter 
einem  gemeinsamen  pathologischen  Gesichtspunkt  zusammenzufassen. 
Bei  den  Tuberkuliden  ist  es  die  tuberkulöse  Erkrankung  des  Blut¬ 
gefässes.  Nehmen  wir  im  einzelnen  Falle  an,  dass  es  sich  um  Bazillen¬ 
metastasen  handelt,  so  ist  diese  Hypothese  eine  fruchtbare  Arbeits¬ 
hypothese:  Wir  machen  Alttuberkulininjektion,  wir  exzidieren  für  die 
histologische  Untersuchung,  wir  machen  eine  diagnostische  1  ier- 
implantation  und  suchen  den  Kranken  mit  allen  Hilfsmitteln  nach 
tuberkulösen  Herden  ab  (inkl.  Röntgendurchleuchtung  bei  Drüsen  am 
Hilus  pulm.).  Das  ist  fruchtbarer  für  die  Forschung  als  eine  Namen¬ 
gebung,  wie  Akne  teleangiectatica  oder  benignes  Sarkoid.  Beide  Bei¬ 
spiele  moderner  Namengebung  sind  irreführend.  Bei  dem  ersten 
handelt  es  sich  nicht  um  Akne,  denn  die  Talgdrüsen  sind  nie  primär 
erkrankt  und  ausser  gelegentlichen  Teleangiektasien  kommen. als  viel 
wesentlichere  Symptome  Hämorrhagien  und  hämorrhagische  Infarkte 
zur  Beobachtung.  Es  handelt  sich  dabei  um  ein  hämorrhagisches 
und  pustulöses  Tuberkulid.  Sarkoid  erinnert  leider  an  das  Verhältnis 
von  Kankroid  zu  Karzinom:  es  wird  aber  nie  ein  Sarkom  aus  einem 
Sarkoid.  Wenn  der  B  o  e  c  k  sehe  Typus  derselbe  wie  bei  den  anderen 
Sarkoidbeobachtern  ist,  so  handelt  es  sich  nach  W.  um  ein  an  epi¬ 
theloiden  Zellen  reiches  Granulationsgewebe,  von  den  perivaskulären 
Lymphräumen  ausgehend,  welches  mit  den  nekrotischen  Zwischen¬ 
stufen  in  derbes  Bindegewebe  übergeht.  Ein  gleicher  Befund  ist  unter 
den  vom  Vortragenden  demonstrierten  Präparaten  zu  erkennen.  Auch 
der  Fall  des  Herrn  Galewsky  scheint  dem  Vortragenden  ein  ähn¬ 
licher  zu  sein,  wenn  er  auch  klinisch  eigenartig  ist.  Vortragender 
hofft,  dass  die  Sarkoide  beim  Erythema  induratum  untergebracht 
werden  können  und  dass  dieser  Name  wieder  verschwindet 

Auf  die  Frage  nach  der  Therapie  anwortet  Herr  W. :  Die  Tuber¬ 
kulide  involvieren  sich  spontan.  Es  bedarf  deshalb  der  mühsamen 
Therapie  wie  bei  Lupus  nicht.  Dieselbe  wäre  auch  bei  der  grossen 
Zahl  und  Dissemination  der  Herde  nicht  möglich.  Die  Therapie  ist 
die  allgemeine  wie  bei  Tuberkulösen  (Ruhe.  Kräftigung,  Lebertran, 
Schmierseifeneinreibungen  mit  folgendem  Bad);  bei  Geschwüren  anti¬ 
septischer  Verband  und  Ruhe  (Bettruhe  bei  Geschwüren  an  den 

Beinen).  . 

Die  ätiologische  Therapie  erfordert  operative  Entfernung  et¬ 
waiger  Lymphdrüsentumoren.  Wenn  diese  möglich  ist,  so  werden 
damit  alle  Nachschübe  abgeschnitten. 

Herr  Galewsky  macht  im  Gegensatz  darauf  aufmerksam,  dass 
die  französische  Schule  die  Grenze  der  Tuberkulide  noch  viel  weiter 
zieht  (Lupus  erythematodes  etc.)  und  dass  man  auch  glaubt, 
die  Pityriasis  rubr.  Hebrae  in  diesen  Kreis  einbeziehen  zu  sollen. 
Bezüglich  des  Falles  von  benignem  Sarkoid  steht  er  auf  einem  anderen 
Standpunkte  wie  Herr  Werther;  er  warnt  davor,  in  die  Gruppe 
der  Tuberkulide  alles  hineinzubringen,  was  man  nicht  anders  unter¬ 
bringen  könne.  Was  speziell  den  demonstrierten  Fall  von  benignem 


2550 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Sarkoid  anbelangt,  so  hofft  er  ihn  nächstens  ausführlicher  zu  demon¬ 
strieren,  um  zu  beweisen,  dass  er  in  keinem  Zusammenhänge  mit  dem 
Erythema  induratum  steht,  sondern  eine  Bindegewebsgeschwulst  ist. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  vom  7.  Oktober  1907 
abends  /  Uhr  im  Hörsaale  der  Senckenbergschen  Bibliothek. 
Vorsitzender:  Herr  S  i  p  p  e  I. 

Schriftführer:  Herr  Seligman  n. 

Protokollverlesung. 

Nachruf  für  den  verstorbenen  Herrn  Kreisarzt  Grand- 
li  o  in  m  e. 

Herr  Al  b  r  e  c  h  t  teilt  die  Uebersiedelung  des  patho¬ 
logischen  Instituts  in  das  neue  Gebäude  mit. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herrn  Sipnel 
(s.  Sitzung  v.  16.  Sept.,  6). 

o  M  H,7r  Treupel:  Ueber  das  Verhalten  der  weiblichen  Ge¬ 
schlechtsorgane  bei  Hysterie,  Herzleiden  und  Chlorose  haben  2  meiner 
nuheren  Assistenten  unsere  Erfahrungen  und  Anschauungen  in  einer 

ioo|tSchrt1itJUr  ßJa  u  m  1  e  r  erschienenen  Arbeit  (Zeitschr.  f.  klin. 
Med  1906,  S  154)  niedergelegt.  Es  hat  sich  dabei  für  uns  in  Bezug 
auldle  Hysdene,  deren  Diagnose  nur  dann  gestellt  wurde,  wenn 
hysterische  Stigmata,  sensorielle  Anästhesie  und  hysterogene  Zonen 
vorhanden  waren,  Folgendes  ergeben: 

E  Bei  brauen  und  Mädchen,  die  später  hysterisch  wurden 
iV-h.V'!  e.rste  J  er  io  de  meist  verspätet  ein  und  war  dann 
a  s  p  h  w  a  c  h  u  n  d  Postponierend.  Man  darf  darin  wohl 
den  Ausdruck  einer  mangelhaften  körperlichen  Ent¬ 
wicklung  sehen,  die  vielleicht  zu  der  späteren  Hysterie  prä¬ 
disponierte.  2.  Sehr  häufig  bestehen  bei  Hysterie  dismenor- 
r  h  oi  sehe  Beschwerden.  3.  Gynäkologische,  gleich¬ 
zeitig  m  i  t  H  y s  t  e  r  i  e  beobachtete  Erkrankungen 
sind  meist  zufällige  B  e  g  leiterscheinungen  der  Hysterie  und, 
\\o  sich  em  ursächlicher  Zusammenhang  nachweisen  lässt,  spielen  sie 
lediglich  die  Rolle  eines  auslösenden  Momentes,  ähnlich 
wie  das  1  rauma  bei  der  traumatischen  Hysterie. 

Herr  J.  beuch  twanger  muss  sich,  da  er  den  Vortrag  selbst 

uehhpnHhp0Tn+ k0Sntt’  if  ’d!f  aus  der  bisheriSen  Diskussion  sich  er¬ 
gebende  1  atsache  halten,  dass  der  Vortragende  einen  Zusammen¬ 
hang  zwischen  Retroflexio  und  nervösen  Beschwerden  annehme 
E  r  sei  anderer  Ansicht  und  halte  die  Retroflexio  nicht  für  eine 

iVIIup  °,u'Sch^  sondern  nur  für  die  ungewöhnlichere 
Lage  des  Uterus  und  zwar  aus  folgenden  Gründen.  Der  Prozen  t- 

auafsuZchenri^neiVri?/leXi0  bei  den  J rauen,  die  den  Gynäkologen 
autsuchen,  ist  nicht  grosse  r,  wie  der  Prozentsatz  der  Retroflexio 

grössere TnyihClhlFn  IndlVlduep.  überhaupt.  Untersuche  man  ferner  eine 
grossere ;  Anzahl  brauen,  die  die  ärztliche  Hilfe  nicht  suchen,  sondern 

frw /'lVZweCke!l  solcher  Untersuchungen  herangezogen  werden  und 
trage  diese  nach  eventuellen  Beschwerden,  so  ergebe  sich  dass  die 
1  gerinnen  eines  retroflektierten  Uterus  nichthäufigere  o  d  e  r 
inten  s  l  ve  re  K  1  a  g  e  n  hätten  wie  die  brauen  mit  Anteflexio  Auch 
sei  hingewiesen  auf  die  operativen  Resultate  verschiedener  Autoren 
die  zeigen,  dass  einerseits  häufig,  trotz  gut  korrigiert  er  Lage 

sutstm't/8  P  P7  Pr  S  °  h,W  1e aflldau,erten  und  dass  anderer¬ 
seits  trotz  Rezidivs  der  Retroflexio  die  Beschwerden  nicht 

Pnr'-fh0  fKekehlt  SCIen  (analoS,es  bei  Pessarbehandlung)  Es 
mache  fernei  gegen  den  Zusammenhang  von  Beschwerden  und 

?nte7?e,„\Äein?Mi,ni.gJtei‘  in  der  SymptomatoSe  selbst 

UI  er  den  Autoien  nicht  bestehe,  die  die  Retroflexio  für  pathologisch 
halten  und  dass  umgekehrt  die  gemeinhin  der  Retroflexio  auf  Rech 
m  ns  mteltte,,  Symptome  bei  vielen  anderen  io  "all« 

Manche  ÄFjjl  Sy  ?  "  k  0  1  0  x, '  scl,t"  Affektionen  Vorkommen. 
Manche  Autoren  wiederum  machten  nicht  die  Retroflexio  als  solche 

.O  dern  entzündliche  Begleiterscheinungen  der  Retroflexio  für  die  Be- 
schwerden  verantwortheh.  Besonders  zu  bedenken  Rebe  aber  die 

„SPilJfnf'113'1  frilher’  aIvman  die  heute  von  niemand  als  Nor- 
i  die  ““5  angezweifelte  Anteflexio  „och  für  eine  patho- 
ogisene  Lage  hielt,  die  gleichen  Symptome  die  heute  von 

f  1  e  xior°S°  (sr,Tht  SeinFSol,ten’  fiir  die  P o  1  g  e  n  d  e  r  A  n  t  e- 
Geb.  u.  Gyn..  Bd.’xb  1  g  h  ,e  u  c  h  1  w  a  n  S«  r,  Monatsschr.  für 

Hei r  Deutsch:  Neben  den  Untersuchungen  über  den  Zusam 
Svwtofstlht' dledFr  RetroflnXj<’  “'eri  und  8™issen  nervösen  Be- 
Nnn  sieht  ma„'|?  ÄÄÄ 

määääI? 

JS  te rapeutischer  Kffekt  so  bemerkenswert,  dass  man  sich 


dieser  therapeutischen  Handhabe  auch  weiterhin  nicht  wird  begeben 

vv  u  1 1  G  1 1  • 

Heil  O.  beis:  Die  Behandlung  der  Retroflexionsfrage  ist  des¬ 
wegen  so  wichtig,  weil  z.  Z.  die  meisten  Aerzte  in  der  Rückwärts- 
leugung  des  Uterus  eine  Anomalie  sehen,  die  behandelt  werden,  muss. 
as  Material  des  Arztes,  der  jahrelang  dieselben  Patientinnen  be¬ 
obachtet,  ist  wertvoller  als  das  der  grossen  Polikliniken  und  somit 
dessen  Erfahrungen  ausschlaggebend.  Es  geht  nicht  an.  die  Kompli¬ 
kationen  der  Retroflexio  gesondert  zu  behandeln;  Ophoritis  Peri¬ 
metritis  etc.  sind  zweckmässig;  nur  durch  die  Richtiglagerung  des 
Uterus  anzugreifen.  s 

Freilich  gibt  es  Retroflexionen,  die  symptomlos  bestehen  (ähn- 
iches  beobachten  wir  bei  den  Sekretionsanomalien  des  Magens  der 
uastroptose,  vielleicht  kommen  geringe  Organempfindungen,’  die 
lemi  Gesunden  latent  bleiben,  bei  einem  reizbaren  Nervensystem 
starker  ins  Bewusstsein. 

Ob  eine  Retroflexio  die  bestehenden  Beschwerden  macht  oder 
nicht,  wird  am  besten  durch  den  Erfolg  der  Therapie  erwiesen.  Im 
Anfang  der  Behandlung  ist  es  oft  unmöglich,  zu  unterscheiden,  ob 
eine  funktionelle  Neurose  oder  ein  Genitalleiden  vorliegt;  auch  wenn 
die  Klagen  z.  T.  neurasthenische-r  Natur  sind,  erscheint  eine  lokale 
Behänddung  noch  angebracht  (bei  Virgines  und  Nulliparen  ist  jedoch 
Zurückhaltung  geboten);  nach  dem  Urteil  vieler  Aerzte  werden  durch 
cue  1  essartherapie  ausserordentlich  günstige  Resultate  erzielt  (z  T 
freilich  auf  suggestivem  Wege).  Die  Allgemeinbehandlung  der  funk¬ 
tionellen  Neurose  ist  selbstverständlich  nicht  ausser  acht  zu  lassen. 

Herr  B  a  e  r  w  al  d:  Zu  den  interessanten  Ausführungen  des  Herrn 
J?;d  e  r  darf  ldh  aid  Qrund  jahrelanger  Erfahrung  bestätigen,  dass 
d  e  balle  von  echter  Hysterie,  welche  dem  Gynäkologen  zu  Gesicht 
kommen  doch  recht  selten  sind.  Den  Vortrag  des  Herrn  Sippe! 
war  'ich  leider  verhindert  anzuhören;  aus  der  Diskussion  entnehme  ich 
jedoch,  dass  er  nicht  Hysterie  als  solche  in  den  Kreis  seiner  Er- 
oi  tei  ungen  gezogen  hat,  sondern  bestimmte  nervöse  Erscheinungen  im 
Zusammenhang  mit  der  Retroflexio.  Da  besteht  kein  Zweifel,  dass 

pin  „JLF  6  k+°  ’  rnG  kt  u  r  d  e  s  Uterus  und  die  gleichzeitig  durch 
n  geeignetes  Pessar  gegebene  Stütze  der  erschlafften 
Scheide,  beziehungsweise  die  Erhöhung  des  geschwun- 
dl!J  e,a  T  0  11  a  s  d  e  s  B  e  c  k  e  n  b  o  d  e  n  s  den  Frauen  hilft  und  meist 
auch  die  nervösen  Beschwerden  beseitigt.  Dass  äusserste  Zurück¬ 
haltung  in  der  lokalen  gynäkologischen  Behandlung,  ja  der  digitalen 
Lxploi  ation  schwer  nervöser  Frauen  geboten  ist,  darf  ich  hervor- 
heben.  In  solchen  Fallen  hat  zuerst  eine  Besserung  des  Allgemein- 
lefmdens  zu  erfolgen  und  sollten  vaginale  Eingriffe  nur  aus  strikter 
Indikation  vorgenommen  werden  —  eventuell  in  Narkose. 

Herr  Edinger:  Wir  müssen  doch  wohl  unterscheiden  zwischen 
nervösen  Beschwerden  und  Hysterie.  Die  S  i  p  p  e  1  sehen  Patienten 
hatten  vielerlei  nervöse  Beschwerden,  aber  sie  waren  nicht  hysterisch 
■  a  es  scheint  als  sei  die  Zeit  herangekommen,  den  Begriff  der  Hysterie 

i!,P  P  pnenTArerkZU  fassen-  Es  fra*t  sich  fast,  ob  denn  noch 
une  eigene  Afiektion  ubrig  bleibt,  ob  sich  nicht  herausstellt,  dass 

bisher  hysterisch  genannte  Symptome  bei  den  verschiedensten  ner¬ 
vösen  und  psychischen  Schwächesymptomen  einsetzen  können.  Die 
-  Urenarzte  und  Neurologen  haben  auf  ihrem  letzten  Kon¬ 
gress,  gerade  diese  Frage  in  sehr  interessanter  Weise  dikutiert. 

Herr  S  i  p  p  e  1  (Schlusswort) :  Eine  Klarstellung  der 
b  i  a  g  e  von  der  klinischen  Bedeutung  der  R  e  t  r  o  - 
lexio  uten  ist  unter  allen  Umständen  geboten,  so¬ 
wohl  wegen  der  Kranken  als  wegen  der  Verantwort- 
1  ich  )v  eit  der  Aerzte  In  meinem  Vortrag  *)  habe  ich  es  abge- 
hnt,  dass  man  auf  dem  Wege  der  Statistik  einen  Beweis  für  oder 
wider  die  pathologische  Bedeutung  dieser  Lageveränderungen  er¬ 
bracht  habe.  Die  vorhandenen  Statistiken  beweisen  nichts’  Sie  kom- 
men  zu  ganz  entgegengesetzten  Resultaten!  Ich  habe  es  ferner  abge¬ 
feimt,  die  gänze  hrage  sofort  generell  entscheiden  zu  wollen.  Ich 
habe  der  Ansicht  Ausdruck  gegeben,  dass  es  möglich  sein  müsse  für 
einzelne  bestimmte  Fälle  zu  einem  positiven  Urteil  zu  kommen,  wenn 
Ran  diese  ben  genau  analysiert,  hervorhebt,  warum  die  vorhandenen 
Besch werden  nad,  den  einen  auf  die  Retroflexio  zurückzuführen  sind, 

andeZf.n,  nich,t’  Yen,"  man  das  pro  et  contra  nach  beiden 
Seiten  hin  sachlich  und  objektiv  erörtert,  frei  von  jeder  Voreinge¬ 
nommenheit.  Ich  habe  ferner  gesagt,  dass,  wenn  es  gelänge,  für  ein¬ 
zelne  bestimmte  balle  in  exakter  Weise  den  Nachweis  der  patho¬ 
logischen  Bedeutung  der  Retroflexio  zu  erbringen,  die  Hauptsache  in 
dei  Entscheidung  des  Streites  geschehen  sei.  Die  Richtigkeit  des 

;"Cdele[S:uDle  ^etroflexio  hat  ein  anatomisch-physiologi¬ 
sches  Interesse  aber  keine  anatomisch-pathologische  Bedeutung“  von 

dn  bSw3  2!  SanZC  0pposltion  Segen  die  pathologische  Auffassung 
der  Ruckwm-tslagerung  ausging,  sei  damit  im  Prinzip  widerlegt  und  in 
die  Stellung  der  Gegner  Bresche  gebrochen.  Im  Anschluss  daran  habe 

den  Ä  ne  ng\  ahre,  hindurch  genau  beobachtete  Fälle  aus 
du  beiden  grossen  Beschwerdegruppen  herausgegriffen,  in  welche  die 

kumiT/  '?Cr  Pt  t  H,l,0ySche"  Auffasspng  der  Retroflexio  die  Erkran- 

der  erhöhen  w'  m  ’l  'I?11  aus  der  rjruppe  'der  lokalen  und 

der  erhöhten  Wichtigkeit  halber  zwei  Fälle  aus  der  Gruppe 


*)  Monatsschrift  für  Geb.  und  Gyn.,  Bd.  26,  S.  4. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


2551 


17.  Dezember  1907. 

der  nervösen  Beschwerden  ausführlich  und  genau  sachlich  geschildert 
und  habe  dann  an  diese  Mitteilung  die  Folgerung  geknüpft,  dass  i  n 
diesen  drei  Fällen  der  Retroflexio  bestimmt  eine 
kranikmachende  Bedeutung  zukomme.  Ich  habe  dann 
hinzugefügt,  dass  ich  einem  eventuellen  Gegenbeweis  entgegensähe. 
Ich  konstatiere  nun,  dass  dieser  Gegenbeweis  von 
keinem  der  Diskussionsredner  versucht  oder  igar 
erbracht  ist.  Damit  könnte  ich  mich  ja  vollständig  zufrieden 
geben! 

Gegenüber  den  in  der  Diskussion  wieder  getanen  Aeusserungen, 
die  ganze  Frage  sei  im  Sinne  der  Gegner  einer  pathologischen  Auf¬ 
fassung  der  Retroflexio  entschieden,  betone  ich  nochmals  nachdrück- 
üchst,  dass  dies  ikeineswegs  der  Fall  ist,  den  Gegnern  steht  eine  statt¬ 
liche  Reihe  von  Männern  gegenüber,  deren  Stimme  mindestens  ebenso 
gewichtig  ist,  als  die  ihre,  so  Olshausen,  K  ü  s  t  n  e  r,  v.  Rost- 
horn,  Bernhardt  Schultze  u.  a.  Nicht  Statistiken,  sondern  nur 
einzelne  genau  und  jahrelang  beobachtete  Fälle  können  entscheiden. 
Wenn  Herr  Hirsch,  welcher  im  Ganzen  einer  pathologischen  Auf¬ 
fassung  beitritt,  für  das  Feststehen  der  nervösen  Beschwerden  eine 
gewisse  Diathese  voraussetzt,  so  ist  dem  zuzustimmen,  denn  nur 
so  erklärt  es  sich,  warum  die  eine  Kranke  nervöse  Erscheinungen 
bekommt,  die  andere  nicht.  Ob  aber  nicht  diese  Diathese  selbst  im 
Laufe  der  Zeit  durch  den  chronischen  schädigenden  Einfluss  der  Retro- 
flexionsbeschwerden  bei  gewissen  Fällen  hervorgerufen  werden  kann 
oder  durch  andere  gleichzeitig  wirkende  nachteilige  Einflüsse,  mit 
anderen  Worten:  Ob  diese  Diathese  nicht  auch  eine  erworbene  und 
keine  angeborene  ist?  Das  ist  eine  Frage,  welche  ebenfalls  noch  der 
Erledigung  harrt.  Meine  Beobachtungen  lassen  mich  für  zahlreiche 
Fälle  das  erstere  annehmen.  Dem  Standpunkte  von  Herrn  Edinger, 
dass  die  Diagnose  der  Hysterie  erheblich  eingeschränkt  werden 
müsse,  stimme  'ich  unbedingt  zu.  Sicher  wird  unendlich  Vieles  als 
Hysterie  diagnostiziert,  ohne  es  zu  sein.  Man  soll  die  Diagnose  n  u  r 
in  solchen  Fällen  stellen,  bei  denen  die  von  den  Neurologen  als  patho- 
gnostisch  aufgestellten  Erscheinungen  in  unzweideutiger  Weise  vor¬ 
handen  sind.  Alle  diese  nervösen  Beschwerden,  wie 
sie  bei  Retroflexio  auftrete  n,  haben  m.  E.  mit  der 
wirklichen  Hysterie  nichts  zu  tun.  Sie  sind  Reflex- 
crscheinungen,  ausgelöst  durch  den  Reiz,  welchen  die  Lagerverände¬ 
rung  des  Uterus  dauernd  auf  die  ausserordentlich  reich  entwickelten 
Nervengeflechte  des  kleinen  Beckens  ausübt.  Am  besten  bezeichnet 
man  diese  Beschwerden  mit  dem  vielfach  verpönten,  aber  trotzdem 
zutreffenden  Worte:  Reflexneurosen  oder,  wie  Rost  horn  vor¬ 
schlägt:  Hysteroneurosen.  Man  sollte  damit  aufhören,  Symptome, 
welche  man  auf  andere  Weise  nicht  zu  erklären  vermag,  einfach 
Hysterie  zu  nennen  und  mangelnde  Erkenntnis  durch  ein  Wort  zu  er¬ 
setzen! 

Herr  Emanuel:  Magnetoperationen. 

1.  Vor  33U  Jahren  linksseitige  perforierende  Eisensplitterver¬ 
letzung.  Eintrittsstelle  im  horizontalen  Meridian  nasal  in  der  Sklera. 
Blutung  in  den  Glaskörper.  Mit  dem  S  c  h  1  ö  s  s  e  r  sehen  Riesen¬ 
magneten  gelingt  es,  den  kleinen  Splitter  —  L/2  mm  im  Durch¬ 
messer  —  aus  dem  Glaskörper,  zwischen  Linse  und  Iris  hindurch,  in 
die  vordere  Kammer  zu  bringen,  aus  der  er  nach  Anlegung  eines 
Lanzenschnittes  entfernt  wurde.  Voll  erhaltenes  Sehvermögen. 
Ophthalmoskopisch:  nach  unten  etwas  nach  aussen  ganz  peripher 
weisse  Veränderungen,  die  entweder  als  eine  zirkumskripte  Ablatio  re¬ 
tinae  oder  als  Bindegewebsauftagerung  auf  die  Retina  aufzufassen 
sind. 

2.  Vor  7  Wochen  rechtsseitige  perforierende  Eisensplitterver¬ 
letzung.  Eintrittsstelle  im  horizontalen  Meridian  der  Sklera  nasal.  Mit 
dem  Spiegel  war  der  leicht  geschlängelt  verlaufene,  als  hämorrha¬ 
gisches  Band  sich  darstellende  Weg  des  Splitters  der  Augen  wand  ent¬ 
lang  bis  zu  seinem  Sitz  am  vertikalen  Meridian  sehr  peripher  zu  ver¬ 
folgen.  Die  langdauernden  Bemühungen  wenige  Stunden  nach  der 
Verletzung,  den  Splitter  mit  dem  Riesenmagneten  in  die  vordere 
Kammer  zu  bringen,  waren  resultatlos.  Deswegen  Lanzenschnitt  in 
die  Sklera  in  der  Gegend  des  vermuteten  Sitzes  des  Fremdkörpers 
und  Entbindung  des  kleinen  Splitters  —  1  mm  im  Durchmesser  — 
mit  dem  Handmagneten  nach  H  i  r  s  c  h  b  e  r  g.  Visus  jetzt  Die 
Glaskörperveränderungen  (Hämorrhagie  und  Narbe  vom  Lanzen¬ 
schnitt)  und  die  Netzhautveränderungen  (leichte  Atrophie)  sind  auf 
die  periphersten  Teile  des  inneren  unteren  Quadranten  beschränkt. 

Diskussion:  Herr  Asch  heim  teilt  2  Fälle  mit,  bei  denen 
die  Extraktion  mit  dem  Magneten  nicht  gelang.  In  einem  Fall  trat 
nach  der  ersten  Sitzung  ein  12  Stunden  anhaltender  tiefer  Schlaf  ein, 
aus  dem  der  Pat.  nicht  zu  erwecken  war,  nach  der  zweiten  Sitzung 
ein  weniger  tiefer  und  anhaltender  Schlaf,  an  den  sich  ein  Zustand  der 
Benommenheit  anschloss,  der  ca.  2*4  Stunden  dauerte. 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  v  o  m  16.  Oktober  1 907. 

Herr  Geb  eie:  Ueber  die  Bier  sehe  Hyperämie,  mit 
Demonstrationen.  (Vortrag  erscheint  in  gekürzter  Form  in 
dieser  Wochenschrift.) 


Die  Diskussion  wird  im  Anschluss  an  den  Vortrag  gebracht 
werden. 

Herr  Adolf  Schmitt  stellt  einen  51  Jahre  alten  Pat.  vor.  dem 
er  vor  genau  6  Monaten  ein  ungewöhnlich  grosses  und  tiefgreifendes 
Magengeschwür  exzidiert  hat.  Die  Indikation  zum  operativen  Ein¬ 
griff  bildeten  —  abgesehen  von  den  heftigen  Schmerzen  und  der 
starken  Störung  der  Magenarbeit  —  wiederholt  anfgetretene,  heftigste 
Blutungen,  die  ca.  3  Monate  vor  der  Operation  angefangen  hatten. 
Es  wurden  so  grosse  Mengen  von  Blut  per  os  und  per  rectum  ent¬ 
leert,  dass  Pat.  wiederholt  dem  Tode  nahe  war;  er  hatte  in  3  Mona¬ 
ten  60  Pfd.  an  Gewicht  verloren.  Am  freigelegten  Magen  imponierte 
das  Geschwür  als  Tumor  von  fast  Handtellergrösse  an  der  kleinen 
Kurvatur,  nahe  dem  Pylorus  sitzend;  die  harte  derbe  Infiltration  in 
der  Umgebung  des  Geschwürs  reichte  fast  über  die  ganze  vordere 
und  hintere  Magenwand  —  es  wurde  ein  grosses  elliptisches  Stück 
des  Magens  exzidiert,  die  grösste  Breite  der  Ellipse  —  12  cm  — , 
an  der  kleinen  Kurvatur,  enthielt  das  kreisrunde,  zweimarkstück- 
grosse,  wie  mit  dem  Locheisen  ausgeschlagene  Geschwür,  das  in 
dem  Momente,  als  der  Magen  vorgezogen  wurde,  perforierte;  die 
den  Geschwürsgrund  bildende  Wandung  war  an  mehreren  Stellen 
papierdünn. 

Pat.  wurde  nach  glatter  Heilung  3  Wochen  post,  operat.  entlassen; 
er  kann  jetzt  alles  essen  ohne  jede  Beschwerde  und  hat  die  ver¬ 
lorenen  60  Pfd.  Körpergewicht  wieder  zugelegt. 

Sch.  demonstriert  den  Fall,  da  er  vor  wenigen  Tagen  von  einem 
Kollegen  zu  einem  anderen  Kranken  mit  heftigster  Magenblutung 
gerufen  wurde,  um  zu  versuchen,  die  Blutung  durch  Operation  zu 
stillen;  die  Operation  wurde  von  den  Angehörigen  abgelehnt;  Pat. 
starb  am  folgenden  Tage  an  Verblutung  aus  einem  dicht  am  Pylorus 
sitzenden  Duodenalgeschwür. 

Die  totale  Entfernung  des  blutenden  Magengeschwüres  gelingt 
nur  relativ  selten  —  Sch.  hat  sie  nur  3  mal  ausführen  können  — ; 
ebenso  selten  ist  es  möglich,  die  Blutung  durch  direkte  Unterbindung 
des  blutenden  Gefässes,  das  meist  sehr  schwer  freizulegen  und  zu 
finden  ist,  zu  stillen;  auch  die  Kauterisation  des  blutenden  Ulcus 
führt  selten  zum  Ziele.  Am  häufigsten  ist  man  veranlasst,  die  Gastro¬ 
enterostomie  auszuführen;  diese  hat,  auch  nach  den  Erfahrungen 
Sch.s,  häufig  guten  Erfolg;  die  Blutung  kommt  zum  Stehen,  da  sich 
infolge  der,  durch  raschere  und  leichtere  Entleerung  ermöglichten, 
geringeren  Magenperistaltik  und  der  geringeren  Reizung  der  Schleim¬ 
haut  bezw.  des  Geschwüres,  offenbar  leichter  Thrombose  an  dem 
blutenden  Gefässe  bilden  und  erhalten  kann.  Auch  bei  nicht  bluten¬ 
den  Magengeschwüren,  die  nach  der  gewöhnlichen  Ulcuskur  nicht 
ausheilen,  lassen  sich  mit  der  Gastroenterostomie  ausgezeichnete 
Erfolge  erzielen. 

Diskussion:  Herr  R.  v.  Ho  esslin:  Zu  den  Bemerkungen 
des  Herrn  Schmitt  möchte  ich  noch  einiges  nachtragen.  Wir  haben 
mittags  die  seit  langer  Zeit  zweifelhafte  Diagnose  auf  grund  einer 
Darmblutung  stellen  können  und  auch  sofort  die  Eventualität  einer 
Operation  erwogen;  nun  erfolgte  aber  schon  in  der  gleichen  Nacht  die 
tödliche  zweite  Blutung.  Die  Obduktion  hat  uns  nun  insoferne  be¬ 
ruhigt,  als  sie  uns  darüber  aufklärte,  dass  eine  Operation  wohl 
ganz  aussichtslos  gewesen  wäre.  Es  handelte  sich  bei  dem  63  jäh¬ 
rigen,  sehr  marastisch  aussehenden  Herrn  um  ein  tiefes  und  breites 
kallöses  Geschwür  im  Anfang  des  Duodenums,  in  den  Pylorus  hinein¬ 
ragend;  man  sah  das  grosse,  klaffende  Gefäss,  aus  welchem  die 
Blutung  erfolgt  war;  die  Blutung  konnte  deswegen  nicht  stehen, 
weil  das  Gefäss  atheromatös  entartet  war  und  seine  Kontraktibilität 
verloren  hatte.  Das  Geschwür  war  mit  dem  Pankreas  breit  ver¬ 
wachsen  und  hatte  den  Pylorusteil  des  Magens  weit  nach  hinten 
gezogen,  es  wäre  also  sehr  schwer  zugänglich  gewesen.  Ferner  fand 
sich  eine  vorgeschrittene  Atheromatose  der  Aorta  descendens  und 
der  von  ihr  ausgehenden  Interkostal-  und  Mesenterialgefässe. 

Endlich  musste  man  fast  annehmen,  dass  der  Kranke  aus  einer 
Narkose  nicht  erwacht  wäre,  denn  die  Koronararterien  waren  so 
hochgradig  atheromatös,  dass  die  Koronararterie  des  linken  Ven¬ 
trikels  überhaupt  völlig  obliteriert  war  und  der  Ventrikel  sein  Blut 
nur  aus  Kollateralen  bezogen  haben  kann.  Im  Leben  waren  keinerlei 
Herzsymptome  beobachtet  worden. 

Günstiger  verlief  ein  Fall,  den  ich  vor  einigen  Jahren  bei  einer 
unter  den  Symptomen  eines  chronischen  Ulcus  ventriculi  von  Monat 
zu  Monat  mehr  heruntergekommenen  Kranken  wegen  immer  sich 
wiederholender  Blutungen  von  Herrn  Kollegen  Joch  11er  operieren 
liess.  Bei  der  Operation  fand  sich  an  der  kleinen  Kurvatur  gegen 
hinten  zu  ein  eigrosser,  harter  Tumor,  dessen  Resektion  wegen 
diffuser  Verwachsung  nicht  ausführbar  erschien.  Es  wurde  in  der 
Annahme,  dass  es  sich  um  ein  Karzinom  handelte,  die  Gastroentero¬ 
stomie  zur  Entlastung  des  Magens  ausgeführt;  die  Kranke  erholte 
sich  wider  Erwarten  rasch,  nahm  um  mehr  als  30  Pfd.  zu  und  ist 
seit  der  Operation  völlig  arbeitsfähig.  Es  hatte  sich  also  offenbar 
auch  um  ein  kallöses  Geschwür  gehandelt,  das  unter  dem  Einfluss 
der  raschen  und  regelmässigen  Magenentleerung  schnei!  heilte.  Solche 
Fälle  sind  recht  aufmunternd  zur  Operation  bei  ähnlich  gelagerten 
Verhältnissen. 

Herr  Perutz  berichtet  über  einen  weiteren  von  Herrn 
Schmitt  operierten  Fall,  bei  dem  die  Gastroenterostomie  ebenfalls 
lebensrettend  gewirkt  hat.  Sie  musste  im  Anschluss  an  eine  abun¬ 
dante  Blutung  infolge  fortgesetzter  Nachschübe  bei  der  ausgebluteten 
Patientin  im  elendesten  Zustand  vorgenommen  werden.  Die  durch 


2552 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


die  barten  Geschwürsränder  bedingte  Annahme,  dass  es  sich  um 
beginnendes  Karzinom  handle,  ist  durch  den  weiteren  Verlauf  wider¬ 
legt  worden.  Pat.  befindet  sich  jetzt,  zwei  Jahre  nach  der  Operation, 
dauernd  wohl  und  beschwerdefrei. 

Herr  Q  e  b  e  le  erwidert,  dass  in  der  chirurgischen  Klinik  mehrere 
l  alle  von  abundant  blutenden  Magengeschwüren  mit  ausgezeichnetem 
Pi  folg  gastroenterostomiert  wurden.  Die  Patienten  erholten  sich  sehr 
rasch,  durch  die  Gastroenterostomie  wird  eine  Entlastung  des 
Magens,  wie  Prof.  Schmitt  schon  erwähnte,  herbeigeführt.  In  1 
hall  von  kallösem  Magengeschwür,  das  Gebele  wegen  des  auf¬ 
fallend  derben  Geschwürsgrundes  und  wegen  Verwachsungen  mit  dem 
Pankreaskopf  für  ein  Ulcuskarzinom  hielt  und  resezierte,  kam  der 
Pat.  4  Wochen  später  ad  exitum.  Die  Resektionswunde  des  Magens 
und  Darmes  war  ganz  gehörig,  dagegen  war  ein  neues  Geschwür 
am  Fundus  des  Magens  aufgetreten  und  durchgebrochen.  Auch 
K  r  ö  n  1  e  i  n  bat  auf  dem  vorigjährigen  Kongress  der  Deutschen  Ge- 
seljschaft  für  Chirurgie  auf  grund  seines  eingehenden  Referates  „Zur 
Chirurgie  des  Magengeschwürs“  die  Gastroenterostomie  als  das  Nor¬ 
malverfahren  beim  komplizierten  Magenulcus  erklärt. 

Herr  A.  Schmitt  (Schlusswort):  Ich  habe  schon  angeführt, 
dass  die  Möglichkeit,  das  Magengeschwür  durch  Resektion  zu  be¬ 
seitigen,  leider  nur  selten  gegeben  ist;  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
muss  man  sich  bei  blutendem  und  nicht  blutendem  Ulcus  darauf  be¬ 
schränken,  eine  Gastroenterostomie  zu  machen,  erzielt  aber  mit 
dieser  relativ  einfachen  Operation  oft  sehr  gute  Erfolge. 

Herr  Ploeger  spricht  über  4  neue  Fälle  von  Porospermosis 
follicularis  vegetans  (Darier),  einer  Hautkrankheit,  die  den  meisten 
Aerzten  hier  wohl  unbekannt  sein  dürfte.  Es  sind  in  den  letzten 
20  Jahren  ca.  40  Fälle  beschrieben  worden,  die  meisten  in  Frankreich, 
sehr  wenige  in  Deutschland.  Ein  Fall  wurde  schon  vor  ca.  50  Jahren 
unter  einem  anderen  Namen  mitgeteilt,  aber  erst  Darier  hat  die 
Krankheit  1889  eingehend  beschrieben.  Vortragender  meint,  dass  die 
Fälle  doch  zahlreicher  sein  dürften,  als  nach  diesen  Zahlen  anzu¬ 
nehmen  sei,  dass  sie  nur  nicht  erkannt  würden.  Er  hat  hier  in  der 
dermatologischen  Poliklinik  (Prof.  K  o  p  p)  in  3  Jahren  5  Fälle  ge¬ 
sehen,  von  denen  er  4  als  erster  diagnostiziert  zu  haben  glaubt,  -trotz¬ 
dem  die  Erkrankungen  schon  ca.  10,  12,  20  und  30  Jahre  angedauert 
hatten.  Die  Krankheit  beginnt  nämlich  meist  im  späten  Kindesalter, 
manchmal  später,  und  dauert  dann  das  ganze  Leben.  Heilungen  sind 
nicht  beobachtet  worden,  das  Allgemeinbefinden  wird  aber  nicht  ge¬ 
stört. 


Bei  der  37  jährigen  Patientin,  Haushälterin  bei  ihrem  geistlichen 
rüder,  die  das  Leiden  am  längsten,  ca.  30  Jahre,  hat,  demonstriert 
der  Vortr.  zunächst  die  Primäreffloreszenzen,  harte,  kleine,  Steck¬ 
nadel-  bis  linsengrosse  Knötchen  (die  letzteren  hinter  den  Ohren)  von 
iot-,  &elb-  und  schwarzbrauner  Farbe  und  leicht  abgeplatteter,  koni¬ 
scher  Gestalt,  die  nicht  immer  einem  Follikel  entsprechen.  Diese  per¬ 
sistenten  Knötchen  produzieren  nun  an  ihrer  Oberfläche  und  in  einer 
trichterförmigen  Vertiefung  in  der  Mitte  trockene  oder  fettige  Horn¬ 
massen,  die  sehr  fest  sitzen.  Je  nachdem  nun  diese  Hornmassen 
wie  ein  Polsternagel)  sowohl  die  ganze  Oberfläche  des  Knötchens 
neu  ecken  als  auch  mit  einem  weicheren  Zapfen  in  die  Tiefe  greifen 
odei  n-ur  (wie  ein  Stift)  in  dem  Trichter  allein  sitzen,  unterscheidet 
,r  Vortr.  2  ausserlich  recht  verschiedene  Effloreszenzarten.  Die 
etzteie  Art,  die  viel  Aehnlichikeit  mit  Komedonen  hat,  besonders  wenn 
tlei.l  ir°Pf  ganz  schwarz  ist,  manchmal  aber  sehr  dem  Molluscum  con- 
tagmsum-Knötchen  gleicht,  auch  in  dem  mehr  rundlichen  Pfropf, 
sitzen  hauptsächlich  am  Kopf,  die  anderen  lieber  auf  Rumpf  und  Ex¬ 
tremitäten.  Diese  fühlen  sich  naturgemäss  viel  rauher  an,  was  sich 
us  zu  dem  Gefühl,  als  fahre  man  über  ein  Reibeisen,  steigert,  wenn 
ue  Knötchen  (das  tun  beide  Arten)  zu  kleineren  oder  grösseren 
f  c!ques  zusammentreten,  an  deren  Rande  man  dann  noch  deren 
Entstehungsgeschichte  verfolgen  kann.  Alle  -diese  Formen  zeigt  die 
Patientin  und  zwar  in  typischer  Lokalisation.  Knötchengr-uppen  hat 
e'c,  be_sonders  um  das  Ohr  herum  bis  in  den  Gehörgang  hinein,  an  den 
Schlafen,  m  der  Nasolabial-  und  Kinnfurche.  Als  seltenere  Erschei¬ 
nungen  präsentieren  sich  kleine  Knötchen  an  den-  Augenlidrändern 
und  kleinste,  weisshche  Papelchen  am  Gaumen.  Der  behaarte  Kopf 
werst  die  eigenartige  Seborrhöe  auf.  Am  Rumpf  ist  am  meisten  be- 
in  Fr°r^  V°r  nichJt  ?anz  dichten  Plaques  die  Rückenfurche,  die 

Urit^rhpÄTr  üIld  *n£ui’nalgegend.  An  den  Unterarmen  und 
Unterschenkeln  befinden  sich  grossere  zusammenhängende  Herde,  die 

^IfmPür?pn'eHei8:enartis:e  Veränderung  der  Plaques  darstellen.  Die 
vermehrten  Hornmassen  aller  einzelnen  Knötchen  sind  hier  sozusagen 
zu  kleineren  oder  grösseren,  krustösen  Schildchen  verbacken,  die 
E  zwischen  sich  fjordähnliche,  verzweigte,  tiefe,  rote  Furchen  zei¬ 
gen.  Entfernt  man  diese  Schildchen  gewaltsam  oder  fallen  sie  selbst 
ab.  so  gewahrt  man  eine  hochrote,  nässende  Exkoriation  mit  feinen 

fitÄ.,Unnen,-f1®  den1  ™itentfernten  Zapfen  entsprechen.  Im  Gegen- 
s.tz  zu  allen  übrigen  befallenen  Stellen,  die  kaum  ein  merkliches  Fort- 
oder  Ru oksch reiten  der  Krankheit  erkennen  lassen,  spr  eht  sich  hier 
cm  lebhafteres  Auf  und  Nieder  ab.  manchmal  -bis  zu  ehier  länger  an- 

Vnn'ndACn'(iSt  volIkommenen  Rückbildung,  wenigstens  am  linken 
•  An  diesem  wurde  einmal  nach  einer  versuchten  aber  als  zu 

eiVertf bS^Hknl  ee?fcben.en  Röntgenbestrahlung  für  kurze  Zeit  eine 
li  W  P  ’  kolbenförmige  Auftreibung  leicht  beweglicher.  läng- 

^Ä!k52rrk,i  dVher  hald  wieder  im  eintrodenenden  Se- 

eigentlich  nur  ihrrE’;  •"  nkE  en  a-e-n  findet  die  Patientin 
g  ch  nur  ihre  einzige  Belästigung,  weil  sie  hier  fast  ständig  einen 


Verband  tragen  muss.  Auf  den  Handrücken  ist  wieder  eine  andere, 
für.  di«  Krankheit  sehr  charakteristische  Veränderung  vorhanden’ 
diesmal  der  einzelnen,  nicht  allzu  dicht  stehenden  Knötchen  selbst.’ 
bi-e  haben  hier  in  Form  und  Farbe  das  Aussehen  von  planen  Warzen. 
Die  Handflächen  sind  im  ganzen  etwas  schwieliger,  schwitzen  mehr, 
zeigen  \ergrösserte  Schweissdrüsenmündungen.  Die  Nägel  sind  etwas 
längsstreifig,  am  freien  Rand  etwas  bröckelig  und  eingerissen,  ver¬ 
einzelt  von  geringen  hornigen  Massen  unterlagert.  Aehnliche,  aber 
weit  geringere  Veränderungen  besitzen  die  Fiisse,  die  nicht  demon- 
striert  \\urden,  ebenso  nicht  die  mit  weissbläulichen,  mazerierten  Epi- 
thelien  bedeckten  gegenüberliegenden  Plaques  an  der  Afterkerbe  und 
den  grossen  Schamlippen.  Die  hier  häufig  sitzende  vegetierende 
Eorm  fehlt  in  diesem  Fall,  höchstens  ist  sie  hinter  den  Ohren  etwas 
durch  eine  kleine  Leiste  angedeutet,  auch  merkt  man  bei  der  sehr 
reinlichen  Patientin  eigentlich  wenig  von  dem  charakteristischen  Ge-s 
ruch.  Wir  haben  es  hier  also  mit  einem  -ganz  typischen,  alle  Eigen¬ 
arten  zeigenden  Fall  von  Psorospermie  zu  tun. 


Da  die  übrigen  3  Fälle,  die  alle  einer  (ziemlich  hysterischen) 
Familie  angehoren,  ausgeblieben  sind,  so  bespricht  Vortr.  an  der  Hand 
von  zahlreichen  Photographien  kurz  die  auffallendsten  Erscheinungen. 
Es  handelt  sich  um  eine  Mutter  und  2  Töchter,  ein  noch  nicht  vor¬ 
gekommenes  Faktum.  Früher  sind  einmal  ein  Vater  und  2  Söhne  er¬ 
wähnt,  es  liegt  hier  also  die  zweite  Dreizahl  in  einer  Familie  vor. 
ei  dei  Mutter  fallen  vor  allem  die  ausgesprochen  komedonenähn- 
ichen,  schwarzen,  teilweise  auch  wie  Molluscum  contagiosum  im- 
poniei  enden  Effloreszenzen  um  die  Ohren  herum  auf,  hinter  denselben 
wieder  eine  kleine  Leiste  bildend.  Mazerierte  Knötchen  finden  sich 
unter  den  Brüsten,  Arme  und  Hände  sind  frei.  Vom  Leibgurt  nach 
unten  wurde  mir  nie  eine  Besichtigung  gestattet.  Die  jüngere  Tochter 
fi!'11  £Tlze.n  w'eder  etwas  mehr  befallen,  aber  weniger  wie  der  erste 
Fall.  Die  einzelnen  Effloreszenzen  sitzen  noch  zerstreuter,  besonders 
wieder  um  die  Ohren  herum,  an  den  Achseln,  Brust  und  Rücken,  vor 
allem  aber  an  der  Afterker-be  (nässend),  auch  der  Gaumen  ist  be¬ 
fallen. 


,....,  Pie  ,ältere  Tochter  ist  der  am  meisten  betroffene  Fall.  Hier 
lallt  das  biaune  Gesicht  auf,  besonders  die  schwarzbraune  Stirn;  dann 
die  sein  ausgedehnten  dunkelbraunen  Plaques,  die  über  die  ganzen 
lnteren  Partien  der  Oberschenkel  und  über  die  Nates  ziehen  und  in 
den  Hautfalten  stärkere  papilläre  Wucherungen  und  starkes  Nässen 
zeigen,  wodmeh  -ein  ganz  infamer  Geruch  verbreitet  wird,  so  dass 
man  die  Patientin  nicht  gern  längere  Zeit  in  einem  Zimmer  lässt. 
Auch  an  den  Unterschenkeln  sind  die  Erscheinungen  viel  schlimmer 
wie  bei  der  vorgestellten  Patientin.  An  den  Füssen  befinden  sich  dann 
noch  starke  Schwielenbildungen  und  an  einer  Stelle  eine  hohe,  sporn- 
aitige,  tiockene,  warzige  Wucherung;  im  übrigen  fehlen  hier  keine 

der  oben  bei  den  3  anderen  Fällen  erwähnten  Variationen  und  Lokali¬ 
sationen. 


Die  Diagnose  ist  in  ausgesprochenen  Fällen  für  einen  Fachmann 
sehr  leicht.  Das  ganze  Bild  mit  seinen  mannigfaltigen,  ganz  eigentüm¬ 
lichen  Veränderungen  ist  so  charakteristisch,  dass  es  mit  keiner 
anderen  Krankheit  verwechselt  werden  kann.  Aber  auch  schon  die 
einzelne  Papel  ist  durch  Farbe  und  Gestalt  leicht  zu  erkennen.  Vortr 
hatte  bei  Prof.  Ehrmann  in  Wien  nur  einmal  ein  Bild  einer  lebens¬ 
grossen  Rumpf partie  gesehen  und  hat  den  ersten  Fall,  der  ihm  be¬ 
gegnete,  sofort  diagnostizieren  können.  Es  war  ein  Fall  der  1904 
die  dermatologische  Poliklinik  aufsuchte.  Er  ist  schon  mehrfach  be¬ 
schrieben  und  vorgestellt  worden,  zuerst  von  J  a  c  o  b  i  -  Freiburg, 
zuletzt  wohl  von  R  i  e  c  k  e -Leipzig.  Vortr.  zeigt  auch  hier  an 
Photographien  die  auffallendsten  Erscheinungen,  das  drüsig  veränderte 
Gesicht,  die  Vegetation  in  der  Afterkerbe  etc.  Bald  nach  diesem  Fall 
wurde  mir  von  Kollegen  Schmitt-  Schwabing  der  -stärkst  affizierte 
Fall  zugewiesen.  Vortr.  stellte  sofort  Nachforschungen  in  der  Familie 
an  und  fand  so  -die  Mutter  und  die  Schwester.  2  andere  Schwestern 
und  die  3  Brüder  sind  frei.  Auch  der  im  Irrenhaus  gestorbene  Vater 
soll  frei  gewesen  sein.  Der  vorgestell-te  Fall  wurde  uns  im  Frühjahr 
von  der  chirurgischen  Poliklinik  überwiesen 


_  Sollte  die  Diagnose  trotzdem  noch  zweifelhaft  sein,  so  gibt  das 
Mikroskop  unzweideutige  Aufklärung.  Vortr.  bespricht  die  Histologie 
Präparate  wurden  in  der  vorgerückten  Stunde  nicht  mehr  demon¬ 
striert).  Es  handelt  sich  hauptsächlich  um  Hyperkeratose,  Parakera- 
tose  und  Akanthose  und  vor  allem  um  eigentümliche  eingelagerte 
Hellen,  die  Corps  ronds  und  Grains,  die  Darier  eben  für  Psoro- 
spermien  hielt.  Neuerdings  neigt  man  (auch  Darier)  mehr  der 
Anschauung  zu,  dass  es  sich  hier  um  degenerierte  Epithelzellen  han- 
-delt.  Nach  Meinung  des  Vortr.  hat  aber  auch  die  alte  Auslegung  noch 
viel  für  sich..  Auch  die  scheinbare  Heredität  (in  ca.  V*  aller  Fälle 
i  and  eit  es  sich  um  Verwandte)  könnte  im  Sinne  einer  erhöhten, 
dauernden  Infaktionsmöglichkeit  ihre  Erklärung  finden.  Vortr.  weist 
auch  hin  auf  di-e  teilweise  äussere  Ähnlichkeit  mit  Molluscum  con¬ 
tagiosum  und  Warzen,  deren  Wesen  als  kontagiös  festgestcllt  wurde. 
Fr  glaubt  auch  einmal  eine  Eigenbewegung  dieser  Zellen  gesehen  zu 
ilaben-  ,D‘e  Behandlung  beschränkte  sich  bei  diesen  Fällen  auch  wie 
gewöhnlich  auf  die  wenig  reizenden  Mittel  gegen  das  seborrhoische 
Ekzem,  anscheinend  wirkten  auch  austrocknende  Mittel  srut,  wie  das 
Lemcetstreupulver. 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2353 


Gynäkologische  Gesellschaft  in  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  21.  November  1907. 

Herr  Oberndorfer  'demonstriert  die  Röntgen-  und  mikro¬ 
skopischen  Bilder  des  in  der  letzten  Sitzung  vorgestellten  Scham¬ 
beinstückes  (Hebosteotomie),  aus  denen  hervorgeht,  dass  eine 
knöcherne  Verbindung  nicht  mehr  eingetreten  wäre. 

Diskussion:  Herr  Wiener. 

Herr  D  ö  d  e  r  1  e  i  n  berichtet  über  3  vaginale  Kaiserschnitte,  die 
aus  folgenden  Indikationen  gemacht  wurden:  a)  wegen  Nabel¬ 
schnurvorfall  bei  ausgetragenem  Rinde  und  markstückgrossem 
Muttermunde;  b)  wegen  Ablösung  der  normal  sitzenden  Plazenta 
im  7.  Monat  der  Gravidität  bei  geschlossenem  Muttermund;  c)  wegen 
Hyperemesis  gravidarum  im  4.  Monat.  Der  Vortragende  tritt  dafür 
ein,  den  vaginalen  Kaiserschnitt  auch  bei  der  Plazenta  praevia  zu 
machen,  um  das  kindliche  Leben  mehr,  wie  bisher,  zu  retten. 

Diskussion:  Die  Herren :  Amann,  Mirabeau,  Stumpf, 
T  h  e  i  1  ha  b  e  r,  Döderlein,  Alb.  Hoerrmann. 

Tagesordnung: 

An  der  Diskussion  zum  Vortrage  des  Herren  Alb  recht 
(cf.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  46)  beteiligen  sich  die  Herren: 
Hörmannv  Döderlein,  Albrecht. 

Herr  Ludwig  Seitz:  Ueber  den  Einfluss  der  Schwerkraft  auf 
die  Entstehung  der  Kopflagen. 

Als  Ursache  für  das  häufige  Vorkommen  der  Kopflagen  (96  Proz.) 
hat  man  vielfach  die  Schwerkraft  angesehen.  Von  den  Methoden, 
die  zur  Feststellung  des  Einflusses  der  Schwerkraft  angewendet  wur¬ 
den,  kann  nur  der  Schwimmyersuch  Anspruch  auf  Richtigkeit  und  Ge¬ 
nauigkeit  machen. 

Vortragender  hat  im  Verein  mit  Herrn  0 1 1  systematisch 
Schwimmversuche  im  spezifisch  gleich  schweren  Medium  bei  40 
intrauterin  abgestorbenen  Föten  im  Alter  von  5  Monaten  bis  zum 
ausgetragenen  Fötus  (22  cm  bis  53  cm  Länge)  angestellt  und  ge¬ 
funden,  dass  Föten,  die  kürzer  als  40  cm  sind,  also  solche  bis 
zum  Ende  des  8.  Monats,  mit  dem  Steisse  tiefer  einsinken,  dass 
Föten  von  40 — 43  cm  Länge  horizontal  schwimmen  und  dass 
erst  Föten,  die  länger  als  43  cm  sind,  mit  dem  Kopfe  sich  tiefer 
einstellen.  Es  ist  also  bis  zum  Ende  des  8.  Monats  der  Steiss  spe¬ 
zifisch  schwerer  als  der  Kopf  und  erst  etwa  6 — 7  Wochen  vor  der 
Geburt  erlangt  der  Kopf  ein  Uebergewicht.  Die  Mazeration  bewirkt 
nicht,  wie  man  bisher  angenommen  hat,  eine  Verschiebung  des 
Schwerpunktes,  sie  ist  ohne  Einfluss. 

Wie  die  Statistik  lehrt,  werden  am  Ende  des  8.  Monats  und  wenn 
man  die  totgeborenen  und  mazerierten  Früchte  weglässt,  bereits  vom 
6.  Monate  ab  80  Proz.  aller  Kinder  in  Kopflage  geboren,  d.  h.  also 
zu  einer  Zeit,  in  welcher  der  Steiss  noch  ein  erhebliches 
Uebergewicht  über  das  Kopfende  hat.  Es  kann  dem¬ 
nach  die  Schwerkraft  weder  d  i  e  Ursache,  noch  eine  der  Haupi- 
ursachen  für  die  Häufigkeit  der  Kopflagen  sein.  Die  Ursache  ist  in 
anderen  Momenten  (Form  des  Uterus,  Gestalt  des  Kindes)  zu  suchen. 
Die  allmählich  in  der  2.  Hälfte  der  Schwangerschaft  eintretende  Ver¬ 
schiebung  des  Schwerpunktes  gegen  das  Kopfende  zu  erleichtert 
nur  die  Umwandlung  in  eine  Schädellage,  verursacht  sie  jedoch  nicht; 
denn  die  Schädellage  überwiegt  bereits  zu  einer  Zeit,  in  der  das 
Kopfende  noch  leichter,  als  das  Beckenende  ist.  (Autoreferat.) 

Diskussion:  Die  Herren:  Albrecht,  Th  eil  halber, 
Döderlein,  Stumpf,  Ludwig  Seitz. 

Herr  Karl  Hör  mann:  Zur  normalen  Histologie  der  mensch¬ 
lichen  Tube.  (Mit  Demonstrationen.) 

Vortr.  berichtet  unter  Demonstration  von  mikroskopischen  Prä¬ 
paraten  und  an  der  Hand  von  Projektionsbildern  über  die  Resultate 
von  Untersuchungen,  welche  er  mittels  der  Bielschowsky  sehen 
Silberimprägnation  (ausführlich  beschrieben  im  Arch.  f.  Gyn.,  Bd.  82) 
an  fötalen,  kindlichen  igeschlechtsreifen  und  senilen  menschlichen 
Tuben  angestellt  hat.  Mit  dieser  Methode  gelingt  es,  das  faserige 
Stützgerüst  des  Eileiters  in  allen  Schichten  in  idealer  Weise  dar¬ 
zustellen.  Aus  den  detaillierten  Schilderungen  dieses  Stiitzgeriistes 
in  den  verschiedenen  Entwicklungsstadien  der  Tube  seien  folgende 
Punkte  hervorgehoben:  Auch  die  sog.  Mukosa  der  Tube  enthält  (ent¬ 
gegen  der  Annahme  früherer  Autoren)  ein  ausserordentlich  reich  ver¬ 
zweigtes,  innig  verflochtenes,  maschenbildendes  Fasergerüst,  welches 
sich  gegen  das  Epithel  zu  immer  mehr  verdichtet  und  sich  an  der 
Basis  der  Epithelien  zu  einer  äusserst  feinfaserigen,  flächenhaft  aus¬ 
gebreiteten  „Grenzfaserschicht“  sammelt.  Diese  Schicht  ist  identisch 
mit  der  von  den  Autoren  mehrfach  beschriebenen  „Membrana  pro- 
pria“  unter  dem  Tubenepithel.  Es  ist  somit  diese  Membran  nicht 
homogen,  sondern  zusammengesetzt  aus  feinsten  Bindegewebsfasern 
mit  ihren  zugehörigen  Fibroblasten;  sie  stellt  also  eine  Modifikation 
und  Verdichtung  der  obersten  Schichte  der  bindegewebigen  Grund¬ 
lage  der  Tubenmukosa  dar  und  ist  entstanden  durch  die  Ablagerung 
zahlloser  exoplasmatischer  Fibrillen.  Das  von  v.  Ebner  behauptete 
Eindringen  von  Bindegewebsfasern  und  -zellen  zwischen  den  Tuben- 
epithelien  stellt  sich  bei  Anwendung  der  Silberimprägnation  bestimmt 
als  Irrtum  heraus:  überall  bildet  der  obenerwähnte  flächenhafte 
Grenzfaserfilz  eine  ganz  scharfe  Grenze  zwischen  Epithel  und  unter¬ 


liegendem  Bindegewebe;  niemals  dringen  Fasern  zwischen  die 
Epithelien  ein.  Diese  Verhältnisse  sind  aber  nur  an  versilberten 
Präparaten  klar  und  unzweideutig,  während  z.  B.  bei  Fuchsinfärbung 
der  Fasern  (van  Gieson,  Weigert)  ihre  Tinktion  keine  ge¬ 
nügend  scharfe  ist,  um  über  diese  Fragen  sicheren  Aufschluss  zu 
geben.  So  erweist  sich  die  Silberimprägnation  zum  Studium  der 
feineren  Anordnung  der  Bindegewebsfasern  den  älteren  Methoden 
bedeutend  überlegen.  (Die  Untersuchungen  sind  ausführlich  ver¬ 
öffentlicht  im  Archiv  f.  Gynäkol.,  Bd.  84,  H.  1.)  (Autoreferat.) 

Diskussion;  Die  Herren:  Th  ei  lha  b  er,  Albrecht, 
Hörmann,  G.  Wiener  -  München. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  20.  Juni  1907. 

Vorsitzender :  Herr  F  1  a  t  a  u. 

Herr  G  e  r  1  a  c  h  demonstriert  einen  Fall  von  Osteomyelitis  des 
Oberarms  mit  Ankylose  des  zugehörigen  Schultergelenks.  Der  vorher 
ganz  gesunde  41  Jahre  alte  Kranke  war  im  Anfang  November  1906 
etwa  8  Tage  nach  einem  ziemlich  leichten  Unfall  („Verdehnung  des 
Ellbogengelenks  beim  Heben  eines  schweren  Gegenstandes“)  unter 
dem  Bilde  eines  schweren  Gelenkrheumatismus  erkrankt;  es  war 
dabei  vorwiegend  das  jetzt  versteifte  Schultergelenk  befallen  ge¬ 
wesen.  3/4  Wochen  nach  Beginn  der  Erkrankung  war  bei  mässigen 
Bewegungsversuchen  eine  Fraktur  des  Humerus  in  der  Mitte  erfolgt 
(städt.  Krankenhaus);  kurze  Zeit  darauf  Entfieberung.  Das  in  dieser 
Zeit  aufgenommene  1.  Röntgenbild  zeigte  laut  Krankenbericht  auf 
Eiterherde  verdächtige  Stellen.  Zur  Zeit  ist  der  sehr  wenig  solide 
Kallus  des  verletzten  Oberarms  derartig  verdickt,  dass  trotz  Muskel¬ 
atrophie  der  Umfang  8  cm  mehr  beträgt  als  beim  gesunden  Arm.  Man 
fühlt  nahe  unter  der  geröteten  Haut  mehrere  hervorragende  spitze 
Knochenbälkchen;  auch  ist  bereits  an  2  Stellen  Fluktuation  zu  kon¬ 
statieren.  Entgegen  einem  anderen  Gutachten  vertritt  Herr  G.  den 
Standpunkt,  dass  die  Osteomyelitis  —  nicht  der  Gelenkrheumatismus 
—  das  primäre  Leiden  gewesen  ist,  und  fasst  die  Erkrankung  als 
Unfallfolge  auf. 

Herr  Kraft  teilt  die  Krankheits-  und  Operationsgeschichte 
eines  19  jährigen,  mit  einem  gut  kompensierten  Herzfehler  behafteten, 
sonst  aber  kräftigen  Jünglings  mit,  welcher  schon  vorher  an  chro¬ 
nischer  Rhinitis  in  Behandlung  stand.  Bei  demselben  war  innerhalb 
einiger  Monate  eine  diffuse  schmerzlose  Anschwellung  der  Mitte  der 
rechten  Wange  zur  Entwicklung  gekommen,  als  deren  Unterlage  eine 
scheinbar  über  taubeneigrosse,  solide,  auf  Druck  völlig  schmerzlose, 
die  tiefen  Wan  genweich  teile  einnehmende  Ge¬ 
schwulst  festgestellt  wurde;  die  Wangenschleimhaut  war  über  der 
Geschwulst,  welche  nach  abwärts  bis  zur  Ebene  des  Ductus  steno- 
nianus  reichte  und  sich  über  die  Wangentasche  mit  unsicherer  Be¬ 
grenzung  nach  aufwärts  erstreckte,  völlig  verschieblich.  Beziehungen 
zu  der  früheren  Nasenerkrankung  Hessen  sich  nicht  nachweisen,  eben¬ 
sowenig  zu  den  Nebenhöhlen  der  Nase.  Die  Wahrscheinlichkeits¬ 
diagnose  war  auf  eine  von  einer  sog.  Parotis  accessoria  —  die  Lage 
und  Entwicklung  der  Geschwulst  entsprach  nicht  der  eigentlichen 
Parotis  —  ausgehende  Neubildung  auf  dem  Wege  des  Ausschlusses 
anderer  im  Referat  zu  übergehender  differentiell-diagnostischer  Vor¬ 
aussetzungen  gestellt  worden.  Das  Leiden  selbst  bedingte,  abgesehen 
von  einer  Erschwerung  der  Kaufunktion,  keine  Beschwerden;  als  die 
Geschwulst  grösser  geworden  war  und  zu  Anfang  des  Jahres 
Schmerzen  auftraten,  willigte  Pat.  in  die  Exstirpation,  welche  am 
8,  Februar  curr.  —  wegen  des  Herzfehlers  in  Novokaininfiltrations¬ 
anästhesie  —  vorgenommen  wurde. 

Horizontale  Spaltung  der  Wange,  Entfernung  des  nasalwärts 
vom  N.  buccinatorius  gelegenen  Abschnittes  des  Wangenfettpfropfes. 
Dahinter  erscheint  ein  stattliches  Konvolut  schräg  absteigender,  durch 
reichliches,  wenig  laxes  Bindegewebe  zusammengehaltener,  stark 
erweiterter  und  gefüllter  Venen,  leichte  Isolierung  derselben  nach 
auf-  und  abwärts,  Ligatur  und  Abtragung  derselben  an  oberster  und 
unterster  Grenze.  Wiundnaht,  prima  reunio.  Alsbald  nach  Entfernung 
der  Geschwulst  subjektives  Gefühl  der  verschwundenen,  früher  sehr 
störend  empfundenen  Raumbeschränkung  in  der  Mundhöhle.  Die  im 
Erlanger  pathologisch-anatomischen  Institut  gestellte,  mikroskopische 
Diagnose  lautete:  Hämangiom. 

Anfangs  April  konnte  ein  Rezidiv  festgestellt  werden,  welches  in 
der  Folge  sich  namentlich  stärker  prominent  gegen  die  Mundhöhle 
entwickelte  und  — :  im  Gegensatz  zu  dem  Verhalten,  der  primären 
Geschwulst  —  auffallend  schmerzhaft  war.  Obwohl  auch  jetzt  die 
obere  Grenze  der  Geschwulst  bei  der  Betastung  von  der  Mundhöhle 
aus  nicht  erreicht  wurde,  so  schien  doch  mit  Rücksicht  auf  die  vor¬ 
handene  Verschieblichkeit  der  die  Geschwulst  bedeckenden  Wangen¬ 
schleimhaut  und  aus  kosmetischen  Gründen  —  zur  Vermeidung  eines 
zweiten  äusseren  Wangenschnittes  —  der  Versuch  gerechtfertigt,  den 
Tumor  von  der  Mundhöhle  aus  in  Angriff  zu  nehmen.  Dieser  Ver¬ 
such  musste  nach  Isolierung  eines  kleinen  Sphäroids  der  Geschwulst¬ 
oberfläche  wegen  dichter  Verwachsungen  der  Neubildung  mit  den 
aufwärts  gelegenen,  umschliessenden  Gewebsteilen.  starker  Blutung 
und  Schwierigkeit  der  Beherrschung  derselben  aufgegeben  werden. 
Ein  der  ersten  Operationsnarbe  parallel  verlaufender  zweiter  Wangen- 


^oö4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


schnitt  traf  nun  direkt  auf  den  Ductus  Stenonianus;  derselbe  wurde 
fast  irn  ganzen  Verlauf  isoliert  und  von  der  Geschwulst,  die  sich 
hinter  dein  Jochbogen  nach  aufwärts  in  die  Fossa  infratemporalis  er¬ 
streckte,  abgelöst:  festere  Verwachsungen  der  Geschwulst  mit  der 
Hinterfläche  des  M.  temporalis  wurden  mit  C  o  o  p  e  r  scher  Schere 
getrennt,  dabei  stärkere  arterielle  Blutung  (A.  temporalis  profunda 
oder  Maxillaris  interna?).  Bei  weiterem  Hervorziehen  der  nun  leicht 
entfernbaren  Geschwulst  sehr  heftige  Schmerzensäusserungen  —  Nähe 
des  2.  Trigeminusastes  —  seitens  des  sonst  sehr  standhaften  Pat. 
Vereinigung  der  äusseren  Wunde  durch  die  Naht,  Tamponade  der 
Wangenschleimhautwunde:  lange  Arterienklemme,  welche  das  eben 
erwähnte  arterielle  Gefäss  gefasst  hatte,  zum  rechten  Mundwinkel 
herausgeleitet;  die  Anlegung  eines  Ligaturfadens  war  bei  der  Enge  und 
l  iefe  des  Wundtrichters  unmöglich  gewesen.  Wundheilung  grössten¬ 
teils  per  pr.  reun.  ohne  Hinterbleiben  irgendwelcher  Beschwerden, 
nach  3  Wochen  abgeschlossen. 

Die  entfernte  Geschwulst,  sehr  derb,  walnussgross,  auf  dem 
Durchschnitt  bläulich  grau,  erwies  sich  bei  der  wiederum  im  Er¬ 
langer  pathologischen  Institut  betätigten  mikroskopischen  Unter¬ 
suchung  als  reines  Fibrom.  Ausgangspunkt  der  Geschwulst  war 
wohl  das  Bindegewebe  der  Fossa  infratemporalis.  Die  beiden  Eingriffe 
wurden  von  Herrn  Heinlein  ausgeführt.  Nach  eingehender  Epi¬ 
krise  wird  Pat.  vorgestellt. 

Herr  F  1  a  t  a  u  demonstriert  2  durch  Operation  gewonnene  Prä¬ 
parate  von  geplatzter  Tubenschwangerschaft  (2.  Monat). 

Ferner  demonstriert  Herr  F  1  a  t  a  u  ein  Pessar,  das  von  der  Frau 
27  Jahre  ununterbrochen  getragen  worden  war  und  jetzt 
operativ  entfernt  wurde.  Gleichzeitig  besteht  bei  Patientin  ein 
inoperables  Karzinom  der  Vagina. 

Herr  S  t  a  u  d  e  r  bringt  die  Krankengeschichte  eines  69  jährigen 
Mannes,  der  vor  3  Jahren  an  einem  Ulcus  ventriculi  arterioscleroticum 
mit  Erfolg  behandelt  wurde  und  nun  seit  iVs  Jahren  an  einem  grossen 
Aortenaneurysma  der  aufsteigenden  Aorta,  verbunden  mit  starker 
hämorrhagischer  Diathese  (blutige  Sputa,  Zahnfleisch¬ 
blutungen  heftigster  Art,  Sugillationen  in  Unterarm  und  Unterschenkel) 
leidet.  Rontgenphotographie  (Dr.  G  ö  r  1)  wird  demonstriert.  Heilung 
der  hämorrhagischen  Diathese  durch  Arsenkur. 

Ferner  bespricht  Herr  Stauder  das  Krankheitsbild  des  Leber¬ 
lues  und  geht  im  zweiten  Teil  des  Vortrages  auf  das  luetische 
Leberfieber  ausführlich  ein.  (Dieser  Teil  des  Vortrages  erscheint 
in  extenso  im  Arch.  f.  Verdauungskrankheiten). 


Aus  den  Wiener  medizinischen  Gesellschaften. 

(Eigener  Bericht.) 

Dr.  Max  Jerusalem:  Neuere  Indikationen  für  B  i  e  r  sehe 
Saugbehandlung. 

Nach  operativer  Behandlung  einer  Appendicitis  Simplex  bleiben 
m  einzelnen  Fällen  auf  Adhäsionen  zurückzuführende  Beschwerden 
zurück,,  als  da  sind:  krampfartige  Schmerzen,  Uebelkeit,  Appetit¬ 
losigkeit  und  Obstipation.  Solche  Kranke  wurden  im  chirurgischen 
Ambulatorium  der  Wiener  Bezirkskrankenkasse  durch  die  Applikation 
einer  B  l  e  r  sehen  Saugglocke  von  ovaler  Form  und  leicht  geschweif¬ 
te"  Rändern  (anfangs  täglich,  später  jeden  2.  bis  3.  Tag  durch  20  bis 
30  Minuten)  rasch  geheilt.  Nach  6 — 20  Sitzungen  schwand  die 
Schmerzhaftigkeit,  etwa  bestandene  Resistenzen  gingen  zurück 
Narben  wurden  weicher.  Der  Vortragende  verfügt  bereits  über 
30  balle  welche  teils  seiner  Ambulanz,  teils  der  chirurgischen  Ab¬ 
teilung  des  Prof.  Schnitzler  entstammen.  Mit  Erlaubnis  des  letzt¬ 
genannten  Chirurgen  wurden  auch  subakute  Fälle  von  Appendizitis 
mit  der  Saugglocke  behandelt  und  auch  in  solchen  Fällen  zeigte  sich 
die  schmerzstillende,  etwaige  Infiltrate  zur  raschen  Aufsaugung  brin¬ 
gende  Wirkung  -der  Saugbehandlung.  Wurden  solche  Kranke  später 
operiert,  so  wurde  niemals  Eiter  gefunden,  wiewohl  die  erhöhte  Tem¬ 
po  atui,  die  Leukozytenzahl  etc.  einen  purulenten  Prozess  vermuten 
i essen.  Auch  ~  akute  Fälle  von  Appendizitis,  welche  die  Operation 
vo  weigerten,  wurden  durch  die  Saugbehandlung  wesentlich  erleichtert. 
U?,  SIC  Aald  ,'darnach  die  Operation  gestatteten,  fand  man  'bei  der¬ 
selben  Adhäsionen,  Verdickungen  der  Appendix,  jedoch  keinen  Eiter. 

Der  Vortragende  bespricht  noch  eingehend  die  Theorie  und 
1  echmk  seiner  Behandlungsweise,  berichtet  über  Versuche  an  Men¬ 
schen,  bei  welchen  unmittelbar  vor  einer  Operation  nach  abge¬ 
laufenem  Anfälle  von  Appendizitis  eine  Saugglocke  apoliziert  worden 
war  um  die  I  lefenwirkung  zu  studieren,  desgleichen  über  Experi¬ 
mente  an  Leichen  und  rekapituliert  das  Resultat  seiner  Ausführungen 
mit  tolgenden  Worten:  Die  Bier  sehe  Saugbehandlung  des  Abdomens 
ist  ein  gutes  Mittel  zur  Beseitigung  von  Adhäsionsbeschwerden  nach 
Laparotomien,  besonders  nach  Appewdizitisoperationen.  Sie  wirkt 
schmerzstiHeiid  und  resorptionsbefördernd  bei  perityphlitischen  Infil- 
raten  im  subakuten  Stadium.  Die  Heilung  von  Fisteln  nach  Laparo¬ 
tomien  wird  günstig  beeinflusst.  Eine  Einschränkung  der  Operations¬ 
indikation  bedingt  die  besprochene  Behandlungsmethode  nicht. 

Ischias" Vatdozent  Dr-  Anton  Bum:  Infiltrationsbehandlung  der 


fip  [mlu  \0rtrlge,nde„hat  mit  der  von  lhm  modifizierten  Methodi 

d?r  in  F-a,  10nSbeiardLUng  in  den  letzten  2Va  Jahren  bereits  meh 
als  80  Falle  von  Ischias  mit  dem  Erfolge  behandelt,  dass  rum 


63  Proz.  der  Kranken  dauernd  geheilt  und  weitere  21  Proz.  wesentlich 
gebessert  wurden.  Er  spritzt  lediglich  8  prom.  Chlornatriumlösung 
mittels  grosser  100  ccm  Flüssigkeit  fassender  Glasspritze  unter  star¬ 
kem  Drucke  in  continuo  ein,  sobald  er  sicher  ist,  dass  die  genügend 
lange  Injektionskanüle  den  Nervenstamm  getroffen  hat.  Nach  Leichen¬ 
versuchen,  welche  er  mit  Unterstützung  des  Prof.  Tandler  an¬ 
gestellt  hat,  geht  er  nicht  mehr  durch  die  Glutäalmuskulatur  direkt 
auf  den  Nerven  los,  sondern  sticht  an  jenem  Punkte  der  Beugeseite 
des  Oberschenkels  ein,  an  welchem  der  lange  Kopf  des  Biceps  iemo- 
ris  vom  unteren  Rande  des  Glutaeus  maximus  geschnitten  wird,  wo¬ 
bei  jede  Verletzung  von  Muskeln  und  grösseren  Gefässen-  ausge¬ 
schlossen  ist.  Es  kommt  hier  lediglich  die  mechanische  Wir¬ 
kung  der  injizierten  Flüssigkeit  zur  Geltung.  Zuweilen  -genügt  eine 
einzige  solche  Injektion,  um  Heilung  herbeizuführen,  in  anderen 
werden  3 — 4  solche  Injektionen  in  entsprechenden  Intervallen  ge¬ 
macht.  Die  in  anderer  Weise  oft  monatelang  erfolglos  behandelten 
Kranken  waren  darnach  vollkommen  arbeitsfähig,  Rezidive  blieb  bis¬ 
her  mehr  als  Jahre  lang  aus. 

An  der  Diskussion  beteiligten  sich  die  Professoren 
v.  Noorden  und  T  a  fi  d  1  e  r. 


Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 


Versammlung  am  23.  Oktober  1907 
im  Hörsaale  der  Klinik  Prof.  R.  v.  Jak  sch- Prag. 

Herr  v.  J  a  k  s  c  h  demonstriert  zunächst  einen  Fall  von  myeloider 
Leukämie,  der  mit  Röntgenstrahlen  unter  Benützung  einer  Silber¬ 
platte  behandelt  wurde.  Der  Vortr.  weist  zunächst  auf  seine  Bemer¬ 
kungen  bezüglich  dieser  Therapie  auf  einen  seiner  früheren  Vorträge 
hin  und  bemerkt,  dass  während  der  Dauer  der  Behandlung  die  Zahl 
der  Leukozyten  rasch  herunterging,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  die 
pathologischen  Formen  sich  sehr  zurückbildeten,  während  die  nor¬ 
malen  Formen,  also  vorwiegend  die  polynukleären  neutrophilen  Ele¬ 
mente,  prozentuell  eine  Vermehrung  erfuhren.  Nach  dem  Sistieren  der 
Behandlung  trat  wieder  eine  Verschlechterung  des  Blutbildes  ein, 
welches  nach  neuerlicher  Vornahme  der  Röntgenbehandlung  sich 
wieder  zu  bessern  beginnt.  Von  einer  Dauerheilung  kann  bei  mye- 
. lo'ider  Leukämie  nicht  die  Rede  sein.  Bestrahlt  wurde  die  Patientin 
im  ganzen  durch  27  Stunden,  wobei  keine  gröberen  Hautverände¬ 
rungen  zu  verzeichnen  waren. 

Als  Gegenstück  zu  dieser  Methode  demonstriert  v.  J  a  k  s  c  h 
einen  anderen  Fall  von  chronischem  Milztumor,  wo  der  Tumor 
sich  zwar  nach  einer  Bestrahlung  durch  16  Stunden  (ohne  Silberplatte) 
verkleinerte,  aber  dabei  eine  Röntgenverbrennung  eintrat,  die  die 
Patientin  9  Monate  an  das  Bett  fesselte  und  nach  2V2  Jahren  immer 
noch  nicht  ganz  ausgeheilt  ist. 

Weiterhin  wird  ein  Fall  von  lymphatischer  Leukämie  demon¬ 
striert,  bei  welchem  ebenfalls  unter  Verwertung  einer  Silber¬ 
platte  bestrahlt  wird,  und  wo  die  Leukozyten  bis  auf  10  800  sanken, 
dabei  aber  eine  Besserung  des  Blutbildes  wie  bei  der  myeloiden 
Leukämie  nicht  zu  konstatieren  ist,  indem  alle  Leukozytenformen  in 
gleicher  Weise  gleichmässig  sich  verminderten.  Auch  hier  Zurück¬ 
gehen  des  Milztumors,  der  Lymphdrüsen  und  keine  Dermatitis. 

Zum  Schlüsse  erwähnt  der  Vortragende,  dass  Versuche  mit  der 
Uhantemesse  sehen  Methode  zur  Frühdiagnose  des  Typhus  ab¬ 
dominalis  im  Gange  sind,  und  berichtet,  dass  bei  einem  Typhuskranken 
und  Typhusrekonvaleszenten  nach  Einträufeln  eines  Tropfens  Typhus¬ 
extraktes  Konjunktivitis  nach  2  Stunden  auftrat,  bei  einem  Fall  wo 
die  Diagnose  zwischen  Typhus  und  Perityphlitis  schwankte,  Rcak- 
tionslosigkeit  zu  verzeichnen  war. 


nerr  trben:  Leber  den  Lezithingehalt  der  Erythrozyten  bei 
Diabetes  mellitus. 

Vortr.  berichtet  über  die  Resultate  der  chemischen  Analyse  des 
Blutes  bei  2  Diabetesfällen.  Der  Vergleich  dieser  mit  3  vom  Vortr 
ausgeführten  (wirklichen)  Normalblutanalysen  ergab,  dass  der  Lezi¬ 
thin-  (und  Cholesterin-)  Gehalt  des  Plasmas  normal  oder  nur  wenig 
vermindert  (wie  auch  in  letzter  Zeit  Klemperer  und  Umber  in 
mehreren  Fällen  von  Diabetes  fanden  —  in  anderen  war  der  Lipoid¬ 
gehalt  sogar  nicht  unerheblich  vermehrt),  während  die  Menge  des 
Lezithins  (und  weniger  des  Cholesterins)  in  den  Erythrozyten  stark 
verringert  war.  Der  Lezithingehalt  des  diabetischen  Plasmas  betrug 
1,8  resp.  1,4  Prom.,  des  normalen  1,8,  2,0,  2,1  Prom.,  der  der  Erythro¬ 
zytensubstanz  0,96  resp.  0,4  (normal  2,4— 3,4)  Prom.,  der  Lezithin¬ 
gehalt  der  organischen  Substanz  der  Erythrozyten  3,0  resp  1  2  Prom 

in°r^aL  £1-8’9  Prom-’  resp-  3,5 — 7,2  Prom.  nach  Jüdell  und 
9,9—14,9  Prom.  nach  M  an  a  ss  e).  Dieser  Kontrast  (starke  Lezithin¬ 
verarmung  der  Erythrozyten  bei  geringer  oder  fehlender  des  Plas¬ 
mas)  scheint  darauf  hinzuweisen,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Lipoid¬ 
verarmung  der  Blutzellen  infolge  eines  Mangels  an  Lipoiden,  sondern 
um  eine  Unfähigkeit  -des  diabetischen  Organismus,  die  vorhandenen 
Lipoide  zum  Aufbau  seiner  Blutzellen  zu  verwenden,  handelt  Vortr 
wird  durch  Untersuchungen  an  diabetischen  Leichen  und  entpan- 
kreasten  Hunden  noch  zu  ermitteln  suchen,  ob  diese  Konstitutions- 
anomalie  der  Blutzellen  auch  an  anderen  Körperzellen  (Leber-  Niere) 
nachzuweisen  ist.  Wäre  das  der  Fall,  dann  wäre  damit  der  Schlüssel 
za  einem  tieieren  Verständnis  des  diabetischen  Prozesses  gefunden, 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2555 


cla  ja  wahrscheinlich  die  Lipoide  der  Zelle  die  Bindung  der  Zucker 
(Jekorin)  besorgen.  Die  schon  von  französischen  Autoren  begonnenen 
therapeutischen  Versuche  mit  Lezithindarreichiung  bei  Diabetes,  die 
angeblich  teilweise  sehr  günstig  ausfielen,  will  Vortr.  fortsetzen,  resp. 
in  geeigneter  Form  modifizieren  (z.  B.  Darreichung  von  Lezithin-Ei¬ 
weissverbindungen  oder  Jekorin). 

Herr  K  r  e  i  b  i  c  h  stellt  einen  6  jährigen  Knaben  vor,  bei  welchem 
sich  ausser  einem  systematisierten  keratotischen  Nävus,  einem  soge¬ 
nannten  ichthyosiformen  Nävus,  der  über  das  Gesicht  und  strichförmig 
über  die  Haut  der  Extremitäten  ausgedehnt  ist,  eigenartige 
Veränderungen  an  der  Hornhaut  id  es  rechten  Auges 
und  den  Linsen  beider  Augen  vor  finden.  Die  Ver¬ 
änderung  der  Hornhaut  rechts  besteht  in  einer  etwa  1  cm  langen, 
anscheinend  strichförmigen,  feindrüsigen,  weissen  Epithelverdickung, 
Xerosis  corneae,  Keratosis  der  Kornea,  ohne  irgend  welche  entzünd¬ 
liche  Veränderungen  in  der  Peripherie.  Ferner  findet  sich  rechter- 
seits  eine  hypermature  Katarakt,  linkerseits  eine  geschrumpfte 
Katarakt.  Vortr.  betont  die  Möglichkeit  einer  gemeinsamen  Aetiologie 
im  Sinne  einer  kongruenten  kongenitalen  Wachstumsstörung  von 
Haut,  Kornea  und  Linse,  einer  nävusartigen  Bildungsanomalie,  welche 
das  Ektoderm  und  die  primäre  Augenblase  gleichzeitig  getroffen  hat. 
Dafür  spreche  die  bilaterale  Lokalisation  des  Nävus  im  Gesicht,  die 
Katarakt  auf  beiden  Augen,  das  Auftreten  der  Katarakt  im  3.  Lebens¬ 
jahr,  nicht  unmittelbar  nach  der  Geburt,  zu  welcher  Zeit  vielleicht 
auch  der  Hornnävus  erst  deutlich  in  Erscheinung  trat;  ferner  die  Horn¬ 
hautaffektion,  die  ebenso  wie  die  Hauterkrankung  eine  nicht  entzünd¬ 
liche  Keratose  zu  sein  scheint,  ähnlich  wie  sich  in  einem  Falle  von 
Lebert  ein  Hornnävus  mit  einer  diffusen  Keratose  der  Kornea 
kombinierte.  Vortr.  empfiehlt  in  Zukunft  bei  angeborenen  oder 
juvenilen  Katarakten  auf  etwaige  Veränderungen  obiger  Art  zu  achten 
und  erwartet  weitere  Aufklärung  von  der  vorzunehmenden  Operation. 

Herr  Löwenstein:  Ueber  Venenklappen  und  Varizenbildung. 
Versuche  an  der  herausgeschnittenen  Vene  sowie  Beobachtungen  an 
Lebenden  haben  gezeigt,  dass  die  Venenklappen  entgegen  der  An¬ 
nahme  Ledderhoses  sich  bei  dem  geringsten  proximalen  Ueber- 
druck  schliessen  und  so  ein  wichtiges  Fortbewegungsmittel  des  Blut¬ 
stromes  zu  den  Venen  bilden.  Bei  der  Präparation  der  Flautvenen 
der  unteren  Extremität  fand  Vortragender  sehr  häufig,  besonders  bei 
älteren  Individuen  erbsen-  bis  kleinkirschengrosse  Auftreibungen,  die 
der  Sinusstelle  der  Klappen  angehörten.  Dieselben  sind  nicht  zu  ver¬ 
wechseln  mit  echten  Varizen,  deren  Sitz  (Trendelenburg, 
Slawinski)  regelmässig  distal  von  der  Klappe  gefunden  wird. 
Uebergänge  zwischen  Sinusektasien  und  echten  Varizen  werden  nicht 
beobachtet.  Bei  Dehnungsversuchen  herzwärts  mit  Luft,  Wasser  und 
Quecksilber  blähten  sich  immer  die  Sinusstellen.  Bei  der  histo¬ 
logischen  Untersuchung  fand  Löwenstein  bei  sinusektatischen 
Venen  älterer  Individuen  häufig  ein  Fehlen  der  Muscularis  mediae  in 
der  Klappengegend  (dem  Sinus  entsprechend).  Bei  jugendlichen  Indi¬ 
viduen  hingegen  konnten  zwei  scharf  von  einander  verschiedene 
Typen  von  Venen  unterschieden  werden.  Der  eine  Typus  zeigte 
eine  auffallende  Schwäche  der  Muskularis  in  der  Höhe"  der  Sinus, 
während  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die  Trendelenburg  sehe 
Stelle  die  muskelschwächste  Partie  war.  Venen  der  ersteren  Art 
scheinen  für  Sinusektasien.  Venen  mit  auffallender  Muskelschwäche 
distal  von  der  Klappe  für  die  Entstehung  echter  Varizen  prädisponiert 
zu  sein.  '  R  o  t  k  y  -  Prag. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Royal  Society  of  raedicine. 

Obstetrical  and  gynaecological  Section. 

Sitzung  vom  10.  Oktober  1907. 

Die  physiologische  Wirkung  der  Plazenta. 

W.  E.  D  i  x  o  n  und  F.  E.  Taylor  haben  eine  Serie  von  Ex¬ 
perimenten  ausgeführt,  bei  denen  sie,  um  die  physiologische  Wirk¬ 
samkeit  der  Plazenta  zu  prüfen,  Extrakte  derselben  an  Katzen,  Ka¬ 
ninchen  und  Hunden  intravenös  injizierten.  Das  Extrakt  wurde  in 
der  Weise  hergestellt,  dass  Stücke  von  frischen  menschlichen  Mutter¬ 
kuchen  fein  zerschnitten  wurden,  worauf  mit  absolutem  Alkohol  extra¬ 
hiert  wurde,  der  Auszug  bis  zur  Trockne  verdunstet  und  der  Rück¬ 
stand  mit  Salzlösung  aufgenommen  wurde.  Mit  dem  Epidiaskop  de¬ 
monstrierten  Redner  den  Einfluss  solcher  Injektionen  auf  die  Tätig¬ 
keit  des  Blutkreislaufes,  der  Gedärme  und  des  Uterus.  Es  war  dabei 
eine  deutliche  Steigerung  des  Blutdruckes  nach  einer  unmittelbar  auf 
die  Injektion  folgenden,  vorübergehenden  Herabsetzung  desselben  zu 
konstatieren.  Im  ganzen  erinnerte  diese  Wirkung  an  die  des  Adrena¬ 
lins,  aber  mit  folgenden  3  Abweichungen:  Die  Steigerung  des  Blut¬ 
druckes  war  weniger  plötzlich,  sie  hielt  länger  an,  und  der  Effekt 
auf  das  Herz  war  weniger  eklatant.  An  den  Gedärmen  war  eine 
Volumsverminderung  und  eine  Beschränkung  der  Peristaltik  zu  kon¬ 
statieren.  Am  Uterus  war  der  Effekt  verschieden,  je  nachdem  es 
sich  um  ein  gravides  oder  ein  nichtgravides  Organ  handelte.  Im 
letzteren  Fall  beobachtete  man  einen  vermehrten  Tonus  der  Uterus- 
inuskulatur  und  eine  deutliche  Steigerung  der  rhythmischen  Kontrak¬ 
tilität.  Diese  Beobachtungen  haben  bei  Verf.  die  Vermutung  angeregt, 
dass  möglicherweise  mit  der  vollen  Entwicklung  der  Plazenta  ein 


chemischer  Körper  abgesondert  wird,  welcher  dann  durch  Reizung  der 
Uterusmuskulatur  und  der  Gefässe  den  Vorgang  der  normalen  Ge¬ 
burt  veranlasst. 

H.  R.  Spencer  bemerkt,  dass  vor  einem  Jahr  Acconci  ver¬ 
schiedene  Beobachtungen  über  Plastein  und  dessen  Entstehung  aus 
Plazentarextrakten  veröffentlicht  hat. 

Macnaughton  J  ones  glaubt,  dass  Plazentin  wohl  ein  wertvolles 
Hilfsmittel  zur  Unterstützung  der  Narkose  bei  schweren  abdominellen 
Operationen  abgeben  dürfte  nach  Analogie  der  Skopolamininjektionen 
bei  Morphium-  und  Chloroformnarkosen. 

A.  R  ou  th  erinnerte  an  den  von  ihm  bereits  publizierten  Fall  von 
Partus  bei  einer  Paraplegischen.  Die  Laktation  war  dabei  ganz  nor¬ 
mal,  konnte  also  nicht  auf  Nervenreflexwirkung  beruhen,  denn  das 
Rückenmark  war  zwischen  den  Gebieten  des  Uterus  und  der  Brüste 
zerstört. 

W.  S.  A.  Griffith  bestreitet  die  von  Verf.  gezogene  Schluss¬ 
folgerung.  Es  kommen  während  der  ganzen  Zeit  der  Funktionsfähig¬ 
keit  des  Uterus  Kontraktionen  desselben  vor,  welche  aber  von  den 
normalen  Geburtswehen  sehr  verschieden  sind.  Die  Erschlaffung  des 
Muttermundes  sei  ein  viel  wesentlicherer  Faktor  der  Geburt  als  die 
Kontraktionen  der  Muskulatur. 

C.  J.  N.  Longridge  erwähnt,  dass  er  bei  einer  Reihe  von 
Erstgebärenden  eine  nachweisbare  und  allmählich  zunehmende  Stei¬ 
gerung  des  Blutdruckes  in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft 
registriert  hat.  Philippi-Bad  Salzschlierf. 

Royal  Society  of  Medicine.  Pathological  Section. 

Sitzung  vom  15.  Oktober  1907. 

Fettige  Entartung  des  Blutes. 

S.  G.  Sha  1 1  ock  und  L.  S.  D  u  d  g  e  o  n  haben  an  den  weissen 
Blutkörperchen  eine  Reihe  von  sorgfältigen  Untersuchungen  angestellt, 
um  zu  eruieren,  ob  an  ihnen,  abgesehen  von  Veränderungen  an  den 
blutbereitenden  Organen,  Erscheinungen  etwa  von  fettiger  Entartung 
nachzuweisen  seien.  Die  bisherigen  Blutuntersuchungen  haben  sich 
meist  auf  den  Glykogengehalt  bezogen,  und  das  Verhalten  des  Fettes 
ist  wenig  berücksichtigt  worden.  Nach  Analogie  der  Zellen  in  festen 
Geweben  wäre  eine  abnorme  Entwicklung  von  Fett  in  den  Blutkörper¬ 
chen  sehr  wohl  möglich,  und  diese  Annahme  haben  sie  durch  ihre  For¬ 
schungen  bestätigt  gefunden.  Nach  einigen  Versuchen  ergab  sich 
folgende  Methode  als  brauchbar:  die  mit  einer  dünnen  Schichte  Blut 
bestrichenen  Deckgläschen  oder  Objektträger  werden  alsbald  auf 
mindestens  15  Minuten  in  einer  speziell  zu  diesem  Zwecke  kon¬ 
struierten  Kammer  den  Dämpfen  von  Formol  ausgesetzt.  Alsdann 
wird  das  Präparat  aufrecht  stehend  in  „Scharlachlösung“  24 — 48  Stun¬ 
den  belassen,  worauf  Hämalaun  als  Zellfärbung  zur  Anwendung  kommt 
In  dieser  Weise  haben  Verff.  79  Fälle  untersucht,  dabei  aber  nur  ge- 
gelegentlich  sich  von  dem  Vorhandensein  von  Fett  in  den  Leukozyten 
überzeugen  können.  Positive  Ergebnisse  erhielten  sie  bei  Chlorose, 
bei  Pyloruskarzinom  mit  konsekutiver  Anämie,  chronischer  Nephritis! 
Pneumonie,  Diabetes,  Influenza,  Pleuritis  und  Perikarditis,  Purpura, 
Lymphadeinom  etc.  Im  allgemeinen  können  die  Krankheiten,  welche 
positive  Resultate  lieferten,  als  toxämische  bezeichnet  werden.  Dass 
e£  sich  um  eine  wirkliche  fettige  Entartung  der  Blutzellen  handelte, 
war  zu  schliessen,  einmal  aus  dem  Umstand,  dass  die  vorliegenden 
Krankheiten  das  Vorhandensein  von  überschüssigen  Fettmassen  aus¬ 
schlossen,  und  ferner  aus  der  Feinheit  der  Fettpunkte  und  der  Varia¬ 
bilität  ihrer  Anzahl  in  den  verschiedenem  Zellen  in  demselben  Prä¬ 
parate.  Auch  ist  es  aus  verschiedenen  Gründen  anzunehmen,  dass  die 
Veränderung  primär  an  den  Blutzellen  und  nicht  etwa  im  Knochen¬ 
mark  sich  ausbildete.  Eine  gewichtigere  prognostische  Bedeutung 
kann  man  allerdings,  wie  es  scheint,  dieser  Fettbildung  nicht  zu¬ 
sprechen;  die  3  hier  beobachteten  Pneumoniefälle  gingen  alle  in  Ge¬ 
nesung  über.  Bei  Diphtherie  und  perniziöser  Anämie  haben  Verff. 
bei  der  Scharlachbehandlung  an  den  Leukozyten  eine  feine  Körnchen¬ 
bildung  konstatiert,  welche  aber  gewisse  Abweichungen  von  der  Fett¬ 
reaktion  aufwies,  so  dass  sie  hierbei  nur  von  einem  dem  Fett  ver¬ 
wandten  Körper  zu  sprechen  für  angezeigt  halten. 

Medical  Society  of  London. 

Sitzung  vom  28.  Oktober  1907. 

Fälle  von  Blasenverletzung  während  der  Bruchoperation. 

J.  D.  Malcolm  berichtet  folgendes:  Eine  26jährige  sehr  anä¬ 
mische  Krankenpflegerin  unterzog  sich  wegen  rechtsseitiger  Krural- 
hernie  einer  Radikaloperation.  Es  fiel  dabei  auf,  dass,  trotzdem  der 
Kanal  sehr  weit  offen  lag,  der  Bruchsack  nicht  zu  erkennen  war,  da 
anscheinend  eine  ungewöhnlich  dicke  Lage  von  sübperitonealem  Fett 
vorlag.  tatsächlich  war  dies  die  ungewöhnlich  blutleere  und  weiche 
Blasenwand.  Da  die  Patientin  unmittelbar  vor  der  Operation  den 
Urin  entleert  hatte,  klärte  auch  der  versehentlich  durch  die  Blasen¬ 
wand  geführte  Schnitt  von  etwa  2  cm  Länge  den  Sachverhalt  durch 
Urinabfluss  nicht  etwa  auf,  sondern  dies  wurde  erst  5  Stunden  spä¬ 
ter  infolge  heftiger  Schmerzen  und  der  Entleerung  von  blutigem  Urin 
mit  dem  Katheter  entdeckt.  Nach  Laparotomie  und  Wiedereröffnung 
des  Bruchschnittes  erfolgte  schliesslich  Heilung.  Bei  einer  zweiten 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  51. 


Patientin  war  die  Blase  offenbar  längere  Zeit  in  den  Bruchkanal  ein¬ 
bezogen  gewesen  und  war  mit  dem  Bruchsack  in  einiger  Ausdehnung 
fest  verwachsen.  Der  dadurch  erzeugte  Tumor  wurde  erst  bei  der 
Operation  richtig  erkannt;  man  hatte  an  das  Vorhandensein  eines  zysti¬ 
schen  Ovariums  im  Bruchsaok  gedacht,  an  eine  Hernia  omentalis, 
an  Hydatiden  und  an  Sarkom.  Bei  der  Unsicherheit  der  Diagnose 
wurde  deshalb  zunächst  die  Bauchhöhle  eröffnet.  Man  fand  ausser  der 
genannten  Verwachsung  als  Komplikation  Nekrotisierung  eines  grösse¬ 
ren  Stückes  Netz.  Die  Genesung  vollzog  sich  ohne  Störung.  Nach 
einer  von  Moynihan  zusammengestellten  Statistik  findet  ein  Pro¬ 
laps  der  Blase  nach  dem  Bruchikanal  hin  in  1  Proz.  der  operierten  Fälle 
statt.  Bei  58  von  171  Fällen  fand  auch  eine  Verletzung  der  Blase  statt, 
und  17  Proz.  dieser  Fälle  verliefen  letal. 

E.  Owen  hat  einen  ähnlichen  Unfall  bei  der  Radikaloperation 
einer  reponiblen,  aber  durch  ein  Bruchband  nicht  zurückzuhaltenden 
Kruralhernie  erlebt.  Bei  der  Operation  war  nichts  Abnormes  be¬ 
merkt  worden.  Erst  als  die  Autopsie  den  Nachweis  brachte,  dass  ein 
Stück  der  ungewöhnlich  grossen,  dünnen  und  weichen  Blase  mit  der 
am  Bruchsack  angelegten  Ligatur  einbegriffen  worden  war,  erinnerte 
sioh  O.,  dass  er  beim  Emporziehen  des  Bruchsackhalses  das  Gefühl 
hatte,  als  ob  das  Gewebe  ungewöhnlich  dick  war;  er  war  aber  der 
Meinung  gewesen,  dass  es  sich  um  keinen  wichtigeren  Organteil 
handeln  Konnte. 

J.  Langton  hat  ebenfalls  einmal  eine  vorgelagerte  Blase  un¬ 
absichtlich  angeschnitten,  aber  sogleich  genäht,  ohne  üble  Folgen. 

B  a  r  ik  e  r,  Hutchinson  jr.,  Watson,  Low  haben*  gleich¬ 
falls  diese  Abnormität  beobachtet. 

A.  C  a  r  1  e  s  s  schildert  das  von  ihm  bei  einem  derartigen  Fall 
eingeschlagene  Verfahren;  als  im  weiteren  Verlauf  nach  der  Opera¬ 
tion  der  Verdacht  einer  Blasenverletzung  nahegelegt  wurde,  öffnete  er 
die  Operationswunde  wieder  und  führte  den  Schnitt  weiter  nach  der 
Mittellinie  hin  durch  das  Lig.  Poupartii  fort.  Dadurch  war  er  in  den 
Stand  gesetzt,  die  Oeffnung  in  der  Blasenwand  so  weit  freizulegen, 
dass  das  Anlegen*  der  nötigen*  Nähte  gelang. 

P  h  i  1  i  p  p  i  -  Bad  Salzschlirf. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  Dezember  1907. 

Demonstrationen: 

Herr  Ehr  mann:  Apparat  zum  Aussaugen  des  Mageninhalts. 

Herr  Ludwig  Mayer:  Hund,  an  welchem  er  die  umgekehrte' 
Ecksche  Fistel  angelegt,  also  die  Vena  cava  inferior  in  die  Pfort¬ 
ader  eingenäht  hat. 

Diskussion:  Herr  Ehrmann,  auf  dessen  Ersuchen  die 
Operation  ausgeführt  worden,  bemerkt,  dass  sich  seine  an  die  Opera¬ 
tion  geknüpfte  Erwartung  bis  jetzt  nicht  erfüllt  hat,  indem  er  keine 
Einwirkung  des  nunmehr  direkt  aus  der  Nebennierenvene  in  die 
Leber  gelangenden  Adrenalins  auf  die  Leber  in  Form  von  Glykogen¬ 
ausschwemmung  nachweisen  konnte.  Weitere  Mitteilung  Vor¬ 
behalten. 

Herr  Otto  Porges:  Zur  Serodiagnostik  der  Lues. 

Die  in  Lebern  syphilitischer  Föten  vorhandene  Substanz,  welche 
mit  dem  Serum  von  Syphilitischen  die  bekannte  Komplementablen¬ 
kungsreaktion  gibt,  lässt  sich  mit  Alkohol  fällen  und  gibt  auch  dann 
noch  die  typische  Reaktion.  Einer  Vermutung  folgend  versuchte  P. 
nunmehr  Lezithin  an  Stelle  des  durch  Fällung  gewonnenen  Pul¬ 
vers.  Auch  damit  liess  sich  die  Reaktion  anstellen;  und  ebenso  statt 
der  Komplementablenkung  die  Reaktion  mittels  Präzipitation. 
Es  ist  also  eine  wesentliche  Vereinfachung  des  Verfahrens  zu  erhoffen. 

Diskussion  zum  Vortrage  des  Herr  Carl  Lew  in: 
Experimentelle  Beiträge  zur  Morphologie  und  Biologie  bös¬ 
artiger  Geschwülste.  Folgt  in  nächster  Nummer. 

Herr  v.  Hanse  mann:  Ueber  echte  Megalenzephalie. 

Man  spricht  von  „normaler“  Megalenzephalie,  wenn  sie 
angeboren  ist  und  normalen  Bau  des  Gehirns  zeigt,  dagegen  von 
pathologischer,  wenn  sie  durch  Krankheit  erworben  und  dem¬ 
entsprechende  Abweichungen  erkennen  lässt.  In  seinem  Falle, 
wo  bei  einem  16  jährigen  jungen  Manne  ein  Gehirn  von  1860  g 
Gewicht  mit  leichter  Trübung  der  weichen  Häute  und  einer 
grossen  meningealen  Zyste,  die  der  Schädel  ausgebuchtet 
hatte,  gefunden  wurde,  wo  in  früher  Jugend  im  Anschluss  an 
eine  Infektionskrankheit  ein  „Schlaganfall“,  wie  die  Mutter  es 
bezeichnete,  und  allmählich  immer  häufiger  werdende  epilep¬ 
tische  Krämpfe  aufgetreten  waren,  wo  das  Gehirn  sich  sowohl 
makroskopisch  als  auch  mikroskopisch  normal  gezeigt  habe, 
glaubt  H.  von  einer  normalen  i.  e.  echten  Megalenzephalie 
sprechen  zu  dürfen. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Senator,  dankt  dem  heute 
zum  letzten  Male  seines  Amtes  als  Schriftführer  walten¬ 
den  Herrn  Weste  nhoeffer  und  wünscht  ihm  für  seine 


Uebersiedelung  nach  Santjago  in  Chile  den  besten  Erfolg 
und  gibt  der  Hoffnung  Ausdruck,  dass  die  Gesellschaft  ihn  nach 
einer  Reihe  von  Jahren  wieder  in  ihrer  Mitte  sehen  werde. 
(Und  Ref.  schliesst  sich  für  seine  Person  diesen  Wünschen  und 
Hoffnungen  an.)  Hans  K  o  h  n. 


Verschiedenes. 

Aus  den  Parlamenten. 

Die  bayerische  Abgeordnetenkammer  hatte  unterm 
23.  März  vor.  Js.  einstimmig  den  Antrag  Dr.  Heim  angenommen: 
„Die  Regierung  zu  ersuchen,  in  tunlichster  Bälde  Fürsorge  zu  treffen, 
dass  die  Zentralanstalt  für  Erziehung  und 'Bildung  krüppelhafter  Kin¬ 
der  in  München  durch  einen  Neubau  erweitert  und  modern  ausge¬ 
stattet  werde“.  Nach  den  damaligen  Erklärungen  des  Kultusministers 
sollte  die  für  ganz  Bayern  bestimmte  Anstalt  bleiben  was  sie  bisher 
war,  eine  Erziehungsanstalt,  in  ihrem  Zwecke  aber  dahin 
eine  Erweiterung  erfahren,  dass  auch  für  die  Heilung  der  Kinder 
Sorge  getragen  werde.  Kompetenzschwierigkeiten  ergaben  sich  nun 
daraus,  dass  die  Sorge  für  Erziehung,  Ausbildung  und  Heilung  der 
kreisangehörigen  kriippelhaften  Kinder  nach  geltenden  Gesetzen  den 
Kreisgemeinden  zufällt,  demnach  nicht  Aufgabe  des  Staates  ist,  der 
allerdings  schon  bisher  immer  Zuwendungen  zu  dieser  Anstalt  ge¬ 
geben  hat.  Man  einigte  sich  aber  auf  dem  Standpunkte,  dass  der 
Staat,  die  Kreisgemeinden  und  die  Privatwohltätigkeit  zusammen¬ 
helfen  sollen,  um  dieses  edle  Werk  der  Nächstenliebe  ins  Leben  zu 
rufen.  Ein  Bauplatz  für  einen  vollständigen  Neubau  wurde  von  der 
Regierung  grösstenteils  aus  Anstaltsmitteln  angeikauft,  nach  einem 
Projekte  sind  2  Millionen  als  Bauaufwand  und  200  000  M.  für  innere 
Einrichtung  erforderlich.  Die  Landräte  der  einzelnen  Kreise  haben  in¬ 
zwischen  ihre  grundsätzliche  Geneigtheit  zur  Leistung  von  Zu¬ 
schüssen  kund  gegeben,  ihre  definitive  Stellungnahme  aber  Vorbe¬ 
halten,  bis  sich  der  Bedarf  und  die  von  den  einzelnen  Kreisen  ver¬ 
langten  Leistungen  überblicken  lassen.  Ein  im  September  ds.  Js. 
ergangener  Appell  an  die  Privatwohltätigkeit  hat  bereits  83  000  M. 
ergeben.  Wegen  der  mancherlei  noch  nicht  behobenen  Schwierig¬ 
keiten  ist  in  dem  Staatsbudget  ein  grösseres  Postulat  noch  nicht 
eingesetzt. 

Um  die  Sache  rascher  zu  fördern,  stellte  Dr.  Heim  neuer¬ 
dings  den  Antrag:  „Es  sei  an  die  Kgl.  Staatsregierung  das  Ersuchen 
zu  richten,  mit  dem  Bau  einer  staatlichen  orthopädischen  Zentral¬ 
anstalt,  gleichzeitig  zur  Unterbringung  der  Zentralanstalt  für  Er¬ 
ziehung  und  Bildung  krüppelhafter  Rinder  in  München  dienend,  noch 
im  Jahre  1908  zu  beginnen“.  Zur  Begründung  verwies  der  Antrag¬ 
steller  darauf,  dass  in  Bayern  9000  schulpflichtige  Krüppel  gezählt 
wurden,  in  der  Statistik  der  Schwerverbrecher  die  Zahl  der  Ver¬ 
krüppelten  ungemein  gross  sei  und  keine  Zeit  versäumt  werden 
sollte,  um  einen  sonst  für  die  ganze  Menschheit  lästigen  Menschen 
durch  rechtzeitige  Eingriffe  gesund  und  erwerbsfähig  zu  machen. 

Der  auch  von  anderer  Seite  lebhaft  unterstütze  Antrag  wurde 
einstimmig  angenommen.,  die  weiteren  anschliessenden  Anträge,  die 
sich  auf  die  Bereitstellung  der  erforderlichen  Geldmittel  beziehen, 
wurden  geschäftsordnungsmässig  dem  Finanzausschüsse  überwiesen. 

Becker. 

Die  Tollwutschutzimpfung  im  Institut  Pasteur  zu  Paris  im  Jahre  1906. 

Nach  dem  Bericht  von  V  i  a  1  a  (Annales  de  l’institut  Pasteur,  Juni 
1907)  unterzogen  sich  im  Jahre  1906  im  Ganzen  773  Personen  dieser 
Behandlung,  davon  sind  zwei  an  Tollwut  gestorben,  aber  bei  der 
einen  war  dieselbe  weniger  als  14  Tage  nach  Beendigung  der 
Behandlung  ausgebrochen,  muss  also  zur  Beurteilung  der  Mortalität 
ausgeschaltet  werden.  Diese  beträgt  demnach  nur  0,13  gegen  0,41 
im  Jahre  1905  (3  Todesfälle  auf  727  Behandelte)  und  ist  die  geringste 
seit  Bestehen  des  Institutes  (1886),  wo  im  ersten  Jahre  25  Todesfälle 
auf  2  671  Behandelte  =  0,94  Proz.  Mortalität  vorkamen.  Die  Ein¬ 
teilung  der  Fälle  erfolgt  wieder  nach  3  Kategorien:  I.  Die  Tollwut 
des  heissenden  Tieres  wurde  experimentell  festgestellt  (173),  II.  die 
veterinärärztliche  Untersuchung  hat  die  Tollwut  des  heissenden  Tieres 
konstatiert  (396)  und  III.  die  heissenden  Tiere  waren  nur  verdächtig 
auf  Tollwut  (203  Fälle).  Der  Todesfall,  kam  in  Kategorie  I.  vor.  Der 
Nationalität  nach  gehörten  25  dem  Auslande  an  und  die  übrigen  747 
Behandelten  waren  Franzosen.  Verteilung  derselben  nach  den  ein¬ 
zelnen  Departements;  dabei  ist  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  nun  auch 
in  Marseille,  Lille,  Montpellier,  Lyon  und  Bordeaux  Tollwutimpfungen 
an  den  betreffenden  Pasteurinstituten  ausgeführt  werden.  Kurze  Be¬ 
schreibung  der  beiden  Fälle,  welche  tödlich  endeten.  St. 

Alllerigiereaktionen  nennt  v.  Pirquet  - Wien  charak¬ 
teristische  Erscheinungen,  welche  der  Organismus,  der  eine  Krank¬ 
heit  durchgemacht  hat,  darbietet,  wenn  man  ihm  den  betreffenden 
Krankheitserreger  einverleibt  (Ther.  Monatshefte  1907,  No.  11).  Als 
neue  Methode  übernahm  v.  P.  von  der  Vakzination  her  die  kutane 
Einverleibung.  Zwei  Tropfen  Alttuberkulin  werden  in  der  Ent¬ 
fernung  von  6  cm  auf  die  Haut  des  Unterarmes  aufgetropft.  Danach 
wird  mit  der  meisseiförmig  abgeschliffenen  Impflanzette  (Impfbohrer) 


17.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2557 


zuerst  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Tropfen  (Kontrollstelle), 
darnach  innerhalb  derselben,  eine  bohrende  Skarifikation  ausgeführt. 
Beim  Tuberkulösen  entstehen  an  der  Impfstelle  innerhalb  24  Stunden 
papulöse  Erhebungen,  deren  Breitendurchmesser  zwischen  5  und 
20  mm  variiert.  Fieber  und  Allgemeinerscheinungen  treten  nicht  ein. 
Die  positive  Reaktion  bedeutet,  dass  der  betreffende  Organismus  mit 
Tuberkelibazillen  in  Berührung  gekommen  ist.  Die  Bedeutung  der 
positiven  Reaktion  gilt  besonders  für  die  ersten  Lebensjahre,  in  denen 
eine  latente,  inaktive  Tuberkulose  nur  selten  vorkommt.  Eine  negative 
Reaktion  bei  einem  gesunden  kleinen  Kinde  bedeutet  das  Fehlen  tuber¬ 
kulöser  Veränderungen.  In  den  letzten  Stadien  der  Tuberkulose  er¬ 
lischt  die  Reaktion.  Kr. 

Therapeutische  Notizen. 

Zur  Ausführung  der  Hyperämiebehandlung  empfiehlt 
L  ii  b  b  e  r  t  -  Hamburg  angelegentlich  das  von  einem  amerikanischen 
Arzte  zusammengestellte  A  n  t  i  p  h  1  o  g  i  s  t  i  n.  Das  Präparat  hat  die 
Konsistenz  eines  Glaserkittes  und  besteht  aus  einer  Grundsubstanz 
von  A 1  u  rni  n  iu  m-Miaign  e  s  i  u  tri  silikat.  Nachdem  die  Substanz  vollkommen 
getrocknet  ist,  wird  sie  mit  50  proz.  Glyzerin,  etwas  Bor,  Sälizyl, 
Jod,  Ol.  Menth,  pip.,  Ol.  Gauilfheriae  und  Öl.  Eucalypti  versetzt.  Die 
Wirkung  des  Präparates  beruht  auf  seinen  stark  hygroskopischen 
Eigenschaften:  es  verursacht  eine  ständige  starke  aktive  Hyperämie. 

Bei  'der  Anwendung  wird  das  Präparat  im  Wasserbade  erwärmt 
und  heiss  auf  den  betreffenden  Körperteil  mit  einem  Spatel  aufge¬ 
strichen.  Auf  Wundflächen  kann  es  ebensogut  aufgetragen  werden  wie 
auf  die  intakte  Haut.  Die  Paste  bedeckt  man  dann  mit  einer  Watte- 
sohicht  und  befestigt  das  Ganze  mit  einer  Binde.  Nach  1 — 2  Tagen 
löst  sich  die  Paste  und  lässt  sich  ohne  Schwierigkeit  abnehmen. 

Zur  Behandlung  eignen  sich  alle  möglichen  Erkrankungen,  mit 
und  ohne  gesunde  Haut:  Ischias,  Rheumatismus,  Distorsionen,  Tendo- 
vaginitis,  Otitis,  Parulis,  Angina,  Orchitis,  Parametritis,  Periostitis, 
Ekzem,  Erysipel,  Furunkulose,  Panaritien,  Phlegmonen,  Verbren- 
ungen,  Ulcus  cruris,  Periproktitis,  Mastitis. 

Das  Präparat  wird  hergestellt  von  der  Denver  Chemical  Mfg.  Co., 
New  York,  U.S.A.,  Laightstreet  57.  (Ther.  Monatshefte  1907,  No.  11.) 

Kr. 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  16.  Dezember  1907. 

—  Der  Aerzf  fliehe  Bezirks  verein  München  be¬ 
schäftigte  sich  in  seiner  Sitzung  vom  14.  ds.  ausschliesslich  mit  dem 
Prozess  Kastl  gegen  Quid  de.  Bei  Schluss  der  Redaktion 
geht  uns  nachstehende,  einstimmig  zur  Annahme  gelangte  Reso¬ 
lution  zu: 

1.  Der  ärztliche  Bezirksverein  nimmt  Kenntnis  von  der  Erklärung 
der  Herren  Kastl,  Daxenberger  und  J  o  o  s,  dass  sie  auf 
Grund  des  dem  bürgerlichen  Gericht  vorgelegten  neuen  Materials 
den  Passus  ihres  ehrengerichtlichen  Urteils,  „Dr.  H  u  t  z  1  e  r  habe 
auch  nach  allgemein  bürgerlichen  Begriffen  Treu  und  Glauben  ver¬ 
letzt,“  nicht  mehr  aufrecht  erhalten. 

2.  Der  Bezirksverein  bedauert,  dass  die  genannten  Herren,  J., 
K.  und  D.  durch  Zurücknahme  der  Klage  darauf  verzichtet  haben,  den 
Vorwurf  Prof.  Q  u  i  d  d  e  s,  „das  Ehrengericht  habe  grob  fahrlässig 
dazu  beigetragen,  Dr.  Hutzier  in  den  Tod  zu  treiben“,  als  un¬ 
begründet  zu  erweisen. 

Der  Bezirksverein  stellt  fest,  dass  die  Herren,  .1.,  K.  und  D. 
auf  eigene  Faust  die  Klage  zurückgezogen  haben,  ohne  sich  mit  der 
Vorstandschaft  des  Bezirks  Vereins  ins  Benehmen  gesetzt  zu  haben. 

Der  Bezirksverein  anerkennt  jedoch,  dass  die  Herren  K„  D. 
und  J.  .bei  ihrem  Entschlüsse  unter  Hintansetzung  ihrer  eigenen  Person 
von  den  besten  Absichten  geleitet  waren. 

3.  Der  Bezirksverein  hält,  wie  bisher,  daran  fest,  dass  die  Ein¬ 
richtung  eines  Schieds-  und  Ehrengerichtes  im  Interesse  des  ärzt¬ 
lichen  Standes  notwendig  ist.  er  hat  im  übrigen  schon  durch  den 
Beschluss  vom  20.  April  1907  die  Reformbedürftigkeit  der  Schieds- 
und  Ehrengerichtsordnung  anerkannt  und  beauftragt  neuerdings  die 
Vorstandschaft,  unter  Berücksichtigung  der  letzten  Erfahrungen  bal¬ 
digst  einen  neuen  Entwurf  der  Schieds-  und  Ehrengerichtsordnung 
vorzulegen. 

4.  Der  Bezirksvereiu  beschliesst,  den  Angehörigen  des  verstor¬ 
benen  Dr.  Hut  zier  von  der  unter  Ziffer  1  enthaltenen  Erklärung 
Kenntnis  zu  geben.“ 

Ueber  den  Verlauf  der  Debatte  wird  in  der  nächsten  Nummer 
der  Münch,  med.  Wochenschr.  berichtet  werden. 

—  Wie  bekannt,  wurde  im  Sommer  d.  J.  der  zwischen  der  Ge¬ 
rn  e  i  n  d  e  k  r  a  n  ,k  e  n  v  e  r  s  i  c  h  e  r  iu  n  g  der  Stadt  München 
und  der  Abteilung  für  freie  Arztwahl  bestehende  Vertrag  vom  Magi¬ 
strat  gekündigt  und  eine  aus  Mitgliedern  der  städtischen  Kollegien 
gebildete  Kommission  eingesetzt,  die  wegen  Erneuerung  des  Ver¬ 
trages  mit  der  Abteilung  ins  Benehmen  treten  sollte.  Ueber  das  Er¬ 
gebnis  der  bisher  gepflogenen  Verhandlungen  gingen  in  jüngster  Zeit 
Mitteilungen  durch  die  Münchener  Presse,  die  nach  unserer  Infor¬ 
mation  nicht  zutreffen.  Von  einem  Abbruch  der  Verhandlungen  ist 


in  Kreisen  der  Vertragskommission  bisher  nichts  bekannt:  ebenso¬ 
wenig  kann  von  überspannten  ärztlichen  Forderungen  gesprochen 
werden,  da  die  ursprünglich  von  der  Vertragskommission  beantragte 
Erhöhung  des  Pauschales  von  4  M.  auf  4.25  M.  bereits  fallen  gelassen 
wurde  und  auch  der  wichtigen  Forderung  des  Magistrats  gegen¬ 
über,  dass  die  Mitglieder  der  Gemeindekrankenversicherung  stets  in 
die  gemeindlichen  Krankenhäuser  verwiesen  werden,  Geneigtheit  zu 
Entgegenkommen  besteht.  Unter  diesen  Umständen  darf  man  auch 
jetzt  noch  hoffen,  dass  eine  Verständigung  erzielt  und  ein  Konflikt, 
der  für  beide  Teile  höchst  unerwünscht  wäre,  vermieden  wird. 

—  Am  9.  und  10.  fand  die  10.  ordentliche  Generalversamm- 
lund  der  Ortskrankenkasse  München  statt.  Der  durch¬ 
schnittliche  Mitgliederstand  betrug  101  780  Köpfe  gegen  98  053  im 
Vorjahre;  die  Einnahmen  betrugen  4  324  428  M.,  die  Ausgaben 
3  675  593  M.  Dem  Reservefond  wurden  609  721  M.  überwiesen.  Für 
Aerztehonorar  wurden  588  463  M.  ausgegeben,  davon  494  628  M.  an 
die  Abteilung  für  freie  Arztwahl.  Dem  Anträge,  zu  den  Generalver¬ 
sammlungen  in  Zukunft  die  Kommission  des  Aerztlichen  Bezirks¬ 
vereins  bezw.  einen  Vertreter  einzuladen  unter  Gewährung  des 
Rechtes,  sich  an  der  Diskussion  zu  beteiligen,  wurde  stattgegeben. 
Bezüglich  der  freien  Arztwahl  wurde  beschlossen,  die  für  die  Zu¬ 
lassung  zur  Kassenipraxis  bisher  bedingte  zweijährige  Karenzzeit 
zu  beseitigen.  Der  Antrag,  zur  Untersuchung  weiblicher  Patienten 
für  diskrete  Fälle  eine  Vertrauensärztin  zuzuziehen,  wurde  mit  grosser 
Mehrheit  angenommen. 

—  Im  diesjährigen  Reichshaushaltetat  ist  wieder  eine 
Reihe  wichtiger  Positionen  von  medizinischem  In¬ 
teresse  zu  verzeichnen.  Zunächst  werden  für  die  Wohnungs¬ 
fürsorge  4  000  000  M.  ausgeworfen.  Beim  Etat  des  Reichsamtes  des 
Innern  für  1908  sind  unter  anderem:  folgende  neue  Forderungen  ein¬ 
gestellt:  zur  Bekämpfung  des  Typhus  wieder  200  000  M„  der  Tuber¬ 
kulose  wie  bisher  120  000  M.,  zur  Syphilisforschung  50  000  M„  zu 
Bauten  in  Dahlem  für  die  bakteriologische  Abteilung  des  Gesund¬ 
heitsamtes  57  000  M.,  zur  Herstellung  einer  deutschen  Sterbetafel 
behufs  Darstellung  der  Sterblichkeitsverhältnisse  5000  M.  Der  Ko¬ 
lonialetat  enthält  eine  Forderung  von  18  000  M.  zur  Unterstützung 
von  Aerzten  in  Deutsch-Südwestafrika. 

—  Am  11.  ds.  fand  in  Stockholm,  wegen  des  Todes  des  Königs 
ohne  grössere  Feierlichkeit,  die  Verteilung  der  Nobelpreise  statt. 
Preisträger  sind  für  den  Physikpreis  Albert  Abraham  M  i  c  h  e  1  s  o  n 
(geb.  in  Strelno  in  Posen),  Professor  der  Physik  in  Chicago,  für 
den  Medizinpreis  Charles  Louis  Alphonse  Laveran  in  Paris,  der 
Entdecker  der  Malariaplasmodien  und  für  den  Chemiepreis  Eduard 
Büchner  (geboren  in  München),  Professor  an  der  landwirtschaft¬ 
lichen  Hochschule  in  Berlin,  der  Entdecker  der  Zymase. 

—  Das  sächsische  Landesmedizinalkollegium  hat 
in  seiner  25.  Plenarversammlung  folgenden  Antrag  H  a  e  n  e  1  -  Dres¬ 
den  angenommen:  „Das  Kgl.  Ministerium  des  Kultus  und  öffentlichen 
Unterrichts  zu  ersuchen,  in  geeigneter  Weise  Fürsorge  zu  treffen, 
dass  durch  Aerzte  Aufklärung  der  Abiturienten  der  höheren  Schulen 
über  sexuelle  Hygiene  (Wert  der  Keuschheit  und  Gefahren 
der  Geschlechtskrankheiten)  bewirkt  werde.“  Der  Vertreter  des 
Kgl.  Minsteriums,  Geh.  Schulrat  Dr.  Sali  ge  r  erklärte,  dass  voraus¬ 
sichtlich  von  Michaelis  1908  ab  an  den  staatlichen  höheren  Schulen 
Sachsens  Schulärzte  angestellt  werden  würden,  die  am  besten  Ge¬ 
legenheit  haben  dürften,  sich  der  beregten  Belehrung  zu  unterziehen. 

—  Des infektorenprüfu iigen.  An  der  Landesdesinfek¬ 
torenschule  für  das  Königreich  Sachsen  in  Dresden  wurden  im 
Jahre  1907  in  10  tägigen  Kursen  96  Desinfektoren  staatlich  approbiert, 
darunter  2  für  Böhmen.  5  Schüler  haben  nicht  bestanden,  10  ver¬ 
mochten  dem  Unterricht  nicht  zu  foltnen  und  schieden  daher  vor  dem 
Examen  freiwillig  aus.  Nahezu  die  Hälfte  der  Schüler  gehörte  dem 
Schutzmannberufe  an,  die  andere  Hälfte  setzte  sich  aus  selbständigen 
Gewerbetreibenden,  Arbeitern,  Wegewärtern.  Gemeindedienern, 
Krankenpflegern  und  subalternen  Verwaltungsbeamten  zusammen. 
Die  günstigsten  Zensuren  erhielten  die  Schutzleute,  die  schlechteren 
die  Wegewärter  und  Gemeindediener.  Ausschlaggebend  dafür  ist 
vor  allem  das  Alter  der  Schüler,  denn  von  den  Schülern  im  Alter  von 
21 — 30  Jahren  erhielten  52  Proz..  von  denen  im  Alfer  von  31- — 40 
Jahren  45  Proz.  und  von  den  über  40  Jahre  alten  nur  22  Proz.  die 
ersten  beiden  Zensuren.  Dieselben  Erfahrungen  hat  man  bekanntlich 
auch  in  Preussen  gemacht.  Seit  Anfang  dieses  Jahres  hat  man  daher 
dort  die  Altersgrenze  auf  45  Jahre  für  die  auszubildenden  Des¬ 
infektoren  festgesetzt. 

—  Zum  Chefarzt  der  Lungenheilstätte  Heidehaus-Hannover 
wurde  der  bisherige  zweite  Arzt  des  Sanatoriums  Schömberg,  Dr. 
Ziegler,  ernannt. 

—  Nach  einer  Vorbesprechung  bei  der  Naturforscherversammlung 
in  Dresden  hat  sich  am  8.  Dezember  1907  unter  dem  Vorsitz  von 
Geheimrat  Soltmann  in  Leipzig  eine  Vereinigung  Säch¬ 
sisch-Thüringischer  Kinderärzte  gebildet. 

—  Cholera.  Russland.  Vom  13. — 19.  November  sind  nach 
den  amtlichen  Angaben  im  Regierungsanzeiger  vom  29.  November  in 
ganz  Russland  202  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  (und  115  ge¬ 
storben). 

—  Pest.  Aegypten.  Vom  23. — 30.  November  wurden  21  neue 
Erkrankungen  (und  8  Todesfälle)  an  der  Pest  gemeldet.  —  Britisch- 


2558 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  5i 


Ostindien.  Vom  20. — 26.  O'ktober  sind  in  ganz  Indien  12  470  Er¬ 
krankungen  und  8785  Todesfälle  an  der  Pest  gemeldet  worden.  — 
.Japan.  In  Osaka  und  Umgegend  sind  vom  21.  Oktober  bis  zum 
2.  November  an  der  Pest  62  Personen  erkrankt  und  49  gestorben. 
Auf  Formosa  wiurden  im  August  nur  noch  14,  im  September  keine 
Erkrankungen  an  der  Pest  gemeldet.  Seit  Anfang  dieses  Jahres  sind 
dort  von  2588  angeblich  an  der  Pest  erkrankten  Personen  2239  ge¬ 
storben,  davon  zuletzt  28  im  Monat  August.  —  Vereinigte  Staaten 
von  Amerika.  In  San  Franzisko  sind  vom  5. — 14.  November  noch 
11  (insgesamt  nunmehr  95)  Erkrankungen  und  5  (60)  Todesfälle  an 
der  Pest  festgestellt  worden. 

—  Genickstarre.  Preussen.  ln  der  Woche  vom  23. — 30. 
November  sind  18  Erkrankungen  (und  11  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  48.  Jahreswoche,  vom  24. — 30.  November  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  Hamborn  mit  33,8,  die  geringste  Deutsch  Wilmersdorf  mit  5,6 
Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein  Zehntel 
aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  Zabrze,  an  Diph¬ 
therie  und  Krupp  in  Halle,  Königshütte.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Bon  n.  Die  Gesamtzahl  der  im  laufenden  Wintersemester  an 
der  hiesigen  Universität  immatrikulierten  Studierenden  beträgt  3209, 
gegen  3001  im  vorigen  Wintersemester.  Davon  zählt  die  medi¬ 
zinische  Fakultät  282  (227).  (hc.) 

Braiunschweig.  Dem  Prosektor  am  herzoglichen  Kranken¬ 
hause  zu  Braunschweig,  Dr.  med.  Robert  Borrmann,  ist  vom 
Herzogregenten  der  Titel  Professor  verliehen  worden,  (hc.) 

Breslau.  Dem  Privatdozenten  Dr.  Friedrich  Mann,  Spezial¬ 
arzt  für  Nervenkrankheiten,  ist  der  Professortitel  verliehen  worden. 

Erlangen.  Im  laufenden  Wintersemester  sind  an  der  hiesigen 
Universität  1058  immatrikulierte  Studierende  und  38  Hörer  einge¬ 
schrieben,  darunter  225  Mediziner  (wovon  74  Nichtbayern  'Sind).  — 
Der  jüngst  ernannte  Ordinarius  Prof.  Dr.  F.  Jamin  hat  sich  mit 
einer  Antrittsvorlesung  über  „Die  Säuglingssterblichkeit,  ihre  Ur¬ 
sachen  und  ihre  Bekämpfung“  in  die  Fakultät  und  in  den  Senat 
eingeführt.  Extraordinarius  Prof.  Dr.  Schittenhelm  wird  am 

1.  Januar  1908  seine  hiesige  Stelle  übernehmen.  Prof.  Dr.  Menge 
hat  den  an  ihn  ergangenen  Ruf  nach  Heidelberg  nunmehr  de¬ 
finitiv  angenommen. 

Frankfurt  a.  M.  Zu  Oberärzten  am  städtischen  Kranken¬ 
hause  zu  Frankfurt  a.  M.  wurden  ernannt:  an  der  chirurgischen  Kinik 
der  bisherige  Leiter  des  Krankenhauses  zu  Idar-Oberstein,  Dr.  Am¬ 
be  r  ge  r,  an  der  Hautklinik  der  bisherige  Sekundärarzt  Dr.  Hübner 
und  an  der  inneren  'Klinik  der  bisherige  Sekundärarzt  Dr.  B  i  n  g  e  1. 
(hc.) 

Greifswald.  Zum  Oberarzt  an  der  chirurgischen  Klinik  der 
hiesigen  Universität  ist  Dr.  med.  Aldo  Martina  ernannt  worden. 

Heidelberg.  Dem  anatomischen  Institut  der  Universität 
Heidelberg  hat  der  Direktor  des  S  e  n  c  k  e  n  b  e  r  g  ischen  neurologi¬ 
schen  Instituts  zu  Frankfurt  a.  M„  Prof.  Dr.  med.  Ludwig  Ed  i  n  g  e  r, 
ein  grosses  Modell  des  Gehirns  des  niedrigstehenden  Fisches  Chimära 
monstrosa  zum  Geschenk  gemacht,  welches  er  unter  seiner  Leitung 
anfertigen  Hess  und  dem  anatomischen  Institut  in  dankbarer  Er¬ 
innerung  an  seine  Heidelberger  Studienzeit  verehrte.  Dem  a.  o. 
Professor  für  innere  Medizin,  Dr.  Johann  Hoffmann  wurde  der 
Lehrauftrag  für  Neurologie  erteilt.  Die  Heidelberger  medizinische 
Fakultät  hat  den  Dezernenten  für  Universitätsangelegenheiten  im 
badischen  Unterichtsministerium,  Geh.  Oberregierungsrat  Dr.  Franz 
Böhm  zum  Dr.  med.  hon.  causa  ernannt.  Als  Priva.tclozenten  haben 
sich  in  der  medizinischen  Fakultät  habilitiert:  Dr.  med’.  Otto  Bender 
für  Anatomie,  Dr.  Hermann  Euler  für  Zahnheilkunde,  Dr.  med.  Georg 
H  i  r  s  c  h  e  1  für  Chirurgie,  Dr.  Alfred  Schwenkenbecher,  bis¬ 
her  Privatdozent  in  Strassburg  i.  E.,  für  innere  Medizin;  Privatdozent 
Dr.  Scbwenkenbecher  folgte  bereits  einem  Rufe  als  a.  o.  Pro¬ 
fessor  und  Direktor  der  medizinischen  Poliklinik  nach  Marburg,  (hc.) 

Kiel.  Die  Zahl  der  Mediziner  beträgt  in  diesem  Wintersemester 
239  von  1025  Studierenden  überhaupt;  im  Wintersemester  1906/07 
studierten  von  877  Studierenden  207  Medizin. 

Leipzig.  Die  Frequenz  der  hiesigen  Universität  betrug  im 
laufenden  Winterhalbjahr  4341  immatrikulierte  Studierende  gegen  4466 
im  vorigen  Wintersemester.  Davon  in  der  medizinischen  Fakultät 
540  (gegen  519),  ausserdem  66  (gegen  55)  Studierende  der  Zahn¬ 
heilkunde.  (hc.) 

Marburg.  Zum  Abteilungsvorsteher  an  dem  unter  Exzellenz 
v.  Behrings  Leitung  stehenden  Institut  für  Hvgiene  und  experi¬ 
mentelle  Therapie  in  Marburg  wurde  der  bisherige  erste  Assistenzarzt 
am  pathologisch-anatomischen  Institut  der  Universität  Tübingen.  Dr. 
med.  Walter  Dibbelt  ermannt,  (hc.) 

Strassburg  i.  E.  Dem  ordentlichen  Professor  der  Augen¬ 
heilkunde  an  der  hiesigen  Universität.  Dr.  Ludwig  Laaueu  r,  wurde 
anlässlich  seiner  Emeritierung  der  Kgl.  Kronenorden  zweiter'  Klasse 
verliehen.  —  Der  Direktor  der  Strassburger  Frauenklinik,  Geh.-Rat 

I  mf.  Di  Hermann  Fehling,  erhielt  den  Kgl  Kronenorden  dritter 
Klasse,  (hc.) 

Basel.  Herr  Professor  Dr.  E.  Hedin  ger  wurde  zum  ordent- 
hchen  Professor  für  pathologische  Anatomie  an  der  Universität  Basel 
befördert. 


(Todesfälle.) 

In  Frankfurt  a.  M.  starb  der  bekannte  Laryngologe  Exzellenz 
Prof.  Dr.  Moritz  Schmidt-Metzler.  Nekrolog  folgt. 

Dr.  Fr.  Businelli,  Professor  der  ophthalmologischen  Klinik 
an  der  medizinischen  Fakultät  zu  Rom. 

Dr.  M.  N.  de  Bettencourt  P  i  t  a,  früher  Professor  der 
internen  Pathologie  und  Therapie  zu  Lissabon. 


Personalnachrichten. 

(Bayern.) 

Verzogen:  Dr.  Weis«  von  Gössweinstein  nach  Oberhom¬ 
burg  (Lothringen). 


Amtliches. 

(Deutsches  Reich.) 

Bekanntmachung. 

Abkommen  zwischen  der  Kaiserlich  Deutschen  Regierung  und  der 
Königlich  Belgischen  Regierung  über  den  Nachrichtenaustausch  beim 
Auftreten  ansteckender  Krankheiten  unter  den  Menschen  in  den 
deutsch-belgischen  Grenzbezirken. 

Nachdem  die  Kaiserlich  Deutsche  Regierung  und  die  Königlich 
Belgische  Regierung  iiberieingekommen  sind,  das  bestehende  Ab¬ 
kommen  über  den  Nachrichtenaustausch  beim  Auftreten  ansteckender 
menschlicher  Krankheiten  in  den  deutsch-belgischen  Grenzbezirken 
vom  7.  19.  Juni  1889  durch  ein  neues  zu  ersetzen,  und  nachdem  über 
die  Einrichtung  dieses  Nachrichtenaustausches  Einverständnis  her¬ 
gestellt  worden  ist,  gelten  für  den  Austausch  der  Nachrichten  fol¬ 
gende  Bestimmungen: 

I.  Der  Nachrichtenaustausch  erstreckt  sich 

a)  auf  alle  Fälle  von  Cholera  (asiatischer),  Pocken,  Pest,  Gelb¬ 
fieber,  Unterleibstyphus  (fievre  typhoide),  Fleckfieber  (typhus 
exanthematique),  Scharlach,  Diphtherie,  Ruhr  (Dysenterie); 

b)  auf  gehäufteres  Vorkommen  von  Masern,  granulöser  Augen¬ 
entzündung,  Keuchhusten,  Kindbettfieber, 

soweit  die  Erkrankungen  in  den  Kreisen  Aachen  Stadt,  Aachen  Land, 
Eupen,  Montjoie  und  Malmedy  einerseits  und  in  den  Provinzen  Lim¬ 
burg,  Lüttich  und  Luxemburg  anderseits  festgestellt  worden  sind. 

II.  Die  Erkrankungsziffern  werden  wöchentlich  von  dem  König¬ 
lich  Preussischen  Regierungspräsidenten  in  Aachen  einerseits  und 
dem  Königlich  Belgischen  Ackerbauminister  anderseits  zusammen¬ 
gestellt. 

Bei  den  einzelnen  Krankheitsfällen  ist  ausser  dem  Kreise  (der 
Provinz)  der  befallene  Ort  anzugeben. 

III.  Die  nach  Ziffer  II  zusammengestellten  Nachrichten  werden 
mit  Beschleunigung  mittels  frankierter  Postsendungen  ausgetauscht. 

IV.  Empfänger  der  stets  unmittelbar  zuzustellenden  Nachrichten 

sind: 

a)  in  Deutschland:  der  Regierungspräsident  und  der  Polizei¬ 
präsident  in  Aachen,  die  Landräte  in  Aachen,  Eupen,  Mont¬ 
joie  und  Malmedy,  die  Kreisärzte  für  den  Stadt-  und  Land¬ 
kreis  Aachen,  Montjoie  und  Malmedy: 

b)  in  Belgien:  der  Ackerbauminister  in  Brüssel,  die  Präsidenten 
der  commfssion  medicale  provinciale  in  Hassolt,  Lüttich,  Huy 
und  Arlon. 

V.  Dieses  Abkommen  tritt  am  1.  November  1907  in  Kraft.  Mit 
demselben  Tage  tritt  das  durch  den  Notenaustausch  vom  7./19.  Juni 
1889  geschlossene  Abkommen  über  den  gleichen  Gegenstand  ausser 
Kraft. 

B  r  ii  s  s  e  1,  den  7.1 13.  August  1907. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  48.  Jahreswoche  vom  24.  bis  30.  November  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  9  (6*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  6  (5),  Kindbettfieber  1  (;),  and.  Folgen  der 
Geburt  -  (— ),  Scharlach  1  (1),  Masern  u.  Röteln  3  (2),  Diphth.  u. 

Krupp  1  (3),  Keuchhusten  —  (—),  Typhus  —  (— ),  übertragb.  Tierltrankh. 
—  ( — )>  Rose  (Erysipel)  1  (3),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  4  (1),  Tuberkul.  d.  Lungen  25  (17),  Tuberkul.  and. 
Org.  6  (4),  Miliartuberkul.  1  (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  8  (13), 
Influenza  1  (1),  and.  übertragb.  Krankh.  4  (2),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  5  (6).  sonst.  Krankh.  derselb.  5  (4).  organ.  Herzleid.  9  (19), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  2  (9),  Gehirnschlag 
9  (7),  Geisteskrankh.  1  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  5  (6),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  3  (4),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  21  (26),  Krankh.  d.  Leber  3  (1),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (2),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  4  (3),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  5  (7),  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  18  (14), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  6  (2),  Selbstmord  3  (4),  Tod  durch 
fremde  Hand  1  (— ),  Unglücksfälle  4  (5),  alle  übrig.  Krankh.  5  (8). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  181  (189).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,2  (17,9),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,9  (13,1). 


*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Beilage  zu  No.  51  der  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


Die  Verhandlungen 


der  bayerischen  Aerztekammern 


vom  Jahre  1907. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  von 

Oberbayern. 


München,  den  4.  November  1907. 
Beginn  der  Sitzung:  9Vz  Uhr  vormittags. 


Anwesend  sind:  Als  K-  Regierungskommissär  der  K.  Regierungs¬ 
und  Kreismedizinalrat  Prof.  Dr.  Otto  Messerer 

Als  Delegierte  der  ärztlichen  Bezirksvereine:  1.  Aichach-Fried- 
berg-Schrobenhausen:  Dr.  Ludwig  Schöppner,  K-  Bezirksarzt  in 
Friedberg.  2.  Freising-Moosburg:  Dr.  Jakob  Oberprieler, 
K  Hofrat  und  Krankenhausarzt  in  Freising.  3.  Ingolstadt-Pfaffenhofen- 
Mainburg-  Dr.  Karl  Vierling,  K.  Medizinalrat  und  Bezirksarzt  in 
Ingolstadt.  4.  Landsberg:  Dr.  Ernst  Fischer,  prakt.  Arzt  in  Lands¬ 
berg.  5.  Mühldorf-Neuötting:  Dr.  Joseph  S  chl  i  s  siede  r,  prakt. 
und  'Krankenhausarzt  in  Kraiburg.  6.  München:  Dr.  Friitz  Bauer, 
prakt  Arzt,  Dr.  Ludwig  Hart  le,  prakt.  Arzt,  Dr.  Moritz  Henkel, 
K  Bezirksarzt,  Dr.  Johann  K  a  s  1 1,  prakt.  Arzt,  Dr.  Arthur  M  u  e  1 1  e  r, 
prakt.  Arzt.  Dr.  Ernst  R  e  h  m,  prakt.  Arzt,  Dr.  Hugo  Sternfeld, 
prakt  Arzt.  7.  Bezirksamt  München:  Dr.  Hermann  B  e  r  g  e  a  t,  prakt. 
Arzt  Dr.  Georg  Krebs,  Oberarzt  der  Volksheilstätte  in  Planegg, 
Dr.  Bernhard  Spatz,  K.  Hofrat  und  prakt.  Arzt  in  München  (in 
Vertretung  Dr.  V  o  c  k  e  s).  8.  Oberbayern-Südost:  Dr.  Kail  Schöp¬ 
pner,  prakt.  Arzt  in  Reichenhall.  9.  Rosenheim:  Dr.  Adolf  B  urkart, 
K.  Medizinalrat  und  Bezirksarzt  in  Rosenheim,  Dr.  Max  Di  r  r,  K.  Hof¬ 
rat  und  Bahnarzt  in  Rosenheim,  Dr.  Nikodemus  Krebs,  prakt.  Arzt 
in  Aibling.  10.  Traunstein:  Dr.  Joseph  Saradeth,  prakt.  Arzt  und 
Krankenhausarzt  in  Ruhpo’lding.  11.  Weilheim:  Dr.  Leo  Zantl, 
K.  Bezirksarzt  in  Weilheim.  12.  Wolfratshausen:  Dr.  Karl  Breid¬ 
auer,  K.  Bezirksarzt  in  Wolfratshausen. 

Vor  Beginn  der  Verhandlungen  wurden  die  Delegierten  von  Sr. 
Exzellenz  dem  Herrn  Regierungspräsidenten  v.  Haider  empfangen. 

Dr.  B  u  r  k  a  r  t  eröffnet  als  Alterspräsident  die  Sitzung  und  lässt 


die  Wahl  des  Ausschusses  vornehmen. 

Es  wurden  gewählt: 

Zum  Vorsitzenden  Dr.  H  e  n  k  e  1  mit  21  Stimmen,  stellvertretenden 
Vorsitzenden  Dr.  Oberprieler  mit  21  Stimmen,  Schriftführer 
Dr.  Bergeat  mit  19  Stimmen,  stellvertretenden  Schriftführer  Dr. 
S  c  h  1  i  s  s  Fe  d  e  r  mit  21  Stimmen,  welche  Herren  die  Wahl  mit  Dank 
annehmen. 

Dr.  Henkel  übernimmt  den  Vorsitz  und  begriisst  den  Herrn 
Regierungskommissär,  sowie  die  in  der  Kammer  neu  erschienenen 
Delegierten  DDr.  Krebs-  Planegg,  R  e  h  m,  Spatz  und  Zantl 
und  gedenkt  der  ausgeschiedenen  Delegierten  Kreismedizinalrat  Dr. 
Egger,  Moser  und  S  leider  er  und  des  durch  einen  bedauer¬ 
lichen  Unfall  verhinderten  Herrn  Direktor  Dr.  Vocke. 

Nicht  erschienen  ist  der  zweite  Delegierte  des  Bezirksvereins 
Oberbayern  -  Südost  Dr.  v.  H  e  i  n  1  e  t  h. 

Kreismedizinalrat  Dr.  Messerer  stellt  fest,  dass  dessen  Ent¬ 
schuldigungsschreiben  aus  Athen  vom  29.  X.  erst  am  Morgen  der 
Kammersitzung  eingetroffen  und  deshalb  die  Einberufung  des  Stell¬ 
vertreters  unmöglich  gewesen  ist. 


I.  Geschäftsbericht 

erstattet  durch  den  Vorsitzenden. 

Die  Verbescheidung  der  Beschlüsse  der  Aerzte¬ 
kammern  wird  verlesen.  (Mitgeteilt  in  der  Münch,  med.  Wochen¬ 
schrift  1907,  No.  30.) 

Dem  Beschlüsse  der  Aerztekammer  entsprechend  wurde  an  die 
Versicherungsanstalt  von  Oberhayern  eine  Zuschrift  betr.  die  Hono¬ 
rierung  der  ärztlichen  Zeugnisse  gerichtet,  die  Antwort  der  Ver¬ 
sicherungsanstalt  vom  22.  VIII.  07  wird  verlesen  (vergl.  Münch,  med. 
Wochenschr.  1907,  No.  39).  Dem  Vorschläge  des  Vorsitzenden  ent¬ 
sprechend  wird  den  Bezirksvereinen  die  Bekanntgabe  der  getroffenen 
Vereinbarung  an  ihre  Mitglieder  überlassen  (vergl.  auch  No.  V). 

Betreffs  der  Teilnahme  an  der  Neuausgabe  des 
Arzneibuches  für  das  deutsche  Reich  wurden  in  einem  Rund- 
schreibep  die  ärztlichen  Bezirksvereine  ersucht,  ihre  Mitglieder  zur 
Einsendung  von  Anregungen  und  Material  zu  veranlassen. 

Dr.  Vierling  berichtet,  dass  fast  kein  Material  eingereicht 
wurde,  die  geringfügigen  Einsendungen  würden  nicht  eine  eigene  Ein¬ 
gabe  lohnen;  er  beantragt  daher  nochmals  an  die  Bezirksvereine  her¬ 
anzutreten. 


Dem  von  dem  Vorsitzenden  unterstützten  Antrag  wird  zu¬ 
gestimmt. 

Die  im  Jahre  1906  gewählte  wirtschaftliche  Kom¬ 
mission  ist  nicht  zusammengetreten.  Unterm  13.  V.  07  hat  der 
Bezirksverein  Oberbayern  Südost  die  Einberufung  der  Kommission 
beantragt,  um  eine  Statistik  anzufertigen,  auf  grund  deren  der  Zuzug 
der  Aerzte  auf  dem  Lande  nach  einem  bestimmten  Verhältnisse 
zwischen  der  Leistungsfähigkeit  der  Kassen  und  der  Zahl  der  Aerzte 
geregelt  werden  .solle. 

Dr.  Kastl  erklärt,  dass  verschiedene  persönliche  Umstände 
das  Zusammentreten  der  Kommission  verhindert  hätten.  Der  Antrag 
des  Bezirksvereins  Oberbayern  Südost  ist  undurchführbar.  Dagegen 
sind  in  Mannheim  und  seinem.  Aussenbezirke  unter  den  Aerzten 
genaue  Abmachungen  über  die  Niederlassung  neuer  Aerzte  getroffen, 
die  sich  anscheinend  gut  bewähren.  Ueber  den  einschlägigen  Bericht 
Dr.  Meermanns  gibt  Redner  ein  kurzes  Referat.  Das  wichtigste 
ist  immer  der  Ausbau  der  lokalen  Vereinigungen. 

Dr.  Fischer:  Nach  anfänglich  schlechten  Erfahrungen  haben 
wir  auf  dem  Lande  doch  gute  mit  dem  Leipziger  Verband  gemacht. 
Die  Massnahmen  müssen  je  nach  den  Orten  verschieden  sein.  In 
Mannheim  sind  Fabriken,  bei  uns  ländliche  Verhältnisse,  das  ist  ein 
grosser  Unterschied.  Notwendig  ist  ein  enger  Kontakt  zwischen  den 
Vertrauensmännern  der  einzelnen  Bezirke.  Sache  der  Kammer  wird 
es  wohl  sein,  auf  die  Bezirksvereine  einzuwirken. 

Dr.  Schöppner  -  Reichenhall :  Der  Antrag  v.  Heinleths 
bezweckte  eine  Statistik,  wie  viele  Aerzte  an  jedem  einzelnen  Ort 
zulässig  sein  sollten. 

Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  stellt  den  Antrag : 

Die  Kammer  empfiehlt  neuerdings  ihren  Bezirksvereinen  die 

Bildung  und  den  weiteren  Ausbau  von  lokalen  wirtschaftlichen 

Organisationen  (Schutz-  und  Trutzbündnissen)  im  Sinne  der  wirt¬ 
schaftlichen  Organisation  des  D.  A.  V.  B.  bezw.  des  L.  V. 

Wird  angenommen. 

Auf  das  Anschreiben  des  ständigen  Ausschusses  an  den  baye¬ 
rischen  Frauenverein  vom  roten  Kreuz  gemäss  dem  Anträge  Dr. 
Schöppner  -  Friedberg  (No.  XVI  des  Protokolls  von  1906)  ist  bis¬ 
her  eine  Antwort  nicht  erfolgt. 

Dr.  Oberprieler':  Das  Schreiben  wäre  besser  an  die  Zentral¬ 
stelle  des  Landeshilfsvereins  gerichtet  worden. 

Dr.  Schöppner  behält  sich  vor,  zu  anderer  Zeit  auf  die  An¬ 
gelegenheit  zurückzukommen. 

Die  Kommission  zur  Aberkennung  der  ärztlichen 
Approbation  hatte  sich  auf  Antrag  der  K.  Regierung  mit  dem 
Falle  des  prakt.  Arztes  Dr.  J.  Braunstein  zu  befassen,  welcher 
wegen  zweier  Verbrechen  der  Privaturkundenfälschung  zu  7  Jahren 
Zuchthaus  und  10  Jahren  Ehrenverlust  verurteilt  wurde.  Die  Kom¬ 
mission  beschloss  einstimmig,  sich  für  die  Aberkennung  der  Approba¬ 
tion  auszusprechen.  Die  einschlägigen  Schriftstücke  werden  verlesen. 

Bezüglich  des  Entwurfes  zu  einer  reichsgesetzlichen 
Regelung  des  Apothekenwesens  hat  sich  der  ständige  Ausschuss, 
von  der  Regierung  zu  einer  Aeusserung  aufgefordert,  dahin  geäussert, 
dass  in  ärztlicher  Hinsicht  demselben  zugestimmt  werden  könne. 
Der  Geschäftsbericht  bemerkt  hierzu,  dass  der  Mangel  an  genaueren 
fürsorglichen  Bestimmungen  über  Ablösung  und  Abfindung  bei 
Uebernahme  der  Apotheken,  über  die  Entschädigungsfrage  und  Ueber- 
nahmsbedingungen  bei  Kauf  und  Wechsel  der  Apothekeninhaber  bei 
Juristen  und  insbesondere  beim  Apothekerstande  schwere  Bedenken 
hervorrief.  Eingehender  hatte  diese  Fragen  der  Entwurf  einer  bayer. 
Allenh.  Verordnung  die  Apotheken  betr.  vom  Jahre  1906  behandelt. 

In  einem  Schreiben  hat  die  ständige  Kommission  zur 
Vertretung  der  Interessen  der  Dentisten  Bayerns 
gebeten,  es  möchte  die  Forderung  der  Dentisten,  bei  reichsgesetz¬ 
licher  Regelung  der  Meldepflicht  in  von  den  notorischen  Kurpfuschern 
getrennten  Listen  geführt  zu  werden,  empfehlend  begutachtet  werden. 
Es  wird  beschlossen,  zur  Tagesordnung  überzugehen,  da  zur  Zeit  noch 
gar  keine  offiziellen  Grundlagen  für  eine  Stellungnahme  gegeben  sind. 

Eine  Eingabe  des  Vereins  für  freie  Z  a  h  n  a  r  z  t  w  a  h  1 
in  München  (mit  Vorlage  eines  Kassenstatutes  und  Prozessaktes) 
beantragt  die  Einleitung  des  Disziplinarverfahrens  gegen  den  Uni¬ 
versitätsprofessor  Dr.  Berten,  weil  er  die  Kasse  der  Münchener  Rück¬ 
versicherungsgesellschaft  für  sich  monopolisiert  und  die  Gegenmass¬ 
nahmen  der  Münchener  Zahnärzteschaft  durch  seinen  Rechtsbeistand 
als  zünftleriisch  und  sozialdemokratisch,  lediglich  aus  Brotneid  her¬ 
vorgehend,  hat  erklären  lassen.  Die  Aerztekammer  betrachtet  sich 


2500 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  51. 


für  nicht  kompetent,  der  Angelegenheit  näher  zu  treten,  schon  deshalb, 
weil  Professor  B.  einem  ärztlichen  Bezirksverein  nicht  angehört. 

In  einem  Anschreiben  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Ober- 
bayern  Südost  wird  in  Berichtigung  einer  früheren  Angabe  zu 
Protokoll  festgestellt,  dass  es  schon  iim  Jahre  1905  dem  Kollegen 
Dr.  Drossbach  gelungen  war,  unter  den  Aerzten  des  Bezirkes  eine 
wirtschaftliche  Vereinigung  zustande  zu  bringen. 

Zum  Geschäftsbericht  bemerkt 

Dr.  Bergeat,  dass  das  Protokoll  der  vorigen  Aerztekammer 
im  ärztlichen  Bezirksverein  München  durch  dessen  Vorsitzenden 
eine  Beanstandung  erfahren  habe  und  dass  ihm  auf  seine  wiederholte 
Anfrage  über  den  Gegenstand  des  Einwandes  keine  Antwort  erteilt 
worden  sei. 

Dr.  Kastl:  Seine  auf  Seite  3  des  Protokolls  'wiedergegebene 
Aeusserung  habe  zu  Missverständnissen  Anlass  geben  können. 

Dr.  Bergeat:  Es  wäre  doch  wohl  eine  Antwort  am 
Platze  gewesen. 

Dr.  Kastl:  Bei  den  damals  in  München  herrschenden  Verhält¬ 
nissen  sei  es  wohl  begreiflich,  wenn  er  den  betr.  Brief  vergessen  habe, 
die  Absicht  einer  persönlichen  Verletzung  habe  ihm  fernegelegen. 


II.  Kassenbericht. 

Dr.  Bergeat: 

Der  Vermögensstand  betrug  29.  X.  06  .  258.28  Mk. 

Die  Mitgliederbeiträge .  426. —  Mk. 

Zinsen  1 . 14 —  Mk. 

Summe  der  Aktiva .  698.28  Mk. 

Ausgaben .  261.30  Mk. 

Derzeitiger  Bestand .  436.98  Mk. 


Darunter  ein  SVssproz.  Pfandbrief  der  bayer.  Hypotheken- 

und  Wechselbank  zu .  200.—  Mk. 

Die  Abrechnung  wird  durch  die  Herren  DDr.  Dirr  und  K. 
Schoeppner  geprüft  und  richtig  befunden. 

Der  Beitrag  beträgt  wie  bisher  50  Pfg.  .pro  Mitglied. 


III.  Bericht  der  Delegierten  über  den  Stand  der  Bezirksvereine. 

Bezirksverein  Aichach-Friedberg-Schroben hausen 
zählt  19  Mitglieder.  Vorstand:  Bezirksarzt  Dr.  M  ii  1 1  e  r  -  Aichach. 
Schriftführer  und  Kassier:  Dr.  G  ö  t  z  -  Aichach.  Es  fanden  2  Ver¬ 
sammlungen  statt.  Bei  der  ersten  wurde  die  mediko-mechanische 
Anstalt  des  Herrn  Dr.  M  ii  11er  -  Lechhausen  bei  Augsburg  besichtigt 
mit  Anschluss  vpn  Demonstrationen  und  wissenschaftlichen  Be¬ 
sprechungen.  In  der  zweiten  Versammlung  wurden  Vereins-,  Standes- 
und  wissenschaftliche  Fragen  behandelt. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Freisiing-Moosburg  zählt 
zur  Zeit  14  Mitglieder.  Vorstand  Bezirksarzt  Dr.  G  r  u  e  b,  Schrift¬ 
führer  Dr.  Buck.  Der  Verein  hat  in  3  Versammlungen  Vereins¬ 
und  Standesangelegenheiten  beraten  und  beschlossen  und  Fälle  aus 
der  Praxis  besprochen.  Als  praktische  Frucht  der  Vereinstätigkeit 
möge  hier  erwähnt  werden  der  Entschluss  der  Vorstandschaft  der 
Molikereischule  in  Weihienstephan  auf  Ansuchen  unseres  Vereinsvor¬ 
standes  an  dieser  Schule  sog.  Kindermilch  bereitstellen  zu  lassen.  Diese 
Einrichtung  hat  wohl  nicht  nur  für  Freising  und  nächste  Umgebung 
eine  Bedeutung,  sondern  für  eine  ganz  breite  Ausdehnung,  da  ja  von 
Herrn  Prof.  pr.  Th.  Hemkel  eine  Reihe  von  Schülern  aus  allen 
Landesteilen  über  das  Wesen  der  sogen.  Kindermilch  und  über  deren 
Gewinnung  Unterricht  erhalten  werden. 

Der  Bezirksverein  Ingo  I  stadt-Pfaffenhof  en-Main- 
b  u  r  g  besteht  aus  22  Mitgliedern  und  hat  1907  in  3  Versammlungen 
Standesangelegenheiten  und  wissenschaftliche  Fragen  behandelt. 
Vorstand:  Dr.  Vierling  sen.  -  Ingolstadt,  Schriftführer:  Dr.  Vier- 
1 1  n  g  jun.  -  Ingolstadt,  Kassier:  Dr.  W  e  r  n  e  r  -  Geisenfeld. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Landsberg  (Schongau - 
Bruck)  besteht  aus  24  Mitgliedern.  Der  Verein  hat  sich  in  2 
Sitzungen  mit  wissenschaftlichen  und  wirtschaftlichen  Fragen,  ins¬ 
besondere  der  Milchversorgung  der  Säuglinge  und  Errichtung 'einer 
Untersuchungsstelle  für  unentgeltliche  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  beschäftigt.  Vorstand:  Dr.  Ernst  F  i  s  c  h  e  r  -  Landsberg 
Schriftführer:  Dr.  W  a  c  k  e  r  -  Landsberg. 

»Per  ärztliche  Bezirksverein  M  ü  h  1  d  o  r  f  -  Ne  u  ö  t  ti  n  g  zählt 
23  Mitglieder.  Vorsitzender:  Dr.  Schlissleder,  prakt.  Arzt  in 
Kraiburg,  Kassier:  Dr.  Wolf,  prakt.  Arzt  in  Buchbach,  Schriftführer: 
1fL  , 1  r }  s  P ? r  g.e  r>  Prakt.  Arzt  in  Kraiburg.  Im  Laufe  des  Jahres 
1907  fanden  2  Vereinssitzungen  statt;  Gegenstand  der  Verhandlungen 
waren  Vereins-  und  Standesangelegenheiten,  Kasuistik. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  München  (Berichterstatter:  Dr 
Sternfeld,  l  Schriftführer)  zählt  529  Mitglieder.  Der  Mitglieder¬ 
stand  am  22  Dezember  1906  betrug  521.  Neu  eingetreten  sind  28- 
ausgetreten  14;  davon  6  wegen  Wegzuges  von  München.  Ausserdem 
Ho  en  „irf  -fn  „Yerlust  dreier  hochangesehener  Mitglieder  —  der 
Herren  Hofrate  Walther,  Heigl  und  Goss  mann  —  durch  den 

gestrichen  werden  3  Mltg,ieder  mussten  wegen  Beitragsverweigerung 

I.  Vorsitzender:  Dr.  Rehm,  stellvertretender  Vorsitzender-  Dr 
hriedr.  Bauer,  I.  Schriftführer:  Dr.  Hugo  Sternfeld  stellver¬ 
tretender  Schriftführer:  Dr.  S  t  r  i  x  n  e  r,  Schatzmeister:  Dr.  Ha  r  1 1  e 


Seit  der  letzten  Aer.ztekammersitzung  fanden  7  Vereinsversamm- 
lungen  statt. 

Von  den  wichtigsten  Verhandlungs-  und  Beratungsgegenständen 
sind  folgende  zu  nennen: 

1.  Stellungnahme  zu  den  Vorschlägen  der  Krankenkassentage 
bezüglich  Einführung  des  Kurierzwanges  und  Beseitigung  der  Ge¬ 
währung  freier  ärztlicher  Hilfe  durch  die  Krankenkassen.  Referent: 
Dr.  Scholl. 

2.  Die  Regelung  der  Verhältnisse  in  der  Privatpraxis  (Honorar¬ 
erhöhung;  Revision  der  Gebührenordnung).  Referent:  Dr.  Fpiedr. 
Bauer. 

3.  Bericht  über  die  bisherige  Durchführung  der  ärztlichen 
Sonntagsruhe  in  München.  Referent:  Dr.  Hartle. 

4.  Stellungnahme  zu  dem  Entwürfe  einer  wirtschaftlichen 
Organisation  der  bayerischen  Aerzte.  Referent:  Dr.  Sternfeld. 

Hinsichtlich  des  letzten  Beratungsgegenstandes  ist  es  für  die- 
heutige  Beratung  von  Wichtigkeit,  den  diesbezüglichen  Beschluss  mit¬ 
zuteilen,  welcher  in  der  letzten  Bezirksvereinsversammlung  e  i  n  - 
stimmig  und  ohne  Stimmenthaltung  angenommen  wurde.  Er  lautet: 

„Der  ärztliche  Bezirksverein  beschliesst,  die  Delegierten  der 

oberbayer.  Aerztekammer  zu  beauftragen,  den  vorgelegten  Ent¬ 
wurf  in  der  Aerztekammer  abzulehnen.“ 


Die  Bemühungen  des  ärztlichen  Bezirksvereins  München,  eine 
Einigung  der  Münchener  Aerzte  zu  erzielen,  führten  insofern  zu  einem 
befriedigenden  Ergebnis,  als  ein  von  sämtlichen  Münchener  ärztlichen 
Vereinigungen,  die  sich  bisher  mit  Standesangelegenheiten  befasst 
haben  (A.  B.  V.  München,  B.  V.  Bezirksamt  München,  N.  St.  V.  Münch. 
Aerzte,  Abt.  f.  f.  A.  W.,  Bahnärztl.  Vereinigung,  Aerztl.  Klub  München, 
Sektion  München  des  L.  V.),  beschickter  gemeinsamer  Ausschuss  ge¬ 
bildet  wurde  „zur  Anbahnung  besserer  kollegialer  Verhältnisse  und 
gemeinsamer  Tätigkeit  der  Münchener  Aerzteschaft  in  Standesfragen 
namentlich  in  wirtschaftlichen  Fragen“. 

Diesem  ist  in  Zukunft  jede  wichtige  Standesfrage  vor  der 
Beschlussfassung  in  den  Vereinen  zur  Vorbereitung  zu  über¬ 
weisen.  Derselbe  hat  ausserdem  die  Aufgabe,  etwa  auftretende 
Differenzen  zwischen  den  Standesvereinen  auszugleichen. 

Seine  besondere  Aufmerksamkeit  hat  der  ärztliche  Bezirksverein 
neuerdings  der  Bekämpfung  der  Kurpfuscherei  gewidmet,  indem  er  in 
seiner  letzten  Sitzung  seinen  Ausschuss  beauftragt  hat,  sobald  als 
möglich  Material  aus  München  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums 
zu  sammeln,  andererseits  das  gesamte  Material  der  „Deutschen  Ge¬ 
sellschaft  zur  Bekämpfung  des  Kurpfuschertums“  zuzustellen.  Der 
P.  A.  hat  dementsprechend  eine  Aufforderung  an  die  Münchener 
Kollegen  ergehen  lassen,  ihnen  das  nötige  Material  zugehen  zu  lassen. 

Von  den  übrigen  Kommissionen  hat  besonders  die  Unfallgut¬ 
achterkommission  im  letzten  Berichtsjahre  durch  eine  Reihe  von 
Vorträgen  und  Referaten  eine  segensreiche  Tätigkeit  entfaltet. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Bezirksamt  München  zählt  zur 
Zeit  71  Mitglieder.  Die  Vorstandschaft  setzt  sich  zusammen:  Dr. 
Vocke,  Vorsitzender,  Dr.  Krebs,  stellvertretender  Vorsitzender, 
Hofrat  Besnard,  Dr.  B  e  r  g  e  a  t,  Beisitzer,  Dr.  Sendtner, 
Schriftführer  und  Kassier.  Die  Geschäfte  wurden  in  4  Sitzungen  er¬ 
ledigt. 

Tagesordnung  der  Sitzung  vom  19.  XII.  06:  Sperrung  der  Bahn- 
und  Postkrankenkassenarztstellen  für  München  und  Vororte.  Antrag 
des  Leipziger  Verbandes  an  die  Abteilung  für  freie  Arztwahl  in 
München  wegen  Gründung  einer  Sicherheitskasse. 

Tagesordnung  der  Sitzung  vom  28.  V.  07:  1.  Beschickung  der 
vom  Geschäftsausschuss  des  Aerztevereinsbundes  auf  2.  Juni  c.  in 
Frankfurt  a.  M.  geplanten  Konferenz  zur  Erzielung  eines  Ausgleiches 
zwischen  den  ärztlichen  Standesvereinen  in  München.  2.  Deutscher 
Aerztetag  a)  Stellungnahme  zur  Tagesordnung,  b)  Delegiertenwahl. 
3.  Antrag  des  Lokalvereins  Pasing  auf  Regelung  der  Honorarfrage  für 
die  der  freien  Arztwahl  angehörenden  Landärzte. 

Tagesordnung  der  Sitzung  vom  28.  VII.  07:  1.  Bericht  über  die 
Frankfurter  Besprechung  zur  Einigung  der  Münchener  Aerzte.  2.  Be¬ 
licht  über  den  deutschen  Aerztetag.  3.  Delegiertenwahl  zur  ober¬ 
bayerischen  Aerztekammer. 


i  agesorunung  aer  Mtzung  vom  &).  Uktober  1907:  Beratung  der 
Tagesordnung  der  Aerztekammer. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Oberbayern-Südost  zählt  42 
Mitglieder.  Vorsitzender:  Dr.  Schöppne  r,  Schriftführer:  Dr.  v. 
H  e  i  n  I  e  t  h,  beide  Reichenhall,  Kassier :  Dr.  Hofhammer  -  Anger. 
Es  fanden  2  ordentliche  Sitzungen  statt  und  3  Schiedsgerichtssitzungen. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Rosenheim  hat  62  Mitglieder. 
Vorsitzender  ist  Medizinalrat  Dr.  Burkart,  Schriftführer  und 
Kassier  Hofrat  Dr.  Dirr.  Versammlungen  fanden  drei  statt  und  eine 
Schiedsgenichtssitzung.  Die  erste  am  13.  Dezember  1906.  1.  Bericht 
über  die  Verhandlungen  der  oberbayerischen  Aerztekammer  1906. 
-.  Kassabericht,  Festsetzung  der  Vereinsbeiträge  pro  1906;07.  3.  Ueber 
eiterige  Mittelohrenentzündungen  (Dr.  Schneider).  Die  zweite 
T^uni  1907,  L  W,ahl  der  Delegierten  zur  Aerztekammer  1907. 
2.  Die  Desinfektion  der  Hände  seitens  der  Hebammen  (Referent  Dr. 

‘  J?'  des  Vorsitzenden  der  Vortragskommission 

(Dr.  Mau  1).  4.  Besichtigung  der  chirurgischen  Klinik  (Dr.  Krieger). 
ie  dritte  am  15.  Oktober  1907.  1.  Besprechung  ev.  Anträge  zur 

erztekammer  1907.  2.  Bericht  des  Obmannes  der  Vertrags¬ 

kommission. 


17.  Dezember  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2561 


Aerztlicher  Bezirksverein  Traunstein  zählt  14  Mitglieder. 
Vorsitzender:  Bezirksarzt  Dr.  S  chw  ein  be  r  ge  r -Traunstein, 
Schriftführer:  Dr.  S  a  r  a  d  e  t  h  -  Ruhpolding.  In  den  4  Jahresver¬ 
sammlungen  wurden  Vereinsangelegenheiten,  sowie  wissenschaftliche 
und  wirtschaftliche  Fragen  behandelt,  ferner  interessante  Fälle  aus 
der  Praxis  mitgeteilt. 

Der  ärztliche  Bezirksverein  Weilheim  zählt  17  Mitglieder.  Vor¬ 
sitzender  ist  Bezirksamt  Dr.  Z an tl ‘in Weilheim,  stellvertretenderVor- 
sitzerider  Dr.  As  am,  pr.akt.  Art  in  Murnau,  Schriftführer  und  Kassier 
prakt  Arzt  Dr.  S  c  h  n  i  t  z  1  e  r  in  Weilheim.  Der  wirtschaftlichen  Ver¬ 
einigung  gehören  alle  Mitglieder  an.  Es  fand  1  Versammlung  statt, 
in  welcher  wirtschaftliche  und  wissenschaftliche  Fragen  besprochen 

U  Der  ärztliche  Bezirksverein  Wolf  ratshausen  zählt  10  Mitglieder. 
Vorstand:  K.  Bezirksamt  Dr.  B  red  au  er,  Schriftführer:  Dr.  Rie¬ 
de  rer,  Kassier:  Dr.  Schmidt,  sämtliche  in  Wolfratshausen.  Der 
wirtschaftlichen  Vereinigung  gehören  alle  Mitglieder  an.  Es  fanden 
2  Versammlungen  statt,  in  welchen  Standesangelegenheiten  und  Vor¬ 
kommnisse  aus  der  Praxis  besprochen  wurden. 

Dr.  Spatz:  Der  Bericht  des  Bezirksvereins  München  bedarf 
einer  Berichtigung.  Es  ‘ist  nicht  den  Bemühungen  des  Bezirksvereins, 
sondern  der  Vermittlung  Prof.  Loebkers  gelungen,  die  Einigungs¬ 
kommission  zu  erreichen.  Der  Bezirksverein  hat  sich  sogar  anfangs 
ablehnend  dagegen  verhalten. 

Dr.  K  a  s  1 1  verweist  auf  seine  Bemühungen  im  Geschäftsaus- 
sohuss  des  Aerztevereinsbundeis,  um  eine  Vermittlung  in  München 
herbeizuführen. 

Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  betont,  dass  der  Bericht  richtig  sei,  es 
heisse  ausdrücklich:  die  Bemühungen  haben  insofern  zu  einem 
Ergebnis  geführt  etc. 

Dr.  Bergeat:  Es  ist  ja  eigentlich  über  solche  Berichte  nicht 
zu  diskutieren,  es  hätte  aber  die  Vermittlung  Loebkers  und  der 
Mittelfränkischen  Aerztekammer  Erwähnung  finden  sollen. 

Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  besteht  darauf,  dass  der  Bericht  als  richtig 
erkannt  werde. 

Dr.  Spatz:  Der  Bericht  des  Bezirksvereins  war  geeignet,  ein 
unrichtiges  Bild  zu  geben.  Auf  eine  Abänderung  desselben  ver¬ 
zichte  ich. 

Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  fordert  die  Aufnahme  dieser  Erklärung  ins 
Protokoll. 

IV.  Hebammenwesen  und  Hebammenreform. 

Referat,  erstattet  von  Bezirksarzt  Dr.  Henkel. 

(Befindet  sich  unter  den  Originalien  dieser  Nummer.) 

Dr.  Mueller:  Dem  Hebammenstand  drohen  Gefahren  in  der 
Ueberfüllung  desselben.  Obwohl  München  von  1900 — 1905  um  50  000 
Einwohner  zugenommen,  ist  eine  so  grosse  Abnahme  der  Geburten¬ 
zahl  erfolgt,  dass  selbst  bei  gleichbleibender  Zahl  der  Hebammen  auf 
jede  derselben  jährlich  6  Geburten  weniger  treffen.  Es  ist  notwendig, 
den  Zugang  einzuschränken:  schon  jetzt  bestehen  lebhafte  Klagen  über 
die  Unterbietung,  zumal  seitens  der  jungen  Hebammen.  Bemerkens¬ 
wert  ist  die  Tatsache,  dass  die  Sterblichkeit  der  Neugeborenen  viel 
grösser  ist  bei  den  nur  von  Aerzten  geleiteten  Geburten  als  bei  den 
nur  von  Hebammen  geleiteten. 

Dr.  Bauer  weist  auf  die  unzulässige  Beeinflussung  hin,  die 
manche  Hebammen  auf  die  Wahl  des  Arztes  seitens  des  Publikums 
ausüben  und  bei  -welcher  oft  die  Gebärende  grosser  Gefahr  ausgesetzt 
wird,  zumal  wenn  der  mit  der  Hebamme  alliierte  Arzt  entfernt  wohnt. 
Derartige  schlimme  Fälle  sind  neuerdings  öfter  vorgekommen.  Es 
wäre  eine  entsprechende  amtliche  Verfügung  an  die  Hebammen  zu 
wünschen. 

Dr.  Henkel:  Eine  solche  Verfügung  würde  wenig  helfen,  besser 
ist  es,  jeden  solchen  Fall  anzuzeigen,  damit  strenge  eingeschritten 
werden  kann.  Es  gibt  wirksame  disziplinäre  Massregeln,  die  es  z.  B. 
auch  erreicht  haben,  dass  jetzt  in  München  ohne  Widerrede  jeder  Fall 
von  Fieber  bei  eitler  Wöchnerin  polizeilich  gemeldet  wird  und  das 
Kindbettfieber  wirklich  im  Schwinden  .ist. 

Dr.  Bauer:  Ganz  aussichtslos  scheint  ein  solches  Rund¬ 
schreiben  doch  nicht.  Wenn  in  der  Oeffentlichkeit  solche  Fälle  be¬ 
kannt  werden,  wird  man  fragen,  warum  durch  den  Bezirksarzt  nichts 
geschieht. 

Dr.  Henkel:  Die  Aerzte  sollen  nur  die  Fälle  anzeigen.  Im 
übrigen  werde  er  bei  Gelegenheit  der  demnächst  stattfindenden  Prü¬ 
fungen  Gelegenheit  nehmen,  die  Hebammen  entsprechend  zu  belehren. 

Dr.  Bauer:  Solche  Anzeigen  bringen  unter  Umständen  den  Arzt 
in  Gefahr,  seine  ganze  geburtshilfliche  Praxis  zu  verlieren. 

Ein  Antrag  Dr.  Fischers,  das  Referat  im  Druck  erscheinen  zu 
lassen,  wird  angenommen. 

V.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  der  mittelfränkischen  Aerzte¬ 
kammer. 

„Die  Kammern  mögen  gemeinschaftlich  bei  allen  bayerischen 
Invaliditätsanstalten  anregen,  sich  über  ein  gleichmässiges  For¬ 
mular  für  Atteste  sowie  über  gleichmässige  Honorierung  der  At¬ 
teste  für  Invalidität  und  für  Uebernahme  des  Heilverfahrens  zu 
einigen.“ 


Als  Grundlage  für  die  Verhandlungen  sind  die  Sätze  der  Mittel¬ 
fränkischen  Invaliditätsanstalt,  5  resp.  3  M.  für  diese  Atteste  als 
Honorar,  massgebend. 

Hier  ist  einschlägig  das  Antwortschreiben,  welches  auf  die  Ein¬ 
gabe  der  oberbayerischen  Aerztekammer  die  Versicherungsanstalt 
unterm  22.  VIII.  07  ergehen  Hess  (abgedruckt  in  der  Münch,  rned. 
Wochenschr.  No.  39,  1907). 

Entsprechend  dem  Ergebnis  der  Vorbesprechung  wird  be¬ 
schlossen,  wegen  Erhöhung  des  vorgeschlagenen  Honorars  für  die 
Atteste  zur  Uebernahme  des  Heilverfahrens  (von  2  auf  3  M.),  sich 
nochmals  an  die  Versicherungsanstalt  zu  wenden. 

VI.  Antrag  der  Bezirksvereine  Freising-Moosburg  und  Memmingen: 

„Kgl.  Staatregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopische  und 
bakteriologische  Untersuchungen  von  den  einschlägigen  staat¬ 
lichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es  im 
öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint.“ 

Dr.  Oberprieler:  Der  Antrag  entspricht  der  Wichtigkeit, 
welche  allenthalben  der  Bekämpfung  der  Infektionskrankheiten  bei¬ 
gemessen  wird.  Zurzeit  kosten  derartige  Untersuchungen  zu  viel, 
z.  B.  in  einem  Fall  63.50  M.  nur  für  eine  bakteriologische  Untersuchung 
die  nur  die  Diagnose  des  Typhus  sicherte,  aber  für  die  Vorbeugung  bei 
11  weiteren  Fällen  noch  nicht  genügend  war.  Solche  Hausepidemien 
des  Typhus  verlangen  dringend  die  genaue  bakteriologische  Unter¬ 
suchung,  ebenso  wichtig  ist  eine  solohe  oft  bei  den  Infektionskrank¬ 
heiten  unter  den  Schulpflichtigem  Das  hygienische  Institut  ist  weniger 
entgegenkommend  als  das  pathologische,  wohl  weil  es  selbst  wünscht, 
für  solche  Untersuchungen  besser  ausgestattet  zu  werden.  Solche 
Einrichtungen  sind  z.  B.  in  Baden  schon  ins  Leben  gerufen  worden. 

Dr.  Spatz  wünscht  eine  Ausdehnung  des  Antrages  auf  alle  In¬ 
fektionskrankheiten,  auch  die  endemischen,  wie  die  Tuberkulose. 

Nach  weiteren  Bemerkungen  der  Herren  Henkel,  Spatz, 
Vierling  und  Oberprieler  wird  der  Antrag  in  folgender  Form 
angenommen: 

„Kgl.  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  bei  Infektions¬ 
krankheiten  mikroskopische  und  bakteriologische  Untersuchungen 
von  den  einschlägigen  staatlichen  Anstalten  auf  Ansuchen  unent¬ 
geltlich  vorgenommen  werden.“ 

VII.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nordschwaben. 

„Kgl.  Staatsregierung  wolle  die  Erhöhung  der  Leichenschau¬ 
gebühren,  wie  sie  in  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  vom  20.  No¬ 
vember  1885  festgesetzt  sind,  in  Erwägung  ziehen.“ 

(Vorgeschlagen  ist:  Erste  Leichenschau  2  M.  am  Wohn- • 
ort;  nach  auswärts  50  Pf.  für  jeden  angefangenen  Kilometer  des  Hin- 
und  Rückweges,  2  M.  Mim,  6  M.  Max.  Zweite  Leichenschau: 

1  M.  —  Nichtärztliche  Schau  die  Hälfte  obiger  Tagen,  1  M. 
Min.,  3  M.  Max.) 

Dr.  Schöppner  -  Friedberg  wünscht  den  Begriff  des  Wohnorts 
genauer  präzisiert,  da  es,  wie  z.  B.  in  Friedberg,  vorkommt,  dass 
Häuser  des  Ortes  3 — 4  km  von  der  Wohnung  des  Arztes  entfernt 
liegen. 

Dr.  Henkel:  In  Wirklichkeit  wird  wohl  immer  das  als  eigener 
Ort  gelten,  was  eine  eigene  Bezeichnung  hat.  Solche  lokale  Wünsche 
würden  am  besten  durch  einen  Antrag  beim  Bezirksamt  geregelt 
werden. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 

VIII.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg. 

„Kgl.  Staatregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den  Staats¬ 
dienst  anstreibenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein  für 
Witwen  und  Waisen  in  geeigneter  Form  zu  empfehlen.“ 

Hauptmotiv  für  den  Antrag  ist  die  geringe  Bezahlung  der  Amts¬ 
ärzte  und  dadurch  die  ungenügende  Pension  der  Witwen,  die  in  stei¬ 
gender  Zahl  die  ärztlichen  Wohltätigkeitsvereine  um  Hilfe  angehen 
müssen. 

Wird  einstimmig  angenommen. 

IX.  Beihilfefonds. 

Hofrat  Dr.  B  e  c  k  h  stellt  namens  der  provisorischen  Verwaltung 
des  Beihilfefonds  für  den  Pensionsverein,  der  lediglich  der  Erleich¬ 
terung  des  Beitritts  jung  verheirateter  Aerzte  dienen  soll,  das  Er¬ 
suchen 

1.  Die  Kammern  möchten  den  Bezirksvereinen,  welche  zu 
dieser  aus  Anlass  der  Zentenarfeier  des  Königreiches  Bayern  ins 
Leben  gerufenen  Stiftung  noch  keinen  Beitrag  geleistet,  einen 
solchen  von  Vereinswegen  oder  durch  Zeichnungen  einzelner  Mit¬ 
glieder  empfehlen. 

2.  Die  Kammern  möchten  nach  Abschluss  der  Sammlung  die 
ständigen  Ausschüsse  von  Oberbayern  und  Mittelfranken  beauf¬ 
tragen,  im  Verein  mit  dem  geschäftsführenden  Ausschuss  des 
Pensionsvereins  Bestimmungen  über  die  Führung  und  Verteilung 
der  Stiftung  ausarbeiten.  (Jetziger  Stand  der  Stiftung  über 
11  000  M.  Man  hofft  auf  15  000  M.  zu  kommen.) 

Wird  einstimmig  angenommen. 


2562 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  51. 


X.  Antrag  des  Bezirksvereins  Landsberg. 

„Es  möge  der  Wunsch  ausgesprochen  werden,  dass  zur  Be¬ 
handlung  von  Mitgliedern  staatlich  geleiteter  Krankenkassen  in 
der  Regel  nur  Mitglieder  der  ärztlichen  Bezirksvereine  zugelassen 
werden.“ 

Dr.  Fischer:  Der  Antrag  hat  eine  ethische  und  eine  praktische 
Seite.  Er  dient  dazu,  die  Einigkeit,  das  Standesbewusstsein  und 
die  ganze  Stellung  der  Aerzte  zu  heben.  Viele  Kollegen  sind  gleich¬ 
gültig,  da  sie  in  dem  Standesleben  keinen  Vorteil  sehen.  Diese  würden 
empfindlich  getroffen,  wenn  sie  von  solchen  staatlichen  Kassen  aus¬ 
geschlossen  wären.  Wir  sind  in  Landsberg  so  weit,  dass  die  Ver¬ 
waltungsbehörde  sich  an  die  Aerzte  durch  'den  Bezirksverein  wendet 
und  die  Zugehörigkeit  zu  demselben  voraussetzt.  Wichtig  ist  auch 
die  Inkonsequenz,  dass  die  Regierung  von  seiten  der  Aerztekammern 
Beschlüsse  entgegennimmt  als  Meinung  der  Aerzte,  tatsächlich  aber 
so  viele  Aerzte  gar  nicht  den  Standesvereinen  angehören  und  ihnen 
ganz  gleichgültig  gegenüber  stehen. 

Dr.  Oberprieler:  Diese  Anschauungen  teilen  wir,  aber  es 
ist  wahrscheinlich  dieselbe  Antwort  zu  erwarten,  die  vor  kurzem 
der  Bezirksverein  Kiiss'ingen  erhalten  hat.  Praktisch  ist  Kaum  zu  er¬ 
warten,  dass  ein  aus  dem  Bezirksverein  ausgeschlossener  Arzt  eine 
staatliche  Krankensasse  bekommt. 

Kreimedizinalrat  Dr.  Messerer:  Ich  möchte  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  durch  die  Allerhöchste  Verordnung  vom  9.  VII.  1895 
die  Zugehörigkeit  zu  einem  Bezirksverein  freigestellt  ist.  Nach  der 
Verordnung  findet  kein  Zwang  —  somit  auch  kein  indirekter  —  zum 
Beitritt  statt. 

Dr.  Fischer:  Die  Zugehörigkeit  zum  Bezirksverein  soll  auch 
eine  freiwillige  bleiben,  der  Betreffende  verzichtet  dann  eben  auf  die 
Vorteile. 

Dr.  Henkel:  Der  Ausdruck  „in  der  Regel“  enthält  schon  eine 
Einschränkung;  als  Mittel  zur  Hebung  des  Vereinslebens  gedacht, 
empfiehlt  sich  der  Antrag  zur  Annahme. 

Wird  angenommen. 

Hierzu  liegt  noch  vor  der 

Antrag  des  Bezirksvereins  Oberbayern-Südost. 

„Der  Kgl.  Regierung  ist  von  seiten  der  Bezirksvereine  jährlich 
eine  Liste  der  dem  Bezirksvereine  angehörenden  Aerzte  und  der 
dem  Bezirksvereine  fernstehenden  Aerzte  vorzulegen.  Diese  Listen 
sind  durch  den  ständigen  Ausschuss  der  Kgl.  Regierung  ein¬ 
zureichen.“ 

Dr.  S  c  h  ö  p  p  n  e  r  -  Reichenhall:  Der  Regierung  die  Aerzte  nam¬ 
haft  zu  machen,  welche  dem  Standesleben  fernstehen,  wie  es  der  Be¬ 
scheid  an  den  Bezirksverein  Rissingen  andeutet,  ist  uns  nicht  sym¬ 
pathisch,  es  bleibt  daher  nur  unser  Antrag  als  Ausweg,  dann  kann 
die  Behörde  bei  der  Besetzung  von  Stellen  sich  aus  dem  Verzeichnis 
informieren. 

Da  sich  verschiedene  Bedenken  bezüglich  der  Angehörigen  aus¬ 
wärtiger  Bezirksvereme,  des  Aerztevereinsbundes  und  des  Leipziger 
Verbandes  und  der  Wahrung  der  persönlichen  Freiheit  erheben,  wird 
mit  Zustimmung  des  Antragstellers  der  Antrag  dahin  abgeändert: 

„Von  Seiten  der  Bezirksvereine  wird  jährlich  durch  den 
ständigen  Ausschuss  der  Aerztekammer  ein  Verzeichnis  der  ihnen 
angehörenden  Aerzte  der  Kreisregierung  vorgelegt.“ 

Wird  angenommen. 


XI.  Antrag  des  Bezirksvereins  Mühldorf-Neuötting. 

Die  Aerztekammer  von  Oberbayern  möge  bei  einer  hohen 
Staatsregierung  beantragen,  dass  für  den  bei  gerichtlichen  Sek¬ 
tionen  zugezogenen  2.  Sekanten  bei  einem  durch  Vornahme  dieses 
Amtsgeschäftes  bedingten  Unglücks-  oder  Todesfälle  von  Staats¬ 
wegen  eine  entsprechende  Fürsorge  geschaffen  werde.“ 

Zu  diesen  Unglücksiällen  gehören  1.  Unfälle  auf  der  Reise  zum 
und  vom  Orte  des  Amtsgeschäftes  und  2.  Erkrankungen,  welche  direkt 
mit  der  Verrichtung  der  Sektion  in  ursächlichem  Zusammenhänge 
stehen,  wenn  sie  eine  längere  Erwerbsunfähigkeit,  Invalidität  oder  den 
Iod  zur  Folge  haben. 


a  ™ Fürsorge  könnte  von  einer  hohen  kgl.  Staatsregierung  ii 
der  Weise  geschaffen  werden,  dass  die  2.  Sekanten  bei  irgend  eine 
Versicherung  von  Staatswegen  versichert  werden;  die  Mittel  hiefü 
waren  einem  Dispositionsfonds  zu  entnehmen. 

J?r-  Sa°  h  1  '  SuS  !-eud  e, r  V  5ur  Vornahme  von  gerichtlichen  Sek¬ 
tionen  wird  gewöhnlich  als  2.  Sekant  ein  praktischer  Arzt  beigezogen 

i VT--I  dufur  l\ach  der  normativmässigen  Gebühr  für  solche  Amts- 
Kua  e{b||Zah  t*  WJrd:  e,ine  Entschädigung  für  etwa  sich  ereignend! 
Unglucksfalle  ust  gesetzlich  nicht  festgelegt.  Diese  gerichtlichei 
Sektionen  gehören  in  den  meisten  Fällen  zu  den  schwierigsten  ver¬ 
antwortungsvollsten  und  mit  grossen  Gefahren  verbundenen’ Ver- 
i  ich  tu  ngen  des  Arztes.  Es  handelt  sich  oft  um  Sektionen  an  schor 
weit  m  Verwesung  oder  Fäulnis  vorgeschrittenen  Leichen,  odefa? 
Leihen  von  solchen  Menschen,  welche  einer  Vergiftung  oder  einei 
ansteckenden  Krankheit  zum  Opfer  gefallen  sind.  Ausserdem  müsse 

s ch üt z te n  C0 r terf  n“  HSen  ?fl  a"  ffanz  “"geeigneten  und  unge- 

mit  Sf  v°  t6v  un'd,z,i  jeder  Jahreszeit  vorgenommen  werden.  Die 
ElLnE  Vornahme  betrauten  Aerzte  sind  daher  mannigfachen  Ge- 
lahren  lur  ihre  Gesundheit  ev.  auch  für  ihr  Leben  ausgesetzt:  In  erstei 


Linie  der  grossen  Gefahr  der  Infektion,  in  zweiter  Linie  aber  auch 
der  Gefahr  anderweitiger  Erkrankungen  z.  B.  durch  Erkältung.  Durch 
die  Beiziehung  eines  praktischen  Arztes  als  2.  Sekanten  zu  der  Vor¬ 
nahme  des  Amtsgeschäftes  einer  gerichtlichen  Leichenöffnung  fungiert 
dieser  während  der  Dauer  dieses  Amtsgeschäftes  als  beamteter  Arzt; 
er  übernimmt  diese  Funktion  nicht  freiwillig,  sondern  wird  dazu  von 
dem  zuständigen  Gerichte,  also  einer  Staatsbehörde  berufen.  Dadurch 
dürfte  für  den  Staat  auch  die  Verpflichtung  erwachsen,  den  zu  diesem 
Amtsgeschäft  verwendeten  praktischen  Arzt  für  etwaige  ihm  daraus 
erwachsene  Schädigungen  an  seiner  Gesundheit  und  Erwerbsfähigkeit 
gebührend  zu  entschädigen  und  im  gegebenen  Todesfälle  für  die 
Hinterbliebenen  in  ausreichender  Weise  zu  sorgen.  , , 

Der  Antrag  wird  angenommen: 

XII.  Antrag  Dr.  Bauer: 

„Die  Aerztekammer  von  Oberbayern  möge  ein  Gesuch  an 
das  Justizministerium  richten,  dasselbe  möge  eine  Verfügung  er¬ 
lassen,  dahingehend,  dass  die  als  Zeugen  oder  Sachverständigen 
vor  Gericht  geladenen  Aerzte,  in  ihrem  wie  im  Interesse  der 
Oeffen tlichkeit  möglichst  pünktlich  d.  h.  zu  der  in  der  Ladung  an¬ 
gegebenen  Zeit  vernommen  werden.“ 

Wird  angenommen. 

1 1  Of « 

XIII.  Antrag  Dr.  Schöppner  -  Reichenhall: 

„Der  Geschäftsgang  der  Aerztekammer  ist  dahin  zu  ändern, 
dass  die  bisher  übliche  Vorbesprechung  wegfällt,  dass  dafür  im 
Bedarfsfälle  ein  zweiter  ordentlicher  Sitzungstag  eingeschaltet 
wird.“ 

Dr.  Schöppner:  Man  kann  beobachten,  dass  in  der  Haupt¬ 
sitzung  eigentlich  meist  nicht  Neues  mehr  vorgebracht  wird,  aber  die 
Zeit  doch  zu  kurz  ist  und  wichtige  Referate  sehr  oberflächlich  be¬ 
handelt  werden. 

Kreismedizinalrat  Dr.  Messerer:  Es  liegt  das  ganz  im  Er¬ 
messen  der  Herren,  die  Sitzung  kann,  wenn  nötig,  bis  zu  8  Tagen  aus¬ 
gedehnt  werden. 

Dr.  Henkel:  Die  Vorbesprechung  hat  doch  ihre  Vorteile,  um 
eine  Einigung  über  gewisse  Fragen  vorher  zu  erzielen,  und  in  der 
Hauptsitzung  zu  einer  geschlossenen  Stellungnahme  zu  gelangen. 
Wenn  freilich  die  Anträge  namentlich  wirtschaftlicher  Art  sich  häufen, 
geht  der  Vorteil  oft  verloren. 

Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  verweist  darauf,  dass  ähnliche  Vorschläge 
schon  früher  gemacht,  aber  abgelehnt  wurden. 

Dr.  Vierling:  Man  müsste  die  Debatten  am  Haupttage  eben 
abkürzen. 

Dr.  Schöppner:  Die  Debatten  sind  immer  gerade  so  lange 
und  das  führt  zu  einer  Ermüdung. 

Dr.  Henkel:  Ohne  Vorbesprechung  fehlt  uns  jeder  Massstab, 
wie  lange  die  Sitzung  dauern  kann. 

Nach  weiteren  Bemerkungen  der  Herren  Oberprieler, 
Fischer  und  Sternfeld  wird  der  Antrag  gegen  5  Stimmen 
abgelehnt. 

XIV.  Bericht  des  Delegierten  der  oberbayerischen  Aerztekammer 
zum  verstärkten  Obermedizinalausschuss. 

Dr.  Dirr:  Der  verstärkte  Obermedizinalausschuss  war  am 
28.  Dezember  1906  zu  einer  Sitzung  im  Sitzungssaale  des  K.  Staats¬ 
ministeriums  des  Innern  einberufen. 

Gegenstand  der  Beratung  war:  „Die  Bekämpfung  übertragbarer 
Ki ankheiten,  speziell  die  Ausbildung  des  Desinfektionswesens“. 

Der  k.  Obermedizinalrat,  Universitätsprofessor  Dr.  G  r  u  b  e  r  in 
Munchen  erstattete  als  Referent  ein  ausführliches  Gutachten  über 
diese  Frage,  das  vom  verstärkten  Obermedizinalausschusse  einstimmig 
angenommen  wurde.  —  Das  Gutachten  sowie  die  Diskussion,  die  sich 
an  dasselbe  anschloss  sind  ausführlich  in  der  No.  12  der  Münch,  med. 
Wochenschrift  vom  19.  März  1907  veröffentlicht  worden, 
w  Als  Delegierte  in  den  erweiterten  Obermedizinalausschuss  wird 
Hofrat  D  i  r  r,  als  sein  Stellvertreter  Dr.  V  o  c  k  e  wiedergewählt. 

XV.  Wahl  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  ärztlichen 

Approbation. 

Die  Herren  DDr.  B  e  r  g  e  a  t.  Burkart,  Dirr,  Henkel  und 
M  u  e  1 1  e  r  werden  wiedergewählt. 

FJeber  die  Tätigkeit  der  Kommission  im  abgelaufenen  Jahre  ist 
unter  No.  I  berichtet. 


XVI.  Wahl  der  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im 
Sinne  des  s  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  1895. 

.  Die  bisherigen  Mitglieder  DDr.  Bauer,  Kastl  und  Ober- 
piieler  und  die  Stellvertreter  DDr.  Dirr  und  'Schlissleder 
werden  wiedergewählt. 


XVII.  Vorschläge  von  Sachverständigen  a)  zum  Schiedsgericht  für 
Arbeiterversicherung  in  Oberbayern  und  b)  für  das  Schiedsgericht 
ur  Arbeiterversicherung  der  k.  bayer.  Staatseisenbahnverwaltung. 

Die  Herren:  a)  DDr.  Carl  Beck 
Fischer,  F  r  a  n  c  k  e,  Grass  mann, 

H  o  f  e  r  e  r,  Hofrat  J  o  c  h  n  e  r,  Hofrat 


er,  Dornberger,  L. 
Hofrat  R.  v.  H  ö  s  s  1  i  n, 
K  r  o  n  a  c  h  e  r,  L  i  n  d  1, 


17.  Dezember  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2563 


L  ö  w  e  n  f  e  1  d,  Maunz,  Neger,  v.  Posch  inger,  S  a  c  k  i,  Hof¬ 
rat  R.  Z  e  i  1 1  m  a  n  n  und  b)  DDr.  Hofrat  C  r  a  e  m  e  r.  Professor 
Herzog,  Lukas  und  Hofstabsarzt  Nobili  ng  werden  wiederum 
in  Vorschlag  gebracht. 

XVIII.  Wahl  eines  Kreiskassiers  für  den  Verein  zur  Unterstützung 
f  invalider  und  hilfsbedürftiger  bayerischer  Aerzte. 

Dhrcli  Zuruf  wird  der  verdiente  bisherige  Kreiskassier,  Hofrat 
Dr.  Schwertfeiner  in  München  wiedergewählt. 

XIX.  Wahl  der  wirtschaftlichen  Kommission. 

Gewählt  werden  die  Herren  DDr.  Fischer,  v.  H  e  i  n  1  e  t  h, 
Kastl,  M  u  e  1 1  e  r  und  Schöppner  -  Reichenhall. 

XX.  Entwurf  des  geschäftsführenden  Ausschusses  der  bayerischen 
Aerztekammern  betr.  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Organisation. 

(Abgedruckt  in  No.  27  und  29  der  Münch,  med.  Wochenschr.) 

Es  liegen  vor:  der  Antrag  Dr.  Fischer,  die  Frage  bis  zum 
nächsten  Jahr  zurückstellen,  -und  der  Antrag  Dr.  Ber-geat: 

„Die  oberbayer.  Aerztekammer  beschl-iesst  die  Errichtung 
einer  Beschwerdekommission  als  obere  Instanz  in  der  wirtschaft¬ 
lichen  Organisation  und  beauftragt  den  ständigen  Ausschuss  mit 
den  erforderlichen  Vorarbeiten.“ 

Dr.  Bergeat:  Die  gestrige  Vorbesprechung  hat  unzweifelhaft 
gezeigt,  dass  eine  Annahme  des  Entwurfes  en  bloc,  wie  sie  in  den 
anderen  bayerischen  Kammern  heute  wohl  erfolgt,  in  der  ober- 
bayerischen  Kammer  nicht  zustande  kommt.  Wenn  der  Antrag- 
Fischer  glaubt  -die  Schwierigkeit  zu  lösen,  indem  wir  die  Entschei¬ 
dung  auf  ein  Jahr  verschieben,  so  kann  ich  dem  nicht  zu-stimmen.  Ich 
halte  es  für  überaus  wünschenswert,  dass  -die  oberbayerische  Kammer 
einmal  von  der  dilatorischen  Behandlung  aller  solchen  Fragen  abgeht 
und  endlich  zu  einer  positiven  Stellungnahme  gelangt,  diese  dila¬ 
torische  Behandlung  ist  auch  keineswegs  von  Vorteil  für  die  Mün¬ 
chener  Verhältnisse.  Mein  Antrag  verlangt  keine  grossen  organi¬ 
satorischen  Aenderungen  und  will  doch  einen  positiven  Schritt  vor¬ 
wärts  machen. 

Dr.  Rehm:  Es  besteht  keine  formelle  Notwendigkeit,  den  Ent¬ 
wurf  heute  zu  erledigen;  wenn  man  sagt,  unsere  Kammer  dürfe  nicht 
nachhinken,  so  ist  doch  nicht  erforderlich,  dass  gerade  alle  Kammern 
an  einem  Tag  den  Gegenstand  beraten;  jede  Kammer  kann  handeln, 
wie  es  ihr  opportun  scheint.  Bis  jetzt  war  eine  Notwendigkeit  zu 
einer  solchen -Organisation  nicht  vorhanden,  es  wurde  drei  Jahre  lang 
nicht  ein  Wort  davon  geredet.  Es  wird  allgemein  anerkannt,  dass 
die  Münchener  Vorgänge  den  Ausgangspunkt  für  diese  Organisation 
sind.  Der  Entwurf  hat  auf  dem  Aerztetag  in  Münster  viel  Anfechtung 
erfahren,  dem  ist  Rechnung  getragen  worden,  allein  der  Stachel  ist 
geblieben,  man  hat,  ob  mit  Recht  oder  Unrecht,  in  München  den 
Eindruck,  -dass  der  Entwurf  sich  in  erster  Linie  gegen  den  Bezirks¬ 
verein  München  richtet.  Jedenfalls  hat  daraufhin  aus  prinzipiellen 
Gründen  der  Verein  den  Entwurf  abgelehnt.  Wir  haben  auf  Veran¬ 
lassung  des  Aerztevereinsbundes  eine  Einigungskommission  erhalten, 
die  im  Laufe  des  Winters  gewiss  zeigen  wird,  was  sie  leisten  kann. 
Um  so  mehr  -ist  es  zu  verwundern,  dass  man  von  Nürnberg  her  plötz¬ 
lich  einen  Organisationsentwurf  macht,  der  sich  auch  gegen  die 
Münchener  Verhältnisse  richtet.  Wird  heute  -die  Sache  beraten,  so 
wird  die  ganze  Geschichte  von  A — Z  wieder  aufgerührt  und  der 
Friede  aufs  empfindlichste  gestört.  Im  Interesse  des  Friedens  möchte 
ich  bitten,  in  eine  Diskussion  nicht  einzutreten  und  den  Antrag 
Fischer  anzunehmen. 

Dr.  Fischer:  Der  Antrag  Bergeat  ist  ein  Notbehelf;  wir 
bauen  ein  Haus  ohne  zu  wissen,  wohin  wir  es  stellen  und  was  wir 
hineintun  werden. 

Dr.  Spatz:  Herr  Kollege  Bergeat  hat  in  seinem  Antrag  den 
Entwurf  als  Ganzes  bereits  fallen  gelassen,  es  ist  nur  die  Beschwerde¬ 
kommission  übrig  geblieben  und  die  können  auch  die  Herren  vom 
Bezirksvere-in  München  nicht  ablehnen.  Sie  haben  uns  vor  einigen 
Jahren  unter  -dem  Druck  der  Organisation  zur  Unterzeichnung  des 
bekannten  Vertrages  veranlasst;  darin  ist  ausgesprochen,  dass 
uns  in  Streitfällen  die  Beschwerde  an  die  Beschwerde¬ 
kommission  der  Aerztekammer  zusteht.  Es  ist  nicht  mög¬ 
lich,  dass  Sie  nachträglich  diese  damals  gegebene  Zu¬ 
sicherung  nicht  halten.  Wir  haben  in  dem  Vertrag  aus¬ 
drücklich  darauf  verzichtet,  die  Gerichte  anzurufen,  wir  würden  ihn 
nicht  unterzeichnet  haben,  wenn  uns  gesagt  worden  wäre,  dass  wir 
im  Falle  von  Konflikten  mit  der  Partei,  mit  der  wir  den  Vertrag  ge¬ 
schlossen,  auf  das  Urteil  dieser  Partei  angewiesen  wären.  Da  muss 
es  eine  höhere  Instanz  geben  und  diese  ist  die  damals  vom  Bezirks¬ 
verein  beschlossene,  im  Vertrag  festgelegte  Beschwerdekommission, 
die  jetzt  endlich  gegründet  werden  soll.  (Zuruf:  sie  ist  schon  da  nach 
den  Satzungen).^  Die  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden 
im  Sinne  des  §  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  1895  ist 
hier  nicht  einschlägig,  da  ihr  Wirkungskreis  ausdrücklich  auf  Be¬ 
schwerden  betr.  den  Anschluss  von  Mitgliedern  an  Bezirksvereinen 
beschränkt  ist.  Es  bleibt  durchaus  nichts  anderes  übrig,  wenn  Sie 
an  der  Gültigkeit  Ihres  Vertrages  festhalten  wollen,  als  die  Kom¬ 
mission  zu  gründen  und  tun  Sie  es  nicht,  so  ist  Ihr  Vertrag  null  und 
nichtig. 


Dr.  Sternfeld:  Ich  erlasse  es  mir  auf  die  letzten  Ausführungen 
einzugehen,  ich  will  nur  zum  Antrag  Fischer  sprechen.  Sie  haben 
durch  Annahme  meines  heutigen  Antrages  bereits  bekundet,  dass  sie 
der  Anschauung  sind,  dass  die  wirtschaftliche  Organisation  ausserhalb 
der  Bezirksvereine  stehen  soll,  denn  sie  haben  beschlossen,  die  Be¬ 
zirksvereine  anzuweisen,  die  wirtschaftliche  Organisation  im  Sinne 
des  deutschen  Aerztevereinsbundes  zu  unterstützen.  Sie  können  also 
nicht  nebenher  eine  Konkurrenzorganisation  schaffen.  Ich  bitte  Sie 
daher,  die  Angelegenheit  nicht  zu  verschieben,  sondern  abzulehnen, 
bezw.  zur  Tagesordnung  überzugehen.  Ihr  Beschluss  von  heute  be¬ 
sagt,  dass  die  wirtschaftliche  Organisation  nicht  innerhalb,  sondern 
ausserhalb  der  Kammern  betätigt  werden  soll  und  damit  ist  an  den 
Bezirksverein  München  die  Losung  hinausgegeben,  dass  das  lokale 
Schutz-  und  Trutzbündnis  im  Sinne  des  Aerztevereinsbundes  in  die 
Hand  genommen  werden  soll. 

Dr.  Bergeat:  Mein  Antrag  ist  umso  berechtigter,  als  die 
grösste  Zahl  der  Kollegen  mit  ganz  bestimmten  Instruktionen  bezüglich 
des  Entwurfes  versehen  sind,  gehen  -sie  nach  Hause  ohne  diesem 
Auftrag  nachzukommen,  so  müssten  ausserordentlich  zwingende 
Gründe  vorliegen.  Mir  sind  solche  nicht  bekannt.  Wir  haben  nicht 
gehört,  was  an  dem  Organisationsentwurf  sachlich  noch  auszusetzen 
ist,  worin  die  Befürchtung  vor  Konflikten  -ihren  Grund  haben  und  wie 
ein  Zwiespalt  in  der  Münchener  Aerzteschaft  geschaffen  werden 
könnte.  Die  Ablehnung  des  Entwurfes  würde,  darüber  dürfen  keine 
Illusionen  bestehen,  die  Friedensbestrebungen  nicht  fördern.  Der 
ärztliche  Bezirksverein  ist  nach  meiner  Ueberzeugung  gar  nicht  in 
der  Lage,  meinen  Vermittlungsvorschlag  abzulehnen.  Es  müsste 
unter  den  Münchener  A-erzten  doch  das  grösste  Befremden  erwecken, 
wenn  die  Herren,  welche  sich  Hunderten  von  Kollegen  gegenüber 
durch  Vertrag  auf  diese  Kommision  verpflichtet  haben,  heute  in  der 
Aerztekammer,  wo  diese  Beschwerdekommission  eingesetzt  werden 
soll,  dies  vereiteln  und  hintertreiben  wollten.  Es  würde  das  Ver¬ 
trauen  in  die  Verträge  sehr  erschüttern  müssen,  dieses  Moment  ist 
nicht  gering  zu  achten.  Die  Beschwer-dekommission,  die  Sie  durch 
Vertrag  festgelegt  haben,  bleibt  festgelegt,  sie  mögen  sie  heute  ein- 
setzen  oder  nicht.  Sie  sind  ihren  Mitgliedern  gegenüber  daran  ge¬ 
bunden.  Betonen  muss  ich,  dass  jener  Vertrag,  der  die  Kommission 
festsetzte,  seinerzeit  unter  der  Aegide  des  Leipziger  Verbandes  vor¬ 
gelegt  und  propagiert  wurde,  ohne  dass  von  einem  Einwand  gegen 
die  Kommission  irgend  etwas  bekannt  geworden  wäre.  Wenn  man 
den  Entwurf  als  eine  lex  Monacensis  bezeichnet,  so  ist  -doch  nicht  ein¬ 
zusehen,  warum  alle  Aerztekammern  Bayerns  eine  solche  lex  an¬ 
nehmen  sollten,  und  Sie  müssten  von  den  Vertrauensmännern  der 
Aerzte  doch  eine  andere  Meinung  haben,  als  dass  sie  aus  reiner 
Animosität  gegen  den  grössten  Bezirksverein  solche  Beschlüsse 
urgieren  wollten.  Die  Berufung  Dr.  S  t  e  r  n  f  e  1  d  s  auf  seinen  heute 
angenommenen  Antrag  macht  mir  fast  den  Endruck,  als  ob  der  An¬ 
trag  von  ihm  ad  hoc  eingebracht  worden  wäre.  Damit,  dass  wir  aus¬ 
gesprochen  haben,  die  Bezirksvereine  sollten  für  den  Ausbau  der  Ver¬ 
einigungen  sorgen,  hat  sich  -die  Kammer  nicht  des  Rechtes  begeben, 
sich  mit  der  wirtschaftlichen  Organisation  zu  befassen.  Diese  Schluss¬ 
folgerung  wird  niemand  aus  dem  Antrag  Sternfelds  gezogen 
wissen  wollen. 

Es  liegt  ein  Antrag  Dr.  Krebs-  Aibling  auf  Schluss  der  Debatte 
vor,  der  nach  einigen  Bemerkungen  zur  Geschäftsordnung  ange¬ 
nommen  wird. 

Der  Antrag  Dr.  Fischers  wurde  hierauf  mit  11  gegen  10  Stim¬ 
men  angenommen. 

Dr.  Kastl:  Die  Reversfrage  -ist  anders  aufzufassen,  als  es  den 
Anschein  haben  könnte.  Ihre  Genesis  ist,  dass  wir  damals  die  Be¬ 
schwerdekommission  der  Aerztekammer,  wie  sie  heute  noch  besteht, 
mit  der  Entscheidung  der  Streitigkeiten  betrauen  wollten.  Deshalb 
wurde  seinerzeit  das  Ersuchen  gestellt,  dass  sich  die  Kammer  auch  mit 
wirtschaftlichen  Fragen  befassen  dürfe.  Eine  andere  als  die  be¬ 
stehende  Beschwerdekommission  war  nicht  intendiert.  Nach  dem 
Organisationsentwurf  soll  eine  ganz  neue  Kommission  errichtet 
werden,  die  nicht  mit  der  bestehenden  verwechselt  werden  darf.  Wir 
werden  uns  nie  gegen  die  Anerkennung  auch  dieser  Kommission 
sträuben,  wenn  wir  uns  erst  einmal  mehr  genähert  haben.  Die  be¬ 
stehende  Kommission  muss  für  uns  nach  wie  vor  die  Instanz  bleiben. 
Sie  hat  bis  jetzt  niemand  geniert  und  soll  uns  auch  vorläufig  nicht 
genieren;  wir  wollen  zu  den  alten  keine  neuen  Schwierigkeiten 
schaffen.  Lassen  Sie  einmal  die  Beschwerdekonimission,  wie  sie  jetzt 
ist,  fort-bestehen. 

Dr.  Spatz:  Die  Tätigkeit  der  Besehwerdekommlssion  ist  durch 
die  Verordnung  genau  umschrieben  und  auf  Beschwerden,  betr.  die 
Eintrittsverweigerung  und  den  Ausschluss  aus  den  Bezirksvereinen 
beschränkt.  Bei  einer  früheren  Gelegenheit  hat  der  Vertreter 
der  Regierung  Kreismedizinalrat  Messerer  betont,  es  gehe  nicht 
an,  -die  Tätigkeit  der  Kommission  auf  wirtschaftliche  Fragen  zu  er¬ 
strecken;  wenn  ich  nicht  irre,  besteht  daher  die  in  dem  Vertrage 
vorgesehene  Beschwerdekommission  zurzeit  nicht. 

Dr.  Kastl:  1905  -ist  eine  Regierungsentscheidung  gekommen, 
dass  sich  die  Aerztekammern  auch  in  wirtschaftlichen  Fragen  be¬ 
tätigen  dürfen.  Das  war  die  Ursache,  warum  wir  gegen  die  damalige 
Opposition  wirtschaftliche  Fragen  Vorbringen  konnten.  Von  Re¬ 
gierungsseite  ist  uns  die  Betätigung  wirtschaftlicher  Massnahmen  zu¬ 
gebilligt,  darum  besteht  die  Beschwerdekommission  auch  fort. 


2564 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  51. 


Dr.  Oberprieler:  Durch  die  Annahme  des  Antrages 
F  i  s  c  h  e  r  ist  die  Sache  für  dieses  Jahr  erledigt  und  zu  einer  internen 
Angelegenheit  der  Münchener  Aerzte  geworden.  Ich  stelle  fest,  dass 
seit  4—5  Jahren  die  Kammer  mindestens  die  Hälfte  ihrer  Zeit  den 
Münchener  Angelegenheiten  widmet. 

Dr.  Burk  hart  spricht  dem  Vorsitzenden  den  besten  Dank  für 
seine  unermüdliche  Tätigkeit  während  der  langen  Sitzung  aus  und 
bittet  die  Anwesenden,  sich  zum  Zeichen  der  Zustimmung  von  den 
Sitzen  zu  erheben.  (Geschieht.) 

Dr.  Henkel  dankt  für  diese  Anerkennung  und  spricht  die  Mah¬ 
nung  aus,  dazu  beizutragen,  dass  wieder  eine  Einigung  in  Frieden 
zustande  komme.  Es  ist  nicht  wunderlich  bei  der  komplizierten  Natur 
der  Fragen,  dass  man  uneins  wird,  dass  man  sich  nicht  leicht  und  lange 
nicht  einigt.  Bei  gutem  Willen  wird,  sich  aber  ein  Weg  finden.  Diesen 
mögen  die  Kollegen  aus  München  beschreiten  und  damit  den  aus¬ 
wärtigen  Kollegen  ein  gutes  Beispiel  geben  und  Freude  bereiten. 

Mit  bestem  Dank  an  den  Vertreter  der  Regierung,  Kreismedizinal¬ 
rat  Dr.  Messerer,  schliesst  der  Vorsitzende  die  Sitzung  um  3  Uhr. 

Dr.  H  e  n  k  e  1,  Dr.  Bergea  t, 

Vorsitzender.  Schriftführer. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  von 

Niederbayern. 

Landshut,  4.  November  1907. 

I.  Präsenzliste. 

Anwesend  sind  der  K.  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat 
Dr.  M  ii  1 1  e  r  als  Regierungskommissär.  Als  Delegierte  für  den  ärzt¬ 
lichen  Bezirksverein  Deggendorf  der  K.  Bezirksarzt  Dr.  Tischler- 
Deggendorf;  für  Dingolfing-Landau  der  K.  Bezirksarzt  Dr.  Fuchs- 
Dingolfing;  für  Landshut  der  Krankenhausoberarzt  Dr.  Wein  als 
Stellvertreter  des  dienstlich  verhinderten  K.  Landgerichtsarztes 
Dr.  Regler;  für  Passau  der  K.  Bezirksarzt  Dr.  S  c  hm  i  d  -  Vils- 
hofen  und  der  prakt.  und  Krankenhausarzt  Dr.  Bernhuber- 
Passau;  für  Pfarnkirchen-Eggenfelden  der  prakt.  Arzt  Dr.  Eisen¬ 
reit  e  r  -  Simbach  am  Inn;  für  Rottenburg-Kelheim  der  K.  Bezirks¬ 
amt  Dr.  Weber-  Kelheim  als  Stellvertreter  des  prakt.  Arztes 
Dr.  M  a  s  s  -  Kelheim;  für  Straubing  der  K.  Bezirks-  und  Straf¬ 
anstaltsarzt  Dr.  H  e  1  d  -  Straubing  und  der  prakt.  und  Krankenhaus¬ 
arzt  K-  Hofrat  Dr.  Z  e  i  tl  e  r  -  Straubing;  für  Vilsbiburg  der 
K.  Bezirksarzt  Dr.  Schütz-  Vilsbiburg. 

Es  sind  somit  vertreten  8,  Bezirksvereine  durch  10  Delegierte. 
Neu  eingetreten  sind  der  K.  Bezirksarzt  Dr.  Fuchs-  Dingolfing  und 
der  prakt.  Arzt  Dr.  Eisenreiter  -  Simbach  a.  I..  Ausgeschieden 
sind  der  K.  Bezirksamt  Dr.  Z  a  nt  1  -  Eggenfelden  und  der  K.  Be¬ 
zirksarzt  Dr.  E  r  1 1  -  Landau. 

Der  K.  Regierungskommissär,  Herr  Kreismedizinalrat  Dr.  M  ü  1  - 
1  e  r,  eröffnete  sodann  die  Sitzung,  begriisste  die  Delegierten  und  er¬ 
suchte  den  K.  Bezirksarzt  Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen  als  ältestes  Mit¬ 
glied  der  Kammer  den  Vorsitz  zu  übernehmen  und  die  Wahl  des 
Bureau  zu  leiten. 

Bureauwahl. 

Unter  dem  Vorsitze  des  Alterspräsidenten  werden  gewählt:  als 
Vorsitzender:  Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen;  als  dessen  Stellvertreter: 
Dr.  1  i  s  c  h  1  e  r  -  Deggendorf ;  als  1.  Schriftführer:  Dr.  Schiitz- 
Vilsbiburg,  als  2.  Schriftführer:  Dr.  B  e  r  n  h  u  b  e  r  -  Passau. 

Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen  dankt  für  die  Wahl  zum  Vorsitzenden, 
übernimmt  den  Vorsitz,  begriisst  den  Herrn  Regierungskommissär 
und  ersucht  ihn,  mit  seiner  gereiften  Erfahrung  und  Sachkenntnis  die 
Arbeiten  der  Kammer  fördern  zu  helfen. 

Sodann  widmete  der  Vorsitzende  den  ausgetretenen  Mitgliedern 
Dr.  Zantl  und  Dr.  Ertl  herzliche  Worte  der  Anerkennung  und  des 
Dankes  für  ihre  mehrjährige  unverdrossene  Tätigkeit  in  der  Kammer, 
besonders  dem  Herrn  Bezirksamt  Dr.  E  r  1 1  -  Landau  für  seine  Mühe¬ 
waltung  als  Kassier. 

Hierauf  gibt  der  Vorsitzende  die  Tagesordnung  bekannt. 

III.  Bericht  des  ständigen  Ausschusses. 

Der  erweiterte  Obermedizinalausschuss  tagte  am  28.  Dezember 
1906  im  Sitzungssaale  des  Kgl.  Staatsministeriums  des  Innern. 

Gegenstand  der  Beratung  war  die  Bekämpfung  übertragbarer 
Krankheiten,  speziell  die  Ausgestaltung  des  Desinfektionswesens  in 
Bayern  und  zwar  auf  dem  Wege  der  Ausbildung  von  Desinfektoren; 
Li  richtung  besonderer  Desinfektorenschulen,  etwa  in  Verbindung  mit 
den  hygienischen  Instituten  der  Kgl.  Universitäten;  Ausbildung  des 
amtsärztlichen  Personals  zum  Zwecke  der  Ueberwachung  und  Aus¬ 
gestaltung  des  Desinfektionswesens,  sowie  auf  dem  Wege  der  Schaf¬ 
fung  von  Desinfektionseinrichtungen.  Die  Verbescheidung  des  Kgl. 
Staatsministeriums  des  Innern  auf  die  Verhandlung  der  Aerztekammern 
)am  Jahne  1906  wurde  den  einzelnen  Herren  Veneinsvorsitzenden 
hinausgegeben. 

IV.  Einlauf. 

Einladung  zum  XIV.  internationalen  Kongress  für  Hygiene  und 
Demographie  in  Berlin  vom  23.-29.  September  1907.  Einladung 
des  Delegierten  der  Aerztekammer  seitens  des  Kgl.  Staatsministeriums 


des  Innern  zur  Sitzung  des  verstärkten  Obermedizinalausschusses 
am  28.  Dezember  1906. 

Eine  Zuschrift  der  ständigen  Kommission  zur  Vertretung  der 
Dentisten  Bayerns  mit  dem  Sitze  in  München  betreffend  die  Einfüh¬ 
rung  einer  reichsgesetzlichen  Meldepflicht  der  nichtapprobierten  Heil¬ 
personen.  Ferner  kamen  noch  in  Einlauf  seitens  der  Kgl.  Regierung 
von  Niederbayern,  Kammer  des  Innern,  ein  Entwurf  des  Reichs¬ 
apothekengesetzes  mit  Erläuterungen. 

Der  ständige  Ausschuss  der  Kammer  gab  hiezu  das  von  ihm  ver¬ 
langte  Gutachten  ab.  Ferner  eine  Abschrift  des  Kgl.  Staatsmini- 
steriums  des  Innern  an  die  Kgl.  Regierungen  vom  13.  Juli  1907  be¬ 
treffend  die  Abhandlungen  der  Aerztekammern  1906. 

Weiters  eine  Zuschrift  der  Kgl.  Regierung  von  Niederbayern 
vom  29.  Juli  1907  ärztliche  Standesordnung  betreffend;  weiters  eine 
Zuschrift  der  Kgl.  Regierung  von  Niederbayern  vom  29.  August  1907 
betreffend  Verkehr  mit  Geheim-  und  ähnlichen  Arzneimitteln,  nebst 
einem  Exemplar  No.  66  des  Gesetz-  und  Verordnungsblattes  vom 
7.  August  1907. 

Schliesslich  Schreiben  .der  Kgl.  Regierung  von  Niederbayern 
vom  4.  Oktober  1907,  betr.  Einberufung  der  Aerztekammern  auf  4. 
November  1907. 

V.  Bericht  über  Finanz-  und  Kassenverhältnisse. 

Der  Vorsitzende  wind  den  früheren  Kassier,  Herrn  Bezirksarzt 
Dr.  Ertl  in  Landau,  um  die  Rechnungsablage  ersuchen  und  wird  die 
Abrechnung  behufs  ihrer  Richtigkeit  prüfen. 

Für  das  kommende  Jahr  wurde  Herr  Bezirksarzt  Dr.  Fuchs 
mit  der  Besorgung  des  Rechnungswesens  der  Kammer  betraut. 

VI.  Bericht  der  Vereinsdelegierten  über  den  Stand  der  Bezirksvereine. 

1.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Deggendorf  zählt  25  Mitglieder. 
Es  wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender  ist  Bezirks¬ 
arzt  Dr.  Tischler-  Deggendorf. 

2.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Dingolfing-Landau  zählt  9  Mit¬ 
glieder.  Es  wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender  ist 
Bezirksarzt  Dr.  F  u  c  h  s  -  Dingolfing. 

3.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Landshut  zählt  14  Mitglieder. 
Es  wurden  3  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender  ist  Land¬ 
gerichtsarzt  Dr.  Regler-  Landshut. 

4.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Passau  zählt  37  Mitglieder.  Es 
wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender:  Medizinalrat  Dr. 
M.  S  c  h  m  i  d  -  Passau. 

5)  Der  ärztliche  Bezirksverein  Pfarrkirchen-Eggenfelden  zählt 
17  Mitglieder. 

Es  wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender:  Be¬ 
zirksarzt  Dr.  Sitzberger  -  Eggenfelden. 

6.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Rottenburg-Kelheim  zählt  11  Mit¬ 
glieder.  Es  wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender:  Be¬ 
zirksarzt  Dr.  Grahammer-  Rottenburg. 

7.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Straubing  zählt  26  Mitglieder. 
Es  wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender:  Kgl.  Hofrat 
Dr.  Z  e  i  1 1  e  r  -  Straubing. 

8.  Der  ärztliche  Bezirksverein  Vilsbiburg  zählt  7  Mitglieder.  Es 
wurden  2  Versammlungen  abgehalten.  Vorsitzender:  Kgl.  Bezirksarzt 
Dr.  Schütz-  Vilsbiburg. 

VII.  Wahl  des  Delegierten  zum  erweiterten  Obermedizinalausschuss. 

Als  Delegierter  wurde  gewählt  Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen  und  als 
dessen  Stellvertreter  Dr.  Tischler-  Deggendorf. 

VIII.  Wahl  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation. 

Es  wurden  gewählt:  Dr.  Z  e  i  1 1  e  r  -  Straubing,  Dr.  Regler- 
Landshut,  Dr.  Sitzberger  -  Eggenfelden,  Dr.  Fuchs-  Dingolfing, 
Dr.  Tischler-  Deggendorf. 

IX.  Wahl  des  Kreiskassiers  für  den  ärztlichen  Invalidenverein. 

Als  Kreiskassier  für  den  Verein  zur  Unterstützung  hilfsbedürf¬ 
tiger  invalider  Aerzte  wurde  Dr.  S  c  h  m  i  d  -  Vilshofen  gewählt. 

X.  Wirtschaftliche  Organisation  des  Kreises. 

Der  Leipziger  Verband  hat  im  Jahre  1906  die  wirtschaftliche  Or¬ 
ganisierung  von  Niederbayern  in  Angriff  vorgenommen.  Es  existieren 
z.  Z.  im  Kreise  4  Sektionen.  Deggendorf,  Landshut,  Passau,  Strau¬ 
bing  mit  11  Obmannschaften. 

XI.  Beratung  der  Nürnberger  Anträge. 

Die  Kammer  geht  nun  zur  Beratung  ev.  Beschlussfassung  über 
die  vorliegenden  Anträge  über. 

ad.  1.  Der  Entwurf  des  geschäftsführenden  Ausschusses  betr. 
Ausbau  der  wirtschaftlichen  Organisation  (siehe  Beilage),  wie  er 
sämtlichen  Bezirksvereinen  im  Juni  ds.  Js.  zugestellt  wurde.  Mit  dem 
Anträge,  dass  bei  der  Kammer  eine  besondere  Beschwerdekommission 
in  wirtschaftlichen  Streitigkeiten  als  letzter  Berufungsinstanz  ge¬ 
wählt  werden  soll,  kann  sich  die  Kammer  nicht  befreunden.  Sie  ist 
der  Meinung,  dass  dieser  Antrag  von  den  Tatsachen  schon  überholt 
und  darum  entbehrlich  und  überflüssig  ist  und  dass  die  Wahrung  der 


17.  Dezember  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2565 


wirtschaftlichen  Interessen  beim  Leipziger  Verbände,  der  zur  Zeit 
noch  unentbehrlich  ist  und  unter  allen  Umständen  beibehalten  werden 
muss,  nach  wie  vor  ohnedies  in  den  besten  Händen  liegt,  weshalb 
kein  'triftiger  Grund  gegeben  ist,  demselben  wieder  eine  besondere 
Instanz  in  den  bayerischen  Aerztekammern  gegenüberzustellen.  Auch 
hat  die  Kammer  Bedenken  bezüglich  der  praktischen  Durchführbarkeit 
und  des  praktischen  Erfolges  dieses  Antrages. 

ad.  2.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von  Mittelfranken. 

„Die  Kammern  mögen  gemeinschaftlich  bei  allen  bayerischen 
Invaliditätsanstalten  anregen,  sich  über  ein  gleichmässiges  For¬ 
mular  für  Atteste  sowie  über  gleichmässige  Honorierung  der 
Atteste  für  Invalidität  und  für  Uebernahme  des  Heilverfahrens 
zu  einigen.“ 

Die  niederbayerische  Aerztekammer  ist  damit  einverstanden,  dass 
für  alle  Atteste  in  Invaliditätssachen  bei  allen  bayerischen  Versiche¬ 
rungsanstalten  ein  gleichmässiges  Formular  eingeführt  werden  soll. 

Als  Grundlage  für  die  Verhandlungen  ist  der  Satz  der  mittel- 
fränkischen  Invaliditätsanstalt  zu  5  Marik  als  Honorar  massgebend. 

Ferner  besschliesst  die  Kammer,  alle  Gutachten,  die  von  der 
Versicherungsanstalt  eingefordert  werden,  sollen  nach  der  Gebühren¬ 
ordnung  vom  17.  November  1902  honoriert  werden. 

Die  Verhandlungen  in,  diesem  Sinne  sollen  von  dem  Kannner- 
ausschusse  persönlich  mit  dem  Herrn  Vorsitzenden  der  Versicherungs¬ 
anstalt  eingeleitet  werden  und  das  mündliche,  vielen  Deutungen 
zugängige  Uebereinkommen  vom  Jahre  1902,  soll  hiemit  ausser  Kraft 
treten. 

Die  neuen  Vereinbarungen  sollen  schriftlich  niedergelegt  und 
allen  Bezirksvereinen  zugeschlossen  zugesandt  werden. 

ad.  3.  Dem  Anträge  des  Bezirksvereins  Freising-Moosburg: 

„Kgl.  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopische 
und  bakteriologische  Untersuchungen  bei  den  einschlägigen  staat¬ 
lichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es  im 
öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint“ 
wird  von  der  Kammer  zugestimmt. 

ad.  4.  Dem  Anträge  des  Bezirksvereins  Nordschwaben: 

„Kgl.  Staatsregierung  wolle  die  Erhöhung  der  Leichenschau¬ 
gebühren,  wie  sie  in  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  vom  20. 
November  1885  festgestellt  sind,  in  Erwägung  ziehen“ 
wird  von  der  Kammer  unter  Billigung  der  in  diesem  Antrag  vorge¬ 
schlagenen  Gebührensätze  zugestimmt. 

ad.  5.  Zu  dem  Anträge  des  Bezirksvereins  Nürnberg: 

„Kgl.  Staatsregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den  Staats¬ 
dienst  anstrebenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein  für 

Witwen  und  Waisen  in  geeigneter  Form  zu  empfehlen“, 
bemerkt  die  Kammer:  Es  wird  sich  empfehlen,  wenn  der  Verein 
selbst  sich  in  dieser  Angelegenheit  an  die  einzelnen  Bezirksvereine 
wendet. 

Zu  dem  Anträge  ad  6,  Hofrat  Dr.  Beck  h,  nimmt  die  Kammer 
eine  ablehnende  Stellung  ein;  desgleichen  zu  dem  Antrag  des  ärzt¬ 
lichen  Bezirksvereins  Landsberg. 

..Die  Aerztekammern  mögen  den  Wunsch  aussprechen,  dass 
zur  Behandlung  von  Mitgliedern  von  Krankenkassen,  die  direkt 
unter  Aufsicht  des  Staates  stehen,  in  der  Regel  nur  Mitglieder 
der  ärztlichen  Bezirksvereine  zugelassen  werden“. 

Es  fehlt  hiezu  jede  gesetzliche  Handhabe. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Kgl.  Herrn  Regierungskommissär 
für  seine  rege  Teilnahme  und  fördernde  Anregung  bei  den  Beratungen. 

Herr  Bezirksarzt:  Dr.  Tischler  spricht  dem  Vorsitzenden  den 
Dank  aus  für  die  Mühewaltung,  worauf  der  Vorsitzende  die  Ver¬ 
sammlung  schliesst.  Nach  Schluss  der  Sitzung  wurde  die  Kammer 
in  corpore  von  Sr.  Exzellenz  dem  Herrn  Regierungspräsidenten  emp¬ 
fangen. 

Dr.  A.  Schmid,  Dr.  Schütz, 

Vorsitzender.  Schriftführer. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Pfälzischen  Aerztekammer 

zu  Speyer 

am  4.  November  1907. 

Anwesend  sind:  Der  Kgl.  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat 
Dr.  Demuth  als  Regierungskommissär. 

Als  Delegierte:  a)  für  den  Bezirksverein  Frankenthal:  Hofrat 
Dr.  Kaufmann,  Kgl.  Bezirksarzt  d.  D.-Bad  Dürkheim  und  der  prakt. 
Arzt  Dr.  Holder-  Ludwigshafen; 

b)  für  den  Bezirksverein  Landau:  Hofrat  Dr.  Eduard  Pauli, 
prakt.  Arzt  in  Landau  und  Hofrat  Dr.  König,  bezirksärztlicher  Stell¬ 
vertreter  in  Edenkoben; 

c)  für  den  Bezirksverein  Kaiserslautern:  Dr.  Zahn,  Kgl.  Land¬ 
gerichtsarzt,  Dr.  Neumayer  und  Dr.  S  t  r  i  1 1  e  r,  prakt.  Aerzte, 
sämtlich  in  Kaiserslautern; 

d)  für  den  Bezirksverein  Zweibrücken:  Medizinalrat  Dr.  U  1 1  - 
mann,  Kgl.  Landgerichtsarzt  a.  D.  in  Zweibrücken,  Hofrat  Dr.  Ehr¬ 
hardt,  prakt.  Arzt  in  St.  Ingbert,  Dr.  B  r  e  i  t  h,  prakt.  Arzt  in 
Pirmasens. 

Der  Delegierte  für  den  Bezirksverein  Frankenthal,  Dr.  Schere  r- 
Ludwigshafen,  sowie  der  Delegierte  für  den  Bezirksverein  Landau, 
Kgl.  Bezirksarzt  Dr.  Herrmann  -  Germersheim,  fehlten  wegen  Er¬ 


krankung.  Die  Stellvertreter  konnten  der  Kürze  der  Zeit  wegen  nicht 
einberufen  werden. 

In  der  üblichen  Weise  machten  die  Kammermitglieder  vor  Be¬ 
ginn  der  Verhandlungen  Sr.  Exzellenz  dem  Herrn  Regierungspräsi¬ 
denten  v.  Neuffer  ihre  Aufwartung. 

Se.  Exzellenz  besprach  verschiedene  Fragen,  die  für  die  pfälzi¬ 
schen  Aerzte  von  Interesse  sind,  berührte  verschiedene  pfälzische 
Wohltätigkeitseinrichtungen,  wie  Tuberkulosebekämpfung,  Volks-  und 
Kinderheilstätte  und  dergl.  und  gab  seinem  lebhaften  Bedauern  Aus¬ 
druck,  dass  die  derzeitige  finanzielle  Lage  der  Pfalz  es  nicht  erlaube, 
so  bedeutende  Zuschüsse  zu  denselben  zu  machen,  wie  er  es  wünsche. 

I.  Der  Vorsitzende  Hofrat  Dr.  Kaufmann  begriisste  die  Mit¬ 
glieder  der  Aerztekammer  und  referierte  kurz  über  die  letzte  Sitzung 
des  Obermedizinalausschusses,  in  welcher  das  Desinfektionswesen  der 
Pfalz  als  ein  grosser  Fortschritt  bezeichnet  wurde. 

II.  Auf  Wunsch  der  Aerztekammer  wurden  die  Wahlen  mit  Akkla¬ 
mation  vorgenommen. 

1.  Vorsitzender:  Hofrat  Dr.  Kaufmann; 

2.  Stellvertretender  Vorsitzender:  Medizinalrat  Dr.  Uli  mann; 

3.  Schriftführer:  Landgerichtsarzt  Dr.  Zahn; 

4.  Stellvertreter  des  Schriftführers:  Dr.  Neumayer; 

5.  Delegierter  zum  Obermedizinalausschuss:  Hofrat  Dr.  Kauf¬ 
mann; 

Stellvertreter  des  Delegierien:  Dr.  Scherer  und  wenn  dessen 
Erkrankung  fortdauern  sollte,  Medizinalrat  Dr.  U 1 1  m  a  n  n. 

6.  Kommission  für  Aberkennung  der  Approbation:  Kaufmann, 
U  1 1  m  a  n  n,  Zahn,  Pauli,  König; 

7.  Kreiskassier  für  den  Verein  zur  Unterstützung  hilfsbedürftiger 
invalider  Aerzte  in  Bayern:  Dr.  Uli  mann; 

8.  Beschwerdekommission  der  Aerztekammer:  Kaufmann, 
U  1 1  m  a  n  n,  Pauli,  Zahn,  König,  Scherer,  S  t  r  i  1 1  e  r 
und  B  r  e  i  t  h; 

9.  Als  Sachverständige  bei  den  Verhandlungen  vor  dem  Schieds¬ 
gericht  für  Arbeiterversicherungen  in  der  Pfalz  wurden  fol¬ 
gende  in  Speyer  wohnhafte  Aerzte  in  Vorschlag  gebracht: 
Kreismedizinalrat  Dr.  Demuth,  Dr.  A  n  t  z,  Dr.  Schild  und 
Dr.  Orth. 

III.  Sodann  machte  der  Vorsitzende  Mitteilung  von  der  Verbe- 
scheidung  der  Verhandlungen  der  Aerztekammer  im  Jahre  1906. 

IV.  Der  Schriftführer  gibt  alsdann  die  Mitgliederzahl  der  Bezirks¬ 
vereine  bekannt.  Der  Bezirksverein  Frankenthal  zählt  99,  Landau  63, 
Kaiserslautern  61,  Zweibrücken  56  Mitglieder. 

Es  gehören  demnach  den  4  pfälzischen  Bezirksvereinen  279 
Aerzte  an. 

V.  Der  Entwurf  des  geschäftsführenden  Ausschusses  betr.  Ausbau 
der  wirtschaftlichen  Organisation.  Die  Schaffung  einer  Beschwerde¬ 
kommission  in  den  Kammern  rief  eine  sehr  lebhafte  Debatte  lervor. 
Auf  der  einen  Seite  ging  man  von  der  Ansicht  aus,  dass  es  Sache  der 
Aerztekammer  ist,  eine  wirtschaftliche  Beschwerdekommission  zu 
gründen,  auf  der  anderen  Seite  wurde  betont,  dass  mit  Rücksicht  auf 
die  besonders  gearteten  Verhältnisse  der  Pfalz  und  auf  die  historische 
Entwickelung  des  ärztlichen  Vereinslebens  der  bisherige  Zustand 
beibehalten  werden  sollte.  Die  sehr  eingehende  Diskussion,  an 
welcher  sich  die  meisten  Aerztekammermitglieder  und  der  Re¬ 
gierungskommissär  beteiligten,  führte  schliesslich  zu  folgenden  An¬ 
trägen: 

Antrag  Stritten 

„Die  Aerztekammer  soll  eine  wirtschaftliche  Berufungs¬ 
instanz  gründen“,  und 

Antrag  Zahn: 

„Die  Aerztekammer  erkennt  die  Kreisvertrauenskommission, 
die  bisherige  Appellinstanz  in  wirtschaftlichen  Fragen,  als  ihre 
Kommission  an  und  ergänzt  dieselbe  durch  Hinzufügen  zweier 
Delegierten.  Es  solle  demnach  die  Bildung  der  wirtschaftlichen 
Berufungsinstanz  in  der  Weise  erfolgen  dass  jeder  Bezirksverein 
bei  der  Wahl  ein  Mitglied  und  einen  Stellvertreter  in  Vorschlag 
bringt  und  die  Aerztekammer  2  Delegierte  in  diese  Kommission 
wählt.“ 

Der  Antrag  Stritte  r  wurde  mit  allen  gegen  2  Stimmen  ab¬ 
gelehnt,  der  Antrag  Zahn  mit  allen  gegen  2  Stimmen  angenommen. 

Als  Delegierte  der  Aerztekammer  zu  der  Kreisvertrauens¬ 
kommission  wurden  Hofrat  Dr.  König  und  Dr.  Scherer  geAvählt. 

VI.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von 
M  i  1 1  e  1  f  r  a  n  k  e  n.  Die  Kammern  mögen  gemeinschaftlich  bei  allen 
bayerischen  Invaliditätsanstalten  anregen,  sich  über  ein  gleich¬ 
mässiges  Formular  für  Atteste  sowie  über  gleichmässige  Honorierung 
der  Atteste  für  Invalidität  und  für  Uebernahme  des  Heilverfahrens  zu 
einigen.  Als  Grundlage  fiit  die  Verhandlungen  soll  ein  Angebot  der 
oberbayerischen  Invaliditätsanstalt  dienen,  das  5  Mk.  resp.  3  Mk.  für 
diese  Atteste  als  Honorar  vorsieht. 

Nach  kurzer  Debatte  stellt  Dr.  Stritter  folgenden  Antrag: 

„Die  Aerztekammern  mögen  sich  über  ein.  gleichmässiges 
Formular  für  Atteste  sowie  über  gleichmässige  Honorierung  der 
Atteste  für  Invalidität  und  für  Uebernahme  des  Heilverfahrens 
einigen,  dagegen  findet  die  pfälzische  Aerztekammer  das  Honorar 
von  5  resp.  3  M.  zu  niedrig,  zumal  in  der  Pfalz  bisher  schon  höhere 
Honorare  von  der  Versicherungsanstalt  zugestanden  sind  und 
gewährt  werden.“ 

Der  Antrag  Stritten  wird  einstimmig  angenommen. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  51. 


All.  Antrag  Bezirks  verein  Freising-Moosburg: 

„K.  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopische 
und  bakteriologische  Untersuchungen  bei  den  einschlägigen  staat¬ 
lichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es  im 
öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint.“ 

Die  pfälzische  Aerztekammer  erkennt  dankbar  an,  dass  die  zur 
1  yphusbekämpfung  eingerichteten  kgl.  bakteriologischen  Stationen  in 
überaus  entgegenkommender  und  uneigennütziger  Weise  bisher  auch 
weitere  mikroskopische  und  bakteriologische  Untersuchungen  unent¬ 
geltlich  ausführen. 

Hofrat  Pauli  teilt  mit,  dass  die  kgl.  bakteriologische  Station 
Landau  die  eingesandten  Honorare  für  solche  ihr  nicht  pflichtgemäss 
obliegenden  Untersuchungen  der  Kasse  für  hilfsbedürftige  Arztwitwen 
der  Pfalz  überweist. 

Holder  gibt  an,  dass  in  Baden  bakteriologische  und  mikro¬ 
skopische  Untersuchungen  von  den  Landesuniversitäten  ex  officio  und 
unentgeltlich  gemacht  werden.  Nach  längerer  Diskussion  stellt 
Holder  folgenden  Antrag: 

„Die  Kammer  ersucht  die  kgl.  Staatsregierung,  die  zurzeit 
in  der  Pfalz  bestehenden  bakteriologischen  Stationen  in  Dauer¬ 
institute  umzuwandeln,  mit  einer  über  die  Typhusbekämpfung  hin¬ 
ausgehenden  Aufgabe,  sodass  sie  den  Aerzten  bei  Bekämpfung 
der  übrigen  ansteckenden  Krankheiten  und  bösartiger  Geschwülste 
jederzeit  unentgeltlich  zur  Seite  stehen.“ 

Der  Antrag  Hü  ld  er  wird  einstimmig  angenommen. 

VIII.  Antrag  Bezirksverein  Nordschwaben: 

„K-  Staatsregierung  wolle  die  Erhöhung  der  Leichenschau¬ 
gebühren  wie  sie  in  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  vom 
20.  November  1885  festgesetzt  sind,  in  Erwägung  ziehen.“ 

Zahn  hält  die  Erhöhung  der  Leichenschaugebühren  für  unbe¬ 
dingt  notwendig.  In  Kaiserslautern  sei  im  Jahre  1899  ein  sehr 
tüchtiger  Leichenschauarzt  angestellt  gewesen,  der  erklärte,  bei  den 
grossen  Entfernungen  in  dem  weit  auseinandergebauten  Kaisers¬ 
lautern  und  bei  dem  Fehlen  jeder  billigen  Fahrgelegenheit' für  1  Mk. 
die  Leichenschau  nicht  mehr  vornehmen  zu  können.  Nach  §  12  der 
oben  angeführten  oberpolizeilichen  Vorschriften  behält  sich  das  kgl. 
Staatsministerium  des  Innern  vor,  bei  ganz  besonderen  örtlichen 
Verhältnissen  eine  Erhöhung  dieser  Gebührensätze  soweit  notwendig 
eintreten  zu  lassen.  Auf  Grund  dieser  Bestimmung  wurde  ein  Gesuch 
um  Erhöhung  der  Gebühren  an  das  kgl.  Staatsministerium  eingereicht, 
aber  abschläglich  beschieden,  worauf  der  Leichenschauarzt  seine 
Stelle  niederlegte.  Kaiserslautern  ist  jetzt  wieder  in  derselben  Lage. 
Der  bisherige  Leichenschauarzt  hat  dem  kgl.  Bezirksamte  mitgeteilt, 
dass  er  vom  1.  Januar  1908  an  nicht  mehr  als  Leichenschauer  tätig  sein 
werde.  Eine  von  mir  vorgenommene  Umfrage  bei  den  Aerzten 
Kaiserslautern  ergab,  dass  sich  keiner  bereit  findet,  für  die  bisherige 
niedere  Gebühr  die  Leichenschau  zu  übernehmen.  Wir  sind  daher 
gezwungen,  entweder  wiederum  ein  Gesuch  um  Erhöhung  der  Ge¬ 
bühren  bei  dem  kgl.  Staatsministerium  einzureichen,  oder  die  Leichen¬ 
schau  an  Nichtärzte  zu  übertragen,  was  bei  einer  Stadt  von  52  000 
Seelen  von  den  schädlichsten  Folgen  begleitet  wäre  und  dringend 
zu  vermeiden  ist.  Die  Aerztekammer  nahm  einstimmig  den  Antrag 
Zahn  auf  Erhöhung  der  Leichenschaugebühren  an. 

IX.  Mit  dem  Antrag  Bezirksverein  Nürnberg,  die 
K.  Staatsregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den  Staatsdienst  an¬ 
strebenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein  für  Witwen  und 
Waisen  in  geeigneter  Form  zu  enmfehlen,  erklärt  sich  die  pfälzische 
Aerztekammer  einstimmig  einverstanden. 

r  -v, .£•  Dagegen  ?eht  sie  über  den  An*rag  Hofrat  Dr.  Beckh.  den 
über  Tef°ndS  fUF  den  Pensionsverein  betreffend,  zur  Tagesordnung 

...  Nachdem  auf  diese  Weise  die  Vorlage  der  Vorsitzenden  der 
ständigen  Ausschüsse  der  bayerischen  Aerztekammern  behandelt  war, 
wurde  noch  eine  Zahl  anderer  Anträge  besprochen. 

XI.  Kaufmann  berichtet  über  Verleihung  der  Apotheken¬ 
konzessionen  und  empfiehlt  für  dieselben  tunlichste  Berücksichtigung 
der  bestehenden  Verhältnisse.  Er  spricht  über  Personalkonzessionen, 
Gemeindeapotheken  u.  dergl.  Der  Regierungskommissär  gibt  eine 

vpri!m1Cht  llbnr  dCAn  ZU^eit  herrschenden  Modus  bei  der  Konzessions¬ 
verleihung.  Die  Aerztekammer  nimmt  von  den  interessanten  Aus¬ 
führungen  Kenntnis. 

VM-rSit,ze.nd1e  *eilt  den  Antrag  des  Bezirksvereins  Bad 
£2“  betr'  Nichtnntglieder  der  ärztlichen  Bezirksvereine  und  die 

Innern  init^^'ni^Ap^^01'1  deS  kkr|'  b^yer-  Staatsministeriums  des 
mnern  mit.  Die  Aerztekammer  nimmt  davon  Kenntnis. 

XIII.  U  11  mann  spricht  über  das  Verhältnis  der  Nichtmitglieder 
folgenden  ^ thchen^  Bezirksvereins  zu  den  Ehrengerichten  und  stellt 

» i .  ,  "Bie  Aerztekammer  möge  einen  Beschluss  anregen  wonach 
Niehtinitgheder  eines  ärztlichen  Bezirksvereins  dem  Ehrengerichte 
ihres  Wohnortes  unterstehen  sollen.  Die  Aerztekammer  be 

ÄS  ÄÄ*»1  die  T— <er  ~ 


s  t  r  i  1 1  e  r  stellt  den  Antrag: 

„Die  K.  Staatsregierung  zu  ersuchen,  dass  das  Asthmamittel 
des  Dr.Daams  aus  De-Bilt  bei  Utrecht  in  die  Liste  der  Geheim¬ 
mittel  aufgenommen  wird.“ 

Die  Kammer  nimmt  den  Antrag  einstimmig  an. 

Weiter  beantragt  Stritte  r,  die  Kammer  möge  beschliessen.  die 
K.  Staatsregierung  zu  ersuchen,  eine  Verordnung  erlassen  zu  wollen 
wonach  in  Zukunft  eine  Kopie  der  Rezepte  auf  der  Signatur  durch  die 
Apotheker  angebracht  werde.  S  t  r  i  1 1  e  r  schildert  die  Vorteile  dieses 
Verfahrens  für  vielbeschäftigte  Aerzte,  die  sich  auf  die  leichteste 
Weise  dadurch  informieren  können,  was  sie  verordnet  haben,  ebenso 
die  Vorteile  bei  der  Stellvertretung  eines  Arztes  durch  einen  andern 
Kollegen  usw. 

Holder  ist  im  ganzen  für  diesen  Antrag,  erinnert  aber  daran 
dass  das  Anbr.ingen  von  Rezepten  auf  den  Signaturen  den  Nachteil’ 
hat,  dass  das  Publikum,  welches  heutzutage  ohnehin  zu  v>el  von 
Arzneimittehi  weiss,  dadurch  in  einer  Weise  aufgeklärt  wird,  die  unter 
Umstanden  nachteilig  sein  dürfte. 

Kaufmann  berichtet,  dass  in  Dürkheim  das  Anbringen  von 
Jignaturen  auf  welchen  die  Rezepte  geschrieben  sind,  in  einer 
Apotheke  üblich  ist,  und  dass  er  davon  keinen  Nachteil  gesehen  hat 
aber  eine  grosse  Erleichterung  für  den  behandelnden  Arzt. 

Der  Antrag  Stritter  wird  einstimmig  angenommen, 

XV  (Jeher  den  Antrag  Bezirksverein  Landsberg: 
i  .1£^i  erz^ebam»mern.  mdsen  den  Wunsch  aussprechen,  dass  zur  Be- 
sirht  c?"  Mitgliedern  von  Krankenkassen,  die  direkt  unter  Auf¬ 
sicht  des  Staates  stehen,  in  der  Regel  nur  Mitglieder  der  ärztlichen 
Bezirksvereine  zugelassen  werden  sollten,  geht  die  Aerztekammer 
zur  I  agesordnung  über. 

_t*VbDer  Regierungskommissär  Kreismedizinalrat  Dr.  D  e  m  u  t  h 
erstattet  hierauf  Bericht  über  die  Tuberkulosebekämpfung;  speziell 
durch  Errichtung  von  Fiirsorgestellen.  Er  nimmt  Bezug  auf  seinen 
diesbezüglichen  Vortrag  bei  der  ausserordentlichen  Generalversamm- 
wnj  k?S  Yfreins  P/älziseher  Aerzte  am  18.  April  d.  Js.  (Vereinsblatt 
J07.  No.  T)  und  bittet  die  Kollegen,  darauf  hinwirken  zu  wollen,  dass 
ue  Bezirks-  und  Lokal  vereine  diese  Angelegenheit,  soweit  dies  noch 
nicht  geschehen,  in  die  Hand  nehmen  möchten. 

o„  -  ^eio  V°rsd^en'de  dankt  dem  Regierungskommissär  für  seinen 
an'e^?nden  Vortrag,  sowie  für  das  wohlwollende  Entgegenkommen 
Unterstützung,  die  er  der  Aerztekammer  bei  ihren  Beratungen 

nlpHpi  WrrdAn  ‘xS,S  und  sch]iesst-  da  sich  niemand  mehr  zum  Worte 
meldete,  die  Aerztekammersitzung. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

Dr.  Kaufmann.  Dr.  Zahn. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  der 
Oberpfalz  und  von  Regensburg. 


Aerztekammer  zu  setzen  sei.4 
....  'd°rsitzende  gibt  Kenntnis  von  der  K.  Allerh  Verordnung 

«ä 


Regensburg,  den  16.  November  1907. 
triprn!lfeSe,1,f  waren:  als  K.  Regierungskommiissär  der  K.  Re¬ 
gierte  Dr  M  a  ver  Tl  T'lriDr'  Dorffmeister;  als  Dele- 
Bez  nksverein  AmhpK'  La"d^nchtsarzt  m  Amberg  für  den  ärztlichen 
den  WH  f  Arnberg;  Dr.  Beyer.  K.  Bezirksarzt  in  Cham  für 

Dr  tT n K^Rp^rl^  eW+  derds;Iichei1  Oberpfalz;  Medizinalrat 
•  n  e  n  n,  K.  Bezirksarzt  in  Beilngries,  für  den  ärztlichen  Be 

WeSTnd1 Dr^T?“  °n“;  Dr'  walle?,  M 

den  ärztlichen  Bezirksverein  Weiden'  dFdö  rTl' e  “d/ “* o‘hi  e  !■" 

xsr* mr  den  iirztiiche,: 

Vor  Eintritt  in  die  Verhandlungen  teilt  der  K.  Regierungs- 
ommissar  mit,  dass  Herr  Regierungspräsident  Baron  v.  A  r  e  t  i  n  die 

stelhfniiif  id+r  AZ/ACkrmer  zu  eniPfangen  wünsche.  Die  Vor- 
6  iler^^Med^  .^^hr®nd  dßr  Kammersitzung  in  der  üblichen  Weise. 
Herr  Medizinalrat  Dr.  Dorffmeister  begrnsst  hierauf  die 

SSat  Dr  Ther,en  !",d,;ers,ucl"  Alterspräsidenten,  Herrn 
d  zinalrat  Dr  1  h  e  n  n,  den  Vorsitz  übernehmen  und  die  Wahl  des 

Bureaus  vornehmen  lassen  zu  wollen.  Gewählt  wurden-  als  Vor- 

venVhicp'  ^dlzu/Jalrat  Dr-  d  henn,  als  dessen  Stellvertreter:  Land- 

IteHve^retem'hf  pYf  "  T’  Schriftfdhrer :  Dr.  Köhler,  als  dessen 
ei  trete  r .  Di.  Pfoi  ringer.  Sämtliche  nehmen  die  Wahl  an 

Hierauf  referiert  Herr  Kreismedizinalrat  Dr.  Dorffmeister 

an  der  Hand  vorzüglich  übersichtlicher  Kartogramme  und  tabel 

Ihre  fn  d^oheT,  ??  Wnder«crbllcl.fcelt  iHüta? Lbens- 
janie  in  der  Oberpfalz,  wobei  sich  die  betrübende  Tatsache  ero-iht 

seftS  h!hrplnC  üezirksdlnter  d'er  0berPfa,z  (Stadtamhof  und  Parsberg) 

-  ei  Jahren  im  ganzen  Deutschen  Reiche  die  höchste  Säuglingssterb- 

mit  bis  50UProzSeaufd^  p  €rd!ngs  seit  den  Jahrgängen  von  1870-80 
ml  S  '  aufd5  Pr.oz\lm  Jahre  1906  abfielen.  Günstiger  seien 

ämtern  " ■  n°IdI lch  l!.nd  nordwestlich  gelegenen  Bezirkis- 

aer  Oberpfalz,  in  denen  die  Mütter  bis  zu  95  Proz.  noch  das 
G  hgeschaft  üben,  während  in  den  westlichen  und  südlichen  Be 
ZT^amlern  (Ne, „parkt,  Parsberg  Stadtamhof)  den M ü «im  TnW« 
der  mit  der  langjährigen  Vernachlässigung  des  Stillgeschäft™ 

St.llen^efzr^vIelfachHzur^Ümnö^ichkejt^vh-d,  ^  Br“sMrts“' 


17.  Dezember  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


.  2567 


Die  Städte  seien  ja  in  der  Lage,  durch  hygienische  und  sozial- 
fürsorgliche  Massnahmen  die  Säuglingssterblichkeit  in  -etwas  günstig 
zu  beeinflussen,  das  oberste  und  wichtigste  Moment  hierfür  sei  aber 
hier  wie  auf  dem  Lande,  die  Mütter  wieder  zum  gedeihlichen  Still¬ 
geschäft  zurüokzuführen  und  sie  mit  den  Grundprinzipien  einer  rein¬ 
lichen  Lebensweise  und  Wirtschaftsführung  vertraut  zu  machen. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Herrn  Regierungskommissär  für  die 
instruktiven  und  durch  die  Vorlage  der  Kartogramme  sehr  übersicht¬ 
lichen  Forschungsresultate  und  bittet  ihn,  auch  ferner  in  dieser  Weise 
klärend  und  fördernd  zu  wirken. 

Nunmehr  entwickelt  der  Vorsitzende  den  Plan  der  Tagesord¬ 
nung  und  beginnt  mit 

I.  Einlauf. 

1.  Verbescheidung  des  Staatsministeriums  des  Innern,  betref¬ 
fend  die  Verhandlungen  der  bayerischen  Aerztekammern  vom  Jahre 
1906.  _  Hierzu  bemerkt  der  Herr  Regierungskommissär,  dass  die 
Frage  der  Prüfungsordnung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  in.  Instruk¬ 
tion  begriffen  und  Gutachten  hierüber  bereits  von  verschiedenen 
Stellen  eingefordert  iseien,  so  dass  die  Entscheidung  hierüber  in 
Bälde  bevorstehe. 

2.  Entscheidung  des  Staatsministeriums  des  Innern  auf  eine  Ein¬ 
gabe  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Kissingen  —  begutachtet  von  der 
unterfränkischen  Aerztekammer.  Diese  Entscheidung  wird  als  wohl¬ 
wollendes  Entgegenkommen  des  Ministeriums  gegenüber  den  Wün¬ 
schen  der  ärztlichen  Standesvereine  begrüsst. 

3.  Ministerialerlass  betreffs  reichsgesetzlicher  Regelung  des 
Apothekenwesens  vom  12.  April  1907. 

4.  Verwahrung  der  Zahnkünstler  gegen  die  neuen  reichsgesetz¬ 
lichen  Bestimmungen  —  zur  Kenntnis  genommen. 

II.  Rechnungsablage. 

Der  Vorsitzende  gibt  bekannt,  dass  aus  dem  Rechnungsjahre 
1905/06  ein  Aktivrest  von  148  M.  55  Pf.  verblieb,  dass  im  Rechnungs¬ 
jahr  1906/07  eine  Einnahme  aus  den  Beiträgen  +  dem  Aktivrest 
aus  1905/06  von  210  M.  55  Pf.  erzielt  wurde,  dem  Ausgaben  in 
der  Höhe  von  118  M.  60  Pf.  gegenüberstünden,  so  dass  auf  das  Jahr 
1907/08  ein  Restverbleib  von  91  M.  95  Pf.  sich  ergibt.  Hiervon  wer¬ 
den  wie  im  Vorjahr  50  M.  dem  Witwenfonds  des  Vereins  zur  Unter¬ 
stützung  hilfsbedürftiger  Aerzte  zugewiesen;  fürs  'laufende-  Jahr 
wird  ein  Beitrag  von  50  Pf.  für  das  Vereinsmitglied  festgesetzt.  Die 
vorgelegte  Rechnung  wird  geprüft  und  richtig  befunden. 

III.  Jahresbericht  des  Vorsitzenden  des  ständigen  Kammerausschusses. 

1.  Der  Vorsitzende,  Medizinalrat  Dr.  Thenn,  gibt  bekannt,  dass 
der  Konflikt  des  ärztlichen  Bezirksvereins  München  mit  den  Mün¬ 
chener  Bahnärzten,  der  wegen  Verfügung  der  Sperre  über  etwa  frei¬ 
werdende  Bahnarztstellen  in  München  seitens  des  Leipziger  Verbands 
entstanden  war,  den  ständigen  Ausschüssen  der  bayerischen  Aerzte¬ 
kammern  Veranlassung  gab,  Beratung  zu  pflegen.  Fünf  Aerzte¬ 
kammern,  darunter  die  des  Kreises  Oberpfalz,  beschlossen,  beim 
Leipziger  Verbände  vertraulich  vorstellig  zu  werden  und  zu  ver¬ 
langen,  die  verfügte  Sperre  wieder  .aufzuheben.  Dieser  Forderung 
wurde,  wie  bekannt,  nach  Verhandlungen  zwischen  Leipzig  und  der 
Abteilung  für  freie  Arztwahl  in  München  stattgegeben. 

2.  Bezüglich  der  reichsgesetzlichen  Regelung  des  Apothe.ken- 
wesens  in  Deutschland  erstattete  Medizinalrat  Dr.  Thenn  ein 
Gutachten,  das  sich  im  Prinzip  einverstanden  erklärte  mit  der  freien 
Vergabe  der  Apotheken  und  der  Unveräusserlichkeit  derselben,  das 
es  aber  vermied,  auf  Details  näher  einzugehen,  da  ja  in  diesen  die 
einzelnen  Apothekergremien  selbst  in  ihren  Ansichten  sich  vielfach 
diametral  gegenüberstünden. 

3.  Bericht  über  die  Sitzung  des  erweiterten  Obermedizinal- 
ausschusses  vom  29.  XII.  1906,  die  sich  in  erster  Linie  mit  dem  Des¬ 
infektionswesen  befasste. 

IV.  Bericht  der  wirtschaftlichen  Kommission  der  Aerztekammer. 

Da  in  diesem  Jahre  diese  Kommission  keine  Veranlassung  hatte, 
in  Tätigkeit  zu  treten,  erstattete  der  Vorsitzende  Dr.  Köhler  Fehl¬ 
anzeige. 

V.  Anträge  aus  den  Vereinen. 

1.  Der  Entwurf  des  geschäftsführenden  Aus¬ 
schusses  betr.  Ausbau  der  wirtschaftlichen 
Organisation,  wie  er  sämtlichen  Bezirks  vereinen 
im  Juni  d.  J.  zugestellt  wurde. 

A.  Bezirk  «vereine. 

Die  Bestimmungen  bezüglich  der  Bildung  der  Vertragskommis¬ 
sion,  sowie  der  Kompetenzen  derselben  werden  -im  allgemeinen  an¬ 
genommen,  Abweichungen  davon,  wie  sie  dem  lokalen  Bedürfnis  ent¬ 
springen  oder  durch  schon  länger  beschlossene  Verpflichtungen  fixiert 
sind,  werden  gestattet. 

Der  Passus  bezüglich  der  Verträge  oder  Abmachungen  über 
Stellen  in  Gemeinden,  an  Krankenhäusern,  staatlichen  Kassen,  Stif¬ 
tungen  etc.  findet  nicht  die  Zustimmung  der  Kammermitglieder,  son¬ 


dern  wird  dahin  abgeändert,  dass  auch  diese  Verträge  nicht  nur  der 
Vertragskommission  zur  Kenntnisnahme  mitzuteilen,  sondern  eben¬ 
falls  derer.  Prüfung  und  Genehmigung  unterworfen  sind. 

Die  Bestimmung,  dass  die  Plenarversammlung  des  Bezirks¬ 
vereins  über  Anträge  der  Vertragskommission,  sowie  über  Proteste 
gegen  solche  zu  entscheiden,  ferner  dass  gegen  diese  Entscheide 
Apell  an  eine  Beschwerdekommission  der  Aerztekammer  möglich  ist, 
wird  angenommen  und  als  Zusatz  angefügt,  dass  diese  Beschwerde 
nicht  innerhalb  3  mal  24  Stunden,  sondern  innerhalb  30  Tagen  ein¬ 
zureichen  ist,  ferner  dass  jedem  derartigen  Entscheide  des  Bezirks¬ 
vereines  ein  Hinweis  auf  das  Beschwerderecht  zur  Beschwerde¬ 
kommission  der  Aerztekammer  angefügt  werden  müsse. 

B.  Aerztekammer. 

Die  Bildung  der  Beschwerdekommission  der  Aerztekammer  für 
wirtschaftliche  Fragen  wird  akzeptiert,  nachdem  ja  seit  dem  Jahre 
1903  im  diesseitigen  Aerztekammerbezirk  eine  solche  Kommission 
schon  bestand  und1  identisch  war  mit  der  wirtschaftlichen  Kommission 
der  Kammer.  Durch  diese  Erklärung  des  Vorsitzenden  werden  auch 
die  Befürchtungen  der  Delegierten  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Re¬ 
gensburg  etc.,  es  möchte  durch  Einsetzung  einer  solchen  Kommission 
ein  Kompetenzkonflikt  mit  der  Vorstandschaft  des  Leipziger  wirt¬ 
schaftlichen  Verbandes  entstehen,  zerstreut,  umsomehr  als  bis  jetzt 
seitens  des  Leipziger  Verbandes  ein  Verlangen,  in  solchen  .Streitfragen 
die  endgültige  Entscheidung  zu  treffen,  noch  nicht  gestellt  wurde. 

Diese  Besohwerdekommission  soll  aus  5  Mitgliedern  der  Aerzte¬ 
kammer  bestehen  und  ist  jährlich  neu  zu  wählen,  desgleichen  3  Er¬ 
satzmänner.  Die  Funktionen  der  wirtschaftlichen  Kommission  der 
Aerztekammer  bleiben  unverändert  fortbesteben. 

Direktiven. 

Dieselben  erstrecken  sich  auf  Vertragsabschlüsse  mit  Kranken¬ 
kassen,  die  Honorarsätze,  die  Einigungskommissionen,  die  Kontroll¬ 
kommissionen,  sowie  Aufstellung  eigener  Kontrollärzte.  Sie  ent¬ 
sprechen  den  früheren  Bestimmungen  und  finden  daher  neuerdings  ein¬ 
stimmige  Annahme. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  Bestimmungen  bei  wirklichem 
Streit  mit  Krankenkassen.  Dr.  K  o  h  1  e  r  -  Regensburg  stellt  den  An¬ 
trag,  diesen  ganzen  Passus  zu  streichen,  da  er  unbestimmt  abge¬ 
fasst  sei  und  somit  strikte  Direktiven  nicht  gebe,  ferner  da  er  Leit¬ 
sätze  enthalte,  die  den  Intentionen  des  diesjährigen  Deutschen  Aerzte- 
tages  nicht  entsprechen.  Bei  der  darauffolgenden  Abstimmung  wird 
der  Passus  2  mit  5  gegen  die  3  Stimmen  Regensburgs  angenommen, 
und  zwar  nach  Streichung  der  Zeilen  13  und  14,  sowie  des  3.  Ab¬ 
satzes  von  unten  (laut  Vereinbarung  mit  dem  Ausschuss  des  Deutschen 
Aerztevereinsbundes),  sowie  unter  Einfügung  des  Satzes:  „bei  allen 
wirtschaftlichen  Streitigkeiten  ist  die  Aufrechterhaltung  des  kollegialen 
Einvernehmen  oberstes  Prinzip“.  Dieser  Entwurf  wird  an  sämtliche 
oberpfälzische  Bezirksvereine  in  einer  der  Zahl  der  Mitglieder  ent¬ 
sprechenden  Anzahl  von  Exemplaren  hinausgegeben. 

2.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von  Mit¬ 
te  1  f  r  a  n  k  e  n. 

Derselbe  wird  einstimmig  in  der  Form  angenommen,  dass  die 
Kammern  gemeinsam  bei  allen  bayerischen  Invaliditätsanstalten  in  An¬ 
regung  zu  bringen  haben  die  Aufstellung  eines  gle'ichmässigen,  unter 
ärztlicher  Mitarbeit  geschaffenen  Formulars  für  die  Atteste  und1 
die  gleichmässige  Honorierung  der  Atteste  für  Invalidität  und  für 
Ue'bernahme  des  Heilverfahrens.  Als  Grundlage  für  die  Verhand¬ 
lungen  soll  der  Satz  der  mittelfränkischen  Versicherungsanstalt,  die  5 
resp.  2  M.  für  diese  Atteste  als  Honorare  vorsieht,  gelten.  Die 
Regelung  der  ganzen  Angelegenheit  soll  erfolgen  durch  den  ständigen 
geschäftsführenden  Ausschuss  der  bayerischen  Aerztekammern. 

3.  Antrag  des  Bezirksvereins  Freist  ng-Moos- 
bürg: 

„Die  K.  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopische 
und  bakteriologische  Untersuchungen  bei  den  einschlägigen  staat¬ 
lichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es  im 
öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint.“  Die  Kammer 
stimmt  diesem  Antrag  einmütig  bei  und  erweitert  ihn  durch  einen 
Ergänzungsantrag,  der  dahin  lautet,  es  sei  der  K.  Staatsregierung 
der  Wunsch  zu  unterbreiten,  es  möchten  zu  obigem  Zwecke  in 
jedem  Regierungsbezirke  staatliche  hygienisch-bakteriologische  Un¬ 
tersuchungsstationen  eingerichtet  werden. 

4.  Antrag  des  Bezirks  Vereins  Nordschwaben: 

„Die  Kgl.  Staatsregierung  wolle  die  Erhöhung  der  Leichen¬ 
schaugebühren,  wie  sie  in  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  vom 
20.  November  1885  festgelegt  sind,  in  Erwägung  ziehen“. 

Der  Antrag  wird  angenommen  und  das  in  Vorschlag  gebrachte 
Honorar  für  1.  Leichenschau  im  Wohnort  2  M„  nach  auswärts  50  Pf. 
für  jeden  angefangenen  Kilometer  des  Hin-  und  Rückweges  —  2  M. 
Minimum,  6  M.  Maximum  —  2.  Leichenschau  1  M.  —  nichtärztliche 
Schau  die  Hälfte  obiger  Taxen  —  1  M.  Minimum,  3  M.  Maximum  — 
für  entsprechend  erachtet.  Zugleich  wurde  der  aus  der  Kammer 
heraus  gestellte  Antrag, 

„die  Einhebung  dieser  Gebühren  ist  durch  die  Gemeindever¬ 
waltung  zu  vollziehen“ 
akzeptiert. 


•8 


5*  D  nr  V  !  r  a  K  d  e  s  B  e  z  i  r  ik  s  v  e  r  e  i  n  s  N  ü  r  u  b  erg: 

„Hie  Kgl.  btaatsregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den 
Maatsdienst  anstrebenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein 

wir  11  *VltWCn  un.d.W,aisen  111  geeigneter  Form  zu  empfehlen“ 
d  u,lter  voller  Würdigung  der  dem  Antrag  beigegebenen  Begriin- 
nU„^.  geringe  Bezahlung  der  Amtsärzte  und  damit  ungenügende 

der  U  ltvven;  dle  111  steigender  Anzahl  die  ärztlichen  Wohl- 
tatigkeitsvereine  und  ihre  Hilfe  angehen,  angenommen. 

!,*•  ^e™Antrfs  des  .Herrn  Hofrat  Dr.  Beckh-Nürn- 

Wr  drn  PensSvereTn:PrOVISOnSChen  Verwal,u"g  d£s  Beihilfefonds 

,,a)  Die  Kammern  möchten  den  Bezirksvereinen  welche  zu 

I ,rpS  fA"  aScdf  Zentenarfeier  des  Königreiches’ Bayern  ins 
^  gerufenen  Stiftung  noch  keinen  Beitrag  geleistet  einen  sol 

empfe'hlenV,ereinS  Wejfen  °der  dl,rch  Zeichnung  einzelner  Mitglieder 

<t;i,1mLdleAKam!,n-ern  möchten  nach  Abschluss  der  Sammlung  die 
ständigen  Ausschüsse  von  Oberbayern  und  Mittelfranken  beauf¬ 
lagen  im  Verein  mit  dem  ständigen  Ausschuss  des  Pensionsvereins 

zuaST"  "ber  diC  mm*  ""J  der  Su«  aTs! 

stimmt  die  Kammer  zu,  bezweifelt  aber,  dass  seitens  der  Ver.einp 

iog  ichen  ..  eiten  in  Anspruch  genommen  wird. 

7‘  A"ir  a  de,s  ß^irksvereins  Landsberg: 

„LMe  sämtlichen  Aerztekammern  möchten  der  Kel  Staat* 

dahinr Trfas^n  WD*SCh  zan?  Ausdruck  bringen,  sie  solle  Anordnung 
uanin  erlassen,  dass  in  Zukunft  die  Behandlung  von  Kranken  h;p 

Mlt^era 

Ö  .iÄttÄÄ  jgÄÄ 

Uebenwaohun?  u„d  Jurisdiktion  seitens  der  staatlich  etagesetzS 
Pintr  ff  in"d?etsemVe 'Ch  ""n  "ur  durcl'  solche  Bestimmungen  der 
Aerzfestand “F  ^  dami‘  ^  ^  geSam*e" 

V!  Wirtschaftliche  Fragen  im  Regierungsbezirk. 

Wege  Cg1itlk^r  t'^r"ha^^l”  ^e^a|^°^ttZ^®ka^n^eSda^Zes^^  ikm 

Umgebung ’Dr!2^^  Ur  “t^mi?  Befrksvere'tls  Kegensburg  und 

IllüliiB 

alten,*  bedinguifEslose^Einsendung  tede  md,  denvKa,SSen'  tevisio"  ** 

und  (ienehmigung  an  die  Kommission5  '1e"e"  e,traees  z,ir  Beratung 

%|SSäSIÄ's 

mit  der  Kasse  ^handeln  dad  ’’  ,hrerSe‘tS  au<*  mr  schriftlich 
dem  BaSaÄX'Är*"  WM  «*  ™f 

sfch  '»  K^sen- 

BezÄn  SST  dt'r“  ÄÄTÄ 

den  lÄÜÄÄ  VtA 


No.  51, 


Frank  war  Streikbrecher 


VII.  Berichterstattung  aus  den  Vereinen. 

verein  Amberg ^bekanut '  dass  den  ärztlichen  Bezirks- 

1,1  dVorTtaJndhTstWDrrdei  *7  Vereinsf 1 Ä  abgehaUem^  ZähIt 
Barensfeld  N  ^  b  a  u  e  r,  Schriftführer  und  Kassier  Dr. 

in  Hirschau  habe  sich  nach  dem  Ableben  Dr  kbnivp  ta 

hrank  „tedergelassen,  der  Aufnahme  in  de,,' Verem  e'inkam,  die 


aber  bis  zur  Entscheidung  von  Leipzig 
111  *  öJz  zurückgehalten  wird. 

_•  h.2'  fHllr  'dei1  ärztlichen  Bezirksverein  der  östlichen  Oberpfalz  be- 

Mitgliedererr  F*eZI' B  6  y  e  r‘  Der  Ver*eil1  z»lt  derzeit  14 
Mitglieder  Es  wurden  2  Sitzungen  abgehalten,  in  denen  in  erster 

Linie  wirtschafthcne  Eragen  zur  Behandlung  kamen 

undKat,^ere&derKeltBeer1.rkSarZt  Dr'  B  e  r  ‘  Cham,  Schriftführer 

\v  n  ^Ur  Äen  drztIichen  Bezirksverein  Weiden  referiert  Herr  Dr 
Waiier.  Der  Verein  zählt  zur  Zeit  27  Mitglieder  -  4  im  Bezirk 
wohnende  Aerzte  gehören  dem  Verein  nicht  an.  Es  fanden  3  Ver 
Sammlungen  statt;  der  Besuch,  namentlich  der  beiden  ersten  war  ein 
geringer.  12  Mitglieder  erschienen  nie,  6  nur  einma.1  ln  den  Ver¬ 
sammlungen  wurden  Standesfragen  besprochen,  Vorträge  gehalten 
interessante  Kranke  vorgestellt  und  seltene,  in  der  Praxis  vorge-’ 
kommene  Falle  besprochen.  Eine  länger  andauernde  Erörterung  ver¬ 
anlass  e  der  Antrag  auf  Austritt  aus  dem  Leipziger  Verband  dem 
obligatorisch  sämtliche  Mitglieder  angehören.  Der  Antrag  wurde 
abgelehnt.  Von  den  im  Verein  befindlichen  Lokalvereinigungen  hielt 
nui  der  Lokalverein  Weiden  eine  Sitzung  ab,  welche  sich  mit  der 
ileichste  lung  der  ärztlichen  Gebühren  beschäftgte.  Der  Mitglieder¬ 
stand  hat  sich  gegen  das  Vorjahr  nicht  geändert. 

Dr.  p  ebHz’e  r  ^  ^  W  a  1  le  r "  Weiden>  Schriftführer  und  Kassier 

,  d-  K111  den  ärztlichen  Bezirksverein  Pegensburg  und  Umgebung 
berichtet  Dr.  K  o  h  1  e  r.  Die  Mitgliederzahl  ist  52.  Es  wurden  in 
diesem  Jahre  7  Versammlungen  abgehalten,  die  sich  grösstenteils 
hp*^h aUf  dle  Kassenitätigkeit  Bezug  nehmenden  Fragen 
beschafügten  teils  wissenschaftliche  Themata  aus  der  Praxis  be¬ 
handelten.  An  grosseren  Vorträgen  hielt  Herr  Dr.  P  f  ö  r  r  i  n  g  e  r 
Hüen  M  ?"  ^ber  Kontusionen  und  Distorsionen  im  Pöntgenbild 
Heu  Medizinal  rat  Dr.  Grassmann  einen  eingehenden  Bericht 

lahJe  iQnb^V arC?  Ve,rhaltni^Se  jn  Kiesiger  Stadt  (Regensburg)  im 

Dr  H  e  r  r’i  154  K  °  h  Le  r  “  Kegensburg,  Schriftführer 

ii.  n  e  r  r  ich-Schaffer.  Kassier  Dr.  B  ,u  n  z. 

i  •  u'+  fäi  den  ärztlichen  Bezirksverein  der  westlichen  Oberpfalz 
berichtete  Herr  Medizinalrat  Dr.  Thenn.  pMZ 

■  V((’rsltI7)endcr  ist  Dr.  Thenn  -  Beiingries,  Schriftführer  und  Kas- 
E1  i  Br\  w  r  e  U  S  S  "  Pyrbaum-  Ein  Mitglied  ist  ausgetreten  Es 
wurden  4  Versammlungen  gehalten,  die  besonders  die  Einführung  der 
u™  Arztwahl  bei  den  distriktiven  Krankenkassen  im  Bezirksamt 
beumarikt  zum  Gegenstand  hatten.  ' 

VIII.  Antrag  Dr.  Thenn  auf  Ergänzung  der  Geschäftsordnung  der 

Aerztekanimer. 

Entspiechend  dem  Beschluss  über  die  Bildung  einer  Beschwerde- 
kommission  für  wirtschaftliche  Fragen  (cf.  V,  Ziffer  l)  wird  be- 

beizufügen  •dei  0esct,äftsordnunK  der  Aerztekammer  folgende  Zusätze 

der  BesdiwerTi^mmissio^k'^^8  folee,,d*  Zi#er  8:  ”8'  WaM 

2-  Dem  §  7  wird  folgender  §  8  angereiht:  ,.§  8.  Zur  endgültigen 

zZ Schelf Aeffrzte0n  un^R'^k1011  wirtschaftlichen  Angelegenheiten 

zwischen  Aerzten  und  Bezirksvereinen  wählt  die  Aerztekammer  iäbr- 

Lc li  eine  Kommission,  bestehend  aus  fünf  Mitgliedern  und  drei  Er¬ 
satzmännern.  Vorsitzender  der  Kommission  ist  der  jeweilige  Vor- 
sitzende  des  ständigen  Ausschusses.  Die  Kommissionsmitglieder  eines 
beteiligten  Vereines  werden  durch  die  Ersatzmänner  vertreten  Be¬ 
schwerden  gegen  die  zur  Kompetenz  der  Beschwerdekommission  ge- 

.yei'einsbescb,iisse  müssen  längstens  innerhalb  30  Tagen 
beim  Vorsitzenden  eingereicht  werden“. 


IX.  Wahlen. 

1.  Zum  Abgeordneten  für  den  erweiterten  Obermedizinalaus 
Dr  KohTer6  M£d"1*“  Dr  Thenn,  zun,  Stellvertreter 

i„.  f-  (  zur  Aberkennung  der  Approbation  (Kgl 

Ailerhochste  Verordnung  vom  27.  XII.  1883)  wurden  berufen:  Dn 
i  j  c  >  er,  Dörfler,  Köhler,  Mayer,  Thenn. 

ru„AASÄHändT  zm,"  Schiedsgericht  für  Arheiterversichc- 
,ung  der  iberofalz  wurden  bestimmt:  Medizinalrat  Dr  Dorff- 
me.ster,  Bez.rksarzt  Dr.  Boecale,  Dr.  H  e  r  rieh -Sch  äffer 

Laam„The  Pi,,i"8e'-  Pförringer,  S 1 1 11- 

im  Sinne*  d’JL'sH 7  £  Kommission  zur  Erledigung  der  Beschwerden 
-  ne  des  ^  ]_  dei  Kgl.  Allerh.  Verordnung  vom  9  VII  ioos 
wurden  gewählt  Dr.  Thenn,  Dr.  Maver  und  Dr  Beyer  als 
Ersatzmann  Dr.  Waller  und  Dr.  v.  Thon-Dittme  r. 

Dr  Kö^'f^'n^n«0  nK0mm^U°n  wurde  ^ebiIdet  aas  den  Herren 
Ur‘  Köhler  Dr.  Dörfler  und  Dr.  Pförringer  und  deren  Er 
satzmannern  Dr.  Waller  und  Dr.  v.  T  h  o  n  -  D  i  1 1  m  e  r. 

Ancru’  ^  d‘e ;  aoa^ebildete  Beschwerdekommission  für  wirtschaftliche 
Angelegenheiten  wurden  berufen  Dr.  Beyer,  Dr.  KohTer  Dr 

Dörfler  Dr  Vlnrr;  U  n  Wailer’  als  Ersatzmänner  Dr. 
sortier,  Dr.  Pförringer,  Dr.  v.  T  h  o  n  -  D  i  1 1  m  e  r. 


Heilage  zur  Münchener'  medizinischen  Wochenschrift. 


2569 


17.  Dezember  1907. 

Die  Aerztekammer,  die  mit  dem  Wahlen  die  Tagesordnung  er¬ 
schöpft  hatte,  wurde  unter  Dankesworten  des  Vorsitzenden  an  den 
Herrn  Regierungskommissär,  der  auch  in  diesem  Jahre  durch  rege 
Anteilnahme  an  den  Beratungen  und  sachverständigen  Rat  die  Ver¬ 
handlungen  förderte,  sowie  des  Landgerichtsarztes  Dr.  Mayer  an 
den  stets  sachlich  und  ruhig  seines  Amtes  waltenden  Vorsitzenden 
geschlossen. 

Dr.  Then  n  Dr.  Kohle  r 

Vorsitzender.  Schriftführer. 

Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  von 

Oberfranken. 

Bayreuth,  4.  November  1907. 

Beginn :  9  Uhr. 

Anwesend  sind:  als  Regierungskommissär  der  K.  Regierungs¬ 
und  Kreismedizinalrat  Dr.  Piirckhauer;  als  Delegierte  der  Be¬ 
zirksvereine:  1.  Bamberg:  Hofrat  Dr.  Jungengel  und 
Dr.  Herd,  beide  in  Bamberg,  und  Dr.  Piirckhauer  in  Forch- 
heim ;  2.  Bayreuth:  Dr.  Landgraf  und  Dr.  Volkhardt,  beide 
in  Bayreuth;  3.  Hof:  Hofrat  Dr.  Sch  ei  ding  in  Hof,  Medizinalrat 
Dr.  Hess,  K.  Bezirksarzt  in  Wunsiedel  und  Dr.  Kraemer,  K.  Be¬ 
zirksarzt  in  Naila;  4.  Kronach:  Dr.  Bamberger  in  Kronach. 

Regierungskommissär  Dr.  Piirckhauer  begrüsst  die  Dele¬ 
gierten,  erklärt  die  Sitzung  für  eröffnet  und  ersucht  Dr.  Hess,  als 
Alterspräsident  die  Wahl  des  Bureaus  zu  leiten. 

Es  wird  als  Vorsitzender  Dr.  Jungengel,  als  stellvertreten¬ 
der  Vorsitzender  Dr.  Hess,  als  Schriftführer  Dr.  Pürckhauer, 
als  stellvertretender  Schriftführer  Dr.  Herd  gewählt.  Die  Gewählten 
nehmen  die  Wahl  an. 

Dr.  Jungen  ge  1  übernimmt  den  Vorsitz  und  gibt  die  Tages¬ 
ordnung  bekannt. 

Als  erster  Punkt  derselben  erfolgt  der  Bericht  des  Vorsitzenden 
über  die  Tätigkeit  des  ständigen  Kammerausschusses  während  des 
vergangenen  Jahres.  Sodann  referiert  der  Vorsitzende  über  die  am 
15.  September  in  Nürnberg  abgehaltene  Sitzung  der  Vorsitzenden  der 
ständigen  Ausschüsse  der  bayerischen  Aerztekammern  und  bespricht 
namentlich  die  Gründe,  welche  den  geschäftsführenden  Ausschuss  be¬ 
wogen  haben,  die  im  Mai  heurigen  Jahres  ausgearbeiteten  „Grund- 
ziige  der  wirtschaftlichen  Organisation  der  bayerischen  Bezirksvereine 
und  Aerztekammern“  zur  Diskussion  zu  stellen. 

Gelegentlich  der  Bekanntgabe  des  Einlaufs,  in  welchem  sich  auch 
eine  an  die  Aerztekammer  gerichtete  Einladung  der  medizinischen 
Fakultät  Erlangen  zu  den  im  Laufe  des  Sommers  dortselbst  abge¬ 
haltenen  ärztlichen  Fortbildungskursen  befindet,  bemerkt  der  Vor¬ 
sitzende,  dass  diese  Einladung  durch  Vermittelung  des  ständigen 
Kammerausschusses  allen  oberfränkischen  Aerzten  zugeleitet  worden 
sei.  Auf  seine  Anregung  beschliesst  die  Kammer,  der  medizinischen 
Fakultät  Erlangen,  welche  seit  einer  Reihe  von  Jahren  ärztliche  Fort¬ 
bildungskurse  abhält  und  durch  dieselben  auch  den  Aerzten  Ober¬ 
frankens  in  entgegenkommendster  Weise  Gelegenheit  zur  Beteiligung 
an  denselben  gibt,  geziemenden  Dank  auszusprechen. 

Herr  Jungengel  gedenkt  ferner  der  am  30.  Oktober  er¬ 
folgten  Eröffnung  der  neuen  oberfränkischen  Heilstätte  für  männliche 
Lungenkranke  zu  Bischofsgrün  und  spricht  die  Hoffnung  aus,  dass 
die  Aerzte  des  Kreises  auch  ferner  die  Bestrebungen  und  Aufgaben 
des  oberfränkischen  Heilstättenvereins  nachdriicklichst  unterstützen 
werden. 

Sodann  berichtet  Kreismedizinalrat  Dr.  Pürkhauer  über  die 
Mortalität  und  Morbidität  im  Kreise  Oberfranken,  sowie  über  die 
Fortschritte,  welche  innerhalb  des  Kreises  auf  hygienischem  Gebiete 
zu  verzeichnen  sind. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Vortragenden  für  seine  interessanten 
und  lehrreichen  Bericht. 

Es  folgt  die  Bekanntgabe  der  Verbescheidung  der  Anträge  der 
bayerischen  Aerztekammern  aus  dem  Vorjahre  durch  die  Königliche 
Staatsregierung. 

Hierauf  tritt  die  Kammer  in  die  Besprechung  der  von  den  Vor¬ 
sitzenden  der  ständigen  Ausschüsse  vorgelegten  Anträge  ein: 

1.  Ueber  den  Punkt  1  dieser  Anträge:  „Entwurf  des  geschäfts- 
führenden  Ausschusses  betr.  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Organisation 
vom  Juni  ds.  Js.“  (siehe  Beilage)  entspinnt  sich  eine  lebhafte  Dis¬ 
kussion.  Schliesslich  findet  eine  von  den  Herren  Jungengel  und 
Sch  eiding  beantragte  Resolution  einstimmige  Annahme.  Die¬ 
selbe  hat  folgenden  Wortlaut: 

„Die  oberfränkische  Aerztekammer  stimmt  im  allgemeinen 
„den  Grundzügen“  zu,  hält  dagegen  die  Schaffung  einer  Be¬ 
schwerdekommission  in  Oberfranken  nicht  für  notwendig  und 
überträgt  die  Schlichtung  von  Streitigkeiten  ihrer  wirtschaftlichen 
Kommission.  Diese  hat  jedoch  mit  dem  Leipziger  Verband,  dessen 
Bedeutung  und  Unentbehrlichkeit  auch  an  dieser  Stelle  aner¬ 
kannt  wird,  engste  Fühlung  zu  halten“. 

2.  Der  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von  Mittelfranken  betr. 
gleichmässige  Honorierung  der  Atteste  für  Invalidität  etc.  wird  in 
folgender  Fassung  angenommen: 


„Die  Kammern  mögen  gemeinschaftlich  bei  alien  bayerischen 
Versicherungsanstalten  anregen,  sich  über  ein  gleichmässiges  For¬ 
mular  für  Gutachten  sowie  über  gleichmässige  Honorierung  aller 
Gutachten  für  Invalidität  —  also  auch  der  ablehnenden  und  der 
ablehnend  verbeschiedenen  —  ferner  der  Atteste  für  Uebernahtue 
des  Heilverfahrens  zu  einigen. 

Als  Grundlage  für  die  Verhandlungen  sollen  die  Sätze  der 
mittelfränkischen  Versicherungsanstalt  mit  5  resp.  3  Mark  als 
Honorar  für  diese  Atteste  massgebend  sein“. 

3.  Der  Antrag  des  Bezirksvereins  Freising-Moosburg 

„Königliche  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopi¬ 
sche  und  bakteriologische  Untersuchungen  bei  den  einschlägigen 
staatlichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es 
im  öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint“ 
wird  ohne  Aenderung  einstimmig  angenommen. 

4.  Zu  dem  Anträge  des  Bezirksvereins  Nordschwaben: 

„Kgl.  Staatsregierung  wolle  die  Erhöhung  der  Leichenschau¬ 
gebühren,  wie  sie  in  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  vom  20. 
November  1885  festgestzt  sind,  in  Erwägung  ziehen“ 
liegt  ein  Referat  aus  dem  ärztlichen  Bezirksverein  Hof  (Dr.  Oppe  n- 
h  e  i  m  e  r  -  Marktleuthen)  vor,  dessen  Ausführungen  die  Kammer  voll¬ 
inhaltlich  zustimmt. 

Dasselbe  hat  folgenden  Wortlaut: 

„Die  obligatorische  Leichenschau,  die  wir  in  Bayern  besitzen, 
fällt  und  steigt  in  ihrem  Werte  in  dem  Verhältnis,  in  dem  sie  durch 
Aerzte  oder  durch  Nichtärzte  ausgeübt  wird.  Das  wird  wohl  jedem 
klar  werden,  der  sich  den  Zweck  der  Leichenschau  vergegenwärtigt: 
„die  Verheimlichung  von  gewaltsamen  oder  durch  strafbare  Vernach¬ 
lässigung  oder  medizinische  Pfuscherei  herbeigeführten  Todesarten 
zu  hindern,  zur  Ermittelung  ansteckender  Krankheiten,  sowie  zur 
Herstellung  genauer  Sterbelisten  mitzuwirken  und  die  Beerdigung 
Scheintoter  zu  verhüten“.  Dass  bisher  in  vielen  Bezirken  die  Aerzte 
diese  Tätigkeit  neidlos  Badern  oder  Laien  überlassen,  wird  begreif¬ 
lich,  wenn  wir  die  völlig  unzureichende  Honorierung  ins  Auge  fassen. 
Es  erhält  der  Arzt  (cf.  oberpolizeiliche  Vorschrift  vom  20.  XI.  85) 
für  die  erste  Leichenschau  am  Ort  Mk.  1.  Hiefür  hat  derselbe  den 
Besuch  zu  machen,  die  Leiche  zur  Feststellung  der  oben  als  Zweck 
der  Leichenschau  angegebenen  Punkte  zu  untersuchen,  den  Leichen¬ 
schauschein  auszufertigen,  daheim  die  Einträge  in  das  Leichenschau¬ 
register  zu  machen,  eventuell  (bei  ansteckenden  Krankheiten  oder 
bei  Verdacht  auf  solche)  noch  Anzeige  an  die  Orts-  oder  Distrikts¬ 
polizeibehörde  zu  erstatten. 

Wo  am  Ort  eine  zweite  Leichenschau  vorgeschrieben  ist,  wird 
für  diese  50  Pf.  vergütet.  Man  vergleiche  hiemit  die  Anlage  zu 
§  I  der  Gebührenordnung  vom  17.  X.  1901,  die  für  die  Besichtigung 
oder  äussere  Untersuchung  einer  Leiche  mit  Ausstellung  einer  kurzen 
Bescheinigung  3 — 6  Mk.  ansetzt!  B.  I,  No.  8). 

Für  die  Leichenschau  ausserhalb  des  Wohnortes  erhält  der  Arzt 
für  je  1  Kilometer  des  Hin-  und  Rückweges  (wobei  die  Entfernungen 
des  Hin-  und  Rückweges  zusammengezählt  werden,  ein  in  der  Summe 
sich  etwa  ergebender  Bruchteil  eines  Kilometers  aber  ungerechnet 
bleibt)  30  Pf.;  in  keinem  Falle  aber  —  auch  bei  grösseren  Ent¬ 
fernungen  —  mehr  als  4  Mik.  Untersuchung  der  Leiche,  Ausstellung 
des  Scheines  etc.  werden  nicht  besonders  vergütet.  Zwingt  schlechte 
Witterung  zu  Geschirrbenützung,  so  wird  diese  ebenfalls  nicht  ver¬ 
gütet.  So  erhält  z.  B.  der  ärztliche  Leichenschauer  für  eine  Leichen¬ 
schau  5  km  bis  5,4  km  von  seinem  Wohnsitze  entfernt  3  Mk.  (d.  h. 
für  eine  Stunde  Hin-  und  eine  Stunde  Rückweg  und  für  Leichenschau). 
Oder  die  Leichenschau  wäre  vorzunehmen  in  7  km  Entfernung  vom 
Wohnsitze  des  Arztes,  oder  in  einer  noch  viel  weiteren  Entfernung 
(in  der  Tat  sind  Fälle,  wo  in  9  und  mehr  Kilometer  Entfernung  die 
Leichenschau  vorzunehmen  ist,  keine  Seltenheit),  so  erhält  der  Arzt 
4  Mk.  vergütet.  Wenn  man  die  Leichenschau  selbst  mit  dem  hiefür 
ungenügenden  Satz  von  1  Mk.  bewertet,  so  entfällt  hier  für  eine 
Stunde  Weges  nicht  1  Mk.  Entlohnung.  Die  oben  schon  erwähnte, 
jetzt  gültige  Gebührenordnung  bewertet  die  Entschädigung  für  den 
Zeitaufwand  für  Hin-  und  Rückweg  bei  ärztlichen  Besuchen  auf  3 — 6 
Mk.  pro  Stunde. 

Soll  also  die  Leichenschau  nicht  immer  mehr  auf  Nichtärzte  über¬ 
gehen  und  dadurch  in  ihrem  Werte  zum  Schaden  für  die  Allgemein¬ 
heit  illusorisch  werden,  so  müssen  die  hiefür  im  Jahre  1885  fest¬ 
gesetzten  Gebühren  erheblich  erhöht  werden.“ 

Der  Antrag  des  Bezirksvereins  Nordschwaben  wird  einstimmig 
angenommen  und  die  von  demselben  vorgeschlagene  Erhöhung  der 
Leichenschaugebühren  (l  Leichenschau  am  Ort  2  Mk.,  nach  auswärts 
50  Pf.  für  jeden  angefangenen  Kilometer  des  Hin-  und  Rückweges, 

2  Mk.  Minimum,  6  Mk.  Maximum,  2.  Leichenschau  1  Mk.  —  für 
nichtärztliche  Leichenschau  die  Hälfte  obiger  Taxen,  1  Mk.  Minimum, 

3  Mk.  Maximum)  als  entsprechend  anerkannt. 

5.  Der  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg: 

„Kgl.  Staatsregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den  Staats¬ 
dienst  anstrebenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein  für 
Witwen  und  Waisen  in  geeigneter  Form  zu  empfehlen“ 
findet  ebenfalls  einstimmige  Annahme.  Hiezu  empfiehlt  die  Aerzte¬ 
kammer  wiederholt  allen  Aerzten  des  Kreises  Oberfranken  den  Bei¬ 
tritt  zum  Pensionsverein  und  legt  den  Vereinen  dringend  ans  Herz, 
zu  der  Witwenkasse  des  Invalidenvereins  Beiträge  zu  leisten. 


.570 


(>.  Ein  Antrag  des  Bezirksvercins  Landsberg: 

„es  möchten  die  Aerztekammern  den  Wunsch  aussprechen 
,ie,]a,!tl i1ii,>k:  von^  Mitgliedern  von  Krankenkassen,  die 
direkt  unter. Aufsicht  des  Staates  stehen,  in  der  Kegel  nur  Mit¬ 
findet  ^nnahme3^^  ^ezir^svereilje  zugelassen  werden“ 

Herr  Jungen  g  e  1  bespricht  die  Schäden  und  Nachteile,  welche 
I  atienten  und  Berufsgenossenschaften  (namentlich  der  land-  und 
S!r  fschaf*llchen  Berufsgenossenschaft)  dadurch  erwachsen,  dass 
das  Heilverfahren  nach  Unfällen  entweder  durch  Kurpfuscher  iiber- 

verstand  °rW  bd  är?t.Iicher  Behandlung  —  durch  den  Un- 

Sein  Antrag:  ”  in  viekn  Bähen  illusorisch  gemacht  wird. 

...  ”dlRe  Aerztekammer  empfiehlt  der  land-  und  forstwirtschaft- 
I  iS' rufsgenossenschaft  möglichst  weitgehende  Uebernahme 
des  Heilverfahrens  innerhalb  der  ersten  13  Wochen“ 
vird  einstimmig  angenommen. 

.  ...  ^e"  Sch  eiding  regt  an.  die  Aerzte  zu  einer  besseren  Be¬ 
fördernd  a"  de”  kunft'Ken  Fortbildungskursen  in  Erlangen  aufzu- 

Die  Aerztekammer  empfiehlt  den  Aerzten  Oberfrankens  regste 
'kunft'gfn  Fortbildungskursen  und  dankt  der  medizini- 
&  emV™ebteÄTseno.  “r  ^  Wsherfee  ""''orrasende  Tätie- 


lieilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No  51. 


Wahlen. 

gewä^lU  HofrSern,n  ZUm  erW,eitMten,  Obermedizinalausschuss  wird 
k  ln  HipH!r  *  Jungengek  als  Vertreter  Medizinalrat  Hess¬ 
graf  V  O  U°hTr  SHSl0nHZUr  Abe,rke'lnung  d,er  Approbation:  Land- 

Pflrckhauc  *  ’  SteIlvertreter  Jungengel  und 

als  Sachverständige  zum  Schiedsgericht  für  Arbeiterversichp 

M  f e“, '  ^ 

H  e  &  t.nEpÄdK<g?Änr!«Je"r!  **“**>•  s  « 

des  ini?L*rri$0l-xuJ  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne 
es  s  ]2der  Kgl.  Allerhöchsten-  Verordnung  vom  9  VII  95-  Sch  ei 

ding,  Volkhardt,  Hess,  Landgraf,  Pürckhauer 

Kassenbericht. 

Kassenbestand  am  29.  X.  06  27  Mk.  95  Pf 

Einnahmen  .  828  Mk!  —  Pf! 

855  Mk.  95  Pf. 

Ausgaben  .  838  ,Mk>  54  pf 

Kassenbestand  am  4.  XI.  07  17  Mk  41  Pf 

*  ä 

ÄS-«.  Eingetreten 

& 

stein,  Dr.  Bit  ton,  Kgl  Bezirksarzt  von  S?  J^+Chheim  nach  Staffe1' 
Dr.  «**  Forchhehn. 

Dr.  ÄÄS  — '•  *®chriftfiHirer 

BambeTrDr.lbS  Ub  e  n  h  ‘.'“r  SftJ* 

Z orn ? r D  : 
Maier-  Herzogenaurach  Or  S  ,te£-  Herzogenaurach.  Dr. 

"ch- UchSteSof:  Ä  eS„VKbuÄfrCgh,“SSelfeld-  E"r- 

I  c  r  Verein  hat  10  Versammlungen  abgehalten 

25  in ^B“le)o'aU^rVaLUth:  «  MttgHeder  «  Ehrenmitglieder). 

Eingetreten  sind:  Dr  Nestler  n.-  „ 

bre""er;  Dr-  Beyer,  sämtliche  in  Bayreuth  “ S'  r’  Weis- 

berg.  f'e^pDonndorf'Vjetzr  V  Lf"  ^ayreutb  nach  Nür„- 

l_e.  „  -  Obern-sees  unbekannt  wohin’,  Dr.  S  ch  .'n'fdu’wJde^erVnath 

Zahf'deVveVsa^rrmlungen:^  "  ^  Scl,rittführer:  Dr.  W  e  i  s  s. 

Ausserhalb  des  Vereins:  Dr,  Waener  rw  f-  .  . 

Bayreuth,  Dr.  .1  o ,uch- Wirsberg  Dr  A  ’i  i  oE  1Senhofer- 
v  e  r  i  n  -  Hollfeld.  R’  U  A  r  n  0  1  d  -  Pegnitz,  Dr.  S  e  - 

3.  Bezirksverein  Hof:  53  Mitglieder. 

Schwarzenbach" a. ^ ' Dr* T  e^ chVr  ~fSRben’i  Dr'  8  c  h  e  d  e  r  - 
Münchberg,  Bezirksarzt  Dr.  R  i  1 1 m  a v er  P Dr*-S  ö  1  c  h  ' 
Weissenstadt,  Dr.  S  c  h  i  1 1  e  r  -  ÜchTenberg.  ‘  R  ^  Dr‘  BesoId- 


Ausgetreten  sind:  Med.-Rat  Dr.  Walther-Hof  Dr  Dom 
Hot.  Dr.  (i  a  re  i  s  -  Berg,  Bezirksarzt  Dr.  Raab-  Reha’u  Bezirksar/t 
Dr.  May  er- Münchberg.  Dr.  J  a  k  o  b  y  -  SchwaraS 

Theile  Zender  dCS  Ver€lnS  ht  Dr‘  Sch'eiding,  Schriftführer  Dr. 

Der  Verein  hielt  5  Versammlungen  ab 

Ausserhalb  des  Vereins  steht  Dr.  Proskauer-Hof 

Besta'nd^ät  geä„trP°naCh:  13  MiteMer'  "«  «Wh  Einern 

Vorsitzender  und  Schriftführer  ist  Dr.  Bamberger 
Es  wurden  6  Sitzungen  abgehalten. 

mediSaLa7TD1de,pn/r'Si,tZhende  de-R1  Herrn  Regierun^-  und  Kreis- 
Sitz\üfg  unffuhr lell“ng  !!edallkt  hatte-  crf'.[gte  der  Schluss  der. 


gez.  Dr.  Jungengel,  Kgl.  Hofrat, 
Vorsitzender. 


gez.  Dr.  Pürckhauer. 
Schriftführer. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  für 

Mittelfranken. 


Ansbach,  den  4.  November 
Beginn:  9  Uhr. 


1907. 


Dr  Rrt  tr  l1'  d,  nK’-  Reg'erunSS-  und  Kreismedizinalrat 
}>r-  Bruglocher  als  Regierungskommissär;  als  Delegierter  der 
Bezirksvereine:  1.  Ansbach:  Bezirksarzt  Dr.  Obermayr,  Dr. 
L  r  e  i  s  ch;  2.  Eichstätt:  Dr.Kolbmann  -  Pappenheim;  3.  Erlangen : 
nrr*  J/Jjsch,  Prof  Dr  Specht;  4.  Fürth:  Hofrat  Dr.  Mayer, 

Mittelfranl-pn^nHCHbrUCk:  C  h  0  1  d  '  Lauf  ’  6.  Nordwestliches 

Mittelfrankeii  Di.  H  a  g  e  n  -  Windsheim ;  7.  Nürnberg:  Obermedizinal- 

rat  Dr.  Q.  Merke  1,  Hofra-t  Dr.  B  e  c  k  h,  Dr.  F  1  a  t  a  u,  Dr.  Heinrich 

!^hpih’  HT°T«atuDr'  Schuh;  8.  Rothenburg:  Bezirksarzt  Dr.  S  t  e  i  - 

nrhRecUfenfhfeip  9‘  8ü,dfranken:  Dr.  Dorf  ler- Weissenburg, 
L»r.  B  ,i  s  c  h  o  f  f  -  Qunzenhausen. 

Regierungskommissär  Dr.  Bruglocher  eröffnet  die  Kammer, 
begrusst  die  Delegierten  und  fordert  den  Alterspräsidenten  Dr. 
Cr.  Me  r  k  el  auf,  die  Wahl  des  Bureaus  zu  leiten. 

Dei.  Genannte  nimmt  die  Legitimationen  der  Delegierten  ent¬ 
gegen,  stellt  die  Präsenzliste  fest,  ernennt  Dr.  S  c  h  u  h  zum  Schrift¬ 
führer  ad  hoc  und  leitet  die  Wahl. 

Gewählt  wurden:  I.  Vorsitzender:  Dr.  Mayer  II  Vor- 

füb-Tr^Dr  JsrtaBrkCkh’  *'  Schriftführer :  Dr.  Schuh,  II.  Schrift- 

Die  Gewählten  nehmen  die  Wahl  an.  Das  Bureau  wird  von  Sr 
Exzellenz  dem  Herrn  Regierungspräsidenten  in  Audienz  empfangen. 

bekannt-  ^  6  f  ubermmmt  den  Vorsitz  und  gibt  die  Tagesordnung 

b  Jähresbericht  des  ständigen  Ausschusses. 

2.  Kassenbericht  pro  1906/07. 

3.  Einlauf. 

asSSSSSS-r 

gleichmässige  Honorierung  der  Att^to  f i sowie  uber 
nähme  des  Heilverfahrens  zu  einigen  Inval,dltat  und  für  Ueber- 

ssllliiiisssis 

Interesse  wünschenswert^erscheint  d  ’  lm  offenthchen 

:  K-  Staa‘^egier„ng 

polizeilichen  Vorschriften  vom  ?0  XI  den  ober_ 

wägung  ziehen.  ’  Xb  1885  festgestezt  sind,  in  Er- 

8.  a)  Antrag  des  Herrn  Hofraf  Pr  p>  a  „  i  i 
visorischen  Verwaltung  des  B  e  i  li  ,1  f  /  f  ^  E  h  namens  'der  l>r"- 

aus  We,c,le  z“  dies"’ 

gerufenen  Stiftung  noch  k  ,,™ 5  HK“n,sre'cl,1«  Bayern  ins  Leben 
von  Vereinswegen  oder  durch  7p’  /rag  ge^e,1?tet»  einen  solchen 
empfehlen.  UrCh  Zeichnunsen  einzelner  Mitglieder 

ständigen*  Ausschüsse  vtotrb^r^S'SA"  «. 

im  Vereine  mit  dem  geschäftsfüh/pnH^11  a  Mlttelfranken  ersuchen, 
Vereins  Bestimmungen  über  dip  Füh  CU  Ausschuss  des  Pensions- 
tung  .auszuarbeiten  Fuhrung  und  Verteilung  der  Stif- 

ersuch 

lu'lÄ8““;" för 

der  Aerztekammern 'i^de^^ahresberich^en  ^e^B^zirksverehi^die 


2571 


17  Dezember  1907.  _ _ Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


Zahl  der  im  laufenden  Jahre  erfolgten  Zugänge  zum  Pensions-  und 
Sterbekassaverein  namhaft  gemacht  werden,  um  auf  diese  Weise  die 
Agitation  für  den  Eintritt  in  diese  Vereine  wirksamer  zu  gestalten. 

9.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg:  Die  Kammer  wolle  die 
Bezirksvereine  und  die  anderen  Kammern  auffordern,  die  Reform¬ 
vorschläge  zum  bayerischen  Medizinalwesen,  wie  sie  in  der  Beilage 
zu  No.  -41  der  Münch,  med.  Wochenschr.  veröffentlicht  sind,  zu  beraten 
und  eventuell  hiezu  Stellung  zu  nehmen. 

10.  Neuausgabe  des  Deutschen  Arzneibuches. 

11.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg:  K.  Regierung  wolle 
dafür  sorgen,  dass  auch  an  der  Universität  Erlangen  ein  Lehrstuhl 
und  ein  Institut  für  gerichtliche  Medizin  eingerichtet  werde. 

12.  Berichte  der  Bezirksvereine. 

13.  Wahlen. 

I.  Jahresbericht  des  ständigen  Ausschusses. 

Vorsitzender:  Sehr  verehrte  Herren  Kollegen!  Wir  haben 
vom  abgelaufenen  Geschäftsjahr  zuerst  zu  berichten  über  die  Aus¬ 
führung  der  uns  gewordenen  Aufträge  aus  der  letzten  Sitzung. 

Die  Einholung  der  Aenderungsvorschläge  zum  neuen  Arzneibuch 
hat  sich  verzögert;  noch  aber  ist  es  Zeit  dazu  und  das  Resultat 
der  Erhebungen  wird  heute  mitgeteilt  werden. 

Die  Verhandlungen  mit  der  land-  und  forstwirtschaftlichen  Be¬ 
rufsgenossenschaft  haben  trotz  der  erregten  Debatten  in  unserer 
letzten  Sitzung  zu  einem  neuen  Vertrag  geführt,  der  wie  ich  glaube, 
im  grossen  und  ganzen  auch  die  Kollegen  befriedigt  hat  und  gut 
funktioniert. 

Hoffentlich  werden  wir  eine  Zeitlang  dieses  Thema  nicht  mehr 
zu  berühren  brauchen. 

Die  Fortbildungskurse  wunden  auch  diesmal  wieder  inszeniert; 
im  Winter  fanden  dank  des  Entgegenkommens  Nürnberger  Kollegen 
und  des  Herrn  Prof.  Specht  Vorträge  in  Nürnberg  statt.  Ende  Juli 
veranstaltete  die  Fakultät  Erlangen  wieder  einen  vortrefflichen 
8  tägigen  Kurs;  Dank  sei  ihr  auch  hier  noch  einmal  dafür  aus¬ 
gesprochen.  Wir  wissen  nicht,  was  wir  tun  sollen,  um  den  Besuch 
dieser  lehrreichen  Kurse  zu  mehren.  Wir  haben  sämtliche  Aerzte  von 
Oberpfalz,  Ober-  und  Mittelfranken  einzeln  eingeladen  und  doch 
nahmen  nur  33  teil. 

Freudig  begrüssen  wir  aus  dem  Ministerialbescheid,  dass  eine 
Revision  der  ärztlichen  Staatsprüfung  konform  unseren  Anträgen  be¬ 
vorsteht.  Ein  Nachtrag  zum  Ministerialbescheid  betr.  eines  Einflusses 
der  ärztlichen  Organisation  auf  die  Anstellung  von  Aerzten  im  öffent¬ 
lichen  Dienst  gibt  vielleicht  Gelegenheit  zur  Besprechung. 

Der  erweiterte  Obermedizinalausschuss  tagte  im  Dezember  1906 
und  nahm  ein  höchst  instruktives  Referat  von  Herrn  Hofrat  Professor 
G  r  u  b  e  r  über  Desinfektion  entgegen. 

Die  Kommission  im  Sinne  des  §  12  der  K.  A.  V.  vom  9.  Juli  1895 
tagte  einmal. 

Am  14.  August  ehrte  mich  selbst  die  Kammer  durch  ein 
schmeichelhaftes  Gratulationsschreiben  zu  meinem  60.  Geburtstag. 
Mein  Dank  hierfür  sei  an  dieser  Stelle  wiederholt. 

Die  Zusammensetzung  der  Kammer  ist  wenig  verändert.  Nürn¬ 
berg  schickt  einen  Vertreter  mehr,  also  5;  wir  heissen  Herrn  Dr. 
Flat  au  und  ebenso  Herrn  Dr.  D  r  e  i  s  c  h  -  Ansbach,  der  an  Stelle 
von  Herrn  Dr.  Bau  mann  eintritt,  herzlich  willkommen. 

Unsere  Tagesordnung  steht  wieder  zum  grossen  Teil  unter  dem 
wirtschaftlichen  Zeichen.  Es  ist  wohl  angezeigt,  nachdem  uns  als 
1.  Punkt  unserer  heutigen  Arbeit  wiederum  eine  wirtschaftliche  Or¬ 
ganisationsfrage  beschäftigt,  noch  dazu  eine,  die  unberechtigterweise 
viel  Anfechtung  erlitten  hat,  den  Standpunkt,  den  der  geschäftsführende 
Ausschuss  zu  unserer  grossen  deutschen  wirtschaftlichen  Bewegung 
einnimmt,  kurz  darzulegen;  wir  glauben  uns  dabei  einig  mit  unserer 
Kammer  und  mit  einem  grossen  Teil  der  bayerischen  Aerzte.  Fest 
und  ganz  stehen  wir  auf  dem  Boden  der  wirtschaftlichen  Organisation 
des  Deutschen  Aerztevereinsbundes,  zu  deren  Erstarkung  wir  uns 
rühmen  dürfen,  auch  etwas  beigetragen  zu  haben.  Eine  Schwächung 
der  wirtschaftlichen  Abteilung  des  Aerztebundes  würde  besonders 
jetzt,  wo  so  vieles  noch  einer  endlichen  Regelung  harrt  und  un¬ 
vollendet  ist,  schlimm  sein  für  die  deutsche  Aerzteschaft.  Vieles  Er¬ 
rungene  könnte  wieder  verloren  gehen  und  manches,  das  wir  aus 
uns  selbst  oder  vom  Staate  erstreben,  von  vornherein  unerreichbar 
werden.  Das  Mass,  das  wir  bei  unseren  weiteren  Forderungen 
innerhalb  unserer  Organisation  anlegen,  ist  durch  die  Tatsache. äb- 
zugrenzen,  dass  unsere  wirtschaftliche  Organisation  eine  „freiwillige“ 
ist.  Wir  können  die  Kollegen,  welche  den  einzelnen  an  sie  heran¬ 
tretenden  Forderungen  widerstreben,  zu  überzeugen  suchen,  mit  allen 
Mitteln,  Zwang  wird  wohl  niemals  auszuüben  erlaubt  oder  auch  nur 
möglich  sein.  Ein  solcher  würde  nur  eine  Scheidung  der  Kollegen 
in  zwei  Heerlager  zur  Folge  haben,  das  Schlimmste,  was  augenblick¬ 
lich  uns  passieren  könnte.  Wir  in  Bayern  haben  ausgeprägter  fast  als 
andere,  die  Extreme  in  unseren  Reiben.  Kollegen,  die  mit  allen  Mitteln, 
auch  denen  des  Zwangs,  weitere  Erfolge  erzielen  möchten,  und  solche 
wieder,  die,  vielleicht  gereizt  durch  den  versuchten  Zwang,  mehr 
und  mehr  sich  abseits  stellen  möchten  von  der  grossen  deutschen 
ärztlichen  Bewegung.  Die  bayerischen  Kammern  nehmen  hier  von 
jeher  und  so  auch  heute  noch  einen  vermittelnden  Standpunkt  ein  und 
halten  ein  Zusammenstehen  aller  Kollegen  für  das  Unentbehrliche, 
auch  wenn  dadurch  die  Lösung  mancher  Frage  in  die  Länge  ge¬ 
zogen  würde. 


Gleicherweise  werden  sie  sich  gegen  die  Versuche  einer  unbe¬ 
rechtigten  Majorisierung  von  links  oder  von  rechts  wenden.  Mit  Ge¬ 
walt  ist  ein  Fortschreiten  in  unserer  inneren  wirtschaftlichen  Ent¬ 
wicklung  nicht  zu  erzielen,  aber  ebenso  wenig  kann  Gewalt  eine 
solche  aufhalten. 

Haben  wir  uns  im  Vorjahr  strikte  auf  die  Seite  der  Münchener 
Bahnärzte  gestellt,  deren  Majorisierung  versucht  wurde,  so  billigen 
wir  noch  weniger,  wenn  jetzt  die  Bahnärzte  ihrerseits  ihre  eigenen 
Minoritäten  binden  wollen.  Beide  Richtungen  schiessen  übers  Ziel 
hinaus.  Wir  haben  nicht  ohne  Grund  Hoffnung,  auch  in  der  Bahnarzt¬ 
frage  demnächst  ein  Abkommen  auf  einer  mittleren  Basis  zu  erzielen. 

Unsere  heutigen  Vorschläge  bezwecken  nichts,  als  bei  wirt¬ 
schaftlichen  Differenzen  jedem  einzelnen  die  Möglichkeit  zu  geben, 
seinen  Standpunkt  zu  verfechten  und  sich  durch  Anrufen  unparteiischer 
Instanzen  zu  schützen,  wo  er  Schutz  für  nötig  erachtet. 

11.  Kassenbericht  pro  1906/07. 

1.  Einnahmen. 

Saldo  pro  1906/07  140.89  M. 

Kammerbeiträge . .  210. —  „ 

350.89  M. 

2.  Ausgaben. 

Kammersitzung . 14.60  M. 

Porti,  Papier,  Telephon . 8.53  „ 

Kopialien .  56.95  „ 

Drucksachen .  105.68  „ 

Delegation  zum  Obermedizinalausschuss .  37.70  „ 

Präsidialbeitrag . 5.—  ., 

Konferenzen . 15.05  „ 

Ehrengericht .  1-10  •• 

244.61  M. 

A  b  g  1  e  i  c  h  u  n  g. 

Einnahmen .  350.89  M. 

Ausgaben . 244.61  „ 

106.28  M. 

Es  wird  nach  dem  Bericht  der  Revisoren  Dr.  Hagen  und 
Dr.  Bischoff  dem  Kassier  Entlastung  erteilt  und  der  Jahresbeitrag 
auf  1  M.  festgesetzt. 

III.  Einlauf. 

1.  Bitte  der  ständigen  Kommission  zur  Vertretung  der  Inter¬ 
essen  der  Dentisten  Bayerns,  die  Forderung:  „in  von  den  notorischen 
Kurpfuschern  getrennten  Listen  geführt  zu  werden“,  in  wohlwollendem 
Sinne  begutachten  zu  wollen. 

Dr.  Merkel:  Derartige  Gesuche  gehören  nicht  in  das  Ressort 
der  Aerztekammer  und  sind  früher  immer  abgelehnt  worden;  ich  be¬ 
antrage  daher,  dasselbe  auch  heute  abzulehnen.  Geschieht. 

2.  Beschwerdeschrift  der  Herren  DDr.  Bauer  und  G  ötz  gegen 
einen  Entscheid  des  Ehrengerichts  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Fürth 
geht  an  die  betr.  Kommission. 

3.  Ministerialentscheid  vom  13.  VII.  07,  betr.  die  Verhandlungen 
der  Aerztekammern  1906  kommt  zur  Verlesung. 

a)  Die  Mehrzahl  der  Aerztekammern  hat  den  schon  im  Jahre  1903 
gestellten  und  neuerdings  vom  Aerztlichen  Bezirksverein  Nürnberg 
wiederholten  Antrag,  der  Errichtung  geschlossener  Trinkerasyle 
näherzutreten,  unterstützt.  Derselbe  wird  zunächst  einer  eingehenden 
Beratung  im  verstärkten  Obermedizinalausschuss  unterstellt  werden. 

b)  Bezüglich  des  Antrages,  im  Bundesrate  dahin  zu  wirken,  dass 
bei  den  Vorbereitungen  zur  Novelle  des  Krankenversicherungsgesetzes 
sachverständige  Aerzte  als  Vertreter  der  deutschen  Aerzteschaft  zu¬ 
gezogen  werden,  wird  auf  Ziffer  5  der  Verbeseheidung  der  Verhand¬ 
lungen  der  Aerztekammern  im  Jahre  1904  verwiesen. 

c)  Die  von  allen  Aerztekammern  beantragte  Revision  der  K.  Ver¬ 
ordnung  vom  6.  Februar  1876,  die  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staats¬ 
dienst  betr.,  ist  in  Instruktion  gezogen. 

d)  Bezüglich  des  Antrages  der  mittelfränkischen  Aerztekammer, 
die  Revision  des  Gesetzes  über  die  öffentliche  Armen-  und  Kranken¬ 
pflege  betr.,  wird  auf  Ziffer  8  der  Verbeseheidung  der  Verhandlungen 
der  Aerztekammern  im  Jahre  1904  verwiesen. 

Ferner  dient  zur  Kenntnis  ein  nachträglicher  Ministerialbescheid, 
welcher  lautet:  Nach  Entschliessung  des  K.  Staatsministeriums  vom 
23.  VII.  kann  dem  Anträge  der  unterfränkischen  Aerztekammer,  die 
Anstellung  eines  Arztes  im  öffentlichen  Dienstverhältnisse,  sowie  die 
Verleihung  von  Auszeichnungen  von  der  Zugehörigkeit  zu  einem  ärzt¬ 
lichen  Bezirksverein  abhängig  zu  machen,  eine  Folge  nicht  gegeben 
werden,  da  sie  eine  Beschränkung  staatlicher  Hoheitsrechte  zur  Folge 
haben  würde  und  der  Staatsregierung,  soweit  es  sich  um  Anstellung 
von  Aerzten  in  einem  öffentlichen,  nicht  staatlichen  Dienstverhältnisse, 
wie  an  gemeindlichen  und  distriktiven  Krankenanstalten  handelte,  nur 
ein  sehr  beschränktes  Einwirkungsrecht  zusteht. 

Dagegen  bleibt  es  den  ärztlichen  Standesvertretungen  unbenom¬ 
men,  Aerzte,  die  im  Gegensätze  zu  den  Bezirksvereinen  stehen,  dem 
Staatsministerium,  sowie  den  mit  der  Anstellung  von  Aerzten  im 
öffentlichen  nicht  staatlichen  Dienstverhältnisse  befassten  Behörden 
unter  Darlegung  des  Sachverhaltes  zu  benennen. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschritt. 


No.  5! 


Was  die  an  die  Militärverwaltung  gerichtete  Bitte  anlangt,  da¬ 
rauf  zu  sehen,  dass  Zivilärzte  mit  Bezügen  des  Militärfonds  der  ärzt¬ 
lichen  Standes-Ehrengerichtsbarkeit  unterliegen,  so  hat  das  K.  Kriegs¬ 
ministerium  verfügt,  dass  die  Prüfung  der  persönlichen  Eigenschaften 
nicht  beamteter  oder  nicht  in  einem  Militärverhältnisse  stehender 
Aerzte  auf  die  Anfrage  beim  zuständigen  ärztlichen  Bezirksverein 
über  das  Ansehen,  das  der  Arzt  im  Kreise  seiner  Standesgenossen  ge- 
niesst,  auszudehnen  ist. 

Vorsitzender:  Zu  dem  nachträglichen  Ministerialbescheid 
auf  den  Antrag  Unterfranken  über  eine  Kompetenzerweiterung  der 
Bezirksvereine  betone  ich  die  erfreuliche  Erklärung  seitens  des  Kriegs¬ 
ministeriums,  die  doch  mehr  bedeutet  als  die  Erlaubnis  des  Staats¬ 
ministeriums,  anrüchige  Kollegen  von  vornherein  zu  registrieren. 

In  den  Einlauf  ist  noch  ein  Antrag  des  Bezirksvereins  Lands- 
b  e  r  g  gekommen,  der  eine  Bevorzugung  der  Bezirksvereinsmitglieder 
bei  staatlichen  und  gemeindlichen  Kassen  wünscht.  K  is-s in  ge  n  und 
mit  ihm  Herr  Dr.  B  e  c  k  h  -  Nürnberg  hatten  einen  weiteren  Antrag 
präpariert,  der  eine  Disziplinargewalt  der  Vereinsehrengerichte  auch 
über  abseitsstehende  Aerzte  anstrebt. 

Der  Antrag  wurde  als  nicht  opportun  von  den  Kammervor¬ 
sitzenden  nicht  aufgenommen. 

Es  geht  aber  aus  dieser  Folge  von  Anträgen  verwandter  Ten¬ 
denz  hervor,  dass  der  Wunsch  der  Aerzte,  zu  einer  Art  von  Standes- 
und  Ehrengerichtsordnung  zu  kommen,  noch  nicht  erloschen  ist.  Wie 
und  wo  wir  anregen  könnten  einen  Schritt  hier  vorwärts  zu  kommen, 
ist  angesichts  des  traurigen  Schicksals  der  seinerzeitigen  Vorlage  an 
den  Landtag  nicht  zu  sagen.  Ich  würde  es  aber  doch  für  richtig 
halten,  alle  diese  teils  abgelehnten,  teils  zurückgezogenen  oder  nicht 
aufgenommenen  Vorschläge  dem  Qeschäftsausschusse  zu  übergeben 
mit  dem  Aufträge,  die  Sache  im  Auge  zu  behalten  und  vielleicht  mit 
den  anderen  Kammern  darüber  gelegentlich  zu  beraten. 

Die  Kammer  stimmt  dem  zu. 

Dr.  Merkel  wünscht,  dass  künftig  die  Ministerialbescheide 
nicht  im  Auszuge,  sondern  in  toto  im  Protokolle  zum  Abdrucke 
kommen  möchten,  da  es  sonst  unmöglich  sei,  Verbescheidungen  aus 
früheren  Jahren  nachzulesen. 

Dr.  Mayer  regt  an,  nur  dem  Sammelprotokoll  einen  Abdruck 
des  gesamten  Ministerialbescheides  beizugeben.  Zustimmung. 


IV.  Entwurf  des  geschäftsfiihrenden  Ausschusses  betr.:  Ausbau  der 
wirtschaftlichen  Organisation. 

Dr.  B  e  c  k  h  übernimmt  den  Vorsitz. 

Referent  Dr.  Mayer  empfiehlt  in  kurzen  Worten  die  schon  1903 
beschlossene  „Beschwerdekommission“  heute  definitiv  zu  wählen, 
und  folgegemäss  in  die  Geschäftsordnung  den  Satz  aufzunehmen 
„Wahl  der  Beschwerdekommission“,  sowie  die  Staatsregierung  zu 
ersuchen,  diesen  Zusatz  gutzuheissen. 

Dr.  Schuh -Nürnberg  beantragt  zu  bestimmen,  dass  diese 
Kommission  aus  5  Mitgliedern  und  5  Ersatzmännern  bestehen  solle, 
welch  letztere  in  der  Reihenfolge  ihrer  Wahl  einzutreten  hätten.  Die 
Anträge  werden  einstimmig  genehmigt. 

Dr.  Mayer  betont  bei  der  Besprechung  der  „Grundzüge“,  dass 
er  den  Hauptwert  auf  die  prinzipielle  Zustimmung  zu  der  Organisation 
lege,  bei  den  Details  habe  er  selber  manches  strenger  haben  wollen, 
als  die  anderen  gemeinschaftlichen  Bearbeiter  der  Vorlage.  In  der 
Vorbesprechung  habe  man  es  den  einzelnen  Kammern  freigegeben 
Aenderungen  vorzunehmen. 

Dr.  Dörfler  hält  die  Kompetenz  der  Vertragskommission  zur 
1  rutung  von  Vertragen  für  zu  eingeschränkt.  Im  mittelfränkischen 
Revers  seien  diese  Bestimmungen  strenger  und  es  bedeute  die  jetzige 
Vorlage  darum  eine  Verschlechterung.  Er  beantragt  die  Fassung  des 
Reverses  zu  nehmen. 

Dr.  Sch  uh -Nürnberg  verlangt,  dass  hei  der  Beschwerde¬ 
kommission  Mitglieder  beteiligter  Vereine  auszuscheiden  haben; 
ernei  soll  die  Wahl  der  Kommission  nicht  auf  Kammermitglieder  be¬ 
schrankt  sein. 

Referent:  Auch  Aerzte  die  einem  Bezirksverein  nicht  an¬ 
geboren,  sollen  die  Beschwerdekommission  anrufen  können,  wenn  sie 
^wirtschaftlichen  Organisation  gehören  und  sich  den  Beschlüssen 

Dr.  D  ö  r  f  1  e  r  wünscht  bei  den  „Direktiven,  Ziffer  1  „Vertrags¬ 
abschlüsse  mit  Krankenkassen“  als  1.  Satz  die  Forderung  der  freien 
Arztwahl  auch  bei  den  Staatskassen. 

HpinEei  dC{!  Dirfk,t‘ven  „Nf\  2  ”Streit  mit  Krankenkassen“  werden 
Kleinere  mehr  redaktionelle  Aenderungen  beantragt. 

Alle  diese  Aenderungen  werden  einstimmig  genehmigt.  Dem¬ 
nach  ergibt  sich  folgende  Fassung  für  die 

Grundzüge 

der  wirtschaftlichen  Organisation  der  bayerischen  Bezirksvereine  und 
Aerztekammern  für  Mittelfranken. 

I.  Bezirksvereine. 

a)  Vertragskommission. 

destens  ^Mitgliedern1  ein.'2*  Vertra*sk»"™^°n  von  min- 

Die  Yerträgskommission  hat  alle  neuen  oder  zu  erneuernden 

Vertrage  oder  Abmachungen  aller  Art  der  Aerzte  mit  öffentlichen 


oder  privaten  Korporationen,  insbesondere  mit  Behörden,  Ge¬ 
meinden,  Versicherungsgesellschaften  und  Anstalten,  sowie  mit 
Kranken-,  Unfall-,  Invaliditäts-  und  sonstigen  Kassen,  sowie  auch 
mit  einzelnen  Kaufleuten  und  Gewerbetreibenden,  soweit  sich  die 
ärztliche  Tätigkeit  nicht  auf  diese  und  ihre  Hausgenossen,  sondern 
auf  ihre  Angestellten  (Handlungs-  und  Gewerbegehilfen,  Arbeiter 
etc.)  erstrecken  soll,  abzuschliessen. 

Ausnahmsweise  soll  jedoch  der  Abschluss  oder  die  Abänderung 
derartiger  Verträge  unmittelbar  zwischen  dem  Arzte  und  den 
oben  bezeichneten  Korporationen  und  Personen  zulässig  sein,  wenn 
die  Vertragskommission  einstimmig  dies  für  zweckmässig  hält 
und  den  Inhalt  des  abzuschl.iessenden  oder  die  Abänderung  des 
bestehenden  Vertrags  einstimmig  genehmigt. 

Die  Kommission  hat  die  Ausbreitung  der  ärztlichen  Organi¬ 
sation,  den  Beitritt  zum  Leipziger  Verband,  die  Ausstellung  der 
Reverse,  die  Gründung  von  Lokalvereinen  zu  betreiben.  Bei 
Differenzen  mit  Krankenkassen  etc.,  die  den  bestehenden  Vertrag 
nicht  wesentlich  alterieren,  bei  wirtschaftlichen  Uneinigkeiten 
zwischen  Aerzten  selbst,  kann  sie  selbständig  Beschluss  fassen 
nach  Massgabe  der  ihr  vom  Verein  erteilten  Geschäftsaufträge; 
bei  drohenden  schwereren  Streitigkeiten  bereitet  sie  die  Anträge 
an  den  Bezirksverein  vor.  Gegen  ihre  Beschlüsse  kann  an  das 
Bezirksvereinsplenum  Berufung  ergriffen  werden. 

b)  Plenarversammlung  des  Bezirksvereins  entscheidet  über  Anträge 

aus  seiner  Mitte,  über  Anträge  der  Vertragskommission  und  über 
Proteste  gegen  solche. 

Gegen  Beschlüsse  des  Bezirksvereins  ist  Berufung  an  die  Be- 
schwerdekommission  der  Kammer  innerhalb  3  mal  24  Stunden 
möglich. 

II.  Aerztekammer. 

c)  Beschwerdekommission  besteht  aus  5  Mitgliedern  und  5  Ersatz¬ 

männern,  die  jährlich  von  der  Kammer  gewählt  werden.  Die 
Wahl  ist  nicht  auf  die  Kammermitglieder  beschränkt.  Mitglieder 
beteiligter  Vereine  werden  durch  Ersatzmänner  ersetzt.  Welch 
letztere  der  Reihe  ihrer  Wahl  nach  einzutreten  haben. 

Ihr  steht  die  Schlussentscheidung  in  allen  wirtschaftlichen 
Fragen  zu  auf  Anrufen  von  irgend  einer  beteiligten  Seite. 

Auch  Aerzte,  die  einem  Bezirksverein  nicht  angehören,  können 
die  Beschwerdekommission  anrufen,  wenn  sie  der  wirtschaftlichen 
Oi  ganisation  angeschlossen  sind  und  den  Kommissionsbeschlüssen 
sich  fügen. 

d)  Wirtschaftliche  Kommission  besteht  aus  3  Mitgliedern,  denen  ob¬ 

liegt,  die  Organisation  im  Kreise  zu  fördern  und  mit  den  Kom¬ 
missionen  der  anderen  Kreise  Fühlung  zu  halten. 


Direktiven. 

I.  Für  Vertragsabschlüsse  mit  Krankenkassen. 

Wenn  möglich,  ist  die  ärztliche  Forderung  auf  freie  Arztwahl 
bei  allen,  auch  den  Staatskassen,  zu  erfüllen. 

Schriftlicher  Vertrag,  gleiche  Kündigung  für  beide  Teile. 
Keine  langfristigen  Verträge,  wenn  die  ärztlichen  Forderungen 
nicht  erfüllt  sind. 

Keine  Karenzzeit. 

Ausschluss  von  Laienbehandlung. 

Kein  Vertrag  mit  Mittelstandskassen.  Verträge  mit  Nicht¬ 
versicherungspflichtigen  nur  bis  zu  einem  Gesamteinkommen 
von  2000  Mk.,  oder  Zusatzhonorare  für  besser  Situierte. 

H  £n-°n,r  a  ?ahAu.n?  der  Einzelleistung  zu  vereinbarten  Sätzen. 
Bei  I  auschale  Minimum  4  Mk.  ,im  Jahr  pro  Mitglied,  12  Mk.  pro 
ramilie,  exklusive  der  Extraleistungen  und  Zeitverluste. 

In  allen  Fällen,  in  denen  der  Krankenkasse  für  ihre  Ausgaben 
ein  Regress  zusteht,  ist  Minimaltaxe  ohne  Abzug  zu  verlangen. 
Eigenes  Meldeformular  für  solche  Fälle  erwünscht.  (Ueber- 
Weisungen,  Unfälle,  Zahlung  durch  Private,  Haftpflichtfälle.) 
ninigungskommissionen  bei  Verträgen  mit  grösseren 
Kassen  behufs  gemeinschaftlicher  Beratung  und  Beilegung  von 
Di f f e r e n;z e n.  Gleichmässige  Beschickung,  wechselnder  Vorsitz. 
Bei  Uneinigkeit  kann  unter  Zustimmung  beider  Teile  ein 
Schiedsgericht  eingesetzt  werden,  gleichmässig  beschickt,  mit 
unparteiischem  Vorsitzenden. 

K  o  n  troll  kommissione  n,  von  den  Aerzten  eingesetzt  zur 
eigenen  Ueberwachung  betr.  billiger  Arzneiverordnung,  Zahl 
der  Besuche,  rechtzeitiger  Wiederaufnahme  der  Arbeit  etc.  Die 
Kommission  kann  Strafen  verhängen  (Verweis,  Geldstrafe, 
zeitweiliger  oder  dauernder  Ausschluss  von  der  Kassenpraxis), 
Berufung  an  den  Bezirksverein. 

Eigene  K  o  n  t  r  o  1 1  ä  r  z  t  e  können  den  Kassen  nicht  ver- 
amszuwählen^611,  S' nd  akier  nur  lin*er  Zustimmung  der  Aerzte 

2.  Bei  wirklichem  Streit  mit  Krankenkassen.  Oberstes  Prinzip  ist  die 
Aufrechterhaltung  des  kollegialen  Einvernehmens. 

Einigkeit  der  beteiligten  Aerzte  (95  Proz  bet  kleineren  Pl;it7en 
womosüd,  Einmütigkeit).  Bestehen  im  Arbe.tieWet  efner  k£" 
rere  Veremsorgamsationen,  so  müssen  diese  unter  sich  einig 
•  n,  (  jemeinschaftlicbe  Kommission)  Zustimmung  von  Aerzten, 
die  Opfer  bringen  sollen,  ist  in  erster  Linie  nötig.  Wie  weit 
Minoritäten  zu  berücksichtigen  sind,  entscheiden  die  Instanzen. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


17.  Dezember  1907. 


2573 


Die  Beschwerdekommission  der  Kammer  hat  speziell  zu  prüfen, 
wie  weit  bei  einem  Streitfall  das  ganze  Land  interessiert  ist  und 
darnach  auch  andere  Kammern  rechtzeitig  zu  benachrichtigen. 
Bei  Honorarforderungen  ist  der  friedliche  Weg  erst  zu  verlassen, 
wenn  auch  die  Aufsichtsbehörde  vorher  angegangen  wurde. 

Die  Entschädigung  von  Aerzten,  die  bei  Einführung  der  freien 
Arztwahl  Einbusse  erleiden,  ist  noch  nicht  in  feste  Normen  ge¬ 
bracht.  Bei  den  seitherigen  Versuchen  ist  das  persönliche  Ehr¬ 
gefühl  und  die  Pflicht  des  Einzelnen  seiner  Familie  gegenüber 
nicht  immer  genügend  berücksichtigt.  Die  Höhe  solcher  Ent¬ 
schädigungen  ist  von  der  zuständigen  Veitragskommission  fest- 


Drohen  ernstliche  Kämpfe,  so  ist  der  Leipziger  Verband  sofort 
zu  benachrichtigen  und  stets  auf  dem  Laufenden  zu  halaten.  Wird 
sein  Eingreifen  gewünscht,  so  muss  er  dies  vor  dem  Abbruch  der 
Verhandlungen  erfahren,  damit  er  seinerseits  prüfen  kann,  ob  die 
Bedingungen  seiner  Hilfeleistung  erfüllt  sind. 

Bei  Verweigerung  der  Krankenhilfe  sind  Nothilfen  nie  abzu¬ 
lehnen  und  der  Begriff  solcher  nicht  zu  eng  zu  halten. 

Dr.  Mayer  übernimmt  den  Vorsitz  wieder. 

V. 


Referent  Dr.  Dörfler:  Von  dem  ständigen  Ausschüsse  der 
baver.  Aerztekammer  ist  in  dessen  Sitzung  vom  25.  IX.  07  zur  Vor¬ 
lage  in  allen  Kammern  folgender  Antrag  des  ständigen  Ausschusses 

für  Mittelfranken  einstimmig  angenommen  worden:  . 

Die  Kammern  mögen  gemeinschaftlich  bei 
allen  b  a  y  e  r.  Versicherungsanstalten  anregen, 
sich  über  ein  g  1  e  i  c  h  m  ä  s  s  i  g  e  s  Formular  für 
Atteste  sowie  über  gleich mässige  Honorierung 
der  Atteste  für  Invalidität  und  für  Uebernahme 
des  Heilverfahrens  zu  einigen.  Als  Grundlagen 
für  die  Verhandlungen  soll  ein  Angebot  der  ober¬ 
bayerischen  Versicherungsanstalt  dienen,  das 
5  resp.  2  Mark  für  diese  Atteste  vor  sieh  t.“ 

Dieser  Antrag  bedeutet  die  einmütige  Zustimmung  aller  Kammer¬ 
vorsitzenden  zu  dem  von  unserer  mittelfränkischen  Aerztekammer  im 
vorigen  Jahre  angenommenen  Antrag: 

„Die  mittelfränkische  Aerztekammer  beauftragt  ihren  ge¬ 
schäftsführenden  Ausschuss  im  Benehmen  mit  den  übrigen 
Kammervorsitzenden  einer  einheitlichen  Regelung  des  Veihnlt- 
nisses  der  bayer.  Aerzte  zu  den  Versicherungsanstalten  näher 

zu  treten.“  ,  ,  , 

Um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  kann  ich  unter  Hinweis  aut 
unsere  vorjährige  Begründung  mich  in  diesem  Jahie  daiauf  be¬ 
schränken,  Ihnen  die  einstimmige  Annahme  des  1.  Satzes  des  obigen 
Antrages  zu  empfehlen.  Bezüglich  des  2.  Satzes  des  Antiages  betr. 
die  Honorarhöhe  möchte  ich  Sie  bitten,  diesen  Satz  zu  streichen  und 


dafür  zu  setzen: 

„Die  Höhe  der  Honorare  bestimmt  sich  aus  dem  Wortlaut 
der  zu  vereinbarenden  gemeinschaftlichen  Foimulare  der  in 
Frage  kommenden  Atteste.“ 

Es  ist  klar,  dass  es  unzweckmässig  ist,  sich  auf  einen  Honorar¬ 
satz  festzulegen,  bevor  der  Inhalt  der  Atteste  festgesetzt  ist,  es 
leuchtet  auch  weiter  ein.  dass  jede  vorläufige  Honorarfestsetzung  in 
einem  andern  Kammerbezirk  Gefahr  läuft,  bei  der  gemeinsamen 
Neuregelung  der  Angelegenheit  sogleich  wieder  umgestossen  weiden 
zu  müssen.  In  Rekapitulierung  der  vorjährigen  Begründung  unseres 
Antrages  darf  vielleicht  zweckmässig  heute  nochmals  daiauf  auf¬ 
merksam  gemacht  werden,  dass  beispielsweise  das  mittelfränkische 
Formular  aus  26  Fragen  sich  zusammensetzt  und  alle  Kriterien  eines 
wissenschaftlich  begründeten  Gutachtens  an  sich  tiägt,  fernei,  dass 
die  Vermögenslage  mancher  Versicherungsanstalten  geradezu  glän¬ 
zend  zu  nennen  ist. 


Antrag  wird  ohne  Erinnerung  angenommen. 


VI.  Antrag  des  ärztlichen  Bezirksvereins  Freising-Moosburg. 

Ref.  Stark:  Die  Bezirksvereine  Freising-Moosburg  und  Mem¬ 
mingen  stellen  folgenden  Antrag: 

„Kgl.  Staats regierung  wolle  anordnen,  dass 
mikroskopische  u  n  .d  bakteriologische  U  n  t  e  i  - 
suchungen  bei  den  einschlägigen  staatlichen 
Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden, 
wo  es  im  öffentlichen  Interesse  wünschens¬ 
wert  erschein  t.“ 

Zu  diesem  Anträge  möchte  ich  folgendes  ausführen: 

Eine  Entschliessung  des  K.  Staatsministeriums  des  Innern  vom 
9.  November  1904  zum  Vollzüge  des  Reichsseuchengesetzes  vom 
30.  Juni  1900  besagt  unter  Ziffer  III,  5:  „Die  bakteriologische  Unter¬ 
suchung  und  Feststellung  von  Verdachts-  und  Krankheitsfällen  erfolgt 
durch  die  hygienischen  Institute  der  drei  Landesuniversitäten. 
Näheres  hierüber  enthält  die  Ministerialbekanntmachung  vom  19.  No¬ 
vember  1902  mit  Wirksamkeit  vom  1.  Januar  1903,  in  welcher  unter 
Ziffer  6  ausgesprochen  ist:  Für  die  seitens  der  hygienischen  Institute 
vorgenommenen  bakteriologischen  Untersuchungen  werden  Gebühren 
nach  Massgabe  des  als  Anlage  II  folgenden  Gebührentarifs  erhoben. 
Die  Gebühren  fliessen  in  die  Institutskassen  und  werden  je  am  Jahres¬ 
schlüsse  zu  Vergütungen  für  das  Institutspersonal  und  zur  Deckung  des 


für  die  Untersuchungen  erwachsenen  sachlichen  Aufwandes  ver¬ 
wendet. 

Nun  heisst  es  in  der  eingangs  zitierten  Entschliessung  des  K. 
Staatsministeriums  vom  9.  November  1904  unter  Ziffer  III,  12  weiter: 
Soweit  die  Kosten  der  Seuchenbekämpfung  —  und  hiezu  werden  diese 
mikroskopischen  und  bakteriologischen  Untersuchungen  doch  wohl  zu 
rechnen  sein  —  aus  öffentlichen  Mitteln  zu  bestreiten  sind  und  nicht 
armenpflegliche  oder  versicherungsrechtliche  Obliegenheiten  in  Frage 
kommen,  werden  kostenpflichtig  sein: 

a)  Die  Distrikts  gemeinde  im  Falle  des  §  23  des  Seuchen¬ 
gesetzes  vom  30.  Juni  1900,  wonach  die  zuständige  Landesbehörde 
■die  Gemeinde  und  im  Falle  ihrer  Leistungsunfähigkeit 
die  weiteren  Kommunalverbände  dazu  anhalten  kann, 
diejenigen  Einrichtungen,  welche  zur  Bekämpfung  der  gemeingefähr¬ 
lichen  Krankheiten  notwendig  sind,  zu  treffen  unter  Hinweis  auf  §  37 
Abs.  2  desselben  Gesetzes,  wonach  die  Zuständigkeit  der  Behörden 
und  die  Aufbringung  der  entstehenden  Kosten  sich  nach  Landesrecht 
regelt. 

Im  Schlussatze  der  Begründung  ,zu  §  23  des  Seuchengesetzes 
heisst  es  noch:  Insoweit  nach  Landesrecht  die  Gemeinden  als  ver¬ 
pflichtet  zur  Tragung  der  Kosten  anzusehen  sind,  einzelne  Gemeinden 
aber  ausserstande  sein  sollten,  die  erforderlichen  Mittel  aufzubringen, 
bietet  der  Entwurf  eine  Handhabe,  um  die  weiteren  Kommunal¬ 
verbände  zur  Deckung  der  Kosten  heranzuziehen. 

Es  werden  ferner  kostenpflichtig  sein 

b)  die  Gemeinden  nach  §  35  des  Seuchengesetzes,  welcher 
lautet:  „Die  Gemeinden  sind  verpflichtet,  für  die  Beseitigung  der  Vor¬ 
gefundenen  gesundheitsschädlichen  Missstände  Sorge  zu  tragen“  und 
nach  §  2  der  K.  Allerh.  Verordnung  vom  8.  November  1904  Abs.  3: 
„Den  Ortspolizeibehörden  steht  der  Vollzug  der  Anordnung  zu;  bei 
Gefahr  auf  Verzug  ordnen  sie  das  Erforderliche  vorläufig  selbst  an.“ 

Es  wird  dann  auch  kostenpflichtig  sein 

c)  der  Staat  in  allen  anderen  Fällen. 

Zweifels-  und  Streitfälle  sind  beschlussfähig  auszutragen;  sollten 
besondere  Verhältnisse  auch  in  den  Fällen  a)  oder  b)  die  Uebernahme 
von  Kosten  auf  den  Staat  nahelegen,  so  ist  hierüber  an  das  Staats¬ 
ministerium  des  Innern  zu  berichten. 

Der  §  5  der  eben  zitierten  Allerh.  Verordnung  vom  8.  November 
1904  spricht  dann  noch  aus,  dass  zu  verstehen  sind  unter  Gemeinden: 
die  Gemeinden,  unter  weitere  Kommunalverbände:  die  Distriktsge¬ 
meinden,  unter  (kommunale  Körperschaften:  die  Gemeinden  und  Ort¬ 
schaften,  die  Distrikts-  und  Kreisgemeinden. 

Nun  ist  meines  Wissens  vor  nicht  allzulanger  Zeit  seitens  der 
Regierungen  oder  des  Ministeriums  an  die  K.  Bezirksärzte  eine  Art 
Vermahnung  ergangen,  mit  Untersuchungen  von  Wasserproben  bei 
Typhusverdacht  recht  sparsam  vorzugehen,  da  die  Untersuchungen 
häufig  resultatlos  verlaufen  und.  unnötige,  aber  recht  hohe  Kosten  ver¬ 
ursachen.  Da  ferner  in  einer  Entschliessung  des  K-  Staatsministeriums 
des  Innern  vom  25.  Mai  1907  speziell  betont  wird,  dass  die  Bereit¬ 
stellung  ausgebildeter  Desinfektoren  zu  den  Aufgaben  der  Gemeinden 
auf  dem  Gebiete  der  örtlichen  Gesundheitspolizei  gehöre  und  daher 
zunächst  die  Gemeinden  für  die  entstehenden  Kosten  aufzukommen 
haben,  und  da  ferner  nach  derselben  Ministerialentschliessung  auch 
bezüglich  der  Kosten  der  im  öffentlichen  Interesse  vorgenommenen 
Desinfektionen  im  allgemeinen  daran  festzuhalten  sei,  dass  diese 
Kosten  als  Kosten  der  örtlichen  Gesündheitspolizei  von  den  Ge¬ 
meinden,  die  solche  Desinfektionen  von  sich  aus  oder  im  Aufträge 
der  Vorgesetzten  Behörden  anzuordnen  haben,  aufzubringen  sind,  so 
scheint  mir  seitens  des  Staates  recht  wenig  Geneigtheit  zu  bestehen, 
die  Kosten  zu  übernehmen.  Und  das  wäre  doch  wohl  notwendig,  denn 
nur  so  könnten  die  Untersuchungen  für  Gemeinden  etc.  unentgeltlich 
vorgenommen  werden,  da  Kosten  eben  bei  allen  Untersuchungen  er¬ 
wachsen  und  die  Institute  auf  Entschädigung  angewiesen  sind. 

Wenn  nun  trotzdem  der  Bezirksverein  Freising-Moosburg  obigen 
Antrag  eingebracht  hat,  so  halte  ich  die  Annahme  des  Antrages  seitens 
der  K.  Staatsregierung  zwar  für  wenig  wahrscheinlich,  möchte  Ihnen 
aber  doch  die  Unterstützung  desselben  empfehlen  mit  der  ausdrück¬ 
lichen  Einschränkung,  dass  nicht  etwa  Untersuchungen  von  Sputum 
auf  Tuberkelbazillen  oder  dergl.,  sondern  nur  solche  Untersuchungen 
unentgeltlich,  d.  h.  mit  Uebernahme  der  Kosten  auf  den  Staat  vor¬ 
genommen  werden  sollen,  bei  denen  es  sich  um  Verdacht  auf  gemein¬ 
gefährliche  Krankheiten  handelt,  also  Fälle,  in  welchen  eine  möglichst 
rasche  und  sichere  Diagnose  im  öffentlichen  Interesse  gelegen  ist,  wie 
bei  Verdacht  auf  eine  der  in  §  1  des  Seuchengesetzes  genannten 
Krankheiten:  Aussatz,  Cholera,  Flecktyphus,  Gelbfieber,  Pest  und 
Pocken.  Ich  empfehle  Ihnen  zunächst  die  Unterstützung  aus  dem 
Grunde,  weil  die  Befürchtung  nicht  ungerechtfertigt  erscheinen  mag, 
dass  nicht  -  überall  und  nicht  immer  mit  der  wünschenswerten  Ge¬ 
schwindigkeit  solche  Untersuchungen  seitens  der  Gemeinden  bean¬ 
tragt  werden  möchten,  solange  sie  damit  rechnen  müssen,  dass  sie 
sich  vielleicht  ganz  unnötige  Kosten  damit  verursachen.  Dann  aber 
auch  aus  dem  Grunde,  weil  Preussen  bereits  eine  unentgeltliche  Unter¬ 
suchung  solcher  Präparate  hat.  Um  nämlich  die  bakteriologische 
Untersuchung  bei  übertragbaren  Krankheiten  nach  Möglichkeit  zu  er¬ 
leichtern.  hat  der  preussische  Herr  Medizinalminister  eine  grosse  An¬ 
zahl  staatlicher,  städtischer  und  privater  Untersuchungsanstalten,  im 
ganzen  44  Institute  (cf.  Kirchner:  Die  gesetzlichen  Grundlagen  der 
Seuchenbekämpfung  im  Deutschen  Reiche.  Jena  1907)  damit  beauf¬ 
tragt,  die  von  beamteten  und  praktischen  Aerzten  ihnen  eingesandten 


4574 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  51. 


Objekte  von  übertragbaren  Krankheiten  unentgeltlich  zu  untersuchen 
und  das  Ergebniss  der  Untersuchung  dem  Einsender  unverzüglich 
mitzuteilen. 

Der  Herr  Minister  der  Medizinalangelegenheiten  in  Preussen  ist 
aber  noch  um  einen  Schritt  weiter  gegangen  und  hat  auch  noch,  um 
den  Einsendern  von  Untersuchungsmaterial,  und  zwar  sowohl  be¬ 
amteten  als  praktischen  Aerzten,  die  Einsendung  möglichst  bequem 
zu  machen,  üefässe  zur  Entnahme  von  Diphtherie-,  Genickstarre-, 
Ruhr-,  Tuberkulose-  und  Typhusmaterial  in  der  erforderlichen  Anzahl 
zur  kostenlosen  Abgabe  an  die  Aerzte  in  sämtlichen  Apotheken  des 
preussischen  Staates  niederlegen  lassen.  Die  Gefässe  befinden  sich  in 
Leinwandbeuteln,  welche  den  Aufdruck  der  betr.  Krankheit  und  die 
Aufschrift  „Vorsicht,  infektiöses  Material“,  sowie  die  Adresse  der 
für  den  betr.  Bezirk  zuständigen  Untersuchungsanstalt  tragen  ufid 
ausser  dem  Gefässe  eine  Anweisung  zur  Entnahme  des  Materials  und 
einen  Schein  zur  Ausfüllung  durch  den  Einsender  enthalten.  Die 
Sendungen  sind  portofrei,  so  dass  dem  einsendenden  Arzte  weder 
durch  die  Einsendung  des  Materials,  noch  durch  die  Untersuchung  des¬ 
selben  irgendwelche  Kosten  entstehen. 

Angesichts  dieses  weitgreifenden  Entgegenkommens  der  preuSsi- 
schen  Medizinalbehörde  mag  der  Antrag  Freising-Moosburg  recht  be¬ 
scheiden  und  die  Erwartung  gerechtfertigt  erscheinen,  dass  die 
K;  Staatsregierung  sich  demselben  wohlwollend  gegenüberstelle.  Ich 
bitte  Sie  daher  nochmals  um  Unterstützung  des  Antrages. 

Diskussion:  Prof.  Specht:  Die  Anträge  Freising-Moos¬ 
burg  und  Memmingen  haben  gewiss  einen  gesunden  Kern,  aber  sie 
hängen  so  lange  in  der  Luft,  als  nicht  gesagt  ist,  woher  denn  die 
Gelder  für  die  gewünschten  Gratisuntersuchungen  genommen  werden 
sollen.  Die  anfallenden  Untersuchungsanträge  werden  nach  der  Ein¬ 
führung  der  Unentgeltlichkeit  ganz  gewaltig  wachsen.  Dafür  fehlen 
m  den  zuständigen  Instituten  die  Mittel,  die  Hilfskräfte,  zum  Teil  auch 
die  Räume.  Ich  stelle  daher  den  Ergänzungsantrag,  die  Kammer  wolle 
sich  dahin  schlüssig  machen,  die  Staatsregierung  zu  ersuchen,  sie  möge 
der  Errichtung  von  Untersuchungsanstalten  baldigst  näher  treten,  wie 
solche  z.  B.  in  Preussen  im  Dienste  der  Seuchenforschung  und 
beuchenverhütung  äusserst  segensreich  wirken. 

Beide  Antiäge  werden  ohne  weitere  Debatte  einstimmig  ange¬ 
nommen. 

VII.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nordschwaben. 

Referent  Dr.  Bisch  off:  Der  Antrag  des  Bezirks- 
Vereins  Nord Schwaben  auf  Erhöhung  der  Leichen¬ 
schaugebühren  spricht  eigentlich  so  sehr  für  sich  selbst,  dass 
ci  eingehender  Begründung  kaum  bedarf.  Da  es  im  Interesse  sowohl 
der  Polizei,  in  krimineller  und  hygienischer  Beziehung  als  auch  einer 
möglichst  genauen  Statistik  gelegen  ist,  dass  die  Leichenschau  mög¬ 
lichst  exakt  und  frei  vom  Einfluss  der  Angehörigen  ausgeübt  werde, 
ist  es  erstrebenswert,  dass  möglichst  nur  Aerzte  mit  deren  Ausübung 
betraut  werden,  jedenfalls  aber  das  Laienelement  ganz  ausgeschaltet 
werde.  Will  man  dieses  aber  erreichen,  so  müssen  die  Gebühren  so 
bemessen  sein,  dass  sie  einigermassen  den  Leistungen  entsprechen. 

ic  zurzeit  geltenden  Sätze  sind  in  der  Leichenschauordnung  vom 
.lahre  1885  aufgestellt;  was  aber  vor  22  Jahren  recht  und  billig  er¬ 
schien,  hat  heute  bei  der  fortschreitenden  Erhöhung  aller  Preise  keinen 
Anspruch  mehr  auf  diese  Bezeichnung.  Es  ist  doch  entschieden  zu 
geling  bewertet,  wenn  dem  ärztlichen  Leichenschauer  für  eine  zweite 
Leichenschau  am  Ort  50  Pf.,  für  eine  Leichenschau  2,4  km  vom  Wohn- 
oi  te  des  Arztes  L20  M.,  bei  5,9  km  3.30  M.  geboten  werden,  bei 
einer  Lntiernung  von  7  km  und  darüber  bare  4  M.  angesetzt  sind;  das 
und  mehr  kostet  ja  schon  das  notwendige  Fuhrwerk.  Der  auf  Er¬ 
höhung  dieser  Gebühren  zielende  Antrag  schlägt  für  die  erste  Leichen¬ 
schau  am  Ort  2  M.  für  die  zweite  1  M.  vor,  und  für  Leichenschau 
ausserhalb  des  Wohnortes  für  jeden  angefangenen  Kilometer  des 
Hin-  und  Herweges  %  M.  mit  einer  Minimumgrenze  von  2  M.  und 

r!eH5XTmg[enZ€  e°n  6  Mk-:  für  nichtärztliche  Leichenschau  ist 
die  Hälfte  der  obigen  Satze  vorgeschlagen.  Meines  Erachtens  ent- 
sprechen  die  obigen  Sätze  sowohl  der  Leistung  als  der  billigen  Be- 
i  ucksichtigung  des  Publikums,  nur  würde  die  Maximaltaxe  besser  auf 
‘  M.  testgesetzt,  um  so  mehr,  als  in  reich  mit  Aerzten  besetzten  Ge- 
genden  dieser  Satz  selten  erreicht  werden  dürfte  und  in  schwach 
bevölkerten  Gegenden  mit  wenig  Aerzten  die  grössere  und  schwieri- 

Terrain  diese  Erhöhung  sehr  wohl  recht- 
tert  gt.  Sollten  a  lerdings  die  Anforderungen  an  die  Leichenschau  be¬ 
züglich  einer  noch  eingehenderen  Untersuchung  der  Leichen  noch  er- 

ÄretcLS„°e,1WUr‘Ien  diC  Jm  Antrage  ee,,am,ten  Sätze  noch  zu 

Diskussion:  Reichold  unterstützt  den  Antrag;  eine  Er¬ 
höhung  der  Leichenschaugebühr  sei  wenigstens  auf  dem  Lande 
dringend  notwendig,  da  doch  gar  häufig  noch  Schreiner  und  andere 
Leute  mit  der  2.  Leichenschau  betraut  wären,  weil  es  dem  Arzte  bei 

könn!?adiehn? iS*  Wuten  Entfernungen  nicht  zugemutet  werden 
nehmen  2'  Leichenschau  zu  den  vorgesehenen  Taxen  zu  über- 

Antrag  wird  angenommen. 

VIII. 

a)  Antrag: 

eine1',,  uioloLmn,ern  möchte"  de"  Bezirksver- 
cinen.  -welche  zum  sogen.  „Beihilfefonds"  noch 


keinen  Beitrag  geleistet  haben,  einen  solchen 
von  Vereins  wegen  oder  durch  Zeichnungen  ein¬ 
zelner  Mitglieder  empfehlen. 

2.  Die  Kammern  möchten  nach  Abschluss  der 
Sammlung  die  ständigen  Ausschüsse  von  Ober¬ 
bayern  und  Mittelfranken  ersuchen,  im  Vereine 
mit  dem  geschäftsführenden  Ausschuss  des 
Pensionsvereins  Bestimmungen  über  die  Füh- 
rungund  Verteilung  der  Stiftung  auszuarbeiten. 
Referent  Dr.  Becikh:  Der  Beihilfefonds  zum  Pensionsverein  für 
Witwen  und  Waisen  der  bayer.  Aerzte,  für  den  ich  mir  heute  ihre 
Aufmerksamkeit  und  ihre  Zustimmung  zu  meinen  im  Namen  des 
Bezirksvereins  Nürnberg  erfolgenden  Vorschlägen  erbitte,  wurde  im 
vergangenen  Jahr  aus  Anlass  der  Zentennarfeier  des  Königreichs 
Bayern,  welche  .im  ganzen  Land  eine  Reihe  von  wohltätigen  und  ge¬ 
meinnützigen  Stiftungen  hervorrief,  von  der  Vorstandschaft  des 
Bezirksvereins  Nürnberg  und  der  des  Bezirksvereins  München,  sowie 
des  neuen  Standesvereins  München  ins  Leben  gerufen.  Die  zu  dieser 
Jubilaumsstiftung  auf  den  Aufruf  hin  bei  dem  Geschäftsführer  des 

I  eiisionsvereins  eingezahlte  Summe  beträgt  hauptsächlich  aus  den 
reichlichen  Beiträgen  von  München  und  Nürnberg  bis  jetzt  über 

II  000  Mark,  wobei  noch  einige  gezeichnete  Beiträge  ausstehen.  Es 
fehlen  aber  ausserdem  noch  eine  ganze  Reihe  bedeutender  und 
leistungsfähiger  Bezirksvereine,  wie  Würzburg,  Augsburg,  Bamberg, 
Aschaffenburg,  Bayreuth,  Erlangen  usw.,  sodass  angenommen  werden 
kann,  dass,  wenn  von  den  ungefähr  noch  fehlenden,  weit  mehr  als 
1000  Aerzten  nur  im  Durchschnitt  5  Mark  gezeichnet  werden,  min- 
desens  15  000  Mark  Zusammenkommen  müssten.  Von  den  4  proz. 
Zinsen  dieser  Summe  könnten  alljährlich  12  jungen  in  den  Pensions¬ 
verein  neu  eintretenden  Aerztepaaren  —  in  den  ersten  3  Jahren  der 
Ehe  müssen  alle  Aerzte  statutengemäss  ohne  jede  Untersuchung  an¬ 
genommen  werden  —  Beihilfen  von  50  Mark  gewährt  werden.  Es 
wird  sicher  hiedurch  wesentlich  zur  Hebung  des  seitherigen  sehr 
geringen  Zugangs  zum  Pensionsverein  beigetragen  und  der  segens¬ 
reiche  Wirkungkreis  des  fast  1%  Millionen  Mark  besitzenden  Vereins 
erweitert.  Es  wäre  demnach  zunächst  Aufgabe  aller  Aerztekammern, 
sich  lür  den  Ausbau  der  Jubiläumsstiftung  auszusprechen  und  durch 
die  Vertreter  der  Bezirksvereine,  die  sich  in  den  Kammern  zusammen- 
tinden,  jene  Vereine  die  noch  nichts  gezeichnet  haben,  für  die  Unter¬ 
stützung  des  Fonds  zu  interessieren  und  zu  gewinnen.  Mit  dem  Ab- 
schluss  der  Sammlungen  müsste  dann  womöglich  im  Januar  1908  eine 
definitive  Regelung  der  Stiftung  erfolgen.  Es  wird  daher  der  Aerzte- 
kamrner  folgende  Resolution  unterbreitet: 

Die  Delegierten  derjenigen  Bezirksvereine,  in  welchen  noch 
nichts  für  diese  allen  jung  verheirateten  bayer.  Aerzten  zweck¬ 
dienliche  Hilfe  gewährende  Stiftung  gegeben  wurde,  zu  beauf¬ 
tragen,  ihre  Vereine  zu  einer  Spende  durch  Beiträge  der  einzelnen 
Mitglieder,  oder  wenigstens  der  Vereine  als  solcher  zu  veran¬ 
lassen.  Feiner  möchten  im  Sinne  des  2.  Teiles  des  Antrages 
durch  die  Kammern  und  den  Pensionsverein  die  Stiftungs- 
Satzungen  ausgearbeitet  werden,  sobald  die  Sammlung  abge¬ 
schlossen  ist,  was  baldmöglichst  bei  dem  herannahenden  Jahres¬ 
schluss  geschehen  soll. 

Die  Anträge  finden  Zustimmung. 

b)  Referent  Dr.  B  e  c  k  h  :  Mit  dem  vorhin  angenommenen  An¬ 
trag  bezüglich  des  Pensionsvereins  für  Witwen  und  Waisen  bayer. 
Aerzte  steht  im  Zusammenhang  der  in  der  Sitzung  der  Vorsitzenden 
der  Kammerausschüsse  einstimmig  angenommene  Antrag: 

„Die  k.  Staatsregier  ung  möge  ersucht  wer- 
den,  allen  den  Staatsdienst  an  streb  enden 
Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein  für 
Witwen  und  Waisen  in  geeigneter  Form  zu 
empfehle  n.“ 

Als  Hauptmotiv  für  den  Antrag  war  bezeichnet  die  geringe  Be¬ 
zahlung  dei  Amtsärzte  und  die  hiedurch  bedingte  ungenügende 
Pension  ihrer  Witwen,  die  in  steigender  Zahl  die  ärztlichen  Wohl- 
tatigkeitsvereine  um  Hilfe  angehen  müssen. 

•  j  diesem  Beschlüsse  der  Kammerausschuss-Vorsitzenden  sind 
jedoch  mehrere  Wochen  ins  Land  gegangen,  der  Landtag  hat  zu  tagen 
begonnen  und  ich  sehe  mich  nunmehr  veranlasst,  die  Kammer  zu 
bitten,  diesen  Antrag  schärfer  zu  fassen  und  zwar  dahingehend: 

„Es  möge  die  hohe  k.  Staatsregierung  ersucht  werden,  die 
Zulassung  zur  Prüfung  für  den  ärztlichen  Staatsdienst  von  dem 
Beitritte  zum  Pensionsverein  abhängig  zu  machen.“ 

Als  Motive  hiefür  ergeben  sich:  1.  die  Stärkung  der  Mittel  des 
Pensums  Vereins  durch  vermehrten  Zugang  von  neuen  Mitgliedern 
hegt  sehr  im  Interesse  des  bayerischen  Staates,  der  schon  bisher 
diesem  wohltätigen  Verein  eine  kleine  aber  sehr  dankenswerte  Unter¬ 
stützung  gewährt  Kann  nun  auch  nicht  der  vor  der  Freigabe  der 
ärztlichen  Praxis  (1864)  bestandene  Zwangsbeitritt  aller  bayerischen 
Aerzte  zum  Pensionsverein  erzielt  werden,  so  wäre  es  doch  möglich 
den  jüngeren  Aerzten,  welche  den  Staatsdienst  anstreben,  den  Beitritt 
zum  Pensionsverein  als  Pflicht  aufzuerlegen.  Der  gegenwärtige  Zeit- 
punkt  wäre  besonders  geeignet,  da  die  Revision  der  Prüfung  für  den 
ärztlichen  Staatsd^nst  ohnehin  bereits  in  Instruktion  ist.  Das  2. 
S,Vr  S1u?  uU\du?  Blldsetrede  des  Herrn  Finanzministers,  wo- 
n^’  ifiAbS1Cht  b,£Ste\tl  mit  Allfhebung  des  Unterschiedes  zwischen 
f  fpn'atl  che7n  und  mcht  Pragmatischen  Beamten  auch  den  bisher 
bestehenden  Zwangsbeitritt  zum  Staatsunterstützungsfond  aufzuheben. 


17.  Dezember  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2575 


Dafür  müsste  und  könnte  ein  guter  Ersatz  für  die  Amtsärzte, 
beziehungsweise  für  die  ärztlichen  Staatsdienstadspiranten  geschaffen 
werden  Und  dass  den  einzelnen  Minderbegüterten  der  Eintritt  nicht 
so  sehr  auf  die  Tasche  fiele,  würde  der  Zuschuss  aus  dem  vorhin 
besprochenen  Beihilfefonds  recht  gute  Dienste  leisten  können.  Ich 
stelle  aus  allen  diesen  Gründen  den  Antrag,  die  Kammer  möge 

beschlossen:  ..  ,  c,  ,  ,.  , 

„Die  Staatsregierung  zu  ersuchen,  von  allen  den  Staatsdienst 

anstrebenden  Aerzten  bei  der  Physikatspriifung  den  Beitritt  zum 
Pensionsverein  zu  verlangen.“ 

Die  zwei  Motive  hiefür,  zu  welchen  als  drittes  die  geringe 
Pension  der  Amtsarztwitwen,  welche  in  steigender  Zahl  die  ärztlichen 
Wohltätigkeitsvereine  um  Hilfe  angehen  müssen,  natürlich  bestehen 
bleibt,  sind  in  meinen  Darlegungen  bereits  genügend  mitgeteilt.  Ich 
bitte  dringend,  den  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg  in  dieser 
Form  anzunehmen. 

Diskussion.  Reichold  findet  die  Form  zu  schroff ;  gar 
mancher  Arzt  mache  das  Physikat  nur  um  alle  Bedingungen  erfüllt 
zu  haben,  denke  aber  gar  nicht  daran,  den  Staatsdienst  allzustreben; 
andere  blieben  Junggesellen,  hätten  also  von  den  gezahlten  Beiträgen 
nichts.  Er  ist  für  eine  Empfehlung,  nicht  für  einen  Zwang. 

Dörfler  unterstützt  den  Antrag  Beckh  schon  um  deswillen, 
weil  aus  dem  Anträge  für  die  Staatsregierung  hervorgehe,  für  wie 
wichtig  wir  den  Ausbau  des  Pensionsvereins  halten,  um  den  Witwen 
und  Waisen  eine  genügende  Sustentation  zu  gewähren. 

Specht  hält  die  Verquickung  von  Physikat  und  Beitrittser¬ 
klärung  für  wenig  glücklich  und  ist  mit  R  e  i  c  h  o  1  d  s  Ausführungen 
einverstanden. 

Beckh  tritt  im  Schlusswort  nochmals  warm  für  seinen  An¬ 
trag  ein. 

Specht  stellt  Gegenantrag  auf  Belassung  der  alten  Fassung. 
Bei  der  Abstimmung  wird  Antrag  Beckh  mit  11  :  6  Stimmen 
angenommen. 

c)  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg. 

Referent  Dr.  Schuh: 

Es  möge  bei  der  Tagung  der  Aerztekammern 
in  den  Jahresberichten  der  Bezirks  vereine  die 
Zahl  der  im  laufenden  Jahre  erfolgten  Zugänge 
zum  Pensions-  und  Sterbekassaverein  nam¬ 
haft  gemacht  werden,  um  auf  diese  Weise  die 
Agitation  für  den  Eintritt  in  diese  Vereine  wirk¬ 
samer  z  u  gestalten. 

Dr.  Dörfler  bittet  abzulehnen  wegen  der  Schwierigkeit  der 
Ermittlung. 

Dr.  Beckh  betont,  dass  man  das  telephonisch  machen  könne. 
Dr.  Koch  schlägt  vor,  es  solle  von  den  genannten  Vereinen  ein 
Generalbericht  alljährlich  verlangt  werden. 

Dieser  Vorschlag  wird  angenommen. 

Dr.  Mayer  empfiehlt  im  Anschlüsse  hieran,  auch  die  übrigen 
Unterstützungsvereine,  Invalidenverein,  Witwenkasse,  Sterbekasse 
und  allgemeine  deutsche  Versicherungskasse  etc.,  nach  Möglichkeit 
mit  Beiträgen  zu  bedenken  resp.  beizutreten. 


IX.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg. 

Die  Kammer  wolle  die  Bezirksvereine  und 
die  anderen  Kammern  a  u  f  f  o  r  d  e  r  n,  die  Reform¬ 
vorschläge  zum  bayer.  Medizinal  wesen,  wie  sie 
in  der  Beilage  zu  No.  41  der  Münch,  m  e  d.  Wochen¬ 
schrift  veröffentlicht  sind.  ;zu  beraten  und 
eventuell  hiezu  Stellung:  zu  nehmen. 

Referent  Dr.  S  c  h  u  h:  Veranlassung  zu  diesem  Antrag  hat  speziell 
der  Wortlaut  der  in  No.  41  der  Münch  med  Wochenschr.  veröffent¬ 
lichten  Reformvorschläge  gegeben,  in  denen  es  im  III.  Abschnitt 
Ziffer  2  heisst: 

„Die  K.  Staatsregierung  möge  eine  Entschliessung  erlassen, 
dass  auch  bei  der  Besetzung  sonstiger  öffentlicher  staatlicher  oder 
städtischer  Stellen,  so  z.  B.  der  Bahnärzte,  der  Leichenschauer, 
der  Stadt-  und  Polizeiärzte,  sowie  der  Schul-  und  Armenärzte, 
die  staatsärztlich  geprüften  Aerzte  in  erster  Linie  zu  berück¬ 
sichtigen  seien.“ 

Hierin  ist  die  Gefahr  einer  unberechtigten  Bevorzugung  der  pro 
physikatu  geprüften  Aerzte  gegenüber  anderen  ebenso  tüchtigen 
Aerzten  zu  erblicken,  die  aus  irgend  einem  Grunde  die  Prüfung  für  den 
ärztlichen  Staatsdienst  nicht  abgelegt  haben. 

Dörfler  begriisst  und  unterstützt  den  Antrag  aufs  freudigste 
und  möchte  die  Anregung  geben,  ob  nicht  unser  auf  diesem  Gebiete 
wohl  als  Autorität  geltender  Herr  Obermedizinalrat  Dr.  Merkel 
der  nächstjährigen  Kammer  ein  ausführliches  Referat  über  das  ganze 
bayer.  Medizinalwesen  vorlegen  möchte. 

Dr.  Merkel  erklärt  sich  hiezu  bereit. 


X. 

Referent  Dr.  K  o  ch  erstattet  ausführlichen  und  sorgfältig  zu¬ 
sammengestellten  Bericht  über  das  Ergebnis  der  im  Vorjahre  laut 
Kammerbeschluss  an  die  mittelfränkischen  Aerzte  hinausgegebenen 
Fragen  bezüglich  Wünsche  und  Anträge  zur  Neuausgabe 
des  deutschen  Arzneibuches. 


Das  Referat  liegt  in  Druckform,  vor  und  soll  dem  kaiserlichen 
Gesundheitsamte  als  Material  zugeleitet  werden. 

Merkel  betont,  dass  die  Auskünfte  teilweise  ziemlich  kümmer¬ 
lich,  im  Grossen  und  Ganzen  aber  doch  über  Erwarten  reichlich  aus¬ 
gefallen  seien.  Die  Zusammenstellung  sei  eine  riesige  Arbeit  gewesen 
und  gebühre  dem  Referenten  für  die  geschickte  Erledigung  derselben 
sicher  der  Dank  der  Kammer. 

Die  Versammlung  stimmt  zu. 


XI. 

Referent  Dr.  Flat  au:  Mir  ist  der  gewiss  dankbare  Auftrag  zu 
teil  geworden,  an  dieser  Stelle  an  die  hohe  Regierung  die  Bitte  zu 
richten,  dafür  sorgen  zu  wollen,  dass 

„auch  an  der  Universität  Erlangen  gleich¬ 
wie  an  den  beiden  anderen  Landesuniversitäten 
ein  Lehrstuhl  und  ein  Institut  für  gerichtliche 
Medizin  eingerichtet  werd  e.“ 

Zur  Begründung  sei  es  gestattet,  einige  Worte  hinzuzufügen. 

Wie  Ihnen  allen  wohl  bekannt  sein  wird,  haben  schon  im  Jahre 
1902  sämtliche  bayer.  Aerztekammern  den  Antrag  Oberbayerns  an¬ 
genommen,  dass  an  den  3  Universitäten  Institute  und  Lehrstühle  für 
die  forensische  Medizin  einzurichten  bezw.  die  Mittel  hiefür  einzu¬ 
stellen  seien.  Und  der  Ministerialbescheid  lautete  hierauf,  dass  der 
Antrag  dem  Ministerium  für  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten  und 
dem  Staatsministerium  der  Justiz  zur  Würdigung  mitgeteilt  worden  sei. 

In  den  folgenden  Jahren  hat  nun  zwar- München  in  einem  Neubau 
der  Anatomie  das  erbetene  Institut  erhalten,  und  hier  wie  in  Würzburg 
liest  ein  Extraordinarius  das  Fach.  Nur  Erlangen  geht  leer  aus,  trotzdem 
gerade  dort  im  Neubau  der  Anatomie  Räume  zur  Schaffung  eines 
gerichtlich-medizinischen  Instituts  vorgesehen  sind. 

Der  Vortrag  der  gerichtlichen  Medizin  in  Erlangen  ist  lediglich 
durch  den  guten  Willen  eines  Privatdozenten  im  Nebenfach  vertreten. 
Und  nach  Aeusserungen  des  Abgeordneten  Prof.  Günther  muss  man 
annehmen,  dass  ein  im  Etat  eingesetzt  gewesenes  Postulat  für  eine 
ausserordentliche  Professur  wieder  gestrichen  worden  ist. 

Das  muss  wundernehmen  und  tief  bedauert  werden.  Ich  will  hier 
auf  die  ausführliche  Begründung  der  Sache,  die  seinerzeit  in  den 
Jahren  1902  und  1906  von  den  Herren  Professoren  Graser  und 
Specht  gegeben  wurde,  nicht  weiter  eingehen,  aber  bemerken 
möchte  ich  doch,  dass  es  eigentlich  ein  Widerspruch  ist,  wenn  eine 
Universität  nicht  einen  festen  Lehrstuhl  für  eine  Wissenschaft  besitzt, 
die  sogar  obligater  Examensgegenstand  geworden  ist.  Es  ist  doch 
zweifellos,  dass  an  einer  Fakultät  alle  diejenigen  Fächer  offiziell  ver¬ 
treten  sein  müssten,  die  dem  Studenten,  der  aus  irgend  welchen 
Gründen  die  Universität  nicht  wechselt,  eine  volle  Ausbildung  garan¬ 
tieren.  Es  geht  doch  nicht  an  und  es  entspricht  sicher  nicht  dei 
Würde  der  Sache,  die  Gelegenheit  zum  Lernen  eines  so  wichtigen 
Faches  lediglich  auf  den  labilen  Boden  des  guten  Willens  eines  Privat¬ 
dozenten  zu  stellen.  Um  so  mehr,  als  die  Bedeutung  der  gerichtlichen 
Medizin  für  :den  Staat,  ihre  tiefeinschneidende  Wichtigkeit  für  die 
Rechtsprechung  immer  mehr  zunimmt.  Und  das  nicht  nur  für  den 
Mediziner,  sondern  auch  für  den  Juristen,  von  dem  verlangt  werden 
muss,  dass  ihm  die  Grundzüge  der  forensischen  Medizin  auch  in  den 
medizinischen  und  pathologisch-anatomischen  Details  bekannt  und  ver- 
traut  sein  müssen.  Erwähnen  möchte  ich  noch,  dass  durch  die  Ver- 
nachlässigung  Erlangens  auch  eine  Schädigung  dieser  Universität 
gegenüber  ihren  Schwesterinstituten  eintritt,  die  sicher  nicht  gewollt 
sein  kann.  Es  liegt  aber  auch  eine  Beeinträchtigung  der  Kreise  Mittel¬ 
frankens  vor,  die  verlangen  dürfen,  dass  die  Universität,  an  der  die 
meisten  der  engeren  Landesangehörigen  ihre  Ausbildung  erhalten, 
einen  lückenlosen  und  stetigen  Lehrkörper  habe. 

Ich  glaube  deshalb  an  die  Herren  den  Wunsch  richten  zu  dürfen, 
sich  mit  mir  zu  der  Bitte  zu  vereinen,  dass 

„die  Hohe  Staatregierung  das  Postulat  für  eine  ausserordent- 
liche’Professur  für  gerichtliche  Medizin  und  die  Einrichtung  eines 
gerichtlich  -medizinischen  Instituts  an  der  Universität  Ei  langen 
wieder  in  den  Etat  einsetzen  möge“. 

Der  Antrag  wird  einstimmig  angenommen. 


XII.  Jahresberichte  der  Bezirksvereine. 

1.  Ansbach.  Dr.  Ober  m  ayr:  Der  ärztliche  Bezirksverein 
\nsbach  hat  30  Mitglieder;  es  wurden  11  ordentliche  und  1  ausser¬ 
ordentliche  Versammlung  gehalten,  mit  wissenschaftlichen  Vorträgen 
md  Referaten,  teilweise  mit  Demonstrationen.  Vorstand:  Dr.  Ober- 
n  ayr  Schriftführer:  Stabsarzt  Dr.  Dreisch,  Kassier:  Dr.  Mayer. 

2.  Eichstätt.  Dr.  Kolbmann:  Der  ärztliche  Bezirksverein 
Eichstätt  zählt  11  Mitglieder.  Der  Verein  ist  zu  3  Sitzungen  zu¬ 
sammengekommen.  Vorstand:  Medizinalrat  Dr.  Beck,  Kassier. 
Landgerichtsarzt  Dr.  P  i  c  k  1. 

3.  Erlangen.  Dr.  Fritsch:  Der  ärztliche  Bezirksverein 
Erlangen  besteht  zurzeit  aus  47  Mitgliedern  und  1  Ehrenmitglied;  es 
wurden  allmonatliche,  zahlreich  besuchte  Sitzungen  abgehalten.  Vor¬ 
sitzende:  Bezirksarzt  Dr.  Bisch  off,  Prof.  Dr.  Menge,  Schrift¬ 
führer:  Privatdozent  Dr.  Merkel,  Kassier:  Oberarzt  Dr.  Ko- 

beiV  Fürth.  Dr.  Stark:  Der  Verein  zählt  1  Ehrenmitglied  und 
41  Mitglieder,  davon  8  auf  dem  Land;  neu  eingetreten  sind  3  Mit¬ 
glieder,  durch  Versetzung  ausgeschieden  1  Mitglied;  ferner  hat  der 


2576 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  51. 


Verein  durch  den  Tod  verloren  sein  Ehrenmitglied  und  früheren  lang¬ 
jährigen  Vorsitzenden  Herrn  Dr.  Heinrich  A  1  d  i  n  g  e  r.  Sitzungen 
haben  im  abgelaufenen  Jahre  7  stattgefunden,  bei  denen  hauptsächlich 
Kassenfragen  und  interne  Angelegenheiten  zur  Tagesordnung  standen. 
Vorsitzender:  Hofrat  Dr.  Mayer,  Schriftführer:  Stadtarzt  Dr. 
Stark,  Kassier :  Dr.  Holler busch. 

5.  H  e  r  s  bruc  k.  Dr.  R  e  i  c  h  o  1  d :  Der  ärztliche  Bezirksverein 
Hersbruck  zählt  19  Mitglieder  und  1  Ehrenmitglied;  er  verlor  durch 
Wegzug  Dr.  B  a  u  e  r  -  Engeltal  und  durch  Tod  Herrn  Medizinalrat 
Dr.  Rudel;  neu  eingetreten:  Dr.  L  ö  f  f  1  e  r  -  Auerbach  i/O.  Vor¬ 
sitzender  Dr.  R  e  i  c  h  o  1  d  -  Lauf,  Schriftführer:  Dr.  Bergmann- 
Eschenau.  Kassier:  Dr.  Schlier-  Hersbruck.  Der  Verein  hielt  6  gut 
besuchte  Versammlungen  ab,  meist  mit  wissenschaftlichen  Vorträgen 
ausgestattet;  freie  Arztwahl  besteht  bei  allen  Kassen  des  Bezirks,  mit 
Ausnahme  der  Bahn-  und  einer  Fabrikkrankenkasse;  erwähnt  sei  noch 
der  Beschluss,  eine  Fürsorgestelle  für  Tuberkulöse  in  Hersbruck  ins 
Leben  zu  rufen. 

6.  Nordwestliches  Mittelfranken.  Dr.  Hagen:  Der 
Verein  hat  18  Mitglieder;  Vereinsversammlungen  fanden  4  statt; 
grössere  wissenschaftliche  Vorträge  wurden  2  gehalten.  Vorsitzender: 
Dr.  Hagen-  Windsheim,  Schriftführer  und  Kassier:  Dr.  Lauer- 
Neustadt  a/A. 

7.  Bezirksverein  Nürnberg.  Dr.  Schuh:  Der  Verein  hat 
208  Mitglieder  am  Ort  und  9  auswärtige,  von  welch  letzteren  6  in 
anderen  Bezirksvereinen  zählen,  so  dass  er  über  211  vollgültige 
Stimmen  verfügt;  es  fanden  statt  6  Plenarsitzungen  und  17  Sitzungen 
der  •  Vorstandschaft.  Mit  Krankenkassen  wurden  seitens  des  Aus¬ 
schusses  18  Sitzungen  gehalten.  Vorsitzende:  Hofrat  Dr.  B  e  c  k  h  und 
Hofrat  Dr.  S  ch  u  h,  Schriftführer :  Dr.  Neuberger,  Dr.  Stau  d  e  r, 
Dr.  B  u  1 1  e  r  s,  Kassier :  Dr.  H.  K  o  c  h,  Ersatzmann :  Dr.  F  1  a  t  a  u. 

8.  Rothenburg  o/T.  Dr.  Steichele:  Der  Verein  zählt 
13  Mitglieder:  ein  Mitglied  ging  durch  den  Tod  ab;  eine  Neuaufnahme 
fand  statt.  Sitzungen  wurden  4  gehalten.  Vertragskommission  be¬ 
steht  seit  1904.  Die  sämtlichen  Mitglieder  gehören  dem  Leipziger  Ver¬ 
band  an;  die  Reverse  sind  unterzeichnet.  Lokalverbände  bestehen  in 
Rotenburg  o/T.  und  Uffenheim.  Vorsitzender:  Dr.  Steichele- 
Uffenheim,  Schriftführer  und  Kassier:  Dr.  N  ii  r  m  b  e  r  g  e  r  -  Rothen¬ 
burg  o/T. 

9.  S  ü  d  f  r  a  n  k  e  n.  Dr.  B  i  s  c  h  o  f  f :  Der  Verein  zählt  43  Mit¬ 
glieder.  Versammlungen  wurden  11  abgehalten;  die  Beteiligung  war 
wie  stets  eine  lebhafte.  Vorsitzender:  Dr.  D  ö  r  f  1  e  r  -  Weissenburg, 
Schriftführer :  Dr.  B  i  s  c  h  o  f  f  -  Gunzenhausen,  Kassier :  Dr.  M  e  h  1  e  r- 
Georgensgmünd. 


XIII.  Wahlen. 


a)  Vorschlag  von  Sachverständigen  zum  Schiedsgericht  für 
Arbeiterversicherung:  Vorgeschlagen  werden:  Kreismedizinalrat 
Dr.  Brugloc'her,  Dr.  L  a  h  n  e  r,  Dr.  Theodor  Burkhardt,  Dr. 
Meyer,  sämtliche  in  Ansbach.  Als  Chirurgen:  Dr.  Weigel,  Dr. 
Konrad  Port  in  Nürnberg. 

b)  Delegation  zum  erweiterten  Obermedizinalausschuss:  Gewählt 
durch  Akklamation:  Dr.  Mayer,  Stellvertreter:  Dr.  B  e  c  k  h. 

c )  Mitglieder  der  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation: 
Dr.  Reich  old,  Dr.  Dörfler,  Prof.  Graser,  Dr.  Steichele, 
Dr.  Schuh. 


d)  Schiedsgericht  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne  des 
9  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  1895:  Gewählt  werden- 
1.  Mitglieder:  Dr.  Beckh,  Dr.  Reich  old,  Dr.  H.  Koch  Dr 
Stark;  2.  Stellvertreter:  Dr.  Hagen,  Dr.  Fritsch. 

....  ,  Beschwerdekommission:  Gewählt  werden  als 

Mitglieder:  Dr.  Mayer,  Dr.  Beckh,  Dr.  Schuh,  Dr.  Neu- 
b  e  r  g  e  r,  Dr.  Dörfler;  als  Ersatzleute :  Dr.  R  e  i  c  h  o  1  d, 
Dr.  Stark,  Dr.  D  r  e  l  s  c  h,  Dr.  Fritsch,  Dr.  Hagen. 

f)  Organisationskommission  für  wirtschaftliche  Fragen:  Gewählt 
wurden  Dr.  Dörfler,  Dr.  Neuberger,  Dr.  Stark. 

g)  Kreiskassier  des  Invalidenvereins:  Gewählt  wuPde.-  Dr.  Stark. 

„  Vorsitzende  dankt  dem  K.  Regierungskommissär  für  seine 

I  eil  nähme  an  den  Verhandlungen  und  schliesst  die  Kammer  mit 
einem  Hoch  auf  Se.  K.  Hoheit  Prinzregent  Luitpold. 

Dr.  Flat  au  dankt  dem  Vorsitzenden  für  die  Geschäftsleitung. 

Schluss:  Val2  Uhr. 


Dr.  Mayer. 


Dr.  S  c  h  u  h. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  von 
Unterfranken  und  Aschaffenburg. 

W  ii  r  z  b  u  r  g,  den  4.  November  1907. 

Beginn  der  Sitzung:  10  Uhr  vormittags. 


Anwesend:  Als  Kgl.  Regierungskommissär  der  Kgl.  Regierunes- 
und  Kreismedizinalrat  Dr.  Egger.  Als  Delegierte  der SSI 

ndeD^fharbr:  l?r;  B  1  Ü  m  m’  K-  Bczirksarzt  in  Obernburg, 
md  Dr  R  ei  c  h  e  r  t,  prakt.  Arzt  in  Aschaftenburg.  Gemiinden-Lohr : 

i  ff  hDin  a  ?  n’  prakt-  Arzt  111  Hammelburg  und  Dr.Mangels- 
f/?  1  r-  K-  Bezirksarzt .  in  üemiinden.  Gerolzhofen-Volkach:  Dr. 
U  l  e  in,  K-  Bezirksarzt  in  Gerolzhofen.  Hassfurt-Ebern :  Dr.  Russ 


prakt.  Arzt  in  Eltmann.  Bad  Kissingen:  Dr.  S  c  h  e  r  p  f,  K.  Hofrat  und 
Dr.  Wahle,  prakt.  Arzt  in  Bad  Kissingen.  Kitzingen:  Dr.  M  a  r  z  e  1 1, 
K.  Bezirksarzt  in  Kitzingen.  Königshofen-Hofheim:  Dr.  Kund¬ 
in  ii  1 1  e  r,  K.  Bezirksarzt  in  Hofheim.  Neustadt  a.  S.-Mellrichstadt: 
Dr.  Blümm,  K.  Bezirksarzt  in  Neustadt  a.  S.  Ochsenfurt:  Dr! 
Ueb  er  schuss,  prakt.  Arzt  in  Ochsenfurt.  Schweinfurt:  Dr! 
Jüngst,  prakt.  Arzt  und  Dr.  Diel  mann,  prakt.  Arzt  in  Schwein¬ 
furt.  Wiirzburg:  Dr.  Dehler,  K.  Hofrat,  Dr.  J.  Riedinger, 
Privatdozent,  Dr.  Kirchner,  K.  Universitätsprofessor  und  Dr! 
Frisch,  prakt.  Arzt  in  Würzburg. 

Vertreten  sind  demnach  11  Bezirksvereine  mit  18  Delegierten. 

Der  Alterspräsident  Dr.  B  1  ü  m  m  -  Obernburg  leitet  die  Bureau-  ' 
wähl,  die  ergibt:  als  Vorsitzenden:  Hofrat  Dr.  Dehler,  als  Stell¬ 
vertreter  des  Vorsitzenden:  Bezirksarzt  Dr.  H.  B  1  ii  m  m  -  Obernburg, 
als  Schriftführer:  Privatdozent  Dr.  J.  Riedinger. 

Der  K.  Regierungskommissär  begriisst  namens  der  K.  Kreis¬ 
regierung  die  Delegierten  und  spricht  die  Erwartung  aus,  dass  es  auch 
ihm,  wie  seinem  geehrten  Vorgänger  im  Amte,  Herrn  Obermedizinalrat 
Dr.  G.  Schmitt,  gelingen  werde,  sich  das  Vertrauen  der  unter- 
fränkischen  Aerzte  zu  gewinnen. 

Hierauf  tritt  die  Kammer  in  die  Beratung  der  Tagesordnung  ein: 

I.  Jahresbericht  und  Einlauf. 

Der  Vorsitzende  erstattet  folgenden  Bericht: 

Aus  den  zahlreichen  Schriftstücken,  die  im  verflossenen  Ge¬ 
schäftsjahre  in  den  Einlauf  der  Aerztekammer  gelangt  sind,  und  die 
ich  nachfolgend  zu  Ihrer  Kenntnis  bringen  werde,  werden  Sie  ersehen, 
dass  die  von  Ihrem  ständigen  Ausschüsse  geleistete  Arbeit  ziemlich 
umfangreich  war. 

Wenn  auch  die  grossen  und  grundlegenden  Fragen  der  ärzt¬ 
lichen  Organisation  in  Bayern  für  uns  in  Unterfranken  schon  seit 
einigen  Jahren  eine  befriedigende  Lösung  gefunden  'haben,  so  ist  doch 
eine  ständige  Kleinarbeit  notwendig,  um  die  erzielten  Erfolge  zu 
sichern  und  weitere  durch  sachgemässiges  Vorgehen  zu  erringen.  Ihr 
ständiger  Ausschuss  glaubt  in  Ihrem  Sinne  zu  handeln,  wenn  er  in 
ruhiger  Weise  und  sachlicher  Aussprache  mit  den  betreffenden  Be¬ 
hörden,  Krankenkassen  etc.  vorgegangen  ist.  Punkt  2  der  Tages- 
ordnung  wird  Gelegenheit  bieten,  heute  über  die  organisatorische 
I  ätigkeit  in  Unterfranken,  resp.  Bayern  sich  auszusprechen. 

An  der  Sitzung  des  Obermedizinalausschusses,  die  am  28.  De¬ 
zember  1906  stattfand,  nahm  ihr  Vorsitzender  teil.  Gegenstand  der 
Beratung  war:  Die  Bekämpfung  übertragbarer  Krankheiten  durch 
em  geeignetes  Desinfektionswesen.  Das  Referat  des  Herrn  Ober¬ 
medizinalrates  Dr.  Grub  er  fand  in  den  Hauptpunkten  die  volle  Zu¬ 
stimmung  der  Versammlung.  Es  ist  zu  erwarten,  dass  die  ent¬ 
sprechende  Durchführung  der  erprobten  Anforderungen  an  ein  zeit- 
gemässes  Desinfektionswesen  reichen  Nutzen  bringen  wird. 

Der  Aerztetag  pro  1907  fand  in  Münster  statt.  Die  unter- 
f  ran  kischen  Bezirks  vereine  waren  durch  Ihren  Schriftführer  im 
ständigen  Ausschuss,  Herrn  Dr.  J.  Riedinger,  vertreten.  Ausser¬ 
dem  hatte  Aschaffenburg  einen  Vertreter  gesandt. 

Am  1.  April  d.  J.  schied  Herr  Obermedizinalrat  Dr.  G.  S  c  h  m  i  1 1 
aus  dem  Amte.  Von  höchster  Stelle  wurde  seine  segensreiche  Tätig¬ 
keit  duich  die  Verleihung  des  I  itels  eines  K.  Obermedizinalrates  an¬ 
erkannt.  Wir  haben  bereits  in  der  Sitzung  des  vorigen  Jahres,  als 
lieir  Obermedizinalrat  Schmitt  uns  Mitteilung  von  seinem  beab¬ 
sichtigten  Rücktritt  machte,  Gelegenheit  genommen,  ihm  für  sein 
kollegiales  Wohlwollen  zu  danken.  Dieser  Dank  sei  auch  an  dieser 
Stelle  nochmals  wiederholt.  Wir  haben  heute  die  Ehre,  Herrn 
K.  Regierungs-  und  Kreismedizinalrat  Dr.  Egger  als  Nachfolger  des 
Herrn  Obermedizinalrates  Dr.  G.  Schmitt  begriissen  zu  können. 

Die  Vorbesprechung  der  Kammervorsitzenden  fand  am  15.  Sep¬ 
tember  in  Nürnberg  statt.  Vertreten  waren  sämtliche  Kammern  mit 
Ausnahme  der  Oberpfalz. 

Der  Stand  der  ärztlichen  Bezirksvereine  Unterfrankens  ist  fol¬ 
gender: 


Mftgliederzahl :  Vorstand:  Schriftführer: 


Aschaffenburg . 

40 

Dr. 

Fritz  Meyer 

Dr. 

Breitenbach 

Gemünden-Lohr . 

23 

G.  Oschmann 

J.  Oschmann 

Gerolzhofen-Volkach  .  .  . 

9 

Diem 

Fnpp.rf 

Hassfurt-Ebern . 

14 

Schirmer 

Russ 

Bad  Kissingen . 

40 

v 

Scherpf 

Wahle 

Kitzingen . 

12 

Marzell 

Schuster 

Königshofen-Hofheim  .  .  . 

8 

Kundmüller 

Jäger 

Neustadt  a.  S.-Mellrichstadt 

10 

J.  Blümm 

G.  Blümm 

Ochsenfurt . 

10 

Goy 

Ueberschuss 

Schweinfurt . 

28 

Jüngst 

Dielmann 

Würzburg . 

111 

V 

Dehler 

V 

Faulhaber. 

Es  sind  insgesamt  1 1  Bezirksvereine  mit  304  Mitgliedern  (gegen 
298  des  Vorjahres). 

s  io  J<om™ission  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne  des 
s  1-  der  K.  Allerh.  Verordnung  vom  9.  VII.  1895  hatte  sich  mit  1  Falle 
zu  beschäftigen. 

Leider  sind  im  Laufe  des  Sommers  im  ärztlichen  Bezirksvereine 
Kissingen  ernstliche  Differenzen  entstanden,  die  zum  Austritt  einer 
groseren  Zahl  von  Mitgliedern  aus  dem  dortigen  Vereine  führten, 
o  reu  wn,  dass  im  kommenden  Jahre  sich  diese  Unstimmigkeiten  aus- 


2577 


17.  Dezember  1007 


Beilage  zu r  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


gleichen  werden.  An  der  tätigen  Mithilfe  wird  es  der  ständige  Aus¬ 
schuss  Sicher  nicht  fehlen  lassen.  . 

Fine  Zuschrift  des  Aerztlichen  Bezirksvereins  Bad  Kissingen 
vom  15.  III.  07,  die  Ihnen  sofort  im  Wortlaut  bekannt  gegeben  wird, 
ersuchte  den  ständigen  Ausschuss,  eine  Eingabe  an  das  K.  Staats¬ 
ministerium  des  Innern  gelangen  zu  lassen.  In  der  Eingabe  war  das 
K  Staatsmin'isterium  gebeten  worden,  die  Anstellung  eines  Aiztes  im 
öffentlichen  Dienstverhältnis  sowie  die  Verleihung  von  Auszeichnungen 
an  Aerzte  von  deren  Zugehörigkeit  zu  einem  ärztlichen  Bezirksvereine 
abhängig  zu  machen.  Die  erbetene  Unterstützung  diesei  Eingabe 
konnte  vom  ständigen  Ausschuss  als  im  allgemeinen  ärztlichen  Inter¬ 
esse  gelegen  um  so  weniger  verweigert  werden,  als  ein  dem  Sinne 
nach  gleicher  Antrag  schon  im  Jahre  1905  von  der  Aerztekammer  an 
die  unterfränkische  Kreisregierung  gestellt  worden  war. 


II.  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Organisation. 

Zur  Beratung  liegt  vor  der  Entwurf  des  geschäftsführenden  Aus¬ 
schusses  der  bayerischen  Aerztekammern,  betreffend  Ausbau  der 
wirtschaftlichen  Organisation,  wie  er  sämtlichen  Bezirksvereinen  im 
Juni  ds.  Js.  zugestellt  wurde  (s.  Beilage). 

Hierzu  stellt  Dr.  Ri  e  di  n  g  e  r  folgenden  Antrag,  der  einstimmig 

angenommen  wird:  .  _  ,  , 

„Die  Aerztekammer  hält  die  Aufstellung  einer  Beschwerde¬ 
kommission  als  einer  weiteren  Instanz  ohne  Einvernehmen  mit  den 
Lokalkommissionen  bezw.  ärztlichen  Bezirksvereinen  nicht  für 
empfehlenswert  und  wählt  eine  Kommission,  welche  als  Schieds¬ 
gericht  auf  Anrufen  beider  Parteien  in  wirtschaftlichen  Angelegen¬ 
heiten  entscheidet. 

Im  übrigen  stimmt  die  Aerztekammer  dem  Entwurf  des  ge¬ 
schäftsführenden  Ausschusses  der  bayerischen  Aerztekammern  als 
den  Forderungen  des  Deutschen  Aerztevereinsbundes  entsprechend 
einstimmig  zu.“ 

Dr.  Frisch  referiert  alsdann  über  Ausbau  und  Fortgang  der 
Organisation  in  Unterfranken.  Die  Beteiligung  am  Leipziger  wirt¬ 
schaftlichen  Verband  ist  in  den  Bezirksvereinen  Kitzingen  und  Ge- 
münden-Lohr  noch  eine  geringe.  Referent  konstatiert,  dass  die  wirt¬ 
schaftliche  Kommission  der  Aerztekammer  mit  ihren  bisher  erzielten 
Erfolgen  im  allgemeinen  zufrieden  sein  kann. 


Kammer  möge  sich  den  in  dem  Anträge  aufgestcliten  Gebiihren- 

änderungen  anschliessen.  .  -  ...  m 

Vorgeschlagen  wird:  Taxe  für  erste  Leichenschau  2  Mk.  am 
Wohnort;  nach  auswärts  50  Pfg.  für  jeden  angefangenen  Kilometer 
des  Hin-  und  Rückganges,  2  Mk.  Minimaltaxe,  6  Mk.  Maximaltaxe. 
Zweite  Leichenschau  1  Mk.  —  Nichtärztliche  Leichenschau  die  Hälfte 
obiger  Taxen  (1  Mk.  Minimal-,  3  Mk.  Maximaltaxe).“ 

VI.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nürnberg: 

„K.  Staatsregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den  Staats¬ 
dienst  anstrebenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein  für 
Witwen  und  Waisen  in  geeigneter  Form  zu  empfehlen.“ 

Die  geringe  Bezahlung  der  Amtsärzte  und  dadurch  die  unge¬ 
nügende  Pension  der  Witwen,  die  in  steigender  Zahl  die  ärztlichen 
Wohltätigkeitsvereine  um  Hilfe  angehen  müssen,  begründen  wohl  den 
Antrag,  der  einstimmig  angenommen  wird. 

VII.  Aerztlicher  Unterstiitzungsverein. 

1.  Die  Kammer  empfiehlt  den  Bezirksvereinen,  zu  dem  Beihilfe¬ 
fonds  für  den  Pensionsverein  von  Vereinswegen  oder  durch  Zeichnung 
einzelner  Mitglieder  einen  Beitrag  zu  leisten. 

2.  Die  Kammer  ist  damit  einverstanden,  dass  nach  Abschluss 
der  Sammlung  die  ständigen  Ausschüsse  von  Oberbayern  und  Mittel¬ 
franken  im  Verein  mit  dem  geschäftsführenden  Ausschuss  des  1  en- 
sionsvereins  Bestimmungen  über  die  Führung  und  Verteilung  der 
Stiftung  ausarbeiten. 

VIII.  Kassabericht. 

Die  Revision  der  Kasse  durch  Dr.  Jüngst  ergibt  deren 
Richtigkeit. 

Einnähmen .  801.83  Mk. 

Ausgaben .  236.33  Mk. 

Verimögensstand  ....  565.50  Mk. 

Dem  Kassier  wird  Entlastung  erteilt. 

IX.  Wahl  von  Sachverständigen  für  das  Schiedsgericht  für  Arbeiter- 

Versicherung. 


III.  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von  Mittelfranken. 

Eine  Einigung  zwischen  den  Aerztekammern  und  den  Ver¬ 
sicherungsanstalten  über  ein  gleichmässiges  Formular  für  Atteste,  so¬ 
wie  über  gleichmässige  Honorierung  der  Atteste  für  Invalidität  und 
für  Uebernähme  des  Heilverfahrens  ist  notwendig. 

Für  Atteste  für  Invalidität  sollen  mindestens  5  Mk.,  für  Atteste, 
betreffend  Uebernähme  des  Heilverfahrens,  3  Mk.  honoriert  werden. 

Der  Antrag  wird  einstimmig  angenommen. 

IV.  Antrag  des  Bezirksvereins  Freising-Moosburg: 

Der  Antrag  lautet: 

„K.  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopische  und 
bakteriologische  Untersuchungen  bei  den  einschlägigen  staat¬ 
lichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es  im 
öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint.“ 

Dr.  S  c  h  e  r  p  f  beantragt  beizufügen,  dass  auch  chemische 
Untersuchungen  im  Falle  eines  öffentlichen  Interesses  unentgeltlich 
vorgenommen  wenden,  was  ebenfalls  angenommen  wird. 

V.  Antrag  des  Bezirksvereins  Nordschwaben. 

Der  obengenannte  ärztliche  Bezirksverein  hat  den  Antrag  gestellt: 

„Hohe  K-  Staatsregierung  wolle  die  Erhöhung  der  Leichen¬ 
schaugebühren,  wie  sie  in  den  oberpolizeilichen  Vorschriften  vom 
20.  November  1885  festgelegt  sind,  in  Erwägung  ziehen.“ 

Der  Antrag  wird  einstimmig  angenommen  nach  folgendem  Referat 
des  Herrn  Dr.  B  1  ü  m  m  -  Obernburg. 

„Die  heutigen  Zeitverhältnisse  bedingen  für  die  Aerzte,^  denen 
überhaupt  eine  teurere  Lebensführung  durch  ihre  soziale  Stellung 
aufgebürdet  ist,  ein  Anspannen  aller  Kräfte,  um  ihre  Existenz  zu 
sichern.  Hiebei  ist  es  notwendig,  dass  der  Arzt  nach  dem  Satze: 
„Zeit  ist  Geld“  für  seine  Bemühungen  auch  einen  entsprechenden 
Honorarsatz  erhalte,  um  so  mehr  als  durch  die  zunehmende  Zahl  der 
Aerzte  der  Arbeitskreis  des  Einzelnen  wesentlich  eingeengt  ist. 

Die  Feststellung  der  Honorarsätze  für  die  Leichenschau  liegt  nun¬ 
mehr  22  Jahre  zurück  und  es  darf  wohl  behauptet  werden,  dass  sie 
nicht  mehr  im  Einklang  stehen  mit  den  heutigen  Zeitwerten,  sowie 
sie  nicht  den  Sätzen  der  ärztlichen  Gebührenordnung  vom  17.  Oktober 
1901  konform  sind. 

Nun  kommt  ferner  in  Betracht,  dass  die  Leichenschau  heutzutage 
zumeist  in  der  Hand  von  Aerzten  liegt,  die  für  ihren  Aufwand  an  Mühe 
und  Zeit  eine  entsprechende  Entschädigung  wohl  beanspruchen  dürfen. 
—  Verlangt  doch  die  Leichenschau  neben  verschiedentlichen  Han¬ 
tierungen  eine  besondere  Aufmerksamkeit  einerseits,  anderseits  aber 
auch  oftmals  eine  gewisse  Vorsicht  sowohl  für  die  eigene  Gesundheit, 
als  auch  der  ärztlichen  Klientel  gegenüber. 

Diese  Gründe  legen  eine  Aenderung  der  etwas  gering  bemessenen 
Entschädigungssätze  als  gerechtfertigt  nahe  und  beantrage  ich,  die 


Folgende  in  Würzburg  wohnende  Aerzte  werden  von  der  Kammer 
als  Sachverständige  für  das  Schiedsgericht  für  Arbeiterversicherung 
in  Vorschlag  gebracht: 

1.  K.  Medizinalrat  Dr.  M.  Korber,  k.  Bezirksarzt.  2.  Dr.  A. 
Bootz,  prakt.  Arzt.  3.  Dr.  H.  Stengel,  prakt.  Arzt.  4.  Dr.  Ph. 
Rösge  n,  prakt.  Arzt. 

X.  Wahlen. 


a)  Delegierter  zum  Obermedizinalausschuss:  Dr.  Dehler, 
Stellvertreter:  Dr.  Blürnm  -  Obernburg. 

b)  Delegierter  zum  Aerztetag:  Dr.  Dehler,  Stellvertreter:  Di. 


Rie  din  ge  r.  . 

c)  Kommission  zur  Aberkennung  der  Approbation  (K.  Allerh. 
Verordnung  vom  27.  XII.  1883):  DDr.  Dehler,  Bl  ümm- Obern¬ 
burg.  Marzell,  Osch  mann,  Ueberschuss. 

d)  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im  Sinne  des 
§  12  der  Allerh.  Verordnung  vom  9.  VII.  1895:  DDr.  Dehler, 
Blümm  -  Obernburg,  Ried  inge  r,  Scherpf,  Marzell. 

e)  Schiedsgericht  in  wirtschaftlichen  Angelegenheiten:  DDr. 
Dehler,  R  i  e  d  i  n  g  e  r,  Scherpf.  Marzell,  Frisch. 

f)  Kreiskassier  für  den  Verein  zur  Unterstützung  invalider 
Aerzte:  Dr.  Dehler. 

Hierauf  dankt  der  Vorsitzende  dem  Herrn  Regierungskommissär 
für  seine  Teilnahme  an  den  Beratungen.  Dr.  J  ü  ngst  spricht  dem 
Vorsitzenden  die  Anerkennung  für  die  Leitung  der  Geschäfte  und, 
ebenso  dem  Schriftführer,  den  Dank  der  Versammlung  aus. 

Schluss:  11%  Uhr. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

Hofrat  Dr.  D  e  h  1  e  r.  D.  J.  R  i  e  d  i  n  g  e  r. 


Protokoll  der  Sitzung  der  Aerztekammer  von 
Schwaben  und  Neuburg. 

Augsburg,  den  4.  November  1907. 

Beginn  der  Sitzung:  9  Uhr  vormittags. 

Anwesende:  Dr.  Roger,  Kgl.  Regierungs-  und  Kreismedi¬ 
zinalrat  als  Regierungskommissär.  Als  Delegierte  der  Bezirksvereine: 
Bezirksverein  Allgäu:  Dr.  Redenbacher,  prakt.  Arzt  in  Kempten, 
Dr.  Lorenz,  prafot.  Arzt  in  Obergünzburg;  Bezirksverein  Augsburg: 
Dr.  Hagen,  prakt.  Arzt  in  Augsburg,  Dr.  Mayr,  Augenarzt  in 
Augsburg,  Dr.  Höher,  prakt.  Arzt  in  Augsburg;  Bezirksverein  Dil¬ 
lingen:  Medizinalrat  Dr.  Seil  in  Dillingen;  Bezirksverein  Günzburg- 
Neuulm:  Dr.  Weikard,  Kgl.  Bezirksarzt  in  Neuulm;  Bezirksverein 
Lindau:  Dr.  Bever,  Kgl.  Hofrat  in  Aeschach;  Bezirksverein  Mem¬ 
mingen:  Dr.  Mo 'S  er  und  Dr.  Wiedemann,  prakt.  Aerzte  in 


2578 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


Memmingen;  Bezirksverein  Nordschwaben:  Dr.  Wollen  web  er 
Kgl.  Landgerichtsarzt  in  Neuburg  a.  D. 

Dr.  Hagen  begriisst  den  Herrn  Regierungskommissär  und  die 
Delegierten  und  eröffnet  die  Sitzung. 

Die  Wahl  des  Ausschusses  unter  Leitung  des  Aeltesten,  Medi- 
zmalrat  Dr.  Seil,  ergibt:  Vorsitzender:  Dr.  Hagen;  Stellvertreter: 
Dr.  Weikard;  Schriftführer:  Dr.  Mayr;  Stellvertreter:  Dr' 
M  o  s  e  r. 

Die  Gewählten  nehmen  die  Wahl  dankend  an. 

Der  Vorsitzende  gedenkt  in  warmen  Worten  des  verstorbenen 
Kammermitgliedes  Herrn  Kgl.  Bezirksarzt  Dn  Wille  in  Markt 
Oberdorf,  insbesondere  als  eines  unermüdlichen  Vorkämpfers  für  die 
ärztlichen  Standesinteressen. 

Die  Anwesenden  erheben  sich  zum  ehrenden  Andenken  von  den 
Sitzen. 

Der  Kgl.  Regierungskommissär  begriisst  die  Kammer  im  Namen 
Sr.  Exzellenz  des  Herrn  Regierungspräsidenten,  der  zu  seinem  Be- 
dauern  durch  die  koinzidierende  Tagung  des  Landrates  verhindert 
ist,  die  Kammer  persönlich  zu  empfangen. 

Dann  erfolgt  der  Eintritt  in  die  Tagesordnung. 

I.  Bericht  des  geschäftsfiihrenden  Ausschusses  pro  1906  07. 

Derselbe  dient  zur  Kenntnis  und  gibt  zu  Erinnerungen  keinen 
A  n  lass. 

Kassabericht. 

Vermögen:  1300  M.  in  3%'  Pfandbriefen. 

Abgleichung: 

Einnahmen  .  .  .  .  901.46  M. 

Ausgaben .  460.75  M.’ 

bleibt  ein,  Aktivrest 


No.  51. 


440.71  M. 


III.  Bericht  des  Delegierten  zum  erweiterten  Obertnedizinalausschusse. 

Infolge  des  inzwischen  erfolgten  Ablebens  des  Delegierten  Kgl 
Bezirksarzt  Dr.  Will  e,  kann  ein  Bericht  nicht  erstattet  werden 
A„fc  m  ••?er  stattgehabten  Verhandlungen  gibt  der  Vorsitzende 
Aufschluss  uber  das  zu  gründe  liegende  Thema  (Desinfektion). 

IV.  Berichte  der  Bezirksvereine. 

V  1  ]\fZv  r  k,S  V,eT^'eiTn  AHgäu:  Mitgliederzahl  51.  Vorsitzender: 
Kgl.  Medizinal  rat  Dr.  K.  W  a  i  b  e  1,  Kempten.  Schriftführer:  Dr  L 
Lorenz,  Obergünzburg.  Kassier:  Dr.  J.  B  ü  1 1  e  r,  Obergünzburg 
lon?611 v  ve/uSa lu”?  Kaufbeuren  28.  Januar  1907,  Kempten  3.  Juni 
2(.  :W^  7eUr-  24.  Oktober  1907.  Ehrengerichtssitzung  in  Kempten 
-  ..  lai  1  JO/.  Vertragskommissionssitzung  in  Giinzburg  21.  Juli  1907 

IahresSiQ?)7SiJ/irH.den  Bff rksverein  Allgäu  wichtigste  Ereignis  des 
Jahres  1907  ist  der  am  24.  Februar  1907  zu  Markt  Oberdorf  erfolgte 
od  seines  langjährigen,  unermüdlichen  und  erfolgreichen  Vorsitzen- 
den  des  Kgl.  Bezirksarztes  Dr.  Valentin  W  i  1 1  e  zu  verzeichnen.  Ihm 

srhSteii?hrpSa4Mat‘i0n  d6S,  Vier,eines  im  engsten  Anschlüsse  an  die  wirt- 
haftliche  Abteilung  des  deutschen  Aerztevereinsbundes,  die  Ein- 

m  VeA1,tr^skonimission,  die  Einführung  freier  Arztwahl 

1  nii,?eZ!rk  a11  Markt  Oberdorf  und  Obergünzburg  und  vor  allem 
Gnmd  nf  HP  /Th,CrUng  del  Aerzte  des  Bezirksvereines  durch  die 
Ohe  f  vZ  Bokalver|lne  Kempten  Stadt.  Kempten  Land,  Markt 
danket  f’  Kaufbeuren’  Fussen>  Buchloe  und  Obergünzburg  zu  ver- 

o  7„B  6  ZA  2kASuV  ®reiP  Augsburg:  Derselbe  zählt  73  Mitglieder 
auswärtige  Vnf+ngeH  2  dcU7hJod’  1  durch  Bortzug),  darunter  26 
Dr.  Wie  im  V°riaflre: 

leee„SSfvTta„SffwS„‘anden  5  S'a“'  in  'dene"  S‘andesa"^- 

Vp  B  e  z  i  r  k  s  ve  i  ein  D  i  1 1  i  n  g  e  n:  Im  Jahre  1907  wurden  zwei 
Versammlungen  abgehalten,  eine  Frühjahrsversammlung  im  Mona 
April  und  eine  Herbstversammlung  im  Monat  Oktober  ?  Beide  Ver 
Sammlungen  waren  ziemlich  gut  besucht.  Die  in  EMauf  gelangten 
Anträge  von  Seite  anderer  Bezirksvereine  wurden  beraten  und  da- 
ruber  Beschluss  gefasst;  ausserdem  waren  stets  Vereins-  Berufs 
und  Standesangelegenheiten  Gegenstand  der  Besprechungen  und  des 

egJrkdeTUBeiUtr,CD€S'  BeipJ0ckr  Versammlung  wird  den  Herren  Kol- 
egen  der  Beitritt  zum  Pensionsverein  für  Witwen  und  Waisen 

bayerischer  Aerzte  dringend  empfohlen.  Durch  Beförderung  Vor 
Setzung  und  Wegzug  einiger  Kollegen  ist  die  ZahT  cieTwi&lilder' 
des  Vereins  auf  12  reduziert,  hievon  9  aus  dem  AmtsbeS  nn 
ingen  und  3  aus  dem  Amtsbezirke  Wertingen.  Vereinsvorsitzender- 

gS £»  f >"“en  -Ää Vauehma”f 
■  der  Vertragskommission  erstatteten  Berichte  Kassen¬ 


angelegenheiten  beraten  wurden.  Die  Berichte  über  die  Versamm¬ 
lungen  erscheinen  im  ärztlichen  Korrespondenzblatt. 

B  e  z  i  r  k  s  v  e  r  e  i  n  Lindau:  Stand  der  Mitglieder  23.  Vor¬ 
stand:  Dr.  Be  ver,  Kgl.  Hofrat;  Schriftführer:  Dr.  Saut  er,  beide 
in  Lindau.  Ausser  den  allmonatlichen  Zusammenkünften  der  Aerzte 
Lindaus  im  Wintersemester  fanden  unter  sehr  geringer  Beteiligung 
Kei ,ai‘s"  Artigen  Herren  Kollegen  zwei  Hauptversammlungen  eine 
rruhjahrs-  und  eine  Herbstversammlung,  beide  in  Lindau  statt  in 
welchen  Standesangelegenheiten  in  eingehender  Weise  besprochen 
wurden.  Grossere  Differenzen  mit  Krankenkassen  kamen  keine  im 
Bezirk  vor;  den  jüngeren  Mitgliedern  wurde  der  Beitritt  zum  Pen 
sionsverein  für  Witwen  und  Waisen  ernstlich  nahegelegt. 

.  ,B,e  z  1  r  K  s  v  e  r  e  i  n  Memmingen:  Vorstand  (wie  in  den  bei- 

LpÜ  f.ru11  JaÄrenJ :  Dr-  M  o  s  e  r,  Vorsitzender;  Dr.  Wiedemann 
v  c  riftfuhrei,  Dr.  Zorn,  Kassier,  sämtliche  in  Memmingen 

Die  Zahl  der  Vereinsmitglieder  beträgt  34,  wie  im’ Vorjahre- 
Personalveranderungen  traten  ein  durch  Ab-  und  Zugang  von  je  drei 

dem  Ve?ein  nTcht  an  VeneinSgebiet  Praktizierende  Kollegen  gehören 

PinpmDn  :ZZ  Mitgliederversammlungen  waren  durchschnittlich  von 
einem  Drittel  der  Vereinsmitglieder  besucht  und  dienten  hauptsächlich 
der  Beratung  von  Standesangelegenheiten.  Mit  grosser  Befriedigung 
konnte  in  der  letzten  Versammlung  des  Jahres  betont  werden,  dass 
die  'Stramme  wirtschaftliche  Organisation  im  Vereinsgebiet  bereits 

getragen  hati  es  konnten  sehr  vorteilhafte  Verträge 
mit  Krankenkassen  —  zum  Teil  mit  Einzelhonorierung  nach  den  Min¬ 
destsätzen  der  Gebührenordnung  bei  freier  Arztwahl  —  abgeschlossen 
werden.  An  diesen  Errungenschaften  partizipiert  auch  ein  ausser¬ 
halb  des  Vereines  stehender  Kollege. 

Vm-sLnrL  ‘n^H  ^iM,  o  0  r  d  s  C  h  w  a  b  e  n.  Mitgliederzahl  30. 
Voisiand.  Dr.  H  u  g,  Kgl.  Bezirksarzt  in  Donauwörth;  Schriftführer 

und  Kassier:  prakt.  Arzt  Dr.  Alfons  Schillingen  in  Neuburg  a.  D. 

.  tarn  en  zwei  gut  besuchte  ragesversammlungen  und  zwar  eine 
im  Fruhjahr  und  eine  im  Herbste  statt,  in  denen  wissenschaftliche 
r lagen  und  wirtschaftliche  Angelegenheiten  behandelt  wurden. 

V.  Mitteilung  des  Einlaufes. 

Die  ministerielle  Verbescheidting  der  Verhandlungen  der  Aerzte- 
murne!  im  Jahre  1906  wird  vom  Vorsitzenden  verlesen.  Im 
lUnigen  gibt  der  Einlauf  zu  Erinnerungen  keinen  Anlass.  An  die 
Kg  .  Regierung  soll  die  Bitte  gestellt  werden,  es  möge  künftig  anstatt 
es  einen  Exemplars  an  die  Aerztekammer,  jedem  Bezirksverein  ein 

WihfPnH  UFd  V e r 0 r'd ^ n  gsb  1  a  tt,  so  weit  den  ärztlichen  Stand  be- 
l  ii hi  ende  kragen  in  demselben  enthalten  sind,  zugesendet  werden. 
Auf  ein  von  der  Süddeutschen  Textilberufsgenossenschaft  einge¬ 
gangenes  Erwiderungsschreiben  betreff  des  Verhaltens  des  Direktors 

rmnlV  7  a  7”  In  ärztlicken  Angelegenheiten  soll  neuerdings  der  Stand¬ 
punkt  der  Kammer  geltend  gemacht  werden. 

VI.  Vorschläge  von  Sachverständigen  zum  Schiedsgerichte. 

Es  werden  vorgeschlagen  die  Herren:  Kgl.  Regierungs-  und 
Kreismedizinalrat  Dr.  Roger,  die  prakt.  Aerzte V  Dr.  W  ied  e 
man,n’  Br.  Hagen,  Dr.  Heinsen,  Dr.  Pfeiffer,  Dr.  Hob  er 
und  der  Oberarzt  des  städtischen  Krankenhauses  Dr.  L.  R.  M  ii  1 1  e  r. 

VII.  Bddung  ärztlicher  Kollegien  zur  Erstattung  von  Obergutachten  in 
Unfallversicherungsangelegenheiten. 

Es  werden  vorgeschlagen  die  Herren:  1.  Kgl.  Regierungs-  und 
Kreismedizinalrat  Dr.  R  o  g  e  r -Augsburg,  2.  Medizinalrat  Dr.  B  r  a  n  d- 
Fussen,  3.  Hofrat  Dr.  Schreiber,  Oberarzt  der  chirurgischen  Ab- 

Dr  URö  hm  7a,dtRChei?  Krankenhauses  in  Augsburg,  4.  Medizinalrat 
Br- B  o  h  m,  Kgl.  Bezirksamt  in  Augsburg,  5.  Dr.  Nik.  K  i  e  n  i  n  g  e  r  s, 
prakt.  und  Bahnarzt  in  Illereichen,  6.  Dr.  B  e  v  e  r,  Kgl.  Hofrat  in 

MtSCnrChf  7‘  7r-  Kax!  Be  o  p  o  1  d  e  r  -  Giinzburg  a.  D„  8.  Medizinal¬ 
st  Dr.  L  a  u  be  r  -  Neuburg  a.  D.,  9.  Dr.  H  a  g  e  n  -  Augsburg.  10. 

o  if  w  ,',Men,mifn’  }}■  Medizinalrat  Dr.  W  a  i  b  e  1  -  Kempten, 

1_.  Dr.  W  o  1 1  e  n  we  b  e  r,  Kgl.  Landgerichtsarzt  in  Neuburg  a.  d.  D. 

VIII.  Anträge  und  Anregungen. 

I.  Anträge  nach  der  Vorbesprechung  der  Vorsitzenden  der 
bayerischen  Aerztekammer. 

!;  .7,  Bächen:  Antrag  des  geschäftsführenden  Ausschusses  der 
mittelfrankischen  Aerztekammer  betreff  Organisation,  d.  i.  Schaffung 

^m^M  ,einS7nZJn  yiBschaftlichen  Angelegenheiten  für  die 
Kammer  wird  folgendes  beschlossen: 

srüsfmS  Beschlüss,e  ,des  Bezirksvereins  ist  in  prinzipiellen  wirt- 

innprhaU  e?v9na<f+1’  ,fie  TChrnre  oder  alle  Bezirksvereine  angehen, 
innerhalb  3X24  Stunden  Appellation  an  die  hiefür  eingesetzte  Kom- 

m?g  1Ch’  71'6  Tdann-  uber  Verweisung  an  das  Plenum  der 
Ka  umer  oder  an  den  Leipziger  Verband  entscheidet. 

Diese  Kommission  setzt  sich  zusammen  aus  den  Mitgliedern  der 
Kommission  ad  §  12  der  Kgl.  Allerh.  Verordnung. 

__h,  Bezügbch  gleichzeitig  aufgestellten  Direktiven  wird  be- 
übeSn  Stellun,gnahme  dazu  den  einzelnen  Bezirksvereinen  zu 


17.  Dezember  1907. 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2579 


2.  Dem  Antrag  des  ständigen  Ausschusses  von  Mittelfraniken 

„Die  Kammern  mögen  gemeinschaftlich  bei  allen  bayerischen 

Invaliditätsanstalten  anregen,  sich  über  ein  gleichmässiges  For¬ 
mular  für  Atteste  sowie  über  gleichmässige  Honorierung  der  At¬ 
teste  für  Invalidität  und  für  Uebernahme  des  Heilverfahrens  zu 
einigen. 

Als  Grundlage  für  die  Verhandlungen  soll  ein  Angebot  der 
oberbayeriischen  Invaliditätsanstalt  dienen,  das  5  resp.  3  M.  für 
diese  Atteste  als  Honorar  vorsieht.“ 
wird  zugestimmt. 

3.  Der  Antrag  des  Bezirksvereins  Freising-Moosburg,  ähnlich, 
nur  etwas  weitergehend,  auch  vom  Bezirksverein  Memmingen  einge¬ 
bracht,  wurde  in  folgender  Form  zur  Vorlage  angenommen: 

„Kgl.  Staatsregierung  wolle  anordnen,  dass  mikroskopische 
und  bakteriologische  Untersuchungen  bei  den  einschlägigen  staat¬ 
lichen  Anstalten  unentgeltlich  vorgenommen  werden,  wo  es  im 
öffentlichen  Interesse  wünschenswert  erscheint.“ 

4.  Antrag  Bezirksverein  Nordschwaben: 

Es  sei  an  die  Kgl.  Regierung  die  untertänigste  Bitte  zu  richten, 
die  Erhöhung  der  Leichenschaugebühren,  wie  sie  in  den  oberpolizei- 
lichen  Vorschriften  vom  20.  November  1885  über  die  Leichenschau 
und  die  Zeit  der  Beerdigung  festgesetzt  sind,  in  hochgeneigte  Er¬ 
wägung  zu  ziehen. 

Unter  Anlehnung  an  die  obenerwähnten  oberpolizeilichen  Vor¬ 
schriften  wird  nachstehende  Tarifierung  in  Vorschlag  gebracht: 
A.  für  ärztliche  Leichenschauen  I.  Für  die  I.  Leichenschau:  a)  am 
Wohnorte  2  M.,  b)  ausserhalb  des  Wohnortes  für  je  ein  Kilometer 
des  Hin-  und  Rückweges  (wobei  die  Entfernungen  des  Hin-  und  Rück¬ 
weges  zusammengezählt  und  jeder  angefangene  Kilometer  als  voll 
gerechnet  wird)  50  Pf.,  jedoch  mit  der  Massgabe,  dass  die  Gebühr 
nicht  weniger  als  2  M.  betragen  soll,  dagegen  —  auch  bei  grösseren 
Entfernungen  —  in  keinem  Falle  den  Betrag  von  6  M.  übersteigen 
darf. 

Eine  Verbindung  der  unter  b)  bezeichneten  Gebührensätze  mit 
der  unter  a)  bestimmten  Gebühr  findet  nicht  statt. 

II.  Für  die  II.  Leichenschau  1  M. 

B.  für  nichtärztliche  Leichenschauer:  Für  jede  Leichenschau, 
gleichviel  ob  I.  oder  II.,  die  Hälfte  der  A.  I.  bestimmten  Gebühren, 
so  zwar,  dass  die  Gebühr  nicht  weniger  als  1  M.  betragen  soll  und 
keinesfalls  den  Betrag  von  3  M.  übertragen  darf. 

Begründung.  Die  Gebühr  von  1  M.  ist  für  eine  ärztliche 
Leichenschau  nicht  als  entsprechende  Entlohnung  anzusehen,  nachdem 
auch  in  der  Gebührenordnung  für  ärztliche  Dienstleistungen  in  der 
Privatpraxis  vom  17.  Oktober  1901  lit.  A.  Ziff.  1  für  den  ersten  Besuch 
bei  Tage  als  Minimaltaxe  2  M.  festgelegt  ist,  die  Verrichtung  der 
Leichenschau  aber  doch  wohl  einem  ersten  Krankenbesuche  gleich 
zu  achten  ist;  zudem  kommt  noch,  dass  bei  jeder  Leichenschau  ein 
Leichenschein  —  also  ein  als  Urkunde  zu  erachtender  Bericht  — 
ausgestellt  werden  muss,  eine  Dienstleistung,  welche  nach  Massgabe 
der  sub  lit.  A.  Ziff.  6  a  vorgesehenen  Gebühr  mit  1 — 5  M.  zu  hono¬ 
rieren  wäre. 

Bei  Leichenschauen  ausserhalb  des  Wohnortes  war  bisher  30  Pf. 
pro  Kilometer  unter  Ausserachtlassung  des  Bruchteiles  eines  Kilo¬ 
meters  festgesetzt,  so  dass  also  z.  B.  bei  einer  Entfernung  von  3,4 
Kilometer  1  M.  80  Pf.  zu  berechnen  war. 

Eine  derartige  Gebühr  ist  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen 
unhaltbar.  Die  Benützung  eines  Fuhrwerkes,  wie  'dies  namentlich 
seitens  des  in  der  Aussenpraxis  meist  gar  nicht  mehr  beschäftigten 
Amtsarztes  häufig  geschehen  muss,  Lostet  3  M.  Die  unvermeidliche 
Folge  der  Aufrechterhaltung  der  bisherigen  Gebühr  würde  vielfach 
sein,  dass  die  Amts-  und  auch  die  praktischen  Aerzte  auf  die  Lei¬ 
chenschau  verzichten  würden,  jedenfalls  aber  in  einem  derartigen 
Honorare  eine  ihres  Standes  unwürdige  Entlohnung  erblicken  müss¬ 
ten.  Es  wird  daher  vorgeschlagen,  pro  Kilometer  eine  Gebühr  vor 
50  Pf.  zu  setzen  und  den  begonnenen  Kilometer  als  voll  gelten  zu 
lassen.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Bruchteil  des  Kilometers 
für  voll  entschädigt  werde,  wurde  auch  von  der  Beantragung  einer 
Grundtaxe  von  1  M.  für  die  auswärtige  Leichenschau  neben  der 
Entfernungsgebühr  —  wie  der  Antrag  ursprünglich  lautete  —  Ab¬ 
stand  genommen. 

Auch  für  die  II.  Leichenschau  erscheint  unter  den  gewöhnlichen 
ländlichen  oder  kleinstädtischen  Verhältnissen  die  Gebühr  mit  1  M. 
gewiss  nicht  zu  hoch  gegriffen,  nachdem  die  Minimaltaxe  für  einen 
ärztlichen  Besuch  auf  1  M.  festgesetzt  und  die  Entfernung  des  Wohn¬ 
sitzes  des  Arztes  von  dem  Trauer-  bezw.  Leichenhause  mitunter 
eine  sehr  respektable  und  der  Gang  an  sich  schon  ziemlich  zeitraubend 
ist.  Die  grossstädtischen  Leichenhausbetriebe  sind  hiebei  allerdings 
nicht  in  Betracht  gezogen. 

Aber  auch  für  die  nichtärztliche  Leichenschau  erweist  sich  die 
z.  Z.  gültige  Gebühr  als  tatsächlich  zu  niedrig,  und  wird  daher  für 
den  nichtärztlichen  Leichenschauer  eine  Kilometergebühr  von  25  Pf. 
als  entsprechend  erachtet. 

Gebührenüberschreitungen  des  niederärztlichen  Personals  und 
der  Laienleichenschauer  sind  an  der  Tagesordnung  und  von  dem 
Publikum  widerspruchslos  geduldet.  Auf  dem  platten  Lande  kommt 
es  zudem  gar  nicht  so  selten  vor,  dass  überhaupt  kein  stellvertreten¬ 
der  Leichenschauer  aufgebracht  werden  kann,  ohne  dass  wesentliche 


Zugeständnisse  betreffs  der  Gebührenhöhe  in  Aussicht  gestellt 
werden. 

(Illustrierende  Beispiele  können  für  vorstehende  Behauptungen 
jederzeit  erbracht  werden.) 

Die  vom  Staate  stets  gehegte  Absicht,  die  Ordnung  des  Leichen¬ 
schauwesens  zu  fördern,  andererseits  die  Idee,  die  mit  der  Leichen¬ 
schau  betrauten  Persönlichkeiten  —  speziell  des  niederärztlichen  und 
Laienpersonals  —  vor  den  unvermeidlichen  Folgen  einer  vereinzelten 
oder  auch  systematisch  geübten  Gebührenüberschreitung  durch  eine 
entsprechende  zeitgemässe  Taxrevision  abzuhalten,  dürften  Motive 
zur  Genüge  abgeben,  um  die  übrigen  Bezirksvereine  Schwabens 
zum  Anschluss  an  unseren  Antrag  und  die  K.  Regierung  zu  einem  Ent¬ 
gegenkommen  gegenüber  unserem  untertänigst  zu  unterbreitenden 
Vorbringen  zu  bewegen. 

Der  Antrag  wird  angenommen. 

5.  Den  Anregungen  des  Bezirksvereins  Nürnberg: 

„K.  Staatsregierung  möge  ersucht  werden,  allen  den  Staats¬ 
dienst  anstrebenden  Aerzten  den  Beitritt  zum  Pensionsverein 
für  Witwen  und  Waisen  in  geeigneter  Form  zu  empfehlen. 

Hauptmotiv  für  den  Antrag  ist  die  geringe  Bezahlung  der 
Amtsärzte  und  dadurch  die  ungenügende  Pension  der  Witwen, 
die  in  steigender  Zahl  die  ärztlichen  Wohltätigkeitsvereine  um 
Hilfe  angehen  müssen.“ 
und 

6.  des  Hofrat  Dr.  Beckh,  der  namens  der  provisorischen  Ver¬ 
waltung  des  Beihilfefonds  für  den  Pensionsverein,  der  lediglich  der 
Erleichterung  des  Beitrittes  jung  verheirateter  Aerzte  dienen  soll, 
das  Ersuchen  stellt: 

„1.  Die  Kammern  möchten  den  Bezirksvereinen,  welche  zu 
dieser  aus  Anlass  der  Zentenarfeier  des  Königreiches  Bayern  ins 
Leben  gerufenen  Stiftung  noch  keinen  Beitrag  geleistet,  einen  sol¬ 
chen  von  Vereinswegen  oder  durch  Zeichnungen  einzelner  Mit¬ 
glieder  empfehlen. 

2.  Die  Kammern  möchten  nach  Abschluss  der  Sammlung  die 
ständigen  Ausschüsse  von  Oberbayern  und  Mittelfranken  be¬ 
auftragen,  im  Verein  mit  dem  geschäftsführenden  Ausschuss  des 
Pensionsvereins  Bestimmungen  über  die  Führung  und  Verteilung 
der  Stiftung  auszuarbeiten.  (Jetziger  Stand  der  Stiftung  über 
11  000  M.  Man  hofft  auf  15  000  M.  zu  kommen.)“ 
wird  prinzipiell  zugestimmt. 

Weitere  Propaganda  wird  den  Bezirksvereinen  überlassen. 

7.  Der  Antrag  des  Bezirksvereins  Landsberg: 

„Es  möchten  die  Aerztekammern  den  Wunsch  aussprechen, 
dass  zur  Behandlung  von  Mitgliedern  von  Krankenkassen,  die 
direkt  unter  Aufsicht  des  Staates  stehen,  in  der  Regel  nur  Mit¬ 
glieder  der  ärztlichen  Bezirksvereine  zugelassen  werden,“ 
wird  angenommen. 

8.  Ein  Antrag  des  Bezirksvereins  Memmingen: 

„Regelung  der  Honorierung  der  ärztlichen  Gutachten  für  die 
land-  und  forstwirtschaftliche  Berufsgenossenschaft,“ 
wird  zurückgezogen. 

IX.  Verhandlungen  mit  der  Versicherungsanstalt  für  Schwaben  und 

Neuburg. 

Die  Kammer  erklärt  sich  mit  dem  Vorgehen  des  geschäftsführen¬ 
den  Ausschusses,  wie  es  in  dem  Schreiben  vom  17.  Dezember  1906 
zum  Ausdruck  kommt,  einverstanden. 

Das  Erwiderungsschreiben  der  Versicherungsanstalt  vom  6.  Ok¬ 
tober  1907  diente  zur  Kenntnis,  die  Fassung  der  auf  dasselbe  zu  geben¬ 
den  Rückäusserung  soll  dem  geschäftsführenden  Ausschuss  über¬ 
lassen  werden. 

Das  an  die  Versicherungsanstalt  zu  richtende  Memorandum  über 
ärztliche  Gutachtenerstattung  soll  vom  ständigen  Ausschuss  der 
Aerztekammer  unter  Beiziehung  der  Delegierten  von  Memmingen 
und  des  dritten  Delegierten  von  Augsburg  ausgearbeitet  werden. 

X.  Wahlen  nach  §  3,  Ziff.  2,  3,  4  u.  6.  der  Geschäftsordnung. 

ad  2.  Als  Delegierter  zum  erweiterten  Obermedizinalausschuss 
wird  durch  Akklamation  Dr.  Bever,  als  Stellvertreter  Dr.  Wei¬ 
le  a  r  d  gewählt. 

ad  3.  In  die  Kommission  zur  Aberkennung  der  ärztlichen  Appro¬ 
bation  werden  gewählt  die  DDr.  Bever,  Redenbacher  und 

Seil. 

ad  4.  In  die  Kommission  zur  Erledigung  von  Beschwerden  im 
Sinne  des  §  12  der  K.  Allerh.  Verordnung  vom  9.  Juli  1893  werden 
ausser  dem  Vorsitzenden  als  Mitglieder  Dr.  Seil,  Dr.  Weikard, 
Dr.  Mayr  und  Dr.  Wiedemann,  als  Stellvertreter  Dr.  Höher 
und  Dr.  Redenbacher  gewählt. 

ad  6.  Zur  Führung  der  Kassengeschäfte  für  den  Verein  zur 
Unterstützung  invalider  und  hilfsbedürftiger  Aerzte  soll  Dr.  Aurn- 
h  a  m  m  e  r  in  Augsburg  wieder  gebeten  werden. 

Der  Vorsitzende  dankt  dem  Herrn  Regierungskommissär  für 
seine  wohlwollende  und  fördernde  Teilnahme  an  den  Beratungen. 

Schluss  der  Sitzung:  11  Uhr. 

Der  Vorsitzende:  Der  Schriftführer: 

gez.  Dr.  Hagen.  gez.  Dr.  Mayr. 


2580 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift.  Mo  5 


Beilage. 

Grundziige 

der 

wirtschaftlichen  Organisation  der  bayer.  Bezirksvereine  und  Aerzte- 

kammern. 

I.  Bezirksvereine. 

a)  Vertragskommission. 

Jeder  Bezirksverein  setzt  eine  Vertragskommission  von  min¬ 
destens  3  Mitgliedern  ein. 

Der  Vertragskommission  sind  alle  neuen  oder  zu  erneuernden 
Verträge  oder  Abmachungen  aller  Art  der  Aerzte  mit  den  Or¬ 
ganen  der  deutschen  Arbeiterversicherung  zur  Prüfung  und  Ge¬ 
nehmigung  vorzulegen. 

Verträge  oder  Abmachungen  über  Stellen  in  Gemeinden,  an 
Krankenhäusern,  staatlichen  Kassen,  Stiftungen  etc.  sind  der 
Kommission  ebenfalls  mitzuteilen  zur  Kenntnisnahme  und  Abgabe 
allenfallsiger  Erinnerungen. 

Die  Kommission  hat  die  Ausbreitung  der  ärztlichen  Organi¬ 
sation,  den  Beitritt  zum  L.  V.,  die  Ausstellung  der  Reverse,  die 
Gründung  von  Lokalvereinen  zu  betreiben.  Bei  Differenzen  mit 
Krankenkassen  etc.,  die  den  bestehenden  Vertrag  nicht  wesent¬ 
lich  alter, ieren,  bei  wirtschaftlichen  Uneinigkeiten  zwischen 
Aerzten  selbst,  kann  sie  selbständig  Beschluss  fassen  nach  Mass- 
gabe  der  ihr  vom  Verein  erteilten  Geschäftsaufträge;  bei  drohen¬ 
den  schweren  Streitigkeiten  bereitet  sie  die  Anträge  an  den 
Bezirksverein  vor.  Gegen  ihre  Beschlüsse  kann  an  das  Bezirks¬ 
vereinsplenum  appelliert  werden. 

b)  Plenarversammlung  des  Bezirksvereins  entscheidet  über  Anträge 

aus  seiner  Mitte,  über  Anträge  der  Vertragskommission  und  über 
Proteste  gegen  solche. 

Gegen  Beschlüsse  des  Bezirksvereins  ist  Appell  an  die  Be¬ 
schwerdekommission  der  Kammer  innerhalb  3  mal  24  Stunden 
möglich. 

II.  A  e  r  z  t  e  k  a  m  in  e  r. 

c)  Beschwerdekommission  wird  gebildet  von  .den  Mitgliedern  der 
Kommission  für  Beschwerden  im  Sinne  des  §  12  der  Allerh.  Ver¬ 
ordnung  d.  d.  9.  VII.  1905  und  mit  derselben  Geschäftsordnung. 

Ihr  steht  die  Schlussentscheidung  in  allen  wirtschaftlichen 
Fragen  zu  auf  Anrufen  von  irgend  einer  beteiligten  Seite. 

d)  Wirtschaftliche  Kommission  besteht  aus  3  Mitgliedern,  denen  ob¬ 

liegt,  die  Organisation  im  Kreise  zu  fördern  und  mit  den  Kom¬ 
missionen-  der  anderen  Kreise  Fühlung  zu  halten. 

Direktiven. 

1.  Fiir  Vertragsabschlüsse  mit  Krankenkassen. 

S  ehr  i  f  1 1  i  c  h  e  r  V  e  r  t  r  a  g,  gleiche  Kündigung  fiir  beide  Teile. 

Keine  langfristigen  Verträge,  wenn  die  ärztlichen  Forderungen 
nicht  erfüllt  sind. 


Keine  Karenzzeit. 

Ausschluss  von  Laienbehandlung. 

Keinen  Vertrag  mit  Mittelstandskassen.  Verträge  mit  Nicht¬ 
versicherungspflichtigen  nur  bis  zu  einem  Gesamteinkommen 
über  2000  Mk.,  oder  Zusatzhonorar  für  besser  Situierte. 

H  o  n  o  r  a  r.  Zahlung  der  Einzelleistung  zu  vereinbarten  Sätzen. 
Bei  Pauschale  Minimum  4  Mk.  im  Jahr  pro  Mitglied.  12  Mk. 
pro  Familie,  exklusive  der  Extraleistungen  und  Zeitverluste! 

In  .allen  Fällen,  in  denen  der  Krankenkasse  für  ihre  Aus¬ 
gaben  ein  Regress  zusteht,  ist  Minimaltaxe  ohne  Abzug  zu 
verlangen.  Eigenes  Meldeformular  für  solche  Fälle  erwünscht 
(Ueberweisungen,  Unfälle,  Zahlung  durch  Private,  Haft- 
pflichtfälle.) 

Finigungskommdssionen  bei  Vci trägen  mit  grösseren  * 
Kassen  behufs  gemeinschaftlicher  Beratung  und  Beilegung  von 
Differenzen.  Gleichmässige  Beschickung,  wechselnder  Vorsitz. 
Bei  Uneinigkeit  kann  unter  Zustimmung  beider  Teile  ein 
Schiedsgericht  eingesetzt  werden,  gleichmässig  beschickt,  mit 
unparteiischem  Vorsitzenden. 

Kontrollkommissi  o.  n  e  n,  von  den  Aerzten  eingesetzt  zur 
eigenen  Ueberwachung  betr.  billiger  Arzneiverordnung,  Zahl 
der  Besuche,  rechtzeitiger  Wiederaufnahme  der  Arbeit  etc.  Die 
Kommission  kann  Strafen  verhängen  (Verweis,  Geldstrafe, 
Suspendierung  von  der  Kassenpraxis),  Appell  an  den  Be¬ 
zirks  verein. 

Eigene  Kontrollärzte  können  den  Kassen  nicht  ver¬ 
weigert  werden,  sind  aber  nur  unter  Zustimmung  der  Aerzte 
auszuwählen. 

2.  Bei  wirklichem  Streit  mit  Krankenkassen  ist  erforderlich: 

Einigkeit  der  beteiligten  Aerzte  (95  Proz.?  bei  kleineren  Plätzen 
Einmütigkeit).  Bestehen  im  Arbeitsgebiet  der  Kasse  mehrere 
Vereinsorganisationen,  so  müssen  diese  unter  sich  einig  sein. 
(Gemeinschaftliche  Kommission?)  Zustimmung  von  Aerzten,  die 
Opfer  bringen  sollen,  ist  in  erster  Linie  nötig.  Wie  weit  Mino- 
ritäten  zu  berücksichtigen  sind,  entscheiden  die  Instanzen.  Die 
Beschwerdekommission  der  Kammer  hat  speziell  zu  prüfen,  wie 
weit  bei  einem  Streitfall  das  ganze  Land  interessiert  ist  und 
darnach  auch  andere  Kreise  resp.  Kammern  zustimmen  müssen. 
Bei  Honorarforderungen  ist  der  friedliche  Weg  erst  zu  verlassen, 
wenn  auch  die  Aufsichtsbehörde  vorher  angegangen  wurde. 

Die  Entschädigung  von  Aerzten,  die  bei  Einführung  der  freien 
Arztwahl  Einbusse  erleiden  müssen,  ist  noch  nicht  in  feste 
Nonnen  gebracht.  Bei  den  seitherigen  Versuchen  ist  das  persön¬ 
liche  Ehrgefühl  und  die  Pflicht  des  Einzelnen  seiner  Familie 
gegenüber  nicht  immer  genügend  berücksichtigt. 

Drohen  ernstliche  Kämpfe,  so  ist  der  Leipziger  Verband  sofort 
zu  benachrichtigen  und  stets  auf  dem  Laufenden  zu  halten.  Wird 
sein  Eingreifen  gewünscht,  so  muss  er  dies  vor  dem  Abbruch  der 
Verhandlungen  erfahren,  damit  er  seinerseits  prüfen  kann,  ob  die 
Bedingungen  seiner  Hilfeleistung  erfüllt  sind. 

Bei  Verweigerung  der  Krankenhilfe  sind  Nothilfen  nie  ab¬ 
zulehnen  und  der  Begriff  solcher  nicht  zu  eng  zu  halten. 


Vc^von  ..  F.  LeiwänTÜ  München,  -  prucV  vpn  E.  MdÄ^BuTh:  ^unstdrucWereT 


_  Münchener  Medizinische  Wochenschrift  ersehe  nt  wöchentlich 
von  durchschnittlich  6-7  Bogen.  .  Preis  der  einzelnen 
ÜT  Ümer  J.  •  Bezugspreis  in  Deutschland  vierteljährlich 

N“™™  .  Übrige  Bezugsbedingungen  siehe  auf  dem  Umschlag. 


MÜNCHENER 


Zusendungen  sind  zn  adressieren:  Für  die  Redaktion  Arni 
Strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/*— 1  Uhr.  rur 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16, 


"Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 


No.  52  24.  Dezember  1907. 


Originalen. 

Aus  dem  physiologischen  Institut  Heidelberg. 

Beobachtungen  über  Magenverdauung.*) 

Von  Otto  Cohnhei  m. 

M  H  ’  Die  Versuche,  über  die  ich  Ihnen  heute  berichten 
will  sind  eine  Fortsetzung  von  Experimenten,  die  ich  seiner 
Zeit  mit  Herrn  Kollegen  T  o  b  1  e  r  begonnen  habe,  und  über 
die  Herr  T  o  b  1  e  r  9  an  dieser  Stelle  berichtet  hat.  Wir  unter¬ 
suchten  Hunde  mit  einer  hohen  Duodenalfistel.  Wir  naben 
ihnen  eine  Kanüle  seitenständig  in  das  Duodenum  eingefuhrt 
und  das,  was  herauskam,  aufgefangen,  haben  aber  gleichzeitig 
durch  einen  Katheter  nach  abwärts  Salzsäure  oder  Magen- 
verdamingsprodukt  ins  Duodenum  eingespritzt;  nui  so  kann 
man  die  natürlichen  Verhältnisse  erhalten.  Toblei  hat 
mittelst  dieser  Methodik  gefunden,  dass  die  Magenverdauung 
viel  weiter  geht,  als  man  sich  früher  vorgestellt  hat,  dass  der 
grösste  Teil  des  Nahrungseiweisses  schon  im  Magen  zu  Pepton 
wird,  dass  nur  ein  kleiner  Teil  unverdaut  bleibt  und  dass  vor 
allem  die  Albumosen,  die  früher  eine  so  grosse  Rolle  in  der 
Physiologie  der  Verdauung  gespielt  haben,  nur  in  minimaler 
Menge  in  den  Darm  übertreten.  Sie  sind  ein  Durchgangs- 
Produkt,  das  lediglich  bei  der  schwachen  Pepsinverdauung  im 
Glase  in  grösserer  Menge  entsteht.  Tob  ler  konnte  fernei 
die  ausserordentlich  grossen  Mengen  feststellen,  die  der  Magen 
absondert  und  konnte  die  langsame  Entleerung  des  Magens 
während  der  ganzen  Verdauungszeit  aufs  schönste  beobachten. 
Auch  konnte  er  die  Wirkung  des  Mageninhaltes  im  Duodenum 
auf  Pankreassaft  und  Galle  sehen. 

Ich  habe  nun  unterdessen  die  Technik  noch  insofern  vei- 
vollkommnet,  als  jetzt  ein  und  dieselbe  Kanüle  das  Auffangen 
von  Mageninhalt  oder  anderem  Duodenalinlialt  und  das  Ein¬ 
spritzen  von  Salzsäure  oder  anderen  Stoffen  ins  untere 
Duodenum  gestattet.  Mittelst  dieser  Vorrichtung  ist  es  mög¬ 
lich,  gewissermassen  in  den  innersten  Mechanismus  der  Ver- 
dauung  hineinzusehen.  Für  exakte  Erforschungen  wird  es 
immer  nötig  bleiben,  Pankreasfisteln,  Gallengangfisteln,  Magen¬ 
fisteln  oder  den  P  a  w  1  o  w  sehen  kleinen  Magen  anzulegen. 
Mittelst  einer  Duodenalfistel  aber  kann  man  die  Sekretion  aller 
dieser  Verdauungssäfte  und  gleichzeitig  den  Entleerungs¬ 
mechanismus  des  Magens  hinreichend  beobachten,  um  sie 
einem  grösseren  Auditorium  demonstrieren  zu  können.  Für  die 
Bestimmung  der  Gesamtmenge  des  Magensaftes  und  für  die 
Untersuchungen  des  natürlichen  Mageninhaltes  am  Ende  der 
Verdauung  aber  ist  die  hohe  Duodenalfistel  die  einzige  Methode, 
die  richtige  Werte  liefert.  Sie  ist  denn  auch  schon  früher 
von  Hirsch2),  v.  Mering3)  und  M  o  r  i  t  z  )  angewendet 
worden,  doch  ist  die  Einführung  der  seitenständigen  Kanüle 
nach  Pawlow  unvergleichlich  viel  schonender  für  die  Ver¬ 
suchstiere;  meine  Versuchshunde  haben  zum  Teil  monatelang 
und  länger  bei  gutem  Befinden  gelebt. 


*)  Vortrag,  gehalten  im  Med.  Verein  Heidelberg  am  5.  XI.  07. 

9  L.  Tob  ler:  Zeitsehr.  f.  physiol.  Chemie,  Bd.  45,  1905;  ferner 
Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  1906,  Ab' teil.  t. 
Kinderheilk.;  auch  Versammlung  der  Gesellschaft  f.  Kmderheitk.  23. 

9  A.  Hirsch:  Zentralbl.  f.  innere  Med.  1892  u.  1893. 

9  J.  v.  Mering:  Kongr.  f.  innere  Med.  1893. 

4)  F.  Moritz:  Ibid.  und  Naturforscherversammlung  1893.  — 
Münch,  med.  Woohcnschr.  1895  u.  1898. 

No.  52. 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

Ich  habe  zunächst  noch  einmal  den  normalen  Ablauf  einer 
Verdauungsperiode  beobachtet.  Wenn  man  einem  Hunde  50  g 
Fleisch  in  grobe  Würfel  geschnitten  zu  fressen  gibt,  so  beginnt 

2 _ 3  Minuten  nachher  die  Sekretion  von  Pankreassaft  und 

Galle  Aus  der  Fistel,  die  gerade  an  der  Stelle  angelegt  sein 
muss  wo  der  Gallengang  und  der  obere  Pankreasgang  munden, 
ergiesst  sich  alkalisches,  gelblich  gefärbtes  Sekret.  Diese 
Sekretion  dauert  10—15  Minuten  an  und  noch  ehe  sie  voll¬ 
endet  ist,  etwa  8—12  Minuten  nach  der  Fütterung,  wird  Magen¬ 
inhalt  aus  der  Fistel  herausgespritzt.  Auch  abgesehen  von 
der  anderen  Farbe  und  der  anderen  Reaktion  kann  man  nie 
einen  Augenblick  im  Zweifel  sein,  ob  etwas  Ablaufendes 
Mageninhalt  oder  eines  der  Duodenalsekrete  ist  denn  der 
Mageninhalt  wird  durch  die  kräftige  Muskulatur  des  Antrum 
pylori  unter  starkem  Druck  ins  Duodenum  befördert  und  spritz 
in  Güssen  oder  Schüssen  aus  der  Kanüle  heraus.  Anfangs  sind 
diese  Schüsse  unregelmässig,  bald  grösser,  bald  kleiner  Nach 
etwa  15  Minuten  aber  werden  sie  ausserordentlich  regelmassig 
und  der  Magen  entleert  lange  Zeit  hindurch  in  einem  sehi 
gleichmässigen  Tempo  alle  15-20  Sekunden  einen  kleinen 
Schuss,  der  bei  Fleischfiitterung  ungefähr  1  ccm  betragt.  Wenn 
man  nichts  weiter  tut,  so  dauert  die  maschinenmassige  Regel¬ 
mässigkeit  dieser  Entleerung  etwa  40—50  Minuten  an,  dann 
aber  kommen  mit  den  Schüssen  erst  vereinzelte,  dann  giössei  e 
Stückchen  noch  unverdauten  aber  durch  den  Magensatt 
schlüpfrig  gewordenen  Fleisches  zum  Vorschein.  Das  ist  aber 
kein  normaler  Zustand.  Wenn  man  keine  Einspritzungen  ins 
Duodenum  macht,  löst  man  die  Pylorusreflexe  nicht  aus  stört 
damit  die  normale  Magenentleerung  und  erhält  Werte,  die 
durchaus  willkürlich  sind  und  von  den  normalen  mehr  oder 
weniger  weit  abweichen.  Aus  derartigen  Versuchen,  die  in 
der  Literatur  wiederholt  vorliegen,  z.  B.  von  London  ) 
und  seinen  Mitarbeitern  ist  es  ebenso  unzulässig,  aut  den 
richtigen  Ablauf  der  Magenentleerung  und  Magenverdauung 
zu  schliessen,  wie  man  nicht  den  Blutkreislauf  an  einem  Tiere 
untersuchen  darf,  das  ein  Loch  in  der  Aorta  hat.  Vielmehr 
muss  man  —  und  das  hat  Toblei  zuerst  getan  va  reu 
der  Entleerung  von  Zeit  zu  Zeit  Salzsäure  odei  noch  besser 
das  was  man  bei  einem  früheren  Versuch  bekommen  hat,  ein¬ 
spritzen.  Auf  eine  solche  Einspritzung  schliesst  sich  der  Pylorus, 
die  Magenentleerung  wird  nach  einigen  Sekunden  scharf  ab¬ 
geschnitten  und  statt  dessen  beginnt  wieder  das  Ausfhessen  der 
alkalischen  Sekrete.  Auf  Salzsäure  allein  bekommt  man  über¬ 
wiegend  Pankreassaft,  den  man  sich  so  in  reichlichen  Quan¬ 
titäten  verschaffen  kann,  kleine  Quantitäten  Galle  abei  weiden, 
das  ist  in  der  Literatur  strittig,  auch  auf  Salzsäure  entleert. 
Spritzt  man  Verdauungsprodukt  ein,  das  also  neben  der  balz- 
säure  Albumosen  und  Pepton  enthält,  so  tliesst  die  Gal  e 
reichlich  und  in  Strömen.  Nach  einigen  Beobachtungen  scheint 
es  mir  als  ob  auch  reines  Wasser  die  Sekretion  von  Pankreas¬ 
saft  und  Galle  veranlasste.  Die  Sekretion  dauert  aut  eine  ein¬ 
malige  Einspritzung  von  10  ccm  normalem  Mageninhalt  etwa 
10  Minuten  an.  Der  Schluss  des  Pylorus  dauert  hingegen 
kürzere  Zeit,  sodass  man  dann  immer  ein  Gemenge  von  Magen¬ 
inhalt  und  von  Pankreassaft  aus  der  Fistel  bekommt.  Jeden¬ 
falls  aber  wird  die  Entleerung  des  Magens  durch  diese  Ein¬ 
spritzungen  auserordentlich  verzögert.  Es  kommt  unter  diesen 
natürlichen  Bedingungen  nur  in  Spuren  zum  Durchtritt  von 


5)  E.  London:  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  46  (19051,^49  (1906). 


2582 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


festen  Fleischbröckeln,  vielmehr  wird  in  Würfeln  geschnittenes 
Fleisch  im  Magen  zu  mehr  als  90  Proz.  peptonisiert  (s.  unten). 

Hei  50  g  Fleich  dauert  die  regelmässige  Entleerung  des 
Magens  etwa  1  %  Stunden,  dann  werden  auch  ohne  Einspritzung 
ins  Duodenum  die  Schüsse  selten  und  unregelmässig,  es  treten 
minutenlange  Pausen  auf  und  die  Entleerung  der  letzten  Reste 
aus  dem  Magen  zieht  sich  überraschend  lange  hin.  Nach  un¬ 
gefährer  Schätzung  sind  nach  Ablauf  der  Hauptentleerung  nur 
mehr  5—10  Proz.  im  Magen,  deren  Ausstossung  aber  dauert 
noch  fast  eine  Stunde.  Hier  mischen  sich  nun  wie  am  Anfang 
der  Verdauung  auch  ohne  Einspritzung  wieder  Pankreassaft  und 
Halle  bei,  und  am  Schluss  erscheint  regelmässig  stark  schleim¬ 
haltiges  alkalisches  Sekret,  das  vermutlich  von  der  Schleimhaut 
des  Antrum  pylori  abgesondert  wird.  In  der  Regel  endigt  die 
Magenverdauung  mit  der  Sekretion  dieses  Saftes  und  ausser¬ 
dem  mit  einer  Sekretion  von  Speichel.  Der  in  seiner  schau¬ 
migen  Beschaffenheit  leicht  kenntliche'  Speichel  schliesst  die 
Periode  der  Magentätigkeit0).  Es  liegt  nahe,  die  Sekretion 
der  beiden  alkalischen  schleimigen  Sekrete  als  eine  Reinigung 
des  Magens  aufzufassen. 

So  verläuft  die  Verdauung,  wenn  man  das  Fleisch  in 
Stücken  gibt.  Ich  habe  damit  die  Verdauung  mit  feingehacktem 
Fleisch  verglichen,  so  wie  es  Tobler  verwendet  hatte.  Be¬ 
kanntlich  wird  fein  verteilte  Speise  allgemein  als  leicht  ver¬ 
daulich,  schlecht  gekaute  und  wenig  zerkleinerte  als  schwer 
verdaulich  angesehen, _  und  es  liegen  auch  eine  Reihe  Bestim¬ 
mungen  von  F'e  i  m  i  ')  u.  a.  vor,  die  das  belegen.  Aber  es  ist 
nie  Fi  age,  ob  denn  die  ganze  Auffassung  von  leicht  und  schwer 
verdaulich,  wie  sie  jetzt  klinisch  üblich  ist,  vollständig  gerecht¬ 
fertigt  erscheint.  Man  versteht  darunter,  wie  z.  B.  M  o  r  i  t  z  8) 
ausführt,  im  wesentlichen  das  längere  oder  kürzere  Verweilen 
aei  Speisen  im  Magen.  Ob  eine  Speise  den  Verdauungsorganen 
viel  oder  wenig  Arbeit  macht,  ist  damit  nicht  gesagt.  Es  war 
möglich,  dass  ein  Stoff  den  Magen  schnell  verlässt  und  ihn  so 
\v  eilig  anstrengt,  aber  gleichzeitig  dem  Dünndarm,  dem  eigent¬ 
lichen  Zentrum  der  Verdauung,  eine  um  so  grössere  Arbeit  auf¬ 
bürdet.  Die  Resultate  der  vergleichenden  Versuche  gebe  ich 
Ihnen  in  einer  Tabelle,  die  den  Stickstoff  angibt,  der  nach  dem 
Autkochen  in  Lösung  oder  noch  fest  war: 


50g  in  Würfeln 
50  g  gehackt 
50  g  gehackt 


Gelöster  N 


1,46  g  =  91  Proz. 
M5g  =  59  „ 

L12g  =  61  „ 


Ungelöster  N 


0,13  g  =  9  Proz. 
0,81g  =  41  „ 

0,71g  =  39  „ 


Resorbierter  N 


17  Proz. 


Einige  andere  Versuche  mit  geringeren  Mengen  von  grob 
zerschnittenem  Fleisch  ergaben,  dass  8  Proz.  und  ein  anderes 
Mal  24  Proz.  ungelöst  passierten.  Die  Resorption  war  in  diesen 
Versuchen  anscheinend  0  (s.  unten).  Diese  Zahlen  sagen  also 
deutlich,  dass  fein  verteilte  Nahrung  dem  Magen  eine  geringere, 
CI11  Harm  eine  um  so  grössere  Arbeit  zuschiebt;  im  ersteren 
Falle  hatte  das  L'rypsin  nur  noch  0,13  g,  im  anderen  Fall  0,8 
und  0,/  g  Stickstoff  zu  lösen.  Das  Gleiche  ergibt  die  Bestim¬ 
mung  der  Zeit.  Die  Ausstossung  von  50  Proz.  fein  gehacktem 
Flmsch  dauerte  ca.  1  X>  Stunden,  die  Magensaftmenge  beträgt 
J  80— 190  g.  Die  Entleerung  von  grob  zerschnittenem  Fleisch 
erfordert  mehr  Magensaft,  220-240  g  und  dauert  2^  Stunden. 
Hie  Zufuhr  zum  Darm  erfolgt  also  langsamer.  Das  heisst:  un- 
zerkleinerte  Nahrung  schont  den  Darm. 

Ich  habe  dann  weiterhin  einige  Versuche  mit  Brotfütterung 
gemacht.  Dabei  war  es  überraschend,  dass  auf  Brot  erstens 
vieI  '  ai)kreassaft,  dann  aber 'auch  sehr  bedeutende  Mengen 
von  Halle  abgesondert  wurden.  Ob  es  sich  hier  um  die  Ein¬ 
wirkung  von  Albumosen  handelt,  die  nach  Pa  w  low  Galle 
strömen  lassen  oder  was  sonst  der  wirksame  Reiz  ist,  weiss 
ich  nicht.  Ehe  die  erste  Portion  Brot  den  Magen  verlässt,  sind 
aber  schon  grosse  Mengen  von  Pankreassaft  und  Halle  aus- 


ko*o^O.W)[i903])B**h,eSer  <ArCh'  '■  *XPer-  PMhnl  “•  Pharm 

ll  p’  Ar.ch-  U  (Anat'  u,)  Ph>’sio1-  1901,  Suppl.  s.  1. 

)  r.  Moritz.  Munch,  med.  Wochenschr.  1895,  49  u.  1143. 


geflossen,  und  selbst  ohne  Einspritzung  dauert  deren  Sekretion 
während  der  Entleerung  an,  so  dass  schliesslich  bei  normalen 
Versuchen  das  aus  der  Fistel  Aufgefangene  im  ganzen  stark 
alkalisch  reagieit  und  nicht  sauer  wie  bei  der  Verdauung  des 
Fleisches.  Das  Brot  wird  im  Magen  lange  nicht  so  vollkommen 
verdaut  wie  das  Fleisch,  beim  Fleisch  entleert  sich  eine  helle 
Flüssigkeit,  in  der  nur  ganz  vereinzelte  Partikelchen  schwim¬ 
men,  beim  Brot  dagegen  ein  Brei,  in  dem  Brotkrumen  und 
Brotreste  deutlich  zu  sehen  sind.  Beim  Menschen,  der  viel 
mehr  kaut  als  der  Hund,  wird  die  Verflüssigung  im  Magen  wohl 
n  ^  weiter  gehen  ').  Die  Menge  der  Verdauungssekrete  ist 
auch  beim  Brot  sehr  gross,  nach  Aufnahme  von  21  g  Brot, 
einer  halben  Semmel,  wurden  230  g  entleert.  Diese  Masse 
enthielt  2X>  mal  so  viel  Stickstoff  als  das  Brot,  so  dass  es  einst¬ 
weilen  unmöglich  ist,  eine  Resorption  zu  bestimmen.  Es  ist 
die  grosse  Menge  des  aus  den  Verdauungssekreten  stammenden 
Stickstoffes,  abei  auch  bei  der  Resorption  des  Fleischeiweisses 
zumal  kleiner  Mengen,  stets  zu  bedenken,  die  Zahlen  für  die  Re¬ 
sorption  sind  immer  nur  Minimalzahlen. 

Dagegen  lässt  sich  noch  einiges  feststellen,  wenn  man  das 
aus  dem  Magen  Herauskommende  für  sich  auffängt  und  unter¬ 
sucht.  Der  nach  Brotfütterung  entleerte  Brei  zeigt  immer  die 
Reaktionen  auf  freie  Salzsäure,  wogegen  beim  Fleisch  freie 
Salzsäure  immer  fehlt  (vergl.  Tobler  und  K  r  e  i  d  1 10).  Durch 
gebundene  Salzsäure  ist  der  Fleischbrei  stark  sauer,  die  Azidität 
entspricht  etwa  einer  Vio  normalen  Salzsäure,  nach  der  üblichen 
klinischen  Bezeichnung  ist  sie  also  gleich  100.  Der  Mageninhalt 
bei  Fleischfütterung  enthält,  wie  es  T  o  b  1  e  r  schon  beschrieben 
hat,  neben  wenig  Albumosen  hauptsächlich  Pepton,  dagegen 
keine  Aminosäuren.  Er  enthält  auch  kein  Erepsin.  Berg- 
man11)  hat  im  Extrakt  der  Schleimhaut  des  Antrum  pylori 
Erepsin  gefunden  und  ich  kann  diesen  Befund  bestätigen.  Das 
Ferment  wird  aber  nicht  sezerniert.  Es  ist,  wie  ich  glaube, 
dafür  bestimmt,  denjenigen  Anteil  des  Pepton  zu  spalten,  der 
schon  im  Magen  zur  Resorption  gelangt,  es  spaltet  'ihn  beim 
Durchtritt  durch  die  Schleimhaut.  Ich  möchte  nebenbei  be¬ 
merken,  dass  dieses  Erepsin  offenbar  die  Ursache  für  die 
vielen  Widersprüche  in  der  Pepsinliteratur  ist. 

Sehr  überrascht  war  ich,  als  ich  Hunde  auf  vollen  Magen 
Wasser  oder  Kochsalzlösung  saufen  liess,  oder  ihnen  die 
Flüssigkeiten  mit  der  Schlundsonde  in  den  vollen  Magen  ein- 
flösste.  Ich  hatte  erwartet,  dass  das  Wasser  sich  mit  dem 
Mageninhalt  vermischen  und  so  ziemlich  lange  im  Magen  ver¬ 
weilen  würde.  Statt  dessen  lief  es-  fast  völlig  klar  und  fast 
ohne  sich  mit  dem  sauren  Inhalt  zu  vermengen,  in  raschen 
Schüssen  durch  den  Pylorus  ab.  Offenbar  läuft  es  auf  einem 
kurzen  Wege  längs  der  kleinen  Kurvatur  direkt  von  der  Kardia 
zum  Antrum  pylori.  Unterdessen  hat  Kauffmann12)  fest¬ 
gestellt,  dass  hier  in  der  Tat  eine  Rinne  anatomisch  vorgebildet 
ist 13). 

Die  Feststellungen,  dass  Wasser  und  vermutlich  auch 
andere  Getiänke,  über  die  ich  allerdings  keine  Erfahrung  habe, 
auch  bei  vollem  Magen  so  schnell  den  Pylorus  passieren,  gibt 
uns  interessante  Probleme  auf.  Ich  hatte  mir  vorgestellt’,  und 
das  war  wohl  die  allgemeine  Meinung,  dass  die  auffallend’ ver¬ 
schiedene  Wirkung  kleiner  Alkoholdosen,  je  nachdem  sie 
nüchtern  oder  nach  dem  Essen  getrunken  werden,  auf  den 
Pylorusreflexen  beruhen.  Das  scheint  hiernach  nicht  der  Fall 
zu  sein,  die  Erscheinung  muss  vielmehr  andere,  uns  noch  ganz 
unverständliche  Gründe  haben. 

Sie  sehen,  dass  die  Duodenalfistel  es  in  der  Tat  ermöglicht, 
über  die  normale  Verdauung  manches  Neue  zu  erfahren.  Aber 
sie  kann  auch  noch  für  eine  Reihe  von  anderen  Zwecken  be¬ 
nutzt  w  erden.  Zunächst  nämlich  gestattet  der  ausserordentlich 
langsame  Verlauf  der  Magenentleerung  einen  Schluss  auf  die 
Art  der  Eiweissresorption  zu  machen.  Ich  habe  beobachtet, 


io\  Ü-1 1  6  r:  Konigr.  f.  innere  Med.  1901,  S.  321. 

r  r  e  1  d  1  und  A-  Müller:  Pflügers  Arch.  116,  163  (1907). 
i2<  1  •  Berg  man:  Skandinav.  Arch.  f.  Physiol.  18,  143  (1906). 

m  T  *;auim,ann:  Zeitschr-  f.  Heilk.  1907,  .Juliheft. 

)  ln  der  Diskussion  nach  diesem  Vortrage  bemerkte  Prof 

gelegentlich  bei  Sektionen  von  Menschen,  die  nur 
MeM  e  e,ner  ,at?enden  Flüssigkeit  getrunken  hatten,  die 
habe  ng€n  Im  Mag€n  auf  dl'e  Weine  Kurvatur  beschränkt  gefunden 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2583 


dass  in  der  Minute  nicht  mehr  als  21  mg  Stickstoff  in  den  Darm 
eintraten.  Selbst  wenn  die  Resorption  aus  dem  Dünndarm  keine 
weitere  Verzögerung  brächte,  könnten  in  der  Minute  also  nicht 
mehr  als  21  mg  Stickstoff  ins  Blut  übertreten.  Nun  kreist  das 
Blut  in  der  Minute  mindestens  dreimal  durch  den  Körper.  Die 
Plasmamenge  bei  meinen  Hunden  schätze  ich  auf  1  Liter,  wir 
würden  also  höchstens  21  mg  Stickstoff  in  3  Litern  Serum  selbst 
bei  schnellster  Resorption  erwarten  können.  Das  ist  eine 
Menge,  die  wohl  unterhalb  der  Untersuchungsmöglichkeit  liegt, 
und  man  sieht  daraus,  wie  vorsichtig  man  damit  sein  muss, 
irgend  etwas  für  die  normale  Eiweissresorption  daraus  zu 
schliessen,  dass  man  im  Blute  keine  Eiweissspaltungsprodukte, 
und  überhaupt  keine  bekannten  Körper  findet. . 

Zweitens  hat  mir  die  Fistel  dazu  gedient,  Eiweiss  in  mög¬ 
lichst"  kurzer  Zeit  möglichst  vollständig  zu  peptonisieren.  Ich 
wollte  feststellen,  ob  die  kombinierte  Verdauung  durch  Pepsin, 
Trypsin  und  Erepsin  Eiweiss  ebenso  vollständig  spaltet,  wie 
das  siedende  Säuren  tun.  Ich  habe  gewässertes  Fleisch  an 
Hunde  gefüttert  und  es  gemischt  mit  Magensaft  und  Pankreas¬ 
saft  aus  der  Duodenalfistel  aufgefangen.  Auf  die  Endprodukte 
der  Magenverdauung  ist  das  Erepsin  der  Darmschleimhaut  ganz 
besonders  gut  eingestellt,  der  gereinigte  Extrakt  von  2  Hunde¬ 
därmen  spaltete  34  g  Magenpepton  in  3  Stunden  so  vollständig, 
wie  siedende  Säuren 14). 

Drittens  lässt  sich  die  Duodenalfistel  zur  Untersuchung  von 
pharmakologischen  Einflüssen  auf  die  Magenverdauung  be¬ 
nutzen.  Magnus15)  hat  an  ihr  einen  Teil  seiner  Morphin- 
versuche  gemacht,  über  die  er  kürzlich  hier  berichtet  hat. 

Und  viertens  endlich  gestattet  die  Fistel  einige  Beob¬ 
achtungen  zur  Pathologie  der  Verdauung  zu  machen.  Mein 
einer  Versuchshund  erkrankte  eines  Tages  aus  nicht  sicher  be¬ 
kannten  Gründen  an  einer  schweren  Verdauungsstörung.  Einige 
Tage  später  war  er  anscheinend  wieder  ganz  gesund,  munter 
und  gierig,  der  Stuhl  äusserlich  normal.  Als  ich  ihn  aber  auf¬ 
stellte  und  ihm  Fleisch  zu  fressen  gab,  entleerte  sich  nach  kurzer 
Zeit  der  Fleischbrei  unverändert  aus  der  Fistel.  Magensaft 
wurde  überhaupt  nicht  abgesondert,  statt  dessen  aber  sehr 
grosse  Mengen  von  Pankreassaft,  viel  grössei  als  ich  sie  sonst 
je  erlebt  habe;  und  diese  Regulation  war  so  vollständig,  dass 
das  Fleisch  von  dem  kranken  Tier  ohne  Störung  der  Ausnutzung 
verdaut  wurde.  Also  ein  Analogon  zu  den  beim  Menschen  be¬ 
obachteten  Fällen  von  symptomlos  verlaufender  Achylie.  Aber 
auch  leichtere  Störungen  habe  ich  gesehen.  Eines  Morgens 
war  der  Hund  ebenso  munter  und  gierig  wie  sonst.  Aber  kurz 
vor  Beginn  des  Versuches  erbrach  er  eine  kleine  Menge  einer 
hellen  alkalischen  Flüssigkeit.  Ich  gab  ihm  50  g  Fleisch  in 
Stücken;  die  Verdauung  dauerte  3  Stunden,  also  etwas  längei 
als  sonst,  und  es  waren  nur  76  Proz.  gelöst  gegen  91  Proz.  in 
einem  früheren  Versuche;  resorbiert  war  gar  nichts.  Sodann 
konnte  ich  die  Beobachtungen  von  Cannon  1G)  ausgedehnt  be¬ 
stätigen,  wonach  alle  Unlustgefühle  die  Magenperistaltik  hem¬ 
men.  Wenn  die  Versuche  lange  ausgedehnt  wurden,  begann 
der  eine  meiner  Hunde,  ein  junges  Tier,  sehr  müde  zu  werden, 
dann  verzögerte  sich  die  Magenentleerung  immer  erheblich. 
Ferner  kam  es  wiederholt  vor,  dass  die  Hunde  unruhig  wurden, 
winselten  und  dass  dann  die  Schüsse  aus  der  Duodenalfistei 
verlangsamt  wurden  oder  ganz  aufhörten.  Ich  untet brach  den 
Versuch  und  liess  den  Hund  von  dem  Gestell,  in  dem  er  sonst 
stand,  herunterspringen.  Der  Hund  urinierte  und  nun  begann 
die  Magenentleerung  im  alten  Tempo.  Die  schmerzhafte  Ful- 
lung  der  Blase  hatte  also  die  Tätigkeit  des  Magens  aufgehoben. 
Besonders  interessant  waren  mir  aber  einige  Beobachtungen, 
in  denen  Darmstörungen  eine  ausgesprochene  Hemmung  der 
Magenmotilität  bewirkten.  Die  Hunde  verlieren  durch  den 
Magensaft  und  die  anderen  Säfte  erhebliche  Quantitäten  von 
Wasser  und  von  Chlor,  die  normalerweise  immer  wieder  resor¬ 
biert  würden.  Wenn  man  nicht  dafür  sorgt,  dass  die  Hunde 
reichlich  Wasser  und  Kochsalz  bekommen,  so  wird  wie  T  o  - 
b  1  e  r  beobachtet  hat,  die  Sekretion  höchst  mangelhaft.  Ich 
habe  daher  später  den  Hunden  immer  einige  Zeit  vor  Beginn 
des  Versuches  einen  Liter  physiologische  Kochsalzlosung  ein- 

14)  O.  Cohnheim:  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  51,  419  (1907). 

15)  R.  Magnus:  Münch,  med.  Wochenschr.  1907. 

lfi)  W.  B.  Cannon:  Americ.  Journ.  of  Physiology  1  Uö9ö1 
(1904). 


gegossen.  Ehe  ich  das  aber  tat,  war  ich  einige  Male  ge¬ 
zwungen,  während  des  Versuches  in  den  abführenden  Schenkel 
der  Kanüle  Kochsalzlösungen  einzuspritzen  und  nahm  sie  ge¬ 
legentlich  zu  konzentriert.  Darauf  reagierten  die  Hunde  mit 
Durchfall,  und  solange  der  andauerte,  wurde  die  Magenent¬ 
leerung  stark  verzögert  oder  ganz  gehemmt.  In  einem  solchen 
Versuche  hatten  50  g  Fleisch  den  Magen  noch  nicht  vollständig 
verlassen,  als  ich  den  Versuch  nach  vierstündiger  Dauer  ab¬ 
brach.  Die  Peptonisierung  war  ebensogut  wie  in  den  Normal¬ 
versuchen.  . 

Es  kann  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  man  mittels 
der  Duodenalfistel  eine  Fülle  experimentell-pathologischer  Be¬ 
obachtungen  machen  kann,  wenn  man  diese  mehr  beiläufig  ge¬ 
wonnenen  Erfahrungen  systematisch  durchuntersucht  und  er¬ 
weitert. 


Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  München  (Direktor: 

Prof.  Dr.  Friedrich  Müller). 

Haut-  und  Ophthalmoreaktion  auf  Tuberkulin. 

Von  Dr.  Carlos  Mainini  aus  Buenos  Aires. 

Seit  v.  Pirquet  [l]  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft 
(Sitzung  vom  15.  Mai  1907)  eine  neue  spezifische  Reaktion  bei 
Tuberkulösen  angegeben  hat,  sind  in  kurzer  Zeit  zahlreiche 
teils  bestätigende,  teil  widersprechende  Veröffentlichungen  er¬ 
schienen.  tj  .  , 

Das  Verfahren  v.  Pirquets  besteht  in  einer  Hautimpfung 
mit  einer  25  proz.  Lösung  von  Koch  schem  Alttuberkulin. 
Gewöhnlich  tritt  danach  in  24  Stunden  eine  Papel  auf,  deren 
Umgebung  mehr  oder  weniger  gerötet  ist.  Zu  gleicher  Zeit 
empfindet  der  Patient  Schmerzen  oder  Jucken  an  der  Impfstelle. 

Einige  Tage  später  verschwindet  die  Papel  unter  leichter 
Abschuppung  und  Hinterlassung  eines  kleinen  Pigmentfleckes. 

v.  P  i  r  q  u  e  t  [2]  gibt  eine  Uebersicht  über  360  an  Kindern 
vorgenommene  Impfungen,  die  teils  tuberkulös,  teils  nicht  nach¬ 
weisbar  tuberkulös  waren.  Von  den  tuberkulösen  Kindern 
reagierten  88  Proz.  positiv,  die  übrig  bleibenden  12  Proz., 
welche  nicht  reagierten,  litten  an  einer  miliaren  oder  an  einei 
sehr  vorgeschrittenen  Tuberkulose. 

Von  109  nicht  tuberkuloseverdächtigen  Säuglingen  re¬ 
agierten  nur  2  positiv.  t 

Dagegen  konnte  er  bei  einer  Anzahl  von  Kindern  im  Alter 
von  8  bis  14  Jahren,  die  keinen  Anhaltspunkt  für  Tuberkulose 
erkennen  Hessen,  in  35  Proz.  der  Fälle  eine  deutliche  Papel¬ 
bildung  an  der  geimpften  Stelle  nachweisen.  Von  den  Er¬ 
wachsenen,  bei  denen  die  Impfung  angewandt  winde,  haben 
fast  alle  positiv  reagiert,  was  er  dadurch  zu  erklären  versucht, 
dass  fast  jeder  Erwachsene . im  Laufe  seines  Lebens  eine  In¬ 
fektion  mit  Tuberkelbazillen  erlitten  hat  und  dadurch  in  den 
Zustand  der  Ueberempfindlichkeit  versetzt  ist. 

Ungefähr  dieselben  Befunde  hat  W  olff-Eisner  ti- 
hoben.  Aus  dem  Fehlen  der  Reaktion  bei  kachektischen  Tuber¬ 
kulösen  leitet  er  ein  prognostisch  brauchbares  Merkmal  ab  |4J. 

Pfaundler  [5]  bestätigt  im  wesentlichen  die  Angaben 
v.  Pirquets,  hat  aber  die  Reaktion  auch  bei  Skrofulösen 
und  nicht  klinisch  tuberkulösen  Kindern  gefunden. 

B  a  n  d  1  e  r  und  K  r  e  i  b  i  c  h  [6]  verwendeten  die  Reaktion 
bei  63  hautkranken  Patienten,  von  denen  26  an  einer  Tuber¬ 
kulose  der  Haut  litten.  Bei  22  von  diesen  Fallen  fiel  die  Re¬ 
aktion  positiv  aus.  Auffallend  war  ihnen  dagegen,  dass  in  den 
37  anderen  Fällen  von  anderweitigen  Hanterkrankungen  — 

positiv  reagierten.  ,  .  „  .  , 

Grösseren  Zweifeln  begegnen  wir  bei  Engel.  und 
Bauer  [7],  vor  allem  was  die  Reaktion  im  ersten  Lebensjahre 
anlangt.  Bei  5  Säuglingen  in  diesem  Alter  hatten  sie  ein  posi¬ 
tives  Resultat,  trotzdem  sie  bei  allen  Tuberkulose  ausschhessen 

zu  können  glaubten.  .  A  „ 

Der  eine  kam  nämlich  zur  Sektion  und  zeigte  keine  Spin 
von  tuberkulösen  Veränderungen;  bei  den  4  anderen  suchten 
sie  den  Beweis  dadurch  zu  erbringen,  dass  eine  später  voi- 
genommene  subkutane  Tuberkulininjektion  keine  Reaktion 
auslöste. 

Dagegen  haben  sie  bei  Kindern  im  vorgeschritteneren  Altei 
Ergebniszahlen  beobachtet,  die  mit  dem  steigenden  Vorkomme 
der  Tuberkulose  gut  übereinzustimmen  scheinen. 


2584 


In  einer  neuen  Veröffentlichung  stellt  v.  Pirquet  [8] 
100  Sektionsbefunde  von  Kindern  im  1.  bis  14.  Lebensjahre, 
die  der  Impfung  unterzogen  waren,  zusammen.  30  von  diesen 
Pallen  hatten  reagiert  und  stellten  sich  als  tuberkulös  heraus. 
Ausser  diesen  fanden  sich  noch  17  Fälle  teils  miliarer,  teils  sehr 
vorgeschrittener  Tuberkulose  die  nicht  reagiert  haben.  Die 
übrigen  54  Pälle  waren  frei  von  tuberkulösen  Veränderungen, 
und  von  diesen  hatte  nur  einer  reagiert.  Angesicht  dieser 
widersprechenden  Ergebnisse  habe  ich  auf  der  II.  medizinischen 
Klinik  an  einer  Reihe  von  Erwachsenen  die  Methode  nachge¬ 
prüft.  Ueber  die  ersten  Befunde  habe  ich  [9]  schon  am  10.  VII. 
im  hiesigen  ärztlichen  Verein,  eine  kurze  Mitteilung  gemacht. 
Da  mir  aber  damals  die  Tatsache  unbekannt  war,  dass  eine 
Reaktion  noch  nach  einer  Reihe  von  Tagen  eintreten  kann, 
und  ich  einen  derartigen  Fall  als  negativ  vorgestellt  hatte,  bei 
dem  am  selben  Tage  noch  eine  Papel  zur  Entwicklung’  ge¬ 
kommen  war,  so  erhoben  sich  mir  an  dem  bisherigen  Befunde 
Zweifel.  Deswegen  habe  ich  eine  völlig  neue  Statistik  von 
208  Fällen  zusammengestellt,  deren  Ergebnisse  ich  jetzt 
folgen  lasse. 

Meine  Technik  weicht  insofern  von  der  Pirquetschen 
ab,  als  ich  kleine  kutane  Impfschnitte  mache,  und  eine  Lösung 
von  Alttuberkulin  in  der  Verdünnung  1  X  80  anwende.  Diese 
Lösung  entspricht  ihrem  Zwecke  vollkommen,  ohne  jedoch, 
\\  ie  die  25  proz.,  allzu  intensive  Reaktionen  hervorzurufen. 
Gewöhnlich  lege  ich  am  Unterarm  in  einer  Entfernung  von 
8  10  cm  zwei  Impfschnitte  an,  die  nur  wenig  blutiges  Serum 
hervortreten  lassen  dürfen.  Auf  den  einen  wird  ein  Tropfen 
der  Lösung  gebracht,  wobei  man  mit  der  Spitze  der  Lanzette 
vom  Schnitt  aus  das  Impfmaterial  unter  die  Epidermis  zu 
bringen  sucht.  Daiauf  lässt  man  den  Tropfen,  der  ungefähr 
0,0006  g  Tuberkulin  enthält,  eintrocknen.  Der  andere  Schnitt 
dient  zur  Kontrolle.  Bei  positivem  Erfolge  entwickelt  sich  an 
der  geimpften  Stelle  innerhalb  24  Stunden  bis  zu  einigen  Tagen 
eine  Papel.  Je  nach  der  Intensität  ist  diese  flacher  oder  er¬ 
habener,  isoliert  auf  blassem  Untergründe  oder  von  einem 
hyperämischen  Hofe  umgeben.  Bei  stärkerer  Reaktion  tritt 
auch  lokaler  Schmerz  und  juckendes  Gefühl  auf;  niemals  da¬ 
gegen  habe  ich  eine  1  emperatursteigerung  beobachtet. 

Ein  wichtiges  Kriterium  für  die  Stärke  der  Reaktion  ist  die 
Grosse  der  Papel,  deren  Durchmesser  sich  zwischen  3  und 

f  +mT  bJwÄ  Earbe  der  Papel  ist  durchaus  verschieden. 
Entscheidend  für  den  positiven  Befund  ist  die  knötchenförmige 
Infiltration,  die  am  sichersten  durch  das  Gefühl  wahrgenommen 
wird.  Die  Papel  erreicht  die  Höhe  ihrer  Ausbildung  in  2  bis 
f  lagen>  um  dann  einige  Tage  stationär  zu  bleiben  und  sich 
langsam  unter  Abschuppung  der  Epidermis  und  Hinterlassung 
eines  I  lgmentflecks  zurückzubilden.  Unter  Umständen  beobg 
achtet  man,  dass  die  Papel,  die  schon  kleiner  zu  werden  be¬ 
gann,  sich  aufs  neue  rötet  und  ein  neues  Stadium  der  Akme 

«nhC>Jiahht'  Wem!  keine  Peaktioa  eintritt,  so  heilt  der  Impf- 
schnitt  ebenso  wie  der  Kontrollschnitt  nach  kurzer  Zeit  völlig  ab. 

Meine  Statistik  teilt  sich  in  3  Gruppen: 

1.  Tuberkulöse  mit  positivem  Bazillenbefund. 

7  p?!ien!en’  )vel7ke  der  Tuberkulose  verdächtig  waren, 
vorhandei?  war"’  "  "  Anhaltspunkt  für  Tuberkulose 

Von  der  ersten  Gruppe,  die  23  Kranke  umfaßt 
icagierten  19  positiv.  Die  nicht  reagierenden  4  übrigen  litten 
sein  vorgeschrittener  Tuberkulose  mit  starkem  Marasmus. 

kuloseverdäclplle  PAffbirand  J4  Kranken’  die  eine  tuber- 
luiioseveraaclitige  Atrektion  an  den  Lünzen  PUnrpn 

7""  die,SC"  h™'fnn67Pe7pösi.  v 

mit  poslüvem*Erfo^'  erhalten^afte^Ehie^O  T>er^U^n^n^e^t'01^ 
genommene  Hantinfpfung  He,  stark'  Po“ttv  “us^  ^ 

fehlte  Mm"“  Reakti°"  bei  de"  4  übrigen  Fallen, 
demfassenlUs:011  ^  d“  67  eriolgreich  ^impften  fiel  folgen- 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


An  demselben  Tag  reagierten  3 
1  Tag  später  „  40 

l  Tage  „  „  15 


(starke  Reaktion) 


3  |  schwache  Reaktion  fast 
'  immer  ohne  Rötung. 


In  diesem  verschiedenen  zeitlichen  Auftreten  liegt  eben¬ 
falls  em  Kriterium  der  Intensität  der  Reaktion;  je  später  die 
Reaktion  auftritt,  je  schwächer  pflegt  sie  zu  verlaufen. 

,  ,  Am  stärksten  trat  die  Reaktion  in  den  Fällen  auf,  die  mit 
tuberkulösen  Veränderungen  der  Haut  einhergingen,  wie  schon 

fnanUpndle.r  [l0r]xf  °ro  llIld  Deganoff  [11]  bei  Kindern, 
Oppenheim  [12],  Ban  die  r  und  K  r  e  i  b  i  c  h  [13]  bei 
Erwachsenen  gezeigt  haben.  In  diesen  Fällen  waren  auch  die 
subjektiven  Symptome  besonders  stark  ausgeprägt,  und  die 
•  apel  biauchte  zu  ihrer  Zurückbildung  sehr  lange  Zeit. 

Die  dritte  Versuchsreihe  umfasst  111  Fälle  von  ver 

mhmdenpn  Krankheitea-  bei  denen  ein  Tuberkuloseverdacht 
licht  in  Frage  kam.  Von  diesen  reagierten  89  positiv,  22  nega- 
iv.  Die  Zeit  des  Auftretens  der  Reaktion  war  folgende: 

An  demselben  Tag  der  Impfung  reagierten  2 

1  lag  nach  der  4? 

2  Tage  nach  der  ” 

T  V  yy  O  1 

°  »  r,  „  Q 

4  »  »  v 

^  n  n  v  „  3 

r  "  »  n  o 

6  ’  -  ”  1 

”  »  „  1 


sehr 

schwache 

Reaktion 


Eine  Zusammenfassung  der  208  Fälle  ergibt: 

2-  Tuh!  rku,löse  m‘t  positivem  Bazillenbefund 

2  Tuberkuloseverdächtige  ...  7a 

3  Patienten  ohne  Anhaltspunkt  für  Tuberkulose  *  '.in 


Es  reagierten  175  = 


von 


Es  reagierten  nicht  33  = 


E  Gruppe  19  =  82,6% 

2.  „  67  =  90,8% 

3.  „  89  =  80,1% 

von  1.  Gruppe  4 

v  2.  „  7 

»3.  „  22 


Um  einen  Anhaltspunkt  für  die  Resultate  der  dritten  Gruppe 
zu  gewinnen,  habe  ich  Nachforschungen  nach  ihren  hereditären 
Verhältnissen  angestellt.  Die  Ergebnisse  entsprechen  aber 

1 5 irCFänpnniCh3  dem  E[f0!ge  der  ImPfunS.  Die  Resultate  von 
erhielt,  waren  folgende:  ^  Uber  hereditäre  Verhältnisse 


Mit  hereditärer  Disposition  31 


[  von  1.  Gruppe  5 
„2.  „  15 
I  »  3.  „  ii 


Ohne  hereditäre  Diposition  121  =  |  n  2.  larUPPe 

I  »  3.  „  /i 

,Wenn  X  ietzt,unsere  Ergebnisse  kritisch  zu  verwerten 
,  7bea!  S0  finden  wir  in  der  ersten  und  zweiten  Gruppe  eine 
’ledfgende  Ueberemstimmung  des  Impfergebnisses  mit  dem 

hohpStn  BeafUnde-  A“d  dagegen  sind  auch  mir  die 
lohe  Wahlen  der  positiven  Reaktion  bei  Kranken  die  klinisch 

keinen  Anhaltspunkt  für  Tuberkulose  darbieten.  Eine  gewisse 

IlaCh4l  hbeSfeht  all^rdings  zu  den  Befunden,  die  Nägeli 

f  -u  ?61  ^ren  Sektl0nen  erhoben  haben.  Wie  bekannt  be 

gelaufen^?  h ^  ‘P  Lerichen’  bei  dellei>  bestehende  öS  ab! 

etwa  90  Prn7b  4iil°rSae  Proz?sse  nachgewiesen  wurden,  auf 
etwa  90  1  roz.  Allerdings  wäre  erst  der  Beweis  zu  erbringen 

ass  die  Personen,  die  nicht  reagieren,  auch  wirklich  keine 

tuberkulösen  Veränderungen  aufweisen,  mit  anderen  Worten 

dürft"  Ichwohl 

“igtart  haTen  U“olirterdi?sen  v“6”’  die  aid  eine  ImPf™S  nicht 
weisen,  sobmü*ssm?  vWrha^mehmtuFdas^de/tait'itf' er~ 
eine  solche  Empfindlichkeit  zukommt,  dass  sie  auch  die  kleinsten 
latenten  oder  gar  schon  ausgeheilten  Herde  anzeigt 

Eine  solche  Methode  ist  natürlich  für  den  klinischen  (w 
EÄ^ÄrTtS  werttos  ^otsf d7 

äs,-  den  bisheri-- 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2585 


Kurze  Zeit  nach  Bekanntwerden  der  v.  Pirquet  sehen 
Impfung  wurde  eine  andere  ähnliche  Methode  von  Wolff- 
Eisner  [15]  angegeben,  die  sogenannte  Ophthalmo¬ 
reaktion. 

Wolff  -Eisner  hatte,  in  derselben  Sitzung  der  Ber¬ 
liner  med.  Gesellschaft,  in  der  v.  P  i  r  q  u  e  t  die  Resultate  seiner 
Impfung  vortrug,  berichtet,  dass  er  selbst  mit  einer  Instillation 
von  lOproz.  Tuberkulinlösung  in  den  Ronjunktivalsack  bei 
tuberkulösen  Individuen  eine  ähnliche  Reaktion,  bestehend  in 
Entzündung  und  seröser  respektive  eiteriger  Exsudation  der 
Kcnjunktiva  gesehen  habe.  Er  schlug  daher  diese  Form  der 
spezifischen  Diagnostik  vor. 

Dieser  Gedanke  wurde  von  französischen  Forschern  [16] 
mit  grossem  Eifer  aufgefasst,  die  in  einer  Reihe  von  Veröffent¬ 
lichungen  zu  zeigen  versuchten,  dass  die  Reaktion  in  der  Tat 
scheinbar  spezifisch  sei,  und  mit  grosser  Regelmässigkeit  bei 
allen  Patienten  auftrete,  welche  in  irgend  einer  Form  tuberkulös 
erkrankt  oder  tuberkuloleverdächtig  waren.  Dabei  machen 
sie  dieselbe  Erfahrung,  die  man  auch  bei  der  kutanen  Impfung 
gemacht  hatte,  dass  nämlich  die  Reaktion  bei  kachektischen 
tuberkulösen  Individuen  unter  Umständen  ausblieb. 

Nach  einigen  Versuchen,  die  ich  machte,  um  das  am  besten 
geeignete  Mittel  und  seine  Konzentration  aufzufinden,  ent¬ 
schied  ich  mich  für  eine  5  proz.  Alttuberkulinlösung.  Der 
Glyzeringehalt  der  Lösung,  den  Calmette  [16]  durch  ein 
ziemlich  umständliches  Verfahren  ausgeschaltet  hatte,  um  Rei¬ 
zungen  zu  vermeiden,  war  nach  meinen  Erfahrungen  vollständig 
unschädlich,  eine  schnell  vorübergehende  Hyperämie  bemerkte 
ich  nur  in  einzelnen  Fällen.  Die  höhere  Konzentration  der  Lö¬ 
sung  habe  ich  gewählt,  weil  eine  Verdünnung  von  Vs o  bei  der 
schnellen  Resorption  und  Fortspülung  des  Mittels  aus  dem 
Ronjunktivalsack  zur  sicheren  Reaktion  nicht  ausreichte. 

Meine  Statistik  der  Ophthalmoreaktion  umfasst  100  Fälle, 
die  teilweise  schon  nach  v.  Pirquet  geimpft  waren.  Der 
grösste  Teil  jedoch  wurde,  um  eine  Vergleichung  zu  ermög¬ 
lichen,  mit  beiden  Methoden  zugleich  behandelt.  Dabei  be¬ 
nützte  ich  stets  dieselbe  Pipette,  um  eine  möglichst  gleich- 
mässige  Dosierung  zu  erhalten;  aus  dieser  Pipette  wurde  den 
zu  untersuchenden  Patienten  ein  4  ropfen  in  den  unteren  Binde¬ 
hautsack  des  einen  Auges  eingeträufelt.  Die  leichte  Rötung, 
die  je  nach  der  Empfindlichkeit  des  betreffenden  Individuums 
einige  Minuten  bis  wenige  Stunden  anhält,  verschwindet  daiauf 
vollkommen.  Die  spezifische  Reaktion  tritt  im  Falle  eines 
positiven  Erfolges  gewöhnlich  nach  8  bis  12  Stunden,  selten 
später  auf.  Man  sieht  nun,  wenn  man  beide  Augen  miteinander 
vergleicht,  dass  die  Konjunktiva  des  behandelten  Auges  eine 
mehr  oder  weniger  starke  Rötung  und  Schwellung  zeigt.  Bei 
starker  Reaktion  können  sich  die  Erscheinungen  zur  Ab¬ 
sonderung  von  Eiter,  Tränenträufeln  und  Lichtscheu  steigern. 
In  diesen  Fällen  verspüren  die  Patienten  auch  Schmerzen, 
Jucken  und  Hitze  im  Auge,  während  die  mittelstarke  Reaktion 
gewöhnlich  nur  ein  leichtes  Fremdkörpergefühl  hervorruft. 
Im  allgemeinen  ist  jedenfalls  die  Anwendungsweise  der  Methode 
ebenso  bequem  für  den  Arzt,  wie  unschädlich  und  kaum  be¬ 
lästigend  für  den  Patienten.  Die  Dauer  der  Hyperämie  kann 
sich  über  mehrere  Tage  erstrecken. 

Dieselbe  Erscheinung  des  Wiederaufflackerns  des  Pro¬ 
zesses,  die  ich  schon  bei  der  v.  Pi  r  quetschen  Reaktion  er¬ 
wähnt  habe,  tritt  gelegentlich  auch  bei  der  Ophthalmoreaktion, 
wenn  das  Auge  schon  fast  zur  Norm  zurückgekehrt  ist,  in 
Gestalt  einer  erneuten  Hyperämie  der  Konjunktiva  in  die  Er¬ 
scheinung. 

Ein  Zweifel,  ob  die  Reaktion  positiv  ist  oder  nicht,  ent¬ 
steht  fast  nie,  wenn  man  die  Konjunktiven  miteinander  ver¬ 
gleicht  und  genau  auf  die  Zeitdauer  dieser  Differenz  achtet. 
Ausserdem  geben  die  Kranken  selbst  bei  geringer  Reaktion  fast 
stets  ein  leichtes  Gefühl  von  Spannung  im  Auge  an. 

Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungsreihe  stelle  ich  in  der 
folgenden  Tabelle  zusammen,  wobei  die  nach  der  Pirquet- 
schen  Methode  erhaltenen  Resultate  zum  Vergleich  angefühit 
werden. 


Zahld. 

Fälle 

Hautreaktion 

Ophthalmo¬ 

reaktion 

1.  Tuberkulöse  mit  positivem  Ba¬ 
zillenbefund  ....  .... 

12 

4-11  =  91,6°/o 

ll+  =  91,6°/o 

2  Patienten,  welche  der  Tuber¬ 
kulose  verdächtig  waren 

32 

431=96,8°/o 

264- =  81,20/0 

3.  Patienten  bei  denen  kein  An¬ 
haltspunkt  für  Tuberkulose  vor- 
handen  war  .  .  . . 

56 

4-50  =  89,2°/o 

8+  =  14,2°/o 

Ueber  die  Zeitdauer  der  Ophthalmoreaktion  gibt  folgende 
Tabelle  Auskunft: 

Die  Reaktion  war  nach  2  Tagen  bei  2  Fällen  verschwunden. 

„  3  „  »1 0  „  „ 

„  4  „  »16  „  „ 

,,  5  „  „  8  r,  » 

„  6  ,,  n  4  „  ti 

,,  7  »  »  ^  >,  » 

Wie  man  aus  der  obigen  Tabelle  sieht,  blieb  die  Reaktion 
bei  sicher  Tuberkulösen  nur  in  einem  Fall  aus,  der  sich  durch 
hochgradige  Kachexie  auszeichnete. 

In  der  2.  Kategorie  betrafen  von  den  nicht  reagierenden 
6  Fällen  zwei  alte  Männer  mit  Pleuritis,  einen  dritten  mit  ver¬ 
mutlicher  Tuberkulose  der  Wirbelsäule  und  einen  vierten  mit 
Pleuritis,  die  von  hohem  Fieber  begleitet  war. 

Die  beiden  übrigen  Fälle  waren  eine  Meningitis  tuberculosa 
acuta  und  eine  Pleuritis  sicca.  Die  Resultate,  die  wir  in  den 
ersten  beiden  Reihen  mit  der  Ophthalmoreaktion  erhielten, 
stimmen  mit  denen  der  v.  Pirquet  sehen  Reaktion  ziemlich 
gut  überein.  Vollkommen  abweichend  dagegen  verhielten  sich 
die  Resultate  bei  den  Individuen,  die  keinen  Anhaltspunkt  für 
Tuberkulose  erkennen  liessen. 

Hier  sehen  wir  das  auffallende  Ergebnis,  dass  von  56  Fällen 
die  v.  Pirquet  sehe  Reaktion  in  89,2  Proz.,  die  Ophthalmo¬ 
reaktion  dagegen  nur  in  14,2  Proz.  positiv  ausfiel.  Von  vorn¬ 
herein  muss  uns  bei  dem  völligen  Fehlen  eines  Anhaltspunktes 
für  Tuberkulose  in  dieser  Gruppe  das  durch  die  Ophthalmo¬ 
reaktion  erhaltene  Ergebnis  als  das  wahrscheinlichere  Vor¬ 
kommen.  Geht  man  dagegen  von  den  Resultaten  der  oben 
erwähnten  Tuberkulosestatistik  aus,  so  würden  diesei  die 
Zahlen  der  Pi  r  quetschen  Reaktion  am  Besten  entsprechen. 

Wie  sollen  wir  uns  diesen  merkwürdigen  Widerspruch  er¬ 
klären?  Entweder  wir  müssen  annehmen,  dass  den  Reaktionen 
keine  Spezifizität  zukommt  —  und  dann  wäre  natürlich  die  An¬ 
wendung  völlig  illusorisch  —  oder  wenn  sie  tatsächlich  spe¬ 
zifisch  wäre,  was  unseres  Erachtens  noch  nicht  genügend  sicher 
erwiesen  ist,  so  wäre  wohl  die  einzige  Erklärung  die,  dass 
es  sich  nicht  um  einen  qualitativen,  sondern  um  einen  quan¬ 
titativen  Unterschied  handelt. 

Im  folgenden  sei  dafür  ein  Erklärungsversuch  gegeben: 
Wenn  wir  uns,  wie  es  nach  den  neueren  Anschauungen  unum¬ 
gänglich  nötig  erscheint,  das  Zustandekommen  der  Reaktion 
dadurch  bedingt  denken,  dass  vom  tuberkulösen  Herd  aus 
irgend  welche  spezifischen  Stoffe  den  ganzen  Körper  durch¬ 
dringen  und  mit  dem  inokulierten  Tuberkulin  die  spezifische 
Lokalreaktion  geben,  so  können  wir  uns  zugleich  vorstellen, 
dass  in  den  Geweben  der  Haut  diese  Stoffe  zäher  festgehalten 
werden  als  in  einem  Gewebe,  das,  wie  die  Konjunktiva,  einer 
steten  Flüssigkeitsdurchtränkung  und  einem  viel  regeren  Stoff¬ 
wechsel  unterliegt,  als  die  Haut. 

Wir  wüüden  dann  bei  einem  solchen  Grenzfalle  zwar  in 
der  Haut  noch  eine  zur  Reaktion  genügende  Menge  dieses 
spezifischen  Körpers  vorfinden,  in  der  Konjunktiva  jedoch 
würde  sie  zur  Auslösung  sichtbarer  Erscheinungen  nicht  mehr 
hinreichen. 

Wenn  man  nun  durch  Vorbehandlung  eines  solchen  Auges 
mit  Tuberkulin  diese  hypothetische  spezifische  Substanz  durch 
Lokalgewebsreaktion  vermehrt,  so  wäre  a  priori  zu  er¬ 
warten,  dass  bei  einer  zweiten  Applikation  des  Tuberkulins,  die 
zur  Reaktion  genügende  Menge  vorhanden  wäre.  In  der  Tat 
habe  ich  bei  19  Fällen,  die  das  erste  Mal  keine  Veränderungen 
erkennen  liessen,  auf  eine  zweite  Instillation  hin,  bei  15  eine 
zum  Teil  sehr  starke  Reaktion  erhalten,  die  in  einigen  Fällen 
mit  so  heftigen,  Entzündungserscheinungeni  einherging,  dass 


2586 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


ich  mich  genötigt  sah,  diese  Versuche  aufzugeben.  Jedenfalls 
war  das  Resultat,  das  sie  ergaben,  sehr  bemerkenswert,  denn 
von  diesen  19  Fällen  fanden  sich  78,9  Proz.  positiv  reagierend, 
und  nun  ist  die  vermisste  Uebereinstimmung  mit  den  nach 
v.  P  i  r  q  u  e  t  erhaltenen  80,1  Proz.  mit  einem  Schlage  gegeben. 
Natürlich  ist  die  Zahl  der  untersuchten  Fälle  besonders  bei  der 
Ophthalmoreaktion,  viel  zu  klein,  um  bindende  Schlüsse  zu 
erlauben.  Die  nächste  Aufgabe  für  die  ganze  Frage  der 
Spezifizität  der  Reaktion,  auf  die  alles  ankommt,  dürfte  darin 
bestehen,  an  einer  grossen  Reihe  von  Sektionen  die  negativen 
oder  positiven  Ergebnisse  zu  kontrollieren.  Zum  Schlüsse 
möchte  ich  die  Resultate  meiner  Untersuchungen  in  folgenden 
Sätzen  zusammenfassen. 

1.  Die  kutane  wie  die  Ophthalmoreaktion  ergeben  bei 
Kranken  mit  sicherer  1  uberkulose,  abgesehen  von  sehr  vor¬ 
geschrittenen  Fällen,  mit  grosser  Konstanz  eine  positive 
Lokalreaktion. 

2.  Die  Spezifizität  dieser  Reaktion  ist  zwar  aus  manchen 
Gründen  wahrscheinlich,  aber  noch  nicht  bewiesen. 

3.  Bei  nicht  tuberkuloseverdächtigen  Individuen  ergibt  die 
Kutanreaktion  etwa  sechsmal  höhere  Werte  als  als  die  Oph¬ 
thalmoreaktion. 

4.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Reaktion  spezifisch 
ist,  lässt  sich  dieser  Widerspruch  unter  allem  Vorbehalt  viel¬ 
leicht  dahin  auffassen,  dass  die  Ophthalmoreaktion  vorwiegend 
auf  eine  aktive  Tuberkulose  hindeutet,  während  die  v.  Pir- 
9  u  e  t  sehe  Reaktion  auch  latente  Herde  anzeigt. 


Literatur. 

h  p’  S’  d  ?.u  et:  Demonstration  zur  'I  uberkulindiagnose  durch 

on7!mPRUnf  Mer  w' '  ™edizinische  Gesellschaft,  Sitzung  vom  15.  Mai 
1907)  ßerl.  klm.  Wochenschr.  1907,  S.  699.  —  2.  C.  v.  Pirquet- 

* »erS>f Probe  zur  Diagnose  der  Tuberkulose  im  Kindesalter! 
\Viener  med  Wochenschr.  1907,  No.  28.  —  3.  A.  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r- 

is  m'q f n)n7 d 6 "  Po'Tu  mediz*ni'Schen  Gesellschaft,  Sitzung  vom 
19+07-  “  4-  P-  A  b  r  a  m  i  und  B  u  r  n  e  t:  La  reaction  de  la  peau 
n  CJa  <UPe^line  5hi^?,les  Kultes.  (Societe  de  Biologie  1907, 
npnU  t  2p  •  VIL)  T  5;,.P. f  aLu  nd 1  e  r:  Vakzinative  Tuberkulinprobe 
nach  v.  Pirquet.  (Münchener  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde) 

Mo  h  Wochen^hr-  ,19°7,  S.  1038.  -  6.  B  a  n  d  1  e  r  und  Kreil 

ich.  Erfahrungen  über  kutane  1  uberkulinimpfungen  bei  Erwach¬ 
senen.  D.  med.  Wochenschr.  1907,  No.  40.  —  7.  E  n  g  e  I  und  Bauer- 

aYterV^BeS  Ti!  dwV'i1Plrv!UetSchen  Tuberkulinreaktion  (Kindes- 
alter).  Berl.  k  in.  Wochenschr.  1907,  No.  37.  —  8.  C.  v.  P  i  r  o  u  e  t  • 

ki?r  Qpaan0SvSC5’e  ^6rt  der  kutanen  Tuberkulinreaktion  bei  der  Tuber- 

wöchenschrKlin907a,seriSI21 lf  °r“nd  ™n  100  Sektionen.  Wiener  klin. 
diaennstisrhp  TnhV  i  t  C.  Maimni:  Demonstration  über 

^oZnschr  n£?  v-  P  1  r  q  u  e  t.  Münch,  med. 

woenenschr.  1907,  S.  2164.  —  10.  Pf  a  und  Ter:  1.  c.  —  11  Moro 

•imven  h??  Z  *  i  Zur  Pathogenese  gewisser  Integumentsverände- 
i?  kiwn  Skrofulöse.  Wiener  klin.  Wochenschr.  1907,  S.  933.  — 

Anschluss  an  dip  V  'Uebe+r  Hautveränderungen  Erwachsener’  im 

s“S907 No  *  “  f  f^Tn  e  .Gj"  V fW’0"6"' 

ic  1  P  ir,  n  n  .  *  L  v.  K4- j.  g  o  r  n  e  t .  Die  Tuberkulose. — 

,|p'io'ini0r  i  ‘  Ü-  Ca  /nette:  Un  nouveau  procede  de  diagnostic 

de  la  tuberculose  chez  Thomme:  l’ophthalmo  reaction  ä  la  tubercu  ine 

Presse  medicale  1907.  No  49  —Ray,,,  t ’^u+uöi  “  x- UIln  ‘ 
Chir-nrrria  ,  _ •  ,  '  “  "  d  <i  z  y .  E  ophthalmo  reaction  en 

Chirurgie  (Societe  de  Biologie,  31.  VII.  1907).  A.  Calmette  Pain- 

Gau,  Breton.  G.  Petit:  ’Utilisation  pratique  de  Tophthahno 

mddicale  ^  de  '?  tuberoulose  ch'ez  I’homme.  (Presse 

S  lef'eSn?.’  IfT->  C°™,bv:  Ophthalmo  reaction  tuberculeuse 
cuez  les  enfants.  (Soc.  med.  d.  Hopit.  12.— 19.  VII.  1907.)  M  I  e  - 

u  1  c:  L  ophthalmo  reaction  ä  la  tuberculine,  sa  valeur  sdmiolögique 
yms  a  tuberculeuse  humaine.  (Soc.  med.  d.  Hopit.,  22.  VII  1907  ) 

•  Sabrazes  et  Diu  per  le:  Contribution  ä  Tetude  de  la  valeur 
diagnostique  de  Tophtalmo  reaction  ä  la  tuberculine  (Ga/  hehd 
des  hopit.  d.  Bordeaux.  21.  VII.  1907.)  J.  fi  r  a  S  i'  oVa  Vh  ^ 
Tophtalmo  reaction  ä  la  tuberculine;  premieres  applications  dpJ  la 
metode.  (Pr»vit.cc  medicale  1907,  No.  28  )  P  L  e  m  aTr  e  Tnhe 
firnes  ctophtainmreact.on  de  Calmette.  (Oaz.  hehd.  de  Bordeaux, 
l,  \  t  '  V  Ca  1  e*  Descoups:  Communication  sur  Temnlni  dp 

Hüllt  '"“vT  1907")  '?  diaK"ostic  de  la  tuberculose.  (Soc.  rnld.  d. 

1  n  pu.,  v  .  19H7.)  L.  Sabrazes:  Ophthalmo  reaction  ä  la  tnW 
Lulme  et  ophthalmo  diagnostic  de  la  fievre  typhoide  (Revue  Ana" 
lytique,  I  oha  Hematologica,  No.  6,  1907.)  a 


Aus  der  medizinischen  Klinik  (Dir.:  Geh.-Rat  Prof.  Dr.  v. 
Strümpell)  und  der  Augenklinik  (Dir.:  Geh.-Rat  Prof. 
Dr.  U  h  t  h  o  f  f)  der  Universität  Breslau. 

Untersuchungen  über  die  Ophthalmoreaktion  der 

Tuberkulose. 


Erste  Mitteilung. 

Von  Marinestabsarzt  Dr.  Wiens  und  Oberarzt  G  ii  n  t  h  e  r 

kommandiert  zur 

medizinischen  Klinik.  Augenklinik. 

Die  Ophthalmoreaktion  von  Calmette  hat,  soweit  wir 
aus  der  uns  vorliegenden  Literatur  *)  ersehen  können,  bisher  im  ' 
allgemeinen  eine  günstige  Beurteilung  erfahren,  was  allerdings 
zum  Teil  daran  liegt,  dass  einzelne  Autoren  aus  ihren  durchaus 
nicht  so  glänzenden  Resultaten  wohl  etwas  optimistische 
Schlüsse  gezogen  haben. 

Die  bisher  veröffentlichten  Nachuntersuchungen  sind  ja 
noch  nicht  sehr  zahlreich  gewesen  und  über  den  endgültigen 
Wert  der  Methode  ist  das  letzte  Wort  noch  lange  nicht  ge¬ 
sprochen;  umsomehr  glauben  wir  uns  berechtigt,  einen  Teil 
der  Erfahrungen,  die  wir  bei  Anwendung  der  Reaktion  ge¬ 
wonnen  haben,  jetzt  schon  zu  veröffentlichen,  zumal  da  unsere 
Resultate  von  den  bisher  mitgeteilten  nicht  unwesentlich  ab¬ 
weichen. 

Wir  sind  ganz  der  von  C  a  1  m  e  1 1  e  in  der  Orginalarbeit ') 
angegebenen  Methodik  gefolgt  und  haben  deshalb  nicht,  wie 
die  Mehrzahl  der  deutschen  Nachuntersucher  das  gewöhnliche 
Kochsehe  Alttuberkulin  angewandt,  sondern  uns  von  den 
Höchster  Farbwerken  nach  den  Vorschriften  von  Cal¬ 
mette 2)  ein  trockenes  Tuberkulin  herstellen  lassen.  Die  zu 
den  Einträufelungen  benützten  Lösungen  wurden  stets  frisch  in 
der  Apotheke  mit  destilliertem  sterilisierten  Wasser  bereitet. 
Fs  wurde  zunächst  in  12  Fällen  ein  Tropfen  einer  1  proz.  Lö¬ 
sung  in  den  Konjunktivalsack  des  einen  Auges  nahe  der 
Karunkula  eingeträufelt;  davon  war 

a)  9  mal  klinisch  Tuberkulose  sicher  auszuschliessen, 

b)  einmal  lag  die  Möglichkeit  einer  tuberkulösen  Er¬ 
krankung  und 

c)  2  mal  eine  sichere  Tuberkulose  vor. 

a)  Nur  dreimal  war  die  Reaktion  negativ,  d.  h.  ausser  ge¬ 
ringer,  nach  wenig  Stunden  zurückgehender  Rötung  der  unteren 
Conjunctiva  palpebrarum  des  unteren  Lides  keine  Veränderung. 

In  den  übrigen  sechs  Fällen  fanden  sich,  zum  Teil  ziemlich 
schwere  und  lang  andauernde  Veränderungen  der  Konjunk¬ 
tiven.  Dreimal  konnten  wir  einen  Befund  erheben,  der  genau 
dem  von  Calmette  als  positiver  Ausfall  der  Reaktion  be- 
zeichneten  entsprach,  d.  h.  nach  5 — 30  Stunden  Injektion  und 
Schwellung  der  Conjunctiva  palpebrarum  besonders  auch  der 
Karunkula,  und  mehr  oder  weniger  starke  fibrinöse  Sekretion. 
Zweimal  fanden  wir  bisher  nicht  beschriebene  recht  charak¬ 
teristische  Blutungen  in  der  Conjunctiva  sclerae,  besonders  in 
ihrem  oberen  Teil,  wie  man  sie  häufig  bei  der  typischen  Pneu- 
mokokkenkonjunktivitis  beobachten  kann.  Die  Dauer  des 
Reizzustandes  war  erheblich  länger  als  bei  Calmette  an¬ 
gegeben,  ungefähr  75 — 100  Stunden,  nur  die  Sekretion  war  nach 
rund  40—50  Stunden  stets  geschwunden. 


iQ-iT  t1 wannung  verdienen  tolgende  drei  Fälle: 

r!bt  int^amedu,llärem  Rückenmarkstumor.  Keine 
2n  ,  'in  fur  Tuberkulose.  Nach  5  Stunden  deutliche  Injektion.  Nach 
Sp IffpHnf0  stärke  Schwellung  der  Conjunctiva  palpebrarum  und  eitrige 

hiPihf  ?  ’  öat  l  5U+  St,uniden  Nachlassen  der  Sekretion,  im  übrigen 
leil  t  der  Reizzustand  ln  gleicher  Intensität  einige  Tage  bestehen 

vielmehr  abzaklingen-  aber  n>cht  zur  Norm  zurückzukehren,’ 

linüir  sind  die  Erscheinungen  eines  chronischen  Bindehautkatarrhs 
ch  einige  Monate  nach  der  Einträufelung  wahrzunehmen. 

zeiplipn  flbfbr-Mad/ben  roj*  alter  Poliomyelitis  anterior;  keine  An- 
ih,  l  I  uberkulose.  Beginn  wie  a),  ebenfalls  nach  20  Stunden 
Spk-rpfi!fnke  Slfh^eIlu^  der  Conjunctiva  palpebrarum  mit  eitriger 
pinpl  LnaCTh^e-H  a  30,Stunden  Abnahme  der  Sekretion,  Auftreten 
nes  staiken  Lidodems,  bis  75  Stunden  keine  Veränderung,  dann  all- 

meh  'Cd^  Hk \mSZ  aS?r.  auch  hier  keine  Rückkehr  zur  Norm,  viel- 
mehr  dauernd  leichter  Reizzustand.  Nach  2J/2  Monat  entwickelt  sich 


j-a  pi  esse  ineuicaie 


3  Tuberculine  seche  precipitde  par’  Talcool  ä  95  °. 

)  Anmerkung  bei  der  Korrektur-  Die  Literatur  konnte 
nur  bis  zum  15.  November  1907  berücksichtigt  werden 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2587 


ohne  nachweisbare  Ursache  an  dem  noch  immer  entzündeten  Auge 
eine  typische  Randphlyiktaene,  die  sich  wiederum  durch  grosse  Hart¬ 
näckigkeit  auszeichnet.  Bei  der  Entlassung  der  Patientin  —  3/s  Mo¬ 
nate  nach  der  Einträufelung  —  war  der  Befund  noch  immer  nicht 

n0nT1y)  24  jähr.  Mann  mit  multipler  Sklerose.  Keine  Anzeichen  für 
Tuberkulose.  Verlauf  innerhalb  der  ersten  30  Stunden  wie  a),  jedoch 
hält  die  starke  eitrige  Sekretion  an;  Auftreten  multipler  kleiner  Blu¬ 
tungen  in  der  Conjunctiva  sclerae,  nach  50  Stunden  noch  Zunahme  des 
Reizzustandes,  grosse  flächenhafte  Blutungen  in  der  Conjunctiva 
sclerae,  nach  75  Stunden  allmähliches  Abklingen,  nach  8  Tagen  noch 
immer  ausgesprochener  Reizznstand,  dann  allmählich  Rückkehl  zui 
Norm. 

b)  Der  einzige  untersuchte  Fall  betraf  einen  16  jährigen 
Jungen  mit  (vielleicht  tuberkulöser)  Kniegelenksentzündung; 
kein  Lungenbefund.  Typische  Reaktion  wie  unter  a)  be¬ 
schrieben,  jedoch  mit  Lidödem.  Der  starke  Reizzustand  hält 
etwa  75  Stunden  an,  nach  Ablauf  einer  Woche  noch  immer 
Konjunktivalinjektion. 

c)  in  einem  Fall  von  ziemlich  frischer,  progredienter  4  uber- 
kulose  typische  Reaktion;  in  einem  älteren  ziemlich  stationären 
negatives  Resultat. 

Diese  zum  Teil  recht  schweren  Konjunktivalveränderungen, 
welche  wir  nach  Einträufelungen  mit  1  proz.  Lösung  beob¬ 
achtet  haben,  veranlassten  uns,  bei  unseren  weiteren  Unter¬ 
suchungen  die  Konzentration  auf  14  proz.  herabzusetzen. 

Diese  Lösung  ist  in  38  Fällen  angewandt  worden. 

a)  24  mal  war  Tuberkulose  klinisch  sicher  auszuschliessen. 

b)  5  mal  lag  Tuberkuloseverdacht  und 

c)  9  mal  klinisch  sichere  Tuberkulose  vor. 

a)  Die  Reaktion  war  in  allen  Fällen  negativ  bis  auf  einen. 
Dieser  bedarf  näherer  Besprechung.  Er  ist  besonders  genau 
beobachtet  worden,  es  handelte  sich  nämlich  um  einen  der  Ver¬ 
fasser  selbst. 

30  jähr.  Mann,  der  niemals  lungenkrank  gewesen  ist,  dagegen 
mehrfach  an  Konjunktividen  gelitten  hat,  die  schliesslich  zu  einer  ge¬ 
wissen  Disposition  für  derartige  Erkrankungen  geführt  haben.  Nach 
der  ersten  Einträufelung  keine  Reaktion.  2xh  Monat  darauf  Wieder¬ 
holung  der  Untersuchung,  zu  einer  Zeit,  wo  ein  leichter  konjunktivaler 
Reizzustand  eingetreten  war,  darauf  schwerste  Reaktion;  schon  nach 
4  Stunden  traten  subjektive  Beschwerden,  heftiges  Drücken  auf.  Nach 
6  Stunden  bereits  hochgradiger  Reizzustand.  Starke  Schwellung  und 
Rötung  der  Conjunctiva  Dalpebrarum  des  unteren  Lides  mit  pseudo¬ 
membranösen  Belägen.  Nach  20  Stunden  weitere  Zunahme  des  Reiz¬ 
zustandes,  starkes  Lidödem,  sehr  reichliche  fibrinöse  Exsudation, 
Pseudomembranen,  ganz  erhebliche  subjektive  Beschwerden;  dieser 
Zustand  blieb  3  Tage  stationär,  nur  traten  nach  etwa  36  Stunden  mul¬ 
tiple  Blutungen  in  der  Conjunctiva  sclerae  oberhalb  der  Kornea  auf. 
Im  weiteren  Verlauf  Abnahme  der  Sekretion,  während  der  Reizzu¬ 
stand  unverändert  blieb.  Am  5.  Tage  nach  der  Instillation  Entwicklung 
einer  leichten  Randkeratitis  mit  Bildung  eines  starken  oberflächlichen 
Gefässbündels,  unter  stärkeren  subjektiven  Beschwerden.  Am  7. 
Tage  deutliches  Zurückgehen  aller  Erscheinungen.  Keratitis  zirkum¬ 
skript  geblieben.  In  den  folgenden  Tagen  allmähliches  Abklingen.  Am 
Ende  der  zweiten  Woche  waren  alle  durch  die  Instillation  hervorge¬ 
rufenen  Erscheinungen  geschwunden.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass 
eine  auf  Grund  des  positiven  Ausfalls  der  Reaktion  vorgenommene 
physikalische  und  röntgenologische  Lungenuntersuchung  absolut  nega¬ 
tiv  ausfiel. 

b)  Negativer  Ausfall  der  Reaktion  fand  sich  in  drei  Fällen, 
zwei  zweifelhaften  Spitzenaffektionen  und  einer  hochgiadigen 
Anämie  mit  Verdacht  auf  Darmtuberkulose.  Positivei  Befund 
wurde  .zweimal  erhoben.  Einmal  handelte  es  sich  um  eine 
zweifelhafte  Spitzenaffektion,  das  andere  Mal  um  eine  Skio- 
phulose  mit  Keratitis  superficialis.  Dieser  Fall  verdient  vor 
allem  auch  ophthalmologisch  ganz  besonderes  Interesse  und 
soll  daher  eingehend  beschrieben  werden. 

18  jähr.  Mädchen  mit  skrophulösem  Habitus  und  Otitis  media,  das 
seit  dem  6.  Lebensjahre  häufig  an  skrophulösen  Hornhautentzündungen 
gelitten  hat  und  sich  zurzeit  wegen  einer  Kornealaffektion  des  linken 
Auges  in  der  Klinik  befindet.  Lungenbefund  normal.  Einträufelung  in 
den  Konjunktivalsack  des  gesunden  Auges.  Nach  6  Stunden  be¬ 
reits  starke  Rötung  und  Schwellung  der  Conjunctiva  palpebiaium, 
reichliche  fibrinöse  Exsudation,  leichte  ziliare  Injektion,  nach  10  Stun¬ 
den  Reizzustand  noch  weit  heftiger,  erhebliche  subjektive  Beschwer¬ 
den,  in  der  Hornhaut  mehrere  oberflächliche  Infiltrate.  Iritis.  Nach 
24  Stunden  weitere  Zunahme  der  Entzündungserscheinungen,  Horn.~ 
hautinfiltrate  grösser.  In  der  Conjunctiva  sclerae  massenhafte  kleine 
Blutaustritte,  typisches  Bild  ausgesprochener  Keratitis  superficialis 
scrophulosa.  Zustand  während  5  Tagen  unverändert;  dann  Entwicke¬ 
lung  eines  Pannus  scrophulosus  mit  oberflächlicher  Vaskularisation, 
nach  14  Tagen  langsame  Abnahme  der  äusserst  heftigen  Entzündungs¬ 


erscheinungen.  Hornhautpannus  jedoch  noch  unverändert.  Dieser 
beginnt  erst  nach  Ablauf  von  3  Wochen  allmählich  abzuklingen.  Zui 
Zeit,  6  Wochen  nach  der  Instillation,  zeigt  sich  das  Auge  noch  immer 
leicht  gereizt,  die  Hornhaut  hat  sich  bis  auf  3  kleine  Infiltrate  aufge¬ 
hellt. 

c)  In  sieben  Fällen  handelte  es  sieh  um  frische,  zum  1  eil 
recht  progrediente  Tuberkulosen.  5  davon  zeigten  typisch 
positive  Reaktion;  Reizzustand,  fibrinöse  Exsudation;  Abklingen 
des  Prozesses  nach  3 — 4  Tagen.  Die  beiden  negativen  betrafen 
einen  Kranken  mit  initialen  Erscheinungen  und  einen  mit 
schwerster,  rapid  verlaufender  Phthise,  die  nach  8  monatlichei 
Dauer  zum  Exitus  führte.  Die  Untersuchung  war  im  6.  Krank¬ 
heitsmonat  vorgenommen  worden,  als  bereits  hochgradigste 
Lungenveränderungen  bestanden. 

Weiter  wurde  bei  zwei  alten  Phthisen,  die  ebenfalls  zu 
hochgradigen  Lungenveränderungen  geführt  hatten,  bei  denen 
aber  der  Prozess  zu  einem  gewissen  Stillstand  gekommen  war, 
ein  völlig  negativer  Ausfall  der  Reaktion  beobachtet. 

Weiter  sollen  zwei  Untersuchungen  mitgeteilt  werden,  die 
mit  noch  stärker  verdünnten  Lösungen  vorgenommen  sind. 

13  jähr.  Junge  mit  linksseitiger  Keratitis  parenohymatosa  tuber- 
culosa,  der  auf  diagnostische  Injektion  von  0,5  mg  Alttuberkulin  in 
typischer  Weise  reagiert  hatte.  Lungenbefund  physikalisch  und 
röntgenologisch  in  Ordnung.  Das  erkrankte  Auge  war  zur  Zeit  der 
Untersuchung  völlig  reizlos,  nur  die  Hornhaut  war  in  charakteiisti- 
scher  Weise  diffus  getrübt.  Ein  Tropfen  einer  Lösung  1,0:1000,0 
rief  keine  Reaktion  hervor.  Nach  8  Tagen  Wiederholung  der  Ein¬ 
träufelung  in  das  kranke  Auge  mit  einer  Verdünnung  1,0  : 500,0. 
Daraufhin  nach  6  Stunden  typische  Reaktion,  nach  20  Stunden  starke 
konjunktivale  Schwellung  und  Rötung,  fibrinöse  Exsudation,  keine  sub¬ 
jektiven  Beschwerden,  Hornhautprozess  ganz  unbeeinflusst;  nach  27 
Stunden  allmähliches  Zurückgehen  der  Entzündungserscheinungen. 

ß)  ll  jähr.  Junge  mit  Blepharoconjunctivitis  eczematosa,  Keratitis 
fascicularis  des  einen,  ausgedehnten  Maculae  corneae  des  anderen 
Auges;  Lungenbefund  physikalisch  und  röntgenologisch  inOrdnung.  In¬ 
stillation  einer  Lösung  1,0  auf  1000,0  in  das  reizlose  Auge,  nach  7  Stun¬ 
den  mässige  Rötung  und  Schwellung  der  Conjunctiva  palpebrarum 
des  Unterlides,  leichte  fibrinöse  Sekretion,  nach  24  Stunden  ausge¬ 
sprochene  Reaktion,  lebhafte  Exsudation.  Kornea  ganz  unbeeinflusst, 
allmähliches  Abklingen  des  Reizzustandes.  . 

Veränderungen  des  Allgemeinbefindens  (Temperatursteigerungen 
etc.)  wurden  niemals  beobachtet. 

Eine  Zusammenfassung  der  Resultate  zeigen  folgende 
Tabellen: 


I.  Einträufelungen  mit  1  proz.  Lösung. 


'  - 

Reaktion 

Summa 

positiv 

negativ 

a. 

Sicher  nicht  tuberkulöse  Fälle  .  . 

6 

3 

9 

b. 

Verdächtige  Fälle . 

1 

— 

1 

c. 

Sicher  Tuberkulöse . 

1 

1 

2 

II.  Einträufelungen  mit  V2  proz.  Lösung. 


Reaktion 

Summa 

positiv 

negativ 

a. 

Sicher  nicht  tuberkulöse  Fälle  .  . 

1 

23 

24 

b. 

Verdächtige  Fälle . 

2 

3 

5 

c. 

Sicher  Tuberkulöse . 

5 

4 

9 

Betrachten  wir  das  Resultat  unserer  Untersuchungen,  so 
fällt  zunächst  bei  den  Einträufelungen  mit  1  proz.  Lösung  auf, 
dass  bei  einer  Anzahl  von  Fällen  recht  schwere  Augenver¬ 
änderungen  eingetreten  sind,  die  sich  zum  I  eil  duich  giossc 
Hartnäckigkeit  auszeichneten,  einige  Male  sogar  monatelang 
anhielten;  dabei  fanden  sich  derartig  schwere  Erscheinungen 
bei  Patienten,  die  klinisch  auch  nicht  den  geringsten  Anhalts¬ 
punkt  für  eine  tuberkulöse  Erkrankung  boten.  E  s  1  i  e  g  t  uns 
selbstverständlich  fern,  auf  Grund  einer  der¬ 
artig  kleinen  Zahl  von  Untersuchungen  ein 
Urteil  über  den  Wert  der  Reaktion  an  sich  zu 
fällen,  wir  möchten  nur  betonen,  dass  bei 
einem  Untersuchungsmodus  der  ganz  dem  in 
der  Originalarbeit  angegebenen  entsprach, 


2588 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


sich  derartig  schwere  Augenveränderungen 
gef  un  den  haben,  da  ss  eine  weitere  An  Wendung 
der  Methode  (Einträufelungen  mit  1  p  r  o  z.  Lösung) 
uns  als  unzulässig  erschien. 

Durch  zufällige  Verunreinigungen3)  kann  diese  schwere 
Reaktion  nicht  hervorgerufen  sein,  dagegen  sprechen  einmal 
die  von  uns  angewandten  Kautelen,  dann  der  Umstand,  dass  die 
Reaktion  stets  eine  ganz  typische,  wohl  charakterisierte,  war. 
Darauf  wird  weiter  unten  näher  eingegangen  werden. 

Die  Untersuchungen  mit  %  proz.  Lösung  haben  ein  gün¬ 
stigeres  Resultat  ergeben,  bei  sicher  nicht  tuberkulösen  Leuten 
war  die  Reaktion  negativ.  Der  einzige  positive  Fall  erklärt 
sich  unseres  Erachtens  daraus,  dass  die  Lösung  auf  eine,  wenn 
auch  nur  in  geringem  Grade  schon  entzündete,  Ronjunktiva  ge¬ 
bracht  war;  denn  vorher,  bei  Einträufelung  in  die  gesunde 
Ronjunktiva,  war  eine  Reaktion  ausgeblieben.  Dieser  Fall 
lehrt  zweierlei:  Einmal  muss  man  bei  der  Auswahl  der  zu 
untersuchenden  Patienten  auf  das  peinlichste  auch  die  ge¬ 
ringsten  Ronjunktivalreizungen  ausschliessen.  Dann  ergibt 
sich  daraus  die  Tatsache,  dass  das  Tuberkulin,  wenn  es  einen 
stärkeren  Reizzustand  der  Ronjunktiva  hervorruft,  dies  stets 
in  ganz  charakteristischer,  nur  quantitativ  verschiedener, 
Weise  tut;  es  tritt  nicht  etwa  eine  Exazerbation  der  schon 
bestehenden  gewöhnlichen  Ronjunktivitis  auf,  sondern  ein  ganz 
typisches  Rrankheitsbild.  Aus  den  negativen  Resultaten  bei 
klinisch  sicheren  Tuberkulosen  lässt  sich  vielleicht  der  Schluss 
ziehen,  dass  in  älteren,  weit  vorgeschrittenen  Fällen  die 
Empfindlichkeit  der  Ronjunktiva  für  den  lokalen  Reiz  des 
Tuberkulins  abnimmt. 

Aber  auch  die  Zahlen,  die  wir  bei  diesen  Untersuchungen 
mit  %  proz.  Lösung  gewonnen  haben,  sind  zu  klein,  als  dass 
wir  daraus  die  Berechtigung  herleiten  könnten,  über  den  dia¬ 
gnostischen  Wert  oder  Unwert  der  Reaktion  ein  Urteil  zu  fällen. 

Die  Reaktion  selbst  zeigte  stets  ein  ganz  charakteristisches 
Aussehen,  und  nur  der  Grad  der  Reaktionserscheinungen  war 
verschieden.  Für  gewöhnlich  beschränkte  sich  die  Entzündung 
ausschliesslich  auf  die  Ronjunktiva  des  Unterlides,  die  neben 
einer  intensiven  Rötung  eine  eigentümliche  glasige  Schwellung 
aufwies.  Regelmässig  fand  sich,  auch  in  den  leichtesten  Fällen 
eine  mehr  oder  weniger  starke  fibrinöse  Exsudation.  Bei 
schwereren  Reaktionen  wurde  zunächst  die  dem  Unterlide  an¬ 
liegende  Conjunctiva  bulbi  mitergriffen,  bei  noch  heftigeren  die 
gesamte  Conjunctiva  sclerae,  während  die  Conjunctiva  tarsi 
stets  unbeteiligt  blieb.  Ein  sehr  charakteristisches  Bild  boten 
che  bei  stärkeren  Reizerscheinungen  fast  regelmässig  auf-  I 
tietenden  Blutungen  in  der  Conjunctiva  sclerae,  die  sich  wie 
dm  B  utungen  bei  der  Pneumokokkenkonjunktivitis  hauptsäch¬ 
lich  oberhalb  der  Rornea  unter  dem  Oberlide  fanden,  aber  auch 
dann  und  wann  in  anderen  Bezirken  der  Conjunctiva  sclerae 
auftraten. 


Fnne  besondere  Beachtung  verdienen  die  im  Anschluss  ai 
die  Reaktion  aufgetretenen  Hornhautaffektionen  vorher  ge- 
sunder  Augen,  einmal  die  Entstehung  einer  typischen  Rand- 
phlyktane  dann  die  Eruption  einer  Reratitis,  die  klinisch  genai 
dem  Bilde  einer  skrofulösen  Erkrankung  entsprach.  Voi 
ahem  dei  letzte  Befund  erscheint  uns  wichtig.  Wir  sehen  hier 
in  der  Iu.be rkuhnlösung  das  Agens,  durch  welches  eine  vorher 
latente  Skrophulose  zu  einer  akuten  Eruption  mit  schweren 
Folgeerscheinungen  geführt  hat.  Vielleicht  weisen  diese  Fälle 

nnd  T°\ien!  ?Uf  einen  Zusammenhang  zwischen  Skrophulose 
und  Tuberkulose  hin.  Bestimmtes  darüber  lässt  sich  bei  der 
geringen  Zahl  derartiger  Beobachtungen  noch  nicht  sagen. 

Als  unsere  Aufgabe  in  der  vorliegenden  Arbeit  haben  wir 
es  betrachtet,  den  Beweis  dafür  zu  erbringen,  dass  die 
Calmettesche  Ophthalmoreaktion  keines- 
Wegs  ein  so  harmloser  und  unbedeutender 
Eingriff  l  s  t,  wie  bisher  wohl  allgemein  an- 
ge  n  o  m  m  e  n  w  u  r  d  e.  Ihre  Anwendung  ist  unbedingt  aus- 

zusc.hhessen  .für  dlc  grosse  Zahl  aller  derer,  die  an  chronischen 

Ronjunktividiten,  auch  der  leichtesten  Form,  leiden.  Vor  allem 
kann  der  Arzt  in  der  Praxis,  für  den  die  Reaktion  mit  ihrer 
einfachen  und  bequemen  Handhabung  von  vornherein  ein 


")  Wir  haben,  nebenbei  bemerkt,  das  Sekret 
bakteriologisch  untersucht,  mit  negativem  Erfolg. 


mikroskopisch  und 


!  wichtiges  diagnostisches  Hilfsmittel  zu  bedeuten  schien,  durch 
die  schweren  und  unter  Umständen  hartnäckigen  Folge¬ 
erscheinungen  recht  unangenehmen  Situationen  ausgesetzt  sein. 

Wir  setzen  unsere  Untersuchungen  mit  anderen  Präparaten 
und  anderen  Ronzentrationen  fort  und  werden  darüber  später 
weiteres  berichten. 


Aus  der  Rönigsberger  medizinischen  Universitätsklinik  (Dir.: 

Geh.  Rat  Prof.  Dr.  L  i  c  h  t  h  e  i  m). 

Kritische  Bemerkungen  zur  klinischen  Bedeutung  der 
Ophthalmoreaktion  auf  Tuberkulose. 

Von  Privatdozent  Dr.  Carl  Rlieneberger,  I.  Assistent 

der  Rlinik. 

Das  von  Pirquet1)  in  die  Diagnostik  der  Infektionskrank¬ 
heiten  eingeführte  Allergieprinzip  hat  in  der  Form  der  Oph¬ 
thalmoreaktion  -’) 3)  Anwendung  in  der  Erkennung  der  Tuber¬ 
kulose  gefunden.  Die  Berichte  der  jüngsten  Zeit  sprechen  dem 
neuen  Verfahren  eine  massgebende  Bedeutung  für  die  Früh¬ 
diagnose  der  Tuberkulose  zu  und  empfehlen  es  zur  Verwendung 
in  der  Praxis. 

Eine  derartige  Empfehlung  hat  zur  Voraussetzung,  dass  die 
Methodik  einfach  und  ungefährlich  ist  und  dass  die  Reaktion 
ein  absolutes  Reagens  für  die  Erkennung  der  manifesten 
Tuberkulose  darstellt.  Die  erste  Anforderung  ist  selbstver¬ 
ständlich;  die  zweite  besagt,  dass  diese  Reaktion  sich  nur 
bei  manifest  Tuberkulösen  findet  und  nicht  etwa  auch  latente, 
ausheilende  oder  ausgcheilte  Formen  anzeigt.  Denn  da  diese 
nach  Naege  1  i  sicher  sehr  verbreitet  sind,  hat  ihr  Nachweis 
intra  vitam  kein  klinisches  Interesse. 

Die  Prüfung  der  Wertigkeit  der  Ophthalmoreaktion  muss 
den  Beweis  erbringen,  dass  die  Reaktion  bei  der  manifesten 
Iuberkulose  (Rontrolle  der  Diagnose  durch  den  Bakterien¬ 
nachweis  oder  die  Sektion)  positiv  ausfällt  und  bei  allen  Nicht- 
tuberkulösen  (Rontrolle  durch  den  Leichenbefund)  versagt. 
Eine  hinreichende  Prüfung  nach  diesen  Gesichtspunkten,  um  die 
allgemeine  Empfehlung  in  der  Praxis  zu  rechtfertigen,  fehlt  bis 
heute. 

Auch  meine  Beobachtungen  bringen  einstweilen  keine 
Leichenkontrollen.  Wenn  ich  trotzdem  heute  schon  einen 
kleinen  Teil  unserer  klinischen  Erfahrungen  publiziere,  ge¬ 
schieht  es  aus  2  Gründen.  Einmal  reagieren  eine  grössere 
Zahl  nachweislich  Tuberkulöser  auf  die  einmalige 
Einträufelung  einer  1  proz.  Tuberkulinlösung  über¬ 
haupt  nicht.  Dann  aber  führt  die  wiederholte 
1  uberk  u  lin  einträufel  ung,  wie  sie  in  der  jüngsten 
Zeit  von  E  p  p  e  n  s  t  e  i  n  4),  Schenck  und  Seiffert5) 
empfohlen  worden  ist,  zu  Fehlern  in  der  Beurteilung  der 
Reaktion,  welche  sie  in  dieser  Form  für  die  Rlinik  unbrauch¬ 
bar  machen. *’  )  Ganz  abgesehen  davon,  dass  die  auf  eine 
zweite  Einträufelung  erfolgenden  Reaktionen  so  heftig  werden 
können,  dass  sie  für  Arzt  und  Patienten  recht  unangenehm  sind. 

Was  zunächst  das  Ergebnis  der  einmaligen  Einträufelung 
bei  sicher  Tuberkulösen  (Bazillennachweis)  anbelangt,  so  haben 
von  17  darauf  untersuchten  Fällen  7  gar  nicht,  und  2  zweifelhaft 
mit  einei  leichten  Rai  unkelreaktion  reagiert.  Unter  den  7  gänzlich 
negativen  Fällen  befanden  sich  2  Tuberkulosen  im  II.  und  eine 
im  Frühstadium;  die  übrigen  ebenso  wie  die  Fälle  mit  zweifel¬ 
hafter  Reaktion  waren  progresse  Phthisen.  Abgesehen  von 
diesei  beträchtlichen  Zahl  negativer  Reaktionen  bei  manifester 
Iuberkulose  überhaupt  ist  es  beachtenswert,  dass  nicht  nur 
vorgeschrittene  Fälle,  wie  dies  bereits  von  anderer  Seite  be¬ 
tont  wurde,  fiii  die  Ophthalmoreaktion  ausfallen,  sondern  dass 
auch  leichtere  und  initiale  Erkrankungen  versagen  können. 


zinale  Allergie. 

)  W  o  1  f  f  -  E  i  s  n  e  r :  Berl.  klin.  Wochenschr.  No.  22,  1907. 

Sciences  No.1^,1 1907 Comptes  rendus  des  seances  de  l’academie  de 

0  Eppenstein:  Medizinische  Klinik  No.  36,  1907. 

No  46  1907° henk  Und  Q‘  S,eiffert:  Münch,  med.  Wochenschr. 

...  ..  \  Anmerkung  bei  der  Korrektur:  Dieselben  Bedenken  gelten 

ll!r  die r  inzwischen  publizierten  Arbeiten  von  B  1  ü  m  e  1  und  Clarus 
Med.  Klinik  No.  50,  und  Köhler,  D.  med.  Wochenschr.  No.  50.  ’ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2589 


> 4 .  Dezember  1907.  _  . 

Das  Ergebnis  der  mehrmaligen  Einträufelung  an  dem 
gleichen  Auge  wurde  bei  61  Personen  geprüft.  Zur  Verwen¬ 
dung  gelangte  2  mal  1  proz.  Alttuberkulinlösung  (K  o  c  h),  sonst 
jas  im  Handel  befindliche  Tuberkulintest  von  C  a  1  m  e  1 1  e.  Es 
geschah  dies  deshalb,  weil  dieses  Präparat  —  eine  1  proz. 
sterile  glyzerinfreie  Verdünnung  eines  Ausgangsmateriales  — 
im  Handel  vorkommt.  Der  Praktiker  aber  wird  an  derartige 
Präparate  sich  in  erster  Linie  halten.  Die  Intervalle  zwischen 
den  Einträufelungen  schwankten  zwischen  5  Tagen  und 
5  Wochen,  in  der  Regel  betrugen  sie  8—10  Tage. 

Es  lohnt  sich,  so  klein  ein  Material  von  61  Fällen  an  sich 
;st  doch  diese  Fälle  nach  den  klinischen  Gesichtspunkten: 
i  Tuberkulöse  (9  Fälle),  2.  der  Tuberkulose  Verdächtige 
(6  Fälle)  und  3.  klinisch  ganz  Unverdächtige  (46  Falle)  zu 
trennen  und  kurz  gesondert  zu  beti  achten. 

1.  Sämtliche  9  Tuberkulöse  reagierten  auf  die 

2.  Einträufelung  positiv,  auch  diejenigen,  welche  bei  der 

1.  Einträufelung  gar  nicht  oder  zweifelhaft  reagiert  hatten.  Die 

2.  Reaktion  selbst  verlief  bei  den  leichter  Kranken  heftiger,  als 
bei  den  schweren  Fällen.  Zu  heftigen  Lntzündungserschei- 
nungen  kam  es  einmal  in  einem  Fall  von  Lungentuberkulose 
1.  Grades;  nur  bei  einem  Kranken  (II.  Stadium  Turban) 
verlief  die  2.  Reaktion  leichter  als  die  erste. 

2.  Von  den  6  Fällen,  welche  uns  der  Tube  r  k  u  1  o  s  e 
suspekt  erschienen,  reagierten  bei  der  wiederholten  Einträufe¬ 
lung  nur  2  positiv.  Diese  hatten  übrigens  unbedeutend  schon 
beim  ersten  Male  reagiert,  die  neue  Reaktion  w'ar  wesentlich 

sinnfälliger  als  die  voraufgegangene. 

3.  Von  den  46  F  ä  1 1  e  n,  bei  welchen  klinisch  1  über- 

kulose  ausgeschlossen  erschien,  reagierten  nach  der 
zweiten  Instillation  36  positiv,  d.  h.  78  Proz.  ( !).  28  diesei 

Kranken  hatten  das  erste  Mal  keine  Spur  einer  Reaktion,  die 
anderen  nur  schwache  oder  fragliche  Reaktionen  geboten. 
Eklatant  war  durchweg  die  Schwere  der  auf  die  2.  Einträufe¬ 
lung  erfolgenden  Reizerscheinungen.  Während  diese  unter  den 
Gruppen  1  und  2  nur  einmal  (in  Gruppe  1  und  dazu  bei  einem 
leichtkranken  Tuberkulösen)  schwererer  Art  gewesen  waren, 
mussten  in  der  Gruppe  3  als  Folge  der  wiederholten  Einträufe¬ 
lung  16  mal  heftige  Konjunktivitiden  festgestellt  werden.  Dabei 
stellten  sich  sogar  5  mal  erhebliche  Lidschwellungen,  diffuses 
Hämatom  und  Chemosis  der  Conjunctiva  bulbi  ein,  Erschei¬ 
nungen,  welche  eine  längere  Behandlung  nötig  machten. 

Man  könnte  annehmen  —  und  das  haben  die  Autoren  getan, 
welche  eine  wiederholte  Einträufelung  empfahlen,  dass  unter 
unseren  46,  der  Tuberkulose  nicht  verdächtigen  Kranken  der 
Gruppe  3  sich  78  Proz.  latente  Tuberkulosen  befinden.  Selbst 
wenn  dies  der  Fall  ist  —  eine  Kontrolle  fehlt  ja  —  so  ist  dieser 
Prozentsatz  so  enorm  hoch,  dass  er  alle  ausgeheilten,  aus¬ 
heilenden,  also  latent  bleibenden  Formen  einschliessen  müsste. 
Dadurch  aber  verliert  die  wiederholte  Einträufelung  an  dem 
gleichen  Auge  jeden  klinischen  Wert.  Angesichts  dieser  Zahl 
von  78  Proz.  (nach  Schenck  und  S  e  i  f  f  e  r  t  50  Proz.)  bin 
ich  geneigt,  die  bei  der  zweiten  Einträufelung  auftretende 
Reaktion  anders  zu  deuten.  Ich  spreche  diese  2.  Reaktion  als 
eine  Ueberempfindlichkeitsreaktion  an,  und  das  umsomehr,  weil 
gerade  klinisch  Unverdächtige  durchweg  stärker  reagieien  als 
Tuberkulöse  und  weil  in  einzelnen  Fällen  die  Reizerscheinungen 
nach  der  2.  Instillation  weit  über  das  erwartete  Mass  hinaus¬ 
gingen.  Warum  diese  Tatsache  der  konjunktivalen  Uebei- 
empfindlichkeit ü)  den  früheren  Autoren  entgangen  ist,  und 
warum  Schenck  und  Seiffert  bei  ihren  Unverdächtigen  nur 
50  Proz.  positiver  Reaktionen  bei  wiederholter  Einträufelung  er¬ 
halten  haben,  lässt  sich  schwer  feststellen.  Möglich,  dass  mit¬ 
unter  das  zeitliche  Intervall  zwischen  beiden  Einträufelungen 
zu  gering  war,  um  Ueberempfindlichkeit  zu  erzeugen,  möglich 
auch,  dass  in  einem  Teile  der  Fälle  (conf.  Münch,  ined.  Wochen- 


ü)  Nach  Fertigstellung  dieser  Mitteilung  ist  eine  Arbeit  von 
S.  Cohn-Berlin:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1907,  No.  47  erschienen, 
welche  bezüglich  der  ikonjunktivalen  Ueberempfindlichkeit  an  dem¬ 
selben  Auge  zu  ähnlichen  Ergebnissen  gelangt  ist,  in  Bezug  aber  auf 
die  Wertigkeit  abwechselnder  Einträufelungen  eine  meines  Erachtens 
nicht  hinreichende  Zahl  von  kontrollierten  Beobachtungen  bringt. 
Auch  die  Bemerkungen  über  positive  Reaktion  bei  Typhösen  können 
wir  bisher  weder  bestätigen,  noch  für  diskutierbar  halten,  so  lange 
Kontrollen  fehlen. 

No.  52. 


schrift  1907,  p.  2269  und  Med.  Klinik  1907,  p.  1072  Anm.  1)  beide 
Augen  wechselsweise  eingeträufelt  wurden  und  dass  die 
resultierende  Ueberempfindlichkeit  eine  rein  lokale  ist.  Wie 
dem  auch  sein  mag,  die  Tatsache  der  durch  wiederholte  In¬ 
stillation  am  gleichen  Auge  auftretenden  Ueberempfindlichkeit 
ist  Eppenstein  völlig  entgangen.  Schenck  und 
Seiffert  aber  dürften  aus  ihren  Beobachtungen  nicht  die 
gleichen  Schlüsse,  wie  ich  gezogen  haben.  Sobald  man  näm¬ 
lich  ihre  Angaben  über  die  Intensitätsreaktionen  nachprüft,  fällt 
es  auf,  dass  eine  gewisse  Zahl  von  Patienten,  bei  denen  das 
Ergebnis  der  ersten  Instillation  negativ  war,  später  eine  recht 
starke  Reaktion  darboten  (Intensitätsgrad  II  der  Autoren). 

Ich  glaube  trotz  der  geringen  Zahl  unserer  vorläufigen 
Beobachtungen  gezeigt  zu  haben,  dass  die  wiederholte  Tuber- 
kulineinträufelung  an  dem  gleichen  Auge  fehlerhaft  ist,  und  dass 
unsere  bisherigen  Erfahrungen  des  Ausfalls  der  Ophthalmo¬ 
reaktion  bei  sicher  Tuberkulösen  ihre  praktische  Empfehlung 
als  differentialdiagnostische  Methode  noch  nicht  genügend 
rechtfertigen. 

Königsberg  i.  Pr.,  24.  XI.  1907. 


Aus  der  Abteilung  für  experimentelle  Therapie  des  Eppendorfer 

Krankenhauses,  Hamburg. 

Ueber  die  antitoxische  Funktion  und  Eiweiss. 

Von  Dr.  Hans  Much 

(nach  gemeinschaftlichen  Versuchen  mit  Dr.  H  a  p  p  i  c  h). 

I. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  Medikamente  wird  an  die  Patien¬ 
ten  verfüttert,  in  der  Erwartung,  dass  sie  auf  diesem  Wege 
zur  Wirkung  gelangen.  Sera  jedoch,  die  eine  ausgesprochene 
Schutz-  oder  Heilwirkung  haben,  werden  unter  die  Haut  ge¬ 
spritzt  oder  in  andere  künstlich  geöffnete  Gewebe  eingeführt. 
Wir  wissen  eben  aus  der  Erfahrung,  dass  vom  Magendarm¬ 
kanal  aus  die  Antitoxine  nicht  ins  Blut  übergehen.  Und  das 
erscheint  uns  weiter  nicht  merkwürdig.  Denn  wir  kennen  die 
enge  Verknüpfung  der  antitoxischen  Funktion  mit  den  genuinen 
Eiweisskörpern.  Andererseits  wissen  wir  auch,  dass  die 
genuinen  Eiweisskörper  im  Magendarmkanal  nicht  resorbiert 
werden  können,  ehe  sie  nicht  zu  Albumosen,  Peptonen  und  noch 
weiter  gehenden  Spaltungsprodukten  abgebaut  werden.  Jedei 
Abbau  des  autitoxinhaltigen  Eiweisses  ist  auch  mit  einer  Ab¬ 
nahme  des  Antitoxins  verbunden;  und  ist  der  Abbau  vollständig, 
so  ist  auch  das  Antitoxin  völlig  zerstört.  So  können  wir  also 
schon  a  priori  nicht  erwarten,  dass  bei  Verfütterung  von  anti¬ 
toxischem  Serum  ins  Blut  der  Gefütterten  Antitoxin  übergeht. 
Diese  Erwartung  wird  durch  Experimente  bestätigt. 

Es  darf  jedoch  eine  Verallgemeinerung  dieser  Angaben 
nicht  statthaben.  Ehrlich  wies  zuerst  an  abrin-  und  rizin¬ 
immunen  Mäusen  nach,  dass  aucn  nach  Verfütterung  vom 
Magendarmkanal  aus  Antitoxine  ins  Blut  übergehen.  Dies  ge¬ 
schieht  durch  den  Akt  der  Säugung  bei  Neugeborenen.  Es 
wurde  später  gezeigt,  dass  diese  I  atsache  auch  für  Diphtherie- 
und  Tetanusantitoxin  Gültigkeit  habe;  ebenso  wie  nachge- 
wiesen  wurde,  dass  die  antitoxische  Funktion  aus  dem  Blute 
säugender  Mütter  in  deren  Milch  übergeht,  wo  sie  eng  an  das 
genuine  Milcheiweiss  geknüpft  ist. 

Im  Jahre  1901  berichtete  Römer  über  quantitative  Anti¬ 
toxinbestimmungen  im  Blute  eines  Fohlens,  das  von  diphtherie¬ 
immuner  Mutter  stammend,  antitoxinfrei  geboren  wurde.  Unter 
dem  Einfluss  der  Säugung  wies  es  eine  bis  zum  12.  Lebens¬ 
tage  allmählich  steigende  Antitoxinmenge  im  Blute  auf.  Vom 
12.  Lebenstage  verminderte  sich  der  Antitoxingehalt  rasch.  Es 
mussten  also  die  Verhältnisse  für  eine  Antitoxinresorption 
ungünstiger  geworden  sein.  Daraus  zog  er  die  Schluss¬ 
folgerung,  dass  Antitoxin  und  genuines  Eiweiss  zwar  unver¬ 
ändert  resorbiert  wurden  im  Magendarmkanal  Neugeborener, 
nicht  aber  in  dem  älterer  oder  ausgewachsener  Individuen. 

Eine  Stütze  erhielt  diese  Anschauung  durch  Gang- 
h  ofners  und  Langers  Untersuchungen.  Ihre  Versuche  an 
jungen  Hunden,  Katzen,  Kaninchen  und  Zickeln  zeigten,  dass 
nach  Fütterung  mit  Hühnereiereiweiss  oder  Rinderserum  nur  im 
Magendarmkanal  neugeborener  ’l  iere  das  per  os  eingeführte 
körperfremde  Eiweiss  zum  Teil  unverändert  resorbiert  wurde, 


2590 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


während  der  Magendarmkanal  älterer  Tiere  fremdes  Eiweiss 
bei  der  stomachalen  Einverleibung  nicht  durchliess.  Auch  für 
den  menschlichen  Säugling  stellten  sie  ähnliches  fest. 

S  a  1  g  e  studierte  die  gleiche  Frage  in  zwei  Arbeiten,  in 
denen  er  nachwies,  dass  beim  menschlichen  Neugeborenen 
Diphtherieantitoxin  übergeht,  wenn  man  es  der  Mutter,  bezw. 
der  Amme  in  Form  von  antitoxischem  Serum  unter  die  Haut 
spritzt,  dass  die  Antitoxinresorption  aber  ausblieb,  wenn  er  der 
Milch  erst  in  der  Flasche  das  antitoxische  Serum  zusetzte  oder 
wenn  er  seinen  Säuglingen  Ziegenmilch  verabreichte,  die  infolge 
einer  isopathischen  Immunisierung  des  milchiiefernden  Tieres 
Antitoxin  enthielt.  Eine  unmittelbare  Vergleichung  der  S  a  1  g  e- 
schen  Versuchsreihen  untereinander  hinsichtlich  der  Bedin¬ 
gungen,  unter  denen  eine  intestinale  Antitoxinresorption  statt¬ 
findet  oder  ausbleibt,  ist  deshalb  nicht  möglich,  weil  es  sich  in 
dem  einen  Fall  um  natürlich,  d.  h.  mit  Muttermilch,  im  anderen 
Fall  um  künstlich,  d.  h.  mit  artfremder  Milch  ernährte  Säuglinge 
handelt. 

Uffenheimer  hat  dann  neuerdings  das  gleiche  Thema 
bearbeitet.  Er  stellte  beim  neugeborenen  Meerschwein  stets 
Antitoxinübergang  vom  Magendarmkanal  aus  fest,  während  er 
ihn  beim  ausgewachsenen  Tier  immer  vermisste. 

Inzwischen  hatte  R  ö  m  e  r  gezeigt,  dass  unter  genau  den 
gleichen  Bedingungen,  d.  h.  bei  Aufnahme  gleicher  Mengen 
antitoxischer  Muttermilch  bei  neugeborenen  Rindern  und 
Schafen  ein  beträchtlicher  Uebergang  von  Antitoxin  stattfand, 
dass  er  aber  sehr  gering  war,  bezw.  ausblieb,  wenn  die  neu¬ 
geborenen  Tiere  erst  vom  5.  bezw.  .13.  Tage  ab  antitoxische 
Muttermilch  erhielten.  Damit  war  einwandsfrei  festgestellt, 
dass  unter  physiologischen  Bedingungen  der  Magendarmkanal 
neugeborener  Individuen  hinsichtlich  der  Resorption  von  Anti¬ 
toxin  sich  anders  verhält,  als  der  älterer  und  ausgewachsener 
Individuen. 


natürliches  Antitoxin  enthaltenden  Muttermilch  ins  Blut  des 
Säuglings  überging,  von  der  Annahme  ausging,  dass  während 
der  Zeit  des  Saugens  die  Milch  den  gleichen  Antitoxingehalt 
behält  wie  am  Tage  nach  der  Geburt  bezw.  der  gemachten 
Serumeinspritzung.  Diese  Annahme  ist  nicht  richtig,  weil 
meinen  früheren  Erfahrungen  gemäss  der  Antitoxingehalt  der 
Milch  vom  Augenblick  der  Geburt  an  täglich  abnimmt.  Das 
geht  parallel  mit  der  Abnahme  des  genuinen  Milchproteins  und 
der  Zunahme  des  Kaseingehaltes.  Ich  bin  mir  dieses  Fehlers 
also  vollkommen  bewusst.  Jedoch  macht  die  NichtinbetrachD 
ziehung  dieses  Berechnungsfehlers  die  Resultate  um  so  ein¬ 
deutiger,  wie  aus  dem  Folgenden  leicht  zu  ersehen  ist. 

Ferner  gehe  ich  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  die 
Kinder  während  des  Saugens  ca.  400  ccm  Milch  täglich  am¬ 
nahmen. 

Zu  den  Versuchen  wurde  dasselbe  Tetanusgift  benutzt, 
dessen  Giftwertbestimmungen  Folgendes  ergaben. 

,  u  L,I?|rek,ter  Qiftwert  (1  +Ms  =  tödliche  Minimaldosis  für  1  g 
Leben  d-Mausge  wicht). 


Maus  von  mittlerem  Gewicht  4000  f  ms  =  f  „  y 

|  7500  f  ms  =  L  = 

0,0052  ccm  Gift  ist  also  die  tödliche  Minimaldosis  für  eine  Maus 
von  16  g  Gewicht. 

2.  Indirekter  Giftwert  (l  fms  =  die  Giftmenge,  die  von  1  — ms 
L=  740000000  Antitoxineinheit]  zu  L  f  neutralisiert  wird,  voraus¬ 
gesetzt,  dass  bei  der  Prüfung  71000  Antitoxineinheit  mit  J/iooo  Gift 

einheit  einer  Maus  von  mittlerem  Gewicht  in  0,4  ccm  subkutan  in¬ 
jiziert  wird.) 


Maus  von  mittlerem  Gewicht  | 
geprüft  auf 


800  000  f  ms  =  f  nach  4  Tagen 

666  666  f  ms  =  f  „  3 

560  000  f  ms  =  {  „  2  „ 


0,05  ccm  des  Giftes  entspricht  also  V1000  Gifte  in, heb  für  eine  Maus 
von  16  g. 


An  diese  Versuche  schloss  sich  —  wenn  auch  nicht  zeitlich 

eine  Arbeit  von  Römer  und  mir  an  über  vergleichende 
quantitative  Antitoxinbestimmungen  im  Blute  von  neuge¬ 
borenen,  mit  antitoxischer  Muttermilch  ernährten  Kälbern.  Ein 
I  eil  von  ihnen  wurde  am  Euter  der  vorher  mit  tetanusantitoxin¬ 
haltigem  Pferdeserum  behandelten  Mütter  ernährt.  Ein  anderer 
Teil  wurde  ebenfalls  mit  Muttermilch,  der  aber  erst  in  der 
F  lasche  tetanusantitoxinhaltiges  Pferdeserum  zugesetzt  war, 
ernährt.  Wir  zogen  damals  folgende  Schlussfolgerungen  aus 
unseren  Versuchen: 

1.  Unsere  frühere  Behauptung  von  der  grösseren  Durch¬ 
lässigkeit  des  Magendarmkanals  Neugeborener  für  Antitoxin 
im  \  ergleich  zu  der  älterer  Individuen  wird  von  neuem  sowohl 
durch  die  Brust-  wie  die  Flaschenversuche  bestätigt. 

2.  Beim  Kalbe  findet  auch  eine  intestinale  Resorption  des 
an  Pferdeserumeiweiss,  also  heterologes  Eiweiss,  geknüpften 
Antitoxins  statt. 

3.  Es  besteht  ein  wesentlicher  Unterschied  hinsichtlich  der 
intestinalen  Antitoxinresorption  in  quantitativer  Hinsicht  bei 
neugeborenen  Kälbern,  je  nachdem  das  Kalb  direkt  vom  Euter 
antitoxinhaltige  Muttermilch  aufnimmt;  oder  ob  man  ihm 
Muttermilch  mit  der  Flasche  reicht,  der  erst  ausserhalb  des 
Euters  Antitoxin  in  Form  von  antitoxischem  Pferdeserum  zu¬ 
gesetzt  ist. 

II. 

Im  Folgenden  berichte  ich  über  Versuche,  die  ich  zu¬ 
sammen  mit  H  a  p  p  i  c  h  gemacht  habe.  Es  handelt  sich  um 
vergleichende  quantitative  Antitoxinbestimmungen  im  Blute 
von  mit  antitoxischer  Muttermilch  ernährten  menschlichen 
Säuglingen.  Zwei  von  ihnen  wurden  an  der  Brust  der  Mutter 
unühit,  nachdem  diese  vorher  mit  tetanusantitoxinhaltigem 
feideserum  behandelt  war.  Zwei  von  ihnen  wurden  eben¬ 
falls  mit  Muttermilch  ernährt,  diese  wurde  aber  der  Mutter 
abgenommen  und  den  Kindern  in  der  Flasche  verabreicht 
nachdem  ihr  erst  in  der  Flasche  tetanusantitoxinhaltiges 
Pterdeserum  zugesetzt  war. 

Zu  den  Versuchen  wurde  karbolsäurefreies  Tetanus- 
antitoxin  benutzt. 

Es  handelte  sich  um  nurmal  entwickelte  und  auch  während 
der  Zeit  des  Versuches  sich  normal  entwickelnde  Kinder. 

\  orausgeschickt  sei,  dass  ich  bei  der  quantitativen  Be¬ 
rechnung  der  Antitoxinmenge,  die  bei  der  Verfütterung  der 


A.  Versuche  an  der  Mutterbrust. 

1.  Frau  R.,  I.  Para,  bekommt  am  28.  X.  07  10  ccm  Tetanus¬ 
sei  um  •  80  Antitoxineinheiten  (A.  E.)  subkutan  injiziert.  Nach  7 

Stunden  erfolgt  die  Geburt  eines  gesunden  Kindes.  Das  Blut  dieses 
Kindes  erweist  sich  unmittelbar  nach  der  Geburt  als  antitoxinfrei 
Die  Milch  der  Mutter  enthält  1  Tag  nach  der  Geburt  Tw»  Antitoxin¬ 
einheiten  pro  Kubikzentimeter.  Nachdem  das  Kind  4  Tage  von  der 
Mutter  genährt  ist,  wird  sein  Blut  am  2.  XI.  07  wiederum  auf  den 
Gehalt  an  Tetanusantitoxin  geprüft.  Es  enthält  pro  Kubikzentimeter 
Serum  V200  Antitoxineinheifen. 

Das  Kind  hat  also  täglich  1  Antitoxineinheit,  im  ganzen  demnach 
4  Antitoxineinheiten  mit  der  Muttermilch  aufgenommen.  Sein  Gewicht 
ist  3700  g,  demnach  ist  die  Blutmenge  ca.  370  ccm,  die  Serummenge 
185  ccm.  Ein  Kubikzentimeter  seines  Serums  enthält  7soo  Antitoxin¬ 
einheiten,  das  gesamte  Serum  also  0,925  Antitoxineinheiten.  Es  ist 
also  ca.  14  de  r  verfütterten  Antitoxin- menge  resorbiert. 

2.  Frau  H.,  III.  Para.  Am  11.  X.  07  erfolgt  die  Geburt  eines 
normalen  Kindes.  4  Tage  post  partum,  also  am  15.  X.  07  bekommt  die 
Frau  10  ccm  Tetanusantitoxin  (=  80  Antitoxineinheiten).  Am  nächsten 
läge  wird  -eine  Milchprobe  auf  Antitoxin  geprüft.  Es  fand  sich  pro 
Kubikzentimeter  V200  Antitoxineinheit.  Nachdem  das  Kind  4  Tage  lang 
die  Mutterbrust  genommen  hat,  wird  sein  Blut  am  20.  X.  07  auf  Anti¬ 
toxingehalt  geprüft.  Es  enthält  ca.  Vsoo  Antitoxineinheit  pro  1  ccm 
Serum. 

Das  Gewicht  des  Kindes  beträgt  3500  g.  Im  Gesamtserum  sind 
also  ca.  0,6  Antitoxineinheiten  enthalten.  Es  hat  im  ganzen  8  Anti¬ 
toxineinheiten  aufgenommen.  Resorbiert  ist  also  ca.  7«  der  ver¬ 
fütterten  Antitoxinmenge. 

Es  ist  also  ein  deutlicher,  wenn  auch  nicht  grosser 
Unterschied  vorhanden  zwischen  den  resorbierten  Antitoxin¬ 
mengen,  je  nachdem  die  Muttermilch  schon  vom  ersten  Tage 
p.  partum  oder  erst  vom  5.  Tage  p.  p.  antitoxinhaltig  war. 


Tabelle  I.  A.  Versuche  an  der  Mutterbrust. 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

Frau 

Zahl  der  inji¬ 
zierten  A.  E. 

Tag  der  letzten 
Seruminjektion 

Antitoxingehalt 
in  1  ccm  Mutter¬ 

milch 

Dauer  der 
Saugung 

Gesamtmenge 

1  der  verfütterten 

A.  E. 

Antitoxinmenge 

in  1  ccm  Blut¬ 
serum  d.  Kindes 

Gesamter  Anti¬ 

toxingehalt  im 
Blut  des  Kindes 

Resorbiert  ist 
v.  der  gesamten 

verfütterten  Anti¬ 

toxinmenge  ca. 

Frau  R. 

80 

1  Tag  ante 
partum 

1/<oo 

4  Tage 

4 

7200 

0,925 

A.  E 

V* 

Frau  H. 

80 

4Tage  post 
partum 

1 

72c  0 

4  Tage 

8 

7300 

1 

0,6 

A.  E. 

1/l2 

24.  Dezember  1 907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2591 


B.  Flaschen  versuche. 

1.  Kind  Sch.,  geboren  am  14.  X.  07.  Wird  vom  16.  X.  bis  19.  X. 
n.it  der  Muttermilch,  die  ihm  in  der  Flasche  gereicht  wird,  ernährt. 
Den  einzelnen  Milchportionen  wird  soviel  itetanusantitoxinhaltiges 
Pferdesermm  zugefügt,  dass  das  Kind  täglich  4  Antitoxineinheiten  mit 
der  Muttermilch  beikommt,  im  ganzen  also  16  Antitoxineinheiten.  Im 
Blut  findet  sich  nach  dieser  Zeit  7ooo  Antitoxineinheit  pro  Kubikzenti¬ 
meter  Serum.  Das  Gewicht  des  Kindes  beträgt  3000  g.  Es  befindet 
sich  also  im  Gesamtserum  des  Kindes  14  Antitoxineinheit.  Mithin  ist 
v  o  n  der  gesamten  verfütterten  Antitoxin  m  enge 

ca.  b  64  resorbiert.  ,  «  , 

o  Kind  K.,  geboren  am  9.  X.  07.  Erhält  vom  4.  Tage  der  üebuit 

,b  Muttermilch  in  der  Flasche.  Den  einzelnen  Milchportionen 
wird  täglich  soviel  tetanusantitoxinhaltiges  Pferdeserurn  zugefügt,  dass 
das  Kind  4  Antitoxineinheiten  mit  der  Muttermilch  aufnimmt,  wahrend 
der  4  tägigen  Flaschenernährung  also  16  Antitoxineinheiteu.  Das  ge¬ 
samte  Serum  dies  Kindes  enthält  nach  den  4  Tagen  Via  Antitoxin¬ 
einheit.  Resorbiert  ist  also  von  der  gesamten  verfuttei  - 
t  e  n  Antitoxin  men- ge  bV. 

B.  Flaschenversuche  (künstlicher  Antitoxingehalt  der 
Milch). 


Tabelle 


II. 


1 

2 

3 

4 

c; 

6 

7 

8 

Kind 

Zeitpunkt  des  | 
Antitoxin¬ 
zusatzes  j 

Menge  des  ver-j 

fütterten  Anti-  j 
toxins  pro  Tag 

Insgesamt  ver¬ 
fütterte  Anti¬ 
toxinmenge 

Dauer  der 
Antitoxin¬ 
fütterung 

Antitoxinmenge 

in  1  ccm  Blut¬ 
serum  d.  Kindes 

Gesamter  Anti¬ 
toxingehalt  im 
Blut  des  Kindes 

Resorbiert  war 
v.  der  gesamter 
verfiittertenAnti 
toxinmenge  ca. 

Sch. 

K. 


2  Tage 

p.  p. 

4  1  age 

p.  p. 


4 

4 


16 

16 


4  Tage 
4  Tage 


7  600 

A.  E. 

b'lOOO 

A.  E. 


V* 

7« 


764 

7l92 


Aus  diesen  Versuchen  folgern  wir  zunächst,  dass  auch 

anPferdeserumeiweiss  —  alsoan  heterogenes 

Eiweiss  -  geknüpftes  Antitoxin  bei  neuge¬ 
borenen  menschlichen  Säuglingen  ins  Blut 
übergeht.  Auch  hier  ist  ein  Unterschied  in  der  Menge  des 
resorbierten  Antitoxins,  je  nachdem  das  Antitoxin  vom  2.  oder 
4.  Tage  ab  gereicht  wurde.  Worauf  es  aber  hauptsächlich  an¬ 
kommt,  ist  der  Vergleich  der  Zahlen  nach  ihrer  absoluten 
Grösse  mit  denen  der  Tabelle  I.  Dabei  zeigt  sich,  dass  in  den 
Versuchen  an  der  Mutterbrust  10 — 12  mal  mehr  Antitoxin  ubei- 
gegangen  ist,  als  in  den  Flaschenversuchen. 

III. 

Es  lag  mir  nun  daran,  diesem  Unterschiede  in  der  Resorp- 
tionsfähigkeit  von  Antitoxin  je  nach  der  Art  der  Ernährung, 
näher  nachzugehen.  Es  war  ja  in  beiden  Serien  die  Milch  der 
eigenen  Mutter  verfüttert.  Auch  dasselbe,  karbolsäurefreie 
Antitoxin  war  benutzt  worden. 

Ein  Unterschied  liegt  gewiss  darin,  dass  bei  den  Versuchen 
in  Tabelle  I  die  Kinder  natürlich  ernährt,  bei  denen  in  Tabelle  11 
dagegen  es  sich  um  Flaschenfütterung  handelt.  Dass  dieser 
Umstand  jedoch  nicht  in  Betracht  kommen  kann,  haben 
R  ö  m  e  r  und  i  c  h  für  das  Kalb  nachgewiesen.  Zu  dem  Zwecke 
wurde  den  Kühen,  die  mit  1  etanusantitoxin  vorbehandelt  waren, 
also  natürliches  Antitoxin  im  ihrer  Milch  enthielten,  die 
Milch  abgenommen  und  den  Kälbern  in  der  Flasche  .verfüttert. 
Dabei  ging  ebenso  viel  Antitoxin  ins  Blut  über,  wie  bei  dei 
Ernährung  am  Euter;  ganz  im  Gegensatz  zu  den  Versuchen,  wo 
das  Antitoxin  erst  künstlich  in  der  Flasche  zugesetzt  wurde. 

Es  kann  also  nur  darauf  ankommen,  in  welchem  Zustande, 
in  welcher  Form  das  Antitoxin  in  den  Magendarmkanal  des 
Neugeborenen  kommt.  Die  Differenz  in  der  Aufnahme  des 
Antitoxins  muss  in  Unterschieden  des  Antitoxins  selbst  be¬ 
gründet  sein.  Da  die  antitoxische  Funktion  indessen  kaum 
einer  Aenderung  fähig  sein  dürfte,  so  liegt  es  nahe,  an  eine  Vei- 
änderung  des  Substrates,  an  das  die  antitoxische  Funktion  ge¬ 
knüpft  ist,  zu  denken.  Das  Substrat  ist  das  Eiweiss^  Es  müsste 
also  eine  Veränderung  des  mit  der  antitoxischen  Funktion  be¬ 
ladenen  genuinen  Eiweisses  bestehen. 

Und  das  ist  in  der  Tat  der  Fall. 

Es  liess  sich  das  einerseits  mit  dem  von  Uhlenhuth  und 
gleichzeitig  von  Wassermann  und  Schütze  gefundenen 
Präzipitationsverfahren,  andererseits  mit  dem  N  e  i  s  s  e  r  - 


Sachs  sehen  Komplementablenkungsverfahren  in  unseren 
Fällen  nachweisen. 

Ich  war  im  Besitze  eines  hochwirksamen,  pferdeeiweiss- 
präzipitierenden  Antiserums.  0,1  ccm  des  Serums  gab  mit 
2  ccm  einer  60  000  fachen  Pferdeserumverdünnung  in  wenigen 
Minuten  noch  die  spezifische  Reaktion. 

Ich  füllte  nun  10  ccm  der  Milch  von  Frau  R.  mit  physiologischer 
Kochsalzlösung  auf  40  ccm  Gesamtflüssigkeit  auf,  fällte  durch  tropfen¬ 
weisen  Zusatz  von  verdünnter  Essigsäure  das  Kasein  bei  45°,  was 
übrigens  sehr  vorsichtig  geschehen  muss,  da  sich  in  einem  geringen 
Säureüberschuss  das  Kasein  wieder  löst,  zentrifugierte  und  filtrierte. 
So  gewann  ich  30  ccm  klare  Molke.  Diese  wird  unter  Benutzung  von 
Paranitrophenol  als  Indikator  mit  Vio  Normalnatronlauge  zur  ursprüng¬ 
lichen  Reaktion  zurücktitriert  =  Molke  Frau  R. 

Ebenso  werden  10  ccm  Milch  einer  anderen,  nicht  mit  Antitoxin 
behandelten  Frau  verarbeitet.  Zu  diesen  10  ccm  wird  jedoch  vorher 
0,003  ccm  des  Tetanusserums  hinzugefügt.  Das  entspricht  1,Uo  Anti¬ 
toxineinheiten,  also  genau  der  Zahl  der  in  10  ccm  Milch  von  Frau  R. 
enthaltenen  Antitoxineinheiten  =  Antitoxin  Molke  I. 

Endlich  wurden  noch  10  ccm  Milch  der  zuletzt  genannten  un- 
vorbehandelten  Frau  ohne  künstlichen  Antitoxinzusatz  für  sich  zu 
Molke  verarbeitet  —  Molke  Normal. 

Diese  3  Molken  werden  gegen  das  Pferdeeiweiss  präzipitierende 
Antiserum  geprüft  (siehe  Tab  III). 

Tabelle  III. 


2  ccm  Molke 

0,1  ccm  Antiserum  -f-0,1  ccm  frisches 
Kaninchenserum 

Molke  Frau  R. 

0 

*  *  „  7&  verdünnt 

0 

*  „  „  V 10  verdünnt 

0  _ 

Antitoxinmolke 

Niederschlag 

75  verdünnt 

Trübung 

„  Vio  verdünnt 

Opaleszenz 

Molke  Normal 

0 

V 6  verdünnt 

0 

„  „  710  verdünnt 

0 

Die  Molke  von  Frau  R.,  die  genau  soviel  Antitoxin  enthält, 
wie  die  Antitoxinmolke,  wo  erst  künstlich  Antitoxin  hinzugefügt 
war,  verhält  sich  also  genau  so  wie  eine  Normalmolke.  Die 
Antitoxinmolke  gibt  sogar  noch  in  der  5  fachen  Verdünnung  die 
klassiche  Reaktion. 

Es  ist  also  in  der  Milch  von  Frau  R.  Antitoxin,  aber  kein 
Pferdeeiweiss  mehr  nachweisbar. 

Obgleich  die  für  bestimmte  Fälle  sehr  berechtigten  Ein¬ 
wände  von  Sachs  gegen  das  Präzipitationsverfahren,  wie 
leicht  ersichtlich  ist,  hier  nicht  zutreffen  können,  machte  ich 
auch  noch  eine  Nachprüfung  mit  den  Komplementablenkungs¬ 
verfahren. 

Tabelle  IV. 

1  ccm  5  proz.  Hammelblut  +  0,002  Ambo- 

des  Antipferdeserums 


Hämolytisches  System: 
zeptor  +  0,1  ccm  Komplement.  Testdosis 

0,01  ccm. 


Mengen  der 
Molken 

Eingetretene  Hämolyse  bei  Wirkung  von  0,01  ccm 
Antipferdeserum  an 

Molke  Frau  R. 

Antitoxinmolke 

Molke  Normal 

1  ccm 

0,5  ccm 

0,1  ccm 

0,02  ccm 

0  ccm 

komplett 

0 

0 

0 

0 

komplett 

komplett 

In  den  Kontrollversuchen  ohne  Antiserum  komplette  Hämolyse. 

Ein  weiterer  Versuch  wurde  mit  der  Milch  von  Frau  H.  ange¬ 
stellt,  die  in  1  ccm  V200  Antitoxineinheiten  enthielt.  10  ccm  von  ihr  in 
der  oben  geschilderten  Weise  wurden  zu  Molke  verarbeitet  Molke 
Frau  H. 

Diese  Molke  wurde  verglichen  mit  einer  anderen  Molke  einer 
nichtbehandelten  Frau,  wo  vorher  zu  10  ccm  Milch  0,006  ccm  I  etanus- 
serum  hinzugefügt  war,  was  einer  Menge  von  V 20  Antitoxineinheiten 
entspricht,  also  der  in  der  Milch  von  Fran  H.  natürlich  vorhandenen 
Zahl  von  Antitoxineinheiten  gleichkommt  =  Antitoxinmolke  II. 

Endlich  wurde  zum  Vergleich  die  Milch  der  letztgenannten  rrau 
ohne  Antitoxinzusatz  verarbeitet  =  Molke  Normal. 

2* 


2592 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Tabelle  V. 


2  ccm  Molke 

0,1  ccm  Antiserum  0,1  ccm  nor¬ 
males  Kaninchenserum 

Molke 

Frau  H. 

0 

V 

„  V5  verdünnt 

0 

V 

„  Vio  verdünnt 

0 

Antitoxinmolke  II. 

Niederschlag 

V 

„  1/s  verdünnt 

Trübung 

V 

„  Vio  verdünnt 

Trübung 

Molke 

Normal 

0 

V 

„  .  Va  verdünnt 

0 

n 

„  V10  verdünnt 

0 

Das  Resultat  stimmt  also  mit  dem  von  Tab.  III  überein. 
Ich  prüfte  zudem  noch  die  Molken  auf  Antitoxingehalt.  In  der 
Molke  Normal  war  natürlich  kein  Antitoxin  nachweisbar. 
Molke  Frau  H.  und  Antitoxinmolke  II  enthielten  ca.  1/iooo  A.  E. 
Es  verhält  sich  also  die  Molke  von  Frau  H.  so,  dass  wohl  Anti¬ 
toxin  —  in  derselben  Menge,  wie  in  der  Antitoxinmolke  — ,  aber 
kein  Pferdeeiweiss  mehr  in  ihr  nachweisbar  ist. 

Diese  Resultate  stimmen  mit  dem  einen  von  Römer  und 
m  i  r  mitgeteilten  Versuche  überein. 


IV. 


Es  wurden  nun  weiter  einem  Kaninchen,  das  in  'der  Nacht  ge¬ 
worfen  hatte,  am  nächsten  Tage  40  ccm  der  Milch  von  Frau  H.  ein¬ 
gespritzt,  also  Vs  Antitoxineinheiten.  Am  nächsten  Morgen  wurden 
ihm  5  ccm  Milch  abgenommen.  Die  Kaninchenmilch  enthielt  pro 
Kubikzentimeter  ca.  Viooo  Antitoxineinheiten. 

4  ccm  dieser  Milch  wurden  später  zu  Molke  verarbeitet  —  Ka¬ 
ninchenmolke  I. 

Gleichzeitig  wurden  4  ccm  Milch  eines  nicht  vorbehandeiten  Ka¬ 
ninchens  in  Molke  verwandelt.  Dieser  Milch  war  aber  vorher  0,8  ccm 
Milch  Frau  H.  zugefiigt.  Dadurch  bekam  diese  Kaninchenmileh  einen 
Antitoxingehalt,  der  dem  natürlichen  Antitoxingehalt  des  Kaninchens  I 
entsprach  =  Antitoxinkaninchenmolke. 

Leider  konnte  von  dem  nichtvorbehandelten  Kaninchen  keine 
weitere  Milch  gewonnen  werden,  sodass  nur  die  beiden  Molken  unter¬ 
einander  verglichen  werden  konnten. 

Da  ich  annehmen  musste,  dass  in  der  Milch  von  Frau  H.  die 
antitoxische  Funktion  an  das  eigene  Milcheiweiss  gebunden  sei,  prüfte 
ich  die  Kaninchenmolken  gegen  ein  Antimemschserum,  von  dem  0,1  ccm 
genügte,  um  mit  2  ccm  einer  40  000  fachen  Menschserumverdünnung 
einen  spezifischen  Niederschlag  zu  erzeugen. 

Gleichzeitig  wurden  auch  die  Molken  gegea  Antipferdeserum  ge¬ 
prüft.  Das  Antimenschserum  stammte  von  Hunden. 

Tabelle  VI. 


2  ccm  Molke 

0,1  ccm  Antimenschserum 

Kaninchenmolke  I 

0 

»  „  Vs  verdünnt 

0 

Antitoxinkaninchenmolke 

Niederschlag 

„  „  VB  verdünnt 

Opaleszenz 

Die  Prüfung  gegen  Antipferdeserum  war  bei  beiden  Molken 
negativ. 

Die  (natürliches)  Antitoxin  enthaltende  Kaninchenmolke  I 
gab  also  weder  gegenüber  dem  Antimensch-,  noch  dem  Anti¬ 
pferdeserum  die  spezifische  Reaktion.  (Wäre  die  antitoxische 
Funktion  noch  an  Pferdeserum  geknüpft,  so  würde  sich  noch 
eine  Reaktion  bei  der  unverdünnten  Kaninchenmolke  erwarten 
lassen.  Diese  würde  etwa  so  ausfallen  müssen,  wie  die  der 
Antitoxinmolke  II,  Vs  verd.  in  Tab.  V.) 

Aus  diesen  Versuchen  entnehme  ich:  Das  injizierte  Anti¬ 
toxin  ist  an  Pferdeeiweiss  eng  gebunden.  In  der  antitoxin- 
laltigen  Frauenmilch  ist  kein  Pferdeeiweiss  mehr  nachweisbar, 
n  de i  Milch  eines  Kaninchens,  das  mit  dieser  antitoxischen 
1  rauenmilch  behandelt  ist,  ist  weder  Pferde-  noch  Menschen- 
eiweiss  nachweisbar. 


Es  muss  also  bei  der  Passage  des  antitoxischen  Pferdeblu 
eiweisses  durch  den  Menschenkörper  das  Substrat  der  ant 
toxischen  Funktion  eine  Modifikation  erfahren  haben. 

Sollte  sich  diese  Erscheinung  weiterhin  als  etwas  geset; 
massiges  heraussteilen,  so  würde  diese  Umwandlung  als  d< 
(jrund  tur  die  Unterschiede  in  den  sub  III.  geschilderten  Vei 
suchen  angesehen  werden  müssen. 


i 


Ko.  51 

Für  die  Erklärung  dieser  Erscheinung  kommen  folgende 
drei  Möglichkeiten  in  Betracht: 

1.  Das  Substrat  der  äntitoxischen  Funktion  bleibt  in  der 
Milch  der  Mutter  zwar  Pferdeeiweiss,  ist  aber  nicht  mehr  als 
solches  nachzuweisen. 

2.  Es  findet  eine  Umwandlung  von  Pferdeantitoxin  in 
Menschenantitoxin  (und  dann  in  Kaninchenantitoxin)  statt. 

3.  Das  Antitoxin  ist  überhaupt  kein  Eiweiss.  Was  im 
Reagensglasversuch  nicht  gelingt,  das  bringt  die  Milchdrüse 
fertig,  nämlich  die  Trennung  der  antitoxischen  Funktion  vom 
Eiweiss.  Das  ist  die  kühnste,  aber  doch  die  wahrschein¬ 
lichste  Annahme. 

Ehrlich  hat  in  seiner  klassischen  Arbeit  über  „Immunität 
duich  Vererbung  und  Säugung“  die  Ansicht  ausgesprochen, 
dass  die  Milchdrüse  so  zweckmässig  funktioniere,  dass  sie  dem 
Säugling  nur  für  ihn  nützliche  Stoffe  zuführe.  Auch  das  würde 
durch  diese  Untersuchungen  bestätigt  werden. 


Aus  der  K-  Universitäts-Kinderklinik  (Vorst.:  Prof.  M.  Pfaund- 
ler)  und  dem  hygienischen  Institut  der  Universität  München 
(Vorst. :  Prof.  M.  Q  r  u  b  e  r). 

Neue  Versuche  über  den  Nachweis  des  Toxins  in  dem 
Blute  des  Diphtheriekranken. 

Von  Dr.  Albert  Uffenheimer, 

Privatdozent  für  Kinderheilkunde  in  München. 

Im  vergangenen  Jahre  habe  ich  in  No.  33  dieser  Wochen¬ 
schrift  eine  einfache  Methode  beschrieben,  welche  den  Nach¬ 
weis  des  Toxins  im  kreisenden  Blute  des  von  Diphtherie  Be¬ 
fallenen  bezweckte.  Es  genügt,  eine  geringe  Menge  des  Serums 
der  erkrankten  Kinder  einem  Meerschweinchen  unter  die 
Bauchhaut  zu  spritzen,  um  2  läge  später  ein  charakteristisches, 
zumeist  mit  deutlichen  Hämorrhagien  durchsetztes  Oedem  an 
der  Injektionsstelle  (als  Zeichen  einer  leichten  Diphtherietoxin¬ 
vergiftung  des  Tieres)  zu  erhalten.  Doch  nicht  bei  allen 
Kranken  glückte  mir  der  Nachweis  des  freien  Toxins.  Nur  in 
6  von  14  echten  untersuchten  Diphtheriefällen  zeigte  sich  eine 
sicher  positive  Reaktion;  eine  sicher  negative  war  in  4  Be¬ 
obachtungen  vorhanden;  wahrscheinlich  negativ,  aber  doch 
etwas  zweifelhaft,  war  das  Resultat  bei  den  Testierenden 
4  Fällen.  Infolge  dieser  Ergebnisse  musste  ich  mir  gestehen, 
dass  die  beschriebene  Toxinprobe  „als  diagnostischer  Faktor1’ 
meine  Hoffnungen  nicht  ganz  erfüllt  habe;  immerhin  konnte 
sie  unter  Umständen  —  wie  ich  in  der  Arbeit  gezeigt  hatte  — 
den  Nachv  eis  einer  Erkrankung  an  echter  Diphtherie  schneller 
gestatten,  als  die  bakteriologischen  Untersuchungen. 

Nun  hat  in  No.  1  (1907)  dieser  Wochenschrift  Herr  Prof. 
Cail  Fi  änk  e  1  in  Halle  die  Resultate  einer  Nachuntersuchung 
meiner  Befunde  veröffentlicht.  Er  hat  das  Serum  von  23  Diph¬ 
theriekranken  mittels  meiner  Methode  einer  Prüfung  unterzogen 
und  fand  nur  bei  einem  einzigen  Tiere  „leichte  Symptome 
einer  Vergiftung  mit  dem  Toxin  der  L  ö  f  f  1  e  r  sehen  Stäbchen“; 
ja  sogar  dieser  eine  Befund  erscheint  ihm  noch  etwas  zweifel¬ 
haft.  Kein  Wunder  deshalb,  dass  F  r  ä  n  k  e  1  zu  dem  Schlüsse 
kommt,  dass  nach  seinen  Ergebnissen  ,,von  einer  Verwendung 
des  hier  in  Rede  stehenden  Verfahrens  zu  praktischen  Zwecken 
. . .  daher  gewiss  nicht  die  Rede  sein  könne“.  Herr  Prof.  Frän- 
kcl  hatte  die  besondere  Freundlichkeit,  mir  schon  vor  Veröffent¬ 
lichung  seiner  Arbeit  brieflich  deren  Inhalt  mitzuteilen,  wobei 
ei  ausdrücklich  anerkannte,  dass  seine  abweichenden  Resultate 
natürlich  nichts  gegen  meine  Befunde  aussagen  sollten.  Hier¬ 
durch  war  ich  schon  frühzeitig  in  den  Stand  gesetzt,  meine  alten 
Experimente  wieder  aufzunehmen  und  konnte  —  als  die  Arbeit 
von  Herrn  Prof.  Fränkel  im  Druck  erschien  —  ihm  bereits 
wieder  über  einige  neue  positive  Erfolge  meiner  Methode  Mit¬ 
teilung  machen. 

Ich  stellte  mir  die  Aufgabe,  den  Fränkel  sehen  Zahlen 
mindestens  die  gleiche  Anzahl  neuer  untersuchter  Fälle  ent¬ 
gegenzustellen  und  kann  nun  auch  im  folgenden  über  25  neue 
I  atienten  berichten.  Ehe  ich  dies  tue,  sei  es  erlaubt,  einige 
Einwendungen  gegen  die  Fränkel  sehe  Arbeit  vorzubringen. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  die  F  r  ä  n  k  e  1  sehen  Resultate 
und  die  meinigen  sich  widersprechen,  allein  ich  glaube  doch 
dass  die  scheinbaren  Gegensätze  sich  ohne  allzu  grosse 
Schwierigkeiten  werden  ausgleichen  lassen. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT, 


2593 


Zunächst  halte  ich  es  für  sicher,  dass  F  rank  eis  Meei- 
schweinchen  No.  19  in  der  Tat  Erscheinungen  der  örtlichen 
Diphtherietoxinvergiftungen  gezeigt  hat.  Dass  jede  Spur  einer 
Reaktion  von  seiten  der  Bauchhöhle  usf.  fehlte,  darf  keinesw  egs 
wundernehmen.  In  meinen  zahlreichen  früheren  \  ersuchen 
mit  aus  Kulturen  gewonnenem  Diphtherietoxin  habe  ich  bei  sehr 
deutlichem,  örtlichem  Oedem  nur  in  den  wenigsten  Fallen  a  1er- 
schwächste  Reaktionen  von  seiten  der  Bauchhöhle  gesehen, 
in  den  meisten  Fällen  aber  völlig  normale  Verhältnisse. 

Würde  die  von  Fränkel  wahrgenommene  Veränderung 
nur  durch  Anstechen  eines  Gefässes  hervorgerufen  worden 
sein  so  wäre  sie  wohl  anders  gewesen,  als  er  dieselbe  be= 
schreibt  Ich  habe  bei  einem  am  20.  XII.  06  injizierten  Meer¬ 
schweinchen  [No.  631] A)  ein  solches  Vorkommnis  erlebt.  Hier 
zeigte  sich  aber  eine  ausgebreitete  Hämorrhagie,  die  etwas 
serös  durchtränkt  war,  ein  Anblick,  der  von  dem  so  chat  ak¬ 
teristischen  des  Diphtherietoxinödems  sehr  wohl  zu  unter¬ 
scheiden  ist.  .  ... 

Dass  von  Fränkels  23  Fällen  nur  einer  positiv 
war  von  meinen  14  Fällen  aber  6,  ist  freilich  ein  Missverhältnis. 
Indessen  wird  aus  meinen  der  Arbeit  beigegebenen  Kranken¬ 
geschichten  ersichtlich,  dass  3  Fälle  allersehwerster  „  ’ 
waren  (2,  3,  14),  während  die  anderen  3  Falle  (9,  10,  11)  allei- 
dings  leichte  waren.  Hierbei  war  aber  bei  No.  9  durch  die 
sechstägige  Dauer  der  Krankheit,  bei  No.  11  durch  die  Aus¬ 
breitung  der  Beläge  doch  jedenfalls  Gelegenheit  zu  genügender 
Giftresorption  gegeben. 

Andererseits  glaube  ich,  dass  von  Fränkel  s  23  Fallen 
in  denjenigen  13,  bei  denen  „meist  unmittelbar  zuvor  die  Anti¬ 
toxininjektion  vorgenommen  war,  eine  positive  Reaktion  nicht 
zu  erwarten  gewesen  ist.  Das  Heilserum  wird  ja  ganz  ausser¬ 
ordentlich  schnell  in  die  Blutbahn  aufgenommen  und  neutrali¬ 
siert  dann  sofort  das  darin  kreisende  Toxin.  Direkt  nach 
einer  Heilserumeinspritzung  dürfte  aus  diesem  Grunde  wohl  nur 
ganz  ausnahmsweise  (F  r  ä  n  k  e  1  s  Fall  19)  ein  positive1  To*]11“ 
nachweis  gelingen.  Mein  positiver  Befund  nach  der  Ein¬ 
spritzung,  den  Fränkel  erwähnt,  war  ja  3  v  o  1  e  1  a  g  e 
nach  der  Antitoxininjektion  von  1500  I.-E.  gemacht  worden. 
Wie  ich  dies  positive  Resultat  auffasse  (Neubildung  von  Toxin, 
dessen  Eindringen  durch  die  Umwandlung  fast  der  ganzen  Ge¬ 
sichtshaut  in  eine  resorbierende  Fläche  erleichtert  wurde),  habe 

ich  in  der  Diskussion  zu  meinem  Vortrage  ausführlich  erörtert 
(sie  ist  ebenfalls  in  No.  33,  Jahrg.  1906,  pag.  1643  der  M.  med.  W . 
abgedruckt). 

Wahrscheinlich  ist  noch  ausserdem  in  Halle  der  Genius 
epidemicus  ein  anderer  wie  in  München,  die  Diphtherie  scheint 
seltener  und  damit  wohl  leichter-)  aufzutreten  wie  bei  uns. 
Wenigstens  glaube  ich  auf  ein  selteneres  Vorkommen  daraus 
schliessen  zu  dürfen,  dass  von  23  Aerzten  23  verdächtige  Fa  lc 
zur  Untersuchung  gebracht  wurden,  also  von  jedem  Arzte  nur 
ein  einziger  Fall.  Es  wäre  übrigens  sehr  interessant  über  den 
Krankheitsverlauf  der  einzelnen  Patienten  kurzen  Aufschluss 
zu  erhalten. 

Die  neuen  Experimente  nun,  welche  ich  seither  angestellt 
habe,  erlaube  ich  mir  hier  kurz  vorzulegen.  Um  ganz  sine  ira 
et  studio  untersuchen  zu  können,  hatte  ich  die  Herren  von  der 
Diphtherieabteilung  der  Kinderklinik  3)  gebeten,  mir  von  jedem 
aufgenommenen  Falle  der  Reihe  nach  etwas  Blut  zu  entnehmen 
und  die  kleine  Eprouvette  lediglich  mit  Namen»  oder  Aut- 
nahmenummer  zu  versehen.  Ich  selbst  kannte  die  einzelnen 
Fälle  gar  nicht,  und  somit  war  es  völlig  ausgeschlossen,  dass 
ich  bei  der  Ausdeutung  eines  etwas  zweifelhaften  Befundes  am 
Versuchstier  mich  vielleicht  durch  die  Art  des  Krankheits- 
bildes  unwillkürlich  hätte  beeinflussen  lassen.  Uebrigens  habe 
ich  fast  jeden  positiven  Oedembefund  Herrn  Prof.  G  r  u  b  e  r 

U  No.  6  der  Tabelle!  T 

2)  Die  aus  Münchener  »Diphtheriefällen  gezüchteten  Lofflerbazillen 

sind  vielfach  von  einer  ganz  ausserordentlichen  Virulenz.  So  tötete 
ein  »kürzlich  von  einem  kleinen  Privatpatienten  (der  im  Alter 
von  14  Tagen  »der  Diphtherie  erlag)  gewonnener  Stamm 
in  der  Dosis  von  einer  kleinen  Oese  ein  mittelschweres  Meerschwein¬ 
chen  in  der  Zeit  von  44  Stunden.  . 

3)  All  den  Herren,  die  sich  in  liebenswürdiger  Weise  an  »der 
Serumentnahme  beteiligten,  insbesondere  Herrn  Kollegen  B  l  a  1 1  n  e  r 
sei  auch  an  dieser  Stelle  mein  herzlichster  Dank  ausgedruckt. 


vorgezeigt,  und  keinen  einzigen  als  positiv  notiert,  in  welchem 
nicht  der  eine  oder  andere  der  an  der  Arbeit  ganz  unbeteiligten 
Mitarbeiter  des  hygienischen  Institutes  mir  das  „positiv“  be¬ 
stätigt  hatte. 

Ich  lege  grossen  Wert  darauf,  dass  man  den  Ausfall  dei 
Reaktion  und  die  Krankengeschichte  vergleichen  kann,  und 
habe  deshalb  meine  Resultate  wiederum  in  Form  einer  Tabelle 
niedergelegt.  Indem  ich  auf  deren  Studium  verweise,  darf  ich 

mich  im  Texte  selbst  recht  kurz  fassen. 

(Tabelle  siehe  nächste  Seite.) 

Es  wurden  25  Kinder  untersucht.  In  9  Fällen  verlief  die 
Reaktion  positiv,  in  3  Fällen  vielleicht  negativ,  in  den  Testieren¬ 
den  Fällen»  sicher  negativ.  Da  es  sich  in  2  Fällen  nach  der 
klinischen  Diagnose  nur  um  einen  Pseudokrupp  handelte  (No.  4 
und  10  der  Tabelle)  und  da  bei  beiden  auch  keine  Löffler  - 
sehen  Bazillen  gefunden' wurden,  so  ist  das  Verhältnis  der 
diesmaligen  Untersuchungsreihe:  9  positive  Befunde  bei  23 
echten  Diphtherien,  was  nahezu  dem  früheren  (mit  6.  14) 
gleich  ist.  Hier  kommt  noch  dazu,  dass  bei  meiner  ersten  Unter¬ 
suchungsreihe  die  Fälle  insofern  mehr  ausgewählt  waren,  als 
ich  damals  die  Prüfung  bei  leichten  Fällen  unterhess  von  denen 
ich  annehmen  konnte,  dass  sie  keinen  Uebergang  des  Toxins 
ins  kreisende  Blut  zeigen  würden.  In  der  jetzt  vorliegenden 
Reihe  dagegen  wurden  (mit  Unterbrechungen,  die  aus  irgend¬ 
welchen  äusseren  Gründen  erfolgten)  die  sämtlichen  Kinder  der 
Diphtheriestation  untersucht,  wie  sie  eben  zur  Aufnahme 
kamen.  Dabei  war  ich  an  einem  Tage,  an  dem  7  Tiere  injiziert 
werden  mussten,  genötigt,  statt  der  sonst  fast  immer  benutzten 
250  o'-Meerschweinchen  solche  zu  spritzen,  die  mehr  als  aas 
Doppelte,  resp.  weniger  als  die  Hälfte  wogen.  Alle  diese  7  Ver¬ 
suche  (sie  sind  in  der  Tabelle  durch  einen  ;  gekennzeichnet) 
verliefen  negativ  und  die  Obduktion  von  dreien  dieser  7  lieie 
ergab  eine  Tuberkulose.  Die  Meerschweinchen  waren  von 
einer  anderen  Quelle  bezogen  wie  die  übrigen  und  es  ag  ei 
Verdacht  nahe,  dass  sie  vielleicht  von  anderer  Seite  schon 
früher  zu  Experimenten  benutzt  worden  seien.  Dennoch  habe 
ich  auch  diese  Versuche  mit  in  die  Tabelle  aufgenommen. 

Auch  diesmal  wieder  zeigten  die  ganz  schweren  Infek¬ 
tionen,  die  sogen,  septischen  Di V  h th  e  r  ien>  ein 
tives  Resultat  (Fall  3  und  22),  der  K  eh  lk  o  pf  k  r  u  p  p  gab 
meist  einen  negativen  Ausschlag 4 * * *),  wohingegen  dielon- 
sillardiphtherie  in  einer  grösseren  Reihe  von  Unter¬ 
suchungen  eine  positive  Reaktion»  ergaben0).  Alles  dies 
analog  meinen  früheren  Schilderungen.  Dabei 
ist  auch  hier  wiederum  eine  membranöse  Erkrankung  der  lon- 
sillen  verzeichnet  (Fall  24),  bei  der  die  einmalig  vorgenommene 
Untersuchung  des  Rachenbelages  keine  Löfflerbazillen  finden 
liess  bei  der  aber  trotz  der  minimalen  untersuchten  Serum- 
menge  eine  deutlich  positive  Toxinreaktion  erhalten  wurde.  Die 
klinische  Beobachtung  liess  an  einer  Diphtherie  nicht  zweifeln, 
eine  Schwester  war  kurz  vorher  an  Diphtherie  erkrankt  — 
also  auch  in  dieser  Reihe  wiederum  ein  Fall, 
bei  dem  die  Suche  nach  dem  Gift  von  mehr  ti  - 
folg  begleitet  war,  als  die  Suche  nach  dem 

gifterzeugenden  Bazillus. 

Meine  Untersuchungen  waren  mit  Fall  24  eigentlich  abge¬ 
schlossen;  ich  hatte  nur  den  Assistenten  der  Diphtherieabteilung 
gebeten  mir  noch  einmal  Serum,  und  zwar  etwa  die  doppelte 
Menge  des  gewöhnlichen  Quantums  zu  verschaffen,  wenn  ein 
Kranker  mit  starker  Membranbildung  aufgenommen  wurde  Da 
hier  a  priori  nach  meinen  früheren  Resultaten  das  Vorhanden¬ 
sein  des  Giftes  im  Blute  anzunehmen  war,  wollte  ich  das  Serum 
zu  zwei  verschiedenen  Zwecken  benützen.  Erstens  nämlich 
galt  es  nachzuweisen,  dass  wirklich  eine  ödemerregende  Sub¬ 
stanz  in  demselben  sei,  und  zweitens  wollte  ich  durch  einen 
Parallelversuch,  bei  welchem  dem  gifthaltigen  Serum  Antitoxin 
zur  Absättigung  zugesetzt  wurde,  zeigen,  dass  die  odem¬ 
erzeugende  Substanz  tatsächlich  Diphthenetoxm  gewesen  sei. 
Dies  ist  denn  auch  -  wie  aus  dem  Protokol  (Fall  25)  hervor¬ 
geht  _  gelungen,  wenn  auch  der  positive  Ausschlag  nur  ein 

4)  Von  4  Fällen  reinen  Kehlkopfkrupps  nur  ein  einziger  positiv 

(No.  #16^  1Q  päl|,en  reiner  Diphtheria  faucium  4  positiv,  1  vielleicht 

negativ,  4  sicher  negativ;  von  7  Fällen  einer  tonsillaren  und  Kehl¬ 

kopfdiphtherie  2  positiv,  2  vielleicht  negativ,  3  sicher  negativ. 


2594 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Laufende  No. 
Aufnahme- 
Tag 


Name,  Geschlecht,  Alter 
Krankennummer 


Krankengeschichte 

(wo  nicht  ausdrücklich  anders  angegeben  ist,  wurden  die  Kinder  am  ersten  Erkrankungs¬ 
tag  in  die  Klinik  aufgenommen) 


(12.  XII.  06.) 
2. 

(11.  XII.  06.) 


(12.  XII.  06.) 


Schmidt,  Ludwig 
372  Jahre 
(No.  591,  1906). 
Loher,  Emma 
53/4  Jahre 
(No.  585,  1906) 
Hage,  Anna 
672  Jahre 
(No.  588,  1906). 


4.  Kalb,  Josef  5  Monate 
(15.  XJI.  06.)  (No.  599,  1906). 

5.  I  Lindner  Marie, 

(19.  XII.  06.)  I  172  Jahre 

(No.  611,  1906-41,  1907) 

6.  Gärtner,  Marie  2  Jahre 
(19.  X|I.  06.)  (No.  608,  1906-42,  1907) 

_  7.  Didusch,  Lina 

(19.  X II.  06.)  I  272  Jahre 

(No.  610,  1906-31,  1907). 


Nachweis  des 
Toxins 
(Wo  keine  beson¬ 
dere  Bemerkung, 
wurde  dieBlutent- 
nahme  am  Auf¬ 
nahmetage  vorge- 


8. 

(22.  XII. 
9. 

(22.  XII. 

10. 

(21.  XII. 

11. 

(21.  XII. 

12. 

(21.  XII. 


06.) 

06.) 

06.) 

06.) 

06.) 


13. 

(21.  XII.  06.) 

14. 

(10.  I.  07.) 

15. 

(7.  I.  07.) 

16. 

(16.  I.  07.) 


17. 

(16.  I.  07.) 


Maier,  Franz*  IV2  Jahre 
(No.  619,  1906). 
Maier  Therese*  9  Jahre 
(No.  621,  1906). 
Schuhbauer,  Franz*  2 
(No.  615,  1906). 
Mayer,  Josef*  3  Jahre 
(No.  614,  1906). 

Ertl,  Julius* 

6  Jahre 
(No.  618,  1906—38,  1907) 


Bauer,  Walburga*  8  Jahre 
(Nr.  616,  1906). 
Kunst,  Thekla 
2  Jahre 
(No.  61,  1907). 
Schätz,  Therese 
H/2  Jahre 
(No.  50,  1907). 

Kraus,  Wilhelm 
2  Jahre 
(No.  73,  1907). 

Fischer,  Emilie 
33/4  Jahre 
(No.  71,  1907). 


Di. 

Di. 


Di. 


18. 
(19.  II. 

19. 
(21.  II. 

20. 
(23.  II. 

21. 

(4.  III. 

22. 
(21.  V. 


07.) 

07.) 


07.) 


07.) 


07.) 


Czembal,  Josef  2  Jahre 
(No.  167,  1907). 
Krüger,  Karoline 
8  Jahre 

(No.  173,  1907). 
Zacherle,  Melchior 
l3/*  Jahre 
(No.  181,  1907). 
Halbing,  Rosa  • 

4  Jahre 

(No.  208,  1907). 
Drexler,  Lina 
5'/2  Jahre 
(No.  394,  1907). 


P  VearlakuUfnftag: 

Di‘  fkraCnkeUni<at^ngRpB  ^mfQangreic?®  Beläge  der  Tonsillen'  und  de^  Üvufa. '  3.  Er- 

s  lb+ 

'  e  P  15001  -E  Pvoztana'se  uff T" ' ku"gsta^'  Behring-Serum  (künftig  abgekürzt :  B.j 

cmus.  penr  starke  liubung,  Oedem  und  enorme  Dilatation  des  Herzens  Tri.he 

'  u£& '  Geringe^  Beläge.  ''SS"™  Ta|Ä 

Tracheotomie.  Rascher  günstiger  Verlauf  LB4-  "»tuodiion.  sekundäre 

Di.  laryngis.  3.  Erkrankungstag.  B.1500.  I.-E.  Sehr  leichter  rascher  Verlauf. 'lB  + 

Di‘  1  Tr,LnngHS'  2‘73:  Erkranku»gstag-  B.  1500  I.-E.  Intubation.  LB+  Nach  wenigen 

bnfeh  der"  M7ste7„e,7VP"eUr,nie:  r"  ,9'  V«  des  SpitalsIufenttaltes'Zs- 
schmutzie  ?rauem  zähem  Rg  i  "  i”Pai]Ze  ^unt*_  und  Lippenschleimhaut  mit 

hintere  Rachenwaid  ‘zeigen  ÄÄ  ZteZ 

'  Ganz  leichter  uZschndler3  Verlau/^  '  ^  L  B  +  Kieine  weissliche  Mdge! 

Zer“?)."  77-  le,chtestem  Verlauf  (*"  dar  späten  Zeit  der  Masernrekonvales- 

K  r  T4ÄV  Ä*  ■  Keine  baki 

taucium  et  laryngis.  3.  Erkrankungstag.  B.  2200  I  -E  L  B  4-  Wen  io-  11'm' 

«.HM 

|  grauweiße  I&C  U+:  »"angreiihe 

holtl'UimRifcM-ankungstag  schon  mehrtägige  Prodrome).  B.  iüÖO  I-‘e' (wieder-' 

z^^h„BeBd+undM^ü|re°rSSdteg(fvUuTa ' ^IrstrÄ  "Ft  der  "’E  “ 

ÄFecÄS  Mäßig' großer  weißer  Beiag 

faucium.  4.  Erkrankungstag.  B.  1500  I -E  PvozvanaU  Vr’_l  'c7  't  '  V  ;  ' 

dicken,  grünlich  verfärbten  Bel-iotm  onef1  e”’  EUr’i  hlI’tere  Rachenwand  von 
Postdiphtherische  Lähmungen  Das  Kinlfwur^'  nLBE«  Multiple  Hautblutungen. 
Eltern  „ach  Hause  Z 


Di. 

Di. 


Di. 


Di. 


Di. 


Di. 

Di. 


Di 


Di 


negativ 

negativ? 


pos  i  t  i  v.1) 
negativ. 


negativ. 

negativ.*) 


negativ, 
negativ, 
negativ, 
n  e  g  a  t  i  w< 
negativ. 


n  e  gativ. 
negativ. 

Ul 

n 

positiv.3)! 

schwach 

positiv.4) 

positiv.6) 


negati  v(?) 6) 
p  o  s  i  t  i  v.7) 

p  o  s  i  t  i  v.8) 

n  e  ga  t  i  v(?)9) 

negativ. 


positiv.10) 


2595 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Laufende  No. 
Aufnahme- 

Tag. 


23 

(10.  VII.  07.) 
24. 

(10.  VII.  07.) 


25. 

(15.  VII.  07.) 


Name,  Geschlecht,  Alter 
Krankennummer 


Krankengeschichte 

(wo  nicht  ausdrücklich  anders  angegeben  ist,  wurden  die  Kinder  am  ersten  Erkrankungs- 

tag  in  die  Klinik  aüfgenommen). 


Nachweis  des 
Toxins 

(Wo  keine  beson¬ 
dere  Bemerkung, 
wurde  dieBlutent- 
nähme  am  Auf¬ 
nahmetage  vor¬ 
genommen). 


Loiber,  Gertrud  68/4  Jahre 
(No.  512,  1907). 
Tanzmaier,  Josepha 
103/4  Jahre 
(No.  515,  1907). 


Hell,  Franz 
10  Jahre 
(No.  524,  1907). 


Di. 

Di. 


Di. 


faucium.  2.  Erkrankungstag.  B.  1000  I -E.  LB+.  Auf  der  rechten  Tonsille 
ein  scharf  abgegrenzter  gelber  Belag.  Gutartiger,  1^chter  ^r[1^uf‘  f vjt  \  '  d  ' 
faucium.  2.  Erkrankungstag.  (Eintragung  über  Heilserum-Inj.  in  .“®r 

Krankeneesch)  LB—  (nur  ein  einziges  Mal  untersucht;  es  ist  in  der  Kranken¬ 
geschichte  nicht  erwähnt,  ob  auch  Kulturverfahren  vorgenornmenL  Auf  beiden 
Tonsillen  medial  grau-gebliche  Beläge,  wenig  umfangreich.  Rascher,  g  g 

Verl^’  me„‘e  Diphtherie  erkrankt.  *  '  ' '  ' 

,  •  o  Fikr^nWnncrctap-  B  1500  1  -E  L  B  4-.  Auf  beiden  Tonsillen  grosse, 

weissgelbe  Beläge.  Drüsenschwellung.  Allgemeinbefinden  nicht  stark  gestört. 
Guter  Verlauf.  Nach  8  Tagen  geheilt  entlassen . 


negativ. 


positiv.11) 

schwach 

positiv.12) 


*)  Meerschweinchen  626,  Gewicht  300  g,  2  X  24  Stunden  nach 
der  Injektion  280  g.  Deutlich  sulzig-seröses  Oedem,  durchsetzt  mit 
Hainen  Hämorrhagien  An  der  Oberfläche  des  Oedems  nach  dem 
Abpräparieren  eine  weiss-gefbltohe  Fibrinflocke.  Umfang  des  Oedems 
ca.  fünfmarkstückgross.  Nebennieren  und  Unter  eibsgeiasse  ew 
inüviert  Ausstrich:  Viel  Leukozyten.  Db — .  Kultur.  Ud  .  eine 
zweite  Untersuchung  (nur  1  Tropfen  Blut  erhältlich)  -kürz -  vor  dem 
Tod  vorgenommen.  Das  Blut  war  völlig  emgetrocknet,  kem  Serum 
ausgepresst.  Geringste  Spuren  mit  physiologischer  NaCl-Losung  a 

gespült:  negativ/’)  . 

2)  NB.  Im  Protokoll  heisst  es:  Starke  Hämorrhagie,  etwas 
durchtränkt,  am  Injektionsort,  wohl  von  einem  angestochenen  B  u  - 
gefäss  herrührend. 

3)  Meerschweinchen  653,  Gewicht  250  g.  2  X  24  Stunden  nach 
der  Injektion  Gewicht  210  g.  Schon  nach  24  Stunden  Oedem  an  der 
Injektiomsstelle  deutlich  fühlbar.  Vor  4er  Tötung  scheint  das  Oede 
dem  Gefühl  nach  sich  ein  wenig  verringert  zu  haben.  Ob  d  u  k  1 1  o  n 
Deutliches  Oedem  mit  sehr  geringen  Hämorrhagien  und  leichten 
weisslichen  Auflagerungen.  Natives  Präparat:  Sehr  viele  Leu¬ 
kozyten.  Keine  Bakterien.  Kultur:  — . 

4)  Meerschweinchen  654.  Gewicht  250  g,  erhält  am  11.  •  >e 

Injektion  der  bereits  vor  4  Tagen  entnommenen  Blutprobe 
Nach  24  Stunden:  Dem  Gefühl  nach  wahrscheinlich  beginnendes 
Oedem  an  der  Injektionsstelle.  Gewicht  220  g  '  ^  ’ 

Aeusserlich  Oedem  nur  recht  undeutlich  fühlbar.  Gewicht  -30  g. 
Obduktion:  Ganz  schwaches  Oedem,  wenig  Hämorrhagien.  N  a  - 
tives  Präparat:  Leukozyten,  keine  Bakterien.  Kultur.  — . 

5)  Meerschweinchen  656,  Gewicht  250  g.  Nach  2  X  24  Stunden 

Obduktion:  Deutliches  und  mässig  starkes  Oedem  in  etwa  runf- 
markstückumfang,  sulzig  durchsetzt,  mit  einigen  kleinen  Hämorrhagien. 
Natives  Präparat:  Leukozyten,  keine  Bakterien.  K  ul  tu  r .  . 

NB.  Gewicht  war  nach  24  Stunden  auf  220  g  abgesturzt,  nach  48  -  tu 
den  wieder  auf  250  g  zurückgekehrt.  , 

6)  Meerschweinchen  655,  Gewicht  270  g.  Nach  24  Stunden 
Gewicht  250  g.  Scheinbar  Anfänge  eines  Oedems  zu  tasten.  Nacti 

schwacher  gewesen  ist.  Damit  ist  ein  Wunsch  erfüllt,  der  von 
mehreren  Seiten  mir  gegenüber  mundheh  geaussert  wur^ 
dem  kürzlich  auch  M  a  d  s  e  n  im  neuen  Handbuch  der  Tecl m  k 
und  Methodik  der  Immunitätsforschung  von  Kraus  und 
L  e  v  a  d  i  t  i  Ausdruck  verlieh.  — 

Fasse  ich  meine  Untersuchungen  zu  s  am  - 

men,  so  bestätigen  sie  all  das  was  i  c  h  in  d  e  r 
ersten  Publikation  gesagt  habe,  aut  das  Ge¬ 
nau  e  s  t  e.  Inwieweit  die  Probe  als  diagnostischer  Faktor  in 
Betracht  kommen  kann,  habe  ich  ebenda  bereits  ausgesprochen. 

Nur  bezüglich  der  Methodik  möchte  ich  eine  kleinere  Ab¬ 
änderung  empfehlen.  Ueberall  da,  wo  bereits  nach  24  Stunden 
sich  dem  fühlenden  Finger  ein  Oedem  an  der  Einspritzungsstelle 
bemerklich  macht,  schreitet  man  besser  sogleich  zur  Iotung 
des  Versuchstieres.  Denn  wenn  nur  recht  wenig  Diphtherietoxin 
im  Serum  des  Kranken  ist  resp.  wenn  das  vorhandene  loxin 
eine  verhältnismässig  schwache  ödemerzeugende  Fähigkeit 
hat,  so  kann  das  nach  24  Stunden  bereits  bemerkbar  gewesene 
Oedem  nach  Ablauf  des  zweiten  Tages  wieder  zu  ruckgegangen 
sein  und  hierdurch  statt  eines  positiven  Befundes  ein  zweifel¬ 
hafter  oder  gar  ein  negativer  erhoben  werden. 


48  Stunden  nichts  mehr  fühlbar.  Gewicht  270  g.  Obduktion: 
Vielleicht  eine  Spur  seröser  Durchtränkung  an  der  Imektionsstelle. 

7)  Meerschweinchen  680,  Gewicht  250  g.  Nach  24  Stunden  Ge¬ 
wicht  230g.  Deutlich  fühlbares  Oedem.  Deshalb  sofort  getötet.  Ob¬ 
duktion:  Deutliches  Oedem  mit  aufliegenden  Fibrinflocken  und 
sulzig  durchsetzt.  Natives  Präparat:  Viel  Leukozyten,  keine 

Mikroben.  Kultur:  — .  XT  ■ 

8)  Meerschweinchen  681,  Gewicht  230  g.  Nach  -4  Stunden  Ge¬ 
wicht  180  g.  Oedem  fühlbar.  Deshalb  sofort  getötet  Ob  duk  1 1  o  n: 
Geringes  Oedem  mit  aufgelagerten  Fibrmflockchen.  N  a  t  i  v  e  s  Prä¬ 
parat:  Mässig  viel  Leukozyten,  keine  Mikroben.  K  ul  tu  r : 

9)  Meerschweinchen  682,  Gewicht  150  g.  Nach  24  Stunden  Ge¬ 
wicht  120  g.  Dem  Gefühl  nach  sehr  deutliches  Oedem.  Rötung  der 
Injektionsstelle.  Nach  48  Stunden  Oedem  fühlbar  (?).  O  b  duk  t  i  o  u. 
Vielleicht  Spur  von  Oedem.  Schwere  Tuberkulose  des  Abdomens, 

h  C  S° Meer  sch  wein  ctmrf  7 1 0,  Gewicht  250  g,  erhält  24  Stunden  nach 
der  letzten  Heilseruminjektion  entnommenes  Serum  des  Kindes 
ausnahmsweise  in  der  Menge  von  X  ccm  -—  eingespritzt.  , 

tion  nach  2X24  Stunden:  Deutliches,  mit  Hämorrhagien  stark  durch¬ 
setztes  Oedem.  Abdominalgefäsise  stark  injiziert.  Sonst  negativ,  lm 

11 )  Meerschweinchen  724,  Gewicht  250  g,  erhält  eine TV.11  i Z’,1, 
Serummenge  des  Kindes,  weniger  als  ein  Tropfen.  Nach  24  Stunden 
Oedem  fühlbar.  Gewicht  240  g.  Nach  48  Stunden  Oedem  fühlbar. 
Gewicht  250  g.  Obduktion:  Deutliches,  aber  nicht  starkes  mit 
kleinsten  Hämorrhagien  durchsetztes  Oedem.  Im  Oedem  keine  LB. 

12)  Meerschweinchen  727,  Gewicht  290  g,  erhält  eine  gewisse 
Menge  Serums  des  Kindes  Hell  (vielleicht  2-3  Tropfen)  in  physio¬ 
logischer  NaCl-Lösung.  Nach  24  Stunden  Gewicht  310  g.  Oedem 
Nach  48  Stunden  Gewicht  290  g.  Obdu  kt  i  o  n :  Ganz  leichtes  Oeden, 
ohne  Hämorrhagien.  Gleichzeitig  mit  Meerschweinchen  727  erhalt 
ein  gleichschweres  Meerschweinchen  728  dieselbe  MJngenferp]ls ‘  iS 
Kindes  Hell  +  ca.  Va  ccm  Höchster  Behring-Serum  No.  III.  Es  zeigt 
sich  weder  fühlbar  während  der  Beobachtung  noch  bei  der  Obduktion 
auch  nur  die  Spur  eines  Oedems. 

Aus  der  experimentell-biologischen  Abteilung  des  K-  patho-- 
logischen  Instituts  der  Universität  Berlin. 

Ueber  Albuminurie  und  über  die  Ausscheidungsver¬ 
hältnisse  der  Salizylsäure  aus  dem  Organismus  von 
Gesunden  und  Gelenkrheumatikern. 

Von  Dr.  R  u  d.  Ehrmann. 

Trotz  der  ausgedehnten  Anwendung  der  Salizylsäuie  bei 
arthritischen  und  rheumatischen  Leiden  sind  ihre  W  irkungen 
hinsichtlich  der  Giftigkeit  sowohl  als  auch  bezüglich  der  Heilung 

durchaus  nicht  geklärt.  .  ,  .  .  . 

Was  die  Giftigkeit  für  den  Organismus  anlangt,  so  ist  in 

letzter  Zeit  von  L  ü  t  h  j  e1)  gefunden  worden,  dass  Sahzylsaure- 
gaben  konstant  Zylinder  und  Zylindroide  im  Urm  erschemen 
lassen  und  regelmässig  eine  nicht  unerhebliche  Reizung  der 
gesamten  Harnwege,  speziell  aber  auch  der  Nieren  zu  W  g 

bril1  Was  die  spezifische  Heilwirkung  bei  den  durch  Kokken 
hervorgerufenen  Gelenkerkrankungen  anlangt,  so  scheint  die 
Arbeit  von  B  o  n  d  i  und  J  a  c  o  b  y 2)  zum  ersten  Male  Licht  in 
den  Wirkungsmechanismus  zu  werfen.  Sie  landen  dass  die 
Salizylsäure  bei  Kaninchen  unter  normalen  Verhältnissen  bis 

0  Lüthje:  D.  Arch.  f.  klin.  Med.,  74,  1902. 

-)  Bon  di  und  Jacoby:  Hofmeisters  Beitr.,  Bd.  vll. 


2596 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


zu  ihrer  Ausscheidung  im  Blute  kreist,  bei  Tieren  aber,  die  mit 
Kokken  infiziert  worden  waren,  sich  in  abnormer  Menge  auch 
in  die  Gelenkhöhlen  begibt. 

Seitdem  die  Untersuchungen  L  ii  t  h  j  e  s  eine  desquamative 
Nephritis  festgestellt  haben,  ist  die  Salizylsäure  trotz  ihres 
glänzenden  Wirkens  auf  ihrer  eigentlichen  Domäne,  den  akuten 
und  chronischen  Gelenkrheumatismen,  etwas  ins  Wanken  ge¬ 
raten.')  Analog  den  F  1 1  i  n  g  e  r  sehen * * *  4)  Versuchen  über  Kan¬ 
tharidin,  das,  in  saurem  Urin  ausgeschieden,  Albuminurie,  in 
alkalischem  Harn  aus  dem  Körper  entfernt,  jedoch  keine  Nieren¬ 
reizung  mehr  hervorbringt,  hat  Frey5)  experimentiert  und 
gefunden,  dass  bei  der  Salizylsäure  gleichfalls,  wenn  man  durch 
eingegebene  Alkalien  den  Urin  alkalisch  macht,  die  vorhandene 
Albuminurie  beseitigt  werden  kann. 

Die  folgenden  Untersuchungen  habe  ich  im  Oktober  1905 
als  Assistent  der  medizinischen  Klinik  zu  Greifswald  begonnen. 
Sie  erstrecken  sich  auf  über  100  Patienten  und  fanden  ihre 
Ergänzung  in  Experimenten  an  Hunden  und  Kaninchen. 

I.  Salizylsäure  und  Albuminurie. 

Es  zeigte  sich  bei  Steigerung  der  zuerst  kleinen  Dosen, 
dass  auch  grössere  und  schliesslich  5  g  ohne  Nachteil  genommen 
werden  konnten. 

Es  wurde  alsdann  immer  5  g  auf  einmal  gegeben  und 
zwar  wurde  es  meist  abends  um  7  Uhr  gereicht  und  der  Urin 
12  stündlich,  morgens  7  und  abends  7  gesammelt.  Die  Eiweiss¬ 
prüfung  wurde  mit  der  Salpetersäureunterschichtung  und  mit 
Esbachs  Reagens  vorgenommen. 

^Bei  normalen  Individuen  ohne  akute  oder  chro¬ 
nische  Arthritis,  blieb  bei  einmaliger  Dosis  von  5  g  Natr.  salicyl. 
der  Urin,  mit  Salpetersäure  unterschichtet,  frei  von  Eiweiss.' 
Bei  sehr  wenigen  trat  ein  ganz  geringer  Eiweissring  auf,  der 
am  nächsten  oder  übernächsten  Tag  verschwand. 

Bei  fortgesetzten  Dosen  von  5  g  zeigte  sich  eben¬ 
falls  meist  kein  Eiweiss.  Bei  den  wenigen,  bei  denen 
sich  im  Beginn  ein  Alb  u  men  ring  zeigte,  ver¬ 
schwand  er  wie  nach  einer  einmaligen  Dosis,  trotz 
fortgesetzter  Gaben  von  5  g  Natr.  salicy l.°) 

Bei  an  Arthi  itis  acuta  und  chronica  Erkrankten 
zeigte  sich  das  gleiche  Verhalten.  Auch  hier  verschwand  in 
den  Fällen,  wo  Albuminurie  auftrat,  trotz  fortgesetzter  Dosen 
das  Albumen;  selbst  in  Fällen  akuter  Arthritis,’ 
w  o  v  o  r  B  e  ginn  der  Behandlung  Albumen  im 
L  i  in  bereits  vorhanden  war,  ging  dieses  trotz  weiter 
g  e  g  ebener  grosser  Salizyldosen  bald  zurück, 
netunde,  wie  sie  bereits  auch  von  Klieneberger  und 
0  x  e  n  i  u  s  ')  erhoben  worden  sind. 

Es  ergab  sich  weiter,  dass  die  Individuen,  bei  denen  sich 
ein  geringer  Albumenring  zeigte,  sobald  sie  später 
nochmals  Natr.  salicyl.  erhielten,  wiederum 
einen  Albumenring  im  Harn  aufwiesen.  Es  r  e  a- 
g  l  e  r  t  e  n  ihr  e  Nieren  immer  in  gleicher  Art  auf 
^ahzyl.  Weiter  wurde  beobachtet,  dass  in  diesen  Fällen 
Albumen  fast  me  im  Urin  der  ersten  12  Stunden  nach  Ein- 

des  ^al'7le"  auf/,rat’  sondern  erst  in  der  Urinportion 
der  12.  bis  24.  Stunde.  Ob  man  die  12.  bis  24.  Stunde,  in  der 
Eiweiss  sich  einstellte,  in  die  Tages-  oder  Nachtzeit  fallen  lässt, 

KörpernhaU„'""Uvo’r.eS  a'S 7°  Abhä"^kei‘  von  der 

fällt  d  e  m  n  ach  diestärkste  Ausscheidung 
d  e  i  Salizylsäure  mchtmitdem  Auftreten  von 
c.  i  \v  c  i  s  s  zeitlich  zusammen.  Eiweiss  trat  sogar  be¬ 
sonders  stark  in  einem  Falle  in  den  ersten  12  Stunden  auf  bei 
dem  zu  dieser  Zeit  fast  keine  Salizylsäure  ausgeschieden  wurde 

gaben  Werden’  dass  niaa  Salizyl- 

frt e rt e r 5  Sn w  Untersclllchtungsprobe  des  Urins  mit  konzen- 
,  •  I ^Lr  Sillpetersaure  etwas  oberhalb  der  Berührungsstelle 

e  der  Flüssigkeiten  einen  schmäleren  Ring,  den  sogen.  Nukleo- 

1906  von'o’u  eiislld  ,d'  Qesenwart  1905  und 

«’i  p  1 1  •  e  n  s  1  a  d  t*  B  r  u  K  s  c  h,  Möller,  F  r  e  v  P  ä  c  c  ,i  P  r 

•'■1  h  ltt.gtV  ^ancb-  med.  Wochenschr.  1905 

J  .  1  e.y:  Münch.  med.  Wochenschr.  1905. 

Dosen  besteheTblie^^chvand’ el"  dimAAlbu,men  bei  fortgesetzten 

7)  UeD’  schwand  es  nach  Aussetzen  des  Mittels 

80,  19(MKlie'neberger  u"d  Ox-enius:  D.  Arch.  f.  kün  Med., 


albuminring  recht  häufig  entstehen  steht.  Ist  dann  noch  an 
der  Berührungsstelle  selbst  ein  Eiweissring,  so  sind  dann  gleich¬ 
zeitig  zwei  Ringe  vorhanden.  Das  ausgefällte  Eiweiss  des 
Fiweissringes  senkt  sich  nach  einiger  Zeit  meist  in  die  unten¬ 
stehende  Salpetersäure  in  weissen,  gewundenen,  zopfähnlichen 
Koagu laten.  Harzsäuren  und  Harnsäure  in  grosser  Menge,  die 
ebenfalls  mit  HNO-  an  der  Berührungsstelle  einen  Ring  geben, 
tun  dies  nicht.  Eine  intensivere  Farbstoffbildung 
(Urorosin)  bei  der  Salpetersäureunterschich- 
tu  n  g  war  nach  Gebrauch  der  Salizylsäure  sehr  häufig,  auch 
dann  noch,  wenn  bereits  die  Salizylsäure-, 
reaktion  aus  de  m  Harn  verschwunden  war. 

Fm  Einfluss  der  Alkaleszenz  des  Urins  auf  die  Albumen- 
ausscheidung  im  Sinne  Freys8)  wurde  nicht  gefunden. 

,.  Uunde  zeigten  allein  nach  den  grossen  Gaben  Natr.  bicarb.. 
me  zur  Herabdrückung  der  hohen  Azidität  ihres  Urins  erfor- 
derlich  sintl,  schon  ohne  Salizylsäure,  häufig  Albumen.  Sogar 
solche  I  lere,  die  nach  Salizylsäure  bei  sauerem  Urin  kein  Al¬ 
bumen  zeigten,  schieden  Eiweiss  aus,  sobald  man  den  Urin 
alkalisch  machte. 

Kaninchen  zeigten  ebenfalls  durchaus  keine  Beeinflussung 
der  Alburnenausscheidung  durch  die  Urinalkaleszenz.  Kanin¬ 
chen  mit  saurem  Urin,  infolge  HaferfUtterung,  reagierten  ailer- 
uigs  leichter  auf  Saiizyl  mit  Alburnenausscheidung  Diese 
verschwand  aber  durchaus  nicht,  falls  inan  in  einem  zweiten 

tiere 'alkalisch1  machte.™"  Na‘r'  den  Ha™  dieser  Haf- 

II.  Die  Ausscheidungsdauer  der  Salizylsäure. 

Die  Urine  wurden  nach  5  g  Natr.  salicyl.  von  12  zu  12 
Stunden  (event  von  6  zu  6  Stunden)  gesammelt.  Dann  wurde 
ü  e  Sahzyl reaktion  mit  Eisenchlorid  angestellt.  Bei  quanti- 
advrf.n  ^Schätzungen  wurden  noch  ausserdem  die  Urine  alle 
auf  die  gleiche  Menge  mit  destilliertem  Wasser  aufgefüllt  und 
die  dann  erhaltenen  Intensitäten  der  Reaktion  verglichen 
■  ,  .  starke  Azidität  bezw.  Alkaleszenz  der  Flüssigkeiten  ver- 

Subsfaeuzeen  defu  zuSesetZten  Eisenchlorids,  die  verschiedenen 
bubstanzen  des  Urins  selbst  können  die  Reaktion  beträchtlich 

sl/zbkchp  f  UlSen  berUcksichtigt  werden.  Ebenso  entstehen 

Asof/in'  n“a3Cen  "aCh  Acid'  saIicyl-  Natr.  salicyl.. 

Aspiim  und  Salol,  sodass  immer  nur  die  gleichen  Präparate 

miteinander  verglichen  werden  können. 

Die  Ausscheidungsdauer  betrug  meist  3—4  mal  12  Stunden. 

aknEtPnUnptier\Chi!ed  zwischen  normalen  und 
k  u  t  e  n  Gelenkrheumatikern,  wie  er  nach  den  Be- 

rrptvpc1  von..B  0  11  d  1  lmd.  J  a  c  o  b  y  9)  nicht  unwahrscheinlich 
gewesen  wäre,  wurde  nicht  beobachtet.  Auch  Lebensalter 
Aufsein  oder  Bettruhe  hatten  keine  Bedeutung.  Dagegen 
-eigten  sich  regelmässige  individuelle  Schwan - 
k  u,n  g  e  n-  indem  gewisse  Individuen  5  g  Natr  salic  stets  in  8 
andere  in  4.  4*  oder  5  mal  12  Stunden  ausschieden  ’ 

Von  grossem  Einfluss  auf  die  Ausschei- 

der  Gewebe11  6  F  ^  ^  Alkaleszenz  des  Urins  bezw. 

,Gak  man  grössere  Dosen  Natr.  bicarb.,  sodass  der  Urin 
U>kStnnd  wurde’  so  wurden  5  g  Natr.  salicyl.  in  2  bis  2K  mal 
zeigt!  dCn  ausgeschleden-  wie  da,s  folgende  Versuchsbeispiel 

.  Versuch  vom  25.  November  1905 

5  E  Natr-  P«  os,  der 

_ 1  211  stunden  gesammelt  und  untersucht. 


Namen 

Reaktion 
d.  Urins 

Urinmenge  und  Salizylreaktion  nach 

12  St.  24  St. 

36  St. 

48  St. 

60  St 

1  Steinmüller 

2.  Reiss 

3.  Wulff 

4.  Arndt 

5.  Kamberg 

6.  Batzer 

sauer 

sauer 

sauer 

sauer 

alkalisch 

alkalisch 

1 

1225  +  500  + 
700  +400  + 
1400  +  600  + 
1000  +  350  + 
650  +  500  + 

<50  4*  500  -4- 
1 

1  | 

600  + 
400  + 
1200  + 
600  + 
850 
fast  0 
1400  0 

650  + 
400  + 
750  + 
750  + 
450  0 

1000  0 

800  0 

400  schwach  0 

1 150schwacli+ 
400schwach+ 
800  0 

1150  0 

|72  St. 


0  700  0 
500  0 
800  0 
700  0 
800  0 

475  0 


)  Frey:  Münch,  med.  Wochenschr.  1905 
)  üondi  und  Jacoky:  1.  c. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2597 


Diese  schnelle  Ausscheidung  bei  alkalischer  Durch¬ 
tränkung  der  Körpergewebe  erfolgte  in  derselben  Weise, 
auch  nach  subkutaner  Einverleibung  (es  handelt 
sich  also  nicht  um  eine  Beeinflussung  der  Resorptionsvorgänge 
im  Magendarmkanal)  wie  folgende  Versuchsreihe  zeigt: 

Tierversuch  mit  subkutaner  S  a  1  i  z  y  1  d  a  r  r  e  i  c  h  u  n  g. 
Hund,  33  kg,  erhält  abwechselnd  bei  normalem  sauren  und  bei 
alkalisch  gemachtem  Urin,  infolge  Natr.-bicarbonicum-Gaben,  abends 
7  Uhr  subkutan  4  g  Natr.  salicyl.  in  10  ccm  H2O  gelöst.  Der  Urin 
wird  an  den  folgenden  Abenden  um  7  Uhr,  also  24  ständig,  von  dem 
Tiere  nach  Herausnahme  aus  dem  Käfig  in  eine  untergehaltene  Schale 

abgeschlagen. 


Zeit  des  Ver¬ 
suches 

Reaktion  des 
Urins 

Salizylreaktion  nach 

24  St. 

48  St. 

72  St. 

96  St. 

120  St, 

15.  11.06. 

sauer 

4- 

+ 

4“ 

4- 

0 

26.  11.06. 

alkalisch 

+ 

+ 

0 

0 

0 

7.  III.  06. 

alkalisch 

+ 

4- 

0 

0 

0 

22.  III.  06. 

sauer 

+ 

4- 

4" 

schwach  -f- 

0 

Während  der  Hund  bei  normalem  Urin  zur  Ausscheidung 
von  5  g  subkutan  erhaltenem  Natr.  salicyl.  durchschnitt¬ 
lich  96  Stunden  brauchte,  schied  er  die  gleiche  Menge 
bei  alkalischem  Urin  in  48  Stunden  aus. 

Wurden  5  g  Natr.  salicyl.  mehrere  Wochen  hindurch  all¬ 
abendlich  verabreicht,  so  dauerte  die  Ausscheidung  nach  Aus¬ 
setzen  des  Mittels  nicht  länger  als  das  betreffende  Individuum 
zur  Ausscheidung  einer  einzigen  Dosis  gebraucht  hatte.  Auch 
war  die  Intensität  der  Farbreaktion  nicht  wesentlich  verstärkt. 

Da  hierbei  die  neue  Dosis  immer  in  der  Zeit  gegeben  wurde, 
zu  der  ein  nicht  unbedeutender  Rest  von  der  voraufgegangenen 
Dose  noch  im  Körper  vorhanden  war,  so  hätte  man,  als  nach 
einigen  Wochen  ausgesetzt  wurde,  nun  eine  viel  intensivere 
oder  länger  hingezogene  Ausscheidung  erwarten  sollen.  Da 
beides  nicht  eintrat,  ist  die  Möglichkeit  naheliegend,  dass  bei 
längerem  Gebrauch  die  Gewebe  die  Fähigkeit  erlangen,  die 
Salizylsäure  in  geringem  Masse  zu  ver¬ 
brennen. 

III.  Therapeutische  Ergebnisse. 

Nach  den  obigen  Untersuchungen  steht  fest,  dass  die 
desquamative  Nephritis  nach  grossen  Salizyldosen  hinsichtlich 
der  Albuminurie  trotz  fortgesetzter  Salizylgaben  verschwindet, 
was  auch  Klieneberger  und  O  x  e  n  i  u  s  10)  gezeigt 
haben,11)  Was  die  Zylindrurie  anlangt,  so  möchte  ich  sie  nicht 
als  Nierenentzündung  auffassen,  sondern  auf  die  Eigenschaft 
der  Salizylsäure  zurückführen,  die  bezüglich  der  Epi¬ 
dermis  als  sogen,  keratolytische  (Unna)  be¬ 
kannt  ist,  und  die  sich  hier  an  den  Epithelien  der  Harn¬ 
kanälchen  und  der  gesamten  Harnwege  durch  eine  Des¬ 
quamation  zu  erkennen  gibt. 

Es  ist  schon  allein  deshalb  unnötig,  den  Urin  während  der 
Salizylbehandlung  zur  Verhütung  der  Albuminurie  durch  Natr. 
bicarb.  alkalisch  zu  halten,  wie  das  seit  Freys  Vorschlag 
mehrfach  geschehen  ist,  weiter  auch  darum,  weil  die  event. 
eintretende  und  trotz  des  Weitergebrauches  der  Salizylsäure 
stets  wieder  verschwindende  Albuminurie  durch  die  Alkales- 
zenz  des  Urins  nicht  beeinflusst  wird,  und  schliesslich  deswegen, 
weil,  wie  ich  oben  gezeigt  habe,  die  Alkaleszenz  die  Aus¬ 
scheidung  des  Medikamentes  erheblich  beschleunigt  und  viel¬ 
leicht  eine  hohe  wirksame  Konzentration,  die  beim  akuten 
Gelenkrheumatismus  wesentlich  zu  sein  scheint,  nicht  zu  stände 
kommen  lässt.  Auch  dürfte  die  Freimachung  der  bakteriziden 
Salizylsäure  aus  ihrem  Natriumsalz  innerhalb  der  Körper¬ 
gewebe,  worauf  es  nach  Binz  bei  der  Salizylwirkung  vor 
allem  ankommt,  bei  stärkerer  Alkaleszenz  der  Gewebe  er¬ 
schwert  sein. 

Nicht  als  unwesentlichster  Punkt  für  die  Unschädlichkeit 
der  Salizylsäure  hinsichtlich  einer  folgenden  Nephritis  scheint 


10)  K 1  i  e  n  e  b  e  r  g  e  r  und  Oxenius:  1.  c. 

11 )  In  einer  jüngst  erschienenen  Arbeit  (Münch,  med.  Wachenschr., 
No.  39,  1907)  vertritt  einer  der  erfahrendsten  Forscher  auf  diesem  Ge¬ 
biete,  Treupel,  auch  die  Ansicht  über  die  Ungefährlichkeit  des 
Salizyls  für  die  Nieren. 

No.  52. 


mir  aber  die  Tatsache  herangezogen  werden  zu  müssen,  dass 
über  Nephritis  als  Nachkrankheit  des  akuten 
Gelenkrheumatismus  so  gut  wie  nichts  bekannt 
ist,  obwohl  die  Salizyltherapie  bei  dieser  Erkrankung  bereits 
seit  drei  Jahrzehnten  allgemein  in  Anwendung  ist. 

Was  dagegen  die  wirklichen  Gefahren  der  Salizyl¬ 
behandlung  mit  von  vornherein  grossen12)  ans  Toxische 
streifenden  Gaben,  wie  sie  allein  eine  schnelle  und  wirksame 
Beeinflussung  des  akuten  Gelenkrheumatismus  verbürgen,  an¬ 
langt,  so  liegen  ihre  Angriffspunkte  im  verlängerten 
Mark  und  im  Gehirn.  Es  sind  vor  allem  Verlangsamung 
des  Herzschlages  und  der  Atmung,  Delirien  und  Kollaps. 
Quincke13)  hat  sogar  dyspnoisches  Koma  nach  Salizyl- 
intoxikation  beobachtet.  Und  hier  bietet  der  oben  mitge¬ 
teilte  Befund  der  raschen  Salizylentfernung 
aus  dem  Körper  nach  grossen  Gaben  von  Natr. 
bicarb.  eine  Handhabe,  diesen  Gefahren  zu 
begegnen. 

Es  wird  also  bei  Eintritt  solcher  Zustände 
auf  alle  Fälle  sofort  die  Z  u  f  u  h  r  v  0  11  g  r  ö  s  s  e  r  e  n  Natron¬ 
dosen  geboten  sein. 

Noch  für  eine  andere  organische  Säure,  die  ß-Oxybutter- 
säure  scheint  eine  vermehrte  Ausschwemmung  bei  stark 
alkalischen  Körpersäften  zu  bestehen.  Bei  der  von  Stadel- 
mann  beim  Coma  diabeticum  zum  Schutze  der  Blutalkaleszenz 
eingeführten  Natrontherapie,  tritt  wie  Magnus-Levy1') 
fand,  eine  Vermehrung  der  /UOxybnttersäureausscheidung  ein. 

Weiterhin  wären  vielleicht  die  Individuen,  bei 
denen  nach  Salizylgaben  Albuminurie  auftritt, 
besonders  im  Auge  zu  behalten  hinsichtlich  einer  im 
späteren  Leben  eintretenden  Nephritis.  Mög¬ 
lich  ist  es,  dass  die  gegen  Salizylsäure  besonders  empfindlichen 
Nieren  auch  funktionell  minder  befähigt  und  für 
Nephritiden  prädisponiert  sind,  zumal  es  sich,  wie  oben  mit¬ 
geteilt,  um  eine  ganz  individuelle  Antwort  auf  den  Salizylreiz 
handelt.  Dann  besässe  man  in  der  Salizylsäure  einen  Indikator, 
der  von  Bedeutung  wäre  für  die  Prophylaxe  der  Nephritis,  bei 
der  bekanntlich  die  Therapie  meist  schon  zu  spät  kommt. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Krankenhauses  der  Diakonissen¬ 
anstalt  zu  Dresden  (Oberarzt  Hofrat  Dr.  Buc h). 

Sahli  sehe  Desmoidreaktion,  Schmidtsche  Probe¬ 
kost  und  Ausheberung. 

Von  Tottmann,  Oberarzt  im  4.  Kgl.  Sächs.  Feldartillerie- 
Regiment  No.  48,  kommandiert  zur  Diakonissenanstalt. 

Die  Veröffentlichung  nachstehender,  z.  1 .  schon  aus 
früherer  Zeit  stammenden  Untersuchungen,  erst  beabsichtigt, 
dann  zurückgestellt,  erfolgt  nun  doch,  weil  ihre  Ergebnisse  sich 
nicht  durchweg  mit  denen  anderer  Untersucher  decken. 

Die  Methodik  der  Untersuchungen  war  folgende:  Die,  nicht 
etwa  zu  diesem  Zwecke  ausgesuchten  Kranken  bekamen  die 
Schmidt  sehe  Probekost,  worauf  jeder  Stuhl  untersucht 
wurde.  Daneben  wurden  Desinoidpillen  verabreicht,  nach 
Sahlis  Vorschrift  selbst  verfertigt  mit  den  von  ihm  emp¬ 
fohlenen  Materialien  (die  fabrikmässig  hergestellten  Pillen  er¬ 
wiesen  sich  auch  uns  als  gänzlich  unzuverlässig).  Zur  Füllung 
wurde  nach  weitgehenden  Vorversuchen  ausschliesslich  Me¬ 
thylenblau  verwandt.  Ausser  im  frühesten  Viertel  der  Fälle 
wurden  stets  Zwei  Pillen  mit  fünf  Minuten  Zwischenpause  ver¬ 
abreicht,  nachdem  einmal  im  Reagensglasversuche,  einmal  im 
Stuhle  eines  Kranken  sich  eine  Pille  gefunden  hatte,  deren 
Faden  zwar  verdaut,  deren  Gummi  aber  verschlossen  geblieben 
war  infolge  Verklebens  an  der  Ligaturstelle,  wahrscheinlich 
bedingt  durch  zu  scharfes  Anziehen  des  Fadens  bei  Herstellung 
der  Pille.  Der  Pillenversuch  ist  ausserdem  in  weitaus  der 
Mehrzahl  der  Fälle  bis  zu  drei-  und  viermal  wiederholt  worden. 


12)  Die  Wirkungslosigkeit  bei  fortgesetzten,  hauptsächlich  klei¬ 
neren  Dosen  kann  wohl  auf  eine  schnelle  Gewöhnung  der  Bakterien 
an  die  sie  ursprünglich  vernichtende  Substanz  bezogen  werden,  wie 
es  Ehrlich  (Berl.  klin.  Wochen, sehr.  1907)  für  die  Trypanosomen 
festgestellt  hat. 

13)  Quincke:  Berl.  klin.  Wochenschr.  1882. 

14)  Magnus-Levy:  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol.,  45, 


2598 


MUENCEIENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


Endlich  wurde,  meist  am  3.  oder  4.  Tage  der  Probekost,  der 
Magen  ausgehebert  (nach  4A  Stunden,  um  sicher  noch  Material 
zu  bekommen)  und  sein  Inhalt  in  der  hergebrachten  Weise 
untersucht.  Die  Resultate  dieser  Proben  sind  nun  in  bei¬ 
stehender  Tabelle  nebeneinander  gestellt. 


immer  dessen  Salzsäure-  und  Pepsingehalt.  Offenbar  hängt  die 
katgutverdauung  beim  Brutschrankversuch  nicht  allein  vom 
Salzsäure-  und  Pepsingehalt  ab,  sondern  wird  auch  wesentlich 
beeinflusst  durch  die  Menge  der  gleichzeitig  vorhandenen  Ei- 
weissstoffe,  deren  Säureverbrauch  ja  ebenfalls  weitergeht,  die 


Nr. 


Diagnose: 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 

20. 
21. 
22. 

23. 

24. 

25. 

26. 

27. 

28. 

29. 

30. 

31. 

32. 

33. 

34. 

35. 

36. 

37. 

38. 

39. 

40. 

41. 

42. 

43. 

44. 

45. 

46. 

47. 

48. 

49. 

50. 

51. 

52. 

53. 

54. 

55. 

56. 

57. 

58. 

59. 

60. 


Hysterie . 

Achylia  gastrica  .... 
Gutart.  Pylorusstenose  . 
Dies,  nach  10  Tagen 
Traumat.  Neurose  .  .  . 

Spitzenkatarrh . 

Carcin.  ventriculi  .  .  . 

Spitzenkatarrh . 

Carcin.  ventriculi  .  .  . 

Defatigatio . 

Carcin.  ventriculi  .  .  .  . 

i  Carcin.  ventriculi  .... 

|  Arteriosklerose  .  . 
Gutart.  Pylorusstenose 

Chlorose  . 

Chron.  Magendarmkatarrh 

Hysterie . 

Spitzenkatarrh  ....!. 
Carcin.  ventriculi  .  .  .  . 

Spitzenkatarrh . 

Ulcus  ventriculi . 

Neurasthenie . 

Carcin.  ventriculi  .  .  .  . 

Chron.  Ekzem . 

Sec.  Anämie  . 

Dies,  nach  14  Tagen 
Carcin.  ventriculi  .  .  .  . 

Colitis  acuta . 

Echinococcus  hepat.  .  .  . 
Carcin.  ventriculi  .... 

Neurasthenie  . 

Ders.  nach  3  Wochen  .  . 
Drüsentuberkulose  .... 
Chron.  Magenkatarrh  .  . 

Gastroptose . 

Perigastritis . ’ 

Spitzenkatarrh  ...... 

Pankreaszyste . 

Carcin.  ventriculi  .  .  . 

Spitzenkatarrh  . 

Carcin.  ventriculi  .... 

Hysterie  . 

Chron.  Magenkatarrh  .  ! 

Chron.  Nephritis . 

Ulcus  ventriculi . 

Dieselbe  nach  3  Tagen  . 
Dieselbe  nach  15  Tagen 
Ulcus  ventriculi  •  .  .  . 
Lungentuberkulose  .  .  .  ! 
Dilatatio  ventriculi  .... 

Leberzirrhose . 

Lungenspitzenkatarrh  '  ] 
Chron.  Obstipation  .  . 
Chron.  Parametritis  .  . 
Icterus  catarrhalis  .... 
Chron.  Obstipation  .  .  .  . 

Magenkatarrh . 

Chron.  Magenkatarrh  .  .  . 
Lungentuberkulose  .... 
Perniciöse  Anämie  .... 


<U 

•0*0*; 
OJ  — 

£ 

O  r- 

m  u  u 
•at/lr 
—  o 

2JT 


Desmoidprobe  nach 
Sahli 


In  dem  nach  Schmidt  scher  Kost  Ausgeheberten: 


:Ö 


N 

< 


o 

E 

cl> 

'S 


<D 

}_ 

3 

03 


r— 1 

JU  ^ 


Pepsin 

nach 

Mett 


Desmoidpille 
im  Filtrat 
bei  37 o 


Motilität : 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 


+ 

+ 

+ 


+ 

+ 

+ 

"P 

+ 


+ 

+ 


— 

25 

-  3C 

-P 

— 

14 

—  2 

+ 

+  n.  14  Std. 

65 

-  3 

+ 

— 

100 

-  17 

+ 

— 

58 

-  28 

+ 

+  n.  11  Std. 

88 

-  6 

-P 

— 

76 

-  6 

-j-  n.  872  Std. 

50 

+  15 

+ 

— 

40 

-  68 

4- 

— 

52 

-  12 

+ 

— 

70 

-  64 

■p 

— 

75 

-  30 

— 

40 

-  12 

■p  n.  3  Std. 

140 

+  3 

-f-  n.  8'/j  Std. 

50 

+  2 

— 

78 

4"  3.5 

— 

50 

-  17 

— 

20 

— 

— 

10 

-  23 

+  n.  11  Std. 

110 

-  2 

+ 

+  n.  5  Std. 

96 

+  9 

+ 

+  n.  57*  Std. 

104 

+  5 

+ 

— 

100 

4- 

-fn.  11  Std. 

75 

+  6 

i 

+ 

+  n.  11 1/2  Std. 

96 

+  14 

4- 

— 

52 

+  n.  1U/2.  Std. 

44 

+  1 

+ 

— 

10 

8 

— 

40 

6 

T-  n.  6  Std. 

100 

-P 

5 

+  n.  10  Std. 

60 

3 

— 

28 

14 

— 

32 

— 

20 

— 

68 

+  20 

— 

66 

+  30 

— 

62 

— 

10 

+  n.  9  Std. 

69 

+ 

— 

10 

— 

15 

— 

40 

-P  io 

+ 

— 

15 

— 

50 

-p  n.  11 1/2  Std. 

84 

+  30 

-P 

— 

65 

+ 

8 

— 

38 

+ 

4 

+  n.  872  Std. 

44 

+  11 

+  n,  6  Std. 

60 

+  12 

-j-  n.  4  Std. 

104 

+  50 

— 

95 

+ 

3 

+  n.  17  Std. 

78 

+  11 

— 

48 

— 

3 

— 

40 

"P 

— 

80 

— 

20 

— 

48 

— 

3 

— 

78 

4- 

10 

+  n.  8  Std. 

24 

+ 

1 

+  n.  83/*  Std. 

80 

6 

+  n.  12  Std. 

48 

-P 

4 

+  n.  5  Std. 

70 

24 

— 

60 

-P  15 

20 

20 

+ 

i 

0  mm 

+ 

— 

— 

l1/*  „ 

+  n.  30  Std. 

— 

!  ? 

-P  n.  20  Std. 

— 

5  „ 

-p  n.  7  Std. 

— 

3 

_ 

+ 

:3  ” 

— 

— 

3  ,, 

-P  n.  9  Std. 

4- 

1  o  „ 

— 

— 

2  „ 

— 

+ 

V*  „ 

-  - 

4- 

o  „ 

— 

+ 

i 

— 

— 

4  „ 

-p  n.  372  Std. 

— 

2x/2  „ 

-P  n.  19  Std. 

+ 

21/«  „ 

-f  »•  372  Std. 

4* 

7*  „ 

— 

— 

7*  „ 

+ 

o  „ 

— 

— 

23/4  „ 

+  n.  672  Std. 

— 

372  „ 

-p  n.  2  /4  Std. 

— 

372  „ 

n 

+  n.  372  Std. 

4- 

u  » 
17*  „ 

-P  n.  11  Std. 

— 

D/2  „ 

+  n.  6  Std. 

— 

3  „ 

■f  n.  8  Std. 

+ 

0  „ 

— 

— 

3  „ 

+  n.  574  Std. 

+ 

0  „ 

— 

+ 

72  „ 

— 

— 

374  „ 

+  n.  3:74  Std. 

— 

2  „ 

— 

+ 

3P  „ 

— 

4 

1  „ 

— 

— 

U/2  „ 

+  n.  572  Std. 

— 

^  *  » 

■p  n.  6  Std. 

+ 

l1,*  „ 

I 

— 

+ 

17*'  „ 

_ 

— 

2  72  „ 

+  n.  10  Std. 

+ 

1 

— 

— 

3  „ 

+  n.  11  Std. 

— 

-f  n.  572  Std. 

— 

U/2  „ 

+  n.  12  Std. 

— 

3  „ 

+  n.  372  Std. 

— 

Up  „ 

+  n.  7  Std. 

— 

2  „ 

+  n.  5  Std. 

— 

27*  „ 

-p  n.  10  Std. 

— 

2‘  2  „ 

~p  n.  3  Std. 

+  1 

2  „ 

— 

— 

2  „  | 

-p  n.  672  Std. 

_ 

3  )> 

4-  n.  8  Std. 

— 

2  „ 

-p  n.  6  Std. 

— 

272  „ 

-p  n.  5^2  Std. 

272  „ 

4-  n.  18  Std. 

— 

?!/2  ” 

+  n.  15  Std. 

— 

272  „ 

4  n.  572  Std. 

-p 

1  , 

— 

— 

3  „ 

+  n.  5  Std. 

+ 

0  „ 

— 

normal 

dgl. 

stark  vermindert 
dgl. 

normal 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

etwas  vermindert 
normal 

etwas  vermindert 

stark  vermindert 
normal 
dgl. 

dgl. 

dgl. 

etwas  vermindert 
normal 

etwas  vermindert 
normal 
vermindert 
normal 

etwas  vermindert 
dgl. 
normal 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 
dgl. 

*  dgl. 
dgl. 

vermindert 

dgl. 

dgl. 

normal 

dgl. 

vermindert 

dgl- 

normal 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

vermindert 

normal 

dgl. 


Bei  dieser  Zusammenstellung  fällt  zunächst  auf,  dass  die 
chemische  Untersuchung  des  ausgeheberten  Mageninhaltes 
emersehs  sdbst  b^  Berücksichtigung  der  Biuretreaktion  ziem- 

S  cVmid^tÄ  Resultate  ergibt  als  die  S  a  h  1  i  sehe  und 
7  c  'n7  d.t  sche  1  robe>  andererseits,  dass  vor  allen  Dingen 

müssen  die^ri311  "5?  v7lecM^en  leistungsfähig  erscheinen 
müssen  die  S  c  h  m  i  d  t  und  Sahli  beide  als  insuffizient  er¬ 
kennen  lassen.  Auch  das  Verhalten  der  Desmoidpille  im  Aus 
geheberten  bei  Körpertemperatur  entspricht  durchaus  nicht 


also  dem  Katgut  konkurrierend  gegenüberstehen,  wobei  noch  zu 
dachten  ist,  dass  Fortschaffung  des  Verdauten  und  Nachliefe¬ 
rung  von  Salzsäure  im  Reagensglase  ja  fehlen.  In  dieser 
hnsicht  ist  es  bemerkenswert,  dass  die  grösste  Differenz  zwi¬ 
schen  Säuregehalt  und  Desmoidbrutschrankversuch  zweimal 
übereinstimmend  sich  bei  einer  Frau  mit  hochgradigster  (gut¬ 
artiger)  «Pylorusstenose  findet  (No.  3  und  4  der  Tabelle) 
Der  Widerspruch  zwischen  chemischer  Untersuchung  auf  der 
einen,  Schmidt-  und  Sahliprobe  auf  der  anderen  Seite  erklärt 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


A4.  Dezember  1907. _ 

sich  offenbar  daraus,  dass  die  Ausheberung  Aufschluss  gibt 
über  nur  einen  Moment  des  Verdauungsgeschaftes,  und  dass 
",®h  dieser  Aufschluss  höchst  wahrscheinlich  noch  manchmal 
betrübt  wird  durch  die  Sekretionsstörungen  infolge  der 
psychischen  und  mechanischen  Alteration  beim  Eintuhren  der 

Sonde.  .  .  , 

Die  Fälle  1  bis  54  zeigen  volle  Uebereinstimmung  zwischen 
den  Ergebnissen  von  Probekost  und  Desmoidreaktion;  be¬ 
sonders  interessant  erscheint  mir  No.  49.  wo  beide  an  der 
Grenze  des  Normalen  stehen.  Dagegen  stellen  die  Nummern 
55  bis  60  die  Fälle  dar,  bei  denen  die  S  c  h  m  td  t  sehe  lind 
Sahli  sehe  Probe  sich  widersprechen.  Bezüglich  No.  55  56 
und  58  scheint  die  chemische  Untersuchung  des  Ausgeheberten 
dem  Ergebnis  der  Probekost  recht  zu  geben.  Bei  No.  55  ist,  da 
bei  Wiederholung  die  Desmoidreaktion  negativ  blieb,  wohl  mit 
Wahrscheinlichkeit  anzunehmen,  dass  es  sich  um  Mangel  bezw. 
Versehen  bei  Herstellung  der  betreffenden  Pille  gehandelt  hat. 
Bei  No  58  war,  weil  die  Patientin  entlassen  werden  musste, 
eine  Wiederholung  der  Desmoidprobe  nicht  möglich  Bei 
No  56  und  57  aber  ergab  auch  die  zweite  S  ah  1  ische  Probe 
positiven  Ausfall.  Dass  diese  Fälle  zu  den  von  Sahli  er¬ 
wähnten  zu  rechnen  seien,  bei  denen  infolge  verminderten 
Motilität  und  zu  langen  Verweilens  der  Pille  im  Magen  trotz 
mangelhafter  Verdauungskraft  die  Losung  des  Katgut  eintritt, 
ist  nach  Lage  der  Fälle  nicht  sehr  wahrscheinlich,  jedenfa  s 
müssen  beide  als  Misserfolge  der  Desmoidprobe  gerechnet 

Wichtiger  noch  erscheinen  die  Fälle  No.  59  und  60,  wo 
sich  im  Stuhl  nie  Bindegewebe  fand,  und  wo  doch  die  mehr¬ 
fach  angestellte  Desmoidprobe  stets  negativ  blieb.  Dass  bei 
diesen  Fällen  besondere  Sorgfalt  auf  Herstellung  der  I  lllen, 
Ueberwachung  der  Kost  und  Untersuchung  des  Stuhles  ver¬ 
wendet  wurde,  braucht  wohl  nicht  erst  besonders  betont  zu 
werden.  Da  beide  Male  ohne  Gummihülle  gegebene  Methylen¬ 
pillen  den  Harn  in  normaler  Weise  blau  färbten,  so  fehlt  mn 
vorläufig  eine  Erklärung  dieser  Fälle,  ganz  besonders  des  merk¬ 
würdigen  Falles  No.  60.  Hier  mangelten  im  Ausgeheberten 
sowohl  wie  im  mehrfach  Erbrochenen  bei  geringer  Azidität 
Salzsäure  und  Pepsin  ganz;  auch  die  Biuretreaktion  war 
negativ;  die  Entleerung  des  Magens  war  nicht  nachweisbai 
beschleunigt;  die  Desmoidprobe  blieb  dreimal  negativ;  und  den¬ 
noch  fand  sich  im  Stuhl  keine  Spur  von  Bindegewebe,  dagegen 
waren  stets  ziemlich  reichliche  Muskelreste  vorhanden;  auch 
die  Schmidt  sehe  Kost  wurde  dreimal  in  getrennten  mehr¬ 
tägigen  Perioden  gegeben  und  hatte  stets  das  gleiche  Resultat. 
Dabei  erfolgten  die  Stuhlentleerungen  regelmässig  und  aus¬ 
giebig,  und  auch  das  Erbrechen  konnte,  weil  viel  zu  selten  und 
zu  wenig  massig,  das  Fehlen  des  Bindegewebes  im  Stuhle  nicht 
erklären.  Als  suffizient  kann  jedenfalls  der  Magen  dieser  Trau, 
die  sehr  bald  darnach  ihrer  schweren  perniziösen  Anämie  erlag, 
leider  ohne  zur  Sektion  zu  kommen,  nicht  ohne  weiteies  be¬ 
zeichnet  werden.  .  ,  ,  . 

Bei  den  vorstehenden  Untersuchungen  ergaben  sich  hier 
und  da  Schwierigkeiten  bezüglich  der  Desmoidpillen  insofern, 
als  ängstliche  Kranke  einige  Male  behaupteten,  das  Beutelchen 
nicht  schlucken  zu  können;  Einwicklung  der  Pillen  in  ange¬ 
feuchtete  Oblate  ermöglichte  in  allen  Fällen  deren  Nehmen. 
Ein  Kranker  mit  Neurasthenie  weigerte  sich,  eine  zweite  Pille 
zu  nehmen,  weil  er  nach  der  ersten  Magendrücken  bekommen 
habe.  Die  Verabreichung  der  Schmidt  sehen  Kost  musste 
in  vier  Fällen  unterl^eiben,  weil  die  betreffenden  Kranken 
wenige  Minuten  nach  den  ersten  Bissen  erbrachen  und  nm 
dünnbreiige  Nahrung  behielten.  Es  handelte  sich  dabei  um 
einen  Pankreastumor  (Desmoidprobe  positiv  nach  8  bis  10 
Stunden),  ein  Gallenblasenkarzinom  (Desmoid  +  nach  19 
Stunden),  ein  Magenkarzinom  (Desmoid  — )  und  eine  narbige 
Pylorusstenose  (Desmoid  +  nach  3  Stunden).  Ferner  wurde 
die  Beobachtung  gemacht,  dass  bei  längerer  Fortführung  der 
Schmidt  sehen  Probekost  der  Bindegewebsgehalt  des 
Stuhles  mitunter  zunahm,  und  zwar  stets  bei  Kranken,  denen 
die  Kost  bald  Widerwillen  erregte,  ln  einem  derartigen  Falle 
fand  sich  in  den  ersten  drei  Tagen  der  Schmidt  sehen  Kost 
kein  Bindegewebe,  am  vierten  und  fünften  Tage  kleine  Mengen 
desselben,  am  sechsten  Tage  aber  massenhaft  grobe  Stränge 
und  Fäden,  obwohl  täglich  reichliche  Stuhlentleerung  erfolgte, 
die  Qualität  des  Fleisches  stets  die  gleiche  war  und  die  Kranke 


2599 


schon  beim  dritten  Male  die  Fleischportion  nur  teilweise  ge¬ 
nossen  hatte. 

Der  Versuch,  nach  den  Angaben  Holzknechts  die  Ver¬ 
dauung  der  Desmoidpillen  auf  dem  Röntgenschirm  zu  kon¬ 
trollieren,  misslang,  da  es  nicht  möglich  war,  mit  dem  hiesigen 
Apparat  selbst  bei  gut  durchleuchtbaren  Kranken  die  Pillen 
immer  sicher  zu  Gesicht  zu  bekommen,  obwohl  mit  dem  Wis¬ 
mutzusatz  bis  an  die  Grenze  der  Schluckbarkeit  gegangen 
wurde. 

Auf  Grund  der  vorstehenden  Untersuchungen  glaube  ich, 
zu  folgenden  Schliisen  berechtigt  zu  sein: 

Die  Ausheberung  ist  die  eingreifendste  und  für  den 
Kranken  unangenehmste  Methode.  Ihre  Resultate  sind  bei 
ausgesprochenen  Magenaffektionen  bei  Berücksichtigung  aller 
Momente  verwertbar.  Bei  weniger  groben  Störungen  ist  sie 
zur  Beurteilung  der  Funktionsfähigkeit  des  Magens  nicht  aus¬ 
reichend,  bisweilen  sogar  irreführend,  umsomehr,  als  sich 
Störungen  der  Funktion  durch  die  Ausheberung  selbst  nicht  mit 
Sicherheit  ausschliessen  lassen. 

Die  Schmidtsche  Probekost  erscheint  im  kli¬ 
nischen  Betriebe  unbedingt  angebracht,  zumal  sie  gewisse  Auf¬ 
schlüsse  über  die  Tätigkeit  des  gesamten  Verdauungstraktes 
gibt.  Wenn  überhaupt,  was  nicht  absolut  von  der  Hand  zu 
weisen  ist  (Fall  60),  so  kommen  falsche  Resultate  doch  nur  sehr 
selten  vor.  Zu  wiederholter  Kontrolle  bei  demselben  Kranken 
ist  sie  wenig  geeignet,  weil  ihre  wiederholte  Anwendung  fast 
stets  grossem  Widerwillen  begegnet.  Nicht  anwendbar  ist  sie 
in  Fällen,  die  jede  konsistentere  Nahrung  abweisen,  und  auch 
in  poliklinischen  Betrieben,  wahrscheinlich  auch  in  der  Armen¬ 
praxis,  stösst  ihre  Verordnung  auf  häufig  unüberwindliche 
Schwierigkeiten.  Stete  Kontrolle  des  verabreichten  Fleisches 
ist  unerlässlich. 

Die  Sahli  sehe  Desmoidreaktion  ist  bei  allen, 
auch  den  poliklinischen  und  den  schwersten  Fällen  gut  anwend¬ 
bar.  Für  den  Kranken  ist  sie  die  angenehmste  Untersuchungs¬ 
art.  Sorgfältige  Herstellung  der  Pillen  und  Verwendung  nur 
guten  Materials  ist  Erfordernis.  Werden  bei  jedem  Versuche 
zwei  Pillen  in  der  erwähnten  Weise  gegeben,  so  ist  die  Probe 
bei  negativem  Ausfall  der  Ausheberung  weit  überlegen,  der 
Schmidt  sehen  Probe  fast  gleich.  Der  positive  Ausfall  ist  nur 
mit  Vorsicht,  jedenfalls  nur  dann,  wenn  in  zwei  Versuchen  an¬ 
nähernd  gleichzeitig  und  spätestens  nach  16  bis  18  Stunden 
eintretend,  verwertbar,  doch  sind  Irrtiimer  auch  dann  nicht 
sicher  auszuschliessen.  Bei  der  Einfachheit  der  Methode  er¬ 
scheint  jedoch  schon  die  Brauchbarkeit  des  negativen  Ausfalles 
für  die  baldige  Orientierung  und  für  fortlaufende  Kontrolle  der 
Magenfunktion  als  eine  wesentliche,  in  den  Fällen,  wo  Probe¬ 
kost  und  Ausheberung  nicht  anwendbar  sind,  eine  durch  nichts 
zu  ersetzende  Bereicherung  der  diagnostischen  Hilfsmittel,  zu¬ 
mal  die  gegen  den  Ersatz  reinen  Bindegewebes  durch  Katgut 
erhobenen  Einwände  jedenfalls  für  den  negativ  ausfallenden  Teil 
der  Desmoidproben  nicht  in  Betracht  kommen. 

Der  Versuch,  das  Katgut  zu  vermeiden  dadurch,  dass  die 
Pille  statt  in  Gummimembran  in  Pleura,  Mesenterium  oder  Dura 
vom  Tier  eingehüllt  wurde,  führte  infolge  der  eintretenden 
Diffusion  zu  keinem  Resultat.  Der  .Verschluss  der  Gummi¬ 
beutelchen  mit  getrockneten  und  so  aufgefaserten  Schafsehnen 
hat  mir  bei  den  wenigen  Reagensglasversuchen,  die  ich  habe 
anstellen  können,  keinen  Unterschied  in  Art  und  Zeit  der  Ver¬ 
dauung  gegenüber  den  mit  Katgut  verschlossenen  Pillen  er¬ 
geben,  doch  ist  mir  ein  abschliessendes  Urteil  über  diese  Frage 
noch  nicht  möglich. 

Meinem  hochverehrten  Chef,  Herrn  Hofrat  Dr.  Buch, 
erlaube  ich  mir,  für  die  Anregung  zu  den  vorstehenden  Unter¬ 
suchungen  wie  für  die  eingehende  Teilnahme,  die  er  ihrem 
Fortgange  widmete,  meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen. 

Aus  dem  Landkrankenhaus  zu  Fulda  (Direktor:  Dr.  Gunke  1). 

Zur  Diagnose  epiduraler  Hämatome.*) 

Von  Dr.  Erwin  L  i  n  d  n  e  r. 

Die  differentielle  und  topische  Diagnostik  der  extra-  und 
intraduralen  Hämatome  steht  zurzeit,  trotz  verschiedener  aus¬ 
führlicher  kasuistischer  Arbeiten  im  vergangenen  Jahrzehnt 


*)  Nach  einem  Vortrag,  gehalten  in  der  Provinzialärzteversamm¬ 
lung  von  Hessen  am  2.  Juni  1907. 

3* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


26öü 


und  trotz  zahlreicher  experimenteller  Untersuchungen  und  Er¬ 
fahrungen,  noch  auf  recht  schwachen  Füssen. 

Einst  schienen  die  Beobachtungen  Bergmanns  über  die 
Kompressionserscheinungen  bei  einer  Meningozele  und  seine 
daran  anschliessenden  klassischen  Untersuchungsergebnisse 
über  den  Symptomenkomplex  bei  Erhöhung  des  intrakraniellen 
Druckes  Licht  und  Klarheit  auch  in  das  damals  noch  recht 
dunkle  Gebiet  der  traumatischen  Blutergüsse  in  das  Schädel¬ 
innere  bringen  zu  wollen.  Aber  zahlreiche  Erfahrungen  an 
konkreten  Fällen  haben  die  Unzulänglichkeit  und  Unzuver¬ 
lässigkeit  gar  mancher  wesentlich  in  Betracht  kommender 
Punkte  erwiesen,  und  die  Statistik  von  Kliniken  und  patho¬ 
logischen  Instituten  lehrt,  dass  durchschnittlich  in  mehr  als 
50  Proz.  aller  Fälle  erst  die  Sektion  die  Erkenntnis  schafft,  die 
intra  vitam  für  den  Chirurgen  eine  so  dankbare  Aufgabe  ge¬ 
boten  hätte.  Gerade  die  schönen  therapeutischen  Erfolge,  die 
wir  bei  rechtzeitiger  Stellung  der  Diagnose  erzielen,  drängen 
gebieterisch  dazu,  das  Symptomenbild  möglichst  zu  vervoll¬ 
kommnen  und  jedes  diagnostische  Hilfsmittel  zu  erproben  und 
heranzuziehen,  das  uns  zur  Erreichung  dieses  Zieles  dienen 
kann. 

Wir  haben  im  Laufe  der  letzten  8  Monate  6  Fälle  in  Be¬ 
handlung  bekommen,  bei  denen  das  Vorhandensein  eines 
duralen  Blutergusses  in  Frage  kam.  Bei  2  Fällen  bestätigte 
die  vorgenommene  Operation  die  durch  die  mehr  oder  weniger 
ausgeprägten  objektiven  Symptome  veranlasste  -Diagnose;  sie 
wurden  beide  geheilt.  Bei  einem  Falle  schwankte  die  Diagnose 
zwischen  Durhämatom  und  traumatischer  Apoplexie  und  hier 
entschied  die  Probetrepanation,  auf  die  ich  noch  zu  sprechen 
komme,  für  das  Bestehen  der  letzteren;  dieser  Patient  starb. 
Ebenso  der  4.  Fall,  der  wieder  ein  Hämatom  war,  das  wir  aus 
Gründen,  die  noch  zu  erörtern  sind,  als  Apoplexie  diagnosti¬ 
zierten.  Endlich  hatten  wir  noch  2  Fälle,  die  wir  mit  gewisser 
Keseive  als  Commotio  cerebri  ansahen;  beide  verliefen  gut; 
doch  blieb  bei  dem  einen  eine  geringe  Parese  einer  Extremität’, 
und  eine  mit  zeitweiliger  Inkontinenz  gepaarte  Polyurie  zurück, 
—  Folgen,  die  doch  wohl  mit  einem  zerebralen  Bluterguss  ur¬ 
sächlich  Zusammenhängen. 

Die  Schwierigkeit  für  die  richtige  und  rechtzeitige  Stellung 
uer  Diagnose  fängt  schon  bei  der  Anamnese  an.  Meistens 
handelt  es  sich  um  Unfälle,  über  deren  Hergang  niemand  der 
Beteiligten  genaueres  anzugeben  vermag.  Die  klassische  Vor¬ 
geschichte  des  epiduralen  Hämatoms  ist  die,  dass  ein  Trauma 
meist  dn  ekt  gegen  den  Kopf,  erfolgt  ist,  mit  oft  nur  minimalen 
sichtbaren  Verletzungen  aber  mit  unmittelbar  folgender,  kurz 
dauernder  Bewusstlosigkeit  —  infolge  der  begleitenden  Com- 

™°tl0  c,?r.ebri  —  und  an  diese  anschliessend  das  für  die 
Differentialdiagnostik  so  überaus  wichtige  und  den  Fall  direkt 
klarende  „freie  Intervall“. 

lip'fprmur  ,bei  Sin'eT  un^er'er  6  Patienten  war  dasselbe  bei  der  Ein- 

1  eferung  von  den  Angehörigen  typisch  angegeben  worden:  dem  Mann 

haOp  Tn  fumsturzen(Je  Gerüststange  gegen  den  Kopf  gefallen  und 
attc  ihn  für  einige  Augenblicke  bewusstlos  zu  Boden  geschleudert 

aXenTate  Uhn,erstüte“^  ™ch  Haas"  "S  erst  am 

anderen  läge  wegen  Kopfschmerzen  und  Uebelkeit  zum  Arzte  in 

dessen  Haus  er  bewusstlos  zusammenbrach.  Bei  einem  weilen  pj 

KeSeerröSlratiMrd«eR  Anamnese  ers(.  als  er  nach  aus- 

geiunrter  Operation  das  Bewusstsein  wieder  erlangt  hatte  und  unsurp 

■  ageil^lbf  .lieaniworten  konnte.  Darnach  war  er  im  Streite  von 
einem  Mitarbeiter  mit  der  Hacke  geschlagen  und  auf  kurze  Zeit  ohn 

Das  freie  IntcrvalJ  dauerte  also  hier  A  Stunde,  dort 

}/  b  u.nden  und  kann>  nach  den  verschiedenen  Statistiken  bis 

2  und  4  1  agen  anhalten.  Bei  den  anderen  4  Fällen,  die  in  unsere 

werden  Ung  kamen’  k°nnte  em  freies  Interva11  nicht  eruiert 

Die  initialen  zerebralen  Kommotionserscheinungen  können 
auch  langdauernd  sein  und  direkt  -  ohne  Intervall ^  in  die 
Konpmession^yinptomp  übergehen.  Dann  ist  natürlich  be- 
sondcis  da  letztere  oft  sehr  vage  sind,  die  Diagnose  eines 
^uralmmatonis  schon  sehr  erschwert,  um  so  mehr  als  häufig 
{  chadelbasisfrakturen,  Hjrnsubstanzzertrümmerungen  extr/ 
kramelle  Blutungen  s.  w.  den  Fall  kompÄlSnÄ 


den  eigentlichen  gefahrbringenden  Tatbestand,  der  unserem 
Eingriff  zugänglich  ist,  verschleiern. 

Das  typische  Bild  des  duralen  Hämatoms  in  seiner  Aus¬ 
bildung  ist  beherrscht  von  den  Erscheinungen  des  Hirndruckes, 
die  in  experimenteller  Weise  schon  in  den  achtziger  Jahren 
durch  die  Untersuchungen  von  Naunyn  und  Schreiber 
festgestellt  wurden  und  später  in  ihren  einzelnen  Formen 
durch  die  Experimente  und  Arbeiten  von  Althan,  Hill, 
Schulten,  Kocher  und  C  u  s  h  i  n  g,  Traube  und 
Hering  und  endlich  Bergmann  erklärt  und  ausgebaut 
wurden. 

Zuerst  tritt,  wenn  nicht,  wie  bereits  erwähnt,  die  Kom- 
motio  des  Traumas  dauernde  Bewusstlosigkeit  bewirkt,  ein  ge¬ 
wisses  Reizstadium  ein  mit  dumpfen  Kopfschmerzen,  oft  nur 
der  .einen  Seite,  Druckempfindlichkeit  dieser  Seite,  Druck¬ 
empfindlichkeit  des  gleichseitigen  Processus  mastoideus, 
manchmal  mit  früh  einsetzendem  geringen  Oedem  daselbst, 
Erbrechen,  Schläfrigkeit  und  Benommenheit,  Irrereden,  kon¬ 
gestive  Rötung  des  Gesichtes,  Pupillenenge  oder  Pupillen¬ 
differenz  mit  Enge  der  betroffenen  Seite  und  träger  Reaktion, 
Stauungspapille,  diese  meist  jedoch  nur  für  kurze  Zeit  und 

schwankend;  Zucken  der  betroffenen  — —  i.  e.  gekreuzten  _ 

Gesichtshälfte  oder  Körperhälfte,  Steigerung  der  Sehnenreflexe, 
harter,  langsamer  Vagusreizungspuls. 

Auf  dieses  höchstens  24  Stunden  dauernde  Reizstadium 
folgt  das  der  Lähmung  —  in  dem  wir  die  Patienten  meist  erst 
zu  sehen  bekommen  —  mit  zunehmender  Benommenheit  und 
Bewusstlosigkeit,  stertoröser  Respiration,  Lage  auf  der  be¬ 
troffenen  Körperseite,  Muskelzittern,  unkoordinierte  Bewe¬ 
gungen  der  Extremitäten,  wechselnd  mit  tonischen  und  klo¬ 
nischen  Krämpfen  der  gekreuzten  Seite,  manchmal  mit  univer¬ 
sellen  tetanischen  Kontraktionen  —  unter  minimalen  paretischen 
v.  ymptomen  einer  Körperhälfte  —  oder  epileptiforrnen  Anfällen 
^werster  Art,  Incontinentia  oder  Retentio  urinae,  mit  kleinem, 
schnellen,  allmählich  jagenden  Vaguslähmungspuls  und 
Uheyne-Stokes  sehen  Atemrhythmus  vor  Beginn  der 
kurzdauernden  Agonie. 

.^!ncn  solch  klassisch  vollständigen  Schulverlauf  findet  man 
natürlich  nur  äusserst  selten  und  wir  sind  bei  der  Stellung  der 
Diagnose  meistens  nur  auf  einige  wenige  von  den  eben  ange- 
iLinrten  zahlreichen  Symptomen  angewiesen.  Leider  gerade 
die  schweren  Fälle  zeigen  unklare  Erscheinungen,  verlaufen 
rasch  zum  Tode  und  rufen,  bei  dem  Mangel  jeden  Charak¬ 
teristikums,  ott  nicht  einmal  den  Gedanken  an  die  Möglichkeit 
eines  Durahämatoms  wach. 

„  jcb  ^innere  mich  eines  jungen  Mannes,  der  uns  Hospitalärzten 
aus  der  Pölikhnik  als  mittelloser  querulierender  Kretin  wohlbekannt 
7  f1.  un,c  d'sr  eines  Abends  in  scheinbar  nicht  mehr  ganz  nüchternem 
Zustande  Aufnahme  ins  Krankenhaus  wünschte,  weil  er  von  Schutt 
wmvip  W6gen  Widersetzlichkeit  geschlagen  und  zu  Boden  geworfen 
sei-  Abgewiesen  meldete  er  sich  am  anderen  Tage  wieder 
obei  seiin  schon  bekannter  unsicherer  Gang  weniger  auffiel  als  eine' 
gewisse  Unbeholfenheit  der  Artikulation.  In  der  Nacht  nach  se^er 

dle-  nUä  ^ehr  T'S  Mltieid  als  aus  Indikation  erfolgte  und 
nach  der  er  im  Bette  sofort  in  tiefen,  sonst  in  nichts  bemerkens- 

mid  dTe  SCehktifonV€prfl€l h  ihn-die  diensttuende  Schwester  tot  vor 
p  d.  "  ,  Sektion  ergab  unter  einer  ganz  kleinen  Fissur  des  linken 

der ten '  ArtPrif' älg'es’  zweifaastgrosses  epidurales  Hämatom  der  ruptu- 
rierten  Arteria  memngea  media. 

Fmi  hT1  GegenSat^  hiezu  berichtet  Nonne  im  Jahre  1904  über  einen 
ball,  der  zwingend  zur  Annahme  eines  traumatischen  Duralhämatoms 
uangte,  wo  neben  der  Anamnese  zahlreiche  der  erwähnten  Symptome 
des  vermehrten  Hirndruckes:  Bewusstlosigkeit,  Enge  der"  Pupillen 
S“  k,1°msche  Zuckungen,  epileptifoKne  Anfälle,  Stauungspa¬ 
pille  etc.  vorhanden  waren;  noch  während  der  Vorbereitungen  zur 
'sofortigen  Trepanation  starb  die  Patientin  und  die  Autopsie  ergab 
nicht  die  geringste  Anomalie  der  Schädeldecken,  der  Hirnhäute  oder 
des  Gehirnes.  Auch  die  mikroskopische  Untersuchung  verlief  völlig 

R  h  K  hnS,,deS  Üalles  blieb  offen’  wenn  nicht  die 

sollte^  S  he  dlirnschwellungstheorie  dazu  herangezogen  werden 

.  ..  Ähnliche  Fälle,  wie  die  eben  skizzierten,  finden  sich  noch 
läufiger  in  der  Literatur  und  tun  aufs  deutlichste  dar,  mit 
welchen  Schwierigkeiten  die  Diagnose  einer  Meningealblutung 
zu  kämpfen  hat. 

Es  ist  deshalb  eigentlich  auffallend,  dass  das  Hilfsmittel  der 
1  i  obetrepanation  der  Schädelkapsel  so  wenig  Verwendung 
findet  K  o  c  h  e  r,  später  N  e  i  s  s  e  r  und  P  o  1 1  a  k  haben  das 
erfahren  der  Probepunktion  des  Schädelinnern  inauguriert 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2601 


und  einige  wenige  spätere  Arbeiten  berichten  über  deren  Er¬ 
folge  bei  Hirnkrankheiten,  Abszessen,  Hydrozephalus,  Tumoren. 
Alle  jedoch  sind  nach  Theorie  und  Praxis  in  der  Ansicht  einig, 
dass  es  nur  geringe  Aufklärungen  sind,  die  wir  duich  dieses 
diagnostische  Hilfsmittel  erreichen.  Es  krankt  eben  an  dem 
Bestreben  seiner  Autoren,  es  durch  möglichste  Einfachheit  auch 
dem  Arzte  der  allgemeinen  Praxis  zugänglich  machen  zu 
wollen.  Denn  abgesehen  davon,  dass  auch  feine  1  repan- 
öffnungen,  wie  sie  von  den  angeführten  Autoren  empfohlen 
werden,  ausserhalb  eines  Krankenhauses  aus  manchen  Gründen 
sich  nur  schwer  ausführen  lassen  und  bei  aller  Einfachheit 
doch  eine  gewisse  chirurgische  Kunstfertigkeit  und  Uebung 
in  der  Handhabung  der  entsprechenden  Instrumente  erfordern, 
ist  es  doch  kaum  möglich,  mit  feinen  Pravaznadeln  mehr  lest- 
zustellen,  als  einen  in  der  Nähe  liegenden  Abszess  oder  einen 
erweiterten,  mit  Liquor  gefüllten  Ventrikel.  Die  Schwierigkeit, 
auf  diesem  Wege  Partikelchen  von  Geschwülsten  zu  erhalten, 
beleuchtet  eine  vor  kurzem  erschienene  kasuistische  Arbeit  aus 
Pavia.  Und  noch  schwieriger,  ja  unmöglich  ist  wohl  aut  solche 
Weise  ein  durales  Hämatom  erkennen  zu  wollen,  da  ja  Blut¬ 
partikelchen  in  der  Kanüle  oder  in  der  Spritze  kaum  berechtigen, 
ein  solches  anzunehmen.  Erprobenswert  dürfte  jedoch  die  An¬ 
legung  grösserer  Trepanöffnungen  von  ca.  1  cm  Duichmessei 
sein  im  Stromgebiet  der  Arteria  meningea  media,  dem  fast 
ausschliesslichen  Sitze  lebenbedrohender  Hämatome.  Die 
Hauptäste  dieses  Gefässes  lassen  sich  zur  Vermeidung  von 
Verletzungen  mittels  der  K  r  ö  n  1  e  i  n  sehen  Linien  ziemlich  ein¬ 
fach  und  genau  feststellen,  und  ein  1  repanationsfenster  m  der 
bezeichneten  Grösse,  zu  dem  mit  einem  2—3  cm  langen  Schnitt 
durch  die  Galea  Raum  auf  dem  Schädelknochen  geschaht  wird 
und  das  in  einer  Klinik  nach  gewohnter  Vorbereitung  meist 
ohne  Narkose  mittels  eines  einfachen  Drillbohl ers  in  2  bis 
3  Minuten  ausgeführt  werden  kann  —  ein  solches  1  repanations¬ 
fenster  lässt  doch  sichtbar  erkennen,  ob  ein  epidurales  Hämatom 
vorliegt  oder  nicht. 

Wir  haben  unter  unserem  kleinen  Material  zwei  lehrreiche  raue 
für  den  Wert  dieses  diagnostischen  Hilfsmittels,  Es  sind  die  beiden 
Patienten,  die  wir  verloren  haben.  Sie  folgten  sich  ziemlich  kurz 
hintereinander  in  der  Aufnahme  ins  Krankenhaus  und  hatten  in  allem 
eine  recht  grosse  Aehnlichkeit.  Beides  waren  ältere  Männer,  ubei 
60  Jahre;  beide  waren  im  dunklen  Hausflur  am  bussende  der  lieppe 
im  bewusstlosen  Zustande  von  Angehörigen  gefunden  worden,  die 
ikeine  Kenntnis  vom  Vorgang  des  Unfalles  hatten.  Auch  der  o; 
jektive  Befund  bei  beiden  war  ausserordentlich  ähnlich:  Bewusstlosig¬ 
keit;  geringe  einseitige  Fazialisparese;  Pupillendifferenz  mit  traget 
Reaktion  der  erweiterten  Seite;  geringe  spastische  Lähmung  dei  Ex¬ 
tremitäten  der  einen  Körperhälfte  mit  .zeitweiligen  klonischen  Zuk- 
kungen;  Abwehrbewegungen  bei  Sensibilitätsprüfung  mit  den  Ex¬ 
tremitäten  der  anderen  Körperseite;  Sehnenreflexe  nur  gering  ge¬ 
steigert;  Babinsky  beiderseits  positiv.  Respiration  stertoros,  ohne 
charakteristischen  Rhythmus;  Puls  beschleunigt  ziemlich  klein;  harte 
rollende  Arteria  radialiis;  irreguläre  und  inäquale  arteriosklerotische 
Herzaktion;  keine  äusseren  Verletzungen.  .  ..  .  n  , 

Beim  ersten  Falle  glaubten  wir,  höchstwahrscheinlich  ein  Dural¬ 
hämatom  annehmen  zu  müssen,  ohne  jedoch  bei  dem  Alter,  den  Ge- 
fässveränderungen  und  dem  Fehlen  jeder  Anamnese  und  ausseren  Ver¬ 
letzung  eine  Apoplexie  ausschliesisen  zu  können.  Deshalb  wurde  eine 
Probetrepanation  mit  einem  1  cm-Bohrer  in  oben  beschriebener  Weise 
ohne  Narkose  vorgenommen.  Die  Dura  lag  zwischen  dem  vorderen 
und  mittleren  Ast  der  in  Betracht  kommenden  Arteria  meningea  media 
rasch,  vollkommen  frei  vor,  und  nach  einem  kleinen  Einschnitt  auch 
die  Hirnwindungen;  eine  zweite  Oeffnung  zwischen  dem  mittleren  und 
hinteren  Ast  hatte  das  gleiche  negative  Resultat.  Als  der  Mann  nach 
lVa  Tagen  zur  Sektion  kam,  fand  sich  eine  apoplektische  zerebrale 
Blutung  von  Nussgrösse  über  der  Capsula  interna  und  einige  kleineie 
frische  und  ältere  apoplektische  Herde  bei  starker  Arteriosklerose 
9.11er  Hirngefässe. 

Beim  zweiten  Fall,  der  wenige  Wochen  später  zur  Aufnahme. ge¬ 
langte,  glaubten  wir  bei  der  frappanten  Analogie  auf  das  Hilfsmittel 
der  Probetrepanation  verzichten  zu  können  und  ein  mtrazerebrales 
Hämatom  annehmen  zu  müssen,  umsomehr  als  die  Atheromatose  noch 
ausgeprägter  war  und  ebenfalls  jede  äussere  Verletzung  fehlte.  N  ht 
wenig  überraschend  war  dann  das  Resultat  der  Autopsie,,  die  neben 
einer  geringfügigen  Zertrümmerung  der  Hirnsubstanz  einen  hand¬ 
tellergrossen  Bluterguss  aus  dem  zerrissenen  rechten  vorderen  Me- 
niingealast  ergab,  entstanden  durch  Kontrecoup  bei  einer  Fissur  in  der 

linken  Squama  occipitalis.  , 

Wie  die  beiden  eingangs  geschilderten  Falle  geradezu  als 

Paradigmata  für  die  Schwierigkeiten  der  Erkennung  eines 
duralen  Hämatoms  dienen  können,  so  erscheinen  diese  letzteren 
Erfahrungen  dazu  geeignet,  eindringlichst  einer  ausgedehnteren 


Anwendung  grösserer  Probetrepanationen  bei  Verdacht  auf 
Meningealmptur  das  Wort  reden  zu  wollen.  Vielleicht  lasst 
sich  auf  diesem  Wege  die  zur  Zeit  noch  erschreckend  hohe 
Prozentzahl  der  „post  mortem“  Diagnosen  von  Durahäma- 
tomen  allmählich  vermindern;  denn  diese  betragen  nach 
einer  neueren  grossen  Statistik  von  Brun  aus  der  gerade  an 
solchen  Fällen  reichen  K  r  ö  n  1  e  i  n  sehen  Klinik  gegenwärtig 
noch  53  Proz. 


lieber  Scheidenvarixblutung  in  der  Schwangerschaft.*) 

Von  Dr.  Grünebaum  in  Bamberg. 

Als  eines  der  ersten  äusserlich  sichtbaren  Schwanger¬ 
schaftszeichen  können  wir  auch  unter  normalen  Verhältnissen 
die  Erweiterung  und  das  stärkere  Hervortreten  der  Venen  an 
Scheide  und  Scheidenvorhof  beobachten.  Schon  in  den  ersten 
Wochen  zeigt  sich  dem  scharf  beobachtenden  Auge  die  venöse 
Hyperämie  dieser  Teile.  Bereits  im  zweiten  Monat  lasst  sich 
ein  bläulicher  Schimmer  der  Scheidenschleimhaut  wahrnehmen 
und  später,  wenn  sich  die  venösen  Gefässe  dei  Vagina  un 
Vulva  zu  mächtigen  Plexus  ausgedehnt  haben,  gibt  uns  das 
dunkelviolette  „weinhefenfarbige“.  Aussehen  der  Scheide  ein 
charakteristisches  Schwangerschaftszeichen. 

Als  krankhafte  Uebertreibung  dieser  physiologischen  Ver- 
grösserung  der  Venen  sind  die  Venenausdehnungen,  Varizen, 
allgemein  bekannt.  Die  Venen  dehnen  sich  sowohl  nach  dem 
Durchmesser  als  nach  der  Länge  aus.  In  der  letzteren  Richtung 
ist  die  Ausdehnung  nur  durch  seitliche  Ausbiegung  und  ge¬ 
schlängelten  Verlauf  möglich.  . 

Die  Häufigkeit  der  Varizen  wird  sehr  verschieden  ange¬ 
geben.  Nach  W  i  n  c  k  e  1  kommen  Varizen  der  Schwangeren 
in  34  Proz.  vor.  Kehrer  gibt  an,  Varizen  finden  sich  bei 
75  Proz.  aller  Hochschwangeren  und  nur  25  Proz.  blieben  ver¬ 
schont  und  zwar  betreffen 

38,3  Proz.  die  Beine  allein, 

26.5  Proz.  die  Beine  und  die  Vulva, 

17.6  Proz.  die  Hämorrhoiden, 

14.7  Proz.  die  Beine  und  Hämorrhoiden, 

2,9  Proz.  die  Vulva  allein. 

Nach  B  u  d  i  n  kommt  auf  3  schwangere  Frauen  eine  mit 
Varizen,  nach  Car  in  auf  20  eine.  Diese  grossen  Schwan¬ 
kungen  der  Angaben  sind  nur  erklärlich  durch  die  verschiedene 
Auffassung,  was  einer  noch  für  normale  und  was  iur  krank¬ 
hafte  Ausdehnung  hält.  C  a  r  l  n  (mit  5  Proz.)  hat  offenbar  nui 
die  stärksten  Ausdehnungen  registriert.  .  ,  ,  , 

Von  der  Vergrösserung  und  Erweiterung  sind  tiefe  und 
oberflächliche  Venen  betroffen.  Hyrtl  sagt;  Als 
anastomosierende  Kanäle  durchkreuzen  die  Venen  die  Wand 
des  schwangeren  Uterus  und  während  die  zufuhrenden  Ar^nae 
uterinae  und  spermaticae  nur  die  Dicke  von  Rabenfederkielen 
erreichen,  werden  die  Venen  kleinfingerdick.  In  die  Er¬ 
scheinung  treten  die  Ausdehnungen  besonders  an  den  Haut-  und 
Schleimhautvenen,  da  bei  diesen  seitens  der  Umgebung  ein 
Gegendruck  stattfindet  und  dadurch  die  Dilatation  besonders 

leicht  zustande  kommt.  .  ,  ,  „„„ 

Fragen  wir  nach  den  Ursachen  der  Venenausdehnungen, 
«0  sind  vor  allem  Druck  des  graviden  Uterus  auf  die  Venae 
hypogastricae  und  iliacae  communes  zu  nennen.  Antuliung 
des  Darmes  infolge  der  so  häufigen  Verstopfung  Schwangerer 
wässerige  Blutbeschaffenheit,  anhaltendes  Arbeiten  im  Stehe 
und  Gehen  befördern  das  Auftreten  der  Varizen.  Aber  wir 
müssen  doch  noch  eine  individuelle  Disposition  oder  Schwache 
der  Venenwandungen  als  letzte  Ursache  hinzunehmen. 

Abgesehen  von  den  Beschwerden  (Gefühl  der  Schwere, 
Spannung,  Jucken,  hinzutretenden  Oedemen)  können  die 
Varizen  gefahrdrohende  Zustände  in  der  Schwangerschaft  her- 
vorrufen  durch  Entstehung  tödlicher  Blutungen  beim  Bersten 
eines  Varixknoten  oder  durch  Einwirkung  von  I  raumen,  wobei 
auch  der  erigierte  Penis  in  Betracht  kommt. 

Für  alle  3  veranlassende  Ursachen  (Bersten,  Trauma, 
Koitus)  bin  ich  in  der  Lage,  Ihnen  je  1  Fall  aus  meiner  Praxis 
mitzuteilen. 

*)  Nach  einem  in  der  Fränkischen  Gesellschaft  für  Geburtshilfe 
und  Frauenheilkunde  am  20.  Oktober  1907  in  Bamberg  gehaltenen 
Vortrag. 


2602 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


1.  Am  29.  Januar  d.  J.  nachts  gegen  Val  Uhr  wurde  ich  dringend 
zu  der  Gastwirtsfrau  B.  gerufen.  Unterwegs  erzählte  mir  der  Mann, 
er  habe  seine  Frau,  die  zum  zweiter.  Mal  schwanger,  in  4  Wochen 
ihre  Entbindung  erwartete,  gegen  11  Uhr  verlassen.  Er  war,  wie  es 
der  Karneval  und  die  Tragik  des  Lebens  wollte,  zum  Ball  des  Gast¬ 
wirtsvereins  gegangen.  Bei  seinem  Weggang  sei  seine  Frau  völlig 
gesund  und  munter  gewesen,  habe  in  der  Wirtschaft  die  Gäste  be¬ 
dient.  Gegen  12  Uhr  sei  er  von  dem  Dienstmädchen  dringend  nach 
Hause  gerufen  worden.  Er  habe  seine  Frau  in  seiner  Wohnung  der 
II.  Etage  in  einer  mächtigen  Blutlache  ohne  Lebenszeichen  gefunden, 
er  glaube,  sie  sei  tot.  Was  vorausgegangen  sei,  wisse  er  nicht.  Gegen 
"il  Uhr  in  der  Wohnung  angelangt,  fand  ich  die  Frau  in  einer  grossen 
Lache  frischgeronnenen  Blutes  am  Fussboden  liegen,  den  Kopf  an 
eine  Kommode  gelehnt.  Kleid,  Röcke  und  Wäsche  völlig  blutdurch- 
tränkt.  Kein  Lebenszeichen  mehr  vorhanden,  Leiche  kalt.  Da  der 
Tod^  nach  der  Schilderung  und  nach  dem  Befund  schon  länger  als 
Vz  Stunde  eingetreten  war,  wurde  sectio  caesarea  in  mortua  unter¬ 
lassen.  Bei  der  Besichtigung  zeigte  sich,  dass  die  Blutung  aus  der 
Scheide  gekommen  war.  An  der  äusserst  blutleeren,  blassen  Scheide 
nirgends  eine  Verletzung  sichtbar,  Muttermund  geschlossen,  nirgends 
eine  Verdickung  oder  Geschwulst  nachweisbar.  Kind  in  II.  Schädel¬ 
lage.  Alis  Ursache  der  Verblutung  wurde  ein  geplatzter  Scheiden¬ 
varix  angenommen.  Das  hat  die  am  nächsten  Tage  (zusammen  mit 
Herrn  Dr.  D  ö  p  k  e)  vorgenommene  Leichenöffnung  bestätigt.  An 
der  sonst  äusserst  blutleeren  Leiche  —  die  Blutleere  zeigte  sich  be¬ 
sonders  stark  in  den  grossen  Unterleibsdrüsen  —  waren  nur  die 
Venen  des  Uterus  und  der  Adnexe  als  zusammengefallene,  bläuliche 
Stränge  auffallend.  Uterus,  sehr  dünn  und  schlaff,  enthält  einen 
Knaben  aus  dem  IX.  Schwangerschaftsmonat.  Plazenta  völlig  intakt, 
ringsum,  am  Fundus  uteri  rechts  der  Gebärmutter  anliegend.  An 
der  rechten  Wand  der  (herausgenommenen)  Scheide  fand  sich  in 
deren  Mitte  eine  in  der  Leiche  zirka  stricknadelgrosse,  geborstene 
Vene,  in  deren  Lumen  ein  weisses,  weiches  Fibringerinnsel  stak. 
Sonst  an  der  Leiche  nichts  Besonderes  nachweisbar. 

Anamnestisch  ist  noch  nachzutragen,  dass  die  Frau,  die  einmal 
spontan  und  leicht  entbunden,  in  der  jetzigen  Schwangerschaft  sich 
wohl  befand,  bis  zuletzt  gearbeitet  hat.  Nur  hatte  sie  in  den  letz¬ 
ten  2—3  Monaten  heftiges  Jucken  in  der  Scheide.  Aus  Schamgefühl 
hatte  sie  es  unterlassen,  einen  Arzt  zu  konsultieren.  An  dem  frag¬ 
lichen  Abend  hatte  sie  nach  Weggang  der  letzten  Gäste  das  Dienst¬ 
mädchen  zu  Bette  geschickt,  um  allein  im  Wirtszimmer  aufzuräumen. 
Dort  ist  sie  offenbar,  wie  der  Augenschein  ergab,  von  der  Blutung 
überrascht  worden.  Sie  ist  dann,  wie  die  Blutspuren  zeigten,  ln  die 
Wohnung  der  II.  Etage  gegangen,  hat  das  Dienstmädchen  mit  dem 
Zui  uf  ,, Stellen  Sie  auf,  ich  ver'blute  mich,  ich  musis  'Sterben“  geweckt. 
Das  Dienstmädchen  ist  dann,  ohne  sich  um  die  Frau  zu  kümmern, 
fortgelaufen,  um  den  Mann  zu  holen.  Bei  dessen  Eintreffen  war  sie! 
wie  bereits  bemerkt,  tot.  Ob,  wie  nachträglich  geltend  gemacht 
wurde,  die  Blutung  eingetreten  ist,  als  die  Frau,  um  einen  Gashahn 
abzudrehen,  auf  einen  Stuhl  stieg,  liesis  sich  nicht  beweisen.  Der 
Augenschein  sprach  dafür.  Auf  jeden  Fall  hat  keine  direkte  Gewalt 
die  _  cheide  getroffen.  Es  handelte  sich  um  die  Berstung  eines  Schei- 
denvanx  mit  Verblutung. 

Viel  häufiger  sind  in  die  Scheide  dringende  Fremdkörper, 
wozu  auch  der  Penis  gehört,  Veranlassung  zur  -  Zerreissung 
).?n  Scheidenvarizen.  Als  weiteren  Fall  aus  meiner  Praxis 
führe  ich  Ihnen  an: 


-ernfon  Vn;A°  Jahren,  ™dc,  ich  zu  einer  38  jährigen  Gärtnersfrai 
„eruten.  Die  brau,  welche  sich  im  letzten  Monate  ihrer  VIII.  Schwan¬ 
gerschaft  befand,  war  beim  Abladen  von  Kartoffeln  vom  Wagen  ge¬ 
fallen  Dabei  war  ihr  ein  aufrecht  stehender  Wagenpfahl  in  die 
-cheide  gedrungen  und  hatte  die  Zerreissung  eines  Varixknoten's  arr 
Scheidenemgang  hervorgerufen.  Als  ich  kam,  fand  ich  die  Frau  mil 
R  nbmtnf1Chen r  T61"  ,sch weren  Verblutung  am  Boden  liegen.  Die 

S 

“*  Sie  m,orben’  wenn  lch 

Der  3  Fal!  einer  Scheiden-Varix-Blutung,  mit  günstigem  Aus 
gang,  betraf  eine  Kaufmannsfrau.  Im  VII.  Monat  ihrer  IH^Schwan- 
gerschaft  wurde  ich  im  November  1898  nachts  gerufen  Ich  fand 

w a r T i is C(J e r ‘ Srh lcKelne,starke  Blutung  (schätzungsweise  Y*  Liter) 

\v-.h  S.chc'de  Bekommen,  zu  deren  Stillung  die  Frau  instinktiv 

Äenn^cÄdl  eiTSCh°benKhatte-  =»«  vJraihSl 

crJn!  nt  pSSte  ,dl?  Fratl  lllcht  anzugeben,  sie  war  nach  der  An 
gäbe  der  1  rau  beim  Zubettegehen  erfolgt.  Bei  der  Besichtkrnno- 

S  ehen.  Am  nächsten  Morgen  beichtete  der  GattP  ^ 

r-ÄWÄ-i?? 


(Ruhe,  Bettlage,  Anlegen  einer  T-Binde,  Sorge  für  Stuhl,  Verbot  des 
Koitus)  ein  guter.  Am  normalen  Ende  der  Schwangerschaft  erfolgte 
die  Geburt  eines  nicht  grossen  (Prochownik  sehe  Diät),  gesunden 
Kindeis  leicht  und  gut.  Wochenbett  ohne  Störung. 

Varixscheidenblutungen  Schwangerer  sind  sehr  selten 
und  nur  einem  Spiel  des  Zufalls  kann  ich  es  zuschreiben,  dass 
mir  drei  solche  zu  Gesicht  kamen.  Blutungen  durch  Traumen 
hervorgerufen,  sind  in  der  Literatur  häufiger  erwähnt.  Es 
würde  zu  weit  führen,  alle  vorzubringen.  Wohl  den  merk¬ 
würdigsten  Fall,  der  eines  komischen  Beigeschmacks  nicht  ent¬ 
behrt,  erwähnt  L  e  s  s  e  r. 

Bei  einem  schwangeren  Mädchen  wurde  eine  Verblutung  aus 
Scheidenverletzungen  dadurch  bewirkt,  dass  ein  Bekannter,  während 
sie  aut  einem  Fahrrad  sass,  die  Finger  an  und  in  ihre  Geschlechtsteile 
brachte  und  beim  Schwanken  des  Fahrrades  die  Verletzungen,  die 
zur  Verblutung  führten,  verursachte.  Die  Verblutung  erfolgte  inner¬ 
halb  weniger  Minuten. 


Seltener  sind  die  Blutungen  aus  Varixberstungen.  D  ü  t  z  - 
m  a  n  n  weist  an  der  Hand  von  5  Fällen  auf  die  grosse  Gefahr 
hin,  die  eine  ausgedehnte  variköse  Gefässentwicklung  an  den 
Geschlechtsteilen  der  Frau  in  der  Schwangerschaft  und  Geburt 
bedingt.  In  einem  Falle  kam  es  zum  Exitus  letalis  an  Ver¬ 
blutung,  in  einem  2.  gelang  es  nur  mühsam,  diesen  unglück¬ 
lichen  Ausgang  zu  vermeiden. 

Stark  berichtet  über  eine  hochgradige  Blutung  bei  einer  Gra¬ 
vida  im  6.  Monat  in  folge  Platzens  eines  Scheidenvarix.  Schätzungs¬ 
weise  Blutverlust  Va  Liter.  Keine  Unterbrechung  der  Schwanger¬ 
schaft.  Ahlfeld  führte  die  Sectio  caesarea  post  mortem  aus  bei 
einer  Hochschwangeren,  die  sich  aus  einer  kaum  bemerkbaren  Oeff- 
nung  eines  Vulvavarix  verblutet  hatte. 

J  hiele  (D.  med.  Wochenschr.  1895,  No.  50)  berichtet  über 
einen  Fall  von  schwerer  Gefährdung  des  Lebens  bei  einer  IX.  Gra¬ 
vida  gegen  Ende  der  Schwangerschaft  durch  profuse  Blutung  aus 
einem  geplatzten  Varix  im  hinteren  Teil  der  Urethra.  Die  Blutung 
wiederholte  sich  bei  der  am  nächsten  Tag  spontan  eingetretenen  Ge- 
buit  eines  toten  Kindes,  steht  auf  einfache  Scheidentamponade  nach 
Entleei ung  des  Uterus.  In  einem  2.  Fall  Thiel  es  kamen  während 
der  Geburt  (Querstand  des  Kopfeis)  walnuissgrosse  Varixknoten  in  dem 
linken  Labium  bei  der  Reinigung  seitens  der  Hebamme  zum  Platzen. 
Kolossale  Blutung.  Umstechung  gelingt  nicht,  da  Gewebe  einreisst 
Perforation,  Extraktion  mit  stumpfem  Haken  unter  anhaltender  Blu¬ 
tung.  Sofort  nach  Expression  der  Plazenta  Stillstand  der  venösen 
Blutung. 

Im  Anschluss  an  diese  Fälle  rät  Thiele  zu  möglichst 
rascher  Entleerung  der  Gebärmutter  durch  künstliche  Ent¬ 
bindung.  Dieser  Indikation  kann  man  beistimmen.  Nach  Ent¬ 
leerung  des  Uterus  fallen  die  Varizen  zusammen,  ja  schon  nach 
Absterben  der  Rinder,  bei  nicht  entleertem  Uterus,  werden  die 
Varizen  kleiner.  Auch  seinem  weiteren  Vorschlag,  den  Indi¬ 
kationen  zur  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt  hinzu¬ 
zufügen:  „Variköse  Blutungen  am  Urogenitalapparat,  die  anders 
nicht  gestillt  werden  können“,  kann  man  im  Prinzip  zustimmen. 
In  der  Praxis  wird  die  künstliche  Frühgeburt  wohl  äusserst 
selten  in  Frage  kommen,  da  bis  zum  Eintritt  einer  solchen  das 
Schicksal  der  Schwangeren  sich  nach  der  einen  oder  anderen 
Richtung  entschieden  haben  wird. 


rur  die  Praxis  ziehen  wir  aus  dem  erstangeführten  Fall 
der  mir  zum  Vortrag  Veranlassung  gab,  den  Schluss,  in  allen 
Fällen  von  Scheidenjucken  der  Schwangeren  auch  an  Varizen 
zu  denken  und  darauf  zu  achten.  Ebenso  wie  die  Hämorrhoiden, 
die  Kiampfadern  der  Beine,  können  die  Scheidenvarizen 
Jucken  verursachen.  Haben  wir  Scheiden-  bezw.  Vulva¬ 
varizen  gefunden,  dann  sollen  wir  die  Frauen  auf  die  Mög¬ 
lichkeit  einer  Blutung  aufmerksam  machen  und  sie  ermahnen, 
im  Falle  einer  solchen  durch  Einschieben  bezw.  Vorlegen  von 
Watte,  festes  Aufdrücken  derselben,  Schlüssen  der  Beine 
die  Stillung  der  Blutung  zu  versuchen.  Das  Einschieben  und 
V  orlegen  der  Watte  wird  allerdings  nur  bei  Blutungen  aus  der 
Vulva  und  dem  vordersten  Teil  der  Scheide  zum  Ziele  führen 
ln  memem  erstangeführten  Fall,  wo  der  geplatzte  Varix  in  der 
Titte  der  Scheide  lag,  hätte  wohl  nur  die  Freilegung  der 
blutenden  Stelle  im  Spekulum,  Kompression  und  Tamponade 
eventuell  Umstechung  zum  Ziele  geführt.  Wäre  von  Seite  des 
Dienstmädchens  mit  etwas  mehr  Ruhe  und  Besonnenheit  vor¬ 
gegangen  worden,  die  anstatt  den  nächsten  Arzt,  den  Mann 
holte,  dann  wäre  es  wohl  im  Bereich  der  Möglichkeit  gewesen, 
l  bezw.  2  Menschenleben  zu  erhalten. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2603 


Der  Gesundheitsdienst  beim  Bahnbau  Daressalam— 
Morogoro  (Firma  Ph.  Holzmann  &  Co.,  Frankfurt  a.  M  ). 

Von  Dr.  H.  Krauss,  früherem  Bahnbauarzt. 

Das  deutsche  Volk  hat  eingesehen,  dass  Kolonien  ohne  Bahnen 
ein  nutzloser  und  auch  gefährlicher  Besitz  sind.  So  steht  zu  erwarten, 
dass  in  den  nächsten  Jahren  gar  mancher  neue  Schienenstiang  zui 
Erschliessung  des  schwarzen  Erdteils  gelegt  werden  wird. 

Die  gesundheitlichen  Gefahren,  denen  sich  die  in  den  Kolonien 
beschäftigten  Bahnbaubeamten  aussetzen,  sind  ja  gewiss  grösser,  als 
in  der  Heimat,  indes  bei  einer  einsichtigen  Oberleitung  und  einer 
ausreichenden  ärztlichen  Versorgung  der  Strecke  ist  die  Wahrschein¬ 
lichkeit  der  Erkrankung  eine  viel  geringere,  als  man  anfangs  denken 

Die  gesundheitlichen  Einrichtungen  bei  dem  Bau  einer  Kolonial¬ 
bahn  weichen  in  manchen  Dingen  von  den  heimischen  Verhältnissen 
a'b.  Darum  soll  für  solche  Kollegen,  die  bei  späteren  kolonialen  Bahn¬ 
bauten  als  Aerzte  zu  arbeiten  gedenken,  der  Gesundheitsdienst  beim 
Bahnbau  Daressalam— Morogoro  kurz  geschildert  werden. 

Die  ganze  Bahnstrecke  hat  eine  Länge  von  210  km.  Sie  läuft  erst 
über  flaches,  sandiges  Küstenland,  durchquert  dann  die  aus  tonigem 
Gestein  bestehenden,  bewaldeten  Puguberge  und  überschreitet  bei 
km  27  den  Simbasifluss.  Geber  welliges  Land  mit  Steppencharakter 
zieht  sie  weiter,  überschreitet  bei  km  80  den  Pangamfluss  und  zieht 
dann  in  das  8  km  breite,  sumpfige,  malariareiche  Tal  des  Rufu-  oder 
Kinganiflusses.  Dieser  selbst  wird  auf  mächtigen  Brücken  bei  km  89 
überschritten.  Hinter  dem  Rufu  kommt  eine  öde,  in  der  1  rockenzeit 
wasserlose,  in  der  Regenzeit  teilweise  überschwemmte  Steppe,  geo¬ 
logisch  interessant  durch  das  Auftreten  von  Jurakalk.  Bei  Pendambili, 
km  131  gibt  es  Wasserlöcher,  doch  hat  das  dort  gewonnene  Wasser 
infolge  seines  Salzgehaltes  stark  abführende  Wirkung.  Bei  Ridu- 
gallo  km  144,  wird  das  Land  wieder  wohnlicher,  hier  beginnt  auch  die 
in  ganz  Deutsch-Ostafrika  vorherrschende  Gneisformation.  Nun  zieht 
die  Bahn  in  das  fruchtbare  Ngerengeretal  hinab.  Der  Fluss  selbst,  em 
Nebenfluss  des  Rufu,  wird  bei  km  156  überschritten.  Sem  klares 
Wasser  ladet  zum  Trinken  ein,  ist  aber  wegen  der  dort  endemischen 
Dysenterie  nur  in  gekochtem  Zustand  zu  gebrauchen.  Im  freundlichen 
Lukondetal  zieht  die  Bahn  aufwärts,  die  zahlreichen  Wildbäche  auf 
hohen  Brücken  überschreitend,  vorbei  an  Kinonko,  km  173  und  Mn- 
kesse,  km  190.  Schon  winken  aus  der  Ferne  die  stolzen.  Uluguru- 
berge,  an  deren  Fuss  die  Bahn  ihr  vorläufiges  Ende  erreicht.  Die 
Endstation  Morogoro,  km  210,  ist  der  höchste  von  der  Bahn  erreichte 
Ort  und  liegt  530  m  hoch.  Die  Station  Mikesse  liegt  375  m  über  dem 
Meere,  während  das  Ngerengereflussbett  220  m,  das  Rufuflusbeitt  nui 

60  m  hoch  liegt.  T  .  .  ,  ,  ,, 

Die  ganze  Strecke  entlang  waren  die  Ingemeuie,  Aufsehei,  Un¬ 
ternehmer  und  schwarzen  Arbeiter  verteilt.  Es  ist  nicht  ganz  .eicht 
einer  so  weit  verstreuten  Schar  von  Weissen  und  Schwarzen  ärzt¬ 
liche  Hilfe  angedeihen  zu  lassen,  zumal  man  auf  richtige  Wege,  ja 
oft  selbst  auf  Brücken  verzichten  muss.  Deshalb  war  auch  ein  gros¬ 
seres  Heilpersonal  nötig,  als  unter  europäischen  Verhältnissen.  . 

Im  ganzen  waren  300  Weisse  und  4 — 6000  Schwaize  ständig  beim 
Bahnbau  beschäftigt.  Eine  Anzahl  der  Weissen  kam  von  der  durch 
die  gleiche  Firma  ausgeführten  Teilstrecke  der  Bagdadbahn,  der 
andere  Teil  war  in  Deutschland  oder  in  Daressalam  angeworben.  \  m 
der  Anstellung  hatte  sich  der  Bewerber  einer  ärztlichen  Untersuchung 


zu  unterwerfen.  .  ,  , 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  diejenigen  Kollegen,  welche  Unfei- 
suchungen  auf  Tropentauglichkeit  vornehmen,  bitten,  die  Unter¬ 
suchung  erst  dann  als  abgeschlossen  zu  betrachten,  wenn  dei  Be¬ 
werber  1  g  Chinin  anstandslos  vertragen  hat,  und  andererseits  den¬ 
selben  mit  allen  Fragen  bezüglich  des  Chiningebrauches  in  den  Dopen 
an  den  zuständigen  und  ja  auch  allein  verantwortlichen  Arzt  in  dei 
Kolonie  zu  verweisen;  denn  dieser  hat  oft  einen  äusserst  schweren 
Stand  solchen  Beamten  gegenüber,  die  angeblich  auf  den  Rat  des 
heimischen  Arztes  hin  die  Chininproohvlaxe  als  nutzlos  verweiten. 
Zudem  verpflichtet  sich  ja  auch  der  Beamte  durch  seine  Unterschrift 
allen  gesundheitlichen  Massnahmen  der  Firma  Folge  zu  leisten. 

Anfangs  hatte  die  Firma  nur  einen  Arzt,  Dr.  Oetker,  und  zwei 
Heilgehilfen,  Berger  und  Reinhard,  in  Dienst  genommen.  Diese 
kamen  im  März  1905  nach  Daressalam  und  erhielten  drei  Raume  m 
der  „alten  Post“  zugewiesen  als  Sprechzimmer,  Laboratorium  mit  Ver¬ 
bandzimmer  und  Vorratsraum.  Bald  zeigte  sich  /ie  No^d^keit 
einen  zweiten  Arzt  für  die  Strecke  anzustellen.  Im  September  1905 
traf  Dr.  Krauss  in  Daressalam  em.  Kurz  zuvor  war  Hei  gelii  fe 
Bensmann  eingetroffen.  Ferner  wurden  im  August  1906  Heilgehilfe 
K  u  b  b  u  t  a  t  und  im  Oktober  1906  Heilgehilfe  B  1 1 1  n  e  r  angestellt. 

Ein  Arzt  und  zwei  Heilgehilfen  waren  in  Daressalam  beschäftigt, 
die  übrigen  waren  auf  der  Strecke  verteilt.  So  wurde  auch  Schreiber 
dieser  Zeilen  nach  vierwöchentlichem  Aufenthalt  in  Daressalam  nach 
Mpera  an  den  Rufufluss  entsandt,  um  dort  ein  kleines  Hospital  mit 
5  Betten  zu  übernehmen  und  um  ausserdem  von  dort  aus  die  Beamten 
auf  der  Strecke  zu  besuchen.  Das  Hospital  war  auf  einem  Hügel  er¬ 
baut,  es  stand  auf  einem  meterhohen  Holzrost  und  hatte  aut  3  -  eiten 
eine  lVz  m  breite  Veranda.  Der  Boden  war  aus  europäischen  Brettern, 
die  Wände  aus  gespaltenem  Bambus  hergestellt.  Diese  Bambusstäbe 


wurden  sehr  rasch  von  Würmern  zerfressen  und  so  lagerte  ständig 
dichter  Mehlstaub v  auf  allen  Gegenständen.  Die  Fensteröffnungen 
wurden  durch  Holzläden  geschlossen,  meist  kam  zwischen  den  Bam¬ 
busstäben  genügend  Licht  herein.  Das  Dach  war  durch  eine  /-i  m 
dicke  Lage  Stroh  hergestellt  und  zum  Schutz  gegen  die  herabfallenden 
Halme  waren  als  Zimmerdecke  Tücher  aus  Amerikanostoff  aufgespannt. 
Das  Haus  hatte  5  Räume,  2  Krankenzimmer  mit  je  1,  eins  mit  3  Betten, 
ein  Zimmer  für  den  Arzt  und  einen  Vorratsraum,  ausserdem  2  Bade¬ 
räume  mit  Duschen.  Neben  diesem  Haus  war  ein  Anbau  als  Aizt- 
wohnung  begonnen,  ferner  waren  vorgesehen  und  in  Negerbauart 
(Astgitterwerk  mit  Lehmbewurf)  ausgeführt:  Küche,  Abort,  Hühner¬ 
stall  und  Wohnhaus  für  die  Dienerschaft.  Letztere  bestand  aus  Koch, 
Privatboy,  Krankenboy,  Küchenjunge,  Wasserträger  und  Maultier- 

junge.  .  . 

Im  Hospital  fanden  die  Beamten  der  Firma  sowie  auch  die  Unter¬ 
nehmer  in  Erkrankungsfällen  Aufnahme.  Meist  handelte  es  sich  um 
Malaria,  zu  deren  Feststellung  das  vorhandene  Reisemikroskop  gute 
Dienste  leistete.  Die  Färbung  der  Blutpräparate  erfolgte  mit  Giemsa- 
lösung.  Fermer  kamen  zur  Behandlung  Fälle  von  Bionchitis,  Dy¬ 
senterie,  Schwarzwasserfieber,  Abszesse,  Phlegmonen  und  Ver- 
letzungen.  Bei  der  Verschiedenheit  der  Nationalitäten  wai  es  oft 
nicht  ganz  leicht  mit  den  Kranken  sich  zu  verständigen,  hoch  ver¬ 
standen  die  meisten  auch  von  den  zahlreich  beim  Bau  beschäftigten 
Griechen  englisch  oder  italienisch,  so  dass  nur  in  seltenen  Fällen  uie 
Eingeborenensprache,  das  Kisuaheli  zu  Hilfe  genommen  werden 
musste. 

In  regelmässigen  Zwischenzeiten,  etwa  monatlich  einmal,  wur  de 
die  Strecke  bereist.  Solch  eine  Reise  dauerte  meist  10—14  läge,  da 
man  mit  den  Trägern,  die  die  ganze  Reiseausrüstung  auf  dem  Kopte 
befördern  mussten,  nur  20 — 25  km  am  Tage  zuriicklegen  konme.  Die 
einzelne  Trägerlast  durfte  nicht  mehr  als  60  Pfund  betragen.  Die 
einzelnen  Lasten  enthielten:  Zelt,  Bett,  lisch,  Stuhl,  Waschbecken, 
Segeltuchbadewanne,  Lampe,  Petroleum,  Windleuchter,  Sturmlaterne, 
Filter  mit  Asbest,  Reiseapotheke,  Medikamentenvorräte,  Kleider  und 
Wäsche  im  Tropenkoffer,  Kochgeschirr,  Konserven,  Kartoffeln,  Selters¬ 
wasser,  Reis  für  die  Träger,  Maultierfutter. 

So  zog  man  mit  der  aus  15—20  Köpfen  bestehenden  Karawane 
von  Lager  zu  Lager,  behandelte  die  erkrankten  Weissen  und 
Schwarzen,  gab  Chinin.  Verbandstoffe  und  Medikamente  ab  unter¬ 
suchte  die  von  der  Firma  neu  angeworbenen  Aufseher,  empfahl  das 
Trinkwasser  stets  abzukochen,,  auf  eine  geregelte  Verdauung  zu 
achten,  die  Chininprophylaxe  genau  einzuhalten,  mit  Alkohol  sparsam 
umzugehen,  nie  ohne  Kopfbedeckung  sich  der  Sonne  auszusetzen,  die 
Wasserentnahmestellen  rein  zu  halten,  den  Unrat  aus  dem  Lager  zu 
entfernen,  die  Arbeiterhütten  auszubessern,  Aborte  anzulegen  und 
was  derlei  Massregeln  mehr  sind,  die  vielleicht  höchst  selbstverständ¬ 
lich  klingen,  aber  doch  leicht  ausser  gelassen  werden  und  dann  zur 
Erkrankung  des  Beamten  oder  Arbeiters  und  somit  auch  zur  Schädi¬ 
gung  der  Firma  führen.  _  .  ,  . 

Der  vermehrte  Alkoholgenuss  wirkt  in  den  liopen  nicht  nvr 
im  Stadium  der  Erregung  schädigend,  indem  er  die  Gefühlsemdrucke 
abstumpft  und  die  sonst  beachtete  Vorsicht,  oft  auch  die  Wurde  der 
weissen  Rasse  dem  Schwarzen  gegenüber  vergessen  lasst,  sondern 
er  schadet  ebensosehr  im  Stadium  der  Depression,  indem  er  zur  Arbeit 
unfähig  verdrossen  und  dem  untergebenen  Schwarzen  gegenüber  un¬ 
gerecht  macht.  Somit  war  es  sicher  von  Bedeutung,  dass  die  beiden 
Aerzte  der  Firma  keinen  Alkohol  genossen  und  dadurch  wiederum  den 
Beweis  lieferten,  dass  der  Alkohol  in  den  Tropen  wohl  entbehilich  sei. 

Die  aus  Daressalam  auf  die  Strecke  kommenden  Puellae  waien 
grossenteils  krank.  Sie  wussten  das  meist  selbst  und  hatten  sich  durch 
die  Flucht  der  ihnen  in  Daressalam  bevorstehenden  Krankenhausbe¬ 
handlung  entzogen.  Dadurch  erkrankten  viele  der  auf  der  Strecke  be¬ 
schäftigten,  zumal  an  Gonorrhöe  und  weichem  Schanker,  und  es  war 
deshalb  vom  rein  hygienischen  Standpunkt  aus  nicht  zu  verurtei  en, 
wen-n  der  Einzelne  sich  für  die  Dauer  seines  afrikanischen  Aufenthaltes 

ein  bestimmtes  schwarzes  Mädchen  hielt. 

Jedem  Beamten  wurde  ein  „Chininkalender  eingehandigt,  ein 
einfacher  Wandkalender,  auf  dem  jeder  8.,  9  .und  10.  Tag  rot  ange¬ 
strichen  war.  Auf  dem  Kalender  stand  der  Auftrag  an  jedem  der 
rot  gezeichneten  Tage  lg  Chinin  zu  nehmen  und  zwar  nicht  am  ein¬ 
mal,  sondern  in  5  Einzeldosen  zu  0,2g,  die  in  horm  der.  Zimmer  - 
sehen  Gelatinekapseln  leicht  zu  nehmen  waren.  Zur  sicheren  Aut- 
lösung  der  Kapseln  im  Magen  wurde  angeraten  etwas  saueres  nach¬ 
zutrinken.  Zum  Gebrauch  für  die  Schwarzen  wurden  komprimieite 

Chinintabletten  von  0,5  g  verabfolgt. 

Im  Mai  1906  wurde  der  auf  der  Strecke  beschäftigte  Arzt  an 
den  Ngerengerefluss  versetzt,  wo  er  mehr  in  der  Mitte  der  Haupt¬ 
arbeitsplätze  war.  Ein  Haus  fand  er  dortselbst  nicht  vor  und  musste 
sich,  um  nicht  immer  im  Zelt  wohnen  zu  müssen,  die  notigen  Lntei- 
kunftsräume  erst  selbst  mit  Hilfe  von  etwa  60  Schwarzen  erbauen 
Balken  und  Bretter  waren  nicht  vorhanden,  so  wurden  die  Gebäude 
aus  den  vorhandenen  Mitteln,  Baumstämmen,  Zweigen,  Rmdenbast, 
Hirsestroh,  Steppengras  und  Lehm  errichtet. 

Im  September  1906  erkrankte  der  in  Daressalam  tätige  Arzt  der 
Firma  und  reiste  nach  Europa  zurück.  Nun  wurde  der  bisherige 
Streckenarzt  nach  Daressalam  berufen  und  übernahm  das  seit  Maiz 
1906  dort  bestehende  Hospital  der  Firma.  Das  frühere  englische 


260 4 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


Konsul  haus  in  der  Akazienstrasse  war  von  der  Firma  gemietet  und 
fiir  die  Zwecke  des  Gesundheitsdienstes  eingerichtet  worden.  Im 
Erdgeschoss  links  vom  Eingang  'befand  sich  'das  Sprech¬ 
zimmer,  neben  diesem  das  Verbandzimmer  mit  den  Medi- 
ka meiden,  dahinter  der  Lagerraum.  Rechts  vom  Eingang  waren 
zwei  Zimmer  fiir  die  beiden  Arztgehilfen  und  ein  Esszimmer  für  die¬ 
selben.  Eine  1  reppe  hoch  war  wiederum  rechts  die  aus  3  Zimmern 
bestehende  Arztwohnung,  auf  der  anderen  Seite  waren  fünf  Kranken¬ 
zimmer  mit  dreimal  einem,  einmal  zwei  und  einmal  drei  Betten. 
Ausserdem  waren  im  Hause  4  Baderäume  mit  Duschen  und  3  Aborte 
mit  Wasserspülung.  Im  Hofraum  war  die  Küche  und  ein  Brunnen 
mit  reinem  Wasser. 

Nach  der  Akazienstrasse  zu  hat  das  Haus  eine  breite  Veranda,  die 
meist  von  der  kühlen  Seebrise  bestrichen  wird.  Dadurch  war  die 
Hitze  im  Hause  selten  sehr  hoch;  die  Tagestemperatur  bewegte  .sich 
meist  zwischen  17  und  30°  C.  Auch  von  Moskitos  war  nicht  viel 
zu  erdulden,  zudem  gehörten  die  im  Hause  gefangenen  Arten  fast  aus¬ 
schliesslich  der  Gattung  der  Kuliziden  an,  die  ja  für  Malariaübertragung 
nicht  in  Betracht  kommen. 

In  das  Hospital  wurden  die  Beamten  der  Firma  unentgeltlich,  die 
Unternehmer  gegen  einen  bestimmten  Satz  aufgenommen.  Der  poli¬ 
klinische  Betrieb  war  zeitweise  ein  ziemlich  reger.  Die  neu  ange- 
worbenen  Beamten,  die  aus  Südafrika  und  aus  Deutsch-Südwestafrlka, 
wo  die  Otavibahn  fertig  geworden  war,  ankamen,  mussten  auf  Taug¬ 
lichkeit  untersucht  werden.  Wasserproben,  die  von  der  Strecke  ein- 
gesandt  wurden,  gelangten  zur  Untersuchung;  dabei  leistete  der 
Giemsa  sehe  Wasiserpriifungsikasten  gute  Dienste.  Von  allen  fieber¬ 
haft  Erkrankten  wurden  Blutproben  entnommen  und  mikroskopisch 
untersucht.  Ferner  kamen  Hautkrankheiten,  rheumatische  Erkran¬ 
kungen,  Geschlechtskrankheiten,  Verdauungsstörungen  und  kleinere 
\eiletzungen  zahlreich  zur  Behandlung.  Die  aus  dem  Aufstandsgebiet 
der  Firma  überwiesenen  schwarzen  Arbeiter  waren  durch  die  kriegeri¬ 
schen  Unruhen  und  Hungersnöte  sehr  heruntergekommen,  erholten  sich 
aber  durch  die  gute  Verpflegung  von  seiten  der  Firma  mit  Reis  und 
Fleisch  ziemlich  rasch;  um  sie  vor  den  in  der  Regenzeit  häufigen  Er¬ 
kältungski  ankheiten  zu  schützen,  wurden  auf  Veranlassung  des  Arzte'S 
wollene  Decken  an  sie  abgegeben.  Viele  der  schwarzen  Arbeiter 
litten  an  den  bekannten  grossen  Beingeschwüren.  Meist  wurden  diese 
Geschwüre  mit  Sublimatverbänden  gereinigt  und  dann  mit  Jodoform 
weiter  behandelt.  In  der  letzten  Zeit  wurden  sie  einfach  mit  Zucker 
bestreut  und  dann  verbunden  und  auch  bei  dieser  Behandlung  konnte 
eine  ziemlich  rasche  Reinigung  der  Wundfläche  und  gute  Granulation 
beobachtet  werden.  Vielleicht  spielt  hierbei  der  aus  dem  Zucker 
durch  Gärungserreger  entstehende  Alkohol  eine  Rolle  als  Heilfaktor; 
es  wäre  wünschenswert,  wenn  dieses  Verfahren  gelegentlich  von 
anderen  Kollegen  nachgeprüft  würde. 


Unter  der  Sandflohplage  haben  die  Schwarzen  häufig  zu  leiden. 
.  enn  /das  Sandflohweibchen,  das  sich  unter  die  Haut  einbohrt  und 
hier  bis  zu  Erbsengrösse  heranwächst,  nicht  sehr  vorsichtig  entfernt 
wird,  so  kommt  es  zu  schweren  Eiterungen  und  mancher  Schwarze 
hat  bei  seiner  Gleichgültigkeit  dagegen  eine  Zehe  verloren.  Die 
Ankyloistomiasis,  der  besonders  in  den  Pugubergen  viele  Schwarze 
zuni  Opfer  fallen,  wurde  mit  I  hymol  'bekämpft.  Gegen  die  sehr  häufige 
1  ropendysenterie  wurde  nach  gründlicher  Darmentleerung  durch  Ka- 
lomel  das  Mercksche  Ipecacuanha  deemetinisata  mit  gutem  Erfolge 
gegeben.  Bilharzia  kam  nur  in  vereinzealten  Fällen  zur  Beobachtung, 
negen i  Frambösie  war  die  von  den  Eingeborenen  geübte  Auftragung 
einer  Kupiersulfatpaste  das  sicherste  Mittel.  Bronchitis  und  Enteritis 
traten,  zuma  in  der  Regenzeit,  zahlreich  auf.  Daneben  kamen  viele 
klemere  Verletzungen  zur  Behandlung.  Schwarze,  die  der  Kranken¬ 
hausbehandlung  bedurften,  wurden  dem  Sewa-Hadji-Hospital  über- 
viesen^  Grössere  Unglücksfälle  kamen  glücklicherweise  ganz  selten 
vor.  Zur  Vornahme  grosser  Operationen  wurden  die  betreffenden 
üuSS  u'das  trefflich  eingerichtete  Gouvernementskramkenhaus 
F  v  l  !  •  in  n  ln  DarT^ssaTlam  jeweils  anwesenden  Militärärzte,  Dr. 

-  x  ne  i ,  Dr.  G  ross,  Dr.  B  r  e  u  e  r  und  Dr.  Fabry  waren  im  Falle 
der  Abwesenheit  des  Bahnbauarztes  auf  Streckenbereisung  in  z-u 
vorkommender  Weise  zu  dessen  Vertretung  bereit  Ebenso  war  in 
dem  durch  Robert  Kochs  Forschungen  über  das  Schwarzwasser- 

essor  >  nn  gewordenen  Gouvernementslaboratorium  Herr  Pro- 
ressor  Dr.  Ollwig  jederzeit  ein  gütiger  Berater 

VcrsÄÄ  ITj, f  "PÄ!“  ärztlichen  Tätigkeit,  machte  die 

liehe  Ar  eh  l«e  Hk?  m'‘Med'kf.men‘en  “nt>  Verbandstoffen  ziem- 
liehe  Arbeit  Die  Heilgehilfen  hatten  Baracken  zur  Unterbringung 

Tn’cenrdcfwoch?CdiWarZS'VerriCl,"et,,m<I  besuchte"  an  bestimmten 
i  i  a  i  o  h  die  naheliegenden  Lager  um  dort  die  Kranken  zu 
e handeln.  So  wurde  ständig  eine  grosse  Menge  von  Arzneien  und 

!L' raÄS“.anse,?t<1trt-  Die  Unternehmer  erhielten  die  Ar  "„eien 
/um  .  elbstkostenpreis,  das  Chinin  sogar  ganz  umsonst  Das  Chinin 
nehmen  an  drei  aufeinanderfolgenden  Tagen  machte  ziemliche  Be¬ 
schwerden,  wie  Mattigkeit,  Schwindelgefühl,  Zittern  Durchfall 
wnrde  die  Prophylaxe  dahin  abgeändert,  dass k önftte  an  7 

ä  nF  ’  F,Cbt  W'e  bisher  a"  iedem  8-  9.  und  10.  Tage  5  mal 

S€i-  Dem 

L  Trinke  nie  ungekochtes  Wasser  (Dysenterie!) 

-  Lass  eine  Verstopfung  nie  länger  als  einen  Tag  anstehen! 


3.  Schlafe  nie  in  Rasthäusern  oder  Negerhütten  (Rückfallfieber') 
4‘  pei  Schwarzwasserfieber  (Blutharnen)  trinke  sehr  viel  Wasser 
leichten  heissen  Thee,  gegen  das  Erbrechen  nimm  6  Tropfen 
Jodtinktur  in  A  Liter  Wasser  schluckweise.  Kein  Chinin' 
Rufe  den  Arzt! 

5.  Bei  blutigem  Durchfall  iss  mir  Schleimsuppen  und  Milch.  Bett¬ 
ruhe,  Leib  warm  halten!  Rufe  den  Arzt! 

6.  Schütze  am  Abend  die  Fiisse  vor  Moskitostichen  (keine  Halb¬ 
schuhe!) 

7.  Setze  Dich  nie  mit  schweissgetränkten  Kleidern  in  die  Zugluft' 
o.  Schlafe  nur  unter  dicht  schliessendem  Moskitonetz! 

,,  ii  D!e.f|ir  die  Beamten  auf  der  Strecke  zusammengestellten  Apo¬ 
thekenkasten  enthielten  vor  allem  die  Medikamente,  die  der  Beamte 
wünschte  und  mit  denen  er  umzugehen  wusste;  alles  weitere  wäre 
für  ihn  nutzloser  Ballast  gewesen.  Solch  ein  Apothekenkasten  ent- 
Inelt  fiir  gewöhnlich:  Lysol,  Sublimat,  Jodoform,  graue  Salbe,  Benzin 
Jodtinktur,  Kampherspiritus,  Bleiwasser  oder  esisigsaure  Tonerde’ 
übermangansaures  Kalium,  Chinin,  Opiumtinktur,  Ipecacuanha  dee¬ 
metinisata,  Rizinusöl,  Kalomel,  Zinksulfat,  Borsalbe,  Salizylstreu- 
puder,  Guttapercha,  Verbandgaze,  Gaze-  und  Amerikanobinden 
Ihermometer,  Chinimkalender,  Tripperspritze,  Suspensorium,  das  vom 
Reichsgesundheitsamt  herausgegebene  Gesundheitsbüchlein  und  in 
einzelnen  Fällen  auch  ein  kleines  Taschenbesteck.  Die  Medikamente 
waren,  soweit  tunlich,  bereits  dosiert.  Grosse  Sorgfalt  muss  bei  sol¬ 
chen  Zusammenstellungen  auf  die  genaue  Bezeichnung  der  Medika- 
mente  mit  Gebrauchsanweisung,  sowie  auf  Handlichkeit  und  Ueber- 
sichtlichkeit  der  ganzen  Apotheke  verwandt  werden,  damit  der  Beamte 
ahes  rasch  findet  und  wieder  an  den  bestimmten  Platz  zurückstellt. 
Die  G  äser  müssen  guten  Korkenverschluss  oder,  bei  Glasstöpsel- 
Verschluss,  eine  Drahtsicherung  haben.  Die  einzelnen  Fächer  in  dem 
Blechkasten  werden  am  besten  nicht  aus  Blech  zusammengelötet,  son¬ 
dern  aus  W  ellpappe  hergestellt,  weil  dann  auch  ein  anderes  Gläser¬ 
tormat  als  das  ursprüngliche  Verwendung  finden  kann.  Der  Blech¬ 
kasten  selbst  muss  in  einer  Holzkiste  verpackt  sein  und  wird  so  vor 
zu  starker  Sonnenbestrahlung  wie  vor  Beschädigung  geschützt. 
Solche  Apothekenkisten,  die  sich  jeder  selbst  zusammenstellen  kann 
sind  um  vieles  billiger  als  die  bekannten  Kade  sehen  Apotheken 
und  haben  nur  den  einen  Nachteil,  dass  sie  keine  Gummidichtung 
besitzen,  also  nicht  ins  Wasser  fallen  dürfen.  Wir  haben  auch  eine  bis 
zum  J  anganjikasee  ziehende  Eisenbahnerkundungsexped'ition  mit  sol¬ 
chen  Apotheken  ausgerüstet. 

Diese  Apotheken  wurden  bei  den  Streckenbereisungen  besichtigt 
und  ergänzt.  s 

Zur  Erholung  nach  angestrengter  Wochenarbeit  diente  die  Jagd- 
ferner  war  in  einem  grösseren  Lager  ein  Reck  und  eine  Kegelbahn 
errichtet;  auch  eine  ins  Leben  gerufene  Streckenbibliothek  erfreute 
sich  regen  Zuspruchs. 

•  Pie  J?.!,r;ekrtion  der  Firma  kam  den  ärztlichen  Vorschlägen  in  den 
meisten  Fallen,  wenn  auch  manchmal  zögernd,  nach,  nahm  die  zur 
Krankheitsverhutung  notigen  Anschaffungen  von  Filtern,  Wolldecken 
usw  vor  und  lies s  zumal  bei  Beschaffung  der  nötigen  Arzneien,  Ver- 
bandstoffe  und  anderer  Hilfsmittel  zur  Krankenpflege  völlig  freie 
Hand;  die  Heilgehilfen  zeigten  bei  ihrer  selbständigen  Tätigkeit  volles 
Verständnis  für  das  -ihnen  geschenkte  Vertrauen.  So  kann  der  Ge¬ 
sundheitsdienst  mit  Befriedigung  auf  seine  Tätigkeit  zurückblicken: 
der  Gesundheitszustand  der  Beamten  und  Arbeiter  beim  Bahnbau 
Daressalam-Morogoro  konnte  als  ein  zufriedenstellender,  ja  als  ein 
guter  bezeichnet  werden. 


- - . — _ _ 

Die  Stellung  Josef  Gossmanns  im  ärztlichen 

Standesleben. 

Josef  Go  ss  mann  ist  am  17.  Oktober  1907  gestorben 
Kollege  Grassmann  hat  dem  geschiedenen  Freunde  in 
diesen  Blättern  mit  schwungvollen  Worten  ein  Denkmal  gesetzt 
~  aeie  perennius.  Es  lag  in  der  Natur  dieses  Nachrufes 
dass  er  besonders  dem  herrlichen  Menschen  und  begeisterten 
Künstler  gerecht  wurde  und  Gossmanns  Stellung  im  ärzt¬ 
lichen  Standesleben  nur  kurz  streifte. 

...  dem  Stieit  der  sich  widerstrebenden  Standesgegen- 
satze  ragt  die  Persönlichkeit  Gossmanns  wie  eine  Licht¬ 
gestalt  hervor;  Mahnrufe  richtend  an  alle,  die  es  angeht.  Der 
-chreiber  dieser  Zeilen  hat  jahrelang  mit  Gossmann  in  an¬ 
regendem  Gedankenaustausch  gestanden.  Es  ist  selten  eine 
Woche  vergangen,  in  der  nicht  irgend  ein  Stück  der  ärztlichen 
Ethik  an  den  zahlreichen  sich  darbietenden  Beispielen  erörtert 
worden  wäre.  Es  drängt  mich,  den  Kollegen  von  diesen 
meinen  Erinnerungen  zu  berichten  und  aus  ihnen  die  Nutz- 

2e?dung  Aauf  4  unse/e,  heutigen  deutschen  und  besonders 
Münchener  Aerzteverhältnisse  zu  ziehen 

ti,fTaFwnneKte  Wbsen  Gossmanns  wurzelte  in  einer 
m  ,  thi i  furcht  vor  den  Wunderwerken  der  Natur  und  einer 
hohen  Begeisterung  vor  der  Schönheit  sowohl  wie  vor  der 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2605 


Zweckmässigkeit  ihrer  Einrichtungen.  Im  ständigen  Verkehr 
mit  ihr,  bei  seinen  Wanderungen  durch  Berg  und  Tal,  bei 
seinen  Beobachtungen  am  Krankenbette,  bei  den  vielfachen 
Berührungen,  die  er  auf  der  Praxis  Pfaden  mit  zahlreicher 
Menschen  Charakteren  und  Eigentümlichkeiten  hatte,  lernte  er, 
wie  vortrefflich  alles  geordnet  und  geregelt  sei,  und  wie  unend¬ 
lich  klein  dem  mächtigen  Walten  der  Natur  gegenüber  mensch¬ 
liches  Schaffen  erschien.  Nichts  Schöneres  kannte  er,  als  auf 
hoher  Bergeshalde,  den  weiten  blauen  Himmel  über  sich,  den 
Blick  weit  hinaus  schweifen  zu  lassen,  hinaus  über  die  Unmasse 
der  Gipfel  bis  in  die  ferne  Ebene.  Lernte  er  doch  dabei,  sich 
bei  den  täglichen  Geschäften  des  Lebens  nicht  zu  verrennen  in 
das  nächstliegende  Kleine  und  Unbedeutende,  sondern  sich 
einen  weiten  Blick  zu  bewahren  für  alles  Grosse  und  Schöne, 
in  allein  Geschehen  der  Ewigkeit  unwandelbare  Gesetze 
wieder  aufzufinden.  Und  noch  ein  drittes  gewann  er  aus  seinen 
Wanderungen  und  brachte  es  freudeerfüllt  jährlich  mit  nach 
Haus:  die  Ueberzeugung  einmal,  dass  Energie  und  Ausdauer 
sich  an  die  höchsten  Aufgaben  wagen  dürfen,  und  die  grösste 
Achtung  vor  allen  denen,  die  mit  Zähigkeit  und  Wagemut  ide¬ 
alen,  wenn  auch  fernen  Zielen  nachstreben.  Wenn  er  noch  als 
nahezu  60  Jähriger  den  Grossglockner  und  die  Zugspitze 
begeisterungsfroh  bestieg,  so  gewann  er  in  strenger  Arbeit  an 
steiler  Bergwand  ein  Verständnis  dafür,  wie  hoch  im  Leben 
jede  ernste  Arbeit  und  redliche  Mühe  zu  bewerten  sei.  — 

Die  Beschäftigung  mit  der  Zweckmässigkeit  der  natürlichen 
Lebenseinrichtungen  bedingte  seine  konservative  Auffassung  in 
der  Medizin.  Der  durch  die  Selbsthilfe  der  Natur  verursachte 
spontane  Durchbruch  eines  appendizitischen  Abszesses  nötigte 
ihm  grössere  Bewunderung  ab,  als  die  mit  der  feinsten  Technik 
ausgeführte  Exstirpation  eines  kranken  Blinddarms.  Die 
Aeusserungen  einer  jeden  Krankheit  waren  ihm  immer  nur  die 
Zeichen,  wie  die  Natur  überall  bestrebt  ist,  alle  in  den  Körper 
eingedrungenen  Schädlichkeiten  auf  die  einfachste  Weise 
wieder  herauszuschaffen.  Fieber,  Entzündungen,  Eiterungen 
schienen  ihm  wohltätige  Einrichtungen,  geeignet,  den  Körper 
von  der  Krankheit  zu  befreien.  Die  Natur  in  ihrem  weisen 
Walten  nicht  zu  stören,  schien  ihm  'die  höchste  Aufgabe  des 
Arztes  zu  sein.  Seine  Verordnungen  beschränkten  sich  in  der 
Regel  nur  auf  das  Allernotwendigste. 

Die  Wahrheit  suchend  und  überall  bekennend,  hätte  er  es 
nicht  fertig  gebracht,  jemals  den  Kranken  mit  unaufrichtigen 
und  scharlatanartigen  Redensarten  abzuspeisen.  Ruhig  und 
bis  aufs  letzte  Pünktchen  offen  legte  er  die  Krankheitsverhält¬ 
nisse  seinen  Kranken  dar.  Und  darin  liegt  das  Geheimnis 
seiner  ausserordentlich  erfolgreichen  Tätigkeit. 

Auch  die  Aeusserungen  des  ärztlichen  Stan¬ 
deslebens,  wie  sie  in  den  letzten  sechs  Jahren  sich  ihm  dar¬ 
stellten,  konnte  er  als  feinsinniger  Naturforscher  nur  von  ihrem 
Zweckmässigkeitsstandpunkte  aus  betrachten.  Selbst  mit 
offenem  Sinn  für  alles,  was  den  Stand  bedrückte,  begabt,  hatte 
er  doch  nie  aktiv  oder  in  führender  Stellung  sich  am  Standes¬ 
leben  beteiligt.  Der  Niedergang  des  ärztlichen  Standes  hatte 
auch  ihn  tief  betrübt,  er  sah  aber  selbst  keinen  Ausweg  aus 
der  uns  alle  bedrängenden  Not.  Die  Aerztetage  mit  ihren  viel¬ 
fachen  Entschliessungen  und  Anträgen,  wie  sie  sich  bis  zum 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  immer  wiederholten,  schienen  ihm 
nur  die  Tage  der  frommen  Wünsche,  der  verpassten  Gelegen¬ 
heiten.  Wie  dann  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  unter  Hart¬ 
manns  Führung  machtvoll  die  Sturm-  und  Drangperiode  ein¬ 
setzte,  die  uns  besseren  Verhältnissen  entgegen  führen  sollte, 
da  erkannte  er  in  ihr  den  Eliminationsprozess,  der  dazu  dienen 
musste,  die  faulen  Teile  aus  unserem  Fleisch  durch  die  Selbst¬ 
hilfe  zu  entfernen.  Dass  es  bei  solchen  Abstossungsprozessen 
oft  zu  sehr  beträchtlichen  Aeusserungen  der  natürlichen  Lebens¬ 
kräfte  kommt,  war  ihm  wohlbekannt.  Um  einen  Sequester, 
um  einen  Seidenfaden  mehren  sich  die  Granulationen  in  über¬ 
schüssiger  Weise.  Ist  ihnen  ihr  Werk  der  Ausstossung  ge¬ 
lungen,  so  sorgt  die  Natur  alsbald  dafür,  dass  sie  auf  ihr  rich¬ 
tiges  Mass  wieder  zurückgedrängt  werden.  So  sah  auch 
Gossmann  in  den  energischen  Bestrebungen  der  allerorts 
sich  mächtig  rührenden  radikalen  Bewegung  den  Reinigungs¬ 
prozess,  der  uns  aus  der  Not  der  Krankenkassengesetzgebung 
herausführen  musste.  Freudig  begrüsste  Gossmann  die 
junge  Bewegung,  wenn  er  sich  auch  mit  vielen  ihrer  Ziele  und 

No.  52. 


noch  mehr  mit  vielen  ihrer  Mittel  nicht  einverstanden  er¬ 
klären  konnte.  Er  wusste  aber,  dass  aus  dem  Kampf  und 
Drang  sich  etwas  Gutes  herausbilden  würde,  dass  der  gärende 
Most  zum  Schluss  einen  guten  Wein  geben  müsse.  Für  ihn 
bestand  kein  Zweifel,  dass  die  unerfreulichen  Erscheinungen, 
die  die  Umwälzung  der  bestehenden  Verhältnisse  gezeitigt  hatte, 
von  einer  zielbewussten,  ruhig  denkenden  Aerzteschaft  nach 
kurzer  Zeit  wieder  zum  Verschwinden  gebracht  würden. 

Gossmann  war  einer  der  wenigen,  oder  man  kann  fast 
sagen,  der  einzige  ältere  Münchener  Arzt,  der,  als  es  hiess,  die 
freie  Arztwahl  für  München  zu  erobern,  fröhlich  mit  in 
die  Reihen  trat  und  sich  den  jüngeren  Kollegen  anschloss.  Das 
ist  eine  Ruhmestat,  die  ihm  unvergessen  bleiben  wird,  unver¬ 
gessen  um  so  mehr,  als  er  auch  nach  erfolgreichem  Kampfe 
nicht  die  Waffen  niederlegte,  sondern  eifrig  sich  an  der  Festi¬ 
gung  und  dem  Ausbau  des  Erreichten  beteiligte.  Als  lang¬ 
jähriger  Vorsitzender  der  Honorarkommission  legte  er  den 
Grund  zu  der  hohen  Bedeutung,  welche  diese  unsere  wichtigste 
Kontrolleinrichtung  für  die  freie  Arztwahl  hat,  schaffte  er 
sichere  Grundsätze,  die  im  wesentlichen  heute  noch  im  vollen 
Ansehen  stehen.  Wirtschaftlich  an  den  Erfolgen  der  freien 
Arztwahl  vollkommen  unbeteiligt,  betrachtete  er  sie  aus¬ 
schliesslich  vom  ethischen  Gesichtspunkte  aus  und  widmete 
ihr  mit  Eifer  und  Geschick  seine  freie  Zeit  in  strenger  Pflicht¬ 
erfüllung.  Während  der  Schreiber  dieser  Zeilen  die  segens¬ 
reiche  Tätigkeit  Gossmanns  vor  seinem  geistigen  Auge 
vorüber  ziehen  lässt,  geschieht  das  nie,  ohne  dass  sich  Ge¬ 
danken  der  Trauer  und  der  Bitterkeit  in  die  freudige  Empfin¬ 
dung  hinein  mischen.  Gossmann  blieb  lange  Zeit  nahezu 
der  einzige  von  den  vielen  älteren  erprobten  Kräften,  die  in  der 
Münchener  Aerzteschaft  berufen  gewesen  wären,  an  diesem 
stolzen  Gebäude  der  freien  Arztwahl  mitzuarbeiten.  Es  ist 
hier  nicht  der  Ort,  auf  die  unglückselige  Spaltung  in  der 
Münchener  Aerzteschaft  näher  einzugehen,  und  doch  kann  ich 
die  Gelegenheit  nicht  vorüber  gehen  lassen,  ohne  darauf  hin¬ 
zuweisen,  dass  eine  positive  Mitarbeit  bei  den  neuen  Bestre¬ 
bungen  auch  für  diejenigen  Aerzte  möglich  gewesen  wäre,  die 
ebenso  wie  Gossmann,  aber  nicht  mehr  wie  er  die  ethischen 
Bestrebungen  in  die  allererste  Linie  unseres  Standeslebens 
stellten.  Gossmann  setzte  sich  mutig  allen  über  Mass  und 
Ziel  hinausgehenden  Forderungen  entgegen,  und  oft  bin  ich 
Zeuge  gewesen,  wie  er  frank  und  frei  in  der  Bezirksvereins¬ 
vorstandschaft  seiner  Ueberzeugung  Ausdruck  gegeben  hat. 
Hätte  er  einen  kräftigen  Rückhalt  in  der  Mitgliederversammlung 
gehabt,  ich  bin  überzeugt,  wir  hätten  schon  seit  langem  wieder 
geordnete  Standesverhältnisse  in  München  erreicht. 

Die  ethische  Hebung  des  Standes  ging  ihm,  wie 
schon  rqehrfach  hervorgehoben,  über  alles.  Die  Besserung  der 
finanziellen  Verhältnisse,  wie  sie  jetzt  wohl  allzu  sehr  in  den 
Vordergrund  gestellt  wird,  schien  ihm  dazu  eine  notwendige 
Voraussetzung.  Niemals  aber  würde  er  dafür  eingetreten  sein, 
dass  sie  bei  schwierigen  Verhältnissen  um  jeden  Preis  zum 
Gegenstand  des  Kampfes  gemacht  worden  wären.  Die  Be¬ 
freiung  aus  der  Knechtschaft  der  Kassen¬ 
vorstände,  die  Sicherung  des  Arztes  vor  un¬ 
begründeten  Kündigungen,  die  Möglichkeit 
dieärztlicheTätigkeitauszuüben,  womann  ur 
immer  wollte,  das  waren  die  Grundsätze,  von  denen  sich 
Gossmann  leiten  liess.  Und  dass  diese  Bestrebungen  nur 
ausgeübt  werden  durften  im  strengsten  Rahmen  der  Kol¬ 
legialität,  das  ist  nach  allem,  was  ich  vorher  erwähnt  habe, 
selbstverständlich:  Kollegialität  innerhalb  der  Grenzen  der 
freien  Arztwahl,  und  Kollegialität  denjenigen  Kollegen  gegen¬ 
über,  die  sich  zu  den  Grundsätzen  der  freien  Arztwahl  noch 
nicht  hindurch  gearbeitet  haben!  Gossmann  war  durch 
seine  konziliante  Natur  an  und  für  sich  vor  allen  Schärfen  und 
Spitzen  gegen  Kollegen  gesichert.  So  bestimmt  er  seiner  Auf¬ 
fassung  Ausdruck  geben  konnte,  seine  gesellschaftliche  und 
Herzensbildung  liess  niemals  irgend  eine  Unhöflichkeit  und 
Rauhigkeit  in  der  Form  aufkommen.  Auch  wusste  er  wohl:  Eine 
zahlreiche  Vereinigung  von  Aerzten,  denen  man  gewiss  mit 
Recht  eine  grosse  Selbständigkeit  und  Eigenwilligkeit  nachsagt, 
lässt  sich  reglementieren  und  disziplinieren.  Fortiter  in  re, 
|  suaviter  in  modo! 

4 


2606 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


So  sehr  die  freie  Arztwahl  verlangt,  dass  die  Schutzmass- 
regeln  und  Kontrollcinrichtungen  bis  ins  feinste  hinein  aus¬ 
gearbeitet  werden,  so  sehr  verlangt  der  ärztliche  Takt,  bei  allen 
Mahnungen  und  Vorstellungen  an  die  Kollegen  in  der  ruhigsten 
und  höflichsten  Weise  vorzugehen.  Aehnliches  gilt  niutatis 
mutandis  für  die  ausserhalb  der  Bestrebungen  für  freie  Arzt¬ 
wahl  stehenden  Aerzte.  Es  gab  eine  Zeit,  wo  auch  ruhig 
denkende  Kollegen  die  freie  Arztwahl  bei  allen  anderen  Kassen, 
zumal  bei  den  staatlichen,  mit  allen  radikalen  Mitteln  erkämpfen 
zu  müssen  glaubten.  Qossmann  hat  selbst  vor  diesem  ex¬ 
tremen  Standpunkt  stets  gewarnt,  die  Erfahrung  hat  ihm  Recht 
gegeben.  Das  Programm,  auf  das  vor  jetzt  5  Jahren  die  Vor¬ 
standschaft  des  Bezirksvereins  gewählt  wurde,  nämlich  die 
freie  Arztwahl  bei  den  staatlichen  Kranken¬ 
kassen  mit  allen  gesetzlichen  Mitteln  zu  erkämpfen,  ist  auch 
heute  noch  nicht  erfüllt,  und  wenn  nicht  alle  Zeichen  trügen, 
hat  auf  der  ganzen  Linie  eine  grosse  Resignation  Platz  ge- 
gegriffen.  Wo  die  Ursache  dieses  Misserfolges  liegt,  will  ich 
nicht  untersuchen.  Dass  sie  nicht  zum  mindesten  bei  den  Bahn¬ 
ärzten  liegt,  die  ihren  passiven  Widerstand  gegen  die  freie  Arzt¬ 
wahl  nie  aufgegeben  haben,  ist  zweifellos,  und  dass  bei 
grösserer  Zurückhaltung  und  bei  mehr  gemässigtem  Vorgehen 
auf  der  Gegenseite  unsere  Erfolge  besser  gewesen  wären,  er¬ 
scheint  mir  ebenso  sicher.  Für  mich  steht  heute  fest,  dass  wir 
von  der  Einführung  der  freien  Arztwahl  in  Bayern  mehr  ent¬ 
fernt  sind  denn  je.  Nachdem  der  Leipziger  Verband  im  vorigen 
Jahre  für  alle  etwa  freiwerdenden  Bahnarztstellen  vorüber¬ 
gehend  die  Sperre  verhängt  hat,  hat  er  vor  kurzem  erklären 
lassen,  dass  gegen  den  Willen  der  bisher  beteiligten  Kassen¬ 
ärzte  die  freie  Arztwahl  nicht  eingeführt  werden  darf,  und 
einer  unserer  verdienstvollsten  Münchener  Führer  hat  schon 
vor  längerer  Zeit  ausgesprochen,  dass  ihm  die  Einführung  der 
ireien  Arztwahl  gegen  den  Willen  der  Bahnärzte  unmöglich  er¬ 
scheine.  Auch  G  o  s  s  m  a  n  n  hat  dieser  Ueberzeugung  stets 
Ausdruck  verliehen  und  mit  beredten  Worten  vor  allen  über  das 
Mass  hinausgehenden  Bestrebungen  gewarnt.  Es  sind  jetzt 
2  Jahre  her,  dass  es  in  einer  Sitzung  der  Vorstandschaft  des 
Bezirksvereins  zu  besonders  heftigen  Auseinandersetzungen 
kam,  und  dass  Gossmann  in  der  Erregung  die  von  manchen 
Kollegen  eingeschlagenen  Wege  mit  einem  kräftigen  Ausdruck 
belegte. 

An  jenem  selben  Abend  geschah  es,  dass  Gossmann 
zum  ersten  Male  von  einem  schweren  Anfall  von  Angina  pec¬ 
toris  ergriffen  wurde,  der  er  nach  qualvollem  Leiden  2  Jahre 
später  zum  Opfer  gefallen  ist.  Es  war  de  letzte  Sitzung,  der 
Gossmann  überhaupt  beigewohnt  hat. 


Die  hohe  Auffassung,  die  Gossmann  vom  ärztlichen  Be¬ 
im  hatte,  befähigte  ihn  in  hohem  Masse,  erzieherisch  auf  die 
jungen  Kollegen  zu  wirken.  An  seinem  Beispiel,  an  seinen 
goldenen  Worten  konnten  wir  uns  alle  bilden;  er  war  wie  kein 
zw  eitei  berufen,  eine  ärztliche  Ethik  für  unseren  jungen 
Nachwuchs  zu  schreiben.  Oft  habe  ich  ihn  aufgefordert,  seine 
Auflassungen  und  Anschauungen  als  letztes  Vermächtnis  nieder- 
nreiben;  er  schien  nicht  abgeneigt,  diesem  Ansinnen  zu 
w  llltahren  leider  hinderte  eine  höhere  Gewalt  die  Ausführung 
des  1  lanes.  Ihm  war  der  Arzt  in  erster  Linie  ein  Diener  der 
Menschheit,  der  sein  eigenes  Ich  erst  in  zweiter  Linie  zu  be- 
i  licksichtigen  hatte.  Um  die  Arbeit  an  unseren  kranken  Mit- 
men sehen  in  bester  Weise  leisten  zu  können,  schien  ihm  ein 
medfertiges,  kollegiales  Zusammenarbeiten  aller  Aerzte  not¬ 
wendig.  Für  die  ungeschriebenen  Gesetze  unserer  ärztlichen 
Standesordnung  verlangte  er  gewissenhafte  Erfüllung.  So 
streng"  ei  gegen  sich  selbst  war,  und  so  genau  er  wegen  des 
kleinsten  Verstosses  gegen  sich  selbst  zu  Gericht  ging  so  ver¬ 
langte  er  eine  sorgfältige  Befolgung  aller  Standesregeln  auch 
\  on  seinen  Kollegen.  Als  langjähriger  Ehrenrichter  hat  er  über 
zahlreiche  ärztliche  Ehrenhändel  zu  beschliessen  gehabt  und 

"einer  FntthllfH™  entfe™testen  ein  Zweifel  an  der  Richtigkeit 
suner  Entscheidungen  und  an  seiner  Loyalität  laut  geworden. 

wäreQerUprdindeS  f  ^  ?ntgegen  gebrachten  Vertrauens 

wäre  er  er  in  erster  Lime  berufen  gewesen,  in  unseren  unglück¬ 
lichen  arz  liehen  Meinungsverschiedenheiten  zu  vermitteln  und 
seinem  Einfluss  wäre  es  auch  vielleicht  gelungen,  was  alle 

^ege'gebradiThaben  ^in*SUnSSk0mnliSS*Onen  bisher  nicht  211 


Das  Geschick  hat  es  anders  beschlossen:  Josef  Goss- 
m  a  n  n  ist  tot!  Wer  tritt  sein  Erbe  an?  Ein  Einziger  wird  es 
nicht  sein,  aber  im  Aufschauen  zu  dem  Beispiel  Josef  Goss- 
in  a  n  n  s  müssen  sich  die  Gegensätze  mildern  und  muss  die 
Ueberzeugung  Platz  greifen,  dass  wir  nicht  dazu  da  sind,  zu 
zeigen,  was  uns  trennt,  sondern  zu  bekennen,  was  uns  eint  und 
uns  zusammen  zu  schliessen  zur  Betätigung  strenger  Kol¬ 
legialität  und  wahrer  Menschenfreundlichkeit.  Der  Mahnruf 
ergeht  an  die  Alten  und  die  Jungen:  Lernt  an  Gossmanns 
Beispiel,  wie  man  vereinigen  kann  jugendliche,  manchmal  iiber- 
quellende  Schaffensfreudigkeit  auf  der  einen  Seite,  weise  be¬ 
dachtsame  Zurückhaltung  und  Mässigung  auf  der  anderen  Seite! 

K  r  e  c  k  e. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Generalbericht  über  die  Sanitätsverwaltung  im  Königreich 
Bayern,  herausgegeben  vom  K.  Staatsministerium  des  Innern. 
35.  Band,  das  Jahr  1904  umfassend.  334  Seiten  und  64  Seiten 
Tabellen,  mit  6  Kartogrammen  und  4  Diagrammen.  München 
1907.  Bassermann.  10  M. 

,  Die  bayerischen  Sanitätsberichte  zeichnen  sich  von  denen 
anderer  Staaten  durch  die  Vollständigkeit  aus,  mit  der  sie  ein 
Bild  der  hygienischen  Zustände  des  Volkes,  namentlich  durch 
ausführliche  Mitteilung  der  Krankheits-  und  Sterblichkeitsver¬ 
hältnisse  geben.  Auch  der  praktische,  nicht  nur  der  amtliche 
Arzt  muss  dafür  dem  Staate  dankbar  sein;  auch  er  fühlt  heut¬ 
zutage  immer  mehr  die  Pflicht,  sich  mit  öffentlicher  Gesund¬ 
heitspflege  zu  beschäftigen  und  dazu  hat  er  solche  Berichte 
als  Ausgangspunkt  und  Nachschlagebuch  nötig.  Braucht  es 
noch  einen  anderen  Nachweis  für  die  hohe  Bedeutung  der 
öffentlichen  Gesundheitspflege,  als  die  einfache  Tatsache,  dass 
heute  im  Deutschen  Reich  gegen  eine  halbe  Million  Menschen 
jährlich  weniger  sterben,  als  sterben  müssten,  wenn  die  Sterb¬ 
lichkeit  noch  die  gleiche  wäre,  wie  vor  40  Jahren?  Dabei 
kommen  die  Angaben  über  die  eigentliche  Sanitätsverwaltung, 
welche  seitens  anderer  Staaten,  wie  Preussen  und  Sachsen, 
wohl  im  Hinblick  auf  ihre  mangelhafte  Mortalitätsstatistik,  den 
Hauptteil  der  Berichte  ausmachen,  nicht  zu  kurz.  Es  ist  nur  zu 
bedauern,  dass  die  bayerischen  Sanitätsberichte  in  einem 
Punkte,  der  Zeit  der  Veröffentlichung,  nachstehen.  Darin  haben 
die  preussischen  und  sächsischen  einen  Vorsprung  von  minde¬ 
stens  1  Jahr  und  es  wäre  zu  wünschen,  dass  jener  Uebelstand, 
dei  besonders  für  die  Verwaltungszwecke  nicht  gleichgültig  ist 
möglichst  bald  gehoben  werden  könnte. 

UH  städtische  Bevölkerung  wird  im  Berichtsjahre  zu  nahezu  2 
die  land  iche  zu  4/a  Millionen  berechnet.  Die  Zahl  der  Geburten 
hl  hPr  ^i6!nhp  gewesen  wie  im  Vorjahre,  35,7  auf  1000  Lebende,  etwas 
d  h  PhL  ifreUf n',  Darunter  sind  immer  noch  12,6  Proz.  unehelich, 

nursSTn  TTnwr  a,S  mivbPkren  Deutschland;  in  der  Pfalz  sind  es 
in  Unterfranken  6%  Proz.  Die  Geburtszahl  hat  sich  in  den 
Städten  weiter  vermindert,  auf  31,7,  ist  dagegen  auf  dem  Lande  wie¬ 
der  etwas  gestiegen,  auf  37,4  und  selbst  etwas  höher  als  im  Jahre  1900. 
Die  S  t  e  r  b  1  i  c  h  k  e  i  t  war  mit  22,3  Prom.  die  bisher  niedrigste 

auf  852UÄSeprhftif+ '  nnf0iSeud+V02  hat  sich  der  'Geburtenüberschuss 
nfU/ivS  22a  k?  Die  h°chste  Sterblichkeit  hatten  wieder  Ober- 
Uap  ünd  Niederbayern:  27,2  und  26,6,  bei  'der  grössten  Geburten- 
zahl  die  niedrigste  Pfalz  und  Oberfranken  mit  18,8  und  20  Prom 
Der  Unterschied  der  Sterblichkeit  zu  gunsten  der  Städte  ist  dieses 

Lande610  Wemg  gennger;  sie  beträgt  20>6  in  der  Stadt,  23,3  auf  dem 

(bor  Bif  niiniodn?rSterblic  hkeit  war  23,9  auf  100  Lebendge¬ 
borene,  nur  1902  war  sie  noch  geringer,  23,3.  Da  sie  immer  noch 

einVRlihpt tnifmaSiS1S  T0Chn 1St-  s|lbst  ge^enüber  Preussen  mit  18,5  und 
fit  ?  ?  u  l  anderf  L?ndei‘  m  England  schon  im  letzten  Jahrzehnt  des 

L ä nder n  nn ° 0 ^7  hk ^ I ^^bj’chkeit  von  15,4  in  den  skandinavischen 
andern  von  9,7  bis  13,9  zeigt,  so  ist  es  wenigstens  ein  Trost,  dass 

*!.TJ;rhln  w*  111  Ba,yern  nach  und  nach  abnimmt:  noch  in  den 
/0  er  Jahren  hatte  sie  etwas  über  30  Proz.  betragen  Fs  ist  nlsn 

StaTtp^rUn<H  !he  ^utz!osigkeit  der  unausgesetzten  Bemühungen  des 
Staates  und  der  Aerzte,  namentlich  für  das  Selbststillen  zu  venkün- 

&  am  50  ™Lger  als  die  Sterblichkeit  in  Oberfranken  und  der 

mü  33  7  hil°Ci  l6h  +U”dt 16’  gegeuüber  den  3  bayerischen  Kreisen 
mit  33,7  bis  34,1  betragt.  Immerhin  erscheint  die  Grösse  und  der 

i  nst  der  Aufgabe,  wenn  man  berechnet,  dass  wenn  Bayern  dieselbe 
Kindersterblichkeit  hatte  wie  Norwegen,  schon  zu  Ende  des  vorigen 
dfbr2a?de,rts’.  32000  Kinder  mehr  am  Leben  geblieben  wären.  Aber 

n  ,r  Äab62!  I,ernei;hin  mehTr  eine  Aufgabe  des  ganzen  Volkes,  als 
nur  die  des  Staates,  der  seit  Jahrzehnten  dagegen  kämpft 

WihrPnl?  ipihc+r  rjist  diC  höcllste  Sterblichkeit  im  Zentrum  Bayerns, 
wahrend  selbst  der  ärmere  bayerische  Wald,  noch  mehr  der  arme 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2607 


Spessart  günstiger  gestellt  sind  und  neben  'den  fränkischen  Kreisen 
mid'der  nördlichen  Oberpfalz  auch  das  Voralpenland  im  Süden  eine 
Sterblichkeit  unter  20  Proz.  hat.  Die  Städte  haben  wie  gewöhnlich 
eine  niedrigere  Sterblichkeit  als  das  Land  für  die  ehelich  wie  für 
die  unehelich  Geborenen,  entgegengesetzt  den  preussischen  Verhält¬ 
nissen  Auf  dem  Lande  sind  jedenfalls  nicht  die  äusseren  Umstande, 
sondern  die  Menschen  daran  schuld.  Die  ungünstigeren  Zustände  sind 
jedenfalls  in  der  Stadt  mit  schlechteren  Wohnungen,  mangelndem 
Licht  schlechter  Ventilation,  an  sich  schwererem  Bezug  guter  Milch, 
grösseren  Hindernissen  des  Stillens  durch  Fabrikarbeit  usw.  Eine 
besondere  Tabelle  macht  wieder  auf  den  Zusammenhang  zwischen 
hoher  Säuglingssterblichkeit  und  geringer  Inanspruchnahme  ärztlicher 
Hilfe  aufmerksam.  Wo  letztere  bis  auf  10,  ja  5  Proz.  der  Gestoi- 
benen  herabsinkt,  da  ist  es  selbstverständlich,  dass  dies  und  die  damit 
bewiesene  Vernachlässigung  der  Kinder,  auf  welche  der  Staat  ja 
gar  keinen  direkten  Einfluss  haben  kann,  ihre  Sterblichkeit  selbst 
aUf  29—39  Proz.  in  die  Höhe  treiben  'kann.  Ueber  Kinderernährung 


siehe  unten. 

Todesursachen.  Während  die  Selbstmorde  seit  den  SO  er 
Jahren  wesentlich  gleich  geblieben  oder  eher  gestiegen  sind,  haben 
sich  die  Verunglückungen  trotz  der  Zunahme  von  Industrie 
und  Handel,  welche  immer  am  gefährdetsten  sind,  vermindert,  ge¬ 
wiss  z.  T.  infolge  besserer  Verhütung  der  Unfälle. 

Von  den  wichtigsten  Todesursachen  starben  auf  100  000  Lebende 
an  Tuberkulose  ohne  Unterschied  des  Organs  273,  Darmkatarrh 
der  Kinder,  ohne  Brechdurchfall  195,  Altersschwäche  183,  angeborener 
Lebensschwäche  176,  Herz-  und  Herzbeutelerkrankungen  134,  Brech¬ 
durchfall  125,  Neubildungen  110,  Hirn-  und  Hirnhauterkrankungen  94, 
Abzehrung  der  Kinder  93,  kruppöser  Lungenentzündung  83.  sonstigen 
Entzündungen  der  Lungen  und  des  Rippenfells  88,  Hirnschlagfluss  /4, 
an  sonstigen  Infektionskrankheiten,  Keuchhusten  29.  Masern  25,  Diph¬ 
therie  21,  Influenza  12,  Pyämie  usw.12,  Scharlach  9,  Kindbettfieber  6, 
Erysipel  5,  Gelenkrheumatismus  4,  Typhus  3Va,  Meningitis  cerebio- 
spinalis  1,  Ruhr  0,2,  dann  an  Unglücksfällen  24,  Selbstmord  14. 

Infektionskrankheiten.  Die  Todesfälle  waren  fast  durchweg  sel¬ 
tener  als  'in  den  früheren  Jahren.  Die  Tuberkulose  macht  noch  immer 
mehr  als  die  Hälfte  der  Gesamtmortalität  der  zusammengestellten  In¬ 
fektionskrankheiten  aus,  bei  denen  indessen  die  Pneumonie  wegge¬ 
lassen  ist.  An  Blattern  kam,  wie  in  den  beiden  Vorjahren  kein 
Todesfall,  nicht  einmal  eine  Erkrankung  vor.  Die  1  odestalle  an 
Scharlach  und  Masern  sind  etwas  seltener  gewesen  als  im 
Vorjahre.  Während  aber  beim  Scharlach  seit  Ende  der  70  er  Jahie 
eine  im  ganzen  gleichmässige  und  starke,  auf  eh1  /ieitel  hei  an¬ 
gehende  Abnahme  stattgefunden  hat.  so  dass  man  diese  als  eine  blei¬ 
bende  Errungenschaft  ansehen  darf,  schwankt  die  Sterblichkeit  an 
Masern  in  geringerem  Grade,  bald  zu-,  bald  abnehmend,  m  einei 
Weise,  dass  man  bis  jetzt  nicht  von  einer  deutlichen  entschieaenen 
Abnahme  reden  kann.  Die  Diphtherie  hat  den  nach  Einführung 
der  Serumtherapie  wahrnehmbaren  Rückgang  weiter  fortgesetzt.  Die 
Sterblichkeit  ist  nur  noch  1/e  von  der  im  Anfang  der  80  er  Jahie.  1  je 
Sterblichkeit  an  Keuchhusten  ist  gegen  das  Vorjahr  ganz  wenig 
vermindert,  doch  ist  sie  im  ganzen  seit  dem  Anfang  der  SO  er  Jahre 
auf  fast  die  Hälfte  zurückgegangen.  Die  Sterbefälle  an  Influenza 
haben  nach  der  beträchtlichen  Steigerung  im  Vorjahre  wieder  ange¬ 
nommen,  aber  -bei  den  grossen  Schwankungen  nach  Oben  oder  Unten 
kann  man  wohl  im  ganzen  von  einer  bedeutenden  Abnahme  gegenüber 
den  ersten  4  der  1890  er  Jahre  sprechen,  doch  kommen  zwischen 
den  besseren  Jahren  noch  immer  einzelne  von  welche  die  Hohe  jener 
Jahre  nahezu  oder  ganz  erreichen.  Dabei  ist  die  Verbreitung  im 
Lande  ausserordentlich  wechselnd:  die  Seuche  durchzieht  rasch  die 
Bezirksämter,  entgegengesetzt  z.  B.  dem  Verhalten  der  Diphtherie, 
deren  Kartogramm  sich  auch  im  Berichtsjahr  kaum  von  dem  mehierer 
unmittelbar  vorhergegangener  Jahre  unterscheiden  lasst.  Dm  Zahl 
der  Typhusfälle  ist  die  geringste  seit  1876.  Der  Typhus  hat.  in 
dieser  Zeit  sich  gleichmässig  auf  Vv,  d.  h.  so  vermindert,  wie  keine 
andere  Infektionskrankheit,  selbst  Diphtherie.  Es  ist  bemerkensweit, 
dass  die  Pfalz,  welche  im  Anfang  der  80  er  Jahre  nur  etwa  die 
mittlere  Sterblichkeit  des  Königreichs  hatte,  seither  immer  am  höch¬ 
sten  steht  mit  7,1  gegenüber  Oberfranken  mit  1,8.  Einzelne  Epi¬ 
demien  sind  aber  Ursache,  dass  die  Gesamtzahl  der  Falle  in  den 
einzelnen  Bezirksämtern  des  ganzen  Landes  sehr  verschieden  ist. 
Ueber  Infektionsquellen  und  Weiterverbreitung  sind  nur  spärliche 
Angaben  eingelaufen.  Wenn  von  Kaiserslautern  angeführt  wird,  dass 
Neuerkrankungen  in  desinfizierten  Häusern,  besonders  nach  der 
Schlussdesinfektion  äusserst  selten  geworden 
Interesse  zu  erfahren,  ob  dies  nur  Folge  der 
war  oder  ob  damals  schon  eine  Einwirkung 
stattgefunden  hat?  . 

Die  Tuberkulose  hat,  wie  erwähnt,  wieder  einen  kleinen 
Rückgang  erfahren,  aber  seit  den  Jahren  1890/91,  von  33^  auf  273,  und 
zwar  in  allen  Kreisen.  Die  Sterblichkeit  an  Brechdurchfa  1  war  in¬ 
folge  der  grossen  Hitze  im  Sommer  beträchtlich  hoher  als  in  den 
beiden  Vorjahren.  Das  Kindbettfieber  ist  im  Berichtsjahre 
wie  im  Vorjahre  etwas  häufiger  Todesursache  geworden;  doch  ist 
die  Sterblichkeit  seit  Ende  der  80  er  Jahre  um  h  gefallen.  An 
Meningitis  cerebrospinalis  sind  im  ganzen  71  Menschen 
gestorben,  an  S  y  p  h  i  1  i  s  im  engeren  Sinn  229,  davon  124,  worunter 
100  Säuglinge  in  Oberbayern,  an  M  i  1  z  b  r  a  n  d  6.  An  bös  a  r  t  i  g  e  n 
Neubildungen,  zu  denen  übrigens  auch  die  wenig  zahlreichen 


sind,  so  wäre  es  von 
örtlichen  Desinfektion 
auf  die  Bazillenträger 


gutartigen  gerechnet  werden,  starben  wieder  verhältnismässig  die 
meisten  in  Schwaben,  145,  die  wenigsten  in  der  Pfalz,  85.  Die  grösste 
relative  Zunahme  seit  1900  hat  Oberfranken,  wobei  jedenfalls  Ver¬ 
besserung  der  Leichenschau  mitwirkt. 

Nahrung.  Im  Berichtsjahre  wurde  die  Schlachtungsstatistik  zum 
ersten  Male  auch  auf  alle  Landgemeinden  ausgedehnt.  Der  Fleisch- 
konsum  lässt  sich  deshalb  nur  für  die  Städte  mit  dem  Vorjahre 
vergleichen.  (Wenn  man  1  Stück  „Rind“  gleich  4  Schweinen  und 
Kälbern  oder  10  Schafen  rechnet,  so  erhält  man  für  die  aufgezählten 
Städte  eine  Mehrung  der  Schlachttiere  um  8500,  von  578  000  auf 
587  000  Stück.  Die  Abnahme  des  Fleischkonsums  im  Deutschen 
Reich  infolge  der  Fleischteuerung  hat  bekanntlich  erst  1905  begonnen. 
Ref.).  Die  Klage,  dass  die  Milch  nicht  mehr  die  grosse  Rolle  im 
ländlichen  Haushalte  und  in  der  Kinderernährung  spielt,  wird  von 
verschiedenen  Berichtserstattern  wierder  erneuert.  Es  ist  besonders 
zu  beanstanden,  dass  in  den  verschiedensten  Landesteilen  die  aus¬ 
gebutterte  Milch,  z.  B.  von  de-n  Molkereien  um  2  Pf.  pro  Liter  zuruck- 
geka-ufte  Milch  zu  Kindernahrung  benützt  wird.  An  anderen,  doch 
wohl  selteneren  Orten  soll  -die  Milch  wieder  mehr  im  Haushalte 
cerwendet  werden.  Der  seit  mehreren  Jahren  beobachtete  Rückgang 
des  B  i  e  r  Verbrauchs  tritt  am  sichtbarsten  in  den  grossen  Städten 
zu  tage,  z.  B.  in  München  um  85  000  hl.  In  Fürth  ist  der  Verbrauch 
pro  Kopf  von  257  im  Jahre  1902  auf  148,  in  Schweinfurt  sogar  in 
1  Jahr  von  280  auf  180  gefallen.  Weit  zahlreicher  sind  jedoch  jene 
Berichte,  nach  welchen  der  Bierkonsum  in  den  betreffenden  Bezirken 
gleich  blieb,  ja  sogar  noch  zugenommen  hat,  in  manchen  Gegenden 
selbst  an  Stelle  der  Milch  bei  -den  jüngsten  Hüterbuben.  So  wird  m 
Wolnzach  ein  Jahresverbrauch  von  494,  für  Osterhofen  gar  von  53- 
Liter  angegeben.  Ueber  den  Verbrauch  im  ganzen  Lande  wird  be¬ 
züglich  Bier,  wie  Wein  und  Branntwein  nichts  angegeben,  so 
dass  kein  Urteil  über  dessen  Höhe  möglich  ist.  An  manchen  Orten 
wird  jedenfalls  noch  sehr  viel  Branntwein  getrunken,  auch  von  Kin¬ 
dern.  In  Naila  besteht  der  Unfug,  dass  man  in  Kaufläden  den  Dienst¬ 


boten  Gratisgläschen  anbietet. 

Kinderernährung.  Eine  Zunahme  des  Stillens  hat  bis 
jetzt  trotz  aller  Bemühungen  von  Behörden,  Aerzten,  vielen  He¬ 
bammen  nur  vereinzelt,  z.  B.  im  Bezirk  Pfaffenhofen  in  5  Jahren 
von  30  auf  76  Proz.  -stattgefunden.  In  anderen  Bezirken  trat  sogar 
ein  Rückschritt  ein.  Die  Gründe  des  Nichtstillens  sind  ja  bekannt, 
aber  es  ist  verdienstlich,  dass  immer  wieder  Zahlen  der  Fälle  an¬ 
geführt  werden,  welche  nur  aus  Unlust  und  Bequemlichkeit  verursacht 
wurden.  Wenn  in  Landsberg-Stadt  46,  -Land  48  Proz..  in  München- 
Land  r.  d.  I.  60,  in  Wolfratshausen  53,  in  Mamburg  selbst  71  Proz.  der 
Mütter  aus  Unlust  nicht  stillten,  so  gehören  diese  Bezirke  jährlich 
durch  Veröffentlichung  an  ihre  Pflicht  gemahnt.  Es  durfte  sich  nach 
Ansicht  des  Ref.  vielleicht  empfehlen,  neben  den  Stillprarmen  für  die 
Mütter  auch  beträchtlichere  für  -die  Hebammen  zu  gewähren,  denn 
es  zeigt  sich,  dass  in  zahlreichen  Bezirksämtern  das  Stillen  je  nach 
den  Hebammenbezirken  sehr  verschieden  ist,  z.  B.  in  Griesbach  rei 
einer  Hebamme  in  Tettenweisin  99  Proz.,  bei  einer  in  Köss  ai n 
in  4  Proz.,  also  vom  guten  Willen  und  der  Einsicht  der  Hebammen 
abhängig  ist  und  dass  da  und  dort  die  Konkurrenz  der  Hebammeu 
selbstloses  Eintreten  für  -das  Stillen  erschwert.  Während  die  künst¬ 
liche  Ernährung  im  allgemeinen  noch  sehr  mangelhaft  ist,  wird  von 
Behörden,  Vereinen,  Aerzten  und  Laien  immer  grösseres  Augen¬ 
merk  auf  Beschaffung  einwandfreier  Säuglingsmilch  verwendet. 

Kostkinder.  Ihre  Zahl  wird  für  191  Stadt-  und  Landbezirke 
zu  19  151,  darunter  2218  in  der  Stadt  München  angegeben.  Auch 
manche  Landbezirke  in  deren  Nähe  haben  zahlreiche  Kostkinder, 
Ebersberg  677,  Erding  637,  München  534.  Im  allgemeinen  sind  die 
Fälle  ziemlich  vereinzelt,  in  welchen  mangelhafte  Pilege  oder  direkte 
Vernachlässigung  Einschreiten  der  Aufsichtsbehörden  veranlassen ; 
doch  wird  u.  a.  angeführt,  dass  im  bayerischen  Wald  die  den  ue- 
meinden  zugefallenen  Kinder  geradezu  an  den  Mindestnehmenden 
vergeben  werden  und  dass  einer  Kostfrau  in  München  die  Eilaubnis 
zum  Halten  entzogen  wurde,  welcher  nacheinander  8  Kinder  der¬ 
selben  ledigen  Mutter  gestorben  waren. 

Wohnungen.  Neben  den  bekannten  Missständen  der  städtischen 
Wohnungen  bestehen  solche  auf  dem  Lande  besonders  in  Teuchtigkeit 
durch  schlechten  Baugrund,  -schlechtes  Baumaterial,  Mangel  an  Unter¬ 
kellerung,  Vereinigung  mit  dem  Stall  unter  einem  Dach.  Der  Stein 
verdrängt  immer  mehr  die  früheren  Holz-  und  Fachwerksbauten.  Ein 
Fortschritt  äussert  sich  in  dem  Bestreben,  auch  bei  ländlichen  Neu¬ 
bauten  mehrere  Zimmer  heizbar  zu  machen,  während  früher  die  ba- 
milie  in  einem  heizbaren  Raume  sich  zusammendrängte,  oft  gai 
noch  mit  den  Haustieren.  Sehr  löblich  ist  das  anhaltende  Bestreben 
von  Wohnungsinspektoren  und  -kommissionen  die  Wohnungen  zu 
verbessern:  mehrere  Bezirksämter  schickten  Fragebogen  an  die  Ge¬ 
meinden.  Das  Gesamtresultat  der  Besichtigungen  wird  aber  nur  in 
wenigen  Bezirken  als  günstig  bezeichnet.  Die  Unterbringung  der 
Dienstboten,  besonders  der  landwirtschaftlichen,  aber  auch  dci  ge¬ 
werblichen,  das' Schlafgängerwesen,  das  zu  frühe  Beziehen  neuer 
Wohnungen,  die  Abortanlagen  gaben  vor  allem  Anlass  zu  Klagen. 
In  Würzburg  z.  B.  führte  die  Beaufsichtigung  in  alten  Wohnungen 
und  Neubauten  zu  Beanstandungen  von  4/s  der  kleinen  Wohnungen. 
Dabei  wird  noch  sehr  viel  über  Widerstand  gegen  notwendige  Ver¬ 
besserungen  geklagt;  so  scheitert  die  Verbesserung  der  geradezu 
unglaublichen  Abortverhältnisse  in  -der  Stadt  St.  Ingbert  an  dem 
Widerstande  der  Bevölkerung. 


Wasserversorgung.  Die  ungewöhnliche  Trockenheit  des  Som 
mejs  \  eianlasste  namentlich  auf  der  Jurahochebene  grosse  Wasser- 
P,  •  |m  Bezirke  Beiingries  musste  Wasser  oft  stundenweit  aus  den 
lusslaufen  herbeigeschafft  werden,  wozu  auch  Jauchefässer  dienen 
mussten ;  im  Distrikt  Hemau  ist  der  Arzt  oft  gezwungen,  zu  Ope- 
rationen  selbst  Wasser  mitzuführen.  Oeffenliche  Wasserleitungen 
selbst  der  Städte,  wie  in  Kaiserslautern,  Fürth,  Passau,  erwiesen  sich 
als  teilweise  hygienisch  mangelhaft  und  bestätigten  die  Notwendigkeit 
öfterer  Untersuchungen  von  Zentralanlagen. 

.  (  ‘rösS'ere  Missstände  bestehen  aber  noch  bei  der  Entfernung 

der  Abfallstoffe.  In  den  Städten  geschieht  dafür  zwar  viel- 
die  meisten  grosseren  Städte  scheinen  jetzt  eine  gute  Kanalisation 
zu  haben;  doch  hat  z.  B.  Fürth  noch  höchst  mangelhafte  Kanäle  und 

Au«hiTw  £,Utr^berg  Wlrd  +von  einer  entdeckten  tiefen  Grube  berichtet. 
£  a  dJ3  Tonnensystem.  Ausserdem  wurde  dieses  in  Bischofs- 
[F  ™  , zur  Sanierung  eines  Typhusherdes  endlich  nach  langen 

Verhandlungen  eingeführt.  Dagegen  widersetzten  sich  bisher  die 

mlficfp  Kltzm^.en  un.d  Karlstadt  der  beantragten  notwendigen  Ka¬ 
nalisierung.  Die  meisten  Missstände  finden  sich  natürlich  auf  dem 

S'e  !?St  d11  Kurorten  und  dabei  wird  aus  Mittelfranken  mitge- 
das?  der  Bedarf  an  Fäkalien  aus  benachbarten  Städten  teilweise 
nicht  mehr  gedeckt  werden  kann. 

Aus  dem  kurzen  Auszug  der  Berichte  der  Fabrikinspek- 
oren  sei  nur  erwähnt,  dass  an  verschiedenen  Orten  weitere  Ar- 

sitzte'jeStSzr  B  rfü?tSnnVpPden'  °w  Lnilinfabrik  Ludwigshafen  be- 

Oberfranken  hähPn  imn  wt°nen  Wohnungen,  135  Textilfabriken  in 
uperiranken  haben  1160  Wohnungen,  —  aber  es  wird  beklagt  dass 

niö  n!Se  ef  der  Versicherungsanstalten  zu  Darlehen  in  Ober- 

Betrieben  find'^dip0^  tWeiniS  bAenUt?  WurckrK  In  unterfränkischen 
ßeti  ieben  findet  die  kostenlose  Abgabe  von  Kaffee  und  Tee  während 

cei  heissen  Jahreszeit  immer  mehr  Anklang  und  ihre  hygienischen 

und  ökonomischen  Vorteile  werden  gerühmt. 

...  Krankenpflege.  Da  auf  dem  Lande  noch  vielfach  das  Ver- 
S;sr Jnuj  die  Notwendigkeit  und  Wohltat  einer  Pflege  mangelt 
‘{Nlfranken)  mussten  mehrfach  Pflegerinnen  ihren  Beruf  aufgeben 
z.  B.  in  Tischenreuth,  Utzing,  Thierberg,  Uffenheim:  an  anderen 
liten  smd  sie  sehr  wenig  beschäftigt  iund  als  Gründe  dafür  wird 
angeführt,  dass  die  wohlhabenden  Landleute  nicht  gern  'Einblick  in 
ihren  Haushalt  gewähren,  den  Unbemittelten  aber  die  Kosten  zu  hoch 
sind  Andererseits  waren  wiederholte  Aufrufe  des  Magistrats  Mühl- 
ri pnp  Z  tv  ?^lnnun^  von  Pffe^erinnen  ohne  Erfolg.  Von  verschie- 

ste^nn5?)SMkkte7?,rWnrdeJi  Beiti:äge  bewilligt,  z.  B.  vom  Bez.  Staffel- 
stein  5^0  Mk.  zur  Gründung  einer  Station.  An  manchen  Orten  wird 

das  Wirken  der  verschiedenartigen  Pflegerinnen  sehr  gelobt-  doch 
einen  rechten  Fortschritt  scheint  nur  der  Reg.-Bez.  Schwaben  ve- 

wfm '/  Z?  hnbeiT  in  dem  die  Landpflege  immer  mehr  an  Boden  ge¬ 
winnt.  Ir i  den  Landgemeinden  des  Bezirks  Nördlingen  sind  13  Pfle 

dipnhüen  Undc'ü  Immenstadt  hat  die  frühere  Abneigungg^gen 
die  barmherzigen  Schwestern  allgemeiner  Verehrung  Platz  gemacht. 

den  nSiekti0ni:  •  ?ie  stadtischen  Desinfektionsapparate  wer- 
fn  Machen  UH2  Uff  ™  weni^  benützt.  Was  soll  es  heissen,  wenn 
u/n  60  H02.  Auf  trage  zur  Desinfektion  von  Gegenständen  und 
535  Wohn, ungsdesmfektionen,  darunter  222  bei  Lungentuberkulose^ er 
vn?  4°  "Ä1 ahnIlch  ln  Nürnberg,  Würzburg?  Nur  aus  der  Pfalz  wird 

MagiÄ1’ Äd1™  SemeIdet  dagegen  habenTe? 

A  .  ..  .  Bad  Tolz  und  die  Gemeinde  Bad  Stehen  die  AnträVp 

ni  atS..3"'  A"scha«“"*  von  Desinfektionsapparaten  Ä 

schifÄ  ^  §£££,*£ „JreittkSrcÄ 

Ss~  Ä&svSSS 

Tuberkulosesterblichkeit  (bei  St  npnro-Snttenä  TKine  Berechnung  der 
Todesursachen)  ergibt dass nur  Llcht5nau  fehlen  die 

etaejuberkulosesterbiichkeit  Ober  1  Proz^ltodin“^  ein^tTpro"! 

Karl  Kolb-  München. 


Au.M3iJlbxer“Kopsch:  Lehrbuch  der  Anatomie.  VII.  Aufl 

Abte1!.  V.  Nervensystem.  Georg  T  h  i  e  m  e  1907.  S.  363—812 
12  Mark. 

Die  vorliegende  5.  Lieferung  der  Neubearbeitung  des  Lehr¬ 
buches  der  Anatomie  von  Räuber  durch  Kopsch  behandelt 
das  Nervensystem.  Bei  der  Neuausstattung  des  Werkes  mit 
modernen  Abbildungen  ist  das  peripherische  Nervensystem  weit 
schlechter  weggekommen  als  das  zentrale.  Für  ersteres  werden 
auch  in  dieser  Auflage  die  alten  Räuber  sehen  Bilder  die 
noch  dazu  aus  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  und  L  e  v  e  i  1 1  e  entlehnt  sind 
benutzt.  Die  geringe  Naturtreue  dieser  Bilder,  die  lächerliche 
Lebertreibung  der  Stärke  der  Nerven  ist  bekannt.  Es  wäre 
also  dringend  wünschenswert,  dass  bei  einer  Neuauflage  auch 
diese  Bilder  besseren  Platz  machten.  —  Hervorragend  gut  sind 
die  Querschmttsbilder  des  Rückenmarks  und  Hirnstammes,  die 
wohl  überhaupt  das  Beste  darstellen,  was  in  dieser  Beziehung 
bisher  in  Lehrbüchern  veröffentlicht  wurde.  Nur  sollte  der 
Bruck  ein  etwas  gleichmässigerer  sein.  Nächstdem  wären  die 
grossen  neuen  Gehirnbilder  (Windungen  etc.)  zu  loben.  Bilder 
wie  r lg.  612  und  613  dagegen  sind  unsauber  und  wirken  un- 
schon  —  Besondere  Sorgfalt  ist  auf  die  Darstellung  der  Lei- 
tungsbahnen  verwandt.  Eine  Reihe  sehr  guter  Schemata  nach 
echterew  erläutert  die  Bahnen  der  einzelnen  Hirn¬ 
nerven  etc.  S  o  b  o  1 1  a  -  Würzburg. 

Hellpach:  Die  geistigen  Epidemien.  Band  XI  der 
Sammlung  „Die  Gesellschaft“,  herausgegeben  von  Martin 
Bub  er  Verlag  Literarische  Anstalt  Rütten  &  Löning 
Frankfurt  a.  M.  1907.  101  Seiten.  Preis  kartoniert  1.50  M. 

Las  dem  Andenken  von  P.  J.  M  ö  b  i  u,s  gewidmete  Bändchen 
geht  aus  von  der  verbreiteten  Neigung,  pathologische  Gesichts- 
punkte  in  die  mannigfachsten  Begriffssphären  einzuführen,  nicht 
immer  mit  dem  Erfolg  einer  Klärung  des  Blickes.  Vor  allem 
ozialpathologie  ist  zum  Schlagwort  geworden.  An  anschau- 

7M?wii^e'S  oe  enr.VOn  drei  frigiden  Weibern,  von  denen  eines 
zur  wüsten  Prostituierten,  das  andere  zur  pflichttreuen  Mutter 

RnSrPletZt"H  Zi!'m  sex,ueli  mehrfach  in  Anspruch  genommenen 
nnr  wird,  zeigt  H  e  1 1  p  a  c  h,  wie  ursprünglich  ab- 

noime  Persönlichkeiten  durch  Hinzutreten  eines  weiteren  Fak- 
*01 s.,  deJ  sollen  Milieus,  entscheidend  beeinflusst  werden 
Sozialpathologische  Erscheinungen  sind  somit  alle  solchen 
M^SCh+Cn  Krankheitserscheinungen,  deren  Wesen  von  sozialen 
omenten  bestimmt  oder  doch  erheblich  mitbestimmt  ist.  Auf 
dAer  Emredung,  Einfühlung  oder  Eingebung  kommt 
psychische  Ansteckung  zustande.  Jede  Psychopathie  kann 
Herd  einer  seelischen  Epidemie  werden,  es  kommt  nur  auf  die 
zu  infizierenden  Persönlichkeiten  an.  Treffend  wird  der  Ein¬ 
fluss  der  Askese,  die  ja  sozusagen  eine  methodische  Erschöp¬ 
fung  darstellt,  auf  die  geschichtlich  bekannten  krankhaften 
Massenbewegungen  geschildert.  Vor  allem  die  Einfühlung  stellt 
das  wichtigste  „Ansteckungsprinzip“  dar.  Welch  eine  bunte 
Musterkollektion  von  Psychopathen  aller  Art  bei  den  Opfern 
der  psychischen  Ansteckung  in  Frage  kommt,  ist  mit  besonders 
feinem  Verständnis  für  die  leichten  Schwankungen  um  die 
psychische  Gleichgewichtslage  ausgeführt.  Die  Hysterie  die 
gewaltigste  visionäre  Macht,  wird  in  ihrer  Bedeutung’  ge¬ 
würdigt,  jedoch  die  Klippe,  mit  dem  Allerweltsschlagwort  Sug- 

wS1?1  a  6  SchJler^k.mten  zu  lösen,  geschickt  vermieden. 
Wie  für  die  geistige  Epidemie  hysterischer  Art  jede  beliebige 
psychische  Erkrankung  den  Herd  darstellen  kann,  alle  mö|- 
lichen  Psychopathen  als  erste  Opfer  darauf  reagieren,  dann 
Neugierige,  Sensationslüsterne,  besonders  Weiber  und  Kinder 
nnlfUfeih’  durch  Einfühlung  und  Eingebung  die  Epidemie  wächst 
und  sich  organisiert,  auch  Geisteskranke  mit  hinein  verwickelt 

T  ent.enn  Ta  w  ^eräe  biIden’  wie  selbst  besonnenere 
Leute  auf  dem  Wege  der  Einredung  näher  treten,  das  setzt 

1 1  p  a  c  h  in  überzeugender  Weise  auseinander  unter  An- 

n?pdUfn?  en4  spLecbe+nder  Beispiele  aus  der  wissenschaftlichen 

r  S  '  J  t,enhlWürdu  mancher  Leser  noch  zahlreichere 
eispiele  wirklich  beobachteter  Epidemien  wünschen  Be- 

herzigenswert  ist  die  Mahnung  zur  Protokollierung  und  zum 

absniPlT  JRer  ^ussenerkrankung,  die  sich  vor  unseren  Augen 
abspielt.  Bei  eingehender  Analyse  sieht  sich  die  verworrene 

ternehreannUnal der  ,psych\s^hen  Epidemie  gewöhnlich  weit  nüch¬ 
terner  an,  aber  dieser  Weg  muss  betreten  werden,  wenn  das 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2609 


Ziel  einer  wissenschaftlichen  Erklärung  der  oft  folgenschweren 

sozialpathologischen  Vorgänge  erreicht  werden  soll. 

Weygand  t. 

Sir  Victor  liorsley  und  Mary  D.  Stur  ge:  Alcoliol 

and  the  Human  Body.  London,  Macmillan  &  Co.,  1907. 
370  S.  Preis  5  sh. 

Das  unter  Leitung  eines  der  bekanntesten  englischen 
Forschers  auf  dem  Gebiete  des  Alkoholismus  herausgegebene 
Werk  ist  eine  der  besten  Sammlungen  über  die  Daten,  die  in 
der  Würdigung  des  Alkoholgenusses  eine  Rolle  spielen.  Da  das 
Buch  für  Studenten  bestimmt  ist  und  gleichzeitig  auch  im 
besten  Sinne  populär-wissenschaftlich  —  d.  h.  durchaus  wissen¬ 
schaftlich  und  nur  in  Form  und  Voraussetzungen  auf  ein  grosses 
Publikum  berechnet  —  enthält  es  auch  elementare  Auseinander¬ 
setzungen  über  physiologisch-anatomische  Dinge  -wie  Zellen¬ 
leben,  Nerven,  Organe  und  ähnliches.  Auch  die  auf  die  sämt¬ 
lichen  Organe  sich  im  einzelnen  erstreckenden  Darstellungen 
der  Alkoholwirkungen  sind  in  diesem  Sinne  gehalten.  In¬ 
haltlich  stellt  das  Dargebotene  die  Frucht  reifer  Kenntnis  und 
Erkenntnis  und  mühsamer  eigener  Detailarbeit  namentlich  in 
statistischer  Hinsicht  dar  und  bietet  sehr  viel  Interessantes  und 
Originelles.  Nur  in  einzelnen  Fragen  vermisst  man  die  Berück¬ 
sichtigung  neuester  Forschungen,  so  z.  B.  in  der  nach  dem 
Nährwert  des  Alkohols  und  nach  seinem  Einfluss  auf  die 
Widerstandskraft  des  Organismus  gegen  ansteckende  Krank¬ 
heiten.  Aber  noch  in  Diskussion  stehende  Fragen  sind  absicht¬ 
lich  im  Sinne  der  bisherigen  Forschung  beantwortet  worden. 
Bei  dem  Erscheinen  einer  zweiten  Auflage  oder  einer  wohl 
sicher  zu  erwartenden  deutschen  Ausgabe  werden  die  bezüg¬ 
lichen  Forschungen  aber  wohl  ihre  Berücksichtigung  finden. 

Von  solchen  Einzelheiten  abgesehen,  ist  das  Werk  in  Inhalt 
und  Auffassung  klassisch,  klar,  gründlich  und  ohne  Einseitig¬ 
keit,  obgleich  die  Verfasser  Alkoholgegner  sind.  Für  soziale 
Hygieniker,  Statistiker,  für  Aerzte  wie  Juristen  dürfte  dabei 
das  Buch  gleichviel  Interesse  besitzen.  Besonders  interessant 
für  die  Allgemeinheit  sind  die  drei  letzten  Kapitel:  Der  Einfluss 
des  Alkohols  auf  den  kindlichen  Körper,  auf  die  Rasse  und 
auf  die  Volksgesundheit,  letzteres  Kapitel,  verfasst  von  Dr. 
Newsholme.  Für  nichtmedizinisch  Gebildete  werden  die 
im  Anhang  gegebenen  Erklärungen  von  Fachausdrücken  eine 
sehr  willkommene  Beigabe  sein.  Neustätte  r. 


Second  Report  of  the  Wellcome  Research  Laboratories  at 
the  Gordon  Memorial  College  Khartoum.  Andrew  Balfour 
M.  D.,  Direktor.  Departement  of  Education,  Sudan  Governe- 
ment,  Khartoum  1906. 

Nichts  illustriert  besser  die  Grösse  des  Kulturwerks,  das 
von  England  in  Aegypten  in  erstaunlich  kurzer  Zeit  geleistet 
wurde,  als  die  Arbeiten  des  Gordon  Memorial  College  in 
Khartum.  Mitten  in  der  Wüste  ist  hier  ein  Zentrum  wissen¬ 
schaftlicher  Forschung  entstanden,  das  einem  stattlichen  Stab 
tüchtiger  Arbeiter  die  Hilfsmittel  gewährt,  den  jungfräulichen 
Boden,  der  sich  hier  wissenschaftlicher  Durchforschung  bietet, 
nach  allen  Richtungen  zu  beackern.  Dem  1904  erschienenen 
I.  Band  der  Berichte  ist  jetzt  der  nicht  minder  reichhaltige  II. 
gefolgt.  Es  ist  begreiflich,  dass  das  Studium  der  Moskitos  des 
Landes  im  Vordergrund  steht;  eine  Reihe  von  Arbeiten  be¬ 
schäftigt  sich  mit  diesen.  Andere  Untersuchungen  gelten 
anderen  schädlichen  oder  lästigen  Insekten,  der  Trypano- 
somiasis,  neuen  Gregarinenarten  etc.  Der  Band  ist  mit  vielen 
farbigen  Tafeln  und  Textabbildungen  illustriert  und  auch  sonst 
vorzüglich  ausgestattet.  Für  Tropenforscher  bilden  die  Be¬ 
richte  des  Gordon  College  ein  unentbehrliches  Material. 


Neueste  Journalliteratur. 

Zeitschrift  für  klinische  Medizin.  64.  Band.  1.  u.  2.  Heft 

1)  E.  v.  Leyden  und  L.  Bassenge:  lieber  ungleichzeitige 
Kontraktion  der  beiden  Herzventrikel  (Hemisystolie). 

Bei  den  von  v.  Leyden  schon  früher  beobachteten  lind  be¬ 
schriebenen  Fällen  bewirkte  die  ungleichzeitige  Kontraktion  beider 
Ventrikel  eine  Kompensation  der  schweren  Mitralinsuffizienz  dadurch, 
dass  der  rechte  Ventrikel,  der  während  der  1.  Phase  bei  gleichzeitiger 
Kontraktion  des  linken  sich  fast  gar  nicht  in  die  Pulmonalis  ent¬ 
leeren  kann,  bei  alleiniger  Kontraktion  während  der  2.  Phase  nun  ge¬ 


nügend  Blut  in  den  kleinen  Kreislauf  werfen  kann.  Ein  ganz  ana¬ 
loges  Verhalten  zeigte  sich  bei  einem  33  jährigen  Beamten,  bei  wel¬ 
chem  im  Anschluss  an  Gelenkrheumatismus  eine  schwere  Mitral¬ 
insuffizienz  enstanden  war  mit  erheblicher  Verbreiterung  des  Herzens 
nach  rechts  und  links.  Spitzenstoss  war  sehr  verbreitert,  meist  zwei¬ 
teilig,  ferner  war  ein  systolisches  Schwirren  und  Geräusch,  der 
1.  Sp’itzenstossphase  entsprechend,  zu  hören,  während  der  2.  Phase 
2  kurze  Töne  entsprachen.  Die  2.  Töne  an  der  Pulmonalis  und  Aorta 
waren  sehr  klappend.  Der  Puls  an  der  Karotis  und  Radialis  ent¬ 
sprach  nur  der  1.  Spitzenstossphase.  Die  Sektion  ergab  eine  enorme 
Erweiterung  des  linken  Vorhofes  und  hochgradige  Insuffizienz  der 
Mitralklappe.  Die  2.  und,  wo  sie  vorhanden  war,  3.  Phase  des 
Spitzenstosses  war  durch  alleinige  Kontraktion  des  rechten  Ventrikels 
bedingt,  während  der  linke  Ventrikel  sich  nur  während  der  1.  Phase 


zusammenzog. 

2)  N.  Kernig:  Ueber  die  Beugekontraktur  im  Kniegelenk  bei 

Dais  nach  dem  Verf.  benannte  Symptom  besteht  darin,  dass  bei 
den  betreffenden  Kranken  eine  Kontraktur  im  Kniegelenk  eintritt, 
wenn  der  Oberschenkel  in  einem  Winkel  von  100  bis  90  (nicht  in 
einem  kleineren!)  gegen  den  Runrnf  gebeugt  wird.  Schmerzen  tre¬ 
ten  meist  nur  auf,  wenn  man  die  Kontraktur  gewaltsam  zu  überwin¬ 
den  sucht;  die  Prüfung  geschieht  in  sitzender  oder  liegender  Stellung. 
Fehlerquellen  können  das  Zurücksinken  des  Rumpfes  beim  Sitzen, 
wodurch  der  Wirbel  zwischen  Oberschenkel  und  Rumpf  viel  stumpfer 
wird,  sowie  besonders  auch  zu  starkes  Beugen  des  Oberschenkels 
bilden.  Wird  der  Winkel  zwischen  Oberschenkel  und  Rumpf  kleinei 
als  90°,  also  ein  spitzer,  so  tritt  schon  physiologischer  Weise  eine 
Kontraktur  im  Kniegelenk  auf.  Das  Kernig  sehe  Symptom,  fand 
der  Verf  bei  93,9  Proz.  seiner  Fälle  von  Meningitis  cerebrospinalis, 
bei  91.2  Proz.  der  Fälle  von  tuberkulöser  Meningitis,  bei  67,4  Proz. 
der  Fälle  von  sekundärer  Meningitis.  Bei  Kindern  scheint  es  nach 
den  Erfahrungen  anderer  Autoren  viel  weniger  regelmässig  vorzu¬ 
kommen.  Das  Symptom,  tritt  in  akuten  Fällen  schon  am  1.  bis 
3.  Krankheitstag  auf  und  ist  gerade  deshalb  diagnostisch  wertvoll; 
bei  tuberkulöser  Meningitis  ist  das  Symptom  häufig  schon  in  der 
1.  Woche,  fast  immer  aber  in  der  2.  bis  3.  Woche  vorhanden.  So¬ 
bald  Lähmung  eintritt,  verschwindet  das  Symptom.  Bei  chronischer 
Leptomeningitis  fand  sich  das  Symptom  meistens  auch,  es  wurde  auch 
bei  Meningealblutungen  und  bei  Oedem  der  Meningen  infolge  von 
Urämie  beobachtet.  Bei  168  Fällen  von  Abdominaltyphus  fand  sich 
die  Beugekontraktur  des  Knies  nur  einmal,  und  zwar  bei  einem  Falle, 
in  welchem  die  Sektion  eine  chronische  Leptomeningitis  .ergab.  Bei 
einer  an  Spondylitis  lumbalis  Leidenden  war  es  wahrscheinlich  durch 
eine  Mitbeteiligung  der  Meninx  spinalis  zu  erklären.  Das  Lasegue- 
sche  Zeichen  bei  Ischias  ist  nicht  mit  dem  Kernig. sehen  Symptom 
zu  verwechseln,  es  besteht  in  der  aktiven  Verhinderung  der  Beu- 
gung  des  im  Knie  gestreckten  Beines  gegen  den  Rumpf,  veranlasst 
durch  die  schmerzhafte  Dehnung  des  Ischiadikus.  Das  Kernig  sehe 
Symptom  kommt  wahrscheinlich  dadurch  zustande,  dass  unter  dem 
Einfluss  der  Meningitis  infolge  des  entzündlichen  Exsudates  etc.  eine 
Hypertonie  der  Muskulatur  eintritt  und  infolgedessen  die  schon  phy¬ 
siologischerweise  nur  eine  Beugung  des  Oberschenkels  bei  gestreck- 
tem  Knie  bis  zu  90 0  gestattenden  Muse,  semimembranosus  und  semi- 
tendinosus  zu  kurz  werden;  daraus  erklärt  sich  dann  auch  das.  häu¬ 
fige  Fehlen  des  Symptoms  bei  Kindern,  das  Verschwinden  bei  ein¬ 
tretender  Lähmung  und  das  häufige  Vorkommen  bei  chronischer 
Leptomeningitis.  Sehr  wertvoll  für  die  Diagnose  ist  das  '-pm' 
ptom  bei  akuten  Fällen,  bei  Pneumonie.  Influenza,  Typhus  etc.  bei 
welchen  es  das  Auftreten  einer  Meningitis  anzeigt,  ebenso  bei  Otitis 

~  ~  A  Vv/-»?  /-»Vi  rrvn  \  c r»Vi  Ptl  7\A  P'tll TI  0*1 1 1  G P.tl  *  ^ 0 


kann  in  vielen  Fällen  die  Lumbalpunktion  ersetzen. 

3)  J.  Pawinski:  Die  Entstehung  und  klinische  Bedeutung  des 

Galopprhthmus  des  Herzens. 

Zu  einem  kurzen  Referate  nicht  geeignet. 

4)  G.  Joachim;  Das  Verhalten  des  linken  Vorhofes  bei  der 
Störung  der  Reizleitung.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Königs- 

Sßei  einem  an  Gelenkrheumatismus  leidenden  24  jährigen  Manne 
stellte  sich  Arrhythmie  ein,  welche,  wie  die  Registrierung  des 
Arterien-  und  Venenpulses  ergab,  eine  typische  dromotrope  Störung 
darsitellte.  Dem  Verfasser  gelang  es  nun  mehrfach,  gleichzeitig  mit 
dem  Arterienpuls,  auch  das  Kardiogramm  des.  linken  Vorhofes  vom 
Oesophagus  aus  aufzunehmen.  Die  Uebereinstimmung  desselben  mit 
der  Venenpulskurve  ergab,  dass  sich  tatsächlich  die  Tätigkeit  des 
linken  Vorhofes  ebenso  verhält  wie  die  des  rechten,  wofür  man  bis¬ 


her  nur  Analogieschlüsse  hatte. 

5)  E.  Aron:  Zur  Mechanik  des  Lungenemphyseins  und  der 

Bronchiektasien.  (Aus  dem  Krankenhaus  der  jüdischen  Gemeinde.) 

Der  Verfasser  verficht  die  Anschauung,  dass  bei  der  Entstehung 
des  Luugenemphysems,  wie  der  Bronchiektasien  neben  den  ex- 
spiratorischen  Kräften  vor  allem  inspiratorische.  Momente  von  Be¬ 
deutung  sind;  bei  der  forcierten  Inspiration. wird  die  Lunge  sein 
gedehnt,  es  kommt  dabei  weit  leichter  zu  einer  Ueberdehnung  als 
bei  der  forzierten  Exspiration,  bei  welcher  der  Druckunterschied 
zwischen  Pleuraraum  und  Bronchialluft  ein  ziemlich  geringer  ist. 


2610 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


6).E.  Herzfeld:  Ueber  die  Bedeutung  der  molekularen  Kon¬ 
zentration  von  Flüssigkeitsergüssen  für  die  Resorption  derselben. 

(Aus  der  I.  med.  Klinik  in  Berlin.) 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  ergaben  für  pleuritische 
Exsudate  Gefrierpunktswerte  von  —0,47°  bis  —0,58°,  davon  hatten 
die  tuberkulösen  Exsudate  Werte  von  —  0,49°  bis  0,55°,  die  eitrigen 
von  —  0,47  "  bis  —  0,55  °.  Die  Resorption  zeigte  sich  nicht  abhängig 
von  dem  osmotischen  Drucke,  denn  die  Exsudate  mit  geringerem 
osmotischen  Druck  als  das  Blut,  zeigten  oft  gar  keine  Tendenz  zur 
Resorption,  während  andererseits  Exsudate  mit  hohem  osmotischen 
Druck  sehr  rasch  resorbiert  wurden.  Ganz  ähnlich  lagen  die  Ver¬ 
hältnisse  bei  karzinomatösen  Ergüssen  der  Pleura  und  des  Peri¬ 
toneums,  sowie  bei  Aszites  infolge  von  Herzleiden.  Die  Annahme, 
dass  durch  bakterielle  Einflüsse  regelmässig  die  Konzentration  der 
Ergüsse  steigt,  wurde  durch  die  Versuche  des  Verfassers  mit  Ueber- 
mipfung  von  Bacterium  coli,  Staphylokokken  und  Tuberkelbazillen 
nicht  bestätigt. 

r'  E.  Stein  itz:  Erfahrungen  über  die  Behandlung  des  akuten 
Gelenkrheumatismus  mit  Stauungshyperämie.  (Aus  dem  städt.  Kran¬ 
kenhause  Moabit  in  Berlin.) 

Die  Erfahrungen  des  Verfassers  sind  folgende:  Durch  die  Stau¬ 
ungsbehandlung  gelingt  es  meistens  die  Schmerzen  in  den  der  Stau¬ 
ung  zugänglichen  Gelenken  in  ausreichendem  Masse  zu  vermindern. 
Eine  erhebliche  Zahl  von  Fällen  heilt  unter  der  Stauungsbehandlung 
in  ungefähr  derselben  Zeit  wie  ähnliche  Fälle  unter  Salizylbehand- 
,lnVln.  4~20  TaKen).  Ein  erfolgloser  Versuch  der  Stauungstherapie 
durfte  kaum  etwas  schaden.  Komplikationen  scheinen  unter  Stau¬ 
ungsbehandlung  seltener  aufzutreten  und  günstiger  zu  verlaufen  als 
unter  Salizylbehandlung.  Eine  gelegentliche  Verzögerung  der  Hei¬ 
ning  bei  erfolgloser  Stauung  erhöht  die  Komplikationsgefahr  nicht. 
Es  kann  daher  in  den  meisten  Fällen  zunächst  Stauungsbehandlung 
versucht  werden.  Ertragen  die  Kranken  das  Liegen  der  Stauungs¬ 
binden  nicht  oder  werden  vorhandene  exzessive  Schmerzen  durch 
die  Stauung  nicht  bald  erheblich  gelindert  oder  sind  die  Schulter- 
Huft-  oder  Wirbelsäulegelenke  stark  beteiligt,  so  ist  Salizylbehand¬ 
lung  indiziert.  Anfänglich  hohe  Temperaturen  bieten  keine  Kontra- 
mdikation  der  Stauung.  Wenn  bei  mässigeim  Fieber  innerhalb 
5  lagen  der  Stauungsbehandlung  dasselbe  keine  Tendenz  zum  Sin- 
k.er]  oder  dj,e  Schmerzen  noch  in  das  Allgemeinbefinden  be- 

einti  aclitigendem  Grade  vorhanden  sind  oder  die  Affektion  in  raschem 
Wechsel  von  einem  Gelenk  auf  das  andere  übergeht,  ist  Salizyl- 
b eh and lung  geboten.  Bei  Fällen,  welche  auf  Salizyl  nicht  reagieren, 

•  ,STr  dessen  Stauung  zu  versuchen,  und  wenn  Schmerzlinderung 
emtntt  fortzusetzen,  eventuell  in  Kombination  mit  phvsikalischen 
Methoden.  Bei  frischer  Endokarditis  ist  auf  Salizyl  möglichst  zu 
verzichten  und  Stauung  anzuwenden. 

8)  E  Solms:  Ueber  eine  neue  Methode  der  quantitativen 
Pepsinbestimmung  und  ihre  klinische  Verwendung.  (Aus  dem  städt 
Krankenhause  in  Moabit  in  Berlin.) 

E  In  5-  beaF&nzslä>str  werden  Je  2  ccm  filtrierter  Rizinlösung 
U  g  Rizrn  in  50  ccm  5  proz.  Kochsalzlösung)  und  je  0,5  ccm 
/»o  norm  HCl  eingefällt,  wodurch  starke  Trübung  entsteht.  In  das 
b  Ronr chen  werden  dann  1  ccm  gekochten  Magensaftes,  in  das 

innf  [chen  £9  xcm  *ekochten  und  0,1  ccm  des  zu  untersuchenden, 

1 00  fach  verdünnten  Saftes,  in  das  3.  0,8  gekochten  und  0.2  des  zu 
prüfenden,  in  das  4.  0,5  des  gekochten  und  0.5  des  zu  prüfenden,  in 
rio?  5'  1  ccrn  d^s  zu  Prüfenden  Saftes  gebracht;  die  Gläser  werden 
dann  verkorkt  3  Stunden  in  den  Brutschrank  gestellt;  nach  3  Stun¬ 
den  wird  nachgesehen,  bei  welcher  Verdünnung  das  Gemisch  eine 

^il  lmnneü  k  aM  LoSUni  darstellt:  als  Saft  von  100  Pepsineinheiten 
gilt  dann  der  Magensaft,  von  welchem  1  ccm  in  100  facher  Ver¬ 
dünnung  die  Rizinlosung  nach  3  Stunden  gerade  aufhellt.  Bei  nor¬ 
malen  Magensaften  ergab  die  Bestimmung  100—200  Pepsineinheiten 
bei  Anazidität  bezw.  Subazidität  fanden  sich  nur  l(W-20  Einheiten’ 

”00^200a  baeiCTllrnr  Spu;e.n:rb|i  Hvperazidität  und  Hvoersekretion 
100-200,  bei  Ulcus  ventnculi  2  mal  500,  1  mal  1000  Einheiten. 

9)  J.  Arneth -Münster  i.  W.:  Zu  Th.  Bourmoff  nnd 

Se^zSt^  ™  Infekt--^a„khelten. 

Abwehr,  zu  einem  Referate  nicht  geeignet. 

"k  ^  h*'  1  V  *- 1  1  und  C.  Lewin:  Ueber  Pathogenese  und 

über  den  spezifischen  Abbau  der  Krebsgeschwülste.  II?  (Aus  dem 
Institut  für  Krebsforschung  in  Berlin.) 

rw  Die  .p'Jessf{t€  von  Kaninchenlebern  enthalten  ein  Ferment  wel 
che  nach  den  Versuchen  der  Verfasser  nicht  nur  einen  weSenden 
/ertall  menschlicher  Krebsgeschwülste,  sondern  auch  von  Tumoren 
bei  Mausen  verursachen.  Es  zeigt  sich  nun,  dass  auch  die  L?be? 

riGpn-ail,S€  dlF  umoJen  dcrselben  Tierart  angreifende  Fermente  bc- 
-ltzen,  diese  Fermente  sind  aber  nur  in  dem  Leberextrakt  "esunder 
Mause  nachweisbar,  während  sie  bei  karzinomkranken  Mäusen  fehl 

1 

kä"  —  disrrSr 


Zeitschrift  für  Heilkunde.  Herausgegeben  von  Kretz 
Heft  Tf'  XXVIII‘  Bd‘  (‘Neue  FolSe>  VIII.  Bd.)  Jahrg.  1907. 

,  .P  1  1  a  e J Vden:  Zur  Klinik  der  Herzarrhythmie,  der  Brady- 
kardie  und  des  A  d  a  m  s  -  S  t  o  k  e  s  sehen  Symptomenkomplexes. 

Veitasser_  hat  schon  auf  dem  23.  Kongress  für  innere  Medizin 
die  Frage  aufgeworfen,  ob  auch  vom  klinischen  Standpunkte  die 
Extiasystolen  ausschliesslich  myokarditischen  Ursprungs  erschienen 
■und  direkte  Nervenwirkung  ebensowenig  wie  beim  Tiere  Extra¬ 
systolen  erzeuge.  Er  kommt  jetzt  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  beim 
kranken  Menschen  —  entgegen  den  bisherigen  Forschungsergebnissen 
der  meisten  1  lerexperimente  —  Extrasystolen  gebe,  welche  durch 
dll,L'  d^n.  Nerveneinfluss  entstehen.  Der  leitende  Nerv,  der  Vagus 
enthalt  funktionell  ganz  verschiedene  Fasern,  die  auf  Atropin  ver¬ 
schieden  zu  reagieren  scheinen.  Digitalis  erhöht  die  Zahl  vorhan- 
'.eneL  atrioventrikulärer  Extrasystolen  bei  gleichzeitiger  Reduktion 
cei  Zahl  der  Normalkontraktionen,  übt  daher  eine  ungünstige  Ein¬ 
wirkung  aus  und  ist,  das  Vorhandensein  solcher  Extrasystolen  voraus¬ 
gesetzt,  therapeutisch  kontraindiziert.  Das  Gegenteil  gilt  für  Atro¬ 
pin,  sofern  die  vorliegenden  atrioventrikulären  Extrasystolen  durch 
Vaguseinfluss,  nicht  infolge  Reizung  der  im  Uebergangsbündet  kran- 
ken  Herzmuskulatur  entstanden  sind.  In  diesem  Fall  zeigt  Atropin 
keine  Einwirkung  auf  den  Bestand  der  Extrasystolen. 

Gei  ade  das  Verhalten  der  atrioventrikulären  Extrasystolen  dem 
Atropin  gegenüber,  ihr  Verbleiben  trotz  Atropin  oder  ihr  Verschwin- 
den  unter  Atropineinwirkung  scheint  die  Diagnose  einer  ganz  be- 
scln  unkten  Erkrankung  des  Herzens  in  seiner  Brückenmuskulatur  und 
eures  vielleicht  durch  Perineuritis  bedingten  Reizzustandes  der  in 
aer  Bi  iickenmuskulatur  gelegenen  intrakardialen  Vagusäste  zu  er¬ 
möglichen:  eine  vollkommen  neue  diagnostische  Erkenntnis,  durch 
die  wir  zum  ersten  Mal  einen,  wenn  auch  nur  oberflächlichen  Einblick 
ui  die  1  athologie  des  intrakardialen  Nervensystems  gewonnen  hätten. 

Unsere  bisher  geübte  Methode  der  Zählung  der  Herzkontrak¬ 
tionen  in  der  Zeiteinheit  führt  zu  falschen  Resultaten  in  den  Fällen, 
m  denen  neben  den  Normalsystolen  auch  Extrasystolen  vorliegen 
Es  mussten  die  Normalkontrakturen  getrennt  von  den  Extrakontrak- 
lonen  aufgeführt  werden.  Näheres,  sowie  die  Analysierung  des 
-  tokes-Adams  sehen  Symptomenkomplexes  ist  im  Original 
nachzusehen,  Bändel-  Nürnberg. 

Zeitschrift  für  orthopädische  Chirurgie.  XIX.  Bd.  1.  u 

2.  Heft. 

1)  Bardenheuer  -  Köln:  Ueber  die  präventive  Behandlung  der 
Gelenkverletzungen  des  Oberarms  zur  Verhütung  der  Gelenkver- 
steifung. 

i  PeSMeä™?K4fer  Extensionsbehandlung  der  Oberarmfrakturen,  in 
v  eichet  Methode  B.  das  beste  Mittel  zur  Verhütung  von  Versteifungen 

Resultate  Sch°ne  R°ntsenbilder  bezeugen  die  günstigen  anatomischen 

2)  Lan  g  e  -  Strassburg:  Zur  Frakturbehandlung  mittels  der  Ex- 
tensionsmethode  nach  Bardenheuer. 

Warme  Empfehlung  der  Methode,  als  deren  Vorzüge  hervor- 
gehoben  werden:  Das  Ausbleiben  jeder  Verkürzung  oder  sonstigen 
Dislokation,  das  Fehlen  von  Oedemen  etc.,  Erzielung  vorzüglicher 
Funktion  in  kürzester  Zeit,  geringe  Kallusproduktion.  Er  fordert  die 
Orthopäden  auf,  sich  mit  dieser  Behandlung  der  Frakturen  und  Luxa¬ 
tionen  intensiver  zu  beschäftigen. 

•  ^  0  H  m  a  n  n  -  Düsseldorf:  Operative  Behandlung  einer 

ischämischen  Kontraktur  am  Vorderarm  nach  Fraktur  im  unteren 
Drittel  des  Oberarms. 

Bei  einem  5%  Jahre  alten  Kinde  entwickelte  sich  5—6  Wochen 
nach  einer  suprakondvlären  Humerusfraktur  (!)  eine  typische  ischä¬ 
mische  Kontraktur.  Nach  6  Jahren  wurde  der  Zustand  sehr  erheblich 
gebessert  durch  plastische  Verlängerung  (diagonale  Durchschneidung) 
sämtlicher  Flexorensehnen. 

D...  *T  1  a  e  s  s  n  e  r  -  Berlin:  Die  Kontinuitätsresektion  der  langen 
Röhrenknochen  zur  Ausgleichung  von  Verkürzungen. 

In  3  Fällen  wurde  die  Verkürzung  eines  Beines  ausgeglichen 
durch  operative  Verkürzung  des  anderen,  gesunden  Beines,  und  zwar 
7 .mal  durch  schiefe  Osteotomie  mit  entsprechend  gewählter  Disloka¬ 
tion  1  mal  durch  Kontinuitätsresektion.  Letzterer  gibt  Glaessner 
den  Vorzug. 

.  *?.e  u  t  s  ch  1  ä  nd  er  -  Hamburg:  Die  H  e  i  n  e  sehe  Operation 

der  Kontinuitatsverkürzung  zwecks  Ausgleichung  von  Längendiffe¬ 
renzen  der  unteren  Extremitäten. 

.  J?-  P'Tipfiehlt  nach  der  Kontinuitätsresektion  (vergl.  4)  die  Naht 
mit  Silberdraht,  welche  die  nachträgliche  Fragmentverschiebung  nicht 
sicher  vermeidet,  zu  ersetzen  durch  die  Lambottesche  Verschrau¬ 
bung  der  Knochen.  Dieselbe  hat  sich  ihm  in  3  Fällen  gut  bewährt 

6)  Spitzer  und  W  e  r  n  d  o  r  f  f  -  Wien:  Ueber  die  artifizielle 
Deformierung  des  Unterkiefers. 

In  einem  Fall  erzeugte  eine  ausgedehnte,  vom  Kinn  zur  Brust 
ziehende  Verbrennungsnarbe  ein  ..Ektropium“  des  Unterkiefers;  in 
~  \ Pder  cn  ba ’!en  entstand  durch  Druck  des  wegen  Spondylitis  an- 
s  c^  cn  Calotverbandes  auf  den  Kiefer  ein  „Entropium“,  so  dass 


24.  Dezember  1907. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2611 


die  unteren  Schneidezähne  2  cm  (!)  hinter  die  obere  Zahnreihe 
r  ückten 

7)  B  i  e  s  a  1  s  k  i  -  Berlin :  Praktische  Ergebnisse  der  Krüppel¬ 
statistik. 

Die  Kriippelzählung  in  Preussen  hat  ergeben,  dass  51  781  Krüppel 
unter  15  Jahren  vorhanden  sind,  d.  h.  1,38  auf  1000  Einwohner. 
6945  =  13,4  Proz.  derselben  wünschen  in  ein  Krüppelheim  aufgenom¬ 
men  zu  werden;  1878  Betten  stehen  in  Preussen  Krüppeln  zur  Ver¬ 
fügung  und  sind  besetzt.  Es  muss  also  eine  vermehrte  Fürsorge  Platz 
greifen,  welche  den  Krüppeln  nicht  nur,  sondern  der  Gesamtheit  Vor¬ 
teile  bringen  wird.  Auf  je  2 — 3  Millionen  Menschen  sollte  1  solches 
Heim  kommen,  in  welchem  ein  Orthopäde  tätig  ist. 

8)  Schult 'he  ss -Zürich:  Ueber  die  sog.  konkavseitige  Tor¬ 
sion  der  Wirbelsäule. 

Sch.  tritt  nochmals  entgegen  der  Lorenz  sehen  Schule  zu 
gunsten  der  Konkavtorsion  ein.  Ein  ebenso  einfacher  als  sinnreicher 
Apparat  ermöglichte  ihm,  die  Rotation  des  Wirbelsäulenpräparates 
unter  verschiedenen  äusseren  Bedingungen  experimentell  zu  er¬ 
forschen  und  dadurch  die  Existenz  der  Konkavtorsionen  zu  beweisen. 

9)  Schult  hess-  Zürich :  Schädelasymmetrie  bei  kongenitaler 


Skoliose. 

Ob  es  sich  um  eine  angeborene  Schädelasymmetrie  handelt  oder 
ob  sie  sich  sekundär  bei  dem  Patienten  mit  sicher  angeborener  Sko¬ 
liose  entwickelt  hat,  bleibt  unentschieden. 

10)  v.  Ab  erle -Wien:  Ueber  Fettemboiie  nach  orthopädischen 
Operationen. 

Bericht  über  8  Fälle  von  Fettembolie,  meist  nach  unblutigen 
Operationen  (Redressement,  Infraktion),  5  der  Fälle  endigten  töd¬ 
lich.  Verf.  empfiehlt  zur  Verhütung  dieser  bedenklichen  Komplikation: 
Frühzeitige  Beseitigung  von  Kontrakturen,  langsame  Ent¬ 
fernung  der  E  s  m  a  r  c  h  sehen  Binde  nach  Operationen  am  Skelett, 
Unterlassung  von  Infraktionen,  Bevorzugung  der  Osteotomie,  Be¬ 
seitigung  multipler  Kontrakturen  in  mehreren  Sitzungen. 

11)  S  ch  an  z- Dresden:  Ein  Typus  von  Schmerzen  an  der  Wir¬ 


belsäule. 

Sch.  glaubt,  dass  viele  Fälle  von  Schmerzhaftigkeit  der  Wirbel¬ 
säule,  die  an  eine  chronische  Entzündung  denken  lassen,  in  Parallele 
zu  setzen  sind  mit  den  Plattfussschmerzen.  Aehnlichkeit  in  Aetiologie, 
Symptomatologie  und  klinischem  Verlauf  scheinen  ihm  diese  Hypo¬ 
these  zu  stützen.  Er  meint,  dass  es  sich  um  die  Folgen  einer  Ueber- 
beanspruebung  der  Wirbelsäule  handelt. 

Das  Krankheitsbild  bezeichnet  er  als  „Insufficientia  vertebrae“. 

12)  V  u  1  p  1  u  s  -  Heidelberg:  Die  Arthrodese  des  Schulter¬ 
gelenkes. 

Die  Arthrodese  der  Schulter  wegen  Schlottergelenkes  und  ihre 
Resultate  sind  noch  wenig  bekannt. 

V.  verfügt  über  12  solche  Operationen,  die  bis  zu  9  Jahren  zurück¬ 
liegen.  Das  anatomische  Resultat,  die  Ankylosierung,  Hess  nur  2  mal 
zu  wünschen  übrig.  Das  funktionelle  Ergebnis  ist  ein  sehr  erfreuliches. 
Der  Arm  konnte  durchschnittlich  um  75  0  nach  vorne,  um  60 0  seitwärts 
und  um  30 0  nach  hinten  gehoben  werden  mit  Hilfe  der  Schultergürtel¬ 


muskeln. 

13)  Lorenz-  Wien :  Ueber  Konkavtorsion. 

L.  verneint  die  Möglichkeit  einer  solchen  und  sucht  nachzuweisen, 
wie  der  Glaube  an  dieselbe  durch  irrtümliche  Analyse  klinischer  Sym¬ 
ptome  entstanden  ist.  Wohl  aber  entsteht  durch  Rotation  eines  Wir¬ 
belsäulensegmentes  eine  Konkavrotation. 

14)  W  e  r  ni  d  o  r  f  f  -  Wien:  Ueber  die  blutige  Behandlung  hoch¬ 
gradiger  Kniegelenksverkrümmungen. 

Handelt  es  sich  um  stumpfwinklige  Kniekontrakturen,  so  emp¬ 
fiehlt  W.  die  Osteotomie  an  Femur  und  Tibia,  nicht  die  Resektion, 
Letztere  Operation  ist  dagegen  indiziert,  und  zwar  mit  reichlicher 
Knochenopferung,  wenn  der  Flexionswinkel  90 0  oder  darunter  beträgt. 
(Kasuistik  von  5  Fällen.) 

15)  W  e  r  n  d  o  r  f  f  -  Wien:  Zur  blutigen  Behandlung  der  habi¬ 
tuellen  Schultergelenksverrenkung. 

W.  hat  in  einem  Fall,  der  durch  keine  Knochenverletzung  kom¬ 
pliziert  war,  eine  Verengerung  der  erschlafften  Kapsel  vom  vorderen 
Schnitt  aus  nach  Eröffnung  des  Gelenkes  und  Ablösung  des  M.  sub- 
scapularis  mit  gutem  Erfolg  vorgenommen  (Beobachtungsdauer  9 
Monate). 

16)  S  c  hu  1 1  z  e  -  Duisburg:  Zur  Behandlung  der  schweren  Platt- 
fussformen  jenseits  der  Wachstumsgrenze. 

Sch.  hat  gesehen,  dass  selbst  im  5.  Dezennium  der  schwere 
Plattfuss  noch  unblutig  durch  energisches  Redressement  geheilt  wer¬ 
den  kann.  Die  Verlängerung  der  Achillessehne  ist  stets  voraus¬ 
zuschicken.  Die  blutige  Methode  ist  erst  dann  berechtigt,  wenn  das 
Redressement  erfolglos  geblieben  ist.  Die  Nachbehandlung  (6  Paar 
Schuhe!)  ist  wichtig. 

17)  P  e  1 1  e  s  o  h  n  -  Berlin:  Ueber  Spondylitis  typhosa. 

Die  Erscheinungen  der  lumbalen  Spondylitis  traten  1%  Monate 
nach  der  Entfieberung  auf.  Die  Typhusdiagnose  stand  einwandfrei 
fest.  Der  Verlauf  war  günstig. 

18)  Wolle  nberg  -  Berlin :  Die  normale  Anatomie  des  Knie¬ 
gelenkes  im  Röntgenbilde  nach  Aufblasung  der  Gelenkkapsel. 

W.  hat  an  der  Leiche  Kniegelenke  mit  Leim  prall  gefüllt,  die 
Präparate  gehärtet  und  in  frontale  und  sagittale  Sägeschnitte  zer¬ 


legt,  welche  dann  geröntgent  wurden.  Aus  der  Untersuchung  er¬ 
gibt  sich,  dass  weder  die  stärkere  Dislokation  des  lateralen  Meniskus 
nach  aussen,  noch  das  freie  Schweben  des  Meniskusschattens  im 
Gelenkspalt  für  ein  „Derangement  interne“  beweisend  ist.  Meniskus¬ 
verletzungen  sind  auch  im  Sauerstoffröntgenbild  schwer  einwandfrei 
nachzuweisen. 

19)  D  a  v  i  d  -  Berlin:  Coxa  valga. 

Wir  kennen  eine  angeborene,  eine  traumatische  und  eine  sta¬ 
tische  Coxa  valga.  Als  gemeinsame  Symptome  weisen  diese  3  For¬ 
men  auf:  Aussenrotation  und  Abduktionsstellung  des  Beines,  be¬ 
hinderte  Adduktion.  Bei  angeborener  Deformität  findet  man  auch 
erhebliche  Muskelschwäche,  grazilen  Bau  des  Femur. 

20)  Preiser- Hamburg :  Die  Roser-Nelaton sehe  Linie 
und  die  Ursachen  und  die  Bedeutung  des  Trochanterhochstandes. 

Sowohl  durch  Untersuchung  am  Lebenden  wie  durch  Nach¬ 
prüfung  an  Beckenpräparaten  konnte  Pr.  nachweisen,  dass  in  der 
Hälfte  der  Fälle  etwa  bei  völlig  Hüftgesunden  der  Trochanter  nicht 
in  die  genannte  Linie  fällt,  sondern  häufig  mehrere  Zentimeter  (bis 
9cm!)  höher  steht. 

21)  Zuelzer- Potsdam :  Ein  einfacher  X-Beinkorrektions- 
apparat  für  Kinder. 

Die  Knie  werden  auf  einem  Brett  mit  Hilfe  von  Stahlbügeln 
fixiert,  die  Füsse  an  den  Knöcheln  mit  einer  Gummibinde  einander 
genähert. 

Der  Liegeapparate  kann  täglich  wiederholt  stundenweise  ange¬ 
wendet  werden. 

22)  Gerson:  Zur  Behandlung  des  runden  Rückens  und  der 
hohen  Schulter. 

Eine  Rückenpelotte,  die  tornisterartig  getragen  und  durch 
Schultergurte  angepresst  wird.  Der  Druck  kann  durch  eine  Schrau¬ 
benwirkung  gesteigert  werden. 

23)  E  v  ier  -Treptow:  Ein  im  Kniegelenk  beweglicher  Genu¬ 
valgum-Apparat  aus  Chromlederstreifen  und  Schienen  mit  federnder 
Extension  an  der  Aussenseite. 

42)  B  ö  h  m  -  Berlin:  Untersuchungen  über  die  anatomische 
Grundlage  der  jugendlichen  seitlichen  Rückgratverkrümmungen. 

Die  Wirbelsäule  zeigt  durch  Veränderungen  der  Wirbelformen 
sehr  häufig  Erkrankungen  hinsichtlich  der  Ausdehnung  ihrer  einzelnen 
Segmente,  wie  sich  durch  genaue  Prüfung  zahlreicher  Skelette  er¬ 
geben  hat  —  „numerische  Variation“.  Diese  Variation  kann  unter 
gewissen,  genauer  studierten  Umständen  eine  Wirbelsäulendeformität 
(laterale  und  sagittale)  zur  Folge  haben. 

Mühsame  und  sehr  genaue  klinische  bezw.  röntgenologische 
Untersuchungen  haben  gezeigt,  dass  zum  mindesten  viele  sogen, 
„habituelle“  Skoliosen  mit  solchen  „numerischen  Variationen“  kom¬ 
biniert  sind.  Wir  erhalten  damit  eine  überaus  interessante  neue  Be¬ 
leuchtung  der  bisher  recht  dunklen  Aetiologie  der  Skoliose,  die  also 
sehr  viel  häufiger  kongenitalen  Ursprungs  wäre  als  man  bisher  ge¬ 
ahnt  hat. 

25)  Böhm-Berlin:  Zur  Aetiologie  des  flachen  Rückens. 

Die  „numerische  Variation“  im  Lumbosakralteil  beeinflusst  die 
Stellung  des  Promontorium,  diese  aber  ihrerseits  die  Entwicklung  der 
anteroposterioren  Krümmungen  der  Wirbelsäule. 

Auch  2  klinisch-röntgenologische  Analysen  sprechen  dafür,  dass 
der  Haltungstypus  des  flachen  Rückens  ätiologisch  mit  einer  lumbo- 
sakralen  Variation  zusammenhängt.  V  u  1  p  i  u  s  -  Heidelberg. 

Zentralblatt  für  Chirurgie.  1907.  No.  47  bis  49. 

No.  47.  M.  Zondek:  Zur  Nephrotomie  mittels  des  Quer¬ 
schnittes. 

Z.  bespricht  die  Momente,  die  Hermann  veranlassten,  nach 
seinen  Experimenten  an  Hunden  den  Querschnitt  bei  Nephrotomie  zu 
empfehlen  und  bestreitet,  dass  die  Gefässanlage  der  Niere  des  Hundes 
völlig  der  des  Menschen  gleiche,  wie  H.  annimmt;  er  schildert  letz¬ 
tere  näher  und  gibt  zu,  dass  die  Querinzision  genau  der  Richtung  der 
arteriellen  Gefässe  angepasst  (d.  h.  in  einer  nach  dem  Hilus  hin 
radiären  Richtung)  nur  geringen  Parenchymverlust  zur  Folge  haben 
dürfte,  was  nicht  allein  für  die  Querinzision  durch  die  Mitte,  sondern 
auch  für  die  durch  die  Niere  gegen  die  beiden  Nierenpole  zu  gilt. 
Hauptsächlich  kommt  es  aber  darauf  an,  wie  tief  in  das  Parenchym 
der  Schnitt  geführt  werden  muss  und  wird  im  Bereich  der  Nieren¬ 
rinde  die  Quer-  ebenso  wie  die  Längsinzision  nur  geringen  Gewebs- 
verlust  machen,  während  bei  beiden  in  der  Tiefe  der  Niere  die  In¬ 
zision  in  eine  von  starken  Gefässen  dicht  durchsetzte  Gegend  geht. 
Nach  Z.  wird  man  mittels  der  Längsinzision  keine  grössere  Infarkt¬ 
bildung  herbeiführen,  als  mittels  der  Querinzision  und  wird  bei 
ersterer  stets  bessere  Freilegung  des  Beckens  und  der  Kelche  er¬ 
reichen. 

Franz  F  i  n  k  -  Karlsbad:  Ueber  Appendicitis  traumatica. 

Mitteilung  eines  Falles  traumatisch  entstandenen  akut  appendi- 
zitischen  Anfalles  nach  Sturz  auf  den  Bauch  bei  einem  Sprung  mit 
Schneeschuhen,  die  akuten  Symptome  gingen  zurück,  aber  es  ent¬ 
wickelte  sich  ein  Stadium  der  Latenz  mit  Gefühl  des  Unbehagens 
und  der  Spannung,  das  einmal  von  neuem  Anfall  unterbrochen  wurde. 
Bei  der  Intervalloperation  fand  sich  eine  Stieldrehung  der  Appendix 
und  war  es  durch  Sekretstauung  zu  eitrigem  Exsudat  in  der  Appendix 
(ohne  Kotstein  oder  Verwachsungen)  gekommen. 


2612 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


No.  -iS.  Paul  Clairmont:  Zur  Exstirpation  maligner  Ge¬ 
schwülste  der  Tonsillargegend. 

CI.  teilt  2  Pälle  aus  der  v.  E  i  sie  1  s  b  e  r  g  sehen  Klinik  mit,  in 
denen  er  durch  (Jnterkieferesektion  auffallend  guten  Zugang  zur  Ex¬ 
stirpation  des  ausgedehnten  Karzinoms  gewann,  er  weist  auf  die  Vor¬ 
teile  der  Immediatprothese  auch  für  die  als  Hilfsoperation  ausge- 
tuhrte  Resektion  einer  gesunden  Unterkieferhälfte  hin. 

.  .  Quido  Le  r  da- Turin:  Die  praktische  Anwendung  der 

Lokalanästhesie  bei  Frakturen. 

L.  hat  an  I  s  u  a  r  d  i  s  Klinik  ungefähr  30  Fälle  mit  subkutan  resp. 
zwischen  die  Fragmente  ausgeführter  Injektion  von  5—8  g  2  proz. 
Kokanilösung  (in  physiologischer  Kochsalzlösung)  behandelt  und' 
ohne  besondere  Nebenwirkungen  zu  beobachten,  gute  Erfolge  ge¬ 
sehen;  schon  wenige  Minuten  nach  der  Injektion  sind  geringe  aktive 
f  ,nPaMiVe  Bewegungen  des  gebrochenen  Gliedes  schmerzlos,  nach 
b— 10  Minuten  ist  die  Anästhesie  eine  vollständige,  die  Muskelkon- 
traktur  last  vollständig  verschwunden,  so  dass  man  die  Reduktion 
austuhren  kann.  Gewöhnlich  haben  die  Patienten  während  der 
manueHen  Behandlung  der  Fraktur  nur  ein  unangenehmes  Spannungs- 
gefnhl,  das  Anlegen  des  Verbandes  ist  schmerzlos.  L.  geht  auf 
die  einzelnen  Frakturen  ein  und  ist  der  Ansicht,  dass  die  Lokal- 
anasthesie  auch  in  der  Kriegschirurgie  bei  Knochenverletzungen  vor- 
zugliche  Dienste  leisten  kann,  er  betont,  dass  man  mittels  der  Lokal¬ 
anästhesie  nicht  nur  Schmerzen  lindern,  sondern  auch  Resultate  er¬ 
zielen  kann,  wie  sie  sonst  nur  bei  Narkose  und  mehrfacher  Assistenz 
zu  erreichen  sind.  gcjlf 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  Bd  XXVI 
Heft  3. 

bei  isÄtti  SLd5eHetTdl“n2  der  Qeb“r,en 

mit  neue„CMe0thodl„d.'NeWYOrk:  Die  Messun^"  des  W”d<»  utero 

,  Die  Dauer  der  Schwangerschaft  lässt  sich  ziemlich  genau  da¬ 
durch  bestimmen,  dass  man  die  Höhe  des  Uterus  über  der  Symphyse 
mit  dem  Bandmass  misst.  Dieses  Mass  durch  3V2  dividiert,  ergibt 
die  Anzahl  der  Lunarmonate.  Die  Grösse  des  fronto-okzipitalen  Kopf¬ 
durchmessers  wurde  mit  dem  Tasterzirkel  bestimmt.  Von  der  Grösse 
dieses  Durchmessers,  der  in  einem  bestimmten  Verhältnis  zum 
queren  Durchmesser  steht,  lassen  sich  Rückschlüsse  auf  die  Grösse 
des  letzteren  machen.  Der  quere  Durchmesser  darf  nie  grösser  sein 
als  die  Conjugata  yera,  sonst  ist  ein  glücklicher  Verlauf  der  Geburt 
wenig  wahrscheinlich.  Die  Masse  geben  zusammen  gute  Anhalts- 
punkte  für  die  Wah  der  geburtshilflichen  Massnahmen. 

Verf  hfSHVüetbe!  beckenerweiternde  Operationen. 

Mfltter  —  n  v  \  dlv-Hfb°Steotomi,e  ausgeführt.  Mortalität  der 
hf  |l~c  °-  Von  den  Kindern  wurden  2  totgeboren,  bei  denen  vor 
bi  ^ewaltsame  Zangenversuche  gemacht  worden  waren 

JÄÄÄÄÄÄS 

ÄTKe'ÄauT,'!  WUrde  "aCh  der  V°llkomm<in 

epithel  im  Vtenis  von  KlnL„Ueber  Vorkorame”  ™  p<a“*»- 

91/  Plattenepithel  kommt  bei  Kindern  im  Corpus  uteri  bis  zu 
2V*  Jahren  in  etwa  10  Proz.  der  Fälle  vor.  Bei  weiterer  Entwicklung 
des  Uterus  verschwindet  es  in  der  Regel  wieder.  Die  seltenen  Fälle 

karzinoioHeTcor m  0f?erflächenepithel  ausgehenden  Plattenepiftä! 
Karzinom  des  Corpus  uteri  stammen  wahrscheinlich  von  ausnahms¬ 
weise  persistierenden  angeborenen  Plattenepithelinseln  ab. 

Blutkoag„k,ms  Die  Bedeu,"n|i  d“  Z  w  c  i  i  e  1  sehen 

Der  Vorschlag  von  Zweifel,  nach  der  Geburt  dais  Rlnto-^ 

der'1 1 1  r  es  lau  e  r  6  K 1  i  nik  *  fn  ^ 5  ff  FH  l de  ns  6  XYÖ  zu  entfernen,  wurde  in 

nur  in  etwa  W  f Ju  n -le m naÄ?eprüft-  Qerinnsel  fand  sich 
”  ul  ' 3  aller  Falle.  Die  Morbidität  erfuhr  im  Vergleich  mit 

250  mahl  ausgetupften  Fällen  eine  geringe  Steigerung  Da  dlm  Verl 

fahren  von  Zweifel  ohne  Zweifel  Mängel  anhaften  so  versuchte 

der'  äetar7dSrch£Drack1uflferr'nf  n°"  K°aSula  “"mittelbar  nach 
n-L  f  1  üu.  Druck  auf  den  kontrahierten  Uterus  herbeizufiiTiren 

^  t,l  PHelS1°n  föurderi di«  kleinsten  Blutklümpchen  aus dir ^Scheide 

in  den  ers,e" 3-^ 

der  weiblichen  BrosMrüse  Ei"iSe  Beobach,“"2“"  üb«  die  Funktion 

^“Vparät  ““J 

Ige.  1  ur  die  Funktion  der  Brustdrüse,  die  Milchsekretion  ist  Vnr 
bedingung  eine  überstandene  Schwangerschaft  X 2  ’  u? 

SST  Rn*"«  £”  |?eiz*d"Sd^  MHohabsonderang  auslösen 

d  fT.  as  Aufboren  des  kindlichen  Stoffwechsels  und  die  Entleerung 

mmmwmi 


stark  vermindert  ist.  Diese  Störung  kann  indes  durch  konsequentes 
Anlegen  wieder  behoben  werden. 

7)  U  n  g  e  r  -  Breslau :  Zyklopie. 

Neben  Betrachtungen  über  die  Missbildungen  dieser  Art  Beschrei¬ 
bung  eines  einschlägigen  Falles. 

8)  T  orke  1-Breslau:  Sterilität  des  Weibes. 

In  A  aller  Fälle  ist  der  Mann  durch  Azoospermie  Schuld  an  der 

Kinderlosigkeit  in  der  Ehe.  Bei  der  Frau  spielen  Entzündungsprozesse 
jeder  Art  die  grösste  Rolle.  Meist  erwirbt  die  Frau  das  Unvermögen 
Kinder  zu  erhalten,  in  der  Ehe,  die  Unfähigkeit  zu  konzipieren  ist  vor- 
ier  selten.  Dann  handelt  es  sich  um  Missbildungen,  Entwicklungs- 
hemmungen  und  Tumoren.  Unsere  Kenntnisse  über  die  Sterilität  der 
Ehe  haben  sich  in  den  letzten  30  Jahren  kaum  vergrössert. 

W  e  i  n  b  r  e  n  n  e  r  -  Magdeburg. 

Zentraibiatt  für  Gynäkologie.  No.  49. 

Ho  di  P  0  1  ^  *  "Berlin:  Zur  Aetiologie  von  Lähmungen  im  Gebiete 
ihre  Verhütung!*^13  IS  ^  0perat!onen  in  Beckenhochlagerupg  und 

,  Ursachen  der  von  Braun  beschriebenen  sogen.  Nar¬ 

kosenlahmungen  galten  bisher  Herabhängen  des  Oberarmes  oder 

01UsehauSf0ern,?aroäSyPereHX,enSi0n,  der  Ar"'e-  A"  Slk  vo“ 
a,i,f  in  pfo  f  H  H\n0?  em  an,deres  ätiologisches  Moment,  Druck 
R  ,dea  f  lexus  durch  das  sogen.  Schultergestell,  das  dort  bei 
Beckenhochlagerung  verwendet  wird.  H.  hat  diesem  Uebelstande 
dadurch  abgeholfen,  dass  er  die  Lederpolster  des  Schulterhalters  durch 
rädermanSih!Che  erset?te’  ,welche  ähnlich  den  Pneumatiks  der  Fahr- 

Bis  ietet  sind  die  damit  Eeraachten 

mit  Nebennierenpräpara'te*n.Ueber  Behandl“^  der  Osteomalakic 

P.  berichtet  über  2  Fälle  schwerster  Osteomalakie  in  ihren  Svm- 

v  er  schieden'2  Del^f  ’  Rcaktionauf  Nebennierenpräparate  ganz 
erschieden.  Der  1.  betraf  eine  19jahnge  II.  Para  im  7.-8  Monat 

v_ie  ei  ielt  1  ccm  Paranephrin  Merck  einer  Lösung  von  1  ‘5000  Da' 
au  Erbrechen  Herzklopfen,  Zittern,  Präkordialangst  24  Stunden 
spater  konnte  Patientin  allein  aus  dem  Bett  aufstehen  erhielt  im 
ganzen  noch  3  Injektionen  und  war  dann  völlig  geheilt.  'Der  2  Fall 
betraf  eine  34  jährige,  sehr  elende  VIII.  Para.  Die  Nebenwirkungen 
der  Injektionen  waren  hier  die  gleichen  wie  im  1.  Fall  der  Erfole 
F  die  Osteomalakie  dagegen  gleich  Null.  Im  allgemeinen  bleibt 
u.r  dle  Krankheit  die  bisherige  Therapie  (Phosphor,  Lebertran  Saiz- 
bader  Kastration)  zu  Recht  bestehen.  In  geeigneten  Fällen  kann 
Adrenalin  oder  seine  Ersatzmittel  versucht  werden. 

schuhfrage?  n  1 1  z  e  r  ‘  Hamburg:  Kurze  historische  Notiz  zur  Hand- 

C.  weist  darauf  hin,  dass  Thomas  Watson  schon  im  fahre  i»w  * 
den  Gedanken  geäussert  hat,  bei  der  Geburt  Handschuhe  zu  ge 

einrtäShtigen11^^ Oh"!?6 gen"s'  dass  sie  den  Tastsinn  nicht  be- 
w  Mich  Sicht  r  0edanke  ,emals  worden:  ist,  erwähnt 

J  a  t  f  e  -Hamburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  50.  1907. 

1)  A.  W  ass  er  mann -Berlin:  Ueber  die  Entwicklung  und  den 
gegenwärtigen  Stand  der  Serodiagnostik  gegenüber  Syphilis 

W.  präzisiert  seinen  Standpunkt  in  der  Frage  der  SerumrLwin« 
^Syphilis  lind  macht  über  die  ErgebnlÄV ne„«er 
Mitteilung.  Der  diagnostische  Wert  der  Methode,  welche  in  80  bis 
in nnZ’  Sypbdisfalle  einen  positiven  Ausfall  liefert  ist  an 

gegen^  BTa%7 'ZT Wen  'Yie»en.  Verf.  wendet  sich  sodann 

en  Dräun  und  Weil,  da  letztere  in  der  Auffassung  über  da* 

Wesen  der  Reaktion  von  Verf.  abweichen,  ohne  in  ihren  Arbeiten  ge- 

nugend  zu  betonen,  dass  sie  das  Tatsächliche  der  Methode  zu°eben 

müssen.  Nach  den  weiteren  Untersuchungen  handelt  es  sich  bef  dem 

$nhQ?eaktl°n-VeDmititelnden  Körper  wahrscheinlich  um  eine  lipoide 

KReakll°n  ,findet  sich  in  allen  Stadien  der  Syphilis 
me  aber  bisher  bei  gesunden  Menschen  yp  us’ 

mid  Beitr8ka  -  Morphologie 

Vergl.  das  Referat  S.  2461  der  Münch,  med.  Wochenschr.  1907 

lischer  Lrwachsungeib  Bfcr  m'  Zar  B>b™,ySi„beha„d,„„g  perigas, l 

..  ?le  2  Bälle,  deren  Krankengeschichte  mitgeteilt  wird  wurden 
tiotzdem  es  sich  bei  ihnen  um  ausgedehnte  perigastritische  Ad’ 

günstig  beeinflusst. 

tphi.fcc 1  Mßke  war  5  jähriger  Bergmann,  bei  welchem  im  An¬ 
schluss  an  Magengeschwür  ausgedehnte  Verwachsungen  entstanden 

Me„"-Be°ferüi;ftrDfren2enF\tkd0ne;cf“5rte'’  “  »«"ga^eXb- 

ßesserung.  Der  2.  Fall,  eine  26  jährige  Näherin  welrhp  vpr 
schierlene  Geschwürkuren  ohne  Erfolg  durchgemacht  'hatte  erhielt 
ls  Einspritzungen,  welche  auch  hier  von  günstigem  Erfolge  begleitet 
waren.  Verwendet  wurde  das  M  e  r  k  sehe  ffiSsin,  «Ä 

durc, 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2613 


bis  zur  Erzielung  einer  Röntgendermatitis  fortgesetzt  und  leistete  | 
dem  Verf.  bei  der  Dosierung  der  anzuwendenden  Röntgenstrahlen  ; 
eine  von  ihm  angewendete  physikalische  Berechnungsmethode,  über  | 
deren  Einzelheiten  das  Original  zu  vergleichen  ist,  gute  Dienste. 

5)  N.  K  r  o  n  -  Berlin :  Die  Basedow  sehe  Krankheit  und  das 
Geschlechtsleben  des  Weibes.  (Schluss  folgt.) 

6)  A.  Hock -Prag:  Kongenitale  Verengerungen  der  Harnröhre. 

3  Fälle  werden  ausführlicher  vom  Verfasser  mitgeteilt.  Ein 

17  jähriger  junger  Mann  zeigte  klinische  Erscheinungen,  welche  den 
Verdacht  auf  Urogenitaltuberkulose  erwecken  mussten,  es  wurde  je¬ 
doch  eine  sehr  enge  Striktur  der  Harnröhre,  welche  nur  mittels  dünn¬ 
ster  Sonden  passiert  werden  konnte,  konstatiert.  Es  ist  nicht  ganz 
sicher,  ob  eine  kongenitale  Affektion  vorliegt.  Im  2.  Falle,  einem 
47  jährigen  Kaufmann,  bestand  eine  Verengerung  am  Orificium  ex- 
ternum,  ausserdem  noch  2  enge  Stellen  in  den  hinteren  Partien  der 
Harnröhre.  Kompliziert  war  der  Fall  infolge  der  viele  Jahre  be¬ 
stehenden  Stauung  durch  eine  Miterkrankung  der  oberen  Harnwege 
und  der  Nieren.  Der  Fall  endigte  unter  den  Erscheinungen  der  Harn¬ 
kachexie  letal.  Im  3.  Falle  wurde  bei  dem  18  jährigen  Kranken 
zunächst  eine  angeborene  Verengerung  der  äusseren  Mündung  opera¬ 
tiv  beseitigt,  dann  fand  sich  noch  eine  Striktur  in  der  Bulbusgegend. 
Auch  bei  einem  4.  Kranken  mit  Striktur  war  Gonorrhöe  und  Trauma 
auszuschliessen, 

7)  C.  P  o  s  n  e  r  -  Berlin  :  Beobachtungen  am  menschlichen 
Sperma  bei  Dunkelfeldbeleuchtung. 

Vergl.  kurze  Inhaltsangabe  S.  2548  der  Münch,  med.  Wochenschr. 
1907.  Grass  mann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  50.  1907. 

1)  Albu -Berlin:  Diätkuren.  Fortbildungsvortrag. 

2)  P.  Hilbert-Königsberg  i.  Pr.:  Ueber  neuere  Heilmittel 
gegen  Lungentuberkulose. 

Kritischer  Ueberblick.  In  dem  Koch  sehen  A  1 1 1  u  b  e  r  k  u  1  i  n 
hatte  der  Verfasser  sehr  zuverlässige  diagnostische  Hilfe.  Ferner 
war  die  durchschnittliche  Gewichtszunahme  der  Patienten,  welche 
neben  reichlicher  Ernährung  und  Liegekur  Tuberkulin  erhielten,  besser 
als  ohne  Tuberkulinbehandlung. 

3)  W.  K  a  u  s  c  h  -  Schöneberg:  Die  Resektion  des  ersten  Rippen¬ 
knorpels  wegen  beginnender  Lungenspitzentuberkulose. 

Verf.  mobilisierte  die  erste  Rippe  bei  einer  älteren  Frau  mit 
Spitzenbefund,  indem  er  die  Freundsche  Operation  ausführte.  Er 
empfiehlt  einen  Schnitt  direkt  auf  der  ersten  Rippe,  leicht  nach  oben 
konkav,  einen  Finger  unterhalb  des  Schlüsselbeins;  die  Fasern  des 
M.  pectoralis  major  werden  bei  stark  erhobenem  Arm  stumpf  aus¬ 
einandergeschoben. 

4)  F.  Köhler- Holsterhausen:  Ueber  Ophthalmoreaktion. 

Nur  8  von  169  klinisch  sicheren  Tuberkulosefällen  gaben  die 
Reaktion  nicht,  5  zweifelhafte  Fälle  reagierten.  Verf.  wünscht  aus¬ 
gedehnte  Nachprüfung  an  Nichttuberkulösen. 

5)  A.  S  c  h  m  i  n  c  k  e  -  Würzburg:  Ueber  linksseitige  muskulöse 
Konusstenosen. 

Bei  zwei  Frauen,  50  und  56  Jahre  alt,  fand  Verfasser  eine  diffuse 
Hyperplasie  der  gesamten,  die  Konuswandung  konstituierenden  Mus¬ 
kelmasse,  welche  er  als  kongenital  (Ueberschuss  von  Anlagematerialj 
ansehen  musste. 

6)  Paul  Schuster-  Berlin :  Hat  die  Hg-Behandlung  der  Syphilis 

Einfluss  auf  das  Zustandekommen  metasyphilitischer  Nervenkrank¬ 
heiten?  . 

Verf.  verneint  diese  Frage  entschieden.  Durch  die  Hg-Kur  wird 
der  Ausbruch  einer  metasyphilitischen  Erkrankung  weder  verhindert 
noch  verzögert,  auch  wird  das  klinische  Durchschnittsbild  der  1  abes 
und  Paralyse  nicht  beeinflusst.  Serologische  Untersuchungen  von  C  i  - 
t  r  o  n  und  Mühsam  Hessen  auch  keine  Beeinflussung  des  Anti¬ 
körpergehaltes  durch  Hg-Behandlung  erkennen.  Da  dieselbe  als 
unfähig  erscheint,  die  Antistoffe  aus  dem  Blute  der  Kranken  zum 
Verschwinden  zu  bringen.,  gewinnt  die  Annahme  an  Wahrscheinlich¬ 
keit,  dass  die  nervösen  Nachkrankheiten  der  Syphilis  nicht  durch  das 
syphilitische  Gift  als  solches,  sondern  durch  die  Antikörper  der  Sy¬ 
philis  erzeugt  werden. 

7)  E.  R  i  e  c  k  e  -  Leipzig:  Zur  therapeutischen  Verwendung  des 
Schwefels. 

Eine  30  proz.  Schwefelsalbe,  durch  Verreibung  eines  noch  feuch¬ 
ten,  frisch  präzipitierten  Schwefels  mit  einem  Salbenkörper  herge¬ 
stellt,  zeichnet  sich  durch  prompte  und  konstante  Wirkung  aus.  Diese 
genau  nach  Anweisung  herzustellende  Pasta  sulfuris  pultiformis  ent¬ 
hält  relativ  viel  Schwefel  in  sehr  fein  verteiltem  Zustand. 

8)  Hans  V  ö  r  n  e  r  -  Leipzig:  Hyperidrosis  unius  lateris  congenita. 

Beifund  bei  einem  30  jährigen  Manne. 

9)  G.  E  d  l  efsen  -Hamburg:  Ueber  Einnehmegläser  und  Tropf¬ 
gläser.  Vorschläge  zur  Sicherstellung  einer  richtigen  Dosierung 
flüssiger  Medikamente  (Schluss). 

Verfasser  empfiehlt  becherförmige,  durchsichtige  Gläser  mit 
exakter  Graduierung,  ferner  für  wässerige  Lösungen  von  Alkaloid¬ 
salzen  und  Tinkturen  starkwirkender  Mittel  graduierte  Saugpipetten. 

10)  H.  Neumann  - Berlin:  Die  Bekämpfung  der  Säuglingssterb¬ 
lichkeit. 


Verf.  wünscht  für  grössere  Städte  die  Bildung  von  städtischen 
Bezirkszentralen,  welche  in  enger  Fühlung  mit  Polizei,  Armenver¬ 
waltung  etc.  eine  geregelte  hygienische  Ueberwachung  aller  von  der 
Gemeinde  unterstützen  Kinder,  ferner  der  Haltekinder,  der  sonstigen 
unehelichen  Kinder  in  die  Hand  nehmen  soll;  die  Fürsorge  soll  sich 
nicht  nur  auf  die  Säuglinge,  sondern  auch  auf  Kinder  bis  zum  Beginn 
der  schulärztlichen  Ueberwachung  erstrecken. 

11)  R.  L  a  -  N  i  c  c  a  -  Bern:  Das  Militärsanitätswesen  in  der 
Schweiz. 

12)  P.  R  ö  m e  r  -  Greifswald:  Augenheilkunde  im  Rahmen  der 
klinischen  Ausbildung  des  Mediziners. 

Antrittsvorlesung.  R.  Grashey  - München. 

Oesterreichische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  50.  K.  Landsteiner,  R.  Müller  und  O.  P  ö  t  z  1  -  Wien : 
Zur  Frage  der  Komplementbindungsreaktionen  bei  Syphilis. 

Die  Verf.  haben  die  auffallende  Beobachtung  gemacht,  dass  alko¬ 
holische  Extrakte  aus  Organen  gesunder  Tiere,  z.  B.  aus  dem  Herz¬ 
muskel  eines  Meerschweinchens,  mit  Syphilisserum  komplementbin¬ 
dende  Eigenschaften  ganz  analog  den  Extrakten  syphilitischer  Organe 
des  Menschen  gaben.  Es  scheinen  im  Syphilisserum  Stoffe  enthalten 
zu  sein,  die  nicht  eigentlich  Syphilisantikörper  sind,  sich  jedoch  mit 
gewissen  Bestandteilen  normaler  und  syphilitischer  Gewebe  ver¬ 
binden. 

W.  Janowski  - Warschau :  Ueber  Blutdruck,  wahre  Puls¬ 
grösse  und  Pulszelerität  in  verschiedenen  pathologischen  Zuständen. 

Die  Untersuchungen  erstreckten  sich  auf  Herzkrankheiten,  Ge- 
fässsklerosie,  Basedowsche  Krankheit,  Nierenleiden,  Infektions¬ 
krankheiten,  Lungentuberkulose  und  eine  Reihe  von  selteneren  Er¬ 
krankungsformen.  Die  zahlreichen  Eimzelangaben  sind  im  Original 
einzusehen;  die  bisherigen  Methoden  lassen  eine  Verwertung  der 
sphygmomanometrischen  Befunde  zur  Beurteilung  der  Leistungsfähig¬ 
keit  des  Herzens  noch  nicht  in  genügendem  Masse  zu.  Vielleicht 
führt  die  von  Sahli  angegebene  Sphygmobolometrie  zu  Fortschrit¬ 
ten  in  dieser  Richtung. 

A.  v.  Khautz-Wien:  Anurie  bei  Douglasabszess. 

Krankengeschichte  eines  16  jährigen  Jungen,  bei  welchem  ein 
appendizitischer  Douglasabszess,  welcher  durch  Inzision  in  das  Rek¬ 
tum  entleert  wurde,  mit  einer  4  Tage  vor  der  Operation  einsetzenden, 
anhaltenden,  fast  vollständigen  Anurie  einherging.  Ausser  der  mecha¬ 
nischen  Kompression  der  Ureteren  mag  auch  eine  stenosierende  Ent¬ 
zündung  derselben  Vorgelegen  haben. 

S.  Reines-  Wien:  Röntgenbehandlung  gewisser  Formen  vene¬ 
rischer  Bubonen  durch  unmittelbare  Drüsenbestrahlung. 

Während  die  Röntgenbehandlung  tuberkulöser  und  skrofulöser 
Drüsentumoren  wenig  erfolgreich  ist,  ergibt  sie  bei  nicht  eitrigen 
venerischen  Bubonen  sehr  befriedigende  Resultate,  zumal  wenn  die 
Haut  über  denselben  abgetragen  und  so  die  Drüsen  der  direkten  Ein¬ 
wirkung  der  Röntgenstrahlen  (mittelweiche  Röhren)  ausgesetzt  wer¬ 
den.  Der  Drüsenschwund  und  die  Benarbung  soll  in  kürzerer  Zeit  vor 
sich  gehen  als  bei  den  anderen  Behandlungsmethoden. 

L.  N  a  u  m  a  n  n  -  Dresden:  Ueber  maligne  Blenorrhöe  der  Neu¬ 
geborenen. 

Mitteilung  eines  Falles;  das  Kind  zeigte  schon  sofort  nach  der 
(Zangen-)  Geburt  die  eitrige  Konjunktivitis.  Nach  24  Tagen  waren 
beide  Augen  durch  Perforation  und  Linsenverlust  erblindet.  Es 
scheint,  dass  hier,  wie  in  anderen  dieser  seltenen  Fälle,  der  vor¬ 
zeitige  Sprung  der  Fruchtblase  für  die  gonorrhoische  Infektion  vor 
der  Geburt  von  wesentlicher  Bedeutung  ist. 

Wiener  klinische  Rundschau. 

No.  41  u.  44.  A.  Biu  r  a  czyn  s  k  i  -Lemberg:  Ikterus  im  Früh¬ 
stadium  der  Lues. 

Kurze  Literaturübersicht  und  Beschreibung  zweier  tödlicher  Fälle 
mit  dem  Obduktionsbefunde  der  akuten  gelben  Leberatrophie. 

No.  43.  L.  v.  Frankl-Hoch  wart  -  Wien :  Zur  Differential¬ 
diagnose  der  juvenilen  Blasenstörungen  (zugleich  ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  des  spinalen  Blasenzentrums). 

2  Fälle.  Schwächliche  junge  Leute,  welche  zur  Zeit  der  Sexual- 
reife  mit  Dysurie,  Harnretention,  paralytischem  Harnträufeln  mit 
Expressibilität  der  Blase  erkrankten.  Der  eine  starb,  es  ergab  sich 
Schrumpfniere,  Hydronephrose.  Die  Untersuchung  des  Rückenmarkes 
zeigte  neben  einer  Erweiterung  des  Zentralkanales  in  der  dorso- 
lateralen  Zellgruppe  im  Bereich  des  2. — 4.  Sakralis  sehr  ausge¬ 
sprochene  Veränderungen  im  Sinne  der  axonalen  Degeneration. 

No.  43.  V.  Blum- Wien:  Harnverhaltung  im  Kindesalter  (zu¬ 
gleich  ein  Beitrag  zur  Frage  der  Pyozyaneussepsis). 

Der  Fall  hat  Aehnlichkeit  mit  den  vorstehend  beschriebenen. 
Der  13  jährige  Knabe  zeigte  konstante  Inkontinenz  der  hyperexten¬ 
dierten  Blase.  Nach  dem  Tode  des  Kranken  fand  sich  eine  hämor¬ 
rhagische  Pyelonephritis  und  eine  lobuläre  Pneumonie,  im  Harn,  in 
den  Nierenabszessen  und  im  Herzblut,  der  Pyozyaneusbazillus  in 
Reinkultur.  Im  Sakralmark  wurde  eine  starke  Hyperämie,  zum  reil 
intrazelluläre  Neuronophagie,  axonale  Degeneration  der  grossen  Vor- 


2614 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


derhornzellen  und  eine  Verdoppelung  des  Zentralkanales  festgestellt, 
ein  Befund  der  unzweideutig  für  die  Existenz  des  mehrfach  ange- 
zweifelten  Blasenzentrums  im  Rückenmark  spricht. 

No.  46/48.  J.  P  r  e  i  n  d  1  s  b  e  r  g  e  r  -  Sarajevo :  Neue  Mitteilungen 
über  Rückenmarksanästhesie. 

Uebersicht  über  93  Fälle  von  Lumbalanästhesie  mit  Novokain 
und  Adrenalin  und  100  Fälle  solcher  mit  Tropakokain  in  Liquor 
cerebrospinalis.  P.  gibt,  obwohl  die  Wirkung  des  Novokains  eine 
gute  und  verlässliche  ist,  dem  Tropakokain  den  Vorzug. 

W.  Kopfstein- Jungbunzlau:  Eine  seltene  Hernie  (isolierte 
Brucheinklemmung  von  Aopendices  epiploicae). 

Der  auszugsweisen  Beschreibung  von  6  Fällen  der  Literatur 
viid  die  eines  7.,  vom  Verf.  selbst  beobachteten  Falles  hinzugefügt. 
Alle  I  alle  betrafen  die  linke  Seite.  Die  genaue  Diagnose  ist  bei  der 
grossen  Aehnlichkeit  mit  den  Netzbrüchem  kaum  zu  stellen. 

B  e  r  g  e  a  t  -  München. 


Inauguraldissertationen.*) 

Theodor  Rosenthal  hat  unter  Leitung  von  Privatdozent 
L.  I  ick  am  Krankenhaus  im  Friedrichshain  in  Berlin  Unter¬ 
suchungen  über  den  Ausgang  der  fibrinösen  Pneu- 
m  o  n  !  e  1  n  a  p  u  t  r  i  d  e  anämische  Nekrose  angestellt  und 
ist  zu  folgenden  Schlüssen  gekommen:  I.  Neben  den  ungewöhn- 
bchen  Ausgangen  der  fibrinösen  Pneumonie  in  Abszess,  Gangrän  und 
Karnifikation  ist  die  Sequestration  als  eine  weitere  pathologisch-ana¬ 
tomisch  wohl  umschriebene  Form  zu  nennen.  2.  Die  Sequestration  bei 
fibrinöser  Pneumonie  ist  eine  anämische  Nekrose.  Der  Tod  des  Ge¬ 
webes  ist  die  Folge  ausgedehnter  thrombotischer  Verschlüsse  der  Zu¬ 
fuhr  enden  Arterien.  3.  Die  Ursache  für  die  eigenartige  anämische 
Infarzierung  der  Lunge  liegt  'in  der  fehlenden  Möglichkeit  der  Ausbil- 
dung  des  kollateralen  Blutstromes.  Diese  Hindernisse  sind  in  ver¬ 
schiedenen  Momenten  gegeben:  Ausbreitung  und  Multiplizität  der 
Ihrombosen,  Kompression  der  Blutgefässe,  namentlich  der  Kapillaren 
durch  das  pneumonische  Exsudat,  Verödung  der  Kapillaren  durch 
interstitiell-bindegewebige  Wucherung  (als  Folge  von  Anthrakose) 
Erlahmung  des  Herzens,  namentlich  des  rechten.  4.  Die  anämische 
t  eQuestrierung  stellt  neben  dem  Sphacelus  eine  besondere  Form  des 
Lungenbrandes  dar:  aputr'ide  feuchte  Nekrose  des  Lungengewebes 
bie  ist  von  der  Pneumonia  dissecans  scharf  zu  trennen/ ebenso  wie 
on  den  verschiedenen  Formen  der  Pneumomalazie.  Der  Sequester 

(fe.w’  ioot6  Er  demarkiert  sich-  aber  er  erweicht  nicht. 

Leipzig  1907,  33  SJ  Fritz  L  0  e  b 


Auswärtige  Briefe. 

Leipziger  Brief. 

(Eigener  Bericht.) 

i  ETüe  fV331?6  ^eit  *st  verstrichen,  seit  unser  leider  nicht  ge- 
lobtes  Land  sich  in  tiefes  Schweigen  hüllte.  Aber  sei  es,  dass  wir  nach 
schweren  Zeiten  die  Ruhe  allzusehr  geniessen,  sei  es,  dass  im  Ver- 
dem’  W3S  im  Reiche  vorgeht,  unsere  Erlebnisse  sich  nicht 

d e r e n  ^S r h i vo rh e b e  11  ’  Ahlten  die  Bedingungen  zu  einer  beson¬ 

deren  Schilderung,  die  Feder  war  stumpf. 

So  manches  fällt  uns  jetzt  mühelos  in  den  Schoss,  was  früher 

\V(>rt(U^  ri  1/ar,tetJ  Kampr  errungen  werden,  konnte,  um  das  lauthalsig 
Worte  und  Schriften  gewechselt  werden  mussten.  Ausgemacht  in  der 

verrfeilteSmanWdiP  T  Connew!tz’  dem  Leipzig  einverleibten  Vororte, 
.  ^  E  JD33  die  Armenpraxis  unter  dort  ansässige  Aerzte  echt 

wnh?6«?  Qedanken  ‘Hm’  fjir  die  Armen  der  ganzen  Stadt  die  freie  Arzt- 
,  h  einzufuhren,  lasst  bei  der  neubegründeten  städtischen  Kranken- 
MppAfur  dle  Beamten  der  Stadt  und  deren  Familien  die  Wahl  unter 
allen  Aerzten,  wofür  80  Proz.  der  Mindesttaxe  den  Mitgliedern  der 
■\asse  zui  uckvergütet  werden.  Leider  waren  unsere  Stadtväter  nicht 
zu  bewegen,  mit  dem  bewährten  Verein  für  fre?e Ärztin  ein sicher 

dnrhKnnSh  Weli  güns,tlgeres  Abkommen  abzuschliessen,  das  vermutlich 
loch  noch  zustande  kommen  wird.  Denn  jetzt  werden  natürlich  sämt- 

Frtw  if Xi+eiS?ngen  berechnet,  eine  Kontrolle  besteht  nicht  Mehr 
-rfolg  hatte  der  genannte  Verein  mit  der  Ortskrankenkasse  zu  Mar 
kranstadt,  jenem  Unglücksorte,  der  1904  mit  der  Leipziger  Bruder 
gemeinde  gleichen  Schritt  und  Tritt  halten  wollte,  neue  Aerzte  an 
-stellte,  sie  audi  beibehalten  konnte,  während  jener  von  dem  nunmehr 
erstorbenen  Kreishauptmann  v.  E  h  r  e  n  s  t  e  i  n,  Exzellenz  die  Suddp 
Pi  v<T.rsf  zc.n  uprde-  Diese  neuen  Aerzte  entführte  nun  eine  unend- 

jnL  weiteC  FtmnenVd^pet^n^  pVOn  Umstanden-  darunter  Amtsmüdigkeit, 

,  v  ute  rernen,  die  alten  kamen  wieder  zu  Ehren  ein  sehr  annehm 

F^FMVt[,,rag  "'"riJe  .akzeptiert.  Es  sei  hervojjehoben  dass  dies^j 
hall  Markranstädts  einer  der  zahlreichen  gewesen  ist  die  für  die 
irksainkeit  des  Wirtschaftlichen  Verbandes  auch  nach  temporär  ver- 
'orener  Schiacht  sprechen.  Denn  mit  seiner  Hilfe  konnten  die  schweb 
.cschadigten  Kollegen  durchgehalten  werden  und  jetzt  geniessen  sie 

.?ePsnsi°nsexemplare  erbittet  Dr.  Fritz  Loeb.  München 
Domfrc,heit).  Besprechung  Vorbehalten. 


die  Früchte  ihres  mit  den  Mitteln  der  organisierten  Aerzteschaft  er¬ 
möglichten  AushaiYens. 

In  der  Tat  wäre  Derartiges  vor  Jahren  nicht  denkbar  gewesen, 
nie  nt  denkbar  wie  so  manche  andere,  um  ein  zeitgemässes  Wort  zu 
entlehnen  Umwertung  der  Werte,  genau  so  wenig  möglich,  wie  was 
Kollege  Magen,  der  Redner  der  letzten  November-Generalver¬ 
sammlung  der  Sektion  Leipzig  des  Wirtschaftlichen  Verbandes  aus- 
fuhrte  dass  ein  veritabler  Reichstagsabgeordneter  sich  geschlagene 
4  Stunden  zu  Aerzten  gesellt  hätte,  um  ihren  Klagen  und  Forderungen 
uehor  zu  geben.  Und  dennoch  es  ward  Ereignis.  Unser  Abgeordne- 
tei  lunck  lauschte  mit  den  anderen  Erschienenen  den  prächtigen 
Worten  Magens  über  die  Wünsche  der  Aerzte  bei  der  Kranken¬ 
versicherungsgesetzgebung.  Ja  er  griff  in  die  Debatte  bei  dem  einen 
der  Hauptpunkte  ein,  der  auch  seiner  allgemeinen  Wichtigkeit  wegen 
hier  hervorgehoben  werden  soll.  Magen  ist  bekanntlich  und  das  mit  ' 
Recht,  ein  enragierter  Gegner  der  3000-M.-Grenze,  hat  ja  auch  im 
Vereinsblatt  sehr  lichtvoll  nachgewiesen,  dass,  wird  sie  eingeführt 
uns  nur  ein  Minimum  an  Privatpraxis  verbleibt,  zumal  dann,  wenn 
■  nach  Analogie  des  jetzigen  Gesetzes  die  Kassenmitglieder  auf  Antrag 
noch  weiter  ihre  Rechte  geniessen  können,  hat  ihr  Einkommen  die 
Versicherungsgrenze  überschritten.  Hierzu  führte  der  Gast  aus,  dass 
bei  der  herrschenden,  Zeitströmung,  Versicherungen  zu  schaffen,  ein 
Btrauben  sehr  überlegt  sein  wolle.  Er  zog  das  vorgesehene  Gesetz 
über  die  Privatbeamtenversicherung  an,  gab  zu  bedenken,  ob  es  nicht 
tm  uns  Aerzte  weit  besser  sei,  mit  einer  grossen  Reichsversicherung 
abzuschliessen,  denn  mit  einzelnen  Privatversicherungen.  Nicht  aber 
entziehen  konnte  er  sich  der  Wucht  der  brillanten  Gegenrede  des 
naupti  ediiers,  dass  uns  eine  erweiterte  Versicherungsgesetzgebung 
ganz  recht  sein  könne,  lasse  man  nur  dabei  die  Aerzte  aus  dem  Spiele 
Alle  die  dabei  vorgesehenen  Berufsstände  sollen  unsere  Privatklien¬ 
tel  bleiben  und  sich  das  Arzthonorar  ersetzen  lassen.  Ausgezeichnet 
und  fesselnd  war,  wie  Magen  uns  die  Gefahr  vorstellte,  wird  der 
Kreis  der  gegen  Krankheit  Versicherten  immer  mehr  erweitert,  wo¬ 
durch  der  Arzt  in  die  Beamtenstellung  kommen  muss,  ausgezeichnet 
aber  auch  die  Worte  des  bekannten  temperamentvollen  Dr.  G  ö  t  z  jun. 

Er  machte  unter  starker  Betonung  einzelner  Fälle  auf  die  demorali¬ 
sierende  Wirkung  der  Versicherung  aufmerksam  mit  ihrer  Erzeugung 
von  Simulation  und  Aggravation.  Kurz  gesagt  war  es  in  der  Tat 
ein  anregender  Abend,  und  wenn  auch  nichts  gesagt  wurde,  was  dem 
Kenner  der  Liteiatur  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  fremd  gewesen 
wäre,  so  war  die  Zusammenstellung  neu,  interessant,  das  Milieu  und 
nicht  zuletzt  die  sachliche  Behandlung  der  Frage  von  Bedeutung 
und  unser  Wunsch,  uns  einen  neuen  Kenner  sowie  neuen  Freund 
unseier  wirtschaftlichen  Bestrebungen  zu  erwerben,  ist  sicher  in 
Erfüllung  gegangen. 

Ein.  anderes  Bild.  Die  herrschende  Teuerung  auch  aller  Lebens- 
icdiit  misse,  der  hohe  Bankdiskont  wird  nicht  nur  dem  Kapitalisten 
unbehaglich,  sondern  noch  mehr  die  Bedürftigen  richten  die  Blicke 
unwillkürlich  auf  unsere  erhöhte  Honorarforderung  bei  der  Orts¬ 
krankenkasse.  Begehrliche  Blicke,  aber  getrübt  durch  die  Künste 
uei  Diplomatie.  Jetzt  gerade  jährt  es  sich,  dass  uns  von  der  Kreis- 
hauptmannschaft  am  Rossplatze,  im  Aerztemund  die  „Rossnlatzklippe“ 
genannt,  aufgegeben  wurde,  Material  zu  sammeln  zur  Begründung 
unserer  Forderung.  Es  ist  da,  ist  reichlich  zu  unseren  Gunsten  vor¬ 
handen!  Aber  es  regt  sich  nichts  am  grünen  Tisch.  (Und  dabei  ein 
so  unendlich  gesundes  Wetter,  dass  der  Arzt  gleich  den  depossedier- 
ten  Geistlichen  Frankreichs  einen  Nebenberuf  ergreifen  könnte.  Für- 
wahr,  auf  Rosen  sind  wir  immer  noch  nicht  gebettet!) 

Im  übrigen  sind  aber  unsere  Beziehungen  zur  Krankenkasse 
formell  keine  üblen.  Das  zeigt  sich  am  deutlichsten  bei  der  Be¬ 
sprechung  leichter  Unstimmigkeiten  im  sog.  Einigungsausschuss,  ge¬ 
bildet  von  Vertretern  der  Vertrancnskommission  und  des  Kassen- 
v  oi  Standes.  So  konnte  da  für  die  Herren  eine  Lanze  gebrochen  wer¬ 
den,  die  eine  der  neuzeitlichen  elektrischen  Lichtheilanstalten  ge¬ 
gründet  haben.  Bisher  sandte  die  Kasse  Patienten,  waren  ihnen  Licht- 
und  dergleichen  Zellenbäder  angeordnet,  einem  früheren  Masseur  zu, 
der  zum  lohnenderen  Kurpfuschertume  übergegangen  war,  sich  für 
den  Zweck  An-  und  Kathoden  in  grösserer  Anzahl  angeschafft  hatte, 
es  a>uch  verstand,  sie  mit  dem  elektrischen  Strome  derart  zu  speisen, 
dass  auch  ei  dabei  satt  wurde  und  sogar  Einiges  für  die  emsig  ge- 
schlagene  Reklametrommel  übrig  blieb.  Die  Kasse  nahm  in  ihrer  Un¬ 
schuld  an,  dass  zu  derlei  elektrischen  Massnahmen,  wie  Lichtheil¬ 
bader,  ein  Arzt  unnötig  sei,  der  ja  auch  das  Dampfbad  nur  anordne 
und  nicht  selbst  leite.  Ein  ausführliches  Sachverständigenurteil  das 
wir  uns  aus  Gross-Berlin  erbaten,  hat  sie  eines  Besseren  belehrt 
und  nun  wird  sie  ein  Abkommen  mit  den  erwähnten  Kollegen  treffen, 
notabene,  wenn  diese  von  ihren  Forderungen  etwas  nachlassen! 
Kulanter  war  sie  gegen  einen  sehr  fest  besoldeten  Arzt.  Kriegs- 
Jahrgang  1904,  der  sich  dem  Triibsystem  ergeben  hatte.  Hier  war 
ein  Vertrag  ohne  jeden  Schacher  auf  der  solidesten  Basis  getroffen 
worden,  pro  Betrübung  1  M.  Das  magnetische  Feld  erwies  sich  von 
geradezu  biblischer  Fruchtbarkeit. 

Viel  Mühe  und  Arbeit  machen  der  Vertrauenskommission  die 
Beschwerden  der  Kassenmitglieder  über  Aerzte,  meist  Bagatellsachen 
von  durchaus  untergeordneter  Bedeutung.  Das  Ergebnis  der  Unter¬ 
suchung  sowie  deren  Beurteilung  werden  dem  Kassenvorstand  mit- 
geteilt  und  leider  hat  er  einige  Fälle  in  der  Generalversammlung  der 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2615 


Kasse  zur  Stimmungsmache  benutzt,  darunter  einen,  der  den  Kol¬ 
legen  Qötz  in  Plagwitz  betraf,  diesen  aber  ohne  ihn  vorher  zur 
Kenntnis  der  Kommission  zu  bringen.  Die  ihm,  dem  Vorkämpfer  aller 
idealen  Bestrebungen,  durchaus  nicht  gewogene  Volkszeitung  hatte  die 
Kolportage  der  vom  Vorstand  der  Kasse  obendrein  durchaus  mangelhaft 
geführten  Angelegenheit,  mit  der  der  Kollege  eine  durchaus  nützliche, 
ia  pekuniäre  Entlastung  der  Krankenkasse  bezweckt  hatte,  m  der 
ihr  eigenen  Weise  übernommen.  G  ö  t  z  vertritt  die  bestrittene  Mei¬ 
nung  man  müsse  dieses  Organ  des  werktätigen  Volkes,  wie  es  sich 
nennt  durch  Geldbussen  gerichtlich  , kränken.  Dadurch  und  weil  er 
von  früher  her  der  schwarze  Mann  der  Sozialdemokratie  ist,  ist  er 
recht  unbeliebt  bei  den  Matadoren.  Vor  einiger  Zeit  hatte  er  wieder¬ 
um  einen  Strauss  mit  seinen  alten  Gegnern  auszufechten,  er  der  un¬ 
verbesserliche  Idealist,  dem  der  Aerztestand  manches  zu  verdanken 
hat  gegen  ärzteverleumderische  Bosheit,  die  ein  sog.  verantwortlicher 
Redakteur  deckte.  Während  Justitia  die  Binde  lüftete  und  den  Ver¬ 
antwortlichen  zu  einer  beträchtlichen  Geldstrafe  verdonnerte,  wurde 
dem  Idealisten  im  Hause  der  gerechten  Göttin  der  Ueberzieher  ge¬ 
stohlen.  Ein  kleiner  Verlust  im  Vergleich  zu  anderen.  Denn  G  o  t  z 
hat  schon  andere  Opfer  für  die  Aerzte  gebracht  und  gutdotierte  Stellen 
verloren,  darum  aber  noch  keine  Kongresse  einberufen  oder  Sonder¬ 
bündelei  betrieben. 

Der  Volkiszeitung  gegenüber  sind  andere  Aerzte  kulanter.  I  rotz 
deren  ausgesprochen  ärztefeindlicher  Haltung,  die  in  den  Kampf¬ 
mitteln  sehr  wenig  wählerisch  ist,  annoncieren  sie  die  mit  Recht  so 
beliebte  Abreise,  Ankunft,  Aendierungen  der  Sprechzeit  und  das  un- 
gemein  wichtige  „Morgen  Mittag  oder  Vormittag  fällt  meine  Sprech¬ 
stunde  aus.“  O,  dass  sie  bei  manchen  doch  immer  ausfiele.  Notwendig 
wäre  sie  ja  gar  nicht.  Denn  wozu  noch  Sprechstunde,  wenn  man 
für  6000  M.  Gehalt  im  Quartal  9  Patienten  berät,  wenn  man  Rund¬ 
reisen  macht,  um  auswärts  Vorträge  zu  halten,  oder  Zahnheilkunde 
studiert. 

Natürlich  haben  wir  im  Laufe  des  Jahres  die  übliche  Spezialarzt¬ 
debatte  gehabt.  In  Leipzig  ist  ein  Beschluss  durchgedrückt  worden, 
dass  auf  den  Strassenschildern,  von  den  Titeln  prakt.  Arzt  und  Spe¬ 
zialarzt  der  eine  zu  weichen  hat.  Aut  Caesar  aut  Spezialarzt.  Einige 
Kollegen  haben  denn  auch  den  Ueberschuss  getilgt,  mit  welchen  Emp¬ 
findungen,  davon  schweigt  die  weltbekannte  sächsische  Höflichkeit. 

Die  piece  de  resistance  unseres  Vereinslebens  und  der  Aerzte- 
stammtische  war  aber  die  neue  sächsische  Landesmedizinaltaxe. 
Man  kann  deren  mehrere  unterscheiden.  Eine,  vom  Fiskus  vorge¬ 
schlagene,  die  natürlich  unannehmbar  ist,  aber  kommen  wird,  und 
die  einzelner  Kommissionen,  darunter  eine  von  unserer  Vertrauens¬ 
kommission.  Fiskus  Bliemchen  veranschlagt  am  höchsten  die  Konser¬ 
vierung  eines  toten  Menschen  mit  M.  1000,  in  Worten  Mark  tausend, 
gestattet  dann  den  Zahnärzten  einen  kostbaren  goldenen  Brücken¬ 
bau,  und  bewertet  erst  dann  die  lebensrettende  Operation,  wie  Lapa¬ 
rotomie.  Wo  bleibt  der  Simplizissimus,  wo  die  Jugend.  Da  schweigen 
sie,  sie  die  sonst  Rubriken  für  ärztliches  im  Text,  für  allzuärztliches 
in  dem  ominösen  Annocenteil  für  die  „viri“  etc.  haben. 

Weit  verständiger  erscheinen  die  Vorschläge  des  Untertanen¬ 
verstandes.  Er  hat  die  Taxe  heraufgesetzt,  namentlich  auch  bei  An¬ 
sätzen,  die  dem  medicus  practicus  fröhliche  Stunden  bereiten  könnten. 
Keine  Uebereinstimmung  herrscht  bei  der  Erhöhung  der  ersten  Kon¬ 
sultation  von  1  M.  auf  1  M.  50  Pf.  Die  einen  verlangen  sie  um 
jeden  Preis,  vorsichtigere  meinen,  sie  sei  der  erste  Anfang  zu  einer 
besonderen  Krankenkassentaxe,  da  die  Kassen  den  Preisaufschlag 
nicht  tragen  können  oder  nicht  tragen  zu  können  vermeinen.  Wir 
werden  ja  sehen,  wer  Recht  behält.  Nicht  umsonst  singen  die  Gross¬ 
und  Kleinindustriellen,  die  noch  immer  am  Ufer  des  Rheines  sitzen  und 
dort  ihre  eigenartige  Wacht  halten,  ein  neues  Lorelevlied,  nicht  um¬ 
sonst  werden  die  eheren  Schritte  der  Arbeiterbataillone  hallen  und 
der  Optimist  wird  die  Augenachse  nach  dem  unvermeidlichen  Zenith 
richten,  sursum  vergens.  Man  kann  von  Leipzig  nicht  sprechen  ohne 
des  dunklen  Ostens  zu  gedenken.  In  Dresden  sind  die  Kollegen  recht 
mobil,  ja  sogar  mit  Frässdorf  bändeln  sie  an.  Besagte  Respekts¬ 
person  war  von  einem  hohen  Ministerio  aufgefordert  worden,  sich 
darüber  zu  äussern,  ob  die  Einführung  der  freien  Arztwahl  in  Dies- 
den  angängig  sei  —  naive  Minister  —  worauf  er  natürlich  laut  und 
vernehmlich  „Nein“  antwortete  und  mit  den  Zahlen,  die  Magen  im 
Vereinsblatt  als  ganz  unzutreffend  nachweist,  operierte.  Jetzt  wollen 
auch  die  Dresdener  Aerzte  gehört  sein.  Sie  sagen,  eines  Mannes 
Rede  ist  keine  Rede,  man  soll  sie  hören  alle  Beede.  Womit 
sie  Recht  haben.  In  der  Welt  ja;  ob  in  Dresden,  das  steht  bei  den 
Sternen.  In  dem  noch  östlicheren  Zittau  wollen  die  Krankenkassen 
neben  den  Aerzten  Kurpfuscher,  wenn  auch  nur  in  Ausnahmefällen,  zu¬ 
lassen.  Auch  sie  berufen  sich  auf  das  Ministerium,  das  dies  in  der 
Tat  laut  Verfügung  schon  vor  Jahren  gestattet  hat.  Herrlich,  spiach 
der  Fürst  von  Sachsen,  ist  mein  Land  und  seine  Macht.  V. 


Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  11.  Dezember  1907. 

(Nachtrag.) 

Diskussion  zum  Vortrage  des  Herrn  Carl  Lew  in: 
Experimentelle  Beiträge  zur  Morphologie  und  Biologie  bös¬ 
artiger  Geschwülste. 

Herr  L.  Michaelis:  Alle  bisherigen  Experimente  haben  nur 
eine  Transplantation  von  Tumorzellen  und  deren  weiteres 
Wachstum  ergeben.  „Der  Schluss  auf  Infektiosität  wäre  voreilig  ge- 

wesen.“  . 

Der  Tumor  C.  Lewin s,  den  er  anfangs  selbst  mitbeobachtet, 
bringt  aber  etwas  neues,  indem  er  in  einigen  Exemplaren  der  späteren 
Generationen  vom  ursprünglichen  Typus  abweicht  und  neben  dem 
Ausgangskarzinom  Kankroid  und  Sarkom  aufweist. 
Aehnliches  ist  schon  vorher  von  Ehrlich  und  A  p  o  1  a  n  t,  sowie  von 
O.  Loeb  und  auch  von  Bashford  gezeigt  worden.  Die  Er¬ 
klärung  könnte  sein:  dass  schon  vorher  im  Ausgangstumor  ein 
Mischtumor  vorlag,  dies  hält  M.  für  nicht  wahrscheinlich  und 
gekünstelt;  oder  dass  eine  M  e  t  a  p  1  a  s  i  e  statthatte,  dies  könnte 
nur  für  das  Kankroid  zutreffen,  nicht  aber  für  das  Sarkom,  das  sich 
unmöglich  aus  Epithel  entwickeln  kann;  oder  endlich,  dass  der 
W  ach  st  ums  reiz  vom  Karzinom  auf  andere  Zellen  iiberge- 
gangen,  auf  die  Epidermis-  und  Bindegewebszellen.  Dies  führt 
dahin,  anzunehmen,  dass  das  Agens  von  den  ursprüng¬ 
lichen  Tumo  rzellen  in  späteren  G  e.n  erationen  a  u  t 
andere  Zellen  übergehen  kann  und  dies  v/äre  nach  L.  M. 
der  erste  Schritt  zur  Infektionstheorie  der  Tumoren,  denn  ein  che¬ 
misches  Agens  ist  ausgeschlossen.  (Warum  denn?  Der  oben  von 
Michaelis  gesprochene  Satz:  „Der  Schluss  auf  Infektiosität  wäre 
voreilig  gewesen“  gilt  vielmehr  m.  E.  durchaus  auch  heute  noch. 
R^f ) 

Herr  Orth:  Herr  Lewin  hat  in  seinem  Vortrage  auf  die  De¬ 
batte  im  Krebskomitee  hingewiesen;  da  habe  L.  aber  einen  etwas 
anderen  Vortrag  gehalten.  In  dem  jetzt  zur  Diskussion  stehenden 
habe  L.  sich  auf  Mitteilung  der  Tatsachen  beschränkt, 
nicht  so  im  ersten;  daher  sei  seine  (O.s)  damalige  Opposition  gegen 
L.s  Schlüsse  zu  erklären,  hauptsächlich  gegen  d  e  n  Schluss,  dass  Kar¬ 
zinomgewebe  sich  in  Sarkom  umwandeln  könne,  bezw.  in  L.s  Fall 
umgewandelt  habe.  Möglich,  dass  er  da  Herrn  L.  missverstanden 
habe,  aber  auch  andere  Hörer  hätten  den  gleichen  Eindruck  gehabt. 
Das  Kankroid  sei  zweifellos  da,  was  aber  das  Sarkom  anlange, 
so  müsse  er  an  dieser  Diagnose  in  den  von  ihm  gesehenen  Prä¬ 
paraten  zweifeln;  Herr  L.  gebe  aber  an,  dass  er  noch  andere  1  iu- 

parate  habe.  ,  .  ,  .  t 

Woher  das  Kankroid  stamme,  wisse  er  nicht;  doch  seien  beson¬ 
dere  Wucherungen  in  der  Nähe  von  Geschwülsten  nicht  ganz  un¬ 
bekannt,  so  habe  er  durch  einen  seiner  Schüler  mitteilen  lassen,  dass 
das  Deckepithel,  wenn  von  unten  her  ein  Sarkom  heranwachse,  sich 
verdicke  und  glykogenreicher  werde;  ob  es  sich  da  um  mehr  als 
eine  blosse  Hypertrophie  handle,  sei  unentschieden. 

Die  Tumorzelle  sei  immer  etwas  art 'gleiches,  deshalb  sei 
der  Ausdruck  Parasit,  wie  er  von  manchen  Autoren  auf  sie  an  ge¬ 
wendet  wird,  unangebracht;  der  einzige  Fall,  wo  dieser  Ausdruck 
statthaft,  sei  bei  Doppelteratomen  gegeben.  Die  Beobachtung  L.s 
sei  interessant,  es  sei  aber  nicht  völlig  ausgeschlossen,  dass  v  o  n 
vornherein  ein  Mischtumor  Vorgelegen  habe. 

Herr  Sticker:  Die  experimentelle  Krebsforschung  habe  ge¬ 
zeigt,  dass  es  beim  Tiere  übertragbare  Tumoren  gebe,  wahrscheinlich 
treffe  dies  auch  auf  den  Menschen  zu.  Woher  sie  gewöhnlich  beim 
Menschen  stammen,  sei  noch  unentschieden,  also  ob  sie  autogen  odei 
exogen  seien;  wahrscheinlich  sei  beides  möglich. 

Der  Versuch  Lewins,  so  interessant  er  auch  sei,  gebe 
keinen  weiteren  Einblick  in  diese  Frage,  denn 

1.  es  gibt  spontan  vorkommende  Sarko-Karzinome  bei  Mausen 

und  Ratten  (Loeb); 

2.  der  normale  Körper  kann  -diese  beiden  Komponenten  ti  emicn, 
so  dass  dann  in  dem  einen  Tier  nur  der  sarkomatöse,  im  anderen 
nur  der  karzinomatöse  Anteil  zur  Entwicklung  gelangt; 

3.  der  übertragbare  Tiertumor  zeigt  eine  auffallende  Konstanz, 
wie  Erfahrungen  an  hundertausenden  von  Tieren  zeigen; 

4  Das  Auftreten  eines  Mischtumors  gehört  zu  den  grössten 
Seltenheiten  (z.  B.  Bashford  sah  es  bei  60000  Tieren  nur  ein¬ 
mal,  im  ganzen  ist  es  etwa  7  mal  gesehen  worden): 

5.  es  ist  festgestellt,  dass  gewisse  Tiere  eine  spezifische 
Immunität  für  Sarkom,  andere  nur  für  Karzinom  besitzen. 

Diese  5  Tatsachen  lehren,  dass  es  sich  im  Fall  Lewins  um 
einen  ursprünglichen  Mischtumor  gehandelt  hat,  bei  welchem  dei 
sarkomatöse  Anteil  anfangs  latent  war  und  in  den  allermeisten 
geimpften  Tieren  latent  geblieben,  in  einigen  späteren  aber  zur  Ent¬ 
wicklung  gekommen  ist. 

Herr  Liepmann:  In  einem  Falle  der  Bumm  sehen  Frauen¬ 
klinik  wurde  ein  Ovarialkarzinom,  in  einem  anderen  ein 


2616 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


Ovarialsarkom  exstirpiert;  diese  wurden  lebendfrisch  auf 
Tiere  übertragen.  Dann  pulverisierte  man  Teile  beider  Tumoren 
und  injizierte  dieses  sterile  Pulver  Kaninchen  in  die  Bauchhöhle.  Da 
zeigte  sich,  dass  das  Serum  der  mit  Sarkompulver  behandelten  Tiere 
sowohl  auf  Sarkomzellen  biologisch  wirkte,  wie  auf 
Karzinomzellen,  das  gleiche  zeigte  sich  bei  Karzinomserum ; 
freilich  gebe  das  Serum  eine  Reaktion  auch  mit  anderen  normalen 
Zellen,  aber  nur  eine  schwächere.  Daraus  folgert  L  i  e  p  m  a  n  n 
eine  biologische  Analogie  zu  dem  Lewin  sehen  Befunde 
eine  Verwandtschaft  beider  Zellarten. 


Herr  Neuhäusser:  Dass  Sarkom  und  Karzinom  auch  beim 
Menschen  zusammen  Vorkommen,  zeigen  2  Nebennierentumoren  der 
Israel  sehen  Abteilung,  die  er  demonstriert. 

Herr  Gierke:  Er  habe  bei  Bashford  im  Londoner  Krebs- 
Institut  dessen  bekannte  Fälle  gesehen.  Das  dortige  Material  zeich¬ 
net  sich  vor  dem  Ehrlich  sehen  dadurch  aus,  dass  von  allen 
Tumoren  Teile  aufbewahrt  werden  und  dass  man,  als  sich  plötzlich 
in  einer  späteren  Generation  ein  Mischtumor  ergab,  das  Ausgangs¬ 
material  nochmals  nachträglich  daraufhin  genau  untersuchen  konnte, 
bezw.  dass  man  vor  der  Uebertragung  jedes  Stückchens  genau  unter¬ 
suchte.  Da  zeigte  sich  denn,  dass  für  gewöhnlich  bei  jeder  Ueber¬ 
tragung  das  mitübertragene  Stroma  zugrunde  geht  und  dass  das 
Wirtstier  ein  neues  Stroma  liefert;  anders  beim  primären  Misch¬ 
tumor;  da  gerät  sowohl  das  übertragene  Eoithel,  wie  auch  das 
übertragene  Bindegewebe  in  Wucherung  (Mitosen). 

Die  für  gewöhnlich  auftretende  Neuentwicklung  eines  Stromas 
aus  dem  Wirtstier  ist  Bashford  geneigt,  als  einen  vom  epithelia¬ 
len  Anteil  des  Tumors  ausgehenden,  auf  das  Bindegewebe  wirkenden 
umbildenden  Reiz  aufzufassen,  und  er  spricht  deshalb  von  einer 
Stromareaktion. 


Zur  zweiten  Frage,  wie  die  Bildung  des  Kankroids  aus  dem 
Karzinom  zu  erklären  sei,  erinnere  er  an  die  Mitteilung  B.  Fischers, 
welcher  bei  Injektion  von  Scharlachäther  in  die  Mäuse-Brustdriise 
neben  der  Wucherung  der  Zellen  der  Milchdrüsen  auch  Plattenepithel- 
n klung  gesehen  habe,  und  welcher  meine,  dass  eine  solche  Meta¬ 
plasie  möglich  sei. 

HerrFalk:  In  einem  Fall  von  primärem,  von  ihm  exstirpiertem 
alveolärem  Karzinom  der  Tuben  bestanden  die  späteren 
Metastasen  alle  aus  Sarkom.  Dies  sei  eine  Analogie  zu  dem 

L  e  w  i  n  sehen  T  umor  (wenn  die  Diagnose  alveoläres  Karzinom  rich¬ 
tig  war.  Ref.) 


Hei r  C.  Lew  in  (Schlusswort):  Es  wäre  doch  ein  merkwürdiger 
Zufall  wenn  an  seinem  Falle  anfangs  immer  gerade  die  Teile  mit 
Mischtumor  nicht  zur  Untersuchung  gelangt  wären.  Man  tue  am 
>esten,  sich  nicht  länger  mit  Hypothesen  abzugeben,  sondern  weiter 
zu  forschen.  Hans  K  o  h 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

. ,  °,r  cLeT13,t  'jehe  Sitzung  vom  21.  Oktober  1907 
abends  7  Uhr  im  Hörsaal  der  Senckenbergschen  Bibliothek. 
Vorsitzender:  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer:  Herr  Seligmann. 


Demonstrationen  aus  dem  patho- 


Herr  A I  b  r  e  c  h  t: 
logischen  Institut. 

Herr  Tr  eii  p  el:  a)  Ueber  einen  Fall  von  „Tumor  cerebri“. 

M.  H  !  Vor  einigen  Monaten  hat  Herr  Homburger  in  sehi 
anschaulicher  und  zutreffender  Weise  uns  die  Schwierigkeiten  ge- 
schildert,  die  sich  für  die  diagnostische  Verwertung  der  a  1 1  g  e  • 
me  men  und  der  H  e  r  d  Symptome  bei  den  umschriebener 
Erkrankungen  des  Gehirns  ergeben  können.  Es  ist  nicht  nur  die  ge- 
Lokalisation  im  Bereich  einer  Hirnseite  bisweilen  sehr  zweifei- 

wr  -tnmrldHPc  6r  ‘S  trotz  sorgfältiger  Beobachtung  und  kritischer  Ver¬ 
wertung  des  Beobachteten  nicht  selten  unmöglich,  anzugeben  au! 
welcher  Seite  überhaupt  die  Erkrankung  sitzt.  Herr  Homb  u  r’g  e  i 

c?st  l T-  FaU  ausführ!ich  geschildert  und  Nonne  hat 

Sw  c  *  t  Fe  h  1  d!a  g  n  °'s  e  n  m  dieser  Beziehung  erörtert  Ich 
mochte  Sie  hier  nur  an  die  Falle  erinnern,  die  bei  den  ausgesprochenen 
Erscheinungen  allgemeiner  Arteriosklerose  (am  Herzen,  an  den  Nieren 
usw .)  mit  allen  typischen  Zeichen  der  Hirnapoplexie  (komnletter 
halbseitiger  Lähmung,  Bewusstlosigkeit,  Störungen  der  Atmung  und 
des  1  ulses)  zur  Beobachtung  kommen  und  bei  denen  dann  die  Sek- 
t  on  weder  in  der  inneren  Kapsel  der  gegenüberliegenden  Seite  wie 
man  anzunehmen  geneigt  ist,  noch  sonstwo  im  Gehirn  irgend  einen 

US  iTt eTn nfCWM T"  H  SSt'  t)iaT’?c  H  y  d  r  o  c  e  p  h  a  - 

hafte  Fälle.  Wert  der  H  ■  r  n  p  u  n  k  1 1  o  n  für  solche  zweifei- 

Anderseits  gibt  es  aber  natürlich  auch  Fälle,  deren  Herdsvmptome 
so  charakteristisch  sind  und  deren  Verlauf  im  allgemeinen  sich  so 
VPisch  gestattet,,  dass  eine  recht  genaue  lokale  Sic  ÄiS 
sicher  zu  stellen  ist.  Diese  Fälle  gleichen  dann  häufig  einander  wie 

hier  kurzeberichtenn  "n<i  "ber  Ci"e"  Solche"  Fa"  ,nMl1c  ictl 

Bei  einem  23  jährigen  Schuster  stellten  sich  ’/.  Jahre  vor  seiner 
Aufnahme  ms  Spital  Anfälle  von  Pa  r  äs  t  h  es  I  e  n  im  r  “  h- 


ten  Arme  ein.  Hierzu  traten  im  weiteren  Verlauf  Anfälle  von  klo¬ 
nischen  Zuckungen  im  rechten  Vorderarm  und  in  der 
rechten  Ha nd.  Schliesslich  kam  es  zu  einem  Anfall  allge¬ 
meiner  Krämpfe,  bei  dem  das  Bewusstsein  erhalten  blieb,  der 
aber  eine  vollständige  Hemiplegie  zurückliess.  Mit  dieser 
kam  der  Patient  bei  uns  zur  Aufnahme.  Wiewohl  eine  venerische  In¬ 
fektion  geleugnet  wurde,  haben  wir  doch,  der  allgemeinen  Regel  in 
solchen  Fällen  entsprechend,  eine  Jodkalibehandlung  und  Schmierkur 
eingeleitet.  Die  H  e  m  i  p  1  e  g  i  e  bildete  sich  im  Verlauf  der  näch¬ 
sten  Wochen  zurück,  am  schnellsten  im  Fazialisgebiet,  weniger  rasch 
im  rechten  Bein,  am  langsamsten  im  rechten  Arm,  in 
dem  noch  lange  eine  gewisse  Schwäche  bestand.  Neben  der  moto¬ 
rischen  Lähmung  bestand  auch  eine  deutliche  Empfindungslähmung 
besonders  auch  eine  Störung  des  Lagegefühls,  sowie' 
S  t  e  r  e  o  a  g  n  o  si  s,  am  ausgesprochendsten  im  rechten  Arm 
IT  Tage  nach  der  Aufnahme  trat  wiederum  ein  Anfall  auf  mit  kloni¬ 
schen  Zuckungen  im  rechten  Arm.  Diese  Anfälle  von  Jackson- 
schern  I  ypus  wiederholten  sich  in  der  Folgezeit.  Dazu  gesellten  sich 
in  den  nächsten  Wochen  die  Zeichen  des  allgemeinen 
Hirndrucks:  heftige  Kopfschmerzen,  nicht  sehr  deutlich  lokali- 
siert;  beiderseitige  Stauungspapille,  Erbrechen  in  steigender  Intensi-' 
tat.  Wir  machten  daher  nach  einer  im  ganzen  4  wöchigen  Beobach- 
tuns>  fiächdem  auch  eine  Lumbalpunktion  keine  Aenderung 
der  Situation  herbeigeführt  und  kein  neues  diagnostisches  Moment 
ergeben  hatte,  den  Vorschlag  zur  Operation  und  fassten  das  Er¬ 
gebnis  unserer  seitherigen  Beobachtungen  für  den  Chirurgen  in  fol¬ 
gender  Weise  zusammen: 

Wir  haben  bei  unserem  Patienten: 

1.  Ausfallserscheinungen  in  der  rechten  Körperhälfte  mit  beson¬ 
derer  Beeinträchtigung  der  feineren  Bewegungen  der  rechten  Hand. 

2.  Schwäche  und  Bewegungsstörungen  im  rechten  Arm. 

3.  Krämpfe  von  Jackson  schem  Typus. 

T.  Störungen  des  Lagegefühls  und  Stereoagnosis. 

5.  Deutliche  Hirndrucksymptome. 


Da  sich  im  Verlauf  einer  Quecksilber-  und  Jodkalikur  keine  deut¬ 
liche,  dauernde  Besserung  gezeigt,  die  Krämpfe  vielmehr  in  der  letz¬ 
ten  Zeit  sich  gehäuft  und  die  Zeichen  des  Hirndrucks  sich  ausgebildet 
haben,  so  glauben  wir,  dass  eine  rasch  wachsende  Neubildung  in  der 
linken  Hirnhemisphäre  vorliegt,  deren  Sitz  wir  in  die  Gegend  der 
hinteren  Zentralwindungen  im  mittleren  und  oberen  Teil  verlegen 
Die  rrepanationsöffnuiig  ist  derartig  anzulegen,  dass  sie  gestattet,  in 
uei  angegebenen  Höhe  die  vordere  und  hintere  Zentralwindung  sowie 
den  anstossenden  Teil  des  Scheitellappens  zu  übersehen. 

Aus  äusseren  Gründen  verzögerte  sich  die  in  Aussicht  ge¬ 
nommene  Operation.  Im  Verlauf  der  fünften  und  sechsten  Woche 
traten  Krämpfe  mit  Bewusstlosigkeit  ein,  die  Hirndruck- 
erscheinungen  steigerten  sich,  der  Patient  wurde  dauernd  benommen 
und  es  erfolgte  am  Ende  der  6.  Woche  der  E  x  i  t  u  s-  1  e  t  a  1  i  s. 

Die  Sektion  ergab  bezüglich  des  Gehirns,  das  uns  hier  nur 
interessiert,  in  der  Tat  ein  Gliosarkom  der  1  i  n  k  e  n  Z  e  n  t  r  a  1  - 
v  indu  ng  an  der  angegebenen  Stelle  mit  zystischer  Erweichung, 
etwa  ein  Fünftel  des  ganzen  Frontalquerschnittes  einnehmend  (De¬ 
monstration  des  Präparates). 


vciKiciLircn  öie  mir  unserem  rall  die  Beobachtung  III,  welche 
U  p  p,e  n„?  e  1 111  ln  seinen  , .Beiträgen  zur  Diagnostik  und  Therapie  der 
Geschwülste  im  Bereich  des  Zentralnervensystems“,  wiedergibt,  so 
werden  Sie  über  die  grosse  Aehnlichkeit,  um  nicht  zu  sagen  wörtliche 
Uebereinstimmung  überrascht  sein.  Nur  vollzog  sich  in  dem  O  p  p  e  ti¬ 
li  e  im  sehen  Fall  alles  etwas  langsamer,  so  dass  die  Operation 
wenigstens  noch  ausgeführt  und  dadurch  eine  Heilung  mit  allerdings 
ei  lieblichem  Defeikt  erreicht  werden  konnte.  In  unserem  Fall  muss 
man  es  bezweifeln,  ob  bei  der  so  sehr  in  die  Tiefe  gehenden  Zer¬ 
störung  die  Operation  überhaupt  einen  Dauererfolg  gehabt  hätte. 

f  x  P  1  s  n  11  S  S  5  0  n:  Herr  S  '^s  el  hat  einen  Fall  beobachtet,  der 
fast  denselben  Symptomenkomplex,  wie  der  des  Vortragenden  bot,  und 
der  sich  ebenfalls  bei  der  Operation  als  ein  Tumor  der  motorischen 
Region  erwies. 

Herr  S.  Auerbach:  Der  Fall  des  Herrn  Treupel  gehört  nicht 
zu  den  Seltenheiten.  Die  Operation  war  selbstverständlich  indiziert. 

uch  in  solchen  Fällen  von  Hirntumor,  in  denen  die  Diagnose  nicht  mit 
allei  Bestimmtheit  gestellt  werden  kann,  aber  in  denen  er  nicht  ge¬ 
linden  oder  radikal  entfernt  werden  kann,  ist  die  druckentlastende 
Trepanation  angezeigt  Dieser  Standpunkt  ist  auf  der  vorjährigen 
Naturforscherversammlung  zu  Stuttgart  ganz  allgemein  zur  Geltung 
gekommen.  Ich  halte  auch  den  damals  von  Herrn  Oppenheim  er¬ 
hobenen  Einwand,  es  könne  sich  vielleicht  um  einen  Pseudotumor 
(Nonne)  handeb,  nicht  für  stichhaltig,  da  Borchardt  in  5  der¬ 
artigen  Fallen  durch  die  dekompressive  Trepanation  Heilung  erzielt 
fiat,  die  ja  bei  dieser  seltenen  Affektion  auch  ohne  Eingriff  erfolgt 
aber  doch  nie  vorausgesehen  werden  kann, 
i •  ~Herr  Treupel  (Schlusswort)  bestätigt  die  guten  Erfolge,  die 
die  Trepanation  auch  in  den  Fällen  hat,  in  denen  der  angenommene 
umor  nicht  operabel  ist  oder  nicht  gefunden  wird.  Ganz  besonders 
die  ;  tauungspapille  bezw.  die  Neuritis  optica  bildet  sich  nach  der 
i  repanation  meist  rasch  zurück. 


b)  Die  Ophthalmoreaktion  bei  Tuberkulösen. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2617 


Aerztlicher  Verein  in  Hamburg. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  10.  Dezember  1907. 

Vorsitzender:  Herr  Kümmell. 

Herr  P  r  e  i  s  e  r  demonstriert  2  Patientinnen  mit  Fingerfrak- 

*  "reiMan  muss  prinzipiell  unterscheiden  zwischen  solchen  der  Mittel¬ 
und  Endglieder  und  solchen  der  Grundphalangen.  Erstere  können  in 
Strecksteilung  verbunden  werden.  Die  GrundgMederbrüche  jedoch 
nach  dem  Vorgang  von  Clamann  und  Jottkowitz  über  einer 
festgewickelten  Watterolle  in  Beugung,  da  sich  das  proximale  Frag¬ 
ment  durch  den  Interosseus  in  Beugung  stellt  und  beim  Verband  in 
gestreckter  Stellung  zu  winkliger  Ausheilung  führt.  Preiser 
zeigt  den  Unterschied  zwischen  beiden  Methoden  an  2  jungen  Mäd¬ 
chen,  deren  eine  nach  4  Monaten  noch  Beweglichkeitsbeschränkungen 
aufwies,  während  die  in  Beugung  verbundene  Fraktur  bereits  nach 
3  Wochen  zur  völligen  Arbeitsfähigkeit  abgeheilt  war. 

Herr  Preiser  zeigt  ein  6V2.  Wochen  altes  Mädchen  mit  par¬ 
tiellem  Riesenwuchs  (Makrodaktylie) :  Der  rechte  Zeige-  und  Mittel¬ 
finger  sind  miteinander  verwachsen  und  etwa  doppelt  so  lang  und 
breit  wie  die  übrigen;  sie  haben  nur  einen  Nagel.  Das  Röntgenbild 
zeigt,  dass  die  Knochen  sich  an  dem  Riesenwuchs  ganz  gleichmässig 
beteiligen.  An  der  Volarseite  besteht  beträchtliche  Wucherung  des 
subkutanen  Fettgewebes,  sodass  der  Fall  dem  von  W  ieland  (Jahr¬ 
buch  f.  Kinderheilk.  1907)  veröffentlichten  Fall  zu  gleichen  scheint. 

Herr  Umber  demonstriert  einen  weiteren .  Fall  von  kardio- 
mediastinalen  Verwachsungen,  der  zur  Kardiolysis  bestimmt  ist: 

40  jährige  Ehefrau,  die  vor  einem  Jahre  eine  linksseitige  Pleuritis  ex¬ 
sudativa  durchgemacht  hat,  seitdem  über  Kurzatmigkeit  und  Herz¬ 
klopfen  klagt  und  in  der  letzten  Zeit  wegen  Aszites  mehrfach  punk¬ 
tiert  wurde  (P  i  c  k  sehe  Pseudozirrhose).  Als  Kardinalzeichen  der 
kardiomediastinalen  Verwachsungen  werden  an  dem  Fall  demon¬ 
striert:  diastolischer  Schleuderton,  dem  ein  palpabler  diastolischer 
Stoss  entspricht,  der  ohne  gleichzeitige  Pulspalpation  mit  dem  sy¬ 
stolischen  Spitzenstoss  verwechselt  werden  kann,  flächenhafte  systoli¬ 
sche  Einziehung  der  vorderen  Brustwand,  diastolischer  Kollaps  der 
Halsvenen,  dreiteiliger  Rhythmus  (-  _  »),  charakteristisches  Kar- 
diosphygmogramm;  der  Fall  stellt  ein  Analogon  dar  zu  dem  vor 
3  Jahren  von  Umber  am  gleichen  Ort  demonstrierten  und  mit 
Kardiolysis  erfolgreich  behandelten  Fall  (cf.  Ther.  d.  Gegenw., 
1905,  No.  1). 

Herr  Lauenstein  stellt  einen  27 jährigen  Mann  vor,  den  er 
vom  Ende  des  1.  Lebensjahres  an  21  mal  in  Narkose  operiert  hat 
wegen  multipler  Knochen-,  Gelenk-,  Schleimbeutel-,  Drüsen-,  Sehnen¬ 
scheiden-  etc.  Tuberkulose.  Pat.  ist  ausgeheilt,  seit  mehreren  Jahren 
verheiratet  und  hat  gesunde  Kinder. 

Herr  Goerlitz  demonstriert  2  Fälle  von  Tränendrusener¬ 
krankung.  Fall  1  betrifft  einen  Dakryops  (zystische  Degeneration  der 
Drüse).  Exstirpation.  Demonstration  der  histologischen  Präparate. 
Fall  2:  Entzündung  beider  Tränendrüsen  nach  Influenza. 

Herr  Stamm  spricht  über  einen  Fall  von  Radiusdefekt  und 
dadurch  bedingter  Klumphand.  Es  handelt  sich  um  einen  heredi¬ 
tär  syphilitischen  Säugling  mit  einer  bei  oder  gleich  nach 
der  Geburt  akquirierten  Radiusfraktur.  Die  röntgenographische  Un¬ 
tersuchung  dieses  Falles  ergab  'die  äusserst  bemerkenswerte  Be¬ 
obachtung,  dass  das  untere  Radiusfragment  wahrend 
der  Behandlung  (Schienenverband,  Kalomelkuren)  v  o  1 1  k  o  m- 
men  der  Resorption  anheimfiel.  Bei  Eintritt  in  die  Be¬ 
handlung  war  es  schon  auffallend  gewesen,  dass  im  Gegensatz  zu  der 
pilzartigen  Kalluswucherung  des  proximalen  Fragmentes  das  distale 
Fragment  nur  einen  schwachen  Schatten  mit  reichlichen  Aufhellungs¬ 
zonen  gab.  _  ....  . 

Herr  Ed.  A  r  n  i  n  g  demonstriert  den  neuen  Paraboloid-  oder 

Spiegelkondensor  und  die  Anwendung  desselben  zur  Untersuchung 
von  Gewebssäften  und  Mikroorganismen  bei  Dunkelfeldbeleuchtung. 
Als  Testobjekte  werden  lebende  Spermatozoen  des  Meerschwein- 
chcns,  die  von  N»  u  1 1  a  1 1  und  Graham  m  i  t  h  beschriebenen  Deri- 
vate  der  roten  Blutkörperchen  und  Spirochaete  pallida  im  gefärbten 
Ausstrich  gezeigt,  auch  mit  dem  Paraboloidkondensor  und  starker  elek¬ 
trischer  Lichtquelle  gewonnene  Photogramme  dieser  Gebilde  de¬ 
monstriert.  Mittelst  des  Verfahrens  ist  es  A.  gelungen,  im  zirku¬ 
lierenden  Blute  zweier  kongenital  luetischer  Kinder  und  im  Gewebs- 
saft  einer  Periostitis  tibiae  lebende  Spirochaetae  pallidae  nachzu- 
weisen. 

Diskussion  über  den  Vortrag  des  Herr  König: 
Ueber  das  spätere  Schicksal  difform  geheilter  Frakturen,  be¬ 
sonders  der  Kinder. 

Herr  Haenisch  kann  auf  Grund  der  Durchsicht  eines  grosseren 
Frakturenmaterials  die  Beobachtungen  Prof.  Königs  durchaus  be¬ 
stätigen.  Bei  Kindern  ist  das  Bestreben  der  Natur,  die  durch  die 
Fraktur  geschaffenen  Veränderungen  einer  Restitutio  ad  integrum  zu 
nähern,  auffallend.  Wenig  dislozierte  Frakturen  sind  spater  auf  dem 
Röntgenogramm  gar  nicht  oder  schwer  nachweisbar,  bei  Dislozierten 
nähert  sich  die  Form  durch  Kallusbrücken  und  Abschleifen  von  Vor¬ 
sprüngen  mehr  und  mehr  der  Norm.  Bei  Erwachsenen  treten  diese 


Vorgänge  weniger  in  die  Erscheinung,  oder  fehlen.  Aus  dem  Rönt¬ 
genogramm  allein  ist  ein  sicherer  Schluss  auf  die  Funktion  nicht 
immer  möglich,  ebensowenig  auf  den  Grad  der  Konsolidation.  H. 
demonstriert  die  Diapositive  eines  40  jährigen  Fräuleins,  welches  vor 
26  Jahren,  also  14  Jahre  alt,  eine  Oberschenkelfraktur  erlitten  hat. 
Der  Heilerfolg  soll  ein  schlechter  gewesen  sein,  die  Beschwerden 
steigerten  sich;  jetzt  klagt  Pat.  gegen  die  Erben  des  verstorbenen 
Arztes.  Der  Oberschenkel  imponiert  mit  seiner  nach  vorn  konvexen 
Krümmung  fast  wie  eine  rachitische  Verbiegung;  glatte,  fast  parallele 
Konturen  ohne  Vorsprünge.  Das  Verhalten  der  Markhöhlen,  welche 
die  gleichmässige  Krümmung  nicht  mitmachen,  sondern  gradlinig  ver¬ 
laufend  auf  der  Höhe  der  Biegung  im  Winkel  zusammenstossen, 
spricht  für  eine  alte  Fraktur.  Eine  Vereinigung  der  Markhöhlen  des 
zentralen  und  distalen  Fragments  hat  selbst  nach  so  langei  Zeit 
nicht  stattgefunden!  Die  fast  rechtwinklige  Verbiegung  führt,  um  ein 
Auftreten  zu  ermöglichen,  zu  einer  abnormen  Ueberstreckung  im 
Kniegelenk;  die  Tibiakondylen  artikulieren  mit  der  vordeisten  Mache 
der  Femurkondylen,  Deutliche  arthritische  Veränderungen  im  Ge¬ 
lenk.  Die  durch  die  veränderte  Belastungsrichtung  bedingten  Ver¬ 
änderungen  des  Balkensystems  der  Spongiosa  treten  deutlich  hervor. 

H  stellt  sich  die  Fraktur  als  disloziert  geheilten  Schrägbruch  vor,  der 
dorsale  Winkel  überbrückte  sich  mit  Kallus,  die  vorderen,  nutzlosen 
spitzen  Vorsprünge  der  Fragmentenden  wurden  aufgesogen,  während 
der  zur  Festigkeit  sehr  notwendige  Kallus  hinten  immer  mehr  zu¬ 
nahm  und  zu  der  vorliegenden  Form  führte. 

Herr  Deutschländer:  Die  günstige  Heilungstendenz  der 
Frakturen  im  jugendlichen  Alter  darf  nicht  dazu  verleiten,  die  Grund- 
forderung  jeder  Drakturbehaiidluiigi  die  exakte  Reposition  dei  ria^ 
mente  zu  vernachlässigen.  Auch  bei  der  von  ihm  empfohlenen  und 
seinerzeit  ausführlich  besprochenen  „funktionellen  Behandlung  ist 
dieses  Moment  auf  das  Minutiöseste  zu  berücksichtigen.  Wesent¬ 
lich  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Knochenbrüchen  der  Er¬ 
wachsenen,  die  verhältnismässig  häufig  zu  schweren  irreparablen 
Schädigungen  führen.  Besonders  gilt  dies  von  den  artikularen  und 
paraartikulären  Brüchen,  und  von  den  mit  Juxtaposition  ausheilenden 
Diaphysenfrakturen.  Für  solche  rebellische  Frakturen  kommt  die 
operative  Behandlung  in  Frage,  deren  Technik  nicht  leicht  ist.  D.  hat 
sich  die  Anwendung  der  Verschraubung  versenkter  Prothesen  sehr 

bewahrt^  Qrüneberg  bestätigt  die  Beobachtungen  von  der  An¬ 
passungsfähigkeit  der  Knochen  an  die  veränderten  Verhältnisse  im 
Kindesalter,  die  um  so  grösser  ist,  je  grösser  das  Knochenwachstum 
ist.  Er  erwähnt  einen  Fall  von  Oberschenkelfraktur  mtra  partum, 
der  mit  lVz  cm  Verkürzung  in  Behandlung  kam,  nach  8  Monaten  fast 
gerade,  nach  1  Jahr  so  ausgeheilt  war,  dass  im  Rontgenbilde  nicht 
oder  nur  schwach  mehr  zu  sehen  war,  welche  Seite  gebrochen  war. 

Herr  Ringel  gibt  Details  zu  dem  von  Herrn  Haeniscn 
demonstrierten  Falle  und  berichtet  über  einige  interessante  Fälle,  die 
in  dieses  Gebiet  gehören. 

Herr  Einstein  erwähnt,  dass  die  günstige  Prognose  der  Frak- 
turen  der  Jugendlichen  nicht  für  alle  Fälle  gilt.  Er  hat  eine  Reihe 
von  jugendlichen  Arbeitern  zu  begutachten,  bei  denen  Dislo¬ 
kationen  als  Unfallsfolgen  übrig  blieben,  die  eine  gewisse  Erwerbs¬ 
beeinträchtigung  zur  Folge  haben.  Er  macht  ferner  auf  die  ott  iin- 
glaublichein  Schadenersatzansprüche  der  Patienten  aufmerksam,  die 
—  es  handelt  sich  hierbei  fast  nur  um  kleine  Städte  und  das  Land  — 
sehr  häufig  als  Abfindungssummen  von  den  Versicherungsgesell¬ 
schaften  gezahlt  werden,  lediglich  um  Prozesse  mit  allen  ihren  Miss¬ 
helligkeiten,  auch  für  die  beteiligten  Aerzte,  zu  vermeiden  (cf.  die 
letzten  Nummern  der  ärztlichen  Sachverständigenzeitung.). 

Herr  Lauenstein:  Der  springende  Punkt  ist  und  bleibt  die 
Reposition  der  Fragmente.  Besonders  ist  die  exakte  Reposition 
wichtig  bei  Brüchen  des  Vorderarms  und  der  Knochelgegeod.  Der 
Brückenkallus  kommt  am  Ellenbogen  auch  bei  einfachen  Luxationen 
vor  und  kann  unter  Umständen  später  mit  Erfolg  exstirpiert  werden. 

Herr  S  ud  e  k  empfiehlt  zur  Reposition  sich  nicht  vor  der  Narkose 
zu  scheuen.  Gelingt  es  auch  hierbei  nicht,  exakt  zu  repomeren,  dann 
ist  die  Operation  indiziert,  deren  Gefahr  durch  die  Anwendung  dei 
Gummihandschuhe  erheblich  verringert  ist.  In  frischen  Fallen  ist  die 
Operation  natürlich  leichter  als  in  alten,  in  denen  schon  Kallus¬ 
wucherungen  und  Knochenatrophien  das  Vorgehen  schwieriger  ge¬ 
stalten.  S.  gibt  dann  an  der  Hand  von  zahlreichen  Röntgen  uk  ein 
eine  Uebersicht  über  alle  die  Fälle,  in  denen  er  sich  im  letzten  Jahre 
zur  Operation  entschlossen  musste. 

Herr  Kümmell  möchte  demgegenüber  dem  unblutigen  Ver¬ 
fahren  (B  a  r  d  e  n  h  e  u  e  r  sehe  Methode)  das  Wort  reden,  wenn  er 
sich  natürlich  auch  in  geeigneten  Fällen  zur  Operation  entschliesst. 
Herr  König:  Schlusswort.  w  e  1  n  e  r- 


Aerztlicher  Verein  München. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  30.  Oktober  1907 . 

Herr  Grassmann:  Nekrolog  auf  Hofrat  Gossmann. 

(Erschien  in  No.  46  dieser  Wochenschi  ift.) 


2618 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Herr  Oberndorfer  demonstriert : 

1.  einen  Grawitzschen  Tumor  der  Niere  mit  Einbruch  in  die 
Vena  renalis  und  Fortleitumg  des  Thrombus  in  die  Vena  cava  und  das 
rechte  Herz. 

Bei  einem  45  jährigen  Manne,  der  plötzlich  gestorben  war,  fand 
sich  die  linke  Niere  in  einen  mächtigen  Tumor  umgewandelt,  der 
mikroskopisch  aus  Nebennierenrindenzellen  bestand.  Der  Tumor  ist. 
w  ie  Sie  hier  am  Präparat  sehen,  kontinuierlich  in  die  Vena  renalis 
vorgewachsen,  füllt  diese  völlig  aus,  greift  auf  die  Kava  über,  in  ihr 
Linen  dicken,  der  Wand  adhärenten  Thrombus  bildend  und  geht  so 
per  contmuitatem  in  den  rechten  Vorhof,  steht  dann  mit  einem  schma¬ 
len  Ausläufer  mit  einem  mächtigen  über  daumendicken  Thrombus  im 
rechten  Ventrikel  in  Verbindung,  der  hiedurch  fast  völlig  ausgefüllt 
wird.  Vom  Ventrikel  erstreckt  sich  der  Thrombus  noch  in  die  Pul- 
monalis,  deren  Klappen  an  die  Wand  pressend,  macht  die  Teilung  des 
üefasses  mit,  dringt  in  die  Lungen  vor  und  steht  mit  Tumorknoten  in 
denselben  in  direkter  Verbindung. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Thrombusmassen  im  Her¬ 
zen  ergibt,  dass  diese  sich  aus  Geschwulstmassen  zum  kleineren 
teil,  aus  Blutelementen  und  Fibrin  zum  anderen  Teil  zu¬ 
sammensetzen;  die  Geschwulstmassen  sind  vielfach  nekrotisch 
\on  zahlreichen  weiten  Endothelrohren  durchzogen,  in  deren  Um¬ 
gebung  die  typischen  Geschwulstzellen  noch  gut  erhalten  sind 
Neben  der  enormen  Ausdehnung  der  Thrombosen  dürfte  in  diesem 

alle  die  völlige  Symptomlosigkeit  derselben  besonders  auffallend 
sein. 

2.  Perlenbildung  der  Meningen. 

._...Pas  Präparat  war  ein  zufälliger  Befund  bei  der  Autopsie  eines 
1/ jährigen  an  chronischer  Nephritis  gestorbenen  Mädchens. 

v  tf  k  iland  S1C 1  am  linken  Kleinhirnbrückenschenkel  eine  ungefähr 
kafreebohnengrosse,  weiche,  graurötliche  Geschwulstmasse,  in  deren 
Mitte  an  einem  fadendunnen,  ungefähr  1  mm  langen  Stiel  ein  kegel- 
mrmiges  völlig  glattwandiges,  perlmutterglänzendes,  ziemlich  festes 

gleicht6  aS’  ^  Wle  Sle  S‘Ch  überzeugen  kö™en,  völlig  einer  Perle 

öiP,^^kr01Sk°pische  Untersuchung  der  Geschwulstmasse  ergibt 
i  f  ueS-tePtnd  aUS  g9schlchteten,  flachen,  schuppenartigen  Zellen  Es 

!tndvn  S1?  hl6r  Um  fm  CJlolesteatom  der  Meningen,  eine  Geschwulst, 
de  von  den  einen  für  ektodermaler  Provenienz  angesehen  wird' 
durch  Versprengung  eines  Hautkeims,  da  in  manchen  dieser  Cholestea¬ 
tome  Haare  und  epidermisähnliche  Zellanordnung  gefunden  wurde 
von  änderen  als  Endotheliom  angesprochen  wird  und  von  den  Peri- 
thelien  der  pialen  Gefässe  abgeleitet  wird. 

Erscheinungen  fehlten  intra  vitam  in  unserem  Falle.  Doch  haben 
diese  Geschwülste  im  allgemeinen  die  Tendenz,  wenn  auch  langsam 

m,/ZcTaCnSev  u"d.können  so  beträchtliche  Grösse  erreichen  und  da- 
m  t  schnell  V  erdrangungserscheinungen  bedingen.  Häufig  sind  die 
Geschwülste  m  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  perlmuftemrtigem 
Glanz,  meist  von  einer  perlmutterartigen  Schale  umgeben  S 

SeeinnTeT^?eSdhTUlSama^Se  ,gleichsam  als  Kristallisationsprodukt 

^  ™Kibt>  dürf,e  z"  den 

3.  Fall  von  Periarteriitis  nodosa. 

r  ei,  P*6  dernon'stri;erten  Präparate  entstammen  einem  16  jährigen 
wp  [  irf  der  an  JfIchter  Angina,  die  rasch  ablief,  erkrankt  war-  Ei- 
we  ss  fand  sich  damals  im  Harn  nicht.  Wenige  Tage  nach  seiner 
Entlassung  aus  dem  Krankenhaus  trat  er  wieder  ein  mit  starker 
Schwellung  der  unteren  Extremitäten  und  Oedem  des  Gesichts  Fi 
weiss  war  in  grosser  Menge  im  Harn  vorhanden,  der  Tod  trat  am 
3.  Tage  nach  dem  Wiedereintritt  ein 

...  ,Pie  Sektion  ergab  als  Hauptbefund  eine  hochgradige  narenchvma 
tos-hamorrhagische  Nephritis  mit  beträchtlicher  Vergrösseru^Td 
der  Organe,  eme  bis  2  mm  starke  Verdickung  der  UreterenwäSdT 
Art  "hl?te  e,rwei?bte  Infarcierung  der  Milz  bei  Thrombose  der’ 
Vr.na  d  Vte?a  ie+na  ls’  eingeschleppte  Thromben  in  den  Leberästen  der 
Vena  portal  mit  partieller  roter  Infarktbildung  der  Leber  Hvoer 
troplue  und  Dilatation  des  linken  Ventrikels.  ’  nyper" 

Periart«SLkr0nÄaChe  ÄÄ  "Sb  dHas  beka""‘a  BiM  <"* 

"n.  ’f  tÄÄM  iSr  Ä*,* 

plÄhf"  völlig  ve r sch lassen,  teilweise  die  Thromben 

tem  Die  erkrankten  Qefässteile  waren  durchwee  stark 
ta  ÄTÄr  Die  n  waren  stete 

odung  der  stärkst  erkrankten  Qefässknäuei'mhr"te.  Stateilcta 


Mo.  & 


enthielten  vielfach  Zylinder  und  Blut,  ihre  Epithelien  waren  im  Zu 
stand  starker  Verfettung.  1 

T  v  PaV un,ge  wohnliche  des  Falles  besteht  in  der  eigentümlichen 
Lokalisation  der  Gefasserkrankung  im  Gebiet  des  uropoetischen 
V.ystems  und  in  der  Milz,  während  die  übrigen  Arterien,  besonders 

die  sonst  hauptsächlich  ergriffenen  Arteriae  mesentericae  völlig  nor 
mal  waren.  s  Jlui- 

..  D[e  Erkrankung  wird  vielfach  als  luetische  angesehen,  wofür 
die  Aehnhchkeit  der  Gefassveränderungen  mit  denen  bei  Lues  als  be 
wetsend  angesehen  werden  kann.  In  dem  mitgeteilten  Falle  fehlten 
a  le  Anhaltspunkte  für  Lues,  dagegen  wurde  bei  der  bakteriologischen 
Untersuchung  des  Organs  Staphylococcus  aureus  in  Reinkultur  in 
Nieren  und  Ureteren  naohgewiesen;  der  erste  Fall,  bei  dem  ein  Mikron 
Organismennachweis  gelang.  Es  scheint  also  die  Auffassung  der  Peri¬ 
arteriitis  nodosa  als  infektiöse,  durch  Eitererreger  hervorgerufene  Er¬ 
krankung  aufzufassen  zu  sein. 

Herr  The  ilha  ber:  Die  chronische  Endometritis.  (Er¬ 
scheint  ausführlich  im  Archiv  für  Gynäkol.  und  Geburtsh.) 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  15.  August  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Alexander  demonstriert  einen  Fall  von  Ulcus  rodens 
werdenhtsoll.lnn6ren  Ausenwinke,>  der  mit  Röntgenstrahlen  behandelt 

()pr  S?TuP'ltt  4demonstÜert  €inen  Fal1  von  Prhnärer  Tuberkulose 

Hornhaut  und  einen  Fall  von  Regenbogenhauttuberkulose. 

Nach  einem  kurzen  Rückblick  auf  die  verschiedenen  Krankheits¬ 
formen,  welche  durch  Tuberkulose  am  Auge  verursach  werden 
können  bespricht  der  Vortragende  eingehend  den  Fall  von  primäre? 
inte r e^an t U berku  ose‘  Der  Fall  ist  in  mancherlei  Hinsicht  besonders 

i  Eüi  31  jähriger  Maler,  der  bisher  immer  gesund  war  und  ins¬ 
sondere  me  irgendwelche  Erkrankungen  tuberkulöser  Natur  durch¬ 
gemacht  hatte,  erlitt  Ende  März  bei  der  Arbeit  in  einem  zugigen 
Neubau  eine  plötzliche  Erkältung  dadurch,  dass  beim  Oeffnen  einer 
Tur  ein  heftiger  Luftzug  seine  rechte  Körperhälfte  und  damit  auch 
sein  rechtes  Auge  traf.  Von  diesem  Moment  ab  habe  das  Auge  ge 

S  Behandlung! ^ZbnC*et'  Nad'  4  kam  Pa«a"‘  i"  »genärzt- 

Das  linke  Auge  war  gesund  und  normal.  Das  rechte  Auge  stark 
injiziert,  bot  das  Bild  einer  Keratitis  profunda.  Die  Mitte  der 'Horn¬ 
haut  war  eingenommen  von  einer  ziemlich  dichten  Trübung  welche 
insbesondere  durch  die  vielen,  unregelmässig  verlaufenden  tiefliegen 
den  strichformigen  Trübungen  auffiel.  Am  oberen  äusseren  Hör  - 
autrand  war  ein  kleiner,  roter,  „epaulettenförmiger“  Blutgefässwall 
Pupüle  auf  Atropin  weit,  keine  Synechien,  an  Regenbogenhaurund 
im  Kammerwinke  nichts  Krankhaftes  nachzuweisen.  Papüle  Zd 
bundus  normal  Die  nächsten  Wochen  wurde  die  Trübung  immer 
dichter,  im  Zentrum  derselben  entwickelten  sich  ca.  10—15  im  Durch- 
infmerr  stecknade: Ikopfgrosse,  tiefliegende,  scharfbegrenzte,  weisse 
lfiltrate.  Lungenuntersuchung  ergibt  normalen  Befund  Nachzu 

S*  Zr’  S  des  Patie"te"  a"  PÄÄ 

sestoroen  war.  Für  Lues  sind  anamnestisch  und  objektiv  keinerlei 
Anhaltspunkte  vorhanden.  Allmählich  tritt  rings  um  den  Su 
deutliche  tiefliegende  Gefässneubildung  ein.  Man  hat  abgesehen  von 
den  eigenartigen,  weissen  Infiltraten,  die  wohl  als  Tuberkelknötchen 

Ke^atftis^VoTskh  Tffv  typisc.he  ßiId  der  Parenchymatösen 
Neratitis  vor  sich.  Mit  Vordringen  der  Gefässe  verschwinden  die 

weissen  Infiltrate.  An  der  Korneahinterfläche  bildet  sich  eine  aus¬ 
gedehnte  gelbbraune  Auflagerung,  die  nur  die  periphersten  Rand- 
partien  der  Hornhaut  freilässt  und  auffallend  scharf  begrenzt  ist 
Vordere  Kammer  normal  tief,  Tension  und  Projektion  infakt. 

Anfang  Juni,  also  nach  11  Wochen,  erkrankte  das  linke  Auee 
genau  unter  dem  gleichen  Bilde,  nur  tritt  der  Prozess  nicht  so  stür- 

leichf  eraueei2rflTpeniSer  scdwet,  ailf-  Am  Limbus  entwickeln  sich 
leicht  graue  Infi  träte,  von  unten  her  trübt  sich  die  Kornea  deutliche 

“  trik-kelung,  zahlreiche  Descemetische  Beschläge.  Iris  und'  Kämmer¬ 
ei  inkel  normal.  Diagnostische  Tuberkulininjektion  ergibt  erst  auf 
i  ^  ttuberkulm  positive  Reaktion  (Temperatursteigerung  von 

uirteren  die  Iinfce  H^nhaut,  namentlich  in  der 

q  f  v  durcl1  Anlagerung  von  Exsudat  an  der  Hinterflächc 

sehr  trüb,  im  Zentrum  treten  wieder  2 — 3  weisse  Infiltrate  auf  Pr;i 
aurikulardrüsen  beiderseits  geschwollen  ate  auT<  ,Prd_ 

Heute  bei  der  Vorstellung  sind  beide  Augen  noch  stark  gereizt 

dre  Conj!lnctiva  Palpebrarum  selbst  auf  dem 
Rho,  deutlich  kornelig  geschwellt  ist  und  kleinste  punktförmige 
lutungen  zeigt.  Die  rechte  Hornhaut  ist  von  dichter  grauweisser 
i  ubung  eingenommen.  Am  oberen  Hornhautrande  da  wo  auch 

der  ae'dssSa11  ,sass-  5fcht  «a^  Oewebe  efwas  ge- 
ist  hiP;  Z  rnn  Tll?  ?orn}a“ffibriHen  aufgelockert  wären.  Auch 
,  er  ai?  ^beren  Limbus  die  Grenze  zwischen  Horn-  und  Leder- 
haut  verwischt,  und  es  macht  fast  den  Eindruck,  als  ob  sich  eine 
partielle  Ektasie  entwickeln  wollte.  Tension  indes  normal. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2619 


Auf  dem  linken  Auge  ist  der  Prozess  auf  der  Höhe  des  Entziin- 
dungsstadiums.  Nur  im  oberen  äusseren  Quadranten  ist  noch  etwas 
durchsichtiges  Gewebe  vorhanden.  Aus  dem  unteren  und  inneren 
Kammerwinkel  wuchern  gelbbraune  rundliche  Exsudatmassen  an  der 
Hornhauthinterfläche  nach  dem  Zentrum  zu.  Pupille  auf  Atropin 
weit  rund  an  der  Regenbogenhaut  nichts  Krankhaftes  nachzuweisen. 
Tension  + 1.  Projektion  intakt.  Visus  =  Handbewegungen. 

Der  Eall  bietet  schon  hinsichtlich  der  Diagnose  Interesse.  Ob 
man  eine  Reaktion  auf  die  relativ  grosse  Dosis  von  1  cg  Alttuberku¬ 
lin  noch  als  beweisend  für  Tuberkulose  ansehen  darf,  erscheint  zum 
mindesten  fraglich.  Der  Verlauf  und  das  klinische  Bild  machen  aber 
die  Diagnose  so  gut  wie  sicher.  Injektionen  von  Neutuberkulin  1  R, 
welche  genau  nach  Hippels  Angaben  angewendet  wurden,  haben 
bis  heute,  nach  20  Einspritzungen,  den  Prozess  noch  nicht  wesentlich 
beeinflusst.  Es  wird  aber  damit  natürlich  noch  fortgefahren,  denn 
bei  der  enormen  Schwere  des  Falles  dürfte  die  Tuberkulinkur  be¬ 
sonders  angezeigt  sein. 

Sitzung  v  o  m  5.  September  1907 . 

Vorsitzender :  Herr  Goldschmidt. 

Herr  Thorei  demonstriert: 

].  Die  Urogenitalorgane  eines  9  Tage  post  partum  gestor¬ 
benen  Kindes  mit  angeborener  Atresie  der  Harnröhre;  dieselbe  war 
im  Bereich  der  Pars  prostatica  auf  eine  Länge  von  ca.  3  mm  völlig 
verschlossen;  die  Blase  zeigte  eine  erhebliche  Dilatation  und  Hyper¬ 
trophie,  ihre  Schleimhaut  war  im  Trigonus  stark  injiziert  und 
am  Fundus  mit  dicken,  beet-  und  polsterförmigen  Verdickungen  und 
Harnsäureinkrustationen  besetzt;  der  Uracbus  war  offen  und  floss 
der  Urin  während  des  Lebens  am  Nabel  ab;  die  beiden  Ureteren 
waren  auf  über  Daumenbreite  dilaticrt,  die  rechte  Niere  im  Zustand 
der  eitrigen  Nephritis  und  von  zahlreichen  Abszessen  durchsetzt,  die 
linke  unter  völigem  Verlust  ihres  Gewebes  in  einen  dickwandigen 
hydronephrotischen  Sack  verwandelt;  bemerkenswert  war  weiterhin, 
dass  der  linke  Ureter  an  seinem  distalen  Ende  gleichfalls  verschlossen 
war  und  blind  in  einen  dem  Hilus  der  linken  Niere  ansitzenden 
doppeltbohnengrossen  fibrösen  Knoten  auslief;  beim  Sondieren  des 
linken  Ureters  von  der  Blase  aus  stiess  man  überdies  an  mehreren 
Stellen  auf  deutliche,  wenn  auch  leicht  überwindbare  Hindernisse; 
am  eröffneten  Ureter  zeigten  sich  an  diesen  Stellen  taschenförmige 
Nischen,  in  deren  Bereiche  die  Schleimhaut  leicht  verdickt  war; 
was  die  distale  Atresie  des  linken  Ureters  betrifft,  so  beruht  dieselbe 
entweder  auf  einer  der  Harnröhrenatresie  koordinierten  primären  Ent¬ 
wicklungshemmung  des  Ureters  oder  sie  war  durch  einen  im  extra¬ 
renalen  Teil  des  Nierenbeckens  eingetretenen  und  zur  bindegewebigen 
Induration  desselben  führenden  Bntzündungsprozess  erst  sekundär  be¬ 
dingt.  Der  Deszensus  der  beiden  Hoden  war  infolge  der  Okkupation 
des  kleinen  Beckens  durch  die  prall  gedehnte  Blase  und  die  enorm 
erweiterten  Ureteren  mechanisch  verhindert  worden,  so  dass  die 
beiden  Hoden  noch  hoch  in  der  Bauchhöhle  lagen. 

2.  Zwei  Präparate  von  anthrakotischen  Drüsendurchbrüchen  in 
den  Magen;  in  beiden  Fällen  sassen  die  Durchbruchsstellen  an  der 
kleinen  Kurvatur  in  der  Nähe  der  Kardia  und  lässt  sich  ein  schwarzer 
Brei  aus  den  erweichten  Drüsen  in  den  Magen  ausdriieken;  in  sel¬ 
tenen  Fällen  können,  wie  Vortr.  gleichfalls  gesehen,  bei  späterer 
Ausheilung  an  diesen  Stellen  auch,  ähnlich  wie  im  Oesophagus,  kleine 
Traktionsdivertikel  entstehen;  Vortr.  demonstriert  bei  dieser  Gelegen¬ 
heit  weiterhin  das  Präparat  eines  ausgesprochenen  Traktionsdiver¬ 
tikels  des  Magens,  welches  in  einem  Falle  von  chronischer  Peritonitis 
an  der  grossen  Kurvatur  durch  den  Zug  eines  vom  Sitz  des  Diver¬ 
tikels  nach  der  Milz  hinziehenden  und  straff  gespannten  peritoni- 
tischen  Stranges  entstanden  war. 

3.  einen  faustgrossen  Grawitzschen  Tumor  der  Niere  mit 
bis  in  das  rechte  Herz  vordringender  Geschwulstthrombose  der 
oberen  Hohlvene;  zur  makroskopischen  Differentialdiagnose  zwischen 
autochthonen  Nierengeschwülsten  und  solchen,  die  sich  in  der  Niere 
aus  versprengten  Nebennienenkeimen  entwickeln,  empfiehlt  Vor¬ 
tragender  dringend  die  nach  dem  Fehlen  literarischer  Notizen  schein¬ 
bar  ganz  in  Vergessenheit  geratene  chemische  Reaktion  des  Ge¬ 
schwulstsaftes  nach  den  Methoden  von  C  r  o  f  t  a  n  (Virchow  Archiv 
169,  2,  1902);  diese  Methode  (Entfärbung  durch  Jod,  blaugefärbter 
Stärkelösung,  durch  Nebennierenextrakte  und  Extrakte  von  aus 
Nebennierengewebe  hervorgegangenen  Geschwülsten)  ist  aussei  - 
ordentlich  prägnant  und  tritt  regelmässig  in  Fällen  ein,  die  sich  auch 
nach  ihrem  histologischen  Verhalten  als  Grawitzsche  Tumoren 
präsentieren,  während  die  Methode  fehlschlägt,  wenn  es  sich  um 
echte,  vom  Nierengewebe  selbst  ausgegangene  Karzinome  oder  Sar- 
kame  handelt.  Allerdings  sind  bei  dieser  Methode  gewisse  Vorsichts- 
mass regeln  zu  beachten;  abgesehen  davon,  dass  das  Reagens  stets 
frisch  benutzt  werden  muss  —  ältere  Lösungen  werden  durch  Sedi- 
mentierung  der  gebläuten  Stärke  wieder  klar  und  müssen  aufge¬ 
schüttelt  werden  —  ist  die  Reaktion  auch  nur  bei  rascher,  inner¬ 
halb  1—2  Stunden  ablaufender  Entfärbung  der  Flüssigkeit  beweisend, 
da  bei  längerer  Dauer  auch  Aufschwemmungen  von  anderen  Organen 
(Leber,  Milz,  Nieren  etc.),  meist  allerdings  erst  nach  12—24  Stunden, 
das  Reagens  gelegentlich  entfärben. 


4.  Die  Aorta  eines  älteren  Mannes,  bei  welchem  sich  als  Zu¬ 
fälligkeitsbefund  ein  z.  T.  thrombosiertes  kirschengrosses  Aneurysma 
des  Ductus  Botalli  fand. 

5.  gibt  Vortr.  einen  allgemeinen  Ueberblick  über  den  heutigen 
Standpunkt  der  experimentellen  Erforschung  der  sog.  Mäusekarzi¬ 
nome.  Vortr.  ist  der  Ansicht,  dass  sich  sowohl  aus  den  klinischen 
als  pathologisch-anatomischen  Erfahrungen  gewisse  Bedenken  er¬ 
geben,  diese  Geschwülste  so  ohne  weiteres  mit  dem  Karzinom  des 
Menschen  zu  identifizieren;  die  Seltenheit  des  nur  in  den  Anfangs¬ 
stadien  der  Geschwürsbildung  vorkommenden  infiltrierenden  Wachs¬ 
tums  der  Tumoren,  die  nicht  zu  bestreitende  geringe  Neigung  der  Ge¬ 
schwülste,  auf  hämatogenem  und  lymphogenem  Wege  zu  meta¬ 
stasieren,  das  nicht  so  seltene  Vorkommen  von  spontanen  Resorp¬ 
tionen  sowohl  der  primären  als  der  geimpften  Geschwülste  sowie 
das  Ausbleiben  einer  irgendwie  konstanten  Rückwirkung  selbst  zer¬ 
fallener  Geschwülste  auf  den  Allgemeinzustand  der  Mäuse  im  Sinne 
des  beim  menschlichen  Krebs  so  geläufigen  Marasmus  stellen  1  at- 
sachen  dar,  die  in  sehr  integrierenden  Punkten  unseren  Erfahrungen 
über  das  Verhalten  menschlicher  Krebse  widersprechen  und  sollte 
sich  die  letzte  Mitteilung  von  A  p  o  1  a  n  t  über  Rückschlag  von  bös¬ 
artigen  Mäusekarzinomen  in  den  Typus  des  gutartigen  Adenoms  be¬ 
stätigen,  iso  haben  wir  hier  einen  weiteren  Umstand  vor  uns,  der 
eine  Identifizierung  dieser  Mäusegeschwülste  mit  den  menschlichen 
Krebsen  nicht  so  ohne  weiteres  gestattet.  Trotzdessen  möchte  Voi- 
tragender  die  experimentelle  Erforschung  der  sog.  Mäusekarzinome 
in  keiner  Weise  unterschätzen  und  glaubt,  dass  sich  aus  ihrem  Stu¬ 
dium  vielmehr  wichtige  Fragen  für  die  Auffassung  der  menschlichen 
Karzinome  lösen  lassen  werden. 

Vortr.  verfügt  über  6  transplantabLe  spontane  Mäusetumoren, 
die  endemieartig  unter  seinem  Mäusebestande  aufgetreten  sind  und 
spricht  auf  Grund  seiner  bisherigen  Beobachtungen  die  Ansicht  aus, 
dass  diese  Mäusetumoren  den  beim  Menschen  in  der  Parotis,  den 
Speicheldrüsen  etc.  vorkommenden  Geschwülsten  an  die  Seite  zu 
stellen  sind,  zumal  zwischen  diesen  beiden  Geschwulstformen  so¬ 
wohl  in  klinischer  als  grob  anatomischer  und  auch  histologischer  Be¬ 
ziehung  eine  ganze  Reihe  von  unverkennbaren  Anklängen  vorhanden 
ist.  Näheres  hierüber  bleibt  einer  späteren  Arbeit  Vorbehalten. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  4.  Juli  1907. 

Vorsitzender :  Herr  Frankenburger. 

Herr  H  e  i  n  1  e  i  n  gibt  eine  erschöpfende  Darstellung  des  heutigen 
Standes  der  Lehre  vom  Caput  obstipum.  Einleitend  wird  auf  die  ziem¬ 
lich  allgemein  verbreitete  falsche  Betonung  der  zweiten  Silbe  m  dem 
Worte  obstipum  hingewiesen;  das  i  in  dem  spätlateinischen  Wort  ist 
in  der  Tat  lang,  der  Stamm  desselben  rührt  aus  dem  Griechischen, 
von  oilcpos  eine  dicht  zusammengedrängte  Masse,  her.  Weiter  wild 
an  Stelle  der  eine  falsche  physiologische  Vorstellung  erweckenden 
Bezeichnung  des  „Kopfnicker“  benannten  M.  sternocleidomastoideus 
die  von  Geheimrat  Fr.  Merkel  vorgeschlagene,  physiologisch  viel 
richtigere  Bezeichnung  „Kopfwender“  empfohlen. 

In  den  anatomischen  Darlegungen  kommt  die  von  der  früher 
üblichen  Beschreibung  sich  wesentlich  unterscheidende  neuere,  eben¬ 
falls  von  Fr.  Merkel  angeregte  Auffassung  der  Faszienverhaltnisse 
des  Halses  zur  näheren  Auseinandersetzung. 

Bei  der  Aetiologie  werden  die  sich  gegenüberstehenden  Lehren 
von  Strohmeyer  und  von  Busch  —  letztere  neuerdings  wii k- 
sam  verteidigt  und  durch  die  Neuaufstellung  der  amniotischen  Ver¬ 
wachsungen  als  ursächliches  Moment  eingehend  begründet  von 
Petersen  —  abgehandelt.  Zusammenfassend  wird  betont,  dass  nur 
die  Untersuchungsresultate  des  pathologisch  veränderten  Muskel- 
gewebes,  wie  sie  kiurz  mich  der  Geburt  an  dem  lebenden  Köiper  odei 
an  der  Leiche  festgestellt  werden,  die  Frage  sicher  zu  lösen  vermögen, 
ob  ein  Schiefhals  intrauterin  entstanden  oder  ob  er  die  Folge  eines 
Geburtstrauma  mit  sekundärer  Myositis  ist.  Kommt  ein  Schiefhals 
längere  Zeit  nach  der  Geburt  zur  Wahrnehmung,  so  handelt  es 
sich  wohl  stets  um  einen  während  der  Geburt  entstandenen  Muskel¬ 
riss  mit  sekundären  fibrös-myositischen  Läsionen;  wird  ein  Schiefhals 
kurz  nach  der  Geburt  offenbar,  so  wird  man  die  i  n  t  r  a  uterine  Ent¬ 
stehung  annehmen  dürfen.  Sichere  Entscheidung  dieser  Fragen  wird 
nur  durch  Aufstellung  einer  grossen  Reihe  an  amnestisch  er  Auf¬ 
klärungen  über  den  Geburtsverlauf  der  mit  Schiefhals  behafteten  Indi¬ 
viduen  gewonnen  werden. 

Der  Erörterung  der  pathologischen  Anatomie,  Diagnose  und  Pro¬ 
gnose  folgt  eine  Epikrise  der  verschiedenen  therapeutischen  Mass¬ 
nahmen.  H.  selbst  führt  seit  mehreren  Jahren  offene  Myotomie  in  der 
Halsmitte  —  als  dem  fleischigsten  Teile  des  Kopfwenders  und  dem 
häufigsten  Sitze  etwa  vorhandener  myositischer  Veränderungen  mit 
Quer  schnitt,  entlehnt  der  dem  Chirurgen  geläufigen  Schmttfühnung 
bei  der  Kropfexstirpation  nach  Kocher  und  Riedel.  Der _  Quer¬ 
schnitt  schafft  ausgezeichneten  Zugang  mit  voller  Lebersiclitliehkeit 
der  tiefen  Gewebsteile  und  der  verbürgten  Möglichkeit,  etwa  ver¬ 
änderte  Platysma,  Halsaponeurose,  Kopfwender,  I  rapezius,  Spleni- 
kus,  Skalen!  und  Levator  ang.  scap.  zu  erkennen,  zu  durchtrennen  und 


2620 


MUENCHENER  MEDIZINISCH!:  WOCHENSCHRIFT 


No.  52. 


-  wo  es  nötig  ist  —  zu  exstirpieren,  peinliche  Blutstillung  zu  be¬ 
sorgen  und  so  der  Zurücklassung  geschrumpfter  Gewebe  und  jeg¬ 
licher  Hämatombildung,  welche  bei  anderen  Methoden  nicht  immer 
vermieden  werden  können  und  nachweislich  den  Eintritt  der  prima 
reunio  manchmal  vereiteln,  sicher  vorzubeugen.  H.  erzielte  mit  dem 
seit  mehreren  Jahren  ausschliesslich  geübten  Querschnitt  in  14  Fällen 
ausnahmslos  prima  reunio  und  guten  Erfolg,  welcher  durch  Papp- 
kravatte  —  je  nach  der  Schwere  des  Falles  3 — 10  Wochen  getragen 
—  gesichert  wurde. 


Schliesslich  werden  in  bezug  auf  die  Geschichte  des  Schiefhalses 
einige  Angaben  richtig  gestellt,  bezw.  Bemerkungen  gemacht  zu  einer 
Ausführung,  welche  sich  in  der  wertvollen  Leipziger  Inauguraldisser¬ 
tation  von  D  e  i  s  s  1  e  r  1902  vorfinden.  Zusammenfassend,  wird  dort 
eingangs  auf  „H  o  r  a  z  und  S  u  e  t  o  n  s  Bericht,  Karls  des  Grossen 
Schiefhais“  hingewiesen.  Horaz  gebraucht  das  Wort  obstipum  in 
der  sogen.  Erbschleichersatire,  der  5.  Satire  des  2.  Buches,  und  —  wie 
bei  dem  Durchlesen  jener  Stelle  jedermann  klar  wird  —  sicher  nicht 
im  Sinne  einer  pathologischen  Haltung  des  Kopfes,  wie  man 
aus  dem  Zusammenhang  der  Anführung  bei  D.  wohl  annehmen  müsse. 
rp.e*  S  u  e  t  o  n  findet  sich  in  der  Lebensbeschreibung  des  Kaisers 
I  iberius  der  Passus  incedebat  cervicie  rigida  et  obstipa.  In  leisem 
\v  iderspruch  zu  letzterem  liest  man  einige  Zeilen  vorher  über  den¬ 
selben  Kaiser  Tiberius:  ceteris  quoque  membris,  usque  ad  imos  pedes, 
ac  quäl  is  et  c  o  n  g  r  u  e  n  s.  Sollte  zu  Suetons  Zeiten  das 
Wort  obstipum  eine  andere  Bedeutung  gehabt  haben?  —  Was  endlich 
den  angeblichen  Schiefhals  Karls  des  Grossen  betrifft,  so  kann  die 
Annahme  eines  solchen  bei  ihm  nach  dem  Wortlaut  der  sehr  ein¬ 
gehenden  Schilderung  der  Körperbeschaffenheit  des  Kaisers  durch 
seinen  berühmten  Baumeister  E  i  n  h  a  r  t  sicher  verneint  werden.  In 
dem  mir  durch  die  Güte  des  Herrn  Gymn.-Rektor  Vogt  dahier  be¬ 
kannt  gewordenen  und  zugänglich  gemachten  Buch  —  Einharti  vita 
Caroli  magni.  Berolini  apud  Weidmannos  1867  —  liest  man  in  der 
die  körperlichen  Vorzüge  des  Kaisers  genau  wiedergebenden  Dar¬ 
stellung  u.  a.  folgendes:  quamquam  cervix  obesa  et  brevior 
venteique  piojectior  videretur,  tarnen  haec  celabat  ceterorum  mem- 
brorum  acqualitas.  Daraus  geht  lediglich  hervor,  dass  Karl  der 
nosse  einen  dicken,  kurzen  Hals  hatte;  um  einen  Schiefhals  handelte 
es  sich  bei  ihm  keineswegs. 


Weiterhin  demonstriert  Herr  H  e  i  n  I  e  i  n  ein  durch  Operation 
gewonnenes  Steissbein,  welches  in  der  letzten  Gelenkverbindung  eine 
rechtwinkelige  Abbiegung  nach  hinten  darbot.  Anlass  zum  Ein¬ 
griff  gaben  neben  Schmerzen  schwere  hysterische 
Die  Beobachtung  ist  nicht  abgeschlossen. 


zum 
Erscheinungen. 


Verein  Deutscher  Aerzte  in  Prag. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  30.  Oktober  1907. 

tuberkulöse ikf°r  Band,er:  Die  kutane  Tuberkulinirnpfung  bei  Haut- 

,  die  Pi  r  quetschen  Versuche  bei  38  Lupusfällen  und  62 

anderen  Dermatosen  Erwachsener  nachgeprüft.  Von  den  letz- 
J,crei?  zeigten  24  keine  Reaktion,  38  zeigten  eine  Reaktion,  die  sich 
tinnpn  w  Entwicklung,  Grösse  und  den  Ablauf  von  den  Lokalreak- 
tionen  bei  Lupusfal  en  unterschied.  Die  kutanen  Impfungen  bei  Lupus- 
yianken  fielen  in  allen  Fällen  positiv  aus,  mit  Ausnahme  von  4  Fällen 
,„,n  J^diarer  Schleimhauttuberkulose  des  Mundes  und  Rachens,  welche 
mrpn0^?1^  Lungentuberkulose  hoch  fieberten  und  kachektisch 
Ins  pinp  At10f  blieben  auch  bei  Tuberkulininjektionen  reaktions- 
ShnI5A^  i  \diie  B-  auch  mehrfach  fand.  Die  histologische  Unter¬ 
suchung  der  Loikalreaktionen  ergab  ebenfalls  ein  tuberkuloseähn- 

alterSSt?nW?w-mit  Ries'^nzelIen-  Entsprechend  dem  Aufflackern 
ter  Süchreaktionen  nach  erneuter  Tuberkulininjektion  werden  alte 

bator  sSeT»bpU< ?Cit  nach  dem  Abklingen  nach  einer  pro- 
und  fI  n  buberkulimnjektion  in  der  ursprünglichen  Form,  Grösse 

küfat^  Imenf^nade%'SThnbair-  rB--  ZU  deiT1  SchluSSe,  daSS  die 

t,  1  «  L  bnpfung  mit  I  uberkulin  in  allen  Fällen  von  Lupus  und  Haut- 

i  dl ichteb  ()C  lP<.,SitiVt?  Reaktion  ergab,  die  eine  gewisse  Emp- 

l  l  der  Hauttuberkulosen  gegenüber  dem  Tuberkulin  zeigte 

Life  roh  durch!hre  äussere  Form  von  der  Lokalreaktion  bei  den  eben¬ 
falls  reagierenden  Kontrollfällen  unterschied. 

B.  hat  diese  Impfung  zu  therapeutischen  Zwecken  zu  verwenden 
gesucht  und  bis  10  Tropfen  ohne  die  geringste  üble  Nebenwirkung 
verwendet.  Es  trat  in  Lupusstellen  eine  lokale  Schwellung  ein  z.  T 
ulzerierten  die  Lupusknötchen  und  heilten  dann  mit  glatter  ^Narbe  aus. 
Lin  Urteil  zu  fallen  verbietet  die  Kürze  der  Beobachtungszeit. 

...  l^rr  Schl  eis  sner:  Ueber  die  allergische  Reaktion  als  Hilfs¬ 
mittel  der  Diagnose  bei  Tuberkulose  im  Kindesalter. 

Schl,  hat  an  der  Klinik  Ganghofner  über  200  Kinder  nach 
I  irquet  geimpft,  ohne,  irgendwelche  unangenehme  Nebenerschei¬ 
nungen  beobachtet  zu  haben.  Vergleicht  man  die  Allergieprobe  mit 
der  probatorischen  1  uberkulininjektion,  so  fällt  der  Vergleich  zu 
fünften  des  ersteren  aus,  da  sie  viel  einfacher  ausführbar,  leichter  kon- 
rolherbar  und  ganz  ungefährlich  ist.  Die  Frage,  ob  diese  Reaktion 
in  praktischer  Beziehung  ein  Fortschritt  ist,  kann  vorläufig  nicht  be¬ 
lli  Uml!Lrd€n;  Sie  ^ersagt  jl1  schweren  Fällen,  zeigt  uns  aber  auch  die 
leichtesten  an,  und  vor  allem,  sie  ist  keine  topische  Diagnose. 


oltzung  vom  14.  November  1907. 

Herr  Springer  und  Herr  Imhofer:  Operation  bei  seröser 
Meningitis.  u*er 

Herr  Springer  stellt  ein  lOjähr.  Mädchen  vor,  bei  dem  im 
Anschlüsse  an  eine  seit  langem  bestehende  unkomplizierte  Mittelnkr 
eitei  ung  mit  zentraler  grosser  Trommelfellperforation,  plötzlich  me 
mngitiische  Erscheinungen  eintraten.  Die  durch  Lumbalpunktion  unter 
hohem  Drucke  zu  tage  geförderte  Flüssigkeit  zeigte  nach  Stehen  im 
I  hei  mostaten  zarte  Fibrinflocken  (keine  Mikroorganismen,  keine  Tu¬ 
berkelbazillen).  Mikroskopisch  reichliche  Leukozyten.  Nach  Vnr 
nähme  der  Radikaloperation  Eröffnung  der  Dura;  Entleerung  grosser • 
Mengen  Liquor  cerebrospinalis  unter  grossem  Druck.  Kein  Fiter 
auch  nicht  nach  Punktion  des  Schläfenlappens.  Am  Tage  p  o  Wieder’ 
kehr  des  Bewusstseins,  Entfieberung,  Heilung. 

Im  Anschlüsse  daran  erörtert  Herr  Imhofer  die  Möglichkeit 
des  Eintretens  von  seröser  Meningitis  bei  unkomplizierter  chronischer 
Mittelohreiterung,  wofür  ein  Beispiel  in  der  Literatur  bisher  nicht  vor 
handelt  ist,  wahrend  bei  akuter  Otitis  und  chronischer  Paukenhöhlen¬ 
entzündung  mit  Knochen-  oder  endokranieller  Komplikation  (Extra- 
duralabszess)  das  Eintreten  seröser  Meningitis  wiederholt  beobachtet 
wurde.  UCI 

Herr  A.  El  sehnig:  Ueber  Neugeborenenblennorrhöe. 

Herr  E.  berichtet  zunächst  über  seine  gemeinsam  mit  Herrn 
Je  hie  am  Kinderhospitale  in  Wien  (Herr  Es  che  rieh)  gemachten 
Untersuchungen.  Von  71  Fällen  bei  Kindern  lag  nur  21  mal  gonor¬ 
rhoische  Blennorrhoe  vor,  aus  den  ersten  3  Lebenstagen  stammend- 
m  den  Fällen,  in  denen  die  Mütter  den  Beginn  der  Eiterung  später 
datierten,  konnte  aus  dem  klinischen  Befunde  die  Unrichtigkeit  der 
Angaben  geschlossen  werden.  Die  Gonokokken  waren  in  Reinkultur 
vorhanden,  nur  in  einem  Falle  bei  späterer  Untersuchung  auch  Strepto¬ 
kokken,  in  zweien  Xerose.  Kein  Kind  erlitt  während  der  Behandlung 
eine  Hornhautaffektion,  wenn  sie  nicht  am  Beginne  der  Behandlung 
schon  bestanden  hatte.  Dennoch  hält  E.  das  Auftreten  solcher  bei 
elend  genährten  Kindern  für  möglich.  Unter  den  20  mchtgonorrho- 
lscben  Blennorrhöen  waren  5  Streptokokkenfälle,  einmal  mit  B.  pvo- 
cyaneus  an  einem  Auge  vermengt,  einmal  Diplococc.  pneumoniae 
3  mal  massenhaft  Xerose,  7  mal  Staphylokokken,  1  mal  gelbe  Kul¬ 
turen  gebende  Stäbchen,  die  übrigen  Fälle  aber  steril.  Dass  diese 
etzteren  Gonorrhöefälle  mit  frühzeitigem  Verschwinden  der  Gono¬ 
kokken  sein  könnten,  hält  er  nicht  für  wahrscheinlich,  sondern  glaubt 
dass  Staphyl.  aur.  der  Erreger  war,  der  unter  Umständen  rasch  ver¬ 
schwindet.  Auch  Staphyl.  alb.  sei  unter  Umständen  pathogen,  ebenso 


Die  Unsache  der  nichtgonorrhoischen  Blennorrhoe  sucht  E.  z.  T. 
in  Geburtsinfektion,  z.  T.  in  späterer,  auf  traumatischer  Basis  er¬ 
folgender  Infektion.  Gerade  die  unzweckmässige  Behandlung  leichter 
Katarrhe,  das  oftmalige  Waschen  der  Augen  ruft  die  nichtgonor¬ 
rhoische  Blennorrhoe  hervor.  Seit  Uebernahme  der  Prager  Klinik  hat 
t.  16  Kindei  mit  Neugeborenenblennorrhöe  in  Behandlung  genommen 
darunter  eines  ohne  Gonokokkenbefund. 

Jedei  solche  Fall  muss  bakteriologisch  untersucht  werden  (es  ge¬ 
rügt  ein  Aussti  ichpräparat).  Bei  gonorrhoischer  Blennorrhoe  ernp- 
a  -  er  a^e  G  i"  ä  f  e  -  S  t  e  1 1  w  a  g  sehe  Methode,  ausserdem 
Aufklärung  und.  Behandlung  der  Mütter;  bei  nichtgonorrhoischer  Blen- 
noi  rhöe  wiederholtes  Einträufeln  von  Hydr.  oxycyan.  1  : 5000,  nur 
bei  starker  Sekretion  leichtes  Tuschieren  mit  1  proz.  Arg.  nitr.-Lösung. 

Dr.  O.  W. 


Aus  den  englischen  medizinischen  Gesellschaften. 

Society  of  Anaesthetists. 

Sitzung  vom  1.  November  1907. 

Unfälle  in  der  Narkose. 

A.  M.  H.  Gray  schildert  einen  Fall  von  intraperikardialer  Rup¬ 
tur  eines  Aneurysmas  in  der  Chloroformnarkose.  Es  handelte  sich  um 
einen  44  jährigen  Mann,  bei  welchem  wegen  akuter  Schmerzen  im 
Lpigastrium  8  Stunden  nach  Beginn  derselben  die  Laparotomie  aus¬ 
geführt  wurde.  Wegen  zunehmender  Zyanose  wurde  Sauerstoff  ge¬ 
geben,  und  die  Operation  (welche  einen  negativen  Befund  ergeben 
xatte )  schnell  beendet.  Die  Autopsie  ergab  an  der  Aorta  ascendens 
cm  \\  alnussgi  osses  Aneurysma,  aus  welchem  eine  kleine  Oeffroung 

e  r  i  k  a  r  d  führte.  Letzteres  enthielt  ungefähr  14  Liter  frische 
1  lutger innsel.  Redner  erlklärt  es  für  unentschieden,  ob  das  Chloro¬ 
form  den  Tod  beschleunigt  habe  oder  nicht.  Die  im  Perikard  Vor¬ 
gefundene  Blutmenge  sei  kaum  genügend  gewesen,  um  durch  den 
Druck  Herzstillstand  zu  bewirken. 

B.  H.  Spilsbury  erklärt,  dass  bei  Todesfällen  infolge  von 
Heiziuptui  allgemein  nur  wenig  Blut  im  Perikard  angetroffen  wird. 

B  u  x  t  o  n  hebt  hervor,  dass  das  Chloroform  bekanntlich  eine  be- 
i  uhigende  Wirkung  auf  die  Zirkulation  ausiibt.  Es  müsse  bei  der 
Zyanose  wohl  irgend  eine  intrathorakale  Störung  Vorgelegen  haben. 

H.  H  i  1 1  i  a  r  d  berichtet  über  einen  Tod  in  Narkose  bei  einem 
an  Status  lymphaticus  leidenden  Patienten,  einem  21  jährigen,  lang 
autgeschossenen  Jüngling,  der  sich  einer  Phimosenoperation  unterzog. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2621 


Ungünstig  fiel  ins  Gewicht,  dass  er  von  hochgradig  neurotischem 
Temperament  war  und  zu  Ohnmächten  neigte.  Er  hatte  2  Jahre  zu¬ 
vor  Diphtherie  durchgemacht.  Vor  der  Operation  hatte  er  noch  aus¬ 
giebig  Zigaretten  geraucht.  Der  Puls  war  klein  und  schnell,  der 
Thorax  dehnte  sich  beim  Atmen  ungenügend  aus,  die  Schilddrüse  war 
vergrössert,  und  es  war  ausgedehnte  epigastrische  Pulsation  zu  kon¬ 
statieren.  Aus  diesen  Gründen  sah  H.  von  der  Anwendung  von  Lach¬ 
gas  und  Aether  ab  und  nahm  eine  Ohloroform-Aether-Mischung.  Die 
Narkose  war  keine  tiefe,  aber  als  das  Präputium  durchtrennt  wurde, 
hörte  die  Atmung  plötzlich  auf,  das  Gesicht  wurde  aschfahl  und  die 
Pupillen  wurden  weit.  Auf  Kompression  der  unteren  Rippen  und  Dar¬ 
reichung  von  Amylnitrit  besserte  -sich  der  Zustand,  aber  beim  Anlegen 
einer  Naht  trat  totaler  Kollaps  ein.  Trotz  %  ständiger  künstlicher  Re¬ 
spiration,  Frottieren,  Senfteig  auf  die  Herzgegend  gelegt,  Akupunktur, 
Amylnitrit,  Salmiakgeist  ad  nareis  kehrte  das  Bewusstsein  nicht 
wieder.  Auch  das  von  Hill  empfohlene  Aufrichten  des  Patienten 
mit  Druck  auf  das  Epigastrium  während  eines  kurzen  Momentes  zum 
Zweck  der  Entleerung  des  rechten  Herzens  durch  Gravitieren  des 
Blutes  nach  dem  Splanehnikusgebiet  hin  war  erfolglos.  Verf.  glaubt, 
dass  es  richtiger  gewesen  wäre,  diesen  Patienten  erst  einige  Tage  in 
einem  Sanatorium  vorbereitend  zu  stärken  und  zu  beruhigen.  Auch 
hätte  es  sich  wohl  empfohlen,  die  Narkose  mit  einer  Injektion  von 
Morphium  und  Atropin  einzuleiten,  und  jedenfalls  hätte  er  vorher  nicht 
rauchen  dürfen. 

B.  H.  Spilsbury  teilt  das  Obduktionsergebnis  dieses  Falles 
mit:  abnorm  grosser  Thymus,  Vergrösserung  der  Milz  und  des  ge¬ 
samten  lymphoiden  Gewebes  im  Gebiet  des  Verdauungskanals,  Herz 
klein  und  im  Zustand  beginnender  fettiger  Entartung. 

P  h  i  1  i  p  p  i  -  Bad  Salzschlirf. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Aerztlicher  Bezirksverein  München. 

Mitgliederversammlung  vom  14.  Dezember  1907 . 

Der  Vorsitzende  Re  hm  spricht  dem  verstorbenen  Kollegen  F. 
Lemberger,  zu  dessen  Ehren  sich  die  Versammlung  von  den 
Sitzen  erhebt,  warme  Worte  des  Nachrufs  und  teilt  5  Austritts¬ 
erklärungen,  sowie  die  Streichung  eines  Mitgliedes  mit. 

Ferner  gibt  er  von  einem  Schreiben  des  Verbandes  konditio¬ 
nierender  Apotheker  Kenntnis,  in  welchem  von  der  in  den  Apotheken 
eingeführten  Sonntagsruhe  Mitteilung  gemacht  wird.  Diese  Sonn¬ 
tagsruhe  beginnt  um  1  Uhr.  Es  wird  in  dem  Schreiben  die  Bitte 
ausgesprochen,  dass  auf  ärztlicher  Seite  am  Sonntag  die  Sprech¬ 
stunde  nicht  bis  1  Uhr  ausgedehnt  werden  möge,  wie  es  einzeln 
geschieht,  damit  die  Sonntagsruhe  in  den  Apotheken  nicht  Illusorisch 
würde. 

Ein  Schreiben  des  Vereins  der  Krankenpfleger  und  Masseure 
gibt  bekannt,  dass  dieser  Verein  eine  Liste  der  hiesigen  Pfleger  und 
Masseure  herausgeben  und  den  Aerzten  zu  st  eilen  wird,  in  welcher 
die  sogenannten  „Masseure  und  Masseusen“  nicht  enthalten  sein 
werden.  Die  Aerzte  werden  gebeten,  diese  Liste  in  Gebrauch  zu  j 
nehmen. 

Rehm  teilt  weiter  mit,  dass  auf  eine  Monierung  von  seiten 
der  Polizeidirektion  hin  der  Punkt  „Unentgeltliche  Behandlung  Ge¬ 
schlechtskranker  (Berichterstatter:  Prof.  Kopp)“  vor  allem  beute 
erledigt  werden  sollte  und  dass  man  auch  die  satzungsgemässen 
Wahlen  noch  hätte  vornehmen  wollen.  So  sei  es  gekommen,  dass 
der  vordringliche  Punkt  betr.  der  Angelegenheit  der  Ehrenrichter 
in  ihrer  Klage  gegen  Herrn  Prof.  Quidde’als  später  Punkt  auf  die 
Tagesordnung  gesetzt  worden  sei.  Da  aber  Herr  Kopp  wieder 
erkrankt  ist  und  in  diesem  Jahre  nun  noc  heine  Sitzung  stattfinden 
wird,  konnte  dieser  letztere  Punkt  an  erster  Stelle  gesetzt  werden, 
womit  auch  einem,  mehrfach  geäusserten  Wunsche  aus  den  Kreisen 
der  Kollegen  Rechnung  getragen  werden  konnte. 

Ehe  Rehm  nun  den  Punkt:  „Mitteilung  der  Herren  Kastl  und 
J  o  o  s  s  beziigl.  des  Prozesses  gegen  Herrn  Prof.  0  u  i  d  d  e“  zur 
Diskussion  stellt,  glaubt  er  auf  einen  Tatbestand  aufmerksam  machen  zu 
müssen,  der  unter  den  Kollegen  grosses  Missfallen  erregt  habe.  Das 
betreffe  einen  in  No.  50  der  Münch,  med.  Wochenschr.  erschienenen 
Bericht  über  eine  Sitzung  des  Neuen  Standesvereins.  Herr  Bergeat 
habe  dort  2  Tage  nach  einer  Sitzung  des  hiesigen  Einigungsaus¬ 
schusses  schwere  Angriffe  gegen  den  ärztlichen  Bezirksverein  ge¬ 
schleudert.  Redner  verliest  die  Aeusserungen  Bergeats  aus  der 
Münch,  med.  Wochenschr.  No.  50,  S.  2507,  2.  Spalte,  Zeile  41—61. 
Dann  fährt  er  fort:  Wir  haben  es  für  notwendig  gehalten,  der  Kritik 
des  Herrn  B  e  r  g  e  a  t  in  einer  Erklärung  energisch  entgegen¬ 
zutreten.  Es  muss  endlich  einmal  aufhören,  dass  Herr  Bergeat 
in  die  Angelegenheiten  unseres  Vereines,  dem  er  nicht  angehört, 
hineinredet  und  die  kollegialen  Verhältnisse  in  München  schädigt. 
Unsere  Erklärung  ist  so  ruhig  und  mild  wie  möglich  abgefasst,  wie 
Sie  mir  zugeben  werden  und  ich  hoffe,  dass  sie  in  der  Münch,  med. 
Wochenschr.  Aufnahme  findet.  Er  verliest  nun  folgende  Erklärung:  ") 

„Herr  Dr.  Bergeat  hat  am  4.  Dezember,  2  Tage  nach  der 
I.  Sitzung  des  Einigungsausschusses,  im  neuen  Standesverein  Mün¬ 
chener  Aerzte  den  Prozess  Quid  de  besprochen  und  dabei  fol- 

*)  Die  Gegenerklärung  Dr.  Bergeats  siehe  auf  Seite  2626. 


gerades  geäussert  (M.  m.  W.  No.  50,  Seite  2507):  „Die  Niederlage  des 
Ehrengerichtes  sei  auch  eine  Niederlage  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
und  zugleich  eine  Niederlage  des  Systems,  in  dessen  Bekämpfung 
der  Standesverein  seinerzeit  gegründet  worden  sei.  Der  Prozess  sei 
nur  ein  neues  Glied  in  der  Kette  von  Ereignissen,  welche  einen  Nie¬ 
dergang  in  der  Stellung  des  ärztlichen  Bezirksvereins  verschuldet 
haben.  Die  Ursache  liege  vornehmlich  im  dem  Umstand,  dass  im 
Bezirksverein  die  Führung  zum  Teil  in  die  Hand  von  Männern  gelegt 
wurde  und  diesen  verblieben  ist,  welche  sich  nicht  allen  Anforde¬ 
rungen  solcher  Stellungen  gewachsen  zeigten,  sie  liege  aber  auch  in 
dem  innerhalb  des  ärztlichen  Bezirksvereins  herrschenden  Oppor¬ 
tunismus,  welcher  bei  zahlreichen  kritischen  Vorgängen  es  sich  stets 
in  erster  Linie  habe  angelegen  sein  lassen  unter  Verzicht  auf  eine 
tiefere  Kritik  durch  Vertrauensvota  vorhandene  Krisen  zu  ver¬ 
schleiern.  Er  müsse  aber  doch  der  Hoffnung  Ausdruck  verleihen, 
dass  die  herbe  Kritik,  welche  der  Prozess  in  der  Oeffentlichkeit  mit 
sich  brachte,  diejenige  Reorganisation  befördern  und  beschleunigen 
würde,  welche  unser  ehrlicher,  kollegialer  Widerspruch  in  so  langer 
Zeit  nicht  habe  erreichen  können.“ 

Diese  Bemerkungen  Dr.  Bergeats  sind  in  die  Tageszeitungen 
übergegangen  und  dadurch  allgemein  bekannt  geworden.  Sie  haben 
unter  Laien  und  Aerzten  grosses  Aufsehen  erregt. 

Die  Vorstandschaft  des  ärztlichen  Bezirksvereins  bemerkt  dazu 
folgendes : 

Es  hat  jedermann  das  Recht,  zu  öffentlichen  Ereignissen  seine 
Meinung  auszusprechen.  So  steht  es  auch  jedem  Arzt  frei,  sich 
öffentlich  über  ärztliche  Dinge  zu  äussern,  sobald  sie,  wie  der  Pro¬ 
zess  der  Ehrenrichter,  eine  öffentliche  Sache  geworden  sind. 

Verlangt  muss  aber  werden,  dass  Aerzte,  zumal  wenn  sie 
annehmen  können,  dass  ihre  Meinungsäusserung  in  die  Tagespresse 
gelangen  wird,  die  grösste  Vorsicht  und  die  grösste  Rücksichtnahme 
beobachten  mnd  dass  sie  sich  auf  die  Sache  selbst  beschränken  und 
nicht  ferner  liegende  Dinge  hereinziehen,  deren  öffentliche  Bespre¬ 
chung  ungünstige  Folgen  für  den  gesamten  ärztlichen-  Stand  nach  sich 
ziehen  muss. 

Diese  selbstverständliche  kollegiale  Forde¬ 
rung  hat  Herrür.  Bergeat  nicht  erfüllt.  Er  hat  den 
tieftraurigen  Ehrenrichterprozess  benützt,  um  den  Bezirksverein,  seine 
Leitung,  seine  inneren  Angelegenheiten  in  der  heftigsten  Weise  an¬ 
zugreifen.  Er  hat  dies  getan,  obwohl  er  wissen  musste,  dass  seine 
Aeusserungen  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  sofort  in  die 
Oeffentlichkeit  kommen  würden,  und  dass  diese  Aeusserungen  ge¬ 
eignet  waren,  die  öffentliche  Meinung,  die  schon  durch  den  Ehren¬ 
richterprozess  hochgradig  verstimmt  war,  neuerdings  gegen  die  Aerzte 
und  deren  Führer  einzmnehmen.  Die  Oeffentlichkeit  hatte  sich  bis 
dahin  bloss  mit  dem  Ehrengericht  beschäftigt,  erst  Herrn  Bergeat 
war  es  Vorbehalten,  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  ausdrücklich  auf 
die  inneren  Verhältnisse  der  Aerzteschaft  und  auf  die  angebliche  Un¬ 
fähigkeit  der  Führer  zu  lenken. 

Dass  diese  Dinge  die  Oeffentlichkeit  nicht  im  geringsten  an- 
gehen,  ist  selbstverständlich. 

Dazu  kommt,  dass  Herr  Bergeat  die  erwähnten  Aeusse¬ 
rungen  machte  2  Tage  nach  der  I.  Sitzung  des  Einigungsausschusses, 
in  der  unter  eifriger  Mitwirkung  Bergeats  die  Vorstände  aller 
Münchener  ärztlichen  Vereinigungen  in  freundlicher  und  loyaler  Weise 
über  ihr  zukünftiges  kollegiales  Zusammenarbeiten  sich  verständigten. 

Durch  sein  Vorgehen  hat  Bergeat  den  glücklich 
bergest  eilten  Frieden  gebrochen. 

Die  ganze  Darstellung  ist  aber  auch  in  sach¬ 
licher  Beziehung  tendenziös  und  unrichtig. 

Herr  Dr.  Bergeat,  der  längere  Zeit  selbst  der  Vorstandschaft 
des  Bezirksvereins  angehörte,  weiss,  dass  es  falsch  ist,  das  Ehren¬ 
gericht  mit  dem  Bezirksverein  zu  identifizieren.  Die  Ehrenrichter 
werden  jährlich  neu  gewählt,  sie  haben  strengstes  Stillschweigen  über 
ihre  Verhandlungen  zu  bewahren,  sie  sind  nur  ihrem  eigenen  Gewissen 
verantwortlich,  sie  sind,  abgesehen  vom  Vorsitzenden,  nicht  identisch 
mit  der  Leitung  des  Vereins,  der  auf  die  Tätigkeit  der  Ehrenrichter 
nicht  den  geringsten  Einfluss  ausiiben  darf. 

Eine  Niederlage  der  Ehrenrichter  ist  deshalb  keine  Niederlage 
des  ärztlichen  Bezirksvereins,  so  lange  dieser  nicht  das  Urteil  des 
Ehrengerichtes  zu  dem  sehnigen  macht,  und  das  ist  im  Falle  H  u  t  z  1  e  r 
nicht  geschehen. 

Ebensowenig  hat  das  im  Bezirksverein  herrschende  System 
etwas  mit  der  Niederlage  des  Ehrengerichtes  zu  tun.  Das  System, 
dessen  Bekämpfung  Herr  Bergeat  als  seine  Lebensaufgabe  an¬ 
sieht,  besteht  einfach  darin,  dass  die  Mehrheit  der  Verejnsmitglieder 
die  Richtungslinien  für  die  Arbeit  der  Vorstandschaft  aneibt,  und  dass 
die  Minderheit,  auch  wenn  sie  anderer  Ansicht  ist,  sich  fügt.  Ohne 
dieses  System  ist  überhaupt  keinerlei  Arbeit  in  grossen  Körper¬ 
schaften  möglich;  das  ist  so  selbstverständlich,  dass  darüber  gar 
nicht  diskutiert  werden  kann. 

Den  Zusammenhang  dieses  Systems  mit  dem  Spruch  der  Ehren¬ 
richter  wird  ausser  Herrn  Bergeat  niemand  begreifen. 

Herrn  Bergeats  Schmerz  ist,  dass  die  grosse  Mehrheit  der 
Münchener  Aerzte  seinen  jahrelangen  „ehrlichen,  kollegialen  Wider¬ 
spruch“  ignoriert  und  an  dein  viel  geschmähten  ärztlichen  Bezirks¬ 
verein  in  Treue  festhält,  trotz  des  angeblich  unkollegialen  Systems 
und  trotz  mancher  sachlichen  und  persönlichen  Differenzen,  die,  wie 


2622 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


in  keiner  grossen  Körperschaft,  so  auch  im  Bezirksverein  nicht  fehlen, 
ja  gar  nicht  fehlen  dürfen. 

Herr  Bergeat  hat  sich  selbst  ausserhalb  unseres  Vereines 
gestellt,  weil  er  die  Mehrheit  nicht  für  sich  gewinnen  konnte.  E  r 
hat  seitdem,  wie  wir  mit  allem  Nachdruck  feststellen,  keiner¬ 
lei  Recht,  sich  in  die  inneren  Angelegenheitendes 
Bezirksvereins  zu  mischen.  Trotzdem  benützt  er  jede 
Gelegenheit,  um  die  Tätigkeit  des  Bezirksvereins  herabzusetzen  und 
auszumalen,  welch  trauriger  Zukunft  der  Verein  entgegengeht.  Er 
mag  dies  im  engen  Kreis  seiner  Freunde  tun,  so  lange  diese  Ver¬ 
gnügen  daran  finden,  aber  wir  verwahren  uns  auf  das  schärfste  da¬ 
gegen,  dass  er  die  Oeffentlichikeit  mit  seiner  wegwerfenden  Kritik 
der  Kollegen  erfüllt  und  wir  erinnern  ihn  daran,  dass,  wer  dies  tut, 
seinerseits  das  Recht  verwirkt  hat,  über  das  angeblich  unkollegiale 
Verhalten  anderer  zu  jammern. 

Herr  Bergeat  hat  mit  seinen  durch  die  Tagespresse  ver¬ 
breiteten  Ausführungen  den  ärztlichen  Bezirksverein  und  seine  Leitung 
in  der  Oeffentlichkeit  unverantwortlich  herabgesetzt,  er  hat  —  was 
bisher  noch  immer  vermieden  wurde  —  die  internen  Streitigkeiten 
der  Aerzte  an  die  Oeffentlichkeit  gebracht,  er  hat  dadurch  die  im 
Gang  befindlichen  Vertragsverhandlungen  mit  den  Kassen  erschwert, 
er  hat  endlich  —  und  das  ist  das  Schlimmste  —  das  mühsam 
auf  gebaute  Einigungswerk,  das  vor  einigen  Tagen  mit 
einer  Sitzung  des  Einigungsausschusses  so  hoffnungsvoll  begonnen 
wurde,  schwer  beeinträchtigt. 

Wir  protestieren  laut  und  mit  der  grössten  Entschiedenheit  gegen 
B  e  r  g  e  a  t  s  Vorgehen  und  schieben  ihm  voll  und  ganz  die  Ver¬ 
antwortung  zu  für  den  Schaden,  den  er  durch  sein  unkollegiales 
Verhalten  angerichtet  hat.“ 

Diese  Erklärung  ruft  den  demonstrativen  Beifall  der  Versamm¬ 
lung  hervor. 

Tesdorpf  glaubt  als  Vorsitzender  des  Pressausschusses  die 
in  die  Tagespresse  gelangten  4eusseruugen  Bergeats  in  ihrer 
Wirkung  am  besten  beurteilen  zu  können.  Er  hat  es  als  sehr  auf¬ 
fallend  gefunden,  dass  Bergeat  den  Bezirksverein  in  so  heraus¬ 
fordernder  Weise  blossstellt  und  herabwürdigt.  Es  ist  nicht  erlaubt, 
Kollegen  in  ihrer  persönlichen  Ehre  und  in  ihrem  persönlichen  Wir¬ 
ken  anzugreifen.  Er  schlägt  vor,  aus  diesen  Gründen  über  Herrn 
Bergeat  nicht  weiter  zu  diskutieren,  zumal  Herr  Bergeat  dem 
Bezirksverein  nicht  angehört.  Er  stellt  folgenden  Antrag:  ..Die  an¬ 
wesenden  Mitglieder  des  Bezirksvereins  schlossen  sich  vollkommen 
den  Erklärungen  der  Vorstandschaft  gegenüber  den  Vorwürfen  an, 
die  Herr  Bergeat  gegen  den  ärztlichen  Bezirksverein  erhoben 
hat.  Die  anwesenden  Mitglieder  des  Bezirksvereins  verzichten  im 
Interesse  der  Erhaltung  der  ärztlichen  Kollegialität  auf  eine  Dis¬ 
kussion  und  beschliessen  den  Uebergang  zur  Tagesordnung.“ 

Hecht  spricht  sich  gegen  den  Uebergang  zur  Tagesordnung 
aus,  weil  er  es  für  notwendig  hält,  gegenüber  den  in  die  Tagespresse 
gelangten  Aeusserungen  Bergeats  eine  Gegenerklärung  zu 
bringen.  Die  Mehrheit  der  Versammlung  schliesst  sich  jedoch  dem 
Vorschläge  Tesdorpf  s  an. 

Hierauf  verliest  der  Vorsitzende  folgendes  Schreiben  der  Ehren¬ 
richter  Jooss,  Kastl  und  Daxenberg  er,  das  einen  Tag  nach 
Abbruch  der  Verhandlung  gegen  0  u  i  dd  e  in  seine  Hände  gelangt  ist: 

„In  unserer  Prozesssache  gegen  Herrn  Dr.  Quidde  wegen 
Beleidigung,  in  der  wir  als  seinerzeitige  Ehrenrichter  über  den  Fall 
Dr.  Trumpp  und  Dr.  Hecker  gegen  Dr.  H  u  t  z  1  e  r  von  der 
Sch\\  eigeptlicht  entbunden  und  beauftragt  wurden,  zum  bürgerlichen 
Gerichte  Klage  zu  stellen,  beehren  wir  uns,  zu  berichten,  was  folgt: 

Nachdem  durch  die  seit  Donnerstag,  vormittags  9  Uhr  währende 
\  erhandlung,  worüber  ein  sehr  genauer,  fast  wörtlicher  Bericht  in 
der  Augsburger  Abendzeitung  enthalten  ist,  die  weitgehendsten  Auf¬ 
klärungen  zur  Sache  geschaffen  waren,  haben  wir  uns  aus  völlig 
freier  Entschliessung  nach  wiederholten  mehrstündigen  eingehenden 
Beratungen  mit  unserem  Prozessvertreter,  Herrn  Rechtsanwalt 
Maurmeier  dahier,  veranlasst  gesehen,  in  der  heutigen  Nach¬ 
mittagssitzung  des  Schöffengerichts  am  k.  Amtsgerichte  München  I, 
Abteilung  für  Strafsachen,  die  anliegende  Erklärung  zu  übergeben 
und  Privatklage  samt  Strafantrag  zurückzuziehen. 

Massgebend  für  uns  waren  zunächst  die  Gründe,  die  in  der  Er¬ 
klärung  selbst  niedergelegt  sind.  Ausserdem  hat  sich  im  Laufe  des 
rozesses  immer  mehr  für  uns  herausgestellt,  dass  die  Gegenpartei, 
vertreten  von  Herrn  Justizrat  Bernstein,  dem  Freunde  des  ver¬ 
lebten  Herrn  Dr.  Hut  zier,  den  ganzen  Prozess,  der  sich  gegen  die 
Aeusserungen  des  Herrn  Dr.  Ouidde  über  das  Ehrengericht  rieh- 
tete,  als  eine  Gelegenheit  betrachtete,  die  Sache  des  Herrn  Dr.  H  u  t  z  - 
!  e  r  gegen  die  Herren  Dr.  Hecker  und  Dr.  T  r  u  m  d  p  wieder  auf¬ 
zurollen  und  dabei  auch  die  unterfertigten  drei  Ehrenrichter  ge¬ 
wissennassen  als  Angeschuldigte  in  Mitleidenschaft  zu  ziehen. 

Während  die  Unterfertigten  und  ihr  Rechtsvertreter  von  dem 
Standpunkte  ausgingen,  dass  nur  jenes  Material  nachzuprüfen  sei,  das 
dem  seinerzeitigen  Ehrengerichte  zur  Beurteilung  vorgetragen  wurde, 
ind  dass  von  dem  bürgerlichen  Gerichte  nur  erwogen  werden  dürfe, 
ob  wir  bei  Abwägung  dieses  Materials  pflichtgemäss  zu  unserer 
ehrengerichtlichen  Entscheidung  kommen  konnten  oder  nicht,  hielt 
es  die  Gegenpartei  und  mit  ihr  anscheinend  das  Gericht  für  richtig, 
das  gr^'e  Material  durch  Vernehmung  einer  Menge  von  Laien  als 


No.  52, 

Zeugen  in  einem  Umfang  zu  erheben,  wie  dies  nach  den  ehrengericht¬ 
lichen  Satzungen  für  uns  als  Ehrengericht  unmöglich  war.  Ausser¬ 
dem  erweckte  das  Ergebnis  der  nunmehrigen  eidlichen  Beweis¬ 
erhebung  vor  dem  bürgerlichen  Gerichte  in  uns  Zweifel  über  die  ob¬ 
jektive  Richtigkeit  des  Satzes  in  unserem  ehrengerichtlichen  Urteil 
vom  30.  Januar  1907,  dass  Herr  Dr.  Hutzier  auch  nach  allgemein 
bürgerlichen  Begriffen  Treu  und  Glauben  verletzt  habe,  bezw.  wir 
würden,  wäre  uns  bei  Abfassung  des  ehrengerichtlichen  Urteils  vom 
30.  Januar  1907  das  nunmehr  erhobene  Beweismaterial  Vorgelegen, 
diesen  Satz  nicht  in  das  Urteil  aufgenommen  haben.  Dieser  Er¬ 
kenntnis  mussten  wür  als  anständige  Männer  durch  Ziffer  V  der  Er¬ 
klärung  Ausdruck  geben. 

Ausserdem  hat  sich  aus  der  Verhandlung  auch  ergeben,  dass 
Herr  Dr.  Q  u  i  d  d  e  persönlich  der  Meinung  sein  konnte,  er  habe 
das  Interesse  der  Gemeinde  und  bezw.  des  verlebten  Dr.  H  u  t  z  1  e  r 
sowie  auch  sein  eigenes  Interesse  uns  gegenüber  mit  den  fraglichen 
Aeusserungen  vom  16.  April  1907  zu  vertreten  gehabt. 

Eine  solche  Feststellung,  wie  sie  vom  Gerichte  mit  Sicherheit 
zu  erwarten  war,  hätte  aber  die  Abweisung  der  Klage  gemäss  §  193 
Str.G.B.  zur  Folge  gehabt,  wie  uns  unser  Rechtsbeistand  eingehend 
darlegte. 

Nach  alledem  waren  wir  der  Anschauung,  dass  es  für  uns  nicht 
allein  korrekt,  sondern  sogar  geboten  war,  die  Erklärung  so,  wie  sie 
erfolgte,  abzugeben,  da  war  durch  diesen  Prozess  in  allererster  Reihe 
unsere  eigenen  Interessen  zu  w-ahren  hatten. 

Die  Art  und  Weise,  wie  das  Gerichtssaalpublikum,  das  in  er¬ 
drückender  Mehrheit  aus  Freunden  und  Anhängern  des  verlebten 
Dr.  Hut  zier  bestand,  sowie  die  Gegenpartei  die  Erklärung  in  der 
Sitzung  vom  heutigen  Nachmittag  entgegennahm,  Hess  uns  doppelt 
erkennen,  wie  recht  wir  damit  getan  hatten,  einem  Prozess  ein  Ende 
zu  machen,  der  sich  nicht  mehr  auf  dem  durch  unsere  Privatklage 
allein  von  uns  vorgezeichneten  Boden  bewegte.“ 

Diesem  Briefe  ist  die  folgende,  aus  der  Gerichtsverhandlung  be¬ 
kannte  Erklärung  der  Ehrenrichter  gegenüber  Herrn  Prof.  Q  u  i  d  d  e 
beigefügt : 

„I.  Herr  Dr.  Quidde  hat  wiederholt  im  Laufe  der  Verhandlung 
erklärt,  dass  er  den  guten  Glauben  der  drei  Privatkläger  bei  Fällung 
des  ehrengerichtlichen  Urteils  vom  30.  Januar  1907  und  ihre  durch¬ 
aus  ehrenhafte  Gesinnung  in  vollem  Umfang  anerkenne  und  dass  ihm 
jede  Absicht  einer  persönlichen  Beleidigung  der  drei  Privatkläger 
bei  Veröffentlichung  seiner  Erklärung  vom  16.  April  1907  ferne  ge¬ 
legen  sei. 

II.  Das  ehrengerichtliche  Urteil  vom  30.  Januar  1907  wurde  von 
den  drei  Privatklägern  nach  eingehender  Beratung  auf  Grund  der 
Parteiauträge  und  des  dem  Ehrengericht  von  den  Parteien  und  Zeu¬ 
gen  vorgetragenen  Tatbestandes  gefällt. 

III.  Das  Bewusstsein,  bei  Fällung  dieses  Urteils  nach  bestem 
Wissen  und  Gewissen  gehandelt  und  in  vollem  Umfang  ihre  Pflicht 
getan  zu  haben,  lässt  den  Privatklägern  die  Möglichkeit,  dass  Herr 
Dr.  Hutzier  infolge  des  ehrengerichtlichen  Urteils  sich  getötet  hat. 
als  ein  zwar  höchst  beklagenswertes,  aber  ihnen  nicht  zur  Last 
fallendes  Ereignis  erscheinen. 

IV.  Nachdem  durch  das  bisherige  schöffengerichtliche  Verfahren 
sowohl*  das  Verhalten  des  Herrn  Dr.  Hutzier  und  seine  Be¬ 
ziehungen  zu  den  Herren  Privatdozenten  Dr.  Hecker  und 
Dr.  Trumpp  sowie  zu  der  Vorstandschaft  des  Gisela-Rinderspital- 
\  ereins  einerseits,  und  andererseits  die  Beziehungen  der  Herren 
Dr.  Hecker  und  Dr.  1  rumpp  zu  dieser  Vorstandschaft  und  zum 
Stadtmagistrat  München  hinreichend  aufgeklärt  erscheinen,  haben 
die  drei  Privatkläger  keine  Ursache,  zu  weiteren  Erhebungen  Anlass 
zu  geben. 

V.  Die  drei  Privatkläger  wollen  hiemit  ausdrücklich  feststellen, 
dass  der  Satz  des  ehrengerichtlichen  Urteils  vom  30.  Januar  1907: 
„Durch  sein  jetziges  Verhalten  hat  Herr  H  u  t  z  1  e  r  auch  nach  all¬ 
gemein  bürgerlichen  Begriffen  Treu  und  Glauben  verletzt“  nicht  aus¬ 
gesprochen  worden  wäre,  wenn  den  drei  Privatklägern  jenes  Be¬ 
weismaterial  zu  Gebote  gestanden  wäre,  das  nunmehr  'in  vorwürfiger 
Prozesssache  dem  Schöffengericht  am  K.  Amtsgericht  München  I  nach 
den  Bestimmungen  der  Reichsstrafprozessordnung  vorgelegt  werden 
konnte. 

VI.  Die  drei  Privatkläger  gestehen  dem  Herrn  Prof.  Dr.  Quidde 
gerne  zu,  dass  er,  wie  er  persönlich  bei  der  bisherigen  Verhandlung 
in  durchaus  loyaler  Weise  seine  Rechtsanschauung  vertreten  hat, 
auch  sachlich  der  Anschauung  sein  konnte,  mit  seiner  Erklärung 

•vom  16.  April  1907  der  Interessenvertretung  zu  dienen. 

Unter  Verzicht  auf  die  Erhebung  der  von  den  drei  Privatklägern 
noch  weiter  angebotenen  Beweismittel  ziehe  ich  somit  Privatklage 
samt  Strafantrag  zurück.“ 

Im  Anschlüsse  daran  verliest  R  e  h  m  2  Briefe  des  Herrn  Hofrat 
Daxenberger,  in  welchen  er  auf  seine  36jährige  ärztliche  Ak¬ 
tivität  verweist,  in  welcher  er  stets  bemüht  war  Kollegialität  zu 
iiben.  Auch  Berufsrichter  irren  sich,  ohne  solche  schwere  Vorwürfe 
zu  erhalten. 

Hierauf  erteilt  der  Vorsitzende  Herrn  Kastl  das  Wort,  der 
ungefähr  folgendes  ausführt:  Vor  dem  Gerichte  fand  vor  allein  die 
Vernehmung  der  früheren  Vorstandschaft  des  Giselaspitalvereins 
statt.  Dem  Ehrengerichte  wrar  es  seinerzeit  satzungsgemäss  nicht 


24.  Dezember  )907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2623 


möglich,  diese  Herren,  als  Nichtärzte,  zu  vernehmen.  Vor  dem  Ge¬ 
richte  wurde  so  aus  einem  Prozess  „Ehrengericht  gegen  Q  u  i  d  d  e“ 
ein  , Prozess  H  u  t  z  1  e  r  gegen  T  r  iu  m  p  p  und  Hecke  r“.  Darauf 
konnten  wir  uns  nicht  einlassen.  Verloren  war  für  iuns  die  Position, 
als  der  Vorsitzende  des  Gerichts  an  uns  resp.  an  einzelne  Zeugen 
die  Frage  stellte,  ob  wir  Hutzier  einen  Dolus,  d.  h.  eine  be¬ 
trügerische  Absicht  zuschieben  wollten.  Diese  Art  der  Fragestellung 
konnten  wir  nicht  beantworten.  Wohl  hätte  die  Frage  beantwortet 
werden  können,  ob  H  u  t  z  1  e  r  mit  Bewusstsein  so  gehandelt  habe, 
wie  er  es  getan.  Gegen  uns  hat  ein  Toter  gekämpft.  Wir  alle  wissen 
nicht  mit  Gewissheit,  was  die  Veranlassung  zum  Tod  H  u  t  z  1  e  r  s 
war.  Wir  geben  aber  die  Möglichkeit  zu,  dass  sich  H  u  t  z  1  e  r 
auf  Grund  des  Ehrengerichtsurteils  das  Leben  genommen  hat.  Das 
wäre  an  sich  unendlich  beklagenswert.  Zugleich  aber  verrückt  es 
von  vornherein  die  Sympathien  vollständig  zu  Gunsten  des  Toten. 
Von  diesem  Ereignis  an  setzte  in  der  öffentlichen  Meinung  die  Ver¬ 
stimmung  gegen  das  Ehrengericht  ein.  Allüberall.  Besonders  im 
Gerichtssaal  beim  Publikum.  Den  Vorstössen  des  Verteidigers 
Quiddes  konnten  wir  nicht  die  notwendige  Schlagfertigkeit  ent¬ 
gegensetzen.  Wir  sind  juristisch  nicht  gewandt.  So  wurden  denn 
auch  unsere  bei  der  Ehrengerichtssitzung  vorgekommenen  Form¬ 
fehler  ganz  ausserordentlich  gegen  uns  ausgebeutet.  Z.  B.  betreffs 
der  Protokollführung  bei  unseren  Verhandlungen.  Durch  einen 
Laien  konnten  wir  selbstredend  kein  „Protokoll“  führen  lassen; 
wir  wollten  auch  nur  einen  möglichst  genauen  stenographischen  Be¬ 
richt.  Dieser  umfasst  96  Seiten!  Unsere  Verhandlungen  dauerten  am 
ersten  Tage  8  Stunden.  Selbstredend  kann  eine  Stenographistin  nicht 
8  Stunden  hintereinander  genau  stenographieren.  Darum  habe  ich 
mich  nicht  entschlossen  können,  meinen  Namen  unter  das  Steno¬ 
gramm  zu  setzen.  Ich  hatte  die  Stenographin  den  beteiligten  Per¬ 
sonen  vorgestellt  und  diese  gefragt,  ob  sie  gegen  deren  Anwesenheit 
etwas  einzuwenden  hätten,  was  nicht  der  Fall  war. 

Wenn  an  unserem  Urteil  etwas  auszusetzen  ist,  so  bedenke  man, 
dass  das  Ehrengericht  so  lange  Spielball  jedweder  beliebigen  Aus¬ 
sage  ist,  als  es  nicht  in  der  Lage  ist,  Zeugen  auf  Eid  zu  vernehmen. 
Und  das  ist  ihm  verwehrt. 

Am  3.  Verhandlungstage  hatten  wir  vor  Gericht  aus  der  bisheri¬ 
gen  Haltung  Quiddes  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  er  wohl 
der  Meinung  war,  dass  die  Ehrenrichter  grob  fahrlässig  gehandelt 
hätten,  dass  er  jedoch  keine  Beleidigung  beabsichtigt  und  insbeson¬ 
dere  uns  keinen  Dolus  habe  vorwerfen  wollen.  Diese  loyale  Art 
Quiddes  glaubten  wir  durch  eine  loyale  Erklärung  quittieren  zu 
müssen. 

An  unserem  Urteile  selbst  ist  nichts  beanstandet  worden,  als 
der  Passus,  dass  H  u  t  z  1  e  r  gegen  Treu  und  Glauben  gehandelt  habe. 
Wir  hatten  keine  Ahnung,  was  im  bürgerlichen  Leben  mit  diesem 
Passus  gemeint  ist.  (Unruhe  in  der  Versammlung.)  Wir  haben, 
was  wir  schon  öfters  erklärt  haben,  H  u  t  z  1  e  r  damit  nicht  die  Ehre 
absprechen  wollen.  Hätten  wir  das  tun  wollen,  dann  hätten  wir 
ausgesprochen,  dass  er  ehrlos  gehandelt  habe.  Als  wir  vor  Gericht 
in  unserer  Erklärung  diese  Interpretation  gegeben  hatten,  glaubten 
wir,  einem  befriedigenden  Ergebnis  entgegensehen  zu  können.  Aber 
es  hatte  sich  im  Kinderspitalverein  schon  eine  grosse  Leidenschaft¬ 
lichkeit  angesammelt,  die  sich  feindselig  gegen  uns  richtete.  Wir 
aber  waren  die  falsche  Adresse.  Die  richtige  Adresse  wäre  die 
andere  Gruppe  im  Kinderspitalverein  gewesen.  Wir  waren  daher 
ausserordentlich  überrascht,  als  im  Gerichtssaal  nach  unserer  Er¬ 
klärung  ein  solch  leidenschaftlicher  Ausbruch  der  im  Gerichtssaal 
Anwesenden  erfolgte.  Vor  allem  hat  uns  das  Verhalten  Quid  des 
überrascht  und  die  schwere  Form  seiner  Beleidigung,  die  er  gegen 
die  Personen  der  Ehrenrichter  schleuderte.  Diese  neue  Angelegen¬ 
heit  nun  ist  unsere  eigene  persönliche  Sache  und  wird  für  sich  zu  er¬ 
ledigen  sein.  Wenn  unser  loyales  Vorgehen  auf  so  unfruchtbaren  Bo¬ 
den  gefallen  ist,  so  haben  wir  uns  zu  unserem  Schaden  getäuscht. 
In  der  Münch,  med.  Wochenschr.  hat  man  sich  noch  einmal  bemüht, 
zu  übertreiben.  Expektorationen  Bergeats  gegenüber  sind  wir 
vogelfrei,  schütz-  und  wehrlos.  Ich  werde  mich  nicht  weiter  dar¬ 
über  äussern.  Ich  muss  es  aber  zurückweisen,  dass  ein  jüngerer 
Kollege,  wie  Bergeat,  einen  alten,  ergrauten  Kollegen,  wie  Herrn 
Hofrat  Daxenberger,  der  Jahre  lang  an  der  Seite  des  verstor¬ 
benen  Hofrats  Gossmann  der  ärztlichen  Sache  so  viele  Opfer 
gebracht  und  als  Ehrenrichter  gewirkt  hat,  in  einer  Form  angreift, 
wie  es  geschehen  ist. 

.1  o  o  s  s  fügt  diesen  Ausführungen  hinzu:  Wenn  der  Prozess 
„mit  einer  Niederlage  geendet  hat“,  wie  die  Münch,  med.  Wochenschr. 
schreibt,  so  sind  viele  Momente  daran  schuld.  Auch  der  Bezirks- 
verein  hat  seinen  Teil  Schuld  daran,  indem  seine  Satzungen  des 
Ehrengerichtes  unzulänglich  sind.  Die  Juristen  sind  dort,  wo  man 
von  der  Form  abweicht,  unnachsichtlich.  So  steht  nicht  in  unseren 
Statuten,  dass  man  sich  für  zuständig  erklären  kann  oder  nicht:  es 
steht  nichts  von  einem  Protokoll  darin,  auch  nicht,  wie  ein  solches 
verfasst  werden  soll;  nichts  über  Zeugenvernehmung,  über  die  For¬ 
mulierung  des  Urteils  etc.  Ueber  all  diese  Punkte  hat  man  sich  vor 
Gericht  aufgehalten.  Was  da  die  Juristen  verlangen,  ist  uns  voll¬ 
kommen  fremd.  Mir  war  all  das  neu.  Heute  begreife  ich  vielleicht 
deren  Forderungen.  Die  öffentliche  Meinung  im  Gerichtssaal  war 
vollkommen  gegen  uns.  Jede  Erklärung  unserseits  wurde  mit  Be¬ 


merkungen  aus  dem  Publikum,  Pfuirufen,  „Hört“  u.  dergl.  begleitet. 
Jeder  Vorstoss  der  Gegenseite  war  von  Beifall  gefolgt.  Der  Vor¬ 
sitzende  hat  sich  bemüht,  diese  Aeusserungen  zu  unterdrücken.  Ich 
aber,  von  meiner  Seite,  hatte  den  Eindruck  gewonnen,  dass  der  Vor¬ 
sitzende  des  Gerichts  innerlich  von  unserem  Unrecht  überzeugt  war. 
Er  hat  sich  bemüht,  unparteiisch  zu  sein.  Aber  ich  glaube,  auch  er 
ist  der  Massensuggestion  unterlegen.  Es  liegt  mir  vollkommen  fern, 
ihm  subjektive  Parteilichkeit  vorzuwerfen,  aber  er  hat  Unmögliches 
verlangt.  Wir  sollten  den  Beweis  liefern,  dass  H  u  t  z  1  e  r  betrüge¬ 
risch  gegen  Hecker  und  T  r  u  m  p  p  vorgegangen  sei.  Diesen  Be¬ 
weis  konnten  wir  nicht  führen. 

Ich  erkläre  entschieden,  dass  ich  keine  Ahnung  davon  hatte, 
was  das  bürgerliche  Gesetz  unter  Treu  und  Glauben  versteht. 

Der  Prozessgegner  war  ein  toter  Mann.  Tot  durch  unsere 
Schuld,  wie  man  sagte.  Der  Gegenamvalt  war  für  uns  unüberwind¬ 
lich.  Ich  will  nicht  von  seiner  Gewandtheit  reden.  Er  war  mehr  wie 
Anwalt  in  dieser  Sache;  er  war  interessierte  Partei.  Er  hat  mit 
seinem  Herzen  an  H  u  t  z  1  e  r  gehangen,  er  war  sein  Pflegevater. 
Somit  war  er  auch  Hauptzeuge  gegen  uns.  Er  war  in  einer  Weise 
informiert,  wie  nicht  einmal  wir  Ehrenrichter  es  waren.  So  waren 
in  dem  Prozesse  Sonne  und  Wind  ungleich  verteilt.  Wir  mussten 
unterliegen.  Forensisch  sind  wir  völlig  ungewandt.  Das  hat  sich 
deutlich  bemerkbar  gemacht. 

Seit  %  Jahren  werden  wir  wegen  dieser  Affaire  verfolgt  und 
geschmäht;  im  Gerichtssaal  wurden  wir  verhöhnt:  ich  muss  ge¬ 
stehen,  dass  ich  dieser  Stimmung  am  3.  Tage  unterlegen  bin.  All 
diese  Umstände  haben  in  uns  den  Wunsch  erzeugt,  dem  aussichts¬ 
losen  Kampfe  ein  Ende  zu  machen.  Und  dann  hofften  wir,  durch  eine 
freimütige  Erklärung,  wie  wir  sie  gegeben  haben,  die  öffentliche 
Meinung  mehr  zu  befriedigen,  als  durch  ein  Abwarten  des  Urteils. 
Darin  haben  wir  uns  geirrt.  Aber  die  kränkendste  Beurteilung  für  uns 
haben  wfr  in  der  Münch,  med.  Wochenschr.  gefunden,  eine  schlim¬ 
mere,  wie  in  der  Tagespresse. 

Hätten  wir  einen  Juristen  im  Ehrengericht,  so  hätten  wir  sach¬ 
lich  dasselbe  Urteil,  in  der  Form  ein  anderes  gefällt.  Der  Vorwurf 
der  Inkonsequenz,  den  uns  die  Münch,  med.  Wochenschr.  macht, 
scheint  mir  unberechtigt.  Wir  haben  geklagt,  damit  0  u  i  d  d  e  für 
seine  Beleidigung  zur  Rechenschaft  gezogen  werde  und  haben  noch 
nebenbei  geklagt,  um  denen,  die  einer  Belehrung  zugänglich  sind,  zu 
zeigen,  dass  die  Grundlagen  zu  unserem  Urteile  richtig  aufgefasst 
waren.  Wir  hatten  geglaubt,  dass  dies  in  jenem  Moment  erreicht 
war,  als  wir  die  Klage  zurückzogen. 

Nun  wird  auch  gesagt,  dass  wir  durch  Weiterführung  des  Pro¬ 
zesses  die  Rehabilitierung  Hutzle  rs  hätten  unterstützen  müssen. 
Die  Rehabilitierung  H  u  tzle  r  s  ist  durch  unsere  Erklärung  am  besten 
in  die  Wege  geleitet  worden.  Eine  Weiterführung  des  Prozesses 
hätte  auch  das  Gegenteil  ergeben  können.  Es  hätte  eine  Herunter¬ 
setzung  H  u  t  z  1  e  r  s  sich  ereignen  können,  ebenso  auch  eine  solche 
des  Ehrengerichtes.  Ich  beanstande  durchaus  nicht,  dass  man  den 
Gegner  Hut  zier  in  den  Himmel  hebt.  Aber  diesem  Verfahren 
gegenüber  stand  uns  nur  die  Möglichkeit  offen,  die  für  H  u  t  z  1  e  r 
ungünstigen  Momente  herbeizuziehen.  Das  widerstrebte  uns,  dem 
Toten  gegenüber.  Aber  durch  dieses  Widerstreben  waren  uns  die 
Hände  in  unserer  Verteidigung  gebunden. 

Wenn  Sie  jetzt  über  uns  sprechen,  dann  erwägen  Sie  noch  folgen¬ 
des:  Wir  haben  nach  unserer  Ansicht  nichts  getan,  als  unsere  Pflicht 
als  Ehrenrichter  erfüllt.  Das  war  keine  angenehme  Pflicht.  Es  ist 
überhaupt  keine  angenehme  Pflicht,  Ehrenrichter  zu  sein.  Man  hat 
be’i  Ausübung  dieses  Ehrenamtes  nachher  immer  einen  Feind,  sehr  oft 
deren  zwei.  Unser  Urteil  im  Falle  H  u  t  z  1  e  r  war  an  sich  richtig. 
Ein  Passus  darin  war  vollkommen  unglücklich  gewählt  und  verfehlt. 
Nun  hat  sich  H  u  t  z  1  e  r,  möglicherweise  infolge  dieses  Passus’,  er¬ 
schossen.  Wenn  in  China  jemand  aus  dem  Leben  gehen  will  und  er 
will  sich  an  seinem  Feinde  rächen,  dann  hängt  er  sich  vor  der  Türe 
seines  Feindes  auf.  Dieser  Mann  ist  dann  verfehmt  für  das  ganze 
Reich.  H  u  t  z  1  e  r  hat  das  sicherlich  nicht  gewollt.  Diejenigen  aber 
versuchen  es  mit  uns,  die  ihn  als  unser  Opfer  in  der  Oeffentlichkeit 
darstellen.  Ein  Teil  unserer  Freunde  hat  uns  den  Rücken  gekehrt; 
wir  mussten  eine  Reihe  von  Opfern  an  Zeit  und  Ge'd  bringen;  unsere 
Praxis  ist  ungünstig  beeinflusst  worden;  in  der  Oeffentlichkeit  sind 
wir  anrüchig  geworden;  nun  haben  sich  noch  Kollegen  gefunden,  die 
sich  der  Hetze  gegen  uns  anschliessen  und  wir  sind  von  dieser  Seite 
her  noch  zu  Dummkönfen  gestempelt  worden.  Das  ist  uns  aus  un¬ 
serem  Amte,  das  der  Bezirksverein  als  Ehrenamt  verleiht,  geworden. 
Das  bedenken  Sie.  wenn  Sie  über  uns  sprechen. 

R  e  h  m  eröffnet  nach  diesen  Ausführungen  die  Diskussion  mit  der 
Bitte,  möglichst  objektiv  zu  bleiben,  ausgehend  von  dem  Grundsätze: 
errare  humanum  est.  Das  Ehrenrichteramt  ist  das  höchste  Ver¬ 
trauensamt,  das  der  Bezirksverein  zu  vergeben  hat.  Wir  hatten 
diese  Männer  zu  diesem  Amte  berufen.  Das  legt  uns  die  Pflicht  auf, 
so  objektiv  als  möglich  zu  urteilen. 

Kress  führt  in  Leidenschaft  aus.  dass  vor  Gericht  der  Prozess 
auf  den  Koof  gestellt  worden  sei.  Hätten  unsere  Ehrenrichter  den 
Gegenanwalt  zum  Vertreter  gehabt,  dann  wäre  wohl  ein  gegen¬ 
teiliges  Resultat  gezeitigt  worden.  Die  Ehrenrichter  hätten  ihre 
etwaige  Schuld  genügend  gebiisst  und  sie  seien  vom  Bezirksverein 
in  Schutz  zu  nehmen. 


2624 _ _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _ No.  52. 


Wacker,  der  Beistand  H  u  t  z  1  e  r  s  vor  dem  Ehrengericht, 
führt  aus,  dass  er  heute  mit  dem  Vorsatz  gekommen  sei,  nur  ein 
Paar  Worte  zu  sagen.  Die  unglückliche  Verteidigung  der  Ehrenrichter 
veranlasse  ihn  aber,  doch  mehr  zu  sprechen.  Er  gebe  dem  Vor¬ 
sitzenden  Recht:  errare  humanum  est  .  .  sed  non  humanum  est,  in 
errore  perseverare.  Er  nimmt  Q  u  i  d  d  e,  seinen  Kollegen  im  Ge¬ 
meindekollegium,  in  Schutz:  Warum  hat  man  den  ärztlichen  Unter¬ 
zeichnern  der  der  Klage  zu  gründe  liegenden  Interpellation  geglaubt, 
aber  Herrn  0  u  i  d  d  e  nicht,  dass  sie  im  Interesse  der  Gemeinde  ge¬ 
handelt  hätten?  Die  Ehrenrichter  durften  dien  Prozess  nicht  ab¬ 
brechen,  bevor  nicht  wenigstens  diejenigen  Herren  vernommen  waren, 
die  über  die  ehrengerichtliche  Sitzung  aussagen  konnten.  Ferner 
war  in  dem  Momente,  als  0  u  i  d  d  e  sagte,  dass  er  jetzt  nicht  mehr 
die  bona  fides  aufrecht  erhalte,  der  Boden  zu  einer  Zurücknahme  der 
Klage  entzogen.  Da  hätte  der  Prozessvertreter  erklären  müssen, 
jetzt  wird  weiter  verhandelt.  Die  Ehrenrichter  hätten  die  Pflicht  ge¬ 
habt,  hier  ihren  Anwalt  zu  desavouieren,  wenn  er  der  Situation  nicht 
mehr  gewachsen  gewesen  war.  Aus  Daxenbergers  Brief  gehe 
hervor,  dass  er  sich  die  Tragweite  seines  Urteiles  nicht  bewusst  war. 
K  a  s  1 1  habe  schon  früher  erklärt,  dass  er  für  seine  Person  H  u  t  z  1  e  r 
Treu  und  Glauben  nicht  habe  absprechen  wollen.  .1  o  o  s  s  sage,  dass 
er  im  Kreuzfeuer  des  Verhörs  unterlegen  sei.  „Das  verdenke  ich 
ihm  nicht.  Aber  wollen  Sie  dann  einem  Mann,  der  Tag  für  Tag  auf 
seine  Rehabilitierung  wartet,  verdenken,  wenn  er  dem  Leben  nicht 
mehr  gewachsen  ist?  Sie  sind  in  3  Tagen  zusammengebrochen  und 
H  u  t  z  1  e  r  musste  wochenlang  unter  dem  schweren  Eindruck  ver¬ 
bleiben,  dass  er  ehrlos  «ei,  ohne  dass  man  ihm  eine  Mitteilung  hat 
zukommen  lassen.  Die  Kritik  des  Kollege«  B  e  r  g  e  a  t  hat  mich  em¬ 
pört.  Das  muss  ich  ehrlich  und  rückhaltlos  anerkennen.  Ich  be¬ 
dauere  die  Zurücknahme  der  Klage  im  Interesse  der  Pflicht,  die  ich 
übernommen  habe  und  heute  noch  als  meine  Aufgabe  betrachte:  dem 
verstorbenen  H  u  t  z  1  e  r  die  Ehre,  die  ihm  abgesprochen  wurde,  wie¬ 
der  zu  verschaffen.  Offiziell  ist  seinen  Angehörigen  noch  nicht  mitge¬ 
teilt  worden,  dass  man  ihm  die  Ehre  nicht  absprechen  wollte.  Es 
wäre  auch  Pflicht  der  Ehrenrichter  gewesen,  all  das  noch  vor  Gericht 
anführen  zu  lassen,  was  zu  gunsten  H  u  t  z  1  e  r  s  hätte  gesprochen 
werden  können,  nachdem  der  letzte  ärztliche  Zeuge  noch  ungünstig 
gegen  ihn  ausgesagt  hatte.  Es  ist  ein  Akt  der  Gerechtigkeit  und 
eine  moralische  Pflicht,  den  Widerruf  den  Hinterbliebenen  Hutzlers 
offiziell  mitzuteilen“. 

Hecht  stellt  als  einer  der  gegenwärtigen  Ehrenrichter  fest, 
dass  beim  Ehrengericht  auf  Grund  des  allgemeinen  Eindrucks  ge¬ 
urteilt  wird. 

Jooss:  Ich  muss  immer  wieder,  was  ich  schon  oft  getan  habe, 
konstatieren,  dass  es  seinerzeit  unmöglich  war,  H  u  t  z  1  e  r  von  un¬ 
serer  gemeinsamen  Interpretation,  dass  wir  ihm  die  Ehre  nicht  ab¬ 
sprechen  wollten,  Mitteilung  zu  geben.  Ich  erkläre  noch  einmal  aus¬ 
drücklich,  dass  ich  bei  meinem  Antritt  des  Urlaubs  keine  Ahnung  hatte, 
welche  Konsequenzen-  unser  Urteil  zog.  Die  Schrift  Hutzlers 
lief  4 — 5  Stunden  nach  meiner  Abreise  bei  mir  ein;  ich  fand  sie  erst 
nach  meiner  Zurückkunft  vor.  Ich  hatte  keine  Adresse  hinterlassen, 
weil  ich  mich  von  allem  Beruflichen  losschrauben  wollte  und  selbst 
nicht  von  meinem  Assistenten  beruflich  in  den  Ferien  angegangen 
werden  wollte.  12  Stunden  vor  dem  Tode  Hutzlers  bin  ich  erst 
wieder  nach  München  gekommen.  So  war  es  dem  Ehrengerichte  un¬ 
möglich,  ihm  eine  offizielle  Mitteilung  zu  machen. 

Wacker  hält  dem  entgegen,  dass  dann  K  a  s  1 1  -eben  vorläufig 
eine  Erklärung  hätte  geben  müssen  mit  dem  Hinweis  auf  die  Abwesen¬ 
heit  Jooss’. 

Vorsitzender  Rehm  erklärt  im  Namen  der  Vorstandschaft,  dass 
sie  gerne  bereit  ist,  den  Angehörigen  Hutzlers  die  entsprechende 
Mitteilung  zukommen  zu  lassen. 

Hecht:  Mit  der  Zurücknahme  der  Klage  ist  ein  grosser  Fehler 
begangen  worden.  Man  hätte  dem  Bezirksverein  vor  dieser  Zurück¬ 
nahme  Mitteilung  machen  müssen.  Die  Rücksicht  auf  einen  Toten 
darf  nicht  so  weit  gehen,  dass  das  Recht  der  Lebenden  beeinträchtigt 
wird.  Welche  neue  Umstände  sind  eigentlich  vor  Gericht  de«'  Ehren¬ 
richtern  zugekommen,  deren  Kenntnis  sie  anders  hätte  urteilen  lassen? 
Der  Anwalt  der  Ehrenrichter  musste  nach  dem  Verlauf  der  Verhand¬ 
lung  sofort  erklären,  dass  er  von  den  neuen  Vorfällen  seinen  Man¬ 
danten  Mitteilung  machen  müsse  und  hätte  eine  Vertagung  erzielen 
müssen.  Wir  müssen  nun  fragen,  was  zu  tun  sei.  „Ich  stehe  auf 
dem  Standpunkte,  dass  die  Ehrenrichter  auf  Grund  des  Materials  wohl 
zu  dem  gleichen  Urteil  kommen  würden,  wie  früher,  nur  dass  sie 
den  unglücklichen  Ausdruck  nicht  mehr  wählen  würden.  Es  ist  kein 
Zweifel,  dass  Hutzier  seinerzeit  gegen  seine  Freunde  nicht  so 
hätte  verfahren  dürfen,  wie  -er  es  getan.  Das  ist  auch  jetzt  nicht 
widerlegt  worden.“ 

Kr  ecke:  Wir  sind  zu  wenig  mit  den  Formen  vertraut,  die  die 
öffentlichen  Gerichte  verlangen.  Daran  ist  alles  Unglück  schuld.  Seit 
20  Jahren,  seitdem  ich  mitarbeite,  hat  sich  nichts  widriges  ereignet. 
Ungewöhnlichen  Dingen  ist  unser  Ehrengericht  nicht  gewachsen. 
Wir  müssen  in  unsere  Ehrengerichtsordnung  Bestimmungen  bringen, 
die  den  vorgekommenen  Unregelmässigkeiten  einen  Riegel  vor¬ 
schieben.  Hätten  -die  Ehrenrichter  klipp  und  klar  erklärt,  dass  H  u  t  z  - 
1  e  r  unkollegial  gehandelt  hat,  was  allgemein  zugestanden  wird,  dann 
wäre  alles  recht  gewesen.  Die  Ehrenrichter  aber  haben  sich  in  ihrem 
Urteil  auf  fremdes  Gebiet  begeben  und  das  war  ihr  Verschulde«.  Wir 


müssen  die  Regierung  bitten,  dass  sie  für  das  Ehrengericht  einen 
Juristen  beigibt,  der  Zeugen  laden  und  sie  vereidigen  kann,  wie  es 
in  Preusse«  der  Fall  ist. 

Rehm  teilt  mit,  dass  die  Vorstandschaft  all  diese  Fragen  schon 
besprochen  und  bearbeitet  hat  und  'demnächst  vorlegen  wird. 

Jooss-:  Als  neues  Material  hat  sich  uns  die  Stellung  der  früheren 
Vorstandschaft  des  Giselakinderspitalvereins  gegenüber  Hutzier 
ergeben.  Diese  Vorstandschaft  bestand  aus  angesehenen  Leuten. 
Diesen  Leuten  hatte  H  u  t  z  1  e  r  -die  ihm  übertragene  Stelle  wiederholt 
zur  Verfügung  gestellt.  Sie  aber  haben  ihn  gebeten,  er  möge  treu 
zu  ihnen  stehen.  So  haben  sie  Hutzier  in  einen  Konflikt  gebracht, 
dem  er  unterlegen  ist.  So  konnten  wir  auch  die  Frage  des  Dolus  nicht 
bejahen.  Wir  haben  eingesehen,  dass  H  u  t  z  1  e  r  nicht  der  aktiv  trei¬ 
bende  gewesen  ist,  sondern  dass  er  der  geschobene  Teil  war.  Hätten 
wir  dies  gewusst,  wäre  unsere  Beurteilung  des  Vorgehens  Hutz¬ 
lers  wohl  milder  ausgefallen. 

Hecht  akzeptiert  dieses  Moment  als  ausreichend  für  die  neue 
Stellungsnahme  der  Ehrenrichter. 

Kustermann  hat  den  Verhandlungen  vor  Gericht  beigewohnt 
und  findet  es  vollkommen  begreiflich,  dass  die  Ehrenrichter  der  fort- 
gesetzen  Inquisition  -durch  den  Gegenanwalt  unterlegen  sind.  Auch 
hätten  die  ärztlichen  Zeugen  nicht  mit  der  erwarteten  Bestimmtheit 
ausgesagt.  Das  Wort  „Infamie“  ist  erst  gefallen,  nachdem  der  An¬ 
walt  der  Ehrenrichter  -den  Saal  verlassen  hatte.  Es  sei  keine  Zeit 
gewesen,  erst  den  Bezirksverein  anzugehen,  ob  man  die  Klage  zurück¬ 
ziehen  solle. 

Wacker  meint  demgegenüber,  dass  schon  während  der  Ver¬ 
lesung  der  Erklärung  Quidde  gesagt  habe,  jetzt  halte  er  die  bona 
fides  nicht  mehr  aufrecht.  In  diesem  Moment  hätte  die  Klage  nicht 
mehr  zurückgenommen  werden  dürfen.  Herrn  Jooss  ist  Wacker 
dankbar  für  seine  freimütige  Aussage  betr.  der  neuen  Beurteilung 
Hutzlers. 

Wieswianski  betont,  dass  die  Debatte  die  Verwundbarkeit 
des  gegenwärtigen  Systems  des  Ehrengerichtes  ergeben  habe. 
Die  Ehrenrichter  als  solche  sind  nicht  anzugreifen.  Insofern  habe  die 
Angelegenheit  ein  gutes,  als  sie  unter  den  Aerzten  eine  günstige  Stim¬ 
mung  für  eine  neue  Ehrengerichtsordnung  erzeugt  habe. 

Salzer  bedauert  gleichfalls,  dass  die  Klage  im  entscheidenden 
Momente  zurückgezogen  wurde,  wodurch  eine  definitive  Klärung  ver¬ 
hindert  worden  sei.  „Ich  will  noch  einmal  mit  aller  Schärfe  fest¬ 
stellen,  dass  keiner  der  3  Ehrenrichter  das  Bewusstsein  gehabt  hat, 
dass  mit  -dem  Passus  „Treu  und  Glauben“  die  Ehre  Hutzlers 
vernichtet  werde.“ 

Klaar  erklärt  die  Aeusserungen  Bergeats  für  inkollegial 
und  meint,  man  solle  sich  ihretwegen  an  das  Ehrengericht  des  neuen 
Standesvereins  Münchener  Aerzte  wenden. 

Damit  war  die  vom  Vorsitzenden  ausserordentlich  glücklich  ge¬ 
leitete  Debatte  erschöpft. 

Es  wurde  über  die  einzelnen  Punkte  der  in  der  vorigen  Nummer, 
Seite  2557,  schon  mitgeteilten  Resolution  abgestimmt.  Es  erfolgte 
einstimmige  Annahme  -der  Resolution  durch  die  von  über  100  Mit¬ 
gliedern  besuchte  Versammlung. 

Rehm  schliesst  -die  Sitzung  gegen  11  Uhr,  indem  er  den  Kol¬ 
legen  den  besten  Dank  für  die  glatte  und  objektive  Behandlung 
der  Angelegenheit  ausspricht,  von  welcher  er  hofft,  dass  sie  nun 
definitiv  erledigt  sei,  nachdem  sie  uns  so  lange  beschäftigt  hat. 

Max  Nassauer. 

Leipziger  wirtschaftlicher  Verband,  Sektion  München. 

Mitgliederversammlung  vom  17.  Dezember  1907. 

Herr  K  recke  erstattet  den  Geschäftsbericht,  woraus  hervor¬ 
geht,  dass  die  Sektion  seit  vorigem  Jahr  um  15  Mitglieder  zugenom¬ 
men  hat  und  somit  jetzt  594  Mitglieder  zählt.  Wesentliche  Streit¬ 
fragen  wirtschaftlicher  Art  sind  nicht  an  sie  herangetreten.  Von  sei¬ 
ten  der  Herren  Grass  mann,  Höflmayr,  Nassauer,  Salzer 
und  Scholl  wurden  in  dankenswerter  Weise  5  Vorträge  über  sozial¬ 
ärztliche  Fragen  gehalten,  deren  Besuch  leider  den  Erwartungen  nicht 
entsprach.  Es  ist  auffällig,  dass  die  Stellenvermittlungsstelle  in  Leip¬ 
zig  von  München  aus  wenig  in  Anspruch  genommen  wird.  Insbeson¬ 
dere  ist  auf  ihre  Mitwirkung  bei  Bewerbung  um  Schiffsarzt- 
stellen  zu  verweisen,  die  nur  auf  diesem  Wege  zu  er¬ 
halten  s  i  n  d.  Auf  die  im  Verlag  -des  L.  V.  erscheinenden  Schriften, 
insbesondere  den  vorzüglichen  ärztlichen  T aschenkalender, 
sowie  auf  eine  Broschüre  von  W  einbaum  „Wer  soll  und  wer  darf 
Arzt  werden“  macht  der  Vorsitzende  besonders  aufmerksam.  Eine 
Organisation  der  Krankenhausassistenten  und1  Praktikanten  bezw. 
deren  Angliederung  an  den  Verband  ist  bisher  noch  nicht  durch¬ 
geführt,  soll  jedoch  erstrebt  werden.  Bekanntlich  zahlen  Assistenten 
nur  den  halben  Beitrag.  Zur  Weihnachtszeit  werden  die  Herren  Kol¬ 
legen  gebeten,  sich  der  Witwen-  und  Waisenunterstützungskasse  zu 
erinnern,  -die  H  a  r  t  m  a  n  n  gegründet  hat.  Sie  werden  aufgefordert, 
Liquidationen  für  Behandlung  von  Kollegen  bezw. 
deren  Familien  zu  Gunsten  dieses  Fonds  zu  stellen.  Hier¬ 
durch  wären  manche  Schwierigkeiten  und  Fragen,  die  sich  aus  der 
Behandlung  von  Aerzten  unter  sich  ergeben,  leicht  zu  lösen. 

Herr  S  c  li  o  1 1  erstattet  den  Kassenbericht  und  erhält  Decharge. 

In  der  Diskussion  betont  Herr  Rehm  die  Wichtigkeit  eines  An¬ 
schlusses  der  Assistenten  an  die  Organisation,  einerseits  in  deren 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


24.  Dezember  1907. 


eigenstem  Interesse,  andererseits  im  Hinblick  auf  eventuelle  Kon¬ 
flikte  mit  der  Gemeindekrankenversicherung.  Er  meint  jedoch,  ein 
Beitrag  von  10  M.  sei  in  Anbetracht  der  grossenteils  minimalen  Ge¬ 
hälter  der  Assistenten  zu  hoch.  Man  sollte  allen  Assistenten  die 
ärztlichen  Mitteilungen  vorläufig  zügelten  lassen,  damit  sie  besser 
über  sozialärztliche  Angelegenheiten  orientiert  werden.  Schliesslich 
fragt  er  an,  wie  es  mit  der  Unterzeichnung  der  Reverse  steht.  Herr 
S  c  h  o  1  L  teilt  mit,  dass  die  grosse  Mehrzahl  der  Aerzte  den  alten  Re¬ 
vers  oder  den  Reichsrevers  unterschrieben  hat.  Abgesehen  von  einer 
Anzahl  von  Kollegen,  die  nicht  im  praktischen  ärztlichen  Leben 
stehen,  ferner  von  Mitgliedern  der  Fakultät,  haben  nur  einige  wenige 
Herren  aus  akademischen  Gründen  nicht  unterzeichnet.  Es  handelt 
sich  hierbei  aber  nur  um  Aerzte,  die  sachlich  ganz  auf  Seite  der  übri¬ 
gen  Kollegen  stehen  und  in  einem  eventuellen  Konflikt  eine  durchaus 
loyale  Haltung  einnehmen  werden.  Die  klinischen  Assistenten  und 
Praktikanten  sollen  durch  Vorträge  aufgeklärt  werden,  die  womöglich 
in  einem  Hörsaal  zu  halten  sind,  schon  damit  endlich  einmal  Klarheit 
über  die  Zwecke  des  L.  V.  geschaffen  wird,  den  manche  Leute  immer 
noch  für  eine  sozialdemokratische  Organisation  halten.  Aehnlich  wie 
in  Stuttgart  für  Württemberg,  so  sollte  auch  in  München  für  Bayern 
eine  Zweigzentrale  des  L.  V.  entstehen.  Hierdurch  würden  dessen 
Bestrebungen  im  Süden  wesentlich  gefördert,  ohne  dass  dabei  parti- 
kularistischen  Bestrebungen  Vorschub  geleistet  zu  werden  braucht. 
Die  Reversfrage,  auf  die  Herr  Rehm  nochmals  zurückkommt,  soll 
Gegenstand  der  Verhandlungen  im  Einigungsausschuss  sein.  Die 
Organisation  der  Assistenten  dürfte  auch  bei  den  Professoren  kaum 
auf  besonderen  Widerstand  stossen,  was  Herr  O.  Raab  fürchtet. 
Es  kommen  übrigens  speziell  die  Assistenten  der  Ambulatorien  in  Be¬ 
tracht.  Herr  Alexander  wünscht  im  kommenden  November  vor 
Beginn  der  Aerztekurse  eine  Serie  von  Vorträgen  ähnlich  den  schon 
gehaltenen,  eine  Idee,  welcher  Herr  Kr  ecke  beistimmt. 

Hierauf  berichtet  Herr  Alexander  über  die  Hauptversamm¬ 
lung  in  Münster,  deren  Verhandlungen  ja  allgemein  bekannt  sind, 
und  Herr  K  recke  über  die  Vertrauensmännerversammlung  in 
Leipzig  vom  17.  November  1907.  Dort  hat  Hartmann  über 
Bestrebungen  berichtet,  die  sich  gegen  die  freie  Arztwahl  richten. 
Sollte  der  Zahlungsmodus  im  neuen  Krankenkassengesetz  dahin  ge¬ 
ändert  werden,  dass  Arbeitgeber  und  -nehmer  je  die  Hälfte  zahlen, 
so  würden  damit  unsere  Gegner  innerhalb  der  Kassenvorstände  zahl¬ 
reicher.  Ruhe  im  eigenen  Lager  ist  daher  wertvoll  und  hier  soll 
man  die  Gegner  auch  nicht  zu  scharf  bekämpfen.  Die  Interpretation 
des  Ausdrucks  „beteiligte  Aerzte“  bei  Einführung  der  freien  Arzt¬ 
wahl  in  dem  Sinne,  dass  2U  der  Beteiligten  gemeint  sind,  dürfte  den 
Streit  um  diesen  Passus  in  den  Leitsätzen  beenden.  Ueber  die  Ein¬ 
führung  der  freien  Arztwahl  bei  den  Bahn-  und  Postkrankenkassen 
lagen  günstige  Berichte  aus  Frankfurt,  Mannheim  und  Württemberg 
vor.  Herr  Krecke  rühmt  die  diplomatische  Feinheit  und  die  all- 
seitige  Rücksichtnahme,  mit  der  die  betreffenden  Kollegen  dort  'ihr 
Ziel  erreicht  haben.  Die  staatliche  Festlegung  der  freien  Arztwahl 
würde  zum  Kurirzwang  führen,  und  ist  daher  nicht  erstrebenswert. 
Durch  Selbsthilfe  hat  man  überall  wünschenswerte  Zustände  erreicht. 
Für  eine  Tarifgemeinschaft  mit  den  kaufmännischen  Krankenkassen 
hat  Hartmann  Vorschläge  ausgearbeitet,  die  wohl  angenommen 
werden  dürften,  wodurch  dann  für  Deutschland  die  Mindestbeträge 
festgelegt  wären,  ohne  damit  eine  lokale  Erhöhung  auszuschliessen. 

Herr  Krecke  wurde  hierauf  wieder  als  Obmann  gewählt,  eben¬ 
so  Herr  Alexander  als  Schriftführer  und  Herr  Scholl  als 
Kassier. 

Zum  Schluss  wurde  von  Herrn  Kress  angeregt,  speziell  in 
Niederbayern  für  den  Leipziger  Verband  durch  Vorträge  Propaganda 
zu  machen.  Dies  gibt  den  Herren  Rehm,  Scholl  und  Dollmann 
Anlass,  für  Bestrebungen  einzutreten,  die  einen  Zusammenschluss  der 
Bezirksvereine  oder  einen  bayerischen  Aerzteverband  zum  Gegen¬ 
stand  haben,  und  zwar  innerhalb  der  grossen  deutschen  Organisa¬ 
tionen,  dem  Aerztevereinsbund  und  dem  Leipziger  Verband  ohne 
partikularistische  Bestrebungen.  Entsprechend  der  wiirttembergischen 
Zweigzentrale  dürfte  eine  solche  Organisation  in  Bayern,  speziell  auf 
dem  Lande,  Sympathien  finden  und  dem  grossen  L.  V.  nur  nützen. 
Ein  bayerischer  Aerztetag  in  München  1908  bei  Gelegenheit  der  Aus¬ 
stellung  wäre  im  allgemeinen  Interesse  erwünscht.  Herr  Krecke 
macht  noch  darauf  aufmerksam,  dass  der  Austritt  aus  dem  L.  V. 
nur  am  Schlüsse  des  Kalenderjahres  unter  Einhaltung  einer  Kündi¬ 
gungsfrist  von  6  Monaten  möglich  ist.  Nadoleczny. 


Verschiedenes. 

Wilhelm  Courage  liefert  in  seiner  Dissertation  über  die 
Behandlung  der  Lungentuberkulose  durch  Stau¬ 
ungshyperämie  auf  Anregung  von  Prof.  Leo  eine  gute  Ueber- 
sicht  über  die  verschiedenen  Methoden,  mit  denen  man  bisher  zum 
Zwecke  der  Bekämpfung  der  Lungentuberkulose  eine  Hyperämie  der 
Lungen  erstrebte.  (Bonn  1907,  26.  S.) 

Albert  Dittmer  bezeichnet  in  seinen  klinischen  Unter¬ 
suchungen  über  die  Wirkung  des  Lokalanästheti¬ 
kums  Alypin  beim  Pferde  dieses  Mittel  als  einen  brauchbaren 
Ersatz  für  das  Kokain.  (Giessen  1907,  31  S.) 


Tagesgeschichtliche  Notizen. 

München,  21.  Dezember  1907. 

—  Der  Aerztetag  1908  wird  vom  25. — 27.  Juni  in  Danzig 
stattfinden.  Als  vorläufige  Tagesordnung  sind  folgende  Gegenstände 
festgestellt:  1)  Unterweisung  und  Erziehung  der  Schuljugend  zur  Ge¬ 
sundheitspflege.  2)  Bericht  der  Krankenkassenkommission  über  die 
gegenwärtige  Lage  auf  dem  Gebiete  der  Reform  des  Krankenversiche¬ 
rungsgesetzes.  Im  Anschluss  hieran  soll  das  Verhältnis  der  Aerzte 
zu  den  freiwilligen  Hilfskassen  zur  Besprechung  gelangen.  3)  Be¬ 
schlussfassung  zu  dem  von  Seiten  des  Verbandes  Deutscher  Lebens¬ 
versicherungsgesellschaften  zur  Regelung  der  zukünftigen  Honorie¬ 
rung  der  hausärztlichen  und  vertrauensärztlichen  Zeugnisse  ge¬ 
machten  Vorschläge,  sowie  eventl.  zu  dem  Entwürfe  eines  neuen 
Vertrages  mit  dem  Verbände.  Weiter  ist  beschlossen,  von  einer 
Kommission  an  der  Hand  eines  von  dieser  zu  entwerfenden  Frage¬ 
bogens  durch  Rundfrage  bei  den  Bundesvereinen  eine  Erhebung  ver¬ 
anstalten  zu  lassen  über  die  Beziehungen  der  Aerzte  zu  den  Be¬ 
rufsgenossenschaften. 

—  Die  Münchener  Vereinigung  für  das  ärztliche 
Fortbiildungswesen  hat  der  Idee  der  ärztlichen  Fortbildung 
dadurch  einen  neuen  Anstoss  gegeben,  dass  sie  die  Anregung  zur 
Gründung  lokaler  Vereinigungen  in  einer  Reihe  von  grösseren  bayeri¬ 
schen  Städten  gegeben  hat,  die  dann  zu  einem  bayerischen  Landes¬ 
ausschuss  für  das  ärztliche  Fortbildungswesen  zusammengefasst  wer¬ 
den  sollen.  Solche  Landeskomitees  bestehen  bereits  in  Preussen, 
Baden,  Braunschweig,  Sachsen,  Württemberg;  die  Bildung  eines  aus 
den  Landeskomitees  bestehenden  Reichsausschusses  steht  bevor.  Vom 
Reich  ist  für  den  Fall  des  Zustandekommens  eines  derartigen  Reichs¬ 
ausschusses  ein  Zuschuss  für  die  Fortbildungskurse  in  Aussicht  ge¬ 
stellt.  Es,  wäre  höchst  wünschenswert,  dass  auch  Bayern  an  dem 
für  die  Zukunft  dies  ärztlichen  Standes  so  bedeutungsvollen  Werke 
sich  beteiligen  würde.  Wir  hoffen  daher,  dass  die  von  München  aus¬ 
gegangene  Anregung  auf  fruchtbaren  Boden  fallen  wird. 

—  Die  Bevölkerungsbewegung  in  Deutschland 
weist,  nach  der  vom  Reichsanzeiger  gegebenen  Uebersicht,  für  das 
Jahr  1906  namentlich  bezüglich  der  Sterblichkeit  sehr  günstige  Ziffern 
auf.  Die  Zahl  der  Sterbefälle  einschliesslich  der  Totgeburten  betrug 
1  174  464  gegen  1  255  614  im  Jahre  1905,  also  ein  Rückgang  um  81  150, 
und  absolut  die  geringste  Zahl  seit  Bestehen  des  Deutschen  Reiches 
mit  Ausnahme  des  Jahres  1896.  Auch  relativ,  auf  1000  Einwohner 
berechnet,  war  die  Sterbeziffer  mit  19,20  (gegen  20,84  im  Jahre  1905) 
die  geringste  je  erreichte.  Die  Zahl  der  Geburten  einschliesslich  der 
Totgeburten  betrug  2  084  739  (um  36  286  mehr  als  1905,  aber  weniger 
als  1904  und  1901)  so  dass  sich  ein  Ueberschuss  der  Geburten  über 
die  Sterbefälle  von  910  275  ergibt,  die  höchste  bisher  je  erreichte 
Ziffer.  Den  ausserordentlichen  Rückgang  der  Sterblichkeit,  durch  den 
sich  diese  günstige  Bilanz  ergibt,  verdankt  man  in  erster  Linie  den 
glänzenden  Fortschritten  der  wissenschaftlichen  Medizin  und  Hygiene, 
besonders  in  der  Bekämpfung  der  Seuchen  und  der  Kindersterb¬ 
lichkeit. 

—  Das  Seminar  für  soziale  Medizin  der  Ortsgruppe 
Berlin  des  Verbandes  der  Aerzte  Deutschlands  wird  im  Jahre  1908 
zwei  Vortragszyklen  einrichten,  und  zwar  wird  vom  17.  bis  31.  Januar 
das  Thema  „Der  Arzt  als  Gutachter  auf  dem  Gebiete  der  Arbeiterver¬ 
sicherung“,  im  Herbst  „Die  Mitwirkung  des  Arztes  an  den  Aufgaben 
städtischer  Verwaltungen“  theoretisch  und  praktisch  abgehandelt 
werden.  Die  Hauptvorträge  für  das  erste  Thema  hat  Herr  Geh.  Ober¬ 
regierungsrat  P  f  a  r  r  i  u  s,  Direktor  a.  D.  im  Reichsversicherungsamt, 
den  einleitenden  Vortrag  des  zweiten  Zyklus  Herr  Stadtrat 
Dr.  Muensterberg  übernommen.  Die  Ausgabe  des  ausführlichen 
Programms  für  Zyklus  I  erfolgt  in  den  nächsten  Tagen.  Teilnahme 
ist  auch  Nichtmedizinern  gestattet.  Anfragen  und  Meldungen  bei 
Dr.  Pey.se  r,  Berlin  C.  54,  Hackescher  Markt  1. 

—  Von  dem  Polizeipräsidium  in  Berlin  wird  das  Publikum  durch 
Bekanntmachung  vom  11.  November  d.  Js.  vor  dem  Bezug  des  von 
der  Firma  „Rita  Nelson“  in  Berlin  in  den  Zeitungen  unter  dem  Namen 
„Albukola“  angepriesenen  Kräftigungsmittels  für  schwache  Frauen 
gewarnt. 

—  Der  nächste  Zyklus  der  Ferienkurse  der  Berliner 
Dozenten  Vereinigung  beginnt  am  2.  März  1908  und  dauert 
bis  zum  28.  März  1908  und  die  unentgeltliche  Zusendung  des  Lektions¬ 
verzeichnisses  erfolgt  durch  Herrn  M  e  1  z  n  e  r,  Ziegelstrasse  10/11 
(Langenbeckhaus),  welcher  auch  sonst  hierüber  jede  Auskunft  erteilt. 

—  Die  Deutsche  Gesellschaft  zur  Bekämpfung 
der  Geschlechtskrankheiten  erlässt  ein  Preisaus¬ 
schreiben  zur  Abfassung  einer  volkstümlichen  Flugschrift,  welche 
die  Gefahren  der  venerischen  Krankheiten  unter  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  des  Soldaten-  und  Matrosenlebens  behandeln  solh  Es  sind 
drei  Preise  zu  300,  200  und  100  M.  vorgesehen.  Die  näheren  Bedin¬ 
gungen  des  Preisausschreibens  sind  von  der  Geschäftsstelle  der  Ge¬ 
sellschaft,  Berlin  S.  14,  Inselstr.  13a  zu  beziehen. 

—  Der  25.  Kongress  für  innere  Medizin  findet  vom 
6. — 9.  April  1908  in  Wie  n  statt.  Das  Präsidium  übernimmt  Herr 
v.  M  ü  11  e  r  -  München.  Folgende  Themata  sollen  zur  Verhandlung 
kommen:  Am  ersten  Sitzungstage  (Montag,  den  6.  April  1908):  Die 
Beziehungen  der  weiblichen  Geschlechtsorgane  zu  inneren  Erkran¬ 
kungen  (Referenten:  Herr  v.  Rosthorn  - Heidelberg  und  Herr 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


L  e  n  h  a  r  t  z  -  Hamburg:).  Am  dritten  Sitzungstage  (Mittwoch,  den 

8.  April  1908):  lieber  die  neueren  klinischen  Untersuchungsmethoden 
der  Darmfunktionen  und  ihre  Ergebnisse  (Vortrag  von  Herrn  Adolf 
Schmidt-  Halle).  Anmeldungen  von  Vorträgen  sind  bis  zum  1.  Fe¬ 
bruar  1908  zu  richten  an  Geheimrat  Dr.  Emil  Pfeiffer,  Wies¬ 
baden,  Parkstrasse  13. 

—  Die  nächste  Jahresversammlung  des  deutschen 
Vereinsfür Psychiatrie  wird  am  24.  u.  25.  April  1908  in  Berlin 
stattfinden.  Es  sind  folgende  Referate  vorgesehen:  I.  Endzustände 
der  Dementia  praecox.  Ref.  Bleuler-  Zürich  und  Jahrmär¬ 
ker-  Marburg.  II.  Psychiatrische  Wünsche  Ziur  Strafrechtsreform. 
Ref.:  Gramer-  üöttingen.  An  Vorträgen  sind  bisher  angemeldet: 
1.  A  1 1  -  Uchtspringe:  Die  Heilungsaussichten  in  der  Anstalt.  2.  B  r  o  d  - 
m  a  n  n  -  Berlin:  Der  gegenwärtige  Stand  der  histologischen  Lokali¬ 
sation  der  Grosshirnrinde.  3.  B  i  r  n  b  au  m  -  Herzberge:  Ueber  kurz¬ 
dauernde  Wahnbildungen  auf  degenerativer  Basis.  Weitere  Anmel¬ 
dungen  werden  erbeten  an  Sam-Rat  Dr.  Hans  Laehr  in  Zehlendorf- 
Wannseebahn,  Schweizerhof. 

—  Der  X.  Kongress  der  Deutschen  Dermatol  O'g-i  sc  hen 
Gesellschaft  wird  zu  Pfingsten  1908  in  Frankfurt  a.  M.  ab¬ 
gehalten  werden.  Prof.  Dr.  Karl  Herxheimer  ist  zum  Geschäfts¬ 
leiter  des  Kongresses  gewählt  worden. 

—  Cholera.  Russland.  Vom  20.  bis  26.  November  sind  nach 
den  amtlichen  Angaben  im  Regierungsanzeiger  vom  4.  Dezember  in 
ganz  Russland  96  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  (und  62  ge¬ 
storben).  In  der  Stadt  Kiew  sind  zufolge  anderweitiger  Mitteilung 
in  der  Zeit  vom  24.  November  bis  7.  Dezember  24  Erkrankungen  (und 
4  Todesfälle)  festgestellt  worden,  seit  Beginn  der  Epidemie  bis  zum 

9.  Dezember  1372  (358).  In  der  Stadt  Mariupol  am  Asowschen  Meere 
wird  die  Seuche  amtlich  für  erloschen  betrachtet.  —  Philippinen. 
Während  der  5  Wochen  vom  29.  September  bis  2.  November  sind  in 
Manila  103  Personen  an  der  Cholera  erkrankt  und  insgesamt 
88  Choleratodesfälle  gemeldet. 

—  P  e  s  t.  Aegypten.  Vom  30.  November  bis  7.  Dezember  wur¬ 
den  10  neue  Erkrankungen  (und  12  Todesfälle)  an  der  Pest  angezeigt. 
—  Britisch-Ostindien.  Vom  27.  Oktober  bis  2.  November  und  vom 
3.  bis  9.  November  sind  in  ganz  Indien  10  945  +  6821  Erkrankungen 
und  7982  +  5228  Todesfälle  an  der  Pest  gemeldet  worden.  —  Straits 
Settlements.  In  Saingapore  wurde  am  13.  November  ein  neuer  Pest¬ 
fall  gemeldet.  —  Mozambique.  In  Lourenqo  Marques  ist  die  Pest 
amtlich  festgestellt  worden;  vom  1.  bis  10.  Dezember  sollen  dort 
8  Personen  der  Seuche  erlegen  sein.  Der  Hafen  galt  zur  Zeit  noch 
für  pestfrei.  - —  Vereinigte  Staaten  von  Amerika.  In  San  Franzisko 
sind  vom  15.  bis  22.  November  6  (insgesamt  nunmehr  101)  Erkram 
kungen  und  3  (63)  Todesfälle  festgestellt  worden. 

—  Genickstarre.  Preussen.  In  der  Woche  vom  1.  bis 
7.  Dezember  sind  13  Erkrankungen  (und  8  Todesfälle)  angezeigt 
worden. 

—  In  der  49.  Jahreswoche,  vom  1.  bis  7.  Dezember  1907,  hatten 
von  deutschen  Städten  über  40  000  Einwohner  die  grösste  Sterblich¬ 
keit  R  e  c  k  1  i  n  ghausen  mit  29,4,  die  geringste  Malstatt-Burbach 
mit  8,9  Todesfällen  pro  Jahr  und  1000  Einwohner.  Mehr  als  ein 
Zehntel  aller  Gestorbenen  starb  an  Scharlach  in  Beuthen,  Rheydt,  an 
Masern  und  Röteln  in  Gera,  Harburg,  Königshütte,  Mannheim,  an 
Diphtherie  und  Krupp  in  Kaiserslautern,  an  Keuchhusten  in  Halber¬ 
stadt,  Hamborn.  V.  d.  K.  G.-A. 

(Hochschulnachrichten.) 

Berlin.  Prof.  Dr.  med.  Rene  du  Bois-Reymond,  Pri¬ 
vatdozent  und  Vorsteher  der  speziell-physiologischen  Abteilung  am 
physiologischen  Institut  ist  zum  ausserordentlichen  Professor  er¬ 
nannt  worden,  (hc.) 

Breslau.  Habilitiert  als  Privatdozent  für  innere  Medizin 
Dr.  med.  Alexander  B  i  1 1  o  r  f.  Antrittsvorlesung:  „Die  Ergebnisse 
der  Physiologie  der  Nebennieren  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Patho¬ 
genese  des  Morbus  Addisonii“.  —  Habilitiert  als  Privatdozent  für 
Psychiatrie  und  Neurologie  Dr.  med.  Franz  Kramer.  Antrittsvor¬ 
lesung:  „Die  neueren  Fortschritte  der  Elektrodiagnostik“. 

Erlangen.  Dem  a.  o.  Professor  Dr.  Robert  Heinz  wurde 
der  Lehrauftrag  für  Pharmakologie  erteilt.  —  Der  Oberarzt  an  der 
mediz.  Klinik  (Prof.  Penzoldt)  Dr.  Hermann  Könige  r  hat  sich 
mit  einer  umfangreichen  Arbeit  über  „Die  zytologische  Unter¬ 
suchungsmethode,  ihre  Entwicklung  und  ihre  klinische  Verwertung 
an  den  Ergüssen  seröser  Höhlen“  in  der  medizinischen  Fakultät  habili¬ 
tiert;  in  seiner  Probevorlesung  behandelte  er  die  „Pathologie  und 
Therapie  der  Gicht“. 

Göttingen.  Dem  Privatdozenten  für  Chirurgie  Dr.  med- 
Adolf  Jen  ekel  wurde  der  Professortitel  verliehen,  (hc.)  —  Der 
Direktor  des  pharmakologischen  Institutes,  Geh.  Med. -Rat  Proi.  Dr. 
Jakobj  hat  einen  Ruf  nach  Tübingen  erhalten  und  angenommen. 

Basel.  Im  Wintersemester  1907/08  beträgt  die  Gesamtzahl  der 
Studierenden  in  Basel  605  (16  Damen).  Mediziner  sind  darunter  171 
(8  Damen),  davon  49  (2  Damen)  Ausländer. 

Cork.  Dr.  D.  Barry  wurde  zum  Professor  der  Physiologie 
am  Queens  College  ernannt. 

Moskau.  Der  Privatdozent  S.  Berezowsky  wurde  zum 
Professor  der  externen  Pathologie  an  der  medizinischen  Fakultät  an 
Stelle  des  verstorbenen  Prof.  S  i  n  i  z  i  n  ernannt. 


Odessa.  Der  Privatdozent  an  der  militärmedizinischen  Aka¬ 
demie  zu  St.  Petersburg  Dr.  K.  Serapin  wurde  zum  ausserordent¬ 
lichen  Professor  der  externen  Pathologie  ernannt. 

Rio  de  Janeiro.  Dr.  M.  da  SilvaPereira  wurde  zum 
a.  o.  Professor  der  Medizin  und  internen  Pathologie  ernannt. 

(Todesfälle.) 

Dr.  E.  Chapot-Prevost,  Professor  der  Histologie  an  der 
medizinischen  Fakultät  zu  Rio  de  Janeiro. 

Generaloberarzt  a.  D.  Dr.  Leo  ist  in  Dresden-Plauen  gestorben. 


Korrespondenz. 

Der  Prozess  Kastl-Qiiidde  im  Aerztl.  Bezirksverein  München. 

Qegenierklärun  g. 

(Vergl.  die  Erklärung  der  Vorstandschaft  in  der  Sitzung  vom  14.  De¬ 
zember;  diese  Nummer,  S.  2621.) 

Der  Unzahl  von  Vorwürfen,  welche  die  Vorstandschaft  des  ärzt¬ 
lichen  Bezirksvereins  —  die  in  diesem  Falle  gewiss  eine  neutrale  In¬ 
stanz  nicht  ist  —  in  dessen  letzter  Mitgliederversammlung  gegen 
mich  erhoben  hat,  setze  ich  nur  einige  Bemerkungen  entgegen. 

Die  Entrüstung  wäre  dann  berechtigt,  wenn  ich  in  die  Tages¬ 
presse  mit  Angriffen  getreten  wäre  und  damit  den  Streit  der  Aerzte¬ 
schaft  nach  aussen  getragen  hätte.  Das  ist  bei  anderer  Gelegenheit 
allerdings  von  seiten  des  ärztlichen  Bezirksvereins 
bereits  geschehen,  ich  habe  das  bisher  stets  unterlassen  und  soweit 
mein  Einfluss  reicht,  verhindert.  Im  Falle  H  u  t  z  1  e  r  haben  wir,  was 
nicht  immer  leicht  war,  die  absoluteste  Zurückhaltung  geübt  und  wür¬ 
den  sie  weiter  beobachtet  haben,  wenn  es  nicht  zu  dem  öffentlichen 
Skandal  gekommen  wäre,  welcher  die  Verhältnisse  in  unserer  offi¬ 
ziellen  Standesvertretung  in  aller  Leute  Mund  gebracht  hat.  Da 
habe  ich  unter  dem  unmittelbaren  tiefen  Eindruck  des  persönlich 
mitdurchlebten  Prozesses  im  Neuen  Standesverein  als 
ein  Vertreter  der  durch  den  Prozess  und  seinen  Aus¬ 
gang  so  überaus  peinlich  in  Mitleidenschaft  ge¬ 
zogenen  Münch  euer  Aerzteschaft  ein  Nachwort  gegeben, 
dessen  ernster  Grundzug  von  dem  Berichterstatter  hervorgehoben 
worden  ist  und  dem,  wenn  es  auch  die  Personalfragen  zum  Gegen¬ 
stand  hatte,  doch  offensichtlich  j  e  d  e  r  subjektive  An¬ 
griff  ferngelegen  hat.  Ich  habe  darin  nichts  gesagt,  was  nicht 
schon  öfter  von  uns  zum  Ausdruck  gebracht  worden  wäre  und  was 
nicht  auch  bei  namhaften  Mitgliedern  des  Bezirks¬ 
vereins  selbst,  der  bayerischen  und  deutschen  Aerzteschaft 
vielfach  als  sachlich  zutreffend  anerkannt  wäre.  Ich  verwahre 
mich  auf  das  lebhafteste  dagegen,  für  die  im  Interesse  unseres 
Standes  zu  einer  so  ernsten  Zeit  In  unserem  K  o  1 1  e  g  e  n  k  r  e  i  s  ge¬ 
machten  und  in  der  Standespresse  berichteten  freimütigen 
Aeusserungen  in  solcher  Weise  verunglimpft  zu  werden,  wie  das  die 
Vorstandschaft  des  Bezirksvereins  in  Szene  gesetzt  hat. 

Der  Veröffentlichung  einzelner  Teile  meiner  Rede  in  einzelnen 
Tagesblättern  stehe  ich  fern-  und  habe  sie  nicht  zu  verantworten. 
Ob  ihr  Bekanntwerden  unserem  Stande  mehr  Nutzen  oder  Schaden 
gebracht,  kann  dahinstehen ;  vor  einer  schädlichen  Ver¬ 
allgemeinerung  haben  sie  ihn  zweifellos  g  e  - 
schütz  t.  Ob  der  heute  vorliegende,  der  Oeffentlichkeit  gleich¬ 
falls  zugängliche  Bericht  des  ärztlichen  Bezirksvereins  diesem 
selbst,  seinen  Ehrenrichtern  und  unserem  Stande  mehr  nützen 
wird,  als  der  Bericht  unseres  Vereines,  lasse  ich  eben¬ 
falls  unentschieden.  Tatsache  ist,  dass,  abgesehen  von  den  Ausfällen 
im  Bezir'ksverein,  nur  zustimmende  Urteile,  namentlich  von  aus¬ 
wärtigen  Kollegen,  an  mich  gelangt  sind. 

In  einem  Augenblicke,  wo  jedermann  erwarten  könnte,  dass  der 
Bezirksverein  eine  ernste  Prüfung  seiner  inneren  Verhältnisse  vor¬ 
nehme,  ist  seine  Leitung  zur  psychischen  Ablenkung  von  dem  wunden 
Punkte  in  einer  nie  dagewesenen  Art  mit  persönlichen  Jnvektiven 
über  mich  als  lästigen  Kritiker,  der  sich  bemüht  die  tieferen  Ur¬ 
sachen  der  erlittenen  Niederlage  klarzulegen,  hergefallen.  Es  ent¬ 
spricht  das  einer  oft  betätigten  Gepflogenheit,  sachlichen  Streit 
durch  persönliche  Befehdung  auszutragen.  Wenn  man  in  der  zornigen 
Erregung  behauptet,  ich  habe  den  bereits  hergestellten  Frieden  ge¬ 
brochen,  inkollegial  gehandelt,  ich  benütze  jede  Gelegenheit  den  Be¬ 
zirksverein  herabzusetzen  und  die  Oeffentlichkeit  mit  der  wegwerfen¬ 
den  Kritik  der  Kollegen  zu  erfüllen,  erschwere  Vertrags  Verhand¬ 
lungen  usw.  usw.,  so  sind  das  dialektische  Uebertreibungen  und  Un¬ 
wahrheiten,  welche  zu  widerlegen  ich  unterlasse. 

Ich  werde  mein  Verhalten  der  Beurteilung  des  Neuen 
Standesvereins  unterbreiten  und  in  Ruhe  die  weitere  Ent¬ 
wicklung  unserer  ärztlichen  Verhältnisse  abwarten,  welche 
seit  5  Jahren  bis  auf  diesen  Tag  bei  ähnlichen  Ereignissen, 
trotz  noch  so  hochgespannter  Angriffe,  uns  Recht  gegeben 
hat.  Ich  habe  noch  das  persönliche  Bedürfnis,  angesichts  der 
Art  und  Weise  wie  Herr  Dr.  Kastl  Herrn  Hofrat  Dr.  Daxen¬ 
berg  e  r  ins  Vordertreffen  schiebt,  zu  erklären,  dass  nach  meiner 
Ueberzeiugung  Herrn  Hofrat  Daxen  berge  r,  der  an  der  amtsge¬ 
richtlichen  Verhandlung  nicht  teilgenommen  hat,  für  deren  unglück¬ 
lichen  Ausgang  keine  Verantwortung  trifft. 

München,  20.  Dezember  1907.  Dr.  Bergeat. 


24.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDiZINiSCHF.  WOCHENSCHRIFT. 


26. 


Zur  Abwehr. 

In  No.  48  dieser  Wochenschrift  veröffentlicht  Herr  Prof  Riedel 

9“al  S*?,  Vfsatz  •;U,e  b  e  r  die  Blind  d  arme  nlz  (in  düng 
der  Kinder  ,  in  welchem  es  -u.  a.  heisst: 

„Zuverlässig  sind  also  die  Sammelstatistiken  der  Aerzte  in  keiner 
Wense,  aber  sie  tun  wenigstens  keinen  Schaden,  weil  es  sich  um 
Zusammenstellung  abgelaufener  Fälle  handelt.  Erfolglos  und  s  c  h  ä  d- 
Dch  zugleich  wird  die  jetzt  in  Szene  gesetzte  Sammelfor- 

nh  nnJlf+i  d '6  r  .  B  e ; r  1 1  n  e  r  Aerzte  sein.  Um  herauszubringen. 

operative  oder  konservative  Behandlung  bessere  Resultate  gibt 
muss  doch  abgewartet  werden,  und  dieses  Abwarten  w  i  r  d 
zahllose  Kranke  ins  Grab  werfen,  weil  sie  zu  spät  zur 
eingehefert  werden,  deshalb  ist  diese  Sammelforschung  so 

wiV^fnk6^  1Cp  sc.haf'lch-  Sodann  wird  sie  erfolglos  sein,  resp.  sie 
\\ird  falsche  Resultate  ergeben,  weil  von  den  zu  spät  Operierten 
e  ir  viele  sterben  werden,  die  bei  rechtzeitiger  Operation  hätten 
gerettet  werden  können;  da  Ihr  Tod  aber  doch  der  Operation  zur 
Last  gelegt  wird,  so  wird  das  Endresultat  der  Forschung  wohl  das 

bpl^?^nH,e\f0rK^eSetZte.r  konservativer  Behandlung  die  Endresultate 
nesser  sind,  als  bei  operativer,  es  wird  also  ein  völlig  falscher  Schluss 

gezogen  werden,  denn  die  bei  fortgesetzter  konservativer  Behandlung 
ro-n  deiin  Lek(rn  davonkommenden  Kranken  sind  eben  die  leichteren 
Falle,  die  schliesslich  der  Operation  anheimfallenden  die  schwereren 

werden^  SChen  viebach  deshalb  zugrunde,  weil  sie  zu  spät  operiert 

Gegen  den  hier  erhobenen  ungeheuerlichen 
Vorwurf  legt  die  Unterzeichnete  Kommission  auf 
das  Entschiedenste  Verwahrung  ein!  Die  Einwen¬ 
dungen  Riedels  sind  -ganz  unverständlich  und  nur  erklärlich  aus 
einem  völligen  'Missverständnis  des  Wesens  unserer  Sammelfor¬ 
schung.  Sie  ist  unternommen  worden  in  der  Absicht,  die  bisher 
d°  z£lich  unbekannte  Höhe  der  Morbidität  der 

Pentyph htis  festzustellen  und  deshalb  vor  allem  die  Zahl  der  in  der 
Häuslichkeit  der  Kranken  zur  Behandlung  kommenden  Fälle  in  Er- 
tahrung  zu  bringen.  Das  sind  zumeist  leichte  Fälle,  welche  ohne 
Operation  heilen  und  bei  der  Morbiditäts-  und  Mortalitätsstatistik 
bIeribenankenhaUSer  ^  der  Ch'™1"2611,  grösstenteils  unberücksichtigt 

Bei  Anstellung  einer  solchen  Samm-elforschung  ist  Niemanden 
hier  der  Gedanke  an  eine  Beeinflussung  des  therapeuti¬ 
schen  Handelns  der  praktischen  Aerzte  gekommen 
und  eine  solche  Möglichkeit  ist  ja  auch  tatsächlich  vollkommen  aus- 
geschlossen.  Denn  jeder  Fall  kommt  erst  nach  seinem  voll- 
standige11  Ablauf,  sei  es  mit  oder  ohne  Operation 
zur  Meldung.  Die  Berliner  Aerzte  besitzen  nicht  die  ihnen  von 
Riedel  zugemutete  Gewissenlosigkeit,  einer  Statistik  zu  Liebe  die 
Kranken  einer  konservativen  Behandlung  zu  unterwerfen  wo  sie 
einen  operativen  Eingriff  für  notwendig  halten!  Niemals  ist  an  die 
erzte  das  Ansinnen  gestellt  worden,  in  der  chirurgischen  Behandlung 
„abzuwarten  und  nirgends  endlich  steht  zu  lesen,  dass  es  der  Zweck 
unserer  Sammelforschung  sei,  „herauszubringen,  ob  operative  oder 
konservative  Behandlung  bessere  Resultate  gibt“!  Nur  die  tatsäch¬ 
lichen  Beobachtungen  sol-len  unbefangen  gesammelt  werden,  um  da- 
raas  eventuell  Schlussfolgerungen  für  die  Epidemiologie,  Pathologie 
und  I  herapie  der  Erkrankung  ableiten  zu  können. 

Dementsprechend  ist  die  Kommission  aus  mehreren  Chirurgen, 
Internisten  und  praktischen  Aerzten  zusammengesetzt,  und  sie  hat 
die  Fragebogen  ohne  jede  Voreingenommenheit  entworfen. 

Ob  die  Sammelforschun-g  Erfolg  haben  wird,  das  wird  lediglich 
avon  abhängen,  ob  sie  durch  die  Mitarbeit  der  praktischen  Aerzte 
genügend  unterstützt  werden  wird. 

Berlin,  im  Dezember  1907. 

Die  Kommission  für  Perityphlitis-Statistik  der 
Berliner  Medizinischen  Gesellschaft. 

i.  A.: 

Kraus.  R  o  1 1  e  r. 

Vorsitzende. 


Amtliches. 

(Bayern.) 

Bekämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  in  Bayern. 

Das  K.  Staatsministerium  des  Innern  hat  folgende  Entschliessung 
an  -die  Kreisregierungen,  Kammern  des  Innern,  erlassen: 

„Nach  den  Zusammenstellungen  des  K.  statistischen  Bureaus  in 
dem  Generalbericht  über  die  Sanitätsverwaltung  im  Königreich 
Bayern  ist  die  Säuglingssterblichkeit  in  Bayern,  d.  h.  die  Zahl  der 
von  100  geborenen,  im  ersten  Lebensjahr  verstorbenen  Kinder  von 
den  Jahien  1862/63  bis  zum  Jahre  1901  stetig  zuriiekgegangen,  um 
sich  seitdem  mit  geringen  Schwankungen  auf  ziemlich  gleicher  Höhe 
zu  halten. 

Nach  dem  Durchschnitte  der  Jahre  1901  mit  1904  beträgt  sie 
£4  Proz.  und  ist  demnach,  wenn  sie  auch  unter  der  Durchschnittszahl 


einzelner  anderer  Bundesstaaten  zurückbleibt,  doch  nicht  unerheblich 
hoher  als  die  durchschnittliche  Säuglingssterblichkeit  im  Deutschen 
Reiche,  die  irr  den  Jahren  1902/03  19,3  Proz.  betrug,  und  weit  höher 
als  die  Säuglingssterblichkeit  m  anderen  europäischen  Staaten  (wie 
in  Italien  mit  11,5  Proz.  1 1903],  in  England  mit  14,5  Proz.  1 1904]/  in 
Schweden  mit  7 — 8  Proz.,  in  Norwegen  mit  10  Proz.). 

Auch  innerhalb  des  Königreichs  selbst  ist  die  Höhe  der  Sterb- 
lchkert  ausserordentlich  verschieden;  sie  bewegte  sich  im  Durch 
schnme  der  Jahre  (901/1904  in  de,,  einzelne*  Kre  4,  zwischen 
16,6  Proz.  in  der  Pfalz)  und  30,8  Proz.  (in  Niederbayern)  und  in  den 
einzelnen  Verwaltungsbezirken  im  Jahre  1904  zwischen  9,4  Proz  und 

415  Pmz’  (£t  |pezirksa,nlt'e  Mellrichstadt  und  Rockenhausen)  und 
41,5  1  roz.  (im  Bezirksamte  Friedberg). 

Ti^.Die^e,'erheblichen  Schwankungen  beruhen  zum  Teile  auf  den 
m  fteHiSpCh  n’den’  Wie  Tle,  ortl,lche  un'd  Sonstige  Verhältnisse  in  bezug 
aut  die  allgemeinen  Lebensbedingungen  schaffen;  es  erhellt  dies  aus 
einem  Vergleiche  mit  der  allgemeinen  Sterblichkeitsziffer:  Die  Kreise 

^rWicMÄTauI.rbliChkeit  WdSen  a"Ch  ei"e  hShere  al'l>fem«"e 

fallenD"aknet!,reb  Tlgon  auf  VerminderuniS  der  Säuglingssterblichkeit 
tallen  also  zum  J  eil  zusammen  mit  den  Bestrebungen  nach  Ver¬ 
besserung  der  allgemeinen  gesundheitlichen  Verhältnisse  (namentlich 
mich  Verbesserung  der  Wohnungsverhältnisse).  Mit  den  stetigen 
rntsch ritten,  die  auf  diesem  Gebiete  zu  verzeichnen  sind,  darf  auch 
ein  Rückgang  -der  Säuglingssterblichkeit  erwartet  werden. 

Die  Hauptursache  der  hohen  Sterblichkeit  der  Säuglinge  liegt 
jedoch  in  mangelhafter  Ernährung  und  Pflege,  vor  allem  aber  in  -dem 

Hch-f  ErnäTrunr  ^b60  ErnährUng  an  der  Mutterbrust  durch  kün-st- 

Diese  nunmehr  allgemein  anerkannte  Tatsache  ist  für  Bayern 
neuerdings  durch  die  Erhebungen  bestätigt  worden,  die  auf  Anregung 

kL+ii  h  ra  iFP  aJl1S  a  t  FbeE  dle  Verbreitung  der  natürlichen  und 
knnst  ichen  Ernährung  der  Säuglinge  von  den  Bezirksärzten  bei  Ge- 
Ie-genheit  der  Erstimpfung  in  17  unmittelbaren  Städten  und  94  Be¬ 
zirksämtern  gepflogen  wurden. 

Nach  dem  Ergebnisse  dieser  Erhebungen  ist  in  den  Kreisen  mit 

,S1fnhSaf  lfStorblichkeit’  d‘  '•  in  der  Pfa!z>  in  Unterfranken 
und  in  Oberfranken  -die  -natürliche  Ernährung  weitaus  überwiegend- 

von  den  zur  Erstimpfung  vorgestellten  Kindern  wurden  zwischen 
65,8  Proz.  und  9/, 4  I  roz.  au  der  Mutterbrust  ernährt,  in  der  Regel 

seta  801  und  90  Prof r  “  ^  Mutterbrl,st  enlährten  Kinder  zwi- 

In  -den  Kreisen  mit  der  höchsten  Kindersterblichkeit,  in  Nieder¬ 
bayern  und  in  der  Oberpfalz,  waren  von  den  zur  Erstimpfung  ver- 

,mdCS4esnpKr'  irn  dUrCnlChlUftt!ic;h  nur  24’1  Pl'oz-  ('n  Niederbavern) 
und  54,5  Proz.  (in  der  Oberpfalz)  gestillt  worden 

Imn?^‘ksamt  Briedberg  betrug  -das  Prozentverhältnis  32  Proz. 
gegen  93, ~  Proz.  im  Bezirksamt-e  Rock-enhausen. 

Der  Kampf  gegen  die  Säuglingssterblichkeit  hat  also  bei  der 
Ernährung  und  Pflege  -des  Kindes  einzusetzen  und  in  erster  Linie  sich 
die  Verbreitung  der  natürlichen  Ernährung  an  der  Mutterbrust  zum 
Ziele  zu  setzen. 

v  Die  Erkenntnis  der  grossen  Bedeutung,  die  das  Wachstum  eines 
Volkes  für  seine  Arbeitskraft  und  Wehrkraft  und  damit  für  die  Steige¬ 
rung  und  Sicherung  seines  Wohlstandes  besitzt,  hat  dazu  geführt 
-dass  weite  Kreise  der  Saughngsfiirsorge  ihr  Interesse  zugewendet 
und  insbesondere  Gemeinden  und  gemeinnützige  Vereine  bereits  Ein¬ 
richtungen  zur  Säuglingsifiir sorge  geschaffen  haben. 

Diese  Bewegung  ist  auch  in  Bayern  in  -erfreulicher  Ausdehnung 
begriffen;  sie  verdient  umsomehr  eine  staatliche  Förderung,  als  sich 
die  Geburtenhäufigkeit  im  Deutschen  Reiche  nicht  mehr  auf  der 
früheren  Hoh-e  zu  halten  scheint. 

Indem  die  hauptsächlichsten  Wege,  die  sich  zur  Bekämpfung  der 
Säuglingssterblichkeit  eignen  und  zum  Teile  schon  mit  Erfolg  be- 
schritten  wurden,  in  Folgendem  zusammengestellt  werden,  ergeht  -der 
Auftrag,  nach  den  hiemit  gegebenen  Richtpunkten  die  Distriktsver- 
waltungsbehorden,  Amtsärzte  und  Gemeindebehörden  zu  tatkräftiger 
Mitwirkung  im  Kampfe  gegen  die  Säuglings  Sterblichkeit  insbe¬ 
sondere  zu  einem  zielbewussten-  Zusammenarbeiten  mit  den  sich  der 
Saughngsfiirsorge  widmenden  Vereinen  anz-uregen  und  zugleich  eine 
unmittelbare  Tätigkeit  zu  entfalten,  soweit  eine  solche  für  die  Re¬ 
gierungen  so  gegenüber  den  Kreisgemeindevertretungen  und  im  Hin¬ 
blick  auf  -die  Fühlung  mit  -den  Kreisorganisationen  der  bez-eichneten 
Vereine  in  Betracht  kommt. 

Bei  der  Unterweisung  -der  Distriktsverwaltungsbehörden  und 
Amtsärzte  ist  besonderes  Augenmerk  denjenigen  Bezirken  zuzuwen¬ 
den,  die  nach  dem  Generalbericht  über  die  Sanitätsverwaltung  eine 
hohe  Säuglingssterblichkeit  aufweisen. 

1.  Beratungsstellen  für  stillende  Mütter  (Mutter¬ 
schulen,  Säuglingsfürsorgestellen). 

Diese  Einrichtung  verfolgt  den  Zweck,  der  natürlichen  Ernährung 
des  Säuglings  an  der  Mutt-erbrust  tunlichst  weite  Verbreitung  zu 
schaffen.  Sie  sucht  dieses.  Ziel  durch  unentgeltliche  ärztliche  Be- 
ratung  tler  Mutter  über  Pflege  und  Ernährung  des  Säuglings,  nament¬ 
lich  über  den  Wert  des  Stillens  für  Kind  und  Mutter,  dann  durch 


^UwO 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


fortgesetzte  kostenlose  ärztliche  Ueberwachung  der  Säuglinge  zu  er¬ 
reichen.  Die  Beratung  der  Mutter  setzt  zweckmässigerweise  schon 
vor  der  Entbindung  ein. 

Die  Einrichtung  erfordert  die  zeitweise  Bereitstellung  zweier, 
entsprechend  ausgestatteter  Räume,  eines  Warte-  und  eines  Unter¬ 
suchungsraumes,  einen  Arzt,  der  hierin  einmal  oder  mehreremal  in 
der  Woche  Sprechstunden  für  die  Mütter  hält  und  die  Säuglinge 
sowie  die  Mütter  (besonders  auf  ihre  Stillfähigkeit)  untersucht,  end¬ 
lich  eine  Person  zur  Bedienung  während  der  Sprechstunden. 

Die  Einrichtung,  die  an  den  Krankenanstalten,  Krippen  und  son¬ 
stigen  Wohlfahrtsveranstaltungen  angegliedert  werden  oder  auch  selb¬ 
ständig  sein  kann,  soll  grundsätzlich  nur  für  Unbemittelte  bestimmt 
sein,  ohne  dass  jedoch  die  Unbemitteltheit  im  Einzelfalle  durch  ein 
behördliches  Armutszeugnis  nachgewiesen  zu  werden  braucht. 

Die  Kosten  der  Einrichtung  sind,  wenn  die  Räume  mit  Be¬ 
dienung  von  der  Gemeinde  bereitgestellt  werden  und  die  Aerzte  ihre 
Dienste,  wie  dies  vielfach  in  anerkennenswerter  Weise  geschieht,  un¬ 
entgeltlich  zur  Verfügung  stellen,  sehr  geringe. 

Die  Einrichtung  eignet  sich  zunächst  für  grössere  Gemeinwesen. 
Auf  dem  Lande  kann  die  Tätigkeit  der  Beratungsstellen  in  verein¬ 
fachter  Weise  durch  die  Bezirksärzte  ersetzt  werden,  wenn  sie  in 
Erweiterung  der  ihnen  obliegenden  amtlichen  Aufgabe  der  unentgelt¬ 
lichen  Behandlung  Armer  an  bestimmten  Wochentagen  Sprechstunden 
zur  Beratung  stillender  Mütter  ihres  Dienstbezirkes  halten.  Eine 
weitere  Möglichkeit  zur  Mitarbeit  eröffnet  sich  den  Amtsärzten  bei 
der  Handhabung  der  Aufsicht  über  die  Hebammen,  wenn  sie  diese 
mit  allem  Nachdrucke  besonders  bei  den  alljährlichen  Prüfungen  zu 
gewissenhafter  Erfüllung  der  den  Hebammen  durch  §  31  ihrer  Dienst¬ 
anweisung  auferlegten  Verpflichtung  anhalten,  bei  der  Wöchnerin 
auf  die  Ernährung  des  Kindes  an  der  Mutterbrust  zu  dringen. 

2.  S t i  1 1  p r  ä mie n. 

Die  Tätigkeit  der  Beratungsstellen  wird  nach  den  bisherigen  Er¬ 
fahrungen  ausserordentlich  gefördert  durch  die  Gewährung  von  Still¬ 
prämien. 

Diese  Prämien  sollen  in  der  Hauptsache  einen  teilweisen  Ersatz 
für  den  infolge  des  Stillgeschäftes  den  Müttern  entgehenden  Verdienst 
bieten  und  die  Beschaffung  besserer  Nahrung  für  die  Mütter  ermög¬ 
lichen. 

Die  Höhe  der  in  der  Regel  wochenweise  bemessenen  und  aus¬ 
bezahlten  Prämien  steigt  meist  mit  der  Dauer  des  Stillens;  die  Be¬ 
willigung  der  Prämien  ist  tunlichst  auf  einen  Zeitraum  von  mindestens 
drei  Monaten  zu  erstrecken. 

Die  Mittel  für  die  Prämienzahlung  werden,  soweit  sie  nicht  durch 
örtliche  Stiftungen  zur  Verfügung  stehen,  in  der  Regel  von  den  Ger 
meinden  unter  Beihilfe  von  gemeinnützigen  Vereinen  und  Versiche¬ 
rungsanstalten  aufgebracht.  Es  erscheint  angezeigt,  dass  sich  auch 
die  Kreise  und  Distrikte  an  der  Aufbringung  der  Mittel  beteiligen  und 
durch  Bereitstellung  entsprechender  Beträge  in  ihren  Voranschlägen 
auch  die  Neueinführung  der  Prämien  fördern. 

Ob  und  inwieweit  für  diesen  Zweck  sowie  für  die  Säuglings¬ 
fürsorge  überhaupt  staatliche  Mittel  flüssig  zu  machen  sind,  muss 
weiterer  Erwägung  Vorbehalten  und  von  der  künftigen  Entwicklung 
der  Säuglingsfürsorge  abhängig  gemacht  werden. 

Die  Auszahlung  der  fortlaufenden  Prämien  wird  zweckmässiger¬ 
weise  den  Beratungsstellen  (Ziffer  1)  überwiesen,  da  sie  durch  die 
ärztliche  Feststellung  der  Fortdauer  des  Stillgeschäftes  bedingt  ist. 

3.  A  iu  s  k  u  n  f  t  s  t  e  11  e  n. 

Die  Auskunftstellen  sollen  über  alle  Einrichtungen,  die  der  Säug¬ 
lingsfürsorge  in  der  Gemeinde  oder  im  Bezirke  dienen,  sowie  über 
die  Voraussetzungen  ihrer  Benützung  unterrichtet  sein  und  mündlich 
wie  schriftlich  Auskunft  geben,  also  namentlich  über  die  zur  Unter¬ 
stützung  von  Wöchnerinnen  bestehenden  Vereine,  Stiftungen  oder 
sonst  zur  Verfügung  stehenden  Mittel,  über  die  Anstalten  zur  Unter¬ 
bringung  kranker  und  gesunder  Säuglinge,  über  einwandfreie  Kost¬ 
plätze  und  Aehnliches. 

Es  empfiehlt  sich  auch,  diese  Stellen  mit  den  Beratungsstellen 
zu  verbinden;  die  Auskunfterteilung  kann  auf  Grund  einer  von  der 
Gemeinde  oder  Distriktsverwaltungsbehörde  gefertigten  Zusammen¬ 
stellung  der  einschlägigen  Einrichtungen  auch  von  dem  Arzte  oder 
der  Bedienung  übernommen  werden.  Im  übrigen  eignet  sich  diese 
Tätigkeit  auch  für  Mitglieder  örtlicher  Frauenvereine.  Diejenigen 
Vereine,  Anstalten  und  Einrichtungen  in  einem  Regierungsbezirke, 
deren  örtlicher  Wirkungskreis  nicht  auf  Gemeinden  oder  Distrikte 
beschränkt  ist,  sind  den  Distriktsverwaltungsbehörden  von  den  Re¬ 
gierungen,  K.  d.  I.,  für  die  Errichtung  von  Auskunftstellen  mitzuteilen. 

4.  Säuglingsmilchküchen,  Kindermilchanstalten. 

Diesen  Anstalten,  deren  Zweck  die  Herstellung  und  Lieferung 
künstlicher,  dem  Säuglinge  möglichst  angepasster  Nahrung  ist,  kommt 
nur  die  Bedeutung  eines  Aushilfemittels  zu  und  kann  eine  Berech¬ 
tigung  nur  insoweit  zugestanden  werden,  als  die  Nahrungsabgabe  auf 
Mütter  beschränkt  wird,  deren  Unfähigkeit  zum  Stillen  aus  körper¬ 
lichen  oder  sonstigen  Gründen  festgestellt  ist. 

Insoweit  künstliche  Ernährung  des  Säuglings  stattfindet,  wird  die 
Beschaffung  ausreichender  und  einwandfreier  Milch  und  namentlich 
auch  eine  angemessene  ortspolizeiliche  Regelung  des  Verkehrs  mit 


Milch  und  Kindermilch,  sowie  eine  strenge  Ueberwachung  dieser  Vor¬ 
schriften  von  günstiger  Wirkung  sein. 

Auf  die  Gefahren  einer  den  eigenen  Haushalt  nicht  berücksich¬ 
tigenden  Verwertung  der  Milch  in  Molkereien  und  Käsereien  wurde 
bereits  in  der  Ministerialentschliessung  vom  19.  August  1906  (M.- 
A.-Bl.  S.  343 )  mit  dem  Aufträge  hingewiesen,  diesen  Gefahren  in  ge¬ 
eigneter  Weise  entgegenzuarbeiten. 

5.  Aufsicht  über  die  K  o  s  t  k  i  n  d  e  r. 

Die  Aufsicht  über  die  Kostkinder  ist  durch  die  Ministerialent¬ 
schliessung  vom  6.  Februar  1906  (M.-A.-Bl.  S.  56)  in  eingehender 
Weise  geregelt  worden.  Ein  gewissenhafter  Vollzug  dieser  Ent- 
schliessung  wird  zur  Minderung  der  Säuglingssterblichkeit  beitragen. 

Als  sehr  wertvoll  hat  sich  in  einzelnen  Bezirken  die  freiwillige 
Mitarbeit  von  Frauenvereinen  erwiesen,  da  sie  mit  der  Aufsicht  eine 
sachkundige  Belehrung  verbindet.  Die  Distriktspolizeibehörden  haben 
deshalb,  soweit  möglich,  diese  Mitarbeit  zu  gewinnen  und  die  Vereins¬ 
mitglieder,  die  mit  der  Aufsicht  über  Kostkinder  betraut  werden,  in 
jeder  Weise  zu  unterstützen  und  die  Gemeindeverwaltungen  mit  ent¬ 
sprechenden  Weisungen  bezüglich  Abordnung  einer  Begleitung  und 
dergleichen  zu  versehen. 

Ein  weiterer  günstiger  Einfluss  auf  die  Haltung  der  Kostkinder  ist 
von  der  Einführung  der  Berufsvormundschaft  zu  erwarten,  wenn  der 
dem  Landtage  zugegangene  Entwurf  eines  Gesetzes  über  die  Berufs¬ 
vormundschaft  und  die  Zwangserziehung  Gesetz  wird  (Siehe  Druck¬ 
sache  der  Kammer  der  Reichsräte  vom  6.  November  1907). 

6.  Reichs  gesetzliche  Massnahmen  zur  Unter¬ 
stützung  von  Wöchnerinnen  und  Schwangeren,  so¬ 
wie  zum  Schutze  von  Wöchnerinnen. 

Nach  den  §§  20,  Abs.  1,  Ziff.  2,  64,  72  Abs.  3  und  73  Abs.  1 
des  Krankenversicherungsgesetzes  sollen  die  Ort-,  Betriebs-,  Bau- 
und  Innungskrankenkassen  an  Wöchnerinnen  nach  Zuriicklegung  einer 
bestimmten  Wartezeit  eine  Unterstützung  in  der  Höhe  des  Kranken¬ 
geldes  auf  die  Dauer  vno  6  Wochen  nach  der  Niederkunft  geben. 

Nach  den  §§  21,  Abs.  1,  Ziff.  4  und  5,  64,  72,  Abs.  3  und  73,  Abs.  1 
können  die  gleichen  Kassen  auch  eine  Unterstützung  wegen  der 
durch  die  Schwangerschaft  verursachten  Erwerbsunfähigkeit  ge¬ 
währen,  ferner  freie  Gewährung  der  Hebammendienste  und  freie  ärzt¬ 
liche  Behandlung  der  Schwangerschaftsbeschwerden  beschliessen  und 
diese  Unterstützungen  auch  auf  Ehefrauen  der  Kassenmitglieder  aus- 
delmen. 

Diese  zunächst  die  Mutter  schützenden  Bestimmungen'  Sind 
bei  dem  wesentlichen  Einflüsse,  welcher  der  Lebenshaltung  der 
Mutter  für  die  Entwicklung  des  Kindes  im  Mutterleibe  zukommt, 
auch  für  die  Säuglingsfürsorge  von  Bedeutung. 

Auch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  hienach  darauf  zu 
dringen,  dass  leistungsfähige  Kassen  die  bezeichneten  Unterstützungen 
in  den  Kreis  ihrer  Leistungen  aufnehmen.  Bei  gegebener  Voraus¬ 
setzung  wird  ein  zwangsweises  Vorgehen  nach  §  33  des  Kranken¬ 
versicherungsgesetzes  in  Erwägung  zu  ziehen  sein. 

Im  Interesse  der  Mutter  und  der  Entwicklung  des  Kindes  liegt 
ferner  ein  strenger  Vollzug  der  Bestimmungen  in  §  137,  Abs.  4  und  5 
der  Gewerbeordnung  über  die  Gewährung  von  Mittagspausen  an  Ar¬ 
beiterinnen  über  16  Jahr  und  die  Beschäftigung  von  Wöchnerinnen. 

Zu  voller  Wirksamkeit  werden  diese  Bestimmungen  allerdings 
nur  dann  gelangen,  wenn  die  Einschränkungen  der  Arbeitszeit  nicht 
za  einem  wesentlichen  Verdienstentgang  für  die  Mutter  führen.  So¬ 
weit  hienach  nicht  die  Leistungen  der  Krankenkassen  oder  gesetz¬ 
liche  oder  freiwillige  Leistungen  der  Unternehmer  einen  Ausgleich 
gewähren,  wäre  die  Unterstützung  gemeinnütziger  Vereine  (wie  durch 
Gewährung  von  Stillprämien)  anzustreben. 

Das  K.  Staatsministerium  des  K.  Hauses  und  des  Aeussern 
wird  die  Gewerbeaufsichtsbeamten  beauftragen,  dem  Vollzüge  der 
bezeichneten  Bestimmungen  besonderes  Augenmerk  zuzuwenden. 

7.  Sonstige  Massnahmen. 

Die  Förderung  der  Verbreitung  des  von  dem  bayerischen  Frauen- 
verein  herausgegebenen  Flugblattes  über  vernünftige  Säuglingser¬ 
nährung  und  die  Pflege  der  Kinder  im  ersten  Lebensjahre  ist  den 
äusseren  Behörden  erst  durch  die  Ministerialentschliessung  vom  27. 
November  d.  .1.  zur  Pflicht  gemacht  worden.  Die  Verbreitung  dieser 
Flugblätter  vermag  übrigens  die  Einrichtung  der  Mütterberatungs¬ 
stellen  nicht  zu  ersetzen,  da  ihr  Einfluss  oft  nur  vorübergehend  ist 
und  sie  ausserdem  erfahrungsgenüiss  häufig  ungelesen  bleiben. 

Weitere  Massnahmen,  wie  die  Einrichtung  eigener  Säuglings- 
u  n  d  Wöchnerinnenheime,  die  Anstellung  einer  Lehrer  i  n 
für  Säuglingspflege  und  die  Abhaltung  von  Kursen 
zur  Ausbildung  von  Kinderpflegerinnen  kommen 
wegen  der  Höhe  der  Kosten  und  der  Schwierigkeiten  ihrer  Einrichtung 
vorerst  nur  für  grosse  Gemeinden  und  Vereinsorganisationen  in  Be¬ 
tracht  oder  müssen,  wie  die  leihweise  Abgabe  von  Wäsche  und  anderen 
für  die  Wochenbettpflege  notwendigen  Gegenständen,  zunächst  der 
Vereinstätigkeit  überlassen  bleiben.“ 

Ueber  den  Erfolg  der  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Säug¬ 
lingsfürsorge  hat  das  Ministerium  des  Innern  Bericht  bis  Ende  des 
nächsten  Jahres  eingefordert. 


Beilage  zu  No.  52  der  Münehener  medizinisehen  Wochenschrift. 


Bericht  über  die  Ergebnisse  der  Schutzpockenimpfung  im  Königreiche  Bayern  im  Jahre  1906, 

erstattet  von  dem  Kgl.  Zentralimpfarzte,  Medizinalrat  Dr.  L.  Stumpf. 


13 
11  669 

86 

1 74  304 
9  343 
2  985 
186  632 


A.  Statistischer  Teil. 

I.  Erste  Impfung. 

A.  Allgemeines. 

Zahl  der  Einwohner  nach  der  Zählung  von  1905  .  6  524  372 

Gesamtzahl  der  zur  Erstimpfung  vorzustellenden  Kinder  .  .  220  443 

Im  Laufe  des  Geschäftsjahres  vor  dem  Nachweise  erfolg¬ 
reicher  Impfung  zugezogene,  im  Vorjahre  geborene 

Kinder .  8623 

Impfpflichtig  waren  hienach  . .  229  066 

Hievon  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  ungeimpft  gestorben  15  102 

Ungeimpft  verzogen  sind .  15  564 

Von  der  Impfpflicht  befreit,  weil  sie  die  natürlichen  Blattern 

überstanden  haben  . . 

Bereits  im  Vorjahre  eingetragen  als  mit  Erfolg  geimpft  .  . 

Bereits  im  Vorjahre  geimpft,  aber  erst  jetzt  zur  Nachschau 

erschienen . 

Demnach  sind  impfpflichtig  geblieben:' 
zum  1.  Male  .... 

»  2.  „  . 

n  3.  „  ....  . 

n  ,  Ini  ganzen 

Geimpft  wurden  hievon .  162  353 

Ungeimpft  blieben: 

1.  auf  Grund  ärztlichen  Zeugnisses  vorläufig  zurück- 

.  gestellt  . • .  17231 

2.  weil  nicht  aufzufinden  oder  zufällig  ortsabwesend  .  4  032 

3.  weil  vorschriftswidrig  der  Impfung  entzogen  ....  3016 

Im  ganzen  24  279 

B.  Zahl  der  Geimpften,  Erfolg  der  Impfung. 

1.  Impfpflichtig  Gebliebene  wurden  geimpft .  162  353 

f  mit  Erfolg .  150  657 

und  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg .  1  571 

124 

Im  ganzen  152  352 

.  9  582 

.  413 

6 

10  001 
11  580 
10  381 
244 
11 

10  636 

.  867 

...  76 

.  1 

Im  ganzen  944 

.  136 

.  131 

.  5 

174  069 


j  UI1IIC  JL.IlUIg . 

I  mit  unbekanntem  Erfolge 


privat 


mit  Erfolg . 

ohne  Erfolg  . . 

mit  unbekanntem  Erfolge 


2.  Im  Geburtsjahre  wurden  geimpft 


Im  ganzen 


f  mit  Erfolg 

und  zwar  öffentlich  |  ohne  Erfolg 


mit  unbekanntem  Erfolge . 

,  ..  P  .  .  lm  ganzen 

mit  Erfolg . 

privat  ohne  Erfolg . 

[  mit  unbekanntem  Erfolge 


3.  Sonstige  Nichtpflichtige  wurden  geimpft 

und  zwar  öffentlich  . . . 

privat .  . . ' 

4.  Somit  wurden  überhaupt  erstmals  geimpft 

I  mit  Erfolg  . 161  161 

j  ohne  Erfolg  .  1  820 

|  mit  unbekanntem  Erfolge  ....  138 

mit  Erfolg  .  . .  10  454 

ohne  Erfolg .  .  489 

{  mit  unbekanntem  Erfolge .  7 

C.  Erfölg  der  Impfungen  nach  der  Art  der  Lymphe. 

1.  Mit  Tierlymphe  wurden  geimpft  überhaupt .  174  069 

a)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt .  171  178 


und  zwar  öffentlich 


privat 


und  zwar  öffentlich 


(  mit  Erfolg .  1 61  039 

\  nhllP  F rf r\1  er  i  -7oc 


ohne  Erfolg 

mit  unbekanntem  Erfolge  . 

mit  Erfolg . 

privat  j  ohne  Erfolg . . 

(  mit  unbekanntem  Erfolge . 

b)  mit  Glyzerinlymphe  aus  anderen  Bezugsquellen 
mit  anders  aufbewahrter  Lymphe  ....... 

[  mit  Erfolg . 

und  zwar  öffentlich  \  ohne  Erfolg . 

[  mit  unbekanntem  Erfolge  . 


oder 


I  mit  Erfolg 
privat  ohne  Erfolg  ...... 

|  mit  unbekanntem  Erfolge 


1  785 
138 

7  833 
376 
7 

2  891 
122 
35 

2  621 

113 


I  2.  Mit  Menschenlymphe  wurden  geimpft  (von  Körper  zu 
Körper)  .  .  .  . . .  . 

3.  Zahl  der  erzielten  Pusteln  bei  den  Impfungen  mit  Tier¬ 
lymphe  . 

a)  bei  den  öffentlichen  Impfungen . .  .  . 

„  „  privaten  Impfungen . 

b)  „  „  impfpflichtig  Gebliebenen . . 

„  „  im  Geburtsjahre  Geimpften  und  sonstigen  Nicht¬ 
pflichtigen  .  .  .  .  . 

c)  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanalt 

»  *  „  anderweitig  bezogener  Glyzerin¬ 

oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  .... 

4.  Fälle  mit  je  1  Pustel  sind  verzeichnet . 

a)  bei  den  öffentlichen  Impfungen . 

„  „  privaten  Impfungen . .  . 

b)  „  „  impfpflichtig  Gebliebenen . 

„  „  im  Geburtsjahre  Geimpften  und  sonstigen  Nicht¬ 
pflichtigen  .  . 

c)  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt 

»  „  „  anderweitig  bezogener  Glyzerin¬ 

oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  ....... 

5.  Fehlimpfungen .  .  .*  ‘ . . 

a)  bei  den  öffentlichen  Impfungen . 

„  „  privaten  Impfungen . 

b)  „  „  impfpflichtig  Gebliebenen . 

„  „  im  Geburtsjahre  Geimpften  und  sonstigen  Nicht¬ 
pflichtigen  . 

c)  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt 

»  „  *  anderweitig  bezogener  Glyzerin¬ 

oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  .... 

D.  Berechnungen. 

1.  In  Prozenten  der  Erstimpfungen  wurden  geimpft: 

1  mit  Erfolg . f  .  . . 

a)  ohne  Erfolg . 

|  mit  unbekanntem  Erfolge . 

b)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt . 

„  anderweitig  bezogener  Glyzerin-  oder  anders  auf¬ 
bewahrter  Lymphe  .  .  . . 

2.  Durchschnittliche  Püstelzahl  überhaupt  .  . . 

und  zwar  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  . . . 

bei  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Glyzerin-  oder 
anders  aufbewahrter  Lymphe  .  .  ,  . . 

3.  Fälle  mit  nur  je  1  Pustel . 

und  zwar  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  . 

bei  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Glyzerin-  oder 
anders  aufbewahrter  Lymphe  .  ... 

4.  Eehlimpfungen  in  Prozenten  der  Impfungen  überhaupt  .  . 

und  zwar  bei  Impfungen  mit  Lymphe  aus  der  Zentral¬ 
impfanstalt  . 

bei  Impfungen  mit  anderweitig  bezogener  Glyzerin-  oder 
anders  aufbewahrter  Lymphe . 

II.  Wiederimpfung. 

A.  Allgemeines. 

Gesamtzahl  der  zur  Wiederimpfung  vorzustellenden  Kinder 
Hievon  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  ungeimpft  gestorben 
Hievon  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres  ungeimpft  verzogen 
von  der  Wiederimpfpflicht  befreit,  weil  sie  in  den  vorher¬ 
gehenden  5  Jahren  die  natürlichen  Blattern  überstanden 
während  der  5  vorhergehenden  Jahre  mit  Erfolg  geimpft  . 

Zugezogen  sind  im  Laufe  des  Geschäftsjahres . 

Es  sind  wiederimpfpflichtig  geblieben: 
zum  1.  Male . . 

2 

»  V  •  •  •  . 


Im  ganzer 

Hievon  wurden  wiedergeimpft . 

Ungeimpft  bueben: 

auf  Grund  ärztlichen  Zeugnisses  vorläufig  zurückgestellt 
wegen  Aufhörens  des  Besuches  einer  die  Impfpflicht  bedingen¬ 
den  Lehranstalt . 

weil  nicht  aufzufinden  oder  zufällig  ortsabwesend  .... 

weil  vorschriftswidrig  der  Impfung  entzogen  ...... 

Im  ganzen 


665  188 
628  284 
36  904 
625  185 

40  003 
655  928 

9  260 
7  564 
7015 
549 

6  677 

887 

7  377 

187 
2  309 
1  820 
489 

1  984 

325 

2  161 

148 


98,59 

1,33 

0,08 

98,34 

1,66 

3,88 

3,88 

3,38 

4,41 

4,37 

6,82 

1,33 

1,26 

5,12 


141  818 
146 
2  155 

5 

309 
1  143 

138  589 
1  440 
317 
140  346 
138  585 

1  306 

19 
136 
294 
1  755 


2ÖOÜ 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  52. 


B.  Zahl  der  Wiedergei  rupften,  Erfolg  der  Wieder¬ 
impfung. 


1.  Wiederinipfpflichtige  wurden  geimpft .  138  585 

(  mit  Erfolg .  136  274 

und  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg  . .  1  487 

I  mit  unbekanntem  Erfolge .  91 

Im  ganzen  137  852 

(  mit  Erfolg .  650 

privat  ohne  Erfolg ...  81 

|  mit  unbekanntem  Erfolge . •  .  .  .  2 

Im  ganzen  733 

2.  Nichtwiederimpfpflichtige  wurden  geimpft .  1  850 

(  mit  Erfolg .  966 

und  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg  .  .  .  __ .  64 

|  mit  unbekanntem  Erfolge .  28 

Im  ganzen  1  058 

I  mit  Erfolg .  722 

privat  l  ohne  Erfolg  . .  64 

|  mit  unbekanntem  Erfolge .  ....  6 

Im  ganzen  792 

3.  Somit  wurden  überhaupt  wiedergeimpft .  140  435 

f  mit  Erfolg .  137  240 

und  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg  .  1  551 

|  mit  unbekanntem  Erfolge  ....  119 

I  mit  Erfolg .  1  372 

privat  ohne  Erfolg .  145 

|  mit  unbekanntem  Erfolge .  8 


C.  Erfolg  der  Wiederimpfung  nach  der  Art  der 

Lymphe. 


1.  Mit  Tierlymphe  wurden  wiedergeimpft  überhaupt.  .  .  . 

a)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt . 

1  mit  Erfolg . 

uud  zwar  öffentlich  ohne  Erfolg . •  .  . 

|  mit  unbekanntem  Erfolge  .  .  . 

[  mit  Erfolg . 

privat  ohne  Erfolg . 

[  mit  unbekanntem  Erfolge . 

b)  mit  Glyzerinlymphe  aus  anderen  Bezugsquellen  oder 

anders  aufbewahrter  Lymphe . 

und  zwar  öffentlich  .  .' . 

1  mit  Erfolg . .  .  .  .  . 

privat  j  ohne  Erfolg . 

I  mit  unbekanntem  Erfolge . 

2.  Mit  Menschenlymphe  (von  Körper  zu  Körper)  wurden 

wiedergeimp'ft . 

3.  Fälle  mit  vollkommenen  Pusteln  überhaupt  (bei  Wieder¬ 

impfungen  mit  Tierlymphe) . 

a)  bei  den  öffentlichen)  t 

,  ,  privaten  I  Wiederimpfungen . 

b)  „  „  wiederimpfpflichtig  Gebliebenen . 

„  «,  Nichtpflichtigen  (ausserordentl.  Impfungen)  .  . 

c)  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  a.  d.  Zentralimpfanstalt 

„  „  anderweitigbezogener  Glyzerin¬ 

oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  ....... 

4.  Fälle  mit  Bläschen  oder  Knötchen  überhaupt . 

5.  Fehlimpfungen  überhaupt . 

a)  bei  den  öffentlichen  I  f 

.  ,  privaten  |  Wiederimpfungen . 

b)  „  „  wiederimpfpflichtig  Gebliebenen . 

„  „  Nichtpflichtigen . 

c)  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  a.  d.  Zentralimpfanstalt 

„  „  anderweitigbezogenerGlvzerin- 

oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  ....... 


140  435 
140  325 
137  240 
1  551 
119 
1  283 
124 
8 

110 

89 

21 


97  368 
96  499 
869 
96  549 
819 
9729  3 

75 
41  244 

1  696 
1  551 
145 
1  568 
124 
1  675 


21 


D.  Berechnungen. 

1.  In  Prozenten  der  Wiedergeimpften  wurden  geimpft: 

a)  mit  Erfolg . 98,70 

ohne  Erfolg .  1,21 

mit  unbekanntem  Erfolge .  0,09 

b)  mit  Lymphe  aus  der  Zentralimpfanstalt .  99,92 

„  anderweitig  bezogener  Glyzerin-  oder  anders  auf¬ 
bewahrter  Lymphe .  0,08 

2.  Fälle  mit  vollkommenen  Blattern  in  Prozenten  der  erfolg¬ 

reichen  Wiederimpfungen  überhaupt .  .  .  70,25 

und  zwar  bei  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  aus  der 

Zentralimpfanstalt . ’. .  70,24 

bei  Wiederimpfungen  mit  anderweitig  bezogener  Gly¬ 
zerin-  oder  anders  aufbewahrter  Lymphe  ...  .  .  .  84,27 

3.  Fälle  mit  Bläschen  oder  Knötchen  in  Prozenten  der  erfolg¬ 

reichen  Wiederimpfungen .  .  29,75 

4.  Fehliinpfungen  in  Prozenten  der  Wiederimpfungen  ...  1,21 

und  zwar  bei  Wiederimpfungen  mit  Lymphe  aus  der 

Zentralimpfanstalt . .  \ .  1,19 

bei  Wiederimpfungen  mit  anderweitig  bezogener  Gly¬ 
zerin-  oder  anders  aufbewahrter  Lymphe . }  19.09 


B.  Sachlicher  Teil. 

Im  Berichtjahre  1906  wurden  in  der  Zentralimpfanstalt  89  Kälber 
geimpft,  welche  593,98  g  Rohstoff  =  481  875  Portionen  Glyzerinemul¬ 
sion1  ergaben.  29  von  diesen  Tieren  wurden  teils  mit  Variolastoff, 
teils  mit  animaler  Lymphe  geimpft,  während  von  61  Tieren  Retrovak¬ 
zine  produziert  wurde.  Die  aus  dieser  Zusammenstellung  sich  er¬ 
gebende  Gesamtsumme  von  90  Impftieren  erklärt  sich  daraus,  dass 
ein  zuerst  mit  Variolastoff  erfolglos  geimpftes  Tier  nachträglich  noch 
mit  sehr  gutem  Erfolge  mit  Kinderlymphe  geimpft  wurde.  Aus  dem 
[Umstande,  dass  diese  60  Tiere  558,30  g  Rohstoff  und  450  535  Por¬ 
tionen  Lympheemulsion  ertragen  haben,  während  von  den  übrigen 
29  Tieren  nur  35,68  g  Rohstoff  und  31  340  Portionen  Lympheemulsion 
gewonnen  worden  isind,  ergibt  sich,  dass  die  Impfung  im  Berichtjahre 
im  wesentlichen  mit  Retrovakzine  durchgeführt  worden  ist.  Von 
den  61  mit  Erfolg  geimpften  Tieren,  welche  Retrovakzine  lieferten, 
entfällt  auf  je  1  Tier  das  Durchschnittsergebnis  von  9,63  g  Rohstoff 
und  7385  Portionen  Emulsion,  während  sich  für  die  übrigen  29  Tiere 
bloss  1,2  g  Rohstoff  =  1080  Portionen  Emulsion  im  Durchschnitte 
berechnet. 

Diese  29  Tiere  ergaben  jedoch  bei  näherer  Betrachtung  noch 
ganz  besondere  Verhältnisse.  Von  denselben  wurden'  nämlich  13  Tiere 
mit  animaler  Lymphe  II.  bis  IV.  Generation  geimpft  und.  durch  diese 
Impfmethode  Hessen  sich  pro  Tier  2,7  g  Rohstoff  =  2410  Portionen 
Emulsion  gewinnen.  Die  übrigen  16  Tiere,  von  welchen  noch  des 
Näheren  die  Rede  sein  wird,  kommen  für  die  Impfung  des  Landes 
durch  ihre  unbedeutenden  Erträge  gar  nicht  in  Betracht.  Unter  den 
mit  animaler  Lymphe  geimpften  Tieren  befand  sich  ein  Fehlerfolg. 
Von  den  übrigen  16  Tieren  ergab  die  Impfung  nur  bei  4  Tieren  einen 
positiven  Erfolg,  nämlich  im  ganzen  0,7  g  Rohstoff  =  70  Portionen 
Emulsion.  Von  allen  übrigen  12  Tieren  dieser  Reihe  wurden  11  mit 
Variolastoff  mit  völlig  negativem  Erfolge  geimpft.  Auf  einem  Tiere 
—  No.  54  —  wurde  versucht,  Hamburger  Ovine  in  sorgfältig  ange¬ 
legten,  einzelnen  Stichen  und  Strichen  zu  verimpfen.  Nach  Verlauf 
von  5  Tagen  entwickelten  sich  5  kleine,  sehr  unansehnliche  Bläschen 
in  der  Bauchregion  des  Impftieres,  welche  vom  5.  Tage  ab  schneller 
Rückbildung  und  nach  weiteren  2  Tagen  der  Abborkung  verfielen. 
Von  einer  Verwendung  dieses  Materials  zur  Weiterimpfung  wurde 
abgesehen. 

Den  Variolastoff  lieferte  für  die  Impfung  von  6  Tieren  eine 
durch  Monate  sich  hinziehende  Blatternepidemie  an  der  schweize¬ 
rischen  Südgrenze  Bayerns.  Der  Stoff  wurde  von  dem  Assistenten 
der  Anstalt  im  Blatternspitale  von  St.  Gallen  mehreren  Kranken  ent¬ 
nommen  und  .nach  München  gebracht.  Die  Impferfolge  mit  diesem 
Materiale  waren  jedoch  sehr  unbedeutend.  Nur  auf  3  Tieren  konnten 
positive  Erfolge  erzielt  werden,  und  zwar  ergaben  die  Originalpusteln 
0,6  g  Rohstoff  =  50  Portionen  Emulsion.  Die  Weiterzüchtung  dieser 
3  Lymphesorten  Hess  kein  brauchbares  Material  zustande  kommen, 
weshalb  alsbald  davon  abgesehen  werden  musste.  3  Tiere  wurden 
ohne  jeden  Erfolg  geimpft.  Als  dann  im  Berichtjahre  die  Nachricht 
kam,  dass  in  Metz  einige  Blatternerkrankungen  vorzukommen  be¬ 
gannen,  wurde  abermals  der  Assistent  der  Anstalt  mit  der  Aufgabe 
betraut,  sich  an  Ort  und  Stelle  eines  frischen  Blatternstoffes  zu  ver¬ 
sichern.  Die  Ausbeute  ergab  quantitativ  ein  reichliches  Material, 
welches  sich  teils  als  mehr  minder  klares  Serum,  teils  auch  als  Pustel- 
inhalt  gewinnen  Hess.  Obwohl  das  Impfmaterial  unter  Anwendung 
aller  möglichen  Vorsichtsmassregeln  transportiert  wurde,  und  auf 
der  Reise  keinen  Zufällen  ausgesetzt  zu  sein  schien,  welche  die 
Wirksamkeit  des  Stoffes  schädlich  hätten  beeinflussen  können,  so 
blieb  doch  die  Impfung  dieses  Materials  auf  sämtlichen  8  Tieren, 
welche  hierzu  ausersehen  worden  waren,  gänzlich  erfolglos.  Ab¬ 
gesehen  von  der  allgemeinen  Erfahrung,  dass  der  Variolastoff  auf  dem 
Rinde  überhaupt  nur  schwer  zur  Haftung  gebracht  wird,  und  die 
Kälberimpfung  gewöhnlich  einen  beträchtlichen  Prozentsatz  von  Miss¬ 
erfolgen  aufzuweisen  pflegt,  konnte  ein  besonderer  Grund  für  die  hohe 
Zahl  von  Fehlerfolgen  bei  diesen  Impfversuchen  nicht  aufgefunden 
werden.  Im  Laufe  des  Monats  März  erhielt  die  Anstalt  ein  Röhr¬ 
chen  wasserheller,  vollkommen  klarer  Variolalymphe  aus  Hamburg 
zugesandt,  welche  Dr.  Külz  in  Togo  gesammelt  hatte.  Die  Impfung 
mit  diesem  Materiale  brachte  nur  10 — -12  unansehnliche  und  ober¬ 
flächliche  Bläschen  auf  der  Bauchfläche  des  Tieres  hervor,  deren  Aus¬ 
beute  sich  zur  Weiterimpfung  nicht  eignete. 

Wenn  nun  auch  die  vielfachen  Versuche,  mit  Blatternstoff  auf 
Kälbern  ein  geeignetes  Zuchtmaterial  zu  gewinnen,  nicht  von  nennens¬ 
werten  und  durchschlagenden  Erfolgen  begleitet  waren,  so  lieferten 
doch  jene  61  Tiere,  welche  zur  Produktion  von  Retrovakzine  be¬ 
nützt  wurden,  in  quantitativer  und  qualitativer  Beziehung  einen  völlig 
befriedigenden  Impfstoff,  mit  welchem  nicht  allein  die  Impfung  des 
Landes  ohne  Störung  durchgeführt,  isondern  auch  mancher  Misserfolg 
des  ungünstigen  Vorjahres  beseitigt  und  verbessert  werden  konnte. 

Von  der  gesamten  Lvmphemenge  von  481  875  Portionen  wur¬ 
den1  in  914  Sendungen  403  436  Portionen  abgegeben,  und  zwar  er¬ 
hielten  die  Amtsärzte  des  Landes  353  313  Portionen  in  598  Sen¬ 
dungen,  die  Privatärzte  9926  Portionen  in  61  Sendungen  und  die 
Militärärzte  40  197  Portionen  in  255  Sendungen.  Ausserdem  wurden 
für  die  Impfungen  in  der  Landeshauptstadt  in  runder  Summe  16  000 
Portionen  verwendet,  6500  Portionen  gingen  als  Vorrat  auf  das  nächste 


24.  Dezember  1907. 


-Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2631 


Jahr  über,  und  der  Rest  von  55  949  Portionen  wurde  wegen  Abnahme 
dei  Wirksamkeit  vernichtet.  Die  Pustelentwicklung  war  durchwegs 
gut.  und  man  konnte  sich  dem  befriedigenden  Eindruck  hingeben, 
dass  der  Betrieb  der  neuen  Zentralimpfanstalt  nach  einem  schweren 
Uebergangsja'hre  wieder  in  normale  Bahnen  gelenkt  worden  sei 
LMe  liuppenteile  der  bayerischen  Armee  erhielten  40  197  Por¬ 
tionen  in  “55  Sendungen.  Die  Herbstimpfung,  welche  nach  Einstellung 

itseesTmf  t -ten  ln,snHeer  durch  geführt  wurde,  erforderte 

insgesamt  32  436  Portionen.  Davon  entfielen  auf  das  I.  Armeekorps 

ninn  arf  daS  T1,  rArAmeekorps  11  294,  auf  das  III.  Armeekorps 
94S4  Portmnen.  Im  I.  Armeekorps  wurden  10  858  Mann  =  93  1  Proz 
mit  Erfolg  und  790  Mann  =  6,8  Proz.  ohne  Erfolg  geimpft,  im 
£.  Armeekorps  10  277  Mann  —  91  Proz.  mit  Erfolg  und1  1017  Mann 

Frfnla  unH°^?7e  -o°  &  lm  U[  A™e'ekorps  8726  Mann  =  92  Proz.  mit 

folg  und  757  8  Proz.  ohne  Erfolg.  Insgesamt  wurden  somit  im 

bRruerMChen  _ 29  861,  Mann  =  92,1  Proz.  mit  Erfolg  und 
-064  Mann  7,9  Proz.  ohne  Erfolg  geimpft.  Die  entsprechenden 
Ziffern  des  Vorjahres  waren  91,9  Proz.  für  die  erfolgreichen  und 
8,1  Proz.  für  die  erfolglosen  Impfungen.  Die  infolge  der  Impfung  von 
den  \ruppenarzten  beobachteten  Krankheitserscheinungen  waren 
unerheblich  und  betrafen  insgesamt  9  Geimpfte.  Davon  erkrankten 
2  ,Ma”?  an  Erythem  massigen  Grades  mit  leichter  Lymphdriisen- 
schwellung.  Je  1  Mann  erkrankte  an  Impfrotlauf  und  an  Drüsen¬ 
eiterung  m  der  linken  Achselhöhle.  Bei  4  Mann  trat  Rötung  und 
Schwellung  der  Haut  in  der  Umgebung  der  Pusteln  auf,  sowie  hie¬ 
durch  bedingte  Schwellung  der  Achiseldrüsen.  Somit  hatte  bei  32  436 
Impfungen  9  mal  ärztliche  Behandlung  einzutreten.  In  allen  diesen 
Erkrankungsfällen  wurde  in  normaler  Zeit  völlige  Heilung  erzielt. 

Die  öffentliche  Impfung  der  Zivilbevölkerung  des  Landes  wurde 
rnst  ausschliesslich  mit  Lymphe  aus  der  K.  Zentralimpfanstalt  durch- 
getuhrt.  Von  sonstigen  Lymphesorten  scheint  die  aus  der  Privat- 
an-stalt  von  Dr.  Protze  in  Elberfeld  bezogene  am  häufigsten  zur 
Ausführung  von  Privatimpfungen  benützt  worden  zu  sein.  Eine 
fehlerlose  Berechnufig  aller  dieser  Fälle  kann  jedoch  für  den  Verkauf 
der  Elberfelder  Lymphe  wie  für  die  übrigen,  meist  aus  Apotheken 
bezogenen  Impfstoffsorten  nicht  aufgestellt  werden,  weil  häufig  die  Er- 
wU?,Un f.Ssta,t,te  'd€r.  Lymphe  nicht  namhaft  gemacht  worden  ist. 
Wohl  aber  kann  mit  Sicherheit  ausgesprochen  werden,  dass  sowohl 
die  Verwendung  der  Elberfelder  Lymphe  als  auch  anderer  Lymphe- 
f°.rJen  Tim  ‘Lichtjahre  erheblich  zurückgegangen  ist.  Die  Elber- 
relder  Lymphe  diente  zu  einzelnen  Privatimpfungen  in  32  Amts- 
bezn-ken  des  Landes.  Am  häufigsten  kam  sie  in  den  Amtsbezirken 
der  Pfalz  zur  Verimpfung.  Von  sonstigen,  aus  Staatsamstalten  stam¬ 
menden  Lymphesorten  fand  die  Strassburger  Lymphe  Verwendung  in 
den  Amtsbezirken  Kaiserslautern  und  Pirmasens.  In  dem  letzt¬ 
genannten  Amtsbezirke  wurde  auch  in  einem  öffentlichen  Termine 
Strassburger  Lymphe  verimpft,  weil  die  aus  München  bezogene 
Lymphe  ausgegangen  war  und  von  dort  nicht  augenblicklich  Ersatz 
beschafft  werden  konnte.  Der  Lymphe  aus  der  Weimarer  Anstalt 
bedienten  sich  Aerzte  der  Amtsbezirke  Landau  (Pf.),  Ludwigshafen 
Neustadt  a.  H.  und  Hemau.  Die  Staatsanstalten  von  Berlin.  Dresden 
Karlsruhe,  Kassel,  Bernburg,  Leipzig  und  Stuttgart  lieferten  Lymphe 
für  emzelne  Pnvatimpfungen  in  den  Amtsbezirken  Ludwigshafen, 
Aibling,  Dürkheim,  Neustadt  a/H.,  Hof,  Hensbruck  und  Memmingen. 
Lj  mphe  aus  Lausanne  wurde  verimpft  in  den  Amtsbezirken  Ludwigs- 
lafen,  Stadtamhof  und  Eichstätt.  Die  Lymphe  von  Pizza  in  Ham- 
burg  fand  Eingang  in  den  Amtsbezirken  Mallersdorf,  Landstuhl  und 
bt.  Ingbert.  Ausserdem  lieferte  eine  Anzahl  von  Apotheken  an  Privat- 
ar  z^e  über  dessen  Provenienz  die  Impfärzte  keine  näheren 

Angaben  zu  machen  imstande  isind.  Solche  Lymphesorten  von  un¬ 
bekannter  Abstammung  fanden  Verwendung  in  den  Amtsbezirken 
von  Germersheim,  Kaiserslautern,  Landau  (Pf.)_.  Ludwigshafen,  Ans- 
bach,  Fürth,  Hiltpoltstein  und  Weissenburg.  Nicht  selten  erzielten 
dlu?e  Lymphesorten  recht  mittelmässige,  um  nicht  zu  sagen  sehr 
schlechte  Resultate.  Es  muss  auch  verwunderlich  erscheinen,  dass 
viele  Privatärzte  Impfstoff  aus  Apotheken  bezogen  haben,  deren  Sor- 
en  vom  Orte  der  Erzeugung  nach  der  Kaufstelle  erst  eine  weite  Reise 
zu  ruck  legen  mussten,  auf  welcher  die  Lymphe  an  dem  Amtsbezirke 
des  Käufers  vorbeikam  oder  ihn  sogar  direkt  berührte.  Zur  warmen 
.  ahreszeit,  in  welcher  doch  die  Impfung  grösstenteils  vorgenommen 
qH..  speien  pflegt,  können  solche  überflüssige  Reisen  eines  in  enge 
Röhrchen  eingeschlossenen  Impfstoffs  unmöglich  zuträglich  sein.  Für 
diCtrrn5-1S^fn  LLvatimpfungen  des  Landes  lieferte  übrigens  den  Impf¬ 
stoff  die  bayerische  Zentralimpfanstalt. 

Die  Methode  der  Impfung  hat  nach  den  Ausführungen  der  Amts¬ 
ärzte  in  der  Richtung  der  trockenen  Desinfektion  der  Impflanzetten 
in  der  Flamme  weitere  Fortschritte  gemacht.  Da  nur  die  Platin- 
Iridium-Lanzette  das  wiederholte  Ausglühen  in  der  Flamme  ohne 
Schädigung  ihrer  Brauchbarkeit  zu  ertragen  pflegt,  so  ist  an  die 
j  teile  der  Stahllanzette  in  vielen  Amtsbezirken  die  Platin-Iridium- 
Lanzette  getreten,  welche  bald  in  einzelnen  Exemplaren,  bald  als 
nstrument  des  Ha  g  e  m  a  n  n sehen  Apparates  oder  der  seitens  der 
bayer.  Zentralimpfanstalt  veranlassten  Verbesserung  desselben  im  Ge¬ 
brauche  der  Impfärzte  gewesen  ist.  Nach  langdauernden  Versuchen 
konnte  schliesslich  dem  Apparate  diejenige  Form  gegeben  werden,, 
welche  es  gestattet,  auch  an  Orten,  an  welchen  kein  Leuchtgas  zur 
ertugung  steht,  die  Vorteile  der  Flammendesinfektion  in  genügen¬ 


dem  Gi  ade  füi  die  einwandfreie  Ausführung  der  Massenimpfung  aus¬ 
zunützen.  Der  verbesserte  Apparat*)  steht  zwar  recht  hoch  im 
I  reise,  scheint  aber  angesichts  seiner  augenfälligen  Vorzüge  unter 
den  Impfärzten  mehr  und  mehr  Anhänger  zu  gewinnen.  In  der  Haupt- 
sacy.  Pp5  Landes  wurde  es  infolge  der  Verbesserung  des  Apparates 
möglich,  von  der  feuchten  Desinfektion  der  Impfinstrumente  abzu¬ 
gehen  und  die  Impfung  ausschliesslich  mit  diesem  Apparate  durch- 
f.u.fuh.ren’  was  bei  der  grossen  Anzahl  der  Impflinge  der  Leistungs- 
ähigkeit  dieses  Apparates  sicherlich  ein  gutes  Zeugnis  auszustellen 
geeignet  nst.  Die  Platin-Iridium-Lanzetten  stammten  aus  verschie¬ 
denen  Bezugsquellen.  Für  manchen  Impfarzt  genügen  schon  2  solcher 
Lanzetten,  während  andere  der  Vermehrung  derselben  auf  12  Stück 
das  Wort  reden.  In  manchen  Amtsbezirken,  wo  zurzeit  noch  die 
feuchte  Desinfektion,  der  Instrumente  gehandhabt  wird,  dient  eine 
einzelne  Platin-Iridium-Lanzette  dazu,  mit  derselben  Kinder  mit  un¬ 
reiner  oder  rauher  und  spröder  Haut  zu  impfen.  Häufig  wird  auch 
beim  Gebiauche  der  Platin-Iridium-Lanzette  das  Instrument  vor 
dem  Ausglühen  der  Flamme  mit  in  Alkohol  getauchten  Wattebäusch- 
chen  abgewischt.  Wenn  von  einigen  Impfärzten  Nachteile  der  Platin- 
Iridium-Lanzette  oder  des  H  a  g  e  m  a  n  n  sehen  Apparates  geltend  ge¬ 
macht  werden,  so  ist  zunächst  gegen  die  vom  Amtsärzte  von  Geisen- 
feld  erhabene  Beschwerde  über  das  Flackern  der  Flamme  zu  er¬ 
wähnen,  dass  dieses  Flackern  am  modifizierten  Apparate  durch  den 
rlammenschutz  mittels  eines  Kamins  in  wirksamer  Weise  aus- 
geschlossen  erscheint.  Auf  die  Klage  des  Amtsarztes  von  Ebermann- 
stadt  (welcher  die  Platin-Iridium-Lanzette  nur  für  einzelne  Imp¬ 
fungen  benützte),  dass  man  nie  wissen  könne,  wann  die  Lanzette  ge¬ 
nügend  erhitzt  sei,  da  sie  schwer  zum  Glühen  gebracht  werde,  ist  zu 
bemei  Ken,  dass  es  gar  nicht  nötig  ist,  bei  der  Flammendesinfektion 
Weissgluhhitze  zu  erzielen.  Es  genügt  vielmehr  schon  ein  niedri¬ 
gem  Temperaturgrad  zur  Vernichtung  aller  Keime,  welche  an  der 
Lanzettenspitze  haften.  Dem  Vorwurfe  des  Amtsarztes  von  Abens¬ 
berg  über  die  Schwäche  der  Platin-Iridium-Lanzetten  kann  entgegnet 
werden,  dass  allerdings  dieser  Vorwurf  gegen  die  schlechten  Fabri- 
Rate  der  Lanzette  gerechtfertigt  erscheint,  wie  vom  Berichterstatter 
schon  wiederholt  betont  worden  ist,  dass  jedoch  dieser  Umstand 
durch  die  Anwendung  bestmöglicher  Fabrikate  abgestellt  werden 
kann.  Diese  Fabrikate  sind  zwar  erheblich  teurer  als  die  schlechten 
aper  sie  steigern  auch  die  Leistungsfähigkeit  der  Platin-Iridium-Lan- 
zette  auf  einen  Grad,  welcher  zur  Durchimpfung  grosser  Amts¬ 
bezirke  völlig  ausreicht,  und  in  diesem  Sinne  haben  sich  auch  mehrere 
Amtsäi  zte,  von  denen  nur  jene  von  Neumarkt  a/R.,  Schrobenhausen, 
Rothenburg  und  Ebern  genannt  sein  sollen,  ausgesprochen.  Die 
grössten  Anforderungen  werden  an  die  Platin-Iridium-Lanzetten 
jedenfalls  in  den  Amtsbezirken  von  München  und  Nürnberg  gestellt, 
ündin  diesei  Hinsicht  kann  der  Berichterstatter  nur  versichern,  dass 
die  Lanzetten  diesen  Schwierigkeiten  voll  und  ganz  gewachsen  sind. 
Sie  müssen  natürlich  sorgsam  behandelt  und,  wenn  nötig,  in  schonen¬ 
der  Weise  auf  dem  Stein  abgezogen  werden,  was  zur  Herstellung  der 
gew  mischten  Schneide  vollkommen  genügt.  Das  Auisglühen  der  Lan¬ 
zetten  geschieht  immer  erst  im  Impflokale  unmittelbar  vor  dem  Be¬ 
ginne  der  Impfung. 

Abgesehen  von  der  Platin-Iridium-Lanzette.  welche  nach  den 
Aeusserungen  der  Berichterstatter  in  85  Amtsbezirken  im  Gebrauche 
wai,  hat  sich  die  Stahllanzette  als  geeignetes  Impfinstrument  in  der 
Hand  vieler  Amtsärzte  erhalten.  Die  gebräuchliche  und  handliche 
Nickelstahllanzette  wurde  von  37  Amtsärzten  zur  Durchführung  der 
Impfung  benützt.  Die  Behandlung  dieser  Lanzetten,  welche  durch¬ 
wegs  der  feuchten  Desinfektion  unterworfen  wurden,  bestand  meist 
darin,  dass  dieselben  zu  Hause  in  Sodalösung  ausgekocht,  mit  steriler 
Watte  abgetrocknet  und  in  sterilen  Verbandmaterialien  verpackt  zum 
Impftermine  gebracht  wurden.  Da  die  Instrumente  meiist  "in  grosser 
Anzahl  voihanden  waren,  so  konnte  jede  Impfung  mit  einer  eigenen 
Lanzette  vorgenommen  werden.  Wo  das  aber  "nicht  möglich  war, 
winden  die  Lanzetten  beim  Impftermine  mit  absolutem  oder  verdünn¬ 
tem  (60  proz.)  Alkohol  gereinigt,  mit  steriler  Watte  abgetrocknet  und 
dann  wieder  verwendet.  Der  Berichterstatter,  welcher  die  beiden 
Ausfuhrungsarten  der  Impfung,  also  die  feuchte  Desinfektion  der 
Stahllanzetten  und  deren  Benützung  in  grosser  Anzahl,  durch  viele 
Jahre  geübt  hat,  muss  bei  der  Abwägung  aller  Umstände,  besonders 
aber  der  Frage,  ob  die  im  Gebrauche  befindlichen  Verband-  und  Reini¬ 
gungsmaterialien  wirklich  steril  sind,  die  Benützung  der  Platin-Iridium- 
Lanzetten  besonders  als  Bestandteil  des  verbesserten  Hage¬ 
ln  an  n  sehen  Apparates  mit  iseiner  einwandfreien  Flammendesinfektion 
als  entschiedenen  Fortschritt  erachten  und  hat  keine  Neigung,  zur 
früheren  Methode  wieder  zurückzukehren. 

Statt  der  einfachen  Nickelstahllanzetten  waren  noch  Nikelin- 
doppdlspatel  im  Gebrauche  der  Amtsärzte  von  Laufen,  Wolfratshausen. 
Mitterfels.  Mainburg,  Bogen,  Burglengenfeld,  Ansbach,  Neu-Ulm  und 
Obergünzburg;  ferner  W  e  i  c  h  h  a  r  dt  sehe  Doppelmesser  in  den 
Amtsbezirken  Pfaffenhofen.  Rofthalmiimster.  Vilsbiburg.  Lauterecken, 
Edenkoben,  Donauwörth,  Mindelheim  und  Schwabmiinchen:  Nikelin- 
stäbchen  im  Amtsbezirke  Kelheim;  Impfnadeln  in  den  Amtsbezirken 
Ebersberg,  Beiingries  und  Nördlingen,  endlich  Impffedern  in  den  Be- 


A„Pj-  p  r  o  t  h:  Ein  Instrumentarium  für  den  öffentlichen  Impf¬ 
arzt.  Münch,  med.  Wochenschr.  No.  22,  1907. 


No.  52. 


^uö2 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


zirken  Edenkoben,  Dahn  und  Stadtprozelten.  Der  Amtsarzt  von  Eden¬ 
koben  benützte  die  Impffeder  von  Blankertz  in  Berlin  nur  in  1 
Impftermine,  war  aber  mit  dem  Instrumente  nicht  zufrieden,  da  der 
Impferfolg  gering  und  nach  seiner  Ansicht  durch  das  Instrument  ver¬ 
schuldet  war.  Der  Amtsarzt  von  Stadtprozelten  führte  I  Impftermin 
mit  der  „Aesculap“  benannten  Impffeder  durch,  scheint  sie  aber,  da 
sie  mehrere  Mängel  zeigte,  bereits  wieder  verlassen  zu  haben.  Ge¬ 
reinigt  wurden  die  Federn  in  ähnlicher  Weise  wie  die  übrigen  Impf¬ 
lanzetten  mittelst  Einlegen  derselben  in  desinfizierende  Lösungen. 
Der  Berichterstatter  hat  schon  wiederholt  Anlass  genommen,  die  Min¬ 
derwertigkeit  der  Impffedern  in  ihrer  Eigenschaft  als  Impfinstrumente 
darzulegen. 

Die  verschiedenen  Impfinstrumente  wurden  meist  direkt  in  die 
Lymphegläschen  eingetaucht.  Dieses  Eintauchen  in  das  Lvmphe- 
gläschen  gestatten  besonders  die  Platin-Iridium-Lanzetten  mit  ihren 
schmalen  Spitzen.  Sicherlich  wird  durch  das  Eintauchen  der  Lan¬ 
zetten  in  die  Originalgläschen  viel  Impfstoff  erspart.  Doch  steht 
ebenso  fest,  dass  manchmal  ungleichartige  Erfolge  bei  der  Impfung 
erzielt  werden,  worauf  schon  wiederholt  hingewiesen  wurde.  Auch 
der  Amtsarzt  von  Pegnitz  bestätigt  die  Richtigkeit  dieser  Tatsache. 
Dass  bei  kleineren  Impfterminen  ohne  sichtlichen  Schaden  in  dieser 
Weise  verfahren  werden  kann,  ist  zweifellos.  Für  grosse  Termine 
waren  fast  durchwegs  Uhrschälchen  oder  sterilisierte  Glasnäpfchen 
mit  flachem,  seitlich  verschiebbarem  oder  automatisch  schliessendem 
Deckel  im  Gebrauch. 

Die  Impfregion  des  Oberarmes  wurde,  wenn  sich  dies  als  not¬ 
wendig  erwies,  einer  mehr  weniger  gründlichen  Reinigung  unterzogen. 
Besonders  die  Wiederimpflinge  Hessen  in  bezug  auf  Reinlichkeit 
manchmal  viel  zu  wünschen  übrig,  so  dass  sich  die  Impfärzte  wieder¬ 
holt  veranlasst  sahen,  die  Reinigung  des  Oberarmes  'beim  Impftermine 
entweder  selbst  vorzunehmen  oder  durch  Hilfspersonen  vornehmen 
zu  lassen.  Im  Amtsbezirke  Geisenfeid  wurden  alle  schmutzigen  Kin¬ 
der,  bei  welchen  eine  Reinigung  der  Impfstelle  nötig  erschien,  zum 
abschreckenden  Beispiele  für  andere  Mütter  an  den  Schluss  des  Impf- 
termines  verwiesen.  Die  Reinigung  der  Arme  geschah  meist  mittelst 
Seife  und  Alkohol.  Nach  vollzogener  Reinigung  wurde  die  Haut  mit 
Wattebäuschchen  abgetrocknet.  Die  Impfärzte  von  Edenkoben,  Bam¬ 
berg.  Schesslitz,  Parsberg  und  Feuchtwangen  nahmen  bei  sämtlichen 
Impflingen  vor  der  Ausführung  der  Impfung  eine  Reinigung  des  Ober¬ 
armes  vor.  Die  Amtsärzte  von  Weismain  und  Edenkoben  verwendeten 
zur  Reinigung  der  Haut  der  Impflinge  Benzin.  Es  ist  selbstverständ¬ 
lich,  dass  eine  gründliche  Reinigung  nur  bei  solchen  Impfterminen 
möglich  und  durchführbar  war,  bei  welchen  dem  Impfarzte  eine  ge¬ 
eignete  Assistenz  zur  Verfügung  stand.  Als  Hilfspersonen  walteten 
dieses  Reinigungsamtes  anstellige  ältere  Schulmädchen  oder  die 
Schülerin  eines  Krankeinpflegekurses,  manchmal  auch  eine  Hebamme 
oder  ein  Bader.  In  Wiirzburg  stand  dem  Amtsärzte  hiezu  ein  Med-i- 
zinalpraktikant  als  Assistent  zur  Seite. 

In  der  grössten  Mehrzahl  der  Fälle  wurde  die  Inmfung  mittelst 
-4  Längsschnitten  vollzogen.  Es  kamen  aber  auch  kompliziertere 
Schnittformen  zur  Anwendung.  Der  Amtsarzt  von  Deggendorf  machte 
im  Anfänge  der  Impfung  ebenfalls  Längsschnitte,  ging  aber  später  zum 
Kreuzschnitte  über,  der  auch  bei  den  Erstimnflingen  zur  Anwendung 
kam.  Der  Amtsarzt  glaubt,  durch  denselben  einen  besseren  Imnferfolg 
erzielt  zu  haben.  Auch  im  Bezirke  Zusmarshausen  wurden  474  Erst¬ 
impflinge  mittelst  des  Kreuzscbnittes  geimpft  und  aus  je  4  Schnitten 
insgesamt  1650  Pusteln  erzielt.  Er  sah  nicht  selten  aus  den  4 
Schnitten  6 — 8  Pusteln  sich  entwickeln.  In  den  Amtsbezirken  Aichach, 
Neukirchen.  Landau  a.  .1..  Aberisberg,  Nabburg.  Teuschnitz.  Königs¬ 
hofen,  Dettelbach  und  Rain  wurden  nur  die  Wiederimpflinge  durch¬ 
wegs  oder  zum  grössten  Teile  mittelst  des  Kreuzschnittes  geimpft. 
Der  Amtsarzt  von  Dettelbach  bemerkt  hiezu,  dass  er  einen  deutlichen 
Unterschied  zwischen  der  Wirkung  des  Längsschnittes  und  jener  des 
Kreuzschnittes  nicht  habe  wahrnehmen  können.  In  den  Amtsbezirken 
Laufen,  Eggenfelden.  Mainburg.  Berneck,  Rehau.  Karlstadt.  Stadt- 
nrozelten.  Donauwörth.  Schwabmünchen  und  Obergiinzburg  kam  der 
Kreuzschnitt  nur  bei  einer  kleinen  Anzahl  von  Wiederimpflingen  aus 
besonderen  Gründen  zur  Anwendung,  bald  um  bei  bereits  einmal  er¬ 
folglos  Geimpften  durch  die  wiederholte  Impfung  den  Erfolg  sicher  zu 
stellen,  bald  wegen  harter  und  spröder  Hautbeschaffenheit.  Be¬ 
merkenswert  ist,  dass  der  Tmpfarzt  von  Laufen  den  Kreuzschnitt 
nur  manchmal,  und  zwar  bei  sehr  kräftig  entwickelten  Wiederimpf¬ 
lingen  zur  Anwendung  brachte,  während  jener  von  Mainburg  für 
diese  Schnittform  nur  die  schwächlichen  Wiederimpflinge  auswählte. 
Der  Impfarzt  von  Vilsbiburg  impfte  die  Wiederimpflinge  in  der  Weise, 
dass  er  in  der  Längsrichtung  des  Arms  6  parallele  Doppelschnitte 
anlegte. 

Bei  den  öffentlichen  Impfungen  wurden  fast  durchwegs  wenig¬ 
stens  ie  4  Schnitte  angelegt.  Nur  die  Amtsärzte  von  Furth  und  Hom¬ 
burg  gestatteten  sich,  in  Ausnahmefällen  von  dieser  Regel  abzugehen. 
Der  erstere  impfte  „bisweilen“  mit  weniger  als  -4  Schnitten,  ohne  sich 
darüber  zu  äussern,  welche  Gründe  für  die  Abweichung  von  der 
sonstigen  Regel  für  ihn  bestimmend  waren.  Der  letztere  ’mptte  nur 
schwächliche  Erstimpflinge  mittels  3  Schnitten.  Dieser  Gepflogen¬ 
heit  muss  immer  wieder  entgegengehalten  werden,  dass  solche  Jmnf- 
linge,  welche  nach  dem  Urteile  des  Impfarztes  die  ohnehin  auf  das 
äusserste  Mass  reduzierte  Zahl  von  4  Schnitten  nicht  auszuhalten  ver¬ 


mögen,  besser  bis  zum  nächsten  Jahre  von  der  Impfung  zurück¬ 
gestellt  würden.  Eine  grössere  Verschiedenheit  herrscht  in  Betreff 
der  Anzahl  der  angelegten  Impfschnitte  bei  den  Privatärzten.  Im 
Amtsbezirke  Ludwigshafen  schwankte  die  Zahl  der  von  den  einzelnen 
■  Privatärzten  gesetzten  Impfschnitte  zwischen  2  und  6.  2  Aerzte 

machten  Kreuzschnitte;  ein  Arzt  legte  3  Kritzelschnitte  an.  Auch 
in  den  Amtsbezirken  St.  Ingbert,  Waldsassen  und  Kitzingen  glaubten 
einige  Privatärzte,  sich  mit  je  3  Impfschnitten  begnügen  zu  können. 
In  Lindau  setzte  ein  Privatarzt  nur  2  Impfschnitte,  verzeichnete  aber 
6 — 8  aus  denselben  entwickelte  Pusteln.  Im  Gegensätze  zu  diesen 
Aerzten  impfte  ein  Privatarzt  des  Amtsbezirkes  Ansbach  die  Impf¬ 
linge  mit  10  Schnitten.  Der  Berichterstatter  ist  der  Meinung,  dass 
in  denjenigen  Fällen,  in  welchen  nach  der  Ansicht  und  Ueberzeugung 
des  Amtsarztes  infolge  einer  zu  geringen  Anzahl  von  Impfschnitten 
bei  Privatimpfungen  der  volle  Immunisierungserfolg  nicht  sicher¬ 
gestellt  ist,  es  doch  nicht  allzu  schwer  fallen  dürfte,  diese  Kollegen 
von  ihrer  Gepflogenheit  im  Sinne  der  Erstrebung  eines  höheren  Im¬ 
munisierungsgrades  bei  den  Impflingen  abzubringen. 

Die  Autorevakzination  wurde  im  Berichtjahre  nur  in  wenigen 
Fällen  geübt.  Die  grösste  Zahl  von  Autorevakzinationen  kam  in 
Landstuhl  vor,  wo  an  186  mit  dem  Erfolge  je  einer  Pustel  Geimpf¬ 
ten  die  Autorevakzination  vollzogen  wurde.  Erfolge  fanden  sich 
nicht  verzeichnet.  Im  Amtsbezirke  Edenkoben  ergab  die  Autorevak¬ 
zination  eines  Erstimpflings  noch  3  gut  entwickelte  Pusteln.  End¬ 
lich  wurden  noch  vom  Amtsärzte  in  Gräfenberg  6  Erstimpflinge  auto- 
revakziniert,  mit  welchem  Erfolge,  ist  unbekannt  geblieben. 

Schutzverbände  des  geimpften  Arms  kamen  mit  Recht  nur  in  sel¬ 
tenen  Fällen  zur  Anwendung.  Im  Amtsbezirke  Starnberg  wurden 
einige  Kinder  nach  der  Impfung  mit  dem  Schutzverbande  nach  der 
Angabe  von  Dr.  Fürst  versehen,  „um  ängstlichen  Eltern  eine  Kon¬ 
zession  zu  machen“.  Im  Amtsbezirke  Edenkoben  wurde  in  vielen 
Fällen  zum  Schutze  gegen  Verunreinigung  der  Impfstelle  ein  ein¬ 
facher  Schutzverband  angelegt,  bestehend  in  einem  Mulläppchen,  das 
mit  Borsalbe  dick  bestrichen  war,  darüber  Watte  und  eine  6  cm  breite 
Gazebinde.  Dieser  Verband  wurde  oft  erst  am  Nachschautage  noch¬ 
mals  erneuert.  Der  Impfarzt  war  angeblich  mit  der  Wirkung  dieses 
Verbandes  zufrieden  und  glaubt  die  Pusteln  durch  denselben  vor  dem 
Aufkratzen  geschützt  zu  haben.  Im  Amtsbezirke  Kitzingen  wur¬ 
den  die  Eltern  aufgefordert,  ihren  Kindern  unmittelbar  nach  der  Imp¬ 
fung  einen  Schutzverband  anzulegen  in  der  Weise,  dass  ein  frisch  ge¬ 
waschener  Leinwandstreifen  in  der  Form  eines  Kartenblattes,  wel¬ 
ches  an  den  4  Ecken  mit  Bändern  versehen  ist,  auf  den  geimpften  Arm 
gebunden  wurde.  Die  Bänder  der  beiden  oberen  Ecken  wurden  um 
den  Hals,  die  der  unteren  um  den  Arm  geschlungen.  Der  Verband 
ischien  nach  der  Meinung  des  Tmpfarztes  günstig  zu  wirken.  Im  Amts¬ 
bezirke  Schesslitz  wurden  die  Heftpflasterverbände,  welche  früher 
angewendet  worden  waren,  wieder  aufgegeben,  da  der  Amtsarzt  von 
denselben  keine  günstige  Wirkung  auf  die  Entwicklung  der  Blattern 
beobachtet  hatte. 

Zum  Schlüsse  mag  hier  noch  Erwähnung  finden,  dass  der  Amts¬ 
arzt  von  Hofheim  der  öffentlichen  Impfung  wieder  einige  Probeimp¬ 
fungen  mit  jeder  der  empfangenen  Lymphesorten  vorausgehen  Hess. 

Aus  dem  Beobachtungsmateriale,  welches  die  Impfung  darbot, 
möge  das  wichtigste  Erwähnung  finden.  Spätentwicklung  der  Pusteln 
kam  in  mehreren  Amtsbezirken  vor,  besonders  dort,  wo  der  Impf¬ 
stoff  an  Virulenz  eingebüsst  hatte.  Die  Lymphe  der  Impftiere  No.  10, 
11  und  *41  scheint  besonders  häufig  diese  verspätete  Entwicklung  der 
Pusteln  begünstigt  zu  haben.  Im  Amtsbezirke  Laufen  wurde  die 
Spätentwicklung  in  der  Weise  beobachtet,  dass  ein  Impfling  am  Nach¬ 
schautage  gar  keinen  Erfolg  erkennen  Hess,  während  sich  8  Tage  spä¬ 
ter  noch  4  vollkommene  Pusteln  entwickelten.  Im  Amtsbezirke  Wiirz- 
burg,  Stadt,  wurden  3  Kinder,  welche  bei  der  Kontrolle  keinen  Erfolg 
darboten,  auf  Wunsch  der  Mütter  mit  derselben  Lymphe  nochmals 
geimpft.  Dieselbeu  zeigten  dann  bei  der  nächsten  Kontrolle'  ausser 
den  Pusteln  der  2.  Impfung  noch  je  1  wohlausgebildete  Pustel  der 
1.  Impfung,  dem  Aussehen  nach  auf  gleicher  Entwicklungsstufe  stehend 
wie  die  Pusteln  der  späteren  Impfung.  Eine  Täuschung  konnte  nicht 
vorliegen,  da  die  1.  Impfung  auf  dem  recHten,  die  2.  auf  dem  linken 
Arme  vorgenommen  worden  war. 

Im  Gegensätze  zu  dieser  Erscheinung  wurden  in  vielen  Fällen 
bei  Impflingen  mehr  als  4  Pusteln,  entstanden  aus  4  Impfschnitten, 
beobachtet,  manchmal  bis  zu  16  Pusteln  auf  dem  geimpften  Arm. 
Einige  Impfärzte  glaubten  beobachtet  zu  haben,  dass  Kinder,  welche 
kurz  vorher  die  Masern  durchgemacht  hatten,  sich  für  die  Impfung 
weniger  empfänglich  zeigten,  indem  sich  bei  ihnen  relativ  wenige 
oder  kleine  Blattern,  und  auch  diese  manchmal  erst  nach  der  wieder¬ 
holten  Impfung  entwickelten.  Im  Amtsbezirke  Ebermannstadt  er¬ 
krankten  zwischen  Impfung  und  Nachschau  4  Wiederimpflinge.  3  davon 
I  Tag  und  einer  6  Tage  nach  der  Impfung,  an  Masern.  Bei  den  ersten 
3  Kindern  blieb  die  Impfung  erfolglos,  bei  dem  letztgenannten  Kinde 
entwickelte  sich  nur  1  Pustel.  Der  Amtsarzt  von  Kipfenberg  berichtet 
von  dem  Masernausbruch  eines  zwischen  Impfung  und  Kontrolle  er¬ 
krankten  12  jährigen  Mädchens,  dessen  Impfung  erfolglos  blieb.  Im 
Amtsbezirke  Bamberg  brachen  bei  2  Impflingen  die  Masern  aus. 
•Der  eine,  am  8.  Mai  geimpft  und  am  10.  Tage  post  vaccinationem 
erkrankt,  bekam  nur  1  Pustel;  der  andere,  am  30.  April  geimpft  und 
5  Tage  später  an  dem  Exanthem  erkrankt,  blieb  ohne  Erfolg  geimpft. 


24.  Dezember  1907 


Beilagejmr  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


2633 


Dagegen  Hessen  sich  nach  der  Beobachtung  desselben  Arztes  die  Imnf 
Pusteln  von  Varizellen  in  2  ballen  in  der  Entwicklung  nicht  stören  In 
Obergunzburg  wurde  ein  12  jähriges  Mädchen  mit  einem  sehr  kräfti 
frh  IniPlSr  1  gheimpfh  welches  in  der  Zeit  zwischen  Impfung  und  Nach¬ 
schau  an  lyphus  abdominalis  erkrankte.  Diese  Beobachtung  deckte 
sich  mit  einer  früheren,  bei  welcher  ebenfalls  ein  Wiederimpfling  an 
Abdominaltyphus  erkrankte.  Auch  bei  diesem  war  die  Impfung  er- 
folglos  geblieben.  In  beiden  Fällen  fiel  die  erfolglose  Impfung  in  die 
Inkubationszeit  der  ryphuserkrankung. 

...  D^r  ulzeröse  Zerfall  einer  oder  mehrerer  Pusteln  infolge  sekun- 
Amfi;-In/ektlr?  dSrl  lmpfsteJle  kam  wiederholt  zur  Beobachtung  der 
Ädr2€;  D-6  trkrankun£sfalle  boten  überall  das  gleiche  Bild  und 
^tei1  stets  »me  mehr  minder  tiefgreifende  Ernährungsstörung  des 
subkutanen  Zellgewebes  zur  Folge.  In  allen  diesen  Fällen  trat  auf 

fnÄeFri?Se  BehandlunS  dle  völlige  Heilung  des  Zustands  ein.  Die 
'(k  r  Erkrankung  hatte  meist  auf  das  Allgemeinbefinden  der  Kinder 

schien1  Emfluss* .  ,Bei  Kindern  von  tuberkulösen  Eltern 

schien  die  Heilung  von  solchen  geschwürig  zerfallenen  Impfstellen 
sclnverei  vor  sich  zu  gehen.  Es  handelte  sich  in  solchen  Fällen  immer 
um,  K‘nder’  welche  unter  schlechten  Ernährungs-  und  Wolmungs- 
verhaltmssen  standen,  ein  Umstand,  der  die  Beobachtung  der  Impf¬ 
arzte  leicht  erklärlich  erscheinen  lässt.  In  diese  Kategorie  gehört 
auch  ein  schwerer  Erkrankungsfall,  der  sich  im  Amtsbezirke  Gerolz- 

Pn^rfPatbSPie  emem  Killde  zeigten  sich  2  Impfpusteln  ulzerös 

entartet,  von  welchen  sich  in  der  3.  Woche  nach  der  Impfung  ein 

pyämischer  Prozess  entwickelte.  Zunächst  trat  eine  doppelseitige 
Pneumonie  auf  dann  eine  Phlegmone  in  der  linken  Seite  der  Bau‘h- 

gelenke  PherI0S.tltis  de*  Radius  über  dem  rechten  Hand- 

fiS'e  und  der  Tibia  über  dem  linken  Fussgelenke.  Die  schwere 

Affektion  endete  unter  Ausheilung  'der  Krankheitsherde  ohne  Funk¬ 
tionsstörung  der  ergriffenen  Körperteile  nach  dreizehnwöchiger 
Dauer  mit  vollkommener  Genesung.  Da  sich  die  Initialerscbei- 
nungen  am  H.  oder  13.  Tage  nach  der  Impfung  zeigten,  ferner  die 
Angehörigen  nachweisbar  die  Impfstellen  schlecht  behandelt,  beson¬ 
ders  aber  mit  unreiner  Watte  verbunden  hatten,  so  lag  auch  hier 
zweifellos  eine  Spätinfektion  vor,  für  welche  der  Impfstoff  nicht 
verantwortlich  gemacht  werden  kann.  Aus  der  gleichen  Ursache 
entstand  auch  im  Amtsbezirke  München,  Stadt,  von  einer  verum  ernig- 
S  fP  S  6 ie  a,US  ein  Achseldrüsenabszess  mit  nachfolgender,  ziem- 
hch  tiefgreifender  nekrotischer  Abstossung  des  umliegenden  Zell- 

vömleHeilui  eia  "  FaUe  ‘Ta‘  a“f  sach2e™sse'  Behandlung 

t  Ausserdem  kamen  noch  mehrere  Fälle  von  durch  Infektion  der 
Impfstelle  ausgehenden  Verschwärungen  von  Achseldrüsen  vor,  wel¬ 
che  jedoch  nach  Inzision  des  Abszesses  in  normaler  Zeit  zur  Heilung 
gebracht  werden  konnten.  Auch  im  Amtsbezirke  Schrobenhausen 
Slcb  nach  der  Nachschau  eine  tiefgreifende  phlegmonöse 
P  i  n  Swm  nekrot'sc'heT  Abstossung  der  oberflächlichen  Weich- 
STh-  Df  H!1.lung  eri0lglte  ohne  Na^teile.  In  diesem  Falle  woll¬ 
ten  die  Angehörigen  Entschädigungsforderungen  an  den  Fiskus  zel¬ 
tend  machen,  was  aber  durch  einen  aufklärenden  Brief  des  Impf¬ 
arztes  abgewendet  wurde.  1 

.  .  .i?uAn,(l  Ur?  die  Impfpusteln  entstand  entweder  lymphogen  oder 
mch  Aufkratzen  der  Pusteln  eine  mehr  minder  grosse  Anzahl  von 

hossennP  nnd  n,’  m  C i*  we„iteler  Entwicklung  allmählich  Zusammen¬ 
flüssen  und  schliesslich  zu  derben,  mehr  minder  umfangreichen  Plat- 

£“von,  :d7bpm  Qefüä-e  Sich  ausbildeten.  Nach  Ablösung  dieser 
P  ?  ,  h°Ite  dJe  wfltere  Entwicklung  dieser  kontierenden  Neben- 
P  stein  auf,  und  es  kam  ohne  weitere  Störung  zur  Heilung.  Solche 
Pa  ie3  von  weIchea  alljährlich  zu  berichten  ist,  und  bei  denen,  ab- 
gesehen  von  Unruhe  des  Kindes  infolge  von  Jucken  und  Spannung 
uer  Haut,  keine  Storung  des  Allgemeinbefindens  beobachtet  zu  werden 
Pflegt,  kamen  vor  in  den  Amtsbezirken  Pfaffenhofen,  Griesbach,  Wolf- 
•  u  n!  Z;  Stadtsteinach,  Nürnberg  und  Obergiinzburg.  Bei  dem 

n  Gnesbach  beobachteten  Falle  hatten  sich  diese  Pustelkonglomerate 
ter  einem  trockenen  Schutzverbande  entwickelt,  welcher  wahr¬ 
scheinlich  an  der  Haut  fest  angeklebt  war  und  den  freien  Austritt 
oer  Lymphe  aus  den  offenen  Impfblattern  verhindert  hatte. 

Auf  dem  Wege  der  Autoinfektion  ist  wiederholt  Vakzinelymphe 
von  der  Impfstelle  aus  auf  andere  mehr  minder  entfernte  Körper¬ 
regionen  übertragen  worden  und  hatte  dort  zur  Entwicklung  von  ein¬ 
zelnen  wie  ganzen  Gruppen  von  Vakzinepusteln  geführt  Von  solchen 
allen  berichten  die  Amtsärzte  von  Schrobenhausen,  Griesbach  und 
Kehau  Im  erstgenannten  Falle  entstand  bei  2  Erstimpflingen  je 
1  Pustel  auf  der  rechten  Wange.  Im  Amtsbezirke  Rehau  entwickelte 
icü  durch  Uebertragung  von  Lymphe  aus  den  aufgekratzten  Impf- 
>  attern  am  Lidrande  des  Auges  eine  Pustel,  welche  in  normaler 
Zeit  abheilte.  Im  Amtsbezirke  Pegnitz  brachte  sich  ein  Erstimpf¬ 
ung  durch  Aufkratzen  von  2  Impfblattern  an  der  Streckseite  des 
reehten  Armes  2  kleine  Pusteln  bei,  welche  von  etwas  geröteter, 
feicht  nässender  Haut  umgeben  waren.  Bei  einem  Kinde  des  Amts- 
ezirkes  Schweinfurt  traten  am  10.  Tage  nach  der  Impfung  auf  dem 
unken  Schulterblatt  in  geringer  Entfernung  voneinander  6  Puste'n 
auf,  welche  sich  mit  eitrigem  Inhalt  füllten  und  unter  Fiebererschei¬ 
nungen  ui  mehr  weniger  tief  greifende  Geschwüre  verwandelten 
unter  geeigneten  Schutzverbänden  kam  schnell  Heilung  zustande.  In 
riesbach  beobachtete  man  zufällig  beim  Lachen  desselben  Kindes, 


welches  bereits  wegen  konfluierender  Blattern  an  der  Impfstelle  in 
ärztlicher  Behandlung  war,  in  der  Mitte  des  harten  Gaumens  eine 
rundliche,  gelbe,  über  linsengrosse,  erhabene  Blatter,  an  welche 
sich  nach  rechts  eine  zweite  anschloss,  und  vom  3.  auf  den  4.  Tag 
nachher  entstand  auch  noch  auf  der  Mitte  der  Zunge,  gegenüber  der 
erkrankten  Gaumenstelle,  eine  ebenso  gestaltete  und  getärbte  Blatter. 
Man  befürchtete  schon,  dass  das  Stillen  des  Säuglings  eine  Störung 
erleiden  würde,  doch  erwies  sich  diese  Befürchtung  als  grundlos 
Durch  Einpudern  mit  Sozojodol-Natrou  und  Zucker  wurden  die  Blat¬ 
tern  im  Munde  zur  raschen  Heilung  gebracht.  Da  dieses  Kind  senr 
reinlich  gehalten  war,  da  fernerhin  die  Impfblattern  unter  einem 
^  chutzverbande  lagen,  während  gleichzeitig  die  Bewegungsfähigkeit 
deis  bnken  Armes  soweit  als  möglich  beschränkt  wurde,  so  konnte 
die  Entstehung  der  Blattern  im  Munde  nur  durch  das  Baden  erklärt 
werden,  bei  welchem  von  dem  Wasser  sicher  etwas  in  den  Mund  ge¬ 
kommen  war,  wobei  durch  irgend  einen  Schleimhautriss  die  An¬ 
steckung  vermittelt  wurde. 

Sciiwere  Krankheitsfälle  können  dadurch  entstehen,  dass  einer¬ 
seits  von  dem  Impfstoff  eine  kleine  Menge  auf  ein  nicht  beachtetes 
rlautekzem  übertragen  wird,  andererseits  dadurch,  dass  die  Impfung 
bei  ekzematisch  veranlagten  Kindern  einen  neuen  Anfall  von  Ekzem 
auslöst,  das  mit  der  Lymphe  einer  reifen,  nicht  selten  vom  Impfling 
selbst  aufgekratzten  Vakzinepustel  infiziert  wird.  Von  solchen  Er¬ 
krankungen  infolge  der  Impfung  sind  in  den  Berichten  der  Impfärzte 
3  balle  vei  zeichnet.  Im  Amtsbezirke  der  Stadt  München  entstand 
infolge  der  Infektion  einer  kleinen  offenen  Hautstelle  hinter  dem 

iie  rmt  yakzinevirus  eine  Vakzineekzem  des  Kopfes,  welches  einen 
guten  Verlauf  nahm  und  in  kurzer  Zeit  zur  vollkommenen  Heilung 
gebiacht  werden  konnte.  Im  Amtsbezirke  Stadtsteinach  wurde  ein 
in  gleicher  Weise  entstandenes,  ausgedehntes,  pustulöises  Ekzem  im 
jesichte  eines  Erstimpflings  beobachtet.  Im  Amtsbezirke  Nördlingen 
wurde  ein  Kind  geimpft,  welches  mit  einem  unscheinbaren  und  un¬ 
beachtet  gebliebenen  Ekzem  im  Gesichte  behaftet  war.  Im  Gesichte 
wie  am  behaarten  Teile  des  Kopfes  entwickelten  sich  etwa  im  gan- 
zen  40  Pusteln,  welche  eine  starke  Schwellung  der  Haut,  besonders 
an  beiden  Augenlidern  verursachten.  Das  Kind  wurde  vom  Impf¬ 
arzte  behandelt  und  genas  in  kurzer  Zeit. 

Von  diesen  letztgenannten  Folgekrankheiten  der  Impfung,  welche 
man  nicht  selten  irrtümlich  als  „generalisierte  Vakzine“  bezeichnen 
hört,  sind  strenge  zu  unterscheiden  die  Formen  von  wirklicher,  als 
Folge  der  Impfung  aufzufassender,  auf  hämatogenem  Wege  ent¬ 
standener,  generalisierter  Vakzine,  welche  als  allgemeine,  über  den 
ganzen  Körper  verbreitete  Ausschläge  beobachtet  wurden  und  in  ver¬ 
schiedenen  Intensitätsgraden  bald  als  Urtikaria,  bald  als  makulöses, 
masernähnliches,  oder  als  papulöses,  impetiginöses,  oder  vesikulöses! 
varizellenartiges  Exanthem  in  die  Erscheinung  getreten  sind.  Diese* 
Falle  von  generalisierter  Vakzine  pflegen  nur  wenige  Tage  hindurch 
auf  der  Haut  sichtbar  zu  sein,  um  alsdann  spurlos  wieder  zu  ver- 
sch wanden.  Mit  ihrem  Ausbruch  geht  gewöhnlich  eine  Störung  des 
Allgemeinbefindens  der  Kinder  einher.  Solche  Fälle  wurden  beob¬ 
achtet  in  den  Amtsbezirken  München  Stadt,  Bad  Aibling,  Laufen, 
Rottenburg  i.  NB.,  Bergzabern,  Kirchheimbolanden,  Stadtamhof 
I  euschmtz,  Kadolzburg,  Lauf,  Hammelburg,  Hassfurt,  Schweinfurt 
Kempten  und  Obergünzburg.  Auch  eine  in  Eltmann  beobachtete 
Folgekrankheit  ist  wahrscheinlich  unter  diese  Fälle  von  generalisierter 
Vakzine  einzureihen.  Dort  zeigte  ein  Erstimpfling  ausser  gut  ent¬ 
wickelten  Pusteln  am  rechten  Oberarm,  und  an  der  rechten  Bauch¬ 
seite  viele  kleine  Pusteln,  und  zwar  im  Ganzen  19  an  der  Zahl  Eine 
Storung  des  Allgemeinbefindens  war  nicht  vorhanden.  Es  ist  kaum 
anzunehmen,  dass  es  sich  bei  dieser  grossen  Anzahl  von  über  den 
Koiper  zerstreuten  Pusteln  um  eine  Selbstübertragung  des  Vakzine- 
virus  gehandelt  haben  soll.  Noch  fraglicher  erscheint  es,  ob  die  Er- 
kränlvung  eines  Erstimpflings  im  Amtsbezirke  Schweinfurt  an  einem 
ähnlichen  Symptomenkomplex  am  16.  Tage  nach  der  Impfung  unter 
diese  Folgekrankheiten  einzureihen  ist.  Da  die  Erkrankung  mit 
heftigen  gastrischen  Störungen  einsetzte,  da  weiterhin  eine  Schwel¬ 
lung  der  Hals-  und  Unterkieferdrüsein  auftrat,  während  die  Achsel- 
duisen  völlig  frei  blieben,  da  ausserdem  die  Impfstelle  keinerlei 
abnorme  Ei  scheinungen  bot,  so  dürfte  bei  diesem  Kinde 
dessen  Vater  gerade  damals  an  einem  tuberkulösen  Abszesse 
am  Halse  krank  lag,  wohl  kaum  ein  mit  der  Impfung  zusammenhängen¬ 
der  Krankheitsprozess  anzunehmen  sein. 

Von  sonstigen  Erscheinungen  wären  noch  zu  verzeichnen  einige 
wenige  Fälle  von  Sugillationen  in  der  Umgebung  der  Impfpusteln 
fei  n ei  sanguinolente  Pusteln.  Da  es  sich  meist  um  Wiederimpflinge 
handelte,  so  ist  anzunehmen,  dass  diese  Blutungen  in  'das  die  Impf¬ 
pusteln  umgebende  Hautgewebe  oder  in  die  Pusteln  selbst  als  Folgen 
von  Insultierung  derselben  oder  ihrer  Umgegend  anzusehen  sein 
dürften. 

Es  erübrigt  noch  die  Erwähnung  von  einigen  wenigen  Beobach¬ 
tungen.  So  zeigte  im  Amtsbezirke  Karlstadt  ein  Erstimpfling  bei 
der  Nachschau  am  geimpften  Arme  nur  einen  stark  geröteten  Hof 
ohne  jedes  Bläschen  oder  Knötchen;  selbst  von  den  Impfschnitten  war 
keine  Spur  mehr  zu  sehen.  Bei  der  Nachimpfung  entwickelten  sich 
dann  4  schöne  Pusteln,  während  die  erste  Erscheinung  völlig  ver¬ 
schwunden  war.  Im  Amtsbezirke  Blieskastel  zeigte  ein  Erstimpfling 
übei  dem  rechten  Auge  eine  Narbe,  welche  das  charakteristische 
Aussehen  einer  Blatternarbe  darbot.  Auf  Befragen  erklärte  die 


Beilage  zur  Münchener  medizinischen  Wochenschrift. 


No.  52. 


Mutter,  dass  das  Kind  im  vorhergegangenen  Jahre,  als  ein  anderes 
Kind  dieser  Familie  geimpft  wurde,  eine  Wunde  über  dem  rechten 
Auge  gehabt  hätte,  in  welche  wohl  Impfstoff  gekommen  sein  müsse, 
da  sich  dortselbst  eine  richtige  Impfpustel  entwickelt  hätte.  Die 
deutlich  sichtbare  Narbe  sowie  das  Fehlschlagen  der  weiteren  Impfung 
bewies  die  Richtigkeit  dieser  Angabe. 

In  den  Amtsbezirken  Ebersberg,  Mühldorf,  Deggendorf  und  Lands¬ 
hut  kam  wiederholt  der  Versuch  von  Müttern  und  Wärterinnen  zur 
Beobachtung,  den  Impfstoff  durch  Abwischen  mit  der  Hand,  durch 
Auswaschen  mit  einem  nassen  Schwamme,  ja  selbst  durch  Ablecken 
und  Aussaugen  der  Schnitte  zu  entfernen.  Im  ganzen  hatten  diese 
Versuche  keinen  grossen  Erfolg.  Wohl  aber  musste  in  Mühldorf  ein 
also  (behandeltes  Kind  nochmals  geimpft  werden,  und  das  auffallend 
wechselnde  Resultat  der  Impfung  in  einem  Impfbezirke  erregte  in 
dem  Amtsärzte  von  Landshut  den  Verdacht,  dass  doch  die  Versuche 
der  Mütter  wiederholt  von  Erfolg  begleitet  waren.  Bei  der  Nachschau 
im  Bezirke  Altdorf  wurden  mehrere  Kinder  mit  aufgekratzten  und 
stark  verunreinigten  Pusteln  betroffen.  Die  Nachfrage  ergab,  dass 
es  besonders  in  der  Stadt  Altdorf  Sitte  sei,  die  Blattern  auf  der  Höhe 
der  Entwicklung  anzustechen  und  auszudriicken.  Dass  bei  solcher 
Behandlung  die  Pusteln  allen  möglichen  Infektionen  ausgesetzt  sind, 
ist  klar.  Vielleicht  würde  von  einem  ausdrücklichen,  belehrenden 
Hinweise  auf  solche  verderbliche,  örtliche  Gewohnheiten  in  den  bei 
der  Impfung  zur  Verteilung  gelangenden  Verhaltungsmassregeln  ein 
günstiger  Erfolg  zu  erwarten  sein. 

Rotlauf  und  rotlaufähnliche  Entzündungen  der  Haut  der  Impf¬ 
stelle  und  ihrer  näheren  and  entfernteren  Umgebung  kamen  auch  im 
Berichtjahre  wiederholt  zur  Beobachtung.  Solcher  Entzündungsvor¬ 
gänge  geschieht  in  den  Berichten;  von  27  Amtsärzten  des  Landes  Er¬ 
wähnung.  Meist  betrafen  diese  Fälle  Wiederimpflinge,  welche  ihre 
Arme  nicht  geschont  oder  mit  schmutzigen  Fingernägeln  die  Impf¬ 
pusteln  aufgekratzt  hatten.  Höhere  Grade  von  Entzündung  des  ge¬ 
impften  Armes  mit  konsekutiver  Schwellung  der  Achseldrüsen  wurden 
nur  in  den  Amtsbezirken  Laufen,  Bergzabern,  Grünstein,  Wolfstein, 
Rockenhausen,  Bamberg,  Volkach,  Ochsenfurt  und  Zusmarshausen  be¬ 
obachtet.  Von  erheblichen  Störungen  ist  iiervorzuheben  ein  Krank¬ 
heitsfall  im  Amtsbezirke  Bamberg,  wo  bei  einem  Realschüler,  der  am 
3.  Mai  mit  dem  Erfolge  von  3  Blattern  geimpft  worden  war,  am  Nach¬ 
schautage  an  beiden  Unterschenkeln  auf  der  in  grösserer  Ausdehnung 
erysipelatös  entfärbten  Haut  verschiedene  Blasen  auttraten,  welche 
sich  auffallend  lange  erhielten.  Das  Allgemeinbefinden  blieb  unge¬ 
stört.  Im  Amtsbezirke  Volikach  trat  bei  einem  12  jährigen  Knaben, 
der  offenbar  die  Impfpusteln  weggekratzt  hatte,  eine  sehr  starke 
Schwellung  des  Oberarms  mit  bläulicher  bis  schwarzer  Verfärbung 
der  Haut  auf,  so  dass  eine  umfangreiche  Gangrän  der  Haut  des  Armes 
befürchtet  werden  musste.  Dazu  kam  es  jedoch  nicht,  sondern  die 
Erscheinungen  gingen  bald  zurück  >und  im  kurzer  Zeit  trat  völlige 
Heilung  ein.  Bei  einem  Impfling  des  Amtsbezirkes  Ochsenfurt  kam  es 
durch  Aufkratzen  der  Impfpusteln  zu  einer  mit  hohem  Fieber  ver¬ 
bundenen  Entzündung  der  Haut  des  ganzen  rechten  Armes  und  zur 
Vereiterung  einer  Lymphdrüse  in  der  Achselhöhle.  Nach  Entleerung 
des  Abszesses  erfolgte  schnelle  Heilung.  Im  Amtsbezirke  Abens¬ 
berg  kam  ein  Erstimpfling  wegen  Phlegmone  des  geimpften  Armes  in 
ärztliche  Behandlung.  Die  Entzündung  führte  unter  hohem  Fieber  zu 
nekrotischer  Abstossung  der  Haut  im  Umfange  eines  Fünfmarkstückes 
und  zur  Bioslegung  der  Muskulatur.  Die  Heilung  des  Kindes  erfolgte 
unter  guter  Narbenbildung  und  ohne  dass  eine  Funktionsstörung 
zurückblieb. 

Der  schwerste  Krankheitsfall  ereignete  sich  rm  Amtsbezirke 
Wolfstein.  Dortselbst  trat  bei  einem  Kinde,  welches  bei  der  Nachschau 
noch  vollkommen  normale  Pusteln  gezeigt  hatte,  3  Tage  nach  der¬ 
selben  ein  Erysipel  auf,  welches  von  der  obersten,  nachträglich  ex- 
ulzerierten  Pustel  offenbar  infolge  sekundärer  Infektion  seinen  Aus¬ 
gang  nahm  und  am  5.  Krankheitstage,  als  das  Kind  in  Behandlung  kam, 
bereits  auf  den  Vorderarm  und  die  dem  Oberarm  benachbarten  Teile 
der  Brust  und  des  Rückens  vorgeschritten  war,  und  von  da  unauf¬ 
haltsam  unter  beständigem  hohen  Fieber  über  den  ganzen  Körper  wun¬ 
derte.  Sämtliche  Impfpusteln  waren  dabei  tief  ulzerös,  hatten  sich 
jedoch  nach  etwa  8  Tagen  gereinigt  und  begannen  auszuheilen  unter 
gleichzeitigem  Nachlass  des  Fiebers  und  Abblasisen  des  Erysipels. 
Plötzlich  setzten  am  18.  Tage  nach  der  Kontrolle  heftige  gastroenteriti- 
sche  Symptome  ein,  welche  unter  starkem  Sinken  der  Körpertempe¬ 
ratur  -1  Tage  später,  also  22  Tage  nach  der  Impfkontrolle  zum  Tode 
führten.  Einige  Tage  vorher  hatten  sich  noch  am  Rücken  und  am 
behaarten  Teile  des  Kopfes  haselnussgrosse  Abszesse  gebildet,  von 
welchen  der  erste  2  Tage  vor  dem  Tode  eröffnet  wurde  und  einen 
schokoladebraunen  Eiter  entleerte.  Die  Infektion,  welche  in  diesem 
Falle  erst  nachträglich  erfolgte,  wird  mit  grösster  Wahrscheinlich¬ 
keit  durch  das  Aufkratzen  der  oberen  Pustel  hervorgerufen  worden 
sein.  Alle  übrigen,  von  18  Amtsärzten  erwähnten  Fälle  von  Entzün¬ 
dung  des  geimpften  Armes  können  als  unerheblich  übergangen  werden. 

Aus  22  Amtsbezirken  liegen  Angaben  über  etwa  30  in  der  Zeit 
zwischen  Impfung  und  Nachschau  und  in  den  unmittelbar  auf  die 
Nachschau  gefolgten  Tagen  verstorbene  Kinder  vor.  Davon  sind 
sicherlich  mindestens  14  Kinder  an  Pneumonie,  Kapillarbronchitis  und 
Keuchhusten  gestorben.  Kaum  eine  kleinere  Zahl  von  Impflingen  erlag 
dem  Brechdurchfall  und  der  Eklampsie.  Im  Amtsbezirke  Schesslitz 


ist  ein  Kind  zwischen  Impfung  und  Nachschau  ertrunken.  Ein  anderes 
Kind  starb  am  4.  Tage  nach  der  Impfung  an  den  Folgen  einer  schweren 
Verbrennung.  Für  unsere  Betrachtung  bleiben  mithin  nur  wenige  Fälle 
übrig. 

Zunächst  ist  die  Ursache  des  Todes  unbekannt  geblieben  bei 
einem  Erstimpfling,  welcher  zwischen  Impfung  und  Nachschau  •  im 
Amtsbezirke  Blieskastel  gestorben  ist.  Der  Tod  erfolgte  am  5.  Tage 
nach  der  Impfung.  Die  Pusteln  hatten  eben  begonnen  sich  zu  ent¬ 
wickeln.  Aerztliche  Hilfe  wurde  nicht  in  Anspruch  genommen.  Sicher 
ist,  dass  der  Tod  mit  der  vorausgegangenen  Impfung  nicht  in  ur¬ 
sächlichem  Zusammenhänge  istand.  In  den  Amtsbezirken  Roding  und 
Nittenau  starben  3  Kinder  in  der  Zeit  zwischen  Impfung  und  Kon¬ 
trolle  an  unbekannten  Ursachen.  Aerztliche  Behandlung  hatte  in 
keinem  dieser  Fälle  stattgefunden.  Doch  konnte  sichergestellt  wer¬ 
den,  dass  der  Tod  nicht  die  Folge  der  vorausgegangenen  Impfung  ge¬ 
wesen  ist.  Im  Amtsbezirke  Gerolzhofen  erkrankte  7  Tage  nach 
der  Impfung  ein  Erstimpfling  an  kruppöser  Pneumonie,  an  welche  sich 
nach  Ablauf  von  3  Wochen  eine  seröse  Meningitis  anschloss.  Trotz 
7  maliger  reichlicher  Exsudatentleerung  durch  Lumbalpunktion 
wurde  das  Kind  hydrozephalisch.  Endlich  trat  nach  einer  schweren 
Aphtheneruption  unter  septischen  Erscheinungen  der  Tod  ein.  Die 
Impfstelle  bot  nichts  Abnormes.  Ueber  den  Tod  eines  Impflings, 
welcher  am  22.  Tage  nach  der  Impfkontrolle  im  Amtsbezirke  Wolf¬ 
stein  einem  schweren  Krankheitsprozess  erlag,  ist  schon  bei  den  Vor¬ 
kommnissen  von  Impfrotlauf  gesprochen  worden.  Im  Amtsbezirke 
Neuburg  Land  starb  ein  I2jähr.  Mädchen  in  der  Zeit  zwischen  Impfung 
und  Kontrolle  und  wurde  am  Kontrolltage  beerdigt.  Der  Stiefvater 
des  Mädchens  behauptete,  dass  die  Impfung  die  Ursache  des  Todes 
gewesen  sei.  Die  Impfstelle  selbst  zeigte  nach  übereinstimmenden 
Aussagen  keinerlei  Abnormitäten.  Die  Krankheit  hatte  mit  Schmer¬ 
zen  im  rechten  Unterschenkel  begonnen,  ohne  dass  sich  hier  objektiv 
wahrnehmbare  Erscheinungen  zeigten.  Ueber  den  Herz-  und  Nieren¬ 
befund  konnte  nichts  ausgesagt  werden.  Eine  Sektion  wurde  nicht 
gestattet.  (!)  Die  Diagnose  des  Stiefvaters  lautete  „Septische  Osteo¬ 
myelitis  infolge  der  Impfung  des  Armes“!  Die  Glaubwürdigkeit  der 
Behauptung  des  Zusammenhanges  von  Impfung  und  Tod  kann  jedem 
vorurteilslos  Denkenden  anheimgestellt  werden. 

Privatimpfungen  wurden  im  Berichtjahre  im  ganzen  Lande  vor¬ 
genommen  12  475  gegen  13 127  im  Vorjahre.  Davon  waren  Erst¬ 
impfungen:  10950  gegen  11  527  im  Vorjahre,  Wiederimpfungen:  1525 
(i.  V.  1600).  Unter  dieser  Zahl  von  1525  privaten  Wiederimpfungen 
befinden  sich  auch  792  Nichtwiederimpfpflichtlge,  welche  sich  der 
Impfung  unterzogen  haben.  Von  den  privaten  Erstimpfungen  waren 
von  Erfolg:  10  454  =  95,5  Proz.  (i.  V.  11  105  =  96,4  Proz.),  ohne 
Erfolg:  489  =  4,5  Proz.  (i.  V.  3,6  Proz.).  Von  den  privaten  Wieder¬ 
impfungen  waren  von  Erfolg  :1372  =  90  Proz.  (i.  V.  90,2  Proz.),  ohne 
Erfolg:  145  =  10  Proz.  (i.  V.  9,8  Proz.).  In  der  Hauptstadt  des 
Landes  wurden  2341  Privatimpfungen  vorgenommen,  von  welchen 
115  =  4,9  Proz.  erfolglos  geblieben  sind,  während  108  =  4,6  Proz.  ein¬ 
blätterige  Fälle  gezählt  wurden.  Die  entsprechenden  Prozentberech¬ 
nungen  ergeben  für  die  öffentliche  Impfung  0,2  Proz.  bezw.  0,1  Proz. 

Im  Berichtjahre  wurden  auf  Grund  ortspolizeilicher  Vorschriften 
in  19  Amtsbezirken  des  Landes  mehr  als  800  Gutstaglöhner  und  Ziegel¬ 
arbeiter,  welche  teils  aus  Russisch-Polen,  teils  aus  Italien  zur  Arbeit 
gekommen  waren,  einer  prophylaktischen  Impfung  unterzogen.  Die 
Auswahl  zur  Impfung  der  eingewanderten  Arbeiter  bestimmte  das 
Ergebnis  der  Untersuchung  der  sichtbaren  Impfnarben.  Im  Amts¬ 
bezirke  Brückenau  befanden  sich  unter  den  zum  ersten  Male  ge¬ 
impften  russisch-polnischen  Arbeitern  zwei  Mann,  welche  in  der  Kind¬ 
heit  die  natürlichen  Blattern  überstanden  hatten.  Die  Impfung  hatte 
bei  beiden  einen  positiven  Erfolg.  Im  Amtsbezirke  St.  Ingbert  war 
die  ausserordentliche  Impfung  der  Familienangehörigen  des  Arztes 
veranlasst  durch  die  auf  echte  Blattern  verdächtige  Erkrankung  eines 
Kindes  in  Wittersheim.  In  gemeinsamer  Beratung  .mit  2  anderen 
Aerzten  wurde  festgestellt,  dass  es  sich  bei  dem  Kinde  nicht  um  echte 
Blattern,  sondern  um  bösartige  Varizellen  handelte.  Das  erkrankte 
Kind  starb  bald  darauf.  Näheres  über  den  Krankheitsverlauf  ist  nicht 
berichtet  worden. 

Mit  Rücksicht  auf  die  am  südlichen  Schweizerufer  des  Bodensees 
sowie  in  Vorarlberg  monatelang  herrschende  Blatternepidemie  wur¬ 
den  auch  in  Südschwaben  mehrfache  Vorsichtsmassregeln  getroffen. 
So  wurde  in  Lindau  ein  ausserordentlicher  Impftermin  für  Erwachsene 
abgehalten,  bei  welchem  36  Personen  erschienen.  In  Weiler  wurde 
aus  dem  gleichen  Grunde  eine  Isolierbaracke  beim  Spitale  in  Bereit¬ 
schaft  gesetzt  und  das  Pflegepersonal  sowie  andere  Personen,  die 
sich  zur  freiwilligen  Wiederimpfung  stellten,  geimpft.  Im  Amts¬ 
bezirke  Donauwörth,  und  zwar  in  der  von  früheren  Blatternerkran¬ 
kungen  bekannten  Spinnerei  von  Bäumenheim,  wurde  ebenfalls  ein 
ausserordentlicher  Impftermin  abgehalten,  bei  welchem  sich  35  Per¬ 
sonen  einfanden.  Im  Amtsbezirke  Erlangen  Stadt  wurde  eine  ausser¬ 
ordentliche  Impfung  nötig,  da  4  Fälle  von  Variolois  vorkamen.  Die 
Impfung  beschränkte  sich  auf  die  Bewohner  des  Seuchenhauses  und 
der  Personen,  welche  damit  in  Beziehung  standen.  Ferner  wurden 
auch  in  der  Baumwollspinnerei  sämtliche  von  auswärts  stammenden 
Arbeiter,  welche  überhaupt  noch  nicht  geimpft  worden  waren,  ge¬ 
impft,  ebenso  die  Wärter  und  das  ärztliche  Personal  des  Kranken¬ 
hauses.  Der  erste  Erkrankungsfall,  welcher  einen  Arbeiter  der  Baum- 


2635 


F,u  Spi,nnerei  •  betraI>  wurde  für  schwere  Varizellen  gehalten.  Die 
Erkrankung  ging  zwar  mit  hohem  Fieber  und  auffallender  Prostration 
einher;  da  aber  der  Kranke  nach  dem  Ausbruche  des  Exanthems 
fieberfrei  blieb  und  das  Desquamationsstadium  fehlte,  'blieb  man  bei 
der  Diagnose  Varizellen“.  Es  muss  sich  aber  gleichwohl  um  echte 
Pocken  gehandelt  haben,  da  in  demselben  Hause  eine  hochschwangere 
Frau  in  gleicher  Weise  und  ebenfalls  schwer  erkrankte,  ohne  dass 
Hl  °der  ,'hr^  Familie  mit  dem  zuerst  Erkrankten  in  Beziehungen  ge¬ 
standen  hatte,  feie  wohnte  auf  dem  entgegengesetzten  Flügel  des 
flinterhauses.  Die  Kranke  wurde  nun  ins  Isolierhaus  gebracht,  blieb 
nach  Ausbruch  des  Exanthems  ebenfalls  fieberfrei  und  wurde  etwa 
i  age  spater  von  einem  toten  Kinde  entbunden,  worauf  sie  plötzlich 
an  akuter  Herzschwäche  starb.  Als  Vermittlerin  zwischen  den  beiden 
i  '  krau kungsf allen  muss  nach  den  genauen  Erhebungen  eine  Tav- 
lohnersfrau  angesehen  werden,  welche  mehrere  Tage  krank  gewesen 
war  und  3  läge  hindurch  einen  Ausschlag  gehabt  hatte.  Bei  weiterer 
Nachforschung  ergab  sich,  dass  etwa  10  Tage  vor  der  Erkrankung 
des  ersten  Arbeiters  in  der  Baumwollspinnerei  eine  Frau,  welche 
an  demselben  bpinnstuhlle  sass,  den  Arzt  wegen  eines  varizellen¬ 
artigen  Ausschlages  in  der  Fabriksprechstunde  konsultiert  hatte.  Sie 
war  dann  einige  T  age  in  der  Wohnung  an  Gesichtsrose  behandelt 
worden.  Nach  ihrer  Genesung  hatte  sie  Erlangen  wieder  verlassen: 

Auch  im  Landbezirke  Erlangen  gab  ein  in  Möhrendorf  vorge¬ 
kommener  Fall  von  Variolois  Veranlassung  zu  einer  ausserordent¬ 
lichen  Impfung.  Obwohl  der  Zusammenhang  mit  den  eben  genannten 
Erkrankungen  nicht  nachzuweisen  war,  konnte  die  Verschleppung 
doch  nur  von  dort  stammen,  wahrscheinlich  durch  einen  Verwandten 
we  cher  in  derselben  Baumwollspinnerei  in  der  Stadt  Erlangen  ar¬ 
beitete.  Die  in  Möhrendorf  Erkrankte  wurde  sofort  in  die  Blattern- 
baracke  des  Universitätskrankenhauses  gelegt.  Sämtliche  Bewohner 
des  Hauses  der  Erkrankten  und  alle  Personen,  welche  in  Beziehung 
zu  ihr  getreten  waren,  wurden  geimpft.  Ein  weiterer  Erkrankungs¬ 
fall  nst  nicht  mehr  vorgekommen. 

Aus  7  Amtsbezirken  sind  im  Berichtjahre  Fälle  von  Widersetz¬ 
lichkeit  gegen  die  Impfung  bekannt  geworden.  In  der  Hauptstadt  des 
Landes  verweigerte  eine  Mutter  die  Zustimmung  zur  Wiederimpfung 
lhier  12  jährigen  Tochter,  welche  eine  an  der  Peripherie  der  Stadt 
gelegene  Schule  besuchte.  Das  daraufhin  eingeleitete  Verfahren  konnte 
nicht  durchgeführt  werden,  da  die  Familie  plötzlich  die  Stadt  ver- 
liess.  Im  Amtsbezirke  Miesbach  widersetzte  sich  der  leitende  Arzt 
des  Sanatoriums  Tannhof  der  Impfung  seines  Kindes  und  erklärte  sich 
bereit,  alle  Folgen  der  Nichtachtung  des  Gesetzes  auf  sich  nehmen 
zu  wol  en.  Im  Amtsbezirke  Kelheim  weigerte  sich  ein  als  Querulant 
amtsbekannter  Häusler,  die  Zustimmung  zur  Impfung  seines  Kindes 
zu  geben.  In  Kaiserslautern  verhielten  sich  wieder  2  Sachsen  renitent 
gegen  die  Impfung  und  bezahlten  wieder  regelmässig  die  ihnen  auf¬ 
erlegten  Geldstrafen.  In  Burgebrach  wurden  2  Kinder  einer  Familie 
welche  sich  bereits  seit  1903  alljährlich  der  Vornahme  der  Impfung 
widersetzt,  vorschriftswidrig  derselben  entzogen.  In  Ochsenfurt  zeigte 
sich  wie  gewöhnlich  der  Elektrohomöopath  Dr.  D  i  n  g  f  e  1  d  e  r,  prakt. 
Arzt  in  Gundstadt,  renitent  gegen  den  Vollzug  der  Impfung.  Wie  all- 
jährhch  machte  sich  endlich  auch  im  Berichtsjahre  im  Amtsbezirke 
1  urkheim  die  Starrköpfigkeit  einzelner  Impfgegner  in  Wörishofen 
und  der  von  ihnen  nachgezogenen  Leute  wieder  in  störender  Weise 
geltend. 

Epidemisch  herrschende  Infektionskrankheiten  und  andere  Ur¬ 
sachen  brachten  auch  im  Berichtjahre  Störungen  in  die  Durchführung 
des  Impfgeschäftes.  So  veranlassten  die  Masern  in  40  Amtsbezirken 
die  Verlegung  von  bereits  angesetzten  Impfterminen.  In  4  Amts>- 
bezirken  machten  Scharlach  und  Diphtherie  die  Einhaltung  des  Impf- 
plans  unmöglich.  In  dem  Amtsbezirken  Dahn  und  Obergünzburg 
wurde  die  Impfung  dadurch  gestört,  dass  die  Bürgermeister  die  Be¬ 


kanntmachung  der  Impftermine  vergessen  hatten.  In  Immenstadt  und 
Obergunzburg  machte  ein  grosser  Schneefall  die  Abhaltung  der  Impf¬ 
termine  unmöglich.  Da  in  dem  letztgenannten  Bezirke  auch  die  tele¬ 
fonische  Verbindung  infolge  teilweiser  Zerstörung  der  Leitung  durch 
fechneedruck  unterbrochen  war,  machte  es  Schwierigkeit,  den  Termin 
aozusagen.  Im  Bezirke  Annweiler  verursachte  eine  grössere  Störung 
des  Impfplanes  die  schwere  und  langdauernde  Krankheit  des  Impf¬ 
arztes.  In  der  Stadt  Würzburg  scheint  es  dem  Amtsärzte  endlich  ge- 
ungen  zu  sein,  die  Verhältnisse  der  Impfliste  und  des  Vollzuges  der 
Impfung  nach  5  jähriger,  mit  vielen  persönlichen  Unannehmlichkeiten 
yne'bundenJ:r  Arbeit  wie'der  ui  Ordnung  zu  bringen.  Bis  zum  Jahre 
190^  war  die  huhrung  der  Impflisten  eine  derartige,  dass  die  Eltern  der 
Impflinge  sehr  bald  zur  Meinung  kamen,  es  stünde  in  ihrem  Belieben 
die  Kinder  überhaupt  erst  vor  dem  Eintritt  in  die  Schule  impfen  zu 
lassen.  Uebertragungen  von  einer  Jahresliste  in  die  des  nachfolgen¬ 
den  Jahres  wurden  nicht  vorgenommen.  Dass  sich  durch  Festhalten 
an  den  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen  viele  und  grosse 
fechwierigkeiten  und  Unannehmlichkeiten  für  den  Impfarzt  ergaben, 
ist  klar.  Nachsicht  und  wiederholte  Mahnung  waren  fruchtlos  ge- 
blieben.  Nach  schwerer  Arbeit  wurde  endlich  mit  Nachdruck  und 
Klage  erreicht,  was  mit  Güte  und  Geduld  nicht  zu  erreichen  war,  die 
feaumigen  zur  Ordnung  zu  bringen.  Mit  Genugtuung  muss  die  Nach¬ 
richt  begriisst  werden,  dass  es  der  Tätigkeit  und  dem  Pflichteifer 
des  Amtsarztes  endlich  gelungen  ist,  diese  schlimmen  Verhältnisse  ab- 
zustellen  und  den  Vollzug  der  gesetzlichen  Impfung  im  Amtsbezirke 
Wurzburg,  Stadt,  wieder  in  die  richtigen  Bahnen  zu  lenken. 

Vorschläge  zum  besseren  Vollzüge  der  Impfung  sind  aus  11  Amts¬ 
bezirken  eingelaufen.  Die  Amtsärzte  von  Vilsbiburg  und  Grünstadt 
weisen  auf  die  stetige  Variolagefahr  hin,  welche  die  vagierenden 
Hausiererfamilien  mit  ihren  Kindern  für  die  Oeffentlichkeit  seien 
Es  wäre  dringend  wünschenswert,  die  Eltern  solcher  Familien,  wenn 
sie  sich  beim  Bezirksamte  um  einen  Wandergewerbeschein  bemühen, 
zur  Impfung  ihrer  Kinder  anzuhalten.  Mehrere  Amtsärzte  Nieder¬ 
bayerns,  wie  auch  der  Amtsarzt  von  Bergzabern,  beklagen  lebhaft 
dass  die  Begehrlichkeit  nach  Verkleinerung  und  Vermehrung  der 
Impfbezirke  immer  grösser  wird.  Das  Verlangen,  überall  dort,  wo 
Hundevositationen  (!)  stattfinden,  auch  Impftermine  abzuhalten,  kehrt 
häufig  wieder.  Die  Seele  dieser  Agitation  ist  selbstverständlich  über¬ 
all  der  Gastwirt  des  Dorfes.  Die  zum  Teile  wiederholten  Vorschläge 
der  Amtsärzte  von  Blieskastel,  Riedenburg,  Ebermannstadt  und  Arn¬ 
stein  beziehen  sich  sowohl  auf  die  Aenderung  der  „Verhaltungsvor¬ 
schriften“  und  der  Impfformularien,  als  auch  insbesondere  auf  die  Be- 
nach  rieh tigunig  der  Amtsärzte  von  den  zwischen  Impfung  und  Nach¬ 
schau  oder  innerhalb  d’er  nächsten  14  Tage  nach  der  Impfung  ein- 
gebetenen  Todesfällen  der  Impflinge.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass 
die  genauesten  Erhebungen  aller  Einzelheiten  dieser  Fälle  schon  mit 
Rücksicht  auf  die  Impfgegner  und  die  von  denselben  betriebene  Legen¬ 
denbildung  von  gutem  Einflüsse  sein  könnten. 

Der  Impfarzt  von  Schöllkrippen  gibt  der  mehrfachen  Klage  Aus¬ 
druck,  daiss  die  Impfgebühren  in  vielen  Fällen  ganz  verzettelt  und 
ausserordentlich  verspätet  e'inlaufen.  Auf  diese  Weise  wird  der  Impf¬ 
arzt  des  Lohnes  für  seine,  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  erfordernde 
Impfarbeit,  eines  Lohnes,  um  den  er  sich  noch  dazu  in  beschämender 
Weise  wiederholt  selbst  bemühen  muss,  nicht  froh.  Sollte  nicht  in 
solchen  Fällen  eine  Beschwerde  an  zuständiger  Stelle  Abhilfe  schaffen 
können? 

Die  Amtsärzte  von  Dingalfing  und  Türkheim  wiederholen  die 
u  ünsche  in  Bezug  auf  die  Abgabe  kleinerer  Lymphegläser  seitens  der 
K.  Zentrahmpfanstalt.  Der  Berichterstatter  hat  diese  Wünsche  in 
seinen  früheren  Berichten  bereits  besprochen  und  muss  sich  daher 
nochmals  auf  die  früher  abgegebenen  Erklärungen  berufen. 


Verschiedenes. 

Kalender  für  das  Jahr  1908. 

Unter  den  in  grosser  Zahl  uns  zugegangenen  Kalendern  für  das 
kommende  Jahr  heben  wir  als  für  Aerzte  besonders  empfehlenswert 
folgende  hervor: 

D  M  e  d  i  z  i  n  a  1  -  K  a  1  e  n  de  r  1908.  Herausgegeben  von 
Dr  R.  W  e  h  m  e  r,  Regierungs-  und  Geh.  Med.-Rat  in  Berlin.  Berlin, 
Verlag  von  Aug.  Hirschwald.  Preis  M.  4.50. 

2.  Reichs-Medizi  ft  al-Kalender  1908.  Begründet  von 
Dr.  Paul  Börner.  Leipzig,  Verlag  von  G.  Thieme.  Preis  5  M. 

3.  Aerztlicher  Taschenkalender  1908.  Heraus- 
gegeben  vom  Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur 
Wahrung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen.  Leip¬ 
zig.  Preis  M.  3.50.  (Ohne  Aerzteverzeichnis  M.  1.50.)  Ledertasche 
M.  1. — . 

Die  drei  hier  genannten,  nach  dem  Alter  ihres  Erscheinens  auf¬ 
geführten  Kalender  zeichnen  sich  vor  allen  anderen  dadurch  aus,  dass 
ihnen  in  einem  2.  Bande  ein  vollständiges  Verzeichnis  aller  deutschen 
Aerzte  beigegeben  ist.  Ein  solches  Verzeichnis  ist  ein  so  notwendiger 
Besitz  wohl  für  jeden  Arzt,  dass  schon  um  seinetwillen  die  Anschaf¬ 


fung  eines  dieser  Taschenbücher  sich  empfiehlt.  Die  engere  Wahl  ist 
Geschmacksache.  1  und  2  bieten  mehr  an  wissenchaftlichem  Nach- 
schlagematerial,  während  3,  entsprechend  seinem  löblichen  Neben¬ 
zweck,  für  den  Leipziger  Verband  Propaganda  zu  machen,  in  einem 
besonderen  Beiheft  alle  den  Leipziger  Verband  betreffenden  Materia¬ 
lien  und  ferner  eine  Reihe  von  Artikeln  über  ärztliche  Standesfragen 
enthält  (Winke  für  die  Praxis,  über  ärztliche  Buchführung,  über  Ver- 
sicherungs-  und  Steuerfragen  etc.),  deren  Lektüre  wir  besonders 
jüngeren  Kollegen  sehr  ans  Herz  legen.  —  Der  II.  Teil  des  Hirsch- 
w  a  1  d  sehen  Medizinal-Kalenders  liegt  bereits  vor;  er  enthält  ausser 
dem  Aerzteverzeichnis  auch  die  wichtigsten  Gesetze  und  Verfügungen 
des  abgelaufenen  Jahres  auf  dem  Gebiete  des  Zivil-  und  Militärmedi¬ 
zinalwesens.  Von  2  und  3  steht  der  II.  Teil  noch  aus  und  wird  später 
angezeigt  werden. 

Von  weniger  umfangreichen,  und  daher  billigeren  Taschenbüchern 
seien  genannt: 

Medizinal-Kalender  und  Rezept-Taschen¬ 
buch  1908.  Herausgegeben  von  der  Redaktion  der  Allg.  medizin 
Zentral-Zeitung  (Dr.  H.  Lohnstein  und  Dr.  Th.  Lohnstein) 
15.  Jahrgang.  Berlin,  O.  Coblentz.  Preis  2  M. 

Taschen-Kalender  für  die  Aerzte  des  Deutschen 
Reiches.  Begründet  von  Stabsarzt  a.  D.  Lorenz,  herausgegeben 


JÜGÜ 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  52. 


von  Dr.  Paul  Rosenberg.  Berlin,  S.  Rosen-baura.  Preis 

2  M. 

Beide  empfehlenswerte  Begleiter  für  die  tägliche  Praxis. 

Zu  den  zahlreichen  bestehenden  Spezialkalendern  tritt  in  diesem 
Jahre  neu  hinzu  ein 

Röntgenkalender.  Begründet  und  herausgegeben  von 
Prof.  Dr.  Ernst  Sommer  in  Zürich.  Mit  44  Illustrationen  im  Text, 
23  Abbildungen  auf  6  Tafeln  und  einem  Bildnis  des  Prof.  Röntgen. 
Leipzig,  Verlag  von  Otto  N  e  m  n  i  c  h.  Preis  3  M. 

Der  Kalender  behandelt  in  zusammenfassenden  Artikeln  die 
wichtigsten  Fragen  der  Röntgenologie;  eine  Reihe  der  tüchtigsten 
Röntgenforscher  arbeiten  an  demselben  mit.  Für  Aerzte,  die  mit 
Röntgenstrahlen  arbeiten,  wird  der  Kalender  ein  bequemes  Hilfsmittel 
sein,  mit  den  Fortschritten  dieses  Faches  vertraut  zu  bleiben. 

Der  Deutsche  Hebammen-Kalender  (Berlin,  Verlag 
von  Elwin  Staude)  sei  auch  in  diesem  Jahre  den  Aerzten  zur 
Empfehlung  bei  Hebammen  in  Erinnerung  gebracht. 

Von  nicht-ärztlichen  Kalendern  liegen  uns  vor: 

Paul  Mosers  N o  t  i  zkale  nd-e  r  und  Tagebuch  1908. 
XXXII.  Jahrgang.  Schmal-Folio-Ausgabe.  Preis  2  M.  Qea-Verlag, 
Berlin. 

Als  Terminkalender  wegen  seiner  zweckmässigen  Anordnung 
und  seines  reichhaltigen  textlichen  Inhalts  auch  für  den  ärztlichen 
Schreibtisch  sehr  empfehlenswert. 

Frankfurter  Kalender.  Ein  Jahrbuch  für  1908.  Heraus¬ 
gegeben  von  E.  Klotz,  Fr.  Kurz  und  Th.  Schäfer.  Umschlag 
und  Monatsbilder  von  Fritz  B  o  e  h  1  e.  Frankfurt  a.  M.,  Verlag  von 
Moritz  D  i  e  s  t  e  r  w  e  g. 

Ein  künstlerisch  ausgestatteter  Kalender  mit  vielen  Beiträgen 
Frankfurter  Schriftsteller  aus  den  Gebieten  der  schönen  Künste  und 
Wissenschaften.  Die  Medizin  ist  vertreten  durch  einen  vorzüglich 
geschriebenen  Artikel  von  Prof.  Max  Fl  e  sch:  Eine  medizinische 
Akademie  in  Frankfurt  a,  M. 

Arzt  und  Kellermeister. 

In  der  No.  24  des  „Korrespondenzblattes  der  ärztlichen  Kreis-  und 
Bezirksvereine  im  Königreich  Sachsen“  findet  sich  unter  der  Ueber- 
schrift  „Arzt  und  Kellermeister“  folgende  bemerkenswerte 
Auslassung: 

„Dresden.  Für  die  in  dem  neuen,  zurzeit  noch  im  Bau  be¬ 
griffenen  Rathause  zu  verpachtende  Ratskellerwirtschaft,  in  der  nur 
Weinschank  stattfinden  soll,  hat  der  Rat  beschlossen,  einen  eigenen 
Regieweinkeller  einzurichten  und  zu  diesem  Behufe  für  die  Kellerei¬ 
verwaltung  vom  1.  März  1908  ab  die  Stelle  eines  städtischen 
Kellermeisters  mit  5000  bis  7000  M.  Gehalt  zu  begründen. 

Demgegenüber,  sei  die  einfache  Tatsache  festgestellt,  dass  die 
Inhaber  der  verantwortungsreichen  Oberarztstellen  an  den 
städtischen  Krankenhäusern  hierselbst  ein  Gehalt  von  3600  bis 
6000  M.  beziehen,  sowie  dass  die  kürzlich  neubesetzte  Stelle  des 
Stadtarztes  in  Dresden,  des  Stellvertreters  und  der  rechten 
Hand  des  Stadtbezirksarztes  mit  4500  M.  Grundgehalt,  das  von  3  zu 

3  Jahren  um  500  M.  bis  zu  6000  M.  Höchstgehalt  steigt,  ausgestattet  ist, 
und  dass  man  von  dem  Stadtarzte  als  selbstverständlich  verlangt,  dass 
er  die  (II.)  bezirksärztliche  Staatsprüfung  bestanden  hat,  die  erfor¬ 
derlichen  Kenntnisse  in  Hygiene  etc.  besitzt  und  sich  der  Ausübung 
privatärztlicher  oder  sonstiger  nebenamtlicher  Tätigkeit  enthält.  — 
Solche  Bewertung  von  Arzt  und  Kellermeister  in  städtischen 
Diensten  gibt  zu  denken! 

„Rectal  e“  nach  Dr.  med.  Krug  (D.R.G.M.  Pat.  appl.)  ist 
ein  Instrument  zur  Massage  des  Uterus  und  der  Prostata  vom  Rek¬ 
tum  aus.  Es  besteht  aus  einem  fingerdicken  Stab  aus  Hartglas,  der 
oben  kurz  umgebogen  und  mit  einem  Knopf  versehen  ist.  Die 

Massage  lässt  sich  mit  dem  einfachen 

*< - p.Ttir  ccr-.iE"  Instrument  leichter  und  bequemer  aus- 

fiihren  als  mit  dem  oft  zu  kurzen  und  mit 
der  Zeit  erlahmenden  Finger.  Auch  zur  Reposition  von  Analprolapsen 
und  herausgetretenen  Hämorrhoidalknoten  ist  der  Rektalestab  ausser¬ 
ordentlich  bequem.  Tadellose  Sauberkeit  ist  bei  der  Beschaffenheit 
des  Stabes  sehr  einfach  und  rasch  zu  erzielen.  Zu  beziehen  ist  das 
Instrument  von  der  Firma  F.  Mesch  &  Co.  in  Magdeburg.  R.  S. 

Therapeutische  Notizen. 

Gegenüber  den  Bestrebungen  der  Apotheker,  die  Tabletten¬ 
verordnung  einzudämmen,  weist  Harnack  (Ther.  Monatsh., 
1907,  10)  darauf  hin,  dass  die  Tablette  eine  sehr  empfehlenswerte  Art 
der  Verordnung  ist.  Sie  ist  in  der  Dosierung  sehr  genau  und  zuver- 
läsisig,  ist  praktisch,  zweckmässig,  schnell  lieferbar  und  nicht  un¬ 
nötig  kostspielig.  Kr. 

Zur  Behandlung  der  Urticaria  symptomatica  i  n  - 
f  a  n  t  i  1  i  s  empfiehlt  S  c  h  a  r  f  f  -  Stettin  angelegentlich  das  Ichthyol 
(Ther.  Monatshefte  1907,  No.  10).  Man  wendet  es  am  besten  an  in 
Form  einer  5 — 10  proz.  wässerigen  Lösung,  der  man  zweckmässig 
5  Proz.  Glyzerin  zusetzt.  Der  Körper  wird  mit  der  Lösung  2  mal  täg¬ 
lich  eingerieben,  darüber  pudert  man  Kartoffelmehl.  Kr. 


Amtliches. 

(P  r  e  u  s  s  e  n.) 

Erlass  betreffend  Zusätze  zu  den  Vorschriften  zur_  Ausführung  des 
Impfgesetzes  II  a  9095.  —  M.  12  005. 

Um  eine  Gefährdung  anderer  Personen  und  des  Impflings  selbst 
durch  Uebertragung  von  Vakzine  möglichst  zu  verhüten,  hat  sich 
eine  Ergänzung  der  Verhaltungsvorschriften  für  die  Angehörigen  der 
Erstimpflinge  bezw.  für  Wiederimpflinge  als  notwendig  erwiesen. 
Unter  Bezugnahme  auf  den  Runderlass  vom  28.  Februar  1900 
Min.  d.  g.  Ang.  M.  No.  13  827  U.  II,  U.  III  A.,  Min.  d.  Inn.  II  a  No.  793  II 
—  werden  daher  die  als  Anlage  zu  demselben  gegebenen  „Beschlüsse 
und  Vorschriften  zur  Ausführung  des  Impfgesetzes,  Ziffer  III,  Ver¬ 
haltungsvorschriften :  A.  Für  die  Angehörigen  der  Erstimpflinge. 
B.  Für  Wiederimpflinge"  im  Einvernehmen  mit  dem  Herrn  Reichs¬ 
kanzler  (Reichsamt  des  Innern)  auf  Grund  von  §  18,  Absatz  2  des 
Impfgesetzes  vom  8.  April  1874  durch  folgende  Zusätze  erweitert: 

Zu  A.  Für  die  Angehörigen  der  Erstimpflinge. 

1.  In  §  8,  Absatz  1  wird  am  Schlüsse  hinter  „verwendet  werden“ 
eingefügt:  „welche  ausschliesslich  zum  Gebrauch  für  den  Impf¬ 
ling  bestimmt  sein  müssen“. 

2.  In  §  9  ist  hinter  Absatz  2  als  neuer  Absatz  hinzuzufügen:  „Die 
Pflegepersonen  der  Impflinge  sind  dringend  davor  zu  warnen, 
die  Impfstellen  zufällig  oder  absichtlich  zu  berühren 
oder  die  in  den  Impfpusteln  enthaltene  Flüssigkeit  auf  wunde 
oder  mit  Ausschlag  behaftete  Hautstellen  oder  in  die  Augen 
zu  bringen.  Haben  sie  die  Impfstellen  trotzdem  berührt,  so 
sollen  sie  nicht  unterlassen,  sich  die  Hände  sogleich  sorgfältig 
zu  waschen.  Die  Impflinge  dürfen  nicht  mit  anderen  Per¬ 
sonen  gemeinsam  gebadet  werden:  die  weitere  Benutzung 
des  Wasch-  und  Badewassers  sowie  der  Abtrockentücher  für 
andere  Personen  ist  zu  unterlassen.  Ungeimpfte  Kinder  und 
solche,  die  an  Ausschlag  leiden,  dürfen  nicht  mit  Impflingen  in 
nähere  Berührung  kommen,  insbesondere  nicht  mit  ihnen  zu¬ 
sammen  schlafen.“ 

3.  In  §  10,  Absatz  1  ist  am  Ende  hinzuzusetzen: 

„Gebrauchte  Watte  und  gebrauchtes  Verbandzeug  sind  zu 
verbrennen“. 

Zu  B.  Für  Wiederimpflinge. 

In  §  4  wird  als  zweiter  Absatz  hinzugefügt: 

„Die  Pflegepersonen  sind  dringend  davor  zu  warnen,  die 
Impfstellen  zufällig  oder  absichtlich  zu  berühren  oder  die 
in  den  Impfpusteln  enthaltene  Flüssigkeit  auf  wunde  oder  mit 
Ausschlag  behaftete  Hautstellen  oder  in  die  Augen  zu  bringen. 
Haben  sie  die  Impfstellen  trotzdem  berührt,  so  sollen  sie 
nicht  unterlassen,  sich  sogleich  die  Hände  sorgfältig  zu 
waschen.  Gebrauchte  Watte  und  gebrauchtes  Verbandzeug 
sind  zu  verbrennen.  Ungeimpfte  Kinder  und  solche,  die  an 
Ausschlag  leiden,  dürfen  nicht  mit  Impflingen  in  nähere  Be¬ 
rührung  kommen,  insbesondere  nicht  mit  ihnen  zusammen 
schlafen.“ 

Euer  Hochwohlgeboren  ersuchen  wir  ergebenst,  das  hiernach 
Erforderliche  zu  veranlassen.  Wir  bemerken  dabei,  dass  ein  etwa 
noch  vorhandener  Bestand  von  Belehrungen  aufgebraucht  werden 
darf,  dass  denselben  jedoch  die  vorstehend  verzeichneten  Neuangaben 
als  besondere  Beilage  beizufügen  sind. 

Berlin,  den  2.  November  1907. 

Der  Minister  des  Innern. 

I.  V.:  L  i  n  d  i  g. 

Der  Minister  der  geistl.,  Unterrichts-  und  Medizinal-Angelegenheiten. 

I.  A.:  Förster. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

während  der  48.  Jahreswoche  vom  24.  bis  30.  November  1907. 

Bevölkerungszahl  548  000. 

Todesursachen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb.-M.)  13  (9*), 
Altersschw.  (üb.  60  J.)  1  (6),  Kindbettfieber  —  (l),  and.  Folgen  der 
Geburt  —  ( — ),  Scharlach  —  (1),  Masern  u.  Röteln  7  (3),  Diphth.  u. 
Krupp  2(1),  Keuchhusten  2  ( — ),  Typhus  —  ( — ),  übertragb.  Tierkrankh. 
—  (— ),  Rose  (Erysipel)  —  (l),  and.  Wundinfektionskr.  (einschl.  Blut- 
u.  Eitervergift.)  1  (4),  Tuberkul.  d.  Lungen  17  (25),  Tuberkul.  and. 
Org.  2(6),  Miliartuberkul.  2  (1),  Lungenentzünd.  (Pneumon.)  15  (8), 
Influenza  1  (1),  and.  übertragb.  Krankh.  3  (4),  Entzünd,  d.  Atmungs¬ 
organe  6  (5),  sonst.  Krankh.  derselb.  3  (5),  organ.  Herzleid.  21  (9), 
sonst.  Kr.  d.  Kreislaufsorg,  (einschl.  Herzschlag)  9  (2),  Gehirnschlag 
7  (9),  Geisteskrankh.  —  (1),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  6  (5),  and. 
Krankh.  d.  Nervensystems  5  (3),  Magen-  u.  Darm.-Kat.,  Brechdurchfall 
(einschl.  Abzehrung)  24  (21),  Krankh.  d.  Leber  4  (3),  Krankh.  des 
Bauchfells  1  (l),  and.  Krankh.  d.  Verdauungsorg.  2  (4),  Krankh.  d. 
Harn-  u.  Geschlechtsorg.  8  (5),  Krebs  (Karzinom,  Kankroid)  9  (18), 
and.  Neubildg.  (einschl.  Sarkom)  9  (6),  Selbstmord  1  (3),  Tod  durch 
fremde  Hand  —  (1),  Unglücksfälle  2  (4),  alle  übrig.  Krankh.  5  (5). 

Die  Gesamtzahl  der  Sterbefälle  188  (181).  Verhältniszahl  auf  das 
Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  17,8  (17,2),  für  die  über 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  12,2  (12,9). 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


Verlag  von  J.  F.  Lehmann  in  München.  —  Druck  von  E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  AG.,  München. 


Oie  Münchener  Medizinfsche  Wochenschrih  ersehe  nt  wöchentlich 


Umschlag. 


Zusendungen,, *}nd  zu  adressieren:  Für  die  Redaktion  Amuii- 
strasse  26.  Bureauzeit  der  Redaktion  von  81/,— 1  Uhr.  •  Für 
Abonnement  an  J.  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15  a.  •  Für 
•  Inserate  und  Beilagen  an  Rudolf  Mosse,  Promenadeplatz  16.  • 


.  MÜNCHENER  , 

Medizinische  Wochenschrift. 

ORGAN  FÜR  AMTLICHE  UND  PRAKTISCHE  ÄRZTE. 
ai  ....  ,  Herausgegeben  von 

tttf’  S'a-'^füy  y*icl1'  V'Lbeute’  lanke,  B. Spatz,  F. r. Winckel, 

- - - — - — _ Würzburg.  Nürnberg.  Berlin.  Erlangen.  Mü„hen.  München.  München. 

No.  53.  31.  Dezember  1907.  Redaktion:  Dr.  B.  Spatz,  Arnulfstrasse  26  _  .  - 

Verlag:  F.  Lehmann,  Paul  Heysestrasse  15a.  54‘  Jahrgang. 


Originalien. 

Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Breslau  (Direktor- 
Geh.  Rat  Prof.  Dr.  v.  Strümpell). 

Ueber  die  „Antifermentreaktion“  des  Blutes  und  ihre 
Beziehungen  zur  opsonischen  Kraft  bei  akuten  Infek¬ 
tionskrankheiten. 

Von  Marinestabsarzt  Dr.  Wiens,  kommandiert  zur  Klinik. 

Mit  Hilfe  der  von  Eduard  Müller  angegebenen  Anti- 

Veränl?^1011'1^1  rS  gelungen’  gewisse  gesetzmässige 
Veränderungen  in  den  Beziehungen  des  proteolytischen  Leuko¬ 
zytenferment  zu  seinem  „Antiferment“  im  Blute  bei  akuten 
nfektionskrankheiten  festzustellen.  Die  gewonnenen  Resul- 

'a  ;tps'ndr™  mir,ln  einei;  früheren  Arbeit1’)  mitgeteilt  worden, 
eitere  Untersuchungen  haben  eine  Bestätigung  derselben  er- 

ergänztmd  ^  ganzen  Reihe  von  wichtigen  Punkten 

•  Bei  denjenigen  akuten  Infektionskrankheiten,  welche  mit 

einer  erheblichen  Vermehrung  der  gelapptkernigen  Leukozyten 

ehenA,V ®rhaIten  Slch  die  Schwankungen  der  Hemmungs- 
ratt  )  im  Blutserum  etwa  folgendermassen :  Im  Beginn  der 
Erkrankung  tritt  als  Reaktion  auf  das  Eindringen  der  Infektions- 

virio6f  Cin?  St?*en£S  der  Hemmungskraft  ein;  im  weiteren 
rlauf,  unter  dem  Einfluss  der  sich  nunmehr  entwickelnden 

Kurve  I. 


dö 

s 10 

s3  c 

§  S 

.c: 

r 
*  # 


r. 

O 

0. 

ö. 

10. 

12 

S\ 

/ 

\ 

/ 

t 

— 

— 

L 

V 

Kurve  II. 

K rankheilstage 


(Nachdruck  der  Originalartikel  ist  nicht  gestattet.) 

zu  beobachten.  (Ob  dabei  pendelartig  geringe  Ausschläge  nach 
beiden  Seiten  erfolgen,  bis  eine  richtige  Ausbalancierung  er- 
i  eicht  ist,  erscheint  wahrscheinlich,  konnte  aber  von  mir  aus 
gewissen,  weiter  unten  erörterten  Gründen  bis  jetzt  noch  nicht 
nachgewiesen  werden.)  Anders  bei  ungünstig  verlaufenden 
,.krankungen:  Hio  geringer  als  normale  Hemmungskraft  steigt 
plötzlich  rapid  an,  ein  Zeichen,  dass  die  Schlitzkräfte  des 
Organismus  erlahmt  sind;  ein  späteres  Herabsinken  habe  ich 
in  solchen  Fallen  niemals  feststellen  können;  die  Hemmungs¬ 
kraft  bleibt  bis  zum  Exitus  in  derselben  Höhe. 

Als  Beispiele  mögen  folgende  Beobachtungen  dienen: 

I.  P.  H.,  4jähr.  Junge.  Sikarlatina.  Geheilt.  (Kurve  I.) 

,  IT!  BeSinn  der  Erkrankung  steigt  die  Hemmungskraft,  im  weiteren 
V erlauf  sinkt  sie  bis  unter  die  Norm  herab,  zu  der  sie,  nachdem  die 
Injektion  überwunden,  allmählich  wieder  zurückkehrt. 

(Kurve  IM  10läkr'  Junge-  Pneumokokken&epsis.  Gestorben. 

Der  initiale  Anstieg  ist  hier  nicht  zii  beobachten,  da  die 
Untei  suchiingen  erst  am  8.  Krankheitstage  begannen.  Die 
Hemmungskraft  ist  unter  der  Norm,  bis  am  11.  und  12.  Krank¬ 
heitstag  ein  rapides  Ansteigen  zu  verzeichnen  ist;  am  Tage 
darauf  Exitus. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  sind  nur  bei  den  mit  Leukozytose 
einhergehenden  akuten  Infektionskrankheiten,  also  bei  allen 
septischen  Erkrankungen  und  infektiösen  Entzündungen,  ferner 
bei  Scharlach,  Diphtherie,  Erysipel,  epidemischer  Zerebrospi- 


Kurve  III. 


§  15 

s 

^.10 

% 

V 


Vs 


\ 

\ 

— 

— 

La 

— 

_ 

V 

+ 

Kurve  IV. 

Krankheilstage  ■■ 

12.  15.  19.  22.  29 


,20 


■JO 

15 

§ 

-t 1 


Kurve  V. 


K rankheits  tage  • 

7.  10.  13.  1t.  19.  20. 


Vom  41.  Tag  ab  fieberfrei. 

durch  das  Antiferment  des  normalmfBlutserunfs’  noch  1rüch\StabgesrätUt!gTisSt  d^h^'  daS  lj)r°teolYtischi;  Leukozytenferment  des  Testeiters 
beobachten  ist.  Die  - LinTe^bT ’dleSe  t!nZe ‘iei ' dl'ö  Ze"sSShfe„U,kälLEtenbtili"negxir„f,der  " 


Schutzkräfte  des  Organismus  sinkt  sie  -bis  unter  die  Norm.  1 
Dieses  Stadium  hält,  mit  Schwankungen  geringeren  ürades 
je  nach  der  Art  und  der  Schwere  der  Infektion,  längere  oder 
urzere  Zeit  an.  Als  Zeichen  eines  günstigen  Krankheits- 
er  auts  ist  sodann  ein  langsames  Wiederansteigen  zur  Norm 

lvtkrhpÜlttho?ik  S;  EcJuard  M  ü  1 1  e  r:  Ueber  das  Verhalten  des  proteo- 
malPnh?LLt  k0iS^nfeiAmentt  Und  Seines  »Antifermentes“  in  den  nor- 

ÄTldSÄ!e9l  »Lxil""**"  teS  menscWichen  Körpers.  D- 

,  .  I  Wiens:  Untersuchungen  über  die  Beeinflussung  des  proteo¬ 
lytischen  Leukozytenfermentes  durch  das  „Antiferment“  des  Blutes. 

D.  Archiv  f.  klm.  Med.,  91.  Bd.  XX. 

<  ,  +  I  Auf  die  Untersuchungstechnik  und  die  angewandte  Nomen- 
Matur  kann  hier  nicht  naher  eingegangen  werden,  dieselbe  ist  in  den 

™ltea  wd  }  g'enauer  angegeben.  Da  der  dort  angewandte 
Ausdruck  Hemmungstiter“  zu  Missverständnissen  Anlass  geben  kann, 
er  durch  den  Ausdruck  „Hemmungskraft“  ersetzt  worden.  In  den 
der  Arbeit  beigefügten  Figuren  bedeutet  ein  Ansteigen  der 
Kurve  eine  Zunahme  der  verdauenden,  also  AbnahmederHe  m- 
mungskraft. 

No.  53. 


nalmeningitis  derartige  Schwankungen  der  Hemmungskraft  zu 
beobachten. 

In  ganz  besonderer  Weise  verlaufen  sie  beim  Typhus 
abdominalis. 

Beispiel:  III.  O.  L.,  löjähr.  Schiffer.  Geheilt.  (Kurve  III.) 

Die  Schwankungen  im  Beginn  der  Erkrankung  konnten 
hier,  wie  auch  in  den  meisten  anderen  Fällen,  nicht  festgestellt 
werden,  da  die  Typhuskranken  gewöhnlich  erst  am  Ende  der 
1.  Woche,  oder  noch  später,  in  unsere  Klinik  kommen. 

Während  des  ganzen  Höhestadiums  der  Krankheit  ist  die 
Hemmungskraft,  zum  Teil  recht  erheblich,  vermehrt,  dabei 
gehen  die  klinischen  Erscheinungen  damit  Hand  in  Hand:  je 
grösser  die  Hemmungskraft,  um  so  schwerer  erscheint  das 
ganze  Krankheitsbild.  In  günstig  verlaufenden  Fällen  erfolgt 
dann,  ungefähr  der  Zeit  der  Entfieberung  entsprechend,  eine 
Abnahme  bis  unter  die  Norm  und,  während  der  Rekonvaleszenz, 
ein  allmähliches  Wiederzunehmen  des  Antifermentgehaltes, 
Anders  ist  der  Verlauf  bei  letal  endenden  Typhuserkrankungen. 

Beispiel:  IV.  J.  W.,  46jähr.  Frau.  Gestorben,  (Kurve  IV.) 

X 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


Hier  ist  keine  Abnahme  der  Hemmungskraft  zu  beobachten, 
dieselbe  bleibt  vielmehr  bis  zum  Tode  ziemlich  erheblich  ge¬ 
steigert.  Natürlich  tritt  dies  nur  in  den  Fällen  ein,  wo  die 
Ursache  für  den  letalen  Ausgang  in  der  Schwere  der  Infektion 
zu  suchen  ist,  eine  etwaige  interkurrente  Todesursache  hat  auf 

die  Hemmungskraft  keinen  Einfluss. 

Beispiel:  V.  E.  W.,  18 jähr.  Schiffer.  Gestorben.  (Kurve  V.) 

Hier  war  der  Tod  die  Folge  einer  im  Anschluss  an  eine 
Thrombose  der  linken  V.  iliaca  externa  aufgetretenen  Lungen¬ 
embolie.  Die  klinischen  Erscheinungen  im  übrigen  sprachen 
dafür,  dass  die  Infektion  im  wesentlichen  bereits  über¬ 
wunden  war.  . 

Einen  ganz  charakteristischen,  von  dem  bisherigen  ab¬ 
weichenden  Verlauf  zeigen  ferner  die  Kurven  bei  kiuppöser 
Pneumonie;  darauf  wird  weiter  unten  näher  eingegangen 
werden. 

Welche  verschiedene  Faktoren  die  Hemmungskraft  des 
JBlutes  bei  den  erwähnten  Krankheitsformen  beeinflussen,  ist 
mit  Sicherheit  noch  nicht  zu  entscheiden.  Aus  dem  Umstand, 
dass  im  allgemeinen  den  Erkrankungen  mit  hoher  Leukozyten¬ 
zahl  geringe  Hemmungskraft  entspricht,  könnte  der  Schluss 
gezogen  werden,  dass  Steigerung  der  leukozytären  Vorgänge 
auch  eine  vermehrte  Produktion  von  proteolytischem  Leuko¬ 
zytenferment  zur  Folge  hat,  dass  also  die  Schwankungen  der 
Hemmungskraft  lediglich  von  dem  mehr  oder  weniger  grossen 
Gehalt  des  Serums  an  diesem  Ferment  abhängen,  während  das 
Antiferment  eine  konstante  Grösse  ist.  Nun  entspricht  aber, 
wie  zahlreiche  Untersuchungen  gezeigt  haben,  hoher  Leuko¬ 
zytengehalt  des  Blutes  keineswegs  immer  geringer  Hemmungs¬ 
kraft,  nach  beiden  Seiten  hin  kommen  Ausnahmen  vor;  so¬ 
wohl  Leukozytose  mit  reichlicher  als  auch  normale  oder  gar 
niedrige  Leukozytenwerte  mit  nur  mässiger  Henimungskraft 
habe  ich,  wenn  auch  nicht  häufig,  beobachten  können.  Die 
Menge  des  produzierten  Leukozytenferments  ist  ja  auch 
weniger  von  den  im  Blut  kreisenden,  als  vielmehr  von  den 
zerfallenen  gelapptkernigen  Leukozyten  abhängig.  Wahr¬ 
scheinlich  ist  auch  das  Antiferment  selbst  nicht  unerheblichen 
primären  Schwankungen  unterworfen.  Die  plausibelste  Er¬ 
klärung  ist  wohl  die,  dass  beide,  Ferment  und  Antiferment,  in 
Korrelation  zu  einander  stehen  und  in  annähernd  gleicher  Weise 
bei  den  beschriebenen  Krankheitsformen  ihren  Einfluss  geltend 
machen. 

Ein  Vergleich  dieser  Schwankungen  der  Hemmungskraft 
im  Blute  mit  den  Schwankungen  der  opsonischen  Kraft  bei 
akuten  Infektionskrankheiten  erlaubt  nun  den  Schluss,  dass 
beide  in  einem  reziproken  Verhältnis  zu  stehen  scheinen. 

Die  opsonische  Kraft  sinkt  im  Beginn  der  Erkrankung  unter 
dem  Einfluss  der  Infektionserreger  zunächst  unter  die  Norm 
(negative  Phase),  nach  kurzer  Zeit  steigt  sie  indessen  an  und 
hält  sich  eine  gewisse  Zeit  ungefähr  auf  gleicher  Höhe  (positive 
Phase).  Weitere  Schwankungen  der  beiden  Phasen  gehen  dem 
klinischen  Verlauf  parallel  in  der  Weise,  dass  positive  Phase 
einer  Besserung,  negative  einer  Verschlechterung  entspricht, 
also  gerade  umgekehrt  wie  bei  der  Hemmungskraft.  In  letal 
endigenden  Fällen  ist  die  opsonische  Kraft  besonders  gering, 
während  eine  erhebliche  Vermehrung  der  Hemmungskraft  ein- 
tritt. 

Ich  habe  bisher  Antifermentreaktion  und  Bestimmung  des 
opsonischen  Index  an  ein  und  demselben  Fall  nicht  vornehmen 
können,  vielmehr  nur  die  in  der  Literatur  mitgeteilten  Resultate 
mit  den  mehligen  verglichen.  Die  von  mir  bisher  angewandte 
Methode,  als  Testfliissigkeit  einen  frisch  entzündlichen  Eiter  zu 
benutzen,  hat  den  einen  Nachteil,  dass  der  Eiter  infolge  auto¬ 
lytischer  Vorgänge  seine  Beschaffenheit  nach  und  nach  ändert, 
infolgedessen  sind  feinere  Unterschiede  in  der  Hemmungskraft 
nicht  zu  bestimmen,  man  muss  sich  im  allgemeinen  mit  gröberen 
Differenzen  (Verdünnungen  1:1,  1:5,  1:10  usw.)  begnügen. 
Die  Versuche,  an  Stelle  des  Eiters  eine  Eermentlösung  von  be¬ 
stimmtem  Titer  zu  setzen,  die  keinen  solchen  Veränderungen 
unterworfen  ist,  haben  noch  zu  keinem  befriedigenden  Re¬ 
sultate  geführt.  Daher  sind  auch  die  oben  angeführten  feinen 
Differenzen  in  der  Hemmungskraft  während  der  Rekonvales¬ 
zenz  noch  nicht  bestimmt  worden,  auch  genaue  Vergleiche  mit 
dem  opsonischen  Index  sind  zurzeit  noch  nicht  möglich,  ich 
muss  mich  beschränken,  die  Resultate  in  gröberen  Umrissen 
wiederzugeben. 


Einige  Beispiele  mögen  zur  Erläuterung  des  Gesagten 
dienen : 

VI.  Typisch  verlaufende  kruppöse  Pneumonie,  nach  kritischer 
Entfieberung  in  Heilung  übergehend. 


Kurve  Via. 


Kurve  VI  b. 


A.  N.,  18 jähr.  Mädchen.*) 

(Erklärung  siehe 


N.  N.5) 

Kurve  I  bis  V.) 


Die  Kurven  zeigen,  vor  allem  im  Beginn,  einige  Differenzen. 
Sowohl  opsonische  wie  Hemmungskraft  sind  vermindert,  erst 
am  6.  Krankheitstage  nimmt  letztere  zu,  dann  steigen  beide 
Kurven  steil  an,  erreichen  nach  der  Krise  ihren  Höhepunkt, 
um  dann  wieder  zur  Norm  zurückzukehren  (a  allerdings  erst 
nach  einer  vorübergehenden  Steigerung  der  Hemmungskraft). 
Die  Differenzen  in  den  ersten  Krankheitstagen  sind  wohl  so  zu 
erklären,  dass  im  Falle  b  eine  schwere  Erkrankung  vorlag,  ein 
auch  klinisch  günstiger  Verlauf  (und  dementsprechend  die  posi¬ 
tive  Phase)  hat  erst  mit  der  Krise  eingesetzt,  während  a  eine 
gutartige  Form  von  Pneumonie  betraf,  wo  schon  am  2.  Krank¬ 
heitstag  die  initiale  Steigerung  der  Hemmungskraft  überwunden 
war.  Für  die  Schwankungen  letzterer  während  und  nach  der 
Krise  kommt  noch  ein  weiteres  Moment  in  Betracht,  auf  das 
Bittorf6)  zuerst  hingewiesen  hat.  Ein  Teil  des  bei  der  Re¬ 
solution  der  Pneumonie  wirksamen,  das  fibrinöse  Exsudat  auf¬ 
lösenden  Ferments  geht  nach  Ansicht  des  genannten  Autors 
in  das  Blut  über,  infolgedessen  musste  während  und  nach  der 
Krise  die  Hemmungskraft  des  Blutes  a  priori  eine  geringere 
sein,  als  bei  anderen  akuten  Krankheiten,  die  in  ähnlicher  Weise 
mit  Leukozytose  einhergehen.  Die  Korrelation  zwischen  Fer¬ 
ment  und  Antiferment  würde  zu  Gunsten  des  ersteren  eine 
Verschiebung  erleiden.  Eine  so  bedeutende  Rolle,  wie  B  i  t  - 
torf  annimmt,  spielt  dieses  Auftreten  von  Ferment  im  Blute 
jedoch  nicht,  sonst  wären  wohl  zwischen  den  Kurven  a  und  b 
zurzeit  der  Krisen  grössere  Differenzen,  tatsächlich  ist  ein 
Unterschied  zwischen  beiden  kaum  wahrnehmbar.  Lediglich 
die  stärkere  Vermehrung  der  Hemmungskraft  am  9.  Krank¬ 
heitstage  (a)  ist  vielleicht  als  eine,  dem  reichlicheren  Auftreten 
des  Ferments  im  Blute  folgende,  reaktive  Antifermentver¬ 
mehrung  aufzufassen. 

Tödlich  verlaufenden  Pneumonien  ist  sowohl  eine  erheb¬ 
liche  Steigerung  der  hemmenden,  als  auch  eine  starke  Ab¬ 
nahme  der  opsonischen  Kraft  unmittelbar  ante  exitum  ge¬ 
meinsam. 

VII.  Diphtherie. 


Kurve  VII  a. 

Krankheitsrage- 
2.  3.  5  G 


Kurve  VII  b. 

Krankbeitstage^ 


6  7. 


P.  S.,  9jähr.  Junge.  Geheilt. 

(Erklärung  siehe  Kurve 


N.  N.7) 
bis  V.) 


4)  Die  Kurve  ist  in  Arbeit  s)  bereits  veröffentlicht. 

5)  Ist  der  Arbeit  entnommen  von  L.  Hectoen3):  The  opsonic 
Index  in  certain  acute  infeotious  diseases.  Zentralbl.  f.  Bakt.,  I.  Abt., 
Originale,  Bd.  XLIV  (1907),  Heft  5,  S.  456. 

°)  Bit  torf:  lieber  die  Verteilung  des  proteolytischen  Leuko¬ 
zytenfermentes  und  seines  Antifermentes  im  Harn,  Blut  und  Auswurf 
im  Verlaut  der  kruppösen  Pneumonie.  D.  Archiv  f.  kttn.  Medizin, 
91.  Bd.  IX. 

7)  Aus  der  Arbeit  von  Hectoen  entnommen, 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2639 


Die  initiale  Zunahme  der  Hemmungskraft  ist  in  Fall  a  nicht 
mehr  zu  beobachten,  die  Kurve  beginnt  vielmehr  bereits  mit 
einem  Absinken  derselben  (am  2.  Krankheitstage  waren  2400 
Immunitätseinheiten  Heilserum  injiziert  worden).  Schon  am 
3.  Krankheitstage,  dem  Ansteigen  der  Kurven  (Abnahme  der 
Hemmungskraft)  entsprechend,  beginnen  die  Membranen  an 
den  Tonsillen  sich  abzustossen,  die  Temperatur  geht  herunter 
und  ist  vom  4.  Tage  normal;  die  Infektion  ist  vom  Körper 
überwunden. 

Ganz  analoge,  nur  reziproke  Verhältnisse  ergeben  sich  aus 
oer  Kurve  b.  Die  initiale  Verminderung  der  opsonischen  Kraft 
ist  hier  noch  zu  beobachten,  dann  erfolgt  rapides  Ansteigen  und 
allmähliches  Zurückgehen  zur  Norm.  Der  in  der  Originalarbeit 
auf  der  Kurve  7  b  noch  ejngezeichnete  opsonische  Index  für 
Streptokokken  ist  gegenüber  dem  für  Diphtheriebazillen  von 
untergeordneter  Bedeutung. 

Genauere  Bestimmungen  der  opsonischen  Kraft  bei  Ty¬ 
phuskranken  finden  sich  in  der  Arbeit  von  Hectoen  noch 
nicht,  nur  die.  Tatsachedst  mitgeteilt,  dass  im  allgemeinen  hoher 
opsonischer  Index  zu  beobachten  ist,  sobald  die  aktiven  Sym¬ 
ptome  zu  schwinden  beginnen,  also  ganz  dasselbe  Resultat, 
wie  ich  es  oben  mitgeteilt  habe:  Abnahme  der  Hemmungskraft, 
sobald  der  Höhepunkt  der  Krankheit  überwunden  erscheint. 

Die  von  mir  aufgeführten  Beispiele  werden,  so  hoffe  ich, 
genügen,  um  die  gesetzmässigen  Beziehungen  zwischen  Hem- 
mungs-  und  opsonischer  Kraft  des  Blutes  klarzulegen.  Welches 
die  Ursachen  dafür  sind,  wie  weit  die  Stoffe,  durch  welche  diese 
beiden  Reaktionen  hervorgerufen  werden,  mit  einander  ver¬ 
wandt  oder  gar  identisch  sind,  das  allerdings  wird  sich  zurzeit 
nicht  beantworten  lassen,  sind  doch  sowohl  Opsonine  wie 
Antifermente  hypothetische  Körper,  über  deren  Natur  zurzeit 
die  Anschauungen  sehr  differieren.  Vielleicht  ist  der  Schluss 
erlaubt,  dass  die  Beziehungen  zwischen  Ferment  und  Anti¬ 
ferment  einerseits,  Opsoninen  andererseits,  auch  auf  eine  Fer¬ 
mentnatur  der  letztgenannten  Stoffe  hinweisen.  Nur  das  eine 
ist  wohl  jetzt  schon  mit  Sicherheit  zu  sagen,  dass  beide  Vor¬ 
gänge  Aeusserungen  ein  und  desselben  biologischen  Prozesses 
sind,  der  in  letzter  Linie  an  die  Tätigkeit  der  Leukozyten  ge¬ 
knüpft  ist. 

Von  praktischer  Bedeutung  können  die  von  mir  gefundenen 
Schwankungen  der  Hemmungskraft  dann  werden,  wenn  es  ge¬ 
lingt,  die  Methode  so  zu  vervollkommnen,  dass  auch  geringe 
Differenzen  sicher  nachgewiesen  werden  können.  Die  Technik 
ist  eine  so  einfache  und  wenig  zeitraubende,  dass  sie  gegenüber 
der  umständlichen  und  lange  Zeit  in  Anspruch  nehmenden  Be¬ 
stimmung  des  opsonischen  Index  eine  erhebliche  Vereinfachung 
der  Untersuchung  bedeutet,  wenigstens  bei  den  Krankheiten, 
wo  es  sich  lediglich  um  die  Bestimmung  des  Index  für  eine 
Bakterienart  handelt. 

Kochsalzentziehung  beim  Schwangerschaftshydrops. 

Von  Dr.  H.  C  r  a  m  e  r  in  Bonn  a/Rh. 

Nach  Analogie  der  Erfahrungen  beim  nephritischen  Oedem 
hatte  ich  vor  2  Jahren  Versuche  angestellt,-  auch  die  Oedeme 
und  den  Hydrops  der  Schwangerschaft  durch  Kochsalzent¬ 
ziehung  zum  Verschwinden  zu  bringen.  Die  Erfolge  waren 
überraschend  gut  (Monatsschr.  f.  Geburtsh.  u.  Gynäkol.,  Bd.  23). 
Es  handelt  sich  um  ein  höchst  einfaches,  unter  allen  Verhält¬ 
nissen  durchführbares  diätetisches  Verfahren.  Der  Küchen¬ 
zettel  ist  folgender:  Thee,  Kakao,  Kaffee,  Malzkaffee,  Limo¬ 
naden  von  Fruchtsaft  mit  Leitungswasser,  Reis,  Gries,  Sago, 
Kartoffeln,  Mehlspeisen,  Pudding,  Gemüse,  Salate,  frisches  oder 
gekochtes  Obst,  täglich  2  Eier,  salzfreies  Brot,  salzfreie  (aus¬ 
gewaschene)  Butter.  Jeglicher  Salzzusatz  zu  den  Speisen  ist 
zu  vermeiden.  Alle  an  sich  kochsalzreichen  Nahrungsmittel, 
wie  Fleisch  und  Milch,  sind  auszuschalten.  Zur  schmack¬ 
hafteren  Zubereitung  können  Gewürze  jeder  Art  verwendet 
werden.  Wein  und  Bier  in  mässiger  Menge  ist  gestattet.  Ueber 
das  Quantum  der  zu  trinkenden  Flüssigkeit  wird  keine  Vor¬ 
schrift  gegeben.  Die  Kur  wird  stets  ambulatorisch  durch¬ 
geführt,  d.  h.  so,  dass  die  Frauen  ihrer  gewohnten  Arbeit  und 
Beschäftigung  nachgehen. 

Das  Verfahren  hat  sich  mir  bei  weitererer  Anwendung  so 
glänzend  bewährt,  dass  ich  es  für  die  Behandlung  des 


Schwangerschaftshydrops  allen  Kollegen  dringend  empfehlen 
kann.  Das  Verschwinden  der  Oedeme  dokumentiert  sich  be¬ 
reits  in  den  ersten  3  Tagen  der  Salzentziehung  in  einer  Ver¬ 
mehrung  der  Urinmengen.  Dabei  bessert  sich  das  Allgemein¬ 
befinden  der  Schwangeren  wesentlich,  das  Gehen  wird  leichter, 
die  unangenehmen  Sensationen,  die  durch  Spannung  der  Haut  in 
den  Fingern,  Armen,  Füssen,  im  Gesicht  etc.  bedingt  sind,  ver¬ 
schwinden  in  6  bis  8  Tagen  vollständig.  Ich  habe  diese  Diät 
viele  Wochen  lang  bis  zur  Niederkunft  durchführen  lassen. 
Ein  nachteiliger  Einfluss  der  Kochsalzentziehung  auf  die  Ent¬ 
wicklung  und  Lebensfähigkeit  der  Früchte  konnte  auch  bei 
Frühgeburten  und  Zwillingen  nicht  festgestellt  werden.  Aus 
einer  Beobachtung  der  letzten  Zeit  habe  ich  sogar  den  Ein¬ 
druck,  dass  die  strenge  Durchführung  der  Diät  ein  JHydramnion 
zum  Stillstand  gebracht  und  die  Entbindung  am  normalen  Ter¬ 
min  ermöglicht  hat.  Auffallend  ist,  dass  Diätfehler,  d.  h.  Salz¬ 
zufuhr,  sofort  wieder  zum  Hydrops  führen. 

Wenn  wir  bedenken,  dass  die  hydropischen  Schwangeren, 
abgesehen  von  den  lokalen  und  allgemeinen  Beschwerden,  die 
der  Hydrops  mit  sich  bringt,  erfahrungsgemäss  zur  Eklampsie 
und  Albuminurie  besonders  disponiert  sind,  so  erwächst  uns 
daraus  geradezu  die  Pflicht,  dem  Hydrops  graviditatis  eine 
grössere  Beachtung  zu  schenken  als  bisher  und  therapeutisch 
dagegen  vorzugehen.  Bisher  standen  wir  dieser  Störung  ziem¬ 
lich  machtlos  gegenüber.  Die  übliche  Behandlung  bestand  in 
der  Hervorrufung  von  Schweissen  durch  die  J  a  q  u  e  t  sehen 
Einwicklungen  (A  h  1  f  e  1  d)  oder  Heissluftapparate,  Verab¬ 
folgung  von  Diuretizis,  Bettruhe  und  Milchdiät.  Alle  diese 
Massnahmen  Hessen  uns  im  Stich,  abgesehen  davon,  dass  sie 
für  die  Patientinnen  höchst  unbequem  und  z.  B.  für  die  Herz¬ 
tätigkeit  nicht  unbedenklich  waren. 

Wenn  nun  auch  der  praktische  Erfolg  der  Salzentziehung 
nach  meinen  Beobachtungen  ausser  Zweifel  steht,  so  ist  die 
theoretische  Erklärung  desselben  nicht  leicht.  Vom  nephri¬ 
tischen  Oedem  wissen  wir,  dass  es  sich  hier  um  eine  wirkliche 
Kochsalzretention  und  um  eine  nachweisbare  Verminderung  der 
Kochsalzausscheidung  im  Urin  handelt.  Es  lag  nahe,  gewisser- 
massen  ex  juvantibus  für  die  Schwangerschaft  ähnliche  Ver¬ 
hältnisse  anzunehmen.  In  meiner  ersten  Mitteilung  kam  ich  zu 
folgenden  Schlussfolgerungen  über  die  Natur  des  Hydrops 
graviditatis: 

„Der  Hydrops  graviditatis  hat  seine  Ursache  in  einer 
toxischen  Störung  des  Stoffwechsels  und  kann  durch  Koch¬ 
salzentziehung  zum  Verschwinden  gebracht  werden.  Das  bei 
Schwangerschaft  häufig  beobachtete  Oedem  der  unteren  Ex¬ 
tremitäten  ist  kein  Stauungsödem,  sondern  ein  statisches  und 
kann  nur  dann  in  Erscheinung  treten,  wenn  der  Hydrops  einen 
gewissen  Grad  erreicht  hat.  Ein  direkter  Zusammenhang  des 
Hydrops  graviditatis  mit  der  Leyden  sehen  Schwanger¬ 
schaftsniere  ist  nicht  nachweisbar,  da  Eiweissausscheidung  bei 
verschwindendem  und  völlig  fehlendem  Hydrops  beobachtet 
wird.  Es  ist  notwendig,  die  bisher  übliche  Bezeichnung 
„Schwangerschaftsniere“  durch  Schwangerschaftsalbuminurie 
zu  ersetzen  und  den  Begriff  der  Schwangerschaftniere  so  weit 
zu  fassen,  dass  auch  die  ohne  Albuminurie  einhergehenden 
.  Störungen  der  Nierenfunktion  darunter  Platz  finden  können.“ 

Zu  diesem  letzteren  Satze  veranlasste  mich  die  Annahme, 
dass  für  das  Zustandekommen  des  Hydrops  eine  toxische  Stö¬ 
rung  der  Nierenfunktion  in  Betracht  zu  ziehen  sei.  Daneben 
aber  musste,  wie  ich  ebenfalls  ausführte,  eine  toxische  Alte¬ 
ration  der  kapillaren  Endothelien,  d.  h.  eine  abnorme  Durch¬ 
lässigkeit  der  kapillaren  Gefässwände  (Friedrich  Müller),  an¬ 
genommen  werden.  Welcher  Art  diese  Störungen  seien,  konnte 
ich  nicht  sagen. 

In  einer  soeben  erschienenen  Arbeit  hat  sich  nun  Birn¬ 
baum1)  die  wichtige  Aufgabe  gestellt,  die  Verhältnisse  der 
Kochsalzausscheidung  in  der  Schwangerschaft  genau  zu  unter¬ 
suchen.  Er  kam  zu  dem  Resultat,  dass  unter  normalen  Ver¬ 
hältnissen  und  beim  Hydrops  graviditatis  die  Kochsalzaus¬ 
scheidung  nicht  herabgesetzt  ist,  während  bei  der  Schwanger¬ 
schaftsalbuminurie  (Nephritis)  die  Chloride  im  Urin  vermindert 
sind.  Damit  ist  ein  grundlegender  Unterschied  zwischen  dem 
nephritischen  und  dem  Hydrops  graviditas  gegeben.  B  i  r  n  - 
bau  m  folgert  hieraus,  dass  der  Schwangerschaftshydrops 
nicht  durch  eine  Störung  der  Nierenfunktion  bedingt  sei,  son- 


2640 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


dern  durch  eine  toxische  Noxe  im  Blute  der  Schwangeren; 
der  Erfolg  der  oben  angegebenen  Diät  sei  deshalb  nicht  von  der 
NaCl-Entziehung  abhängig,  sondern  beruhe  darauf,  dass  diese 
reizlose  Diät  einen  günstigen  Einfluss  auf  den  toxischen  Zu¬ 
stand  habe.  Diese  letztere  Vorstellung  ist  zum  mindesten  un¬ 
klar.  Die  praktische  Erfahrung  aber  beweist  das  Gegenteil: 
Wenn  man  den  Hydrops  graviditatis  durch  die  oben  beschrie¬ 
bene  Diät  zum  Verschwinden  gebracht  hat,  so  braucht  man  zu 
demselben  Diätzettel  nur  NaCl  hinzuzusetzen,  um  die  Oedeme 
alsbald  wieder  auftreten  zu  sehen.  Und  wenn  Birnbaum 
auch  den  sehr  wichtigen  Nachweis  erbrachte,  dass  es  sich  beim 
Schwangerschaftshydrops  nicht  um  eine  Insuffizienz  der  Niere 
für  Chloridausscheidung  handelt,  so  ist  damit  noch  nicht  dar¬ 
getan,  dass  .eine  Störung  der  Nierenfunktion  hier  überhaupt 
nicht  in  Betracht  kommt.  Bekanntlich  bedürfen  derartige 
Funktionsstörungen  keines  pathologisch-anatomischen  Sub¬ 
strats,  wie  Birnbaum  anzunehmen  scheint.  Sehr  wohl 
könnte  z.  B.  die  Fähigkeit  der  Niere  für  die  Wasserausscheidung 
gestört  sein.  So  vertrat  Marischier2)  im  Streit  um  die  Er¬ 
klärung  des  nephritischen  Oedems  den  Standpunkt,  dass  die 
Wasserretention  das  Primäre  sei  und  die  Salzretention  erst 
sekundär  erfolge.  Jedenfalls  ist  es  nötig,  diese  Fragen  weiter 
zu  klären. 


Aus  dem  chemischen  Laboratorium  der  Landesheil-  und  Pflege¬ 
anstalt  Uchtspringe  (Direktor:  Professor  Dr.  Alt). 

Ueber  Pankreon. 

Von  Dr.  Ph.  Fischer  und  Dr.  J.  Hoppe. 

Da  die  Ernährung  Geistes-  und  Nervenkranker  oft  auf 
grosse  Schwierigkeiten  stösst,  ist  ein  jedes  Mittel  willkommen, 
welches  die  Aufnahme  der  Nahrung  erleichtert  oder  die  Aus¬ 
nutzung  verbessert.  In  neuerer  Zeit  wurde  dem  Pankreon 
(Chemische  Fabrik  Rhenania-Aachen)  insbesondere  für  die 
Fettverdauung  eine  solche  Wirkung  zugeschrieben.  Dies  ver- 
anlasste  Herrn  Prof.  Dr.  A 1 1,  uns  mit  der  Untersuchung  dieses 
Präparates  zu  betrauen.  Die  Untersuchungen  wurden  zum 
Teil  an  Gesunden,  zum  Teil  an  Geistes-  und  Nervenkranken 
und  an  Tuberkulösen  vorgenommen.  Da  eine  genaue  Ab¬ 
grenzung  des  Kotes  bei  starken  Durchfällen  paralytischer  und 
tuberkulöser  Kranken  fast  unmöglich  wird,  da  uns  zu  Anfang 
auch  geeignete  Kranke  mit  schlechter  Fettverdauung  nicht  zur 
Verfügung  standen,  wurde  die  Wirkung  des  Paukreons  zu¬ 
nächst  dadurch  festgestellt,  dass  Versuchspersonen  mit  nor¬ 
maler  Fettverdauung  grössere  Fettmengen  (täglich  130 — 169  g) 
in  der  Nahrung  enthielten.  Ueber  die  Wirkung  des  Pankreons 
bei  diesen  Personen  gibt  die  nebenstehende  Tabelle  Auf¬ 
schluss,  wobei  die  Höhe  der  Säule  der  Zahl  der  ausgeschiedenen 
Gramm  Fett  entspricht: 

Der  günstige  Einfluss  des  Pankreon  zeigt  sich  somit  erst 
dann,  wenn  die  Ausnutzung  des  Fettes  eine  schlechtere  wird. 
Bei  den  Personen  mit  sehr  guter  Fettresorption  wurde  sogar 
bei  der  Pankreondarreichung  in  allen  Fällen  mehr  Fett  aus¬ 
geschieden;  es  stimmt  dies  mit  der  klinisch  beobachteten  Tat¬ 
sache  überein,  dass  das  Pankreon  insbesondere  bei  Obstipation 
auf  den  Stuhlgang  fördernd  einwirkt.  Gleichzeitig  neben  den 
Fettbestimmungen  wurde  auch  der  Umsatz  und  die  Ausnutzung 
des  Eiweisses  festgestellt.  Ein  Einfluss  des  Pankreon  trat  hier 
nicht  hervor.  Auch  auf  die  Fettspaltung,  auf  welche  von  dia¬ 
gnostischen  Standpunkte  aus  Fr.  Müller  mit  Recht  grosses 
Gewicht  legt,  wirkte  das  Pankreon  bei  den  gesunden  Personen 
nicht  mit  unzweideutigem  Erfolg.  Viel  deutlicher  als  bei  den 
gesunden  Versuchspersonen  wird  die  Wirkung  des  Pankreons 
bei  Kranken,  die  infolge  verminderter  Pankreastätigkeit  oder 
anderer  erschöpfender  Krankheiten  erheblichere  Störungen  der 
Fettaufnahme  zeigten.  Mit  ziemlicher  Genauigkeit  konnte  bei 
3  Kranken  die  Wirkung  des  Pankreons  festgestellt  werden  und 
zw  ai  bei  einer  Basedowkranken, die  gleichzeitig  an  Tuberkulose 
litt,  2.  bei  einem  Paralytiker  mit  zahlreichen  Durchfällen  und 
3.  bei  einem  an  Darmtuberkulose  leidenden  Idioten.  Da  jedoch 
infolge  der  erhöhten  Peristaltik  und  häufigen  Durchfälle  die 


D  Arch.  f.  Qynäkol.,  Bd.  83,  H.  3. 

2)  Arch.  f.  Verdauungskrankli.  1901. 


üblichen  Abgrenzungsmittel  nur  sehr  unvollkommene  Zeichen 
gaben,  sind  die  Resultate  nicht  in  dem  Masse  genau,  wie  bei 
den  zuerst  genannten  gesunden  Versuchspersonen;  immerhin 
aber  dürften  sie  der  Wirklichkeit  nähe  kommen.  Weil  die  tren¬ 
nenden  Farbmittel  (Kohle,  Karmin)  vielfach  in  einander  über¬ 
gingen,  wurde  auf  die  gewöhnliche  Abgrenzung  ganz  verzichtet 
und  der  gesamte  Stuhlgang  von  4  Tagen  bei  bestimmter 
Nahrung  gesammelt  und  untersucht. 


I, 74 
2,64 

3,10 

4,72 

3,49 

5,07 

3,61 

5,48 

5,4 

5,67 

8,7 

6,33 

14,51 

II, 22 


ohne 


mit 


Pankreon. 


ohne 


mit 


ohne 


mit 


ohne 


mit 


u.11, 

Pankreon. 


Pankreon. 


Pankreon. 


Pankreon. 


Xi 


Pankreon. 


?D 

ftJ 
3 
c r> 
v> 
o 
ET 
G> 


3 

QTQ 


ilo  . 


nt*> 


Pankreon. 


o 


o 

n 

3 

3 

& 

3 

3 

O 

3* 

O. 

O 

*0 

Sä 

3 

PT 

n 

o 

3 

*— »i 

3: 

rt> 

3 

3 

W 


Bei  Patientin  A  (der  Basedowdtranken)  wurden  dabei  in  der 
I.  Periode  (ohne  Pankreon)  von  dem  in  der  Nahrung  (die  Nah¬ 
rung  bestand  in  Milch,  Brot  und  Butter)  aufgenommenen  Fett 
39  Proz.,  von  den  N-haltigen  Nahrungsbestandteilen  21  Proz. 
ausgeschieden.  In  den  4  Tagen  der  Pankreondarreichung 
gingen  durch  den  Kot  gegen  12  Proz.  Fett,  9  Proz.  Eiweiss  ab. 
Der  Einfluss  des  Pankreons  war  hier  somit  ein  sehr  deutlicher. 
Bei  Fall  II  (Paralitiker)  gingen  in  der  I.  Periode  vom  Fett  im 
Kot  34  Proz.,  vom  Eiweiss  18  Proz.  ab,  während  der  Pankreon- 
behandlung  vom  Fett  23  Proz.,  vom  Eiweiss  16  Proz.  Der 
dritte  Kranke  (an  Darmtuberkulose  leidender  Idiot)  verlor  in 
der  ersten  Periode  im  Kot  vom  Fett  42  Proz.,  vom  Eiweiss 
23.  Proz.  In  der  II.  Periode  unter  Pankreon  vom  Fett  31  Proz., 
vom  Ehveiss  22  Proz. 


Es  trat  also  bei  diesen  Kranken,  bei  denen  die  Leber,  so 
w^eit  erkenntlich,  noch  nicht  in  erheblichem  Grade  krankhaft 
verändert  war,  der  günstige  Einfluss  des  Pankreons  deutlich 
hervor.  Bei  dem  Paralytiker  und  an  Tuberkulose  leidenden 
Idioten  war  gleichzeitig  auch  der  Abgang  der  alkalischen  Erden 
:m  Kot  festgestellt. 

Es  verlor  der  Paralytiker,  im  Durchschnitt  (auf  1  Tag)  be¬ 
rechnet: 

in  der  I.  Periode:  3,42g  Ca, 

während  der  Pankreonverabreichung  nur:  2,01g  Ca, 

der  an  Darmtuberkulose  leidende  Idiot 

in  der  ersten  Periode  täglich:  2,62g  Ca, 

in  der  zweiten  Periode:  1,78g  Ca.  O. 

Leider  w'aren  durch  ein  Versehen  in  beiden  Fällen  die 
Kotmengen  bereits  verschüttet,  ehe  der  Grad  der  Fettspaltung 
und  Verseifung  festgestellt  wrar. 

Die  Wirksamkeit  des  Pankreons  auf  den  Umsatz  der  Kohle¬ 
hydrate  wurde  bei  2  Diabetikern  geprüft,  von  denen  der  eine 
gegen  70  g,  der  andere  gegen  300  g  Zucker  täglich  im  Urin 
entleerte.  Ein  Einfluss  auf  den  Zuckergehalt  des  Urins  und  die 
Kohlehydratausscheidung  im  Kote  trat  nicht  hervor. 


3l.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2641 


Aus  der  Leipziger  Mediz.  Universitätspoliklinik,  Abteilung  für 
Hautkrankheiten  (Qeheimrat  Prof.  Dr.  Hoff  mann). 

Alternierendes  Auftreten  von  Purpura  rheumatica  und 
Erythema  exsudativum  multiforme  Hebrae. 

Von  Hans  Vorn  er. 


Ausbrüche  von  Erythema  exsudativum  multiforme  Hebrae 
kommen  gelegentlich  bei  einem  Individuum  gleichzeitig  mit 
solchen  von  Purpura,  beziehentlich  von  Purpura  rheumatica 
vor.  Namentlich  im  Frühjahr  und  im  Herbst  werden  kleine  Epi¬ 
demien  beider  Affektionen  mitunter  beobachtet.  Während  aber 
hierbei  das  Erythem  und  die  Purpura  zeitlich  Zusammentreffen 
oder  nur  wenig  differieren,  ist  der  Verlauf  im  folgenden  Falle 
etwas  komplizierter. 


Am  6.  IV.  v  J.  kommt  der  lOjähr.  Knabe  B.  in  die  Poliklinik, 
er  zeigt  an  den  Unterschenkeln  einschliesslich  der  Gegend  um  das 
-Pi  unggelenk  sowie  um  das  Kniegelenk,  vereinzelt  auch  auf  dem  Fuss- 
rucken,  eine  Anzahl  roter  bis  livider  Flecke  von  Hirsekorn-  bis  über 
Linsengrösse,  die  vollkommen  flach  die  Oberfläche  in  ihrer  Gestalt 
keineswegs  verändern  und  deren  Farbe  auf  Fingerdruck  nicht  schwin- 
det.  Desgleichen  finden  sich  derartige  Flecke  am  Handrücken,  am 
Handgelenk,  am  Unterarm  und1  am  Ellenbogengelenk. 

Nach  Angabe  des  Patienten  hat  er  vor  dem  Ausbruche  des  Aus- 
schlages  ziehende  Schmerzen  im  Knie-  und  Sprunggelenk,  sowie  im 
Ellenbogengelenk  gespürt.  Die  Eltern  sind  stets  frei  von  Ausschlägen 
gewesen,  nur  der  Vater  leidet  gelegentlich  an  Rheumatismus. 


Arn  folgenden  und  übernächsten  Tag  (7.  und  8.  IV.)  erscheinen 
die  Flecke  livider  und  von  weniger  intensiver  Färbung.  Am  9.  IV. 
zeigen  dieselben  ein  Knötchen-  bezw.  quaddelförmiges  Vorspringen 
und  ihre  Farbe  hat  einen  lebhafter  rotenTon.  24  Stunden  später  haben 
sich  die  Effloreszenzen  ausgedehnt  und  zwar  ums  Doppelte  bis  Drei- 
iache.  Der  Rand  ist  erhaben,  von  hellroter,  verdrängbarer,  nach 
Weglassen  des  Druckes  sofort  und  intensiv  wiederkehrender  Färbung 
das  Zentrum  etwas  eingesunken  livid,  seine  Färbung  gleichfalls  ver- 
drangbar. 


In  den  nächsten  drei  Tagen  traten  noch  Nachschübe  gleicher 
Effloreszenzen  ein,  indem  sich  hochrote  bis  braunrote  derbe  Knötchen 
und  flache  Knoten  bilden,  die  später  sich  peripherwärts  ausdehnen. 
Zentral  dagegen  werden  sie  livid,  wobei  die  Farbe  auf  Druck  ver- 
drangbar  ist.  Am  17.  IV.  erscheinen  die  Effloreszenzen  blutig  ver¬ 
erbt,  wobei  die  Farbe  nicht  mehr  wegdriickbar  ist. 

Die  Knötchen  verschwinden,  in  den  folgenden  10  Tagen  werden 
nur  rem  hämorrhagische  Flecken  sichtbar. 

Am  27.  IV.  entwickeln  'Sich  aus  den  letzteren  wieder  knötchen- 
rv’l?  EfAflor®sfenze»  wie  früher.  Verbreitung  und  Nachschübe  bis 
,.v *  '  Am  folgenden  Tage  sind  Hämorrhagien  in  und  neben  den 
Effloreszenzen  zu  bemerken.  Am  11.  und  13.  wieder  neue  Beinflecke. 
Am  15.,  18.  und  20.  wieder  Erythemknötchen  in  geschilderter  Ver¬ 
fassung,  am  25.,  27.  und  30.  neue  Hämorrhagien. 

In  dieser  Weise  wechselten  die  Ausbrüche  von  Erythemknoten 
und  Hämorrhagien  durchschnittlich  in  einem  Zeitraum  von  14  Tagen. 
Stets  schloss  sich  eine  Art  der  Effloreszenzen  an  die  andere  an. 
Anfang  Juli  hörte  die  Affektion  vollständig  auf  und  der  Patient  ist 
seither  nicht  wieder  erkrankt. 

Es  handelt  sich  im  vorliegenden  Falle  nicht  bloss  um  ein 
zufälliges  Nebeneinandervorkommen  von  zwei  Hautaffektionen, 
sondern  dieselben  treten  abwechselnd  auf  und  ihre  Efflores¬ 
zenzen  gehen  in  einander  über,  so  dass  evs  manchmal  schwer 
fällt,  zu  entscheiden,  ob  sie  der  einen  oder  der  anderen  Kate¬ 
gorie  noch  angehören.  Dieses  alternierende  Auftreten  von 
Erythema  exsudativum  multiforme  Hebrae  und  Purpura  rheu¬ 
matica  wäre  durch  die  Annahme,  dass  beiden  Prozessen  die 
gleiche  Aetiologie  zu  Grunde  läge,  wohl  erklärt.  Wenn  diese 
Annahme  auch  im  allgemeinen  keine  Geltung  hat,  (SO  ist  doch, 
da  Purpura  auch  symptomatisch  bei  einer  ganzen  Reihe  von 
Infektionskrankheiten  gelegentlich  vorkommt,  in  diesem  Falle 
bei  dem  sich  durch  ein  Vierteljahr  fortsetzenden  Alternieren 
beider  Affektionen  recht  gut  möglich,  dass  die  Ursache  des 
Hebraschen  Erythems  auch  die  Purpura  veranlasste. 


)  In  dieser  Zeit  schickte  Herr  Geheimrat  H  o  f  f  m  a  n  n  den 
Kranken  Herrn  Prof.  Dr.  Rille,  welcher  ihn  für  einen  typischen 
Fall  von  Erythema  exsudativum  multiforme  Hebrae  erklärte. 

No.  53. 


Aus  der  Nervenpolikliuik  des  Albert-Zweigvcreins  Leipzig. 

Spätläsion  des  Ulnaris. 

Von  Dr.  H.  B  r  a  s  s  e  r  t. 

Wenig  beachtet  sind  nach  Oppenheim1)  jene  Spät¬ 
lahmungen  des  Ulnaris,  die  infolge  von  Verletzungen  und 
Affektionen  anderer  Art  am  Ellenbogengelenk,  durch  Kallus¬ 
bildung  oder  narbige  Verwachsungen  hervorgerufen  und  un¬ 
mittelbar  ausgelöst  durch  eine  brüske  Bewegung,  Ueber- 
anstrengung  oder  Zerrung,  nach  vielen  Jahren  erst  in 
die  Erscheinung  treten  und  für  die  genannten  Forscher  als 
treffendes,  von  Weber2)  näher  beschriebenes  Beispiel  eine 
Frau  anfühlt,  die  als  Kind  im  Anschluss  an  Pocken  eine  eitrige 
Ellenbogengelenkentzündung  durchgemacht  hatte  und  30  Jahre 
später  eine  Neuritis  des  entsprechenden  Ulnaris  bekam.  Auch 
Bernhardt3)  erwähnt  das  interessante  Vorkommen  vonUlnaris- 
läsionen  bei  Personen,  die  viele  Jahre  vorher  Verletzungen  am 
Ellenbogen  erlitten,  und  gibt  eine  kurze  Uebersicht  der  Lite¬ 
ratur,  worauf  hierdurch  verwiesen  sei.  Da  die  vorhandene 
Kasuistik  nach  allem  keineswegs  sehr  bedeutend,  auch  sie  er¬ 
gänzende  neuere  Beobachtungen  nicht  ausfindig  gemacht 
werden  konnten,  so  dürfte  ein  weiterer,  erst  unlängst  von  mir 
untersuchter,  hierher  gehöriger  Fall  vielleicht  allgemeineres 
Interesse  darbieten. 

Der  48  jährige  Maschinist  K.  stellte  .sich  am  20.  VIII.  07  in  der 
I  oiiklinik  erstmalig  vor  und  klagte  darüber,  dass  ihm,  nachdem 
er  bereits  im  vorigen  Jahre  an  „Reissen“  im  rechten  Arme  gelitten 
seit  etwa  Februar  dieses  Jahres  die  rechte  Hand  im  Bereiche  des 
4.  und  5  Fingers  einschlafe  und  dass  seit  ungefähr  5—6  Wochen  eine 
Schwache  in  'diesen  Fingern  eingetreten  sei,  wodurch  er  bei  feineren 
Verrichtungen,  wie  beim  Zuknöpfen,  Hantieren  mit  kleinen  Schrauben 
usw  behindert  werde;  gleichzeitig  habe  er  bemerkt,  dass  die  Mus¬ 
kulatur  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  mehr  und  mehr  schwinde 

Er  glaube  diese  Erscheinungen  auf  „Ueberarbeitung“  zurückführen 
zu  müssen. 

K.  ist  ein  kräftiger,  in  seinem  Verhalten  geordneter,  bis  auf  die 
unten  beschriebenen  Störungen  gesunder  und  keinen  alkoholistischen 
Eindruck  machender  Mann.  Die  rechte  Hand  zeigt  deutliche  Atrophie 
des  Interosseus  externus  I.  und  Adductor  pollicis,  auch  die  Spatia 
niterossea  am  Handrücken  sind  etwas  eingesunken,  der  Hypothenar 
leicht  atrophisch.  Spreizen  und  Adduktion  der  Finger  ist  nicht  auf¬ 
gehoben,  abei  stark  beeinträchtigt,  Beugen  der  Grundphalangen  mit 
gleichzeitiger  Streckung  der  Endphalangen  nicht  möglich.  Von  Sensi¬ 
bilitätsstörungen  ist  nur  eine  geringe  Abstumpfung  der  taktilen  Emp- 
findung  an  der  ulnaren  Handseite  nachweisbar,  keine  Thermanästhesie. 
Elektrisch  findet  man  im  Ulnarisgebiet  normale  Nervenerregbarkeit 
für  beide  Ströme,  an  den  vom  Ulnaris  versorgten  kleinen  Hand¬ 
muskeln  dagegen  herabgesetzte  Erregbarkeit  für  den  faradischen 
Strom  und  galvanisch  ausgesprochene  Zuckungsträgheit,  also  partielle 
EaR.  Wahrend  das  Nervensystem  K.s  Anomalien  sonst  nicht  auf- 
wieist,  ist  bemerkenswert  ein  weiterer  Befund  an  den  Ellenbogen¬ 
gelenken,  und  zwar  speziell  am  rechten.  Dasselbe  erscheint  nämlich 
stark  verdickt  und  deformiert  und  vermag  weder  vollständig  ge¬ 
streckt  noch  rotiert  zu  werden,  ähnlich  sind  die  Verhältnisse  am  linken 
Ellenbogengelenk,  und  auch  das  linke  Kniegelenk  ist  etwas  verdickt. 
K.  gibt  hieizu  an,  dass  er  im  Jahre  1875  Scharlach  durchgemacht 
lia.be  und  dass  sich  im  Anschluss  hieran  schwere  eitrige  Prozesse  in 
beiden  Ellenbogengelenken  abgespielt  und  hieraus  die  jetzigen  Gelenk- 
veränderungen  entwickelt  hätten,  dass  letztere  demnach  schon  an¬ 
nähernd  32  Jahre  bestünden.  Die  Röntgenuntersuchung  des 
rechten  Ellenbogengelenkes  (Dr.  Bett  mann)  zeigt  nun  unförmige 
defoi  miet  ende  Verdickungen  und  knöcherne  Wucherungen,  fast  gleich- 
massig  das  untere  Ende  des  Humerus,  dessen  innerer  Kondylus  wie 
aufgefasert  aussieht,  und  die  oberen  Enden  von  Radius  und  Ulna  be¬ 
treffend,  die  zudem  hier  beide  auffallend  verbogen  und  dicht  unterhalb 
des  Ellenbogens  durch  eine  knöcherne  Brücke  verbunden  erscheinen. 

Es  liegt  also  bei  K.  eine  Parese  des  rechten  Ul¬ 
naris  vor  und  kann  angesichts  der  geschilderten  arthritisch- 
defonnierenden  Veränderungen  am  rechten  Ellenbogengelenk 
wohl  kaum  als  zweifelhaft  gelten,  dass  jene  Affektion  von 
hier  ihren  Ausgang  genommen,  indem  sehr  wahrscheinlich 
der  Nervenstamm  infolge  eben  dieser  Gelenkveränderungen  ge¬ 
drückt  oder  sonstwie  in  seiner  Lage  beeinträchtigt  wurde.  Mag 
diese  so  zustande  gekommene  peripherische  Ulnarisläsion  nun 

D  Oppenheim:  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten,  3.  Aufl., 

S.  408. 

....  E-  Weber:  Zur  Aetiologie  peripherer  Ulnaris-  und  Medianus- 
lahnmngen.  Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde,  15.  Band,  1899, 

181. 

Aufl  ^eü  DS  428d  4 :  ^  Erkrankungen  der  Peripher.  Nerven,  2, 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


auch  etwas  längere  Zeit  bestehen  als  K.  dies  angibt,  mag  ins¬ 
besondere  das  „Reissen“  im  vorigen  Jahre  bereits  mehr  neuri- 
tischer  Natur  gewesen  sein:  festzustehen  scheint  jedenfalls, 
dass  fragliche  Störung  erst  Jahrzehnte  nach  Ablauf 
der  eitrigen  Ellenbogengelenkentzündung  sich  ausgebildet  hat. 
Nicht  ausser  acht  zu  lassen  ist  freilich,  dass  eine  gewisse  in 
der  Beschäftigung  des  Mannes  gegebene  Ueberanstrengung  des 
Nerven  auch  hier  als  ein  die  Schädigung  vielleicht  begünstigen¬ 
des  und  beschleunigendes  Moment  mit  in  Betracht  gezogen 
werden  muss. 

Für  eine  andere  Aetiologie  spricht  nichts:  weder  Traumen, 
noch  Kompression  und  Zerrungen  in  bestimmten  Situationen, 
bei  besonderen  Bewegungen  oder  Hantierungen,  noch  Infek¬ 
tionen,  Intoxikationen,  noch  ein  beginnendes  zentrales  Grund- 
leiden  lassen  sich  für  die  Ulnarisparese  in  unserem  Falle  nach¬ 
weisbar  verantwortlich  machen.  Er  dürfte  sonach  mit  Recht 
jenen  „wenig  beachteten“  Spätlähmungen  Oppenheims  als 
weiterer  Beitrag  hinzugerechnet  werden. 


Kasuistischer  Beitrag  zur  Frage  der  Prognose  beim 
Verschlucken  von  Fremdkörpern  mit  ungünstiger  Ober¬ 
fläche. 

Von  Dr.  med.  W.  Fischer  in  Marburg. 

Der  im  Folgenden  beschriebene  Fall  scheint  mir  einer 
kurzen  Veröffentlichung  wert,  weil  er  wiederum  beweist,  dass 
Fremdkörper  von  einer  für  den  Verdauungstraktus  höchst 
ungünstigen  Oberfläche,  die  also  unter  No.  I  der  Adelmann- 
schen  Einteilung  fallen  (Albert,  Lehrb.  d.  spez.  Chir.,  5.  Aufl. 
1897),  ohne  schwerere  Erscheinungen  hervorzurufen,  den 
Körper  passieren  können. 

C.  A.  R.,  10  Monate  alt,  gut  entwickeltes  Kind  aus  gesunder 
Familie,  ist  bisher,  abgesehen  von  einer  öfters  auftretenden  Ob¬ 
stipation,  die  sich  aber  immer  durch  Diätänderung  beseitigen  liess, 
noch  nicht  krank  gewesen.  Gegen  den  10.  August  ds.  Js.  traten 
häufiger  Diarrhöen  auf,  welche  ab  und  zu  bei  Haferschleimzusatz 
zur  Milch  einen  Tag  lang  sistierten,  aber  im  allgemeinen  doch  bis  zum 
Anfänge  des  Monats  September  anhielten.  Die  Farbe  der  Stuhlgänge 
war  meistens  gelblich-grün,  oft  wurden  auch  geringe  Schleimbeimen¬ 
gungen,  aber  niemals  Blut  beobachtet.  Das  Befinden  des  Kindes  war 
dabei  ein  sehr  gutes,  auch  liess  der  Appetit  nichts  zu  wünschen  übrig, 
doch  fiel  der  Mutter  auf,  dass  das  Kind  hie  und  da  am  Tage  un¬ 
motiviert  kurz  aufschrie,  als  wenn  es  irgendwo  einen  Schmerz  ver¬ 
spüre;  da  es  aber  im  übrigen  völlig  munter  war,  so  wurde  von  einem 
ärztlichen  Eingreifen  abgesehen.  Anfangs  September  wurde  der 
Stuhlgang  wieder  normal  und  es  wurden  auch  keine  Schmerzen  mehr 
geäussert.  Am  13.  September  morgens  schrie  das  Kind  wiederum 
—  offenbar  vor  Schmerz  —  kurz  auf  und  entleerte  bald  darauf  Stuhl 
von  mässig  fester  Konsistenz;  eine  kleine  Menge  mit  entleerten  etwas 

rötlich  gefärbten  Schleimes 
veranlasste  die  Mutter,  den 
Stuhl  sich  genau  anzusehen 
und  dabei  fand  sich  die 
neb  en  s  te  hend  ab  geb  i  1  d  e  te 

silberne  Sicherheitsnadel  in  geöffnetem  Zustande  völlig  in  Kot  ein¬ 
gehüllt  und  ganz  schwarz  (Schwefelsilber).  Jetzt  erinnerte  sich  die 
Mutter  daran,  dass  sie  seit  Mitte  August  die  erwähnte  Nadel  ver¬ 
misste,  mit  welcher  sie  das  Lätzchen  des  Kindes  festzuistecken  ge¬ 
wohnt  war;  zugleich  konnte  sie  nachträglich  auch  noch  angeben  dass 
mit  dem  Vermissen  der  Nadel  ein  heftiges  Erbrechen  des  ^Kindes  zu- 
sammtngefallen  wäre.  Offenbar  war  es  dem  Kinde  in  einem  unbe¬ 
wachten  Augenblicke  gelungen,  die  Nadel  loszunesteln,  es  hatte  sie 
uann  in  den  Mund  genommen  und  verschluckt;  bei  dem  dann  erfolgen¬ 
den  Fi  brechen  war  die  Nadel  nicht  mit  entleert  worden. 

Die  nebenstehende  Abbildung  zeigt  die  Nadel  in  geöffnetem  Zu¬ 
stande,  wie  das  Kind  sie  verschluckt  hatte  und  wie  sie  auch  in  den 
Fäzes  gefunden  wurde.  Die  Hauptgefahr  beim  Verschlucken  von 
Fremdkörpern  mit  gefährlicher  Oberfläche  besteht  i.a  beim  Passieren 
des  Pharynx  und  Oesophagus.  Jedenfalls  wurde1  die  Nadel  in  diesem 
l  alle  mit  dem  Ende  a  voran  in  den  Mund  gesteckt  und  verschluckt, 
denn  mit  der  Spitze  voran  würde  sie  gewiss  schon  im  Pharynx  für  die 
Weiterbeförderung  unüberwindliche  Schwierigkeiten  geboten  haben. 
Aber  auch  weiterhin  konnte  die  Nadel  sich  mit  ihrer  Spitze  in  die 
Schleimhaut  des  Magens  und  Darmes  einhaken  und  dort  stecken 
bleiben,  denn  bei  dem  grossen  Lumen  des  Magens  wird  sie  ihre 
ursprüngliche  Richtung  wohl  nicht  beibehalten  haben.  Dass  dies 
Steckcnbleiben  an  verschiedenen  Stellen  des  Darmes  mehrmals  statt¬ 
gefunden  hat,  sch  Hesse  ich  erstens  aus  der  überaus  langen  Zeit  (etwa 
4  Wochen)  zwischen  dem  Verschlucken  und  dem  Ausstossen  der 
Nadel  und  ferner  aus  dem  oben  erwähnten  öfters  beobachteten  Auf¬ 


schreien  des  Kindes  vor  Schmerz  imd  schliesslich  auch  aus  den  an¬ 
dauernden  Durchfällen,  für  welche  der  Grund  in  Arrosionen  der  Darm¬ 
schleimhaut  zu  suchen  ist.  Dass  in  der  letzten  Zeit  vor  dem  Aus¬ 
stossen  des  Fremdkörpers  die  Durchfälle  und  das  Schreien  des  Kindes 
verschwanden,  erklärt  sich  wohl  so,  dass  nach  dem  Passieren  der  Ileo- 
zökalklappe  die  Nadel  im  Kolon  wieder  ein.  grösseres  Lumen  vor¬ 
fand,  weshalb  die  Gelegenheit,  sich  festzuhaken  und  dadurch  Arro¬ 
sionen  hervorzurufen,  nicht  mehr  so  günstig  war;  sie  wurde  da¬ 
her  bald  von  grösseren  sich  eindickenden  Kotmassen  fest  eingehüllt. 
Kurz  vor  dem  Verlassen  des  Darmes  hat  die  Nadel  dann  jedenfalls 
noch  eine  kleine  Verletzung  hervorgerufen,  was  aus  dem  Aufschrei 
des  Kindes  und  dem  mit  dem  Stuhl  entleerten,  etwas  blutig  gefärb¬ 
ten  Schleim  hervorgeht. 

Man  kann  es  in  diesem  Falle  fast  als  ein  Glück  bezeichnen,  dass 
die  Angehörigen  keine  Kenntnis  davon  hatten,  in  welcher  Gefahr  sich 
das  Kind  4  Wochen  lang  befand,  denn  manche  unruhige  Stunde  wurde 
ihnen  dadurch  erspart.  Wenn  nun  auch  alles  ohne  schwere  Störungen 
verlaufen  ist,  so  muss  man  doch  Vorsicht  beim  Gebrauch  derartiger 
Nadeln  anraten.  Zum  mindesten  ist  zu  fordern,  dass  Nadeln  zum  Be¬ 
festigen  von  Wäschestücken  niemals  an  einer  für  das  Kind  erreich¬ 
baren  Stelle  angebracht  werden;  am  besten  unterbliebe  die  Benutzung 
von  Nadeln  überhaupt. 


Extragenitale  Infektion. 

Von  Dr.  Georg  Knauer,  Spezialarzt  für  Hautkrankheiten 

in  Wiesbaden. 

Nachfolgender  Fall  von  extragenitaler  Syphilisübertragung  dürfte 
in  mancher  Beziehung  lehrreich  erscheinen.  Am  2.  Oktober  d.  J. 
konsultierte  mich  ein  23  jähriger  Gastwirtssohn,  E.,  den  ich  früher 
mehrfach  an  einfacher  und  komplizierter  Gonorrhöe  behandelt  hatte, 
und  zeigte  mir  ein  direkt  hinter  der  Nagelwurzel  des  linken  Mittel¬ 
fingers  belegenes,  etwa  halbpfenniggrosses  Geschwür,  das  auf  den 
ersten  Anblick  den  Eindruck  eines  Panaritium  machte.  Ueber  die 
Ursache  des  Geschwürs,  das  er  vor  ungefähr  14  Tagen  zuerst  be¬ 
merkt  und  mit  Tonerdeumschlägen  behandelt  hatte,  gab  E.  vor,  nichts 
Weiteres  zu  wissen;  er  klagte  über  erheblichen  Schmerz  in  der  Ell¬ 
bogen-  und  Achselgegend  linkerseits.  Von  einer  Lymphangitis  war 
nichts  zu  bemerken,  dagegen  wies  die  Kubitalgegend  eine  fast  hasel¬ 
nussgrosse,  die  Axillargegend  einige  kleine,  auf  Druck  recht  schmerz¬ 
hafte  Drüsen  auf.  Die  Haut  über  ihnen  war  weder  gerötet  noch 
geschwollen,  von  Lymphangitis,  wie  bereits  bemerkt,  keine  Spur  zu 
sehen.  Dieser  Umstand  in  Verbindung  mit  der  deutlichen  Randinfiltra¬ 
tion  des  Fingergeschwürs  liess  mich  die  Diagnose  auf  Ulcus  indura- 
tum  stellen,  obwohl  E.  behauptete,  sich  seit  mehreren  Monaten  in 
keinerlei  Weise  einer  Infektionsgefahr  ausgesetzt  zu  haben,  und 
meine  Diagnose  mit  sehr  ungläubigem  Lächeln  aufnahm.  Meine  Be¬ 
handlung  bestand  in  Bepinselung  des  Geschwürs  mit  10  proz.  Höllen¬ 
steinlösung  und  Xeroformverband;  die  schmerzhaften  Drüsen  wur¬ 
den  in  feuchte  Packung  gelegt  und  der  ganze  Arm  ruhiggestellt. 
Innerhalb  4  Tagen  war  das  Geschwür  fast  völlig  vernarbt  und  die 
Schmerzhaftigkeit  der  Drüsen  verschwunden,  ohne  dass  freilich  die 
Drüsen  selbst  kleiner  geworden  wären.  E.  wurde  jetzt  meinpr  wei¬ 
teren  Beobachtung  dadurch  entzogen,  dass  er  zu  einer  14  tägigen 
militärischen  Uebung  einrücken  musste.  Ich  entliess  ihn  unter  den 
nötigen  Kanteten  und  mit  genauer  Einschärfung  alles  dessen,  was  be¬ 
züglich  einer  etwa  auftretenden  Manifestation  der  Lues  zu  be¬ 
achten  war. 

Am  8.  November,  also  5  Wochen  nach  der  ersten  Konsultation, 
erschien  nun  E.  wieder  bei  mir,  um  meine  frühere  Liquidation  zu  be¬ 
gleichen.  Er  sah  auffallend  blass  und  anämisch  aus  und  erzählte 
mir  ohne  Befragen,  dass  er  sofort  nach  Beendigung  der  Uebung,  d.  h. 
vor  3  Wochen,  seinen  Hausarzt  wegen  andauernden  heftigen  Stirn¬ 
kopfschmerzes  konsultiert  habe.  Der  Hausarzt  habe  den  Kopfschmerz 
für  nervös  erklärt  und  Bromkali  verordnet.  Ich  liess  mir  nun  von 
E.  die  frühere  Geschwürsstelle  des  Fingers  zeigen,  die  zwar  geheilt 
war,  aber  eine  nicht  unbeträchtliche  Verdickung  des  Gewebes  und 
dunkelrote  Färbung  aufwies,  von  sehr  dünner  glatter  Epidermis  be¬ 
deckt.  Kubitaldrüsen  linkerseits  unbedeutend  geschwollen,  Axillar¬ 
drüsen  nicht;  rechterseits  Kubitaldrüsen  eben  noch  palpabel.  Die 
weitere  Inspektion  ergab  ein  nicht  sehr  intensives  und  auch  nicht  be¬ 
sonders  extensives,  aber  sich  doch  recht  deutlich  abhebendes  klein¬ 
papulöses  Syphilid  des  Stammes  mit  allen  typischen  Merkmalen 
eines  solchen  und  ausserdem  mehrere  breite  Kondylome  an  Skrotum 
und  Glans  penis.  Inguinaldrüsen  beiderseits  indolent  geschwollen. 

Jetzt  setzte  auch  E.  meiner  wiederholten  Diagnose  Lues  keinen 
Zweifel  mehr  entgegen  und  bequemte  sich  nachträglich  zu  einem  Ge¬ 
ständnisse.  Er  hatte  gegen  Ende  August  d.  J.  nicht  nur  einmal,  son¬ 
dern  mehrere  Nächte  hintereinander  mit  einer  Kellnerin  geschlechtlich 
verkehrt,  und  zwar  ohne  Präservativ  zu  gebrauchen.  Dass  unter 
diesen  Umständen  keine  genitale,  sondern  eine  extragenitale  Infektion 
zustande  kam,  erklärt  sich  daraus,  dass  E.  jedesmal  sofort  nach  dem 
Akte  eine  Sublimatwaschung  vornahm,  dass  aber  eine  gleiche  Des¬ 
infektion  der  linken  Hand  unterblieb.  Und  gerade  mit  dieser  Hand 
hatte  E.,  wie  er  angab,  des  öfteren  die  Genitalien  der  erwähnten  Per¬ 
son  berührt. 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2643 


leich?^ÄS„dUW  dieSeS  beSonderen  wird  jeder  Kollege 


Zur  Tamponade  der  Nase  und  des  Nasenrachenraumes. 


Pruritus  bei  Tabes. 

Von  Dr.  med.  Günzburger  in  Mülhausen  i/Elsass. 


,  pQel'f;^tllch  der  Diskussion  der  „Societe  medicale  des  höpitaux 
de  Paris  über  Pruritus  bei  Tabes  (Münch,  med.  Wochenschr  No  48) 

5ri/Xr.  -1Ch  miCh  RCI'ies  solchen  Falles  ans  meiner  Praxis,  der’ vor 
2  Jahren  m  meine  Behandlung  kam 


besonders  nachts,  an  heftigem  Hautjucken, 
namentlich  in  der  Lendengegend  und  hatte  bereits  vergeblich  eine 
Krätzekur  duichgemacht.  Sonstige  subjektive  Störungen  waren 
mchit  vorhanden. 


Bei  genauer  Untersuchung  fand  sich  vollständiges  Fehlen  der 
Patellarreflexe,  Rombergsches  Phänomen  und-  reflektorische 
Pupillenstarre.  Der  Patient  litt  also  bereits  seit  Jahren  an  Tabes 
ohne  es  zu  wissen. 


Nun  ist  es  mir  aus  meiner  Studenten-  und  Assistentenzeit  her 
bekannt,  wie  wenig  Gewicht  auf  dieses  Symptom  sowohl  von  neuro¬ 
logischer  als  auch  von  dermatologischer  Seite  gelegt  wird.  Man 
spricht  meistens  nur  von  einem  nervösen  Pruritus,  ohne  es  den  zu¬ 
künftigen  Aerzten  ans  Herz  zu  legen,  das  Nervensystem  einer  ge¬ 
naueren  Untersuchung  zu  unterziehen.  In  jedem  Falle  von  Pruritus 
sollten  aber  nicht  nur  der  Urin  sondern  auch  die  Reflexe  untersucht 
werden. 


Beitrag  zu  Neuerungen  auf  dem  Gebiete  der  Hilfsmittel 
für  den  geburtshilflichen  Unterricht  am  Phantom. 

Von  Dr.  Hugo  Gloeckner  in  Berlin. 

Geburtshilfliche  Operationsübungen  am  Phantom  lassen  sich  prak¬ 
tisch  mit  dem  nach  meinen  Angaben  hergestellten  Normalschädel  aus 
Papiermache,  einschliesslich  der  Perforation  und  Extraktion  bezw. 
Kephalothrypsie  und  Extraktion  mittels;  des  Hakens,  wofür  der  Schä¬ 
del  zunächst  gedacht  und  erprobt  wurde,  auch  auf  die  Zangenanlegung 
und  Extraktion  in  Hinterhaupts-,  Vorderhaupts-,  Gesichts-  und  Stirn¬ 
lage  sowie  auf  den  hochstehenden  Kopf  und  tiefen  Ouerstand  aus¬ 
dehnen,  wenn  man  den  Schädel  mit  trockenem  Sande  fest  anfüllt  und 
alsdann  die  Halsöffnung  mit  einem  Korkspund  verschliesst.  Die  Schä¬ 
del  dürften  dort  besonders  willkommen  sein,  wo  es  Schwierigkeiten 
macht,  geeignete  Kinderleichen  zu  beschaffen,  auch  gestattet  die  natur¬ 
getreue  Ausführung  der  Schädel  deren  Verwendbarkeit  zu  Tuschier- 
iibungen  der  verschiedenen  Kopflagen. 

Das  Modell  ist  einem  besonders  schön  geformten  mazerierten 
Kopfe  von  einem  ausgetragenen,  kräftigen  Kinde  nachgebildet  und 

zeigt  äusserst  naturgetreue  und  scharfe 
Wiedergabe  der  Nähte,  Fontanellen, 
Knochenränder  und  Protuberanzen. 
Man  kann  diesen  Köpfen,  welche  mit 
einem  —  gleichzeitig  als  Handhabe 
dienenden  —  Halsstück,  in  welches 
ein  Korkspund  eingeschoben  werden 
-kann,  jede  beliebige  Einstellung  im 
Phantom  geben,  demgemäss  bei  Hin¬ 
terhaupts-,  Vorderhaupts-,  Gesichts¬ 
und  Stirnlage,  bei  Hinterscheitelbein¬ 
einstellung  und  tiefem  Ouerstand,  so¬ 
wie  bei  nachfolgendem  Kopfe  tu- 
schieren  und  operieren,  ganz  wie  es 
gegebenenfalls  der  Wirklichkeit  ent¬ 
spricht. 

Die  Schädel  sind  somit  ein  sau¬ 
beres,  praktisch  bewährtes  Hilfsmittel 
für  den  geburtshilflichen  Tuschier- 
und  Operationsunterriebt  geworden 
und  ihre  Anschaffung  ist  jedem  Stu¬ 
denten  ermöglicht,  welcher  dadurch  in 
die  Lage  versetzt  wird,  auch  die  zer¬ 
stückelnden  Operationen  am  Kopfe, 
besonders  die  so  wichtige  Perforation  (an  beliebiger  Schädelgegend) 
und.  Extraktion  mittels  des  Kranioklasten,  am  Phantom  praktisch 
üben  zu  können,  wozu  wegen  Mangels  an  Material  sonst  nur  selten 
Gelegenheit  geboten  ist.  Es  empfiehlt  sich,  für  alle  Operationen  den 
Schädel  mit  trockenem  Sande  anzufüllen  und  den  Halsteil  mit  einem 
Korkspund  zu  verschliessen. 

Die  Schädel  sind  im  Medizinischen  Warenhause,  Akt-Ges.,  Ber¬ 
lin  NW.,  zum  Preise  von  Mk.  1.50  pro  Stück  erhältlich. 


Von  Dr.  G.  Lennhoff  in  Berlin. 

Nachdem  ich  nun  mehrere  Jahre  zur  Verhütung  und  Stillung  von 
Blutungen  in  Nase  und  Nasenrachenraum  den  „Zugstreifentampon“ 
benutzt  habe,  welchen  ich  schon  früher  *)  beschrieben  habe,  möchte 
(ich  nunmehr  noch  die  Form  bekannt  geben,  welche  ich  als  die  de¬ 
finitive  des  Zugstreifentampons  betrachte.  Die  Veränderungen, 
welche  sich  im  Laufe  der  Zeit  mir  als  praktisch  erwiesen  haben,  sind 
keine  bedeutenden. 


Wie  aTs  ldier  Abbildung  zu  ersehen  ist,  ist  jetzt  auch  das  äussere 
ende  des  Streifens  mit  einem  Faden  versehen.  Dieser  hat  eine 
schwarze,  der  andere,  zum  inneren  Streifenende  gehende,  eine  weisse 
rarbe.  Ist  der  Streifen  mit  einer  Pinzette  in  die  Nase  eingeführt,  so 
wird  aus  ihm  durch  Zug  des  weissen  Fadens  gegen  die  Pinzette  der 
Tampon  gebildet.  Früher  wurde  nun  das  äussere  Ende  des  Gaze¬ 
streifens  entweder  in  das  Naseninnere  versenkt  —  dann  musste  es  mit 
Pinzette  oder  Zange  gesucht  werden,  wenn  es  galt,  den  Tampon 
wieder  zu  entfernen;  oder  aber  man  Hess  es  zur  Nase  hinaushängen, 
was  hässlich  war  und  ein  Wundsein  des  Naseneingangs  herbeiführen 
konnte  und  zuweilen  herbeiführte.  Jetzt  ist  der  Zug  am  schwarzen 
Faden,  den  man  mit  dem  weissen  zusammen  um  ein  längliches  Stück¬ 
chen  Watte  wickelt  und  mit  diesem  i  m  Naseneingang  verankert,  das 
denkbar  bequemste  Mittel,  die  Nasentamponade  wieder  aufzuheben. 

Es  ist  sodann  eine  Veränderung  mit  dem  Gazematerial  vorge¬ 
nommen  worden,  aus  welchem  der  Streifen  besteht.  Es  ist  unnötig, 
dass  der  Tampon  aus  gebleichtem  und  daher  durchlässigem  Stoff  ge¬ 
bildet  sei;  ungebleichter  nicht  durchlässiger  ist  im  Gegenteil  vor¬ 
zuziehen,  da  ja  im  wesentlichen  durch  das  mechanische  Mittel  des 
Druckes  und  Verschlusses  die  Blutstillung  herbeigeführt  werden  soll. 
Es  ist  auch  unnötig,  dass  der  Streifen  aus  gekantetem  Material  ge¬ 
macht  werde.  Aber  es  ist  natürlich  nach  wie  vor  geboten,  antisep¬ 
tisches  oder  aseptisches  Gewebe  in  die  Nase  einzuführen,  in  wel¬ 
cher  es  doch  in  der  Regel  24  Stunden  verweilen  soll. 

Endlich  ist  zu  berichten,  dass  die  komplizierte  Einzelpackung, 
welche  die  Zugstreifentampons  relativ  teuer  macht,  aufgegeben  wor¬ 
den  ist. 

Und  so  glaube  ich  denn  den  Zugstreifentampon  2),  wie  er  heute 
ist,  empfehlen  zu  können: 

1.  zur  Einführung  in  die  Nase  oder  den  Nasenrachenraum  nach 
Operationen,  wenn  der  Operateur  sicher  sein  will,  nicht  durch  Nach¬ 
blutungen  gestört  zu  werden; 

2.  Zur  Blutstillung  statt  des  Belloc-Verfahrens,  welches  für  den 
Arzt  und  den  Patienten  sehr  unangenehm  ist. 


Zur  Narkose  mit  erwärmtem  Chloroform. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  des  Herrn  Dr.  Haun  in  No.  48 
der  Münch,  med.  Wochenschr. 

Von  Dr.  Rath  in  Wilmersdorf. 

Es  liegt  mir  als  Nicht-Mediziner  völlig  fern,  die  praktischen  Be¬ 
funde  des  Herrn  Dr.  Haun  bei  der  Verwendung  von  (erwärmtem 
Chloroform  zur  Narkose  einer  Kritik  zu  unterziehen,  wenn  ich  auch 
glaube,  dass  Herr  Dr.  Haun  selbst  der  Beweiskraft  seiner  8  Nar- 
Kosen,  die  „anscheinend“  früher  eintraten  und  „anscheinend“  leichter 
verliefen,  keine  allzu  grosse  Bedeutung  beilegen  wird.  Ich  möchte 
nur  gegen  die  theoretische  Erklärung,  die  Herr  Dr.  Haun  für  seine 
Beobachtungen  findet,  Protest  erheben. 

Die  Vorstellung  des;  .Herrn  Dr.  Haun,  dass  der  Dampf  des 
Chloroforms  mit  der  Einatmungsluft  nicht  etwa  eine  homogene 
Mischung,  sondern  eine  Art  Suspension  bilde,  aus  der  sich  die  schwe¬ 
ren  Anteile  allmählich  zu  Boden  setzen,  dürfte  wohl  der  wissenschaft¬ 
lichen  Kritik  kaum  standhalten.  Wenn  man  die  bei  Gasen  vorliegen¬ 
den  Mischungsverhältnisse  mit  denen  bei  Flüssigkeiten  vergleichen 
will,  so  kann  man  doch  nur  an  eine  Lösung  denken,  nicht  aber  etwa 
an  eine  Suspension.  Eine  „Entmischung“  oder  Ablagerung  schwerer 
Teilchen  ist  gänzlich  ausgeschlossen. 

Es  ist  zwar  kaum  anzunehmen,  dass  noch  in.  den  Bronchien  die 
Temperatur  des  Ghloroformdampf-Luft-Gemisches,  das  aus  nicht  er¬ 
wärmtem  Chloroform  stammt,  eine  wesentlich  niedrigere  sein  sollte, 
als  wenn  man  erwärmtes  Chloroform  verwendet,  denn  schon  durch 
die  Verdunstungskälte,  die  beim  Aufträufeln  des  Chloroforms  auf  die 
Maske  entsteht,  werden  anfängliche  Temperaturdifferenzen  zum  Teil 
ausgeglichen;  immerhin  aber  —  und  damit  'komme  ich  zu  der  sehr 


')  Berl.  klin.  Wochenschr.  1905.  —  Archiv  f.  Laryngologie 
Bd.  XVIII,  p.  47. 

*)  Verfertigt  von  Paul  Hartmanns  Verbandstoffabrik,  Ber¬ 
lin  0.,  Blankenfeldenstr. 


2* 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


26 44 


naheliegenden  „theoretischen  Erklärung“  der  von  Herrn  Dr.  Haun 
beobachteten  Beschleunigung  der  Narkose  —  ist  es  möglich,  dass  das 
frisch  aufgeträufelte  Chloroform,  so  lange  es  sich  in  flüssigem  Zu¬ 
stand  befindet,  noch  eine  etwas  höhere  Temperatur  beibehält.  Natür¬ 
lich  ist  infolgedessen  seine  Dampfspannung  (Tension)  grösser  und  die 
böige  ist,  dass  in  der  Zeiteinheit  eine  grössere  Menge  flüssigen 
Chloroforms  in  den  gasförmigen  Zustand  übergeführt  wird,  dass  also 
auch  eine  verhältnismässig  grössere  Menge  Chloroformdampf  in  der 
Zeiteinheit  in  die  Atmungswege  gelangt.  Hier  gleicht  sich  die  Tem¬ 
peraturdifferenz  schnell  aus,  eine  gewisse  Menge  von  Chloroform¬ 
dampf  wird  sich  vielleicht  durch  Abkühlung  wieder  zu  Flüssigkeit 
verdichten  und  sich  auf  den  Schleimhäuten  absetzen.  Die  Konden¬ 
sation,  also  der  Uebergang  von  einem  Aggregatzustand  in  den 
anderen  ist  aber  doch  etwas  wesentlich  anderes,  als  das,  was  Herr 
Dr.  Haun  unter  der  mechanischen  Ablagerung  der  schwereren- 
G  a  s  moiekiile  an  den  Stellen,  „wo  der  Luftstrom  eine  geringere  Ge¬ 
schwindigkeit  hat“,  versteht. 

Gänzlich  unverständlich  ist  mir,  was  Herr  Dr.  Haun  mit  dem 
„Schwimmen“  des  erwärmten  Chloroformgases  meint. 


Referate  und  Bücheranzeigen. 

Emil  Fischer  Untersuchungen  in  der  Puringruppe. 

(1882 — 1906.)  Berlin,  Verlag  von  Julius  Springer,  1907. 
608  S.  Preis  Mk.  15. 

Der  Sammlung  seiner  berühmten  Arbeiten  über  die  Kon¬ 
stitution  des  Eiweissmoleküls,  die  E.  F  i  s  c  h  e  r  vor  Jahresfrist 
unter  dem  Titel:  „Untersuchungen  über  Aminosäuren,  Poly¬ 
peptide  und  Proteine“  herausgab,  ist  jetzt  ein  weiterer  nicht 
minder  stattlicher  Band  gefolgt,  in  dem  Fischer  die  zahl¬ 
reichen  von  ihm  und  seinen  Schülern  in  den  Jahren  1882  bis 
1906  ausgeführten  Untersuchungen  über  die  Glieder  der  Purin¬ 
gruppe  zusammenfasst.  Die  Abstammung  der  Harnsäure  aus 
einem  Körper  GTTN*,  dem  Fischer  den  Namen  Purin  gab 
(kombiniert  aus  purum  und  uricum),  wurde  von  ihm  zunächst 
aus  theoretischen  Gründen  vorausgesetzt;  später  gelang  die 
tatsächliche  Auffindung  der  Verbindung;  „das  Purin  ist  .  in 
der  Tat  der  Stammvater  der  Harnsäure,  des  Xanthins  und 
Hypoxanthins“.  Die  ganze  an  physiologisch  wie  technisch 
wichtigen  Körpern  so  reiche  Puringruppe  wurde  nun  von 
Fischer  und  seinen  Schülern  aufs  eingehendste  experimentell 
studiert  und  dabei  nicht  nur  eine  grosse  Zahl  neuer  Ver¬ 
bindungen  aufgefunden,  sondern  auch  viele,  zum  Teil  technisch 
überaus  wichtige,  Körper,  so  z.  B.  das  Koffein  und  das 
I  heobromin  synthetisch  dargestellt.  Die  physiologische 
Bedeutung  der  Purinderivate  und  ihre  Beziehungen  zur 
Chemie  des  Zellkerns  sind  erst  vor  Kurzen  in  dieser  Wochen¬ 
schrift  (No.  48,  S.  2381)  beleuchtet  worden.  Das  Buch 
Fischers  ist  auch  für  Mediziner  und  physiologische  Che¬ 
miker  unentbehrlich;  diese  seien  besonders  auf  die  ausführ¬ 
liche  Einleitung  hingewiesen,  in  welcher  Fischer  in  syste¬ 
matischer  Darstellung  die  Resultate  der  47  Einzelarbeiten 
zusammenfasst. 


Bernhard  Rawitz:  Lehrbuch  der  mikroskopischen 
Technik.  Leipzig.  Verlag  von  Wilhelm  Engelmann  1907 
Preis  geheftet  Mk.  12. 


Ein  Lehrbuch  der  mikroskopischen  Technik  so  interessant 
zu  gestalten,  dass  man  darinnen  mit  Vergnügen  blättert  und 
liest,  das  ist  wirklich,  glaube  ich,  ein  Kunststück  zu  nennen. 
Und  dies  ist  dem  Verfasser  dadurch  gelungen,  dass  er  sich 
nicht  nur  darauf  beschränkt,  die  verschiedenen  Methoden  auf¬ 
zuzählen  —  nach  Kochbuchart,  wie  R  a  w  i  t  z  spöttisch  bemerkt 
sondern  überall  kritisiert  und  seine  eigenen  Erfahrungen  hin¬ 
einflicht,  man  lese  nur  z.  B„  wie  sich  Verfasser  zu  den  neuer¬ 
dings  so  vielfach  angewandten  Metallimprägnationen  stellt 
Vieles  verwirft  er,  vieles  hebt  er  aus  dem  Schosse  unver¬ 
dienten  Vergessens,  dem  es  verfiel,  wieder  ans  Tageslicht. 

.  abei,  lst,  das  Lehrbuch  von  grosser  Vollständigkeit  und 
berücksichtigt  selbst  die  neuesten  Methoden.  —  Um  noch 
eine  Kleinigkeit  zu  bemerken:  in  einer  neuen  Auflage,  die  wir 
dem  wirklich  vorzüglichen  Buche  recht  bald  wünschen  wäre  es 
zweckmassig  der  Anwendung  der  flüssigen  Kohlensäure  bei 
den  uemersclmittmethoden  nicht  ganz  zu  vergessen;  hat  doch 
sie  erst  die  Gefrierschnittmethode  allgemein  brauchbar  und 
unentbehrlich  gemacht.  Oberndorfer  - München. 


Dr.  Nikolaus  Gierlich  und  Dr.  Gotthold  Herx¬ 
heim  er:  Studien  über  die  Neurofibrillen  im  Zentralnerven¬ 
system.  Nebst  Atlas  von  121  Abb.  auf  20  Tafeln.  J.  F.  B  e  r  g  - 
man  n,  Wiesbaden,  1907.  200  S.  Preis  25  Mk. 

Die  Verfasser  haben  nach  B  i  e  1  s  c  h  o  \v  s  k  y  s  Methode 
in  sich  entwickelnden  und  in  kranken  Gehirnen  die  Fibrillen 
gefärbt.  Sie  sind  dabei  im  Ganzen  zu  einer  Bestätigung  der 
Aufstellungen  Bielschowskys  und  Bodemanns  ge¬ 
kommen  und  haben  ihnen  viel  neues  hinzugefügt.  Die  ein¬ 
gehende  Diskussion  der  Befunde  berücksichtigt  die  Literatur 
vollständig,  sodass  das  Buch  zugleich  eine,  vielleicht  etwas 
umfangreiche  aber  sehr  erwünschte,  Zusammenstellung  unserer 
momentanen  Kenntnisse  über  die  Fibrillen  bietet  unter  Be¬ 
schränkung  auf  die  nach  Bielschowsky  färbbaren  Gebilde. 

Ein  Atlas  von  20  Tafeln  illustriert  die  Befunde,  zeigt  aber 
auch,  dass  trotz  der  grossen  darauf  verwendeten  Sorgfalt  die 
photographische  Technik  den  Anforderungen  noch  nicht  ganz 
gewachsen  ist. 

Von  den  vielen  Resultaten  der  wichtigen  Studien  mögen 
hier  erwähnt  werden:  In  der  Pyramidenzelle  der  Rinde  und  in 
den  motorischen  Vorderhornzellen  verlaufen  die  Fibrillen  iso¬ 
liert,  während  sie  in  den  multipolaren  Riesenzellen,  in  den 
Clarke  sehen  Säulen  und  in  den  Spinalganglien  echte  inter¬ 
zelluläre  Netze  bilden.  Nach  Kälteeinwirkung  auf  das  lebende 
Tier  erscheinen  sie  gröber,  verbacken,  nach  Wärmeeinfluss  fein 
und  isoliert.  Embryonal  und  bei  der  Regeneration  entwickeln 
sich  die  Fibrillen  aus  rundlichen  Massen,  die  eine  Zeitlang  an 
den  Fasern  als  Verdickungen  und  Endkölbchen  sichtbar  bleiben. 
Die  Neurontheorie  betrachten  die  Verfasser  nicht  als  gestürzt, 
aber  immerhin  als  schwankend. 

Ganz  besonders  interessant  sind  die  Untersuchungen  an 
pathologischen  Fällen,  für  die  auf  die  Arbeit  selbst  verwiesen 
werden  muss.  Bleuler-  Burghölzli. 

Cruchet:  Tratte  des  Torticolis  spasmodiques.  Avec 

120  Figures  dans  le  texte.  Paris,  Massonet  Cie.,  Editeurs 
1907.  Preis  10  Frcs. 

C.  hat  das  ganze  Beobachtungsmaterial,  das  über  den 
sogen,  spastischen  Schiefhals  in  der  französischen  und  aus¬ 
ländischen  Literatur  vorliegt,  gesammelt  und  gibt  die  kasu¬ 
istischen  Mitteilungen  auf  Grund  des  Studiums  der  Originale 
zum  grossen  Teil  im  Auszuge  wieder. 

In  diesem  sorgfältigen  Zusammentragen  und  der  zuver¬ 
lässigen  Wiedergabe  des  vorhandenen  Materials  liegt  der  eine 
Vorzug  des  Buches. 

Ein  weiteres  grosses  Verdienst  des  Werkes  sehen  wir  in 
dem  Versuch,  Klarheit  in  die  Aetiologie  des  Leidens  zu  bringen. 
Man  hat  bisher  den  spastischen  Schiefhals  als  einheitliches 
Krankheitsbild  aufgefasst.  C.  zeigt,  dass  in  den  Rotatoren  des 
Kopfes  Spasmen  aus  den  verschiedensten  Ursachen  auftreten 
können.  Er  unterscheidet  neuralgische,  professionelle,  para¬ 
lytische,  essentielle,  symptomatische  und  andere  Formen  und 
bespricht  von  jedem  Typus  ausführlich  die  Kasuistik,  Diagnose, 
Prognose,  Anatomie  und  Therapie. 

Das  vorzüglich  ausgestattete  Buch  ist  allen,  die  sich  ein¬ 
gehend  mit  der  Frage  des  spastischen  Schiefhalses  beschäftigen, 
warm  zu  empfehlen.  F.  L  a  n  g  e  -  München. 

W.  Prausnitz:  Grundziige  der  Hygiene.  8  Auflage. 

München  1908.  J.  F.  L  e  h  m  a  n  n.  Preis  8  M.,  geb.  9  M. 

Die  Empfehlungen,  die  das  namentlich  bei  den  Studierenden 
sehr  beliebte  Buch  des  bekannten  Grazer  Hygienikers  bei  Be¬ 
sprechungen  früherer  Auflagen  an  dieser  Stelle  erfuhr,  können 
nur  wiederholt  werden:  Die  Grundzüge  der  Hygiene  finden 
unter  Anführung  der  wichtigsten  Untersuchungsmethoden  und 
mit  Berücksichtigung  der  Gesetzgebung  des  Deutschen  Reiches 
und  Oesterreichs,  eine  klare  und  objektive  Darstellung,  die 
durch  trefflich  gewählte  I  abellen  und  eine  grosse  Zahl  (253) 
instruktiver,  vorzüglich  ausgeführter  Abbildungen  aufs  beste 
unterstützt  wird.  .  Kein  Kapitel  ist  unverändert  geblieben, 
mehrere  wurden  nicht  unerheblich  erweitert  und  dem  jetzigen 
U  an.de  der  Hygiene  entsprechend  umgearbeitet.  Möge  das 
Buch  auch  in  Zukunft,  dem  Wunsche  des  Verfassers  ent- 
sprechend,  in  weitesten  Kreisen  beitragen,  Interesse  und  Ver- 
s  andms  für  die  wissenschaftliche  und  praktische  Hygiene  zu 
verbreiten-  Trommsdorff. 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2645 


Neueste  Journalliteratur. 

Hegars  Beiträge  zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 
Bd.  XII,  Heft  2.  Leipzig,  G.  Thieme.  1907. 

A.  M  a  ye  r  -  Heidelberg:  Ueber  die  Verhütung  des  Puerperal¬ 
fiebers  und  den  Erfolg  der  Behandlung  desselben  mit  dem  Aron- 
s  o  n  sehen  Antistreptokokkenserum. 

Das  Serum  wurde  seit  IV2  Jahren  30  mal  prophylaktisch  und 
19  mal  kurativ  angewendet;  die  Wochenbettsmorbidität  (Rektaltempe¬ 
ratur  38°)  blieb  gleich;  daraus  ist  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  es  ohne 
Serum  sicherlich  nicht  zu  schwereren  Erkrankungen  kam  als  mit 
Serum  und  ein  Nutzen  desselben  ist  nicht  bewiesen.  Die  Prüfung 
des  Serum  in  kurativer  Hinsicht  wurde  vorgenommen  nach  der  Mor¬ 
talität,  dem  Gesamteindruck  des  Verlaufes  bei  den  Ueberlebenden, 
Höhe  und  Dauer  des  Fiebers  und  dem-  Verlauf  des  Einzelfalles.  Von 
den  19  behandelten  Frauen  starben  3.  Es  wurde  im  ganzen  kein 
nennenswerter  Schaden,  aber  auch  kein  Nutzen  gesehen. 

A.  H  e  g  a  r  -  Freiburg  i.  B.:  Die  operative  Aera  der  Geburtshilfe. 

Interessante  kritische  Betrachtung  der  verschiedenen  geburtshilf¬ 
lichen  Komplikationen  und  ihrer  früheren  und  heutigen  Behandlung. 
Bei  der  Therapie  des  engen  Beckens  ist  man,  wie  H.  mit  Recht  sagt, 
auch  heute  noch  auf  inhumane  und  rohe  Prozeduren  angewiesen. 
Kaiserschnitt,  Pubosteotomie  und  Perforation  und  es  scheint  auch 
nicht  wahrscheinlich,  dass  man  mit  den  heutigen  Entbindungsmittein 
weiter  .kommt.  Ein  anderer  Weg  aber  steht  offen,  indem  man  die 
Ursachen  aufsucht  und  das  enge  Becken  abschafft.  H.  weist  hier 
auf  das  Stillen  hin,  passende  Ernährung,  gute  Wohnung  und  Licht, 
geeignete  Bewegung  und  Beschäftigung. 

Dr.  P  a  n  ik  0  w  -  Freiburg  i.  B.:  Ueber  Reimplamtation  der 
Ovarien  beim  Menschen. 

Die  Arbeit  ist  von  grösstem  Interesse  und  beweist  mit  Sicherheit 
und  einwandfrei,  dass  wie  beim  Tiere  so  auch  beim  Menschen  die 
autoplastische  Transplantation  der  Ovarien  möglich  und  die  Wirkung 
der  Ovarien  nur  durch  eine  innere  Sekretion  zu  erklären  ist.  Die 
Ovarien  wurden  in  eine  Tasche  der  Plica  vesico  uterina  eingepflanzt, 
in  Zukunft  soll  aber  das  Lig.  latum  gewählt  werden,  damit  das 
Ovulum  zur  Tube  gelangen  kann. 

S.  Stiassny:  Zur  Torsion  gestielter  Geschwülste. 

Kurze,  wissenschaftlich  vergleichende  Bemerkungen  und  Li¬ 
teratur. 

P.  K  r  0  e  m  e  r  -  Giessen :  Ueber  Versuche,  den  primären  Verlauf 
und  die  Dauerresultate  der  Hebosteotomie  zu  bessern. 

Interessante  Versuche  am  Hunde,  die  noch  nicht  abgeschlossen 
sind.  Beim  Menschen  wird  der  sicherste  Weichteilschutz  durch  den 
Spontanverlauf  der  Geburt  gewährleistet  und  die  Aufschliessbarkeit 
des  Beckens  und  damit  die  Prognose  für  das  Kind  hängt  von  der 
Durchtrennung  der  Bandapparate  ab;  die  wichtigste  Aufgabe  bei  der 
Operation  ist  immer  der  Blasenschutz;  eine  Probefüllung  orientiert 
am  besten  und  ist  sie  nach  der  Durchsägung  und  nach  der  Geburt 
zu  machen;  eine  Wunde  muss  exakt  vernäht  werden;  ist  die  Blase 
verletzt,  so  ist  sofort  zu  entbinden. 

E.  G  r  ä  f  e  n  b  e  r  g  -  Kiel:  Zur  Kenntnis  der  traubigen  Schleim¬ 
hautsarkome  der  weiblichen  Genitalien  im  Kindesalter. 

Der  Tumor  fand  sich  bei  einem  Kinde  von  25  Monaten,  Uterus 
und  Vagina  wurden  durch  Laparotomie  entfernt,  letztere  teilweise; 
genaue  Beschreibung  des  seltenen  Präparates  und  Vergleich  mit 
einem  anderen  Fall  von  A  m  a  n  n. 

L.  M  i  c  h  a  n  d  -  Bern :  Ein  Fall  von  Knochenbildung  in  den  Tuben. 

Bei  einem  21  jährigen  Mädchen  wurden  rechts  und  links  vom 
Uterus  zystische  verwachsene  kleine  Tumoren  gefunden,  aus  Ovarium 
und  Tube  bestehend,  in  letzterer  steinharte  Massen,  Knochen,  die 
direkt  aus  dem  Bindegewebe  entstanden  waren. 

Dr.  G  m  i  n  d  e  r  -  Erlangen :  100  Fälle  von  Morphium-Skopolamin¬ 
narkose  in  der  Geburtshilfe. 

Nur  58  mal  wurde  ein  völlig  befriedigender  Verlauf  der  Narkose 
gesehen;  bei  27  kam  es  zu  einer  wesentlichen  Beeinträchtigung  der 
Wehentätigkeit,  4  mal  traten  Komplikationen  von  Seiten  der  Mutter 
auf.  1 1  mal  kam  es  zu  schweren,  12  mal  zu  leichten  Kinderasphyxien. 
5  starke  Nachblutungen  waren  Folge  der  Narkose  und  einmal  ist 
vielleicht  die  Narkose  am  Tode  eines  Kindes  schuld.  Somit  ist  die 
Narkose  für  Mutter  und  Kind  gefährlich. 

H.  H  u  n  z  i  c  k  e  r  -  Zürich:  Die  Rhabdomyome  des  Corpus  uteri. 

Bei  einer  58  jährigen  Frau  entwickelte  sich  ein  polypöser  apfel¬ 
grosser  weicher  Tumor  von  der  linken  Tubengegend  entspringend; 
es  bestand  fleischwasserähnlicher  Ausfluss.  Trotz  früher  Totalexstir¬ 
pation  trat  der  Tod  schon  5  Monate  nach  den  erstem  Symptomen 
ein.  Mikroskopisch  wurde  Mischtumor  gefunden,  verschiedene  Arten 
von  ortsfremdem  Gewebe,  sarkomartig,  glatte  und  quere  Muskulatur, 
Fett,  Myxomgewebe,  Knorpel,  hyaline  und  fettige  Entartung.  Das 
Ausbreiten  des  Tumors  erfolgt  teilst  durch  kontinuierliches  Weiter¬ 
kriechen,  teils  durch  Einbruch  in  die  Gefässe.  Bisher  sind  nur  6 
Fälle  bekannt.  Vogel-  Aachen. 

Zentralblatt  für  Gynäkologie.  No.  50,  1907. 

R.  Jolly -Berlin:  Hohe  Zange  bei  Gesichtslage. 

Bericht  über  2  Fälle,  die  nicht  zur  Nachahmung  ermuntern.  Im 
1.  Fall  kam  das  asphyktische  Kind  zwar  wieder  zu  sich,  starb  aber 
nach  einigen  Tagen,  anscheinend  infolge  der  Zangenverletzungen  am 


Schädel.  Die  Mutter  machte  infolge  eines  Beckenexsudates  ein  dau¬ 
ernd  fieberhaftes  Wochenbett  durch.  Im  2.  Fall  starb  das  Kind  schon 
während  der  Entbindung;  der  Wochenbettverlauf  war  hier  fieberfrei. 

J.  selbst  gesteht  zu,  dass  ihm  seine  Fälle  jede  Lust  genommen 
haben,  bei  Gesichtslage  die  hohe  Zange  anzulegen.  Dieselbe  darf 
erst  angelegt  werden,  wenn  der  Kopf  im  Becken  steht.  Sonst  kommt 
die  Perforation  oder  höchstens  die  Pubotomie  in  Frage. 

M.  N  e  u  -  Heidelberg:  Ein  Beitrag  zur  Adrenalinbehandlung  der 
Osteomalakie  nach  B  o  s  s  i. 

Bemerkungen  zu  diesem  Aufsatz  von  F.  Kaessmann  im  Zen¬ 
tralblatt  f.  Gyn.,  1907,  No.  44  (ref.  in  diesem  Blatt  No.  46,  pag.  2294). 

L.  M.  B  0  s  s  i  -  Genua:  Ueber  die  Prophylaxe  der  Beckendifformi- 
täten  infolge  von  Rachitis. 

B.  hat  in  2  Fällen  von  Rachitis  Extrakt  von  Nebennieren  ge¬ 
geben  und  angeblich  sehr  gute  Resultate  erzielt.  Auf  dem  pädiatri¬ 
schen  Kongress  in  Padua  berichtete  .1  o  v  a  n  e  aus  Neapel,  dass  er 
in  18  Fällen  die  Angaben  B.s  bestätigen  konnte. 

A.  W  e  s  t  h  o  f  f  -  Münster  i.  W.:  Ueber  eine  Blasendarmfistel 
und  ihr  zysoskopisches  Bild. 

Interesant  war  an  dem  Fall  nur,  dass  die  Fistel  10  Jahre  lang  be¬ 
standen  hatte  und  nur  mäsige  eitrige  Zystitis  ohne  wesentliche  Stö¬ 
rung  des  Allgemeinbefindens  bewirkt  hatte.  Operative  Heilung  nach 
Laparotomie.  J  a  f  f  e  -  Hamburg. 

Deutsche  Zeitschrift  für  Nervenheilkunde.  1907.  33.  Bd. 

3.-4.  Heft. 

N  o  n  n  e  -  Hamburg:  Primäre  Seitenstrangdegeneration  und 
Meningitis  cervico-dorsalis  levis  als  anatomische  Grundlage  in  2  Fällen 
von  „syphilitischer  Spinalparalyse“. 

Bei  2  Kranken,  die  in  früheren  Jahren  syphilitisch  infiziert  wor¬ 
den  waren,  entwickelten  sich  spastische  Paresen.  In  beiden  Fällen 
lag  im  Rückenmark,  wie  durch  die  histologische  Untersuchung  erwiesen 
werden  konnte,  einzig  und  allein  eine  Degeneration  der  Pyramidenseiten¬ 
strangbahnen  vor.  In  den  inneren  Organen  fanden  sich  syphilitische 
Veränderungen  (Orchitis  fibrosa  usw.).  Da  die  Hinterstrangsysteme 
verschont  geblieben  waren,  so  wird  durch  die  vorliegenden  Beobach¬ 
tungen  der  einwandfreie  Beweis  geliefert,  dass  sich  die  meta- 
syphilitischen  Degenerationen  im.  Rückenmark  auch  auf  die  Pyramiden¬ 
seitenstränge  lokalisieren  können. 

R  i  nd  fl  e  i  s  ch -Königsberg:  Ueber  die  Kombination  von 
Syringomyelie  mit  Myotonie. 

Ein  Kranker,  der  wiederholt  in  der  medizinischen  Klinik  zu 
Königsberg  Aufnahme  fand,  bot  die  klassischen  Zeichen  der  Myotonie, 
daneben  bestanden  aber  noch  dissoziierte  Sensibilitätsstörungen,  ein¬ 
seitige  Stimmbandlähmung,  Schwund  der  rechten  Zungenhälfte  und 
Muskelatrophien.  R.  weicht  bei  der  Diagnosenstellung  von  dem  be¬ 
währten  Grundsatz  ab,  alle  Erscheinungen  eines  vielseitigen  Krank¬ 
heitsbildes  einheitlich  aufzufassen,  ab  und  vermutet,  dass  in  dem  vor¬ 
liegenden  Falle  zwei  verschiedene  Krankheitsbilder  zur  Entwicklung 
kamen.  Und  zwar  nimmt  R.  an,  „das  seine  ikongenital  vorhandene 
myotonisohe  Anlage  latent  blieb,  bis  sie  durch  die  Entwicklung  des 
syringomyelitischen  Prozesses  aktiviert  wurde“. 

R  o  s  e  n  b  1  a  t  h  -  Kassel :  Ein  Fall  von  Erweichung  im  linken 
Stirnhirn  mit  motorischer  Aphasie,  Agraphie  und  Alexie  und  SynH 
ptomen  von  Pseudoparalyse. 

Ein  ErweichungSiherd,  der  im  Wesentlichen  auf  das  Stirnhirn  be¬ 
schränkt  blieb  und  ausser  diesem  nur  den  vorderen  Teil  der  Insel 
und  Teile  des  Linsenkernes  ergriffen  hatte,  bewirkte  eine  komplette 
motorische  Aphasie  mit  Agraphie  und  Alexie.  Merkwürdigerweise 
bestand  daneben  aber  noch  vollkommene  Stimmlosigkeit  und  Parese 
der  Schlund-,  Zungen-  und  Lippenmuskulatur.  Da  im  Pons  und  in  der 
Medulla  oblongata  kein  Herd  zu  finden  war,  so  muss  das  vorliegende 
Krankheitsbild  als  Pseudobulbärparalyse  angesprochen  werden.  In 
der  Literatur  finden  sich  über  diesen  Symptomenkomplex  bei  e  in¬ 
seitigem  Hirnherd  nur  ganz  vereinzelte  Mitteilungen.  Er  ist  auch 
zurzeit  einer  wirklich  befriedigenden  Erklärung  nicht  zugänglich. 
Bei  der  Besprechung  der  aphatischen  Störungen  schliesst  sich  R.  den 
Einwendungen,  die  P.  Marie  in  jüngster  Zeit  gegen  die  bisher 
gültige  schematische  Lehre  von  der  Aphasie  machte,  an. 

Pfannkuch  -  Kassel :  Ueber  einen  Fall  von  Encephalomyelitis 
disseminata  unter  dem  Bilde  der  Pseudobulbärparalyse. 

Kasuistische  Mitteilung. 

K  a  1 1  w  i  n  k  e  1  und  L.  Neumayer  -  München :  Ueber  den  Ver¬ 
lauf  der  sog.  H  e  1  w  e  g  sehen  Dreikantenbahn  oder  Bechterews 
Olivenbündel  (Fasciculus  parolivaris). 

An  einem  Falle,  in  welchem  sich  ein  Herd  auf  den  linken  Pe- 
dunculus  cerebri  erstreckte,  studierten  die  Autoren  den  Verlauf  des 
Bündels,  welches  sich  im  oberen  Halsmarke  an  der  Peripherie  zwi¬ 
schen  Vorder-  und  Seitenstrang  in  dreieckiger  Form  einschiebt.  Sie 
kamen  dabei  zu  dem  Resultate,  dass  der  genannte  Strang  als  geschlos¬ 
senes  Bündel  nach  unten  bis  in  die  Höbe  des  2.  Dorsalsegmentes  zu  ver¬ 
folgen  sei.  Die  Dreikantenbahn  wird  zusammengesetzt  aus  feinen 
Nervenfasern,  denen  in  geringerer  Zahl  dicke  Fasern  beigemischt  sind. 
Im  vorliegenden  Falle  waren  nur  die  feinen  Fasern  degeneriert.  Dar¬ 
aus  lässt  sich  schliessen,  dass  sie  eine  absteigende  Bahn  darstellen, 
die  proximal  mindestens  bis  zum  Herde  im  Hinterschenkelfusse  reicht. 
Ein  Teil  der  Fasern  tritt  in  die  Olive  ein,  ein  anderer  Teil  geht 
aussen  um  die  Olive  herum  in  den  Fasciculus  tegmenti  centralis  über. 


\6 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


B  i  1 1  o  r  f  -  Breslau:  Der  isolierte  angeborene  Defekt  des  Mus- 
kulus  serratus  anticus  major.  • 

Während  der  angeborene  Pektoralisdefekt  recht  häufig  ist,  muss 
das  Behlen  des  Serratus  als  ein  seltenes  Vorkommnis  bezeichnet  wer¬ 
den.  Der  Ausfall  des  Serratus  braucht  nun  gar  keinen  Funktions¬ 
ausfall  zu  bedingen.  Die  übrigen  Muskeln  des  Schultergürtels  können 
für  ihn  ein  treten,  so  dass  die  Bewegungen  auf  der  betroffenen  Seite 
ganz  ebenso  ausgiebig  und  ebenso  kräftig  ausgeführt  werden  wie  auf 
der  gesunden  Seite.  Bei  angeborenen  isolierten  Defekten  lässt  sich 
natürlich  ein  besonders  hoher  Grad  kompensatorischer  Arbeitsleistung 
finden.  Die  vorliegende  Arbeit  stellt  nun  eine  Studie  dar,  inwieweit 
die  einzelnen  Muskeln  (Trapezius,  Rhomboidei,  Deltoideus  usw.)  bei 
der  Ausgleichung  des  Defektes  in  Betracht  kommen. 

P  f  e  i  f  e  r  -  Halle  a.  S.:  Verspätete  Geschmacksempfindung  bei 
vorwiegend  zerebraler,  mit  bulbärparalytischen  Symptomen  beginnen¬ 
der  Tabes. 

Ans  den  hier  niedergelegten  Beobachtungen  ist  zu  entnehmen, 
dass  die  Tabes  dorsalis  jahrelang  unter  dem  fast  reinen  Bild  der  Bul- 
bärparalyse  einhergehen  kann,  bevor  eigentlich  tahische  Symptome 
in  die  Erscheinung  treten.  Der  vorliegende,  etwas  langatmig  geschil¬ 
derte  Fall,  beansprucht  auch  deshalb  Interesse,  weil  abgesehen  vom 
Trochlearis  sämtliche  Gehirnnerven  in  ihren  Funktionen  geschädigt 
waren.  Eine  Reihe  von  diesen  Hirnnervensymptomen  sind  recht  selten 
noch  beschrieben  worden,  so  die  atrophischen  Lähmungen  im  Gebiete 
der  motorischen  Hirnnerven,  die  Störungen  der  Speichel-  und  Tränen¬ 
sekretion,  die  Akustikus-  und  Vestibulariserscheinungen,  die  Larynx- 
und  die  Optikuskrisen.  Bisher  überhaupt  noch  nicht  beobachtet  sind  die 
hier  geschilderten  Geschmacksstörungen,  die  sich  in  einer  ausge¬ 
sprochen  verspäteten  Geschmacksempfindung  äusserten. 

H.  C  u  r  s  c  h  m  a  n  n  -  Mainz:  Lieber  Labyrintherkrankungen,  als 
Ursache  des  spastischen  Tortikollis. 

Der  Autor  fordert  dazu  auf,  bei  spasmodischem  Schiefhals  stets 
auf  etwaige  Affektionen  des  Labyrinths  zu  fahnden.  Er  glaubt  in 
zwei  Fällen  erwiesen  zu  haben,  dass  Labyrinth-  bezw.  Bogengangs- 
erikrankungen  durch  den  von  ihnen  erzeugten,  nach  bestimmten  Rich¬ 
tungen  ablaufenden  Schwindel  den  Kranken  zum  Schiefhalten  des 
Kopfes  veranlassen  können.  Der  Schwindel  und  die  ihm  entspringende 
Korrektivhaltung  führen  dann  mit  der  Zeit  zu  einem  spastischen  Torti- 
collis.  Durch  die  Behandlung  des  auslösenden  Grundleidens,  der 
Labyrintherkrankung  mit  Ghinin  soll  sich  in  solchen  Fällen  also  auch 
der  Tortikollis  günstig  beeinflussen  lassen. 


L.  R.  Müller-  Augsburg. 

Berliner  klinische  Wochenschrift.  No.  51.  1907. 

1)  H.  v.  Sch  r  o  etter- Wien:  Fremdkörper  2  Jahre  im  linken 
Bronchus,  Extraktion  auf  direktem  Wege,  Heilung. 

Hinzuzufügen  ist  noch,  dass  der  52  jährige  Kranke  eine  putride 
Bronchitis  darbot,  die  nach  der  Extraktion  des  34  cm  tief  sitzenden 
K n o che n st ü c k e s  au s  heilte . 

2)  A.  Wasse  r  man  n -Berlin:  Ueber  die  Entwicklung  und  den 
gegenwärtigen  Stand  der  Serodiagnostik  gegenüber  Syphilis. 

Die  im  syphilitischen  Serum  vorhandenen,  die  Komplementbin¬ 
dung  gebenden  Stoffe  sind  nicht  notwendigerweise  der  Heilung 
dienende  Stoffe.  Das  Wesen  der  Serumreaktion  bei  Syphilis  besteht 
darin,  dass  die  Eigenschaft  der  Körpersäfte  des  Syphilitischen,  mit 
gewissen  Lipoiden  Bindung  einzugehen,  nachgewiesen  wird. 

3)  G.  M  e  i  e  r  -  Berlin :  Die  Technik,  Zuverlässigkeit  und  kli- 
msche  Bedeutung  der  Wassermann  sehen  Reaktion  auf  Syphilis. 

M.  hat  neue  Untersuchungen  an  grossem  klinischen  Material  an¬ 
gestellt.  Er  bespricht  eingehend  die  grosse  Uebung  erheischende 
lechmk  der  W.schen  Methode,  ferner  die  Beurteilung  der  Reaktion, 
ositiver  Ausfall  derselben  ist  für  Syphilis  beweisend.  Von  181  Syphi¬ 
litischen  zeigten  81,7  Proz.  positive  Reaktion.  Die  Methode  ist  bei 
positivem  Ausfall  brauchbar  und  zuverlässig.  Verf.  bespricht  dann 

noch  die  Grunde  für  das  Ausbleiben  der  Reaktion  trotz  bestehender 
Syphilis. 

4) . R.  Ledermann:  Kritische  und  therapeutische  Beiträge  zur 
Kenntnis  der  Quarzlampe. 

i/  L.  berichtet  über  die  von  verschiedenen  Autoren  aniges teilten 
Versuche,  welche  die  therapeutische  Tiefenwirkung  der  Hg-  und  der 
binsenlampe  betreffen.  Die  Tiefenwirkung  der  ersteren  ist  experimen¬ 
tell  noch  nicht  erwiesen.  Gute  Ergebnisse  erzielte  L.  mit  der  Ouarz- 
ampe  be‘  Alopecia  areata  bei  Rosacea,  Sykosis  parasitaria.  Er  be¬ 
richtet  dann  noch  über  seine  Erfahrungen  bei  Lupusfällen. 

,°LL-  i^hnwald-BadReichenhan-München:  Ueber  subokzi¬ 
pitale  Entzündungen.  (Schluss  folgt.) 

M  A.  A  I  b  u  -  Berlin  :  Ueber  Mastdarmneuralgie. 

,PihihS?ild2,'die  Symptome  dieser  nicht  so  seltenen  Affektion  (er 
selbst  hat  5  balle,  meist  Männer  betreffend,  gesehen),  welche  häufig 
an  Neurasthenischen  zur  Beobachtung  gelangt  und  als  Neuralgie  nach 
der  Art  der  Schmerzen  und  der  Lokalisation  aufzufassen  ist.  Thera- 
Fornienh:  c  adonna’  Anwendung  der  Wärme  in  verschiedenen 

0  S  a  i  t  o  -  Hirasawa  (Japan):  Ueber  einen  seltsamen  Fall  von 
nervösem  Aufstossen. 

Die  Beobachtung  betrifft  eine  78  Kranke,  die  seit  dem  42.  Jahre 


infolge  Leerschluckens  massenhaftes  Aufstossen  von  Gasen  darbietet. 
Heilung  durch  psychische  Behandlung. 

8)  N.  Krön-  Berlin :  Die  Basedow  sehe  Krankheit  und  das 
Geschlechtsleben  des  Weibes. 

Betr.  dieser  eingehenden  literarischen  Studie  (2  eigene  Beobach¬ 
tungen  sind  eingefügt)  müssen  wir  auf  das  Original  verweisen. 

Grassmann  -  München. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  No.  51.  1907. 

1)  A  h  l  f  e  l  d  -  Marburg:  Ueber  Verhütung  und  Behandlung  der 
Dammrisse. 

Klinischer  Vortrag. 

2)  M.  E  1  s  a  e  s  s  e  r  -  Mannheim:  Ueber  die  Behandlung  der  Tu¬ 
berkulose  mit  Marmorekserum  und  Neutuberkulin  (Bazillenemulsion) 
nebst  einigen  Ausblicken  in  die  Zukunft  der  Tuberkulosebekämpfung. 

Während  Verfasser  die  Heilwirkung  des  Marmorekserums  auf 
I  uherkulose  für  sehr  zweifelhaft  hält,  ist  er  von  der  spezifischen  ' 
Wirkung  des  Neutuberkulins  überzeugt;  am  erfolgreichsten  waren 
diese  Kuren  im  ersten  Stadium.  Verf.  wünscht  Entlastung  der  Volks¬ 
heilstätten  durch  ausgedehntere  Tuberkulmbehandlung,  insbesondere 
Vor-  und  Nachbehandlung  der  Leichtkranken  zu  Hause  bezw.  im 
Krankenhaus.  Die ,  noch  besserungsfähigen  Kranken  im  2.  und  3. 
Stadium  sollten  in  guten  Tuberkulosekrankenhäusern  der  Städte  be¬ 
handelt  werden,  den  bestehenden  Volksheilstätten  sollte  man  Kinder¬ 
stationen  angliedern. 

3)  Otto  C  r  e  i  te  -  Göttingen:  Zur  Therapie  des  äusseren  Milz¬ 
brandes. 

Verf.  empfiehlt  absolute  Ruhe  der  Patienten,  Suspension  des  er¬ 
krankten  Gliedahschmittes  und  Umschläge  mit  2  proz.  essigsaurer 
Tonerde  auf  die  erkrankte  Hautpartie;  13  Fälle  Wurden  auf  diese  Weise 
innerhalb  weniger  Wochen  geheilt.  Exzision  und  Kauterisation  .sind 
nicht  nur  unnötig,  sondern  auch  gefährlich. 

4 )  F.  H e  i  n is  i  u  s  und  W.  Li  s  sa  u  e  r  -  Schöneberg :  Erfahrungen 
über  Brustdrüsenentzündung,  insbesondere  ihre  Behandlung  mit  B  i  e  r- 
scher  Hyperämie. 

Frische,  beginnende  Mastitiden  wurden  durch  Saugbehandlung 
kupiert,  bei  Abszedierung  kam  man  mit  kleinen  Inzisionen  aus.  Be¬ 
sondere  Vorteile  sind  häufige  Möglichkeit  des  Weiterstillens;  das  gute 
kosmetische  Resultat,  Verminderung  der  Furcht  mancher  Mütter  vor 
dem  Selbststillen.  Der  einzige  Nachteil  ist  die  Notwendigkeit  stän¬ 
diger  Ueberwachung  und  grösseren  Zeitaufwandes.  Ueber  die  Tech¬ 
nik  macht  Verf.  nähere  Angaben. 

5)  H.  Schur  und  I.  Wiesel- Wien:  Zur  Frage  drucksteigern¬ 
der  Substanzen  im  Blute  bei  chronischer  Nephritis. 

Entgegnung  auf  den  in  der  gleichen  Wochenschrift  erschienenen 
Artikel  Schlayers.  Dass  letzterer  im  Nephritikerbliut  keine  Ver¬ 
mehrung  blutdrucksteigernder  Substanzen  nachweisen  konnte  im  Ge¬ 
gensatz  zu  ihren  Befunden,  erklären  Verf.  aus  der  Verschiedenheit  der 
angewandte n  Me t h öden . 

6)  Th.  Neubürger- Frankfurt  a.  M.:  A.  E.  Wrights  In¬ 
okulationsmethode. 

Informierender  Vortrag  im  Frankfurter  ärztlichen.  Verein. 

/)  0  u  a  d  f  1  i  e  g  -  Bardenberg:  Ein  Fall  von  habitueller  Torsion 
des  linken  Testis. 

Das  Leiden  wurde  erst  bei  der  Operation  erkannt.  Da  durch  die 
ln  Tage  bestehende  Torsion  der  Nebenhoden  bereits  stark  verändert 
war,  musste  die  einseitige  Kastration  ausgeführt  werden.  . 

8)  Ph.  F.  B  e  c  k  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Behandlung  der 
Schuppenflechte  mit  Ultraviolettstrahlen. 

An  mehreren  Fällen  zeigt  Verf.,  dass  die  Behandlung  mit  Ultra¬ 
violettstrahlen  bei  der  Psoriasis  mit  den  anderen  Methoden  kon¬ 
kurrieren  kann. 

9)  E.  Davidsohn-  Berlin :  Zwei  seltenere  Verletzungen. 

a)  Nadel,  in  den  Oberarm  eingedrungen  und  dort  durch  Muskel- 
kiaft  zerbrochen;  b)  Metallsplitter  von  einem  Patronenmantel  in  2 
Fingern,  einer  im  Knochen. 

10)  I  w  a  n  o  f  f  -  Widdin:  Das  Militärsanitätswesen  in  Bulgarien. 

R.  Grashey  -  München. 

Oesterrelchische  Literatur. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

No.  51.  Th.  B  a  1 1  a  b  a  n  -  Lemberg :  Ueber  den  Wert  der  sub- 
konjunktivalen  Injektionen  und  ihre  Theorie. 

Referat  mit  besonderer  Hervorhebung  der  Untersuchungen  W  e  s- 
s.c  s ‘  ^as  Verfahren  ist  weniger  indiziert,  wo  eine  starke  ent¬ 
zündliche  Reaktion  bei  akuten  Prozessen  besteht,  dagegen  wichtig 
als  Unterstützung  oder  selbständiges  Heilverfahren,  wo  bei  chroni¬ 
schen  Erkrankungen  eine  lebhaftere  Reaktion  erreicht  werden  soll. 
Besonders  empfohlen  wird  es  von  dem  Verf.  zur  raschen  Beseitigung 
grosserer  suhkonjunktivaler  Blutungen. 

R.  K  r  a  e  m  e  r  -  Wien :  Eine  Verletzung  des  Auges  durch  Essig. 

K.  beobachtete  einen  ball,  wo  zur  Beseitigung  einer  Ohnmacht 
cas  icsicht  mit  Essig  gewaschen  wurde  und  von  der  Flüssigkeit 
ssenzessig)  etwas  in  das  Auge  geriet.  Die  Folge  war  eine  hart¬ 
näckige  Kornealtriibung  und  Kornealerosion,  deren  Beseitigung  erst 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2647 


nach  5  Monaten  gelang,  ln  der  Literatur  findet  sich  nur  ein  ganz 
ähnlicher  Fall. 

F.  Riedl-  Ullersdorf :  Granulationsbehandlung. 

Zur  günstigen  Beeinflussung  der  Granulationsbildung,  zumal  in 
torpiden  Fällen,  empfiehlt  R.  den  feuchten  Verband  mit  Leinöl.  Bei 
bestehenden  Ekzemen  allein  ist  das  Leinöl  weniger  angezeigt  oder 
wenigstens  streng  auf  die  frische  Beschaffenheit  des  Oeles  zu  halten. 

L.  Freund- Wien  :  Röntgenbehandlung  der  Ischias. 

Die  von  anderen  Antoren  betonte  günstige  Einwirkung 
der  Röntgenstrahlen  auf  Neuralgien  hat  Verfasser  speziell 
bei  4  Fällen  von  Ischias  bestätigt  gefunden.  Die  Behand¬ 
lung,  welche  gewöhnlich  schon  am  2.  Tage  einen  Erfolg  er¬ 
kennen  liess,  wurde  mindestens  an  6  aufeinanderfolgenden  Tagen 
durchgeführt. 

K.  Gütig- Wien:  Zur  operativen  Behandlung  des  Rhinophyma. 

Sehr  guter  Erfolg  in  einem  durch  Abbildungen  illustrierten  Fall. 
Gewicht  ist  zu  legen  auf  Belassung  eines  schmalen  Saumes  an  dem 
Rande  und  der  Spitze  der  Nase  zur  Erzielung  einer  natürlichen  Ein¬ 
fassung  der  Nase  und  zweitens  bei  der  plastischen  Deckung  der  ab¬ 
geschälten  Nase  auf  die  Verwendung  von  Epidermislappen  aus  den 
abgetragenen  Geschwülsten,  damit  die  neue  Nase  in  ihrer  Earbe  nicht 
auffällig  von  der  Umgebung  absticht. 

Ch.  A  d  j  a  r  o  f  f  -  Philippopel :  Ein  Fall  von  extrauteriner  Schwan¬ 
gerschaft  mit  ausgetragener  Frucht. 

Aus  dem  grossen,  von  dem  mannsfaustgrossen  Uterus  abgrenz- 
baren  Tumor,  in  dem  iKindesteile  zu  tasten  waren,  wurde  durch 
Laparotomie  das  vollständig  ausgetragene  Kind  asphyktisch  zur  Welt 
gebracht  und  sofort  wiederbelebt.  Abtragung  des  Fruchtsackes  und 
des  Wurmfortsatzes.  Heilung.  Normales  Gedeihen  des  Kindes. 

K.  R  o  u  ss  e  f  f  -  Sofia:  Chemische  Untersuchung  der  Thermen 
Monina  Cania  und  Parilky  bei  Hissar  in  Bulgarien. 

Die  beiden  Akratot'hermen  sind  von  ziemlich  gleicher,  hier  nicht 
näher  wiederzugebender  Zusammensetzung. 

Bericht  des  von  der  K-  K.  Gesellschaft  der  Aerzte  gewählten 
Komitees  zur  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten. 

Der  mit  sehr  eingehenden  Vorschlägen  verbundene  Bericht  eignet 
sich  nicht  zur  kurzen  Wiedergabe. 

Bergeat  -  München. 

Vereins-  und  Kongressberichte. 

Berliner  medizinische  Gesellschaft. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  18.  Dezember  1907. 

In  der  heutigen  Sitzung  wurde  Paul  Ehrlich  zum  Ehren¬ 
mitglied  ernannt,  zur  Freude  aller,  welche  die  Wissenschaft 
in  der  Medizin  schätzen. 

Demonstrationen: 

Herr  A.  Baginsky:  Wiederaufflammen  der  Konjunktival- 
reaktion  bei  nachträglicher  subkutaner  Tuberkuliniinjektion.  B. 
ist  mit  Untersuchungen  über  die  C  a  1  m  e  1 1  e  sehe  Probe  beschäftigt 
und  hält  das  Vorkommnis  für  bemerkenswert. 

Diskussion:  Herr  Wolff-Eisner  erklärt  das  Vorkomm¬ 
nis  für  konstant  und  schon  mehrfach  beschrieben.  Er  wendet  sich 
gegen  die  Bezeichnung  Calmett«  sehe  Probe,  da  er  zuerst  in  dieser 
Gesellschaft  Mitteilung  von  der  Konjunktivalreaiktion  gemacht  hat  und 
ihm  unbedingt  die  Priorität  zukomme. 

Herr  Pappenheim:  Eigenartige  Zelleinschlüsse  in  den  Zellen 
einer  akuten  myeloiden  Leukämie,  von  denen  er  glaubt,  dass  sie 
zu  den  Michael  is-Wolff-Eisn  er  sehen  azurophilen  Lyrnpho- 
zytengranulis  Beziehungen  und  Aehnlichkeit  mit  Protozoeneinschlüssen 
bei  Amphi'blenblutkörperchen  haben. 

Herr  Bröse:  Primäraffekt  an  der  Portio  vaginalis  mit  daneben 
bestehendem  frischen  papulösen  Syphilid. 

Herr  C.  Hirsch:  4  jähriges  Mädchen  mit  zahlreichen  tuber¬ 
kulösen  Erkrankungen.  Eine  vor  längerer  Zeit  entstandene  pannöse 
Keratitis  machte  Bulbusexstirpation  erforderlich.  Infolge  Knochen¬ 
tuberkulose  gestaltet  sich  der  Wundverlauf  schwierig.  Er  rät  zu 
frühzeitiger  Operation. 

Tagesordnung:  Herr  P  i  e  1  i  c  k  e:  Tuberkulin  in  der 
Behandlung  der  Nierentuberkulose. 

Es  ist  über  die  Behandlung  der  Nierentuberkulose  sehr  viel 
geschrieben.  Die  Nierentuberkulose  verläuft  oft  sehr  langsam, 
sie  kann  7  Jahre  latent  sein.  Als  einzige  Heilungsmethode  galt 
lange  die  Exstirpation;  ist  die  zurückgebliebene  Niere  auch 
erkrankt,  kann  die  bessere*  Durchblutung  den  Prozess  günstig 
beeinflussen. 

Man  kann  die  natürliche  Immunität  durch  Tuberkulin 
steigern  (?).  Redner  war  selbst  an  Tuberkulose  er¬ 
krankt  und  ist  durch  Tuberkulinkur  von  Spengler  so 
gut  wie  geheilt.  Darum  behandelte  er  einen  Fall  von  Nieren¬ 
tuberkulose  ebenfalls  mit  Tuberkulin  und  zwar,  da 


die  Patientin  abreisen  musste,  in  ziemlich  schneller  Progre¬ 
dienz,  so  dass  ziemlich  starke  Reaktionen  eintraten. 

Der  Albumengehalt  sank  bis  auf  eine  Spur,  es  waren  noch 
einzelne  Tuberkelbazillen  vorhanden,  die  nach  Abschluss  der 
Behandlung  immer  spärlicher  wurden.  Jetzt  geht  es  der  Patientin 
gut,  es  Hessen  sich  nur  2  Tuberkelbazillen  im  Urin  noch  finden. 
Er  berichtet  über  einzelne  Fälle  von  Heilung  mit  Tuberkulin 
in  der  Literatur. 

Diskussion:  Herr  James  Israel:  Bei  der  Nierentuberkulose 
gibt  es  eine  chirurgische:  Behandlung,  im  Gegensatz  zur  Lungentuber¬ 
kulose,  wo  man  auf  das  Tuberkulin  fast  angewiesen  ist.  Die  zweite 
Niere  ist  meist  gesund,  da  sie  erst  nach  längerem  Bestand  der  Tuber¬ 
kulose  ergriffen  zu  werden  pflegt.  Er  hat  112  Nieren  wegen  Tuber¬ 
kulose  existirpiert;  infolge  früherer  Diagnosenstellung  werden  die  Re¬ 
sultate  immer  besser  (von  50  nur  2  Exitus  als  Folge  der  Operation). 

Bei  dem  Charakter  der  Nierentuberkulose  sind  Besserungen  ohne 
jede  Beweiskraft,  eine  Heilung  mit  Tuberkulin  erscheint  ihm  in  keinem 
Falle  erwiesen.  Unter  Tuberkulinbehandlung  hat  ein  junger  Arzt 
mit  Nierentuberkulose  eine  Peritonitis  tuberculosa  bekommen,  ein 
zweiter  Fall  ist  schwer  geschädigt,  trotz  vorsichtigster  Dosierung 
(Opsoninbestimmung).  Er  empfiehlt  Tuberkulin  nur  zur  Nachbehand¬ 
lung  nach  Exstirpation. 

Herr  Caro:  Die  Ca  sp  er  sehe  Klinik  steht  vollkommen  auf 
dem  I  s r a e 1  sehen  Standpunkt.  Bei  der  Nachbehandlung  mit  Tuber¬ 
kulin  heilt  die  Bl  as  entu'b e rk u los e  schneller  aus. 

Herr  P  i  e  1  i  c  k  e :  Schlusswort. 

Herr  Rosenthal:  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit 
Arsenpräparaten. 

Arsen  wurde  früher  bei  der  Behandlung  der  Syphilis  nicht 
verwendet.  Die  neuerdings  empfohlenen  Quecksilberarsen¬ 
verbindungen  sind  nicht  empfehlenswert.  Das  beste  Präparat 
ist  die  a  r  s  e  n  i  g  e  Säure,  Intoxikationserscheinungen  ver¬ 
schwinden  in  24 — 48  Stunden.  In  mehreren  Fällen  von  Lues 
maligna,  die  gegen  Hg  refraktär  waren,  hat  Arsen  einen  Er¬ 
folg  gehabt  und  auch  bei  Rezidiven  nicht  versagt.  Nach  Queck¬ 
silber  und  Jod  gebührt  dem  Arsen  in  der  Syphilistherapie  der 
erste  Platz.  Wolff-Eisner. 

Verein  für  innere  Medizin  zu  Berlin. 

(Eigener  Bericht.) 

Sitzung  vom  16.  Dezember  1907. 

Herr  v.  Leyden:  Ausführliche  Besprechung  seiner  schon  früher 
publizierten  Fälle  von  Hemisystolie. 

Herr  Fritz  Levy:  Patientin  mit  Missbildung  der  Hand,  die  er 
auf  Amnionabschnürung  zurückführt. 

Herr  D  äh  Isen:  Präparate,  welche  die  Entstehung  von  Tuber¬ 
keln  nach  Einspritzung  von  abgetöteten  Tuberkelbazillen  erkennen 
lassen. 

Tagesordnung:  Herr  Fritz  Levy:  Ueber  die  kon- 
junktivale  Tuberkulinreaktion. 

Nach  einer  historischen  Einleitung,  welche  die  Priorität 
Wolff-Eisners  feststellt,  bespricht  L.  seine  Resultate, 
gewonnen  im  Krankenhaus  Gitschinerstrasse.  Von  den  sicher 
Tuberkulösen  reagierten  85,  von  den  wahrscheinlich  Tuberku¬ 
lösen  60,  von  den  Gesunden  6  Proz.  L.  instilliert  zunächst  eine 
2proz.  Lösung  vonAlttuberkulin,  wenn  diese  negativ,  eine  4proz. 
Eine  glyzerinfreie  Lösung,  wie  C  a  1  m  e  1 1  e  will,  ist  unnötig, 
deshalb  auch  das  neue  Höchster  Präparat,  welches  übrigens 
viel  zu  stark  sei  und  heftige  Reizerscheinungen  macht. 

Eine  starke  Reaktion  sei  im  allgemeinen  prognostisch 
günstiger,  als  eine  schwache.  Warnung  bei  bestehender  Kon¬ 
junktivitis  oder  dergl.  einzuträufeln  wegen  starker  Verschlim¬ 
merung  des  Leidens. 

Die  Reaktion  berechtigt  auch  bei  positivem  Ausfall  nicht 
ohne  weiteres  zu  einem  Schlüsse  auf  vorhandene  Tuberkulose, 
da  Typhusrekonvaleszenten  in  mehreren  seiner  und  anderer 
Autoren  Fälle  positiv  reagierten,  auch  ein  schwerer  Diabetiker 
mit  negativem  Sektionsbefund  reagierte  positiv. 

Herren  Stadelmann  und  Wolff-Eisner:  Ueber 
kutane  und  konjunktivale  Tuberkulinreaktion. 

Ueber  die  diagnostische,  prognostische  und  theoretische 
Bedeutung  der  Kutan-  und  Konjunktivalreaktion. 

Herr  Wolff-Eisner,  sich  auf  L  e  v  y  s  historische  Be¬ 
merkungen  stützend,  betont,  dass  er  bei  der  Bekanntgabe  der 
Methode  den  klinischen  (diagnostischen  und  prognostischen) 
Wert  hervorgehoben  habe. 


648 


Muenchener  medizinische  Wochenschrift. 


No.  si 


Er  erwägt,  ob  die  Reaktion  nur  bei  spezifisch  tuberkulös 
Infizierten  auftritt  und  kommt  nach  umfassenden  theoretischen 
Ausführungen  zu  einem  bejahenden  Resultat. 

Die  E  rage,  ob  die  P  i  r  q  u  e  t  sehe  oder  Wolff-Eisner- 
sche  Reaktion  wertvoller  sei,  beantwortet  er  dahin,  dass  beide 
grossen  Wert  besitzen  und  beide  nebeneinander  angewendet 
werden  sollten,  weil  sie  sich  ergänzen.  Es  ist  dies  bisher  über¬ 
haupt  noch  nicht  geschehen,  gerade  als  wenn  die  Methoden 
antagonistisch  wären.  Der  grössere  klinische  Wert  kommt  der 
Konjunktivalreaktion  zu,  da  sie  die  aktiven  Prozesse  anzeigt, 
während  die  Kutanprobe  infolge  zu  grosser  Empfindlichkeit 
auch  bei  latenten,  ausgehenden,  abgekapselten  Prozessen  Re¬ 
aktion  hervorbringt. 

Besprechung  der  prognostischen  Bedeutung  des  positiven 
oder  negativen  Ausfalls  der  Reaktion.  Letzterer  lässt  bei  auf 
anderem  Wege  nachgewiesener  Tuberkulose  sicher  eine  un¬ 
günstige  Prognose  stellen.  Hans  K  o  h  n. 


Aerztlicher  Verein  in  Frankfurt  a.  M. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Ordentliche  Sitzung  vom  21.  Oktober  1907 
abends  7  Uhr  im  Hörsaal  der  Senckenbergschen  Bibliothek. 

Vorsitzender :  Herr  S  i  p  p  e  1. 

Schriftführer :  Herr  Seligmann. 

(Schluss.) 

..  F.  Ariens  Kappers  sprach  über  neue  Untersuchungen 
über  die  Medulla  oblongata  und  die  zerebro-spinalen  Nerven. 

K.  weist  darauf  hin,  wie  in  der  berühmt  gewordenen  Arbeit 
Beils;  „The  Nervous  System  of  the  Human  Body“  (1830) 
zwei  wichtige  Entdeckungen  mitgeteilt  wurden:  1.  der  sen¬ 
sible  Charakter  der  hinteren  Wurzel  des  Rückenmarkes  und 
der  motorische  Charakter  der  Vorderwurzeln,  bekannt  als  das 
Bel  Ische  Gesetz;  2.  die  Existenz  eines  lateralen  Wurzel¬ 
systems,  welches  der  Respiration  dienen  sollte,  und  gemischt 
motorisch  und  sensibel  war.  Die  letzte  Mitteilung  Beils  ist 
e  rst  viel  später  genügend  gewürdigt  worden  und  zwar  durch 
Gaskell  (1886 — 1887),  der  die  Existenz  eines  lateralen 
Wurzelpaares  auch  in  dem  Rückenmarke  nachwies,  wo  es  sich 
nur  von  der  Anordnung  desselben  Systems  in  der  Oblongata 
(5,  7,  9,  10,  11)  unterscheidet,  indem  es  hier  nicht  gesondert 
sondern  gemischt  mit  der  Vorder-  und  Hinterwurzel  auftritt.' 

.  ,  (Jaskell  wies  dann  nach,  dass  dieses  zweite,  oder 
laterale  System  überall  der  viszeralen  Motilität  und  Sensibilität 
dient,  im  Gegensatz  zu  der  eigentlichen  Vorder-  und  Hinter¬ 
dienen  WClche  der  somatischen  Motilität  resp.  Sensibilität 

Die  verschiedenen  Zonen  des  Rückenmarkes  und  der  Ob¬ 
longata,  welche  diesen  verschiedenen  peripheren  Funktionen 
entsprechen,  wurden  zwar  schon  von  ihm  erwähnt,  doch  erst 
wieder  spater  genauer  verfolgt  durch  jüngere  Untersucher, 
worunter  namentlich  die  amerikanische  Schule  (S  t  r  o  n  g’ 
Kingsbury,  Johnston,  Herrick)  und  unter  den  deut- 
schen  Gelehrten  namentlich  W  a  1 1  e  n  b  e  r  g  sich  verdient  ge- 
maGit  haben  durch  die  Erforschung  der  somato-sensiblen  und 
viszero-sensiblen  Zonen  und  deren  Verbindungen  bei  den 
niederen  Tieren  (Fische,  Amphibien,  Vögeln). 

\ergleicht  man  die  Resultate,  welche  die  vergleichende 
iirnantomie  gegeben  hat,  bezw.  die  Anordnung  dieser  beiden 
sensib  en  Zonen,  in  Bezug  auf  einander  und  in  Bezug  auf  die 
übrigen  Teile  der  Oblongata,  dann  findet  man  bei  allen  Tieren 

1  nkflHe^riedr?Stan  zu™  Menschen>  eine  grosse  Konstanz  der 
Lokalisation.  K.  demonstriert  das  an  Zeichnungen  von  Quer¬ 
schnitten  durch  die  Oblongata  von  verschiedenen  Tierklassen 
und  weist  dann  darauf  hin,  dass  diese  Konstanz  in  scharfem 
Kontrast  steht  mit  den  ansehnlichen  Lageveränderungen  der 
motorischen  Gebiete  während  der  Pylogenese  der  Obfongata 

Das  viszero-motorische  Gebiet  liegt  bei  den  niedersten 
Vertebraten  in  der  dorso-medialen  Zone  des  verlängert“ 
Markes  das  somato-motorische  in  der  Fortsetzung  der ven- 
tiakn  Horner,  also  in  der  ventralen  Zone  der  Oblongata 
Hierin  tritt  eine  Veränderung  auf,  die  offenbar  auf  der  Attrak’ 
tion  beruht,  welche  die  Bahnen,  welche  die  Kerne  zentral  am 
meisten  influenzieren,  ausüben.  al  am 


So  begeben  sich  schon  bald  die  Augenmuskelkerne,  welche 
ursprünglich  ventral  liegen,  da  sie  somatische  (parietale)  Mus¬ 
keln  innervieren  dorsalwärts  in  die  Nähe  des  hinteren  Längs¬ 
bündels  und  des  prädorsalen  Längsbündels,  welches  auf  diese 
Kerne  die  Impulse  des  Tectum  opticum  übertragen  und  ihr 
koordinatorisches  Zusammenarbeiten  verursachen.  Bei  den¬ 
jenigen  Fischen,  die  schnell  und  gut  schwimmen  und  mit  der 
grösseren  Entwicklung  des  Kleinhirns  eine  mächtige  Entwick¬ 
lung  des  koordinatorischen  Systems  haben  (E  d  i  n  g  e  r),  ist 
diese  Aufsteigung  eine  sehr  auffallende  (unter  den  Fischen: 
manche  Haie,  unter  den  Reptilien:  die  wasserlebenden  Schwim¬ 
mei).  Hier  und  dort  behält  ein  Teil  des  Abduzenskernes  (der 
sogen.  VanGehuchten  sehe  Kern)  seine  ventrale  Lage  bei. 

Auch  der  Hypoglossus  steigt  dorsal  (dorso-frontal)  auf, 
w  as  K-  erklärt  durch  die  dorsale  Lage  des  Geschmackskernes.  ' 
Die  ursprünglich  medio-dorsal  gelagerten  viszero-motorischen 
Kerne  des  7.,  9.,  10.,  steigen  abwärts,  offenbar  weil  sie  das  ven¬ 
trale  Tegmentum  suchen,  wo  bei  allen  Tieren  lange  Bahnen 
aus  dem  Mittelhirn  und  Hypothalamus  enden.  Namentlich  aber 
die  Pyramiden,  die  nur  bei  den  Säugern  Vorkommen,  erhöhen 
die  Bedeutung  dieses  ventralen  Tegmentums  sehr,  daher  kommt 
es  auch,  dass  die  völlig  ventrale  Verlagerung  der  Fazialis 
und  eines  Teiles  des  10.  Kernes  erst  bei  den  Säugern  auftritt. 
Den  Weg,  den  die  motorischen  Zellen  bei  der  Verlagerung  ge¬ 
folgt  sind,  wird  dabei  noch  immer  angegeben  durch  die  gekniet 
austretenden  Wurzeln.  So  treten  diese  Kerne  in  Verbindung 
mit  den  langen  Bahnen  des  Gehirns  und  werden  dadurch  se¬ 
kundär  somatischer  Natur  (d.  i.  sie  bekommen  dadurch  Bedeu¬ 
tung  für  die  Reaktionen  der  Aussenwelt).  —  Es  geht  dies  zu¬ 
sammen  mit  grossen  Veränderungen  in  der  Peripherie,  indem 
sich  aus  einem  Teil  der  Kiemenbogenmuskulatur  der  Fazialis, 
der  Sphincter  colli,  die  Gesichtsmuskulatur  und  das  Platysma 
entwickelt  und  der  Larynx  bei  den  Säugern,  im  Gegensatz  zu 
den  niederen  I  ieren  eine  auffallend  reiche  Differenzierung 
seiner  Muskulatur  zeigt.  Offenbar  spricht  die  Absteigung  des 
Nucleus  ambiguus  zu  gleicher  Zeit  mit  der  phylogenetischen 
Entstehung  der  kortiko-bulbären  Bahnen  und  dem  bei  den  Säu¬ 
gern  fast  plötzlich  auf  tretenden  Reichtum  der  Larynxmuskulatur 
dafür,  dass  dieser  ventrale  Kern  der  Kehlkopfkern  ist,  während 
die  dorsalen  in  der  Nähe  der  sensiblen  Wurzelendigung  blei¬ 
benden  Zellen  die  hauptsächlich  reflektorisch  wirkende  glatte 
Muskulatur  des  Vagusgebietes  innervieren.  Bei  den  Schrei-  und 
Singvögeln  schmiegt  sich  der  nur  noch  wenig  abgestiegene 
Kehlkopfkern  dem  Hypoglossuskern  an,  was  in  Uebereinstim- 
niung  ist  mit  dei  Tatsache,  dass  die  Lautproduktion  bei  diesen 
Deren  hauptsächlich  durch  die  Syrinx  geschieht,  welche  vom 
Hypoglossus  und  linken  Zervikalnerven  innerviert  wird. 

Schliesslich  betont  K„  dass  die  Entwicklung  des  Sym¬ 
pathikus  in  völliger  Uebereinstimmung  ist  mit  dem  schon  durch 
ic  I  ylogenese  der  Oblongata  gezeigten  Gesetz,  dass  die  mo¬ 
torische  Zelle  den  Punkte  des  maximalen  Reizempfanges  sucht. 

Ls  ist  bekanntlich  charakteristisch  für  das  autonome  System, 
dass  es  fast  nur  aus  motorischen  Zellen  besteht,  grösstenteils 
unabhängig  geworden  ist  von  den  Bahnen  des  Rückenmarkes 
und  last  nur  durch  Reize  aus  den  Eingeweiden  funktioniert  Die 
Auswanderung  der  motorischen  Zelle  findet  statt  in  der  Rich¬ 
tung  der  Eingeweide  und  geschieht  im  Körper  selber  an  einer 
Kette  von  motorischen  Zellen  entlang,  also,  in  phylogenetischem 
Sinne,  unter  Verkürzung  des  motorischen  Achsenzylinders,  was 
nur  dann  erklärbar  ist,  wenn  dieser  selbe  Achsenzylinder  den 
sensiblen  Reiz  leitet,  denn  aus  den  Ergebnissen  bezw.  der 
)  d  ongata  ging  hervor,  dass  die  Wanderung  der  motorischen 
Zellen  der  Richtung  des  grössten  Reizes  folgt.  Tatsächlich  hat 
nun  Langley  nachgewiesen,  dass  der  sogen.  Axonreflex  im 
autonomen  System  überwiegend  ist,  was  mit  den  obigen 
Schlussfolgerungen  in  völliger  Uebereinstimmung  ist.  Dass  die 
ndigung  des  rein  sensiblen  Neurons  nicht  auswandert,  um  der 
motorischen  Zelle  zu  folgen  und  eine  gewöhnliche,  aber  peripher 
legende  Reflexbahn  zu  bilden,  ist  in*  Uebereinstimmung  mit  der 
ebenfalls  aus  den  Beobachtungen  an  der  Oblongata  gefundenen 
Regel  däss  die  sensiblen  oder  zentral  influenzierenden  Fasern 
nicht  die  motorische  Zelle  suchen,  sondern  die  motorische  Zelle 
den  Punkt  des  maximalen  Reizes  empfange. 


A.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


2649 


Aerztlicher  Verein  in  Nürnberg. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  12.  September  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Bändel. 

Herr  Hahn:  Ueber  Zysten  des  Mesenteriums.  (Der  Vor¬ 
trag  erscheint  in  dieser  Wochenschrift.) 

Herr  E.  Rosenfeld  demonstriert: 

1.  Einen  Uterus  myomatosus  eines  21  jähr.  Mädchens,  der  bei 
der  Laparotomie  einer  Gravidität  des  4.  Monat  täuschend  ähhlich  sah. 

2.  Drei  innerhalb  7  Tagen  glücklich  operierte  Fälle  von  extra¬ 
uteriner  Gravidität: 

a)  unvollständigen  tubaren  Abortus,  Ei  fast  noch  ganz  in  der 
Tube,  grosse  peritubare  Hämatozele, 

b)  beginnende  tubare  Usur,  14  Tage  altes  Ei,  noch  in  der  Tube, 
mässige  abdominelle  Blutung, 

c)  schwere  tubare  Ruptur,  Blutung  durch  Adhäsionen  einer 
früheren  Ventrofixation  glücklich  eingedämmt. 

3.  Im  Anschluss  hieran  einen  durch  Laparotomie  und  Drainage 
geheilten  Fall  von  geplatztem  Ovarialabszess  bei  doppelseitiger  Pyo- 
salpinx;  die  Diagnose  schwankte  zwischen  perforierter  Appendizitis 
und  tubarer  Ruptur.  Appendix  wurde  mitentfernt ;  Pat.  hatte  eine 
schwere  Matratze  gehoben  und  war  kollabiert. 

4.  Einen  Fall  von  Portiokarzinom,  totalexstirpiert  an  der  Grenze 
der  Operabilität. 

Herr  Lindenstein  demonstriert  verschiedene  durch  Opera¬ 
tion  gewonnene  Präparate  (2  Appendizes,  eine  Gallenblase)  und 
spricht  über  einen  Fall  von  Tetanus. 

Sitzung  vom  3.  Oktober  1907. 
Vorsitzender:  Herr  v.  Rad. 

Herr  Hegler  demonstriert  einen  Kranken  mit  Syringomyelie. 

Herr  Port  berichtet  über  einen  Fall  von  Pneumokokkensepsis. 

Der  23  Jahre  alte  Student  hatte  sich  vor  14  Tagen  beim  Tanzen 
in  der  linken  Hüfte  wehgetan.  Er  hielt  es  für  rheumatisch  und  nahm 
an  den  folgenden  beiden  Tagen  ein  kaltes  Flussbad  von  ca.  12°  um 
den  Schmerz  zu  vertreiben.  Noch  in  der  Nacht  nach  dem  letzten 
Bad  bekam  er  heftige  Schmerzen  und  hohes  Fieber,  das  gleichmässig 
hoch  blieb  die  nächsten  Tage  zwischen  40  und  40,5  °.  Morphium  und 
Antirheumatika  halfen  gar  nichts. 

Status  am  14.  VIII.  05.  Linke  Hüfte  stark  geschwollen,  Schmer¬ 
zen  bei  Berührung  über  dem  Trochanter  und  oberhalb,  in  der  Grube 
hinter  der  Spina  ant.  sup.  Daselbst  sehr  undeutlich  etwas  Oedem 
beim  Eindrücken  des  Fingers.  Fluktuation  nicht  vorhanden.  Be¬ 
wegungen  des  Beines  verursachen  lautes  Aufschreien.  Gonorrhöe 
geleugnet.  Lokalbefund  an  der  Urethra  negativ. 

Punktion  oberhalb  des  Trochanters  negativ.  Herz  und  Lunge 
ohne  Befund. 

18.  VIII.  Fieber  bisher  unverändert.  Heute  Dämpfung  und  Bron¬ 
chialatmen  über  dem  linken  Unterlappen,  blutiges  Sputum. 

1.  IX.  Pneumonische  Erscheinungen  nach  5  Tagen  zurückge¬ 
gangen.  Unter  Extensionsverband  ging  das  Fieber  langsam  herunter, 
Schmerzen  hören  auf.  Appetit  gut.  Wohlbefinden. 

7.  X.  Zum  ersten  Male  ganz  fieberfrei. 

28.  X.  Die  Schwellung  in  der  Hüftgelenkgegend  bis  zum  Knie 
herab  ist  ausserordentlich  stark,  ohne  dass  sich  irgendwo  eine  Delle 
eindrücken  liesse.  In  der  letzten  Zeit  wiederholt  Temperatursteige¬ 
rung  bis  39  0  ohne  dass  sich  ein  Grund  dafür  auffinden  liesse.  Das  Ge¬ 
lenk  wird  wieder  empfindlicher  gegen  Bewegungen.  Es  wird  Eiter 
vermutet.  Punktion  in  Narkose.  Nach  wiederholten  negativen  Ver¬ 
suchen  fand  sich  über  dem  Trochanter  eitrig  seröse  Flüssigkeit.  Die 
Untersuchung  ergab  Diplokokken. 

30.  X.  Operation  in  Narkose.  Schnitt  längs  über  dem 
Trochanter  an  der  Stelle  wo  Eiter  gefunden  war  bis  zur  Trochanter¬ 
spitze,  dann  leichtes  Abbiegen  medianaufwärts.  Durchtrennung  der 
Weichteile  bis  auf  den  Knochen.  Die  Weichteile  sind  stark  suk¬ 
kulent,  aber  es  findet  sich  kein  Eiter.  Abhebelung  des  Periostes.  Am 
Schenkelhalis  finden  sich  zwei  hintereinander  gelegene,  etwa  kirsch¬ 
kerngrosse  Gruben  im  Knochen,  von  Detritus  gefüllt,  ganz  ähnlich  wie 
man  sie  bei  Tuberkulose  findet.  Die  Eröffnung  des  Hüftgelenkes 
entleert  etwa  2  Esslöffel  rötlichen  dünnen  Eiters.  Tamponade.  Gips¬ 
verband.  ,U< 

Die  Impfung  einer  Maus  mit  dem  Eiter  ergab  Pneumokokken. 

Die  Heilung  verlief  ohne  wesentliche  Störung,  jedoch  sehr  lang¬ 
sam,  sodass  Patient  erst  Anfang  Januar  1906  ganz  fieberfrei  war. 
Die  sehr  starke  ödematöse  Schwellung  der  Hüftgelenkgegend  blieb 
noch  monatelang  bestehen.  Zur  Zeit  bestehen  noch  2  Fisteln,  die 
sehr  wenig  absondern.  Das  Röntgenbild  ergibt  sehr  mächtige  perio¬ 
stale  Wucherungen,  wie  bei  gewöhnlicher  Osteomyelitis,  welche  bis 
über  den  Trochanter  minor  herabreichen.  Die  Konturen  des  Hüft¬ 
gelenkes  sind  völlig  unkenntlich.  Es  besteht  völlige  Ankylose. 

Es  handelt  sich  also  hier  um  eine  Pneumokokkenmyelitis,  die 
spontan  aufgetreten  ist,  ohne  dass  jemals  vorher  eine  Pneumonie 
bestanden  hätte.  Pneumonische  Erscheinungen  traten  erst  18  Tage 


nach  Beginn  der  Erkrankung  auf.  Die  Fieberkurve  zeigte  ausge¬ 
sprochen  septischen  Charakter.  Der  plötzliche  Beginn  mit  hohem 
Fieber  und  heftigen  Lokalerscheinungen  ist  derselbe  wie  bei  der 
gewöhnlichen  Staphylokokkenosteomyelitis.  Auffallend  dagegen  ist 
der  späte  und  spärliche  Nachweis  von  Eiter,  fast  3  Monate  nach 
dem  Krankheitsbeginn;  und  dann  die  ungeheuere  seröse  Durch¬ 
tränkung  der  Gewebe. 

Herr  Hagen:  Demonstration  1.  eines  Präparates  von  totaler 
Querdurchtrennung  des  Rückenmarkes  nach  Wirbelfraktur.  Der  Pa¬ 
tient,  an  dem  vorher  eine  Probelaminektomie  ausgeführt  worden  war, 
starb  nach  4  Wochen  an  Lungenembolie.  Die  Sektion  ergab,  dass 
das  Rückenmark  völlig  durchtrennt  war,  die  beiden  Stümpfe  wiesen 
eine  Dehiszenz  von  4  cm  auf.  Auffallend  war,  dass  bei  dem  Fall 
trotz  völliger  Qiiertrennung  unmittelbar  nach  der  Verletzung  der 
B  a  b  i  n  s  k  i  sehe  Reflex  noch  ausgelöst  werden  konnte. 

2.  Die  Präparate  eines  Hypernephroms  und  einer  Pyonephrose. 

Herr  P  i  1 1  e  r  I  e  i  n  demonstriert  das  Präparat  eines  durch  Früh¬ 
operation  gewonnenen  Wurmfortsatzes. 


Nürnberger  medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik. 

(Offizielles  Protokoll.) 

Sitzung  vom  26.  September  1907. 
Vorsitzender:  Herr  Flat  au. 

Herr  Riegel  stellt  einen  40jährigen  Luetiker  vor  mit  rechts¬ 
seitiger  paralytischer  Mydriasis  (Lähmung  des  Sphincter  iridis)  und 
totaler  Akkomodationslähmung  (Ophthalmoplegia  interior).  Die  maxi¬ 
male  Pupillenerweiterung  war  ganz  plötzlich  aufgetreten  mit  rechts¬ 
seitigem  Schläfenkopfweh  und  brennenden  Schmerzen  im  rechten 
Nasenflügel,  nachdem  Patient  kurz  vorher  aus  einer  zweimonatlichen 
Behandlung  entlassen  worden  war.  in  welcher  er  sich  befunden  hatte 
wegen  einer  rechtsseitigen  syphilitischen  Regenbogenhautentzündung. 
Er  hatte  viel  Jodkaii  bekommen  und  eine  Schmierkur  durchgemacht. 
Die  Iritis  hatte  sich  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  trotz  starker 
Tendenz  zur  Pupillenverengerung  und  heftiger  Ziliarschmerzen  gar 
keine  Neigung  zur  Synechienbildung  zeigte,  sondern  ohne  die  ge¬ 
ringste  Verwachsung  mit  der  Linse  ausgeheilt  war.  Zur  selben  Zeit 
war  auch  die  Frau  des  Patienten  an  einer  rechtsseitigen  Iritis  in 
Behandlung  gestanden.  Hier  hatte  die  mit  Knötchenbildung  einher¬ 
gehende  plastische  Iritis  gleich  anfangs  trotz  energischer  Atropini- 
sierung  viele  Synechien  gebildet,  die  nicht  alle  gelöst  werden  konnten. 
Die  linke  Pupille  des  Patienten  ist  in  jeder  Beziehung  normal.  Seh¬ 
schärfe  beiderseits  —  1  bei  normalem  Augenhintergrund.  Die  Knie¬ 
phänomene  sind  lebhaft,  .ungleich,  das  linke  stärker.  Sonst  bestehen 
keinerlei  krankhafte  Symptome  von  Seite  des  Nervensystems. 

Dr.  Riegel  bespricht  die  Häufigkeit  der  Ophthalmoplegia  in¬ 
terior  bei  Hirnsyphilis,  ihre  pathologisch-  anatomische  Grundlage  (sie 
ist  fast  immer  bedingt  durch  die  Erkrankung  des  Okulomotorius- 
stammes  infolge  einer  gummösen  Basilarmeningitis)  und  ihre  omi¬ 
nöse  Bedeutung  als  häufige  Vorläuferin  schwerer  metasvphilitischer 
Hirn-  und  Rückenmarkskrankheiten  (Paralyse  und  Tabes). 

Ferner  berichtet  Herr  Dr.  Riegel  über  folgenden  Fall  von 
multiplen  metastatischen  Hirn-  und  Lungentumoren. 

Am  11.  Juli  1907  wurde  er  zu  einem  51  Jahre  alten  Patienten  ge¬ 
rufen,  der  in  den  letzten  14  Tagen  mehr  und  mehr  über  Kopfschmerzen 
geklagt,  öfters  erbrochen  hatte,  viel  gähnte,  ab  und  zu  Singuitus  hatte 
und  ziemlich  benommen  und  schwer  besinnlich  war.  Patient  er¬ 
zählte  ihm  noch  langsam  und  schlepDend  und  wie  aus  einem  Schlafe 
heraus  seine  Geschichte:  Er  hatte  in  den  letzten  Jahren  viel  Darm¬ 
und.  Hämorrhoidalbeschwerden  gehabt  und  sich  einen  Darmkrebs  ein¬ 
gebildet.  War  infolgedessen  schwer  hypochondrisch  geworden  und 
noch  vor  wenigen  Wochen  allein  zu  einem  auswärtigen  Kurpfuscher 
gereist,  von  dein  er  sehr  getröstet  nach  Hause  kam.  weil  dieser  ihm 
versichert  hatte,  er  habe  keinen  Krebs,  sondern  „Gehirnverkalkung“ 
und  Blutzersetzung“,  die  geheilt  werden  könnten.  Patient  hatte  kurz 
vor  seiner  Reise  zum  Pfuscher  zweimal  ganz  vorübergehend  Sprach¬ 
störung  gehabt;  das  erstemal  sagte  er  immer  „Bonensad“  statt 
„Sonnenbad“,  das  zweite  Mal  suchte  er  vergebens  nach  Worten  und 
rief  dann  aus:  „Ich  weiss  ja  nichts,  ich  weiss  ja  nichts“,  worauf 
ein  verworrenes  Stammeln  erfolgte. 

Die  Untersuchung  und  weitere  Anamnese  ergab  folgenden  Be¬ 
fund:  Hautnarbe  am  linken  Vorderarm,  wo  dem  Patienten  vor  3  Jahren 
ein  etwa  10  pfehnigstückgrosses  Hautsarkom  exstirpiert  worden 
war,  das  sich  schon  seit  längerer  Zeit  auf  einem  Leberfleck  entwickelt 
hatte.  Später  war  dann  eine  Metastase  dieses  Hautsarkoms  aus  der 
linken  Achselhöhle-  entfernt  worden.  Patient  war,  wie  oben  bemerkt, 
schwer  besinnlich  und  benommen;  es  bestanden  keinerlei  Lähmungen 
oder  Krämpfe.  Die  rechte  Pupille  war  weiter  als  die  linke,  beide 
reagierten  träge  auf  Licht.  Puls  56 — 58.  Ueber  wechselnde  Kopf¬ 
schmerzen  war  schon  seit  vielen  Wochen  geklagt  worden.  Die  am 
12.  Juli  bei  schon  viel  grösserer  Somnolenz  vorgenommene  Augen¬ 
spiegeluntersuchung  ergab  Stauungspapille  rechts,  Neu¬ 
ritis  optica  links.  Die  Somnolenz  wurde  zum  Koma  und 
am  14.  Juli  erfolgte  der  Exitus.  Die  von  Herrn  Hofrat  Dr.  Hein- 
lein  und  dem  Vortragenden  ausgeführte  Sektion  ergab  folgendes  Re¬ 
sultat: 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


650 


Eine  fast  walnussgrosse  Geschwulst  der  Dura  mater 
links  an  der  Stelle  zwischen  mittlerer  und  hinterer  Schädelgrube 
etwas  oberhalb  der  Basis  cranii;  ferner  4  Geschwülste  in  der 
Orosshirnsubstanz,  dicht  unter  der  Rinde:  eine  im  linken 
Stirnhirn,  zwei  im  rechten  Stirnhirn,  eine  im  rechten  Okzipitallappen. 
Die  ganz  vorn  im  rechten  Stirnhirn  gelegene  Geschwulst  war  nur 
etwa  kirschgross,  die  hinter  ihr  gelegene  fast  an  die  vordere  Zentral¬ 
windung  angrenzende  dagegen  war  taubeneigross,  von  roter  Erwei¬ 
chung  umgeben.  Die  Geschwulst  in  der  Mitte  des  linken  Stirnhirns 
war  etwa  haselnussgross,  die  im  rechten  Hinterhirn  nur  erbsengross. 
Eermer  fand  sich  eine  ganze  Anzahl  grösserer  und  klei¬ 
nerer  Geschwülste  in  beiden  Lungen,  sowie  eine  ver¬ 
einzelte  Geschwulst  in  der  Leber.  Es  handelte  sich 
zweifellos  um  Metastasen,  die  vom  primären  Hautsarkom  des  linken 
Vorderarms  ihren  Ausgang  genommen  hatten.  Ausserdem  ergab  die 
Sektion  noch  fettige  Degeneration  des  Herzmuskels,  beginnende 
Nierenentzündung  und  allgemeine  Adipositas  (Patient  hatte  in  früheren 
Jahren  stark  getrunken).  Magen  und  Darm  waren  vollkommen  intakt. 

Ob  die  Gemütsdepression  und  hypochondrische  Stimmung,  die 
Patient  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  mehr  und  mehr  gezeigt 
hatte,  von  den  Stirnhirntumoren  abhing,  als  psychisches  Symptom,  ist 
zweifelhaft.  Von  einer  Sucht,  läppische  Witze  zu  machen  (Witzel¬ 
sucht,  Moria),  die  man  bei  Stirnhirntumoren  recht  häufig  be¬ 
obachtet  haben  will,  wurde  gar  nichts  bemerkt;  dagegen  fiel  eine 
zeitweise  leichte  Benommenheit  schon  Wochen  lang  vor  dem  Tode 
auf. 


Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in 

Böhmen. 

Versammlung  am  6.  November  1 907. 
im  Hörsaale  des  deutschen  anatomischen  Institutes. 

Herr  Münzer:  Blutdruckbestimmungen  bei  Arteriosklerose. 

Der  Vortragende  demonstriert  die  neue  Montierung  seines  Tono- 
turgographen.  Vergl.  diese  Wochenschrift  No.  37,  S.  1809. 


Versammlung  am  20.  November  1 907  im  Hör  s  aal  der 
deutschen  chirurgischen  Klinik. 

Herr  Wal  ko:  Ueber  Fremdkörper  des  Darmes. 

Der  Vortragende  beschreibt  zuerst  einen  Fall,  in  welchem  sich 
ein  35  jähriger  Müller  einen  ungewöhnlich  grossen  Holzpflock  behufs 
Beseitigung  der  Stuhlverstopfung  in  den  Mastdarm  schob.  Der 
Fremdkörper  verursachte  neben  einem  wahrscheinlich  von  einer 
Schleimhautverletzung  des  Darmes  ausgegangenen  Bauchwandabszess 
keine  wesentlichen  Erscheinungen,  trotzdem  er  gegen  3  Monate 
im  Darme  lag.  Derselbe  war  nur  zeitweilig  Im  S  romanum  oder 
Kolon  descendens  tastbar,  meist  aber  unter  dem  Rippenbogen  ver¬ 
schwunden  und  war  auch  auf  den  Röntgenphotographien  nicht  sicht¬ 
bar.  Er  wurde  schliesslich  durch  Kolotomie  entfernt.  Daran  an¬ 
schliessend  bespricht  der  Vortragende  die  vieranlassenden  Momente 
und  die  Folgeerscheinungen  grösserer,  in  den  Mastdarm  eingeführter 
Fremdkörper  überhaupt,  sowie  die  eingedickter  Kotmassen  und 
Darmsteine  an  der  Hand  selbstbeobachteter  Fälle. 

Herr  L  i  e  b  1  e  i  n  berichtet  über  das  Wesen  und  die  Berechtigung 
der  Ta  I  in  a  -  D  r  u  m  m  o  n  d  sehen  Operation,  die  an  15  Fällen  von 
Leberzirrhose  an  der  Wölf  ler  sehen  Klinik  vor  genommen  wurde. 
An  dreien  dieser  Fälle  wurde  nur  die  Probelaparotomie  ausgeführt, 
an  drei  Fällen  die  Füxation  des  Netzes  an  der  vorderen  Bauchwand 
und  die  suprapubische  Drainage  der  Bauchhöhle,  in  einem  Falle  die 
Fixation  des  Netzes  an  der  vorderen  Bauchwand  und  gleichzeitig  die 
1  ixation  eines  anderen  Teiles  des  Netzes  zwischen  Zwerchfell  und 
Lebei,  in  vier  Fällen  die  Fixation  des  Netzes  an  der  vorderen 
Bauchwand  ohne  Drainage  der  Bauchhöhle,  in  einem  Falle  die  extra¬ 
peritoneale  Fixation  des  Netzes  zwischen  Peritoneum  parietale  und 
Bauchw  andmuskulatur,  in  drei  Fällen  die  Operation  nach  N  a  r  a  t  h. 
In  einem  dieser  Fälle  musste  jedoch  wegen  der  Erscheinungen  der 
Darmundurchgängigkeit  nachträglich  die  typische  intraperitoneale 
Omentofixation  gemacht  werden.  Von  diesen  12  Fällen  gingen  vier 
an  Peritonitis  zu  gründe  und  zwar  zwei  Fälle  infolge  Infektion  von 
der  suprapubischen  Drainage  aus,  weshalb  dieselbe  auch  späterhin 
nicht  mehr  zur  Anwendung  gelangte.  In  den  zwei  anderen  Fällen  kam 
es  12  rep.  14  Tage  nach  der  Operation  zur  Sprengung  der  Bauch¬ 
narbe.  I  rolaps  der  Darmschlingen  und  Infektion  von  hier  aus  Ein 
Fall,  der  per  primam  heilte,  starb  nach  der  Entlassung  an  Pneumonie 
Von  den  restierenden  7  Fällen,  die  die  Operation  längere  Zeit  über¬ 
lebten,  blieb  diese  in  2  Fällen  vollständig  erfolglos  (Exitus  ca.  2  Mo- 
nate  nach  der  Operation,  kein  Schwinden  des  Aszites;  in  einem 
dieser  Falle  hatte  es  sich  um  luetische  Hepatitis  gehandelt).  In  2 
I  allen  war  der  Erfolg  nur  ein  vorübergehender  und  in  3  Fällen  ist  es 
gelungen  den  Aszites  wenigstens  bis  jetzt  zum  Verschwinden  zu 
Jpn.f,en,  (!3,  re'sP-  18  und  22  Monate  nach  der  Operation).  Diese 
3  alle  hat  der  Vortragende  nach  der  Methode  von  Narath  operiert 
allerdings  in  einem  dieser  Fälle  die  extraperitoneale  Fixation  des 
Netzes  spater  durch  die  intraperitoneale  ersetzt.  Der  Vortragende 
beruhrr  schliesslich  noch  die  Frage  nach  den  Kontraindikationen, 
nach  dem  Zeitpunkt  und  der  Art  der  Operation,  empfiehlt  auf  Grund 


seiner  Erfahrungen,  sich  an  die  von  Talma  angegebenen  Kontra¬ 
indikationen  zu  halten  und  ausserdem  auch  bei  den  luetischen  Leber¬ 
erkrankungen  mit  der  Ausführung  der  Operation  zurückhaltend  zu 
sein.  Was  die  Art  der  Operation  betrifft,  möchte  er  sich  am  meisten 
für  das  Narath  sehe  Verfahren  aussprechen. 

Herr  Klei  nh  ans  stellt  eine  Wöchnerin  vor,  an  der  er  wegen 
allgemein  verengten,  rhachitisch-platten  Beckens  die  Hebosteotomie 
vorgenommen  hatte.  iVz  Stunde  nach  vollzogener  subkutaner  Hebo¬ 
steotomie  erfolgte  die  spontane  Geburt  eines  lebenden,  3820  g 
schweren  Kindes.  R  o  tk y  -  Prag. 


Aus  ärztlichen  Standesvereinen. 

Abteilung  für  freie  Arztwahl  des  ärztlichen  Bezirksvereins 

München. 

Ordentliche  Mitgliederversammlung 
vom  20.  Dezember  1907. 

1.  Der  Vorsitzende,  Herr  F.  B  au  e  r,  gibt  bekannt,  dass  die  Vor¬ 
standschaft  des  roten  Kreuzes  den  Verpflegungssatz  für  Mitglieder  der 
Ortskrankenkassen  ab  1.  April  1908  auf  M.  2.50,  ab  1.  Januar  1909 
auf  M.  2.80,  ab  1.  Januar  1910  auf  M.  3  —  erhöhen  wird.  i 

2.  Herr  Perutz  referiert  über  die  Verhandlungen  mit  der  Ge¬ 
meindekrankenversicherung.  Nach  eingehender  Beratung  der  in  Frage 
kommenden  Vorschläge  wird  ein  Antrag  Rehm  einstimmig  ange¬ 
nommen,  welcher  lautet :  „Die  Mitgliederversammlung 
beauftragt  die  Vertragskommission,  den  alten, 
seit  4  Jahren  bestehenden  Vertrag  mit  der 
G  e  m  e i n  d  e - K  r  a  n  k  e  n  v  e  r  s i c  h  e  r  u  n  g  wieder  abzu- 
s  c  h  1  i  e  s  s  e  n.  Sie  ist  jedoch  bereit  in  der  Frage  der 
Krankenhauseinweisung  den  Wünschen  des  Magi- 
strats  entgegen  zu  komme  n.“ 

3.  Es  werden  satzungsgemäss  per  acclamationem  gewählt  bezw. 
wiedergewählt:  Als  Vorsitzender  der  Arzneimittelkommission  Herr 
Einhorn,  der  Krankenkontrollkommission  Herr  H'a  r  1 1  e,  der  Hono¬ 
rarkontrollkommission  Herr  Faust.  Die  Kommissionen  werden  so¬ 
dann  ergänzt,  soweit  Mitglieder  derselben  ausgeschieden  sind. 

-4.  Herr  Epstein  erstattet  einen  inhaltlich  und  formell  gleich 
vorzüglichen  Bericht  der  Kommission  für  Arbeiterhygiene  und  Sta¬ 
tistik,  der  mit  grossem  Beifall  auf  genommen  wurde. 

5.  Der  Antrag  der  Vorstandschaft:  „Die  Ausnahme- 
b  e  st  i  m  m  u  n  g  im  Aerzteverzeichnis  .keine  Ver¬ 
pflichtung  zu  Besuchen4  soll  in  Wegfall  komme  n“. 
ward  in  vorgerückter  Stunde  mit  27  gegen  12  Stimmen  angenommen. 

Ferner  wurde  der  Antrag  auf  Abänderung  der  Karenzzeit, 
wonach  Aerzte  in  die  Abteilung  aufgenommen  werden,  die  überhaupt 
zwei  Jahre  lang  approbiert  sind,  mit  'allen  gegen  1  Stimme 
in  Anbetracht  der  geringen  Zahl  'der  noch  in  der  Versammlung  An¬ 
wesenden  v  e  r  Lagt.  Der  Antrag  entspricht  einer  Entschliessung  des 
Ein  i  gu  n  gsau  s  s  ch  us  ses. 

6.  Der  Antrag  Senestrey  betr.  Abänderung  des  Zahlungs¬ 
modus  wird,  vertagt. 

Präsenzliste  77  Mitglieder.  Schluss  der  Sitzung  12Vs  Uhr.  (Be¬ 
richt  über  die  Diskussion,  sowie  über  Punkt  4  folgt.) 

Nadoleczny. 


Verschiedenes. 

Der  Entwurf  des  Reichsapothekengesetzes  im  erweiterten  Ober¬ 
medizinalausschuss. 

An  den  Beratungen  des  erweiterten  Obermedizinalausschusses, 
die  am  16.  und  17.  d.  Mts.  im  Staatsministerium  des  Innern  über  den 
Entwurf  eines  Reichsapothekengesetzes  und  einer  bayerischen  Apo- 
thekerkammernverordnung  stattfanden,  nahmen  ausser  den  Mitgliedern 
des  engeren  Ausschusses  (darunter  dem  Universitätsprofessor  für 
I  harmazie  Dr.  Paul  und  dem  Apotheker  Dr.  v.  Pieverling)  die 
Vertreter  der  Landesuniversitäten,  der  8  Aerztekammern  und  der 
8  Apothekergremien  teil.  Zugezogen  waren  ferner  2  konditionierende 
Apotheker  und,  soweit  über  tierärztliche  Handapotheken  beraten 
wurde,  die  tierärztlichen  Mitglieder  des  Obermedizinalausschusses. 
Im  ganzen  waren  34  Herren  anwesend. 

Die  Versammlung  beriet  zunächst  im  allgemeinen  über  das  Sy¬ 
stem,  das  dem  Reichsapothekengesetze  zu  gründe  zu  legen  sei.  Von 
den  Vertretern  der  8  Apothekergremien  wurde  hierfür  das  System 
der  verkäuflichen  Konzession  vorgeschlagen.  Die  Versammlung 
sprach  sich  jedoch  mit  allen  übrigen  Stimmen  für  die  unver¬ 
äusserliche  Personalkonzession  als  Grundlage  der  reichsgesetz- 
lichen  Regelung  aus. 

Einstimmig  wurde  ferner  beschlossen,  bei  §  11  des  Gesetzent¬ 
wurfes,  der  von  dem  Besitzwechsel  der  Apotheken  handelt,  eine  Aen- 
dtiung  dahin  vorzuschlagen,  dass  in  der  Regel  auch  das  Apotheker- 
a  n  w  e  s  e  n  abzulösen  und  (bei  Vollapotheken)  für  die  Uebergabe  des 
Geschäf  tes  eine  Abfindung  zu  leisten  sei.  Bei  der  Festsetzung  des 
e träges  dieser  Abfindung  sei  neben  dem  Reinertrag  insbesondere  zu 
ie nie k sich t i g e n ,  was  der  bisherige  Eigentümer  für  die  Errichtung  oder 
nn  den  Uebergang  des  Geschäftes,  sowie  für  dessen  Hebung  selbst 


31.  Dezember  1907. _  _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _ 2651 


geleistet  hat.  Diese  Regeln,  nach  denen  in  Bayern  schon  jetzt  ver¬ 
fahren  wird,  würden  hienach  auf  das  ganze  Reich  erstreckt  und  nicht 
nur  für  die  bestehenden,  sondern  auch  für  die  künftighin  zu  errichten¬ 
den  Personalapotheken  zur  Anwendung  kommen. 

Mit  allen  Stimmen  gegen  die  der  9  Apothekenbesitzer  wurde 
—  für  den  Fall,  dass  diese  Aenderungsvorschläge  nicht  durchdringen 
sollten  —  weiter  (zu  §  15)  beschlossen,  dass  für  die  schon  bestehen¬ 
den  bayerischen  Personalapotheken  das  geltende  Landesrecht,  wie 
es  vorstehend  beschrieben  ist,  aufrecht  erhalten  bleiben  solle.  Auf 
diesem  Wege  sollen  einerseits  weitere  ungesunde  Steigerungen  der 
Apothekenpreise  hintangehalten  werden,  andererseits  aber  unbillige 
Schädigungen  der  Besitzer  bayerischer  Personalapotheken  vermieden 
bleiben.  Die  anwesenden  9  Apothekenbesitzer  dagegen  hielten  diesen 
Beschluss  nicht  für  ausreichend,  sondern  verlangten  für  alle  vor  1895 
errichteten  Personalapotheken  (d.  s.  390  von  insgesamt  460)  die  Ein¬ 
räumung  der  Verkäuflichkeit. 

Mit  allen  Stimmen  gegen  die  der  8  Gremialvertr-eter  beschloss  die 
Versammlung  ferner,  die  landesrechtliche  Ablösung  der  Realrechte 
und  der  mit  Geschäftswerten  überlasteten  Personalapotheken  und 
zu  diesem  Zwecke  die  Einführung  von  Apothekenbetriebsabgaben  zu 
befürworten. 

Im  übrigen  wurde  -eine  Reihe  von  Einzeländerungen  des  Gesetz¬ 
entwurfes  —  fast  durchweg  mit  Stimmeneinheit  —  in  Vorschlag  ge¬ 
bracht.  Hervorzuheben  ;sind  hiervon  die  Anträge,  der  Standesver¬ 
tretung  der  Apotheker  eine  gutachtliche  Mitwirkung  bei  Besetzung 
von  Apothekenkonzessionen  einzuräumen,  die  Dienstzeit  der  ohne 
Hilfskraft  tätigen  Besitzer  bei  Konzessionsbewerbungen  mehr  als  bis¬ 
her  anzurechnen,  bei  den  Kreisregferung-en  beamtete  Apotheker  als 
Referenten  und  Visitatoren  anzustellen  und  in  Bezug  auf  die  tier¬ 
ärztlichen  Handapotheken  die  geltenden  bayerischen  Vorschriften  bei¬ 
zubehalten. 

Bezüglich  der  künftigen  Gestaltung  der  Apothekenkam¬ 
mern  ergab  sich  fast  in  allen  Einzelpunkten  völlige  Uebereinstim- 
mung  der  Versammlung,  namentlich  auch  sämtlicher  Vertreter  der 
besitzenden  und  der  konditionierenden  Apotheker.  Die  Apotheker¬ 
kammern  sollen  hiernach  aus  gesondert  gewählten  Vertretern  dieser 
beiden  Gruppen  approbierter  Apotheker  bestehen,  jede  Gruppe  soll 
nach  dem  Verhältnis  der  Zahl  ihrer  Angehörigen  vertreten  sein,  zum 
erweiterten  Obermedizinalausschuss  sollen  jeweils  5  Kammern  einen 
besitzenden  und  3  Kammern  einen  konditionierenden  Apotheker  ab¬ 
ordnen. 


Tagesgeschichtiiche  Notizen. 

München,  28.  Dezember  1907. 

—  Die  Verhandlungen  der  Vertragskommission 
des  A  e  r  z  1 1  i  c  h  e  n  Bezirksvereins  Münche  m  mit  der 
G e  m  e  i -n  d  ekranke  n  Versicherung  haben  in  jüngster  Zeit 
einen  guten  Fortgang  genommen,  so  daiss  der  rechtzeitige  Abschluss 
eines  neuen  Vertrags  gesichert  erscheint.  Ausser  anderen  Zugeständ¬ 
nissen  hat  die  Vertragsikommlssion  sich  entschlossen,  auch  in  der  am 
meisten  umstrittenen  Forderung  des  Magistrats,  der  Pauschalierung 
der  Extraleistungen,  entgegenzukommen,  doch  soll  die  Bezahlung  der 
Extraleiistungen  nicht,  wie  der  Magistrat  verlangt  hatte,  aus  dem  bis¬ 
herigen  Pauschale,  sondern  durch  einen  entsprechenden  Zuschlag  zu 
diesem,  erfolgen.  Man  kann  es  bedauern,  dass  es  nötig  wurde,  in 
diesem  prinzipiell  wichtigen,  Punkt  nachzugeben,  muss  aber  zu  geben, 
dass  um  'dieser  vom  Magistrat  mit  sehr  triftigen  Gründen  gestützten' 
Forderung  willen  ein  Konflikt  mit  einer  Kasse,  bei  der  die  Aerzte 
sonst  günstig  gestellt  sind,  sich  nicht  hätte  rechtfertigen  lassen.  Ge¬ 
meinde  und  Aerzte  können  somit  von  einer  schweren  Sorge  befreit 
in  das  neue  Jahr  eintreten. 

—  Man  schreibt  uns  aus  Dresden:  Die  Vielgestaltigkeit  der  An¬ 
stellungsverhältnisse  der  bei  der  Stadt  Dresden  beschäftigten 
Aerzte  hatte  seit  Jahren  eine  gründliche  Regelung  und  Neuordnung 
des  ärztlichen  Dienstes  überhaupt  als  sehr  wünschenswert  erscheinen 
lassen.  Für  die  Erledigung  der  hierzu  notwendigen  Vorarbeiten  war 
seit  dem  Jahre  1905  auf  Beschluss  der  städtischen  Kollegien  eine 
Kommission  eingesetzt  worden.  Bei  den  gepflogenen  Beratungen  stand 
namentlich  die  Frage  der  Einführung  der  freien  Arztwahl,  so¬ 
wohl  in  der  offenen  Armenpflege,  als  auch  bei  der  Dienstbotenkranken¬ 
kasse,  der  städtischen  Betriebskrankenkasse  und  der  Betriebskranken¬ 
kasse  der  städtischen  Strassenbahn  im  JBrennpunkt  des  Interesses. 
Der  Rat,  beschloss:  a)  Der  Anregung,  bei  den  genannten  Kranken¬ 
kassen  und  der  offenen  Armenpflege  die  freie  Arztwahl  einzuführen, 
nicht  näherzutreten;  b)  das  Armenamt  mit  Eröffnung  von  Vorschlägen 
zu  beauftragen,  ob  und  in  welcher  Weise  den  Armenkranken  eine  be¬ 
schränkte  Wahl  zwischen  den  Armenärzten  ermöglicht  werden  kann. 
Die  von  den  Aerzten  der  Stadt  Dresden  im  Interesse  des  gesamten 
ärztlichen  Dienstes  und  der  städtischen  Krankenhäuser  und  Anstalten 
erhoffte  und  in  der  gleichen  Vorlage  beantragte  Schaffung  der  Stelle 
eines  besold  e  te  n  ärztlich  enRatsmitglie  des,  wurde  vom 
Rat,  wus  sehr  zu  bedauern  ist,  gleichfalls  abgelehnt. 

—  Die  Stadt  Berlin  hat  für  die  Robert  Koch-Stiftung 
50  000  M.  bewilligt. 


—  Der  Hamburger  Senat  hat  den  Verwaltungsphyslkus  Dr.  L.  E. 
Pfeiffer,  den  Oberimpfarzt  Dr.  Th.  L.  Voigt  und  den  bekannten 
Dermatologen  Dr.  P.  G.  U  n  n  a  zu  Professoren  ernannt. 

—  Sein  sechzigjähriges  Doktorjubiläum  feierte  am  23.  Dezember 
der  Geheime  Regierungs-  und  Obermedizinalrat,  Dr.  Bernhard 
Schuchardt  in  Gotha. 

(Hochschul  nachrichte  n.) 

Berlin.  Geh.  Obermedizinalrat  Dr.  med.  Martin  Kirchner, 
Vortragender  Rat  im  preussischen  Kultusministerium  und  a.  o.  Pro¬ 
fessor  für  Hygiene  und  Staatsarzneikunde  an  der  Berliner  Universität, 
wurde  zum  ausseretatsmässigen  Mitglied  des  wissenschaftlichen 
Senats  bei  der  Kaiser-Wilhelms-Akademie  für  das  militärärztliche  Bil¬ 
dungswesen  ernannt.  —  Den  Privatdozenten  für  Kinderheilkunde 
Dr.  med.  Hugo  Neuma  n  n  und  Dr.  Bernhard  B  e  n  d  i  x  an  der  Ber¬ 
liner  Universität  und  Dr.  med.  Arthur  Keller  an  der  Breslauer  Uni¬ 
versität  wurde  der  Professortitel  verliehen.  Dr.  Keller  ist  zum 
Direktor  des  Kaiserin-Augusta-Viktoria-Hauses  zur  Bekämpfung  der 
Säuglingssterblichkeit  im  Deutschen  Reiche  in  Berlin  berufen  und 
scheidet  aus  dem  Lehrkörper  der  Breslauer  Hochschule  aus.  —  Dem 
Spezialarzt  für  Chirurgie  Dr.  med.  Baron  Felix  v.  Kuester  in  Char- 
lottenburg  wurde  vom  preussischen  Kultusminister  der  Titel  „Pro¬ 
fessor“  verliehen.  —  Der  Privatdozent  für  Hygiene  und  Bakteriologie 
an  der  Berliner  Universität  -und  Abteilungsvorsteher  am  Hygienischen 
Institut,  Prof.  Dr.  med.  Martin  Ficker,  wurde  zum  ausserordent¬ 
lichen  Professor  ernannt,  (hc.) 

Breslau.  2071  Studierende  sind  im  laufenden  Wintersemester 
an  der  Breslauer  Universität  immatrikuliert,  gegen  1956  im  vorigen 
Wintersemester.  Davon  zählt  die  medizinische  Fakultät  284  (274)  Stu¬ 
dierende.  (hc.)  —  Priviatdozont  Dr.  Georg  Gottstein,  Primärarzt 
der  chirurgischen  Abteilung  des  Israelitischen  Krankenhauses,  hat  den 
Professortitel  erhalten.  —  Habilitiert  als  Privatdozent  für  innere  Medi¬ 
zin:  Dr.  Julius  Schmidt,  Assistenzarzt  der  medizinischen  Poliklinik. 
Habilitationsschrift:  Der  Blutstrom  in  -der  Pfortader  unter  normalen 
Verhältnissen  und  bei  experimenteller  Behandlung. 

Halle.  Die  Gesamtzahl  der  Studierenden  an  der  Universität 
Halle  a.  S.  beträgt  in  diesem  Semester  nach  vorläufiger  Feststellung 
2237,  gegen  2257  im  vorigen-  Winterhalbjahr.  Davon  -sind  217  (200) 
Mediziner,  (hc.) 

Heidelberg.  Der  a.  o.  Professor  der  Zoologie  A.  Schu¬ 
be  r  g  hat  -einen  Ruf  an  das  kaiserliche  Gesundheitsamt  in  Berlin 
erhalten  und  angenommen. 

Jena.  Exzellenz  Geh. -Rat  Prof.  Dr.  Bernhard  S  c  h  u  1 1  z  e 
feierte  am  29.  ds.  Mts.  seinen  80.  Geburtstag.  —  Zum  Direktor  des 
zahnärztlichen  Universitätsinstituts  in  Jena  wurde  an  Stelle  des  an  die 
Leipziger  Universität  berufenen  Dr.  Th.  D-ependorf  der  Privat¬ 
dozent  Dr.  med.  Gustav  Hesse  ernannt,  (hc.) 

Kiel.  Der  I.  Assistent  ander  Klinik  für  Haut-  und  Geschlechts¬ 
krankheiten,  Dr.  Friedrich  Bering  aus  Fröndenberg  i.  W.,  hat  sich 
auf  Grund  seiner  Arbeit:  „Die  Verwendung  der  Lichtstrahlen  in  der 
Dermatologie“  für  das  Fach  der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten 
habilitiert.  Seine  Antrittsvorlesung  behandelte:  „Die  physiologische 
Wirkung  des  Röntgenlichtes  und  der  ultravioletten  Lichtstrahlen;  ihne 
praktische  Verwendung“.  —  Dem  ordentlichen  Professor  in  der  medi¬ 
zinischen  Fakultät  der  Universität  und  Direktor  -des  anatomischen 
Instituts  Dr.  Graf  v.  Spee  ist  der  Rote  Adlerorden  IV.  Klasse  ver¬ 
liehen  worden. 

Leipzig.  Dr.  rn-ed.  Max  Verse,  Prosektor  am  Leipziger 
pathologischen  Institut,  hat  sich  in  der  dortigen  medizinischen  Fakultät 
mit  einer  Probevorlesung  über  das  Thema:  „Die  parasitäre  Theorie 
der  malignem  Geschwülste“  als  Privatdozent  niedergelassen. 

Münster  i.  W.  Medizinisch-propädeutische  Abteilung  der 
Universität.  An  Stelle  des  ordentlichen  Professors  der  Physik 
Dr.  Heydweiller  wurde  der  ordentliche  Professor  der  Physik 
Dr.  Schmidt  in  Königsberg  i.  Pr.  als  Leiter  der  physikalischen 
Anstalt  nach  Münster  berufen.  —  Dem  Dr.  med.  Franz  Henges¬ 
bach  wurde  der  Titel  Sanitätsrat  verliehen. 

Strassburg.  1709  Studierende  sind  im  laufenden  Winter¬ 
halbjahr  an  der  Universität  Strassburg  i.  E.  immatrikuliert,  gegen  1652 
im  vorigen  Winterhalbjahr,  davon  -in  -der  medizinischen  Fakultät 
255  (253). 

(Todesfälle.) 

In  Berlin  starb  an  den  Folgen  eines  Automobilunfalles,  der  ihn 
vor  kurzem  betroffen,  der  bekannte  Dermatologe,  Professor  Dr.  Oskar 
L  a  s  s  a  r. 

Am  20.  Dezember  -starb  zu  Berlin  der  Vorsitzende  der 
Berlin-Brandenburgischen  Aerztekammer,  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Julius 
Becher,  einer  der  verdienstvollsten  Führer  der  Berliner  Aerzte. 

Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr.  Adalbert  v.  Tobo  ld,  der  erst  kürz¬ 
lich  seinen  80.  Geburtstag  feierte,  starb  um  23.  ds.  Mts.  zu  Berlin. 
(Nekrologe  folgen.) 

Berichtigung  zu  der  in  No.  51,  S.  2517  erschienenen  Arbeit 
von  P.  Schrumpf:  „Vergleichende  Untersuchungen  über  die 
Typhusdiagnose  mittels  Bazilleuemulsion  und  Fick  er  Sehern  Dia¬ 
gnostikern“.  Seite  2519,  Spalte  2,  Zeile  21  und  22:  „Die  Erfolge  mit 
dem  Paratyphus-B-Diagnostikum  sind  sehr  mangelhaft“,  statt  „also 
mangelhafte“. 


Personalnachrichten. 

(Schluss.) 

Niederlassung:  Dr.  Gustav  Wolf,  appr.  1906,  in  Nürnberg. 

Korrespondenz. 

Hypertrophie  der  Langerhans sehen  Pankreasinseln. 

Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  des  Herrn  K.  A.  H  e  i  b  e  r  g 
in  No.  51  der  M.  med.  W.,  S.  2532. 

Von  Prof.  Dr.  Paul  Lazarus  in  Berlin. 

. Die  Bemerkungen  des  Herrn  Helberg  erscheinen  mir  sachlich 

denn  J-  habe  ich  in  meiner  Arbeit  (Miinch.  med. 
Wochenschr.  No.  45,  S.  2222 )  ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  es 

eine  beträchtbS” ‘^ZIiIItieren  ,ai  Gegensätze  zu  den  Normaltieren  um 
bntraC^tCht  V.°  UmszUnahme  der  ganzen  Bauchspeicheldrüse 
handelt,  welche  histologisch  im  wesentlichen  „auf  einer  ziemlich 

SJS  uber.'das  ganze  Organ  verbreiteten 
JhCl1Srrdfen-  HyPertrophle  ynd  Hyperplasie  der  Langerhans- 

Bedennk?n  a  h”  (v'ergk  S'  22221  Somit  erscheinen  die 

hS?  Kk  i^eS  H,trrn  H  e  1  b  e  r  g  ohnehin  bereits  durch  meine  Arbeit 
behoben.  Dasselbe  gilt  2.  für  die  Frage  der  Inselhyperämie;  eine 
„gelegentlich  an  Patten  und  Fröschen  aus  unbekannten 
ir  linden  vorkommende  Inselhyperämie  ist  nicht  mit  der  von 
?  5riebInen’  gesetzmassig  bei  phloridzinglykosurischen  Meer- 
■  • h  e  n  (auch  im  Hungerstadium)  auftretenden  Insel- 

ked  dtT'Hp11  verxYechs'eln;  übrigens  scheint  ja  Herr  H.  die  Möglich¬ 
veit  der  Hervorrutung  von  Inselhyperämie  nach  meinem  Verfahren 
n.ch‘  anzuzweifeln.  Auel,  die  schönen  Untersuchungen^  e i b e r^s 
bei  die  Bauchspeicheldrüse  (Hospitalstidende  1907  Kopenhagen) 

hefteiC90e7  Ori T  ^  df  ZentralbL  f-  Physiologie,  Mai- 
?  /U/?  9riglIlaI  lm  Journal  of  experim.  Medizin,  NewYork  zu¬ 

gänglichen  ausserst  wertvollen  De  witt  sehen  Befunde  über  die 
g  3,  kolytische  Wirkung  von  Extrakten  aus  Bauchspeicheldrüsen  —  bei 

erkretoShe6  F^mfnt  n,drg  T  die  Drüs'enazini  und  deren  da™- 

f  r  .  L  mente  schwmden,  während  die  Langerhans- 

bckriin'zcn'dü"1,  d,t  glykolytischen  Eigenschaften  erhalten  bleiben  - 

von  def  Soezifit'«'  der  l™"  m'r  f  ‘  Jahren  vertretene  Auffassung 
von  aer  ^pezihtat  der  L  a  n  ge  r  h  a  n  s  sehen  Inseln  (vere-l 

iöoT  nn^b^h16111^116  Pankreasstudie  in  der  Zeitschrift  für  Heilkunde 
1901  und  insbesondere  meine  Monographie  „Pathologie  und  Theianie 
der  Pankreaskrankheiten“  1904  bei  Hirschwald  (Berlin) 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Die  Blinddarmentzündung  der  Kinder. 

Erwiderung  auf  die  Erklärung  der  Kommission  für  Perityphlitis¬ 
statistik  in  No.  52,  S.  2627. 

Nummer  Seife6 WiI?  in  Ameinen  oben  (siehe  vorige 
Uirrgehoueri'ichen  V™7 dR^BeX  sch,wer!ich  «*>« 

ist,  Aerzte  undTor 

-gen  werden,  JWXe  f'^'r  eW  f/ÄÄ 

SaSöSSrSSSSISS 

einer  mvf^ls^nA^mxin  dÄchhöhf012!6 

st 

Hatzen  gespannte  Appendix  fortnahm.  Ich  halte  dfe  An^H^-  Zr.m 
ein  chirurgisches  I  ei, d,pn  ri«  t-  u  .  dle  Appendizitis  für 

werden  sollte,  schlage  in  jedem  Falle  wenn’di^  nUrgiSCh  behandellt 
ist,  die  Operation  vor  gleicheiiltiV  „h  l  t”0  d  e  Blagnose  gesichert 
dizitis  voriiegt, weil  N fern a„  ' A  f  Were  °'dfr  leichte  Appeir- 
den  nächsten  Stunden  aus  einer  leichten  Cnf  Sf”  kan'n’-  ob  n'icht  in 
ration  als  solche  ist  ungefährlich  ich Ana'  S'hw?re  Wlrd;  die  Ope- 
ieglicher  flefate  riehen  Ich g’laSSe  n  recht?eitie  a»s 

Falle,  die  ohne  Operation  heilen  iedenff  k  "  f  1,6  Zurn'eist  Ie>chte 
definitiv  heilen,  wVden  deSb’Ä  “fort  operiert  T*  ^ 
Präge  ist  eine  wissenschaftliche  ,,„h  !P,  h0116  ganze 

w ,  s  s  e  „  s  c  h  a  f ,  1  i  c  h  e  „  Standpunkte  aus  erörtert  Ä"  V°m 

triff,  nichfzi!  Thon  eilaTEat  Bertiu  ÄJ*  T  ?iclMs  »I  das 
Debatte  auf  dem  Chirurgenkongness  1S99  iin^  A'  c?  dle  bekanmte 

»ÄMsS-ir TSäss 

*5S  FSXSJtrSS'iS  ES 


Verlag  von  J.  F.  Lehm  « na  in  München.  -  DruckVon 


_  _  No.  53. 

..  *etzt  in  Ber.lil1  aucb  nur  eme  Sammelforschung  über  die 

Morbidität  angestellt  wird,  so  dürfte  das  im  Lande  ganz  anders  ge¬ 
deutet  werden;  es  wird  aufgefasst  als  die  Frage,  ob  operative  oder 
Konservative  Behandlung  bessere  Resultate  gibt.  Würde  die  Sammel¬ 
forschung  über  die  Morbidität  in  Bremen,  in  Köln,  selbst  in  Hamburg 
angestellt,  so  wurde  das  für  Thüringen  nichts  ausmachen;  aber  wenn 
in  der  Metropole  selbst  anscheinend  noch  Unsicherheit  über  die  Be- 
hcmdlung  herrscht,  so  iklingt  das  im  ganzen  Lande  wieder,  und  auch 
die  huringer  Aerzte,  die  in  stetem  Kampfe  mit  der  hier  zu  Laude  stark 
,??rrkh  vertretenen'  Naturheilkunde  mühsam  ihren  Weg  gehen,  werden 
durch  das  Publikum  zu  guusten  längerer  konservativer  Behandlung 
beeinflusst  werden.  Ich  sehne  mich  aber  gar  nicht  nach  den  Folge- 
zustan den  einer  zu  lang  ausgedehnten  konservativen  Behandlung  zu- 
ruck  nach  dem  Kampfe  mit  multiplen  Eiterherden  im  Bauche  resp 
mit  der  Perforationsperitonitis.  Ich  würde  dann,  ähnliche  Verhältnisse 
'bekommen,  wje  sie  noch  1905  im  Friedrichshaki  in  Berlin  bestanden 
von  141  Kianken  mit  schwerer  Appendizitis  wurden  nur  67  im  Laufe' 

d*p  %0tT  f  .St™den  H  in*?!nfMrt  (9+)'  74  "ach  Ablauf  von  48  Stall. 

—  iLn.  toto  wurden  210  Menschen  operiert  mit  30  Todesfällen 
iMitor  £o°n’  ZW>e!  starben  unoperiert.  Im  gleichen  Jahre  hatte  ich 
21  eroeo  ~  und  alle  Aufgenommenen  wurden  operiert  — 

2}  r-docsfalte .  —  8  Proz.,  aber  unter  diesen  Gestorbenen  waren  nicht 
weniger  als  12  zu  spät  eingelieferte  Kinder/ 

Möchten  doch  die  Berliner  Herren  dort  die  Abneigung  der  Kran- 
\en  gegen  die  Fruhoperation  zu  beseitigen  suchen,  das  wäre  nützlicher 
und  der  Sache  dienlicher,  als  Kampf  und  Streit.  Riedel 

% 

Zentralverband  der  Baineologen  werden  wir  um  Aufnahme 
^ender  Erklärung  ersucht:  „Die  Plenarversammlung  des  Zentral¬ 
verbandes  der  Baineologen  Oesterreichs  am  26.  November  1  J  hat 
nachdem  bereits  im  Frühjahre  von  Seite  seines  Verstandes  bezügfeh 
der  in  der  deutschen  Fachpresse  erschienenen  abträglichen  Äusse¬ 
rungen  über  Reisen  und  Besuche  der  Badeärzte  eine  Erklärung  ^abge- 
geben  und  weitere  Schritte  behufs  Abwehr  ungerechtfertigter  An- 
lgDStel!t  word'en  waren,  den  Beschluss  gefasst,  sich 
kammherty{rChineiT  r  ResoIutlon  anzuschliessen,  welche  auf  dem  Aerzte- 
k“ag  j  Troppau  —  gewiss  das  kompetenteste  Forum  —  im 
.  ptember  dieses  Jahres  angenommen  worden  war.  Dieselbe  lautet- 

des  ä’rTtlinShP.yä,er/eSen  dleAgute  Sitt'e  noch  gegen  die  Würde 
des  ärztlichen  Standes,  wenn  Aerzte,  die  in  Kurorten  Praxis  aus- 

uben  auswärtige  Aerzte  besuchen,  um  mit  diesen  bekannt  zu 
werden  und  für  ihren  Kurort  Propaganda  zu  machen.  Unzulässig 
dagegen  ist  das  Besuchen  von  Patienten  ohne  vorherige  Ver- 
standigung  und  Einwilligung  des  Hausarztes,  sowie  die  Weiter¬ 
behandlung  der  Patienten  während  des  Winters  ferner  das  An 

irgendwelcher  Art  zwecks  VeSserung  Tr" 
eL  Vorausgesetzt  wird,  dass  diese  Besuche  mit  dem  nötigen 
lakte  vorgenommen  werden.“  ugeT1 

Der  Zentralverband  beschloss  ferner,  für  weitgehende  Verbreitung 
dieser  Resolution  in  ärztlichen  Kreisen  zu  sorgen  und  richtet  an  alle 
Kn  nren’  ^wohUCurärzte.  als  Haus-  und  Konsiliarärzte  die  Bitte  ihm 
alltallige  Missstämde  in  dieser  Richtung  znr  weiteren  Verfolgung 
mitzuteilen,  damit  nicht  durch  Generalisierung  vereinzelter  Verfeh 

s  wietTTTeTz^beTfTf chen  S,andes  eesmdiet  ^ 

Für  den  Zentralverband : 

PeiyaMozem^Drt  L.  Wf  e  k,  m.  p.  Hofrat  W  i  n « «  r  .  i .  z,  m.  p. 


Uebersicht  der  Sterbefälle  in  München 

wahrend  der  50.  Jahreswoche  vom  8.  bis  14.  Dezember  1907 
T  .  ,  Bevolkerungszahl  548  000. 

ah  V°d®sur®achen:  Angeborene  Lebensschw.  (1.  Leb-M)  12  fn*i 

ÄXVf  sSÄ cVF  ÄÄ  ROt'eTn’’  3" 

-7-) 4  Rose' Ä  '(  ()\TndPWS  “ber‘ragb.  TierSLnklJ: 

u  Eiterverpifn  y  m  |„t)ka,ndJ  Yundlnfektlonskr-  (einschl.  Blut- 

Org.  4  (2Xr3JLJUblX  iingeSzünd.  ‘(pTuXoTTs  ^ 

Influenza  1  (1),  and.  übertragb  Krankh  1  F„f  ■■  A  A  (H)» 

Organe  5  (6),V'„st  Kra„khaTrseIbnk4  (3  , ‘Trgan  ZHerzideidAlr?#n 
f“"5';  Kr.  d.  Kreislaufsorg  (einschl.  Herzschlagfö  QehirnThtag 
V  Gk  Geisteskrankh.  -(-),  Fraisen,  Eklamps.  d.  Kinder  5  röf  anl 
Krankh.  d.  Nervensystems  9(5),  Magen- u  Darm  Kat  RrLu”  ’  u  ii‘ 

pfdnNeübndg^k{einsdik^Sarkom)^--*(9)  ^Selbstmo^d^yblf'LTJ^ 
;^e&zaVde-S» 

Jahr  und  1000  Einwohner  im  allgemeinen  18  8  nyst  fn!  hi!  -k88 
dem  1.  Lebensjahre  stehende  Bevölkerung  13,5  (12,2).  ’  d  UbCr 

_)  Die  eingeklammerten  Zahlen  bedeuten  die  Fälle  der  Vorwoche. 


E.  Mühlthalers  Buch-  und  Kunstdruckerei  A  Q„  München 


I.  Originalartikel. 


Seite 

Ach,  Augenmuskellähmungen  nach  Lumbalanästhesien  (Aus 

der  chirurgischen  Klinik  zu  München) . .  .  613 

—  Ueber  Lumbalanaesthesie.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik 

München.) . 

Adam,  Eine  neue  Behandlungsmethode  der  Blennorrhoea  adul¬ 
torum  mittels  Blenno-Lenicetsalbe.  (Aus  der  Universitäts- 

Augenklinik  in  Berlin.) .  2132 

Anger  er,  Emst  von  Bergmann .  337 

Adler,  Ueber  nervöses  Aufstossen  . ’  ’  173 

Alzheimer,  Ueber  die  Indikationen  für  eine  künstl.  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  bei  Geisteskranken.  (Ulustr.)  .  .  .  1617 
An  schütz,  Ueber  die  Heilungsaussichten  beim  Magen-  und 

Darmkarzinom  .  1873 

Apelt,  Ueber  Hospitäler  der  Westküste  Süd-,  Mittel-  und  Nord¬ 
amerikas  .  272 

A  p  ol  an  t,  Ueber  experimentell  erzeugten  Rückschlag  von  Mäuse¬ 
karzinom  in  den  histologischen  Typus  des  Adenoms.  (Aus 
dem  Kgl.  Institut  für  .  experimentelle  Therapie  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.)  (Illustr.) . 1720 

Arndt,  Elektromassagehandschuh.  (Aus  der  chirurgischen  Uni¬ 
versitätsklinik  in  Erlangen.  (Illustr.)  .  .  . . 938 

Arnsperger,  Zur  Frühdiagnose  der  Lungentuberkulose.  (Aus 

der  medizinischen  Klinik  zu  Heidelberg.) .  64 

Asch,  Zylindrurie  und  Albuminurie . *  ’  2467 

Auerbach  und  Grossmann,  Ein  operativ  behandelter  Fall 
von  Jacksonscher  Epilepsie.  (Aus  der  Frankfurter  Poli¬ 
klinik  für  Nervenkranke  und  dem  v.  Neufvilleschen  Kinder¬ 
hospital.  (Illustr.) . 466 

—  Ein  neuer  Sensibilitätsprüfer.  (Illustr.) . 672 

Aufrecht,  Zur  Behandlung  des  Delirium  tremens . 1589 

Avellis,  Johann  Christian  Senckenberg  . . 425 

—  Ueber  Heuschnupfenbehandlung  nach  eigenen  Erfahrungen  518 
Axmann,  Beseitigung  der  durch  Radiumstrahlen  bewirkten 

Gefässerweiterungen . 1877 

Bab,  Nerv  oder  Mikroorganismus?  (Aus  der  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  der  Charitd  in  Berlin  ) . 315 

—  Beitrag  zur  Bakteriologie  der  kongenitalen  Syphilis.  (Aus 

der  Universitäts-Frauenklinik  der  Kgl.  Charite  zu  Berlin.) 
(Illustr)  . .  2265 

Bach,  Differentialdiagnose  zwischen  reflektorischer  und  absoluter 
Puppillenstarre.  (Aus  der  Universitäts  -  Augenklinik  zu 
Marburg.) . 353 

—  Die  Beziehungen  der  Medulla  oblongata  zur  Pupille  .  .  .  1221 
Bachmann,  Ueber  Perkussion,  deren  Befunde  und  Deutung 

bei  exsudativer  Pleuritis.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 

der  Universität  Zürich.) . 1070 

Baer,  Pleilerfolg,  Giftwirkung  und  opsonischer  Index  bei  Be¬ 
handlung  mit  Marmoreks  Antituberkuloseserum.  (Aus 
Dr.  Turbans  Sanatorium  in  Davos-Platz.)  (Illustr.)  ....  1670 
Baeumler,  Bericht  über  350  Tränensackexstirpationen  nebst 

Bemerkungen  über  Indikation  und  Technik . 563 

Bai  In«  r  und  Reibmayr,  Ueber  die  Verwertbarkeit  des  Phäno¬ 
mens  der  Komplementablenkung  zur  Differenzierung  von 
Kapselbazillen.  (Aus  dem  hygienischen  Institute  der  k.  k. 

Universität  in  Innsbruck.) . 601 

Bäräny,  Die  Untersuchung  der  reflektorischen  vestibulären  und 
optischen  Augenbew«gungen.  (Aus  der  Univ.-Ohrenklinik 

in  Wien.) .  1072,  1132 

Barl  ach,  Ueber  Milzbrand  und  seine  Behandlung . 727 

Bartsch,  Quecksilbervergiftung  mit  tödlichem  Ausgange.  (Aus 
der  dermatologischen  Abteilung  des  Allerheiligen-Hospitals 

zu  Breslau.) . 2138 

Basler,  Ein  einfacher  Gärungssaccharometer  für  den  praktischen 

Arzt.  (Illustr.) .  2486 

Bass,  107  Geburten  in  Skopolamin-Morphin-Halbnarkose.  (Aus 

der  Klinik  Chrobak  in  Wien.)  . . 519 


Seite 

Bauer,  Zwei  Fälle  von  Dementia  paralytica  mit  Schwangers¬ 
chaft  und  Geburt.  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu 


Leipzig.)  .  . . ; .  2037 

Bau  mg  arten,  Praktische  Erfahrungen  über  Oxybenzyltannine 

(Tannothymal) . 1220 

Bechhold,  Die  elektrische  Ladung  von  Toxin  und  Antitoxin. 

(Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu 

Frankfurt  a.  M.)  (Illustr.) . 1921 

Beck  s.  u.  Kienböck,  Selig  u  Beck 

Becker  F.-Frankfurt,  Eine  Bandage  zur  Fixierung  von  Verband¬ 
stoffen  am  Penis  .  . . 940 

Becker-Koblenz,  Neuer  Kochsalzsterilisationsapparat  mit  Wasser¬ 
kühlung  und  Höhenverschiebung.  (Illust.) . 1881 

Beer,  Ueber  den  Wert  der  Dunkelfeldbeleuchtung  für  die  klinische 
Diagnose  der  Syphilis.  (Aus  der  Kgl.  Universitätspoliklinik 

für  Hautkrankheiten  in  Berlin.) . 1926 

B e itz ke  und  Rosenthal,  Zur  Differentialdiagnose  der  menschen¬ 
pathogenen  Streptokokken . 1441 

Beneke,  Ueber  den  Kernikterus  der  Neugeborenen  .  2023 


Bennecke,  Ein  Todesfall  infolge  reflektorischer  Anurie  nach 
Plarnröhrensondierung  bei  einem  Manne  mit  hochgradigen 
Schrumpfnieren  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Jena.)  2093 
—  Klinische  und  bakteriologische  Bemerkungen  zur  epide¬ 
mischen  Genickstarre  im  Anschluss  an  3  sporadische  Fälle. 


(Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  in  Jena)  .  .  .  2179 
Berblinger,  Traumatische,  intraperitoneale  Ruptur  der  Blase 
(Laparotomie),  Heilung.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung 

des  neuen  Vincenziushauses  in  Karlsruhe.) . 1631 

B  e  r  ge  r  Cl.-Hamburg,  Ueber  Magenerosionen.  (Aus  der  Direktorial¬ 
abteilung  des  Eppendorfer  Krankenhauses.)  .  .  .  .  .  .  .1116 

Berger-Krefeld,  Die  Vorbeugung  der  Myopie .  2240 

Bern  dt,  Zur  Operation  des  Mastdarmkarzinoms . 1481 

Bernhard,  Die  Radikal  Operation  der  Herniae  permagnae  mit 

Reposition  des  Hodens  in  die  Bauchhöhle . 1586 


Be schorn er,  Die  Stellung  der  Fürsorgestellen  für  Lungenkranke 

im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  als  Volkskrankheit  1878,  1937 
Bost,  Ueber  Korrelation  bei  Vererbung  in  der  Augenheilkunde  62 
—  Beitrag  zur  Klinik  des  Magengeschwüres  mit  besonderer 


Berücksichtigung  des  Pylorospasmus  und  der  Hypersekretion. 

(Aus  dem  St.  Josephshause  Heidelberg.) . 1317 

Bettmann,  Zur  Arsenikbehandlung  der  Syphilis . 1925 

Beuttenmüller,  Schmerz  und  Blutdruck .  2240 

Bewersdorff,  Ueber  einen  mit  Streptokokkenserum  Menzer 

behandelten  Fall  von  puerperaler  Pyaemie . 1482 

Binder,  Ein  Fall  von  Spina  bifida  occulta.  (Aus  der  chirurgischen 
Abteilung  des  herzoglichen  Landkrankenhauses  zu  Gotha.) 

(Illustr.) . 1825 

B  i  n  e  und  Lissner,  Die  Technik  der  Opsoninbestimmung  und  ihre 
Anwendung  bei  Lungentuberkulose.  (Aus  der  med.  Klinik 

in  Heidelberg.)  (Illustr.) . 2513 

Bi  ngel ,  Untersuchungen  über  den  Einfluss  des  Biertrinkens  und 
Fechtens  auf  das  Herz  junger  Leute.  (Aus  der  medizinischen 

>■  Klinik  der  Universität  in  Tübingen.)  .  57 

Bircher,  Die  Behandlung  der  Nierentuberkulose  mit  Röntgen¬ 
strahlen.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  der  kantonalen 

Krankenanstalt  zu  Aarau.) . • .  2525 

Birnbaum,  Die  Methode  von  M.  Schwab  zur  Bestimmung  der 

Gerinnbarkeit  des  Blutes . 621 


Bittdorf,  Weitere  Untersuchungen  über  den  Blutdruck  und  die 
Herzhypertrophie  bei  Aortensklerosen.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Universitätsklinik  Breslau.)  (Illustr.) . 869 

—  Druckschmerzhaftigkeit  des  Hodens  bei  Nierensteinen.  (Aus 

der  medizinischen  Universitätsklinik  Breslau.) . 1120 

B  lasch  ko,  Ueber  die  Häufigkeit  des  Trippers  in  Deutschland. 

(Illustr.) . 216 

Bleibtreu,  Scheinbare  Makrochilie  bei  Hysterie.  (Aus  der 
inneren  Abteilung  des  evangelischen  Krankenhauses  in 
Köln  a.  Rh.)  (Illustr.) . 265 

1  * 


IV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Blumberg,  lieber  ein  diagnostisches  Symptom  bei  Appendizitis  1177 

Boas,  Ueber  nervöses  Aufstossen  .  .  . . 421 

Boesl,  Ueber  Methvlatropinum  bromatum  bei  Kindereklampsie  1825 
Bogen,  Zur  Kasuistik  der  kongenitalen  Luxation  der  Patella. 

(Aus  der  Universitäts-Kinderklinik  zu  Heidelberg.)  (Illustr.)  670 
Boruttau  s.  u.  Stadelmann  u.-Boruttau. 

Br a atz,  Bleivergiftung  durch  die  Geschosse  nach  Schussver¬ 
letzungen  . 1081 

Brand,  Ueber  die  praktische  Bedeutung  der  Beduktionsfähigkeit 
der  Milch.  (Aus  dem  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie 

zu  Frankfurt  a.  M.) . • . 821 

B  r  a  n  d  ts,  Appendizitis  und  Appendixkarzinom.  (Aus  der  Prosektur 

des  Krankenhauses  München  r.  d.  I.) . 1780 

ßrassert,  Halswirbelfraktur  und  reflektorische  Pupillenstarre  .  266 

—  Spätläsion  des  Ulnaris  (Aus  der  Nervenpoliklinik  des 

Albert-Zweigvereins  Leipzig.) .  2641 

Brentano,  Zur  Operation  des  Gallensteinileus.  (Aus  der  chirur¬ 
gischen  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  am  Urban 

in  Berlin.) . 931 

Bretschneider,  Blutbefunde  bei  Nervösen.  (Aus  der  I.  medi¬ 
zinischen  Klinik  München.) . 1587 

B  r  e  z  i  n  a,  Ueber  Konkurrenz  der  Antikörper.  (Aus  dem  hygienischen 

Institute  der  k.  k.  Universität  in  Wien.)  . 1373 

Brink,  Sohwere  Geburtsstörung  infolge  Spontanfixation  im  letzten 

Wochenbett  —  Kaiserschnitt . 1824 

B  r  u  n  s  II.-Gelsenkirchen,  Einige  Bemerkungen  über  Anguillula 
(Strongyloides)  intestinalis.  (Aus  dem  Institut  für  Hygiene 

und  Bakteriologie  zu  Gelsenkirchen) . 932 

Bruns  L  -Hannover,  E.  Hitzig  f . 2144 

Büdingen,  Die  Anstaltsbehandlung  der  Herzkranken  und  ihre 

Indikationen . 114 

Bürker,  Zur  Thermodynamik  des  Muskels .  59 

Bull,  Meningocele  vertebralis  mit  Teratoma  kombiniert.  (Aus 
der  chirurgischen  Universitätsklinik  B  zu  Christiania.) 

(Illustr.)  .  . . 569 

Bumke  s.  a.  Trendelenburg  u.  Bumke. 

—  Neuere  Untersuchungen  über  die  diagnostische  Bedeutung 

der  Pupillensymptome.  (Aus  der  psychiatr.  Klinik  in  Frei¬ 
burg  i.  Br.) . 2318 

Bunz,  s.  u.  Pförringer  u.  Bunz 

v.  Burk,  Ein  Fall  von  schwerer  innerer  Lysol  Vergiftung  ....  985 

Burkhardt  und  Polano,  Die  Füllung  der  Blase  mit  Sauerstoff 
zum  Zwecke  der  Kystoskopie  und  Radiographie  (Aus  der 
chirurgischen  Universitätsklinik  und  der  Universitäts- 
Frauenklinik  zu  Würzburg.)  .  20 

—  Carl  Schoenborn  f . 374 

zum  Busch,  Zum  80.  Geburtstage  Lord  Listers  . 673 

Buttersack,  Aneurysma  aortae  nach  akuter  Aortitis .  2330 


C  a  r  1  a  u,  Entfernung  eines  Fremdkörpers  aus  dem  linken  Bronchus 

(Illustr.)  • . . . 

Chaussy,  Ueber  Krauselappen  bei  Ulcus  cruris.  (Aus  der 
dermatologischen  Abteilung  Allerheiligenhospital  zu  Breslau.) 

(Illustr.) . . . . 

Cloetta,  Ueber  Digitoxin  und  Digalen.  (Aus  dem  pharmakolo¬ 
gischen  Institut  in  Zürich.) . 

Colinhcim,  Beobachtungen  über  Magen  Verdauung.  (Aus  dem 

physiologischen  Institut  Heidelberg.)  . . 

Colli  n, .  Erfahrungen  mit  den  Behringschen  Tulasepräpa'raten 
bei  der  Behandlung  tuberkulöser  Augenerkrankungen.  (Aus 

der  Kgl.  Universitäts-Augenklinik  in  Berlind  . 

Gramer,  Kochsalzentziehung  beim  Schwangerschaftshydrops 
Cr ä  m  er,  Ueber  den  Einfluss  des  Nikotins,  des  Kaffees  und  des 

Thees  auf  die  Verdauung . 929 

Cremer,  Ueber  das  Saitenelektrometer  und  seine  Anwendung  in 
der  Elektrophysiologie.  (Illustr.)  . 

—  Ueber  die  Registrierung  mechanischer  Vorgänge  auf  elek¬ 

trischem  Wege,  speziell  mit  Hilfe  des  Saitengalvanometers 
und  Saitenelektrometers.  (Illustr.)  . 

v.  C  r  i  p  p  a  und  F  e  i  c  h  t  i  11  g  e  r.  Ein  Fall  von  tödlich  verlaufender 

Quecksilberintoxikation . 

Croissant,  Zur  Frage  der  Dauererfolge  der  Lungenheilstätten. 

(Aus  der  medizinischen  Poliklinik  zu  Heidelberg.) 

C urschmann,  Ueber  hysterische  Schweisse.  (Aus  der  medizi¬ 
nischen  Klinik  zu  Tübingen.)  (Illustr.) 

—  Schmerz  und  Blutdruck.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 

zu  Tübingen.) .  2074 

—  !  ntersuchungen  über  das  funktionelle  Verhalten  der  Ge- 
fässe  bei  trophisclien  und  vasomotorischen  Neurosen.  (Aus 
der  medizinischen  Klinik  zu  Tübingen)  (Illustr.) 


1989 

1980 

987 
2581 

1761 

2639 

988 
505 

1629 
1282  , 
2322 
1673 
2240 


2519 


Dan  ziger,  Ueber  Vaccina  generalisata.  (Aus  der  Klinik  für 
Hautkranke  im  städtischen  Krankenhause  zu  Frank¬ 
furt  a.  M.) . 

D  e  u  c  k  s,  Ueber  sogenannte  erworbene  Lymphangiome  des  Halses. 

Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Rixdorf  [Berlin. 
l|,,ustr-) . .  1820 


1583 


Seite 

Dehler,  Zur  Behandlung  der  Typhusbazillenträger.  (Aus  der 

Kreiskranken-  und  Pflegeanstalt  der  Pfalz  inFrankenthal.)  779,  2134 
Dehne,  Die  spezifische  Löslichkeit  und  ihre  Anwendung  bei 
der  forensischen  Blutuntersuchung.  (Aus  dem  Laborato¬ 
rium  der  k.  k.  Universitätskinderklinik  in  Wien.)  ....  357 

Dehner,  Fremdkörperextraktion  aus  der  Bauchhöhle.  (Aus  dem 

städtischen  Krankenhause  Ludwigshafen  a.  Rh.) . 175 

Dennig,  Theodor  von  Jürgensen  f . 1335 

Des  sauer,  s.  a.  Wiesner  und  Dessauer. 

—  Schutz  des  Arztes  und  des  Patienten  gegen  Schädigung 

durch  Röntgen-  und  Radiumstrahlen.  (Illustr.) . 1827 

Peter  mann,  Ein  einfaches,  stets  gebrauchfertiges  Blutviskosi¬ 
meter.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Freiburg  i.  B.). 

(Illustr.) . • . 1130 

Deutschländer,  Die  Hyperämiebehandlung  der  Knochen-  und 

Gelenktuberkulose . 721,  790 

Deutschmann,  Die  Behandlung  der  Netzhautablösung.  .  .  .  564 

—  Ein  neues  tierisches  Heilserum  gegen  mikrobische  Infek¬ 
tionen  beim  Menschen.  (Illustr.) . 921,  1214 

Dölger,  Was  berechtigt  uns,  auf  Grund  der  funktionellen  Hör¬ 
prüfung  Simulation  bezw.  Uebertreibung  als  vorliegend  an¬ 
zunehmen  ?  Wie  verfahren  wir  am  besten,  um  bei  dem 


der  Simulation  bezw.  Uebertreibung  Ueberführten  einen  Ein¬ 
blick  in  das  wirklich  vorhandene  Gehör  zu  erlangen?  .  .  1525 
Doerfler,  Die  Säuglingsfürsorgestelle  in  Weissenburg  in  Bayern  15 

Doll,  Die  Apoplexie  des  Nierenlagers . 2417 

v.  Düngern  und  Coca,  Ueber  Hämolyse  durch  Schlangengift. 

(Aus  dem  Institut  für  experimentelle  Krebsforschung  in 

Heidelberg.) . 2317 

Durlacher,  Die  Hauptursache  der  Plazentarretention  und  ihre 

Verhütung  .  • . - . 365 


Ebner,  Vereinfachung  des  Verbandes  nach  Mammaamputation 
und  anderen  Operationen  in  der  Achselhöhle.  (Aus  der 
Königsberger  chirurgischen  Klinik  des  Professors  Erich 

Lexer.)  (Illustr.) . 1872 

Ebstein,  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Pneumonie  und  Gicht. 

(Aus  der  II.  med.  Klinik  in  München.) . 1675 

Ehrhardt,  Ueber  die  diphtheritische  progrediente  Haut¬ 
phlegmone  . 1265 


Ehrmann,  Über  Albuminurie  und  über  die  Auscheiduiigsver- 
liältnisse  der  Salicylsäure  aus  dem  Organismus  von  Gesunden 
und  Gelenkrheumatikern.  (Aus  der  experimentell-biolo¬ 
gischen  Abteilung  des  K.  pathologischen  Instituts  der 

Universität  Berlin.) .  2595 

Eichelberg,  Zur  Behandlung  des  Delirium  tremens.  (Aus  dem 

Allgemeinen  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf.)  ....  978 

Eichholz,  Einige  Erfahrungen  über  den  Typhusverlauf  bei 
geimpften  nnd  nichtgeimpften  Mannschaften  der  Schutz¬ 


truppe  für  Deutsch-Südwest- Afrika . 777 

Eiermann,  Zur  Einführung  der  freien  Arztwahl  bei  der  Eisen¬ 
bahnbetriebskrankenkasse  zu  Frankfurt  a.  M .  28 

Eijkmann,  Polyneuritis  der  Hühner  und  Beri-Beri,  eine 

chronische  Oxalsäurevergiftung?  .  .  .  .  -. . 127 

Einhorn,  Ueber  ein  Asthma-Inhalationsmittel . 1314 

Eisenberg,  Jodofan,  ein  neues  organisches  Jodpräparat,  als 

Jodoformersatzmittel . 568 

Eitner,  Ueber  Beobachtungen  an  der  lebenden  Spirochaete 
pallida.  (Aus  der  dermatologischen  Klinik  der  Universität 

in  Innsbruck.)  .  . . 770 

Emin,  Schwere  Hirnstörung  nach  Unterbindung  einer  A.  carotis 
communis  und  Vena  jugularis  int.  mit  Ausgang  in  völlige 

Heilung . 1736 

Emmerich,  Die  Pyozyanase  als  Prophylaktikum  uud  Heilmittel 

bei  bestimmten  Infektionskrankheiten.  (Illustr.)  .  .  2217,  2285 
Enderlen,  Ueber  Jod-Benzin-Desinfektion.  (Aus  der  chirur¬ 
gischen  Klinik  Würzburg.) . 1872 

Engel,  Ueber  Harnuntersuchungen  in  der  Praxis  und  über  eine 

für  die  Praxis  geeignete  quantitative  Zuckerbestimmung  .  1284 

—  Ueber  orthotisc  ie  Albuminurie  bei  Nephritis .  2234 

Engels,  Zur  klinischen  Verwertbarkeit  der  Buchnerschen  Ei¬ 
weissbestimmung  im  Harn.  (Aus  dem  Heiliggeist-Hospital 
[med.  Abteilung]  in  Frankfurt  a  M.)  . . 1481 

Erb,  Antikritisches  zu  meiner  Tripperstatistik . 1526 

Erdmann,  Ueber  eine  erfolgreiche  Behandlung  von  Tuberkulose 

des  Auges  mit  Tuberkulin . 671 

Escherich,  Zur  Kenntnis  der  tetanoiden  Zustände  des  Kindes¬ 
alters.  (Aus  der  k.  k.  Universitäts-Kinderklinik  in  Wien.)  2073 

E  s  c  h  1  e  ,  Ottomar  Rosenbach  f . 734 

Esser,  Die  Mütterberatungsstelle  und  Säuglingsmilchküche  der 

Stadt  Bonn .  12 

—  Die  Aetiologie  der  Rachitis.  (Aus  der  medizinischen  Uni- 


Eversbusch,  Zum  70.  Geburtstag  (7.  Januar  1907)  von  Gene 

ralarzt  Dr.  K.  S  e  g  g  e  1 .  83 

Ewald,  Plattfuss  und  Fusswurzeltuberkulose.  (Aus  der  ortho¬ 
pädisch-chirurgischen  Klinik  von  Prof.  Dr.  Vwlpius  in 
Heidelberg.)  (Illustr.) .  2326 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


V 


Seite 

Fabrici  us,  Ueber  die  operative  Behandlung  von  Kruralhernien. 

(Illustr.) . 826 

Federschmidt,  Ein  Fall  von  Tetanus  traumaticus,  behandelt 

mit  Tetanus-Antitoxin  „Höchst“ . 1129 

—  Zur  Kasuistik  der  Vergiftung  durch  Käse  .  • . 1687 

Fehling,  Ueber  Koliinfektionen . 1318 

Feichtinger,  s.  a.  Crippa  und  Feichtinger. 

Fei  gl,  Eine  neue  Methode  der  Bubonenbehandlung . 1819 

Fellner,  s.  u.  Neumann  und  Fellner. 

Fi  sc  h  er  A. -Karlsruhe,  Die  Gartenstadt,  die  hygienisch  beste 

Siedelung . 1940 

Fischer  B.-Bonn,  Die  Entdeckung  der  Krebsursache  durch  Herrn 

Dr.  H.  Spude . 788 

Fischer  K. -Fulda,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Darm¬ 
in  vagination.  (Aus  dem  Landkrankenhaus  zu  Fulda.)  .  .  174 

Fi  scher  Ph.  und  H  opp  e,  Ueber  Pankreon.  (Aus  dem  chem.  Labo¬ 
ratorium  der  Landesheil-  und  Pflegeanstalt  Uchtspiinge. 

(Illustr.) . '. .  2640 

Fischer  W.-Marburg,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Frage  der  Prognose 
beim  Verschlucken  von  Fremdkörpern  mit  ungünstiger  Ober¬ 
fläche.  (Illustr.) . 2642 

Fi  sch  ler,  Ueber  Erfolge  und  Gefahren  der  Alkoholinjektionen 
bei  Neuritiden  und  Neuralgien.  (Aus  der  med.  Klinik  in 

Heidelberg.) . 1569 

Flesch,  Zur  Pathologie  der  Appendizitis.  (Illustr.) . 207 

Flörcken,  Der  Prozessus  vermiformis  als  Inhalt  eines  Nabel¬ 
bruches.  (Aus  der  Würzburger  chirurgischen  Klinik.)  .  .  2035 
F o r  n  e t  und  Sehe  resche  wsky,  Serodiagnose  bei  Lues,  Tabes 
und  Paralyse  durch  spezifische  Niederschläge.  (Aus  dem 
Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie  der  Universität 

Strassburg.) . 1471 

Förster,  Zur  Frage  des  kleinsten  Eiweissbedarfes . 2412 

Fraenkel  O. -Halle,  Der  Nachweis  des  Toxins  in  dem  Blute  des 

Diphtheriekranken .  17 

—  Ueber  die  Spirillen  des  Zeckenfiebers . 201 

Fraenkel  E. -Hamburg,  Ueber  einen  Fall  von  angeborener  Dünn¬ 
darmsyphilis  nebst  Bemerkungen  über  die  ätiologische  Be¬ 
deutung  der  Spirochaete  pallida1  (Aus  dem  pathologischen 
Institut  des  allgemeinen  Krankenhauses  Eppendorf.)  (Illustr.)  1576 

Fraenkel  M.-PIamburg,  Vergleichende  Untersuchungen  über  den 
Nachweis  von  Blut  in  den  Fäzes  mittels  des  Spektroskops  und 
der  modifizierten  Web  ersehen  Probe.  (Aus  dem  allge¬ 
meinen  Krankenhause  Hamburg-Eppendorf.) . 1638 

Franck,  Uber  Nierendekapsulation  bsi  Eklampsie.  (Aus  der 

Diakonissenanstalt  in  Flensburg.) . .  .  •  •  2471 

Francke,  Gefässstreifen —  ein  Erkennungsmittel  der  beginnen¬ 
den  Schwindsucht . 2272 

Frank,  Hofrat  Professor  Dr.  Leopold  Schrötter  Ritter  v.  Kristelli  271 
v.  Franque,  Ziele  und  Wege  des  Unterrichtes  in  der  Frauen¬ 
keilkunde  . •  . .  2532 

Frese,  Ueber  mikroskopische  Würmer  (Rhabditiden)  im  Magen 
einer  Ozänakranken.  (Aus  der  Medizin.  Klinik  zu  Halle  a.  S.) 

(Illustr.)  .  . . .  •  •  512 

Freudenthal,  Ist  der  Arzt  verpflichtet,  bei  typhusverdächtigen 

Erscheinungen  dem  Bezirksamte  Anzeige  zu  erstatten?  .  .  1390 
Freund  H. -Strassburg,  Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe  von 

den  Brüsten  aus . 2122 

Freund  R.-Danzig,  Die  Röntgenbehandlung  der  Basedow  sehen 

Krankheit . 830 

Freund  W.  A. -Berlin,  Beiträge  zur  Behandlung  der  tuberkulösen 
Lungenspitzenphthise  und  des  alveolären  Emphysems  durch 
operative  Mobilisation  des  in  der  oberen  Apertur  stenosierten 

und  des  starrdilatierten  Thorax . . . .  •  •  2369 

Frey  G.,  Hämolisiert  die  Frauenmilch?  (Aus  der  Kgl.  Universi 
täts-Kinderldinik  in  München.) .  ... 

—  G.,  Beitrag  zur  Behandlung  des  chronischen  Kieferhöhlen 
empyems.  (Aus  der  Kgl.  Universitätsklinik  für  Ohren-, 
Nasen-  und  Kehlkopfkrankheiten  in  Erlangen.)  .... 

Frey  tag,  Ueber  die  Linse  mit  doppeltem  Brennpunkt  .  .  . 

—  Der  Druckverband  in  der  Therapie  der  Netzhautablösung 
Fricker,  Ueber  zwei  Fälle  von  Darmeosinophilie  ...... 

E riedmann,  Kollargol  und  seine  Anwendung  bei  Ohren-,  Nasen 

und  Halserkrankungen . . 

Friedemann,  Ueber  passive  Ueberempfindlichkeit.  (Aus  dem 
hygienischen  Institut  der  Universität  Berlin.)  .... 

Fromm,  Zur  Prophylaxe  der  Infektionen  in  den  Warteräumen 
von  Kinderambulatorien.  (Aus  Dr.  Fromms  Ambulatorium 
für  Kinderkrankheiten  in  München.)  (Illustr  )  ......  75 

Fuchs,  Zur  Eröffnung  des  internationalen  Höhenlaboratoriums 
auf  dem  Monte  Rosa  (Colle  d’Olen  3000  m):  „Laboratorio 

scientifico  Angelo  Mosso“ . .  •  •  1883 

Fukala,  Ueber  Heilung  der  Iritis  und  Iridozyklitis.  —  Heilung 

der  Blennorrhoea  neonatorum .  2031 

Futaki,  s.  u.  Gruber  und  Futaki. 

G  a  1 1  i ,  Camillo  Golgi . .  224 

Ganser,  Zur  Behandlung  des  Delirium  tremens.  (Aus  der  städ¬ 
tischen  Heil-  und  Pflegeanstalt  zu  Dresden.) . 120 


Seite 


1782 


2232 

317 

1734 

260 

2034 

2414 


363 


157 

1087 

2527 

459 

713 

1478 

1520 

2337 


<  la 


211 


2643 


Garhammer,  Zur  Appendizitisfrage.  (Aus  der  inneren  Abtei 

lung  des  Marienhospitals  zu  Stuttgart.) . 

Gau  ss,  s.  a.  Krönig  und  Gausg. 

—  Bericht  über  das  erste  Tausend  Geburten  im  Skopolamin 
Dämmerschlaf.  (Aus  der  Freiburger  Universitäts-Frauen 

klinik.) . 

Geb  eie,  Jahresbericht  des  Ambulatoriums  der  chir.  Klinik 

München . 

Gehle,  Zur  Radikaloperation  des  Oesophagusdivertikels  .  . 

Geigel,  Die  Stärke  des  Perkussionsschlages.  (Illustr.)  .  . 

—  Endokardiales  Reibegeräusch . 

—  Die  Bedeutung  der  Ohrmuschel  für  das  Hören  .  .  . 

—  Vikariierende  Respiration . 

—  Die  Funktion  der  Ohrmuschel . _ 

Genken,  Zur  Frage  von  dem  gegenseitigen  Verhalten  der  Ehrlich- 

schen  Diazoreaktion,  der  Bakteriämie  und  der  Widal  sehen 
Reaktion  bei  Unterleibstyphus.  (Aus  dem  Obuchowschen 

Männerkrankenhause  zu  Petersburg.) . 81 

Gerönne,  s.  u.  Schmid  und  Gerönne. 

Gierke,  Die  Persistenz  und  Hypertrophie  der  Thymusdrüse 
bei  Basedowscher  Krankheit.  (Aus  dem  pathologischen 

Institute  der  Universität  Freiburg  i.  B.) . .  . 

Glänzel,  Ueber  einen  Fall  von  geheiltem  schweren  allgemeinen 
Tetanus.  (Aus  dem  Georgenkrankenhause  zu  Meiningen. 
Glöckner,  Beitrag  zu  Neuerungen  auf  dem  Gebiete  der  Hilfsmittel 
für  den  geburtshilflichen  Unterricht  am  Phantom.  (Illustr.) 
Görner,  Die  Stumpfsche  Bolustherapie,  ihre  Verwendbarkeit 
bei  Diarrhöen  und  Meteorismus  verschiedenen  Ursprungs. 

Aus  der  I.  inneren  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses 

Dresden-Friedrichstadt.) . .  •  •  2383 

Goldflam,  Ein  Fall  von  angeborenen  Fisteln  der  Unterlippen. 

(Illustr.) . . . ‘  i  ion 

Goldschmidt  A. -München,  Ueber  akute  Citrophen Vergiftung.  .  1129 
Goldschmidt  H -Berlin,  Eigenschaften  und  Ziele  einer  neuen 

Methode  der  Harnröhrenbesichtigung.  (Illustr.) . 663 

Gott  hilf,  Ueber  Onychoatrophie  bei  Färbern . .  •  1687 

Graeffner,  Studien  über  Tabes  dorsalis  mit  besonderer  Berück¬ 
sichtigung  der  Kehlkopfsymptome  (221  Fälle).  (Aus  dem 
Friedrich  Wilhelms-Hospital  und  den  Siechenanstalten  der 

Stadt  Berlin.)  (Illustr.) . . 1775 

Grasmann,  Versuche  über  Händedesinfektion  unter  besonderer 
Berücksichtigung  der  von  Heusner  empfohlenen  Jodben¬ 
zinmethode.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen 

Krankenhauses  München  r/I.) . .  2089, 

Grassmann,  Ueber  den  Einfluss  des  Nikotins  auf  die  Zirkulations¬ 
organe . 

—  Nachruf  auf  Josef  Gossmann . •  •  -  •  • 

Gregor,  Ein  Fall  von  Arzneiexanthem  mit  ungewöhnlichen  All¬ 
gemeinerscheinungen.  (Aus  der  psychiatrischen  Klinik  des 
Geh.  Rates  Paul  Flechsig  in  Leipzig.)  (Illustr.)  .  .  • 

Grimme,  Ein  unter  dem  Bilde  der  Weil  sehen  Krankheit  ver¬ 
laufender  Fall  von  Typhus  abdominalis,  entstanden  durch 
Autoinfektion  von  der  Gallenblase  her.  (Aus  der  Provinzial- 

Heil-  und  Pflegeanstalt  in  Göttingen.) . 

Gr o edel  II,  Einseitige  Trommelschlegelfinger . .  ■  .  • 

Groedel  III,  Die  Verwendung  der  Röntgenstrahlen  zur  Diagnose 
der  Magenkrankheiten.  (Aus  dem  physikalisch-therapeu¬ 
tischen  Institut  der  Universität  München.)  (Illustr.)  .  .  . 

Gross,  Eine  neue  Magensonde  für  Röntgenzwecke . 

Grosse,  In  die  Harnröhre  eingeführte  Fremdkörper . 

—  Die  Asepsis  der  Rückenmarksanästhesie.  (Illustr.)  .  .  .  . 

Grosskoff,  Eine  Veränderung  der  Ki  11  ian  sehen  Kanüle  für  Spü¬ 
lung  der  Kieferhöhle  vom  mittleren  Nasengange  aus.  (Illustr.)  1441 

Grossmann,  s.  u.  Auerbach  und  Grossmann. 

Groth,  Ein  Instrumentarium  für  den  öffentlichen  Impfarzt.  (Aus 
der  Kgl.  bayer.  Zentralimpfanstalt  München.)  (Illustr.) 

Grube,  Ueber  Harnuntersuchungen  in  der  Praxis  und  über  eine 
für  die  Praxis  geeignete  quantitative  Zuckerbestimmung.  . 
Gruber  und  Futaki,  Ueber  die  Resistenz  gegen  Milzbrand  und 
über  die  Herkunft  der  milzbrandfeindlichen  Stoffe.  (Aus 
dem  hygienischen  Institute  der  Universität  München.) 
Grünberg,  'Zur  Jod-  und  Quecksilberbehandlung  der  Tuberkulose 
in  Nase,  Schlund  und  Kehlkopf.  (Aus  dem  Universitäts- 

Ohren-  und  Kehlkopfklinik  zu  Rostock.) .  • 

Grünebaum,  Ueber  Scheidenvarixblutung  in  der  Schwangerschaft  2601 
Grünewald,  Zum  Nachweis  von  Kohlehydraten  im  Harn.  .  .  730 

Grün  wald  H.F.-Wien,  Zur  Frage  des  Blutnachweises  in  den  Fäzes. 
(Erwiderung  auf  den  Artikel  von  Dr.  Max  Iraenkel  in 

Hamburg  in  No.  33  dieser  Wochenschriften.) . 2140 

Grünwald  L.-München-Reichenhall,  Watte-  und  Gazekästchen 

für  den  Sprechzimmergebrauch.  (Illustr.)  242.. 

Günther  s.  a.  AViens  und  Günther. 

Günther,  Ein  kleiner  Beitrag  zu  den  Fällen,  bei  denen  bei 
Herniotomien  der  Processus  vermiformis  als  alleiniger  In¬ 
halt  des  Bruchsackes  gefunden  wurde.  (Aus  dem  Nachti- 

gallkrankenhause  in  Anecho ) . . 

Gunsett,  Ein  neuer  Apparat  zur  Vibrationsmassage  der  Prostata. 

(Illustr.) .  2429 

Günzburger,  Pruritus  bei  Tabes .  2643 


2141 

975 

2288 


834 


1822 

216 


1068 

1236 

175 

1990 


1086 

1079 


249 


168.1 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Haeberlin,  Zur  Behandlung  granulierender  Wunden .  2088 

Haecker,  Beitrag  zur  Behandlung  der  Fremdkörper  in  der  Speise- 

röhre  (Äus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Greifswald.)  (Illustr.'  2077 
n  i  s  c  h,  U  eher  die  Röntgenbehandlung  der  Prostatahypertrophie 


Seite 


Hae 

und  ihre  Technik.  (Aus  dem  Röntgeninstitut  von  Dr.  A  Ibers 
Schönberg  und  Dr.  Haenisch  in  Hamburg.)  (Illustr.) 
aentjens,  Ueber  das  Ausbleiben  der  Phagozytose  bei  Kom¬ 
plementbindung . ‘ .  gQQ 

1 1  a  m  b  u  r  ger,  Ueber  Antitoxin  und  Ei  weiss.  (Aus  dem  Laboratorium 

der  Wiener  Universitäts  Kinderklinik.) . 254 

ammer,  Die  Radioaktivität  der  Stebener  Stahlquellen . 

Hammer],  Autan,  ein  neues  Raumdesinfektionsmittel.  (Aus  dem 

hygienischen  Institut  der  Universität  Graz.) . 

H  ammesfahr,  Ueber  einen  Fall  von  doppelseitigem  Chylothorax 
traumaticus.  (Aus  dem  Herz-Jesu-Hospital  in  Bonn.) 
Hanasiewicz,  Hodenhautgangrän  nach  Gebrauch  von  Jod¬ 
tinktur  .  .  . 


Hocheisen,  Nochmal  zu  den  Geburten  mit  Skopolamin-Mor- 

phium . . 52y 

.i  tt*'  '  Herzkontraktionen.  (Illustr.) 


Ueber  frustrane 


401 


661 


373 


1113  — 

1876  Hoffmann 


885 


872 


1974 


1 1  a  j 


261 


Han d wer ck,  Kurzdauerndes  Oedem  der  Sehnervenpapille  eines 
Auges,  eine  Lokalisation  des  akuten  umschriebenen  Oedems 
(Quincke.) .  2332 

Hannes,  Welche  Anforderungen  sind  an  eine  korrekte  Methode 
der  künstlichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  zu 
stellen?  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  zu  Breslau.) 

Hans,  1  nmare  und  sekundäre  Ursachen  des  erschwerten  Decanu- 
iements  in  der  Serumzeit.  (Aus  dem  Krankenhause  zu 
Limburg  a.  d.  Lahn.)  . .  557 

rt,  Zur  Frage  der  chirurgischen  Behandlung  der  beginnenden 

tuberkulöseu  Lungenspitzenphthise .  2176 

Hartleib,  Enchondrom  des  Larynx . ’  . 4907 

Hart  mann,  s.  a.  Mfihlens  und  Hartmann. 

Hartmann,  Behandlung  von  12  Mastitiden  mit  Saugapparaten, 
liaitog,  Ungewöhnliche  Entwicklungsdifferenzen  von  Zwillingen. 

(Aus  der  Kgl.  Universitäts- Frauenklinik  zu  Breslau.)  1787 

/ur  Aarkose  mit  erwärmtem  Chloroform.  —  Zur  Pubiotomie.  2387 
Hechln  ger,  Die  Kurpfuscherei  in  der  Ohrenheilkunde.  (Aus 
ir  ,  ‘  ,  Ur.  L  mversitäts-Ohrenklinik  Freiburg  i.  B.  ....  1886 

.ch  t.  Zur  Erklärung  des  Auftretens  grüner  Stühle  beim'Säugling 

(Aus  der  k.  k.  Universitätskinderklinik  in  Wien.)  .  1179 

led  in ger,  Neue  Mitteilungen  zur  intravenösen  Strophanthin¬ 
therapie.  .Aus  der  Kuranstalt  „Villa  Hedwig“  zu  Baden- 
weiler.)  2020 

Heil^A  Kehrer r°Phie  ^  Lan"erhanssc^en  Pankreasinseln 

H  ei le  Ueber  neue  Wege,  die  natürlichen  Heilungsvorgänge  des 
Körpers  bei  krankhaften  Prozes*on  künstlich  zu  vermehren 
und  zu  beschleunigen  .  1274. 

Heine,  Der  Draht-Zelluloid  verband.'  !  !  .! . 

Heineke  s.  a.  Meyer  u.  Heineke 

Heineke,  Ein  Fall  von  Berstungsruptur  des  Rektum.  (Aus  der 
chirurgischen  Klinik  in  Leipzig.)  .  .  . 

e  n  k  e  1  M.-Berlin,  Zur  Indikation  und  Technik  der  Hebosteotomie’ 

,. r  ,  (A,u®  der  K.  Universitäts-Frauenklinik 
Henkel  M.-München.  Hebammenwesen 


2532 

328 


zu  Berlin.)  Illustr.)  1368 

- ’  und  Hebammenreform.  2534 

v  e  r  ff6  n?^br®1®8^nS  von  Wirbeldornfortsätzen  durch  Muskelzug  1882 
.  «erft  Wie  ist  der  zunehmenden  Kindbettfiebersterblichkeit 
¥mderuTn£  der  Operationen.  Besserung  der 
BaseTStadt0'1  m  ^  Hauspraxis-  (Aus  dem  Frauenspitale 
tvfn  "Kiadbettfieber“  und  über  die  damit  zusammen- 

Herren  k’n  e  eh^Suw  ’ 1 iSS'h  d?m  FrauensPital  Basel-Stadt.)  2424 

n  Knecht,  3000  Aethylchlondnarkosen  .  .  .  2421 

Hess’  Prufung.  des  Hebens  auf  seine  Beweglichkeit.  ‘  !  *  ~787 
Bin  esn?r  fPPrf¥  ZUT  ßestimmuwg  der  Viskosität  des 
-  D  R;itU  erür?f 4ngenklinik  in  Zürich.) (Illustr.)  1590 
Hesse  z!r  TTn?ider  Viskosität  des  Blutes.  (Illustr.)  .  .  .  2225 
rm;  • 1  Fief®nwirkung  des  Quarzlampenlichtes.  (Aus  der 
unk  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  der  städt. 
Krankenanstalten  Düsseldorf.)  .  .  .  17„a 

*  f' I’d  ® »  Akute  Zitrophenvergiftung .  . irän 

d  ehr  an  dt  A. -Halle,  Ueber  das  pharmakologische  Verhalten 
Oxybenzyltanninen.  (Aus  dem  pharmakologischen 
tute  der  Universität  Halle.)  ........  ioiq 

UnH  Stjeitf^-ge’i  ob/  das  ^weichende  physiologische  ’  Ver¬ 
alten  des  Digalen  (C lo et ta)  bedingt  sein  kann  durch  den 

zu  Halle  )  /UStand-  ^Aus  dem  Pharmakologischen  Institute 

11,1,1  edosumd Aetiolog'ie '  des'  Erythema  no^ 
(Rhistr )  A  ^  medlzmischen  Klinik  zu  Freiburg  i.  B.) 

II  ll  ger  mann,  Zur  Kasuistik  der  Pseudodvsenterie 

Krnnkfmflebernd-e  VerwfndimS  des  Seidenpapiers’ in  der 
Krankenpflege  bei  ansteckenden  Krankheiten 

v  Hippel  und  Pagenstecher,  Ueber  den  Einfluss’  des 

diut  VS*  dfr  R°¥genstrahlen  auf  den  Ablauf  der  Gravi- 

(Illustr)  der  Universltäts'Augenklinik  zu  Heidelberg.) 

1 1  ir8CbnL?nitMg  ZUrv?perative'n  Therapie  bei  lebensgefährlichen 
profusen  JNlagenblutungen.  (Aus  der  Heidelberger  chirur¬ 
gischen  Klinik  des  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Narath.)  (Illustr.)  167 


von 
Institute 


1441 


310 

2284 

1737 


1385 


Hochhaus, 

Hochheim,  Ein  Fall  von  traumatischer  Spätapoplexie.  (Aus 
der  inneren  Abteilung  der  städt.  Krankenanstalt  Ma°flebunr- 

Sudenburg.) .  .  .  214 

II  o  e  h  n  e ,  Zur  V ereinfachung  der  v.  B  y  1  i  c  k’i  s  c  h  e  n  instrumen- 
te.len  Beckenmessung.  (Aus  der  Universitätsfrauenklinik 
zu  Kiel.)  (Illustr.) . 

v.  H  o  e  s  s  1  i  n ,  Klinische  und  experimentelle  Untersuchungen  über 
die  Ausscheidung  von  Agglutininen  durch  den  Harn  Typhus- 
kranker.  (Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  München.) 

I  eber  den  Zusammenhang  von  Asthma  bronchiale  unil 
Lungenödem.  (Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  München.)  2183 
nann  I.  A. -Leipzig,  Ueber  rudimentäre  Eventration  (Mit 
einer  Tafel.)  . .  449 

Hoffmann  H.  Leipzig,  Ueber  Erfahrungen  bei  der  Verwendung 
synthetischen  Suprarenins  in  der  Lokalanästhesie.  (Aus 
dem  chirurgisch-poliklinischen  Institut  der  Universität 
Leipzig.) .  19gl 

Hoffmann  R -München,  Ueber  Pankreatin  bei  Karzinom.  "(Aus 

der  K.  Universitäts  Ohrenklinik  zu  München. .  2276 

—  Buntfarbenmikrophotogramme  . "  *  9334 

Hof  mann,  Eine  zweite  Art  der  Umsetzung  von  Längsextension 

im  queren  Zug.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des 
städtischen  Krankenhauses  in  Karlsruhe.) . 42 1 

—  Vereinfachtes  Extensionsverfahren.  (Aus  dein  städtischen 
Krankenhause  zu  Karlsruhe,  Chirurg.  Abteilung.)  (Illustr.)  1688 

otmeioi ,  I  eher  den  Gebrauch  von  Chlorzinklösungen  bei  der 

Behandlung  der  Endometritis .  2379 

Hohmeier,  Isolierte  subkutane  Querzerreissung  des  Pankreas 
durch  Operation  geheilt.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung 

des  städtischen  Krankenhauses  Altona.) .  2036 

Holst  s.  u.  Schlesinger  u.  Holst. 

II  ol  zb ach,  Beiträge  zum  Skopolamindämmerschlaf  in  der  Ge¬ 
burtshilfe.  (Aus  der  Frauenklinik  der  Akademie  Düssel¬ 
dorf.)  (Illustr.) . 12r,g 

Honigmann,  und  Schäffer,  Experimentelle  Untersuchungen 
über  die  Wirkung  der  Bi  ersehen  Stauung  auf  den  Ent¬ 
zündungsvorgang.  (Aus  der  dermatologischen  Universitäts¬ 
klinik  zu  Breslau.)  (Illustr.) .  479(3 

Hoppe  s.  u.  Fischer  und  Hoppe. 

Hornung,  Aspirin  als  schmerzstillendes  Mittel  bei  Nierenstein¬ 
kolik.  (Aus  der  Casa  di  cura  für  innere  Krankheiten 
Prof.  Galli  und  Dr.  Hornung  in  Rom.) 

Heisse  Luft  als  Behandlungsmittel  der  Frostbeulen  in  der 
Volksmedizin . . 

Hosch,  Delirium  tremens  nach  Alkohol’entzug*.  '(Aus  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  der  Universität  Basel.) . 2188 

Huber  A.-Zürich,  L  eber  die  Heredität  beim  Ulcus  ventriculi.  .  204 
Huber  und  Bickel,  Formaldehyd-Kalkverfahren  zur  Raum- 
desinfektion.  ^  (Aus  der  Aussenstation  Kaiserslautern  der 
K.  bakteriologischen  Untersuchungsstation  Landau  )  (Pfalz.)  1783 


von 


574 


1932 


Jacobi,  Ein  Einreiber  zur  raschen  Ausführung  der  Schmierkur 
mit  Hand-  oder  Motorbetrieb.  (Aus  der  Grossh.  Dermatolo¬ 
gischen  Universitätsklinik  zu  Freiburg  i.  B.)  (Illustr.) 

Jähne  und  Schmidt,  Ueber  einen  Fall  von  zerebraler  Fett- 
embohe,  kombiniert  mit  Tetanus.  (Aus  dem  Stadtkranken¬ 
haus  Dresden-Friedrichstadt.)  .  .  .  4232 

Jahr  Eine  mtraureterale  Methode  zur  Lösung'  eingeklemmter 
Hainleitersteine  und  ihrer  Herausbeförderung  per  vias  natu¬ 
rales.  (Illustr.) . .  2|gl 

Jahrmärker,  Zur  Pachymeningitis  interna  '  h'aemorrhagi'ca' 

(Aus  der  psychiatrischen  Klinik  zu  Marburg.)  1815 

v.  Jaksc.h  Ueber  Mangantoxikosen  und  Manganophobie.  '(Aus 
der  deutschen  medizinischen  Klinik  in  Prag.)  (Illustr) 
Janssen,  Die  Verhütung  und  Behandlung  der  Kotfisteln  nach 
Appendizitisoperationen.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung 
_  des  Fnedrich-Wilhelm-Hospitals  zu  Bonn.)  (Illustr.)  .  .  0.„ 

Jesionek,  Zur  dritten  Jahrhundertfeier  der  Universität  Giessen  1536 
Jo  Hasse,  Ueber  den  derzeitigen  Stand  der  Röntgendiagnostik  bei 
Magen-  Darmkrankheiten.  (Aus  der  II.  medizinischen  Ab- 
teilung  des  Allgemeinen  Krankenhauses  St.  Georg,  Hamburg.) 

Jo  res,  Ueber  Art  und  Zustandekommen  der  von  B.  Fischer 
mittels  „Scharlachöl“  erzeugten  Epithel  Wucherungen 


969 


657 


1424 

879 


Ipsen  Ueber  argentoide  Haarverfärbung.  (Aus  der  Klinik  für 
T  Hautkranke  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.)  1184 

seiner,  Zwei  Falle  von  Ohrschwindel,  durch  Operation  geheilt. 
raa  J4US  d®r  5«1*  Universitäts-Ohrenklinik  zu  Halle  a.  S.)  .  .  23 

sserlin,  Die  diagnostische  Bedeutung  der  Assoziationsversuche  1322 
ttameier,  Ein  Instrument  zur  partiellen  Exzision  des  einge¬ 
wachsenen  Jsagels.  (Aus  dem  städtischen  Krankenhause 
Bayreuth.)  . 


ml. 


lNMALfS-VE&ZElCfiNte. 


V'll 


1268 

1078 

257 

1468 


886 

127 


Seite 

K  ämm  er  er,  Tabes  und  pseudokombinierte  Strangsklerose.  (Aus 

der  I.  med.  Klinik  München.)  (Illustr.) . .  .  1437 

—  Ueber  Opsonine  und  Phagozytose  im  allgemeinen.  (Aus  der 

I.  med.  Klinik  München.)  . . .  .  .  1916 

Kaestle,  -Eine  neue  Fixations-  und  Kompressionsvorrichtung 
für  Röntgenographie.  (Aus  dem  Röntgeninstitut  Neuwittels¬ 
bach.)  (Illustr.)  . . 1083 

Kalb,  Ein  Beitrag  zum  sogenannten  Handgang  infolge  spinaler 
Kinderlähmung.  (Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik 

zu  Erlangen.)  (Illustr.) . 1124 

Käppis,  Hochgradige  Eosinophilie  des  Blutes  bei  einem  malignen 
Tumor  der  rechten  Lunge.  (Aus  der  medizinischen  Klinik 

Freiburg  i.  B.) . 881 

Kare  linke,  Kasuistischer  Beitrag  zu  den  Oberschenkelluxationen.  1738 
Kasai,  Leberangiome  mit  Ausgang  in  Fibrombildung.  (Aus  dem 

pathologischen  Institut  München.) . -.  .  .  1983 

Kauffmann,  Ueber  Ivohlehydraturie  beim  Alkoholdelir.  (Aus 

der  Universitäts-Nervenklinik  zu  Halle,  a,  S.) . 2185 

Kaupe,  Eine  neue  Milchpumpe.  (Illustr.! .  126,  1738 

—  Zur  Aetiologie  des  Pemphigus  neonatorum  non  syphiliticus  1036 
Kausch,  Die  derzeitigen  positiven  Erfolge  der  Druckdifferenz 

verfahren  (Sauerbru ch) . 

Kay  s  er.  Zur  Technik  der  Blutanreicherung  vermittels  der  „Typhus 
galleröhre“.  (Aus  dem  hyg.  Institut  Strassburg.)  .... 
Kehrer,  Nervöse  Erscheinungen  beim  Uebergang  des  Magen 

inhaltes  in  den  Darm . 

Kienböck,  Selig  u.  Beck,  Untersuchungen  an  Schwimmern 

(Illustr.) . .  1427, 

Kiliani,  Ueber  Digitoxin  und  Digalen.  (Aus  der  medizinischen 
Abteilung  des  chemischen  Laboratoriums  der  Universität 

Freiburg  i.  B )  . . . • 

Killian  Johann  August  f . 

Klapp,  Ueber  Luftmassage.  (Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Uni¬ 
versitätsklinik  und  Poliklinik  zu  Bonn.) .  17 

Klauber,  Abnorme  Mesenterial  Verhältnisse  inkarzerierter  Hernien. 

Ein  Fall  von  Kombinationsileus.  (Aus  der  chirurgischen 
Abteilung  des  Allgemeinen  Krankenhauses  zu  Lübeck.)  .  .  1986 
Klein,  Historisches  zum  Gebrauche  des  Bilsenkrautextraktes  als 

Narkotikum . 1088 

Kl  ien,eb  erger,  Pyozyaneusinfektion  der  Harnwego  mit  hoher 
Agglutininbildung  für  Pyozyaneusbazillen  und  Mitaggluti¬ 
nation  von  Typhusbakterien.  (Aus  der  Kgl.  med.  Klinik 
zu  Königsberg  i/Pr.) . 

—  Kritische  Bemerkungen  zur  klinischen  Bedeutung  der  Oph¬ 

thalmoreaktion  auf  Tuberkulose.  (Aus  der  Königsberger 
medizinischen  Universitätsklinik) . 

Knauer,  Extragenitale  Infektion  . .  2643 

Knauth,  Der  diagnostische  AVert  der  Gruber-Widalschen 
Reaktion  bei  Prüfung  von  Versorgungsansprüchen.  (Aus 
der  militärärztlichen  Gesellschaft  der  Sanitätsoffiziere  des 

Standortes  Würzburg.) . 1128 

Köhler  E. -Altona,  Ueber  Siebbeinzelleneiterung.  (Aus  dem  städt. 

Krankenhaus  zu  Altona,  Chirurg.  Abteilung.) . 1732 

Köhler  F.-Holsterhausen,  Theobald  Kerner  f  . 1739 

—  Die  freie  „Vereinigung  von  Freunden  der  spezifischen 

Tuberkulosetherapie“  und  ihre  Gegner . 1311,  1788 

IColaczek  s.  u.  Müller  u.  Kolaczek 

Kolb,  Die  Sammelforschung  des  Bayerischen  Komitees  für  Krebs¬ 
forschung  über  das  Jahr  1905  . .  368,  422 

Kownatzki,  Zur  Verbreitungs weise  des  Pemphigus  neonatorum. 

(Aus  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  derCharitb  zu  Berlin.)  1923 
Kraft,  Pentose  im  Harn  und  Nachweis  derselben.  (Mitteilung 
aus  dem  chemisch-bakteriologischen  Laboratorium  von 

Dr.  Ernst  Kraft  in  Bad  Kissingen.) .  1185 

lvrauss  W.-Marburg,  Ueber  die  Beziehungen  der  Orbitae  zu  der 

Fossae  pterygo-palatinae . 

Krau ss  H.-Dar-es-Salam,  Arzneien  der  Wasuabeli . 

—  Geburt  und  Tod  bei  den  Wasuaheli  .  .  .. . 

—  Der  Gesundheitsdienst  beim  Bahnbau  Daressalam — Morogoro 
Kr  ecke.  Die  Stellung  Josef  Gossmanns  im  ärztlichen  Standes 

leben . . 

Krencker,  Ein  Fall  von  subkutanem  Emphysem  bei  Lungen 
tuberkulöse.  (Aus  der  medizin.  Abteilung  II  des  Bürger 
spitals  zu  Strassburg  i.  E.) . .  .  . . 

—  Bacterium  coli  commune  als  Sepsiserreger  in  2  Fällen  von 

Abdominalerkrankungen.  (Aus  der  medizinischen  Ab 
teilung  II  des  Bürgerspitals  zu  Strassburg  i.  E.)  .  .  . 

Kretschmann,  Zur  Nachbehandlung  der  aufgemeisselten  Kiefer 

höhle  bei  chronischer  Sinuitis . 

Kreuter,  Erfahrungen  mit  Skopolamin- Morphium-Chloroform 
Narkosen.  (Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik  in 

Erlangen.) . . -  .  . •  •  _ 

Kroemer,  Operative  Heilung  eines  Anus  anomalus  vulvovesti 
bularis  bei  einem  Säugling.  (Aus  der  Universitäts-Frauen 

klinik  zu  Giessen.)  (Illustr.)  . . 

Krö  nig  und  Gauss,  Anatomische  und  physiologische  Beobach 
tungen  bei  dem  ersten  Tausend  Rückenmarksanästhesien 
(Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Freiburg  i.  Br.)  1969, 


1330 


2588 


18 

2044 

2488 

2603 

2604 


264 


2095 


1275 


415 


462 


2040 


Seile 

Kromayer,  Die  Behandlung  der  gonorrhoischen  „Posteriozystitis“ 
seitens  des  praktischen  Arztes.  (Aus  dem  Ostkrankenhaus 

für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  Berlin.) .  21 

Krone,  Der  elektrische  Wunderkamm  „Energos“  und  das  „Archiv 

für  Hygiene“ . 128 

Kroph,  Ein  Fall  von  Dermoidzyste  mit  Usur  der  Darmwand 
durch  einen  nach  aussen  gewachsenen  Zahn.  (Aus  der 

Klinik  Chrobak.)  (Illustr.)  . 883 

Krüger,  Zur  Torsion  der  Appendices  epiploicae.  (Aus  der 

chirurgischen  Klinik  in  Jena.)  (Illustr.) . 1813 

Kr  ummacher,  Seltenere  Störungen  der  Schwangerschaft  (Illustr.)  1035 
Kuckro,  Multiple  Sklerose  oder  Lues  cerebrospinalis?  (Aus  der 

inneren  Abteilung  des  St.  Rochus-Hospitals  zu  Mainz.)  .  .  2238 
Küster,  Untersuchungen  über  ein  bei  Anwendung  von  Dauer¬ 
bädern  beobachtetes  Ekzem.  (Aus  dem  hygien.  Institut  der 

Universität  Freiburg  i.  B.) . 1571 

Iv uhn  E.-Berlin,  AAreitere  Erfahrungen  mit  der  Hypcrämiebehand- 
lung  der  Lungen  vermittels  der  Lungen-Saugmaske.  (Aus  der 
I.  medi-  zinischen  Klinik  der  Kgl.  Charite  in  Berlin.)  (Illustr.)  782 

—  Die  Vermehrung  der  roten  und  weissen  Blutkörperchen 

und  des  Hämoglobins  durch  die  Lungensaugmaske  und 
ihre  Beziehung  zum  Höhenklima.  (Aus  der  I.  medizinischen 
Klinik  der  Kgl.  Charitd,  Berlin.)  (Illustr.) . 1713 

Kuhn  F.-Kassel,  Steril-Rohkatgut.  (Aus  dem  Elisabethkranken¬ 
haus  zu  Kassel.) .  2483 

Landwehr,  Heilungsergebnisse  von  Patellarfrakturen.  (Aus 

dem  Bürgerhospitale  der  Stadt  Köln) . 686 

Lang,  Ueber  ein  ausgedehntes  Vorkommen  von  sauerstoffreiem 
Trinkwasser  in  Brunnen.  (Aus  dem  hygienischen  Institut 

zu  AVurzburg.)  .  .  • . 1922 

Lange,  AVas  kann  der  praktische  Arzt  zur  Linderung  des  Krüppel¬ 
elends  tun?  (Aus  der  orthopädischen  Poliklinik  der  Uni¬ 
versität  München )  (Illustr.)  .  .  • . 654 

—  Künstliche  Gelenkbänder  aus  Seide.  (Aus  der  orthopädi¬ 
schen  Poliklinik  der  Universität  München.)  (Illustr.)  .  .  ..  834 

Lange  mak,  Zur  Sterilisation . • . 1830 

—  Zur  Thiosinaminbehandlung  der  Dupuytrenschen  Fas¬ 
zienkontraktur.  (Aus  der  chirurgischen  und  orthopädischen 
Heilanstalt  des  Dr.  Langemak  zu  Erfurt.)  ......  .  1380 

Langer,  Zur  Behandlung  der  verschleppten  Querlage . 530 

Laquer,  Emanuel  Mendel  f . .  1489 

Lazarus,  Experimentelle  Hypertrophie  der  Langerhans sehen 
Pankreasinseln  bei  der  Phloridzinglykosurie.  (Aus  der 
I.  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Berlin.)  (Illustr.)  2222,  2652 
Leick,  Die  Behandlung  des  Unterleibstyphus  mit  Pyramidon. 

(Aus  dem  evangelischen  Diakonissenkrankenhause  in  AVitten)  566 
Lengfellner,  Plattfuss -Metall-  und  Zelluloid -Metalleinlagen. 

(Illustr.) . . 419 

—  Ein  Fall  von  äusserem  und  innerem  Milzbrand  .....  526 

—  Eine  Stahlbandfeder  für  Plattfusseinlagen.  (Illustr.)  .  .  .  ll)36 

—  Technik  des  Gipsbreiabdruckes  (nach  PI  offa -Lengfellner) 

bei  Herstellung  von  Plattfusseinlagen.  (Illustr.)  ....  1992 

—  Einiges  über  Zelluloidtechnik  bei  Herstellung  von  Plattfuss¬ 
einlagen.  (Illustr.) . . ;  2039 

Lenhartz,  Ueber  die  akute  und  chronische  Nierenbeckenent¬ 
zündung.  (Aus  dem  Eppendorfer  Krankenhause.)  (Illustr.)  761 
Lennhoff,  Zur  Tamponade  der  Nase  und  des  Nasenraumes. 

(Illustr ) .  2643 

Lewandowsky,  Ueber  einen  Fall  von  ulzeröser  Hautaffektion 
beim  Frwachsenen,  verursacht  durch  den  Bacillus  pyocya- 
neus.  (Aus  der  dermatologischen  Universitätsklinik  in  Bern.)  2275 
Lewin,  Die  akute  tödliche  Vergiftung  durch  Benzoldampf.  .  .  2377 
Le  winski,  Sahlis  Desmoidprobe  und  Ad.  Schmidts  Bindegewebs¬ 
probe.  (Aus  der  I.  inneren  Abteilung  des  Stadtkranken¬ 
hauses  Eriedrichstadt  in  Dresden.)  .  . . .  .  406 

Lieber  s,  Ein  Fall  von  Dystrophia  musculorum  progressiva  kom¬ 
biniert  mit  Morbus  Basedow.  (Aus  der  städtischen  Heil¬ 
anstalt  Dösen  bei  Leipzig.) .  ..  371 

Lief  mann,  Ueber  das  scheinbare  aerobe  Wachstum  anaerober 
Bakterien.  (Aus  dem  hygienischen  Institut  der  Universität 

Halle  a/S.)  . . 823 

Liepmann,  Die  Benutzung  von  „Rahmentaschen“  zum  Mit¬ 
führen  geburtshilflicher,  gynäkologischer  und  chirurgischer 

Instrumente.  (Illustr.)  .  . . . 939 

Lilienstein,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Sympto¬ 
matologie  der  Pankreaszyste  . 1686 

Lion,  Aus  einem  südw'estafrikanischen  Feldlazarett  1905  .  .  .  324 

—  Die  neue  preussische  Kriegssanitätsordnung  . .  .  994 

Lindner,  Zur  Diagnose  epiduraler  Hämatome.  (Aus  dem  Land¬ 
krankenhaus  zu  Fulda.) . •  .  2599 

Lissmann,  Neuere  Untersuchungen  über  den  dorsalen  Fuss- 
rückenreflex.  (Aus  der  Kgl.  medizinischen  Poliklinik  in 

München.)  . . .  -  1030 

Lissner  s.  u.  Bine  und  Lissner. 

Litt  au  er,  Ueber  Operationen  unter  Gaudaninhautschutz  nach 

Döderlein.  . 1031 


INHALfs-VEfcZfelcHMS. 


1907. 


Seite 

Löh  lein,  Ueber  A.  E.  Wrights  „Opsonine“  und  seine  thera¬ 
peutischen  Bestrebungen  bei  Infektionskrankheiten.  (Aus 

dem  Pathologischen  Institut  in  Leipzig.) . .  .  1473 

—  Ueber  Gehirnabszess  durch  Streptothrix.  (Aus  dem  Patho¬ 
logischen  Institut  in  Leipzig.)  . 1523 

v.  Lotzbeck,  Dr.  Carl  Ritter,  Generalstabsarzt  f . 373 

Lunzer,  Ueber  die  Behandlung  tiefsitzender  Fremdkörper  des 
Oesophagus.  (Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Klinik  in  Königs¬ 
berg  i.  Pr.) . .  2081 


Mader,  Mentholdampfapparat  zur  Behandlung  des  Katarrhs  der 

Tuba  Eustachii.  (lllustr.) . . 1830 

M  a  d  1  e  n  e  r ,  Ramiezwirn  als  chirurgischer  Faden .  2485 

Magnus,  Die  stopfende  'Wirkung  des  Morphins.  (Aus  Rem 

pharmakologischen  Institut  in  Heidelberg.) . 1421 

Maier,  Zur  Therapie  der  Sepsis.  (Aus  dem  städt.  Krankenhaüse 

Ludwigshafen  a.  Rh.) .  1430 

Mainini,  Haut-  und  Ophthalmoreaktion  auf  Tuberkulin.  (Aus 

der  II.  medizinischen  Klinik  in  München.) .  2583 

Mandelbaum,  Ueber  die  Wirkung  von  taurocholsaurem  Natrium 
und  tieiischer  Calle  auf  den  Pneumokokkus,  Streptococcus 
mucosus  und  auf  die  andern  Streptokokken.  (Aus  der 
I.  medizinischen  Klinik  der  Universität  München.)  .  .  1431 

—  Ueber  den  Befund,  eines  weiteren  noch  nicht  beschriebenen 

Bakteriums  bei  klinischen  Typhusfällen.  (Aus  der  I.  medi¬ 
zinischen  Klinik  der  Universität  München.)  .....  .  1736 

—  Eine  vitale  Färbung  der  Spirochaete  pallida.  (Aus  der  I.  medi¬ 
zinischen  Klinik  der  Universität  München ) .  2268 

Mann  A.-Ludwigshafen,  Ueber  Behandlung  von  Ma^en-  und 
Darmblutungen  mit  flüssiger  Gelatine.  (Aus  dem  städt 
Krankenhause  in  Ludwigshafen  a.  Rh.)  .  .  24 

Mann  M.-Dresden,  Ueber  einige  Fälle  von  Erkrankungen  der 
Luftröhre  und  der  Bronchien,  diagnostiziert  mit  Hilfe  der 

Killi  an  sehen  Tracheo-Bronchoskopie .  1120 

Mann  G.-Triest,  Schwere  akute  Anämie  nach  "Gelenkrheumatis¬ 
mus.  (Aus  der  II.  inneren  Abteilung  des  städt.  Kranken¬ 
hauses  in  Triest.) .  ^786 

Marcus,  Modifikationen  an  einem  zweiblätterigen  Vaginalspeku¬ 
lum.  (lllustr.) .  0OQ 

—  Ein  aseptischer  Katheterisator  ‘  ’  *  1234 

Math  es,  Ueber  Dammschutz .  2386 

Maurer,  Polyneuritis  der  Hühner  und  Beri-Beri,  eine’ chronische 

Oxalsäure  Vergiftung? .  ^ 

Mayer  hausen.  Ein  Mittel  zur  Erzielung  konstanter  Pole  bei 

der  AVimshurst-Influenzmaschine  ....  2191 

Meerw ein ,  Beitrag  zur  Herzchirurgie.  (Aus  der  chirurg." Klinik 
in  Basel.) . .  . 

Mekus,  Ein  Fall  von  Leberschwund  nach  Trauma  und  Re'krea- 
tion  des  Organs  unterstützt  durch  operativen  Eingriff. 

(Aus  dem  evangelischen  Ivrankenhause  zu  Düsseldorf.)  . 
Melchior,  hast  totale  Nekrose  des  Leberparenchyms  bei  syphili- 
üscher  interstitieller  Hepatitis.  (Aus  dem  pathologischen 
Institut  der  Universität  ötrassburg.)  (lllustr')  01 

Mendelejew  D.  J.  f . .  .  .  .  !  ‘  ‘  ’  839 

Menge,  Zur  Indikationsstellung  bei  den  beckenerweiternden 

Operationen  (Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Erlangen.)  1465 

el,  Ein  lall  von  Angina  am  Ende  der  Gravidität  mit  tt\r)_ 


1784 


73 


1277 


127 

2237 

327 

2476 


Merket,  Ein  hall  von  Angina  am  Ende  der  Gravidität  mit  töd¬ 
licher  btreptokokkensepsis  im  darauffolgenden  Wochenbett 

(Aus  dem  Pathologischen  Institut  zu  Erlangen  ) 

—  Therapeutische  Mitteilungen . ;  ' . -,333 

M ermann  Die  Einführung  der  freien  Arztwahl" bei  der  Badischen 
Eisenbahn-Betnebskrankenkasse  in  Mannheim 
.Meusel,  Die  Spätoperation  bei  Appendizitis 
Meyer  und  Heineke,  Ueber  den  Färbeindex  der 'roten  Blut- 
Mi  „  u  ki°'Perche"-  (AusderH.  medizinischen  Klinik  Münchens.) 
Michelsson,  Ueber  die  Wertlosigkeit  des  Zusatzes  von  Neben- 

merenpräparaten  bei  der  Lumbalanästhesie . 

Miller,  Aus  der  geburtshilflichen  Landpraxis  .  .  323 

Mirtl,  Zur  Behandlung  der  Erfrierung  mit  künstlicher  Hyperämie  1284 

M  J h n  3  V! r-’  m16  Hammerzehen  und  ihre  Behandlung.  (lllustr.)  125 
Mohr,  Brucheinklemmung  von  Appendices  epiploicae  ...  170 

Mora witz.  Die  Behandlung  schwerer  Anämien  mit  Bluttrans- 

.  fnsmnen.  (Aus  der  medizin.  Klinik  zu  Strassburg.)  767 

Moritz,  Einiges  über  ärztliches  Denken  iooi 

Moro  s.  a.  Pfaundler,  Moro.  . 

M  °  T  °  Ki!tSChe  ^lexinprobe.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts- 
Einderkhmk  in  München.) .  1026 

Experimentelle  Beiträge  zur  Frage  der  künstlichen  Säuglings- 
SSSS  <&)“.  Kinderklinik  in 

Mosse,  Wirken  weisse  Blutkörperchen  heterolytisch?  (Aus*  dem 
medizinisch  poliklinischen  Institut  der  Universität  Berlin  ) 

Much  Uber  die  antitoxische  Funktion  und  Eiweiss.  (Ans  der 
Abteilung  für  experimentelle  Therapie  des  Eppendorfer 

-M  u  c  k,  Aphoristische  Mitteilungen  von  Beobachtungen  überden 
Einfluss  der  vom  Gehörgang  aus  durch  Saugwirkung  herv 


1517 


203 


2589 


354 

2430 

1809 


des 

der 


,’or- 


Seite 

gerufenen  Stauungshyperämie  auf  Paukenhöhleneiterungen 

(lllustr.) . .’413 

Mühlenkamp,  Ueber  einen  interessanten  Fall  von  einem 

Fremdkörper  in  der  Nase.  (lllustr.) .  2429 

Mühle  ns  und  Hartmann,  Was  wissen  wir  über  den  Vakzine¬ 
erreger?  (Aus  dem  Kgl.  Institut  für  Infektionskrankheiten 

zu  Berlin.) .  223 

Mühlig,  Eine  schwere  Komplikation  der  akuten  Gonorrhöe." 

AuS  dem  1>eutschen  Krankenhaus  in  Konstantinopel.)  ’  2530 
Müller  E.-Breslau  und  K  o  1  a  c  z  e  k ,  Weitere  Beiträge  zur  Kennt¬ 
nis  des  proteolytischen  Leukozytenferments  und  seines 
Antiferments.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Breslau.) 
Müller  Fr.  München,  Amerikanische  Reiseeindrücke  .  .  2388 

Münzer,  Apparat  zu  objektiver  Blutdruckmessung;  gleichzeitig 
auch  ein  Beitrag  zur  Sphygmo-Turgographie.  (lllustr.) 

Mulz er,  Das  Auftreten  intra vitaler  Gerinnungen  und  Throm¬ 
bosen  in  den  Gefässen  innerer  Organe  nach  Aether-  und 
Chloroformnarkosen.  (Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Uni¬ 
versitätsklinik  zu  Königsberg  i.  Pr.) .  40^ 

Xaab,  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie  der  Perityphlitis  ....  2083 

N a c k e ,  Dermatologische  Beiträge:  1.  Revakzinationserschei- 
nungen  nach  Fieberattacken.  2.  Eczema  acutum  artificiale 

durch  Siegellack-Ringeinlage .  573 

X  akao  Abe,  Ueber  den  Nachweis  von  Typhusbazillen  in  den 
Läusen  Typhuskranker.  (Aus  dem  hygienischen  Institut 

der  Universität  zu  Kyoto.) .  1904 

Nambu  s.  u.  Tiedemann  und  Nambu. 

Nassauer,  Die  Aerzte  und  die  Oeffentlichkeit . 991 

Naunyn,  Die  experimentelle  Pharmakologie  ....  .  2121 

Nerlich,  Ein  Schlittengestell  für  einen  Kinderwagen.  (lllustr.)  .  373 
Neter,  Zur  Pathogenese  der  Hirschsprungschen  Krankheit  1817 

Neuberg  und  Reicher,  Lipolyse,  Agglutination  und  Hämolyse.’ 

(Aus  der  ehern.  Abteilung  des  Patholog.  Instituts  der  Uni- 
versität  .Berlin.)  172d 

Neuberger,  Aus  den  preussischen  Äerztekammern  1594 

Neumann  F.-Wien  und  Fellner,  Ueber  den  Einfluss 
Cholins  und  der  Röntgen  strahlen  auf  den  Ablauf 
Gravidität . 

Neu  mann  H.-Berlin,  Ueber  unreine  Herztöne  im  Kindesalter  .  360 

Neu  mann  R.  O.-Heidelberg,  Die  Schule  für  Tropenmedizin  in 

Liverpool . 2191 

Neurath,  Zur  Frage  der  angeborenen  Funktionsdefekte  im 
Gebiete  der  motorischen  Hirnnerven.  (Aus  dem  neurolo¬ 
gischen  Institut  der  Wiener  Universität  und  dem  I.  öffent- 
liehen  Kinderkrankeninstitut  in  Wien.)  (lllustr.)  ....  .  1224 

Neustätter,  Geburtenziffer  und  Fruchtbarkeit .  85 

Abnormes  Lachen  vom  Auge  ausgelöst .  1183 

Aerztliches  und  Nichtärztliches  von  einer  Sommerreise 

durch  das  Mittelmeer  nach  dem  Orient .  1592  1641 

Nieter,  Ueber  das  Vorkommen  und  die  Bedeutung  von  Typhus¬ 
bazillenträgern  in  Irrenanstalten.  (Aus  dem  hygienischen 

Institute  der  Universität  Halle  a.  S.) . . 1622 

Noeggerath,  Bacillus  coli  immobilis  capsuiatus  (Wilde)  bei 
mnem  Falle  von  eitriger  Meningitis  cerebrospinalis.  (Aus 

der  Kinderklinik  der  Kgl.  Charite  ) .  g|7 

N  u  e  r  n  b  e  r  g ,  Die  Verwertung  des  negativen"  Resultates"  der"  bak¬ 
teriologischen  Untersuchung  des  Sinusblutes  für  die  Diffe¬ 
rentialdiagnose  _  zwischen  otitischer  Sinusthrombose  und 
anderen  noch  nicht  manifesten,  hochfieberhaft  verlaufenden 
Erkrankungen.  (Aus  der  Poliklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und 

Kehlkopf  kianke.) .  2522 

Nvrop,  Gastropexie  und  Retention.  (Aus  der  chirurgischen  Ab¬ 
teilung  des  Kopenhagener  St.  .Tosephs-Hospitales.)  ....  69 

van  Oordt,  Ueber  habituelle  Rotationssubluxation  des  vierten 

Halswirbels.  (lllustr.) . .  _  2281 

Oppenheim,  Ueber  Phosphaturie  bei  Gonorrhoe."  (Aus  der 
.  ■  k-  Universitätsklinik  für  Syphilidologie  und  Dermatologie 

m  Wien.) . . .  1270 

Orth,  Sarkom  und  Trauma.  (lllustr.) . '  2190 

Osann,  Untersuchungen  über  den  M e n de  1- B ec h t  e r’e  w sehen 

Eu®sr'*ckem'eflex.  (^US  dem  Hospice  de  Bicetrc.)  2468 

0 1 1  e ,  Ueber  die  postoperativen  Lungenkomplikationen  und  Throm¬ 
bosen  nach  Aethernarkosen.  (Aus  der  Provinzial-Hebammen- 
lehranstalt  zu  Osnabrück.)  ••••...  2473 

Otto  Zur  Frage  der  Serum-Ueberempfind'lichkei't. "  (Aus" dem" 
n  ,  ,  ,  Institut  für  experimentelle  Therapie  zu  Frankfurt  a.  M.)  1665 
ol  eng  hi.  Die  Blutplättchen  als  Alexinerzeuger.  (Aus  dem 
Institute  für  Hygiene  der  Kgl.  Universität  zu  Siena.)  .  .  .  836 

Pässler  und  Seidel,  Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  des 
alveolaren  Lungenemphysems.  (Aus  der  I.  inneren  Ab- 
ei  ung  und  der  I.  äusseren  Abteilung  des  Stadtkranken¬ 
hauses  Friedrichstadt  zu  Dresden.) .  1857 

1  agen  Stecher  s.  u.  v.  Hippel  und  Pagenstecher. 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


IX 


Pagenstecher,  Zur  Kenntnis  des  Enophthalmus.  (Aus  der 

Augenheilanstalt  zu  Wiesbaden.) . 

Pankow,  Warum  mus  bei  gynäkologischen  Operationen  der 
Wurmfortsatz  mit  entfernt  werden?  (Aus  der  Universitäts- 

Frauenklinik  in  Freiburg  i.  Br.) . 

Pasch,  Fremdkörper  in  der  Nase  als  Folgen  von  Trauma  .  .  . 

Peipers,  Das  Klima  und  die  Indikationen  Teneriffas . 

Peiser,  Zur  Pathologie  des  Frühstadiums  der  Appendizitis.  (Aus 

der  Breslauer  chirurgischen  Universitätsklinik.) . 

Penkert,  Zur  Technik  der  Lumbalanästhesie  im  Morphium- 
Skopolamin  -  Dämmerschlaf  für  die  Bauchchirurgie  und 
gynäkologische  Laparotomien.  (Aus  der  Universitäts-Frauen¬ 
klinik  Freiburg  i.  Br.)  (Illustriert.) . 

• —  Beeinflusst  die  Injektion  von  Stovain  in  den  Lumbalsack 

die  motorischen  Funktionen  der  Eingeweide? . 

Perutz,  Ueber  abdominale  Arteriosklerose  (Angina  abdominis) 

und  verwandte  Zustände .  1075, 

Peters,  Zum  Auswurfsedimentierungsverfahren  mit  Wasserstoff¬ 
superoxyd  nach  Sachs-Müke . 

Petruschky,  Die  „Freie  Vereinigung  von  Freunden  der  spezi¬ 
fischen  Tuberkulosetherapie“  und  ihre  Gegner . 

Pfaundler,  Ueber  AVesen  und  Behandlung  von  Ernährungs¬ 
störungen  im  Säuglingsalter . 1, 

—  Ueber  die  Behandlung  der  angeborenen  Lebensschwäche. 

(Illustr.)  . . ' . 1417,  1482, 

—  u.'Moro,  Zur  Physiologie  und  Pathologie  der  Säuglings¬ 
ernährung.  (Aus  der  Kgl.  Kinderklinik  in  München  )  .  . 

Pfeiffer,  Ueber  Kropfverpflanzung  und  experimentellen  Morbus 
Basedow.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  städtischen 

Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.)  (Illustr.) . 

v.  Pfeufer  Karl,  Zu  seinem  100.  Geburtstag . 

Pförringer  und  Bunz,  Die  röntgenologische  Diagnostik  der 

Lungentuberkulose . ’ . 

Philip,  Die  Anwendung  von  reinem  Ichthyol  bei  Epididymitis 

gonorrhoica . 

Pickenbach,  Pylorusstenose  durch  ein  chronisches  suprapa¬ 
pilläres  Duodenalgeschwür.  Nach  Gastroenterostomie  Heilung 
Plaut,  Ueber  den  gegenwärtigen  Stand  des  serologischen  Lues¬ 
nachweises  bei  den  syphilidogenen  Erkrankungen  des  Zen¬ 
tralnervensystems.  (Aus  der  psychiatrischen  Universitäts¬ 
klinik  in  München.) . 

Polano,  s.  a.  Burkhardt  u.  Polano. 

—  Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe.  (Aus  der  Universitäts- 

Frauenklinik  zu  Würzburg.) . 

—  Zur  Behandlung  der  Dysmenorrhöe  von  den  Brustdrüsen 
aus.  (Erwiderung  auf  den  gleichnamigen  Artikel  des  Pro¬ 
fessors  Id.  AV.  Freund  in  Strassburg,  d.  W.  No.  43,  1907.) 

Posternak,  Zu  Manchots  neuem  Vorschlag  zur  Phosphor¬ 
ernährung  und  Phosphortherapie  im  Kindesalter . 

Potpe  sehnig,  Ernährungsv. usuclie  an  'Säuglingen  mit  erwärmter 
Frauenmilch.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts-Kinderklinik  in 

München.)  (Illustr.) . 

Prausnitz  C. -London,  Allan  Macfadyen  f . 

—  Graz,  Ein  Sterilisationsapparat  für  Laboratoriumszwecke 
unter  Verwendung  von  strömendem  Dampf.  (»Illustr.)  .  . 

Preller,  Zur  Anwendung  von  Skopolamin-Morphium  in  der  Ge¬ 
burtshilfe.  (Aus  dem  AVöchnerinnenasyl  in  Mannheim.)  . 
Prior,  Ein  Fall  von  Wismut-Intoxikation  bei  interner  Darreichung 
von  Magisterium  Bismuti.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts- 

Kinderklinik  zu  Greifswald.) . 

Proescher  und  White,  Ueber  das  Vorkommen  von  Spiro- 
chaeten  bei  pseudoleukämischer  Lymphdrüsenhyperplasie 
Pryrn,  Zur  Blutentnahme  aus  dem  Kaninchenohr..  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Universitätspoliklinik  zu  Bonn.) . 

Quincke,  Ueber  Deckenluft- Ventilation  durch  AVind.  (Illustr.) 

ßadmann,  Ein  therapeutischer  Versuch  bei  epidemischer  Ge¬ 
nickstarre.  (Aus  dem  Knappschaftslazarett  in  Laurahütte ) 

Bahn,  Ovogal,  ein  neues  Cholagogum . ....... 

Rahner,  Ein  Fall  von  rapid  verlaufenem  Magenkarzinom  mit 

Metastasen  in  den  Femur . 

Rath,  Zur  Narkose  mit  erwärmtem  Chloroform.  Bemerkungen 
zu  der  Arbeit  des  Herrn  Dr.  Haun  in  No.  48  der  Münch. 

med.  Wochenschr . • . • . 

Rautenberg,  Die  Analyse  der  Extrasystolen  im  Bilde  der  Vor¬ 
hofpulsation.  (Aus  der  Kgl.  med.  Universitäts-Poliklinik  zu 

Königsberg  i.  Pr.)  (Illustr.)  .  . . 

Reibmayr,  s.  u.  Ballner  u.  Reibmayr. 

Reichard,  Ein  Fall  von  penetrierenden  Schussverletzungen  des 

Abdomens . 

Reiche,  Laryngitis  membrano-ulcerosa  fusibacillaris.  (Aus  dem 

allgemeinen  Krankenhaus  Hamburg-Eppendorf.) . 

Reicher,  s.  u.  Neuburg  u.  Reicher. 

R  ei  necke,  Ueber  Eklampsie  ohne  Krämpfe.  (Aus  der  Universi¬ 
täts-Frauenklinik  Würzburg.) . 


Seite 

474 

1475 

1585 

841 

1779 

165 

1236 

1135 

418 

1688 

76 

1532 

2169 

1173 

25 

66 

2034 

266 


1468 

1731 

2335 

887 

1326 

7ü6 

2387 

161 

1934 

1868 

672 

1913 

1333 

470 

1826 

2643 


2465 

671 

832 

1522 


Seite 

Reinko,  Gelungene  Transplantationen  durch  Aether  erzeugter 

Epithelwucherungen  der  Linse  des  Salamanders.  (Illustr.)  2381 
Reismann,  Zum  Auffinden  der  Ligamenta  rotunda  im  Leisten- 

kanale . . 126 

Revenstorf,  Ertrinkungsgefahr  und  Schwimmkunst.  (Aus  dem 

Hafenkrankenhause  in  Hamburg.) .  2229 

Rieb  old,  Ueber  die  AVechselbezieh  ungen  zwischen  dem  Ovula¬ 
tionsvorgang  inkl.  der  Menstruation  und  inneren  Krank¬ 
heiten.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  Stadtkranken¬ 
hauses  Johannstadt  in  Dresden.) .  1868,  1935 

Riedel,  Der  zuverlässigste  Appendixschnitt  und  seine  Verwen¬ 
dung  für  die  Ligatur  der  Art.  iliaca  ext.,  Beseitigung  von 
Schenkelhernien  und  zu  grösseren  intraabdominellen  Ope¬ 
rationen.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik  zu  Jena.)  (Illustr.)  649 
—  Ueber  die  Blinddarmentzündung  der  Kinder.  (Aus  der 


chirurgischen  Klinik  zu  Jena) .  2365 

Rieder,  Ueber  die  Verwendung  kleinerer  Dosen  von  Röntgen¬ 
strahlen  in  der  Therapie . 1763 

Ringel,  Zur  Kasuistik  der  angeborenen  Nabelschnurbrüche 
(Ektopia  viscerum.)  (Aus  dem  Kinderhospital  in  Hamburg- 

Borgfelde.)  . 1679 

R  i  s  e  1 ,  Ein  Beitrag  zur  Statistik  der  Säuglingsmorbidität.  (Aus 

der  Universitätskinderklinik  zu  Leipzig.)  (Illustr.)  ....  1684 
Ritschl,  Ueber  Fingerbeugekontraktur  infolge  von  traumatischer 

Strecksehnenspaltung.  (Illustr.)  . . 1127 

Ritter,  Die  Entstehung  der  Erfrierungen  und  ihre  Behandlung 
mit  künstlicher  Hyperämie.  (Aus  der  chirurgischen  Klinik 

und  Poliklinik  zu  Greifswald.)  ....  • . 923 

—  Zur  Behandlung  inoperabler  Tumoren  mit  künstlicher  Hy¬ 
perämie.  (Aus  der  Kgl.  chirurgischen  Klinik  zu  Greifswald.)  2124 
Roemisch,  Ueber  Dauererfolge  mit  Tuberkulinbehandlung  .  .  117 

Röpke,  Aktive  Hyperämie  in  der  Behandlung  arteriosklerot. 

Gangrän . 666 

Roesen,  Bier  sehe  Stauung  bei  Seekrankheit . 324 

Roesle,  Die  Gesundheits Verhältnisse  der  deutschen  Kolonien 

in  statistischer  Betrachtung.  (Illustr.) . 1386 

Roith,  Beeinflusst  die  Injektion  von  Stovain  in  den  Lumbalsack 
die  motorischen  Funktionen  der  Eingeweide?  (Aus  der 

Universitäts-Frauenklinik  zu  Heidelberg.) . 936 

Rolly,  Zur  Diagnose  der  Urogenitaltuberkulose.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  zu  Leipzig.) . 1513 


Rosen  bach,  Die  Methoden  der  Verstärkung  des  Kniephänomens  72 
Rosenberg,  Versuche  über  die  therapeutische  Verwendung 
menschlichen  Magensaftes.  (Aus  der  Poliklinik  für  innere 
Krankheiten  von  Privatdozent  Dr.  Albu,  Berlin.)  ....  1272 
Rosenthal,  Ueber  einen  neuen  Röntgenapparat  und  einige  mit 

diesem  erzielte  Resultate.  (Illustr.) .  2096 

Rothschuh,  Eine  aseptische  Wochenbettbinde.  (Illustr.).  .  .  620 

Rubin,  Ueber  den  Verlauf  der  Urobilinurie  beim  Typhus  abdo¬ 
minalis.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  in  Freiburg  i.  B.) 

(Illustr.)  .  507 

Rumpf,  Die  Beeinflussung  der  Herztätigkeit  und  des  Blutdrucks 

von  schmerzhaften  Druckpunkten  aus  . 153 

Kunck,  Bromural,  ein  neues  Nervinum . 728 

Ru  pf  1  e,  Ein  Fall  von  Arteriitis  obliterans  ascendens  nach  Trauma  215 


Saathoff,  Influenzasepsis  und  experimentelle  Influenzabazillen- 

septikämie.  (Aus  der  II.  medizinischen  Klinik  in  München.)  2220 
Sachs-Miike,  Zum  Auswurfssedimentierungsverfahren  mit 

Wasserstoffsuperoxyd . 988 

Sakaye  Ohkubo,  Ueber  multiple  kavernöse  Hämangiome  im 
Darme.  (Aus  Prof.  Chiaris  pathologisch- anatomischem 
Institute  an  der  Kaiser- Wilhelms- Universität  zu  Strass¬ 
burg  i.  E.) . 2189 

Salecker,  Blutuntersuchungen  bei  Asthmatikern.  (Aus  dem 

Augusta-Hospital  in  Köln.)  .  . . 358 


Salvendi,  Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Schwabe  „Venen¬ 
thrombose  und  Gerinnbarkeit  des  Blutes“. 

Sauer,  Absprengung  von  Wirbeldornfortsätzen  durch  Muskelzug. 
(Aus  dem  städtischen  Krankenhause  zu  Nürnberg.  Chirur¬ 


gische  Abteilung.) . 1327 

Sauerbruch,  Die  Radikaloperation  übergrosser  Leistenhernien. 

(Aus  der  chirurgischen  Universitätsklinik  zu  Greifswrald.)  .  1172 
Schaefer,  Ueber  ein  Asthma-Inhalationsmittel  nach  Professor 

Dr.  Alfred  Einhorn . 1378 

Schäffer  s.  a.  Honigmann  u.  Schäffer. 

Schade,  Zur  Wirkung  des  Priessnitz sehen  Umschlages  bei 

der  Entzündung.  (Illustr.) . 865 

—  Diabetes  und  Katalyse . 1862 

Schanz,  Ein  Vorschlag  für  die  Neuregelung  der  Verpflegsätze 

in  den  städtischen  Krankenanstalten .  2434 

Scheib  s.  u.  Schenk  u.  Scheib. 

Schenck  und  Seiffert,  Die  diagnostische  Bedeutung  der  Ophth¬ 
almoreaktion  bei  Tuberkulose.  (Aus  der  medizinischen 


Abteilung  des  Hospitals  zum  Heil.  Geist  in  Frankfurt  a.  M.)  2269 


2 


1907. 


A 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 


Schenk  und  Scheib,  Bakteriologische  Untersuchungen  von 
Laparotomie  wunden  bei  verschärftem  YVundschutz,  insbe¬ 
sondere  bei  Gaudaninbehandlung.  (Aus  der  deutschen  Uni¬ 


versitäts-Frauenklinik  in  Prag.) . 1976 

Schenker,  Meine  Beobachtungen  in  der  Tuberkulosetherapie 
bei  der  Anwendung  von  Marmorekserum.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Abteilung  der  kantonalen  Krankenanstalt  in 

Aarau.) . 2125 

Schereschewsky  s.  u.  Fornet  u.  Schereschewsky. 

Scheven,  Eine  Tamponbüchse  mit  Spulvorrichtung.  (Illustr.)  .  1086 

Schiele,  Bleikasten  mit  Röntgenröhren.  (Illustr.) . 268 

Schinzinger  Albert,  Zum  achtzigsten  Geburtstag . 225 

Sclilaeger,  Ueber  Biersche  Stauung  und  Seekrankheit  .  .  .  1386 
Schlecht,  Ueber  die  Darreichung  von  Arzneimitteln  inEumpc  1- 
schen  Kapseln  (Capsulae  geloduratae).  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Universitätsklinik  zu  Breslau.) . 1677 

Schlesinger  und  Holst,  Ueber  den  Wert  der  Benzidinprobe 
für  den  Nachweis  von  Minimalblutungen  aus  den  Verdauungs¬ 
und  Harnorganen.  (Aus  der  Poliklinik  für  innere  Krank¬ 
heiten  von  Prof.  Dr.  FI.  Strauss  in  Berlin.) . 460 

Schlossmann,  Statistik  und  Säuglingsfürsorge.  (Illustr.)  .  .  8 


—  Die  Akademie  für  praktische  Medizin  in  Düsseldorf  .  .  .  1488 
Schmid  und  Göronne,  Ueber  die  Wirkung  der  Röntgenstrahlen 
auf  nephrektomierte  Tiere,  ein  Beitrag  zur  Frage  des  Leuko- 
toxins.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  Krankenhauses 


zu  Charlottenburg.) . . 457 

Schmidt  s.  u  Jähne  u.  Schmidt. 

Schmidt  A. -Halle,  Erfahrungen  mit  dem  künstlichen  Pneumo¬ 
thorax  bei  Tuberkulose,  Bronchiektasen  und  Aspirations¬ 
krankheiten  .  2409 

Schmidt  G.  B. -Heidelberg,  Ueber  die  Massage  durch  „rhyth¬ 
mischen  Druck“  (nach  Prof.  Cederschiöld)  und  ihre  Ver¬ 
wendung  zur  Nachbehandlung  intraabdomineller  Organ¬ 
operationen  . 1222 

Schmidt  H. -München,  Ueber  die  Verwendung  der  flüssigen 
Somatose  bei  Wöchnerinnen.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts- 

Frauenklinik  München.) .  2092 

Schmidt  H.  E.-Berlin,  Ueber  intratumorale  Röntgenbestrahlung  673 
Schmidt  F.-Badenweiler,  Zur  Genese  der  Albuminurien  ....  2236 
Schmidt  W. -Stuttgart,  Ein  Fall  von  Totalexstirpation  einer  Pan¬ 
kreaszyste.  (Aus  der  chirurgischen  Abteilung  des  Katha¬ 
rinenhospitals  in  Stuttgart.) .  2480 

Schmoll,  Uebei  motorische,  sensorische  und  vasomotorische 
Symptome,  verursacht  durch  Koronarsklerose  und  sonstige 

Erkrankungen  üer  linksseitigen  Herzhälfte .  2027 

Schneider,  Ein  Fall  von  wiederholtem  Kaiserschnitt  bei  Ruptur 

der  Uterusnarbe .  2038 

Schoenborn,  Ueber  Polyneuritis  cerebralis  acuta  mit  Beteiligung 
der  Nn.  acustici (Polyn.  cerebr.  menieriformis  Frankl-Hoch 


wart . 933 

Schön  werth,  Bericht  über  100  ßlinddarmoperationen.  (Aus  dem 

Kgl.  Garnisonslazarett  München.) .  2035 

Schottelius,  Hämostix,  Instrument  zur  Entnahme  von  Blut  für 
diagnostische  Zwecke.  (Aus  dem  hygienischen  Institut  der 

Universität  Freiburg  i.  B  )  (Illustr.) . 525 

Schrumpf,  Vergleichende  Untersuchungen  über  die  Typh’us- 
diagnose  mittels  Bazillenemulsion  und  Ficker  sehen 
Diagnostikum.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  der  Univer¬ 
sität  Strassburg.) .  2517 

Schubert,  Klinische  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  Ge¬ 
burtshilfe  über  die  Wirkung  des  Secacornin.  (Aus  der  Uni¬ 
versitäts-Frauenklinik  zu  Breslau.) . 1266 

Sch u eilt,.  Zur  experimentellen  Uebertragung  der  Syphilis  auf 
Kaninchenaugen.  (Aus  der  Kgl.  dermatologischen  Universi¬ 
tätsklinik  in  Breslau.) . HO 

Schaffner,  Die  Spirochaeta  pertenuis  und  das  klinische’ Bild 

der  Framboesia  tropica . 1304 

—  Die  Züchtung  der  Typhusbazillen  aus  dem  Blute’ auf  Gallen- 

agar.  (Illustr.)  . .  1722 

Schuh,  Deutsche  Hospitäler  im  Auslande . 1943 

Schul  tzo  Y\ .  II. -Göttingen,  Zur  Differentialdiagnose  der  menschen¬ 
pathogenen  Streptokokken.  (Aus  dem  path.  Institut  des  Allg. 

Krankenhauses  Hamburg-Eppendorf.) .  1167  1532 

Schul  tze  F-Bonn,  Zur  Diagnostik  und  operativen  Behandlung 

der  Rückenmarkshauttumoren . °  136  t 

Schultz,  Streptokokken .  ’  1532 

Schumacher,  Schwere,  unter  dem  Bilde  der  Diphtherie  ver¬ 
laufende  Streptokokkenkonjunktivitis  nach  Masern.  (Aus 

der  Kgl.  Universitäts- Augenklinik  zu  Kiel.) . 1581 

Schümm,  Ueber  den  Nachweis  von  Blut  in  den  Fäzes.  (Aus 
dem  chemischen  Laboratorium  des  Allgemeinen  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf.) . 258 

—  Ein  neues  Gäiungsröhrchen  zum  Nachweis  von  Trauben¬ 
zucker  im  Harn  und  eine  einfache  sterilisierbare  Sicher¬ 
heitspipette.  (Aus  dem  chemischen  Laboratorium  des  All¬ 
gemeinen  Krankenhauses  Hamburg -Eppendorf.)  (Illustr.)  1235 


Seite 

Schn  m  m .  Zur  Frage  nach  dem  Vorkommen  von  Blutfarbstoff  oder 
Flämatin  in  menschlicher  Galle.  (Aus  dem  chemischen 
Laboratorium  des  Allgemeinen  Krankenhauses  Hamburg- 


Eppendorf.)  . 1580 

Ein  neues  Spektroskop.  (Aus  dem  chemischen  Laboratorium 
des  Allgem.  Krankenhauses  Hamburg-Eppendorf.)  (Illustr.)  2335 
ab,  Ein  letztes  Wort  zur  Bestimmung  der  Gerinnbarkeit 
des  Blutes . 337 


—  Die  Erfolge  der  Pessartherapie  in  der  gynäkologischen  Praxis. 

(Aus  der  Universitätsfrauenklinik  Erlangen.)  (Illustr.)  .  .  1433 
Schwabe,  Venenthrombose  und  Gerinnbarkeit  des  Blutes  .  .  176 

Schwartz,  Ueber  einen  Fall  von  abundanter  Lungenblutung  bei 
Mitralstenose  und  hochgradiger  Sklerose  der  Arteria  pul- 
monalis.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  zu  Strassburg.)  .  615 

Schwarz,  Ueber  den  Nachweis  von  Zucker  im  Urin  vermittelst 


der  Ilainesschen  Lösung . 1185 

Schwerdt,  Weitere  Fälle  von  Sklerodermie,  behandelt  mit  Mescn- 

terialdriisen . 1230 

Seefelder,  Zur  Prophylaxe  der  Blennorrhoe  der  Neugebornen  .  .  475 
Seel,  Ueber  haltbare  feste  Verbindungen  einwertiger  Phenole 

und  deren  Vorzüge  für  die  Praxis . 1518 

S egale,  Die  innere  Reibung  (»7)  des  Blutserums  in  morphini- 
sierten  Tieren.  (Aus  dem  Institute  für  allgemeine  Patho¬ 
logie  der  Universität  in  Genua.) . 1725 

Seggel,  Multiple  Hirntumoren  unter  dem  Symptomenbilde 

eines  Herdes  der  inneren  Kapsel  auftretend  . 1637 


Seiffert,  s.  a.  Schenk  und  Seiffert. 

—  Vorrichtung  zur  qualitativen  und  quantitativen  Gasbestim¬ 
mung  bei  gasentwickelnden  anaeroben  Bakterien.  (Illustr.)  2285 
Selig,  s.  u.  Kienböck,  Selig  und  Beck. 

Sellheim,  Die  Einübung  der  Nachgeburtsoperationen.  (Aus 
der  Klinik  für  Frauenheilkunde  und  Geburtshilfe  zu  Düssel- 


,  dorf.) . . 1217 

Seufferheld,  Ein  Fall  von  Pleuritis  interlobaris  serosa.  (Aus 

der  medizinischen  Poliklinik  zu  Jena)  (Illustr.) . 1281 

Seyberth,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  BlasengeschAvülste  bei 
Anilinarbeitern.  (Aus  der  Prosektur  des  städt.  Kranken¬ 
hauses  München  r.  I.) .  1573 

Shibayama,  Ueber  Pathogenität  des  Mäusetyphusbazillus  für 
den  Menschen.  (Aus  dem  Institut  für  Infektionskrank¬ 
heiten  in  Tokio)  .  • . 979 

v.  Sicherer,  Vererbung  des  Schielens . 1231 

Simon,  Protrahierte  Inkubationszeit  bei  Vakzine  .......  2239 

Sittler,  Vergleichend- therapeutische  Versuche  bei  Rachitis. 

(Aus  der  Kinderpoliklinik  und  -Klinik  der  Universität 

Strassburg.)  (Illustr.) . 1435 

Sobotta,  S.  Ramön  y  Cajal . 579 

Soetbeer,  Ausscheidung  „endogener“  Harnsäure  im  Gichtanfall. 

(Aus  der  med.  Klinik  zu  Greifswald.)  (Illustr.) . 1377 

S oltmann,  Die  Säuglingssterblichkeit  im  Krankenhause.  (Aus 
der  Universitätskinderklinik  und  Poliklinik  zu  Leipzig.) 


\  /  •  •••••••••••••••  Du 

Sorgo,  Zum  Auswurfsedimentierungs verfahren  mit  Wasserstoff¬ 
superoxyd  .  •....•  ...  622 

Spaet  F . -Fürth,  Der  Entwurf  eines  Reichsapothekengesetzes  .  .  889 

Spaeth  F.-Hamburg,  Zur  Alexander-Adamsschen  Operation  .  .  .  608 

Späth,  Obermedizinalrat  Dr.  Fiermann  v.  Burckhardt . 910 

Spielmeyer,  Schlafkrankheit  und  progressive  Paralyse.  (Aus 
dem  Hamburgischen  Institut  für  Schiffs-  und  Tropenkrank¬ 
heiten.)  . .  .  .  . . 1065 

Spude,  Entgegnung  auf  die  Kritik  meiner  Monographie  „Die 
Ursache  des  Krebses  und  der  Geschwülste  im  allgemeinen“ 

durch  Herrn  Privatdozenten  B.  Fischer . 1237 

Stadelmann  und  Wolff-Eisner,  Ueber  Typhus  und  Koli- 
sepsis  und  über  Typhus  als  Endotoxinkrankheit.  (Aus 
der  I.  medizinischen  Abteilung  und  dem  bakteriologischen 
Laboratorium  des  städtischen  Krankenhauses  Friedrichs¬ 


hain  in  Berlin.)  (Illustr.) . 1161,  1237 

—  und  Boruttau,  Ein  Fall  von  Kreosotalvergiftung.  (Aus  dem 

städtischen  Krankenhause  am  Friedrichshain  in  Berlin.)  .  1933 
Stahr,  Atypische  Epithelwucherungen  und  Karzinom.  (Aus 

dem  Institut  für  Krebsforschung,  Berlin.) . 1178 

v.  Starck,  Zur  Diagnose  der  Barlowschen  Krankheit  (des  kind¬ 
lichen  Skorbut).  (Aus  der  medizinischen  Universitäts- 
Poliklinik  und  dem  Fleinrich-Kinder-Hospital  in  Kiel.) 

(Illustr)  .  .  . . 450 

Stern  C.-Diisseldorf,  Leber  die  Wirkung  des  Uviollichtes  auf 
die  Haut  und  deren  therapeutische  Verwendung  in  der 
Dermatologie.  (Aus  dem  städt.  Baracken-Krankenhause  in 

Düsseldorf.) . . 

Die  Behandlung  der  Epididymitis  und  der  Bubonen  mit 
Hyperämie.  (Aus  der  akademischen  Klinik  für  Hautkrank¬ 
heiten  an  den  allgemeinen  städtischen  Krankenanstaben 

in  Düsseldorf.) . 2385 

A.-F  rankfurt.  Die  Untersuchung  des  Herzens  in  Becken¬ 
hochlagerung,  ein  Hilfsmittel  zur  Diagnose  der  Herzkrank¬ 
heiten.  (Illustr.) . 376 


1907 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XI 


Seite  I 

Steudel,  Neuere  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  chemischen 

Physiologie  des  Zellkernes .  2381 

Sticker,  Erfolgreiche  Uebertragung  eines  Spindelzellensarkoms 
des  Oberarms  beim  Hunde.  (Aus  der  Kgl.  chirurgischen 
Universitätsklinik  zu  Berlin.)  (Ulustr.) . 1627 


Stic  da,  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  gewisser  Fälle  von 
Lungenemphysem.  (Aus  der  Kgl.  Chirurg.  Universitäts¬ 
klinik  des  Herrn  Geheimrat  v.  Bramann  in  Halle  a.  S.)  2373 
Stolzenburg,  Ueber  die  mit  der  Ivuhnschen  Lungensaugmaske 

in  der  Heilstätte  Slaventzitz  gemachten  Erfahrungen  .  .  780 

Strasburg  er,  Ueber  die  Elastizität  der  Aorta  bei  beginnender 
Arteriosklerose.  (Aus  dem  Laboratorium  der  Medizinischen 


Klinik  zu  Bonn.)  . . 714 

Strassner,  Zur  Frage  der  Entstehung  der  Lungentuberkulose. 

(Aus  dem  hygienischen  Universitätsinstitut  zu  Halle  a.  S.)  1774 
Strau’ss,  Ueber  die  molekulare  und  Ionenkonzentration  sowie 

über  die  Radioaktivität  der  Mineralwässer . 2017 

Strebei,  Die  intratumorale  Bestrahlung  der  Krebsgeschwülste 

als  Fortschritt  der  Radiotherapie . 527 

Strub  eil,  Beiträge  zur  Immunitätslehre :  Ueber  Opsonine.  (Ulustr.)  2172 
Struppler,  Ueber  pendelnde  Lipome  des  Sinus  transversus 

pericardii.  (Ulustr.) . 472 

Stursberg,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Addisonschen 
Krankheit.  (Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu 

Bonn.)  ...  773 

Sud  eck,  Ueber  die  Gefässversorgung  des  Mastdarms  in  Hinsicht 
auf  die  operative  langrän.  (Aus  dem  allgemeinen  Kranken¬ 
haus  St.  Georg  in  Hamburg.)  (Illustr.) . 1314 

S  u  d  h  o  f  f,  Karl  von  Linne . 1041 

— •  Giorgio  Baglivi  . 1241 

v.  Szöllösy,  Ein  Fall  multipler  neurotischer  Hautgangrän  in 
ihrer  Beziehung  zur  Hypnose.  (Aus  dem  städt.  Kranken¬ 
haus  in  Szegedin,  Ungarn.)  (Illustr.) . 1034 

Tendeloo,  Aero  lymphogene  Lungentuberkulose . 105 


Tesche  mach  er,  Ueber  die  Fortdauer  der  Polyurie  bei  Dia¬ 
betikern  nach  vollständig  verschwundener  Glykosurie  und 
den  Uebergang  von  Diabetes  mellitus  in  Diabetes  insipidus  561 
Teuf  fei,  Ein  neuer  Harnfänger  für  männliche  Säuglinge.  (Illustr.)  1531 

Thalmann,  Die  Frühbehandlung  der  Syphilis . 603 

Theilhaber,  Der  Alkohol  in  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  171 
—  Die  Variationen  im  Bau  des  normalen  Endometrium  und 
die  chronische  Endometritis.  (Aus  Hofrat  Dr.  A.  Theil- 

habers  Frauenheilanstalt) . 1126 

Thorei,  Ein  Fall  von  primärem  melanotischem  Sarkom  der 
Rückenmarksmeningen.  (Aus  dem  allgemeinen  Kranken¬ 
haus  in  Nürnberg.)  (Ulustr.), . 725 

Thörey,  Alter  Fremdkörper  im  Oberkiefer  als  Ursache  akut  ein¬ 
setzender  blennorrhöe-ähnlicher  Bindehauteiterungen.  (Aus 
der  akademischen  Klinik  für  Augenheilkunde  in  Düsseldorf.)  2427 
Thorspecken,  Zur  Therapie  der  diabetischen  Phthise.  (Aus 

dem  Haus  für  Lungenkranke  „Villa  Paul“  bei  Badenweiler)  313 

Thumm,  Geheimrat  Dr.  Ferdinand  Battlehner  f . 176 

Tiedemann  und  Nambu,  Beitrag  zum  klinischen  und  ana¬ 
tomischen  Bild  der  Lues  cerebrospinalis.  (Aus  der  medi¬ 
zinischen  Klinik  und  dem  pathologischen  Institut  Strass¬ 
burg.)  . 1164 

Tintemann,  Querulatorische  Psychosen  im  Zusammenhang 
mit  der  Arbeiterversicherung.  (Aus  der  Kgl.  Universitäts¬ 
klinik  für  psychische  und  Nervenkrankheiten  in  Göttingen.)  1479 
Többen,  Zur  Therapie  der  Meningitis  cerebrospinalis  epidemica. 

(Aus  der  inneren  Abteilung  des  Elisabethhospitals  in 


Bochum.) . • .  2420 

Toff,  Einige  Worte  über  den  Dammschutz.  (Illustr.) . 524 


Tomasczewski,  Uebertragung  der  experimentellen  Augen¬ 
syphilis  des  Kaninchens  von  Tier  zu  Tier.  (Aus  der  Kgl. 
Universitätspoliklinik  für  Hautkrankheiten  zu  Halle  a.  S.)  1023 
To  tt  mann,  Sahlische  Desmoidreaktion,  Schmidtsche  Pi  obekost 
und  Ausheberung.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  Kranken¬ 
hauses  der  Diakonissenanstalt  zu  Dresden .  2597 

Toyosumi,  Zystisches Lymphangioendothelioma  papillif erum der 


Bauchwand.  (Aus  dem  pathologischen  Institute  der  Kaiser 

Wilhelm-Universität  Strassburg.) . . 1985 

Trcndelenburg  und  Bumke,  Die  Beziehungen  der  Medulla 
oblongata  zur  Pupille.  (Aus  dem  physiologischen  Institut 
und  aus  der  psychiatrischen  Klinik  der  Universität  Frei¬ 
burg  i.  Br.) . 1385 

Tretzel,  Ueber  ein  diagnostisches  Symptom  bei  Appendizitis  .  1481 
Treupel,  Der  gegenwärtige  Stand  der  lehre  von  des  Perkussion 
des  Herzens.  (Aus  dem  Heilig-Geist-Hospital  [medizinische 

Abteilung]  zu  Frankfurt  a.  M.)  (Illustr.) .  972,  1037 

—  Ueber  die  medikamentöse  und  lokale  Behandlung  der  akuten 
und  chronischen  rheumatischen  und  gonorrhoischen  Gelenk¬ 
erkrankungen.  (Aus  dem  LIeiliggeist-Hospital  [mediz.  Ab¬ 
teilung]  zu  Frankfurt  a.  M.)  1929 

Türk,  Ueber  den  Färbeindex  der  [roten  Blutkörperchen.  (Aus 
der  II.  medizinischen  Abteilung  des  k.  k.  Kaiser-Franz- 
Josef-Spitales  in  Wien.) . 220 


Uffenheimer,  Geheimer  Medizinalrat  Professor  Dr.  Paul 
Krabler  f . . . 

—  Wie  schützt  sich  der  tierische  Organismus  gegen  das  Ein¬ 
dringen  von  Keimen  vom  Magendarmkanal  aus.  (Aus  dem 
hygienischen  Institute  der  Universität  München.)  .  .  . 

—  Neue  Versuche  über  den  Nachweis  des  Toxins  in  dem  Blute 
des  Diphtheriekranken.  (Aus  der  k.  Universitäts-Kinder- 
klinikunddem  hygienischenlnstitutderUniversität  München) 

Uffe  norde,  Zur  Plastik  der  Missbildungen  der  Ohrmuschel. 
(Aus  der  Kgl.  Poliklinik  für  Ohren-  und  Nasenkranke  in 

Göttingen.)  . . 

Urban,  Beitrag  zur  Frage  der  Antitoxinbehandlung  des  Tetanus. 
(Aus  dem  Krankenhause  derbarmherzigenSchwesterninLinz.) 


Seite 

840 

981 


2592 


2130 

372 


Veit  und  Weder  hake,  Zur  Morphologie  des  Urins  und  der 
Galle  (Aus  dem  Privatlaboratorium  von  Dr.  W  oder  hake 

in  Düsseldorf.) . . . . 

Versd,  Ueber  Zystizerken  im  IV.  Ventrikel  als  Ursache  plötz¬ 
licher  Todesfälle.  (Aus  dem  pathologischen  Institut  zu 

Leipzig.)  (Illustr.) . * . 

Voeckler,  Kontusions Verletzungen  des  Bauches.  (Aus  der 
chirurgischen  Abteilung  der  Magdeburger  städtischen  Kran¬ 
kenanstalt  Altstadt.)  ....  • . . . 

Vor  n er,  Zur  Statistik  des  Trippers  beim  Manne  und  seine  Folgen 
für  die  Ehefrauen.  (Aus  der  Leipziger  medizinischen  Poli¬ 
klinik.)  . . 

—  Ueber  Onychia  pigmentosa.  (Aus  der  medizinischen  Uni¬ 
versitäts-Poliklinik  zu  Leipzig.) . .  •  • 

—  Initiale  und  rezidive  Roseolaformen.  (Aus  der  Leipziger 

medizinischen  Poliklinik,) . 

—  Ueber  wechselndes  Vorkommen  der  Luesspirochäte  .  .  . 

—  Ueber  Nagel pigmentation  bei  sekundärer  Syphilis  .  .  .  . 

—  Alternierendes  Auftreten  von  Purpura  rheumatica  und 

Erythema  exsudativum  multiforme  Hebrae.  (Aus  der  Leip¬ 
ziger  Mediz.  Universitätspoliklinik,  Abteilung  für  Haut¬ 
krankheiten)  . •  • 

Vogel,  Ueber  Operationen  an  den  Händen  und  deren  Vorbereitung. 
(Aus  dem  Krankenhause  der  barmherzigen  Brüder  in  Dort¬ 
mund.)  . 

V ohsen,  Beitrag  zur  Stau-  und  Saugtherapie  in  Ohr  und  oberen 

Luftwegen.  (Ulustr.)  .  • . 

Voigt,  Was  ist  als  generalisierte  Vakzine  zu  bezeichnen?  .  . 
Volhard,  Ueber  die  Untersuchung  des  Pankreassaftes  beim 
Menschen  und  eine  Methode  der  quantitativen  Trypsin¬ 
bestimmung.  (Aus  der  inneren  Abteilung  des  städtischen 

Luisenhospitals  in  Dortmund.)  . . 

Vor  sch  ütz,  Die  Genickstarre  und  ihre  Behandlung  mit  Bier¬ 
scher  Stauung  und  Lumbalpunktion.  (Aus  dem  Bürger¬ 
hospital  Köln,  chirurgische  Abteilung.)  (Illustr.)  .  .  .  514, 


2030 

509 

1633 

219 

671 

2283 

2330 

2483 

2641 

169 

409 

1876 

403 

575 


Waelsch,  Ein  Fall  von  Atoxylvergiftung . 937 

— ■  Ueber  Epididymitis  erotica .  2478 

W  agner,  Ueber  verschiedenartige  Desinfektion  in  ostafrikan. 

Häfen  . 476 

Wagner  Th. -Stuttgart,  Ein  Fall  von  Polyserositis.  (Aus  dem 

evang.  Diakonissenhaus  zu  Stuttgart,  medizin.  Abteilung.).  572 
Wahl,  Fesselbandmass  für  genaue  Umfangmessungen.  (Illustr.)  2334 
Walko,  Die  Erkrankungen  des  Magens  bei  der  chronischen 
Bleivergiftung.  (Aus  der  internen  Abteilung  desj  Spitales 

der  barmherzigen  Brüder  in  Prag.) . 1728 

Walther,  Sollen  die  Landhebammen  mit  Gummihandschuhen 

ausgerüstet  werden  ?  .  . . 267 

Weber  A. -Giessen,  Ueber  einen  Fall  von  primärer  Mundtuber¬ 
kulose  durch  Infektion  mit  Perlsuchtbazillen.  (Aus  der 

medizinischen  Klinik  zu  Giessen.). . 1785 

Weber  J. -Burghaslach,  Eine  Festsetzung  der  Vergütungen  für  ärzt¬ 
liche  Dienstleistungen  auf  dem  Verordnungswege  1830,  2068,  2120 

Weckerling.  Semmelweis  oder  Lister? . 675 

Wederhake,  s.  u.  Veit  und  Wederhake. 

W  e  i  c  h  a  r  d  t ,  Weitere  Studien  mit  dem  Eiweissabspaltungsantigen 
von  Ermüdungstoxincharakter  —  Kenotoxin  —  und  seinem 
Antikörper.  Aktivierung  protoplasmatischer  Substanz.  (Aus 
dem  hygienisch-bakteriologischen  Institute  der  Universität 

Erlangen.)  (Illustr.) . •  .  .  .  .  1914 

Weikard,  Zur  Kasuistik  der  Ptomainvergiftungen . 1334 

Weil  A.-Wiesbaden,  Ueber  die  Oberflächenwirkung  des  Perkus- 

sionsstosses  . . 224 

Weil  E.-Prag,  Zur  Erklärung  der  Tuberkulinreaktion  durch  Anti¬ 
tuberkulin  im  tuberkulösen  Herd.  (Aus  dem  hyg.  Institute 

d.  d.  Universität  in  Prag.) . .  .  269 

Weinbrenner,  Die  Saugbehandlung  in  der  Gynäkologie. 

Die  Saugmassage.  (Ulustr.) . 1978 

We  iss  wange,  Wann  soll  ein  Myom  operiert  werden?  (Aus 

Dr.  Weisswanges  Privatklinik  in  Dresden.) . 1027 

Wel  z el ,  Ein  Fall  von  Schweinerotlauf  beim  Menschen  und  dessen 

Heilung  durch  Schweinerotlaufscrum .  2482 

9* 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


Wende,  Die  Hammerzehen  und  ihre  Behandlung . 475 

Wendel,  Zur  operativen  Behandlung  der  Kehlkopfstenosen. 

(Aus  der  chirurgischen  Abteilung  der  Stadt.  Krankenanstalt 

Magdeburg-Sudenburg.)  (Illustr.) . 362 

W  eygandt,  l  leber  den  Stand  der  Idiotenfürsorge  in  Deutschland  122 

—  Paul  Julius  Möbius . 476 

White,  s  u.  Proescher  und  White. 

Wie  h  mann,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  biologische 
Tiefenwirkung  des  Lichtes  der  medizinischen  Quarzlampe 
und  des  Finsenapparates.  (Aus  der  Lupusheilanstalt  für 


Kranke  der  Landesversicherungsanstalt  der  Hansestädte  zu 

Hamburg )  . . 1382 

A  idmer,  Heilung  eines  Karzinoms  durch  Sonnenlicht  nebst 

einigen  Beiträgen  zur  unmittelbaren  Lichttherapie  ...  .  619 

Wiens,  Zur  Methodik  der  bakteriologischen  Blutuntersuchung. 

(Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik  zu  Breslau.)  .  .  1572 

—  Ueber  die  „Antifermentreaktion“  des  Blutes  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zur  opsonischen  Kraft  bei  akuten  Infektions¬ 
krankheiten.  (Aus  der  medizinischen  Universitätsklinik 

in  Breslau.)  (Illustr.)  . 2137 

—  und  Günther,  Lntersuchungen  über  die  Ophthalmoreaktion 

der  Tuberkulose.  (Aus  der  medizinischen  Klinik  und  der 
Augenklinik  der  Universität  Breslau) .  2586 

Wiesner  und  Dessauer,  Eine  Verbesserung  der  Durchleuch¬ 
tungsblende  speziell  für  die  Zwecke  der  Magenuntersuchung 
(lllustr-) . '  1591 


Seite 

Wimmer,  Zur  Kasuistik  der  Darmsteine.  (Aus  dem  Maria- 


Theresien-Frauen-Hospitale  in  Wien.)  (Illustr.) . 1032 

A\  i  t  z  e  n  h  a  u  s  e  n ,  Die  Phimose  —  eine  wichtige  Ursache  innerer 

Erkrankung  der  Knaben . .  1082 

Wolff-Eisner,  s.  u.  Stadelmann  und  AVolff-Eisner. 

Wyss,  Zur  Wirkungsweise  der  „Scharlachöl“-Injektionen  B. 
Fischers  bei  der  Erzeugung  karzinomähnlicher  Epithel¬ 
wucherungen  . . 


Zacharias,  Eine  Geburt  bei  vorgeschrittener  Tabes  dorsalis. 


(Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  Erlangen.) . 321 

—  Die  Behandlung  der  Mastitis  mit  Bi  er  scher  Stauung.  (Aus 

der  Universitäts-Frauenklinik  Erlangen.)  (Illustr.)  ....  716 

Zangemeister,  Der  heutige  Stand  der  Streptokokkenfrage  ins¬ 
besondere  für  die  Geburtshilfe . 1021 

Zeller,  Eine  neue  Nadel.  (Illustr.)  . ’  1829 

Ziegler,  Die  Frühdiagnose  der  Lungentuberkulose  mittels  der 
Koch  sehen  Tuberkulinprobe  in  der  ärztlichen  Praxis.  (Aus 
der  Deutschen  Heilstätte  für  Lungenkranke  in  Davos) 

(Illustr.)  . . . ;  132o 

Zieler,  Die  Wirkungsweise  der  modernen  Gonorrhoetherapie. 

(Aus  der  Kgl.  Klinik  für  Hautkrankheiten  zu  Breslau.)  .  .'  305 
Zweifel,  Ueber  Gefahren  und  Behandlung  der  Placenta  praevia. 

(Aus  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Leipzig.)  .  .  .  2361 


II.  Namen -Register. 

(Die  fett  gedruckten  Ziffern  bedeuten  Originalartikel.) 


Seite 


Abderhalden  890,  2C00,  2155 

Abel .  2291 

Abelsdorff . ]  903 

v.  Aberle  .  806,  1602,  2063, 
2611 

Abrahams . 1144 

Abrami . 1908 

Ach  .  613,  1624,  1903,  1904 

Achert . 1837 

Ackermann  G.-Jena  .  343 
Ackermann  W. -Mil¬ 
waukee  . 1004 

Adam  C.-Berlin  .  .  2132 
Adam  H.  A.-Karthaus- 

Prüll . 431 

Adams . ‘  .  .  2249 

D’Adderkass  ....  2059 

Adler  A . 1643 

Adler-Pankow  ....  856 
Adler-Wien  1046,  2146,  2244 
2541 

Adler  O.-Prag 
Adler  R.-Prag 
Adrian .  429, 


Af flock  .  . 

Agramonte 
Agricola 
Ahlfeld  .  . 

Ahrens  .  . 

Akerblom  . 

Alamartine 
Albeck  .  . 
Albers-Schönberg  1059, 
2117 

Alberte . 

Albrand . 185, 

Al  brecht  E.  -  Frankfurt 
1608,1799,  1843,2303, 
Albrecht  H.- München 
699,  1307,  2305,  2343, 
2553 

Albrecht  P.  -  Treptow 
431,  484 


585 

173 

1339 

1649 

2206 

491 

1505 

2000 

1795 

949 

2439 

1060, 

999 

382 

1552, 

2550 

93, 

2394, 

279, 


Seite 

Albrecht  P.-Wien  .  .  1647 

Albu .  93,  798 

Aldehoff . 1743 

v.  Aldor . 1094 

Alexander  .  .  .  .  1413 

Alexander-Iväsmark  .  805 
Alexander  A.  -  Berlin  335, 
743,  1448,  2347 
Alexander  G.  -  Wien  332, 
2148 

Alexander  L.  -  Nürn¬ 
berg  591,  1209,  1964,  1965, 
2618 

Alexander  S.-Bcrlin  .  997 

Alglave .  38 

Allan . 1193 

Allard  ....  1602,  2102 

Allaria .  2440 

Allbut . 745 

Allemann  ....  804,  1899 

Allen  . .  2403 

Almagiä  .  .  383,  1805,  1966 

Almquist .  2402 

Alsberg .  2348 

Alt  F.-Wien . 1250 

Alt  K.-Uchtspringe  .  .  2346 

Altes . 1551 

Alzheimer  .  549,  914,  1617, 
1658 

Amann  48,  145,  698,  1411, 
2049 

D’Amato  ....  757,  895 

De  Amicis . 380 

Amrhein .  2348 

Anacker . 1568 

Andereya  .  695,  755,  1409 

Anders . 1839 

Andersen . 2150 

Andrewes . 386 

Andrews . 102 

v.  Angorer  677,  680,  839,  2391 

Anonymus . 745 

Ansaldo .  2053 

Anschütz  905,  1756,  1873, 
2064 


Seite 

Anton . 634 

Antonelli . 1697 

Apelt .  272,  2345 

Apert . 1461 

Apetz  .  1013 

Apfelstedt . 1296 

Apolant  ....  1720,  2296 

Appel  .  2404 

Appleton . 1694 

Arcangeli . 1966 

Archangelsky  ....  2056 

Archenhold . 2108 

D’Arcy-Power  ....  336 

Arkle . .  2396 

Arloing  .  .  1412,  1757,  2158 

Armaingaud . 1348 

Armknecht . 1547 

Arnd-Bern . 1447 

Arndt-Berlin  .  .  801,  938 

Arneth . 1133 

Arning  400,  910,  1059,  1954, 
2617 

Arnold  C. -Hannover  .  1600 
Arnold  J.-Heidelberg  .  2441 
Arnspergcr  L.-Heidel- 

berg . 182 

Arnsperger  H.-Heidel- 
berg  ...  64,  390,  1961 

Arnstein . 796 

.Aron  H. -Berlin  .  .  .  2055 

Aron  E .  2609 

Aronsohn  E.-Ems-Nizza  797, 
1297 

Aronson  H.-Berlin  .  .  1001 

Arrhenius . 177 

Arx . '  1290 

Ascarelli  . 1840 

Asch  .  .  .  1652,  2209,  2467 
Aschaffenburg  .  1808,2049, 
2295 

Ascher . 847 

Aschheim . 333 

Aschoff  L.  -  Freiburg  1 152, 
1648,  2501 

Aschoff  L.-Marburg  .  .  427 


Seite 

Ascoli  .  35,  279,  1142,  2400 

Ashburn .  2545 

Asher  .  .  2056,  2201,  2202 
Assmann  ....  945,  1745 

Ast . 382 

Atanasescu . 587 

Aubertin . 398 

Auer . 1999 

Auerbach  Fr. -Berlin  .  2246 
Auerbach  S.-Frankfurt  389, 
466,  672,  908,  1306,  2194 
v.  Auffenberg  ....  1045 
Aufrecht  ....  1546,  1589 
v.  Auf  sehn  aiter  .  .  .  537 
Avellis  425,  492,  518,  692, 
1500,  1750 

Awtokratow . 1836 

Axamit  93,  1693,  1794,  1838 
Axenfeld  .  1244,  1902,  1903 

Axisa . 845 

Axmann  .  335,  950,  1603, 
1877,  2500 

Azam . 1461 


B. 

Babes-Paris . 1908 

BabesV.-Bukarest  1096, 1191, 
1548,  1605,  1643 
Babes  V.-Ofen-Pest  .  1997 
Bab  ...  315,  1892,  2265 

Bacaloglu . 487 

Baccelli  .....  .  2497 
Bach  .  353,  391,  640,  1221, 
1505,  1756 

Bachem  ....  2101,  2102 
Bacher  J.B.-Amsterdam  1049 
Bacher  L.-Olmütz  .  .  2148 
Bachmann-Hamburg  .  2213 
Bachmann  E.-Zürich  .  1070 
Bachrach  .  .  .  1837,  2051 

Bacmeister . 1866 

Bade  740,  1392,  1497,1892, 
2063 


Seite 

Bäcker  S.-Ofen-Pest  .  1993 
Bäcker  St.-Wien  .  .  .  485 

Baehr-Halle . 485 

Bähr  F. -Hannover  .  .  1003 

Baelz . 1691 

Baer  A.-Berlin  ....  1337 
Bär  E.-Münsterlingen .  36 

Baer  G.-Davos-Platz  .  1670 
Baer  J.-Strassburg  484,  485 

Bärwald . 947 

Baeumler  Ch.-Freiburg 
1292,  2501 

Baeumler  E.-Dresden  .  563 

Baginsky  .  .  32,  147,  800 
Bagshawe  .  .  •  .  .  .  1748 

Bahr . 429 

Bail  . 586,  1297 

Bailey  .......  490 

Bainbridße  F.  A.  .  .  .  1560 
Bainbridge  W.  S.  .  .  1399 

Baisch  M . 1044 

Baisch  B.-Heidelberg  .  182 

BaischK.-Tübingen277,  583, 
627,  1247,  1404,  1708 

Bakes . 856 

Balaguer . 850 

Baldauf . 1897 

Balfour .  2609 

Ball  C.  A . 1397 

Ball  Ch . 1399 

Ballet . 2447 

Ballner . 601 

Bai  ly . 1791 

Balthazard . 1391 

Bamberger  .  .  1192,  1893 

Bändel .  332,  814 

Bandelier . 1149 

Bäudler  ....  2103,  2620 

Bang . 486 

Banzet . 482 

Barach .  2398 

v.  Baracz  ...  739,  1791 

Baräny  .  .  .  .  1072,  1260 

Barba  .  . . 629 

Barbarossa . 630 


Seite 

1613 

2440 

1710 

2437 

2201 

2393 

943, 

) 

1511 

2249 

232 

2509 

2458 

1449, 

727 

2443 

745 

277 

2258 

1395 

244 

1695 

385 

2246 

1893, 

1901 

1710 

1544, 

195, 

1013, 

2541 

2647 

275 

2398 

2138 

385 

229 

2059 

2050 

2486 

628 

519 

1603, 

397 

1908 

1190 

712 

689 

1805 

2200 

947 

135 

1953 

2037 

1646 

93 

1353 

1293 

231 

334 

1962 

1951 

380 

2000 

2494 

1293 

1220 

2390 

1247 

279 

801 

2054 

280 

739 

1603 

1906 

1908 

689 

745 


Seite 

1013 

2346 

2255 

1695 

2296 

1839 

1695 

39 

1955 

391 

2401 

1838 

1804 

2497 

853, 

683, 

2160 

1493 

278 

386 

739 

2202 

1892 

2394 

1543 

1443 

1933, 

1694 

2054 

1442, 

335 

2344 

2398 

2297 

97 

2105 

1292 

2354 

2155 

387 

625 

177 

1645 

2398 

350 

1796 

742 

2490 

2244 

1081 

1448 

2396 

1554 

233 

1550 

899 

821 

36 

683 

2397 

1404 

1780 

2641 

1997 

848 

38 

995 

1743 

2145 

2540 

1095 

844 

2403 

2102 

849 

800 

390 

2206 

2206 

1190 

744 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Beclihold  1921,  1957,  2155 

Beck  H.  G .  2397 

Beck-Breslau  ....  2490 
Beck  C.-New  York  .  .  179, 
627,  2145,  2198 
Beck  R.-Wien  ....  1427 
Becker  L.  .  .  1004,  1337 
Becker-Heidelbg.  1401,  1402 
Becker-Koblenz  .  853,  1881 
Becker  A.-Rostock  .  .  2004, 
2114 

Becker  A. -Salzschlirf  .  2248 
Becker  C.-München  .  645, 
1751,  1790,  2165,  2556 
Becker  E. -Hildesheim  179 
Becker  F.-Frankfurt  .  940, 
1099,  1553 

Becker  H. -Dresden  .  1798 

Beckert . 1200 

Beckh . 1965 

Beckhaus . 1353 

Beckurts .  35 

Beer . 1926 

Behla . 277 

Behr . 382 

ßeitzke  184,  279,  847,  1396, 
1441,  2441 

Beldau .  399,  447 

Bell .  1145,  2396 

Benario .  42 

Bence  ....  1298,  1447 

Bend . 349 

Benda  .  492,  895,  999,  1014 

Bender . 178 

Bendersky  .  .  1251,  2245 
Benedict  ....  231,  2055 
Beneke  .  1506,  1754,  2023 
Benjamin  .  .  .  1648,  1836 

Bentmann .  2544 

Bennecke  1844,  2093,  2179 

Bennett  A.  G . 385 

Bennett  W.  490,  1398,  1908 

Bennion . 688 

Benzis .  2051 

Berblinger . 1631 

Bercziller . 685 

Berendes . 1140 

Berg . 1796 

Bergeat  89,  245,  645,  1356, 

2626 

Bergell  P.-Heidelberg  .  1957 
Bergell  P. -Berlin  184,  932, 
945,  954,  955,  1001,  1249, 
1998,  2610 

Berger . 428 

Berger  A . 428 

Berger-Kassel  ....  1600 
Berger-Krefeld  .  .  .  2240 
Berger-Paris  .  51,  244,  482, 
644,  2305,  2405 
Berger  Cl.-Hamburg  .  1116 
Berger  G.-Jena  .  .  .  343 
Berger  H. -Remscheid  .  1607 

Bergey .  2398 

Berghaus  .  .  .  1093,  1794 
Bergmann-Düsseldorf  .  2353 
Bergmann  M.-Wolfha- 

gen . 683 

v.  Bergmann  A.-Riga  .  534 
v.  Bergmann  C. -Berlin  500, 
1046,  2098 

Bergmark . 1494 

Bergmeister . 1002 

Bergoniö . 1298 

Bering  ....  1012,  1555 

Berka . 685 

Berlin . 945 

Bernabei . 1954 

Bernaulli . 1247 

Berndt  .  1413,  1481,  2244 

Berner .  895,  1605 

Bernhard  O.-St.  Moritz  1586 
Bernhardt  M.-Bcrlin  382,848 
Bernheim  S.-Paris  482,  2437 
Bernheim-Karrer  2148,  2258 
Bernheimer . 1902 


Seite 

Bertheau . 277 

Bertilion . 444 

Besan^on . 1710 

de  Besehe . 2150 

Bescliorner  .  .  1878,  2356 

Besold . 331 

Bessmer . 1994 

Best  F.-Dresden  857,  1900 
2504 

Best  F. -Giessen  ...  62 

Best  F. -Heidelberg  .  .1317 
Best  Pli. -Hirschhorn 

a.  N . 1841 

Besta . 628 

Bestelmever .  2437 

Betagh  .  .  .  629,  2496 
Bethe  1156, 1308,  1402,  2106, 
2160,  2203 

Bettmann  .  .  .  .  .  1925 
Beuttenmüller  .  2240,  2395 

Beuttner . 945 

Bewersdorff . 1482 

Beyermann .  2349 

Bezold  .  .  844,  1740,  2104 

Bezzola . 485 

Bickhardt . 1492 

Biedenkap . 1604 

Bie .  2250 

Biedel .  2541 

Biedert  .  .  .  50,  625,  2194 

Bielefeld  . . 1148 

Bielefeldt  .  .  .  1953,  2355 
Bielschowsky  ....  532 
Bienenfeld  ....  .  1648 
Bier  .  .  .  679,  1186,  1549 
Bierbach  .  .  .  :  .  .  892 

Biernacki . 1996 

Bial  • . 1446 

Biberfeld  .  .  .801,  1806 

Bibergeil  .  •  .  .  .131,  893 
Bickel  Kaiserslautern  1783 
Bickel  A.-Berlin  35,  179,  184, 
280, 1054, 1507,  1603, 1693, 
2295 

Bickel  E. -Wiesbaden  .  1298 
Biesalski  .  .  .  806,  2611 

Biffi .  2206 

Biggs .  2402 

Biland . 431 

Billet  • . 536 

Billington  W  .  .  .  .  1398 

Binder . 1825 

Bindi  . 1251 

Bine  .  .  .  . 2513 

Bing  ....  35,  1192,  1550 
Bingel  A. -Frankfurt  57,  908 
Bingel  A. -Leipzig  .  .  1047 
Yan  Binsbergen  .  .  .  2054 
Binswanger  .  43,  343,  1994 
Birch-Hirschfeld  1901,  1499 
Bircher  1889,  2291,  2294, 
2348,  2525 

Birk .  583,  2440 

BirnbaumC. -Herzberge  1836 
Birnbaum  R.-Göttingen  333, 
631,  891,  1407,  2102 
Bischoff -Klosterneu¬ 
burg  . 230 

Bischoff-Leipzig  .  .  .  643 

Bishop . 1853 

Bitter-Kairo .  2206 

Bitter  L. -Würzburg  .  .  1758 
Bittorf  869,997,  1003,  1120, 
1395,  1834 

Black .  40 

Blacker . 1895 

Blackham . 537 

Blaich .  53 

Blanc . 1552 

Blanchard . 644 

Blanck . 132 

Blaschke . 892 

Blaschko  216,  349,  435,  436, 
492,  120J 

Blasius  .......  35 

Blau  A.-Görlitz  ...  96 


Seite 

Blau  A.-Wien  278, 1340,  2439 
Blauel  394,  964,  1246,  1891, 
2392 

Blecher  . 1394 

Blegvad  ......  898 

Blell  .  . .  34 

BleibtreuL.A.F. -Greifs¬ 
wald  .  134,  542 

Bleibtreu  L.-Köln  .  .  265 

Bleichrödor  .  41, 1203,  2450 

v.  Bleiweis .  2252 

Blell .  34 

Blencke  100,  861,  1658,2293 

Bles . .  •  92 

Bleuler  532,582,1045,  1139, 
1244,  1290,  1336,  1948, 
1994,  2046,  2242,  2644 
Bloch-Berlin  ....  893 
Bloch  A.-Berlin  .  .  .  946 

Bloch  B. -Basel  .  .  .  1956 

Bloch  C.  E. -Kopen¬ 
hagen  . 1047 

Bloch  J.-Berlin  .  .  .  1492 

Bloch  M.-Beuthen  1353, 1413 

Blümel .  2343 

Blum  J.-Miinchen-Glad- 

bach .  338,  1055 

Blum  L.-Strassburg  485,  954, 
2541 

Blum  V.-Wien  .  .  . 

Blumberg  ....  856, 
Blumenkranz  .... 
Blumenthal  F.-Berlin 
Blumenthal  F.-Strass- 

burg . 

Blumenthal  M.-Berlin 
895 

Blumenthal  R.-Strass- 

burg . 

Blumenthal  R.-Tübin- 


2103 
1177 

2104 
1262 

795 

500, 


1091 


gen 


945 


Blumreich . 1548 

Boas  147,  280,  421,  897,  1090, 
1789 

Bobonneix . 488 

Bock . 2102 

Bockenheimer  .  682,  905 

Bodenstein . 801 

de  Boe  Sylvius  .  .  .  1741 

Böcker .  998,  1549 

Boege . 1548 

Böhm-Berlin  .  2259,  2611 
Böhm-Boston  ....  807 
Böhm  G.-München  .  2245 

Böhme . 101 

Böhmert . 234 

Boehr .  2462 

Boekelmann  ....  585 

Boellke . 1954 

Boenner  . . 495 

Bönniger  41,  536,  2494,  2502 
Boenninghaus  ....  96 

Boeri . 757 

Boerma  .  .  946,  1142,  2147 

Boerner . 1 646 

Boese . 628 

Boesser . 1341 

Boesl .  185,  1825 

Böttcher . 1188 

Bofinger . 539 

Bogdanik . 384 

Bogen  PI.- Heidelberg  670, 
812,  1395,  1996,  1999 

Bogoljuboffj .  2491 

Bogroff  .  . 

Bohac  .  . 

Bohne 
Bohnstedt 
Bohr  .  .  . 


.  1896 

.  949 

.  1296 

.  1111 

795,  2160,  2206 

du  Bois-Reymond  2202,  2435 

Boit  9,  33,  3  89,  439,  692, 

908,  1099,  1305 

v.  Bokay .  2442 

Bokorny . 1957 

Boldt  . 184 

Bolk .  2348 


XIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

ßrennecke .  2302 

Brenner  339,  389,  754,  961, 
1099 

Brcnning . 950 

Brentano  .  .  532,931,  1444 
Bretschneider  ....  1587 

Brczeanu . 1096 

Brezina  ....  1049,  1373 
Brian  O.-Heidelberg  .  742 

Brian-Paris . 644 

Brieger  L.-Berlin  .  751,  1603, 
1748,  2002 

Brieger  0. -Breslau  .  .  1259 

Brink  .  .  .  . 1824 

Brissaud .  2458 

Broadbent .  .  .  1349,  1805 

Broca .  948,  2307 

Brockbank . 1193 

Broden .  898,  1748 

ßrodie  .  .  .  .  2201,  2202 
Brodzki  .  .  131,  279,  1646 

Bröcking . 1996 

Brönnum  A . 233 

Brongersma  .  .  .185,  2208 

Brook . 2143 

Brooke . 380 

Broschniowski  .  .  ,  1550 

Brouardel . 678 

Brow .  2398 

Brown .  2460 

Browning . 1906 

Brubacher . 895 

Bruck  A. -Berlin  .  .  .  2291 
Bruck  A.  W.-Köln  .  .  1048 
Bruck  C.-Batavia  1396,  2441 
Bruck  C.-Berlin  .  .  .  333 
Brüning  Freiburg  .  .  2502 
Brüning  H.- Rostock  .  627, 
1906,  2210 

Brüning  W.-Berlin  .801 
Brünings  .  .  .  1701,  1789 

Brüstlein . 332 

Brünner . 1307 

Brugsch  955, 1 645, 1839, 2494, 
2495 

Bruhns  ....  1045,  1893 
de  Brui'ne  Ploos  van 
Arnstel . 


Seite 

Bürkner  K. -Göttingen  .  800 

Büsing . 2197 

Büttner  K. -Zwickau  .  1143 
Büttner  O .-Rostock  816,  945, 
1407,  1966 

Bukofzer . 492 

Bulir . 1692 

Bull . 569 

Bulling . 2198 

Bullmore .  2200 

Bum  185,  1045,  1090,  2554 
Bumke  741,  1385,1402, 1696, 
1902,  2313 

Bumm  E.-Berlin  .  .  .  1303 
Bumm  R.-Bayreuth  .  583 
v.  Bunge  G.-ßasel  .  89 

v.  Bunge-Kronstadt  .  2206 

Bunger . 1049 

Bunz .  66 

Burger . 1293 

Burgerstein .  2303 

Burgess  .  .  .  .  •  .  .  2443 

Burgl . im 

v.  Burk . 985 

Burkard  0  -Graz  .  .  .  43  L 
Burkhardt  L  -W ürzburg 
20,  376,  1188,  1546,  2147 

Burnes . 1650 

Burnet . 1908 

Busch . 739 

zum  Busch  .  .  .  673,  1450 

Busche . 1908 

Buschke  .  184.  434.  2540 


Seite 

Caro  .  .  .  798,  946,  1549 

Carrison . .  538 

Carroll . 803 

Carter . 1399 

Cartless  . 1839 

Caspar-Berlin  ....  2207 
Caspcr-Berlin  ....  2209 
Casper-Bloch  ....  1652 

Cassel .  133,  2296 

Cassierer . 2108 

Cassirer  .  .  .  1192,  1893 

Castaigne .  2457 

Castellani  .  539,  1747,  1906, 

2254,  2498 

Castell vi  .  849,  1551,  2297 

Castex . 97 

del  Castillo  y  Quar- 

tiellers . 1599 

Castro . 1551 

Castruccio . 845 

Catlicart  E.  P.  1895,  2156 
Cathcart  Ch.  W.  .  .  .  2395 

Caussade . 644 

Cavazzani  .  .  .  1744,  2497  Cole  Madden 

Cave . 2397  Coller  .  .  . 

Cazamian  ....  899,  1748  Collin  .  .  . 

C  ealic . 109o,  1096  Colman 

Cecca . 1003 


Seite 

Coca-Heidelberg  2317,  2395 

Coca  A.  F . 742 

Coderque .  2296 

Codivilla  . . 684 

Coenen  682, 1094, 1143, 1210, 
1309,  1889 

Cohen  E.-Utreclit  .  .  1043 
Cohn-Heidelberg  .  .  1744 

Cohn-Köln . 893 

Cohn  E. -Frankfurt  .  .  1841 
Cohn  Fr.-Breslau  .  .  2343 
Cohn  Fr.-Giessen  .  .  2049 
Cohn  L.-Posen  .  .  .  1837 
Cohn  M.-Berlin  51,  229,  749, 
1458,  1603,  2496 
Cohn  M. -Bukarest  587,  1096 
Cohn  P.-Bern  ...  .  134 

Cohn  S.-Berlin  .  .  .  2441 
Cohn  T.-Berlin  ...  50 

Cohn  Th.-Königsberg  .  2207 
Cohnheim  2001,  2201,  2435, 
2581 

Cole  C.  L .  2545 

.  .  .  1652 
...  446 


Seite 

Curschmann  H.-Leipzig  99 
Curschmann  H.-Mainz 
(fr.Tübingen)964, 1402, 1491 
1673,  2074,  2112,  2240, 

2391,  2519 

Custodis  ....  846,  962 

Czapek . 330 

Czaplewski .  2401 

Czermak .  2538 

Czerny  Ad.-Breslau  626, 1047, 
2303 

Czerny  V. -Heidelberg  1442 
v.  Cyon  1391,  1412,  2056 
Czyzewicz  .  .  33,  278,  2146 

D. 


Brummund 


998 
1191,  1953 
682 


v.  Brunn  W.-  Rostock 
v.  Brunn  M.-Tübingen  395, 
430,  963,  1458,  1601 
Brunner  1995,  2195,  2539 

Brunon .  445,  1508 

Bruns  H.-Gelsen- 

kirchen . 932 

Bruns  L.-  Hannover  2108, 
2145 

v.  Bruns-Tübingen  .  .  1458, 
2098 

Brunswig-le-Bihan  .  .  1348 
Brunton  ....  446,  1449 
Bruschettini  .  .  2053,  2149 

Brvant . 336 

Bubek . 1957 

Buch . 229 

Buchanan .  2396 

Bücher  ......  97 

Buchholz  ....  895’  2398 

Buckmaster  ....  2202 

Bucura  280,  893,  1250,  2047, 
2494 

Buday . 742 

Budde  ....  ioi4,  2492, 

Budinger . 181 

Bücheier . 1306 

Büdingen . 114 

Büdinger .  2492 

Bürger  .....  799,  1254 
Bürgi  E.-Berlin  .  .  .  2197 
Bürgi  E.  Bern  .  .  .  485 

Bürker  69,  177,274,330,  378, 
379,  428,  793,  «91,  1043, 
1243,  1542,  1600,  1802, 
1837,  1999,  2045,  2055, 
2341,  2537 

Bürkner-Tübingcn  .  .  955 


Busi . 

Busse  O. -Posen 

853,  1495. 

1600 

Busse  W.-Jena 

.  .  .  1302 

Butlin  H.  T.  . 

.  712,  1852 

Buttermilch  .  . 

Butters  .  .  , 

.  2119 

Buttersack 

2330,  2348 

Buxton  .  .  . 

2556,  2620 

Buzzard  .  .  . 

.  .  .  1907 

Byrhowski  . 

.  .  .  2196 

v.  Bylicki  .  .  . 

.  .  1340 

Bystrow  .  .  . 

c. 

Caboche 

.  .  .  2252 

Cacheux 

.  .  .  2448 

Cagiati  .  . 

Cag netto  .  , 

.  894,  1744 

Cahen  .  , 

1751,  2048 

Cahn  .  , 

.  .  .  50 

Cahnheim 

.  .  .  387 

39 


.  .  1499 
.  .  1666 
.  1551 
441,  910 
,  2160,  2401 
995,  2406 
.  .  2147 
.  .  1853 
.  .  1650 
.  .  538 


M. 


Calabrese 
Calinescu 
Calleja  . 

Calmann 
Calmette 
Calot  .  . 

Camerer  .  . 

Cameron  .  . 

Cameron  H.  C 
Cameron  S.  J. 

Cammidge  . 
de  la  Camp  . 

Campbell  M. 

Campbell  R  D 
Campbell  Hbg. 
van  Campenhout  700,  1746 

Camus . 2155 

Cantacuzene  ....  2052 

Cantamessa . 280 

Cantlie  .  .  899,  1007^  2199 

Capmas . 745 

Caponetto . 1251 

Carducci . 029 

Carriäre  .  2456 

Carl . .  4745 


1193,  1851 
.  697,  2163 
.  .  .  1895 
.  .  .  1694 
2260 


Carlau 

Carless 

Carletti 

Carlini 


1504,  1989 
.  .  .  2556 
.  .  .  1955 
2049 


Carnwarth .  2295  Cnopf 


Celli .  2206,  2498 

Ceranlo  . 1 795 

Cestan  .......  1391 

Chajes .  2540 

Champendal  .  .  .  2059 

Championniere  .  .  .  1660 

Champneys . 244 

Chantemesse  51,  644,  1804, 

2050,  2060,  2199 

Chaplin  . 488 

Chaput .  243,  1758 

Charas . 699 

Charles . 1907 

Charteris . 1895 

Chastang . 1748 

Chatin . 644 

Chaussy . 1980 

Cheatle .  2443 

Cheyne .  2444 

Chiari  H.-Prag-Strass- 
burg  50,  1309,  1690,  2110 
Chiari  O.-Wien  .  .  .  1293 
Chidichimos  ....  398 

Childe .  2443 

Chlumsky  683,  740,  1448, 
1473 

Chodounsky  ....  1094 
Choronshitzky  ...  97 

Choroschko . 1895 

Chotzen .  381,  484 

Christian . 230 

Chrysopathes  ....  ?293 

Chuvin .  2351 

Chvostek  .  947,  1143,  1397 
Ciechanowski  ....  1954 

de  Cigna .  2252 

Cimbal . 1099 

Citron  495,  1203,  1305, 1549, 
1559,  1603  2247 

Ciuffini . 630 

Ci  n  11a . 1993 

Clairmont  .  628,  2393,  2612 

Claisse . 1710 

Claude . 1391 

Claus . 1648 

Clausen . 1903 

Clemens . 1697 

Clemens  -  Chemnitz  2451, 

2502 

Clemm  W.  W.-Darm- 

stadt . 278 

Clemm  W.  N.-Ballen- 

stedt  a/H . 1745 

Cloetta . 9S7*  1396 

Clogg .  40 

Clowes . 537 

Cluss . 275 

Clutton  196,  197,  336*  1661 

1560 


.  .  1761,  1903 
2250 

Colmers  .  90,  1789,  1892 

Colombo  .  92,  2101,  2293 

Colt . 1695 

Colyer . 1908 

Comby  445,  1461, 1710, 1804, 

2059 

Concetti . 748 

Conitzer  ....  2048,  2612 

Conner . 1896 

Conradi  ....  1951,  2148 

Conrie .  2395 

del  Conte .  2493 

Conteaud .  38 

Copeman . 336 

Conentino . 629 

Cook .  2545 

Cormier .  2059 

Corneil .  51 

Cornelius . 1004 

Corner  ....  1805,  2444 

Cornet . 480 

Corning .  2241 

Coronedi .  2201 

Cortiguera .  2297 

Cosös . 1248 

Cossmann  .  .  1056,  2358 

Cottet .  37 

Courage .  2625 

Courmont  .  1757,  2158,  2449 

Cousteau .  2252 

Couvelaire . 1499 

Cova .  2393 

Cowan . 1650 

Crace-Calvet  ....  1696 

Crämer .  48,  929 

Cramer  A.-Göttingen  226, 
1994,  2442 

Cramer  H.-Bonn  1304,  2612 

2639 

Cramer  K.-Köln  .  .  .  1093 

Cramer  M.-Koburg  .  .  1448 

Creite . 1473 

Cremer  .  .  505,  1629,  2203 

Creutz . 1614 

v.  Criegern . 1557 

v.  Crippa . 1282 

Cristofoletti . 2103 

Critien .  2545 

Croissant .  2322 

Croner  .  1191,  1341,  2197 

Croom  ....  1895,  2200 

Cross  . 1907 

Cruchet .  2644 

Cuenod  . 1412 

Cuff . 1145 

Cumston . H  93 

Cuno . 1609 

Curl .  2545 

Curschmann  C.  Th  - 
Giessen .  35 . 


Daeis  ........  ,  2197 

Daeubler . 1909 

Dahlmann  639,  1201,  1657 

Dalimer . 1304 

Dahn . 997 

Dalen  .  227,  1494 

Dalimier . 1414 

v.  Dall’Armi . 275 

Dalla  Vedova  .  .  .  .1251 

Dalimann .  49 

v.  Dalmady . 896 

Daly . |  1907 

Dambrin .  2051 

Damman . 1443 

Daniel  ....  1095,  1607 

Daniels .  2541 

Danielsen  . 1444 

Dannemann . 1841 

Dansauer  .  .  .  1747,  2253 
Dantchakow  ....  847 

Dardenne . 489 

Danziger . 1583 

David . 2611 

Davids .  2499 

Davidsohn-Berlin  500,  1355, 
1413 

Davidsohn  C.-Berlin  184, 
1445 

Davidsohn  E.-Berlin  .  433 
Davidson  A.  -  Heidel¬ 
berg  .  2292 

Davidson  M.-London  .  1907 

Davies . 540 

Deahna . 1355 

Dean . 1906 

Deanesley . 688 

Debernardi . 687 

v.  Decastello  ....  1459 

Dedolph . 894 

Deetjen .  2055 

Deetz . 1792 

Dege .  2347 

Begle . 185 

Dehler . 779,  2134 

Dehne . 357,  1447 

Dehner . 175 

Deiaco . 1746 

Delageniere .  2307 

Delamotte . 1652 

Delbanco  .  1153,  1501,  2261 

Delbet .  244,  1651 

Delezenne .  2202 

Delhaye  ......  1747 

Delille  ....  1212,  1414 

Delitala .  2201 

Deloncle .  2206 

Delorme  ....  966,  1348 

Dembinski . 797 

v.  Dembowsld  ....  2293 

Democh .  2492 

Dencks-Rixdorf  .  .  .  1820 
Denks  H.  -  Hamburg  .  1891 

Deneke .  277,  1337 

Deneke  -  Magdeburg  .  1658 
Deneke  Th. -Hamburg  179, 
794,  1101,  1153,  7506 

Denier .  38 

Denker  843, 1198,1501,  1740, 
1796 


I 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XV 


Seite 

Dennert . 1199 

Denn  ig . 1336 

Pcnslow . 1896 

le  Dentu . 445 

D^page . 2307 

v.  Derera . 1142 

Descomps . -  1710 

Desguin .  2445 

Desnos .  2458 

Dessauer  1591,  1827,  1892 
Petermann  331,  634,  751, 

956, 1001, 1130,  1249,  1297 
Determeyer  .  .  .  75 2,  946 

Detherm .  2457 

Deussen . 2109 

Deutsch  A.-Frankfurt  .  2412 
Deutsch  J.-Kiew  .  .  .  2101 
Deutschländer  142,  390, 
721,  750,  904,  2506,  2610 
Deutschmann  564,  921,  1214, 
2506 

Devaux . 1745 

Dexler . 742 

Deyke  231,  1491,  2214,  2404 

Diakonow . 1189 

Diaz .  2059 

Dieffenbach .  2438 

Diem .  2001 

Dieminger .  2344 

Diering . 277 

Diesing  .  1094,  2248,  2253 

Diesselhorst .  2050 

Diestel . 332 

Dietrich  .  .  997,  1191,  2301 
Diotz-Goddelau  .  .  .  23Q 
Dieudonnd  90, 177,  275,  892, 
1947,2146,2205,2291,  2436 
Dieupart  .  .  .  482,  2437 
Dimmer  .  .  .  1903,  2292 
Dinkler  ....  1055,  1401 

Dionisio .  97 

Dirksen  . 

Ditthern 
Dittmar 
Dittmer  . 

Dittrich  . 

Dixon  A.-Fr. 

Dixon  W.  E 
2201,  2355 
Dmitrenko 
Doberauer 
Dobrowolski 
Dobson  .  . 

Doebbelin 
Doebert 

Döderlein  133, 

1196,  1300, 

2305,  2555 

Doegner . 277 

Doehle . 1013 

Dölger  .  k . 1525 

Dönitz  1598, 1791, 2159,  2163 

Doerfler . 15,  245 

Döring  G . 181 

Doering  H. -Göttingen  739, 
853,  1743 

Dornberger . 499 

Doerr  C. -Zürich  .  .  .  583 
Doerr  R.  -  Wien  134,  1298, 
2145 

Dofiein  ....  2241,  2291 

Doganoff . 1649 

Dogiel  .  . .  2056 

Dohan .  805,  806 

Dohrn . .  1834 

Dolan .  35 

Doll  .  1448,  2417 

Dominici . 966 

Don . •  .  .  1649 

Donath  .  .  536,  800,  1000 

Donati . 1348 

Donchin .  53 

Dony-HAnault  ....  2155 
Dopter  1 156, 1461,2052,  2458 

Dose .  2354 

Douglas  J.  S.  C.  .  .  .  745 

Douglas  S.  R . 1145 

Dowman . 845 


2206 
429 
276 
2625 
1741 
2396 
London  1616, 


...  848 
1495,  1803 
.  .  .  2646 
1695,  1696 
.  1745 
.  184,  1840 
963,  1195, 
1708,  1832, 


Seite 

Down . 1907 

Doyen . 1005 

Draghiscu  . 587 

Draudt  ....  1296,  1393 
Dreesmann  1993,  2259,  2507 

Drehmann . 684 

Dreifuss-Hamburg  684,  1473 

Drenkhahn . 2017 

Dreser .  2000 

Dreuw  . .  2444 

Dreybladt .  2546 

Dreyer  100 1,1605, 1751,  2455 
Dreyfus-Basel  .  .  .  484 
Dreyfus  G.-Heidelberg  1402 
Dreyfuss  G.  L.  .  .  .  1994 
Dreyfuss-FTamburg  141,  441 
Dreyfuss  G.-Giessen  .  381 

Drew .  489,  1412 

Driessen .  2048 

Ducroquet .  2391 

Dudgeon  .  539,  1412,  2555 

Dührssen . 848 

Düms  .  .  .  193,  696,  997 

Dunges  .  .  625,  1247,  1750 
Dürck  916,  1154,  1495,  2164 
Dufour  .  1461,  1710,  2059 

Dujarier .  2457 

Dumont  ....  350,  2059 

Dunbar . 2435 

Duncan  .  . . 899 

Dünger  .  .  438,  1799,  2100 
v.  Düngern  1390,  2317,  2395 

Dunker .  2445 

Dünn  .  . . 537 

Dupont . 948 

Dupuy .  2206 

Durig .  2057 

Durlacher . 365 

Dyrenfurth . 800 


E. 

Eber .  565,  1705 

Eberlein  . 806 

Eberhart . 1403 

y.  Eberts .  2397 

Ebner  ....  1792,  1872 
Ebstein  E. -München  .  179, 
180,  1675 

Ebstein  W.-Göttingen  281, 
796,  896,  942,  lo90,  2394 

Economo . 278 

Edobohls  ....  398,  1896 

Edens .  432,2191 

Eder . 539 

Edge . 1853 

Edgeworth  ......  336 

Edinger  .  .  339,  1402, 1609, 
2203 

Edington .  2200 

Edlefsen . 910 

Eggel . 482 

Eger .  2548 

Ehlers  Kopenhagen  .  2206 
Ehlers  H.  W.  E.- 

Göttingen .  2394 

Ehrendorfer  ....  33,  92 

Ehrenreich . 956 

Ehret .  2356 

Ehrhardt  801,904, 1265,  1442 
2344 

Ehrich . 1105 

Ehrlich  L . 1896 

Ehrlich  F.-Stettin  .  .  .  2245 
Ehrlich  J.-Frankfurt  .  2296 
Ehrlich  P.-Frankfurt  .  396, 
536,  1957,  2203 
Ehrlich  P.-Oesterreich  2541 
Ehrmann  434,  738,  1211, 
2502,  2556,  2595 

Eichel . 1394 

Eichelberg . 978 

Eichenberg . 910 

Eichholz . 777 

Eichler-Hamburg  .  .  .  1891 
Eichler  F.-Berlin  35,  1396, 
2395 


v.  Eicken 
1749 

Eiermann 

Eijkmann 


568 

.  .  .  2295 
1892,  2540 
.  .  .  2148 
.  .  .  1413 
.744,  1397 
.  .  .  235 
37,  770 


Seite 

738,  746, 1702, 

...  28,  1353 
.  .  .127,  433 
Einhorn  A.-München  .  1314 
Einhorn  H.-Wien  1250,  1568 
Einhorn  M.-New  York  34, 
685, 1447,  2101,  2248 
Einthoven  386,  387,  2056, 
2349 

v.  Eiseisberg  36,  532,  628, 
1412,  2207,  2209 
Eisenberg  .  . 

Eisenstadt  .  . 

Eisenstein  .  . 

Eisenzimmer 
Eisfeld  .  .  . 
v.  Eisler  .  . 

Eisner  .  .  . 

Eitner  .  .  . 

Ekehorn  .  233,  1188,  1796 

Ekelöf .  897,  1191 

Ekgren . 92,  2101 

Ekstein-Teplitz  .  847,  2240 
Ekstein  E.-Dresden  .  .  1995 
Ekstein  L -Oberhaid  .  2148 

Eider . 1393 

Elenevsky . 893 

v.  Elischer . 1197 

Ellenberger .  2000 

Ellermann  .  233,  1191,  2251 
Elliot  R.  H.  .  95,  385,  17l8 

Elliott .  2396 

Ellis . 1691 

Elmiger  ...  •  .  .  .  741 

Elmslie . 197,  1145 

Eloesser  ....  183,  2343 

Elsaesser . 2100 

Elschnig  ....  1900,  2620 

Elster .  2295 

Emanuel42,  439,  1609,  2451 
Embden  .  .  .  .955,  H00 

Emin  .  .  .  . 1736 

Emin  et .  2049 

Emmerich  .  .  .  .426,  2217 
Enderlen-Wtirzburg  (fr. 
Basel)  .  1545,  1872,  1888 

Enderlin . 1200 

Engel . 1388 

Engel-Düsseldorf  .  .  .  1953 
Engel  C.  S.-Berlin  .  1454 
Engel  H.-Bad  Nauheim- 
Heluan  1284,  2101,  2112, 
2234 

Engel  K.-Ofen-Pest  134,  743, 
1142 

Engclen . 2103 

Engelhard . 430 

Engelhorn . 277 

Engelmann  F.- Dortmund  626 
Engelmann  Th.  AV.-Ber- 

lin .  386,  2105 

Engelmann  V. -Ham¬ 
burg  ....  1409,  2506 

Engels . 1481 

Engländer  B.-Krakau  .  1892 
Engländer  M.-  Wien  92,  397 
Englisch  .  :  .  .  .  .  1442 

Engstroem .  2048 

Enslin .  2496 

Enthoyen . 174  t 

Entz . 434 

Eppenstein .  2495 

Eppinger . 896 

Epstein . 1104 

Erasmus  von  Rotter¬ 
dam  ......  .  1741 

ErbW.-Heidelberg  1401,  1526 
Erb  W.-Strassburg  .  .1143 
Erben  .  .  844,  2158,  2554 
Erdmann  .  .  .  .  671,  905 

Erismann .  2449 

Ernst . 1961 

d  Errico  .  19.56,  2056,  2202 

Escat .  97,  747 

Esau .  2442 

Esch  W.-Bendorf  .  .  131 


Seite 

Esch-Berlin . 381 

Escherich  628,  1648,  2008, 

2013,  2495 

Eschle . 735 

Eschweiler  .  .  .  235,  1259 

v.  Esmarch  .  .  .  997,  2401 

Espine .  2059 

d’Espino . 445 


12,  817,  998,  999 
.  .  .  1661 


Esser 

d’Este-Emery 
Ettingcr  .1192,  1746,2395 
Eulenburg  .  630,  1200,  1948 
Eulenstein 
Euler  .  . 


691 
646 
744 
1193 
1145 
1399,  2249 


85, 


915 


1506 

2492 

1743 

1442 

2611 

2505 

798 


Evans  .  . 

Evans  J.  ,T. 

Evans  AV.  IT 
Eve  .... 

Evelt  .  .  . 

Everke  .  . 

Evers  . 

Eversbusch 
Evler  .  .  . 

Ewald-Frankfurt 
Ewald  C.  Wien 
Ewald  C.  A. -Berlin  339,  807, 
1397,  1603,  2296 
Ewald  P. -Heidelberg  .  681, 
1001,  1093,  2293,  2327 

Ewen  Grosz .  2344 

Exner  A . 2195 

Exner  S.-Wien  .  .  .  2204 

Eysbroek . 1 745 

Eysell . 1748 

Eysselt . 433 


F. 


Faber  E .  2251 

Faber  K.-Koponhagen  1550, 
2251 

Fabian . 186 

Fabricius . 826 

Fabritius . 1796 

Fabry . 950 

Fagge . 489 

Fahr  636,  1008,  1445,  1501 
Fainschmidt  ....  1895 

Fairbank . 1908 

Falck  R.-ßreslau  .  .  334 
Falk  E.-  Berlin  2006,  2007, 
9950  9304, 

Falk  F.-Graz  277,  687,  1053, 
2493 

Falk  O. -Hamburg  .  .  2048 

Falkenstein .  2355 

Falkner  ....  277,  1192 
Falta-Wien  .....  955 
Falta  W.-Basel  ...  945 

Faltin . 181 

Fauconnet . 684 

Faulhaber . 1013 

Faure  .  549,  2308 

Faust . 585 

Fedeli .  2498 

Federmann  .  .  1296,  2063 
Federschmidt  .  1129,  1687 

Feer . 1961,  2147 

Fehling  .  .  379,  482,  1313 

Fehr .  2541 

Feichtinger . 1282 

Feiertag . 1296 

Feigl . 1819 

Feilchenfeld  TI.-Berlin  1192 
Feilchenfeld  L.-Berlin  1003, 
1004,  1608 

Feilchenfeld  W.-Char- 
lottenburg  .  .  36,  1341 

Feinen .  740,  1092 

Feiss . 944 

Feldberg .  2255 

Felgesträger .  2247 

Felici . 1002 

Felizetl . 244 

Felländer . 1796 


Seite 

Fellner  Br.  jun. -Fran¬ 
zensbad  .  .  .  895,  1052 
Fellner  L.- Franzensbad  333 
Fellner  O.  O.-Wicn  198,  586, 
1131,  1190,  1889 

Fels . 1298 

Fenton . 688 

Fenwick . 337 

Fenyvessy .  2245 

Fergus . 1193 

Ferguson . 1906 

Fermi .  1445,  1997 

Fernbacher . 1353 

Fernet .  445,  446 

Ferrari . 1955 

Ferrata  .  .  .  743,  894,  2245 

Ferrer .  2296 

Fertig . 1743 

Fessler . 1516 

Feuchtwanger  .  .  339,  389 
De  Feyva  .  .  •  .  .  .  2054 

Fiaschi . 1399 

Fibiger .  233,  334 

Fichera . 1002 

Fick-Prag . 1802 

Fick  J.-Wien  ....  738 

Fiedler . 231 

Filho  .  • .  2059 

Finck . 958 

Finckh  .  .  .  484,  500,  1458 

Findel . 1693 

Finger .  380,  433 

Fink . 899 

Fink  F.-Karlsbad  1094,  1745, 
2611 

Fink  L.  G.-England  .  1894 
Finkelnburg  .  .  2100,  2196 
Finkeistein  583,  1045,  1835, 
2557 

Finkler .  2050 

Finnemore . 1806 

Finoccliiaro .  2497 

Finsterer  .  182,  1647,  1952 

Fiorio . 1794 

Firth . 1143 

Fisch .  751,  896 

Fischei  A.-Prag  .  .  .1745 
Fischei  L.-Berlin  .  .  435 

Fischer  Th .  40 

Fischer-Berlin  .  .  434,  2498 
Fischer-Prag  ....  1802 
Fischer-Hamburg  .  .  1890 
Fischer-München  .  .  2111 
Fischer-Trier  ....  335 

Fischer- AVien  ....  1247 
Fischer  A.-Karlsruhe  1837, 
1940,  2243,  2540 
Fischer  B.-Bonn  .  565,  788 
Fischer  B.-Kiel  .  .  .  1751 
Fischer  E.-Berlin  .  .  2000, 
2644 

v.  Fischer  .T.-Ofen-Pest  743 
Fischer  J.-Wien  .  .  .  2344 
Fischer  K.-Graz  430,  1246, 
2438 

Fischer  K. -Fulda  .  .  174 
Fischer  Ph.  Uchtspringe2640 
Fischer  AV.-Königsberg  945 
Fischer  AV.-Marburg  .  2642 
Fischl  .  .  685,  2257,  2294 
Fischler  ....  1403,  1569 

Fish . 1907 

Fittig .  2293 

Fitzgerald . 385 

Flammer . 430 

Flatau . 633 

Flatau  Th.  S . 492 

Flatau-Berlin  .  .  .  .2158 
Flatau  S. -Nürnberg  393,  633, 
843,1105,1155, 1506,1691, 
2048,  2553 

Flateau  E.-AVarschau  .  133 

Flatten .  2402 

Fleckseder . 484 

Fleiner . 1961 

Fleischer  B.-Tübingen  499, 
1458,  1903 

Fleischer  F.-Berlin  .  .  1837 


XV 1 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Fleischer  M.  S.-Phila- 

delphia . 565 

Fleischmann  ....  955 

Flesch  H.-Ofen-Pest  1296, 
1447 

Flesch  M.  -Frankfurt  207, 
234,  339,  340,  2264 

Fletcher  W .  2250 

Fletschor  H.  N.  .  .  .  1650 

Fliess . 378 

Flörcken  430,  1394,  1443, 
1546,  1558,  1993,  2035 

Floyd .  2398 

Flügge  .  .  277,  1959,  2158 

Fluss . 2104 

Foa .  2201 

Foges . 1107 

Foerster  P.-Friedenau  .  1614 
Förster-Zürich  .  1200,  1201 
Foersterling  683,  806,  1394 

Fontana . 1955 

Fontsere  ......  1552 

Forchhammer  ....  897 

Forel .  1290,  1993 

Forgeot . 1412 

Fornct  432,  1297,  1471,  1568, 
2148 

de  Foronda . 1551 

Forschbach  J . 584 

Forssner  .  .  .  1493,  2539 
Förster  49,  2110,  2111,2412 
Forsyth  ....  1895,  1906 

Fossati .  2540 

Fournier  ....  52,  1348 

Fowelin .  2351 

Foxwell . 1650 

Frankel  L.  .  .  1495.  2394 
Fraenkel  M.  .  .  .  .  .  1647 
Fraenkel  A.  -  Badenweiler 
1603,  1661 

Fraenkel  A.  -Wien  36,  687, 
942,  2547 

Frankel  B.-Berlin  .  .  35 

Fraenkel  C. -Berlin  334,  1192 
Fraenkel  C.-Halle  17,  201, 
1446,  2449 

Fraenkel  E.-PIamburg  806, 
810,  1100,  1502,  1576 
Fraenkel  Fr.-Chemnitz  .  632 
Fraenkel  M.-Hamburg  1618 
Fraenkel  P.-Berlin  179,  339 
Frankel  S.-Wien  .  .  .  2537 


Fragale . 1955 

Franchini .  2497 

Franck -Wiesbaden  .  .  2490 
Franck  E.-Berlin  .  .  .  486 
Franck  O.-Flensburg  36,  247 1 
Francke  ....  427,  2272 

Frangenheiml393, 1600, 2195, 

2491 

Frank-Berlin  .  1791,  2205 
Frank  E.  R.  W.-Berlin  752, 

946,  2209 

Frank  Fr.-Köln  .  .  .  625  j  Frölich-Norwegen 
Frank  O  -Giessen  1956,  2956  Fromm  E.-Frankfurt 
Frank  R.  F.-New  York  847  Fromm  E.-München 
Frank  E.-Wien  .  . 


Seite 

Franze-Frankfurt  .  .  1100 

Fraser  E  T . 1398 

Fraser  J.  L . 1649 

Fraser  J.  S .  2395 

Frederieq .  2445 

Freer .  97 

French  H . 1145 

French  H.  S. -London  .  1661 

French  R.  E . 1694 

Frese  .  .  .  .  99,  512,  1904 
Freud  .  .  531,  1496,  1947 
Freudenberg  1009, 1968,2114 
Freudenthal  F.  II.  Würz¬ 
burg  . 1390 

Freudenthal-New-York  797 
Freund  A. -Reichenberg  2442 
Freund  E.-Wien  .  .  .  1996 
Freund  H.-Strassburg  2122 
Freund  LI.  W.  Strass¬ 
burg  . 2103 

Freund  L.-Wien  536,  592 
Freund  R. -Danzig  536,  830 
Freund  R. -Halle  240,  1405 
Freund  W.  A.-Berlin  .  2369 
Frey-Mühlhausen  .  .  2612 
Frey  E.-Jena  ....  2057 
Frey  G.-Bern  ....  96 

Frey  G.-Erlangen  .  .  2232 
Frey  G.-Lublinitz  .  .  384 
Frey  Gg.-München  .  .  1782 
Frey  H.-Wien  ....  2104 
v.  Frey-Würzburg  243,  2435 

Freyer . 1399 

Freytag  G.-München  .  317, 
1734,  1902 

Freytag  R. -Breslau  .  .  1050 

Friberger .  2543 

Frickenhaus  ....  2348 

Fricker .  260,  1792 

Friedberger  1549,  2050,  2197 
Friedel-Jena  ....  343 
Friedei  G.-Stendal  .  .  683 
Friedemann  848,  1192,  2414 
Friedenreich  ....  233 

Friedenthal . 279 

Friedjung  .  133,  699,  1094 

Friedländer  J.  -  Frank¬ 
furt  908,  1496,  1841,  1954 
Friedländer  R  -Berlin  .  690 

Friedmann-München  .  2034 
Friedmann-Strassburg  2356 
Friedrich  E. -Dresden  .  532 
Friedrich  P.-Greifswald  542, 
854,  1546 

Friedrich  E.  P.-Kiel  .  443, 
1442,  1751 

Friedrich  W.-Ofen-Pest  180, 
1496 

Fries . 1610 

v.  Frisch  32,  433,  687,  2103, 
2209,  2393 

Fritsch  894, 1298, 1442,  2302 
Froelich-Nancy 


Seite 

Fürstenau . 806 

Fürstenheim  .  1200,  2303 

Fürstner . 278 

Fürth  E.-Hamburg  .  .  2197 
Fürth  H.-Frankfurt  .  1200 
v.  Fürth  O.  .  .  2001,  2115 
Füster  ....  1903,  2195 
Füth  .T.-Koblenz  .  .  .  685 
Füth-Köln  1190,  1254,  1302, 
1344 

Fuhrmann . 229 

Fukala .  203 1 

Fukuhara .  2346 

Fuld-Berlin . 1454 

Fuld  A. -Mainz  .  334,  2049 
Funck  C. -Köln  1549,  1657 
Funck  M.-Belgien  .  .  1746 
Funk-Paris  .  ...  397 

Funke .  50 

Funkenstein  ....  1445 

Le  Für .  2458 

Furet .  97 

Fu8S . 742 

Futaki  M .  2050 

Fysche .  95 


1907. 

Gellhorn  1897, 

Seite 

2056,  2147, 

v.  Goessein  .  . 

Seite 

.  .  .  2001 

2528 

Göthlin  .... 

Gelpke  .... 

Goetz . 

Gengou  .... 

.  .  .  1747 

Goetze  .  .  . 

.  .  .  2449 

Genken  .... 

...  875 

Goggia  .... 

Gentzen  .  .  . 

Goldammer  .  . 

.  .  .  1890 

Georgi  .... 

...  943 

Goldberg  .  582, 

1294, 1555, 

Georgopulos 

...  131 

1837 

Gerard .  2460 

Gerber  96, 135, 743,  746, 1050 


G 


2206 

1295 

1001 


.  .  272 

Franke  E.-Altona  .  .  181 
Franke  E.-Hamburg  .  2495 
Franke  F.-Braunschweig  132, 
852,  1546,  1549,  1998 
Franke  F.  A.  E.-Ham- 
burg  .  .  590,  1902,  2117 
Franke  M.-Lembcrg  .  845 
v.  Frankenberg  .  334,  1142 
Frankenstein  .  1298,  2539 
Frankhauser  ....  280 
Frankl-Hochwart  .  .  1543 
v.  Franquö  535.  999,  1196, 
1301,  1344,  1757,  1709, 
1892,  2532,  2542 

Franz-Wien .  2205 

Franz  A.-Köln  ....  2200 
Franz  K.-Jena  333,  1303, 
1343,  1456 

Franze  P.  C.-Bad  Nau¬ 
heim  .  956,  1093 


2307 

2149 

1799 

49, 


75,  499,  1155,  1614 
Fromme  241,  741.801,  1059, 
1406,  2116 

Frommer .  93 

Frosch  .  1295,  1951,  2402 

Frühwald . 531 

Fuchs  A.-Breslau  277,  2439 
Fuchs  A.-Wien  .  .  .  1397 
Fuchs  J.  C.-Freiburg  .  2009 
Fuchs  R.  F.-Erlangen  1883 
1957 

Fühner . 1446 

Fülleborn  442, 497,  898,  2117 
2206,  2498 

Fürbringer . 433 

Fürnrohr  393, 624, 1105, 1506, 
1801,  2196 

Fürntratt . 135 

Fürst  C.-Graz  ....  1744 
Fürst  M.-Hamburg  .  .  383 
Fürst  Th.-Giessen  .  .  1091 


Gabbi . 

Gabrilowitsch  .  .  . 
Gabritschewsky  .  . 
Gaehtgens  1297,  1694,  1793 

Gärtner . 1446 

Gaffky  277,  1446,  2206,  2256, 
2402 

Gaidukov . 1504 

Galabin . 102 

Galeazzi .  2293 

Galewsky  41,  388,  435,  753 

Galland  .  2397 

Gallatia .  2440 

Galle .  2440 

Galli  225,  743,  748,  852, 
1401,  1561  2401 
Galli- Valerio  ....  2206 

Gallois .  2458 

Gambaroff . 1445 

Gandy . 1461 

Gange . 744 

Ganser .  120,  541 

Gantz  ......  746 

Garcia-Mansilla  .  .  .  2297 

Garhammer . 363 

Gardemin .  2541 

Garkisch  1047,  1604,  1756, 
2542 

Garnier .  37 

Garr£ .  942,  1442 

Garten . 1956 

Gaskell . 1908 

di  Gaspero . 1547 

Gasser . 1888 

Gast . 492 

Gaube .  2460 

Gaudiani . 630 

Gaudier .  2306 

Gaugele  ....  684,  1889 

Gaule . 428 

Gaupp .  443,  549 

Gauss  157,  183,  440,  1093, 
1344,  1406,  1495,  1969 

Gautier .  2457 

Gazert .  2341 

Gebele  .  .  533, 1087,  2551 
Geelmuyden  ....  1646 

Geese . H01 

Gehle .  2527 

van  Gehuchten  .  .  .  2445 
Geigel  459,  713,  796,  1141, 
1478,  1492,  1520,  1742, 

2337 

Geipel . 1057 

Geiser . 1601 

Geissler . 742 

Geist  .  .  .  230,  431,  894 

Gelbke . 493 


Gerdes  .  .  431,  999,  1045 

Gergö .  806,  2442 

Gerhardi .  2538 

Gerhardt  ...  43,  910 

Gerhartz  ......  1742 

Gerlach  Ch.-Nürnberg  1802, 
2553 

Gerlach  V.-Wiesbaden  946 

Germani .  2053 

Germann . 491 

Germonig . 586 

Gernert . 1802 

Gerönne . 131 

Gereon . 2611 

Gertz . 227 

Gersten  berg .  2007 

Gersuny  . 332 

Gessner  .  .  393,  642,  1849 

Getzowa . 1190 

Ghedini  ....  1002,  2149 

Gheorghiu . 587 

Ghiulamila  .  .  1605,  1743 

Ghon . 2159,  2198 

Giacoca .  2497 

Giani  .  2493 

Giarre .  2049 

Gibson  A.  G.  .  .  40,  2396 
Gibson  M.  J.  .  .  .  1839 

Giemsa  .  946,  2206,  2253 

Gierke  .  .  231,  775,  1100 
Gierlich  .  .  583,  1403,  2644 

Giese . 686 

Gieseler . 230 

Gigon  A.-Basel  .  945,  1645 
Gigon  A.-Wien  .  .  .  955 
Gilbert  A.-Paris  .  .  .  947 
Gilbert-München  .  .  1903 

Gilchrist . 1853 

Gildemeister  E  -Posen  429 
Gildemeister  M.-Strass- 
burg  ....  1106,  2202 

Giles . 1449 

Gillet . 806 

Gilli . 2194 

Gimlette . 540 

Gindes .  1296 

De-Giovanni  ....  274 
Girfard-Mangin  .  .  .  488 

Gironi .  2497 

Gittermann .  2395 

Glänzel . 211 

Glaessner-Berlin  .  750,  2610 
Glaessner  K.-Wien  966,  2494 
Glas  .  .  .  849,  1994,  2442 

Glaserfeld . 946 

Glaubermann  ....  1893 

Gley . 2155 

Glöckner .  92 

Glogner  . 1747 

Gluck .  852,  855 

Glücksmann  1010,  1309, 
1837,  2064 

Goadby . 1449 

Gobiet . 280 

Gocht . 683 

Godlee . 197 

Goebel . 2194 

Goebell  852,  904,  1009, 1612, 
1994,  2344 

Göppert  E. -Heidelberg  2202 
Göppert  J  -Kattowitz  .  2302 

Görges . 1909 

Görke . 958 

Görl  .  .  .  642,  1105,  1849 

Goerlitz . 2617 

Görner .  2383 

Göschei . 591 


2395 

74 


Goldenberg  .... 

Goldflam . 

Goldmann  E.-Freiburg  332, 
1245,  2161,  2501 
Goldmann  F.-Berlin  .  433 
Goldscheider  646,  895,  946, 
1007,  1507,  1951,  2495  ’ 

Goldschmidt  A.-  Mün¬ 
chen  . 1129 

Goldschmidt  B.-Berlin .  2252 
Goldschmidt  H.-Bcrlin.  243 
683,  1652 

Goldschmidt  R.-Berlin .  1341 
Goldschmidt  S.  -  Rei¬ 
chenhall  752,  1396,  2343 
Goldschwend  .  1045,  1954 

Goldsmith .  2250 

Goldstein  K. -Königs¬ 
berg  584,  1001,  1836,  2345 
GoldsteinM. -Rumänien  586 

Golgi  . 851 

Gomperz .  36 

Gonder  R.-Berlin  .  .  2295 
Gonder  Ii.-Rovigno  .  1446 

Goodal . 712 

Goos .  2206 

Gordinier . 1896 

Gordon  A.  K . 1449 

Gordon  G.  A .  2396 

Gordon  W . 336 

Gordon  A.-Philadelphia  1298 

Gorgas . 803 

van  Gorkom  ....  798 

Gorowitz . 2011 

Gossage .  39 

Gossner  . 1341 

Gottgetreu . 279 

Gotthilf . 1687 

Gottschalk  E.-Stuttgart  8ü5, 
806 

Gottschalk  S.-Berlin  .  1045 
Gottstein  Reichenberg  2293 
Gottstein  E.-Köln  796,  953, 
997,  1834 

Gottstein  G. -Breslau  .  2207 

Gougerot . 487 

Gourdvitsch . 277 

Gourewitscli  ....  2102 

Gow-ers . 538 

Goyanes  .  850,  1552,  2297 

v.  Györy .  2061 

Graanboom .  2059 

Grabowski . 1601 

v.  Gräfe . 1443 

Gräfenberg .  2644 

Gräffner  .  .  .  1558,  1775 

Graepel . 1297 

Graessner  ....  749,  943 
Gräupner  .  .  751,  848,  956 
Graf  P.-Kiel  1750,  2195,  2491 

Graf-Wien . 799 

Graff .  2241 

Graig .  2545 

Grancher . 146 

Grasemann  .....  2098 

Graser . 2163 

Grashey  680,  683, 1090, 1139, 
1848,  2291 

Grasmann .  2089 

Grassberger  .  .  .  230,  2198 
Grassl  .  .  334,  2049,  2295 
Grassmann  246,  276,  332, 
427,  645,  795,  975,  997, 
1045,  1158,  1337,  1358, 
1391,  1442,  1443,  1448, 
1492,  1544,  1790,  1834, 
1889,  2194  2242,  2290, 
2292,  2343,  2391,  2436, 


2490,  2539 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XVII 


Seite 

Grattan .  2545 

Graul  . 1306 

Graupner . 1151 

Gravagna .  2054 

Grawitz  E. -Berlin  793,  1014, 
1444,  2392 

Grawitz  P.-Greifswald  754 
Gray  .  .  .  745,  2556,  2620 
Greef  R.-Berlin  .  1443,  1902 
Greelf  1249,  1443,  1790,  1902 
Greeff  R.  .  .  .  1790,  2344 
Green  Ch.  L.  .  1144,  1398 

Green  T.  A . 490 

Gregor .  431,  834 

Gregory . 1993 

Griffith .  2555 

Grijns . 1793 

Grimm . 1890 

Grimme  .  .  ....  1822 

Grisson . 806 

Grober  .  .  1053,  1392, 1456, 
1833,  2392 

Groedel  II  Th. -Bad 
Nauheim  216,  1397,  2112 
Groedel  Fr.  III  Nau¬ 
heim  752,  805,  896,  1068, 
1493,  2112 

Grönberg  .....  .  1473 

Gröndahl . 1604 

Groenouw . 1298 

Gros-Algier . 539 

Gros  O.-Leipzig  .  .  .  1603 
Gross-Berlin  .  .  280,  2294 

Gross-Nancy  ....  948 
Gross-Petersburg  .  .  483 
Gross  E.-Prag,  1756,  2440, 
2493 

Gross  F.-Paris  ....  1498 
Gross  H.-Bremen  .  -  181 

Gross  L.-Liegnitz  .  .  231 
Gross  S.-Wien  .  1251,  1397 
Gross  W.-Harburg  a.  d. 

Elbe . 1236 

Grosse  175,  1548,  1849,  1990 

Grosskopf . 1441 

Grossmann  E  -  Frank¬ 
furt  389,  466,  1306,  2194 
Grossmann  E. -AVien  .  2348 
Grossmann  M. -AVien  .  1293 
Groth  1086,  1947,  2165,  2402 
Grotjahn  ....  380,  862 

Grouzdew . 1835 

Grube  H.-Hamburg  590,  2214 
Grube  K.-Bonn  .  .  .  2056 
Grube  K. -Neuenahr  .  1079 
Gruber  .  .  249,  2050,  2215 
Grünbaum  A.  S.  .  .  .  1560 
Grünbaum  D  .-Berlin  .  93, 

1210,  1340,  1397,  1648 
Grünberg  E. -Nord¬ 
hausen  . 687 

Grünberg  K.-Rostock  .1681, 
1797,  2193 

Grünberger . 1495 

Grünebaum  .  .  .  .  2601 
Grüneberg  B.-Altona  .  1452 

Grüneisen . 1835 

Grünewald . 920 

Grünwald  H.  F.  -AVien  844, 
2140 

Grünwald  H.-München  2446 
Grünwald  L.  -  Mün¬ 
chen-Reichenhall  .  330, 
482,  2429 

v.  GrütznerP.-Tübingen  179, 
1802 

Grund  133,  798,  1455,  1961 
Grunert  .  .  .  .  1151,  2141 

Grunewald . 730 

Gr  ummach  .  .  .  749,  806 

Grunow  . 491 

de  Gruyter . 279 

Gryns  .......  2104 

Grysez . 487 

Gualdi  .......  .  .  630 

Guasoni  ....  381,  1251 

Gubbi . 758 


Seite 

Gudden  ....  •  .  230 
Günther  Breslau  .  .  2586 
Günther-Togo,  2426,  2544 
Günther  A.-Berlin  279,  2246, 
2256 

Günther  O. -München  2061 

Günzler . 1003 

Gürtter .  2449 

Guörin .  39 

Gueyrat  . 644 

Guggenheim  ...  .  641 
Guglielminotti  ....  240 

Guimbellot . 487 

Guinard .  2458 

Guinon .  38,  948 

Guldberg  .....  .  898 
Guleke  682,1309,1791,  1835 
Gulland  ......  74  t 

Gullstrand . 1903 

Gundobin  . 1395 

Gunkel . 1009 

Gunnar . 1494 

Gunsett  .  .  .  •  .  .  2429 

Gurwitsch . 1186 

Gusinde . 492 

G  ut.br  od .  33 

Guth . 332 

Guthrie  C.  0 .  2201 

Guthrie  L.  G.  .  .  .  .  1661 

Gutiörrez . 850 

Gutmann  .  .  .  1192,  2105 

Guttmann . 1893 

Gutzmann  .  227,  492,  951 

Guy  A . 966 

Guy  AV .  2396 


H 

Haaland  897,1249, 1997,  2050 

Haase . 275 

Iiaasler  ....  854,  905 
v.  Haberer  429,  1011, 1046, 
2063,  2343 

Haberern  ....  36,  1647 
v.  Hacker  .  ...  36,  430 
Haeberlin  C.-Bad  Nau¬ 
heim  .  .  .  2088 

Häberlin-Zürich  583,  628 
Hackel  .  .  .  942,  1743 

Haecker  -  Greifswald  542, 
1993,  2077 

Haecker  R.-Marburg  .  2347 

Haedicke . 247 

Haendel  .  .  .  1495,  2541 
Haenel'  ....  388,  2503 

Haenisch  .  .  661,  806,  1652 
Haentjens  .  560,  2100,  2101 

Härting . 44,  45 

Haffner . 429 

Hagen  .  32,  814,  2118,  2648 
Hagenbach-Burckhardt  2293 
Hagenbach  E.-Basel  .  2343 
Haeer  398,  814,  1349,  1966, 
2205 

Haglund  .  .  .  1046,  2544 

HalinF.-Nürnberg  1104,  1964 
Hahn  G.-Jena  ....  1142 
Hahn  M.-München  129,  179, 
482 

Hahn  R. -Hamburg  .  .  1491 

Hahndel . 1549 

Hajek .  1144,  2443 

Haim  E.-Budweis  182,  322, 
893,  2148 

Haim-AVien . 846 

Haink . 198 

Haist . 1602 

Hake . 336 

v.  Hake . 277 

Haker . 1353 

Halberstädter  .  1496,  1694 

Halban .  2348 

Haid  .  .  1838,  1897,  2250 
Haldane  ....  337,  2060 

Hall .  1399,  1804 

Hailauer . 1903 


Seite 

Halliburton . 1838 

Hallopeau  ..  51,380,1660, 
1661,  1803 

d’Halluin .  2203 

Hamburger-Groningen  2154 
Hamburger  F.-AVien  .  254, 
1447,  1648,  1893 

Hamdi .  2493 

Hantel . 441 

Hammarsten . 1887 

Hamm .  429,  1797 

Hammer  B -Karlsruhe  2196 
Hammer  Fr.-Steben  .  373 
Hammer  K. -Heidelberg  998, 
1961 

Hammerl . 1113 

Hammerschlag  ....  1793 
Hammerschmidt  .  .  .  2246 

Hammesfahr . 1876 

Hansiewicz  .  ,  .  .  .  .  2531 

Hamonic .  2458 

Hanauer . 1142 

Iiandley . 1695 

Handwerck .  2332 

Hanke . 1904 

Hannecart .  2445 

Hannes  846, 1046, 1444,  1974, 
2066,  2294 

le  Hanoy  ....  .  2051 

Plans . 557,  1793 

Hansberg . 1656 

v.  Hansemann  .  1139,  1249, 
1309,  1446,  2556 

Hansen . 2194 

Hanstein . 1604 

Happe . 1903 

Harbordt . 495 

Harbitz .  2496 

Hardie . 337 

Häri . 1957 

IParland .  2398 

Harmer . 1994 

Harms .  1309,  1902 

Ilarnack  .  1018,  2557,  2636 

Harnet .  2200 

Harper . 336 

Harrison  L.  AV.  ...  95 

Harrison  AV.  S.  .  95,  2199 
Hart  1043,  1446,  1544,  2176, 
2248 

Hart  je  ....  2244,  2460 

Plartl .  895,  1893 

Hartleib  .  .  ....  1687 
Hartmann-Berlin  .  .  223 
Hartmann  Leipzig  .  .  2408 
Hartmann  O. -Kassel  .  739 

Plartmann  Fr.  AVilmers- 

dorf . 261 

Hartmann  H.-England  1694 
Hartmann  H.-Paris  .  .  482 
Hartmann  J.-Jena  .  .  1142 
Hartmann  M.-Berlin  .  1496 
Hartmann  A.-Berlin  996, 
1001,  1198,  1260,  1998 
Hartog  C.-Berlin  134,  1304 
Hartog  E. -Breslau  .  .  1787 

Hartwig . 1890 

Harvier .  2458 

Hasebroek . 1143 

Hasenfeld . 1002 

Hashimoto  .  .  .  739,  2491 

Haslund . 435 

Hasselbalch  .  .  .  233,  2050 

Hasslauer . 1897 

Hatsch . 277 

Hauber . 683 

Haudek  ....  232,  684 

Hauer  .  .  . 1959 

Haultain . 1650 

IPaun  .  .  .  .  2387 

Haupt . .  1744 

Hauschild . 1397 

Hauser  A.  Teplitz- 

Schönau . 185 

Hauser  G.  -  Erlangen  677, 

1016,  1391,  1455,  1644, 

2046,  2097 


Seite 

Hausmann  AV.  1443,  1957 
Hausmann  Orel  .  .  .  2344 

Ha  ward . 1805 

Hawkins . 1399 

Hay  A.  G . 1894 

Hay  J .  2396 

Hayem . 1644 

Heath  ....  1695.  2444 

Ilechinger . 1886 

Hecht  A.-Beuthen  .  .  502 
Hecht  A.  F.  AVien  947, 
1179,  1648 

Hecht  H.-München  130,  178, 
227,  915,  2291 
Hecht  V.-AVien  .  .  .2194 

Heck . 485 

Hecker . 493 

Hedenius . 1494 

Hedinger  E  -Bern  .  .  1445 
Hedinger  M.-Baden- 

weiler .  2020 

Hedinger  M.-Tübingen  1091, 
1831 

Hedren  .  1188,  1494,  2394 
Heermann  A. -Posen  .  486 

Heermann  G.-Kiel  1046,1504, 
2645 

Hegar  .  .  .  484,  2439,  2645 

Hegaur . 428 

Hegener . 1260 

Hegi . 1045 

Heiberg  ....  2347,  2532 
Heidenhain  L.- Worms  332 
Heidenhain  M.  -  Tü¬ 
bingen  .  890,  1090,  2341 
Heil  ....  330,  625,  626 
Heilbronner  382,  535,  2345 
HPeile  .  .  .  857,  1274,  1794 

Heilner . 1006 

PI ein i .  623,  2050 

Heim .  2542 

Heimann  1047,  2116,  2170 
Hein  .......  .  2007 

Pleine  B. -Königsberg  .  1694 
Heine  L.-Kiel  ....  2204 

Heine  O. -Dortmund  .  421 
Heineke  A.-München  327, 
795,  1091,  1962 
Heineke  H. -Leipzig  99,  534, 
545,  683,  1630,  1890 
Heinlein  .  642,  1457,  1506, 
2619,  2620 

IPeinricius  .  ...  1795 

Heintze .  2062 

Heiser . 1899 

Heitler . 2104 

Helbing  .  .  •  .  .  .  1849 

Helbron . 1548 

Helferich  1009,  1888,  2098, 
2145,  2193,  2341,  2491  - 
Heller-Stettin  ....  852 
Heller-Charlottenburg  950 
Heller  A.-Kiel  ....  1012 
Heller  J.-Berlin  1015,  1603 
Heller  O.-Bern  384,  1094, 
2100 

Hellesen . 232 

Hellier .  2443 

Hellin .  798,  1046 

Hellmann  .  .  .  1106,  2543 

Hellmuth . 2104 

Hellström . 181 

Helwes . 2100 

Helly-Böhmen  .  .  .  1802 
Helly  K.-AVien  1188,  1293, 
1690 

Hemmeter .  34 

HempelE .  2057 

Hempel  AV.-Dresden  .  2002 

Henderson . 1908 

Hengge  333,  678,  915,  1506, 

Henius . 997 

Henkel-Kiel  .  .  .  799,  1611 
Henkel  München  .  .  2534 
Henkel  M.-Berlin  999,  1197, 
1344,  1368 

Henkes . 1797 


Seite 

Henking . 1045 

Hennig .  492,  1340 

Henri . 274 

IPenrici . 1656 

Henschen  F . 1494 

Henschen  K. -Zürich  1189, 

1835,  1882 

Plensen  .  .  .  1207,  1751 

Herbert . 1907 

Herbst  H. -Barmen  .  2247 
Herbst  J.-Nürnberg  .1110, 
1964 

v.  Herczel . 335 

Herescu . 587 

Heresk .  2458 

v.  Herff  93,  893,  894,  1017, 
1303,  1406,  1998,  2147, 
2196,  2424,  2439 

Herford . 1453 

Herhold . 1889 

Hering  ....  2056,  2359 

Herling . 2310 

Herman  G.E.-London  244 
Hermann-Orel  .  .  .  894 
Hermann  L.-Königs- 

berg . 1187 

Heron . 1449 

Herrenknecht  .  .  .  .  2421 

Herring .  2201 

Herringham  .  .  .744,  1661 

Herrmann . 895 

Herschel  ....  693,  1250 

Hertel  .  . . 1901 

Herter . 1897 

Hertle . 1092 

Hertwig . 1089 

Herxheim  er  K.-Frank- 
furt  .  .  435,  1100,  1954 
Herxheimer  G.-AVies- 
baden  .  1341,  2045,  2644 
Herz  A.-AVien  .  2198,  2442 
Herz  E.-Rzeszow  .  .  628 

Herz  M  -AVien  .  .  787,  2198 

Herzberg .  2353 

Herzer . 382 

Herzfeld  A.-New-York  2048 
Herzfeld  A.-AVien  .  .  2146 
Herzfeld  E.  Berlin  .  .  2610 
Herzog  B.-Mainz  .  .  1648 
Herzog  H.-München  .  1544 
Herzog  H.-Solotliurn  .  1094 
Hess  C.-AVürzburg  490,  942 
Hess  L. -AVien  ....  2296 
Hess  O. -Marburg  .  .  1505 
Hess  W.-Frauenfeld  .  384 
Hess  AV.- Zürich  1590,  2225 

Hessdörfer . 1834 

Hesse  A  .-Kissingen  .  1052 
Hesse  E.- Düsseldorf  950, 
1738 

Hesse  E.-Leipzig  .  .  998 
Hesse  E.-Tübingen  .  1246 
Hesse  Fr.-AViesbaden .  1954 
Heubner  O.-Berlin  51,  130 
134,  196,  243,  332,  1359 
Heubner  AV.  Strassburg  796, 
1446,  2201 

Heuck-Berlin  ....  949 
Heuck-München  .  .  1963 
Hcucke .  2354 


Heusner  . 
v.  Heuss  . 

Heyde 
Hey  Groves 
Heymann-Dresden 


683,  1296 
943,  1291 

.  .  1640 

.  .  1449 
.  2198 


Heymann-Königsberg  381 
Heymann  B. -Breslau  .  1693 
Heymann  F.-Charlot- 

tenburg . 1745 

Heymann  P.-Berlin  743,1294, 
1797 


Heyn . 

.  .  .  278 

Heyrovsky  .  . 

.  .  .  536 

Heywood  .  .  . 

.  .  .  2248 

v.  Hibler  .  .  . 

.  .  -  1746 

Hichens  .  .  . 

.  .  .  1397 

Higgens  .  .  . 

.  .  .  1695 

3 


XVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Higier . 133 

HildebrandB. -Freiburg  439 
IlildebrandH.-Marburg  101 
Hildebrand  0. -Berlin  134, 
1001,  1442,  1692 
Hildebrandt  A. -Berlin  335, 
535,  1396.  1692 
Hildebrandt  H.-Halle  1219, 
1441,  1446,  2102 
Hildebrandt  W. -Frei¬ 
burg  . 310 

Hilgenreiner  .  .  178,  1601 
HilgermannR.-K  oblenz  2284 
Hilgermann  R. -Berlin  184, 
383,  2490 

Hill  Ch.  A .  95 

Hill  Griffith  ....  1907 

Hill  TV.  H.  P .  2397 

Hillenberg  .  .  1 73 7,  2350 

Hilliard  .  2556 

Hinshelwood  ....  1907 
Hinterberger  ....  1144 
v.  Hippel-Kassel  .  .  682 
v.  Hippel-Heidelberg  452, 
1385 

v.  Hippel  R.- Kaisers¬ 
werth  .  2438 

Hippius .  2248 

Hirsch-Freiburg  .  .  .2110 
Hirsch-Göttingen  .  .2111 
Hirsch  (/.-Leipzig  .  .  956 
Hirsch  E.-Nauheim  .  751 
Hirsch  M.-Kudowa  .  752 
Hirsch  M.-TVien  .  .  .  1646 
Hirschberg  A.  .  .  .  742 

Hirschberg  J.-Berlin  485, 
627,  1697 

Hirschberg  M.-Berlin  2248 
Hirschei  .  .167,  182,  430 
Hirschfeld  H -Berlin  944, 
13  4,1396,1649,1667,2197 
Hirschfeld  L.-Berlin  .  800 
Hirschfeld  M.-Berlin  .  1645 
Hirschstein  1410,1996,2102 

Hiss . 2101 

Hitschmann . 1046 

Hladik .  2205 

Hoche  R . 130 

Hoche  A.-Freiburgl402, 1994, 
2002 

Hoche  L.-Paris  .  .130,  397 
Hocheisen-Berlin  .  .  93 

Hocheisen  P.-Stuttgart  529 
Hochenegg  628,  1292,  1546, 
2193 

Hochhausl38, 401, 1102,2147 
Hochsinger  .  .  1061,  2210 

Hoddick .  2244 

Höher  ....  1542,  2055 

Höfler . 1 187 

Hoeftmann  .  .  .  634,  750 

Högström . 847 

Hoehl  . 632 

Hoehne  Fr.-Breslau  .  2296 
Hoehne  O.-Kiel  885,  1206, 
1408,  1611 

Hölker . 1836 

Höller . 1200 

Hölzl  . 1709 

Hönck . 580 

Hoennicke  .  543,  755,  2065 

Hoepffner .  2392 

Hoermann  K.-Mün- 
chen  333,  698,  1343,  1411, 
2049 

Hörmann  K.-München  2353 
HörrmannA  .-München  145 
v.  Hoesslin  872,  2100,  2183 
Hofhauer  Königsberg  799 
1344,  1405,  2U8 
Hofbauer  L.-Wien  743,1141 

Hofer . 1446 

Hoff . *.  333 

van't  Hoff . 1957 

Hoffa  534,  683,  750,  801, 
144?,  2307 


Seite 

Hoffmann-Breslau  .  .  1045 
Hoffmann  A.- Düssel¬ 
dorf  . 338 

Hoffmann  E.  -  Berlin  486, 
1305,  2050,  2159 
Hoffmann  E.  -  Düssel¬ 
dorf  .  750,  2610 

Hoffmann  E.  -  Greifs¬ 
wald  . 754 

Hoffmann  E.  -  Halle  .  801 
Hoffmann  F.  A.-Leipzig  112 
Hoffmann  H.-Leipzig  1981 
Hoffmann  R.-Dresden  1260 
HoffmannR.-München  2276, 
2334 

Hoffmann  W.  -  Berlin  1190 
Hoffmann  TV. -Heidel¬ 
berg  . 343 

Hofmann  A.-Giessen  .  2255 
Hofmann  A. -Karlsruhe  421 
958,  1189,  1686 
Hofmann  F.  B.- Inns¬ 
bruck  .  2203 

Hofmann  J.-Bad  Nau¬ 
heim  . 957 

Hofmann  M.  -  Graz  739, 
846,  1246,  2438 
Hofmeier  687,  740,  1699, 
1700,  2379,  2452 
Hohlfeld  1845,  2008,  2049 
Hohmeier  .  .  ,  1452,  2036 
Hoke  585,  627,  687,  845, 
1211,  1709,  2148 

Holabut . 1996 

Holcomb .  2545 

Holland . 1393 

Holländer .  47 

Hollos .  2540 

Holmes .  40,  386 

Holst  A.  .  .  .  1605,  2149 

Holst  P.  F . 795 

Holst  F.-Berlin  .  .  .  460 
v.  Holst-Dresden  583,  847, 
1892 

Holt . 229 

Holthusen . 1748 

Holzapfel  33,  1303,  1504, 
1750,  1751 

Holzbach  E.  -  Düssel¬ 
dorf  . 1228 

Holzbach  E.-Heidelberg  133, 
333 

Holzknecht  628,  805,  920, 
2208 

Homburger . 1553 

Homeyer . 1345 

Honigmann  F.-Breslau  1003, 

1769 

Honigmann  G.  G.-Wies- 

baden . 951 

Hopf  .  .  - .  2098 

Hopmann  II  .  238,  1653 

Hoppe  A.-Pfullingen  .  230 
Hoppe  E.  F.-Allenberg  1836 
Hoppe  J.  Uchtspringe  2640 
Hoppe  -  Seyler  280,  1013, 
1442 

Horder . 1853 

Horn  .  .  1611,  1703,  2394 
Horner  ....  1048,  2348 
Hornung  .  574,  1531,  2392 
v.  Horoskiewicz  1004,  1840 


Horowitz 
Horrocks  . 
Horsley  .  . 
Horst  .  .  .  • 
Hosch  .  . 
Hotz  .  .  . 
Hotze  .  . 
van  Houtum 
Houston  . 
Honig  .  .  , 
v.  Hovorka  , 
Howard  .  .  , 
Howell  .  .  , 


Huber-Kaiserslautern  .  1783 


Huber  Meran 


2000 
...  540 
1651,  2609 
.  .  .  2612 
2189,  2195 
.  .  .  2293 
.  .  .  797 
.  .  .  2054 
.  .  .  1906 
.  .  .  2054 
.  .  .  1144 
.  .  .  1399 
1805,  2250 


.  8408 


Seite 

Huber  A.-Zürich  .  .  .  204 

Huber  J.  C.-Memmin- 
gen  944,  1292,  1790,  1887 

Hubrich . 2119 

Hudleston .  95 

Hudson  .  2444 

Hübener  .  .  .  1094,  2295 
Hübner  Bonn  ....  2345 
Hübner  A.  H.-Berlin  .  584 
Hübner  H.- Frankfurt  434, 
949,  1799 

Hübscher . 684 

Huebschmann  ....  847 

Hüne .  1297,  1693 

Plueppe .  183,  2050 

Hürlimann . 1746 

Hiirthle . 2105 

Hüssy . 1296 

Hueter  811,  906,  1098,  1205, 

1744,  2261 

Hufeland . 276 

Hug . 1750 

Huguenin .  2348 

Hubs .  34,  625 

Huismans  .  .  .  338,  957 

Hultgren . 1495 

Hummer . 550 

Hunt . • .  2155 

Hunter-London  1852,  1906, 

2545 

Hunziker . 945 

Huss . H9i 

Hutchinson  385,  1650,  2556 
v.  Hutten-Czapski  .  .  1158 

Hutyra . 1295 

Hymans  Y .  2541 


J. 

Jackson . 1908 

Jacobaeus  .  .  1494,  2050 
Jacobi  C. -Göttingen  .  134 
JacobiE. -Freiburg  380,  1491, 
1932,  2098 

Jacobitz . 895 

Jacobsohn-Berlin  749,  997, 
1559 

Jacobson . 687 

Jacobsthal  .  .  1394,  2490 
Jacoby  C.-Göttingen  .  1998 
Jacoby  S.-Berlin  .  .  .  1009 
Jacques  ....  37,  1797 

Jacquet . 1660 

Jacub . 847 

Jadassohn  .  .  .  280,  380 
Jäckh  ....  1296,  1743 
Jaeggy  ....  1835,  2460 

Jähne . 1232 

Jaffd  M.-Frankfurt  .  .  2048 
Jaffd  R.-Hamburg  383,  892, 
1336,  1789,  1832  2301 

De  Jager . 387 

Jagic . 1497 

Jahnke . 631 

Jahr . US! 

Jahrmärker . 1815 

Jakobi . 1395 

Jakobsthal . 1692 

Jakoby . 1408 

v.  Jaksch  951,  969,  1604, 
1709,  1888,  2554 

James . 1 1 93 

Jameson . 689 

Jamieson  J.  K.  1695,  1696 
Jamieson  TV.  A.  .  .  .  1192 
Jamin  240,  753,  956,  1140, 
1441 

Janet . 1652 

Jankauer .  2251 

Jannsen  ....  .  2437 
Janowski  796,  896,  1146, 
2099,  2296 

Jansen . 1341 

Jansens . 230 

Janssen . 277 

•Tanssen  P.  Düsseldorf  657 


Seite 

Japelli . 1999 

Jacquet  . 749 

Jardini  ....  1795,  1853 

Jaschke  . 1950 

Jaster .  277,  1951 

Jastrowitz .  2494 

Jatta . 895 

de  Ibarra .  2297 

Ideler . 1909 

Idelsohn . 1000 

Jeanbrau .  2357 

Jeanselme . 1613 

Jehle  134,  592,  844,  1648, 
2354 

Jellinek  ....  238,  1140, 
2442 

Jenckel  .  .  .  1743,  1993, 
2491 

Jensen  J . 1550 

Jensen-Kopenhagen  .  1600 
Jensen  0.  O. -Kopen¬ 
hagen  ....  233,  334 
J ensen  V.  Kopenhagen  2251 

Jentsch . 1691 

Jerinici . 587 

Jerusalem  .  ...  2554 

Jesionek  428,  582,  738,  1090, 
1492,  1536 

Jevers . 1398 

Jezierski . 896 

Igersheimer . 1904 

Jianu .  586,  1095 

Ikeda . 2106 

Hieff .  2546 

llloway . 685 

Imbeaux .  2449 

Imbert . 1498 

Imhofer  .  .  332,  1095,  2620 
Immelmann  749,  751,  806, 
848 

Imperati . 1252 

Inagaki  ....  2056,  2105 

Ingelfinger .  2490 

Ingram . 2254 

Joachim  A.-Berlin  .  .  1544 
Joachim  H.-Berlin  .  .  1544 
Joachim  G.-Königsberg  486 
796,  2609 

Joachim  J.-Puckersdorf  94 
Joachimsthal  677,  684,  1789, 
2259 

Joal .  97 

Joannovics .  2347 

Job . 487 

Jochmann  G.-Berlin  .  957 
Jochmann  G. -Breslau  997, 
1018 

Jochner . 2512 

Jodlbauer . 1598 

Johannessen  .  2059,  2302 
Johnson  A.  E.  ...  1696 
Johnson-Osnabrück  .  35 

Jollasse  1205,  1346,  1409, 
1424 

Jolles  ....  1294,  2003 

Jolly  J . 179 

Jolly  W.  A.  .  .  1398,  2201 
Jolly  R.-TVien  ....  1046 

Joltrain . 644 

Jonas . 628 

Jones  H.  L.  .  1193,  1349 

Jones  M .  2555 

Jones  R . 538 

Jonescu-Mihaesci  .  .  1666 

Jooss .  2209 

Jordan  A.-München  .  1599 

Jordan  J.  F . 689 

Jordan  O.  -  Heidelberg  342 
497,  687,  853,  2011 

Jordansky .  2546 

Jores  879,  1056,  1248,  1751, 
25C6 

Jorns .  2346 

Joseph-Berlin  ....  2205 
Joseph  E.-Berlin  .  .  1296 
Joseph  G.-Berlin  .  .  687 


Seite 

Joseph  J.  Berlin  .  .  2541 
Joseph  M.-Berlin  701,  950 
1048,  1397 

Joseph  S.-Berlin  ...  895 

Josephson . 1340 

Jottkowitz .  2438 

Joung . 101 

Joyeux . 488 

Ipsen  .  435/1184 

Isaac . 1007 

Iselin  ....  1393,  1837 
Isemer-Halle  ....  23 

Isemer- Leipzig  ...  49 

Ishiwara . I74ß 

Ishizaka .  1996" 

Israel  1009,  1210,  1559,  1651 

Isserlin . 1332 

Ito .  2195,  2491 

Ittameier . 1640 

Juarros .  2297 

Jürgens  .  .  184,  1645,  1953 

J  uliusberg . 439 

Jundell . 1493 

Jung  ....  93,  754,  1343 

Jungano .  2458 

Junger .  2354 

Junker . 132 

Juracz  .  . . 1447 

Jurkiny . 1496 

Jusölius .  2544 

Jusserand .  38 

Iwai .  2545 

Izar .  279,  1142 


K. 


Kader .  36 

Kaehler . 1794 

Kämmerer  1437,  1916,  2164 

Kärn . 232 

Kaessmann .  2294 

Kaestle . 1085 

Kahane . 1001 

Kahn-Paris . 2199 

Kahn  H.  R  -Prag  1956,  1999 
Kaiser  M.-Graz  .  .  .  432 
Kaiser O.-Dresden  2196,  2355 

Kaiserling . 184 

Kalb . H24,  1792 

Kallionzis . 1652 

Kallmorgen . 961 

Kalmus . 135 

Ivamann . 1404 

te  Kamp  ....  687,  1341 

Kan .  2349 

Kanavel . 1891 

Kan  der . •  .  1750 

Kanitz-Ivlausenburg  .  435, 
950,  2556 

Kanitz  A.-Bonn  .  .  .  1957 
Kannegiesser  ....  1647 

Kaposi . 130 

Kapp . 1310 

Kappeier . 1546 

Kappers .  2647 

Käppis .  881,  1742 

Ivapsammer  2103,  2207,  2347 

Karaki .  2539 

Karamitsas .  2546 

Karcher  ....  1250,  1447 

Karehnke . 1738 

Karewski  .  348,  855, 1048, 

1496 

Karlinski .  37 

Karplus . 1336 

Karrer . 195 

Karschulin .  2348 

Kasai . 1983 

Kasch . 750 

Kast-Berlin . 483 

Käst  L.-New-York  .  .  1048 

Kastl . 915 

Käthe  894,  1554,  1904,  2441 

Kätscher . 334 

Kattwinkel . 2196 

Katz  Berlin . 437 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XIX 


Seite 


Ivatz  L.-Kaiserslautern  1501 
Katzenellenbogen  .  .  2055 


Katzenstein . 1 19  L 

Kauders . 397 


Kauffmann-Betlin  .  .  1047 
Kauffmann  M.-Halle  .  756, 
1844,  2185 

Kaufmann-Wien  1889,  1893 
Kaufmann  C.-Ziirich  .  2193 
Kaufmann  E.- Göttin¬ 
gen  .  2097 

Kaufmann  F.-Ulm  .  .  1608 
Kaupe  W.-Bonn  .  .  .  1739 
Kaupe  W.-Dortmund  .  1036 
Kausch  430,  691,  798, 1009, 


1010,  1045,  1141,  1268, 

1443 

Kautzsch .  2000 

Kaya .  2394 

Kayser-Leipzig  .  .  .  913 

Kayser  H.  F. -Frank¬ 
furt  . 799 


Kayser  H. -Strassburg  1078, 
1297 


Kazneison . 1999 

De  Keäling  Heart  .  .  1804 
De  Keersmaeker  .  .1747 

Keetley .  2250 

Kehr  J.-Halberstadt  .  679 
Kehr  F -Stettin  .  .  1740 
Kehrer  E.- Heidelberg  626, 
1406 

Kehrer  F'.  A.-Heidel- 

berg .  257,  277 

Keilmann . 799 

Keimer . 1496 

Keith . 386 

Kellas  ........  39 

Keller . 1691 

Keller  H.-Berlin  .  .  .  1446 


Keller  A.-Magdeburg  .  1547, 
2059,  2440 

Ivelling  ....  2064,  2114 
Kellner  ....  1345,  2403 
Kelsch  ....  244,  644 

Kelly . 336 

Kemp .  2246 

Kempf . 1046 

Kemsies  .  ..  .....  1200 
Kendirdy  ....  947,  2053 

Kennedy . 540 

Kentzler  .  1745,1997,  2296 

Kenwood . 1853 

Kenyeres  .  .  .  2247,  2350 
Kenzo  Futaki  ....  249 

Ker .  2200 

Kermauner  1142,  1339,  1647, 
1836,  2439,  2539 

Kermorgant^ . 644 

Kern . 229 

Kerner . 684 

Kernig .  2609 

Kerp .  2297 

Kerr . 1853 

Kerschensteiner  379,  795, 
1138 

Kerslen .  2248 

v.  Ketly . 133,  231 

Ketterer .  2200 

Kettner . 845,  1603 

Ketz . 1711 

Keuthe . 848 

Key . 1795 

Keyes . 1896 

Keyserlingk . 1395 

v.  Khautz  .  .  .  .487,  849 

Kiar . 1550 

Kieffer .  2051 


Kielleuthner  .  .  1544,  1599, 
2207 

Kienboeck  950,  1293,  1427, 
TI1459,  2208 

Kiessling . 695 

Kiliani . 886,  1112 

Killian  ....  1245,  1702 

Kilvington  . 1695 

Kimla . 686 


Seite 

Kimmle . 997 

Kindl . 1495 

Kindler . 565 

King  G.-New-Orleans  .  746 
King  W.  W.-Chicago  .  2398 

Kinghorn . 486 

Kinichi  Naka  .  .  229,  741 

Kinoshita . 898 

Kirchgässer .  2490 

KirchhofE . 1758 

Kirchner  277, 630, 2195,  2256 

Kiriac . 232 

Kirkland .  2444 

Kirmisson  244,  487,  549, 
1757,  2307 


Kisch  E.  H.  752,  1297,  2291 

Kisch  H.  A .  2444 

Kisch  F.-Wien  ....  2105 

Kishi . 1050 

Kisskalt .  2449 

Kitamura .  2437 

Kitasato . 899,  2206 

Klapp  R.-Bonn  17,1794,  1832 

v.  Klapp . 2163 

Klare . 1840 

Kliao  904.9 

Klauber  845,  893,  i986’  1993 

Klausen .  2344 

Klaussner . 1546 

Klebs  .  .  .  339,  2355,  2450 

v.  Klecki . 1954 

Klein . 1951 


Klein  L.-Mähr.-Ostrau  1835 
Klein  A.-Amsterdam  .  183 
Klein  C.-Hamburg  .  .  1954 
Klein  G.-München  .  .  914, 
1088,  1444,  1793 
Klein  J.-Strassburg  .  .  433 
Klein  S.-Wien  .  .  .  433 


Kleine .  34 

Kleinhans  .  .  .  1460,  2649 
Kleinschmidt  P.- Char¬ 
lottenburg  . 947 

Kleinschmidt  Th. -Mün¬ 
chen  . 1506 

Kleist . 1844 

Klemm-Riga . 1546 


Klemm  R.-Dresden  .  2048 
Klemperer  F.-Berlin  .  646, 
807,  1045, 1052, 1250,  2494 
Klemperer  Gg.-Berlin  .  349, 
797,  954,  1454,  1558 

Klien . 799 

Klieneberger  C.- 

Königsberg  843,  845, 1091, 
1330,1492,2198,2347,2588 
Klieneberger  O.  L.- 
Greifswald  .  .  .  2295 

Klieneberger  W.-Wien  794 


Klier  . 1095 

Klimont . 378 

Klimmer . 140 

Kling . 1494 

Klinge . 1190 

Klinger . 1297 


Klingmüller  345,  1554,  1555 
Klocke  ....  627,  1192 

Klopstock . 847 

Klose  B.-Berlin  .  .  .  687 
Klose  H.-Strassburg  94,  483, 
1250 


Klotnitzky .  2546 

Klotz . 1995 

Klug .  36 

Knade . 1957 

Knaggs . 2199 

Knapp  A . 275 

Knapp  Halle  a.  S.  .  .  382 

Knauer  ....  1403,  2642 

Knauth .  486,  1128 

Knell .  2298 

Kner . 1250 

Knobel .  2343 

Knoepfelmacher  .  547,  2257 

Knoke . 2195 

Kob . 1395 


.  2493 
680, 1094, 


Seite 

Kobert  .  .  1144,  1292,  1442 

Kobler . 1293 

Kobrak . 1159 

Koch  W . 1001 

Koch-Hongkong  .  .  .  2545 
Koch  C.-Nürnberg  .  .  591 
Koch  Fr.-Berlin  .  .  .  1202 
Koch  H. -Nürnberg '.  .  1104 
Koch  Rob.-Berlin  .  35,  184, 
1893,  2395 
Koch  W.-Freiburg 
Kocher  .  .  .  535, 

2145 

Kochmann .  2201 

Kocks .  33,  1602 

Köhl .  628,  2348 

Köhler .  958,  1062 

Köhler  A.-Berlin  .  .  .  1837 
Köhler  A.-Wiesbaden  .  806, 
1008,  1491 

Köhler  E. -Altona  .  .  1732 
Köhler  F.-Holster- 
hausen  .  797,  1004, 1312, 
1686,  1740,  1788,  1790 

Kölichen . 133 

Kölliker  .  .  229, 807,  855 

Koellreutter . 1050 

Kölpin .  278,  2295 

König-Kiel .  2050 

König  Fr.-Altona  681,  905, 
958,  1153,  1392,  1409, 1453, 
1602,  1792,  2113 
König  F.-Berlin  .  .  .  1602 
König  F.-Jena  ....  942 

Königshöfer . 1352 

Königstein  .  .  .  588,  2106 

Koeppe . 1836 

Koppen . 12o7 

Koerber  . 1952 

Körner .  942,  1850 

Körte  .  .  .  532,  679,  1837 
Köster-Hamburg  .  .  1200 
Köster  G, -Leipzig  1492, 1555, 
1556,  2003 

Koether .  2544 

Kofmann  .  998,  1473,  1891 

Kohlhardt . 1844 

Kohlbrugge  .  .  2206,  2498 
Kohn  .  396,  582,  632,  646, 
1203,  1305 

Kohnstamm  .  .  1402,  2157 

Kok .  2454 

Kokoris . 185 

Kolaczek  .  .  354,  433,  947 
Kolb  K.  München  91,  368, 
1950,  2194 

Kolb  R.-Dresden  .  .  2494 

v.  d.  Kolk . 230 

Kollarits  .  .  .  1493,  2105 
Kolle  277,  1690,  2050,  2402 
Kolle-Pfeiffer  ....  2205 

Koller-Aeby .  2048 

Kollmann . 579 

Kolster . 1337 

Koning . 1049 

Konrad  ....  1000,  1647 
Konstantinowitsch- 

Prag . 532 

Konstantinowitsch  W.- 

Leipzig . 686 

v.  Konstantinowitsch .  135 

Konto . 1956 

v.  Koos .  2049 

Kopfstein . 582 

Kopits  ....  10p3,  1473 
Kopp  ...  91,  2490,  25  8 

Kopsch . 530 

Koraen . 1796 

Korff  B. -Freiburg  .  .  35 

v.  Korff  K.-Kiel  ...  343 
Kornfeld  ....  230,  383 

Korschelt  . 1740 

Korschun  S. -Berlin  1249, 
1693 

Korschun  S.-München  1249 

Kos . 1497 

Kossel  A.-Heidelberg  .  1957 


Seite 


Kossel  II.-Giessen  2050, 2206 
Kossmann  .  .  .  .91,  504 

Koster .  2349 

Kothe  335,  1649,  1792,  1891 
Kottenhahn  ....  814 
Kottmann  .  .  .  627,  1250 

Kotzenberg  739,  905,  1890, 


1891 

Kouwer . 387 

Koväcs . 431 

Kowalewski . 849 

Kownatzki  .  .  ...  1923 


v.  Koziczkowsky  .  .  743 

Kraemer  .  .  .  2005,  2008 

Kräpelin . 2215 

Kraft  E.-Kissingen  .  1J85 
Kraft  H.-Strassburg  .  50 

Kraft  J.-Nürnberg  1801,  2553 
Kramer  G.  F.  R.-Kiel  1504 
Kramer  P.-Breslau  .  1001 

Kramm . 1050 

Kraske .  962,  1702 

Kraus  Berlin  ....  2451 
Kraus  A.-Berlin  .  .  .1693 
Kraus  A.-Prag  434,  2262, 
2442,  2542 

Kraus  E.-Teplitz  .  .  .  1054 
Kraus  F.-Berlin  797,  1202, 
2112,  2260 

Kraus  J.-Nürnberg  1105, 
1210,  1849 

Kraus  R.-Wien  687,  1397, 
2146,  2160,  2348 
Krause-Berlin  1748,  2206, 

2498 

Krause  Hannover  .  .  2437 
Krause  F.-Berlin  951,  965, 
1010,145s,  1459, 1548,  2 107 
Krause  M. -Berlin  432,  1603, 
2253 

Krause  P.-Berlin  .  .  .1745 
Krause  P.-Breslau  .  .  806 
Krauss  H. -Daressalam  2044, 
2488,  2603 

Krauss  W.-Marburg  18,  101, 
390,  1902 

Kray  er . 812 

Krebs .  333,2211 

ICrecke  32,  48,  345,  482,  531, 
698, 1186, 1442,  1491, 1543, 
2145,  2193,  2537,  2606 

Krehl .  50,  795 

Kreibich  185,  1143,  1649, 
2103,  2198,  2252,  2442, 
2542,  2555 

Kreidl . 2f01 

Kren .  949,  1604 

Krencker  ....  264,  209  i 
Kretschmann  697,  746,  1275 
23v>5 


Kretschmer . 2111 

Kretz  429,  547,  2437 
Kreuter  .  .  415,  633,  1408 
Kreuzfuchs  .  .  •  .  .  849 

Krieg . 390 

Kriegei . 380 

Krieger .  384,  1396 

v.  Kries . 2104 

Kritz . 1845 

Kroemer  381,462,1254,  1343, 
1745,  2196,  2645 
Krönig  439, 1142,  1969,  1998, 
2U08 

Krönlein  .  .  181,  532,  680 


Krogh . 20ol 

Krogius ....  1951,  2195 

Kroh . 1647 

Krohn . 1740 

Krohne  . 429 

Krokiewicz . 1298 

Kromayer  21,  196,  334,2612 

Krompecher .  2045 

Krone . 129 

Kronenberg . 1656 

Kronfeld .  2348 

Kronheimer . 1105 

Kronthal  ....  278,  800 


Seite 

Kroph-Innsbruck  .  .  532 

Kroph-Wien . 883 

Krückemann  ....  624 
Kruckenberg  .  •  .  .  2302 
Krüger  H.-Jena  .  .  .1813 


Krüger  W. -Magdeburg  812 
Krueger-Togo  .  .  184,  898 


Krüger  F.-Tomsk  .  .  1957 

Krug .  2636 

Kruigger .  2539 

Krukenberg . 1200 

Krummacher  ....  1035 
Kruse  .  .  486,  536,  2246 

Krusius . .  .  640 

v.  Kryger . 633 

Krzizan . 183 

Kubo . 135 

Kuckro  .  .  .  .  2238 

Kudlek . 1393 

Kübler .  2354 

Kühne  .  .  892,  1003,  2157 
Kühner  ....  •  •  .  2438 


Külbs  Fr.-Iviel  .  .  962,  997 
Külbs-Wien  .  .  .  135,  185 

Kümmel . 942 

Kümmell  533,  852,  942,  1008, 
1059,  1198,  1345,  1891, 
2207 

Kürbitz  ....  2345,  2345 

Kürt . 1746 

Küster  E.  -  Freiburg  1100, 
1140,  1571,  2245.  2437 
Küster  E.  F.-Marburg  533, 
855,  1600,  2207  2437 

Kuhn  . 1462 

Kuhn  F.-Kassel  806,  958, 
1646,  2005,  2064,  2483 
Kuhn  E.  -  Berlin  933,  782, 
1713 

Ivüstner  .  .  .  .846,  1299 
Küttner  H.-Marburg  393, 852, 
853,  1443 

Küttner  S.-St.  Peters- 


bürg  .... 

2000 

Kuliabko  .  .  . 

2202 

Kuliga  .... 

34 

Kundrat  .  .  . 

333 

Kunin  .... 

2545 

v.  Kunowski  . 

•  •  • 

894 

Kuntsch  .  .  . 

2304 

Kuppenheim  . 

•  . 

626 

Kurdinowski  . 

.  333, 

1340 

Kurpjuweit  1297. 

,  1951, 

,  2246 

Kurthi  .... 

2546 

Kurzak  .... 

187 

Kurzwelly  .  .  . 

1602 

Kuss . 

2457 

Kusumoto  .  . 

997 

Kuthy  .... 

483 

Kutner  Breslau 

231, 

278, 

997,  1001 

Kutner  R.-Berlin 

.  , 

2355 

Kutscher  333,  i 

565, 

2103, 

2146 

Kuttelwascher  . 

•  •  • 

2542 

Küttner  .... 

2248 

Kynoch  .... 

2048 

Kyrie . 

950 

L. 


Labbe  .  1347,  1710,  2456 

Labhardt .  93 

Lacomme .  2449 

Lacroix  .  .  .  •  .  .  .  1200 

Laehr .  94 

Läwen .  485,  534 

Lafay  . .  2252 

Laignel-Lavastine  947,  2051 

Laitinen .  2347 

Laker . 738 

Lamann . 746 

Lambkin .  2444 

Lampe . 904 


3* 


XX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Lamy . 2405 

Lancereaux  244,  445,  700 

Landau . 1448 

Landesmann  ....  1141 

Landgraf! . 1149 

Landmann . 483 

Landois  ....  134,  1703 

Landolfi . 629 

Landolt . 1907 

Landsteiner  433,  2159,  2142 

Landstrom . 999 

Landwehr  ....  668,  1891 

Lane . 1839 

Lang  H.  K. -Würzburg  1922 
Lang  H.- Erfurt  .  .  .2495 


Lange-Hamburg 


341 


Lange  B.-Strassburgi.E.  750, 
2610 

Lange  C. -Dänemark  .  1550 
Lange  F.-München  90,  654 
677,  684,  834,  996,  1153, 
1473,  1691,  1789,  1833, 
1888,  2307,  2397,  2644 


Lange  J.-Leipzig  .  .  .  1008 
Lange  M.-Posen  .  .  .  1744 
Lange  R. -Berlin  .  .  .  2196 
Lange  W. -Berlin  136,  1446 

De  Lange .  2054 

Langelaan  .  .  .  .  2054 

Langemak  .  .  1380,  1830, 
2054 

Langenbach . 1495 

Langer . 2116 

banges . 530 

Langhans .  2394 

Langley .  2203 

Langlois  .  .  .  2202,  2354 
Langmead  F.  .  .  .  1650 

Langstein  279,  583,  1111, 
2461,  2548 

Langton .  2555 

Lannelonge . 1509 

Lannois .  37 

De  Lapersonne  .  .  .  2204 

Lanz  H . 492 

Lanz  O. -Amsterdam  387, 
1049,  1894,  2349 
Lapinski  229,  484,  1000 

De  Lapseronne  .  .  .  1560 
Laquer  .  .  .  ....  1263 
1337,  1490,  2292 
Laqueur  A.-Berlin  134,  751, 
1048,  1249,  1837 
Laqueur  E. -Heidelberg  2000 
Laqueur  W.-Ems  .  .  2162 

Lardy . 1250 

Lariche . 445 

Larionoff . 1548 

Lasarew . 2196 

Lascarescu . 1095 

Lascialfare .  2495 

Laser  . 335 

Lassaud . 583 

Lassar  147,  349,  435,  500, 
1192,  2353 

Latouche . 644 

Latour .  2059 

Latzko . 1048 

Laubenburg . 1892 

Laubenheipner  ....  2347 
Lauenstein  142,  853,  910, 
1153,1444,1545,2117,  2617 
Laulfs  Jak.-Leipzig  44,  49, 

195,  643,  1050,  1210 
Laufis  Jos. -Paderborn  1413 

Laumonier . 198 

Lauper .  94 

Laurens . • .  226 

Laurent . 677 

Lauwers .  2445 

Laveran  ....  700,  2405 

Lavrand .  97 

Lawson . 1146 

Lazarus  .  1508,  2222,  2652 
Lazarus-Barlow  .  .  .  1649 
Leber  .  .  .....  1901 
Lecha-Marzo  ....  850 


Seite 

1298, 


Ledderbose  942,  1004, 

2350,  2456 

Lederer  M.-Prag  .  .  .  1094 
Lederer-Wien  ....  846 

Ledermann .  2403 

Lediard  . 688 

Leduc . 1907 

Leers  .  .  1004,  1840,  2350 
Van  Leersum  ....  387 

Legueu .  2458 

Lefevre  .  2059 

Lefmann  . 442 

Lehmann  K.  B.-Würz- 
burg  380,  427,  626,  1045, 
1690,  1946,  2294,  2346, 
2489 

Lehmann  O. -Charlot¬ 
tenburg  . 585 

Lehndorf!  .  .  .  2440,  2493 
Lehr . 2293 


Seite 

380, 


Lehrnbecher  ....  906 

Leiek . 566 

Leiner  626,  949,  1293,  2209 

Leiper .  744,  1897 

Leischner  .  537,  1211,  2392 

Leisewitz . 1647 

Leishman  .  .  .  2199,  2205 

Leiter . 802 

Lemoine .  2460 

Lemonon  .....  .  2358 

Lempp . 1445 

Lendon . 1894 

Lengemann . 853 

v.  Lengerken  ...  .  331 
Lengfellner  419,  526,  1036, 
1891,  1992,  2039,  2443 

v.  Lengyel . 1957 

Lenhartz441,  695,  761,  794, 
1101,1310,1409,2010,2404 

Lenkei . 2101 

Lennander  1494,  1545,  1601, 
2543,  2544 

Lent . 1354 

Lentz . 2158 

Lenz .  2334 

Lenzmann  338,  2258,  2537 

Leo  Berlin .  2399 

Leo  H.-Bonn  ....  1006 
Leo  A. -Halle  ....  1554 
Leopold  G.-Dresden  .  581, 

623,  1149,  1647,  2006 
Leopold  E.  L.-Berlin  .  132 
Lepine  ....  179,  2155 
Lerchenthal  ....  535 

Lerda . 2612 

Löreboullet . 947 

Lericbe  .  .  37,  1498,  2458 
Lermoyez  .  .  .  .746,  2252 

Leroux . 746 

Leschtscbinski  .  .  .  231 

Leser  . 942 

Lesier . 1757 

Lesieur  ....  1008,  2158 
Lesser  .  1262,  1447,  1455, 
2490 

Lessing .  35 

Lessitschkoif  ....  2546 

Leube . 686 

Leubuscher-Berlin  .  .  848 
Leubuscher  G. -Meinin¬ 
gen  .  2242 

Leuchs  .  .  231,  279,  1191 

v.  Leupoldt . 230 

Leutert . 1649 

Leuwer . 1341 

Levaditi  .  .  .  1499,  2159 

Levee . 1549 

Devi .  1461,  1660 

Levi-Sirugue  ....  2053 

Levisohn . 142 

Levites .  2001 

Levy-Kopenhagen  .  .  847 
Levy  E.-Strassburg  50,  1297 
LevyM. -Charlottenburg  743 
Levy  R. -Berlin  ....  894 
Levy  R.  -  Heidelberg  .  2255 
Levy-Dorn .  2548 


Lewandowski  F.-Bern 
1094,  2275,  2442 
Lewandowsky  M.-Ber- 
lin  147,  1143,  1459,  1549, 
1832,  2347 

Lewers . 102 

Lewin  C. -Berlin  848,  953, 
2556,  2610 

Lewin  L.-Berlin  1446,  2055, 
2247,  2377 

Lewin  W.-Berlin  .  .  384 
Lewinski  .  .  .  .  406,  1248 

Lewinsohn . 965 

Lewinson .  2248 

Lewis . 1695 

Lewisohn . 182 

v.  Leyden  582,  945,  1249, 
1613,  2260,  2609 
von  der  Leyen  .  .  .  381 
Lexer  677,  682,  852,  1394, 
1791 

v.  Lichtenberg  1 82, 390,  680, 
1610 

Lichtenhahn  ....  2492 
Lichtenstein  .  1647,  2007 
Lichtenstern  ....  2103 

Liddell . 1838 

Liebe  .  .  483,  2343,  2464 

Lieben . 2106 

v.  Liebermann  L.-Ofen- 

Pest .  2245 

v.  Liebermann  P.-Ofen- 

Rest .  2245 

Liebermeister  ....  953 
Liebers  A.-Leizig  .  371,696 
Liebetrau  H. -Hagen  .  1953 
Liebetrau  II. -Lüneburg  847 

Liebl . 183 

Lieblein  135,  178,  228,  798, 
1460,  2649 

Liebmann  G. -Triest  .  433 
Liebmann  P.-Dänemark  1550 

Liebrecht . 590 

Liefmann . 823 

Liefscbütz .  34 

Liepmann  431,  483,  939, 

1210,  1301,  1345 

v.  Lier . 1092 

Lieven . 1653 

Lignieres .  2405 

Lilienfeld  S. -Frankfurt  389 
Lilienfeld  A.  -  Leipzig  739, 
1744 

Lilienstein  .  ,  .  .  .  .  1686 

Limnell . 1340 

Lindabl . 1796 

Lindemann . 1141 

Lindenheim . 627 

Lindenstein  32,  8 14,  1964, 
2648 

v.  Lindheim .  2436 

Lindner  H.-Dresden  .  2047 
Lindner  E.-Fulda  .  .  2599 

Lindsay . 1399 

Lindt . 1998 

v.  Lingelslieim  2158,  2348 
Liniger  .  .  739,  1003,  1607 

Link . 1403 

Linkenbeld . 1743 

Linossier .  2457 

Linser  394,  965,  997,  1091, 
1309 

Lint . 1146 

Lion  .  .  .  324,  995,  2292 

Lipscbijz . 1745 

Lipscbütz . 536 

Lissauer  A.-Holsterhau- 
sen  .  .  .  1746,  1794,  2350 
Lissauer  M.-Berlin  894,  1447 

Lissmann . 1030 

Lissner . 2513 

Lister . 703 

Littauer  ....  1031,  1495 
Litten  .41,  444,  549,  743 

Litthauer . 585 

Little  E.  M . 197 

Little  J . 1398 


Seite 

Livierato  .  629,  2053,  2149 

Lobet . 549 

Lochner . 1964 

Lochte . 1953 

Lockemann . 2162 

Lockwood . 744 

Lockyer . 1853 

Loeb  J.-Paris  ....  2290 
Loeb  Fr.-München  332,  1090, 
1186,  1741,  2101,  2200 
Löb  L.-Pbiladelpbia  .  565 
Loeb  O.-Bern  ....  1445 

Loebel .  751,  848 

Loebker . 1349 

Löbl . 1049 

Loeffler  335,  542,  743,  1297, 
1794,  2050,  2158 
Löhlein  639,  914,  949,  1473, 
1523,  1831 

Loening . 429 

Löhrer .  2492 

Loetscher . 381 

Löwe . 1797 

Löwenhardt .  2207 

Löwenstein  A.  -  Elber¬ 
feld  . 1353 

Löwenstein  A.-Prag  .  1 709, 
2194,  2555 

Löwenstein  C.-Bonn  .  946 

Löwenstein  C.- Strass¬ 
burg  . 1603 

Löwenstein  E.-Belzig  .  333, 
1295,  2248 

Löwenthal  S. -Braun¬ 
schweig  .  535,  1837,  2162 
Löwenthal  K. -München  1160 

Loewi . 134,  1411 

Loewy . 428 

Löwy-Prag . 434 

Lofer  . 1192 

Van  Loghem  ....  1049 
Logothetopulos  .  .  .  2539 

Loh  de . 441 

Lohmann  .  1600,  2056,  2292 

Lohmar . 1953 

Lohnstein  .  .  .  102,  965 

Lohrisch . 2111 

Lolli . 1251 

Lombard .  2201 

Lombroso . 1446 

Lomer-Neustadt  230, 279, 584 
Lomer-Lüneburg  .  .  .  2346 

Lommel . 1007 

Van  Londen  ....  387 

London .  2000 

Longard  J . 1548 

Longard  C.-Aachen  .  1444 

Longo . 1251 

Longridge  .  .  .  255,  2555 

Loose . 184 

Looser . 183 

Lop . 1499 

Lopez . 1146 

Lorand . 2112 

Lorenz  A.-Wien  684,  807, 
1646,  2547,  2611 
Lorenz  H.-Graz  .  .  .  1296 
Lorenz  M.  Scbarley  .  332, 
1544 

Lorenzen . 897 

Lortat-Jakob  .  .  .  1497 

Lortbivis . 947 

Lossen  H.-Darmstadt  .  740 
Lossen  IT.-Heidelberg  1961 
Lotheissen  .  586,  893,  1793 

Lotze . 100 

Louisson . 1661 

Loumeau .  2458 

Love .  336,  1649 

Low .  1908,  2556 

Loyal .  33 

Lubenau . 1190 

Lubinus . H01 

Lublinski  ....  35,  1293, 
2541 

Lucas  K.  -  Cambridge  2203 
Lucas  R.  C . 197 


Seite 

Lucas  T.  C . 1695 

Lucas-Championniere  244 

Lucatello . 758 

Luciani . 1242 

Ludloff  .......  845 

Ludwig-Kassel  ....  1396 

Ludwig  E . 744 

Lübbert .  2557 

Lüdke . 625 

Liith . 1652 

Lüthje .  495,  955 

Luft’  ........  1194 

Lukäzs . 382 

Lummer .  2340 

Lund .  2392 

Lundberg .  227' 

Lunddabl .  2059 

Lundgren . 233 

Lundsgaard  .....  1337 
Lunzer-Wien  ....  1495 
Lunzer  W.  E.-Königs- 

berg .  2081 

Lusk .  2202 

Lustig . 2161 

Luxembourg  .  1646,  1952 


Luxenbergcr 


2348 


Luxmoore  . 2199 

Luys  .  .  .  1543,  2209,  2458 

Lyon . 2156 

Lyritzas . 486 

M 


Maas  P.-Aachen  .  .  .  237 

Maas-Berlin . 1462 

Maas  J.  F .  2055 

Maas  O.  -  Berlin  432,  1210, 
1953 

Maasland . 1049 

Maass . 946 

Macaigno . 1391 

Mac  Callan . 1908 

Mac  Carty . 686 

Mc  Cay  . .  2200 

Mac  Combie  ....  490 

M’Cormick .  41 

Mc  Donald . 2612 

Mc  Dougall .  2396 

Mc  Ettles . 688 

Mc  Gavin . 1412 

M’Gillivray . 1894 

Machol .  2293 

Maciesca-Jelenska  .  .  1790 

Mc  Ilraith . 745 

Mc  llroy .  95 

M'Intosb . 1895 

Macintyre . 745 

Mackay .  2443 

Mackenna . 745 

Mackenrodt . 1342 

Mackenzie . 1804 

Mc  Kerron . 1839 

Maclean . 2199 

Mac  Lennan  .  .  40,  1906 

Mac  Rao .  2460 

Madcr  L. -München  1830, 
1962,  2251 

Mader-Wien  ....  231 
Madden  ....  899,  1145 

Madlener .  2485 

Mädsen .  2246 

Madelung . 533 

Maennel  ....  626,  1892 

Maurer . 335 

Magelhäens .  2206 

Magenau  ....  430,  1602 

Magiora . 895 

Magnus  R.-Heidelberg  1421, 
1456,  1691,  2001,  2203 
Magnus  V.  Norwegen  233, 
2150 

Magnus-Alsleben  1054,  1603, 
1744 

Mahler .  2441 

Mahnert . 1954 

Maier . 1439 

Mainini  ....  2164,  2583 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXI 


Mainzer-Berlin  . 
Mainzer  J.-Nürnberg 
Maiocchi  .... 
Maisonneuve  .  . 
Maitland  .... 
Makaroff  .... 

Makkas . 

Makijcwsky  .  . 
Makins . 


Seite 

1408 

2118 

398 

1090 

385 

2206 

845 

2647 

1412 


Seite 

Martin  J.-Magdeburg  .  94 

Martin  L.-Paris  ....  2052 
Martina  1296,1 546,1792,  1889 

Martinez  M.  V .  2297 

Martini  H. -Breslau  .  .  1840 
Martini  E.-Tsingtau  .  1290 
1745 

Martini  E. -Turin  1188,  2394 
Marullaz . 432 


Malcolm  1145,  1661,  1839, 
2555 

Mallannah . 688 

Maly .  2492 

Manry .  2353 

Mamlock .  2243 

Manasse  P.-Berlin  50,  856, 
1889 

Manasse  P.-Strassburg  1 1 99, 
2394 

Manchot  ....  390,  553 
Mandelbaum  1431,1766,2268, 
2346 

Mandl . 447 

Mangold  E.  .  .  1703,  2057 
v.  Mangoldt  958,  1545,  2113 

Mandry . 1189 

MannA. -Ludwigshafen  24 
Mann  F.-Müncken  .  .  998 
Mann  G.-Triest  1746,  1786 
Mann  J.  D. -England  .  1449 
Mann  M.-Dresden  589,  1120 
Mann  R.-Wien  .  .  .  2294 

Mannaberg . 1293 

Mannei  .  .  • . 1891 

Manicatide . 1605 

Mansfeld .  2439 

Manson  . 1907 

Manteufel  .  .  2159,  2295 

Manteuffel .  2245 

Manz .  90 

Maragliano  .  .  .  1560,  2149 
Marburg  1141,  1188,  2542 

Marcel  . 1347 

Marchand-Frankfurt  .  496 

Marchand  F.-Leipzig  .  531, 
636,  637,  1102,  1103, 1704, 
1831 

Marchandise  ....  2059 
Marcus  H.-Wien  .  .  .  939 
Marcus  M.-Berlin  .  .  .  847 
Marcus  S.  Ph.-Pyrmont  751, 
801,  946,  1549 

Marcuse .  234,  334 

Marek . 2195 

Maresch . 1188 

Marfan . 644 

Margulies  A.-Prag  896, 1310, 
1460 

MarguliesKJvorbeg  752,  94 

Mariani . 1 002 

Marie  .  .  .  947,  1499,  1661 

Le  Marie .  37 

Marinescu  C.  M.  .  .  .  1095 

Marinescu  G . 1605 

Marinescu-Sadoveanu  .  586 

Marini . 1251 

Markl . 433,  2051 

Markus . 1284 

Marmorek  .  134,  1013,  1014 

v.  Mars .  2493 

Marsh  . 538 

Marshall  .  1398,  1897,  2201 

Marson . 1297 

Märtel .  1613,  2403 

Martens  50, 1546, 1559, 1692, 
2198,  2347 

Martin-Berlin .  34 

Martin-Freiburg  .  .  .  2162 
Martin  A.-Greifswald  .  678, 
754 

Martin  A.-LIalensee  .  .  801 
Martin  A.-Spanien  .  .  1552, 
2297 

Martin  A.-Zürich  .  .  »  2061 
Martin  D. -Berlin  .  .  .  2101 
Martin  H.-Paris  ....  51 


Maruzzi . .  .  2245 

Marwedel  .  .  •  ...  1793 

Marx . 1947 

Marx-Frankfurt  ....  148 

Marx  H.-Berlin  .  231, 1143, 

1997,  2046 

Marzagalia  .  .  .  1251,  2541 

Masing . 1544 

Massaglia .  2053 

Massalongo  .  .  758,  2497 

Massini  ....  1190,  1251 
Mastrosimone  ....  2496 

Materazzi . 1794 

Mathes .  2386 

Mathies  A .  2001 

Mattauschek  E.  ...  896 
Matthes  138,  953,  997,  2211 

Mattbiolius . 1743 

Matti . 535 

Matusch  ...  484,  2346 

Maunory .  2306 

Maurer . 731 

Maximow . 1248 

May  R.  E . 1142 

May  E.-Berlin  ....  1408 
May  F. -München  .  .  .  1154 
Mayer  A,  .  .  .  .  1447,  1493 
Mayer  A.-Berlin  .  .  .  1294 
Mayer  A.- Heidelberg  277, 
2439,  2645. 

Mayer  L., -Hamburg  .  .  2556 
Mayer  M. -Hamburg  496,  687 

Mayer  O.-Graz  .  1250,  1649 
Mayer  W.-Brünn  .37,2113 
Mayer  W.-Fürth  .  .  .  1353 
Mayerhausen  .  2191,  2360 

Mayrhofer .  2442 

Mayet . 234 

Maygrier . 1660 

Maylard . 1853 

Maynard .  95 

Mayr . 2198 

Mayrhofer . 335 

Mays .  2000 

Meermann  .  .  .  1352,  2047 
Meerwein  .  .  .  1092,  1784 

Megaw . 3»5 

Meikle . 488 

Meier  G.-Berlin  .  .  .  1694 

Meinert . 133 

Meisel . 962 

Meisenburg . 486 

Meissen . 797 

Meissner  L . 1003 

Meissner  Tübing.  1246,  1609 
Meissner  C.-Dresden  .  1647 
Meissner  P.-Berlin  .  .  1511 
Meixner-Wien  ....  1188 
Meixner  K.-Brünn  .  .  1094 

Mekus .  73,  1296 

Melchior  .  .  .  .  .  .  2135 
Meitzer  E.-Chemnitz  691,  808 
Meitzer  S.  J.-New  York  1048, 
1999 

Melville . 488 

Menabuoni . 626 

Menciere .  2307 

Mende . 627 

Mendel  E.-Berlin  .  .  179 
Mendel  H.-Paris  .  .  .  178 

Mendelsohn  ....  2496 

Mendl .  2542 

Mendes . 1805 

Mendt . 385 

Menetrier . 398 

Menge  633, 1255,  1465,  1700, 
2163,  2452 


Seite 

Mennacher  49,  499,  1104, 
1155,  1557 

Mense  ....  1138,  2206 

Menzer . 132 

Menzies . 689 

Mercade . 1499 

Mercier . 1854 

v.  Mering  .  .  99,  1007,  1887 

Merk . 1049 

Merkel  Fr.  -  Nürnberg  756, 
1290  1333  • 

Merkel  H.-Erlangen  240,  633, 
634,  753,  1245,  1277,  1408, 
1441,  1741,  2047 

Merklen .  38 

Merletti . 232 

Mermann  ....  128,  1711 

De  Merric . 488 

Mertens  ....  132,  855 

Mesnil .  39 

Metschnikoff  .  .  488,  2488 

Metz .  2246 

Metzger .  2449 

Metzner  ....  183,  2435 

Meurer . 387 

Meusel .  2237 

Meyer-Berlin  ....  952 
Meyer-Zürich  ....  1547 
Meyer  A.-Berlin  .  .  .2197 
Meyer  A. -Heidelberg  .  1255 
Meyer  A.  H.  -  Kopen¬ 
hagen  . 690 

Meyer  E.  -  Halle  1054,  2255 
Meyer  E.  -  Königsberg  229, 
382,  384,  741,  1000,  1547, 
1603,  1608,  2242 
Meyer  E. -München  327,  795, 
1054,  1888 

Meyer  F.-Berlin  1001,  1046 
Meyer  F.-Heidelberg  .  1953 
Meyer  Gg.-Berlin  997,  2205 
Meyer  Gg.-Gotha  .  .  1891 
Meyer  H.-Kopenhagen  1551 
Meyer  L.-Berlin  .  .  .  1093 
Meyer  L.  F.  -  Berlin  1395, 
1445,  2395 

Meyer  O.  B.-Pankow  .  1836 
Meyer  O.  B.-Würzburg .  2105 
Meyer  P.-Berlin  .  .  .  483 
Meyer  R.-Berlin  483,  740, 
799,  895,  1142,  2493 
Meyer  R.-Wien  .  .  .  381 
v.  Meyer-Frankfurt  .  .  1496 
Meyer  W.-New-York  .  2397 
Meyer-Ruegg  H.  .  .  .  1247 
Meyerstein-Köln  .  .  .  142 

Meyerstein  W.  -  Mün¬ 
chen  . 1091 

Michael  .  2347,  2395,  2612 

Michaelides . 1790 

Michaelis  L.-Berlin  332,  808, 
848,  1837,  2395 
Michaelis  P.-Leipzig  .  1048 

Michaud .  94,  800 

Michelazzi  .  .  .  397,  757 

Michelsohn . 1345 

Michelsson .  2477 

Miethe .  2055 

Mijulieff .  2244 

Miklaschewsky  .  .  .  1047 

Milan .  2405 

Milchner . 1558 

Milian  ....  1061,  1710 
Miller  Ch.-London  .  .  386 
Miller  E.-Stadtsteinach  324 
Milligan  •  1908 

Millner . 537 

Milner . 1845 

Milo . 1050 

Milroy . 2156 

Milward . 1650 

Mindes . 133,  1186 

Minea . 1605 

Minervi . 1954 

Mingazzini  .  .  1000,  2157 
Mingot . 850 


Seite 

Minkowski  M. -Breslau  2196 
Minkowski  O.-Greifs- 

wald  .  .  542,  1293,  2462 

Minor . 1143 

Mintz .  1444,  2148 

Miodowski . 1003 

Mirabeau  .  345,  1708,  2048, 
2305 

v.  Miram . 686 

Mironescu  .  .  .  1605,  1606 

Mirtl  0 . 1284 

Mitchell . 1399 

Mitra . 1894 

Mittermaier  .  .  ...  125 

Mitulescu .  2437 

Miura . 539 

Mixius . 2012 

Mladeyovsky  ....  1248 

Modder .  2545 

v.  Modlinsky  ....  1473 
Modrakowski  ....  2001 

Möbius .  996,  1139 

Möckel . 53 

Möller  A.-Berlin  .  .  .  334 

MoellerE.-Kopenhagen  431 

Möllers .  34 

Mölling . 1098 

Mönckeberg  .  .  .  895,  1649 
Mönkemöller  ....  230 

Mörner . 897 

Moffat . 688 

Mohn  . 741 

Mohr  H. -Bielefeld  .  .  170 
Mohr  L. -Halle  .  .  543, 1058, 
1447,  1554,  1800. 

Mohrmann . 2013 

Molek . 1837 

Moll-Prag . 2116 

Moll  A.-Berlin  ....  582 

Molt .  2542 

Moltschanoff  ....  583 

Mombert .  2242 

Moneyrat . 1612 

Monnier  E . 1246 

Monod . 445 

Monsarrat .  2396 

Montenegro . 849 

Monturiol .  2297 

Moog . 1806 

Do  Mooy .  2349 

Moraller . 1345 

Morawitz  485,  767,  942,  1339 

Morax . 1499 

Morelli . 1094 

Moreschi . 1997 

Morgenroth  .  .  1001,  1997 
Morgenstern  ....  1310 

Mori . 1792 

Morian  .  .  .  .  681,  1646 

Morison  . . 1144 

Moritz  S.  .  .  .  .  .  .  1839 
Moritz  F.-Strassburg  .  1285 

Morigasu . 1548 

Morley .  2049 

Mormburg . 1647 

Moro  .  49,  1026,  1104,  1517, 
1649,  2059,  2116,  2170, 
2223,  2494 

Morton  Ch.  A.  ...  1145 
Morton  W.-New  York  .  1604 
Moschcowitz  A.  V.- 

New  York . 1045 

Moschcowitz  E.  -  New 

York  .  . . 1045 

Moscou . 1651 

Moses  F.-Berlin  .  .  .  1549 
Moses  S.-Köln  ....  1657 

Mosny .  678,  1710 

Mossaglia . 280 

Mosse  131,  134,  203,  2403, 
2540 

Moszkowicz  429,  1397,  1791 

Mott .  1854,  1907 

Motta . 1473 

Moullin . 689 

Moureu  .  2460 


Seite 

Moynihan  ....  336,  2249 

MraCek  .  2538 

Muchl339,  1755,  1791,  2589 
Mucha  ....  1293,  1841 

Muck . 413 

Mühlenkamp  ....  2429 
Mühlens  P.-Wilhelms- 

haven . 1603 

Mühlens  X.-Berlin  223,  631 

Miihlig .  2530 

Mühlmann-Balchany  .  486 

Mühsam  .  798,  1649,  2259 

Müller  E . 1651 

Müller-Liestal  ....  739 
Mueller  A.-München  48,  846, 
1506,  1744,  2048,  2115 
Müller  A.-Wien  795,  2001, 
2105 

Müller  E. -Breslau  354,  433, 
535,  845,  947,  957,  998, 
999,  1442,  2099,  2101 
Müller  E.-Hagen  i.  W.  1353 
Müller  F.-Berlin  .  .  .  2055 
Müller  Fr. -München  32,  89, 

1  quo  oqoo 

Müller’ G.  E.-Frankfurt  1711 
Müller  G.  J.-Berlin  .  .  1794 
Müller  J.-Würzburgl558, 16 12 
Müller  L.  R.-Augsburg  275, 
379,  535,  624,  997,  1186, 
1338,  2107,  2242 
Müller  O.-Dortmund  .  950 
Müller  O.-Tübingen  1052, 
1458,  1996,  2392 
Müller  P.  A.-Dresden  907, 
1203 

Müller  R.-Elberfeld  .  627 
Müller  R.-Kiel  ....  1208 
Müller  R.-Wien  .  .  .  2442 
Müller  W.-Rostock  242,  942, 
1545 

Münzer  E.  .  .  .  .  .  1809 
Mugdan  .  917,  2008,  2401 
Mulert  ....  1954,  2109 

Muls .  2059 

Mulzer .  408,  2540 

Mummery  1193,  1839,  1852, 
1895 

Munter  751,  946,  1353, 1355 

Mura . 1805 

Muratow  ....  535,  1444 
Murray  S.  A. -London  1997, 
2050 

Murray  J.  M .  2249 

Murray  R.  W .  2396 

Muschold .  2205 

Muskat  500,  743,  1008,  2403 

Muszkat '  . . 2198 

v.  Mutach . 583 

Mutterer .  2351 

Myers . 688 

Mygind  .  .  .  1337,  2251 

N. 

Naab .  2083 

Nacke . 999 

Nadoleczny  1004,  1110,  1461, 
1855,  2625 

Naegeli-Akerblom  .  .  2557 
Naecke  279,  431,  573,  1841 
Naegeli-Naef  ....  952 

Nagel  M.-Kiel  ...  .  796 
Nagel  W.  A.-Berlin  .  2105 

Nagel .  2435 

Nagelschmidt  .  1203,  2103, 
2161 

Nager .  746,  1750 

Nahm  ......  .  483 

Naka .  584,  800 

Nakao  .  .  . 1924 

Nambu .  385,  1164 

Nassauer  32,  52,  53,  91,227, 
277,  332,  378,  428,  648, 
701,  917,  991,  1110,  1154, 
1157, 1262, 1392,1443, 1692, 
2048, 2099, 2146, 2214, 2244, 
2490,  2684 


XXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Nast-Kolb  .  .  .  .  183,  2293 

Nastase . 1U95 

Natanson . 2612 

Naumann . 1796 

Naunyn . 2121 

Nauwcrck . 2o03 

Nawiasky  .  .  .  1249,  1793 

Neave . 1894 

Nebel . 1305 

Neck .  2451,  2502 

Necker  F.W.  796,2104,2209 
zur  Nedden  .  .  1697,  1901 

Neild . 1839 

Neiser  E.  J.  .  .  .  ,  2342 
Neisser  A.-Berlin  .  .  333 

Neisser  A. -Breslau  333,  380, 
551,  624,  1491,  1652,  1998, 
2248 

Neisser  E.-Stettin  .  .  2107 
Neisser  M.-Frankfurt  .  754 

Nelaton .  2537 

Nemser . 2156 

Nemadovics  .  .  .  752,  848 

Nerlich . 373 

Nesemann  .  .  .  277,  630 

Neter . 1817 

Netter  644,  1008,  1348,  1461, 
1908 

Neu  .  277,  333,  1404,  2101 

Neubauer . 2198 

Neuberg . 1952 

Neuberg  C.-Berlin  184,  1725 
Neuberg  O.-Magdeburg  1837 
Neuberger  240,  894,  1104, 
1413,  1594,  2013 
Neuburger  Nürnberg  591, 
962,  1965 

Neuburger  M.  Wien  .  2348 

Neudörfer . 280 

Neuenborn  .  .  .  186,  1653 
Neufeld  .  .  1297, 1446,  2295 
v.  Neugebauer  -  War¬ 
schau  .  .  .  1044,  2048 
Neugebauer  -  Mährisch- 

Ostrau  . 893 

Neuhäuser  .  .  1496,  1893 

Neumann  E .  2394 

Neumann-Berlin  1545,  2209 
Neumann-Wien  1889,  1261 
Neumann  A.-Wien  .  .  1497 
Neumann  Fr.-Wien  .  .  1131 
Neumann  G.-Berlin  230,  383 
Neumann  G. -Dieden- 

hofen . 1297 

Neumann  H.  -  Berlin  348, 
360,  486,  536 

Neumann  H.-Potsdam  1549 
Neumann  H.  -  Wien  1199, 
1260 

Neumann  P.-Halle  .  .  2197 
Neumann  R.  O.-Heidel- 
berg  343,  624,  626,  627, 
678,  2011,  2191,  2435, 

2342 

Neumann  W.-Rostock  2150 
Neumann  W.  -  Wien  .  2296 

Neumayer .  48 

v.  Neupauer .  92 

Neupert . 1046 

Neurath  90,  1224,  1464,  2258 
Neustätter  55,  86,  131,  276, 
892,  943,  1183,  1337,  1510, 
1592,  1645,  2215,  2609 

Neutra .  92 

Neuwirth  ...  ...  1144 

Newman . 490 

Newmark . 133 

Newsholme . 1853 

Newton . 1650 

Nias . 537 

Nicloux .  700,  2155 

Nicolai  Berlin  ....  2451 
Nicolai  G.  F.- Berlin  .  1956 
Nicolai  H.-Berlin  1202,  2112 
Nicol  aides  .  .  .  2106,  2203 
Nicolaier  ....  180,  1834 


Seite 

Nicolas . 1391 

Nicolaysen  J . 232 

Nicolaysen  L . 795 

Nicolich  .  .  .  1651,  2208 
Nicolle  ...  38,  39,  1412 

Niederstein . 1547 

Niehaus . 958 

Niemann . 1408 

Nienhaus . 1250 

Nierenstein . 22U1 

Niessl  von  Mayendorf  2345 
Niessner  ....  849,  1447 

Nieter .  895,  1622 

Nikolas .  2454 

Niesle . 1093 

Nitze . 1599 

Noböcourt  ....  38,  2457 
Nobl  G.-Wien  ....  2296 
Nobl  S.-Wien  ....  2051 

Noble . 337 

Nocht .  496,  2206 

Noder . 2312 

Noeggerath . 6 17 

Noetzel  33,  190,  191,  389, 
534 

Nogues .  2458 

Noll . 798 

Nonne  141,  342,  909,  1401, 
2108,  2117,  2345 
v.  Noorden  1832,  1888,  2208 
De  Nora  .  .  32,  2312,  2490 

Nordmann . 855 

Northrup . 1851 

Norton .  2444 

v.  Notthaft . 1186 

Noyon . H47 

Nürnberg  A.-Charkow  .  796 
Nuernberg  Fr.-Giessen  2522 

Nyboff . 2319 

Nyman .  2246 

Nyrop  ...  69,  1188,  1295 
Nyström . 232 


Seite 

Oppenheimer  C.-Berlin  2001 
Oppenheimer  K. -Mün¬ 
chen  ....  1445,  2101 
Oppikofer  .  .  1260,  15C0 
Oraison .  2458 


Seite 


1694 


Orr 

Orth  Osk . 2190 

Orth  J.-Berlin  .  486,  686, 
946,  1446,  1559 
Orthmann  .  .  1190,  1344 
Orthner  .  .  .  2148,  2348 

Ortner  N . 531 

Ortner-Wien  92,  433,  1053, 
2610 


Paulesco .  700  Philip  R.  W. 

P&ull . 1951  Philip  C.-Han 


Seite 

537 

1  Philip  C.-Hamburg  .  .  2034 

Payr^  680,  857,  1009,  1546  Philipp . 135 

£e^re . 2444  Philippi  ....  712,  1349 

1  edley .  40  Philipps . 899 

Peham  ....  1246,  1255  Philips  F. -Breslau  .  .  1047 

Peiper . 1703  Philips  F.-Mäseyk  .  .  1048 

Peipers . 841  Philipson  P.-Frankfurt  2441 

Peiser  33,  1547,  1549,  1779,  Phleps  .  .  .  9345 

2257,.  2292  |  Phocas  G . .'  2051 


Osann  .  . 

•  •  •  742,  2468 

Osborne 

.  2397 

Oshima 

.  133,  280,  894 

Osler  .  .  . 

Osten  .  . 

Osterloh  . 

.  .  2006,  2047 

Oster  tag 

.  .  1956,  2303 

Osthelder  . 

I  Otto  .  .  . 

Otten  .  . 

Ottendorf  . 

Pel  ...  951,  1007,  1745 
Pels-Leusden  134,  279,  565, 
1692 

Peltesohn  .  .  .  684,  2611 

Pelz . 800 

Pende . 1349 

Pendl 

Penkert  M.-Freiburg 


Pi  y  Suüer . 1551 

Pichler .  2393 

Pick  A.-Prag  .  .134,  1249 

Pick  L.-Berlin  .  .  133,  1454, 

1648 

Pickenbach . 266 

2148  Pickert . 483 

165  Piery .  37 


898 


Otto  R.-Heidelberg 
1748,  2206 
Otto  R.-Strassburg  1665,  2512 

Ottolenghi . 836 

Oui  .  2052 

0  verton .  2435 

Owen .  1908,  2556 

Owlglass . 428 

Owtschinnikow  .  .  .  1791 


Penkert  M.-Halle  2136,  2244  Pies  ’  ^93 

Penzoldt  240,  427,  531,  633,  Pietrzikowski  .  .  1740 

1789,  1888  Pilcz .  348;  2443 

Peraire .  2308  Pillement  .  97 

Percival  .  .  ....  1805  |  Pilsky  905,*  1098 

Perettl .  484,  2346  Piltz  J.-Krakau  .  232,  584 

Perez  ....  1797,  2496  Piltz  W.-Erlangen  183,  2452 

PerIc^c . 2104  Pincus-Berlin  ....  739 

reritz:  .  1603  Pincus  F.-Köln  .  545,  1102 

Perlis  .  200' 


P. 

Pach  .  2050 

Packe .  2396 

Paderstein . 1048 


O. 


Oberndorferl  104, 1244,  1307, 
1341,  1667,  1707,  2305, 
2391,  2553,  2618,  2644 

Oberst .  2501 

Oberwarth . 2147 

Ochsner .  2398 

Oehler . 1890 

Oehme . 450 

Oelsner  .  2492 

Oerum .  2056 

Oestreich . 2197 

Oetker  ....  1443,  1883 
v.  Oettingen  681,  997,  1789 

Oettinger . 644 

Offer .  2209;  2541 

Offergeld-Königsberg  .  1048 
Offergeld  H.  -  Marburg  36, 
93,  381,  583,  1393,  1791, 
2492,  2539 

Ogata .  1746,  2439 

Ogawa .  2394 

Ohl . 1667 

Ohlmüller . 1440 

Oker-Blom .  2055 

Okuniewski  ....  1746 

Oliver  G . 1838 

Oliver  Th.  ...  538,  1448 

Oloff . 1060 

Olpp  • . 892 

Olshausen  .  .  1341,  2196 

Olven . 1895 

Ombredanne  ....  2537 

Omi . 1092 

Onodi . 1294 

van  Oordt  .  .  1403,  2281 
Opitz  E.-Marburg  .  36,  1505 
Opitz-Magdeburg  .  .  1298 

Oplatek .  435,  849 

Oppenheim  H.-Berlin  1548, 
1892,  1993,  2157 
Oppenheim  M.-Wien  431 
547,  1270,  1549,  1746 


. 1794 

1857,2115,  2162 
•  33,  181,  1092 

. 689 

....  535 
A.  H.- 

....  474 

H.-Hei- 

452,  1385 


Padoa 
Pässler 
Pätzold 
Le  Page  ,  . 

Pagel  .  .  . 

Pagenstecher 
Wiesbaden 
Pagenstecher 
delberg  .  . 

Pal  1550,  1950,  2ÖÖ»'  2198 

Paltauf . 2160 

du  Pan  . 487 

Panella . 397 

Panichi  . 1794 

Pankow  333,  441,1475,  2244, 

2492,  2642 

Pankul .  2202 

Panse . 1260 

Panton .  2444 

Panzer . 744 

De  Paoli . 629 

Papaioannou  .  .  801,  2103 

Pape . 1340 

Pappenheim  384,  586,  2437. 
2441 

Pardoe . 1852 

Pare . 1839 

Parhon . 586 

Parisot . 488 

Parkin .  96 

Parkinson . 1560 

Parry  . 1394 

Parson . 1838 

Parsons  .  .  386,  1193,  1853 

Pasch . 1585 

Paschen  635,  810, 1345,  1801 

Paschkis . 2104 

Pasini . 814 

Passow . 135 

Patel .  37 


Pater  .  .  . 

.  .  948 

Patton  .  .  , 

Paton  .  , 

Pauchet  .  . 

Paul  R.-Dresdcn 

.  .  1296 

Paul  Th. 

Perlsee . 160^: 

Permin .  2394 

Pernet . 1443 

Perretiere . 1644 

Perrin . 488 

Perthes  ....  1545,  1752 
Perutz  177,  794,  1705,  1104, 
1160,  1644,  1692,  2292 

Peter . 542 

Peterkin  H . 1891 

Peters  .....  .  .  .  1444 
Peters-Davosplatz  .  .  2101 

Peters- Wien . 1495 

Peters  A.-Magdeburg  .  418, 
1191 

Petrers  A.-Rostock  242,  861 
Petersen  F.-Kiel  .  .  .  1555 
Petersen-Borstel  .  .  .  1841 
Peterson  .  .  ...  1854 

Petersson  O.  V.-Upsala  1494 
Petren  ....  1494,  2440 

Petri . 129 

Petruschky  .  .  .  277,  1690 

Petter . 1956,  2u56 

Pettersson  .....  1493 

Peugniez .  2308 

Pewsner  ....  184,  231 

Pexa .  2348 

Pfalz . 1352 

Pfaundler  .  1,  30,  499, 1308, 
1418,  2016,  ‘2H6,  2169, 
2170,  2171,  2340,  2494 

Pfeifer  H . 1741 

Pfeifer  B.-Halle  .  799,  1610, 
1800,  2157 

Pfeiffer-Hörgas  .  .  .2100 
Pfeiffer  C.-Frankfurt  .  1092 

1173 

Pfeiffer  H.-Graz  1250,  1840 
Pfeiffer  L.-Weimar  .  .  2343 
Pfeiffer  R. -Königsberg  277 
2050,  2402 

Pfeiffer  W.-Kiel  1554,  1611 
1742 

Pfersdorff . 1403 

Pfihl . 1748 

Pfister  R . 686 

Pfister-Freiburg  .  .  .  382 
Pfister  E.-Zürich  .  .  .2148 
Pfister  M.-Heidelberg  .  184, 
443 

Pfisterer . 583 

Pflüger  .  .  1956,  2055,  2056 

Pflugradt . 543 

Pförringer .  66 

Pfuhl .  2205 

v.  Pfungen . 2106 

Pheophilaktowa’  .  .  .  2104 


Pincus  L.-Danzig  483,  2048 
Pincussohn  184,  845,  1645 

Pinkus . ,  .  435 

Piorkowski  .  .  1093,  2403 

Piper .  1611,2203 

Piquaiul . 1063 

v.  Pirquet  23z,  1014,  1309, 
1497,  1947,  1948, 20U8, 2556 

Pischinger . 2211 

Pitha  .  384,  1651 

Pitterlein .  2648 

Placzek  .  1458,  1548,  2204 

Plauchu .  2053 

Plaut  F.-München  .  .  1469 
Plaut  H.-IIamburg  340,  1409 
2505 

Plavec . 999 

Plelin  A.-Berlin  965,  1202, 
1261,  1309,  1396,  1603, 
1834,  22U6 
Plehn  M.-München  .  345 
Plesch  J.-Berlin  .  .  .  1645 
Plesch-Ofen-Pest  .  .  957 

Pletnew .  2493 

Pütt . 2618 

Ploeger .  2552 

Plönies  ....  1248,  2245 
Pochhammer  ....  1046 

Podestä .  229,  741 

Pöhlmann  ...  94,  1093 
Poenam-Caplescu  .  .  1606 

otzl .  2452 

Poggenpohl . 2197 

Poirier . 1006 

Poisonnier .  38 

Pokotilo . 1141 

Polack . .  1697 

Polano-Haag  ....  950 


Polano  O.- Würzburg  20,  133, 
634,  999,  1344,  1700,  1701, 
1731,  2335,  2452 
Polenske  ....  279,  1446 

Poljakow . 1895 

Politzer . 892 

Pollak  G . 586 

Pollak  J.-Graz  ....  2438 
Pollak  Iv.-Stettin  .  .  2194 
Pollak  O.-Wien  .  .  .  2148 
Polland  .  .  486,  844,  949 

Pollard  .  1894 

Pollitzer .  2437 

Pollock . ;  .  244 

Polowzowa .  2000 

Polya . 586 

Poncet  38,  445,  966,  1347, 
1460,  2458 

Pontiggia .  2353 

Pope . 2199 

Popescu . 587 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXIII 


Seite 

Popp .  2200 

Porges  .  1493,  2198,  2556 

Porot .  37 

Port-Nürnberg  130,  242,  642, 
1104,  1339,  2013,  2648 
Tort  F. -Chemnitz  ,  .  2392 

Porter . 1895 

Poscharissky  ....  135 

Posner-Karlsbad  .  .  .  1309 
Posner  C.-Berlin  743,  1249, 
2209,  2548 

Pospelow . 380 

Pospischill . 1954 

Possck . 432 

Posselt .  628,  1295 

Posternak  .  .  .  349,  887 

Poten . 1201 

Potpeschnigg  .  1047,  1326 

Poulsen  .  .  .  1550,  1835 

Power .  .  1906 

Poynton  .  .  40,  386,  1805 

Pozzi . 1804 

De  Prada . 1551 

Pradella .  2539 

Trall . 1693 

Prausnitz  W.-Graz  2387,  2644 

Prausnitz  C. -London  .  736 

Predescu . 1096 

Pregowski . 1550 

Preindlsberger  .  .  .  2207 

Preis . 185 

Preiser  333,  390,  441,  590, 

807,  910,  1153,  1473,  1800, 

1995,  2403,  2404,  2611 

Preiss . 1993 

Preleitner . 1459 

Preller  .  .  .  161,  183,  1744 
Prengowski  .  .  .  382,  800 
Pribram  A.-Prag  .  .  .  232 
Pribram  E.-Wien  .  .  1493 
Pringle  ....  1398,  2444 

Pringsheim .  92 

Prinzing  ....  91,  2439 

Prior  .  .  .  . 1934 

Privat . 947 

Prochownik . 1395 

Proebsting .  96 

Pröll .  2647 

Prölss .  2264 

Proescher  .  .  1868 

Proskauer  A.-Berlin  .  1341 
ProskauerP.-Berlin2197,2490 

Proust . 1651 

Prout . 1907 

Prowazek-Hamburg  .  1 694 
v.  Prowazek  -  Berlin  1446, 

1496,  2241  ^ 

Prüsmann-Berlin  .  .  1047 
Prüsmann  F.-Dresden  1151, 
2503 

Prutz . 1692 

Prym .  672,  1493 

Przegendza  .  .  1457,  1506 

Putters . 997 

Pütz . 485 

Pupovec . 1298 

Pupovac .  2496 

Puppe . 1840 

Puppel . 2612 

Purpura . 1792 

Pusely . *  1894 

Q. 

Queirel .  2052 

Queisner . 1344 

Quensel . 1752 

Quenstedt . 997 

Quincke . 1913 

Quinton  *  .  .  *  .  .  .  1661 
Quortrup . 897 

R. 

Rabe . 1692 

Rabelais . 131)2 


Seite 

Rabinowitsch  L.  184,  1001 
Rabinowitsch  C.-Berlin  2255 
Rabinowitsch  M.-Berlin  1093 
Rabinowitsch  M.-Kicw  2347 

Rabl . 377 

Rabnow . 862 

Rach .  1001,  1648 

Rachmaninow  ....  894 
v.  Rad  .  .  962,  1209,  1965 

Radmann . 1333 

Radtmann .  2062 

Raecke  278,  381,  585,  1548, 
2247 

Rahn . 470 


Reinhard  P.-Köln  . 


Reis . 

Reisinger-Mainz 
Reismann  .  .  . 


Reiss  E.-Frankfurt 
Reitmann  .... 


Remmer 


Rahner . 1826 

Raineri .  2394 

Ramön  y  Cajal  .  .  .  1551 
Ramsbothane  ....  40 

Ramström  .  .  .  897,  2343 
Ranke  180,  381,  429,  481, 
532,  891,  995,  1044,  1962, 
2206 

Rankin  ....  1448,  1906 
Ranzi  E.-Wien  .  .  37,  2393 
Ranzi  R.-Wien  ....  904 

Raoult .  97 

Rapin . 278 

Rapoport .  2208 

Rasumowsky  ....  1046 

Rath .  1743,  2293 

Räuber  .....  530,  1441 
Raubitschek  .  .  335,  1298 

Rauchfuss . 180 

Raudnitz  .  626,  2049,  2059 
Rauenbusch  ....  743 

Rauscher . 1407 

Rautenberg  1142,  2099,  2113, 
2395,  2465 

Ravaut . 1757 

Ravenna . 630 

Raviart . 947 

Rawitz .  2644 

Rawling  .  .  .  1144,  1804 

Raydt .  2391 

Rebaudi . 1002 

Reber  ......  .  583 

v.  Recklinghausen  .  .  484 

Reclus . 244 

Redard . 1888 

Reder .  2205 

Redlich . 382,  592 

Redslob . 490 

Reed . 803 

Reerink . 857 

Rehfisch . 1836 

Rehm .  2621 

Rehn  E. -Marburg  ...  742 
Rehn  L.-Frankf urt  389,  534, 
804,  852,  2303 

Reibmayr . 601 

Reich-Tübingen  395,  846,964 
Reich  P.-München  .  .  1047 
Reicliard  C.-Magdeburg  100 
Reichard  H.-Weissen- 

burg  i.  B . 

Reichardt  M.-Würzburg 
280,  382,  2046 
Reiche  F.-Heidelberg  . 

1060 

Reichel-Chropaczow  . 
Reichel  F.-Bremen  .  . 
Reichel  P.-Chemnitz  . 

752,  808,  1011 

Reichelt . 581 

Reichenbach . 1693 

Reicher- Wien  ....  2156 
Reicher  K.-Berlin  1725,  1997 
Reicher  K.-Marburg  .  2496 

Reichert  . ^2162 

Reifferscheid . 1408 

Reinach  133,  499, 1464,  2058 

Reinders . 1049 

Reinecke  ....  633,  1522 
Reiner-Wien  .  .  .  684,  2004 
Reiner  H.-Graz  ....  684 
Reinhard  J.  C.-Teschen  2198 


Retzlaff  .  .  .  . 
Reuter  F.-Wien 


1608,  2229,  2244 

Reye . 

Reyher . 

Reyn . 


Reynier  .  . 
Rheinboldt 


Richartz 


Richelot  G. -Paris  . 


Richter  E.-Kiel  .  . 
RichterE.-Magdebur 
Richter  J.-Annen 
Richter  J.-Wien  1! 
Richter  P.-Berlin  . 


Riebold 


Riecke  .  695,  9 

Rieder  H.-München 
1763,  1888 
Rieder  R.-Bonn  . 


Riedel-Berlin  .  .  . ' 
Riedel  B.-Jena  ! 

852,  1793.  2198,2365 
Riedel  F. -Bad  Ullers¬ 
dorf  ....  486, 


671 

279, 

832, 

1353 

1304 

632, 


Riedl  H.-Linz  .  . 
Riegel-Berlin  .  1 
Riegel  W.-Nürnberg  .  393, 
546,  1155,  2648 

Riehl . 1211,  1604 

Rieländer  .  846,  1201,  1202, 
1892,  1952,  2146,  2291 
Riemann  .  .  .  1247,  2539 

Riesman . 1896 

Rietschel  -  Charlotten  - 

bürg . 1397 

Rietschel  H.-Dresden  .  2294 

Rigby . 1838 

Rigden . 386 

Riglen .  2052 

Riha . 2148 

Rihl  .  .  .  896,  1053,  1997 
Rille  ...  .  1103,  1557 

Rimann  .  .  545,  1092,  1189 

Rimpau . 1951 

Ringel . 1679 

Ringleb .  2207 

Ris . 1001 

Risel  H.-Leipzig  1684,  1752 
1845 


Seite 

Seite 

1294 

Riesel  W.-Leipzig  .  .  637 

2381 

Rissmann  . 

33,  2147,  2344 

190ß 

Rist  .  .  . 

. 1461 

856 

Ritchie  .  . 

. 1839 

1646 

v.  Ritoök  . 

. 796 

2499 

Ritschl  .  . 

. 1127 

1458 

Ritter  C  reifswald  .  542, 

2056 

923, 109 

1 692, 1703,  2124 

950 

Ritter  J.  Ph. 

rlin  2209, 2258 

1293 

Rittershaus 

.  .  1952,  2246 

1339 

Ritzmann  . 

....  1249 

2348 

Rivalta  .  . 

....  1252 

397 

Rivet  .  .  . 

....  1498 

50 

Riviere 

.  .  1694,  1851 

1758 

Roaf  .  .  . 

.  .  2201 

1449 

Robb  .  .  . 

. 1851 

1977 

Robert  .  . 

.  .  .  1060 

231 

Roberts  .  . 

....  745 

1293 

Robertson 

....  1854 

2298 

Robertson 

W .  2444 

628 

Robertson 

F.  -  Edin- 

2206 

burgh 

.  2460 

1003, 

Robertson  G.  M.  Edin- 

burgh 

.  .  .  2461 

794 

Robin-Paris 

. 1348 

2509 

Robin-Warschau  .  .  2345 

1337 

Robinson 

.  2208 

2458 

Robitschek 

....  646 

2406 

Robitzko 

. 893 

957 

Robson  . 

335,  538,  1144 

2540 

Rodari  . 

. 1568 

849 

Rodella  . 

. 183 

135 

Roder 

.  .  .  2148 

536 

Rodhain 

.  .  .  898,  1748 

2053 

Rodriguez  y  Rodriguez  1552 

845 

Roeder  . 

.  .  .  2049,  2258 

2206 

Röhmann 

....  2156 

1508 

Römer  P.-Marburg  .  .  539, 

2155 

1339 

1806 

Römer  P.- Würzburg  1900, 

19,697 

2499 

1047 

Roemheld 

. 382 

1549 

Roemisch 

. 117 

2061 

Röpke  Fr.- 

Solingen  .  187, 

1656 

1259 

813 

Roepke  O.-Melsungen.  797, 

1651 

1295 

2401 

Röpke  W.-Jena  .  666,  739 

2003 

Roesen  . 

. 324 

1835 

Roessle  E. 

-Dresden  .  1386 

950 

Rössle  R.- 

München  .  531, 

1140, 

580,  1340, 1445, 1643, 1690, 

1955,  1962 

580 

Rössler  . 

.  .  .  1462,  1646 

1547 

Roger  .  . 

.  ...  37,  488 

1093 

Rogers  . 

. 1399 

649, 

Rogge  . 

. 998 

Rohleder 

.  2342 

Roith  .  . 

.  799,  1443,  1647 

,  2496 

Rollet 

. 947 

2456 

Rollin 

. 1893 

185 

Rolly  .  . 

.  193,  1513,  1557 

2544 

Romanelli 

. 1955 

Romani . 1795 

Romberg  ....  964,  1309 


van  Romburgh 


1043 


Rommel  .  .  .  32,  48,  1846 

Röna  D . 335 

Rona  B . 2155 

Rondoni . 1002 

Roos .  2501 

Roosen-Runge  ....  441 

Roper . 1908 

de  la  Roquette  .  .  .  2206 
Rose  E.-Würzburg  .  .  1957 
Rose  H.-Hamburg  .  .  1296 
Rosenbach-Göttingen  .  1546 
Rosenbach  O.-Berlin  .  72, 

535,  581 

Rosenbaum . 2162 

Rosenberg  A.-Berlin  .  2441 
Rosenberg  E.-Berlin  .  184 

Rosenberg  E.  -  Neuen¬ 
ahr  .  1248,  1272 

Rosenberger  A.-Ofen- 
Pest . 1892 


Seite 

Rosenberger  F.-Heidel¬ 
berg  .  796,  2101 

Rosenberger  J. -Würz¬ 
burg  . 1546 

Rosenberger  W.-Göt- 
tingen  .  .  .  1341,  1743 
Rosenblath  ....  86,  535 
Rosenfeld-Smolensk  .  999 

Rosenfeld  E.-Nürnberg  641, 
740,  2648 

Rosenfeld  G.-Breslau  955, 
2003 

Rosenfeld  M.-Strass- 
burg  431,  1106,  1403,  2148 
Rosenhaupt  .  .  .  42,  2051 

Rosenheim . 627 

Rosenthal . 2156 

Rosenthal-Berlin  .  .  .1454 
Rosenthal  B. -Berlin  .  384 

Rosenthal  J.-München  2096 
Rosenthal  O  -Berlin  .  1441 
Rosenthal  W.-Göt- 

tingen .  2055 

Roset  J . 850 

Rosmanit . 1298 

Ross  E.  H.-Port  Said  .  2254 
Ross  R.-Liverpool  899,  2206 
Ross  F.  W.  F.-London  2437 

Rossbach . 2164 

Rossi . 2149 

Rost . 444 

v.  Rosthorn . 1342 

Rostoski . 1106 

Rostowzew . 893 

Rotch . 2398 

Roth  C.-Braunschweig  1841 
Roth  E.-Köln  ....  1445 
Roth  E.-Potsdam  383,  2353 
Roth  F.  K.-Frankfurt .  1840 
Roth  L.  J. -Usingen  .  388 

Roth  O. -Heidelberg  .  936 
Roth  O. -Lübeck  .  .  .  681 

Roth  O.-Zürich  .  .  .  1998 

Rothberg . 1836 

Rothberger .  2202 

Rothmaler  .  .  .  •  1353 

Rothschild  D.-Soden  751, 
896,  1446 

Rothschild  O.  -  Frankfurt 
1553,  2541 

de  Rothschild-Paris  1461, 
1660 

Rothschuh  620,  1603,  2161 
Rotky  797,  1212,  1460,  1709 

Rotlauf . .2539 

Rotter . 681 

Rouget .  2205 

Routh .  102,  2555 

Routley . 1853 

Roux-Paris  .  .  .  488,  1347 
Roux  J.-Cannes  ...  38 

Rovsing73b,  1009, 1651, 2251, 
2344 

Rov  . . 1694 

Royers .  38 

Rozenraad .  92 

Rubel .  482,  797 

Rubeska . 1835 

Rubin . 507 

Rubinstein  .  .  845,  1141 

Rubner  332,  383,  1693, 1946, 
2256,  2450 

Rubow .  233,  1551 

Rubritius  .  228,  1212,  1604 

Rudeloff . 1260 

Rudinger  ....  184,  895 

Rüder .  2506 

Rudnik .  37 

Rudolph  .  .  .  .  45,  143 

v.  Ruediger-Rydigier  36,  743, 
1004 

Rühe .  2247 

Rühl .  1648,  2048 

Rühs . 1794 

Rülf . 432 

Ruff . 2148 


XXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Ruffer  ....  1448,  2206 
Rüge  E.-Berlin  .  .  .1791 
Rüge  R  -Kiel  .  1554,  2206 

Ruggi . 1349 

Ruhemann . 1953 

Rullmann . 2198 

Rumpel-Berlin  243, 683, 1009, 
1507 

Rumpel  Th.-Hamburg  1409 
Rumpf  E.-Baden-Baden  536, 
1148,  1295 

Rumpf  Th. -Bonn  153,  627 
1294,  1297 

Runck . 728 

Runge  M .  2391 

Runge  A. -Greifswald  .  1703 
Runge  E.-Berlin  .  92,  1648 
Runge  H.-Göttingcn  .  32 

Rupfle . 215 

Ruppel  ....  2010,  2450 
Ruppert  D.-Giessen  .  945 
Ruppert  J.-Magdeburg  45 

Rusch . 434 

Russ  .  .  .  183,  1192,  2348 

Rüssel  J.  W . 1146 

Russell  R.-London  .  .  1851 

Russell  W.  B . 689 

v.  Rutkowski  ....  2101 

Rutherford . 1090 

Ruttin .  97 

de  Ruyter . 681 

Ruzicka .  2294 

Rystedt . 1494 


Seite  j  Seite 

Samojloff . 2104  Scherpf . 7gQ 

Sampson .  1852  Scheuer . .1188 

Samter . 1143  Scheven  N.-Rostock  .  2105 

Samuel .  1744  I  Scheven  O.-Frankfurt  1086 

Samuely .  2495  |  1609 

De  Sanctis  1008,  1805,  1954  Schiassi . 398 

ten  Sande .  1958  Schick  1107,  1247,'  1249 

Sandoz .  1744  1648,  1696,  2258 


S. 

Saalfeld  .  502,  752,  1966 

v.  Saar  ....  1011,  2393 

Saathoff .  2220 

Sabolotnow . 1248 

Sabrazes . 1214 

Sachs  E.-Berlin  .  .  .  1000 
Sachs  F. -Charlottenburg  184 
Sachs  H. -Frankfurt  895,  946, 
1048 

Sachs  M.-Wien  .  .  .  2248 
Sachs-Müke  .  .  .  988,  2197 
Sack  A.-Heidelberg  .  442 
Sack  N.-Moskau  .  .  .  2252 

Sadger . 133 

Sadoveanu . 1095 

Sämisch . 332 

Sänger  379,  1206, 1307,  1347 
1409,  2156 

Te  Sage .  2059 

Sahli . 946 

Saidiner . 2150 

Saigh . ’.  899 

Saigo .  1546,  2441 

,  .  .  900 

.  .  .  2540 

686 
2105 
2189 
1295 
434 
358,  999 


Sajo 

Saito  K. -Kyoto 
Saito  S.-Berlin  .  . 

Saito  S.-W iirzburg 
Sakaye-Ohkubo  . 
Sakorraphos  .  .  . 

Sakurane  .... 

Salecker  .... 

Salfeld . 148 

Salge-Göttingen  2116,’ 2210, 
2296 

Salge  B.-Dresden  41,  486, 753 

Salkindsohn . 229 

Salkowski . 184 

Salmon . 1008 

Salomon . 997 

Saltykow . 584 

Saltzkow .  2493 

Salus  H .  .  227 

Salus  R . !  .  1709 

Salus  G.-Prag  ....  800 

Salvendi . 176 

Salvisberg .  2445 

Salzer . 916 

Samberger . 950 

Sambon  .....  .  2254 


Sandwith .  2206 

Sansoni .  2262 

Santeison . 898 

Santori . 748 

Sarafoff .  2496 

v.  Sarbo .  2248 

Sardemann  .  .  .  622,  1208 
Sargent  .  .  .  .  1412,  2444 

Sarubin . 1896 

Saudeck . 849 

Sauer  F.-Bad  Steben  .  2115 
Sauer  Fr.-Niirnberg  .  .  1327 
Sauer  Gg.-Erlangen  .  2106 
Sauerbeck  .  .  .  485,  1947 
Sauerbruch  805,  1172,  1646 
1702 

Saugmann  483,  1295,  1550 

Saul .  2355 

Saundby . 1839 

Sauper . 1009 

Sauton . 949 

Sa vage  ....  1449,  1695 

Savill . 1696 

Savill  Th.  D .  2250 

Sawyer . 689 

Saxl .  684,  1604 

Saxtorph . 232 

Sayffaerth . 1504 

Schaad .  2491 

Schade  .  .  865,  1750,  1862 
Schäfenacker  ....  1200 

Schaefer . 275 

Schaefer  H.  Friedrichs¬ 
berg-Hamburg  382,  2489 
Schäfer  E.  A.-Edinburg  2203 
Schaefer  Fr. -München  1378 
Schaefer  Iv.  L.-Berlin  .  1199 
Schäffer-Bern  ....  1341 
Schäffer  F. -Giessen  .  2148 
Schaffer  J.-Breslau  .  .  1769 
SchaefferO.-Heidelberg  1345, 
2048 

Schaeffer  E.-Berlin  399,  2406 

Schaffer . 741 

Schalenkamp  ....  148 

Schalle . 331 

Schanz  A.  -  Dresden  684, 
807,1203,1600,1648,  2064, 
2157 

Schanz  Fr.  -  Dresden  2329, 
2434,  2611 

Scharff  ....  2557,  2636 
Scharpenack  ....  1952 
Schattenfroh  230,  2060,  2198 

Schattock .  2555 

Schatz . 431 

Schaudinn . 1496 

Scheel  .  .  1604,  1605,  2496 

Scheff . 942 

Scheffzek .  2539 

Scheib  .  .  277,  1255,  1976 
Scheibe  .  .  892,  943,  2194 
Scheier  ...  ....  1797 

Schein . 433 

Schelenz . 2108 

Schellack .  2295 

Schellenborg  ....  2103 
Schenck  E. -Frankfurt  1337, 
2269 

Schenck  F.-Marburg  .  2104 
Schenk  F  -Prag  1709,  1976, 
2439 


Schickele  277,  581,  623,  1197, 
1302,  2439 

Schieck . 4901 

Schieffer . 993 

Schiele . 268 

Schierbach . 382 

Schiff . 944 

Schild . 1658 

Schill  .  • . 1298 

Schilling  . .  2544 

Schilling  F . 2101 

Schilling  CI. -England  .  2344 
j  Schilling  K. -Heidelberg  946 
Schilling  R. -Nürnberg  1392 
Schilling  Th.-Nürnberg  242 
591,  2013 

Schindler  C. -Breslau  .  36 

Schindler  Iv. -Berlin  .  1694 

Schirokauer . 1837 

Scliirmer-Iviel  ....  1962 
Schirmer  E.-Magdeburg  278 
Schitomirsky  ....  247 
Schittenhelm  180,  955,  2495 

Schivardi . 630 

Schkarin .  2049 

Schlaeger . 1383 

Schlagenhaufer  .  .  .  847 
Schlagintweit  .  1393,  1652 

Schlange . 680 

Schiatter . 1447 

Schlaver  953,  964, 1091,  1834 
2395 

Schlecht-Breslau  .  ...  1677 
Schlecht  H.  -  Freiburg  432 
.  .  807 
.  .  231 
842,  2392 
2620 


Schlee 
Schleib  .  , 
Schleip  .  . 
Schleissner 


Schenker  . 
Schepelmann  . 
Scherback  .  . 
Scherber  .  .  . 
Schereschewsky 
1568,  2148 


2112,  2125 
1554,  1909 
.  .  .  2394 
1497,  2051 
687,  1471, 


Schlesinger-Berlin  893,  1009 
^  1891 

Schlesinger  A. -Berlin  .  2259 
2260 

Schlesinger  E.-Berlin  460, 
2450 

SchlesingerE.-Nürnberg  1964 
Schlesinger  E.  -  Strass¬ 
burg  .  .  195,  1296,  2117 
Schlesinger  H.-Wien  669, 
947,  1395,  1411,  1447 

Schlick . 1956 

Schlösser . 902 

Schleifer  36,  904, 1143,  1894 
Schlokow  179,  227 
Schloss  .  .  184,  1054,  2245 
Schlossmann  8,  30,  1488, 
2059,  2209 

Schlüter-Gehlsheim  .  484 
Schlüter  R.-Magdeburg  1547 

Schlutius . 278 

Schmaltz  .....  .  438 

Schmaus  ....  998,  2045 

Schrnid  F.-Bcrn  .  .  .  2401 
Schmid  J.-Charlotten- 
burg  ......  .  2494 

Schmidt  R.  .  .  .  379,  1790 
Schmidt-Berlin  .  .  .  277 
Schmidt  A.-Halle  2111,  2409 
Schmidt  A.-Altona  140,  1098 
Schmidt  A. -Dresden  541, 
542,  1091,  1232,  1442 
Schmidt  C.  Düsseldorf  237 
Schmidt  C. Cottbus  1003, 1667 
Schmidt  E.-Berlin  .  .  1442 
Schmidt  Fr.  -  Baden¬ 
weiler  2236 

Schmidt  Fr.-Wiesbaden  485 
Schmidt  G.  B.-Heidel- 
berg  ......  1222 


Seite 

Schmidt  H. -München  2092 
Schmidt  H.-E-  Berlin  673 
806 

Schmidt  H.  H.-Berlin  2102 
Schmidt J.  E.-Tiibingen  2099 
Schmidt  P.-Leipzig  .  2294 
Schmidt  W.-Stuttgart  .  2480 
Schmidt-Nielsen  897,  1337 
Schmidt-Rimpler-Halle  99, 
140,  755 

Schmidtlechner  -  Ofen- 

Pest  . 1303 

Schmidtmann  A.-Wien  1245 
Schmidtmann  A.  L  - 
Berlin  .  .  .  2256,  2448 

Schmied .  44 

Schmiedl . 1495 

Schmiedt . 487 

Schmiegeion  233,  1550,  2104 
Schmilinsky  910, 1100,  1306, 
1347,  2245 

Schmincke  .  .  2344,  2456 
Schmitt  .  .  683,  857,  2551 

Schmitz . 1445 

Schmoll  ....  998,  2027 
Schmorl  188,  239,  583,  1192 

Schnabel . 1146 

Schneidemühl  .  1140,  2436 
Schneider-Berlin  .  .  .  2490 
Schneider-München  .  146 

Schneider-Saarbrücken  2402 
Schneider  K.-Budweis  2148 
Schneider  K. -Breslau  1492 
Schneider  W.  Lemberg  849, 
1447 

Schneider  R. -München  1245 
Schneider  AV.-München  2038 
Schneider- Geiger  .  .  277 
Schnirer  .  .  .  .  276,  2292 
Schnopfhagen  .  .  .  1954 


Schnütgen  .  .  2347,  2441 
Schoemaker  .  1141,  2054 
Schoenborn  .  .  .  390,  983 
Schoendorff  .  .  1957,  2056 
Schöne  G.- Frankfurt  2161 
Schöne  Ch.  Iiatibor  .  2398 
Schönholzer  .  .  432,  486 

Schönstadt . 1507 

Schoenwerth  ....  2085 
Schöppler  685,  1190,  1448 
Schofield  .  .  ...  .  1854 

Scholl .  2439 

Scholz  Fr.  Berlin  .  .  1897 
Scholz  K  -Görlitz  .  .  1840 
Scholz  W.-Graz  ...  92 

Schomerus . 1346 

Schopf .  2248 

Schoppig . 2147 

Schorr .  2493 

Schossberger  .  1296,  1447 

Schott .  230,  278 

Schottelius  .  .  525,  2450 

Schourp . 148 

Schottlaender  626, 859,  1342, 
2244 

Schrecker  . 1692 

Schreiber  A.-Augsburg  178, 
234,  678,  1244,  2145,  2538 
Schreiber  J.-Königsberg  1247 
Schreiber  M.-Magdeburg  813 
Schreiber  R.-Hamburg  810, 
1903 

Schridde  794,800,  842,  1340, 
1542,1598,1690,1888 
Schröder  G.-Schönberg  132, 
483,  1148,  1295 
Schröder  H.-Lüneburg  484, 
2346 

Schröder  K. -Kopenhagen 
2248,  2251 

Schröder  P.-Breslau  .  484 
v.  Schroetter  E.-Wien  628 
v.  Schrötter  H.-Wien  736, 
1397,  2252 

v.  Schrötter  L.-Wien  1998, 
1999,  2158 


Seite 

v.  Schrötter- Wien  .  .  2354 

Schroth .  2435 

Schrumpf  .  .  .  429,  2517 
Schubert-Dresden  .  .  2504 
Schubert  G.-Breslau  183, 1266, 
2147,  2612 

Scliucht  A.  .  .  .110,  333 
v.  Schuckmann  .  .  .  384 
Schüffner  .  .  .  1364,  1722 
Schüller  A.-Wien  .  .  2156 
Schüller  G.-Oels  .  .  .  1413 
Schüller  M. -Berlin  .  .  536 
Schürmann-Berlin  .  .  1893 
Schürmann  E.-Dresden  1492 
Schütz-Wien  536,  685,  2001, 
2296 

Schütz  O.-Chemnitz  .  2392 
Schütze  A.-Berlin  .  35,  334, 
945,  1396 

Schütze  A.  W.  E.-Kö- 
nigsberg  .  .  .  381,  2439 

Schuh  A.  FI . 1943 

Schuh  L.-Nürnberg  .  1560 
Scliulthess  .  .  .  807,  2611 
Schultz  W.-Posen  .  .  998* 
Schultze-Berlin  .  .  .  682 
Scliultze  B.  S.-Jena  .  1644 
Schnitze  E.-Greifswald  332, 
484,1244,  1703,  2345 
Schultze  Fr.-Bonn  140,  338, 
901,  1339,  1361 
Schultze  F.-Duisburg  .  332, 
1792,1891,  2064,2054,2611 
Schultze  K.-Bonn  .  .1339 
Schultze  R.-Düsseldorf  1547 
Schultze  W.  H. -Göttin¬ 
gen  .  .  H67,  1340,  1532 

Schnitzen .  2205 

Schulz  A.-Halle  .  .  .  141 
Schulz  C.-Brest-Litowsk  1339 
Schulz  IF.-Greifswald  .  1598 
Schulz  Fr.  N.-Jena  .  .  2057 
Schulz  O. -Erlangen  .  .  1455 
2056 

Schulz  O.  E.-Wien  .  .  1792 
Schulze  R.-Bonn  .  .  .  332 
Schulze-Dresden  .  .  .  2194 
Schulze  W.-Berlin  .  .  35 

Schumacher  .  1060,  1581 
Schümm  .  258,  1235,  1581, 
2055,  2198,  2335 
Schumoff-Simanowski  2001 

Schuppius . 1793 

Schur  1250,  2103,  2111,  2209 
Scliuster-Berlin  .  .  .  2157 
Schuster  R.-Aacken  .  751, 
946 

Schwab-ßerlin  .  844,  892, 
997, 1045, 1741, 1833,  2099 
Schwab-Hannover  .  .  1841 
Schwab  M.-Erlangen  .  176, 
837,  1433,  1547,  2439 

Schwalbach . 1189 

Schwalbe-Bonn  .  .  .  1403 
Schwalbe  E.  -  Heidel¬ 
berg  .  .  580,  1611,  2290 
Schwalbe  E.-Karlsruhe  2541 
Schwalbe  G.  A.-Strass- 


burg . H06 

Schwalbe  J.-Berlin  .  1442, 
1544 

Schwanck . 1291 

Schwartz-Paris  .  .  .  244 
Schwartz  G. -Strassburg  615 

Schwartze .  49 

Schwarz-Halle  ....  909 
Schwarz-Riga  ....  2157 
Schwarz  A.-Berlin  798,  1394 
Schwarz  Ch.  Wien  .  2442 
Schwarz  G.-Wien  805,  806, 
849 

Schwarz  R.  -  Stuttgart- 
Bad  Mergentheim  .  1183 

Schwechten .  2204 

Schweiger . 1107 

Schweinburg  .  .  37,  744 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXV 


Seite 

Schweitzer  .  .  .  646,  701 
Schwenkenbecher  585,  2102 

Schwerdt . 1230 

Schwiening . 892 

Sciallero  .  .  .  1955,  2149 
Scipiades  .  .  .  1247,  1404 

Scordo .  2497 

Scupin  E . 2194 

Scupin  G . 2194 

Sealey . 689 

Sebileau .  2308 

Seebohm .  92 

Seefelder  ....  475,  1904 

Seel . 1518 

Seeligmann  .  381,  695,  755, 
1197,  2048 

Seeligmüller  ....  543 

Seeligsohn . 536 

Seemann . 277 

Segäle . ' .  .  1725 

Seggel  C.-München  .  227, 
380,  418,  624,  1443,  1637, 
2435,  2538 

Seggel  R.-Geestemünde  332 

Segond .  2856 

Sehrt  ...  33,  1601,  2293 

Seidel  E. -Oberspaar  .  2109 
Seidel  II.-Berlin  ,  .  .  1339 
Seidel  K.-Dresden  854,  1857, 
2162 

Seifert-Sonnenstein  .  1840 
Seifert  O  -  Würzburg  482, 
1094,  1500 

Seiffart . 1648 

Seiffert  G.  -  Freiburg  2269, 
2285 

Seiler  F.-Bern  .  .  796,  1094 
Seitz  C.-München  .  .  90 

Seitz  L.-München  277,  431, 
438,  499,  1343,  1411,  1602, 
1707,  2048,  2305,  2553 

Selhorst . 950 

Selig  .  335,  752,  1396,  1427, 
2542 

Seligmann  E. -Berlin  1191, 
1311,  1745,  2197,  2346 
Seligmann  H. -Frank¬ 
furt  .  42,  2304 

Seilei  . . 1837 

Seilheim  277,  1192,  1217, 
1254,  1345,  1395,  2212 

Selling . 1091 

Selter .  2059 

Semeleder  .  .  .  501,  904 
Semon  538,  712,  1144,  1908 
Senator  H.-Berlin  131,  967, 
1507 

Senator  M.-Berlin  .  .  51 

Sencert .  948,  1498 

Senftleben . 1396 

Senger .  35 

Senn . 1146 

Senninger . 2101 

Sequeira . 1907 

Sergent  Edm . 1499 

Sergent  Et . 1499 

Settegast . 806 

Settier . 850 

Seufferheld  .  .  .  625,  1281 
v.  Seuffert  .  .  .  146,  2049 

Severaneo . 1666 

Seyberth  .  .  .  1573,  1663 

Seyffert . 1741 

Sezary . 1498 

Sforza .  2205 

Sharkey . 336 

Shattock  .  .  .  .712,  2555 

Shaw . 540 

Shaw  C.  S.  .  .  1839,  1853 

Shaw  W.  F . 1194 

Sheppard . 1839 

Sherren  .  .  94,  1193,  1661 

Sherrington .  2204 

Shibayama . 979 

Shukowsky . 894 

Sicard -Paris . 1710 

Sicard  G. -Algier  2051,  2458 


Seite 

v.  Sicherer  .  .  1231,  1902 

Sick-Stuttgart  .  .  .  .2113 

Sick  C. -Ham  bürg  .  .  390 

Sick  K. -Tübingen  964,  997 

Sick  P.-Leipzig  .  .  .  1341 

Sicur . 244 

Siebeck  . 1996 

Siebelt .  752,  848 

Siebenmann  36,  1260,  1442, 
1500 

Sieber .  2001 

Siebert .  2343 

Siebert-Hamburg  .  .  2253 

Siebert  C.-Breslau  380,  433, 

949 

Siebert  F.-Straubing  .  795 

Siedentopf . 1503 

Siefert . 1044 

Siegel  E.-Frankfurt  .  429 
Siegel  W.-Reichenhall  280, 
953 

Siegel  W.-Berlin  .  .  2495 

Siegert  .  .  .  138,  626,  2258 
Siegfried  ....  435,  2155 
Siegrist  ....  1146,  1746 
Siemerling  .  .  1000,  1994 

Sievers . 545 

Sievert .  2344 

Sigel . 230 

Sigwart .  742,  1141 

Silbermann  -  Bad  Ivu- 

dowa . 743 

Silbermann  R.-Prag  .  1095 
Silberschmidt  W.  .  .  1250 

Silberstein .  2354 

Silvestri  .  628,  1954,  1955 
Simmonds  341,  590,  635, 

1190,  1346,  1410,  1599 

Simon . 1951 

Simon  A.-Wiesbaden  .  1000 
Simon  H.-Plauen  .  .  2240 
Simon  L.  G.-Frankreich  2052 
Simon  M.-Nürnberg  .  1209 
Simon  O.-Karlsbad  .  960 

Simons . 1998 

Simpson  1907,  2201,  2545 

Sinding . •  .  232 

Singer .  2448 

Siovall . 1493 

Sippel  42,  894,  2506,  9550 

Siracoff .  2437 

Siredey . 1062 

Sitsen  .  93 

Sitzenfrey  999,  1604,  2148, 
2439 

Sklarek .  2540 

Skorscheban  ....  588 

Skutsch . 1303 

Skschivan  ...  •  .  .  383 

Slomann . 1093 

Sluka .  1648,  1836 

Smit . 1049 

Smith  B .  2255 

Smith  E .  2397 

Smith  H .  95,  385 

Smitt . 1011 

Smoler . 892,  1143 

Snell  S . 1907 

Snell  O.-Lüneburg  484,  2346 

Snyder . 1957 

Sobotta  531,  579,  581,  1186, 

1290,  1441,  1740,  2341 

Söder  . 847 

Soetbeer  .  .  .  1091,  1377 

Sofer . 185 

Sohr .  2292 

Soldin . 1047 

Solms . 2610 

Solowiz . 1190 

Soltmann  5,  43,  1845,  2258 

Soltsien . 997 

Somerville  . 1193 

Sommer-Nürnberg  .  .  1210 
Sommer  E. -Zürich  .  .  1139 

Sommerfeld .  32 

Sommerville . 1907 

Son  Hellmann  .  .  .  2344 


Seite 

Sonnenburg  .  .  .  682,  80 1 
Sonnenschein  ....  1550 
Sonntag  ....  1047,  1;>47 

Sorgo .  622,  944 

Soucques  .  .  .  1709,  1710 
Soyesima  .  .  .  2195,  2491 

Spadaro . 758 

Spaet  F.-Fürth  179,  227,  248, 
890, 1141,  1492, 1544,2008, 
2167 

Spät  W.-Prag  .  .  231,  1997 
Spaeth-Essbngen  .  .  940 
Späth  F. -Hamburg  .  .  608 

Spalteholz . 956 

Spann . 234 

Sparapani .  2053 

Spencer  H.  R.-London  2, 
44  2555 

SpencerW.G.  1349, 1412,1853 

Spengler . 536 

Sperling . 1247 

Spicer  H . 1908 

Spicer  R.  H.  S.  .  .  .  712 

Spiegel  ....  1495,  2102 

Spiegelberg . 1308 

Spieler . 949 

Spielmeyer  799,  1085,  1396 

Spiess . 627 

Spiethoff  ....  43,  1503 

Spilsbury .  2556 

Spira . 1250 

Spiro . 1457 

Spisharny . 431 

Spisic . 1473 

Spitharny . 1190 

Spitta . 585 

Spitzer . 2610 

Spitzy .  684,  2160 

Sprecher . 949 

Sprengel  ....  905,  1243 

Spriggs . 592 

Springer .  2620 

Spude .  1050,  1237 

Staal . 585 

Stadelmann  1161, 1834,  1933, 
2647 

Stad  1er  ..  .  44,  100,  1834 
Staehlin  ....  952,  2057 

Stählin . 1833 

Stäubli .  2541 

Stahlberg . 584 

Stahr . 1178 

Stamatiade . 1606 

Stamm . 2617 

Stanton .  2398 

Starck  H.-Karlsruhe  .  687, 
1401,  1749 

v.  Starck-Kiel  .  .  449,  2012 
Stargardt-Kiel  .  .  443,  962, 
1060,  1061 

Stark  W.-Stuttgart  .  .1189 

Starke . 275 

Starkenstein . 1602 

Starling . 712 

Starr .  2249 

Stäuber . 2106 

Staude  .......  142 

Stauder  393,  546,  1155,  2554 

Steensma . 1049 

Stefanescu . 1606 

Stefansky . 383 

Steffeck . 1547 

Steffen  ....  1340,  2065 

Stegmann . 809 

Stein  A.  -  Königsberg  384, 
1050 

Stein  A.-Stuttgart  .  .  2207 
Stein  B.-Nürnberg  1964,  2119 
Stein  J.-Heina  .  .  .  2541 
Stein  J.-Saaz  .  .  .  .2149 
Stein  R.-Wien  ....  2051 
Stein  Y.  S. -Dänemark  1550 
Steinbrecher  ....  1340 
von  den  Steinen  .  .  1200 
Steiner  ...  .  137,  2206 

Steinert  .  .  .  193,  896,  914 
Steinhard  ....  393,  1155 


Seite 

Steinhaus . 1190 

Steinitz . 2610 

Steinmann . 1793 

Steinsberg  .  .  751,  848 

Steinthal . 1189 

Stelzner . 379 

Stemmermann  ....  894 

Stenczel .  94 

Stenger  P. -Königsberg  1298 
Stenger  E.-Berlin  .  .  2055 
v.  Stenitzer  .  .  .  687,  1397 

Stephani .  2302 

Stephenson  .  .  1144,  1907 
Steppetat  ....  236,  1653 

Sterling . 133 

Stern  R . 842 

Stern  A.-Berlin  .  .  .  796 
Stern  A.-Frankfurt  439,  876 
Stern  A.-New-Yersey  .  35 

Stern  C.-Düsseldorf  318,  384, 
2385 

Stern  C.-San-Remo  .  .  646 
Stern  M.-Prag  ....  801 
Sternberg-Breslau  .  .  796 

Stern berg  C.-Brünn  .  2398 
Sternberg  M. -Wien  952,  1999 
Sternberg  W.-Berlin  339,  801, 
2442 

Stettiner . 1010 

Steudel  E.-Berlin  .  .  2206 
Steudel  Fr.-Bremen  .  1789 
Steudel  H. -Heidelberg  1957, 
2153,  2155,  2381 

Stevens  B.  C .  2200 

Stevens  W.  M.  .  .  .1145 

Steward . 1694 

Stewart  J.  S . 1839 

Stewart  T.  G . 489 

Steyerthal  . 278 

Stich  E.-Nürnberg  242,  2205 
Stich  R. -Breslau  .  845,  853 
Sticker  ....  1627,  1998 
Stieda  Alex.-Halle  694,  909, 
2115,  2162,  2373 
Stieda  Alfr.-Königsberg  1546, 
2064 

Stier . 943 

Stierlin . 1951 

Stigter .  2349 

Still  .  .  .  688,  1650,  1908 

Stillmark . 1192 

Stimmei . 1261 

Stintzing . 912 

Stirnimann .  2398 

Stitt .  2253 

Stock . 1903 

Stoeckel  .  133,  1197,  1444, 
1993 

Stöcker . 234 

Stölzner . 809 

Stoerk  E.-Wien  .  .  .  1549 
Stoerk  O.-Wien  1497, 1838, 
2207 

Stoffel . 684 

Stoicesco . 487 

Stokes .  2397 

Stolz-Graz  .  .  .  2146,  219  > 
Stolz  W. -Giessen  .  .  2255 

Stolzenburg . 780 

Storkey . 1853 

Storp . 1295 

v.  Stoutz .  2455 

Strzyzowski .  2557 

Strähuber . 915 

Sträter . 805 

Stransky  ....  382,  743 
Strasburger  .  .  1052,  2100 
Strässer  A.-Wien  1045,  2104 
Strasser  J.-Wien  .  .  .  1550 
Strassmann  1667,  1853,  2294 
Strassner  .  .  .  .  .  .  1774 

Stratz . 1303 

Straub . 1660 

Strauch  . 582 

Sträussler  . 1802 

Straus  W.-Nürnberg  814, 1965 
Strauss . .  .  1993 


2057 
1148 
231 
2195 
129 
2048 
....  2609 
773,  999,  1742, 


Würzburg 

-München 


Seite 

Strauss  A. -Barmen  .  .  435 
Strauss  F.  Frankfurt  389,  692 
Strauss  H.-Berlin  132,  280, 
752,  848,  957,  1048.  1549, 
2017,  2197 

Strauss  M.- Greifswald  1093, 
1339,  1952 

Strebei . 527 

Streitz . 24y6 

Strempel .  2294 

Striter  M . 1956 

Ströll .  1063,  2262 

Strohe . 1505 

Strohmayer . 1845 

Strong .  2402 

Strubell  .  1151,  1604,  1649, 
2004,  2172 

Strümpell  .  1442,  2391,  2442 
Struppler  ....  48,  472 

Stubenrath . 1840 

v.  Stubenrauch  .  130,  893, 
1963 
Stübel 
Stuertz 
Stuhl  . 

Stumme 
Stumpf  J. 

Stumpf  M 
Sturge  . 

Stursberg 
2196 

Stutzer . 1292 

Sudeck  .  1314,  1409,  1503 

Sudhoff  193, 1043, 1103, 1242, 
1387.  2061,  2109,  2110 

Suess . 1794 

Sugg . 1339 

Sultan-Mainz  ....  852 

Sultan-Rixdorf-Berlin  .  1692 

v.  Sury . 685 

Suter  F. -Basel  .  .  94,  1746 
Suter  F.  A. -Innsbruck  430, 
1189 

Sutherland . 1450 

Sutter .  799,  2541 

Sutton  .  .  •  .  .  688,  1852 

Swayne . 1853 

Symes . 687 

Symmers . 2199 

v.  Szabö .  2048 

v.  Szaboky  .  .  .  487,  1448 

Szana .  2302 

Szili .  2055 

v.  Szöllösy . 1034 

T 

Takayasu- . 1834 

Takhenberg .  2349 

Talconer . 385 

Talke . 228 

Tallqvist  ....  896,  1140 

Tamayo . 539 

Tangf .  .  .1957,2000,2065, 
2390 

Tantscher  . 844 

Tanturri  .  .  .  1793,  2498 
Tatewossianz  ....  2001 

Tapia . 850 

Tarsia . 483 

Tatuschescu  .  .  .  587,  1096 

Taube .  2302 

Tauffer . 1303 

Tausig . 967 

Tauszk . 586 

Tavel .  432,  1296 

Tawara . 427 

Taylor  A .  2444 

Taylor  F.  E.- London  1616, 
2201,  2461,  2555 
Taylor  G.  G.  S.  .  .  .  745 
Taylor  R.  W.  ....  40 

Tecklenburg  483,  845,  961 

Tedeschi . 2149 

Tegtmeyer . 279 

Telemann .  34 

Teleky-Wien  ....  1411 


4 


XXVI 


INHALTS-VEftZEiCHNiS. 


1907. 


Seite 

Telke . 727 

Tellaender . 2394 

Tende .  2497 

Tendeloo  ....  105,  132 

Terni . 539 

Terrier .  38 

Terry . 2156 

Teruuchi  ....  895,  1048 
Teschemacher  ...  .  561 

Teske . 1003 

Tetzner . 1003 

Teufel  . . 1212 

Teuffel  E.  -  Dresden  1151, 
1531,  2356 

Teuffel  R. -Chemnitz  .  1047 
Teutschländer  ....  1549 

Thal  er .  2248 

Thalbitzer . 279 

Thalmann  .189,239,  603 
Theilhaber  171,  1126,  13u2, 
1343 

Thelemann . 1547 

Thelen . 1611 

Thenen . 588 

Theodorov  .  .  .  893,  1397 
Theopold  H.- Lemgo  .  433 
Theopold  J.-Jena  .  .  1091 

Thesen . 897 

Thevenot . 487 

Thibierge . 644 

Thiel . 182 

Thiele . 230 

Thiem  .  .  1667,  2103,  2350 

Thiemann . 852 

Thiemich . 5^3 

Thierry .  2204 

Thies .  1495,  1752 

Thiis .  898,  2150 

Thimm . 434 

Thom . 1656 

Thoma  R.  .  .  686,  1190 
Thoma  E. -Illenau  .  .  230 

Thomas . 1951 

Thomas  J.  L.  .  1695,  2413 
Thomas  K.-Freiburg  .  2399 
Thomas  G.-Köln  .  .  .  1891 

Thomd . 1392 

Thompson-Sydney  .  .  2206 
Thompson  E.-R.  .  .  .  1894 
Thompson  H.  P  .  .  .  1193 
Thompson  J.  A.  .  .  .  537 
Thompson  R.  L.-St. 

Louis . 1445 

Thomsen  0 . 897 

Thomsen  Bonn  .  .  .  2346 
Thomsen  J.  -  Kopen¬ 
hagen  . 177 

Thomson  ....-,  .  2059 
Thomson  H.  A.  .  .  .  2460 
Thorbecke  .  .  *860,  1610 
Thorei  .  .  725,  1964,  2619 
Thorn  ....  46,  48,  194 
Thorspecken  ...  .  313 

Thorspeken .  33 

Thörey .  2427 

Thost . 944 

Thresch . 336 

Thue . 897 

Thumm . 177 

Tjaden  lbO,  1149,  1297,  1960 

Tidswell . 1853 

Tiecho . 742 

Tiedemann  1164,  2100,  2392 

Tietmeyer . 542 

Tietze .  228,  856 

Tigerstedt  R . 897 

Tigerstedt  C.-Helsing- 

fors .  1796,  2544 

Tigges .  484,  894 

Tilford . 385 

Tilley . 712 

Tillgren . 1494 

Tilmann  139,  338,  339,  739, 
801,  942,  1102,  1403,  1545, 
1891 

Tilmanns . 23ql 


Seite 

Tintemann;  .  .  .  180,  1479 

Tittel  ..." .  2048 

Tixier . 948 

Tizzoni  ....  39,  1794 

Tobias  .  .  .  565,  751,  848 

Tobiasek . 1600 

Tobler  497,  812,  8;9,  1836, 
2257 

Todd . 744 

Todde . 1805 

Többen . 2420 

Toepfer . 2.7 

Török  ....  37,  90,  280 

Toff . 524 

Tokuoka . 739 

Toldt . 890 

Tollens .  486,  1013 

Tomarkin  E.  384,  483,  797, 
1094 

Tomaschny . 481 

Tomasczewski  ....  1023 
Tomimatsu  Schidachi  950 
Tomita  .  .  94,  2000,  2195 
Tommellini  .  .  2246,  2350 
Topolanski  .  •  .  .  .  2148 
v.  Torday  ....  896,  1397 

Torhost . 1797 

Torkel  ....  2541,  2612 

La  Torre .  2493 

Torreblanca . 85i> 

v.  Tothfalussy  ....  2204 
Tottmann  .  .  .  .  .  2597 

Toubert .  ‘»7 

Toyosumi  ....  .  1985 

Tranthan .  2354 

Trappe  M.  ....  1001 
Trautmann-Leipzig  643,  1210 
Trautmann  H.  -  Ham¬ 
burg  . 797 

Trautwein . 1495 

Trebitsch .  2348 

Treherne .  2545 

Trendelenburg  F.-Leip- 
zig  .  •  545,  2005 

Trendelenburg  W.-Frei- 
burg  1385,1402,1902,2106 

Treplin .  2404 

Treptow . 2109 

Tretzel  L . 1481 

Treumann . 963 

Treupel  972,  1007,  1929,  2616 

Tribon .  2460 

Triboulet  .  .  .  1461,  2059 

Trillat . 949 

Trömner  1060,  1409,  1801, 
2304 

v.  Trojanowsky  .  .  .  1144 

Troitzky . .  849 

Trolle  . 232 

Trommsdorff  383,  2294,  2644 
Trumpp  49,  499,  2210,  2258 
Trunk  ....  1295,  2100 

Truzzi . 1602 

Tschemow . 229 

Tschistowitsch  .  743,  2493 
Truchida  .  •  ...  .  742 

Tsuda  ....  1745,  1818 
Türk  .  .  .  220,  384,  1493 
Tugendreich  .  .  .  690,  1893 

Turan  .  • . 1954 

Turck . 1695 

Turrö  A . 850 

Turrö  R .  2297 

Turton .  96,  1694 

Tuszkai  ....  1950,  2066 

Tuteur . 2102 

Tutsch . 1550 

Tweedy . 1839 

Tychsen .  2251 

Tylecote .  2249 

Tyler .  2254 

Tyson . 1852 


Seite 


u. 


Ubeda .  .  1531 

Uffenheimer  841,  981,  1155, 
1492, 1833, 1962, 2436,  2592 
Uffenorde  96,  746,  2130,  2193 

Ughetti .  2490 

Uhlenhuth  36,  280,  1495, 
2050,  2294,  2295 
Uhthoff  351,  491,  1902,  1903 

Ul  brich . 1902 

1793 
846 
180 
334 
1143 
1448 
378 


Ulrich . 

Ulesco-Straganowa 
Ullmann  E.  .  .  . 

Ullmann  B.-Berlin 
Ulmann  J.-Breslau 
Ullmann  K.-Wien 

Ulzer . 

Umber  F.-Altona  635,  811, 
1153,  2495,  2617 
Umber  H.- Berlin  .  .  797 

Umpfenbach  .  .  484,  2346 

Ungar . 1403 

Unger  .  .  .  532,  2206,  2612 
Ungermann  E.  ...  847 

Unterberg  H . 1837 

Unverricht . 1658 

Urbach . 2 142 

Urban .  231,  372 

Urbanowicz . 435 

Urbantschitsch  586, 1 298, 1897 
Ustvedt  . 795 


V. 


Seite 

Vierordt  276,  427,  794,  1442, 
2292 

Vilanova . 1551 

Villan . 487 

Villinger . 1835 

Vincent  E.-Algier  .  .  38 

Vincent  H.  .  .  1498 

Vincent  Val-de-Grace  .  2460 

Violet . 488 

VirchowH.-Berlin  1309,  2103 
Virchow  R.  .  .  .  377,  945 


Li  Virghi  . 
Viry  .  .  . 
v.  Vleuten 
Voe ekler  . 
Voelker  A.  F 


629 
.  .  .  2206 
.  .481,  1836 
....  1633 
-England  689 


VölckerFr.-Heidelberg  182, 
680 

Voelckers -Heidelberg  904, 
1009 

Yörner  219,  435,  586,  671, 
919,  950,  1549,  2283,  2331, 
2483,  2641 


Seite 

Walter .  2255 

Walthard  .  .  .  .999,  1301 
Walther  H.-Ettenheim  267 
Walther  LI.-Giessen  .  2147 
Wandel  535,  584,  1007,  1091, 
1446 

Wanietscliek  ....  135 

Warburg . 543 

Warfwinge .  2543 

Waiing . 1349 

Warner  .  2444 

Warnke . 2157 

Warrington . 538 

Warschauer .  2540 

Wartmann . 181 

Wasenius . 2514 

v  Wasielewski  .  .  .  2159 

Wasmann . 437 

Wassermann  A.-Berlin  134, 
333,  1690,2050,2612,  2616 
Wass°rmann  M. -Berlin  1691 
Wassermann  M.- 
München  .  .  1260,  1962 


Vogel  E .  738  Wassermeyer  ....  1548 

Vogel  J. -Berlin  1094,  2050  Wasserthal .  2245 

Vogel  K. -Dortmund  .  94,  j  Wassiljeff  A . 333 


Vaillard  51,  644,  1156,  2052 
2460 

Valagussa . 1955 

Valence .  2546 

Vallee  ....  1612,  1613 

Vandevelde . 1339 

Vanghetti  .  90 

Vauselow  ....  248,  277 

Varanini . 1956 

Vargas . 1551 

Variot  .  .  446,  488,  1661 

Vaschide . 445 

Vasiliu  ....  1548,  1997 
Vassale  ....  398,  1008 
Veckenstedt  ....  2248 

Veil . 1893 

Veit  A.- Düsseldorf  .  2030 
Veit  E.-Stuttgart  .  .  .  1189 
Veit  J.-Halle  99,  383,  543, 
634,  695,  891,  1300,  1344, 
1396,  1610,  1789,  1904, 

2244 

Van  de  Velde  1197,  1407, 
1549,  2055,  2102,  2349 
von  den  Velden  101,  384, 
698,  1007 

Velhagen . 691 

v.  Velits . 1547 

Venema . 687 

Vento . 1551 

Veraguth  .  951,  1396,  2157 
v.  Verebely  429,  847,  1443, 
1952 

v.  Vdress . 950 

Verger . 139 1 

Verhoogen  J.  .  1746,  2207 

Vernon . 1853 

Verocay  .  •  .  .  .  .  1803 

Vers  4  509,  686 

zur  Verth  892,  900,  1139, 
1290,  1443,  1599,  1645, 

1833,  1948,  2193,  2z05, 

2292 

Vetlesen . 1604 

Viala .  2556 

Victorow . 1957 

Vidal  .  398,  1156 

Viereck .  2498 

Vierhuff  W . 848 


169,  798,  1192,  1339 

Vogelius . 1551 

Vogelsanger  ...  .  277 
Vogt  H. -England  .  .  2201 
Vogt  H. -Göttingen  .  .  484 
Vogt  H.-Langenhagen  226 
Vogt  M.-München  .  .  2435 
Vohsen  236,  409,  1500,  1656, 
2304 

Voigt  390,  590,  1876,2  2049 

Voisin . 947 

Voit .  1832,  1888 

Volbard  403,  1832,  1994, 
2112 

Volk . 1497 

Vollmer . 950 

Volta  . 1794 

Vorschütz  414,  1393,  1555, 
1657 

Voss  F.-Riga  135,  136  1897, 
Voss  O.-Königsberg  .  1260 
v.  Voss  G.-Greifwald  .  693 
Vulpius  482,  684,  807,  1090, 
1337,1392,1667,2307,  2611 


W. 

Wachholz  . 1841 

Wacker  . 916 

De  Waele . 1339 

Waelsch . 937 

Wätzold  ....  1100,  2478 
Wagener  ....  998,  1199 
Wagenhäuser  ....  964 

Wagenmann  .  .911,  1903 
Wagner- Ostafrika  .  .  47ß 

Wagner-Wien  ....  1247 
Wagner  Th.-Stuttgart  572 
Wagner  v.  Jauregg- 
Wien  184,  695,  947,  1497 

Wahl  .  2334 

Waitz  . 695 

Walbum  ....  627,  1550 

Wal  eher . 379 

Walcker . 1602 

Waldeyer . 548 

Waldstein  . 808 

Waldvogel  .....  180 

Waljaschko . 894 

Wallace  A.  S . 1397 

Wallace  C .  2396 

Wallace  D . 1894 

Wallart  ....  740,  1340 

Walliczek . 1548 

Walsham . 1907 

Walker . 1651 

Walker  E.  W.  A.  .  .  1895 

Walker  R . 1000 

Walko  .  .  1460,  1728,  2650 


Wassiljew  M.  H.  .  .  1952 

W  assmuth .  2294 

Waterhouse .  2260 

Watermann . 1837 

Watson  B.  T . 689 

Watson  D.  Ch.  .  .  .  592 

Webb . 688 

Weber  G . 895 

Weber-Berlin  .  432,  2252 

Weber  A.-Berlin  565,  2302 
Weber  A. -Giessen  .  .  1785 
Weber  E.-Berlin  2106,  2202 
Weber  F.-München  .  .  2049 
Weber  F.  P. -London  197, 
1349,  1950,  2435 
Weber  J. -Burghaslach  1831, 
2068,  2120 

Weber  L.  W.-Göttingen  278, 
1667,  1745,  1794 
Weber  S. -Greifswald  .  585 
W eber  S  -London  .  .  2435 
Weber  W.-Dortmund  .  339 

Wechsberg . 685 

Weckerling . 675 

Wedell . 1 1048 

Wedensky . 739 

Wederhake  849,  1340,  1394, 
1794,  2030,  2103,  2442. 

Weglowski . 1141 

Wegelin . 134 

Wehrli  ....  1902,  2499 
Weichardt  ....  89,  1914 

Weicker  . 2112 

Weichselbaum  .  1292,  1998 

Weidanz .  2050 

Weidenreich  .  .  195,  2540 

Weigand . 2194 

Weigel . 1756 

Weigert  C . 


.  .  580 
Weigert  R.-Breslau  626,  1997 

Weikard . 1 334 

Weil  A.-Wiesbaden  .  .  224 
Weil  E.-Prag  93,269,1002, 
1249,  1745,  2540 
Weil  M.-Wien  .  1294,  1497 
Weinberg-Paris  .  .  .  397 
Weinberg  R.-Dorpat  .  741 
Weinberg  W.-Stuttgart  1339 
Weinberger  797,  1294,  2542 
Weinbrenner  .  1658,  1978 
Weindler  .  .  .  1247,  1647 
Weinland .  2435 


Weinstein  .  . 

Weiz . 

Weiser  .  .  .  . 
Weisflog  .  .  . 
v.  Weismayr  . 
Weiss  A.-Wien 
Weiss  H.-Wien 
Weiss  J.-Wien  . 


.  .  685 
.  .  2396 
.  .  2055 
.  .  502 
1294,  1448 
.  .  1497 
.  .  1294 
.  .  91 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXVII 


Seite 

AVeiss  L.-Marburg  .  .  1444 
Weiss  M.-Alland  .  .  .  1746 
AVeiss  O.-Königsberg  .  2105 
Weissbart  .  .  .  1511,  2167 
Weissenberg  .  .  .  229 

Weissmann  .  .  1310,  2101 
Weisswange  .  846,  906,  1027 


AVeisz  M .  2343 

Welander  .  .  .  2543,  2544 

Weleminski . 585 

Weleminsky  .  .  97,  2261 

Welge . 1496 

Wellmann  C.  .  .  2394 

Wellmann  F.  G.  2443,  2498 

Welsh .  40,  745 

v.  Wely .  2059 

AVelzel .  2482 

Wenckebach  744,  105'\  2056 

v.  AVenczel . 1793 

Wende . 475 

Wendel  100,  362,  813,  855, 
1658,  1707 

Wendeier  . 1142 

Wendt . 747 

Wenglowski . 1600 

Werler . 198 

Werndorff  750,807, 2610, 261 1 

Werner . 898 

Werner  Giessen  .  .  1091 
Werner  R.-Heidelberg  182, 
806,  89 öj  1390 
Wernicke  ....  277,  1951 
Wernitz .  2493 


Wernstedt  1395,  1444,  2543 
Wertheim  583,  1189,  1341 
Wertheim-Salomonson  749 
805  J 

Werther  .  .140,239,2549 

Wesener . 1491 

Wessely  .  .  .  1903,  2194 
West  .  .  1804,  1805,  1852 
Westenhoeffer  339,  349,  965 
1408,  1454,  1508,  1558, 
1997,  2403 

Westermann  ....  2350 

Westfried . 1298 

Westphal  382,  1447,  1994, 
2540 

v.  Wespbalen  ....  2344 

Wethered .  39 

Wette  . . 1608 

van  de  Wever  .  .  .  1950 
Weygandt  122, 480, 594,  996, 
1140,  1244,  1401,  1557, 
1832,  2099.  2303,  2338, 
2346,  2356,  2464,  2489, 
2490,  2609 


Seite 

Weyl .  2246,  2296 

Weymeersch  ....  2445 

Weyrauch .  2392 

White  W.  H.  .  .  489,  592 

White  E.  W . 1399 

White  O.-Pittsburg  .  1868 
White  H.-London  .  .  1851 
Wiehern  ....  100,  998 


Wichmann  1382,  1910,2117 

AVick .  2047,  2506 

AVickmann . 1495 

AVidenmann  ....  646 

AVideroe . 2149 

Widal .  51 

Widmark  ....  227,  897 
AVidmer-Zürich  .  .  1094 
AVidmer  C.-Zosingon  .  619 
AViebrecht  .....  535 
Wiechowski  .  .  1803,  2541 
Wiedemann . 943 


Wieland . 1395 

AViener  345,  379,  1044,  1307 
1308,  1707,  1708,  2047, 
2048 

AViens  539,  1572,2101,2392, 


2586,  2637 

Wiering . 2349 

Wiesel  954,  1187, 1250,  2103, 
2111,  2646 

Wiesinger .  2261 

AViesner  A.-Prag  .  .  .  185 

Wiesner  B. -Aschaffen¬ 
burg  . 1591 

Wiesner  R.-Wien  742,  1001 

Wiener . 1296 

Wieting  .  .  .  2195,  2493 

AVigand . 1608 

AViget . 686 

AVikulic . 185 

Wilamowski . 20-i0 

AVilbrand . 379 

Wilhelms .  2307 

Wilke . 1012 

AVilkinson . 1895 

v.  AVillebrand  ....  1796 

Williams  C . 688 

AVilliams  AV . 1908 

Williamson  H.  .  .  244,  1907 
AVilliamson  R.  T.  .  .  2397 

AVilling . 387 

Wilmanns .  2293 

Wilms . 1792 

Wilson  H.  W.  ...  1804 

Wilson  Th .  2444 

Wilson  T.  S .  2397 

Wilson  W.  J . 1895 


Seite 

Wimmer  A.  -  Kopen¬ 
hagen  .  1000,  1395,  2351 
Wimmer  H.-Wien  .  .  1032 
v.  Winckel  .  .  .  843,  1690 
AVinkler  ....  384,  1260 

Windler . 1998 

Windisch  .  * .  .  1209,  1964 

AVindscheid . 1402 

AVingrave . 40 

v.  AViniwarter  ....  628 
AVinocouroff  ....  1296 
Winogradow  ....  2441 
Winter  ....  1336,  2539 
Winternitz-PIalle  1007,  1058, 
1554 

Winternitz-AVien  .  .  .  895 

Winterstein .  2203 

Wintgen . 1190 

AVirsin  gj  .  .  .  1160,  2347 

AVislicenus .  42 

AVittek . 684 

Witthauer . 231 

Wittmaack  135,  1260,  1703 

Witte . 2198 

Witzei . 1545 

Witzenliausen  ....  1082 
Wladytschko  ....  2546 

Wölfler  ■ .  36,  384 

AVörtz .  2351 

Wohlauer . 1544 

Wohlberg  ....  2395 
Wohlgemuth  147,  184,  1054, 
2113 

Wohlwill . 1446 

AVoithe .  2295 

Wolf-Jena . 739 

AVolf  K.-Dresden  .  .  230 
Wolf  W.-Leipzig  .  .  .  2293 

Wolff  J .  676,  1016 

AVolff-Basel . 279 

AVolff-Koburg  .  .  .  1303 

AVolff  E.-Frankfurt  .  .  429 


AVolff  F.  -  Reiboldsgr.  132, 
2100 

AVolff  H.-Potsdam  682,  2197 
Wolff  S.-München  .  .  49 

Wolff  -  Eisner  -  Berlin  433, 
949,  1161,1309, 1997,  2295, 


2647 

Wolff  hügel . 1054 

AVolf  n  er .  2542 

AVolf  sohn  . 1836 

Wolkenstein  ....  2100 
Wolko witsch  ....  2195 


AVollenberg  6*3,  801,  1994, 
2611 


Seite 

Wollenweber  ....  429 

Wolpiansky .  2499 

Wolter . 426 

Woltmann .  2252 

Woollev . 1747 

Wossidlo . 1652 

AVoyte . 2159 

Wreschner . 484 

Wright  .  .  539,  686,  2205 

Wulff .  1153,  2506 

Wunderli . 187 

AVunsch  .  .  .  1447,  2103 

AVyder .  2049 

Wynhausen . 387 

Wynter . 1449 

AVyss  O.  M. -Zürich  180,  1576 

v.  Wyss  M . 1957 

Wyssokowicz  ....  2394 
AVyssotsky . 1890 


X. 


Xylander  .  .  .  1446, 

1693 

Y. 

\ragüe . 

850 

Yakimoff . 

896 

Yanase  .  2008,  2051, 

2105 

Yonge  . 

1908 

Young  ......  . 

336 

Z. 

Zaager  ....  1189, 

1443 

Zabel  . .  243, 

1965 

Zabludowski  .  .  .  . 

92 

Zacharias  321,  633,  634, 

co 

1408,  1701,  2452 

Zachrisson . 

897 

Zack . 

796 

Zade . .  .  . 

1904 

Zagari . 

1002 

Zahn . 

2346 

Zambelli . 

1794 

Zander . 

582 

Zaneau  . 

1744 

Zanfrogninis  .  .  .  . 

398 

Zangemeister  1021, 

1344, 

2492 

Zanoni . 

1652 

Zappert  . 

2258 

Zarnik . 

1612 

Zaworski . 

102 

Seite 

Zavitzianos . 1741 

Zdarek .  744,  1841 

v.  Zeissl  .  918,  1251,  1550, 
2104 

Zelle . 1840 

Zeller . 1829 

Zeltner . 1104 

Zemann . 1050 

Zeri . 748 

Zettnow . 1093 

Zickel .  845,  846 

Zickgraf  ....  2100,  2437 
Ziegenspeck  .  .  1303,  1407 
Ziegler  H.  ....  1837 
Ziegler  K.-Breslau  .  .  1007, 


1048,  1597 

Ziegler  O.-Schömberg  .  1320 
Ziegler  P.-Mtinchen  .  1545 

Zieler  . 305 

Ziemann  .  .  .  1907,  2206 
Zieschd  ....  1693,  2251 

Zillessen . 626 

Zimmer . 2196 

Zimmermann  K. -Mün¬ 
chen  .  227,  1644 

Zimmermann  AV.-Win- 

terthur . 1001 

Zimmern . 1186 

Zinser . 1495 

Zipkin  .  686,  742,  847,  894 

Zirkelbach . 484 

Zirm . 231 

Ziveri . 1795 

Zlocisti .  2258 

Zoege  von  Manteuffel  533 
Zöppritz .  34 


Zografidi . 1498 

Zondeck  .  .  .  1651,  2611 
Zuckerkandl  32,  1543, 1651, 
91 0‘-t  9909 

Zuelzer  G.-Berlin  895,  955, 
1140 

Zuelzer  R.  -  Potsdam  1397, 
2611 

v.  Zumbusch  ....  949 


Zumsteeg . 1246 

Zupitza .  2253 


Zupnik  93,  135,  1192,  1746 
Zuppinger  H.-Zürich  .  227 
Zuppinger  K.-Wien  .  1061 
Zurhelle  .  1340,  2007,  2394 
Zwardemaker  ....  2204 
Zweifel  1047, 1149, 1752, 2361 
Zweig-AVien  ...  34,  1247 
Zweig  A. -Berlin  .  .  .  627 

Zypkin . 1298 


III.  Sach  -  Register. 

(Die  fett  gedruckten  Ziffern  bedeuten  Originalartikel.) 


Seite 


A. 

Abasie,  von  Trömner,  1800,  2304,  senile  — , 

von  Trömner . 1060 

Abbauprodukte  durch  Spaltung  von  Seide 

und  Elastin,  von  Abderhalden  .  .  .  2155 
Abbildungen,  medizinische,  des  14.  bis 

18.  Jahrhunderts,  von  Sudhoff  .  .  .  193 

Abdomen,  Druckempfindlichkeit  u.  Druck¬ 
punkte  des,  von  Schilling  ....  •  .  2101 


Seite 

Abdominaichirurgie,  konservative,  von 

Keetley . .  .  2250 

Abdominalorgane,  Sensibilität  der,  von 

Käst  und  Melzer  . 1048 


Abdominaltyphus,  Bakteriologie  und  Kryo- 
skopie  des,  von  AVassiljeff  333,  Epide¬ 
miologie  des  — ,  von  Pollak  586,  ver¬ 
schiedene  Symptomenkomplexe  des  — , 
von  Ebstein  796,  Wiener  — ,  von  Schle¬ 
singer  947,  Verbreitung  des  —  durch 
Trinkwasser,  von  Korschun  1249,  bak¬ 
teriologische  Diagnose  des  — ,von  Meyer 


Seite 

1646,  pathologische  Anatomie  des  — , 

von  Doebert . 1840 

Abdominaltumor,  von  Penzoldt  und  Merkel  633 
Aberglaube  und  Verbrechen,  von  Gaupp  443 
Abfallstoffe,  Beseitigung  der,  aus  militä¬ 
rischen  Lagern  und  im  Felde,  von 


Dieudonne .  2205 

Abgeordnetenhaus,  preussisches  ...  .  917 
Abgeordnetenkammer,  bayrische  .  2310,  2536 
Abgeordneter,  ärztlicher,  in  Württem¬ 
berg  . 864 

Abnabelungszeit,  von  Holzapfel  ....  1751 


4* 


XVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Abortivei,  von  Hoehne  1611,  von  Holz- 

A1  aPfel  . . ‘ . 1750 

Abortus,  Folgen  des  traumatischen,  von 
Fischer  430,  septischer  —  durch  ein 
Intrauterinpessar,  von  Wagner  1247, 
spontane  Zervixverletzung  beim  — ’ 
von  Bl  umreich  1548,  —  durch  Röntgen¬ 
strahlen,  von  Fraenkel  1647,  tubarer 

— ,  von  Rosenfeld .  2648 

Abracadabra . ’  2461 

Abrissfraktur  eines  Dornfortsatzes,  von 

v.  Frisch  .  .  .  .  • . 687 

Abszess  des  knorpeligen  Septum  narium, 
von  Barth  49,  intraabdominaler — ,  von 
Köttner  393,  Behandlung  der  appen- 
dizitischen  — ,  von  v.  Brunn  395,  430, 
subphrenischer  — ,  von  Determann  634, 
Diagnose  der  subphrenischen  — ,  von 
Determann  1001,  Reaktion  perit}’’- 
phlitischer  —  ,von  LenhartzllOO,  —  einer 
Corpus  luteum-Zyste,  von  Oberndorfer 
1708,  Eröffnung  der  peritonsillären  — , 
von  Meyer  2197,  kalter  —  des  Kehl¬ 
kopfs,  von  Rosenberg  2441,  multiple 

—  im  Säuglingsalter,  von  Lewandowsky  2442 
Absinthverbot  im  Kanton  Waadt  ....  136 
Absterben,  habituelles,  der  Frucht,’  von 

Zurhelle . 2340 

Abwasserreinigungsfrage,  Leitfaden'  für 

die,  von  Dunbar .  2435 

Abwässer  s.  a.  Kanalisationswasser,  Klär¬ 
anlagen. 

Abwässer,  Zersetzungsfähigkeit  gereinigter, 
von  Seligmann  1191,  die  bremischen 
und  ihre  Beseitigung,  von  Tjaden 
u.  Graepel  1297,  Gutachten  des  Reichs¬ 
gesundheitsrates  über  Ableitung  von 

—  aus  Chlorkaliumfabriken,  von  Ohl- 
müller,  Fränkel,  Gaffky,  Keller,  Orth, 

Hofer  1446,  Auftreten  von  Milzbrand 
in  Zusammenhang  mit  Verunreinigung 
des  Schmeiebaches  durch  —  von 
Gerbereien,  von  Gärtner  und  Damman. 

144b,  chemische  und  biologische 
Klärung  von  — ,  von  Rubner  1693, 
Trennungssystem  der  -  ,  von  Gürtter 
2449,  Verwertung  u.  Beseitigung  des 
Klärschlammes  aus  Reinigungsanlagen 
städtischer  — ,  von  Metzger  2449,  Ein¬ 
fluss  geklärter  —  auf  die  Beschaffen¬ 
heit  der  Flüsse,  von  Kisskalt  ....  2449 

Abwässerklärung,  Erfolge  der  mechani¬ 
schen,  chemischen  u.  biologischen,  von 

Schmidtmann .  2448 

Acardiacus  amorphus,  von  Hunziker  945, 

—  cephalus,  von  Nacke  und  Benda  [  999 
Achillesphänomen,  Fehlen  des,  von  Flatau  2158 
Achylia  gastrica,  von  Liefschütz  34,  — ,  von 

Brauner  849,  chronische  — ,  von  Faber 

und  Lange . 1550 

Adamkiewicz,  Klage  des  Dr.  .  .  qqq 

Adams  Stokessche  Krankheit,  von  Schoen- 
born . 

Adams-Stokesscher  Symptomenkomplex, 
von  Fahr  636,  von  Heinecke  1962,  von 
Michael  und  Beuttenmüller  2395, 
pathologisch-anatomische  Befunde  im 
Hisschen  Bündel  bei  — ,  von  Fahr 
Addisonsche  Krankheit,  von  Stursberg  773’ 
von  v.  Criegern  1557,  geheilter  Fall 

von  — ,  von  Grawitz . 1014 

Adenoide  Wucherungen,  von  Guinon  948* 
Abtragung  der  —  Vegetationen,  von 
Freer  .  . . 

Adenome,  diffuse,  im  Myometrium,’  von 
Schütze  381,  —  tubuläre  ovarii,  von 
Schickele  277,  — sebaceum  Pringle,  von 

Reitmann . 

Adenomyom,  von  Schwab'  1700,’  meso- 
nephrisches  fornikales  — ,  von  Merkel 
Adeno-Mvxo-Fibro-Sarkome,  von  Amann  - 
Aderhauttuberkel,  von  Alexander 
Adipocire,  von  Ascarelli  . 

Adiposalgie,  von  Faber  \  ’ 

Adipositas  dolorosa,  von  Sözary  1498  — 

von  Mosse . 

Adler,  fast  ein,  von  Boy  Ed  .  ! 

Adnexe,  konservative  Behandlung  bei  ent¬ 
zündlichen  Erkrankungen  der,  des 


390 


1008 


97 


950 


634 

1411 

591 

1840 

2251 

2403 

2490 


Seite 

Beckenbindegewebes,  von  Hörrmann 
145,  vaginale  Operation  der  erkrankten 

— ,  von  Hengge . •  .  .  .  .  1506 

Adnexentzündungen,  Kolpymie  bei,  von 

Kiriac . 232 

Adnexerkrankungen,  abdominale  Radikal¬ 
operation  bei  eitrigen,  von  Klein  1835, 
Behandlung  der  entzündlichen  — ,  von 

Forssner .  2539 

Adnexoperation,  Bauchhöhlendrainage  bei, 

von  Osterloh  . ’  2047 

Adrenalin  397,  Nachblutung  bei  Anwen- 
Wendung  von  — ,  zum  Zahnausziehen, 
von  Ivärn  232,  dauernde  Blutdruck- 
steigerung  durch  — ,  von  Straub  1660, 
Wirkungsmechanismus  des  — ,  von 
Kretschmer  2111,  Entstehung  des  — , 
von  Boruttau  2155,  —  ähnliche  Sub¬ 
stanz,  von  Roaf  u.  Nierenstein  .  .  .  2201 
Andrenalininjektionen,  Gefässveränderun- 

gen  durch,  von  Falk .  2494 

Adrenalinlösungen,  haltbare,  von  Finne- 

more . 1806 

Adrenalinnachweis  im  Blut,  von  Ehrmann  2502 
Adrenalinveränderungen  an  den  Gefässen, 

von  Falk . ’  iq53 

Adrenalinwirkung  auf  die  Gefässmus- 

kulatur,  von  Meyer . 2105 

Adresse  . . 

Aerophagie  und  ihre  Bedeutung  für  Magen¬ 
kranke,  von  Tecklenburg . 961 

Aerzte  s.  a.  Arzt,  Amtsarzt,  Assistenzärzte, 
Badeärzte,  Bahnärzte,  Krankenhaus¬ 
ärzte,  Sperre,  Vertrauensärzte. 

Aerzte,  von  Schullern  816,  —  im  Reichs¬ 
tag  399,  Organisation  der  —  Wiens  587, 
Sanatorium  der  Wiener  —  587,  visi¬ 
tierende  —  in  Kopenhagen  690,  Ein¬ 
kommen  der  österreichischen  —  802, 
Vereinigung  von  —  und  Juristen  zu 
Lublinitz  919,  die  —  und  die  Oeffent- 
lichkeit,  von  Nassauer  991,  operative 
Eingriffe  der  —  1062,  Ausgleichsver¬ 
handlungen  der  Münchener  —  1156, 

1157,  1159,  Vertretung  der  —  durch 
Praktikanten  1595,  Verleihung  von 
Titeln  und  Orden  an  —  1596,  Unfall¬ 
versicherung  der  — ,  von  Ziegler  1837, 
Zulassung  ausländischer  —  in  Brasilien 
1899,  wirtschaftliche  Organisation  baye¬ 
rischer  —  .  .  .  2214,  2215 

Aerzteheim  in  Marienbad . 2014 

Aerztekammern  s.  a.  Teil  IV,  s.  ferner 
Bezirksverein. 

Aerztekammer,  amtliche  Mitteilungen  der 
Berlin-Brandenburger  759,  an  die  baye¬ 
rischen  —  1464,  Verbescheidung  der 
bayerischen  —  im  Jahre  1906  1512, 
aus  den  preussischen  — ,  von  Neu¬ 
berger  1594,  Unterstützungswesen  der 
preussischen  —  im  Jahre  1906  1758, 
Geschäftsordnung  der  preussischen  — 

1855,  bayerische  —  2168,  2310,  badi¬ 
sche  —  2462,  Beschwerdekommission 
der  oberbayerischen  —  2463,  Verhand¬ 
lungen  der  bayerischen  —  vom  Jahre 
1907 


.  2559 

Aerztekammertag,  12.  österreichischer  !  !  1842 
Aerztekonflikt  in  Gera  918,  in  Wiesbaden  2262 

Aerztelotterie,  französische . 1005 

Aerzteordnung,  Hamburgische,  von  ’ja’ffö 
383,  Abänderung  der  Hamburger  — V.  .  2300 
Aerzteorganisation,  Tagung  des  "Reichs¬ 
verbandes  der  österreichischen  .  .  .  802 
Aerztestand,  soziale  Whrtung  des,  von 

Liebetrau  . .  .  .  1953 

Aerztestreik  in  Niederösterreich  ....  1252 
Aerztestreit  in  Köln  .  .  .  Ufi7  i4«9 

Aerztetag  s.  a.  Teil  IV.  '  '  *  ’  ’ 

Aerztetag,  deutscher  303,  550,  1063,  — 
und  _  Lebensversicherungsgesellschaf¬ 
ten  1562,  —  in  Danzig  1908  ....  2625 

Aerzteverein,  sonderbarer . 1614 

Aerzte  Vereinigung,  freie,  im  österreichi¬ 
schen  Abgeordnetenhaus .  2351 

Aerztevereinsbund,  Vorstand  des  ....  2359 
Aerztliche  Mitteilungen,  Redaktion  der  .  103 
Aerztlicher  Dienst,  Koordination  des,  von 
Newsholme . _  _  1853 


Aerztliches  und  Nichtärztliches  von  einer 
Sommerreise  durch  das  Mittelmeernach 

dem  Orient,  von  Neustätter . 

Aethylalkohol, Bestimmung  kl  einer  Mengen 

von,  von  Striter .  ... 

Aethylchloridnarkosen,  3000,  von  Herren 

knecht  .  . 

Aethermaske,  verbesserte  Wagner- Lon 

gardsche,  von  Longard . 

Aethernarkose,  Auftreten  intravitaler  Ge¬ 
rinnungen  und  Thrombosen  nach,  und 
Chloroformnarkosen,  von  Mulzer  408, 
Lungenkomplikationen  nach  — ,  von 
Offergeld  1791,  postoperative  Lungen¬ 
komplikationen  und  Thrombosen  nach 

— ,  von  Otte . .  .  . 

Aethertropfnarkose,  Witzelsche,  von  Arnd 
Affektepilepsie,  von  Bratz  u.  Leubuscher 
Afrika  s.  a.  Arzneien,  Deutschafrika,  Ge¬ 
sundheitsdienst,  Wasuaheli. 

Aetzung  der  vier  Punkte,  von  Killian  1702, 
Agglutinable  Substanz,  Einfluss  der  Tem¬ 
peratur  auf  die,  von  Hirschfeld  .  .  . 
Agglutination  der  Typhus-Koligruppe,  von 

Kentzler . 

Agglutinationshemmung,  von  v.  Wyss!  . 
Agglutinationsprüfung  durch  den  prakti¬ 
schen  Arzt,  von  Gossner . 

Agglutinationstechnik,  von  Gaehtgens 
Agglutinationsversuche  mit  Diplococcus 
Weicbselbaum  und  Jäger,  von  Fischer 
Agglutinine,  Ausscheidung  von,  durch  den 
Harn  Typhuskranker,  von  v.  Hoesslin 

Aggressine,  v.  Sauerbeck . 

Agrammatismus,  von  Heilbronner  .  .  . 
Aibling,  neues  Kurhaus  in  Bad  .... 
Akademie,  preussische,  der  Wissenschaften 
2263,  Fröffnung  der  Düsseldorfer  — 
1462,  Einweihung  der  —  in  Düsseldorf 
1615,  —  für  praktische  Medizin  in 
Düsseldorf  2310,  von  Schlossmann 
1488,  wilde  — ,  von  Laquer  1263, 

Gründung  von  —  . 

Akkommodation,  von  Heine . 

Akne,  innere  Behandlung  der,  von  Kapp 
Akromegalie,  von  Tramonti  281.  von 
Müller  1458,  von  Senator  1507,  von 
v.  Rad  1965,  von  Neuburger  1965,  von 
Eger  und  Levy-Dorn  2518,  typische 
— ,  von  Reichel  632,  von  v.  Stark  2012, 

—  mit  Amaurose,  von  Schuster  807, 
Zusammenhang  der  —  mit  Hypo¬ 
physengeschwülsten,  von  Cagnetto  894, 

—  und  Sehstörung,  von  Axenfeld  .  . 

Aktinomykosis,  von  Poncet  1347,  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Wölfler  36,  —  der 
grossen  Zehe,  von  Külbs  185,  —  und 
Schwangerschaft,  von  Poncet  38,  von 
Thövenot  487,  —  der  weiblichen  Geni¬ 
talien,  von  Neuhauser . 

Aktinotherapie,  von  Müller . 

Akustikapparat,  von  Barth  .  . . 

Akustisches  Zimmer,  von  Zwaardemaker 
Akzessorius-  und  Rekurrenslähmung,  von 

Kurzak . 

AJbukola . 

Albuminurie,  von  v.  Noorden  2208,  o’rtho- 
tische  — ,  von  Heubner  51,  147,  196, 
243,  von  Schmidt  1098,  orthotische  — ■ 
bei  Nephritis,  von  Engel  2112,  2234, 
Genese  der  — ,  von  Schmidt  4  2236, 
orthostatische  — ,  von  Lenhartz  1409, 
von  Porges  und  Pribram  1493,  funk¬ 
tionelle  —  beim  Trainieren,  von  Collier 
446,  —  im  Entwicklungsalter,  von 
Mixius  2012,  —  der  Neugeborenen, 
von  Gundobin  2049,  —  in  der  Adoles¬ 
zenz,  von  Heywood  2248,  Zylindrurie 
und  — ,  von  Asch  2467,  —  und  die  Aus¬ 
scheidungsverhältnisse  der  Salicyl- 
säure  bei  Gesunden  und  Gelenkrheu¬ 
matikern,  von  Ehrmann . 

Albumose,  myelopathische,  im  Urin,  von 
Bradshaw  336,  toxische  Eigenschaften 
der  Bence-Jonesschen  — ,  von  Cavaz- 

zani . .  .  . 

Albumosurie  bei  Geisteskranken , 

Ziveri  . 


Seite 

1592 

1956 

2421 

1444 


2473 

1447 

848 


1807 

800 

2296 

1957 

1341 

1297 

296 

872 

485 

382 

1511 

1415, 


1596 

2204 

1310 


2501 


1893 

1794 

643 

2204 

187 

2625 


2595 


Vf  n 


2497 

1795 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXIX 


Alexander  -  Adamasche  Operation,  von 

Spaeth  608,  von  Rüder . 

Alexinprobe,  klinische,  von  Moro  1026, 

Alkaptonharn,  von  Roos . 

Alkaptonurie,  von  Minkowski  542,  von 

Blum . 554, 

Alkohol  s.  a.  Delirium,  Trunkenheit. 
Alkohol  und  Eiweissstoffwechsel,  von 
Pringsheim  92,  —  mit  Tuberkulose, 
von  Wolff  132,  —  in  der  Geburtsilfe 
und  Gynäkologie,  von  Theilhaber  171, 
296,  —  als  Genussmittel  in  der  Irren¬ 
anstalt,  von  Dietz  230,  Wirkung  des 

—  auf  den  Magen,  von  Käst  483,  — 
im  Kindesalter,  von  Brunon  1508.  Irr¬ 
sinn  und  — ,  von  Mott  1854,  Einfluss 
des  —  auf  hydrolysierende  Fermente, 
von  Schoendorff  und  Victorow  1957, 

—  und  Warmblüterherz,  von  Bachem 
2101,  Schicksal  des  —  im  Magen  und 
Darmkanal,  von  Nemser  2156,  patho¬ 
logisch  -  histologische  Veränderungen 
durch  — ,  von  v.  Baumgarten  2197, 

—  und  Selbstmord,  von  Kurbitz  2346, 

—  and  the  human  body,  von  Horsley 

u.  Sturge  . 

Alkohol delir,  von  Kauffmann  2185,  transi¬ 
torische  Aphasie  bei  — ,  von  v.  Vleuten 
484,  Kohlehydraturie  bei  — ,  von  Kauff¬ 
mann  . . 

Alkoholfrage  vom  physiologischen,  sozia¬ 
len  und  wirtschaftlichen  Standpunkt, 
von  Cluss  275,  Wandtafeln  zur  —  .  . 
Alkoholgenuss,  Berechtigung  des,  von 
Starke  275,  Beschränkung  des  —  beim 

Eisenbähnpersonal . 

Alkoholhalluzinose,  chronische, von  Friedei 
Alkoholinjektionen  nach  Schlösser,  von 
Fischler  1403,  —  bei  Neuritiden  und 

Neuralgien,  von  Fischler . 

Alkoholismus,  Kurse  zum  Studium  des 
502,  —  chronicus,  von  Eichenberg  910, 
Wanderausstellung  über  den  —  1910, 
Ausstellung  über  den  —  in  München 
2215,  Gotenburger  System  und  — , 

von  Laquer . 

Alkoholmengen,  Einwirkung  kleinster,  auf 
die  Widerstandsfähigkeit,  von  Laitinen 
Alkoholpsychosen,  von  Goldstein  1836, 
atypische,  —  von  Chotzen  .  .  . 

Alkohol-Tabaksamblyopie,  von  Dalen  . 
Alkoholzirrhose,  Läsionen  des  Leberparen 
chyms  bei,  von  Gourevitsch  .... 
Allergie  s.  a.  Ophthalmoreaktion,  Tuber 
kulin. 

Allergie,  diagnostische  Verwertung  der, 

von  v.  Pirquet . 

Allergieprobe  zur  Diagnose  der  Tuberkulose 
im  Kindesalter,  von  v.  Pirquet  .  .  . 
Allergiereaktion,  von  v.  Pirquet  2556,  von 

Schleissner . 

Allgemeineruptionen,  von  Kritz . 

Alopecia,  traumatische,  areata,  von  Hirsch¬ 
feld  1607,  —  und  Marine,  von  Valence 
Alpenmilch,  von  Bernheim-Karrer  .  .  . 
Altertumssyphilis,  Legende  von  der,  von 

v.  Notthafft . 

Althoff,  Rücktritt  von  Geheimrat  .  2014, 
Alttuberkulin, Wirkungen  des,  von  Schröder 

132,  therapeutische  Versuche  mit  — , 
von  Huhs  625,  —  Koch  in  der  Gynä¬ 
kologie,  von  Pankow  . 

Alvarenga-Preis . 

Alveolarechinokokkus,  Pathologie  des, 

von  Jenckel  . 

Alypin,  von  Dittmer  2625,  —  in  der  Rhino- 
Laryngologie,  von  Raoult  u.  Pillement 
97,  —  in  der  Ohrenheilkunde,  v.Bürkner 
Amaurose  nach  Zahnextraktion,  von  Santa 
Maria  281,  -  durch  Druck  auf  das 

Chiasma,  von  Robert . 

Ambozeptoren,  Spezifizität  der,  von  Eys- 

broek  .  .  ,  .  .  .  . 

Amerika  s.  Reiseeindrücke 
Amnesie,  retrograde,  von  Konrad  .  .  .  . 
Amöbendysenterie  einheimischen  Ur¬ 
sprungs,  von  Caussade  und  Joltrain  . 


Seite 

2506 

1517 

2502 

1055 


2609 

1844 

2511 


550 

343 


1569 


2292 

2347 

381 

227 

277 


2008 

1497 

2620 

1845 

2546 

2148 

1186 

2057 


2244 

2311 

1742 

8C0 

1060 

1745 

1000 

641 


Seite 

Amputation,  Grittische,  von  Reich  846, 

—  des  Oberschenkels  nach  Gritti,  von 

Bloch . 893 

Amputationsstumpf  s.  a  Plastica. 
Amputationsstümpfe,  Grittische,  von  Reich 
395,  —  mit  plastischer  Fussbildung, 

von  Custodis . 846 

Amtsärztlicher  Dienst  im  Königreich 
Bayern  (Reformvorschläge  zum  bayer 
Medizinalwesen),  von  Becker  .  .  2069,  2165 
Amtsarzt  und  Säuglingssterblichkeit,  von 

Groth  .  • . 2165 

Amyloiderkrankung,  Euglobulin  im  Harn 

bei,  von  Zack  und  Necker . 796 

Amyloidose  bei  Myelom,  von  Llueter  .  .  811 

Amyloidsubstanz,  experimentell  erzeugte, 

von  Dantchakow . 847 

Anaemia,  chirurgische  Behandlung  der 
splenica  und  des  M.  Banti,  von  Schiassi 
398,  Bluttransfusionen  bei  schwerer  — , 
von  Morawitz  767,  Blutbildung  bei 
schwerer  —  und  Leukämie,  von  Meyer 
und  Heineke  795,  atypische  schwere  — , 
von  Morawitz  795,  apiastische  — ,  von 
Blumenthal  1091,  Diagnose  und  The¬ 
rapie  der  — ,  von  Arneth  1138,  schwere 
akute  — ,  nach  Gelenkrheumatismus, 
von  Mann  1786,  osteosklerotische  — ,von 
Assmann  1745,  nutritive  — ,  von  Rollin 
1893,  durch  Toxolezithide  erzeugte  — 
und  deren  medikamentöse  Beein¬ 
flussung,  von  Morgenroth  und  Reicher 
1907,  —  im  Kindesalter,  von  Simon  2052, 
perniziöse  — ,  von  Gulland  744,  von 
Plehn  1202,  1261,  1309,  von  Hunter 
1906,  Pathogenese  der  perniziösen  — , 
speziell  der  Botriozephalusanämie,  von 
Tallqvist  896,  geheilte  perniziöse  — ,  von 
Lolli  1251,  Rückenmarksveränderungen 
bei  perniziöser  — ,  von  Dinkler  1401, 
histologische  Veränderungen  am  Magen¬ 
darmkanal  bei  perniziöser  — ,  von  Oest- 

reich  und  Strauss . 2197 

Anaerobier,  Ursache  des  scheinbar  aeroben 
Wachstums  von,  in  flüssigen  Medien, 

von  Rolly . 1557 

Anästhesien,  Methode  des  objektiven  Nach¬ 
weises  von,  von  Veraguth  951,  —  in 
der  Zahnheilkunde,  von  Lederer  1094, 

—  mit  Injektionen  in  den  Wirbelkanal, 

von  Ravant  1757,  lokale  — ,  mit  Novo¬ 
kain,  von  Pare . 1839 

Anaesthesierungsmethoden,  verschiedene, 

von  Sampson . 1852 

Analgesia  spinalis  mittels  Stovain,  von 

Bacher . 1049 

Analyse,  von  Gaule . 428 

Anastomose,  von  Westenhoeffer  ....  2403 
Anatomie,  Lehrbuch  der  — ,  von  Rauber- 
Kopsch  530,  1441,  2608,  —  clinique  et 
technique  operatoire,  von  Laurent  677, 
Handbuch  der  topographischen  — ,  von 
Merkel  1240,  Lehrbuch  der  topogra¬ 
phischen  — ,  von  Corning  2242,  Grund¬ 
riss  der  pathologischen  — ,  von  Schmaus 
2015,  Lehibuch  der  speziellen  patho¬ 
logischen  — ,  von  Kaufmann  2097, 
Grundlagen  der  mikroskopischen  — , 

von  Heidenhain .  2341 

Anatomische,  physiologische  und  physi¬ 
kalische  Daten  und  Tabellen,  von 

Vierordt  .  . . .  .  427 

Anencephalus,  von  Kirste . 393 

Aneurysmen,  multiple,  von  Rumpel  243, 

— •  cirsoides,  von  Falk  277,  infek¬ 
tiöse  —  der  Leberarterie,  von  Schöpfer 
282,  —  arterio-venosum  am  Halse,  von 
Young  336,  durch  Gelatineinjektionen 
gebessertes  —  der  Art.  anonyma,  von 
Ortner  433,  —  der  Art.  ophthalmica, 
durch  Gelatine  geheilt,  von  Lancereaux 
u.  Paulesco  700,  —  arteriae  femoralis, 
von  Reichel  808,  1011,  ideale  Operation 
des  — ,  von  Lexer  852,  traumatisches 

—  der  Karotis,  von  Becker  853,  —  spu¬ 
rium  der  Art.  poplitea,  von  Ehtich  1105, 
mykotisch-embolische  — ,  von  Wein- 


Seite 

berger  1291,  —  der  Aorta,  von  Oliver 
1448,  Pathologie  der  —  der  Art.  he- 
patica  propria,  von  Bickhardt  u.  Schü¬ 
mann  1492,  traumatische  —  im  japa¬ 
nisch-russischen  Krieg,  von  Saigo  1546 

—  in  der  Marine,  von  Basset-Smith 
1908,  —  aortae  nach  akuter  Aortitis, 
von  Buttersack  2330 ,  —  der  Pars 
membranacea  septi  ventriculorum,  von 
Schmincke  2456,  —  verum  art.  tempor. 
superfic.  dextr.,  von  Pupovac  ....  2496 

Anfälle,  gehäufte  kleine,  von  Heilbronner  535 
Angina  ulcero-membranacea,  von  Plaut 
340,  —  am  Ende  der  Gravidität  mit  töd¬ 
licher  Streptokokkensepsis  im  Wochen¬ 
bett,  v.  Merkel  1277,  Plaut-Vinzentsche 
— ,  von  Baron  2258,  —  u.  septische  In¬ 
fektion  von  Kretz  2437,  —  abdominis, 
von  Perutz  1075,  1104,  Dyspnon  bei 

—  pectoris,  von  Weissbart  1511,  — 

Behandlung  von  —  pectoris  mit  star¬ 
ken  Kohlenbogenlichtbäder,  von  Has¬ 
selbach  u.  Jacobäus .  2050 

Angiom,  kavernöses,  des  Mesenterium, 
von  Mariani  282,  Behandlung  des  — 
arteriale  racemosum,  von  Körte  1837, 
warzenförmige  —  der  Haut,  von  Ogawa  2394 
Angioneurosenlehre  u.  hämatogene  Haut¬ 
entzündung,  von  Kreibich . 185 

Anguillula  intestinalis,  von  Bruns  932, 

—  von  Milchner  1558,  —  in  Schlesien, 

von  Trappe . 1001 

Animalische  Kost,  Wirkung  der,  auf  Tiere 
und  deren  Nachkommenschaft,  von 

Watson . 592 

Anilinarbeiter,  Blasengeschwülste  bei,  von 

Seyberth .  1573,  1663 

Ankylostoma  u.  andere  Darmparasiten  der 

Kamerunneger,  von  Külz .  2498 

Ankylostomafrage,  von  Bruns .  2354 

Ankylostomiasis,  Behandlung  der,  von 
Castell vi  2297,  Abtreibungskuren  bei  — , 
von  Dieminger  2344,  — ,  ihr  Verlauf 
u.  ihre  Behandlung,  von  King  .  .  .  2398 
Annagelung,  temporäre,  von  Niehaus  .  .  958 

Annalen  def  städt.  allgemeinen  Kranken¬ 
häuser  zu  München,  von  Bauer  .  .  .  2241 

Annoncieren,  fortgesetztes . 1596 

Anophelen,  Verbreitung  der,  auf  Formosa, 

von  Kinoshita . 898 

Ansteckende  Krankheiten,  Nachrichten¬ 
austausch  zwischen  Deutschland  und 
Belgien  beim  Auftreten  von  ....  2558 
Anthrakose,  s.  a.  Bronchialdrüsen,  Pigment. 
Anthrakosis,  offizieller  Bericht  über  die  1613 
Antifermente,  von  Schütze  u.  Bergell  .  945 
Antifermentreaktion  des  Blutes,  von  Wiens  2637 
Antigene,  Nachweis  der,  mittels  der  Kom¬ 
plementfixationsmethode,  von  Braun  2495 
Antikörper,  Konkurrenz  der,  von  Brezina 
1373,  —  bei  gonorrhoischen  Affektionen, 

von  Jungano  u.  Albarran .  2459 

Antikörperbefunde  bei  Lues,  Tabes  u.  Para¬ 
lyse,  von  Weil  u.  Braun .  2540 

Antikolibazillenserum,  therapeutisch.  Wert 

von,  von  Makins  u.  Sargent  .  ...  1412 

Antiphlogistin,  von  Lübbert .  2557 

Antipyrin  a.  Sedativum  im  Säuglingsalter, 

von  Fletscher . 1650 

Antipyringebrauch,  toxische  Dermatose 

nach,  von  Degle . 185 

Antisepsis,  innere,  von  Bechhold  ....  1957 
Antiseptik  in  der  Geburtshilfe,  von  Theo- 

pold . —  ...  .  433 

Antisyphilisserum,  von  Risso  u.  Cipollina  280 
Antithyreoidin  Möbius,  von  Ketz  ....  1711 
Antitoxin  u.  Eiweiss,  von  Hamburger  254, 
Verhalten  artfremden  ■ — ,  von  Dehne 

u.  Hamburger . .  .  1447 

Antitoxische  Funktion  u.Eiweiss,  von  Much  2589 
Antituberkulin,  Nachweis  von,  von  Lüdke  625 
Antituberkuloseserum,  Marmoreks,  von 
Pfeiffer  u.  Trunk  2100,  von  Wohlberg 
2395,  Erfolge  mit  Marmoreks  — ,  von 
Ullmann  180,  Heilerfolg,  Giftwirkung  u. 
opsonischer  Index  bei  Behandlung  mit 
Marmoreks  — ,  von  Baer  .  .  ....  1670 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXX 


Seite 


Anurie,  von  Vogel,  2050,  Todesfall  infolge 
reflektorischer  —  nach  Harnröhren- 
sondiernng  hei  einem  Manne  mit  hoch¬ 
gradigen  Schrumpfnieren,  v.  Bennecke  2093 
Anus,  operative  Heilung  eines,  anomalus 
vulvovestihularis  bei  einem  Säugling, 
v.  Ivroemer  462,  -  duplex,  v.  Friede! 

683,  neues  Operationsverfahren  bei  — 
vulvovestihularis,  von  Niessner  .  .  .  1447 
Anweisungen  zur  Bekämpfung  des  Aus¬ 
satzes,  der  Pocken,  des  Fleckflobers,  der 

Cholera  und  der  Pest . 1263 

Anzeigepflicht,  ärztliche,  bei  typhu's ver¬ 
dächtigen  Erkrankungen,  von  Freuden- 

.  *haJ, . 1390 

Aorta,  Spontanruptur  der,  von  Fraenkel  287, 
Elastizität  der  — ,  bei  beginnender  Ar¬ 
teriosklerose,  von  Strasburger  714,  töd¬ 
liche  Verblutung  aus  der  — ,  von 
Wilke  1012,  Beziehungen  zwischen  Fül¬ 
lung  und  Druck  in  der  — ,  von  Fürst 
und  Soetbeer  1091,  spontane  Buptur 
der  ,  von  Hansteen  1604,  Läsionen 
der  —  durch  Adrenalineinspritzungen, 
von  Mironescu  1606,  — ,  Anonyma  und 

Karotispuls,  von  Ortner .  92 

Aortenaneurysmen,  von  Haenisch  287,' 
von  Heinlein  1457,  von  Stauder  2554^ 
intramyokardische  — ,  von  Schmorl  286^ 
fibröse  Aortitis  und  Lues,  von  Dahlen 
1494,  Perforation  eines  —  in  die  Pul¬ 
monalarterie,  von  Käppis . 1742 

Aortenelastizität,  Einfluss  der,  auf  das 
Verhältnis  zwischen  Pulsdruck  und 
Schlagvolumen,  von  Strasburger  1052,  2100 
Aorteninsuffizienz,  Dikrotie  bei,  von  Ja- 
nowski  796,  von  Nürnberg  796,  endo- 
kardiale  Taschenbildung  bei  — ,  von 

Schmincke . [  2456 

Aortenklappen,  Erkrankungen  der,  von 

Rankin .  .....  1448  1 

Aortensklerose,  Blutdruck  und  Herzhyper¬ 
trophie  bei,  von  Bittorf . 

Aortitis,  luetische,  von  Hochhaus  138,  — 
syphilitica,  von  Marcliand  .  .  .  496, 
Aphasie,  von  Berger  243,  von  Rosenfeld 
1106, amnestische  — ,  von  Goldstein  584 
von  Weygandt  1401,  motorische  — ’ 
von  Besta  628,  Behandlung  der  — , 
von  Gutzmann  951,  Symptomatologie 

der  — ,  von  Heilbronner .  2345 

Aphonie,  organische  und  funktioneile’ 

von  Barth .  ’  2496 

Apoplektischer  Insult,  Behandlung  des! 

von  Goldscheider . ’  2495 

Apoplexie,  Diagnostik  der,  von’  Frieden!  ~ 
reich  234,  —  nach  Iridektomie,  von 

Westermann .  2350 

Apothekenwesen,  von  Berendes  ....  1140 

Apothekergesetz,  neues  österreichisches  284 

Apparat  zur  Erwärmung  der  Haut,  von  ’ 

Saalfeld .  752 

Appendix,  Inkarzeration  ungestielter,  eph 
Ploic.»  von  Török  37,  physiologische 
Bedeutung  der  — ,  von  Lanz  1049,  Tumor  * 
in  der  — ,  von  Grünbaum  1210,  Torsion 
der  T  ©Piploicae,  von  Krüger  1813, 
epiploica  der  Flexura  sigmoidea  von 

Hagen . 2118 

Appendixoperationen,  s  a.  Kotfisteln. 
Appendixschmerzen, medizinische  oder  chi¬ 
rurgische  Behandlung  der,  von  Bonnet  1838 

_ _ _ _ 1  _  •  1  -r.  . 


Seite 


869 

636 


Appendixschnitt  zuverlässigster, vonRiedel 

Appendixsteine,  Nachweis  von,  von  Weis¬ 
flog  . 

Appendizitis,  s.  a.  Abszess,  Mc  Burneys 
Punkt. 

Appendizitis  6<9,  von  Frankenburger  546, 
von  Jordan  859,  von  Sprengel  124.s! 
\on  Richelotlo08,vonLannelongue  1509, 
interne  Behandlung  der  --,  von  Pfister 
184,  pathologische  Anatomie  der  — 
von  Franke  181,  —  und  Ikterus,  von 
Haim  182,  Pathologie  der — ,  von  Flesch 
207,  von  Prölss  2264,  Aetiologisches 
zur  — ,  von  Flesch  340,  Aetiologie  der 
,  von  Kretz  429,  —  heim  Säugling, 
von  Kirmisson  und  Guimbellot  487, 
Indikationen  zum  chirurgischen  Ein- 


648 

502 


greifen  bei  der  — ,  von  Jordan  497, 
Leukozytenzählungen  bei  der  akuten  — ’ 
von  Sonnenburg  6^2,  bakterielle  —  | 
von  Haim  893,  Histologie  der —  acuta 
von  Wätzold  1100,  Wattepfropf  in  Eiter 
bei — .von  Ullmann  1143,  —  beim  Ab¬ 
dominaltyphus,  von  Green  1144,  Patho¬ 
genese  und  Aetiologie  der  — ,  von 
Aschoff  1152,  diagnostisches  Symptom 
bei  — ,  von  Blumberg  1177,  von  Tretzel 
1481,  Anfangsstadien  der  —  mit  Sekun¬ 
därerscheinungen  an  den  weiblichen 
Genitalien,  von  Schaeffer  1345,  Apho¬ 
rismen  zur  — ,  von  v.  Mangoldt  1545, 
Frühoperation  der  —  von  Haist  1602^ 
Schwierigkeiten  der  Diagnose  bei  - 
von  Severeano  1606,  —  und  Ikterus! 
von  Aldeholf  1742,  Ileus  bei  — ,  von 
Haeckel  1743,  Pathologie  des  Früh¬ 
stadiums  der  — ,  von  Peiser  1779,  — 
und  Appendixkarzinom,  von  Brandts 
1780,  Leukozytose  bei  — ,  von  Kothe 
1792,  Prophylaxe  der  — ,  von  Tyson  1 852, 
Bakteriologie  der — ,  von  Mannei  1891, 

—  im  Kindesalter,  von  Neuberg  1952,’ 

—  und  Gravidität,  von  Lindner  2047^ 
chronische  anfallsfreie  — ,  von  v.Habe! 
rer  2063,  Spätoperation  bei  — ,  von 
Meusel  2237,  —  chronica  adliaesiva, 
von  v.  Haberer  2343,  Diagnose  und 
Behandlung  der  — ,  von  Brook  2443, 

—  in  gravidate  et  in  puerperio,  von 

Stähler  2492,  —  eine  Infektionskrank¬ 
heit,  von  Haim  2542,  traumatische  — , 
von  Finck  ....*.  ’  oci  1 

Appendizitisfälle  eines  Jahres,  von  Burgess  2443 
Appendizitisfrage,  von  Haim  332,  von  Gar 
hammer  363,  von  A.  V.  und  E.  Mosch¬ 
cowitz  1045,  von  v.  Brunn . 1458 

Appendizitisoperation,  Schnittführung  bei 

der  — ,  von  Schwalbach . 1189 

Approbationen  im  Prüfungsjahre  1905/06  1015 

Approbationsprüfungen  in  Bayern  .  .  .  198 

Apraxie,  linksseitige  motorische,  von 

v.  Yleuten . 133g 

Arachnitis  adhaesiva  cerebralis,  von  Plac- 

zek  u.  Krause . 1458 

Arbeit,  gesundheitsschädliche  Folgen  der, 
in  hochtemperierten  Räumen,  von  Roth 
1998,  —  und  Ruhe,  von  Hahn  .  .  .  1142 
Arbeiten  aus  dem  Neurologischen  Institut 
an  der  Wiener  Universität,  von  Ober¬ 
steiner  1244,  —  aus  dem  kaiserlichen 
Gesundheitsamt  279,  1297,  1446,  1495, 

.  ,  .  1693,  2246]  1294 

Arbeiter,  ärztliche  Beobachtung  der,  bei 

der  Arbeit,  von  Eisner .  235 

Arbeiterschutz . ’  #  9^7 

Arbeiterversicherung,  Schiedsgericht  für 
die  148,  Reformaufgaben  im  Gebiet 
der  — ,  von  v.  Frankenberg  334,  prak¬ 
tischer  Führer  durch  die  deutsche  — , 
von  Jehle  844,  Reformblatt  für  —  .  .  1213 
Arbeiterwohnhäuser,  von  Nussbaum  .  !  2353 
Archäologie,  medizinische,  von  Sudhoff  .  2109 
Archiv,  deutsches,  für  klinische  Medizin 
179,  795,  997,  1091,  1492,  1741,  1834, 

2099,  2392,  deutsches  —  für  klinische 
Chirurgie  532,  680,  738,  893,  1045,  1188, 

1600,  1791,  1834,  1889,  2392,  2490,  — 
für  Gynäkologie  92,  333,  431,  625 
1340,  1645.  2047,  2393,  2539,  für  Kinder¬ 
heilkunde  133,  483,  894,  1296,  2049,  — 
für  Verdauungskrankheiten  34,  483 
685,  1247,  2245,  2344,  Virchows  —  685, * 

742,_  800,  847,  894,  945,  1190,  1445, 

1495,  2394,  2440,  —  für  experimentelle 
Pathologie  und  Pharmakologie  484, 584 
\  1602,  2102,  —  für  Hygiene  183, 

230,  383,  432,  626,  742,  800,  1093,  1190, 

16'r2’  17li3>  ‘H97,  2245,  2294,  2346, 
j  .  16t  Orthopädie,  Mechano- 

therapie  und  Unfallchirurgie  739,  1092, 

1891,  —  für  Psychiatrie  und  Nerven! 
J™nfeiten  229,  278,  381,  584,  741, 

<9.  ,  1000,  1547,  2344,  —  des  Maladies 
de  1  Appareil  Digestiv  et  de  la  Nutrition 
?qq7  ~  für  Geschichte  der  Medizin 
1887,  medizinisch  -  naturwissenschaft- 


1512, 


—  gendrales  de 


1907. 

Seite 

1807 

1894 

1205 

1756 

43 

913 


1802 

796 

742 

2161 


686 


liches  - 

Chirurgie . 

Argvrol  in  der  Augenheilkunde,  von  M’Gilli- 

vray . 

Argyrose,  von  Neuburger  298,  Nieren  u! 

Aorta  eines  Falles  von  — ,  von  Hueter 
Armbruch,  komplizierter,  von  Weigel 
Arrhythmia  perpetua,  von  Theopold  109 L 

—  perpetua  des  Pulses,  von  Gerhardt 
Arsenikexanthem,  von  Riecke 
Arterie,  Unterbindung  der,  anonyina,  von 

v.  Ruediger  -  Rydigier  36,  Funktions¬ 
prüfung  der  —  von  von  den  Velden 
101,  von  Bröcking  1996,  Verlegung  der 

—  brachialis  durch  Abknickung,  von 
Magenau  430,  Verletzung  der  —  sub¬ 
clavia,  von  Heinlein  642,  Verletzung 
der  —  meningea  media,  von  Custodis 
962,  histologische  Veränderungen  der 

—  mesenterica  sup.,  von  Schmiedl 

1495,  Unterbindung  der  —  subclavia, 
von  Riedel  1793,  Tätigkeit  der  — ,  von 
Grützner . 

Arteriensystem,  Hypoplasie  des,  von 

v.  Ritoök . 

Arterientuberkulose,  von  Geissler  .’ 
Arterienverkalkung,  Diätetik  bei,  von  Lustig 
Arteriitis  obliterans  ascendens  nach 
Trauma,  von  Rupfle  215,  —  syphilitica 

cerebralis,  von  Verse . 

Arteriosklerose,  von  Herringham  744, 
Wechselstromtherapie  bei  — ,  von  Pöhb 
mann  94,  —  u.  ihre  Behandlung,  von 
Senator  967,  abdominale  —  u.  ver¬ 
wandte  Zustände,  von  Perutz  1075, 

1104,  1160,  —  u.  Gymnastik,  von  Hase- 
broek  1143,  traumatische  — ,  von  Rivalta 
1252,  sichtbare  Pulsation  der  Art. 
brachialis  bei  von  Doll  1448,  Ge! 
fässmessungen  u.  — ,  von  Scheel  1605, 

—  bei  einem  13  jährigen  Mädchen, 
von  Rach  1648,  gemeine  —  der  Lungen¬ 
arterie,  von  Mönckeberg  1649,  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Minkowski  ....  2462 

Arthritis  deformans  coxae,  von  Preiser 
590,  910,  1995,  primäre  chronische  — , 
von  Brandes  683,  —  rheumatica,  von 
Luft  1852,  Behandlung  der  —  blennor- 
rhagica,  von  Queyrat  1854,  Behandlung 
der  —  gonorrhoica,  von  Mathies  2001, 
Blutbefund  bei  —  deformans,  von  Bull- 

mon  u.  Waterhouse . 

Arthritismus  und  tuberkulöse  Entzündung, 

von  Poncet  u.  Lariche . 

Arthrogryposis,  von  Tintemann  .  ...  . 
Arzneien  der  Wasuaheli,  von  Krauss  . 
Arzneiexanthem,  von  Gregor  ....![ 
Arzneimittel,  Patentierbarkeit  derl  36, Hand! 
buch  neuerer  — ,  von  v.  Lengerken 
331,  Vorschriften  über  stark  wirkende 
863,  Manuale  der  neueren  — ,  von 
Mindes  1186,  stark  wirkende  —  1595, 
telephonische  Bestellung  von  —  1910, 
Darreichung  von  —  in  Rumpelschen 

Kapseln,  von  Schlecht . 

Arznei  Stoffe,  Wirkung  und  Anwendung 
der  anorganischen,  von  Schulz  .  . 

Arzneitaxe,  deutsche . 102, 

Arzt  s  a.  Aerzte. 

Arzt,  muss  der,  dem  Ruf  einer  Behörde 
folgen?  1560,  Verantwortlichkeit  des — , 

1567,  —  und  Schulbetrieb,  von  Steudel 

1789,  —  und  Kellermeister . 

Arztwahl  s.  a.  Sperre. 

Arztwahl,  freie  1352,  Einführung  der  freien 
— ,  bei  der  Eisenbahnbetriebskranken- 
küsse  zu  Frankfurt,  von  Eiermann 
28,  54,  Einführung  der  freien  —  bei 
der  Badischen  Eisenbahnbetriebs¬ 
krankenkasse  in  Mannheim  54  von 
Mermann  127,  148,  freie  —  bei  den 
.  Pfälzer  Bahnkassen  103,  freie  —  bei 
der  Eisenbahnkrankenkasse  in  Zwei- 
brücken  303,  gesetzliche  Festlegung 
der  freien  —  1414,  1509,  freie  —  in 
München  2067,  freie  —  in  Breslau  2446, 
freie  —  in  Köln  2510,  freie  —  in  Dresden  2651 
Ascites  s.  a.  Aszites. 

Ascites  tuberculosus,  von  Schulze  .  .  .  2194 


2200 

445 

180 

2044 

834 


1677 

1598 

150 


2636 


1907, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXI 


Seite 

Asepsis  679,  improvisierte  — ,  von  Grosse 
1518,  1849,  —  bei  Bauchoperationen, 
von  Fritsch  1298,  —  bei  vaginalen 


Operationen,  von  Fritsch  1299,  von 
Küstner  1299,  —  der  Bauchhöhle  bei 
abdominaler  Uterusexstirpation,  von 
v.  Franqud  1301,  —  bei  Laparotomien, 

von  Thaler .  2248 

Askaridenerkrankung  der  Bauchhöhle,  von 

Sehrt .  33 

Asklepios  kai  Asklepieia . 1292 


Aspirin  bei  Nierensteinkolik,  von  Hornung  574 
Aspirinexanthem,  von  Wichmann  .  .  *  2117 
Asphyxie  s.  a.  Neugeborene. 
Assimilationsbecken,  Entstehung  der,  von 

Falk .  2259 

Assistenzärzte,  Organisation  der,  in  Berlin 
350,  Forderungen  der  — ,  in  Berlin  647, 
Neuregelung  der  Verhältnisse  der  — 
in  Berlin  1063,  Gehaltsaufbesserung 
der  —  815,  —  der  Dresdener  Kranken¬ 
häuser  1711,  1855,  2215,  Gehaltsver¬ 
hältnisse  der  Münchener  —  ....  1462 

Assoziationsversuche,  diagnostische  Be¬ 
deutung  der,  von  Isserlin . 1322 

Asthma  s.  a.  Lungenemphysem. 

Asthma,  Behandlung  des,  bronchiale  mit 
Jodpräparaten,  von  Tauszk  586,  Be¬ 
handlung  des  —  mit  Morphium,  von 
Goldschmidt  752,  nasale  Aetiologie  und 
Behandlung  des  —  von  King  746,  Zu¬ 
sammensetzung  derGeheimmittel  gegen 
—  bronchiale,  von  Saidiner  2150,  Zu¬ 
sammenhang  von  —  bronchiale  mit 
Lungenoedem,  von  v.  Hoesslin  .  .  ,2183 

Asthmabehandlung,  von  Siegel . 280 

Asthma  -  Inhalationsmittel,  von  Einhorn 

1314,  von  Schaefer . 1378 

Asthmatiker,  Blutuntersuchung  bei,  von 

Salecker . 35g 

Asthmatischer  Anfall,  Therapie  des,  von 

von  den  V,  Iden . 698 

Astigmatismus  und  Myopie,  von  "Siegrist  1746 

Aszites  s.  a.  Ascites,  Leberzirrhose. 

Aszites,  operative  Behandlung  der  hepato- 

genen,  von  Jones . 1349 

Aszitesflüssigkeit,  diagnostische  Bedeutung 
des  prozentischen  Eiweissgehaltes  der, 

von  Engländer . .  92 

Aszitespunktion,  Herzarbeit  und  Gefäss- 
tonus  bei  der,  von  Grünberger  u.  Zinser  1495 
Ataxie,  spinale,  von  Pässler  286,  akute  — , 

von  Schwarz . 2157 

Atemprobe,  von  Marx . 231 

Atheroma,  Chemie  der,  und  derVerkalkung, 

von  Baldauf  .  . . 1397 

Atheromatose,experimentelle,von  D’Amato  757 

Athyreosis  und  vikariierende  Zungen¬ 
struma,  von  v.  Verebely . 847 

Atlas  s.  a.  Handatlas. 

Atlas  der  Laryngoskopie,  von  Grünwald 
482,  stereoskopischer  medizinischer  — , 
von  Neisser  624,  —  der  Blutkrankheiten, 
von  Schleip  842,  —  anatomischer  — , 
von  Toldt  890,  —  der  Embryologie,  von 
Gurwitsch  1186,  —  der  klinischen 
Mikroskopie  des  Blutes,  von  Meyer 
und  Rieder  1888,  —  der  Hautkrank¬ 
heiten, von  Jacobi  2098,  —  der  speziellen 

Chirurgie,  von  Sultan  .  2341 

Atmokausis,  Gravidität  nach  Sterilisation 
mit,  von  Meyer  483,  Technik  der  — , 
von  Pincus  483,  Obliteratio  uteri  durch 

— ,  von  Beuttner . 945 

Atmung,  Einfluss  der,  auf  den  Blutkreis¬ 
lauf,  von  Baer  1695,  kinematographische 
Röntgenvorführungen  normaler  und 
pathologischer  — ,  von  Köhler  1008, 
künstliche  — ,  durch  Ventilation  der 
Luftröhre,  von  Volhard  2112,  Gasaus¬ 
tausch  bei  der  — ,  von  Bohr  2201,  ein¬ 
fache  Methode  der  künstlichen  — ,  von 

Schäfer . > .  2203 

Atoxyl  s.  a.  Pellagra. 

Atoxyl,  von  Oplatek  435,  von  Maass  946, 
von  Spietholf  1503,  von  Hallopeau 


Seite 

1660, 1661,  von  Langgaard  1909,  Wirkung 
des  —  auf  Trypanosomen  und  Spiro¬ 
chäten,  von  Uhlenhuth,  Gross  und 
Bickel  280,  —  bei  Rückfallfieber,  von 
Breinl  und  Kinghorn  486,  —  bei'l'rypa- 
nosomiasis,  von  Breinl  und  Todd  744, 
toxikologische  Untersuchungen  mit  — , 
von  Blumenthal  1252,  —  bei  Syphilis, 
von  Lassar  1309,  Verhalten  des  —  im 
Organismus,  von  Croner  und  Seligmann 
1341,  —  bei  Paralyse,  von  Spielmeyer 
1396,  —  bei  Tuberkulose,  von  Rönon 
und  Delille  1414,  Einwirkung  des  —  auf 
das  Rückfallfieber,  von  Glaubermann 
1893,  —  bei  Syphilis  und  Framboesia, 
von  Neisser  1998,  präventive  Wirkung 


des  — ,  von  Uhlenhuth,  Hoffmann  und 
Weidanz  2050,  Wirkung  des  —  auf  die 
Spirillose  der  Hühner,  von  Uhlenhuth 
und  Gross  2294,  —  bei  Frühsyphilis, 
von  Nobl  2296,  Sehnervenerkrankung 

durch  — ,  von  Fehl- . 2541 

Atoxylbehandlung  der  Pellagra,  von  Babes 
und  Vasiliu  1548,  —  der  Syphilis,  von 
Moses  1549,  —  der  Dourine,  von  Uhlen¬ 
huth,  Hübener  und  Woithe .  2295 

Atoxylinjektionen,  von  Sick . 39y 

Atoxylintoxikation,  von  Brenning  .  .  .  950 
Atoxylmedikation,  Gefahren  der,  von 

Hallopeau . 1803 

Atoxylvergiftung,  von  Waelsch  •  ....  937 
Atoxylversuche  bei  Piroplasmose  der 

Hunde,  von  Gonder .  2295 

Atresia,  vaginae,  von  Muratow  535,  —  ani 
urethralis,  von  Stettiner  1010,  —  acqui- 

sita  intestini,  von  Jenckel .  2491 

Atrioventribularbtindel,  von  Geipel  .  .  .  1058 
Atrophia  maculosa  cutis,  von  Oppenheim  434 

Atropin  bei  Ileus,  von  Schulz . 1339 

Aufstossen,  nervöses,  von  Adler  173,  von 
Boas421,  von  Tecklenburg  845,  vonSaito  2646 
Aufsätze,  populäre,  und  Vorträge  von 

Prof.  v.  Leyden . 582 

Augapfel,  Protrusion  des,  von  Schmidt- 
Rimpier  .  99 


Auge  s,  a.  Tuberkulose. 

Auge,  Neurologie  des,  von  Peters  242,  von 
Wilbrand  und  Sänger  379,  Protozoen 
im  — ,  von  Stargardt  443,  schädliche 
Wirkung  von  Licht-  und  anderen 
Strahlen  auf  das  — ,  von  Oloff  1060, 
Untersuchung  der  —  der  schul¬ 
pflichtigen  Kinder  vor  dem  Schulein¬ 
tritt,  von  Siegrist  1146,  1746,  Empfind¬ 
lichkeit  des  —  gegen  Lichtstrahlen,  von 
Hertel  1901, Veränderungen  des —  durch 
Trypanosomen,  von  Stock  1903,  embryo¬ 
nale  — ,  von  Seefelder  1904,  Verletzung 
des  —  durch  Essig,  von  Kraemer  .  .  2646 
Augenärztliche  Operationen,  von  Czermak  2538 
Augenbewegungen,  Untersuchung  der 
reflektorischen  vestibulären  und  op¬ 
tischen,  von  Bärany .  1072,  1132 

Augenentzündung  der  Neugeborenen,  von 

Schanz  .  .  - .  2329 

Augenerkrankungen  s.  a.  Tulasepräparate. 
Augenerkrankungen  sexuellen  Ursprungs 
bei  Frauen,  von  Berger  und  Loewy 
428,  Behandlung  der  gonorrhoischen 
— ,  von  Mc  Ettles  688,  äussere  —  in 
ihrer  Beziehung  zu  Nasenleiden,  von 
Gutmann  1192,  syphilitische  — ,  von 
Fleischer  1458,  Serodiagnostik  der  — , 

von  Leber . 1901 

Augenheilkunde,  Korrelation  bei  Verer¬ 
bung  in  der,  von  Best  62,  —  in  der 

Römerzeit,  von  del  Castillo . 1599 

Augenhintergrund,  Photographie  des,  von 

Dimmer .  2292 

Augenhöhle,  künstliche,  von  Franke  .  .  590 

Augeninstrumente,  von  Landolt  ....  1907 
Augenkranke,  Vorstellung  operierter,  von 

Becker . 1798 

Augenkrankheiten,  Entstehung  und  Ver¬ 
schlimmerung  von,  durch  Unfälle,  von 
Grunow . 491 


Seite 

1093 

1072 


Augenlid,  Spaltbildung  im  oberen,  von 

Meyer . . 

Augenmuskellähmungen,  topische  Dia¬ 
gnostik  der,  von  Bäräny  .  •  ...  . 

Augennervenleiden,  Behandlung  zentraler, 
luetischen  Ursprungs  mit  Atoxyl,  von 

Watermann . 

Augenreaktion,  tuberkulöse,  von  Comby 
1854 

Augensyphilis,  Uebertragung  der  experi¬ 
mentellen,  des  Kaninchen,  von  Tomas- 

czewski . 

Augenverlel zungen,  strafrechtliche  Begut¬ 
achtung  von,  von  Herbst . 

Augusta  Viktoria -Haus  zur  Bekämpfung 

der  Säuglingssterblichkeit . 

Aurikulo-ventrikuläres  Bündel,  gummatöse 
Erkrankung  des,  von  Keith  und  Miller 
Auskunftei,  ärztliche  863,  wissenschaftlich¬ 
ärztliche  — . 

Ausstellung  s.  a.  Alkoholismus,  Hygiene- 
Ausstellung. 

Ausstellung,  internationale,  für  Hygiene 
der  Städte  551,  —  bei  der  Natur¬ 
forscherversammlung  . 

Austern  s.  a.  Typhus. 

Austern  mit  Typhus,  von  Netter  .... 
Auswurfsedimentieiungsverfahren  mit 
Wasserstoffsuperoxyd  nach  Sachs- 
Müke,  von  Peters  418,  von  Sorgo  622, 

— ,  von  Sachs-Müke . 

Auszeichnung  2263,  2462,  Verleihung  von 
—  an  ehrengerichtlich  bestrafte  Aerzte 
Autan,  ein  neues  Raumdesinfektions¬ 
mittel,  von  Hammerl  1113,  —  in  der 
Landpraxis,  von  Tutsch  1550,  Desinfek¬ 
tionsmittel  — ,  von  Ingelfinger  2490, 
von  Beck  2490,  von  Frank  2490,  von 
Kirchgässer  -  Hilgermann  2490,  von 

Proskauer  u.  Schneider . 

Autanverfahren,  von  Xylander  .... 
Automobil,  Einfluss  des,  auf  die  Allgemein 

ernährung,  von  Moneyrat . 

Automobilklub,  ärztlicher,  in  Wien  .  . 
Automobilunfälle,  Sehfehler  bei,  voi 

Clemens . 

Automobilverletzungen,  von  Kettner  . 
Autoplastics,  les,  levres,  joues,  oreilles 
tronc,  membres  par  Nelaton  u.  Ombre 

danne .  2537 

Autophthalmoskop,  von  AVessely  ....  2104 
Azeton,  Behandlung  des  inoperablenUterus 

karzinoms  mit,  von  Gellhorn  .  .  .  .  2528 
Azetonbildung  in  der  künstlich  durch 

bluteten  Leber,  von  Embden  ....  1100 
Azeton urie,  von  Embden  955,  febrile  — , 

von  Battistini . - . 1805 

Azidose,  von  Mosse . 131 


1837 

1804, 


1023 

2247 

2510 

386 

2298 

593 

644 

988 

1063 


2490 

1496 

1612 

2351 

1697 

1603 


B. 


Bacillus  s.  a.  Bazillen. 

Bacillus,  Biologie  des,  faecalis  alcaligenes, 
von  Gaehtgens  1793,  Infektion  durch 
den  —  aerogenes  capsulatus,  von  Herter 
1897,  —  coli  communis  als  Indikator 
für  Verunreinigung  von  Wasser  mit 

Fäkalien,  von  Saito . 2540 

Backhausmilcb,  von  Landmann  ...  .  483 
Bacterium  s.  a.  Bakterien. 

Bacterium  coli  mutabile,  von  Massini  1 190, 
Nachweis  des  —  coli  nach  der  Eijk- 
mannschen  Methode,  von  Neumann 
383,  Nachweis  des  —  coli  im  Wasser, 
von  Bulir  1692,  —  coli  commune  als 
Sepsiserreger  in  2  Fällen  an  Abdominal¬ 
erkrankung,  von  Krencker .  2095 

Bad  s.  a.  Bäder,  Fabrikbäder,  Gasbad, 
Ekzem.  Lichtbad,  Moorbad,  Sodabäder. 
Badeärzte,  geschäftsreisende  648,  760,  864, 

1112,  2652 

Bäcker,  hygienische  Verbesserungen  für 

die . 851 

Bäder,  therapeutische  Bedeutung  der 
heissen,  von  Schalle  331,  künstliche 
radiumemanationshaltige  — ,  von  La- 


XXXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

queur  751,  1249,  —  und  Badewesen  in 


Alt-Meissen,  von  Mulert . 2109 

Bäder- Al  man  ach  . 1463 

Bäderbuch,  Deutsches,  von  Rost  ....  444 

Baglivi  Giorgio,  von  Sudhoff  .....  .1241 


Bahnärzte  und  Abteilung  für  freie  Arzt¬ 
wahl  920,  Protesterklärung  von  — 

1759,  1760,  1807,  —  gegen  die  freie 
Arztwahl  1759,  Erklärung  der  bayeri¬ 
schen  — .  2358 

Bahnarztfrage  1591,  —  in  München  .  52,  53 
Bahnarztstellen  in  München  615,  Sperre 
der  —  in  München  302,  Suspendierung 
der  Sperre  der  —  in  München  .  .  .  350 

Bakterien  s.  a.  Bacterium,  Gasbestimmung. 
Bakterien  in  der  Mundhöhle  des  Kindes, 
von  Oshima  133,  Abtötung  von  —  durch 
Licht,  von  Thiele  und  Wolf  230,  Abio- 
genese  von  — ,  von  Bastian  712,  schein¬ 
bar  aerobes  Wachstum  anaerober  — , 
von  Liefmann  823,  Veränderungen  von 

—  im  Tierkörper,  von  Rubritius  1212, 
noch  nicht  beschriebenes  —  bei  klini¬ 
schen  Typhusfällen,  von  Mandelbaum 
1766,  Wirkung  der  Kohlensäure,  des 
Sauerstoffs  und  des  Wasserstoffs  auf 
— ,  von  Berghaus  1794,  Durchtritt  von 

—  durch  die  intakte  Darmschleimhaut, 

von  Klecki  1954,  Eindringen  von  — 
in  das  Hühnerei  durch  die  Eischale, 
von  Lange  2196,  Verhalten  der  serösen 
Körperhöhlen  gegenüber  im  Blut  krei¬ 
senden  — ,  von  Peiser  2292,  Wachs¬ 
tum  der  —  in  Nährböden  höherer 
Konzentration,  von  Jorns . 2316 

Bakterienagglutination  durch  normale  Sera, 

von  Bürgi . 2197 

Bakterien aggressivität,  von  Bail . 1297 

Bakterienaufschwemm  ung,  per  Klysma  ver¬ 
abreichte,  von  Bachrach  und  Stein  .  2051 
Bakteriengehalt  der  Luft  und  des  Erdbodens 

der  antarktischen  Gegenden,  von  Ekelöf  1191 
Bakteriengeissein,  Silberimprägnation  von, 

von  Kreibich  . 1143 

Bakteriengifte,  Haut-  und  Schleimhaut¬ 
blutungen  durch,  von  Heyrovsky  .  .  536 

Bakterienkulturen,  Problem  der  Entwick¬ 
lungshemmung  in,  von  Manteuffel  .  .2245 
Bakterienleiber,  Wirkungen  von  Verdau¬ 
ungsprodukten  aus,  von  Matthes  und 

Gottstein . 953 

Bakterienpräzipitation  durch  normale  Sera, 
von  Hoke  687,  —  und  Typhusdiagnose, 

von  Hoke . ' . 1211 

Bakterienpräzipitine,  Spezifität  der,  von 

v.  Eisler . 744 

Bakterienresorption  auf  dem  Blut-  und 

Lymphwege,  von  Noetzel .  33 

Bakterienvakzine,  Behandlung  mit,  von 

Turton  und  Parkin .  96 

Bakteriologie, Lehrbuch  der,  von  Heim  623, 

—  in  der  Augenheilkunde,  von  Axenfeld  1244 
Bakteriologischer  Kurs  im  Jahre  1907  .  .  200 
Bakteriologisches  Taschenbuch,  von  Abel  2291 
Bakteriurie  und  Pyurie  bei  Gebären  den  und 


Schwangeren,  von  Albeck .  2439 

Baineologenkongress  2263,  29.  —  in  Bres- 

lau . 2510 

Ballon,  zugfester,  von  Müller . 846 


Bandmass  s.  a.  Fesselbandmass. 

Bantische  Krankheit,  von  Einhorn  34, 
von  Hedenius  1494,  operative  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Thiel  182,  Heilung 
von  —  durch  Milzexstirpation ,  von 
Caro  1549,  Milzvenen thrombose,  Pfort¬ 
aderthrombose  und  — ,  von  Edens  .  .  2194 
Barlowsche  Krankheit,  von  Fraenkel  806, 

Diagnose  der  — ,  von  v.  Starck  ...  450 

Basalzellenkrebs,  Diagnose  und  Theraphie 


des,  von  Clairmont .  2393 

Basedowkranke,  Stoffwechseluntersuchun¬ 
gen  bei,  von  Scordo  u.  Frandini  .  .  2497 


Basedowsche  Krankheit  s.  a.  Dystrophie. 

Basedowsche  Krankheit,  von  Mosse  134, 
von  Penzoldt  240,  von  Flesch  339,  von 
Port  642,  von  Möbius  996,  von  Men- 
nacher  1104,  von  Renon  und  Azam 
1461,  von  Gessner  1849,  Therapie 


Seite 

der  — ,  von  Donchin  53,  Einfluss  der 
Röntgenstrahlen  auf  den  Eiweissumsatz 
hei  — ,  von  Rudinger  184,  Behandlung 
der  — ,  von  Silbermann  743,  Persistenz 
und  Hypertrophie  der  Thymusdrüse 
bei  — ,  von  Gierke  775,  Röntgenbehand¬ 
lung  der  — ,  von  Freund  830-  maligne 
— ,  von  Caro  946,  —  infolge  Unfalls¬ 
hysterie,  von  Tetzner  1003,  experimen¬ 
telle  — ,  von  Pfeiffer  1173,  —  in  der 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  von 
Groom  lb95,  —  mit  Tuberkulose  einer 


Glandula  parathyreoidea,  von  Stumme 
2195,  wertvolles  Zeichen  bei  — ,  von 

Boston  . .  2398 

filarmeningitis,  Beziehungen  der  ein¬ 
fachen  hinteren,  zum  Zerebrospinal- 

fieber,  von  Langmead . 1650 

Basisfraktur,  von  Lange . 136 

Bassinische  Radikaloperation,  Modifikation 

der,  der  Hernien,  von  Papai'oannou  .  801 

Battlehn  er  Ferdinand  f,  von  Thumm  .  .  176 

Bauch,  Kontusionsverletzungen  des,  von 

Voeckler . 1633 

Bauchbrüche,  Ätiologie  der  seitlichen,  von 

Blauel . 1246 

Bauchdecken,  Pflege  der,  in  der  Schwanger- 


.  ÄIU 

Bauchfelltuberkulose,  chronische,  und  ihre 
Behandlung  mit  Röntgenstrahlen,  von 

Bircher .  2291 

Bauchfellverluste,  durch  Operation  ent¬ 
standene,  von  v.  Wenczel . 1793 


Bauchhaut,  Ablösung  der,  von  Heineke  .  545 
Bauchhoden,  Stieltorsion  eines,  von  Boese  628 
Bauchhöhle,  Askaridenerkrankung  der,  von 
Sehrt  33,  von  den  Uterusadnexen  aus¬ 
gehende  Blutungen  in  die  — ,  von 
Noetzel  33,  Adhäsionsbildung  in  der  — , 
von  Fromme  741,  Schutzvorrichtungen 

in  der  — ,  von  Danielsen . 1444 

Bauchkontusionen,  von  Hildebrand  134, 
Meteorismus  nach  — ,  von  Heineke 

1890,  2063 

Bauchoperationen,  beste  Inzision  bei  — , 

von  Maylard . 1852 

Bauchschnitt  ohne  spätere  Hernienbildung, 

von  Dührssen . 848 

Bauchschnittechnik,  von  Blumberg  .  .  .  856 
Bauchspeicheldrüse,  Sekret  der,  des  Men¬ 
schen,  von  Wohlgemuth . 1054 

Bauchspekulum ,  selbsthaltendes ,  von 

Schubert . 2147 

Bauchschüsse,  Behandlung  der  penetrie¬ 
renden,  im  Felde,  von  Hildebrandt  .  335 
Bauchstich  Verletzung,  von  Hagen  ....  2118 
Bauchverletzung  s.  a.  Unterleibsverletzung. 
Bauchverletzungen  des  Friedens ,  von 
Hagen  32,  —  durch  stumpfe  Gewalt, 

von  Berger . 1600 

Bauchwand,  Schnitt  durch  die,  bei  der 
Eröffnung  der  Bauchhöhle,  von  Dia- 

konow . H89 

Bauchwunden,  Schützer  beim  Nähen  von, 

von  Landström . 999 

Bazillen  s.  a.  Bacillus,  Spindelbazillen, 
Tuberkelbazillen  etc. 

Bazillen,  Geissein  der  fusiformen,  von 
Plaut  340,  Persi stieren  von  —  im  Halse 
nach  Diphtherie,  von  Meikle  488,  Iden¬ 
tität  oder  Nichtidentität  der  —  mensch¬ 
lichen  und  Rinder-Tuberkulose,  von 
Tatewossianz  2001,  hämophile  —  im 
Blut  Masernkranker,  von  Giarrd  und 
Carlini  2049,  —  der  Typhusgruppe,  von 

Lentz . 2158 

Bazillenemulsion,  von  Koch  .....*  .  2211 
Becken,  Behandlung  der  Geburt  bei  engem, 
von  Bauer  93,  Einteilung  des  engen  — 
von  Baisch  583,  von  Scipiades  1247, 
Reformen  in  der  Therapie  des  engen 
,  von  Baisch  1044,  Geburtsverlauf 
beim  engen  — ,  von  Peham  1255,  Ent¬ 
wicklung  des  — ,  von  Franz  1343,  Ent¬ 
stehung  des  schiefen  —  nach  Ober¬ 
schenkelamputation,  von  Füth  1344, 
pathologisches  — ,  von  Queisner  1344, 


Seite 

die  Zange  in  der  Therapie  des  engen 
— ,  von  Leisewitz  1647,  spontane  Ge¬ 
burt  bei  engem  — ,  von  Weindler  1647, 
Therapie  bei  engem  — ,  von  Leopold  1647 
Beckenbruch,  von  Bacher  .....  .  2148 
Beckeneingang,  Schätzung  der  Transversa 

des,  von  Steinbrecher  . 1340 

Beckenenchondrom  als  Geburtshindernis 

von  Schoppig . 2147 

Beckenendlagen,  Deflexionslagenhabitus 
und  Deflexionslagenkopfform  bei,  von 

Mueller . 1744 

Beckenentzündungen  der  Frauen,  von 

Wilson  .  ‘ .  2444 

Beckenerweiternde  Operationen,  von  Frey 
2612,  Indikation,  Technik  und  Erfolge 
der  — ,  von  Zweifel  1149,  1196,  Indika 
tionsstellung  bei  den  von  Menge  .  14 
Beckenerweiterung,  dauernde,  durch  Pubio- 
tomie,  von  Wendeier  1142,  von  Truzzi 
1602,  dauernde  —  nach  Symphysio- 

tomie,  von  Füth . 1254 

Beckenexsudate,  Aetiologie  und  Therapie 

der,  von  Cohn .  2049 

Beckenformen,  pathologische,  bei  Neu¬ 
geborenen,  von  Falk .  2006 

Beckenmessung,  Vereinfachung  der  v.  By- 
lickischen  instrumenteilen,  vonHoehne  885 

Beckenniere,  von  Wulff . 1153 

Becken  Organe,  Krampfzustand  der,  von 

Mueller . 1506 

Beckenosteomyelitis,  von  v.  Bergmann  .  534 
Beckenspaltung  in  der  Schwangerschaft, 

von  Gauss . 1495 

Beckentumoren,  retroperitoneale ,  von 

Neupert . 1046 

Behandlung,  briefliche . 1510 

Beiträge,  Bruns’,  zur  klinischen  Chirurgie 
32,  182,  227,  429,  845, 1092, 1188,  1245, 

1443,  1601,  1890,  2292,  2438,  —  zur 
Klinik  der  Tuberkulose  132,  625,  998, 

1338,  1544,  1790,  2343,  2437,  Hegars  — 
zur  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  277, 

945,  2439,  2645,  Zieglers  —  zur  pa¬ 
thologischen  Anatomie  und  allgemeinen 
Pathologie  431,  686,  1248,  1340,  1744,  2493 
Belastungsdeformitäten,  Verwertung  des 
Körpergewichtes  zur  Korrektur  von,  von 
Semeleder  501,  Aetiologie  der  — ,  von 

Stieda . 1546 

Beleuchtung,  indirekte,  von  Hörsälen,  von 
Wolf  300,  —  der  neuen  Operationssäle 
im  Krankenhaus  zu  Worms,  von  Heiden¬ 
hain  . 332 

Beleuchtungsarten,  moderne,  von  Eris¬ 
mann  .  2449 

Beleuchtungsstärke,  Einfluss  der,  auf  die 
Sehleistungsfähigkeit,  von  Possek  .  .  432 
Benzidinprobe,  von  Schlesinger  u.  Holst  460 

Benzinblutprobe,  von  Schümm . 2198 

Benzin-Jodkatgut,  von  Mindes  •  .  .  .  .  133 
Benzinvergiftung,  von  Roth  1841,  anato¬ 
mischer  Befund  bei  der  — ,  von  Reuter  628 
Benzoldampf,  Vergiftung  durch,  von  Lewin  2377 
Benzosahn  s.  a.  Salicylpräparat. 

Benzosalin,  von  Freund  536,  von  Ciuffini 


630,  von  Livierato .  2053 

Bergbau,  älteste  Geschichte  des,  von 

Treptow . 2109 

Bergmann  Ernst  von  f  815,  von  v.  Angerer 

837,  Trauerfeier  für  E.  v .  747,  1212 

Bergmann-Gedächtnis-Vorträge . 1967 

Bergmann-Kunstblatt .  2463 

Bergmann-Plakette  . 919 

Beri-Beri,  s.  a.  Polyneuritis,  Reis 


Beriberi,  von  Wright  539,  von  Holst  1605, 
von  Holst  u.  Frölich  2149,  —  im 
russisch-japanischen  Krieg,  von  Miura 
539,  verschimmelter  Reis  und  — ,  von 
Gimlette  540,  Sitz  der  Ursache  der  — , 
von  Glogner  1747,  Nachweis  von  —  in 
Deutsch-Südwestafrika,  von  Dansauer 
2253,  —  in  Hongkong,  von  Hunter  u. 

Koch  . 2515 

Beriberibazillus  H.  WVights,  von  Dudgeon  539 
Beriberiepidemie,  epidemiologische  Beob¬ 
achtungen  bei  einer,  von  Ingram  .  .  2254 
Berufsgeheimnis,  ärztliches  ......  .  2399 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXIII 


Seite 

Berufsgenossenschaften,  landwirtschaftliche  1596 

Berufung . . .  1759,  2407 

Berichte  über  Gesellschaften,  Kongresse, 
Vereine,  Versammlungen  s.  Teil  IV. 
Bericht  über  die  geburtshilfliche  Ab¬ 
teilung  der  Provinzial-Hebammen-Lehr- 
anstalt  zu  Magdeburg,  von  Dahlmann 
639,  —  über  die  Tätigkeit  der  Berliner 
Schulärzte  im  Jahre  1905/06,  von  Hart¬ 
mann  996,  —  über  die  4.  Versamm¬ 
lung  der  Tuberkulose-Aerzte  in  Berlin 
2119,  —  über  die  Verhandlungen  des 
deutschen  Zentralkomitees  zur  Be¬ 
kämpfung  der  Tuberkulose . 2119 

Besessenheit,  Glauben  an  die,  von  Behr  382 
Betriebsunfall,  ist  ein  Mückenstich  ein?  446 
Bevölkerungsbewegung  in  Deutschland 

2625,  von  Mombert  .  2242 

Bevölkerungszahl  Frankreichs  .....  502 

Bezirksärzte,  Stellung  der,  zu  den  prak¬ 
tischen  Aerzten  in  Oesterreich  .  .  2351 
Bezirksvereine,  Grundzüge  der  wirtschaft¬ 
lichen  Organisation  der  bayer.,  und 


Aerztekammern  1360,  ärztliche  —  .  .  2562 

Bibliothek  Charcots . 1063 

Bienenstich,  von  Baudisch . 135 

Bierhefebehandlung  bei  Fluor  vaginae, 

von  Fellner  .  .  . . 198 

Biertrinker  s.  a.  Herz. 

Bihimbo-Krankheit,  von  Bagsliawe  .  .  .  1748 
Bilharzia  haematobia  -  Erkrankung,  von 

Wulff  2506,  von  Plaut .  2506 


Bilharziosis  Westindiens  und  das  Schi- 

stomum  Mansoni,  von  Holcomb  .  .  .  2545 
Bilsenkraut extrakt,  Historisches  zum  Ge¬ 
brauch  des,  als  Narkotikum,  von  Klein  1088 
Bindegewebe,  Bildung  und  Wiederbildung 

der  elastischen,  von  Jores . 1248 

BindegewTebsneubildung,  retinale,  von 


Harms . 1902 

Bindehauteiterung,  Fremdkörper  im  Ober¬ 
kiefer  als  Ursache  von,  von  Thörey  2427 
Bindehautsekret,  bakterizide  Substanzen 

im,  von  zur  Nedden . 1901 

Binokular-Pupillometer,  von  Krusius  .  .  640 

Biochemie  der  Pflanzen,  von  Czapek  330, 

deskriptive  — ,  von  Fränkel .  2537 

Bioson,  von  Marx  .  .  • . 148 

Biss,  schiefer,  von  Voelckers . 904 


Blase,  Füllung  der  mit  Sauerstoff,  von 
Burkhardt  und  Polano  20,  Gazetupfer 
in  der  — ,  von  Stoec.kel  133,  Schliess- 
muskel  der  m.  — ,  von  Ball  1397,  trau¬ 
matische  Ruptur  der  — ,  von  Berblinger  1631 

Blasenchirurgie . 680 

Blasendrainage,  infrasymphysäre,  vonSper- 
ling  1247,  Trökar-Katheter  zur  infra- 
symphysären  — ,  von  Stoeckel  .  .  .  1444 
Blasenerkrankungen,  nervöse, vonGoldberg  1837 
Blaseneruptionen  der  Haut  bei  zentralen 
Affektionen  des  Nervensystems,  von 

Schlesinger . . . 1447 

Blasenfistel,  zystoskopische  Befunde  bei 

geheilten,  von  Hannes  . .  2066 

Blasengeschwülste  bei  Anilinarbeitern,  von 

Seyberth .  1573,  1663 

Blaseninkontinenz, 1  Opotherapie  bei,  von 

Zanoni . 1956 

Blasenmole,  s.  a.  Chorionepitheliom. 
Blasenmole,  von’Polano  300,  destruierende 
— ,  von  Kauffmann  1047,  — bei  jungem 
menschlichen  Ei,  von  Freund  ....  2066 

Blasennaht,  von  Delbet . 1651 

Blasenruptur,  intraperitoneale,  von  Krueger  184 
Blasenscheidenfistel,  operative  Therapie 
der,  von  v.  Franque  999,  zystoskopische 
Befunde  bei  — ,  von  Hannes  ....  1294 

Blasenspalte,  von  Weigel . 298 

Blasenstein,  wem  gehört  ein  durch  Opera¬ 
tion  gewonnener?  400,  —  als  Geburts¬ 
hindernis,  von  Wagner  741,  Kompli¬ 
kation  von  — ,  von  Paschkis  2104, 
Spontanfraktur  der  — ,  von  Bradshaw  2396 
Blasen  Störungen,  zerebrale,  von  Minkowski 

2196,  juvenile  — ,  vonv.Frankl-Hochwart  2613 
Blasentuberkulose,  Bedeutung  u.  Heilbar¬ 
keit  der,  v.  Rovsing  738,  Spontanheilung 
von  — ,  von  Deschamps . 1651 


Seite 

Blasentumor,  von  Lauenstein  910,  300 

operierte  — ,  von  v.  Frisch . 2103 

Blastomykosis  des  Gehirns,  von  Benda  .§1014 
Blastomyzeten  u.  Entzündungen  der  weib¬ 
lichen  Genitalien,  von  Van  de  Velde 
2102,  - —  bei  Erkrankungen  der  weib¬ 
lichen  Geschlechtsorgane,  von  Van  de 


Velde .  2349 

Blattern  s.  a.  Pocken. 

Blatternfälle  und  Impfrummel  in  Wien  1842 

Blatternstatistik,  österreichische  ....  2151 

Bleichsucht,  Behandlung  der,  mit  heissen 

Moorbädern,  von  Steinsberg . 848 

Bleienzephalopathie,  akute,  nach  dem 
Gebrauch  von  Diachylonpillen ,  von 
W  arner . 444 


Bleivergiftung,  Frühdiagnose  chronischer, 
von  Frey  384,  —  in  hüttenmännischen 
und  gewerblichen  Betrieben  481,  — 
durch  die  Geschosse  nach  Schussver¬ 
letzungen,  v.  Braatz  1081,  v.  Sabrazes 
1214,  Erkrankungen  des  Magens  bei 
chronischer  — ,  von  Walko  1728,  — 
und  ihre  Erkennung,  von  Schmidt  2294, 

—  mit  Augenerkrankung,  von  Wirsing 
2347,  Quellen  der  gewerblichen  — ,  von 
Grossmann  2348,  gewerbliche  — ,  von 

Wutzdorff .  2353 

Blennorrhoe,  Prophylaxe  der,  der  Neuge¬ 
borenen,  von  Seefelder  475,  Heilung 
der  —  neonatorum,  von  Fukala  2031, 
neue  Behandlungsmethode  der  —  adul¬ 
torum  mit  Bleno-Lenicetsalbe,  v.  Adam 
2132,  grosse  Ausspülungen  nach  Kalt 
bei  der  Behandlung  der  —  adultorum, 
von  Davids  2499,  maligne  —  der  Neu¬ 
geborenen,  von  Naumann . 2613 

Blepharitis-Ektropium,  Reklination  bei,  v. 

Axenfeld . 1902 

Blinddarm,  Lageanomalien  des,  v.  Sim- 

monds . 590 

Blinddarmentzündung,  s.  a.  Appendizitis, 


Perityphlitis. 

Blinddarmentzündung,  Ausbreitung  der 
198,  —  und  Darmkatarrh,  von  Siegel 
429,  —  der  Kinder,  von  Riedel  2365, 

2652,  von  Kraus  u.  Rotter  .  .  .  .  .  .  2627 
Blinddarmerkrankungen,  Pathologie  und 

Therapie  der,  von  Albu . 798 

Blinddarmoperationen,  100,  von  Schön¬ 
werth  ....  .  2085 

Blindenfürsorge,  von  Meitzer . 691 


Blindheit,  s.  a.  Simulation. 

Blindheit  in  Skandinavien  und  in  Finn¬ 
land,  von  Widmark  227,  397,  Ursache 
der  — ,  von  Snell  1907,  hysterische  — , 
von  Garzia  Mansilla .  2297 

Blindsack-Sanduhrmagen,  von  Kausch  .  1010 

Blut,  s.  a.  Diphtheriekranke,  Viskosität. 

Blut,  Alexingehalt  des  zirkulierenden,  von 
Schneider  146,  Alexingehalt  des  — , 
von  Moro  1104,  Gerinnbarkeit  des  — , 
von  Schwab  176,  von  Salvendi  176, 
Schwabsche  Methode  der  Bestimmung 
der  Gerinnbarkeit  des  — ,  von  Birn¬ 
baum  621,837,  Nachweis  von  —  in  den 
Fäzes,  von  Schümm  258,  —  in  den  Fäzes 
von  Tuberkulösen,  von  Carletti  1955, 
Nachweis  von  —  in  den  Fäzes  mittelst 
Spektroskop  und  modifizierter  Weber¬ 
scher  Probe,  von  Fraenkel  1638,  jodo- 
phile  Reaktion  des  — ,  von  Capuzzo  282, 
Gerinnung  des  —  während  der  Men¬ 
struation,  von  Birnbaum  und  Osten  333, 
Instrument  zur  Entnahme  von  —  zu 
diagnostischen  Zwecken,  von  Schotte- 
lius  524,  Viskosität  des  — ,  von  Kott- 
mann  627,  von  Determann  1249,  Vis¬ 
kositätdesmenschlichen  — ,  von  Rotky 
797,  Beeinflussung  der  Viskosität  des 
—  durch  Kältereize,  Wärmeentziehung 
und  Stauung,  von  Determann  751,  Appa¬ 
rat  zur  Bestimmung  der  Viskosität  des 
— ,  von  Hess  384,  1590,  2225,  klinische 
Pathologie  des  — ,  von  Grawitz  793, 
Kohlensäuregehalt  des  — in  der  Nabel¬ 
schnurvene, —  vonRieländer846,  hoch¬ 
gradige  Eosinophilie  des  — ,  bei  malig- 


Seitc 

nem  Tumor  der  rechten  Lunge,  von 
Käppis  881,  Wasserbilanz  des  — ,  von 
Plehn  1834,  chronische  mit  Ikterus  ein¬ 
hergehende  Erkrankung  des  —  von 
Benjamin  und  Sluka  1836,  Atlas  der 
klinischen  Mikroskopie  des  — ,  von 
Meyer  und  Rieder  1888,  Veränderungen 
des  —  bei  septischen  Erkrankungen, 
von  Wyssotsky  1896,  Referat  über  Ar¬ 
beiten  zur  Physiologie  des  —  2055, 
Glyzeringehalt  des  — -,  von  Tangei  und 
Weiser  2055,  Bestimmung  von  Alkohol, 
Aether  und  Chloroform  im  — ,  von 
Nicloux  2155,  Glykoside  des  — ,  von 
Lepine  und  Boulud  2155,  Katalasen  und 
Oxydasen  im  — ,  von  Lockemann  2162, 
Ringkörper  im  —  Anämischer,  von 
Schleip  2392,  Antiferment  des  — ,  von 
Wiens  2392,  fettige  Entartung  des  — , 
von  Chattock  u.  Dudgeon  2555,  Anti¬ 
fermentreaktion  des  —  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zur  opsonischen  Kraft  bei 
akuten  Infektionskrankheiten ,  von 

Wiens .  2637 

Blutanreicherung,  Technik  der,  vermittels 

der  Typhusgalleröhre,  von  Kayser  .  .  1078 
Blutbefunde  bei  Nervösen,  von  Bretschnei- 

der . 1587 

Blutbild,  neutrophiles,  im  Wochenbett,  von 
Burkard  431,  neutrophiles  —  bei  In¬ 
fektionskrankheiten,  von  Bourmoff  und 

Brugsch . 1645 

Blutbildende  Organe,  familiäre  Erkrankung 

der,  von  Marchand . 636 

Blutbildung,  Rückschlag  in  die  embryonale, 

von  Engel . 1454 

Blutdruck,  funktionelle  Diagnostik  des 
hohen,  von  Gräupner  751,  848,  Patho¬ 
logie  des  — ,  von  Külbs  997,  Blutdruck¬ 
untersuchungen  bei  Gesunden  und 
Herzkranken,  von  Klemperer  1052, 
Messung  des  systolischen  und  diasto¬ 
lischen  —  von  Fellner  1052,  —  und 
Pulsdruck  des  Gesunden,  von  Hesse 
1052,  Apparat  zur  Messung  des  — , 
von  Bing  1192,  Verhalten  des  systo¬ 
lischen  und  diastolischen  —  nach  Kör¬ 
perarbeit,  von  Stursberg  1742,  —  bei 
plötzlichen  starken  Anstrengungen  und 
beim  Valsalvaschen  Versuche,  von 
Bruck  1834,  —  bei  Herzkranken, 

von  Franz  2200,  —  bei  Athleten,  von 
Gordon  2396,  —  bei  Tuberkulose,  von 
Stanton  2398,  — ,  Pulsgrösse  und  Puls- 

zelerität,  von  Janowski . 2613 

Blutdruckbestimmung ,  auskultatorische 

Methode  der,  von  Ettinger . 1746 

Blutdruckmesser,  neuer,  von  Stillmark  .  1192 
Blutdruckmessung,  von  Bing  35,  unblutige 
— ,  von  v.  Recklinghausen  484,  Metho¬ 
dik  und  Bedeutung  der  — ,  von  Klem¬ 
perer  807,  —  beim  Menschen,  von 

Bingel  908,  Modifikationen  der  —  nach 
Riva-Rocci,  von  Hofmann  957,  Apparat 
zur  objektiven  — ,  von  Münzer  .  .  .  1809 
Blutdruckse nkung,  Behandlung  der  peri- 
tonitischen,  mit  intravenösen  Adrenalin- 
Kochsalzinjektionen,  von  Hoddick  .  .  2244 
Blutdruckstadien  bei  Typhus  abd.,  von 

Barach .  2398 

Blutdruckuntersuchung  mit  dem  Sphygmo- 

skop  nach  Pal,  von  Horner . 1048 

Blutegel  als  Fremdkörper  der  Atmungs¬ 
und  Verdauungswege,  von  Roset  .  .  850 
Blutentnahme  aus  dem  Kaninchenohr, 

von  Prym . 672 

Bluterguss,  epiduraler,  in  einer  verbrannten 
Leiche,  von  Martini  1810,  von  v.  Horos- 
kiewicz  und  Leers  1840,  operative  Be¬ 
handlung  intrakranieller  —  bei  Neu¬ 
geborenen,  von  Seitz . 1602 

Blutfarbstoff,  Lichtabsorptionsvermögen 
des,  von  Aron  und  Müller  2055,  spek¬ 
trale  Eigenschaften  des  — ,  von  Lewin, 

Miethe  und  Stenger  2055,  genuiner  — , 

von  Bornstein  und  Müller .  2202 

Blutgefässdrüsen,  Arbeiten  zur  Physiologie 
der . .  2056 


5 


XXXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


190?. 


Seite 

633 

396 


Blutgefässendothelsarkom,  von  Merkel  . 
Blutgerinnung,  Leber  und,  von  Kauders  . 
Blutgerinnungszeit,  Apparat  zur  Ermittlung 

der,  von  Bürkner . .  955 

Bluthusten,  Therapie  des,  von  Reiche  .  .  1060 
ßlutkoagulum,  Zweifelsches,  von  Schubert  2612 
Blutkörperchen,  wirken  weisse  —  hetero- 


Seite 


lytisch?  von  Mosse  203,  Färbeindex 
der  roten  — ,  von  Türk  220,  von  Meyer 
und  Heineke  327,  Zählkammer  für  — , 
von  Bürker  299,  Vermehrung  der  roten 
und  weissen  —  und  des  Hämoglobins 
durch  die  Lungensaugmaske  und  ihre 
Beziehung  zum  Höhenklima,  von 

Kuhn . 1713,  1856 

I  ilutkörperchensuspensionen, Auftreten  der 

Lackfarbe  in,  von  Gros . 1603 

Blutkrankheiten,  Atlas  der,  von  Schleip 
ö42,  Biologie  der  perniziösen  —  und 
der  malignen  Zellen,  von  Funck  1549,  1657 
Blutmenge,  Verhältnisse  im  Gefässystem 

bei  Vermehrung  der,  von  Tigerstedt  .  2544 
Blutmengenbestimmung,  klinische,  von 

Plesch . 957 

Blutplättchen  und  Blutgerinnung,  von 
Schneider  146,  Entstehung  der  — ,  von 
Wright  686,  —  als  Alexinerzeuger,  von 

Ottolenghi  . .  .  838 

Blutpräparat,  neues,  von  Clemm  ....  1745 

,  Blutprobe,  neue,  von  Einhorn . 1447 

Blutreaktion,  spezifische,  von  Bruck  .'  .*  1396 

Blutserum,  Refraktionskoeffizient  des, 
von  Engel  1142,  Wirkung  des  —  von 
Nephritikern,  von  Schur  und  Wiesel 
1250,  innere  Reibung  des  —  in  rnorphi- 
nisierten  Tieren,  von  Segäle  ....  1725 
Blutspuren,  Untersuchung  von  1252,  biolo¬ 
gische  Untersuchung  kleinster  — ,  von 

Carnwath . 2295 

Blutstillung,  Heidenhainsche,  bei  Opera¬ 
tionen  am  Halse,  von  Pollak  ....  2438 
Blutung  s.  a.  Benzidinprobe,  Magen-  und 
Oarmblutung,  Scheiden varixblutung. 

Blutung,  Prophylaxe  der  Post-partum, 
von  Fitzgerald  385,  Pathogenese  der 
cholämischen  — ,  von  Morawitz  485, 
post  partum  — ,  von  Le  Page  689, 

—  aus  den  Luftwegen  von  Doehle  101?, 

—  am  Beginn  der  Pubertät,  von  Fischer 
1247,  besondere  Form  klimakterischer 
— ,  von  Meyer-Ruegg  1247,  intrakra¬ 
nielle  —  Neugeborener,  von  Seitz  1343, 

aus  dem  Sinus  der  Dura  mater,  von 
Pringle  1398,  Behandlung  abnormer 
menstrueller  — ,  von  Perlsee  1604,  töd¬ 
liche  aus  einem  Duodenalgeschwür, 
von  Mühsam  1649,  —  aus  einem 

Corpus  luteum,  von  Engstroem  . 
Blutungsherd  im  Lobus  occipit.  dexter,  von 

Gessner  „ . 

Blutuntersuchung,  spezifische  Löslichkeit 
und  ihre  Anwendung  bei  den  forensi¬ 
schen,  von  Dehne  357,  —  bei  Asthma¬ 
tikern,  von  Salecker  358,  —  bei  Typhus¬ 
kranken,  von  Rosen-Runge  441,  refrak- 
tometrische  -,  von  Marcus  751,  916,  — 
in  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie, 
von  Blumenthal  945,  ultramikroskopi¬ 
sche  —  zurZeit  der  Fettresorption,  von 
Neumann  1497,  Methode  der  bakterio¬ 
logischen  — ,  von  Wiens  1572,  Wright- 
sche  Methode  der  —  und  Urinunter¬ 
suchung,  von  Mc  Cay .  2200 

Blutveränderung,  leukämische,  bei  Lues 
congenita  und  Sepsis,  von  Flesch  und 
Schossberger  1447,  —  bei  thermischen 
Kinflüssen  von  Biernacki  und  Holobut  1996 
Blutsverwandtschaft,  Einfluss  der,  der  El¬ 
tern  auf  die  Kinder,  von  Feer  .  .  .  2147 
Blutviskometer,  einfaches,  von  Determann  1130 
Bodensatz  des  Bebens,  von  Gersuny  #  332 
de  Boe  Sylvius:  de  Phthisi,  von  Seytfert  1741 
Böttger  Joh.  Friedrich,  von  Heintze  .  .  2062 
Bolus  (Kaolin)  bei  der  Behandlung  ge¬ 
wisser  Bakterienkrankheiten,  v.  Stumpf  129 
Bolustberapie,  Stumpfsche,  von  Görner  .  2383 
ßonainsche  Mixtur,  von  Cousteau  und 
Lafay . 


381 

2297 


1899 

899 


728 


2048 


393 


Bossi,  Methode  bei  Placenta  praevia,  von 

Guasoni . 

Bossischer  Dilatator,  von  Weber  2049,  von 

Cortiguera . 

Brasilien,  Medizinschulen  in  1899,  ärztliche 
Verhältnisse  in  —  1899,  Zulassung  aus¬ 
ländischer  Aerzte  in  — 

Brechkrankheit  von  Jamaika,  von  Branck 
Briefe,  Virchows,  an  seine  Eltern  377, 

—  von  A.  v.  Gräfe  an  A.  Waldau  1443^ 
burschikoser  —  an  Herrn  Dr.  Hans 
Curschmann  in  Mainz,  von  Liebe  2464, 

—  aus  Amerika  803,  1898,  Berliner  — ’ 

234,  436,  630,  747,  862,  1051,  1147, 

1958,  2057,  2150,  2298,  2399,  Brasilia¬ 
nische  —  1899,  1958,  Breslauer  — 
2446,  Hamburger  —  2300,  Leipziger 

—  2614,  —  aus  Italien  ?400,  Kopen- 
hagener  —  690,  —  aus  Moskau  1697, 
Pariser  —  1005,  Römische  —  74*  851 
1097, 1400, 1560,  —  aus  der  Schweiz  136* 
Wiener  —  28),  587,  802,  900,  1252, 

.  1450,  1842,  2150,  2351,  2547 

Briefkasten  ....  200,  248,  400,  920,  2360 
Brillenmaterial,  Wahl  des,  von  Hailauer  1903 
Brillenschlange  s.  a.  Ophiotoxin. 
Bromoformvergiftungen,  von  Löbl  .  .  .  1049 

Bromquecksilber,  von  Dalimier . 1411 

Bromural,  von  Krieger  und  v.  d.  Velden, 

384,  — ,  von  Runck  . ’ 

Bronchialdrüsen,  Perforation  anthrakotiscli 
erweichter,  von  Schmidt  ....  542,  lu91 
Bronchialdrüsenentzündungen,  von  Piery 

und  Jacques .  37 

Bronchialsteine,  von  Berner . 1605 

Bronchiektasien,  Behandlung  der,  von 
Chaplin  488,  Chirurg.  Behandlung  der  — , 
von  Cumston  1193, fötale  — ,  von  Sando’zl744 
Bronchien,  sekundäre  Veränderungen  der, 

von  Kitamura .  .  .  ’  2441 

Bronchitis  fibrinosa,  von  Gottstein  796j 
Behandlung  der  —  mit  Röntgenstrahlen’ 

von  Immelmann . _  34g 

Bronchophonie  der  Flüsterstimme,  von 

^  Masing . 1544 

Bronchopneumonie,  primäre,  der  Er¬ 
wachsenen,  von  Melville  ....  488 

Bronchoskopie,  obere,  von  Winckler  384, 
Technik  der  — ,  von  Gottstein  536 
von  Brünings  1749,  Technik  der  direkten 
,  von  v.  Schrötter  2252,  Klinik  der 
— ,  von  _v.  Schrötter  736,  direkte  — , 

\  on  Tapia  850,  —  bei  Fremdkörpern, 

von  v.  Schrötter  .  .  .  ’  4397 

Bronchoskopische  Mitteilungen,  ’  von 

v.  Eicken  1249,  von  Nager . 1750 

Li  onchospasmus,  von  Grossmann  ....  1293 

Bronchus,  Entfernung  eines  Druckknopfes 

aus  einem,  von  Mintz .  2148 

Brot  s.  a.  Litonbrot. 

Brouardel-Denkmal . . 

Bruch  s.  a.  Fraktur. 

Biuch  des  luberculum  majus  humeri,  von 

Jacobsthal . ; . 1456 

Bruch  s.  a.  Hernie. 

Bruch,  Gangrän  der  Verbindungsschlinge 
im  eingeklemmten  — ,  von  Lauenstein 
1444,  Einklemmung  von  — ,  von  Ritter 

Bruchband,  verstellbares . 

Brucheinklemmung,  von  v.  Bar'acz  *17*91* 

—  von  Appendices  epiploicae,  von  Mohr 
Bruchoperation,  Blasenverletzung  bei  der 

— .  von  Malcolm . 

Biuchsack,  akute  und  chronische  Entzün¬ 
dung  des  leeren,  von  Sutter  .... 
Brückenau  s.  u.  Kissingen. 

Brust,  Chirurgie  der,  von  Beck  . 

Brustapertur,  obere,  s.  a.  Phthise.' 

Brustbefund,  physikalischer,  bei  Kindern, 
von  Neumann  ... 

Brustdrüse,  reflektorische  Wechselbezie¬ 
hung  zwischen  der  —  u.  dem  Uterus, 

'on  Kurdinowski  1340,  Sarkom  der 


Brustdrüsenkrebs, 


Seite 


Operation  des,  von 

Marzagalia .  4254 

Brustkinder,  Gedeihen  der,  in  Gebäran- 

stalten,  von  Kermauner .  ,  1836 

Brustkrebs,  Entfernung  des,  von  Don  .'  1649 
Brustwand,  Resektion  der,  von  Sauerbruch  1616 
Brustwandgeschwülste ,  Entfernung  der 
mit  breiter  Eröffnung  der  Pleura,  von 

Rehn . .  339 

Brustwandresektion  mit  piastik  auf  die 
freigelegte  Lunge,  von  Haecker  . 
Brustwirbel,  Kompressionsfraktur  der,  von 

Preis  er . 

Bubonen  s.  a.  Hyperämie. 

Bubo,  Behandlung  des,  inguinalis,  von 
Colt  1695,  klimatische  — ,  von  Woolley 
1747,  Röntgenbehandlung  venerischer 
— ,  von  Reines 


534 

1995 

2404 


Bubonenbehandlung,  neue  Methode  der' 
von  Feigl  .  . 


2613 

1819 


Bubonenpest,  Serumvakzination  für  die 
Prophylaxis  gegen  die,  von  Jatta  u 

Magiora  . . 395 

Buchführung,  neues  Prinzip  der  ärztlichen  2262 


Budget,  bayerisches,  für  1908/09  2066, 

Bücher,  werden,  die  von  Lungentuberku¬ 
losen  benützt  werden,  mit  Tuberkel¬ 
bazillen  infiziert?  von  Petersson  . 

Bul  bärerkrank  ungen,  Sen  sibili  t  ätsstö- 
rungen  bei  akuten  u.  chronischen,  von 

Ivutner  u.  Kramer . 

Bulbärlähmung,  Symptomenbild  bei,'  von 

Müller . 

Bulbärparalyse  bei  Lipomatose,  von  Osann 
Bulbus,  Meridianbezeichnung  des,  von 

Frey  tag . \  4992 

Buntfarbenmikrophotogramme,  von  Hoff 

mann . ' 

Buphthalmus,  kombiniert  mit  Glioma  reti 

nae,  von  Kraft . 

v.  Burckhardt  Hermann  f,  von  Späth 

Burckhardt- Porträt . 

Buttermilchernährung  der  Säuglinge,  von 

Niemann  . 

Buttermilchkonserve,  Ernährung  der  Säug 
linge  mit,  von  Feuchtwanger  . 
Buttersäuregärung,  von  Grassberger  und 
Schattenfroh  .  . 


2119 


1494 


1001 

535 

742 


2334 

1800 

940 

968 

1408 

339 


230 


von 


1677 


807 

92 


1703 

2167 

170 

2555 

2541 

2145 


536 


weiblichen 


2252 


rr  ’  von  Finsterer  1647, 

Rr,  ^l!jn-tl0n  der  weiblichen—,  von  Gramer  2612 
Brustdrusenentzündung,  Behandlung  der, 
mit  Bierscher  Hyperämie,  von  Heinsius 
und  Lissauer .  2646 


(Unter  C  nicht  verzeichnete  Wörter  sind  unter 
K  bezw.  Z  aufzusuchen.) 

Caissonarbeiter,  Berufskrankheit  der,  von 
Silberstein,  von  v.  Schrötter  u.  Langlois  2354 

Cancroin  . .  ^  900 

Capsulae  geloduratae,  von  Schlecht  * 

Caput  obstipum,  von  Kehrer  277 
Heinlein  2619,  Behandlung  des  — 

von  Ivölliker . . 

Caput  succedaneum,  von  Ehrendorfer 
Carcinoma  s.  a.  Karzinom. 

Carcinoma  ossis  frontal,  et  cerebelli,  von 
Flatau  u.  Kölichen  133,  Nachbehand- 
lang  der  wegen  —  mammae  Operierten, 
von  Ewald  798,  —  corporis  uteri,  von 
Widmer  101)4,  Ilautveränderungen  bei  — 

mammae,  von  Riehl . 4244 

Carotis,  Unterbindung  der,  externa,  von 
Köster  533,  Ligatur  der  —  communis, 
von  Jordan  853,  schwere  Hirnstörung 
nach  Unterbindung  einer  Art.  —  comm 
und  V.  jugul.  int.,  von  Emin  1736, 
anormaler  Verlauf  der  —  interna,  von 

Sack  . 

Castoreumbromid,  von  Daeubier 
Cataracta  accreta,  von  Kottenhahn  814, 
familiäre  congenita,  von  Enslin 
Cauda  equina,  Erkrankung  der,  von 
Fedeschi  281,  Therapie  der  Erkran- 
kungen  der  — ,  von  Cassierer  . 

Cecilienheim  für  Kinder  mit  Knochen- 
und  Gelenktuberkulose  in  Hohen- 

lynchen .  1958 

Cephalocelen,  basale,  von  Flxner  .  .  .  .2195 
Cervix,  polymorphzellige  Tumoren  der, 
uteri,  von  Fuchs .  2439 


2252 

1909 

2496 


2108 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXV 


Seite  I 

Charlatanerie,  Internat.  Komitee  zur  Be¬ 
kämpfung:  der .  1910,  2027 

Chemie,  Lehrbuch  der  organischen,  von 
v.  Bunge  89,  Cours  de  —  physique, 
von  Henri  274,  physiologische  — ,  von 
Abderhalden  890,  anorganische  — ,  von 
Cohen  und  van  Romburgh  1013,  phy¬ 
sikalische  —  der  Zelle  und  der  Ge¬ 
webe,  von  Höher  1542,  Repetitorium 
der  — ,  von  Arnold  1600,  Lehrbuch 
der  physiologischen  — ,  von  Hammar¬ 
sten  1887,  Einführung  in  die  — ,  von 

Lassar-Cohn .  2407 

Chest,  surgiöal  diseases  of  the,  von 

Beck . 2145 

China,  Medizin  in,  von  Kaether  ....  2544 
Chinin,  Einfluss  des,  auf  die  Wehentätig¬ 
keit,  von  Maurer  335,  phytinsaures  — , 
von  Posternak  349,  Ausscheidung  des 
—  im  Harn,  von  Schmitz  1445,  —  als 

Wehenmittel,  von  Conitzer .  2048 

Chininamaurose,  von  Seeligsohn  ....  536 

Chininbase,  therapeutische  Verwendbar¬ 
keit  der  freien,  von  Giemsa  ....  2253 
Chininhandel,  staatlicher  ......  1097 

Chininphytin,  von  Schweitzer . 701 

Chininprophylaxe  bei  Malaria,  von  Fischer  2498 
Chinintannat  748,  —  bei  Intoleranz  gegen 
Chininsalze,  von  Celli  2498,  —  bei 

Malaria,  von  Kohlbrugge . -  2498 

Chinin  -tannicum-  Schokolade,  von  Todde 

und  Mura . 1805 

Chinosol,  toxikologischer  Vergleich  zwi¬ 
schen,  Lysol  und  Kresol,  von  Weyl  .  2246 
Chirosoter,  von  Klapp  und  Dönitz  1794, 

2163,  Händedesinfektion  mit  — ,  von 

Meissner . 1601 

Chirurgie  der  Mundhöhle,  von  Kaposi 
und  Port  130,  —  oto-,  rhino-,  laryn- 
gologique,  von  Laurens  226,  travaux 
de  —  anatomo  clinique,  von  Hartmann 
482,  orthopädische  — ,  von  Berger  und 
Banzet  482,  Lehrbuch  der  allgemeinen 
— ,  von  Lexer  677,  Handbuch  der  ortho¬ 
pädischen  — ,  von  Joachimsthal  677, 
Fortschritte  der  praktischen  — ,  im  J. 

1906,  von  Grashey  678,  —  des  Her¬ 
zens  resp.  des  Herzbeutels,  von  Rehn 
804,  —  des  praktischen  Arztes  942,  Hand¬ 
buch  der  orthopädischen  — ,  von 
Joachimsthal  1789,  Handbuch  der  prak¬ 
tischen  — ,  von  v.  Bergmann  und 
v.  Bruns  2098,  Lehrbuch  der  speziellen 
— ,  von  Hochenegg  2193,  Atlas  der 
speziellen  — ,  von  Sultan  2341,  Lehr¬ 
buch  der  'allgemeinen  — ,  von  Till¬ 
manns  2391,  orthopädische  —  als 
Spezialfach,  ^  von  Lorenz  2547,  von 

Fraenkel  .  2547 

Chirurgische  Untersuchungsarten  ,  von 

Manz .  90 

Chlor,  Substituierung  des  —  durch  Brom 

im  tierischen  Körper,  von  Bönniger  .  2494 
Cbloraethyl  als  Inhalationsanästhetikum, 

von  Maas . 1462 

Chloralhydrat  s.  a.  Arzneiexanthem. 

Chloreton  bei  Chorea,  von  Wynter  1449, 

—  bei  Dysphagie,  von  de  Boter  .  .  .  2297 
Chloride,  Verhalten  der,  bei  Infektions¬ 
krankheiten,  von  Chuvin .  2351 

Chloroform  und  Aether,  von  Kicloux  700, 

Mord  und  Selbstmord  durch  — ,  von 
Hoifmann  1841,  erwärmtes  — ,  von 
Haun  2387,  von  Rath .  2643 

Chloroformmissbrauch,  habitueller,  von 

Friedländer .  1844,  1954 

Chloroformnärkose,  von  Rogers  ....  38 

Chloroformwirkungen,  späte,  von  Renton  1449 
Chlorom,  von  Benjamin  und  Sluka  1648, 
von  v.  Bauer  1962,  —  von  Port 

und  Schütz  2392,  lymphoides  und 
myeloides  — ,  von  Weinberger  797, 
myeloides  — ,  von  Meixner  1094,  — , 
Mikuliczsche  Krankheit  und  Leukämie, 

von  Senator . 1507 

Chlorose  s.  a.  Eisen. 


Seite 


Seite 


Chlorose.  Wesen  und  Behandlung  der, 
von  Wandel  292,  H *v>  1 ,  —  als  spezifische 
Krankheit  und  'Eisen  als  spezifisches 
Heilmittel  gegen  dieselbe,  von  Warf- 

3“$  winge . . .  2542 

Chlorzinklösung,  Behandlung  der  Endo¬ 
metritis  mit,  von  Hofmeier .  2379 

Choanalatresie,  von  Fabian  .  .  .  •  .  186 

Cholecystenteroanastomosis  retrocolica, 

von  Brentano  .  . . 1444 

Cholecystitis  dissecans,  von  Bencke  295, 

Aetiologie  der  — ,  von  Laubenheimer  .  2347 
Cholezystostomie  oder  Cholezystektomie? 

von  Brüning .  2502 

Choledocho-Duodenum-Anastomose ,  von 

Rosenberger . 1546 

Choledochusverschluss ,  Operationsver- 

fahren  bei,  von  Fink . 1094 

Cholelithiasis,  bakteriologische  Untersu¬ 
chungen  bei,  von  Bacmeister  1866, 

—  und  Glykosurie,  von  Hochhaus 2 147, 
Beziehungen  der  —  zum  weiblichen 
Geschlechtsleben,  von  Sitzenfrey  .  .  2148 
Cholera  199,  350,  503,  551,  594,  647,  1159, 

1311,  1615,  1759,  1807, 1856, 1910, 1967, 

2016,  2067,  2119,2168,2216,2263,2311, 

2359,  2407,  2462,  2511,  2557,  2626,  zu¬ 
verlässiges  Heilverfahren  bei  der  — , 
sowie  bei  infektiösen  Brechdurchfällen, 
von  Stumpf  129,  Bekämpfung  der  — 

863,  bakteriologische  Diagnose  der  — , 
von  Rutfer  1448,  —  als  Betriebsunfall  1909 
Cholerabazillen,  Ueberwinterung  der,  von 
Christian  230,  auflösende  Wirkung 
von  Sodalösung  auf  den  — ,  von  Turrö  850 
Choleraepidemie  1905  in  Preussen  .  .  .  277 


Choleragefahr,  Abwehr  der . 2216 

Choleratoxine  und  Antitoxine,  von  Brau 

und  Denier . .  .  .  .  38 

Cholestearin,  Einfluss  des,  bei  Strycbnin- 
intoxikation,  von  Almagiä  1966,  Ein¬ 
fluss  des  —  auf  Hundswutgift,  von 

Almagiä .  1966 

Cholestearinurie,  von  Betagh . 629 

Cholesteatom,  von  Miodowski . 1003 

Cholezystektomie,  von  Haasler  905,  — , 
von  Sutton  1852,  ideale  — ,  von  Thor- 

speken  .  33 

Cholin,  Einfluss  des,  auf  die  Gravidität, 

von  v.  Hippel  und  Pagenstecher  .  .  452 
Chondrodystrophie,  von  Schmidt  1098,  — 

foetalis,  von  Langenbach . 1495 

Chondro-Myxo-Sarcoma  pleurae,  von  Busse  1495 


Chorea,  Pathologie  der,  von  Poynton  und 
Holmes  40,  —  gravidarum,  von  Bins- 
wanger  343,  Todesfälle  bei  — ,  von  Rach- 
maninow  894, diabetische  — ,von  Ramon 
y  Cajal  1551,  —  in  Cuba,  von  Vento 
1551,  hereditäre  — ,  von  Clemens  .  .  2151 
Chorioepitheliom,  von  Klinge  1190,  von 
Swayne  1853,  —  von  Albrecht  2305, 
malignes  — ,  von  Menge  633,  634, 
Aetiologie  der  — ,  von  Walthard  999, 
intraligamentär  entwickeltes  — ,  von 
Garkisch  1047,  —  of  congenital  origin, 
von  Bonne j''  1337,  Aetiologie  u.  Therapie 
des  — ,  von  Kroemer  1745,  —  malignum, 
von  Lichtenstein  2007,  —  nach  Blasen¬ 
mole  und  Abortus,  von  Bauer  1998, 

—  malignum,  von  Polano .  2452 

Chorioretinitis  sympathica,  von  Schieck  1901 
Christian  Science,  Frau  Eddy  und,  .  .  .  1898 
Chromaffines  Organ  ,  Pathologie  und 

Therapie  des,  von  Schur  und  WTiesel  2111 
Chromaffines  System,  von  Topolanski  .  2148 
Chromatophoroma  medullae  spinalis, 

von  Hirschberg . 742 

Chrom  säure,  Vergiftung  mit,  von  Mucha 

1811,  von  Zdarek . 1841 

Chrysarobin,  toxische  Wirkung  des,  von 

Windler  .  .  .  . . -1998 

Chylöse  Flüssigkeit  in  Bauch-  un  i  Brust¬ 
höhle,  von  Leschtschinski . 231 

Chylothorax,  von  Lotheissen  586,  doppel¬ 
seitiger  —  traumaticus,  von  Hammes¬ 
fahr . 1876 


Chylurie,  von  Salkowski  184,  intermittie¬ 
rende  —  und  Lungentuberkulose,  von 

Castellvi . 1551 

Chyluszysten,  von  Hartwig . 1890 

Citrophen  s.  a.  Zitrophen. 

Citrophenvergiftung ,  akute,  von  Gold¬ 
schmidt  . 1129 

Climatotherapy  and  Balneotherapy,  von 

H.  und  F.  P.  Weber .  2435 

Colitis  mucomembranacea,  von  Liddell  .  1838 
Conglutinatio  vaginae,  und  orificii  uteri, 

von  Berczeller .  .  685 

Conjugata,  Instrument  zur  Messung  der, 

vera,  von  Zweifel  . 1047 

Conjunctivitis  granulosa,  von  Nicolle  und 
Cuenod  1412,  —  diphtheritica ,  von 

Igersheimer . 1904 

Cor  triloculare  biatricum,  von  Mann  .  .  .  1449 

Corradi  j . 1097 

Coxavalga,  von  Drehmann  684,  von  David 
2611,  —  vara,  von  Grashey  683,  —  von 
Elmslie  1145,  —  vara  adnata  chon- 
drodystrophica ,  von  Bosse  534,  — 

vara  tuberculosa ,  von  Bally  1791, 
operative  Behandlung  der  —  vara,  von 

Galeazzi .  2293 

Cubitus  valgus,  von  Peltesohn . 684 


Curare  bei  Froschversuchen,  von  Jacoby  1998 
Cutis,  zirkumskripte,  anserina,  von  Pinkus  435 
Cystadenofibroma  vaginae,  von  Moraller  134.) 
Cystadenoma  mammae,  von  v.  Saar  1011, 

—  mammae  und  Mastitis  chronica 


cystica,  von  v.  Saar  .  2393 

Cysticercus  cellulosae  der  Muskulatur, 

von  Danielsen . 698 

Cysticercus  racemosus  der  Hirnhäute,  von 

Simmonds  1346,  —  cerebri,  von  Pfeiffer  2157 
Cystitis  typhosa,  von  Stadler  100,  — 

caseosa,  von  Kimla  . . 6^6 


Daktyloskopie,  von  Hecht . .  .2194 

Dammriss,  erste  Behandlung  des,  von 

Barry . 385 

Dammschutz,  von  Toff  524,  von  Mathes  2386 
Darm,  Knotenbildung  des,  von  Faltin  181, 
Abreissung  des  —  mit  Querruptur,  von 
Reich  964,  stumpfe  Verletzungen  des 

—  und  des  Mesenteriums,  von  Hertle 
1092,  kongenitale  Lageanomalien  des 
— ,  von  Graupner  1151,  Inkarzeration 
des  — ,  von  Hoifmann  1246,  retrograde 
Inkarzeration  des  — ,  von  Jäckh  1296, 
von  Jenckel  1995,  Durchgängigkeit  des 

—  für  inerte  Pulver,  von  Jonescu- 

Mihaesci  1606,  Berstungsruptur  des  — , 
von  Ebner  1792,  Fettresorption  des  — , 
von  Köster  2u02,  peristaltische  Bewe¬ 
gungen  des  embryonalen  — ■,  von 
Yanase  2105,  Unterbindung  des  — ,  von 
Boguljuboff .  2491 

Darmabschnitt,  Spiegeluntersuchung  des 

unteren,  von  Glücksmann .  206 1 

Darmausschaltung,  von  Ledderhose  .  .  .  2456 
Darmblähung  und  Darmlähmung  bei  Sepsis, 

von  Ruff .  2143 

Darmbruch,  Littrescher,  von  Windisch  .  1964 
Darmentleerungen,  Desinfektion  infek¬ 
tiöser,  von  Kaiser  . . 432 

Darmeosinophilie,  von  Fricker . 26n 

Darmfäulnis  im  Säuglingsalter,  von  Soldin  1047 
Darmfisteln,  innere,  von  Magenau  .  .  .  1602 
Darmgärung,  zur  Kenntnis  der,  von 
Oppenheimer  200 1 ,  Bildung  freien  Stick¬ 
stoffes  bei  der  — ,  von  Krogh  .  .  .  2001 
Darminvagination ,  Aetiologie  der,  von 
Fischer  174,  akute  —  im  Kindesalter, 
von  Klemm  1546,  —  bei  kleinen  Kin¬ 
dern,  von  Kirmisson  1757,  Behand¬ 
lung  der  akuten  —  im  Kindcsalter, 

von  Hansen . 2194 

Darmnaht,  a-eptisehe,  von  Rostowzew  893, 

Technik  der  — ,  von  Schoemaker  .  .1141 
Darmobstruktionen,  tuberkulöse, von  Bardy  232 


5* 


XXXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


1754 


2200 

2201 

2198 


1G00 

857 


1954 


Wind,  von 


1743 

1190 

210(1 

2245 


1601 

740 

557 

1913 

1840 

1841 

1001 


2345 


2460 


232 


Heuck 
Kraus 
Dermatologenkongress, 


6.  internationaler 


2262 

647 


Seite 

Darmokklusion  durch  Gallenstein,  von 

v.  Mangoldt .  95g 

Darmoperat'onen,  Entstehung  der  Lungen¬ 
erkrankungen  nach,  von  Goebel  .  .  .  2194 
Darmperforation  durch  Meteorismus,  von 

Beneke  . 

Darmrupturen,  subkutane,  von  v.  Kha’utz 
«49,  —  durch  stumpfe  Gewalt,  von 
Ebrich  1105,  traumatische  — -  von 

Battle  . 

Darmsaft,  von  Foä 

Dar.nschleimfiuss,  anfallsweise  auftreten¬ 
der,  von  Muszkat 

Darinschlinge,  Gangrän  derretrograd  inkar- 

zerierten,  von  Klauber . 1993 

Darinstarre  bei  Peritonealkarzinose,  von 

-Mutterer .  2351 

Darmsteine,  von  Wimmer . 1032 

Darmstenosen,  narbige,  nach  Bruchein¬ 
klemmungen,  von  Borszfeky  1443,  — 
nach  Brucheinklemmung  und  Taxis, 

von  Pendl . 2148 

Darmstrikturen,  Entstehung  der  tuberku¬ 
lösen,  von  Busse .  853, 

Darmstörungen,  postoperative,  von  Heile 
Darmtuberkulose,  Statistik  der  primären, 
von  Orth  486,  primäre  — ,  von  Ciecha- 

nowski  . . 

Darmtyphus,  Biologie  des  Erregers  des, 

von  Koraen . 1796 

Darmverschluss,  Pathologie  und  Therapie 
des  akuten,  von  Rubritius  228,  schein¬ 
barer  ,  von  Görl  1105,  Meckelsches 
Divertikel  als  Ursache  des  — ,  von 

Jäckh . # 

Darmwand,  pseudokarzinom atöse  Infiltra¬ 
tion  der,  von  Füth . 

Darrazentrum,  kortikales,  von  v.  Pf ungeri 
Dauerbäder.  Ursache  der  Hauterkran¬ 
kung  bei,  von  Küster . 

Daumen,  dreigliederiger,  von  Ottendorf 
684,  Hyperphalangie  des  — ,  von  Hil¬ 
genreiner  . 

Daumenbewegungsapparat,  von  Lossen 
Decanulement,  Ursachen  des  erschwerten 

v.  Hans . 

Deckenluft -Ventilation  durch 

Quincke . 

Defloration  einer  Schlafenden,  von  Hoff- 

mann . 

Degenerationszeichen,  Wert  der,  von  Näcke 
Dehnungsgeschwüre  oberhalb  stenosierter 
Darmpartien,  von  Zimmermann 
Delirium,  Behandlung  des  —  tremens' 

nno  Ganser  120,  541,  von  Eichelberg 
978.  von  Aufrecht  1589,  —  tremens 
nach  Alkoholentzug,  von  Hosch  2188, 
pathologische  Anatomie  des  —  tre¬ 
mens,  von  Kürbitz . 

Dementia,  bakteriologische  Untersuchim- 
bei  —  paralytica,  von  Robertson 
'  ’*> '  Paralytica  mit  Schwangerschaft 
und  Geburt,  von  Bauer  2037?  — praecox, 
von  Jahrmärker  295,  von  Schultze  1703, 
Symptomatologie  der  —  praecox,  von 
Albrecht  279,  Heredität  bei  —  praecox 
von  Wolfsohn  1836,  juvenile  — ,  von 
Lomer  230,  miliare  Nekrosen  als  ana¬ 
tomische  Grundlagen  der  senilen  — 
von  bischer  1802,  periodische  — ,  von 
Mercier  ls54,  Behandlung  von  —  para¬ 
lytica  mit  3  akzine  u.  Antisera,  von 
Robertson  u.  Mac  Rae 
Deuiodex  follicularis  canis,  von  Lewan- 
»lowsky  . . 

Dengue  in  Port  Sudan,  von  Saigh  899,  — 
in  Aegypten,  von  Phillipps  899,  Diffe¬ 
rentialdiagnose  zwischen  —  und  In¬ 
fluenza  in  den  Tropen,  —  von  Stitt  2253 
Denken,  ärztliches,  —  von  Moritz  1285, 
genaues  —  in  der  Medizin,  von  White*  1851 
Dercumsche  Krankheit,  —  von  Pribram 
D  •rmatitis  papillaris  capillitii,  von  Rille 
110.1,  —  exfoliativa  generalisata,  von 
1963,  —  framboesiformis,  von 


Dermatologie,  Referat  über  und  Syphilis 

433 

Dermatologische  Literatur,  Sammelreferat 

über,  von  Leiner . 

Dermatose,  universelle,  bei  Brustkindern, 
von  Leiner  ... 


Seite 


949 

626 


2209 


Seite 


der  Darmwand 
von  Kroph 


1707 


883 

1296 


von 


1693 

646 


1298 


1693 


595 

1748 

2557 


1693 


Dermograph,  von  Prengowski  ....  382 

Dermoid,  von  Seitz  .  . 

Dermoidzyste  mit  Usur 

durch  einen  Zahn,  _ 

Descensus,  vaginale  Operation  des,  ovari- 

orum,  von  Rose  . . 

Desinfektion  s.  a.  Jod-Benzin-Desinfektiön. 
Desinfektion  von  Ess-  und  Trinkgeschirr, 
von  Huhs  34,  verschiedenartige  —  in 
ostafrikanischen  Häfen,  von  Wagner 
476,  mit  gas-  und  dampfförmigen 

Substanzen,  von  Friedemann  1192,  _ 

von  Büchern  etc.  mit  heisser  Luft,  von 
Findel  1693,  Praxis  der  — ,  von  Tjaden 
1960,  Kontrolle  der  — ,  von  Czaplewski  2401 
Desinfektionsapparate,  einheitliche  Rege¬ 
lung  der  Prüfungsmethodik  für,  von 

v.  Esmarch .  2401 

Desinfektionslehre,  von  Kolle .  2050 

Desinfektionsmittel,  antibakterielle  Wir¬ 
kung  einiger,  von  Tomarkin  483,  Wert¬ 
bestimmung  von  — ,  von  Paul  u.  Prall 
169 «,  Untersuchungen  über  — ,  von 
Kraus  16b3,  Wirkung  einiger  —  bei 
brostwetter,  von  Kraus  . 
Desinfektionsschulcn  in  Preussen  * 
Desinfektionsverfahren,  neues,  mit  For 

malin . 

Desinfektionsversuche  mit  Festoform'  um 
Formobor,  von  Xvlander 
Desinfektionswesen,  Neuregelung  des,  in 
Berlin  436,  Gutachten  über  die  Aus 
gestalte ng  des  — ,  von  Gruber 
Desinfektor,  Hamburger  Staatsschiff 

Holthusen . 

Desinfektorenprüfungen  in  Sachsen 
Desinfizierende  Wirkung  von  Saprol-,  Lein- 
Kresol-  und  Petroleumkresolpräpa- 
raten,  von  Bickel  u.  Kraus 
Desmoidreaktion,  Sahlis,  von  Thiis  2150 
von  Hellmann  2344,  2543,  —  mit  Ad! 
Schmidts  Bindegewebsprobe,  von  Le¬ 
winski  406,  541,  Sahlische  — ,  Scbmidt- 
sche  Probekost  und  Ausheberung,  von 

Tottmann . 

Desoderol,  Desinfektionsmittel,  von  Mnrkl 

Dettweiler-Stiftung  . 

Deutschafrika,  Blätter  und  Briefe 
Arztes  aus  dem  tropischen, 

Deutsch-Ostafrika,  Privatärzte  ... 

Deutsch-Süd  westafrika,  Ansiedlung  lungen¬ 
kranker  Arbeiter  in . ' 

Dexirokardie,  angeborene,  —  'von  Carletti 
232,  von  Pal . 

Dezidua,  uterine,  bei  ektopischer  Gravidität 

von  Schultze .  ’ 

Dezidualpolyp,  solitärer,  von  Mayer  .  .  2431 

Deziduaspaltung,  Störung  der,  von'Kroemer  381 
Diabetes  s.  a.  Phthise,  Zuckerkrankheit. 

Diabetes  insipidus,  von  Finkelnburg  2100, 

Wesen  des  —  insipidus,  von  °  Seiler 
i.)6,  Atropin  bei  —  insipidus,  von 
Fontana  1955,  Adrenalin  bei  —  insi¬ 
pidus,  von  Yaranini  1956,  Pathogenie 
des  — .  von  Ldpine  179,  Abbau  von 
bettsauren  bei  —  mellitus,  von  Baer 
u.  Blum  4 «5.  Uebergang  von  —  mellitus 
insipidus  ,  von  Teschemacher 
561,  Bedeutung  der  physikalischen 

Heilmittel  in  der  Behandlung  des  _ 

mellitus,  von  Munter  751,  experimen¬ 
telle  Untersuchungen  über  — ,  von 
Zuelzer  895,  Gesetze  der  Zuckeraus¬ 
scheidung  beim  —  mellitus,  von  Falta 
u.  Gigon  944,  physikalische  Heilmittel 

bei  ®ehandlung  des  ~  mellitus, 

\on  Munter  916,  experimenteller  — 
von  Zuelzer  955,  Analytik  und  Therapie 
des  -,  von  Bergell  u.  Fleischmann  955 

-JZnCt>  -V°n  Heller  1015>  Formalin- 
leaktion  bei  -,  von  Kühn  1055,  tabeti- 


2001 

2396 


955 


749 


eines 
von  Külz 


in 


2597 

2051 

1015 

1644 

1312 

436 

1550 


forme  Veränderungen  der  Hinterstränge 
bei  — ,  von  Schweiger  1107,  Ernährung 
und  Klassifikation  bei  —  mellitus,  von 
Marcel  u.  Labbö  134  <,  Azidosekörper¬ 
ausscheidung  bei  — ,  von  Allard  1602, 
Gesetze  der  Zuckerausscheidung  beim 
—  mellitus,  von  Gigon  1645,  Maltosurie 

5ei  —  mellitus,  von  Geelmuyden  1646, _ 

nach  Trauma,  von  Weigel  1756,  —  und 
Katalyse,  von  Schade  1862,  —  in  den 
Tropen,  von  Charles  19o7,  50  Fälle 
von  mellitus,  von  v.  Goessein 
Diabetesgangrän,  von  Wallace  .  .  .  ! 
Diabetiker,  Empfindlichkeit  des?,  gegen 
Eiweiss  und  Kohlehydrat,  —  von°Falta 

u.  Gigon . 

Diabetikerblut,  Hydroxylionengeh'alt  des' 

von  Benedict  .  ’  2055 

Diabetikergebäck  s.  a.  Litonbr'ot*. 
Diabetikerschokolade,  von  Sternberg  .  .  339 

Diätschema  für  Bad  Elster  103 

Diagnostik,  chemische  undmikroskopische! 

'°n  Zuelzer  1140,  medizinisch-klinische 
von  Wesener  1491,  klinische  — 
innere  Krankheiten,  von  v.  Jaksch  1888 

I  Diakonband  . 

Diarrhöe  s.  a.  Bolustherapie'. 

Diarrhöe,  physikalische  Behandlung  der 
nervösen,  -  von  Tobias  751,  848, 
diätetische  Behandlung  der  chronischen 

— ,  von  Einhorn .  2101 

Diathese,  exsudative,  von  Czerny  ....  1047 
Diazoreaktion,  Ehrlichsche,  —  von  Weiss  1746 
Dickdarm,  ungewöhnlich  umfangreicher, 
von  T.schernow  229,  Pseudotuberkulose 
im  >  von  Leube  686,  Polyposis  des  — 

von  Döring . !  ö;>3 

Dickdarmstenose,  Diagnostik  der,  von 

Cohn . 

Digalen,  von  Laumonier  198,  Dosierung 
des  — ,  von  Kottmann  1250,  Kumulation 
be\  >  von  Fraenkel  16u3,  physio¬ 
logisches  Verhalten  der  — ,  von  Hilde¬ 
brandt  1441,  Wirkung  der  —  auf  die 

Zirkulation,  von  Neave . 

Digestion,  les  evolutions  pathologiques  de 
ja  —  stomacale,  von  Hayem  .... 
Digitalis,  Einwirkung  von  —  und  ’stro- 
phanthus  auf  den  Kreislauf,  von  Tiger- 
stedt  1796,  Wirkung  von  —  u.  Divi- 
talisglykosiden,  von  Salvisberg 
Digitalisallorhythmie, 

Digita’isdroge, 

der,  von  Achert . 

Digiialisgruppe,  lokalanasthesieren.de  Wir¬ 
kung  der  Substanzen  aus  der,  von 

Delhaye . 

Digitaliskörper,  Elementarwirkung  der’  v 

Straub . 

Digitalismedikation,  interne,  von  Fränkel 
Digitoxin  und  Digalen,  von  Kiliani  886, 

1112,  von  Cloetta . 

Dilatator,  Bossischer,  s.  u.  Bossi. 

Dimethylami uoparaxanthin,  von  Forsch¬ 
bach  u.  Weber . 

Dioform,  von  Villinger  .... 

Dionin,  Warnung  vor,  bei  Glaukom,'  von 
Senn . 

Diphtherie  s.  a.  Decanulement. 

Diphtherie  als  Volksseuche  und  ihre  Be¬ 
kämpfung,  von  Tjaden  180,  Hautblu- 
tungen  bei  der  — ,  von  Mac  Combie 
490,  Serumwirksamkeit  bei  — ,  v.  Klose 
1250  Serum  gegen  — ,  von  Bruschet- 
o,nQ72li9’~  a's  Volksseuche,  v.Büsing 
“Iy/,.  Behandlung  der  —  mit  Acid. 
formic.,  von  Ker  u.  Croom  2200,  Be¬ 
handlung  der  —  mit  Pyozyanose,  von 
Emmerich . 

Diphtheriebazil Ins,  Wachstum  des,  von 
Salus  800,  u.  Streptokokkensepsis 
von  Mahler  ...... 

Diphtherieheilserum,  Lokalbehändlüngmit. 

Tv  wu  G.e^cb^serysipel,  von  Bongiovanni 
Diphtheriekranke,  Nachweis  des  Toxins 
Blute.  von>  von  Fränkel 
uffenheimer 


Digi- 

von  Dmitrenko  .  . 
P  rotrahierte  Darreich  u  ng 


1894 

1644 


2445 

848 

1837 


1747 

1660 

1603 

987 


584 

1835 

1146 


2217 


2441 

1955 


17, 


von 


2592 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XXXVII 


Seite 

Diphtherieserum,  Konzentrierung  der  Im¬ 
munkörper  im,  von  Brieger  u.  Krause 
1603,  prophylaktischer  Gebrauch  des 

— ,  von  Norton .  .  2444 

Diphtheriestatistik,  von  Marfan  .  .  644 

Diphtheriestenosen,  operative  Behandlung 

der,  bei  Säuglingen,  von  Moltschanoff  583 
Dipteren,  blutsaugende,  von  Grünberg  .  2193 
Diplakusis,  labyrinthogene,  bei  Lues,  von 


Frey  tag . 1050 

Diplobazillenkeratitis,  eitrige,  von  Agricola  491 
Diplococcus  meningitidis  cereprospinalis 
als  Erreger  von  Erkrankungen  der  Lunge 
und  Bronchien,  von  Jacobitz  .  ...  895 

Diplokokkämie,  von  Fragale . 1955 

Disposition  und  Virulenz,  von  Finkler  .  2050 
Diuretisch  -wirkende  Mittel,  von  Loewi  .  134 

Doctor  med.  vet . 1858 

Doktorjubiläum  702,  —  Haeckels  550, 

60  jähriges  — .  2651 

Doktorprüfung  in  Frankreich . 103 

Dolmetscher  am  Krankenbett,  v.  Blaschke  892 
Dornfortsatz  s.  a.  Wirbeldornfortsatz. 
Dornfortsatzfrakturen  durch  Muskelzug.  v. 

Henschen  .  •  • .  1189,  1882 

Douglasabszess,  Anurie  bei,  von  v.  Khautz  2613 
Dourine,  s.  a.  Atoxylbehandlung,  Durine. 

Doyen,  Prozess  des  Prof . 1005 

Draht-Zelluloidverband,  von  Heine  .  .  .  421 
Drakontiasis,  Aetiologie  u.  Prophylaxe  der, 

von  Leiper . 744 

Dreckapoiheke,  von  Hummer . 550 

Dreifarbenphotographisches  Verfahren  .  2260 
Dreikantenbahn,  Helwegsche,  von  Katt-, 

winkel  u.  Neumayer .  2645 

Drillingsplazenta,  von  Ahlfeld . 294 

Druck,  intraabdominaler,  von  Reerink  857, 
Kontrolle  des  übernormalen  arteriellen 

— ,  von  Oliver . 1838 

Drucken,  wie  soll  der  Autor,  lassen?  von 

Neisser . 551 

Druckdifferenz  verfahren,  t  derzeitige  posi¬ 
tive  Erfolge  der,  von  Kausch  ....  1268 
Drüsen,  radikale  Methode  zur  Entfernung 

maligner  am  Halse,  von  Maitland  .  .  385 
Drüsenfieber,  von  Lublinski . 1293 


Ductus  choledochus,  Operationen  am,  von 
Moynihan  336,  traumatische  Ruptur  des 
—  hepacticus,  von  Hiidebrandt  535, 
Verletzung  des  — •  thoracicus,  v.  Bohne  1296 
Duktuslymphe,  Beziehungen  der,  zum 

Zuckerhaushalt,  von  Biedl  und  Offer  2541 

Duelle,  Hilfeleistung  bei . 1400 

Dünndarmresektion,  von  Ivreuter  633,  Zu¬ 
lässigkeit  ausgedehnter  — ,  von  Storp  1295 
Dünndarmsyphilis,  angeborene,  v.  Fränkel  1576 
Dünndarmvol  vulus  mit  Meckelschem  Diver¬ 
tikel,  von  Lennander  •  .  1601 

Dunkeladaption,  Untersuchung  des  Ge¬ 
sichtsfeldes  bei,  von  Stargardt  ....  962 

Dunkelfeldbeleuchtung,  von  Beer  ....  1926 

Duodenalfistel,  von  Cohnheim .  2201 

Duodenalgeschwür,  von  Moynihan  2249, 
Perforation  eines  — ,  von  Gray  745,  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  Robson  .  .  .1144 

Duodenalkrebs,  von  Geiser . 1601 

Duodenalverletzungen  durch  stumpfe  Ge¬ 
walt,  von  Meerwein  ....  •  .  .  .  1902 
Duodenalverschluss,  Technik  des  blinden, 

von  Krogius . 2195 

Dupuytren  morbus,  Zusammenhang  des, 
mit  Arteriosklerose  des  Rückenmarks, 

von  Jardini . 1795 

Dupuytrensche  Faszienkontraktur,  Thios- 

inaminbehandlung  der,  von  Langemak  1380 
Dura.mater,  v.  Hochhaus  138,  Hämatom 
der  — ,  von  Nonne  909,  psammöse 
Endotheliome  der  — ,  v.  Dürck  1154, 
psammöses  Endotheliom  der  —  mater 

spinalis,  v.  Dürck . 2164 

Duranaht,  von  Revenstorf .  2244 

Durchleuchtungsblende,  Verbesserung  der, 
für  die  Magenuntersuchung ,  von 

Wiesner  und  Dessauer . 1591 

Durine,  von  Woyte  2159,  Atoxylbehand¬ 
lung  der  experimentellen  — ,  von 
Yakimoff . 896 


Seite 

Duschevorrichtung,  von  Deutsch  ....  2101 

Dutton-Stiftung . 550 

Dynamometrische  Studien,  von  Sternberg  952 
Dysbasia  angiosclerotica,  von  Idelsohn  .  10U0 
Dysenterie,  Uebertragung  der  —  durch 
ausländische  Stoffe,  von  Widal  und 
Martin  51,  Bakteriologie  der  — ,  von 
Chantemesse  51,  Serotherapie  bei  — , 
von  Skschivan  und  Stefansky  383, 
tropische  — ,  von  Blackliam  537,  Serum¬ 
therapie  der  bazillären  — ,  von  Vaillard 
und  Dopter  1156,  2052,  —  und  Pseudo¬ 
dysenterie  ,  von  Kruse ,  Rittershaus, 
Kemp  und  Metz  2246,  Serumtherapie 
der  — ,  von  Dopter  2458,  in  den  Tropen 


erworbene  — ,  von  Viereck .  2498 

Dysenteriebehandlung,  chirurgische,  von 

Curl  .  2545 

Dysenterieheilserum,  Anwendung  und  Er¬ 
folg  des,  von  Rudnik  .  37 

Dysenterietoxin,  von  Doerr . 2145 


Dysmenorrhöe,  Behandlung  der,  von 
Polano  1701,  1731,  Behandlung  der  — , 
von  den  Brüsten  aus,  von  Freund  2122, 
von  Polano  2335,  tuberkulöse  Aetiologie 
der  — ,  von  Hollös  u.  Eisenstein  .  .  2540 
Dysostose  cleido-cränienne,  von  Fuchs  .  1397 


Dyspnoe  beim  Säugling,  von  Philips  .  .  1047 
Dyspnon  bei  Angina  pectoris,  von  Weiss¬ 
bart  . 1511 

Dystrophia  musculorum  progressiva  von 
Riegel  393,  —  kombiniert  mit  m.  Base¬ 
dow,  von  Liebers . 371 

E. 

Echinodermen,  ^physiologische  Beobach¬ 
tungen  an,  von  Mangold . 1703 

Echinokokkenkrankheit,  zystische,  im  Kin¬ 
desalter,  von  Klase  2049,:.  endemische 
Verbreitung  der  — ,  in  Mecklenburg, 
von  Becker . 2114 


Echinokokkus,  s.  a.  Hirnechinokokkus. 
Echinokokkus,  von  Westenhoeffer  1454, 
verkalkter  unilokulärer  — ,von  Stich  242, 

—  retroperitonealis,  von  Röna  335, 
pathologische  Anatomie  des  multi¬ 
lokularen  — ,  von  Elenevsky  893,  — 
alveolaris,  von  Teutschländer  1549,  — 
am  Halse,  von  Haberern  1647,  —  der 
Gebärmutter  und  der  Eierstöcke,  von 
Tittel  2048,  —  des  N.  opticus,  von 

Papai'oannou . .  .  .  2103 

Echinokokkuskranke,  Leukozytose  bei, 

von  Welsch  und  Barling . 745 

Echinokokkuszyste  des  Oberschenkels, 

von  Koning .  1049 

Ectopia  vesicae, *von  Klein  914,  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Berg . 1796 

Eczema  acutum  arteficiale  durchSiegellack- 

Ringeinlage,  von  Näcke . 573 

EdeOolilssche  Nierenentkapselung  .  .  .  680 

Eheverbote,  gesetzliche,  für  Kranke  und 

Minderwertige,  von  Marcuse  ....  847 

Ehrengericht,  s.  a.  Giselakinderspital,  Pro¬ 
zess  Kastl-Quidde. 

Ehrengerichte  in  der  Berlin-Brandenburger 
Aerztekammer  504,  Tätigkeit  der  —  im 
Jahre  1906  549,  Bildung  eines  ärzt¬ 
lichen  —  in  Hamburg  2309,  ärztliche  — 

2507,  2509 

Ehrengerichtliche  Erkenntnisse  in  Preus- 
sen  550,  —  Entscheidungen  246,  447, 

501,  1510 

Ehren  gerichtshof,  Entscheidungen  des 


preussischen . 1510 

Ehrenrichter,  Wahl  von, . 448 


Ei,  von  Holzapfel  1750,  menschliches  — 
in  situ,  von  Leopold  623,  von  Rauscher 
1407,  sehr  junges  — ,  von  Jung  754, 
junges  menschliches  — ,  von  Jung  1343, 
männliche  und  weibliche  —  im  Eier¬ 
stock,  von  Sippel  894,  Fermente  der 
befruchteten  und  unbefruchteten  — , 
von  Lyon  und  Terry  2156,  mensch¬ 
liches  —  der  2.  Woche,  von  Cova  2393, 
Schicksale  retinierter  abgestorbener  — , 
von  Schickele .  2439 


Seite 

Eierstock,  primärer  Krebs  des,  von  Mc 
Ilroy  95,  Bindegewebsfasern  in  Follikel 
und  Corpus  luteum  des  menschlichen 
— ,  von  Hörmann  .  .  .  .  •  ...  .  1411 
Eierstockdrüse,  interstitielle,  von  Wellart  1310 
Eihautretention,  von  Rissmann  33,  von 
Flatau  1506,  Therapie  der  — ,  von 
Schneider-Geiger  277,  —  am  submu¬ 
kösen  Fibrom,  von  Krebs  333,  —  und 
ihre  Behandlung,  von  Bollenhagen  .  381 

Eiimplantation  im  rudimentären  Neben¬ 
korn  des  Uterus,  von  Fuchs  ....  277 
Eileiterschwangerschaft,  von  Czyzewicz  .  33 

Eischwund,  intrauteriner,  von  Fränkel  .  1495 
Einigungsausschuss,  Münchener  ....  2507 
Einklemmung  von  Dünndarmgekröse,  von 

Lorenz . 1646 

Einnehmegläser,  von  Edlefsen . 910 

Einspritzungen,  gefässerweiternde,  von 

Riedl .  2496 

Einwickelpapier . 1968 

Eisen,  Hb-Bestimmungen  beim  Gebrauch 

von,  und  Stahlbädern,  von  Seebohm  .  92 

Eisenbahnen,  Sperre  der  Pfälzischen  .  .  199 

Eisenbahnbedienstete,  Augenkrankheiten 

bei,  von  de  Lantsheere  .  2204 


Eisenbahnbetrieb,  Gefahren  nervenkranker 
Bediensteter  für  den,  von  Placzek  2204, 
Verletzungen  im  — ,  von  Stich  .  .  .  2205 
Eisenbahnkrankenkassen  s.  a.  Sperre, 
Bahnärzte. 

Eisenbahnwesen,  statistische  Ergebnisse 


des,  von  Tothfalussy .  2204 

Eisen  Splitter,  von  Kraus . 1849 


Eiterung,  Aetiologie  aseptischer,  von  Burk¬ 
hardt  300,  Unterscheidung  tuberkulöser 
und  andersartiger  — ,  von  Kolaczek 
und  Müller  433,  947,  Bedingungen  der 
— ,  von  Lister  703,  paraurethrale  — , 
von  Fellner  1190,  Aetiologie  asepti¬ 


scher  — ,  von  ßurkhardt . 1546 

Eiterreaktion,  differentialdiagnostische, 

von  Wideroe  . 2 '49 


Eiweiss,  Dosierung  des,  in  Käse  und  Milch, 
von  Trillat  und  Sauton  949,  Verwertung 
parenteral  eingeführten  — ,  von  Lommel 
1007,  Verhalten  des  jugendlichen  Orga¬ 
nismus  gegen  das  artfremde  , — ,  von 
Moll  2116,  Entfernung  des  —  aus 

Flüssigkeiten,  von  Rona . 2155 

Eiweissabbau  im  Fötus,  von  Jaeggy  1835, 

Ort  des  beginnenden  — ,  von  Freund  1996 
Eiweissabspaltungsantigen  vonErmüdungs- 

toxin Charakter,  von, Weicliardt  .  .  .  1914 
Eiweissbedarf,  kleinster,  von  Förster  2412, 

—  des  Kindes  nach  dem  ersten  Le¬ 
bensjahr,  von  Siegert  .  2258 

Eiweissbestimmung,  Buchnersche,  im  Harn 

von  Engels . 1481 

Eiweisskörper,  Bence-Jonesscher,  v.  Umber 
911,  Löslichkeit  der  — ,  von  Bergell  954, 
Kreislauf  Wirkung  isolierter — ,  von  Jsaac 

und  v.  d.  Velden . 1007 

Eiweissresorption  bei  der  Ernährung,  von 

Hamburger . 1648 

Eiweissstoffe,  Arteigenheitsverluste  der 

körperfremden,  von  Kentzler  ....  1907 
Eiweisssynthese,  von  Abderhalden  u.Rona  2155 

Eiweissverdauung,  von  Leo . 1006 

Eklampsie,  von  Engelmann  626,  von  Fla¬ 
tau  1155,  Nierendekapsulation  bei  puer¬ 
peraler  — ,  von  Polano  133,  Verhütung 
der  —  der  Schwangeren,  von  Hardie 
337,  — mitHämoglobinämie  und  Hämo¬ 
globinurie,  von  Hamei  441,  Bedeu¬ 
tung  der  Fleischmilchsäure  bei  den 
Schwangernen,  von  Donath  536,  Leber- 
_  Veränderungen  bei  — ,  von  Konstan- 
tinowitsch  686,  Behandlung  der  —  mit 
Decapsulatio  renum,  von  Gauss,  1093,  ’  ■ 

Pathologie  und  Pathogenese  der  — , 
von  Hofbauer  1405,  —  ohne  Krämpfe, 
von  Reinecke  633,  1522,  —  der  Tiere, 

□  von  Massaglia  und  Sparapani  2053,  — 
und  Parathyreoidin,  von  Kaiser  2196, 

—  infolge  erhöhter  intrarenaler  Span-  i 
nung,  von  terBraak  undMijulieff  2244, 


XXX  VI II 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


583 


488 


Behandlung  der  —  im  AVochenbett 
nacli  Kumm,  von  Strempel  2294,  Nieren 
dekapsulation  bei  — ,  von  Franck  .  .2471 
Eklampsiefrage,  zur,  von  Gutbrod  ...  33 

Eklampsiegift,  von  Freund . 240 

Eklampsietherapie,  von  Flatau  .  .  .  .  .  29-4 
Eklamptische  Säuglinge,  spätere  Entwick 
hing  von,  von  Thiemich  und  Birk  .  . 
Ekzem  s.  a.  Eczema 

Ekzem  bei  Dauerbädern,  von  Küster  1571, 
Behandlung  des  —  mit  isotonischem 
Meerwasser,  von  Variot  und  Quinton 
1661,  —  der  Säuglinge,  von  Variot  .  lou 
Llastinfarbstoffe,  AVeigertsche,  von  Spiegel  1495 
Elektrischer  Betrieb,  Gefahren  des,  von 

Kübler  . .  ....  2354 

Elektrische  Unfälle,  von  Jellinek  .  .  .  238 

Elektrizität s.  a.  AAunshurst-influenzmaschine. 
Elektrizität,  Verwendung  der,  am  Ohre, 
von  Herschel  643,  —  in  der  Medizin 
und  Biologie,  von  Boruttau  793,  medi¬ 
zinische  Anwendungen  der  — ,  von 

Jellinek .  1140 

Elektrokardiogramm, von  Kraus  undNicolai  2112 
Elektrolyse,  zirkuläre,  von  Le  Für  .  .  .  2459 
Elektromagnetische  Therapie,  von  Martin  2162 

Elektromagnetismus,  von  Bles .  92 

Elektromassagehandschuh,  von  Arndt  .  938 
Elephantiasis  penis  et  scroti,  von  Müller 
997,  —  endometrii  fibrosarcomatosa 
gigantocellularis,  von  Felländer  1796, 

2394,  autochthone  — ,  von  v.  Frisch 
2398,  Palliativbehandlung  der  — ,  von 

Castellani . 

Elephantiasisoperationen,  von  Werner' 
Ellbogenbrüche,  Erkennung  und  Behänd 

lung  der,  von  Cohn . 1603 

Ellbogengelenk,  radikale  Frühoperation 
des  tuberkulösen,  von  Bardenheuer  . 
Embolie  und  Thrombose  der  Art.  mesen- 
terica  sup.,  von  v.  Kryger  633,  operierte 
9er  Art.  axillaris,  von  Doberauer  . 
Embiyologie,  Atlas  der,  von  Gurwitsch  . 
Embryonen,  biochemisches  Verhalten  von, 

von  Braus  . 

Empfindungen  in  unsern  inneren  Organen 

von  Müller .  2107*  2168 

Emphysem  s.  a.  Thorax,  Lungenemphysem. 
Emphysem,  subkutanes,  bei  Lungentuber¬ 
kulose,  von  Krencker  264,  —  subcuta- 
nenm  parturientium,  von  Neu  277,  Un¬ 
lallbegutachtung  des  chronischen  — , 
von  Köhler  1004,  anatomische  Verände¬ 
rungen  bei  — ,  von  Käthe 
Empyem,  Totalresektion  des  Brustkorbes 
bei,  von  Bayer  228,  doppelseitiges  — 

von  Hellin .  .  .  .  .  !  1046 

‘.nchondrome,  multiple  zentrale,  von 
öch-weinburg .  744 

Endocarditis  gonorrhoica,  von  Külbs  135, 
Vakzinebehandlung  der  infektiösen  — 
von  Barr,  Bell  und  Douglas  1145,  prädis- 
ponierende  Ursache  der  akuten  — ,  von 
Marini  1251,  —  im  Säuglingsalter,  von 

Lempp .  1445 

Endometritis,  von  Hitschmann  und  Adler 
,  ~7  exf°üativa  menstrualis,  von 

Aschheim  333,  Histologie  der  chro¬ 
nischen  — ,  von  Schwab  1547,  Chlorzink¬ 
lösungen  bei  der  Behandlung  der  — , 

von  Hofmeier .  lG9t,  0379 

Endometrium,  \Tariationen  im  Bau  des* 
normalen,  und  die  chronische  Endo- 
metritis,  von  Theilhaber  ,  .  .  .  H2ß  1343 
Endorektale  und  endosigmoideale  Opera- 

tionen,  von  Glücksmann . 1010 

-ndoskopie,  Killiansche,  von  Mann  .  589 
Endotheliome,  histologische  Diagnose  der 
von  Lazarus  Barlow  .  .  .  1049 

Energie,  Lehre  von  der  strahlenden,’  von 
Lummer  .......  .  2340 

Energiegesetz,  von  Camerer  ....  2147 

Energos,  der  elektrische  AVunderkamm 
und  das  „Archiv  ffür  Hygiene“,  von 
Krone  128,  von  Petri 
Enophthalmus,*  von  Pagenstecher  .... 

Entbindung,  suprasymphysäre,  von  Frank 
Enteritis  und  Appendizitis  im  Kindes¬ 
alter,  von  Guinon  38,  —  und  Appen- 


Seite 


2498 

898 


1544 


1803 

1186 

390 


1904 


129 

474 

625 


1551 


583 

948 


2442 


850 


1341 


2493 

2608 


2478 

1249 

394 


dizitis,  von  Sonnenburg  801,  —  mem 

branacea,  von  A’ogelius . 

Enteroanastomose,  Darmschleifen  für,  von 

v.  Mutach . . 

Lnterokolitis  und  adenoide  AVucherungen 

von  Guinon  .  .  .  .  • . . 

Entfettungskur,  von  Fisch  751,  896,  Unter 
Stützung  der  — ,  von  Mladejovsky  2348 
Küche  für  — ,  von  Sternberg  .  . 
Entmannung,  Technik  der  völligen,  von 

Goyanes  . 

Entwicklungsgeschichte,  Handatlas  der, 

von  Kollmann . (  579 

Entwicklungslehre,  Handbuch  der,  von 

Hertwig . 10S9 

Entzündung,  kollaterale  tuberkulöse,  von 
Tendeloo  132,  Wesen  der,  —  von 
Joseph  1296,  Verlauf  der  akuten 
eitrigen  —  mit  und  ohne  Stauungs¬ 
hyperämie,  von  Rosenberger  .... 
Enuresis,  Klemmapparat  gegen  499,  —  und 
fäkale  Inkontinenz  der  Kinder,  von  Still 
1650 ,  Nebennierenextraktbehandlung 

der  — ,  von  Zanoni . 1652 

Enzephalitis,  operative  Stellungnahme  zur 
akuten  progredienten  infektiösen,  von 

Friedrich . 1546 

Enzyklopädie  der  praktischen  Medizin,  von 

Schnirer  und  Vierordt .  276,  2292 

Enzymreaktionen,  Wärmetonung  von,  von 

Tangl,  v.  Lengyel,  Häri . 1957 

Ependymitis  des  IV.  Ventrikels,  von  Till- 
gren  1494,  Histologie  der  —  granularis 

von  Saltzkow  . 

Epidemien,  geistige,  von  Hellpach  .  .  . 
Epididymitis ,  Behandlung  der,  gonor¬ 
rhoica,  von  Schindler  36,  Anwendung 
von  reinem  Ichthyhol  bei  —  gonorrhoica, 
von  Philip  2034,  Behandlung  der  — 
und  der  Bubonen  mit  Hyperämie,  von 
Stern  2385,  —  erotica,  von  Waelsch  . 
Epidermiskarzinom,  von  v.  Hansemann  . 
Epidermolysis  bullosa  hereditaria,  von  Ba- 
ginsky  147,  —  traumatica,  von  Linser 
Epiglottis,  Gangrän  in  den  Valleculae  der, 

von  Hopmann  II . 238 

Epilepsie  s.  a.  Affektepilepsic,  Migräne, 
Rachenepilepsie. 

Epilepsie,  Halbseitenerscheinungen  bei 
der  genuinen,  von  Redlich  382,  Opium- 
Brombehandlung  der  — ,  von  Schier¬ 
bach  382,  salzlose  Diät  bei  — ,  von 
Boumann  387,  Jacksonsche  — ,  von 
Grossman  389,  operativ  behandelte 
Jacksonsche  — ,  von  Auerbach  und 
Grossmann  466,  Geburtsstörungen  und 
— ,  von  Volland  484,  —  und  Linkshän¬ 
digkeit,  von  Redlich  592,  —  und  Kalk¬ 
salze,  von  Silvestri  628,  Ursache  der  — , 
von  Besta  628,  Behandlung  der  —  der 
Irrsinnigen  mit  Strontiumbrom' d,  von 
Bennion  688,  chlorarme  Diät  bei  der  — 
des  Kindes,  von  Lortat-Jacob  1497,  sy¬ 
philitische  — ,  von  Köster  1556,  opera¬ 
tive  Behandlung  der  idiopathischen  — , 
von  Kotzenberg  1891,  —  und  epilep¬ 
tische  Zustände  im  Kindesalter,  von 
Aschaffenburg  2049,  Jacksonsche  —  in¬ 
folge  extrazerebraler  Tumoren ,  von 
Bychowski  2196,  operative  Behandlung 

der  — ,  von  Cossmann .  2258 

Epileptische,  AVitterungseinflüsse  bei,  von 

Lomer .  584,  1001 

Epileptische  Bewusstseinsstörungen,  von 

Siemerling . 1000 

Epileptischer  Krampfanfall,  bei  der  Aus¬ 
lösung  des,  beteiligte  Substanzen,  von 

Donath . 

Epiphysenknorpel,  vorzeitige  Verknöche¬ 
rung  des,  von  Müller . 

Epiphysenlösung,  von  Kirste  393,  Gefäss- 
verletzungen  bei  traumatischen  — 
von  v.  Brunn  430,  traumatische  — \ 

von  Luxembourg  .  *  1952 

Epithel,  heterolytische  Fähigkeit  des  am¬ 
niotischen,  von  Polano . 634 

Epitheliom  der  rechten  Ohrmuschel,  von 
Karrer  195,  mit  Radium  behandeltes  — 
von  Becker .  .  1553 


Seite 


1000 

907 


Epithelkörperchen,  funktionstüchtige  Ein¬ 
heilung  von  transplantierten,  von  Pfeif¬ 
fer  und  Mayer  . . 1250 

Epithelkörperbefunde  bei  galvanischer 
Uebererregbarkeit  der  Kinder,  von 

Yanase .  2008 

Epithelkörperchentransplantation ,  von 

Leischner .  2393 

Epithelwucherungen,  atypische,  durch 
Scharlachöl,  von  Ritter  542,  mittels 
Scharlachöl  erzeugte  — ,  von  Jores  879, 
atypische,  —  und  Karzinom,  von  Stahr 
1178,  Transplantation  durch  Aether  er¬ 
zeugter  —  der  Linse,  von  Reinke  .  .2381 
Epithelzysten,  traumatische,  von  Chajes  2540 
Epitvphlitis,  chirurgische  Behandlung  der, 

im  Bruchsack,  von  Kappeier  ....  1546 
Epityphlitisfälle  der  Marburger  Chirurg. 

Klinik,  von  Henking . 1045 

Epityphlitistherapie,  von  AVendel  ....  813 
Epulis  und  ihre  Behandlung,  von  Kühner  2438 
Erblindung,  einseitige,  durch  rechtsseitigen 
Schläfenschuss,  von  Emanuel  ....  439 
Erbrechen,  unstillbares,  von  Freund  .  .  2103 
Erfrierung,  Entstehung  der,  und  ihre  Be¬ 
handlung  mit  künstlicher  Hyperämie, 
von  Ritter  923,  Behandlung  der  —  mit 
künstlicher  Hyperämie,  von  Mirtl  .  .  1284 
Ergometer  für  dosierte  Arbeitsleistung 
mit  verschiedenen  Muskelgruppen,  von 

Gräupner . 956 

Erhängen,  Tod  durch,  am  Bauche,  von 

Scholz . 1840 

Erliängungstod,  Ohrenblutung  beim,  von 

Stubenrath  . . 1840 

Erholungsheim  Friedrichshaus  i.  St.  Blasien  131 1 
Erinnerungen,  alte,  von  Krönlein  .  .  .  181 

Erkältung,  von  Chodounsky . 1094 

Erlass,  amtlicher,  betr.  die  Arzneitaxe 
(Bayern)  150,  betr.  das  praktische  Jahr 
der  Mediziner  (Bayern)  200,  betr.  bak- 
teriolog.  Kurs  i.  J.  1907  (Bayern)  351. 
Abänderung  der  Prüfungsordnung  für 
Aerzte  betr.  (Deutsches  Reich)  504,  betr. 
den  AA^echsel  in  der  Besetzung  der 
Kreisarztstellen  (Preussen)  1122,  betr. 
Verleihung  medizinischer  Reisestipen¬ 
dien  für  das  Jahr  1907  (Bayern)  1264, 
betr.  die  Verhandlungen  der  Aerzte- 
kammern  im  J.  1906  (Bayern)  1512,  betr. 
ärztliche  Standesvertretung  (Bayern) 

1616,  betr.  A7erkehr  mit  Geheimmitteln 
und  ähnlichen  Arzneimitteln  (Bayern) 

1663,  betr.  Anweisung  zur  Verhütung 
der  Arerbreitung  übertragbarer  Krank¬ 
heiten  durch  die  Schule  (Preussen) 

1911,  Abkommen  zwischen  der  Kaiser¬ 
lich  Deutschen'  Regierung  und  der  Kgl. 
Belgischen  Regierung  über  den  Nach¬ 
richtenaustausch  beim  Auftreten  an¬ 
steckender  Krankheiten  unter  den  Men¬ 
schen  in  den  deutsch-belgischen  Grenz¬ 
bezirken  (Deutsches  Reich)  2558,  Be¬ 
kämpfung  der  Säuglingssterblichkeit  in 
Bayern  2627,  betr.  Zusätze  zu  den  Vor¬ 
schriften  zur  Ausführung  des  Impf¬ 
gesetzes  Ha  9095.  —  M.  120U5  (Preus¬ 
sen)  . . 2616 

Ermüdung  durch  Berufsarbeit,  von  Roth  2353 
Ermüdungstoxin  s.  a.  Kenotoxin. 

Ernährung,  rektale,  von  Sharkey  336,  — 
im  20;  Jahrhundert,  von  Sealey  689, 

—  u.  Verdauung  in  heissen  Gegenden, 
von  Cantlie  899,  Nahrungsmengen  bei 
natürlicher  u.  unnatürlicher  — ,  2059, 
künstliche  — ,  von  Röhmann  . 
Ernährungspolyneuritis,  von  Grijns  .  .  . 
Ernährungsprinzipien  in  tropischen  Kriegs¬ 
zügen,  von  Duncan  . 

Ernährungsstörungen,  AA'esen  u.  Behand¬ 
lung  von,  im  Säuglingsalter,  von  Pfaund¬ 
ler  .  . ] 

Ernennung  815,  1159,  1263,  13li,  1359,’ 

1662,  1807  2263,  2462,  2557 

Erschütterungen,  körperliche,  u.  Frauen¬ 
leiden,  von  Strassmann . 1607 

Ertrinkungsgefahr  u.  Schwimmkunst,  von 

Revenstorf .  2229 

Ertrinkungstod  s.  a.  AArasser. 


2156 

1793 

899 


296 


XXXIX 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Ertrinkungstod,  Gewebezerreissungen  in 
der  Lunge  bei,  von  Leers  u.  v.  Horos- 

kiewicz . 1004 

Erwerbsunfähigkeit,  prozentuale  Bestim¬ 
mung  der,  Unfallverletzter,  von  Becker  1004 
Erysipel,  von  (irünwald  2546,  Mittel  gegen 
— ,  von  Hecbt,  502,  Behandlung  des 
— ,  mit  Metakresolamythol,  von  Neu¬ 
mann"!  1549,  —  im  Kindesalter,  von 

Kunin  .....  .  2546 

Erythema,  Aetiologie  des,  nodosum,  von 
Hildebrandt  310,  —  autumnale,  von 
Thresch  316,  —  nodosum  u.  Rheuma¬ 
tismus,  von  Symes  687,  —  toxioum  grave 
nach  antimalarischer  Behandlung,  von 
Pericic  2104,  —  multiforme,  von  Leder¬ 
mann  T  2403,  —  exsud.  multiforme 

Hebrae,  von  Yörner  .  .  .  .  2641 

Erythrämie  u.  Erythrozytose,  von  Hirsch- 

"  feld  .  .  2197 

Erythromegalie  mit  Basedowscher  Krank¬ 
heit,  von  Engelen . 2103 

Erythrozyten,  Zentrosomen  u.  Dehlersche 

Reifen  in  kernlosen,  von  Nissle  .  .  .  1093 
Erythrozytosis  megalosplenica,  von  Senator  131 
Erziehungsheim  Schloss  Hohenroth  .  .  .  1662 
Extensionsbehandlung,  Vorrichtung  zur 

Bardenheuer  sehen,  von  Vogel  ...  91 

Extensionsbett,  von  Koehler . 958 

Extensionsmethode,  Heilungsresultate  der 
Bardenheuerschen,  von  Sehrecker  1692, 

neue  — ,  von  Steinmann . 1793 

Extensionsverbände,  Technik  der,  von 


Bardenheuer  u.  Graessner . 943 

Extensionsverbände,  Ersatz  des  Rollen¬ 
systems  bei,  von  Hofmann . 958 

Extensionsverfahren,  vereinfachtes,  von 

Hofmann . 1688 

Extensionsvorrichtung,  neue,  von  Zander  582 
Escalin,  von  Klemperer  1558,  —  bei  Magen¬ 
blutung,  von  May . 1408 

Eskimo,  Krankheiten  der,  in  Westgrön¬ 
land,  von  Trebitsch .  2348 

Eston,  Subeston  u.  Formeston,  von  Saal¬ 
feld  . 1966 

Euchinin  bei  Keuchhusten,  von  Bardet  .  1511 
Euferrol,  von  Hauschild  ......  1397 

Eumydrin  bei  funktionellen  Erkankungen 

des  Magens . 2149 

Eusemin,  von  Ideler . 1909 


Evakuationskystoskop,  von  Freudenberg  2114 
Eventration,  rudimentäre,  von  Hoff  mann 
112,  —  diaphragmatica,  von  Winternitz 
1058,  von  Arnsperger  1961,  Diagnose  der 
—  diaphragmatica,  von  Herz  ....  2442 

Evian,  Kur  zu,  von  Cottet .  37 

Exkavation,  physiologische,  atrophische 

u.  glaukomatose,  von  Elschnig  .  .  .  1900 

Exkretion,  Physiologie  der .  2056 

Exophthalmus ,  pulsierender ,  infolge 
Schädelbasisfraktur,  von  Tietmeyer  542, 

gekreuzter  — ,  von  Pincus . 1102 

Exostosis  cartilaginea  subungualis,  von 
Küttner  392,  —  cartilaginea  multiplex, 
von  Pels-Leusden  1692,  —  am  Knie¬ 
gelenk,  von  Riedinger .  2456 

Experimentaltuberkulose,  von  Bartel  .  .  1497 

Exploration  de  l’appareil  urinaire,  von 

Luys . .  •  •  •  1543 

Extraktion,  Verletzungen  der  kindlichen 
Halswirbelsäule  bei  schwieriger,  am 

Beckenende,  von  Hofbauer . 799 

Extrasystole-s.  a.  Herz. 

Extrasystole,  atypische  Grössenverhält¬ 
nisse  der,  am  Säugetierherzen,  von 
Rihl  1907,  Analyse  der  — ,  im  Bilde 
der  Vorhofpulsation,  von  Rautenberg  2465 
Extrauteringravidität,  vonLassaud  u.  Wert¬ 
heim  583,  von  Hörmann  698,  von 
Kaiser  2355,  vorgetäuschte  — ,  von 
Sudeck  1409,  operative  Behandlung 
der  — ,  von  Fischer  1890,  —  u.  Neben¬ 
horngravidität,  von  Scheffzek  ....  2539 
Extrauterinschwangerschaft  s.  a.  Neben¬ 
hornschwangerschaft. 
Extrauterinschwangerschaften,  rupturierte, 

von  Haim  u.  Lederer  846,  Aetiologie 

der  — ,  von  Weisswange . 846 

Extremitätenmissbildungen,  von  Flörcken  1558 


Seite 

F. 

Eabrikbäder  und  Volksbadeanstalten,  von 

Herzberg  und  Lassar .  2353 

Fachpresse  s.  a.  Presse. 

Fachpresse,  Delegiertenkonferenz  der 

internat.  Vereinigung  der  medizinischen  1662 


Fadenmater'al ,  dauernd  steriles,  von 

Wederhake .  2442 

Fäden,  versenkte,  von  Johnson . 1696 

Fäkalien,  ökonomische  Behandlung  der, 

von  Starkey . .  .  1853 

Färbemethoden,  neue,  für  Perlsucht  und 


Tuberkulosebazillen,  von  Spengler  .  .  536 

Färber,  Onychoatrophie  bei,  von  Gotthilf  1687 
Fäzes,  Bakteriengehalt  der,  von  Klein  183, 

Blut  in  den  — ,  von  Schümm  258, 
Blutumkreis  in  den  — ,  von  Grünwald 
844,  2140,  Untersuchung  der  — ,  auf 


Urobilin,  von  Steensma . 10 »9 

Fakultät,  Schliessung  der  Pariser  medi¬ 
zinischen  .  .  .  .  .  2462 

Falschhören,  musikalisches,  von  Barth  195,  585 

Familienverträge,  ärztliche .  2462 

Faradischer  Pinsel,  durch  den,  hervor¬ 
gerufene  Entzündung  der  Haut,  von 
Kreibich .  2442 


Farbenblindheit  s.  a.  Rotgrünblindheit. 
Farbenempfindung,  Theorie  der,  und 

Farbenblindheit,  von  Schenk  .  .  .  .2104 
Farbensinn,  Abspaltung  des,  durch  Herd¬ 
erkrankung  des  Gehirns,  von  Lewan- 

dowsky  . 1459 

Farbensinnprüfung,  von  Rosmanit  .  .  .  1298 
Farbenwahrnehmung  beim  Hund,  von 

Samojloff  und  Pheophilaktowa  .  .  .  2104 
Fasern,  neue  Art  von,  im  Bindegewebe 

und  der  Blutgefässwand,  von  Dürck  1495 
Fasersysteme,  färberische  Differenzen  ver¬ 


schiedener,  von  Bethe . 1402 

Faszienquerschnittoperation ,  Grasersche, 

von  Port . 242 

Favus,  von  Plaut  341,  von  Kayser  913, 

von  Mennacher . 1104 

Fazialislähmung,  aberrierende  Bündel  bei, 
vonLipschitz  1745,  Behandlung  der  — , 
durch  Nervenpfropfung,  von  Ito  und 

Soyesima  . •  ■  2195 

Fechten  s.  a  Herz. 

Feldlazarett,  aus  einem  südwestafrikani¬ 
schen,  von  Lion . 324 

Feldröntgentisch,  von  Billet . 536 

Felsenbeindurchschnitte  am  Epidiaskop, 
von  Seligmann  42,  mikroskopische  — , 

von  Seligmann .  2304 

Femur,  Trennung  der  Pfannenepiphyse 

des,  von  Sargent  u.  Kisch .  2444 

Femurdefekt,  kongenitaler,  von  Spisic  .  .  1743 
Femurende,  Resektion  des  distalen,  wegen 

Sarkom,  von  Lampe . 904 

Femurhals,  Messung  des,  von  Pringle  .  1398 

Fenster,  das  blaue,  von  Salus . 227 

Ferienfrage,  von  Margulies .  752,  946 

Ferienkursein  Heidelberg  1615, in  München 

400,  Berliner — .  .  .  2625 

Ferienordnung,  zweckmässigste  Regelung 

der,  von  Burgerstein .  2303 

Fermente,  urotryptische,  von  Brodzki  1646, 
proteolytische  —  im  Säuglingsurin,  von 
Borrino  1892,  embryonales  Auftreten 
diastatischer  — ,  von  Stäuber  .  .  .2106 

Fermenttherapie  der  Ernährungsstörungen 
des  Säuglings,  von  Siegert  626,  von 
Czerny . .  •  •  626 


Fermentwirkung,  Nach  weis  proteolytischer, 
von  Müller  und  Jochmann  957,  oxy¬ 
dierende  und  reduzierende  — ,  an 
Körperzellen,  von  Meyer  ......  1054 

Ferrozyankaliprobe,  Fehlerquelle  bei  der, 

von  Schmiedt . 487 

Fesselbandmass  für  genaue  Umfang¬ 
messungen,  von  Wahl .  2334 

Festgabe  der  Stadt  Berlin  ......  2257 

Festoform  1693,  von  W alter .  2255 

Festschrift,  Olof  Hammarsten  gewüdmet  .  897 

Fette,  allgemeine  und  physiologische 

Chemie  der,  von  Ulzer  und  Klimont  378 
Fettembolie,  von  Reiner  2004,  —  nach 
orthopädischen  Operationen,  von 


Seite 


v.  Aberle  806,  2611,  zerebale  — ,  kombi¬ 
niert  mit  Tetanus,  von  Jähne  u.  Schmidt  1232 
Fettgewebe,  Granulation  des  mensch¬ 
lichen,  von  v.  Verebely . 1443 

Fettgcwebsnekrose,  histologische  Unter¬ 
suchungen  bei  — ,  von  Berner  895,  ab-”Ü3S 
dominale  — ,  von  Wolpiansky  ....  2499 

Fettnekrose,  von  Sawyer . 689 

Fettresorption,  klinische  Prüfung  der,  von 

Hecht . 9 17 

Fettsucht,  Pathogenese  der,  von  Wald¬ 
vogel  180,  konstitutionelle  Form  der 

— ,  von  Kisch . 752 

Fettsynthese,  von  Wellmann  .  .  .  .  2394 

Fettumsatz,  Störungen  des,  bei  Säuglingen, 

von  Hoffmann . 313 


Fettzersetzung,  Bedeutung  der  Wasser¬ 
gefahr  für  die,  im  Organismus,  von 

Heilner . 1006 

Feuerbestattung . 2167 

Fibroadenoma  mammae,  von  Finsterer  .  182 

Fibroglia-Fibrillen,  von  Coca  ....  -  .  742 

Fibrokystom,  doppelseitiges,  von  Penkert  2244 
Fibrolysin,  von  Salfeld  148,  —  bei  Harn- 

röhrenstrikturen,  von  Lang  .....  2495 
Fibrolysinbehandlung  perigastrischer  Ver¬ 
wachsungen,  von  Michael  . 2612 

Fibrolysinkuren,  von  Becker .  2248 

Fibrom,  von  Kraft .  2554 

Fibromyom,  von  Merkel  634,  756,  —  im 
Querkolon,  von  Lauenstein  1545,  — 

der  Scheide,  von  Simon . 1700 

Fibuladefekt,  angeborener,  von  Blumenthal  895 
Fieber,  von  Beitzke  279,  leukämisches  — , 
von  Scholz  92,  siebentägiges  — ■,  in 
Kalkutta,  von  Megaw  385,  Behandlung 
der  —  der  Phthisiker  mit  Antipyre- 
ticis,  von  Tollens  486,  Wärmebildung 
im  —  von  Aronsohn  1297,  was  ist  ? 


von  Hutchinson  .  .  • . ' .  .  1650 

Filaria  sanguinis,  von  Martens . 1559 

Filariainfektion,  Modus  der,  von  Fülleborn  497 
Filariakrankheiten ,  Uebertragung  von, 

durch  Mücken,  von  Fülleborn  ....  2498 
Filtration,  fraktionierte,  kolloidaler  Lösun¬ 
gen,  von  Bechold . 2155 

Fingerbeugekontraktur  infolge  traumati¬ 
scher  Strecksehnenspaltung,  von  Ritschl  1127 


Fingerbrüche,  Behandlung  von,  von  Ham¬ 
mer  2196,  von  Jottkowitz .  2438 

Fingerkontrakturen,  angeborene,  von  Ewald 

1093,  Dupuytrensche  — ,  von  Koch  .  1104 
Fingerskelett,  kongenitale  hereditäre  Ano¬ 
malie  des,  von  Bauer . 1646 

Finsenapparat  s.  a.  Quarzlampe. 

Fischer,  Prozess .  2308,  2360,  2408 

Fischvergiftung,  von  Richartz . 389 

Fistel ,  umgekehrte  Ecksche,  von  Mayer  2556 

Fistelbehandlung,  technisches  zur,  von 

Mertens . • . .  .  •  132 

Fistula  gastrocolica,  von  Port  und  Reitzen¬ 
stein  . 1339 

Flächennaht  nach  Noble  bei  Faszien¬ 
wunden,  von  v.  Herff . 2196 

Flagellaten  im  Stuhl  bei  Achylia  gastrica, 

von  Wasserthal .  2245 

Fleisch,  Radioskopie  bei  der  Inspektion 

tuberkulösen,  von  Märtel . 1613 

Fleischbeschau,  allgemeine  Durchführung 

der,  von  Ostertag .  2403 

Fleischextrakt,  von  Baur  und  Barschall  .  279 

Fleischnahrung,  Einfluss  reichlicher,  auf 
Fruchtbarkeit  und  Laktation,  von  Wat- 


son  .  .  689 

Fleischsorten,  spezifisches  Gewicht  ge¬ 
kochter  und  roher,  von  Nawiasky  .  .1793 

Fleischvergiftung,  Epidemie  von,  in  Berlin, 
von  Jacobson  687,  Klinik  der  — ,  von 

Fainschmidt . 1895 

Fleischvergiftungsepidemie  mit  Bakt.  Para- 

typhi  B,  von  Kutscher  .  . 333 

Flexura,  Stenose  der,  lienalis  coli,  von 
Kothe  335,  anatomisches  und  klinisches 
über  die  —  coli  sinistra,  von  Madelung  - 
533,  Bedeutung  der  —  coli  sinistra,  ■ 
von  Roith  1443,  Beziehungen  der  — 
sigmoidea  zum  weiblichen  Genitale,  von 

Albrecht . 2394 


XL 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Setie 


Flora,  illustrierte,  von  Mitteleuropa,  von 
llcgi  1045,  Thomes  —  von  Deutschland, 
Österreich  und  der  Schweiz 
Flüssigkeitsergüsse,  Bedtung  der  mole¬ 
kularen  Konzentration  von ,  von  Herz¬ 
feld  . 

Flüssigkeitsströmung,  intraokuläre,  von 

Ulbrich  1902,  von  Weiss . 2105 

Flüssigkeitswechsel , 


Seite 


1992 


2010 


Cathcart  2395,  Technik  der  Gehverbände 

bei  — ,  von  Barth . 2613 

Fiaktuibehandlung  s.  a.  Längsextension. 

1  rakturbehandlnng  nach  Bardenheuer 

von  Lange . !  2610 

Framboesie  s.  a.  Spirochätenbefunde. 

Framboesia  tropica,  von  Schüffner  1364,  von 

Halberstädter  1496,  von  Castellani  1747 


1907. 


Seite 


ibÄTnf  We8“rtUln:W  ’ .  VOn  S~enbefunde  bei  -  tropica,  von' 

!  Frauenarzt 


387 


fluoreszierende  Stoffe,  Sensibilisierung 

durch,  von  Karamitsas  i .  2546 

Fötus,  Entwicklung  des,  von  Merletti  232, 

—  in  foetu,  von  Rosenbach . 535 

Folia  Boldi,  therapeutischer  Gebrauch  der, 

von  Fedeli .  2498 

Folia  therapeutica  448,  1615,  —  urologica  503 

Folliculitis"  sclerotisans^ . 950 

Formaldehyd,  Zusatz  von,  zur  Handels¬ 
milch  1966,  feste  Polymeren  des  — , 

von  Auerbach  und  Barschall .  2246 

Formaldehyddesinfektion  mit  Autan,  von 

Tomarkin  und  Heller  . 384 

Formaldehyd  -  Kalkverfahren  zur  Raum¬ 
desinfektion,  von  Huber  und  Bickel  .  1783 
Formaminttabletten,  von  Gessner  ...  642 

Formicin,  ein  neues  Händedesinficiens, 

von  Füth  j" . 1302 

Formobor . j  693 

Fortbildungskursein  Berlin  550, 1213, 1967, 
in  Bonn  550,  —  für  Aerzte  702,  —  in 
Breslau  919,  —  für  Medizinalbeamte  968, 

—  in  Dresden  1159,  1807,  —  in  Er- 
|  langen  1212,  1463,  psychiatrischer,  — 
in  München  1213,  —  in  Pavia  1560,  — 

in  Köln! .  .  1807 

Fortbildungswesen,  Zentralkomitee  für  das 
ärztliche  in  Preussen  1311,  General- 
Aersammlung  des  Zentralkomitees  für 
dasärztliche  —  in  Preussen  1414, 
Münchener  Vereinigung  für  das  ärzt¬ 
liche  — .  2625 

-Forzeps,  neuer,  von'Boerma . 946 

Fragmentatio  myocardii,  von  Giese  .  .  .  686 
Fraktur  s.  a.  Abrissfraktur,  Beckenbruch, 

Bruch,  Brustwirbel,  Dornfortsatzfraktur, 
Ellbogenbrüche,  Fingerbruch,  Halswir¬ 
belfraktur,  'Humerusfraktur,  Kahnbein, 
Kalkaneus,  Knöchelbruch,  Kreuzbein, 
Luxation, ^Malleolarfraktur,  Oberschen¬ 
kelbruch,  Patellarfraktur,  Querfraktur, 
Schädelbasis,  Scheitelbein,  Splitter¬ 
bruch,  Verhebungsbruch,  Verrenkungs¬ 
bruch. 

Frakturen  680,  Behandlung  der  — ,  von 
Bardenheuer  543,  von  Desguin  2445, 

—  der  Siebbeinplatte,  von  Kreuter  633, 

—  der  Ulna,  von  Gessner  642,  geheilte 
— ,  von  Danielsen  697,  neue  Methode 
der  Behandlung  von  komplizierten  — , 
Abszessen  etc.,  von  Lister  703,  prä¬ 
ventive  Behandlung  der  Gelenkver¬ 
letzungen  nach  —  des  Oberarms,  von 
Bardenheuer  750,  Behandlung  der  —  mit 
der  Extensionsmethode  nach  Barden¬ 
heuer,  von  Lange  750,  —  beider 
Vorderarmknochen,  von  Ehrich  1105, 

—  mit  grossem  Hämatom  und  Fehlen 
des  Pulses,  von  v.  Eiseisberg  1412,  all¬ 
gemeine  Lehre  von  den  —  und  Luxa¬ 
tionen,  von  Bardenheuer  1491,  —  der 
Tuberositas  tibiae,  von  Jensen  1550, 

1600,  Tumorbildung  nach  — ,  von 
Riedinger  2456,  —  des  Collum  radii, 
von  Flörcker  1546,  isolierte  —  einzelner 
Handwurzelknochen,  von  Hirsch  1646, 

—  der  Patella,  von  Wendel  1707,  —  der 
Lina,  von  Kirste  1756,  —  beider 
Daumensesambeine,  von  Preiser  1800, 

—  des  Zahnfortsatzes  des  Epistropheus, 
von  Corner  1805,  Behandlung  der  — 
in  der  Nähe  der  Gelenke,  von  Lane 
1839,  —  in  der  Nähe  des  Ellbogen¬ 
gelenks,  von  Carless  1839,  seltene  und 
schwer  nachweisbare  — ,  von  Grashey 
1846,  Behandlung  der  —  des  Ell¬ 
bogengelenks  durch  Autoextension,  von 
Schultze  2064,  Massage  und  Bewegun¬ 
gen  in  der  Behandlung  der  — ,  von 


687 


eine  spezialärztliche  Bezeich- 

nung  . . 246 

Frauenheilkunde,  Ziele  und  Wege  des 
Unterrichtes  in  der  —  von  v.  Franquö  2532 
F  lauenklinik,  neue  Kgl.,  in  Dresden,  von 

Leopold  und  Reicbelt . 58 1 

Frauenkrankheiten,  Pathologie  u.  Therapie 

der,  von  Martin .  07g 

Frauenleiden,  Untersuchung  und  Behand¬ 
lung  von,  unter  Wasser,  von  Tuszkai 
2066,  Beziehungen  zwischen  —  und 

Darmleiden,  von  Mueller . 2115 

Frauenmilch  s.  a.  Säugling. 

Frauenmilch,  Bodeutung  der,  von  Salge 
486,  Gallensäuren  in  der  — ,  von 
Mayer  1447,  hämolysiert  die  — ■?  von 
Frey  1782,  —  und  Kuhmilch  in  der 
Säuglingsernährung,  von  Hueppe  2050, 
Uebergang  von  Arzneistoffen  in  die  — , 

von  Bucura . ’  2494 

Frauenstudium . 400 

Freiluftbehandlung  akuter  Krankheiten 
der  Atmungsorgane,  von  Anders  1839, 

von  Northrup . . 135  ^ 

Fremdkörper  s.  a.  Bronchoskopie. 

Fremdkörper  in  der  Speiseröhre,  von 
Siebenmann  36,  seitlicher  Halsscbnitt 
zur  Entfernung  von  — ,  aus  der  Speise¬ 
röhre,  von  Franke  132,  in  die  Harn¬ 
röhre  eingeführte  — ,  von  Grosse  175, 

—  im  Oesophagus,  von  Haecker  542, 
aus  den  Harnwegen  entfernte  — ,  von 
Wulff  1153,  Entzündung  am  —  als 
Tumor  operiert,  von  Richter  1549,  — 
in  der  Nase  als  Folge  von  Trauma, 
von  Pasch  1585,  —  in  der  Speiseröhre, 
von  Kronenberg  1656,  aspirierter, 
mittels  Bronchoskopie  entfernter  — , 
von  Doberauer  1803,  Entfernung  eines 
aus  dem  linken  Bronchus,  von 
Carlau.  1989,  unabsichtlich  sub  opera- 
tione  im  Körper  zurückgelassene  — , 
von  v.  Neugebauer  2018,  Behandlung 
der  —  in  der  Speiseröhre,  von  Haecker 
2077,  Behandlung  tiefsitzender  —  des 
Oesophagus,  von  Lunzer  2081,  eiserne 
--  im  Augapfel,  von  Wörtz  2351,  alter 
im  Oberkiefer  als  Ursache  blennor- 
rhoe  -  ähnlicher  Bindehauteiterungen, 
von  Thörey  2427,  —  in  der  Nase,  von 
Muhlenkamp  2429,  Prognose  beim 
Verschlucken^  von  —  mit  ungünstiger 
Oberfläche,  von  Fischer  2642,  —  im 
1.  Bronchus,  von  v.  Schrötter  2646,  — 

des  Darmes,  von  Walko . 

Fremdkörperextraktion  aus  derBauchhöhle 

von  Dehner . 

Frequenz  der  deutschen  med.  Fakultäten 
W.-S.  1906/07  197,  —  der  deutschen 
med.  Fakultäten  im  S.-S  1907  1511, 

—  der  schweizer  med.  Fakultäten  im 
.-S.  1906/07  349,  —  der  schweizer 

med.  Fakultäten  im  S.-S.  1907  1511,  _ 

der  medizinischen  Fakultäten  der  öster¬ 
reichischen  Universitäten . 2311 

Friedensschussverletzungen,  von  Hofmann  1189 
Friedhof,  amtsärztliche  Visitation  von  200, 

Wege  und  Mauern  der,  ...  ’  248 

Friedreichsche  Krankheit,  Pathologie  der' 
von  Müller  999,  Studium  der  — ,  von 

.  Minganzzini .  jqqq 

Friedrichs  des  Grossen,  Korrespondenz 

mit  Aerzten,  von  Mamlock .  2243 

Froschlaichbildungen,  von  Zettnow  .  .  .  1693 

Frostbeulen,  heisse  Luft  als  Behandlungs¬ 
mittel  der,  in  der  Volksmedizin,  von 

Hornung . .  1531 

Frucht,  extrauterin  entwickelte,  von  Dahl- 


Fruchtabtreibungsversuch  mit  Fehlina¬ 
schen  Lösung,  von  Tantscher  .  .  .  844 

Fruchtachsendruck,  von  Holzapfel  .  .  .  1751 
Fruchtbarkeit,  eheliche,  von  Mombert  .  2242 
Fruchtblase,  Bedeutung  der,  für  die  Ge¬ 
burt,  von  Meurer  . . 

Fi  ühgeburt,  künstliche,  bei  Lungentuber¬ 
kulose,  von  Neumayer  und  Amann  48, 
Anstaltsgeburtshilfe  und  Hausgeburts¬ 
hilfe  in  ihrem  Verhältnis  zur  künst¬ 
lichen  —  von  v.  Herff  93,  künstliche 
— ,  in  der  Praxis,  von  Veit  383,  634, 
künstliche  — ,  bei  mechanischem  Miss- 
\  erhältnis,  von  Moeller  431,  Berechti¬ 
gungsfrage  der  künstlichen  — ,  von 

Leopold  und  Konräd . 1647 

Frühjahrskatarrh,  von  Apetz  1013,  von 
Herbert  1907,  Pathologie  und  patho- 
logische  Anatomie  des  — ,  von  Schick  1696 
F  ürsorgestelle  für  Lungenkranke  in  Mün¬ 
chen,  400,  von  May  1154,  Stellung  der 
—  für  Lungenkranke  im  Kampfe  gegen 
die  Tuberkulose,  von  Beschorner~18~78,  2356 
Fundstücke  aus  wendischen  Burg  wällen 

von  Bethe . ’  13q8 

Funktionsdefekte,  angeborene,  im  Gebiete 
der  motorischen  Hirnnerven,  von 
Neurath  1224,  1464,  von  Heubner  .  .  1359 
Fuss,  Tarsalia  des,  von  Lilienfeld  .  .  1744 

Fussgelenksluxation ,  allmähliche  Ent¬ 
stehung  einer  zentralen,  von  Schlotter  904 
F  ussgeschwüre ,  Euphorinsalbe  gegen 
schmerzhafte,  von  Sansoni  ....  .  2262 
Fussresektion,  osteoplastische,  von  Gold- 

ammer  . . 

F  ussruckenreflex,  von  Meyer  1836,  dorsaler 
— ,  von  Lissmann  1030,  Mendel-Bech- 

terewscher  — ,  von  Osann .  2468 

F  usswurzelknochen,  Neubildungen  von, 

von  Lauenstein .  442 

Fusjäwurzeltuberkulose  und  Plattfuss,  von 

.  2326 


Ewald 


G. 


zum  Nachweis 
im  Harn,  von 


Gärungsröhrchen,  neues, 
von  Traubenzucker 

Schümm . 

Gärungssaccharometer  mit  Glyzerinindi¬ 
kator,  von  Lohnstein  102,  einfaches  — 

von  Basler .  1802^  2486 

Halaktosurie,  alimentäre,  von  Bauer 
Galenkodex,  Miniaturen  des  Dresdener" 
von  Sudhoff  ’ 


1235 


231 


2061 


2647 

175 


2310 


1580 


mann 


1657 


Galerie  hervorragender  Aerzte  und  Natur- 
forscher:  v.  Pfeufer  53,  Seggel  102, 
Lattlehner  198,  Golgi  247,  v.  Schrötter 
3U3,  Kehrer  349,  Schoenborn  399 
v.  Lotzbeck  399,  Senckenberg  447* 
Möbius  502,  Ramon  y  Cajal  593,  Lister 
701,  Mendelejew  862,  v.  Burekhardt 
967,  v.  Linnö  1062,  Baglivi  1263 
v  Jürgensen  1358,  Mendel  1511,  Hitzig 

2144,  Gossmann . 

Galle  s.  a.  Urin 

Galle,  Bakterizidie  der,  von  Fornet  432, 
Einfluss  von  taurocholsaurem  Natrium 
und  tierischer  auf  Streptokokken , 
von  Mandelbaum  1431,  Vorkommen 
'on  Blutfarbstoff  oder  Hämatin  in 
menschlicher  — ,  von  Schümm  .  .  . 
Gallekulturverfahren,  Conradisches ,  von 
Buchholz  .  2898 

Gallenabsonderung,  Beeinflussung  *  derj 
durch  Fettdarreichung,  von  Köster  .  2003 
Gallenausfuhrungsgänge,  Zerreissung  der, 
durch  stumpfe  Gewalt,  von  Meissner  1246 
Hallen  blase,  exstirpierte,  von  Härting  44 
Entfernung  der  — ,  von  Sutton'688] 
Regeneration  der  — ,  von  v.  Stuben¬ 
rauch  893,  echte  und  falsche  Divertikel 
der  — ,  von  Ehrhardt  .  . 
Gallenbronchusfistel,  von  Klauber  !  ! 
Gallenfarhstoffmengen,  Nachweis  kleinster, 

n  „  utserum>  von  Posselt . 

mllensäuren,  Wirkung  synthetischer,  auf 
die  pankreatische  F^ettspaltung ,  von 

Bondi  und  Müller . #  _  2001 

Gallensteine  s.  a.  Ovogal. 


904 

893 

1295 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLI 


Seite 

Gallensteine,  Behandlung  der,  679,  —  im 
Wurmfortsatz/ von  Lediard  688,  grosser 

— ,  von  Westfried . 1298 

Gallensteinileus,vonReisner  2499, Operation 

des  — ,  von  Brentano  . 931 

Gallensteinkranke,  Kurgebrauch  der,  in 

Karlsbad,  von  Fink . 1745 

Gallensteinoperationen,  Aetiologie  der  Re¬ 
zidive  und  Pseudorezidive,  nach,  von 

Ehrhardt . 801 

Gallenwege,  Erkrankung  der,  bei  Infek¬ 
tionskrankheiten,  von  Lotze  100,  ange¬ 
borener  Mangel  der  grossen  — ,  von 
Simmonds  341,  100  Operationen  an  den 
— ,  von  Kocher  u.  Matti  535,  retroperi- 
tonealer  Abszess  der  — ,  von  Sprengel 
905,  Chirurgie  der  — ,  von  Goldammer  1890 
Gallopprhythmus  und  Hemisystolie,  von 

Trautwein . 1495 

Galvanometer  als  Messer  für  die  Gemüts¬ 
bewegungen,  von  Peterson  1854,  Eint- 
hovensches  — ,  von  Wertheim  .  .  .  1907 
Gangrän,  s.  a.  Hyperämie 
Gangraena  scroti,  von  Wendel  101,  diabe¬ 
tische  — ,  von  Küttner  393,  —  Diag¬ 
nose  des  Arterienverschlusses  bei  — ■ 
pedis,  von  Moszkowicz  429,  ist  bei  spon¬ 
taner  —  der  Extremitäten  hoch  zu  am¬ 
putieren  ?  von  Wilmanns .  2293 

Ganglien,  sympathische,  von  Marinescu 

u.  Minea  . . . 1605 

Ganglienzelle,  Anatomie  der,  von  Eco- 

nomo . .  •  278 

Ganglioneurom ,  von  Oberndorfer  1341, 

wahres  — ,  von  Falk . 687 

Gartenstadt,  die  hygienisch  beste  Siedelung, 

von  Fischer  1940,  von  Fuchs  ....  2009 

Gartenstadtfrage,  von  Kätscher . 334 

Gartnerscher  Gang,  von  Meyer  740,  Zysten 

des  — ,  von  Tarsia . 483 

Gasaustausch  bei  der  Atmung,  von  Bohr 
2201,  —  im  Dünndarm,  von  Brodie  u. 

Vogt  2201,  —  am  Säugetierherzen,  der 
Niere  u.  der  Subinaxillaris,  v.  Barcroft  2201 
Gasbäder,  kohlensaure,  von  Grödel  III,  752,  896 
Gasbestimmung,  qualitative  und  quanti¬ 
tative,  bei  gasentwickelnden  anaeroben 

Bakterien,  von  Seiffert .  2285 

Gastritis,  Diagnose  u.  Therapie  der,  phleg- 

manosa,  von  Klauber . 845 

Gastroenteritis,  Gewichts-  und  Tempera¬ 
turkurven  bei  der,  der  Kinder,  von 

Rivet . ;  . . .1498 

Gastroenterostomie,  v.  Gilli  2194,  —  En- 
teroanastomose  u.  Darmresektion,  von 
Pochhammer  1016,  —  Modifikation  der 
— ,  von  Kausch  1443,  Gastroentero¬ 
stomien  bei  benignen  Magenerkran¬ 
kungen,  von  Schulz  1792,  Magen- 
motilität  nach  — ,  von  Goyanes  2297, 
Prognose  und  technische  Ausführung 

der  — ,  von  Helferich .  2491 

Gastropexie  und  Retention,  von  Nyrop  .  69 

Gastroskopie,  Instrument  zur,  v.  Ehrlich  2245 

Gastrostaxis,  von  White . 489 

Gastrostomie,  temporäre,  bei  Perforation 
infolge  von  Magengeschwür,  von  Pois- 

sonier . .  •  •  88 

Gasvergiftung  und  Geisteskrankheit,  von 

Petersen-Borstel . 1841 

Gaudanin,  Warzenschutz  durch,  von  Rie- 

mann  . 2539 

Gaudaninbehandlung  s.  a.  Laparotomie¬ 
wunden. 

Gaudaninhautschutz,  Operationen  unter, 

von  Littauer  .  .  .  . 1031 

Gaumen,  Knorpelplatte  im  weichen,  von 

Fabian . 186 

Gaumenmandeln,  kalte,  Schlinge  zur  Ab¬ 
tragung  der,  von  Capmas . 746 

Gaumennaht,  von  v.  Mangoldt . 958 

Gaumenspalte,  neue  Operation  der,  von 

Starr  .  2249 

Gazetupfer,  in  die  Blase  einwandernder, 

von  Kermauner .  2439 

Gebärmutter,  Missbildungen  der,  v.  Schott¬ 
länder  859,  Sklerose  der  Arterien  der 
— ,  von  Solowij  1190,  Abszesse  der  — , 


Seite 

von  Mercade  1499,  fettige  Degeneration 
der  —  bei  Schwangerschaft,  von  Ciulla 
1995,  Zeugung,  Schwangerschaft,  Ge¬ 
burt  u.  Wochenbett  an  der  ausge¬ 
schalteten  — ,  von  Kruieger  u.  Offer- 

geld .  2539 

Gebärmutterkatarrh,  Behandlung  des  chro¬ 
nischen,  von  Turan  . . 1954 

Gebärmutterkörper,  klinische  Bedeutung 
der  Rückwärtslagerung  deB,  von  Sippel 

2506,  2550 

Gebärmutterkrebs,  Statistik  des,  v.  Zurhelle  2394 
Gebärmuttermyom,  Geburten  bei,  von  Ru- 

beska  . 1835 

Gebärmutterscheidenkrebs,  Dauerresultate 
der  abdominalen  Radikaloperation  bei, 

von  Mackenrodt . 1342 

Gebiss,  von  Henrici . 1656 

Gebühren  für  gerichtsärztliche  Leistungen 

1109,  ärztliche  — ,  von  Spät . 2166 

Gebührenordnung,  preussische,  für  Aerzte 
und  Zahnärzte,  von  Joachim  1544,  Zu¬ 
sätze  zur  preussischen  —  1595,  1596, 

—  für  Medizinalbeamte  1595,  1596  Re¬ 
vision  der  —  2406 

Geburt,  Spontanruptur  der  Symphyse  unter 
der,  von  Mayer  277,  —  nach  früheren 
beckenerweiternden  Operationen,  von 
Baisch  277,  Erleichterung  der  —  durch 
die  Hängelage,  v.  Seilheim  277,  wann 
tritt  die  —  ein?  von  Schatz  431,  Be¬ 
richt  über  die  Bewegung  der  —  der 
Kranken  im  J.  1905,  von  Draghiescu 

u.  Cohn  587,  künstliche  —  mittels  künst¬ 
licher  Erweiterung  des  Uterushalses, 
von  Bossi  2344,  spontane  —  bei  engem 
Becken,  von  Weindler  1647,  Einleitung 
der  —  bei  verlängerter  Schwangerschaft, 
von  Mc  Kerron  1839,  —  ohne  Blut¬ 
verlust,  von  Galle  2440,  —  u.  Sterbe¬ 
fälle  in  deutschen  Gross-  u.  Mittelstädten  1909 

Geburtenziffer  u.  Fruchtbarkeit,  von  Neu- 

stätter .  85 

Geburtshilfe  für  Hebammen,  von  Fehling 
379,  Handbuch  der  — ,  von  v.  Winckel 
843,  praktische  — ,  von  Herzfeld  2146, 
operative  Aera  der  — ,  von  ILegar  .  .  2645 
Geburtshilfliche  Operationen,  moderne,  von 

v.  Bardeleben  134,  —  Landpraxis,  von 

Miller . •  •  3<ä3 

Geburtshilflicher  Unterricht  am  Phantom, 

von  Gloeckner  .....  .  2643 

Geburtsleitung,  exspektative,  von  Bürger  1254 
Geburtsoptimum,  zeitliches,  von  Grassl  .  2295 
Geburtsstörung,  schwere,  infolge  Spontan- 
tixation  im  letzten  Wochenbett,  von 

Brink . 1824 

Geburtstag,  70,  —  Dr.  Hausmanns-Meran 

919,  98.  — ,  1711,  80.  — , .  1856 

Geburtszange,  neue,  von  Boerma  ....  1142 
Gefängnisärzte,  Stellung  der  preussischen  1594 
Gefässe,  Unterbindung  der  grossen,  des 
Unterleibs,  von  Offergeld  1393,  Erkran¬ 
kungen  arterieller  —  im  Verlaufe  akuter 

Infektionen,  von  Wiesel . 1187 

Gefässchirurgie  von  Stich,  Makkas  und 

Dowinan . 845 

Gefässklemme,  Höpfnersche,  zur  Blutleere 
bei  Operationen  an  der  Lippe,  von 

Danielsen . 698 

Gefässmuskeln  und  ihre  Nerven,  von 

Grützner . H9 

Gefässnaht  680,  von  Poenaru-Caplescu 
1606,  Transplantation  mittels  — ,  von 

Stich . 

Gefässnerven,  Wirkungsweise  der  anta¬ 
gonistischen,  von  Asher .  2202 

Gefässreflexe,  Fehlen  der  arteriellen,  von 

Curschmann . 1402 

Gefässstreifen,  einErkennungsmittel  der  be¬ 
ginnenden  Schwindsucht,  von  Francke  2272 
Gefässveränderungen,  Einfluss  von  Jod¬ 
präparaten  auf,  von  Löb  und  Fleisher  585 
Gefässverletzungen,  Behandlung  der,  im 
Kriege  1905/06,  von  Zoege  von  Man- 

teuffel . 533 

Gefrierschnitt  aus  der  Austreibungszeit, 

von  Zangemeister . 1344 


Seite 

Gehaltsordnung  der  Staatsbeamten  in 

Hamburg . •  .1212 

Geheimmittel  2216,  Verkehr  mit  —  1560, 
Verkehr  mit  —  und  ähnlichen  Arznei¬ 
mitteln  . 1662 

Geheimmittelfabrikant,  Klage  des,  von 

Bauer . 1967 

Geheimmittelsteuer,  englische  ....  .  303 

Gehirn,  von  Graupner  1151,  Epithelge¬ 
schwülste  der  Adergeflechte  des  — ,  von 
Bielschowsky  und  Unger  532,  Heilungs¬ 
vorgänge  an  Erweichungen  etc.  des  — , 
von  Saltykow  584,  Kalkgehalt  des  — , 
von  Weigert  626,  —  von  Th  Mommsen, 

R.  W.  Bunsen,  A.  v.  Menzel,  von 
v.  Hansemann  1139,  neue  Färbungs¬ 
methode  des  — ,  von  Larionoff  1548, 

—  eines  Delphins,  von  Edinger  1609, 
Schussverletzung  des  — ,  von  Dürck 
2164,  Gallertkarzinose  des  — ,  von 
Dürck  2164,  —  mit  gummöser  Er¬ 
krankung  der  Nuclei  caudati,  von  Camp¬ 
bell  2260,  Vasomotoren  des  — ,  von 
Müller  und  Siebeck  1996,  Altersver¬ 
änderungen  der  Ganglienzellen  im  — , 
von  Sagio  2441  ,  Einpflanzung  von 
embryonalem  Gewebe  ins  — ,  von  del 

Conte .  2493 

Gehirnabszess  durch  Streptothrix ,  von 

Loehlein . 1523 

Gehirnembolie,  von  Ackermann  ....  343 

Gehirngeschwulst,  von  Stark . _ .  1401 

Gehirnkrankheiten,  chirurgische  Therapie 

der,  von  Krause . 2107 

Gehirnoberfläche,  Anatomie  der  mensch¬ 
lichen,  von  Weinberg  . .  .  741 

Gehirnpräparat,  von  Merkel  1408,  von 

Saenger  .  .......  1206 

Gehirnsubstanz,  Zerstörung  der,  in  der 

Regio  Rolandica,  von  Remedi  .  .  .  281 
Gehirntumor,  von  Fürnrohr  1800,  Rönt¬ 
genogramm  eines  — ,  von  Gottschalk 
805,  chirurgische  Behandlung  der  — , 

von  van  Gehuchten . 2445 

Gehör,  Schädigung  des,  durch  Schallein¬ 
wirkung,  von  Wittmaack . 1703 

Gehörgang,  Tumor  des  äusseren,  von 
Dalimann  49,  operative  Eröffnung  des 
durch  Narbengewebe  verschlossenen  — , 

von  Wagenhäuser . 964 

Gehörorgan  und  Sprech  Werkzeuge  der 
Papageien,  von  Denker  843,  Schä¬ 
digung  der  —  durch  Schalleinwirkung, 

von  Wittmaack . 1 . 1260 

Gehörshalluzinationen  durch  Zerumen- 

pfropf,  von  Stein . 2149 

Gehverbände,  Technik  der,  bei  Frakturen, 

von  Barth .  2647 

Geissein  bei  vom  Jahre  1894  bis  1907 
aufbewahrten  Kulturen,  von  Hinter¬ 
berger  . 1143 

Geisteskranke,  Selbstanzeigen  von,  von 
Meyer  2?9,  psychisches  Verhalten  von 

—  im  Sterben,  von  Albrand  382,  Ent¬ 
weichungen  von  — ,  von  Albrecht  484, 

—  im  russischen  Heer  während  des 

japanischen  Krieges,  von  Awtokratow 
1836,  Indikationen  der  Schwanger¬ 
schaftsunterbrechung  bei  — ,  von  Alz¬ 
heimer  .  1617 

Geisteskrankheit  und  Tuberkulose,  von 
Le  Marie  37,  Behandlung  von  —  in 
der  Privatpraxis,  von  White  1^99,  Ur¬ 
sachen  der  — ,  von  Meyer  2242,  Fort¬ 
schritte  in  der  Behandlung  der  — ,  von 

Shaw . 1853 

Geistesstörungen,  Simulation  von,  von 
Bischoff  230,  —  der  Strafhaft,  von 

Siefert  . 1044 

Geisteszustände ,  Alkoholversuche  bei 

zweifelhaften,  von  Tomaschny  .  .  .  484 

Gekrösarterien,  Folgen  des  Verschlusses 

der,  von  Marek  .  .  • . 2195 

Gelatine,  Behandlung  von  Magen-  und 
Darmblutungen  mit  flüssiger,  von  Mann 
24,  sterilisierte  — ,  von  Kuhn  und 
Rössler . 1462 


6 


KLII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


683 


834 


Seite 

<  ielatinetherapie,  von  Klose .  94 

Gelbes  Fieber  in  Cuba,  von  de  Ibarra 

2297,  —  in  Afrika,  von  Otto  ....  1748 
Gelbfiebererkrankungen  in  Togo,  von 

Krueger . 39g 

Gelbfieberprophylaxe  und  ihre  Resultate 

in  Rio  de  Janeiro . 1958 

Gelenkankylosen,  Behandlung  der,*  von 

Weglowski  . ’  4 141 

Gelenke,  Stückbruchverletzungen  an  den 
von  Friedrich  543,  Mobilisierung 
knöchern  verwachsener  — ,  von  Hoffa 
Gelenkbänder,  künstliche,  aus  Seide,  von 

Lange  . 

Gelenkchirurgie,  von  König  ......  681 

Gelenkchondrome,  von  Lexer . 1394 

Gelenkerkrankungen,  von  Marsh  538,  Be 
handlung  der  rheumatischen  und  gonor¬ 
rhoischen  — -,  von  Treupel  .  .  .  .  .  1929 
Gelenkkapsel,  Chondromatose  der,  von 

v.  Lichtenberg . . 

Gelenkkörper,  -freie,  von  Popp  ....  2200 

Gelenkleiden  auf  der  Basis  vonGeschlechts- 

brankheiten,  von  Bosse  .  2296 

Gelenkmäuse,  von  Lindenstein  32,  Äetio- 
logie  und  Diagnostik  der —von  Ewald  1001 
Gelenkrheumatismus,  chronischer  —  und 
Arthritis  deformans,  von  Hoffa  801 
von  Wollenberg  801,  Behandlung  des 
akuten  und  chronischen  — ,  von  Kraus, 

10o4,  tuberkulöser  — ,  von  Poncet 
1460,  chronischer  — ,  von  Heinlein 
1506,  von  Dreesmann  2507,  Mikro¬ 
organismen  aus  — ,  von  Walker  1895, 
Behandlung  des  akuten  —  mit  Stau¬ 
ungshyperämie,  von  Steinitz  ....  2610 
Gelenkteile,  Ablösung  von,  von  Büdinger  181 
Gelenkverletzungen,  präventive  Behand¬ 
lung  der,  von  Bardenheuer . 2610 

( «emeindeärzte,  passive  Resistenz  der 
niederösterreichischen  1842,  Ende  der 
passiven  Resistenz  der  niederöster¬ 
reichischen  -  2151,  Alters-,  Witwen- 
und  Waisenrente  der  —  2 151,  Epilog 
zur  passiven  Resistenz  der  —  ,  2351 

Gemeindekrankenversicherg.  in  München 
2358,  2557 

Generalkrankenrapport  über  die  K  b 
Armee  56,  149,  304,  352,  552,  920,  1064* 

1312,  1416,  1712,  1912,  2264,  2312,2512’ 
Veröffentlichung  der  —  der  K.  b’ 

Armee . 

Genickstarre  s.  a.  Meningitis,  Zerebro 
spinalmeningitis. 

Genickstarre  816,  861,  919,  968,  1016,  1064 
1112,  1159,  1213,  1264,  1311,  1415,  1512’ 

1568,  1615,  1662,  1712,  1759,  1807,  1856’ 

1910,  1967,  2016,  2068,  2120,  2168,  2216 
2263, 2359,  2558,  2626, von  Krohne  ,Bahr’ 
Wollenweber,  Ditthorn  u.  Gildemeister 
429,  —  m  der  bayr.  Armee,  von  Knauth 
48b,  —  und  ihre  Behandlung  mit 
Bierscher  Stauung  u.  Lumbalpunktion 
von  Vorschütz  514,  —  in  Wien  90o! 
Bekämpfung  der  — 918,  Hydrozephalus¬ 
stadium  der  epidemischen  — ,  von 
Schultz  998,  therapeutischer  Versuch 

l)oLepi-demischer  von  Radmann 
1333,  eigentümliche  Lokalisation  der 

Meningokokken  bei  übertragbarer  _ _ 

von  Pick  1454,  chirurgische  Behandlung 

onPoCp,if.e“i8cher  —  von  Radtmann 
2Ub2,  klinische  und  bakteriologische 
Bemerkungen  zur  epidemischen  — 
von  Bennecke  2179,  Bekämpfung  der 
übertragbaren  — ,  von  Flatten  2402 
sporadische  epidemische  — ,  von  Ben¬ 
necke  1844,  Prophylaxe  der  übertrag¬ 
baren  — ,  von  Brummund  1953,  Ver¬ 
breitungsweise  u.  Bekämpfung  der  epi¬ 
demischen  — ,  von  Flügge  1959,  prak¬ 
tische  Bedeutung  der  Rachenerkran- 

10117’  von  Weste nhoeffer 

1997,  in  Schlesien,  von  Flügge  .  .  2447 
>  emckstarre kranke,  Meningokokkenheil- 
serum  bei,  von  Wassermann  2050 

Genie,  das  Wesen  des,  von  Gerhardt  !  ’  2538 
Genital,  innere  Funktion  des  weiblichen 
\on  Lucura  2047,  Untersuchungen  an 


149 


Seite 

^en  >  von  Kehrer  626,  Dermoide 
und  Epidermoide  der  männlichen  — , 
von  Paetzold  1092,  Blastomyzeten  und 
Entzündungen  der  weiblichen  — ,  von 
van  de  5  elde  1407 ,  traubenförmige 
Schleimhautsarkome  der  weiblichen  — 

von  Gräfenberg .  ’  2645 

Genitalprolapse,  Behandlung  inoperabler 

von  Stolz . ’  2146 

Genitalschläuche,  von  Veit  ....  .  1344 

Genitaltuberkulose,  Infektionsweg  bei  der 
weiblichen,  von  Jung  und  Bennecke 

93,  Vaso-Vesikulektomie  bei  der  _ , 

von  Baudet  und  Kendirdy  947,  —  bei 
doppelseitigem  Dermoidkystom,  von 

Logothetopoulos .  2539 

Genu  valgum,  von  Preiser  2403,  unblutige 
Beseitigung  des  — ,  von  Lehr  .  .  .  1293 

Geophysikalische  Arbeiten  des  Schweizers 
N.  t.  Cappeler,  von  Günther  .  2061 

Geotropismus  bei  Bac.  anthracis,  von 

Jensen . 2251 

Geräteimprovisationen,  von  Kulin*  !  .'  ~806 

Geräusche,  anorganische  präsystolische, 
an  der  Herzspitze,  von  Perlis  ....  2001 
Gerichtliche  Entscheidungen  103,  198  246* 

r  u-ff  1212’  UU>  1567>  175 7,’  2308 

Geschäftsvermittler,  ärztliche  . 1252 

Geschlecht,  Bezeichnungen  der  fötalen 
Herztöne  zum,  von  Büttner  .  .  .  846 

Geschlechtsbildung,  Fütterung  mitOvarial- 
substanz  zur  Beeinflussung  der,  von 


Seite 


—  für  Volksbäder  551,  Deutsche  Oto- 
logische  —  594,  Berliner  med.  — ,  968, 
Deutsche  laryngologische  —  1807* 
Deutsche  tropenmedizinische  —  201ö’ 
Internat,  tropenmedizinische  —  201ö! 

—  deutscher  Nervenärzte  2015,  Deutsche 

—  für  Geschichte  der  Medizin  2110, 

—  für  physikalische  Therapie  2310* 

schlesische  —  für  vaterländische  Kultur 
2446,  —  für  physikalische  Therapie 
in  Wien  2547,  Preisausschreiben  der 
Deutschen  —  zur  Bekämpfung  der  Ge¬ 
schlechtskrankheiten  .  2625 

Gesetzgebung,  arbeitshygienische ,  von 
Elster  2295,  Reform  der  sozialen  — , 

von  Rumpf . ’  ß27 

Gesichtsdermatosen,  Behandlung  der  von 

^  -Ricquet . .  .  .  1660 

Gesichtserysipel,  von  Lessitschkoff  2546, 
Pathogenese  des,  von  Lavrand  ...  97 

Gesichtsfeld,  psychisch  bedingte  Einengung 

des,  von  Klien . 

Gesichtslage,  von  Vogelsanger  277,  von 
Thies  ..... 


799 

1495 


Peham 


1246 


Geschlechtsdrüsen,  Reifung  der,  v.  Milroy  2156 
Geschlechtsempfindungen,  krankhafte,  auf 
dissoziativer  Grundlage,  von  Ellis  .  1691 
Geschlechtsfunktion,  Einfluss  des  Ganglion 
epigastricum  auf  die,  von  Ikeda  .  .  2106 
eschlech.tskrankh6iten,  Prophylaxö  der 
von  Rudolph  45,  143,  —  eines  Ange¬ 
stellten  102,  Kampf  gegen  die  _ 

von  Gross . . ’  4250 

Geschlechtsleben  des  Weibes,  von  Kisch  2291 
Geschlechtsorgane,  Bindegewebe  der  weib¬ 
lichen,  von  Hoermann .  2049 

Geschlechtstrieb  und  gesamtesGeschlechts* 
leben  des_  Menschen,  von  Rohleder  .  2342 
Geschwulst  im  Kleinhirnbrückenwinkel 
von  Becher  179,  endotheliale  —  der 
Kopfregion,  von  Looser  183,  —  bei 
Kaltblütern,  von  Plehn  345,  Metastasen¬ 
bildung  bei  gutartigen  — ,  von  Borr- 
mann  432,  retropharyngeale  — ,  von 
Litthauer  585,  Wachstumsenergie  und 
Aetiologie  der  bösartigen  — ,  von  Kron- 

thal  800, retroperitoneale—,  von  Hannes 

846,  Wesen  und  Natur  der  — ,  insbe¬ 
sondere  des  Karzinoms,  von  Westen- 
hoeffer  965,  Verschlimmerung  bösarti¬ 
ge*'“''  ’  a^8  von  Honigmann 

1003,  artefiziell  erzeugte  — ,  von  Geipel 
10ü7,  Wesen  der  bösartigen  — ,  von 
v.  Düngern  und  Werner  1390,  Beein¬ 
flussung  bösartiger  —  durch  Einsprit¬ 
zung  von  artfremdem  Blut,  von  Bier 
1549,  Pathologie  und  Behandlung  der 
melanotischen  — ,  von  Handley  1695 
melanotische  —  an  der  Zehe,  von 
Marchand  1704,  Chirurgie  inoperabler 
— ,  von  Doberauer  1803,  Behandlung 
der  bösartigen  —  der  langen  Röhren¬ 
knochen,  von  Borchardt  2005,  Be¬ 
ziehungen  des  Gefässsystems  zu  ma- 
hgnen  — ,  von  Goldmann  2161,  Einfluss 
der  Röntgenstrahlen  auf  die  bösartigen 
,  von  Berger  2305,  von  Maunoury  2306 
—  des  weiblichen  Genitaltraktus,  von 
A  l  brecht  2305,  Morphologie  und  Biologie 
bösartiger  — ,  von  Lewin  2461,  2615 
retrobulbäre  teratoide  — ,  von  Roth¬ 
schild  2541,  Entstehung  der  —  von 
Ehrlich  ... 


Geschwulstimmunität  bei  Mäusen 
Schöne  ...  ’ 


von 


Geschwulstresistenz,  natürliche,  von  Haa- 

land . 

Gesellschaften  s.  a.  feil  iv! 

Gesellschaft  für  soziale  Medizin  235  — 
Deutscher  Nervenärzte  502,  Deutsche 


2541 

2161 


1249 


Gesundheit,  die,  von  Kossmann  u.  Weiss  91 
Gesundheitsamt,  Dänisches  690,  städtisches 

—  in  Berlin .  436,  1562 

Gesundheitsdienst  beim  Bahnbau  Dares¬ 
salam— Morogoro,  von  Krauss  ....  2603 

Gesundheitslehrer,  der . 198 

Gesundheitspflege,  gewerbl.,  von  Bender  .  178 
Gesundheitswesen  des  Preussischen  Staates 

im  J.  1905  . . 

Gewebe,  Strahlung  des,  von  Werner  u. 

v.  Lichtenberg . 182 

Gewerbeaufsicht,  ärztliche,  in  Belgien,  von 

Roth .  ...  .  383 

Gewerbehygienische  u.  sanitäre  Verord¬ 
nungen  in  Oesterreich,  von  Lofer  .  .  1192 
Gewerbeinspektoren ,  hygienische  Vor¬ 
bildung  der  ungarischen,  von  Pach 
2050,  hygienische  Vorbildung  der  — , 

Bergmann . 2353 

Gewerbekrankheiten  s.  a.  Anilinarbeiter, 
Färber,  Mangantoxikose. 
Gewerbekrankheiten,  Studium  der,  von 

Allan  1193,  internationale  Uebersicht 

über  — ,  von  Neisser .  2342 

Gewerbeordnung,  Novelle  zur  1806 

Gewichtsverlust  durch  Atmung  und  Ver¬ 
dunstung,  von  Lombard .  2201 

Gewürze,  Einfluss  der,  auf  die  Magensäft- 

bildung,  von  Rabinowitsch .  2255 

Gicht,  von  Van  Loghem  386,  —  u.  Psy¬ 
chose,  von  Mendel  179,  Bedeutung  un¬ 
zureichender  Lebertätigkeit  für  die  Ent¬ 
stehung  der  — ,  von  Brunton  446, 
Stoffwechselpathologie  der  — ,  von 
Brugsch  und  Schittenhelm  954,’  2494, 

2495,  Behandlung  der  — ,  von  Luff 
1194,  Untersuchungen  bei  — ,  von 
Marcus  1549,  Therapie  der  — ,  2149, 
Behandlung  der  —  mit  Salzsäure,  von 

Falkenstein . 2355 

Gichtanfall  s.  a.  Harnsäure. 

Gichtanfall,  Behandlung  des,  mit  Massage, 

von  Predescu . jq96 

Gichtische  Anlage,  Natur  u.  Behandlung 

der,  von  Ebstein  ...  - . 896 

Giessen,  zur  dritten  Jahrhundertfeier  der 

Universität,  von  Jesionek . 1536 

Giessfieber,  von  Klocke . 1192 

Gif  (versuche,  antagonistische,  von  Magnus  2203 

Gipsgebrauch  in  der  Orthopädie,  .von 

v.  Modlinsky  .  j 743 

Gipsverband,  Anlegung  des  redressieren- 
den,  bei  Kindern,  von  Ritter  .  .  .  1093 

Gisela-Kinderspital  in  München  645  701* 

863,  915,  918,  1156,  2462,  2507,  2509! 

2o.;>7,  2621 

Gläschen  in  Ehren,  von  Haase  ....  275 

Glandula  parathyreoidea,  von  Getzowa  .  1190 

Glasbläser,  Krankheiten  der  Mundhöhle 

bei,  von  Scheier . .  1797 

Glaskörper,  von  Wagemann . 1903 

Glaukom,  hämorrhagisches  absolutes,  von 

Schmidt-Rimpler .  755 

Gleichgewichtsstörung ,  psychophysische 
von  Köhler .  1790 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLIII 


1907. 


Seite 

Gleichstrom,  theoretische  u.  therapeu¬ 
tische  Bedeutung  des  Leducschen  inter¬ 
mittierenden,  von  Mainzer . 2118 

Gliedmassen,  Messungen  der,  von  Kühne  1003 
Gliom  der  Kutis  u.  Subkutis,  von  Hueter  2261 
Gliosarkome  in  den  Leptomeningen,  von 

Grund . 133 

Globusgefühl  u.  Aura,  von  Buch  ....  229 
Glossitis  saturnina,  von  Joseph  ....  950 

Glottisspasmus,  alljährlichwiederkehrender 

tonischer,  von  Hajek . 1143 

Glück,  über  das  eheliche, . 1888 


Glühlicht,  Bestrahlungsbehandlung  durch, 

in  der  Frauenheilkunde,  von  Tuszkai  1950 
Glutaeus,  plastischer  Ersatz  des,  von  Lange  684 
Glykogen,  Bildung  des,  in  der  Leber,  von 
Grube  2056,  physikochemische  Unter¬ 
suchungen  über  — ,  von  Bottazi  und 

d’Errico . 1956 

Glykogenanalyse,  von  Pflüger  ....  .  1956 

Glykogenfrage,  von  Devaux . 1745 

Glykokoll,  Beziehungendes,  zur  Harnsäure, 

von  Hirschstein  1996,  von  Samueli  .  2495 

Glykosal,  von  Ketterer .  2200 

Glykosurie  nach  Kropfschwund,  von  Boldt, 

184,  —  als  Folge  von  Abdominaltu¬ 
moren,  von  Evelt  1506,  — -  bei  Lungen¬ 
tuberkulose,  von  Schellenberg  2103, 
alimentäre  —  u.  Lävulosurie  bei  Diplo¬ 
kokkeninfektionen  . 2149 

Glyzerin  -  Gelatine  -  Konservierung  Kaiser- 

lingscher  Präparate,  von  Thoul  .  .  .  1964 

Goburek-Stiftung .  968,  2407 

Goethe  als  Naturforscher,  von  Magnus  .  1691 

Goldberger-Preis . 1463 

Goldkorn,  von  Mandl . 447 

Golgi  Camillo,  von  Galli  . 224 

Gonoglobuli,  von  Braun . 1614 

Gonokokkus,  Kultur  des  Neisserschen, 

von  Bruschettini  u.  Ansaldo  ....  2053 
Gonokokkusinfektion  bei  Kindern,  von 


Holt . 229 

Gonorrhoische  Späterkrankungen ,  von 

Seibelt  . 848 

Gonorrhoismus,  Konjunktivitis,  Iridozy¬ 
klitis  und  andere  entzündliche  Augen¬ 
affektionen  alsTeilerscheinungen  eines, 
von  Ullmann . 1448 


Gonorrhöe  s.  a.  Posteriocystitis,  Spermato- 
zystitis. 

Gonorrhöe,  paraurethrale,  von  Cohn  134, 
Behandlung  der  weiblichen  — ,  von 
Herxheimer  und  Ipsen  435,  Therapie 
der  —  beim  Weibe,  von  Fellner  586, 
baineologische  Behandlung  der  Spät- 
erkrankungen^der  — ,  von  Siebelt  752, 
Phosphaturie  bei  — ,  von  Oppenheim 
1270,  —  des  Mastdarms  und  ihre  Kom¬ 
plikationen,  von  Brunswig  -  le  -  Biban 
1348,  Therapie  der  — ,  von  Klingmüller 
1555,  von  Neisser  1652,  von  Asch  1652, 
von  Janet  1652,  Behandlung  der  —  mit 
Spülungen,  von  Purdy  1894,  schwere 
Komplikation  der  akuten  — ,  von 


Mühlig .  2530 

Gonorrhöetherapie,  moderne,  von  Zieler  305 
Gossmann  f  2263,  Nachruf  auf  Josef  — , 
von  Grassmann  2288,  — ’s  Stellung  im 
ärztlichen  Standesleben,  von  Krecke  .  2604 
Gotenberger  System  und  Alkoholismus, 

von  Laquer .  2292 

v.  Graefesches  Zeichen  bei  traumatischer 

Neurose,  von  Strasser . 1550 

Granulationsbehandlung,  von  Riedl  .  .  2647 
Granulom ,  Aetiologie  des  venerischen, 
von  Siebert .  2253 


Graviditas  tubaria  dextra,  von  Lichtenstein  2007 
Gravidität,  Einfluss  des  Cholins  und  der 
Röntgenstrahlen  auf  den  Ablauf  der, 
von  v.  Hippel  und  Pagenstecher  452, 

1385,  von  Neumann  und  Fellner  1131, 
extrauterinie  — ,  von  Rosenfeld  641, 

—  nach  Küstnerscher  Inversionsope¬ 
ration,  von  Keilmann  799,  interstitielle 

— ,  von  Henkel . 1344 

Graviditätshypertrichose,  von  Halban  .  .  2348 
Grosshirn,  Behandlung  der  arterio¬ 
sklerotischen  Atrophie  des,  von  Cramer  2442 


Grosshirnerkrankung ,  sensible  Reizer¬ 
scheinungen  bei,  von  Lewandowsky  . 
Grosshirnrinde,  Lage  des  motorischen 
Gebietes  der,  von  Gordinier  1896,  Ein¬ 
wirkung  der  — ■  auf  Blutdruck  und 
Organ volumen,  von  Weber  2106,  Be¬ 
ziehungen  der  —  zu  den  Pilomotoren, 
von  Lieben  2106,  Wert  der  — ,  von 

Gaehtgens  . 

Gruber-Widalsche  Reaktion,  diagnostischer 
Wert  der,  bei  der  Prüfung  von  Ver¬ 
sorgungsansprüchen,  von  Knauth  1128, 
Beeinflussung  der  —  durch  sekundäre 

Erysipelinfektion,  von  Herz . 

Grundlinien  zur  Einführung  allgemein 
gültiger  Benennungen  der  geburts¬ 
hilflichen  Vorkommnise,  von  Hennig 
Guajakblutprobe,  von  Schümm  2055,  von 

Schröder  . 

Guajakolpräparate  bei  anämischen  Zustän¬ 
den,  von  Proskauer . 

Guddensche  Kommissur,  von  Bernheimer 
Gumma,  von  Preiser  390,  —  am  Penis, 

von  v.  Zeissl . 

Gummibildung  in  den  Nieren,  von  Hueter 
Gummihandschuhe,  Ersatz  der,  von  Weder- 

hake . 

Gustometer,  quantitativer,  von  Sternberg 
Gutachten  der  Wiener  med.  Fakultät,  von 
Wagner  von  Jauregg  947,  ärztliche  — 
und  Rentenänderung,  von  Ledderhose 

Gynäkologenkongress . 1159, 

Gynäkologie,  das  Tuberkulin  in  der,  von 
Birnbaum  891,  Handbuch  der  — ,  von 
Veit  891,  1789,  —  Helvetica  2047,  physi¬ 
kalische  Hilfsmittel  in  der  — ,  von 
Sauer  21 15,  Lehrbuch  der  — ,  von  Runge 
Gynäkologische  Diagnostik,  Lehrbuch  der, 

von  Winter . 

Gynäkologische  Erkrankungen,  Blutungs-, 
Schmerz-  und  Altersbild,  von  Scholl  . 
Gynatresien,  erworbene,  von  v.  Derera  . 


Seite 

1143 


1694 


2198 


1340 

2248 

1836 

1902 

1250 

2261 

1340 

801 


2350 

1562 


2391 

1336 

2439 

1142 


H. 


Haarerkrankungen  ,  Radiotherapie  der , 

von  Kienböck . 950 

Haar  Verfärbung,  argentoide,  von  Ipsen  .  1184 
Habuschlangengift,  von  Ishizaka  ....  1996 
Hämagglutination  und  Hämatolyse,  von 

v.  Liebermann .  2245 

Hämangiom,  von  Kraft  2553,  multiple 
kavernöse  —  im  Darm,  von  Sakaye 

Ohkubo . /.  2189 

Hämatin-Albumin,  Finsens,  von  Weissbart  2167 
Hämatokelenmembran  ,  Entstehung  der, 

von  Maennel . 626 

Hämatologie,  atypische  Fälle  in  der,  von 

Helly . 1293 

Hämatom,  extradurales,  nach  Steinwurf¬ 
verletzung,  von  Nötzel  190,  —  vulvae 
als  Geburtshindernis,  von  Rosenberger 
1192,  traumatisches  extradurales  — , 
vonEnderlen  1545,  Diagnose  epiduraler 

— ,  von  Lindner .  2599 

Hämatomyelie,  von  Lewandowsky  147, 

—  des  Konus,  von  Kämmerer  ....  2164 
Hämatopoetische  Organe  in  ihren  Bezie¬ 
hungen  zur  Pathologie  des  Blutes,  von 


Helly . 1690 

Hämatosalpinx,  von  Amann . 145 

Hämatozelenmembran,  Bau  und  Aetiologie 

der,  von  Maennel . •  .  .  1892 

Hämochromatose,  von  Rössle . 1340 

Hämoglobinausscheidung,  Verhalten  der 

Niere  bei,  von  Schmidt .  2099 

Hämoglobinurie,  paroxysmale,  von  Strauss 
692,  paroxysmale  —  und  Hyperglobu- 
lose,  von  Pel . 1007 


Hämolyse  s.  a.  Nephritis. 

Hämolyse  durch  Substanzen  homologer 
Reihen,  von  Führer  und  Neubauer  1446, 

—  durch  Schlangengift,  von  v.  Düngern 
und  Coca  2317,  —  der  durch  Osmium 
fixierten  Blutkörperchen, von  v.Dungern 
und  Coca . • .  2395 


Seite 

Hämolysine,  Unwirksamkeit  der  kom¬ 
plexen,  in  salzfreien  Lösungen,  von 
Ferräta  743,  komplexes  —  der  Bauch¬ 
speicheldrüse,  von  Friedemann  .  .  .  848 

Flämolytische  Untersuchungen,  von  Arndt  801 
Hämophilie,  von  Carriere  2456,  von  Labbö  2456 
Hämoprotozoen,  Klassifizierung  der,  von 


Munson . 1907 

Haemoptoe,  Behandlung  der,  von  Hichens 
1397,  Amylnitrit  bei — ,  vonCrace-Calvert 
1696,  periodisch  auftretende  — ,  von 

Schlippe .  2437 

Hämoptyse,  Todesfälle  an,  bei  Lungen¬ 
tuberkulose,  von  Thue . 897 

Hämorrhagische  Diathese,  gerichtsärztliche 

Bedeutung  der,  von  Günzler . 1003 

Hämorrhoiden,  Behandlung  der,  mit  Kar¬ 
bolalkoholinjektionen,  von  Franck  486, 

—  und  ihre  Behandlung,  von  Barker  2249 
Hämostase,  Kalziumchlorid  zur  präventi¬ 
ven,  von  Toubert .  97 

Hämostix,  von  Schottelius . 524 


Händedesinfektion,  s.  a.  Handdesinfektion, 
Heisswasser-Alkohol,  Formicin. 
Händedesinfektion,  von  Colen  1744,  — • 
von  v.  Klapp  und  Dönitz  1794,  2163, 

—  mit  Chirosoter,  von  Meissner  1601, 

—  mit  der  Heusnerschen  Jodbenzin¬ 
methode,  von  Grasmann .  .  2089 

Häute,  Desinfektion  von  milzbrandhaltigen, 

von  Xylander  ....  • . 1446 

Haft-  und  Terminsfähigkeit,  von  Marx  .  2541 

Haftpflicht,  ärztliche  198,  —  des  Staates  bei 

Leichenöffnungen . 593 

Hainessche  Lösung  s.  u.  Zucker. 
Flakenpinzette ,  neue  chirurgische,  von 

Hans . 1793 

Hallux  malleus,  von  Ewald  684,  —  ope¬ 
rative  Behandlung  des  —  valgus,  von 

Rath .  2293 

Hals,  Zerreissung  des,  von  Schürmann  .  1893 

Halsfistel,  mediane,  von  Wilmanns  .  .  .  2293 

Halsgefässe,  Resektion  der  grossen  und 

-Nerven,  von  Jordan . 342 

Halsmark,  Durchquetschung  des,  von 

Zipkin . 686 

Halsmarkaffektion, traumatische, von  Müller 

und  Lerchenthal . 535 

Halsrippen,  durch,  erzeugte  Symptome, 

von  Howell .  2250 

Halswirbel,  habituelle  Rotationsluxation 

des  vierten,  von  van  Oordt .  2281 

Halswirbelfraktur  und  reflektorische 

Pupillenstarre,  von  Brassert . 266 

Halswirbelsäule,  Totalluxation  der,  von 

Riedl  . . 185 

Haltungsfehler  und  Deformitäten  bei 

Schulkindern,  von  Grönberg . 1743 

Hammerzehen  und  ihre  Behandlung,  von 
Mittermaier  125,  von  Wende  ....  475 

Hand,  typische  Gewerbedeformität  der  r., 

von  Eloesser . 183 

Handatlas  der  Entwicklungsgeschichte, 

von  Kollmann . 579 

Handbuch  der  Kinderheilkunde ,  von 
Pfaundler  und  Schlossmann  30,  —  der 
Urologie,  von  v.  Frisch  und  Zucker- 
kandl  32,  —  der  medizinischen  Statistik, 
von  Prinzing  91,  —  neuerer  Arzneimittel, 
von  v.  Lengerken  331,  —  der  ortho¬ 
pädischen  Chirurgie,  von  Joachimsthal 
677,  1789,  —  der  Geburtshilfe,  von  v. 
Winckel843, 1690,  —  der  vergleichenden 
u.  experimentellen  Entwicklungslehre 
derWirbeltiere,  von  Hertwig  1089,  —  der 
Massage  und  Heilgymnastik,  von  Bum 
1090,  —  der  Tropenkrankheiten,  von 
Mense  1138,  —  der  gerichtlichen  Medi¬ 
zin,  von  Schmidtmann  1245,  —  der 
topographischen  Anatomie,  von  Merkel 
1290,  —  des  Medizinal-  und  Veterinär¬ 
wesens  im  Königreich  Sachsen  1662, 
der  pathogenen  Mikroorganismen,  von 
Kolle  und  Wassermann  1690,  —  der 
ärztlichen  Sachverständigentätigkeit, 
von  Dittrich  1741,  —  der  Gynäkologie, 
von  Veit  1789,  —  der  Pathologie  des 
Stoffwechsels,  von  v.  Noorden  1888,  — • 


6* 


XLIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

der  praktischen  Chirurgie,  von  v.  Berg¬ 
mann  und  v.  Bruns  2098,  —  der  Unfall¬ 
heilkunde,  von  Kaufmann  2193,  —  der 
Physiologie,  von  Nagel  2435,  —  der 
Hautkrankheiten,  von  Mraöek  ....  2538 
Handdesinfektion,  von  Ahlfeld  .....  1505 
Handgang  infolge  spinaler  Kinderlähmung 

von  Kalb .  1124 

Handgelenk,  Peritheliom  in  der  Gegend 

des,  von  Schminke . 2344 

Handschuhe,  Verwendung  von,  in  der 

Geburtshilfe,  von  Rissmann .  2344 

Handschuhfrage,  von  Conitzer . 2612 

Handspektroskop,  von  Schümm  ....  1410 

Handverkaufstaxe . 1595 

Hanfmehlsuppe,  Ernährungsversuche  mit, 

von  Manchot . 390 

Hanfsuppe,  von  Klotz  . . 1995 

Harn,  s.  a.  Zucker,  Urin. 

Harn ,  Ausscheidung  gerinnungsalterie- 
render  pathologischer  Eiweisskörper 
im,  bei  Nephritis,  von  Brodzki  131, 
durch  Essigsäure  fällbarer  Eiweiss¬ 
körper  im  —  der  Kinder,  von  Lang¬ 
stein  279,  Kalkausscheidung  im  — , 
von  Boekelmann  und  Staal  585,  Nach¬ 
weis  von  Kohlehydraten  im  — ,  von 
Grünewald  730,  864,  Lösungsbeding¬ 
ungen  der  Harnsäure  im  — ,  von  Deter- 
meyer  752,  Stickstoffkoeffizient  im  — , 
von  Torreblanca  850,  Pentose  im  — 
und  Nachweis  derselben,  von  Kraft 
1185,  Gärungsröhrchen  zum  Nachweis 
von  Traubenzucker  im  — ,  von  Schümm 
1235,  Nachweis  der  Pentosen  im  — , 
von  Jolles  1294,  Eiweissbestimmung 
im  — ,  von  Engels  1481,  Ausscheidung 
optisch  aktiver  Aminosäuren  durch 
den  — ,  von  Reiss  2056,  Ausscheidung 
von  Fett  im  — ,  von  Schön dorff  2056, 
Stickstoff  Verteilung  im  — ,  von  Schön¬ 
dorff  2056,  mydriatisch  wirkende  Sub¬ 
stanzen  im  — ,  von  Pal  2198,  Leuko¬ 
zyten  im  —  bei  m.  Brightii,  von 
Schnütgen  2347,  quantitative  Zucker¬ 
bestimmung  im  — ,  von  Levy  ....  2255 
Harnabsonderung  bei  Abflusserschwerung, 

von  Allard . 2102 

Harnblase,  Totalexstirpation  der,  von 
Rovsing  1009,  2251,  Lipomatose  der  — , 
von  Hedr^n  1188,  nervöse  Erkrank¬ 
ungen  der  — ,  von  v.  Frankl-Hochwart 
und  Zuckerkandl  1543,  Entfernung  der 

— ,  von  Yerhoogen . 1746 

Harnchirurgische  Operationen,  von  Gold¬ 
berg  . 1555 

Harnfänger,  neuer,  für  männliche  Säug¬ 
linge,  von  Teuffel . .1531 

Harnkanälchen,  isolierte,  von  Peter  .  .  .  542 

Harnkristalle,  seltene,  von  Richartz  .  .  .  692 
Harnleiter,  Einpflanzung  des,  in  die  Blase, 
von  Franz  381,  Entfernung  von  Steinen 
aus  dem  unteren  —,  von  Bartlett  .  .  2398 
Harnleitersteine,  intraureterale  Methode 
zur  Lösung  eingeklemmter,  von  Jahr  1181 
Harnorgane,  bakteriologische  Befunde  bei 
den  infektiösen  Erkrankungen  der,  von 
Suter  94,  Einfluss  konsequenter  Ströme 
auf  die  — ,  von  Sommerville  ....  1907 
Harnröhre,  Endoskopie  der,  von  Gold¬ 
schmidt  243,  angeborene  Strikturen  der 
— ,  v.  Posner  743,  papilläre  Geschwülste 
der,  von  Fluss  2104,  Polypen  in  der 
—  des  Weibes,  von  Nogubs  2459,  kon¬ 
genitale  Verengerungen  der  — ,  von 
Hock  2613,  angeborene  Atresie  der  — , 

von  Thorei . 2619 

Harnröhrenbesichtigung,  neue  Methoden 

der,  von  Goldschmidt . 663 

1  larnröhrenkarzinom,  primäres,  von  Menge  633 
Harnröhrenresektion,  von  Jordan  ....  342 
Harnröhrenstriktur,  Behandlung  der,  von 
Settier  850,  Behandlung  der  —  mit 

Fibrolysin,  von  Lang  . .  2495 

Harnsäure,  von  Pfeiffer  1611,  Verbindun¬ 
gen  der  —  mit  Formaldehyd,  von  Nico- 
laier  180,  Lösungsbedingungen  der  — 
im  Harn,  von  Determeyer  946,  Phy¬ 
siologie  der  — ,  von  Simon  960,  Aus- 


Seite 


Scheidung  endogener  —  im  Gichtanfall, 
von  Soetbeer  1377,  Beziehungen  der 
endogenen  —  zur  Verdauung,  von 
Hirschstein  1410,  endogene  —  und 
Verdauung,  von  Hirschstein  2102,  Aus¬ 
scheidung  von  — ,  von  Cathcart  .  .  .2156 
Harnsäurebestimmung,  von  Nicolaier  und 

Dohrn . 1834 

Harnsäurebildung,  Ort  der,  von  Spadaro  758 
Harnsäurefrage,  von  Wiechowski  .  1803,  2542 

Harnsediment,  von  Richartz . 845 

Harntemperatur,  Messung  der,  von  Eng 

i  Länder . 396 

Harnuntersuchungen  in  der  Praxis,  von 
Grubel079,  vonEngel  1284,  kulturelle  — , 

von  Goldberg . 1294 

Harnverhaltung  im  Kindesalter,  von  Blum  2613 
Harn wege,  Kurs  der  Krankheiten  der,  am 
Hospital  Necker  zu  Paris  647,Saprophytie 
in  den  — ,  von  Klieneberger  2198,  Pa¬ 
thogenese  der  Tuberkulose  der  unteren 
— ,  von  Desnos  2459,  Argentum  colloi- 
dale  bei  den  Affektionen  der  — ,  von 

Hamonic .  2459 

Harnzucker,  Bestimmung  des,  von  Bang 
486,  neue  — ,  von  Rosenberger  .  .  .  2101 
Harzgas,  Zusammensetzung  und  Giftig¬ 
keit  des,  von  Bachem . 2102 

H  arzkl  eb  e  v  erb  an  d,  von  Heusner  ....  683 
Hasenscharte,  neue  Operationsmethode  für 
doppelseitige,  von  Lorenz  1296,  Ope¬ 
ration  der  — ,  von  Petersen . 1555 

Hau,  zum  Fall . 1809 

Hausschwamm,  von  Falck . 334 

Haustiere,  spezielle  Pathologie  u.  Thera¬ 
pie  der,  von  Schneidemühl .  2436 

Haut,  Sarkome  der,  von  Lefmann  442, 


Seite 


Ausscheidung  von  Kochsalz  u.  Stick¬ 
stoff  durch  die  — ,  v.  Schwenkenbecher 
u.  Spitta  585,  spezielle  Histopathologie 
der  — ,  von  Ehrmann  738,  trockene 
Entkeimungsmethode  der  — ,  v.  Weder- 

bake  . . 1394 

Hautaffektionen,  Diagnose  und  Therapie 
tuberkulöser,  von  Nagelschmidt  2103, 
ulzeröse  —  durch  den  Bac.  pyozyaneus, 

von  Lewandowsky .  2275 

Hautatrophie,  idiopathische,  von  Rusch 

434,  von  Thimm . 434 

Hautblutungen  im  Kindesalter,  von  Hecht  1648 
Hautdesinfektion  des  Operationsfeldes,  v. 

Brunn .  1601,  1856 

Hautelektrizität,  von  Harnaclc . 1048 

Hauterkrankungen,  vom  weiblichen  Ge¬ 
schlechtsorgane  ausgehende  hämato¬ 
gene,  von  Schein  433,  strichförmige  — , 
von  Fischei  u.  Blaschko  435,  wichtigste 
—  des  Gesichtes,  von  Schild  ....  1658 
Hautgangrän,  multiple  neurotische,  in  ihrer 

Beziehung  zur  Hypnose,  von  v.  Szöllösy  1034 
Hautkrankheiten,  spezielle  Diagnostik  der, 
von  Török  90,  allgemeine  Therapie  der 
— ,  von  Joseph  1018,  Atlas  der  — ,  v. 
Jacobi  2098,  Lehrbuch  der  —  u.  Ge¬ 
schlechtskrankheiten,  von  Lesser  2400, 
Handbuch  der  — ,  von  Mracek  .  .  .  2538 
Hautkrebs,  Behandlung  des,  mit  Röntgen¬ 
strahlen,  von  Kanitz  435,  Entzündungs¬ 
vorgänge  in  den  hinteren  Wurzelgang¬ 
lien  bei  — ,  von  Chaetle  2443,  Histologie 
der  spontanen  Heilung  des  — ,  von 

Jacobathal .  2490 

Hautphlegmone,  diphtheritische  progre- 

1265 


diente,  von  Ehrhardt 
Hautreaktion  s.  a.  Tuberkulin. 

Hautsekrete,  Zusammensetzung  und  Ent¬ 
stehung  der  fettigen,  von  Siebert  .  .  949 

Hauttuberkulose,  von  Alexander  743,  — 
nach  akuten  Exanthemen,  v.  Gougerot 
487,  experimentelle  —  bei  Affen,  von 

Kraus  u.  Gross  . . 1397 

Ileadsche  Zonen,  von  Schmilinsky  .  .  .  910 

Hebammen,  s.  a.  Landhebammen. 

Hebammen,  soziale  Lage  der,  v.  Walther  2147 

Hebammenausbildung . 1557 

Hebammenlehrbuch,  Erfahrungen  mit 
dem  neuen  preussischen,  v.  Dahlmann 
u.  Rieländer  1201,  neues  preussisches 
— ,  von  Rieländer . 1892 


Ifebammenschule  für  Frauen  gebildeter 

Stände . 17  n 

Hebammenstand,  Hebung  des,  von  Kru- 
ckenberg  2302,  von  Brennecke  2302,  von 

Fritsch .  2302 

Hebammenwesen,  Vereinigung  zur  Förde¬ 
rung  des  647,  3.  Tagung  der  Vereinigung 
zur  Förderung  des  deutschen  — ,  von 
Ekstein  1995,  2440,  — ■  Hebammen¬ 
reform,  von  Henkel .  2534,  2561 

Hebeapparat,  von  Schultze . 1792 

Hebosteotomie  s.  a.  Schambeinschnitt, 
Schamfuge,  beckenerweiternde  Opera¬ 
tionen. 

Hebosteotomie,  von  Reifferscheid  1408, 
von  Döderlein  1709,  von  van  de  Velde 
2055,  von  Oberndorfer  2553,  Technik 
der — ,  von  Sellheim  1192,  von  Walcker 
1602,  Methode  und  Technik  der — ,von 
Seeligmann  1197,  Indikationsstellung  u. 
Technik  der  — ,  von  Stoeckel  1197,  Ver¬ 
änderung  der  Beckendurchmesser  bei 
— ,  von  v.  Elischer  1197,  die  —  mit 
bleibender  Erweiterung  des  Beckens, 
von  Schickele  1197,  von  van  de  Velde 
1197,  Erlernung  der  Technik  der  — ,  von 
Seilheim  1254,  Blasenschutz  während 
und  nach  der  — ,  von  Kroemer  1254, 

Form-  und  Grössenveränderungen  des 
Beckens  nach  — ,  von  Scheib  1255,  In¬ 
dikation  der  — ,  von  Menge  1255,  Kno¬ 
chenheilung  nach  — ,  von  Meyer  1255, 
Indikation  und  Technik  der  — ,  von 
Henkel  1368,  Warnung  vor  poliklinischer 
Ausführung  der  — ,  von  Hammerschlag 
1793,  neue  Erfahrungen  über  — ,  von 
Leopold  2006,  Behandlung  der  Neben¬ 
verletzungen  bei  — ,  von  Kroemer  2196, 
Hernienbildung  nach  — ,  von  Mann  2294, 
dauernde  Beckenerweiterung  nach  — , 
von  Raineri  2394,  primärer  Verlauf 
und  Dauerresultate  der  — ,  von 

Kroemer . . . -  .  2645 

Hebotomie,  von  Seeligmann  755,  von  van 
de  Velde  1549,  Methode  und  Technik 
der  — ,  von  Seeligmann  381,  Verände¬ 
rung  der  geburtshilflichen  Therapie 
durch  die  — ,  von  Seeligmann  695,  sub¬ 
kutane  — ,  von  Kannegiesser  1647, 
Beeinflussung  der  Indikation  zur  Wen¬ 
dung  und  Extraktion  durch  die  — ,  von 
Lichtenstein  1647,  Berechtigung  der 

— ,  von  Rühle .  2048 

Hedonaläthernarkose,  von  Bovet  ....  350 

Hefe,  Trennung  von  Leben  und  Gärkraft 

in  der,  von  Bokorny . 1957 

Hefeinfektion  der  Meningen,  von  Türk  .  1493 

Heil-  und  Pflegeanstalt  für  Geistes-  und 

Nervenkranke  in  Wien . 2151 

Heilgymnastik,  schwedische,  von  Ekgren 
92,  Entwicklung  der  schwedischen  — , 
von  Lubinus  1101,  —  bei  Erkrankungen 
der  Atmungsorgane,  von  Geese  .  .  .  1001 
Heilkunde,  ältere  armenische,  von 

Seidel . 2109 

Heilmethoden,  physikalische,  von  v.  Ley¬ 
den  .  92 

Heilsera,  Haltbarkeit  der,  in  der  tropischen 
und  subtropischen  Zone,  von  Otto  898, 
neues  tierisches  —  gegen  mikrobische 
Infektionen  beim  Menschen ,  von 
Deutschmann  921,  1214,  Deutschmanns 
— ,  von  Deutschmann  2506,  —  bei 

Pneumonie,  von  Deneke .  2506 

Heilstätten,  bisherige  Leistungen  der,  von 
Bielefeld  1148,  von  Rumpf  1148,  —  oder 
Invalidenheime  für  Tuberkulöse?  von 
Bielefeldt  1953,  Assistentenfrage  in  den 

— ,  von  Schmidt . 2211 

Heilstättenbehandlung,  sind  die  Armen¬ 
verbände  zur,  verpflichtet?  von  Kraus  797 
Heilstättenkuren,  Dauer  der,  von  Schröder 

1148,  von  Althoff . 1148 

Heilverfahren ,  Ergebnisse  des  von  der 
Landesversicherungsanstalt  der  Hansa¬ 
stätte  eingeleiteten,  bei  lungenkranken 
Versicherten  1045,  Reform  des  —  in 
der  Kranken-,  Unfall-  und  Invaliden¬ 
versicherung,  von  Schwanck  ....  1291 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


XLV 


Seite 

Heilungsvorgänge,  neueWege  der  Beschleu¬ 
nigung  der  natürlichen,  von  Heile  .  .  1274 

Heimarbeit . 1759 

Heimarbeiter,  Herabsetzung  der  gesund¬ 
heitlichen  Gefahren  hei,  von  Dose, 

Jungfer,  Trauthan,  Boulisset .  2354 

Heinesche  Operation,  von  Deutschländer 
750,  2610 

Heissluftbehandlung,  von  Chlumsky  1448, 

—  in  der  Gynäkologie,  von  Hasenfeld  1002 
Heisswasser  -  Alkohol  -  Sublimat-Desinfekti¬ 
on,  Vereinfachung  der,  der  Hände,  von 

Ekstein . 847 

Hemiathetose  unter  der  Geburt,  von  Bauer  334 
Hemichorea,  gekreuzte,  von  Schlesinger  .  1395 
Hemiplegie,  von  v.  Criegern  1557,  transi¬ 
torische  — ,  von  Edgeworth  336,  - — 
dolorosa,  von  Massalongo  2497,  throm¬ 
botische  — ,  von  Bäumler  .....  .  2500 
Hemispasmus  glossolabialis  der  Hysteri¬ 
schen,  von  Sachs . 1000 

Hemisphäre,  Bedeutung  der  linken,  und 
des  Balkens  für  das  Handeln ,  von 

Liepmann  und  Maas . 1210 

Hepatitis,  Nekrose  des  Leberparenchyms 
bei  syphilitischer  interstitieller,  von 

Melchior . 2135 

Hepato  Cholangio  Enterostomie,  von  Ehr¬ 
hardt  . . _ .  . .  2344 

Hepatopexie,  von  Mariani . 1002 

Heptosurie,  von  Rosenberger . 796 

Herdsklerose,  zerebrospinale,  von  Nambu  385 
Herdsymptome,  trügerische  Bedeutung  von, 
von  Stintzing  912,  —  bei  diffusen 
Hirnerkrankungen,  von  Sänger  .  .  .  2156 
Hereditär-syphilitische  Geschwister,  von 

Riegel . 546 

Hernie  s.  a.  Kruralhernie,  Bruch,  Leisten¬ 
bruch  ,  Schenkelbruch ,  Zwerchfell¬ 
hernie. 

Hernie,  Einklemmung  des  Wurmfortsatzes 
in  einer,  von  Clogg  40,  Beziehungen 
zwischen  —  u.  Darmrupturen,  von 
Talke  228,  —  diaphragmatica  congenita 
spuria,  von  Fahr  287,  —  retroperitone- 
alis,  von  Gierke  1100,  von  Schöppler 
1190,  Entstehung  von  —  im  Hebo- 
tomiespalt,  von  Hartmann  1142,  —  epi- 
gastrica  retrorectalis,  von  Arx  1296, 
Behandlung  der  gangränösen  — ,  von 
Hesse  1246,  —  bei  Meningitis  cere- 
brospin.  epidemica,  von  Einhorn  1250, 
Treitzsche  — ,  von  Kreuter  1408,  Opera¬ 
tionsmethoden  der  — •  obturatoria,  von 
Borszeky  1443,  —  obturatoria  incar- 
cerata,  von  Grüneisen  1835,  Stereo¬ 
skopbilder  zur  Lehre  von  den  — ,  von 
Enderlen  u.  Gasser  1888,  —  im  Kindes¬ 
alter,  von  Olven  1895,  abnorme  Mesen¬ 
terialverhältnisse  inkarzerierter  — ,  von 
Klauber  1986,  —  cruralis  pectinea  sive 
Cloquetii,  von  Dege  2347,  häufigste  — 
des  Kindesalters,  von  Corner  2444,  — 
der  Netzfortsätze,  von  Hannecart  2445, 

— •  diaphragmatica,  von  Bleichröder 
2450,  seltene  — ,  von  Kopfstein  .  .  .  2613 

Herniologisches,  von  Lessing .  35 

Heroinchloroformnarkose,  von  Yolta  .  .  1794 

Herpes  zoster  s.  a.  Sensibilitätsstörungen. 
Herpes  zoster  mit  Veränderungen  im 

Rückenmark,  von  Magnus . 233 

Herpetomonasart,  bei  Culex  pipiens  vor¬ 
kommende,  von  Patton .  2443 

Herrenhaus,  Preussisches . 1158 

Herz  s.  a.  Cor,  Koronarkreislauf,  Stich¬ 
verletzung,  Ueberleitungsstörung,  Vor¬ 
hof. 

Herz,  Pathologie,  Diagnostik  und  klinische 
Bedeutung  der  Extrasystole  des,  von 
Bickel  35,  Einfluss  des  Biertrinkens 
und  Fechtens  auf  das  —  junger  Leute, 
vonBingel  57,  Hemisystolie  des  — ,  von 
Mader  231,  Untersuchung  des  —  in 
Beckenhochlagerung,  von  Stern  439, 
physikalische  Diagnostik  des  — ,  von 
Lüthje  495,  Muskelverbindungzwischen 
Vorhof  und  Ventrikel  im  normalen  — , 


Seite 


von  Fahr  636,  Vibrationsmassage  des 
— ,  von  Selig  752,  Prüfung  des  — ,  auf 
seine  Beweglichkeit,  von  Herz  787, 
Chirurgie  des  — ,  von  Rehn  804,  Unter¬ 
suchung  des  —  in  linker  Seitenlage, 
von  Braun  844,  Untersuchung  des  — 
in  Beckenhochlagerung,  von  Stern  876) 
Funktionsstörungen  des  —  bei  Schar¬ 
lach,  von  Troitzky  894,  Funktions¬ 
prüfung  des  — ,  von  Fellner  und 
Rudinger  895,  von  Janowski896,  gegen¬ 
wärtiger  Stand  der  Lehre  von  der 
.  Perkussion  des  — ,  von  Treupel  972, 
Massenverhältnisse  des  —  bei  künst¬ 
licher  Arterienstarre,  von  Grober  1053, 
Pathologie  des  — ,  von  Mohr  1058, 
schwedische  Heilgymnastik  bei  Er¬ 
krankungen  des  — ,  von  Lubinus  1101, 
Elektrodiagramm  des  gesunden  und 
kranken  — ,  von  Kraus  und  Nicolai 
1202,  Einwirkung  oszillierender  Ströme 
auf  das  — ,  von  Rumpf  1294,  Arbeits¬ 
hypertrophie  des  — ,  von  Grober  1392, 
Bestimmung  der  Grenzen  des  —  bei 
Perkussion,  von  Bing  1550,  Schwellen¬ 
wertsperkussion  des  — ,  von  Ewald 
1603,  Funktionsprüfung  des  —  nach 
von  Recklinghausen,  von  Tiedemann 
2100,  Klinik  des  — ,  von  Heitler  2104, 
Sekundenvolumen  des  — ,  vonlloepff  ner 
2392,  Arbeitshypertrophie  des  — ,  von 
Grober  2392,  Ultimum  moriens  des 

menschlichen  — ,  von  Koch .  2493 

Herzaffektionen  ohne  Nebengeräusche, 


von  Broadbent . 1805 

Herzamyloid,  von  Huebschmann  ...  .  847 

Herzarbeit,  von  Rothberger . 2202 

Herzarrhythmie,  von  Pletnew  2193,  — , 


Bradykardie  und  Stokes-Adamsschen 
Symptomenkomplex,  von  Ortner  1053, 

2610,  Deutung  von  — mittels  des  ösopha- 
gealen  Kardiogramms,  vonMinkowski  .  1293 
Herzbeutel,  Chirurgie  des  — ,  von  Gluck  852 
Herzbeutelergüsse ,  Differentialdiagnose 
zwischen,  und  Herzvergrösserung,  von 


Wolffhügel . 1054 

Herzbeuteltamponade,  von  Pfeiffer  .  .  .  1840 
Herzchirurgie  852,  von  Meerwein  1784, 
von  Trendelenburg  2005,  von  Wolff 
2455,  Unterdruckverfahren  bei  der  — , 

von  Sauerbruch . •  .  .  .  805 

Herzdivertikel  in  einer  Nabelschnurhernie, 

von  Koller-Aeby .  2048 

Herzerweiterung,  von  Gossage .  39 

Herzfehler,  angeborener,  von  Waldstein 
808,  — ,  von  Scheel  1604,  angeborene 
—  und  zerebrale  Kinderlähmung,  von 

Neurath  . .  2258 

Herzflimmern,  Einwirkung  des  Kampliers 

auf  das,  von  Klemperer .  2494 

Herzgefässaffektionen,  kongenitale  here¬ 
ditär-syphilitische,  von  Landouzy  und 

Laederich . 1559 

Herzgeräusche  und  Herztöne  bei  Kindern, 

von  De  Lange .  2054 

Herzhälften,  Solidarität  der  beiden,  von 

Kraus  und  Nicolai .  2451,  2502 

Herzhypertrophie,  von  Stadler  1834,  kon¬ 
genitale  idiopathische  — ,  von  Michaud 
94,  renale  —  und  chromaffines  System, 
von  Wiesel  954,  idiopathische  ange¬ 
borene  —  im  Kindesaffer,  von  Hoch¬ 


singer  . 1061 

Herzklappen,  relative  Insuffizienzen  der, 

von  Magnus-Alsleben .  1054,  1603 

Herzkontraktionen,  frustrane,  von  Hoch¬ 
haus  .  . 401 

Herzkraft,  Katzensteinsche  Methode  zur' 
Prüfung  der,  von  Hoke  und  Mende  .  627 

Herzkranke,  Anstaltsbehandlung  der,  und 
ihre  Indikationen,  von  Büdingen  114, 
Einfluss  von  Kohlensäurebädern  und 
gymnastischen  Uebungen  auf  — ,  von 
Tiedemann  und  Lund  2392,  Behand¬ 
lung  der  — -  mit  Solbädern,  von  Boehr  2462 
Herzkrankheit,  Respiration  bei,  von 
Rubow  1551,  Digitalispräparate  in  der 


Seite 

Therapie  der  — ,  von  Schaeffer  1661, 
bei  Schwangerschaft  und  Geburt,  von 

Blacker . 1895 

Herzleiden,  Röntgendiagnostik  seltenerer, 
von  Deneke  179,  Erblichkeit  der  — ,von 

Galli . 743 

Herzmassage  bei  plötzlichen  Todesfällen, 
von  Green  490,  —  von  Gross  und 

Sencert . 948 

Herzmissbildung,  von  v.Konstantino  witsch  1 35 
Herzmuskel.  Einfluss  der  Erweiterung  des 
rechten  Vorhofes  auf  die  Zirkulation 
im,  von  Merkel  754,  Leitungsstörung 
im  — ,  von  Joachim  796,  Bau  des  — , 
vonRicker  813,  Arbeiten  zur  Physiologie 


des  — . .  .  . .  2056 

Herzmuskelkerne,  Spiral windung  der,  von 

Heubner . -  .  796 

Herzmuskelkraft  und  Kreislauf,  von  Hof¬ 
bauer  . 743 

Herzneurosen,  Abgrenzung  und  Behand¬ 
lung  der,  von  Goldscheider . 1951 

Herzperkussion,  von  Goldscheider  .  .  .  1007 


Herzschlag,  Pathologie  des,  vonBönniger  41,  536 
Herzschwäche,  von  Babes  1096,  patho¬ 
logisch-anatomische  Grundlagen  der — , 
von  Aschoff  u.  Tawara  427,  anatomische. 
Grundlagen  der  — ,  von  Reitzke  .  .  2441 
Herzsilhouette,  Form  der,  von  Groedel  .  2112 
Herzsyphilis,  gummöse,  —  von  Schmorl  286 
Herztätigkeit,  Beeinflussung  der,  von 
schmerzhaften  Druckpunkten  aus,  von 
Rumpf  153i  menschliche — ,vonWencke- 
bach  2056,  myogene  Theorie  der  — , 
von  Cowan  1650,  Ursache  der  — ,  von 


Gibson . .  2396 

Herztemperatur,  von  Franck .  2056 


Herztöne,  unreine,  im  Kindesalter,  von 
Neumann  360,  Registrierung  der  — , 
durch  das  Saitengalvanometer,  von 
Einthoven  386,  dritter  — ,  von  Eint¬ 
hoven,  Wieringa  und  Snyders  .  .  .  2349 
Herzumrisse,  Aufzeichnung  von,  vonGrass- 


mann . 1448 

Herzventrikel,  ungleichzeitige  Kontraktion 

der  beiden,  von  v.  Leyden  u.  Bassenge  2609 
Herzvergrösserung  infolge  Radfahrens, 

von  Schieffer . 998 

Herzverletzungen,  Behandlung  der,  von 

Francke . 1998 

Herzvibration,  von  Selig . 1396 


Herzvorhöfe,  Phlebektasien  der,  von  Weber  895 
Herzwunden,  Heilung  von,  von  Göbell  .  1612 
Heuasthma,  Behandlung  des,  von  Boesser  1341 

Heufieber,  von  Heymann .  743,  1797 

Heufieberstationen,  alpine,  von  Bärwald  947 
Heuschnupfenbehandlung,  von  Avellis  518, 


von  Hürlimann . 1746 

Hexamethylentetramin,  von  Bergell  .  .  184 

Hilfe,  erste,  s.  a.  Verkehr. 

Hilfe,  erste  ärztliche,  von  Charas  .  .  .  699 

Hilfeleistung,  Anleitung  zur  ersten  —  aus 

dem  18.  Jahrhundert,  von  Schöppler  1448 
Hilfeverweigerung  bei  dringender  Lebens¬ 
gefahr  . 1510 

Hilfskassen,  registrierte,  in  Oesterreich  .  1450 

Hilfsschultag,  deutscher . 503 

Hinken,  s.  u.  Dysbasia. 

Hirnabszess,  von  Hegener  1260,  von  Dürck  2165 
Hirnanatomische  Abhandlungen,  von  Forel  1993 

Hirnchirurgie,  von  Senger .  35 

Hirn  chirurgische  Mitteilungen,  von  Krön¬ 
lein  . 532 

Hirndrucksymptome  bei  Neugeborenen, 

von  Seitz .  2048 

Hirnembolie,  von  Escherich . 628 

Hirnechinokokkus,  von  Müller . 242 

Hirnerweichung,  alte  traumatische,  von 

Dürck . 1154 

Hirngeschwülste,  von  Fahr . 1501 

Hirngewicht  des  Kindes,  von  Michaelis  .  1047 
Hirnhäute,  plexiformes  venöses  Angiom 

der  weichen,  von  Dürck . 1154 

Hirnkrankheiten,  chirurgische  Behandlung 

der,  von  Tilmann . 1102 

Hirnlues,  Korsakowscher  Symptomenkom¬ 
plex  bei,  von  Roemheld . 382 


I 


INHALTS-VERZEICHNIS 


1907. 


:lvi 


Seite 


Hirnnerven,  angeborene  Funktionsdefekte 
im  Gebiet  der  motorischen,  von  Neu¬ 
rath  1224,  1464,  von  Heubner  .  .  .  .  1359 
I-Iirnpunktion,  von  Unverricht  1658,  von 
Neisser  2107,  von  Pollak  2194,  diagnos¬ 
tische  — ,  von  Ascoli  35,  explorative  — , 
vonPfeifer799,  Neissersche  ,vonGrund  1455 
Hirnrinde,  s.  a.  Grosshirnrinde. 

Hirnsyphilis,  von  Dardenne . 489 

Hirntuberkel  im  Kindesalter,  von  Zappert  2258 
Hirntumor,  von  Kümmell  286,  von  Tilmann 
1545,  geheilter  — ,  von  Tilmann  139, 

338,  Diagnose  und  chirurgische  Behand¬ 
lung  von  — ,  von  Schultze  338,  Dia¬ 
gnose  des  — ,  von  Hochhaus  1102,  von 
Pfeifer  1800,  —  Diagnostik  der  Opera¬ 
bilität  der — und  Rückenmarkstumoren, 
von  Schultze  1339,  Diagnose  von  — , 
durch  Hirnpunktion,  von  Pfeifer  1610, 
multiple  —  unter  dem  Symptomenbild 
eines  Herdes  der  inneren  Kapsel,  von 
Seggel  1637,  Indikationen  der  Opera¬ 
tionen  bei  — ,  von  Russell  1851,  multiple 
metastatische  —  und  Lungentumoren, 

von  Riegel . .  .  .  2648 

Hirschsprungsche  Krankheit,  von 
v.  Schuckmann  384,  von  Pfisterer  583, 
von  Schönstadt  1507,  von  Clemens 
2502,  Pathologie  und  Therapie  der  — , 
von  Roth  681,  Pathogenese  der  — , 
von  Neter  1817,  operative  Behandlung 
der  — ,  von  Ito  und  Soyesima  ....  2491 
Ilissches  Bündel  in  normalen  Herzen 
und  beim  Adams-Stokesschen  Symp- 
tomenkomplex,  von  Fahr  1445,  physio¬ 
logische  Bedeutung  des  — ,  von  Pankul  2202 

Hitzepsychosen,  von  Finckh . 484 

Hitzig  E.  f,  von  Bruns . 2144 

Hitzschlag,  vonRevenstorff  141,  von  Nonne 
141,  Atrophie  des  N.  opticus  nach  — , 
von  Landolfi  629,  Entstehung  des  — , 
von  Senftleben  1396,  akute  Ataxie 
nach  — ,  von  Revenstorff  und  Wigand  1608 
Hobeltischler,  ungleiche  Entwicklung  der 

Beine  von,  von  Thiem .  2350 

Hochdruckstauung  bei  kongenitalem  Vi¬ 
tium,  von  Böhme . 101 

Hochfrequenzströme,  von  Nagelschmidt 
2161,  —  und  deren  Wirkung  auf  den 
arteriellen  Blutdruck,  von  Hiss  .  .  .2101 
Hochgebirg,  Physiologie  des  Menschen 

im,  von  Durig  . .  2057 

Hochschulnachrichten:  Berlin  104  149 
247,  351,  400,  503,  551,  594,  647,  702,’ 

759,  816,  919,  968,  1016,  1064,  1111, 

1159,  1213,  1264, 1311, 1359, 1415, 1463, 

1512,  1562,  1615, 1662, 1759, 1807, 1856, 

2016,  2120,  2168,  2263,  2360,  2408,  2463, 

2511,  2626,  Bonn  104,  199,  247,  351,  816, 

919,  1311,  1359,  1415,  1562, 1615,  1807, 

2263,  2o58,  Breslau  55,  551,  648,  702, 

759,  816,  864,  1016,  1111,  1415,  1759, 

2016,  2216,  2463,  2511,  2558,  2626, 
Erlangen  104,  351,  503,  648, 702, 759, 968, 

1213,  1264,  1463, 1967,  2263,  2311, 2511, 

2558,  2626,  Freiburg  104,  351,  400,  594, 

816,  1159,  1213,  1463,  1562,  1807,  2511, 

Giessen  1562, 1616, 2068, 25 11,  Göttingen 
351,  400,  648,  759,  1016,  1311,  1463, 

1562,  1760,  1807,  1856,  1967,  2311, 

2360,  2511,  2626,  Greifswald  351,  551, 

648,  816,  919,  968,1159,  1213,  1359, 

1463,  1512,  1616,  1662,  1712, 1856,  2120, 

2264,  2311,  2511,  2558,  Halle  104,  149, 

594,  648,  919,  1359,  1415,  1856,  2016, 

2264,  2311,  2360,  2511,  Heidelberg  104, 

149,  199,  503,  648,  816,  864,  919,  1016, 

1159,  1311,  1359,  1415,  1463,  1512,  1562, 

1616,  2068,  2120,  2216,  2264,  2408,  2511, 

2558,  Jena  199,  503,  816,  864,  919,  1016, 

1159, 1311, 1512, 1562,  2168,  2216,  2408, 

2651,  Kiel  55, 104, 149,  247,  503,  551,  594, 
'59,1160,  1213,1264,  1311,  1415,  1616, 

180<,  2120,  2168,  2216,  2264,  2311, 

2ol  1, 2558,  2651,  Königsberg  247, 503, 551 , 
o94,  1264,  1359,  1415,  1760,  2068,  2264, 


2360,  2408,  Leipzig  55,  149,  594,  968, 
1016,1213,1264,1359,1512,  2120,  2264 
2360,  2558,  2651,  Marburg  55,  503,  551, 
594,  1160,  1213,  1264,  1463,  1562,  1616, 
1662,  1760,  2068,  2120,  2168,  2463^ 
2511,  2558,  München  55,  199,  351,  400 
503,  551,  594,  968, 1160, 1213, 1359, 1415, 
1463,  1512,  1856,  2120,  2264,  2311, 

2511,  Rostock  760,  1112,  1415,  2264, 
2463,  2511,  Strassburg  351,  503,  816, 
1016,  1264,  1311,  1359,  1760,  2068, 

2264,  2360  2558,  Tübingen  149, 400,  648, 
1311,  1359,  1415,  1463,  1562,  1616, 

1760,  1856,  2311,  2511,  Würzburg  55, 
149,  351,  702,  760,  816,  1016,  1160, 
1213,  1264,  1311,  1415,  1512,  1562, 

1662,  1712,  Münster  1111,  1311,  1807, 
2511. 

Braunschweig  2408,  2558,  Dresden  503, 
702,  759,  1111,  1159,  1759,  Düsseldorf 
1064,  1159,  1264,  1615,  1712,  1910, 

1967,  Frankfurt  199,  1615,  1967,  2558, 
Hamburg  1111,  Köln  1616,  1712,  2016, 
2120,  Nürnberg  2016,  Posen  1064, 
Zwickau  1160. 

Algier  503,  Amiens  2512,  Baltimore 
1967,  Basel  55,  104,  199,  351,  400, 
503, 594, 1264,  2120,  2558, 2626,  Bern  199, 
448,  503,  2311,  Bologna  702,  760,  1512, 
1807,  1967,  2016,  2216,  Bordeaux  400, 
760,  1016,  Boston  149,  Brüssel  104, 
1311,  Buenos  Aires  760,  2120,  Burlington 
149,  Cagliari  702,  760,  1712,  1967, 
Cambridge  503,  551,  Catania  199, 
Charkow  1359,  1512,  1712,  1807,  1856, 
2016,  Chicago  200,  594,  648,  1712, 
1967,  Cincinnati  1712,  Clermont  2512, 
Cleveland  648,  Columbus  149,  Cork  2626, 
Dublin  200,  Florenz  648, 1463, 2016,  Genf 
1112,  1416,  1662,  Genua  248,  448, 1807, 
2016,  Graz  149,  594,  648,  968,  1112, 
1562,  2016,  2216,  2311,  2360,  Grenoble 
2512,  Groningen  648,  Havanna  2016, 
Innsbruck  1264,  1416,  1967,  Kansas- 
City  702,  Kasan  1112,  1463,  Kiew  816, 
1712,  Klausenburg  200,  1712,  Kon¬ 
stantinopel  1213,  Kopenhagen  104, 
1016,  1416,  1463,  2168,  2408,  Krakau 
149,  648,  1311,  1967,  2311,  Leiden  816, 
Lemberg  104,  200,  2016,  2512,  Löwen 
104,  149,  448,  London  200,  Lund  1662, 
Lyon  816,  1213,  1616,  Manchester 
1807,  Memphis  149,  Messina  702, 
1967,  Mobile  351,  Modena  919,  1856, 
1967,  Montpellier  2360,  Montreal 
1464, 1856,  Moskau  1464,  2626,  Nash ville 
200,  Nantes  2512,  Neapel  200,  248,  702, 
1112, 1712, 1967,  2016,  2120,  New  Haven 
1712,  New  York  200,  1512,  1712, 
Odessa  248,  1112,  1464,  2626,  Ofen-Pest 
104,  648,  1264,  1562,  1616,  1662,  2120, 
Oxford  1807,  Padua  248,  448,  702, 
1712,  1856,  2120,  Palermo  816,  1464, 
1712,  2016,  Paris  104,  1213,  1311,1616, 
Parma  919,  1807,  1856,  Pavia  702,  919, 
1856,  St.  Petersburg  351,  648,  816, 1064, 
1464,  Philadelphia  1464,  Pisa  702,  919, 
1856,  Porto  351,  648,  Posen  2168, 
Prag  304,  760,  864,  1112,  1811,  1464, 
1712,  1967,  2016,  2120,  2311,  2512, 
Reims  1512,  Rennes  1512,  Rio-de  Janeiro 
200,  248,  448,  702,  2016,  2626,  Rom  104, 
200,  648,  760,  1064,  1856,  2016,  Rouen 
1.512, Sassari  760,  864, 1064,  Sheffield  816, 
Siena  760,  919,  Tomsk  351,  2120, 
Toulouse  1616,  Turin  351,  504,  760, 
919,  1967,  Utrecht  248,  Washington 
Wien  149’  504,  760>  1112,  1213, 
iqa-’  l'llli  1359,  1464,  1662,  1712, 

iWM*  2811-.2612' ziirich 

Hochschulprofessoren ,  Gehaltsverbesse¬ 
rungen  der  österreichischen  .... 
Hochspannungsdyspnoe,  paroxysmale,  v 

rEl  •  .  ,  . 

Hoden  s.  a.  Testikel,  Testis.  * 


Seite 


,von 


284 

1950 


Seite 

Hoden,  innere  Sekretion  des,  von  Ma- 
martine  949,  Mischgeschwülste  des  — , 
von  Rimann  1092,  Zwischenzellen¬ 
hyperplasie  der  — ,  von  Dürck  1154, 
Teratoide  des  — ,  von  Cavazzani  1744, 
Torsion  des  — ,  von  Rigby  1838,  Ver¬ 
lagerungen  und  Erkrankungen  der  — , 
von  D’Arcy  Powrer  ........  ’  1906 

Hodengeschwhilste,  maligne,  von  Deber- 


nardi 


687 


284 

1051 


Hodenhautgangrän  nach  Gebrauch  von 
Jodtinktur,  von  Hanasiewiez  ....  2531 
Hodenretention,  Aetiologie  der,  von  Bü- 

dinger .  2492 

Hodentuberkulose,  von  Key  es  1896,'  von 
Hagen  2118,  Kastration  bei  — ,  von  Ilieff  2546 

Höfimayr,  Angelegenheit .  2358,  2508 

Höhenklima  s.  a.  Blutkörperchen. 
Höhenlaboratorium,  internat.,  auf  dem 
Monte  Rosa  1711,  1807,  Eröffnung  des 
internat.  —  auf  dem  Monte  Rosa: 
„Laboratorio  scientifico  Angelo  Mosso“ 

von  Fuchs . ’  jggj 

Höhenschielen,  durch  Tenotomie  geheil¬ 
tes,  von  Emanuel . i(j09 

Hörnerv,  degenerative  Neuritis  und  Atro¬ 
phie  des,  von  Wittmaack . 135 

Hörprüfung,  funktionelle,  von  Dölger  .*  !  1525 
Hörstörungen  nach  Schalleinwirkung,  von 

Friedrich . llbl 

Hörverbesserung,  neuere  Apparate*  zurj 

von  Alt . .  ....  .  1250 

Hohenheims  Wanderbücher,  von  Sudhoff  2110 
Hohlorgane,  Grössenänderung  der.  von 

Müller . 2105 

Homöopathen,  Beseitigung  der  Selbst¬ 
dispensierfreiheit  der, . 1595 

Homosexualität  s.  a.  Moltke-Harden-Proz'ess. 

Honorare,  Erhöhung  der,  in  der  Privat¬ 
praxis  in  Köln  502,  Erhöhung  der 
ärztlichen  —  in  Wien  587,  Erhöhung 

der  ärztlichen  — . ° 

Honorarerhöhung  in  der  Privatpraxis  in 

Berlin . . 

Honorarsätze,  Erhöhung  der,  in  Frankfurt  2453 
Hornhaut,  Aetiologie  und  Therapie  der 
Kalk-  und  Bleitrübungen  der,  von  Zur 
Nedden  1697,  Lupus  der — ,vonWehrli  2499 

Hornhautmikroskop,  von  Best . 857 

Hornhautpfropfung,  von  Zirm  ....  *  231 
Hornhauttrübungen  und  Entzündungen 
nach  Trauma,  von  Meissner  ....  1003 
Hospitäler  der  Westküste  Süd-,  Mittel¬ 
und  Nordamerikas ,  von  Apelt  272, 
deutsche  —  im  Ausland,  von  Schuh  1943 
Hüften,  Reposition  angeboren  luxierter, 
von  Grünberg  1452,  paralytische  Luxa¬ 
tionen  der  — ,  von  Böcker  1549,  doppel¬ 
seitige  schnappende  — ,  von  Preiser  .  1743 
Hüftgelenk,  angeborene  Verenkung  des, 
von  Bennett  1398,  Arthritis  deformans 
des  — ,  von  Borchard  1545,  rheuma¬ 
tische  Luxation  des  — ,  von  Feer  .  .1961 
Hüftgelenkserkrankungen,  Diagnose  der, 

von  Oberst . ’  2502 

Hüftgelenksluxation  ,  angeborene ,  von 
Chlumsky  740,  — ,  von  v.  Rüdiger- 
Rydygier  743,  Reposition  kongenitaler 

— ,  von  Hoeftmann . 

Hüftgelenktuberkulose,  Behandlung  der, 
im  Kindesalter,  von  Sinding  .... 
Hüftgelenksverrenkung,  kongenitale,  von 
Härting  45,  Kombination  der  ange¬ 
borenen  —  mit  der  Littleschen  Krank¬ 
heit,  von  Gaugele  684,  Behandlung 
der  angeborenen  — ,  von  Calot  995, 

angeborene  — ,  von  Bade . 1392 

Hüftluxation ,  pseudokongenitale ,  von 

Preiser  .  . . i800 

Hulinerdiphtherie,  Aetiologie  der,  und 
Geflügelpocken,  von  Carnwath  .  .  .  2295 
Hühnerei,  Eindringen  von  Bakterien  in 
das,  von  Lange  2196,  können  Dysen¬ 
teriebazillen  die  Eiwand  des  frischen 
—  durchwachsen?  von  Sachs-Müke  .  2197 
Hühnerpest,  Virus  der,  von  Russ  ...  183 


684 

232 


XLVII 


1907. 


Seite 

Hufeisennjere,  von  Israel . 1210 

Hufelandsche  Stiftungen . 550 

Humanitätsanstalten,  Belagraum  und  Ver- 
pflegstaxen  in  den  öffentlichen,  Oester¬ 
reichs  . 1450 

Humerusfrakturen  intra  partum,  von  Stuhl 
231,  Behandlung  der  suprakondylären 

— ,  von  Knoke . 2195 

Hundwutgift,  Einfluss  des  Cholestearins 

auf  das,  von  Almagiä . I960 

Husten  nasaler  Natur,  von  Lermoyez  .  .  2252 
Hutzier,  Fall  s.  a.  Gisela-Kinderspital. 
Hydatidenzysten  des  Gehirns  im  Kindes¬ 
alter,  von  Babonneix . 488 

Hydranenkephalie,  von  Kroph . 532 

Hydrargyrum,  Schicksale  des  intramuskulär 
injizierten,  von  Freund 536,  — praecipit. 

alb.  pultiforme,  von  Vörner . 586 

Hydriatrische  Prozeduren  bei  masern¬ 
kranken  Kindern,  von  Hecht  ....  1648 
Hydroa  vacciniforme ,  von  Klingmüller 
1555,  —  und  Frühjahrskatarrh,  von 


Kreibich . 2198 

Hydrocephalus,  Symptomatologie  und 
Pathogenese  des  erworbenen,  internus, 

von  Weber  . 278 

Hydrokystome,  experimentell  erzeugte,  von 

Tomimatsu  Schidachi  .  .  950 

Hydronephrose,  traumatische  Ruptur  von, 


von  Öehme  430,  Operation  der  inter¬ 
mittierenden  — ,  von  Chevne  ....  2444 
Hydronephrozystanastomose,  von  Schloffer  36 
Hydrops  genu  intermittens,  von  te  Kamp  687 
Hydrorrhoea  uteri  gravidi,  von  Wiener 

1296,  —  amnialis,  von  Semon  ....  2049 
Hydrotherapie,  von  Winternitz  895, 
Entwicklung  der  — ,  von  Brieger  751, 
Wirkungsweise  der  — ,  von  Laqueur 
1837,  —  und  innere  Medizin,  von 

Brieger .  ....  2002 

Hydroxykoffein,  Wirkung  des,  und  anderer 

Methylharnsäuren,  von  Starkenstein  .  1602 
Hydrozele,  Radikalbehandlung  der,  von 
Fink  1894,  kommunizierende  tuber¬ 
kulöse  — ,  von  Sicard  2051,  Zyto- 
diagnostik  der  — ,  von  Salm  2054, 
von  Wynhausen  387,  operative  Be¬ 
handlung  der  chronischen  — ,  von 

Willing . 387 

Hygiene,  traite  d’ — ,  von  Brouardel  u. 
Mosny  678,  - —  hospitaliere,  von  Martin 
678,  Vorträge  über  —  des  jungen 
Mannes  54,  —  der  Heere,  von  Zavitzianos 
1741,  Lehrbuch  der  — ,  von  Rubner 
1946,  die  —  und  die  Frauen,  von  Heyl 
2058,  —  bei  den  unter  der  Erde  und 
unter  dem  Wasser  vorzunehmenden 
Arbeiten,  von  Haldane  2060,  Grund¬ 


züge  der  — ,  von  Prausnitz .  2644 

Hygiene-Ausstellung,  Berliner  1425,  2150,  2257 
Hygienekongress,  internationaler  ....  1759 

Hygiopon,  von  Zikel . 845 

Hygrom,  krepitierendes,  der  Bootsgäste 

als  Berufskrankheit,  von  Cazamian  .  1748 


Hyperämie  s.  a.  Luftmassage,  Erfrierung, 
Lungensaugmaske. 

Hyperämie  678,  aktive  —  in  der  Behandlung 
arteriosklerotischer  Gangrän ,  von 
Röpke  666,  —  als  Heilmittel,  von  Bier 
1186,  —  als  Heilmittel  bei  Ohrerkran¬ 
kungen,  von  Scholz  1897,  Behandlung 
inoperabler  Tumoren  mit  künstlicher 
— ,  von  Ritter  2125,  aktive  Biersche  — in  * 
der  Gynäkologie  von  Pollak  2148,  Be¬ 
handlung  der  Epididymitis  und  der 

Bubonen  mit  — ,  von  Stern .  2385 

Hyperämiebehandlung  der  Knochen-  und 
Gelenktuberkulose,  von  Deutschländer 
287,  721,  Biersche  — ,  von  Schiatter 
1447,  —  durch  Antiphlogistin ,  von 

Lübbert .  2557 

Hyperalgesien  der  Haut,  von  Alsberg  .  .  2348 

Hyperazidität, primäre,  undHypeserkretion, 
von  Graul  1306,  vegetabilische  oder 
Fleischnahrung  bei  — ,  von  Schloss  .  2245 
Hyperchlorhydrie,  Pathologie  und  Therapie 

der,  von  Bickel  . 1603 

Hyperemesis  gravidarum,  von  Baisch  627, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Aetiologie  der  —  gravidarum ,  von 

Winter .  2539 

Hyperleukozytose  durch  Hetol,  von  Böhm  2245 
Hypermetropie  und  deren  Bestimmung 

ohne  Skiaskopie,  von  Lyritzas  ....  486 
Hypernephrommetastasen,  von  Hoffmann  486 
Ilypermnesie  für  Kalenderdaten ,  von 


v.  d.  Kolk  u.  Jansens . 230 

Hyperphalangie,  von  Joachimsthal  .  .  .  684 

Hypersekretion,  alimentäre,  von  Zweig  .  1247 
Hypertrichosis  circumscripta  mediana,  von 

Landau . 1448 

Hypertrophie,  halbseitige,  von  Cagiati  .  .  1000 
Hypnose  in  der  allgemeinen  Praxis,  von 

v.  Voss . 693 

Hypnotismus,  von  Forel  1290,  von  Woods 
1854,  —  mit  Einschluss  der  Psycho¬ 
therapie  und  des  Okkultismus,  von  Moll  582 
Hypomanie,  chronische,  von  Reiss  .  .  .  1458 
Hypopharyngoskopie,  von  v.  Eicken  746, 

1749,  von  Plaid  . 1838 

Hypophysengangtumor,  von  Sträussler  .  1802 


Hypophysis,  Geschwülste  der,  von  Breg- 
mann  u.  Steinhaus  1190,  Tumor  der  — 
cerebri,  von  Jollasse  1346,  Technik  der 
Operationen  an  der  — ,  von  Moszkowicz 
1397,  Funktionen  der  —  und  der 
Glandula  pituitaria,  von  de  Cyon  .  .  1412 
Hypophysisadenom,  von  Löwenstein  .  .  946 

Hypophysisdarreichung,  von  Renon  und 

Delille  . 1212 

Hypophysistumoren,  von  Uhthoff  1902, 
nasale  Operation  eines  — ,  von  Schloffer 
1143,  —  von  Saenger  1409,  operierter 
— ,  von  Schloffer  1894,  Röntgenauf¬ 
nahme  von  — ,  von  Sänger  2156,  ope¬ 
rative  Behandlung  der  — ,  von  v.  Eiseis¬ 
berg  und  v.  Frankl-Hochwart  ....  2156 
Hysterektomie,  totale,  von  Malcolm  .  .  1839 
Hysterie  s.  a.  Schweiss. 

Hysterie,  scheinbare  Makrochilie  bei,  von 
Bleibtreu  265,  —  und  Invalidität,  von 
Meyer  384,  —  in  der  Chirurgie,  von 
Kausch  798,  —  oder  traumatische  Neu¬ 
rose,  von  Michelsohn  1345,  Behandlung 
der — ,  von  Savill  2250,  neuere  Theorien 

der  —  von  Aschaffenburg .  2295 

Hysterische  Aphagie  und  Polyphagie  von 

Siegert . 138 

Hysterische,  Blutbrechen  bei,  von  Müller  1558 


J. 

Jahr  praktisches .  54,  200 

Jahrbücher  der  Hamburgischen  Staats¬ 
krankenanstalten,  von  Lenhartz,  Reye, 

Deneke . 794 

Jahrbuch  der  prakt.  Medizin,  von  Schwalbe 
1514,  —  der  sexuellen  Zwischenstufen, 
von  Hirschfeld  1645,  —  der  Wiener 
k.  k.  Krankenanstalten  2146,  —  für 
Kinderheilkunde  229,  583,  1047,  1395, 

1648,  1835,  2147,  2440,  klinisches  — 

277,  333,  429,  1951,  2343,  2490 
Jahresbericht  über  soziale  Hygiene,  Demo¬ 
graphie  und  Medizinalstatistik,  von 
Grotjahn  und  Kriegei  380,  —  des  Tung- 
kuner  Hospitals,  von  Kühne  und  Olpp 
892,  —  des  Ambulatoriums  der  chir¬ 
urgischen  Klinik  zu  München,  von 
Gebele  1087,  —  über  die  Leistungen 
und  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der 
Neurologie  und  Psychiatrie  1662,  — 
über  die  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Erkrankungen  des  Urogenitalappa-  . 
rates  2119,  — •  über  die  Fortschritte  in 
der  Lehre  von  den  pathogenen  Mikro¬ 
organismen,  von  v.  Baumgarten  und 
Tangl  2390,  — -  der  k.  Psychiatrischen 
Klinik  zu  München  für  1904  und  1905  2489 

Javol,  Ekzem  nach,  von  Klose . 687 

Ibsen,  abnorme  Charaktere  bei,  von  Wey- 

gandt .  2099 

Ichthyismus  choleriformis,  von  Roepke  .  2344 
Ichthyosis,  mittels  Uviolstrahlen  behan¬ 
delte,  diffusa,  von  Axmann  958,  uni- 


Seite 

verseile  — ,  von  Linser  965,  Behand¬ 
lung  der  — ,  von  Jamieson . 1192 

Ichtbyosiforme  Erkrankung,  universelle, 

der  Körperoberfläche,  von  Siebenmann  1500 

Idiosynkrasie,  ererbte,  von  Gelbke  .  .  .  493 

Idiotenfürsorge  in  Deutschland,  von  Wey- 
gandt  122,  2464,  von  Jochner  ....  2512 
Idiotie,  familiäre  paralytisch-amaurotische, 
von  Higier  133,  amaurotische  familiäre 
— ,  von  Poynton,  Parsons  u.  Holmes 
386,  Tay-Sachssche  familiäre  amauro¬ 
tische  — ,  von  Huismanö . 957 

Idiotieformen,  Nosographie  u.  Histopatho¬ 
logie  der  amaurotisch-paralytischen,  v. 

Schaffer . 741 

Jejunostomie,  von  Loyal .  33 

Iiu-Iitsu,  von  Hancock  u.  Katsukerua 

Higashi . 1691 

Ikonographia  dermatologica,  von  Neisser 

u.  Jakobi .  380,  1491 

Ikterus,  Differentialdiagnose  des,  v.  Arn- 

sperger  182,  Entstehung  des  —  neo¬ 
natorum,  vonKnöpfelmacher547,  gutar¬ 
tiger  syphilitischer  — ,  von  Jerinici  587, 

—  in  der  Schwangerschaft,  v.  Kehrer 
626,  Pathologie  der  —  catarrhalis,  von 
Fischl  685,  —  bei  Cholezystitis,  von 
Eppinger  896,  —  im  Frühstadium  der 

Lues,  von  Buraczynski . 2613 

Ileozoekaltuberkulose,  operativ  behandelte, 
von  Tomita  94,  chirurgische  Formen 

der  — ,  von  Hartmann . 1694 

Ileum,  angeborener  Verschluss  des,  von 

Kersten .  2248 

Ileus,  chronischer,  von  Spitharny  1190, 
Hochstand  des  Zwerchfells  bei  — ,  von 
Hauser  1455,  Zusammensetzung  der 
Darmgase  bei  — ,  von  Schulz  1455, 
mechanischer  — ,  von  Martens  1692, 
Diagnose  und  Behandlung  des  — ,  von 
Einhorn  2248,  Frühsymptom  des  — , 

von  Ewald  .  2296 

Immunisierung  mit  Choleranukleoproteid, 
von  Blell  34,  — •  gegen  Hühnercholera, 

Wild-  und  Schweineseuche,  von  Citron 

und  Pütz . 485 

Immunisierungsverfahren,  neuere, von  Bor¬ 
det  2160,  von  Calmette  und  Paltauf  .  2160 
Immunität,  ererbte,  v.  Kleine  u.  Möllers 
34,  Mechanismus  nicht  bakterizider  — , 
von  Weil  1249,  bakterizide  — -  u.  Phayo- 
zytose,  von  Neufeld  u.  Hüne  1297,  — 
gegen  Gonokokken,  von  Funck  .  .  .  1746 
Immunitätsforschung,  von  Sauerbeck  1947, 
Jahresbericht  über  die  Ergebnisse  der 

— ,  von  Weichardt .  89 

Immunitätslehre,  s.  a.  Opsonine. 
Immunitätslehre,  neue  Theorie  in  der  — , 

v.  Beitzke  1396,  von  Strubell  ....  2451 
Immunitätsreaktionen  tuberkulösen  Ge¬ 
webes,  von  Morgenroth  und  Rabino- 


witsch . • . 1001 

Immunochemie,  von  Arrhenius . 177 

Impetigo,  Nierenkomplikationen  bei,  und 
Ekzema  impetiginosum,  von  Guinon 

und  Pater . 948 

Impfarzt,  Instrumentarium  für  den  öffent¬ 
lichen,  von  Groth . 1086 

Impfbesteck,  tropenärztliches,  von  Voigt  390 
Impferei,  der  Bürgermeister  von  Wien 

gegen  die . 2151 

Impf  frage . 1158 

Impfgesetz,  Zusätze  zum .  2636 

Impfkarzinom,  von  Zurhelle . 1340 

Impflinge,  Verhaltungsmassregeln  bei,  von 

Groth .  2402 

Impfschutzverband,  von  Voigt . 590 

Impftuberkulose,  von  Metzner  183,  —  beim 


Meerschweinchen,  von  Beitzke  .  .  .  184 

Impfung  s.  a.  Allgemeineruption,  Schutz¬ 
pockenimpfung. 

Impfung,  Erzwingung  der,  1757,  Purpura 
im  Anschluss  an  die  — ,  von  Paschen 
1800,  Einführung  der  — in  Wien,  von 

Neuberger .  2348 

Impfzwang,  für  den . 2151 

Improvisationstechnik,  medikomechani- 

sche,  von  Machol .  2293 


XLVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Jnanition  im  Verlaufe  von  Geisteskrank¬ 
heiten,  von  Dreyfus  . 381 

Inauguraldissertationen  1957,  2001,  2106, 

2150,  2200,  2255,  2298,  2398,  2445,  2499, 

2546,  2614,  2646,  aus  Berlin :  136,  337, 

541,  801,  1004,  1194,  1499,  1652,  1897, 

2150, 2298, 2351, 2499,  Bonn :  98,337, 541, 
801,951,1194,  Breslau:  185,  850,2002, 
Erlangen:  136,  951,  1400,  1897,  2546, 
Freiburg:  98,  387,  541,  747,  951,  1194, 

1400,  1652,  1841,  2057,  2298,  2500, 
Giessen:  387,  541,  1005,  1194,  1400, 

2002,  Göttingen:  136,  283,  900,  1252, 

1652,  1797,  Greifswald:  98,  283,  492, 

690,  851,  1051,  1400,  1652,  1958,  2106, 

2298,  2500,  Halle:  98,  747,  1194,  1749, 

2351,  Heidelberg:  136,  541.  851,  1194, 

1653,  2150,  2546,  Jena:  436,  801,  1004, 

1194,  1749,  1898,  2546,  Kiel:  186,  801, 

1697,  2500,  Königsberg :  337,  1004, 

1400,  Leipzig:  186,  337,  747,  851,  1005, 

1252,  1653,  1797,  1898,  2351,  Marburg : 

98,  387,  1194,  1653,  2446,  München: 

136,  337,  541,  1005,  1194,  1400,  1653, 

2106,  2298,  2500,  Rostock :  337,  541, 

747,  1005,  1195,  1400,  1841,  2057,  2298, 
Strassburg:  337,  541,  801,  1005,  1195, 

1400,  1653,  2150,2547,  Tübingen:  136, 

337,  802,  1005,  1252,  1499,  1958,  2298, 


Würzburg:  98,  283,  492,  690,  1005, 

1400,  1653,  2150,  2446 
Index  s.  a.  Opsonischer  Index. 

Index  medicus  54,  tuberkulo- opsonischer 

— ,  von  Fraser . 1393 

Indianer,  Selbstbehandlung  der,  bei  rheu¬ 
matischen  Erkrankungen,  von  Roth- 
schuh . 2161 


Indien,  was  essen  die  Eingeborenen?  von 

Fink  . . 899 

Indigokarminprobe  zur  Diagnose  chirur¬ 
gischer  Nierenaffektionen,  von  Suter  1746 
Indol,  Reaktion  auf,  von  Konto  ....  1956 

Infantilismus,  von  Siegert  138,  psychischer 

— ,  von  di  Gaspero  .........  1547 

Infektion  und  Bakterienresorption  der 
Gelenke  und  des  Subduralraumes,  von 
Noetzel  534,  Gang  der  —  in  den 
Lymphbahnen,  von  Weleminski  585, 
extragenitale  — ,  von  Knauer  ....  2642 

Infektionserreger,  Aufnahme  von,  in  das 
Blut  bei  intraokularen  Infektionen, 


von  Römer  .........  .  2499 

Infektionskrankheiten,  liegen  Aende- 
rungen  im  Bilde  der  akuten  —  vor? 


von  v.  Jürgensen  299,  Bericht  über 
—  in  Frankfurt,  von  Fromm  1789,  ex¬ 
perimentelle  Diagnostik,  Serumtherapie 
und  Prophylaxe  der—,  von  Marx  1947, 
Bekämpfung  der  —  an  Bord,  von 

v-  Bunge . 2206 

Infektionsprozesse,  eitrige,  an  Hand  und 

Unterarm,  von  Kanavel . 1891 

Infektionsstoffe,  Verbreitung  von,  von 

Berghaus  ...  ; . 1093 

Influenza,  von  Ellermann  233,  — ,  von 
Allbutt  745,  Blutuntersuchungen  bei 
,  von  Carli  281,  Darmkomplikationen 

flei'  — ,  von  Siredey . 1062 

Influenzabazillus,  Darstellung  des,  von 
Ghedini  1002,  epidemiologische  Bedeu¬ 
tung  des  — ,  von  Ruhemann  1953, 
Nachweis  und  Agglutination  des  —  2149 
Influonzabazillenanämie,  von  Spät  .  .  .  1907 

Influenzaknie,  von  Franke  . !  1546 

Influenzaotitis,  Prognose  der,  von  Martin  1552 
Influenzasepsis  und  experimentelle  In- 
fluenzabazillenseptikaemie ,  von  Saat¬ 
hoff  . . 2220 

Infraspinatusreflex,  Steiners,  von  Lasarew  2196 
Inf usions versuche,  Apparat  zu,  von  Bock  2102 
I  nhalationsnarkosc,  neues  Mittel  zur,  von 
Villinger  1835,  mit  Skopolamin-Morphin 
kombinierte  — ,  von  Grimm  ....  1890 
Inhalationstherapie,  von  Saenger  ...  .  130 
Inhalations-  und  Fütterungstuberkulose, 

von  Findel .  1693 

Inhalationsversuche  nach  Bulling,  von 
Bücher  ....  u7 


Seite 

Injection ,  1’,  tracheale  simplifi^e ,  von 
Mendel  178,  subkonjunktivale  — ,  von 
Best  857,  sind  hypodermatische  —  eine 
Operation?  1560,  Wert  und  Theorie 
der  subkonj  unkti valen  — ,  von  Bailaban  2646 

Injektionstherapie,  von  Lanz . 387 

Inkarzeration  zweier  Dünndarmschlingen 
in  einem  Bruchsack,  von  Polya  .  .  586 

Innere  Krankheiten,  Lehrbuch  der  speziel¬ 
len  Pathologie  und  Therapie  der,  von 

Strümpell .  2391 

Inokulation,  bakterielle,  von  Eberts  und 

Hill .  2397 

Insekten  als  Verbreiter  von  Krankheiten, 

von  Galli-Valerio,  von  Dönitz  ....  2159 
Institute,  Ausgestaltung  der  Wiener  kli¬ 
nischen  284,  pathologisches  —  der  Uni¬ 
versität  Leipzig,  von  Marchand  531, 
Eröffnung  des  klinischen  —  in 
Mailand  748,  —  für  Krebsforschung 
1005,  psychologisches  —  1005,  hygie¬ 
nisches  —  für  das  Saargebiet  1462,  — 
für  gerichtliche  Medizin  in  Königsberg, 
von  Puppe  1840,  —  Pasteur)  503,  2556, 

—  zu  Tunis,  von  Nicolle  38,  Millionen¬ 
vermächtnis  für  das  —  1005,  25jälir. 

J ubiläum  des  Wiener  neurologischen  —  2462 
Instrumente,  modifizierte,  von  Klein  433, 
neue  — ,  von  Köhl  6?8,  —  zur  Eröff¬ 
nung  des  Bulbus  ven.  jugul.,  von  Neu¬ 
mann  1260,  neues  —  zur  Messung  der 
Conjugata  vera,  von  v.  Bylicki  .  .  .  1340 

Instrumentiertisch,  von  Grube . 2214 

Intelligenzprüfung  von  Schülern  und 

Studenten,  von  Klieneberger  ....  2295 
Internisten,  Zusammenarbeiten  zwischen, 

und  Chirurgen,  von  Kirkland  ....  2444 

Intestinallipom,  von  Hellström . 181 

Intestinaltuberkulose,  Bedeutung  der 
Milchinfektioh  für  die  Entstehung  der 
primären,  von  Fibiger  und  Jensen  .  334 

Intoxikation,  alimentäre,  im  Säuglingsalter, 
von  Finkeistein  583,  1047,  1835,  Stoff¬ 
wechsel  bei  den  alimentären  — ,  von 

Meyer . 1393 

Intranasalnaht,  von  Jankauer .  2251 

Intrauterinpessare,  von  Calmann  910,  von 

Fries  ...  ....  1610 

Intubation,  10  Jahre,  von  Reich  1047,  pero¬ 
rale — .  von  Kuhn  2064,  —  bei  Larynx- 

diphtherie,  von  Ker .  2200 

Intussuszeption,  von  Salge  41,  —  bei  Säug¬ 
lingen,  von  Fagge . 489 

Invagination  des  Ileum,  von  Kreuter  .  .  633 

Invalidenrente,  Gebühren  für  die  Aus¬ 
stellung  ärztlicher  Zeugnisse  behufs 

Bewerbung  um  die, . 1968 

Invaliden  Versicherung,  Hebung  derHygiene 
der  arbeitenden  Klassen  durch  die, 

von  Bielefeldt .  2355 

Invaliditätsversicherung,  Honorierung  der 
Atteste  für  die  2561,  2565,  2567  ff. 


Involutionspsychosen,  von  Lomer  .  .  .  279 
Inzision,  vaginale,  von  Fraenkel  ....  2394 
Jod,  Verhältnis  des,  zur  Schilddrüse,  von 

Hunt . 2155 

Jodalkoholkatgut,  von  Riddell . 1651 

J  od-Benzin-Desinfektion,  vonHeusnerl296, 

von  Enderlen . 1373 

Jodfersan,  von  Herling . 2310 

Jodglidine,  von  Boruttau . !  ]  1954 

Jodkaliverabreichung,  Aorten  Veränderungen 

nach  subkutaner,  von  Hedinger  und 

Loeb . 1445 

Jolkatgut  in  der  Bauchchirurgie,  von 

B°vee . 2398 

Jodoform,,  von  Eisenberg  568,  von  Pior- 

kowski . 1093 

Jodopyrin,  von  Haink . 19s 

Jodverteilung  nach  Einfuhr  verschiedener 
Jodverbindungen,  von  Loeb  ....  1445 
Jothion,  von  Richter  1806,  —  in  der  Gynä¬ 
kologie,  von  Neuwirth . 1143 

Journal,  the  British,  of  Tuberculosis  149, 

.  the  Quarterly  —  of  Medicine  .  .  .  .2511 
Iridektomie,  präparatorische,  von  Novon 
1147, —  bei  Glaukom,  von  Henderson  1908 


Seite 

Iridozyklitis,  von  Kraus  1849,  von  Cross 

1907,  —  tuberculosa,  von  Apetz  .  .  .  1013 
Iris,  umschriebener  Schwund  im  kleinen 
Kreis  der,  von  Hirschberg  1697,  —  und 
geheilte  Hirntuberkulose,  von  Schuh¬ 


macher  . 1060 

Iritis,  Heilung  der,  und  Iridozyklitis,  von 

Fukala .  2031 

Irrenärztetag,  österreichischer, . 2015 


Irrenanstalten,  staatliche,  für  Verbrecher, 

284,  Entlassung  geisteskranker  Rechts¬ 
brecher  aus  —  von  v.  Kunowski  894, 

Wärter  der  —  und  tuberkulöse  An¬ 
steckung,  von  Marie  und  Rollet  947, 
Typhusbazillenträger  in  — ,  von  Nieter  1622  - 
Irrengesetz  und  Transport  der  Irren  in 


Oesterreich . 587 

Irrenklinik  in  Breslau .  2446 


Irresein,  Symptomatologie  des  epilep¬ 
tischen,  von  Raecke  278,  induziertes  — , 
von  Ast  382,  manisch-depressives  — . 
und  Arteriosklerose,  von  Albrecht  431, 
hysterisches  — ,  von  Raecke  585. 

Irrsinn  im  Wochenbett,  von  Rigden  386, Ur¬ 
sachen  und  Zunahme  des — , von  Savage  1449 

Irrtum,  folgenschwerer .  54 

Ischias,  durch  Retroflexio  uteri  bedingte 
echte, von  Offergeld  36,  subkutane  Sauer¬ 
stoffeinblasungen  bei  — ,  von  Massa- 
longo  und  Danio  281,  Behandlung  der 
chronischen  —  und  anderer  Neuritiden, 
von  Webb  688,  Behandlung  der  — , 
von  Schmidt  1003,  Erfahrungen  über 
— ,  von  Schultze  1338,  Behandlung 
der  —  mit  Kochsalzinjektionen,  von  Hay 
1894,  Körperhaltung  bei  der  — ,  von 
Minervi  und  de  Sanctis  1954,  Behand¬ 
lung  der  — •  mit  /S-Eukaininjektionen, 
von  Gallatia  2440,  Infiltrationsbehand¬ 
lung  der  — ,  von  Bum  2554,  Röntgen¬ 
behandlung  der  — ,  von  Freund  .  .  .  2647 
Ischiadikus,  Dehnungslähmung  des  — , 

von  Bittorff . 1003 

Isoformintoxikationen,  von  Urbantschitsch  586 
Isoformzahnpaste,  von  Siebert  ...  .  433 

Italien,  Bäder  und  Quellen  von,  ....  1400 
Jürgensen  Tb.  von  f,  von  Dennig  .  .  .  1335 
Jugendspiele  an  den  Mittelschulen,  von 

Vogt  . .  2435 

Jute  und  ihre  Samen,  von  Kobert  .  .  .  1143 

K. 

Käse,  Vergiftung  durch,  von  Federschmidt  1687 
Kaffee  s.  a.  Nikotin. 

Kaffeefrage,  von  Loeb . 2101 

Kahnbein,  Bruch  des,  von  Castruccio  .  .  845 

Kaiserin-Friedrich-Haus .  1967,  2510 

Kaiserschnitt  s.  a  Sectio. 

Kaiserschnitt,  von  Wallace  1397,  von 
Zacharias  1408,  von  Brink  1824, 

3  vaginale  — ,  von  Herz  628,  von  Döder- 
lein  2553,  vaginaler  — ,  von  Büttner 
945,  —  an  der  Toten,  von  Döderlein 
963,  von  v.  Seuffert  2049,  Bossi-,  Dührs- 
sen-  und  klassischer  — ,  von  v.  Keyser- 
lingk  1395,  —  nach  Frank,  von  Veit 
1610,  drei  —  aus  relativer  Indikation, 
von  Seiffart  1648,  wiederholter  — ,  bei 
Ruptur  der  Uterusnarbe,  von  Schneider 
2038,  4  —  aus  seltener  Indikation,  von 


Wyder  2049,  —  bei  Infektion  der  Ei- 

•  höhle,  von  Veit .  2244 

Kakao  in  der  Ernährung  der  Kinder,  von 
Variot  446,  Ausnutzung  der  Nahrung 
bei  — ,  von  Gerlach  446,  Ausnutzung 

des  — ,  von  Pincussohn . 1645 

Kakaofrage,  von  Pincussohn . 845 

Kala-azar,  von  Fülleborn  442,  898,  — ,  von 

Rogers  1399,  von  Martini . 1745 

Kalender  für  1908  .  2634 

Kali  chloricum -Vergiftung,  von  Wino- 

gradow .  2441 

Kaliumsalze,  Wirkung  der,  bei  Tetanie, 
Spasmus  glottidis,  Konvulsionen,  von 
Netter  1108,  —  bei  Pneumonie  und 
Herzkrankheiten,  von  Brunton  .  .  .  1449 


j 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


t 


XLIX 


Seite 

Kalkaneus,  Fraktur  des  Epiphysenkerns 

des,  von  Haglund . 1046 

Kalkumsatz,  Einfluss  der  organischen 
Nahrungskomponenten  auf  den,  künst¬ 
lich  ernährter  Säuglinge,  von  Rothberg  1836 

Kallusbildung,  von  Sommer . 1 1 39 

Kalluszysten,  von  Frangenheim  ....  2195 
Kamasutram  oder  die  indische  Liebes- 

kunst,  von  Schmidt . 1790 

Kammer,  veränderte  Zusammensetzung 

der  1.,  in  Sachsen .  2359 

Kampfesweise,  unfaire . 150 

Kanalisationswässer,  Reinigung  der,  von 
Bad  Harzburg,  von  Löffler  und  Kerp  .  1297 
Kaninchenhornhautsyphilis,  von  Mühlens  1603 
Kaninchensyphilis,  von  Uhthoff  ....  1903 
Kanlcroide,  heterologe,  von  Herxheimer  .  1341 
Kan thariden, Wirkung  der,  von  Kowalewski  849 
Karbolgangrän,  von  Wallace  1894,  Ver¬ 
hütung  der  — ,  von  Möckel .  53 

Kardiolysis,  von  Umber  und  König  1153, 
Technik  der  — ,  von  König  1602, 

von  Blauel . 1891 

Karlsbader  Kur  für  Gallensteinkranke, 

von  Fink . • . 1745 

Karotisunterbindung,  Gefahren  der,  von 

Wieting  .  .  • . 2195 

Karunkel,  Papillom  der,  von  Wagenmann  911 
Karzinom  s.  a.  Epithelkrebs,  Eierstock, 
Epidermiskarz.,  Geschwülste,  Haut¬ 
krebs,  Mänsekarz.,  Magenkarz.,  Mamrna- 
karz.,  Ovarialkarz.,  Pleura,  Prostatakarz., 
Rattenkarz.,  Scheidenkrebs,  Trypsin, 
Uterus,  Zoekum. 

Karzinom,  von  Lancereaux  243,  — ,  von 
le  Dentu  445,  — ,  von  Merkel  756,  von 
Müller  1203,  —  des  schwangeren  Uterus, 
von  Veit  543,  —  der  Zervix  und  der 
Vagina,  von  Veit  543,  — ,  Heilung  eines 

—  durch  Sonnenlicht,  von  Widmer 
619,  Fieber  bei  — ,  von  Alexander  335, 
von  Fromme  801,  atypische  Epithel¬ 
wucherungen  mit  — ,  von  Stahr  1 1 78, 
Magenresektion  wegen  — ,  von  Leriche 
1498,  Behandlung  des  —  mit  Hoch¬ 
frequenz  und  hochgespannten  Strömen, 
von  DeKeating  Heart  1804,  serologische 
Untersuchungen  bei  — ,  von  Kelling 
2114,  branchiogenes  — ,  von  Dürck 
2165,  Pankreatin  bei  — ,  von  Hoffmann 
2277,  Endresultate  bei  —  der  Brust,  von 
Ochsner  2398,  gleichzeitiges  —  des 
Magens,  der  Ovarien  und  des  Uterus, 
von  Schenk  und  Sitzenfrey  2439, 
Kombination  von  — ,  diffusem  Adenom 
und  Tuberkulose,  von  Schütze  2439, 

—  des  Korpus  uteri,  von  Lauwers  2415, 

—  des  Stimmbandes,  von  Neck  2451, 

—  laryngis,  von  Dreesmann  2507,  — 
der  Flexura  sigmoidea,  von  Brunner, 

2539,  primäres  —  der  weiblichen  Harn¬ 


röhre,  von  Karaki .  2539 

Karzinomfrage,  von  Hallopeau  51,  — ,  von 
Hofbauer . 2148 


Karzinommäuse,  von  Liepmann  ....  1345 
Karzinommetastasen  in  der  Kopfhaut,  von 

Danielsen . 698 

Karzinomzellen,  diffusse  Verbreitung  von, 

in  den  Meningen,  von  Marchand  .  .  637 
Karzinose,  osteoplastische,  von  Assmann  945 

Kaseingärungen,  von  Rodella . 183 

Kastration  s.  a.  Entmannung. 

Kastration,  Einfluss  der,  auf  die  Thyre¬ 
oidea,  von  Parhon  und  Goldstein  .  .  586 
Katarakt  s.  a  Cataracta,  Linse,  Star. 

Katarakt  und  Zahnaffektionen,  von  Wibo  283 


Kataraktextraktion,  von  Roper . 19u8 

Katatonie,  Aetiologie  und  Symptomatologie 

der,  von  Pfister . 382 

Katheter  mit  Bügelhahn,  von  Dedolph  894, 
Sterilisierung  der  elastischen  — ,  mit 

Formaldehyd,  von  Cecca . 1003 

Katheterdampfsterilisator,  von  Block  .  583 

Katheterisator,  aseptischer,  von  Markus  1284 
Katheter-  und  Zystoskop-Sterilisator,  von 

Weiss . •  .  .  .  1497 


Seite 

Katgut  s.  a.  Benzin-Jodkatgut,  Jodalkohol- 
katgut,  Sterilkatgut. 

Katgut,  steril  vom  Schlachttiere,  von  Kuhn 

und  Rössler  1646,  Kumol - oderJod- 

katgut?,  von  v  Herff . 2196 

Kavo  Peritoneo-Zellulo-Fibroplastie,  von 

Jianu  . . 1095 

Kavaresektion  von  Draudt . 1393 

Kefir,  Tuberkelbazillen  und  Typhusbazillen 

im,  von  ten  Sande . 1958 

Kehlkopf  s.  a.  Sängerkehlkopf. 

Kehlkopf,  Intubationsstenose  des,  von 
Franck  36,  regionäre  Anästhesierung 
des  — ,  von  Frey  96,  Papillom  des  — , 
von  Barth  643,  Totalexstirpation  des 
— ,  von  Barth  643,  Operationen  wegen 
Krebs  des  — ,  von  Chiari  1293,  mul¬ 
tiple  Papillome  des  — ,  von  Baumgarten  1293 
Kehlkopffraktur  durch  Hufschlag ,  von 

Bischoff .  643 

Kehlkopfkarzinom,  Diagnose  und  Therapie 

des  —  von  Semon .  712 

Kehlkopfkarzinommetastasen,  von  Schmidt  1098 
Kehlkopfkrankheiten,  Grundriss  der,  von 

Grünwald . 482 

Kehlkopfkrebs,  von  Gugenheim  641 ,  Total¬ 
exstirpation  wegen  —  von  Göschei  591, 
operierter  — ,  von  Avellis  692,  —  und 
dessen  operative  Behandlung ,  von 
Wolko witsch  2195,  —  Aetiologie  und 
Pathogenese  des  — ,  von  Martin  .  .  .  2297 
Kehlkopflähmungen,  toxische,  von  Seifert  15U0 
Kehlkopfluftsäcke  beim  Menschen,  von 


Avellis . 1500 

Kehlkopfnerven,  Reizzustand  der,  von 

Bönninghaus .  96 

Kehlkopfoedem,  Aetiologie  des,  von  Hey¬ 
mann  und  Mayer . 1294 

Kehlkopfspiegel  s.  a.  Tröpfchenver- 
streuung. 

Kehlkopfstenosen,  operative  Behandlung 

der,  von  Wendel . 362 

Keblkopftuberkulose ,  Schweigetherapie 


bei  der,  von  Lublinski  35,  Therapie  der 
— ,  von  Grünwald  330,  Bedeutung  der 
—  für  die  Behandlung  der  Lungen¬ 
tuberkulose,  von  Burger  1293,  Behand¬ 


lung  der  — ,  von  Körner  ......  1850 

Kehlkopfzungenpräparat,  von  Salge  ...  41 

Kehrer  F.  A  ,  von  Heil . 328 

Keilbeineiterung,  Meningitis  bei  akuter, 

von  Avellis  . 1750 

Keilbeinhöhlenempyem,  Meningitis  bei, 
von  Kander . 1750 


Keilbeinluxationen,  von  Haffner  ....  429 
Keime,  wie  schützt  sich  der  tierische  Orga¬ 
nismus  gegen  das  Eindringen  von, 
vom  Magendarmkanal  aus?  von  Uffen- 


heimer .  981 

Kenotoxin,  von  Weichardt . 1 9 1 4 

Kephaldol,  von  Einhorn . 1568 

Kephalothorakopagen  und  Thorakopagen 

von  Schwalbe . 1611 

Keratitis,  knötchenförmige,  von  Schmidt- 


Rimpier  140,  traumatische  Entstehung 
der  parenchymatosa  — ,  von  Schmidt- 
Rimpier  755,  Aetiologie  der  kcöt chen- 
förmigen  — ,  von  Wehrli  1902,  —  paren¬ 
chymatosa,  von  Kraus  .  ....  1849 

Keratösis,  Pathologie  der,  pharyngis,  von 


Hamm  und  Torhorst . 1797 

Kerner  Theobald,  von  Köhler . 1739 

Kerner,  Anton,  von  Marilaun  als  Medi¬ 
ziner,  von  Kronfeld .  2348 

Kernerhaus . 550 

Kernikterus,  von  Beneke  1506,  —  der  Neu¬ 
geborenen,  von  Beneke .  2023 


Kernsäule,  Erkrankungen  der  moto¬ 
rischen,  von  Goldstein  .  .  •  .  .  .  .  1001 
Keuchhusten,  von  Sonnenschein  1550, 
nervöse  Komplikationen  und  Nach¬ 
krankheiten  des  — ,  von  Neurath  90, 
Erblindung,  Vertaubung  und  Idiotie 
nach  — ,  von  Baginsky  147 ,  Stoff¬ 
wechselversuche  an  —  kranken  Kin¬ 
dern,  von  Bruck  und  Wedell  1048,  Er- 


Seite 

reger  des  — ,  von  Bordet  und  Gengou 
1747,  Behandlung  des  — ,  von  Reyher  2509 
Kiefer,  unilokuläre  Zysten  der,  von  Broca 

und  Dupont  . 948 

Kieferhöhle,  Nachbehandlung  der  aufge- 
meisselten,  bei  chron.  Sinuitis,  von 
Kretschmann  1275,  Spülung  der  — ,  vom 
mittleren  Nasengange  aus,  von  Gross- 

kopff . 1441 

Kieferhöhleneiterung. Radikaloperation  der 

chronischen,  von  Bücher  97,  von  Nager  746 
Kieferhöhlenempyem,  Behandlung  des 
chronischen,  von  Kretschmann  697, 
von  Frey  2232,  Spontanheilung  der  — , 
von  Onodi  1294,  Radikaloperation  des 
chronischen  — ,  von  Denker  1501, 
Operationsmethode  der  — ,  von  Engel¬ 


mann  .  2506 

Kieferhöhlenentzündung,  Behandlung  der, 

von  Furet .  97 


Kieferhöhlen-,  Siebbein-  und  Stirnhöhlen¬ 
erkrankungen,  Röntgenverfahren  zur 
Diagnose  der,  von  Wassermann  .  .  .  1260 
Kiefermissbildungen  durch  den  Gebrauch 

der  Saugflasche,  von  Pedley  ....  40 

Kiefersarkom,  von  Fairbank . 1908 

Kiefertumoren,  Pathologie  und  Behand¬ 
lung  der,  von  Eve  2219,  maligne  — 
und  Genickstumoren,  von  Rehn  .  .  2303 
Kiemen,  funktionelle  Anpassung  der 
äusseren,  beim  Sauerstoffmangel,  von 


Bubek  . 1957 

Killian  Joh.  August  f . 127 


Killiansche  Kanüle  zur  Spülung  der  Kiefer¬ 
höhle  von  Grosskopf . 1441 

Kindbettfieber,  Begriff  und  Meldepflicht 
des,  seitens  der  Hebamme,  von  Polen, 

1201,  der  Begriff  —  und  die  damit  zu¬ 
sammenhängende  Anzeigepflicht,  von 

v.  Herff  .  • .  .  2224 

Kindbettfiebersterblichkeit,  wie  ist  der  zu¬ 
nehmenden,  zu  steuern?  von  v.  Herff  1017 
Kinder,  leicht  abnorme,  von  Thoma  230, 
unehliche  — ,  von  B  Ihmert  234,  Lebens¬ 
bedingungen  und  Schicksale  der  un¬ 
ehelichen  — ,  von  Spann  234,  Adoption 
unehelicher  —  von  Marcuse  334,  Stu¬ 
dium  des  tauben  — ,  von  Love  336, 
Irrtümer  in  der  Diät  und  Hygiene  der—, 
Voelcker6*9,  Nabrungsbedarf  debiler  — , 
von  Oppenheimer  144  >,  mikrozephales 
— ,  von  Petersen  1555,  Popularisierung 
der  Hygiene  des  — ,  2059,  soziale  Für¬ 
sorge  für  geistig  abnorme  — ,  von 
Fürstenheim  2303,  Wiederbelebung  der 
scheintotgeborenen  — ,  von  Weir  2396, 
Messungen  des  —  in  utero,  von  Mc 

Donald . 2612 

Kinderärzte,  Versammlung  von  702,  Ver¬ 
einigungen  niederrheinisch-westfäli- 
scher  und  südwestdeutscher  — ,  759, 
Vereinigung  südwestdeutscher  —  2359, 

—  in  Breslau .  2446 

Kinderambulatorien,  Prophylaxe  der  In¬ 
fektionen  in  den  Warteräumen  der, 

von  Fromm .  75 

Kinderdiarrhöe,  Trockenkost  bei,  von 


,  Gallois  ....  2458 

Kindereklampsie,  Methylatropin,  brom.  bei, 

von  Boesl . 1825 

Kinderernährung,  rationelle,  von  Klose  .  4ö3 

Kindergehirn,  Kalk,  Phosphor  u.  Stickstoff 
im,  von  Cohn .  2496 


Kinderheilkunde,  Handbuch  der,  von 
Pfaundler  und  Schlossmann  30,  Lehr¬ 
buch  der  — ,  von  Heubner . 130 

Kinderheilstätten,  von  Landgraff  .  .  .  1149 
Kinderlähmung,  akute,  von  Lundgren  .  233 

Kindermilch,  Sterilisation  von  —  vermittels 
Wasserstoffsuperoxyd,  von  Bie  2250, 
Herstellung  tadelloser  — ,  von  Weber  2302 
Kinderpsychosen,  von  Gottgetreu  .  .  .  279 

Kinderspitäler,  Isolierung  und  Kontakt¬ 
verhütung  in,  von  Escherich  ....  1648 
Kindersterblichkeit,  Legat  zur  Bekämpfung 
der,  in  München  199,  —  in  Bayern, 


7 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


von  Grassl334,  —  und  Milch  Versorgung, 

von  Kenwood . 1853 

Kindertrinkflasche,  Geschichte  der,  von 

Brüning . 2210 

Kindertuberkulose,  hygienisch-diätetische 
Behandlung  der,  von  Brunon  ....  445 
Kinderwagen,  Schlittengestell  für  einen, 

von  Nerlich . 373 

Kindesalter,  Enteritis  und  Appendizitis  im, 

V0I1  Gu*non  38,  Enterokolitis  und  Ade¬ 
noiditis  im  — ,  von  Boux  und  Jusserand 
38,  Hüftgelenktuberkulose  im  — ,  von 
Sinding  232,  maligne  Tumoren  im  — , 
von  Oshima  280,  Tuberkulose  im  — , 
von  Wohlwill  287.  unreine  Herztöne  iin 


Seite 


ohlwill  287,  unreine  Herztöne  im 
,  von  Neumann  360,  Hydatiden zysten 
dos  Gehirns  im  — ,  von  Babonneix 
488,  Phosphorernährung  und  -Therapie 
jm  — >  von  Manchot  553,  Leberzirrhose 
im  — ,  von  Bingel  1047,  Larynxpapillome 
im  — ,  von  Zuppinger  1061,  idiopathi¬ 
sche  Herzhypertrophie  im  — ,  von 
Hochsinger  1061,  Eigentümlichkeiten 
des  — ,  von  Gundobin  1395,  akute 
Leukämien  des  — ,  von  Benjamin  und 
Sluka  1648,  Hautblutungen  im  — ,  von 
Hecht  1648,  der  Alkohol  im  — ,  von 
Brunon  1508,  akute  Darminvagination 
im  — ,von  Klemm  1546,  plötzliche  Todes¬ 
fälle  im  — ,  Leers  1840,  Tuberkulin¬ 
behandlung  im  — ,  von  Rivi&re  1851, 
Tuberkuloseinfektion  im  — ,  von  Ham¬ 
burger  1893,  Hernien  im  — ,  von  Olven 
1895,  Zystitis  im  — ,  von  Valagassa 
1955,  Verhalten  des  Knochenmarks  bei 
Erkrankungen  des  —  von  Lossen  1961, 
Sarkome  der  Scheide  im  — ,  von  Amann 
2049,  Pneumokokkenperitonitis  im  — , 
von  v.  Koos  2049,  Epilepsie  im  — ,  von 
Aschaffenburg  2049,  zystische  Echino¬ 
kokkenkrankheit  im  — ,  von  Klose 
2049,  Anämie  im  — ,  von  Simon  2052, 
tetanoide  Zustände  des  — ,  von  Esche- 
rich  2008,  2073,  Darminvaginationen 
>  von  Hansen  2194,  Pneumonien 
im  — ,  von  Murray  2249,  Osteopsathy- 
rosis  im  -,  von  Peiser  2257,  Hirn¬ 
tuberkel  im  — ,  von  Zappert  2258, 
Harnverhaltung  im  — ,  von  Blum  .  !  2613 
Kindesschrei,  intrauteriner,  von  Bummj 
583,  — ,  von  Richter  1047,  von  Tauffei  1047 
Kindheit,  Bubis  erste,  von  E.  und  G 

.  Scupin  .  . . ’  2194 

Kinematographie  in  der  Neurologie,  von 


Reicher 


2156 


1840 

2254 


Kissingen  2263,  ärztliche  Besichtigung 
leise  nach  den  Kgl.  Bädern  Kissingen 
und  Brückenau,  von  Grassmann  .  .  1356 
Kläranlage,  Gnesener,  von  Hammerschmidt  2246 
Kleiderschüsse,  forensische  Beurteilung 

von,  von  Seifert . 

Kleidung  in  den  TropeD,  von  Sa’mbo’n  ! 
Kleinhirn,  Gewicht  des  menschlichen,  von 
Reichardt  382,  Funktionen  des  —  von 
Saenger  1306,  Anatomie  des  — ,  von 
Saenger  1347,  seröse  Zyste  und  partiel¬ 
ler  Defekt  des,  von  Henschen  1494, 
Jacksons  Ansichten  über  die  Tätigkeit 
des  -,  von  Horsley  1651,  Bau  und 
1  unktion  des  — ,  von  Langdaan  2054, 
Margeritom  des  Oberwurmes  des  — * 

von  Dürck . 

Kleinhirnbrücken winkel, .  operierte  Ge¬ 
schwülste  am,  von  Oppenheim  und 
Borchardt  1548 

Kleinhirngeschwülste  im  Kindesalter'  von 
Winocouroff  1296,  Diagnose  der  — 

von  Homburger .  *  1553 

Kleinhirntonsillen,  Verdrängung  der,  in  die 
Rückgratshöhlen,  von  Dürck  .  .  .  .2164 

Kleinhirnzysten,  Diagnostik  und  chirur¬ 
gische  Behandlung  der,  von  Auerbach 

und  Grossmann .  2194 

Klimakterium,  Hydrotherapie  bei,  *  von 

Zweig .  62? 

lvlimamessungen,  von  Tyler  .  *  2254 

Klimatische  Faktoren,  Wirkung  der^  auf 


2164 


den  Menschen,  von  Reichenbach  und 

Heymann . 1393 

Klinik,  chirurgische,  in  Algier,  von  Vin¬ 
cent  38,  neuer  Pavillon  der  Tübinger 
medizinischen  — ,  von  Romberg  1309, 
Neubau  der  Würzburger  —  .  ...  2067 

Klinizisten,  Vereinigung  der,  in  Göttingen  2510 
Klosetts  in  den  Eisenbabnzügen  ....  1968 
Klumpfuss,  neues  blutiges  Operations ver¬ 
fahren  bei,  von  Bade  1497,  Resultate 
der  Kalkaneusplastik  bei  — ,  von  Motta 
1743,  Instrument  zur  Anlegung  des 
Gipsverbandes  bei  — ,  von  Kopitz  1743, 
Behandlung  des  — ,  von  Schultze  .  .  1891 
Klumphand,  angeborene,  von  Haudek  .  232 
Knallquecksilberfabrikation  und  ihre  Ge¬ 
fahren,  von  Klocke . 627 

Kneifer,  orthozenl rische,  von  Feilchenfeld  36 
Kniegelenk  s.  a.  Sauerstoffeinblasung. 
Kniegelenk,  Todesfall  bei  Sauerstoffin- 
sufflation  des,  von  Jacobsohn  749, 
Bedeutung  des  Hilfsapparates  bei  Ver¬ 
letzungen  des  — ,  von  Wedensky  739, 
Fibrom  des  — ,  von  v.  Brunn  430, 
Fibrosarkom  des  von  v.  Brunn 
963,  Exostosen  im  — ,  von  Riedinger 
1547,  Derangement  im  — ,  von  König 
1792,  Dauererfolge  der  operativen 
Behandlung  der  Meniskusluxationen 
des  — ,  von  Martina  1792,  Fettgewebs¬ 
wucherung  im  — ,  von  Löhrer  2492, 
Anatomie  des  —  im  Röntgenbild,  von 

Wollenberg . 2611 

Kniegelenksluxation,  angeborene,  von 

Kofmann . 1891 

Kniegelenksresektion,  Verlagerung  des 
M.  sartorius  bei,  von  Kofmann  .  .  .  998 
Kniegelenks  Verkrümmung,  blutige  Behand¬ 
lung  hochgradiger,  von  Werndorff  .  . 
Kniekehlengefässe,  Zerreissung  der,  von 

Graf . 

Kniephänomen,  Methoden  der  Verstärkung 
des,  von  Rosenbach  72,  Fixierung  der 
Intensitätsgrade  des  — ,  von  Pick  .  . 
Kniescheibe,  Refrakturen  der,  von  Bernabai  1954 

Kniesehnenreflex,  von  Scheven . 2105 

Knochen  s.  a.  Röhrenknochen. 
Knochenaffektionen,  Röntgenoskopie  von, 
hereditär  luetischer  Säuglinge,  von 

Reinach . 133 

Knochenbruch  s.  a.  Bruch,  Röntgendia¬ 
gnostik,  Vorderarmbruch. 

Knochenbrüche  bei  Tabes,  von  Baum  .  .  1951 
Knochenerkrankungen,  funktionelle  Re¬ 
sultate  der  Behandlung  der  tuberku¬ 
lösen,  und  Gelenkerkrankungen,  von 

Chlumsky . .  g83 

Knochenerweichung,  von  Joachimsthai  .  2259 

Knochenhöhlen,  Füllung  der,  mit  Wallrat¬ 
gemisch,  von  Kotzenberg . 

Knochenmark,  Amyloidtumor  des,  von 
Hedren  1494,  Verhalten  des  — ,  bei 
verschiedenen  Erkrankungen  des  Kin¬ 
desalters,  von  Lossen . 1961 

Knochensarkom  bei  jungen  Kindern,  von 

Rawling . 1444 

Knochensyphilis  im  Röntgenbild,  von 

Hahn  und  Deycke-Pascha . 1491 

Knochen transplantation,  von  Tomita  .  .  2195 

Knochen-  und  Gelenktuberkulose,  Hyper¬ 
ämiebehandlung  der,  von  Deutsch¬ 
länder  . 

Knochenverdickungen,  differentielle’  Dia¬ 
gnose  der,  von  Reitter . 

Knochenverkrümmungen  bei  Idioten,  von 

Liebers .  39g 

Knochenverletzungen,  von  Gerlach  .  .*  .  1802 
Knochenzysten,  von  Tietze  228,  — ,  von 
Rumpel  1507,  —  und  Ostitis  fibrosa, 
von  v.  Haberer  1046,  von  Gaugele  1889, 

Genese  und  Therapie  der  — .  von 

Pfeiffer .  1092 

Knöchelbrüche,  Prognose  der  doppel 

seifigen,  von  Chaput . 

Knötchenlunge,  von  Uffenheimer  .  . 
Knorpelfuge,  Spontanlösung  der  ypsilon 
lörmigen,  von  Frangenheim  ,  . 


2611 

2195 


1249 


905 


721 

384 


243 

1492 


1600 


Seite 

Knorpelnekrose,  von  Martina . 1889 

Knorpelplatten,  Ueberpflanzung  von,  von 

Weglowsky . c1141 

Koagulometer,  von  Buckmaster  f  .  .  2202 

Koch  R.  .  .  . .  ;  2168 

Kochs  Rückkehr  aus  Ostafrika  ....  2359 
Koch-Stiftung,  zur  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  .  .  2407 

Kochkurse,  diätetische,  von  Martin  .  .  .2101 
Kochsalz,  Einfluss  des,  auf  die  arterio¬ 
sklerotische  Hypertonie,  von  Bayer  .  1603 
Kochsalzsterilieationsapparat,  neuer,  von 

Becker . jggi 

Kochsalzstoftwechsel,  von  Bittorf  u.  Joch- 

mann  ...  .  _  397 

Körpergewichtsverhältnisse  bei  Typhus  u. 

Pneumonie,  von  Klier . 1095 

Körperteil,  operativ  entfernter . 702 

Körperverletzung,  fahrlässige  ......  246 

Koffein,  Angewöhnung  des,  von  Goure- 

witsch . 2102 

Kohabitationshindernis,  von  Kuntzsch’  .  2394 

Kohlehydrate,  Oxydationswege  der,  von 

Rosenfeld .  2003 

Kohlehydraturie  bei  Alkoholdelir,  von 

Kauffmann  . 2185 

Kohlenoxyd,  Aufnahme  des,  durch  das 
Nervensystem,  von  Hoke  584,  Spät¬ 
wirkung  u.  Nachwirkung  des  einge¬ 
atmeten  — ,  von  Lewin .  2247 

Kohlenoxydhämoglobin,  spektroskopischer 
Nachweis  von,  im  Blut,  von  Kurpjuweit  2246 
Kohlenoxydvergiftung,  von  Wachholz  .  .  1841 
Kohlensäurebäder  bei  Herzkranken,  von 

Tiedemann  n.  Lund . .  2392 

Kokain,  örtliche  Wirkung  von,  Novokain, 

Alypin  u.  Stovain  auf  motorische 
Nervenstämme,  von  Läwen  485,  Lokal¬ 
wirkung  von  —  u.  Stovain,  von  San- 

tesson . . 

Kokainvergiftung,  schwerste,  von  Neuen- 

,1?orn . 1653 

Kohagglutinine,  von  Klieneberger  .  .  .  1492 

Koliinfektionen,  von  Fehling . 1313 

Kolitis,  infiltrierende,  u.  Sigmoiditis,  von 
Rosenheim  627,  akute  —  u.  ulzerative 

— ,  von  Phillipps  ...  • .  2249 

Kolityphusgruppe  in  ihren  Beziehungen  zu 
den  Erkrankungen  der  Gallenwege, 

von  Blumenthal . 795 

Kolizystitis  u.  ihre  Komplikationen  bei 

Säuglingen,  von  Moll .  2542 

Kollargol,  Anwendung  des,  bei  Infektionen, 
von  Cohn  1096,  —  bei  puerperalen  In¬ 
fektionen,  von  Cealic  1096,  —  u.  seine 
Anwendung  bei  Obren-,  Nasen-  u.  Hals¬ 
erkrankungen,  von  Friedmann  .  .  .  2034 
Kollargolinjektionen  s.  a.  Leukozyten. 
Kollargolinjektionen,  Verhalten  der  Leuko¬ 
zyten  bei  intravenösen,  von  Dünger  .  1799 
Kolloide  Degeneration  der  Haut,  von  Sau¬ 
deck  . 

Kollum,  gewaltsame  Erweiterung  des,  u. 
die  rasche  Extraktion  des  Fötus,  von 

Georghiu . 

Kolon,  idiopathische  Dilatation  des,  von 
Schreiber  1247,  idiopathische  Er¬ 
weiterung  des  — ,  von  Hawkins  1399, 
Entzündungen  in  der  Umgebung  des  — , 

von  Newton .  .  .  ,  1650 

Kolonien ,  Gesundheitsverhältnisse  der 
deutschen,  in  statistischer  Betrachtung, 
von  Roesle  1386,  Durchimpfung  der 
Eingeborenen  in  den  — ,  von  Zie- 

mann .  2206 

Kolonisation  in  der  Heimat,  von  Gruber  2058 
Kolostrum,  von  Hohlfeld  1845,  Resorption 

des  — ,  von  Langer . -.2116 

Kolpektomie  nach  P.  Müller,  von  Jaeggy  2440 
Kolpitis  emphysematosa,  von  Zacharias  1701 
Kombinationsileus,  von  Klauber  ....  1986 
Komplementablenkung,  von  Rose  1957, 
forensischer  Wert  des  Neisser-Sachs- 
schen  Verfahrens  der  — ,  von  Schütze 
35,  —  u.  Bluteiweissdifferenzierung, 
von  Uhlenhuth  36,  —  durch  Serum  u. 

Organe,  von  Ranzi  37,  Nachweis  von 


849 


587 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


LI 


Seite 

Antikörpern  mittels  — ,  von  Eitner  37, 
Verwendbarkeit  des  Phänomens  der  — , 
zur  Differenzierung  von  Kapselbazillen, 

von  Ballner  u.  Reibmayr . 601 

Komplementablenkungsmethode ,  Lei¬ 
stungsfähigkeit  der,  von  Posner  .  .  .  1309 
Komplementablenkungsverfahren ,  Wert 
des,  in  der  bakteriologischen  Dia¬ 


gnostik,  von  Moreschi . 1907 

Komplementbildung,  forensische  Verwert¬ 
barkeit  der,  von  Bruck .  2441 

Komplementbildungsreaktionen  mit  dem 
Serum  von  Dourinetieren,  von  Land¬ 
steiner,  Müller  und  Pötzl .  2442 

Komplementbindung,  von  Seligmann  1745, 

—  beim  Nachweis  spezifischer  Stoffe, 
von  Heller  u.  Tomarkin . 1094 


Komplementbindungsversuche  bei  infek¬ 
tiösen  und  postinfektiösen  Krankheiten 
(Tabes,  Paralyse  usw.)  von  Citron  1203,  1305 
Komplemente,  Haltbarmachung  der,  von 

Friedberger . . 2197 

Komplementfixation,  von  Schütze  .  .  .  1396 
Komplementverankerung,  Nachweis  lu¬ 
etischer  Substanzen  durch,  von  Wasser¬ 
mann,  Neisser,  Bruck  u.  Schucht  .  .  333 
Kompressen,  Verhütung  des  Zurücklassens 
von,  in  der  Bauchhöhle,  von  Wechs- 
berg  685,  von  Wederhake  ...  •  .  .  1794 
Kompression,  plötzliche,  des  Brustkorbes 


u.  Abdomens,  von  Ettinger . 1192 

Kondylome,  Kontagiosität  der  spitzen,  von 

Neuberg . 1837 

Konferenz  der  Vereine  vom  Roten  Kreuz  448 
Konflikt  zwischen  Assistenzärzten  u.  Ma¬ 
gistrat  in  Berlin . 447 

Kongresse  s.  a  Teil  IV. 


Kongress,  36.  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Chirurgie  303,  3.  —  der  Deutschen 
Röntgen  gesellschaft  304,  647,  28.  Bal- 
neologen —  304,  3.  —  der  Deutschen 
Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der 
Geschlechtskrankheiten  304,  24.  —  für 
innere  Medizin  54,  25.  —  für  innere 
Medizin  zu  Wien  2625, 7.  internationaler 
Physiologen-  —  zu  Heidelberg  199, 

6.  —  der  deutschen  Gesellschaft  für 
orthopädische  Chirurgie  247,  6.  inter¬ 
nationaler  Dermatologen -  247,  inter¬ 

nationaler  —  für  Hygiene  und  Demo¬ 
graphie  247,  593,  594,  1064,  1311,  1615, 

1662,  1.  —  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Urologie  400, 1415,  internationaler — 
für  Psychiatrie  448,  —  der  französischen 
Aerzte  551,  594,  12,  —  der  Deutschen 
Gesellschaft  für  Gynäkologie  594, 

16.  internationaler  medizinischer  —  in 
Ofen  Pest  647,  1064,  17.  französischer 

—  der  Irrenärzte  und  Neurologen  702, 

—  für  Physiotherapie  816,  25  jähriges 
Jubiläum  des  —  für  innere  Medizin  862, 
internationaler  —  gegen  den  Alkoholis¬ 
mus  864,  internationaler  —  für 
Rettungswesen  919,  2067,  2.  internatio¬ 
naler  —  für  physikalische  Therapie  in 
Rom  1016,  1400,  3.  internationaler  — 
für  Irrenpflege  1213,  2.  internationaler 

—  für  Schulhygiene  1359,  9.  französi¬ 
scher  —  für  innere  Medizin  1415,  1662, 

20.  französischer  Chirurgen - 1415, 

4.  —  für  Klimatotherapie  und  Städte¬ 
hygiene  1856,  2407,  17,  —  der  italie¬ 
nischen  Gesellschaft  für  innere  Medi¬ 
zin  1967,  italienischer  —  für  innere 
Medizin,  zu  Palermo  2400,  10.  —  der 
deutschen  dermatologischen  Gesell¬ 
schaft  in  Frankfurt .  2626 

Konjunktivalreaktion ,  Wiederaufflammen 

der,  von  Baginsky .  2647 

Konjunktivitis  s.  a.  Streptokokkenkon- 
junktivitis. 

Konjunktivitis,  Behandlung  der,  von 
Fergus  1193,  ungewöhnlichere  Formen 
der  ,  von  Hudson  u.  Panton  .  .  .  2444 

Konkavtorsion,  von  Lorenz  ....  807,  2611 

Konkrementnachweis ,  radiographischer, 

von  Blum  . .  2541 

Konservenbüchsen,  Angreifbarkeit  der  ver¬ 
zinnten,  durch  Säuren,  von  Lehmann  2294 


Seite 

Konservierungsmittel,  Ameisensäure  ent¬ 
haltende,  von  Croner  u.  Seligmann  .  1191 
Kontinuitätsresektion  der  langen  Röhren¬ 
knochen,  von  Glaessner . 2610 

Kontinuitätsverkürzung,  von  Deutschländer  2610 
Kontraktilität  und  Doppelbrechungsver¬ 
mögen,  von  Engelmann . 2105 

Kontraktur,  hysterische,  von  Binswanger 
43,  operative  Behandlung  einer  ischä¬ 
mischen  — ,  von  Hoffmann  750,  2610, 
kongenitale  —  der  oberen  Extremitäten, 
von  Tobler  859,  angeborene  —  der 
oberen  Extremitäten,  von  Ewald  .  .  2293 
Konturschuss  entlang  der  Orbita,  von  Berg¬ 
meister  . 1002 

Kontusionspneumonie,  von  Litten  .  444,  549 
Konusstenosen,  linksseitige,  von 

Schmincke .  2456 

Konversationslexikon,  Brockhaus’  kleines  380 
Konvulsionen  bei  Säuglingen  und  Kindern, 

von  Mc  Uraith . .  745 

Kopf,  vasomotorisches  V  erhalten  der 

äusseren  Teile  des,  von  Weber  .  .  .  2202 
Kopfform,  Beeinflussung  der,  durch  die 
Geburtsvorgänge,  von  Stumpf  2048, 

—  und  Geburtsmechanismus,  von 
Mueller  2048,  Beziehungen  zwischen  — 
und  Geburtsmechanismus,  von  Mueller  2115 
Kopfhaut,  multiple  Endotheliome  der,  von 

Haslund . 435 

Kopflagen,  Einfluss  der  Schwerkraft  auf 

die  Entstehung  der,  von  Seitz  ....  2553 
Kopfschmerz,  physikalische  Therapie  des, 
von  Riedel  751,  nasaler  —  und  nasale 
Neurasthenie,  von  Hartmann  1001,  — 
und  seine  physikalische  Behandlung, 
von  Riedel  1093,  —  und  Augenstö¬ 
rungen,  von  Kraus  1210,  —  nasalen 
Ursprungs,  von  Rdthi  1293,  Aetiologie 
und  Therapie  des  — ,  von  Schneider  .  2148 
Kopftetanus,  Rosescher,  von  Friedländer 

908,  — ,  von  Friedländer  u.  v.  Meyer  1496 
Korinthenprobe,  von  Schmilinsky  1306, 

1347,  Vorteile  und  Nachteile  der  — , 

von  Schmilinsky .  2245 

Kornea,  Ringabszess  der,  von  Happe  1903, 
syphilitische  Ulzeration  von  —  und 

Sklera,  von  Uhthoff . 1903 

Kornealerkrankungen ,  vesikuläre,  von 

Spicer . 1908 

Koronararterien,  stereoskopische  Röntgen¬ 
bilder  der,  von  Jamin  956,  von  Jamin  u. 
Merkel  240,  —  und  Herzmuskel,  von 
Hirsch  u.  Spalteholz  1094,  —  des 

menschlichen  Herzens,  von  Jamin  u. 
Merkel  1441,  Verschluss  der  — ,  von 

Albrecht . 1843 

Koronarkreislauf  und  Herzmuskel,  von 

Hirsch  u.  Spalteholz . 956 

Koronarsklerose,  motorische,  sensorische 
und  vasomotorische  Symptome  durch, 
und  sonstige  Erkrankungen  der  links¬ 
seitigen  Herzhälfte,  von  Schmoll  .  .  2027 
Korrelation  bei  Vererbung  in  der  Augen¬ 
heilkunde,  von  Best .  62 

Korrespondenz  149,  351,  504,  551,  593, 

648,  760,  864,  920,  1016,  1112,  1160, 

1214,  1311,  1359,  1416,  1464,  1568,  1616, 

1663,  1808,  1910,  1968,  2016,  2068,  2120, 

2264,  2312,  2360,  2408,  2512,  2626,  2652 


Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte 
36,  94,  486,  627,  743,  849,  1001,  1094, 

1447,  1549,  1837,  1954,  1998,  2148,  2348,  2541 
Korsett,  aktives,  von  Heermann  ....  486 

Kossmann,  Prof,  f .  2057 

Kostkinder,  Beaufsichtigung  von  ...  .  70  ’ 

Kostkinderärzte  in  Nürnberg . 1310 

Kot,  Spezifität  des,  von  Brezina  ....  1049 
Kotfisteln,  Verhütung  und  Behandlung 
der,  nach  Appendixoperationen,  von 

Janssen  .  ........  657 

Koxitis,  Indikationen  zur  Resektion  bei 


tuberkulöser,  von  Reiner  684,  Beuge¬ 
adduktionskontraktur  bei  — ,  von  Saxl 
1604,  neuer  Apparat  zur  Behandlung 


der  — ,  von  Dembowski .  2293 

Koxitisbehandlung, moderne,  von  Branden¬ 
berg  36,  Endziele  und  Mittel  der  — , 
von  Lorenz . 684 


Seite 

Krabler  Paul,  f,  von  Uffenheimer  .  .  .  840 

Krampfanfälle,  akustische  u.  optisch-mo¬ 
torische  Folgeerscheinungen  von,  von 

Pick .  134 

Krämpfe,  klonische,  des  M.  bi  venter,  von 
Matthes  138,  —  u.  Schreibkrampf,  von 

^  Edinger . 339 

Kranialparasiten,  von  Poscharisky  .  .  135 

Kraniotomie,  Hilfsmittel  zur,  von 

Küster . .  1600 

Krankenanstalten,  Frankfurter  städtische 
98,  961,  Vorschlag  für  die  Neuregelung 
der  Verpflegssätze  in  den  städtischen 

— ,  von  Schanz  .  .  .  .  2434 

Krankenanstaltenfonds,  Sanierung  des 

Wiener . 802 

Krankenbehandlung  in  Krankenhäusern  815 
Krankenbetten,  Not  an,  in  den  Wiener 

Spitälern  . . 802 

Krankenhaus,  Neubauten  des  allgemeinen 
—  St.  Georg  in  Hamburg,  von  Deneke 
1337,  evangelisches  —  in  Münster  1359, 
Heizung  und  Lüftung  in  — ,  von  Riet- 
schel  1397,  Operationsgebäude  des  Ep- 

pendorfer  — ,  von  Kümmell . 1891 

Krankenhausbau,  der  moderne,  von  Len- 

hartz . 2010 

Krankenhausärzte,  gemeinsame  Aufgaben 
und  Interessen  der,  von  Rosenblath  86, 
gemeinsame  Aufgaben  und  Interessen 

der  — ,  von  Sardemann . 622 

Krankenkassen,  gegen  die  in  —  Wien  587 , 
akademische  —  in  Marburg  1209,  Mit¬ 
glieder-  u.  Krankenbewegung  einiger 

— •,  von  Meyer . 1953 

Krankenkassenangelegenheiten . 1596 

Krankenkassentage,  Vorschläge  der  .  .  .  1157 
Krankenkassenverträge,  Abschluss  von  .  1510 
Krankenpflege,  Taschenbuch  der,  v. Pfeiffer  2343 
Krankenpflegerinnen,  Institut  für,  in  Düs¬ 
seldorf  . 593 

Krankenpflegewesen,  Mängel  des  ....  2359 
Krankentragbahre,  stählerne,  von  De  Mooy  2349 
Kranken-  u.  Unfallversicherung  in  Ungarn 
502,  Entwurf  eines  schweizerischen 
Bundesgesetzes  über  die  —  .....  743 
Krankenversicherung  u.  ihr  sanitärer  Er¬ 
folg,  von  Mugdan  2401,  Mitwirkung  der 

—  auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen 
Gesundheitspflege,  von  Mugdan  .  .  .  2008 

Krankheiten  der  ersten  Lebenstage,  von 
Runge  32,  Bekämpfung  übertragbarer 

—  595,  traumatischeEntstehung  innerer 
— ,  von  Stern  842,  preussisches  Gesetz 
betr.  die  Bekämpfung  übertragbarer  — 
u.  die  Ausführungsbestimmuugen  hiezu 
1492,  zwei  kleine  Punkte  in  der  Be¬ 
kämpfung  endemischer  u.  epidemischer 


— ,  von  Freudenberg . 1968 

Krankheitsanzeigen,  Honorierung  von  .  2351 
Krankheitssymptome,  psychoreflektorische, 

von  Goldscheider . 645 

Krankheitszustände,  Pathologie  u.  Therapie 
der  plötzlich  das  Leben  gefährdenden, 
von  Lenzmann .  2537 


Krauselappen  bei  Ulcus  cruris,  v.  Chaussy  1980 

Krebs,  s.  a.  Tierkrebs,  Karzinom. 

Krebs,  Problem  des,  von  Rülf  432,  multiple 
primitive  — ,  von  Ravenna  630,  Wesen 
und  Heilbarkeit  des  — ,  von  Laker  738, 
Ursache  und  Behandlung  des  — ,  von 
Spude  1052,  mit  Trypsin  behandelter  — , 
von  Abrahams  1 144,  —  des  Kehlkopfes, 
von  Semon  1144,  Verbreitung  intraab¬ 
dominaler  —  durch  die  Lymphbahnen, 
von  Stevens  1145,  Ursache  des  — ‘und 
der  Geschwülste  im  allgemeinen,  von 
Spude  1237,  —  in  den  verschie¬ 

denen  Gesellschaftsklassen,  von  He- 
ron  1449,  Kontagiosiität  des  — ,  von 
Butlin  1852,  Blutuntersuchungen  beim 
— .des  Verdauungskanals,  von  Rosen¬ 


baum  . 2162 

Krebs-  und  Sarkomwucherung,  Ursache 

der.  von  Schüller  .........  .  536 

Krebsausstellung  in  Brüssel  ....:.  .  2263 


Krebsforschung,  Sammelforschung  des 
Bayr.  Komitees  für,  von  Kolb  368,  Ver¬ 
handlungen  der  1.  internat.  Konferenz 

7* 


Al 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


für  —  503,  Institut  für  —  1005,  Ergeb¬ 
nisse  der  experimentellen — ,  von  Bash- 
ford,  Murray  und  Haaland  1907,  2050, 
Deutsches  Zentralkomitee  für  —  1807,  2359 
Krebsfrage,  erziehlicher  Einfluss  der  — , 
von  Childe  2443,  Lösung  der  — ,  von 

Mackay . .  2443 

Krebsgeschwülste,  intratumorale  Bestrah¬ 
lung  der,  als  Fortschritt  der  Radio¬ 
therapie,  von  Strebei  527,  Pathogenese 
und  spezifischer  Abbau  der  — ,  von 
Leyden  und  Bergell  1249,  von  Bergell 
und  Sticker  1998,  von  Bergell  und  Lewin  2610 
Krebsgjfte,  experimentelle  Untersuchun¬ 
gen  über,  von  Girfard,  Mangin  u.  Roger  488 
Krebs krankheit,  Lehre  von  der,  von  Wolff 

T  ,  676,  1016 

Krebsursache, Entdeckung  der,  durch  Herrn 
Spude,  von  Fischer  788,  von  Spude  .  .  1237 
Kreisarzt,  von  Schlokow  .  .  .  .179,  227,  503 
Kreisarztstelle,  Befähigungszeugnisse  für 
199,  Wechsel  in  der  Besetzung  der  —  1112 
Kreislauf  in  der  Peripherie,  von  Matthes, 

Quenstedt,  Gottstein,  und  Dahn  .  .  .  997 
Kreislauf diagnostik,  moderne,  von  Müller  1052 
Krematorien,  Einrichtung  von,  von  Rühe  2247 
Kreolin  in  der  Chirurgie,  von  Bogdanik  384 
Kreosot- und  Lysol  Vergiftung,  von  Boruttau 

und  Stadelmann . 1834 

Kreosotalvergiftung,  von  Stadelmann  und 

Boruttau  . .  ...  .  1933 

Kresol  s.  a.  Chinosol. 

Kretinenbehandlung  mit  Schilddrüsen¬ 
substanz,  von  Eysselt . 433 

Kretinismus,  von  Kellner  1345,  Behandlung 
des  endemischen  —  mit  Schilddrüsen¬ 
substanz,  von  Wagner  v.  Jauregg  184, 
sporadischer  — ,  von  Schmidt  .  .  .  1098 

Kreuzband,  Zerreissung  des  vorderen, 

von  Heinlein . 1457 

Kreuzbein,  Vertikel-  und  Schrägbrücke  des’ 

von  LudlofE . §45 

Kreuzflecke,  mongolische,  von  Menabuoni  626 

Kreuzotterbiss,  von  Baudisch . 135 

Krieg  s.  a.  Verwundete. 

Kriegschirurgie,  von  Köhler  . 1837 

Kriegschirurgische  Erfahrungen  inDeutsch- 
Südwestafrika,  von  Franz 
Kriegsneurosen,  von  Honigmann  .... 
Kriegsschiffe,  Ventilation  und  Heizung 
auf,  von  Richelot  2206,  Wasch-  und 
Badeeinrichtungen  auf  — ,  von  Dirksen  2206 
Kriegssanitätsordnung,  neue  preussische, 

von  Lion . ’  904 

Kriegssanitätswesen  im  russisch-japani¬ 
schen  Krieg,  von  v.  Oettingen  .  .  .  1789 
Kriminalpsychologie,  praktische,  von  Marx  1143 
Kristallinse,  ophthalmometrische  Mes¬ 
sungen  an  den,  von  Daten . 227 

Kristallisation,  Fermentation,  Zelle  und 

Leben,  von  Krompecher .  2045 

Kropf,  endemischer,  von  Carrison  538*  Ent¬ 
fernung  des  — ,  unter  lokaler  Anä¬ 
sthesie,  von  Thomas  1695,  Morphologie 
der  intrathorakalen  — ,  von  Verebely 
1952,  —  beim  Neugeborenen,  von 

Plauchu  und  Richard  .  2053 

Kropfbehandlung .  *  [  ggQ 

Kropfepidemie,  von  Cantamessa  ....  280 
Kropf  Operationen,  Fieber  nach,  von 

Schultze . 1339 

Kropfverpflanzung  und  experimenteiter 
morb.  Basedow,  von  Pfeiffer  .  .  .  .  H73 
Krüppel,  Statistik  der  in  Preussen  vor¬ 
handenen  .  2067 

Krüppeleiend,  was  kann  der  praktische 
Arzt  zur  Linderung  des  tun  ?  von  Lange  654 
Krüppelfürsorge  102,  2556,  —  und  Krüppel¬ 
anstalten,  von  Rosenfeld . 740 

Krüppelheime,  von  Bade . 1892 

Krüppelstatistik,  von  Biesalski  .  .  806,2611 

Krupp,  Hydriatrik  des,  von  Sadger  .  ]  133 
Kruralbrüche,  radikale  Behandlung  von, 
bei  Frauen,  von  Moosland  . 

Kruralhernien,  Technik  der  Radikalo'pe- 
ration  der,  von  Kader  36,  operative 
Behandlung  von  — ,  von  Fabricius 


Seite 


Kryoskopie  des  Harns  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Büttner . 1407 

Kryptorchismus,  Behandlung  des,  vonLoth- 

eissen . ggg 

Kryptoskop,  von  Reid  ....]]]]  ]  1907 

Kugelmyome,  von  Grube . 590 

Kuhmilch,  Reduktasen  der,  von  Seligmann 
2346,  Gehalt  der  —  an  Leukozyten  und 
Streptokokken,  von  Bergey  2398,  Er¬ 
nährung  mit  eisenhaltiger  — ,  *  von 

Schnütgen .  2441 

Kuhpocken,  originäre,  beim  Menschen] 

von  Vollmer . .  95Q 

Kultusministerium,  Etat  des  preussischen  197 
Kumysskur,  von  v.  Trojanowsky  ....  1144 

Kuranstalt  Dr.  Lots . '  g^g 

Kurmittelhaus  in  Meran . 1967 

Kurpfuscher,  verurteilter  ...]]]  .1511 
Kurpfuscherei  s.  a.  Charlatanerie. 
Kurpfuscherei,  Bewegung  gegen  die,  in 
Glarus  136,  —  in  der  Ohrenheilkunde, 
von  Hechinger  1886,  Bekämpfung  der 
—  2214,  —  2263,  Verband  gegen  die  —  2407 

Kurpfuscherei  verbot . 1355 

Kurzsichtigkeit,  Behandlung  der,  von  Hess 
490,  Zusammenhang  zwischen  Nah¬ 
arbeit  und  — ,  von  Best  1900,  Verer¬ 
bung  von  — ,  von  Fleischer  ....  1903 

Kussmaul-Denkmal .  1855  2462 

Kutireaktion  s.  a.  Tuberkulin. 

Kystoskop  s.  a.  Evakuationskystoskop. 
Kystoskopie,  Lehrbuch  der,  von  Nitze  .  1599 


Seite 


832 


482 


681 

951 


1183 

2396 


1049 


L. 


Labyrinth,  Verletzung  des,  von  Steiner  137, 
eitrige  Erkrankungen  des  — ,  von  Eu¬ 
lenstein  . . 

Labyrintheiterungen,  von  Heine  1694, 
zirkumskripte  — ,  von  Neumann  .  .  .1261 
Labyrinthwasser,  Abfluss  des,  von  Bezold  2104 
Lachen,  Pathologie  des,  von  Wiesner  185, 
abnormes  —  vom  Auge  ausgelöst,  von 

Neustätter . 

Lachgas  und  Chloraethyl  als  Anaestheti- 

kum,  von  Guy . 

Lähmung  des  Plexus  brachialis,  von 
Warrington  und  Jones  538,  —  des  Gau¬ 
mens  und  der  Rachenwand,  von  Traut¬ 
mann  1210,  diphtheri tische  — ,  von 
Dufour  1460,  —  des  r.  N.  accessorius,  von 
Köster  1556,  Chirurgie  gewisser  — , 
von  Bond  1839,  chirurgisch-orthopädisch 
behandelte  — ,  von  Schanz  2157,  Aetio- 
logie  von  —  im  Gebiete  des  Plexus 
brachialis  bei  Operationen  in  Becken¬ 
hochlagerung,  von  Horst . 2612 

Lähmungsschieten,  Spätfolgen  des  — ,  von 

Antonelli  . 1697 

Längsblutleiter,  Verletzung  des,vonRevens- 

T  ..  torf  •  •  . .  2244 

nangsextension,  Umsetzung  der,  in  queren 

Zug,  von  Hofmann . 43t 

Lakrymale  Obstruktion,  Behandlung  der] 

von  Parsons . 1193 

Laminariastift,  Einklemmung  eines,  von 

Stolz .  2196 

Lamscheider  Stahlbrunnen,  Trinkkuren 

mit,  von  Weissmann . 2101 

Landesgebärklinik,  Tiroler,  von  Ehren- 
dorfer . ,, .  33 

Landesversicherungsanstalten ,  Aerzte- 

kammern  und,  . 1595 

Landhebammen,  sollen  die  mit  Gummi 
handschuhen  ausgerüstet  werden?  von 


Walther 


267 


826 


Landkrankenpflege . 1596 

Landtag,  bayerischer . 1159 

Landryscher  Symptomenkomplex,  von 

Mann  und  Schmaus  . 998 

Laparotomie,  ventrale,  von  Esch  38l] 
Drainage  bei  — ,  von  Violet  488,  asep- 

ifi^e’Jynäkologi8che  — ,  von  Hannes 
1046,  Einwanderung  einer  bei  einer  — 
vergessenen  Arterienklemme  in  die 


Blase,  von  Stoeckel  1995,  Nachbehand¬ 
lung  von  — ,  von  Bell  2396,  Vor-  und 
Nachbehandlung  von  — ,  von  v.  Hippel  2438 
Laparotomierte,  Nachbehandlung  von,  von 

Billington  • . .  .  .  1398 

Laparotomie  wunden ,  bakteriologische 
Untersuchungen  von,  bei  verschärftem 
Wundschutz,  insbesondere  bei  Gauda- 
ninbehandlung,  von  Schenk  und  Scheib  1977 

Lapine,  von  Bonhoff . 391 

Lapisantiseptik,  von  Rovsing .  2251 

Larva  migrans,  von  Quortrup  und  Boas  897 
Laryngismus  stridulus,  von  Smith  ....  2397 
Laryngitis,  diffuse,  hyperplastische,  und 
Pharyngitis  bei  kongenital  Luetischen, 
von  Kelly  336,  —  membrano-ulcerosa 

fusibacillaris,  von  Reiche  . 

Laryngo-Rhinologie,  Referat  über  96,  746, 

1796,  2251 

Laryngologen,  Verein  süddeutscher  ...  759 

Laryngologenkongress .  2463 

Laryngologische  Kasuistik,  von  Dünges  .  1750 
Laryngoskopie,  subglottische,  von  Senator 
51,  —  subglottica,  von  Gerber  96, 

Atlas  der  — ,  von  Grünwald . 

Laryngotomie  in  Skopolamin-Morphium- 
Narkose,  von  Avellis  1500,  —  ohne 

Kanüle,  von  Castex .  97 

Larynx,  Ruhestellung  des,  bei  der  Sana¬ 
toriumsbehandlung,  von  Semon  538, 
Enchondrom  des  — ,  von  Hartleb  .  .  1687 
Larynxexstirpation ,  Spätasphyxie  nach 

totaler,  von  Mintz . 1444 

Larynxfraktur,  von  Wendel  ....*.  101 
Larynxpapillome,  Therapie  der,  im  Kindes¬ 
alter,  von  Zuppinger  . 1061 

Larynxtuberkulose  und  Gravidität,  von 
Neumayer  und  Amann  48,  Behandlung 
der  — ,  von  Barwell  385,  Behandlung 
schwerer  — ,  von  Thost  944,  Trache¬ 
otomie  bei  — ,  von  Fontser^  1552, 
komplettes  Schweigen  während  der 
Sanatoriumsbehandlung  der  — ,  von 
Bardswell  und  Adams  2249,  deletärer 
Einfluss  der  Schwangerschaft  auf  die 

von  Freudenthal  2437,  von  Kuttner  2437 
Lateralsklerose,  amyotrophische,  von 

Meyer  382,  von  Rossbach . 2164 

Laugen  verätzung,  Frequenz  und  Verhütung 

der,  von  Preleitner . - 

Leben,  das,  Zeitschrift  276,  der  Ablauf 
des  — ,  von  Fliess  378,  Kritik  der  Er¬ 
fahrungen  vom  — ,  von  Gaule  .... 
Lebensaussicht,  Einfluss  des  Geburts¬ 
monats  auf  die,  im  ersten  Lebensjahr, 

von  Neumann . 

Lebensrettungsmedaille  ........ 

Lebensschwäche,  Behandlung  der  angebo¬ 
renen,  von  Pfaundler . . 

Lebensversicherung  s.  a.  Zuckerprobe. 
Lebensversicherung,  Bedeutung  der  Morta¬ 
lität  der  Ohrenerkrankungen  für  die, 
von  Levy  743,  —  und  Aerzte,  von 

Grasemann .  2098 

Lebensversicherungsgesellscha’ften ,  Ver¬ 
trag  mit  dem  Verbände  deutscher  1051, 1442, 
1462,  Atteste  für  —  1759,  Honorierung 

der  Atteste  für  — . 1966 

Lebensversicherungskommission ,  Bericht 
der,  über  die  Revision  der  „Verein¬ 
barungen“  . 1354 

Leber  mit  Zirrhose,  von  Bleichröder  41, 

—  als  Toxinfilter,  von  Hutchinson  385, 
Beziehungen  zwischen  der  —  und  Blut¬ 
gerinnung,  von  Kauders  396,  Verände¬ 
rungen  der  -  ,  infolge  künstlicher  Blut¬ 
leere,  von  Corentino  629,  experimen¬ 
telle  Veränderungen  der  — ,  von 
d  Amato  895,  Funktion  der  normalen 
und  pathologischen  —  von  Glaessner 
966,  Temperatur  bei  malignen  Erkran¬ 
kungen  der  —  und  Gallenwege,  von 
Rusell  1146,  Blutversorgung  der  — , 
von  Budde  1601,  funktionelle  Prüfung 

der  — ,  von  Glaessner .  2494 

Leberabszess,  von  Stein  1964,  —  mit 
Typhusbazillen,  von  Venema  und 


1459 


426 


2209 

1212 

1417 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LIII 


Grünberg  687,  Diagnose  des  — ,  von 
Axisa  845,  —  und  Influenza,  von 
Karewski  1048,  tropische  — ,  von  Pfihl 
Leberangiome  mit  Ausgang  in  Fibrom¬ 
bildung,  von  Kasai  . 

Leberatrophie,  akute  gelbe,  nach  Chloro¬ 
formnarkose,  von  Guleke . 

Leberausführungsgänge,  kongenitale  Un¬ 
wegsamkeit  der,  von  Fuss  und  Boye 
Leberautolyse,  katalytische  Beeinflussung 

der,  von  Ascoli  und  Izar . 

Leberfieber,  luetisches,  von  Treumann  . 
Leberkrankheiten  und  Coma  hepaticum, 

von  Maragliano . 

Leberlappen,  regeneratorische  Hyperplasie 

des  linken,  von  Schorr . 

Leberlues,  von  Stauder  ........ 

Leberpuls,  negativer,  von  Jagic  .... 

Leberregeneration,  von  Schöppler  .  .  . 
Leberresektion,  von  Anschütz  .... 

Leberrupturen,  subkutane,  und  deren  Be¬ 
handlung,  von  Schönholzer  486,  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  v.  Hippel  682, 
traumatische  — ,  von  Fertig  .  .  .  .  , 
Leberschwund  nach  Trauma  u.  Rekreation 

des  Organs,  von  Mekus  . . 

Leberzellen,  Funktion  der,  bei  Y ergif tungen, 
von  Barlocco  282,  Kanäle  in  den  — , 

von  Simpson  und  Herring . 

Leberzellenveränderung  nephrektomierter 
und  hungernder  Tiere,  von  Mosse  .  . 
Leberzirrhose,  s.  a.  Alkoholzirrhose. 
Leberzirrhose,  von  Scarpini  282,  von  Klop- 
stock  847,  von  Lapdois  1703,  pro¬ 
gnostischer  Wert  des  Aszites  bei  — , 
von  Ramsbothane  40,  syphilitische  — , 
von  Litten  50,  epitheliale  Neubildungen 
bei  — ,  von  Nazari  282,  biliäre  —  vom 
Typus  Hanoi,  von  Beneke  295,  —  und 
Talmaoperation,  von  Maiocchi  398,  — 
im  Kindesalter  nach  Scarlatina,  von 
Bingel  1047,  operativer  Eingriff  bei  — , 
von  Caporetto  1251,  —  mit  Keratin  be¬ 
handelt,  von  Zypkin  1298,  Histogenese 
der  — ,  von  Rössle  1445,  experimentelle 

—  auf  tuberkulöser  Basis,  von  Stoerk 
1497,  tuberkulöse  — ,  von  Jagic  1497, 

—  durch  Unfall  befördert,  von  Weigel 
1756,  — ,  insbesondere  nicht  granulierte 
Formen  mit  okkultem  Verlauf  und 
Cirrhose  cardiaque,  von  Jores  1751, 
Oesophagusblutung  bei  — ,  von  Beneke 
1754,  —  mit  Splenomegalie,  von  Beneke 
1754,  experimentelle  —  auf  tuber¬ 
kulöser  Grundlage,  von  Stoerk  1838, 
traumatische  — ■,  von  Alexander  .  .  . 

Ledigenheime,  von  Singer . 

Legate . 

Lehrbuch  der  organischen  Chemie,  von 
v.  Bunge  89,  —  der  Kinderheilkunde, 
von  Heubner  130,  —  der  Geburtshilfe 
für  Hebammen,  von  Fehling  379,  — 
der  Frauenkrankheiten,  von  Fehling 
482,  —  der  Anatomie,  von  Rauber- 
Kopsch  530,  1441,  2608,',—  der  Bakterio 
logie,  von  Heim  6z3,  —  der  allgemeinen 
Chirurgie,  von  Lexer  677,  von  Tillmanns 
2391,  —  der  physiologischen  Chemie, 
von  Abderhalden  890,  von  Hammarsten 
1887,  —  der  Ohrenheilkunde,  von 
Körner  942,  —  der  gynäkologischen 
Diagnostik,  von  Winter  1336,  —  der 
ärztlichen  Sachverständigentätigkeit , 
von  Becker  1337,  —  der  Kystoskopie, 
von  Nitze  1599,  —  der  inneren  Medizin, 
von  v.  Mering  1887,  —  der  Hygiene, 
von  Rubner  1946,  —  der  Psychiatrie, 
von  Cramer,  Westfal,  Hoche,  Wollen¬ 
berg,  Binswanger  und  Siemerling  1994, 

—  der  speziellen  pathologischen 
Anatomie,  von  Kaufmann  2097,  —  der 
speziellen  Chirurgie,  von  Hochenegg 
2193,  —  der  topographischen  Anatomie, 
von  Corning  2242,  Müller-Pouillets  — 
der  Physik  und  Meteorologie ,  von 
Pfaundler  2340,  —  der  speziellen 
Pathologie  und  Therapie  der  inneren 


Seite 

1748 

1983 

1791 

742 

279 

963 

2149 

2493 

2554 

1497 

685 

905 


1742 

73 

2201 

131 


2347 

2448 

815 


Seite 

Krankheiten,  von  Strümpell  2391,  — 
der  Gynäkologie,  von  Runge  2391,  — 
der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten, 
von  Lesser  2490,  —  der  mikroskopischen 

Technik,  von  Rawitz .  2644 

Leib,  weicher  und  steifer,  von  Benderski  2245 
Leibbinde,  neue,  von  Alberts  999,  von 

Steifeck . 1547 

Leichenschau,  Meth  ode  der  obligatorischen, 
von  Albrand  185,  —  in  Bayern  759,  2214 
Leichenschaugebühren,  Erhöhung  der 
2561,  2566  ff. 

Leichenstarre,  intrauterine,  von  Ulrich  .  1793 

Leichtenstern-Denkmal  . 2119 

Leinwand,  hygienische  und  technische 
Eigenschaften  glatter  weisser,  und 

Baumwollgewebe,  von  Lehmann  .  .  .  626 

Leiomyome,  subkutane,  der  Wange,  von 

Sehrt .  1601 

Leipziger  Verband  s.  u.  Verband. 
Leistenbrüche,  Genese  der  interparietalen, 
von  Cohn  893,  operative  Behandlung 
der  — ,  von  Wenglowski  1600,  Ureter 
als  Inhalt  eines  — ,  von  Meissner  1601, 
Ursachen  und  Behandlung  des  — , 

von  Murray .  2396 

Leistenbubonen,  Therapie  der  venerischen, 

von  Herxheimer . 1100 

Leistendrüsenentzündungen  ,  subakute , 
bei  Bewohnern  von  Niederländisch- 

Indien,  von  Lop . .  .  1499 

Leistenhernien,  Anwendung  von  Silber¬ 
filigran  zur  Behandlung  von,  von  Mc 
Gavin  1412,  Radikaloperation  über¬ 
grosser  — ,  von  Sauerbruch  1172,  von 
Bernhard  1586,  gangränöse  — ,  von 

Koerber . 1952 

Lendenwirbelsäule,  traumatische  Achsen¬ 
drehung  der,  von  Feinen . 740 

Leontiasis  ossea,  von  Marguliäs  ....  1460 

Lepra,  von  Lardy  1250,  Behandlung  und 
Pathologie  der  — ,  von  Black  40,  bak¬ 
terielles  Fett  als  immunisierende  Sub¬ 
stanz  bei  — ,  Deycke  Pascha  und 
Reschad  Bey  231,  —  im  Kanton  Wallis, 
von  Jadassohn  und  Bayard  280,  Be¬ 
handlung  der  —  mit  Chaulmoograöl, 
von  Thompson  537,  pathologisch-anato¬ 
mische  Veränderungen  des  Gehirns 
bei  — ,  von  Stahlberg  584,  Uebertragung 
der  —  auf  Tiere,  von  Jeziereki  896, 

—  in  Argentinien,  von  Smit  1049,  Hei¬ 
lung  der  — ,  von  Diesing  1094,  —  in 

der  Malerei,  von  Ebstein .  2394 

Leprabazillen,  von  Plaut  1409,  —  im  Blut 
vor  und  nach  Merkurbehandlung,  von 

Gravagna .  2054 

Lepra-Exanthem,  von  Lassar . 349 

Leprafälle  in  Tirol,  von  Merk . 1049 

Leprafrage  in  der  Schweiz,  von  Pfister  .  2148 
Leprakranke,  Behandlung  von,  mit  Rönt¬ 
genstrahlen,  von  Lassar,  Siegfried  und 

Urbanowicz . 435 

Lepratherapie,  spezifische ,  von  Deycke 
2214,  Prinzipien  und  Grundlagen  der 
spezifischen  — ,  von  Deycke  .  2404,  2455 
Leprosorium,  Bau  eines,  in  den  Tropen, 

von  Römer  .  .  .  . . 539 

Leptomeningitis,  syphilitische,  von  Dürck  1154 
Leukämie  s.  a.  Chlorom. 

Leukämie,  von  Wynhausen  2349,  — ,  von 
Fowelin  2351,  —  und  Miliartuberku¬ 
lose, vonPfeiffer  292,  akute  — ,  vonBailey 
490,  —  in  den  Tropen,  von  Castellani 
539,  Ausscheidung  von  Alloxurkörpern 
bei  — ,  von  Gualdi  630,  experimentelle 
Erzeugung  und  Wesen  der  — ,  von 
Ziegler  1007,  akute  myeloide  — ,  von 
Ziegler  und  Jochmann  1048,  von 
Hirschfeld  1396,  lymphatische  — ,  von 
Marchand  1103,  Radiotherapie  der  — , 
von  v.  Decastello  und  Kienböck  1459, 
Histogenese  der  myeloiden  — ,  von 
Ziegler  1597,  akute  —  nach  Adeno¬ 
tomie,  von  Hug  1750,  —  und  Rönt¬ 
genbehandlung,  von  Mahnert  und 
Schnopfhagen  1954,  myeloide  — ,  von 


Seite 

Zabel  1965,  von  v.  Jaksch  2554,  Fehlen 
des  Glykogens  in  den  Leukozyten  bei 
der  myeloiden  — ,  vonW olff-  Eisner  2295, 
akute  —  u.  Streptokokkensepsis,  von 
Eppenstein  2495,  Zelleinschlüsse  bei 
akuter  myeloider  — ,  von  Pappen  heim  2647 
Leukanämie,  chronische  myeloide,  von 

Mosse .  2540 

Leukoderma  und  analoge  Hautverände¬ 
rungen,  von  Evans . 1145 

Leukozyten  und  Hämokonien,  von  Mühl- 
mann-Balchany  486 ,  —  im  zirkulie¬ 
renden  Blut,  von  Keuthe  848,  proteo¬ 
lytisches  Ferment  der  — ,  von  Erben 
844,  abnorm  hohe  —  bei  schweren  In¬ 
fektionen,  von  Hirschfeld  und  Kothe 
1649,  degenerierte  —  im  strömenden 
Blut,  von  Romanelli  1955,  Teilungen 
der  —  ausserhalb  des  Körpers,  von 
Deetjen  2055,  Verhalten  der  —  bei 
intravenösen  Kollargolinjektionen,  von 
Dünger  2100,  hämolytische  Stoffe  in 
— ,  von  Wassmuth  2294,  Morphologie 
und  Biologie  der  neutrophilen  — ,  von 

Pollitzer .  2437 

Leukozytenbestimmungen  als  diagnosti¬ 
sches  Hilfsmittel  bei  entzündlichen 
Erkrankungen  des  weiblichen  Geni¬ 
tale,  von  Albrecht . 1307 

Leukozytenferment,  proteolytisches,  und 
sein  Antiferment,  von  Müller  und  Ko- 
laczek  354,  proteolytisches  —  und 
sein  Antiferment,  von  Müller  2099, 
Beeinflussung  des  proteolytischen  — 
durch  Blutserum,  von  Wiens  und 

Müller . 2101 

Leukozytenstoffe,  bakterizide,  und  Milz¬ 
brandimmunität,  von  Pettersson  .  .  .  1493 
Leukozytenuntersuchung,  Wert  der,  bei 
der  Behandlung  der  akuten  Appen¬ 
dizitis  und  Peritonitis,  von  Federmann  2063 
Leukozytose,  selten  hohe,  von  Rubinstein  845 

Levurinose,  von  Schweitzer . 646 

Lexikon  ,  diagnostisch  -  therapeutisches  , 

1045,  —  der  Kurorte  u.  Heilanstalten  1856 
v.  Leydens  Abschiedsvorlesung  ....  1613 
Lezithin,  Verhalten  des,  zu  fettspaltenden 
Fermenten,  von  Schumoff,  Simanowski 

und  Sieber  . •  .  2001 

Lezithintherapie,  von  Mendt . 385 

Lichen,  Therapie  des,  ruber,  von  Vörner 
435,  —  ruber  acuminatus,  von  Riecke 
913,  —  albus,  von  v.  Zumbusch  949, 
syphiliticus,  von  Dreyer  1751,  —  ruber 
universalis,  von  Neuberger  2013,  — 
ruber  circumscriptus,  von  Neuberger 
2013,  —  ruber  verrucosus,  von  Delbanco  2261 
Licht  in  der  Dermatologie,  von  Kromayer 
334,  rotes  —  bei  exanthematischen 
Krankheiten,  von  de  Foronda  ....  1551 
Lichtbad,  chemisches,  bei  inneren  Krank¬ 
heiten,  von  Hasselbalch . 233 

Lichtbehandlung,  Apparat  für,  von  Freund 
592,  Gewebssterilisation  und  Gewebs- 
reaktion  bei  Finsens  — ,  von  Jansen  1341 
Lichtinstitut,  Mitteilungen  aus  Finsens 

medizinischem . 1336 

Lichtluftbad,  künstliches,  von  Herz  .  .  .  701 
Lichtpigment,  von  Buschke  u.  Mulzer  .  2540 
Lichttherapie,  unmittelbare,  von  Widmer  619 

Lidemphysem,  von  Emanuel .  42 

Lidplastik,  von  Franke  590,  von  Wagen¬ 
mann  . 911 

Lidschluss,  Apraxie  des,  von  Lewandowsky  1549 
Ligamenta  rotunda,  Auffinden  der,  im 

Leistenkanal,  von  Reismann  ....  126 

Lignosulfitinhalationen,  von  Senninger  .  2101 
Linitis,  plastische,  und  Magenkrebs,  von 

Babes  und  Mironescu . 1605 

Linnd,  Karl  von,  von  Sudhoff . 1041 

Linse,  Reklination  der,  bei  Katarakt,  von 
Elliot  95,  Extraktion  der  —  mit  ihrer 
Kapsel,  von  Smith  95,  —  mit  doppeltem 

Brennpunkt,  von  Freytag . 317 

Lipämie  der  Fettgänse,  von  Bleibtreu  542, 
diabetische  — ,  von  Klemperer  und 
Umber . 797 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Lipase  im  Magensaft,  von  Rietschel  .  .  2294 
Lipolyse,  Agglutination  und  Hämolyse, 
von  Neuberg  und  Rosenberg  184,  — 
Agglutination  und  Hämolyse,  von  Neu 

berg  und  Reicher .  1725 

Lipom,  s.  a.  Intestinallipom. 

Lipom  des  Darms,  von  Boas  147,  tief¬ 
gelegene  — des  Halses,  von  Hirschei  430, 
pendelnde  —  des  Sinus  transversus 
pericardii,  von  Struppler  472,  —  tuber¬ 
kulösen  Ursprungs,  von  Poncet  966, 
Behandlung  der  —  mit  Natriumethyl, 
von  Savill  1696,  —  des  Lig.  laturn, 

von  Borrmann .  2294 

Lipomatosis,  konstitutionelle  Formen  der, 

von  Kisch . 1297 

Lippenkankroid,  von  Lassar . 500 

Lippenkrebs,  Heilungsergebnisse  beim, 

von  Armknecht . 1547 

Lippspringe,  Kurerfolge  von,  von  Roepke  1295 

Liquor  cerebrospinalis,  Färbung  der  Zellen 
des,  von  Pappenheim  586,  —  cerebro¬ 
spinalis  bei  Geistes-  u.  Nervenkranken, 

von  Meyer . 1000 

Liste,  schwarze,  der  Freien  Vereinigung 
der  Deutschen  med.  Fachpresse  .  .  .  1358 
Lister,  zum  80.  Geburtstage  550,  647,  703, 
von  zum  Busch  673,  Semmelweiss  oder 

—  ?  von  Weckerling  675, - Ehrung 

1463,  —  und  die  Entwicklung  der 
Wundbehandlung  in  den  letzten  40 
Jahren,  vom  Cameron  .  . 1650 

Literatur,  psychiatrische,  im  J.  1904  279, 
amerikanische  —  1896,  2397,  belgische 

—  1746,  2443,  dänische  —  1550,  2250, 
englische  —  39,  95,  335,  385,  488,  537, 

687,  744,  1144,  1192,  1397,  1448,  1649, 

1694,  1838,  1894,  2199,  2248,  2395,  2443, 
französische  —  37,  487,  947,  1497,  2051, 
holländische  —  386,  1049,  2054,  2348, 
italienische  —  280,  628,  1002,  1250, 

1794, 1954, 2053, 2149, 2496,  norwegische 

—  1604,  2149,  oesterreichische  —  in 
jederNummer,  rumänische  — -  586, 1095, 

1605,  russische  . —  1895,  schwedische 
u.  finnische  —  1795,  2542,  skandina¬ 
vische  —  232,  896,  spanische  —  282, 

819,  1551,  2296 

Lithionkarmin,  Resorption  und  Ausschei¬ 
dung  des,  von  Schlecht . 432 


Lithopädion,  von  Wallert  740,  —  von 

v.  Holst . 847 

Litonbrot,  von  Brodzki . 279 


Littlesche  Krankheit,  von  de  la  Camp  .  2163 
Lloyd,  Vertrag  mit  dem  Norddeutschen  .  103 
Lob  der  Heilkunst  des  Erasmus  von 

Rotterdam,  von  Enthoven . 1741 

Löwenapotheke,  Gründungsjahr  der  Leip¬ 
ziger,  von  Deussen . 2110 

Lokalanästhesie,  bei  der  Untersuchung 
der  Unfallverletzten,  von  Colmers  1892, 
Verwendung  synthetischen  Suprarenins 
in  der — ,  von  Hoffmann  1981,  wissen¬ 
schaftliche  Grundlagen  und  praktische 
Anwendung  der  — ,  von  Braun  2145, 

—  bei  Frakturen,  von  Lerda  ....  2612 
Lordose  der  Wirbelsäule,  von  Muskat  .  .  500 

Lotzbeck  Carl  von,  .  .  .  .  . .'  376 

Lues,  Knochenerkrankung  bei,  hereditaria, 

von  Stadler  44,  Leberzirrhose  bei  — 
congenita,  [von  Wolff  49,  bakteriolo¬ 
gischer  Nachweis  der  — ,  von  Preis  185, 
Wassermannsche  Serodiagnostik  bei 

—  von  Schütze  334,  Erkrankungen  der 
grossen  Gefässe  bei  kongenitaler  — , 
von  Rach  und  Wiesner  1001,  klinisches 
und  anatomisches  Bild  der  —  cerebro¬ 
spinalis,  von  Tiedemann  und  Nambu 
1164,  Behandlung  der  — ,  von  Pernet 
1448,  Atoxylbehandlung  der  — ,  von 
Volk  1497,  schwere  maligne  — ,  von 
Klingmüller  1554,  Serumdiagnostik  bei 
— ,  von  Wassermann  und  Meier  1694, 
Behandlung  der  —  zur  See,  von 
Busche  1908,  —  hereditaria,  von  Heuck 
1963,  Kombination  von  Quecksilber- 
und  Schwefeltherapie  bei  — ,  von  Engel 
2101,  Lymphozytose  der  Liqu.  cerebro- 


Seite 

spinalis  bei  —  hereditaria  tarda,  von 
Kretschmer  2395,  Serodiagnostik  der 

— ,  von  Porges . .  .  2556 

Luesantikörpernachweis  im  Blut,  von  Weil  1002 
Luesnachweis,  serologischer,  bei  den  syphi- 
lidogenen  Erkrankungen  des  Zentral¬ 
nervensystems,  von  Plaut . 1468 

Luesspirochäte,  wechselndes  Vorkommen 

der,  von  Vörner .  2330 

Luft,  therapeutische  Versuche  mit  flüssiger, 
von  Freund  592,  Bakteriengehalt  der 
antarktischen  —  u.  Erde,  von  Ekelöf 
897,  —  in  den  Lungen  eines  intrauterin 


abgestorbenen  Kindes,  von  Käthe  1554, 
künstliche  Zuführung  von  —  bei  er¬ 
schwertem  Durchtritt  des  nachfolgen¬ 
den  Kopfes,  von  Rühl . 1648 

Luft-  und  Wasserluftdouche,  von  Pren- 

gowski  . .  .  .  800 

Luftdruckerniedrigung,  mechanische  Wir¬ 
kung  der,  von  Jacobj . •  .  .  134 

Luftmassage,  von  Klapp .  17 

Luftwege,  epidemische  katarrhalische  Er¬ 
krankung  der  oberen,  von  Beck  und 


_  Stokes . .  2397 

Lumbalanästhesie  679,  —  von  Urban  231, 

,  von  Hofmeier  300,  — ,  von  Hauber 
683,  — .  von  Thorbecke  1610,  — ,  von  Ach 
1624,  1904,  — ,  von  Mohrmann  2013, 

—  mit  Stovain,  Alypin  u.  Novokain, 
von  Baisch  182,  gebrauchsfertige  Lö¬ 
sungen  in  der  — ,  von  Liebl  183,  — 
mit  Stovain,  von  Saxtorph  232,  Spät¬ 
folgen  der  — ,  von  Falkner  277,  ungün¬ 
stige  Folgeerscheinung  nach  — ,  von 
Goldmann  332,  — mit  Tropakokain,  von 
Bosse  335,  experimentelle  Unterneh¬ 
mungen  über  — ,  von  Heineke  und 
Läwen  534,  postoperative  parenchyma¬ 
töse  Blutung  nach  — ,  von  Kopfstein 
582,  Prophylaxe  u.  Therapie  der  Kopf¬ 
schmerzen  nach  — ,  von  Oifergeld  583, 
Augenmuskellähmungen  nach  — ,  von 
Ach  613,  Urinbefunde  nach  —  mit 
Stovain,  von  Schwarz  798,  1394,  Abdu¬ 
zenslähmung  nach  — ,  von  Neuburger 
962,  von  Wolff  2197,  Komplikationen 
nach  — ,  von  Hesse  1954,  1000  —  mit 
Tropakokain,  von  Goldschwend  1954, 
mit  Stovain  in  100  Fällen,  von  Pringle 
2444,  Wertlosigkeit  des  Zusatzes  von 
Nebennierenpräparaten  bei  der  — ,  von 
Michelsson  2477,  —  in  875  Fällen, 

von  Oelsner .  2492 

Lumbalanalgesie ,  von  Thorbecke  860 , 

150  Fälle  von  — ,  von  Veit . 1189 

Lumbalpunktion,  von  Van  Londen  387, 
von  Buzzard  1907,  —  bei  Geistes¬ 
kranken,  von  Frankhauser  280,  dia¬ 
gnostische  Bedeutung  der,  von  Pilcz 
2443,  Abbrechen  der  Kanüle  bei  — , 

von  Torkel . t  2541 

Lunge,  zystische  Degeneration  der,  von 

Pepere  282,  Stichverletzung  der — ,  von 
Mertens  855,  funktionelle  Aenderungen 
in  der  Mittellage  und  Kapazität  der 
— ,  von  Bohr  795,  Adeno-Rhab- 
domyom  der  — ,  von  Zipkin  894,  De- 
kortikation  der  — ,  von  Delorme  966, 
elastisches  Gerüst  der  — ,  von  Cosös 
1248,  Einteilung  der  tuberkulösen  Pro¬ 
zesse  der  — ,  von  Albrecht  1552,  Luft¬ 
leere  der  — ,  von  Roth  1840,  —  Neuge¬ 
borener  im  Röntgenbilde,  von  Kenyeres 
2247,  Adenokarzinom  der  — ,  von 

Horn . *  .  .  .  2394 

Lungenaktinomykose,  chirurgische  Be¬ 
handlung  der,  von  Karewski  855,  von 

Bulling  und  Rullmann . .  2198 

Lungenanthrakose,  von  Beitzke  847,  Pa¬ 
thogenese  der  — ,  von  Remlinger  52, 
physiologische  — ,  von  Calmette,  Van- 
steenberghe  u.  Grysez  301,  —  nicht 
intestinalen  Ursprungs,  von  Remlinger 
397,  Genese  der  — ,  von  Feliziani  629, 
Pathogenese  der  — ,  von  Arloing  und 
Forgeot  1412,  experimentelle  — ,  von 
Heller  und  Wolkenstein  . 2100 


Seite 

Lungenarterie,  Diagnose  der  langsamen 

Verstopfuug  der,  von  Weiss  ....  1291 
Lungenatelektase  im  Röntgenbild,  von 

Lieblein . 228 

Lungenbewegung,  reflektorischeBeziehung 
zwischen,  und  Herztätigkeit,  von  Brat  1907 
Lungenblutung,  abundante,  bei  Mitralste¬ 
nose,  von  Schwartz  615,  Behandlung 
— ,  von  Schmilinsky  1100,  Beeinflus¬ 
sung  von  —  durch  Witterungseinflüsse, 


von  Jannsen  .  . .  2437 

Lungendefekte,  Ausgleich  bei  angeborenen 

und  erworbenen,  von  Bäumler  .  .  .  1292 
Lungenechinokokkus,  von  Bindi  ....  1251 
Lungenembolie,  von  Albrecht  ....  1608 


Lungenemphysem,  Pathologie  und  Thera¬ 
pie  des  alveolaren  von  Mohr  1447,  Pa¬ 
thologie  u.  Therapie  des  alveolaren  — , 
von  Pässler  u.  Seidel  T857,  1909,  chi¬ 
rurgische  Behandlung  des  — ,  von  Päss¬ 
ler  2115,  2162,  von  Stieda  2115,  2162, 

2373,  Mechanik  des  —  und  der  Bronchi- 

ektasien,  von  Aron .  2609 

Lungenentzündung  und  Unfall,  von 

Revenstorff  . . 1003 

Lungenfurchen,  subapikale,  von  Kitamura  2437 
Lungenheilanstalten,  Jahresberichte  der, 
von  Curschmann  2211,  Zusammenkunft 
der  Chefärzte  süddeutscher  —  .  .  .  ,  2437 
Lungenheilstätten,  Dauererfolge  der,  von 

Croissant .  2322 

Lungenheilstättenbewegung,  Krisis  der  .  862 
Lungeninfarkt,  Temperaturverhältnisse 
beim  hämoptoischen,  von  Makijewsky  2647 
Lungenkomplikationen  nach  operativen 

Eingriffen,  von  Wolff . 1393 

Lungenkranke,  Einheitlichkeit  in  der  Be¬ 
handlung  der,  von  Liebe .  2343 

Lungenkrankheiten,  operative  Behandlung 
der,  von  Friedrich  854,  physikalische 
Methoden  zur  Behandlung  chronischer 

— ,  von  Laquer  . 1048 

Lungenkrebs,  primärer,  von  Morelli  .  .  1094 
Lungenleiden,  graphische  Darstellung  des, 

von  Krebs . 2211 

Lungenoedem,  akutes,  von  Riesmann  .  .  1896 
Lungenoperationen,  ausgedehnte,  von 
Gluck  855,  Ueberdruck  mit  weicher 

Maske  bei  — ,  von  Kuhn . 2005 

Lungenphthise,  Genese  der  tuberkulösen, 

von  Hart .  2248 

Lungenprobe  s.  a.  Luft. 

Lungensaugmaske  s.  a.  Blutkörperchen. 
Lungensaugmaske,  Erfahrungen  mit  der 
Kuhnschen,  in  der  Heilstätte  Sla- 
wentzitz,  von  Stolzenburg  780,  Hyper- 
aemiebehandlung  der  Lungen  vermittels 
der  — ,  von  Kuhn  782,  Kuhnsche  — , 
von  Kuhn  952,,  von  Pischinger  .  .  .  2211 
Lungenschwindsucht,  Behandlung  der,  mit 
Tuberkulin,  von  Meyer  2397,  —  und 
Röntgenstrahlen,  von  Brown  ....  2398 
Lungenschwindsuchtsfrage,  von  Aufrecht  1446 
Lungenspitzen,  Unterschied  im  physi¬ 
kalischen  Verhalten  beider,  von  Seuffer- 
held  625,  mechanische  Disposition  der 
—  zur  tuberkulösen  Phthise,  von  Hart 
1043,  Perkussion  der  — ,  von  Gold¬ 
scheider  . 1507 

Lungenspitzeninfiltrationen ,  Röntgendia¬ 
gnostik  der,  von  Dohan  ....  .805 

Lungenspitzenphthise,  chirurgische  Be¬ 
handlung  der  beginnenden  tuber¬ 
kulösen,  von  Hart  2176,  Behandlung 
der  tuberkulösen  —  und  des  alveolären 
Emphysems  durch  operative  Mobili¬ 
sation  des  in  der  oberen  Apertur  steno- 
sierten  und  des  starrdilatierten  Thorax, 
von  Freund  2369,  2407,  Resektion  der 
1.  Rippe  bei  — ,  von  Mayer  ....  2510 
Lungenspitzentuberkulose, radiographische 
Befunde  bei,  von  Vierhuff  .  .  .  ■ .  .  848 
Lungensyphilis,  von  Hay,  Buchanan, 

Mc  Dougall,  EUiot  . .  2396 

Lungentuberkulose,  intestinaler  Ursprung 
der,  und  Mechanismus  der  tuberkulösen 
Infektion,  von  Calmette  u.  Gu4rin  39, 
Frühdiagnose  der,  von  Arnsperger  64, 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS 


LV 


Seite 

von  Rbeiner  849,  von  Moritz  1839, 
röntgenologische  Diagnostik  der  — , 
von  Pförringer  u.  Bunz  66,  aero- 
lymphogene  — ,  von  Tendeloo  105, 
Tuberkulindiagnostik  der  — ,  von  Junker 
132,  Morbiditätsstatistik  der  — ,  von 
Ranke  180,  intratracheale  Therapie  der 

—  von  Mendel  303,  Entstehung  der  — 
und  begleitenden  Herzstörungen,  von 
Klebs  339,  Pathogenese  der  — ,  von 
Kovacs  43 L,  vorzeitige  Diagnose  der 

—  beim  Kinde,  von  d’Espine  445,  Be¬ 
handlung  der  chronischen  — ,  von 
Schröder  483,  Prognose  der  — ,  von 
Rumpf  536,  Behandlung  der  —  mittels 
Einspritzungen  von  Meerwasser,  von 
Marinescu-Sadoveanu  586,  obere  Luft¬ 
wege  in  ihren  Beziehungen  zur  — , 
von  Freudenthal  797,  funktionelle  Ruhe 
der  Lungen  und  Koordination  der 
Atmungsbewegungen  bei  — ,  von  Rubel 
797,  Behandlung  der  —  mit  zimtsaurem 
Natron,  von  Castellvi  849,  Aetiologie 
und  Therapie  der  — ,  von  Dünges  625, 
Mischinfektion  bei  — ,  von  Sorgo  944, 
Energiehaushalt  bei  — ,  von  Staehelin 
952,  Tuberkulinbehandlung  der  — ,  von 
Hammer  998,  Bedeutung  der  Kehlkopf¬ 
tuberkulose  für  die  Behandlung  der  — , 
von  Bunger  1049,  frühzeitige  Diagnose 
der  — ,  von  Tatuschescu  1096,  Prophy¬ 
laxe  oder  Therapie  der  — •?  von  Rumpf 
1295,  klinische  Formen  der  chronischen 
— ,  von  Gabrilowitsch  1295,  Frühdia¬ 
gnose  der  —  mittels  der  Kochschen 
Tuberkulinprobe,  von  Ziegler  13i0, 
Prognose  der  chronischen  — ,  von 
Weismayr  1448,  Ohylurie  und  — ,  von 
Castellvi  1551,  das  v.  Rucksche  Tuber¬ 
kulin  bei  — ,  von  Ubeda  u.  De  Prada 
1551,  Entstehung  der  — ,  von  Strassner 
1774,  Behandlung  der  —  mit  Euka¬ 
lyptusöl,  von  Blümel  2343,  syste¬ 
matische  Behandlung  der  — ,  von 
Mitulescu  2437,  äusserüches  Symptom 

der  beginnenden  Bronchialdrüsen - 

und  — ,  von  Siracoff  2437,  —  und 
Trauma,  von  v.  Stoutz  2445,  Entsteh¬ 
ung  der  —  durch  die  Lungeneinatmung 
oder  vom  Darm  aus,  —  von  Kuss  und 
Noböcourt  2457,  Herzumfang  bei  der 
— ,  von  Barie  2458,  Opsoninbestim¬ 
mung  bei  — ,  von  Bi  ne  und  Lissner 
2513,  Herz-  und  Blutbefunde  bei  — , 
von  Mendl  und  Selig  2542,  Behandlung 
der  —  durch  Stauungshyperämie,  von 


Courage .  2625 

Lungentumor,  primärer,  von  Heley  .  .  .  1188 

Lungenvagi,  Ausschaltung  der,  von  Nico- 

laides .  2203 

Lungenvolum,  funktionelle  Bedeutung  dös, 

—  von  Bohr  u.  Tendeloo . 2160 

Lungenzirrhose,  muskuläre,  von  Davidsohn  184 

Lupus  erythematodes,  von  Galewsky  41, 


von  Linser  965,  von  Görl  1849,  von 
Appel  2404,  —  vulgaris,  von  Galewsky, 

41,  neuere  Behandlungsmethoden  des 

—  vulgaris,  von  Blaschko  436,  —  faciei, 
von  Görl  842,  Lichtbehandlung  des  — , 
von  Lundsgaard  897,  von  Forchammer 
897,  tumorbildender  — ,  von  Heuck949, 

—  pernio,  von  Roland  949,  Inokulations- 
— ,  von  Sprecher  949,  —  erythematodes 
des  Lippenrots,  von  Kren  949,  mit 
Perlsuchtalttuberkulin  günstig  beein¬ 
flusster  — ,  von  Becker  1099,  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Dreuw  ....  .  2444 

Luxation  s.  a  Halswirbel,  Keilbein,  Total¬ 
luxation,  Unterkiefer. 

Luxation,  isolierte,  des  Kahnbeines  der 
Hand,  von  Riedl  36,  komplizierte  — 
im  Handgelenk,  von  Couteaud  38,  — 
claviculae  supraacromialis,  von  Koch 
293,  —  femoris  centralis,  von  Wolff  429, 
operative  Behandlung  frischer  irrepo- 
nibler  —  u.  Frakturen,  von  Schlange 
680,  isolierte  —  des  Capitulum  radii 


Seite 

nach  vorn,  von  Dreifuss  684,  Behand¬ 
lung  der  habituellen  —  der  Patella, 
von  Haudek  684,  pathologische  — 
einer  Beckenhälfte,  von  Hofmann  846, 

—  pedis  sub  talo  nach  aussen,  von 
Zumsteeg  1246,  subkutane  —  des  Talus, 
von  Schlagintweit  1393,  —  des  Os 
naviculare  pedis,  von  Eichel  1394,  — 
aller  drei  Keilbeine,  von  Blecher  1394,  — 
der  Zehen,  von  Klaussner  1546,  —  im 
Talonavikulargelenk,  von  Morian  1646, 

—  pedis  sub  talo,  von  Luxembourg 
1646,  von  Reismann  1646,  pathologische 

—  des  Ellbogengelenks  infolge  Syrin¬ 
gomyelie,  von  Wendel  1707,  —  ossis 
lunei,  von  Poulsen  1835,  — ■  des  Ell¬ 
bogengelenks,  von  Hahn  1964,  —  der 
halbmondförmigen  Knorpel  des  Knie¬ 
gelenkes,  von  Dambrin  2051,  Spitzfuss 
infolge  nicht  reponierter  —  des  Talus, 
von  Kirchner  2 195,  —  im  Lisfrancschen 
Gelenk,  von  Bommes  2296,  —  der  1. 
Beckenhälfte,  von  Karschulin  ....  2348 

Luxationsfraktur  des  Os  naviculare  pedis, 
von  Jacobsthal  1394,  —  des  Os  navi¬ 
culare  pedis,  von  Jacobsthal  ....  1456 
Lymphangiektasie,  von  Albrecht  1647,  — 
mit  Lymphorrhoe,  von  Müller  .  .  .  950 
Lymphangiome ,  oberflächliche ,  von 
Paetzold  33,  —  cysticum  colli  congenit., 
von  Nast-Kolb  183,  —  cavernosum  der 
Rachen  wand,  von  Weil  1294,  sog.  er¬ 
worbene  — ,  des  Halses,  von  Dencks  1821 
Lymphangioendothelioma,  zystisches,  pa- 

pilliferum  der  Bauch  wand, vonToyosumi  1985 
Lymphangitis  carcinomatose,  von  Jores  2506 
Lymphdrüsen,  Verkäsung  von,vonFraenkel 
811,  Neubildung  von  — ,  bei  Karzinom 
mit  Sarkom,  von  Ritter  1692,  tastbare 
Kubital-  u.  Thorax-  — ,  im  Säuglings¬ 


alter  von  Hochsinger  . . 2210 

Lymphdrüsenentzündung ,  postanginöse, 

von  Kretz . 547 

Lymphdrüsenerkrankungen ,  Bluthefunde 

bei,  von  Hess . 2296 

Lymphdrüsenexstirpation  u.  Elephantiasis, 

von  Riedel . 533 

Lymphdrüsentuberkulose,  von  Jacobaeus  1494 


Lymphe,  Verhalten  der,  von  d'Errico  2202, 
Wirkung  der  Gelatine  auf  den  Abfluss 
und  die  Zusammensetzung  der  — ,  von 
d‘Errico  2056,  Hemmung  von  Adrena¬ 
linwirkung  durch  die  — ,  von  Biedl 

und  Offer .  2541 

Lymphom,  malignes,  von  Westenhoeffer  1408 
Lymphozyten  im  Sputum  u.  in  der  Pleura¬ 
flüssigkeit,  von  Wolff-Eisner  ....  2355 

Lysargin,  von  Weissmann . 1310 

Lysol  s.  a.  Chinosol. 

Lysolvergiftung,  von  Bering  292,  von 
Wandel  292,  von  Fraenkel  339,  Patho¬ 
logie  der  —  u.  Kresol Vergiftung,  von 
Wandel  584,  Gegenmittel  bei  — ,  von 
Friedländer  690,  schwere  innere  — , 
von  v.  Burk  985,  Leberveränderungen 
bei  akuter  —  und  Kresolvergiftung, 
vonWandel!007,  akute — ,  von  Albrecht  1608 
Lyssa,  Komplementablenkung  bei,  von 

Friedberger . 1549 


M. 


Mc  Burneys  Punkt,  typische  Schmerzen 

am,  von  Rovsing . .  .  2344 

Macfadyen  Allan  f,  von  Prausnitz  .  .  .  735 
Madelungsche  Deformität  der  Hand,  von 

Pels-Leusden . 585 

Mäusekarzinom,  von  Tborel  1964,  2619, 
Rückschlag  von  —  in  den  histo¬ 
logischen  Typus  des  Adenoms,  von 

Apolant . 1720 

Mäusekrebs,  Virulenz  des,  von  Clo  wes  537, 

—  und  experimentelle  Krebsforschung, 
von  Haaland  .......  i  .  .  .  .  897 


Seite 


Mäusetyphusbazillus,  Pathogenität  des,  für 

den  Menschen,  von  Shibayama  .  .  .  979 

Magen  s.  a.  Blindsack,  Röntgenstrahlen, 
Sanduhrmagen. 

Magen,  Krankheiten  des,  und  ihre  Behand¬ 
lung,  von  Bourget  177,  Schleimabsonde¬ 
rung  im  — ,  von  Pewsner  231,  freie 
Salzsäure  im  — ,  von  Oopeman  u.  Hake 

336,  Verlagerungen  des  — ,  von  Fenwick 

337,  Wirkung  des  Alkohols  auf  den  — , 
von  Käst  483,  Sekretionsbedingungen  \ 
des  — ,  von  Gross  483,  Erosionen  des 
— ,  von  Milner  537,  elastisches  Gewebe 
des  — ,  von  Schütz  685,  Rheumatismus 
des  — ,  von  Illoway  685,  Schleimhaut¬ 
erkrankung  des  —  durch  Aetzung,  von 
Saito  686,  Röntgenuntersuchung  des 
— ,  von  Bändel  814,  radiologische 
Motilitätsprüfung  des  — ,  von  Schwarz 
u.  Kreuzfuchs  849,  Volvulus  des  — , 
von  Wilke  1012,  von  Neumann  1545, 
Phlegmone  des  —  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Kermauner  1339,  Behand¬ 
lung  von  Verätzungen  des  — ,  von 
Moynihan  1449,  Topographie  des  nor¬ 
malen  — ,  von  Groedel  III 1493,  schicht¬ 
weise  Auffüllung  des  — ,  von  Prym 
1493,  Motilitätsprüfung  des  — ,  von 
Strauss  und  Leva  1549,  Form  und 


Lage  des  — ,  von  Simmonds  1599, 
Lymphsystem  des  — ,  von  Jamieson  u. 
Dobson  1696,  Erkrankung  des  —  bei 
chronischer  Bleivergiftung,  von  Walko 
1728,  Safiabscheidung  des  —  in  nüch¬ 
ternem  Zustande,  von  Gentzen,  1837, 
Kontraktionsphänomene  am  — ,  von 
Kaufmann  1893,  Hydrogenionenkonzen¬ 
tration  im  nüchternen  — ,  von  Tangl 
2000,  fettspaltendes  Ferment  im  Sekret 
des  kleinen  — ,  von  Laqueur  2000, 
Blutversorgung  des  — ,  von  Tomita 
2000,  Geschwür  und  Erosionen  des  — , 
von  Plönies  2245,  anthrakotische 
Drüsendurchbrüche  in  den  — ,  von 
Thorei  2619,  Traktionsdivertikel  des 

— ,  von  Thorei . 2619 

Magenatonie  und  Chlorose,  vonSchirokauer  1837 
Magenblutungen,  operative  Therapie  bei 
lebensgefährlichen,  von  Hirschei  167, 
Behandlung  von  —  u.  Darmblutungen 
mit  flüssiger  Gelatine,  von  Mann  .  .  24 

Magendarmblutungen, rezidivierende  abun¬ 
dante,  in  der  Schwangerschaft,  von 

Preiss . 1995 

Magendarmkanal,  Geschwüre  und  erwor¬ 
bene  Fisteln  des,  von  Lieblein  u. 

Hilgenreiner . .  •  178 

Magendarmkrebs  in  den  ersten  beiden 

Lebensdezennien,  von  Bernaulli  .  .  .  1247 
Magendarmtrakt ,  Muskelausschaltungen 
am,  von  Kreidl  2001,  von  Müller  2001, 
penetrierende  Verletzungen  des  — , 

von  Braun .  •  •  •  2403 

Magenerkrankungen ,  Chirurgie  der  gut¬ 
artigen,  von  Graf  .  2491 

Magenerosionen,  von  Berger . 1116 

Magenerweiterung,  akute,  von  Braun  u. 
Seidel  1339,  akute  — ,  von  Lennander 

1545,  akute  — ,  von  Conner . 1896 

Magenfistel,  spontane,  nach  Ulcus  ven- 

triculi,  von  Mann . 1746 

Magenfundussekret,  von  Schloss  ....  184 

Magenfunktionsprüfung,  Sahlische,  von 

Alexander . 1448 

Magengeschwür,  Diagnose  des,  von  Hem- 
meter34,  operative  Behandlung  des  — , 
von  Robson  335,  die  Heilung  des  — 
hemmende  Einflüsse,  von  Tecklenburg 
483,  Operation  des  perforierten  — ,  von 
Körte  532,  Trauma  und  chronische 
Kompression  des  Epigastrium  lals  Ur¬ 
sachen  des  — ,  von  Ackermann  1004, 
Laparotomie  wegen  Durchbruch  von  — , 
von  Cuff  1 1 45,  Folgezustände  des  runden 
— ,  von  Stauder  1155,  Chirurgie  des  — , 
von  Barling  1194,  akut  perforierendes  — , 
von  Federmann  1296,  Beitrag  zur  Klinik 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


2551 

532 


37 


1425 


2396 

1889 

1295 

2054 

1460 

857 

1188 

179 


2201 

280 


Seite 

des  — ,  von  Best  1317»  chirurgische 
Therapie  des  — ,  von  Hildebrandt  1396, 
Behandlung  des  — ,  von  Little,  Ball, 
Lindsay,  Mitchell  1399,  Aetiologie  und 
Pathologie  des  runden  — ,von  Turck  1695, 
perforiertes  — ,  von  Schoemaker  2054,’ 
Frühdiagnose  des  perforierten  — ,  von 
Harnet  22'  '0,  Technik  der  Operation 
des  perforierten  — ,  von  Martens  2347, 
Behandlung  der  Folgeerscheinungen 
des  —  und  Duodenalgeschwüres,  von 
Thomas  2443,  Behandlung  des  ein¬ 
fachen  — ,  von  Linossier  2457,  Kom¬ 
plikationen  des  —  und  ihre  Behand¬ 
lung,  von  Castaigne  und  Dujarier  2457, 
temporäre  Gastrostomie  bei  —  und 
Darmgeschwüren  von  Lennander  2544, 

exzidiertes  — ,  von  Schmitt . 

Magengeschwürsperfora' ion,  Klinik  und 
Pathologie  der,  von  Brentano  .... 
Magengrenze,  Bestimmungen  der  rechten, 

von  v.  Sievert .  2344 

Magenhautfisteln  infolge  von  Magenge¬ 
schwür,  von  Patel  und  Lerich  .... 
Mageninhalt ,  diagnostische  Bedeutung 
des  hyperaziden,  von  Rubow  233, 
nervöse  Erscheinungen  beim  Ueber- 
gang  des  —  in  den  Darm, von  Kehrer  254. 
Magenkarzinom,  von  Ewald  339,  von 
v.  Brunn  963,  Frühdiagnose  des 
— ,  von  Albu  93,  Diagnose  des  — , 
von  Zirkelbach  484,  metastatisches 
— ,  von  Joseph  687,  —  und  die  Chi¬ 
rurgie,  von  Kausch  691,  resezierte  — , 
von  Müller  907,  Frühdiagnose  des  — , 
von  v.  Aldor  1094,  Chirurgie  des  — * 
von  Creite  1743,  rapid  verlaufenes  — 
mit  Metastasen  in  den  Femur,  von 
Rahner  1826,  Heilungsaussichten  beim 
— -  und  Darmkarzinom,  von  Anschütz 
1873,  primäres  -,  von  Hosch  ....  2195 
Magenkatarrh,  pathologische  Physiologie 

des,  von  Bickel . 179 

Magenkrankheiten,  Diagnostik  und  The¬ 
rapie  der,  von  Boas  1789,  —  und 
Darmkrankheiten,  Therapie  der,  von 
Zweig  794,  Röntgendiagnostik  bei  — , 

von  Jollasse .  1346,  1409 

Magenkrebs,  von  Härting  44,  Heilbarkeit 
des  — ,  von  Kocher  1094,  Bedeutung 
der  mikroskopischen  Mageninhalts¬ 
untersuchung  für  die  Diagnose  des  — , 
von  Lewinski  1248,  Aetiologie  und 
Pathologie  des  — ,  von  Packe  .  .  . 
Magenmuskulatur,  anatomisch-experimen 
teile  Studien  über,  von  Kaufmann 
Magenoperationen  bei  benignen  Leiden 

mit  Stenose,  von  Nyrop . 

Magenperforation,  kompliziert  mit  Haut 

emphysem,  von  Bax . 

Magenperforationsperitonitis,  von  Lieblein 
Magenresektion,  von  Cahen  1751,  Korn 
plikationen  nach  — ,  von  Schmitt  . 

Magenretention,  von  Nyrop . 

Magenruptur,  Entstehung  der  sog.  spon 

tanen,  von  Fraenckel . 

Magensaft,  HCl-Gehalt  des,  und  Harnin 
dikan,  von  Mingot  850,  Zusammen 
se.tzung  des  — ,  von  Hoffmann  unc 
M  intgen  1190,  therapeutische  Yer 
Wendung  menschlichen  —  von  Rosen 
berg  1272,  freie  Salzsäure  des  — ,  von 
Dreser  2000,  peptische  Kraft  des  — , 
von  Roeder  2049,  karzinomatöser  — , 
von  Fischer  2111,  Ausscheidung  des 
— ,  von  Coronedi  und  Delitala 
Magensaftfluss,  von  Strauss  848,  digestiver 

— ,  von  Boas . 

Magensaftsekretion,  psychische  und  asso¬ 
ziative,  von  Bogen  812,  1395,  1999, 
mechanische  Erregbarkeit  der  — ,  von 
Schiff  944,  Einfluss  vegetabilischer 
Nahrung  auf  die  — ,  von  Schloss  1054, 
bei  Rektalernährung,  von  Michael’ 

2347,  von  Umber .  2495 


Seite 


805 


2051 


265 


Magensarkom,  primäres,  von  Cormick 

und  Welsh .  41 

Magenschleimabsonderung,  pathologische, 

von  Schütz . ’  53g 

Magenschleimhaut,  Einfluss  von  Metallen 

auf  die,  von  Bickel . 1507 

Magenschleimhautinseln  im  obersten  Oe'so- 
phagusabschnitt,  von  Schridde  .  .  .  800 
Magenschmarotzer,  von  Frese  ....  99 

Magenschrumpfung,  totale  entzündliche,* 

von  v.  Sury . 685 

Magensekretion  im  höherem  Lebensalter, 

von  Liefschütz .  34 

Magensonde  für  Röntgenzwecke,  von  Gross  1236 
Magenteile,  Tasten  normaler,  von  Haus¬ 
mann  . 2344 

Magentherapie,  Grundsätze  der',  ’  von 

Brown .  2460 

Magentuberkulose,  Pathologie  der,  ’  von 

Barchasch .  2437 

Magentumoren ,  radiologiscbe  Untersu¬ 
chung  von,  von  Holzknecht  und  Jonas 
628,  röntgenologische  Diagnostik  der 

— ,  von  Holzknecht . 

Magenuntersuchung,  funktionelle,  von 
Ähren s  2000,  —  durch  Exploration 
und  Radioskopie,  von  Kieffer  .... 
Magenveränderungen  als  Folge  von 
Thrombose  und  Embolie  im  Pfortader¬ 
gebiet,  von  Payr . 857 

Magenverdauung,  Rolle  der  Salzsäure  bei" 
der,  von  Kentzler  1745,  Mechanismus 
der  — ,  von  Ellenberger  2000,  Beobach¬ 
tungen  über  — ,  von  Cohnheim  .  .  .  2581 
Magnetoperation,  von  Hirschberg  485, 
von  Emanuel  2551,  —  am  Auge,  von 

Isakowitz . 297 

Mais,  Ernährung  mit,  von  Bezolla  .  .  .’  485 
Makrobiotik,  Hufelands,  von  Dittmar  .  .  276 
Makrochilie,  scheinbare,  bei  Hysterie,  von 

Bleibtreu  . . 

Malaria  s.  a.  Vogel  mal  ariaparasiten. 

Malaria,  Behandlung  europäischer  Solda¬ 
ten  gegen,  von  Hudleston  95,  Verbrei¬ 
tung  der  — ,  von  Kelsch  243,  —  auf 
Madagaskar,  von  Kermorgant  644,  — 
in  Griechenland  von  Ross  899,  Darm¬ 
affektionen  durch  — ,  von  Kobler  1293, 
epidemiologische  und  prophylaktische 
Studien  über  die  — ,  von  E.  und  E. 
Sergent  1499,  Röntgenbehandlung  bei 
—  quotidiana  2149,  Aetiologie  der  — , 
von  Ascoli  2400,  Chinintannat  bei  — , 
von  Kohlbrugge  2498,  Chininprophy¬ 
laxe  bei  — ,  von  Fischer  2498,  Chinin 
bei  — ,  von  Treherne . 

Malariabekämpfung, vonCelli,Galli-Valerio, 

Ross,  Rüge . 

Malariakrankheiten,  Bedeutung  der  Farb¬ 
stoffe  bei  den,  von  Diesing . 

Malariaparasiten ,  Arteinheit  der ,  von 
Plehn  965,  —  der  Affen,  von  Halber¬ 
städter  und  v.  Prowazek . 1496 

Malariaschutz ,  mechanischer ,  in  den 

Tropen,  von  Zupitza . 

Malleolarfrakturen,  Behandlung  der  un¬ 
komplizierten,  von  Bibergeil  893,  Be¬ 
handlung  der  —  von  Eichler  .... 
Maltafieber  s.  a.  Micrococcus  melit.,  Mittel¬ 
meerfieber. 

Maltafieber,  von  Gubbi  758,  ambulatori¬ 
sche  Fälle  von  —  540,  von  Shaw  . 

Mamma,  Drüsenkrebs  der,  von  Kyrie 
950,  supernumeräre  — ,  von  Blum 
Mammaamputation,  Vereinfachung  des 
Verbandes  nach,  und  anderen  Opera¬ 
tionen  in  der  Achselhöhle,  von  Ebner 
Mammakarzinom,  von  Sitzenfrey  1604, 
in  den  letzten  25  J.  beobachtete  — ’ 
von  Wunderli  131,  _  beim  Manne, 
von  Koch  298,  Hautschnitt  bei  der 
Operation  des  — ,  von  v.  Brunn  682, 
Nachbehandlung  der  an  —  Operierten, 
von  Schlesinger  1891,  —  und  seine  ope¬ 
rativen  Dauerheilungen,  von  Finsterer 


Seite 


2494 


2011 


2126 


2545 

2206 

2248 


2253 


1891 


540 

1055 


1872 


1952,  Nachbehandlung  bei  — ,  von 

Berndt .  2244 

Mandeln,  Entfernung  der,  mit  der  kalten 

Schlinge,  von  Bryant . 336 

Mandelsteine,  von  Scheven . 1609 

Mangantoxikosen  u.  Manganophobie,  von 

v.  Jaksch . . 

Manie,  periodische,  von  Geist  230 

Manisch-depressiver  Mischzustand,  von 

Goldstein .  2345 

Manometermembran,  deformierte,  von 

Nicolai  und  Schlick . 1956 

Manubrium-Corpusverbindung  des  Ster¬ 
num,  von  Hart  1446,  von  Lissauer  1447 
Manuclin,  von  Ekstein . 847 

Manusvara,  Knochenplastik  bei, von  Vulpius  684 

Maraglianofeier . 1400,  1560 

Maretin,  von  Fiorio  und  Zambelli  1794, 

von  Percival . ’  1805 

Maretin  Vergiftung,  von  Port . 1837 

Marienbader  Brunnen,  Ausnützung  der 
Nahrung  während  des  Gebrauches,  von 

Kolb . 

Markscheidenstruktur,  vitale  Darstellung 
einer,  an  peripheren  Nerven,  von  Goro- 
witz . 

Marmoreksches  Serum,  von  Monod  445, 

—  in  der  Tuberkulosetherapie,  von 

Schenker . 2112 

Masern,  Chlordiät  bei,  von  Nobecourt 

und  Merklen  .  33 

Massage  s.  a.  Luftmassage. 

Massage  und  Heilgymnastik,  von  Smitt 
1011,  Handbuch  der  — ,  vonBuml()90, 

—  durch  rhythmischen  Druck  (nach 
Cederschiöld),  von  Schmidt  122  J,  — 
unter  Wasser,  von  Bendersky  1250, 
gynäkologische  — ,  von  v.  Herff  1998, 
Technik  der  — ,  von  Colombo  ....  2293 

Massageverletzung  und  Knochendefekt, 

von  v.  Hovorka . 1143 

Massenerkrankungen  durch  Nahrungs¬ 
mittel,  von  Hladik .  2205 

Massenvergiftungen  durch  Nahrungsmittel 
in  Hessen  im  J.  1905,  von  Curschmann 
Massotherapeutische  Vornahmen,  Klassifi¬ 
kation  der  — ,  von  Colombo  .... 
Mastdarm,  Gefässversorgung  des  —  im 
Hinblick  auf  die  operative  Gangrän, 
von  Sudeck  1314,  Entfernung  des 
krebsigen  —  mit  den  Drüsen,  von 

Mummery . 1895 

Mastdarmfisteln,  Behandlung  hochsitzen¬ 
der,  von  v.  Herff . 894 

Mastdarmkarzinom,  kombinierte  Opera¬ 
tionsmethode  zur  Entfernung  von  — 
und  Kolonkarzinomen,  von  Rotter  681, 
Operation  der  — ,  von  Berndt  .  .  .  1481 
Mastdarmkrebs  und  seine  Behandlung, 
von  du  Pan  487,  frühe  Erkennung 
und  Behandlung  des  —  von  Drew  489, 
Diagnose  des  — ,  von  Mummery  .  .  1193 

Mastdarmneuralgie,  von  Albu .  2646 

Mastdarmstrikturen,  Behandlung  der  ent¬ 
zündlichen,  von  Clairmont .  2393 

Mastdarmtumoren,  von  Allen .  2403 

Mastdarmvorfälle,  Behandlung  der,*  von 

Härting . 44 

Mastitis,  Behandlung  von,  mit  Saugappa¬ 
raten,  von  Hartmann  261,  Behandlung 
der  —  mit  Bierscher  Stauung,  von 
Zacharias  633,  716,  —  und  Biersche 
Stauung,  von  Sauer  2106,  —  chronica 

cystica,  von  Lichtenbahn .  2492 

Mastoiditis,  Behandlung  der  akuten,  mit 
Staunngshyperämie  nach  Bier,  von 

Eschweiler .  235 

Mathematik,  Anlage  zur,  von  Möbius  .  1139 
Mayer,  60.  Geburtstag  von  Dr.,  von  Füth  1711 
Medianusverletzung,  von  Schmidt  ....  1098 
Mediastinaltumor,  von  Arnsperger  390,  mit 
Röntgenstrahlen  behandelter  Fall  von 

— ,  von  Schwarz .  2442 

Mediastinoperikarditis,  von  Romberg  9*64’ 
von  Mohr . 1058 


35 

92 


1907. 


Seite 

Medizin,  Enzyklopädie  der  praktischen, 
von  Schnirer  276,  Schule  für  tropische 

—  in  Brüssel  303,  praktischer  Führer 
durch  die  gesamte  — ,  von  Lorenz  332, 

1544,  Klassifikation  und  Nomenklatur 
in  der  — ,  von  Lancereaux  445,  Hand¬ 
buch  der  gerichtlichen  — ,  von  Schmidt¬ 
mann  1245,  Jahrbuchder  praktischen  — , 
von  Schwalbe  1544,  Vorschule  der 
gerichtlichen  — ,  von  Pfeifer  1741, 
Archiv  für  Geschichte  der  — ,  1887, 
Lehrbuch  der  inneren — ,  von  v.  Mering 
1887,  Praktikum  der  gerichtlichen  — , 
von  Marx  2046,  Abbildungen  zur 
deutschen  Geschichte  der  — ,  von 
Martin  2b61,  Referat  über  gerichtliche  —  1840 

Medizinalabteilung,  Leitung  der  preus- 

■  sischen,  . . 1595 

Meüizinalbeamtenverein,  bayerischer,  .  .  1856 
Medizinalberichte  über  die  deutschen 

Schutzgebiete . 1948 

Medizinaletat,  preussischer, . 917 

Medizinalpraktikanten ,  Immatrikulation 

von .  448,  1462 

Medizinaluntersuchungsämter  in  Preussen  646 
Medizinalwesen  in  Elsass-Lothringen,  von 

Biedert  und  Weigand  .  .  ...  2194 

Medizinerschaft,  organisierte  Greifswalder  503 
Medizinstudium  für  die  Oberrealschule  .  148 

Medulla,  Erweichungsherde  in  der,  ob- 
longata,  von  Kölpin278,  physiologische 
Anatomie  der  —  oblongata,  von  Kohn- 
stamm  und  Warnke  2157,  —  oblongata  u. 
diezerebrospinalen  Nerven, vonKappers  2647 
Medullaranästhesie,  speziell  mit  Alypin, 

von  Kurzwelly . 1602 

Meerwasser,  s.  a.  Ekzem,  Lungentuberku¬ 
lose,  Seewasser. 

Meerwasser,  isotonische  Injektion  von, 
von  Michelazzi  757,  therapeutische  Rolle 
des  — ,  von  Sadoveanu  und  Marinescu  1095 
Megalenzephalie,  echte,  von  v.  Hansemann  2556 
Mehl,  dexti’inisiertes  und  Dicht  dextrini- 
siertes,  in  der  Säuglingsnahrung,  von 

Philips  . 1048 

Melaena,  Behandlung  der,  neonatorum  mit 
Gelatineinjekti-men,  von  Schubert  83, 

—  neonatorum,  von  Shukowsky  .  .  894 

Melancholie,  von  Dreyfus  1402,  von  Hüb¬ 
ner  2145,  —  mit  Depression,  von  Thal- 
bitzer  2.9,  —  im  Zustandsbild  des 
manisch-depressiven  Irreseins,  von 


Dreyfus . 1994 

Melaninpigmentierung,  physiologische  u. 

pathologische,  von  Wieting  u.  Hamdi  2493 
Melanogenurie,  von  Umber . 635 


Melanome,  benigne,  der  Haut,  von  Tieche  742 
Melanommetastasen,  von  Schomerus  .  .  1346 
Melanosarkomatose,  von  Kohn  13"5,  — 

und  Pigmentierung,  von  Hueter  .  .  1205 
Membranen,  Permeabilität  von,  von  Ham¬ 


burger  .  »  .  .  2154 

Membranmanometer,  Statik  der,  von  Frank 

und  Petter . 1956 

Mendel  E.  f.  von  Laquer . 1489 

Mendelejew  D.  Z.  f,  . 839 


Meningen,  metastatische  diffuse  Sarko- 
matose  der,  von  Stursberg  2196,  Perlen¬ 
bildung  der  — ,  von  Oberndorfer  .  .  2618 

Meningismus,  von  Tylecote .  2249 

Meningitis,  s.  a.  Genickstarre. 

Meningitis  nach  Fremdkörperextraktion, 
von  Schwartze  49,  Therapie  und  Dia¬ 
gnostik  der  — ,  von  Zupnik  135,  — 
cerebrospin.,  von  Lenhartz  695,  — cere¬ 
brospinalis  epidemica,  vonHerfordl453, 
von  Fraenkel  1502,  —  cerebrospinalis 
purulenta,  von  Nonne  287,  Desinfek¬ 
tionsversuche  mit  Pyozyanase  bei  — 
cerebrospinalis,  von  Jehle  592,  Bac. 
coli  immob.  capsulatus  bei  eitriger  — 
cerebrospinalis,  von  Noeggerath  617, 

—  cerebrospin.  pseudoepidemica,  von 
Baginsky  800,  Veränderungen  der 
Ganglienzellen  des  Rückenmarks  bei 
— ■  cerebr.  ep.,  von  Ludwig  1396,  spora- 


INHALTS-VERZEICHN1S. 


Seite 

dische  —  cerebrosp.  epid.,  von  Hölker 
1836,  Züchtung  des  Meningokokkus 
bei  — ,  von  Symmers  und  Wilson  2199, 

—  cerebr.  epid.  bei  Kindern,  von  Cassel 
2296,  Therapie  der  — •  cerebrospinalis 
epidemica,  von  Többen  2420.  tuberku¬ 
löse  — ,  von  Rumpel  1409,  tuberkulöse 

—  mit  Polynukleose  der  zephalo-rachi- 

dianen  Flüssigkeit,  von  Nastase  1095, 
Heilung  von  —  durch  Lumbalpunktion, 
von  Inarros  2297,  opsonischer  Index 
und  Agglutinierung  bei  —  cerebrospi¬ 
nalis,  von  Taylor  2444,  Beugekontrak¬ 
tur  im  Kniegelenk  bei  — ,  von  Kernig 
2609,  Operation  bei  seröser  — ,  von 
Springer  und  Imhofer .  2620 

Meningitisarten  und  Lumbalpunktion  mit 

Quincke,  von  Gindes . 1296 

Meningitisepidemie  in  Belfast,  von  Robb  1851 
Meningocele  vertebrale  mit  Teratoma  kom¬ 
biniert,  von  Bull . 569 

Meningoencephalitis,  chronische,  tuber- 
culosa,  von  Landois  134,  —  unter  dem 
Bilde  des  Delirium  acutum,  von  Fin¬ 
kelnburg  . 2196 

Meningokokken,  Beziehungen  der,  zu  den 
Gonokokken,  von  Zupnik  93,  —  der 
Belfaster  Epidemie,  von  Houston  und 
Rankin  1906,  —  und  verwandte  Bak¬ 
terien,  von  Lingelsheim . 2158 

Meningokokkenpharyngitis,  von  Westen 

hoeffer .  339,  349 

Meningokokkenserum,  Jochmanns,  von 

Schöne .  .  .  .  2398 

Menierescher  Symptomenkomplex,  Diffe¬ 
rentialdiagnose  des,  von  Paray  .  .  1894 

Menschen,  woran  sterhen  die?  von  Spiess  627 
Menschen-  und  Kuhmilch,  chemische 

Unterschiede  der,  von  Biedert  ....  625 
Menschentuberkulose,  Uebertragung  von, 

auf  das  Rind,  von  Fibiger  und  Jensen  234 
Menstruation,  vergleichende  Physiologie 
der,  von  Marshall  1897,  — ohne  Ovarien, 

von  Gellhorn . 2147 

Menstruationsabgänge,  Anatomie  der,  von 

von  der  Leyen  .  .  .  .  381 

Menstruationssiörungen,  hypnotische  Be¬ 
handlung  von,  von  Kohnstamm  .  .  1402 
Menstruationsstadium,  peritonitische  Er¬ 
krankungen  im  — ,  von  Jaffö  ....  2048 
Mentholdampfapparat  zur  Behandlung  des 

Katarrhs  der  Tuba  Eustachii,  von  Mader  1830 
Mergal,  von  Saalfeld  5"2,  von  v.  Zeissl  .  918 

Merkblätter,  hygienis-  he  . 701 

Mesenterialchyluszyste,  von  Reichel  .  .  8u8 

Mesenterialdrüsentuberkulose,  operative 

Behandlung  der  — ,  von  Stark  .  .  .1189 
Mesenterialgebiet,  Zirkulationsstörungen 

im,  von  Niederstein  .  . . 1547 

Mesenterium,  multiple  isolierte  Stichver- 
leizungen  des,  von  Reich  964,  experi¬ 


menteller  Ersatz  des  — ,  von  Lanz  13  '4, 
angeborene  Lücken  und  Spalten  des 

— ,  von  Prutz  . 1692 

Mesokolon,  Weg  durch  das,  von  Loth¬ 
eissen  . .  .  1793 

Messungen,  stereoskopische,  von  Gillet 

und  Fürste  "au . 806 

Metalle,  physiopathologische  Wirkungen 

kolloidaler,  von  Ascoli  und  Izar  .  .  .  1142 

Metallklang,  von  Geigel . 1492 

Meteorismus,  experimentell  erzeugter,  von 
Bickel  184,  —  und  Reflexe,  von 

v.  Miram . 686 

Methylatropinum  bromatum  bei  Kinder¬ 
eklampsie,  von  Boesl  . 1825 


Metritis,  puerperale,  dissecans,  von  Offer- 
geld  1048,  wahre  —  und  Pseudometri- 
tiden,  von  Daniel  109  >.  Pathologie  der 
chronischen  — ,  von  Shaw  .  .  .  1194 

Metrorrhagia  syphilitica,  von  Muratow  .  i444 
Micrococcus  melhensis,  Agglutinations¬ 
fähigkeit  des,  von  Smith  .  .  ...  2255 

Miessmuscheln,  Vergiftungserscheinungen 
durch,  von  Netter  und  Ribabeau- 
Dumas . 1908 


LVII 


Seite 

Migräne,  von  Lopez  1146,  —  und  das 
Grenzgebiet  der  Epilepsie,  von  Gowers 
538,  ophthalmoplegische  — ,  von  Plavec 
999,  ophthalmoplegische  u.  periodische 
Okulomotoriuslähmung  — ,  von  Pader- 


stein  .  . 1048 

Migränepsychosen,  von  Gordon  ....  1298 
Mikroorganismen,  Umzüchtung  von  .  .  .  2014 
Mikrophthalmus  und  Kolobome,  von 

Fleischer  ....  ....  .  .  499 


Mikropsie,  von  Riegel  2''9,  —  und  Chemie 

am  Krankenbett,  von  Lenhartz  .  .  .  1910 
Mikroskopische  Technik,  von  Rawitz  .  .  2644 
Mikrozephalie,  familiäre,  von  Vogt  .  .  484 

Mikrozephalus  und  Encephalocele  mit 
chemischer  Untersuchung  der  Zere¬ 
brospinalflüssigkeit,  von  Kutscher  und 

Rieländer . 2146 

M.kuliczsche  Krankheit,  von  Külbs  962, 

—  in  ihrer  Beziehung  zur  Lues,  von 

Gutmann .  .....  1892 

Milch  s.  a.  Alpenmilch,  Backhausmilch, 
Buttermilch,  Formaldehyd,  Frauenmilch, 
Menschenmilch,  P,  rhydrasemilch. 

Milch,  Bewertung  der,  von  Fischer  295, 
Magenverdauung  der  ,  von  Tobler 
812,  praktische  Bedeutung  der  Reduk¬ 
tionsfähigkeit  der  — ,  von  Brand  821, 
getrocknete  —  als  Säuglingsnahrung, 
von  Hüssy  1296,  Verunreinigung  der 
— ,  im  Hause,  von  Routley  1853,  Ver¬ 
änderung  der  —  durch  Natronlauge, 
von  Krüger  1957,  Behandlung  der  — , 
von  Hempel  2002,  dänische  — ,  von 
Proskauer,  Seligmann  undCröner  2197, 
hämolytische  Substanzen  der  — ,  von 
Pfaundler  und  Moro  2494,  bakterio- 
lytisches  Alexin  der  — ,  von  Moro  .  .  2494 

Milchanstalt  in  Nürnberg . 1560 

Milchdrüse,  Innervation  der,  von  Basch 

229,  Pathologie  der  — ,  von  Sehrt  .  .  2293 
Milchtrerinnung,  Wirkung  geringer  Dosen 

von  Salzen  auf  die  — ,  von  Richet  .  2155 
Milchkuranstalt,  Frankfurter,  von  Cono  1609 
Milchleukozythenprobe  nach Trommsdorff, 

von  Schuppius . •  .  .  .  1793 

Milchpumpe,  neue,  von  Kaupe  126,  1738, 

1807,  von  Pfaundler . 2018 

Milchsekretion  nach  Kastration ,  von 

Grünbaum . 1397 

Milchuntersuchung,  klinische  Methoden 

zur .  2059 

Milchwirtschaftliches,  von  Keller  1517,  2440 
Milchwi-senschaft,  Referat  über,  von 

Raudnitz  .  .  .  .  626 

Militärärztliche  Untersuchungen,  Nutzbar¬ 
machung  der.  für  die  Durchführung 
der  voi beugenden  Krankenpflege  und 
der  Heilbehandung,  vi>n  Welge  .  1496 
Militärget'angene,  psychiatrische  Beobach¬ 
tungen  an,  von  Schultze  ...  .  .  1244 

Militärgesundheitspflege,  von  Barthelmes  275 

Militärhygiene .  2205 

Militärkuranstalten  u.  Genesungsheime  .  2436 
Militärtauglichkeit  nach  Herkunft  und  Be¬ 
schäftigung,  von  May  1142,  —  und 
Säuglingssterblichkeit,  von  Peiper  .  .  1703 

Militärzahnärzte . ....  918 

Millonsches  Reagens,  von  Müller  ....  845 

Milzabszesse,  sequestrierende,  von  Küttner 

144  t,  von  Döbbelin . •  .  1745 

Milzbrand,  s.  a.  Häute. 

Milzbrand,  Resistenz  gegen,  und  die  Her¬ 
kunft  der  milzbrandfeindlichen  Stoffe, 
von  Gruber  und  Futaki  249,  äusserer 
u.  innerer  — ,  von  Lengfellner  526,  Be¬ 
handlung  des  —  mit  Jod,  von  Lobet 
549,  • —  und  seine  Behandlung,  von 
Barlach  727,  —  in  Wien  900,  Gut¬ 
achten  desReichsgesundoeitsrates  über 
das  Auftreten  von  —  im  Schmeiegebit, 
von  Gärtner  u.Damman  1 446,  Resistenz 
des  Menschen  gegen  — ,  von  Kreibich 
lu49,  Resistenz  gegen  — ,  von  drüber 
und  Futaki  2050,  Therapie  des  äusseren 
— ,  von  Creite . .  2646 


8 


LVJII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Milzbrandbazillen,  Nachweis  von,  an 
Pferdehaaren,  von  Russ  1192,  vonTheo- 

dorow  . 1397 

Milzbrandpustel,  Behandlung  der,  von 
Alt4s  1 551,  Behandlung  der  —  mittels 

Exzision,  von  Martinez .  2297 

Milzbrandinfektion,  von  Cossmann  .  .  .  1056 

Milzchirurgie,  von  Küttner . 853 

Milzexstirpation,  von  Perez  2496,  Magen¬ 
darmblutungen  nach  — ,  von  Lieblein  797 
Milzruptur,  Diagnose  u.  Behandlung  der 
subkutanen  traumatischen,  von  Bore- 

lius . 1493 

Milztumor,  von  Mosse  2403,  —  mit  Leber¬ 
zirrhose  ,  von  Deutschländer  2506, 
chronischer  — ,  von  v.  Jaksch  ....  2554 

Milzzysten,  von  Lascialfare .  2496 

Minderwertigkeit  von  Organen,  von  Adler  1643 
Mineralwasser,  molekulare  u.  Zonenkon¬ 
zentration,  sowie  Radioaktivität  der  — , 


von  Strauss  ....  . 2017 

Miniaturen  zur  Geschichte  der  Heilkunde, 

von  Sudhoff .  2061 

Mischgeschwulst  von  Myxosarkom  und 

Karzinom,  von  Prüsmann .  2503 

Mischtumoren,  spontane,  der  Maus,  von 

Ehrlich  u.  Apolant .  2296 

Missbildete  Mädchen,  von  Schirmer  .  .  278 


Missbildung,  s.  a.  Herzmissbildung,  Kepha- 
lothorakopagen. 

Missbildung  der  Geschlechtsteile,  von 
Czyzewicz  278,  experimentell  erzeugte 
— ,  von  Hönnicke  543, 2065,  Morphologie 
der  — ,  von  Schwalbe  508,  seltene  —  am 
Urogenitalapparat,  von  Weinstein  685, 
amniogene  Entstehung  der  — ,  von 
Theodorov  893,  gehäufte  —  des  Extre¬ 
mitätenskeletts,  von  Strauss  1093,  fö¬ 


tale  Peritonitis  mit  — ,  von  Orthmann 
1190,  mehrfache  —  bei  einem  Indivi¬ 
duum,  von  Verocay . 1^03 

Missed  abortion,  von  Zacharias .  2452 

Mission,  Jahressitzung  des  Deutschen 

Instituts  für  ärztliche . 2510 

Mitralinsuffizienz ,  neues  Symptom  der, 

v.  Montenegro . 849 

Mitralklappe,  Mechanismus  der,  von  Mag- 
nus-Alsleben . 1603 


Mitralstenose  u.  Insuffizienz,  von  Merkel  753 
Mitteilungen,  technische,  von  Gerber  135, 

—  aus  derAugenklinik  desCarolinischen 
medicochirurgischen  Institutes  zu  Stock¬ 
holm,  von  Widmark  227,  —  aus  den 
Grenzgebieten  der  Medizin  und  Chirur- 
.  gie  .  .  .  .  .  .  429,  798,  1339,  2194,  2343 
Mittelmeerfieber,  Gang  der  Verseuchung 
mit,  unter  den  Truppen  in  Malta,  von 
Davies  540,  —  bei  Ziegen  etc.,  von 
Shaw  540,  Kontaktexperimente  über  — , 
Horrodes  540,  Ziegen  als  Ueberträger 
des  — ,  von  Horrodes  u.  Kennedy  540, 
Behandlung  von  —  mit  Vakzine,  von 

.  Smith  . .  2255 

Mittelohreiterung,  bakteriologische  Unter¬ 
suchungen  bei  akuter,  von  Denker  1198, 
Bakteriologie  der  akuten  — ,  von  Neu¬ 
mann  1199,  Kristalle  u.  Riesenzellen¬ 
bildung  bei  — ,  von  Wagener  1 199,  Be¬ 
handlung  der  unkomplizierten  chro¬ 
nischen  —  1210,  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  —  ohne  Entfernung  des 
Trommelfells,  von  Heath  1695,  Be¬ 
handlung  der  chronischen  —  ohne 
Radikaloperation,  von  Milligan  1908, 
Indikationen  zur  Aufmeisselung  nach 
Schwartze  bei  akuter  — ,  von  Mygind  2251 
Mittelohrentzündung,  Bakteriologie  der 
akuten,  von  Kümmel  1198,  Behandlung 
akuter  —  nach  Bier-Klapp,  von  Spira 
1250,  Trockenbehandlung  der  — ,  von 

Dahmer . 1304 

Mittelohrkatarrh,  Behandlung  des  chro¬ 
nischen,  von  Urbantschitsch  ....  1298 

Mittelstandskassen .  2298 

Möbius  P.  J.  f,  von  Weygandt  .  .  .  476,  594 

Möbiusstiftung . 759 

Molluscum  contagiosum,  von  Lipschütz  .  536 


Seite 

Moltke-Harden-Prozess  ....  2262,  2312,  2358 
Monatshefte,  Dr.  Klinkhardts,  für  die  ärzt¬ 
liche  Taschenbuchführung  ...  .  2262 

Monatsschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  33,  93,  798,  816,  1190,  1246, 

1744,  2146,  2244,  2492,  2612,  —  für  Kin¬ 
derheilkunde  626,  894,  1047,  1444, 

1547,  1892,  1995,  2049,  2z94,’  2440 
Mondbohne,  Samen  von,  von  Lange  .  .  1446 
Mongolenfleck,  s.  a.  Kreuzfleck. 

Mongolenfleck,  von  Tugendreich  ....  690 
Mongolenkinderfleck,  von  Tugendreich  .  Is93 
Mongolischer  blauer  Fleck,  von  De  Lange  2054 

Mongolismus,  von  De  Sanctis . 1805 

Monoarthritis  pneumococcica  primitiva, 

von  Pende . 1349 

Moorbäder  s.  a.  Gonorrhoe,  Späterkrankun¬ 
gen,  Bleichsucht,  Nierenerkrankungen. 
Moorbäder  bei  chronischen  Nierener¬ 
krankungen,  von  Loebel  751,  Behand¬ 
lung  der  Bleichsucht  mit  weissen  — , 

von  Steinsberg . 751 

Moorgürtel,  elektrischer,  von  Nenadovics  752 

Moral  insanity,  von  Longard . 1548 

Morfologia  del  corpo  umano,  von  De- 

Giovanni . 274 

Morphin-Skopolaminnarkose  Korff,  von 

Korff .  35 

Morphin,  stopfende  Wirkung  des,  von 

Magnus .  1421,  2001 

Morphium  bei  Asthma,  von  Goldschmidt 
1396,  Kombinationswirkung  von  — , 
und  Chloralhydrat,  von  Knell  2298, 
Wirkung  des  —  bei  verschiedenen 
Anwendungsarten,  von  Friberger  .  .  2543 
Morphiumabstinenz,  Psychosen  der,  von 

Chotzen . 484 

Morphiumbezug  aus  Frankreich  ....  647 
Mortalität  in  Paris  im  19.  Jahrhundert, 
von  Bertillon  444,  puerperale  —  in 
Norwegen,  von  Drejer  1605,  —  in 
Deutschland,  in  jeder  Nummer. 
Moskitobekämpfung  in  Port  Said,  von 

Ross .  2254 

Motorische  Bahnen,  Gruppierung  der,  von 

Fabritius . 1796 

Mücken  als  Krankheitsüberträger,  von 
Horrocks  und  Kennedy  540,  Krieg  den  —  748 
Müllerscher  Gang,  kraniales  Ende  des, 

von  Kocks .  33 

Mund,  Operationen  im,  und  ihre  Asepsis, 

von  Wingrave .  40 

Mundboden,  Dermoide  des,  von  Stieda 
694,  Erkrankung  der  Drüsen  des  — , 

von  Kretschmann . 746 

Mundhöhle,  Bakterienflora  der,  von 


Mucha . 1293 

Mundtuberkulose,  primäre,  durch  Infektion 
mit  Perlsuchtbazillen,  von  Weber  .  .  1785 
Murphyscher  Darmknopf,  von  Reinhardt  2198 
Murphyknopf,  Anwendung  des,  am  Dick¬ 
darm,  von  Vogel . 1192 

Museum,  astronomisches,  der  Treptow¬ 
sternwarte,  von  Archenhold . 2108 

Muskatnuss,  Vergiftung  mit,  von  Mendel¬ 
sohn  .  2496 


Muskel,  Thermodynamik  der,  von  Bürker 
59,  Wärmestarre  der  — ,  von  v.  Frey 
243,  Dauerverkürzungen  am  gelähmten, 
von  v.  Frey  243,  Dauerverkürzung  an 
gelähmten  — ,  von  Saito  2105,  post¬ 
mortaler  Glykogenschwund  in  den  — , 
von  Kisch  2105,  Wärmestarre  der  — , 
von  Inagaki  2105,  angeborener  Defekt 
des  —  serratus  ant.  major,  von  Bittorf  2645 
Muskelangiom,  kavernöses,  von  Nast-Kolb  2293 
Muskelatonie,  kongenitale,  von  Tobler  .  1836 
Muskelatrophie,  arthritische ,  von  Bum 
185,  frühinfantile,  progressive  spinale 
,  von  Fromm  499,  Behandlung  der 
auf  Gelenksergüsse  folgenden,  von 
Berger  644,  neuraler  Typus  der  — , 
von  Gerhardt  910,  partielle  — ,  von 
Fürnrohr  1506,  progressive  — ,  von 

Schmidt . 2102 

Muskelfasern ,  wachsartige  Umwandlung 
der,  von  Thoma . 686 


Seite 

Muskelinfiltrate,  chronische  rheumatische, 

von  Lorenzen . 897 

Muskelkontraktionen,  langdauernde,  von 

Kleist . 1844 

Muskelkontraktur,  ischämische,  von 
Blencke  100,  Behandlung  ischämischer 

— ,  von  Kleinschmidt . .  .  947 

Muskellähmung,  progressive  atrophische, 

von  Minkowski . 542 

Muskelleiden,  kongenitale,  bei  Kindern, 

von  Wimmer . 1000 

Muskeln^rven,  brennende  Fasern  in  den, 

von  Nicolaides . • .  2203 

Muskelrupturen,  subkutane,  von  Wolf  .  2293 
Muskelschlaffheit  und  Gelenkschlaffheit, 

von  Hagenbach-Burckhardt .  2293 

Muskelschwäche,  Vortäuschung  mono- 

artikulärer,  von  Vulpius  * . 1607 

Muskelstarre,  physiologische  Natur  der, 

von  Winterstein .  2203 

Muskel-,  Sehnen-  und  Nerventransplan- 


tation,  von  Gaudier  2206,  von  Kirmisson  2307 
Muskelzuckung,  galvanische,  bei  ver¬ 
schiedenen  Krankheiten,  von  Kollarits  1493 
Mütterberatungsstelle  s.  a.  Säuglingsmilch¬ 
küche. 

Mutterkornpräparate,  Wirkung  der,  von 

Kehrer . 1406 

Mutterschaftsversicherung,  von  Mayet  234, 
staatliche  und  private  — ,  von  Fischer 

1837,  2540 

Mutterschutz,  Generalversammlung  des 


Bundes  für . 234 

Myasthenie,  von  v.  Rad  1209,  —  gravis 


pseudoparalytica,  von  Sitson  93,  — 
pseudoparalytica ,  von  Grund  289, 
Pathologie  des  Stoffwechsels  bei  — , 
von  Kauffmann  756,  —  pseudoparalytica 
und  Hyperleukozytose,  von  Pel  951, 
Pathologie  der  —  gravis,  von  Marburg  1188 
Mydriasis,  springende,  von  Riegel  .  .  .  298 

Myeloblasten,  Lymphoblasten  und  lympho- 

blastische  Plasmazellen,  von  Schridde  1340 
Myeloides  Gewebe,  Histologie  des,  von 


Maximow . 1248 

Myelom,  von  Permin  . .  2394 

Myelotom,  von  Trendelenburg . 2106 

Mykosis  fungoides,  von  Spiethoff  43,  mit 
Röntgenstrahlen  behandelte  —  fungo- 1 

ides,  von  Hübner . 1799 

Myodegeneratio,  Histologie  der,  cordis, 

von  Magnus . .  .  1744 

Myokarditis,  von  Geipel  1057,  gummöse 
— ,  von  Tatuschescu . 587 


Myom,  von  Staude  142,  von  Merkel  756, 
von  Pilsky  1098,  von  Flatau  1105, 

—  und  Gravidität,  von  Levisohn 
142,  subseröses  — ,  von  Flatau  633, 
wann  soll  ein  —  operiert  werden? 
von  Weisswange  1027,  —  bei  Gravidi¬ 
tät,  von  Büttner  1143,  multiple  — ,  von 
Lauenstein  1153,  Nekrose  und  Ver-J] 
eiterung  der  — ,  von  v.  Franquö  1344, 

—  submucoses,  von  Albrecht  1608,  Ne¬ 

krose  und  Vereiterung  der  — ,  von  v. 
Franqud  1709,  1892,  Indikationen  und 
Methoden  der  Operation  bei  — ,  von 
Strassmann  1853,  Bedeutung  der  Re- 
sectio  uteri  bei  —  zur  Erhaltung  der 
Menstruation,  von  Frankenstein  2539, 
Beziehungen  der  —  zur  Sterilität,  von 
Hofmeier .  2452 

Myomektomie,  abdominale,  von  Monprofit  38 
Myomoperationen  in  der  Schwangerschaft, 
von  Laubenburg  1892,  Statistik  und 
Methodik  der  — ,  von  v.  Franquö  .  .  2542 
Myopathien  mit  Zerebralsymptomen,  von 

De  Sanctis . 1108 

Myopie,  Sehnervenveränderungen  bei,  von 
Stock  1903,  Vorbeugung  der  — .  von 

Berger .  2241 

Myopischer,  operierter,  von  Schmidt- 

Rimpier  . . 755 

Myositis  ossificans  traumatica,  von  Röpke 
739,  —  ossificans  traumatica  nach 
Luxation,  von  Strauss . 1995 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LIX 


Seite 

Myotonia  congenita,  von  te  Kamp  1341, 

—  atrophica,  von  Fürnrohr . 2196 

Myxidiotie,  kongenitale,  von  Fromm  49, 

1155,  von  Wolff .  49 

Myxoedem,  von  Heyn  228,  — ,  Mongolis¬ 
mus  und  Mikromelie,  von  Moro  49,  — 
geheilt  durch  innerliche  Schilddrüsen¬ 
behandlung,  von  Stoicesco  und  Baca- 
loglu  4*7,  infantiles  — ,  vonLiebers  696, 
Radiographie  bei  —  infantile ,  von 
Busi  1108,  —  fruste,  von  Krokiewicz 
1298,  familiäres  — ,  von  Apert  ....  1461 

N. 

Nabelbruch,  Operation  der,  und  Bauch¬ 
brüche,  von  Cahen . .  2048 

Nabelschnur,  Nerven  in  der,  und  der 

Plazenta,  von  Bucura . 893 

Nabelschnurbruch,  von  Coenen  1210,  The¬ 
rapie  der  grossen  — ,  von  Fiedler  231, 
angeborener  — ,  von  Schultze  1547, 
von  Ringel  1679,  —  und  Bauchblasen¬ 
genitalspalte,  von  Rittershaus  ....  1952 
Nabelschnurumschlingung,  von  Holzbach  133 
Nachbehandlung,  chirurgische, von  Stevens  2200 
Nachgeburtsblutungen,  von  Menge  .  .  .  633 
Nachgeburtsoperationen,  Einübung  der, 

von  Sellheim . 1217,  1345 

Nachgeburtsperiode,  Physiologie  und  Diä¬ 
tetik  der,  von  Heil . 625 

Nadel,  von  Henrici  1656,  neue  — ,  von 

Zeller . 1829 

Nährböden,  Einfluss  der,  von  Almagid,  .  383 

Naevi,  blaue,  von  Tieche . .  .  742 

Naevus  porokeratodes,  von  Fabry  950, 

—  pigmentosus,  von  Ahlfeld  1505,  ich- 
thyosiformer  — ,  von  Kreibich  .  .  .  2555 

Nagana,  Heilung  der  experimentellen,  von 

Löffler  und  Rühs . .  1794 

Nagel,  Instrument  zur  partiellen  Exzision 

des  eingewachsenen,  von  Ittameier  .  1640 

Nagelerkrankungen,  seltene,  von  Heller  .  950 

Nagellinie,  physiologische,  des  Säuglings, 

von  Schick . 1107 

Nagelpigmentation  bei  sekundärer  Syphi¬ 
lis,  von  Vörner  .  .  .  .  .  2483 

Nahm  Dr., . 968 

Nahrungseiweiss,  Spaltung  des,  im  Darm, 

von  Cohnheim  . 2^01 

Nahrungsmittel-  und  Drogengesetz  .  .  .  803 

Nahschussverletzungen  der  Knochen, 

von  Herhold . 1889 

Naht  s.  a.  Flächennaht,  Ramiezwirn. 
Nahtmaterial,  antiseptische  Wirkung  me¬ 
tallischen,  von  Green . 1398 

Naphthalin  ein  Blutgift,  von  Gaube  und 

Tribon .  2460 

Narben keloide,  Ichthyol  bei,  von  Mon- 

tariol .  .....  2297 

Narkose  s.  a.  Aethylchloridnarkose,  Aether- 
maske,  Aethernarkose,  Aethertropfnar- 
kose,  Chloraethyl,  Chloroform,  Hedo- 
nalaetbernarkose,  Heroinchloroformnar¬ 
kose  ,  Inhalationsnarkose ,  Morphin , 
Yeronal. 

Narkose,  von  Lint  1146,  Erbrechen  nach 
der  — ,  von  Wanietschek  13%  —  mit 
dem  Roth-Trägersehen  Tropf apparat, 
von  Rosenthal  384,  Technik  der  — , 
von  Strauch  582,  allgemeine  — ,  679, 
Einfluss  der  Kochsalzinfusionen  auf 
die  Chloroformwirkung  während  und 
nach  der  — ,  von  Burkhardt  1188,  — 
mit  erwärmtem  Chloroform,  von  Haun 
2387,  von  Rath  2643,  Kokain  gegen 
das  Erbrechen  nach  der  — ,  von  Freund 
2442,  Sättigung  des  Tierkörpers  mit 
Chloroform  während  der  — ,  von 
Dunker  2445,  —  mit  Alkohol-Aether- 
Chloroformmischung,  v.  Reynes  2459, 
Unfälle  in  der  — ,  von  Gray  .  .  .  2620 

Nasale  Nebenhöhlen,  Verwendung  der 
X-Strahlen  für  die  Bestimmung  der, 
und  ihrer  Erkrankung,  von  Goldmann 

u.  Killian . 1245 

Nase,  Reinigung  der,  bei  Kindern,  von 
Escat  97,  Verhältnis  zwischen  Krank¬ 
heiten  der  —  und  des  Auges,  von 


Seite 

Schmiegeion  233,  Anwendung  starker 
elektrolytischer  Ströme  in  der  — ,  von 
Lamann  746,  —  zur  Zeit  der  Menses, 
Schwangerschaft  und  Geburt,  von 
Oppikofer  1260,  Beziehungen  zwischen 
den  Krankheiten  der  —  und  des 
Auges,  von  Reinhard  1294 ,  maligne 
Tumoren  der  inneren  — ,  von  Harmer 
u.  Glas  1995,  Krankheiten  der  —  und 
Mundhöhle,  sowie  des  Rachens  und 
Kehlkopfes,  von  Bruck  2291,  Tampo¬ 
nade  der  —  und  des  Nasenrachen¬ 
raumes,  von  Lennholf  .  .  .  .  .  .  .  2643 
Nasenbluten,  Behandlung  des  habituellen, 
von  Hellmann  1107,  prämonitorisches 

— ,  von  de  Cigna .  2252 

Nasenchondrome  ,  Pathologie  der ,  von 

Glas .  2442 

Naseneiterungen,  Saugtherapie  bei,  von 

Weil  . 1497 

Nasengeschwülste,  Operation  der  malignen, 

von  Denker . 1796 

Nasenhöhle,  perineurale  Injektionen  an¬ 
ästhesierender  Lösungen  innerhalb  der, 

von  Killian . 1702 

Nasenkompressorium,  von  Gerber  .  .  .  746 
Nasennebenhöhlen ,  Indikationsstellung 
zu  den  radikalen  Eingriffen  bei  ent¬ 
zündlicher  Erkrankung  der,  von 

Hajek .  2443 

Nasenobstruktion  und  Tuberkulose,  von 

Leroux  . 746 

Nasenoperationen,  kosmetische,  vonGerber  743 
Nasenpolypen,  Aetiologie  der,  von  Fraser  1649 
Nasenrachenraum,  Meningokokkus  und 
Mikrokokkuskatarrh  im,  von  Jehle  134, 

Klinik  und  Chirurgie  des  — ,  von 

Pincus . 739 

Nasenseptum,  submuköse  Resektion  des, 

von  Porter . 1895 

Nasentamponade,  von  Choronskitzky  96, 

von  Weleminsky  97,  von  Goldschmidt  2252 

Nasentuberkulose,  von  Cramer . 1448 

Nasentumor,  von  Trautmann . 643 

Nasopharynx,  Operationsmethoden  zur 
Entfernung  maligner  Tumoren  vom, 

von  Eve . 1399 

Natal-Beulen,  von  Elliott . 1748 

Naturforsch  erversammlung  ,  Sitzungs  - 
belichte  der,  s.  Teil  IV. 
Naturforscherversammlung  1614,  1711, 

1966,  Besprechung  der  Verhandlungen 
der  gerichtsärztlichen  Abteiluug  der 
Stuttgarter  — ,  von  Schulz  141,  Pro¬ 
gramm  der  — . 1563 

Naturheilkunde,  Stellungnahme  des  Arztes 

zur,  von  Esch . 131 

Natrium  perboricum  bei  Behandlung  von 
Ohren-,  Nasen-,  Rachen-  und  Hals¬ 
kranken,  von  Hartmann  . 1998 

Nauheimer  Bäder  bei  Herzkranken,  von 

Bennett . 385 

Nebenhöhlen ,  wann  ist  die  Radikal¬ 
operation  der,  der  Nase  notwendig? 

von  Lublin ski .  .  .  2541 

Nebenhöhleneiterung,  60  Radikalope¬ 
rationen  nach  Killian  bei,  von  Reichel  1304 
Nebenhöhlenschleimhaut,  mikroskopische 
Befunde  der,  bei  Empyem,  von  Oppi¬ 
kofer  . 1500 

Nebenhornschwangerschaft,  von  Limnell  1310 
Nebenkröpfe,  wahre  laterale,  von  Payr  u. 

Martina . 1546 

Nebenmilzen,  multiple,  von  Schilling  .  .  946 
Nebennieren,  Apoplexie  der,  von  Rommel 
48,  Beziehungen  der  —  zur  Genital¬ 
funktion  und  Nierenfunktion,  von 
Marrassini  281,  —  und  Osteomalakie, 
von  Bossi  483,  pathologische  Anatomie 
der  — ,  von  Bainbridge  u.  Parkinson 
1560,  Läsionen  der  — ,  von  Stamatiade  1606 
Nebennierenblutungen  Neugeborener,  von 

Lange . . 341 

Nebennierenextrakt,  analeptische  Wirkung 

des.  bei  Herzkollaps,  von  Kothe  .  .  1891 
Nebennierengeschwulst,  maligne,  mit  Meta¬ 
stasen,  von  de  Besehe . 2150 

Nebennierenpräparate,  Wirkung  der,  auf 

die  Kaninchenaorta,  von  Klieneberger  845 


Seite 

Nebennierenverpflanzung,  von  Coenen  ,  682 

Nebenschilddrüse,  Exstirpation  der,  an 

Hunden,  von  Mossaglia  .....  .  280 
Necator  americanus  auf  den  Philippinen, 

von  Cole  .  2545 

Nederlandsch  Tij  dschrift  voor  Geneeskunde  303 
Negerseele,  die,  und  die  Deutschen  in 

Afrika,  von  Oetker . 1443 

Negrische  Körperchen,  von  Babes  1191, 

—  im  Speichel  wutkranker  Hunde,  von 

Stefanescu . 1606 

Nematoden,  zwei  neue  Genera,  von  Leiper  1895 
Nephrektomie,  von  Bariing,  2443,  Unter¬ 
suchung  und  Entkapselung  der  zweiten 

Niere  bei  — ,  von  Edebohls . 1896 

Nephritis  s.  a.  Albuminurie. 

Nephritis,  Hämolyse  bei,  von  Leopold  132, 
neues  Heilmittel  bei  — ,  von  Noguera 
282,  chirurgische  Behandlung  der  — 

398,  Exstirpation  der  kranken  Niere 
bei  einseitiger  — ,  von  v.  Angerer  6-0, 
experimentelle  — ,  von  Siegel  953, 
Genese  der  Nierenblutungen  bei  — , 
von  Kusumoto  997,  Aderlass  bei  akuter 
— ,  von  Felici  1002,  toxische  — ,  von 
Schlayer  u.  Hedinger  1091,  Entkapse¬ 
lung  bei  — ,  von  Müller,  von  Zondeck 
1651,  typhöse  — ,  von  Cagnetto  u. 
Zaneau  1744,  akute  — ,  von  Völcker 
1907,  —  und  Renodekortikation,  von 
Phocas  u.  Bensis  2051,  Wirkung  in¬ 
differenter  und  schweisstreibender 
Bäder  bei  — ,  von  Strasser  u.  Blumen¬ 
kranz  2104,  Präzipitine  im  Urin  bei 
chronischer  — ,  von  Maragliano  2149, 
traumatische  — ,  von  Tommellini  2246, 

2350,  drucksteigernde  Substanzen  im 
Blute  bei  chronischer  — ,  von  Schlayer 
2395,  hämorrhagische  — ,  von  Treplin 
2404,  drucksteigernde  Substanzen  im 
Blut  bei  chron.  — ,  von  Schur  u. 

Wiesel .  2646 

Nephrolithiasis,  doppelseitige,  von  Krause 
1745,  chirurgische  Behandlung  der  — , 
von  Perthes  1752,  Diagnostik  u.  Thera¬ 
pie  der  — ,  von  Kriminell  2207,  Aetio¬ 
logie,  Diagnostik  u.  Therapie  der  — , 

von  Adler .  2541 

Nephrolithotomie,  Blutung  nach,  von  Neu¬ 
häuser  . 1496 

Nephropexie,  von  Krecke  698,  neue  Me¬ 
thode  der  — ,  von  Goyanes . 283 

Nephrotomie  mittels  des  Querschnittes, 

von  Zondek . 2611 

Nephrotyphus,  von  Rolly . 193 

Nervenbahnen,  warum  sind  die  grossen, 

gekreuzt?  von  Dixon .  2396 

Nervenendkörperchen,  Funktion  des  lamel- 
lösen,  als  Drucksinnesorgane,  vonRam- 

ström . 897 

Nervenfasern,  abnorme  Segmente  in  nor¬ 
malen,  von  Engelmann  3*6,  markhal¬ 
tige  —  der  Hundepapille,  von  Schreiber 
1903,  Regeneration  der  — ,  von  Bethe  2106 
Nervengeflechte  im  weiblichen  Becken, 

von  Roith . 1647 

Nervenkranke,  Beschäftigungstherapie  für, 

von  Laehr .  94 

Nervenkrankheiten  in  ihren  Beziehungen 
zu  Zahn-  u.  Mundleiden,  von  Krohn 
1740,  Prognose  der  — ,  von  Oppen¬ 
heimer  2157,  antisyphilitische  Behand¬ 
lung  bei  metasyphil  tischen  u.  syphi¬ 
litischen  — ,  von  Schuster  ...  .  2175 

Nervennaht  und  -lösung,  von  v.  Auffen- 

berg . 1045 

Nervennetze,  periphere,  von  Hofmann  .  2203 
Nerven  pfropfung  im  Gebiet  der  N.  facialis, 

von  Davidson . •  ...  .2192 

Nervenrcgeneration  und  Heilung  durch¬ 
schnittener  Nerven,  von  Bethe  u  Spitzy 
260,  —  bei  Kaltblütern  die,  bewirken¬ 
den  Kerne,  von  Beyermann .  2349 

Nervensystem,  Neutralzellen  des  zentralen, 
von  Kronthal  278,  Physiologie  des  sym¬ 
pathischen  — ,  von  Müller  997,  syphi- 
logene  Erkrankungen  des  zentralen  — , 
von  Erb  1401,  von  Plaut  1468,  —  Syphi¬ 
litischer,  von  Meyer  1603,  Anomalien 

8* 


LX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

des  zentralen  —  bei  Embryonen,  von 
Fisehel  174>,  Funktionen  des  zentralen 
— ,  von  Lewandowsky  ......  1832 

Nervenstämme,  Resektion  grosser,  ohne 

Lähmung,  von  Röder . 2118 

NervenHubstanz,  Aufbrauch  von,  von 

Edinger  . 1402 

Nervenmuskelpräparat,  von  Lucas  .  .  .  2203 
Ner  öse,  Rlutbefunde  bei  — ,  von  Bret- 

schneider . . j  587 

Nervöse  Leiden,  Entstehung  u.  Behand¬ 
lung  der,  von  Cornelius . 1004 

Nervostat,  ihre  Ursachen,  Erscheinungen 
u  Behandlung  von  Cramer  .  .  .  220 

Nervus,  Nerven,  Chirurgie  der  peripheren, 
von  Sherren  04,  —  oder  Mikroorganis¬ 
mus?  von  Bah  315,  Störungen  im  Gebiet 
der  -  medianus,  von  Wandel  53f>,  Lä- 
s’on  des  —  medianus,  von  Curschmann 
96  t,  Sekundärnaht  des  —  ischia  licus, 
von  Sherren  1 193,  Kontinuitätstrennung 
peripherischer  — ,  von  Poscharissky 
1248,  Anatomie  u  Physiologie  der  — 
des  Herzens  von  v.  Cyon  1891,  Re¬ 
generation  der  — ,  von  Kilvington 
169S.  Verletzungen  des  radialis,  u. 
ihre  Behandlung,  von  Borchard  1742, 
Degeneration  u.  Regeneration  der  — , 
von  Halliburton  1838,  —  recurrens  u. 
Kropfoperationen,  von  St  erlin  1951,  Re¬ 
sektion  des  —  infraorbitalis,  von  Drees¬ 
mann  1995,  2259,  Verbindung  zwischen 
—  u  Muskel,  von  Langley  2  03,  bis¬ 
her  übersehene  Wurzel  tes  —  glosso- 
pharyngeus  u.  Vagus,  von  Huguenin  2348 
Netz,  Torsion  des,  —  von  Adler  856,  von 
Tietze  56,  multilekuläre  Zyste  des  — , 

von  Karas  .  .  946 

Netzgeschwülste,  primäre,  von  Simmonds  635 
Netzhaut,  markhaltige  Nervenfasern  in 
der,  von  Bernhardt  84",  getrocknete 

— ,  von  Gailstrand . 1903 

Netzhautabhebung,  operative  Beseitigung 

der,  von  Sachs  .  .  2248 

Netzhautablösung,  Behandlung  der,  von 
Uhthoff  491,  Behandlung  der  — ,  von 
Deutschmann  564,  Druckverband  bei  — 

von  Freytag . 1734 

Netztorsion,  von  Smoler . H43 

Neubildungen,  elastisches  Gewebe  in,  von 
Waljaschko  894,  bösartige  —  infolge 
Trauma,  von  BoReck  1003,  Kombina¬ 
tionsbehandlung  bei  bösartigen  — ,  von 
Beck  2198,  Stukturbesonderheiten  der 
entzündlichen  —  durch  Einführung 
von  Bestandteilen  der  Tuberkelbazillen, 

von  Tschistowitsch  . ’  2493 

Neugeborene,  Behandlung  asphyk'tischer’ 
mit  Sauerstoffinfusionen,  von  Offer- 
geld  93,  Körperproportionen  des  — , 

von  Weisenberg .  .  229 

Neugeborenenblennorrhöe,  von  Elschnig  2620 
Neumayer-Stiftung  ...  .  .  .  2407 

Neuralgien  und  ihre  Behandlung,  ’  von 
Schnitze  90  ,  von  Lange  1008,  Heilung 
der  durch  Eukaininjektionen,  von 
Opitz  1298,  —  Myalgie,  von  Peritz  1603, 
Infektionsbehandlung  der  — ,  von 
Schlesinger  2450,  Alkoholinjektionen 
bei  sekundären  —  des  Trigeminus,  von 

Brissaud  und  Sicard .  2458 

Neuralgiebehandlung  mit  Alkoholeinsprit-  ~ 
Zungen,  von  Schlösser  ....  .  902 

Neurasthenie,  Behandlung  der,  von  Somer- 
ville  1199,  phosphorsanres  Natron  bei 
'  ’  v"n  ^  etlesen  I6"4,  Bäderbehand¬ 
lung  der  — ,  von  Cave  ....  .  2397 

Neurastheniker,  Symptome  bei,  von  Riegel  298 
Neurastheni-che  Zustände,  amtsärztliche 
Beurteilung  der,  von  Lochte  .  .  .  .195  t 
Neurectomia  optico-ciliaria,  von  Elliot  .  385 
Neurinsarkoklese,  von  Grabow’ski  .  16ul 

Neuritis  optica  nach  Mumps,  von  Mölling 
1098,  —  n.  optici,  von  Kraus  1105^ 
postdiphtherbehe  multiple  — ,  von 
Köster  LV 6,  —  optica  bei  Te'anie,  von 
Hanke  1904,  Untersuchungen  über  — , 


Seite 


von  Beyermann  2349,  —  retrobulbaris 
infolge  Jodoformintoxikation ,  von 

Sarafoff .  .  .  2496 

Neurobiologie,  Aufgaben  der,  von  Forel  .  1993 
Neurofibrillen,  Entwicklung  der,  in  der 

Pyramidenbahn,  von  Gierlich  583, 
leitende  Funktion  der  — ,  von  Bethe  2203 

Neurofibromatosis,  von  Rimann  545  _ 

congenita,  von  Rimann  .  .  .  H89 

Neurofibrome,  multiple,  des  Zentralnerven¬ 
systems,  von  Geipel . 1057 

Neurologen,  Wanderversammlung  der  süd¬ 
westdeutschen.  u.  Irrenärzte . 759 

Neurome,  von  Senator  .  .  .  ...  1507 

Neuronophagie,  von  Laignel-Lavastine  u. 
Voisin  ...  947 

Neuroprin,  antikonvulsivische  Wirkung  des, 

von  Sciallero  .  . ’  4955 

Neurose,  Tremor  bei  traumatischer  — , 
von  Boeri  757,  Simulation  bei  trau¬ 
matischer  — ,  von  Boeri  757,  Aus¬ 
breitung  der  Symptome  bei  trauma¬ 
tischer  — ,  von  Boeri  757,  traumatische 
—  vor  u.  nach  der  Unfallversicherung, 
von  Braun  1095,  Beziehungen  der  trau¬ 
matischen  — ,  zur  Arteriosklerose,  von 
Leers  2  >50.  rhythmische  Uebungen  bei 
spastischer  — ,  von  Wilson  2397,  funk¬ 
tionelles  Verhalten  der  Gefässe  bei 
tropischen  und  vasometrischen  — ,  von 

Curschmann  .  2519 

Neurosenlehre,  Sammlung  kleiner  Schriften 

über  die,  von  Freud  ...  .  531 

Nichtsyphilitische  Affektionen,  spezifische 
Behandlung  von,  von  Martin  .  .  .  283 

Niederschläge,  spezifische,  bei  Lues,  Tabes 
u.  Paralyse,  v.  Fornet,  Schereschewsky, 
Eisen/.immer  u.  Kosenfeld  .  .  .  2148 

Niederschlagsmengen,  quantitative  Bestim¬ 
mung  kleiner,  von  Hamburger  .  .  .  2151 
Niere  s.  a.  Schrumpfniere. 

Niere,  Zertrümmerung  der,  von  Wendel 
100,  Einwirkung  von  Salzen  auf  die 
— ,  von  Leopold  132,  Vanabilitätsprobe 
zur  Bestimmung  der  Funktionsfähigkeit 
der  — ,  von  Nicolavsen  232,  Entkapse¬ 
lung  der  — ,  von  Müller  739,  Geschwulst 
zwischen  —  und  Nebenniere,  von 
Brian  742,  Röntgenographie  der  — , 
von  Sträter  8  5,  eisenhaltige  Bakterien- 
zylinderinden  Blutgefässen  der  — ,  von 
Westenhoeffer  946,  Kalk  in  den  Rinden- 
gefässen  der  kindlichen  — ,  von  Glaser¬ 
feld  946,  Edebohlssche  Dekapsulation 
der  — ,  von  Rondoni  1002,  in  die  Milz 
implantierte  — ,  von  v.  Haberern  1011, 
Karzinom  der  — ,  von  Neuberger  1104, 
palpable  und  bewegliche  — ■  im  Säug¬ 
lingsalter,  von  Leiner  1293,  Eiweiss¬ 
steine  der  ,  von  Morawitz  und  Adrian 
1339,  —  und  Ureteren  von  Föten  und 
Neugeborenen,  von  Seitz  1419,  Ent¬ 
stehung  von  Zysten  in  den  — ,  von 
Thompson  1445,  antitoxische  Funktion 
der  — ,  von  Pi  y  Suner  1551,  entzünd¬ 
liche  Veränderungen  der  Glomeruli  der 
,  von  Löhlein  1831,  kompensatori¬ 
sche  Hypertrophie  der  — ,  von  Kap- 
sammer  2103,  experimentelle  Tuber¬ 
kulose  und  Thrombose  in  der  venös- 
hvperämischen  — ,  von  Meinertz  2112, 
verschobene  — ,  von  Riedel  2198,  Rhab¬ 
domyosarkom  der  — ,  von  Treplin  2 104, 
Anlegen  einer  Stützleiste  bei  abnorm 
beweglicher  — ,  von  Thomson  2460, 
Enukleation  und  Dekapsulation  der  — , 
von  Finocchiaro  2497,  Grawitzscher 
Tumor  der  — ,  von  Oberndorfer  2618, 
von  Thorei  .  ...  .  2619 

Nierenbeckenentzündung ,  akute  und 
chronische,  von  Lenhartz  .  .  .  .  .  761 
Nierenblutungen,  essentielle,  von  Stein- 
.  thal  • . . 

Nieren  Chirurgie,  von  Dopring  181,  1742, 
von  Gebele  533,  von  Rumpel  683,  von 
Reichel  752,  von  Kraske  962,  von  Garre 
und  Ehrhardt  1442,  von  Fischer  .  .  2438 


Seite 

Nierendiagnostik,  funktionelle . 680 

Nierendefekte  und  Missbildungen  des 
Urogenitalapparates,  von  Sternberg  .  2348 
Nierendekapsulation  bei  Eklampsie,  von 

Franck  ....  .  2471 

Nierendystopie,  erworbene,  mit  Hydro- 

nephrose,  von  Schaad  .  . .  2491 

Niereneiterungen  in  der  Schwangerschaft, 

von  Barth . 1544 

Nierenentzündung,  Wirkung  des  Trinkens 
von  destilliertem  Wasser  bei  chroni¬ 
scher  — ,  von  Markus . 801 

Nierenerkrankungen,  Moorbäder  bei  chroni¬ 
schen  — ,  von  Loebel  84s,  Diagnostik 
der  chirurgischen  —  von  Thelen  1 611, 
Chlornatriumausscheidung  bei,  von 

Bolte  . .  2255 

Nierenfunktion,  Untersuchungen  über  die, 

von  Bock . 2102 

Nierengegend,  maligne  Tumoren  der,  im 

Kindesalter,  von  Oshima . 280 

Nierengefässe,  anormale,  vonEkehorn  1188, 1796 

Nierengeschwülste  suprarenal.  Ursprungs, 

von  Sabolotnow . ’  1248 

Niereninsuffizienz,  Diagnose  der  und  die 
Behandlung  der  Urämie,  von  Osborne  2397 
Nierenkranke,  Kochsalzhaushalt  u.  Blut¬ 
druck  bei,  von  Löwenstein  ....  1603 

Nierenkrankheiten,  Hydrops  bei  — ,  von 
Heineke  u  Meyerstein  1096,  Diagnostik 
der  — ,  von  Bradford  1448,  Unter¬ 
suchungsmethoden  bei  — ,  von  Kotzen¬ 
berg  1891,  Bedeutung  des  reno  renalen 
Reflexes  für  die  Pathologie  u.  Diagnostik 
der  — ,  von  Blum  2103,  diätetische  Be¬ 
handlung  der  — ,  von  Clemens  .  .  .  2451 
Nierenläsion,  einseitige,  und  Hypertrophie 

des  1.  Ventrikels,  von  Pende  .  .  .  1349 
Nierenlager,  Apoplexie  des,  von  Doll  .  .2417 
Nierenoperation,  von  Holländer  ....  41 

Nierenreduktion  und  Funktion  *  des 
restierendenParenchyms,  vonv.Haberer  429 
Nierenruptur,  subkutane  totale,  von 

Flörcken . 1443 

Nierensarkom,  von  Steinhard  393,  kind¬ 
liches  — ,  von  Flörcken  430,  —  der 

Kinder,  von  Monssarat .  2396 

Nierenstein  s.  a.  Riesennierenstein. 

Nierenstein,  von  Klemperer  15  >8,  Druck¬ 
schmerzhaftigkeit  des  Hodens  bei  — , 

von  Bittorf . 1 120 

Nierensteinkolik,  Aspirin  bei,  von  Hornung  574 
Nierensteinschnitt,  querer,  von  Marwedel  1793 
Nierentuberkel,  Genese  des,  von  Buday  742 
Nierentuberkulose,  Frühoperation  bei,  von 
Brongersma  185,  primäre  — ,  von 
Ekehorn  233,  Untersuchungsmethoden 
u.  Therapie  bei  der  chronischen — ,  von 
Pitha  381,  —  u.  Blasentuberkulose, 
von  Kümmell  533,  —  und  arterielle 
Hypotension,  von  Reitter  129.3,  Arbeiten 
über —  1651,  Formen  u.  Diagnose  der 
— ,  von  De  Keersmaeker  1747,  —  ist 
bei  innerer  Behandlung  heilbar,  von 
Pechere  2445,  Behandlung  der  —  mit  . 
Röntgenstrahlen,  von  Bircher  2525, 
Tuberkulin  in  der  Behandlung  der 

— ,  von  Pielicke .  2647 

Nierentumoren  bei  Kindern,  von  Mekus 
1296,  kongenitale  — ,  von  Wendel  1707, 
Diagnostik  und  Therapie  der  — ,  von 
Küster  2207.  von  v.  Eiseisberg  2207, 

Genese  und  Ätiologie  maligner  —  supra¬ 
renalen  Ursprunges,  von  Mastrosimone  2496 
Nierenuntersuchung,  funktionelle,  von 

Heresko  .  .  .  .  . .  2459 

Nieren  Verletzungen,  Behandlung  subku¬ 
taner,  von  Frank . .  ....  1791 

Nieren  Wassersucht,  von  Bence  1447,  experi¬ 
mentelle  Beiträge  zur  — ,  von  Georgo- 
pulos  131,  Pathogenese  der  — ,  von 
Blanck  139,  Wassergehalt  des  Blut- 
serums  bei  — ,  von  Htrauss  ....  132 

Nierenzysten,  von  Braunwart . 800 

Nikotin  s.  a.  Rauchen. 

Nikotin,  Einfluss  des,  des  Kaffees  und  des 
Tees  auf  die  Verdauung,  von  Crämer929, 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXI 


Seite 

Einfluss  des  —  auf  die  Zirkulations¬ 
organe,  von  Grassmann  975,  Bedeutung 

des  — ,  von  Bitter . 1758 

Nilbeulen,  von  Madden . 899 

Nobelpreis .  2462 

Noma,  bakteriologische  Untersuchungen 

bei,  von  Hellesen . 232 

Nordlandsreise . 816 

Nordsee,  Winterkuren  an  der,  von  Nikolas 

und  Kok .  2454 

Nosokomialgangrän,  von  Tende .  2497 

Notzucht,  versuchte,  in  Hypnose,  von 

Schwabe . 1841 

Novaspirin,  von  Witthauer  231,  von  Lieb¬ 
mann  433,  von  Lehmann  585,  —  in 
Geburtshilfe  und  Gynäkologie,  von 

Merkel  .  .  1334 

Novokain,  von  Reynier  2406,  —  in  der 
Zahnheilkunde,  von  Euler  646,  —  als 
Lumbalanästhetikum,  von  Füster  .  .  2195 
Nuklein,  Prophylaxe  u.  Behandlung  der 
Infektion  des  Peritoneums  mittels,  von 

Chantemesse  u.  Kahn . 2199 

Nukleinsäuren  aus  Thymus  u.  Herings¬ 
sperma,  von  Steudel . 2155 

Nukleinstoffwechsel,  von  Schittenhelm  180, 
von  Schittenhelm  und  Schmid  .  .  .  2494 
Nystagmus,  Theorie  des,  von  Bäräny  1260, 

—  bei  Labyrinthverletzung,  von  Voss  1260 


O. 

Oberarmbrüche,  von  Hackersches  Triangel 
zur  Extensionsbehandlung  der,  von 

Streissler .  2438 

Oberkiefer,  Totalresektion  des,  von  Ehrich 
1 105,  Hyperostose  des  — ,  von  Walliczek 
1548,  Deformierung  des  — ,  von  Kellner  2403 
Oberkiefergeschwülste,  Diagnostik  der,  von 

Wolff  . 682 

Oberkieferzysten,  von  Andereya  ....  755 

Obermedizinalausschuss,  verstärkter  .  .2510 
Oberschenkelbruch  u.  Unfallversicherung 
von  Liniger  139,  1008,  —  besonders 
des  obern  und  untern  Dritteils,  von 
Bardenheuer  957,  von  König  958,  Gips¬ 
hülsenverband  zur  Behandlung  der  — , 
von  Finck  958,  mit  Verlängerung  ge¬ 


heilte  — ,  von  Görke . 958 

Oberschenkelfrakturen,  Erfolge  der  Be¬ 
handlung  der,  mit  Streckverbänden, 

von  Schwarz . 909 

Oberschenkelluxation,  von  Karehnke  .  .  1738 
Oberrealschulabiturierenten ,  Zulassung 

der,  zu  den  ärztlichen  Prüfungen  .  .  350 

Oberrealschulen . 863 


Obstipation,  physikalische  Therapie  der 
habituellen  und  der  sexuellen  Neur¬ 
asthenie,  von  Zabludowski  92,  — 

infolge  Darmabknickung,  von  Pfisterer 
583,  —  u.  Konstipation,  von  Milward  1650 
Ochronose, von  Gräfin  er  1558, von  Nauwerck  2503 
Oedem,  nephritisches,  von  Schlayer  953, 

—  cutis  factitium,  von  Vörner  1549, 

—  malignum,  von  Salus  1709,  nephri¬ 
tisches  —  ,  von  Schlayer,  Hedinger 
und  Takayasu  1834,  Lokalisation  des 
akuten  umschriebenen  —  in  der  Seh¬ 
nervenpapille,  von  Handwerck  .  .  .  2332 

Oel,  therapeutischer  Wert  des,  u.  Knochen¬ 
markes  bei  Magenkrankheiten,  von 

Wal  ko  .  2442 

Oesophagoplastik,  von  Robitzky  ....  893 

Oesophagoskopie  s.  a.  Speiseröhrenab¬ 
schnitt,  Hypopharyngoskopie,  Broncho¬ 
skopie. 

Oesophagoskopie,  von  Frese  1904,  von 
Kelling  2064,  Technik  der  — ,  von 
Kölliker  229,  Instrumente  zur  — ,  von 
Kölliker  855  — ,  Tracheo-  und  Bron¬ 
choskopie,  von  Schmiegelow  .  .  .  1550 
Oesophagus,  Konfiguration  des,  von  Tele- 
mann  34,  Fremdkörper  im  — ,  von 
Kausch  147,  Divertikel  und  zirkuläre 
Narben  des  — ,  von  Küster  855,  opera- 


Seite 

tive  Behandlung  der  Erweiterung  des 
,  von  Reisinger  856,  Flimmerepithel¬ 
zyste  des  — ,  von  Dürck  2165,  Perfo¬ 
ration  des  —  in  die  Luftwege,  von 

Horner  .  .  . . .  .  2348 

Oesophaguschirurgie  856,  endothorakalo 

— ,  von  Wendel . 855 

Oesophagusdivertikel ,  von  Martens  50, 

1546,  vön  Dreyfuss  441,  von  Meisen¬ 
burg  486,  von  Pollard  1894,  Radikal¬ 
operation  des  — ,  von  Gehle  .  .  .  2527 

Oesophagusende,  kongenitale  Atresie  deB 

oberen,  von  Schreiber . 810 

Oesophaguskarzinom,  von  Petersen  .  .  .  1555 
Oesophagusmuskulatur,  Hypertrophie  der, 

von  Ehlers .  2394 

Oesopliagusperforation,  von  Lichtenberg  1610 
Oesophagusruptur,  spontane,  von  Cohn  .  2343 
Oesophagusspasmen  nasalen  Ursprungs, 

von  Joal .  97 

Oesophagusstenose,  von  Siegert  138,  — 
und  ihre  Behandlung,  von  Ach  .  .  .  1963 
Oesophagusstrikturen,  nicht  auf  Karzinom 
beruhende  undurchgängige,  von  Gross 

und  Sencert .  1498 

Oesophagusvarizen,  von  Bleichröder  .  .  1203 
Ohr  s.  a.  Elektrizität. 

Ohr,  Beteiligung  des  inneren,  nach  Kopf¬ 
erschütterungen,  von  Rhese  135,  Funk¬ 
tionsuntersuchung  des  — ,  von  Yoss 
135,  funktionelle  Prüfung  des  —  und 
des  statischen  Organs  bei  Unfall  kran¬ 


ken,  von  Nadoleczny  1004,  Anatomie 
des  —  der  Japaner,  von  Kishi  1050, 
histologisches  Präparat  des  inneren  — , 

von  Panse . 1260 

Ohreiterungen,  Proteus  vulgaris  bei,  von 
Lauffs  1050,  spezifisches  Gewicht  des 

— ,  von  Haid . 1897 

Ohrelektrode,  neue,  von  Herschel  .  .  .  1250 
Ohrerkrankungen  ,  lymphomatöse ,  von 
Alexander  332,  Mortalität  der  — ,  von 
Levy . 743 


Ohrenheilkunde,  alte,  in  Japan,  von  Kubo 
135,  —  im  Kriege,  von  Passow  135, 
Geschichte  der  — ,  von  Politzer  892, 
Lehrbuch  der  — .  von  Körner  942,  die 
Kurpfuscherei  in  der  — ,  von  Hechinger  1886 
Ohrenkrankheiten  s.  a.  Stautherapie  , 
Stauungshyperämie. 

Ohrfeigenruptur,  von  Dalimann  ....  49 

Ohrmuschel  bei  Schwachsinnigen ,  von 
Imhofer  332,  angeborener  Defekt  der 
— ,  von  Manasse  1199,  Bedeutung  der 
—  für  das  Hören,  von  Geigel  1478, 
Plastik  der  Missbildungen  der  — ,  von 
Uffenorde  2130,  Funktion  der  — ,  von 


Geigel .  2337 

Ohrsauger,  neuer,  von  Leuwer . 1341 

Ohrschwindel,  durch  Operation  geheilt, 

von  Isemer .  23 

Ohruntersuchung,  Methode  der,  bei  Schul¬ 
kindern,  von  Hartmann . 1198 

Ohrwurm,  aus  der  Blase  entfernter,  von 

Polano . 2452 

Okulomotoriuslähmung,  von  Riegel  .  .  .  1155 
Oleum  cinereum,  Gefährlichkeit  des,  von 

Oettinger . 644 

Omentopexie . 398 

Onychia  pigmentosa,  von  Vörner  ...  .  671 


Onychoatrophie  bei  Färbern,  von  Gotthilf  1687 
Onychogryphose,  von  Tschmarke  ....  813 

Operationen  an  den  Händen  und  deren 
Vorbereitung,  von  Vogel  169,  Nach¬ 
behandlung  nach  mobilisierenden  — , 
von  Slomann  1093,  Nachbehandlung 
chirurgischer  — ,  von  Morton  1145, 
endogene  Infektion  und  bakteriolo¬ 
gische  Prognose  bei  gynäkologischen 
— ,  von  Liepmann  1301,  Enstehung  der 
Infektionen  bei  —  in  der  Bauchhöhle, 


Von  Theilhaber . 1302 

Operations-  und  Entbindungsbett ,  von 

Miklaschewsky . ■ .  .  .  .  1047 

Operationskurs,  Leitfaden  für  den  geburts¬ 
hilflichen,  von  Döderlein . 1832 

Operationslampe,  von  Alexander  ....  1965 


Seite 

Operationslehre,  chirurgische,  von  Kocher  2145 


Operationstisch  nach  Bumm,  von  Liep¬ 
mann  . 483 

Operateurinstitut,  100 j.  Jubiläum  des,  in 
Wien  502,  647,  k.  k.  chirurgisches  — 
in  Wien,  von  v.  Eiseisberg  u.  Hochenegg  629 

Ophiotoxin,  von  Faust . 585 

Ophthalmie,  Aetiologie  der  sympathischen, 
von  Stargardt  443,  phlyktänuläre  — , 
von  Nias  und  Paton  537,  präventive 
Behandlung  der  sympathischen  — ,  von 


Law'son  1146,  metastatische  —  im 
Puerperium,  von  Feiertag  1296,  sym¬ 
pathische  — ,  von  Römer .  2499 

Ophthalmoblennorrhoe,  von  v.  Herff  1406, 
Verringerung  der  Zahl  der  Erkrankun¬ 
gen  an  —  gonorrhoica,  von  v.  Herff  2147 
Ophthalmologie,  Referat  über,  490,  1146, 

1696,  2499 

Ophthalmoplegia  interior,  von  Riegel  .  2648 
Ophthalmoreaktion  s.  a.  Allergie,  Kon- 
junktivalreaktion,  Tuberkulinreaktion, 
Tuberkulin. 

Ophthalmoreaktion  in  der  Chirurgie,  von 
Bazy  1908,  diagnostische  Bedeutung 
der  —  bei  Tuberkulose,  von  Schenck 
und  Seiffert  2269,  von  Franke  2496, 
von  Schubert  2504,  von  Wiens  und 
Günther  2586,  —  nach  Chantemesse 
bei  Typhus,  von  Kraus,  Luxemberger 
und  Russ  2348,  Calmettesche  — ,  von 
Lenhartz  2404,  —  auf  Tuberkulin,  von 
Cohn  2441 ,  klinische  Bedeutung  der 
— •  auf  Tuberkulose,  von  Klieneberger 
2588, —  bei  Tuberkulösen,  von  Treupel  2617 
Ophthalmoskopierlinse,  von  Polack  .  .  .  1697 
Ophthalmoskopische  Untersuchung  Neu¬ 
geborener,  von  v.  Sicherer . 1902 

Opium  bei  Hypertrophie  des  Pylorus , 
von  Neild  1839,  Meteorismus  infolge 

— ,  von  Drenkhahn . 2014 

Opotherapie . 397 

Opsonine,  von  Fyshe  95,  von  Neu¬ 
mann  343,  von  Strubeil  2004,  2172, 

2451,  Wrights  — ,  von  Löhlein  914, 
Wrightsche  — ,  von  Boellke  1954,  — 
und  ihre  therapeutische  Bedeutung, 
von  French  1145,  Wrights  —  und 
seine  therapeutischen  Bestrebungen 
bei  Infektionskrankheiten,  von  Löh¬ 
lein  1473,  —  und  Phagozytose,  von 

Kämmerer  .  .  .  .  .  1916,  2016 

Opsoninbestimmung ,  Technik  der,  und 
ihreAnwendung  bei  Lungentuberkulose, 

von  Bine  und  Lissner  .  .  . 2513 

Opsonischer  Index,  von  Fraser  1398,  Ein¬ 
fluss  antituberkulösen  Serums  auf  den, 
von  Bosauquet  und  French  1694,  Be¬ 
stimmung  des  —  bei  Tuberkulose,  von 
Campbell  1694,  —  bei  Geisteskranken, 
von  Shaw  1839,  — bei  der  Tuberkulose, 
von  Stewart  und  Ritchie  1839,  —  und 
Tuberkulintest  in  der  Diagnose  derFrüh- 
tuberkulose,  von  Rotch  und  Floyd  .  2398 
Opsonische  Kraft  des  Blutes  und  der 
Milch,  von  Turton  und  Appleton  .  .  1694 
Opsonische  Wirkung  des  Normalserums, 

von  Axamit  und  Tsuda . 1838 

Opuscula  selecta  neerlandicorum  ....  943 

Orang-Utan ,  Schädel  eines,  von  Hoffmann  754 
Orbita,  Beziehungen  der,  zu  den  Fossae 
pterygopalatinae,  von  Krauss  18,  nar¬ 
bige  Verwachsungen  an  der  — ,  von 
Krauss  101,  Splitterverletzung  der  — , 
von  Verse  293,  Chirurgie  der  retro¬ 
bulbären  Raumes  der  — ,  von  Dobe- 
rauer  1495,  Oedeme  der  — ,  von  Birch- 


Hirschfeld . 1901 

Orbitalvenen,  von  Krauss . 1902 

Orchitis,  akute,  durch  Pyozyaneusinfek- 

tion,  von  Hirschberg .  2248 

Oreille  et  Encäphale,  von  Perez  .  .  •  .  2304 


Organisation,  Ausbau  der  wirtschaftlichen 

2563,  2564,  2565  ff. 
Organtherapie,  von  Naegeli-Akerblom  .  .  2657 
Orient,  Sommerreise  nach  dem,  von  Neu- 
stätter .  . 1592 


,XII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Orientbeule,  von  Bettmann . 289 

Orthodiagraphie,  Tisch  für,  von  Hänisch 
806,  Zeichenebene  auf  Zelluloid  für  — 
des  Herzens,  von  Franze  1100,  —  des 

Herzens,  von  Herz . 2198 

Orthopädie,  Verhältnis  der  —  zur  Chir¬ 
urgie,  von  Hoeftmann  684,  von  Lorenz, 

von  Fränkel .  2547 

Orthopädische  Therapeutik,  Lehrbuch  der, 

von  Ducroquet .  2391 

Orthopädische  Zentralanstalt  in  München  2556 
Orthopnoe,  Ursachen  der,  von  Hofbauer  1141 
Ortskrankenkasse  München  1109,  Zentral¬ 
verband  d*-r  —  1511,  Jahresversamm¬ 


lung  des  Zentralverbandes  der  —  1759, 

1806,  Generalversammlung  der  — 
München .  2557 


Osiris  Erbschaft  des  Institut  Pasteur  .  .  1855 
Ossifikation  der  kindlichen  Hand,  von 

Heimann  und  Potpeschnigg  ....  1047 
Osteoarthritis,  idiopathische,  deformans 
coxae,  von  Preiser  1153,  sog.  idio¬ 
pathische  juvenile  —  deformans  coxae. 


von  Preiser . •  .  .  .  .  1995 

Osteochondritis  dissecans  und  Gelenk¬ 
mäuse,  von  Lindenstein .  32 

Osteome,  von  Koch . 1001 


Osteomalazie,  von  Veit  1904,  von  Arcan- 
geli  1966,  Nebennieren  und  — ,  von 
Bossi  278,  Adrenalinwirkung  bei  — , 
von  v.  Velits  1547,  von  Neu  2101, 

—  mit  Adrenalineinspritzungen  nach 
Bossi  geheilt,  von  Tanturri  1793,  Patho¬ 
logie  und  Therapie  der  — ,  von  Seelig- 
mann  2048,  Adrenalinbehandlung  der 

—  nach  Bossi,  von  Kaessmann  2294, 

—  in  Westfalen,  von  Everke  2492, 

schwere  — ,  von  Tanturri  2498,  Behand¬ 
lung  der  —  mit  Nebennierenpräpa¬ 
raten,  von  Puppel . 2612 

Osteomyelitis,  akute,  von  Heinlein  642, 
acute  —  der  flachen  Schädelknochen, 
von  Keimer  1496,  Frühoperation  der 
akuten,  —  von  Rubritius  1604,  —  des 

Oberarms,  von  Gerlach .  2553 

Osteomyelitistaubheit,  von  Siebenmann  1260 

Osteoplastik  mit  toten  Knochen,  von 

Friedrich . 543 

Osteopsathyrosis  im  Kindesalter,  von 

Peiser . 2257 

Osteosarkome,  Beteiligung  des  Periostes 
an  Wachstum  der  — ,  von  Marullaz 
432,  alveoläres  — ,  von  Schilling  2013, 


—  eines  Hundes,  von  Schilling  .  .  2013 
Osteotomie-  und  Osteoklasiefrage,  von 

Bade . 740 

Ostitis  fibrosa,  von  v.  Haberer  1046,  von 


Pfeiffer  1092,  —  gummosa  mit  Spon¬ 
tanfraktur,  von  Frangenheim  1393,  — 

deformans,  von  Milner . 1845 

Othämatom,  von  Seiler  .  .  • . 1094 

Otitis,  Erreger  und  Wege  der  Infektion 
bei  der  akuten  —  media,  von  Kobrak 


1199,  Behandlung  der  chron.  —  media 
durch  Saughyperämie,  von  Stimmei 
1261,  Behandlung  der  akuten  — media, 
von  Peterkin  1^94,  Wiederherstellung 
des  Gehörs  bei  Operationen  wegen  — 

media,  von  Heath .  2444 

Otitische  Fälle,  geheilte,  von  Lauffs  .  .  44 

Otogene  Komplikationen,  Differenzialdia¬ 
gnose  bei  den  endokraniellen,  von 

Hasslauer . 1897 

Otologie,  Referat  über  ....  135,  1050’  1897 
Ovarialabszess,  geplatzter,  von  Rosenfeld  2648 
Ovarialgravidität  mit  Hämatozele,  von 

Schiekele  .  .  • . 277 

Ovarialkarzinom  und  Gravidität,  von 

Zi<;kel . 816 

Ovarialkolloidkystom,  von  Merkel  ...  756 
Ovarialkystom,  doppelseitiges,  von  Mar- 

chand . 1704 

Ovarialsarkom  während  der  Gravidität, 

von  Bircher .  2294 

Ovarialschwangerschaft  mit  lebendem 
Kinde,  von  Menge .  2452 


Seite 

Ovarialtumor,  von  Simon  1707,  maligne  — , 
und  Magenkarzinom,  von  Engelhorn 
277,  —  und  Tubentuberkulose,  von 
Wiener  345,  eiähnliche  Bildungen  in 
— ,  von  Blau  1340,  —  oder  Milztumor? 
von  Kramer  1504,  Diagnose  und  The 
rapie  der,  in  der  Schwangerschaft,  von 

Horn . •  .  .  .  .  1703 

Ovarialveränderungen,  seltene,  von  Adler  2244 
Ovarialzyste,  von  Kaiser  2355,  Vereiterung 
einer  —  durch  Bacillus  typhosus,  von 

Taylor .  2461 

Ovariotomie,  Enderfolge  der,  von  Glöckner 
92,  —  in  der  Schwangerschaft,  während 
der  Geburt  und  im  Wochenbett,  von 
Retzlaff  1744,  —  während  derSchwanger- 
schaft,  von  Flatau  2048,  vaginale  — 

in  gravidate,  von  Democh . 1492 

Ovarium,  Anatomie  des,  von  Runge  92, 
deziduale  Bildungen  in  den  —  bei 
intrauteriner  Gravidität,  —  von  Hör¬ 
mann  333,  Funktion  der  nach  Total¬ 
exstirpation  des  Uterus  zurückgelas¬ 
senen  — ,  von  Holzbach  333,  Reimplan¬ 
tation  der  —  beim  Menschen ,  von 
Pankow  441, 2645,  Behandlung  der  prola- 
bierten  — ,  von  Bonney  490,  Nach¬ 
weis  von  chromaffinem  Gewebe  und 
Ganglienzellen  im  — ,  von  Bucura  1250, 
Histologie  des  Bindegewebes  im  — , 
von  Hörmann  1343,  Einfluss  der  — 
auf  den  Uterus,  von  Marshall  und  Jolly 
1398,  Transplantation  von  —  von  Mag¬ 
nus  2150,  Transplantation  eines  — , 
von  Marshall  und  Jolly  2201,  von 
Guttrie  2201,  Oberflächenpapillome  des 


— ,  von  Zacharias .  2452 

Ovarientransplantation  in  die  Milz,  von 

Foges . H07 

Ovarientumoren,  Mechanismus  der  Stiel¬ 
torsion  bei,  von  Jolly . 1046 

Ovogal,  ein  neues  Cholagogum,  von 

Rahn .  . 470 

Ovulationsfieber,  rekurrierendes,  rheuma¬ 
tisches,  von  Riebold .  2003 

Ovulationsvorgang ,  Wechselbeziehungen 
zwischen  dem,  inkl.  der  Menstruation 
u,  inneren  Krankheiten,  von  Riebold  1868 
Oxalsäure  bei  Infektionskrankheiten,  von 

Mayer . 1493 

Oxientabletten . 2216 

Oxybenzyltannine ,  pharmakologisches 
Verhalten  von,  von  Hildebrandt  1219, 
praktische  Erfahrungen  über  — ,  von 

Baumgarten . 1220 

Oxydationsfermente,  von  Dony-Henault  2155 

Oxyuris  u.  Appendix,  von  Hippius  u. 
Lewinson .  2248 


Ozaena  s.  a.  Würmer. 

Ozaena,  von  Fränkel  35,  Behandlung  der 
—  mit  Paraffininjektionen,  von  Blau 
96,  Paraffinbebandlung  der  — ,  von 
Masip  283,  Kontagiosität  der  — ,  von 
Lermoyez  746,  —  eine  larvierte  Tuber¬ 


kulose,  von  Caboche .  2252 

Ozaenafrage,  von  Perez . 1797 

Ozaenakranke,  Heilung  von,  vermittels 

Radiotherapie,  von  Dionisio .  97 

Ozetbäder,  Sarasonsche,  von  Franze  u. 

Pöhlmann . 1093 

P 

Pachydermie,  von  Lauffs . 643 

Pachymeningitis  interna  haemorrhagica, 

von  Jahrmärker . 181 5 

Palermo .  2400 

Panamakanalgebiet,  Assanierung  des  .  .  803 
Pankreas  s.  a.  Gallensäuren,  Lezithin. 
Pankreas  680,  —  des  Menschen,  von 

ITT  11  ,1  . 


Wohlgemuth  184,  subkutane  Verletzung 
des  — ,  von  Karewski  348,  Behand¬ 
lung  der  soliden  Tumoren  des  — ,  von 
Villan  487,  isolierte  Zerreissung  des 
— ,  von  Homeyer  1345,  eine  Funktion 


Seite 

des  —  u.  ihre  Beziehung  zum  Diabetes 
mellitus,,  von  Loewi  1411,  innere  Funk¬ 
tion  — ,  von  Lombroso  1446,  Anatomie 
u.  Pathologie  des  — ,  von  Hess  1505, 
experimentelle  Untersuchungen  über 
das  — ,  von  Lazarus  1508,  akzessorisches 
—  in  der  Magemvand,  von  Thelemann 
1547,  Erepsin  im  — ,  von  Mays  2000, 
Innervation  des  — ,  von  Modrakowski 
2001,  Einfluss  der  Galle  auf  die  fett- 
u.  eiweissspaltenden  Fermente  des  — , 
von  v.  Fürth  u.  Schütz  2001,  isolierte 
subkutane  Querzerreissung  des  —  durch 
Operation  geheilt,  von  Hohmeier  .  .  2036 

Pankreasabszess,  von  Wendel . 1707 

Pankreasdiabetes,  von  Pflüger  2056,  —  in¬ 
folge  von  Antointektion,  von  Gilbert 

u.  Ldreboullet . 947 

Pankreaserkrankungen,  von  Eloesser  .  .  2343 
Pankreasinseln ,  experimentelle  Hyper¬ 
trophie  der  Langerhansschen  bei  der 
Phloridzinglykosurie,  von  Lazarus  2223, 
Hypertrophie  der  Langerhansschen  — , 
von  Heiberg  2532,  von  Lazarus  .  .  .  2652 
Pankreaskopf,  Karzinom  des,  von  Stauder  546 
Pankreasnekrose  u.  Fettgewebsnekrose 
nach  Gallensteinanfällen,  von  Grön- 
dahl . 1604 


Pankreasreaktion,  von  Haldane  337,  Cam- 
midgesche  —  im  Urin,  von  Eichler  .  1396 

Pankreasruptur,  von  Heineke . 545 

Pankreassaft,  Untersuchung  des,  von  Vol- 
hard  403,  Verhalten  einiger  Polypep¬ 
tide  gegen  — ,  von  Fischer  u.  Abder¬ 
halden  2000,  proteolytische  Wirksam¬ 
keit  des  — ,  von  Camus  u.  Gley  2155, 
Wirkung  von  Kalziumsalzen  auf  — , 

von  Delezenne .  2202 

Pankreassaftsekretion,  therapeutische  Be¬ 
einflussung  der,  von  Bickel . 1054 


Pankreassekret,  von  Wohlgemuth 
Pankreassteapsin,  von  v.  Fürth  2155,  von 

Stolz . 

Pankreaszysten ,  operative  Behandlung 
der,  von  Wölfler  384,  —  und  Pankreas¬ 
diabetes,  von  Grund  798,  Totalex¬ 
stirpation  von  — ,  von  Goebell  904, 
Ätiologie  und  Symptomatologie  der, 
von  Lilienstein  1686,  —  als  Ursache 


147 

2255 


einer  Stenose  der  Flexura  coli  sinistra, 
von  Esau  2442,  —  Total exstirpation 

einer  — ,  von  Schmidt .  2480 

Pankreatin  bei  Karzinom,  von  Hoffmann  2277 
Pankreatitis,  Behandlung  der  chronischen, 
von  Villan  487,  akute  — ,  von  Born¬ 
haupt  739,  akute  — ,  von  Osler  1851, 
chronische  interstitielle  — ,  von  Martina 
1296,  —  und  Hepatitis  interstit.  chron. 
luetica,  von  Bence  1298,  chronische  — , 

von  Walko . 1460 

Pankreon,  von  Fischer  u.  Hoppe  ....  2640 
Pannus  degenerativus,  von  Gilbert  .  .  .  1903 

Panophthalmie,  von  Stargardt . 1962 

Pantagruel,  Rabelais’ . 1392 

Papageien,  Gehörorgan  und  Sprechwerk¬ 
zeuge  der,  von  Denker . 843 

Papain  bei  malignen  Geschwülsten,  von 

Branch . 744 

Paraboloidkondensor,  von  Siedentopf  .  .  1503 
Paracelsus  in  Oesterreich,  von  Strunz  .  .  1397 

Paradysenterie,  von  Kemp .  2246 

Paraffin,  histologische  Veränderungen  des 

injizierten,  von  Sehrt .  2293 

Paraffinprothesen  als  Mittel  zur  Militar- 


dienstentziehung,  von  Goldenberg  .  .  2395 

Paraffinprothetik,  von  Wederhake  .  .  .  2103 

Paraffinspritze,  von  Stein . 1550 

Paraganglin,  Unschädlichkeit  des,  von 

De  Paoli . 629 

Paraganglinklystiere  bei  Bleikolik,  von 

Vassale  . . H08 

Paragraph  175  s.  u.Moltke-Harden-Prozess. 
Paralyse  s.  a.  Schlafkrankheit. 

Paralyse,  myasthenische,  von  v.  Ketly 
133,  spastische  zerebrospinale  — ,  von 
Köster  1556,  Rückenmarksbefunde  bei 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXIII 


progressiver  — ,  von  Kinichi  Naka  229, 

—  und  Trauma,  von  Gieseler  230, 
Sensibilitätsstörungen  bei  progressiver 
— ,  von  Piltz  232,  Erblichkeit  und 
Prädisposition  bei  der  progressiven  — , 
von  Naecke  279,  weibliche  — ,  von 
Binswanger  343,  Pathologie  der  pro¬ 
gressiven — ,  von  Lukäcs382,  progressive 

—  nach  Unfall,  von  Adam  431,  Ätio¬ 

logie  der  progressiven  — ,  von  üreyfuss 
484,  stationäre  —  und  diffuse  Hirnlues, 
von  Finckh  500,  Augensymptome  bei 
der  allgemeinen  — ,  von  Raviart,  Privat 
de  Fortunid  und  Lorthivis  947,  pro¬ 
gressive  —  und  Syphilis,  von  Ris  1001, 
klinisch-anatomische  Beiträge  zur  pro¬ 
gressiven  —  und  der  Lues  cerebro¬ 
spinalis,  von  Meyer  1547,  Verhalten 
der  Fibrillen  bei  progressiver  — ,  von 
Moriyasu  1548,  pathologische  Anatomie 
der  progressiven  —  für  die  forensische 
und  Unfallpraxis,  von  Meyer  1607, 
Kinder  mit  progressiver  — ,  von  Bach¬ 
mann  2213,  akute  Hautablösungen  bei 
progressiver  — ,  von  Zahn  2346,  Tuber¬ 
kulintherapie  bei  der  progressiven  — , 
von  Pilcz . 

Paralysefrage,  von  Stransky  ...  •  .  . 
Paralysis  agitans,  pathologische  Anatomie 
der,  von  Naka  584,  von  Liebers  .  .  . 
Paralytiker,  syphilitische  Antikörper  im 
Liquor  cerebrospinalis  von,  von  Mor- 

genroth  und  Stertz . 

Parametritis,  Darmverschluss  bei,  von 

Kuliga . 

Paramyoklonus  multiplex,  von  Stadler  . 
Paranoia,  periodische,  von  Mönkemöller 

230,  von  Boege . 

Paraparese,  von  Liebers . 

Paraphenylendiamin ,  Hauteruptionen 

durch,  von  Vilanova . 

Paraplegie,  familiäre  spastische,  von  New- 

mark . 

Parasigmatismus  nasalis,  von  Maas  .  . 
Paratyphus,  von  Ellermann  233,  — ,  von 
Schröder  2251,  Stellung  des  —  in  der 
Typhusgruppe,  von  Jürgens  1953,  — 
und  Nahrungsmittelinfektionen,  von 
Kutscher  2i03,  Diagnose  und  Verlauf 

des  — ,  von  Poggenpohl . 

Paratyphusbazillen ,  Bedeutung  des  Vor¬ 
kommens  der,  von  Gaehtgens  .... 
Paratyphusgifte  und  deren  Neutralisation 
mit  Typhusantitoxin,  von  Kraus  und 

v.  Stenitzer  ....  • . 

Parathyreoidea,  Struktur  und  Sekretion 

der,  von  Forsyth . 

Parathyreoideale  Insuffizienz  in  bezug  auf 
Eklampsie  und  Tetanie,  von  Frommer 
Parazystitis ,  chronische  sklerosierende, 

von  Necker . 

Parkes-Preis . .  .  .  . 

Parotis,  Melanosarkom  der,  von  Tschmarke 
813,  luetische  Erkrankung  der  — , 

von  Claus  . 

Parotiskeime,  Tumorbildung  in  verspreng¬ 
ten,  von  Guleke . 

Parotistuberkulose,  von  Danielsen  .  .  . 
Parotitis,  epidemische,  und  Orchitis,  von 
Rebaudi  1002,  metastatische  — ,  von 
Lauenstein  1153,  Pulsfrequenz  bei 
akuter  epidemischer  — ,  von  Ghedini 
Parovarialzyste,  Stieldrehung  der,  von  Seitz 
Paroxysmen,  atypische  tachykardische, 

von  Hornung . 

Parthenogenese,  künstliche,  u.  das  Wesen 
des  Befruchtungsvorganges,  von  Loeb 

Parlamente,  aus  den . 917,  1158, 

Patella  s.  a.  Kniescheibe. 

Patella,  kongenitale  Luxation  der,  von 
Bogen  670,  Pathologie  und  Physiologie 
der  — ,  von  Kudlek  1393,  Längsfrak¬ 
turen  der  — ,  von  Meyer  1547,  Riesen¬ 
wuchs  der  — ,  von  Beneke  1754,  Fehler 
und  operative  Herstellung  der  — ,  von 
Kofmann  .  ...  . . 


Seite 


2348 

743 

696 


946 

34 

293 

1548 

696 

283 

133 

237 


2197 

1297 

1397 

1895 

93 

2104 

149 

1648 

682 

698 


2149 

277 

2392 

2290 

2310 


1891 


Seite 

Patellarfrakturen,  Naht  bei,  von  Lewi- 
sohn  182,  Heilungsergebnisse  der  — , 
von  Landwehr  668,  geheilte  — ,  von 
Tschmarke  813,  von  Ehrich  1105, 
Behandlung  der  — ,  von  Lindenstein  1964 

Patellarnaht,  von  Kausch . 1141 

Patellarreflex  s.  a.  Kniephänomen. 
Patellarreflexe ,  temporäres  Fehlen  der, 
bei  der  Hysterie ,  von  Köster  1492, 
Prüfung  der  — ,  von  Guttmann  .  .  .  1893 

Patentgesetz,  schweizerisches . 815 

Pathologie,  spezielle  —  und  Therapie  der 
Haustiere,  von  Schneidemühl  1140, 
Präcis  de  —  interne,  von  Balthazard, 
Cestan,  Claude,  Macaigne,  Nicolas  et 


Verger . . 1391 

Paullinismus,  von  Hummer . 550 


Pektoralisdefekt,  kongenitaler,  von  Loening  429 
Pellagra,  Bekämpfung  der,  in  Oesterreich, 
von  Sofer  185,  — ,  besonders  in  Un¬ 
garn,  von  v.  Veress  950,  Atoxylbehand- 
lung  der  — ,  von  Babes  und  Yasiliu 
1548,  1907  —  und  Geisteskrankheiten 
bei  den  Arabern ,  von  Marie  1661, 
pathogenes  Agens  der  — ,  von  Tizzoni 
und  Panichi  1794,  Behandlung  der  — 

mit  Atoxyl,  von  Babes . 1908 

Pellagröse  Hautsymptome,  von  Deiaco  .  1746 

Pellotin,  von  Pincussohn . 184 

Pemphigus,  von  Kreibich  2262,  Aetiologie 
des  —  neonatorum  non  syphiliticus, 
von  Kaupe  1036,  Verbreitungsweise 
des  —  neonatorum,  von  Kownatzki  .  1923 
Penis,  Bandage  zur  Fixierung  von  Ver¬ 
bandstoffen  am,  von  Becker  940,  Kno¬ 
chenbildung  im  menschlichen  — ,  von 

Frangenheim .  2491 

Pensionsverein  400,  1463,  2561,  2565  ff., 
Zentennar- Jubiläumsfond  des  —  .  .  .2119 

Pentose  s.  a.  Harn. 

Pentosen ,  Bedeutung  und  quantitative 
Bestimmung  der,  in  den  Fäzes,  von 


Jolles  .  .  2003 

Pentosurie,  doppelseitige  Neuritis  bei,  von 

Cassirer  und  Bamberger . 1192 

Pepsinbestimmung,  neue  Methode  der, 
von  Fuld  1454,  neue  Methode  zur 
quantitativen  — ,  von  Liebmann  1550, 
von  Solms  2610,  quantitative  —  nach 
Jakoby  und  Solms,  von  Witte  2198,  quan¬ 
titative  — ,  von  Reicher .  2496 

Pepsinnachweis,  Jacobys  Rizinmethode 

zum,  von  Klemperer . 1454 

Pepsinverdauung,  von  Schütz  2296,  Ein¬ 
fluss  der  Salzsäure  auf  die  — ,  von 

Müller . 795 

Pepsorthin,  von  Rodari . 1568 

Perforation  des  Kindes,  von  Meissner  .  1647 
Perforationsperitonitis,  von  Wilke  1012, 

—  von  Deetz  1792,  von  Kaehler  1794, 

—  von  Lauenstein . 2117 

Perhydrasemilch,  von  Muck . 1755 

Periarteriitis  nodosa,  von  Versö  686,  von 

Oberndorfer . 2618 


Perikardium,  Pathologie  und  Therapie 
des  adhärenten,  von  Wenckebach  744, 
Invasion  des  —  bei  Tumoren  des 
Thoraxinnern,  von  Douglas  745,  Ver¬ 
letzung  des  — ,  von  Rodriguez  .  .  .  1552 
Perikarditis,  Diagnose  und  Behandlung 


der,  von  West . 1852 

Perikolitische  Entzündung,  Ursachen, 

Folgen  und  Behandlung  der,  von  Power  336 
Peri-  und  Endolymphangitis  syphilitica, 

von  Ehrmann . 434 


Peritonitis  intradeltoidea,  von  Akerblom  .  1795 
Periostitis,  multiple,  typhosa,  von  Pfeiffer  1554 
Peritonealtuberkulose,  Dauerresultate  der 
Behandlung  der,  und  Genitaltuber¬ 
kulose,  von  Baisch .  1404,  1708 

Peritonitis, von  Hohmeyer  1452,  differential¬ 
diagnostische  Kriterien  der  — ,  von 
Barth  36,  tuberkulöse  — ,  von  Gelpke 
182,  operative  Behandlung  der  — ,  von 
Nötzel  191,  —  der  kleinen  Mädchen 
infolge  Salpingitis,  von  Riedel  533, 


Seite 

Behandlung  der  allgemeinen  — ,  von 
Robson  538,  —  appendicularis,  von 
Niessner  849,  Behandlung  der  allge¬ 
meinen  — ,  von  Bone  1695,  —  chron. 
fibrosaincapsulata,  von  Owtschinnikow 
1791,  intraperitoneale  Luftinjektionen 
bei  tuberkulöser  — ,  von  Silvestri  1955, 
Sonnenbäder  bei  —  tuberculosa,  von 
Oppenheimer  2101,  Diagnose  und  Be¬ 
handlung  der  akuten  —  diffusa,  von 
Matthes  2211,  von  Graff  2212,  von 

Sellbeim . 2212 

Perityphlitis,  von  Port  1104,  —  perforativa, 
von  Härting  44,  — und  Schwangerschaft, 
von  Calmann  441,  —  in  Kombination 
mit  anderen  Erkrankungen ,  von  de 
Ruyter  681,  —  in  der  Gravidität,  von 
Kümmell  1059,  Opium  bei  — ,  von  Pel 
1745,  Aetiologie  der  — ,  von  Naab  2083 
Perkussion,  Abriss  der,  und  Auskultation, 

von  Vierordt . 794 

Perkussionsschall,  Untersuchungen  des, 

von  Selling . 1091 

Perkussionsschlag,  Stärke  des,  von  Geigel  459 
Perkussionsstoss,  Oberflächenwirkung  des, 

von  Weil .  224 

Perlenverdauungsprobe,  von  Einhorn  .  .  685 
Perlsuchtbazillus,  Biologie  des,  von  Bartel 
384,  von  Bartel  und  Hartl  1893,  diffe¬ 
rentialdiagnostische  Färbemethoden 
der  —  nach  Spengler,  von  Suess  .  .  1794 
Peroxydasen,  tierische,  von  v.  Fürth  2155, 
Wirkung  des  Lichtes  auf  die  — ,  von 


Karamitsas .  2546 

Personalfrage,  von  Hoppe . 230 

Personalnachrichten  (bayerische)  in  jeder 
Nummer. 

Perubalsam  zur  Wundbehandlung,  von 

Suter . • . 1189 

Pes,  Behandlung  des,  varo-equinus  beim 
Kinde,  von  Ghiulamila  1605,  Operation 
des  —  varus  paralyticus,  von  Kof¬ 
mann  1743,  Behandlung  des  —  equi- 

novarus,  von  Dieffenbach .  2438 

Pessar,  von  Flatau  .  2554 


Pessartherapie,  Erfolge  der,  von  Schwab  1433 
Pest,  103,  149,  199,  247,  304,  350,  400,  448, 

503,  551,  594,  647,  702,  759,  816,  864, 

919,  968,  1016,  1064,  1112,  1159,  1213, 

1264,  1311,  1415,  1512,  1568,  1615,  1662, 

1712,  1759,  1807,  1856,  1910,  1967,  2016, 

2067,  2120,  2168,  2216,  2263,  2311, 

2359,  2407,  2462,  2511,  2557,  2626, 
Untersuchungen  über  — ,  von  Terni 
539,  Drüsenextrakt  immunisierter  Tiere 
als  Heilmittel  gegen  die  — ,  von 
Mallannah  688,  Kampf  gegen  die  —  in 
Japan,  von  Kitasato  899,  —  in 

Kaschmir,  von  Mitra  1894,  Empfäng¬ 
lichkeit  und  Immunisierung  der  Kalt¬ 
blüter  gegen  die  — ,  von  Fukuhara 
2346,  Verbreitungsweise  und  Be¬ 


kämpfung  der  — ,  von  Gaffky  2402, 
(Croonian  Lectures),  von  Simpson  .  .  2545 
Pestfall  vom  Lloyddampfer  Calipso,  von 

Markl  . . 433 

Pestinfektion  von  Fischen  2197,  durch 

Insekten,  von  Jordansky  u.  Klodnitzkyr  2546 

Pestrattenschiffe,  von  Giemsa .  2205 

Pestvakzine,  Haffkinesche,  von  Lucas  .  1695 
Pfählungsverletzungen,  von  Füster  .  .  .  1093 
Pfeilgift  aus  Deutsch-Südwestafrika,  von 

Heubner .  2201 

Pferdefleisch,  Nachweis  des,  von  Pflüger  1956 

v.  Pfeufer  Karl .  25 

Pflanzenblätter,  Geschichte  des  Skelet- 

tierens  von,  von  Schelenz . 2108 


Phagozytose  s.  a.  Reagenzglasphagozytose 
Phagozytose,  Beeinflussung  der,  durch 
normales  Serum,  von  Bezzola  485, 
Ausbleiben  der  —  bei  Komplement¬ 
bindung,  von  Haentjens  560,  —  von 
Löhlein  949,  —  von  Blutkörperchen 
durch  Parenchymzellen ,  von  Rössle 
1340,  —  und  bakterizide  Tätigkeit,  von 
Dean . 1906 


.XIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Phantom,  gynäkologisches,  von  Liepmann  1345 
Phantasten,  degenerative,  von  Birnbaum  1836 
Pharmakologie,  die  experimentelle  — ,  von 

Naunyn . 2121 

Pharyngitis  lateralis,  von  Uff e norde  746, 

—  keratosa  punctata,  von  Wyssokowicz  2394 
Phayrngo-Laryngoskopie,  von  Gerber  .  .  746 
Pharyngotomia  suprahyoidea,  von  Spis- 

harny . 431 

Pharynxtonsillotom,  von  Barth .  94 

Phenole,  haltbare  feste  Verbindungen 

einwertiger,  von  Seel . 1518 

Philippinen  s.  a.  Tropenkrankheiten. 
Philippinen,  sanitäre  Verhältnisse  auf  den  1898 
Phimose,  eine  wichtige  Ursache  innerer 
Erkrankungen  bei  Knaben,  von  Witzen- 
liausen  1082,  neue  plastische  Operation 

der  — ,  von  Tobiasek . 1600 

Phlebektasien  u.  ihre  Folgezustände,  von 

Falk  .  .  2048 

Phlebitis,  grippale,  von  Popescu  587,  — 
femoralis  et  cruralis  post  operationem, 


2049 

2394 


2149 


517 


887 


2355 

2294 


von  Morley 

Phlebosklerose,  von  Kaya . 

Phloridzinglykosurie  s.  a.  Pankreasinseln 
Phloridzinglykosurie,  von  Tedeschi 
Phosphaturie  bei  Gonorrhoe,  von  Oppen 

heim . 

Phosphorernährung  u.  Phosphortherapie 
im  Kindesalter,  von  Manchot  553,  — 
u.  Phosphortherapie,  von  Posternak  . 

Phosphornekrose,  von  Teleky . 141  i 

Phosphorverbindungen,  Verhalten  von,  in 
der  Darmschleimhaut  von  Ferrata  u. 

Maruzzi .  2245 

Phosphorvergiftung,  von  Kochmann  *2201, 
von  Lusk  2202,  Polycythämie  bei  — , 

von  Silbermann . 1095 

Photodynamische  Wirkung  auf  Zellen, 

von  Osthelder  ...  2499 

Photographie  s.  a.  Buntfarbenmikrophoto¬ 
gramm,  Dreifarbenphotographie. 
Photographie,  Taschenbuch  der  prak¬ 
tischen,  von  Vogel  738,  —  in  den 
natürlichen  Farben,  von  Albers  Schön¬ 
berg  2117,  von  Fülleborn  2117,  zysto- 

skopische  — ,  von  Kütner . 

Photometrie,  relative,  von  Ruzicka  .  . 
Phthise,  Therapie  der  diabetischen,  von 
Thorspecken  313,  Einfluss  von  Regen 
u.  Wind  auf  die  — ,  von  Gordon  u. 
Harper  336,  Anzeigepflicht  bei  —  745, 
von  James  1193,  —  pulmonum  u.  Abor- 
tus  provocatus,  von  de  Bruine  Ploos 
van  Amstel  998,  mechanische  Dispo¬ 
sition  der  Lungenspitzen  zur  tuberku¬ 
lösen  — ,  von  Rothschild  1446,  von 
Hart  1446,  von  v.  Hansemann  1446, 

von  Lissauer . 144  7 

Phthisiker,  Mineralstoffwechsel  der,  von 

Mayer . I493 

Phthisiotherapeutisches,  von  Amrhein  .  2348 
Physik,  Müller -Pouillets  Lehrbuch  der, 
u.  Meteorologie,  von  Pfaundler  .  .  .  2340 

Physiologenkongress  s.  a.  Teil  IV. 

Physiologie,  Jahresbericht  über  die  Fort¬ 
schritte  der,  von  Hermann  1187,  — 
des  Menschen,  von  Luciani  1242,  Hand¬ 
buch  der  — ,  von  Nagel  2435,  Referat 

über  — .  1956,  1999,  2055,  2104 

Physostigmin,  subkutane  Injektion  von,  zur 
Anregung  der  Peristaltik,  von  Vogel  . 

Phytin,  von  Giacoca  . 

Pigment,  Intravasation  des  anthrako- 
tschen,  in  die  Blutgefässe  der  Lungen, 

von  Chiari . 

Pigmentierung,  Rolle  der  Zellgränula  bei 
der  hämatogenen,  von  Arnold  .... 

Pillenmasse,  Hammeltalg  als,  vonZaworski 
Piroplasmose,  Atoxylversuche  bei, 

Gonder  ........ 

Pirquetsche  Reaktion  s.  a.  Tuberkulin. 

1  irquetsche  Reaktion,  von  Oppenheimer  1746 

Pittylen,  von  Joseph . 701 

Pityriasis  rubra,  von  Kanitz  950,  —  rosea 
urticata,  von  Vörner  950,  — lichenoides 


von 


1339 

2497 


1309 

2441 

102 

2295 


Seite 

chronica,  von  Riecke  950,  tropische 
Formender  —  versicolor, von Castellani  2254 
Plasma  u.  Zelle,  von  Heidenhain  .  .  .  2341 
Plasmazellen  bei  tuberkulös  -  pneumo¬ 
nischen  Prozessen,  von  Macieska- 

Jelenska . 1790 

Plasmosomische  Körper,  von  Ferrata  .  .  895 
Plastica  e  protesi  cinematiche,  von  Van- 

ghetti .  90 

Plattenepithelkarzinom  der  Glutaeal- 

gegend,  von  Richter . 1397 

Plattfuss  s.  a.  Belastungsdeformität. 

Plattfuss,  Atrophie  des  Flexor  hallucis 
longus  bei,  von  Hübscher  684,  Schuh 
zur  Behandlung  des  — ,  von  Semeleder 
901,  pneumatische  Einlegesohlen  bei  — , 
von  Bramson  1550,  Redressement  des 
—  durch  einen  Plattfussosteoklasten, 
von  Schultze  1891,  —  u.  Fusswurzel- 
tuberkulose,  von  Ewald  2326,  —  Metall- 
u  Zelluloid-Metalleinlagen,  von  Leng¬ 
fellner  . .  4J9 

Plattfusseinlagen,  Stahlbandfeder  für,  von 
Lengfellner  1036,  Technik  des  Gips¬ 
breiabdruckes  bei  Herstellung  von  — , 
von  Lengfellner  1992,  Zelluloidtechnik 
bei  Herstellung  von  — ,  von  Lengfellner  2039 
Plattfussformen,  Behandlung  der  schweren, 

von  Schultze  . 2611 

Plazenta,  subchoriale  Zysten  der,  von 
Biland  431,  Aetiologie  der  —  circum- 
vallata,  von  Liepmann  431,  Korrosions¬ 
präparat  einer  normalen  — ,  von  Zacha¬ 
rias  634,  Behandlung  der  —  praevia, 
von  Füth  685,  Veränderungen  der  — 
bei  Syphilis,  von  Mohn  741,  Statistik 
der  —  praevia,  von  Bürger  u.  Graf 
799,  retinierte  — ,  von  Berlin  945, 
Hämorrhagie  bei  —  praevia,  von  Gua- 
soni  1250,  Toxikologie  der  — ,  von 
Freund  1405,  Angiom  der  — ,  von  Ker- 
mauner  1647,  Chemie  der  — ,  von  Rie- 
länder  1952,  —  mit  Insertio  marginalis, 
von  Lichtenstein  2007,  Glykogen  in 
der  — ,  von  Driessen  2048,  vorzeitige 
Ablösung  der  normal  sitzenden  — ,  von 
Herzfeld  2048,  Extrakt  menschlicher 
,  von  Dixon  u.  Taylor  2201,  Gefahren 

u.  Behandlung  der  —  praevia,  von 
Zweifel  2361,  subchoriale  Zysten  der 

,  von  Blau  2439,  Entwicklungs¬ 
mechanik  der  —  circumvallata,  von 

v.  Herff  2439,  Pathologie  der  — ,  von 
Schickele  2439,  physiologische  Wirkung 
der  — ,  von  Dixon  u.  Taylor  ....  2555 

Plazentare  Bestandteile ,  Einverleibung 

von,  von  Frank . $47 

Plazentarextrakt,  Wirkung  von,  von  Dixon 
und  Taylor  1616,  Wirkung  des  mensch¬ 
lichen  —  auf  das  Herz  u.  die  Gefässe, 

von  Weymeersch  .  2445 

Plazentarlösung,  von  Hofmeier  687,  Phan¬ 
tom  zur  Uebung  der  manuellen — ,  von 
Kamann  1404,  manuelle  —  von  Adler 

und  Kraus . 2146 

Plazentarretention,  Hauptursache  der,  und 


Seite 

Befunde  und  Deutung  der  Perkussion 
bei  exsudativer  — ,  von  Bachmann  1070, 

—  interlobaris  serosa,  von  Seufferheld 
1281,  Symptomatologie  des  Groccoschen 
Dreiecks  bei  exsudativer — ,  von  Padao  1794 
Plexuszerreissung,  hohe,  von  Kalb  .  .  .  1792 
Pneumatosis  cystoides  intestinorum,  von 


Mori 


1792 

429 


2050 

2445 

487 


1298 


ihre  Verhütung,  von  Durlacher 


365 


Plazentarsubstanz,  intravenöse  Injektion 

von,  von  Martin . .  34 

Plessimeter,  von  Geigel . ’  ’  796 

Plethora  vera,  von  Westenhoeffer  .  .  .  1508 
Pleura,  Neubildung  der,  von  v.  Starck  .  2012 
Pleuraempyem ,  rationelle  Behandlung 
des,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
des  Aspirationsverfahrens,  von  Seidel  2162 
Pleuraergüsse,  paravertebrale  Dämpfung 
hei,  von  Rauchfuss  180,  Groccosch.es 
Symptom  bei  — ,  von  Ferrer  ....  2296 
1  leuraexsudate,  Autoserumtherapie  bei, 

von  Jona .  ’  2053 

Pleurafistel,  von  Wendel  .  .  .  '  iqO 

Pleura-  u.  Peritonealkarzinose,  von  Pässler  286 
Pleuritis  und  Peritonitis  durchßac.  Pfeiffer, 
von  Ghedini  281,  appendikuläre  — , 
von  Barba  629,  — •  gummosa,  von  Lis¬ 
sauer  894,  interlobäre von  Gerhardt  911 


Pneumaturie,  von  Adrian  und  Hamm  .  . 
Pneumokokken  und  Streptokokken,  von 

Levy  894,  von  Heim . 

Pneumokokkeninfektion,  epidemische 
Magen-  und  Darm-,  von  Desguin  .  . 
Pneumokokkenmetastasen,  von  v.  Khautz 
Pneumokokkenperitonitis,  von  Streitz  2496, 

—  bei  Kindern,  von  Peiper  1703,  —  im 

Kindesalter,  von  v.  Koos .  2049 

Pneumokokkensepsis,  von  Port  2648,  meta¬ 
stasierende,  von  Frankenstein  .... 
Pneumonie,  Entstehungsursache  postope¬ 
rativer,  von  Engelhard  430,  kruppöse 
— ,  von  Hotze  797,  Statistik  der  krup¬ 
pösen  — ,  von  Thiis  898,  Behandlung 
der  —  mit  metallischen  Fermenten  1551, 
klinische  Untersuchungen  über  — , 
von  Jiirgensen  1645,  Prognose  und 
Therapie  der  lobären  — ,  von  Affleek 

1649,  hypostatische  — ,  von  Foxwell 

1650,  Patellarreflex  bei  der  — ,  von 

Burnes  1650,  —  und  Gicht,  von  Ebstein 
167b,  Tod  an  —  infolge  Kopfverletzung, 
von  Weigel  1756,  Verteilung  des  pro¬ 
teolitischen  Leukozytenferments  und 
seines  Antiferments  bei  der  kruppösen 
— ,  von  Bittorf  1834,  —  im  Kindesalter, 
von  Murray  2249,  Deutschmannsches 
Serum  bei  der  kruppösen  — ,  von  Deneke 
2506,  Ausgang  der  fibrinösen  —  in 
äputride  anämische  Nekrose,  von 
Rosenthal . . . 2614 

Pneumothorax,  von  Brauer  995,  doppel¬ 
seitiger  — ,  von  Hellin  798,  therapeu¬ 
tische  Versuche  mit  künstlichem  — , 
von  Lexer  1791,  künstlicher  —  bei 
Tuberkulose,  Bronchektasen  und  Aspi¬ 
rationskrankheiten,  von  Schmidt  2409,  2453 
Pocken,  816,  864,  919,  968,  1016,  1064, 

1910,  1967,  Uebersicht  über  die  Erkran¬ 
kungen  und  Todesfälle  an,  in  Bayern 
im  J.  1906  760,  Ratschläge  für  die 
Bekämpfung  der  — ,  1215,  Immunität 
gegen  — ,  von  Gilchrist  1853,  —  und 
Pockenbekämpfung,  von  Külz  ....  2253 
Polikliniken,  Bekämpfung  der  Missbräuche 
in  den,  in  Berlin  1051,  geburtshilfliche 
—  in  Marburg,  von  Opitz  1505,  Miss¬ 
stände  in  den  Berliner, .  2298 

Politische  etc.  Ansichten  und  Handlungen  151*> 
Politzer,  von  Alexander  2148,  —  Plaquette  815 
Polioenzephalomyelitis,  von  Litten  ...  41 

Poliomyelitis  ant.  acuta  adultorum,  von 
Rostoski  1106, —  anterior.,  vonTrömner 
1409,  —  acuta,  von  Forssner  und 
Sjövall  1493,  Prognose  der  akuten  — , 
von  Wickmann  1495,  akute  —  u.  ver- 
wandte  Krankheiten,  von  Plarbitz  und 

Scheel . '  .  2496 

Polyarthritis  und  eitrige  Meningitis  durch 

Bact.  haemophilum,  von  Longo  .  .  .  1251 
Polycythaemia  hypertonica,  von  Mohr 
1058,  —  myelopathica,  von  Schneider  1447 

Polydaktylie,  von  Bergmann . 683 

Polyglobulie,  von  Schneider . 849 

Polymastie  unter  den  Japanern,  von  Jwai  2545 
Polymyositis,  von  Gottstein  .......  1834 

Polyneuritis  der  Hühner  und  Beri-Beri, 
eine  chronische  Oxalsäurevergiftung, 
von  Eijkmann  127,  —  und  Beriberi, 
von  Maurer  731,  —  cerebralis  acuta 
mit  Beteiligung  der  Nn.  acustici,  von 
Scboenborn  983,  —  und  Bakt.  coli 
commune,  von  Poljakow  und  Choroschko  1895 
Polysarkie,  vorzeitige,  und  Hirsuties  im 
Verein  mit  Hypernephrom,  von  Guthrie 

und  d’Este  Emery . 1661 

Polyserositis,  von  Wagner . 572 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXV 


Seite 

Polyurie,  Fortdauer  der,  nach  verschwun¬ 
dener  Glykosmie  bei  Diabetikern,  von 

Teschemacher . 561 

Populär-Psychiatrie  des  Sokrates  redivivus, 

von  Schäfer . • . 2489 

Poriomanie,  von  Donath  . 800 

Portio-Erosionen,  Histogenese  der,  von 

Schottlaender .  2244 

Posadowsky,  Rücktritt  des  Grafen  1358, 

Anerkennung  für  — . 2119 

Posteriocystitis,  Behandlung  der  gonorr¬ 
hoischen,  von  Kromayer .  21 

Postsyphilitische  Dauermerkmale ,  von 

Nobl  .  .  .  ' .  2051 

Postvertrauensarzt  in  Wiesbaden  ....  1511 

Praekordialgegend,  penetrierende  Wunden 

der,  von  Poenaru-Caplescu . 1606 

Praezipitation  bei  neugeborenen  Kaninchen 

von  Schkarin .  2049 

Praktikanten,  Verzeichnis  der  zur  Annahme 
von,  ermächtigten  Krankenhäuser  und 
Institute  351,  1213,  Aufnahme  von  —  967 

Praktikerkongress  in  Paris . 1005 

Praxis,  Verkauf  der  ärztlichen . 1414 

Pressausschuss . 1212 

Presse ,  Gesellschaft  der  italienischen 
medizinischen  748,  Mailänder  Vereini¬ 
gung  der  medizinischen  — . 1400 

Prötuberkulose,  von  Bernheim  und  Dieu- 

part . 2437 

Prevention  of  Corruption  Acte . 148 

Priessnitzscher  Umschlag,  Wirkung  des, 

bei  der  Entzündung,  von  Schade  .  .  .  865 

Pirogowkongress . 1697 

Prioritätsansprüche,  indische,  von  Jolly  .  179 

Privatdozenten,  Versammlungen  der, 
Hochschulassistenten  und  Mediziner 

in  Oesterreich . 1450 

Probepunktion  und  Punktion  der  Pleura¬ 
höhle,  von  Hoppe-Seyler . 1013 


Processus  vermiformis  als  Inhalt  eines 
Nabelbruches,  von  Flörcken  2035,  — 
als  alleiniger  Inhalt  des  Bruchsackes 
bei  Herniotomie,  von  Günther  ....  2426 
Proctitis,  Pathologie  und  Therapie  der, 

purulenta  und  ulcerosa,  von  Rüge  .  .  1791 
Professortitel,  Hamburger  1063,  unberech¬ 
tigte  Führung  des  — . 1462 

Professur,  Bonner,  für  Augenheilkunde  .  351 

Projektionsbilder,  von  Hänisch  806,  — 

von  Originalkurven,  von  Kahn  ....  1956 


Prolapsoperationen,  Statistik  der,  von 

Scharpenack . 1952 

Prolapsus,  Behandlung  des,  ani  und  der 
innern  Hämorrhoiden,  von  Newman 
490,  Massagetherapie  bei  —  recti,  von 
Ekgren  . 2101 


Prostata,  von  Straus  389,  Krebs  der  — , 
von  Herescu  587,  Exstirpation  der  — , 

&von  Kümmell  1008,  totale  Ausschei¬ 
dung  der  —  bei  Hypertrophie,  von 
Freyer  1399,  Totalexstirpation  der  — , 
von  Pousson  1652,  von  Castano  1652, 
Totalexstirpation  der  hypertrophischen 
— ,  von  Zuckerkandl  21l)3 ,  Apparat 
zur  Vibrationsmassage  der  — ,  von 

Gunsett  ....  .  •  .  2429 

Prostataabszesse, Pathogenese  und  Behand¬ 
lung  nicht  tuberkulöser,  von  Oraison  2458 
Prostatahypertrophie,  Röntgenbehandlung 
der  —  und  ihre  Technik,  von  Haenisch 
661,  Röntgenbehandlung  der  — ,  von 
Schlagintweit  1652,  von  Haenisch  1652, 
chirurgische  Behandlung  der  — ,  von 
Grunert  2114,  Radiotherapie  der  — , 
von  Loumeau  2459,  Radiotherapie  des 

— ,  von  Loumeau  .  2459 

Prostatakarzinom,  von  Schmorl . 286 

Prostatakongestionen ,  Behandlung  der, 

von  Bolton . 1695 

Prostatektomie,  von  Ritter  1703,  —  von 
Göbell  1994,  transvesikale  — ,  von 
Roth  388,  suprapubica  —  von  Posner 
1249,  halbseitige  vertikale,  von  Ruggi 
1349,  Indikationen  zur  — ,  von  Pardoe 


Seite 

1852,  suprapubische  —  nach  Freyer, 

von  Goldmann  . .  2501 

Prostatitis  und  Prostatahypertrophie,  von 
Goldberg 582, Aetiologie  der  chronischen 
—  und  der  Prostatahypertrophie,  von 
Li  Virghi  629,  Therapie  der  —  gonorr¬ 
hoica,  von  Lüth . .  .  1652 

Prostitution  und  Unehelichkeit,  von  Flesch  234 

Prostitutionsgesetz,  dänisches . 690 

Protargol,  von  Goldmann  433,  —  von  Castro 

1551,  Reizwirkung  des  — ,  von  Stein  .  384 
Protargolsalbe ,  Narbenbildung  bei ,  von 

Müller . 627 

Proteusarten,  Differenzierung  pathogener, 

von  Klieneberger  . .  2347 

Prothesen  zum  Ersatz  der  Unterextremiät, 

von  Höftmann . 750 

Prothesenfrage,  von  Thomas . 1891 

Protistenuntersuchung,  Taschenbuch  der 
mikroskopischen  Technik  der,  von 
Prowazek .  2241 


Protoplasmabewegungen,  von  Bethe  .  .  1156 
Protozoen  im  Auge,  von  Stargardt  443, 
menschenpathogene  — ,  von  Küster 
1100,  neues  — ,  von  Zarnik  1612,  krank¬ 
heitserregende  — ,  von  Wasiliewski  .  2159 

Provisionsanerbieten . 2168 

Prozess  Adamkiewicz-Merck  900,  1562,  — 
Kastl-Quidde  2557,  2621,  2626,  2652, 

—  Moltke-Harden  ....  2262,  2312,  2358 
Prüfungsordnung,  Abänderung  der  für 

Aerzte .  502,  504 

Prurigo  aestivalis,  von  Delbanco  ....  1153 
Pruritus,  Behandlung  des,  senilis,  von 
Ströll  1062,  —  ani,  von  Mummery  1839, 


—  bei  Tabes,  von  Millan  2405,  von 

Günzburger .  2643 

Pseudarthrosen,  Klopfung  als  Heilmittel 

bei,  von  Schäffer . 2148 

Pseudoadenoma  adamantinum,  von  Drey- 

bladt .  2546 

Pseudoanämien,  von  Strauss  .  .  .  752,  1048 


Pseudobulbärparalyse,  von  Rossbach  .  .2164 
Pseudodysenterie,  von  Hilgermann  .  .  .  2284 
Pseudohermaphroditismus,  femininer,  von 
Guldberg  898,  —  masculinus  bei  Ge¬ 
schwistern,  von  Haim  2148,  —  mascu¬ 
linus  occultus,  von  Bolk .  2348 

Pseudoleukämie,  von  Mennacher  499,  — 
mit  periodischem  Fieber,  von  Tschisto- 
witsch  743,  gastro-intestinale  — ,  von 

Hoffmann . 1045 

Pseudologia  phantastica,  von  Stemmer¬ 
mann  . 894 

Pseudomyoma  peritonei,  von  Polano  .  .1700 
Pseudomyxoma  peritonei  beim  Manne, 

von  Hueter . 1744 

Pseudoparaplegie,  rachitische,  von  Schmidt  2102 

Pseudoparesis,  von  Binswanger .  43 

Pseudotetanie,  hysterische,  mit  vasomo¬ 
torischen  Störungen,  von  Westphal  .  2540 
Pseudotyphus  und  Typhosimiliformen, 

von  Lucatello . 758 

Psoriasis  s.  a.  Schuppenflechte. 

Psoriasis,  Aetiologie  der,  von  Boesl  185, 
Behandlung  der  —  mit  derjUviollampe, 

von  Ehrmann . 1211 

Psoriasisbehandlung,  von  Barendt  .  .  .  2509 
Psorospermosis  follicularis  vegetans,  von 

Riecke  695,  von  Ploeger .  2552 

Psychiatrie,  s.  a.  Populärpsychiatrie. 
Psychiatrie,  Lehrbuch  der  — ,  von  Cramer, 
Westfal,  Hoche,  Wollenberg,  Bins¬ 
wanger  und  Siemerling . 1994 

Psychiatrische  Begutachtungen ,  Liqui¬ 
dationen  bei,  vorzugsweise  in  Payern, 

von  Weygandt .  2338,  2356 

Psychiatrische  Klinik,  Leitfaden  zur,  von 

Reichardt . • .  2046 

Psychiatrisches  aus  Nordamerika,  von 

Hoppe . 1836 

Psychische  Erscheinungen,  moderne  Ana¬ 
lyse  der,  von  Hoche .  2002 

Psychische  Störung  depressiver  Natur, 

von  Hermann . 894 

Psychopath,  von  Jahrmärker . 294 


Psychopathologie  des  Alltaglebens ,  von 

Freud . 

Psychopathologische  Zustands bilder,  Be¬ 
ziehungen  der  Magensaftsekretion  zu, 

von  Mayr . 

Psychose  s.  a.  Involutionspsychose,  Kinder¬ 
psychosen. 

Psychosen,  Spätgenesung  von,  von  Sigel 
230,  polyneuritische  — ,  von  Knapp 
275,  von  Kutner  278,  Korsakowsche  — , 
von  Tegtmeyer  279,  von  Jahrmärker 
294,  kombinierte  — ,  von  Stransky  382, 
von  Geist  431,  —  nach  Augenopera¬ 
tionen,  von  Lapinsky  484,  Gefässver- 
änderungen  in  der  Gehirnrinde  bei  — , 
von  Elmiger  741,  manische  und 
depressive  — ,  von  Walker  1000, 
querulatorische  —  in  Zusammenhang 
mit  der  Arbeiterversicherung,  von 
Tintemann  1479,  echte  traumatische 
— ,  von  Weber  1607,  akute  —  nach 
Operationen  am  Gallengangssystem 
von  Urbach  2442,  Einfluss  der  See  und 
des  Schaukelns  auf  einige  — ,  von  Wla- 

dytschko  .  . . 

Ptomainvergiftungen,  von  Weikard  .  .  . 
Ptosis  adiposa,  von  Wagemann  .... 

Ptyophagon,  von  Lissauer  ....... 

Pubiotomie,  s.  a.Hebosteotomie,Iiebotomie, 
Symphysiotomie. 

Pubiotomie,  von  Müller  48,  von  Späth 
695,  von  Ruppert  945,  von  Flatau  1155, 
von  Baumm  1247,  von  Bovin  1796, 
von  Gibson  1839,  von  Tweedy  1839, 
von  Preller  1744,  von  Haun  2387,  — 
mit  der  Nadel,  von  Hocheisen  93, 
wiederholte  — ,  von  Preller  183,  —  im 
Privathause,  von  Sigwart  1141,  2102, 
chemische  und  histologische  Beiträge 

zur  — ,  von  Offergeld . 

Puerperalfieber,  Anzeigepflicht  für,  in 
Preussen,  von  Zillessen  626,  Serumbe¬ 
handlung  des  — ,  von  Falkner  1192, 
Diagnose  und  Therapie  des  — ,  von 
Fromme  1406,  Ol.  Terebinthinae  bei 
— ,  von  Hovig  2054,  Behandlung  des 
—  mit  dem  Aronsonschen  Antistrepto¬ 
kokkenserum,  von  Mayer . 

Puerperalprozess,  chirurgische  Therapie 

des,  von  Latzko . 

Puerperalpsychosen,  -\£on  Herzer  .  .  . 
Puls,  s.  a.  Aortapuls. 

Pulsus  bisferiens,  von  Lewis . 

Pulsaussetzen  u.  Magenblähung,  von  Hof¬ 
mann  . 

Pulsdruckbestimmung,  turgotonogra- 

phische,  von  Fleischer . 

Pulsdruckkurven,  von  Strauss  957,  —  u. 
Pulsdruckamplitude,  von  v.  Reckling¬ 
hausen  .  .  . . 

Pulsdruckmessung,  von  Jaschke  .  .  .  . 
Pnlswellen,  minimale  Schwankungen  der 
Dauer  einzelner,  von  Janowski  .  .  . 
Pupillarreaktion  in  einem  blinden  Auge, 

von  Liebrecht . 

Pupillen,  springende,  von  Gerönne  13!, 
von  Bach  640,  willkürliche  Erweiterung 
der  — ,  von  Reichardt  280,  Ektopie  der  — 
und  der  Linse,  von  Neuburger  298, 
Beziehungen  der  Medulla  oblongata 
zur  — ,  von  Bach  1221,  von  Trende¬ 
lenburg  u.  Bumke  1385,  1402,  Weite 
u.  Lichtreaktion  der  — ,  von  Bach  .  . 
Pupillenbewegung,  willkürliche,  von  Bach 
Pupillenphänomen,  im  katatonischen’^ Stu¬ 
por  beobachtetes,  von  Westphal  .  . 

Pupillenreaktion,  von  Hübner . 

Pupillenstarre,  Differentialdiagnose  zwi¬ 
schen  reflektorischer  u.  absoluter,  v. 
Bach  353,  doppelseitige  —  u.  einseitige 
Sehnervenatrophie,  von  Bach  1505, 
Läsionen  des  Halsmarkes  und  reflek¬ 
torische  — ,  von  Bumke  1696,  dia- 
gnostischeBedeutungder — ,vonRetzlaff 
Pupillensymptome,  diagnostische  Bedeu¬ 
tung  der,  vom  Bumke . 


Seite 

1947 

2198 


2546 

1334 

1903 

1794 


2492 


2645 

1048 
.  382 

1695 

1794 

1837 

484 

1950 

2099 

590 


1756 

391 

1447 

584 


2298 

2313 


9 


XVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


758 

1548 

1841 

2644 

646 


2641 


Pupillenungleichheiten  bei  akuten  u.  chro¬ 
nischen  Krankheiten  der  Respirations 

Organe,  von  Massalongo . 

Pupillenuntersuchung  bei  Geisteskranken 

von  Wassermeyer . 

Purgenvergiftung/von  Best 
Puringruppe,  Untersuchungen  in  der,  von 

Fischer . 

Puro,  von  Stern . 

Purpura,  Behandlung  der,  mit  Chlorkal 
zium,  von  Russell  689,  —  im  Anschluss 
an  die  Impfung,  von  Paschen  1800 
alternierendes  Auftreten  von  —  rheu 
matica  u.  Erythema  exsudativum  multi 
forme  Hebrae,  von  Vörner  ... 

Pyämie,  Operation  bei  puerperaler,  von 
Fromme  241,  durch  Unterbindung  der 
V.  spermaticae  mit  hypogastr.  geheilte 
puerperale  — ,  von  Fromme  1059,  Pa¬ 
thologie  der  otogenen  — ,  von  Brieger 
1259,  mit  Streptokokkenserum  Menzer 
behandelte  puerperale  — ,  von  Bewers- 

d.oyä'  •  •  .  . 1482 

Pyelitis,  s.  a.  Nierenbeckenentzündung, 
Schwangerschaftspyelitis. 

Pyelitis,  Pathologie  und  Therapie  der 
gonorrhoischen,  von  Seilei  und  Unter¬ 
berg  . .  .  .  .  .  1837 

Pylephlebitis  purulenta,  von  Martens  .  .  2198 
Pylorospasmus,  Pathologie  und  Therapie 
des,  der  Säuglinge,  von  Rosenhaupt  .  2051 
Pylorusstenose,  von  Moullin  689,  Behand¬ 
lung  der  —  im  Säuglingsalter,  von 
Schitomirsky  247,  —  durch  ein  chro¬ 
nisches  suprapapilläres  Duodenalge¬ 
schwür,  von  Pickenbach  266,  Behand¬ 
lung  der  —  mit  Thiosinamin,  von 
A  an  Leersum  387,  totale  — ,  von  Stauder 
1156,  angeborene  — ,  von  Jollasse  1205, 

Tod  bei  der  —  der  Säuglinge,  von 
Meyer,  1445,  Behandlung  der  ange¬ 
borenen  — ,  von  Sutherland  1450,  — 

—  bei  Tuberkulösen,  von  Romani  1795, 
Zusammensetzung  des  Mageninhaltes 
bei  kongenitaler  — ,  von  Tobler  .  .  .  2257 
Pylorusverengerung,  vorübergehende,  von 

Röbin  . . ^ .  2345 

1  yocyaneus,  Desinfektionsversuche  mit, 

von  Jehle . 

Pvozyaneusinfektion  der  Harnwege  mit 
hoher  Agglutininbilduyg  fürPyozyaneus- 
bazillen  und  Mitagglutination  von 
Typhusbakterien ,  von  Klieneberger 

„  ,  1330,  1416 

Pyometra,  von  v.  Holst . 583 

Pyonephrose,  von  Manasse  50 

Pyopneumothorax ,  Brustsitus  bei,  ’  von 

Schmorl .  285 

Pyorrhoea  alveolaris,  von  Goadby  1449 

Pyosalpinx,  von  Pilsky  .  .  .  ./  1098 

Pyozvanase,  von  Jehle  592,  —  als  Prophy- 
laktikum  und  Heilmittel  bei  bestimmten 
Infektionskrankheiten,  von  Emmerich 

2217,  Bezugsquelle  für  — .  2360 

Pyramidenbahn,  Variationen  im  Verlauf 
der,  von  Bumke  741,  Erkrankung  der 
,  von  Kinichi  Naka  741 ,  primäre 
systematische  Degeneration  der  — , 

von  Kattwinkel . ’  2196 

Pyramidon,  Typhusbehandlung  mit,  von 

Leick . . 567 

Pyramidonbehandlung  des  Unterleibs¬ 
typhus,  vonRobitschek  646,  vonWieden- 


Seite 


Quecksilber  s.  a.  Hydrargyrum,  Mergal, 

Ol.  cinercum. 

Quecksilber,  Ersatz  des  — ,  von  Heucke  .  2354 
Quecksilberausscheidung  bei  Syphilitikern, 

von  Diesselhorst . .  2050 

Quecksilberinjektionen,  verbessertes  Prä¬ 
parat  für  intramuskuläre,  von  Lambkin  2444 
Quecksilberintoxikation,  tödlich  ver¬ 
laufende,  von  v.  Crippa  u.  Feichtinger  1282 
Quecksilberpräparat  für  Injektionen,  von 

Hill .  gsj 

Quecksilberlampe,  von  Boas  349,  '  von 

Linser  .  .  .  .  ; . 1399 

Quecksilbervergiftung  mit  tödlichem  Aus¬ 
gang,  von  Bartsch .  2138 

Querdurchmesser,  Schätzung  des,  des  kind¬ 
lichen  Kopfes,  von  Kermauner  .  .  .  1142 
Querfraktur  des  Olekranon,  von  Wendel  1707 
Querlage,  Behandlung  der  verschleppten, 
von  Langes  530,  verschleppte  —  u.  die 

Dekapitation,  von  Wernitz .  2493 

Querschnitt,  Pfannenstielscher,  von  v.Holst  1892 

Quinquaudsches  Phänomen,  von  Minor  1143 


428 

549 

899 

1998 


549 

303 


134 


1435 


mann 

Pyrazolonderivate,  von  Kobert 


646 

1292 


Qu. 

Quadricepssehnenruptur,  von  Haecker  .  2347 
Quarzlampe,  von  Kromayer  196,  von  Hey¬ 
mann  2198,  von  Ledermann  2646,  bio¬ 
logische  Tiefenwirkung  des  Lichtes  der 
medizinischen  —  u.  des  Finsenappa- 
rates,  von  Wichmann  1382,  1910,  Kro- 
mayersche  — ,  von  Bering  1555,  medi¬ 
zinische  — ,  von  Maas .  2055 

Quarzlampenlicht,  Tiefenwirkung  des  _ 

von  Hesse  1738,  von  Wichmann  .  .  1910 


R. 

Rabelais'  Pantagruel,  von  Hegaur  u.  Owl- 

glass  . 

Rachenkrebs,  chirurgische  Behandlung  des, 

von  Faure . 

Rachenmandel  als  Eingangspforte  des  Pest¬ 
bazillus,  von  Cazamian . 

Rachenmandelhyperplasie,  von  Lindt  . 
Rachistovainisation,  von  Chaput  1758,  von 
Kendirdy  2053,  von  Pauchet  u.  Legueu 
2459,  — -  bei  Kindern,  von  Kirmisson 
Rachistovainisierung,  von  Schroeter 
Rachitis  s.  a.  Spätrachitis. 

Rachitis  adolescentium,  von  Clutton  196, 

336,  statistische  Beiträge  zur  Ver¬ 
breitung  und  Aetiologie  der  — ,  von 
Pfister  686,  feinere  Knochenstrukturen 
bei  — ,  von  Dyrenfurth  800,  Aetiologie 
der  1  von  Esser  817,  vergleichende 
therapeutische  Versuche  bei  — ,  von 

Sittler . ^ 

Radfahren,  von  Schieifer  *998 

Radialislähmung,  von  Seeligmüller  543,  von 

Mühsam .  2259 

Radikaloperation,  Wertheimsche ,  von 

Lockyer . lg53 

Radioaktivität,  von  Rutherford . 1090 

Radiologie  in  der  Ohrenheilkunde,  vonVoss  1260 
Radiotherapeutische  Agentien,  System  der, 

von  v.  Neupauer .  92 

Radiotherapeutisches  Verfahren,  neues, 

von  v.  Jaksch . \  iß04 

Radiotherapie  s.  a.  Krebsgeschwülste. 
Radiotherapie,  von  Lassar  147,  von  Ber- 
gonie  u.  Tribondeau  301,  von  v.  Jaksch  1709 
Radium  in  der  Oto-Rhino-Laryngologie, 

von  Botey .  .  .  ’  97 

Radiumstrahlen,  biologische  und  thera¬ 
peutische  Wirkung  der,  von  Werner 
182,  Beseitigung  der  durch  —  bewirkten 
Gefässerweiterungen,  von  Axmann  .  1877 
Radiusbruch,  klassischer,  von  Lilienfeld  739 
Radiumemanation,  Wirkung  der,  von 
Löwenthal  1837,  Aufnahme  von  —  bei 
Bade-  und  Trinkkuren,  von  Laqueur  u. 

Löwenthal . 2162 

Radix  mesenterii,  Tumor  der,  von  Wie- 

ü  i!ingef  *  , .  2261 

Kahmentaschen  zum  Mitführen  von  In- 

^  strumenten,  von  Liepmann . 939 

Ramiezwirn  als  chirurgischer  Faden,  von 

Madlener .  2485 

Ramon  y  Cajal,  von  Sobotta . 579 

Rankenangiom,  arterielles,  am  Kopf’  von 

905 
2252 

953 


Seite 

Rauchvergiftung,  von  Wikullic . 185 

Rauch  plage  der  Grossstädte,  von  Rubner 

„  383,  2450 

Rausch  und  Zurechnungsfähigkeit,  von 

Meyer . 744 

Reagenzglasphagozytose,  Behinderung  der’ 

von  Weil  u.  Tsuda . .  .  1745 

Realenzyklopädie  der  gesamten  Heilkunde 

.p,  ,  ,  1948,  2407 

Rechtsbuch,  ärztliches,  von  L.  u.  R.  Hoclie  130 

Rectale,  von  Krug  .  2636 

Recklinghausensche  Krankheit,  von  Heuck  1963 

Reedereien,  s.  a.  Lloyd. 

Reedereien,  Vertrag  der  L.W.V.  mit  den,  147 
Reflexe  im  Schlaf,  von  Kutner  .  .  .  231  * 

Refiexepilepsie  infolge  Erkrankungen  des 
Ohres  und  des  Nasenrachenraumes, 

von  Frey . 2104 

Reformgymnasien  und  hygienische  For¬ 
derungen  der  Aerzte,  von  Rommel  .  1846 
Refraktionsbestimmung,  von  Gertz  .  .  .  227 

Regeneration  und  Transplantation,  von 

Korschelt . . 

Registrierung  der  Kontraktionen  des  linken 
Vorhofs,  von  Joachim  486,  —  mecha¬ 
nischer  Vorgänge  auf  elektrischem 
Wege,  speziell  mit  Hilfe  des  Saiten¬ 
galvanometers  und  Saitenelektrometers, 

von  Cremer . 1629 

Reibegeräusch,  endokardiales,  von  Gei’gei  713 
Reich,  das  Deutsche,  in  gesundheitlicher 
und  demographischer  Beziehung  .  .  2256 
Reichsapothekengesetz,  Entwurf  eines,  von 
Spaet  889,  967,  1910,  2407,  —  im 

Obermedizinalausschuss .  2650 

Reichshaushaltetat .  2557 

Reichsräte,  Reform  der  Kammer  der,  .  .  2310 
Reichstag,  das  ärztliche  Element  im  303, 

Deutscher  —  . 

Reichsversicherungsamt . 

Reinfectio  syphilitica,  von  Oplatek 
Reinversio,  operative,  von  v.  Herlf 
Reis  und  Beri-Beri.  von  Fletcher 
Reiseeindrücke,  amerikanische,  von  Müller  2388 
Reisestipendien ,  Verleihung  medizi¬ 
nischer,  in  Bayern  für  das  Jahr  1907  1264 
Reisfelder,  Gesundheit  der  Bauern  in  den  851 
Reiskörper,  Entstehung  von,  in  der  Syno¬ 
vialmembran,  von  Wollenberg  .  .  .  683 

Reklame,  unzulässige . 1310 

Rektalkarzinom,  von  Albrecht . 1552 

Rektoskopie,  von  Sultan . 1692 

Rektum,  Berstungsruptur  des,  von  Heineke  1630 
Rektumkarzinom  680,  Nachbehandlung 
wegen  —  sakral  Operierter,  von  Hochen- 
egg  1546,  Technik  der  Operation  hoch¬ 
sitzender  —  und  Flexurkarzinome,  von 

Sauerbruch .  .  .  .  1702 

Rekurrensfieber, Spirillen  des  europäischen, 

von  Fraenkel . 1192 

Rekurrenslähmung  bei  Herzfehlern,  von 
Gantz  746,  —  bei  Mitralklappenfehlern, 

1795 


917 

917 

849 

893 

22f>0 


2295 

1790 

1004 

2350 


König 

Rassenpsychologie,  von  Woltmann  . 
Rattenkarzinom,  transplantables,  von 
Michaelis  u.  Lewin  848,  von  Lewin 
Rauchen,  Einfluss  des,  auf  den  Kreislauf, 

von  Hesse .  993 

Rauchfuss-Feier  ....... . 1562 


von  Ceranlo . 

Rekurrensspirochäten,  europäische,  ameri 
kanische  und  afrikanische,  von  Schel 
lack . 

Rembrandts  Darstellungen  der  Tobias 

heilung,  von  Greefi . 

Rentenhysterie,  von  Feilchenfeld  ’  ’  ’ 
Rentenneurasthenie,  von  Lissauer 
Report,  second,  of  the  Wellcome  Research 
Laboratories  at  the  Gordon  Memorial 

College  Khartoum .  2609 

Resektion,  osteoplastische,  des  Unter¬ 
schenkelendes,  von  Kausch . 430 

Resonanzhypothese,  Helmholtzsche,  von 

Schaefer . 1199 

Resorption,  von  Danielsen  1444,  peri¬ 
toneale  — ,  von  Peiser  33,  Referat  über 
Arbeiten  zur  Physiologie  der  —  ...  2055 
Respiration,  vikariierende,  von  Geigel  .  1520 
Respirationsstuhl ,  Bogheanscher,  von 

v.  Schroetter . 628 

Rete  mirabile,  von  Göppert  .  .  ....  2202 

Retinitis,  Therapie  der,  pigmentosa,  von 
Redslob  490,  —  albuminurica,  von 
Schieck  1901,  prognostische  Bedeutung 
der  —  albuminurica,  von  Tychsen  .  .  2251 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXVII 


Seite 

Retropharyngealabszess ,  idiopathischer, 

von  Kempf . 1046 

Rettungswesen,  s.  a.  Hilfe. 

Rettungswesen,  modernes, in  Grossstädten, 
von  Dtims  696,  Verstaatlichung  des 
Berliner  — ,  862,  soziale  Bedeutung  des 
— ,  von  Alexander  und  Meyer  997, 
Zentralkomitee  für  das  — ,  1463,  all¬ 


gemeines  — ,  von  Meyer .  2205 

Revakzinationserscheinungen  nach  Fieber¬ 
attacken,  von  Näcke . 573 

Reverdinsche  Läppchen,  was  in  Japan 
einige,  und  die  Tugend  eines  Mädchens 

wert  sind . 1062 

Revue  medico-sociale  . . 199 

Rezeptoren,  freie,  von  Weil  und  Axamit  93 
Rhabdomyome  des  weiblichen  Geschlechts¬ 
organs,  von  Berka  635,  des  Corpus  uteri, 

von  Hunzicker . •  .  .  2615 

Rhein,  biologische  Untersuchung  des,  auf 
der  Strecke  Mainz  bis  Koblenz,  von 

Marson . -  .  .  .  1297 

Rheuma-Tabakolin . 2216 


Rheumatismus  tuberculosus,  von  Kokoris 
185,  —  und  Radium,  von  Dominici  u. 
Guy  966,  Pathogenie  des  akuten  poly- 
'  artikularen  — ,  von  Cealic  1096,  gonor¬ 
rhoische  Natur  des  —  der  Wirbelsäule, 
von  Bouchard  1292,  chronischer  — 


und  Tuberkulose,  von  Soucques  .  .  .  1709 

Rhinokulincreme . 518 

Rhinologische  Wünsche,  von  Löwe  .  .  1797 


Rhinophym,  von  Becker  1099,  operative 

Behandlung  des  — ,  von  Gütig  .  .  .  2647 
Rhinoplastik,  von  Joseph  895,  von  Leisch- 
ner  2392,  —  aus  dem  Unterarm,  von 


Waitz . 695 

Rhinosklerose,  Übertragungsversuche,  von 

Kraus .  2442 

Riechschärfe  bei  Europäern  und  Javanern, 

von  Grijns . 2104 

Rieselfelder,  Braunschweiger,  von  Beckurts 

u.  Blasius . .  35 

Riesenkystom,  von  Rosenfeld . 297 

Riesennierenstein,  durch  Operation  ent¬ 
fernter,  von  Johnson .  35 

Riesenwuchs,  angeborener  partieller,  von 

Wieland . 1395 

Riesenzellen,  Beobachtungen  über,  von 

Babes . 1643 

Ringkämpfe,  Einfluss  von,  auf  Herz  und 

Niere,  von  Sehlig . 335 

Ringprobe,  Hellersche  von  Sachs  .  .  .  184 

Rippenbewegungen,  von  Fick . 1802 

Rivaltasche  Probe,  von  Janowski  ....  2296 

Rivieraverein  deutscher  Aerzte  .  ...  199 

Rockefeiler  Institute  for  Medical  Research 

in  New  York . 1511,  1898 

Rodagen . (.  .  .  398 

Röhrenknochen ,  gesteigertes  Längen¬ 


wachstum  der ,  im  Anfangsstadium 
tuberkulöser  Gelenkentzündungen,  von 
Wartmann  181,  mechanische  Vorgänge 
beim  Brechen  der  Diapbysen  der  — , 
von  Zappinger  227,  Zysten  in  den 
langen  — ,  von  Braun  2 2 8,  Zysten  der 
langen  —  und  die  Ostitis  fibrosa,  von 
Bockenhcimer  682,  nicht  parasitäre 
Zysten  der  langen  — ,  von  Lexer  682, 
Kontinuitätsresektion  der  langen  — , 
von  Glaessner  750,  feinere  Struktur  und 
Polarisation  des  — ,  von  Ziegler  1545, 
Kontinuitätsresektion  der  langen  — , 

von  Glaessner . 2610 

Röntgenapparat,  neuer,  von  Rosenthal  .  2096 
Röntgenbehandlung  von  Struma,  Morb. 

Basedowii  und  Neuralgie,  von  Fabia  .  2251 
Röntgenbestrahlung  wegen  Menorrhagien, 
von  Görl  298,  intratumorale  — ,  von 
Schmidt  673,  Wachstumstörungen  nach 
von  Foersterling  683,  806,  Verhalten 
der  Harnsäure  und  Purinbasen  im 
Urin  u.  Blut  bei  — ,  von  Linser  u.  Sick  997 
Röntgenbilder,  von  Hoehl  632,  von  Lehrn- 
becher  906,  plastische  — -,  von  Alexander 
805,  sind  —  einfache  Schattenbilder? 


2358 


2101 


1085 


101 


Seite 

Rotgrünblindheit  durch  Schneeblendung, 

von  Haenel  2503,  von  Best .  2503 

Rotz,  akuter,  von  Hoke . 2148 

Rotzbazillen,  toxische  Erkrankung  durch 

abgetötete,  von  Cantacuzene  u.  Rieglen  2052 
Rotzinfektion,  von  Helly  1802,  akute  — , 

von  Hoke . 1709 

Royal  Society  of  Medicine  in  London  503,  1358 
Rudolf -Virchow- Krankenhaus,  Kritik  des  2057 
Rücken,  Behandlung  des  runden,  und 
der  hohen  Schulter,  von  Gerson  2611, 
Aetiologie  des  flachen  — ,  von  Böhm  2611 
Rückenmark,  Missbildung  am,  von  West- 
phal  382,  Dissoziation  der  Temperatur- 
u.  Schmerzempfindung  beiV  erletzungen 
u.  Erkrankungen  des  — ,  von  Piltz  584, 
pathologische  Anatomie  des  senilen  — , 
von  Naka  800,  kombinierte  Strang¬ 
degeneration  des  — ,  von  Sa! ecke v  999, 
Ursachen  der  motorischen  Störungen 
bei  Läsionen  des  — ,  von  Lapinsky 
1000,  Querdurchtrennung  des  — ,  von 

Hagen .  2648 

Rückenmarksabschnitt,  traumatische  Er¬ 
krankung  des  untersten,  von  Zimmer  2196 
Rückenmarksanästhesie  s.  a.  Lumbalan¬ 
ästhesie,  Rachistovainisation,  Stovain, 
Spinalanalgesie. 

Rückenmarksanästhesie,  von  v.  Lier  1092, 
von  Preindlsberger  2613,  1000  Fälle 
von  — ,  von  Oehler  1890,  von 
Remenar  2348,  —  in  der  Privat¬ 
praxis,  von  Merkel  756,  anatomische 
und  physiologische  Beobachtungen  bei 
dem  ersten  Tausend  — ,  von  König 
und  Gauss  1969,  2008,  Asepsis  der  — , 
von  Grosse  1990,  Anatomie^  der  — , 

von  Gerstenberg  u.  Hein .  2007 

Rückenmarksblutung,  spontane,  von  Doerr  583 
Rückenmarksgeschwulst,  seltene, von  Esser  999 
Rückenmarkshautgeschwulst,  von  Oppen¬ 
heim  und  Borchardt  1892,  chirurgische 
Behandlung  der  — ,  von  Bruns  .  .  .02108 
Rückenmarkshauttumoren,  Diagnostik  u. 

operative  Behandlung  der,  von  Schultze  1361 
Rückenmarkslähmungen,  von  Krause  951,  1010 
Rückenmarkstichverletzung,  von  Klare  .  1840 
Rückenmai kstumoren,  Klinik  u.  Histo¬ 
pathologie  der  extramedullären,  von 
Flatau  u.  Sterling  133,  Diagnose  der 

— ,  von  Batten  ...  • . 689 

Rückenverkrümmungen  u.  deren  Behand¬ 
lung  nach  Klapp,  von  Schwalbe  .  .  1403 

Rückfallfieber,  von  Manteuffel . 2159 

Rückfalltyphusepidemie  in  Kiew,  von 

Rabinowitsch .  2347 

Rückgratsverkrümmungen ,  idiopathische 
jugendliche,  von  Böhm  807,  longitu¬ 
dinale  und  transversale  Kräfte  bei  der 
Behandlung  der  — ,  von  Milo  1050, 
Aetiologie  der  — ,  von  Böhm  2259,  ana¬ 
tomische  Grundlage  der  jugendlichen 

seitlichen  — ,  von  Böhm . 2611 

Ruheloses  Herz,  von  De  Nora .  2490 

Ruhr  s.  a.  Dysenterie. 

Ruhr,  Serotherapie  bei,  von  Karlinski  37, 
neue  Untersuchungen  über  — ,  von 
Kruse  536,  —  in  Südwestafrika,  von 

Dansauer  .  . . 1747 

Ruhrerkrankungen  in  Lüderitzbucht,  won 

Bofiriger . 539 

Rundschau,  gynäkologische  1892,  t1995, 

2147,  2344,  2440,  2493,  2540 
Rundzellensarkom,  von  Küttner  .  .  .  392 

Ruptur,  Behandlung  der,  des  Quadriceps 
femoris,  von  Karewski  1496,  tubare  — , 
von  Rosenfeld .  2648 

T?  l-icicil  ollrrnnoßinr»  T  QfrO  111  1 


Seite 

von  Gorgo  806,  kinematograpbische  — 
der  normalen  und  pathologischen 
Atmung,  von  Albers-Schönberg  1060, 
gerichtsärztliche  Beurteilung  von  — , 
Kenyeres  2247,  2350,  —  des  Unter¬ 
arms,  von  Muskat  2403,  Wert  der 
Alexanderschen  —  mit  plastischer 

Wirkung,  von  Gergö .  2442 

Röntgenbrillen,  von  Schopf .  2248 

Röntgendiagnostik,  Einfluss  der,  auf  Er¬ 
kennung  und  Behandlung  der  Knochen¬ 
brüche,  von  Wendt  749,  von  Immel- 
mann  749,  von  Graessner  749,  — -  bei 
Magen-Darmkrankheiten,  von  Jolasse 

1346,  1409,  1425 

Röntgen-Instrumentarium ,  von  Grisson 
806,  geräuschloses  —  mit  Wehnelt¬ 
unterbrecher  . 

Röntgenlaboratorium,  Bericht  über  das, 
der  I.  medizinischen  Klinik  zu  Berlin, 

von  v.  Rutkowski . 

Röntgenographie,  neue  Fixations-  und 
Kompressionsvorrichtung  für,  von 

Kaestle . 

Röntgenoskopie  s.  a.  Knochenaffektionen. 
Röntgenplatten,  Beschreiben  der,  von 

Hildebrand . 

Röntgenröhren,  Bleikasten  für,  von  Schiele 
268,  permanente  Messung  des  Härte¬ 
grades  der  von  einer  —  ausgehenden 
Strahlen,  von  Bergonie  1298,  Kon¬ 
struktion  von  — ,  von  Schaeffer  .  .  .  1341 
Röntgenschädigungen  in  der  medizinischen 

Radiotherapie,  von  Engel . 134 

Röntgenstrahlen  s.  a.  Geschwülste. 

Röntgen  strahlen,  Einfluss  der,  auf  die 
Gravidität,  von  v.  Hippel  u.  Pagen¬ 
stecher  452,  Wirkung  der  —  auf 
nephrektomierte  Tiere,  von  Schmid  u. 
Gerönne  457,  —  im  Dienste  der  Neuro¬ 
logie,  von  Fürnrohr  624,  Lage-  und 
Massbestimmungen  durch  — ,  von 
Fraenkel  632,  Behandlung  der  Sarkome 
und  Karzinome  mit  — ,  von  Williams  688, 
biologische  Wirkungen  der  — ,  von 
de  la  Camp  697,  Behandlung  der  chro¬ 
nischen  Bronchitis  und  des  Bronchial¬ 
asthmas  mittels  — ,  von  Immelmann 
751,  von  Alexander  805,  Einwirkung 
der  —  auf  Blut,  von  Krause  806,  Ein¬ 
fluss  der  —  auf  Embryonen ,  von 
Schmidt  806,  Ammoniumoxalatreaktion 
der  — ,  von  Schwarz  806,  — ■  im  Dienste 
der  Chirurgie,  Orthopädie  und  Unfall¬ 
heilkunde.  von  Blencke  861,  Verwen¬ 
dung  der  —  zur  Diagnose  der  Magen¬ 
krankheiten  und  zum  Studium  der 
Morphologie  und  Physiologie  des 
Magens,  von  Groedel  III  1068,  Ver¬ 
wendung  kleinerer  Dosen  von  —  in 
der  Therapie,  von  Rieder  1763,  Schutz 
des  Arztes  und  des  Patienten  gegen 
Schädigung  durch  —  und  Radium¬ 
strahlen,  von  Dessauer  1827,  Einfluss 
der  —  auf  die  Eierstöcke  und  Trächtig¬ 
keit,  von  Fellner  u  Neumann  1889, 
Wirkung  der  —  auf  das  Zentralnerven¬ 
system,  von  Colombo  2101,  Wirkung 
der — auf  das  Auge,  von  Birch-Hirschf  eld  2499 
Röntgentherapie  680,  Bestrahlungskonzen¬ 
trator  für  — ,  von  Schwarz  806,  —  der 
substernalen  Strumen,  von  Grunmach  806 
Röntgenuntersuchungen  bei  Rachitis,  von 
Pflugradt  543,  —  der  Mund-,  Schlund- 
und  Nasenhöhle  bei  der  Phonation, 

von  Grunmach . 749 

Röntgenwismutmethode,  Riedersche,  für 

Magenuntersuchungen,  von  Grödel  M  805 
Röntgenzimmer,  Schutzvorrichtungen  im, 

von  Davidsohn  . 433 

Rom  als  Seebad . 1097 

Rosenbach  Ottomar  f,  von  Eschle  .  .  .  734 
Roseolaformen,  initiale  u.  rezitive,  von 

Vörner .  2283 

Roser- Nelatonsche  Linie,  von  Preiser 

807,  2611 


S. 

S  romanum,  operative  Verlagerung  des, 

von  Manasse  . 856 

Saccharimeter,  neues,  ven  Walbum  627,  1550 
Saccharometer  s.  a.  Gärungs  accharometer. 


9* 


XVIII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Saccharometer,  von  Citron . 1603 

Sachverständigentätigkeit,  Lehrbuch  der 
ärztlichen,  von  Becker  1337,  Handbuch 
der  ärztlichen  — ,  von  Dittrich  .  .  .1741 

Sackniere,  eitrige,  von  Wendel . 1707 

Sängerkehlkopf,  Vcntrikelform  beim,  von 

Avellis . 492 

Säugling  s.  a. Ernährungsstörungen,  Krank¬ 
heiten,  Stühle. 

Säuglinge,  Perkussion  u.  Auskultation  der, 
von  Wyss  180,  anodische  Uebererreg- 
barkeitder  — ,  von  v.  Pirquet  232,  Er¬ 
nährungsversuche  an  —  mit  erwärmter 
Frauenmilch,  von  Potpeschnig  1326, 
habituelles  Erbrechen  der  — ,  von 
Peiser  1549,  Biologie  des  natürlich 
genährten  — ,  von  Klemm  2048,  Dystro¬ 
phie  der  — ,  von  Pfaundler  2 116,  Körper¬ 
gewicht  kranker  — ,vonSchlesinger  2117, 
Fürsorgewesen  für  — ,  von  Dietrich 
2301,  von  Taube  2302,  von  Szana  2302, 
Idiosynkrasie  der  — ,  gegen  Kuhmilch, 
von  Meyer  2395,  Wangenfettpolster  der 
— ,  von  Lehn  dort!  2440,  Magnesium¬ 
umsatz  des  — ,  von  Birk  2440,  Problem 
der  künstlichen  Ernährung  der  — ,  von 

Langstein .  2461 

Säuglingsalter  s.  a.  Ernährungsstörungen. 
Säuglingsatrophie  und  Resorption,  von 

Salge . 

Säuglingsernährung,  von  Lewin  384,  von 
Langstein  2548,  natürliche  — ,  von 
Neumann  348 ,  Einfluss  der  —  auf 
die  körperliche  Rüstigkeit  des  Er¬ 
wachsenen,  von  Friedjung  699,  1094, 

\  erbreitung  der  natürlichen  —  in 
Ofen-Pest,  von  Flesch  und  Schoss¬ 
berger  1296,  —  mit  Hanfsuppe,  von 
Klotz  1995,  verschiedene  Milchmodifi¬ 
kationen  für  künstliche  —  2059,  Phy¬ 
siologie  und  Pathologie  der  — ,  von 
Pfaundler  2169,  von  Moro  2170,  künst¬ 
liche  ■ — ,  von  Moro . 

Säuglingsfäzes  s.  a.  Stühle. 

Säuglingsfäzes,  Kasein  in  den,  von  Wern- 

stedt  . 

Säuglingsfürsorge,  Statistik  und,  *  von 
Schlossmann  8,  —  und  Hebammen, 
von  Ivöstlin  1201,  Michküchen  und 
Säuglingsfürsorgestellen  im  Dienste 
der  — ,  von  Trumpp  und  Salge  2210, 

Verein  für  —  in  Düsseldorf  2359, 
Organisation  der  —,  von  Escherich  . 
Säuglingsfürsorgestelle  in  Weissenburg 
B.,  von  Doerfler  15,  —  II  der  Stadt 


1906, 

tistik 


Seite 


2223 


2543 


2495 


918 


Berlin,  von  Cassel  133,  Denkschrift 

betr.  — . 

Säuglingsheim  in  Dresden  103,  —  in 

Würzburg . . 

Saughngskrankenpflege  und  Säuglings¬ 
krankheiten,  von  Baginsky .  32 

Säuglingsmagen,  Lösungen  im,  von  Allaria  2440 
Säughngsmilch,  Produktion  und  Verkauf 

sogen.,  von  Keller .  2059 

Säuglingsmilchküche ,  Mütterberatungs¬ 
stelle  und,  der  Stadt  Bonn,  von  Esser 
12,  —  München-Westend  2311,  Ergeb¬ 
nisse  der  — ,  von  Salge .  2296 

Säuglingsmorbidität,  Statistik  der.  von 

«...  Ei.sel  •  . . .  .  1684 

Säuglingsnahrung  s.  a.  Weissweinmolken. 
Säuglingsnahrung ,  holländische ,  von 

ca  K,oePPe  , . . 1836 

bauglingspylorospasmus,  von  Wernstedt  .  1395- 
Saughngsschutz,  Werke  des,  im  Kampf 
gegen  die  Tuberkulose,  von  Comby, 
d  Espine,  Latour,  Lefevre,  Schlossmann  2058 
Säughngsskorbut  bei  Ernährung  mit  homo¬ 
genisierter  Berner  Alpenmilch,  von 

Bernheim-Karrer .  214S 

Säuglingssterblichkeit,  von  Böhmert’  234^ 

—  im  Krankenhause,  von  Soltmann 
5>  43,  Musteranstalt  zur  Bekämpfung 
Denkschrift  betr.  Errichtung 

einer  Anstalt  zur  Bekämpfung  der  _ 

502,  Zentralanstalt  zur  Bekämpfung  der 
863,  in  Rostock,  von  Brüning 


2627 

894 

2008 

1054 


41 


801 

2595 

630 

148 


Bekämpfung  der  —  2058,  Sta¬ 
der  —  2059,  Amtsarzt  und  — , 
von  Groth  2165,  Bekämpfung  der  — 

in  Bayern . 

Säuglingsstühle,  Eiweissgehalt  der,  von 

Oshima . 

Säuglingstuberkulose,  von  Hohlfeld  .* 
Sahne-Pankreas-Ivlystiere,  von  Meyer 
Sajodin,  von  Datta  280,  von  Anacker  1568, 
Erfahrungen  mit  — ,  von  Kuttel¬ 
wascher  .  2542 

Saitenelektrometer  und  seine  Anwendung 
.  in  der  Elektrophysiologie,  von  Cremer  505 
Saitengalvanometer  s.  a.  Registrierung. 
Saitengalvanometer,  von  Einthoven  386,  2056 
Sakrale  Operationen  an  Mastdarm  und 

LRerus,  von  Goldschwend . 1045 

Sakrokoxitis,  von  Spitzy  und  Reiner  .  .  684 

Salit,  von  Lömonon  .  2358 

Salivation,  Pathogenese  der,  von  Röder  .’  2258 
Salizylpräparat,  neues,  von  Bodenstein 
Salizylsäure,  Ausscheidung  der,  von  Ehr¬ 
mann  . 

Salizylsäureverbindung,  neue,  von  Ciuffini 

Salizylsapen,  von  Schalenkamp . 

Salomonsohnstiftung . 593 

Salomonsche  Probe,  von  Yagiie  ....  850 
Salpingitis,  Behandlung  der  eitrigen,  von 

Altanasescu . 587 

Saluti  juventutis,  von  v.  Lindheim  .  .  *  2436 
Salze  organischer  Säuren,  von  Bergell  .  954 
Salzsäure,  Nachweis  freier,  im  Mageninhalt, 

von  Steensma . 1049 

Salzsäureproben  ohne  Magenschlauch,  von 

Schwarz . g05 

Salzsäureproduktionsfähigkeit,  Bedeutung 
der  herabgesetzten,  von  v.  Torday  .  *  1397 

Samariterverein  zu  Leipzig . 1159 

Samenstrang,  Phlegmone  des,  von  Madden 
1145,  Thrombophlebitis  und  Cellulitis 

des  — ,  von  Cole  Madden . 1652 

Samenleitende  Organe,  Resorption  von 
Infiltraten  in  den,  von  Frank  .  .  752,  946 

Sammlung,  mediko-historische . 550 

Sanatorium  Dr.  Graul  in  Neuenahr  759^ 

—  der  Aerzte  Wiens . ’  1252 

Sanatoriumsarzt,  Hausrecht  des,  814,"  92o" 

968,  1101,  1160. 

Sanduhrmagen,  von  Küttner  393,  — ,  von 
Petersen  1555,  angeborener  — ,  von 
Flammer  430,  Diagnose  des  — ,  von 
Schmitt  683,  neue  Operation  des  — , 
von  Bakes  856,  Diagnose  und  chirur¬ 
gische  Therapie  des  — ,  von  Schmilinsky  2245 
Sanitätsanzeigen,  Honorierung  der  .  .  1842 

Sanitätsbericht  über  die  k.  bayer.  Armee  1290 

Sanitätsinspektion  in  Bayern  ' . 1614 

Sanitätsoffizier,  augenärztliche  Tätigkeit 

des,  von  Wiedemann  . 943 

feanitätsverwaltung,  Generalbericht  über 

die,  im  Königreich  Bayern .  2605 

Santyl  22,  von  Ohl . !  1607 

Sarcoma  chorioideae,  von  Neuburger  298 
963,  von  Alexander  591,  —  des 
Schädeldaches,  von  v.  Bergmann  500, 

—  der  Sehnenscheiden,  von  Gaudiani 
630,  primäres  melanotisches  —  der 
Rückenmarksmeningen,  von  Thorei  725, 
Riesenzellen  in  — ,  von  Zypkin  742, 
myoblastisches  — ,  von  Käthe  894,  — 
idiopath.  multiplex  hämorhag.  Kaposi, 
von  Selhorst  und  Polano  950,  —  hu- 
meri,  von  Grunert  1151,  —  des  Radi- 

^  usendes,  von  Neumann  1309,  —  mit 

^Trauma,  von  Orth . 

Sattelnase,  Paraffininjektion  bei,  von  Här- 
ting . 

Sauei  bruchsche  pneumatische  Kammer 
Sauerstoff,  Bestimmung  des,  im  Wasser,' 

von  Korschun .  ’  4249 

Sauerstoffbäder,  von  Laqueur . 134 

Sauerstoffeinblasungen  in  das  Kniegelenk, 
von  Rauenbusch  743,  von  Albers- 
Scliönberg  1059,  —  in  die  Harnblase, 
von  Albers-Schönberg  1059,  diagnosti¬ 
scher  u.  therapeutischer  Wert  der  — 


Seite 


2554 

1978 


2190 

45 

"680 


von  Lanz 


2349 


Sauerstoffinsufflation  s.  a,  Kniegelenk. 
Sauerstoffinfusionen,  von'.Seitz  483,  intra¬ 
peritoneale  —  bei  Ascites  tubercu- 

losus,  von  Schulze . 2194 

Saugapparat,  Bier-Klappscher,  von  Eicliler  35 
Saugbehandlung  von  Nasenleiden,  von 
Martin  94,  Bier-Klappsche  —  679,  — 
in  der  Gynäkologie,  von  Wein¬ 
brenner  1658,  1978,  neuere  Indikationen 
für  Biersche  — ,  von  Jerusalem  . 
Saugflasche  s.  a.  Kiefermissbildung. 
Saugmassage,  von  Weinbrenner  °  . 
Saugpipette  zur  Widalschen  Reaktion, 

von  Fischer . . 

Schädel  s.  a.  Turmschädel. 

Schädelasymetrie  bei  kongenitaler  Sko¬ 
liose,  von  Schulthess . 2611 

Schädelbasis,  Stichfrakturen  der,  ’  von 

Knaggs .  t  2199 

Schädelbruch,  von  Ackermann  343,  Mecha¬ 
nismus  der  — ,  von  Krogius  ....  1951 
Schädeldach,  knöcherne  Tumoren  des 

von  v.  Eiseisberg  . ’  532 

Schädeldefekt  durch  Hufschlag,  von  Les¬ 
sing  286,  Behandlung  traumatischer  — , 

von  Stieda . ’  999 

Schädelgrube,  Operationen  in  der  hinterenj 
von  Borchardt  683,  Freilegung  der 
zentralen  Teile  der  mittleren  —  und 

der  Hypophyse,  von  Braun . 1742 

Schädelmasse  und  Beruf,  von  Lomer  .  .  2346 
Schädelplastik,  Technik  der,  von  Sohr  .’  2292 

Schädel punktur,  von  Ascoli . 2400 

Schädelröntgenographien,  von  Schüller  .  2156 
Schädelschuss,  Indikationen  beim,  im 
Kriege,  von  v.  Oettingen  .  .  .  ’  .  681 

Schä  del  stiebe,  von  Leischner  . 537 

Schädeltrepanation,  von  Deutschländer  !  2506 
Schädelverletzung  mit  doppelseitiger  Taub¬ 
heit,  von  Nötzel  190,  Operationsindi¬ 
kationen  bei  alten  — ,  von  Tixier  948, 

—  und  Gehirnverletzungen,  hyperal¬ 
getische  Zonen  bei,  von  Vorschütz  . 

Schall,  tympanitischer  und  nicht  tympaniti- 

scher,  von  Geigel . 

Schambein  schnitt,  von  v.  Franque 
Schamfuge,  geschichtliche  Uebersicht  über 
die  verschiedenen  Verfahren  zur  Durch¬ 
trennung  der,  und  des  Schambeines, 

von  Döderlein . 1195 

Schanghai,  Medizinschule  in . 1213 

Schanker  s.  a.  Syphilis. 

Scharlach  s.  a.  Skarlatina. 

Scharlach,  komplizierende  hämorrhagische 
Diathesen  bei,  von  Klose  94,  septiko- 
pyämischer  — ,  von  Posselt  t,28,  The¬ 
rapie  des  — ,  von  Schick  1249,  Nach¬ 
krankheiten  des  — ,  von  Schick  1648, 

—  und  Mundsepsis,  von  Hunter  1852, 
Geschichte  des  — ,  von  Richter  2061, 
Einfluss  der  Schule  auf  die  Verbrei¬ 
tung  des  — ,  von  Goldsmith  2250,  Herz¬ 
störungen  bei  — ,  von  Schick  .... 

Scharlachfieber,  Komplikationen  des,  von 

Beatty . . . 745 

Scharlachfieberfälle,  letale,  von  Heiberg  2347 

Scharlachherz,  von  Pospischill . 1954 

Scharlachimmunität,  Blutsverwandtschaft 
als  ein  Faktor  bei,  von  Brandeis  .  .  2397 
Scharlachinfektion,  7  malige,  von  Menen- 

dez . 283 

Scharlachnephritis,  Prophylaxe  der,  von 

Thompson . ‘ . 1493 

Scharlachöl,  s.  a.  Epithelwucherungen. 
Scharlachölinjektionen ,  Wirkungsweise 

der,  von  AVyss . 

Scheide,  Operation  bei  völligem  Mangel 
der,  von  Häberlein  583,  künstliche  — 
von  Martin  754,  Sarkome  der  — ,  im 
Kindesalter,  von  Amann  2049,  gynä¬ 
kologische  Untersuchung  durch  die' — , 

von  v.  Mars . . 

Scheidengebärmuttervorfall  mit  Karzinom¬ 
entwicklung,  von  Moraller . 1345 

Scheidenkrebs,  primärer,  von  Jacub  .  .  847 
Scheidenschleimhaut,  Nekrose  der,  von 
Engländer, . 1892 


1393 

1742 

1196 


2258 


1576 


2493 


1907, 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXIX 


Seite 

Scheidenspülung  u.  Händedesinfektion, 
von  Opitz  36,  prophylaktische  — ,  von 

Rissmann . 2147 

Scheidenvarixblutung  in  der  Schwanger¬ 
schaft,  von  Grünebaum  .  2601 

Scheinfütterungsversuche  am  erwachsenen 

Menschen,  von  Kaznelson . 1999 

Scheitelbein,  Fraktur,  des  1.,  von  Blauel  964 
Schematismus  der  Aerzte  in  Bayern  1213,  1263 
Schenkelbrüche,  inkarzerierte,  von  Habe- 

rern .  36 

Schenkelhals,  Pseudarthrose  des,  nach 

Fraktur,  von  Kotzenberg . 739 

Schenkelhalsbrüche,  Behandlung  der,  von 

Schanz .  ....  1203,  1600 

Scheuen  der  Pferde,  von  Dexler  ....  742 

Schiedsgericht  für  Arbeiterversicherung  .  503 
Schiefhals,  angeborener,  von  Härting  45, 
operative  Behandlung  des  muskulären 
— ,  von  Gerdes  431,  999,  von  Döring 
739,  von  Aberle  1602,  von  Böcker  998, 
Apparat  gegen  — ,  von  Wunsch  1447, 
subkutane  Tenotomie  des  — ,  von 

König . 1602 

Schief nase,  Korrektur  der,  von  Joseph  .  2541 
Schielen,  Frühbehandlungdes,  nach  Worth, 
von  Simon  293,  willkürliches  einseitiges 
— ,  von  Peters  861,  Vererbung  des  — , 

von  v.  Sicherer . 1231 

Schieioperationen,  von  Sandmann  .  .  .  293 

Schiff,  s.  a.  Infektionskrankheiten,  Kriegs. 

schiff,  Seeschiff,  Wärmeregulation. 

Schiffs-  und  Tropenkrankheiten,  Institut 
für,  in  Hamburg  496,  Referat  über  — , 

539,  898,  1747,  2253,  2498, .  2544 

Schiffsärzte,  s.  a.  Reedereien,  Lloyd. 
Schilddrüse,  Einfluss  der,  auf  die  Ent¬ 
wicklung  des  Embryo,  von  Bleibtreu 
134,  Pathologie  der  —  und  Neben¬ 
schilddrüsen,  von  Hecker  493,  Aplasie 
der  — ,  von  Danielsen  698,  Syphilis  der 
— ,  von  Simmonds  1410,  Funktion  der 
— ,  von  Hagenbach  2343,  Intoxikation 
durch  übermässige  Funktion  der  — , 
von  Gautier . . .  2457 


Schilddrüsenatrophie,  sexueller  Spätinfan¬ 
tilismus  mit,  von  Gaudy  .  ....  .1461 
Schilddrüsenhehandlung,  Zufälle  der,  von 

Levi  u.  de  Rothschild . .  .  1660 

Schilddrüsenfunktion,  Blut-  u.  Knochen¬ 
mark  nach  Ausfall  der,  von  Esser  .  .  998 

Schilddrüseninsuffizienz,  vonLevy  u,  Roth¬ 
schild  . 1461 

Schilddrüsenresektion,  von  Caro  ...  .  798 

Schilddrüsenzirkulation,  Pathologie  der, 

von  v.  Vereböly  .  .  429 

Scliinzinger  Albert  zum  80.  Geburtstag  .  225 
Schläfenbein,  von  Panse  2451,  Tuberkulose 

des,  von  Röpke . ,  .  .  .  187 

Schlaf,  s.  a.  Tag. 

Schlafkrankheit,  s.  a.  Durine,  Trypanoso- 
miasis. 


Schlafkrankheit,  von  Martin  2052,  von 
Levi-Sirugue  2053,  von  Cook  2545,  Er¬ 
forschung  der  —  in  Ostafrika,  von 
Koch  35,  Bericht  der  deutschen  Ex¬ 
pedition  zur  Erforschung  der  — ,  von 
Koch  184,  1893,  afrikanische  — ,  von 
Kutscher  585,  Behandlung  der  ■ — ,  von 
Laveran  700,  von  van  Campenhout  1746, 
von  Broden  und  Rodhain  1748,  —  und 
progressive  Paralyse,  von  Spielmeyer 
1065,  Schlussbericht  der  deutschen 
Expedition  zur  Erforschung  der  —  von 

Koch .  2395 

Schlaflosigkeit,  Behandlung  der,  von  Steg¬ 
mann  . 809 

Schlaftrunkenheit,  physiologische  u.  patho¬ 
logische,  von  Gudden . 230 

Schlangenbiss,  Behandlung  des,  von  Riehl  1604 

Schlangenbissvergiftungen, Kaliumperman¬ 
ganat  in  der  Behandlung  von,  von 

Diesing . .  2253 

Schlangengift,  s.  a.  Habuschlangengift. 
Schlangengift,  Einspritzung  von  Chemi¬ 
kalien  gegen,  von  Brieger  u.  Krause 
1748,  Gewinnung  von  — ,  von  Krause 


Seite 

2253,  Hämolyse  durch  — ,  von  v.  Dün¬ 
gern  u.  Coca . 2317 

Schleim,  physiologische  Bedeutung  des, 

von  Zweig .  34 

Schleimbeutel,  Pathologie  der,  des  Schulter¬ 
gelenkes,  von  Stieda .  2064 

Schlingenschnürer  für  Nase  u.  Ohr,  von 

Ruttin .  97 

Schlucken  durch  eine  Speiseröhre  ohne 

Muskelschicht,  von  Meitzer . 1999 

Schlüsselbeinbruch,  Behandlung  des,  von 

Lauper .  94 

Schlüsselbeinbruchverband ,  Sayrescher, 

von  Riedel . 849 

Schmerz  und  Blutdruck,  von  Curschmann 
2074,  2241,  von  Beuttenmüller  .  .  ,  2241 
Schmerzempfindlichkeit  der  Haut  bei 
inneren  Organ erkrankungen,  von  Wila- 

mowski .  2050 

Schmerzen  im  Bauch,  insbesondere  bei 

Ileus,  von  Lennander .  2543 

Schmerzphänomene  bei  inneren  Krank¬ 
heiten,  von  Schmidt . 379 

Schmerzprüfung,  Kontrolle  der,  durch 
die  Blutdruckmessung,  von  Cursch¬ 
mann  . 2112 

Schmierkur,  Einreiben  für  die,  mit  Hand¬ 
oder  Motorhetrieb,  von  Jacobi  .  .  .  .  1932 

Schneckennekrose,  von  Lauffs  .  .  .  .  643 

Schock,  Behandlung  des  postoperativen, 
von  Smith  385,  die  Blutgefässe  im  — , 


Schoenborn  Carl  f,  von  Burkhardt  .  .  .  374 
Schopenhauer  Arthur,  seine  wirklichen 
und  vermeintlichen  Krankheiten,  von 

Ebstein . 1090 

Schreibkrampf,  von  Edinger . 339 

Schreibtischkalcnder,  Bierbachs  ....  892 

Schrötter,  Prof.  Dr.  Leopold,  Ritter  v. 

Kristelli,  von  Frank  271,  70.  Geburtstag  350 
Schrumpfblase  und  ihre  Behandlung,  von 

Kausch . 1009 

Schrumpfniere,  arteriosklerotische ,  von 
Stich  242,  Polyurie  bei  — ,  von  Nagel 
796,  —  ohne  Arteriosklerose,  von 

Jores  1056,  von  Roth . 1445 

Schülerheimkolonie  desArndt-Gymnasiums 

bei  Berlin . 2119 

Schülerselbstmorde . 630 


Schule  und  Skoliose,  von  Schanz  684,  — 
und  Kurzsichtigkeit,  von  Schnabel 
1146,  Bäder  im  Anschluss  an  ländliche 
— ,  von  Calinescu  1606,  warum  kommen 
die  Kinder  in  der  —  nicht  vorwärts?, 
von  Uffenheimer  und  Stählin  1833, 
Anweisung  zur  Verhütung  der  Ver¬ 
breitung  übertragbarer  Krankheiten 
durch  die  —  19li,  Ueberbürdung  in 
der  — ,  von  Czerny  2303,  —  von  Liver¬ 
pool,  von  Arkle .  2396 

Schulärzte,  Dienstanweisung  für  che,  der 
Stadt  München  55,  —  in  Oesterreich 
587,  Tätigkeit  der  Berliner  — ,  von 
Hartmann,  996,  —  in  Hambürg  1263, 
in  Schöneberg  1806,  Erfahrungen  über 
das  System  der  — ,  von  Stephani  .  .  2302 
Schularztstelle,  orthopädische,  in  Char¬ 
lottenburg  . 1562 

Schularzttätigkeit  und  Schulgesundheits¬ 
pflege,  von  Leubuscher . 2242 

Schulkinder,  Schwachbegabte,  von  Schle¬ 
singer  . •  .  .  195,  1296 

Schulpausen,  von  Muskat  743,  körperliche 

Uebungen  in  den  — . 1958 

Schulturnkurse,  orthopädische,  von  Bohn- 

stedt . 1111 

Schulzahnklinik,  städtische,  in  Erfurt  .  .  550 

Schultergelenk,  Arthrodese  des,  von  Vul- 
pius807, 2611,  Apparat  zur  Mobilisierung 

des  — ,  von  Bähr . 1003 

Schultergelenksverrenkung,  blutige  Be¬ 

handlung  der  habituellen,  von  Wern¬ 
dorff  .  807,  2611 

Schulterhochstand,  Erklärung  des,  von 

Cohn . 1458 

Schulterluxation,  Behandlung  der  ange- 
borneen  retroglenoidalen,  von  v.  Bra- 


Seite 

mann  682,  Operationen  bei  habitueller 

— ,  von  Perthes . 1545 

Schuppenflechte,  Behandlung  der,  mit 

Ultraviolettstrahlen,  von  Becker  .  .  .  2646 
Schuss  in  den  Mund,  von  Andereya  .  .  1409 
Schussverletzung  s.  a.  Schädelschuss, 
Kriegschirurgie,  Konturschuss,  Nah¬ 
schussverletzung. 

Schussverletzungen,  von  Lieblein  135,  von 
Bestelmeyer  2438,  —  des  Pankreas, 
von  Gobiet  280,  —  des  Abdomens,  von 
Neudörfer  280,  —  des  Abdomen,  von 
Trendelenburg  545,  penetrierende  — 
des  Abdomen,  von  Reichard  671,  — 
peripherer  Nerven,  von  Hashimoto  und 
Tokuoka  739,  2491,  —  der  Milz,  von 
Lieblein  798,  Bleivergiftung  durch  die 
Geschosse  nach  — ,  von  Braatz  1081, 

—  des  Auges,  von  Schirmer  1962,  — 
des  Gehirns,  von  Dürck  2164,  pene¬ 
trierende  —  der  Herzwand,  von  Fittig 
2293,  seltene  — ,  von  Bircher  ....  2318 
Schutzgebiete,  Medizinalberichte  über  die 

deutschen  ...  1948 

Schutzimpfung  gegen  Typhus,  Pest  und 

Cholera,  von  Pfeiffer .  2402 

Schutzpockenimpfung  im  Jahre  1907  351, 
Bericht  über  die  Ergebnisse  der  — 
in  Bayern  1906,  von  Stumpf  ....  2629 
Schutzstoffbildung,  von  Sciallero  ....  2149 
Schutzstoffe,  Gewinnung  von,  aus  patho¬ 
genen  Bakterien,  von  Bassenge  und 

Krause . 1603 

Schwachsinn,  moralischer,  von  Schaefer  .  382 

Schwachsinnige,  Fürsorge  für,  von  Wey- 

gandt .  2303 

Schwachsinnigenfürsorge,  von  Meitzer  .  808 

Schwangerschaft  s.  a.  Appendizitis,  Eileiter¬ 
schwangerschaft,  Extrauteringravidität, 
Extrauterinschwangerschaft, Graviditas, 
Gravidität,  Tubargravidität ,  Tubar- 
schwangerschaft,  Ovariotomie,  Zwil¬ 
lingsschwangerschaft. 

Schwangerschaft,  Histologie  der  —  im 
rudimentären  Nebenhorn,  von  Hoff 
333,  prognostische  Bedeutung  von 
Träumen  für  die  Fortdauer  der  — ,  von 
Neu  333,  Blase,  Harnleiter  und  Nieren¬ 
becken  in  der  — ,  Gauss  440,  Perity¬ 
phlitis  und  — ,  von  Calmann  441, 
darf  der  Augenarzt  die  künstliche 
Unterbrechung  der  —  fordern?  von 
Germann  491,  Ikterus  in  der  — ,  von 
Kehrer  626,  wiederholte  ektopische  — , 
von  Kuppenheim  626,  Verschwinden 
einer  — ,  von  Polano  999,  seltenere 
Störungen  der — ,  vonKrummacher  1035, 
eingebildete  —  und  missed  abortion, 
von  Nassauer  1154,  2048,  —  im  Neben¬ 
horn  mit  Steinkindbildung,  von  Menge 
1700,  Diagnose  und  Behandlungsgrund¬ 
sätze  der  ektopischen  — ,  von  Döderlein 
1708,  welche  Anforderungen  sind  an 
eine  korrekte  Methode  der  künstlichen 
Unterbrechung  der  —  zu  stellen?  von 
Hannes  1974,  Ovariotomie  während 
der  — ,  von  Flatau  2048,  ektopische  — , 
von  v.  Szabö  2048,  therapeutische  Indi¬ 
kationen  bei  mit  Gebärmutterkrebs 
komplizierter  — ,von  Oui  2052,  Scheiden- 
Varixblutung  in  der  — ,  von  Grünebaum 
2452,  künstliche  Unterbrechung  der  — 
wegen  Lungentuberkulose,  von  Pradella 
2539,  extrauterine  —  mit  ausgetiagener 

Frucht,  von  Adjaroff .  2647 

Schwangerschaftshydrops ,  Kochsalzent¬ 
ziehung  beim,  von  Gramer .  2639 

Schwangerschaftspyelitiden,  von  Mirabeau 

345,  2048 

Schwangerschaftsunterbrechung ,  Indika¬ 
tionen  für  eine  künstliche,  hei  Geistes¬ 


kranken,  von  Alzheimer  ....  1617,  1658 
Schwann,  zum  100jährigen  Geburtstag  von 

Theodor,  von  Waldeyer . 548 

Schwanzbildung  beim  Menschen,  von 

Konstantinowitsch  532,  von  Brugsch  1889 
Schwarzwasserfieber  in  Sierra  Leone,  von 

Grattan .  2545 


LXX 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


1427 

49 

2272 


Seite 

.Schwebeflug  der  Vögel,  von  Gildemeister  1106 
Schwefelwässer,  Wirkung  der,  bei  der 
Hg-Behandlung,  von  Desmoulieres  und 

Chatin . 1612 

Schwefelzinkpaste ,  Intoxikationserschei¬ 
nungen  nach  Anwendung  von,  von 

Hesse . 950 

Schweigetherapie,  von  Lublin ski  ....  35 

Schweinerotlauf  beim  Menschen  u.  dessen 
Heilung  durch  Schweinerotlaufserum, 

von  Welzel ...  • .  2482 

Schweineschmalz,  Wassergehalt  des,  von 

Polenske  . . 1446 

Schweisse,  hysterische,  von  Curschmann  1673 

Schweissdrüsen,  Hypersekretion  der,  im 

Wochenbett,  von  Seitz . 431 

Scbweissfriesel,  von  Weichselbaum  .  .  .  1292 

Schweisshände,  Dauerheilung  der,  durch 

Röntgen,  von  Kromayer . 2612 

Schweizer  Reise-  und  Kuralmanach,  von 

Loetscher . 381 

Schwellung,  rezidivierende,  des  Hand¬ 
rückens,  von  Fischer  .  • .  40 

Schwellenperkussion,  von  Simons  .  .  .  1998 

Schwerhörigkeit  bei  Schulkindern,  von 
Laser  335,  der  Neugeborenen,  von 

Koellreuter  . 1050 

Schwimmer,  Untersuchungen  der,  von 

Kienböck,  Selig  und  Beck . 

Schwindel  s.  a.  Ohrschwindel. 

Schwindel,  otogener,  von  Dallmann  .  .  . 
Schwindsucht,  Gefässstreifen  bei  be¬ 
ginnender  — ,  von  Francke . 

Schwindsüchtige,  Lebensdauer  der,  in 
Norwegen,  von  Holst,  Nicolaysen  und 

Ustvedt . 795 

Seborrhoe  und  ihre  Behandlung,  von 

Roberts . 

Secacornin,  Wirkung  des,  von  Schubert 
1266,  — ,  von  Roche,  von  Merkel  .  . 

Sectio  caesarea  s.  a.  Kaiserschnitt. 

Sectio  caesarea,  229  Fälle  von,  von  Leopold 
1647,  vaginale  —  bei  Eklampsie  und 
Placenta  praevia,  von  Nyboff  .... 

Seeigeleier,  von  Löwenstein . 1709 

Seekrankheit,  Biersclie  Stauung  bei,  von 
Roesen  324,  von  Schlaeger  1383, 

^  eronal  gegen  — ,  von  Scheupelmann  1909 
Seekriegschirurgie,  von  Matthiolius  .  .  .  1743 
Seelenleben,  Störungen  im,  von  Bessmer  1994 
Seelische  Erkrankungen  in  der  Marine, 

von  Podestä . ’  229 

Seereisen  zu  Kur-  und  Erholungszwecken’ 
von  Friedrich  532,  therapeutische  — ! 

von  Pauli . 

Seesanitätsdienst,  Jurist  als  Chef  des,  in 

Oesterreich  . 

Seeschiffe,  ständige  Ueberwachung  der, 

von  Nocht . .  .  • . 

Seewasserinjektionen,  subkutane,  von 

Sdhivardi . .  339 

Seggel,  zum  70.  Geburtstag  von  Generalarzt 

Dr.  K.  103,  von  Eversbusch .  83 

Sehen  von  Bewegungen,  von  Basler  .  .  2104 

Sehnen,  Verbesserung  der  künstlichen, 

von  Lange . 684 

Sehnengeschw'ülstchen  bei  Kindern,  von 

Pels-Leusden . 434 

Sehnengleiten  des  M.  glutaeus  maximus, 

von  Bayer  . 

Sehnenluxation,  von  Schlesinger  .  *  ’  ’ 
Sehnennähte,  Technik  der,  von  v.  Frisch 
Sehnenoperationen,  Indikation  zu,  bei 
spinalen  und  zerebralen  Lähmungen, 

von  Bade . &  ’ 

Sehnenphänomene,  Fehlen  der,  von  Kölpin 
Sehnenplastiken,  Endresultate  der,  von 

Hoffa . . .  534, 

Sebnenüberpflanzung  398,  Indikation  zur 
— .  von  Stoffel  684,  Misserfolge  und 

Erfolge  der  — ,  von  Karch . 750 

Sehnervenpapille,  kurzdauerndes  Oedcm 
der,  eines  Auges,  von  Handwerck  .  .  2332 
Sehorgan,  zur  Erregung  des,  erforderliche 
Energiemengen,  von  v.  Kries  ....  2104 
Sehschärfe  bei  Tieren,  von  Exner  .  .  .2.04 


Seite 


Sehschwäche,  Erwerbsverringerung  durch, 

von  Schmidt-Kimpler . [  99 

Sehstörung  und  Erblindung  nasalen  Ur¬ 
sprungs,  von  Mayer  1649,  —  nach  Blut¬ 
verlust,  von  Proell . 2614 

Seh Strahlungen  ,  Anatomie  der,  von 

Tsuehida . 742 

Seidenpapier,  Verwendung  des,  in  der 
Krankenpflege  bei  ansteckenden  Krank¬ 
heit,  von  Hillenberg . 1737 

Sektionen,  gerichtliche .  2562 

Sektionstechnik, pathologisch-anatomische, 

von  Chiari . 1690 

Selbstmordfälle,  Analyse  von  200,  von 

Stelzner . 379 

Selbstmordneigung  in  der  Marine,  von 

Podestä . 741 

Selbstmordversuche  während  der  Geburt, 

von  Sigwart . 742 

Selenzelle,  Erklärung  des  Verhaltens  der, 

von  Wertheim-Salomonson . 805 

Seminar  für  soziale  Medizin  .  .  .  1063,  2625 
Semmelweis  oder  Lister?  von  Weckerling  675 
Senckenberg  J.  Chr.,  von  Avellis  ....  425 
Senckenbergsche  Naturforschende  Gesell¬ 
schaft  . 2168 

Senckenbergisches  Neurologisches  Institut  2407 
Sensibilierung  innerer  Organe,  von  Wich- 

mann .  2506 


279 

349 

2348 

1964 


745 

1333 


2349 


672 

914 


1494 


1951 

284 


2206 


739 

2259 

433 


2063 

2295 

750 


Sensibilitätsprüfer,  neuer,  von  Auerbach 
Sensibilitätsprüfungen ,  neue  Methoden 
und  Ergebnisse  klinischer,  von  Steinert 
Sensibilitätsstörungen ,  metamere ,  bei 
Gehirnerkrankungen ,  von  Benedict 
231,  syphilitische  —  am  Rumpfe,  von 
Knapp  382,  —  bei  und  nach  Herpes 
zoster,  von  Petren  und  Bergmark  .  . 
Sepsis  nach  Angina,  von  Curschmann  293, 
Therapie  der  — ,  von  Maier  1439,  Be¬ 
handlung  der  puerperalen  — ,vonGordon 
1449,  Heilbarkeit  der  akuten  otogenen 
— ,  von  Hansberg  1655,  puerperale  — , 

von  Lendon . 1894 

Septikaemie,  tuberkulöse,  von  Marmorek  134 
Septische  Erkrankungen  bei  Verkümme¬ 
rung  des  Granulozytensystems,  von 
Türk  384,  —  und  Leukämie,  von  Erb  1143 
Septumverbiegungen ,  Behandlung  der , 

von  Macintyre . 745 

Serodiagnose  bei  Lues,  Tabes  und  Para¬ 
lyse  durch  spezifische  Niederschläge, 
von  Fornet  und  Schereschewsky,  1471,  1568 
Serratuslähmung,  traumatische  Entstehung 
u.  operative  Behandlung  der,  von  Samter  1143 
Serum,  Wirkung  des,  auf ;  die  intrazellu¬ 
lären  Fermente,  von  Baer'484,  —  zur 
leststellung  von  Infektionskrank¬ 
heiten  und  zur  Erkennung  von  Men¬ 
schenblut  1015,  adrenalinähnliche  Wir¬ 
kung  des  —  Nephrektomierter  und 
Nierenkranker,  von  Eichler  2395,  Klebs’ 

— ,  von  Klebs  .  2450 

Serumprüfung,  Methoden  der,  von  Kraus  2160 
Serum-Ueberetnpfindlichkeit,  von  Otto  1665/2512 
5  euchenbekämpf ung  1911, 1—  in  Berlin"-  • 
630,  moderne  — ,  von  Liebetrau  847, 
gesetzliche  Grundlage  der  —  im  deut¬ 
schen  Reiche .  2256 

Sexuelle  Aufklärung  1855,  —  zu  Hause,’ 
von  Krukenberg  1200,  —  in  der  Volks¬ 
schule,  von  Enderlin  und  Höher  1200, 
in  den  höheren  Schulen, «von  Kern- 
sies  und  Schäfenacker  1200,  —  der 
Kinder,  von  Freud  1496,  —  in  Sachsen  2557 
Sexuelle  Belehrung  der  Abiturienten,  von 
von  den  Steinen  und  Fürstenheim 
Sexuelle  Diätetik  und  Erziehung,  von 
Eulenburg,  Förster  und  Fürth  .... 
»Sexualleben  unserer  Zeit,  von  Bloch 
Sexualpädagogik  1662,  Aufgaben  auf  dem 
Gebiete  der  — ,  von  Blaschko  1200, 
im  Volksschullehrerseminar,  von 

Lacroix .  J200 

Sexualsphäre,  kongestive  Zustände  in  der 
weiblichen  ,  und  Appendizitis ,  von 
Glücksmann .  4399 


1200 

1200 

1492 


Seite 

Shampoomittel,  gefährliches,  von  Colman  2250 
Sialodochitis  Whartoniana  chronica,  von 

Veckenstedt .  2248 

Sicherheitspipette,  von  Schümm  ....  1235 
Siderosis  bulbi,  von  Schmidt-Rimpler  99, 
von  Schirmer  1962,  hämatogene  — 
der  Leber,  von  Gambaroff  ....  .  1445 
Siebbein,  Erkrankungen  des,  von  Uffenorde  2193 
Siebbeinzelleneiterung,  von  Köhler  .  .  .  1733 

»Siel wasser,  von  Rubner . 1693 

Sigmoiditis,  neue  Behandlungsmethode 
der  chronischen,  und  Proktitis,  von 

Rosenberg . 1248 

Silberspirochaete,  von  Schulze  35,  Kritik 
der  —  von  Gierke  231,  vorgetäuschte 

— ,  von  Friedenthal . 

Silberfärbung,  Levaditische,  von  Mikro¬ 
organismen,  von  Benda  . 

Silberpräparate,  Aetzwirkung  von,  von 

Frickenhaus . 

Silbersaum  der  Zähne,  von  Alexander 
Silknaht,  versenkte,  der  Faszie,  von 

Klein . .  .  1793 

Simulation,  von  Stargardt  1060,  —  und 
Geistesstörung,  von  Schott  278,  —  von 
Geistesstörung,  von  Wagner  Jv.  Jauregg 
1497,  scheinbare  und  unbewusste  — , 
von  Boeri  757,  —  und  ihre  Entlarvung, 
von  Rumpf  1297,  von  Koppen  1297, 
von  Leddeihose,  Groenouw,  Stenger, 

Schill  1*98,  Annahme  von  —  auf  Grund 
funktioneller  Hörprüfung,  von  Dölger 
1525,  —  von  Blindheit  und  Schwach¬ 
sichtigkeit  und  deren  Entlarvung,  von 

Wiek  .  .  . .  2047 

Singstimme  s.  u.  voix  chantee. 

Sinoisitis  frontalis  et  ethmoidalis,  von 

Andereya . 695 

Sintenis,  Fall . «...  .  2462 

Sinusthrombose,  Differentialdiagnose  der 

otitischen,  von  Nuernberg .  2522 

Sinus  Verjauchung,  von  Lauffs .  49 

Sinus  Vereiterung,  von  Lauffs . 195 

Sinusverschluss  durch  ^  Phlebitis,  von 

Krarnrn . .  .  .  1050 

Skarlatina,  Jodophilie  bei,  von  Neutra  .  '92 

»Skeletteile,  Variationen  einiger,  von 

Chrysopathes  . 2293 

Sklera,  Stichverletzung  der,  von  Wagc- 

mann . 1903 

Skleroderma,  von  Becker . 1401 

Sklerodermie,  traumatische ,  von  Teske 
1003,  tuberkulöse  — ,  vonjMilian  1061, 

—  behandelt  mit  ]j  'Mesenterialdrüsen, 
von  Schwerdt  1230,  Bilanz  des  [Stoff¬ 
wechsels  bei  — ,  von  .lastrowitz  .  .  .  2494 

Sklerom,  Stenose  des  Luftrohres  infolge, 
von  v.  Hacker  36,  Bedeutung  des  — 

für  die  Armee,  von  Feiss . ■*  ’  944 

»Sklerose  s.  a.  Herdsklerose,  Lateralsklerose. 
Sklerose,  akut  verlaufende  multiple,  von 
Wegelin  134,  multiple  — ,  von  Friedei 
343,  psychische  Störungen  bei  multipler 
— ,  von  Raeckc  381,  Prognose  der 
multiplen  — ,  von  Maas  432,  Augen¬ 
erkrankungen  bei  multipler  — ,  von 
Pincus  545,  beginnende  multiple  — , 
von  Küster  155.5,  multiple  —  oder  Lucs 
cerebrospinalis?  [von  Kuckro  2238, 
forensische  Beurteilung  der  multiplen 

— ,  von  Raocke  . .  2247 

»Sklosiose,  angeborene,  von  Dreyfuss  141, 
von  Cramer  lU93,Jvon  Gottstein  2293, 

»Schule  und  — ,  von  Schanz  684,  Stellung 
des  Sternums  bei  der — ,  von  Fauconnet 
684,  Pathologie  der  — ,  von  Schulthess 
807,  Behandlung  der  —  durch  Wider¬ 
standsbewegungen,  von  Lublinus  1101, 
hysterische  — ,von  Strauss  1339,  Behand¬ 
lung  der  habituellen  —  durch  Ueberkor- 
rektur,  von  Lange  1743,  Aetiologie  und 
Therapie  der  — ,  von  Chlumsky  1743, 
funktionelle  Behandlung  der  — ,  von 
Klapp  1832,  Behandlung  der  — ,  von 


»Schanz 

Frisch 


2064,  kongenitale 


von  v. 


2393 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXI 


Seite 

Skolioseapparat,  von  Wunsch . 2103 

Skoliosenschulturnen ,  Zweckmässigkeit 

des,  von  Blencke .  2293 

Skoliosentherapie,  von  Schlee . 807 

Skoliotische,  Schulen  für,  von  Wohrizek  2293 
Skopolamin-Dämmerschlaf,  1000  Geburten 


im,  von  Gauss  157,  183,  Lumbal¬ 
anästhesie  im  — ,  von  Penkert  165, 

—  in  der  Geburtshilfe,  von  Holzbach 
1228,  —  und  Spinalanästhesie  bei 
gynäkologischen  Operationen,  vonKlein  1444 
Skopolamin  -  Morphin  -  Halbnarkose,  107 

Geburten  in  — ,  von  Bass  . 519 

Skopolamin-Morphium  in  der  Geburtshilfe, 
von  Preller  161,  Geburten  mit  — ,  von 

Hocheisen  ....  . 529 

Skopolamin-Morphium-Narkose,  100  Fälle 

von  — in  der  Geburtshilfe,  von  Gminder  2645 
Skopolamin  -  Morphium  -  Chloroform  -  Nar¬ 
kosen,  von  Kreuter  .  .  .  .....  415 

Skopolamin-Morphium-Dämmersehlaf,  von 

Krönig  . 439 

Skopolamin  -  Morphiumvergiftung ,  von 

Cimbal  . 1099 

Skopolamin-Morphium-Wirkung  bei  Ge¬ 
burten,  von  Steffen  1340,  —  in  der 
geburtshilflichen  Privatpraxis ,  von 

Steffen  .  2065 

Skorbut,  infantiler,  von  Fraenkel  1100, 
infantiler  —  und  sterilisierte  Milch, 
von  Comby  445,  Ursachen  des  — ,  von 

Holst  u.  Frölich .  ....  2149 

Skrofulöse,  von  De  Renzi  282,  Wesen 
der — ,  von  Pfaundler  1308,  Pathogenese 
gewisser  Integumentveränderungen  bei 

— ,  von  Moro  u.  Doganoff . 1649 

Skrophuloderma,  von  Appel .  2404 

Skrotum,  Gangrän  des,  von  Kettner'i  1603, 
Haemolymphangioma  cavernosum  par¬ 
tim  cystoides  — ,  von  Rosenberger  1743, 
Tumor  des  — .  von  Wiesinger  .  .  .  2261 
Sodabäder  als  Heilmittel,  von  Yan  Bins- 


bergen .  2054 

Söhne,  unseren!  von  Siebert  . 795 


Solthermen,  bildet  übernormaler  Blutdruck 
eine  Kontraindikation  für  die  Anwen¬ 
dung  der  kohlensäurehaltigen  ?  von  Baur  801 
Somatose,  Verwendung  der  flüssigen,  bei 

Wöchnerinnen,  von  Schmidt  ....  2092 
Sondervereinigungen,  therapeutische,  von 

Köhler  1311,  von  Petruschky  ....  1688 
Sonnenlicht,  Wirkung  des,  auf  pathogene 

Bakterien,  von  Wiesner . 742 

Sonntagsruhe,  ärztliche,  in  München  .  .  1262 
Soormykose  des  Magens,  von  Maresch  .  1188 

Sorosin,  von  Görges . 1909 

Sozialmedizinische  Vorträge . 350 

Soziale  Medizin  und  Hygiene  334,  383,  627, 

847,  1142,  1191,  1496,  1953,  2049,  2295,  2540 
Spätapoplexie,  traumatische,  von  Hoch¬ 


heim  214,  von  Wimmer .  2351 

Spätgeburt,  von  Schultze . 1744 

Spätlaktation,  von  Zlocisti .  2258 

Spätrachitis,  von  Rath . 1743 


Spaltblende,  Leppersche,  von  Immelmann  806 
Spaltungen,  enzymatische,  von  Rosenthal  2156 
Spasmophilie  und  Kalzium,  von  Bogen  .  1996 
Spasmus  nutans,  von  Tobler  497,  — - 

laryngis,  von  Laulfs . 1210 

Spatel,  Simonscher,  von  Scherback  .  .  .  2394 
Speckphlegmone,  von  Bidenkap  ....  1604 
Speichel,  Mikroorganismen  im,  von  Eller¬ 
mann  2251,  Gehalt  des  —  an  Rhodan¬ 
kalium  bei  Tuberkulösen,  von  Zickgraf  2437 
Speichelabsonderung ,  physikochemische 

Bedingungen  der,  von  Zapelli  ....  1999 
Speicheldrüsen,  s.  a.  Xerostomie. 
Speicheldrüsen,  Mischtumoren  der,  von 

Martini .  2394 

Speichelstein,  vom  Baumgarten  586,  von 

Scheven  ....  • . 1609 

Speisegift,  Massenerkrankung  durch,  .  .  863 

Speiseröhre,  Behandlung  der  Laugenver¬ 
ätzung  der,  von  Bass  628,  —  mit  aber- 
rierter  Magenschleimhaut,  von  Fraenkel 
810,  diffuse  Erweiterung  der  —  mit 


Seite 

Kardiospasmus,  von  Sick  964,  idiopa¬ 
thische  spindelförmige  Erweiterung  der 
— ,  von  Ewald  1397,  Mund  der  — , 
von  Killian  1702,  Spiegeluntersuchung 
der  — ,  von  Glücksmann  2064,  par¬ 
tielle  Verdoppelung  der  — ,  von 

Käthe .  2441 

Speiseröhrenabschnitt, oesophagoskopische 
Diagnose  von  Erkrankungen  im  oberen, 

von.  Starck . 1749 

Speiseröhrenepithel,  Entwicklungsge¬ 
schichte  des  menschlichen, vonSchridde  1542 
Speiseröhrenerweiterung,  ösophagosko- 
pische  Diagnose  der  idiopathischen, 

von  Glas . 849 

Spektroskop,  neues,  von  Schümm  .  .  .  2335 
Sperma,  Identifikation  des,  von  Lecka- 
Marzo  850,  —  bei  Dunkelfeldbeleuch¬ 
tung,  von  Posner .  2548 

Spermatozoen ,  nicht  ejakulierte,  von 

Koenigstein . 2106 

Spermatozystitis  bei  gonorrhoischer  Epi- 

didymitis,  von  Brönnum  .  ...  •  .  234 

Sperre  der  Münchener  Post-  und  Eisen¬ 
bahnkrankenkassen  durch  den  Leip¬ 
ziger  Verband,  von  Bergeat .  88 

Spezialarztfrage .  701,  1596 

Speziallaboratorium  für  stuhlanalytische 

Aufgaben . 1064 

Sphincter  pupillae,  dessen  embryologische 
Entstehung  und  Entwickelung,  von 

Iusälius .  2544 

Sphygmobolometrie,  von  Sahli . 946 

Sphygmogramm,  systolisches  Plateau  im, 

von  Fredericq .  2445 

Sphygmomanometer,  Kritik  des  Riva-Rooci- 
scben  und  Gärtnerschen,  von  Müller 

und  Blauel .  2392 

Sphygmoskop.  von  Rheinboldt  384,  448, 
Palsches  — ,  von  Horner . 1048 


1809 

1627 

746 

2162 


1825 


2345 


- -  r 

Sphygmo-Turgographie,  von  Münzer  . 
Spindelzellensarkom,  Uebertragung  eines, 
des  Oberarms  beim  Hunde,  von  Sticker 
Spiegel,  subglottische,  von  Gerber  .  .  . 
Spiegelkondensor,  neuer,  von  Reichert  . 

Spielnachmittage,  von  Raydt .  2391 

Spina  bifida,  Prognose  der  Operation  der, 
von  Böttcher  1188,  —  der  Lumbal¬ 
gegend,  von  Hörmann  1411,  —  occulta, 

von  Binder . . 

Spinalanalgesie,  von  Straussl952, 118  Fälle 

von  — ,  von  Barker . 1449 

Spinalflüssigkeit,  Lymphozytose  und  Glo¬ 
bulinuntersuchungen  der,  bei  orga¬ 
nischen  Nervenkrankheiten,  von  Nonne 
2117,  fraktionierte  Eiweissfüllung  in 
der  — ,  von  Nonne  und  Apelt  .  .  . 
Spinalparalyse,  syphilitische,  von  Wimmer 

1395,  von  Nonne .  1401,  2645 

Spindelbazillen,  von  Ellermann  ....  1191 

Spiralfrakturen,  von  Kuhn  . 1647 

Spirillum  Obermeieri,  von  Fraenkel  .  .  .  334 

Spirillumfleber  in  Uganda,  von  Moffat  .  688 

Spirochaete,  s.  a.  Luesspirochaete,  Nerv. 
Spirochaeten,  von  Plaut  1409,  —  in  spitzen 
Kondylomen,  von  Juliusberg  439,  Prä¬ 
parate  von  — ,  von  Mayer  496,  lebende 
— ,  von  Arning  910,  —  in  der  Hornhaut 
beim  hereditär-luetischen  Fötus,  von 
Stargardt  1061,  —  pertenuis  und  das 
klinische  Bild  der  Framboesia  tropica, 
von  Schüffner  1364,  —  der  Rekurrens- 
erkrankungen,  von  Uhlenhuth  1495, 

—  bei  pseudoleukämischer  Lymph- 
drüsenhyperplasie,  von  Proescher  und 
White  1868,  krankheitserregende  — , 
von  Doflein,  von  Levaditi  2159,  —  aus  . 
dem  Blute  von  Vesperugo  Kuhlii,  von 
Gonder  2295,  —  pallida,  von  Paschen 
810,  von  Faulhaber  1013,  von  Hoff- 
mann  1013,  von  Dreyer  2455,  —  pallida 
in  den  Krankheitsprodukten  der  er¬ 
worbenen  Syphilis,  von  Stenczel  94, 
Schnellfärbungsmethode  der  —  pallida, 
von  Arning  286,  —  pallida  bei  Fram¬ 
boesia  tropica,  von  Van  der  Borne  386, 


Seite 


Rona-Preissche  Färbung  der  —  pallida 
400,  —  pallida  Schaudinns,  von  Blaschko 
und  Bender  492,  500,  548,  Diskussion 
über  —  631,  Lagerung  der  —  pallida  im 
Gewebe,  von  Paschen  634,  Nachweis  der 
—  pallida  in  Ausstrichen,  von  Chere- 
schewsky  687,  Beobachtungen  an  der 
lebenden  —  pallida,  vonEitner  770,  Per¬ 
sistenz  der  —  pallida  bei  hereditär  Syphi¬ 
litischen,  von  Pasini  814,  Färbung  der  — 
pallida  in  Ausstrichpräparaten ,  von 
Giemsa946,  Nachweis  der  —  pallida,  von 
Schuster  946,  Färbung  der  —  pallida 
nach  Giemsa,  von  Schmorl  1192,  — 
pallida  und  andere,  von  Schaudinn 
1496,  ätiologische  Bedeutung  der  — 
pallida,  von  Fraenkel  1576,  Nachweis 
der  —  pallida  im  grossen  Krankenhaus¬ 
betrieb,  von  Arning  und  Klein  1954, 
vitale  Färbung  der  —  pallida,  von 
Mandelbaum  2268,  Morphologie  der  in 
Yawspapeln  gefundenen  — ,  von  Well¬ 
mann  .  2498 

Spirochätenbefunde  bei  Yaws  und  Granu¬ 
loma  pudendi,  von  Mac  Lennan  40,  —  in 
spitzen  Kondylomen,  von  Dreyer  .  .  1001 
Spirochätenfrage,  von  Schmorl  188,  239, 
von  Blaschko  349,  Publikationen  über 
die  — . 434 


Spirochätenseptikämie  der  Hühner,  Immu¬ 
nitätserscheinungen  bei  — ,  von  Neu¬ 


feld  und  von  Prowazek . 1446 

Spirochätenstudien ,  vergleichende,  von 

Mühlens .  2246 

Spirochätenuntersuchungen  an  Chinesen, 
von  Wiens  539,  vergleichende  — ,  von 

v.  Prowazek . _  1496 

Spirosal,  von  Gardemin . >  2541 

Spitäler,  Wiener . >  1252 

Spitzenphthise,  Genese  der  tuberkulösen" 

von  Kitamura . ’  2437 

Splenektomie  bei  Verletzungen  der  Milz’ 

von  Blauel . 394 

Splenokleisis . 398 

Splenomegalie  (Typ-  Gaucher),  von 
Schlagenhaufer  847,  idiopathische  — , 


von  Marchand  1102,  chronische  — 
und  Polyzythämie,  von  Saundby  .  .  1839 
Splitterfraktur  des  Humeruseudes,  von 

Müller . 907 

Spondylitis  infectiosa  nach  Denguefieber, 
von  Schlesinger  1411,  Freilegung  der 
Wirbelsäule  bei  tuberkulöser  — ,  von 
Müller  1545,  —  typhosa,  von  Pelte- 


sohn . 2611 

Spontangangrän,  von  Bickel  1298,  —  der 


oberen  Extremität,  von  ITirschel  182, 

—  der  Fingerkappen,  von  Evers  .  .  .1743 

Spontankeloid,  multiples,  von  Sievers  .  545 
Sprachstörung,  syphilitische,  von  Cohn  .  50 

Sprechen,  gesundheitsgemässes,  von  Hen- 

nig  492,  wie  sollen  wir  —  ?,  von  Lanz  492 
Sprechkanüle,  einfache,  von  v.  Bleiweiss  2252 
Spulwurm,  Strangulationsmarke  beim,  von 

Ebstein . .  796 

Sputumdesinfektionsapparat,  von  Peters  .  2101 
Staatsdienst,  Prüfung  für  den  ärztlichen 

—  in  Bayern . 1711 

Staatseisenbahn,  Gesundheitspflege  und 

Wohlfahrtseinrichtung  im  Bereich  der 
vereinigten  preussischen  u.  hessischen  2257 
Staatsgesetzgebungen  in  Amerika  ....  803 

Stabsarzt,  falscher . 148 

Stadtarzt  in  Mülhausen  259,  in  Dresden  1967 
Stärke,  Trennung  von,  und  Glykogen,  von 

Baur  und  Polenske . 279 

Stahlwässer,  Wirkung  der,  auf  den  Stoff¬ 
wechsel,  von  van  de  Wever  und 

Wibauw . .  •  1950 

Standesvertretungen,  V erkehr  mit  ärztlichen 

1063,  ärztliche — ' . .  .  •  1616 

Staphylokokkenarthritis,  primäre  eitrige, 

von  Joyeux,  Perrin  und  Parisot  .  .  .  488 

Staphylomykosen,  von  Otten . 1741 

Starausziehung,  von  Hirschberg  ....  627 

Starextraktionen,  130,  von  Higgens  .  .  1695 


LXXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


2508 


Seite 

Staroperationen,  von  Lundberg  227,  Erfolge 
der  Smithschen  — ,  von  Maynard  95, 
subkonjunktivale  Methode  der  — ,  von 

Dimmer . 1903 

Statistik,  Handbuch  'der  medizinischen, 

von  Prinzing .  81 

Staubverbreitung  in  Gewerbebetrieben, 

von  Jchle  . .  2354 

Stau-  und  Saugtherapbie  in  Ohr  und 
oberen  Luftwegen,  von  Vohsen  .  .  .  409 

Stau-  und  Saugverfahren,  von  Riedl  .  .  486 

Stauung,  Biersche,  von  Paul  1296,  Grenz¬ 
gebiete  für  Biersche  — ,  von  Sick  1341, 
Biersche  —  und  Seekrankheit,  von 
Schlaeger  1383,  Behandlung  der  Haut- 
und  Geschlechtskrankheiten  mit  Bier¬ 
scher  — ,  von  Oppenheim  1549,  Biersche 

—  bei  Gelenkaffektionen  der  Kinder, 
vonBlancl552,  prophylaktische  Biersche 

—  in  der  Unfallkeilkunde,  von  Schmidt 
1607,  Biersche  —  in  der  Otologie,  von 
Leutert  1649,  Wirkung  der  Bierschen 

—  auf  den  Entzündungsprozess,  von 

Honigmann  und  Schäffer  1769,  arterielle 
— ,  von  Pal  2003,  Biersche  —  bei  Ver¬ 
brennung,  von  Stein .  2541 

Stauungshyperämie,  Einfluss  der  vom  Ge¬ 
hörgang  aus  durch  Saugwirkung  her¬ 
vorgerufenen  —  auf  Pankenhöhlen- 
eiterungen,  von  Muck  413,  —  bei  akuten 
Infektionen,  von  Fischera  1002,  Ein¬ 
fluss  der  —  auf  die  Heilung  von 

Knochenbrüchen, vonHilgenreiner  1601, 

—  an  Kaninchen,  von  Axamit  1794, 

—  bei  Osteomyelitis,  von  Moog  1806, 

Behandlung  akuter  infektiöser  chirur¬ 
gischer  Erkrankungen  durch  — ,  von 
Meyer .  2255 

Stauungsleber,  von  Schantz . 946 

Stauungstherapie  678,  —  in  derGynäkologie 
und  Geburtshilfe,  von  Runge  ....  1648 
Stebener  Stahlquellen,  Radioaktivität  der, 

von  Hammer . 373 

Steckmücken,  Biologie  der,  von  Eysell  !  1748 
Steine,  Operationsmethode  für,  im  Ureter, 

von  Bartlett . 1394 

Steinniere,  von  Klemperer  349,  von 

Wendel . 1707 

Steissbein,  von  Heinlein .  2620 

Steisszange,  von  Eisenstein . 1892 

Stellengesuch .  199 

Stenonscher  Kanal,  Naht  des,  von  jianu  586 
Sterblichkeit,  Gang  der,  in  Frankfurt,  von 
Hanauer  1142,  —  im  1.  Lebensjahre 
in  Halle,  von  Neumann  2197,  —  dpr 
Gesamtbevölkerung  des  preussischen 

Staates  . 

Sterblicbkeitszift'er,  Rückgang  der,  in 
München  102,  —  Münchens  ....  1063 

Stereokystoskopie,  von  Jacoby . 1009 

Stereoskop  bilder,  Hausmanns,  zur  Prüfung 
für  binokulares  Sehen  und  zu  Uebungen 

für  Schielende . .  1443 

Sterilisation,  von  Langemak  1830,  Darm¬ 
methode  bei  tubarer  — ,  von  Offergeld  381 
Sterilisationsapparat  für  Laboratoriums¬ 
zwecke,  von  Prausnitz .  2387 

Sterilisierdose  für  den  Gummihandschub, 

von  Littauer . ’  I495 

Sterilisieren  von  Katgut,  von  Akerblom  .  1795 

Sterilität  s.  a.  Myome. 

Sterilität  des  Weibes,  von  Torkel  ....  2612 

Sterilitätslehre,  von  Pincus .  2048 

Sterilkatgut,  Fabrikation  des,  von  Kuhn  2005 

Steril-Rohkatgut,  von  Kuhn .  2483 

Stethoskop,  von  Gerhartz . 1742 

Stichverletzung,  von  Lilienfeld  389,’  —  des 
r.  Ventrikels,  von  Zimmermann  .  .  .  297 

Stiftung,  Robert  Koch- .  2651 

Stildrehung  intraperitonealer  Organe  und 

Geschwülste,  von  Payr . 1546 

Stillen,  \  erbreitung  des,  in  Magdeburg  u 
Umgebung,  von  Thorn  46,"  194,  Pro- 
paganda  des  — ,  von  Baron  ....  858 
Stillfähigkeit,  s.  a.  Fleischnahrung. 

Stillungsfrage,  von  Ziegenspeck  ....  1407 
Stimmärztliches  Gebiet,  neuere  Erschei¬ 
nungen  auf  dem . 492 


Seite 

Stimme,  die,  Zentralblatt  .  .  ......  492 

Stimmbandparese,  von  Imhofer . 1095 

Stimmbildung  und  Stimmpflege,  von  Gutz- 

mann . 227 

Stimmritzenkrampf,  inspiratorischer  funk¬ 
tioneller,  von  Steppetat .  236 

Stimmschwäche,  funktionelle,  von  Flatau  492 
Stimmstörungen,  funktionelle,  und  ihre  Be¬ 
handlung,  von  Barth . 1837 

Stirnbein,  Osteomyelitis  des,  von  Röpke  1259 
Stirnhirn,  Diagnose  der  Tumoren  des, 
von  Stewart  489,  traumatische  Läsion 
des  — ,  von  Veraguth  u.  Cloetta  1396, 
Erweichung  im  linken  — ,  von  Roscn- 

blath .  2645 

Stirnhirntumor,  von  Berger . 343 

Stirnhöhle,  abnorme,  von  Schmidt  237, 
Mukozele  der  — ,  von  Schmidt  237, 
Durchleuchtung  bei  Erkrankungen  der 
,  von  Vohsen  1500,  Radikaloperation 

der  — ,  von  Scheven . 1609 

Stirnhöhleneiterung,  von  Lauffs  1210, 
ästhetische  Radikaloperation  der  chroni¬ 
schen  — ,  von  Jacques  1797,  Killiansche 
Radikaloperation  der  chronischen  — , 

von  Mader  2251,  von  Neck .  2502 

Stoffwechsel,  Einfluss  psychischer  Vor¬ 
gänge  auf  den,  von  Rosenfeld  431, 

—  bei  Knaben,  von  v.  Willebrand  1796, 
Handbuch  der  Pathologie  des  — ,  von 
v.  Noorden  1888,  Physiologie  des  —  .  2057 
Stoffwechselstörungen  als  Grundlage  von 

Psychosen,  von  Ewald .  2505 

Stoffwechselversuche,  von  Spiro  1457,  — 
bei  Urannephritis,  von  Siegel  ....  2495 

Stomatitis  aphthosa  u.  Vakzine,  von 
Voigt  390,  Isoformzahnpaste  bei  merku- 
rieller  — ,  von  Siebert  433,  Formamint- 
tabletten  bei  —  mercurialis,  von 
Meissner  1511,  Aetiologie  der  —  mer¬ 
curialis  u.  deren  Therapie  mittels  For- 

mamint,  von  Sklarek .  2540 

Stomatitisformen,  nekrotisierende,  von 

Scherber  . 1497 

Stottern,  von  Steinhardt . H55 

Stovain,  Wirkung  des,  von  Varvaro  281, 
beeinflusst  die  Injektion  von  —  in  den 
Lumbalsack  die  motorischen  Funktio¬ 
nen  der  Eingeweide?  von  Roith  936, 
von  Penkert  1236,  vasodilatorische 
Wirkung  des  — ,  von  Coderque  .  .  .  2296 

Stovainanästhesie,  von  Gironi .  2497 

Strabismus,  Behandlung  des,  von  De  La- 
personne . 156O 


Seite 


2101 

2007 

2450 


758 


Strafgesetzbuch,  Revision  des . 1594 

Strahlen,  Durchdringungsfähigkeit  der 
blauen  und  gelben,  von  Lenkei  .  . 
Strangulation,  von  Lichtenstein  .... 
Strassenhygiene,  von  Schottelius  . 
Streckschwäche,  Vortäuschung  von,  im 

Kniegelenk,  von  Thiem  . 1607 

Streikbrecher,  Freisprechung  von,  durch 
den  preussischen  Ehrengerichtshof 
Streptokokken,  Entwicklung  der,  von  An¬ 
drewes  31*6,  —  in  der  Scheide  nor¬ 
maler  Schwangerer,  von  Fromme  2116, 
Stoffwechselprodukte  der  —  in  fliessen¬ 
den  Nährböden,  von  Weleminsky  2261, 

—  und  Thrombose,  von  v.  Bardeleben 
2393,  Differentialdiagnose  der  men¬ 
schenpathogenen  — ,  von  Schultze  1 167, 

1532,  von  Beitzke  und  Rosenthal  1441, 
aktive  und  passive  Immunisierung 
des  Menschen  gegen  — ,  von  Zange¬ 
meister  .  .  2492 

Streptokokkenenteritis  u.  ihre  Komplika¬ 
tionen,  von  Jehle  • . 1648 

Streptokokkenerytheme  u.  Scharlach,  von 

Gabritschewsky . 1001 

Streptokokkenfrage,  von  Nieter  895,  von 
Mandelbaum  2346,  Stand  der  —  für 
die  Geburtshilfe,  von  Zangemeister  .  1021 
Streptokokkenkonjunktivitis  nach  Masern, 

von  Schuhmacher . ’  j  581 

Streptokokkenserum  bei  puerpualer  Pyä- 

mie,  von  Bewersdorff . .  1432 

Stridor,  trachealer,  von  Finckh  .  .  .  .  !  1458 


Striktur  s.  a.  Harnröhrenstriktur. 
Strophanthininjektionen,  intravenöse,  bei 

Herzkranken,  von  Fraenkel  u.  Schwartz  1603 
Strophanthintherapie,  intravenöse,  von 

Starck  687,  von  Iledinger .  2020 

Struma  vasculosa  bilateralis,  von  Men- 
nacher  49,  —  mit  Kautschukkolloid,  von 
Wiget  686,  experimentell  erzeugte  — , 
von  Hoennicke  755,  Histogenese  der  — 
nodosa,  von  Michaud  800,  —  mit  Meta¬ 
stasen,  von  Kraske  962,  —  congenita 
der  Neugeborenen,  von  Fischer  1246, 
Schiefhalsbildung  u.  Wirbelsäulenver¬ 
krümmung  bei  dyspnoischen  — ,  von 
Henschen  1835,  epitheliale  Formen  der 
malignen  — ,  von  Langhans  2394, 

—  und  Herzkrankheiten,  von  Gitter¬ 
mann  2395,  Behandlung  der  mit  Exoph¬ 
thalmus  verbundenen  — ,  von  Ballet 

und  Detherm .  2457 

Strumektomie,  Studien  über  die,  an  der 
Hand  von  670  Kropfoperationen,  von 

Monnier . 1246 

Strychnin,  Einfluss  des,  auf  die  Reflex¬ 
hinderung  am  Skelettmuskel,  von 

Sherrington  .  2204 

Strychninintoxikation,  Einfluss  des  Chole- 

stearin  bei,  von  Almagiä . 1966 

Studienreise,  ärztliche  1U16,  französische 
ärztliche  —  1064,  1661,  —  belgischer 
Aerzte  ....  1311,  1359,  1415,  1511,  1615 
Studies  from  the  Rockefeller  Institute  for 

Medical  Research .  2407 

Studt,  Rücktritt  des  Kultusministers  .  .  1358 
Stühle,  grüne,  beim  Säugling,  von  Hecht  1179 
Stufe,  von,  zu  Stufe  446,  2308,  2360,  2408, 

2508 

Stuhlband,  orthopädisches,  von  Zuelzer  1397 
Styptizin watte,  Mercksche,  von  Uffen- 

orde .  9g 

Styriaquelle  in  Rohitsch-Sauerbrunn,  von 

Ludwig,  Panzer  und  Zdarek . 744 

Sublimat-  und  Oxalsäurevergiftung,  von 

Pfeiffer . 1742 

Sudamina,  Epidemie  von,  miliaris,  von 

le  Hanoy .  2051 

Südpolarexpedition ,  schwedische ,  von 
Ekelöf  897,  Proviant  und  Ernährung 
bei  der  deutschen  —  1901—1903,  von 

Gazert .  2341 

Südwestafrika  s.  a.  Typhusverlauf. 

Suprarenin,  Dosierung  des,  von  Biberfeld 
«01,  —  in  der  Geburtshilfe,  von  Neu 
1404,  synthetisches  — ,  2499  von  Biber- 

feld  ;  :  •  . . 1806 

Suprarenininjektionen,  Wirkung  intra¬ 
venöser,  von  Kaiserling . 184 

Suspensorium,  Verbesserung  des,  von 

Schindler  . . . 1694 

Symphysiotomie,  von  Daniel  1607,  sub¬ 
kutane  — ,  von  Thies . 1752 

Sympus  monopus,  von  Veit . 695 

Synostosis  suturae  sagit.  cranii,  von  Thoma  1190 
Syphilis  s.  a.  Altertumssyphilis,  Amaurose, 
Aortitis,  Augennervenleiden,  Augen- 
syp’n.,  Dünndarmsyph.,  Epilepsie, 
Hepatitis,  Hirnlues,  Infektion,  Gehirn, 
Gummibildung,  Kaninchensyphilis , 

Kornea,  Knochenaffektion,  Leberfieber, 

Lichen,  Lues,  Mergal,  Metrorrhagie, 
Nervenkrankheiten ,  Spinalparalyse , 
Sensibilitätsstörung,  Nervensystem , 
Plazenta,  Roseolaformen,  Zähne,  Herz¬ 
syphilis,  Ikterus,  Laryngitis,  Komple¬ 
mentverankerung, Myokarditis, Pleuritis. 
Syphilis,  spinale  amyotrophische ,  von 
Lannois  und  Porot  37,  sukzessive  harte 
Schanker  und  Prodrome  der  — ,  von 
Taylor  40,  experimentelle  Uebertragung 
der  —  aufKaninchenaugen,  vonSchucht 
110,  neue  Behandlung  der  Spätformen 
der  — ,  von  Francke  427,  —  an  Affen, 
von  Finger  und  Landsteiner  433,  ex¬ 
perimentelle  Studien  über  — ,  von 
Metschnikoff  und  Roux  488,  Problem 
der  — ,  von  Rosenbach  581,  Früh¬ 
behandlung  der  — ,  von  Thalmann  603, 


1907 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXII1 


Seite 

—  der  Regenbogenhaut,  von  Krück- 
mann  624,  Fieberreaktion  im  An¬ 
schluss  an  die  erste  Quecksilberappli¬ 
kation  bei  — ,  von  Lindenheim  627, 
intramuskuläre  Quecksilbereinsprit¬ 
zungen  bei  — ,  von  Taylor  und  Mackenna 
745,  Spirochaetennachweis  zur  Diagnose 
der  —  in  der  Praxis,  von  Schuster  751, 
Uebertragung  der  —  auf  Hunde,  von 
Hoifmann  und  Brüning  801,  Bedeutung 
der  Röntgenuntersuchung  für  die 
Diagnose  latenter  angeborener  — ,  von 
Thomson  897,  Exp6rimentation  sur 
laprophylaxie  de  la — ,von  Maisonneuve 
1090,  Arsenik  bei — ,  von  Salmon  1 108, 
hereditäre  —  in  der  2.  Generation,  von 
Imperati  1252,  intermittierendes  Fieber 
bei  viszeraler  — ,  von  Mannaberg  1293, 
Passagevirus  der  — ,  von  Hoifmann 
1305,  —  in  der  französischen  Armee, 
von  Delorme  1348,  —  der  Schilddrüse, 
von  Simmonds  1410,  Behandlung  der 

—  mit  Atoxyl,  von  v.  Zeissl  1550, 

2104,  von  Kreibich  und  Kraus  2542, 
Impfung  eines  Schimpansen  mit  — , 
von  Grünbaum  1560,  Lumbalpunktion 
bei  — ,  von  Jeanselme  und  Barbe  1613, 

—  des  Herzens  und  ihre  Frühdiagnose, 
von  Herzog  1648,  Behandlung  der  — 
mit  anilarsensaurem  Na,  von  Hallopeau 
1660,  Bakteriologie  und  Biologie  der 
kongenitalen  — ,  von  Bab  1892,  Er¬ 
reger  der  — ,  von  Ehrlich  1896,  Arsenik¬ 
beb  andlung  der — ,  vonBettmann  1925, 

Wert  der  Dunkelfeldbeleuchtung  für 
die  Diagnose  der  — ,  von  Beer  1926, 

—  ulcerosa  praecox,  von  Heuck  1963, 

Atoxylbehandlung  der  — ,  von  Scherber 
2051,  Mergal  in  der  Behandlung  der 
— ,  von  Hellmuth  2104,  Immunität 
und  Serodiagnostik  bei  — ,  von  Land¬ 
steiner  2159,  Parasitenbefunde  bei  — , 
von  Hoifmann  2159,  Serodiagnostik 
der  — ,  von  Citron  2247,  Atoxyl  bei  — 
und  Framboesie,  von  Neisser  2248, 
Bakteriologie  der  kongenitalen  — ,  von 
Bab  2265,  Präzipitinreaktion  bei  — , 
von  Michaelis  2395,  Serodiagnostik 
der  — ,  von  Wassermann  2612,  Kom¬ 
plementbindungsreaktionen  bei  — ,  von 
Landsteiner,  Müller  und  Pötzl  2613, 
Nagelpigmentation  bei  sekundärer  — , 
von  Vörner  2483,  Serodiagnostik  der 
— ,  von  Wassermann  2646,  Technik, 
Zuverlässigkeit  und  klinische  Bedeu¬ 
tung  der  Wassermannschen  Reaktion 
auf  — ,  von  Meier  2646,  Behandlung 
der  —  mit  Arsenpräparaten,  von 
Rosenthal .  2647 

Syphilisansteckung,  aussergeschlecht- 

liche,  von  Sarubin . 1896 

Syphilisbehandlung,  von  Besser  1455, 

1508,  —  mit  Sozojodol  Quecksilber,  von 
Tausig  967,  —  im  Lichte  der  neuen 
Forschungsergebnisse,  von  Lesser  1262, 

—  mit  Quecksilbersuppositorien  ,  von 
Hoehne  2296,  —  mit  Injektionen  von 
Salizylquecksilber  und  Merkuriolöl, 

von  Welander . 2543 

Syphilisforschung,  Stand  der,  von  Spiet- 
hoff  1503,  neueste  Ergebnisse  der 
experimentellen  — ,  von  Heuck  .  .  1964 
Syphilisgift,  Syphilisimmunität  u.  Syphilis¬ 
behandlung,  von  Thalmann  .  .  .  188,  239 
Syphilisinfektion,  aussergewöhnliche  Lo¬ 


kalisation  der,  von  Bogroff . 1896 

Syphilisreaktion,  Wassermannsche,  von 

Michaelis . 1837 

Syphilitiker,  Lebensprognose  des,  von 

Bruhns  ...  1893 

Syphilitische  Antikörper  im  Liquor  cere¬ 
brospinalis  der  Paralytiker  u.  Tabetiker, 

von  Marie  und  Levaditi . 1499 

Syphilitische  Familiengeschichten  aus  Zen¬ 
tralamerika,  von  Roth  schuh . 1603 

Syringomyelie,  von  Dürck  1154,  von  Sche- 
pelmann  1554,  Arthropathien  bei  — , 
von  Jordan  342,  —  nach  Weichteil¬ 
verletzung,  von  Rostoski . 1106  | 


Seite 

Systemerkrankung,  primäre  kombinierte, 
von  Nonne . ,  .  .  .  342 


T. 

i 

Tabaksamblyopie,  von  Dünn . 537 

Tabakrauchen,  Gefahren  des,  u.  -Kauens, 

von  Tidswell . [  1853 

Tabakvergiftung  und  Entnikotinisierung, 
von  Lesieur . 1108 


Tabes  dorsalis,  von  Dünger  438,  von  Köster 

1556,  Affektion  der  Vorderhörner  bei 
_  dorsalis,  von  Lapinsky  229,  Geburt 

bei  vorgeschrittener  —  dorsalis,  von 
Zacharias  321,  Aetiologie  der  — ,  von 
Galewsky  388,  Symptomatologie  der 
,  von  Haenel  388,  Verlauf  u.  Therapie 
der  ,  von  Schmaltz  438,  physikalische 
Behandlung  der  —  dorsalis,  von  Tobias 
und  Kindler  585,  —  dorsalis,  Erkran¬ 
kungen  der  Zirkulationsorgane  und 
Syphilis,  von  Rogge  u.  Müller  998,  — 
dorsalis  mit  besonderer  Berücksichti¬ 
gung  der  Kehlkopf  symptome,  von  Gräff- 
ner  1175,  beginnende  — ,  von  Saenger 
1409,  --  u.  pseudokombinierte  Strang¬ 
sklerose,  von  Kämmerer  1437,  syphi¬ 
litische  Antistoffe  in  der  Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit  bei  —  dorsalis,  von  Weygandt 

1557,  Ursache  der  —  dorsalis,  von 
Denslow  1896,  Knochenbrüche  bei  — , 
von  Baum  1951,  Behandlung  der  — 
mitFibrolysin,  von  Pope  2199,  Therapie 
der  — - ,  von  v.  Sarbo  2248,  der  Kehl¬ 
kopf  bei  —  dorsalis,  von  Harland  2398, 
Vereinigung  der  —  dorsalis  mit  Er¬ 
krankungen  des  Herzens  und  der  Ge- 
fässe,  von  Strümpell  2442,  Behandlung 
der  —  dorsalis  mit  Vakzine  und  Anti¬ 
sera,  von  Robertson  und  Mac  Rae 
2460,verspäteteGeschmacksempfindung 
bei  beginnender  — ,  von  Pfeiffer  2615, 
Pruritus  bei  — ,  von  Günzburger  2643, 

—  infantilis,  von  Alexander  591,  — 
mesaraica  der  Kinder,  von  Ungar  .  .  1403 

Tabiker,  Beobachtungen  an  ataktischen, 

von  Erben . 2158 

Tabische  Symptombilder,  von  Strohmayer  1845 

Tabletten,  von  Harnack .  2636 

Tachykardie,  atrioventrikuläre,  von  Rihl 
896,  paroxysmale  — ,  von  Schmoll  998, 
intravenöse  Strophanthininjektion  bei, 

von  Baccelli  . .  2497 

Taenia  nana  in  Oesterreich.,  von  Stoerk 

u.  Hahndel . 1549 

Tätowierung  in  der  Augenheilkunde,  von 

Salas  u.  Ribas . 283 

Tag-  und  Nachtschlaf,  von  Vaschide  .  .  445 
Tageshelligkeiten  in  Göttingen  im  J.  1906, 

von  v.  Esmarch .  2346 

Tageslichtbeleuchtung,  Messung  der,  von 

Ruzicka .  2294 

Talkumieren  u.  Schwefeln  der  Rollgerste, 

von  Hueppe  u.  Krzizan . 183 

Talmaoperation,  Ausgänge  der,  von  Ma¬ 
jocchi  282,  688,  von  Meisel  962,  von 

Omi  1092,  von  Tilmann  . 1403 

Talsperrenwasser,  von  Fränkel .  2449 

Tamponbüchse  mit  Spulvorrichtung,  von 

Scheven  .......  .  1086 

Tarifämter  zwischen  Aerzten  u.  Patienten, 

von  Eisenstadt .  2295 

Tarsus,  ausgedehnte  Resektionen  am,  und 

Metatarsus,  von  Budde  .  2492 

Tasche,  kinderärztliche,  von  Pfaundler  .  499 
Taschensprayapparat,  von  Cahnheim  .  .  387 
Taubheit,  pathologische  Anatomie  der 

traumatischen,  von  Manasse  ....  2394 
Taubstumme,  Geisteszustand  von,  von 


Kornfeld . 230 

Taubstummenanstalt  in  Barcelona,  von 

Balaguer . 850 

Taubstummenbildung,  von  Söder  ....  847 


Taubstummenlabyrinthe,  von  Siebenmann  1260 
Taubstummheit,  Anatomie  der,  von  Denker  1740 
Beziehungen  der  Nasenrachenerkran¬ 
kungen  zur,  von  Urbantschitsch  .  .  1897 

Taucher, Krankheitserscheinungen  bei  den, 

von  Zografidi .  1498  | 


Seite 

Taxe,  s.  a.  Vergütung. 

Taxen,  Erhöhung  der,  in  der  Privatpraxis  399 

Teleangiektasien  des  Vestibulum  narium, 

von  Karrer . 195 

Technique  orthopödique,  von  Redard  .  .  1888 
Telekardiogramm,  von  Einthoven  ....  387 

Telephongebühren  für  Aerzte  in  Oester¬ 
reich  . 587 

Telephonieren,  Einfluss  des  berufsmäs¬ 
sigen,  auf  den  Organismus,  von  Bleg- 
vad . 898 


Temperatur,  s.  a.  Harntemperatur. 

Temperatur,  Einfluss  der,  auf  Inkubations¬ 
zeit  und  Antitoxinbildung,  von  Haus¬ 
mann  1957,  Abhängigkeit  biologischer 
Vorgänge  von  der  — ,  von  Kanitz  .  .  1957 
Temperatursinnesstörung,  Pathologie  und 
Physiologie  der  spinalen,  von  Hess¬ 
dörfer  . 1834 

Temperatursteigerung  durch  Ueberhitzung, 
von  Winternitz  u.  v.  Mering  1007,  — 
und  Leukozytose  bei  Kindern  nach 
Körperbewegungen,  von  Funkenstein  1445 
Teneriffa,  Klima  und  Indikationen,  von 

Peipers . 841 

Tendovaginitis  crepitans,  von  Weiss  1444, 

—  crepitans  in  der  Marine,  von  Castang 
1748,  —  chron.  deformans,  von  Hilde¬ 


brand  . 1692 

Tennisellbogen,  von  Preiser  ....  333,  441 
Tenonitis  suppurativa,  von  Kos  ....  1497 
TenotomiederKniebeugesehnen,  vonGocht  683 
Teplitz-Schönauer  Urquelle,  Radioaktivi¬ 
tät  der,  von  Hauser . 185 

Teratom,  retroperitoneales,  von  Schön¬ 
holzer  432,  —  des  Oberkiefers,  von 

v.  Bergmann . 1046 

Testikel,  Lymphosarkom  des,  von  Betagh  2496 
Testis,  habituelle  Torsion  der  linken,  von 
Quadflieg .  2646 


Tetanie,  von  Caro  798,  von  Chvostek  947, 

1143,  von  Jakobi  1396,  Behandlung 
der  —  mittels  Nebenschilddrüsenprä¬ 
paraten,  von  Loewenthal  u.  Wiebrecht 
535,  Epidemiologie  der  — ,  von  Mattau- 
schek  896,  Erbsches  Phänomen  bei  — •, 

von  Chvostek . 1397 

Tetaniekranke  Kinder,  Beeinflussung  der 
elektrischen  Erregbarkeit  bei,  durch 
den  galvanischen  Strom,  von  Philippson  2441 
Tetanoide  Zustände  des  Kindesalters,  von 

Escherich  .  2073 

Tetanus,  Präventivimpfung  bei,  von  Bär 
36,  geheilter  schwerer  allgemeiner  — , 
von  Glänzel211,  Antitoxinbehandlung 
des  — ,  von  Urban  372,  Serumappli¬ 
kation  bei  — ,  von  Suter  430,  Behand¬ 
lung  des  — ,  von  Gauge  744,  von  Til¬ 
mann  801,  von  Bockenheimer  905, 
Magnesium  sulf.  bei  — ,  von  Franke 
845,  —  traumaticus,  von  Schlayer  964, 

—  traumaticus,  behandelt  mit  Tetanus- 
Antitoxin  „Höchst“,  von  Federschmidt 
1129,  Serumtherapie  des  traumatischen 
— ,  von  Mandry  1189,  Einfluss  er¬ 
höhter  Aussentemperatur  auf  den  Ver¬ 
lauf  der  experimentellen  —  u.  Strepto¬ 
kokkeninfektion,  von  Ritzmann  1249, 
Serumbehandlung  des  — ,  von  Hall, 
Carter,  Howard  1399,  therapeutische 
Resultate  bei  — ,  von  Fricker  1792, 
Behandlung  des  —  mit  Cholestearin, 
von  Almagiä  u.  Mendes  1805,  —  und 
Serumbehandlung,  von  Thompson  1894, 
endoneurale  Antitoxininjektionen  bei 
— ,  von  Anschütz  2064,  willkürlicher 

—  der  quergestreiften  Muskeln,  von 
Piper  2203, Heilung  eines  traumatischen 

—  durch  Serumbehandlung,  von  Pexa 
2348,  Serumbehandlung  des  — ,  von 
Hofmann  2438,  mit  Antitoxin  Höchst 
behandelte  Fälle  von  —  nach  gynäko¬ 
logischen  Operationen,  von  Zacharias 
2453,  Aetiologie  und  Pathogenese  des 

— ,  von  Vincent  u.  Vaillard .  2460 

Tetanusbazillen,  Wirkung  der,  vom  Magen- 

darmtraktus  aus,  von  Rabinowitsch  .  1093 
Tetanusfälle,  Infektionsquelle  der,  nach 
prophylaktischer  Pestimpfung  ....  2254 

10 


i-AAlV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Tetanusfrage  und  präventive  Antitoxin¬ 
behandlung,  von  Busch . 739 

Tetrachlormethan  als  Lösungsmittel,  von 


Wederhake . 849 

Tetramethylarsoniumjodid,  von  Bürgi  .  .  485 

Tee  s.  a.  Nikotin. 

Thalamussymptom  Dejerine-Boussy,  von 

Massalongo .  2497 

Theolaktin,  von  Krüger . bl2 

Theophorin,  von  Cohn  . 1837 

Therapeutische  Technik  für  die  ärztliche 

Praxis,  von  Schwalbe . 1442 


Therapie,  Methodik  der  intravenösen,  von 
Strauss  280,  Fortschritte  der  —  im 
Jahre  1906,  vonMichelazzi397,  spezielle 
—  innerer  Krankheiten,  von  Ortner 
531,  physikalisch-chemische  Begriffe 
der  Methoden  in  der  — ,  von  Mohr 


543,  aktivere  geburtshilfliche  — ,  von 
Hofmeier  740,  —  an  den  Wiener  Klini¬ 
ken,  von  Landesmann . 1141 

Thermalquellen,  von  Moureu .  2460 

Thermalsolbäder,  kohlensaure,  bei  über¬ 
normalem  Blutdruck,  von  Baur  .  .  .  751 

Thermen  Monina  Cania  u.  Parilky  in  Bul¬ 
garien,  von  Kousseff .  2647 

Thermochemische  Untersuchungen,  von 

Thomsen . 177 

Thermokopf kappe,  elastische  u.  Thermo- 

stirnbinde,  von  Gross . 231 

Thiokol  als  Antidiarrhoikum,  von  Noth- 

mann . 1614- 

Thiosinamin,  von  Wolf  739,  —  bei  Herz- 

gefässfibrose,  von  Renon . 1758 

Thiosinaminbehandlung  der  Dupuytren- 
schen  Faszienkontraktur,  von  Lange- 

mak .  1380 

Thiosinamin  Wirkung,  von  Dobrowolski  .  2613 
Thomsensche  Krankheit,  atypische  Formen 

der,  von  Pelz . 800 

Thorakoplastik,  von  Lenzmann  ....  2258 


Thorakozentese,  Zwischenfälle  bei  der,  von 
Waldvogel  180,  —  u.  Lufteintritt  in 
die  Pleurahöhle,  von  Silvestri  ....  1954 
Thorax,  von  Westenhoeffer  1558,  Bedeu¬ 
tung  des  knöchernen  —  für  die  Genese 
der  Lungenphthise,  von  Hart  1544, 
Mobilisation  des  — ,  bei  Lungenspitzen¬ 
phthise  u.  Emphysem,  von  Freund  .  2369 
Thoraxbilderserien ,  kinematographische, 

von  Köhler . 806 

Thoraxschüsse  undBauchdeckenspannung, 

von  Hildebrand . .  1001 

Thoraxwände,  Pulsation  der,  von  Livierato  629 
Thrombenbildung  am  durchgängigen  Duc¬ 
tus  arteriosus,  von  Wagener  ....  998 
Thromboembolie,  postoperative,  von  Witzei  1545 
Thrombose  der  V.  subclavia  sinistra,  von 
Blum  1055,  —  der  V.  iliaca  communis, 
von  Kronheimer  1105,  —  der  Art. 
mesent.  sup.,  von  Beneke  1754,  sep¬ 
tische  —  der  Mesenterialvenen,  von 


Brunner  1995,  —  und  Embolien  nach 
gynäkologischen  Operationen ,  von 

Zurhelle .  2007 

Thrombus,  lasst  den,  in  Ruh!  von  Voss  1897 
Thymusausschaltung,  von  Fischl  ....  2294 


Thymusdrüse,  Beziehungen  zwischen,  und 
Chloroforminhalation,  von  Barbarossa  630 
Thymusexstirpation,  Folgen  der,  von  Fischl  2257 
Thymustod,  von  Beneke  1754,  Ursachen 

des  — ,  von  Hotz .  2293 

Thyreoideaerkrankung  durch  Jodintoxi¬ 
kation,  von  Warschauer .  2540 

Thyreodysplasie,  von  Mcnnacher  ....  1155 
Tibia,  Ersatz  der,  bei  einem  Kinde,  von 
Fiaschi  1399,  Rissfraktur  der  Tuberositas 


— ,  von  Linkenheld  1743,  nekrotische 

— ,  von  Neck . *2451 

Tibiadefekt,  operative  Behandlung  des 
partiellen,  von  Wittek  .......  684 

Tiedemannpreis  . 593 

Tiere,  giftige,  von  Gros . 539 

Tier-  und  Pflanzengifte  in  den  deutschen 
Kolonien,  von  Krause .  2498 


Tierkrebs,  von  Michaelis  .......  808 

Tischler  s.  a.  Hobeltischler. 


Seite 

Titel  medizinischer  Arbeiten  s.  a.  Drucken. 

Titrierapparat,  vereinfachter,  von  Gold¬ 
schmidt  . 1341 

Todesfälle,  Aetiologie  plötzliche,  im  Kindes¬ 
alter,  von  Leers . 1840 

Todesfälle:  Annequin  648,  Atkinson  104,  . 
Becher  2651,  Beckwith  200,  Belt  200, 
v.  Bergmann  701,  837,  de  Bettencourt- 
Pita  2558,  Bleichsteiner  919,  Bödiker351, 
Borlee  200,  Branch  2068,  Brinton  816, 
Broadbent  1512,  Budin  304,  Bulyguinsky 
1264,  v.  Burckhardt  760,  940.  Businelli 
255b,  Cannieu  1264,  Carrard  1164,  Carroll 
2068,Celoni  104,  Chapot-Prevost  2626, 
Charrin  1112,  Corradi  1097,  Czapski 
1416,  Domrich  760,  Dreschfeld  1359, 
Drummond  1112,  Dünn  2068,  Duval 
551,  Erb  jun.  504,  Fayrer  1160,  Folet 
2311,  Fontes  1968,  Foster  351,  Fowler 
648,  Gabritschewsky  919,  Gad  551, 
Gairdner  1464,  Glasgow  919,  Glöckner 
702,  Glück  2120,  Gossmann  2168, 

2263,  2288,  2604,  Grancher  1512,  Grand- 
homme  2120,  Grinnell  1064,  Groth  400, 

Grut  1464,Guiraud2068,Guö  1663, Hache 
2360,  Hartmann  55,  Herdmann  104, 
Herrgott  551,  Hingston  551,  Hirt  2512, 
Hitzig  1760,  2144,  Hoyer  1464,  Jackson 
2120,  Jacobi  1663,  Jentzer  248,  Jordan 
1112,  Israel  551,  von  Jürgensen  1016, 

1335,  Kerner  1712,  Kessel  2016,  Ivirch- 
hotf  1662,  Klug  968,  Kossmann  2068, 
Koster  1512,  Krabler  504,  840,  Kre- 
miansky  968,  Labeda  702,  Lassar  2651,  - 
Levison  1416,  Leo  2626,  von  Lotzbeck 
376,  Macdonald  104,  de  Macedo  248, 
Macfadyen  551,  Magnus  864,  Markoe 
2068,  Martin  648,  Mendel  1489,  Mende- 
lejew  304,  839,  Möbius  149,  476,  Moir 
1416,  v.  Mosetig-Moorhof  919,  v.Mühlig 
2408,  Nassilow968,  Neumann  351,  New¬ 
ton  551,  Nieberding  2264,  Peters  816, 
Pickett  504,  Pollak  2512,  Po  well  1968, 
Litten  1160,  Radkewitsch  1663,  Reed  504, 
Rosenbach  648,  dos  Santos  Pinto  504, 
Savage  304,  Schmidt-Metzler  2558, 
Schnetzler  55,  Schüler  1359,  Sendler 
1112,  Sievetz  2311,  Sinizin  2463,  Simes 
2216,  Sneed  2168,  Sokolow  1264, 
Suchtschinsky  702,  Sticher  351,  de 
Termicourt  149,  Thomas  504,  v.  Tobold 
2651,  Unruh  2512,  Vennemann  55,  Watts 
104.  Weber  1663,  v.  Weismayr  594, 
Wienecke  1160,  Wildermuth  1112,  Wil- 


ders  2120,  Willard  816,  Wise  2168. 

Tollwut,  Behandlung  der,  mit  Radium,  von 

Calabrese  ........  .  1499 

Tollwutgift,  Wirkung  des  Radium  auf  das, 

von  Tizzoni  u.  Bon  Giovanni  ....  39 

Tollwutschutzimpfung  im  Institut  Pasteur, 

von  Viala .  2556 

Tollwutstation  in  Breslau .  2446 

Toludinblau  als  Färbemittel  für  Bakterien, 
von  De  Jager . 387 


Tonreihe,  kontinuierliche  Bezold-Edel- 
mannsche,  als  Untersuchungsmethode 
für  den  Nervenarzt,  von  Kühne  .  .  .2157 
Tonsillargegend ,  Exstirpation  maligner 

Geschwülste  der,  von  Clairmont  .  .  .  2612 
Tonsillarkarzinom,  von  Kümmell  .  .  .  .1315 
Tonsillen,  Physiologie  der,  von  Barth  .  .  2260 
Tonsillenklemme,  von  Proebsting  ....  96 

Tonsillotomie,  Blutstillung  nach,  von 

Henkes  . 1797 

Torticollis,  Geschichte  des,  spasmodicus, 
von  Steyerthal  278,  —  spasmodicus, 
von  Bernhardt  382,  Traitö  des  —  spas- 
modiques,  von  Cruchet  2644,  Labyrinth¬ 
erkrankungen  als  Ursache  des  spa¬ 
stischen  — ,  von  Curschmann  ....  2646 
Totalaufmeiselung,  Nachbehandlung  der, 
von  Gerber  1050,  von  Stein  .  ...  1050 

Totalexstirpation,  Wundschutz  bei  abdo¬ 
minaler,  von  Veit  1300,  Wertheimsche 
Klemme  für  die,  von  Polano  ....  1344 
Totentanz,  von  De  Nora .  32 


Seite 

Toxine,  ungiftige  dissoziierbarc  Verbin¬ 
dungen  der,  von  Doerr  134,  Schädi¬ 
gungen  spinaler  und  Gehirnnerven 
durch  — ,  von  Orr  u.  Rows  1694,  elek¬ 
trische  Ladung  von  —  und  Antitoxin, 
von  Bochhold  1920,  Nachweis  des  — 


im  Blute  des  Diphtheriekranken,  von 

Uffenlieimer .  .  .  2592 

Toxinvergiftung,  chronische,  von  Salge  .  2116 
Trachea,  Tumor  der,  von  Röpke  ....  187 

Trachealabplattung  bei  Neugeborenen, 

von  Beneke . 1754 

Trachealdiplitherie,  von  Herzog . 1094 

Trachealfistel,  chondroplastischer  Ver¬ 
schluss  der,  von  König . 1409 

Trachelotomia  externa,  von  Franke  .  .  .  132 

Tracheo-Bronchoskopie,  Killianschc,  von 
Mann  1120,  Technik  und  Instrumen¬ 
tarium  der — ,  undderOesophagoskopie, 

von  Brünings . 1701 

Trachinus  Draco,  giftige  Stacheln  des, 

von  Evans  . 744 

Trachom,  Zelleinschlüsse  parasitärer  Art 
beim,  von  Halberstädter  u.  v.  Prowazek 
1496,  Aetiologie  des  — ,  von  Halber¬ 
städter  und  v.  Prowazek . 1694 

Trachomerreger,  Filtrierbarkeit  des,  von 

Fermi  u.  Repetto . 1907 

Trachomfrage,  von  Leber . 1901 

Trachomzellen,  Doppelkürnchen  in,  von 

Greeff  .  . .  1249,  1902 

Tränenflüssigkeit,  bakterizide  Wirkung  der, 

von  Lindahl . 1796 

Tränenröhrchen,  Konkremente  der  unteren, 

von  Velhagen . 691 

Tränensack,  Rolle  des,  in  der  Oekonomie 

des  Auges,  von  Evans  . 1193 

Tränensackblennorrhöe,  Heilung  der,  von 

Feilchenfeld . 1192 

Tränensackexstirpationen,  350,  von  Baeum- 
ler . 563 


Tränensackpolyp,  von  Velhagen  ....  691 

Tränenwege,  Erkrankungen  der,  von 
Stephcnson  1144,  neue  Behandlungs- 
wreise  von  eitrigen  chronischen  Er¬ 
krankungen  der  — ,  von  Koster  u.  Kau  2349 
Tragbahre  für  die  in  Bergwerken  Schwer¬ 
verletzten,  von  Philipp . 135 

Transfusion  s.  a.  Anämie.  . 

Transplantation  680,  Technik  der  Thiersch- 

schen  — ,  von  Vogel  798,  von  Försterling  1394 


Transplantationsmesser,  gedecktes,  von 

Hofmann . 739 

Transplantierung  von  Epithelkörperchen 
mit  Erhaltung  ihrer  Funktion ,  von 
Leischner . 1211 


Transsudate,  chyliforme,  und  Exsudate, 
von  v.  Ketly  231,  Unterscheidung  der 
—  von  Exsudaten,  von  Janow'ski 


2296,  zytoskopische  Untersuchung  von 
—  und  Exsudaten,  von  Ettinger  .  .  2395 
Traubenzucker  s.  a.  Harn. 

Träume,  medizinische  Bedeutung  der,  von 

Stigter .  .  2349 

Trauma  und  Lungentuberkulose,  von  Port 
2013,  —  und  Leukämie  ......  .  2289 

Tremor  bei  traumatischen  Neurosen,  von 

Boeri . 757 

Trepanationen  des  Schädels,  von  Schle¬ 
singer  . 2260 

Trinkwasser,  Desinfektionsmittel  für,  von 
Riegel  1190,  sauerstofffreies  —  in 

Brunnen,  von  Lang  .  .  .  . 1922 

Trinkwasserbeurteilung  und  Trinkwasser¬ 
versorgung  bei  der  Feldarmee,  von 

Baehr . 485 

Trinkwasserfiltrationstechnik,  von  Götze  .  2449 
Trinkwasserversorgung  aus  der  Elbe,  von 
Deneke  1658,  —  der  Landungskorps, 

von  Riegel . .  .  .  2544 

Trichonodosis,  von  Galewsky  435 ,  von 

Kren  1604,  —  laqueata,  von  Sack  .  .  442 

Trichophysie,  von  Galewsky .  41 

Trichozephaliasis,  von  Kahane . 1001 

Trichterbrust,  angeborene,  von  Bystrow  .  1891 
Trigeminus,  Resektion  des,  von  Harbordt 

495,  Verletzungen  des  — ,  von  Parsons  1838 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXV 


1907. 


Seite 

Trigeminusneuralgie,  von  Krauss  390, 
durch  Exstirpation  des  Gangloni  Gasseri 
geheilte  — ,  von  Saucrhruch  .  .  .  -  1703 
Trikuspidalis,  Stenose  der,  von  Mobr  .  .  1059 
Tripper,  Häufigkeit  des,  in  Deutschland, 
von  Blascbko  216,  Statistik  des  —  beim 
Manne  und  seine  Folgen  für  die  Ehe¬ 
frauen,  von  Vörner  219,  interne  Be¬ 
handlung  des  — ,  von  De  Merric  .  .  488 

Tripperrheumatismus,  Biersche  Methode 

bei,  von  Har  vier . 2458 

Tripperstatistik,  antikritisches  zur,  von  Erb  1526 
Trochanter,  Verhältnis  des,  zur  Roser- 

Nelatonschen  Linie,  von  Saxl  ....  684 

Troikar  und  Hohlnadeln,  von  Hoppe- 

Seyler . 1555 

Trommelbruch,  chronischer,  durch  Kolon¬ 
blähung.  von  Lengemann . 853 

Trommelfelle,  künstliche,  von  Gomperz  36, 
blaue  Pigmentierungen  des  — ,  von 

Love  . 1649 

Trommelschlägelfinger,  von  Ebstein  179, 

einseitige  — ,  von  Groedel  II  ...  .  216 

Tropakokain . .679 

Tropen,  Sanatorium  der,  von  Kohlbrugge  2206 
Tropendiensttauglichkeit,  Beurteilung  der, 

von  Steudel .  2206 

Tropenhygienische  Ratschläge,  von  Lion  2292 
Tropenkrankheiten,  Handbuch  der,  von 
Mense  1138,  in  England  beobachtete  — , 
von  Chantlie  2199,  —  auf  den  Philip¬ 
pinen,  von  Asliburn  2545,  von  Ash- 

burn  und  Graig . 2545 

Tropenmedizin,  Schule  für  — ,  in  Liver¬ 
pool,  von  Neumann  ...  ...  .  2191 

Tröpfchenausstreuung  durch  hustende 

Phthisiker,  von  Zieschö  . 1693 

Trüpfchenverstreuung  und  Infektions¬ 
gefahr  beim  Kehlkopfspiegeln,  von 

Ziesche .  2251 

Tropffläschchen,  von  Best  ......  .  857 

Trunkenheit,  akute ,  und  ihre  strafrecht¬ 
liche  Begutachtung,  von  Stier  .  .  .  943 

Trunksucht  und  ihre  Abwehr,  von  Baer 

und  Laquer . 1337 

Trypanosomen,  Präparate  von,  von  Mayer 
496,  —  gambieuse,  von  Bentmann  u. 

Günther .  2544 

Trypanosomeninfektion,  F arbstoffbehand- 
lung  der  künstlichen,  von  Weber  und 

Krause . 432 

Trypanosomenkrankheiten  und  Kala-azar, 
von  Martini  1290,  Immunisierungs-  und 
Behandlungsversuche  bei  — ,  von  Weher  2252 
Trypanosomenstudien , experimentelle,  von 

Ehrlich . 396 

Trypanosomiasis  s.  a.  Schlafkrankheit. 
Trypanosomiasis,  Behandlung  der,  mit  den 
Benzidinfarben,  von  Mesnil  und  Nicolle 
39,  Behandlung  der  menschlichen  — , 
von  Broden  und  Rodhain  898,  Augen¬ 
erkrankungen  im  Verlaufe  der  — ,  von 
Morax  1499,  arsenige  Säure  gegen  — , 

von  Laveran .  2405' 

Trypsin,  therapeutische  Verwendung  des, 
bei  Karzinom,  von  v.  Leyden  und 
Bergell  945,  —  bei  der  Krebsbehand¬ 
lung,  von  Bainbridge  1399,  Karzinom¬ 
behandlung  mit  — ,  von  Morton  .  .  1604 
Trypsinbestimmung,  Methode  der  quanti¬ 
tativen,  von  Volhard  .  .  .  . 403 

Trypsinpräparate,  tryptische  Stärke  ver¬ 
schiedener,  von  Haid .  2250 

Trypsinverdauung,  von  Siegfried  ....  2155 
Tryptophanreaktion,  von  Germonig  .  .  .  586 

Tsetsekrankheit,  Immunisierung  von  Rin¬ 
dern  gegen  die,  von  Schilling  ....  2544 
Tsutsugamushikrankheit,  Aetiologie  der, 

von  Ogata  und  Jshiwara . 1746 

Tuba  Eustachii,  Mentholdampfapparat  zur 
Behandlung  des  Katarrhs  der,  vonMader  1830 
Tubargravidität,  von  Bucura  280,  von 
Grube  590,  von  Arnann  698,  inter¬ 
stitielle  — ,  von  Falk  ........  .  2007 

Tube  s.  a,  Eileiter. 


Seite 

Tube,  Plattenepithelkarzinom  der,  von 
Orthmann  1344,  Eversion  der  — ,  von 
Falk  2007,  2394,  Lymphangiom  der  — , 
von  Kermauner  2539,  normale  Histo¬ 
logie  der  menschlichen  — ,  von  Hör¬ 
mann  2553,  Knochenbildung  in  den  — , 

von  Michaud .  2645 

Tubenabschluss  nach  Totalaufmeiselung, 
von  Gerber  1050,  tamponlose  Nach¬ 
behandlung  und  — ,  von  Gerber  .  .  .  1050 
Tubenkarzinom,  von  Amann  145,  primäres 

— ,  von  Kundrat . 333 

Tubenlumen,  intramuskuläre  Abzweigungen 

des,  von  Höhne .  1408,  1611 

Tubenschwangerschaft,  Pathologie  der,  von 
Cameron  538,  interstitielle  — ,  von  Rieclc  1835 
Tuberkelbazillen,  latente,  von  Rabino- 
witsch  184,  Verhalten  der  Eiterzellen 
gegenüber  den  — ,  von  Löwenstein  333, 
Infektiosität  verschiedener  Kulturen 
des  — ,  von  Möller  334,  Nachweis  der 

—  im  Urin,  von  Bloch  946,  Verbrei¬ 
tung  des  —  in  den  Organen  der 
Phthisiker ,  von  Liebermeister  952 , 
Pleomorphie  des  — ,  von  v.  Weismayr 
1294,  Durcügang  von  —  durch  die 
Haut,  von  Courmont  und  Lesier  1757, 
durch  Zieblfärbung  nicht  darstellbare 
Form  des  — ,  von  Michaelides  1790, 
Einfluss  der  Hefenukleinsäure  auf  die 
Virulenz  menschlicher  — ,  von  Bacli- 
rach  und  Bartel  1837,  Immunität  des 
Hundes  gegen  den  — ,  von  Haentjens 
2109,  Zungentonsille  als  Eingangspforte 
des  — ,  von  Zickgraf  2100,  intrazellu¬ 
lare  Lagerung  der  —  im  Sputum,  von 
Löwenstein  2248,  Unizismus  der  — , 

von  Goggia .  2497 

Tuberkeltoxinstudien,  von  Haentjens  .  .  2101 
Tuberkulide,  von  Werther  2549,  Darier- 

sche  — ,  von  Wichmann . 2117 

Tuberkulin  s.  a.  Alltuberkulin,  Antituber¬ 
kulin,  Augenreaktion,  PirquetscheReak- 
tion,  Tuberkulose,  Ophthalmoreaktion, 
Tuberkulosediagnose. 

Tuberkulin,  Frühdiagnose  mit,  von  Bram- 
mer  233,  Betrachtungen  über  — ,  von 
Meissen  797,  —  per  os,  von  Köhler  797, 
das  Kochsche  —  in  der  Gynäkologie 
und  Geburtshilfe,  von  Birnbaum  891, 
Kutireaktion  auf  —  bei  Kindern,  von 
Dufour  1710,  Plautreaktion  auf  — ,  von 
Arloing  1757,  häufigerer  Gebrauch  des 
— ,  von  Wilkinson  1895,  Hautreaktion 
auf  — ,  von  Abrami  und  Burnet  1908, 

—  in  der  Hand  des  praktischen  Arztes, 
von  Weicker  2112,  Gegenanzeigen  gegen 
— ,  von  Curschmann  2211,  neue  Reak¬ 
tionsart  der  Haut  auf  — ,  von  Lignieres 
und  Berger  2405’  spezifisches  — ,  von 
Krause  2437,  Haut-  u.  Ophthalmo¬ 
reaktion  auf  — ,  von  Mainini  .  .  .  •  2583 

Tuberkulinbehandlung,  Dauererfolge  mit, 
von  Roemisch  117,  —  der  Tuberkulose 
im  Kindesalter,  von  Riviere  1851,  — 
der  chirurgischen  Tuberkulosen  der 

Kinder,  von  M’Intosh . .  1895 

Tuberkulindiagnostik,  von  Junker  .  .  .  132 

Tuberkulindosen,  diagnostische, von  Roepke  797 
Tuberkulinimpfung  nach  Vakzinations¬ 
methode,  von  Pfaundler  1308,  kutane 
— ,  von  Bandler  2620,  kutane  —  nach 
v.  Pirquet  bei  Erwachsenen,  von 
Bandler  und  Kreibich  2103,  diagnosti¬ 
sche  —  nach*v.  Pirquet,  von  Mainini  2164 
Tuberkulininjektion,  Verhalten  des  Blut¬ 
drucks  nach,  von  Bauer  1293,  —  an  der 
Züricher  Univ. -Augenklinik,  von  Diem  2001 
Tuberkulinlösung,  Reaktion  der  Bindehaut 

auf  eingeträufelte,  von  Franke  .  .  .2117 
Tuberkulinpräparate ,  Behandlung  der 
Dysmenorrhöe  mit  Spenglers,  von 

Hollös  u.  Eisenstein . 2510 

Tuberkulinprobe,  Kochsche,  von  Ziegler 

1320,  v. Pirquets  kutane  —  ,vonLenhartz  2404 


Seite 

Tuberkulinreaktion,  von  Comby  1855,  Er¬ 
klärung  der  —  durch  Antituberkulin 
im  tuberkulösen  Herd,  von  Weil  269, 

—  durch  Einträufelung  ins  Auge,  von 
Zitron  1559,  v.  Pirquetsche  —  von  Engel 
und  Bauer  1953,  von  Feer  1961,  dia¬ 
gnostischer  Wert  der  —  bei  der  Tuber¬ 
kulose  des  Kindesalters,  von  v.  Pir¬ 
quet  1998,  konjunktivale  — ,  von 
Levy  2647,  kutane  und  konjunktivale 
— ,  von  Stadel  mann  und  WolfE-Eisner  2647 
Tuberkulinsuppositorien,  von  Lissauer  .  1746 
Tuberkulöse,  Fürsorge  für,  im  vorgeschrit¬ 


tenen  Stadium  862,  Spital  und  Sana¬ 
torium  für  —  in  Filaret,  von  Brezeanu 
1096,  familiäre  Belastung  der  — ,  von 
Weinberg  1339,  Psychologie  der  — , 

von  Laignel-Lavastine .  2051 

Tuberkulöses  Granulationsgewebe  ohne 

Tuberkel,  von  Orth . 686 

Tuberkulöses  Material,  Uebertragung  von 
Menschen  auf  das  Rind,  von  Eber 
585,  von  Weber . 585 


Tuberkulose  s.  a.  Allergieprobe, Arterientbk.- 
Blasentbk. ,  Darmobstruktion ,  Experi- 
mentaltbk.,  Entzündung,  Fürsorgestel¬ 
len,  Gefässstreifen,  Genitaltbk.,  Hämo¬ 
ptyse,  Hautaffektionen,Hüftgelenkstbk., 
Hydrozele,  Hyperämiebehandlung,  Ueo- 
zökaltbk.,  Impftbk.,  Inhalationstbk.,  In¬ 
testinal  tbk.,Iristbk.,  Kindertbk.,  Kindes¬ 
alter,  Koxitis,  Lungenschwindsucht, 
Lungenspitzentbk.,  Lungentbk.,  Mesen- 
terialtbk ,  Marmorekserum ,  Mening- 
ephalitis,  Magentbk.,  Menschentbk., 
Mundtbk.,  Nierentbk ,  Larynxtbk., 
Leberzirrhose,  Peritonealtbk. ,  Perito¬ 
nitis,  Ophthalmoreaktion,  Spitzen¬ 
phthise,  Phthise,  Sklerodermie,  Septi- 
kämie ,  Schläfenbein ,  Trauma ,  Tu- 
lase,  Urogenitaltbk.,  Zungentbk. 

Tuberkulose,  primäre,  der  Cervix  uteri, 
von  Joung  101,  doppelseitige  —  der 
Nebenhoden  und  Samenstränge,  von 
Schmidt  140,  Organe  von  gegen  — 
immunisierten  Kälbern,  von  Klimmer 
140,  —  in  den  Pariser  Schulen,  von 
Grancher  146,  Ursachen  der  —  bei 
der  industriellen  Bevölkerung  Ofen- 
Pests,  von  Friedrich  180,  —  des  Ohr¬ 
läppchens,  von  Paetzold  181,  aszendie- 
rende  —  im  weiblichen  Genitaltrakt, 
von  v.  Baumgarten  230,  frühzeitige 
Diagnose  der  — ,  von  Barot  243,  — 
der  Sehnenscheiden,  von  Koch  298, 
primäre  und  sekundäre  —  des  Men¬ 
schen,  von  Edens  432,  Vorträge  über 
—  448,  die  — ,  von  Cornet  480,  Zwangs¬ 
anzeige  der  — ,  von  Bernheim  und 
Dieupart  482,  Bedeutung  der  Tröpf¬ 
cheninfektion  für  die  Verbreitung  der 
— ,  von  Saugmann  483,  vorzeitige 
Diagnose  der  —  in  der  Armee  und 
die  Serumdiagnose  nach  Arloing  und 
Courmont,  von  Grysez  und  Job  487, 
Verhütung  der  —  der  Lungen,  von 
Philip  537,  —  der  platten  Schädel¬ 
knochen,  von  lieber  583,  Bekämpfung 
der  —  bei  den  k.  b.  Staatseisenbahnen 
624,  Behandlung  von  —  des  Auges 
mit  Tuberkulin,  von  Erdmann  671, 
Nasenobstruktion  und  — ,  von  Leroux 
746,  Wohnungsdesinfektion  bei  — ,  von 
Trautmann  797,  —  der  weiblichen 
Mamma,  von  Fraenkel  811,  Einfluss  der 
Schwangerschaft  auf  die  —  der  Respi¬ 
rationsorgane  ,  von  Herrmann  und 
Hartl  895,  offene  Kurorte  im  Kampf 
gegen  die  — ,  von  Rothschild  896,  — 
des  Auses,  von  Erdmann  905,  tumor¬ 
ähnliche  —  der  Leber,  von  Fischer  945, 
lokalisierte  —  der.  Leber,  von  Orth 
946,  Häufigkeit  der  — ,  von  Naegeli- 
Naef  952,  entzündliche  —  mit  Neigung 
zu  Neubildung,  von  Poncet  966,  Zen- 


10* 


LaXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


feite 

tralkomitee  zur  Bekämpfung  der  — 

1015,  1145,  1147,  1263,  Entstehung  der 
—  in  den  Lungenspitzen,  von  Rein- 
ders  1049,  spezifische  Behandlung  der 
— ,  von  Bandelier  1149,  Prophylaxe 
der  — ,  von  Tjaden  1149,  die  —  und 
ihre  Beziehung  zur  sozialen  Frage,  von 
Katzenstein  1191,  Heilbarkeit  der  — 
und  therapeuthische  Verwendbarkeit 
des  Tuberkulins  im  Kindesalter,  von 
Engel  1338,  Adenomyoma  corporis  Uteri 
mit  — ,  von  Grünbaum  1340,  —  in  den 
Wohnungen  von  Paris,  von  Roux  1347, 
Kampf  gegen  die  — ,  von  Robin  1348, 
von  Armaingaud  1348,  Rolle  der  er¬ 
erbten  Disposition  bei  der  Aetiologie 
der  — ,  von  v.  Szaboky  1448,  —  in 
Grossstädten  und  bei  Arbeitern,  von 
Friedrich  und  Jurkiny  1496,  —  des 
mittleren  und  inneren  Ohres ,  von 
Herzog  1544,  —  des  Auges  und  ihre 
Behandlung,  von  Helbron  1548,  Tröpf¬ 
cheninfektion  bei  — ,  von  Saugmann 
1550,  Immunisierung  von  Meerschwein¬ 
chen  gegen  — ,  von  Orth  1559,  experi¬ 
mentelle  Diagnose  der  — ,  von  Vallee 
1612,  Ophthalmoreaktion  aufTuberkulin 
bei  — ,  von  Calmette  1613,  —  der  Portio 
vaginalis,  von  Garkisch  1604,  Jod-  und 
Quecksilberbehandlung  der  —  in  Nase, 
Schlund  und  Kehlkopf,  von  Grünberg 
1681,  Behandlung  der  chirurgischen  — , 
von  Steward  1694,  von  Calot  2406,  Tuber¬ 
kulinbehandlung  der  kindlichen  — ,  von 
Ri  viere  1694,  opsonischer  Index  bei  — , 
von  t'ampbell  1694,  —  der  Plazenta,  von 
Carl  1745,  —  verrucosa  der  Haut,  von 
Wreigel  1756,  Behandlung  der  — nach 
Bier,  von  Kirchhoff  1758,  Jodkali  bei 
—  der  oberen  Luftwege,  von  Grünberg 
1797,  generalisierte  käsige  — ,  von 
Soltmann  1845,  Einfluss  der  Ernährung 
auf  die  — ,  von  Weigert  1907,  Topo¬ 
graphie  der  —  in  Wrien ,  von 
v.  Schrötter  1999,  normaler  und  abnor¬ 
maler  Bau  des  lymphatischen  Systems 
und  seine  Beziehungen  zur  — ,  von 
Bartel  1999,  natürliche  Infektionsgele¬ 
genheit  mit  — ,  von  Bartel  und  Spieler 
1999,  kongenitale  — ,  von  Kraemer 
2008,  Tuberkulinbehandlung  der  chirur¬ 
gischen  — ,  von  Kraemer  2005,  Robert 
Koch-Stiftung  zur  Bekämpfung  der  — 

2014,  spezifische  Behandlung  der  — , 
von  Elsaesser  2100,  äusserlich  wahr¬ 
nehmbare  Zeichen  von  — ,  von  Ekstein 
2148,  Immunisierungsverfahren  gegen 
— ,  von  Maragliano  2149,  Aetiologie 
der  — ,  von  Flügge,  v.  Schrötter,  Rib- 
bert,  Rasinel,  Arloing  2158,  intravenöse 
Hetolbehandlung  der  — ,  von  Gold¬ 
schmidt  und  Knobel  2343,  Diagnose 
der  —  im  Tierversuch,  von  Joanno- 
vics  und  Kapsammer  2347,  Immuni- 
sation  bei  — ,  von  Klebs  2355,  Be¬ 
kämpfung  der  von  Calmette  2401, 
primäre  —  der  Hornhaut,  von  Pütt, 

2618,  Behandlung  der  —  mitMarmorek- 
schem  Serum,  von  Hymans  und  Daniels 

2541,  Therapie  der  — ,  von  Weinberger 

2542,  Behandlung  der  —mit  Tuberkulin, 

von  Guinard  2458,  entzündliche  —  und 
Spätrhachitis,  von  Poncet  und  Lerichc 
24. i9,  neue  Therapie  der  — ,  gegründet 
auf  die  antitoxische  Wirkung  der  Leber, 
von  Lemoine und Gerard 2460,  3.  Annual 
Report  of  the  Henry  Phipps  Institute 
lor  the,  Study  Treatment  and  Preven¬ 
tion  of  —  2463,  alimentärer  Ursprung 
<lei  ,  von  Bonome  2497,  Behandlung 
der  —  mit  Marmorekserum  u.  Neutuber- 
kulin,  von  Elsaesser .  2646 

Puberkuloseärzte,  Versammlung  der  1015,  1147 
Tuberkuloseärzteversammlung ,  kritische' 
Nachlese  zur  4.,  von  Köhler  ....  1790 

Tuberkulosebehandlung,  von  Pregowski  .  1550 


Seite 


Tuberkulosebekämpfung  in  den  Nieder¬ 
landen,  von  van  Gorkom  798,  —  auf  dem 
Lande,  von  Kehl  1147,  von  Helwes  .  2100 
Tuberkulosediagnose,  neue  Methode  der, 
von  v.  Pirquet  1014.  —  nach  v.  Pirquet, 

von  Feer . jgßl 

Tuberkuloseentstehung,  von  Bartel  .  .  .  1999 
Tuberkuloseerreger ,  Differentialfärbe- 

methoden  der,  von  Kürthi .  2541 

Tuberkuloseforschungen,  von  Marmorek  .  1013 

Tuberkulosefürsorge  .  645,  646 

Tuberkulose-Fürsorgestelle  in  Würzburg  .  815 
Tuberkuloseheilserum,  Wirkung  des  Mara- 

glianoschen,  von  Germani .  2053 

Tuberkuloseimmunisierungsverfahren,  Er¬ 
folge  mit  dem  v:  Behringschen,  von 

Eber . ;  .  1705 

Tuberkuloseinfektion  im  Kindesalter,  von 
Hamburger  1893,  Einfluss  organischer 
Substanzen  auf  den  Gang  der  — ,  von 
Bartel  und  Neumann  2296,  Bedeutung 
der  Atmungsorgane  und  des  Verdau- 
ungstraktus  für  die  — ,  von  Pfeiffer 

und  Friedberger .  2050 

Tuberkulosekonferenz,  internationale  350,  2015 
Tuberkulosetherapie,  spezifische,  vonMas- 
sini  1251,  Freie  Vereinigung  von 
Freunden  der  spezifischen  —  und  ihre 
Gegner,  von  Petruschky  1688,  und 
Köhler  1788,  Beobachtungen  in  der  — 
bei  Anwendung  von  Marmorekserum, 

von  Schenker . 2125 

Tuberkulosevirus,  granuläre  nach  Ziehl 
nicht  färbbare  Form  des,  von  Much  .  1791 
Tuberkulosis— -Anti-Tuberkulosis,  von  Ross  2437 
Tuberosis  cutis  pruriginosa,  von  Hübner  949 
Tuberositas,  Verdickung  der,  tibiae  in  der 


Adoleszenz,  von  Jacobsthal  ....  1692 
Tubulisation,  von  Hashimoto  u.  Tokuoka  2491 

Tuckersches  Asthmamittel  .  . . 1314 

Tulasepräparate,  Bebringsche,  bei  der  Be¬ 
handlung  tuberkulöser  Augenerkran¬ 
kungen,  von  Collin . 1761 

Turgosphvgmographie,  •  von  v.  Kozicz- 

kowsky . 74g 

Turmschädel  und  Sehnervenatrophie,  von 

Krauss  . iQl 

Turnunterricht,  orthopädischer,  von  Wen¬ 
del  .  .  .  1688 

lumor  des  Stirnhirns,  von  Levisohn  142, 

—  des  Brustraums,  von  Schilling  242, 


—  des  Kleinhirnbrückenwinkels,  von 
Nonne  288,  melanotischer  —  am  äus¬ 


seren  Kornealrand,  von  Fleischer  499, 
Behandlung  mediastinaler  —  mit  Rönt¬ 
genstrahlen,  von  v.  Fischer  u.  Engel 
743,  Untersuchung  von  —  während 
der  Operation,  von  Lockwood  744,  tera- 
toide  — ,  von  Grawitz  754,  Technik 
der  Behandlung  des  —  albus,  von  Calot 
995,  extramedullärer  — ,  von  Stursberg 
999,  —  der  1.  Kleinhirnhemisphäre,  von 
Auerbach  1306,  von  Grossmann  1306, 
knöchener  —  der  Nase,  von  Kümmell 
1345,  Behandlung  maligner  —  mittels 
Trypsininjektion,  von  Donati  1348,  tu¬ 
berkulöser  —  der  Flexura  sigmoidea, 
von  Holland  1393,  präperitoneale  — , 
von  Kleinhans  1460,  —  der  Dura  mater, 
von  Przegendza  1506,  —  u.  Trauma, 
von  Oberndorfer  1607,  fibromatöser  — , 
von  Simon  1707,  Grawitzscher  — ,  von 
Wendel  1707,  —  des  Ductus  omphalo- 
mesentericus,  von  Kotzenberg  1890, 
durch  Operation  geheilter  —  des  Okzi¬ 
pitallappens,  von  Denker  1891,  —  des 
Rückenmarks,  von  Grund  1961,  sar- 
koider  —  der  Haut,  von  Heuck  1963, 
Gravidität  oder  — ,  von  Straus  1965, 
Differentialdiagnose  der  —  cerebri,  von 
Nonne  2108,  Behandlung  inoperabler 
—  mit  künstlicher  Hyperämie,  von  Ritter 
2155,  Aetiologie  u.  Biologie  der  — ,  von 
Saul  2355,  antigene  Eigenschaften  des 
,  von  Ranzi  2393,  —  cerebri,  von 
Treupel . 2616 


Seile 

Tumorbildung  am  Mundhöhlendach,  von 

v.  Kryger . 633 

Tumorennekrobiosen,  von  Schaeffer  .  .  2048 

Typhöses  Fieber,  von  Manicatide  1605, 
Serotherapie  des  — ,  von  Chantemesse  2060 

Typhus  s.  a.  Abdominaltyphus,  Bakterium, 
Darmtyphus,  Nephrotyphus,Pyramidon, 
Rückfalltyphus,  Unterleibstyphus,  Uro- 
bilinurie. 

Typhus,  von  Meyerstein  142,  —  abdomi¬ 
nalis,  von  Heineke  99,  Impfung  gegen 
— ,  von  Harrison  95,  Frühdiagnose  des 
— ,  von  Harrison  95,  Komplementbin- 
dungsmcthode  bei  —  u.  Paratyphus, 
von  Leuchs  279,  ätiologische  Diagnose 
des  —  abdominalis,  von  Raubitschek 
335,  experimenteller  —  bei  Affen,  von 
Weinberg  397,  Abortivverfahren  bei  — 
abdominalis,  von  Beldau  399,  Austern 
und  — ,  von  Netter  644,  Wiener  — , 
von  Schlesinger  699,  Präzipitinreaktion 
zur  Diagnose  des  —  abd.,  von  Hoke 
845,  kulturelle  Unterscheidung  von  — , 
Paratyphus  u.  Kolibakterien,  von  Buch¬ 
holz  895,  —  abd.  unter  der  Geburt  u. 
im  Puerperium,  von  Rosenfeld  999,  — 
und  Typhusserum,  von  Aronson  1001, 
ätiologische  Diagnostik  von  —  und 
Paratyphus,  von  van  Loghem  1049,  — 
u.  Kolisepsis,  Typhus  als  Endotoxin¬ 
krankheit,  von  Stadelmann  u.  Wolff- 
Eisner  1161,  Beziehungen  zwischen  — 
u.  Paratyphus,  von  Fornet  1297,  von 
Levy  u.  Gaethgens  1297,  Veränderungen 
des  Magens  bei  —  abd.,  von  Proskauer 
1341,  —  infolge  Austerngenuss,  von 
Netter  1348,  Differentialdiagnose  zwi¬ 
schen  — ,  Paratyphus  und  Schweiss- 
fieber,  von  Materazzi  1794,  Ophthal- 
modiagnose  des  — ,  von  Chantemesse 
1804,  unter  dem  Bilde  der  Weilschen 
Krankheit  verlaufender  —  abd.,  von 
Grimme  1822,  Perforation  bei  —  und 
der  Blutdruck,  von  Sheppard  1839,  Ar¬ 
beiten  über  —  und  dessen  Bekämpfung, 
von  Frosch,  Rimpau,  Wernicke,  Tho¬ 
mas,  Klein,  Jaster,  Simon,  Kurpjuweit, 
Conradi,  Kirchner  1951,  Verbreitung 
des  —  durch  Bazillenträger,  von  Kossel 
2050,  —  u.  Paratyphus  und  ihre  Be¬ 
ziehungen  zu  den  Gallenwregen,  von 
Chiari  2110,  von  Hirsch  2111,  von 
Förster  2111,  Schutzimpfungen  gegen 

—  in  der  englischen  Armee,  von  Leish- 
man,  Harrison,  Luxmoore  2199,  früh¬ 
zeitige  Diagnose  von  —  durch  Imp¬ 
fung  von  Typhusbazillen,  von  Bie  2250, 

—  in  Meran  2360,  2408 

Typhusähnliche  Erkrankungen,  von  Jür¬ 
gens  . 184 

Typhusausbruch  durch  verseuchte  Mu¬ 
scheln,  von  Beale . 689 

Typhusbakterien,  Vorkommen  und  Lebens¬ 
dauer,  von  Heck . 485 

Typhusbazillen,  Phagozytose  der,  im  Blute, 
von  Harrison  95,  Nachweis  der,  im 
Wasser,  von  Hilgermann  184,  Gift¬ 
wirkung  des  — ,  von  Bail  586,  Toxine 
des  — ,  von  Kraus  u.  v.  Stenitzer  687, 
elektive  Züchtung  von  — ,  von  Leuchs 
1191,  Nachweis  von  —  in  Blutgerinn¬ 
seln,  von  Kurpjuweit  1297,  —  in  Bak¬ 
teriengemischen,  von  Levy  u.  Gaeht- 
gens  1297,  Züchtung  der  —  aus  dem 
Blute  auf  Gallenagar,  von  Schüffner 
1722  ,  Wachstumsgeschwindigkeit  der  — 
in  Galle,  von  Pies  1793,  Untersuchung 
des  Blutes  auf  —  und  auf  Agglutina¬ 
tion,  von  Veil  1893,  Isolierung  des  — 
aus  infiziertem  Wasser,  von  Wilson 
1895,  Nachweis  von  —  in  den  Läusen 
Typhuskranker,  von  Nakao  Abe  1924, 
Nachweis  u.  Differentialdiagnose  der 
mittels  Malachitgrünnährböden, 
von  Löffler  205G,  Nachweis  von  —  im 
Blut,  von  Buchholz .  2398 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXVII 


Seite 

Typhusbazillenträger,  Behandlung  der, 
von  Dehler  779,  2134,  Gefährlichkeit 
der  — ,  von  Kayser  1297,  Autopsie  eines 
— ,  von  Levy  u.  Kayser  1297,  Vorkom¬ 
men  und  Bedeutung  von  —  in  Irren¬ 
anstalten,  von  Nieter . 1622 

Typhusbekämpfung  im  Eisass,  von  För¬ 
ster  49,  Strassburger  bakteriologische 
Anstalt  für  — ,  von  Klinger  1297,  mo¬ 
derne  — ,  von  Frosch .  2402 

Typhusdiagnose,  von  Hoke  1211,  Ver¬ 
wendung  des  Prinzips  der  Komplement¬ 
ablenkung  zur  — ,  von  Hirschfeld  944, 

Wert  der  Blutuntersuchung  für  die  — , 
von  Müller  1208,  —  mittels  Bazillen¬ 
emulsion  und  Fickerschem  Diagnosti- 

kum,  von  Schrumpf  .  2517,  2651 

Typhusentstehung  u.  Typhusbekämpfung, 

von  Silberschmidt . 1250 

Typhusepidemie,  von  Brummund  1191, 
Entstehungsursachen  der  Gelsenkirche- 
ner  —  von  1901,  von  Emmerich  u. 

Wolter . 426 

Typhusfälle  in  Coltzen,  von  Cealic,  u.  Las- 
carescu  1095,  noch  nicht  beschriebenes 
Bakterium  bei  — ,  von  Mandelbaum 
1766,  —  mit  geringer  oder  fehlender 
Agglutination,  von  v.  Hösslin  .  .  .  2100 
Typhusforschung,  moderne,  von  Schroeder  2251 

Typhusgalleröhre,  von  Kayser . 1078 

Typhusgeschwür,  perforiertes,  vonHeineke  100 
Typhusimmunisierung,  von  Meyer  und 

Bergell  ...» . 952 

Typhusinfektion,  Agglutinationsvermögen 

u.  Schutzstoffbildung  bei  — ,  von  Rossi  2149 
Typhuskranke,  wann  steckt  der,  an  ?  von 

Conradi . 2148 

Typhuskulturen,  Wachstum  von,  u.  Koli- 

reinkulturen,  von  Doebert . 184 

Typhusnachweis,  Koffeinanreicherungsver- 
fahren  zum  —  im  Stuhl,  von  Lubenau  1190 
Typhusnephritis,  von  Cagnetto  u.  Zancan  281 
Typhus-Paratyphus,  von  Stäubli  ....  2541 
Typhusschutzimpfung  in  der  Armee,  von 

Musehold .  2205 

Typhusschutzstoff,  Briegerscher,  von  Bas¬ 
senge  . 1249 

Typhusstühle,  Untersuchung  von,  mit 

Malachitgrünnährböden,  von  Neumann  280 
Typhusverlauf  bei  geimpften  und  nicht¬ 
geimpften  Mannschaften  der  Schutz¬ 
truppe  für  Deutsch- Südwestafrika,  von 

Eichholz  . 777 

Typhusvortrag,  von  Salomon  . 1404 


ü. 

Ueberdruck  s.  a.  Lungenoperationen. 
Ueberdruckverfahren,  Physiologie  des, 
von  Seidel  854,  —  zur  Ausschaltung 
der  Pneumothoraxfolgen,  von  Seidel  1339 
Ueberempfindlichkeit,  passive,  von  Friede¬ 
mann  ...  . 2414 

Ueberernährung,  indurative  Vorgänge  an 
inneren  Organen  und  die  relative,  von 

Weber . 1950 

Ueberleitungsstörungen  zwischen  Vorhof 

und  Herzkammer,  von  Deneke  ....  1101 
Uebung  und  Schonung  in  der  Geburtshilfe 

u.  Gynäkologie,  von  Krönig  ....  1998 
Ulcus  conjunctivae  tuberculosum,vonApetz  1013 
Ulcus  cruris,  von  Beldau447,  Krauselappen 

bei  — ,  von  Chaussy . 1980 

Ulcus  pepticum  jejuni,  von  Edington  .  .  2200 
Ulcus  rodens,  von  Neuberger  2013,  von 
Alexander  2618,  Behandlung  des  — 

mit  Zinkionen,  von  Jones . 1193 

Ulcus  serpens,  Serumtherapie  bei  — ,  von 

Römer . 1900 

Ulcus  ventriculi  680,  Heredität  beim  — , 
von  Huber  204,  operative  Behandlung 
des — ,  von  White  301,  Pathogenese  und 
Behandlung  des  — ,  von  Thesen  897, 
Heilung  von  —  durch  Gastroentero- 


Seite 

stomie,  von  Sherren  1661,  chirurgische 
Behandlung  des  — ,  von  Key  .  .  .  .  1795 
Ulnaris,  Spätläsion  der,  von  Brassert  .  .  2641 
Ulnarnerven,  Luxation  des,  von  Rosen¬ 
bach  . 1546 

Lltramikroskopie  an  Zellen,  von  Gaidukov  1504 
Umschlag  s.  u.  Priessnitz. 

Unfall,  mein,  von  Berger  1607,  Begriffs¬ 
bestimmung  des  — ,  von  Feilchenfeld 
1608,  Karzinome  und  Tuberkulose  im 
Zusammenhang  mit  — ,  von  Segond 

2356,  von  Jeanbrau .  2357 

Unfallfolge,  von  Weigel . 1756 

Unfallgesetzgebung,  klinische  Folgen  der, 

von  Hoche  . 1402 

Unfallheilkunde,  Handbuch  der  — ,  von 
Kaufmann  2193,  Referat  über  —  1003, 

1607,  2350 

Unfallneurose,  klinische  Eigentümlich¬ 


keiten  der,  von  Windscheid  ....  1402 

Unfallpraxis,  von  Liniger . 1003 

Unfallrente,  Kürzung  der,  von  Kauff- 

mann . 1608 


Unfallverhütung,  Erfolge  der,  in  Frank¬ 
reich,  von  Marny  2353,  Erfolge  der  — 

in  Italien,  von  Pontiggia .  2353 

Unfallverletzte,  ärztliche  Behandlung  der, 
von  Ledderhose  1004,  Dauer  des  Heil¬ 
verfahrens  bei  — ,  von  Wette  ....  1608 
Unfallverletzungen,  Begutachtung  der,  von 

Pietrzikowski  1740,  von  Hillenberg  .  .  2350 
Unfallversicherung,  von  Sayffaerth  1504, 

—  und  Arzt,  von  Strohe  I  1505,  von 
Lohmar  1953,  Schattenseiten  der  —  .  2298 
Unfallversicherungsgrundlage,  Aenderung 

der,  von  Fuld . 2049  , 

Ungarn,  medizinisch-wissenschaftliche  Be¬ 
ziehungen  zwischen  Deutschland  und, 

von  v.  Györy .  2061 

Unglücksfall . 1358 

Universalapparat ,  elektromedizinischer, 

von  Katz . 1501 

Universalmittel,  von  Kner  . 1250 

Universitäten,  Frequenz  der  französischen  1462 
Universitätsnachrichten  s.  u.  Hochschul¬ 
nachrichten. 

Universitätsprofessoren,  Gehaltsaufbesse¬ 
rung  der,  in  Italien . 1097 

Unsittlichkeit,  Dänisches  Gesetz  zur  Be¬ 
kämpfung  der  öffentlichen,  von  Levy  847 
Unterkiefer,  Plastik  bei  Ektropium  des, 
von  v.  Eiseisberg  36,  Verrenkung  des  — 
nach  hinten,  von  v.  Hacker  430,  artefi- 
zielle  Deformierung  des  — ,  von  Wern¬ 
dorff  750,  desinfizierbare  Prothesen  für 
das  Mittelstück  des  — ,  von  Ranzi  904, 
Prothesen  für  den  — ,  von  König  1392, 
artefizielle  Deformierung  des  — ,  von 


Spitzer  und  Werndorff . 2610 

Unterkieferresektion ,  Immediatprothesen 

bei,  von  Pichler  und  Ranzi  .....  2393 
Unterkieferspeicheldrüse,  Pathologie  der, 

von  Davidsohn . 1445 

Unterleibstyphus  in  der  Armee,  von  Düms 
193,  Behandlung  des  —  mit  Pyramidon, 


von  Leick  567,  Diazoreaktion,  Bakteri¬ 
ämie  und  Widalsche  Reaktion  bei  — , 
von  Genken  875,  Magenkatarrh  bei  — , 

von  Neumann . 1297 

Unterleibsverletzungen,  chirurgische  Be¬ 
handlung  der,  von  Stern  und  Dolan  35 
Unterlippe,  angeborene  Fisteln  der,  von 
Goldflam  ........  ....  74 

Unterrichtskurse,  elektrotechnische,  in 

Aschaffenburg . 502 

Unterschenkelbrüche,  Behandlung  der, 

von  Morian  .  • . 681 

Unterschenkelpseudarthrosen ,  plastische 

Behandlung  der,  von  Coenen  ....  1889  I 
Unterstützungskasse,  ärztliche,  in  Baden  2162 
Unterstützungswesen  der  preussischen 

Aerztekammern .  1594,  1596  j 

Untersuchungen,  unentgeltliche  Vor¬ 
nahme  von  mikroskopischen  und  bak¬ 
teriologischen  ....  2561,  2566,  2567  ff. 


Seite 

Untersuchungsapparat,  neuer  röntgeno¬ 
logischer,  von  Dessauer . 1892 

Untersuchungsstuhl  für  das  Sprechzimmer, 

von  Deutsch .  2442 

Urachusanomalien,  von  Draudt . 1296 

Uranoplastik,  Technik  der,  von  Moszkowicz  1791 
Uranvergiftung,  Hydrops  und  Glykosurie 

bei  der,  von  Fleckseder . 484 

Ureter,  blind  endender,  von  Borrmann 
686 ,  Anus  praeternaturalis  bei  Ein¬ 


pflanzung  der  — ,  ins  Rektum,  von 
Krönig  1142,  Behandlung  von  Verlet¬ 
zungen  und  Fisteln  der  — ,  von  Wassil- 
jew  1952,  zystöse  Erweiterung  des  — , 
von  Bosch  und  van  Hontum  2054,  Des- 
censns  des  rechten  —  ins  Skrotum, 

von  Brunner . 2195 

Ureterenstein,  von  Israel . 1559 

Ureterostomie ,  lumbale,  nach  Rovsing, 

von  Wilms . 1792 

Ureterverdoppelung,  von  Meyer  ....  895 

Urethra,  Ruptur  der,  von  Deanesley  688, 
Stearinstange  in  der  — ,  von  Lohnstein 
965,  Divertikel  der  — ,  von  Kleinhans  1460 
Urethralplastik,  neue,  von  Cristofoletti  .  2103 
Urethralsekret,  Lymphozyten  und  Leuko¬ 
zyten  im  gonorrhoischen ,  von  Neu¬ 
berger  . 894 

Urethralstrikturen ,  Massage  bei,  von 

Settier  ...  . •  .  283 

Urethritis  chronica  und  Strikturen,  von 

Reynes,  Dämonie  und  Desnos  ....  2459 
Urethrotomia,  Modifikation  der,  externa, 

von  Bircher . 1889 

Urin  s.  a.  Albumose,  Harn. 

Urin,  gefärbter,  von  Hildebrand  439,  pan- 
kreatische  Reaktion  des  — ,  von  Cam- 
midge  1193,  Methylenblaureaktion  des 

—  von  Ferrari  1955,  Morphologie  des 

—  und  der  Galle,  von  Veit  und  Weder- 

hake  2030,  Schimmelmyzelfäden  im  — , 
von  Bönniger . 2502 

Urinbefunde,  abnorme,  bei  Kindern,  von 

Stirnimann .  2348 

Urinentleerung,  Pathologie  der,  bei  der 

Frau,  von  Mirabeau  . 1708 

Urobilinogen,  von  Thomas .  2398 

Urobilinurie,  von  Schmidt  485,  Verlauf 
der  — ,  beim  Typhus  abdominalis,  von 

Rubin . . 507 

Urogenital apparat  eines  Paranoikers,  von 
Kalmus  135,  mesodermale  Geschwülste 

des  — ,  von  Mönckeberg . 895 

Urogenitaltuberkulose,  von  Rolly  1513, 
Erkennung  und  Behandlung  der  weib¬ 
lichen  —  mit  Tuberkulinpräparaten, 

von  Birnbaum .  1407,  2102 

Urologische  Forschungsergebnisse,  Bericht 

über  die . 1651 

Urologisch-zystoskopisches  Vademekum, 

von  Wohlauer . 1544 

Uropural,  von  Haedicke .  247 

Urtikar.a  durch  Ueberempfindlichkeit 
gegenüber  körperfremden  Eiweisssub¬ 
stanzen,  von  Wolf-Eisner  919,  —  pig¬ 
mentosa,  von  Bohac  949,  —  depressa, 
von  Vörner  949,  Ichthyol  bei  —  ,  von 

Scharff .  2636 

Usur,  tubare,  von  Rosenfeld .  2648 

Uterindrüsen,  papilläre,  von  Hartje  .  .  .  2244 
Uterus  s.  a.  Gebärmutter. 

Uterus,  von  Kallmorgen  961,  von  Obern¬ 
dorfer  1707,  6  exstirpierte  — ,  von 
Sippel  42,  Verhalten  der  Nerven  in 
der  Substanz  des  — ,  von  Labhardt  93, 
Behandlung  und  Entstehung  der  In- 
versio  des  — ,  von  Holzapfel  33,  In- 
versio  —  post  abortum,  von  Prüsmann 
1047,  1151,  Behandlung  der  Inversio  — 
inveterata,  von  Josephson  1340,  inver¬ 
tierter  — ,  von  Holzapfel  1504,  —  duplex, 
von  Rosenfeld  297,  operative  Vereini- 
gung  eines  doppelten  — ,  von  Strass¬ 
mann  2294,  rudimentärer  —  im  Inguinal¬ 
bruch,  von  Nyström  232,  Hernie  des 
— ,  von  Trolle  232,  Bewegung«-  und 


LXXVIII 


INHALTS- VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Hemmungsnerven  des  — ,  von  Fellner 
333,  Fibrome  des  —  und  ihre  Degene¬ 
rationen  undKomplikationen,von  Noble 
337,  rupturierter  — ,  von  Flatau  393, 

333,  —  bicornis  unicollis  cum  vagina 
subsepta,  von  Schottlaender  626,  myo- 
matöser — ,  von  Rosen  fehl  641,2648,  von 
Hörmann  698,  von  Pilsky  905,  1098, 
von  Oberndorfer  1708,  Fehlen  des  — , 
von  Boston  689,  karzinomatöser  — , 
von  Martin  754,  spontane  Ausstossung 
des  karzinomatösen  —  nach  Aetzung 
mit  Chlorzink,  von  Blau  278,  Karzinom 
des  schwangeren  — ,  von  Veit  543, 

—  mit  Zervixkarzinom,  von  Flatau  633, 
Carcinoma  corporis  — ,  von  Schick  1247, 
Exstirpation  des  karzinomatösen  — , 
von  Olshausen  1341,  von  Veit  1396, 
wegen  Zervixkarzinom  exstirpierter  — , 
von  Veit  1344,  supravaginale  Abtragung 
des  — ,  von  Kayser  799,  Innervation 
des  — ,  von  Roith  799,  Laparatomie 
bei  irreponibler  Retroversio  und  Retro- 
flexio  des  — ,  von  Kiistner  816,  Retro- 
flexion  des  —  als  Ursache  des  habi¬ 
tuellen  Aborts,  von  Guti^rrez  850,  Plat¬ 
tenepithel  der  Schleimhautoberfläche 
des  — ,  von  Sitzenfrey  999,  Zervix- 
fibrome  des  — ,  von  Morison  1144, 
Fibromyom  des  — ,  von  Diirck  1154, 
von  Bücheier  1306,  von  Giles  1449, 
malignes  Fibromyom  des  — ,  von 
Kynoch  2048,  Einfluss  von  Morphium, 
Skopolamin,  Stovain  auf  den  — ,  von 
Kehrer  1406,  per  laparotomiam  ent¬ 
fernte  — ,  von  Mainzer  1408,  Verletzung 
des  prolabierten  — durch  Unfall,  von 
Hannes  1444,  Wiederauffüllung  des  — 
nach  vorzeitigem  Blasensprung,  von 
Peters  1444,  Dreiteilung  des  — ,  von 
Aschoff  1648,  —  mit  Bikornität,  Hämo- 
tometra  und  Hämatosalpinx,  von  Hof¬ 
meier  1700,  Retroflexion  des  —  in  den 
letzten  Schwangerschaftsmonaten,  von 
Lange  1744,  instrumentelle  Perforation 
des  nicht  schwangeren  — ,  von  Hey¬ 
mann  1745,  radikale  abdominale  Total¬ 
exstirpation  des  — ,  von  Heinricius  1795, 
Einfluss  der  Diät  auf  Entwicklung  und 
Struktur  des  — ,  von  Campbell  1895, 
infantiler  — ,  von  Hegar  2439,  multiple 
Adenomyome  des  — ,  von  Schwab  2439, 
Diagnose  der  Malignität  am  — ,  von 
Mansfeld  2439,  Psammomkörper  im  — , 
von  Schütze  2439,  traubenförmiges  Sar¬ 
kom  des  — ,  von  Piltz  2452,  operative  Be¬ 
handlung  derlnversio-puerperalis  invete- 
rata  des  — ,  von  Gross  2493,  Dreiteilung 
des  — ,  das  untere  Uterinsegment  und 
die  Placenta  praevia,  von  Aschoff  2501, 
Plattenepithel  im  — ,  von  Natanson  .  2612 
I  terusblut8tillung,  innerliche,  post  partum, 

La  Torre .  2493 

Uterusexstirpation,  Wirkung  der,  auf  die 

Keimdrüse,  von  Sellheim . 1395 

Uterusfibrom,  interstitielles,  von  Garkisch  1756 
Uterusgefässe,  Nekrose  der,  und  Ovarial- 

gefässe,  von  Pankow . 333 

Uterushorn,  rudimentäres,  mit  Frucht, 

von  Flatau . 633 

Uterusinversion,  Schwangerschaft  und 
Geburt  nach  geheilter,  von  Born  278, 
Aetiologie  der  puerperalen  — ,  von 

Fritsch . . 

Uteruskatheter,  Toporskischer,  von  Samuel  1744 
Uteruskarzinoul,  Behandlung  der  inope¬ 
rablen,  von  Henkel  999,  Heilerfolge  bei 
inoperablem  — ,  von  Weindler  1247, 
Morphologie  des  — ,  von  v.  Rosthorn 
1342,  Histologie  und  Histogenese  des 
,  von  Schottlaender  1342,  erweiterte 
Abdominaloperation  des  — ,  von  Reiffer¬ 
scheid  T403,  Ureterendeckung  und 
Drainage  bei  abdominaler  Beckenaus¬ 
räumung  wegen  — ,  von  Amann  1411, 
Behandlung  des  —  mit  Azeton,  von 


Seite 

Gellhorn  1897,  Behandlung  des  in¬ 
operablen  —  mit  Azeton,  von  Gellhorn 
2U66,  2528 

Uteruskarzincmrezidive ,  Operation  von, 

von  Franz .  ,  .  .  .  333 

Uteruskontraktion,  Einfluss  narkotischer 
Mittel  auf  die,  von  Kurdinowski  333, 

—  bei  gebärenden  Weibern,  und  der 
Einfluss  von  Aether  und  Morphium 
auf  dieselben,  von  Wasenius  .  .  .  2544 

Uteruskrebs,  frühe  Erkennung  des  — ,  von 

Spencer .  1853 

Uteruskrebsexstirpation,  erweiterte  abdo¬ 
minale,  von  Wertheim . 1341 

Uterusmyom,  Verkalkung  des,  von  Grün¬ 
baum  93,  Behandlung  des  — ,  von 
Jordan  6 '9.  —  als  Geburtshindernis, 
von  Feldberg  2255,  Zerrung  des  Uterus- 

kürpers  bei  — ,  von  Hedren .  2394 

Uterusperforation,  von  Hofbauer  1344, 
von  v.  Braun-Fern  wald  2102,  instrumen¬ 
telle  — ,  von  Ortbmann . 1344 

Uterusruptur,  97  Fälle  von,  von  Scipiades 

1404,  komplette  — ,  von  Mulert  .  .  .  1954 
Uterussarkom,  von  Basso  1190,  Pathologie 

der  — ,  von  Meyer .  2493 

Uterusschleimhaut,  hyperplastische  Ver¬ 
änderungen  der,  von  Hartje  ....  2440 
Uterusspülkatheter,  von  Jaeggy  ....  2440 
Uterus9tumpf,  karzinomatöse  Degeneration 
des,  nach  supravaginaler  Amputation, 

von  Burckhard . 2147 

Uterus-  und  Tubentuberkulose,  von  Obern¬ 
dorfer  . 1707 

Uterustumor  bei  Gravidität,  von  Nebel  .  1305 
Uteruswand,  Kalzifikation  der,  von  Bar- 

berio .  2440 

Uviolbehandlung  mit  Augenkrankheiten, 

von  Axmann . 335 

U  viollampe,  Lupusbehandlung  mittels,  von 

Axmann . 1003 

Uviollicht,  Wirkung  und  therapeutische 
Verwendung  des,  von  Stern  und  Hesse  318 
Uviollichtbehandlung  bei  Hautkrankheiten, 

von  Strauss . 435 

Uvula,  papillöser  Tumor  der,  von  Reichard  100 

V. 

Vademekum,  urologisch-kystoskopisches, 

von  Wohlauer .  .  1544 

Vagina,  System  der,  von  Högström  847, 

—  duplex  und  Uterus  duplex  bicornis, 
von  Menge  1700,  Leukoplakie  mit 
Karzinom  der  —  und  des  Uterus,  von 


v.  Franquö . 1892 

Vaginalspekulum,  zweiblätteriges,  von 

Marcus . 939 

Vaginalzyste,  vereiterte,  von  Heymann 

381,  von  Hellier .  2443 

Vaginifixur,  Geburten  nach,  von  Haupt .  1744 
Vagus,  Reflexhemmung  der  Kardia  von, 

aus,  von  Meitzer  und  Auer . 1999 

Vasusreflex  für  den  Oesophagus,  von 

Meitzer  und  Auer . 1999 

Vakzination  der  Hornhaut,  von  Menzies 
und  Jameson  689,  —  und  vakzinale 
Allergie,  von  v.  Pirquet . 1947 


Vakzine,  generalisierte,  von  Voigt  390, 

1876,  von  Galewsky  753,  von  Danziger 
1583,  sekundäre  — ,  von  Uffenheimer 
1962,  protrahierte  Inkubationszeit  bei 

— ,  von  Simon  .  .  .  .  * .  2240 

Vakzineerkrankung  des  Auges,  von  Hölzl  1709 

Vakzineerreger,  was  wissen  wir  über  den? 

von  Mühlens  und  Hartmann  ....  223 

Vakzinefieber,  Verlauf  des,  von  Jundell  .  1493 
Vakzineinfektionen ,  subkutane  ,  von 

Knöpfelmacher .  2257 

Varikozele,  symptomatische,  bei  malignen 
Nierentumoren,  von  Hochenegg  1292, 
Behandlung  der  — ,  von  Poenaru- 

Caplescu  . . 1606 

Variola,  Ausstriche  von,  und  verdünnter 
Kinderlymphe,  von  Paschen  1345,  — 
und  Blattern,  von  Queirel  .  ...  2052 


Seite 

Varizen,  Venenresektion  bei,  von  Terrier 
und  Alglave  38,  künstliche  Thrombose 

der  - ,  von  Tavel . 432 

Varizenbehandlung,  Anastomosis  sapheno- 

femoralis,  von  Delbet . 243 

Vasa  praevia  bei  Insertio  velamentosa, 

von  Zöppritz  .  34 

Vasomotorenzentrum,  ätiologische  Rolle 
des,  bei  Herzneurosen  etc.,  von  Pol¬ 
land  . 844 

Vater-Pacinische  Körperchen,  von  Ram- 

ström  ...  .  2343 

Vellafisteln,  Hunde  mit,  von  Asher  .  .  2201 

Velum,  Verwachsung  des,  von  Hopmann  II  238 

Venenerweiterungen  bei  Kindern,  von 

Gibson .  40 

Venenklappen  und  Varizenbildung,  von 

Löwenstein  . .  2194,  2555 

Venennaht,  laterale  und  zirkuläre,  von 

Goyanes . 1552 

Venenpuls  nach  Läsion  der  Trikuspidal- 
klappen,  von  Rihl  1053,  Analyse  des 

— ,  von  Hering  .  2395 

Venensklerose,  von  Carducci . 629 

Venenthrombose  und  Gerinnbarkeit  des 
Blutes,  von  Schwab  176,  von  Salvendi 
176,  operative  Behandlung  von  —  an 
den  Exiremitäten,  von  Becker  .  .  .  2004 
Venenverletzung,  Tod  durch,  von  Zelle  .  1840 
Venerische  Krankheiten,  Verbreitung  der, 
in  den  europäischen  Heeren,  von 


Sch  wienin  g . 892 

Ventilation  s.  a.  Deckenluft-Ventilation. 
Ventilation,  künstliche,  von  Ruppel  .  .  2450 

Ventrifixur,  von  Olshausen . 2196 

Ventrikel,  klinische  Symptome  der  Llyper- 
trophie  des  rechten,  von  Kürt  ....  1746 
Ventrikelkontraktion,  Ursprungsstelle  der, 

von  Rehtisch . 1836 

Ventrofixur,  neue  Methode  der,  von 

Liepmann . 483 

Veratrum  viride  als  Blutdruck  herabsetzen¬ 
des  Mittel,  von  Pesci . 281 


Verband,  Leipziger,  1413,  1414,  2407,  Ver¬ 
trag  des  —  mit  den  Reedereien  147, 
Leipziger  —  und  die  Gesellschaft  für 
soziale  Reform,  von  Fürst  383,  neue 
Aufgaben  für  den  —  1212,  Vertrauens¬ 


männerversammlung  des  — . 2510 

Verbandstoffe ,  Dampfdesinfektion  der, 

von  Gerdes-Schildesche . 1045 

Verblödung,  akute  juvenile,  von  Fuhrmann  229 

Verblutungstod,  von  Marx . 1997 

Verbrechen  und  konstitutionelle  Seelen¬ 
abnormitäten,  von  Forel  und  Mahaim  1856 
Verbrennung,  Narbenkontraktur  nach  — , 

von  Dobrowolski . 2613 


Verbrennungstod, pathologische, Histologie 
der  inneren  Organe  beim,  von  Polland  486 
Verdauung  s.  a.  Digestion,  Nikotin. 

Verdauung,  Physiologie,  Pathologie  und 
Therapie  der,  von  Boas  1090,  normale 
—  der  Eiweisskörper  im  Magendarm¬ 
kanal,  von  Abderhalden,  Kautzsch  u. 
London  2000,  —  beim  Säugling  .  .  .  2059 
Verdauungskanal,  Gifte  des,  im  normalen 
Zustand,  von  Roger  u.  Garnier  37, 
Bewegungen  des  — ,  von  Magnus  .  .1456 
Verdauungs-  u.  Harnorgane,  Nachweis  von 
Minimalblutungen  aus  den,  durch  die 
Benzidinprobe,  von  Schlesinger  und 

Holst . 460 

Vereine,  Berichte  über  Verhandlungen  s. 

Teil  IV. 

Verein,  deutscher,  für  Schulgesundheits¬ 
pflege  1015,  —  deutscher  Laryngo- 
logen  1016.  —  für  öffentliche  Ge¬ 
sundheitspflege  1111,  —  zur  Unter¬ 
stützung  invalider,  hilfsbedürftiger 
Aerzte  und  notleidender  hinterbliebener 
Aerztefamilien  in  Bayern  1212,  Deut¬ 
scher  —  für  Volkshygiene  2057,  Jahres¬ 


versammlung  des  deutschen  —  '  für 

Psychiatrie  zu  Berlin .  2626 

Vereinigung  sächsisch-thüringischer  Kin¬ 
derärzte  .  2577 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXIX 


Seite 

Vererbung  s.  a.  Korrelation. 

Vererbung  in  der  Augenheilkunde,  von 

Best . 286 

Verfettung,  von  Klemperer . .  954 

Verfettungsfragen,  von  Rosenfeld  .  .  955 

Vergiftungen  s.  a.  Atoxylvergiftung,  Ben¬ 
zinvergiftung  ,  Bromoformvergiftung , 
Citrophenvergiftung, Chromsäure,  Fisch¬ 
vergiftung,  Fleischvergiftung,  Gasver¬ 
giftung,  Käse,  Kohlenoxydvergiftung, 
Kokainvergiftung,  Kreosotal Vergiftung, 
Kreosot,  Leberzellen,  Lysol  Vergiftung, 
Mangantoxikose ,  Maretinvergif  tung , 

Massenvergiftung ,  Miessmuscheln , 
Muskatnuss ,  Phosphorvergiftung, 
Purgenvergiftung,  Ptomain  Vergiftung , 
Quecksilbervergiftung,  Rauchervergif¬ 
tung,  Skopolamin,  Speisegift,  Sublimat, 
Veronal  Vergiftung, Wismutintoxikation, 
Uranvergiftung,  Kali  chloricum-Ver- 
giftung. 

Vergiftungen,  späte,  durch  Chloroform, 
von  Tilford  und  Falconer  385,  Blut¬ 
präparate  bei  —  mit  Kali  chloricum, 
von  Hirschfeld  1304,  —  der  Blut¬ 
kapillaren,  von  Heubner  1446,  akute 
—  nach  Oelklystieren,  von  Buttersack 
2348,  akute  tödliche  —  durch  Benzol¬ 
dampf,  von  Lewin  .  .  2377 

Vergütungen,  Festsetzung  der,  für  ärzt¬ 
liche  Dienstleistungen  auf  dem  Ver¬ 
ordnungsweg,  von  Weber  1831,  2068,  2120 
Verhebungsbruch  des  5.  Lendenwirbels, 

von  Feinen . 1092 

Verkehr,  erste  Hilfe  bei  Verletzungen  u. 

Unglücksfällen  im,  von  Meyer  .  .  .  2205 
Verkehrswesen,  Einwirkung  der  Berufs¬ 
tätigkeit  im,  auf  die  Gesundheit,  von 

Schwechten .  2204 

Verkrümmungen,  Wahl  des  Zeitpunktes 

zur  Korrektur  rhachitischer,von  v.  Aberle  2063 
Verkürzungstypus  bei  Mitbewegungen, 

Reflexen  u.  Paresen,  von  Bittorf  .  .  1395 
Verletzungen,  physikalische  Nachbehand¬ 
lung  von,  von  Sommer  1139,  seltenere 

— ,  von  Davidsohn .  2646 

Veronal-Chloroform-Narkose,  von  Pokotilo  1141 

Veronalgebraucb,  chronischer,  von  Hof¬ 
mann  .  2255 

Yeronal Vergiftung,  von  Bahrdt  293,  von 

Nienhaus . 1250 

Verrenkungsbrüche  des  O.  naviculare  pedis, 

von  Deutschländer . 904 

Verrücktheit,  katatonische,  von  Schott  .  230 

Verruga  Peruana,  von  Tamayo  539,  von 

Eder .  539 

Versicherungsgesetze,  Verschmelzung  der  1595 
Versicherungskasse  für  die  Aerzte  Deutsch¬ 
lands  . .  1355,;  2509 

Versicherungspraxis,  interessante  Fälle 

aus  der,  von  Liniger . 1607 

Versicherungsmedizin,  Einführung  in  die, 

von  Grober . 1883 

Verschlusslaute,  Physiologie  der,  von 

Hensen . 1207 

Verstauchungen,  Behandlung  der,  von 

Bennet . 490 

Vertragskommissionen  1594,  Berliner  2406, 

Verhandlungen  der  Münchener  —  .  .  2651 
Vertrauensärzte,  Missstände  bezüglich  der 

Obergutachten  der,  von  Neuenborn  .  186 

Vertrauensarztstellen  des  Württember- 

gischen  Krankenkassenverbandes  .  .  199 


Verweilkatheter,  von  Vogel . 1094 

Verwesung,  von  Tidswell . 1853 


Verwundete,  Transport  u.  Unterkunft  von, 
u.  Kranken  im  russisch- japanischen 
Krieg,  von  Kettner  815,  Behandlung 
der  —  in  der  Seeschlacht,  von  Gashell  1908 
Vesiko-Vaginalfistel, Komplikation  der,  von 


Grouzdew . 1835 

Vestibularapparat,  Verhalten  des,  bei 

Kopftraumen,  von  Baräny . 1260 

Vibrationsemptindung  und  Drucksinn,  von 

Steinert  .  896 

Vibrationsgefühle  hei  nervösen  Erkran¬ 
kungen,  von  Williamson .  2397 


Seite 

Viehseuchen,  Gesetz  betr.  Abwehr  und 

Unterdrückung  von  . 1511 

Vierteljahrsschrift  für  gerichtliche  Medizin 

und  öffentliches  Sanitätswesen  .  .  .  2246 

Vioform,  von  Piquand . 1<'63 

Virchow-Büste  . 199 

Virgo,  dreijährige,  von  Stein . 384 

Viskolan,  eine  neue  Salbengrundlage,  von 

Klug . 36 

Viskosität  s.  a.  Blut. 

Viskosität,  Einfluss  der,  auf  die  Blut¬ 
strömung,  von  du  Bois  Reymond,  Brodie 

u.  Müller .  2202 

Vitium  cordis,  kongenitales,  von  Mohr  .  1058 

Vitralin  s.  a.  Wandanstriche. 
Vogelmalariaparasiten,  Weiterentwicklung 
der,  in  der  Stegomya  fasciata,  von 


Neumann . 2011 

Vögel,  Schwebeliug  der,  von  Gildemeister  2202 
Voix  ehantee,  traitö  des  maladies  de  la, 

von  Perretiere . 1644 


Volksgesundheitspflege,  medizinische  An¬ 
stalten  auf  dem  Gebiete  der,  in  Preussen  2256 
Volksheilstätten ,  Behandlungserfolge  in, 
von  Kraus  797,  Krankenauswahl  und 
Kurdauer  in  den  — ,  von  Wolff  .  .  .  2100 
VolkmannscheKontraktur  bei  Hämophilen, 

von  Hey  Groves  .  .  .  . . 1449 

Vorderarmbruch,  Behandlung  der,  von 

Jaquet . 749 

Vorhof,  ungewöhnliche  Dilatation  des  1., 
von  Marchand  1103,  Ueberleitungs- 
störungen  zwischen  —  undHerzkammer, 
vonDeneke  1153,  sichtbare  Pulsationen 
der  — ,  von  Rautenberg  2395,  Verhalten 
des  linken  —  bei  der  Störung  der  Reiz¬ 
leitung,  von  Joachim .  2609 

Vorhofspulsation,  Registrierung  der,  von 

der  Speiseröhre  aus ,  von  Rautenberg  2099 

Vorlesungen,  sozialärztliche . 702 

Vormund,  Wahl  des,  vom  psychiatrischen 

Standpunkt,  von  Dannemann  .  .  .  .1841 


Vorprüfung,  ärztliche . 1711 

Vorträge,  von  Volkmanns  Sammlung 

klinischer .  2407 

Vorzeitig  Geborene,  Auf  Ziehung  der,  von 

Maygrier . 1660 

Vulva,  gutartige  Geschwülste  der,  von 


Gross  1756,  Melanosarkom  der  — ,  von 
Wiener  2048,  Adenoma  hidradenoides 
der  — ,  von  Gross  2440,  Haematom  der 
— ,  von  Rotlauf .  2539 


W. 

Wabenlunge,  von  Peiser  . . 1547 

Wachsmodelle  von  Fischgehirnen,  von 

Edinger .  ...  .  2203 

Wärmebildung,  Reaktion  des  fiebernden 
Menschen  auf  eine  willkürliche  Stei¬ 
gerung  seiner,  von  Schwenkenbecher 

und  Tuteur . 2102 

W ärmepolypnöe,  zentrale,  von  Langlois  .  2202 
Wärmeregulation  des  Körpers  und  ihre 
Erschwerung  im  Schiffs-  und  Tropen¬ 
dienst,  von  Dirksen .  2206 

Wärmestrom-Heilapparat,  elektrischer,  von 

Lenhartz  .  .  .  695 

Waisen-  und  Armenpflege  in  Braunschweig, 

von  v.  Frankenberg . 1142 

Wandanstriche,  desinfizierende,  von  Huss  1191 

Wandermilz,  von  Heil . 626 

Wanderniere,  von  Barragan  y  Bonet  283, 
von  Championniere  1660,  vonMackenzie 
1804,  Pathogenese  der,  von  Reynier 
1804,  —  als  Ursache  von  Krankheiten 
der  Gallenwege,  von  Galland  .  .  .  2397 

Wandertriebe,  pathologische,  von  v.  Leu- 

poldt . 230 

Wanderzustände,  epileptische,  von  Raecke  1548 
Wangenfettpolster  der  Säuglinge,  von 

Lehndorff .  2440 

Warenhausdiebinnen ,  forensische  Beur¬ 
teilung  der,  von  Laquer . 1099 

Wartezimmer,  fürs,  von  Neustätter  .  .  .  198 

Warzenfortsatzerkrankung,  von  Barth  .  .  49 


Seite 

Warzenfortsatzgegend,  Röntgenaufnahmen 

der,  von  Windeier . 1260 

Wasmann,  Vorträge  des  Jesuitenpaters  .  436 

Wasser  bei  Galen,  von  Blaich  53,  Nach¬ 
krankheiten  nach  Sturz  ins  — ,  von 
Revenstorf  1003,  Bestimmung  der 
Härte  des  — ,  von  Nawiasky  und 
Korschun  124v>,  anaerobe  Bakterien 
des  — ,  von  Vincent  1498,  elementar¬ 
analytische  Bestimmung  des  Stick¬ 
stoffs  im  — ,  von  Rubner  1693,  Unter¬ 
suchung  der  Verunreinigung  des  — 
durch  organische  Substanzen,  von 
Korschun  1693,  Ozonisierung  des  — 

—  für  Städte ,  von  Courmont  und 


Lacomme  ....  2449 

Wasserbegutachtung,  Grundlagen  der 

hygienischen,  von  Schattenfroh  .  .  .  2060 

Wasserkalamität  in  Breslau .  2446 

Wasserversorgung  einer  Armee  im  Felde, 

von  Bischoff .  2205 

Wasserversorgungsanlagen ,  Anleitung 
für  die  Einrichtung,  den  Betrieb  und 
die  Ueberwachung  öffentlicher  .  .  .  1263 
Wasserversorgungsfrage  der  Stadt  Magde¬ 
burg,  von  Peters . 1191 


Wasseruntersuchungen,  Bac.  prodigiosus 

als  Indikator  bei,  von  Hilgermann  .  383 

Wasserstoffsuperoxyd,  Zersetzung  des, 
durch  das  Blut,  von  v.  Dalmady  und 

v.  Torday . 896 

Wasuaheli,  Arzneien  der.  von  Krauss  2044, 

Geburt  und  Tod  bei  den  — ,  von  Krauss  2488 
Watte-  und  Gazekästchen  für  den  Sprech¬ 
zimmergebrauch,  von  Grünwald  .  .  .  2429 
Wechselstrom  s.  a.  Arteriosklerose. 
Wechselstrom,  Behandlung  mit  hochge¬ 
spannten,  von  Nagelschmidt  1203,  — 
von  120  Volt  Spannung,  von  Köhl  .  2348 
Wechselstrombäder,  Wirkung  der,  bei 

Arteriosklerotikern,  von  v.  Aufschnailer  537 

Weigert  Carl,  von  Rieder . 580 

Weinfrage  im  Reichstag . 917 

Weingenuss,  hygienische  Würdigung  des, 

von  Schaefer . 275 

Weinstatistik  für  1904  und  Moststatistik 
für  1905,  von  Günther  279,  Ergebnisse 
der  amtlichen  — ,  von  Günther  .  .  .  2246 
Weissweinmolken  als  Säuglingsnahrung, 

von  Meyers  und  Still . 688 

Weltauffassung,  Beiträge  zu  einer  optimi¬ 
stischen,  von  Metschnikoff .  2488 

Welt-  und  Jagdreise,  von  Berger  .  .  .  428 

Wendung,  bimanuelle  innere,  von  Miller 
323,  prophylaktische  Armlösung  bei  der 

— ,  von  Apfelstedt . 1296 

Wendungsschlinge,  sterile,  von  Fürst  .  .  1744 
Werkstätte,  optische  und  mechanische, 
von  Voigtländer  &  Sohn  in  Braun¬ 
schweig  . 594 

Werlhoffsche  Krankheit,  Diagnose  der, 

durch  den  Rhinologen,  von  Escat  .  .  747 
Wetter,  schlagende,  in  Kohlengruben,  von 

Felgesträger .  2247 

Whisky,  physiologische  Wirkung  des,  auf 

die  Zirkulation,  von  Charteris  Cathcart  1895 
Widalsche  Reaktion,  Dauer  des  Fortbe¬ 
standes  der,  von  French  und  Louisson  1661 
Widerstandsfähigkeit,  Herabsetzung  der 
natürlichen,  gegen  Infektionen,  t  von 

Trommsdorff . 383 

Widerstandskraft,  natürliche,  von  Ascher  847 
Wiederbelebung  scheintot  geborener 

Kinder,  von  Ogata .  2439 

Wiederkäuen  beim  Menschen,  von  Brock¬ 
bank  . 1193 

Wiggers  Kurheim  in  Partenkirchen  .  .  .  1111 
Wimshurst-Infiuenzmaschine ,  Erzielung 
konstanter  Pole  bei  der,  von  Mayer¬ 
hausen  .  2191,  2360 

Winkelmesser,  von  Landwehr . 1891 

Winterkuren  an  der  Nordsee,  von  Nikolas 

u.  Kok . .  2454 

Wirbeldornfortsatz  s.  a.  Dornfortsatz. 
Wirbeldornfortsätze,  Absprengung  von, 
durch  Muskelzug,  von  Sauer  1327, 
von  Henschen . 1882 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXX  _ 

Seite 

Wirbelsäule,  Knochenatrophie  der,  von 
Küttner  393,  Typus  von  Schmerzen 
ander — .vonSchanz 807, 2611, Karies  der 
— ,  von  Krause  965,  typische  Erkrankung 
der  — ,  von  Schanz  1203,  1648,  nacli 
Form  zusammengesetzte  kyphotische 
— ,  von  Virchow  1309,  Therapie  der 
inneren  Folgeerscheinungen  von  Ver¬ 
krümmungen  der  — ,  von  Karcher 


1447,  Umformung  der  —  während  der 
fötalen  Entwicklung,  von  Falk  2259, 
konkavseitige  Torsion  der  — ,  von 

Schul  thess . 2611 

Wirbelsäulenentzündung,  Behandlung  der 

tuberkulösen,  von  Calot . .995 

Wirtschaftliche  Organisation  geistiger 

Arbeiter .  2399 

Wirtschaftskunde,  ärztliche,  von  Rabe  .  1692 

Wismutintoxikation  bei  interner  Dar¬ 
reichung  von  Magisterium  Bismuti, 

von  Prior .  . 1934 

Wissenschaft,  auf  dem  Wege  der,  von 
Ughetti . * .  2490 


Wöchnerinnen  Versicherung,  von  Fuld  .  .  334 
Wochenbett  s.  a.  Blutbild,  Schweissdrüsen. 
Wochenbett,  interkurrente  tödliche  fieber¬ 
hafte  Erkrankungen  im,  von  Merkel 
753,  Pathologie  des  — ,  von  Bollen¬ 
hagen  1013,  aussereheliches  —  ein  un¬ 
verschuldetes  Unglück  1212,  Diätetik 
des  — ,  von  Gauss  1406,  wie  verlaufen 
therapeutisch  unbeeinflusste  fieberhafte 


—  ?  von  Mermann .  2047 

Wochenbettbinde,  aseptische,  von  Roth- 

schuh . 020 

Wochenbettfieber,  Prophylaxe  des,  von 
Dünges . 1247 


Wochenschrift,  Jahresversammlung  der 
Herausgeber  der  Münchener  medi¬ 
zinischen,  918,  Redaktion  der  Berliner 
klinischen  —  2310,  Berliner  klinische  — , 
Deutsche  medizinische  — ,  Wiener 
klinische  —  fast  in  jeder  Nummer. 
Wohnungsfürsorge  für  Minderbemittelte, 

von  Cacheux  .  2448 

Wohnungshygiene,  Gutachten  zur,  von 

r  Weyl .  2296 

Wolfsrachen,  Operationen  an  Kiefer, 
Zunge,  Mundboden  und  perorale  Intu¬ 
bation,  von  Kuhn .  2064 

Wolm,  modifiziertes,  von  Kopits  ....  1093 

Wortbilder,  Rindenzentrum  der  optischen, 

von  Niessl  v.  Mayendorf .  2345 

Worttaubheit,  von  Quensel  . 1752 

V  ürmer,  mikroskopische,  im  Magen  einer 
Ozaenakranken,  von  Frese  ...  512 
Wundbehandlung,  von  König  1453,  40jähr. 
Jubiläum  der  antiseptischen  —  550, 
peritoneale  — ,  von  Pankow  ....  2492 
Wunden,  Behandlung  frischer,  von  Meyer 
1891,  Behandlung  granulierender  — 
mit  Stauungsbinde,  von  Gregory  1995, 
Behandlung  granulierender  — ,  von 

Haeberlin  . .  2088 

W  undintoxikationen,  puerperale,  ausser¬ 
halb  des  Uterus,  von  Walthard  .  .  .  1301 
Wundverband  im  Kriege,  von  Fessler  .  1546 
^  urmfortsatz  s.  a.  Appendix,  Processus 
vermiformis. 

Wurmfortsatz,  von  Revenstorff  411,  von 
Graser  2163,  Frühsymptome  bei  der 
Entzündung  des  — ,  von  Beck  179,  Rolle 
des  Sympathikus  bei  der  Erkrankung 
«les  — ,  von  Hönck  580,  —  und  Harn¬ 
blase  als  Bruchinhalt,  von  Clairmont 
628,  normale  und  pathologische  Histo¬ 
logie  des  — ,  von  Mac  Carty  686, 
Resektion  des  — ,  von  v.  Baracz  739, 

—  in  einem  Nabelbruch,  von  Mühsam 
798,  frisch  entfernter  — ,  von  v.  Brunn 
963,  Pseudozysten  des  Peritoneums  bei 
Hydrops  spurius  des  — ,  von  Hueter 
1098,  Schnittführung  bei  der  Resektion 
des  und  des  Blinddarms,  von  Wert¬ 
heim  1 189,  Abgang  des  —  per  rectum, 
von  Groedel  II 1397,  primäres  Karzinom 


Seite 

des  — ,  von  Zaaijer  1443,  warum  muss 
der  —  bei  gynäkologischen  Operationen 
mitentfernt  werden?  von  Pankow  1475, 
obliterierter  — ,  von  Neck  ....  2451 
Wurmfortsatzentzündung,  Histologie  der, 

t  von  Noll . 798 

Wurmfortsatzerkrankungen,  pathologische 
Anatomie  der,  von  Schrumpf  .  .  .  .  429 

Wurmsamenöl ,  amerikanisches ,  von 

r  Brüning . (327 

V  utkrankheit  s.  a.  Lyssa,  Negrische 
Körperchen,  Tollwut 

Wutvirus,  Wirkung  verschiedener  chemi¬ 
scher  Agentien  auf  das,  von  Fermi  .  2540 


X. 

X-Beinkorrektionsapparat  für  Kinder,  von 

Zuelzer . 2611 

X-Strahlen  u.  lichtempfindliche  Platten, 
von  Davidson  1907,  Dosierung  von  — , 

von  Sequeira . 1 907 

Xeroderma  pigmentosum,  von  Klingmüller  1555 
Xerostomie  und  Funktion  der  Speichel¬ 
drüsen,  von  Zagari . 1002 

Xiphopagen,  Trennung  von,  von  De  Feyva  2054 


Y. 

Yaws,  Übertragung  von,  durch  Zecken, 


von  Modder . • .  2545 

Yoghurt,  von  Piorkowski  .  2403 

Yohimbin,  von  Creutz  1614,  Wirkung  des 
—  auf  den  weiblichen  Genitalapparat, 
von  Daeis . .  _  2197 


Z. 

Zähigkeit  des  Fleisches,  von  Lehmann 
2346,  —  vegetabilischer  Nahrungsmit¬ 
tel,  von  Lehmann  . . -  2346 

Zählkammer,  von  Bürkner . 955 

Zahlstöcke  1252,  —  in  den  Wiener  Spi¬ 
tälern  . 587 

Zähne,  schädliche  Einwirkung  eisenhal¬ 
tiger  Medikamente  und  Stahlwässer  auf 
die,  von  Morgenstern  1310,  angebore¬ 
ner  Mangel  an  permanenten  — ,  von 
Kiär  1 550,  Hutchinsonsche  — ,  von  Ober¬ 
warth  2147,  —  in  der  Nase,  von  Fabian  186 
Zahnanomalie,  von  Kronheimer  ....  298 
Zahnärztliche  Behandlung  der  Gattin  .  .  1842 
Zahnärztliche  Institute,  Aufgaben  der, 


von  Mayrhofer .  2442 

Zahnarzt,  Anstellung  eines .  54 

Zahnbein-  und  Knochengrundsubstanz, 
Analogie  in  der  Entwicklung  der,  von 

v.  Korff . 343 

Zahnfisteln,  Heilbarkeit  äusserer,  von 

Mayrhofer . 335 

Zahnklinik  in  Berlin .  ...  1662 

Zahnkrankheiten,  Spezialarzt  für,  1855,  — 

der  Kinder,  von  Owen . 1908 


Zahnpulpa,  Struktur  der,  von  Brubacher  .  895 
Zahnrhinolilh  der  Nase,  von  Baumgarten  586 
Zange,  Erfolge  bei  hoher,  von  Riemann 
1247,  —  am  Steiss,  von  Pobescul  1547, 
in  der  Therapie  des  engen  Beckens, 
von  Leisewitz  1647,  —  bei  hohem  Ge¬ 
sichtsstand,  von  v.  Herff .  2439 

Zangen  entbindung,  Hämorrhagien  des  Zen¬ 
tralnervensystems  nach,  von  Couvelaire  1499 

Zangenschloss,  von  Rapin .  278 

Zapfentampons,  von  Prochownik  1395 

Zecken,  wirtschaftlich  wichtige,  von  Dönitz 
1598,  Fütterung  von  —  mit  Filaria 

perstans,  von  Wellmann .  2443 

Zeckenfieber,  Spirillen  des,  von  Fraen’kei  201 
Zehen  s.  a.  Hammerzehen. 

Zehe,  Teilung  der  Sesambeine  der  gros¬ 
sen,  von  Mormburg . 1647 

Zeitschrift  für  Heilkunde  350,  Frankfurter 
—  für  Pathologie  702,  —  Zeitschrift 


1907. 

Seite 

für  Religionspsychologie  968.  —  für 
zahnärztliche  Orthopädie  1512,  —  für 
klinische  Medizin  131,  796,  944,  1141, 

1292, 1493,  1645,  2609,  deutsche  —  für 
Chirurgie  181,  1295,  1392,  1544,  1601, 

1646,  1692,  1742,  1792,  1951,  1994,  2195, 

2490,  —  für  Geburtshilfe  und  Gynä¬ 
kologie  381,  740,  999,  1046,  1892,  2439, 

2;>39,  deutsche  —  für  Nervenheilkunde 
133,  535,  583,  999,  1395,  2196,  2645, 

—  für  Tuberkulose  180,  482,  797,  1295, 

2100,  2437,  —  für  experimentelle  Pa¬ 
thologie  und  Therapie  1996,  2493,  — 
für  Heilkunde  92,  277,  332,  532,  797, 

892,  1187,  1495,  1889,  1950,  2047,  2437, 

2610,  —  für  Hygiene  und  Infektions¬ 
krankheiten  34,  333,  485,  895,  1191, 

1693,  2197,  2245,  2346,  —  für  ortho¬ 
pädische  Chirurgie  683,  1743,  2293, 

2610,  —  für  diätetische  und  physika¬ 
lische  Therapie  92,  1950,  2101,  allge¬ 
meine  —  für  Psychiatrie  u.  psychisch¬ 
gerichtliche  Medizin  230,  279,  382,  431, 

484,  894,  1836,  2346 

Zellen,  menschliche,  als  Parasiten,  von 

Ribbert . 536 

Zellkern,  chemische  Physiologie  des,  von 

Steudel .  2381 

Zellulose,  Bedeutung  der,  für  den  Stoff¬ 
haushalt  schwerer  Diabetiker,  von 

Schmidt  u.  Lohrisch . 2111 

Zentralblatt  für  chirurgische  und  mecha¬ 
nische  Orthopädie  199,  —  für  innere 
Medizin  844,  1294,  1338,  1392,  2101, 

2244,  —  für  Chirurgie  132,  228,  332, 

430,  582,  739,  798,  998,  1141,  1189, 

1394,  1444,  1602,  1792,  1891,  1995, 

2195,  2344,  2438,  2611,  -  für  Gynä¬ 

kologie  33,  93,  133,  183,  277,  381,  483, 

535,  583,  626,  685,  799,  846,  893,  999, 

1047,  1092,  1141,  1247,  1296,  1340, 

1395,  1444,  1495,  1547,  1602,  1647, 

1744,  1793,  1835,  1952,  1995,  2101, 

2147,  2196,  2244,  2294,  2394,  2440, 

2493,  2539,  2612,  2645 
Zentralkomitee,  Generalversammlung  des, 
zur  Bekämpfung  der  Tuberkulose  1015, 

1145,  1147,  Geschäftsbericht  des  Deut¬ 
schen  —  zur  Bekämpfung  der  Tuber¬ 
kulose  1263,  Deutsches  —  für  Krebs¬ 
forschung  .  1807,  2359 

Zentralnervensystem,  Geschwüste  des,  von 
Rosenblath  535,  Chirurgie  des  —  680, 
protoplasmatische  und  faserige  Stütz¬ 
substanz  des  — ,  von  Spielmeyer  799, 
Variabilität  u.  Vererbung  am  — ,  von 
Karplus  1336,  serologischer  Luesnach- 
nachweis  bei  den  syphilidogenen  Er¬ 
krankungen  des  — ,  von  Plaut  1468, 
multiple  Tumoren  im  — ,  von  Maas 
1953,  Diagnostik  u.  Therapie  der  Ge¬ 
schwülste  im  — ,  von  Oppenheim 
1993,  Neurofibrillen  im  — ,  von  Gier- 

lich  u.  Herxheimer  .  2644 

Zentrosomen  oder  Kernreste  in  den  Ery¬ 
throzyten  des  strömenden  Blutes,  von 

Weidenreich  .  2540 

Zentralverband  deutscher  Industrieller  .  2359 
Zerebrospinalflüssigkeit  bei  Geistes-  und 
Nervenkrankheiten, vonHenkel  799, Ent¬ 
leerung  von  — ,  von  Hoppe-Seyler  1555, 
chemische  Untersuchung  der  — ,  von 
Kutscher  u.  Rieländer  2146,  Zellstudien 
der  — ,  von  Pappenheim  2437,  Chemie 
der  — ,  von  Lehndorff  u.  Baumgarten  2494 
Zerebrospinalmeningitis  s.  a.  Genickstarre, 
Meningitis. 

Zerebrospinalmeningitis  von  Osler  1398, 
von  Eider  und  Jevers  1398,  von  v.  Hibler 
1 746,  epidemische  — ,  von  Neisser  754, 
Bakteriologie  der  epidemischen  — ,  von 
Krayer  812,  Nasopharynx  als  Infektions¬ 
träger  bei  — ,  von  Fraser  und  Comrie 
2395,  systematische  Lumbalpunktion 
in  der  Behandlung  der  — ,  von  v.  Bökay 
2442,  Epidemie  von  — ,  von  Robert¬ 
son  .  2444 


1907. 


Seite 

Zerquetschung  der  Unterextremität,  von 

Imbert . 1498 

Zervikalmyom,  eingeklemmtes,  von  Pape  1340 
Zervixdilatation,  beste  Methode  der,  von 

Jardine . 1852 

Zervixmyom  und  seine  Behandlung,  von 

Haultain . 1650 

Zervixtuberkulose,  papilläre  — ,  von  Maly  2492 
Ziemssen-Denkmal  in  München  .  .  1069,  1111 
Ziliatendysenterie,  von  Rheindorf  .  .  .  2540 
Zinnfiliformsonden,  von  Delamotte  .  .  .  1653 
Zirkulation,  künstliche,  von  Kuliabko  .  .  2202 
Zirkulationsapparat,  Verschlimmerung  von 
Krankheiten  des,  durch  Unfälle,  von 

Feilchenfeld . 1003 

Zitrophen  s.  a.  Citrophen. 

Zitrophenvergiftung,  akute,  von  Heyde  .  1640 
Zoekum,  Karzinom  des,  von  Wendel  100, 
Lymphsystem  des  —  und  des  Wurm¬ 
fortsatzes,  von  Jamieson  und  Dobson  1695 
Zoekumblähung  bei  karzinomatöser  Strik- 

tur  des  Dickdarms,  von  Molek  .  .  .  1837 
Zöliotomierte,  Aufstehen  von,  von  Hartog  134 
Zölomepitheleinstülpung,  von  Peters  .  .  1495 
Zucker  im  nephritischen  Hydrops,  von 
Bibergeil  131,  Nachweis  von  —  im 
Urin  vermittelst  der  Plainesschen  Lö¬ 
sung,  von  Schwarz . 1185 

Zuckerbestimmung,  für  die  Praxis  geeig¬ 
nete  quantitative,  von  Grube  1079, 

quantitative  — ,  von  Engel . 1284 

Zuckerkrankheit  und  ihre  Behandlung, 

von  v.  Noorden  . 1832 

Zuckerökonomie  im  Tierkörper,  von  Lüthje  955 
Zuckerprobe  bei  der  Untersuchung  für 
Lebensversicherungen,  von  Kellas  und 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


Seite 

Wethered  39,  neue  — ,  von  Fenton  688, 
Fehlerquellen  der  Fehlingschen  — , 

von  Maclean . 2199 

Zunge,  Amyloidtumoren  der,  von  Gross 
181,  rhythmische  Fraktionen  der  — , 
zur  Wiederbelebung,  von  d’Halluin  .  .  2203 
Zungengrund,  glatte  Atrophie  des,  von 


Fraenkel . 287 

Zungenkarzinom,  von  Merkel . 1408 

Zungenkrampf,  von  Pappenheim  ...  384 

Zungenkrebs,  von  Berger  51,  vonFournier 
52,  Behandlung  des  — ,  von  Küster 
533,  —  bei  syphilitischen  Rauchern, 

von  Yilanova . 1551 

Zungenpfeife,  von  Garten . 1956 

Zungentuberkulose,  Diagnose  der,  von 

Dalla  Vedova . 1251 

Zungenulzerationen,  von  Kreuter  ....  1408 
Zwangserziehungsgesetz,  Vollzug  des,  im 
Jahre  1905  .  246 


7  wangsvorsteilungsneurose,  Polyzythämie 
und,  von  Cassirer  und  Bamberger  .  1893 
Zwerchfell,  Einfluss  des  Tiefstandes  des 
—  auf  den  Blutkreislauf,  von  Wenke- 
bach  1050,  extremer  Hochstand  des  — , 


bei  Ileus,  von  Hauser . 1455 

Zwerchfellhernien,  von  Risel  637,  —  mit 
Röntgenuntersuchung,  von  Kienboeck  1293 
Zwerchfellverletzungen  und  Zwerchfell- 

hermien,  von  Iselin  • . 1393 

Zwergin,  von  Döderlein  963,  rhachitische 

— ,  von  Veit .  99 

Zwergwuchs  infolge  prämaturer  Synostose, 

von  Guleke . 1835 

Zwillinge,  monamniotische,  von  Piltz  183, 
ungewöhnliche  Entwicklungsdifferen¬ 
zen  von  — ,  von  Hartog . 1787 


LXXXl 


Seite 

Zwillingsgeburt,  Geburtshemmnis  bei,  von 

Boermer . 2147 

Zwillingshäufigkeit,  von  Prinzing  ....  2439 
Zwillingsschwangerschaft  mit  heterotopem 

Sitz  der  Früchte,  von  v.  Neugebauer  .  1044 
Zwischenstufen,  Jahrbuch  der  sexuellen, 

von  Hirschfeld  .  • . 1645 

Zyanose,  allgemeine  und  lokale,  von  Oliver  538 

Zyklopie,  von  Unger . 2612 

Zylindrurie  und  Albuminurie,  von  Asch  .  2467 
Zyste,  von  Albrecht  1608,  —  des  Labium 

minus,  von  Flatau .  633 

Zystenhygrom,  multilokulares,  von  Arning  1059 
Zystennieren,  kongenitale,  von  Hueter  .  906 
Zystitis  im  Kindesalter,  von  Langstein  1111, 

—  durch  Bact.  coli  im  Kindesalter,  von 
ValaguBsa  1955,  diffuse  inkrustierende 
— ,  von  Lichtenstern  2103,  Entstehung 

der  —  cystica,  von  Giani .  2493 

Zystizerken,  des  IV.  Ventrikels,  von  Versö 
293,  von  Stern  796,  —  im  IV.  Ven¬ 
trikel  als  Ursachen  plötzlicher  Todes¬ 
fälle,  von  Verse . 509 

Zystographie  und  Pyelographie,  von  Völker 

und  v.  Lichtenberg . 182 

Zystopurin,  von  Loose  . 184 

Zystoskop,  von  Mirabeau  2305,  —  zur 
Stereoskop]  sehen  Auf  nähme,  von  Jakoby 
1408,  Behandlung  der  Blasentumoren 

mit  dem  — ,  von  Luys .  2459 

Zystoskopie,  Füllung  der  Blase  mit  Sauer¬ 
stoff  zur,  und  Radiographie,  von  Burk¬ 
hardt  und  Polano .  20 

Zystoskopische  Bilder,  von  Gauss  ....  1344 


IV.  Aus  Instituten,  Kliniken,  Krankenhäusern,  aus  Vereinen,  Versammlungen  etc. 


Seite 

Altona:  Städt.  Krankenhaus,  Chirurgische  Abteilung  .  .  1732,  2036 


Badenweiler:  Kuranstalt  „Villa  Hedwig“ .  2020 

—  Haus  für  Lungenkranke  Villa  PaÄl . 313 

Bayreuth:  Städt.  Krankenhaus . 1640 

Berlin:  I.  medizinische  Klinik  der  k.  Charitd .  782,  1713 

—  Universitäts-Frauenklinik  der  k.  Charitö  ....  315,  1923,  2265 

—  Kinderklinik  der  k.  Charitö . 617 

—  I.  medizinische  Universitäts-Klinik .  2222 

—  Chirurgische  Universitäts-Klinik . 1627 

—  Universitäts-Frauenklinik . 1368 

—  I.  Uni versitäts- Augenklinik . 1761,  2132 

—  Chemische  Abteilung  des  Pathologischen  Instituts  der  Uni¬ 
versität  .  .  • . 1725 

• —  Experimentell-biologische  Abteilung  des  K.  Pathologischen 

Institutes  der  Universität  .  2595 

—  Medizinisch-poliklinisches  Institut  der  Universität  ....  203 

—  Uni  versitäts- Poliklinik  für  Hautkrankheiten . 1926 

■ —  Hygienisches  Institut  der  Universität . 2414 

—  Institut  für  Infektionskrankheiten  . 223 

— -  Institut  für  Krebsforschung  .  . . 1178 

—  Seminar  für  soziale  Medizin .  .  .  700 

—  I.  medizinische  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  Fried- 


—  Bakteriologisches  Laboratorium  des  städt.  Krankenhauses 

Friedrichshain . 1161 

—  Chirurgische  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  am  Urban  931 

—  Friedrich-Wilhelms-Hospital . 1775 

—  Ortskrankenhaus  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  .  21 

■ —  Städt.  Siechenanstalten . 1775 

—  Prof.  Strauss’  Poliklinik  für  innere  Krankheiten . 460 

—  Dr.  Albus  Privatklinik  für  innere  Krankheiten  . 1272 


Seite 

Berlin:  Medizinische  Gesellschaft  50,  147,  196,  243,  396,  492,  500, 

548,  631,  690,  965,  1014,  1210,  1261,  1309,  1408,  1454,  1507, 

1558,  2259,  2355,  2403,  2461,  2556,  2615,  2647 

—  Verein  für  innere  Medizin  41,  147,  238,  339,  444,  549,  645,  807, 

1014,  1203,  1264,  1304, 1454, 1508,  2260,  2355,  2502,  2548,  2651,  2647 

—  Brandenburger  Aerztekammer  ....  • .  1110,  2405 

Bochum:  Elisabethhospital,  innere  Abteilung .  2420 

Bonn:  Medizinische  Universitäts-Klinik .  773,  817 

—  Laboratorium  der  medizinischen  Universitäts-Klinik  .  .  .  714 

—  Medizinische  Universitäts-Poliklinik . 672 

—  Chirurgische  Universitätsklinik .  17 

—  Chirurgische  Universitäts-Poliklinik .  17 

—  Chirurgische  Abteilung  des  Friedrich-Wilhelm-Hospitals  .  657 

—  Herz-Jesu-Hospital . 1876 

Breslau:  Medizinische  Universitätsklinik  354,  869,  1120,  1572, 

1677,  2586,  2637 

—  Chirurgische  Universitätsklinik . 1779 

—  Universitäts-Frauenklinik .  1266,  1787,  1974 

—  Universitäts- Augenklinik .  2586 

—  Dermatologische  Universitätsklinik .  110,  305,  1769 

—  Allerheiligenhospital,  dermatologische  Abteilung  .  .  1980,  2038 
Charlotten  bürg:  Innere  Abteilung  des  Krankenhauses  .  .  457 
Chemnitz:  Medizinische  Gesellschaft  632,  691,  752,  808,  2451.  2502 

C  o  b  1  e  n  z  :  Ärzteverein . 758 

Dortmund:  Städtisches  Louisenhospital . 403 

—  Krankenhaus  der  Barmherzigen  Brüder . 169 

Dresden:  I.  innere  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Friedrich¬ 
stadt  .  406,  1857,  2383 

—  Stadtkrankenhaus  Friedlichstadt,  I.  Chirurg.  Abteilung  1232,  1857 

„  „  Pathologisches  Institut  .  1232 

—  Innere  Abteilung  des  Stadtkrankenhauses  Johannstadt  .  .  1868 

—  Innere  Abteilung  des  Krankenhauses  der  Diakonissenanstalt  2597 


11 


.XXXII 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 

Dresden:  Städtische  Heil-  und  Pflegeanstalt . 120 

—  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  41,  140,  188,  239, 

387,  438,  493,  541,  589,  753,  809,  857,  906,  960,  1012,  1057, 

1151,  1203,  1798,  2355,  2451,  2503,  2549 
Düsseldorf:  Klinik  für  Frauenheilkunde  und  Geburtshilfe 

1217,  1228 

—  Klinik  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  der  stüdt. 

Krankenanstalten . .  1738,  2385 

• —  Akademische  Klinik  für  Augenheilkunde .  2427 

—  Städtisches  Baracken-Krankenhaus . 318 

—  Evangelisches  Krankenhaus .  73 

—  Privatlaboratorium  von  Dr.  Wederhake .  2030 

E  r  f  urt:  Chirurgisch-orthopädische  Heilanstalt  des  Dr.  Langcmak  1380 
Erlangen:  Chirurgische  Universitätsklinik  ....  415,  938,  1124 

—  Universitäts-Frauenklinik .  321,  1433,  1465 

—  Universitätsklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkrank¬ 
heiten  .  2232 

—  Pathologisches  Institut .  1277 

—  Hygienisch-bakteriologisches  Universitätsinstitut . 1914 

—  Ärztlicher  Bezirksverein  ....  240,  633,  753,  1408,  1455,  2163 

Flensburg:  Diakonissenanstalt .  2471 

Frankenthal:  Kreis-Kranken-  u.  Pflegeanstalt  der  Pfalz  779,  2134 
Frankfurt  a.  M. :  Kgl.  Institut  für  experimentelle  Therapie 

821,  1665,  1720,  1921 

—  Medizinische  Abteilung  des  Ileilig-Geist-Hospitals  972,  1481, 

1929,  2269 

—  Chirurgische  Abteilung  des  städtischen  Krankenhauses  .  .  1173 

—  Klinik  für  Hautkranke  des  städt.  Krankenhauses  .  1184,  1583 

—  v.  Neufvillesches  Kinderhospital . 466 

—  Poliklinik  für  Nervenkranke . 466 

—  Ärztlicher  Verein  42,  98,  190,  340,  388,  439,  496,  692,  754,  ’ 

908,  961,  1099,  1305,  1552,  1608,  1799,  1843,  2303,  2453, 

2505,  2551,  2616,  2648 

Freiburg  i.  B. :  Medizinische  Universitätsklinik  310,  507,  716,  881 

—  Universitäts-Frauenklinik .  157,  165,  1475,  1969 

—  Psychiatrische  Universitätsklinik . .  1385,  2313 

—  Dermatologische  Universitätsklinik . [  1932 

—  Physiologisches  Universitätsinstitut . 1385 

—  Pathologisches  Universitäts-Institut .  775}  1866 

—  Hygienisches  Institut . 52 5’  1571 

—  Medizinische  Abteilung  des  chemischen  Universitäts-Labo¬ 
ratorium  . 8g6 

—  Verein  Freiburger  Aerzte  .  .  .  .439,  634,  962,  1100,  *11*52,  1701 

Fulda:  Landkrankenhaus .  174  2599 

Gelsenkirchen:  Institut  für  Hygiene  und  Bakteriologie  .  .  !  932 
Giessen:  Medizinische  Universitäts-Klinik . 1785 

—  Universitäts-Frauenklinik . .  .  .  .  ’  *  4g2 

—  Poliklinik  für  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkranke  ’  .  2522 

Göttingen:  Universitäts-Klinik  für  psychische  und  Nerven¬ 
krankheiten  . 1479 

—  Universitäts-Poliklinik  für  Nasen-  und  Ohrenkranke  .  .  .  2130 

—  Provinzial-Heil-  und  Pflegeanstalt . 1822 

Gotha:  Chirurgische  Abteilung  des  herzoglichen  Landkranken¬ 
hauses  . .  _  1825 

Greifswald:  Medizinische  Universitäts-Klinik . 1377 

—  Chirurgische  Universitäts-Klinik  ....  923,  1172,  2077,  2124 

—  Universitäts-Kinderklinik . \  I934 

—  Chirurgische  Universitäts-Poliklinik  .  .  .  ]  ......  \  923 

—  Medizinischer  Verein .  543,  ’  693,'  754^  1702 

Halle:  Medizinische  Universitäts-Klinik . .  .  512 

—  Chirurgische  Universitäts-Klinik .  2373 

—  Universitäts-Nervenklinik .  |  2185 

—  Universitäts-Ohrenklinik . 23 

—  Universitäts-Poliklinik  für  Hautkrankheiten*  .'  .  .  .  !  !  1023 

—  Hygienisches  Universitäts-Institut  .......  823,  1622,  1774 

—  Pharmakologisches  Universitäts-Institut . ’  1219’  1441 

—  Verein  der  Aerzte  99,  141,  241,  543,  634,  693,  756,  909,  1059* 

„  „  1554,  1610,  1800,  1844,  1904,  2453 

Hamburg:  Allgemeines  Krankenhaus  Hamburg-Eppendorf  761, 

,  .  832,  978,  1116,  1638 

1  ath< (logisches  Institut  des  Allgemeinen  Krankenhauses 
Hamburg-Eppendorf . H67,  157g 

—  Chemisches  Laboratorium  des  Allgemeinen  Krankenhauses 

Hamburg-Eppendorf .  258,  1235,  1580,  2335 

—  Abteilung  für  experimentelle  Therapie  des  Allg.  Kranken¬ 
hauses  Hamburg-Eppendorf .  2589 

—  Allgemeines  Krankenhaus  St.  Georg . 1314 

TT  „  >>  ,  »  »  „  ,  H.  med.  Abteilung  .  1424 

—  Haienkrankenhaus .  2229 

Institut  für  Schilfs-  und  Tropenkrankheiten  ......  .  1065 

—  Kinderspital  Hamburg-Bergfelde . *  1679 

Säuglingsabteilung  des  Hamburgischen  Waisenhauses  .  .  553 
Lupusheilanstalt  für  Kranke  der  Landesversicherungsanstalt 

der  Hansastädte . 1382 

Röntgeninstitut,  von  Dr.  Albers-Schön'berg  und  Dr.  Haenisch  661 
Aerztlicher  Verein  141,  286,  390,  441,  543,  590,  695  755 
909, 1059, 1100, 1153, 1345,  1409,  2117,  2212,  2403,  2454,  2506,’  2617 


Seite 

Hamburg:  Biologische  Abteilung  des  ärztlichen  Vereins  287,  340, 

441,  496,  635,  810,  1205,  1306,  1346,  1410,  1501,  1800,  2260, 

„  .  .  ,  t  2304,  2404,  2454 

Heidelberg:  Medizinische  Universitätsklinik.  ...  64,  1569,  2513 

—  Chirurgische  Universitätsklinik . ’  167 

—  Orthopädisch-chirurgische  Klinik .  2326 

—  Universitäts-Frauenklinik  ...  . . 93g 

—  Universitäts-Augenklinik . 452 

—  Universitäts-Kinderklinik . ’  670 

—  Physiologisches  Institut .  2581 

—  Institut  für  experimentelle  Krebsforschung . 2317 

—  Pharmakologisches  Institut . 1421 

—  St.  Josephshaus . 1317 

—  Naturhistorisch-Medizinischer  Verein  289,  342,  390,*441,*497, 

812,  859,  1455,  1610,  1961,  2012 

Jena:  Medizinische  Universitätsklinik .  2093,  2179 

—  Chirurgische  Universitätsklinik . 649*  2365 

—  Medizinische  Universitäts-Poliklinik . \  1281 

—  Naturwissenschaftlich-medizinische  Gesellschaft  43,  343, 

.  n  912,  1456,  1503,  1844 

Kaiserslautern:  Aussenstation  Kaiserslautern  der  k.  bakte¬ 
riologischen  Untersuchungsanstalt  Landau . 1783 

Karlsruhe:  Chirurgische  Abteilung,  des  städt.  Krankenhauses  1688 

—  Chirurgische  Abteilung  des  neuen  Vinzenziushauses  .  .  .  1631 

Kassel:  Elisabetb-Krankenbaus .  2483 

Kiel:  Universitäts-Frauenklinik  ...  . . 885 

—  Universitäts-Augenklinik . ’  1581 

—  Medizinische  Universitäts-Poliklinik . 449 

—  Anscharkrankenhaus . .  4989 

—  Heinrich-Kinder-Hospital . 449 

—  Physiologischer  Verein  .  292,  343,  442,  962,  1207,  161lj  1750 

—  Medizinische  Gesellschaft  1014,  1060,  Hol,  1504,  1554,  1962,  2012 

Kissingen:  Chemisch  -  bakteriologisches  Laboratorium  von 

Dr.  E.  Kraft . H85 

Köln:  Augusta-ITospital . ’  .  ‘  *  358 

—  Bürgerspital  (Abteilung  Bardenheuer) . 668 

Chirurgische  Abteilung  des  Bürgerhospitals . 514 

—  Innere  Abteilung  des  evangelischen  Krankenhauses  .  .  .  265 

—  Allgemeiner  ärztlicher  Verein  142,  1102,  1504,  1555,  1611, 

...  .  1657,  1703,  1751,  2455,  2506 

Königsberg  i.  Pr.:  Medizinische  Universitäts- Klinik . 1330 

—  Medizinische  Universitäts-Poliklinik .  2465 

—  Chirurgische  Universitätsklinik  .  . .  408*,  1872,  2081 

Laurahütte:  Knappschaftslazarett . ’  1333 

Leipzig:  Medizinische  Universitätsklinik . 1513 

—  Chirurgische  Universitätsklinik . 1630 

—  Universitäts-Frauenklinik . ’  2037,  2361 

—  Psychiatrische  Universitätsklinik . 834 

—  Universitätskinderklinik .  5  1884 

—  Medizinische  Poliklinik  . 219  671*  2283 

Medizinische  Poliklinik,  Abteilung  für  Hautkrankheiten  .  .  2641 

—  Chirurgisch-poliklinisches  Universitäts-Institut  .....  1981 

—  Pathologisches  Institut .  509  1473  1593 

—  Städtische  Heilanstalt  Dösen  ]  371 

—  Nervenpoliklinik  des  Albert-Zweigvereins . *  2641 

—  Medizinische  Gesellschaft  43,  99,  193,  293,  545,  636,'  695,  913, 

„  1102,  1555,  1704,  1752,  1845,  2507 

—  Gesellschaft  sächsisch-thüringischer  Kehlkopf-  und  Ohren- 

.  ärzte .  49,  195,  643,  1210 

Limburg  a.  d.  Lahn:  Krankenhaus . .  .  557 

Ludwigshafen:  Städtisches  Krankenhaus .  24*175,  1439 

Lübeck:  Allgemeines  Krankenhaus,  chirurgische  Abteil.  .  .  !  1989 
Magdeburg:  Innere  Abteilung  der  städtischen  Krankenanstalt 

M.-Sudenburg . 214 

Chirurgische  Abteilung  der  städtischen  Krankenanstalten 

M.-Sudenburg .  3g2 

Chirurgische  Abteilung  des  städt.  Krankenhauses  Altstadt  1633 

—  Medizinische  Gesellschaft  45,  100,  143,  194,  293,  639,  697, 

,  756,  813,  862,  1657,  1707 

Mainz:  St.  Rochusspital,  innere  Abteilung .  2238 

Mannheim:  Wöchnerinnenasyl .  '  131 

Marburg:  Universitäts-Augenklinik . 353 

—  Psychiatrische  Universitätsklinik .  1815 

—  Aerztlicher  Verein  .  .  101,  294,  390*.  640,  697,  1208,  1505]  1754 

Meiningen:  Georgenkrankenhaus . 211 

München:  I.  Medizinische  Universitätsklinik  1431,  1437,  15*87,' 

TT  ,,  ^  ,  TT  .  .  1766,  1916,  2268 

—  11  Medizinische  Universitätsklinik  .  327,  872,  1675,  2182, 

ft,  .  .  ,  2240,’  2583 

—  Chirurgische  Klinik . 313  1824 

—  Universitäts-Frauenklinik .  *  2092 

—  Universitäts-Kinderklinik  1026,  1517,*  1*78*2, *21169,  *2223’  2592 

—  Psychiatrische  Universitätsklinik . 1488 

— •  Universitäts-Ohrenklinik . ’  2276 

—  Medizinische  Poliklinik . ’  "  *  1030 

—  Orthopädische  Universitäts-Poliklinik .  654*  834 

—  Physikalisch-therapeutisches  Universitätsinstitut  !  !  !  .  !  1068 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXXIII 


Seite 

München  II:  Pathologisches  Universitätsinstitut . 1988 

—  Hygienisches  Institut  der  Universität .  249,  981,  2592 

—  Prosektur  des  städtischen  Krankenhauses  r.  I.  .  .  .  1573,  17h0 

—  k.  Zentralimpfanstalt  . 1086 

—  Städtisches  Krankenhaus  r.  I.,  chirurg.  Abteil .  2089 

—  Garnisonslazarett .  2085 

—  Hofrat  D.  Theilhabers  Frauenheilanstalt . 1126 


—  Dr.  Fromms  Ambulatorium  für  Kinderkrankheiten  ....  75 

—  Röntgeninstitut  der  Kuranstalt  Neuwittelsbach . 1083 

—  Aerztlicher  Verein  48,  296,  914,  1003,  1153,  1658,  1846,  1904, 

1962,  2164,  2551,  2618 

—  Gesellschaft  für  Morphologie  und  Physiologie  ....  146,  345 

—  Gynäkologische  Gesellschaft  145,  345,  698,  1307,  1411,  1707, 

2305,  2553 

—  Freie  Vereinigung  von  Frauenärzten . 1506 

—  Gesellschaft  für  Kinderheilkunde  48,  499,  1004,  1155,  1308,  1557 

—  Aerztlicher  Bezirksverein  52,  701,  915,  1110,  1156,  1262, 

1461,  2621 

—  Neuer  Standesverein  Münchener  Aerzte  244,  645,  1157, 

1509,  2508 

—  Abteilung  für  freie  Arztwahl  des  ärztlichen  Bezirksvereins 

53,  645,  1109,  1854,  2214,  2357,  2508,  2650 

—  Sektion  München  des  Leipziger  Verbandes  ....  302,  2621 


Nürnberg:  Allgemeines  Krankenhaus . 725 

—  Städt.  Krankenhaus.  Chirurgische  Abteilung . 1327 


—  Aerztlicher  Verein  242,  298,  591,  641,  756,  814,  963,  1104, 

1209,  1964,  2013,  2118,  2618,  2649 

—  Medizinische  Gesellschaft  und  Poliklinik  298,  393,  546,  642, 
1105,  1155,  1210,  1457,  1506,  1756,  1801,  1849,  2553,  2619,  2649 


—  Aerztlicher  Bezirksverein .  966,  1110,  1560 

Osnabrück:  Provinzial-Hebammenlehranstalt .  2473 

Rixdorf:  Städt.  Krankenhaus . 1820 

Rostock:  Universitäts-Ohren-  und  Kehlkopfklinik . 1681 

—  Aerzteverein .  242,  863,  1105,  1850,  1906,  1965 

Strassburg:  Medizinische  Universitätsklinik.  .615,  767,  1164,  2517 

—  Universitäts-Kinderklinik . 1435 

—  Universitäts-Kinder-Poliklinik  .  .  • . 1435 

—  Pathologisches  Universitäts-Institut  .  .  .  1164,  1985,  2135,  2189 

—  Hygienisches  Universitäts-Institut .  1078,  1471 

—  Medizinische  Abteilung  II  des  Bürgerspitales  ....  264,  2095 

—  Naturwissenschaftlich-Medizinischer  Verein  195,  1106,  1156, 

1308,  1457,  2356,  2456 

—  Unterelsässischer  Aerzteverein  .  . .  49 

Stuttgart:  Innere  Abteilung  des  Marienhospitals . 363 

—  Chirurgische  Abteilung  des  Katharinenhospitals .  2480 

Tübingen:  Medizinische  Universitätsklinik  .  .57,  1673,  2074,  2519 


—  Medizinisch  -  Naturwissenschaftlicher  Verein  299,  394,  443, 

500,  963,  1309,  1458,  1708,  1802 

Uchtspringe:  Chemisches  Laboratorium  der  Landes-Heil-  und 


Pflegeanstalt . 2640 

Wiesbaden:  Augenheilanstalt . 474 

Witten:  Evangelisches  Diakonissenhaus . 566 

Würzburg:  Chirurgische  Universitäts-Klinik  ....  20,  1872,  2035 

—  Universitäts-Frauenklinik .  20,  1522,  1731 

—  Hygienisches  Universitäts-Institut . '.  .  .  .  1922 

—  Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  243,  300, 1557,  1612, 

(  1660,  2456 

—  Militärärztliche  Gesellschaft . 1128 

—  Aerzteabend . 1013,  1106 


79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Dresden 

Allgemeine  Sitzungen . 

Abteilung  für  innere  Medizin .  2002,  2062,  2110, 

„  „  Chirurgie .  2004,  2062,  2113, 

„  n  Geburtshilfe  u.  Gynäkologie  .  .  2006,  2065, 

„  „  Kinderheilkunde .  2008,  2116,  2209, 

,  „  Geschichte  der  Medizin  u.  der  Naturwissen¬ 
schaften  .  2061, 

24.  Kongress  für  innere  Medizin  zu  Wiesbaden  901,  951,  1007, 
36.  „  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie  zu  Berlin 

804,  852,  904,  957, 

6.  „  „  „  „  für  orthopäd.  Chirurgie  750, 

3.  Kongress  der  Deutschen  Röntgengesellschaft  zu  Berlin  749, 

13.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie  593, 

1149,  1195,  1254,  1298,  1341, 
Fränkische  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Frauenheilkunde  633, 
Vereinigung  zur  Förderung  des  deutschen  Hebammenwesens 
34.  Zusammenkunft  der  Ophthalmologischen  Gesellschaft  in  Hei¬ 
delberg  . 

16. Versammlung  der  deutschen  Otologischen  Gesellschaft  1 198, 1 259, 

14.  Versammlung  des  Vereins  Süddeutscher  Laryngologen  zu 


Heidelberg .  1500, 

Vereinigung  westdeutscher  Hals-  u.  Ohrenärzte  .  .  .  186,  238, 

Gesellschaft  Deutscher  Nervenärzte .  1156,  1758,  2107, 


13.  Versammlung  mitteldeutscher  Psychiater  und  Neurologen  zu 
Leipzig . 


644 

2002 

2160 

2162 

2115 

2257 

2108 

1052 

1009 

806 

805 

1404 

1699 

1201 

1900 

1304 

1749 

1653 

2156 

2119 


Seite 

32.Wanderversammlung  der  südwestdeutschen  Neurologen  und 

Irrenärzte .  1062,  1401 

Verein  bayerischer  Psychiater .  549,  1014,  2356 

Gesellschaft  für  experimentelle  Psychologie . 1710 

Rheinisch- westfälische  Gesellschaft  für  innere  Medizin  u.  Nerven¬ 
heilkunde  .  . .  140,  338,  1055,  2211,  2258 

7.  Internationaler  Physiologenkongress  zu  Heidelberg  .  .  2153,  2201 

3.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  zur  Bekämpfung  der 

Geschlechtskrankheiten  in  Mannheim . 1200 

28.  Balneologenkongress . 751 

Vereinigung  süddeutscher  Lungenheilanstaltsärzte  zu  Baden- 

Baden  .  1710,  2211 

32.  Versammlung  des  DeutschenVereins  für  öffentliche  Gesundheits¬ 
pflege  zu  Bremen . .  1710,  1959,  2009 

14.  internat.  Kongress  für  Hvgiene  und  Demographie  zu  Berlin 

2008,  2060,  2158,  2204,  2256,  2301,  2353,  2401,  2448 
6.  Hauptversammlung  des  Deutschen  Medizinalbeamten -Vereins 

zu  Bremen .  1614 

Preussischer  Medizinalbeamtenverein,  24.  Hauptversammlung  zu 

Köln  (Programm) . 645 

4.  Landesversammlung  des  Bayerischen  Medizinalbeamtenvereins 

in  München . 2013,  2165 

55.  Mittelrheinischer  Aerztetag . 1403 

27.  Oberrheinischer  Aerztetag .  2500 

34.  Deutscher  Aerztetag  zu  Münster . 1349 

Leipziger  Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer 

wirtschaftlichen  Interessen . 1158,  1310,  1413 

Bayerische  Aerztekammern  .  . .  2559 

Preussische  Aerztekammern  (s.  a.  u.  Berlin) . 1594 

Badische  Aerztekammern  .  2462 


Togo. 

% 

Anecho:  Nachtigall-Krankenhaus  .  , 


2426 


Oesterreich. 


Graz:  Hygienisches  Universitäts-Institut . 1113 

Innsbruck:  Dermatologische  Universitäts-Klinik . 770 

—  Hygienisches  Institut  der  k.  k.  Universität . 601 

Linz:  Krankenhaus  der  barmherzigen  Schwestern . 372 

Prag:  Deutsche  medizinische  Universitäts-Klinik . 969 

—  Deutsche  Universitäts-Frauenklinik . 1976 

—  Hygienisches  Institut  der  Deutschen  Universität . 269 

—  Interne  Abteilung  des  Spitals  der  Barmherzigen  Brüder  .  1728 

—  Verein  deutscher  Aerzte .  2620 


—  Wissenschaftliche  Gesellschaft  deutscher  Aerzte  in  Böhmen 


1211,  1309,  1459,  1709,  1756,  1802,  2261,  2554,  2650 

Szegedin:  Städtisches  Krankenhaus . 1034 

Triest:  II.  innere  Abteilung  des  städt.  Krankenkauses  ....  1786 
Wien:  Klinik  Chrobak . 519,  883 

—  Universitäts-Kinderklinik  .  • .  1179,  2073 

—  Universitäts-Klinik  für  Syphilidologie  und  Dermatologie  .  1270 

—  Universitäts-Ohrenklinik  . 1072 

—  Hygienisches  Universitäts-Institut . 1373 

—  Neurologisches  Universitäts  Institut . 1224 

—  Laboratorium  der  Universitäts-Kinderklinik .  254,  357 

—  II.  medizinische  Abteilung  des  k.  k.  Kaiser  Franz  Josephs- 

Spitales . 220 

—  Maria  Theresia-Frauen-Hospital . *  1032 

—  I.  öffentliches  Kinderkrankenhaus . 1224 

—  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  396,  501,  592,  699,  1107, 

1210,  1411,  1459,  2554 

—  Medizinisches  Doktoren-Kollegium . .  699 

—  Gesellschaft  für  innere  Medizin  und  Kinderheilkunde  396, 

547,  699,  966,  1061,  1107,  1459, 

—  Dermatologische  Gesellschaft . 547 

1.  Kongress  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Urologie  zu  Wien  .  2297 


Schweiz. 

Aarau:  Kantonale  Krankenanstalt,  medizinische  Abteilung  .  2125 
—  ,  _  „  chirurgische  Abteilung  .  .  2525 


Basel:  Medizinische  UniversitätB-Klinik . .  .  .  .  .  .  2188 

—  Chirurgische  Universitäts-Klinik . 1784 

—  Frauenspital  Basel-Stadt  .  1017,  2424 

Bern:  Dermatologische  Universitäts-Klinik .  2275 

Davo  s:  Deutsche  Heilstätte  für  Lungenkranke . 1320 

—  Dr.  Turbans  Sanatorium . 1670 

Zürich:  Medizinische  Universitätsklinik . 1070 

—  Universitäts-Augenklinik . 1590 

—  Pharmakologisches  Universitätsinstitut . 987 


11* 


(XXIV 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


England. 


London:  Aesculapian  Society .  2460 

—  Clinical  Society  of  London . 196  1412  1661 

—  Medical  Society  of  London .  446,  712,  1349,’  1804,’  2555 

—  Obstetrical  Society  of  London .  101  244  2460 

Pathological  Society  of  London . ’  593’  1564 

—  Royal  Medical  and  Chirurgien!  Society . 301,  712’  1804 

—  Society  of  Anaesthetists  . ’  2620 

—  Royal  Society  of  Medicine,  Obstetrical  and  gvnaecological 

Section . 2555 

—  Royal  Society  of  Medicine,  Pathological  Section .  2555 

Edinburgh:  medico-chirurgical  Society .  2460 

75.  Jahresversammlung  der  British  medical  Association  .  .  1851,  1906 


Italien. 

Bologna:  Medico-chirurgische  Gesellschaft .  1108  1348 

Cagliari:  Gesellschaft  für  Medizin  und  Naturwissenschaften  .  1805 
Genua:  Universitätsinstitut  für  allgemeine  Pathologie  .  .  1725 

Mailand:  Gesellschaft  für  Medizin  und  Biologie  ’  ",  ’  ‘  ‘  314 
Modena:  Medico-chirurgische  Gesellschaft  '  H08 

Rom:  Casa  di  cura  für  innere  Krankheiten  von  Prof.  Galli  und 

Dr.  Hornung . . 

Societä  Lancisiana  degli  ospedali  di  Roma  .  1108  13*48  1805 

—  Medizinische  Akademie . ’  1305*  4905 

Siena:  K.  Universitätsinstitut  für  Hygiene  ...  ’  836 

Turin:  Akademie  für  Medizin  1348  1805 

Italienischer  Kongress  für  innere  Medizin .  397^  757’  2401 

Frankreich. 

Paris:  Acadömie  de  mödecine  51,  146,  244,  444,  644,  700  967 

a  aa  •  j  o  •  115B>  1347>  1508>  1559>  1660>  1757,  1803,’  2459 

-  Acad^mie  des  Sciences  196,  301,  445,  548,  700,  1412,  1613,  1908 

—  Sociöte  m4dicale  des  höpitaux  445,  644,  1061,  1347,  1460, 

o  -/.x  ^  i.-  •  1709,’  185L  2405 

-  Sociötö  de  Chirurgie .  196,  244,  548,  1908,  2405 


Seite 


Paris:  Societe  de  biologie  .  .  .  51,  396,  1107,  1613,  1660,  1757  1908 
—  Hospice  de  Bicetre  .  ’ 


------  -•••«• 

9.  französischer  Kongress  für  innere  Medizin  ........  .  2456 

9ü.  französischer  Chirurgenkongress  zu  Paris .  2307  2356 

Vereinigung  französischer  Urologen . *  *  2453 


Belgien. 

.  9 

2.  internationaler  Kongress  für  Säuglingsschutz  zu  Brüssel 


2058 


Dänemark. 

Kopenhagen:  Chirurgische  Abteilung  des  St.  Josephshospitales  69 

Norwegen. 

Christiania:  Chirurgische  Universitätsklinik  B . 539 

Russland. 

St.  Petersburg:  Obuchowsches  Männerkrankenhaus . 875 

Türkei. 

Konstantin opel:  Deutsches  Krankenhaus .  2530 

Amerika. 

St.  Louis:  St.  Louis  Skin  and  Cancer  Hospital . 2598 

Japan. 

Kyoto:  Hygienisches  Universitätsinstitut . 1924 

4  o  k  i  o :  Institut  für  Infektionskrankheiten  ....  •  979 


V.  Abbildungen 


und  Kurventafeln. 


3  KKrankenhausZU  Soltma'nn’  1)16  Säuglingssterblichkeit  im 

?  S,r;,Ttafeln  rU  Sloss“ann’  Statistik  und  Säuglingsfürsorge  8 
Abbildung  zu  Goldflam,  Ein  Fall  von  angeborenen  Fisteln  der 
Unterlippen  . . . 

2  Abbildungen  zu  Fromm,  Zur  Prophylaxe  der  Infektionen’ in 

o  » /r.?,  ”  beräumen  von  Kinderambulatorien  .  7r. 

3  ti  vmUngen  ZU,TH°ff[üann,  Ueber  rudimentäre  Eventration  .*  112 

handlun  ™  Mlfctermaier’  Uie  Hammerzehen  und  ihre  Be- 

4  aS!!jUng  zu  Haupe,  Eine  neue  Milchpumpe . 126 

!  T,  -ZU  P®nker>  Zur  Technik  der  Lumbalanästhesie 
im  Morpluum-Skopolamin-Dämmerschlaf  für  die  Bauch- 
1  und  gynäkologische  Laparotomien  ...  165 

-■  Bildung  zu  Hirschei,  Beitrag  zur  operativen’ Therapie  bei 
1  AK^n8gefahrlAchen  Pr°fusen  Magenblutungen  ...  ;•  137 

körper 8  ZU  Gr°88e’  In  die  Harnröhre  eingeführte  Fr’emd- 

3  Abbildungen  zu  Flesch,  Zur  Pathologie  der  Appendizitis  *  *  207 

1  “pL'in  ^ 

k  »  Ph-iT”8  z“  Bleibtreu,  Scheinbare  Makrochiiie"  bei  Hysterie  26b 
8  Abb,  düngen  zu  Schiele,  Bleikasten  für  Rüntgeiiröhren  268 

1  Abbildung  zu  Iiosenfeld,  Haemato-Pyo-Kolpos  .  ‘  '  '  007 

noTsum "  ™  HUdebrantIt'  Z«  Aetiologie  des  ferythema  97 

2  “o^Ssen"  W  bPeütiven  Behandlung  'der  Kehb  “° 


2  Abbildungen  zu  Nerlich,  Ein  Schlittengestell  für  einen  Kinder¬ 
wagen  ....  . . 

i  ZU  Hochhaus,  Ueber  fustrane  Herzkontraktionen 

1  Abbildung  zu  Vohsen,  Beitrag  zur  Stau-  und  Saugtherapie  in 

Ohr-  und  oberen  Luftwegen . 

2  Abbildungen  zu  Muck,  Aphoristische  Mitteilungen  von  Beobach¬ 

tungen  über  den  Einfluss  der  vom  Gehörgang  aus  durch 
Saugwirkung  hervorgerufenen  Stauungshyperämie  auf  Pauken- 
höhleneiterungen . 

4  Abbildungen  zu  Lengfellner,  Plattfuss-Meta’ll-’  und  Zellüloid- 
Metalleinlagen . 

2  Abbildungen  zu  Hofmann,  Eine  zweite  Art  der  Umsetzung 
von  Längsextension  im  queren  Zug 
1  Abbildung  zu  Kolb,  Die  Sammelforschung  des  Bayeiischen 
Komitees  für  Krebsforschung  über  das  Jahr  1905  .  • 

1  Abbildung  zu  v.  Starck,  Zur  Diagnose  der  Barlowschen  Krank¬ 

heit  (des  kindlichen  Skorbut)  . 

4  Abbildungen  zu  v.  Hippel  und  Pagenstecher,  Ueber’ den"  Ein¬ 
fluss  des  Cholins  und  der  Röntgenstrahlen  auf  den  Ablauf 
der  Gravidität . 

2  Abbildungen  zu  Kroemer,  Operati’ve  Heilung  eines  Anus'  ano- 

malus  vulvovestibularis  bei  einem  Säugling 
1  Ab,bildJunS  zu  Auerbach  und  Grossmann,  Ein  operativ  be¬ 
handelter  Fall  von  Jacksonscher  Epilepsie  . 

1  Abbildung  zu  Struppler,  Ueber  pendelnde  Lipome  des  Sinus 
transversus  perieardii . 

1  Kurventafel  zu  Cremer,  Ueber  das  Saitenel’ektromet’er’  und 
seine  Anwendung  in  der  Elektrophysiologie 


Seite 

373 

401 

409 

413 

419 

421 

422 
450 

452 

462 

466 

472 

505 


0 


1907. 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


LXXXV 


Seite 

8  Kurventafeln  zu  Rubin,  Ueber  den  Verlauf  der  Urobilinurie 

beim  Typbus  abdominalis  . 507 

1  Abbildung  zu  Versö,  Ueber  Zystizerken  im  IV.  Ventrikel  als 

Ursache  plötzlicher  Todesfälle . 509 

2  Abbildungen  zu  Frese,  Ueber  mikroskopische  Würmer  (Rbab- 

ditiden")  im  Magen  einer  Ozänakranken  . 512 

5  Kurventafeln  zu  Vorschütz,  Die  Genickstarre  und  ihre  Behand¬ 
lung  mit  Bierscher  Stauung  und  Lumbalpunktion . 514 

3  Abbildungen  zu  Bull,  Meningocele  vertebrale  mit  Teratoma 

kombiniert . 569 

1  Abbildung  zu  Schilling,  Tumor  des  Brustraums . 591 

2  Abbildungen  zuRothschuh,  Eine  aseptische  Wochenbettbinde  620 

2  Abbildungen  zu  Risel,  Zwerchfellshernien  ...  ....  637 

1  Abbildung  zu  Riedel,  Der  zuverlässigste  Appen  dixschnitt  und 

seine  Verwendung  für  die  Ligatur  der  Art.  iliaca  ext.,  Be¬ 
seitigung  von  Schenkelhernien  und  zu  grösseren  intraabdomi¬ 
nellen  Operationen . 649 

35  Abbildungen  zu  Lange,  Was  kann  der  praktische  Arzt  zur 

Linderung  des  Krüppelelends  tun? .  654,  731 

4  Abbildungen  zu  Janssen,  Die  Verhütung  und  Behandlung  der 

Kotfisteln  nach  Appendizitisoperationen . 657 

3  Abbildungen  zu  Haenisch,  Ueber  die  Röntgenbehandlung  der 

Prostatahypertrophie  und  ihre  Technik . .  .  661 

3  Abbildungen  zu  Goldschmidt,  Eigenschaften  und  Ziele  einer 

neuen  Methode  der  Harnröhrenbesichtigung . 663 

1  Abbildung  zu  Bogen,  Zur  Kasuistik  der  kongenitalen  Luxation 

der  Patella . • . 670 

1  Abbildung  zu  Auerbach,  Ein  neuer  Sensibilitätsprüfer  .  .  .  672 

4  Kurventafeln  mit  4  Abbildungen  zu  Zacharias,  Die  Behandlung 

der  Mastitis  mit  Bierscher  Stauung . 716 

1  Abbildung  zu  Thorei,  Ein  Fall  von  primärem  melanotischem 

Sarkom  der  Rückenmarksmeningen . 725 

13  Kurventafeln  zu  Lenhartz,  Ueber  die  akute  und  chronische 

Nierenbeckenentzündung . 761 

1  Abbildung  und  5  Kurventafeln  zu  Kuhn,  Weitere  Erfahrungen 
mit  der  Hyperämiebehandlung  der  Lungen  vermittels  der 

Lungen- Saugmaske . 782 

1  Kurventafel  zu  Deutschländer,  Die  Hyperämiebehandlung  der 

Knochen-  und  Gelenktuberkulose . 790 

5  Abbildungen  zu  Fabricius,  Ueber  die  operative  Behandlung 

von  Kruralhernien . 826 

1  Kurventafel  zu  Gregor,  Ein  Fall  von  Arzneiexanthem  mit 

ungewöhnlichen  Allgemeinerscheinungen . 834 

2  Abbildungen  zu  Lange,  Künstliche  Gelenkbänder  aus  Seide  .  834 

1  Abbildung  zu  Schade,  Zur  Wirkung  des  Priessnitzschen  Um¬ 
schlags  bei  der  Entzündung  . 865 

1  Kurventafel  zu  Bittorf,  Weitere  Untersuchungen  über  den  Blut¬ 
druck  und  die  Herzhypertrophie  bei  Aortensklerosen  .  .  .  869 

4  Abbildungen  zu  Stern,  Die  Untersuchung  des  Herzens  in 
Beckenhochlagerung,  ein  Hilfsmittel  zur  Diagnose  der  Herz¬ 
krankheiten  . 876 

1  Abbildung  zu  Kroph,  Ein  Fall  von  Dermoidzyste  mit  Usur  der 

Darmwand  durch  einen  nach  aussen  gewachsenen  Zahn  .  883 

4  Abbildungen  zu  Hoehne,  Zur  Vereinfachung  der  v.  Bylicki- 

schen  instrumenteilen  Beckenmessung . 885 

1  Abbildung  zu  Müller,  Elephantiasis  ,-penis  et  scroti . 907 

8  Kurventafeln  zu  Deutschmann,  Ein  neues  tierisches  Heilserum 

gegen  mikrobische  Infektionen  beim  Menschen . 921 

1  Abbildung  zu  Arndt,  Elektromassagehandschuh . 938 

3  Abbildungen  zu  Liepmann,  Die  Benutzung  von  „Rahmen¬ 

taschen“  zum  Mitführen  geburtshilflicher,  gynäkologischer 

und  chirurgischer  Instrumente .  .  939 

3  Abbildungen  zu  Marcus,  Modifikationen  an  einem  zweiblät¬ 
terigem  Vaginalspekulum . 939 

1  Abbildung  zu  Becker,  Eine  Bandage  zur  Fixierung  von  Ver¬ 

bandstoffen  am  Penis . • . 940 

11  Abbildungen  zu  v.  Jaksch,  Ueber  Mangantoxikosen  und  Man- 

ganophobie . •  .  .  969 

51  Abbildungen  zu  Treupel,  Der  gegenwärtige  Stand  der  Lehre 

von  der  Perkussion  des  Herzens .  972,  1037 

2  Abbildungen  zu  Wimmer,  Zur  Kasuistik  der  Darmsteine  .  .  .  1032 

2  Abbildungen  zu  v.  Szöllösy,  Ein  Fall  multipler  neurotischer 

Hautgangrän  in  ihrer  Beziehung  zur  Hypnose . 1034 

1  Kurventafel  zu  Krummacher,  Seltenere  Störungen  der  Schwanger¬ 
schaft  . 1035 

5  Abbildungen  zu  Lengfellner,  Eine  Stahlbandfeder  für  Platt- 

fusseinlagen . 1037 

12  Abbildungen  zu  Groedel  III,  Die  Verwendung  der  Röntgen¬ 

strahlen  zur  Diagnose  der  Magenkrankheiten . 1068 

3  Abbildungen  zu  Kaestle,  Eine  neue  Fixations-  und  Kompressions¬ 

vorrichtung  für  Röntgenographie . 1083 

1  Abbildung  zu  Groth,  Ein  Instrumentarium  für  den  öffentlichen 

Impfarzt . 1086 

2  Abbildungen  zu  Scheven,  Eine  Tamponbüchse  mit  Spulvor¬ 

richtung  . 1086 

4  Abbildungen  zu  Kalb,  Ein  Beitrag  zum  sogenannten  Handgang 

infolge  spinaler  Kinderlähmung . 1124 


Seite 

1  Abbildung  zu  Ritschel,  Ueber  Fingerbeugokontraktur  infolge 

von  traumatischer  Strecksehnenspaltung . 1127 

1  Abbildung  zu  Determann,  Ein  einfaches,  stets  gebrauchfertiges 

Blutviskometer . 1130 

2  Abbildungen  zu  Pfeiffer,  Ueber  Kropfverpflanzung  und  experi¬ 

mentellen  Morbus  Basedow . 1173 

4  Abbildungen  zu  Jahr,  Eine  intraureterale  Methode  zur  Lösung 
eingeklemmter  Harnleitersteine  und  ihrer  Herausbeförderung 

per  vias  naturales . 1181 

1  Abbildung  zu  Frh.  v.  Notthafft,  Die  Legende  von  der  Altertums¬ 
syphilis  . 1187 

1  Abbildung  zu  Neurath,  Zur  Frage  der  angeborenen  Funktions¬ 

defekte  im  Gebiete  der  motorischen  Hirnnerven . 1224 

2  Abbildungen  zu  Holzbach,  Beiträge  zum  Skopolamindämmer¬ 

schlaf  in  der  Geburtshilfe . 1228 

2  Abbildungen  zu  Schümm,  Em  neues  Gärungsröhrchen  zum 

Nachweis  von  Traubenzucker  im  Harn  und  eine  einfache 
sterilisierbare  Sicherheitspipette  . . 1235 

3  Abbildungen  zu  Seufferheld,  Ein  Fall  von  Pleuritis  interlobaris 

serosa . 1281 

1  Abbildung  zu  Markus,  Ein  aseptischer  Katheterisator  ....  1284 

6  Abbildungen  zu  Sudeck,  Ueber  die  Gefässversorgung  des  Mast¬ 
darmes  in  Hinsicht  auf  die  operative  Gangrän . 1314 

2  Kurventafeln  zu  Ziegler,  Die  Frühdiagnose  der  Lungentuber¬ 

kulose  mittels  der  Kochschen  Tuberkulinprobe  in  der  ärztlichen 
Praxis .  .  •  •  1320 

2  Kurventafeln  zu  Potpeschnig,  Ernährungsversuche  an  Säuglingen 

mit  erwärmter  Frauenmilch . 1326 

6  Abbildungen  auf  1  Tafel  zu  Schüffner,  Die  Spirochaeta  pertenuis 

und  das  klinische  Bild  der  Framboesia  tropica . 1364 

1  Abbildung  zu  Henkel,  Zur  Indikation  und  Technik  der 

Hebosteotomie . 1368 

3  Kurventafeln  zu  Soetbeer,  Ausscheidung  „endogener“  Harn¬ 

säure  im  Gichtanfall . 1377 

4  Kurventafeln  zu  Roesle,  Die  Gesundheitsverhältnisse  der 

deutschen  Kolonien  in  statistischer  Betrachtung . 1386 

4  Kurventafeln  zu  Pfaundler,  Ueber  die  Behandlung  der  ange¬ 
borenen  Lebensschwäche . 1417 

21  Abbildungen  zu  Jollasse,  Ueber  den  derzeitigen  Stand  der 

Röntgendiagnostik  bei  Magen-Darmkrankheiten . 1424 

22  Abbildungen  zu  Kienböck,  Selig  u.  Beck,  Untersuchungen  an 

Schwimmern . 1427 

2  Abbildungen  zu  Schwab,  Die  Erfolge  der  Pessartherapie  in 

der  gynäkologischen  Praxis . 1433 

2  Abbildungen  zu  Sittler,  Vergleichend -therapeutische  Versuche 

bei  Rachitis . 1435 

Abbildung  zu  Kämmerer,  Tabes  und  pseudokombinierte  Strang- 

skerlose . 1437 

1  Abbildung  zu  Grosskopff,  Eine  Veränderung  der  Killianschen 
Kanüle  für  Spülung  der  Kieferhöhle  vom  mittleren  Nasen¬ 
gange  aus . 1441 

1  Abbildung  zu  Teuffel,  Ein  neuer  Harnfänger  für  männliche 

Säuglinge . 1531 

6  Abbildungen  zu  Fraenkel,  Ueber'  einen  Fall  von  angeborener 
Dünndarmsyphilis  nebst  Bemerkungen  über  die  ätiologische 

Bedeutung  der  Spirochaete  pallida . 1576 

1  Abbildung  zu  Hess,  Ein  neuer  Apparat  zur  Bestimmung  der 

Viskosität  des  Blutes . 1590 

1  Abbildung  zu  Wiesner  und  Dessauer,  Eine  Verbesserung  der 

Durchleuchtungsblende  speziell  für  die  Zwecke  der  Magen¬ 
untersuchung  . 1591 

5  Kurventafeln  zu  Alzheimer,  Ueber  die  Indikationen  für  eine 

künstliche  Schwangerschaftsunterbrechung  bei  Geisteskranken  1617 

2  Abbildungen  zu  Sticker,  Erfolgreiche Uebertragung  eines  Spindel¬ 

zellensarkoms  des  Oberarms  beim  Hunde  .......  1627 

1  Abbildung  zu  Cremer,  Uober  die  Registrierung  mechanischer 
Vorgänge  auf  elektrischem  Wege,  speziell  mit  Hilfe  des 

Saitengalvanometers  und  Saitenelektrometers . •  .  1629 

1  Abbildung  zu  Ittameier,  Ein  Instrument  zur  partiellen  Exzision 

des  eingewacbsenen  Nagels . 1640 

1  Kurventafel  zu  Baer,  Heilerfolg,  Giftwirkung  und  ospsonischer 

Index  bei  Behandlung  mit  Marmoreks  Antituberkuloserum  1670 

1  Kurventafel  zu  Curschmann,  Ueber  hysterische  Schweisse  .  .  1673 

3  Kurventafeln  zu  Risel,  ein  Beitrag  zur  Statistik  der  Säuglings¬ 

morbidität  . .  1684 

3  Abbildungen  zu  Hofmann,  Vereinfachtes  Extensionsverfahren  1688 

11  Kurventafeln  zu  Kuhn,  Die  Vermehrung  der  roten  und  weissen 
Blutkörperchen  und  des  Hämoglobins  durch  die  Lungcn- 
saugmaske  und  ihre  Beziehung  zum  Höhenklima  .  .  .  .  1713 

2  Abbildungen  zu  Apolant,  Ueber  experimentell  erzeugten  Rück¬ 

schlag  von  Mäusekarzinom  in  den  histologischen  Typus 
des  Adenoms . 1720 

1  Abbildung  zu  Schüffner,  Die  Züchtung  der  Typhusbazillen  aus 

dem  Blute  auf  Gallenagar  . 1722 

2  Abbildungen  zu  Honigmann  und  Schäffer,  Experimentelle  Unter¬ 

suchungen  über  die  Wirkung  der  Bierschen  Stauung  auf  den 
Entzündungsvorgang . • . 1769 


.XXVI 


INHALTS-VERZEICHNIS. 


1907. 


Seite 


1  Abbildung  zu  Graelfner,  Studien  über  Tabes  dorsalis  mit  be¬ 

sonderer  Berücksichtigung  der  Kehlkopfsymptome  (221  Fälle)  1775 

2  Abbildungen  und  9  Kurventafeln  zu  Münzer,  Apparat  zu  ob¬ 

jektiver  Blutdruckmessung ;  gleichzeitig  auch  ein  Beitrag  zur 

Sphygmo-Turgographie . . .  .  i§09 

2  Abbildungen  zu  Krüger,  Zur  Torsion  der  Appendices  epiploicae  1813 

1  Abbildung  zu  Dencks,  Ueber  sogenannte  erworbene  Lymph¬ 

angiome  des  Halses . 1820 

2  Abbildungen  zu  Binder,  Ein  Fall  von  Spina  bifida  occulta  .  .  1825 
t>  Abbildungen  zu  Dessauer,  Schutz  des  Arztes  und  des  Patienten 

gegen  Schädigung  durch  Röntgen-  und  Radiumstrahlen  .  .  1827 

1  Abbildung  zu  Zeller,  Eine  neue  Nadel . 1829 

1  Abbildung  zu  Mader,  Mentholdampfapparat  zur  Behandlung 

des  Katarrhs  der  Tuba  Eustachii . ”  1830 

3  Abbildungen  zu  Ebner,  Vereinfachung  des  Verbandes  nach 
Mammamputation  und  anderen  Operationen  in  der  Achsel¬ 


höhle 


1872 


1913 


1914 

1921 


-  Abbildungen  zu  Becker,  Neuer  Kochsalzsterilisationsapparat 

mjt  Wasserkühlung  und  Höhenverschiebung . 1881 

0  Abbildungen  zu  Quincke,  Ueber  Deckenluft-Ventilation  durch 
Wind . 

2  Abbildungen  zu  Weichardt,  Weitere  Studien  mit  dem  Eiweiss¬ 
abspaltungsantigen  von  Ermüdungstoxincharakter  —  Keno- 
toxin  —  und  seinem  Antikörper.  Aktivierung  protoplasma- 
tischer  Substanz . 

1  Abbildung  zu  Bechhold,  Die  elektrische  Ladung  von  Toxin 

und  Antitoxin . 

1  Abbildung  zu  Jacobi,  Ein  Einreiber  zur  raschen  Ausführung 

der  Schmierkur  mit  Hand-  oder  Motorbetrieb . 1932 

d  Abbildungen  zu  Krönig  und  Gauss,  Anatomische  und  physio¬ 
logische  Beobachtungen  bei  dem  ersten  Tausend  Rücken¬ 
marksanästhesien  .  ^909 

1  Abbildung  zu  Weinbrenner,  Die  Saugbeliandiung  in  der  Gynä¬ 

kologie.  Die  Saugmassage .  1978 

2  Abbildungen  zu  Chaussy,  Ueber  Krauselappen  bei  Ulcus  cruris  1980 
2  Abbildungen  zu  Carlau,  Entfernung  eines  Fremdkörpers  aus 

dem  linken  Bronchus . 1989 

2  Abbildungen  zu  Grosse,  Die  Asepsis  der  Rückenmarksanäs¬ 
thesie  . 199Q 

14  Abbildungen  zu  Lengfellner,  Technik  des  Gips’breiäbdrückes 

(nach  Hoffa-Lengfellner)  bei  Herstellung  von  Plattfusseinlagen  1992 
°  Abbildungen  zu  Lengfellner,  Einiges  über  Zelluloidtechnik  bei 

Herstellung  von  Plattfusseinlagen .  2039 

8  Abbildungen  zu  Haecker,  Beitrag  zur  Behandlung  der  Fremd¬ 
körper  in  der  Speiseröhre .  2077 

o  Abbildungen  zu  Rosenthal ,  Ueber  einen  neuen  Röntgen¬ 
apparat  und  einige  mit  diesem  erzielte  Resultate .  2096 

Abbildung  zu  Melchior,  Fast  totale  Nekrose  des  Leberparen¬ 
chyms  bei  syphilitischer  interstitieller  Hepatitis . 2135 

1  Tafel  zu  Strubeil,  Beiträge  zur  Immunitätslehre :  Ueber  Opsonine  2172 

1  Abbildung  zu  Orth,  Sarkom  und  Trauma . 2190 

1  Abbildung  und  5  Kurventafeln  zu  Emmerich,  Die  Pyozyanase 
als  Prophylaktikum  und  Heilmittel  bei  bestimmten  In- 
fektionskrankheiten . . .  ##  2217  2285 


2225 

2265 


2281 


2285 

2326 

2334 

2353 


2381 


o  .  Seite 

°  Abbildungen  zu  Lazarus,  Experimentelle  Hypertrophie  der 
^  Langerhansschen  Pankreasinseln  bei  der  Phlöridzinglykosurie  2222 

1  Kurventafel  zu  Moro,  Experimentelle  Beiträge  zur  Frage  der 

künstlichen  Säuglingsernährung .  2223 

2  Kurventafeln  zu  Hess,  Die  Bestimmung  der  Viskosität  des 

Blutes  . 

6  Abbildungen  zu  Bab,  Beitrag  zur  Bakteriologie  der  kono-eni 

talen  Syphilis . . 

1  Abbildung  zu  van  Oordt,  Ueber  habituelle  Rotationssublu 

xation  des  vierten  Halswirbels . 

1  Abbildung  zu  Seiffert,  Vorrichtung  zur  qualitativen  und  quan 
titativen  Gasbestimmung  bei  gasentwickelnden  anaeroben 
Bakterien . 

3  Abbildungen  zu  Ewald,  Plattfuss  und  Fusswurzeltuberkulose 

1  Abbildung  zu  Wahl,  Fesselbandmass  für  genaue  Umfang 

messungen . 

2  Abbildungen  zu  Schümm,  Ein  neues  Spektroskop  .* 

3  Abbildungen  zu  Reinke,  Gelungene  Transplantationen  durch 

Aether  erzeugter  Epithelwucherungen  der  Linse  des  Sala 
manders . 

3  Abbildungen  zu  Prausnitz,  Ein  Sterilisationsapparat  für  Labora 

toriumszwecke  unter  Verwendung  von  strömendem  Dampf  2387 

2  Abbildungen  zu  Thörey,  Alter  Fremdkörper  im  Oberkiefer 
als  Ursache  akut  einsetzender  blennorrlioeähnlicher  Binde¬ 
hauteiterungen  .  24^7 

1  Abbildung  zu  Mühlenkamp,  Ueber  einen  interessanten  Fall 

von  einem  Fremdkörper  in  der  Nase .  2429 

2  Abbildungen  zu  Gunsett,  Ein  neuer  Apparat  zur’ Vibratkms- 

massage  der  Prostata .  ...  2429 

1  Abbildung  zu  Grünwald,  Watte-  und  Gaze’kästchen  für  den 
Sprechzimmergebrauch .  2429 

4  Kurventafeln  zu  Rautenberg,  Die  Analyse  der  Extrasystolen 

im  Bilde  der  Vorhofpulsation .  2465 

1  Abbildung  zu  Basler,  Ein  einfacher  Gärungssaccharometer 

für  den  praktischen  Arzt .  2486 

4  Abbildungen  und  9  Kurventafeln  zu  Bine  und  Lissner,  Die* 

Technik  der  Opsoninbestimmung  und  ihre  Anwendung  bei 
Lungentuberkulose . 2513 

5  Abbildungen  zu  Curschmann,  Untersuchungen  über  das 

funktionelle  Verhalten  der  Gefässe  bei  trophisclien  und  vaso¬ 
motorischen  Neurosen .  2519 

9  Kurventafeln  zu  Wiens,  Ueber  die  Antifermentreaktion  des 
Blutes  und  ihre  Beziehungen  zur  opsonischen  Kraft  bei 

akuten  Infektionskrankheiten .  2637 

1  Kurventafel  zu  Fischer  und  Hoppe,  Ueber  Pankreon  ....  2640 
1  Abbildung  zu  Fischer,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Frage  der 
Prognose  beim  Verschlucken  von  Fremdkörpern  mit  un¬ 
günstiger  Oberfläche .  2642 

1  Allbildung  zu  Gloeckner ,  Beitrag  zu  Neuerungen  auf  dem 
Gebiet  der  Hilfsmittel  für  den  geburtshilflichen  Unterricht 


am  Phantom 


2643 


1  Abbildung  zu  Lennhoff,  Zur  Tamponade  der  Nase  und  des 
Nasenrachenraumes .  2643 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Ges.  f.  sofort  od.  1.  Jan. 

Assistent 

f.  gr.  Pr.  m.  Chirurg,  u.  Geburtsh.  1800 M., 
Reise,  völlig,  fr.  St.  Off  u.  M.  E.  6529 
an  Rudolf  Mosse,  München. 

Für  die  ßergische  Volksheilstätte  bei 
Ronsdorf  wird  sofort  eventl.  später  ein 

Assistenzarzt 

gesucht.  Anfangsgehalt  2000  M.  bei 
vollkommen  freier  Station.  Meldungen 
erbeten  an  den  Chefarzt 

Dr.  Pantaenins. 

Evang.  Diakonissenhaus 
Witten  a/d.  Ruhr,  (Westfalen). 

Zum  l.  Januar  oder  später  Assistenz¬ 
arzt  für  die  Chirurg.  Abteilung  gesucht. 
Anfangsgehalt  1200  M.  neben  freier 
Station  und  Wohnung,  steigend  jährl. 
um  200  M.  Reichliches  chir.  Material 
Meldung  an  Oberarzt  Dp.  Boshamer. 

Bekanntmachung. 

An  dem  Landkrankenhaus  zu  Gotha 
wird  per  sofort  die  Stelle  eines 

Assistenz-Arztes 

frei.  Gehalt  bei  völlig  freier  Station  u. 
Wäsche  M.  1200. —  per  Jahr.  Meldungen 
an  das  Landkrankenhaus  zu  Gotha. 

Ich  suche  zum  1.  April  1908  für  meine 
Anstalt  einen 

Assistenzarzt 

mit  psychiatrischer  Vorbildung.  Anfangs¬ 
gehalt  2600  Mk.  jährlich  bei  freier  Station. 

Dr.  f>.  Schiit?. 

Heilanstalt  für  Nerven-  und  Gemüts¬ 
kranke  Hartheck  bei  Gaschwitz- 
_ Leipzig. _ 

Bekanntmachung. 

An  der  Landes-Heil-  und  Pflege¬ 
anstalt  Rittergut  Alt -Scherbitz  bei 
Schkeuditz  (Eisenbahn  Halle -Leipzig) 
ist  die 

Volontärarztstelle 

frei  und  möglichst  bald  wieder  zu  be¬ 
setzen.  Gehalt  1800 M.  neben  vollständig 
freier  Station.  Bewerbungen  unter  Bei¬ 
fügung  eines  Lebenslaufes  und  von  Ab- 
schrilten  der  Approbation  wie  etwaiger 
Zeugnisse  werden  an  den  Direktor 
Geheimen  Sanitätsrat  Dr.  Paetz  erbeten 

Anzeige. 

An  der  Heilanstalt  Dösen  (Leipzig) 
ist  eine 


zu  besetzen.  Gehalt  im  ersten  Jahre 
M.  1800. — ,  dann  M.2100. —  bei  freier 
Station.  Bewerber  werden  gebeten, 
ihr  Gesuch  unter  Beifügung 
des  Approbationsscheines,  etwaiger 
Zeugnisse  und  eines  kurzen  Lebens¬ 
laufes  mit  Angabe  des  Religionsbe¬ 
kenntnisses  an  den  Unterzeichneten 
Anstaltsdirektor  zu  schicken. 

Obermedizinafrat  Dr.  Lehmann. 

Bekanntmachung. 

Im  hiesigen  Mariahilfkrankenhanse 
(äussere  Abteilung  der  städtischen  Kran¬ 
kenanstalt)  ist  eine 

Assisten  z  a  rztstel  le 

sofort  zu  besetzen.  Das  Dien  steinkommen 
beträgt  neben  freier  Wohnung  und  Be¬ 
köstigung  in  der  I.  Speiseklasse  jährlich 
1200  M.  steigend  von  Jahr  zu  Jahr  um 
je  100 M.  bis  1500 M.  Auswärtige  Assisten¬ 
tentätigkeit  kann  bei  Festsetzung  der  Be¬ 
soldung  in  Anrechnung  gebracht  werden. 

Bewerbungen  sind  unter  Beifügung 
der  Zeugnisse  und  eines  kurzen  Lebens¬ 
laufes  an  den  Oberarzt  Geheimen  Sani¬ 
tätsrat  Dp.  Kpabbel  einzusenden. 

Aachen,  den  16.  Dezember  1907. 

Dep  Oberbürgermeister. 

Veltman. 


Die  Stelle  als 


zweiter  Assistenzarzt 

ist  am  1.  Januar  1908  erledigt.  Gehalt  1800  M.  bei  freier  Station  I.  Klasse. 
Nähere  Auskunft,  erteilt  der  Unterzeichnete  Chefarzt. 

Beringlinuseu  hei  Meschede. 


Die  Verwaltung  der  Auguste  Victoria'Knappschafts- Heilstätte. 


Dr.  Tenholt. 


Im  allgemeinen  städtischen  Krankenhause  Nürnberg  erledigt  sich  zum 
15.  Januar  1908  die  Stelle  eines 


in  der  Abteilung  für  Haut-  und  Geschlechtskranke.  Bargehalt  im  I.  Dienstjahre 
1200  Mark,  im  II.  Dienstjahre  1320  Mark,  im  III.  Dienstjahre  1500  Mark  bei  freier 
Station.  Mit  Zeugnissen  belegte  Meldungen  an  die  Krankenüausver- 
waltnng  erbeten. 

Bekanntmachung. 

An  unserer  Städtischen  Nervenheilanstalt  (Stadtasyl)  —  Oberarzt  Herr 
Dr.  med.  Hiifler  —  ist  für  1.  April  1908  eine  Httlfsarztstelle  zu  besetzen. 

Das  Gehalt  eines  Hülfsarztes  beträgt,  wenn  psychiatrische  Vorbildung  vor¬ 
handen,  im  1.  Jahre  2000  M.,  im  2.  2200  M.,  später  ev.  persönliche  Zulage;  ist 
keine  solche  Vorbildung  vorhanden,  so  wird  im  1.  Jahre  1700  M.,  im  2.  2000  M.  und 
im  3.  2200  M.  gewährt.  Im  übrigen  erhält  der  Hülfsa  zt  vollständig  freie  Station. 

Wir  bitten,  Bewerbungsgesuche  unter  Anfügung  von  Zeugnissen  und  An¬ 
gabe  der  Religion,  des  Alters  und  Bildungsganges  baldigst  bei  uns  einzureichen. 

Chemnitz,  am  17.  Dezember  1907. 

Der*  Rat  der*  Stadt  Chemnitz. 

_ Dp.  Stnrm,  Bürgermeister. _ 

Bekanntmachung. 

Betreff: 

Assistenzarzt-  oder  Assistenzärztin- 
Stelle  am  städt.  Sanatorium  Harlaching- 
München. 

Durch  Beschlüsse  der  städt.  Kollegien  vom  17.  und  19.  Dezember  a.  c. 
haben  die  Gehadsbezüge  der  Assistenzärzte  am  staclt.  Fpauensanatopium 
Harlaching-München  eine  Neuregelung  in  dem  Sinne  erfahren,  dass  der 
Aufangsssehait  eines  Assistenzarztes  bei  freier  Station  und  freier  Wohnung 
(2  Zimmer)  auf  1800  Mark  pro  Jahr  festgesetzt,  wurde  unter  jährlichen  Vor¬ 
rückungen  von  je  3u0  Mark  bis  zum  Höchstgehalte  von  8000  Mark  für  den 
jeweils  I.  Assistenzarzt  und  von  2400  Mark  für  den  II.  und  III. 

Durch  Uebertritt  des  5l/s  Jahre  hier  tätigen  I.  Assistenzarztes  in  eine 
leitende  Stellung  und  durch  Uebernahme  einer  grösseren  Praxis  durch  den  bis¬ 
herigen  über  2  Jahre  hierorts  tätig  gewesenen  111.  Assistenzarzt  sind  zwei 
Stellen  vakant  und  vom  1.  Januar  1908  ab  neu  zu  besetzen.  Bewerbern,  welche 
Assistententätigkeit  an  interner  Abtei’ung  oder  Heilstätte  nachweisen  können, 
kann  unter  Umständen  entsprechende  Erhöhung  des  Antangsgehalt.es  in  Aussicht 
gestellt  werden.  Jedoch  ist  eine  derartige  Vorbildung  nicht  erforderlich.  Ver¬ 
pflichtung  auf  1  Jahr,  vierteljährige  Kündigung. 

•  Die  Anstalt  (210  Betten)  ist.  in  ihrer  einen  Hälfte  mit  Lungenkranken  be¬ 
legt,  während  auf  der  anderen  Hälfte  alle  übrigen  zur  Sanatoriumsbehandlung 
geeigneten  Erkrankungsformen  untergebracht  sind,  und  bietet  reichliche  Gelegen¬ 
heit  zur  Ausbildung  in  interner  Medizin  und  physikalischer  Therapie.  Die  An¬ 
stalt  ist  nur  3  Kilometer  von  der  nächsten  Trambahnhaltestelle  entfernt  und  ist 
bis  dorthm  ausreichende  Fahrgelegenheit  durch  Anstalts-Automobil  und  ausser¬ 
dem  Freifahrt  auf  den  städtischen  Trambabnlinien  geboten. 

Anmeldungen  —  womöglich  persönlich  im  Laufe  des  Vormittags  —  unter 
Vorlage  der  Approbation  und  eines  kurzen  Curriculum  vitae  an  den  Oberarzt 
der  Anstalt  erbeten  Körperliche  Gesundheit  Bedingung. 

Am  19.  Dezember  1907. 

Magistrat  der  *.  f?aupt=  und  Residenzstadt  ltlüncben. 

Oberbürgermeister:  Dp.  v.  Borscht. 

Obersekretär:  Scherm. 


J.  F.  LEHMANN’s  Verlag1  in  MÜNCHEN,  Paul  Heyse-Str.  15  a. 


Die 

Einband — Decke 

für  den  2.  Halbjahrsband 

der 

Münchener  Medizinischen  Wochenschrift  1907 


ist  soeben  fertig  geworden. 

Preis  der  Decke  in  Leinwand  mit  Lederrücken  und  -Ecken  Mk.  2.30 
einschliesslich  Postgeld  innerhalb  Deutschlands  und  Oesterreich-Ungarns. 

Einbanddecken  für  ganze  Jahrgänge  lasse  ich  seit  einschliesslich 
1904  nicht  mehr  anfertigen,  da  die  Jahrgänge  jetzt  zu  umfangreich 
Bind,  um  in  einen  Band  gebunden  werden  zu  können. 

Die  Einbanddecke  für  den  I.  Halbjahrsband  1907  kann  ebenfalls 
um  den  Preis  von  Mk.  2.30  einschliesslich  Postgeld  bezogen  werden. 
Die  Einbanddecke  für  den  I.  und  II.  Halbjahrsband  1907  auf  einmal 
bezogen  kosten  Mk.  4.50  einschliesslich  Postgeld. 

Auch  zu  den  früheren  Jahrgängen  sind  Einband-Decken  zu 
beziehen  und  zwar: 

für  je  einen  Halbband  um . Mk.  2.30 

„  je  einen  Gesamtband  zu  haben  bis  mit  1903  um  „  3.30 
einschliesslich  Postgeld  innerhalb  Deutschlands  und  Oesterreich-Ungarns. 


d 


Damen  find,  absolut  discr.  Aufn.  u 
Entbind-  bei  verheir.  Frauenarzt  Thür. 
Kein  Heimbericht.  Off.  u.  J .  M.  9055  bef.  d. 
Exped.  d.  BerlinerTageblatt,  BerlinSW . 

Gute  Landpraxis 

m.  festen  Bezügen  in  Bayern  sogleich 
abzugeben.  Uebernahme  vonFuhrwerk. 
Näh.  unter  31.  W.  6110  bei  RudolfMosse, 
Frankfurt  a,  Main. _ _ _ 

An  der  Lungenheilstätte  Wilhelms¬ 
heim  (Württemberg)  ist  zum  1.  Januar 
1908  eine  der 

yissistenzarztstellen 

neu  zu  besetzen.  Anfangsgehalt  bei 
freier  Station  1500 — 18^0  M.  jährlich. 
Meldungen  mit  Zeugnissen  erbeten  an 
die  Direktion.  Dr.  Eiliesen. 


In  dem  chirurgischen  Krankenhause 
Bergmannstrost  in  Halle  a/S.  (286Betten) 
ist  sogleich  oder  später  eine 

Assistentenstelle 

neu  zu  besetzen.  Gehalt  1400  Mk. 
im  ersten,  1600  Mk.  im  zweiten  und 
1800  Mk.  im  dritten  Jahre  bei  freier 
Station.  Meldungen  an  den  Chefarzt, 
Geheimen  Medizinalrat  Professor 
Oberst  Halle  a.  S. 


Lungenheilstätte  Cottbus 

(110  Betten  für  Frauen) 
sucht  zu  möglichst  sofortigem  Antritt 

Assistenzarzt 

bei  1800  M.  Anfangsgehalt,  steigend  jähr¬ 
lich  um  100  M.  bis  2400  M.  und  völlig 
freier  Station.  Bewerbungen  mit  Zeug¬ 
nissen,  Approbation  und  Lebenslauf  an 
den  dirigierenden  Arzt  Dp.  Bandelier. 


Bekanntmachung. 

Am  staatlichen  hygienischen  Institut 
zu  Bremen  ist  die  Stelle  einer  bakterio¬ 
logischen  Assistentin  zum  1.  März  1908 
zu  besetzen. 

Eine  Approbation  ist  nicht  erforderlich, 
jedoch  eine  gründliche  bakteriologische 
V orbildung.  Das  Gehalt  beträgt  3000  Mark 
jährlich  und  steigt  bis  zu  3600  Mark. 

Bewerbungen  sind  unter  Beifügung 
von  Zeugnisabschriften  und  eines  Lebens¬ 
laufs  bis  zum  31.  Januar  1908  an  uns 
zu  richten. 

Bremen,  den  14.  Dezember  1907. 

Die  Regiernngskanzlei. 

Am  hiesigen  Landeshospital  —  Irren¬ 
anstalt  für  geisteskranke  männliche 
Personen  —  mit  einer  Belegungszahl  von 
850  Kranken  soll  die  neugegründete  Stelle 
eines 

zveiten  yibteilungsarztes 

sobald  als  möglich  besetzt  werden.  Der 
Anfangsgehalt  beträgt  neben  freier 
möblierter  Wohnung  jährlich  3000  M. 
steigend  alle  3  Jahre  um  300 M.  bis  zum 
Höchstgehalt  von  4800  M.  Mit  der  Stelle 
ist  Pensionsberechtigung  unter  Anrech¬ 
nung  früherer  Dienstjahre  in  der  Psy¬ 
chiatrie  verbunden.  Eine  Familienwoh¬ 
nung  steht  vorläufig  nicht  zur  Verfügung. 

Nur  psychiatrisch  vorgebildete  Be¬ 
werber  wollen  ihre  Gesuche^  einreichen 
an  die  Dlpektlon. 

Landeshospital  Haina  (Bez.  Cassel), 
den  6.  Dezember  1907. 


Bekanntmachung. 

Im  Kreiskrankenhause  zu  Dessau, 
(Direktor  Professor  Dr.Liermann,  Betten¬ 
zahl  275)  ist  alsbald  die  Stelle  eines 

Assistenzarztes 

zu  besetzen.  Gewährt  wird  unter  Ver¬ 
pflichtung  auf  1  Jahr,  neben  freier  Station 
I.  Klasse  und  täglich  50  Pfg.  Getränke¬ 
geld,  eine  Barentschädigung  von  1500  Mk. 
im  ersten  und  1800  Mk.  im  zweiten 
Dienstjahr,  eventl.  Anrechnung  ander¬ 
weiter  Dienstzeit  als  approbierter  Arzt. 

Bewerbungen  sind  unter  Beifügung 
von  Lebenslauf  und  Zeugnissen  an  die 
Unterzeichnete  Stelle  zu  richten. 
Dessau,  den  28.  November  1907. 

Die  Verwaltung  des  Kreiskrankenhauses. 

Sachsenberg, 

* 


Assistenzarztstelle 

gesucht  von  kafh.  Arzt.  Bisher  in 
Lungenheilstätten  tätig,  in  Heilstätte 
mit  kath.  Leitung;  Süddeutschland 
bevorzugt  ;  Frühjahr  oder  früher. 

Off.  erbeten  unter  M.  A.  6822 
an  Rudolf  Mosse,  München. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Zur  Unterstützung  in  meiner  grossen 
Stadtpraxis  suche  ich  von  Januar  bis 
Anfang  Mai  1908  einen  approbierten 
Arzt  als 

Assistenten. 

Honorar:  Mk.  300  pro  Monat,  freie 
Wohnung  u.  erstes  Frühstück.  Offerten 
sub  M.  F.  6762  erbeten  an  Rudolf  Mosse, 
München. 

Suche  zu  Anfang  Februar  1908  für 


mein 


Sanatorium 

einen  jüngeren  yissist.-yirzt, 

christl.  Conf.,  der  Interesse  für  physikal.- 
diätet.  Therapie  und  deren  wissenschafl. 
Bearbeitung  hat.  Gefl.  Offerten  mit 
Photogr.  u.  Lebenslauf  baldigst  erbeten. 

Dr.  Rosell,  Ballenstedt  a.  Harz. 


An  der  Yolksheilstatte  Charlottenliohe  hei  Calmbach  im  Würltbe 

bchwarzwald  ist  sofort  eine 


zu  besetzen 

Direktion. 


Assistenzarztstelle 


'■ehalt  1800 M.  bei  freier  Station.  Meldungen  erbeten  an  die 


In  dtr  f  insenklinik,  Berlin,  (100  Betten,  Gelegenheit  zur  Ausbildung  in 
der  gesamten  Radiotherapie,  sowie  in  Haut-,  Harn-,  und  Geschlechtskrankheiten 
wird  per  sofort  gesucht 


freie  Station,  und  M.  50—  monatlich. 
Meldungen  an 


30jähriger  Arzt,  gut  ausgebildet,  von 
angenehmen  Aeusseren,  in  Kranken¬ 
häusern  u  feiner  Privatpraxis 
tätig  gewesen,  sucht  sich  an  einem 
leinen,  gut  gehenden 

Sanatorium 

zu  beteiligen,  an  dem  die  Möglich¬ 
keit  zu  Lichtbehandlung  besteht.  Kapital¬ 
beteiligung  nach  Vereinbarung.  Off.  unt. 
.7.  W.  5369  beförd.  Rudolf  Mosse, 
Berlin  S.W. _ 

II.  Assistenzarzt 


an  grosserer 


(50  Betten) 


Augenheilanstalt 

in  Frankfurt  a.M.  sofort  gesucht.  Gehalt 
M.  1200.  -bei  freier  Station.  Spez.ophthal- 
mologische  Vorkenntnisse  nicht  erforder¬ 
lich.  Bewerbungen  unter  F.  B.  O.  157 
befördert  Rudolf  Mosse.  Frankfurt  a.M. 


Kpl.  Wiirlt.  Heilanstalt  Zwiefalten. 

An  der  hiesigen  Anstalt  ist  sofort  u 
auf  1.  Februar  1908  eine 

“yfcsistenzarztstelle 

zu  besetzen  (5.  u.  6.  Arzt).  Anfangs¬ 
gehalt  bei  völlig  freier  Station  u.  Ver¬ 
pflegung  in  1.  Klasse  1970  Mark  jährlich, 
u.  ausserdem  200  Mark  Getränkeent¬ 
schädigung.  Bewerbungen  sind  mit 
Zeugnissen  belegt  bei  der  Direktion 
einzureichen. 


1)  Assistent, 

nofwenTd<igk°mmen  ****  Stali°n  Und  Honorar-  Sozialistische  Vorbildung  nicht 

F* raktikant, 

i\  M  PiA  ™  ~~  ~  ti:  „i,  7 

_ Pr^Nagelschmidt,  Berlin. 

Bekanntmachung-. 

Hprr  Prnf^^ri1  Stadtk™nkenhanse  ist  auf  der  inneren  Abteilung  (Oberarzt 
Hi«fs«»^?/on  emenS2  a  !ba  d  kez-  am  1.  Januar  oder  1.  Februar  1908  eine 
llnlfsarztstelle  zu  besetzen,  desgleichen  eine  solche  Hfllfsarztstelle  auf 
der  dermatol.-ven.  Abteilung  (Oberarzt  Herr  Dr.  Richter)  und  zwar  da 

?908tetZhge  St®llen,nhaber  sch°n  vor  Ablauf  der  ‘/«jährl.  Kündigungsfrist  (1.  Februar 
1908)  abzugehen  wünscht,  so  bald  als  möglich  oder  am  1.  Februar  1908  Das 
Gebi ap  emer  Hülfsarztstelle  beträgt  bei  freier  Kost,  Wohnung,  Heizung  Beleuchtung 
und  Bedienung  im  1.  Jahre  1300  M.,  im  2.  1450  M.  und  im  3.  1600  M  Auswärtig! 
Dienstjahre  können  angerechnet  werden  ® 

und  (»ISIS  S?eie„Uera5“n  ”nd  Aneabe  d6S  AIUrS-  BUd”"^*nees 
Chemnitz,  am  6.  November  1907. 

Der  Rat  der  Stadt  Chemnitz. 

_ _ Dr.  Sturm,  Bürgermeister. 


An  der  Königlichen  Universitäts- 
psyehiatrischen  und  Nervenklinik  in 
Halle  a.  S.  sind  zum  1.  Januar  1908 

kzwei  Volontärarztstellen 

mit  freier  Beköstigung  zu  besetzen. 

Es  besteht  die  Absicht,  in  kurzer 
Zeit  einen  klinischen  Assistenten  im  ana¬ 
tomischen  Laboratorium  zu  beschäftigen. 
Bei  dieser  Wahl  kommen  die  Volontär¬ 
ärzte  mit  in  Betracht.  Anatomisch  histo¬ 
logische  Vorbildung  daher  erwünscht. 

_  Die  Remuneration  des  Assistenten 
beträgt  1200  M.  für  das  Jahr,  ausserdem 
Wohnung  in  der  Klinik,  wofür  7V2°/o  der 
Remuneration  zu  zahlen  ist. 

Meldungen  mit  Lebenslauf  und  Zeug¬ 
nissen  sind  der  Direktion  einzureichen. 
Der  Direktor. 


Die  Rheinische  Volksheilstiitte 
für  Nervenkranke  Roderbirken 
bei  Leichlingen,  Kr.  Solingen 
(145  Retten,  3  Aerzte)  sucht  zum 
1.  März  oder  früher  einen 

Assistenzarzt. 

Anfangsgehalt  1800  M„  jährlich 
steigend  um  300  M.,  bei  voll¬ 
kommen  freier  Station 

Meldungen  erbeten  an  den 
$  leitenden  Arzt  Dr.  Beyer. 


\  on  bekanntem  Sanatorium  für  Nerven-  und  innerlich 
Kranke  in  Süddeutschland  in  nächster  Nähe  einer  Stadt  von 
25000  Einwohnern  wird  zum  15,  Febr.  oder  1.  März 

Assistenzarzt 

gesucht.  Erfahrung  in  physikal.  Heilmethoden  und  Sprach- 
fenntnisse  erwünscht. 

Unverheiratete  Bewerber  belieben  Zeugnisabschriften, 
Lebenslauf,  Bild  einzusenden  unter  NI.  C.  6803  an  Rudolf 
1/losse,  München. 

Gehalt  bei  völlig  freier  Station 

im  I.  Jahre  2400  M 
„  II.  „  3000  M. 


i  _  _ _ 

An  der  im  Pavillonsystcm  erbauten  Kreisirrenaustalt  Ausbach  ist 
die  5.  Arztesstelle  sofort  zu  besetzen.  Psychiatrische  Vorbildung  erwünscht 
jedoch  nicht  Bedingung.  Neben  vollständig  freier  Station  1  Klasse  wird  ein 
Anlangsgehalt  von  1800  M.  gewährt.  Zu  bemerken  ist.  dass  bisher  vTn  del 
Landrate  von  Mitteliranken  den  Assistenzärzten  nach  mindestens  3  iährieer 
Anstaltsdienstzelt  und  Bestehen  der  ärztlichen  Staatsprüfung  pragmatische  An- 

ll  fon!  i«Ser  Einreihui^  in  die  Klasse  XI b  des  Gehalt  sregulativs  vom 
11.  Juni  1892,  mit  einem  Anfangsgehalt  von  2820  M„  nebst  Genuss  freier  Wob. 
nung  mit  Beleuchtung  und  Beheizung  sowie  Gartenbenützung  zugestanden  wurde 
JE  dass  durchgreilende  Aenderung  der  Gehälter  u.  Pensionen  mit  Durchführung 
™mm!ürifte  ^  dCr  &ebalter  u-  Pensionen  der  Staatsdiener  in  Aussicht  ge- 

Bewerber  wollen  ihre  mit  den  erforderlichen  Personalangaben  u  Zeug¬ 
nissen  belegten  an  die  K.  Regierung  von  Mittelfranken,  Kammer  des  Innern  hi 

AÄcVeiÄden  Ges“<he  bel  der  K-  Direk>‘«”  ->«  Krels-Irren-Anstalt 

Kreisirrenanst alt  Ansbach,  den  16.  Dezember  1907. 

_ Herfeld,  kgl.  Direktor. 

Bekanntmachung. 

eines 6r  °bei‘,r’  Hel1’  nml  PAegeanstalt  zu  Bayreuth  ist  die 


z«  besetzen.118826^116  V°n  18°°  nebst  freier  Station  in  L  Klasse  sofort 
n.  „  f  Approbierte,  unverheiratete  Aerzte  wollen  ihre  an  die  K  Regierune  von 

?Äsen  beSte„am«vf  t“  mit  den  erfordVrSe“  leug 

Bayrentif  ehisenden8110"6  “  d"  K'  Direk,ira 

OberfrankeilkvrheO^i'nn  *cb  ,n°ch,  d^?s.  Beschlusses  des  Landrates  von 
npnll  r  K  * Ve  b  .  agen  der  sämtlichen  Aerztestellen  nach  Erscheinen  des 

ne“%BneÄ„etS,‘an,t We‘“  beabS'ChliEl  ™d- 

.  Medizinalpraktikantenstelle 

von^OO  M?ngowährtndlg  lrClei  Statl0n  L  Klasse  wird  ein  jährlicher  Geldbezug 
Bayreuth,  den  14.  Dezember  1907. 

Der  K-  DnwekL?r  der  Hei1'  nnd  Pflegeanstalt 

Dr.  Kraussold,  Kgl.  Medizinalrat. 


_ _  No.  53. 

Sofort  abzugeben 

Landpraxis  in  Bayern,  Einkommen 
12(100  M  p.  a.,  gegen  käufliche  Ueber- 
nahme  des  Auwesens  etc.  bei  1000O  M. 
Anzahlung.  Ernstgemeinte  Anfragen  uJ 
M.  V.  67,51  an  Rudolf  Mosse,  München. 

Arzt  gesucht. 

In  Gorzno  W/Pr.  ist  die  Arztstelle 
frei  geworden.  Kenntnis  der  polnischen 
bprache  notwendig.  Auskunft  erteilt 
bereitwilligst  der  Apotheker  des  Ortes 

Der  Magistrat  der  Stadt  Gorzno  W/Pr. 

Medizinalpraktikant 

für  das  Heilig-Geist-Hospital  in  Bingen 
a.  Rhein  zu  Anfang  Januar  n.  J.  gesucht 
Vergütung  monatlich  M.  50.—  neben  freier 
Station.  Meldungen  werden  erbeten  an 

Hospitalarzt  Dr.  Brod. 

Junger  Arzt  sucht  bis  1.  März 
oder  1.  April  1908 

Praxis 

in  Bayern  eventuell  mit  Uebernahme 
von  Anwesen  etc.  Off.  u.  M.  D.  6692 
an  Rudolf  Mosse,  München. 


Erf.  pr.  Arzt,  34  J.  alt,  verh.  kath. 

sucht  Stellung 

an  Heil-  nnd  Pflegeanstalt,  grösserem 
Krankenhaus  od.  Sanatorium. 

oe5'^^erte  Gehaltsangabe  unter 
M.  B.  6712  an  Rudolf  Mosse,  München. 


Assistent  (Christ) 

'ür  interne  Specialpraxis  (Magen-Darm- 
krankheiten)  für  15.  Jan.  resp.  1.  Febr. 
ges.  Offerte  m.  Lebenslauf  u.  Photo¬ 
graphie  unter  M.  C.  6737  an  Rudolf 
Mosse,  München. 


Approb.  erfahrener 

Vertreter 

Jür  Land-  und  Kassenpraxis  sofort  auf 
6  Wochen  gesucht.  Fuhrwerk  vor¬ 
handen.  Reiseentsch.  bis  20 M.,  fr.  Station 
und  Tagegeld8— 10M.  Off.  sub  M.  V.  6109 
an  Rudolf  Mosse,  Frankfurt  a.  M. 


Assistent  uni  Praktikant 

gesucht  für  den  1.  Januar  1908  (Ge¬ 
halt  M.  150  resp.  50. —  hei  voller 
freier  Station  von  der  Chirurgisch- 
orthopiid.  Privatklinik  Dp.  med. 
Gaugele,  früher  San.-Rat  Köhler, 
Zwickau  i.  S. 

Assistent, 

Christ,  von  vielbeschäftigtem  Badearzt 
Mitteldeutschlands  für  1.  Mai  bis  1.  Ok¬ 
tober  1908  gesucht.  Spec.:  Herz- 
und  Nervenleiden.  Freie  Wohnung, 
I  u.  II.  Frühstück  und  300  M.  pro  Monat. 
Off.  mit  Beifügung  von  Lebenslauf,  Zeug¬ 
nisse  und  Photographie  u.  M.  D.  6714  an 
Rudolf  Mosse,  München. 


ZaNviheilkunde. 


Berliner  zahnärztliche  PolfkllniR 

Vorstand:  Zahnarzt  Alfr.  Körbitz. 

Institut  Tür  Torthliaungskurse 

in  den  Fächern  der  operativen,  pathe¬ 
tischen  und  orthopädischen  Zahnheil¬ 
kunde.  Einjähriger  Kursus  berechtigt 
Aerzte  zur  Ablegung  des  zahnärzt¬ 
lichen  Staatsexamens. 

Das  Institut  ist  das  ganze  Jahr  geöffnet. 

Anfragen  sind  an  obige  Adr.:  Belle- 
alliancestr.  87/88  zu  richten. 


Verlangen  Sie 
vor  Beschaffung  Ihrer  Einrichtung 

genauen  Kostenvoranschlag. 

Vorteilhaftest«  Bezugsquelle 
unter  Garantie 

Bctk  $  Hess,  manchen 

9  Sonnenstr.  9  Tei.-Ruf  8226  9  Sonnenstr  9. 

Coulante  Zahlungsbedingungen. 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


leii 


l> 


OlTizierstochter,  sucht  Stellung  zur 
Beaufsichtigung  von  1—2  Kindern  oder 

als  Reisebegleiterin  nach  (lein 

Süden.  Zu  näherer  Auskunft  bereit 
Medizinalrat  Dr.  Stumpf.  München, 
St.  Annaplatz  l/II  u  Holrat  Dr.  Spatz, 
München,  Arnnlfstr.  26. 


Wegen  Todesfall  ist  ein  anatomischer 

Atlas  und  Geburtstasche 

7.11  vprkaiifpn 

Off.  u.  M.  u!  6775  an  Rudolf  Mosse, 
München. 


Sanatorium 

1.  Weltbad 

zu  verkaufen. 

Off.  u.  M.  N.  6791  an  Rudolf  Mosse, 
München. 


Privat-Kinderheim 

Reinbek  bei  Hamburg. 

Aerztl.  Pflege-  und  Erziehungsinstitut 
für  zurückgebliebene  Kinder  d.  besseren 
Stände.  Dr.  med.  Halleur. 


medicin.  Bücher 
und  Zeitschriften 

von  Werth  kauft  oder  tauscht  ein 

J.  F.  Lehmann’s  med.  Buchhandlg. 

Max  Staedke 

München,  Landwehrstr.  31. 


giebt  es  kein  vorteilhafteres 
Fahrzeug  als  das  neue 


DoktorLandaulet 

Ein  Spezialwagen  für 
die  Herren  Aerzte,  der 
allen  Anforderungen  in 
geradezu  idealer  Welse 
entspricht  und  auch  für 
die  Landpraxis  hervor¬ 
ragend  geeignet  ist. 

Verlangen  Sie  nähere  Aus¬ 
kunft  von  den 

Victoria-Werken  A.-6. 

NÜRNBERG. 


□ELI-l-l-MLl-ll j-l-m-l-IJ-IJJJJiEElBEriTI-IIJ  I  I  I  l  irTTTTTir 

•  u  P?mkapitelschen  Krankenhause  zu  Regensburg  (mit  chirur-  r 
gischer  und  interner  Abteilung)  wiid  am  1.  Februar  1908  die 

H$$i$tenten$telle 

frei.  Völlig  freie  Station;  1000  M.  Meldungen  an  die  Direktion. 


Sekanntmachun  g. 

Am  städt.  Krankenhause  zu  Ludwigshafen  a.  Rh.  ist  die  Stelle  eines 
zweiten  Assistenzarztes  auf  der  chir.  Abteilung,  und  auf  der  medizi¬ 
nischen  Abteilung  die  Stelle  eines  bezahlten  Medlziualpraktikanten  bis 
F,  Jf?,?ar  n'  Tz?  ^®®elzen-  Gehalt  des  Assistenzarztes  Mk.  1500. —  steigend  um 
.1m0_7  Jahrbis  Mk.  1800. —  bei  freier  Station.  Gehalt  des  Medizinal- 
praktikanlen  Mk.  600.-—  pro  Jahr  bei  freier  Station.  Bewerber  wollen  ihre 
Gesuche  nebst  Zeugnisabschriften  umgehend  bei  dem  dirigirenden  Arzt 
Dr.  Westhoven,  Ludwigshafen  a.  Rhein  einreichen: 

Ludwigshafen  a.  Rhein.  12.  Dezember  1907. 

Das  Bürgermeisteramt. 


Fortbildungskurse  für  Aerzte  1907/08.* 

Berlins  Kurse  für  prakt.  Aerzle.  (O.  Rothacker,  Friedrichstr.  105b.) 

Fortbildungskurse  für  Aerzte  des  Vereins  für  ärztliche  Fortbildungskurse 
(Otto  Enslin,  Karls! r.  32.) 

Dozenten- Vereinigung  für  ärztliche  Ferien-Kurse:  Nächster  Cyklus  2.  März 
bis  28.  März  1908.  (Melzer,  Ziegelstrasse  10/11  (Langenbeck-Haus). 
Dresden«  II.  ärztlicher  Fortbildungskurs  für  Geburtshilfe  u.  Gynäkologie  in  der 
k.  Frauenklinik  vom  13.  Januar  bis  21.  Februar  1908.  (Geheimrat  Leopold.) 
*)  tu  Klammern  der  Name  einer  Auskunftsperson. 


Institut  für  medicin.  Diagnostik. 

Berlin  NW.,  Schiffbauerdamm  6-7.  Tel.  III,  1792. 

1.  Monatskurse  in  Bacteriologie,  klinischer  Chemie  und  Mikroskopie.  Arbeits¬ 
plätze  für  selbstständige  Arbeiten. 

2.  Untersuchungen:  Bacteriologische  u.  chemisch-mikroskopische  Untersuchungen, 
Röntgen-Aufnahmen  unter  Leitung  der  Herren  Dr.  Klopstock  u.  Dr.  Kowarsky, 
Histologische  Diagnosenstellung  durch  Herrn  Prof.  V.  Hansemann. 


Aerztliche  Röntgenkurse  (theoretisch. u. praktisch).  Dauer  6-8Tage. 
Täglich  6 — 7  Stunden  im  Elektrotechnischen  Laboratorium  Aschallenburg. 

Unter  Leitung  von  Med.-Rat  Dr.  Roth,  kgl.  Landgerichts-  und  Bezirksarzt, 
Aschaffenburg,  abgehalten  von  Dr.  med.  B.  Wiesner,  Ingenieur  Friedrich  Dessauer, 
Dr.  med.  P.  C.  Franze,  Dr.  med.  Jos.  Wetterer. 

1908  beginnen  Kurse  am  :  1.  Februar;  4.  April;  6.  Juni;  18.  Juli;  29.  August; 
10.  Oktober;  5.  Dezember.  —  Kursbeitrag  inkl.  Uebungsgeld  50.— Mk.  Vorherige 
Anmeldung  erforderlich.  Alles  Nähere  durch  Med.-Rat  Dr.  Roth,  königl. 
Landgerichts-  nnd  Bezirksarzt,  Aschaffenburg. 


Berliner  ärztliche  Röntgenkui  se  (theoret.  u.  prakt.)  nach  Art 
der  Aschaffenburger  ärztlichen  Röntgenkurse  (gelegentlich  der  ärztlichen  Fort¬ 
bildungskurse  u.  des  Chirurgenkongresses  gegeben  von  Dr.  med.  Weecke,  Berlin- 
Grosslichterfelde,  und  Ingenieur  Friedrich  Dessauer,  Aschaffenburg.  Kursbeitrag 
50. —  Mk.  (inkl.  Uebungsgeld).  Täglich  abends  von  6 — 8Va  Uhr  im  Hörsaal 
Berlin  N.,  Friedrichstrasse  131  A.  I.  Im  Anschluss  daran  Einzelübung  in  der 
Privatklinik  von  Dr.  Weecke.  Vorherige  Anmeldung  erforderlich.  Alles  Nähere 
durch :  Dr.  med.  Weecke,  Berlin-Grosslichterfelde,  Steglitzerst.rasse  33. 


Privatkurse  im  Köntgenverlahren  u.  and.  physikal.  Methoden  (Elektromedizin)  im 
Elektrot  echn.  Laboratorium  Aschaffenburg  nach  Vereinbarung  (Honorar  100— 160  M.) 


Pensions-  V  evei^ 

für  Witwen  und  Waisen  bayer.  Aerzte. 

Vermögen  des  Vereins:  1*384,195  Mk.  (davon  Stockfond 
=  465,387  Mk.,  dessen  Zinsertrag  (lb,600  Mk.)  ohne  Gegenleistung 
den  Mitgliedern  zugute  kommt).  —  Zahl  der  Mitglieder:  464,  der 
pensionsberechtigten  Witwen :  247,  der  Waisen  :  73.  —  Gesamt¬ 
summe  der  Pensions -Ausgaben  im  Jahre  1906:  57,828  Mk.  — 
Vermehrung  des  Vereinsvermögens  in  den  Jahren  1903—1906: 
84,748  Mk.  —  Die  Pension  beträgt  für  die  Witwe:  300  Mk.,  für 
jede  Waise  l/b  der  Witwenpension,  für  eine  Doppelwaise  3/io 
dazu  die  Dividende  im  Betrag  von  15°/0,  so  dass  z  B  eine 
Witwe  mit  2  Kindern  die  Summe  von  483  Mark  bezieht.  Bei 
der  Aufnahme  innerhal  b  der  ersten  drei  Jahre  nach  der 
Verehelichung  ist  ein  Gesundheitszeugniss  nicht  erforderlich. 

Nähere  Auskunft  erteilen  die  Kreisausschüsse  sowie  der 
Geschäftsführer,  Hofrat  Dp.  Daxenberger,  Düllstrasse  23, 
München. 

(Nach  den  Ergebnissen  der  Gothaer  Lebensversicherungs¬ 
bank  beträgt  die  Uebersterblich  keit  der  Aerzte  im  Alter 
zwischen  21—45  Jahren  =  26°/o,  zwischen  45 — 60  Jahren  =  11  °/o, 
während  nach  den  Tabellen  des  ärztlichen  Pensionsvereins  die 
Witwen  der  Aerzte  durchschnittlich  ein  höheres  Lebensalter 
erreichen  als  andere  Frauen.) 


ee-  u.  Flussfische 

lebend  frisch,  auch  in 

Postcolli  zu  billigsten  Preisen. 

Offerte  u.  Kochbücher  gratis. 

Gebr.  Peterssen  vorm.  Kaltenborn  4  Jahns, Geestemünde . 


s 


fertigt  nach  eingesandten  Präparaten  mit 
bester  Ausrüstung  (Instrumente  u.  apo- 
chromatisehe  Objektive  von  C.  Zeiss,  Jena) 

Carl  Stein,  München,  Odeonspi.  1/3. 

Probebilder  und  Prospekt  Interessenten 
gratis  u.  lranco. 

Uebersetzungen 

Dr.  Rene  Martial  JJ2SES 

dermatologischen  Institut,  R.edacteur- 
Chef  der  „Revue  Pratique  des  Maladies 
Custaneös“  bietet  genaue  Uebersetzungen 
medizinischer  Schriften,  vom  Deutschen 
in’s  Französische  und  umgekehrt  an. 
Hälfte  im  Voraus  zahlbar. 

29  Rue  de  Lübeck  — 16  e  Paris. 


Preis-Ermässigung "Wü 

Conephrin  Dr.  Thilo 

Wir  haben  den  Preis  p.  Carton  ent¬ 
haltend  20  Phiolen  Conephrin 

von  M.  5. — 

auf  M.  4. —  herunfergesetzt. 

Muster  und  Literatur  durch 

Dr.  Thilo  &  Co Mainz. 


Schweisshemmend 

FORMYSOL 

Sapo  Formaldehydi  liquidus-Hahn 

100  250  600  1000  6000  gr 

0,60  1,30  2,—  3,-  11,25  Mk. 

Th.  Hahn  &  Co.,  Schwedt  a.  O. 
- Durch  Apotheken  etc. - — 

Krankentransportwapen 

verschiedener  Bauart  empfehlen  als 
Specialität 

Gebr.  Krämer  $  Purper, 

Ulagenfabrik  St.  (Johann-Saarbrücken. 

Dr.  Ziegelroth’s  Schriften: 

Arterienverkalkung 

(1  Mk.) 

Das  Luftbad  u.  Sonnenbad 

(1  Mk.) 

Zur  Abwehr  der  Krebsgefahr 

(2  Mk.) 

Phys.-«iiat.  CvnhHi<t 
Behandlung  d.  «ypiilllS 

(broch.  4  Mk.,  geh.  5  31k.) 

Handbuch  d.  physikalischdiätetiscben  Therapie 

in  der  ärztl.  Praxis  (geh.  16  Mk.) 
Prospekte  frei.  O  Verlag  von 

Max  Richter, 

Frankfurt  (Oder)  Buschmühlweg  98. 


Kurhaus 

für  Nerven-  und 
Gemütskranke 

von  Dr.  Richard  Fischer 

Nsckargemünd  b.  Heidelberg. 

Komfortabel  eingerichtete  Heilanstalt 
in  schönster  Lage  des  Neckartales, 
in  unmittelbarer  Nahe  des  Waldes 
und  ausgestattet  nach  allen  Anfor¬ 
derungen  d.  modernen  Psychiatrie. 

-  Gegr.  1898.  - 

Prospekte  frei  durch  d.  Direktion 


1 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _  No.  53. 

Personalnachrichten. 


Prenssen. 

Auszeichnungen:  Prädikat  als  Professor:  San.-Rat  Dr.  Cassel  und 
Dr.  Baron  von  Küster  in  Charlottenburg. 

Niederlassung:  Dr.  Schlüter  in  Breslau. 

Verzogen:  Von  Breslau:  Dr.  Grüger  nach  Oppeln,  Dr.  Mertens  nach 
Kiel;  nach  Breslau;  Dr.  Galle wski  von  Brehna,  Dr.  Rixen  von  Münster  i.  W., 
Dr.  Ritzmann  von  Hamburg  und  Dr.  Neirowsky  von  Graudenz;  Dr.  Böttcher 
von  Kohlberg  nach  Nieder-Langenau,  Dr.  Laut  sch  von  Königsberg  i.  Pr.  nach 
Graudenz,  Paninski  von  Stuhm  nach  Gross-Schwarzlosen. 

Gestorben:  San.-Rat  Dr.  Brandis  in  Berlin. 


Württemberg. 

Ernennungen:  Dr.  Findeisen  zum  Armenarzt  der  Gemeinde  Clever¬ 
sulzbach  O.-A.  Neckarsulm,  Dr.  Dischler  zum  Orts-  und  Armenarzt  der  Ge¬ 
meinde  Steinheim  a.  A.,  0.  A.  Heidenheim. 

Niederlassung:  Dr.  Erich  Liebert  in  Ulm  als  Spez'alarzt  für  Chirurgie. 
Verzogen:  San.-Rat  Dr.  Gilly  von  Donaueschingen  nach  Schömberg. 

Hamburg. 

Niederlassungen:  Dr.  Bruhn  und  Dr.  Isenberg  in  Hamburg. 

Lübeck. 

Niederlassungen:  Dr.  Siebert  und  Dr.  Junge  in  Lübeck. 


Verband  der  Aerzte  Deutschlands  zur  Wahrung  ihrer  wirtschaftlichen  Interessen. 


Fernsprecher:  1870. 


Schiffsarztstellen  nur  durch  L*  W.  V. 

Cavete  collegae  ! 


Reedereien: 
,,Woermann-Linie“(West- 
afrika-Linie).  Deutsch- 
Ostafrika-Linie.“ 
„Kosmos“,  Slomann&Co. 


Alterode(Mansf.Gebgskr.) 
Bad  Dürkheim  i  Pf. 

Benrath,  Rhld. 

Berlin,  östl.  und  südöst'. 
Vororte  (Mathilde- 
Rathenaustiftung). 

Bischofswerder  (Wpr.) 

Bremerhaven(Germania) 

Breslau. 

Bromberg. 

Brücken  i.  Bay. 

Brühl  Bez.  Köln  alRh. 
Burg  Prov.  Sa. 
Dahlenburg  i.  Hann. 
Deuben,  Bez.  Dresden 
Döhlen,  Bez.  Dresden 
Duisdorf  b.  Bonn 
Dümpten  b|  Bülheim  a ;  Ruhr. 
Eberswalde  i/Brdog. 
Ehrang  Bez.  Trier. 
Einberg-Oeslau  «  Th 


Eppstein  i/Taunns. 
Erdeborn,  Mansf.  Seekr. 
Erp  Kr.  Euskirchen 
Feilnbach,  Ob  -Bay. 
Finkenheerd  i/M 
Flamersheim  i.  Rhld. 
Flensburg. 

Framersheim,  Kr.  Alzey. 
Frankenhansen  Th. 
Franzburq  i.  Pom. 
Frauenpriessnitz  i.  Th. 
Fürstenberg  i  V. 
Fussgönnheim  i|Pf. 
Gera,  R.,  Text.ii-B.-K.-K. 
Gersheim  i.  Rhpf. 
GolZOW  i.  Oderbruch 
Gransee  a.  Nordbahn. 
Gro^salsleben  i.  A. 
Grosskarben  OH. 
Gross-Mühlingen  i  A. 
Guben,  Brabg. 

Guben-Gr. -Gastrose  i-  L 
Hachenburg  H.-N. 
Hainsberg,  ßez.  Dresd. 
Halle  a.  ö. 

Hamborg,  B.-K.  I.  Staatsang 
Hanau,  San.-V. 
Harkerode  («Mil.-ß*Hrjikr.) 
Hausen  (Kr.  Limb.  a.  L .). 


Drahtadresse:  Aerzteverband  Leipzig. 


Helmstadt  (Ba.). 
Herbitzheim  i.  Pf 
Hilden,  Rhld. 

Hinsbeck  i/Rhld 
Hohentengen  i  Wttgb. 
Hutthurm  (N  B.) 
Insterburg,  O.-Pr. 
Jaratschewo(Jarotscbin). 
JohaaoiHthal  b.  Berlin. 
Jügesheim  (Kr.  Offenb.) 
Kasseler  Knappschatts 
vereint  tritit.Bittorl,  Kr.flereleld) 
Kassel-Rothenditmold. 
Kettwig  a.  d.  Ruhr 
Kiel  (Germania  E.H.). 
Kirchbrombach  i.Hessen 
Köln  a.  Rh. 

Köln-Dentz. 

Königshain  (O.-L.) 
Köpenick  u  Umg.  K.  K. 
d.  Bez. 

Kupferhammer  b/Ebers- 
walde. 

Kürzel  (Lothr.) 
Lambrecht  i.  Pf. 
Lamstedt  Rgbz.  Stade 
Lichte  b|  Wallendorf  i|Th. 
Lobberich  Rhld. 
Löhnberg  i.  H.  N. 


Lüdenscheid  i.  W. 
Marklissa  i.  Schl. 
Melsungen  Rgbz.  Kassel. 
Menterode  i.  Th. 

Michelbach  i.  Taun. 
Monkowarsk  i  P. 

Mühldorf,  Ob.-Bay. 
Mühlenbeck  i.  Brdbg. 
Mühlheim  a/M. 

Mülhausen  i.  Eis. 

Mühlheim  a/Rh 
München-Gladbach. 
Nen-Isenborq  (Kr.Offen- 
bach  a.  M.) 

Neusorg  (Oberpfalz) 

Neustadt  a/Rbge.  O.-K.-K. 
Neustettin  i/P. 

Niederbreisig  i.  Rhld. 
Niederhässlich  Rz.Dresd. 
Niederlangseitersdorl  Sc 
(Kr  Reichenbach  i.  Schl. 
Niesky,  O-Laus. 
Nordgermersleben  Kr. 

Neuhaltensieben 
Oberroden  Kr.  Dieburg. 
Oederquart  (Kr  KiMiipn  B>  i 
Offenbach  a.  M. 

Pasing  b.  München. 

Pforten,  l.-jn. 


Potschappel,  Bez.  Dresd. 
Praust  b.  Danzig. 

Pr. -Holland  (Opr.) 
Puderbach  Kr  Neuwied. 
Quickborn  i.  Holst. 
Quint  b.  Trier. 
Reichenbach  i.  0. 
Reinheim  i.  Pf. 
Remscheid  i/Rhld. 
Rethen  i.  Hann. 

Rhein  O.-Pr 
Rheinberg  Kr.  Moers. 
Riesa  a.  Elbe 
Kreis  Rothenburg  0.  L. 
Rubenheim  i.  Pf. 
Saalteld  a.  Saale. 
Saalfeld,  O.-Pr. 
Sandhansen  i.  Ba. 
Sangerhausen  i.  Th 
ebusch-Manforti|Bbi 
Schönberg,  bayr.  Waid. 
Schornsheim  i.  Rheinh. 
Schwandorf  (Bay.) 
Selters  i.  Westerwald. 
Spandan. 

Stadtilm  i.  Th. 

Stassfurt,  Prov.  Sachs. 
Steglitz  fa.  Berlin. 
Steuin,  rib.-B.-i.  d.  tiibui 


Stockstadt  a.  Rhein, 
strehla  a  Elbe. 
Tambach  i/Th.,  O.-K.-K. 
Teltow  b/Berlin. 
Treptow  ».  f.  Kriileibiiuritit. 
Waldheim  i  Sa. 
Walsheim  b|  Blieskastel. 
Wansen  (Schl.). 

Weibern  i/Rhld. 
Weismes,  Kr.  Malmedy. 
Weissenfels  a/Saale. 
Werden  a  Ruhr. 
Westhavelland  (Kreis), 
Gern  K.V.K. 
Westhofen  i/Rhld. 
Wiederan  (Sa.) 
Wiesbaden. 
Wilhelmshaven  u.  u. 
Wol  en  b  Bitterfeld. 
Wusterhausen  a.  D. 
Zanckerode,  Bez.  Dresd. 
Z«*l)  a.  Mam. 

Zittau  i.  Sa. 

Zweibrücken  «w»  iti,in ) 
Zwingenberg  aß. 


Ueber  vorstehende  Orte  und  alle  Verbandsangelegenheiten  erteilt  jederzeit  Auskunft  der  Generalsekretär  G  Kühne  Arzt  I, r1« 
strasse  1,  Sprechzeit  nachm.  3-5  (ausser  Sonntags).  Kostenloser  Nachweis  von  Praxis-,  Auslands-,  Schiffsarzt-  und’  Assistentensteilen  sowie0 Vertretungen. 


Offene  HedfzinalprnKtlkanten -Stellen. 

Gratisaufnahme  in  diese  Liste  nur  durch  die  Redaktion. 
Bayreuth,  oberfr.  Heil-  und  Heilanstalt:  Freie  Station  I.  Klasse,  600  M  jährl 
Berlin,  Fmsenklinik :  (100  Betten)  freie  Station,  Gehalt  M.  600  jährlich,  steigend. 
Chemnitz,  Siadtkrankenhaus,  innere  Abt.:  1  Stelle.  Freie  Beköstigung  event. 
entsprechender  Barbetrag. 

Dessau,  Kreiskrankenhaus:  1.  Febr.  1908.  Freie  Stat ,  50  Pfg.  Getränkeeeld 
prr  Tag  u.  300  M.  Barentschädigung. 

Forst,  Krankenhaus:  1  Stelle.  Freie  Station,  Verpflegung  I  Klasse. 

Görlitz,  Stadl  krank  enhaus  :  Freie  Station. 

Heidenheim  a.  Brz.  (Württemberg),  Bezirkskrankenhaus  mit  Röntgen¬ 
einrichtung:  Freie  Station  u.  600  M  p.  a.  pro  1.  Januar 
LaurahQtte  O/S.,  Knappschaftslazarett:  Freie  Station,  100  M.  monatl. 
Ludwigshafen  a.  Rh.,  Städt.  Krankenhaus:  1  Stelle.  Gehalt  Mk.  600.— 
pro  Jahr  bei  freier  Station. 

Mannheim,  Aligem  städt.  Krankenhaus:  75  M.  pro  Monat,  freie  Station. 
Obornik  (Posenj,  1  Stelle.  Remune  ation  neben  freier  Station  und  Wäsche¬ 
bereinigung  50  Mk  monatlich. 

Zwickau  i.  S.,  Privafklinik  Dr.  med.  Gaugele:  50  M.,  freie  Station. 

An  der  Volksheilstätte  bei  Obornik  (Posen)  ist  alsbald  die 

Assistenzarztstelle 

zu  besetzen.  Anfangsgehalt  neben  freier  Station  und  Wäschebereinigung  150  Mk 
monatlich.  * 

Daselbst  ist  auch  eine  Medizinal-Praktikautenstelle  frei. 
Remuneration  neben  freier  Station  und  Wäschebereinigung  50  Mk.  monatlich 
_ Bewerbungen  mit  Lebenslauf  und  Zeugnissen  erbeten. 

Lüclchcr  Hrzt schreibt 

nachdem  er  sich  von  den  Vorzügen  eines  neuen  relativ  ungiftigen,  billigen 
Desinfektionsmittel  überzeugt  hat.  für  das  grosse  Publikum  leicht  verständige 
Broschüre  über  die  vielseitige  Verwendung  eines  derartigen  Präparates. 

Gen.  Anerbieten  unt.  L,  188  an  H aasenstein  &  Vogler  A.-G.,  Berlin  W.  8. 

i  Irzl  sich  niederbi 

wende  er  sich  in  seinem  eigenen  Interesse  wegen 

der  ärztlichen  Einrichtung  an 

/  B.  B.  Cassel,  Dtdicin.  Specialhaus,  Frankfurt  a/fl.  I,  «ras  Zell  23. 

Cataloge  und  Kostenanschläge  gratis. 


April  24.  u.  25. 

zu  Berlin. 


Kongresskalender. 

1908. 

Jahresversammlung  des  deutschen  Vereins  für  Psychiatrie 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


^  /C^Ce^ 

/!L^rn f  ’%Ases*nsrj£yCv™ 

J  T^Ou^L^^r- 

zC*-*» ßis*." 

£ty*\  /C^^4\sri//&''A’'£s*y££/i~‘ 

t/bl  GLsC^tv*-4  ,  &'£ü-> 

ifawyVTy *4/As€s* 

*♦* Z*- 

44^  - 

-'*JK2,'"^L-  ‘ 

%aAa/A  X2xV)  /t^dhviyyil  5~  'l^y^Co^yf  Oj'j  y^ 

ifC(M/Wi T^X^fsfxyf  0,M  yr. 

^L.  yr^v^vt».  •'^^C^f^y/  0,  W  ys . 

yjj<US^*y(  'i,  00  y+ ' 


/: 

V  .* 


/v 


r 


^  J^rot  - 

Z~  rpfc^j  Sf.S  IZtr^a- 4^,-Ä. 

/  d.-^A^/t. 

st~**+*jehv*vj  :  f-*z6£~,  _ 

$)yrzyi^/i-<**'}  •  ~*A>  y~^rE~3/&~  - 


^Iv 

&rH 


^Arffasa^e*'  ’ 


/" 


(/,  H  r  yr. 
P,  li  y< 

O.^t  r. 

o.y  yr 


1y{yVt^a^><rlfarP^ — 

^  ^sxA-OLyHsirCf/ ■  «^Te-vn-C trCy>rfi*.a£t  J 

Z*~*  fifccJ)  Z  a*4s^^c  -  yc*My4yy£sx  # 

flfxJ  3.  - 

/W  <^> - - 

'  d^v*‘  y*^ty%^fi*  *•' .  yys/(ß/'j&* xr+*yr*yy  '^NyiCß/UCM/^yi^  . 
yi/lv  -&yVy£f 

^Lv\^  y^/^Lw-y*f*'*yy*yr*  4?,  2  £  y/ 

y/02sC*^s(  /f, 


Fabricant:  Fritz  Sauer,  Berlin  W.  30. 


GuidoHeinze 


Uesinfections-Apparate 

mit  strömenden 


EisenbergÄA 


inSchranKform 

Wasserdampf  arbeitend 


(  3  G  rosse  n . ) 


□U 


a 


Dr.  iüaltber  Kocb’s  nPrävalidin44 


LD 


Salbenliombination  zur  perkutanen  €inperleibuna  von  Hampber«.  Balsam,  pcrnvian. 
Grösste  Erfolge  im  I.  und  II.  St.  der  Lungentuberkulose,  Linderung 
und  lebensverlängernde  Wirkang  im  III.  St. 

Hervorragend  günstige  Wirkung  bei  Emphysem,  Bronchitis 
chronic.,  Influenza,  Anämie  und  Herzschwächezuständen 
durch  seine  expektorlerende  und  herzroborierende  Eigenschaft. 
Tuben  ä  M.  1.20  für  Erwachsene  und  M.  0  80  für  Kinder  nur  auf 
ärztliche  Verordnung  in  den  Apotheken  erhältlich.  Genaue 
Gebrauchsanweisung  liegt  jeder  Tube  bei  Literatur  und  Proben  durch  die 
Woll-Wäscherei  und  Kämmerei,  Abt.  chem.  Fabrik 


in  Döhren  bei  Hannover. 


m 


Lungenerkrankungeil 

LUNGENTUBERKULOSE 
BRONCHITIS,  LUNGENKATARRH 


PH0SPH0TAL 

(Pliosphorig saures  Kreosot) 

Clin’s  Kapseln 

in  feiner  Glutenhüllung. 

0,20  g.  Phosphotal  per  Kapsel.  4  bis  12  täglich. 

Clin’s  Emulsion 

0,50  g.  Phosphotal  per  Kaffeelöffel. 

2  bis  6  Kaffeelöffel  täglich  in  1/2  Glas  Milch. 

Clin’s  Ampullen 

Oelige  Lösung  titriert  a  0,10  g.  Phosphotal 
per  1  cm5,  in  Röhrchen  a  3  cm3. 

Eine  Einspritzung  jeden  zweiten  Tag. 


VORTHEILE  des  PHOSPHOTALS : 

Abwesenheit  jeglicher  Aetzungen.  —  Vollkommene 
Erträglichkeit  und  Assimilation.  —  Reichhaltiges 
Kreosot  (90  o/o)  und  Phosphor  (9  o/o)  —  Einstellung 
des  Hustens  und  des  Schweisses.  —  Appetitzunahme. 


CLIN’S  LABORATORIEN.  -  F.  COMAR  &  FILS  &  C,#. 


30,  Ftue  des  Fosses-Saint-Jacques,  FA.RIS. 


1211 


Proben  u.  Literatur  erhältlich  durch  unser  Engros-Döpöt  Ludwigsapotheke,  München. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Wohlschmeckend  und  leicht  bekömmlich.  Durch  seinen  Gelmlt  an 

Hämoglobin  und  Lecithin  von  sichererWirkung 

bei  Neurasthenie,  Hysterie  und  sonstigen  Nerven¬ 
krankheiten,  ferner  bei  Unterernährung  u.  Rachitis. 

Dosis:  Für  Erwachsene  dreimal  täglich  1  Esslöffel, 

—  —  für  Kinder  dreimal  täglich  1  Teelöffel.  —  — 

Als  Frühstücksgetränk  für  Nervenleidende 

empfiehlt  sich 

LECITOGEN 

(Lecithin-Kakao). 

1  Originaldose  enthält  neben  reinem  Kakao  3,0  g  Lecithin. 

Literatur  und  Versuchsproben  auf  Wunsch  gratis  und  franko 

H.  Barkowski,  Berlin  0.  27,  Alexandersir.  22. 


Pcriussin 


extract.  Cbymi  sac- 
cbarat.  Caescbncr 

(Name  Pertussin  ge¬ 
setzlich  geschützt.)  — 
Unschädliches,  sicher 
“ “ “ "  wirkend.  Mittel  gegen 

Keuchhusten,  Kehlkopf-  u.  Bronchialkatarrhe, 

off  Dosierung  für  Kinder:  2 stündl.  1  Kaffee- 
wiujllljf  JUII  bis  Kinderlöffel  voll,  je  nach  dem  Alter; 

für  Erwachsene  1 — 2  stündlich  1  Esslöffel  voll.  Zu  beziehen  in 
Flaschen  von  ca.  250  gr.  Inhalt  durch  jede  Apotheke.  —  Literatur 
aus  hervorragenden  medizinischen 
Blättern  Deutschlands  u.  Oesterreich- 
Ungarns  sowie  Gratis-Proben  zu  Ver¬ 
suchszwecken  stehen  den 
Herren  Aerzten  gern  zur  Ver¬ 
fügung.  Hergestellt  in  der 
Kommandanten  -  Apotheke 
E.  Taeschner 

Berlin  C.  19,  Seydelstr.  16.  Eingetragene  Schutzmarke. 


Hyperämiebehandlung  der  Lungen  b 

vermittels  der  Kuhnschen 

CungctnSaugmaskc 1 

bei  Lungenkrankheiten 


D.R.G.M.  282834. 
Wirkt  (lnrchBIut- 

fülle  der  Langen, 

Befördernng  des 

Lymphstroineg, 

Regelung  der  At¬ 

mung.  Kräftigung 
der  Atmnngs- 

Organe .  Hebung 


spez.  Tuberkulose,  Blut¬ 
armut,  Asthma  etc.  etc. 

D.  R.  P.  182159. 
der  Herzkraft, 
Verbessernng 

d.  Blutes  wie  im 
Höhenklima  n.  a. 
Völlig  nnscliäd- 
liclie,  bequeme 
Anwendung  (täg¬ 

lich  ca.  2  Stund.) 


Gesellschaft  für  medizinische  Apparate  m.  b.  H. 


Berlin  W.  9,  Linkstrasse  31. 


No.  53. 


Absolut  ungiftiges,  austrock¬ 
nendes  ,  desodorisierendes 
Wundstreupulver  von 
grosser  epithelbildender  Kraft  und  ohne  jede  Reizwirkung  auf  die 
Wunde  und  ihre  Umgebung.  Hervorragend  geeignet  für  Trocken¬ 
verband.  Seltener  Verbandwechsel.  Besitzt  spezifische  Wirkung 
bei  nässenden  Ekzemen,  Ulcus  crurls,  Verbrennungen. 

Flüssige  Salicylverbindung. 
Billiges ,  schnell  schmerz¬ 
stillendes  Elnrelbemlttel 
bei  Rheumatosen.  Wird  auch  unverdünnt  von  der  Haut  vertragen. 
Ohne  Nebenwirkung  auf  innere  Organe. 

Duotaf  „Heyden“,  ungiftiges, 
geruch-  und  geschmackloses 
Guajakol- Präparat.  Vorzüg¬ 
liches  Mittel  gegen  Lungen-Tuberkulose  und  chronische  Katarrhe 
der  Atmungsorgane. 

Proben  und  Literatur  durch 

Chemische  Fabrik  von  Heyden,  Radebeul-Dresden. 


KANKROIDIN 


(D.R.P.  No.l  70680).  „Schmidt“ 

Herstellung  u.  Prüfung  unter  persönlicher  Aufsicht  von  Dr.  Otto  Schmidt. 

Indikationen. 

Das  Kankroidin  Schmidt  soll  kein  Ersatz  für  die  Radikaloperation 
maligner  Geschwülste  sein;  sein  Gebrauch  ist  lediglich  indiziert: 

I.  In  zweifelhaften  Fällen  z.  Sicherstellung  d.  Diagnose  auf  Karzinom 
n.  Sarkom. 

II.  Zur  Verhütung  von  Rezidiven  im  direkten  Anschluss  an  die  Radikal¬ 
operation. 

III.  Zur  Vervollständigung  des  Resultates  unvollkommener  Operationen. 

IV.  Zar  Behandlung  inoperabeler  Primaertnmoren  und  Rezidive. 

Das  Kankroidin  Schmidt  ist  das  einzige  Präparat,  nach  dessen  Gebrauch 
bei  inoperabelen  Karzinomen  Daueehellnugen  beobachtet  worden  sind. 

Alleinvertrieb : 

Oakteriolog.-Chem.  Laboratorium  Wolfgang  Schmidt  in  Cöin. 

-  Literatur  auf  Wunsch  gratis.  - 


CYRLONETTE 


CyKlon  Maschinen-FabriK  m.  b.  h.  Berlin  O.  Alt-Boxhagen  17/18 


Specificum  gegen  Impotentia 

sichere  Wirkung  bei  allen  Störungen  des  Centralnervensystems. 

Physiolog.  und  klinische  Studien  von  Geh.  Med.-Rat  Prof. 
A.  Eulenburg  Berlin,  Popper  Igls  in  der  Klinik  von  Geh. 
Med -Rat  Prof.  Senator,  Prof.  Kolomoizew  Kasan,  Prof. 
Mann  Oxford,  Prof.  Rebourgeon  Paris,  Prof.  Peckolt  Rio 
de  Janeiro,  Prof.  GoII  Zürich,  Prof.  Nevinny  Innsbruck, 
Prof.  Maramaldi  Neapel,  Hirsch  Kndowa,  Waitz  Paris  u.  a. 
_  _  ^  Litteratur  gratis  und  franco  zu  Diensten. 

Bandelsseoellsebalt  llori*,  Zahn  *  Bo.,  Berlin  B.  0.  n. 


31.  Dezember  1907. _ MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. _ _ 9 

Natürlicher  Mineralbrunnen 


^ems^ 


aus  dem  König!.  Mineralbrunnen  zu  Fachingen  (Reg.-Bez.  Wiesbaden) 


JiW’Wagenl  wohlschmeckendes  nnd  1 
n,,d  Gesundheitswas 
®  Ufe  wenigerJahre  iu  Weltruf  gelangh- 

""i^B-Honlrole  der  Königlichen  Slaalsr 
J”  re‘n  mlürlichem  Zustande  gefüllt 

Siemens  Erben  Berlin  W. 


Weltberühmtes  Diätetisches  Tafelgetränk 

im  täglichen  Gebrauch  der  hervorragendsten  Professoren  und  Aerzte. 

Als  durststillendes  und  erfrischendes  Getränk 

besonders  geeignet  bei  Infektions-Krankheiten. 

« 

SPEZIFIKUM 

gegen  Magen-  und  Darmkrankheiten,  besonders  Hyperaciditas, 
Magengeschwüre,  Dünn-  und  Dickdarmkatarrhe. 

ln  der  Behandlung  von  Magen-  und  Darmkrankheiten 
bewährt  sich  Fachinger  Mineralbrunnen  besonders  bei 
der  Therapie  der  Hyperacidität  und  des  Magen¬ 
geschwürs  zur  Neutralisation  von  pathologischer  Säure¬ 
bildung.  Auch  bei  Dünn-  und  Dickdarmkatarrhen 
haben  die  schleimlösende  Wirkung  des  Wassers 
und  die  säuretilgenden  Eigenschaften  bei  den  infolge 
abnormer  Gährungen  sich  bildenden  pathologischen 
Säuren  eine  günstige  Einwirkung. 


Unter  strengster  Kontrolle  der  Königlichen  Staatsregierung  in  rein  natür¬ 
lichem  Zustande  gefüllt 


jA. erzten  zum  eigenen  Gebrauch  Vorzugspreise . 


U eberall  zu  erbalten. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


Dr.  R.  Reiss’ 
Original- 
- Präparate: 


D.  R.  Pat. 

Hyperldrosis,  Intertrigo.  Pecnbitns.  Combnstlo,  Ekzema,  Pruritus, 
Ulcns  crnris,  Pernlones,  Bleüorrh.  neon.  et  adult.,  ülcns  corneae  u.  a. 


Wirksamste  zuverlässigste  Mittel. 


Lenicet-Salbe,  Lct.-Hautcreme 
Lct.-Streupulver  IO,  20  und  500/o 
Lct.-Brandbinde,  Lct.-SilberpuderO,5%  Ag 
Peru-Lct.-Pulver,  -Salbe,  -Kompresse 
Lct.-Schnupfpulver  u.  a.,  Euvaselin. 
Bleno-Lenicet-Salbe  5  u.  100/o 

ln  der  Krk. -Kassenpraxis  zugelassen. 


Literatur  und  Proben  von 

Chem.  Fabrik  Dr.R.  Reiss,  Berlin  NA 

oder 

WILH.  MAAGER .  WIEN  III.  Depositar. 


NEU  I 


Adler  Kleinauto 


Erstklassiges  Fabrikat 


2  Zylinder 
4/8  PS. 

Aeusserst 
ruhiger  Gang. 

Sparsamer 

Betrieb. 


2  Zündungen 
(Magnet 
und  Batterie). 

Geräusch¬ 

loseste 

Umschaltung. 


Billige,  leistungsfähige,  leichtlaufende,  stabile,  betriebssichere 

|  2-  und  4sitzige  Personenwagen 

1  und 

Lieferungswagen 

Man  verlange  Prospekt  Kl.  32. 

Adlerwerke  vorm.  Heinrich  Kleyer  A.  G. 

Gegründet  1880  Frankfurt  a.  M.  Ca.  3000  Arbeiter 

Automobile,  Motorräder,  Fahrräder  und  Schreibmaschinen. 

Viele  höchste  Auszeichnungen  im  In-  und  Auslande;  Staatsmedaille  etc. 

Mailand  GRAND  PRIX  19(76. 


mpe  &  0? 

Berlin  C.19. 


Digitalis 


Dialysat.  tltrat. 
Golaz 


her  gestellt  aus  der  frischen  Pflanze  durch  Dialyse. 

Alljährlich  au!  den  gleichen  Wirkungswert  eingestellt  und  unbegrenzt  haltbar. 
Fabrikationsstelle  u.Musterversandt:  La  Zyma  A.-Gi»  Aigle  (Schweiz). 


Die  Herren  Aerzte  werden  gebeten,  beim  Verordnen  ^ 
des  bekannten  und  beliebten  Abführmittels  ^3» 


californischer  Feigen -Syrup  | 

ausdrücklich  den  Wortschutznamen  ^ 

Califigl 


vorzuschreiben,  unter 
allein  das  Produkt  der 


welchem  ^ 


California  Fig  Syrup  Company  in  San  Francisco 

zu  verstehen  ist. 

Gebrauchsanweisung  bei  jeder  Flasche. 

In  allen  Apotheken  erhältlich. 

Mk.  2.50  per  \  Flasche,  Mk.  1.50  per  £  Flasche. 

%  California  Fig  Syrup  Co.,  London,  E.C.,  31-32,  Snow  Hill. 

S—  Aerzte- Proben  gratis  und  franko. 


LEVURINOSE 

„Blaes" 

RlPfllpfp  durch  kalten  Luftstrom  getrocknet,  wodurch 
Dicrnclc  Hefezellen  intact  erhalten  bleiben,  daher 
grösst,  chem.  Activität.  Indiziert  bei: 

Furunculose,  Acne,  Urticaria,  Anthrax,  manch.  Eczemen 
sowie  bei  habit.  Obstipation,  Diabetes,  Fluor  albus 

in  den  Apotheken  erhältlich  in  Blechdosen  ä  100  gr  ä  JC  2. — . 
Ausführl.  Literatur  u.  Proben  den  Herren  Aerzten  gratis  u.  franco 

durch  Chem.  Fabrik  J.  Blaes  &  Co.,  Lindau,  Bayern. 


: .  Scarlaf  in- 

5/Vlarpinann 


ein  sicheres  Prophylacticum. 
“  Therapeutisch  bewährt.  - 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


11 


Bromural 

Neues,  schnell  wirkendes  Mittel 

zur  Nervenberuliigvmg 

und  Schlafanregimg. 

Bromural  ist  unschädlich,  frei  von  Neben-  und  Nachwirkungen,  verursacht  keine  Betäubung  und  Benommenheit. 

Verordnung:  zur  Beruhigung  0,3  mehrmals  tagsüber;  zum  Einschlafen  in  Fällen  von  leichter  nervöser  Schlafbehinderung  0,6  vor  dem  Schlafengehen. 

Darreichung  in  Tabletten  ä  0,3  oder  in  Pulver. 

KNOLL  &  Co.,  Chemische  Fabrik,  Ludwigshafen  am  Rhein. 

Proben  und  Literatur  zu  Diensten. 


Gegen  alle  Arten  von 

atmorrboiden 


Keine  Narcotica.  Ohne  jede  üble 
Nebenwirkung. 


auch  bei  Frauen  und 
Kindern  wird  das  jod- 
resorcin  -  sulfonsaure 
Wismut,  genannt 


Pro  Schachtel  mit  12  Stück  Mk.  3. — 
für  Aerzte  bei  direktem  Bezug  Mk.  2.25. 


J\ 


nu$oi 


(Marne  geschützt) 

in  Form  der  Suppositoria 
haemorrhoidalia  Anusoli 
den  Herren  Aerzten 
dringend  empfohlen. 


Zur  wirksamen  Bekämpfung  der  Gallenstein-  und 
Lebererkrankungen  empfohlen : 


I  1a.  a  8  a  I  Lebererkrankungen  empfohlen : 

to  Dill!  Pilulae  probilinae 


nach  Dr.  W.  Bauermeister. 

(Name  geschützt) 


P 

Sie  haben  zum  Prinzip  die  Anregung  des  Gallenflusses, 
die  Desinfektion  der  Gallenwege  und  eine  milde  Förde¬ 
rung  der  Darmtätigkeit.  Angenehm  zu  nehmen  und  absolut  un¬ 
schädlich,  auch  bei  längerem  Gebrauch. 

(Vide  Therapeut.  Monatshefte  Mai  1904.  Dr.  W.  Bauermeister :  Beiträge  zur  Be¬ 
handlung  d.  Gallensteinkrankheiten.)  Berliner klin.  Wochenschr.1907,  No.l6.u.a. 

Pro  Glas  Mk.  2. — ,  für  Aerzte  bei  direktem  Bezug  Mk.  1.50. 


Erhältlich  in  allen  Apotheken. 


Gra  tis-Muster  nebst  Literatur  beliebe  man  zu  verlangen  von 

Apotheker  Carl  Weinreben  (Inh,  von  F.  Buchka’s  Kopfapotheke)  Frankfurt  a.  M. 

Fabrikation  und  Engros-Vertrieb  pharmaceutischer  Specialitäten. 


ItORUCK’1  MALZ-MILCH 

in  Pulverform 

nftakufAiekar  das  erste  Nähr-  and  Stärkungspräparat  der  Welt 
llaUllViBlaDai  für  Säuglinge,  Kinder  und  Erwachsene. 

General-Depot  für  Deutschland ; 

Horlick’s  Malz-Milch  Co.,  6.  m.  b.  H.,  Halle  a.  Saale. 


Eingehende  Tierversuche  haben  evident  den  Nachweis  erbracht,  dass 
selbst  die  mit  meinen  transportablen  Apparaten  erzeugten  Flüssigkeitströpfchen 
bei  nasaler  —  also  natürlicher  ungezwungener  —  Einatmung  bis  in  die 
feinsten  Bronchiolen  eingeführt  werden.  (Zeitschrift  für  [physikalische  und 
diätetische  Therapie  1907/08  Band  XI.) 

Ausführliche  Litteratur  gratis  und  franco. 

Alfred  Wassmuth 

Moosach  2  bei  München. 


Wertvolle  Nährmittel 
zu  ganz  reellen  Preisen! 

Milrtmirkor  nach  Prof.Dr.Soxhlets 
milUEZULftU  Vrpfahrrn  ehern,  und 

hyg.  rein  fOn  Säugüngsernährung. 

Malz-Suppen-Extract 

darmkranke  Kinder;  in  den  Heilanstalten, 
Krippen  etc,  überall  eingeführt. 

im  Nähr.MaltfK?  für  Kinder’  die  bei  gewöhr>- 

neui  Hdlir-mdMUSg  |ichcn  Nähr-Mischungen  nicht 
gedeihen;  bewirkt  in  richtigen  Gaben  gereicht 
weder  Abweichen  noch  Verstopfung. 

|y|0|2_£jgf|'££j>g  Reines,  mit  Eisen,  mit  Kalk, 


mit  Leberthran. 


mit  Chinin,  mit  Jodeisen, 


Firma :  Ed.  Löflund  &  Co. 

Grunbach  bei  Stuttgart . 

In  allen  Apotheken. 


öriginalPatkun 


(XXXXXXXXXX  Telegramm-Adr. :  Florenzius.  XXXXXXXXXXX 

G.  H.  F.  Müller,  Hamburg,  Bremerreihe  24. 

Special-Fabrik:  von 


*  r 


Röntgen-Röhren. 


Fabrikation  der  bekannten 
Wasserkühlröhren 

D.R.P.  113430  u.  176003. 

Lager  in  Berlin:  Karlstrasse  261,  NW.  6.  Vertreter:  Kurt  Westphal. 

XXXXXXI  BW  Verlangen  Sie  illustrierte  Preisliste.  -Afl  IXXXXXX 


Trh* 


Wch 


in 


Ap° 


th « 


k*n' 


aus 


Fleischsaft. 


ai 


Königs  Chinarinde. 
k-Lacto  phosphat, 

ßwreewöhniich  a  ppetitan  redend 
Bestes 


u 


§ tärkun&sm  ittet 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


nranstaUen 


von  juntglicdcrn  des  VerbanSes  deutscher 
ärztlicher  ^eilanstalts -Besitzer  n.  -Mer. 


Prospede  und  nähere  Auskunft  durch  die  Anstaltsärzte. 


Baden  -  Baden ,  Dr.  Burgers 


Aue-Erzg.,  S.-R.  Dr.  Pilling,  Dr.  P.  Melnner,  Hautarzt.  San.  f.Ner- 
venkr.  a.  Erholgsbed.  Diät.  n.  Wasserheila.,  med-mech. 
(Zander)  Inst.  m.  orthop.  Abt.  Behdlg.  v.  Nerv.-,  Herz-, 
Mag.-,  Darm-Leid.,  Konst.-Krkht.,  Frauen-,  Knochen- 
u.Gelnk.-Leid.;  orth.  Erkr.  Band.-Werkst.  kstl.  Gliedm. 

Sanatorium 
speziell  für 

Magen-,  Darmkranke,  S' ,£fwechsel  -  Ernährungs¬ 
störungen,  Mast-  u  Entfettungskuren.  Komfort,  ein¬ 
gerichtet.  Vornehmste  Lage.  Das  ganze  Jahr  geöffnet. 

Blankenburg  -  Schwarzatal,  Dr.  Wiedeburg 

UDr  Karl  ^nhllbo  Waldsanator.  Schwarzeck  für 
■  Ul  ■  i\ul  I  OuIIUIlCi  pjjyS ,-diä.t.  Therapie.  Modern. 

Neubau  m.  neuzeitl.  Kur-  u.  Wohnungseinr.  Stets  bes. 

Braunlage -Harz,  Dr.  Barner.  Säü 

für  innere  u.  Nervenkranke,  Erholungsbedürftige  u. 
Rekonvaleszenten.  Alle  Arten  v.  Douchen  u.  Bäder, 
auch  Moorbäder.  Diätkuren.  Das  ganze  Jahr  geöffnet. 

Ebersteinburg  bei  Baden-Baden  Dr.  Rumpfs 

Sanatorium  für  leichtlungenkranke  Damen.  Herr¬ 
liche  geschützte  Gebirgslage.  Das  ganze  Jahr 
geöffnet. 

Eisenach-Hainstein  Dr.  Koehler 

Sanatorium  f.  innere-,  Nerven-  u.  Tropenkrankh. 
Erholungsbed.,  Rekonvalesz.  Hydro-Electrotherap. 
Diaet.-Terrainkuren.  Das  ganze  Jahr  geöffnet. 

Bad  Elster,  S.-R.  Köhler’s  Sanatorium, 

d  g.  J  g.,  für  physik. -diät.  Therapie  u.  die  Kurmittel 
d.  Bades.  Innere  u.  Nervenleiden,  Bewegungs¬ 
störungen.  Kinderheilstätte  in  besond.  Villa. 

Finkenwalde,  Stettin, 

Rekonval.  und  Er¬ 
holungsbed.  Herrl.  Lage  a.  Walde.  Das  g.  Jahr 
eeöff-  Arzt:  Dr.  Fritz  Bahrmann. 

Friedrichroda,  Sanatorium 
Geh.  San. -Rat  Dr.  Kothe. 

Föhr,  Kol.  Südstrand,  SKSÄ 

stände,  Nervosität,  Katarrhe,  Asthma.  —  Zweig¬ 
anstalt:  Jugendpensionat,  Erholungsheim,  Sebul- 
sanat.  —  Mildestes  Nordseeklima,  Winterkuren. 

6oslar-Harz,  Dr.  Dillhorn.  S5H& 

für  innere  und  Nervenkranke.  Gesamtes  Wasser¬ 
heilverfahren  ,  Elektrotherapie  usw.  Das  ganze 
Jahr  geöffnet. 


Gotha,  Dr.Willy  Müller, Dorotbunbad.^.«. 

Lichtheilanst.  (n.  Wien.  Univ.-Klin.)  (inkl.  med.  Bäder). 
Med.-mech.  Inst.  (40  App.).  Orth.  Werkst.  Anf.  Hessing’- 
scher  App.  Maas.  (v.  Mosengeil).  Elektrother.  Einricht. 

Grüna  i/Sa.  Dr.  Dahms  Sanatorium,  bfl„E',_ 

bedürftige,  Nerven-  und  innere  Leiden.  Alle  be¬ 
währten  Heilfactoren.  Diätkuren.  Ruhige,  idyllische 
Waldlage.  Vorortverkehr  mit  Chemnitz. 

Kainzenbad-Partenkirchen.  “s >. 

Hochgebirgsl.  f.  innere  Krankh.  Physikal.-diätet. 
Behandlg.  Sommer-  und  Winterkur.  Zentralheiz., 
Winterg.,  Liegeh.  etc.  Dr.  Th.  Behrendt. 

Kleinen  (Meckl,),  Dr,  Armin  Steyerthal. 

Wasserheilanstalt  und  mediko-mechanisches  In¬ 
stitut.  Das  ganze  Jahr  geöffnet.  Abteilung  für 
Minderbemittelte. 

Lauterberg  (Harz),  S.-R.  Dr.  Bettmars 

Wasserheilanst.  (fr.  Dr.  Ritscher),  Sanat.  f.  Nerven-, 
inn. Kranke, Erholungsbed. etc.Diätkuren.  Das g  Jahr 
bes.  Familien anschl.,  electr.  Beicht.;  Centralhzg. 

Meiningen -Thür.,  Dr.  Passow. 

für  Nervenkranke,  Entziehungskuren,  Erholungs¬ 
bedürftige.  Elektr.  Beleucht.  Centralheiz.  25  Betten. 
Nähe  d.  herzogl.  Parkes  u.  von  Wald.  Mod.  eingericht. 

Michelstadt  I.  Odenw-,  ISTÄ'1 ÄSJ 
San.-Rat  Gigglberger.  gftÄESS 

Das  ganze  Jahr  offen. 

Heuwittelsbach  -  München,  Hofratb  Dr. ». 

Unosclin  Modern  eingericht.  Sanatorium  f.  innere 
nUBddllll.  Krankheit.  Physikal.-diätet.  Behandlg. 
Auch  f.  Pflege  schwerer  organ.  Erkrank,  eingerichtet. 

Neustadt  a.  Orla,  Thür.,  Dr.  Welser. 

Sanatorium  für  Nerven-,  Herz-  u.  chronische  Kranke. 
W asserheilanstalt ,  Zander  -  Institut ,  elektrisches 
Lichtheilverfahren.  Das  ganze  Jahr  geöflnet. 

Nordrach -Kolonie,  Dr.  Otto  Waltber’s 

Sanatorium  i  Heilanstalt  für  Lungenkranke. 


Bad-Oeynhausen,  Sanatorium,  S.-R.  Dr. 
Huchzormeyer  u.  Dr.  Reckmann. 

l.Nov.-l.MaiTherm.-Bäd.iHaus.Fam.-Anschl.Zentrlh! 


Reiboldsgrün  (IS)  Heilanst.  f.  Lungenkranke, 

Hofrat  Dr.  Wolfl  u.  Dr.  Sobotta.  Erstklassige  An¬ 
stalt  mit  Abt.  für  Minderbemittelte.  700  M.  überm 
Meer,  inmitten  ausgedehnter  Fichtenwaldungen. 

Reinbek  bei  Hamburg,  Sophienbad.  wh"5er' 

ansfalt  u.  Sanatorium  für  innere  u.  Nervenkranke, 
Rekonvalescenten  u.  Erholungsbedürftige.  Das  ganze 
Jahr  geöffnet  u.  besucht.  Leiter:  S.-R.  Dr.  Hennings. 

Sülzhayn-Steierberg-Südharz.  Dr.  Kremsers 
Privatsanator.  f.  Leichtlungenkranke 

Stände.  Das  Jahr  geöffnet. 

München-Bad  Thalkirchen  Dr.  Uibelelsen. 

540  m  ü.  d.  M.  20  Min.  v.  Zentr .  Münchens  i.  Isartal  gel. 
Mod.  m.  d.  neuest,  therap.  Einricht,  vers.  Kuranstalt 

f.  inn.  u.  Nervenkrankh.  Das  ganze  Jahr  besucht. 

Triberg  I.Schwarzw.,  Sanator.  Haus  Triberg. 

Heilanst.  f.  phys.-diät.  Therapie  f.  innere  u.  Nerven¬ 
krankh.  Erholungsbed.  Diätet.  Kuren.  Komfort  einger, 
Haus  i.  n.Näh.d.  W  ald.  D.g.  Jhr.geöffn.  Dr.  Kuhnemann. 

Sanatorium  Ulbrichshöhe  I.  Eulengebirge. 

Phys.-diätet.  Kuranstalt  m.  allem  mod.  Komf.  Das 

g.  Jahr  geöffn.  3  Aerzte.  Bahnstat.  Reichenbach, 

Schles.  Dr.  Woelm  u.  Dr.  Gross. 

Urach-schwibischa  Alb,  Wttbg.,  S.-R.  Dr. 

Kliinfak  Sanatorien  Hochberg  u.  Stadthaus  für 
iMUpiBlc  Nervezikr.  u.  Erholungsbedürftige.  Sehr 
schöne  Lage,  modern  einger.  Das  ganze  Jahr  geöfl. 

Wernlgerode-Harz,  Dr.  Guttmann. 

8anatorium  Salzbergthal,  Nervenheilzinstalt.  Das 
ganze  Jahr  besucht. 

Wiesbaden,  Kuranstalt  Dietenmühle 

Modernste,  physikalische  Einrichtungen.  Leitender 
Arzt:  Sanitätsrat  Dr.  Watzoldt. 

Wiesbaden  Kurhaus  Bad  Nerotal.  fÄSS: 

einger.  San.  f.  innere  u.Nervenkr.  Ganz  mod.u.  vollst. 
phys.  u.  therap  Einr.  Schönste  Lage.  D  ganz.  J.  geöff. 
Leit.  Aetzte :  Dr.  A.  v.  Herff,  Dr.  Lubowski. 


Wilhelmshöhc  b.  Cassil,  S.-R.  Dr.  Grivaisr’s 

Sanat.  für  Nervenkranke.  Wasserheilanstalt.  Alle 
physik.-diät.  Kuren.  2.  Arzt:  Dr.  E.  Heinrich,  8] 
f.  Magen-  u.  Darmkranke.  D.  g.  J.  bes.  Mäss.  1 


Bordighero 


Dr. 


Lewinsohn 


_  Villa  Mostaccini 

_ 8»i‘  Interne  Kranke, (keine  Tuberkulose). 

Privatan  stal  t 

Monaco  BoüiÄiraCLi  Frauenleiden  “■  Geburtshilfe 

von  Dr.  Heinr.  Baumgärtner 

(im  Sommer  in  Baden-Baden). 

Herrliche,  sonnige,  staubfreie  Lage.  Geeigneter  Aufenthalt  auch  für 
Rekonvaleszente.  Allgemeinbehandlung.  Mastkuren.  Hydro-Electro-Thermo- 
therapie.  Konservative  u.  operative  Gynäkologie.  Geburtshilfe.  Deutsche 
Schwestern.  10  Betten.  Geöffnet  v.  Ende  Oktober  bis  Ende  April.  Prospekte. 


Grafschaft  Glatz,  Schles. 

Bahnstation. 


Sanatorium  Kudowa 

Physik.-diät.  Heilanstalt  für  Herz-,  Nerven-,  Blnt-  u. 
Frauenkrankheiten. 

=  Mineralbäder  des  Bades  Kudowa  im  Hause.  = 

Das  ganze  Jahr  geöffnet!  Moderner  Komfort! 

Prospeete  frei  durch  den  Besitzer  Dr.  Herrmann. 


Madeira 

(Deutscher  Arzt:  Dr.  med.  Fritz) 


Casa  Sanitas 

Deutsches  Genesungsheim 

Rel.  Dr.  med.  A.  Reuter,  Sonderburg. 
_ Bes.  Th.  Renter. 

Sanatorium  „Piscba“ 
für  Lungenleidende. 

Pension  9.50— frs,  14.-.  Aerztl.  Behandl.  Inbegriff.  Leit.  Arzt  Hofrat  Dr.Volland.  Bes.J.Meier. 


Daws*Dorf 


Rastenberg  | 

- 


^  Sanatorium  für  Geburtshilfe. 

■8  Thfinirmoni’  Schmerzlose  Entbindungen.  In  diskreten  Fällen 
,AU ****111  y «All  peinlichste  Diskretion. 

Prospekte  durch  die  Direktion.  =■  - — 


(Jfildungcr  btlenttiquelle 

unübertroffen  bei  Nierenleiden,  Nierengries,  Gicht; 

Georg  -  Victorquelle  "rSHsJätS?* 

Versand  jährlich  1,400,000  Flaschen.  —  Die  Herren  Aerzte  erhalten  das 
Wasser  zum  Selbstkostenpreis. 

., Fürstliche  Wildunger  Mineralquellen“. 


31.  Dezember  1007. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


13 


Riviera  di  Levante. 

Altrenommiertes,  mit  allem  Komfort  ausgestattetes  Hans. 
Reste  Lajje  Nervis,  vollstündig  wlmlgeschittzt,  Inmitten 
prachtvollster  Park-  und  Gartenanlagen,  in  direkter 
Verbindung  mit  der  Strand-Promenade.  —  Orchester. 


bei  GENUA. 


Familie  Fanconi, 

Besitzer. 


P.  Bon-Gig  er,  Direktor, 

im  Sommer  Hotel  Uetliberg  bei  Zürich. 


Eden-Botel 

=  I.  RANGES.  = 


Sanatorium  Elsterberg 


für  Entziehungskuren,  Nerven-  und  Stoffwechselkranke,  Herz- 
und  Nierenleidende  und  Erholungsbedürftige. 

— —  Prospekte  frei.  Sanitätsrat  Dr.  Römer.  ■  . . .  1  '  ■ 


Sta  Margherita  di' 


Deutsche  Pension. 


Riviera 
Levante 

Von  Fr.  6. —  an.  O  Anna  Homeyer  (frühere  Schwester). 


Villa  Oliveta 


KatltltS  Hotel  Richemont  und  Terrasse. 

^  ^  ®  ■  ■  ■  ■  Haus  I.  R.,  Warmwasserheizung  in  allen  Zimmern. 

Grosser  Park,  staubfreie  Lage.  Pension  von  Frs.  9. —  an.  Bes.  G.  Eckhardt. 

BlVÖI  ^anaI°r'um  HavosDorf 

Leitender  Arzt:  Dr.  L.  v.  Muralt. 

Ausser  Lungenkranken  werden  auch  Patienten  mit 
Knochen-,  Gelenk-  u.  Hauttuberkulose  zur  Sonnen¬ 
bestrahlung  nach  Dr.  0.  Bernhard  aufgenommen. 

—  Näheres  Prospekt.  - - - - - — 

(Riviera,  Italien). 

Herrlicher  Winter-Aufenthalt. 

Le  Grand  Hotel  Alassio. 

Haus  I.  R.  mit  allem  Komfort  d.  Neuzeit.  ’Elelctr.  Aufzug.  Warmwasser,  Zentral- 
heizg.  Das  ganze  Jahr  geöffnet.  A.  Marson,  Besitzer. 

Riviera 
di  Levante] 

U0i~|  loMcrh  Haus  1-  durch  Neubau  bedeut,  vergrössert. 

■Iw Id  JCn5v.il  Prachtvoll  geschützte  Lage  am  Meere.  Lift,  elektr. 
Licht.  Zentralheizung.  Warme  Meer-  und  Süsswasserbäder  in  allen  Etagen. 
Das  ganze  Jahr  geöffnet.  Pension  von  Lire  9  an.  Deutscher  Arzt  im  Hause. 
Prospekte  zur  Verfügung.  Besitzer:  F.  Jensch. 


ALASSIO 


Sestri-Levante( 


MERAN 


Süd-Tirol 


n 

neue  modernst  eingerichtete  Kur- 
und  Badeanstalt,  für  die  gesammte 
physikalische  Therapie.  Vollständige 
Wasserkuren,  Heissluftbehandlung,  Fango-  und  Schlammpackungen.  Elektr.  Licht-, 
galvanische,  faradische,  sinusoidale  und  Vierzellenbäder.  Kohlensäure-,  Sauer¬ 
stoff-,  Sole-,  Moorsalz-  und  andere  Medizinatbäder.  Medicomechanisches  Zander- 
Institut.  Massage.  Luft-  und  Sonnenbäder.  Inhalatorium:  Bulling-,  Clar- 
und  Hössle-Apparate.  Pneumatische  Kammer.  Dampf-  und  Wannenbäder.  Ge¬ 
räumiges  heizbares  Schwimmbad.  


RAPALLO 

Klimatischer  Winterkurort 

an  der  italien.  Riviera 

1  Bahnstunde  v.  Genua  entfernt. 


Dr.  Ludwig  Braun  (Wien) 

hat  seine  ärzt¬ 
liche  Praxis  in 
Rapallo  aufge- 
H  nommen.  0 


Heilanstalt  Obersendling  bei  München. 

für  weibliche  Kranke  der  gebildeten  Stände.  2  getrennte  Abteilungen 

I.  Offene  Kuranstalt  für  Nervenkranke, 

II.  Heil-  und  Pflegeanstalt  für  Gemütskranke. 

Elegant  und  behaglich  eingerichtete  Villen  in  grossem  Waldpark.  Station  Prinz- 
Ludwigshöhe  oder  Solln.  Prospekte  senden  auf  Wunsch 
Dr.  E.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  II.  Arzt.  Dr.  K.  Ranke,  Bes.  u.  leit.  Arzt. 


Meiiffriedenlieim  bei  München. 

Nervenheilanstalt  mit  2  getrennten  Abteilungen. 

1.  Offene  Abteilung  für  Nervenkranke 

2.  Geschlossene  Anstalt  für  Psychosen  aller  Art. 

Die  Anstalt  ist  mit  grossem  Comfort  und  allen  modernen  hygienischen 
Einrichtungen  versehen  und  liegt  in  einem  86  Tagwerk  grossen  Park. 

Der  Besitzer  und  dirigirende  Arzt:  D*.  Ernst  Rehm. 


Dr.  Wigger’s 

Kurheim  sisisi 

Partenkirchen. 

Das  ganze  Jahr  geöffnete  Kuranstalt  für  Nervenleidende,  innerlich  Kranke 
und  Rekonvaleszenten.  (Offene  Tuberkulose  ausgeschlossen.)  Aller  Komfort. 
Lift.  Mit  den  modernsten  Apparaten  für  Diagnostik  und  Therapie  eingerichtet. 
Beste  Gelegenheit  zum  Wintersport.  Näheres  durch  die  Direktion  od.  durch 
den  Besitzer  und  leitenden  Arzt  Dr.  Wigger. 

Aerzte :  Dr.  Wigger,  Di*.  KLlien. 


Sanatorium  DDr.  Frey  Dengler  Baden-Baden 


(früher  Frey-Gilbert.) 

Gründung  der  Anstalt  1890 
Eröffnung  des  Neubaus  1906. 

Modernste  und  vollkommenste 
Privatanstalt  für  physikalische 
und  diätetische  Therapie. 

Mast-  und  Entfettungskuren 

besonders  geeignet  für  Winterkuren. 

Centralheizung  —  Wintergarten. 


Baden-Baden,  Sanatorium  Dr.  Ebers 

für-  Innere  und  Nervenkranke. 

Das  ganze  Jahr  geöffnet.  —  Leitende  Aerzte:  Dr.  Ebers,  Dr.  Hailioenthai. 


Höhenkurort  für  Lungen  -  Kranke 


Le  Grand  Motel 


uMniMfl Iffll II8UÜ! 


iii  iiiSii' 


LEYSIN 


an  der  Simplonlinie  F,S2‘* 

1450  m  ü.  M.  Da*  ganze  Jahr  geöffnet. 


Grand  Hotel 
Montblanc 
Chamossaire 
Anglais 


Pension  v.frs.12. — an 
inkl.ärztl.v.  „  11. —  „ 


Behänd-  v. 
lung 


8--, 

9.-,, 


Spezielle  Behandlung  der  Lungentuberkulose  durch  die  Methode  des  Sana¬ 
toriums,  verbunden  mit  Bergluftkur.  Prospekte  franke.  Die  Direktion. 


im  berühmten  Gropallo-Park,  80000  DMtr.  gross. 

Deutsches  Haus  ©raten.  Ranges 
mit  modernster  Einrichtung. 

■  Geöffnet  vom  1.  Oktober  bis  15.  Juni. 


Elektrisches  Liebt  und  Centralheizung.  *  Balcon-Zimmer.  _ 

Warme  Seebäder  in  allen  Etagen.  Kohlensäurebäder.  Kaltwasser-Knren. 
Diätetische  Küche,  sämtlichen  Indicationen  entsprechend,  unter  flrztl.  Aufsicht. 

Curverordnungen  der  hier  ansässigen  Aerzte  werden  ausgeführt. 


Sanatorium  Martinsbrunn  tu  Meran. 

Offene  Kuranstalt  für  interne  und  Nervenkranke 

mit  begrenzter  Aufnahme-Zahl. 

Ausgeschlossen:  Geisteskranke,  Epileptische,  Alkoholiker  und  Tuberkulose  der  Atmungsorgane 

Aerztlicher  Leiter  und  Besitzer. 
Sanitätsrat  Dr.  Norbert  von  Kaan. 


ftaVOS  üillensanalonum  Oberhof 

L4  V  U«  •  •  Dr.  F.  Jessen  ••• 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


I 


r.  Kahlbaum,  Görlitz 

Heilanstalt  für  Nerven-  und  Gemütskranke 

- Offene  Kuranstalt  für  Nervenkranke.  - 


Aerztliches  Pädagogium  für  jugendliche  Nerven-  und  Gemütskranke. . 


SS  Margherita. 


Ciflure.  Ttal.  Riviera. 


mH 


Grosser  Garten  mit  herrlicher  Lage  gegen  Süden.  Prachtvolle  Aussicht  mit 
grosser  Terrasse  aufs  Meer.  Neues  Mobiliar  u.  modern.  Comfort.  Central-Heizung. 
Elektr.  Licht.  Bäder.  Tea-Room.  Mässige  Preise.  Bes.  Antonio  Molfino. 


Gd  Hotel  Eden 

Modernstes  deutsches  Familienhotel, 
(Ctetifersee)  in  allerbester,  ruhigster  Lage  am 

See,  neben  dem  Kursaal.  Garten.  Mässige  Preise. 


Montreux 


Herzoghöhe-  Bayreuth 

Sanatorium 


für  Nerven-  und  Gemütskranke, 
Morphinisten  und  Alcoholiker, 

beiderlei  Geschlechts. 


Am  1.  Februar  1908  Eröffnung  eines  nenerbauten,  ausschliesslich  für 
Nervenkranke  und  Erholungsbedürftige  bestimmten  Curhauses. 

Der  Besitzer  u.  (Urig.  JJrzt:  Dr.  JTlbcrt  Oliirzburger. 


Nizza 


Meyers  PARK  HOTEL 

(St.  Barthelemy) 

Vergrössert,  renov.,  südl.  Lage.  Warmwasserheizg. 
Lift.  Deutsche  Bedienung.  Mäss.  Preise. 


Davos-Dorf 

Neues  Sanatorium 

Heilanstalt  für  Lungenkranke. 

Leitender  Arzt :  Dr.  R.  Wolfer,  gewesener 
I.  Assistent  an  der  mediz.  Universitätsklinik 
(Dir.  Prof.  Dr.  H.  Sahli). 


Perfekte  hygienische 
Einrichtung.  Lift.  Grosses 
Vestibül  und  Terassen. 
Prospekte  und  Auskunft  durch 

Dr.  R.  Wolfer 

oder 

M.  Neubauer,  Proprietäres. 


Kiüii  Teplitz  -  Schönau 

Alkalisoh-saliDisclie Therme 

von  hoher  Radicaktivitäi  von  21-46  •  26°  G.  Böhm  en, 

heil'ft  ■  6lcb>*  ««uraiaien,  6elenkitdfl8h*iten.  Exsudate  etc. 

IlCBBtt  a  Saison  caazjahrij,  Aerite  u.  deren  Familien  befreit  ?.  Kor-  a.  ünsiktaxen  und  erhalten  freie  Bäder. 


WIESBADENER 

Kuranstalten  u.  ^endliche  Institute. 

Abend,  Kuranstalt  für  Ma^en-  und  Darmkranke,  Parkstrasse  30. 

Dr  A  mann  Medtko-mechanisches  Institut,  Anstalt  für  Orthopädie,  Heil- 

a.  "'oou,  gymnastik  und  Massage.  Taunusstrasse  6. 

Dr  Badt.  fßr  Behandlung  von  Bewegungsstörungen,  speziell 

jj  *  •  Gebstörungen,  Ataxie.  Louisenstrasse  19. 

Diötenmüllle  Kuranstalt  für  Nerven-  und  uinere  Kranke.  Sanitäta- 

*  Rat  Ihr.  Waetzoidt« 

Dr.  R.  Priedlaendor’s  Sa'Jalorium  Friedrichshöhe  für  Nerven- 

und  innere  Kranke.  Leberberg  14. 

Dr.  Guradze  O*i1n,rX--0rth«pM.  Institut (Werkatätte,  Köntgenka . hui. 

Wllbelinstr.  3  p.,  ab  1./10.  19o7  Privatklinik,  Mainz«. str.  3 

|  Dr.  Hecker,  Kuranstalt  für  Nervenkranke,  Gartenstraase  4. 

1  T.indpm'hnf  Kuranstalt  für  Nerven-  und  Innere  Kranke.  Dr  van 

DlUUÖIlilü1,  Meenv,,.  Wahlkmühlstrasse  43. 

Nerotal  I?rm- Dr-  F“hr’Nc.b,J  Kuranstalt,  Sanatorium  für  Nerven-  u.  innere 
Kranke.  N.  u  erbaut  19  'ti.  Leit.  Aerite :  Dr.v.  Herff.  Dr.  Lubnwslri 

Dr.  Plessner.  £-urani)taU  fu,„N*,rven-  und  innere  Kranke.  Sonnen- 

*  berg.-i  »nasse  80. 

Dr.  oCiÜOSS  Kuranstalt  für  Magen-  n.  Darmkranke.  Bodenstedtstr.  8. 

Dr.  SchÜtZ,  n.ilM  fwr  ü^,er“ch  ISP°Z-  Verdauungs-  und 

•  ,  Stoffwechsel-)  Kranke  und  Nervöse. 

Dr.  Staffel  /.auder-Lnati  tut,  Anstalt  filx  Orthopädie 

(nx.  Werkstätte),  Heilgymnastik  und  Massage. 

^  —  Prospekte  and  Aaibanfl  durch  die  Anxt&ItKftrzte.  - 

Rlasien 


lm  bäd.  Schwarz¬ 
wald  ,  800  Meter 
m  über  Meer,  rrr 


Sanatorium  Villa  Luiseaheiai 

Wint^rl^lir^n  Nerven'i  Magen-,  Darm-,  Stoffwechselkranke, 

will  ICI  IN  U  I  dl  mit  Ausschluss  voo  Lungenkranken. 

1905  neu  umgebaut  und  modernisiert.  Vorzügliche  Einrichtungen  für  Winter¬ 
büren  (eigene  Wasserheilanstalt).  —  Vollständig  geschützte  Lage.  —  Schnee¬ 
schuh-  und  Schlittelsport.  —  Näheres  durch  die  Prospekte. 

Leitende  Aerzte:  Hofrat  Dr.  Determann  und  Dr.  van  Oordt. 


Cindcnbof  in  £o$u>ig  bei  Dresden 

Sanitätsrat  Dr.  Piersons  Heilanstalt  für  6emüt$- 
und  nervenkranke.  Entziehungskuren. 

Illustrierte  Prospekte  durch  die  Direktion 

_ _  Dr*  tned*  Triedrid)  Cebmann. 


AMSA 


Bartheck 


Post-  u.  Bahnstation 

Gaschwitz 


bei  Leipzig 


Schweiz  -  Luftkurort  f.  Lungenkranke  - 1800  M.  ü.  M 

Hotel  u.  Kurhaus  Ualsaaa 

Modern.  Hans  I.  R.  80  Betten.  Jahresbetrieb. 
Prospekte. 

H  cilanstalt 

für 

jtcrven-  uni)  6emStskranke 

Dr.  med.  H.  Schutz. 

Näheres  im  Prospekt. 


(Riviera) 

bei  Genua 

Miramaro  ~  Dependance  des 
mildlTldre  Grand  Hotel  Moderne, 

für  Herz-,  Nerven-,  Magen-  n.  Stoffwechselkrankheiten,  gynaecolog. 

.  und  urologische  Erkrankungen. 

Diätetische  Küche.  —  Mast-  u  Entfettungskuren.  —  Warme  Meerbäder,  kohlensaure- 
u.  elektr.  Wechselstrombäder,  Eango,  Lichtbad  —  Massage,  Elektrotherapie  etc. 
Haus  des  deutschen  Offiziersvereins,  mit  prachtvoller  Aussicht,  nach  Süden  ge¬ 
legen,  Ceutralheizung,  elektrisches  Licht,  fr  Tuberkulose  ausgeschlossen. 

Deutsches  Personal.  Prosnekte  Dr-  med-  SCHMINCKE, 

Oktober  — Mai.  ’  Sommer  in  Bad  Elster. 

m.  Dr.  Cwcber’s  Sanatorium 

1  Mb*—— ■■  ▼  Oberlosohwits 

WeiBse»  HivBoh  bei  Dresden.  Physik.-diätet.  Kurmetiioden. 

Für  Nerven-,  Stoffwechsel-Kranke  und  Erholungs-Bedurftige. 

Dr.  H.  Tenscher,  Nervenarit,  Dr.  P.  Tenscher,  prakt.  Ar*t.  —  Prospekte. 

Neues  Badehaus,  elektr.  Licht.  Zentralheizung.  Wintevkuv  es. 

Dr.  Eangenbacb’s  Sanatorium 

für  Nerven-  and  Stoffwechsel-  HaaI«  4 

srSLra  “m  necKargemuna 

geöffnet.  Näheres  d.  d.  Prosp.  —  10  Minuten  Fahrzeit  nach  Heidelberg. 


Sanatorium 

Kon  stanzerhof 


für  Nerven- u.Herz- 
Krankheiten 

Konstdnz  (Seehausen)  2 Bodensee . 


Anerkannt  eine  der  schönsten  und  grössten  Kuranstalten 
Deutschlands.  20  Morgen  grosser  Park  Das  ganze  Jahr 
geöffnet.  Ausführl.  illustiv  Prospekte  d.  d.  Verwaltung 
Broschüren  von  Dr.  Büdingen  über  die  im  Sanatorium  geübte 
Behandl.  werden  auf  Wunsch  den  Herren  Kollegen  zugesandt. 
3  Aerzte.  Dirig.  Arzt  Dr.  Büdingen. 


31.  Dezember  1907. 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


15 


Sanatorium  Dr.  Lippert,  LSä: 

(zuletzt  mehrjähr.  Assist,  b.  Geh.  Rat  Prof.  Dr.Fleiner,  Heidelberg).  Mastkuren. 

Baden-Baden  an  Gönneranlagen  nächst  der  Lichtenthalerallee. 

12  Patientenzimmer.  Erstklassiger  Komfort.  Zentral-Heizung.  Prospekte. 


NEU! 


NEU! 


NEU! 


Gärungs-Saccharometer 

nach  Dr.  Uohnstein  (D.  R.  G.  M.)  ermöglicht  in  einfacher  Weise  auch  dem 
in  chemischen  Arbeiten  nfknaiip  Zuckerbestimmung  in  unverdünntem 
Ungeübten  eine  IJCIIC8UC  Urin.  Vorzüge:  1.  der  Harn  braucht  nicht 
verdünnt  zu  werden,  2.  das  als  Messflüssigkeit  verwendete  Glyzerin  ist  von 
dem  Harnhefegemisch  getrennt,  daher  ist  der  Apparat  leicht  zu 
[reinigen,  3.  der  Apparat  ist  infolge  Verwendung  des  leichten  Glycerins 
als  Messflüssigkeit  wenig  zerbrechlich.  Preis  per  Stück  10.80  M. 
mit  Porto  u.  Verp.  Warnung!  Man  hüte  sich  vor  Ankauf  völlig 
unbrauchbarer  Nachahmungen.  Jeder  echte  Lohnsteinsche  Apparat 
trägt  das  Warenzeichen  „Dr.  Lohnstein“  W.  Z.  No.  73015. 

Literatur  und  illustrierte  Vorzugspreislisten  gratis  und  franko. 
Alleinvertrieb:  Heim*.  Noffke,  Apotheker,  Berlin  SW.,  Yorkstr.  19. 

Gegen 

Blutarmuth 

und  vor  nnd  nach  der  Entbindung 

ist 

Dr.  Pfeuffer’s  Hämoglobin 

ein  ausgezeichnetes  Kräftigungsmittel  und  auch  den  bekannten  Beschwerden  tnr 
und  während  des  Unwohlseins  entgegenwirkend.  Preis  3  Mk.  oder  Mk.  1.6  t. 
Ludwigs-Apotheke  zu  München  und  in  den  meisten  anderen  Apotheken.. 

Man  achte  anf  die  Bezeichnung: 

Dr.  Pfeuffer’s  D.  Erfindung  20927  v.  10  Juni  1882. 

eignen  sich  zu  anhai- 
lendem  länger 
währenden  Gebrauch? 

NUR  DIEJENIGEN.  DIE. OHNE  DEN  DARM  STARK  ZU 
REIZEN.  OHNE  ENTZÜNDUNGSERREGEND  ZU  WIR 
KEN.  SCHMERZLOS,  REICHLICH E .  BREIIGE,  NICHT 
SPÄRLICHE  WÄSSERIGE  ENTLEERUNGEN  BEWIRKEN. 


t* 


i ALLE  DIESE  BEDINGUNGEN  ERFÜLLEN  DIE 

PiliAperientes  ..KLEEWEIN 

Sie  bestehen  aus:  Rp.  Ex.fr:  Cascar: sagrad:  Extr  Rhei  chinens:  aa3.0.Podophyllini. 
Exlr.Belladonnae  aa  0.50.  Pulv.  cascar: sagrad: quant. saf :  ut  fian  t. .  ( 

Pil  Nr.  50  Obduc:c.Sacchar:alb et  fol:  argen!:  sie  werden  deshalb 
seil  25Jahren  von  den  Ärzten  aller  Kulturshaaten  bei 
Sluhllrägheil  und  deren  Folg.ekrankheifen  verordnet. 

PREIS  EINER  SCHACHTEL  1.70Mk. 

ZU  BEZIEHEN  DURCH  ALLE  APOTHEKEN 
VERSUCHSPROBEN  AUF  VERLANGEN  GRATIS  UND  FRANKO  DURCH 


KLEEWEINS  .. ADLER  APOTHEKE"  KREMS  b.  WIEN  N.Ö. 


Cacao  Prometheus  und  Xraft-Chocolade 

hergestellt  nach  Vorschrift  des  Herrn  Piol.  von  Mering,  Halle  (Saale) 


von 


£foh.  ffottl,  SCauswaldt ,  SfCagdeburg. 

Hervorragende  Kräftigungsmittel,  vorzüglich  geeignet  für  Kinder  mit 
schwacher  Ernährung,  f.  Reconvalescenten,  Bleichsüchtige,  Abgemagerte  etc. 

VorrfcthiQ  in  Apotheken,  Droouen-  und  Spezereiaeschäfteii. 

Nach  Orten  wo  keine  Niederlagen,  erfolgt  auch  directer  Versand  von  der  Fabrik. 
Den  Herren  Aerzton  Proben  auf  Wunsch  gerne  zn  Diensten. 


Name  geschützt. 


Name  geschützt. 


Extractum  Chinae  „Nanning“ 

(Das  beste  Stomaehicum  der  Gegenwart) 

Zur  Verordnung  bei  den  Berliner  Krankenkassen  zugelassen. 
Indiziert  bei: 

1.  Appetitlosigkeit  Bleichsüchtiger  und  Nervöser  (Dysmenorrhoe 
verschwand  nach  längerem  Gebrauch  dieses  Mittels). 

2.  Appetitlosigkeit  Skrofulöser  und  Tuberkulöser. 

3.  Akutem  und  chronischem  Magenkatarrh. 

4.  Fiebernden  und  Wundkranken. 

5.  Rekonvaleszenten. 

6.  Erbrechen  Schwangerer. 

7.  Chronischem  Magenkatarrh  inf.  Alkoholgenusses. 

8.  Hg-  und  Jodkali-Dyspepsie. 

Alleiniger  Fabrikant :  Dr.  H.  Nanning,  Haag-Holland.  2 

Proben  und  Literatur  kostenfrei. 


Dr.  Möhrings  Sanatorium,  Meu-Coswig  bei  Dresden/ 

für  lungenkranke.  Winter  und  Sommer  geöffnet! 


Die  beste  Versicherung  für  sich  und  ihre  Familien 

bietet  den  College»  die 

Varsicherungskasse  f.d.Aerzte  Deutschlands  a.G.  zu  Berlin 

und  zwar 

Kranken-  und  Unfall-,  Invaliden-  und  Altersversorgungs-,  Sterbe-  nnd 
Witwen-,  Haftpflichtversicherung  nsw. 

Kassenvermögen .  1168027,90  M. 

Stiftungsvermögen .  1289746, —  M. 

Prospekte  und  weitere  Auskunft:  Berlin  NO.,  Landsberger  Platz  3  II. 

Cascara  Dr.  Adler 

(cascara  Sagrada-Extract-Pastillen) 

mit  Chocolade-Ueberzug 

rciisten  Extracf  der  aDflcUaertti  «lihrigex  Eortcx  RDamaxs  Parst»,  beratittllt. 
=  Ideal  und  sleker  wirkendes  Purglrnittel  ohie  |ede  ueangenehae  Nebenerscheinung.  = 

Pro  a  einer  Schachtel  mit  20  Pastillen  .  .  .  Mark  1.10 

„*0  „  ...  „  2.20 

Proben  für  die  Herren  Aerzte  stehen  kostenlos  zur  Verfügung . 

General-Depot  für  Deutschland 

Priv.  Schwanenapotheke  Frankfurt  a.  Btt. 

Zweirad  „System  Foullois“,  Sbfesä“. 

Besond. Vorzüge:  Trappstoss 
freier  Gang,  bequem  zu  be¬ 
steigen,  weicher  Sitz  mit 
hoher,  ganz  gepolst.  Rück 
lehne,  geränm.  Sitzkasten 
30X38X88  cm.,  für  Instru¬ 
mente,  elegant  leicht  u.  solide 
gebaut,  balanciert  leicht  1 
Preis  275  bis  360  M  mit  bester 
Patentachse.  Reflektanten 
gebe  ich  ein  Gig  zur  Probe. 
CI.  Foullois,  Wagenfabrik 
in  Dissen  in  Hannover. 


Carola-Quellen 

reinigen  die  Nieren. 

Herr  Universitätsprofessor  Dr.  Cahn,  Strassburg  i.  E.,  sprach 
gelegentl.  eines  Vortrages  des  ärztl.  hygien.  Vereins  von 
Els.-Lothr.  folg,  wörtl.l 

...  Es  sind  mir  Fälle  bekannt  geworden, 
dass  in  Rappoltsweiler  Nierensteine  abgingen, 
welche  von  einer  Kur  in  Wildungen  resp. 
Karlsbad  unbeeinflusst  geblieben  waren  .  .  . 

Probeflaschen  und  Literatur  stehen  den  Herren  Aerzten  auf  Wunsch 
gratis  und  franko  zur  Verfügung,  auch  erhalten  dieselben 
bei  Bestellungen  zu  eigenem  Gebrauch  Vorzugspreise  bewilligt. 

Carolabad  A.-G .  Rappoltsweiler  (Siidvogesen). 


ges.  gesch.  L  Dr.  Chr.  Brunnengrdbers  „Malzextrakt  In  Krystaltform* 
haltbarstes,  schmackhaftestes  Nährpräparat. 

Professor  Stadelmann  schreibt:  1  Esslöffel  besitzt  den  Wert  eines  Eies. 
Große  Erfolge  bei  Unterernährung,  Rachitis,  Ikterus  u.  allen  Schwächezuständen 
-—Bester  Ersatz  für  alle  Lebertranpräparate.  —  Maltocrystol  mit  allen  Zusätzen 
wie  Eisen.  Kalk,  Lecithol.  Jod-Elsen,  Pepsin.  Hopfen 

jtfal  tocrystol  mit^ämol  vonprojf.  Koberl 

vorzüglich  wirksam  bei  Blutarmut  und  Lungenerkrankungen. 


Infolge 


»eines  angenehmen  Geschmackes  von  den  Patienten  auf  die  Dauer 
gern  genommen  und  dem  Hämatogen  vorgezogen. 

Proben  gratis  '  Jon  Dr.  Chr.  Brunnengräber,  Rostock. 

- Erädltlich  ln  den  Apotheken.  ■ 


m 

m 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


Hygiopon 


HYGIOPON 


„Liquor  ferro-ferrichlorati  electr.  paratus  “ 
ein  auf  elektrochemischem  Wege  hergestelltes 

Neues  Eisenpräparat 

bewährt  sich  hervorragend  bei 

BLEICHSUCHT  und  BLUTARMUT 
MENSTRUATIONSBESCHyERPEN 

infolge  anämischer  Zustände, 

SCROFULOSEjTUBERRULOSE 
NERVENLEIPEN, 

ferner  bei  Schwächezuständen 
nach  Operationen, '  Geburten 
und  schwer  ein- 


ergiebt  in  seiner  Dar¬ 
stellung  und  Wirksamkeit 
eine  völlig  neuartige  Methode 
der  direkten  Kräftigung  und 
Ernährung  krankhaft  veränderten  Blutes. 


greifenden  Erkran¬ 
kungen  edler 
Organe. 


Hygiopon  ist  dasEisen  in  einerForm  gelöst, 

welche  dem  Vorkommen  des  Eisens  im  tierischen 
Organismus  ausserordentlich  nahe  kommt. 
Hygiopon  enthält^  neben  Eisen  intensiv  oxidationsfähigen 

V°n  ärztlichen  Autoritäten  glänzend  begutachtet  und  empfohlen. 


Preis  der  Original 
flasche  Mk.  3.— 


Dosierung: 

A.  Für  Erwachsene  2-3  mal  täglich  2-5  Tropfen. 

7i  .......  .  .  B*  Für  Kinder  und  Magendarmkranke  2— 3  mal  tägl. 

Zu  beziehen  durch  die  Apotheken.  1— 3Tropfen  in  einem  Weinglas  Wasser,  Limon.etc. 

Literatur  und  Probeflascben  stehen  den  Herren  Aerzten  kostenlos  zur  Verfügung. 

Berliner  elektrochemische  Werke  G.m.b.H.  Berlin  W.  9. 


Schutzmarke.  Aromatischer  Pepsinwein 

von  C.  Blell,  Raths-Apotheke,  Magdeburg. 

Laut  Analyse  der  vereidigten  Chemiker  Alberti  &  Hempel, 
Magdeburg,  mindestens  um  das  Dreifache  wirksamer  als 
die  bekanntesten  ähnlichen  Präparate.  Ausführliches 
Gutachten  liegt  jeder  Flasche  bei. 

Uon  vielen  flerxten  als  vorzügliches  mittel  hei 
Bleichsucht,  Appetitlosigkeit  und  Itlagencatarrh  ver¬ 
ordnet,  für  Beconvalescenten  von  grossem  iüerthe. 

Zu  haben  in  Apotheken  oder  direct  zu  beziehen  in  Flaschen  zu  4,50  Mk. 
2  Mk.  und  1  Mk.  Man  achte  auf  meine  Schutzmarke. 


Mit  «nd  ohne  Verdeck  lieferbar. 

Erste  Referenzen. 

Kurze  Lieferfristen. 

Acht  Jahre  erprobt. 

Der  Maurer  Union  Wagen  ist  ob  seiner  idealen  Ein¬ 
fachheit  bei  höchster  Vollkommenheit  das  einzig 
dastehende  Berufsfahrzeug  für  den  Arzt. 

Man  verlange  Katalog  Nr.  13 

Hornberger  Motorfahrzeuge -Fabrik  „Union“  6.  m.  b.  H. 


Extraet  Thymi  Kern 

in  3  Concentrationen : 

I.  concentriert,  herb;  II.  wohlschmeckend,  75%;  HI.  süss  für  Kinderpraxis  45%. 

Best  empfohlen  gegen  Keuchhusten,  Asthma,  Bronchial-Katarrh, 
Phtnise  etc.,  Vgl.  Prof.  E.  Fischer:  „Ueber  neuere  Thymianpräparate“ 
Deutsch  med.  Wochenschr.  1903.  S.  450. 

(Proben  stets  gerne  gratis  zu  Diensten.)  (In  Originalflaschen  I  =  M.  2.50 
II  und  III  =  Mk.  1.80  sowie  in  loser  Packung  zu  billigsten  Preisen.) 

F.  Walther,  Strassburg  i.  Eis.,  Rheinziegelstrasse  12. 

Inhaber:  Frau  F.  Walther  Wwe  ,  Dr.  H.  Kern,  Apotheker  und  Chemiker. 


HYPOPHOSPHII 

COMP 
.l(hDr  EGGER 


HERVOR 
RAGENDES 
EISENPRÄPARAT, 

HEI 

NE 

ANAEMIE  ETC. 


ii 


VON  DEN 
BEDEU¬ 
TENDSTEN 
KLINIKERN 
EMPFOHLEN. 


AUTORISIRTE  KASSENPACKUNG  100  GRAMM  80  PFENNIGE 

ERHÄLTLICH  IN  ALLEN  GRÖSSEREN  APOTHEKEN. 

PROBEN  UND  LITERATUR  VERSENDET  DIE  p, 

REICHSPALATIN  APOTHEKE  BUDAPEST. 


Ä«** 

Xv;.-.  •'-•'•  ...: 


31.  Dezember  1907. 


Rot*  u.  Welss weine  flaschenreif 

Pr-  Carl  Wack,  ,  ÄSL. 

Malkammer,  (Rheinpfalz). 

Wag  en- Verkauft  Lederlandauer, 
Glaslandauer,  Phaeton,  Coup6,  Land- 
aulett,  Landschützer,  Sandläufer,  Breaks, 
Einspännerwägerl,  Chaiserl  u.  Schlitten 
sind  staunend  billig  zu  verk.  Ludwig 
Hof,  Wagenfabrikant  und  Hoflieferant, 
Straubing  574. 

Bortnghera  (Riviera  Ponente) 

Dr.  Paul  Hänel, 

im  Sommer  in  Bad  Naulielm, 
_ praktiziert  wie  früher. 

Godeshöhe 

bei  Bad  Godesberg  am  Rhein. 

Kuranstalten  für  Nerven-  and  Gemüts- 
Leidende  beiderlei  Geschlechts.  Neu 
erbaut,  in  landschaftlich  si  hönster  Lage 
Der  Neuzeit  entsprechend  eingerichtet 
Dr.  Bernard.  >  r  oepplenberg 


uathymin 1 

„Lepehne“  D.  E.  W.  67885 
ist  ein  hervorragendes  Mittel  bei 
allen  Erkrankungen  der  Luftwege 
z.  B.  Bronchialkatarrh,  Luftröhren¬ 
katarrh,  Lungenkatarrh,  Keuch¬ 
husten  sowie  jed.  länger  dauernden 

Husten. 

Flasch eä  1.20  M.  in  allen  Apotheken. 
Wo  nicht  erhältl.,  versendetdirekt 

Apotheker  G.  Lepehne 

KÖNIGSBERG  I.  PR. 


*)  Bestandteile:  Kalium  sulfogua- 
jacol  7  Teile,  Thymian-Extrakt 
4  Teile,  Arom-  Substanzen  2  Teile, 
gereinigter  Honig  und 
Glyzerin  zu  100  Teilen. 


h 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


Heilanstalt  für  H an tk ranke 

I  li  sohflnit.  Lage.  Gr.Garten.  Comfort,  Elnrlchtg, 
Prosp.  frei. 


s  ■  io  lonon»,  Lage.  er. Barten, 

Heidelberg 


Dr.  A.  Sick. 


Nauheim 


Sanatorium 
Siegfried 
für  Herz-  und 
Nervenleiden 
mit  Luftbad¬ 
anlage.  Auch 
Externbehdlg. 
Dr.  M.  Siegfried. 


tori 


Stromberg  (Hunsrück). 

Kuranstalt  für  Herz-,  Nerven-  und 
Stoffwechselkrankheiten.  —  Entziehungs¬ 
kuren.  —  Sommer-  und  Winterkuren. 
Besitzer  und  leitender  Arzt: 

Dr*.  med.  Paltzow. 


# 

an  der  Bergs  trassse 

(O  weibl.  Lungenkranke 


des 


weibl. 

gebildet. 


& 

U73 

V-* 

cn 


Mittelstandes. 


Nlk.  4.—  bis  6.50  pro  Tag. 

.  Sommer- u.Winterkur. 


Prosp. 


Dr 


d.  leitend.  Arzt 

.  Schütz. 


Valentine’8 

Fleischsafb 


Denn  Ultramobile  sind  kein  Neulings¬ 
produkt,  sondern  der  Extract  langjähriger  Er¬ 
fahrungen,  im  Bau  leichter  Selbstfahrer  für 
Aerzte,  Landwirte,  Geschäftsleute  etc. 

JJer  praktische  Wagen  für  den 
praktischen  Mann  ! 

Neues  Modell  1908,  4  Cylinder  6/12  HP. 

Niedrigste  Steuerklasse.  Man  be¬ 
sichtige  die  Ultramobile  1908.  Um 
sich  von  der  idealen  Gangart  und 
leichten  Bedienung  zu  überzeugen. 
Man  vergleiche  Preise  und  Qualität, 
Leistungsfähigkeit,  Lenkbarkeit,  Zu- 
verlässigkeit'und  Aussehen.  Man  überzeuge  sich  ebenfalls  von  der  soliden  Arbeit,  Material 
und  der  vollendeten  Ausführung.  Vorurteil  wird  davon  fliegen!  Zweifel  dem  Vertrauen 
Platz  machen.  Ein  Vergleich  öffnet  die  Augen. 

Zweisitzer  Mk.  4500.—  Viersitzer  Mk.  4800.— 


Fährt  auch  mit  Benzol  40%  billiger  als  Benzin! 


Deutsche  Ultramobilgesellschaft  m.  b.  H. 

BERLIN-HALEN SEE,  Kurfürstendamm  97. 


Bewährt  am  Krankenbette  und 
erprobt  durch  die  hervor¬ 
ragendsten  Aerzte  der  Welt, 


als  bestes  Kräftigungs¬ 
und  Anregungsmittel  bei 
Schwächezuständen 
und  Kräfteverfall. 


Zu  haben  ln  allen  Apotheken  und 
einschlägigen  Geschäften. 


Haupt-Niederlage  für  Deutschland 

W.  Jtfiekk,  Schwanapotheke 

HAMBURG  I. 


Bio  malz  ist  reiner  Malzextrakt 

mit  phosphorsauren  Kalksalzen.  Garantiert 
.  alkoholfrei.  Wohlschmeckendes  Nähr-  und 
Kräftigungsmittel  für  Rekonvalescenten , 
Kinder,  Blutarme,  Nervöse  etc. 

friebtflüfilg.  Ä“  mutterrnllch. 

Proben  gratis  von  der 

Oiemifdien  Fabrik  öebr.  Patermann,  Berlin-Friebenau  60. 


1 


MF*-  Mur  die 

Holländische  Säuglingsnahrung  (H.S.) 

- -  -  ist  aus  wirklicher  Buttermilch  bereitet:  ■=■-.  .  : 

Durch  diese  Tatsache,  sowie  durch  die  besondere  Art 
der  Herstellung  (Müller’sches  Verfahren)  erklären  sieb 
die  auffallend  günstigen  Resultate,  die  den  Ruf  der 
H  8.  als  hervorragendes  Diätetiknm  begründet  haben 
Literatur  durch  die  Milchanstalt  Staudt  &  Co.,  Vilbel  (Hessen). 


MUENCHENER  MEDIZINISCHE  WOCHENSCHRIFT. 


No.  53. 


ßirresboi'K3' 

Linden  Quelle 

^%4erNahoiiS®s^ 


gefüllt  ohne  jeden  Zusatz  oder  Ausscheidung 

wie  das  Wasser  der  Quelle  entfliesst. 

Der  reiche  Natrongehalt  der  Lindcn-Quelle  (2,93  pr.  m),  reichlich  Lithion  and 
Magnesia,  sehr  wenig  Kalk,  ihr  guter  Gehalt  an  fast  völlig  gebundener  Kohlensäure, 
die  günstige  andere  Mineralisation  machen  sie  zu  einem  wohlschmeckenden  Tafel¬ 
getränk  und  zu  einem  Prophylaktikum  ersten  Ranges  gegen  Nieren-«  Harn* 
und  Blasenleiden,  Gicht  und  Diabetes  mit  allen  Folgeerscheinungen. 

Die  Linden-Quelle  findet  wegen  hervorragender  Heilwirkung  allgemeine  freudige 
Aufnahme  und  ungeteilte  Anerkennung  der  Aerzte.  Prospekte  und  Proben  für  Aerzte 
und  Krankenhäuser  stehen  jederzeit  zur  Verfügung. 

Aerzten  zum  eigenen  Gebrauch  Vorzugspreise. 

Käuflich  ist  die  Linden-Quelle  in  allen  Apotheken,  Drogerien  und  Miner&lwaiser- 
handlungen  oder  durch  die 


Bei  N cry cnerkraiikungeii  und  Neurasthenie 

Syrupus  Colae  comp.  „Hell“. 

Ein  neues  Kolapräparat  zur  Behandlung  funktioneller  Nervenerkrankungen.  Infolge  der  vorzüglichen  Wirkung 
hat  sich  dieses  gegen  Neurasthenie  und  Erschöpfung  erprobte  Kolapräparat  rasch  eingeführt  und  bei  mehr 

als  200000  Kranken  bewährt. 

Der  80  Druckseiten  umfassende  Sammelbericht  enthält  alle  wichtigeren  Abhandlungen  über  „Syrupus  Colae  comp.  Hell“  und  200  ärztliche  Gutachten. 
Dieser  Bericht  und  die  neueste  Arbeit  von  Herrn  Dr.  Jos.  B er ze,  Primarius  an  der  nied.-öst.  Landes-Irrenanstalt,  werden  auf  Verlangen  franko  zugesandt. 

Für  Diabetiker  werden  PilliloA  PnltaA  r-v  LJ  Ä  I  I  frei  von  allen  Kohlen- 

an  Stelle  des  Syrups  »»  rllUlaC  V/UldC  00(11  p.  fl  0  II  hydraten  erzeugt.  — < 

Eine  Pille  enthält  die  wirksamen  Bestandteile  eines  Kaffeelöffels  Syrup. 

Warnung!  Wir  bitten  die  Herren  Aerzte,  ausdrücklich  Syrupus  Colae  «•«  Der  Verkauf  findet  in  den  Apotheken  auf  ärztliche  Verordnung 
comp  Hell  zu  ordinieren,  da  in  einzelnen  Apotheken  willkürliche  statt  und  kostet  eine  grosse  Flasche  M.  4—,  eine  kleine  M.  2.50, 

Kombinationen  expediert  werden.  -  1  Fl.  Pillen  von  50  Stück  M.  2.50. 

Literatur  und  Proben  gratis  von  O,  Mell  O  m  p.  in  TroppaU, 


Ncu^S  internes 


JOd-(EiwSfs's)  Präparat 


♦ 


V 


UNIVERSfTY  OF  ILLINOIS- 


URBANA 


^112  1 1Q714«ac